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Full text of "Altpreussische Monatsschrift"

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Altpreussische 

Monatsschrift 

neue  Folge. 

Der 

Heuen  Preussisden  Proviiisial-BIätter 

vierte  Folge. 


Herausgegeben 


von 


Rudolf  Reicke  und  Ernst  Wiehert. 


Neunundzwanzigster  Band. 
Der  Preussischen  Pro  vi  nzial -Blätter  LXXXXV.  Band. 


Mit  Beiträgen 

von 

E.  Arnoldt,    O.   Beckherrn,    W.   BrOning,    H.   Ehrenberg,    H.   Frischbier  f, 

E.   Hall i er,     A.   Lentz,     P.  v.   Lind,     J.   Reicke,     F.   Ruhl,     J.  Sembrzycki, 

A.  Seraphim,  R.  Sprenger,  W.  Tesdorpf,  A.  Treichel  und  Ungenannten. 

Mit  15  Tafeln. 


Königsberg  in  Pr. 

Verlag  von  Ferd.  Beyer' s  Buchhandlung. 

1892. 


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Alle  Rechte  bleiben  vorbehalten. 


Herausgeber  und  Mitarbeiter. 


Inhalt. 


I.    Abhandlungen. 

Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  im  dreizehnjährigen 
Städtekriege.     Von   Wilhelm    Brüning.    1—69.     Berichtigung  212. 

Zu  Johann  Christoph  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königsherger  Uni- 
versität.   Von  Johannes  Reicke.    70 — 160. 

Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen.  Von  A.  Treichel. 
151-212. 

Kant  über  den  ewigen  Frieden.    Von  Franz  Bühl.    213—227. 

Die  Schotten  und  Engländer  in  Ostpreußen,  und  die  „Brüderschaft  Groß- 
Britannischer  Nation"  zu  Königsberg.  Von  Johannes  Sembrzycki. 
228-247. 

Die  Wappen  der  Städte  Alt -Preußens.  Von  C.  Beckherrn.  Mit  fünf- 
zehn Tafeln.    248 — 313.    Berichtigung  und  Zusatz  569. 

Ueber  Auswanderungen  lettischer  Bauern  aus  Kurland  nach  Ostpreußen 
im  17.  Jahrhundert.    Von  A.  Seraphim.    317—331. 

Preußische  Volksreime  u.  Volksspiele.    Von  H.  Frisch  bier  (Schluß).  332-363. 

Die  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens  zu  dem  Bischof  Christian  von  Preußen. 
Von  A.  Lentz.    364—399. 
ö    Zur  Beurth eilung   von  Kant's  Kritik   der  reinen  Vernunft  und  Kant's  Pro- 
legomena.       Anhang    No.   4    und   No.   5.       Von    Emil    Arnoldt 
400-446.    465-564. 

Postalisches  aus  Preußen.    Von  A.  Treichel.    565—568. 

II.    Kritiken  und  Referate. 

P.  von  Lind,  „Kant's  mystische  Weltanschauung11,  ein  Wahn  der  modernen 

Mystik.    Von  Ernst  Hallier.    447—450. 
A.  Hensel,   Masuren.     Ein    Wegweiser   durch   das    Seengebiet  und  seine 

Nachbarschaft.    Von  B.    450—451. 
Die  landeskundliche  Litteratur  der  Provinzen  Ost-  und  Westpreußen.    Von 

J.  Sembrzycki.    451—453. 
Sitzungsberichte  des  Vereins  für  die  Geschichte  von  Ost-  und  Westpreußen. 

1891/92.    Mitgetheilt  von  Dr.  W.  Tesdorpf.    453—462. 
Bot ti eher,  Adolf,  die  Bau-  und  Kunstdenkmäler  der  Provinz  Ostpreußen. 

I.    IL    Von  Hermann  Ehrenberg.    570—576. 


IV  Inhalt. 

Hai  Her,  Ernst,  die  socialen  Probleme  und  das  Erbrecht.  Von  P.  von  Lind. 
576-578. 

Mierzynski,  Ant.,  Mythologiae  Lituanicae  Monumenta.  —  Co  znaczy  Sicco. 
Von  J.  Sembrzycki.    578-680. 

K^trzynski,  W.,  Biblioteka  Wiktora  Hr.  Baworowskiego  Von  J.  Sem- 
brzycki.   581—582. 

Nadmorski,  Kaazuby  i  Kociewie.     Von  J.  Sembrzycki.    582. 

III.  Mlttheilmireii  and  Anhang* 

Zu  Simon  Dachs  „Anke  van  Tharau".    583. 
Universitäts-Chronik.    314-316     468.    584. 
Lyceum  Hosianum  in  Braunsberg.    316.    463. 
Notiz.    4h4. 


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Monatsschrift 


neue  Folge. 

Der 

ITeuen  Itaissischen  fröTinaal-Blatter 

Tierte  Folge. 

Herausgegeben 


tron 


Rudolf  Reicke  und  Ernst  Wiehert, 


Der  Monatsschrift  XXIX.  Band.    Der  Provinzialblätter  LXXXXV.  Band. 


Erstes  und  zweites  Heft. 

Januar  —  März  1892. 
Ausgegeben  im  Juni  1892. 


Königsberg  in  Pr. 

Verlag  von  Ferd.  Beyer' s  Buchhandlung. 

(Thomas  &  Oppermann.) 

1892. 


Inhalt. 


Abhandlungen.  Seite 

Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  im 

dreizehnjährigen    Städtekriege  von  Wilhelm  Brüning      1—69 

Zu  Johann  Christoph  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königs- 
herger Universität.    Von  Johannes  Reicke 70—150 

Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

Von  A.  Treichel 151—212 

Berichtigung 212 


Alle  Rechte  bleiben  vorbehalten« 


Herausgeber  und  Mitarbeiter. 


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JUL   25   1892 

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Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen 
Orden  im  dreizehnjährigen  Städtekriege. 


I.  Teil. 

Von 

Wilhelm  Bruning. 


Einleitung. 

Das  Bistum  Ermland  und  der  preussische  Bund  vor  1454. 

Die  Bemühungen  Heinrichs  von  Plauen,  durch  die  Bildung 
des  Landesrates  dem  berechtigten  Streben  der  preußischen 
Stände  nach  politischer  Bethätigung  Genüge  zu  thun,  waren 
ohne  Erfolg  geblieben,  ja  gerade  diese,  hohe  staatsmännische 
Klugheit  bekundende,  That  wurde  von  den  verblendeten  Ge- 
bietigern  zum  Hauptpunkt  der  Anklage  in  dem  schmachvollen 
Prozeß  gegen  den  Better  des  deutschen  Ordens  erhoben.  Als 
unter    der   Regierung   Pauls   von   Bußdorf  die   Forderung    des 


Zur  gefälligen  Beachtung. 

Zwingende  Gründe  veranlassen  uns,  die  „AltpreU88i8Che 
Bibliographie"  von  jetzt  ab  am  Schluß  des  Jahrganges  als 
„Supplement-Heft"  unter  möglichst  billiger  Berechnung  er- 
scheinen zu  lassen. 

Die  Verlagsbuchhandlung. 


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Der   alte   Erfahrungssatz,    dass    eine    in   inrer  . 
stehen    bleibende    Gesetzgebung    Gesetzlosigkeit    erz< 
auch  in  Preußen  wieder  seine  Bestätigung.     Die  Tau 
rechtigter  Hofihungen  erregte  die  Gemüter  der  Landoi 
Bürger    der   reichen  Städte,    denen   ohnehin   schon   ei 
hochfahrender  Sinn   eigen   war;    der  Krieg  mit  Polen. 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX  Hft,  U2.  1 


Inhalt. 


Abhandlungen.  Seite 

Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  im 

dreizehnjährigen    Städtekriege  von  Wilhelm  Brüning      1—69 

Zu  Johann  Christoph  Gottscheds  Lehrjahren  auf  der  Königs- 
berger Universität.    Von  Johannes  Reicke 70 — 150 

Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

Von  A.  Treichel 151-212 

Berichtigung 212 


Alle  Rechte  bleiben  vorbehalten. 


Herausgeber  und  Mitarbeiter. 


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JUL   25   1892 

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Die  Stellung  des  Bistums  Er  ml  and  zum  deutschen 
Orden  im  dreizehnjährigen  Städtekriege. 

I.  Teil. 

Von 

Wilhelm  Brüning. 


Einleitung. 

Das  Bistum  Ermland  und  der  preussische  Bund  vor  1454. 

Die  Bemühungen  Heinrichs  von  Plauen,  durch  die  Bildung 
des  Landesrates  dem  berechtigten  Streben  der  preußischen 
Stände  nach  politischer  Bethätigung  Genüge  zu  thun,  waren 
ohne  Erfolg  geblieben,  ja  gerade  diese,  hohe  staatsmännische 
Klugheit  bekundende,  That  wurde  von  den  verblendeten  Ge- 
bietigern  zum  Hauptpunkt  der  Anklage  in  dem  schmachvollen 
Prozeß  gegen  den  Better  des  deutschen  Ordens  erhoben.  Als 
unter    der   Regierung   Pauls    von   Rußdorf  die   Forderung    des 

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Zur  gefälligen  Beachtung. 

Zwingende  Gründe  veranlassen  uns,  die  „Altpreuosische 
Bibliographie"  von  jetzt  ab  am  Schluß  des  Jahrganges  als 
„Supplement-Heft"  unter  möglichst  billiger  Berechnung  er- 
scheinen zu  lassen. 

Die  Verlagsbuchhandlung. 


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Der   alte   Erfahrungssatz,    dass   eine    in   uirer  . 
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auch  in  Preußen  wieder  seine  Bestätigung.     Die  Tau 
rechtigter  Hoffnungen  erregte  die  Gemüter  der  Landet 
Bürger    der   reichen  Städte,    denen   ohnehin   schon   eil 
hochfahrender  Sinn   eigen   war;    der  Krieg  mit  Polen 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX  Hit.  1  u.  2.  1 


Inhalt. 


Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  im 

dreizehnjährigen    Stftdtekriege  von  Wilhelm  Brüning      1—69 

Zu  Johann  Christoph  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königs- 
herger Universität     Von  Johannes  Reicke 70-150 

Provinzielle   Sprache   zu   und   von  Thieren  und  ihre  Namen. 

Von  A.  Treichel 151-212 

Berichtigung 212 


-  Alle  Rechte  bleiben  vorbehalten. 


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JUL   25   1892 

4lbrar1 


Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen 
Orden  im  dreizehnjährigen  Stadtekriege. 

I.  Teil. 

Von 

Wilhelm  Brnning. 


Einleitung. 

Das  Bistum  Ermland  und  der  preussische  Bund  vor  1454. 

Die  Bemühungen  Heinrichs  von  Plauen,  durch  die  Bildung 
des  Landesrates  dem  berechtigten  Streben  der  preußischen 
Stände  nach  politischer  Bethätigung  Genüge  zu  thun,  waren 
ohne  Erfolg  geblieben,  ja  gerade  diese,  hohe  staatsmännische 
Klugheit  bekundende,  That  wurde  von  den  verblendeten  Ge- 
bietigern  zum  Hauptpunkt  der  Anklage  in  dem  schmachvollen 
Prozeß  gegen  den  Retter  des  deutschen  Ordens  erhoben.  Als 
unter  der  Regierung  Pauls  von  Rußdorf  die  Forderung  des 
Landes  nach  einer  Erneuerung  des  Landesrates  immer  drin- 
gender wurde,  sah  der  Hochmeister  sich  schließlich  zu  einer 
Beratung  über  diese  Angelegenheit  mit  den  Ständen  genötigt. 
Das  Resultat  derselben  war  aber  nur  die  Einsetzung  des 
kümmerlichen  Instituts  des  geheimen,  aus  vier  Landesrittern 
bestehenden  Rates,  der  in  keiner  Weise  einen  nachhaltigen  Ein- 
fluss  auf  die  Landesverwaltung  ausübte.  Auch  das  „Gericht  der 
gemeinen  Lande",  das  Paul  von  Rußdorf  bewilligte,  hörte  nach 
zweimaliger  Wirksamkeit  auf  zu  existieren  und  änderte  nichts 
an  dem  traurigen  Zustande  der  Rechtspflege  im  Ordenslande. 

Der  alte  Erfahrungssatz,  dass  ele  in  ihrer  Ausbildung 
stehen  bleibende  Gesetzgebung  Gesetzlosigkeit  erzeugt,  fand 
auch  in  Preußen  wieder  seine  Bestätigung.  Die  Täuschung  be- 
rechtigter Hoffnungen  erregte  die  Gemüter  der  Landesritter  und 
Bürger  der  reichen  Städte,  denen  ohnehin  schon  ein  starrer, 
hochfahrender  Sinn   eigen    war;    der  Krieg  mit  Polen   und    der 

Altpr.  Mon&tuohrift  Bd.  XXIX.  HfL  1  n.  2.  1 


2  Die  Stellung  des  Bistums  Eimland  zum  deutschen  Orden  etc. 

Hussiteneinfall  steigerte  die  auch  durch  unglückliche  Natur- 
ereignisse hervorgerufene  allgemeine  Notlage  im  Lande  und  ver- 
wüstete weite  Strecken,  besonders  im  Kulmerland,  dem  Herde 
de*  Opposition ;  dazu  kam  die  Einführung  neuer  Zölle  und  der 
Niedergang  des  Handels  durch  die  Konkurrenz  des  Ordens;  und 
zuletzt  noch  das  tiefgehende,  an  Anarchie  grenzende,  Zerwürfnis 
im  Orden  selbst:  der  Streit  des  Deutschmeisters  mit  dem  Hoch- 
meister und  der  kleinliche  Zank  zwischen  ober-  und  nieder- 
deutschen Mitgliedern  der  Ordenskonvente,  Zerwürfnisse,  die  zur 
Demütigung  des  Hochmeisters  führten  und  die  ohnehin  schon 
sehr  beeinträchtigte  Achtung  der  Unterthanen  vor  ihren  Herren 
vollends  untergrub:  alle  diese  und  andere  Gründe  mehr  —  Ver- 
letzung der  Landesrechte,  Verschlechterung  der  Münze  —  Hessen 
bei  den  Führern  der  Stände  immer  mehr  den,  Entschluss  zur 
Reife  gelangen,  einer  Regierung  gegenüber,  die  nur  Unglück 
über  ihre  Unterthanen  zu  bringen  schien,  auf  „Sicherung  der 
Interessen  durch  eigene  Kraft"  bedacht  zu  sein.1) 

Und  dennoch,  so  schlimm  in  mancher  Hinsicht  die  Zu- 
stände im  Ordenslande  waren,  so  berechtigt  viele  Beschwerden 
der  Unterthanen  klangen  —  es  waren  darunter  auch  manche 
sehr  unbegründete2)  —  so  wenig  man  gegen  einen  engen  Zu- 
sammenschluss  derjenigen  Kreise,  die  gleiche  Interessen  ver- 
fochten, einwenden  kann:  die  Stände  hätten  doch  davor  zurück- 
schrecken müssen,  einen  Bund  zu  stiften,  der  im  Grunde  eine 
durchaus  revolutionäre  Tendenz  besaß.  Diese  machte  eine  legale 
Auseinandersetzung  der  streitenden  Parteien  von  vornherein  un- 
möglich und  führte  den  preußischen  Bund  denn  auch  nach 
kurzer  Zeit  zu  so  ungesetzlichen  und  antinationalen  Handlungen, 
dass  die  Sympathie,  die  jeder  gerecht  Urteilende  ihm  entgegen 
bringen  muß,  fast  ganz  aufgehoben  wird.8) 


1)  M.  Toppen,   Akten  der  Ständetage  Ost-  und  Westpreußens  (St  A.) 
II,  283. 

2)  E.  Wiehert,   Die  politischen    Stände  Preußens.    Altpreuß.  Monats- 
schrift.   Jahrg.  1868,  S.  233. 

3;  Ranke,  12  Bücher  preußischer  Geschichte.    I,  115. 


Von  Wilhelm  Brüning.  3 

Schon  im  Jahre  1438  hatten  die  Kulmer  den  Beschluß  ge- 
faßt, eine  allgemeine  Vereinigung  des  Landes  zu  stände  zu 
bringen,  um  ihre  Forderungen  durchzusetzen.  Er  kam  damals 
noch  nicht  zur  Ausführung,  aber  auf  den  Ständetagen  von 
1438 — 1440,  auf  denen  in  sehr  erregten  Debatten  über  die  Ab- 
schaffung des  zu  Unrecht  auferlegten  Pfundzolls  gestritten  wurde, 
schlössen  sich  die  Stände  immer  enger  zusammen.  Ueberhaupt 
dienten  die  vielen  Tagfahrten  nur  dazu,  die  Opposition  der 
Stände  gegen  den  Hochmeister  zu  kräftigen.  In  der  Verständi- 
gung und  gemeinsamen  Beilegung  der  Uebelstände  that  man 
keinen  Schritt  weiter. 

Das  Bistum1)  Ermland  ist  auf  den  Ständetagen  vor  1440 
nur  spärlich  vertreten,  obwohl  seinen  Bewohnern  das  Recht  zu- 
stand, an  den  Tagfahrten  der  Ritterschaft  und  Städte  des  übri- 
gen Landes  teilzunehmen.2)  Auch  der  thatkräftige  Bischof  von 
Ermland,  Franz  Kuhschmalz,  spielt  auf  ihnen  noch  nicht  die 
bedeutende  Rolle,  die  er  später  nach  der  Stiftung  des  Bundes 
aus  Ueberzeugung  im  Interesse  des  Ordens,  aber  nicht  immer 
zum  Nutzen  desselben,  übernahm.  Von  den  Städten  beschickte 
die  Tagfahrten  überhaupt  nur  Braunsberg;  eine  Vertretung  der 
Ritterschaft  fehlt  ganz.     Eine  Zeit  lang,    vom  24.  August  1438 


1)  Unter  dem  „Bistum*4  Ermland  verstehen  wir  nicht  den  gesamten 
bischöflichen  Sprengel,  der  außer  Ermland  selbst  im  Westen  und  Süden  das 
kleine  Pogesanien,  im  Osten  Natangen  und  Barten  umfaßte  (Karl  Lohmeyer, 
Gesch.  von  Ost-  u.  Westpr.  I,  88),  sondern  das  Drittel  dieses  Sprengeis, 
welches  Bischof  und  Domkapitel  als  weltliche  Herrschaft  mit  allen  Hoheits- 
rechten besaßen  und  welches  im  Ganzen  dasselbe  Gebiet  ist,  das  gegenwärtig 
die  Landratskreise  Alienstein,  Braunsberg,  Heilsberg  nnd  Rössel  bildet  (Saage, 
Die  Grenzen  des  ermländischen  Bistumssprengeis  in  der  Ermländischen  Zeit- 
schrift. I,  51).  Dieser  bischöfliche  Landesteil  fuhrt  auch  gleich  von  Anfang 
an,  wenigstens  schon  seit  1280,  den  Namen  Bistum,  Episcopatus  x«r'  Ifaxrjv. 
(A.  Thiel,  Beiträge  zur  Verfassungs-  und  Rechtsgeschichte  Ermlands.  Ermld. 
Ztechr.  in,  667.)  Die  bischöflichen  Aemter  im  Bistum  waren  Braunsberg, 
Wormditt  (mit  Guttstadt),  Heilsberg  (mit  Rößel,  Seeburg,  Wartenburg,  Bischof- 
stein und  Bischofsburg).  Das  Domkapitel  besaß  das  Amt  Frauenburg,  die 
Vogtei  Mehlsack  und  das  Amt  Alienstein.  (Lotar  Weber,  Preussen  vor 
600  Jahren.    S.  480  ff.) 

2)  M.  Toppen,  Altpreuß.  Monatsschrift.    Jahrg.  1868,  S.  531. 

1* 


4  Die  Stellang  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

bis    zum   4.  Februar  1439    hat   sogar  Braunsberg   6  Tagfahrten 
ohne  Teilnahme  vorüber  gehen  lassen. 

Der  Wunsch  nach  dem  Wiedererscheinen  Braunsbergs 
wurde  auf  der  Tagfahrt  zu  Elbing  am  10.  Januar  1439  ausge- 
sprochen.1) Fortan  fehlten  dann  die  Gesandten  der  Stadt  auf 
keiner  Versammlung.  Eine  Vertretung  der  ermländischen  Ritter- 
schaft finden  wir  aber  erst  auf  dem  Ständetag  zu  Elbing  am 
21.  Februar  1440  durch  Hans  von  Wargell.2)  An  diesem  Tage 
wurde  die  Urkunde  der  lange  geplanten  Verbindung  der  Stände 
entworfen  und  ihre  Untersiegelung  auf  einer  neuen  Tagfahrt  in 
Aussicht  genommen.  Denjenigen  Gebieten  und  kleinen  Städten, 
die  sich  noch  nicht  erklärt  hatten,  wurde  der  Eintritt  offen  ge- 
lassen. Als  Aufforderung,  sich  der  Verbindung  anzuschließen, 
erließ  dann  am  27.  Februar  1440  der  Bat  von  Kulm  ein  Aus- 
schreiben an  alle  noch  nicht  Beigetretenen  und  ersuchte  sie,  zur 
Untersiegelung  des  Vertrages  am  13.  März  in  Marienwerder  zu 
erscheinen.8)  Inbetreff  des  Ermlandes  nahm  der  Bat  den  Mund 
etwas  voll,  indem  er  erklärte,  daß  er  „mit  der  kirchen  rittere 
und  knechte  czu  Heyleszberg  eyn  eynunge  gemacht  habe",  denn 
bis  dahin  hatte  eben  nur  der  einzige  Bitter  Hans  Wargell  seine 
Zustimmung  zum  Bunde  erklärt.  Ob  er  ein  Vertreter  der  ge- 
samten Bitterschaft  war,  ist  fraglich.  Braunsberg  unterschrieb 
den  Bundesbrief  am  13.  März  in  Marienwerder.  Erst  am  5.  Mai 
schlössen  sich  von  Bittern  und  Knechten  des  ermländischen 
Bistums  außer  dem  genannten  Wargell  noch  an:  Hans  von  Po- 
tritthen,  Jakob  von  Baysen,  der  Landrichter  Hans  von  Bogetteln, 
Jakob  vom  Felde  und  Fabian  von  Wusen;    von    den   ermländi- 


1)  M.  Toppen,  St.-A.  II,  95. 

2)  M.  Toppen,  St.-A.  II,  152 :  Ritter  von  der  gemeynen  ritter  und 
knechte  wegen  des  Heilsbergschen  gestuftes.  —  Die  Bezeichnungen  Bitter 
und  Knechte  wurden  immer  neben  einander  gebraucht.  Es  sind  darunter 
die  Freien  zu  verstehen.  —  Das  Datum:  20.  Febr.  1440  bei  Bender,  Erm- 
lands  politische  und  nationale  Stellung  innerhalb  Preußens  S.  82  ist  in 
21.  Febr.  zu  verändern. 

3)  M.  Toppen,  St.-A.  II,  161. 


Von  Wilhelm  Brüning.  5 

sehen  Städten  untersiegelten  den  Vertrag  nunmehr  auch  "Worm- 
ditt,  Heilsberg,  Rößel,  Guttstadt,  Wartenburg,  Seeburg,  Bischofs- 
stein, Allenstein,  Mehlsack  und  Frauenburg.1) 

Die  Bürgermeister  und  Ratmannen  dieser  Städte  erklärten 
im  Bundesbrief  ausdrücklich:  „wir  hengen  unser  stete  segele 
hiran  von  volkomener  macht,  geheyses  und  befeles  wegen  unser 
scheppen,  burger  und  ganeze  gemeyne." 

Diese  Einmütigkeit  der  Bewohner  des  gesamten  Bistums 
bei  der  Erklärung  ihres  Beitritts  zum  Bunde  bekundete  sich 
auch  fernerhin  durch  festes  Ausharren  bei  demselben,  obwohl 
sie  oft  genug  auf  eine  sehr  harte  Probe  gestellt  wurde.  Denn 
sowohl  der  Hochmeister  als  auch  der  Bischof  setzten  alles  dran, 
die  einzelnen  Bundesmitglieder  zum  Austritt  zu  bewegen.  Diese 
Bemühungen,  die  auch  die  Ordensgebietiger  in  ihren  Distrikten 
sich  nicht  verdrießen  ließen,  waren  von  Erfolg  bei  vielen  kleinen 
Städten  und  den  ehrbaren  Leuten  des  Landes,  besonders  im 
Niederland,  wo  wohl  der  Sinn  für  Politik  nicht  so  ausgebildet 
war  wie  im  übrigen  Preußen  und  auch  die  Bewohner  wegen 
einer  weniger  guten  materiellen  Lage  in  ihren  Forderungen 
noch  zurückhaltender  waren.  Im  Ermlande  aber  ist  es  weder 
dem  Hochmeister  noch  dem  Landesherrn  gelungen,  auch  nur 
eine  Stadt  vom  Bunde  abzubringen.  Auch  unter  der  ermländi- 
schen  Ritterschaft  gab  es  nur  wenige,  die  auf  die  Seite  des 
Ordens  übertraten.  Ein  bei  den  Ordensgebietigern  sehr  beliebtes 
Mittel,  die  Bundesmitglieder  abtrünnig  zu  machen,  bestand  darin, 
die  Beschickung  der  Tagfahrten  seitens  der  kleinen  Städte  und 
der  Leute    vom  Lande    möglichst    zu    erschweren    oder  zu  ver- 


1)  M.  Toppen,  S.-A.  H,  179:  Man  vermißt  Bischofaburg.  Diese  Stadt 
wird  überhaupt  nur  zwei  Mal  genannt,  nämlich  auf  dem  Städtetag  zu 
Marien werder  am  5.  Mai  1451  und  zu  Graudenz  am  12.  April  1454.  (St.-A. 
III,  307;  IV,  400.)  Auch  in  dem  dreizehnjährigen  Kriege  spielt  sie  keine 
Rolle;  wir  sind  in  den  Kriegsberichten  nur  ein  Mal  auf  ihren  Namen  ge- 
stoßen. Diese  Stadt,  die  nach  Cod.  dipl.  Warm.  III,  149  im  Jahre  13S5 
ihre  Handfeste  erhielt,  muß  damals  noch  eine  sehr  geringe  Bedeutung  ge- 
habt haben.  Bei  der  Ausschreibung  der  Steuern  seitens  des  Bundes  wird 
sie  garnicht  genannt. 


6  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

hindern.  Im  Ermlande  konnte  natürlich  der  Orden  von  einem 
derartigen  Mittel  keinen  Gebrauch  machen,  und  auch  deshalb 
finden  wir  nach  der  Stiftung  des  Bundes  eine  viel  regere  Be- 
teiligung ermländischer  Gesandten  an  den  Tagfahrten  als  vor 
1440.  Auch  die  Erfolge  der  klugen  und  taktvollen  Politik  Con- 
rads von  Erlichshausen  bewirkte  keinen  Umschlag  zu  Gunsten 
der  Ordenssache  im  Ermlande. 

Merkwürdig  genug:  Welcher  Art  konnten  die  Gründe 
sein,  welche  die  Bewohner  eines  Bistums,  das  bei  seiner  ex- 
imierten  und  unabhängigen  Stellung  weit  weniger  unter  der 
Ordensherrschaft  zu  leiden  hatte  als  das  übrige  Land,  zu  so  er- 
bitterten Feinden  des  Ordens  machten?  Die  Gründe  für  diese 
Stellungnahme  Ermlands  zu  der  wichtigsten  und  verhängnis- 
vollsten Frage,  welche  die  Geschichte  des  deutschen  Ordens  auf- 
weist, sind  bis  jetzt  noch  nicht  genügend  dargelegt  worden. 
Töppen's  Ständeakten  geben  uns  die  Möglichkeit,  sie  zu  finden 
und  zu  erklären. 

Alle  älteren  ermländischen  Historiker,  wie  der  heuchlerische 
Johannes  Plastwich,  Thomas  Treter,  Johannes  Leo  und  natürlich 
nicht  am  letzten  „der  böse  Geist  der  preußischen  Geschicht- 
schreibung", Simon  Grünau,1)  haben  die  ersichtliche  Tendenz, 
die  Landesregierung  der  ermländischen  Bischöfe  stets  als  über 
alles  Lob  erhaben  darzustellen  und  jeden  Bischof  zu  einem 
wahren  Vater  seiner  Unterthanen  zu  machen,  der  in  seinen  Be- 
mühungen, sich  diesen  Ruhmestitel  zu  erwerben,  nur  von  dem 
bösen  deutschen  Orden  gehindert  wurde.  Die  neueren  erm- 
ländischen Geschichtschreiber,  auch  meist  ermländische  Dom- 
herren wie  die  älteren,  sind  diesen  in  der  entstellenden  Schön- 
färberei getreulich  nachgefolgt  oder  sie  sind  über  viele  heikle 
Punkte,  bei  denen  die  vorgefaßte  gute  Meinung  leichtlich  in's 
Schwanken    hätte  geraten  können,    hinweggegangen.     Die  Stel- 


1)  Karl  Lohmeyer,  Ueber  den  heutigen  Stand  der  Forschung  auf  dem 
Gebiet  unserer  Provinzialgeschichte.    Altprß.  Monatsschr.  1866,  S.  336. 


Von  Wilhelm  Brüning.  7 

lung    des  Bistums  Ermland   zum  Bunde    ist  ein  solcher  heikler 
Punkt. 

Professor  Bender  giebt  in  seiner  schon  genannten  Fest- 
schrift zur  ermländischen  Säkularfeier  1872  nur  bei  Braunsberg 
den  Grund  für  seinen  Anschluß  an  den  preußischen  Bund  an, 
und  zwar  auch  nur  einen.  Er  sagt,  daß  dieser  Schritt  Brauns- 
bergs aus  der  Sonderstellung  als  Mitglied  des  Hansabundes,  die 
es  an  die  übrigen  großen  Städte  anknüpfte,  zu  erklären  ist.1) 
Diese  Angabe  ist  richtig,  denn  der  Gedanke,  den  Bund  zu 
stiften,  war  hauptsächlich  außer  von  der  schon  seit  langer  Zeit 
aufsässigen  Ritterschaft  des  Kulmerlandes,  von  den  reichen 
Hansastädten  in  Preußen  gefaßt  worden.  Der  Eigenhandel  des 
Ordens,  der  den  kaufmännischen  Unternehmungen  der  Städte 
schweren  Abbruch  that,  war  diesen  ein  Dorn  im  Auge.  Sie 
wollten  vom  „Kaufschlagen"  der  Herren  nichts  wissen  und 
nahmen  den  Gesamthandel  des  Landes  als  ihr  Monopol  in  An- 
spruch. Auf  politischem  Gebiete  kam  es  zwischen  dem  Orden 
und  den  Hansastädten  zu  Kollisionen,  so  oft  der  Orden  den  Ver- 
such unternahm,  die  Städte,  die  sich  als  „exceptionelle  Gemein- 
wesen" betrachteten,  zu  botmäßigen  Gliedern  des  Staatsorganis- 
mus zu  machen,  und  infolgedessen  gezwungen  war,  einzelne 
Forderungen,  die  sich  mit  den  landesherrlichen  Rechten  nicht 
vertrugen,  zurückzuweisen.  Auch  die  unbedingte  Selbständig- 
keit der  auswärtigen  Politik  der  Städte  sahen  die  Hochmeister 
sich  öfters  gezwungen  zu  beschränken.2) 

Die  kommerzielle  und  politische  Konkurrenz  aber  war  nicht 
allein  für  Braunsberg's  Anschluß  an  den  Bund  bestimmend. 
Ein  zweiter,    nicht  minder  wichtiger  Grund,    diesen  Schritt    zu 


1)  1.  c.  S.  82. 

2)  M.  Toppen,  St.-A.  Vorrede  S.  XIII.  —  Vergl.  zu  diesem  Punkte 
die  vortrefflichen  Ausführungen  Caro's,  Gesch.  Polens  V,  10  fg.  Sie  stellen 
die  geringe  Berechtigung  der  Forderungen  der  Städte  auf  dem  Gebiet  des 
Handels  und  ihr  undankbares  Verhalten  dem  Orden  gegenüber,  der  sie  groß 
und  reich  gemacht  hatte,  entgegen  der  oberflächlichen  landläufigen  Ansicht 
in  das  richtige  Licht. 


g  Die  Stellung  des  Bistums  Ermlaud  zum  deutschen  Orden  etc. 

wagen,  betraf  das  Verlangen  der  Bündner  nach  einem  allge- 
meinen Gerichtshof,  durch  welchen  Rechtshändel  der  Obrigkeit 
als  alleiniger  entscheidender  Instanz  entzogen  werden  sollten. 
Wie  die  Unterthanen  im  Ordenslande  den  Hochmeister  und 
seine  Gebietiger  nicht  mehr  als  die  einzigen  Richter  anerkennen 
wollten,  so  wünschten  auch  die  Eingesessenen  des  Bistums  Erm- 
land  nicht  mehr  ihren  Bischof  als  Oberrichter  über  sich  zu 
sehen.  Deshalb  bestimmte  die  Tagfahrt  zu  Elbing  am  5.  Mai  1440, 
daß  alle  Rechtshändel,  die  im  Bistum  Ermland  entsänden,  zu- 
erst an  die  Stadt  Braunsberg  gebracht  würden.  Könnte  Brauns- 
berg die  „Schelunge  nicht  hinlegen",  so  sollte  die  Stadt  die 
Angelegenheit  den  „Herren  von  Culm"  übergeben,  die  dann 
den  im  Bundesbriefe  vorgesehenen  Instanzenweg  einzuschlagen 
hätten.1) 

Ein  dritter  Uebelstand,  der  das  Ermland  in  die  Arme  der 
Opposition  trieb,  wurde  auf  der  Tagfahrt  zu  Marienwerder  am 
13.  März  1440  vor  Lande  und  Städte  gebracht.  Ritter  und 
Knechte  beklagten  sich  darüber,  daß  der  Bischof  und  die  Dom- 
herren „keynen  edeln  man  mer  in  eren  thum  nemen  wellen". 
Sie  verlangten,  daß  diese  abwechselnd  einen  Adligen  und  eines 
Bürgers  Sohn  aufnähmen.  „Wurden  sie  des  also  vorstossen, 
das  wer  en  eyne  grosse  schände  und  stet  en  nicht  czu  leiden."2) 

Auch  sonst  noch  gab  es  Stoff  genug  zur  Unzufriedenheit 
im  Ermlande.  Der  beste  Beweis  dafür  ist  der  lange  Zeit 
währende  und  überaus  erbitterte  Streit,  den  der  Bischof  mit 
der  Stadt  Braunsberg  führte.  Er  wurde  zuerst  im  Juni  1444 
vor  Landen  und  Städten  auf  einer  Tagfahrt  zu  Elbing  zur 
Sprache  gebracht.  Es  handelte  sich  dabei  um  die  Feststellung 
der  Grenzen  städtischer  und  bischöflicher  Gerichtsbarkeit  und 
um  die  „Ladung",  d.  h.  um  das  Recht  des  Bischofs,  die  Brauns- 
berger  zur  Entscheidung    dieser  Angelegenheit   vor  auswärtiges 


1)  Töpen,  St.-A.  II,  173,  214. 

2)  M.  Toppen,  St.-A.  II,  168. 


Von  Wilhelm  Brüning.  9 

geistliches  Gericht  zu  fordern.1)  Die  Bürger  bestritten  durch- 
aus die  Kompetenz  eines  solchen  und  verlangten  die  Beantwor- 
tung dieser  rein  weltlichen  Streitfrage  im  eigenen  Lande.  In 
diesem  Konflikte  kam  die  Bestimmung  des  Bundesvertrages,  daß 
ein  Mitglied  die  Hilfe  des  Bundes  anrufen  dürfe  und  diese  ihm 
gewährt  werden  müsse,  zum  ersten  Mal  zur  Anwendung.  Da- 
durch erhält  derselbe  eine  allgemeine  Bedeutung.  Die  Brauns- 
berger  verklagten  den  Bischof  wegen  Verletzung  der  durch  die 
Stadt-Handfeste  ihnen  verbrieften  Privilegien  bei  dem  Bunde 
und  baten  diesen  um  Hilfe  für  den  Fall,  daß  der  Bischof,  wenn 
sie  sich  mit  ihm  in  Freundschaft  nicht  einigen  könnten,  sie 
überfallen  und  vergewaltigen  sollte.  Sie  wurde  ihnen  im  vollsten 
Umfange  zugesagt.2)  Mit  der  Stadt  Heilsberg,  seiner  Residenz, 
geriet  der  Bischof,  weil  sie  ihre  Privilegien  und  Briefe  von 
ihm  nicht  wollte  antasten  lassen,  gleichfalls  in  heftige  Zerwürf- 
nisse.8) Und  zwei  unangenehme  Prozesse  mit  den  Landesrittern 
Georg  vom  Berge,4)  dem  der  Bischof  das  Verkaufsrecht  seiner 
Mühle  streitig  machte,  und  mit  Sander  von  Baysen,6)  der  in 
einer  Erbschaftsangelegenheit  den  Bischof  einer  ungerechten 
Handlungsweise  zieh,  machte  auch  die  ermländische  Ritterschaft 
noch  mehr  zur  Gegnerin  ihres  Landesherrn. 

Sowohl  Heilsberg  wie  Georg  vom  Berge  wandten  sich  an 
den  Bund,  der  es  auch  nicht  an  Fürsprache  für  sie  beim  Hoch- 
meister fehlen  ließ.  Er  verlangte  energisch,  daß  der  Hochmeister 
als  Beschirmer  des  Ermlandes  den  bedrängten  Leuten  zu  ihrem 
Rechte  verhelfe  und  die  Geistlichkeit  zwinge,  dem  „gemeinen 
Gerichte"  zu  gehorchen,  damit  die  Sache  nicht  außer  Landes 
vor   Papst   und   Erzbischof  getragen    würde.     Vermöge   er   die 


1)  M.  Toppen,  St.-A.  H,  601,  608;  III,  59,  66,  77. 

2)  M.  Toppen,  St.-A.  II,  601. 

8)  M.  Toppen,  St.-A.  IH,  120,  143. 
4)  M.  Toppen,  St.-A.  III,  143,  173. 
6)  M.  Toppen,  St.-A.  H,  683  fg. 


10         Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

Geistlichkeit  hierzu  nicht  zu  bewegen,    so  solle  er  ihnen  seinen 
Schutz  entziehen.1) 

Wir  lernen  den  Bischof  Franz  in  diesen  sehr  unerquick- 
lichen Zerwürfnissen  mit  seinen  Unterthanen  von  einer  etwas 
anderen  Seite  kennen,  als  ihn  die  ermländischen  Historiker  zu 
schildern  belieben.  Johannes  Plastwich,  der  ermländische 
Domherr  und  Chronikenschretiber,  weiß  natürlich  von  der 
feindseligen  Stellung,  die  Bischof  Franz  seinen  Unterthanen 
gegenüber  teilweise  einnahm,  nichts  zu  berichten  und  nennt  ihn 
„den  frömmsten  Landesvater".2)  Thomas  Treter  schreibt  es  ihm 
natürlich  nach.8)  Domkapitular  Eichhorn,  der  in  seiner  „Ge- 
schichte der  ermländischen  Bischofswahlen"  seinen  landsmänni- 
schen Chronikenschreibern  blindlings  folgt  und  auf  das  Zeugnis 
des  verbitterten  Plastwich  hin  sogar  einem  Winrich  von  Knip- 
rode  den  Versuch  eines  Meuchelmordes  gegen  einen  ermländi- 
schen Bischof  zutraut,4)  ist  auch  ganz  und  gar  von  der  landes- 
väterlichen Fürsorge  des  Bischofs  Franz  für  seine  Unterthanen 
überzeugt.6)  Unter  dieser  Voraussetzung  wird  er  sich  wohl 
manche  Erscheinung  nicht  haben  erklären  können. 

In  "Wahrheit  war  Bischof  Franz  ein  durchaus  strenger  und 
heftiger  Charakter.  Wir  werden  noch  später  sehen,  daß  ihm, 
wenn  der  Zorn  aus  ihm  sprach,  Worte  zu  Gebote  standen,  die 
man  aus  einem  bischöflichen  Munde  nicht  zu  hören  erwartet 
und  die  durchaus  verletzend  wirken  mußten.  Dabei  war  er 
ganz  erfüllt  von  dem  priesterlichen  Stolze  und  Hochmut,  über 
den  mittelalterliche  Prälaten  nur  verfügen  konnten,  und  ein 
starrer  Vertreter  hierarchischer  Prinzipien.  Deshalb  wollte  er 
auch  den  Bund,  als  jeglicher  kirchlicher  Freiheit  und  Herrschaft 
entgegen  stehend,  hauptsächlich  mit  geistlichen  Waffen  bekämpft 


1)  M.  Toppen,  St.-A.  III,  165. 

2)  Monumenta  historiae  Warmiensis  (Mon.  hist.  Warm.)  III,  88. 

3)  Thomae  Treten  de  episcopatu  et  episcopis  ecclesiae  Warmiensis  S.  38. 

4)  Ermld.  Ztschrft.  I,  115. 

5)  Ermld.  Ztschrft.  I,  125. 


Von  Wilhelm  Brüning.  11 

wissen.  Von  der  Klage  über  die  Unzulänglichkeit  und  Un- 
erträglichkeit  geistlichen  Gerichts1)  in  weltlichen  Dingen  wollte 
er  nichts  hören,  und  der  Gedanke,  dem  Urteilsspruche  von  Laien 
gehorchen  zu  müssen,  war  dem  stolzen  Kirchenfürsten,  der  nicht 
einmal  den  Hoöhmeister  als  Richter  in  der  Braunsberger  Streit- 
frage gern  sah,  ein  Greuel.  Gerade  die  Forderung  des  Bundes 
nach  einem  allgemeinen  Gericht  war  es,  die  diesen  Bischof  zum 
Todfeinde  der  Vorkämpfer  bürgerlicher  Freiheit  in  Preußen 
machte. 

Von  diesem  Gesichtspunkt  der  Beurteilung  aus  aber  müssen 
wir  ihn  gegen  einen  unberechtigten  Vorwurf  in  Schutz  nehmen. 
Li.  v.  Baczko  behauptet,  daß  der  Bischof  von  Ermland  vor  1440 
ein  äußerst  gefährlicher  Feind  des  Ordens  gewesen  sei  und  daß 
ihn  nur  der  Eigennutz  zum  treuen  Freunde  desselben  gemacht 
habe.2)  Wir  wissen  nichts  von  dieser  Feindschaft  und  Baczko 
hat  sie  auch  nicht  nachgewiesen.  "Wir  halten  den  Bischof  nicht 
nur  für  den  bedeutendsten  Freund  des  Ordens  in  diesen  gähren- 
den  Zeiten,  sondern  auch  für  den  Überzeugungstreuesten.  Das 
hat  er  oft  genug  durch  uneigennützige  Handlungen  für  den 
Orden  aufs  deutlichste  bewiesen.  "Wir  haben  hier  das  seltene 
Schauspiel,  daß  ein  Bischof  von  Ermland,  dessen  Vorgänger  und 
Nachfolger  mit  sehr  wenigen  Ausnahmen  aus  neidischer  und 
eifersüchtiger  Wachsamkeit  über  ihre  Rechte,  deren  Schmäle- 
rung sie  beständig  argwöhnten,  Feinde  des  Ordens  waren,  aus 
Ueberzeugung  und  Treue  ein  Freund  desselben  ist.  Diese  Tu- 
gend mildert  manchen  sonst  abstoßend  wirkenden  Zug  in  dem 
Charakter  des  Bischofs. 

In  einem  ganz  eigentümlichen  Lichte  erscheint  uns  die 
Behauptung  ermländischer  Historiker,  daß  die  Regierung  im 
Bistum  eine  ganz  vortreffliche  gewesen  sei  und  die  Unterthanen 
in  ihm  sich  besonders  glücklich  gefühlt  hätten,  wenn  wir  sehen, 
daß    nicht   nur    das   im   Bundesbriefe   verkündete   revolutionäre 


1)  Vergl.  das  Urteil  Töppen's  über  das  geistliche  Gericht  St.-A.  III,  357. 

2)  Gesch.  Preußens  III,  219. 


12  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

Recht  der  Selbsthilfe  durch  Gewalt  zuerst  im  Ermlande  zur 
Geltung  kam,  sondern  auch  der  Geist  des  Aufruhrs  gegen  Pflicht 
und  Herkommen  sich  gerade  unter  den  Untersassen  des  erm- 
ländischen  Domkapitels  in  erster  Reihe  einen  heftigen  Ausbruch 
verschaffte.  Nirgendwo  ist  in  Preußen  ein  Bauernaufstand  so 
früh  ausgebrochen,  als  gerade  im  Ermland.  Daß  von  dem  Glück, 
unter  dem  Krummstab  zu  wohnen,  nicht  einmal  das  damals 
mißachtete  und  politisch  unreife  Landvolk  überzeugt  war,  zeigt 
die  ganze  entstellende  Absichtlichkeit  älterer  wie  neuerer  erm- 
ländischer  Geschichtschreibung  von  der  augenfälligsten  Seite. 

Im  Jahre  1440  sagten  die  Bauern  des  Domkapitels  in  fast 
allen  Dörfern  des  Kammeramts  Mehlsack  die  Leistung  des  Schar- 
werks und  anderer  Verpflichtungen  auf.  Sie  erhoben  einen  Auf- 
ruhr, der  leicht  schon  damals  den  im  Lande  vorhandenen  Zünd- 
stoff zum  allgemeinen  Brande  hätte  entflammen  können,  wenn  nicht 
ein  so  weiser  und  nachsichtiger  Meister,  wie  es  Conrad  von  Er- 
lichshausen  war,  an  der  Spitze  des  deutschen  Ordens  gestanden 
und  die  Angelegenheit  in  die  Hand  genommen  hätte.  Aber  auch 
der  sonst  so  strenge  Bischof  suchte  den  Streit  durch  Güte  und 
Versöhnlichkeit  beizulegen.  Er  wollte  nichts  wissen  von  einer  ge- 
waltsamen Unterdrückung  des  Aufstandes,  wie  sie  das  Domkapitel 
vom  Hochmeister  verlangte.1)  Erst  als  seine  Vorschläge  an  dem 
Trotz  der  Bauern  scheiterten,  ließ  er  am  2.  Januar  1442  vierzig 
der  dreistesten  Aufrührer  festnehmen  und  in  Ketten  legen. 
Nunmehr  nahmen  sich  die  im  Bunde  befindlichen  Ritter  und 
Städte  des  Ermlandes  der  Sache  der  Bauern  an  und  setzten 
einen  Schiedsspruch  durch,  der  recht  milde  war  und  den  Land- 
leuten wesentliche  Erleichterungen  ihrer  mit  Recht  als  zu  hart 
beanstandeten  Lasten  brachte.     Damit  war  der  Streit  beigelegt.2) 

Die  von  Plastwich8)  behauptete  und  von  Bender4)  geglaubte 


1)  M.  Toppen.    St.-A.    II,  311,   379,   398.    —    Joh.  Voigt,   Geschichte 
Preußens  Vm,  14. 

2)  M.  Toppen,  St.-A.  II,  401. 

3)  Mon.  hist.  Warm.  III,  90. 

4)  1.  c.  S.  83. 


Von  Wilhelm  Brüning.  13 

Verbindung  der  aufständischen  Bauern  mit  den  Bündnern  läßt 
sich  nicht  nachweisen.  Wo  es  sich  um  die  Verletzung  seiner 
Interessen .  handelt,  nimmt  der  Domherr  Plastwich,  der  bald 
darauf  ein  eifriger  Freund  des  Bundes  wurde,  keinen  Anstoß 
daran,  diesem  etwas  Schlimmes  nachzusagen.  Den  Versuch,  sich 
dem  Bunde  anzuschließen,  haben  die  Bauern  gemacht.  Der 
Bund  als  solcher  antwortete  aber  ausweichend.1}  Auch  gab  er 
sich  alle  Mühe,  die  von  gegnerischer  Seite  geargwöhnte  Ver- 
bindung mit  den  Aufständischen  zu  bestreiten.  Er  erklärte  aus- 
drücklich, keine  Bauern  aufnehmen  und  sich  auch  nicht  ihrer 
annehmen  zu  wollen.2)  Wir  werden  deshalb  nicht  fehlgehen, 
wenn  wir  in  der  Behauptung  Plastwich's  nur  den  Versuch  sehen, 
sich  selbst  und  andere  über  den  wahren  Grund  des  Aufruhrs, 
die  unerträgliche  Ausnutzung  des  armen  Landvolks  durch  ihre 
geistlichen  Herren,  hinwegzutäuschen.  Nur  zu  der  Annahme 
sind  wir  auf  Grund  der  Ständeakten  berechtigt,  daß  die  Hoffnung 
auf  die  Unterstützung  des  Bundes  und  die  gleichen  Bestrebungen 
desselben,  wie  die  Aufkündigung  der  ferneren  Lieferung  des 
Wartegeldes  und  Schalwenkorns  vonseiten  der  Lande  und  Städte,8) 
die  Bauern  zum  Aufstande  ermutigt  und  zu  einem  so  über- 
raschend energischen  Ausharren  in  demselben  veranlaßt  hat. 

So  sehen  wir,  daß  im  Ermlande  trotz  der  gepriesenen  Re- 
gierung der  Bischöfe  und  der  Domherren  die  gährende  Unzu- 
friedenheit mit  den  herrschenden  Zuständen  um  nichts  geringer 
war  als  in  denjenigen  Teilen  des  Ordenslandes,  die  am  hervor- 
ragendsten an  der  Opposition  gegen  die  Landesregierung  be- 
teiligt waren.  Leider  war  das  Verhalten  des  Bischofs  in  den 
letzten  Jahren  vor  Ausbruch  des  Krieges  nicht  geeignet,  die 
Mißstimmung  in  seinem  Bistum  zu  beschwichtigen  und  die  Ge- 
danken an  eine  gewaltsame  Lösung  der  Streitfrage  aus  der  Welt 
zu  schaffen.     In  den  Jahren  von  1440   ab    bis    zum  Beginn  des 


1)  iL  Toppen,  St.-A.  II,  250. 

2)  M.  Toppen,  St.-A.  H,  298,  336,  395. 
8)  M.  Toppen,  St.-A.  II,  836. 


14         Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

Kampfes  folgte  eine  Tagfahrt  der  andern,  auf  denen  die  Be- 
strebungen der  Ordenspartei  auf  Einführung  des  Pfundzolls  und 
Auflösung  des  Bundes  gerichtet  waren.  An  allen  diesen  Ver- 
handlungen nahm  der  Bischof  Franz  den  eifrigsten  und  hervor- 
ragendsten Anteil.  Er  leistete  dem  Hochmeister  nicht  unwesent- 
liche Dienste  bei  der  "Wiedererlangung  des  Pfundzolls,  der  für 
den  Bestand  des  Ordens  schon  von  so  großer  Wichtigkeit  ge- 
worden war,  daß  der  Hochmeister  behauptete,  ohne  ihn  über- 
haupt nicht  mehr  regieren  zu  können.1)  Mit  diesem  Siege  er- 
reichte die  Ordenspartei  sehr  viel,  alle  ihre  Anstrengungen  aber, 
die  Auflösung  des  Bundes  durchzusetzen,  scheiterten  an  der 
Festigkeit  seiner  Stifter.  Die  schärfste  Agitation  gegen  den 
Bund  ging  vom  ermländischen  Bischof  aus.  Dabei  zeigte  sich 
die  ganze  Heftigkeit  und  Schroffheit  seines  Charakters.  Er 
brachte  es  bald  so  weit,  der  beßtgehaßte  Mann  im  ganzen  Lande 
zu  sein.  Seine  Abneigung  gegen  den  Bund  riß  ihn  sogar  zu 
unklugen  und  für  die  Ordenssache  nachteiligen  Handlungen  hin. 
Auf  einer  Tagfahrt  zu  Elbing,  am  5.  April  1446,  hielt  der 
Bischof  ohne  Vorwissen  des  Hochmeisters,  nachdem  er  sich  mit 
den  drei  anderen  Landesbischöfen  zu  diesem  Zweck  vereinigt 
hatte,  eine  ungemein  scharfe  Bede  gegen  den  Bund.  Ent- 
sprechend seiner  ganzen  hierarchischen  Auffassung,  verdammte 
er  ihn  als  eine  „alles  natürliche  und  göttliche  Recht"  verletzende 
Institution,  die  gegen  die  „Satzung  päpstlicher  und  kaiserlicher 
Ordnung"  verstoße.  Die  Bündner  bezeichnete  und  behandelte 
er  als  beklagenswerte  verirrte  Schafe  der  bischöflichen  Heerde.2) 
Der  Erfolg  dieser  Rede  war  keineswegs  der,  den  der  eifrige 
Kirchenfurst  in  gutem  Glauben  erwartete.  Sie  rief  in  den 
Reihen  der  Bündner  eine  Entrüstung  ohne  Gleichen  hervor. 
Statt  die  Rücksicht  auf  das  verletzte  Recht  zu  vermehren,  hatte 
sie  nur  die  Opposition  verstärkt.  Der  Bischof  sollte  das  bald 
an  sich  selbst  erfahren.     Die  Stände  beschwerten  sich  über  sein 


1)  M.  Toppen,  St.-A.  II,  466,  476,  496,  501,  541. 

2)  M.  Toppen,  St.-A.  H,  693. 


Von  Wilhelm  BrOning.  15 

feindseliges  Verhalten  und  verlangten  (Jenugtbuung.  Die  Ver- 
mittelung  und  die  freundlichen  Worte  des  Hochmeisters  waren 
nicht  imstande,  die  empörten  Gemüter  zu  besänftigen.  Die 
Bischöfe  mußten  eine  schriftliche  Ehrenerklärung  abgeben  und 
sich  eine  derbe  Zurückweisung  ihrer  verletzenden  Auffassung 
seitens  des  Bundes  gefallen  lassen.  Der  Zorn  der  Stände  war 
aber  dadurch  noch  nicht  besänftigt;  ihre  anzüglichen  Bemer- 
kungen, die  sie  auf  einer  Tagfahrt  am  9.  Juni  gegen  den  Bischof 
Franz  richteten,  bewirkten  die  tiefste  Demütigung  des  stolzen 
Prälaten,  seine  Entfernung  von  der  Versammlung.1)  Der  Hoch- 
meister verhinderte  sie  nicht.  Ueberhaupt  war  dieser  bemüht, 
durch  ruhiges  und  mildes,  aber  doch  auch  wieder  taktvoll  energi- 
sches Auftreten  eine  Versöhnung  der  Parteien  und  eine  Bei- 
legung des  Streites  herbeizuführen.  Er  errang  bedeutende  Er- 
folge, aber  ob  auch  dieser  von  älteren  wie  neueren  Geschicht- 
schreibern in  gleicher  Weise  gefeierte  Mann  imstande  gewesen 
wäre,  den  Kampf  zu  einem  friedlichen  und  guten  Ende  zu 
führen,  ist  fraglich.  Die  Bedingungen,  von  denen  die  beiden 
Parteien  ausgingen,  schlössen  einander  aus:  die  Bündner  wollten 
von  ihrer  Vereinigung  nicht  lassen,  und  der  Orden  wollte  mit 
ihnen  nichts  zu  thun  haben,  bevor  sie  dieselbe  nicht  aufgegeben 
hätten.  Als  Conrad  von  Erlichshausen  starb,  war  er  von  der 
Erreichung  seiner  Hauptaufgabe  ebenso  weit  entfernt  als  im 
Beginn  seiner  [Regierung.  Ja,  die  Parteien  standen  bei  seinem 
Tode  sich  schroffer  als  je  gegenüber.2) 

War  nun  die  leidenschaftliche  Thätigkeit  des  ermländischen 
Bischofs    schon   unter    der   maßvollen  Regierung  Conrad's   von 


1)  M.  Toppen,  St.-A.  II,  701,  708,  710. 

2)  Siehe  das  Urteil  Töppen's  St.-A.  HI,  111.  Danach  wird  es  wohl 
notwendig  sein,  die  allgemeine  Ansicht  über  die  Erfolge  der  Regierungs- 
thätigkeit  dieses  Hochmeisters  zu  berichtigen.  Jedenfalls  ist  die  Auflösung 
des  Bundes  keine  so  leichte  Sache  gewesen,  als  welche  sie  sich  G.  Lohmeyer 
vorstellt,  (üeber  den  Abfall  des  preußischen  Bundes  vom  deutschen  Orden. 
S.  8.  Progr.  der  Realschule  zu  St.  Johann.  Danzig  1871.)  Vorsichtiger 
urteilt  Caro  1.  c.  V, .  16  u.  17. 


16         Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

Erlichshausen  von  keinem  Erfolg  belohnt,  so  wurde  sie  geradezu 
verderblich  unter  dem  Hochmeister  Ludwig  von  Erlichshausen, 
der,  selber  extrem  und  starr  und  weit  weniger  begabt  als  sein 
Vetter,  die  hinhaltende  und  milde  Politik  desselben  in  das 
gerade  Gegenteil  verkehrte.  Ende  des  Jahres  1460  erschien  ein 
päpstlicher  Legat,  der  Bischof  Ludwig  von  Silva,  im  Ordens- 
lande, um  gegen  den  Bund  mit  allen  geistlichen  Waffen  aufzu- 
treten. Das  Gebahren  dieses  Legaten,  der  alles  andere  eher  als 
ein  Friedensbote  war,  erregte  die  Gemüter  nur  noch  mehr.  Es 
verstimmte  schließlich  sogar  den  Hochmeister,  so  daß  ihm  eine 
baldige  Entfernung  des  Legaten  nur  erwünscht  gewesen  wäre. 
Ueberhaupt  war  das  Verhalten  des  Hochmeisters  dem  päpst- 
lichen Gesandten  gegenüber  ein  derartiges,  daß  man  annehmen 
darf,  er  habe  ihn  nicht  in's  Land  gerufen.  Hat  da  vielleicht 
der  Bischof  Franz  seine  Hand  im  Spiele  gehabt?  Die  Bündner 
waren  bald  fertig  mit  ihrer  Meinung  und  beschuldigten  den 
Bischof  direkt  als  den  Urheber  der  ganzen  päpstlichen  Anklage 
und  der  Unehre,  in  die  sie  durch  den  Legaten  gekommen  wären. 
So  rief  ihm  Hans  von  Czegenberg,  der  Führer  des  kulmer- 
ländischen  Adels  auf  der  Tagfahrt  in  Elbing  am  29.  Dezem- 
ber 1450  zu:  „Her  bischof  von  Heilsberg,  desse  muhe  haben 
wir  von  euch,  wen  das  gancze  land  schreiet  obir  euch  und  sein 
dorumme  bitter  uf  euch.u  Der  Bischof  antwortete  nur:  „Das 
vorgebe  euch  got,  das  ir  mir  das  zuleget."1) 

Wir  haben  keinen  Grund,  dem  Bischof  nicht  Glauben  zu 
schenken.  Er  war  der  Mann,  auch  diese  Anklage,  die  in  seinen 
Augen  ja  nicht  einmal  eine  solche  sein  konnte,  auf  sich  zu 
nehmen.  Auch  der  Legat  nahm  den  Bischof  gegen  die  Be- 
hauptung, daß  dieser  ihn  herbeigerufen  habe,  in  Schutz,  ja 
machte  ihm  und  den  anderen  Prälaten  sogar  einen  Vorwurf 
daraus,  daß  sie  dem  Papste  keine  Mitteilungen  über  den  Zustand 
im  Lande  hätten  zukommen  lassen. 


1)  M.  Toppen,  St.-A.  HI,  246. 


Von  Wilhelm  Brüning.  17 

Trotz  der  schlimmen  Erfahrung,  die  man  auf  der  Ordens- 
seite mit  dem  Auftreten  des  Legaten  und  der  Verkündigung 
der  päpstlichen  Bullen  gegen  den  Bund  gemacht  hatte,  unter* 
nahm  der  Bischof  nach  der  Abreise  des  Legaten  dennoch  den 
Versuch,  von  den  Kanzeln  aus  den  Bund  bekämpfen  zu  lassen. 
Die  gehässige  klerikale  Verhetzung  hatte  den  bösesten  Erfolg. 
In  Heilsberg  kam  es  darob  zu  aufregenden  Scenen.1)  Aber  auch 
diese  Vorgänge  vermochten  den  schroffen  hierarchischen  Partei- 
mann nicht  zur  Buhe  und  Besonnenheit  zu  bringen.  Hatte  der 
Papst  allein  nicht  helfen  können,  so  sollten  sich  auch  noch  der 
Kaiser  und  die  Fürsten  in's  Mitttel  legen.  Er  bat,  wie  er  auf 
der  Tagfahrt  von  Elbing  am  27.  September  1451  selbst  gestand, 
sich  an  den  Papst,  den  Kaiser  und  die  Fürsten  gewandt,  um 
von  ihnen  eine  Verurteilung  des  Bundes  zu  erlangen.  Seine 
Bemühungen  wurden  mit  Bullen2)  und  fürstlichen  Zuschriften 
reichlich  gesegnet.  Als  ihm  die  Stände  deshalb  Vorwürfe  machten, 
antwortete  er:  „was  er  gethoen  hette,  das  hette  er  gethoen  auf 
die  von  Braunßberg."  Sein  Kampf  mit  Braunsberg  wegen  der 
„Ladung'*  ruhte  nämlich  immer  noch  nicht. 

So  sehr  auch  die  Handlungsweise  des  Bischofs  die  Führer 
des  Bundes  erzürnte,  es  gelang  dem  Hochmeister  und  seinem 
treuen  Verbündeten  dennoch,  die  arbeitenden  Klassen  in  einigen 
großen  Städten,  die  zum  Teil  in  schroffem  Gegensatz  zum  Pa- 
triziat standen,  mehrere  kleine  Städte  und  besonders  viele  vom 
Landvolk  durch  die  kirchlichen  und  kaiserlichen  Drohungen  ein- 
zuschüchtern und  zum  Abfall  vom  Bunde  zu  bewegen.  Des 
Hochmeisters  Erbietungen  und  Versprechungen  thaten  ein  Uebri- 
ges.  Aber  gerade  in  dem  Lande  des  Urhebers  der  päpstlichen 
und  fürstlichen  Ermahnungs-  und  Drohbriefe  hatten  diese  keinen 
Erfolg.     Wiederholt  versicherten,  ob  auch  andere  wankten,    die 


1)  M.  Toppen,  St.-A.  m,  329. 

2)  M.  Toppen,  St.-A.  III,  827.  Inbetreff  der  in  der  Bulle  des  Papstes 
Nicolaus  V.  genannten  Konstitution  Karolina  vergl.  Leges,  statuta,  consti- 
tutiones,  privilegia  regni  Poloniae,  magni  ducatus  lithvaniae  etc.  Warschau 
1732.    S.  105  ff. 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX.  Hft.  1  u.  2.  2 


18  Die  Stellung  des  Bistums  Erraland  zum  deutschen  Orden  etc. 

Stände  des  Bistums  —  auch  das  kleinste  Städtchen  fehlte  nicht 
—  dem  Bunde  ihre  Anhänglichkeit.  Andererseits  ließ  sich  aber 
auch  der  Bischof  durch  den  Trotz  seiner  Unterthanen  nicht  be- 
irren und  war  bis  zur  Aufopferung  in  treuester  Hingebung  fiftr 
die  immer  mehr  gefährdete  Ordenssache  thätig.  Das  Verhältnis 
zwischen  den  beiden  kämpfenden  Parteien  nahm  eine  immer 
drohendere  Gestalt  an.  Der  Ton  der  Reden  auf  den  in  immer 
kürzeren  Zwischenräumen  sich  folgenden  Tagfahrten  wurde  hefti- 
ger, und  bald  schreckte  man  vor  gegenseitigen  Verleumdungen 
nicht  mehr  zurück.  Die  Spannung  und  Erbitterung  wuchs. 
Schon  begann  der  Bund  die  dem  Orden  treu  Verbliebenen  zu 
überwachen;  auf  die  abgefallenen  Bundesmitglieder  versuchte  er 
einen  terrorisierenden  Einfluß  auszuüben,  so  hetzte  er  z.  B.  in 
den  zum  Orden  übergetretenen  Städten  Marienburg,  Konitz  und 
Thorn-Neustadt  das  Gesinde  auf,  seine  Arbeit  einzustellen.  Der 
Geist  des  Verrats  und  Verbrechens,  der  im  späteren  Kampfe  so 
viele  Abscheu  erregende  Züge  zu  Tage  treten  lassen  sollte,  be- 
gann durch  das  Land  zu  schleichen  und  die  erhitzten  Gemüter 
zu  verderben.  Der  Komtur  von  Gollub  warnte  den  Hochmeister 
vor  Vergiftungsanschlägen.1)  Die  Eidechsengesellschaft,  diese 
alte  Pflanzstätte  hochverräterischer  Umtriebe,  wurde  immer 
rühriger  und  vermehrte  die  Zahl  ihrer  Mitglieder.  Diese  Landes- 
ritter, in  ihrer  Gesinnung  zum  Teil  halbe  Polen,  blickten  gierig 
nach  den  Vorrechten  des  polnischen  Adels  nach  dem  Nachbar- 
lande herüber  und  knüpften  die  nie  ganz  fallen  gelassene  Ver- 
bindung mit  dem  Polentum  fester.  Auch  zwischen  Polen  und 
Thorn,  in  welcher  Stadt  der  jähzornige  Todfeind  des  Ordens, 
der  Ratsherr  Tylemann  vom  "Wege,  das  Wort  führte,  wurde  der 
Verkehr  immer  eifriger,  und  polnische  Edelleute,  Geistliche  und 
Gelehrte,  die  in  niemals  gesehener  Anzahl  die  Stadt  aufsuchten, 
„schürten  das  Feuer    der  Zwietracht  nach  Möglichkeit".2)     Bald 


1)  M.  Toppen,  St.-A.  III,  523. 

2)  Die  Behauptung  Caro's  (1.  c.  V,  2),  daß  der  Bund  in  Preußen  keine 
andauernde  und  systematische  Aufreizung  durch  die  Polen  erfahren  habe,  wird 
wohl  nach  den  Angaben  in  den  St.-A.  111,546,  711  einer  Berichtigung  bedürfen. 


Von  Wilhelm  Brüning.  19 

sseigten  sich  auch  die  ersten  mit  größter  Vorsicht  verdeckten 
Spuren  der  Rüstung  zum  offenen  Kampfe  auf  bündnerischer 
Seite.  Der  scharfsichtige  wackere  Komtur  von  Elbing,  Heinrich 
Reuß  von  Plauen,  bald  des  Ordens  einzige  und  festeste  Stütze, 
sprach  es  schon  Ende  des  Jahres  1452  offen  und  laut  aus:  „Er 
wolle  seinen  Hals  zum  Pfände  setzen,  daß  es  den  Städten  nur 
noch  darauf  ankomme,  den  Orden  zu  vertreiben  und  sich  selber 
zu  Herren  zu  machen.1*1} 

Ein  friedlicher  Austrag  des  Streites  im  Lande  selbst  war 
bereits  unmöglich.  Auf  bündnerischer  Seite  scheute  man  sich 
nicht  mehr,  Schreiben  des  Hochmeisters  mit  verächtlichem  Spott 
zu  behandeln.  Der  Ordensfürst,  ohnehin  leicht  leidenschaftlich 
erregt,  fühlte  sich  dadurch  tief  beleidigt  und  wies  jedes  Zuge- 
ständnis in  derselben  rücksichtslosen  "Weise  von  der  Hand,  wie 
die  Bündischen  ihre  Forderungen,  z.  B.  nach  Bewilligung  des 
Richttages,  stellten.  Man  mußte  höhere  Autoritäten  aufsuchen. 
Der  Bund  wandte  sich  an  den  Kaiser,  zum  ersten  Mal  Ende 
des  Jahres  1452.  Bald  darauf  ging  auch  eine  Gesandtschaft 
desselben  nach  Polen  ab. 

Die  Freude  des  Bischofs  von  Ermland,  daß  der  Bund  sich 
vor  dem  Kaiser  zu  Recht  erboten  habe,  war  groß.  Er  sprach 
sie  dem  Hochmeister  in  einem  Briefe  vom  16.  Januar  1453  mit 
wahrer  Genugthuung  aus.  Er  erhoffte  nun  ein  gutes  Ende  des 
Streites.  Dies  Vertrauen  gereicht  ihm  nur  zur  Ehre.  Ueber- 
haupt  ist  das  Schreiben  sehr  dazu  geeignet,  die  ganze  An- 
schauungsweise dieses  Mannes  erkennen  zu  lassen.  Seine  Oppo- 
sition gegen  den  Bund  war  eine  ehrliche  und  überzeugungstreue. 
Daß  er,  pochend  auf  sein  vermeintliches  gutes  Recht,  durch  seine 
Heftigkeit  öfters  zu  politisch  unklugen  Handlungen  hingerissen 
wurde,  ist  eine  Sache  für  sich.  Er  wurzelte  fest  auf  dem  Boden 
der  damals  bestehenden  Ordnungen  des  Reichs  und  der  Kirche 
und  betrachtete  den  Bund  in  seinen  Tendenzen  als  unvereinbar 


1)  M.  Toppen,  St.-A.  III,  B1B. 

2)  M.  Toppen,  St.-A.  III,  557. 

2* 


20  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

sowohl  mit  dem  kanonischen  Recht  als  mit  dem  dynastischen 
fürstlichen  Interesse.  Er,  als  Bischof  und  Landesfürst,  ein  be- 
rufener Verteidiger  der  festgesetzten  Ordnung,  durfte,  wollte  er 
sich  selber  treu  bleiben,  den  Bund  nicht  anerkennen,  ja  er 
mußte  ihn  bekämpfen.  Wer  darf  dem  kraftvollen  Manne  einen 
Vorwurf  aus  dieser  seiner  Ueberzeugung  machen,  selbst  wenn 
er  sich  mit  seinen  Sympathien  auf  die  Seite  des  Bundes  stellt?1) 

Die  Bundesgesandtschaft  erreichte  beim  Kaiser  trotz  der 
Gegenagitätion  des  Ordens  Erfolge,  die  sie  aber,  in  Anbetracht 
der  bisherigen  kaiserlichen  Verurteilung  der  Vereinigung,  weniger 
der  Anerkennueg  ihres  guten  Rechtes  als  ihren  gefüllten  Taschen, 
mit  denen  der  Ordenssäckel  nicht  konkurrieren  konnte,  zu  ver- 
danken hatte.  Dem  Bunde  wurde  die  Erlaubnis  erteilt,  Ver- 
sammlungen abhalten  und  zur  Bestreitung  der  Ausgaben  für 
Bundesgeschäfte  eine  Schätzung  erheben  zu  dürfen.  Außerdem 
erhielten  die  Städte  Culm  und  Thorn  eine  kaiserliche  Bestäti- 
gung ihrer  von  den  Kaisern  erteilten  —  bis  dahin  aber  gänz- 
lich unbekannten  Privilegien  —  und  eine  Bestätigung  ihres  an- 
geblich schon  früher  verstatteten  Rechts,  mit  Rittern  und 
Knechten  und  anderen  Städten  im  Lande  Preußen  eine  Ver- 
einigung eingehen  zu  dürfen. 

Mit  diesem  Machwerk  bestochener  Schreiber  der  kaiser- 
lichen Kanzlei2)  ausgerüstet,  suchten  die  Bündner  in  Preußen 
diejenigen  in  ihrer  Treue  zum  Bunde  zu  befestigen,  die  wankend 
geworden  waren,  und  andere  zu  ködern,  die  nichts  von  ihnen 
wissen  wollten.  Es  gelang  ihnen  nur  zu  gut.  Aus  dieser  Hand- 
lungsweise gegen  besseres  Wissen   ersehen    wir    wiederum,    daß 


1)  Gustav  Lohmeyer  (1.  c.  S.  14)  beliebt  die  Meinung  des  Bischofs 
von  Ermland,  daß  der  Bund  sich  an  den  Kaiser  gewendet  habe,  um  sich 
desto  leichter  mit  dem  Orden  vertragen  zu  können,  eine  „kindliche"  zu 
nennen.  Wenn  er  das  in  gutem  Sinne  verstanden  wissen  wollte  —  was  er 
aber  nicht  will  —  könnte  man  es  gelten  lassen.  Der  Bund,  der  immer 
tiefer  in  offene,  landesverräterische  Empörung  hineintrieb,  hatte  diese  harm- 
lose „kindliche*4  Auffassung  allerdings  nicht  mehr  verdient. 

2)  M.  Toppen,  St.-A.  III,  551.    Caro  1.  c.  V,  15. 


Von  Wilhelm  Brüning.  21 

der  Bund  bewußt  immer   tiefer    in    eine  Opposition  hineintrieb, 
die  schließlich  zu  einer  gewaltsamen  Lösung  führen  mußte. 

Die  Erregung  in  Preußen  wurde  immer  heftiger:  Die 
Bündner  pochten  auf  ihre  kaiserliche  Confirraationsurkunde  des 
Bundes ;  die  Ordensritter  und  ihre  Anhänger  nannten  sie  des- 
halb Lügner.  Der  Bund  berief  Tagfahrten  gemäß  der  kaiser- 
lichen Erlaubnis;  der  Hochmeister  verbot  sie,  aber  mit  geringem 
Erfolg.  Der  Bund  legte  ein  Geschoß  auf  seine  Mitglieder;  der 
Hochmeister  erklärte,  das  sei  ,,widder  vornunfft  und  alle  rechte" 
und  befahl  den  Bischöfen  und  seinen  Gebietigern  die  Erhebung 
des  Geschosses  „bey  eyden  und  truwen"  zu  untersagen.1)  Ja 
er  drohte  den  kleinen  Städten  sogar  den  Verlust  ihrer  Frei- 
heihen  und  Handfesten  an,  wenn  sie  die  Auflage  entrichten 
würden.2)  Auch  der  Bischof  Franz  agitierte  aufs  heftigste 
gegen  die  Steuer.8)  Ihr  Einschreiten  blieb  nicht  ohne  Wirkung. 
Die  Erhebung  des  Geschosses  nahm  nicht  den  Fortgang,  wie 
ihn  die  Bündner  wünschten.  Es  scheint  fast  so,  als  ob  erst 
jetzt,  wo  es  mit  der  Bundesmitgliedschaft  allein  nicht  mehr  ge- 
than  war,  sondern  auch  Pflichten  verlangt  wurden,  weite  Kreise 
zur  Erkenntnis  kamen,  wie  tief  sie  sich  mit  dem  Bunde  einge- 
lassen hätten. 

Auch  im  Ermlande  fand  letzterer  nicht  das  frühere  Ent- 
gegenkommen. Sogar  in  Braunsberg  kam  das  Geschoß  spärlich 
und  spät  ein,4)  und  die  kleinen,  nicht  sonderlich  wohlhabenden 
Städte  sträubten  sich  dagegen,  zumal  da  die  großen  Städte 
auch  versprochen  hatten,  daß  die  kleinen  durch  den  Bund  nicht 
beschwert  werden  würden.5)  Wartenburg  und  Bischofsstein 
wollten  das  Geschoß  nicht  geben,  Rößel,  Heilsberg  und  Gutt- 
stadt  verschoben  die  Antwort;  in  Wormditt  kam  die  Schätzung 
zwar  ein,    aber    der  Hat    wollte   sie   nicht  vollständig  ausliefern, 


1)  M.  Toppen,  St-A.  III,  605,  606. 

2)  M.  Toppen,  St.-A.  III,  615. 

3)  M.  Toppen,  St.-A.  III,  606. 

4)  M.  Toppen,  St.-A.  IV,  220. 

5)  M.  Toppen,  St.-A.  IH,  607. 


22  Die  Stellang  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

sondern  zum  Teil  zu  der  Stadt  Nutzen  verwenden.1)  Besonders 
stark  war  die  Abneigung  gegen  die  Bundesauflage  bei  dem 
armen  Landvolk,  und  um  dieses  nicht  zu  verlieren,  beschloß  der 
Bund  auf  der  Tagfahrt  zu  Marienwerder  am  8.  April  1453,  von 
den  Landbewohnern  zunächst  nur  die  Hälfte  des  Geschosses 
einzufordern  und  die  andere  auf  ein  Jahr  zu  stunden.2) 

Der  Kaiser  hatte  bei  der  ersten  Verhandlung  mit  den 
Ordensvertretern  und  Bundesgesandten  einen  Richttag  angesetzt, 
auf  dem  der  Streit  endgiltig  entschieden  werden  sollte.  Der 
Orden  und  die  Bischöfe  betrauten  mit  der  Führung  des  Pro- 
zesses vor  dem  Kaiser  den  Bischof  von  Ermland,  den  Komtur 
von  Elbing,  Heinrich  Reuß  von  Plauen,  den  Vogt  von  Leipe, 
Georg  von  Egloffstein,  und  den  Eat  des  Hochmeisters,  Dr.  Lau- 
rentius  Blumenau.  Die  Ordenssache  war  damit  in  gute  Hände 
gelegt,  und  der  Prozeß  endete  denn  auch  mit  der  vollständigen 
Verurteilung  des  Bundes  am  1.  Dezember  1453.8) 

Während  der  Verhandlungen  vor  dem  kaiserlichen  Gerichts- 
hof war  der  Bund  in  Preußen  rastlos  thätig  gewesen.  Die 
Führer  mochten  sich  wohl  sagen,  daß  die  Entscheidung  niemals 
zu  ihren  Gunsten  ausfallen  könnte,  selbst  wenn  sie  noch  so  viel 
Geld  aufwendeten,  und  da  sie  zudem  auf  eine  legale  Beilegung 
des  Kampfes  kein  Gewicht  mehr  legten,  bereiteten  sie  im  Stillen 
alles  zum  Abfall  vor. 

Die  Städte  und  der  Landadel  im  Ermlande  waren  dem 
Bunde    feste  Genossen,    davon    konnte    er    überzeugt  sein.     Be- 

1)  M.  Toppen,  St.-A.  III,  616. 

2)  Es  beginnen  mit  diesem  Geschoß  die  Opfer  an  Geld  und  Gut,  die 
der  Bund  seinen  Mitgliedern,  sehr  oft  gegen  deren  Willen  auferlegte  und 
mit  größter  Strenge  eintrieb.  Bald  sollten  diese  eine  solche  Höhe  annehmen, 
daß  man  mit  Caro  getrost  sagen  darf:  „Hätten  die  Städte  und  der  Landadel 
iu  Preußen  für  irgend  eine  Aufgabe,  die  der  Orden  gestellt,  jemals  solche 
Opfer  gebracht,  dann  wären  zuverlässig  weniger  Konflikte  zwischen  der 
Landesherrschaft-  und  den  Unterthanen  vorgekommen.41  —  Auch  aus  dem 
Ermlande  wurden,  wie  wir  später  nachweisen  werden,  Summen  in  solcher 
Höhe  im  Laufe  der  Kriegsjahre  eingetrieben,  daß  man  sich  wundern  muß, 
wie  das  Land  sie  hat  aufbringen  können. 

3)  M.  Toppen,  St.-A.  IV,  186. 


Von  Wilhelm  Brüning.  23 

wiesen  es  ihm  doch  auch  die  Tagfahrten,  die  in  dieser  Zeit  zum 
ersten  Male  im  Ermland  selbst  abgehalten  wurden.  Der  Kom- 
tur vom  Balga  machte  dem  Hochmeister  am  9.  Juli  1453  darüber 
Mitteilung  und  meinte  besorgt,  daß  die  kleinen  Städte  im  Erm- 
land nicht  viel  Gutes  vorhätten.1) 

Zum  ersten  Mal  tritt  nunmehr  auch  das  ermländische  Dom- 
kapitel aus  dem  Dunkel  der  Unthätigkeit  hervor,  in  dem  es  bis 
dahin  verharrt  hatte.  Wir  erfahren  aber  vorerst  nur  aus  dem 
Rezeß  der  Tagfahrt  zu  Thorn  vom  29.  Mai  1453,  daß  „eine 
botschaft  mit  eime  gewerbe  an  das  capittel  der  thumhern  czur 
Frawenburg" 2)  geschickt  worden  war.  Auf  der  nächsten  Tag- 
fahrt zu  Graudenz  sollte  über  ihren  Erfolg  berichtet  werden, 
was  aber  nicht  geschehen  ist.  Wohl  um  das  Kapitel  der  Bundes- 
sache näher  zu  bringen,  wurde  am  12.  August  eine  zweite  Ge- 
sandtschaft „zu  den  landen  des  gesticktes  Heilsberg  und  der 
thumerie"  und  Botschaft  an  die  beiden  Landrichter  im  Heils- 
bergischen Gebiete  und  im  Distrikte  des  Domkapitels,  Jakob 
von  Baisen  und  Fabian  von  Wusen,  abgeschickt.8)  Am  24.  August 
fand  dann  in  Gegenwart  mehrerer  Eidechsenritter  in  Braunsberg 
eine  Tagfahrt  statt,  auf  der  die  ermländische  Bitterschaft  die 
Zusage  gab:  „der  kirche  land  welle  lebende  und  tot  bey  dem 
bunde  bleyben".4) 

Nach  den  Angaben  Plastwichs  hat  das  ermländische  Kapitel 
nach  der  Abreise  des  Bischofs  Franz  an  den  kaiserlichen  Hof, 
von  Juni  1453  bis  zum  Beginn  des  Krieges  mehr  als  zehn  Tag- 
fahrten mit  den  Bittern  und  Bürgern  des  Bistums  abgehalten. 
Die  Zusammenkünfte  hätten  bezweckt,  die  Bewohner  des  Bis- 
tums in  einem  Kriege  zwischen  Orden  und  Bund  zur  Neutra- 
lität zu  bewegen  und  die  Besetzung  der  Schlösser  der  Kirche 
ohne  Zuziehung    fremder  Hilfe    allein    mit  Landeseingesessenen 

1)  M.  Toppen,  St.-A.  IH,  683. 

2)  M.  Toppen,  St.-A.  III,  658. 

3)  M.  Toppen,  St.-A.  IV,  18. 

4)  M.  Toppen,  St.-A.  IV,  61.  —  Joh.  Voigt,  Gesch.  der  Eidechsen- 
gesellschaft in  Preußen  S.  135. 


24  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

durchzusetzen.1)  Etwas  weniger  harmlos  erscheinen  uns  diese 
Verhandlungen  nach  einem  Rezeß  der  Tagfahrt  der  Ritterschaft 
und  Städte  des  Ermlandes  zu  Wormditt,  am  21.  Januar  1464. 
Aus  ihm  ersehen  wir,  daß  die  ermländischen  Bündner  den  Dom- 
herren am  B.  Juli  14B3  zugesagt  hatten:  ,,ab  imand  were,  der 
das  bistum  adir  kirchenland  addir  sie  welle  angrifen  adir  leidi- 
gen weide,  wir  weren  helfen  und  das  helfen  widdern  und  stören 
noch  unserm  hogesten  vermögen  mit  leibe  und  gutte,  unsched- 
lich  unsir  voreinunge,  als  wir  uns  voreinet  und  vorbunden  haben 
mit  landen  und  stetten.  Desgleichen  die  obenberurten  herrn 
landen  und  stetten  wedir  zugesagit  haben".2)  Die  Domherren 
fragten  die  Bündner,  was  das  hieße:  „unschedlich  unser  vor- 
einunge, als  wir  uns  voreinet  und  vorbunden  haben  mit  landen 
und  stetten".  Sie  erhielten  eine  ausweichende,  nichtssagende 
Antwort  und  gaben  sich  damit  zufrieden,  ja  sprachen  sogar 
ihren  Dank  dafür  aus. 

Ist  auf  dieser  Tagfahrt  von  Neutralität  die  Rede?  Die 
ermländischen  Stände  wollten  die  Domherren  in  einem  Kriege 
schützen  „ohne  Schaden  ihrer  Vereinigung".  Diese  verlangte, 
daß  sie  in  einem  Kriege  des  Bundes  gegen  den  Orden  ersterem 
Hilfe  leisteten,  also  versprachen  sie  den  Domherren  Hilfe  gegen 
den  Orden  und  damit  auch  gegen  den  Bischof.  Denn  es  war 
ganz  zweifellos,  auf  wessen  Seite  sich  dieser  im  Kriege  stellen 
würde. 

Und  übrigens,  wenn  die  Domherren  wirklich  an  Neutrali- 
tät gedacht  haben  sollten,  woher  nahmen  sie  das  Recht,  eine 
solche  mit  den  Städten  und  dem  Adel  des  Bistums  für  den  Fall 
eines  Krieges  zu  bestimmen?  Dieses  Recht  besaß  nicht  ein- 
mal der  Bischof,  sondern  er  hatte  in  Kriegszeiten  mit  seiner 
Mannschaft  einfach  den  Befehlen  des  Hochmeisters  zu  gehorchen.8) 

1)  Mon.  hist.  Warm.  III.,  102.  —  Th.  Treter  1.  c.  S.  43  und  Joh.  Leo, 
historia  Prussiae  S.  272  machen  daraus  gleich  ein  beschworenes  Neutralitäts- 
bündnis. 

2)  M.  Toppen,  St.-A.  IV,  279. 

3)  Joh.  Voigt,  1.  c.  V,  5G3.  -  Karl  Lohraeyer,  1.  c.  S.  143. 


Von  Wilhelm  Brüning.  25 

Also    wäre    auch    dieses  Vorgehen    des    Domkapitels    schon    ein 
Verrat  am  Orden  gewesen. 

Auf  derselben  Tagfahrt  zu  Wormditt  wurde  auch  inbetreff 
der  Besetzung  der  Schlösser  verfügt,  daß  die  drei  Domherren 
Wichart,  Weterheim  und  Plastwich  —  unser  Chronist  —  als 
Hauptleute  die  Schlösser  Heilsberg,  Rößel  und  Seeburg  befehli- 
gen sollten.  Wichart  wurde  außerdem  zum  Hauptmann  des 
ganzen  Bistums  bestellt.  Die  drei  Burgen  aber  waren  bischöf- 
liches Eigentum,  und  die  Verfügung  über  sie  seitens  der  Dom- 
herren auf  Wunsch  der  Bündner  war  ein  dreister  Eingriff  in 
die  bischöflichen  Rechte.  Wie  wenig  der  Bischof  mit  dem  Ge- 
bahren  seines  Kapitels  und  dessen  Paktieren  mit  den  Bündnern 
zufrieden  gewesen  sein  wird,  können  wir  uns  vorstellen,  wenn 
wir  aus  seinem  Briefe  aus  Wien-Neustadt  ersehen,  daß  er  schon 
am  29.  November  1453  den  Hochmeister  dringend  aufforderte, 
mit  seinem  Vogte  in  Heilsberg,  der  ein  Ordensbruder  war,  für 
die  Instandsetzung  seiner  Schlösser  —  der  drei  obengenannten  — 
Sorge  zu  tragen,  „das  doran  keyn  ^schaden  ader  vorsewmnis 
geschee." l) 

So  waren  denn  auch  im  Ermlande  alle  Vorbereitungen  für 
den  geplanten  Abfall  getroffen.  Die  Position  war  dort  für  den 
Orden  eine  gänzlich  verlorene,  seitdem  auch  das  Domkapitel 
sich  den  aufrührerischen  Anschlägen  der  Bistumseingesessenen 
nicht  ungeneigt  zeigte.  Der  ermländische  Bischof,  in  unver- 
drossenem Kampfe  für  sein  altes  Recht  und  das  Wohl  des 
Ordens  sich  abmühend,  sollte  seine  Schlösser  nicht  mehr  wieder- 
sehen. 

Der  Bund  verwarf,  wie  zu  erwarten,  den  Schiedsspruch 
des  kaiserlichen  Richters.  Er  blieb  nach  der  Verkündigung 
desselben  mit  dem  Hochmeister  nur  noch  in  Verbindung,  um 
unter  dem  Deckmantel  der  Unterhandlungen  sich  zu  rüsten.  Er 
wollte  den  Hochmeister  täuschen;    es  gelang,    wie    dies  die  Ge- 


1)  M.  Toppen,  St-A.  IV,  106. 


26  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

fangennahme  des  obersten  Marschalls,  des  Komturs  von  Danzig 
und  des  von  Graudenz  beweist,  die  die  Bündner  zum  Zweck 
von  Verhandlungen  nach  Thorn  lockten,  während  ein  gemeiner 
Thorner  Stadtknecht  mit  dem  Absagebrief  an  den  Hochmeister 
schon  unterwegs  war.1)  Diese  erste  That  des  Bundes  ist  be- 
zeichnend für  den  Geist,  in  dem  er  den  Krieg  zu  führen  ge- 
dachte, einen  Krieg,  wie  ihn  Preußen  so  furchtbar  in  seinen 
Erscheinungen  und  so  verderblich  in  seinen  noch  heute  wahr- 
nehmbaren Folgen  niemals  sonst  gesehen  hat. 


Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  im  preussischen  Städtekriege. 

Kapitel  l. 

Am  4.  Februar  1454  kündigten  Lande  und  Städte  des 
Bundes,  also  auch  das  Ermland,  dem  Hochmeister  die  Huldi- 
gung auf  und  sagten  ihm  Krieg  an.  Er  begann  noch  an  dem- 
selben Tage.  Und  wie  der  Ordenschronisfc  1410  ausrief:  „der 
glich  ny  mer  gehört  ist  in  keynem  lande  von  so  grossir  un- 
truwe  und  snellich  wandelunge",2)  so  hätten  das  die  Chronisten 
auch  vom  Jahre  1454  klagen  können,  die  meisten  aber,  städtische 
oder  klerikale  Gegner  des  Ordens,  freuen  sich  nur  des  allge- 
meinen Abfalls. 

Der  Kampf  kam  für  den  Orden,  wenn  auch  nicht  uner- 
wartet, so  doch  zu  früh.  Die  Aufständischen  waren  in  etwa 
vier  Wochen  Herren  aller  Ordensburgen  mit  Ausnahme  von 
Marienburg,  Konitz  und  Stuhm.3) 

1)  Joh.  Voigt,  Geschichte  Marienburgs  S.  402. 

2)  Thurau,  Der  große  Krieg  zwischen  Polen  und  dem  deutschen  Orden, 
S.  28.    Königsberger  Dissertation  1886. 

3)  Die  ältere  Hochmeisterchronik  (SS.  rer.  Pruss.  III,  665)  führt  als 
sehr  glaubwürdigen  Grund  für  diese  schnelle  Eroberung  die  mangelhafte 
Ausrüstung  der  Schlösser  und  die  Treulosigkeit  der  Besatzung  an,  welche 
aus  Söhnen  und  Freunden  der  Bündner  bestand.  Den  gehässigen  Vorwurf, 
den  Plastwich  (Mon.  hist.  Warm.  III,  92)  dem  Orden  macht,  indem  er  den 
Verlust  der  aufs  beste  ausgerüsteten  Burgen  allein  der  Feigheit  der  Ordens- 


Von  Wilhelm  Brtining.  27 

Auch  im  Ermlande  loderte  der  Aufruhr  in  hellen  Flammen. 
Am  5.  Februar  schrieb  der  Vogt  von  Heilsberg  einen  Klage- 
brief1) an  den  Kompan  des  Komturs  zu  Balga  über  die  Unzu- 
verlässigkeit  der  Mannschaft  des  Bistums.  Er  könnte  weder 
mit  den  ehrbaren  Leuten,  noch  mit  den  Schulzen  oder  Bauern 
das  Schloß  bemannen.  Neun  Tage  später  erfolgte  ohne  jede 
äußere  Veranlassung  die  Beitrittserklärung  des  ermländischen 
Domkapitels  zum  Bunde.  Die  Domherren  erklärten  darin,  daß 
sie  „den  landen  und  steten  disses  landes  czu  Prewsen  beystendig 
seyn  wellen  mit  huelffe  und  mit  rathe,  mit  leybe  und  mit  gute, 


brüder  Schuld  giebt,  verträgt  eine  Berichtigung  durch  die  Angabe  der  Hoch* 
meisterchronik  sehr  wohl.  —  Vergi.  auch  M.  Toppen,  St.-A.  IV,  375  und 
J.  Voigt,  Gesch.  der  Eidechsengesellschaft  in  Preußen,  S.  148,  150,  151. 

1)  Toppen  hat  in  seiner  Abschrift  des  Briefes  St.-A.  IV,  310  den  Satz 
fibersehen,  der  nach  den  Worten:  „sy  sullen  gutwillig  dorczu  sein"  steht:  „ich 
czweifele  ouch  nicht,  wüste  es  unser  homeister,  er  worde  ein  suichs  be- 
stellen". Dieser  Vogt  von  Heilsberg  war  ein  Bruder  des  deutschen  Ordens. 
L.  v.  Baczko  (1.  c.  S.  278)  erzählt:  „Aus  Gefälligkeit  gegen  den  ermländischen 
Bischof  habe  sich  Conrad  von  Erlichshansen  des  Rechts  begeben,  einen 
Bruder  seines  Ordens  zum  ermländischen  Vogte  einzusetzen".  Diese  Nach- 
richt geben  Simon  Grünau  und  Thomas  Treter  (A.  Thiel,  Beiträge  zur  Ver- 
fassungsgeschichte Ermlands  in  Ermld.  Ztschr.  III.  667).  Bender  folgt  ihr, 
wenn  er  (1.  c.  S.  20)  sagt:  „Von  1441  finden  wir  die  Vögte  wieder  aus  den 
heimischen  Rittervasallen  genommen."  Das  ist  nicht  richtig.  Der  Orden 
besaß  auch  unter  der  Regierung  des  Bischofs  Franz  das  wichtige  Recht, 
den  Landvogt  für  das  Bistum  Ermland  zu  stellen. 

In  einem  Briefe  vom  2.  Mai  1453  schreibt  der  Komtur  von  Elbing 
dem  Hochmeister:  Er  habe  dem  Bischof  die  Absicht  des  Hochmeisters,  den 
bisherigen  Vogt  des  Bischofs  zum  Treßlei  zu  machen,  mitgeteilt  Als  neuen 
Vogt  wünsche  der  Bischof  nicht  den  Hauskomtur  von  Danzig,  sondern  den 
von  Königsberg.  (Königsberger  Staatsarchiv  [K.  St.-A.J  Schbld.  55/a  No.  5.) 
Am  25.  Mai  spricht  der  Domprobst  von  Frauenburg  dem  Hochmeister  sein 
Lob  über  den  neuen  Vogt  aus.  (K.  St.-A.  Schbld.  78,  No.  100).  Aus  diesem 
Briefe  ersehen  wir  auch,  daß  viele  Leute  im  Bistum  dem  Vogte  nicht  wohl 
wollten. 

Da  hier  die  Benutzung  meines  archivali sehen  Quellenmaterials  be- 
ginnt, sei  es  mir  an  dieser  Stelle  gestattet,  den  Herren  Staatsarchivar 
Dr.  Joachim  und  Archivar  Dr.  Panzer  für  die  Freundlichkeit,  durch  welche 
sie  mir  meine  Arbeiten  auf  dem  Königsberger  Staatsarchiv  ermöglicht  haben, 
meinen  Dank  auszusprechen. 


28  Die  Stellung  des  Bistums  ErmJand  zum  deutschen  Orden  etc. 

is  treffe  hog  adir  nedir  und  geben  uns  in  ere  eynunge  und  be- 
schirmunghe  noch  innehaldunge  des  brieffes  des  bundes".1) 

Das  war  deutlich  gesprochen!  So  ließen  sich  die  Herren 
vernehmen,  die  noch  am  16.  August  14B3  insgesamt  ein  Dank- 
schreiben an  den  Hochmeister  für  die  Gunst  und  das  Wohl- 
wollen richteten,  welches  er  gegen  ihre  Kirche  und  sie  stets 
bewiesen  habe.2)  Vergessen  waren  die  Bemühungen  Conrads 
von  Erlichshausen ,  in  dem  gefahrvollen  Bauernaufstand  die 
Rechte  des  Kapitels  zu  schützen,  vergessen  auch  die  Neutralität, 
an  die  uns  Plastwich  so  gern  glauben  machen  will.  War  sie 
so  schnell  zur  Unmöglichkeit  geworden?  Wir  haben  gesehen, 
daß  sie  überhaupt  kaum  vorhanden  gewesen  ist.  Zum  Ueber- 
tritt  gezwungen  hat  das  Domkapitel  niemand,  und  wenn  Land 
und  Städte  des  Bistums  Ermland  zwei  Tage  nach  dem  Ereignis 
nach  Thorn  melden,  „das  die  herren  des  capittels  sich  uns  dir- 
geben  haben,"8)  so  brauchen  wir  nach  den  Vorereignissen  dabei 
nicht  an  Gewalt  zu  denken.4) 


1)  M.  Toppen,  St.-A.  IV,  324. 

2)  Brief  des  Domkapitels  an  den  Hochmeister,  dat.  Frauenburg  d. 
16.  August  1453.     K.  St.-A. 

3)  M.  Toppen,  S.-A.  IV,  330. 

4)  Der  Herausgeber  der  Mon.  hist.  Warm.,  Wölky,  hat  die  Stelle  bei 
Plast  wich  mißverstanden,  aus  der  er  folgert-,  daß  die  Braunsberger  den  Bei- 
tritt des  Domkapitels  zum  Bunde  durch  einen  Ueberfall  Frauenburgs  er- 
zwungen hätten.  (1.  c.  III,  103.)  Einen  ähnlichen  Irrtum  bei  Caspar  Schütz 
und  die  sich  daraus  ergebende  falsche  Auffassung  bei  Voigt  (1.  c.  VIII,  370) 
hat  schon  Bender  (l.  c.  S.  86)  nachgewiesen.  Wenn  nun  der  Verfasser  der 
Festschrift  meint  (1.  c.  S.  87,  Anm.),  daß  die  Handlungsweise  des  Kapitels 
kein  direkter  Abfall  von  seinem  Herrn,  dem  Bischof,  gewesen  ist,  und  als 
Grund  dafür  angiebt,  daß  der  Hochmeister  und  der  Bischof  auch  nach  dem 
Abschluß  des  Bündnisses  mit  dem  Domkapitel  in  Verbindungen  gestanden 
haben,  so  müssen  wir  diese  Behauptung  als  einen  unberechtigten  Versuch, 
die  Schuld  des  Kapitels  zu  beschönigen,  zurückweisen.  Er  ist  auch  sehr 
schwächlich.  Der  Brief  des  Hochmeisters  an  den  Domprobst  Arnold  von 
Datteln  —  (er  ist  nicht  vom  14.  Juli,  wie  Joh.  Voigt,  Geschichte  Marien- 
burgs  S.  417  angiebt,  sondern  von  Sonnobend  vorm  Sontag  Exaudi  d.  i. 
1.  Juni  1454.  K.  St.-A.  Varia  No.  134)  —  stützt  Bender's  allgemeine  Be- 
hauptung durchaus  nicht.  Denn  abgesehen  davon,  daß  der  Hochmeister 
Briefe  in  höflichem,  ja  beinahe  freundlichem  Stil  mit  seinen  ärgsten  Feinden 


Von  Wilhelm  ßrüning.  29 

Auch'  nicht  die  allgemeine  Kriegslage    machte  diesen  ver- 
hängnisvollen   Schritt    des   Kapitels    zur   Notwendigkeit.     Der 


gewechselt  hat,  ist  der  Inhalt  dieses  Briefes,  den  Bender  wohl  nur  aus  Voigt 
kennt,  von  keiner  sonderlichen  Bedeutung.  Die  einzige  Stelle,  der  man  eine 
solche  beilegen  könnte,  ist  die  Bitte  des  Hochmeisters  an  den  Dom  probst: 
„Ir  wellet  do  vinlang  im  lande  dirforsschen  lassen,  was  doch  gutter  czeitunge 
do  were,  vnd  ap  das  volk  eynerley  mosse  vns  sey  gewogen".  Wir  wollen 
aber  schon  zugeben,  daß  man  einen  solchen  Wunsch  nicht  an  einen  abge- 
sagten Feind  richtet,  und  werden  auch  später  (s.  u.  S.  37)  selbst  nachweisen, 
daß  Datteln  den  extremen  Forderungen  der  Bündner  im  Ermland  entgegen- 
getreten und  dem  Orden  vielleicht  nicht  abgeneigt  gewesen  ist.  Aber  giebt 
dieser  einzige  an  den  Domprobst  gerichtete  Brief  Bender  die  Berechtigung 
zu  der  Behauptung,  daß  der  Hochmeister  mit  dem  Domkapitel  als  solchem 
in  Verbindung  gestanden  hat?  Dieser  eine  Domherr  repräsentiert  doch 
nicht  die  ganze  Körperschaft!  Und  wenn  wir  ihm  auch  noch  den  Dom- 
kantor Arnold  Coster  von  Venrade  als  Anhänger  des  Ordens  zugesellen 
(8.  u.  S.  40  u.  S.  65),  so  bleiben  doch  noch  14  andere  Domherren  als  er- 
bitterte Feinde  des  Ordens  übrig,  die  man  doch  weit  eher  „das  Domkapitel" 
nennen  kann.  Für  die  behauptete  Verbindung  des  Bischofs  mit  dem  Kapitel 
liefert  übrigens  der  Brief  des  Hochmeisters  gar  keinen  Beweis  und  auch 
sonst  haben  wir  einen  solchen  nicht  gefunden.  Der  Bischof  ignoriert  das 
Kapitel  nach  dessen  Uebertritt  zum  Bunde  vollständig,  und  zwar  bis  zu 
seinem  Tode. 

Wie  Bender  seine  Behauptung  durch  die  Bemerkung,  daß  Datteln 
während  der  Abwesenheit  des  Bischofs  dessen  Stellvertreter  in  geistlichen 
und  weltlichen  Angelegenheiten  gewesen  ist,  zu  stützen  versucht,  verstehen 
wir  nicht.  Der  Bischof  übertrug  jenem  doch  dies  Amt  lange  vor  dem  Ab- 
fall des  Kapitels. 

Noch  weniger  Glück  hat  Bender  durch  die  Berufung  auf  seinen  Haupt- 
zeugen Plastwich,  der  ,.immer  wiederholt  von  dem  Abfalle  der  ermländischen 
Stände  von  ihrem  rechtmäßigen  Herrn,  dem  Bischöfe,  mit  Entrüstung  und 
Abscheu'1  spreche.  Für  uns  entrüstet  sich  dieser  ohne  Not.  Wir  glauben 
nicht  an  die  Aufrichtigkeit  dieses  an  sich  sehr  begründeten  Affekts,  denn 
wie  kommt  es,  daß  der  fromme  Mann  so  gar  nichts  von  dem  Abfall  und  der 
Untreue  des  Kapitels  zu  erzählen  weiß?  Wie  geschickt  und  schlau  schlüpft 
er  über  dieses  Ereignis  hinweg,  das  den  Fluß  seiner  Biederkeit  und  Auf- 
richtigkeit erheuchelnden  Darstellung  so  peinlich  und  unzweckmäßig  unter- 
brechen würde!  Wir  müssen  gestehen,  daß  uns  eine  derartige  Geschicht- 
schreibung mit  größerer  Entrüstung  erfüllt,  als  der  Abfall  der  ermländischen 
Stände.  (VergL  das  Urteil  Töppen's  in  der  Altprß.  Monatsschr.  Jahrgang 
1868,  S.  526.) 

Bender  fügt  dann  noch  hinzu,  daß  Plastwich  mit  gleicher  Entrüstung 
auch  von  der 'Undankbarkeit  des  Ordens  gegen  den  Bichof  spricht,  der  sich 


30  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

Bund  hatte  ja  zwar  in  der  Eroberung  der  Burgen  "bedeutende 
Fortschritte  gemacht,  aber  am  14.  Februar  befanden  sich  doch 
erst  dreizehn  derselben  in  seinen  Händen,1)  zudem  war  die 
Kriegstüchtigkeit  des  Ordens  noch  auf  keine  ungünstig  aus- 
fallende Probe  gestellt  worden.  Die  Domherren  hätten  somit 
ruhig  noch  einige  Zeit  die  Entwickelung  der  Ereignisse  auf 
ihren  wohl  befestigten  Schlössern  abwarten  und  sich  so  die 
Widerrufung  ihres  schimpflichen  Uebertritts  zum  Bunde  nach 
der  Schlacht  bei  Konitz  ersparen  können.  Nun  aber  hat  es 
durch  seine  Handlungsweise  den  Vorwurf  eines  doppelten  Ver- 
rats, sowohl  an  dem  Hochmeister,  wie  an  dem  treuen  Bischof 
auf  sich  geladen.  Der  wahre  Grund,  weshalb  das  Kapitel  sich 
so  schnell  dem  Bunde  in  die  Arme  warf,  war  ein  innerer.  Ihm 
war  die  Treue  und  Freundschaft,  mit  der  der  Bischof  dem 
Orden  anhing,  verhaßt.  So  beiläufig  verrät  das  auch  Plastwich, 
wenn  er  sagt:  Dominus  Franciscus  magistro  et  ordini,  invito 
capitulo,  nimiam  assistentiam  faciebat.2) 

Da  das  Domkapitel  mit  solch  schlimmem  Beispiel  den 
Unterthanen  vorangegangen  war,  so  besannen  sich  denn  auch 
Lande  und  Städte  des  Ermlandes  nur  noch  elf  Tage,  bis  sie  auch 
ihrem  Landesfürsten,  dem  Bischof,  den  Gehorsam  aufsagten. 

Sehen  wir  uns  einmal  die  Gründe  näher  an,  die  die  Auf- 
ständischen für  diese  Handlungsweise  angeben.8) 


so  ganz  für  jenen  aufopferte.  Diese  Undankbarkeit  ist,  wie  wir  noch  nach- 
weisen werden,  niemals  vorhanden  gewesen,  aber  eine  derartige  Verleum- 
dung des  Ordens  darf  uns  nicht  bei  einem  Chronisten  in  Erstaunen  setzen, 
der  in  seiner  klerikalen  Voreingenommenheit  als  Gründe  für  die  Verluste 
der  Ordensbrüder  im  Beginn  des  Krieges  anführt:  quia  ecclesias  possessio- 
nibus  suis  spoliantes,  cleruni  suppresserunt,  episcopos  ecclesiarum  suarum 
abstracta  bona  repetentes  in  corpore  et  bonis  tyrannice  persequendo  in 
exilio  misere  vivere  coegerunt!  (Anspielung  auf  den  verräterischen  Bischof 
Heinrich  Vogelsang  von  Heilsberg  und  auf  das  „Exil"  des  Bischofs  Franz. 
"Wir  sprechen  weiter  unten  darüber.) 

1)  Joh.  Voigt,  VIH,  369. 

2)  Mon.  hist.  Warm.  III,  91. 

3)  M.  Toppen,  St.-A.  IV,  354. 


Von  Wilhelm  Brüning.  31 

In  erster  Reihe  machen  sie  ihrem  Herrn  einen  Vorwurf 
daraus,  daß  er  an  den  kaiserlichen  Hof  gezogen  sei,  die  Sache 
des  Ordens  gegen  den  Bund  zu  fahren  —  ohne  Wissen,  Willen 
und  Vollmacht  des  Kapitels  und  auch  ohne  Wissen  seiner  Unter- 
thanen.  Er  hätte  daheim  bleiben,  den  Bund  nicht  „so  tief 
durchgründen"  und  der  Kirche  „Gerechtigkeit"  beschirmen  sollen. 

Diese  Unterthanen  müssen  keine  sonderliche  Vorstellung 
von  der  Landeshoheit  ihres  Herrn  gehabt  haben,  wenn  sie  die 
Freiheit  seines  Handelns  so  beschränkt  wissen  wollten.  Ein 
Recht  dazu  hatten  sie  sicher  nicht.  Der  Bischof  saß  im  Rate 
des  Hochmeisters  und  es  wäre,  wenn  er  es  freiwillig  nicht  hätte 
thun  wollen,  einfach  seine  Pflicht  gewesen,  für  das  Wohl  des 
Ordens  aufgetragene  politische  Missionen  zu  übernehmen.  Den 
Bund  mußte  er  gerade  deshalb  bekämpfen,  weil  er  der  Kirche 
„Gerechtigkeit"  verletzte.  Er  hatte  dabei  die  Autorität  des 
Papstes  und  Kaisers  auf  seiner  Seite. 

Die  Bündner  fahren  fort:  Der  Bischof  habe  aus  Rücksicht 
auf  den  Orden  nicht  wie  seine  Vorgänger  den  Nutzen  seiner 
Kirche  wahrgenommen  und  sich  keine  Mühe  gegeben,  die  von 
den  Herren  des  Ordens  in  vergangenen  Zeiten  der  ermländischen 
Kirche  entrissenen  Länder  und  Städte  wieder  einzubringen.  Er 
habe  die  Urkunde  über  die  Landaufteilung  bei  der  Stiftung  des 
Bistums  in  Händen  gehabt,  aber  keinen  Gebrauch  davon  gemacht. 

Es  ist  fast  so,  als  hörte  man  den  über  den  Länderbesitz 
der  ermländischen  Kirche  eifersüchtig  wachenden  Plastwich 
reden,  bei  dem  die  Raubsucht  des  Ordens  fast  zur  fixen  Idee 
geworden  ist.  Vielleicht  hat  er  den  Bündnern  mit  diesem 
Grunde  ausgeholfen.  Man  lese  nur  in  seiner  Chronik  die  be- 
treffenden Stellen,1)  in  denen  er  über  die  Schmälerung  des  erm- 
ländischen Territoriums  spricht.  So  mancher  Irrtum  läuft  ihm 
da  bei  der  Unterscheidung  von  Mein  und  Dein  unter.  Den 
Bündnern  ergeht  es  nicht  besser.  Diese  Begründung  ihres 
Uebertritts    ist  ebenso  wenig    stichhaltig    als  die  anderen.     Wir 


1)  Mon.  hiflt.  Warm,  m,  61  fg. 


32  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

können  ihn  mit  den  Worten  Wölky's1)  zurückweisen:  „War 
der  Bischof  steil  wirklich  zu  klein  ausgefallen,  so  konnte 
eben  wegen  dieser  Entsagung  und  der  päpstlichen  Bestätigung 
von  1265  ein  späterer  Bischof  kein  Recht  auf  eine  neue  Teilung 
herleiten,  sondern  nur  verlangen,  daß  die  noch  nicht  geteilten 
Landschaften  seiner  Diözese,  also  etwa  Galindien  und  ein  Teil 
Sudauens,  nach  den  Bestimmungen  der  Circumskriptionsbulle 
geteilt  würden."  Der  Streit  um  die  Grenzen  des  Bistums  wurde 
unter  dem  Bischof  Heinrich  Sorbom  im  Jahre  1374  durch  ein 
Schiedsgericht  endgültig  beigelegt.  Bischof  und  Domkapitel 
waren  damit  zufrieden.2)  Bischof  Franz  hatte  also  gar  kein 
Recht  mehr,  wie  die  Bündner  verlangen,  von  den  „kl&rlichen 
brieffen,  die  da  lauten  von  der  ersten  pflantzung  undt  abthey- 
lung  der  lande  zwischen  dem  orden  undt  der  kirche"  Gebrauch 
zu  machen. 

Doch  hören  wir  weiter.  Es  sei  noch  in  aller  Leute  Ge- 
dächtnis, daß  der  Orden  einen  Bischof  von  Ermland  aus  dem 
Lande  getrieben  und  das  ganze  Bistum  für  drei  Jahre  in  Besitz 
genommen  und  beraubt  habe.  Alle  Steuern  seien  dieser  Zeit  in 
die  Kassen  des  Ordens  geflossen.  „Großmächtige  Herren"  hätten 
darauf  entschieden,  daß  der  Orden  das  Land  zurükgebe  und 
der  Kirche  25000  Mr.  als  Schadenersatz  zahle.  Der  Bischof 
Franz  habe  sich  um  alles  andere  gekümmert,  nur  nicht  um  die 
Bezahlung  dieser  Summe,  von  der  kein  Groschen  zum  größten 
Schaden  seiner  Unterthanen  eingekommen  sei. 

Wir  finden  hier  wieder  eine  merkwürdige  Uebereinstim- 
mung  zwischen  dem  Absagebrief  und  der  Chronik  unseres  „Ge- 
währsmannes" Plastwich,8)  die  man  eher  eine  Anklageschrift 
gegen  den  Orden  nennen  könnte.  Wie  jener,  so  erzählt  auch 
diese  uns  zwar  von  der  Vertreibung  des  Bischofs  Heinrich  Vogel- 
sang,   aber   nichts    davon,    daß    dieser   nach    der   Schlacht   bei 


1)  Mon.  bist.  Warm.  III,  69. 

2)  Plastwich  macht   aber   nur    dem  Bischof  den  Vorwurf,   gegen  den 
Orden  hierbei  zu  nachgiebig   gewesen  zu  sein.    (Mon.  bist.  Warm.  III,  77.) 

3)  Mon.  hist.  Warm.  III,  84,  89. 


Von  Wilhelm  Brüning.  33 

Tannenberg,  allen  anderen  Bischöfen  voran,  *)  als  ob  er  nicht 
schnell  genug  zum  Verräter  werden  konnte,  sich  dem  Polen- 
könig unterworfen  hatte.  Dem  Orden  war  im  Frieden  zu  Thorn, 
während  allen  anderen  Flüchtigen  und  vom  Orden  Abgefallenen 
Amnestie  zugesagt  worden  war,  ausdrücklich  verstattet,  mit  dem 
Bischof  nach  dem  Recht  zu  verfahren.  Der  Hochmeister  behandelte 
ihn,  wie  es  einem  Verräter  gebührte,  und  ließ  sich  nicht 
durch  die  Briefe  Vitolds  und  Wladislaus',  in  denen  sie  be- 
haupteten, daß  der  Bischof  nichts  gegen  den  Orden  unter- 
nommen habe,  beirren.2)  Die  „großmächtigen  Herrren",  welche 
die  Entschädigungssummen  für  den  Bischof  festgesetzt  hatten, 
waren  König  Sigismund  von  Ungarn  und  seine  Berater.  Sigis- 
mund,  nur  von  seiner  Geldgier  geleitet,  hatte  im  Jahre  1412 
in  Ofen  mit  dem  Ordensmarschall  Küchmeister  von  Sternberg 
einen  für  den  Orden  durchaus  nachteiligen  Vertrag  abge- 
schlossen, der  diese  Bestimmung  inbetreff  des  Ermlandes  ent- 
hielt. Heinrich  von  Plauen  wollte  nichts  davon  wissen.  Wenn  er 
auch  schließlish  den  Vertrag  bestätigt  haben  mag,  so  wurde 
dieser  doch  nichtig  durch  den  bald  wieder  ausbrechenden  Krieg 
zwischen  Polen  und  dem  Orden.  8) 

Die  Bundner  machten  also  auch  hier  dem  Bischof  einen 
unberechtigten  Vorwurf,  wenn  sie  verlangten,  daß  er  die  Ent- 
schädigungssumme vom  Orden  hätte  eintreiben  sollen.  Wo  es 
sich  um  die  Vertretung  berechtigter  Forderungen  handelte,  hat 
es  der  Bischof  Franz  nicht  an  der  nötigen  Energie  auch  dem 
Hochmeister  gegenüber  fehlen  lassen.  Das  bewies  er  in  dem 
Streite  mit  Conrad  von  Erlichshausen,  der  sich  über  die  Be- 
setzung zweier  ermländischer  Kanonikate  durch  vom  Orden  vor- 


1)  Fr.  Thurau,  1.  c.  S.  29.  Domkapitular  Eichhorn  schreibt  aber: 
„Heinrich  ergab  sich,  den  übrigen  Bischöfen  Preußens  folgend,  dem  König 
von  Polen."  Dafür  erfuhr  das  „schuldlose"  Bistum  nachher  eine  „blutige 
Rache"  seitens  des  „harten  und  rachedurstigen"  Heinrich  von  Plauen. 
(Ermld.  Ztschr.  I,  119.)    Vergl.  E.  Lampe  1.  c.  S.  14. 

2)  Mon.  hist.  Warm.  III,  83.  —  Wölky  scheint  diesen  Briefen  wirk- 
lich einige  Beweiskraft  zuzutrauen. 

3)  Mon.  hist.  Warm.  III,  84.  —  E.  Lampe  1.  c.  S.  32,  35,  40. 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX.  Hft  1  u.  2.  3 


34  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

geschlagene  Personen  entspann.  Er  bekämpfte  das  dem  Hoch- 
meister von  Papst  Nicolaus  V.  verliehene  Privileg,  so  wertvoll 
dasselbe  dem  ersteren  auch  war,  aufs  nachdrücklichste  und  setzte 
auch  dessen  Aufhebung  schließlich  durch.1) 

Die  beiden  nächsten  und  letzten  Beschwerden  der  Bündner 
haben  einen  religiösen  Inhalt.  Sie  widersprechen  sich  durchaus. 
Einmal  beschuldigen  sie  den  Bischof,  ein  „unbarmherziger 
Richter0  gewesen  zu  sein,  weil  er  Leuten,  die  doch  im  christ- 
lichen Glauben  gestorben  seien,  das  kirchliche  Begräbnis  ver- 
weigert und  sie  gleich  „unvernünftigen  Tieren"  im  Felde  habe 
einscharren  lassen.  Gleich  darauf  halten  sie  ihm  vor,  in  sein 
Schloß  Heilsberg,  „fremde  Leute,  die  nicht  zur  Kirche  gehören," 
aufgenommen  zu  haben.  Es  kann  sich  in  beiden  Fällen  nur 
um  Hussiten  handeln,  denn  hussitische  Grundsätze  hatten  auch 
im  Ermland  Eingang  gefunden,  gegen  die  der  Bischof  im 
Jahre  1449  kräftig  eingeschritten  war,  und  mit  den  „fremden 
Leuten"  sind  böhmische  Söldner  gemeint.2)  Der  Bischof  soll 
also  in  einem  Fall  zu  strenge  und  im  anderen  zu  nachsichtig 
gegen  den  Hussitismus  gewesen  sein.  Es  hieß  aber  doch  ein- 
fach die  geistliche  Gewalt  des  Bischofs  aufheben,  wenn  ihm  die 
Entscheidung,  ob  jemand  ein  kirchliches  Begräbnis  erhalten 
sollte  oder  nicht,  nicht  mehr  zustand.  Daß  sich  der  Bischof  um 
Bemannung  seiner  Schlösser  bemüht  hat,  wissen  wir,  ob  er  dazu 
hussitische  Söldner  verwandt  hat,  wissen  wir  aber  nicht,  auch 
die  Aufständischen  sagen  es  nicht  bestimmt.  Wenn  er  es  wirk- 
lich gethan  hätte,  wäre  das  Schloß  in  Heilsberg  wohl  nicht  so 
bald  in  die  Gewalt  der  ermländischen  Bündner  gefallen.  Jeden- 
falls aber  nimmt  sich  ein  solcher  Vorwurf  in  dem  Munde  dieser 
Leute  sehr  sonderbar  aus,  die  ein  paar  Wochen  nach  ihrer  Ab- 
sage an  den  Bischof  das  ganze  Ermland  mit  böhmischen,  hussi- 
tischen  Söldnern  überschwemmten  und  sie  mit  offenen  Armen, 
aber    zu  ihrem   baldigen  Entsetzen,    in    ihre  Städte    aufnahmen. 

1;  SS.  rer.  Pruss.  IV,  37. 

2)  Ermld.  Ztschr.  I,  126.  —  Th.  Treter  1.  c.  p.  39   hebt  als  Verdienst 
des  Bischofs  hervor,    daß  er  bei  der  Degradation  des  Huß  mitgewirkt  habe. 


Von  Wilhelm  Brüning.  36 

Das  also  waren  die  Gründe,  die  die  Unterthanen  des 
Bischofs  für  ihren  Abfall  geltend  machten.  Man  sieht,  sie  sind 
zum  Teil  sehr  weit  her  geholt,  zum  Teil  ganz  hinfällig.  "Wir 
geben  es  gern  zu  und  haben  es  auch  im  Gegensatz  zu  der  glori- 
fizierenden Darstellung  des  bischöflichen  und  domherrlichen 
Regiments  nachgewiesen,  daß  die  Bistumseingesessenen  manchen 
triftigen  Grund 'zur  Klage  und  viele  berechtigte  Bitten  um  Ab- 
stellung von  üebelständen  vorführen  konnten,  ihren  Verderben 
bringenden  Aufruhr  haben  sie  aber  schlecht  motiviert  trotz  der 
sehr  leicht  möglichen  Redaktion  des  Absagebriefes  durch  den 
mit  so  vielen  advokatorischen  Talenten  begabten  Domherrn 
Johannes  Plastwich.  Solch  ein  Absagebrief  konnte  nur  geschrie- 
ben werden  in  einer  Zeit,  in  welcher  der  zerstörende  Geist  der 
Empörung  nicht  einmal  mehr  vor  der  höchsten  Autorität  im 
Reiche,  dem  Kaiser,  haltmachte  und  die  Tendenzen  der  Sonder- 
bündelei und  die  Gier  des  absoluten  Eigennutzes  jede  allgemeine 
und  höhere  Rtiohsicht  schroff  verletzten.1) 

Nachdem  am  22.  Februar  die  Bemühungen  der  Bündner, 
Polen  zum  Bundesgenossen,  zu  gewinnen,  mit  der  Kriegserklärung 
des  Königs  Kasimir  belohnt  waren,  und  am  6.  März  die  mit  so 
nichtssagenden   Argumenten    gestützte    Inkorporationsurkun  de2) 


1)  Caro  1.  c.  V,  169 :  „Uneigennützigkeit  war  diejenige  Tugend,  die  im 
15.  Jahrhundert  noch  seltener  geworden  war,  als  zu  anderen  Zeiten." 

2)  Das  Ermland  war  unter  den  Abgesandten  des  Bundes,  die  dem 
Könige  die  Unterwerfung  Preußens  anboten,  durch  den  Batmann  Johann 
Kaie  aus  Braunsberg  vertreten.  (M.  Toppen,  St.-A.  IV,  366.)  Wie  die  Rats- 
sendeboten  der  übrigen  kleinen  Städte,  so  genehmigten  auch  die  des  Erm- 
landes  die  Uebergabe  des  Landes  durch  die  Bundesgesandten  auf  der  Tag- 
fahrt zu  Elbing  am  12.  April  1454.    (St.-A.  IV,  400.) 

Wir  möchten  uns  an  dieser  Stelle  die  Ansicht  auszusprechen  erlauben, 
daß  die  Nachrichten  von  Caspar  Schütz,  „historia  rerum  Prussicarum  f.  196  a", 
über  die  Verhandlungen  des  Bundes  im  geheimen  Rat  zu  Thorn  kurze  Zeit 
nach  Ausbruch  des  Krieges  über  die  Frage,  unter  wessen  Oberhoheit  man 
sich  stellen  solle  etc.,  unglaubwürdig  sind.  Voigt  widerspricht  ihnen  nicht 
und  Malotka  (Beiträge  zur  Geschichte  des  deutschen  Ordens  im  15.  Jahr- 
hundert. Altpr.  Monatsschr.  Jahrg.  1882,  S.  398)  schenkt  ihnen  Glauben. 
Wenn  man  erwägt,  daß  die  Verbündeten  mit  Polen  schon  vor  dem  Kriege 
eng  liiert  waren  und  daß  ihre  beiden  Gesandtschaften  im  Sommer  1453  und 

3* 


36  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

erfolgte,  durch  welche  Preußen  dem  polnischen  Reiche  „reuniert" 
wurde,  brachen  die  zahlreichen  böhmischen  und  deutschen  Söld- 
nerhorden in  das  Land  hinein  nnd  halfen  die  bisherigen  Siege 
der  Aufständischen  vervollständigen.  Bald  erschien  auch  der 
König  selbst  in  Preußen,  um  die  Huldigung  der  Lande  entgegen 
zu  nehmen.  Ueberall  schwur  man  ihm  den  Eid  des  Gehorsams 
und  der  Treue.  Die  Insassen  des  Bistums1)  und  das  Domkapitel 
huldigten  in  Elbing  und  letzteres  ließ  am  11.  Juni  1454  sein 
Siegel  an  die  Huldigungsurkunde  hängen,  in  der  es  versprach, 
sich  nie  von  der  Krone  Polen  zu  trennen  oder  mit  den  Feinden 
derselben  sich  in  Verbindung  einzulassen.8) 

Von  kriegerischen  Leistungen  der  Ermländer  ist  im  ersten 


im  Januar  1454  dort  das  freundlichste  Entgegenkommen  fanden,  so  möchten 
wir  eher  annehmen,  daß  sie  in  der  festen  Hoffnung  auf  polnische  Hilfe  den 
Krieg  begannen,  und  nicht,  daß  sie  erst  nach  dem  Anfang  desselben  darüber 
berieten,  ob  sie  den  König  von  Polen  oder  von  Dänemark  oder  von  Böhmen- 
Ungarn  als  Oberhaupt  erwählen  sollten.  Auch  Caro  (1.  c.  V,  23)  nimmt  an, 
daß  die  Kriegserklärung  mit  Zustimmung  der  polnischen  Krone  erfolgt  sei, 
und  Toppen  (St.-A.  TV,  376)  hält  es  für  möglich,  daß  die  Unterwerfung 
Preußens  unter  Polen  schon  von  der  Gesandschaft  im  Januar  1454  berührt 
worden  sei.  Daß  bei  den  Königen  von  Böhmen  und  Dänemark  für  die 
Bündner  nicht  viel  zu  hoffen  war, '  ersehen  wir  daraus,  daß  ersterer  noch 
kurz  vor  Ausbruch  des  Krieges  Vermittelungsversuche  /wischen  dem  Hoch- 
meister und  seinen  Unterthanen  machte,  und  der  Hochmeister  sich  nach 
Beginn  des  Krieges  an  den  dänischen  König  um  Hilfe  wandte.  Was  hatten 
es  die  Bündner  nötig,  in  Böhmen  oder  Dänemark  nach  Beistand  zu  suchen, 
da  sie  gewiß  sein  konnten,  diese  in  Polen  zu  finden!  Diese  Angabe  in  der 
„historia"  des  phantasievollen  Abschreibers  Lindau' s  ist  sicher  eine  Fabel,  nur 
erdacht,  um  die  Verbrüderung  mit  Polen  nicht  als  eine  von  langer  Hand 
her  abgekartete  Geschichte  erscheinen  zu  lassen. 

m  

1)  Die  Vermutung  Töppens  (SS.  rer.  Pruss.  HI,  672),  daß  der  unter 
den  in  Königsberg  dem  Bevollmächtigten  des  Königs  huldigenden  Vertretern 
der  Städte  des  östlichen  Preußens  genannte  Nicolaus  Leustener  Semburgensis 
ein  Seeburger  sei,  ist  sicher  unrichtig.  Es  ist  Sensburg  gemeint.  Wie  sollte 
Seeburg  allein  von  allen  ermländischen  Städten  dort  vertreten  sein? 

2)  M.  Toppen,  St.-A.  IV,  424. 

Caro  (1.  c.  V,  27,  30)  vergißt  zu  erwähnen,  daß  der  ermländische 
Bischot  weder  an  der  allgemeinen  Untreue  teilnahm,  noch  dem  Könige  wie 
die  anderen  Bischöfe  huldigte  trotz  der  Drohung  der  Bundesführer,  ihn, 
wenn  nötig,  mit  Gewalt  dazu  zu  zwingen. 


Von  Wilhelm  Brüning.  37 

Jahre  des  Kampfes  nicht  viel  zu  berichten.1)  Sie  bestanden, 
abgesehen  von  einem  Einfall  der  Braunsberger  in  das  Gebiet 
von  Balga,  in  der  Beihilfe  bei  der  Eroberung  Rastenburgs  und 
bei  der  Belagerung  Marienburgs.2)  Sie  belagerten  dort  ihren 
eigenen  Bischof,  der  nach  seiner  Rückkehr  vom  kaiserlichen 
Hofe,  da  er  nicht  nur  seine  Unterthanen,  sondern  auch  sein 
Kapitel  im  Aufstande  gegen  sich  sah,  Schutz  und  Schirm  bei 
dem  Hochmeister  in  Marienburg  gesucht  hatte.  Wie  der  Hoch- 
meister trotz  der  Belagerer  Gelegenheit  fand,  mit  dem  Dom- 
probst der  ermländischen  Kirche  Arnold  von  Datteln,  den  er 
wohl  wegen  seiner  Opposition  gegen  die  Besteuerung  der  Geist- 
lichkeit durch  den  Bund  dem  Orden  nicht  ganz  ungünstig  ge- 
stimmt glaubte,  in  Verbindung  zu  treten  und  ihn  zu  bitten, 
„im  lande  dirforschen  zu  lassen,  was  dach  gutter  czeitunge  do 
were  ....  vff  das  wir  ouch  irkeyne  vortrostunge  von  euch 
mögen  haben,8)  so  gelang  es  auch  dem  Bischof,  den  die  Müh- 
sale der  Belagerung  nicht  mürbe  machten,  seine  Drohworte  gegen 
den  Bund  an  den  Mann  zu  bringen.4) 

Aber  dem  Schwerte  der  Ordensritter,  das  noch  immer 
schneidig  genug  war,  polnische  Adlige,  deren  Kampfeseifer  von 
abgetrotzten  königlichen  Privilegien  bedingt  war,  und  ihre  an 
Zahl  den  Ordenstruppen  weit  überlegenen  Banderien  zu  Paaren 

* 

1)  Desto  mehr  Mühe  gaben  sich  die  Domherren  sowohl,  mit  Ausnahme 
des  Domprobstes,  als  auch  Lande  und  Städte  im  Ermlande,  den  Bund  mit 
Geld  und  anderen  Hilfsmitteln  zu  unterstützen.  (Brief  Jakob's  von  Ge- 
dawthen  an  Stibor  von  Baisen,  dat.  Heilsberg  d.  24.  Mai  1454.  K.  St.-A.  — 
M.  Toppen,  St.-A.  IV,  431.  —  Brief  Jakob's  von  Reppin  an  den  Heergrafen, 
dat.  Elbing  d.  26.  Juni  [1454]  K.  St.-A.) 

2)  Mon.  hist.  Warm.  ITT,  108.  -  M.  Toppen,  St.-A.  IV,  380.  —  J.  Voigt 
1.  c.  VIII,  371. 

3)  Brief  des  Hochmeisters,  dat.  Marienburg  d.  1.  Juni  1454.    K  St.-A. 

4)  Brief  an  den  Bischof  von  Leßlau,  d.  Marienburg  d.  13.  Juni  1454. 
K.  St.-A.  Es  ist  dies  das  Schreiben,  welches  uns  oben  zu  dem  Ausspruch 
veranlaßte,  dem  Bischof  gebe  sein  Haß  gegen  den  Bund  Worte  ein,  die  in 
seinem  Munde  sehr  verletzend  wirkten.  Er  nennt  den  Bund  wieder  eine 
„liga  contra  libertatem  ecclesiae  et  totum  st a tum  ecclesiasticum" ;  wenn  ein 
Bischof  gegen  ihn  nicht  einschreite,  so  sei  er  „mehr  ein  schamloser  Hund 
zu  nennen  als  ein  Bischof  \ 


38  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

zu  treiben,  sollte  bald  die  Befreiung  des  Ordenshaupthauses  ge- 
lingen. Die  Polen  erlitten  eine  schmachvolle  Niederlage  am 
18.  September  14B4  bei  Konitz;  drei  Tage  darauf  waren  die  Be- 
lagerer der  Marienburg  in  alle  Winde  zerstoben  und  der  Hoch- 
meister und  Bischof  frei.1) 

Dieser  Sieg  bewirkte  einen  außerordentlichen  Umschlag  zu 
Gunsten  des  Ordens.  "War  man  schon  vorher  hier  und  da  zu 
der  Erkenntnis  gekommen,  daß  man  sich  mit  dem  polnischen 
Bündnis  verrannt  und  keinen  guten  Tausch  gemacht  habe,  so 
zeigte  jetzt  vollends  dieser  Sieg,  wieviel  mehr  Anhänger  der 
Orden  noch  besaß,  als  man  geglaubt  hatte.  Wir  können  fast 
sagen,  dem  Orden  fiel  das  ganze  Land  wieder  zu  mit  Ausnahme 
der  großen  Städte,  der  Mehrzahl  des  Landadels  und  —  des  Erm- 
landes.  Daß  Braunsberg  bei  dem  Bunde  verharrte,  braucht  uns 
nicht  zu  wundern,  es  war  groß  und  stark  genug,  um  dem  Orden 
zu  trotzen,  die  Ausdauer  der  kleinen  Städte  aber  und  des  Land- 
volkes können  wir  uns  nur  dadurch  erklären,  daß  sie  sich  durch 
das  Domkapitel  gestärkt  und  geschützt  fühlten. 

Nunmehr  faßte  der  Hochmeister  den  Entschluß,  das  wider- 
spänstige  Bistum  durch  die  Schärfe  des  Schwertes  zum  Gehor- 
sam zurückzubringen.  Diese  bedeutende  Aufgabe  fiel  dem  kraft- 
vollsten Mann  des  Ordens  zu,  Heinrich  Reuß  von  Plauen. 

Schon  einen  Monat  nach  der  Schlacht  bei  Konitz  hatte  er 
einen  Zug  in  die  Landprobstei  der  Domherren  unternommen, 
um  diese  für  ihren  Abfall  zu  strafen,  er  mußte  sich  aber  mit 
dem  Abbrennen  einiger  Dörfer  und  einer  reichen  Beute  an  Vieh 
und  Getreide  begnügen.2) 

Diesmal  galt  es  eine  größere  Unternehmung  ins  Werk  zu 
setzen.     Wir    können   seinen  Kriegszug   nach    seinen  Berichten 


1)  Joh   Voigt,  Geschichte  Marienburgs,  S.  425. 

Brief  des  Hochmeisters   an    den  jüngeren  Heinrich  Reuß  von  Plauen, 
dat.  Marienburg  d.  24.  Sept.  1454.    K.  S.-A. 

2)  Brief  an   den   Hochmeister,    dat.  Osterode   den    18.  Oktober    1454. 
K.  St.-A. 


Von  Wilhelm  Brüning.  39 

genau  verfolgen.1)  Am  Dienstag  den  10.  Dezember  1454  zog  er 
gegen  Frauenburg.2)  Unterwegs  „sengte  er  einige  Dörfer  ab". 
Die  Stadt  „pochte  er  aus"  und  verbrannte  sie,  den  Domherren 
wurden  „etzliche  Güter"  genommen.  Aber  die  Kirche,  ihr  Ge- 
höft und  die  Häuser  der  Priester,  schreibt  er,  seien  ganz  unver- 
sehrt geblieben.8)  Darauf  zog  der  Komtur  vor  Braunsberg, 
richtete  aber  wenig  aus. 

Es  war  ihm  diesmal  nicht  gelungen,  Ermland  zum  Abfall 
vom  Bunde  zu  zwingen,  nur  von  der  Stadt  Mehlsack  hatte  er 
Zusagen  erhalten,  deshalb  wiederholte  er  im  April  des  nächsten 
Jahres  seinen  Zug. 

"Wir  folgen  wieder  seinem  Bericht.4)  Am  10.  April  er- 
schien er  vor  Braunsberg.  Er  wollte  mit  den  Bürgern  „tey- 
dingen  und  reden",  sie  wiesen  aber  jede  Unterhandlung  zurück 
und    leisteten  Widerstand.     Da   ließ    der    Komtur    seine    Reiter 


1)  Brief  an  den  Hochmeister,    dat.  Preußmarkt  d.  13.  Dezember  1454. 
K.  St.-A. 

2)  Plastwich  giebt  fälschlich  den  11.  Dezember   an   und  Bender  folgt 
ihm  hierin. 

3)  Wenn  man  die  ganze  dreiste  Heuchelei  Plastwichscher  Geschicht- 
schreibung kennen  lernen  will,  muß  man  seinen  Bericht  über  diesen  Einfall 
des  Komturs  lesen.  (Mon.  bist.  Warm.  HI,  109.)  Er  wagt  es,  an  dieser 
Stelle  von  den  Verdiensten  der  ermländischen  Domherren  um  den  deutschen 
Orden  zu  sprechen  und  sich  in  bitteren  Klagen  über  die  Verwüstungen  des  Kom- 
turs zu  ergehen,  „als  ob  das  Kriegführen  bloßes  Spiel  und  als  ob  es  ganz 
in  der  Ordnung  wäre,  einem  auf  Tod  und  Leben  Krieg  anzukündigen  und 
dann  doch  die  rücksichtsvollste  Behandlung  zu  erwarten".  (S.  das  Urteil 
Töppens  in  Altpr.  Monatsschr.  Jahrg.  1868,  S.  526.)  —  Bender  (1.  c.  S.  89) 
folgt  ganz  Plastwichscher  Auffassung  und  Darstellung.  Was  wir  von  der 
Erzählung  Plastwichs,  daß  der  Komtur  einige  Domherrenkurien  in  Brand 
gesteckt  und  die  anderen  mit  Feuer  bedroht  habe,  zu  halten  haben,  wissen 
wir  nach  obigem  Bericht,  dem  wir  größere  Glaubwürdigkeit  beimessen  als 
jener.  Ebenso  wenig  ist  die  Brandschatzung  des  Kapitels  unbedingt  er- 
wiesen, denn  der  Komtur  sagt  nichts  darüber  und  die  Angaben  bei  Plast- 
wich und  in  der  älteren  Hochmeisterchronik  gehen  weit  auseinander. 
(SS.  rer.  Pruss.  HI,  683.) 

4)  Brief  des   Komturs,   dat.   Altstadt -Königsberg   d.    19.  April    1455. 
K.  St.-A.  —  SS.  rer.  Pruss.  IV,  142. 


40  Die  Stellang  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

absitzen  und  erlief  mit  ihnen  die  Neustadt.  Er  „ verbrannte" 
sie  und  die  Vorstadt  „in  den  Grund44.1) 

Abgesandte  von  Mehlsack  kamen  zu  ihm  und  übergaben 
ihm  ihre  Stadt.  Er  nahm  sie  zu  Gnaden  auf  und  schickte 
Truppen  dorthin,  die  Stadt  in  Besitz  zu  nehmen.  Die  Kneip- 
höfer  aus  Königsberg  hatten  dieselbe  Absicht  gehabt,  der  Streit- 
haufe des  Komturs  überraschte  sie  aber,  schlug  sie  in  die  Flucht 
und  nahm  ihnen  alle  Fourage  und  alles  Gepäck  ab.  Der  Kom- 
tur setzte  seinen  Siegeszug,  der  schließlich  mit  der  Eroberung 
Königsbergs  und  dem  erfolgreichen  Treffen  bei  Preußisch  Eylau 
gekrönt  wurde,  fort. 

Die  Eroberung  Mehlsacks  war  nicht  von  langer  Dauer, 
denn  schon  am  22.  April  meldete  Bruder  Siegfried  Flach  von 
Schwarzenberg,  Hauptmann  zu  Heiligenbeil,  dem  Hochmeister, 
daß  Mehlsack  von  bündischen  Kriegshaufen  erobert  und  aus- 
gebrannt sei.  Die  gefangenen  Herren  hätten  die  Bündner  nach 
Heilsberg  gebracht.2)  Unter  jenen  befand  sich  auch  Arnold 
Coster  von  Venrade,  Domherr  und  Kantor  an  der  Kirche  zu 
Frauenburg.8) 


1)  Plastwich  bemerkt  dazu  1.  c.  S.  110:  Commendator  servitii  per  do- 
minum Franciscam  episcopum  ordini  suo  impensi  iam  immemor. 

Der  Bischof  wird  die  Handlungsweise  des  Komturs  sicher  nur  als 
eine  gerechte  Strafe  der  Braunsberger,  die  ihm  so  viel  zu  schaffen  gemacht, 
angesehen  haben. 

2)  Brief  Schwarzenbergs  an  den  Hochmeister,  dat.  Heiligenbeil  den 
22.  April  1455.  K.  St.-A.  —  Vergl.  die  Berichte  über  die  Eroberung  Mehl- 
sacks durch  die  Bündner  bei  Plastwich,  1.  c.  S.  110,  in  SS.  rer.  Pruss. 
III,  692;  IV,  143,  bei  Caspar  Schütz,  1.  c.  fol.  223  b  (falsche  Zeitangabe)  und 
bei  Dionysius  Runau,  historia  und  einfei tige  Beschreibung  des  großen  drei- 
zehenjärigen  Kriegs  in  Preußen  fol.  25.  Von  allen  diesen  weiß  nur  Plast- 
wich zu  erzählen,  daß  der  Verlust  Mehlsacks  allein  eine  Schuld  der  Nach- 
lässigkeit der  Ordensritter  gewesen  ist. 

3)  Daß  dieser  Mann,  der  ein  Freund  der  Ordenssache  gewesen  zu  sein 
scheint  (vergl.  über  ihn  den  Brief  des  Ordensbruders  Erwin  Hug  vom 
Heiligenberg,  dat.  Rößel  d.  21.  Febr.  1456.  K.  St.-A.),  denn  der  Hochmeister 
bemühte  sich  nach  dem  Tode  des  Bischofs  Franz  sehr,  ihn  zu  dessen  Nach- 
folger zu  machen,  für  die  Uebergabe  Mehlsacks  an  den  Orden  thätig  ge- 
wesen ist,  ist  leicht  möglich.  Plastwich  aber  schreibt  sie  dem  Verdienst 
des  ganzen  Kapitels  zu.     Dieses  habe  die  Bürger  zur  Gesandtschaft  an  den 


Von  Wilhelm  Brüning.  41 

Trotz  dem  Verluste  der  eben  eroberten  Stadt  hatte  doch 
der  siegreiche  Zug  des  Komturs  noch  bedeutendere  Erfolge  in 
einem  anderen  Teile  des  Ermlandes  aufzuweisen,  in  Stadt  und 
Schloß  Allenstein. 

Wir  kommen  nunmehr  zu  einem  Ereignis  im  dreizehn- 
jährigen Kriege,  welches  für  den  Orden  von  großer  gewinn- 
bringender Bedeutung,  aber  auch  eine  Quelle  der  ärgsten  An- 
feindungen werden  sollte.  Eine  ausführliche  Schilderung  des- 
selben giebt  nur  die  Denkschrift  und  die  Chronik  des  Johannes 
Plastwich,  der  wegen  der  mißlichen  Solle,  die  er  in  Allenstein 
gespielt  hat,  und  wegen  des  daraus  resultierenden  persönlich- 
feindseligen Verhältnisses  zum  Orden  am  allerwenigsten  ein 
glaubwürdiger  Zeuge  ist.  Die  wahrhaft  erfreuliche  Fülle  unver- 
dächtigerer Nachrichten,  die  uns  das  hiesige  Staatsarchiv  in 
Briefen  und  Urkunden  über  die  Vorfalle  in  Allenstein  aufbe- 
wahrt hat,  setzt  uns  in  den  Stand,  die  Angaben  Plastwichs  zu 
prüfen  und  Schuld  und  Unschuld  beider  streitenden  Parteien 
abzuwägen. 

Es  mußte  dem  Orden  ganz  besonders  viel  daran  gelegen 
sein,  den  strategisch  festesten  Punkt1)  des  Bistums,  Stadt  und 
Schloß  Allenstein,  in  seine  Gewalt  zu  bekommen.  So  schrieb 
der  Komtur  von  Osterode  dem  Hochmeister,  daß,  wenn  der 
Orden  Allenstein  gewänne,  sich  auch,  die  kleinen  Städte  im 
Niederland  ergeben  würden.2)  Es  war  deshalb  auch  schon  bald 
nach  der  Schlacht  bei  Konitz  und  dann  wieder  im  Beginn  des 
Jahres  1456  unter  schweren  Androhungen  von  dem  Komtur  von 
Elbing  zum  Verlassen  des  Bundes  aufgefordert  worden.8)  Der 
Komtur   von    Osterode   und    der   Ordenshauptmann    Georg   von 


Komtur  bewogen,  damit  der  Bischof  mit  Hilfe  des  Ordens  in  sein  Bistum 
wieder  zurückgeführt  würde.  Das  hätte  auch  geschehen  können,  wenn  der 
Orden  es  nur  ernstlich  gewollt  hätte.  —  Lauter  unwahre,  leicht  zu  wider- 
legende Behauptungen. 

1)  Mon.  hist.  Warm.  IV,  33. 

2)  Brief  des  Komturs,  dat.  Osterode  d.  21.  Nov.  1464.    K.  St.-A. 
3;  Mon.  hist.  Warm.  III,  111. 


42  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutseben  Orden  etc. 

Schlieben  unterhandelten  mit  den  Bürgern  Aliensteins  im  No- 
vember 1454.  Diese  scheinen  nicht  abgeneigt  gewesen  zu  sein, 
zum  Orden  überzugehen,  aber  ihre  Herren  (also  die  Domherren) 
untersagten  ihnen,  wie  sie  dem  Komtur  schrieben,  weitere  Unter- 
handlungen unter  Androhung  ihrer  Ungnade.1) 

Als  aber  die  Herren  des  Ordens  ihre  siegreichen  Fahnen 
immer  weiter  in  das  aufständische  Land  hinein  trugen  und  eine 
Stadt  nach  der  andern  in  ihre  Hände  fiel,  mußten  auch  die 
Domherren  daran  denken,  einen  anderen  Kurs  einzuschlagen. 
Ihre  Stellung  war  schon  eine  sehr  unsichere  geworden.  Sie  be- 
fanden sich  in  arger  Bedrängnis.  Besonders  viel  zu  leiden 
hatten  sie  von  dem  Eroberer  Höllensteins,  dem  kühnen  Haupt- 
mann Muschick  von  Schwynau.2) 

In  ihrer  Not  wandten  sie  sich  an  den  Hochmeister  und 
baten  ihn  um  Schutz.  Muschick  habe  ihnen  geschrieben,  sie 
sollten  ihm  Schloß  und  Stadt  „eingeben",  oder  er  wolle  ihnen 
allen  nur  möglichen  Schaden  zufügen.  Der  Hochmeister  möge 
doch  dafür  sorgen,8)  daß  Muschick  sie  in  Buhe  lasse,  bis  sie 
sich  in  des  Ordens  Beschirmung  begeben  hätten.  Sie  bäten  ihn 
sehr,  sie  vor  dem  Schicksal  Mehlsacks  zu  bewahren.4) 


1)  Brief  des  Komturs,  dat.  Osterode  d.  26.  Nov.  1454.    K.  St.-A. 

2)  Er  war  einer  der  wenigen  Söldnerführer,  die  vom  Bunde  zum 
Orden  übertraten.  Seiner  Nationalität  nach  war  er  Böhme.  (SS.  rer.  Pruss. 
EI,  688;  IV,  119.) 

8)  Mit  der  Begründung :  „wir  bitten  demuttielichen  ewer  gnade,  das  ir 
wellet  anseen,  das  unser  kirche  ewern  gnaden  und  orden  alle  czeith  czu 
dinste  ist  geweßen  und  sich  getruwelich  hot  bewyßet  und  noch  alle  czit 
wirt  bewysen." 

Man  durfte  dem  Hochmeister  schon  etwas  bieten.  In  seiner  Lage, 
die  trotz  aller  Siege  und  Fortschritte  wegen  der  unbezahlten  Söldner  eine 
bedrängte  war,  war  er  zufrieden,  wenn  man  nur  zu  ihm  zurückkehrte. 

4)  Brief  der  Domherren  (des  Domprobstes,  des  Dechants,  Landprobstes 
und  anderer  Herren  der  Kirche),  dat.  Alienstein  d.  23.  April  1455.  K.  St.-A. 
—  Dieser  Brief,  der  in  einem  sehr  kläglichen  Tone  gehalten  ist,  beweist, 
daß  die  Uebergabe  Aliensteins  keineswegs  nur  von  der  Freiwilligkeit  der 
Domherren  abgehangen  hat,  wie  Voigt  (1.  c.  VIII,  445)  und  Bender  (1.  c. 
S.  91)  annehmen. 


Von  Wilhelm  Brüning.  43 

Dieser  Brief  der  Domherren  kam  dem  Komtur  von  Oste- 
rode in  die  Hände,  er  erbrach  ihn,  um  nachzusehen,  ob  „irgend 
ein  Artikel  oder  Schelunge",  die  den  Orden  berühre,  darin  ent- 
halten sei,  und  die  er  in  der  Zeit,  bis  der  Brief  zum  Hoch- 
meister komme,  „wandeln"  könnte.  Den  Hauptmann  Muschick 
bat  er,  das  Kapitel  in  Kühe  zu  lassen,  bis  Verhaltungsmaßregeln 
aus  Marienburg  eingetroffen  wären.1) 

Wie  sich  das  Verhältnis  zwischen  Muschick  und  den  Dom- 
herren in  den  beiden  folgenden  Monaten  gestaltet  hat,  wissen 
wir  nicht.  Die  Verhandlungen  zwischen  ihnen  begannen  im 
Juli.  Am  2.  dieses  Monats  berichtet  Muschick  darüber  an  den 
Hochmeister:  Johannes  Plastwich,  der  Dechant  der  ermländischen 
Kirche,  sei  zu  ihm  nach  Hohenstein  gekommen  und  habe  mit 
ihm  in  Gegenwart  des  Komturs  von  Graudenz,  Wilhelm  von 
Helfenstein  „Handlung"  gehabt.  Plastwich  habe  ihm  gelobt, 
daß  das  Haus  Alienstein  niemand  anders  als  dem  Orden  offen 
und  zu  Gebote  stehen  solle.  An  dem  Tage,  an  welchem  der 
Komtur  von  Elbing  diejenigen  Domherren,  die  noch  in  Frauen- 
burg wären,  „an  Leib  und  Leben  sichern"  würde,  wollten  die 
Domherren  ihn  „mit  so  groszer  macht,  als  er  mag  haben,"  in 
das  Haus  einlassen,  jedoch  unter  der  Bedingung,  daß  die  Be- 
wohner der  Stadt  vom  Hochmeister  „sicherunge  lebes,  guttes  und 
ire  gerechtikeiten  mochten  haben".2) 

Bereits  am  4.  Juli  beantwortete  der  Hochmeister  Schwynau's 
Bericht.8)  Er  versprach  den  Domherren  und  Städtern  die  ver- 
langte Sicherung  und  den  Schutz  ihrer  Privilegien  als  Entgelt 
für  ihre  Zusagen.  Er  machte  nur  die  eine  Bedingung,  daß,  da 
er  seinen  „Gästen"  den  Sold  schulde,  auch  die  Domherren  und 
ihre  Leute  zu  den  Steuern  herangezogen  werden  dürften  wie 
das  übrige  Land.4) 


1)  Brief  des  Komturs,  dat.  Osterode  d.  24  April  1455.    K.  St.-A. 

2)  Brief  Muschick's   von  Schwynau,  dat.  Hohenstein   d.  2.  Juli  1455. 
K  St-A. 

8)  Brief  des  Hochmeisters,  dat.  Marienburg  d.  4.  Juli  1455.     E.  St.-A. 
4)  Diese  Bedingung  ließ  der  Hochmeister  später  fallen. 


44  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

Zwei  Tage  darauf  wiederholte  der  Hochmeister  in  einem 
Briefe  an  die  Aliensteiner  seine  Zusicherungen.  Er  ermahnte 
sie,  zum  Orden  überzugehen,  er  wolle  ihnen  dafür  auch  ihren 
Abfall,  da  sie  ja  doch  nur  von  anderen  Leuten  „schändlich  ver- 
leitet und  verbittert"  wären,  nicht  nachtragen.  Sie  sollten  an 
ihre  Ehre  denken  und  sich  der  Lande  Verderbnis  zu  Herzen 
nehmen.1) 

Dennoch  zögerten  die  Domherren  noch  immer  mit  der 
Uebergabe,  und  neue  Verhandlungen  mußten  stattfinden.  Der 
Komtur  von  Graudenz  berichtete  darüber  dem  Hochmeister.8) 
Im  Namen  der  Domherren  habe  wieder  der  Dechant  Plastwich 
gesprochen,  die  Stadt  sei  durch  einen  Ratsherr  vertreten  ge- 
wesen. Muschick  von  Schwynau  habe  sich  nicht  mit  ihnen 
einigen  können,  deshalb  hätten  sich  die  Ordenshauptleute  Georg 
von  Schlieben  und  von  Lobel  in's  Mittel  gelegt.  Nachdem  auch 
diese  wieder  die  Versicherung  abgegeben,  daß  die  Domherren 
wegen  ihres  Verhältnisses  zum  Bunde  nicht  „am  Leibe  versehrt", 
sondern  vom  Orden  beschirmt  werden  würden,  seien  Schlieben, 
Muschick  und  Lobel  mit  ihren  Rotten  in  guter  Eintracht  in 
Stadt  und  Schloß  eingelassen  und  Schlieben  und  er  zu  Haupt- 
leuten erkoren  worden. 

Außer  diesem  Briefe  des  Komturs  belehren  uns  über  die 
Unterhandlungen  und  Uebergabebedingungen  vier  Schriftstücke: 

1.  Der  Bericht  Georgs  von  Schlieben: 

2.  Die  tegedinge  der  thumheren  unde  houelewten; 

3.  Der  Bericht  des  Domkapitels;8) 


1)  Brief  des  Hochmeisters,  dat.  Marienburg  d.  6.  Juli  1455.    K.  St.-A. 

2)  Brief  des  Komture,  dat.  Alienstein  d.  17.  Juli  1455.    K.  St.-A. 

8)  Alle  drei  in  Mon.  hist.  Warm.  III,  138  fg.  —  Die  „tegedinge  der 
thumheren"  ist  sicher  von  Plastwich  verfaßt  worden,  also  wenig  geeignet, 
die  Wahrheit  des  Berichts  des  Domkapitels  zu  unterstützen.  —  Der  Bericht 
Schliehens  liegt  im  K.  St.-A.  im  Original  vor  als  ein  eingeschlossener  Zettel 
in  einem  Briefe,  dat.  Allenstein  d.  4.  Januar  1456.  Er  ist  an  den  Hoch- 
meister gerichtet.  (Wölky  vermutet  es  nur.)  Er  enthält  einige,  aber  un- 
wesentliche Abweichungen  von  dem  von  Wölky  gegebenen. 


Von  Wilhelm  Brüning.  45 

4.  Die  Urkunde    des  Hochmeisters,    in   der   er   die  ver- 
einbarten Bedingungen  bestätigte.1) 

Wir  wollen  von  allen  anderen  Bestimmungen2)  absehen 
and  nur  feststellen,  ob  Georg  von  Schlieben  von  den  Domherren 
zum  Hauptmann  gewählt  worden  ist. 

Der  Komtur  von  Graudenz  berichtet  ausdrücklich,  daß  die 
Domherren  ihn  selbst  und  Schlieben  zu  Hauptleuten  erkoren 
hätten.  Im  dem  Bericht  Schliebens  heißt  es,  daß  der  Dechant 
in  Gegenwart  des  Domherrn  Arnold  ihn  durch  Handschlag  zum 
Hauptmann  aufgenommen  habe.  Die  tegedinge  bestreitet  dies 
durchaus,8)  ebenso  der  Bericht  des  Domkapitels.  Der  Artikel  3 
der  Uebergabebestimmungen,  die  beide  anführen,  besagt,  daß 
kein  anderer  Hauptmann  in  Stadt  und  Schloß  eingesetzt  werden 
dürfte,  als  der,  den  die  Domherren  selbst  sich  vom  Orden 
erwählten.  In  seiner  Urkunde  giebt  der  Hochmeister  den  Dom- 
herren „aus  sonderlicher  Gnade"  die  Erlaubnis,  niemand  anders, 
als  ein  Mitglied  des  Ordens  zum  Hauptmann  auf  das  Schloß 
aufzunehmen.  Besonders  auf  Grund  dieses  Zeugnisses  werden 
wir  wohl  annehmen  können,  daß  die  Angaben  des  Komturs  in 
Zweifel  zu  ziehen  sind,  oder  aber  auch,  daß  die  Domherren  bei 
den  Verhandlungen  Schlieben  erst  die  Zusage  gegeben,  dann 
aber  wieder  zurückgenommen  haben,  und  daß  der  Hochmeister 
„aus  sonderlicher  Gnade"  auch  damit  einverstanden  gewesen  ist. 
Daß  die  Domherren,  wie  es  in  dem  Briefe  des  Komturs  heißt 
die  Sotten  auch  gleich  in  das  Schloß  aufgenommen  haben,  kann 
nicht  der  Fall  sein.  Der  Komtur  wird  das  Versprechen  gleich 
als  vollzogene  That  vorausgenommen  haben,  denn  er  hat  seinen 


1)  Pergament  Urkunde  mit  zwei  Siegeln,  dat.  Königsberg-Altstadt  den 
22.  August  1455.    E.  St.=A.    Schbld.  64.  No.  6. 

2)  Von  der  Znrückführung  des  Bischofs  nach  Alienstein  und  in  sein 
Bistum  überhaupt  ist  in  den  Uebergabebestimmungen  nirgends  die  Bede. 
Plastwich  behauptet  es.    (Mon   hist.  Warm.  III,  112.) 

8)  Mon.  hist.  Warm.  III,  143.  die  (hoffelewte)  koren  her  Jörgen  von 
Sliffin  zcu  eime  houptman,  den  dy  thumheren  ny  haben  vorliebet,  noch 
wellen  vmmer  vor  eyne  houptman  Vorlieben. 


46  Die  Stellang  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

Brief  an  den  Hochmeister  sogleich  am  Tage  der  Unterhandlung 
geschrieben. 

Die  Entwickelung  der  Verhältnisse  in  Alienstein  war  nun 
folgende:  Die  Ordenssöldner  waren  erst  einige  Tage  dort,  da 
gab  es  schon  Hader  und  Streit  zwischen  ihnen,  den  Domherren 
und  deren  Unterthanen.  Die  Domherren  beschwerten  sich  beim 
Hochmeister,  daß  die  Bedingungen  der  Uebergabe  nicht  ge- 
halten würden:1)  Muschick  gebe  nicht  die  Gefangenen  heraus, 
er  poche  die  Dörfer  aus  und  beraube  ihre  Leute.  Die  Hofleute 
verlangten  von  ihnen,  sie  aufs  Schloß  zu  lassen,  obwohl  sie 
doch  den  Bestimmungen  des  Vertrages  schon  durch  die  Auf- 
nahme des  Komturs  von  Graudenz  mit  seiner  Begleitung  von 
mehr  als  dreißig  Mann  nachgekommen  wären.2)  Sie  hätten  dies 
gethan  zu  ihrer  großen  „Beschwerung"  und  trotz  ihrer  großen 
Armut.8)  Auch  bezahlten  die  Hofleute  nicht,  was  sie  ver- 
brauchten. 

Der  Hochmeister  versprach  den  Domherren  freundlich  Ab- 
stellung ihrer  Beschwerden.  Er  habe  Muschick  den  mündlichen 
Befehl  gegeben,  die  Gefangenen  frei  zu  lassen,  trotzdem  dieser 
geltend  gemacht,  daß  es  darüber  keine  Bestimmung  gebe.  Er 
bat  sie  aber  auch  dringend,  dafür  zu  sorgen,  daß  ihre  Unter- 
thanen in  allen  billigen  Sachen  gehorsam  seien,  damit  nicht 
beide  Teile  Schaden  erlitten.4) 


1)  Brief  der  Domherren,  dat.  Allenstein  d.  29.  Juli  1455.    K.  St.-A. 

2)  Davon,  daß  der  Komtur  nur  eine  so  geringe  Anzahl  von  Leuten 
auf's  Schloß  bringen  durfte,  steht  in  den  Bestimmungen  nichts.  Auch  hatte 
Plastwich  in  dieser  Beziehung  dem  Hauptmann  von  Schwynau  ganz  andere 
Zusagen  gemacht.    S.  o.  S.  43. 

3)  Der  Mitverfasser  des  Briefes,  Plastwich,  scheint  diese  Armut  in 
seiner  Chronik,  wo  es  sich  um  die  Schätzung  des  Schadens  handelt,  den  das 
Kapitel  durch  Schlieben  erlitten  haben  sollte,  ganz  vergessen  zu  haben.  Er 
giebt  in  ihr  den  Schaden  auf  40000  Dukaten  an  und  sagt,  daß  in  der  Burg 
480  Scheffel  Weizen,  5820  Scheffel  Roggen,  720  Scheffel  Mehl  und  Gersten- 
malz gelegen  hätten.  (Lotar  Weher  1.  c.  S.  280.)  Auch  Simon  Grünau, 
Prß.  Chronik  II,  205  (hrg.  von  Perlbach)  berichtet,  daß  Stadt  und  Schloß 
Allenstein  mit  Getreide  für  zehn  Jahre  versorgt  war. 

4)  Brief  des  Hochmeisters,  dat.  Marienburg  d.  8.  Aug.  1455.    K.  St.-A. 


Von  Wilhelm  Brüning.  47 

Leise  Unzufriedenheit  mit  dem  Verhalten  der  leicht  ge- 
reizten Domherren  klingt  aus  dem  Briefe  heraus. 

Es  waren  ihm  Gerüchte  zu  Ohren  gekommen,  daß  in  Alien- 
stein allerlei  Beden  gegen  den  Orden  fielen.  Ein  Vasall  des 
Kapitels  und  alter  Feind  des  Ordens,  Balthasar  Skayboth,  sollte 
geäußert  haben,  daß  Alienstein  niemals  in  die  Hände  des  Ordens 
gekommen,  wenn  er  auf  dem  Schlosse  gewesen  wäre.1) 

Der  Gewinn  von  Alienstein  war  unter  den  vorhandenen 
Verhältnissen  kein  sehr  großer.  Auch  die  Bürger  machten 
Schwierigkeiten,  so  daß  die  Hofleute  nicht  einmal  in  der  Stadt 
sicher  waren,  und  selbst,  wenn  sie  es  dort  gewesen  wären,  der 
Besitz  der  Stadt  ohne  das  Schloß  war  nur  eine  Gefahr  für  sie. 
Der  Komtur  von  Helfenstein  mit  der  Handvoll  Leute  nützte 
auf  dem  Schlosse  nichts,  er  war  ganz  in  der  Gewalt  der  Dom- 
herren. Sich  allein  der  Treue  und  dem  guten  Willen  der 
letzteren  anzuvertrauen,  dazu  hatten  die  Hofleute  keine  sonder- 
liche Veranlassung. 

Wiederholt  bat  Schlieben  die  Domherren,  ihn  mit  etlichen 
Leuten  auf's  Schloß  zu  nehmen.  Der  Komtur  unterstützte  seine 
Bitten.  Die  Domherren  wollten  Schlieben  schließlich  mit  sechs 
Begleitern  den  Aufenthalt  auf  dem  Schloß  gestatten,  aber  nicht 
in  der  Eigenschaft  als  Hauptmann.  Da  begab  letzterer  sich  zum 
Hochmeister,  um  die  Abstellung  dieses  unerträglichen  Zustandes 
durchzusetzen.  Während  seiner  Abwesenheit  machte  sein  Vetter 
Magnus  von  Schlieben  den  Versuch,  mit  fünfzehn  Mann  auf 
dem  Schloß  festen  Fuß  zu  fassen.  Nach  der  sehr  zweideutigen 
und  vorsichtigen  Ausdrucks  weise  der  Tegedinge  „wart  er  von 
den  thumheren  von  der  beteidunge  underrichtet  alzo,  das  her 
nicht  me  offem  hawsze  lac".  Nach  dem  Berichte  Schlieben' s 
beliebte  man  ein  weniger  glimpfliches  Verfahren:  Die  Dom- 
herren drängten  Magnus  mit  Gewalt  vom  Schlosse.  Daraus  er- 
sehen wir,  daß  sie  thatsächlich  die  Herren  desselben  waren  und 


1)  Brief  des  Hochmeisters,  dat.  Marienburg  d.  3.  Aug.  1455.    K.  St.-A. 


48  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

auch  trotz  des  Komturs  von  Graudenz  und  seiner  dreißig  Mann 
die  Macht  besaßen,  es  zu  bleiben. 

Auf  die  Vorstellungen  Schlieben's  hin  gab  der  Hochmeister 
in  einem  Briefe  an  den  Komtur  von  Osterode  seinem  Unmut 
über  die  Verhältnisse  in  Alienstein  Ausdruck.  Stadt  und  Schloß 
seien  ihm  zwar  übergeben  worden,  aber  er  habe  viel  „Schelunge 
vnd  Gebrechen"  davon.  Der  Rat  gebe  nicht  die  Schlüssel  der 
Stadt  heraus  und  die  Domherren  ließen  keinen  seiner  Hofleute 
aufs  Schloß.  Er  besorge,  „das  doraus  vnsern  hoffeleuten,  vns 
vnd  vnserm  orden,  noch  deme  alse  es  denne  ouch  iczunt  im 
lande  eine  gestalt  hat,  ein  grosser  schaden  entstehen  mochte." 
Der  Komtur  sollte  mit  dem  Komtur  von  Graudenz,  dem  Vogte 
von  Soldau,  Ulrich  von  Kinsberg,  und  mit  Schlieben  die  Sache 
„vffs  aller  beste,  bequemste  vnd  gelumpfflichste  an  die  thum- 
heren  brengen",  damit  die  Uebelstände  ein  Ende  nähmen.  Die 
Domherren  würden  deshalb  an  ihren  hoheitlichen  Rechten  keinen 
Abbruch  erleiden,  er  werde  sie  schützen  und  bei  allen  ihren 
Privilegien  lassen.  Ihr  Abfall  solle  ganz  und  gar  vergessen  sein. 
Ein  gutes  Verhältnis  zum  Orden  diene  doch  auch  nur  zu  ihrem 
eigenen  Besten.1) 

Die  Wünsche  des  Hochmeisters  fanden  bei  den  Domherren 
keine  Berücksichtigung.  Sie  pochten  auf  die  Zusage,  daß  sie 
zu  Hauptleuten  erwählen  könnten,  welche  sie  wollten,  und  nur 
solche  Hofleute  aufzunehmen  brauchten,  die  ihnen  „bequem" 
wären.2)  Von  Georg  von  Schlieben  wollten  sie  nichts  wissen 
und  seine  Hofleute  wären  ihnen  nicht  bequem.  Sie  hätten  sich 
deshalb  neben  dem  Komtur  von  Graudenz  einen  andern  Haupt- 
mann erwählt,  Volkel  von  Röder.8)  Der  Hochmeister  möge  sie 
von  Schlieben  und  seiner  Rotte  befreien.  Wenn  dies  nicht  ge- 
schähe und  Röder  nicht  bald  ihr  Hauptmann  würde,  müßten  sie 
daran  denken,    sich  zu  wehren  und  sich  selbst  zu  beschirmen.4) 


1)  Brief  des  Hochmeisters,  dat.  Marienburg  d.  5.  Sept.  1455.    K.  St.-A. 

2)  Brief  der  Domherren,   dat.  Allenstein   d   24.  Sept.  1455.    K.  St.-A. 

3)  Röder  war  zwar  in  Diensten  des  Ordens,  aber  kein  Mitglied  desselben ! 

4)  Brief  der  Domherren,    dat.  Allenstein   d.  27.  Sept.  1455.    K.  St.-A. 


Von  Wilhelm  Brüning.  49 

Diese  Drohung  wer  deutlich  genug!  Die  Kunde  von  dem 
Zwist  in  Alienstein  war  sogar  bis  zu  dem  in  Breslau  weilenden 
Bischof  Franz  gedrungen,  wohin  er  sich  von  Marienburg  aus  im 
April  1466  begeben  hatte.  In  einem  Briefe  an  den  Hochmeister 
sprach  er  die  Befürchtung  aus,  daß  die  Domherren  leicht  anders- 
wo Hilfe  nachsuchen  und  die  Hofleute  überfallen  könnten! 
Er  riet  deshalb  die  Domherren  von  den  ihnen  mißliebigen  Hof- 
leuten zu  befreien.1) 

Auch  der  Komtur  von  Elbing  hatte  zur  gütlichen  Bei- 
legung des  Streites  geraten  und  gebeten,  Georg  von  Schlichen 
zum  Nachgeben  zu  bestimmen.2) 

Der  Hochmeister  hatte  es  aber  anders  beschlossen.  Die 
trotzige  Drohung  der  Domherrren  wird  wohl  nicht  wenig  dazu 
beigetragen  haben.  Auch  durfte  er  es  nicht  mit  Georg  von 
Schlieben  verderben,  der  sich  durch  die  Zurückweisung  seiner 
gütlichen  Vorschläge  seitens  der  Domherren  verletzt  fühlte. 
Schlieben  war  neben  Bernhard  von  Zinnenburg  der  mächtigste 
und  tüchtigste  Ordenshauptmann.  Ein  etwaiger  Abfall  des- 
selben —  und  mit  einem  solchen  zögerten  diese  Söldnerführer 
nicht  lange  —  hätte  alle  Eroberungen  des  Ordens  im  Ermland 
und  Niederland  leicht  zu  Besitzungen  der  Polen  und  des  Bundes 
gemacht.  Der  Hochmeister  sah  sich  deshalb  genötigt,  nicht 
mehr  zu  bitten,  sondern  zu  befehlen  und  der  Drohung  der  Dom- 
herren mit  Energie  zu  begegnen.  In  einem  Brief  an  den  Kom- 
tur von  Graudenz  schrieb  er:  Schlieben  habe  sich  bei  ihm  be- 
klagt, daß  er  nichts  gegen  die  Feinde  unternehmen  könnte,  so 
gern  er  auch  für  den  Orden  thätig  sein  möchte;  sein  Aufenthalt 
in  Allenstein  wäre  mit  großer  Gefahr  für  ihn  verbunden.  Er 
dürfte  nicht  mehr  wagen,  die  Stadt  zu  verlassen,  denn  er  müßte 
auf  die  schlimmsten  Anschläge  seitens  der  Domherren  und  der 
Bürger  gefaßt  sein.  Ohne  das  Schloß  wäre  er  schütz-  und 
machtlos. 


1)  Brief  des  Bischofs,    dat.  Breslau,  den  6.  Dezember  1455.   K.  St.-A. 

2)  Brief  des   Komturs,    dat.  Preusch markt,    den   29.  September  1455. 
K.  St.-A. 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX  Hft.  lu.2.  4 


50  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

Der  Hochmeister  befahl  deshalb  dem  Komtur  „bey  gehor- 
sam und  alse  wir  ernste  und  höchste  können"  unter  allen  Um- 
ständen dafür  Sorge  zu  tragen,  daß  Scb lieben  und  die  Seinen 
in  den  Besitz  des  Schlosses  gelangten.  Die  Gefahr  wäre  groß 
und  er  wünschte  nicht,  daß  es  in  Allenstein  ginge  wie  in  Konitz, 
wo  auch  —  gegan  alles  Erwarten  —  einige  der  Stadtältesten 
die  Hofleute  hätten  verraten  wollen.  Nur  durch  Gottes  Fügung 
wäre  man  ihnen  zuvorgekommen.  Schlieben  hätte  versprochen, 
„das  her  sloß  und  stadt  uns  allen  zcu  glitte  vnd  zcu  fromen  wil 
halden  vnd  hat  vns  ouch  czugesaget,  was  wir  den  thumheren 
und  den  in  der  stadt  haben  vorschreben,  das  wil  her  stete  vnd 
feste  halden".1) 

Die  Vorstellungen  des  Hochmeisters  scheinen  auf  die  Dom- 
herren keinen  Eindruck  gemacht  zu  haben,  denn  Schlieben  nahm 
schließlich,  als  auch  seine  letzte  persönliche  Varmittelung  hoch- 
mütig zurückgewiesen  war,  seine  Zuflucht  zur  List  und  Gewalt. 
Er  überrumpelte  am  29.  Dezember  1455  das  Schloß  und  setzte 
die  Domherren  gefangen.  Der  Anschlag  fand  von  Seiten  des 
Ordensritters  Wilhelm  von  Helfenstein  die  eifrigste  Unterstützung. 

Nach  dieser  Darstellung  wird  es  wohl  nicht  schwer  halten, 
sich  von  der  bisherigen  Ansicht  zu  befreien,  daß  die  Domherren 
einzig  und  allein  Opfer  der  Untreue  des  Ordens  und  eines  ge- 
walttätigen Söldnerführers  gewesen  sind.  Sie  hätten  durch 
einige  Nachgiebigkeit  das  Verhängnis,  unter  dessen  Folgen  sie 
schwer  zu  leiden  hatten,  abwenden  können.  Jedenfalls  hätten 
sie  dadurch  Schlieben  die  Möglichkeit  genommen,  sie  einfach 
als  Kriegsgefangene  zu  behandeln,  denn  auch  die  Gewalttätig- 
keit eines  solchen  Mannes  hatte  eine  Grenze,  und  speziell  Schlie- 
ben hat  während  des  ganzen  Krieges  Charaktereigenschaften  an 
den  Tag  gelegt,    die   ihn    in    die    erste  Reihe    der  Sölnerführer 


1)  Brief  des  Hochmeisters,  dat.  Marienburg  den  17.  Dezember  1455. 
K  St.-A. 

2)  Schlieben  schreibt  in  seinem  Bericht,  daß  die  Domherren  bei  allen 
ihren  Rechten  geblieben  wären,  wenn  sie  ihm  das  Schloß  willig  übergeben 
hätten.    (Mon.  hist.  Warm.  III,  157.) 


Von  Wilhelm  Brüning.  51 

dieser  Zeit  stellen.  Der  Hochmeister  war  mit  den  Domherren 
bei  der  Uebergabe  Allensteins  sehr  milde  verfahren,  sie  trotzten 
dann  auf  ihre  verbrieften  Rechte,  die  zum  Teil  nur  zum  Schaden 
des  Ordens  beobachtet  werden  konnten,  nahmen  auch  andere  in 
Anspruch,  die  ihnen  nicht  zukamen  (z.  B.  die  Nichtauslieferung 
der  Schlüssel  der  Stadt1))  und  verschlossen  sich  jedem  billigen 
Wunsche,  den  der  Hochmeister  im  Interesse  einer  gedeihlichen 
Kriegsführung  an  sie  richten  mußte.  Viel  Vertrauen  hatte  man 
nicht  auf  Ordensseite  zu  den  Domherren:  sie  hatten  es  auch 
nicht  verdient.  Sie  schreckten  vor  Drohungen,  anderswo  Schutz 
zu  suchen,  nicht  zurück,  und  sie  hätten  diese  auch  leicht  aus- 
führen können,  denn  sie  waren,  wie  gesagt,  als  Besitzer  des 
Schlosses,  das  sie  noch  immer  stärker  zu  bemannen  suchten,2) 
thatsächlich  die  Herren  des  Platzes.  Daß  man  den  Domherren 
sogar  verräterische  Verbindungen  mit  Polen  zutraute,  beweist 
ein  Brief  des  Hochmeisters  an  den  Bischof  Franz  in  Breslau. 
Er  schreibt  ihm,  daß  die  Domherren  auf  dem  Schlosse  eine 
Brücke8)  hätten  bauen  lassen,  auf  welcher  sie  eingelassen  hätten, 
wen  sie  wollten.  Sie  hätten  das  Schloß  mit  Leuten  bemannt, 
denen  nicht  zu  trauen  gewesen.  Der  Dechant  Plastwich  habe 
mit  den  Polen  in  Verbindung  gestanden  und  sei  ein  „geschwo- 
rener Kanzler  des  Königs  von  Polen  über  Preußen"  gewesen. 
Von  gut  unterrichteter  Seite  sei  ihm  auch  mitgeteilt  worden, 
daß  derselbe  Dechant  dem  König  Gelder  habe  zukommen  lassen, 
die  Eigentum  des  Bischofs  gewesen  seien.4) 


1)  Brief  des  Hochmeisters  an  den  Komtur  von  Osterode,  dat.  Marien- 
burg d.  5.  September  1455.    E.  St.-A. 

2)  In  dem  Bericht  des  Domkapitels:  „Alse  sandten  wir  in  der  nacht 
vs  vnd  lissen  vorbotten  eczliche  vnsere  scholczen  und  dienstpflichtige,  die 
ire  guter  vnd  gerete  bey  vns  in  vnserm  slosse  hatten  in  vorwarung,  das  sie 
offs  slos  qwemen  vnd  das  slos  .  .  .  holfen  vorwachen."    (1.  c.  S.  153.) 

Statt  der  „eczliche  vnsere  scholczen  vnd  dinstpflichtige"  steht  in 
Schliebens  Bericht  „wol  bey  anderthalbhundert".    (1.  c.  S.  158.) 

3)  Schlieben  hatte  gedroht,  diese  Brücke  abzubrechen.  Brief  der  Dom- 
herren vom  27.  Sept.  1455.    K.  St.-A. 

4)  Brief  des  Hochmeisters,  dat.  Marienbnrg  d.  17.  Januar  1456.  K.  St.-A. 

4* 


52  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

Bevor  wir  diese  in  ihren  Folgen  für  den  Orden  sehr  pein- 
liche Angelegenheit  weiter  verfolgen,  wollen  wir  uns  nach 
den  übrigen  kriegerischen  Vorfällen  dieses  Jahres  im  Ermlande 
umsehen. 

Die  meisten  Städte  des  Ermlandes,  so  Braunsberg,  Worm- 
ditt,  Heilsberg,  Ghittstadt,  Seeburg,  Wartenburg  —  Mehlsack  war 
nach  dem  Ueberfall  durch  die  Bündner  eine  leergebrannte,  von 
niemand  begehrte  Stätte1)  —  befanden  sich  in  den  Händen 
böhmischer  Söldnerhauptleute.  In  Braunsberg  befehligte  John 
Schalski,2)  ein  Mann,  der  durch  seine  Grausamkeiten  und  Bäu- 
bereien  seinen  Namen  weit  und  breit  gefürchtet  machte.  Nach 
dem  Uebertritt  des  Kapitels  zum  Orden  beeilte  er  sich,  Frauen- 
burg in  seine  Gewalt  zu  bringen  und  zugleich  an  den  Dom- 
herren Bache  zu  nehmen.3)  Er  machte  dadurch  dem  Komtur 
von  Elbing  die  Erfüllung  der  ersten  Uebergabebedingung  Allen- 
steins  unmöglich,  die  diesem  die  Verpflichtung  auferlegte,  die 
Domherren,  die  noch  in  Frauenburg  wären,  zu  beschirmen  oder 
nach  Heiligenbeil  zu  führen.  Schalski  wurde  bei  seinem  Unter- 
nehmen gegen  Frauenburg  durch  Streithaufen  der  Danziger 
unterstützt.4)  Letztere  nahmen  mehrere  Domherren  gefangen. 
In  einem  Briefe,  der  seinen  wütenden  Zorn  über  die  Treulosig- 
keit der  Domherren  charakteristisch  offenbart,  verlangte  der 
Gubernator  Hans  von  Baisen  am  27.  Juli  deren  Auslieferung.6) 
Die  Danziger  kamen  aber  seinem  Befehle  nicht  nach,  sondern 
führten  die  drei  Domherren  nach  ihrer  Stadt  und  ließen  sie  für 


1)  Die  Wiederbesetzung  der  Stadt  durch  den  Orden  erfolgte  erst  im 
August  1457.     (SS.  rer.  Pruss.  IV,  143) 

2)  In  dem  Namensverzeichnis  der  Böhmen,  die  dem  Hochmeister  ab- 
sagten, nennt  er  sich  Her  Jan  vom  Waltsteine  und  von  Skal.  K.  St-A. 
Schbld.  79.  No.  23.  —  Er  war  übrigens  ein  Verwandter  Zinnen bergs.  (Zeit- 
schrift des  westpr.  Geschichtsvereins  H.  XXII,  S.  81.) 

3)  Die*  Randbemerkung  Wölky's  zu  den  Angaben  Plastwichs  über  die 
Eroberung  Frauenburgs  und  die  darauf  bezügliche  Stelle  in  SS.  rer.  Pruss. 
IV,  146  sind  unrichtig.  Plast  wich  sagt  nicht,  daß  Frauenburg  bereits  am 
1.  Juli  von  den  Böhmen  besetzt  worden  ist. 

4)  Caspar  Schütz,  1.  c.  fol.  222  b. 

5)  Brief  des  Gubernators  bei  M,  Toppen,  St  -A.  IV,  473. 


Von  Wilhelm  Brüning.  53 

ein  Lösegeld  frei,  da  man  „ihres  Geldes  notdürftiger  war  als 
ihres  Blutes".  Die  Böhmen  und  Danziger  hausten  ganz  anders 
in  Frauenburg,  als  es  der  Komtur  von  Elbing  gethan  hatte. 
Jetzt  erst  wurden  der  Domherren  Höfe  ausgeraubt  und  verbrannt, 
das  Kapitelhaus  und  alle  Befestigungen  bis  auf  den  Grund  zer- 
stört. Die  Domkirche  machten  die.  hussitischen  Söldner  zum 
Pferdestall.1)  Im  Vergleich  zu  diesen  Mordbrennern  hatte  Hein- 
rich von  Plauen  Frauenburg  geradezu  schonend  behandelt. 

Auch  der  Orden  gab  sich  alle  Mühe,  seine  Eroberungen  zu 
erweitern.  In  einem  Briefe  an  den  Ordensprokurator  in  Rom, 
am  31.  August  1455,  machte  der  Hochmeister  diesem  Mitteilung 
über  die  erfreulichen  Fortschritte  der  Ordenssache.2)  68  Städte 
und  Schlösser  waren  wieder  in  seiner  Gewalt.  Seine  Erfolge 
im  Ermlande  begannen,  abgesehen  von  Allenstein,  mit  der  Er- 
oberung Wartenburgs.  Schon  am  18.  Dezember  1464  hatte  der 
Hochmeister  diäse  Stadt  zur  Unterwerfung  unter  ihren  Bischof 
und  den  Orden  aufgefordert.8)  Aber  die  Bürger  derselben,  be- 
harrlicher in  ihrem  Widerstände  als  die  in  mancher  größeren 
Stadt,  fielen  erst  im  Juli  des  nächsten  Jahres,  als  sie  sich  durch 
die  außerordentlichen  Erfolge  des  Ordens  gefährdet  sahen,  vom 
Bunde  ab.  Ihnen  schloß  sich  Seeburg  an,  zwar  eine  kleine,  un- 
bedeutende Stadt,  aber  im  Besitze  eines  recht  festen  Schlosses.4) 
Ordenshauptmann  in  "Wartenburg  wurde  Georg  Lobel,  ein  tüch- 
tiger und  der  Ordenssache  treu  ergebener  Kriegsmann. 

Auch  Bischofsstein  und  Bischofsburg  kamen  wieder  zum 
Orden.5) 


1)  Mon.  bist.  Warm,  in,  105. 

2)  Brief  des  Hochmeisters  im  K.  St.-A. 

3)  Brief  des  Hochmeisters  im  K.  St.-A. 

4)  Brief  des  Komturs  von  Osterode,  dat.  Osterode  den  21.  Juli  1455. 
K.  St.-A. 

Joh.  Voigt  (1.  c.  VIII,  453)  nennt  fälschlich  Orteisburg  statt  Warten- 
burg.  Ersteres,  das  sich  freilich  auch  ergab,  ist  in  diesem  Briefe  nicht 
erwähnt. 

Ueber  Seeburg  weiß  Plastwich  nichts  zu  berichten. 

5)  Brief  des  Hochmeisters,  dat.  Marienburg  d.  31.  Aug.  1455.    K.  St.-A. 


54  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  et«. 

Wertvoller  als  die  Eroberung  dieser  kleinen  Orte  war  die 
der  bischöflichen  Stadt  und  Burg  Rößel,  eines  Platzes,  welcher 
nach  seinen  Geldleistungen  für  den  Bund  dieselbe  Bedeutung 
wie  "Wormditt  und  Heilsberg  hatte.1)  Am  7.  August  1455  fand 
die  Uebergabe  Rößels  statt.  Die  Verschreibung  des  Hochmeisters 
datiert  von  demselben  Tage.  Hauptleute  in  Rößel  wurden  der 
Ordensbruder  Wilhelm  von  Helfenstein  und  Martin  Frodnacher, 
ein  Söldnerführer.2) 


1)  M.  Toppen,  St.-A.  IV,  437. 

2)  Brief  des  Komturs  von  Elbing  an  den  Hochmeister,  dat.  Rößel  den 
8.  Aug.  1455.    K  St.-A. 

Verschreibung  des  Hochmeisters  und  des  Komturs  für  Rößel,  dat. 
Rößel  den  7.  Aug.  1455.    K.  St.-A. 

Plastwich  (1.  c.  S.  115)  nennt  falschlich  den  9.  August  als  Tag  der 
Uebergabe.  Das  ist  um  so  auffälliger,  da  er  bei  der  Uebergabe  zugegen 
gewesen  sein  will!  —  Von  der  Beihilfe  der  Allensteiner  Domherren  bei  der 
Erwerbung  Rößels,  die  Plastwich  wieder  anführt,  ist  in  der  Verschreibungs- 
urkunde  keine  Rede,  sondern  nur  von  der  freien  Entschließung  des  Rats 
und  der  Gemeinde.  Was  die  Zurückführung  des  Bischofs  binnen  einem 
Monat  anbetrifft,  durch  deren  Verheißung  nach  Plastwich  der  Orden  in 
Rößel  Einlaß  gefunden  habe,  so  ist  in  der  Urkunde  nur  gesagt,  daß  derselbe, 
falls  er  zurückkehre,  ungehindert  in  Stadt  und  Schloß  eingelassen  werden 
solle,  falls  er  sterbe,  sollten  „aus  sonderlicher  Gnade"  alle  Artikel  der  Ver- 
schreibung auch  bei  seinem  Nachfolger  in  Kraft  treten.  Auch  von  der 
Jurisdiktion,  die  den  Domherren  in  Rößel  überlassen  sein  soll,  ist  in  der 
Verschreibungsurkunde  keine  Rede.  Sie  bestimmt  nur,  daß  „die  Herren  des 
Kapitels  die  Erträge  aus  Zinsern,  Gerechtigkeiten  und  Gewöhnlichkeiten,  die 
dem  Bischof  gehörten,  zu  getreuer  Hand  halten  und  dem  Bischof  aufheben 
sollten".  —  Wenn  Bender  im  Anschluß  an  die  Uebergabe  Rößels  meint 
(1.  c.  S.  93),  „daß  das  Kapitel,  dem  rechtmäßig  die  Verwaltung  des  Landes 
oblag,  sich  die  Herstellung  und  Wahrung  der  bischöflichen  Rechte  an  ge- 
deihen ließ",  so  können  wir  vielmehr  getrost  annehmen,  daß  auch  ohne  eine 
derartige  Bemühung  des  Kapitels,  an  die  Plastwich  uns  so  gern  glauben 
machen  möchte,  der  Hochmeister  die  nötige  Rücksicht  auf  die  Rechte  seines 
treuen  Freundes  genommen  haben  wird.  Und  ob  dem  Kapitel  rechtmäßig 
die  Verwaltung  des  Landes  zustand,  darüber  läßt  sich  streiten.  Der  Orden 
hatte  Ermland  z.  T.  zurückerobert,  eine  Verwaltung  des  Landes  stand  dem 
Kapitel  deshalb  nur  soweit  zu,  als  der  Orden  es  ihm  gestattete.  Der  Hoch- 
meister hatte  das  Kapitel  nachsichtiger  behandelt,  als  dasselbe  es  verdiente, 
aber  das  heißt  doch  zu  viel  verlangen,  daß  es  mit  seiner  Zustimmung  aus 
dem  ärgsten  Feind  des  Ordens  gleich  wieder  der  unumschränkte  Herr  des 
Bistums  geworden  wäre. 


Von  Wilhelm  Brüning.  55 

Outtstadt  in  seine  Gewalt  zu  bringen,  bemühte  sich  der 
Hochmeister  vergeblich.  Er  schrieb  den  Bürgern  dieser  Stadt, 
daß  sie  doch  selbst  nur  den  größten  Schaden  von  ihrem  Abfall 
gehabt  hätten.  Er  wolle  die  Stadt  aufs  beste  behandeln,  wenn 
sie  zum  Orden  übertreten  wüfde,  und  sie  vor  Ueberfallen  der 
Polen  beschützen.  Letzteres  sei  der  einzige  Zweck,  den  er  ver- 
folge. Des  Abfalls  solle  garnicht  gedacht  werden.  Die  Gutt- 
städter  aber  blieben  beim  Bunde  und  behielten  ihre  böhmischen 
Söldner.1) 

So  war  denn  das  Ermland,  was  die  Besitzergreifung  seitens 
der  beiden  Parteien  anbetraf,  in  zwei  Hälften  zerrissen.  Die 
östliche,  kleinere  war  in  der  Gewalt  der  Ordenstruppen,  die 
westliche  in  der  der  Polen  und  Bündner.  Alle  Vorbedingungen 
zu  dem  verderblichsten  Kampfe  waren  vorhanden.  Hauptsächlich 
wurde  er  von  böhmischen  Mietlingen  geführt,  und  zwar  von 
unbezahlten,  denn  bald  gingen  dem  Orden  die  Mittel  aus  und 
auch  auf  gegnerischer  Seite  fehlte  es  an  Geld.  Das  sagt  genug, 
und  erspart  uns  jede  weitläufige  Schilderung  des  wüsten  Söldner- 
treibens.2) 


1)  Brief  des  Hochmeisters  vom  1.  Januar  1456.    K.  St.-A. 

Der  Hochmeister  spricht  in  seinen  Briefen  von  den  Bürgern  der 
kleinen  Städte  und  vom  niederen  Volke  oft  als  von  Verführten.  Die  vielen 
Kundgebungen  und  Aufstände  für  den  Orden  seitens  des  Volkes,  selbst  in 
den  großen  Städten,  geben  dieser  Auffassung  Recht.  Nur  für  das  Ermland 
traf  sie  nicht  zu.  Hier  gaben  selbst  die  Bewohner  des  kleinsten  Ortes  den 
leitenden  Parteien  an  den  Pflanzstätten  des  Aufruhrs  an  Haß  gegen  den 
Orden  nichts  nach.  Sicher  wurde  derselbe  nach  den  Vorfällen  in  Allenstein 
durch  das  Kapitel  und  den  Klerus  aufs  eifrigste  geschürt.  —  S.  die  ver- 
räterische That  des  Pfarrers  von  Seeburg  in  SS.  rer.  Pruss.  IV,  153. 

2)  Wie  arg  diese  Söldner,  selbst  in  Freundesland,  hausten  und  die 
armen  Einwohner  plagten,  darüber  belehrt  uns  die  rührende  Klage  der 
Burger  Eylaus.  Sie  bitten  Georg  von  Schlieben,  keine  „Gäste"  in  ihre  Stadt 
zu  legen,  denn  die  früheren  haben  sie  zu  Bettlern  gemacht :  „wen  sie  haben 
von  uns  gebrocht  und  gefurt  dy  henne  zamt  mit  den  keuchelen  und  haben 
uns  gelossen  das  neest  mit  den  schalen  und  dor  zcu  sie  uns  semlichen  haben 
vorrotten  und  vorkoffet  den  buntheren  und  den  polan.u  —  Brief  der  Eylauer 
vom  25.  Dezember  1457,    K.  St.-A. 


56  ßie  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

Auf  den  Besitzstand  der  kämpfenden  Parteien  war  das- 
selbe von  geringem  Einfluß.  Besonders  heftig  wogte  der  Kampf 
um  Rößel,  denn  die  polnischen  Söldnerscharen  aus  den  benach- 
barten bündischen  Städten  machten  die  größten  Anstrengungen, 
diesen  wohlhabenden  und  festen  Platz  wieder  in  ihre  Gewalt  zu 
bekommen.  Den  Ordenstruppen  unter  ihrem  wackern  Führer 
Martin  Frodnacher  gelang  es  aber  trotz  mancher  „Schelunge  und 
Gebrechen"  mit  den  wenig  opferwilligen  Bürgern  der  Stadt 
diesen  Besitz  dem  Orden  zu  sichern.1) 

Nur  Seeburg  muß  bald  wieder  in  die  Hände  der  Bündner 
gekommen  sein.  Denn  schon  Ende  Januar  1456  berichtete  der 
Komtur  von  Elbing  dem  Hochmeister  über  einen  Zug  der  Be- 
satzung Bößels  gegen  Seeburg.  Es  wäre  dieser  beinahe  gelun- 
gen, die  Stadt  zurückzuerobern.2)  Im  März  1456  finden  wir  als 
Söldnerhauptmann  daselbst  den  Hussiten  Johann  Colda,  der 
früher,  gleichfalls  in  bündnischen  Diensten,  in  Wormditt  Haupt- 
mann gewesen  war,  mit  einer  starken  Besatzung.8)  Am  19.  April 
desselben  Jahres  entschuldigte  sich  die  Stadt  neben  Heilsberg 
und  Guttstadt  bei  den  Ständen,  nicht  auf  der  Tagfahrt  in  Elbing 
erscheinen  zu  können,  weil  sie  von  Feinden  umgeben  sei.  Sie 
erklärte  sich  jedoch  mit  allem  einverstanden,  was  die  Stände 
beschließen  würden.4)  Die  Stadt  ist  den  ganzen  Krieg  hindurch 
niemals  wieder  in  die  Gewalt  des  Ordens  gekommen.5) 

Auch  in  diesem  Jahre  wurde  wieder  um  Frauenburg  ge- 
kämpft. Der  Komtur  von  Elbing  hatte  im  Dezember  1454  zwar 
die  Stadt    und    den  Dom  erobert,    aber    nicht    besetzt.     Er  that 

1^  Briefe  der  Rößeler  vom  23.  und  24.  November  und  vom  20.  De- 
zember  1455.     K.  St.-A. 

2)  Brief  des  Komturs,  dat.  Königsberg  d.  25.  Januar  1456.     K.  St.-A. 

8)  SS.  rer.  Pruss.  IV,  153.  —  Brief  des  Hochmeisters  an  hern  Colda 
von  Sampach  vnd  von  Nacholdt,  Hauptmann  zu  Wormdit,  dat.  Marienburg 
d.  29.  Aug.  1455.     K.  St.-A. 

4)  M.  Toppen,  St.-A.  IV,  488.  —  Es  handelte  sich  wieder  einmal  um 
die  Auferlegung  neuer  direkter  und  indirekter  Steuern,  diesmal  zur  Erwer- 
bung der  von  Ordenssöldnern  besetzten  Städte  und  Schlösser. 

5)  Schreiben  des  Königs  Kasimir  an  die  Städte  Bartenstein  und  See- 
burg, dat.  Nessau  d.  29.  Juli  1456.    K.  St.-A. 


Von  Wilhelm  Brüning.  57 

dies  auch  nicht  auf  seinem  zweiten  Zuge  im  April  1455. 
Es  nimmt  uns  dies  Wunder,  denn  der  umsichtige  Feldherr 
mußte  sich  doch  sagen,  daß  der  Besitz  Frauenburgs  wegen 
seiner  Lage  am  Haff  und  der  dadurch  vermittelten  Wasser- 
verhindung mit  Samland  und  Königsberg  für  den  Orden  ebenso 
vorteilhaft,  wie  eine  Eroberung  des  Platzes  durch  die  Bündner 
wegen  der  Verbindung  mit  Elbing  und  Danzig  für  denselben 
gefährlich  war.  Wir  können  uns  diese  Unterlassung  nur  da- 
durch erklären,  daß  es  Plauen  auf  seinen  beiden  Zügen  weniger 
darauf  ankam,  feste  Plätze  zu  besetzen  als  durch  rasche  und 
weite  Expeditionen  den  Eindruck  der  siegreichen  Schlacht  bei 
Konitz  auszunutzen  und  möglichst  viele  Landesstrecken  und  vor 
allen  Dingen  Königsberg  dem  Orden  wiederzugewinnen.  Um 
diesen  Plan  auszuführen,  durfte  er  seine  ohnehin  nicht  bedeuten- 
den Streitkräfte  nicht  zersplittern.  Er  konnte  es  daher  auch, 
von  der  Belagerung  des  Kneiphofs  in  Königsberg  und  anderen 
Unternehmungen  vollauf  in  Anspruch  genommen,  nicht  verhin- 
dern, daß  der  Hauptmann  von  Braunsberg  im  Juli  1455  Frauen- 
burg mit  seinen  böhmischen  Söldnern  besetzte.  Aber  nachdem 
er  Königsberg  vollständig  in  seine  Gewalt  gebracht  und  auch 
die  meisten  anderen  Städte  im  östlichen  Preußen  dem  Orden 
wiedergewonnen  hatte,  setzte  er  gleich  anfangs  des  Jahres  1456 
eine  neue  Unternehmung  gegen  Frauenburg  ins  Werk.  Sie  war 
vom  Glück  begünstigt,  denn  Volkel  von  Köder,  den  er  mit 
seinen  Hofleuten  und  Gesellen  dorthin  schickte,  eroberte  den 
Dom  und  nahm  22  böhmische  Trabanten  gefangen.  Auch  der 
Domherr  Christoph  von  Czegenberg,  der  „buntherren"  ergebenster 
Anhänger  und  Verwandter  des  Eidechsenritters  und  Bundes- 
führers im  Culmerland,  Hans  von  Czegenberg,  wurde  sein  Ge- 
fangener.1)    Er  besetzte    zwar  den  Dom,    aber    bald    sehen    wir 


t)  Brief  des  Komturs,  dat.  Königsberg  d.  21.  Febr.  1456.  K.  St.-A. 
—  SS.  rer.  Pruss.  IV,  152.  Die  hier  in  der  „Geschichte  von  wegen  eines 
Bandes"  für  die  Eroberung  Frauenburgs  angesetzte  Zeit  (anfangs  März),  die 
auch  Bender  angiebt  (1.  c.  S.  93),  ist  nach  dem  Briefe  des  Komturs  zu  be- 
richtigen.   Ebenso  vielleicht  auch   die  Nachricht,    daß  der  Domherr  Barth- 


58  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

diesen  und  die  Stadt  wieder  in  der  Gewalt  der  Böhmen  und 
Volkel  Röder  als  ihren  Gefangenen.1) 

In  Alienstein  hatte  Georg  von  Schlieben  nach  der  Ueber- 
rumpelung  der  Domherren  im  Schlosse  eine  sichere  Stellung;  er 
nutzte  sie  aus  und  wehrte  den  Feinden  des  Ordens  mit  starker 
Hand.  Aber  seine  schnelle  That,  die  von  Härte  leider  nicht 
freiblieb,  hatte  die  Domherren,  die  wohl  auch  kaum  nach  ihrem 
Uebertritt  zum  Orden  dessen  aufriohtige  Freunde  geworden 
waren,  zu  den  unerbittlichsten  Feinden  der  Ordensherrschaft  ge- 
macht. Wegen  der  von  Schlieben  erlittenen  Gewaltthaten  — 
er  hatte  sie  nicht  nur  gefangen  gesetzt,  sondern  auch  beraubt  — 
erfüllten  sie  mit  ihren  Klagen  alle  geistlichen  und  fürstlichen 
Höfe  und  riefen  schließlich  den  Papst  an.  Ohne  Frage  hat  die 
Angelegenheit,  wie  schon  angedeutet,  auf  das  ermländische  Volk 
und  die  Geistlichkeit  einen  für  den  Orden  sehr  nachteiligen 
Einfluß  ausgeübt  und  beide  in  ihrer  Opposition  gegen  ihn 
bestärkt. 

Für  Plastwich  besteht  natürlich  kein  Zweifel,  daß  der 
Hochmeister  sowohl  an  dem  listigen  Ueberfall  des  Schlosses,  als 
auch  an  der  Gefangennahme  und  Beraubung  der  Domherren 
alle  Schuld  trug.  Er  berichtet,  daß  Schlieben  und  seine  Helfer 
bekundet  hätten,  nur  im  Auftrage  des  Hochmeisters  gehandelt 
zu  haben.  Und  nicht  genug  damit:  seine  Erbitterung  reißt  ihn 
sogar  zu  der  Behauptung  fort,  daß  der  Hochmeister  ein  dahin 
lautendes  Geständnis  gemacht  habe.2) 

Doch  hören  wir  diesen  selbst.  Schon  am  9.  Januar  1456 
schrieb  er  an  Schlieben,  daß  es  wohl  sein  Wunsch  gewesen  sei, 
ihn  im  Besitze  des  Schlosses  zu  sehen,  aber  die  Gefangennahme 
und  Beraubung  der  Domherren  erfülle  ihn  mit  dem  tiefsten 
Unwillen.     Schon  die  Eücksicht    auf  den  Bischof,    der   um   des 


Liebenwald  der  Führer  des  Zuges  gegen  Frauenburg  gewesen  sei.  Der 
Brief  erwähnt  ihn  überhaupt  nicht  —  Plastwich  weiß  nichts  von  dieser 
Eroberung  Frauen  burgs. 

1)  Brief  Seh  Hebens,  dat.  Alienstein  d.  24.  Aug.  1459.    K.  St.-A. 

2)  Mon.  hist.  Warm.  III,  113  u.  114 


Von  Wilhelm  Brüning.  59 

Ordens  willen  „Leib  und  Leben  in  Gefahr  gebracht,  seine  Herr- 
schaft, Land  und  Leute  verloren  habe",  hätte  Schlieben  eine 
solche  Handlungsweise  verbieten  sollen.  Diese  sei  nur  geeignet, 
alle  Ehre  und  alles  Ansehen  des  Ordens  zu  untergraben  und 
jeden  abzuschrecken,  der  sich  ihm  wieder  unterwerfen  wolle. 
Schlieben  solle  die  Domherren  sofort  freilassen  und  in  Ehren 
halten.  Wenn  er  sich  mit  dem  Dechanten  Plastwich  und  dem 
Domherrn  Arnold  Klünger  nicht  vertragen  könne,  solle  er  sie 
sicher  nach  Rößel  geleiten  lassen.1) 

Wir  haben  keinen  Grund,  an  der  Aufrichtigkeit  dieser 
Worte  zu  zweifeln,  haben  auch  in  keinem  der  früheren  Briefe 
des  Hochmeisters  irgendwelche  Andeutung  gefunden,  die  Schlie- 
ben auf  den  Gedanken  hätte  bringen  können,  durch  Anwendung 
von  Gewaltthaten,  deren  Schädlichkeit  doch  für  den  Hochmeister 
auf  der  Hand  liegen  mußte,  den  Wünschen  desselben  entgegen- 
zukommen. Wir  sagen  deshalb  wohl  nicht  zu  viel,  wenn  wir 
die  Behauptungen  Plastwichs  als  unwahr  bezeichnen. 

Auch  der  Komtur  von  Elbing,  dem  dieser  so  gern  eine 
besondere  Erbitterung  in  seiner  Handlungsweise  gegen  das  Dom- 
kapitel nachweisen  möchte,2)  verwandte  sich  energisch  für  die 
Allensteiner  Domherren  bei  dem  Hochmeister:  Schlieben  hätte 
sich  damit  begnügen  sollen,  das  Schloß  einzunehmen,  die  Be- 
handlung der  Domherren  dünke  ihn  unbillig  und  unredlich.  Der 
Hochmeister  möge  gegen  Schlieben  einschreiten.8) 

Der  Hochmeister  that  dies  auch,  aber  Sohlieben  war  nicht 
gewillt,  seinen  Befehlen  nachzukommen.  Den  Vorwurf,  den 
Domherren  die  Zusagen  und  Verschreibungen  des  Hochmeisters 
gebrochen  zu  haben,  wies  er  mit  der  Behauptung  zurück,  daß 
sie  ihm  auch  nicht  die  ihrigen  gehalten  hätten.  Auch  behandle 
er  die  Domherren  garnicht  als  Gefangene,  denn  der  Domprobst 
halte  sich  mit  dem  Pfarrer  in  der  Stadt   auf   und    zwei   andere 


1)  Brief  des  Hochmeisters,  dat.  Marienburg  d.  9.  Januar  1456.  K.  St.-A. 

2)  Mon.  hist.  Warm.  III,  36  u.  109. 

3)  Briefe  des  Komturs,    dat.  Königsberg    d.  U»  und    19,  Januar  1456, 
K.  St-A. 


60  Die  Stellung  des  Bistums  Erraland  zum  deutschen  Orden  etc. 

Herren  habe  er  nach  Rößel  bringen  lassen.  Nur  den  Dechanten 
halte  er  noch  zurück  „umb  etlicher  Sachen  und  handelunge 
willen",  über  die  er,  wenn  sie  sich  als  wahr  erweisen  sollten, 
mit  dem  Hochmeister  persönlich  Bücksprache  nehmen  wolle. 
Aber  auch  dieser  sei  kein  Gefangener,  sondern  befinde  sich  in 
einer  Kammer,  in  die  jedermann  Zutritt  habe.  Dem  Verlangen 
des  Hochmeisters,  die  Kleider,  Bücher,  Gelder  und  Kleinodien, 
die  er  im  Schlosse  gefunden  habe,  herauszugeben,  könne  er 
nicht  nachkommen,  er  betrachte  diese  und  auch  die  Pontifikalien 
des  Bischofs  als  gewonnenes  Gut.  Wenn  der  Hochmeister 
schreibe,  er  solle  den  Domherren  doch  „eine  kleine  Danksam- 
keit"  für  ihren  guten  Willen  entgegenbringen,  so  möge  Se.  Gna- 
den wissen,  daß  er  ihnen  nur  ihren  „rechten  Lohn"  gegeben 
habe.1) 

Trotz  dieser  Verteidigung  Schliebens  ließ  der  Hochmeister 
nicht  nach  in  Ermahnungen  und  Bitten,  den  Domherren  Genug- 
tuung zu  verschaffen.  Er  that  dies  auch  ganz  besonders  aus 
Rücksicht  auf  die  Treue  des  Bischofs,  dessen  Beraubung  ihn 
tief  schmerzte,  und  es  war  nicht  nötig,  daß  der  oberste  Ge- 
bietiger von  Livland  durch  den  Hinweis  auf  jene  ihn  in  seinem 
strengen  Verhalten  gegen  Schlieben  noch  zu  bestärken  versuchte.2) 
In  einer  Urkunde  vom  4.  März  1457  erklärte  der  Hochmeister 
wiederum  und  öffentlich,  daß,  als  er  den  Georg  von  Schlieben 
mit  seiner  Gesellschaft  nach  Alienstein  gelegt  habe,  es  keines- 
wegs seine  Absicht  gewesen  sei,    ihm  das  Schloß  und  die  Stadt 


1)  Brief  Schliebens,  dat.  Allenstein  den  19   Januar  1456.    K.  St.-A. 
Die  Angaben  Plastwichs  (1.  c.  S.  112  u.  114)  über  die  Mißhandlangen 

der  Domherren  und  über  die  Dauer  ihrer  Gefangenschaft  sind  sicher  nicht 
von  tendenziöser  Uebertreibung  frei.  Leider  können  wir  ihre  Richtigkeit 
nicht  an  der  Hand  anderer  unverdächtiger  Nachrichten  prüfen,  denn  die  in 
den  „acta  de  interceptione  castri  Allenstein"  (Mon.  hist.  Warm.  III,  138)  ge- 
gebenen erscheinen  uns  nicht  als  solche.  Wenn  aber  Plast  wich  gegen  die 
schlechte  Behandlung,  die  Schlieben  den  Domherren  angedeihen  ließ,  die 
Wohlthaten  derselben  für  den  Orden  ins  Feld  führt,  so  möchte  uns  fast 
Schliebens  letzte  Aeußerung    in  dem  obigen  Brief  als  zutreffend  erscheinen. 

2)  Brief  des  Obersten  Gebietigers,  dat.  Neuermühlen  d.  26.  Juni  1456. 
K.  St.-A. 


Von  Wilhelm  Bruning.  61 

für  rückständigen  Sold  zu  verpfänden  oder  dem  rechtmäßigen 
Erbherrn  zu  entziehen.  Wenn  Schlieben  gegen  dieses  Abkom- 
men gefehlt  habe,  so  sei  das  wider  seinen  Willen  geschehen. 
Er  werde  die  Domherren  mit  allen  Mitteln  seiner  Macht  in 
Schutz  nehmen.1) 

Aber  diese  Macht  war  eben  nicht  groß  und  reichte  nicht 
aus,  Schlieben  zur  Herausgabe  des  Geraubten  zu  zwingen.  Der 
Hochmeister  war  zu  sehr  auf  die  Hilfe  dieses  Söldnerführers 
angewiesen,  trotzdem  hat  er  es  später,  wie  wir  noch  sehen  wer- 
den, auf  den  Zorn  desselben  ankommen  lassen,  um  der  Gerechtig- 
keit zum  Siege  zu  verhelfen.  Es  ist  somit  eine  Verleumdung 
des  Hochmeisters  und,  wie  wir  nachgewiesen,  auch  des  Kom- 
turs von  Elbing,  wenn  Plastwich  behauptet,  daß  beide  es  an 
dem  nötigen  Eifer  darin  hätten  fehles  lassen.2) 

Wie  überallhin,  so  war  auch  zum  Bischof  Franz  in  Breslau 
Kunde  von  den  Aufsehen  erregenden  Vorfallen  in  Alienstein 
getragen  worden.  Der  Brief,  den  er  daraufhin  an  den  Hoch- 
meister richtete,  ist  wohl  der  letzte  in  der  Reihe  seiner  Breslauer 
Korrespondenz.  Sein  späteres  Schweigen  war  aber  keineswegs 
durch  die  Aliensteiner  Ereignisse  hervorgerufen,  denn  er  urteilte 
über  diese  weit  milder  als  der  Komtur  von  Elbing  und  der 
Livländische  Gebietiger.  Seine  einzige  Unmutsäußerung  be- 
steht darin,  daß  er  sagt,  die  Nachricht  von  der  Beraubung  der 
Kirche  und  der  Gefangennahme  der  Domherren  habe  ihn  nicht 
erfreut.8)  Auch  in  diesem  Briefe  meldet  er  dem  Hochmeister 
wieder,  was  er  zur  Vollfilhrung  des  Prozesses  und  Bannspruchs 
gegen  die  Verbündeten  in  Preußen  ausgewirkt  habe.  Aus  dieser 
Thätigkeit  des  Bischofs  dürfen  wir  vielleicht  einen  Rückschluß 
auf  die  Gründe  ziehen,  die  ihn  bestimmt  haben,  Breslau  als 
Aufenthaltsort  zu  wählen.     Als  er  am  7.  Februar  1454  von  seiner 


1)  Pergamenturkunde   mit   des  Hochmeisters  Siegel,   dat.  Marienburg 
d.  4.  März  1467.    K.  St.-A.    Schbld.  51.  No.  35. 

2)  Mon.  hist.  Warm.  III,  117. 

3)  Brief  des  Bischofs  an  den  Hochmeister,  dat.  Breslau  d.  18.  April  1456. 
K.  St.-A. 


62  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

Gesandtschaftsreise  an  den  kaiserlichen  Hof  mit  Heinrich  von 
Plauen  nach  Preußen  zurückkehrte,  fand  er  alle  seine  Städte 
und  Lande  und  selbst  das  Domkapitel  als  treueste  Genossen  des 
Bundes  im  Aufruhr  gegen  sich  begriffen.  Er  blieb  bei  dem 
Hochmeister  in  Marienburg,  machte  die  Belagerung  mit  und 
verweilte  auch  noch  anfangs  des  Jahres  1455  dort.  Dann  finden 
wir  ihn  am  29.  April  in  Breslau.1)  Zu  dieser  Zeit  hatte  der 
Orden  außer  der  Eroberung  Frauenburgs,  das  aber  nicht  besetzt 
worden  war,  im  Ermland  noch  keine  Erfolge  errungen.  Der 
Bischof  hat  deshalb  sicher  in  der  Befürchtung,  zu  lange  auf  die 
Bezwingung  seines  Bistums  warten  zu  müssen,  seinem  Lande 
den  Bücken  gekehrt.  Vielleicht  ist  auch  die  traurige  Finanz- 
lage des  Hochmeisters,  dem  er  durch  seinen  Aufenthalt  in  der 
Marienburg  keine  weiteren  Ausgaben  verursachen  wollte,  nicht 
ohne  Einwirkung  auf  diesen  Schritt  geblieben.  Er  wählte 
Breslau,  weil  ihm  hier  durch  ein  ansehnliches  Darlehen,  das  er 
früher  dem  Bischof  von  Breslau  zur  Auslösung  verpfändeter 
Güter  gewährt  hatte,  die  nötigen  Existenzmittel  zu  Gebote 
standen.2)  Mitbestimmend  aber  für  diese  Wahl  ist  wohl  auch 
der  oben  angedeutete  Umstand  gewesen,  nämlich  daß  er  hier, 
näher  der  Kurie  und  dem  kaiserlichen  Hofe,  für  die  Beschaffung 
päpstlicher  Bullen  und  kaiserlicher  Machtsprüche  zur  „tilgung 
des  bundes"  thätig  sein  konnte.  Er  legte  denn  auch  hierin,  wie 
sein  Briefwechsel  mit  dem  Ordensprokurator  Jodocus  von  Hohen- 
stein   und   mit    dem    Hochmeister    beweist,    eine    unermüdliche 


1)  Brief  des  Bischofs  an  den  Ordensprokurator  in  Rom,  dat.  Breslau 
d.  29.  April  1455.    K.  St.-A. 

2)  Nach  Theiner,  vetera  monumenta  Poloniae  et  Lithuaniae,  tom.  II, 
p.  116  (nicht  106,  wie  Wölky  Mon.  hist.  Warm.  III,  94  angiebt)  schuldete 
der  Bischof  von  Breslau  und  sein  Domkapitel  dem  Bischof  Franz  5000 
rheinische  Gulden. 

Bender  (1.  c.  S.  90)  hält  Schlesien  für  die  Heimat  des  Bischofs  Franz. 
Alle  Nachrichten  stimmen  aber  darin  überein,  daß  er  in  Rößel  geboren  ist. 
Der  etwas  ungewöhnliche  Name  Kuhschmalz  ist  auch  sonst  in  Preußen  ver- 
treten gewesen.    S.  Toppen,  St.-A.  IV,  401. 


Von  Wilhelm  Brüning.  63 

Energie  an  den  Tag.1)  Daß  er  dann,  als  der  Orden  einen  Teil 
des  Ermlandes  zurückerobert  hatte,  nicht  heimkehrte,  können 
,wir  uns  aus  seinem  körperlichen  Znstande  erklären.  Schon  in 
der  Verschreibungsurkunde  für  Rößel  vom  7.  August  1455  wurde 
der  Tod  des  Bischofs  vorgesehen.2)  Aus  einem  Briefe  des  Dom- 
herrn Bartholomäus  Liebenwald  ersehen  wir,  daß  er  in  der 
letzten  Zeit  seines  Lebens  sehr  schwach  „an  seyme  leibe  vnd 
sunderlich  an  seynen  sinnen"  gewesen  ist.8)  Er  war  ein  hoch- 
betagter Mann,  als  er  am  10.  Juni  1457  starb.4) 

Plaswich  beliebt  seine  Entfernung  aus  Preußen  eine  Ver- 
bannung zu  nennen,  die  der  Orden  verschuldete.*)  Seine  Rück- 
kehr habe  dieser  nicht  gern  gesehen,  weil  er  die  Einkünfte  des 
Bischofs  selber  einziehen  wollte.6)  Hätte  Plastwich  die  Briefe 
zu  Gesicht  bekommen,  die  der  Bischof  aus  der  „Verbannung" 
an  den  Hochmeister  richtete,  er  würde  wohl  anderer  Meinung 
geworden  sein.  Wir  finden  nicht  die  leiseste  Andeutung,  daß 
er  dem  Orden  irgendwelche  Schuld  an  seiner  ,, Verbannung*4  bei- 
gemessen, und  nirgends  ist  von  einer  Verstimmung  zwischen 
dem  Hochmeister  und  Bischof  nach  dessen  Weggang  aus  Preußen 
etwas  zu  bemerken.  Sie  blieben  die  treuesten  Freunde,  und  der 
Hochmeister  widmete  der  opferwilligen  Ergebenheit  seines  un- 
ermüdlichen Mitarbeiters  im  Gegensatz  zu  der  Undankbarkeit 
und  Treulosigkeit  der  Geistlichkeit  im  Ordenslande,  die  nur 
„der  Feinde  Bosheit  gestärkt  und  Schande  über  den  Orden  ge- 


1)  Brief  des  Hochmeisters  an  den  Bischof,  dat.  Marienburg  d.  19.  Nov. 
und  4.  Dez.  1455.    K.  St.-A. 

Briefe  des  Bischofs  an  den  Hochmeister,  dat.  Breslau  d.  6.  Dez.  1455 
und  18.  April  1456.    K.  St.-A. 

2)  Siehe  oben  S.  54. 

3)  Brief  des  Liebenwald  an  den  Hochmeister,  dat.  Stnhm  den  21.  De- 
zember 1457.    K.  St.-A. 

4)  Ueber  das  Alter  des  Bischofs  s.  Georg  Voigt,  Enea  Silvio  de  Picco- 
lomini,  als  Papst  Pius  II.,  und  sein  Zeitalter  II,  224. 

In  SS.  rer.  Pruss.  IV,  213  ist  irrtümlich  der  10.  Juli  angegeben. 

5)  Mon.  hist.  Warm.  III,  92  u.  94. 

6)  Mon.  hist.  Warm.  III,  115. 


64  Di6  Stellang  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

bracht  habe",  das  rühmendste  Lob.1)  Der  Bischof  machte  sein 
Wort  wahr,  das  er  einst  vor  dem  Kaiser  gesprochen,  „her  weide 
dem  bunde  gram  seyn  bis  in  seyn  grab."2) 


Kapitel  2. 

Der  Tod  des  Bischofs  Franz,  ohnehin  ein  schwerer  Schlag 
für  den  Orden,  stürzte  diesen  auch  noch  in  einen  Kampf  um 
die  Besetzung  des  bischöflichen  Stuhles  mit  der  römischen  Kurie 
und  Polen  und  verwirrte  die  Verhältnisse  im  Ermland  immer 
mehr.  Das  Domkapitel,  dem  rechtmäßig  die  Wahl  zustand,  war 
an  drei  Orten  zerstreut,  in  Königsberg,  in  Danzig  und  Glogau. 
Jeder  Teil  desselben  erwählte  einen  eigenen  Bischof.  Die  Dom- 
herren in  Königsberg  erkoren  den  Ordensfreund  Arnold  Coster 
von  Venrade,  die  von  Danzig  den  polnischen  Vizekanzler  Johann 
Lutkonis,8)  und  der  „gesündere"  Teil  des  Kapitels,  wohl  deshalb 
von  Plastwich  so  genannt,  weil  er  sich  selbst  dabei  befand,  4) 
den  Kardinal  Enea  Silvio  de*  Piccolomini.  Der  Domkantor  von 
Venrade  war  nach  der  Eroberung  Mehlsacks  durch  die  bündischen 
Heerhaufen,  die  der  Stadt  ein  so  furchtbares  Schicksal  bereiteten, 
als  Gefangener  nach  Heilsberg  geführt  worden.  Der  Gubernator 
Hans  von  Baisen,  der  dem  Domkantor  die  Schuld  des  Abfalls 
Mehlsacks  vom  Bunde  zuschrieb,  befahl  dem  Söldnerführer  in 
Heilsberg,    der  ihn  gefangen  genommen  hatte,  ihn  nach  Elbing 


1)  Briefe  des  Hochmeisters  an  den  Ordensprokurator,  dat.  Marienburg 
d.  17.  Jan.  1456  u.  15.  Juni  1456. 

S.  auch  den  Brief  des  Komturs  von  Elbing  an  den  Hochmeister,  dat. 
Königsberg  d.  25.  Januar  1456.    K.  St.-A. 

2)  M.  Toppen,  St.-A.  IV,  100. 

3)  Domkapitular  Eichhorn  -(Gesch.  der  ermld.  Bischofawahlen  in  der 
Ermld.  Ztschr.  I,  S.130)  bezweifelt  die  Angaben  Job.  Voigts  (1.  c.  VIII,  565), 
daß  der  König  von  Polen  noch  bei  Lebzeiten  des  Bischofs  Franz  diesen  zu 
bewegen  gesucht  habe,  die  Verwaltung  des  Bistums  an  Lutkonis  abzutreten. 
Das  Citat  Voigt's  ist  falsch,  aber  seine  Angaben  sind  richtig.  S.  den  Brief 
des  Domherrn  Bartholomäus  Lieben wald  an  den  Hochmeister,  dat.  Stuhm 
den  21.  Dezember  1467.    K.  St.-A. 

4)  Mon.  hist.  Warm.  III,  98. 


Von  Wilhelm  3rüning.  6fe 

anszuliefern.  Dieser  ließ  ihn  aber,  „da  ihm  mit  seinem  Tode 
nicht  geholfen  wäre"  entkommen.  Es  gelang  Venrade,  Rößel  zu 
erreichen. ')  Er  muß  dem  Orden  ergeben  gewesen  sein,  denn 
der  Ordensburder  Erwin  Hug  von  Heiligenberg  rühmt  ihn  dem 
Hochmeister  gegenüber:  „der  hot  engern  gnaden  getriulichen 
gantcz  lib  .  .  .  her  ist  engern  gnaden  und  orden  gancz  nutze."2) 

Auf  diesen  Mann  nun  fiel  die  Wahl  der  in  Königsberg 
versammelten  Domherren,  wir  können  annehmen,  unter  dem 
vom  Hochmeister  ausgeübten  Druck.  Dieser  Umstand  beein- 
trächtigt die  Vortrefflichkeit  der  Wahl  aber  keineswegs.  Denn 
abgesehen  davon,  daß  die  der  Domherren  in  Danzig  sicher  keine 
freie  gewesen  ist  und  die  der  in  Glogau  versammelten  sich  auch 
kaum  von  störenden  und  bestimmenden  Einflüssen  rein  gehalten 
hat,  war  die  Form  derselben  weniger  mangelhaft,  als  die  der 
beiden  anderen,  denn  in  Königsberg  waren  sieben  Domherren 
versammelt,  in  Glogau  nur  sechs  und  in  Danzig  gar  nur  drei. 

Sehen  wir  zu,  wie  der  Hochmeister  dem  Papste  gegen- 
über die  Wahl  zu  begründen  versuchte:8)  Dem  Bistum  sei 
ein  Führer  notwendig,  der  Preußen  und  seine  Diözese  kenne 
und  der  durch  seine  Anwesenheit  auch  etwas  für  die  Wieder- 
gewinnung des  ungehorsamen  Teiles  des  Landes  thun  könne. 
Der   Domkantor   Arnold    von    Venrade    sei    ein    solcher   Mann, 


1)  Brief  Wübelm's  von  Schönberg  an  den  Hochmeister,  dat.  Rößel 
d.  21.  Febr.  1466.    K  St.-A. 

Wir  ersehen,  wie  ans  dem  oben  angeführten  wuterfüllten  Briefe  des 
Gubernators  an  die  Danziger,  so  auch  aas  dem  Schreiben  Schönberg's  wieder, 
dafi  man  anf  bündnerischer  Seite  einen  Abfall  viel  härter  zu  ahnden  ge- 
wohnt war,  als  anf  der  Partei  des  Ordens.  Die  Mäßigung,  die  der  Hoch- 
meister seinen  ungetreuen  Unterthanen  gegenüber  an  den  Tag  legte,  müssen 
wir  bewundern. 

2)  Brief  desselben,  dat.  Rößel  d.  21.  Febr.  1456.    K.  St.-A. 

3)  Entwurf  zu  verschiedenen  Schreiben  des  Hochmeisters  an  den  Papst 
und  die  Kardinäle.  K.  St.-A.  Schbld.  66.  No.  222  und  Domkapitels- Archiv 
in  Frauenburg  (D.-K.-A.  Frbg.)  A.  No.  16,  —  Ich  nehme  hier  die  Gelegen- 
heit wahr,  den  Herren  Domkapitular  Dr.  Löffler  und  bischöflichen  Archivar 
Dr.  Liedtke  für  die  liebenswürdigst  ermöglichte  Benutzung  des  domkapitu- 
lärischen  und  bischöflichen  Archivs  meinen  ergebensten  .Dank  auszusprechen. 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX.  Hft.  1.  u.  &  5 


66  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

ihm  stehe  eine  langjährige  Erfahrung  in  den  Verhältnissen 
des  Landes  zu  Gebote,  er  sei  weise,  gerecht  und  thätig,  deshalb 
werde  seine  Regierung  „in  desen  leidlichen  und  jämmerlichen 
engisten  deser  landeu  dem  Bistum  zum  Nutzen  gereichen.  Der 
Kardinal  Aeneas  werde  aus  Scheu  vor  den  Gefahren  des  wütenden 
Krieges,  der  das  Bistum  zerfleische,  die  Diözese  durch  einen  Vikar 
verwalten  lassen,  woraus  der  Kirche  selbst,  dem  Orden  und  dem 
ganzen  Lande  nur  Schaden  erwachsen  würde.  Auch  werde  der 
Ordon  in  diesem  Falle  nicht  in  der  Lage  sein  können,  das 
Bistum  zu  schützen. 

An  den  Kardinal  Piccolomini  schreibt  der  Hochmeister: 
Wenn  sich  das  Bistum  in  seinem  früheren  wohlgeordneten 
Zustande  befinden  würde,  könnte  sich  niemand  mehr  über  seine 
Wahl  zum  Bischof  freuen  als  er.  Er  würde  ihn  dann  gern  als 
Beschirmer  und  Helfer  der  Kirche  und  des  Ordens  begrüßen. 
Unter  den  jetzigen  Verhältnissen  aber  könnte  der  Kardinal 
„keine  Bequemlichkeit  oder  zeitliche  Güter,  sondern  nur  Mühe 
und  Arbeit  erwarten."  Um  die  ungehorsamen  Diözesanen  zur 
Botmäßigkeit  zurückzuführen,  dazu  sei  „ein  arbeitender,  geduldiger, 
demütiger,  bekannter  und  anwesender  Bischof"  notwendig. 
Der  Kardinal  möchte  doch  um  der  Kirche  und  des  Ordens  willen 
von  seiner  Bewerbung  abstehen  und  dem  erwählten  Freunde  des 
Ordens  seine  gnädige  Hilfe  zu  teil  werden  lassen. 

Der  Hochmeister  machte  von  allen  ihm  zu  Gebote  stehen- 
den Mitteln  Gebrauch,  um  die  Bestätigung  der  Wahl  Venrades 
beim  Papste  zu  erlangen.  Der  Rigaer  Erzbischof,  der  Bischof 
Paul  von  Kurland,  der  livländische  Meister  und  der  Ordens- 
procurator  in  Rom  unterstüzten  ihn  aufs  eifrigste  in  seinen  Be- 
mühungen. *)  Es  stand  sehr  viel  für  die  Ordenssache  auf 
dem  Spiele.  Aber  so  demüthig  und  häufig  der  Hochmeister 
auch    seine    Bitten   bei    dem   päpstlichen  Stuhle  vorbrachte,    so 


1;  Der  Hochmeister  beauftragte  auch  den  Domherrn  Arnold  Clünder 
für  Venrade  in  Rom  zu  wirken.  Wölky  (Mon.  hist.  Warm.  III,  97)  hält 
ihn  und  Datteln  irrtümlicherweise  ftir  dieselbe  Person. 


Von  Wilhelm  Bröning.  67 

triftig  auch  seine  Gründe  für  die  Wahl  Venrade's  lauteten,  *) 
seine  Bemühungen  hatten  keinen  Erfolg.  Wenn  jemals,  so  hätte 
der  Papst  jetzt  die  beste  Gelegenheit  gehabt,  die  so  oft  aus- 
gesprochene Behauptung  zu  beweisen,  daß  ihm  das  Wohl  des 
Ordens  am  Herzen  liege.  Mit  Bannbullen  allein,  die  übrigens 
erst  dem  Prokurator  ausgehändigt  wurden,  wenn  sie  teuer 
genug  bezahlt  waren,2)  war  wenig  gethan. 8)  Calixtus  III., 
fassend  auf  dem  in  Anbetracht  des  unkanonischen  Characters 
der  drei  Wahlen  ihm  zustehenden  Rechtes  der  Devolution, 4) 
bestätigte  die  Wahl  seines  einflußreichen  Günstlings.  Alle 
Versuche  des  Hochmeisters,  diesen  zu  einem  Verzicht  zu  be- 
stimmen, waren  vergeblich.  Er  hatte  nicht  die  Geldgier  des 
Kardinals  in  Betracht  gezogen,  der  sich  gerade  damals  eifrigst 
der  Pfründenjagd  in  Deutschland  befleissigte.  Mit  derselben 
frappierenden  Offenheit,  die  der  gelehrte  Kardinal  einst  bei  der 
Schilderung  seiner  jugendlichen  Liebesabenteuer  an  den  Tag 
gelegt,  sprach  er  es  auch  aus,  das  es  ihm  bei  der  Erwerbung 
des  Bistums  nicht  zuletzt  um  die  Aufbesserung  seiner  Finanzen 


1)  Domkapitular  Eichhorn  ist  freilich  ganz  anderer  Ansicht.  —  (Vergl. 
die  Ausführungen  Georg  Voigt's,  Enna  Silvio  de'  Piccolomini  etc.  II,  223  fg.) 
Eichhorn  stellt  die  Wahl  des  Kardinals  durch  die  in  Glogau  versammelten 
Domherren  als  einen  Akt  der  höchsten  Klugheit  dar.  Wir  werden  nicht 
irren,  wenn  wir  sie  als  eine  Bethätigung  ihres  Hasses  gegen  den  Orden  be- 
zeichnen. Es  befanden  sich  dort  Plastwich  und  Liebenwald,  die  beide 
wegen  der  Allensteiner  Vorfälle  aufs  heftigste  gegen  den  Orden  erbittert 
waren.  (Brief  Lieben walds  an  den  Hochmeister,  dat.  Heiligenbeil  den 
21.  Jan.  1456,  K.  St.-A.)  Wir  müssen  sowohl  den  Versuch,  uns  an  die 
„edlen  Motive**,  von  welchen  geleitet  die  Domherren  den  Kardinal  postu- 
lierten, glauben  zu  machen,  als  auch  die  Darstellung,  nach  welcher  Picco- 
lomini aus  warmer  Teilnahme  für  die  unglückliche  Diözese  die  Wahl  ange- 
nommen habe,  als  unbegründet  zurückweisen.  G.  Voigt  (1.  c.  II,  224)  nimmt 
auch  an,  daß  Piccolomini  es  bei  den  Domherren  an  Versprechungen  nicht 
wird  haben  fehlen  lassen.  Und  wir  können  annehmen,  daß  sie  besonders 
bei  Liebenwald,  der  die  ganze  Wahlangelegenheit  in  die  Hand  nabm,  ihren 
Eindruck  nicht  verfehlt  haben  werden,  denn  er  war,  wie  er  nachher  im 
Pfaffenkriege  bewies,  ein  schwacher  und  leicht  bestimmbarer  Charakter. 

2)  Brief  des  Prokurators,  dat.  Born  den  3.  Mai  1455.    K.  St.-A. 

3)  Ueber  die  geringe  Wirkung  päpstlicher  Bullen  vergl.  Caro  1.  c.  V,  70. 

4)  Ph.  Zorn,  Kirchenrecht  S.  316. 

5* 


68  D*e  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  etc. 

zu  thun  war. 1)  Er  scheute  selbst  vor  dem  unsaubersten  Handel 
nicht  zurück,  um  seinen  ewigen  Geldmangel  weniger  fühlbar 
zu  machen.  Mit  dreister  und  unwahrer  Schmeichelei  machte  er 
sich  an  den  polnischen  König  heran,  um  ihn  zur  Annerkennung 
seiner  Wahl  zu  bestimmen.  Kühn  behauptete  er,  stets  der 
eifrigste  Freund  und  Förderer  der  polnischen  Sache  in  Rom 
gewesen    zu  sein,    obwohl  das   gerade  Gegentheil  der  Fall  war. 

Der  König  wollte  jedoch  nichts  von  der  Wahl  des  Kardinals 
wissen,  ihm  war  nur  daran  gelegen,  einen  ihm*  ganz  ergebenen 
Bischof  im  Ermland  zu  haben.  2)  Aber  alle  seine  Versprechungen 
im  Falle  der  Gewährung  der  päpstlichen  Bestätigung  seines  Vize- 
kanzlers Lutkonis  nützten  ihm  ebenso  wenig  wie  seine  Drohungen 
im  Falle  der  Verweigerung  derselben.  Er  mußte  sich  damit 
begnügen,  seine  Anerkennung  des  Kardinals  als  ermländischen 
Bischofs  zu  versagen.  Dasselbe  that  der  Hochmeister,  und  beide 
haben  es  dem  pfründenlüsternen  Kardinal  unmöglich  gemacht, 
jemals  den  gewünschten  Nutzen  aus  dem  gewonnenen  Bistum 
zu  ziehen,  das  er  in  trügerischer  Hoffnung  und  in  Unkenntniß 
als  eine  „ecclesia  nobilis  ac  praedives,  multis  arcibus  et  oppidis 
ac  latissimo  imperio  potens"  bezeichnete. 8) 

Auffallend,  aber  sehr  charakteristisch  ist  es,  daß  sich  Picco- 
lomini  erst  sehr  spät  um  die  Anerkennung  seiner  Wahl  bei  dem 
Hochmeister  bemühte.  Er  hielt,  weil  der  Polenkönig  sich  im 
Besitze  des  größeren  Teiles  der  Diözese  befand,  diesen  jeden- 
falls für  den  gefährlicheren  Gegner.  An  Kasimir  wandte  er 
sich  mit  seinen  heuchlerischen  Bitten  bereits  am  30.  August  1457, 
an  den  Hochmeister  schrieb  er  erst  am  12.  April  1468,  und 
zwar  in  einem  merklich  anderen  Tone:4)  Er  habe  gehört,  daß 
sich  „irgendjemand'4  in  Preußen  als  ermländischen  Bischof 
„geriere".  Wenn  dieser  nicht  von  seiner  unkanonischen  Wahl 
abstehe,  werde  er  gegen  ihn  mit  kirchlichen  Censuren  vorgehen. 
Auch  stellte  er  an  den  Hochmeister  geradezu  naive  Zumutungen: 


1)  G.  Voigt,  1.  c.  II,  224.  —  SS.  rer.  Pruss.  IV,  250.  —  2)  G.  Voigt, 
1.  c.  II,  225.  —  3)  In  seinen  Commentarien  p.  28.  —  4)  SS.  rer.  Pniss.  TV, 
247  u.  250.    . 


Von  Wilhelm  Brüning.  69 

er  möge  doch  seinem  Prokurator  (Lieben wald)  die  Güter  und 
Schlösser  der  Kirche,  die  in  seiner  Gewalt  wären,  herausgeben, 
damit  durch  sein  gutes  Beispiel  auch  andere,  die  solche  besäßen, 
zur  Bückerstattung  angespornt  würden. 

Der  Hochmeister,  sicher  wenig  überzeugt  von  der  Nach- 
ahmungskraft dieses  gewünschten  guten  Beispiels,  behielt  seine 
eroberten  Besitzungen. 

Der  Kampf  dreier  Parteien  um  die  Besetzung  des  erm- 
ländischen  Stuhles  und  das  Schisma,  das  dadurch  über  das  Bis- 
tum heraufbeschworen  wurde,  waren  natürlich  von  dem  unheil- 
vollsten Einfluß  auf  die  Verhältnisse  in  demselben.  Der  Epi- 
scopat  Piccolominis  war  nichts  weniger  als  segensvoll  für  die 
Diözese  und  der  Zweck,  den  angeblich  die  Domherren  bei  ihrer 
Wahl  eines  mächtigen,  bei  Papst,  Kaiser  und  Fürsten  ange- 
sehenen Herrn  im  Auge  gehabt  hatten,  nämlich  mit  ihrer  Hilfe 
die  Güter  der  Kirche  wiederzugewinnen,  wurde  keineswegs  er- 
reicht. Wir  finden  auch  nirgends  eine  Bestätigung  für  die  Be- 
hauptung Eichhorn's,  „daß  abgesehen  von  der  Ehre,  welche  der 
berühmte  Kardinal  dem  Bistum  brachte,  dieser  durch  sein  An- 
sehen und  entschiedenes  Auftreten  den  streitenden  Parteien 
Ehrfurcht  einzuflößen  und  die  Kriegsfurie  in  ihrem  Laufe  zu 
hemmen  verstanden  habe."1)  Des  Kardinals  Prokurator,  Lieben- 
wald, richtete  in  Preußen  garnichts  aus  und  zog  sich  bald  wieder 
arg  verstimmt  zurück.  Der  unheilvollste  Söldnerkrieg  tobte  im 
Bistum  ungestört  weiter,  und  als  Piccolomini  am  19.  August  1458 
durch  seine  Wahl  zum  Papste  Gelegenheit  fand,  sich  aus  seinen 
wenig  ehrenvollen  preußischen  Händeln  zurückzuziehen,  sehen 
wir  dieselbe  Gestaltung  der  Verhältnisse  im  Ermlande  und  die 
gleiche  strategische  Stellung  der  kriegführenden  Parteien,  die 
wir  bei  dem  Tode  des  Bischofs  Franz  konstatiert  haben.  Erst 
unter  dem  Nachfolger  des  Kardinals,  Paul  von  Legendorf,  sollte 
eine  totale,  die  sinkende  Macht  des  Ordens  zum  raschen  Verfall 
treibende  Umwälzung  derselben  stattfinden. 

1)  Eichhorn  1.  c.  S.  134.  —  Das  Werk  Voigt's  läßt  die  gerühmte  Ehre 
etwas  zweifelhaft  erscheinen 


Zu  Johann  Christoph  Gottsched'»  Lehrjahren 
auf  der  Königsberger  Universität 

Von 

Johannes  Reicke. 


,,Preussen  ist  nicht  nur  mein  Vaterland,  sondern  es  hat 
mich  auch  in  seinem  Schoosse  bis  zu  männlichen  Jahren  erzogen, 
und  auf  der  Königsbergischen  Academie  zehn  Jahre  lang 
in  den  gelehrten  Sprachen,  freyen  Künsten  und  "Wissenschaften 
treulich  unterwiesen.  Besondere  Schicksale  nur  haben  mich  nach 
Sachsen  gebracht" :  so  schreibt  Gottsched  in  der  Widmung  sei- 
nes Buches  „Ausführliche  Redekunst"  an  den  damaligen  Kron- 
prinzen Friedrich  von  Preußen1)  (datiert  „Leipzig,  in  der  Oster- 
messe. 1736");  und  auch  „in  diesem  gesegneten  Lande,  und  in 
dem  so  gelehrten  als  weltberühmten  Leipzig",  fährt  er  fort,  „hat 
sich"  „die  natürliche  Liebe  gegen  mein  Vaterland  gar  nicht  ver- 
lohren.  Mehr  als  einmal  haben  sich  die  Triebe  der  Erkennt- 
lichkeit in  mir  gereget;  mehr  als  einmal  habe  ich  die  Neigung 
gegen  diejenige  hohe  Schule,  der  ich  den  Grund  meiner  Wohl- 
fart  zu  danken  habe,  auch  öffentlich  zu  verstehen  gegeben".  In 
der  That  hat  er  über  den  hier  bei  seinen  akademischen  Lehrern 
genossenen  Unterricht  wiederholt,  in  Prosa  und  in  Versen,  an 
Mit-  und  Nachwelt  berichtet.  Die  in  der  folgenden  Arbeit  ver- 
suchte Zusammenstellung  dieser  eigenen  Aussagen,  ergänzt  und 
erläutert  besonders  auch  aus  den,  seit  Jördens  wohl  nicht  wieder 
benutzten,  Schilderungen  seines  Lebens  seitens  durch  ihn  selber, 
wie  es  scheint,  darüber  unterrichteter  Zeitgenossen,  kann  frei- 
lich nur  in  mancherlei  Einzelheiten  neues  bringen  wollen2)  — 
hinweisen  möchte  ich  unter  diesen  gleich  hier  auf  die,  um  sie  der 
Vergessenheit  zu  entreißen,  als  „Anhang"  abgedruckten  beiden 
Dissertationen  seines  Lehrers  in  der  „Dichtkunst"  Pietsch  aus  dem 
Jahre  1718,  die  an  sich  für  eine  Geschichte  der  poetischen  Theorien 


Von  Johannes  Reicke.  71 

jener  Zeit  nicht  ohne  Interesse  sein  dürften,  sollten  sie  auch  da- 
mals, und  sogar  auf  Gottsched  selbst,  Einfluß  nicht  gehabt  haben. 

Johann  Christoph  Gottsched  war  geboren  1700  am 
2.  Februar8)  (Neuen  Stils)  in  Juditten  (damals  öfter  „Judithen- 
kirch" genannt)4),  nahe  bei  Königsberg.  Sein  Vater,  Christoph 
Gottsched,  war  der  Pfarrer  dieser  Kirche5),  seine  Mutter,  Anna 
Regina,  Tochter  eines  Pfarrers,  Johann  Biemann's0).  „Alle" 
vier  Söhne7)  hat  der  Vater  „selbst  unterwiesen  und  ohne  andere 
Schulen  bis  zu  der  Universität  gebracht"8).  Johann  Christoph, 
der  älteste,  hat  ihn  nicht  blos  in  einer  durch  die  „Critische 
Dichtkunst"  (1730  S.  407—410)  bekannter  gewordenen  „Ecloge 
Auf  meines  lieben  Vaters  sechzigsten  Geburts-Tag  1728.  Dämon 
und  Prutenio",  in  der  er  so  sehnsuchtsvoll  in  Leipzig  der  ver- 
lassenen Heimat  gedenkt,  als 

„Den  Vater,  der  mir  selbst  der  Weisheit  Bahn  gezeigt"0) 

öffentlich  gepriesen;  er  schildert  auch  seinen  Unterricht  ausführ- 
lich in  mehreren  Gedichten,  die  dann  in  die  Sammlungen  seiner 
„Gedichte"  1736  und  1761  mitaufgenommen  wurden.  So  in 
dem  „Poetischen  Sendschreiben"  ,,An  seinen  Herrn  Vater,  zu 
seinem  Geburtstage.     1727  den  7  Sept." 10) : 

„Ach!  ich  denke  noch  der  Stunden,  als  mir  durch  mein  andres  Jahr 
Kaum  der  zarte  Fuß  zum  Gehen  stark  genug  geworden  war; 
Als  der  Mund  kaum  fähig  schien,  dir  die  Sylben  nachzulallen, 
Wie  dir  meine  Lehrbegier  damals  schon  so  wohl  gefallen. 
Ich  erinnre  mich  der  Zeiten,  da  ich  dir  im  Schooße  saß, 
Und  nach  deiner  Unterweisung  etwa  deutsch  und  römisch  las. 
O  wie  lieblich  wußtest  du  bald  mit  lockenden  Geschenken, 
Mit  Versprechen,    Scherz  und  Lust  meine  Neigungen  zu  lenken. 
Durch  die  väterliche  Klugheit  ward  die  Arbeit  mir  ein  Spiel, 
Denn  sie  machte,  daß  mir  alles,  was  mir  nützte,  wohlgefiel. 
Mit  den  Jahren  wuchs  dein  Fleiß,  und  so  ist  mein  Schülerorden, 
Der  viel  tausend  Knaben  qvält,  mir  ein  Paradies  geworden. 

O  wie  lieblich  ward  mir  ferner  aller  freyen  Künste  Grund, 
Durch  die  väterlichen  Lippen,  schon  in  früher  Jugend  kund! 
War  doch  keine  Wissenschaft,  die  sich  nur  für  Knaben  schicket, 
Die  mir  deine  Sorgfalt  nicht  mit  Vergnügen  eingedrücket. 
Schon  in  meinem  zwölften  Jahre  führtest  du  mich  bei  der  Hand 
In  das  Chor  der  deutschen  Musen,  welches  du  vorlängst  gekannt. 
Dein  Exempel  gieng  mir  vor;  denn  nach  deiner  Seyten  Tönen 


72         Zu  J.  C.  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

Ließ  sich  meines  neuen  Rohrs  ungeübter  Klang  gewöhnen: 

Bis  mir  endlich  Albert  ine,  wo  der  Musen  Wohnplatz  war, 

Mehr  Geduld  und  Lust  zum  Dichten,  mehr  Geschick  und  Stoff  gebahr. 

Aber  dir,  geehrter  Vater!  bleibet  doch  der  erste  Ruhm, 
Alles,  was  ich  bin  und  habe,  nennet  sich  dein  Eigenthum." 
u.  s.  w. 
In  einzelnem  noch  mehr  bietet  eine  „Ode  Auf  den  Geburts- 
und Namenstag  Seiner  Aeltern.     Im  Jahre  1732.  den  7  Sept."11) 

in  den  folgenden  Versen: 

„Und  wie  rühm  ich  deinen  Fleiß, 
Theurer  Vater!    dein  Bestreben, 
Mir  von  allem,  was  ich  weis, 
Selbst  den  ersten  Grund  zu  geben? 
Wie  der  Deutsche,  Griech,  Lateiner 
Und  Hebräer  schreibt  und  spricht, 
Dieses  wies  mir  sonsten  keiner, 
Als  dein  treuster  Unterricht; 
Den  ich,  falls  ich  wechseln  sollte, 
Gegen  nichts  vertauschen  wollte. 

Selbst  der  Redner  edle  Kunst 
Hast  du  mir  zuerst  gewiesen, 
Und  der  Musen  süsse  Gunst 
Durch  dein  Beyspiel  angepriesen. 
Und  so  wuchsen  mir  die  Flügel 
Unter  deiner  Vaterzucht, 
Bis  ich  selbst  den  Königshügel, 
Albertinens  Sitz,  besucht, 
Wo  nebst  Odoacers12)  Mauren, 
Margraf  Albrechts  Künste  dauren." 

Und  auch  noch  in  einer  „Als  der  Verfasser  Sein  Fünfzig- 
stes Jahr  zurücklegte.  Den  2  Febr.  des  1750  Jahres"  gedich- 
teten Ode,  die  beginnt  „Erhabner  Schöpfer  alier  Welt!'1,18)  dankt 
er  Gott  für  diesen  „Führer",  der  ihn  auf  „den  Weg  der  Wissen- 
schaft" geleitet: 

„Sein  treugemeynter  Unterricht, 

Wies  mir  der  freyen  Künste  Licht, 
Und  was  die  alten  Sprachen  nützen. 

Er  selber  legte  so  den  Grund, 

Er  selber  that  mir  spielend  kund, 
Wobey  sonst  Knaben  mühsam  schwitzen; 

Bis  ich  im  dreymal  fünften  Jahr, 

Zu  höhern  Schulen  tüchtig  war." 


Von  Johannes  Reicke.  73 

Der  Vater  „wieß  ihn  zu  denjenigen  Wissenschafften  an, 
welche  einen  zukünftigen  Gelehrten,  und  einen  rechtschaffenen 
Lehrer  in  der  Kirchen  zu  bilden  hinreichend  waren",  berichtet 
Brucker,  und  seine  „glückliche  und  getreue  Erziehung  fand  einen 
natürlichen  guten  Verstand  und  feurigen  Trieb,  welche  verur- 
sachten, daß  sie  so  erwünscht  ausfiel,  daß  er  im  Jahr  1714.  nach 
Königsberg  auf  die  hohe  Schule  mit  Nuzen  gesendet  werden 
können". 

Zu  Ostern,  am  19.  März  1714  ist  er  an  der  Albertina  im- 
matriculiert  und  zwar  seiner  großen  Jugend  wegen  vom  da- 
maligen Rector  Prof.  David  Bläsing  nicht  vereidigt,  sondern  nur 
durch  Handschlag  auf  den    ihm    vorgelesenen  Eid   verpflichtet 

worden14). 

„Hier  wiesest  Du  mir  Gönner  an,u 

singt  er  1760  in  der  Ode  an  Gott,    unmittelbar   nach    den  eben 

angeführten  Versen, 

„Die  meines  armen  Fleißes  Bann 
Durch  Huld  und  Wohlthun  unterstützten. 

Mein  Mangel  ward  durch  Zuschub  leicht, 

Die  Lehrer  wurden  mir  geneigt, 
Indem  sie  meinen  Eifer  schützten; 

Bis  ihre  Hand  mir  noch  zuletzt 

Den  Hut  der  Lehrer  aufgesetzt". 

„Sein  Herr  Vater",  so  erzählt  Brucker,  „hatte  ihn  der 
GOttes-gelahrtheit  gewiedmet15),  aber  wohl  eingesehen,  daß  die 
schönen  Wissenschaffben,  die  Weltweisheit  und  die  gelehrten 
Sprachen  den  Weg  dazu  bahnen  müßten,  und  daß  ein  Gottes- 
gelehrter und  ein  in  allen  Wissenschafften  erfahrner  Mann  un- 
gemein wohl  neben  einander  stehen  könnte" 16).    Der  Sohn  selber 

dankt  ihm  dafür  in  jener  Ode  vom  Jahre  1732: 

„Hier  empfand  ich  erst  die  Kraft 
Deiner  väterlichen  Lehren; 
Hier  könnt  ich  die  Wissenschaft 
In  erwünschter  Freyheit  hören1*. 

Sein  Vater,  heißt  es  bei  Brucker  weiter,  „gab  ihm  also 
Anleitung  unter  der  Anführung  geschickter  Männer,  welche 
damals    in    Königsberg    lehrten,    sich    in    den    meisten  Wissen- 


74         Zu  J.  C.  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

schafften  sorgfältig  und  fleißig  umzusehen.  Er  ließ  sich  dem- 
nach in  den  Hör-sälen  der  öffentlichen  und  Privat  -  lehreru  — 
Brucker  nennt  die  Namen  Gercke  [lies:  Gehrke],  Rhode,  Meyer , 
von  Sanden,  Kreuschner,  Fischer,  Bläsinger  [lies:  Bläsing], 
Bast,  Strimesius  und  Behm  —  „unermüdet  finden,  und  sich 
die  Lehr-säze  der  Dicht-  und  Rede-kunst,  der  Historie,  der 
Mathematik,  der  Lateinischen  und  Griechischen  Sprache,  der 
Aristotelischen,  Cartesianischen  und  neuern  Philosophie  bey- 
bringen" ;  genaueres  weiß  in  diesen  Dingen  Stolle  zu  berichten : 
nach  ihm  „hörete  er  in  den  schönen  Wissenschafften  die  Pro- 
fessores  Bohden  und  Strimes,  in  der  alten  Philosophie  Prof. 
Bösen  und  Prof.  Gehrken,  in  der  neuern Physic  M.  Meyern, 
Prof.  Fischern  und  Doct.  von  Sanden,  in  der  practischen 
Philosophie  Doct.  Gregorovium  und  M.  Kreusohnern,  und 
in  Mathefi  Prof.  Bläsingen  und  Prof.  Rasten".  Da  er 
ja  aber  „auf  seines  Vaters  Gutachten  die  Theologie  zu  seinem 
Hauptstudio  erwehlet  hatte",  wie  Stolle  sagt,  so  hat  er  auch  sie, 
erzählt  er  selber  in  der  Vorrede  vom  Jahre  1765,  „mit  allem 
Fleiße  studiret,  und  alle  Theile  derselben  bey  den  vornehmsten 
Lehrern  derselben,  D.  Bernh.  von  Sanden,  Heinrich 
Lydiussen,  Christian  Masecoven,  D.  Quandten,  D.  Lang- 
hansen, und  Prof.  Lilienthalen,  auch  das  Hebräische  und 
Griechische  bey  D.  Hahn,  D.  Behm,  und  Prof.  Abrah.  "Wolfen 
getrieben".  Ebenso  allgemein  hatte  auch  Brucker  (1744)  berichtet, 
er  habe  „die  vortrefflichen  Gottes -gelehrten,  den  jezigen  Herrn 
Ober-hof-prediger  und  General -Superintendenten  D.  Quandten, 
D.  Bornhard  von  Sanden,  D.  Langhansen,  D.  Lysium, 
und  D.  Masecovium,  ingleichem  den  Herrn  Lilienthal  alle 
Theile  der  Gottes-gelahrtheit  erklären"  gehört  und  „sich  auch 
unter  Herrn  D.  Hahnen,  und  Herrn  Prof.  Wolfen  Anleitung 
in  der  Hebräischen  Sprache"  geübt;  dagegen  Stolle  (1736)  hat  sich 
auch    hier    wieder  mehr  auf's  einzelne  eingelassen  und  schreibt, 

—  nur  auffallender  Weise  den  seiner  Zeit  angesehensten  Theo- 
logen   der  Universität,  Bernhard   von  Sanden,    hier   übergehend 

—  Gottsched    habe    „sich    Doct.  Hahnen    und   Prof.  Wolfen 


Von  Johannes  Reicke,  75 

in  den  Orientalischen  Sprachen,  Doct.  Quandten  in  Theologia 
thetica,  D.  Lysium  in  der  Exegesi,  D.  Langhansen  in  der 
Morale,  und  Doct.  Masecovium  und  M.  Lilienthalen  in  der 
Homiletio  unterrichten"  lassen. 

Nicht  zwar  welche  Ausbildung  ihm  durch  jeden  einzelnen 
dieser  seiner  akademischen  Lehrer17)  hier  zu  Theil  geworden18), 
wohl  aber  welche  Bedeutung  im  allgemeinen  die  verschiedenen 
Gebiete  seiner  unter  ihrer  Anleitung  getriebenen  Studien  für 
ihn  gehabt  haben,  darüber  hat  sich  Gottsched  selbst  öffentlich 
erklärt.  Ehe  ich  nun  diese  seine  eigenen  Aussagen  anführe, 
möchte  ich  eine  andere,  freilich  äußerliche,  Frage  doch  berühren, 
—  nur  um  der  Docenten  willen  die  dabei  in  Betracht  kommen: 

Seine  oben  citierten  Worte  von  „Huld  und  Wohlthun", 
und  „Zuschub",  durch  „Gönner"  auf  der  Universität  (und  ähnliche 
gebraucht  er  auch  in  der  gegen  das  Ende  hin  anzuführenden  „Ele- 
gie Als  er  aus  seinem  Yaterlande  gieng,  1724")  können  doch, 
wenn  auch  nicht  gerade  müssen,  so  ausgelegt  werden,  daß  ihm 
auch  materielle  Unterstützungen  von  dieser  werden  zu  Theil  ge- 
worden sein.  Vielleicht  —  um  von  Stipendien,  deren  es  zumal  für 
Theologen  gewiß  auch  damals  viele  gab,  ganz  abzusehen  —  wird 
man  annehmen  dürfen?  daß  der  junge  Student,  der  ja  sein  Eltern* 
haus  nicht  in  der  Stadt  hatte19)  und  über  reichliche  Mittel,  als 
Landpfarrerssohn,  wohl  auch  nicht  wird  haben  verfügen  können, 
gleich  so  manchen  anderen  in  dem  „communi  Convictorio"  (der 
„Communität")  „bei  dem  Oeconomo"  (oder  „Probst")  „wohlfeiler  als 
in  der  Stadt"  (als  „Convictorialis"  oder  „Commensalis")  wird  haben 
speisen20),  oder  etwa  auf  dem  „academischen  Collegio"  „vor 
einen  geringen  Zins"  (als  „Contubernalis")  wird  haben  wohnen21) 
dürfen,  vielleicht  gar  auch  ganz  unter  die,  daselbst  wohnenden  und 
speisenden,  „Alumnen"22)  wird  aufgenommen  sein:  das  waren, 
neben  Stipendien,  die  damaligen  „zum  besten  armer  Studiren- 
den  gemachten  Anstalten"28)  der  Universität.  Im  besondern  das 
Alumnat  war  recht  „eigentlich  für  Studiosos  Theologiae  gestiftet, 
indem  die  sämmtlichen  Alumni  ohne  Unterschied  sich  verpflichten 


76         Zu  J.  C.  Gottscheds  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

müssen,  die  theologischen  Lectiones  fleißig  zu  besuchen,  damit  sie 
dermaleinst  gehörig  gebraucht  werden  können",  giebt  noch 
1746  Arnoldt  an;  allerdings  aber  sollten,  nach  ihm,  „zum  Alu- 
mnat gelassen  werden"  nur  solche  „so  von  eigenen  Mitteln  ent- 
blösset  .  .  .  und  insbesondre  ganz  arm  sind,  in  dem  den  übrigen 
mit  dem  Convictorio  zu  Hülfe  gekommen  werden  kann",  auch 
sollten  überhaupt  „Leute  die  noch  gar  zu  jung  —  nach  den 
damals  noch  geltenden  „Leges  Alumnorum"  vom  Jahre  1560 
(confirmirt  166 1)24)  sollte,  wie  er  sagt,  „ordentlicher  Weise  ein 
Alumnus  bereits  über  sechzehen  Jahre  sein"  — ,  oder  zu  weit  in 
Studiis  zurücke  sind,  nicht  angenommen"  werden:  ob  nach  diesen 
Bestimmungen  Gottsched  überhaupt,  wenn  auch  nicht  sogleich 
seiner  jungen  Jahre  wegen,  so  doch  bald  in  ihre  Zahl  wird  haben 
aufgenommen  werden  können?  —  Als  „Oberinspector"26)  über 
„die  in  dem  Convictorio  speisenden,  und  auf  dem  Collegio  logiren- 
den  Studiosi,  besonders  die  Alumni"  und  allgemein  über  die  aka- 
demischen Gebäude,  als  solcher  zugleich  auch  Aufseher  über  die 
Akademische  Bibliothek,  fungierte  damals  (1703 — 1719)  der  ordent- 
liche Professor  der  Mathematik  M.  David  Bläsing;  „Sub-oderVice- 
inspector"26)  („Inspector  secundarius")  warl713 — 1715 M.  Michael 
Lilienthal  und  nach  ihm  1715 — 1719  M.  Johann  Jacob 
Eohde.  Beide  nun  hat  Gottsched,  jenen  vielleicht,  diesen  be- 
stimmt sogleich  in  den  ersten  Semestern  seiner  Studienzeit,  ge- 
hört: möglicherweise,  meine  ich,  als  „Alumnus"  oder  doch  „Con- 
tubernalis".  Nämlich,  der  Oberinspector  hatte  (nach  Arnoldt's 
Angaben)  nur  die  oberste  Aufsicht  und  die  Verwaltung  der  ihm 
unterstellten  Einrichtungen  wahrzunehmen  ;  des  „Sub-  oder  Vice- 
inspectoris  Verrichtung"  aber  sollte  nicht  blos  „sein,  daß  er  mit 
den  Studiosis  in  der  Communität  speise  und  acht  habe,  daß  es 
bey  Tische  still  und  ordentlich,  besonders  unter  dem  Gebet  und 
Bibellesen,  zugehe,  den  Precibus  beywohne,  die  Stuben  visitire, 
und  mit  den  Jüngern  Alumnis  ihre  Collegia  wiederhole",  auch 
„mit  denselben  in  die  Kirche  gehe",  sondern  er  sollte  auch,  be- 
richtet Arnoldt,  „sie  im  Stilo  üben"  —  ja,  die  betreffenden  Be- 
stimmungen jener    „Leges  Alumnorum"    selber  verlangen  noch 


Von  Johannes  Reicke.  77 

einiges  mehr,  sie  scheinen  mir  interessant  genug  sie  (nach  seinem 
Abdruck)  hierherzusetzen : 

„De  Ordine  Lectionum  &  Uepetitionum.     Lex  VIII. 

Quatuor  ad  minimum  Lectiones  publicas  Alumnorum  quisque 
quotidie  audito,  pro  profectu  cuique  fuo  et  Studiorum  ratione 
a  Senatu  poft  exploratos  in  Examine  fingulos  junctas,  praeter 
quas  Infpector  diebus  Lunae,  Martis,  Jovis  et  Veneris  hora  fe- 
cunda  aut  quarta  vefpertina  et  quinta  matutina,  cum  iis  potiffi- 
mum,  qui  in  fecundo  et  tertio  funt  ordine27),  repetet,  et  audi- 
tarum  lectionum  rationes  ab  iis  exiget.  Die  Mercurii  vero  pri- 
vatim aliquid  praeleget  Alumnis  omnibus  fructuofum;  die  Saturni 
Catechifmum  et  Explicationes  Evangeliorum  Dominicalium  non 
negliget.  Diebus  Solis  et  Feftis  omnes  Alumni  cum  Infpectore 
templum  ingrediantur,  conciones  facras  diligenter  audiant,  publicis 
facris  et  precibus  interfint,  nee  niii  cum  Infpectore  egrediantur. 
Qui  fecus  fecerit,  pro  arbitrio  Senatus  graviter  muletabitur. 

De  Exercitiis.     Lex  IX. 

Diebus  Mercurii  aut  Saturni  ab  Infpectore  propofito  argu- 
mento  aecurate  feripta  Alumnorum  emendanda  funt.  Jubebit 
etiam  ut  Adolefcentes,  quorum  ingenia  ad  Poefin  apta  funt,  Car- 
olina feripta  exhibeant,  profectiores  poft  menfis  uniuseujusque 
fpatium  integram  declamationem  vel  concionem  latino  fermone 
feriptam  exhibere  teneantur,  vel  fingulis  14.  diebus  xquclv,  yvioprjvy 
O&aiv,  locum  communem  aut  fimile  quid  tractent.  Cum  celebrantur 
publicae  Disputationes,  omnes  alumni  interfint,  et  ex  primo 
ordine27)  finguli  uno  atque  altero  argumento  propofito  oftendant 
Specimen  ingenii  et  doctrinae.  Cum  juffi  fuerint  ab  Infpectore, 
ut  publice  refpondeant  vel  declament,  detreetare  non  liceat.44 

Also,  als  Gottsched  zu  Ostern  1714  die  Universität  bezog, 
war  Subinspector  noch  M.  Michael  Lilienthal.  Nach  seinen 
eigenen  Angaben28),  (geb.  1686  zu  Liebstadt  im  [ostpreußischen] 
Oberlande)  hatte  er  1700—1706  hier  in  Königsberg  studiert,  dar- 
auf in  Jena  1706  (21.  Oct.)  sich  zum  Magister  promovieren 
lassen  und  dann  noch  einige  Jahre  zunächst  an  dieser  und  seit 


78         Zu  J.  C.  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königeberger  Universität. 

1708  an  der  Universität  Rostock  seine  Studien  fortgesetzt,  noch 
Collegia  hörend,  dann  aber  auch  selber  solche  lesend  und  durch 
eigene  Arbeiten  sich  bekannt  machend,  auch  während  der  Zeit 
Reisen  durch  Deutschland  und  nach  Holland  gemacht,  war,  schon 
auf  der  Heimkehr,  damals  bereits,  1711  in  Berlin  „von  der  Königl. 
Preußischen  Societät  der  Wissenschaften,  als  ein  Mit-Glied  auf- 
genommen", wobei  er,  berichtet  er,  „so  wohl  von  dem  damahligen 
wackern  Presidenten,  dem  Baron  von  Leibnitz,  als  andern  ge- 
genwärtigen Membris  besonders  distingviret  wurde";  und  endlich 
1711  Ende  Juni  war  er  wieder  in  Königsberg  angekommen. 
Hier  war  er  von  der  Philosophischen  Facultät  als  Magister  legens 
angenommen  worden  (2.  December  hat  er  pro  receptione  über 
sein  „Schediasma  de  Philothecis,  variisque  eorundem  usu  et 
abusu,  vulgo  von  Stamm-Büchern u  disputiert),  und  hatte  darauf, 
erzählt  er,  „den  Anfang  gemacht  Collegia  privata  und  privatis- 
sima,  zu  lesen,  zu  welchen  sich  viele  Auditores  fanden".  „Es 
waren  Collegia  styli  Latini  &  Germanici,  Exeroitia  Disputatoria, 
Lectiones  Philosophien,  insonderheit  aber  Collegia  über  die  histo- 
riam  literariam  und  notitiam  Autorum".  „Nach  der  Hand"  hat 
er  „auch  die  Historiam  universalem,  Numismaticam,  Geographie 
und  HeraJdic  der  Jugend  vorgetragen".  1713  war  ihm  dann, 
„von  Hofe  aus,  ohn  mein  Begehren,"  sagt  er,  die  Stelle  eines 
„Inspector  Secundarius  Alumnorum"  übertragen  worden,  „zu 
welcher"  ihn  der  Rector  Magnificus  „d.  24.  Sept.  introducirte": 
„In  dieser  Bedienung",  schreibt  er,  „bin  fast  zwey  Jahr  ge- 
standen, und  habe  denen  Königl.  Alumnis  mit  Lesen  und  Dis- 
putiren zu  dienen  gesuohet.  Wie  denn,  nicht  nur  Lectiones  in 
varia  Novi  foederis  loca  ihnen  gehalten,  und  dieselbe  ex  antiqui- 
tatibus,  moribus  &  ritibus  gentium  erleutert;  sondern  sie  auch 
aufs  Catheder  gefübret,  und  vermittelst  einiger,  nachmahls  zu- 
sammen gedruckten  Exercitationum,  sie  im  Disputiren  geübet: 
Wodurch  mir  denn  eine  sonderbahre  Liebe  und  Hochachtung  bey 
denen  Convictoribus  erworben ;  zumahl  da  ich  ihnen  des  Abends, 
post  preces,  noch  allezeit  ein  pabulum  animi  mitgab,  und  etwas 
aus  der  historia  literaria,  philologia  oder  theologia  vordiscourrirte, 


Von  Johannes  Reicke.  79 

da  denn  offib,  wohl  mehr  als  100.  Auditores  diese  Lectiones  Ve- 
spertinas besuchet  haben".  1714,  in  welchem  Jahre  ihm  auch 
„bey,  der  hiesigen  Königl.  Schloß-Bibliotheck,  die  Function  eines 
Sub-Bibliothecarii  anvertrauet"  wurde,  welche  er  „auch  in  die 
anderthalb  Jahr  verwaltet",  habe  er,  giebt  er  an,  folgende  „Col- 
legia"  gelesen:  „Ein  Literarium  über  eines  Anonymi  Tract.  Die 
gantze  Gelahrtheit  überhaupt.  Ein  anders  über  Struvii  Intro- 
ductionem  in  notitiam  rei  literarise,  davon  meine  Notata  nach- 
mahls  draussen  sind  gedruckt  worden.  Ein  Collegium  Philolo- 
gico-Criticum,  in  Historiam  Passionis  JESU  Christi;  und  ein 
ander  dergleichen  in  Pericopas  Evangeliorum  Dominieales  &c." 
„Zu  Anfang  des  1715.  Jahres  habe  ein  Collegium  historicum 
zu  lesen  angefangen,"  berichtet  er  weiter,  „über  die  Antiqui- 
täten und  andre  Merckwürdigkeiten  des  Königreichs  Preussen, 
zu  welchem  die  Auditores,  durch  ein  in  deutscher  Sprache  ge- 
drucktes Programma,  invitiret,  in  welchem  zugleich  der  Ent- 
wurf! dieses  Collegii  enthalten  war.  Jedoch  da  ich  bey  Ausar- 
beitung derer  im  Entwurf  gemachten  Articul,  bis  auf  die  Bubrick : 
vom  Kneiphoff  Königsberg  gekommen  war,  so  wurde  gantz  un- 
vermuthet  zum  Diaconat  im  Kneiphoff  beruffen":  am  4.  Juni 
erhielt  er  die  „Vocation"  und  nahm  sie  an;  am  19.  Juni  bestand 
er  dann  „das  Examen  im  Consistorio",  am  28.  Juli  fand  „die 
Ordination  im  Kneiphoff"  statt,  und  am  30.  Juli  wurde  er  „in- 
troduciret"29).  Ob  nun  Gottsched  eben  während  seiner  drei 
ersten  Semester  1714 — 1715,  sei  es  als  alumnus  oder  nicht,  bei 
Lilienthal80)  irgend  welche  der  hier,  nach  diesem  selbst,  ge- 
nannten Collegia  und  Uebungen  besucht  haben  wird?  Wahr- 
scheinlicher ist  mir  dies,  —  obgleich  freilich  die  Angabe  Stolle's, 
er  habe  sich  durch  ihn  „in  der  Homiletic  unterrichten"  lassen, 
auf  die  vielleicht  auch  nicht  so  ohne  weiteres  abzuweisende 
andere  Möglichkeit,  die  ich  in  der  Anmerkung81)  erwähnen  will, 
wohl  besser  passen  mag. 

Lilienthal  also  war   im  Sommer    1715    aus  seiner  Stellung 
als  Subinspector    Alumnorum    ausgeschieden,    und  es  wurde  mit 


80         Zu  J.  0.  Gottscheds  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

diesem  Amte  M.  Johann  Jacob  Rohde  (Eh o de)  betraut.  Er82) 
(1690  24.  August  hier  in  Königsberg  als  Sohn  eines  Stadtraths 
Jacob  Rohde  geboren)  hatte  1706 — 1711  auf  der  hiesigen  Uni- 
versität zunächst  philosophische  Vorlesungen  gehört  und  dann 
sich,  dem  Wunsche  seiner  Eltern  gemäß,  der  Theologie  be- 
fleißigt; 1711  um  Johannis  war  er  sodann  auf  Reisen  gegangen: 
durch  Deutschland  und  später  auch  nach  Holland.  —  Auf  der 
Universität  Jena  —  eine  „Academiam  eruditissimis  hominibus 
liberalissimisque  studiis  affluentem"  nennt  sie  der  Biograph  — 
hat  er  sich  länger  als  anderthalb  Jahre  aufgehalten:  er  hörte 
da  eifrig  nicht  blos  theologische  Vorlesungen,  sondern  auch  den 
Mathematiker  Georg  Albrecht  Hamberger,  „loh.  Casp.  Posnerum, 
Oratorem",  den  Historiker  Burchard  Gotthelf  Struve  u.  a.  m. 
„Quorum  vni  praesertim",  berichtet  der  selbe,  „oratori  videlicet 
Academico,  omne  id  ee  debere  semper  praedicauit  Rohdius 
noster,  quicquid  in  pulcherrimis  eloquentiae  Romanae  studiis 
possidebat,  quod  sane  multum  ao  praeclarum  fuisse,  deinde  ali- 
quoties  in  cathedra  Academiae  nostrae  publica,  oratoris  ordinarii 
vicibus  functus,  luculenter  ostendit".  Nachdem  er  in  Jena  im 
Jahre  1713  zum  Magister  Philosophiae  promoviert  worden,  fand 
er  alsbald  auch  dort  schon  Gelegenheit  ein  Mal  als  Redner  im 
Namen  der  Universität  aufzutreten:  auf  Friedrich  I.  den  damals 
gestorbenen  ersten  König  in  Preußen  hielt  er  am  Sonntage  Mise- 
ricordias  [=  30.  April],  dem  Tage  des  feierlichen  Leichenbegäng- 
nisses in  Berlin,  in  der  Universitätskirche  einen  Lateinischen 
Panegyricus,  der  übrigens  auch  gedruckt  wurde.  —  Ueberall 
aber  —  der  Biograph  hat  die  hauptsächlichsten  Orte,  die  er  auf- 
suchte, der  Reihe  nach  aufgeführt  — ,  „in  his  commemoratis  locis 
singulis",  schließt  er  den  Reisebericht,  „tantum  temporis  im- 
pendit,  quantum  requiritur,  vt  prudens  quisque  peregrinator, 
publica  priuataque  opera  maxima,  oculis  obeat;  virorum  clarissi- 
morum  cognitionem  sibi  comparet,  horum  bibliothecas,  et  reli- 
quum  artificiosum,  pretiosum  atque  eruditioni  seruientem  appa- 
ratum,  curatius  penitiusque  inspiciat.  In  itineribus  igitur  tarn 
variis,    terra  marique  emensis,  Rohdius  noster  iis  animum  suum 


Von  Jobannes  Heicke.  gl 

locupletauit  opibus,  quibus  animos  aliorum  aliquando  locupletare 
posset  professor".  Nach  Königsberg  heimgekehrt,  ließ  er  sich  hier 
(1713  11.  Dec.)  wieder  immatriculieren  und  disputierte  im  März88) 
1714  pro  receptione  inFacultatem  „De  lectis  veterum  lucubratoriis". 
Dann,  „docendo,  concionando,  declamando,  disputando  per  dili- 
gentem  se  praestans  philosophiae  Magistrum",  sagt  der  Biograph, 
wurde  er  1715  zum  Subinspector  der  Alumnen  bestellt.  Das 
blieb  er  bis  1719,  in  welchem  Jahre  er  einem  Rufe  des  Raths 
der  Stadt  Elbing  als  Con-Rector  und  Professor  an's  Gymnasium 
daselbst  folgte:  da  hat  er,  giebt  die  Biographie  an,  „philoso- 
phiam  moralem,  historiam  yniuersalem,  artemque  oratoriam"  ge- 
lehrt; aber  nach  wenig  mehr  als  neun  Monaten  kehrte  er  1720, 
in  die  ordentliche  Professur  der  Logik  und  Metaphysik  berufen, 
nach  Königsberg  zurück:  im  April88)  disputierte  er  pro  loco  „De 
praecipuis  Logicae  vulgaris  naevis".  In  diesem  Amte  dann,  ur- 
theilt  der  Biograph,  „docendi  ac  disputandi  sollertia  talem  se  ad 
nouißsimam  vsque  valetudinem  probauit,  qualem  boni  omnes  votis 
fingere  solent;  quin  etiam  aliis  super  alia  speciminibus,  publice 
editis84),  non  minori  praesentium  vtilitati  studuit,  quam  famam 
apud  exteros  magnam  gloriamque  sibi  comparauit".  Er  ist  früh, 
1727  am  4.  Juli,  gestorben.  Gerühmt  wird  in  den  Schluß- 
worten des  officiellen  Nachrufs  besonders  auch  sein  „benignus 
animus,  et  doctrinis,  et  commendationibus,  et  beneficiis,  ornandi, 
fouendi,  acuendi  ad  bonas  litteras  studiosam  juuentutem".  Bei 
ihm  nun,  erzählt  Gottsched86),  habe  er  schon  „1714,  gleich 
im  Anfange"  seiner  „Academischen  Jahre",  „ein  sogenanntes 
Collegium  Poeticum  zu  hören"  „Gelegenheit"  gehabt;  und  an 
anderer  Stelle80)  bezeichnet  er  ihn  auch  als  seinen  „königsber- 
gischen Lehrer  der  Beredsamkeit".  Gäbe  er  nicht  für  jenes 
selber  das  Jahr  so  bestimmt  an,  so  würde  ich  allerdings,  auf 
die  obigen  Notizen  über  die  Aufgaben  des  Subinspectors  der 
Alumnen  hin,  anzunehmen  geneigt  sein,  Gottsched  habe  von  ihm 
als  solchem,  und  dann  eben  wahrscheinlich  als  alumnus,  Unter- 
richt im  poetischen  und  prosaischen  Stil  erhalten.  Jedesfalls 
also    war   ftobde    sein  Lehrer   in    der  „Dichtkunst"  und  in  der 

Alipr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX  Hit.  U2.  6 


82         Zu  J-  0.  Gottscheds  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

„Redekunst":  über  beides  werde  ich  nachher  noch  sprechen;  ob 
Gottsched  ihn  später  auch  noch  als  Professor  der  reinen  Philo- 
sophie, also  im  Jahre  1720  und  den  folgenden,  gehört  haben 
mag,  darüber  läßt  sich  nichts  ausmachen. 

Von  dieser,  der  „Weltweisheit1',  fühlte  sich  der  Student 
am  meisten  angezogen.  1740  am  20.  Februar  hat  er  an  den 
Grafen  Ernst  Christoph  von  Manteuffel  in  Berlin  geschrieben  : 
„Man  weiß  in  Königsberg  wohl,  daß  ich  daselbst  zehn  Jahre 
lang  ein  eifriger  Theologus  gewesen4 ' 87).  Er  trieb  die  Theologie 
gewiß  inständig  und  wirklich  eindringend ;  um  so  weniger  konnte 
sie  ihn  befriedigen :  „die  philosophische  Art  zu  denken",  be- 
richtet er  in  der  Vorrede  vom  Jahre  1755,  „die  ich  mir  aus 
der  cartesianischen,  thomasischen  und  wölfischen  Art  zu  philoso- 
phiren  geläufig  gemachet  hatte,  machete  mich  begieriger  nach 
deutlichen  Begriffen  in  theologischen  Materien,  als  es  manchmal 
meinen  Lehrern  lieb  seyn  mochte.  Ich  disputirete  gern,  und 
oft;  und  wenn  ich  opponirte,  trug  ich  immer  wahre,  nicht  aber 
verstellte  Zweifel  vor.  Daher  trieb  ich  sie  bisweilen  schärfer, 
als  andere;  und  bemerkete  manchmal,  daß  mir  ihre  Knoten  mit 
unwilligen  Antworten,  mehr  durchschnitten,  als  aufgelöset 
wurden".  „In  der  Weltweisheit",  lehrte  er  1733  in  der  Vor- 
rede zur  ersten  Ausgabe  seines  philosophischen  Lehrbuches 
„Erste  Gründe  Der  Gesamten  Weltweisheit"  „Erster,  Theoretischer 
Theil",  ,,sind  wir  an  keine  Glaubensformeln  und  gewisse  Aus- 
drückungen gebunden.  Ein  jeder  philosophiret  nach  seinen  Kräften, 
nach  seiner  Einsicht  undüebung;  und  bindet  sich  dabey  an  nieman- 
des Vorschrift.  Die  Gaben  sind  mancherley,  auch  die  Art  und  Weise, 
wie  man  zur  Erkenntniß  Philosophischer  Wahrheiten  gekommen, 
ist  sehr  unterschieden.  Dieses  beydes  aber  machet,  daß  man 
eine  Sache  von  dieser  oder  jener  Seite  ansieht,  so  oder  anders 
befindet.  Wer  sein  Lebenlang  nur  eines  einzigen  Weltweisen 
Bücher  mit  Fleiß  gelesen  hat,  oder  doch  gleich  Anfangs  auf 
dessen  Schriften  verfallen  ist,  der  kan  allerdings  ein  strenger  Nach- 
folger desselben  werden.     Er  wird  nur  nach  seines  Lehrers  Art 


Von  Johannes  Jteicke.  g$ 

denken,  nur  mit  dessen  Worten  reden,  nur  fftr  dessen  Sätze 
eifern;  und  weil  er  keine  andre  Meynungen  mit  ihren  oft  sehr 
wahrscheinlichen  Beweisen  gelesen  oder  gehöret:  So  müssen  ihm 
freylich  viele  unzulänglich  erwiesene  Sachen  oftmals  als  un- 
umstößliche Wahrheiten  vorkommen.  Die  Peripatetische  und 
Cartesianiche  Schule  hat  uns  viele  solche  Exempel  gegeben, 
und  auch  die  neuern  Zeiten  zeigen,  daß  es  nicht  unmöglich  sey, 
wieder  in  eine  sectirische  Philosophie  zu  verfallen,  daraus  uns 
doch  die  grösten  Männer  mit  so  vieler  Mühe  zu  reissen  beflissen 
gewesen.  Mich  hat  in  meinen  Academischen  Jahren,  die  grosse 
Freyheit  zu  philosophiren,  die  auf  der  Königsbergischen  Univer- 
sität damals  herrschete,  vor  einer  so  sclavischen  Art  zu  denken 
und  zu  lehren  in  Sicherheit  gesetzet.  Nachdem  ich  im  Jahr« 
1714  und  1715  die  Aristotelische  Philosophie  nach  allen  ihren 
Theilen  durchgehöret  hatte,  fieng  ich  die  Cartesianische  an  zu 
hören,  und  die  Mathematic  damit  zu  verbinden.  Diese  gab  mir 
nun,  sonderlich  in  der  Physick,  anfänglich  ein  völliges  Ver- 
gnügen, und  ich  dachte  Wunder  wieviel  ich  von  der  Natur 
wüste:  bis  ich  aus  des  P.  Daniels  Voyage  du  Monde  de  Defcartes, 
und  aus  Clerici  Philosophischen  Werken  unzehliche  Schwierig- 
keiten einsehen  lernte,  die  man  aus  dieses  Weltweisen  Grundsätzen 
nicht  auflösen  konnte.  Ich  suchte  darauf  in  Sturms  und 
Scheuchzers  Schriften  Trost  zu  finden;  sähe  aber,  daß  ich 
nirgends  sattsame  Gewißheit  fand.  Dabey  lernte  ich  unzehliche 
Schriften  berühmter  Weltweisen  aus  Frankreich,  Holland  und  Engel- 
land kennen,  die  mir  meine  peripatetische  u.  Cartesianische  Lehrer 
niemals  genennet  hatten.  Ich  gerieht  auch  über  Lockes  Werk  vom 
menschlichen  Verstände,  nach  der  Lateinischen  Uebersetzung, 
und  setzte  nachmals  in  der  practischen  Philosophie  mein  Ver- 
trauen auf  die  Thomasischen  Schriften,  darüber  ich  gröstentheils 
ordentliche  Collegia  gehöret.  Daß  ich  ausser  denen,  Puffendorfs, 
Grotii,  Geulings,  Philarets  und  andre  dahin  gehörige  Sachen 
gelesen,  will  ich  nicht  einmal  gedenken.  Und  bey  aller  dieser 
Vermengung  so  verschiedener  Ideen  und  Grundsätze  wüste  ich 
endlich  selbst  nicht   wohin  ich  gehörte,  konnte  mich  auch  viel- 

6* 


£4         Zu  J.  C .  Gottsched' s  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität 

mals  nicht  entschliessen  mit  wessen  Meynnngen  ich  es  halten 
sollte.  Endlich  bekam  ich  durch  des  seel.  Prof.  Basten  in 
Königsberg  Explicationem  Leibnitianam  mntationam  Barometri 
in  tempeftatibus  pluviis,  contra  Desagalieri  dabitationes  affertam, 
welche  DiiTertation  ich  1719.  vertheidigen  half,  eine  unverhofte 
Gelegenheit  auf  dieses  grossen  Mannes  Schriften  zu  gerathen. 
Ich  las  dessen  Theodicee  mit  unbeschreiblichem  Vergnügen,  weil 
ich  hundert  Scrupel  darum  aufgelöset  fand,  die  mich  in  allerley 
Materien  beunruhiget  hatten.  Ich  lernte  aber  zu  gleicher  Zeit 
auch  Herrn  Hofrath  "Wolfs  Gedanken  von  Gott,  der  Welt  und 
der  Seele  des  Menschen  kennen.  Hier  gieng  mirs  nun  wie  einem, 
der  aus  einem  wilden  Meere  wiederwärtiger  Meynungen  in 
einen  sichern  Hafen  einläuft  und  nach  vielem  Wallen  und 
Schweben,  endlich  auf  ein  festes  Land  zu  stehen  kommt.  Hier 
fand  ich  diejenige  Gewißheit,  so  ich  vorhin  allenthalben  ver- 
geblich gesucht  hatte.  Und  ungeachtet  ich  niemanden  hatte, 
der  mir  darüber  gelesen  hätte:  so  begriff  ich  doch  durch  meinen 
Fleiß  und  eigenes  Nachsinnen  sehr  wohl,  wie  grosse  Vorzüge 
diese  Art  die  Weltweisheit  abzuhandeln  vor  allen  andern  hätte, 
die  mir  bis  dahin  bekannt  geworden."  „Ich  habe  auch  nach 
der  Zeit",  erklärt  er,  „nicht  Ursache  gefunden,  dieses  Urtheil 
zu  wiederruffen,  ungeachtet  ich  nicht  nachgelassen,  auch  die 
Schriften  andrer  Philosophen,  die  sich  in  der  Welt  einen 
Nahmen  erworben,  nachzulesen.  Nirgends  habe  ich  diejenige 
Ordnung  und  Gründlichkeit  gefunden,  und  nirgends  habe 
ich  mich  mehr  befriedigen  können,  als  in  Herrn  Wolfs 
Schriften".88)  Und  ähnlich  berichtete  er  17B5  in  seiner  Biographie 
WolfFs,  betitelt  „Historische  Lobschrift  des  weiland  .  .  .Herrn 
Christians,  des  H.  E.  K.  Freyherrn  von  Wolf,"  etc.,  S.  85,  in- 
dem er  da  sich  selbst  unter  die  frühesten  „Anhänger  und  Ver- 
theidiger"  des  verfolgten  Philosophen  zählt:  „Ich  hatte  zu  Königs- 
berg nicht  nur  die  aristotelische  Philosophie,  sondern  auch  die 
cartesianische,  und  Experimentalphysik,  ferner  die  thomasische 
Sittenlehre  und  sein  Recht  der  Natur  erklären  gehöret:  außer- 
dem   aber   auch    le  Clercs    und  Lockens  Sachen  fleißig  gelesen, 


Von  Johannes  Reicke.  35 

und  die  Mathematik  über  Sturms  Tabellen  und  Mathefin  Juvenilem, 
auch  Herrn  Wolfs  Anfangsgründe  zweymal  gehöret.  Auf  Ver- 
anlassung des  sei.  Prof.  Rasts  aber,  unter  welchem  ich  1719  de 
mutationibus  barometri  in  tempeftatibus  pluviis,  disputiret  hatte, 
las  ich  1720  die  vernünftigen  Gedanken  von  Gott,  der  Welt, 
und  der  Seele  des  Menschen;  zu  einer  Zeit,  da  ich  eben  mit 
LeibnitzensTheodicee  beschäftiget  war,  der  zu  Liebe  ich  französisch 
gelernet  hatte.  So  voll  aber  mein  Kopf  schon  von  philosophischen 
Meynungen  war,  so  ein  starkes  Licht  gieng  mir,  aus  diesen 
beyden  letzten  Büchern,  auf  einmal  auf.  Alle  meine  Zweifel, 
womit  ich  mich  vorhin  gequälet  hatte,  löseten  sich  allmählich 
auf.  Ich  hub  an,  Ordnung  und  Wahrheit  in  der  Welt  zu  sehen, 
die  mir  vorhin,  wie  ein  Labyrinth  und  Traum  vorgekommen  war. 
Es  war  also  kein  Wunder,  daß  ich  mich  auch  in  denen  Abhand- 
lungen, womit  ich  mir  sowohl  in  Königsberg  1723*),  als  hier 
in  Leipzig  1724**),  das  Recht  Vorlesungen  zu  halten,  erwarb, 
mich  als  einen  Lehrling  des  Hrn.  Hofrath  Wolfs  zeigte;  un- 
geachtet ich  weder  ihn  selbst,  noch  einen  seiner  Schüler  jemals 
gehöret  hatte."89) 

Niemand,  schrieb  er  in  der  Vorrede  der  ersten  seiner  drei 
Disputationen  „Vindiciae  Systematis  influxus  physici"  1727,  wie 
Danzel40)  anfuhrt,  könne  zu  wahrer  Wissenschaft  gelangen 
„qui  non  principia  cognitionis  suae  ex  solidioris  Philosophiae 
sacrariis  repetierit";  gelehrt  möge  man  ohne  Philosophie  sein, 
„vir  intelligens  autem  sciensque,  qui  nihil  pro  certo  habet,  nisi 
quod  evidenti  ratione  demonstratum,  immotisque  veritatibus  super- 
structum  ftierit,  is  quidem,  si  absque  philosophia  exsisteret  um« 
quam,  prodigii  instar  monstrique  habendus  esset".  Und  er  selber 
hat  diesen  seinen  Grundsatz  überall  zu  befolgen  und  geltend  zu 
machen  gesucht.  — 

„Gantz  philosophisch,  oder  welches  mir  gleichviel  düncket, 
vernunfftmäßig",  erklärt  er  in  der  „Vorrede  an  den  Leser"  („Ge- 


*)  Genuina  omniprsefentise  divinee  notio. 
**)  Hamartigenia,  f.  cle  formte  vitjorum  queeftio,  philofophice  foluta. 


86         Zu  J.  C.  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

schrieben  in  der  Leipziger  Michaels  Messe  1728")  sogleich  seines 
ersten  Lehrbuches  „Grundriß  Zu  einer  Vernunfftmäßigen  Rede- 
kunst Mehrentheils  nach  Anleitung  der  alten  Grieohen  und  Römer 
entworfen  und  zum  Gebrauch  seiner  Zuhörer  ans  Licht  gestellet" 
Hannover  1729,  seien  „die  Ideen"  der  „großen  Meister"  „der 
Alten"  „von  der  Beredsamkeit"  „gewesen",  darum  folge  er  ihnen. 
„Die  wahre  Beredsamkeit"  aber  stellt  er  besonders  hoch:  sie 
sei  „gleichsam  ein  Zusammenfluß  aller  ernsthafften  und  an- 
muthigen  Wissenschafften,  ja  der  höchste  Gipfel  der  Gelehrsam- 
keit", sagt  er  in  der  Widmung  dieses  Werkes  (datiert  „Leipzig 
1728  den  6  Octob.").  Er  hatte  ihr  denn  auch  schon  hier  in 
Königsberg  eifrig  obgelegen:  Die  „Historische  Einleitung"  in 
seine  „Ausführliche  Redekunst,  Nach  Anleitung  der  alten 
Griechen  und  Römer,  wie  auch  der  neuern  Ausländer;  Geist- 
lichen und  weltlichen  Rednern  zu  gut,  in  zweenen  Theilen  ver- 
fasset und  mit  Exempeln  erläutert"  vom  Jahre  1736  handelt  zu- 
nächst „Vom  Ursprünge  und  Wachsthume  der  Beredsamkeit  bey 
den  Alten",  und  dann  von  „den  Schicksalen  der  Beredsamkeit  in 
Deutschland,  bis  auf  das  1720  ste  Jahr,  als  in  welchem",  sagt 
er,  „ich  selbst  die  Augen  aufzuthun,  und  die  Beredsamkeit  mit 
Verstände  zu  treiben  angefangen.  Damals  las  ich  alles,  was  mir 
von  oratorischen  Schriften  vorkam,  mit  dem  grösten  Eifer,  weil 
ich,  nach  gefaßten  philosophischen  und  theologischen  Grundlehren, 
nun  auf  die  geschickte  Art,  meine  Wissenschaft  wieder  an  den 
Mann  zu  bringen,  denken  muste".  —  „Im  Jahre  1720.  fing  er 
an  vor  sich  zu  studiren",  meldet  auch  Stolle  (1736).  —  So  seien 
ihm  denn  auch,  erklärt  er  in  jener  Vorrede  vom  Jahre  1756, 
als  er  später  in  Leipzig  seine  „oratorischen  Vorlesungen"  zu 
halten  angefangen  habe,  „die  weisischen,  talandrischen,  menan- 
tischen,  hübnerischen  und  uhsischen  Redekünste  längst  bekannt" 
gewesen;  aber  —  so  lauten  seine  Worte  —  es  „hatten  mir  doch 
dieselben  niemals  eine  Gnüge  gethan.  Ich  hatte  aus  dem  wieder- 
holten Lesen  dieser  Bücher  mir  noch  keinen  vernünftigen  Begriff 
von  der  Redekunst  machen  gelernet.  Selbst  von  meinem  königs- 
bergischen Lehrer   der  Beredsamkeit,    dem    sei.  Prof.  Rohden, 


Von  Johannes  Beicke.  87 

hatte  ich  keine  andere  Grundsätze  davon  erlernet,  als  die  aus 
trüben  Quellen  geschöpfet  waren:  und  keiner  von  diesen  allen 
hatte  mich  auf  die  Alten  verwiesen":  bei  ihnen  bekennt  er  erst 
in  Leipzig  in  die  Lehre  gegangen  zu  sein. 

Geübt  hat  er  sich  in  Königsberg,  als  Theologe,  besonders, 
scheint  es,  in  der  geistlichen  „Wohlredenheit",  durch  häufiges 
Predigen;  in  der  weltlichen  gewiß  hauptsächlich  um  der  Pflege 
des  Lateinischen  Ausdrucks  willen.  War  er  alumnus,  so  maßte 
er  wohl  beides,  sobald  er  zu  den  „profectiores"  gezählt  wurde, 
unter  der  Anleitung  des  Subinspectors  mit  vorgeschriebener 
Regelmäßigkeit.  Aber  erst  in  Leipzig,  in  der  daselbst  bestehen- 
den „vertrauten  Rednergesellschaft"  hat  er  in  deutscher  Sprache 
„Uebungsreden",  wie  er  1736 41)  angiebt,  „seit  1724.  bis  1729. 
als  Magister  gehalten":  „Es  ist  in  dieser  Gesellschaft",  sagt  er, 
„bloß  auf  die  Uebung  abgesehen,  und  es  steht  irey,  zu  reden, 
wovon  man  will.  Die  sämmtlichen  Mitglieder  geben  dem  Redner 
allemal  ihre  Erinnerungen:  Und  ich  kan  sagen,  daß  ich  diese 
Gelegenheit  mich  zu  üben,  begierig  ergriffen,  sobald  ich  nach 
Leipzig  gekommen,  auch  mit  grossem  Vortheile  getrieben  habe; 
weil  es  mir  in  meinen  vormaligen  academischen  Jahren  in 
Königsberg  daran  gefehlet  hatte".  Prof.  ordin.  Eloquentiae  und 
zugleich  Historiarum  war  hier  1710 — 1735  M.  Johann  Samuel 
Strimesius:  Pisanski48)  berichtet  über  ihn,  er  habe  „die  Zierlich- 
keit der  lateinischen  Schreibart  vor  anderen  in  seiner  Gewalt 
gehabt",  wie  er  „durch  seine  mit  großem  Beyfall  gehaltene  Reden 
und  im  netten  Stil  ausgefertigte  Schrifften  dargethan"  habe. 
Stolle  und  Brucker  nennen  ihn  unter  Gottscheds  Lehrern;  daß 
dieser  selber  ihn  irgendwo  als  solchen  aufführe,  habe  ich  nicht 
gefunden.  Aber  auch  Johann  Jacob  Rohde  wird  in  jenem 
officiellen  Nachruf,  wie  ich  schon  anführte,  als  (sicherlich  Latei- 
nischer) „orator"  der  Universität  sehr  gerühmt;  und  Pisanski42) 
sagt,  er  werde  „auch"  „zu  denen,  die  den  Flor  des  reinen  Lateins 
in  Preußen  befördert  haben,"  „gezählet":  Gottsched  wird  sich 
also  bei  ihm  im  Lateinischen  Stil48)  gut  geschult  haben. 


88        Zu  J.  0.  Gottscheds  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

Disputiert  hat  er,  wie  er  selber  in  der  Vorrede  vom  Jahre  1755 
erwähnt,  „gern  und  oft" :  vielfach  gewiß  nur,  der  Uebung  wegen 
—  war  er  alumnus,  so  wird  er  dazu  angehalten  worden  sein  — , 
als  Opponent  die  aufgestellten  Sätze  anderer  angreifend  und  mit 
Gründen  zu  widerlegen  suchend;  alsBespondent  auf  dem  Titel- 
blatte genannt  scheint  er  zuerst  im  Jahre  1719  zu  sein:  Damals, 
erzählt  er  ebenda,  „vertheidigte  ich  unter  M.  Georg  Basten  nach- 
maligem Prof.  Math.  Extr.  die  Dissertation  wider  den  Engländer 
Desaguliers,  von  den  Caufis  mutationis  Barometri  in  tempeftati- 
bus  pluviis;  darinn  Leibnitzens  angegebenes  Experiment  zu  Er- 
klärung dieser  Sache,  in  dem  zwischen  dem  Bamazzini,  und 
Schelhammern  entstandenen  Streite,  vertheidiget  ward.  Doch, 
weil  ich  weder  diese,  noch  etliche  andere  historische  und  theo- 
logische Dissertationen,  die  ich  unter  M.  Neufelden,  D.  von 
Sanden,  D.  Masecov,  und  D.  Quandten,  als  Bespondent 
verfechten  helfen,  selbst  gemachet:  so  will  ich  ihrer  nicht  einmal 
erwähnen".  Stolle  weiß  auch  diese  mit  ihren  Titeln  anzuführen. 
Und  so  lassen  sich  denn,  auf  beider  Angaben  hin,  als  von  ihm 
als  Bespondenten  mitvertheidigte  Disputationen  anderer  Ver- 
fasser, der  Präsiden,  die  in  der  Anmerkung44)  aufzuzählenden  fest- 
stellen. Erwähnenswerth  ist  dann  aber  auch  noch  eine  von  Gott- 
sched selber  ausgearbeitete  theologische  Dissertation,  die  er 
nur  hat  vertheidigen  wollen:  in  welchem  Jahre,  sagt  weder  Stolle, 
noch  er  selbst  in  jener  Vorrede  vom  Jahre  1755,  in  der  er  um- 
ständlich über  sie  berichtet.  Sie  handelte  (Stolle  sagt:  „de  con- 
verfione  mediata  &  immediata"),  wie  er  anführt,  „de  Converfione 
hominis,  &  gratia  Dei  in  eadem  efficaci,  &  fufficiente".  Stolle 
sagt:  ,,Endlich  wollte  er  unter  D.  Quandtens  Vorsitz"  dies 
„Thema"  „ventiliren,.  er  war  auch  mit  dieser  Schrifft  fertig, 
wurde  aber  durch  die  viele  Arbeit  seines  Praefidis  daran  ge- 
hindert"; Gottsched  erzählt,  vielleicht  nur  selbst  sich  die  Sache 
so  auslegend:  „Ich  ward  fertig  damit,  und  übergab  sie  einem 
berühmten  Theologen,  dem  ich  mehr,  als  andern  zutrauete,  zum 
Durchsehen,  und  bath  mir  sein  Präsidium  dabey  aus.  Allein, 
umsonst.     Meine  Meynung  schien  ihm  nicht  orthodox  genug  zu 


Von  Johannes  Reicke.  89 

seyn;  und  ich  bekam  meine  Abschrift  nicht  einmal  wieder".  Er 
scheint,  entgegen  seiner  obigen  Angabe,  unter  Quandt  über- 
haupt nicht  disputiert  zu  haben44). 

Eine  andere  von  ihm  selbst  ausgearbeitete  „akademische 
Schrift",  philosophischenlnhalts,  hatGottsched  1721  am  25.  Se- 
ptember (nicht  „im  1722  sten  Jahre",  wie  er  in  der  Vorrede  von  1765 
angiebt)  auf's  Katheder  gebracht.  Er  „trug"  darin  seine  da- 
maligen —  später,  wie  er  bemerkt,  von  ihm  aufgegebenen  — 
„Zweifel  gegen  die  leibnitzischen  Monaden  vor":  „sie  hieß", 
sagt  er,  „Dubia  circa  Monades  Leibnitianas,  und  ich  erwählete 
mir  Hrn.  D.  Langhansen,  Professorn  der  Mathematik,  und 
nachmaligen  Hofpredigern  und  Professorn  der  Theologie,  zum 
Präses.  Ehe  ich  sie  aber  ans  Licht  stellete,  hatte  ich  sie  dem 
sei.  Prof.  Basten,  Prof.  Fischern,  und  M.  Kreuschnern,  bey 
denen  ich  philosophische  und  mathematische  Vorlesungen  gehöret 
hatte,  geschrieben  zur  Prüfung  unterworfen;  und  mir  die  Auf- 
lösung meiner  Zweifel  ausgebethen.  Da  es  mir  aber  bey  keinem 
damit  gelungen  war,  wägete  ich  mich  damit  ans  Licht,  und  ver- 
teidigte sie  öffentlich".  Ihr  Titel  lautet:  Dvbia  circa  Monades 
Leibnitianas  qvatenvs  ipsae  pro  elementis  corporvm  venditantvr  Praeeide 
Christoph.  Langhansen  S.  8.  Theol.  D.  et  Prof.  Extr.  nee  non  Mathem. 
Prof.  OrcL  Reg.  Alvmn.  et  Comin.  Convict.  Insp.  Primär.  Soc.  Berol. 
Scient.  Sod.  proponit  atqve  defendet  Io.  Christoph.  Gottsched,  Ivdith. 
Borvwvs.    A.  E.  S.  MDCCXXI.     XXV.  Sept.     Regiomonti,   Litteris  Heus- 

nerianis.  (20  S.  4.)  —  die  Widmung:  Amplissimae  Reipvblicae  Palaeo- 
politanae  gvbernaevlis  assidentibvs  Consvli  Proconsvli  Senatoribvs  eiqve 
qvi  ipsis  a  secretis  est  viris  vt  alias  virtvtes  taceam  incomparabili  in 
litteras   propensione   conspievis   meditationvm   philosophicarvm  pri- 

mitia8  1.  m.  q.  consecrat  Respondens  Avctor.     Stolle  (1736)  berichtet, 

„man"    habe    auch   sie   „nachmahls    vor    seines  Praefidis  Arbeit 

ausgegeben". 

Uebrigens  hat  er  während  seiner  akademischen  Lehrjahre, 
erzählt  er  selber,  nicht  blos  „oft",  sondern  auch  „gern"  dis- 
putiert: interessant  sind,  und  für  beide  Theile  charakteristisch, 
die  Verse  an  seinen  Vater  in  jener  Ode  vom  Jahre  1732  („Ge- 
dichte" 1736  S.  271:  *1751  I,  199): 


90         Zu  J-  0.  Gottscheds  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

„Und  was  war  es  dir  für  Freude, 
Wenn  dein  Sohn  die  Proben  wies, 
Und  im  langen  Priesterkleide 
Sich  mit  Beyfall  hören  ließ; 
Ja  mit  herzlicherm  Vergnügen 
Die  Cathedern  oft  bestiegen". 

Gottsched  hat  auch  oft,  wenngleich  —  nach  diesen  Worten  — 
nicht  so  gern,  gepredigt:  „Man"  wisse  auch  das  „in  Königs- 
berg wohl,  daß"  er  „unter  den  Candidaten  einer  der  beliebtesten 
im  Predigen  gewesen";  übrigens  in  Leipzig  predige  er  erst 
seitdem  er  Professor  geworden  nicht  mehr;  im  Ganzen  habe  er 
es  mehr  als  hundertmal  gethan,  hat  er,  nach  Danzel87),  1740  in 
dem  schon  oben  angezogenen  Briefe  an  den  Grafen  von  Manteuffel 
geschrieben.  Er  sei  auf  der  hohen  Schule  zu  Königsberg  „der 
GOttes-Gelahrtheit  gewidmet"  gewesen,  „daher  er  denn  auch 
seine  Gaben  im  predigen  zu  üben,  in  dieser  grossen  Stadt  fast 
hundertmal  zehn  verschiedene  Canzeln  bestiegen,  auch  in  Fürst- 
lichen und  Gräflichen  Cabinettern  sich  hören  lassen",  berichtet 
Goetten  (1736).  Ob  eine  von  diesen  vielen  Predigten  je  ge- 
druckt worden,  weiß  ich  nicht. 

„A  Monte  regio  attulerat  eloquentiae,  tum  vniverfae,  tum 
maxime  vernaculae,  fenfum  non  abfurdum,  nee  contemnenda 
initia",  urtheilt  Ernesti  in  seinem  Nachruf:  „audierat  enim 
Quandium,  Lilienthalium,  et,  quem  in  primis  laudare  folebat, 
Kreufchnerum ,  difertos  et  elegantes  oratores  in  Ecclefia 
Montis  regii". 

Johann  Jacob  Quandt45),  dessen  Name  durch  Friedrichs 
des  Großen  Lob  allgemein  bekannt  geworden,  war  (geb.  1686  zu 
Königsberg),  vorher  Magister  legens  hier,  nachdem  er  1715  zu 
Rostock  den  Grad  eines  Doctor  Theologiae  erworben,  seit  dem 
Sommersemester  1716  an  der  Königsberger  Universität  als 
außerordentlicher  Professor  der  Theologie  thätig  —  er  wurde  da- 
neben 1718  Consistorialrath  und  Pfarrer  im  Löbenicht;  und  dann 
1721  Prof.  Theol.  ordin.  quartus  und  Oberhofprediger  —  an  der 


Von  Johannes  Reicke.  91 

Schloßkirche ;  später  rückte  er  in  die  erste  theologische  Professur 

ein  (1732),    ward  Eirchenrath   und   erhielt  auch  den  Titel  eines 

preußischen  General-Superintendenten:   in  diesen  Würden  ist  er 

erst  1772  gestorben.    Er  wurde  von  den  Zeitgenossen  allgemein 

als  Gelehrter  und  Kanzelredner  bewundert.     Auch  Gottsched 

rühmt    ihn   überaus  in  einem  „Poetischen  Sendschreiben"    „An 

Se.    Hochw.    Magnificenz,    Herrn   D.    Johann   Jacob    Qvandten, 

Königl.  Oberhofpr.  Consistorialrath  und  ersten  Prof.  der  Theol. 

zu  Königsberg  etc.    als  er  1736.    im  Jul.  durch  Leipzig  giengu 

(„Gedichte"  1736  S.  677—580:  2  1751 1,  392—395):  Leipzig  habe 

von  ihm  „schon  vorlängst  viel  Rühmliches  gehört",  erklärt  er, 

„Doch  itzo  selbst  gesehn,  daß  deines  Geistes  Gaben 
Was  Ungemeines  sind,  nicht  leicht  was  gleiches  haben. 
Die  größten  Lehrer  hier  bestätigen  den  Satz, 
Bewundern  insgesammt  der  Wissenschaften  Schatz, 
Den  dein  Verstand  besitzt,  die  Einsicht  tiefer  Lehren, 
Den  Eifer  deiner  Brust  der  Kirchen  Heil  zu  mehren, 
Dein  redlichfrommes  Herz,  und  die  Gelassenheit, 
Die  deinen  Wandel  schmückt:  Kurz,  deine  Trefflichkeit. 
So  viel,  und  noch  vielmehr  ist  von  dem  Lehrerorden, 
Der  unsre  Linden  ziert,  dir  nachgerühmet  worden." 

Und  er  fehrt  fort: 

„Sehr  viel,  doch  nicht  genug.    Mir  ist  ein  mehrers  kund, 
Wo  bleibt  noch  ausser  dem  dein  hochberedter  Mund, 
Du  Aaron  deines  Volks!    Wo  seyd  ihr,  süsse  Stunden! 
In  welchen  vormals  ich  die  Kraft  davon  empfunden, 
Wenn  seiner  Lippen  Strom  mit  Zentnerworten  floß, 
Und  lauter  Honigseim  in  Ohr  und  Herzen  goß. 
Ich  hab  euch  langst  vermißt!  doch  itzt,  nach  so  viel  Jahren, 
Nachdem  ich  mehr  gesehn,  gelesen  und  erfahren, 
Was  wahre  Redner  sind;  itzt  sag  ich,  stellt  mein  Ohr 
Das  Glücke  jener  Zeit  sich  lebhaft  wieder  vor; 
Und  hört  es  gleichsam  noch,  was  damals  mich  entzücket, 
Als  sich  dein-  Unterricht  in  meine  Brust  gedrücket. 
So  angenehm  und  schön  sprach  kein  Chrysostomus, 
So  feurig  Mayer  nicht,  auch  nicht  Lassenius, 
So  klug  kein  Tillotson.    Wie  groß  war  mein  Vergnügen, 
So  bald  du  öffentlich  den  Lehrerstuhl  bestiegen! 
Wie  drang  nicht  arm  und  reich,  wie  drang  nicht  groß  und  klein 
Mit  brennender  Begier  in  jeden  Tempel  ein, 
Wo  du  zu  hören  warst!  wie  ward  man  da  gerühret! 


92        Zu  J.  C.  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königsherger  Universität. 

Und  was  für  Nachdruck  ward  von  jedem  Wort  gespüret! 

Ihr  Edlen  Königsbergs!  Ihr  Bürger  dieser  Stadt! 

Ihr  Herzen,  die  sein  Mund  zu  Qott  gezogen  hat! 

Ihr  Frommen,  deren  Trieb  und  Andacht  er  erwecket! 

Ihr  Sünder,  die  sein  Wort,  dem  Donner  gleich,  erschrecket! 

Ihr  alle  wißt  und  kennt  die  ungemeine  Kraft 

Von  seiner  Gottesfurcht,  von  seiner  Wissenschaft, 

Von  seiner  Lieblichkeit,  von  seinem  Ernst  im  Strafen, 

Von  seiner  Hirtentreu  und  Liebe  zu  den  Schafen. 

Auch  dieß  ist  nicht  genug.    Wie  hoch  hob  deinen  Ruhm, 
0  mein  Gamaliel!  der  Juden  Alterthum, 
Der  Glanz  Jerusalems,  die  Sprache  der  Propheten, 
Der  Morgenländer  Witz,  der  Fleiß  der  Masorethen! 
Wie  kräftig  schütztest  du  die  Göttlichkeit  der  Schrift! 
Wie  treulich  wiesest  du  der  starken  Geister  Gift! 
Wie  männlich  konntest  du  die  Gegner  übermannen, 
Die  sich  bisher  bemüht,  den  Glauben  zu  verbannen! 
Nur  schade,  daß  das  Werk,  darinn  du  sie  besiegt, 
Nicht  längst  der  klugen  Welt  gedruckt  vor  Augen  liegt'1 

u.  s.  w. ;  er  schließt  mit  den  Worten: 

„Erfreute  Preussen,  auf!  empfanget  euren  Qvandt, 
In  Deutschland  hab  ich  noch  nichts  trefflichere  gekannt. 
Verehrt  ihn,  weil  er  lebt,  geniesset  seiner  Gaben, 
Und  hört  ihr  ihn,  so  denkt:  Man  kan  nichts  grössers  haben!'* 

Ueber  M.  Michael  Lilienthal  habe  ich  schon  berichtet. 

Johann  Heinrich  Kreuschner46)  (geb.  1693  zu  Königs- 
berg) hat,  nachdem  er  1714  zu  Jena  Magister  geworden  und 
dann  Reisen  durch  Deutschland  und  Holland  gemacht  hatte,  auf 
der  hiesigen  Universität  in  den  Jahren  1717 — 1720  dociert:  Gott- 
sched hat  damals,  wie  er  auch  selber  1755  in  einer  oben  angeführten 
Stelle  erwähnt,  bei  ihm  philosophische  Vorlesungen  gehört; 
1720  wurde  er  dann  Diaconus  an  der  Domkirche  —  als  solcher 
ist  er  schon  1730  am  6.  Januar  gestorben.  „Seine  Art  zu  pre- 
digen war  nicht  gemein,  sondern  lebhafft,  nachdrücklich  und  über- 
zeugend. Die  Grund- Wahrheiten  der  Christlichen  Religion  suchte 
er  insonderheit  vorzutragen,  und  seinen  Zuhörern  davon  einen 
rechten  Begriff  beyzubringen;  dabey  auf  ein  thätiges  Christenthum, 
mit  grossem  Nachdruck  zu  dringen.  Darum  ihn  denn  so  gar  ander 
Religions- Verwandte  gern  hörten"  wird  ihm  nachgerühmt.    Gott- 


Von  Johannes  Reicke.  93 

sched  hat  ihn  1730  in  einer  „Elegie.  Ueber  den  frühzeitigen  Hin- 
tritt Herr  M.  Joh.  Heinr.  Kreuschners,  Predigers  zu  Königsberg" 
(„Gedichte"  1736  S.  448—451:  2  17B1 1,  481—484)  als  der  „Ked- 
ner  Hanpt,  der  frommen  Herzen  Freude"  und  als  seinen  Lehrer 
—  er  war  ihm  auch  persönlich  sehr  nahe  getreten  —  besonders 

hoch  gepriesen  und  seinen  Tod  tief  beklagt. 

„Betrübter  Kneiphof!  sprich,  hat  wohl,  seit  dem  dein  Tempel, 

Dein  hochberühmter  Thum,  auf  starken  Pfeilern  steht; 
Hat  wohl  dein  Predigtstuhl  ein  prächtiger  Exempel 

Der  wahren  Redner kunst  mit  grösserm  Recht  erhöht? 
Sein  unerschöpfter  Geist  war  eine  Nectarqvelle, 

Die  von  der  Zunge  sich  in  vollen  Strömen  goß: 
Denn  wer  ward  nicht  gerührt  an  der  geweihten  Stelle, 

Wenn  seiner  Reden  Kraft  in  Ohr  und  Herzen  floß? 
Da  war  kein  frostig  Spiel  weit  hergesuchter  Sprüche, 

Da  war  kein  leerer  Schall,  dem  Geist  und  Nachdruck  fehlt; 
Kein  thörichter  Gebrauch  vermeynter  Rednerschliche, 

Die  nur  ein  schwacher  Kopf  zu  seiner  Vorschrift  wählt. 
Nein!  lauter  Geist  und  Kraft,  ein  philosophisch  Wesen, 

Ein  unersch rockner  Muth,  ein  männlichfreyer  Mund; 
Ein  Vortrag  an  Gewalt  und  Anmuth  auserlesen; 

Das  alles  ward  an  ihm  in  vollem  Maaße  kund. 
Das  macht,  er  hatte  sich  in  allen  Weisheitslehren 

Der  richtigsten  Vernunft  bey  Zeiten  fest  gesetzt; 
Und  wußte  Gottes  Wort,  als  Priester,  so  zu  ehren, 

Daß  Glauben  und  Natur  einander  nie  verletzt." 

singt  er,  und  gelobt  dann: 

„Dein  Bey  spiel  soll  mir  stets  in  den  Gedanken  schweben, 

Dein  grundgelehrter  Geist  soll  stets  mein  Muster  seyn, 
Und  überall  will  ich  von  dir  das  Zeugniß  geben: 
An  ihm  büßt  Königsberg  was  Ungemeines  ein". 

So    mag   er   sich    denn    als  Redner   an    ihm   vor  anderen    hier 

in  Königsberg  gebildet  haben. 

Mir  sind  von  eigenen  Beden  Gottscheds  aus  seinen 
hiesigen  Universitätsjahren  als  gedruckt  zwei  bekannt:  die  „Lob- 
und  Tiauer-Rede,  Welche  Bey  dem  Anno  1719.  den  2.  Jan.  geschehenen 
Leich-Begängnisse,  Des  Wohl-Ehrwürdigen,  Groß-Achtbahren  und  Wohlge- 
lahrten Herrn  IOANNIS  BIEMANNI,  Treufleißig  gewesenen  Seel-Sorgern 
derer  Christlichen  Grunauischen  und  Passargischen  Gemeinen,  Nachdem 
Derselbe  Anno  1718.  den  19.  Dec.  im  Achtzigsten  Jahre  seines  Alters  Todes 
verblichen  war,  In  der  Grunauischen  Priester- Wohnung,  Bey  grosser  Menge 


94         Zu  J.  0.  Gottached's  Lehrjahren  auf  der  Königaberger  Universität. 

hochansehnlicher  Leichen -Begleiter,  Gehalten  worden,  Von  Des  Seelig- 
Verstorbenen  In  Königsberg  studierendem  Enckel  I.  C.  G.  Königsberg, 
Gedruckt     in     der    Königl.    Hoff-     und     Academischen     Buchdruckerey.u 

(2  Bl.  fol.)47);  und  die  von  ihm  als  „Glückwunsch,  an  weil.  Herrn 

D.  Christian  Masecoven,  zweyten  Lehrer  der  Gottesgelahrtheit, 

Kön.  Consistorial-Rath  und  Pastorn  am  Thum,  als  Derselbe  1722 

den  4.  Oct.  das  Rectorat  zu  Königsberg  in  Preußen  zum  ersten- 

mahl  übernahm.    Im  Namen  der  dasigen  Studirenden."  in  seine 

Sammlung  1749  S.  638—643  mitaufgenommene  „Anrede"48). 

Uebrigens  war  jene  aber  nicht,  wie  Eogge49)  annimmt,  „die 
erste  literarische  Leistung  Gottsched's" ;  als  solche  »hat  er  selber 
in  der  Vorrede  aus  dem  Jahre  1765  ein  Gedicht  bezeichnet,  das 
schon  zu  Ende  des  vorausgehenden  Jahres  1718  erschienen  war: 

„Ich  will  ganz  von  vorne  anfangen;"  schreibt  er,  nach 
einigen  einleitenden  Worten,  in  dieser  „Vorrede,  darinn  eine 
Nachricht  von  des  Verfassers  ersten  Schriften,  bis  zum  1734  sten 
Jahre  enthalten  ist",  „wenigstens,  um  ein  lustiges  Schicksal,meiner 
ersten  gedruckten  Schrift  zu  erzählen.  Diese  war  ein  deutsches 
Gedicht,  auf  einen  königl.  preuß.  Tribunalsrath,  und  Consistorial- 
präsidenten  zu  Königsberg,  Herrn  von  Röder.  Ich  hatte  Ursachen, 
ihn  durch  eine  Probe  meines  Fleißes  zu  verehren.  Er  war 
Amtshauptmann  des  Ortes,  wo  mein  Vater  Prediger  war,  und 
überdem  mein  Pathe.  Ich  besang  also  sein  Jahrfest  1719. 
aber  aus  Blödigkeit,  hatte  ich  das  Herz  nicht,  meinen  Namen 
dabey  anders,  als  mit  den  Anfangsbuchstaben  drucken  zu  lassen. 
Wie  Apelles  wollte  ich  hinter  der  Tafel  lauschen,  was  die  vor- 
beygehenden  sagen  würden.  Mein  Bogen  kam  unter  die  Leute; 
und  viele  forscheten  begierig,  wer  ihn  gemachet  hätte?  Das 
schien  mir  nun  zu  einer  Zeit,  da  HofrathPietsch,  als  ein  starker 
Dichter  jedermanns  Beyfall  hatte,  und  noch  ein  Capellmeister 
Neidhart,  durch  einen  wilden  Witz  viele  bezauberte,  ein  gutes 
Zeichen  zu  seyn.  Einige  erfuhrens,  ohne  daß  ich  es  jemanden  ge- 
stund: und  siehe,  diese  glaubtens  nicht;  weil  sie  mirs  nicht  zu- 
traueten,  daß  ich  ihn  selbst  gemachet  hätte.  Das  schien  mir  noch 
ein  böseres  Zeichen  zu  seyn. 


Von  Johannes  Reicke.  95 

Weit  gefehlet  aber,   daß  mich  dieses  stolz  gemachet  hätte: 

so  gieng  ich  endlich  damit  um,  daß  ich  von  einem  unstreitigen 

Kenner  nnd  Meister  in  der  Kunst  beurbheilet  seyn  wollte:  weil 

ich  auf  die  Urtheile  anderer  mittelmäßiger  Gelehrten  nicht  viel 

gab.    Ich  gieng  also  zu  Hofrath  Pietschen,  der  dazumal  Professor 

der  Dichtkunst  zu  Königsberg  war.     Dieser  hielt  zwar  nicht  viel 

Vorlesungen,    war  aber  bereit,  denen,    die  ihn  zu  Käthe  ziehen 

wollten,    einen    Zutritt,    und     oft    Unterredungen    von    ganzen 

Stunden    zu    verstatten.     Er    ließ    mich  vor  sich,    und  ich  bath 

ihn  um  ein  Urtheil  über  mein  Gedicht.     Er  war  bereit  dasselbe 

in    meiner  Gegenwart    durchzulesen,    und    mir  meine  Fehler  zu 

sagen.      Nach    verschiedenen    kleinern    Anmerkungen,    die    zur 

Kernigkeit  der  Sprache  und  Poesie  gehör eten,  kam  er  auf  diese 

Zeile  : 

Was  wird  der  späte  Mund  der  stolzen  Enkel  sprechen  ? 

Die  Zeile  ist  von  Neukirchen!  sprach  er.  Wer  hierbey  blutroth 
ward,  das  war  ich.  Er  hatte  nämlich  recht:  und  ich  wußte  es 
wohl,  daß  ich  diese  Zeile  gemauset  hatte.  Allein  wer  hätte  das 
gedacht,  daß  auch  Pietsch,  oder  sonst  ein  Mensch,  Neukirchs 
Gedichte  so  genau  kennen  würde  ?  Ich  schämete  mich  also  herzlich, 
und  verschwor  es,  künftig  keine  Zeile  mehr  zu  stehlen:  sie 
möchte  mir  noch  so  sehr  gefallen.  Der  Hofrath  selbst  wider- 
rieth  mirs;  und  hielt  es  für  eine  unerlaubte  Dieberey,  die  einen, 
der  selbst  etwas  machen  könnte,  nur  beschimpfete." 

Dieser,  so  lebhaft  vorgetragene,  interessante  Bericht  des 
fünfundfünzigjährigen  Mannes  über  seinen,  so  weit  zurückliegen- 
den, ersten  Versuch  als  Dichter  an  die  OefFentlichkeit  zu  treten 
scheint  doch  in  einem  für  ihn  auch  wesentlichen  Punkte,  neben 
kleineren  Versehen60),  einen  Irrthum  zu  enthalten.  Der,  auf  der 
hiesigen  Königlichen  und  Universitäts- Bibliothek  in  einem 
Exemplar  erhaltene,  Abdruck  des  Gedichtes  aus  dem  Jahre  1718 

—  nicht,  wie  er  angiebt,  1719  —  hat  folgendes  Titelblatt:  Als 
der  Hoch-Edelgebohrne  Herr,  HERR  Christof f  Arend  von  Köder, 
Sr.  Königl.  Majest.  in  Preussen,  hochbestalter  Tribunals-Raht,  Hauptmann 
über  das  Balgische  Ampt,   und   Praefes   E.   E.   Sambländischen   Confiftorfi, 


96         Zu  J.  C.  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königsherger  Universität. 

Erb-Herrn  [sie!],  in  Methgehten,  Tranckwitzen,  Tran ckwitzh offen,  etc.  etc. 
Seinen  höchsterwünschten  Geburts-Tag,  Eben  an  dem  heiligen  Weynacht- 
Feste  Anno  1718.  den  26.  Decembr.  Mit  allem  Hoch-Adlichen  Vergnügen 
celebrirete;  Hat  Sr.  Hoch-Edelgebohnen  [sie!]  Excellence  Demühtigst  gra- 
tnliren   Sollen   Ein   unterthäniger   Diener   J.  C.  Gottsched.    Königsberg, 

gedruckt   bey   Johann  David  Zäncker.    (2  Bl.   fol.)      Es    ist    also    der 

Name  des  Verfassers  hier  nicht  nur  „mit  den  Anfangsbuch- 
staben" bezeichnet  —  zwei  verschiedene  Drucke  aber  eines 
solchen  Stückes  wird  man  doch  nicht  annehmen  dürfen  — , 
und  Gottsched  muß  wohl  in  dieser  Hinsicht  sein  erstes  Gedicht 
mit  seiner,  wie  eben  angeführt,  so  bald  nach  ihm  gedruckten 
ersten  Bede  verwechselt  haben:  deren  Titel  trägt  nur  die 
Buchstaben  „I.  C.  G."  —  und  überdies,  sie  ist  auch  wirklich 
aus  dem  Jahre  1719.  Aber  der  andere  bedeutungsvollere  Um- 
stand, den  er  von  diesem  Gedichte  erzählt,  ist  allerdings  richtig. 
Es  hat,  beginnend 

„Kan  sonst  der  Musen- Volck  das  hohe  Glück  geniessen, 

Hoch-Wohlgebohrner  Herr!  in  Deiner  Huld  zu  stehn? 
So  laß  auch  auf  dies  Blatt,  das  sich  zu  Deinen  Füssen 
In  tiefster  Dehmuht  legt,  ein  Gnaden-Blick  ergehn.i( 

unter  120  Zeilen  als  89ste  und  folgende: 

„Was  wird  der  späte  Mund  der  stoltzen  Enckel  sprechen? 

Daß  Du  den  theuren  Lauff  so  trefflich  hoch  geführt; 
Denn  es  wird  ihre  Hand  kein  Reiß  von  Palmen  brechen, 
Das  nicht  vorzeiten  auch  Dein  kluges  Haupt  geziert." 

Die  89ste  Zeile  ist  —  aus  dem  Gedächtnis  —  entnommen 
dem  Gedichte  Benjamin  Neukirch' s  ,,  Au  ff  den  höchst- feyerlichen 
einzug  Seiner  königlichen  Majestät  in  Preussen  in  dero  residentz 

Berlin"  [1701]:  dessen  63ster  von  124  Versen  lautet 

„Was  wird  der  stoltze  mund  der  späten  enckel  sprechen?"  — 
Gottsched  wird  es  nach  dem  Abdruck  in  der  von  Neukirch  selbst  be- 
sorgten Sammlung  „Herrn  von  Hoffmannswaldau  und  anderer 
Deutschen  auserlesener  und  bißher  ungedruckter  Gedichte  dritter 
Theil"61)  gekannt  und  so  benutzt  haben.  Er  hatte  also  diesen 
Dichter  schon,  bevor  ihn  Pietsch  so  recht  gerade  auf  ihn  hinwies, 
gelesen  und  hochschätzen  gelernt:  „Von  Jugend  auf  haben  mir 
Benjamin  Neukirchs  Schriften,  als  eines  unsrer  besten  und  stärk- 


Von  Johannes  Üteicke.  97 

sten  Dichter,  gefallen"  sagt  er  in  der  ,, Vorrede"  zu  seiner  Aus- 
gabe „Herrn  Benjamin  Neukirchs,  weiland  Marggräfl.  Branden- 
burg-Anspachischen  Hofraths,  auserlesene  Gedichte  aus  ver- 
schiedenen poetischen  Schriften  gesammlet  und  mit  einer  Vor- 
rede von  dem  Leben  des  Dichters  begleitet  von  Joh.  Christoph 
Gottscheden"  Regenspurg  1744.  „Er  war  mir  auch",  fährt  er 
dann  fort,  „von  großen  Kennern  und  Meistern  in  der  Dicht- 
kunst, z.  E.  dem  sei.  Hofrath  Pietsch,  nächst  Canitzen,  oftmals 
als  ein  gutes  Muster  angepriesen  worden:  zumal  was  diejenigen 
Gedichte  betrifft,  die  er  in  diesem  Jahrhunderte  gemacht;  nach- 
dem erden  vormaligen  lohensteinischen  undhoffmannswaldauischen 
Geschmack  verlassen  hatte.  Und  ich  besinne  mich,  daß  mir  Hof- 
rath Pietsch  die  neukirchische  Palinodie62),  die  er  1700  auf  eine 
breslauische  Hochzeit  gemacht,  und  sich  so  anhebt: 

Ihr  Musen  helft  mir  doch;  ich  soll  schon  wieder  singen  etc. 
nunmehro  wohl  vor  fünf  und  zwanzig  Jahren,  ganz  aus  dem 
Eopfe  vorgesagt;  um  mich  dadurch  vor  dem  unsinnigen  Schwulste 
eines  gewissen  Neidharts53)  zu  warnen,  der  damals  mit  seinen 
hochtrabenden  Versen,  zu  Königsberg  viel  junge  Leute  ein- 
genommenhatte/1 Erscheint  also  nicht  nöthig  gehabt  zu  haben 
hier  in  Pietsch's  Lehre  etwa  erst  umzulernen:  sein  Vater  schon 
wird  ihn  auf  die  deutschen  Dichter  hingeleitet  haben,  die  auch 
Pietsch  als  Muster  aufstellte,  neben  den  alten  Schlesiern  Opitz 
und  Fleming  und  dem  Preußen  Simon  Dach,  unter  den  neueren 
besonders  Canitz  und  Neukirch  —  sie,  und  dann  natürlich  auch 
Pietsch  selber,  hat  er  Zeit  seines  Lebens  als  die  vortrefflichsten 
hochgehalten;  und  dagegen  die  Nachahmer  der  Hofmannswaldau 
und  Lohenstein,  deren  ,Fehler*  zu  erkennen  er  hier  gelehrt 
worden,  hat  er  nie  aufgehört  aufs  heftigste  zu  bekämpfen : 
sind  ihm  doch  später  Klopstock,  und  überhaupt  auch  schon  die 
Schweizer  ihrer  ganzen  Richtung  nach,  offenbar  nur  als  Erneuerer 
jenes  trotz  seiner  langjährigen  Bemühungen  also  doch  noch 
nicht  ausgerotteten  ,unrichtigen  Geschmacks',  wie  er  wohl 
klagen  mochte,  erschienen.  An  jenen  hat  er  sich  von  früh  auf 
geschult    —    so  kam  er  zu  dem  Betonen  der  „Correctheit  über- 

Altpr.  MonatMuhrift  Bd.  XXIX.  Hft  U2.  7 


98        Zu  J-  C.  Gotteched's  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

haupt"  und  allein,  das,  wie  Danzel64)  ausgeführt  hat,  „die  Grund- 
thatsache,  das  Urphänomen  von  Gottscheds  Stellung  in  der  Ge- 
schichte der  deutschen  Litteratur"  in  Wahrheit  ausmacht. 

Wie  zu  erwarten,  hat  Gottsched  auch  selber  die  Poesie 
während  seiner  Studienzeit  nicht  ungepflegt  gelassen,  aber  ge- 
wiß nur  soweit  es  ihm  sonst  gut  schien:  erklärt  er  doch,  „seltsam 
genug"  bemerkt  M.  Bernays,  gerade  in  der  Vorrede  seiner 
„Critischen  Dichtkunst"  1730  (die  Widmung  ist  unterzeichnet 
„1729  den  6  Octobr.'4),  wie  er  sie  „allezeit  vor  eine  Brodt-lose 
Kunst  gehalten,  so  habe"  er  „sie  auch  nur  als  ein  Neben- Werck 
getrieben,  und  nicht  mehr  Zeit  darauf  gewandt,  als"  er  „von 
andern  ernsthaffbern  Verrichtungen  erübern  können".  Und  ge- 
dichtet haben  wird  er  schon  hier,  wie  doch,  wenn  man  vom 
Dramatischen  absieht,  eigentlich  sein  ganzes  Leben  lang,  fast05)  nur 
eine,  wohl  nicht  kleine,  Anzahl  Gelegenheitsgedichte  in  der  in 
jenen  Zeiten  noch  so  allgemein  üblichen  Art  der  Mache,  mochte  er 
sie  nun,  ihrem  Stoffe  oder  der  Form  nach,  so  oder  so  benennen. 
Erwähnt  er  doch  auch  selbst  in  der  Vorrede  vom  Jahre  1756  nur 
solche:  „Ich  schweige  hier  sehr  vieler  einzelnen  Gedichte,  die 
ich  in  Königsberg  bey  verschiedenen  Gelegenheiten,  auf  öffent- 
liche Feyerlichkeiten  habe  drucken  lassen;  z.  E.  auf  den  Herzog 
von  Hollstein,  königl.  preujß.  Generalfeldmarschall,  und  Statthalter 
zu  Königsberg;  auf  ein  Reformationsjubelfest  der  Hauptkirche 
daselbst;  auf  einen  Staatsminister,  Kanzler  von  Ostau  u.  a.  m.H  — 
diese  von  ihm  als  gedruckt  aufgeführten  werde  ich  in  der  An- 
merkung50) nachweisen;  ein  annähernd  vollständiges  Verzeichnis 
der  in  jenen  Jahren  hier  von  ihm  veröffentlichten  kann  ich 
nicht  geben.  Bemerken  will  ich  nur  daß  er  Gedichte  auf  seine 
Eltern,  wie  es  scheint,  damals  nicht  herausgegeben  hat;  und  aus 
biographischem  Interesse  nenne  ich  den  folgenden  Druck: 

„Das  Anno  1720.  den  24.  Augulli  Glücklich  zurückgelegte 
Siebentzigste  Jahr,  Der  Wohl-Edlen  mit  Ehr-  und  Tugend  reichbe- 
gabten Frauen,  Fr.  Barbara  Gottschedin,  Hat  Die  nie- 
mahls  abnehmende  Kräffte    der  Natur    In  einem  Gedichte  vor- 


Von  Johannes  Beicke.  99 

■ 

zustellen,  Und  Derselben  gebührend  Glückzuwünschen  Gelegen- 
heit gegeben  Ihren  Zweyen  in  Königsberg  ftudirenden  Enckeln. 
Königsberg,  gedruckt  in  der  Königl.  Hof-  und  Academischen 
Buchdruckerey."  (2  BL  fol.)  Er  enthält  zwei  Gedichte,  das 
eine  von  64  Alexandrinern  unterzeichnet  „Io.  Chr.  Gottfched, 
Theol.  &  lib.  art.  Cultor",  das  andere  von  8  Alexandrinern 
„Io.  Frid.  Gottfched,  Phil.  Stud.". 

Dieser  Bruder  Johann  Friedrich  Gottsched  (geb.  1704) 
war  erst  am  6.  März  eben  des  Jahres  1720  an  der  Albertina 
immatriculiert67)  worden  und  trieb,  nach  seiner  Unterschrift,  also 
damals  zunächst  nur  philosophische  Studien;  nachher  hat  er  sich 
der  Medicin  gewidmet.  Johann  Christoph  rühmt  ihn  später  sehr 
in  einem  „  Gesang.  Bey  dem  frühzeitigen  Hintritte  seines  Bruders, 
Herrn  Johann  Friedrich  Gottscheds,  den  22  Junii  [sie!]  1726." 
(„Gedichte"  1736  S.  339—343:  2  1751  I,  537—541): 

„Was  soll  ich,  Seliger!  von  deiner  Seelenkraft, 
Von  deiner  Fähigkeit  und  Neigung  zum  Studiren, 
Von  deiner  durch  den  Fleiß  erlangten  Wissenschaft, 
Von  deiner  Munterkeit  für  herbe  Klagen  führen  ? 
Ich  weis,  daß  Königsberg  von  dir  bezeugen  kan, 
Daß  unter  hunderten,  die  deinesgleichen  hieffen, 
Kaum  einer  sich,  wie  du,  der  Wissenschaft  beflieffen, 
Und  keiner  an  Verstand  es  dir  zuvor  gethan. 
Die  Lehrer  liebten  dich  und  lobten  deine  Gaben, 
Ja  jeder  wollte  dich  zu  seinem  Schüler  haben. 

Du  warst  ein  Philosoph,  du  warst  ein  Medicus, 
Von  beydem  hatte  man  die  Proben  schon  gepriesen. 
Wie  Gottes  Gegenwart  verstanden  werden  muß:  (a) 
Das  hattest  du  mit  Ruhm  aus  der  Vernunft  erwiesen. 
Wie  gründlich  zeigte  dich  die  Opponentenbank, 
Die  du  so  oft  mit  Muth  und  Fertigkeit  besessen ;  (b) 
Dabey  die  Hörer  oft  den  Stundenschlag  vergessen, 
Wenn  deiner  Schlüsse  Kraft  die  stärksten  Gegner  zwang. 
Ich  schweige  von  der  Schrift,  die  du  zuletzt  beschützet, 
Darinnen  du  gezeigt:  Was  kluges  Reisen  nützet.    (c)u 
„(a)  In  der  1723.  den  12  May  gehaltenen58)  Difp.  de  Omnipraöf.  Divina. 
(b)  Es  ist  fast  in  zweyen   Jahren  keine  medicin ische   Difputation   gehalten 
worden,   dazu   der  Selige  nicht  als  Opponent  eingeladen  worden,    (c)  Seine 
eigene  Difp.  de  peregrinatione  Medicorum." 

Er  war,  als  Johann  Christoph  im  Januar  1724  Königsberg 

7* 


100      Zu  J.  0.  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

* 
verließ,    hier   zurückgeblieben;    nach    der   Zeit   Hofmeister    „in 

Wötterkam"09)  (wie  jener  schreibt)  geworden,    ist  er  als  solcher 

schon  „1726.  den  22  Jenner u  daselbst  gestorben:  sein  Leichnam 

ist   in    der    Kirche    der    nahen    Stadt    Schippenbeil    beigesetzt 

worden.     Uebrigens  finden  sich  außer  dem  genannten  auch  noch 

andere    Gelegenheitsgedichte    unter    seinem     Namen    gedruckt: 

Gedichte    glaubte    man  ja    damals    hier   noch  von  jedem  homo 

litteratus  bei  vorfallender  Gelegenheit  fordern  zu  können60).  — 

Viel  bedeutungsvoller  aber  für  Johann  Christoph  Gott- 
scheds geistige  Entwickelung,  als  seine  eigenen  Versuche  in  der 
Poesie  aus  jenen  Jahren,  sind  gewiß  die  Einblicke  gewesen,  die 
ihn  schon  hier  in  Königsberg  auch  eben  Pietsch  in  das  Wesen 
der  Dichtkunst,  in  die  Poetik  hat  thun  lassen.  Er  selber  be- 
richtet bekanntlich  in  der  Vorrede  seiner  „Criti  sehen  Dicht- 
kunst" 1729,  in  der  er  auch  „eine  kurtze  Historie"  dieses  Werkes 
zu  „machen"  unternimmt,  darüber  so :  „Wie  ich  von  Jugend  auf  alle- 
zeit ein  grosses  Vergnügen  an  Versen  gehabt,  und  selbst  durch 
das  Exempel  meines  eigenen  Vaters  dazu  aufgemuntert  worden61): 
also  fand  sich  1714,  gleich  im  Anfange  meiner  Academischen 
Jahre,  eine  Gelegenheit,  ein  sogenanntes  Collegium  Poeticum 
zu  hören.  Mein  Lehrer  war  der  nunmehro  seel.  Prof.  Rohde 
zu  Königsberg62),  ein  sehr  geschickter  Mann,  der  selbst  einen 
artigen  Vers  schrieb;  und  das  Buch,  so  er  zum  Grunde  legte, 
war  Menantes  allerneuste  Art  zur  galanten  Poesie  zu  gelangen68). 
Als  nachmahls  der  itzige  Kön.  Preuß.  Hofrath  und  Leib-Medicus, 
Hr.  D.  Pietsch  die  Poetische  Profeßion  daselbst  erhielte,  und 
sonderlich  das  Gedichte  auf  den  Printz  Eugen  heraus  gab,  be- 
kam ich  noch  einen  grössern  Trieb  zur  Poesie:  weil  sein  Exempel 
dazumahl  bey  jedermann  viel  Eindruck  machte.  Ich  hatte  nach 
der  Zeit  die  Ehre  mit  demselben  bekannt  zu  werden,  und  seine 
Censuren  über  meine  Kleinigkeiten,  so  offt  als  ich  es  wünschete, 
zu  hören.  Dieser  wackere  Mann  verstattete  mir  allezeit  einen 
freyen  Zutritt,  und  ihm  habe  ichs  zudancken,  daß  ich  Canitzen 
und  Horatzen  mit  Verstände  zu  lesen  angefangen:  weil  er  mir 


Von  Johannes  Reicke.  101 

des  erstem  Satire  von  der  Poesie  offt  auswendig  hersagte,  und 
aus  dem  andern  zuweilen  seine  Übersetzungen  vorlaß.  Unter 
so  vielen  Unterredungen,  so  ich  seit  1717  bis  1724  mit  dem- 
selben gehabt,  dachte  derselbe  denn  auch  einmahl,  daß  er  nicht 
ungeneigt  wäre,  eine  Anweisung  zur  Poesie  zu  schreiben :  Nicht 
zwar  auf  den  Schlag,  als  die  gewöhnlichen  Anleitungen  wären, 
daran  wir  ja  keinen  Mangel  hätten;  sondern  so,  daß  darinn  der 
innere  Character  und  das  wahre  Wesen  eines  jeden  Gedichtes 
gewiesen  würde.  Damahls  geschah  es  also,  daß  ich  mir  den 
ersten  Begriff  von  einer  Critischen  Dicht-Kunst  machte:  deren 
Nutzbarkeit  ich  gar  wohl  einsähe;  aber  mirs  noch  nicht  träumen 
ließ,  daß  ich  mich  dereinst  an  dergleichen  Arbeit  wagen  sollte. tt 
Und  in  jener  Vorrede  vom  Jahre  176B  schreibt  er:  Ich  „hatte 
1714  bey  Prof.  Rohden  zu  Königsberg,  über  des  Menantes 
allerneueste  Art  zur  galanten  Poesie  zu  gelangen,  gehöret ;  auch 
schon  damals  M.  Rothens,  und  Prof.  Omeisens,  vollständigere 
Anweisungen  kennen  gelernet.  Auch  nach  der  Zeit",  giebt  er 
hier  an,  „hatte  ich  Opitzens,  Buchners,  Kindermanns,  Zesens, 
Harsdörfers  u.  a.  m.  dahin  gehörige  Bücher  gelesen,  oder  mir 
doch  bekannt  gemachet.  Aber",  sagt  er,  „ich  vermissete  gleich- 
wohl in  allen  diesen  Lehrbüchern  eben  das,  was  mir  in  den 
deutschen  Anleitungen  zur  Beredsamkeit  zu  fehlen  geschienen 
hatte:  nämlich  einen  recht  vernünftigen  deutlichen  Begriff,  von 
dem  wahren  Wesen  der  Dichtkunst,  aus  welchem  alle  besondere 
Regeln  derselben  hergeleitet  werden  könnten.  Ich  hatte  darüber 
den  sei.  Hofr.  Pietsch,  der  mir  allemal  einen  freyen  Zutritt 
erlaubete,  klagen  gehöret:  indem  er  immer  sagete,  es  fehle  uns 
noch,  an  einer  solchen  poetischen  Anweisung,  darinn  das  rechte 
"Wesen  der  Poesie  erkläret  würde.  Und  ungeachtet  ich  von  ihm 
auf  Horazens  Gedicht  de  Arte  poetica,  gefübret  worden:  so 
wissen  doch  Kenner  desselben  sehr  wohl;"  hebt  er,  in  seinem 
Sinne  ja  allerdings  berechtigter  Weise,  hervor,  „wie  wenig  man 
sagen  könne,  daß  dieses  eine  methodische  und  vollständige  Ab- 
handlung der  Dichtkunst  seyu.  „Diese  Gedanken",  fahrt  er  da 
fort,    hätten    ihn  fühlen  lassen,    daß  er  „selbst  noch  nicht  recht 


102      Zu  J.  C.  Gottscheds  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

wüßte",  „was  die  wahre  Dichtkunst  seyu,  als  in  Leipzig  „eine 
Anzahl  von  Studirenden"  von  ihm  darin  „Unterricht  begehreten". 
Durch  Johann  Valentin  Pietsch  nun  hätte  er  schon 
hier  den  „großen  Grundsatz  von  der  Nachahmung  der  Natur, 
welcher  der  Poesie  mit  so  vielen  Künsten  gemein  ist",  den  er 
selbst  erst  späterhin  in  Leipzig  aus  „Aristotels  Poetik"  begriffen 
zu  haben  in  der  Vorrede  von  17  BB  berichtet  —  und  ihn  dann 
seinem  „Versuch  einer  Critischen  Dichtkunst  vor  die  Deutschen" 
zu  Grunde  gelegt  zu  haben  rühmt  er  sich  besonders64) — ,  wenigstens 
kennen  lernen  können:  es  ist  auffallend  daß  das  nicht  der  Fall 
gewesen  zu  sein  scheint.  Pietsch  hat  ihn  in  seiner  Dissertation 
pro  receptione  1718  ausgesprochen:  Gottsched  muß  diese  nicht 
bekannt  geworden  sein.  —  Seine  Zeitschrift  „Neuer  Büchersaal 
der  schönen  Wissenschaften  und  freyen  Künste"  brachte  in  „Des 
IV.  Bandes  4.  Stück"  Leipzig  „im  Monat  April,  1747"  S.  371—384 
eine  „Kurzgefaßte  historische  Nachricht  von  den  bekanntesten 
preußischen  Poeten  voriger  Zeiten"  und  im  „B.  Stück"  „May,  1747" 
dann  S.  429 — 4B1  die  „Fortgesetzte  historische  Nachricht  von 
den  bekanntesten  Preußischen  Poeten  voriger  Zeiten" :  in  dieser 
erhält  S.  449  f.  „den  XX.  und  letzten  Platz  unter  den  preußi- 
schen Dichtern  voriger  Zeiten"  „Joh.  Valentin  Pietsch",  „dessen 
Verdienste  um  die  deutsche  Dichtkunst  noch  bey  allen  Kennern 
in  frischem  Andenken  sind"  —  sein  Leben  ist  da  kurz  erzählt  und 
die  Ausgaben  seiner  Gedichte  sind  genannt,  von  seinen  Disser- 
tationen überhaupt  keine  erwähnt.  Auf  diese  Darstellung  be- 
ruft sich,  und  schreibt  sie  geradezu  aus,  der  Artikel  in  dem 
Buche  „Handlexicon  oder  Kurzgefaßtes  Wörterbuch  der  schönen 
Wissenschaften  und  freyen  Künste.  Zum  Gebrauche  der  Lieb- 
haber derselben  herausgegeben,  von  Johann  Christoph  Gottscheden" 
Leipzig  1760  (die  „Zuschrift"  hatdas  Datum  „den  1.  des  Weinmonats 
17B9")  Sp.  1303  f.:  „Pietsch,  (Johann  Valentin)",  unterzeichnet 
„H."  (Gottsched  zeigt  nur  so  mit  „Buchstaben"  „am  Ende  der 
Artikel"  „die  Namen"  seiner  „Gehülfen"  an:  auch  in  der  „Vor- 
rede" nennt  er  sie  nicht).  Auch  Daniel  Heinrich  Arnoldt's 
„Historie    der   Königsbergischen    Universität"    1746    II.    Theil 


Von  Johannes  Reicke.  .  103 

S.  404  fahrt  auffeilender  Weise  die  Dissertationen  nicht  vollzählig 
auf  und  auch  seine  „Zusätze"  1766  S.  70  tragen  die  dort  fehlende 
nicht  nach.  Und  diese  ist  denn  auch  weder  von  Jöcher  (1751 
111,1661)  noch  von  seinemFortsetzerRotermund(1819VI,  171f.)  ge- 
nanntworden—  sie  scheintschonfrüh  geradezu  verschollenzusein. — 
Geboren  1690  am  23.  Juni  zu  Königsberg,  wo  sein  Vater  könig- 
licher Hofapotheker  war,  hat  Pietsch  hier  —  1706  am  17.  April 
ist  er  immatriculiert  worden60)  —  studiert  und  zwar  Medioin, 
dann  sich  auf  die  Universität  zu  Frankfurt  an  der  Oder  —  da 
wurde  er  1713  am  8.  März  immatriculiert66)  —  begeben  und 
ist  dort  schon  im  April  des  Jahres  1713  zum  Doctor  Medicinae 
promoviert  worden.  „In  Berlin  hat  er  um  diese  Zeit  mit  dem 
berühmten  Benjamin  Neukirch  einen  vertrauten  Umgang  gehabt, 
und  den  geheimen  Rath  von  Besser",  und  auf  weiteren  Reisen  „in 
Teutschland"  auch  noch  „andere  grosse  Poeten  kennen  gelernet". 
Dann  war  er  wieder  in  seine  Vaterstadt  zurückgekehrt:  1716 
Aprilis  24.  „Dn.  Joh.  Valentinus  Pitsoh.  Regiom.  Pr.  Med. 
Doctor  jus  Academ.  repetiit"  giebt  die  Universitätsmatrikel67)  an. 
Er  hatte  „schon  in  seiner  zarten  Jugend  einen  Trieb  zur  Poesie 
bey  sich  gespüret",  berichtet  Gottsched  in  der  Vorrede  zu  seiner  Aus- 
gabe der  Gedichte  1726,  und  ihm,  gegen  den  Willen  seines  Vaters, 
nachgehangen,  auch  auf  der  Universität  hier  neben  „seiner  Haupt- 
Wissenschafflb"  „auch  in  der  Poesie  einen  Unterricht  gesuchet";  nun- 
mehr „legte  er  die  erste  Probe  seiner  Poesie  ab"  —  für  die 
große  Welt,  indem  1716  sein  Heldengedicht  „Ihrer  Hoch-FürsÜ. 
Durchl.  Printzen  EUGENII  von  Savoyen  Sieg-reicher  Feldzug 
Wieder  die  Türeken,  Entworffen  Von  D.  Johann  Valentin  Pietsch." 
(so  lautet  der  Titel  des  ersten  Druckes:  6  Bl.  fol.  o.  0.  u.  J.)  „durch 
gute  Freunde  ohne  sein  Wissen,  der  Presse  untergeben"  wurde. 
Dies  verschaffte  ihm  „durch  gantz  Teutschland  den  Namen  eines 
grossen  Poeten"  und  1717  die  durch  M.  Hieronymus  Georgias68)  am 
12.  Juli  erfolgten  Tod  vacant  gewordene  Stelle  eines  ordent- 
lichen Professors  der  Poesie  an  der  Albertina.  Am  11.  Novem- 
ber dieses  Jahres  wurde  er  daraufhin  zum  Magister  promoviert. 
Um    sie    übernehmen   zu   können,    mußte    er   sich    dann  in  die 


104      Zu  J.  C.  Gottsched'?  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität 

Philosophische  Facultät  „eindisputieren":  er  that  das  1718  (der 
Tag  ist  nicht  angegeben)  durch  die  Dissertation  —  eben  jene 
nirgends  genannte  —  „Poeticarum  Thesium  Duodecas,  quam  pro 
receptione  in  Facultatem  Amplissimo  Philosophorum  Ordine  con- 
sentiente,  in  auditorio  majori  Anno  MDCCXVHL  D.  .  .  .  w) pu- 
blica exposuit  disquisitioni  Johannes  Valentinus  Pietsch,  Phil, 
et  Med.  Doct.  Bespondente  Melchiore  Johanne  Caschel.  Begio- 
monti,  Typis  Beusnerianis."  (12  S.  4.)  Und  darauf,  am  22.  Fe- 
bruar des  Jahres  disputierte  er  pro  loco:  „Sohlt®  I/igat&que 
Orationis  Limites,  Annuente  Divino  Numine,  decreto  Amplissimi 
Senatus,  in  Academia  Begiomontana  pro  loco  Professionis  in 
Poesi  Ordinario,  solenni  diputatione  exponit  Johannes  Valentinus 
Pietfch,  Phil.  &  Med.  Doct.  &  Poöf.  Prof.  Publ.  Ord.  Bespon- 
dente  Jacobo  Friderico  Danckmeyer,  Begiomont.  Pruff.  horis  ante 
et  pomeridianis  Anno  MDCCXVHI.  Die  XXII  Februarii.  In 
auditorio  majori.  Begiomonti,  Typis  Beusnerianis."  (Tit.,  16  S.  4.) 
Diese  beiden  Disputationen  müssen  Gottsched  unbekannt  ge- 
blieben sein:  hier  in  Königsberg,  das  ließe  sich  erklären  dadurch 
daß  er  seine  Zeit  „ernsthafftern"  Dingen  nicht  entziehen  mochte 
und  der  Poesie  und  ihrer  Theorie  nur  nebenbei  sich  auch  wid- 
mete; aber  auch  in  Leipzig69),  wo  er  doch  die  Litteratur  zur 
Poetik  möglichst  vollständig  kennen  zu  lernen  suchte :  er  führt 
in  der  Vorrede  zur  „Critischen  Dichtkunst*'  1729  eine  ziemliche 
Anzahl  Schriftsteller  auf  die  er  damals  gelesen,  diese  Abhand- 
lungen seines  Lehrers  Pietsch  nicht.  So  muß  ihn  denn  wohl  auch 
Pietsch  niemals  auf  sie  hingewiesen  haben.  Sie  scheinen  mir  aber 
eines  Neudrucks  nicht  unwerth:  im  „Anhang"  gebe  ich  sie  wieder. 
Der  neue  Professor  der  Poesie  —  er  wurde  übrigens  schon 
1719  königl.  preuß.  Hofrath  und  Leibmedicus,  auch  Oberland- 
physicus  in  Preußen  —  „erfüllete  nicht  nur  die  Pflichten  so  ihm 
sein  Amt  auferlegte,  jährlich  den  Preußischen  Crönungs-Tag 
und  das  hohe  Geburts-Fest  Ihro  itzt  regierenden  Kön.  Maj.  in 
Preussen  durch  seine  Arbeit  zu  feyren,  und  zuweilen  fürnehmen 
Gönnern  und  guten  Freunden,  bey  traurigen  und  freudigen  Zu- 
fällen mit  seinen    Gedichten    ein    Andencken   zu    stifften",    be- 


Von  Jobannes  Eeicke.  105 

richtet  Gottsched  1725,  „sondern  er  führte  unter  der  Hand  ein 
grösseres  Poetisches  Werck  aus.  Als  im  Jahre  1716  und  1717. 
der  Ungarische  Krieg  mit  so  vielen  Vortheilen  der  Christenheit 
wider  die  Türeken  geführet  wurde,  schien  diese  wichtige  Ge- 
legenheit ihm  allerdings  werth  zu  seyn,  ein  völliges  Helden-Ge- 
dichte davon  zu  verfertigen.  Da  es  ihm  nun  an  gehörigen 
Kräfften  dazu  nicht  mangelte,  konnte  ihn  sonst  nichts  hindern, 
dasselbe  bald  nach  geschlossenem  Passarowitzischen  Frieden 
völlig  zum  Stande  zu  bringen.  Er  gab  es  in  den  Druck,  und 
es  waren  im  Jahr  1719  schon  vier  Bogen  im  grossesten  Formate 
davon  fertig,  als  der  Urheber,  aus  gewissen  Ursachen,  darinnen 
einhalten  ließ";  „die  bereits  fertigen  Bogen"  konnte  er  jedoch 
nicht  so  unterdrücken,  „daß  sie  nicht  endlich  ausser  die  Preu- 
ßischen Gräntzen  hätten  kommen  sollen":  auch  sie  fanden, 
gleich  seinem  ersten  Gedichte  auf  den  Prinzen  Eugen,  großen 
Beifall,  aber  vollendet  hat  Pietsch  sein  Werk  selber  nicht:  Gott- 
sched konnte  1725  in  seine  Sammlung  nur  das  abgedruckte, 
„CARLS  Des  Sechsten  Sieg  über  die  Türeken,  Erstes  Stücke, 
Welches  die  Zurüstungen  zum  Kriege,  und  die  Beschreibung 
des  Türckischen  Heeres  in  sich  begreiffi."  und  des  selben 
„Anderes  Stücke,  Worinnen  die  Belagerung  der  Festung  Bel- 
grad, und  die  Beschliessung  des  Kayserl.  Lagers  vorgestellet 
wird.",  dies  unvollständig  wieeswar,  aufnehmen;  erst  J.G.Bock  gab 
1740  den  Rest  aus  den  {unterlassenen  Papieren,  aber  nicht  ohne 
eigene  Zusätze,  heraus.  —  „Vorlesungen"  hat  Pietsch,  wie  Gott- 
sched in  der  schon  angezogenen  Stelle  der  Vorrede  vom  Jahre 
1766  erzählt,  „nicht  viel"  gehalten:  welche  er  während  der 
Jahre,  die  Gottsched  hier  war,  im  Lectionsverzeichnis  angekün- 
digt, werde  ich  in  der  Anmerkung70)  der  Reihe  nach  anführen 
—  danach  wollte  er  in  ihnen  wesentlich  Horaz  behandeln,  seine 
Ars  poetica  und  auch  seine  Gedichte.  Nach  seinen  eigenen 
Worten  scheint  Gottsched  nur  durch  „Unterredungen",  „oft" 
„von  ganzen  Stunden",  von  ihm  gelernt  zu  haben:  auf  Canitz, 
Neukirch,  Horazens  Poetik  hat  er  ihn  in  solchen  hingewiesen, 
wie  oben  angeführt;  ob  nicht  er  auch  schon  auf  Boileau?  auf  ihm 


106      Zu  J.  C.  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königsherger  Universität. 

hauptsächlich  beruhen  ja  doch  deutlich  seine  in  den  beiden  Dis- 
sertationen niedergelegten  theoretischen  Ansichten  über  Poesie. 
Und  die  Gedichte  seines  Lehrers,  „alle  einzelne  Bogen",  „die  er 
in  den  zehn  Jahren,  daß  ich  daselbst  studieret,  hatte  drucken 
lassen",  berichtet  Gottsched  ebenda,  hat  er  schon  hier  „in  Königs- 
berg" sich  „gesammlet":  er  schien  ihm,  wie  er  172B  in  der  Vor- 
rede sagt,  „an  feurigem  Geiste,  an  Hoheit  und  Richtigkeit  der 
Gedanoken,  an  Kernigkeit  der  Sprache,  an  glücklichen  Erfin- 
dungen und  an  Lieblichkeit  seiner  leichtflüssenden  Schreib-Art, 
allen  andern,  die  jemals  teutsche  Verse  gemacht,  überaus  weit 
vorzuziehen",  und  an  einer  anderen  Stelle  der  selben  rühmt  er 
den  ,, Reich thum  seiner  Sprache",  die  „Beinigkeit  des  Sylben- 
maßes  und  der  Reime",  und  den  „Überfluß  wohleingerichteter 
poetischer  Gedancken"  —  er  wird  also  mehr  als  „nur  eine  Pflicht 
der  Erkenntlichkeit",  wie  M.  Bernays  sagt,  haben  damit  üben 
wollen,  daß  er  „das  allererste  deutsche  Buch",  das  er  „in 
Leipzig  herausgab",  wie  er  selber  1755  anführt,  eine  Sammlung 
von  dessen  Gedichten  sein  ließ:  „Herrn  D.  Johann  Valentin 
Pietschen,  Eönigl.  Preußischen  Hof-Raths  und  Leib-Medici, 
wie  auch  Ober-Land-Phyfici,  und  der  Poesie  Prof.  Ord.  in  Kö- 
nigsberg, Gesamiete  Poetische  Schrillten  Bestehend  aus  Staats- 
Trauer-  und  Hochzeit  -  Gedichten,  Mit  einer  Vorrede,  Herrn  le 
Clerc  übersetzten  Gedancken  von  der  Poesie  und  Zugabe  einiger 
Gedichte,  von  Johann  Christoph  Gottsched,  A.  M.  Leipzig, 
1725.  zu  finden  bey  Grossens  Erben."  (1  Titkpfr.  +  31  BL, 
258  S.  8.)  Als  dann  später,  nachdem  Pietsch  bereits  1733 
(29.  Juli)  gestorben  war,  „Des  Herrn  Johann  Valentin  Pietschen 
weyland  Königl.  Preußis.  Hof-Raths  und  Leib-Medici  wie  auch 
Professor,  ord.  der  Academie  zu  Königsberg  gebundne  Schriften 
in  einer  vermehrtem  Sammlung  ans  Licht  gestellet  von  Johann 
George  Bock  der  Academie  zu  Königsberg  Profess.  ord.  wie 
auch  Mitgliede  der  Königl.  Preußis.  Societät  der  Wissenschafften. 
Königsberg  Verlegts  Christoph  Gottfried  Eckart,  Königl.  Preußis. 
privil.  Buchhändler.  1740."  (1  Kpfr.  +  7  BL,  436  S.,  5  BL  8.) 
herauskamen,  hat  Gottsched  selbst  in  seiner  Zeitschrift  „Bey träge 


Von  Johannes  Reicke.  107 

Zur  Critischen  Historie  Der  Deutschen  Sprache,  Poesie  und  Be- 
redsamkeit, herausgegeben  von  einigen  Liebhabern  der  deutschen 
Litteratur.  Siebenter  Band.  Fünf  und  zwanzigstes  Stück." 
Leipzig  1741  S.  131 — 166  diese  Ausgabe,  wieder  mit  höchstem 
Lobe  für  den  Dichter,  aber  einigem  Tadel  für  den  Herausgeber, 
angezeigt:  hier  übrigens  findet  sich  gleich  zu  Anfang  der  Aus- 
spruch „Unter  allen  Dichtern  die  dieses  Jahrhundert  Deutsch- 
land hervorgebracht,  hat  Hofrath  Pietsch  fast  mit  einhälligen 
Stimmen  den  obersten  Platz  verdienet u.  Und  so  hat  er  ihn  bis 
an  sein  Lebensende  hochgehalten  —  aus  Dankbarkeit  und 
wirklich  überzeugter  "Werthschätzung. 

Aber  auch  Pietsch  scheint  den  jungen  Gelehrten  nicht 
blos,  nach  den  obigen  Worten,  gern  bei  sich  gesehen  zu  haben; 
er  hat  auch,  gleich  anderen  Docenten,  ihn  schon  hier  als  solchen 
geachtet.  1723  am  2.  April  wurde  Gottsched  zum  Magister 
promoviert,  und  bei  dieser  Gelegenheit  sind  denn  auch  ihm  ver- 
schiedene gedruckte  poetische  Glückwünsche71)  dargebracht  worden, 
unter  ihnen  von  Pietsch  die  folgenden,  wenn  sie  auch  nur  wenig 
sagen,  doch  eben  so  anerkennenden  Zeilen  (die  von  Bock  1740 
S.  286  als  „Auf  Herren  Johann  Christoph  Gottsched,  bey  dessen 
im  Jahr  1723.  nach  Verdienst  erlangten  Würde  eines  Lehrers 
in  der  Welt-Weisheit."  in  seine  Ausgabe  mitaufgenommen  sind): 

„Mich  reitet  die  Poefie,  zn  Deinem  Ruhm  zu  schreiben, 
Mein  Wille  feurt  mich  an,  doch  muß  ich  schuldig  bleiben 
Was  ich  bezahlen  will.    Ein  halb-erfülltes  Bladt 
Worauf  der  Musen-Hand  Dein  Lob  verzeichnet  hat, 
Weyht  unser  Phcebus  Dir  auf  meines  Pindus-Spitzen ; 
Allein  indem  er  sieht  daß  alle  Pressen  schwitzen, 
Daß  man  auf  jeden  Brandt  vermischten  Weyrauch  streut 
Und  ein  Getümmel  höhrt,  weil  alles  rennt  und  schreyt, 
Winckt  mir  der  Tichter  Fürst,  und  spricht  du  solst  nicht  singen, 
Wie  kan  Dein  mattes  Spiel  zu  lauten  Paucken  klingen. 
Mein  Gottsched  zürne  nicht,  Dein  Ruhm  wird  doch  verehrt, 
Wenn  man  gleich  nicht  mein  Lied  bey  tausend  Schwanen  höhrt, 
Ich  öffne  kaum  den  Mund,  denn  meine  stille  Flöhten 
Füllt  nicht  der  starcke  Wind  der  lermenden  Trompeten.1,4  — 

In  demselben  Jahre  habilitierte  Gottsched  sich  dann,  „sechs 

Wochen  nach  der  Promotion'4  wie  er  1765  anführt,  als  Magister 


108      Zu  J.  C.  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königaberger  Universität. 

legens  mit  einer  philosophischen  Disputation,  bei  der  unter  ihm 
sein  schon  genannter  Bruder  Johann  Friedrich  sich  als  Respon- 
dens  übte:  „G-envinam  Omnipraesentiae  Divinae  notionem  di- 
stincte  explicatam  et  observationibvs  illvstratam.  Defendent  pro 
receptione  in  Facvltatem  Phil.  Praeses  Io.  Christoph.  Gottsched 
Philos.  Mag.  et  Bespondens  Io.  Frieder.  Gottsched  Ph.  et  Med. 
Cvlt.  MDCCXXITI.  D.  XII.  Maii  in  avditorio  philosophorvm  ab 
hör.  Vlll.  ad  XII.  Regiomonti,  Litteris  Revsnerianis."  (2  BL, 
20  S.  4.)72).  Und  darauf  fieng  er  an  nunmehr  selber  „öffentlich  die 
studierende  Jugend  in  den  schönen  Wissenschafften,  zumahl  in 
der  Rede-  und  Dicht-kunst  zu  unterrichten",  erzählt  Brucker, 
was,  sagt  er,  „um  so  mehr  mit  Beyfall  geschähe,  da  er  sich 
vorher  schon  durch  den  Unterricht  einiger  jungen  von  Adel,  so 
seiner  Aufsicht  anvertrauet  worden,78)  eine  gute  Meinung  bey 
jedermann  erworben  hatte". 

Zu  seinem  eigenen  großen  Leidwesen,  war  nun  aber  seines 
Bleibens  hier  nicht  mehr  lange:  im  Januar  1724  mußte  er,  um 
nicht  seiner  stattlichen  Figur  wegen  —  als  Docent  an  der  Uni- 
versität! —  für  die  Garde  seines  Königs  weggefangen  zu  werden, 
sich  heimlich  davon  machen.  Stolle  berichtet:  „Weil  er  sich 
seit  1712.  [soll  heißen:  1721?  oder:  1722?]  zuweilen  im  Predigen 
geübt,  auch  in  der  Poesie  hervorgethan  hatte,  so  war  er  beyder 
Ursachen  halber  bey  hohen  und  niedrigen  bekannt,  biß  ihn 
beydes  zugleich  sein  Vaterland  zu  verlassen  und  in  die  Fremde 
zu  gehen  nöthigte.  Dieses  geschähe  gleich  im  Anfange  des 
1724.  Jahres;  denn  da  er  vor  dem  in  Königsberg  residirenden 
Königl.  General-Feld-Mareschall,  dem  Hertzoge  von  Hollstein 
in  seinem  Zimmer  zu  predigen  bestellet  wurde,  und  er  dieses  zwey 
Sonntage  nach  einander  verrichtete,  wurde  ihm  von  einem  hohen 
Officier  seiner  Länge  halber  dergestalt  nachgestellet,  daß  ihn 
niemand  mehr  vor  sicher  hielte.  Er  machte  sich  also  eilends 
fort".  Und  ihm  folgte  sein  Bruder  Johann  Heinrich  Gott- 
sched, der  (geb.  1706)  hier  —  1720  am  31.  August  immatriculiert74) 
—  (schon  Jurisprudenz?)  studierte,  alsbald  nach75).  Dieser  schreibt 
in  seiner  handschriftlich  hinterlassenen  Selbstbiographie:  „Wegen 


Von  Johannes  Reicke.  X09 

meiner  Größe  und  bei  den  damaligen  preußischen  starken  "Wer- 
bungen wurde  ich  frühe  in  album  academicum  inscribirt  und 
ging  1721  [?]  nach  Königsberg  auf  die  Universität.  Weil  aber  die 
Studenten  vor  den  gewaltsamen  Werbungen  auch  in  die  Länge 
nicht  mehr  sicher  waren,  und  ich  schon  einigen  Angriffen  unter- 
worfen gewesen  war,  auch  mein  Bruder,  der  Professor,  als 
damaliger  Magister  wirklich  weggenommen  werden  sollen  und 
deswegen  nach  Frauenburg76)  flüchtig  werden  müssen,  so  reisete 
ich  diesem  nach,  und  mein  Vater,  welcher  mich  von  Balga  mit 
bis  nach  gedachtem  Frauenburg76)  begleitete,  schickte  uns  beide 
nach  Leipzig.  Die  Abreise  geschah  den  19.  Jan.  1724,  meines 
Alters  noch  nicht  volle  18  Jahre.  Unsere  Reise  ging  über 
Elbing,  Thorn,  durch  Polen,  in  Schlesien,  über  Breslau,  Liegnitz, 
Görlitz,  Bautzen  nach  Leipzig,  allwo  wir  den  18.  Febr.  eintrafen. 
Mein  Bruder  wählte  gleich  Leipzig  zu  seinem  beständigen  Sitze, 
ich  aber  ging  selbigen  Jahrs  nach  Halle,  um  da  meine  studia 
juridica  zu  prosequiren."  Der  Magister  aber,  berichtet  Stolle 
weiter  —  und  das  ist  nach  seiner  Darstellung  der  zweite  Punkt, 
der  ihn  die  Fremde  aufzusuchen  nöthigte  —  habe  „zu  Eibingen 
ein  Abschieds- Getichte  an  seine  Gönner  und  Freunde  unter 
dem  Nahmen  des  flüchtigen  Ovidii  drucken"  lassen,  „darinn 
seinen  Verfolgern  etliche  Ausdrückungen  nicht  zum  besten  ge- 
fallen mochten,  daher  ihm  vollends  alle  Hoffnung,  wieder  in 
sein  Vaterland  zurücke  zu  kehren,  benommen  wurde":  mir  ist 
von  einem  solchen  nichts  bekannt,  sondern  nur  ein  von  Joh. 
Joach.  Schwabe  in  der  „Vorrede"  seiner  Sammlung  der  „Gedichte" 
1736  (die  dann  auch  im  I.  Theile  der  „zweyten  Auflage"  1751 
wieder  abgedruckt  ist)  als  Probe  eines  solchen  mitgetheiltes 
Sinngedicht  Gottsched's 

„Als  er  aus  seinem  Vaterlande  gieng. 

1724. 

Ich  bin  dein  Ebenbild,  mein  Freund,  Ovidius! 
Weil  ich  so  wohl,  wie  du,  mein  Land  verlassen  muß; 
Wiewohl  wir  sind  uns  nicht  in  allem  zn  vergleichen; 
Weil  du  die  Flacht  verdient,  ich  ohne  Schuld  maß  weichen/' 

Wohl  aber  dichtete   er  bald  darauf  auch  eine,    von  Schwabe  in 


1 10      Zu  J.  G.  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität 

die    „Gedichte"     1786    S.    429—431     (=    2.    Auflage    1751  I, 
S.  493 — 495)  aufgenommene, 

„Elegie. 

Als  er  aus  seinem  Vaterlande  gieng,  1724.", 

die  ich  doch  auch,  trotz  ihrer  etwas  umständlichen  Redseligkeit, 

als    seine   damalige   Stimmung    wirklich    wiederspiegelnd   ganz 

hersetzen  will: 

„Mein  Auge  will  sich  noch  vor  Wehmuth  überschwemmen , 

Wenn  der  gestörte  Sinn  an  jenen  Tag  gedenkt. 
Ich  kan  nicht  mehr  den  Strom  verhaltner  Klagen  hemmen, 

Weil  ich  den  Fuß  so  schnell  aus  Königsberg  gelenkt. 
Ein  Schrecken  hatte  mir  die  Geister  eingenommen, 

Ein  Schrecken,  das  mir  Mars  durch  seine  Wuth  erweckt: 
Daher  auch  der  Entschluß  von  meiner  Flucht  gekommen, 

Der  andre  fast  noch  mehr,  als  meine  Brust,  erschreckt. 
Ich  hörte  hie  und  da  ein  warnend  Wort  erschallen; 

Ein  jeder  war  bemüht  und  sehr  besorgt  um  mich. 
Man  sprach:  Ich  würde  bald  in  schlaue  Hände  fallen, 

Ja  mancher  stellte  sich  fast  allzu  jämmerlich. 
Bald  ist  ein  kleiner  Brief  aus  guter  Hand  erschienen, 

Der,  als  ein  Donnerschlag,  mein  blödes  Herz  zerschellt. 
Bald  kam  ein  lieber  Freund  mit  angsterfüllten  Mienen, 

Und  sprach:  Es  werde  mir  beträglich  nachgestellt 
Bald  drang  ein  falscher  Ruff  in  die  bestürzten  Ohren, 

Ich  wäre  wirklich  schon  Beiionen  unterthan. 
Bald  hat  ein  kühner  Mund  den  leeren  Eid  geschworen, 

Man  führe  mich  bereits  zur  vollen  Uebungsbahn. 
Man  habe  mich  schon  längst  ins  dicke  Buch  geschrieben, 

Das  Freygebohrne  stracks  zu  Sclavenkindern  macht. 
So  pflegte  Freund  und  Feind  mich  stündlich  zu  betrüben; 

So  ward  von  jedermann  an  meinen  Fall  gedacht. 
Zwar  Anfangs  konnte  mich  kein  Warnungsbothe  schrecken, 

Man  sagte  dieß  und  das:  Ich  lachte  nur  dazu. 
Kein  Dräuwort  konnte  mir  die  mindste  Furcht  erwecken, 

Ich  dachte  jederzeit:  Wer  ist  so  frey,  wie  du? 
Zuletzt  besiegten  mich  die  wohlgemeinten  Worte, 

Die  mancher  treue  Mund  mir  in  das  Ohr  gesetzt. 
Ich  traute  mir  nicht  mehr  an  dem  beliebten  Orte, 

Der  meinen  Geist  bisher  mit  vieler  Lust  ergötzt. 
Der  unverhoffte  Schluß  ward  plötzlich  abgefasset, 

Der  Schluß,  der  eine  Flucht  aus  Königsberg  beschloß; 
Der  Schluß,  bei  welchem  mir  das  Angesicht  erblasset, 

Als  das  betrübte  Wort  von  meinen  Lippen  floß. 


Von  Johannes  Heicke.  111 

Ach!  rief  ich  bey  mir  selbst,  du  grimmiges  Geschicke! 

Was  treibt  mich  deine  Hand  so  schleunig  in  die  Flucht! 
Verhängniß!  andre  doch  die  zornerfüllten  Blicke, 

Dadurch  dein  Eifer  nur  mein  größtes  Unglück  sucht. 
Was  drohet  mir  dein  Arm  mit  den  verwünschten  Waffen? 

Du  weist  ja,  daß  ich  mich  dem  Musenchor  geweiht. 
Was  hab  ich  doch  mit  Mars,  dem  Kriegesgott,  zu  schaffen? 

Der  mir  dennoch  so  oft  mit  seiner  Knechtschaft  dräut. 
Doch  bald  erhohlten  sich  die  zagenden  Gedanken, 

Und  sagten:  Ach  vielleicht  befördert  dieß  dein  Glück! 
Vielleicht  führt  dich  der  Herr,  in  seiner  Weisheit  Schranken, 

Durch  den  schon  oftermals  gespürten  Vaterblick. 
Also  verkehrte  sich  die  Furcht  in  ein  Vertrauen, 

Wiewohl  ein  neuer  Schmerz  bekränkte  meinen  Sinn. 
Ich  sollte  manchen  Freund  zum  letztenmal  schauen, 

Dem  ich  verwandt,  bekannt  und  lieb  gewesen  bin. 
Ich  sollte  unverhofft  der  Gönner  Haus  verlieren, 

Die  meine  Schwachheit  oft  durch  ihre  Huld  gestützt. 
Mein  Schicksal  wollte  mich  an  fremde  Oerter  führen, 

Wo  mich,  so  viel  ich  weis,  kein  gleicher  Schild  beschützt. 
Ja,  ja,  ich  fohle  noch,  wie  dem  beklommnen  Herzen, 

Bey  manchem  Letzungswort  so  schlecht  zu  Muthe  war. 
Sonst  pflegte  hie  und  da  mein  freyer  Mund  zu  scherzen, 

Doch  damals  stellte  sich  ein  trübes  Wesen  dar. 
Zwar  wurde  mehrentheils  der  herbe  Schmerz  verborgen, 

Indem  ich  meinen  Gram  nicht  völlig  merken  ließ: 
Allein  mein  Herz  empfand  um  desto  mehr  die  Sorgen, 

Womit  der  Abschied  mich  fast  gar  zu  Boden  stieß. 
Doch  seht,  auch  dieses  ist  nicht  überall  geschehen; 

Die  kurze  Zeit  verboth  die  letzte  Höflichkeit. 
Ich  kriegte  manchen  Freund  und  Gönner  nicht  zu  sehen, 

Der  mir  vielleicht  itzund  mit  seiner  Ungunst  dräut. 
Ach  Werthste!  zürnet  nicht.    Ich  habe  nichts  verbrochen! 

Die  angespannte  Post  hat  mir  den  Gruß  verwehrt. 
Und  hat  euch  euer  Knecht  gleich  nicht  zuletzt  gesprochen: 

So  soll  es  doch  geschehn,  wenn  er  zurücke  kehrt. 
Indeß  lebt  alle  wohl!  und  bleibet  dem  gewogen, 

Der  eure  Namen  stets'  in  treuer  Seelen  hält. 
Voritzo  bin  ich  zwar  aus  Königsberg  gezogen; 

Doch  wer  aus  Preussen  zieht,  der  zieht  nicht  aus  der  Welt" 

Noch  1728  in  der,  gleich  zu  Anfang  von  mir  schon  erwähnten, 
„Ecloge  Auf  meines  lieben  Vaters  sechzigsten  Geburts-Tag"77) 
seufzt  er  als  im  „Meißner -Land"  „fremder  Hirt"  „Prutenio": 


112      Zu  J.  C.  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

„0  Himmel?  der  da  mir  viel  gutes  zugemessen, 
Soll  ich  mein  Vatterland  denn  gantz  und  gar  vergessen? 
Den  mütterlichen  Schooß,  die  Brust,  so  mich  gesäugt? 
Den  Vater,  der  mir  selbst  der  Weisheit  Bahn  gezeigt? 
Ich  ehre  deinen  Schluß,  du  Schöpfer  meiner  Tage; 
Du  weist,  ich  murre  nicht,  indem  ich  solches  sage, 
Du  fügest  alles  wohl,  und  hast,  mit  Vorbedacht, 
Auch  mich  aus  ferner  Lufft  an  diesen  Ort  gebracht. 
Dein  Rath,  den  niemand  noch  recht  würdiglich  gepriesen, 
Hat  sich  fürwahr  an  mir  recht  sonnenklar  gewiesen. 
Ich  suchte  Sicherheit,  des  Friedens  edle  Frucht, 
Ich  wünschte  Ruh  und  Glück,  und  fand,  was  ich  gesucht 
Allein  ich  dachte  nicht,  daß  mir  die  Meißner- Hürden, 
So  lang  ein  Aufenthalt  und  Wohnplatz  bleiben  würden, 
Als  sie  es  itzt  schon  sind.    Mich  dünckte,  daß  ein  Jahr 
Schon  ein  geraumes  Ziel  zum  Aussenbleiben  war, 
Und  daß  des  Monden  Glantz  kaum  zwölfmahl  wechseln  sollte, 
Bis  ich  mich  wiederum  zurück  begeben  wollte. 
Itzt  ist  das  fünfte  Jahr  schon  gröstentheils  vorbey, 
Und  man  vermißt  mich  noch  bey  jener  Schäferey, 
Die  dort  am  Pregelstrom  auf  bunten  Hügeln  weidet, 
Die  Flora  wohl  so  schön  mit  Gras  und  Blumen  kleidet, 
Als  dieses  Meißner-Land.    Was  hab  ich  nun  gethan, 
Daß  ich  mein  Vaterland  nicht  wieder  sehen  kan? 
Soll  ich  mir  Haab  und  Gut  in  fremder  Lufft  erwerben, 
Ein  Fremdling  lebend  seyn,  und  als  ein  Fremdling  sterben? 
O  Himmel,  das  ist  hart!  Ach  möcht  es  doch  geschehn, 
Daß  ich  die  Schäfer-Zunft  noch  einmahl  könnte  sehn, 
Die  mich  von  Jugend  auf,  so  treu  und  redlich  liebte, 
Und  sich,  indem  ich  schied,  mit  reger  Brust  betrübte; 
Die  ich  sehr  hochgeschätzt,  weil  ihre  Gütigkeit 
Mir  offt  behülflich  war,  mich  offtmahls  sehr  erfreut. 
Hier  leb  ich  ohne  Danck,  und  muß  in  ferner  Erden, 
Mir  selber  innerlich  ein  rechter  Abscheu  werden. 
0  daß  mich  doch  kein  Wind  nur  einen  halben  Tag, 
Zu  dieser  Hirten-Zahl  in  Preußen  führen  mag! 
Wie  munter  würde  da  mein  treues  Hertze  springen! 
Wie  würde  mir  die  Lust  durch  Marck  und  Adern  dringen! 
Wie  eifrig  wollt  ich  da  durch  alle  Hütten  gehn, 
Und  mündlich  überall  die  Gunst  und  Huld  erhöhn, 
Die  mir,  vor  h linderten,  die  meines  gleichen  waren, 
In  Proben  mancher  Art,  zehn  Jahre  wiederfahren." 

Nicht   blos   Dankbarkeit   und  Liebe,    auch  Sehnsucht    und 
Verlangen     dahin    zurückzukehren    haben    ihn    auch    fernerhin 


Von  Johannes  Reicke.  113 

Königsbergs  immer  von  neuem  gedenken  lassen78);  schließlich 
fand  er  aber  doch  schon  bald  in  Leipzig  nicht  nur  „Ruh  und 
Glück",  sondern  auch  noch  mehr  —  und  beides  zunächst  durch 
Johann  Burchard  Mencke.  Es  war  in  Leipzig  „ihm  von 
dem  Bathe  zu  Königsberg  ein  Stipendium  angewiesen",  erwähnt 
Srucker;  bald  nahm  ihn  Mencke79)  (der  bekannte  Polyhistor, 
Herausgeber  der  „Acta  Eruditorum"),  Hofrath  und  Professor  an  der 
Universität,  ganz  in  sein  Haus  auf  als  Aufseher  über  seinen 
ältesten  Sohn  und  zugleich  auch  über  seine  umfangreiche  Biblio- 
thek. Durch  diese  nun  aber  und  seinen  persönlichen  Umgang 
sind  ihm  ganz  neue,  bis  dahin  nicht  geahnte,  Geistesquellen  erst 
erschlossen  worden:  er  müsse  es  ihm  „nachrühmen",  sagt  Gott- 
sched in  jener  Vorrede  vom  Jahre  1756,  „daß  er  mich  zuerst, 
auf  die  alten  Lehrer  der  freyen  Künste  gewiesen,  ohne  welche 
man  niemals  etwas  gründliches  davon  lernen  würde".  „Diesem 
Rathe"  sei  er  „gefolget"  und  habe  „sogleich  mehr  Licht  von 
der  wahren  Beredsamkeit,  und  einen  gesundern  Begriff  von 
ihren  f&egeln  gefunden;  als  in  zehn  andern  Werken  der  Neuern, 
davon  damals  alle  Buchläden  voll  waren":  und  so  entwarf  er 
denn  „nach  Anleitung  der  alten  Griechen  und  Kömer"  seine 
, Redekunst".  Schon  am  1.  März  172480)  war  er  auch  in  die 
unter  Mencke's  Aufsicht  stehende  „Deutschübende  poetische 
Gesellschaft"  aufgenommen  worden:  in  dieser,  berichtet  er  in 
der  Vorrede  zur  „Critischen  Dichtkunst",  „ward  ich  gewahr; 
daß  man  bey  Verlesung  eines  Gedichtes  unzehliche  Anmerckungen 
machte,  und  solche  Sachen,  Gedancken  und  Ausdrückungen  in 
Zweifel  zog,  die  ich  allezeit  vor  gut  gehalten  hatte.  Ich  fand 
selber  wohl,  daß  die  meisten  so  ungegründet  nicht  waren:  und 
ob  ich  wohl  in  einigen  Stücken  auf  meiner  Meynung  blieb,  und 
die  Einwürfe  so  man  mir  machte,  vor  ungegründet  hielte;  so 
war  ich  doch  nicht  im  Stande  dieselben  zu  heben,  und  meine 
Gewohnheit  auf  eine  überzeugende  Art  zu  vertheidigen.  Eben 
damahls  kamen  mir  die  Discurse  der  Mahler  in  die  Hände,  die 
mich  durch  so  viele  Beurtheilungen  unsrer  Poeten,  noch  be- 
gieriger machten,    alles    aus    dem  Grunde    zu  untersuchen,  und 

Altpr.  MonAtMobrift  Bd.  XXIX.  Hft.  1  u.  2.  $ 


1 14      Zu  J.  C.  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königeberger  Universität 

wo  möglich,  zu  einer  völligen  Gewißheit  zu  kommen,  was  richtig 
oder  unrichtig  gedacht;  schön,  oder  heßlich  geschrieben;  recht, 
oder  unrecht,  ausgeführt  worden".  Da  konnte  er  sich  nun 
„drey  Jahre'*  Mencke's  „treffliche  Bibliotheck  zu  Nutze  machen". 
„Hier  lernte  ich",  sagt  er,  „alle  alte  Soribenten,  alle  ausländische 
Poeten,  alle  Criticos,  und  ihre  Gegner  kennen.  Ich  müste  ein 
grosses  Register  machen,  wenn  ich  alle  die  grössern  und  kleinern 
Wercke  anzeigen  wollte,  die  ich  in  der  Zeit  durchgelesen,  bloß 
in  der  Absicht  mir  selbst  einen  regelmässigen  Begriff  von  der 
Poesie  zu  machen;  und  endlich  eine  Gewißheit  in  meinen  Ur- 
theilen  zu  erlangen/1  Und  auf  deren  Studium  baute  er  seinen 
„Versuch  einer  Critischen  Dichtkunst  vor  die  Deutschen"  auf. 
So  mochte  er  denn  in  einem  „Poetischen  Sendschreiben"  „An 
Seine  Hochwohlgebohrne,  Herrn  Franz  Christoph  von  Scheyb, 
auf  Gaubickolheim,  E.  Löbl.  Niederösterr.  Landschaft  Secretar. 
1750  im  October"81)  in  Wahrheit  sich  glücklich  preisen: 

„Ein  jedes  Land  erzeugt  Gemtither  edler  Art; 
Wohl  dem!  dem  eins  davon  in  Freundschaft  günstig  ward. 
Dieß  Glück  ertheilest  Du  mir  ferngebohrnem  Preußen; 
Den  jener  Bernsteinstrand  kann  seinen  Zögling  heißen, 
Dem  Albertinens  Schooß  die  Musen  lieb  gemacht, 
Bis  ihn  das  Glück  hieher  in  Deutschlands  Kern  gebracht. 
Hier  hab  ich  Geist  und  Witz  noch  feiner  aasgeschliffen, 
Was  Pietsch  mich  nicht  gelehrt,  aus  Menkens  Huld  begriffen, 
Durch  fremder  Sprachen  Licht  das  Deutsche  mehr  gestärkt, 
Und  aus  der  Alten  Höh  der  Neuern  Fall  bemerkt. u 

Und  so  hätte  er  auch  urtheilen  können:  die  Jahre  in  Königs- 
berg seien  seine  Lehrjahre  gewesen,  er  habe  dann  aber  in  die 
Fremde  wandern  müssen,  um  da  erst  Einsichten  zu  erhalten, 
die  ihn  konnten  hoffen  lassen  dermaleinst  auch  als  Meister  — 
und  seiner  Zeit  hat  er  doch  als  solcher  gegolten  —  angesehen 
zu  werden. 


Von  Johannes  Reicke.  H5 


Anmerkungen. 


1)  Die  „Geschichte  dieser  Widmung"  in  einem  Aufsätze  von  Berthold 
Litzmann  (Jena)  „Kronprinz  Friederich  und  Gottscheds  Ausführliche  Rede- 
kunst": Zeitschrift  für  Deutsches  Alterthum  und  Deutsche  Litteratur  XXX. 
N.  F.  XVm.  Band  1886  S.  204— 212  berührt  die  hier  angeführten  Worte 
nur  im  Vorbeigehen    (S.  206). 

2)  Für  meine  ganze  Darstellung  haben  mir  die  folgenden  gedruckten 
Quellen  zu  Gebote  gestanden: 

Gottlieb  Stolle  (Philos.  Civil.  Profes.  P.  0.  in  Acad.  Ienensi)  „Gantz 
neue  Zusätze  und  Ausbesserungen  Der  Historie  Der  Philosophischen  Ge- 
lahrheit"  Jena  1786  —  ein  Anhang  zu  seiner  „Anleitung  Zur  Historie  der 
Gelahrheit,  denen  zum  besten,  so  den  Freyen  Künsten  und  der  Philosophie 
obliegen,  in  dreyen  Theilen  nunmehr  zum  viertenmal  verbessert  und  mit 
neuen  Zusätzen  vermehret,  herausgegeben"  (Jena  1786)  —  (die  Vorrede 
jener  „Zusätze  und  Ausbesserungen"  ist  vom  3.  Januar,  die  des  Werkes 
selber  vom  20.  Februar  1736):  S.  giebt  dort  —  gelegentlich  der  zu  dem 
Abschnitt  „Scribenten  von  dem  heydnischen  Aberglauben  und  dessen  Stiff- 
tern"  („Der  Anleitung  Zur  Historie  der  Gelahrheit,  Andrer  Theil"  „Das 
in.Capitel.  Von  der  Pnevmatic  oder  Geisterlehre":  a1724  =  »1727  §  XXXIX. 
4 1737  §  XLII.),  sammt  dem  Original,  nachgetragenen  Gottsched' sehen  Ueber- 
setzung  (1780)  der  „Historie  der  heydnischen  Orakel"  Bernhard  v.  Fonte- 
nelle's  —  S.  173—175  eine  Biographie  Gottsched's  (bis  zum  Jahre  1734),  die 
gerade  über  seine  Studienzeit  einige  in  der  Weise  sonst  nicht  über- 
lieferte Einzelheiten  bietet  —  sodaß  man  glauben  möchte,  S.  werde  diese 
so  nur  durch  Gottsched  selbst  erfahren  haben  (wenigstens  im  Briefwechsel 
mag  er  wohl  mit  ihm  gestanden  haben:  Danzel  „Gottsched  und  seine  Zeit" 
1848  führt  freilich  nur  einen  Brief  Stolle's  an  S.  116  Anm.,  aus  dem  Jahre 
1730):  allerdings  könnten  gleich  die  ersten  Worte,  G.  erkenne  „Königsberg  in 
Preussen  vor  seine  Vaterstadt"  (Jahr  und  Tag  seiner  Geburt  sind  richtig 
angegeben)  wieder  daran  zweifeln  lassen. 

Gabriel  Wilhelm  Goetten  (Past.  zu  St.  Michael,  in  Hildesheim) 
„Das  Jetzt  lebende  Gelehrte  Europa,  Oder  Nachrichten  Von  Den  vornehmsten 
Lebens- Umständen  und  Schriften  Jetztlebender  Europäischer  Gelehrten r" 
„Der H. Theil"  Braunschweig  und  Hildesheim  1736  (Vorrede:  Den  18.  April  1736) 
[G.  erwähnt  im  Artikel  „Gottlieb  Stolle"  H,  S.  613—621  bereits  auch  die 
eben  genannte  Ausgabe  seines  Werkes  ans  dem  Jahre  1736]  enthält  S.  76—92 
eine  Biographie  Gottsched^  mit  darauf  folgender  Angabe  seiner  Schriften 
(bis  zum  Jahre  1735),   deren  Schlußabsatz  mit  den  Worten  beginnt:   „Ein 

8* 


1 16      Zu  J.  0.  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

Fremder  würde  weit  mehr  zum  Ruhme  dieses  Mannes  gesagt  haben,  als  ich 
wegen  der  Freundschaft  thun  können,  in  der  ich  mit  ihm  stehe'1  —  G.  wird 
wohl  also  seine  Nachrichten  bestimmt  von  Gottsched  selbst  haben,  zumal 
er  auch  schon  in  der  Vorrede  zum  I.  Theil  (der  Braunschweig  1736  erschien) 
ihn  unter  denjenigen  mitaufführt,  die  durch  „Mittheilung  und  Verschaffung 
allerley  diensahmen  Nachrichten"  seine  „Arbeit  befördert  haben",  und  ihn 
dann  auch  in  der  Vorrede  des  II.  Theils  unter  die  „Gönner"  rechnet,  an  die 
er  ihm  zugedachte  fernere  Mittheilungen  („zu  dem  III.  Theile"),  wenn  nicht 
an  ihn  selbst  oder  an  den  Verleger,  zu  senden  bittet.  Dieses  „dritten  Theils 
viertes  und  leztes  Stük"  Zelle  1740  brachte  übrigens  S.  801—803  auch 
einige  Zusätze,  aber  nur  zu  den  Litteraturangaben  des  obigen  Artikels. 

Jacob  Brück  er  (damals  noch  „V.  D.  M.  Oonsist.  Assessor  et  Scholarcha. 
in  S.  R.  I.  libera  civitate  Kaufbyrana"),  mehr  bekannt  als  Verfasser  einer 
„Historia  Critica  Philosophiae"  (1742  ff.)  etc.,  bringt  im  „Bilder-sal  heutiges 
Tages  lebender  und  durch  Gelahrheit  berühmter  Schrifft-steller,  in  welchem 
derselbigen  nach  wahren  Original-malereyen  entworfene  Bildnisse  in  schwarzer 
Kunst,  in  natürlicher  Aehnlichkeit  vorgestellet,  und  ihre  Lebens-umstände, 
Verdienste  um  die  Wissen  schafften,  und  Schrifften  aus  glaubwürdigen  Nach- 
richten erzählet  werden,  von  Jacob  Brucker,  der  königl.  Preuß.  Societät  der 
Wissenschafften  Mitglied  und  Johann  Jacob  Haid,  Malern  und  Kupffer- 
stechern.  Drittes  Zehend.  Augspurg,  bey  Job.  Jacob  Haid,  1744"  —  in 
Folioformat  —  als  (in  dem  Exemplar  der  hiesigen  Königl.  u.  Universitäts- 
Bibliothek)  siebentes  Bildnis  das  Gottsched's  („A.  M.  Wernerin  pinx.  I.  I.  Haid 
sc.  Aug.  Vind.")  und  dazu  (3  Blätter)  biographische  Nachrichten  über  ihn 
sammt  Aufzählung  seiner  Schriften  (bis  zum  Jahre  1743) :  da  er  in  der  Vor- 
rede auch  dieses  Zehends  hervorhebt,  daß  „die  Lebens-beschreibungen  der  ' 
Gelehrten  theils  aus  den  eingesandten,  theils  auch  öffentlichen  glaubwürdigen 
Nachrichten  seyen  verfertiget  worden",  im  Text  aber  „die  schäzbare  Freund- 
schafft, welche  ich  von  ihm  zu  geniessen  habe"  betont,  so  ist  bei  ihm  ge- 
wiß auch  anzunehmen,  daß  seine  Angaben  auf  einem  eigenen  Berichte 
Gottsched's  beruhen. 

Daniel  Heinrich  A  r  n  o  1  d  t  giebt  in  seiner ,  ,Historie  der  Königsbergischen 
Universität"  Königsberg  in  Pr.  1746  II.  Theil  S.  444  (in  dem  Abschnitt 
„Das  achtzehende  Gapitel.  Von  den  Schicksalen  dieser  Academie."  §  3. 
„Nachricht  von  einigen  aas  dem  Brandenburgischen  Prenssen  gebürtigen 
Gelehrten»  so  außer  ihrem  Vaterlande  sich  verdient  gemacht,  und  zwar  an- 
noch  leben":  Nr.  III.)  nur  kurze  Notizen  über  Gottsched's  Leben  und 
Schriften  bis  zum  Jahre  1723;  und  in  den  „fortgesetzten  Zusätzen"  1769 
S.  20  trägt  er  zu  dieser  Stelle  nur  das  Datum  seines  Todes  nach. 

Unter  den  „Vorreden  zu  Gottsched's  bedeutenderen  Schriften",  die 
M.  Bernays  so  allgemein  in  der  „Litteratur"  zu  seiner  (unten  auch  anzu- 
führenden) Biographie  Gottsched's  als  Quellen  bezeichnet,  scheint  eine  be- 
sonders interessante  und  benutzenswerthe  bisher  kaum  beachtet  worden  zu 
sein:  sein  Werk  „Erste  Gründe  der  gesammten  Weltweisheit,"  [II.]  „Prak- 
tischer Theil."    „Nebst   einem  Anhange   verschiedener   philosophischen  Ab- 


Von  Johannes  Reicke.  117 

handlangen,  und  einer  Vorrede  von  des  Verfassers  ersten  Schriften." 
„Sechste  verbesserte  Auflage."  Leipzig  1756  hat  eine  ausführliche  (19  Bl.  8. 
starke)  „Vorrede,  darinn  eine  Nachricht  von  des  Verfassers  ersten  Schriften, 
bis  zum  1734  sten  Jahre  enthalten  ist"  (datiert  „Leipzig,  den  lsten  des 
Herbstm.  [=  September]  1755"). 

Johann  August  Ernesti's  (seit  1742  Collegen  Gottsched' s  an  der  Uni- 
versität Leipzig),  des  bekannten  Philologen  und  Theologen,  „Memoria  Io. 
Christophori  Gottschedii"  habe  ich  nicht  nach  dem  Originaldruck*),  sondern 
nur  nach  dem  Abdruck  in  seinem  „Opusculorum  Oratoriorum  Novum  Vo- 
lumen" (herausgegeben  nach  seinem  Tode  von  [seinem  Vetter]  Io.  Christian. 
Theoph.  Ernesti)  Lipsiae  1791  p.  105—122  benutzt:  diese  offizielle  akade- 
mische Denkschrift  ist  „ein  Muster  von  Feinheit",  bemerkt  Danzel  Gottsched 
S.  146,  in  Lob  und  Tadel  des  kürzlich  verstorbenen. 

Bibliographisch  werthvoll,  mehr  als  die  Angaben  Johann  Christoph 
Adelung's  im  II.  Bande  der  „Fortsetzung  und  Ergänzungen  zu  Christian 
Gottlieb  Jochen  allgemeinen  Gelehrten-Lexico"  Leipzig  1787  Sp.  1543—1546 
und  die  Johann  Georg  Meu sei's  im  „Lexikon  der  vom  Jahr  1750  bis  1800 
verstorbenen  Teutschen  Schriftsteller"  IV.  Band  Leipzig  1804  S.  800-309, 
sind  bekanntlich  die  von  Karl  Heinrich  Jördens  in  seinem  „Lexikon 
deutscher  Dichter  und  Prosaisten"  IL  Band  Leipzig  1807  S.  212—249,  mit 
Nachträgen  im  VI.  Bande  1811  S.  242—246,  „gesammelten  Materialien" 
(vgl.  die  „Vorrede"  im  I.  Bande  S.  7):  an  Nachrichten  über  sein  Leben 
haben  alle  drei  Werke  nichts  neues  gebracht. 

Die  „Blätter  für  literarische  Unterhaltung"  Jahrgang  1839  I.  Band 
(Leipzig  F.  A.  Brockhaus:  Verantwortlicher  Herausgeber  Heinrich  Brock- 
haus) enthalten  in  Nr.  3  S.  11  f.  einen  kleinen  Beitrag  betitelt  „Ein  Brief 
des  Professors  Gottsched."  unterzeichnet:  127.  (d.  i.  nach  gefalliger  Aus- 
kunft des  Herrn  Verlegers  der  damalige  Stadtgerichtsdirector  Paul  Wigand 
in  Wetzlar  gewesen)  —  dieser  bringt  in  der  Einleitung  zu  dem  ganz  abge- 
druckten Briefe  Gottsched's  („Leipzig,  den  6.  Oct.  1743")  an  seinen  Bruder 
[Johann  Heinrich]  in  Kassel  einige  Stellen  aus  dieses  handschriftlich  hinter- 
lassener  Selbstbiographie,  die  dem  Einsender  (dessen  Großvater,  nach  vor- 
ausgehenden Nachrichten  über  im  Briefe  berührte  Familienverhältnisse,  eine 


*)  Dessen  Titel  lautet  nach  gütiger  Mittheilung  des  Herrn  Ober- 
bibliothekars an  der  Universitäts-  Bibliothek  zu  Leipzig  Dr.  J.  Förstemann: 
Memoriam  viri  amplissimi  atque  celeberrimi  Io.  Christophori  Gotschedii  lo- 
gices,  metaphysices  poeticesque  professoris,  alumnorum  principalium  ephori, 
Collegii  Princip.  majoris  collegiati  decemviri  convictu  publ.  collegioque 
Paullino  curando,  collegii  doctrinarum  Berol.  Bavar.  Maguntini  Augustani 
sodalis  etc.  de  literis  et  academia  nostra  praeclare  meriti  d.  Xu.  dec.  a.  C. 
MDCCLXVI.  rebus  humanis  exemti  common  dat  Rector  universitatis  liter. 
Ups.  (a.  E.:  P.  P.  Dom.  II.  p.  Epiph.  [=  16.  Jan.]  a.  C.  MDCCLXVIII. 
Lipsiae,  ex  officina  Breitkopfia.)  (XU  pag.  fol.),  —  sie  ist  also  nicht  „1767" 
(wie  Mensel,  Jördens,  Gräße  angeben)  erschienen. 


1  lg      Zu  J.  C.  Gottsched' s  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität 

Verwandte  der  Gottsched's  geheirathet  hatte)  auch  „in  Bezug  auf  die 
Lebensgeschichte  des  berühmten  Professors  Gottsched"  (bis  zu  seiner  An- 
kunft in  Leipzig  1724)  mittheilenswerth  erschienen  waren. 

Theodor  Wilhelm  Danzel  in  seinem  trefflichen  Werke  „Gottsched 
und  seine  Zeit"  Leipzig  1848  (die  „Zweite  wohlfeile  Ausgabe"  ebd.  1865  ist 
nur  Titelauflage)  hat  wesentlich,  wie  er  schon  auf  dem  Titelblatte  angiebt, 
„Auszüge  aus  seinem  Briefwechsel  zusammengestellt  und  erläutert",  so 
übrigens  „aber  Gottscheds  Bedeutung  noch  lange  nicht  erschöpft",  wie 
auch  Wilh.  Scherer  in  den  Anmerkungen  der  „Geschichte  der  Deutschen 
Litteratur"  (1.  Auflage  1888  S.  766)  hervorgehoben  hat:  D.  hat  eben  durch- 
aus keine  fortlaufende  Geschichte  seines  Lebens  und  seiner  Schriften,  die 
er  immer  nur  je  bei  Gelegenheit  erwähnt  und  bespricht,  geben  wollen, 
sondern,  wie  er  selber  sagt  (S.  6),  sein  Buch  zerfallt  „in  eine  Anzahl  Ab- 
schnitte, die  ungefähr  in  derselben  Reihe  aufeinander  folgen,  in  welcher 
sich  die  in  ihnen  behandelten  Interessen  in  Gottscheds  Lebensgange  nach 
einander  ergeben,  in  denen  dann  aber,  was  zu  diesen  einzelnen  Interessen 
in  Beziehung  steht,  bis  zu  Ende  durchgeführt  ist".  — 

Die  „Allgemeine  Deutsche  Biographie  .  .  .  herausgegeben  durch  die 
historische  Commission  bei  der  Königl.  Akademie  der  Wissenschaften"  (in 
München)  hat  im  IX.  Bande  Leipzig  Duncker  A  Humblot  1879  S.  497—606 
den  Artikel  „Gottsched"  aus  Michael  Bernays*  Feder  gebracht:  er  ist, 
dankenswerther  Weise,  mitabgedruckt  in  „J.  W.  von  Goethe.  J.  C.  Gott- 
sched. Zwei  Biographieen  von  Michael  Bernays"  ebd.  1880  („Vorbemerkung" : 
„im  October  1879")  S.  117-144.  - 

Seitdem  sind  mir  nur  noch  die  beiden  folgenden  Darstellungen 
bekannt: 

Die  „Deutsche  National-Litteratur  Historisch  kritische  Ausgabe  Unter 
Mitwirkung  von  ....  herausgegeben  von  Joseph  Kürschner"  brachte  [1883 1 
als  „42.  Band"  „Joh.  Christoph  Gottsched  und  die  Schweizer  J.  J.  Bodmer 
und  J.  J.  Breitinger  Herausgegeben  von  Johannes  Crüger"  Berlin  und 
Stuttgart,  Verlag  von  W.  Spemann  (=  „Bandausgabe  83"):  dessen  „Einleitung" 
(datiert:  Dezember  1882)  schildert  S.  XXII  ff.  Gottsched's  Leben  und  Wirken. 

Und  Max  Koch  hat  in  einem  Schriftchen  „Gottsched  und  die  Beform 
der  deutschen  Literatur  im  achtzehnten  Jahrhundert"  (Sammlung  gemein- 
verständlicher wissenschaftlicher  Vorträge,  herausgegeben  von  Bud.  Yirchow 
und  Fr.  von  Holtzendorff.  Neue  Folge.  Erste  Serie.  Heft  21.)  Hamburg 
1886  (32  S.  8.)  Gottsched  nach  Leben  und  Bedeutung  kurz  und  treffend  ge- 
zeichnet. — 

Solche  Berichte  und  gelegentliche  Angaben,  die  nur  für  einzelne  Punkte 
in  Frage  kommen,  werde  ich  jedes  Mal  an  ihrem  Orte  anführen. 

8)  Diese  allgemein  so  überlieferten  Daten  bestätigt  seine  eigene  An- 
gabe bei  der  Ode  im  IL  Theil  der  „Gedichte"  1751  S.  280—242:  „Als  der 
Verfasser  Sein  Fünfzigstes  Jahr  zurücklegte.  Den  2  Febr.  des  1760  Jahres"; 
aus  den  mir  selbst  in  Juditten  von  Herrn  Pfarrer  L.  Tackmann   —    wofür 


Von  Johannes  Beicke.  119 

ich  ihm  auch  hier  besten  Dank  sage   —   freundlichst  vorgelegten  Kirchen- 
büchern ist  nnr  der  5.  Februar  als  Tauflug  festzustellen:  s.  Anm.  7. 

4)  Er  selber  gebraucht  schon  die  heute  allein  übliche  Namensform  in 
der  Ode  „Auf  den  Qeburts-  und  Namenstag  Seiner  Aeltern"  7.  Sept.  1782: 

„Sey  gegrüßt,  beliebter  Wald! 

Grüner  Berg,  an  dessen  Grunde 

Dieses  Paar  den  Aufenthalt, 

Ja  sein  andres  Eden  funde. 

Sey  gegrüßt,  o  mein  Juditten! 

Wo  ich  einst  das  Licht  erblickt, 

Wo  in  frommen  Schäferhütten 

Mich  der  Mutter  Brust  erqvickt" 
u.  s.  w. 
(„Gedichte,  gesammlet  und  herausgegeben  von  Johann  Joachim 
Schwabe,  M.  A."  Leipzig  1786  S.  269  =  „Gedichte,  Bey  der  itzigen  zweyten 
Auflage  übersehen,  und  mit  dem  II.  Theile  vermehret,  nebst  einer  Vorrede 
ans  Licht  gestellet  von  M.  Johann  Joachim  Schwaben"  ebd.  1751  [I.  Theil] 
S.  197) ;  in  der  1726  für  seines  Bruders  Johann  Friedrich  „Denk-  und  Grab- 
maalu  verfaßten  Aufschrift  (nicht  in  Versen)  nennt  er  diesen  „gebohren  in 
Jadithenkirch"  („Gedichte"  1786  S.  343 =» 1,  641).  (Der  Bruder  Johann  Hein- 
rieh  übrigens  in  seiner  hinterlassenen  Selbstbiographie  hat  es  „Juditten"  ge- 
nannt.) Goetten  undBrucker  schreiben  „Judithen-Kirch"  resp.  „Judithen-kirch" 
(und  Ernesti:  „Natus  eft  in  villa  haud  proeul  a  Monte  regio  in  Pruffis, 
Iudithae  templum  loco  nomen  fecit"),  und  so  wird  denn  Gottscheds  Ge- 
burtsort überall  angegeben  (nur  daß  in  Goedeke's  „Grundrisz"  II.  Band  1859 
[=  „Zweite  Ausgabe"  1862]  S.  540  =  „Zweite  ganz  neu  bearbeitete  Auflage" 
LH.  Band  1887  S.  857  daraus  „Judithenkirchen"  geworden  ist).  Vergl. 
übrigens  über  den  Namen  der  Kirche,  und  dessen  Herleitung,  Ernst  Ludwig 
Storch  (damals  Pfarrer  zu  Juditten)  „Die  Kirche  und  das  Kirchspiel 
Juditten  im  Landkreise  Königsberg"  Königsberg  1861,   S.  4  ff. 

5)  S.  über  ihn:  Daniel  Heinrich  Arnoldt's  „kurzgefaßte  Nachrichten 
von  allen  seit  der  Reformation  an  den  Lutherischen  Kirchen  in  Ostpreußen 
gestandenen  Predigern".  Herausgegeben  von  Friedrich  Wilhelm  Benefeldt. 
Königsberg  1777  (Vorrede  S.  XI  als  „Presbyterologie"  bezeichnet)  [IL  Theil  | 
8.  25  u.  209;  Storch  a.  a.  0.  S.  48 f.;  und  Adolph  Kogge  „Die  Kirchen  des 
ehemaligen  Amtes  Balga"  Königsberg  1868  zu  S.  25—80:  „Die  Kirche  zu 
Balga"  die  Anm.  57  (S.  80  ff.):  Die  (17)  „zu  ermittelnden  evangel.  Pfarrer 
der  Kirche"  11. 

Christoph  Gottsched,  geb.  1668  am  7.  September  (so  nach  seines 
Sohnes  Gedichten;  Arnoldt  giebt  an:  5.  Sept.  —  doch  wohl  nicht  richtig, 
zumal  auch  das  Anm.  11  bemerkte  mitspricht)  zu  Königsberg,  hatte  hier  (1685 
25.  Aug.  immatriculiert)  Theologie  studiert,  und  war,  nachdem  er  als  „S.  S. 
TheoL  Stud.u  nach  seiner  eigenen  Angabe  (in  der,  noch  zu  nennenden,  von  ihm 
angelegten  Chronik  der  Kirche)  „Anno  1697  Dnica  Exaudi  war  der  19.  Maji" 
in  Juditten   „seine  Prob-Predigt"   gehalten  hatte  und  darauf  (Arnoldt:   den 


120       Zu  J.  C.  Gottsched 's  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

Freitag  vor  Pfingsten)  [24.  Mai]  ordiniert  worden,  (naoh  seiner  Angabe) 
„Dnica  II.  p.  TRIN:"  [16.  Juni]  als  Pfarrer  bei  dieser  Kirche  „introdu- 
ciret".  „Eodem  Anno  1697u  dann,  hat  er  selbst  in  das  —  von  mir  auch 
eingesehene  —  „Juditten  Kirchen  Hochzeit  Buch"  aus  jener  Zeit  eingetragen, 
„Domin :  III  p.  TRIN :  [28.  Juni]  sind  zum  erstenmahl  auffgeboten  der  Pfar- 
rer dieses  Orts  Christoff  Gottsched  mit  deßen  Jungfer  Braut  Anna  Regina, 
des  Wol  Ehrwürdigen  Vorachtbahren  v.  Wolgelahrten  Hrn.  Johann  Bieman- 
nen,  Woll verordneten  Pfarrern  v.  Seelsorgern  der  Christi.  Gemeine  zu  Grü- 
nau v.  Passarge  eheleib).  Jgfr.  Tochter,  v.  sind  alhie  d.  4  Juhj  copuliret"  — 
durch  wen,  und  Trauzeugen  sind  nicht  angegeben.  Ihr  ältester  Sohn  Johann 
Christoph  hat  seine  ganze  Jugend  bis  zur  Reife  für  die  Universität  (Ostern 
1714)  dort  in  Juditten  verleben  können ;  aber  im  Jahre  darauf,  hat  der  Vater 
in  die  Chronik  eingetragen,  „Anno  1715.  ward  ich  von  S.  K.  M.  wieder  alles 
vermuhten  nach  Balga  vociret,  daher  hielte  ich,  nach  dem  ich  dnica  XIX. 
p.  Trin.  [27.  October]  daselbsten  war  introduciret  worden,  alhie  dnica  XX.  p. 
Trinit.  [8.  November]  meine  Valet-Predigt".  Er  hat  dort  in  Juditten  das 
von  seinem  unmittelbaren  Amtsvorgänger  1696  angelegte  Urkundenbuch  der 
Kirche  (in  das  nach  einer  Anordnung,  giebt  Storch  S.  48  an,  „alle  alten  und 
neuen  Recesse,  Churfürstl.  Edikte,  Verabschiedungen  und  Amtsverordnungen, 
jedwedes  nach  dem  Datum  in  guter  Ordnung  reinlich  eingeschrieben  wer- 
den" sollten,  „damit,  wenn  ja  durch  irgend«  einen  Zufall  die  Originalia  von 
Henden  kommen  möchten,  die  Copien  dennoch  erhalten  werden  können")» 
betitelt  „Acta  Judith ensia  Darinnen  alle  Churfürstl iche  Verabscheidungen 
undt  Kirchen  Recesfen  enthalten  sehidt  vermöge  der  Verordnung  nach  dem 
Kirchen  Recesf  [hier  ist  Platz  wohl  für  das  Datum  dieses  Kirchenrecesses 
gelassen]  Anno  1696.  angeschaffet"  u.  s.  w.,  —  es  ist  noch  vorhanden  (nach 
Storch  „unter  dem  Namen  des  grünen  oder  des  Urkunden-Buches":  es  ist 
nämlich  ein  in  grüngefarbtes  Schweinsleder  gebundener  Foliant)  —  dieses 
hat  er  nicht  blos  weiter  geführt,  sondero  auch  gegen  das  Ende  in  den  Band 
eine  kurze  Chronik  eingetragen  (von  seiner  Hand  sind  7  Blätter;  Nachfolger 
haben  dann  auch  diese  fortgesetzt),  mit  dem  Titel  „Extract,  und  Kurtzer 
Inhalt,  alles  deßen,  Was  vorhin  biß  auff  diese  Zeit  bey  unser  Juditen  Kirch 
Denckwürdiges  pafsiret,  So  viel  man  auß  den  alten  Recefsen  und  Kirchen- 
Rechnungen  hat  abnehmen  können,  gesetzet  von  Christophoro  Gottscheden 
Pafbore  h.  1.  Anno  1698."  (welche  Chronik  übrigens  Storch  in  seiner  Schrift 
„vielfach  benutzt"  zu  haben  bekennt).  Als  Pfarrer  in  Balga  ist  er  1787  im 
April  gestorben  (Arnoldt). 

6)  Die  Mutter,  AnnaRegina  geb.  Biemann  (die  Angabe  der  „Blätter 
für  literarische  Unterhaltung"  1889 :  „geb.  Birmannin"  wird  wohl  nur  Lese- 
fehler des  Einsenders  oder  gar  nur  Druckfehler  sein),  ist  nach  Storch  „als 
Pfarrwittwe"  zu  ihrem  jüngsten  Sohne  Johann  Reinhold,  der  Hofgerichts- 
advokat in  Königsberg  war  —  er  war  der  einzige  da  zurückgebliebene 
Sohn  —  gezogen  und  hat  sich  nach  dessen  Tode  (1759:  s.  Anm.  7)  „in 
ihrem  Alter  eines  Zuschubs  ihres  ältoren  Sohnes"  'Johann  Christoph  zu  er- 
freuen gehabt,  aber,  berichtet  der  selbe,  sie  „lebte  dennoch  in  großer  Dürftig- 


Von  Johannes  Reicke.  121 

keit,  hatte  sich  zuletzt  zu  einem  Schneidermeister  in  Königsberg  in  die  Kost 
gegeben  und  erhielt  bei  ihrem  Ableben  1763  eine  freie  Beerdigung  in  hiesi- 
ger Kirche  [Juditten],  um  welche  sie  bereits  den  2.  Febr.  1756  gebeten 
hatte". 

Ueber  ihren  Vater  Johann  Biemann  (vgl.  „Erleutertes  Preußen" 
„Tomus  V."  [=  „Preußische  Merkwürdigkeiten,  .  . .  zur  Fortsetzung  des  Erleu- 
terten  Preußens  und  der  Actorum  Borussicorum,  herausgegeben  von  Einigen 
Liebhabern  der  Geschichte  des  Vaterlandes"]  Königsberg  1742  S.  727—804: 
„Verbessertes  Verzeichniß  der  Preußischen  Bischöffe  und  Evangelischen  Pre- 
diger zu  Königsberg  in  Preussen,  seit  der  Reformation  bis  auf  diese  Zeit. 
J.  [acob]  H.  [enrich]  L.  [iedert]"  S,  796  f.  (Vestung  Fridrichsburg) ;  Arnoldt's 
Prefibyterologie  „Der  erste  Theil  von  Königsberg" :  S.  80,  und  [IL  Theil] :  S.  214; 
Adolph  Rogge  „Die  Kirchen  des  ehemaligen  Amtes  Balga"  1868  zu  S.  41  bis 
43:  „Die  Kirche  zu  Grünau  und  Passarge"  die  Anm.  77  (S.  48  f.):  „Die  ev. 
Pfarrer'1  11.)  hat  Adolf  Rogge  interessante  Notizen  gebracht  in  einem  Auf- 
satze der  „Altpreußischen  Monatsschrift"  VII.  Band  1870  8.  Heft  S.  288—246: 
„Johann  Biemann,  der  Grossvater  Gottsched's".  Er  war  1640*)  (so  ver- 
bessert Rogge  1868  Arnoldt's  Angabe:  1639,  —  die  dieser  wohl  nur  aus 
der  Notiz  im  „Er! enterten  Preußen"  a.  a.  0.  S.  797,  er  sei  „83t.  79."  ge- 
storben, erschlossen  haben  mag)  24.  Juni  zu  Königsberg  geboren,  hatte  hier 
und  auf  auswärtigen  Universitäten  studiert,  war  1671  „D.  21.  p.  Tr."  als 
der  erste  Prediger  bei  der  neufundierten  Kirche  in  der  zu  Königsberg  ge- 
hörenden Festung  Friedrichsburg  introduciert  worden,  hatte  aber  1686  seine 
Demission  bekommen  —  Rogge:  „weshalb,  ist  nicht  zu  ermitteln",-  hatte 
während  einer  sechs  Wochen  langen  Vacanz  in  Wargen  1690  auf  91  (vgl. 
Arnoldt  [II.  TheilJ:  S.  85;  Rogge  giebt  ungenauer  nur  das  Jahr  1691  an) 
mit  großem  Beifall  vicariert  und  war  dann  1691  (Rogge  1868:  sein  Anstel- 
lnngsdekret  ist  vom  20.— 80.  Oktober  datiert)  Pfarrer  der  Kirche  in  Grünau**) 
und  Passarge  (im  Kreise  Heiligenbeil)  geworden :  da  hat  er  sich  „wie  durch 
Lehre  und  Leben,  also  auch  durch  Auf  bauung"  eines  neuen  „schönen  Gottes- 
hauses" in  Grünau  „um  die  Gemeine  Gottes"  „wohl  verdient  gemacht" 
(Citat  bei  Rogge  1870:  S.  285),  und,  nachdem  er  schon  1707  (laut  Verf.  d. 
d.  13.  Juni)  an  einem  andern  Schwiegersohne,  Joh.  Friedrich  Sartorius,  einen 
(im  Aug.  1707  eingeführten)  Adjunkten  (nach  seinem  Tode  (12.)  Pfarrer:  vgl. 
Rogge  1868  S.  44)  erhalten,  hat  er  seine  letzten  Jahre  als  „wohl  emeritirter 
Pfarrer  und  Senior"  in  Grünau  gelebt:  1718  am  19.  Dec.  ist  er  gestorben. 
Auf  das  ,, Wesen  und  Wirken"  dieses  Mannes,  der  allerdings  „ein  Geistlicher 
von  nicht  gewöhnlichen  Gaben  gewesen"  zu  sein  scheint,  finde  ich  nicht 
Grund  mit  Rogge  hier  näher  einzugehen,  da  dessen  Annahme  (1870:  S.  246) 
„Die  Muße,    welche   ihm  in  den  letzten  Lebensjahren   verstattet   war,    mag 


*)  Das  ,,1646"  seines  Aufsatzes   in    der   Altpreußischen  Monatsschrift 
1870  S.  234  wird  wohl  ein  Druckfehler  sein. 

**)  Die  „Blätter  für  literarische  Unterhaltung"  1839  haben  wieder  un- 
richtig überliefert:  „Gronau", 


122      Zu  J.  C.  Gottsched^  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

ihm  die  Beschäftigung  mit  seinem  lernbegierigen  Enkel  erleichtert  haben 
und  dieser  mag  im  Umgange  mit  dem  geistesfrischen  Großvater  das 
Gegengewicht  für  die  ernsten  Studien  gefunden  haben,  zu  denen  ihn  sein 
gelehrter  Vater  anhielt4'  in  allen  Punkten  auf  sich  beruhen  muß:  es  findet 
sich  dafür  kein  Zeugnis,  auch  nicht  einmal  eine  Andeutung  in  der,  später 
im  Text  noch  von  mir  zu  erwähnenden,  Leichenrede  Gottsched's  auf  den 
Großvater  (1719  2.  Januar).  Und  auch  die  Vermuthung  Rogge's,  daß  der 
Sohn  vom  Vater  „die  Statur,  des  Lebens  ernstes  Führen41  gehabt,  die  Mutter 
aber  in  ihm  „manche  Gabe  geweckt,  die  dieser  später  zur  Geltung  brachte, 
daß  aber  namentlich  sein  Großvater  mütterlicherseits  seine  Vorliebe  für 
Poesie  und  Geschichte  direct  oder  durch  Vermittelung  seiner  Mutter  auf 
ihn  vererbt  habe"  —  die  Rogge  durch  seinen  Aufsatz  zu  begründen  sucht  — 
thut  wohl  allen  dreien  zu  viel  Ehre  an.  Gottsched  selbst,  wie  sogleich  im 
Text  anzuführen,  war  sich  bewußt  bis  zur  Universität  durchaus  alles  nur 
seinem  Vater  zu  verdanken. 

7)  Die  „sechs  Kinder,  als  zwei  Schwestern  und  vier  Brüder",  wie  die 
Selbstbiographie  Johann  Heinrich  Gottsched's  angiebt,  waren  alle  injuditten 
geboren:  nämlich  —  nach  dem  von  mir  eingesehenen  „Juditten  Kirchen 
TaufF-Buch"  aus  jener  Zeit  —  1698  Dorothea  Loysa  (getauft  „Dnica  IV.  p. 
Trinit:"  [=22.  Juni]  „von  Hrn.  Christoff  Zeidlern  Diacono  Rosgarten  fi" :  unter 
ihren  Pathen  erscheint  auch  die  Großmutter  „Catharina  Biemannin  Pfarrin 
zu  Grünau'1); 

1700  Johann  Christoph:  getauft  „D.  5.  Februarij  als  Freitags 
DnicsB  IV  p.  Epiphan."  „vom  Hrn.  M.  Andrea  Meyern  Paftore  Nev-Steind." 

—  vierzehn  Pathen  werden  aufgeführt  (da  ich  einige  Namen  nicht 
sicher  habe  lesen  können,  theile  ich  sie  hier  nicht  alle  mit),  unter  ihnen 
ein  Herr  von  Köder  bestimmt  nicht,  wohl  aber  „Hr.  Licent.  Johan  Gott- 
sched11: damit  wird  wohl  der  (nach  Arnoldt  Historie  der  Königsb.  Univers. 
1746  II,  330  f.)  1668  im  Juli  zu  Königsberg  geborene,  seit  1694  (4./II.) 
„Medicinae  Licentiatus"  Johann  Gottsched  gemeint  sein,  der  allerdings 
nach  Arnoldt  seit  „demselben  Jahre"  1694  auch  schon  Professor  extraordinarius 
Medicinae  an  der  Universität  Königsberg  war,  aber  erst  1701  14./VII. 
Medicinae  Doctor  und  Professor  Physices  Ordinarius  und  1702  10./I.  Magister 
daselbst  wurde,  bekannt  als  Verfasser  einer  „Flora  Prussica,  sive  Plant» 
in  regno  Prussise  sponte  nascentes"  (1703),  —  zumal  auch  Stolle  berichtet: 
„Gottsched's  Pathe"  sei  „sein  Vetter,  der  in  Pbysicis  und  Botanicis  berühmte 
Doctor  und  Prof.  Gottsched"  gewesen  (Goetten  meldet  nur:  „Auch  das 
Exempel  seines  berühmtes  Vetters  Hrn.  D.  Joh.  Gottsched's,  der  Prof.  Med. 
&  Phyf.  Ord.  zu  Königsberg  gewesen,  hat  ihm  iederzeit  zu  einem  Sporn 
gedienet,  etwas  rechtes  zu  erlernen :  obwohl  ihm  selbiger  zu  zeitig  gestorben" 

—  nämlich  schon  1704  am  10.  April;  Brucker  erwähnt  ihn  überhaupt  nicht) ; 

1702  Anna  Regina  (getauft  „d.  31.  Januar:  als  Dienstag  p.  IV.  Epiph:") ; 

1704  Johann  Friedrich:  geboren  Dach  Joh.  Christoph  Gottsched's 
Angabe  in  der  Aufschrift  für  sein  Epitaph  (vgl.  Anm.  4)  „den  18  Merz", 
getauft  „Fer:  III.  Paschat.  War  der  25.  Mart.lt; 


Von  Johannes  Reicke.  128 

1706  Johann  Heinrich:  gehören  nach  seiner  eigenen  Angabe  in 
der  Selbstbiographie  den  9.  August,  als  „der  Ordnung  nach  das  fünfte" 
Kind,  getauft  „d.  18.  Augusti  alß  Freytags  DNJCAE  X  p.  TRIN:"; 

1710  Johann  Reinhold:  getauft  „d.  16.  Junij  als  Montags  p.  Fefb: 
TRIN:". 

(Uebrigens  sind  diese  vier  jüngeren  Geschwister  Gottsched's  sämmt- 
lich,  wie  die  älteste  Schwester,  vom  Diacon.  Rosgart.  Christoph  Zeidler  ge- 
tauft worden.) 

Ueber  die  Brüder  wird  im  Texte  seiner  Zeit  zu  berichten  sein;  über 
die  beiden  Schwestern  weiß  ich  nichts  weiter  festzustellen:  sie  waren,  als 
Johann  Heinrich  seine  Selbstbiographie  aufsetzte,  gleich  dem  Bruder  Johann 
Friedrich  (f  1726)  bereits  „gestorben"  und  so  schrieb  er  eben  damals  hin: 
„es  sind  mit  dem  Professor  in  Leipzig  und  dem  Hofgerichtsadvocaten  in 
Königsberg*),  nur  wir  Drei  noch  am  Leben". 

8)  So  berichtet  der  Sohn  Johann  Heinrich  in  seiner  Selbstbiographie. 

9)  Schon  Goetten  II,  77  citiert  diesen  Vers. 

10)  „Gedichte"  1736  S.  498-602:  a  1751  I,  411-415. 

11)  „Gedichte"  1736  S.  267-272:  *  1751  I,  195-200. 

„Beydes  fallt  auf  einmal  ein, 

Und  verdoppelt  mir  die  Freude" 
singt  er  an  einer  Stelle  dieser  Ode:  nämlich  der  7.  September,  der  Geburts- 
tag seines  Vaters,   fuhrt  im  Kalender  den  Namen  „Regina",    war  also  zu- 
gleich Namenstag  seiner  Mutter. 

„Sonst  besang  ich  eins  allein, 
Itzt  verehr  ich  alle  Beyde" 
fahrt   er    fort:   dazu   möchte   ich   bemerken,   daß   Gedichte  etwa  auf  seiner 
Mutter  Geburtstag  ich  nicht  nachweisen  kann,  und  ein  Grund  für  sein  dies- 
mal  anders   handeln  als  „sonst"  nicht  ersichtlich  ist  —  es  müßte  denn  nur 
der  sein,  daß  er  dies  Zusammentreffen  „sonst"  nicht  bemerkt  hat. 

12)  2.  Auflage  1751  I,  198  ebenso  (übrigens  aber  in  der  nächsten 
Zeile  hat  sie  „Markgraf1).  (Dagegen  das  „Lobgedicht"  im  II.  Theile  1751 
S.  345—870:  „Das  erhöhte  Preußen,  oder,  Friedrich  der  Weise.  Seinem 
werthen  Vaterlande,  zu  dem  den  18  Jäner  1751  eingefallenen  fünfzig- 
jährigen Andenken  seiner  Erhebung  zur  königlichen  Würde,  gewidmet." 
singt  (S.  359)  von  dem  „Berg,  dem  Ottokar,  (1)  vor  fünfthalb-hundert  Jahren 
Den  Königsnamen  gab",  und  zwar  mit  der  gelehrten  Anmerkung  dazu:  „(1) 
Königsberg  hat  den  Namen  vom  Könige  Ottokar  aus  Böhmen,  der  im 
1255 sten  Jahre  mit  einem  Heere  von  60000  Mann,  dem  Orden  in  Preußen  zu 
Hülfe 'gezogen,  und  die  Provinz  Samland  bezwungen:    auf  welcher  er  denn 


*)  Die  hier  im  Abdruck  der  „Blätter  für  literarische  Unterhaltung" 
in  Parenthese  hinzugefügte  Angabe  „(Reinhold,  gestorben  1759)"  dürfte, 
eben  um  der  obigen  Worte  willen,  wohl  als  Zusatz  des  (oben  in  Anm.  2 
genannten)  Einsenders  anzusehen  sein. 


124      2fo  J.  C.  Gottsched^  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

den  Grund  zu  einem  Schlosse  nah  am  Pregelstrome  gelegt,  um  dadurch 
das  Land  im  Zaume  zu  halten.  Ihm  zu  Ehren  hat  der  Orden  demselben, 
und  der  dabey  hernach  erwachsenen  Stadt,  den  Namen  Königsberg  ge- 
geben. Siehe  Hrn.  M.  Chrift.  Bernh.  Gotlfchedii*)  Differt.  de  Ottocaro 
Regiomonti  Conditore.    Lipf.  1722.    4.")- 

13)  „Gedichte"  17B1  IL  Theil  S.  230-242. 

14)  Dieses  Datnm  hat  schon  M.  Bernays  1879  gebracht  (gewiß  auf 
Grund  der  ihm,  nach  seiner  Angabe  in  der  „Litteratur"  am  Ende  der  Bio- 
graphie Gottsched's,  durch  die  Güte  Hrn.  Geheimraths  Prof.  Dr.  L.  Friedländer 
hier  gewordenen  „Mittheilungen  aus  den  Acten  der  Königsberger  Uni- 
versität"). Da  ich  das  „Albvm  Givivm  Academiae  Regiomontanae  sive 
Matricvla  Academica"  selbst  habe  einsehen  dürfen,  so  führe  ich  die 
(in  dessen  „Parte  Secvnda"  auf  p.  370)  Anno  MDCCXTV.  Mense  Martio  19. 
gemachte  Eintragung  hier  genau  an:  „Johannes  Christophorus  Gottscheed 
Juditta  Prufs.  fbipul."  —  das  bedeutet  „ftipulatus  est  manu"  =  ,er  ist  nur 
durch  Handschlag  verpflichtet  worden*  (nach  Arnoldt's  Historie  der  Königsb. 
Univers.  I.  Theil,  „Beylagen"  S.  149:  nämlich  die  daselbst  als  Num.  47. 
S.  136—165  abgedruckten  „Statuta  Acad.  Regiomontanae  de  A.  1564."  ent- 
halten im  Cap.  XIV.  nach  dem  „Sacramentum  folenne,  quod  Rectori  dari 
folet"  noch  die  Bestimmung  „Cum  autem  Jurisjurandi  Angularis  religio 
neque  profananda  effe  videatur,  cumque  multi  pueri  83 täte  et  animo 
imbecilli  atque  imprudenti  adduci  ad  hanc  Prof ef (Tonern  nominis  foleant, 
qui  pueri  adhuc  fuerint,  ftipulata  manu  eos  promittere  jubebit  Rector  reci- 
tata  Capita,  monebitque  Jurisjurandi  hanc  promiffionem  loco  accipi,  ut  me- 
minerint  fe  juratos  effe,  cum  primum  qu»  religio  jurisjurandi  fit  intelligere 
coeperint.  Sed  et  aliis  in  promiffionibus  folennis  jurisjurandi  fanctitas,  niii 
re  flagitante,  non  ufurpabitur,  at  ftipulatione  res  peragetur.") ;  „gratis" 
übrigens,  wie  andere  von  dem  selben  Rector,  ist  Gottsched  nicht  immatri- 
culiert  worden  (was,  nach  Arnoldt  I,  S.  286  und  „Beylagen"  S.  149,  auf 
Grund  der  eben  angeführten  „Statuta"  Cap.  XV.  unter  anderm  auch  dann 
gestattet  war  wenn  „quis  in  miniilerio  verbi  Divini  publico  verfetur,  ac 
Alis  eam  mercedem  condonari  precetur"). 

15)  Wann  er  aber  bei  der  Theologischen  Facultät  inscribiert  worden, 
ist  nicht  festzustellen:  deren  vorhandene  Verzeichnisse  reichen,  nach  gütiger 
Mittheilung  ihres  vorigen  Herrn  Decans,  nicht  bis  auf  jene  Zeit  zurück. 

16)  Brucker  durfte  sich  ja  rühmen  selber  beides  zu  sein! 

17)  Ernesti  sagt:  „miffus  in  vicinam  Academiam,  vfus  eft  praece- 
ptoribus,  in  humaniori  quidem  difciplina  et  Philofophia,  Gerkio  [sie!], 
Rhodio,  Meiero,  Henrico  Sandio,  Kreufchnero,  Fifchero,  Bla- 
fingero  [sic!J,  Strimefio,  Raftio  et  Behmio,  in  literis  hebraicis, 
Hahnio   et  Wolfio,    in  Theologia  denique,    Quandio,    Sandio,    Lang- 


*)  Dieser  war  nach  Arnoldt's  „fortges.  Zusätzen  zu  s.  Historie  der 
Königsb.  Universität"  1769  S.  138  ein  Sohn  des  (in  Anm.  7  erwähnten) 
Professors  Johann  Gottsched. 


Von  Johannes  Reicke.  126 

hanfio,  Lyfio,  Mafecovio  et  Lilienthalio"  —  offenbar  nach  Brucker's 
Angaben. 

Gottsched  selbst  hat  sie  1727,  Übrigens  nicht  alle  oben  genannten, 
in  den  folgenden  Versen  jenes  Sendschreibens  an  seinen  Vater  zum  7.  September 
aufgeführt  („Gedichte"  1736  S.  501 :  2  17B1  I,  413  f.) : 

.,0  wie  war  ich  hier  geneigt,  meine  Lehrer  zu  erheben! 

Doch  dieß  Blatt  erlaubt  mir  kaum  ihre  Namen  anzugeben; 

Rohde,  Gehrke,  Bläsing,  Meyer,  Sanden,  Fischer,  Gregorov, 

Kreu8chner,   Liljenthal  und  Langhans,   Hahn  und  Qvandt 

und  Masecov, 

Pietsch  und  Rast,   euch   weis   ichs  Dank,   daß   mich   euer  kluges 

Wissen 

Aus  des  Unverstandes  Nacht  an  der  Weisheit  Licht  gerissen. 

Hier  erfüllet  meine  Feder  mit  Vergnügen  ihre  Pflicht, 

Wollt  ihr  mich  noch  mehr  verbinden ;  schämt  euch  eures  Schülers  nicht ! 

Wird  die  späte  Welt  dieß  Blatt  unter  meinen  Liedern  lesen, 

Soll  sie  euch  zum  Ruhme  sehn,  wessen  Lehrling  ich  gewesen." 

Vielmehr  ihm  zum  Ruhme  ersieht  die  Nachwelt  daraus,  wie  umfassend 
seine  hiesigen  Studien  gewesen  sind.  (Ueber  Pietsch  übrigens,  der  hier, 
aber  nicht  in  den  obigen  Angaben  der  andern  vorkommt,  wird  an  späterer 
Stelle  genauer  zu  berichten  sein.) 

18)  Vermuthungs weise,  auf  seine  eigenen  und  die  fremden,  doch  so 
allgemein  gehaltenen,  Zeugnisse  hin,  im  einzelnen  festzustellen,  worüber  etwa 
in  jedem  Semester  er  bei  all  diesen  seinen  akademischen  Lehrern  Collegia 
gehört  haben  mag,  ein  solcher  Versuch  dürfte  wohl  unausführbar  sein :  ein- 
mal führen  die  gedruckten  Vorlesungsverzeichnisse  aus  jenen  Jahren  nur  die 
„Profeesores  Academiae  Regiomontanae",  die  ordentlichen  und  die  außer- 
ordentlichen, auf,  die  Magistri  legentes  —  zu  ihnen  gehörten  aber  von  Gott- 
scheds oben  genannten  Lehrern  mehrere  (unter  denen  nur  drei  während  sei- 
ner Studienzeit  in  Professuren  aufrückten) :  Rohde,  Meyer,  Kreuschner,  Rast, 
auch  Behm,  und  Lilienthal  —  sind  erst  seit  dem  Wintersemester  1770/71 
darin  mitaufgenommen,'  und  zudem  sind  die  Angaben  in  jenen  Verzeichnissen 
manchmal  so  allgemein  gehalten  oder  auch  andererseits  der  angekündigten 
Vorlesungen  so  viele,  daß  es  nachgerade  unmöglich  bleiben  muß  daraus  nur 
einigermaßen  wahrscheinliche  Ergebnisse  erzielen  zu  wollen. 

19)  Doch  lebte  allerdings  —  offenbar  auch  schon  während  seiner  hie- 
sigen Universitätsjahre  —  in  Königsberg  ein  Bruder  des  Vaters  (s.  P.  Wigand 
in  den  Vorbemerkungen  zu  dem  Briefe  Gottsched's :  Blätter  f.  liter.  Unterhaltg. 
1889  I,  S.  11  f.)  als  Buchbinder  in  der  Altstädtischen  Langgasse  (nach  dem 
da  mitgetheilten  Briefe  J.  C.  Gottsched's  an  seinen  Bruder  Johann  Heinrich 
aus  dem  Jahre  1743). 

20)  vgl.  Arnoldt,  Historie  d.  Königsberg.  Universität  I,  808  ff:  „Von 
dem  communi  Convictorio". 

21)  vergl.  ebd.  I,  824  ff:  „Von  denen,  so  auf  dem  academischen  Collegio 
logiren"  n.  II,  46  f. 


126      Zu  J-  C-  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

32)  vergl.  ebd.  I,  276  ff:  „Von  dem  Alumnat".  Ob  übrigens  den  Alu- 
mnen auch  damals  noch  überdies  „ein  gewißes  an  Oelde  gereichet  ward",  ist 
aas  seiner  Darstellung  nicht  zu  ersehen :  Arnoldt  sagt  S.  908  nur,  „ehemals" 
sei  es  geschehen. 

23)  Arnoldt  If  262  ff.  (Das  neunte  Capitel). 

24)  Arnoldt  I:  „Beylagen"  Num.  92.    8.  458—468. 

25)  Arnoldt  I,  880  ff:  „Von  dem  Oberinspector". 

26)  ebd.  387  ff:  „Von  dem  Subinspector". 

27)  Nach  der  ursprünglichen  Einrichtung  (Lex  III:  De  Ordinibus  ac 
Stipendiis  Alumnorum)  wurden  „ehemals"  die  Alumnen  „zu  desto  größerer 
Aufmunterung  in  drei  Classen  getheilt :  in  der  ersten  waren  die,  so  sich  vor 
andern  hervorgethan,  und  es  weiter  als  die  übrigen  gebracht  hatten,  in  der 
zweiten  die,  so  denselben  am  nächsten  kamen,  und  in  der  dritten  die  jüng- 
sten und  schwächsten"  (Arnoldt  I,  908). 

28)  Er  hat  in  die,  von  ihm  selbst  herausgegebene,  Zeitschrift  „Acta 
Borussica"  „Des  III.  Bandes,  Sechstes  Stück"  Königsberg  u.  Leipzig  1732 
einen  Aufsatz  (mit  seinem  Bilde  voraus)  S.  787 — 857 :  „M.  Michael  Lilienthals 
Leben  und  Schriften"  eingerückt,  in  dem  er  gemächlich  Jahr  für  Jahr  (bis 
1732:  einige  aufgeführte  Drucke  tragen  freilich  auch  schon  die  Datierung 
„1739")  über  sich  berichtet;  daran  schließt  sich  dann  in  der,  auch  von  ihm 
herausgegebenen,  Zeitschrift  „Erleutertes  Preußen"  „Tomus  V."  (=  „Preußische 
Merkwürdigkeiten"  etc.)  „Zwölftes  Stück"  Königsberg  1742  S.  857—871  [so 
wäre  zu  lesen  statt  des  durch  irrthümliche  Zählung  dafür  gedruckten  „381"] 
seine  „Fortgesetzte  Nachricht,  vom  Leben  und  den  Schrifften  M.  Mich. 
Lilienthals"  und  zwar  zunächst  S.  857  f :  „Corrigenda  &  Addenda"  „ad  Tom. 
III.  Actor.  Boruss."  und  dann  S.  859  ff:  Anno  1733.  bis  A.  1742. 

29)  Dies  Diaconat  bekleidete  er  von  1715  bis  1719  (er  hat  übrigens  in 
dieser  Stellung  1716  eine  „Historische  Beschreibung  des  Thums,  oder  der 
Cathedral-Kirchen  der  Stadt  Kneiphoff  Königsberg"  veröffentlicht);  zu  Ende 
des  Jahres  1719  folgte  er  dann  aber  einem  Rufe  als  Diaconus  [nicht:  Pfar- 
rer] bei  der  Alt  städtischen  Gemeinde.  1727,  giebt  er  an,  wurde  ihm  daneben 
von  dem  Magistrat  der  drei  Städte  Königsberg  die  Inspection  der  Raths- 
Bibliothek  [jetzt:  Stadtbibliothek]  aufgetragen,  und  auch  sie  hat  er  bis  zu 
seinem  Tode  verwaltet.  Er  starb  am  23.  Januar  1750.  Neben  seinen  Amts- 
geschäften hat  er  immer  Zeit  gefunden  für  eine  überaus  fleißig  betriebene 
Schriftstellerei  auf  theologischem  Gebiete  und  dem  der  Geschichte  unseres 
engeren  Vaterlandes. 

30)  Daß  Gottsched  in  der  angeführten  Stelle  der  „Vorrede"  vom  Jahre 
1755  eigenthümlicher  Weise  gerade  ihn  als  „Prof.  Lilienthalen"  aufführt, 
findet  in  folgenden  Umständen  seine  Erklärung:  als  einfachen  Magister  mochte 
er  ihn  damals,  bereits  nach  seinem  Tode,  nicht  bezeichnen  wollen,  der  theo- 
logische Doctortitel  aber  kam  ihm  nicht,  wie  den  andern  da  genannten 
Theologen,  zu:  er  hatte  1717  bei  Gelegenheit  des  Evangelischen  Jubel- 
festes „solchen  Graduni"  auch  anzunehmen,  wie  er  selbst  erzählt,  „nicht 
resolviren  mögen4',-   wohl  aber  hatte  ihm   1733   „die  Bußisch  - Kayserliche 


Ton  Johannes  Beicke.  127 

Academie  der  Wissenschaften  zu  Petersburg"  „die  Ehre  gethan"  ihn  „als 
ein  Mitglied  in  ihre  gelehrte  Societät  zu  recipiren,  und  zu  einem  Profeßbre 
Honorario  zu  declariren"  —  so  durfte  G.  ihn  wohl,  da  er  ihn  im  Zusammen- 
hange als  Diaconus  doch  auch  nicht  wird  haben  bezeichnen  wollen,  durch 
den  Professortitel  besonders  auszeichnen.  (Später  war  übrigens  ein  jünge- 
rer, dieses  älteren  Lilienthal's  Sohn,  D.  Theodor  Christoph  Lilienthal  wirklich 
an  der  hiesigen  Universität  Prof.  Theologie  e  (1744  extraordinarius ,  1751 
Ordinarius)  geworden:  er  ist  aber  erst  1717  geboren.) 

31)  Lilienthal  berichtet  nämlich  folgendes  über  das  Jahr  1722: 
„Weilen  nun,  als  letzter  Diaconus,  mit  Ambts- Verrichtungen  nicht  eben  viel 
zu  thun  hatte,  so  entschlösse  mich,  der  ftudirenden  Jugend  zu  Nutz,  Ao.  1722. 
ein  Prediger-Collegium  zu  halten,  und  ihnen  darinn  Oonßlia  homiletica  und 
Monita  Pafturalia  zu  ertheilen,  auch  die  fontes  und  fubfidia,  woraus  andre 
ohne  Ursach  Arcana  machen,  aufrichtig  anzuzeigen.  Dieses  Collegium  haben 
nicht  nur  Studio/!  Theologiee  in  grosser  Anzahl,  sondern  auch  Candidati 
Minifterii  frequentiret,  von  welchen  viele  itzo  in  Bedienungen  stehen,  und 
durch  ihre  Zuschrift;  bezeuget  haben,  das  diese  Arbeit  an  ihnen  nicht  un- 
geseegnet  gewesen  sey".  Dieses  Collegium  könnte  ja  vielleicht  auch  Gott- 
sched noch  besucht  haben. 

Ob  aber  M.  Bernays  mit  Recht  diesen  Lilienthal  so  besonders  als 
Theologen  auszeichnet,  indem  er  sagt:  Gottsched  habe  „mit  der  Gottes- 
gelahrtheit  sich  nur  oberflächlich  befreunden"  können  „obgleich  er  einen 
Mann  wie  den  älteren  Lilienthal  unter  seinen  Lehrern  fand",  weiß  ich  nicht 
zu  sagen. 

92)  Sein  Leben  schildert  ausführlich  die  akademische  Denkschrift  bei 
seinem  Tode  im  Jahre  1727 :  „Viri,  et  natvrae,  et  solertiae,  et  fortvnae  facvl- 
tatibvs,  nobilissimi,  praecellentissimi,  amplissimi,  M.  Ioannis  Iacobi  Rohdii, 
Logic,  et  Metaphys.  Profes.  Ord.  tarn  mvneris  bene  gesti  meritis,  qvam 
editis  Ivcvlenter  operibvs,  domi  forisqve  clarissimi,  Obitvm,  qvo,  IV.  Non. 
Ivl.  An.  MDCCXXVII.  mortalis  desiit  esse  doctor,  discipvlvs  factvs  immor- 
talis,  ivsta  lavdvm  commemoratione  hac  pvblice  proseqvvntvr,  Rector  et 
Senatvs  Regiae  Academiae  Regiomontanae.  Regiomonti,  Litteris  Revsne- 
rianis."  (10  BL  fol.)  unterzeichnet  „I.  A."  =  Johann.  Amsel,  D.  Prof.  Jur. 
Ord.  Primär,  h.  t.  Acad.  Rector  —  sie  enthält  auch  ein  Verzeichnis  seiner 
Schriften;  kürzer  gefaßt,  aber  ganz  nach  dieser,  ist  der  „Lebens-Lauff" 
(S.  26—29)  in:  „Nehemiä  demüthiges  Memorial  zu  GOtt,  um  sein  gnädi- 
ges Andencken,  Hat  Aus  Nehem.  XIII,  31.  Bey  vornehmer  Leich-Begäng- 
niß  Des  Hoch-Edlen,  Hoch-Achtbahren  und  Hoch-Gelahrten  Herrn  Johann 
Jacob  Rohde,  Metaph.  &  Logices  Professoris  Ordin.  auf  hiesiger  Königl. 
Academie,  Als  Derselbe  den  12.  Julii  des  1727.  Jahres  in  hiesiger  Pfarr- 
Kirche  beerdiget  worden,  folgenden  Tages  war  der  V.  Sonntag  nach  Trini- 
tatis,  Bey  Volckreicher  Versammlung  in  einer  Predigt  vorgestellet  Und  auf 
Verlangen  herausgegeben  Johann.  Christoph.  Netze,  Diaconus  bey  der  Löb- 
nichtschen  Pfarr-Kirche.  Königsberg,  gedruckt  in  der  Königl.  Hoff-  und 
Academischen  Bnchdruckerey."    (Titbl.,  80  S.  fol.) 


128      Zu  J.  0.  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

Auf  jenem  „Universitäts  Programinate,  so  bey  seinem  Begräbnis  an- 
geschlagen worden'4  beruhen  auch  offenbar  die  Biographie  und  Schriften- 
angabe in  Alexander  Nicolaus  Tolckemit's  „Elbingscher  Lehrer  Gedächtniß, 
Das  ist:  Leben  und  Schriften  aller  Evangelischen  Lehrer,  die  seit  der  Re- 
formation an  den  sämmtlichen  Kirchen,  wie  auch  an  dem  Gymnasio  in 
Elbing  gelehret,"  etc.    Danzig  1758  S.  310—812. 

83)  Der  Tag  ist  in  dem  Druck  nicht  angegeben. 

34)  In  seinen  Disputationen,  wie  sie  die  officielle  lateinische 
Biographie  in  einer  Anmerkung  —  und  nach  ihr  Tolckeinit  —  der  Reihe 
nach  auffuhrt,  werden  sehr  verschiedene  Gegenstände  behandelt,  insbesondere 
in  einigen  philosophische,  in  anderen  rein  historische  Fragen,  —  übrigens 
aber  in  keiner  ein  Thema  aus  der  „Dichtkunst11  oder  der  „Redekunst". 

(Berichtigend  möchte  ich  hier  noch  erwähnen,  daß  er  seine  Rede  auf 
Friedrich  I.    1713   in   Jena   nicht,   wie   ich    oben   S.   80 ,   den   Biographen 
folgend  (Amsel:   „Dominica   Misericordias   die,    qua   ejusdem   regium  funus 
Berolini  publice  peragebaturu  und  Netze:  „am  Sonntage  Mifericordias  Domini"), 
angegeben  habe,  den  30.  April,   sondern   am   darauffolgenden  Montage,  den 
1.  Mai   gebalten   hat:   nur   die    Ankündigung   des   Traueractus   durch   den 
„orator"    der   Universität,    „Panegyricvm   Fvnebrem    .  .  .   Friderici    Regia 
Borvssiae  ....    gloriosis   manibvs   sacrvm   rite   indicit   loannes  Caspar 
Posner  Eloqventiae  Professor.    Ienae,  Literis  Mvllerianis."   (2  Bl.  fol.)   ist 
datiert  „P.  P.  in  Academia  Ienenfi,  Dominica  Mifericordias  Domini,  A.  0.  R. 
MDC0XIII.u,  einlädt  sie  aber  M.  I.  I.  Rohde's  („quem  virtutum  fuarum  de- 
cora,  ac  ftudiorum,  me  etiam  duce  &  comite  excultorum,  elegantia,  a  vulgo 
literatorum  diftinguunt"  sagt  Posner)  „orationem  politam,  craftino  lunae  die, 
Regis  Friderici  exequiis  facro,  hora  ante  meridiem  decima,  ex  promta,    qua 
pollet,  memoria,  &  cum  actione  decora,  in  Academiae  noftrae  templo  haben- 
dam"  zu  hören;   den  Abdruck  der  Rede  selber:  „Panegyricvs  Fvnebris  .  .  . 
Friderici  Regis  Borvssiae  ....  immortali  virtvti  ac  gloriae  in  illvstri  Ienen- 
sivm   Academia    ipso    exeqviarvm    solemnivm    die    consecratvs    a    Ioanne 
Iacobo  Rohdio  Regiomonte  Borvsso.    Ienae,  Literis  Mvllerianis.u    (3  B1.T 
17  S.  fol.)   hat   er   mit   einer   „A.  O.  R.  MDCCXIII.   die   II.   Mail"   unter- 
zeichneten Widmung  an  den  regierenden  König  ausgehen  lassen,   in  der  er 
sie   als   „Panegyricum"    bezeichnet,    „quem  ...   in   Ienenfi   Academia   ipfo 
exequiarum  Regis  maximi  die,    in  Virorum  illufbrium  ac  eruditorum  Corona 
recitaui".    Es    ist   übrigens   aber   „das  Leichenbegängniß   selbst"   in   Berlin 
„den  2ten  Tag  des  Maymonatsu  vor  sich  gegangen  —  nach  Christian  Hein- 
rich  Gütthers   (Prof.    an   d.  Univers.  Königsberg)  Angabe   in  „Leben   und 
Thaten  Herrn  Friederichs  des  Ersten,  .  .  .   Aus  bewährten  Urkunden,   son- 
derlich  aus  Münzen   und  Schaustücken,    in    einer  chronologischen  Ordnung 
abgefassetu  Breßlau  1750  S.  461  ff.:  das  selbe  Datum  hat  auch  die  von  ihm 
S.  478  f.   abgebildete   und  beschriebene   „rechte   Sterbens-   und   Begräbniß- 
münze";   andere  „Münzen"  nennen  freilich  auch  als  Tag  der  Bestattung  — 
nach  Gütther  S.  480  Anm.  (f)  irrthümlich  —  den  1.  Mai.) 


Von  Johannes  fteicke.  129 

35)  in  der  Vorrede  seiner  „Critischen  Dichtkunst"  1730  (1729). 

36)  in  jener  „Vorrede"  vom  Jahre  1755. 

37)  Danzel  Gottsched  S.  22  Anm. 

38)  Auf  diesen  Bericht  Gottscheds  hat  Benno  Erdmann  „Martin 
Knutzen  und  seine  Zeit"  Leipzig  1876  S.  18  hingewiesen. 

39)  Nur  diesen  Bericht  Gottscheds  gieht  Danzel  S.  11  wieder. 

40)  Danzel  Gottsched  S.  10. 

41)  „Ausführliche Bedekunst" S.629 [nicht: 529] („Das VIII. Hauptstücke. 
Von  den  Beden  der  Studirenden  auf  Schulen  und  Universitäten":  §.  IX.). 

42)  G.  C.  Pisanski's  (f  1790)  „Entwurf  einer  preußischen  Literär- 
geschichte" hrsg.  v.  Bud.  Philippi  Königsberg  1886  S.  634. 

43)  Vermuthlich  hatte  Gottsched  Ursache  eben  auch  an  ihn  zu  denken, 
wenn  er  in  der  „Vorrede"  vom  Jahre  1755  über  seinen  1728  erschienenen 
„Grundriß  Zu  einer  VernunfFtmäßigen  Bedekunst"  unter  anderm  schreibt: 
„Um  meinen  Zuhörern  die  Begriffe  von  der  Beredsamkeit  der  Alten,  die 
sich  auf  unsern  Universitäten  beynahe  ganz  verlohren  hatten,  recht  zu  er- 
neuern, befand  ichs  für  nöthig,  ihnen  den  kleinen  Tractat  von  den  Ursachen 
der  verfallenen  Beredsamkeit  deutsch  übersetzet,  voran  zu  schicken,  den 
einige  dem  Tacitus;  andere  dem  Jüngern  Plinius  zuschreiben.  Hieraus  lernet 
man  die  großen  Vorzüge  der  ciceronischen  Beredsamkeit,  und  den  darauf 
erfolgten  Verfall  derselben,  unter  den  Kaisern  des  ersten  christl.  Jahr- 
hunderts, nebst  den  Ursachen  desselben  einsehen.  An  diese  Dinge  hatten  alle 
unsere  deutschen  Lehrer  der  Beredsamkeit  vor  mir  nicht  gedacht:  folglich 
hielt  man  auch  den  Cicero  nur  für  einen  Mann,  der  schön  Latein  geschrieben 
hätte;  und  von  dem  man  weiter  nichts,  als  schöne  Redensarten  und  lateinische 
Blümchen  lernen  könnte.  Wer  aber  deutsch  reden  wollte,  der  könnte  ihn 
zu  nichts  brauchen." 

44)  1718  im  Juni  ist  Gottsched  unter  dem  Professor  der  Theologie 
D.  Bernhard  vonSandenals  Bespondens  aufgetreten  —  dessen  Buch  „Bern- 
hardi  von  Sanden  Sen.  S.  Theol.  D.  &  Prof.  Primarii  Concionatoris  Aulici  Pri- 
marii &  tandem  S.  B.  M.  in  Prusfia  Epifcopi  Theologiam  Positivam,  Brevibus 
lineis  olim  in  XXIV.  Difputationibus  adornatam  et  A.  1701.  editam  auctiorem  & 
pleniorem  Quoad  Primam  Partem,  continentem  Credenda  vel  Theologiam 
Dogmaticam  loco  Exercitii  Difputatorii  Ab  Anno  MDCCXVI.  usque  ad  Anno 
[sie!]  MDCCXX.  ventilandam  propofuit  et  nunc  junetim  edidit  Filius  Bern- 
hard von  Sanden,  S.  S.  Theol.  Doct.  &  Prof.  Prim.  S.  B.  M.  in  Pruffia  Con- 
cionat.  Aul.  Prim.  &  Confiliarius  Confiftorialis.  Begiomonti,  Typis  Zeencke- 
rianis."  (4°.)  enthält  p.  209—216  als  „Partis  Primffl  Sectionis  Posterioris  Ar- 
tic.  III.  De  Sanctificatione  &  Glorificatione  Fidelium  per  Spiritum  Sanctum, 
Caput  I.  De  Sanctificatione  &  Glorificatione  in  genere."  die  damalige  Di- 
sputation, nach  der  Bemerkung  am  Bande  .,Anno  MDCCXVIII.  D.  Jun. 
Befpond.  Johanne  Christophoro  Gottsched,  Juditta  Pruff.":  ob  sie  über- 
haupt zuerst  einzeln  erschienen  ist?  (Stolle's  Angabe,  er  habe  „unter  dem 
Oberhofprediger  D.  Bernharden  von  Sanden  de  Angelis  bonis  atque  malis" 
disputiert,  muß  wohl  auf  einem  Irrthum  beruhen:   in   diesem  selben  Buche 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX.  Hft.  1  u.  2.  9 


130      Zu  J.  C.  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königsherger  Universität. 

handelt  „Partis  Prima,  Sectionis  Posterioris  Artic.  I.  De  Creatione,"  „Caput.  ITT . 
De  Angelis."  p.  113—120  —  als  Disputation  „Anno  MDCCXVH.  D.  Junii 
Refpond.  Jacob.  Meybanm,  Dittkenh.  PrufT."  vertheidigt.) 

Die  1719  am  14.  Januar  von  ihm  als  Respondens  vertheidigte  Disser- 
tation führt  den  Titel  „Explicatio  Leibnitiana  mvtationis  barometri  in  tem- 
pestatibvs  plwiis  contra  dvbitationes  Io.  Theophili  Desagvlieri  v.  c.  adserta 
Praeside  Ge.  Henrico  Rastio  A.  M.  Regiomontano  Respondente  Io.  Chri- 
stoph. Ootschedio  Ivditha  Prvsso.  Pvblico  examini  commissa  h.  1.  q.  c. 
A.  MDCCXVIIII.  XVIIII.  Cal.  Febr.  Regiomonti  Litteris  Zaenkerianis." 
(2  Bl.,  14  S.  4.)  (sie  hat  übrigens  als  Widmung:  „Io.  Theophilo  Desagvliero 
clarissimo  viro  Ge.  Henricvs  Rastivs  S.  D."  etc.). 

1720  zum  20.  März  erschien  „Schediasma  Historicam  De  Linda  Ma- 
riana, Rastenburgum  inter  et  Resselium  sita,  cum  amputatis  misera  super- 
stitionis  Romanensium  ramis,  pramissamque  in  pressen tiarum  ("sie!]  com- 
mentationem  präliminarem,  De  idololatria  gentilium  sylvestri,  et  lucis  re- 
ligiosis,  Ex  Auctoritate  Amplissimi  Philosophorum  Ordinis,  pro  reeeptione 
in  eundem,  p.  p.  M.  Coelestinus  Conradus  Neufeldt,  Reg.  Bor.  una 
defendente  Joanne  Christoph:  Gottsched,  Judith.  Bornes.  Anno  MDCCXX. 
ad  diem  XX  Martii,  in  auditorio  philosophico.  Regiomonti,  Literis  Reusne- 
rianis."  (8  Bl.,  30  S.  4.)  (den  damaligen  fünf  —  wie  sie  von  Arnoldt  in  der  Wid- 
mung des  I.  Theils  seiner  „Historie  der  Königsbergischen  Universität"  1746 
bezeichnet  werden:  „zur  Regierung  des  Königreichs  Preußen  Hoch  verord- 
neten Herren  würklich  geheimten  Käthen"  —  „Sacra  Regise  Majestatis  in 
Borussia  Consiliariis  Status  intimis"  hat  diese  „Primitias  Academicas  Cathedra 
fuperioris"  Neufeldt  gewidmet:  1724  ist  er  hier  Prof.  Hiflt.  Litter.  geworden). 

1721  im  Februar  erscheint  Gottsched  wieder  bei  einer  theologischen 
Disputation  als  Respondens:  Das  Buch  „Christiani  Masecovii,  S.  TheoL 
Doct.  &  Prof.  Ord.  Secundi,  Confiftorii  Samb.  Regii  Confiliarii,  Ecclefise 
Cathedr.  Paftoris,  Acad.  h.  t.  Rectoris,  Dispositio  ex  lumine  natura  ad 
supernaturalia,  qvee  fucceffive  hactenus  Qvinqvaginta  Difputationibus,  publi- 
cis  in  Lectionibus  Academia  in  Patria  Regiomontana  Prußica,  Adverfus 
Naturalifltas  ac  diffolutos  hu  jus  eevi  infanientis  homines,  Doctis  ventilatio- 
nibus  fubjeeta  fuit,  Nunc  autem  conjunetim  Orbi  literato  exponitur,  Chri- 
ftiano  commendatur.  A.  1723.  die  20.  Martii.  Regiomonti,  Typis  Johannis 
Stelteri."  (8P.)  enthält  p.  333—346  sie  —  die  wohl  allerdings  zuerst  einzeln  aus- 
gegeben sein  wird?  —  mit  dem  folgenden  Titelblatte:  „De  Disposition  e  ex  lumine 
natura  ad  supernaturalia  Disputati o  XXIII.  in  fpecie  ad  credendam  Animse 
Immortalitatem  in  Revelatione  divina  exhibitara,  qvam  Auxiliante  aeterno 
Amore,  Veneranda  Facultate  Theologica  Approbante,  in  Regiomontana  Aca- 
demia, publicis  in  Lectionibus,  Amicee  ventilationi  fubmittunt  Preeses, 
Christianus  Masecovius,  S.  Theol.  Doct.  et  Prof.  Ord.  Tert.  Regii 
Sambienf.  Confift.  Confiliar.,  Paftor  Ecclefi»  Cathedral.  p.  t.  Facult.  TheoL 
Decan.  &  Refpondens ,  Ioannes  Christophorvs  Gottsched ,  Ivdith.  Bor. 
A.  MDCCXXI  d.  Februar.  Regiomonti,  Literis  Johannis  Stelteri."  — 
die  Widmung  auf  der  Rückseite   dieses  Titelblatts   lautet  so:    „Viro  gene- 


Von  Johannes  Reicke.  131 

roso  atqve  excellentissimo,  Carolo  de  Bagge,  E  Sacri,  Celsitvdinis  Regiae, 
Dvcis  Saxo-Cobvrgensis  et  Meinvngensis ,  Cvbicvli  Nobilibvs,  fidelissimo; 
nee  non  terrarvm  eivs  in  Cvronia  sitarvm,  Grobin,  Foccenhoff,  Graentz- 
hoff,  Tadeiken,  et  rel.  administratori  prvdentissimo,  patrono  atqve  favtori 
maxime  colendo,  boc  qvidqvid  est  speeiminis  literariij  devota  svbmissave 
mente,  ob  mvlta,  gratiae  singvlaris  erga  se,  exbibita  testimonia,  sacrat 
Respondens."  (übrigens  wird  er  1723  in  der  Uebersicht  der  „Responden- 
tium  Nomina"  als  „XXIII.  Joannes  Chriftopboruß  Gottfched,  Juditb.  Bor. 
Phil.  Candid."  aufgeführt).  Diese  seine  Widmung  weiß  ich  sicher  nicht 
zu  erklären:  sie  wird  aber  mit  dem  Umstände  in  Zusammenhang  zu  bringen 
sein,  daß  er,  wie  Stolle  berichtet,  einen  „jungen  churländischen  von  Adelu 
„auf  der  Academie  als  Hofmeister  führete"  —  in  welchen  Jahren,  sagt  er 
nicht  —  ;  „mit"  dem  er  auch  „eine  kurtze  Reise  nach  Curland"  „that"  — 
„um  diese  Zeit",  giebt  Stolle  an,  nachdem  er  vorher  Gottsched's  Disputationen, 
und  zuletzt  die  von  ihm  für  Quandt's  Präsidium  ausgearbeitete  aber  nicht 
vertheidigte  (vgl.  oben  S.  88  f.)  genannt  hat.  — 

Uebrigens  führt  das  von  Borowski  1794  (s.  Anm.  45)  S.  83  f.  gegebene, 
nach  ihm  „vollständige",  Verzeichnis  von  Joh.  Jac.  Quandt's  „Differ- 
tationes"  keine  auf  bei  der  im  Originaldruck  Gottsched  als  Bespondent 
genannt  wäre. 

45)  Vgl.  „Biographische  Nachrichten  von  dem  denkwürdigen  preußi- 
schen Theologen  D.  Johann  Jacob  Qvandt  königlichem  Oberhofprediger  und 
Generalsuperintendenten  u.  f.  .  .  .  Auf  Veranlassung  der  königL  deutschen 
Gesellschaft  zu  Königsberg  von  Ludwig  Ernst  Borowski"  Königsberg  1794 
S.  1—64  (u.  120  f.). 

(Die  Aussprüche  Friedrichs  II.  über  ihn  hat  Dr.  Gottlieb  Krause  (Oberlehrer 
am  Kneiphöfischen  Stadt-Gymnasium  zu  Königsberg  i.  Pr.)  in  seinem  Buche 
„Friedrich  der  Große  und  die  deutsche  Poesie"  Halle  a.  S.  1884  S.  96 
(Anhang  I:  Anm.  23)  zusammengestellt.) 

46)  Ueber  ihn  und  seine  gedruckten  Schriften  berichten  die  „Acta 
Borussica14  etc.  [Tom.  I:]  „Zweytes  Stück"  Königsberg  und  Leipzig  1730 
S.  291—297  (in  einem  Artikel  „Absterben  einiger  Preußischen  Gelehrten" :  HE.). 

47)  Gottsched's  „Gesammlete  Reden"  Leipzig  1749  enthalten  diese  nicht. 

48)  Der  Titel  des  Einzeldrucks  lautet:  „Ihro  Magnificentz  Dem  Hoch- 
Ehrwürdigen  und  Hochgelahrten  Herrn,  HERRN  Christian  MASECOVIO, 
Der  Heil.  Schrifft  Doct.  und  Prof.  See.,  Königl.  Preußis.  Saml.  Consistorial- 
Raht,  Pfarrern  im  Kneiphoff  und  der  Schulen  daselbst  Infpectori,  Wurde  bey 
der  Im  Jahr  1722.  den  4.  Octobr.  zum  erstenmahl  erlangten  Würde  des 
Academischen  REOTORATS,  eine  öffentliche  Abend-Mufique  von  vielen 
hieselbst  Studirenden  In  einer  kurtzen  Anrede,  gehorsamst  offeriret,  Welche 
Im  Nahmen  seiner  Commilitonum  gehalten  Und  gegen  das  zum  Ende  lauffende 
RECTORAT  Ihro  Magnificentz,  Zur  Erinnerung  der  damahligen  Freude 
dem    Druck    übergeben    I.  C.  Gottsched.      Königsberg,    gedruckt   in   der 

9* 


132       Zu  J.  C.  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

Königl.  Hoff-  und  Academi sehen  Buchdruckerey."  (2  Bl.  fol.)  Gesprochen 
hat  er  so  für  „einen  grossen  Theil  derer  allhie  Studirenden",  and  zugleich 
hatte  er,  wie  er  sagt,  „einen  kurtzen  Auszug,  ihrer  glückwünschenden 
Seuffzer  in  dieser  Cantata  gehorsamst  zu  über  reichen,  und  anbey  zu  bitten, 
daß  Selbige  einer  gringen  Musiqve  ein  geneigtes  Gehör  zu  geben,  gütigst  ge- 
ruhen mögen".  Dies  übergebene  Gedicht  wird  das  so  betitelte:  „Dem  Hoch-Ehr- 
würdigen, Hoch-Achtbaren,  und  Hoch-Gelehrten  Herrn,  HERRN  Christian 
MASECOVIO,  .  .  .  wurde  MDCCXXTI.  den  4.  Octobr.  als  Rectori  Academiae 
Regiomontanae  Magnifico,  folgende  SERENATA,  unter  höchst-verpflichteter 
Gratvlation,  gehorsamst  gewidmet,  von  Ihro  MAGNIFICENOE  vollkommen- 
ergebenen Civibvs  Academicis.  Königsberg,  gedruckt  in  der  Königl.  Hof- 
und  Academischen  Buchdruckerey ,a  (2  Bl.  fol.)  gewesen  sein. 

49)  Altpreußische  Monatsschrift  1870  (s.  oben  Anm.  6):  S.  246. 

(„Ich  habe  diejenigen  Begriffe,  die  ich  seit  mehr  als  dreyßig  Jahren, 
(denn  so  lange  ist  es,  daß  ich  mich  gut  deutsch  zu  schreiben  beflissen  habe) 
gesammlet,  hier  zuerst  in  einige  Ordnung  zu  bringen  gesucht"  erklärt  Gott- 
sched in  der  „Vorrede"  seiner  „Grundlegung  einer  Deutschen  Sprachkunst": 
„Geschrieben  an  der  Michaelsmesse."  Leipzig  1748.) 

50)  Auch  daß  C.  A.  v.  Röder  sein  „Pathe"  gewesen,  ist  —  wenigstens 
bei  der  Taufe  1700  nicht  aufgezeichnet  (s.  Anm.  7). 

Bl)  „LEIPZIG,  bey  Thomas  Fritschen.  1708."  S.  242-246;  ebd.  1710 
ebenso.  (Das  Gedicht  trägt  die  Bezeichnung:  B.  N.)  Es  ist  aufgenommen 
von  Gottsched  in  seine  Sammlung:  Benjamin  Neukirchs  „auserlesene  Ge- 
dichte" Regenspurg  1744  S.  179—182  (in  der  Abtheilung  „Poetische  Send- 
schreiben"). 

52)  Nach  Gottsched's  Angabe  in  der  „Gritischen  Dichtkunst"  1730 
S.  8  f.  steht  sie  „Hofm.  W.  Ged.  VI.  Th.  101.  Bl." :  Leipzig,  bey  Thomas 
Fritsch,  1709.  („Auf  die  Linck-  und  Regiußische  Vermählung,  den  8  Junii 
anno  1700.")  —  später  „Leipzig,  Bey  Joh.  Michael  Blockbergern.  1781'*:  8. 95  ff. ; 
und  in  seiner  Ausgabe  der  Gedichte  Neukirch's  1744  S.  198—200.  (In  die 
neuerdings  [1884]  erschienene  Auswahl  von  Ludwig  Fulda  „Deutsche 
National- Litterat ur  Historisch  kritische  Ausgabe  ....  herausgegeben  von 
Joseph  Kürschner  89.  Band  Die  Gegner  der  zweiten  schlesischen  Schule  II": 
„Ch.  Weise,  B.  H.  Brockes,  Fr.  R.  L.  Freiherr  von  Canitz,  B.  Neukirch, 
Gh.  Wernike"  („Bandausgabe  26")  S.  445—504  ist  auch  sie  nicht  auf- 
genommen, sondern  nur  in  deren  „Einleitung"  S.  451  berührt.) 

53)  Gottsched  berichtet  da  weiterhin  über  ihn:  „Dieser  war  auch  ein 
Schlesier,  und  hatte  sich,  wie  es  zu  gehen  pflegt,  durch  Lohensteins  Nach- 
ahmung eine  noch  viel  seltsamere  und  abgeschmacktere  Schreibart  zuwege 
gebracht,  als  sein  Held  jemals  gebraucht  hatte".  Johann  George  Neid- 
hardt  (Neidhardus),  aus  Bernstadt  in  Schlesien,  wurde  1720  Capellmeister 
bei  der  Schloßkirche  in  Königsberg,  und  ist  hier  1789  gestorben.  Seine  zahl- 
reichen Gedichte  —  Gelegenheitsgedichte  —  sind  nicht  gesammelt;  außer 
solchen   erschienen   von   ihm    „Die  Sieben  Büß -Psalmen"    etc.   Königsberg 


Von  Johannes  Beicke.  X33 

1715  —  und  besonders  hat  er  auch  mehrere  Schriften  zur  Theorie  der  Ton- 
kunst veröffentlicht.  (Arnoldt  Zusätze  zu  s.  Historie  d.  Königsberg.  Univers. 
1756  S.  171  f.;  Pisanski  preuß.  Literärgeschichte  (1790)  hrsg.  1886  S.  665, 
der  auch  S.  654  über  ihn  und  Pietsch  ganz  im  Sinne  Gottscheds  berichtet.) 

54)  Danzel  Gottsched  S.  7  ff. 

55)  Seine  „Gedichte"  enthalten  aus  den  Königsberger  Jahren  —  er 
„gab  auch  in  währender  Zeit  viele  Proben  seiner  deutschen  Poesie  einzeln 
ans  licht"  berichtet  Goetten  II,  78  —  nur  ein,  wie  es  scheint,  wirklich 
nicht  um  anderer  willen  gemachtes:  „Lehrgedichte.  Daß  der  Mensch  selbst 
an  seiner  Verdammung  Schuld  ist.  Bey  Gelegenheit  eines  Donnerwetters.  1718." 
(1736  S.  583  f.  =  2 1751  I,  607  f.).  (Seine  Gedichte  überhaupt  charakteri- 
siert „eingehender"  Adalbert  Schroeter,  Der  Entwickelungsgang  der  Deutschen 
Lyrik  in  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts.  Phil.  I.-D.  d.  Univ.  Leipzig. 
Wolmirstedt  W.  Buechhardt's  Buchdruckerei  (J.  Schmidt)  1879:  S.  17—22. 
Wenig  günstig,  aber  nur  gerecht,  urtheilt  über  sie  auch  M.  Bernays:  1879 
S.  499  (1880  S.  124  f.)  ab.) 

56)  1722:  Einen  höchst-Ruhmwürdigen  CANTZLER  Hat  An  dem 
hohen  Exempel  Des  Erlauchten  and  Hoch- Wohlgebohi  nen  Herrn,  HERRN 
Ludewigs  von  Ostau,  Sr.  Königl.  Majest.  in  Preussen  zur  Regierung  Dero 
Königreichs  hochbetrauten  wircklichen  geheimten  Staats-Rahts  und  Cantzlers, 
des  Ober- Appellations-Gerichts,  Admiralitäts  und  Commercien-Collegii  hoch- 
ansehnlichen  Präsidenten,  wie  auch  hochverordneten  Lehns-Directorn,  etc. 
Erb-Herrn  der  Lablackschen  und  Kiesitschen  Güter  etc.  etc.  Im  Jahr  1722. 
Den  6  Octobr.  An  einem  abermahl  beglückt  einfallenden  Geburts-Tage 
Sr.  Hoch-Wohlgebohrnen  Excellentz  Mit  demühtiger  und  glückwünschender 
Feder  entworfen  Ein  unterthäniger  Knecht  Joh.  Christ.  Gottsched,  S.  T.  E. 
L.  A.  G.  Königsberg,  gedruckt  in  der  KönigL  Hoff-  und  Academischen 
Buchdruckerey.    (4  Bl.  fol.) 

„Wenn  Preussens  Königs-Thron  sich  auf  den  Grund  gestützt/4 

u.  s.  w.  (160  Alexandriner). 

1723:  In  der  „I.  N.  J.  Nachricht  Von  dem  zweyten  Reformations-Fest 
Welches,  Unter  dem  mächtigen  Schutze  Des  Allerhöchsten,  Und  dem  glor- 
würdigsten  Scepter  Seiner  Königlichen  Majestät  in  Preussen  Friedrich  Wil- 
helms, Unsere  allertheursten  Landes- Vaters  Die  Altstädtische  Gemeine  Zu 
Königsberg  in  Preussen,  Anno  1728.  den  1.  Sonntag  des  Advents,  Zum  An- 
dencken  der  ersten  Evangelischen  Predigt,  welche  daselbst  für  200.  Jahren 
ist  gehalten  worden,  gefeyret  hat.  Königsberg,  im  Jahr,  Da  Die  ALtstat 
GOtt  Vors  zWelte  IVbeL-Fest  DanCkte.  Gedruckt  in  der  KönigL  Preußis. 
Hoff-Buchdruckerey."  (4  BL  4.)  ist  enthalten  die  „CANTATA,  auff  das  Alt- 
städtische zweyte  Reformations-Fest,  verfasset  von  M.  Joh.  Christ.  Gott- 
sched, und  in  die  Mufic  gebracht  von  Georg.  Riedel,  Cantore."  beginnend: 
„Die  Altstädtische  Gemeine.    ARIA.    Willkomm  zweytes  Jubel-Jahr!". 

1724:  Unterthänige  Gedancken,  bey  dem  Im  Jahr  1724.  den  1.  Jan. 
zum  neun  und  dreyßigsten    mahl   gefeyerten   Hochzeit-Feste   Des   Durch- 


134      Zu  J.  C.  Gottscheds  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

lauchtigsten  Fürsten  und  Herrn,  HERRN  Friedrich  Ludewigs,  Erben  zu 
Norwegen,  Hertzogen  zu  Schieß wig,  Hollstein,  der  Stormarn  and  der  Ditt- 
marsen,  Grafen  zu  Oldenburg  und  Delmenhorst,  Königl.  Preußischen  General- 
Feld-Marsch  allen,  des  Königl.  Dähniechen  Elephanten,  und  Königl.  Preußi- 
schen schwartzen  Adlers  Ordens-Rittern  etc.  etc.  Mit  der  Durchlauchtigsten 
Fürstin  und  Frauen,  FRAUEN  Louise  Charlotte,  Erbin  zu  Norwegen, 
Hertzogin  zu  Schleßwig,  Holstein  etc.  etc.  welche  Seiner  Hoch-Fürstl.  Durch- 
lauchtigkeit in  Demuth  überreichet  M.  Joh.  Chr.  Gottsched.  Königsberg, 
gedruckt  in  der  Königl.  Hof-  und  Academischen  Buchdruckerey.  (2  Bl.  fol ) 
„Held!  dessen  Scheitel  kaum  mit  so  viel  Myrthen  gläntzt," 

u.  s.  w.    (76  Alexandriner). 
Dieses  Gedicht   hat   er  übrigens  sogleich  1725  in  Leipzig   mitaufgenommen 
in   die  „Zugabe  einiger  Gedichte,  von  J.  C.  G."    zu  seiner  Ausgabe:   Herrn 
D.  Johann  Valentin  Pietschen  Gesamiete  Poetische  Schrifften,   S.  249—251. 

57)  Album  P.  H,  p.  424:  auch  bei  ihm  ist  bemerkt  „ftip.  ma". 

58)  in  der  2.  Auflage  genauer:  „unter  mir  gehaltenen"  —  Johann 
Christoph  Gottsched  ist  ihr  Verfasser  (vgl.  oben  S.  107  f.) 

59)  (Dan.  Heinr.  Großmann)  „Gesammlete  Nachrichten  von  der  Ost- 
Preußischen  Stadt  Schippenbeil"  etc.  Königsberg  1778  S.  99  nennt  den  Ort 
„Weterkam" ;  Gustav  Liek  „Die  Stadt  Schippenbeil"  etc.  Königsberg  1874  S.  227 
„Wöterkeim"  (nach  S.  44  war  Besitzer  dieses  Gutes  1716—1735  ein  Major 
v.  d.  Groben). 

60)  Vgl.  „Zur  Charakteristik  der  deutschen  Gelegenheitsgedichte  und 
Reden  in  Königsberg  um  die  Mitte  des  achtzehnten  Jahrhunderte."  (Vortrag 
in  d.  Alterthumsgesellschaft  Prussia:  Sitzung  vom  17.  Juni  1881)  abgedr. 
Altpreuß.  Monatsschrift  XIX.  Band  7.  u.  8.  Heft  1882  S.  662-678;  Sitzungs- 
berichte der  Alterthumsgesellschaft  Prussia  zu  Königsberg  in  Pr.  im  37.  Ver- 
einsjahre Nov.  1880—1881  S.  45—64:  nach  deren  „Inhalt"  ist  Verf.  „W.  U." 
[=  Wilhelm  Ungewitter  (damals  stud.  phil.)?]. 

61)  Vgl.  außer  den  betreffenden,  oben  S.  71  und  72  mitangefuhrten, 
Versen  der  Gedichte  zum  7.  September  1727  (Anm.  10)  und  1732  (Anm.  11) 
auch  noch  die  folgenden  aus  eben  diesem  1732  an  seine  Eltern  gerichteten: 

„Lehrt  mich  beyder  zarten  Sinn, 
Musen!  lehrt  mich  Gottscheds  Liebe, 
Gottscheds,  und  der  Biemanninn, 
Als  ein  Muster  reiner  Triebe. 
Denn  ich  weis,  ihr  könnt  es  wissen, 
Weil  ihr  selbst  sein  Rohr  benetzt, 
Wenn  er  sonst  ans  Pindus  Flüssen 
Oft  ein  deutsches  Lied  gesetzt. 
Ja  ihr  wißt  von  seinen  Tönen, 
Auf  den  Jahrstag  seiner  Schönen." 

Für  die  Oeffentlichkeit  wird  sein  Vater  solche  Gedichte  an   seine  Braut 
und  dann  Frau  ja  wohl  nicht  geschrieben  haben;   mir   sind  als  gedruckte, 


Von  Johannes  Reicke.  135 

außer  dem  noch  mitzutheilenden  (Anm.  71)  an  seinen  Sohn  1723,  nur  zwei 
von  ihm  an  seinen  Schwager  Joachim  Biemann  gerichtete  bekannt, 
deren  Titel  ich  hierher  setzen  will: 

1707  (wie  aus  anderen  Gedichten  auf  diesen  Todesfall  zu  ersehen) 
„Schuldige  Klag-  und  Trost-Reime,  Welche  Bey  dem  Seeligen  Hintritt  Der 
Edlen,  mit  aller  Ehr  und  Tugend  begabten  FRAUEN  Regina  Elisabeth 
geb.  Kruhlin,  Des  Edlen,  Woll-Ehrenvesten,  Vornehmgeachten  und  Woll- 
weisen Herren  JOACHIMI  Biemannen,  Vornehmen  und  wolmeritirten  Gerichte- 
Verwandten,  Wie  auch  Vornehmen  KaufF  und  Handelsmann  der  löblichen 
Stadt  Kneiphoff  Königsberg  Hertzlich  geliebten  Ehe-Liebsten,  Als  Dieselbe 
in  dem  45.  Jahr  ihres  rühmlich  geführten  Lebens  den  30.  Maji  a.  c.  dieser 
Sterbligkeit  entnommen,  und  den  7.  Junü  bey  ansehnlicher  Leich-Begängniß 
in  der  Thumb-Kirchen  der  Erden  anvertrauet  ward,  Seinem  Hochzuehrenden 
Hn.  Schwager  Willigst  mitleidend  abgestattet  Christoff  Gottsched,  Pafb.  ad 
S.  Judith.1*  [Text.]  (28  Alexandriner)  „Königsberg,  Gedruckt  in  der  Georgi- 
schen Buchdruckerey."    (1  Doppelblatt  folio.) 

1708  „Die  auff  das  Trauren  erfolgende  Freude,  Hat  An  dem  Höchster- 
freulichen Hochzeit -Tage,  Des  Edlen,  Groß -Achtbahren  und  Wolweisen 
Herrn  JOACHIM  Biemanns,  Wolverordneten  Gerichts- Verwandten,  wie  auch 
Vornehmen  Kauff-  und  Handelsmanns  der  Königlichen  Stadt  Kneiphoff, 
Mit  der  Edlen,  AUer-Ehr-  und  Tugend-begabten  Jungfrauen  GERTRUDA,  Des 
Weyland  Wo] -Ehren vesten  und  Vornehmgeachten  Herrn  Johann  Billin gs, 
Vornehmen  und  berühmten  Kauff-  und  Handelsmanns  der  Alten -Stadt 
Königsberg,  Nachgelassenen  ältesten  Jungfer  Tochter,  Den  28.  Maji  Anno 
1708.  In  geringen  Reimen  wolmeynend  vorstellen  wollen  Christoff  Gott- 
sched, Paflb.  ad  S.  Judith."  [Text.J  (40  Alexandriner)  „Königsberg,  Ge- 
druckt in  der  Reusnerischen  Buchdruckerey."     (1  Doppelblatt  folio.) 

62)  1728  dichtete  Gottsched  einen  „Gesang  Auf  das  Rohde-  und 
Roßische  Hochzeitfest  in  Königsberg"  („Gedichte"  1736  S.  323— 326:  a  17511, 
534—536):  darin  weisen  nur  hin  auf  seinen  Unterricht  die  Zeilen  gegen 
das  Ende 

„Erlaube,  daß  mein  Rohr  sich  solche  Freyheit  nimmt, 
Du  hast  dasselbe  ja  am  ersten  eingestimmt".  — 
Daß   auch   von   ihm   so   manche  Gelegenheitsgedichte  gedruckt  worden,  ist 
selbstverständlich. 

63)  Nach  dieser  von  Erdmann  .Neumeister  (1695)  verfaßten,  von 
Christian  Friedrich  Hunold  (Ps.  :Menantes)  überarbeiteten*)  Poetik  (Goedeke: 


*)  Vgl.  Max  Frhr.  v.  Waldberg  „Die  galante  Lyrik.  Beiträge  zu  ihrer 
Geschichte  und  Charakteristik"  (Quellen  und  Forschungen  zur  Sprach-  und 
Culturgeschichte  der  Germanischen  Völker.  Herausgegeben  von  Bernhard  ten 
Brink,  Ernst  Martin, Wilhelm  Scherer:  LVI.)  Strassburg  &  London  Trübner 
1885  S.  20  Anm.;  Karl  Borinski  „Die  Poetik  der  Renaissance  und  die  Anfange 
der  literarischen  Kritik  in  Deutschland"  Berlin  1886  S.  342  Anm.  2.:  dieser 


136      Zu  J-  C.  Gottscheds  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

zuerst  Hamburg  1707;  er  kennt  übrigens  nicht  die  hier  zugängliche  Aus- 
gabe von  1712  noch  eine  [v.  Waldberg:]  „1722"),  urtheilt  M.  Bernays,  kann 
sein  Unterricht  „kaum"  „der  Ausbildung  des  Schülers  im  höheren  Sinne  förder- 
lich gewesen"  sein  —  ähnlich  scheint  doch  auch  schon  der  junge  Gottsched 
selbst  empfunden  zu  haben,  nachdem  er  Pietsch  kennen  gelernt  hatte. 

64)  Gleich  der  Titel  (1780)  hebt  ja  hervor,  daß  „Darinnen  erstlich  die 
allgemeinen  Regeln  der  Poesie,  hernach  alle  besondere  Gattungen  der 
Gedichte,  abgehandelt  und  mit  Exempeln  erläutert  werden:  Überall  aber 
gezeiget  wird  Dafl  das  innere  Wesen  der  Poesie  in  einer  Nachahmung 
der  Natur  bestehe";  und  in  der  „Vorrede"  betont  er:  ein  „Einwurf,  den 
er  auch  „vorher  sehe",  werde  „die  Worte  betreffen,  darinn"  er  „sage,  daß 
das  Wesen  der  Poesie  überhaupt,  und  ihrer  fürnehmsten  Gattungen,  in  der 
vernünftigen  Nachahmung  der  Natur  bestehe"  —  über  welche  denn  doch 
als  „bezeichnend"  auch  „für  die  Zeit"*)  aufzufassende  Bemerkung  Friedrich 
Braitmaier  in  seinem  an  sich  so  verdienstvollen  Buche  „Geschichte  der 
Poetischen  Theorie  und  Kritik  von  den  Diskursen  der  Maler  bis  auf  Lessing" 
I. Teil  Frauenfeld  1888  S.  87,  der  sie  als  ein  Beispiel  bezeichnet  für  Gottscheds, 
wie  er  behauptet,  „beliebte  Wichtigthuerei,  die  Einführung  allbekannter  selbst 
abgestandener  Gedanken  als  eine  originale  That  hinzustellen",  sich,  wie  auch 
sonst  über  ihn,  ungerechter  Weise  ärgert  (vgl.  Bernhard  Seuffert's  Recension 
„Göttingische  gelehrte  Anzeigen"  1890  Nr.  1  S.  28  ff.). 

65)  Album:  P.  II.  p.  298  (auch  mit  der  Bemerkung  „ftipul."). 

66)  Nach:  A eitere  Uni versitäts -Matrikeln.  I.  Universität  Frankfurt 
a.  0.  Aus  der  Originalhandschrift  unter  Mitwirkung  von  Georg  Liebe  und 
Emil  Theuner  herausgegeben  von  Ernst  Friedlaender  II.  Band  (Publicationen 
aus  den  K.  Preußischen  Staatsarchiven  XXXVI.  Band)  1888  S.  289. 

67)  Album:  P.  II.  p.  884  (mit  dem  falschen  Zusätze  „infcript.  A.  1707 
d.  17  April."). 

68)  Dieser  (geb.  1659  13.  Mai  zu  Königsberg),  1685  26.  April  allhier 
Magister,  1688  Subinspector  Alumnorum  und  dann  1694  Prof.  Ord.  Poeseos, 
soll  auch  schon  „de  arte  imitandi  poetica"  disputiert  haben  (Arnoldt  a.  a.  O.  II, 
403  f.):  ich  habe  ein  Exemplar  dieser  Dissertation  leider  bisher  hier  in 
Königsberg  nicht  auffinden  können. 

69)  Allerdings  scheint  J.  B.  Mencke  sie  nicht  besessen  zu  haben: 
in  seinem  Verzeichnis  der  „Bibliotheca  Menckeniana,  ...  ab  Ottone  et  Jo. 
Burchardo  Menckeniis,  patre  et  filio,  multorum  annorum  spatio  studiose 
collecta,   nunc   justo   ordine   disposita,    et   in   publicos  usus   aperta  a   Jo. 


giebt  übrigens  S.  878  Anm.  4  irrthümlich  (beruft  er  sich  dafür  ja  doch  auf 
die  „Vorr.  zur  1.  A.  der  krit.  Dichtkunst")  an,  „unter  seinem  poetischen  Lehrer 
Pietsch"  habe  Gottsched  „Neumeisters  Poetik"  in  die  Dichtkunst  eingeführt. 
*)  So  urtheilt  auch  Franz  Servaes  „Die  Poetik  Gottscheds  und  der 
Schweizer  litte  rarhistorisch  untersucht"  (Quellen  und  Forschungen  zur  Sprach - 
und  Culturgeschichte  der  Germanischen  Völker:  LX.)  1887  S.  7  ff.  auf  Grund 
von  Borinski's  (s.  Anm.  63)  Darstellung. 


Ton  Johannes  Reicke.  137 

Burchardo  Menckenio"  Lipsiae  1723  werden  sie  nicht  aufgeführt;  auch  nicht 
in  dem  ,.Catalogvs  Bihliothecae  Menkenianae  Pars  Prima  Libros  Theologicos 
Veteres  Graecos  et  Latinos,  Philologicos,  Criticos  Grammaticos,  Rhetoricos, 
Poetdcos,  Antdqvarios  et  Nymarios  complexa"  1755. 

70)  Schon  im  Wintersemester  1717/18  muß  er  Horazens  Poetik  zu 
erklären  angefangen  haben:  für  den  Sommer  1718  kündigt  er  an  nin  Horat. 
Flacci,  dicatum  Pifonibns,  de  arte  Poetica  Librum,  commentari  perget"; 
Winter  1718/19:  „Common tationibus ,  in  Horat.  Flacci,  de  arte  Poetica 
Librum,  huc  ufque  debito  ac  indefeffo  ardore  inftitutis,  mannm  tandem 
fupremam  imponet,  deque  ulterius  per  reliqvum  femeftre,  publice  fufcipiendo 
labore,  mentem  fuam  e  Tabula  publica  aperiet".  Somm.  1719:  „fecundam 
Pomeridianam  horam  in  derivatorum  ex  Horatiana  ad  Pifones  Epiftola  prse- 
ceptorum  explicatione  impendet,  quorum  vim  celebrata  per  omnia  fecula 
Flacci  Carmina  &  exempla  teftantur,  valet  enim  nobilis  &  fcientia  &  arte 
Auetor.  Coeterum  Patria  lingua  Poefeos  regulas  tradere  auditoribus  con- 
filium  eeepit".  Wint.  1719/20:  „Publicis  Horatii  explicationibus,  fecundam 
dieavit  horam.  C&terum  perfecto  Auditorum  numero  Patriae  Poefeos  leges 
tradere  decrevit".  Somm.  1720:  „Solita  hora,  folitas  continuabit  lectiones". 
Wint.  1720/21:  „In  lectionibus  folitis  fedul6  perget".  Somm.  1721:  „Nemini 
operam  fuam  denegabit.  Hör.  DI.  pomerid.".  Wint.  1721/22:  „in  Horatii 
Flacci  Artem  Poeticam  commentabitur".  Somm.  1722:  „Quinti  Horatii  Flacci 
Carminum  libros  ac  Lyrici  Poematis  Majeftatem  auditoribus  explicaturus  efl". 
Wint.  1722/23:  lautet  die  Ankündigung  ebenso.  Somm.  1723:  „Prelectiones 
Poematum  Horatii  Continuabit  publice,  privatim  omnibus  qui  ad  audienda 
germanica  Poefeos  praeeepta  animum  adjicere  [sie !]  operam  fuam  offert".  Wint. 
1723/24:  „in  commentatione  Horatiana  perget".  (Interessant  ist  die  An- 
kündigung des  darauf  folgenden  Sommersemesters  1724:  „Commentationes 
in  Horatii  Flacci  fermones  fedulo  continuabit  nee  ftudio  fuo  in  Rhetorica 
ac  Poefi  teutonica  provehi  cupientibus  deerit".  —  Fernerhin  erscheinen  dann 
an  Schriftstellern  außer  Horatius  („Herr  Hof-Rath  Pietsch  liebet  und  lieset 
keinen  Lateinischen  Poeten  mehr,  als  den  Horatius"*)  berichtet  Gottsched 
in  der  Widmung  seiner  Ausgabe  von  Pietsch's  Gedichten  an  Mencke)  noch 
Claudiani  Poemata,  Virgilii  Georgica  und  Aeneis,  Ovidii  Metamorphoseon 
libri,  Lucani  Pharsalia,  Silius  Italicus.) 

71)  Mir  sind  die  folgenden  Drucke  bekannt: 

„Novem  Musas  in  Parnasso  Regiomontano  redivivas  in  viris  clarissimis 
atqve  eruditissimis,  Christiano  Friderico  Reusch,  Regiom.  Boruss.  S.  Minist. 
Cand.  Georgio  Heinrico  Nicolai,  Cremitt.  Boruss.  S.  Minist.  Cand.  Heinrico 
Christophoro  Wilhelm,  Reg.  Boruss.  S.  Min.  Cand.  Johanne  Davide  Kypke, 
Labesens.  Pom.  S.  Minist.  Cand.    Jobanne  Christophoro  Gottsched,  Juditha- 


*)  Bemerkenswerth  sind  vielleicht  auch  die  darauf  folgenden  Worte 
Gottsched's:  „Darinnen  hat  er  andre  große  Männer,  und  darunter  den  be- 
rühmten Boileau  der  Franzosen,  zu  Vorgängern  gehabt."  —  da  sie  ja 
wohl  auf  Pietsch  selber  zurückgehen  könnten! 


138      Zu  J-  G»  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

Bornas.  Johanne  Jungio,  Regiom.  Boruss.  Johanne  Daniele  Schsermacher, 
Reg.  Boruss.  Samuele  Hoyer,  Regiom.  Boruss.  Johanne  Casparo  Such  Land. 
Heiligen walda-Boruss.  fautoribus  et  amicis  suis  honoratissimis,  cum  hos 
Candidatos  Philosophi®  huc  usque  dignissimos  ex  decreto  Amplissimae  Facul- 
tatis  Philosophicae  Regiomontanae  in  publica  panegyri  Anno  MDCCXXIII. 
die  II.  Aprilis  Doctores  et  Magistros  Philosophie  renuntiaret,  Studiosae 
juventuti  Regiomontanae  commendare  et  fausta  omnigenae  prosperitatis 
apprecatione  comitari  voluit  eorum  Brabeuta  Heinricus  von  8  an  den, 
D.  et  p.  t.  Decanus  Facultatis  Philosophicae.4'*)  [11  latein.  Distichen]  „Regio- 
monti,  Litteris  Reusnerianis."    (1  Doppelbl.  fol.) 

„Bey  der  Im  Jahr  1723.  den  2.  April.  Nach  Verdienst  Erlangten 
Würde  eines  Lehrers  in  der  Weltr  Weißheit,  Haben  Dem  Wohl-Edlen  und 
Wohl-Gelahrten  HERRN  Johann  Christoff  Gottsched,  Wohlmeynend  Glück- 
wünschen wollen  Innen  Benannte.  Königsberg,  Gedruckt  in  der  KönigL 
Hoff-Buchdruckerey."  Er  enthält  fünf  Gedichte:  ein  lateinisches  (3  Distichen) 
„Scripfit  gratul.  Chriftianus  Mafecovius,  D.  Acad.  h.  t.  Rector/';  und 
außer  dem  angeführten  von  Pietsch  mit  der  Unterschrift:  „Diese  wenige 
Zeilen  schrieb  aus  besonderer  Hochachtung  vor  die  bekandte  Geschicklich- 
keit des  Herrn  Magiftri  J.  V.  Pietsch.41  auch  deutsche  noch:  (4  sechs- 
zeilige  Alexandrinerstrophen)  „Da  Herr  Candid  nach  mit  grossem  Ruhm 
überstandenen  Examinibus  den  längst  verdienten  Philosophischen  Doctor- 
Hutt  erhielte,  schrieb  dieses  zu  seinem  Ruhm  mit  williger  so  wohl  als 
freudiger  Feder  M.  Jo.  Jac.  Rohde,  Phil.  Prim.  ac  Log.  Prof.  Ord.tl; 
(6  Alexandriner)  „M.  Johann  Heinrich  Kreuschner.";  und  endlich  — 
von  seinem  Vater  das  folgende: 

„Ich  wünsche  Dir,  mein  Sohn,  zu  der  erlangten  Ehre, 

Viel  Seegen,  Gnad  und  Heyl  und  GOttes  reiche  Gunst. 
Er  gebe,  daß  dein  Glück  sich  allezeit  vermehre, 

Und  schmücke  deinen  Geist  mit  einer  höhern  Kunst. 
Er  hat  Dich  biß  hieher  gantz  väterlich  gefuhret, 

Und  mercklich  dargethan,  daß  er  Dir  gnädig  ist, 
Drumb  hofft  mein  Hertz  zu  Ihm,  so  wie  es  sich  gebühret, 
Daß  seiner  Gnaden-Strohm  noch  ferner  auf  Dich  fließt. 

Dieses  schrieb  in  höchster  Eyl 
Christoff  Gottsched,  Paft.  Balg.". 
,,Dem  Wohl-Edlen  und  Wohl-Gelahrten  Herrn,  Hn.  Johann  Christoff 
Gottsched,   Haben  zu   der  Anno  1722.  den  2.  April,  erlangten  MAGISTER- 
Würde  ergebenst  gratuliren  wollen   Inwendig   Benandte.    Königsberg,  ge- 


*)  „Im  1723  sten  Jahre  lud  mich  D.  Henr.  von  Sauden,  Dechant  der  philo- 
sophischen Facultät  zu  Königsberg,  als  einen  neunjährigen  Academicum 
zur  bevorstehenden  Magisterpromotion  ein"  und  „ich  entschloß  mich  dazu", 
hat  Gottsched  in  der  Vorrede  von  1755  berichtet.  (Arnoldt  a.  a.  0.  II,  433 
hebt  Kypke  und  ihn  unter  den  „IX"  an  dem  Tage  promovierten  namentlich 
hervor.) 


Von  Johannes  Reicke.  139 

druckt  in  der  Xönigl.  Hoff-  und  Academischen  Buchdruokerey."  Er  enthält 
vier  deutsche  Gedichte  in  Alexandrinern,  unterzeichnet:  „B.u  [vielleicht 
Johann  George  Bock?*)J;  „Aus  schuldiger  Ohfervance  gegen  den  Herrn 
Magütrnm  wolte  dieses  wenige  eylfertig  aufsetzen  Desselben  wohlbekandter 
Freund  A."  [vielleicht  Daniel  Heinrich  Arnoldt?*)];  (5  sechszeilige 
Strophen)  „Hiemit  hat  seine  Mit -Freude  aus  eigenem  Triebe  bezeugen 
wollen  Joh.  Henr.  Gottsched,  L.  A.  G."  [sie!]  (der  Anm.  2  S.  117  f., 
Anm.  7  S.  123,  und  im  Text  S.  106  f.  genannte  Bruder):  er  betont  die  „un- 
gewohnten" Reime  selbst  angefertigt  zu  haben;  „Dieses  schreib  [1.:  schrieb] 
seine  Mit-Freude  zu  bezeugen  des  Herrn  Magiftri  verbundener  Diener  Chrift. 
Bern  h.~  Thamm,  R.  P.  Phil.  Stud."  (mir  unbekannt). 

72)  Gewidmet  ist  sie  „Viris  de  bono  patriae  pvblico  optime  meren- 
tibvs  generosissimo  at qve  excellentissimo  GhristophoroArendaRoeder 
Svmmi  Tribvnalis  qvod  est  in  Prvssia  Consiliario,  Territorio  Balgensi  Prae- 
fecto,  nee  non  Consistorii  Sambiensis  Praesidi,  Domino  hereditario  in  Meth- 
gehten,  &c.  Praenobilissimo ,  consvltissimo  atqve  doctissimo  Theodoro 
Christian o  Pavli  Vtrivsqve  Ivris  Doctori,  Svmmiqve  Tribvnalis,  S.  R.  M.  in 
Prvssia  Consiliario.  Nee  non  praenobilissimis,  amplissimis  atqve  prvden- 
tissimis  Ohr.  Aegidio  Negelein  S.  R.  M.  ab  intimis  et  cominerciorvm  con- 
ßiliis,  et  Reipvbl.  Cniph.  Consvli.  Atqve  Iohanni  Thamm  Pro-Consvli 
Reipvbl.  Cniphof.  Aedis  Cath.  Cvrat.  Prim.  ac  Proto-Scholarchae.  Patronis 
ac  Maecenatibvs  mvlta  pietate  colendis"  vom  „Praeses".  — 

M.  Bernays1  Angabe,  er  habe,  nachdem  er  auf  diese  Disputation  hin 
als  Docent  in  die  Philosophische  Facultät  aufgenommen  worden,  „sich  hierauf 
am  27.  September  reimmatriculiren"  lassen,  beruht  auf  einem  Versehen:  an 
diesem  Tage  (Album  P.  II,  p.  454)  ist  unter  „Ex  Schola  Pataopolitana 
dimifsi  octo"  als  vierter  ein  —  vielleicht  Vetter?  —  „Johannes  Christo- 
phorus  Gottsched  Regiom.  Boruss.  st.  m."  immatriculiert;  er  hatte  das  auch 
nicht  nöthig,  da  er  ja  nicht  unterdessen  die  hiesige  Universität  verlassen 
hatte  (nur  solche  mußten  es  thun,  ehe  sie  pro  reeeptione  disputieren  konnten, 
wie  z.  B.  seine  Lehrer:  1711  6.  Juli  (p.  346)  „Dn:  M.  Michael  Lilienthal 
Lip:  Pruff.  jus  Academicum  repetiit(i;  1713  11.  Dec.  (p.  369)  „Dn.  Magister 
Johannes  Jacobus  Rhode  Regiom.  Prufs.  ex  peregrinis  Academ.  redux  jus 
Academ.  repetijt.  Stip:";  und  auch  Pietsch,  wie  angeführt,  1715). 

78)  Vergl.  dazu  die  in  Anm.  44  aus  Stolle  gebrachte  Nachricht. 

74)  Album  etc.  P.  II,  p.  429:  auch  mit  der  Angabe  „ftip.u. 

75)  Die  nach  M.  Bernays  (1879)  „noch  jetzt  unter  den  Acten  der 
Königsberger  Universität  erhaltene",   und  von  ihm   benutzte,   „Specificatio 


*)  Diese  beiden  nennt  Gottsched,  nach  Pietsch,   neben   einander  in 
der  Elegie  auf  Kreuschner's  Tod  (vgl.  oben  S.  93): 
„Folgt  eurem  Lehrer  nach,  ihr  Meister  schöner  Lieder! 
Mein  Bock,  mein.  Arnold,  stimmt  die  trüben  Flöten  an!"  u.  s.  w. 
(In  seine  „Gedichte11  Königsberg  1756  hat  Bock  dann  dies  allerdings  nicht 
aufgenommen;  Arnoldt's  Gedichte  sind  nicht  gesammelt.) 


140      Zu  J-  G  Gottscheds  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

derjenigen  Studiosorum,  die  aus  Furcht  vor  der  großen  Werbung  1724  von 
der  hiesigen  Akademie  weggezogen"  habe  ich  nicht  gesehen;  zu  seinem 
Bericht  jedoch  muß  ich  bemerken:  einen  „Bruder  Ludwig"  hatte  unser 
Johann  Christoph  Gottsched  nicht;  allerdings  aber  ist  (Album  P.  II,  p.  488) 
1722  17.  März  immatriculiert  ein  „Johannes  Ludovicus  Gottfched, 
Regiom.  Prufs."  (der  übrigens  „jurav.")  —  ob  ein  Vetter?  — 

Der  jüngste  Bruder  Johann  Reinhold  Gottsched  (geb.  1710)  ist 
erst  1725  23.  März  (Album  P.  II,  p.  468)  immatriculiert  worden. 

1726  in  dem  „Gesang"  über  den  Tod  seines  Bruders  Johann  Friedrich 
(vgl.  oben  S.  99  f.)  erwähnt  Johann  Christoph  Gottsched  sie  alle  vier  in 
diesen  Versen: 

„Ihr  A eitern,  weint  doch  nicht!  vermehrt  nicht  eure  Noth; 
Gott  hat  euch,  wie  es  scheint,  was  hartes  zugeschicket. 
Zwey  Söhne  sind  entfernt,  den  dritten  raubt  der  Tod, 
So  gar  der  vierte  wird  nicht  oft  von  euch  erblicket"  — 
Johann  Heinrich   lebte  zuletzt  in  Kassel  als  „Hess.  Cass.  Steuer- 
rad": f  1771  10./VH.  (Strieder  II,  186  Anm.  1).  —  Johann  Reinhold  ist 
als  Hofgerichtsadvocat  in  Königsberg  1759  gestorben  (vgl.  Anm.  6  und  7). 

76)  Die  „Blätter  für  literarische  Unterhaltung"  1839  haben  den  — 
doch  gewiß  nur  Lese-  oder  Druckfehler  „Frauenberg".  (Die  Stadt  liegt  im 
damals  noch  nicht  zum  Königreiche  Preußen  gehörenden  Ermlande.) 

77)  Critische  Dichtkunst  1730  (1729)    S.  407-410  —   vgl.  oben  S.  71. 

78)  Vgl.  auch  das  Urtheil  Gottlieb  Krause's  (Königsberg):  Zeitschrift 
für  Deutsche  Philologie  Bd.  XXIV.  Heft  IL  1891  (S.  202—218:  „Ein  brief 
Gottscheds  an  den  Königsberger  professor  Flottwell"    1752   19.  Jul.)  S.  204. 

79)  „an  welchen  ich  ein  Empfehlungsschreiben  [vielleicht  von  PietschPi 
aus  meinem  Vaterlande  mitbrachte"  erwähnt  Gottsched  selbst:  „Historische 
Lobschrift  des  weiland  .  .  .  Herrn  Christians,  des  H.  B.  R.  Freyherrn 
von  Wolf"  1755  S.  73.  (Vgl.  über  ihn:  Burkhard  Mencke,  Professor  der 
Geschichte  zu  Leipzig  und  Herausgeber  der  Acta  Eruditorum.  Zur  Ge- 
schichte der  Geschichtswissenschaft  im  Anfange  des  18.  Jahrhunderts  von 
Richard  Treitschke,  Dr.  phil.     Leipzig  1842.) 

80)  Dies  Datum  (das  Danzel  S.  79  noch  „nicht  genau  anzugeben" 
wußte)  hat  M.  Bernays  beigebracht. 

Uebrigens  hat  Gottsched  dann  schon  am  8.  April  1724  im  Namen 
dieser  Gesellschaft  Mencke's  fünfzigsten  Geburtstag  durch  ein  Gedicht  zu 
feiern  gehabt,  das  er  auch  1725  in  die  seiner  Ausgabe  von  Pietsch's  Ge- 
dichten angehängte  „Zugabe  einiger  Gedichte,  von  J.  C.  G.u  mitaufnahm 
(in  seiner  Vorrede  aus  dem  Jahre  1755  rechnet  er  es  später  zu  seinen  „aller> 
schlech testen");  und  er  widmete  auch  Mencke,  „Seinem  Hohen  Gönner", 
als  „treuverbundenster  Knecht"  das  ganze  Buch. 

81)  „Gedichte"  1751  II.  Theil  S.  561—557. 

Die  Bedeutung  eben  Leipzigs  für  Gottsched's,  wie  wir  Nachlebenden  wohl 
urt heilen  müssen,  eigentliche  „Lebensaufgabe"  hat  Danzel  S.  74  ff.  ausgeführt. 


Von  Johannes  Beicke.  141 


Anhang. 


i. 

Poeticarum  Thesium  Duodecas,  quam  pro  receptione  in  Facul- 
tatem  Amplissimo  Philosophorum  Ordine  consentiente,  in  auditorio  majori 
Anno  MDOOXYIII.  D.  public®  exposuit  disquisitioni  Johannes 

Valentinus  Pietsch,  Phil,  et  Med.  Doct.  Bespondente  Melchiore  Johanne 
Oaschel.    Regiomonti,  Typis  Beusnerianis. 

[S.  2:]  Omnibus,  qui  carmina  amant  et  carmine  digna  gerunt. 

[S.  8-12 :] 

Thesis  I.  9 

Cum  plerumque  fuis  de  facultatibus  plus,   quam  in  illis  eft,   fperent 

homines,  inculta  &  ab  ipfa  natura  neglecta   ingenia   ad  condenda   carmina 

animum  ad jicere,  nemo  mirabitur.   Nunquam  tarnen  infelici  fidere  nati  felicem 

excludunt  partum;    monftra  enim,    ftupidis  mutilatisque  parentibus   fimilia, 

prodeunt.      Nee    exhaufta    quanta   quanta   omnibus   fuis   cum   partibus   eft 

Philofophia,   nee  literarise,   nee  civilis  hiftorisB  cognitio,   nee   prööcepta    ulla 

connattun  emendabunt  vitium.     Ita  enim   omni   fenfere   tempore  fapientes: 

Po'etas  non  fieri,  £ed  natei.  | 

Thesis  II.  4 

Ingenio  valere  Poetas  oportet.  Hujus  acutiffimi  nifi  contineant  tefti- 
monia  carmina,  aetatem  non  ferent.  Heec  ab  illis  legi  &  relegi  meretur 
fententia,  qui  fuam  memoriam  jaetare  carminibus  maleque  digeftam  erudi- 
tionem  intempeftive  venditare,  &,  quiequid  aut  legerint,  aut  audiverint,  & 
ex  quovis  trivio  hauferint,  ligatee  orationis  vineulis  coercere  geftiunt.  Quo 
fit,  ut,  turpiter  emeudicatis  Doctorum  fententiis  teftimoniisque,  Bealium  titulo 
compilatis,  adlufionibus  longe  petitis,  Heroum,  Deorum  Dearumque  antiqui- 
täte  obliteratis  nominibus  adeo  fua  obfeura  reddant  poemata  ut  vafto,  car- 
minis  longe  magni-  |  tudinem  excedente,  opus  habeant  commentario.  Sed  hi  5 
inter  minorum  gentium  Deos  referendi  funt. 

Thesis  HI. 
Nullus  eft  tarn  conveniens  Poefi,  quam  imitatricis  naturae  titulus.  Pro- 
fpiciat  itaque  fibi  Poeta,  ne  per  varios  phantafiee  anfractus  abdüci  fe  patiatur: 
oam  hinc  falfae,  repugnante  natura,  fociat»  ideee  oriuntur,  quee,  quanquam 
interdum  fublimitatis  fpecie  deeipiant  &  apud  incautos  femidoctosque 
PoSfeos  tirones  admirationem  pariant,  a  fapientioribus  tarnen  exploduntur. 
A  Gallis  faux  brillans  nuneupantur,  in  quibus  dignofeendis  praeipue  Poet» 
elucefcit  Judicium.  | 


142      Zu  J.  C.  Gottscheds  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

6  Thesis  IV. 

Qui  nimium  religiofe  difpofitionem  in  Poematum  feqai  ftudent  com- 
pofitione,  raro  Poefeos  fublime  adfequuntur.  Excitati  enim  ingenii  quo  im- 
pellit  impetus,  non,  quo  imbecilles  difpofitionis  leges  ducant,  eo  tendat  Poeta. 
Excedunt  plerumque  libera  arctos  limites  ingenia,  &  non  artificiofo  tenuium 
difpofitorum  membrorum  ordine,  Ted  libero  dignoque  carminis  nobilitate 
modo  confpirantium  fublimium  idearum  feries  connectunt. 

Thesis  V. 
Obligatur  quidem  folut®  orationis  legibus  Poeta,  ut  ad  dictionis  quan- 

7  dam  Majeftatem  adfpiret,  maximum  tarnen  poeticae  elocu-  |  tionis  vitium  eft, 
fi  fublime  fectaturus,  inflata  utitur  dictione.  Extollant  eminens  hoc  puerilibus 
encomiis  vitium  imperiti;  qui  fanis  Poefeos  eft  imbutus  principiis,  prqjidt 
ampullas  et  £e£quipedalia  verba. 

Thesis  VL 
Plane  autem  infelici  Minerva  nata  mihi  effe  videntur  ingenia,  quae  ad 
fordidum  abjectumque  delabuntur  dictionis  genus.  Inflatum  fi  fanee  rationis 
legibus  reprefferis  ftilum,  corriges,  fed  hos,  quos  natura  non  formavit,  Poetas 
nulla  arte  juvabis;  nam  longe  eft  facilius,  magno  detrahere,  quam  parvum 
augere.  Hie  locum  fibi  vindicat  feribendi  genus,  quod  a  Gallis  Burlesque 
g  vocatur.  Hoc  fuo  feculo  omnes  fuperavit  Scarronius,  |  fecuturis  autem  ita 
degeneravit  temporibus,  ut  non  tarn  ainoenitate  adficiat,  quam  obfcoena  for- 
ditie  lectoris  animum  l»dat. 

Thesis  VII. 
Quemadmodum  poämata  a  profa  diftineta  Amt,  ita  &  una  carminis 
fpecies,  &  ftili  caractere,  &  inventionis  legibus  diferepat  ab  alia.  Hinc  ii 
demum  aliquid  in  Poefi  profeeiffe  mihi  videntur,  qui  in  illis,  quee  humilem 
requirunt  dictionem,  thematibus,  temperare  fibi  a  grandi  magnificoque  ftilo 
.  poffunt.  Hoc  eft  quod  in  Marone  mirata  funt  fecula,  cum  in  Eclogis  humi- 
lem, in  Georgicis  mediocrem,  in  Jäneidum  libris  fublimis  heroieique  carminis 
caracterem   ita  exprefferit,  ut  naturam  ipfam  expreffiffe  exiftimandus  ßt.  | 

9  Thesis  VIII. 

Materiee  perfonisque  fimili  traetandee  funt  EclogSB  ftilo;  Nymphas, 
venatores,  paftores,  liluas,  campos,  flumina,  armenta,  amores  rixasque  fuas 
elocutione,  quee  eft  fimpliciffima,  deferibunt.  Sententiarum  vibrare  acumina, 
abftrufa  laudem  adfeetare  eruditione,  ad  illud,  quo  Heroes  fuperbiunt,  genus, 
vocem  extollere,  Nymphas  Paftoresq;  non  decet.  Hos  tibiis  fiftulisque  canere, 
non  bellicofam  oportet  inflare  tubam. 

Thesis  IX. 

Dramate   qui   laudem   confequi   ftudent,    ab  antiquitate  pofteris  com- 

mendatis  fanee  rationis  legibus  omnem  impendant  operam;   five  enim   exci- 

tatos    adfectus,    live   artificiofiffimam   fimplicitatem,    live   dignam   perfonis 

10  materiaque  elocutionem  fpectes,  |  omnibus  palmam  praripiunt  veteres.    Quo 


Von  Johannes  Reicke.  143 

factum,  ut,   hanc   qui   tibi  perfectiffimam  proponunt  nonnam  Recentiores, 
Bacine  <fc  Corneille,  tantam  fibi  adquifiverint  gloriam. 

Thesis  X. 
TragoedifiB  quanquam  grandis  Ut  proprius  ftilus,  &  leves  effutire  ver- 
fus  non  deceat,  Tragicus  tarnen  altoe  interdum  exuit  cothurnos  &  dolore 
fnblimis  illa  dictio  deprimitur ;  nam  cum  actionis  imitatio  drama  fit,  omnem 
verüimilitudinis  perdit  fpeciem,  fi  adfectum  calamitate  an  im  um  ad  figuratam 
acutamque  dictionem  advertere  fpectamus. 

Thesis  XL 
Inter  prsecipua  carminum  genera  Ode  referenda.  In  hac  omnes  fuas 
delicias,  &  quotquot  ornamenta  poffidet,  Poefis  effundit.  Diftingui  tarnen 
Lyrtcorum  |  materiee  carminum  merentur,  Quibus  Bacchus,  quibus  amores  n 
cantantnr  Od®,  ab  Ulis,  quibus  preelia  &  res  graves  celebrantur,  &  conceptu 
&  verbis  differunt.  Ulis  Anacreon,  his  Pindarus  eft  fuperior;  utrosque  non 
fine  virtute  de  la  Motte  imitatus  eft. 

Thesis  XII. 
Satyra  &  utilitate  &  amoenitate  omnes  fere  poömatum  antecedit 
fpecies,  nam,  cum  rigidam  averfentur  veritatem  homines,  vanorum  incufati 
mendaciorum  Poet®,  ridendo  verum  dicere  vitiaque  digno  fuis  meritis  ftilo 
perftringere  confilium  cepere.  Hunc  ßbi  fcopum  fatyrarum  fapientes  preefi- 
gunt  fcriptores;  famam  enim  gravium  viteeque  integritate  commendatorum 
virorom  leedere,  calnmniatorum  eft.  Stylus  Sa-  |  tyr»  ßt  acutus  quidem  &  12 
amcBnus,  facilis  tarnen  &  perfpicuus.  Obfcura  enim  dictione  vitiorum  non 
deteguntur  latebrse.  Requiritur  ad  concipiendam  Satyram  Ingenium  poli- 
tiiTimum.  Mifantropi  [sie!]  enim  huic  non  fufficiunt  labori,  fed  tales,  quibus 
experientia  feculi  nofhi  mores  notos  reddidit,  reqviruntur  Poötsa.  Perfius  in 
hoc  genere  obfcurus  nimis,  Juvenalis  &  Horatius  lectu  digni.  Inter  Gallos 
Boileau  maxime  floruit,  qui,  quicquid  continet,  Veterum  imitationi  debet, 
quorum  religiofo  ftrictoque  pede  veftigia,  femper  eft  fecutus. 


II. 

Solutee  Ligateeque  Orationis  Limites,  Annuente  Divino  Numine, 
decreto  Amplissimi  Senatus,  in  Academia  Regiomontana  pro  loco  Professio- 
nis  in  Poeai  Ordinario,  solenni  disputatione  exponit  Johannes  Valen- 
tinus  Pietfch,  Phil.  &  Med.  Doct.  &  Poef.  Prof.  Publ.  Ord.  Respondente 
Jacobo  Fridenco  Danckmeyer,  Regiomont.  Pruff.  horis  ante  et  pomeridianis 
Anno  MDCCXVIU.  Die  XXII  Februarii.  In  auditorio  majori.  Regiomonti, 
Typiß  Reusnerianis. 

[Rucks,  d.  Titelblatts:] 

Augustissimo,  Serenissimo  ac  Potentissimo  Principi  ac  Domino, 
Dn.  Fridenco  Wühelmo,  Regi  Borussias,  Marchioni  Branden  burgico,  S.  R.  I. 


144      Zu  J.  C.  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

Archi-Camerario  et  Electori,  Supremo  Arauaionensi,  Neocomensi  et  Vallan- 
ginensi  Principi,  Magdeburgi,  Cliviae,  Juliae,  Montium,  Stetini,  Pomerano- 
rum,  Cassubiorum,  Vandalorum  et  Megapolis,  item  in  Silesia,  Crosnae  Duci, 
Burggravio  Norimbergensi,  Principi  Halberstadii,  Mindae,  Camini,  Vandaliae, 
Sverini,  Raceburgi  &  Meursae,  Oomiti  Hohenzolleriae,  Rupini,  Marcae, 
Ravensbergae,  Hohensteinii,  Tecklenburgi,  Lingae,  Sverini,  Burae  &  Leer- 
dami,  Marchioni  Vehrae  &  Vlissingae,  Dynastae  Ravenateinii,  Rostochii, 
Stargardiae,  Lauenburgi,  Butoviae,  Arlaiae  ac  Bredae,  <fcc.  &c.  &c.  Regi  ac 
Domino  sno  clementissimo,  Differtationem  hanc  humillime  offert  et  confe- 
crat  fervus  devinctiffimus  Johannes  Yalentinus  Pietfch. 
[S.  1-16:] 

1  §•  I. 

Inexbaufta,  ande  tum  plereeqve  fcientiee,  tarn  Poe/is  originem  ducunt, 
fcaturigo,  delectatio  eft.  Haac  non  Poeii  tantnm  inveniendffi  locum  fecit, 
Ted  ad  varia  etiam  Carminum  genera  conficienda  fcriptores  excitat.  Finem 
&  initium  hujus  conftituit  fcientiee  delectatio,  fic  ad  illum,  ex  quo  emanavit, 
fontem,  tendit  revertiturq;  Poöfis. 

§.  IL 
Anteceffit    Poöfin  Mufica,    ab    hominibus    ad    demalcendum    auditus 
fenfum,    introducta.      Verum,    ne    yanus  aures    feriret    fonus,    verba    fonis 
junxere,   quibus   vel   excitare  in   obrutis   calamitatibus  animis  laetitiam,  vel 
augere  poffent  excitatam. 

§.  in. 

Sed  cnm  ipfa  nos  ad  varietatis  adpetitum  natura  ducat,  eundem  toni 
gradum,  tempusqve  perpetuum,  nanfeam  parere,  obfervatum  eft.  Hinc  modo 
fnftulere,    modo  depreffere,   modo  longa,   modo  celeri  mora,   edidere  ibnum. 

2  Quod   vocibus  etiam,   productas  brevesqve   mifcendo  fyllabas,  imitati  |  funt, 
quee  certo  compofitee  modo,  muficis  quantitate  gradibnsq ; ,  refponderent  tonis. 

§.  IV. 
Neglectior  primus  Poefeos  fuit  habitus,  usqve  dum  fequenti  8bvo  fylla- 
barum  numerum  majori  adtenderent  cura,  pedes  adcnratins  connecterent, 
ftudiofiusqve  menfuratos,  certis  fpatiis  limitibusqve  conftringerent,  e  quo  mm 
apta,  numero  modoqve  finita,  compofitione,  fonora  gratiffimaq;  auribus  orta 
eft  oratio,  quam  adlegatas  ob  rationes,  ligatam,  metricam  &  rythmicam  ad- 
pellavere.  Haec  adeo  neceffaria  carmini  forma  eft,  ut,  ea  abfente,  carminis 
nomen  poema  vix  fuftineat. 

§.  v. 

Sunt  quidem,  qui,  fictionibus  nimium  tribuentes,  fabulis,  nullo  vinculo 
ligatis,  nullo  rythmo  fonoris,  inter  poemata  locum  concedant.  Sed  cum  cani 
non  pofßnt,  nee  foni  ameenitate  delectent,  nee  metro  ligatee  (int,  indignee 
ligatse  orationis  carminisqve  nomine,  ad  folutam  profamqve  ablegand®  funt. 


Von  Johannes  Reicke.  14B 

§.  VI. 
Adcuratiffimo  Greeci  Romaniq;  Poet»  raetro  ufi  funt.    Hos  Germani 
feqvnntur;  Itali  vero  &  |  Gaili  majori  libertate  peccant.    Et  non  incultis  folam,  3 
ante  Ronfardum  temporibus  Galliee  Poetas,    Ted  &  recentiffimos,  imo  rigo- 
rofiffimum  carminum  cenforem  DeFpreaux  offendere  animadvertimus. 

§.  VII. 
Altera  apud  plerasque  gentes  caracteriftica  carminis  nota  Rythmus 
eft;  non  quidem,  de  quo  jam  antea  egimus,  Romanorum  &  Greecorum,  fed, 
queB  hodie  adhuc  vigent,  Gentium:  Germanorum,  Anglorum.  Beigar ura, 
Italorum  &  Gallorum  rythmus,  ab  antiquo  illo  maxime  diftinctus.  Illorum 
verfum,  quam  totua  erat,  horum  vero  exitum  tan  tum  fonorum  reddit  rythmus. 
Illorum  unus  rythmo  fufficit  verfus,  horum  autem  duos  in  exitu  eequalitate 
toni  confpirantes  requirit.  Quam  ob  caufam  ä  Germanis  etiam  Reim, 
ä  Gallis  Rime  adpellatur. 

§.  vin. 

Hoc  adeo  delectamur  rythmo,  ut  parum  abfit,  quin  apud  nos  fere 
folns  a  communi  fermone  diftinguere  videatur  Carmen.  Nam  etiam fi  nee 
metro,  nee  coneeptu,  nee  dictionis  genere  ä  vulgari  loquendi  abeat  modo 
oratio,  verfus  tarnen  &  carminis  Uli  imponitur  nomen,  fi  exitus  auribus 
oommendetur  rythmo.  Non  dubito  quidem,  multos  |  aut  plane  abhorrentes,  4 
aut  parui  facientes  hoc  rythmi  genus,  non  omni  deftitutos  ratione,  ita  fentire, 
nihilominus  tarnen  certo  conftat  ad  gratum  verfuum  tonum  multum  conferre 
rythmum. 

§.  IX. 

Argumenta,  quibus  fnas,  rythmi  ofores,  fuffulciunt  hypothefes,  heec 
funt:  Primo  möllern  nimis,  quem  rythmus  inducit,  fonum  indignum  virili 
Carminis  Majeftate  cenfent.  Verum  non  opus  eft,  Germani  ut  anxiam  inolli- 
tiem  averfentur,  pleraqve  enim  apud  nos  verba  nimis  mafculum  edunt  tonum, 
cum  non  vocalibus  tan  tum  referta  ßnt  grandibus,  fed  &  crebrioribu«  ftrideant 
confonantibus,  adeo,  ut  noftra  ab  exteris  duritiei  aceufetur  lingva.  [sie!] 
hujus  autem  remedium  eft  optimum,  verfus  exitum  aeeepto  möllern  reddere 
rythmo. 

§.  X. 
Nonnullos,  ad  eliminandum  verfuum  rythmum,  eloquentiae  defectus  ob- 
ligat.    Nam    cum   nee   libere  animi  coneeptus  fufficientibus  materiee  verbis 
indicare   poffint,    magnus  fane   moleftiffimusqve  fit  oportet  labor,    fi,  certo 
rythmo  inclufa,  fententia  eft  efferenda.  | 

§.  XL  5 

Accidit  hoc  plerumq;  illis,  qui,  Eloquenti»  praeeptis  non  fufficienter 
imbuti,  nee  ftüo  fatis  exercitati,  ad  Poefeos  adfpirant  fublime;  digni,  qui 
cum  claudicantibus,  tardo  paffu  incedere  non  valentibus,  curfores  tarnen  fequi 
geftientibus,  rideantur.  Nam  nunquam  illis,  qui  copiee  eultuique  fermonis 
operam   dedere,   conciliandi   cum  rythmo  fenfum,   facultas  deerit.    Tantum 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX.  Hft.  U2.  IQ 


146      %*  «f«  C.  Gottsched*s  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

enim  abeft,  ut  verfus  exaraturis  offendiculo  fit  rythmus,  nt  Poötarum  potius 
promoveat  conatus,  illosqve  ad  rerum  ideas  verborumqve  conceptus  ducat 
inexfpectati  sfimoa. 

§.  xn. 

Tandem,  confvetudini  per  feculorum  feries  oonfirmatee  aliquid  tribuen- 
dum  effe,  exiftimo.  Adfvetse  anres  noftree  funt  rythmo,  quo  deficiente,  ju- 
cundiffimo  Carmen  ornamento  fpoliatum  effe  videtur. 

§.  XIII. 
Confilium  quidem  coeperam,  in  hac  pro  Loco  Difputatione  fententiam 
propriam,  aliorum  non  illuftratam  exemplis,    qu»  alio  dicata  funt  loco,  pro- 
ponere;   non  tarnen  poffuni,   quin   ex   latino   idiomate,    Seckendorffii  ftudio, 

6  Lucani  de  Bello  Ciyili  |  verfus,  obfervato  quidem  metro,  Ted  neglecto  rythmo, 
traductos  recenfeam,  quo  notabilis  amoenitatia  defectus,  &  noftree  fententiae 
robur  patefiant: 

Den  mehr  als  Bürger  Krieg,  im  Feld  Emathiens 

Geführt,  beschreiben  wir,  wie  unrecht  recht  bekommen: 

Des  starcken  Volckes  Hand,  voll  Siegs,  in  sein  Geweyde 

Verkehrt  und  aufgestellt  zwey  Blutsverwante  Heere: 

Der  Bund  ums  Reich  getrennt,  mit  aller  Krafft  gekämpfft 

Der  aufgerührten  Welt  zur  gleichen  Ungebühr: 

Da  feindlich  wider  sich  gestossen  Römern  Fahnen 

Auf  Romer-Fahnen  loß:  Auch  Adler  widerstunden 

Den  Adlern  gleicher  Art,  und  Bürger-Spieße  drohten 

Auch  wider  Bürger  Spieß.    O  wie  gerahtet  ihr, 

Ihr  Bürger,  in  die  Wuht?  Wer  last  dem  Schwerdt  und  Eisen 

So  frey  und  grosse  Macht,  und  giebt  Lateiner  Blut 

Verhaßten  Völckern  Preiß?  | 

7  Das  unfruchtbahre  Blut,  so  durch  der  Bürger  Kriege 
Ematien  befleckt,  der  frechen  Boßheit  Siege. 

Des  starcken  Volckes  Hand,  das  sein  entblöstes  Schwerdt, 

So  sonst  die  Barbarn  schlug,  auf  seine  Brüste  kehrt, 

Des  Reiches  Band  getrennt,  zwey  Bluts- Verwandte  Freunde, 

Zum  Streit  erhitzet  hat,  die  als  erboste  Feinde 

Mit  aller  Krafft  gekämpfft,  als  die  empöhrte  Welt, 

Zwey  starcker  Heere  Macht  zum  Treffen  aufgestellt, 

Als  Fahn  auf  Fahne  sties,  als  Schild  auf  Schilde  stiessen, 

Und  selbst  der  Römer  Arm  mit  scharffen  Bürger-Spiessen 

Den  Adlern  droheten.    Dieß,  dieß  beschreiben  wir, 

Rom!   was  umbnebelt  dich,  ach  wie  gerahtet  ihr, 

Ihr  Bürger  in  die  Wuht,  den  alten  Ruhm  zu  schänden? 

Der  Römer  edles  Blut,  so  schimpfflich  zu  verschwenden, 

Und  gebt,  was  übrig  bleibt,  verhaßten  Völckern  Preiß.  | 

8  .  §-*IV. 

Credo,  fufficienter,  verfuum   horum  lectione,  meam    confirmatam  iri 

hypothefin.    Nunc,  de  verbis  ipfis  ut  aliquid  dicamus,  reftat. 


Von  Johannes  Reicke.  147 

§.  XV. 
Utuntar  quidam  [sie!:  quidem?]  iisdem,  cum  Oratoribus,  Poet®  verbis, 
interdum  tarnen,  vel  metri  neceffitate,  vel  rerum  vivacius  pingendarum  gra- 
tia,  ad  fingularia  rerum  nomina  fingenda  adiguntur.  Scatent  talibus  verbis 
omnia  Carminnin  genera,  nemo  tarnen  Comicos,  rifum  excitaturos,  fingen di 
andacia  anteceffit.  Verum  cum  oratoribus  non  nifi  iis,  qu®  ä  preeftantiflimis 
anreee  eetatis  feriptoribus  civitate  donata  A  confvetudine  reeepta,  verbis  uti 
liceat,  fuafor  ego  cafto  nitidoqve  ftilo  ufuro  non  effem.  ut  ex  ligata  ad  folu- 
tam  Orationem  fieta  Poetaruin  verba  transferat.  Aliter  a  Quintiliano,  Rhe- 
torum  Principe,  edoctus,  cui  non  folum,  ex  varia  ratione  lingvarum  mifta, 
oratio  difplicet;  Ted  &  iimile  Vitium  effe  videtur,  fi  quis  poetica  vulgaribus 
mifeeat.  Hase  fingendi  confvetudo  apud  plerosqve  praftantiffimos  Romano- 
rum Poetas  adeo  invaluit,  ut  Flaccus  fua  in  arte  poetica  hanc  commenda- 
verit  licentiam,  prseeeptisque  fingendi  modum  illuilraverit:  | 

In  verbis  etiam  tenuis  cautusq;  ferendis  9 

Dixeris  egregie,  notum  Ci  callida  verbum 
Reddiderit  junetura  novutn.     Si  forte  necetfe  eft 
Indiciia  monftrari  recenübus  abdita  rerum  &c. 

8- xvi. 

Non  quidem  bac  libertate  abdicandas  [sie!]  effe  Poötas,   fed   male   ab 

oratoribus  fibi  exemplo  proponi  cenfeo.    Quod  quo  facilius  pereipiatur,  aliqua 

ex  noftra  place t  adducere  vernacula  exempla: 

Tyrann!   dieß  ist  die  Hand,  die  du  entseeptert  hast, 

In    ligata   non   adeo    indecorum   eft,    fed    in   profa  incongrua   &   adfeetata 

effet    imitatio,  e.  g.    Aus   Schweden   läufft  die  Nachricht   ein,   daß  sich  die 

Königin  selbst  entseeptert  habe.     Heec  vanorum  hominum  ftilo  relinquenda 

Amt: 

Ich  sehe  dich  O  Held  entgeistert  vor  mir  liegen. 

Non,    nifi   ficto   eliminato,    verbo   profse   induit  formam;   ita   enim   dicen- 
dnm  eft:  Ich  sehe  den  Helden  todt  vor  mir  liegen.     Adtendi  etiam  meretnr, 
non  proprium  tan  tum  Poetis  fictornm  effe  |  ufum  verborum,  fed  &  ufitata  alio  10 
modo  conffcrui  verba,  e.  g.  Opitius: 

O  Mars,  ich  singe  dich,  du  stareker  Gott  der  Kriege. 
Aliena   plane   a  communi  loquendi    forma  eft,   dictio,    qu®   non   confundi 
cum  foluta  oratione  poteft. 

§.  XVII. 
Diffemnt  tandem  ab  Oratoribus  Poetee  coneeptibus,  &  ftyli  caractere. 
Brevi  heec  comprehenfa  periodo  preeeipua  Poefeos  capita  funt,  qu®  tan  tarn 
explicandarum  rerum  ubertatem  continent,  ut,  fingula  fi  diftinetius,  enuclea- 
tiusqve  traetare  velimus,  fingulis  propria  decernenda  effet  differtatio.  Verum 
cum  hujus  non  ßt  loci,  coneeptus  quomodo  formandi  fint,  quo  ordine  quo 
ftyli  genere  proponi  debeant,  docere,  contentus  fum,  R  modo,  fictionera  fingu- 
lare  Poefeos  ornamentum,  per  quod  a  foluta  diftingvatur  oratione,  conftituere 
indieavero. 

10* 


148      Zu  J.  C.  Gottsched^  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

§.  xvni. 

11  Si  cnm  Hiftoriis  Orationibusqve  Illuftrium  |  Poetarum  conferamus  car- 
mina,  h»c  inprimis  a  communi  fermone  animi  conceptibus  fecernenda  effe 
fentiemus.  Nam  cum  fimplici  Orator  modo  res  existentes  exponat,  quafi 
divini  cujufdem  [sie !]  numinis  adflatu  perculfus  Poeta,  res  non  existentes  fignifi- 
cativo  producit  figmento,  quo  latens  lucem  foBneretur  veritas;  &  hie  eft 
dignus  judicatus  ab  antiquis,  magnificus  Poefeos  babitas,  qui,  qvam  circum- 
ambit  veritatem,  venuftate  gratiofiorem,  majeftate  venerabiliorem  efficit. 

XIX. 
Fieri  itaqve  vix  poteft,  quin  congruus  materiaa  animi  coneeptus,  rari- 
tate  admirationem  pariat,  hypotypofi  vivacius  percellat,  idea  fublimi  altius 
extollat,  amoBnitate  capiat,  removeatque  multis  intervallis  folutam  a  Carmi- 
nibus  Orationem.  E.  g.  Virgilii  fimplex  hoc  fuit  thema:  JEneas  Latium 
tendens  tempeUatem  nactus  eft  adver  Cam;  hoc  fterile  foseundum  reddidit  ar- 
gumentum Actione: 

I.    Cau£am,  Junonem    irä   incenfam,   interitumqve    Trois  machinantem, 
fingit. 

12  n.   Mohim  inducit,  qui,  Junoniß  preeibua  ex-  |  oratus,  fubditos  vineulis  iblvit 

ventos,  atque,  ut  coelum  mareque  turbarent,  jnffum  dedit. 
III.  Tempehatis  eircumftantias  fingit,  Eurum  Notumque  fiuetus  volventes, 
Anten narum  ftridorem,  hominum  clamorem,  tenebrieofas  diem 
fugientes  [sie!:  fugantes?]  nubes,  horridum  atra  nocte  mare,  cosli 
tonantis  fragorem,  ruptum  repetito  fulgure  SBtherem,  inftantique 
mortis  periculo,  perculfos  defperatosque  Troadee,  tarn  vivaciter 
exprimit,  ut  non  jEne®  fata  Ted  ipfam  naturam  delineaffe  cenfendus  fit. 

§•  XX. 
Abit  tandem  magnifico  elocutionis  ornatu  a  communi  dicendi  genere 
poöma,  &  tot  variis  ac  infinitis  fere  modis,  ut,  fingulos  fi  recenfere  velimus, 
non  Differtatio,  fed  moleftus  fua  mole  conicribendus  effet  liber.  Obfervaffe 
fufficit,  omnes  in  id  Studium  conferre  Poetas,  ut  fuis  admirationem  confe- 
quantur  carminibus;  hinc  non  animi  faltem  ideis,  Ted  &  dictione  fublimi 
ä  vulgari   fermone   oportet  Poetam  fecedere.    Ubique  obvia,  humiiia,    com- 

13  munia,   rara  |  effe   non  poffunt,   quod   tarnen,   cum   admirationis   mater  fit 
raritas,  neceffario  requiritur. 

§.  XXI. 
Decet  itaque,  tum  a  communi  loquendi  modo  deflectere,  tum  a  communi 
fignificatione  in  alienam  transferre  voces.  Primum  figuris,  alterum  tropis, 
Poetis  adeo  neceffariis,  effieimus.  Aliquando  rythmus,  aliquando  metrum, 
carminum  obligat  feriptores,  ut  repugnantia,  minusque  apta,  rejiciantur  verba ; 
inde  vocum  oritur  penuria,  cui  legitimo  troporum,  ufu  (verborum  auetiorem 
reddentium  numerum,)  fuecurrere  neceffitas  exigit. 

§.  XXII. 
Omnibus   etiam,   quotquot    funt,    carminum  fcopis,   five  ornatum  five 
majeftatem,   five   volnptatem  fpectes,    fatisfaciunt  tropi;  nam  ä  fimilitudine 


Von  Johannes  Reicke.  149 

apta  profecti,  carmini,  ut  pulchra  conclavibus  pictursB,  ornamento  funt. 
Splendorem  his  orationis  luminibus,  dictioni  adfundemus,  majeftatemque, 
deriuatis  ä  grandibus,  gravibus  nobilibusque  rebus,  conciliabimus,  ac  deducto 
a  gratis  jucundisque  tropo,  lectorem  |  adficiemus.  Neque  folum  eifere,  fed  14 
&  deprimere  orationem,  non  delectare  tan  tum,  fed  &  dolorem  excitare  terrorem- 
que  inentere,  &  translatis,  a  communi  ad  fingularem  fignificationem,  verbis, 
dictionem  fimul  a  folutse  orationis  limitibus  ad  ligatam  transferre  poffumus. 

§.  xxni. 

Solut»  quidem  orationi  etiam  fuo  loco  decens  concedendus  eft  ornatus, 
Ted  non  tarn  magnificus  ut  carmini,  cni  illuitris  Poetee  foetus  nomen  tribuen- 
dum  eft.  Figur»  fint  felectiores  vehementioresqve,  elatiores  tropi,  rariora 
crebrioraqne  epitheta,  qa»  ad  diftinctam  a  communi  fermone  fublimitatem 
ornatnmq;  poema  extolliint.  Qui  autem  fit  ille  ornatus  fublimitatisqve  gradus, 
quibus  ä  ligata  profa  fecernitur,  inquirerent  fortaffis  Uli  curiofius,  qui  non- 
dum  edocti  experientia  funt,  talia,  non  tarn  regulis,  quam  exemplis,  Lectorum 
oculis  effe  fujicienda. 

§.  XXIV. 

Hinc  Optimum  eft  confilium,  ut  ipfi  cum  Oratorum  fcriptis  confera- 
mus  carmina,  &  diligenti,  in  quo  conveniant,  in  quo  difcrepent,  meditatione 
inveftigare  ftudeamus.  Exemplum  nobis  fuppeditat  Maronis,  optimi  Poet  89, 
Ecloga:  | 

Fortunate  tenex,  hie  inter  flumina  nota,  15 

Et  fvntts  £acro8  frigus  captabis  opacum,  &c. 

Nee  tarnen  interea  raueoe,  tua  cura,  palumbes, 

Nee  gemere  aerea  cetfabit  twrtwr  ab  tdrno. 

Ante  leve8  ergo  pa£centvr  in  oBthere  cervi, 

Et  freta  dcUituent  nudos  in  littore  piiees:  &c. 

Aut  Ararim  Parthus  bibet,  aut  Germania  Tigrim 

Quam  no£tro  illius  labatur  pectore  vultus. 
Haac    ad   verbum   germanico,    in   foluta   Oratione,   idiomate   reddita,  rifum 
excitare  fine  dubio  experiemur. 

Du  beglückter  Greiß,  hier  wirst  du  bey  den  bekannten  Flüssen  und 
heiligen  Brunnen  eine  schattigte  Kälte  geniessen.  Unterdessen,  wirst  du  doch 
mit  aller  deiner  Sorge  nicht  machen,  daß  weder  die  heisere  Wald-  noch  die 
Turtel-  Taube  auf  einem  biß  in  die  Lufft  reichendem  Ulmen-Baume  zu 
seufftzen  nachlasse,  &c.  Ehe  werden  die  leichten  Hirsche  in  der  Lufft  weyden, 
ehe  wird  die  See  die  nackten  Fische  auf  dem  Ufer  lassen.  Ehe  wird  der 
Parther  den  Ararim,  und  Deutschland  den  Fluß  Tyger  trincken,  ehe  uns 
sein  Gesicht  aus  der  Brust  fallen  soll. 

Hoc  Poetarum  prineipis,  quod  mirati  fumus  antea,  carmen,  quia  au- 
dacius  ligati  fermonis  ornatus  in  folutam  translatus  eil,  ridemus.  Alterum 
fit.  exemplum  Canidii  ad  Auguftum  Oratio,  in  Lohenfteinii  Cleopatra  repe- 
riunda:  | 

Der  Himmel,  grosser  Fürst,  kämpft  nunmehr  selbst  vor  dich,  16 

Der  nie  gebückte  Nil  beugt  vor  der  Tyber  sich; 


160      Zu  J.  C.  Gottscheds  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

Egypten  weichet  Rom,  Cleopatra  dem  Käyser; 

Der  Götter  Bäht  verkehrt  dir  die  Cypressen-Reiser 

Des  sterbenden  Antons  in  einen  Lorbeer-Krantz. 
HfiBC  ita  in  profa  efferenda  effe  arbitror:  Grosser  Fürst,  der  Himmel 
stehet   dir  selbst  bey,   denn  weil  da  durch  den  Tod  des  Antons  einen  voll- 
kommenen Sieg  erhalten  hast,  muß  sich  Cleopatra  dem  Käyser,  und  Egypten 
den  Römern  übergeben. 

Hac  methodo  ß  profam  cum  foluta  oratione  conferrent  &  Eloquentiee 
&  Poeli  operam  navantes,  non  tarn  imprudenter,  ut  feepe  animadvertimus, 
folutee  ligataeqve  orationis,  iniquo  conatu,  confunderentur  limites. 

§.  XXV. 
Verum,  ne  profee,  ftili  fublimitate  ligatam  eequantis  aut  antecedens 
objiciantur  nobis  exempla,  notandum  effe  exiftimo,  quod,  quemadmodum 
alius  epiftolas,  alius  hiftorias,  alius  panegyres  deceat  ftilus,  ita  etiam  Ecloga, 
Elegia,  Comoedia,  Tragoedia,  Ode  &  heroücum  Carmen  inter  fe  differant. 
Hinc  non  panegyri  Ecloga,  Ted  Dialogo,  heroücum  autem,  ut  ejusdem  claffis, 
Carmen,  panegyri  efb  comparandum. 


***** 


Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

Von 
A.  Trelchel. 


In  der  Sprache  zu  und  von  Thieren  wird  es  sich  deshalb  be- 
sonders nur  um  die  Hausthiere  handeln,  weil  der  Mensch  oft  genug 
mit  ihnen  zusammen  kommt,  ihre  Kraft  oder  ihren  Verstand  ge- 
braucht und  sich  mit  ihnen,  wenn  auch  als  unvernünftigen,  so  doch 
im  Einzelfelle  durch  die  Länge  der  Zeit  häufig  lieb  gewordenen 
Geschöpfen  in  liebkosender  oder  abweisender  Sprache  einlässt. 
Wird  ein  Thier  domesticirt,  so  sieht  man  am  Papagei  oder 
Eichhörnchen,  daß  es  auch  seine  Buf-  oder  Kosenamen  empfängt. 
Die  meisten,  namentlich  kosenden  Zurufe  entstehen  aus  den 
natürlichen  Tönen,  ahmen  sie  mit  Beduplication  nach,  sind 
onomatopoetisch.  Werden  Lock-  und  Koserufe  oftmals  wieder- 
holt, so  werden  Scheuchrufe  sprachlich  meist  nur  einmal  gesetzt 
und  außerdem  laut  gesprochen.  Soheuchrufe  schließen  meist 
einen  Zischlaut  in  sich  und  beginnen  mit  einem  Vorschlage, 
gleichwie  beim  Militair  das  Commando  aus  dem  vorherigen 
Avertissement  und  dann  dem  eigentlichen  Commando  besteht. 
Lockrufe  sind  Koserufe  und  führen  daher  weichere  Conso- 
nanten  in  sich.  Beizrufe  bedingen  edlere  Thiergattungen, 
wie  Pferd  und  Hund.  Außerdem  bedingt  der  für  Zuruf  oder 
Fortweisung  gebräuchliche  Tonfall  ganz  bedeutend,  wenn  nicht 
ausschließlich  das  Verständnis  bei  fast  allen  Thieren,  nament- 
lich Säugethieren.  Hervorzuheben  wäre  noch,  daß  aus  den  volks- 
tümlichen, namentlich  kosenden  Namen,  wenn  sie  zweisilbig 
sind  und  doppelt  gerufen  werden,  durch  falsohe  Abtheilung  sehr 
häufig,  wie  z.  B.  bei  der  Gans  zu  ersehen,  ein  metathesirtes 
Wort  entsteht. 

Wie  man  in  den  Wald  hineinruft,  so  schallt  es  wieder  her- 
aus! So  etwas  Aehnliches,  zumal  wenn  man  noch  den  Nach- 
ahmungstrieb dazu  nimmt,  hat  es  zu  Wege  gebracht,  dass  die 
Menschen  die  Thiere  häufig  nach  ihren  Thierlauten  bezeichnen, 
dann  aber  noch  mehr  diesen  pleonastisch  davor  setzen,  besonders 


152         Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

wenn  sie  in  den  Kosenamen  zu  ihnen  oder  in  (Kinder-  und 
Wiegen-)  Liedern  von  ihnen  sagen  und  singen ;  so  entstand  der 
Klapperstorch  und  der  kajankende,  kaschunkende  Hund;  so  singt 
man  vom  Bählämmchen,  von  der  Kluckhenne  und  der  Mecker- 
ziege, von  der  Bukuh,  vom  Hieschfüllen  und  vom  Piepmatz. 

Den  bei  Scheuch-  oder  Spornrufen  gebräuchlichen  Vorton 
a  (aschoh!  bei  Hühnern)  oder  ha  (hascha,  beim  Pferde)  lassen 
wir  Menschen  auch  beim  Niesen  (hatschi!  oder  hapsi!  polnisch 
psik!)  unwillkürlich  aus  der  Brust  steigen  und  wiederholt  er 
sich  noch  hörsamer  beim  Hailoh! 

Den  Jäger  mit  seinen  Kunstausdrücken  lasse  ich  meist  bei 
Seite,  sowie  auch,  was  etwa  aus  Beinecke  Fuchs  in  seiner  viel- 
fachen Bearbeitung  für  das  vorliegende  Thema  zu  entnehmen 
wäre.  Weitere  Anklänge  an  die  Thierwelt  mag  späterhin  das 
in  Vorbereitung  begriffene  Volksthümliche  aus  der  Thierwelt 
ergeben.  Viel  Einschlägiges  giebt  H.  Frischbier  (Fr.)  in  Preu- 
ßische Volksreime  und  Volksspiele,  worin  namentlich  zu  ver- 
gleichen wäre  der  Verkehr  mit  Vögeln  (S.  60  bis  68),  wie  man 
zu  Hausthieren  redet  (S.  63),  Thiersprachen  (S.  64)  und  Ball  der 
Thiere  (S.  71).  Um  Wiederholungen  zu  vermeiden,  zog  ich  seine 
köstliche  Ausbeute  nur  heran,  wo  es  einer  Vergleichung  galt.  Viel- 
leicht findet  sich  aber  doch  für  sie  anhangsweise  ein  Platz.  Einiges 
giebt  auch  Frl.  E.  Lemke  in  ihrem  Volksth.  aus  der  Thierwelt  im 
Volksth.  in  Ostpreußen  (um  Saalfeld)  I.  S.  81  ff.  und  H.  S.  284  ff. 

In  gewissem  Sinne  gehören  hierher  auch  K.  Mühling's 
Provinzialnamen  der  Thiere  Preußens  in  Neue  Preuß.  Prov.-Bl. 
a.  F.  VIII.  S.  167—179.  Ferner  wäre  zu  vergleichen  H.  Frisch- 
bier: Die  Thierwelt  in  Volksrätseln  aus  der  Provinz  Preußen  in 
Z.  S.  f.  deutsche  Philologie  Bd.  XI.  S.  344—369,  (110  Nummern.) 

Reichliche  Notizen  und  Beiträge  verdanke  ich  der  Mit- 
arbeiterlust meiner  Tochter  Anna  Treichel. 

Da  ich  das  östliche  Pommern  überall,  wo's  angänglich, 
mit  berücksichtige,  so  konnte  ich  noch  in  eilfter  Stunde  einige 
daher  entstammende,  einschlägige  Punkte  berücksichtigen,  welche 
Oberlehrer  O.  Knoop  1890  publicirte  in  den  Oster-Programmen 


Von  A.  Treichel.  153 

von  Posen    (Plattdeutsches    aus  Hinterpommern:  Spruch w.  und 
E.  A.)  und  von  Bogasen  (Fremdsprachliches).     (K.) 

Bei  der  Namengebung  bei  Thieren  kommen  vorzugsweise 
als  von  Wichtigkeit  und  Einfluß  in  Betracht  sowohl  die  erste 
Heimath,  als  auch  die  Gestalt,  die  Gewohnheiten  und  Eigen- 
schaften derselben,  ebenso  für  die  Gattung,  wie  ich  das  beim 
Pferde  ausführen  werde,  da  eine  Verbreiterung  dieses  Themas  zu 
weit  führen  würde,  wie  auch  für  das  einzelne  Stück,  wie  ich  darüber 
hinsichtlich  der  Bindernamen  bereits  früher  gesprochen  hatte. 

Ich  werde  von  den  Vögeln  mit  geringem  Einschiebsel 
anderer  Thiergattungen  zu  den  Säugethieren  übergehen. 

Meist  habe  ich  mich  an  die  Provinzen  West-  und  Ost- 
preußen gehalten.  Falls  ich  aber  sonst  einschlägige  Bufe  erfuhr, 
habe  ich  nicht  unterlassen,  selbige  einzufügen,  weil  ihrer  selten 
Erwähnung  geschieht. 

Vogel. 

Vogel  im  Allgemeinen  heißt  Matz.  So  heißen  meist  auch 
die  in  Gefangenschaft  gehaltenen,  wenn  sie  auch  nicht  zum 
Singen  abgerichtet  sind.  Ein  Canarienvogel  heißt  Arrestant 
(Berent).  Nach  ihrem  Naturtone,  dem  Piepen,  heißen  sie  auch 
Piepmatz.  Im  Singliede  heißt's:  Röschen  hatte  einen  Piepmatz. 
In  einem  Gesellschaftsspiele  tanzt  man  um  Jemanden  herum,  der 
mit  verbundenen  Augen  in  der  Mitte  steht,  bis  dieser  mit  Auf- 
schlag des  Stockes  Halt  gebietet  und  den  Stock  auf  Jemanden  aus 
der  Gesellschaft  richtet,  welcher  sein  Piep!  mit  einem  andern 
Piep!  beantworten  muß.  Schließlich  gilt  es,  aus  dieser  Stimme 
die  Person  des  Antwortenden  herauszuerkennen. 

Ein  Scheuchruf  für  Federvieh  im  Allgemeinen  ist  Sehe! 
oder  Scho!  Wegen  Sehe  vergleiche  das  Schae  beim  Schafe. 
Um  Jerrentowitz  in  Ostpreußen  heißt's  auch  Asch 6!  nach 
Fr.  V.  B.  64.  242  i.  Sich  plustern  wird  von  Vögeln  gesagt, 
die  sich  in  den  Federn  aufdaunen. 

Eulenspiel. 

Einige  Vogelrufe  kommen  beim  Eulenspiel  vor,  einem 
Gesellschaftsspiele.     Die    Gesellschaft  setzt  sich  in  einen  Kreis, 


154        Provinzielle  Sprache  zu  and  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

nur  daß  eine  Person,  welche  den  Vogelsteller  darstellt,  in  der 
Mitte  steht.  Nachdem  sich  Jeder  den  Namen  eines  Vogels, 
dessen  Geschrei  er  nachahmen  muss,  gewählt  hat,  beginnt  der 
Vogelsteller  eine  kleine  Erzählung,  in  welcher  er  die  gewählten 
Vogelnamen  möglichst  oft  vorbringt.  Geschieht  das,  so  muss 
der  betreffende  Vogel  zur  Antwort  sein  Geschrei  ertönen  lassen. 
Wird  in  der  Erzählung  aber  das  Vogelhaus  erwähnt,  so  ant- 
worten Alle  mit  ihrer  Vogelstimme  gleichzeitig.  Unter  den 
Vögeln  muß  stets  die  Eule  vorhanden  sein.  Wenn  deren  Name 
genannt  wird,  so  antworten  alle  Vögel  ebenfalls  mit  ihrem  Ge- 
schrei und  bewegen  dabei  außerdem  noch  die  Hände,  die  sonst 
ruhig  auf  den  Knieen  liegen  müssen,  als  wenn  sie  fortfliegen 
wollten.  In  diesem  Augenblicke  muß  der  Vogelsteller  die  Hände 
eines  der  Mitspieler  (die  Flügel  eines  Vogels)  zu  erhaschen 
trachten.  Wenn  ihm  das  gelingt,  so  tauschen  Beide  ihre  Bolle 
und  der  Vogelfänger  übernimmt  Namen  und  Geschrei  des  ge- 
fangenen Vogels.  Die  Eule  kann  rufen:  Schuh,  schuh!,  der 
Hahn:  Kikiriki!,  die  Henne:  Gluck,  gluck!,  die  Gans:  Schnatta- 
tat,  schnattatat!,  die  Ente:  Schnack,  schnack!,  die  Taube:  Gucke- 
ruh,  guckeruh!,  der  Sperling:  Pieps!  oder  Pietsch!,  die  Krähe: 
Kräh,  kräh!  u.  s.  w.  (Frl.  Hedwig  Dierfeld.) 

Schleiereule. 

Eine  um  Pillkallen  Ostpr.  1891  gefangene  und  von  einem 
Besitzersohn  vollständig  gezähmte  Schleiereule  stolzirt  in  der 
Stube  frei  umher,  denkt  nicht  an's  Fortfliegen,  nimmt  Futter 
aus  der  Hand  und  hört  auf  den  Namen  Hans. 

Pfau. 

Ein  Pfau  in  Obermalkau,  Kr.  Berent,  heißt  Hans. 

Papagei. 

Der  domesticirte  Papagei  wird  nach  seiner  naturgeschicht- 
lichen Bezeichnung  meist  mit  Päpchen  genannt  und  gerufen. 
Sonstige  Rufnamen  sind  Jako,  Koko,  liebkosend  Kokeheu. 
Joko  und  Koko  heißt  er  auch  in  A.  Boeper's  Sonnenschein  und 
Wetterstrahl  (S.  67);  dort  stammt  er  von  Guinea's  fernem 
Strande,    ist  Herrn  Hevelke's  Papagei  und  läßt  sich  vom  Kater 


Von  A.  Treichel.  155 

Marnier  zum  Tode  entführen  mit  den  von  seines  Herrn  abgebenden 
Arbeitern  eingelernten  Worten:    „Herr  Hevelke,  nu  gähne  wi!u 

Aehnlich  erzählt  Frischbier  (R.  A.I.,  1167.)  von  einem  Königs- 
berger Kaufmann  Hevelke  zu  Anfang  des  19.  Jh.  und  dessen 
Papagei.  Vergl.  auch  N.  Pr.  Prov.-Bl.  1846.  I.  150.  Dasselbe 
erzählt  man  auch  aus  der  Stadt  Putzig. 

Der  klügste  Papagei  eines  ganzen  Conservatoriums  von  ge- 
lehrten Kakadu's,  die  in  Berlin  1890  gezeigt  wurden,  heißt 
Peter  und  soll  die  bedeutendste  Leistung  des  kleinen  Thieres 
das  Flaggenhissen  sein,  wie  in  der  Zeitung  stand. 

Strauß. 

Die  in  Straußenzüchtereien  ausgebrüteten  und  rasch  außer* 
ordentlich  zahm  und  zutraulich  werdenden  Strauße  folgen  dem 
Bufe  ihres  Wärters,  der  sie  meist  durch  ein  sanftes  „Kühl! 
Kühl!  Kühl!tf  zu  den  Mahlzeiten  herbeilockt.  (Ernst  Montanus: 
Straußenzucht  in  Stein  der  Weisen.     Wien  1890.  H.  3.  S.  67.) 

Kranich. 

Ein  gezähmter,  flügelbeschnittener  Kranich  in  Lauen- 
burg i.  Pomm.  heißt  Hans.  Er  tanzt  ungeschickt  vor  den 
Menschen,  beißt  neckende  Kinder  und  geht  namentlich  hinter 
Hunden  her,  die  sich  vor  seinen  Schnabelhieben  flüchten  müssen. 
Ich  erinnere  an  einen  gezähmten  Kranich,  vor  welchem  der  alte 
Blücher  die  Flucht  ergreifen  mußte. 

Pute. 

Der  Puthahn  und  die  Pute,  ebenfalls  eingewandert, 
heißen  Gulgul,  von  dem  Geschrei  dieser  Thiere  ebenso  nach- 
gebildet, als  wenn  Pisanski  (Preuß.  Sprüchwörternachtrag  auf 
KgL  Bibl.  in  Königsberg)  Gull  für  die  kalkutische  Henne 
(dasselbe  Thier)  angiebt.  Um  Saalfeld  (Frl.  E.  Lemke)  heißt 
die  Pute  Kurre. 

In  polnischer  Gegend  (Czengardlo,  Kr.  Berent)  hörte  ich 
sie  gua  (gnla)  nennen  und  rufen.  Es  ist  das  die  Gegend  der 
sog.  Tucheier  Haide  und  auch  des  Kreises  Berent,  wo  man  meilen- 
weit durch  Sand  und  sog.  Kusseln  (verkrüppelte  Kiefern)  fähren 
kann,  wo  besonders  die  Putenzucht  herrscht,  denen,  wenn  ihnen 


156        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

auch  jeder  Boden  Nahrung  gewährt,  doch  die  leckerste  Speise, 
die  sie  auch  gut  anfettet,  ist,  wenn  die  Heuschrecken,  sog. 
Sprengssel,  erscheinen. 

Um  Bremen  und  Göttingen  heißen  die  welschen  Hühner 
Pülpül. 

Taube. 

Die  Taube  ist  ohne  Lock-  und  Scheuchruf.  Werden  sie 
zum  gestreuten  Futter  gerufen,  so  pfeift  man  ihnen.  Ebenso  in 
Prov.  Sachsen.  Selbst  für  ihren  girrenden  Naturton  habe  ich 
keine  andere  Unterlage  gefunden,  als  daß  man  diesen,  wie  ihre 
schnäbelnde  Bewegung  auf  das  Gebahren  von  Liebenden  in 
bildlicher  Sprache  überträgt.  Namen  vermuthe  ich  erst  recht 
nicht  bei  ihnen. 

Der  girrende  Täuber  ruft:  Trütste  Fru!  trütste  Fru!  (Fr. 
No.  267.  Simrock:  D.  K.  Buch.  709.)  Nach  ihrem  girrenden  Tone 
muß  die  Taube  im  Spiele  rufen:  Guckeruh,  guckeruh!  Es  ist 
dies  namentlich  der  dumpfe  Ton  der  Lachtauben. 

Warum  ruft  die  Turteltaube  Kuh,  Kuh?  Als  sie  die  Elster 
ihr  schönes  Nest  bauen  sah,  sprach  sie:  lehre  mich  auch  diese 
Kunst  und  ich  gebe  Dir  dafür  meine  Kuh!  Nach  abgeschlossenem 
Contracte  geht  die  Elster  an  die  Arbeit  und  kaum  hat  sie  einige 
Stäbe  als  Grundlage  gelegt,  da  hüpft  die  Taube  herbei  und 
spricht:  nun  kann  ich's  auch!  Die  Elster,  mit  diesem  Geständ- 
nisse zufrieden,  erhält  also  die  Kuh  und  schreitet  fürbaß.  Aber 
siehe  da,  die  Turteltaube  kann  nur  einige  Stäbe  legen,  aber 
kein  ganzes  Nest  bauen.  Deshalb  klagt  sie  immer  schmerzlich 
um  den  Verlust  der  Kuh,  Kuh !  Aehnliches  in  Naturgeschichte  von 
Dagott.    Vergl.  auch  Dr.  A.  Haas:  Rügensche  Sagen  und  Märchen. 

Nachtigall. 

Die  Nachtigall,  nach  Dr.  A.  Haas  (Rügensche  Sagen, 
S.  147)  eine  verwünschte  Schäferin,  singt  ihr  Klagelied  in 
folgenden  Worten ;  „Is  tied,  is  tied,  —  to  wiet,  to  wiet,  —  Trizy, 
Trizy,  Trizy  (Name  ihres  Hundes)  —  to  bucht,  to  bucht,  to 
bucht!"  Der  letztere  ist  der  gewöhnliche  Schäferruf,  wenn  der 
Hund  die  Schafe  im  Bogen  treiben  soll. 


Von  A.  Treichel.  157 

Sperling. 

Der  Sperling  ruft  also  im  Spiele:  Pieps!  oder  Pietsch! 
Letzterer  ist  auch  Familiennamen.  Aehnlich  scheint  mir  der 
Familiennamen  Zieske  von  Zeisig  herzukommen. 

In  Pommern  heißt  er  im  Schlnmmerliede  Lichting.  (K.  27. 
390.  Mit  Rücksicht  auf  seinen  Ruf  hat  man  in  Wusseken,  Kr.Bütow, 
den  Ausdruck  Tschirke  (auch  von  Rebhühnern  gebraucht);  in 
Oarzin,  Kr.  Stolp,  heißt's  Schirpe,  wie  auch  die  Grille  ihr 
ßchirp,  schirp  ruft.  Polnisch  tönt  es  ebenso  malend  dwierkad, 
auch  cierkaö,  auch  swiärczeö. 

Huhn  (Henne,  Hahn,  Eeuchel.) 
Im  Allgemeinen  ist  für  sie  der  Lockruf  Tschip  tschip!, 
mehr  polnisch  Tipu  tipu  tip !  Es  scheint  zusammenzuhängen  mit 
dem  polnischen  Czub,  Schopf,  Haarbüschel,  wie  sie  namentlich 
die  Hähne  haben  (czubac,  raufen),  sich  an  den  Kamm  fahren. 
Deutsch  nennt  man  Haarbüschel  Ziperinchen;  daran  fassen  = 
ziepen. 

Tschip!  oder  Tsib!  sagt  man  auch  (zugleich  mit:  Gieb's 
weiter!),  indem  man  den  Nachbar  an's  Ohrläppchen  faßt,  bei 
einem  neuen  Gericht  vom  Jahre. 

Ein  Scheuchruf  für  Hühner  ist  hutschhi!  Pschi  Kurr! 
ist  ein  Schreckruf.  Kura  ist  polnisch  die  Henne  und  Kur  der 
Hahn.  Das  Pschi  soll  sie  als  Vorstoß  aufmerksam  machen  oder 
einen  Hund  dahinter  vermuthen  lassen.  Ebenso  Schu!  Schu! 
(Alt-Paleschken.)  Kikiriki!  ist  Ruf  und  Name  des  Hahnes.  So 
heißt  auch  provinziell  eine  Tabackssorte.  Er  heißt  auch  Gockel. 
Für  Henne  und  Küchlein  führt  Frischbier  als  Name  und  Lock- 
jruf  an:  Put,  Pütt,  Putte,  Deminutiv  Puttchen,  platt  Putke. 
Litauischer  Lockruf  für  die  Küchlein  ist  Putput,  in  Bayern  Pul 
pul.  In  Schlesien  Pütt  putt,  ebenso  in  der  Mark;  in  Pommern 
püt  püt !  In  Provinz  Sachsen  ist  ihr  Lockruf  ebenfalls  Putt  putt 
oder  nur  ein  Pfiff  mit  einem  Tone.  Putt  ist  im  Allgemeinen  das 
Kleine.  Liliput  heißt  das  Land  der  kleinen  Leute  in  Oliver 
Swift's  travels.    Ein  Puttker  ist  ein  armseliger  Mensch. 


158        Provinzielle  Sprache  zu  and  von  Thieren  and  ihre  Namen. 

Lockruf  fittr's  Huhn  ist  auch  tuck  tuck  (Kr.  Putzig).  — 
In  Brünhausen  (Kr.  Putzig)  heißen  die  Hennen  „mit  'nem  Schups" 
Jenny,  nach  dem  Namen  einer  ursprünglichen  derartigen 
Henne;  davon  abzuleiten  ist  für  den  Hahn  oder  verkleinernd 
auch  Jonnak,  Jonnak;  aber  auch  Schuppchen.  Eine  gewisse 
Art  graufarbiger  Hühner  ruft  man  dort  mit  Jarschumki,  nach 
ihrem  ersten  Verbreiter.  Im  Ganzen  ruft  man  dort  auch  mit 
Kokuschke  (drittletztsilbig  betont),  da  Kokosz-Huhn. 

An  anderer  Stelle  figuriren  bei  Frischbier  als  Lockrufe: 
Pütt  putt,  Tipp  tipp,  Tschipp  tschipp,  um  Drengfurt  Tippa 
tippa,  Tschippa,  tschippa,  sowie  als  Scheuchrufe  aus  Littauen: 
Sehe !  Husch !  Tisch !  Um  Jerrentowitz  heißt't  Aschö !  Denselben 
Buf  kann  ich  aus  Ereis  Berent  bestätigen.  Um  Saalfeld  (Frl. 
E.  Lemke)  lockt  man  die  Hühner,  wenn  sie  im  Freien  sind,  mit 
Kluckchen,  Kluck,  Kluck,  Kluck!  oder  Tippchen,  tipp,  tipp, 
tipp!  In  der  Altmark  ist  Tiktik  ein  Lockruf  für  das  Huhn 
(nach  Peker  in  Lenzen  a.  E.  im  Urdsbrunnen.  1887.  No.  1). 

Im  Spiele  ruft  die  Henne :  Gluck !  Gluck !  Diesen  Ruf  lässt  sie 
ertönen,  wenn  sie  auf  Eiern  sitzen  will;  daher  ist  sie  die  Gluckhenne. 

Nach  dem  Eierlegen  ruft  sie:  Schock,  Schock  hab'  ich 
gelegt! 

Küken  ist  das  Küchlein,  wie  junges  Federvieh  überhaupt. 

In  Schlesien  heißt  das  Küchelchen  das  (Tsch)  Gziperle 
(Dr.  Feyerabend). 

Der  Hahn  heißt  in  T.  E.  88.  Mannke  von  Hökepöke, 
also  Männchen  von  Hökenpicken.  Die  Vorstellung  ist:  das 
Küchlein  hat  ein  Loch  in  die  Schaale  gehackt  und  gepickt,  sie 
aber  noch  nicht  ganz  durchbrochen. 

Das  Ei  ist  als  Klangwort  im  Bätsei  Idelpatidel;  ihm 
entgegen  steht  Adelpatadel,  der  das  zerbrochene  Ei  nicht  zu 
recht  machen  kann.  Vgl.  Frischb.  Thier  E.  60.  Ebenda  in  T. 
E.  61.  Hottepotete  zu  Hottpotete,  in  T.  E.  58.  Hucheldibuchel. 
In  einem  Ostereier-Keime  heißt's: 

Geh,  geh,  du  kleine  Schutt, 
Dies  Ei  legt'  die  Puttputt. 


Von  A.  Treichel.  159 

In  Schlummerliedern  aus  Ostpommern  (Culsow,  Kr.  Stolp, 
K.  27.)  wird  das  Hühnchen  also  angeredet:  Titheinike,  Tithei- 
nike, Wat  mekst  up  usem  Hof?  Du  plickst  us  all  de  Blaimkes 
af.  Du  mekst  dat  goar  tau  groff;  Mamake  ward  di  schüddre 
(schütteln),  Papake  ward  di  schlähe  (schlagen);  Du  armet  Tithei- 
neke,  Wo  ward  di  dat  noch  gähe !  Dasselbe  Kinderlied  aus  der 
Gegend  von  Neustettin  beginnt  mit  Tithoeneken,  Tithoeneken. 

In  einem  andern  Liede  heißt's:  Kluckhenn,  fleig  hier  hen! 
und  nicht  ohne  Absicht  ist  kurz  vorher  der  rufanklingende 
Ortsnamen  Piepershagen  (falls  er  existirt!)  gewählt.  Als  Scheuch- 
ruf gilt  dort  (Lauenburg.  K.  217.)  ebenfalls  Kurr,  in  Zezenow, 
Kr.  Stolp,  Schkurr,  iiwWusseken,  Kr.  Bütow,  Schikurr,  wozu 
Seh  und  Schi  als  Scheuchlaut  zu  betrachten.  Auch  das  bloße 
Seh  dient  zum  Verscheuchen.  In  W.  heißt's  auch:  Hutschi  de 
Henn!  in  Culsow,  Kr.  Stolp:  Schu  oder  Schuch  de  Heiner!  In 
Z.  heißt  der  Hahn  vulg.  polnisch  Kurrok ;  dort  auch  eine  Klatsch- 
schwester Klappkurra,  da  klapad  klappern,  auch  mit  den  Zähnen. 

Die  mandeläugige  Hausfrau  oder  Dienerin  bei  den  Chinesen 
ruft  ihre  Hühner  mit  dem  Rufe  tschutschu,  tschutschu  zur  Fütte- 
rung herbei.  Hierbei  ähnelt  der  Consonant  unserm  Ausdrucke 
gar  sehr  und  nur  der  Vokal  ist  dunkeler  geworden.  Jener  Ruf, 
so  erzählen  sich  die  Eingeborenen,  hat  auf  den  Namen  des  Ur- 
ahnen der  Race  Bezug,  eines  alten  Herrn,  welcher  Tschu  hieß 
und  in  einen  Hahn  verwandelt  wurde  und  dessen  Andenken 
auf  diese  Weise  von  Generation  auf  Generation  fortlebt. 

Ente. 

Da  sie  polnisch  kaezka  (Enterich,  kaezor)  heißt,  werden  sie 
in  polnisch  sprechenden  Gegenden  vom  Wasser  her  gerufen  mit 
Kaczikaczikaczika! 

Man  ruft  sie  aber  auch  mit  Pila  pila!,  Pile  pile!  In 
Provinz  Sachsen  lockt  man  durch  einen  Pfiff.  Ganz  gewöhnlich 
fi&r  W.-Pr.  ist  Katsch,  katsch!,  sehr  selten  ist  Schill  schul! 
In  Alt-Paleschken  (Kr.  Berent):  Hätsch  hätsch,  auch  Katsch 
katsch.     Frischbier  hat  Pill  pill!  und  Schill  Schill!  und  be- 


160        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

nennt   die  Ente    auch   als  Schillersche.     Ihr  Scheuchruf  ist: 
H&h!  Katsch!,  in  Provinz  Sachsen  Husch! 

Um  Saalfeld  (Frl.  E.  Lemke)  lockt  man  die  Enten  mit 
dem  Rufe:  Wittchen!  Witt,  Witt,  Witt!  und  treibt  sie  fort  mit 
Kaatsch,  kaatsch!  Wenn  es  im  Märchen  (E.  Lemke:  Volksth. 
in  Ost-Pr.  II.  198.)  Schuck  Schuck,  Entchen!  heisst,  so  soll  das 
wohl  nur  ein  Scheuchruf  (schuch!)  sein,  damit  sie  fortgehen 
(sich  schocken). 

Im  Spiele  ruft  die  Ente:  Schnack  schnack.  In  der  Alt- 
Mark  (Urdsbrunnen  1887  No.  1)  ist  Fuit  fuit!  Lockruf  für  die 
Ente;  in  der  Lausitz:  Quäk  quäk! 

In  Schlesien  ist  ihr  Ruf  und  Lockcpf  Wakwak!  und  heißt 
sie  in  der  Kindersprache  die  Wakente.     (Dr.  Peyerabend.) 

Sagt  die  deutsche  Bauernregel,  die  Ente  rufe:  Dräck,  Dreck, 
d.  h.  es  gebe  Regen  und  schmutziges  Wetter,  so  mag  das  wohl 
richtig  sein.  Schreit  sie  viel  und  besonders  sehr  laut,  so  wird  das 
Schreien  bei  ihnen  durch  ein  angenehmes  Vorgefühl  vom  baldigen 
Regen  erregt,  wie  es  auch  in  der  Natur  dieses  Thieres  gegründet 
ist;  da  sie  aber  gezähmt  das  Wasser  mehr  entbehren  und  im 
Trocknen  leben  muß,  so  macht  auf  sie  die  Regen  verkündende 
Luft  einen  angenehmen  Eindruck,  den  sie  durch  lautes,  fröh- 
liches Schreien  zu  erkennen  giebt. 

In  Ostpommern  (Zezenow,  Kr.  Stolp;  Wusseken,  Kr.  Bütow; 
Kr.  Lauenburg)  ist  nach  Knoop  auch  sehr  oft  Katsch,  Katscha, 
Katschk  Lockruf  und  Name  für  die  Enten.  Dafür  hat  Bernd  auch 
gatsch!  und  Gatsche,  die  Ente.  Beides  natürlich  abzuleiten  vom 
poln.  Kaczka  (mit  sonst  mannigfachen  Uebertragungen:  1.  für  See- 
lilie;  2.  für  Wurf  mit  platten  Steinen  ins  Wasser,  3.  fttr  Floß  am 
Netze:  Wusseken.  K.)  —  Um  Rowe  und  Carzin,  Kr.  Stolp,  heißt 
nach  Knoop  sie  und  ihr  Lockruf  Ff  t,  sie  selbst  also  in  der  Kinder- 
sprache Fitke  oder  Fitaente.  Ein  Schlummerlied  lautet  dort: 
Ruje  de  bruje,  wat  raschelt  im  Stroh? 
Dat  sind  de  kleine  Fitkes,  dei  raschle  doar  so. 

Dabei  ist  zu  bemerken,  daß  dieser  als  Provinzialismus 
vorkommende  Lockruf  pile    für    die  Ente    sich  vollständig   mit 


Von  A.  Treichel.  161 

dem  altpreussischen  Ausdruck  für  dasselbe  Thier  deckt.  Der 
nämliche  Wortstamm  findet  sich  auch  wohl  in  dem  lithauischen 
p^le  und  in  dem  lettischen  pihle  wieder;  beide  bedeuten  aber 
die  zahme  Ente,  wogegen  die  ungezähmte  Ente  lithauisch 
äntis  heißt.  Diese  Etymologie  soll  es  nach  O.  Hein  (Alt- 
preuß.  Wirtschaftsgeschichte  bis  zur  Ordenszeit  in  Z.-S. 
f.  Ethnologie,  Jg.  XXII.  S.  183.)  wohl  erlauben,  die  Zähmung 
der  Ente  dem  noch  nicht  difierencirten  Volke  der  Letten, 
Lithauer  und  Preußen  zuzuschreiben.  Nach  Frischb.  W.  B. 
findet  sich  zur  Unterstützung  auch  noch  bile  in  Hessen  als  ein 
ähnlicher  Rufnah  me  für  die  Ente.  Ich  selbst  möchte  bei  solcher 
Schlußfolgerung  doch  vorsichtiger  gewesen  sein,  weil  sich  der 
heutige  Provinzialismus  nicht  gut  als  Stütze  dafür  gebrauchen 
lässt,  um  so  mehr,  als  ganz  ähnliche  Worte  (pil,  pila)  bei  uns 
auch  Lockruf  für  die  Gans,  ja  sogar  für  das  Schwein  sind,  wie 
wir  sehen  werden. 

Gans. 

Von  Polen  wird  sie  gesch  gerufen.  Sie  heisst  im  Pol- 
nischen ges,  sprich  gensch.  Nach  ihnen  ruft  man:  Helen,  heleh! 
(Wahlendorf,  Kr.  Carthaus.)  Im  Kreise  Berent  heisst's:  Wile, 
wile!  oder  Wule,  wule!  Um  Schlochau  (Pfr.  Hasse)  werden 
sie  Wulle,  wulle,  wull!  gerufen.  In  Pommern  Wire  wire! 
Simrock's  Kinderbuch  nennt  beim  Spiele  Wolf  und  Gans  die 
letztere  Hilegänschen.  Sonst  hörte  ich  vom  Wilegänschen. 
Das  sind  aber  nicht  wilde  Gänschen.  Frischbier  verzeichnet  die 
Lockrufe:  Gesse  gesse!  Will  will!  Wille  wille!  und  giebt 
als  Gegend  Dönhofstädt  an.  Mit  Rir,  rir!  werden  sie  im  Kreise 
Dt.  Crone  gelockt;  rir  ist  der  Schrei  des  Gänserichs  (Pred. 
Freitag). 

Irgas,  hier  hier  hier!  (Neu-Paleschken).  Ob  in  diesem 
Irgas  nicht  das:  Hier,  Gans!  drinsteckt?  oder:  Irrende  Gans? 

Mehr  polnisch:  Lewü  lewü!  (Gr.  Boschpol,  Kr.  Berent); 
also  das  umgekehrte  Wule,  wule. 

Im  Samlande  ist  nach  Fr.  W.  B.  I.  301.  Huck  der  Name 
für  die  Gans  und  ihr  Scheuchruf:    Huck  huck  hahü!      Nach 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX  Hft.  U2.  H 


162         Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Kamen. 

Fr.  Volksr.  177,  691;  64,  242  g.  ist  Guss,  Guse,  f.,  Deminutiv 
G us sehe,  Name  und  Lockruf  für  die  Gans;  es  heisst  Guse, 
Gu6e  Gänskes,  kämt  nä  Hüs! 

Gespräch  der  Gänse  unter  sich  in  polnischer  Mundart: 
A)  Agata!  (Agathe!)  B)  Zo  ta  tarn?  (Was  denn  da?)  A)  Jak  ta 
ty  na  wresc?     B)  Jak  ta  ty  na  zesz! 

Ihr  Schnattern  bezeichnet  im  Deutschen  der  Ruf  im  Spiel: 
Schnattatat!  Schnattatat!  Ihre  Jungen  sind  die  Gössel.  Ihr 
Lockruf  ist  Pila  Pila!  Pila  pila  pil!  Sprachlich  scheint  das 
Pila  mit  dem  Wile  zusammen  zu  hängen.  Pilusch,  Pilusch- 
ken!  sind  kleine  Gössel.  In  Burgsdorf,  Kr.  Neustadt,  hörte  ich 
sie  Bibischken  nennen.  In  der  Altmark  (Urdsbrunnen  1.  1.) 
sind  Lockrufe  für  die  Gans  Ihle  ihle!  oder  Ihlke  ihlke! 

In  Wusseken,  Kr.  Bütow,  (K.  27  ff.)  ist  der  Lockruf 
der  Gänse  ebenfallls  Pil,  pil!  Daher  werden  sie  auch  Pilkes 
im  Schlummerliede  genannt:  Schusche  patrusche,  wat  raschelt 
im  Stroh?  Dat  daune  (thun)  de  leiwe  Pilkes,  Dei  hebbe 
kein  Schau!  De  Schauster  hett  Ledder,  Kein  Listen  doartau; 
Dat  meckt,  dat  uns*  leiwe  Pilkes  Uk  hebbe  kein  Schauh.  Das- 
selbe Lied  wird  hier  in  Westpreußen  ebenfalls  gesungen. 

Ihr  Lockruf  ist  im  Kreise  Bössei  Gusi,  wie  zu  ersehen 
aus  dem  Anfang  zu  einem  ländlichen  Drama  zwischen  Hüte- 
knaben (Dr.  Stuhrmann),  also  lautend:  Alle:  Gusi,  Gusigänschen, 
kommt  no  heim!  B.  Wa  t6rn  nich.  (Wagen,  dürfen).  A.  Ver 
wem?  B.  Verm  Wulf.  A.  Was  titta?  (thut  er?)  B.  Da  let 
Ega  (legt  Eier).  A.  Wie  vel?  B.  Drei  Tel  (Theile).  A.  Wie 
lang?  B.  Wie  e  Strang.  A.  Wie  grot?  B.  Wie  e  Brod.  Alle: 
Gusigänsche,  kommt  no  heim! 

In  Schlesien  wird  die  Gans  mit  Hütsch,  Hiltsch  gerufen, 
gelockt  und  gescheucht.  (Dr.  Feyerabend  in  Goerlitz.)  Hutschi 
sind  die  Gänse.  Das  ist  czechisch,  weil  huö  =  Gans.  Darauf 
bezieht  sich  auch,  was  dem  Reformator  gleichen  Namens  Joh. 
Huss  (HuC),  auf  dem  Scheiterhaufen  sterbend,  in  den  Mund  ge- 
legt wird: 


Von  A.  Treichel.  163 

Jetzt  bratet  ihr  eine  Gans! 

In  hundert  Jahren  kommt  ein  Schwan, 

Den  sollt  ihr  ungebraten  län! 

Krähe. 

Krähen  scheucht  man  vom  jungen  Federvieh  mit  Gapa 
gapa,  puh!  Neben  wrona  heißt  die  Krähe  polnisch  auch  gapa, 
ich  meine,  vom  plötzlichen,  schnellen  Stoßen;  chap,  hapsen.  Das 
puh!  soll  einen  Schuß  markiren. 

Im  Kirchenbuche  zu  Gorrenczin,  Kr.  Carthaus,  fand  ich 
aus  dem  vorigen  Jahrhunderte  einen  Fall  verzeichnet,  wo  ein 
stummes  Mädchen,  der  etwas  geschehen  war,  den  Uebelthäter 
doch  noch  durch  die  Rufe  puh  puh!  (Knall  des  Gewehres)  so 
bezeichnen  konnte,  daß  man  daraus  leicht  einen  Jäger  erkennen 
konnte,  deren  es  früher  in  nicht  so  großer  Anzahl  gab. 

Der  deutsche  Volksmund  (Fr.  I.  3060.)  nennt  sie  „dem  Racker 
sine  Düwe"  (Tauben).  Racker  ist  der  Schinder,  Henker,  Ab- 
decker, auch  ein  geriebener  Bursche,  Mensch.  Racker  heißen 
sie  selbst  nach  ihrem  Rufe  rackrack!  Racker  heißt  auch  die 
Mandelkrähe,  Coracias  garrula.  Im  Spiele  ruft  die  Krähe 
kräh  kräh!,  metathesirt  aus  rack. 

Rabe. 
Der    Rabe   ist   der    Rekel.     Ei,  Rekel,  spring'  brav!  säd 
de  Kreeg  nu  to  dem  Raw.     Fr.  Volksr.  113,  548. 

Weihe. 
Die  Weihe  ist  de  Wi,  de  Wige. 

Hade,  Wige  witt, 
Wis  mi  dine  Titt. 
Hade,  weiße  Weihe, 
Weise  mir  deine  Zitze. 
Hade  (vergl.  Hadebar)  ist  wohl  ansprechender  (ha,  du!)  Vor- 
schlag, wie  die  Zitze  wohl  nur  des  Reimes  willen  steht,  da  sie  einem 
Vogel  nicht  zukommt.    Vielleicht  sind  aus  halber  Aehnlichkeit  die 
Spitzen  der  Flügel  gemeint,  die  den  Vogel  von  hinten,  also  fort- 
fliegend zeigen  soll.    So  singen  die  Hütejungen  um  Schlochau  zum 

11* 


164         Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Tfaieren  und  ihre  Namen. 

Fortscheuchen,  wenn  sie  sehen,  dass  eine  Weihe  oder  ein  Habicht 
drohend  über  der  Schaar  ihrer  kleinen  und  grossen  Gänse 
schwebt.     (Pfr.  Hasse.)    Aehnlich  Fr.  221.  nebst  einer  Sage. 

In  Kr.  Dt.  Krone  (Fred.  H.  Freitag)  erheben  die  kleinen 
Gänsehirten,  sobald  die  Weihe  sich  als  Gösselfeind  zeigt,  den 
folgenden  Gesang: 

Uli  Wig,  ull  Wig, 

Uli  Wokenblatt, 

Sett  di  up  de  Stein, 

Breck  di  Hals  un  Bein. 
Wockenblatt  ist  eine  Binde  von  Zeug  oder  auch  von  Aal- 
haut, oft  bunt  bemalt  an  einem  Ende;  das  Band  wird  um  den 
Flachs  gewickelt,  um  diesen  am  Spinnrocken  (Wocken)  zu  be- 
festigen. Auch  in  Pommern  war  früher  der  Spinnrocken  mit  Zapfen 
von  Holz  besetzt,  um  welche  dann  der  Flachs  (oder  die  Hede) 
mittelst  Bändern  befestigt  wurde,  sowie  auch  sonst  mit  Bildern 
behangen,  die  namentlich  auf  die  See  Bezug  hatten.  Auch  In- 
schriften hatten  solche  Wockenbänder,  obschon  ich  keine  an- 
fahren kann.  Unter  dem  Zuwachs  der  Sammlungen  des  Mu- 
seums der  Ges.  f.  Pomm.  Gesch.  u.  A.  K.  in  Stettin  befindet 
sich  nach  Monatsblätter  1890  No.  2  (S.  30)  ein  Sprögelwocken, 
Wockenband  und  Wockenbild  aus  dem  Weizacker. 

Durch  diesen  Gesang  soll  sich  der  Vogel  bestimmen  lassen, 
das  Weite  zu  suchen,  zumal  wenn  er  die  Hirten  bei  den  Gäns- 
chen mit  einem  Stecken  erblickt.  Sonst  ist  große  Aehnlichkeit 
mit  Frischbier's  Mittheilung  über  die  Weihe  (Preuß.  Volksr.  S.  57 
No.  221.)  Hiernach  bezieht  sich  der  Wunsch,  sich  Hals  und 
Bein  zu  brechen,  auf  eine  Sage. 

Storch. 
Der  Storch  heißt  Adebar,  Hadebär,  Odbör  in  Kreis 
Stolp,  Knacknowie  um  Neustettin.  Aus  Zezenow,  Kr.  Stolp, 
meldet  Knoop  (165.)  Klobischon  als  kassubische  Bezeichnung 
des  Storches.  Mrongovius  giebt  Klobocian  als  dessen  kassu- 
bische Benennung.     Polnisch    heißt    er   sonst    bocian.     Ersteres 


Von  A.  Treichel.  165 

wurde  also  kloStorch,  unser  Klapperstorch  sein,  da  klobocQ, 
glegoc$,  klekocQ  =  klappern,  wie  ein  Storch;  bei  Linde  (Lexi- 
con)  klekce  jak  booian;  es  ercheint  eine  Silbe  bo  fortgefallen  zu 
sein,  obgleich  man  sie  bei  seinem  Rufen  nicht  hört.  Klobischin 
ist  Dorf,  Er.  Carthaus. 

Bö  der,  Buderer,  ist  der  Beiname  für  den  fliegenden  Storch. 
In  Frischbier's  Volks-E.  (50,  191),  sowie  nach  abergläubischem 
Sprich worte  heißt's: 

Hadebär,  de  Roder, 
Bring  mi  e  junge  Bröder. 

Nester  ist  der  Nestsitzende.     Hier  heißt  der  Beim: 

Adebar,  de  Nester, 
Bring'  mir  eine  Schwester! 
(Bring*  mir  'ne  lütte  Swester!) 

Steiner  ist  der  Stehende. 

Im  Schlummerliede  in  Pommern  (K.  27.  v.)  heißt  er  auch 
Langbein.    So  auch  sonst,  wenn  man  von  ihm  zu  Kindern  spricht. 

Adolf  heißt  der  Storch  z.  B.  in  Oiesen,  Kr.  Dramburg, 
in  Pommern.  Ebenso  in  Kr.  Arnswalde  in  der  Mark.  Kommt 
er  an,  so  heißt's:  Adolf  ist  wieder  da!  Sind  die  Mädchen  beim 
Heuharcken,  so  geht  der  Storch  ihnen  nach,  um  Frösche  zu 
fangen;  auch  dann  werden  mit  dem  Adolf  allerlei  niederträchtige 
Redensarten  gemacht,  worüber  ein  anderes  Mal. 

Knaokawer  in  der  Neumark.  In  der  Mark  ist  er  der 
Knappenträger. 

Der  Storch  klappert  nach  märkischer  Auffassung  (E.  Handt- 
mann:  Was  auf  märkischer  Erde  sprießt.  S.  176)  höhnisch  (?) 
aus  seiner  Höhe  herab:  „Du  hast  Din  Deel!     Du  hast  Din  Deel!u 

Frosch, 

Der  Frosch  ist  der  Quäker.  Er  ruft  Quäk  quäk!  oder  Quack 
oder  Quack  corax.  Gut  malt  seine  Rufe  auch  die  griechische 
Sprache  in  der  Batrachomyomachie.    In  Märchen  ruft  er:  Ack  ack! 

Folgendes  Froschquartett,  das  ich  hörte,  hat  wohl  seine 
Provenienz  nicht  aus  einer  der  beiden  Provinzen  Preußen: 


166        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

1.  Ruckuckuckuck  koax  koax.  3.  Ainsi  cria-t-il. 

2.  Le  roi,  le  roi.  4.  La  reine,  la  reine. 

Ihr  Rufen  bildet  der  Mensch  auch  nach  durch  Reckeckeckex! 

Repetschke,  m.,  heißt  der  Frosch  in  der  Gegend  von 
Wehlau  und  Labiau.  In  ersterer  scheint  der  Name  auch  ein 
koboldartiges  Wesen  zu  bezeichnen,  indem  es  von  einem  Acker- 
besitzer, dessen  Land  durchaus  nichts  tragen  will,  heißt:  De 
heft  Repetschke  op  em  Land,  und  Fr.  WB.  II.  224  fragt,  ob  für 
die  Herleitung  des  Wortes  an  das  lateinische  repere,  reptare, 
kriechen  zu  denken  wäre? 

In  Bezug  auf  das  Quarren  der  Frösche  sagt  man  um  Saal- 
feld in  Ostpr.  (Frl.  E.  Lemke):  Ein  Frosch  ruft:  „Frau  Naoh- 
bar'n,  Frau  Nachbar7n!  —  morg'n  woll'n  wir  back'n,  back'n, 
back'n!44  —  Sofort  wollen  alle  backen. 

In  den  Rügen'schen  Sagen  und  Märchen  von  Dr.  A.  Haas 
rufen  im  Märchen  vom  Bauern,  der  die  Frösche  beim  König 
verklagt  (S.  233),  die  Frösche:  ack,  ack,  ack! 

Weiterhin  in  Meklenburg  (nach  Wossidlo  in  Quartal- 
bericht 1.  S.  16.  zu  V.  f.  mekl.  Gesch.  u.  Alt.  K.  J.  G.  56.  1890) 
zeugt  es  von  sinnigem  Humor  des  Volkes,  wenn  eine  alte  Frau 
sagte:  „Wenn  de  Poggen  so  racheln,  denn  striden  se  sick  um 
den  Globen.  De  einen  seggen  ümmer:  Pabst,  Pabst,  Pabst, 
Pabst,  un  de  andern:  Luther,  Luther,  Luther,  Luther." 

Krebs  und  Floh. 
Der  Krebs  heisst  mit  einem  Klangworte  Ickepicke  (nach 
Fr.  V.  R.— )     Der  Floh  ist  als  Springer  der  Hopsassa. 

Hase. 
Der  Hase  heisst  in  der  Jägersprache  der  Krumme.  Wird 
hinter  Hasen  Treibjagd  gemacht,  so  dienen  dazu  auch  besondere 
Klappern  von  Holz.  Meist  geschieht  es  aber,  daß  die  Treiber 
in  gemessenen  Abständen  einhergehen,  auch  an  vorhandene 
Büsche  und  Bäume  mit  ihren  Stöcken  anklopfen  und  dabei 
wiederholt  ihr  alliterirendes:  He  Haas'!   He  Haas'!  oder  Haas 


Von  A.  Treichel.  jß7 

o  p !  oder  H  e  h  h op !  ertönen  lassen.    Auch :  H  e  e  s !    Nur  kurze  Laute 
scheuchen  den  Hasen  auf,  nicht  ein  langes,  lautes  Rufen  oder  Jodeln. 

Nach  Fr.  Preuß.  V.  R.  und  V.  8p.  708  ist  Has'  hüpf!  ein 
Kinderspiel.  Die  Mädchen  drehen  sich  im  Kreise.  Der  Hase, 
„das  arme  Mädchen",  steht  (sitzt)  in  der  Mitte.  Bei  Has'  hupp 
ergreift  es  eine  Genossin;  alle  übrigen  paaren  sich  ebenfalls  und 
das  zurückbleibende  wird  Hase  (armes  Mädchen).  Gesungen  wird 
in  Königsberg:  „Armes  Mädchen,  bist  Du  krank,  Daß  Du  nicht 
mehr  hüpfen  kannst?  Has'  hüpp,  Has'  hüpp,  Has'  hüpp!tt  oder 
in  Pommerellen:  „Alte  Mutter  von  hinten  Saß  auf  den  Corinthen, 
Die  kein  Brod  mehr  beißen  kann,  Die  keine  Butter  mehr 
schmelzen  kann.    Has'  hüpf!  Has7  hüpf!u 

An  des  Hasen  Jäger-  und  Reinicke-Fuchs-Namen  Lampe  sei 
eine  etymologische  Digression  anzufügen  erlaubt.  Lampe  ist 
der  kleine  Springer,  weil  Springinsfeld,  schwedisch  Hoppe, 
weil  Hopser,  im  Sanskrit  Sasa.  Unser  Hopsasa  (vgl.  Floh), 
bezeichnet  auch  Hüpfer  und  Springer,  wie  das  Ssassa  ge- 
schmauset ((^a  9a  zu  schreiben,  als  wenn's  aus  dem  Französischen 
stammt,  ist  nicht  recht  richtig!)  der  Studenten  auf  ein  Hüpfen 
und  Schmausen  deutet.  Andererseits  ist  lam  keltisch  Quell, 
Spring,  Hupf.  Daher  ist  der  Name  des  Klosters  Lamspringe 
eigentlich  tautologisch;  es  hatte  den  Springquell  im  Klostergarten 
bei  sich  und  erhielt  erst  später  ein  springendes  Lamm  im  Wappen. 
Nur  die  jungen  Tiere,  welche  gleich  nach  der  Geburt  hüpfen  und 
springen,  heißen  Lämmer.  Dasselbe  Wort  ist  dann  wieder  lahm, 
holl.  lam.  Denn  jedes  lebendige  zwei-  und  vierbeinige  Geschöpf, 
das  an  einem  Bein  lahm  wird,  wird  auch  zum  Springer. 

Eichhörnchen. 

Auch  das  hin  und  wieder  gezähmte  Eichhörnchen,  sowie 
es  als  Zimmerthier  in  Berührung  mit  dem  Menschen  kommt, 
erhält  seine  Namen.  So  hörte  ich  in  Berlin  die  Namen  David, 
Hans,  für  ein  Pärchen  Hans  und  Grethe. 

Elefant. 

Der  Elefant  weiblichen  Geschlechts  im  Zoologischen  Garten 
in  Berlin  heißt  Frau  Venus. 


168        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  and  ihre  Namen. 

Fischotter. 
Eine  ebenso  seltene,  als  schwierige  Dressur  ist,  wie  die 
„K.  A.  Z."  unterm  2.  November  1891  mitteilt,  zwei  Fischer- 
söhnen aus  "Widnitten  gelungen,  nämlich  eine  Fischotter  zu 
zähmen  und  für  die  Fischerei  abzurichten.  Der  gezähmte  kleine 
Räuber  ist  bereits  fünf  Monate  alt,  schläft  in  einem  Heukorbe, 
läuft  seinen  Erziehern  wie  ein  Hündchen  nach,  läßt  sich  mit 
großem  Behagen  das  schöne,  sanfte  Fell  streicheln  und  hat  auch 
bereits  mit  dem  Hofhund  und  der  Katze  Freundschaft  ge- 
schlossen. Mit  der  Abrichtung  bei  der  Fischerei  hat  man  es 
bereits  so  weit  gebracht,  daß  die  Fischotter,  an  einer  Marieine 
befestigt,  ins  Wasser  springt  und  so  lange  jagt,  bis  sie  mit 
einem  Fisch  in  der  Schnauze,  den  sie  stets  in  der  Mitte  erfaßt, 
ans  Ufer  zurückkehrt.  Ihr  Gehör  ist  so  scharf  ausgebildet,  daß 
sie,  wenn  sie  etwa  30  Fuß  weit  und  mehrere  Fuß  tief  im  Wasser 
jagt,  sofort  ihren  Namen  —  „Tom-Tom"  — ,  wenn  sie  gerufen 
wird,  hört.  Sie  legt  dann  den  gefangenen  Fisch  lebend  vor 
ihren  Herren  nieder,  ohne  daß  die  Beute  auch  nur  im  geringsten 
beschädigt  wird. 

Pferd. 

Lockrufe  sind  Hiesch  hiesch!  Hietsch  hietsch!  In 
der  Altmark  (Urdsbr.  1.  1.):  Sih  sih! 

Besänftigender  Ruf  ist:  Oi  oi!  oder:  Oola! 

Soll  das  Pferd  zurückgehen  (zoppen),  so  heißt's:  Zuuuu- 
rüok!  Zurückhaltende  Bufe,  wenn  das  Pferd  stehen  soll,  sind: 
Prr!  Pirr!  Purr!  Burr!  Daher  ist  Burrhafer  ein  schlechter 
Hafer,  Avena  strigosa  L.,  Bauhhafer.  Ferner  bedeutet  Colonne 
Purr  den  Train,  wo  dieser  Zuruf  zum  Anhalten  der  Pferde 
vielfach  gebraucht  wird. 

Anspornende  Bufe  beim  Losziehen  sollen  sein:  He!  Jeh! 
Hei!  Hi!  Hia!  Ho!  Hüh!  Hüa!  Heda!  Hoa!  Hoha!  Haaajüb! 
Hooojüb!  Hott!  Jü!  Jüh!  —  Hans,  hopp!  Liese,  Galopp! 

Wenn  die  Pferde  links  gehen  sollen,  heißt's  (K.)  Tuidie  in 
Zezenow,  Kr.  Stolp. 


Von  A  TreicheL  169 

Scheuchruf  ist  im  Samlande:  höho!     (Fr.  W.  B.  I.  29B.) 

Haschapischa  ist  (Fr.  W.  B.  1.274.)  ein  kleiner  Acker- 
wirt, der  vorzugsweise  als  Fuhrhalter  Dienste  leistet,  auch 
Hotkepisoha(er)  (Frauenburg),  zusammengesetzt  aus  den  an- 
spornenden Rufen  Ha,  Hascha,  Hot  und  Peitscher  (von  Peitsche). 

Hottehü,  Hottehü  heißt  das  Pferd  in  der  Sprache  der  Kin- 
der. Zu  Weihnachten  bekommen  sie  ein  Hott-  oder  Hüpferd- 
chen,  dazu  einen  Hottewagen.     Yergl.  den  Spornruf  Hott! 

Wenn  der  Vater  sein  Kind  auf  den  Knieen  schaukelt, 
singt  er  in  Pommern  (K.):  Huttefoahre  näre  Stadt,  Bring'  mim 
King'  ne  Stute  (Kuchen)  mit! 

EU!  mag  mit  ziehen  verwandt  sein.  Es  deutet  die  Auf- 
forderung zur  Thätigkeit  an.  Hier  ist  andererseits  der  Vampyr 
unter  den  Pferden,  mit  verklatterter  Mähne;  heien  ist  dann 
gleich  necken,  vexieren,  schurigeln. 

Beim  Pferde  in  seiner  Thätigkeit  beim  Fahren  und  Pflügen 
heißt's,  soll's  rechts  gehen:  Hott!,  soll's  links  gehen:  Jehef 
Tschud!  Czuder!  (zobie!?)  Schodder!  Schwodder!  Tausch!  (in 
Pommern).    Auch  Schwoide! 

Kitten  im  Fahren  wird  auch  bloß  ein  durch  Einziehen  der 
Lippen  und  der  Luft  entstehender  und  in  der  Nachschreibung 
nicht  darstellbarer  Schnalzlaut  gebracht. 

Beim  Fahren  (reisend,  spazierend)  genügt  ferner  ein  kleiner 
Pfiff  zu  schnellerer  Gangart.  Es  kommt  aber  auf  die  Einlernung 
an.     So  kann  ein  Pfiff  das  Gegenteil  besagen. 

Beim  Seiten,  wo  die  Zügel  aus  nächster  Nähe  walten,  ist 
kein  Kommando  nötig,  also  nicht  im  Gebrauche,  noch  ausge- 
sprochen zu  hören. 

Das  Füllen  lockt  man  (und  heißt's  auch  so!)  mit  Hisch! 
Hietsch!  Hietscherchen !  Hietschfellchen!  (d.  h.  platt:  Füllchen, 
und  nicht  etwa  Deminutiv  von  Fell!)  Es  liegt  darin  der  hellere 
Ton  seines  Gewiehers. 

Um  Wusseken,  Kr.  Bütow,  (K.)  ist  Hatschke  ein  junges 
Füllen  (auch  von  jungen  Kindern  gebraucht),  vom  Lockruf 
Hatsch  benannt.    In  Carzin,  Kr.  Stolp,  lockt  man  mit  Hans  und 


170        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  and  ihre  Namen. 

nennt  deshalb  das  Füllen  Hanske.  Mir  erscheint  dieser  Lockruf 
nur  der  dazu  genommene  häufigste  Ruf-  und  Vorname. 

Der  Harosch  ist  ein  Lied  nach  eigentümlicher  Weise, 
welches  beim  Ackern  den  Pferden  vorgesungen  wird;  sie  sollen 
nach  demselben  nicht  nur  besser  und  munterer,  sondern  sogar 
nach  dem  Takte  gehen.  Fr.  Pr.  W.  B.  I.  274.  giebt  es  für 
Marienburg  und  die  Niederung  an. 

Hietsch!  Hietsch!  (Fr.  I.  1611.)  Zunächst  Zuruf  an  junge 
Pferde,  Füllen  und  Namen  für  dieselben,  sodann  Spottnamen 
für  die  Bewohner  des  Dorfes  Wissowatten  im  Kreise  Lötzen. 
Vor  langen  Zeiten  soll  bei  dem  Dorfe  ein  grosser  Wald  gelegen 
haben.  Der  Förster  lud  die  Bauern  zu  einem  Gastmahle,  auf 
welchem  er  sie  mit  dem  Fleische  eines  Elenntieres,  das  er  ge- 
schossen, zu  bewirten  versprach.  Das  Fleisch  mundete  den 
Bauern  vortrefflich;  allein  nach  der  Mahlzeit  offenbarte  der 
Förster  ihnen,  daß  es  einem  Füllen  angehört  habe.  Seit  der 
Zeit  werden  die  Wissowatter  verlacht.  Nach  einer  alten  Ur- 
kunde soll  derjenige,  welcher  durch  Wissowatten  reist  und 
Hietsch!  Hietsch!  ruft,  zur  Strafe  eine  Tonne  Bier  und  eine 
Leine  Kringel  zahlen. 

Die  Stute  heißt  bei  uns  in  der  Volkssprache  Kobbel.  Es 
ist  das  polnische  Kobyla,  russisch  Kobyla,  oberwendisch  Kobla, 
niederwendisch  Kobula,  lateinisch  caballus,  wovon  Kavallerie. 
Litauisch  ist  Szebelka  alte  Stute;  dazu  lettisch  Kewe  (kewig  ist 
keck,  munter,  beherzt).  Als  deutsches  Wort  heißt's  Kobele,  so 
daß  Entlehnung  von  den  Slaven  nach  Grimm  WB.  V.  1540. 
keineswegs  sicher  und  gültig.  In  Kobbelmarkt  ist's  gleich  Pferd ; 
vergl.  altnordisch  Kapall,  Pferd.  In  Inventarienregistern  kommen 
häufig  die  Pluralformen  Kobeln,  Kobelen,  Kobiln,  Koblin  vor. 
In  Ortsnamen  erscheint  das  Wort  in  Kobbelbude,  -grübe,  -hals, 
-kampe.  Das  slavische  Kobyla  ist  wohl  zu  finden  in  Kobilla, 
Kr.  Berent,  vielleicht  ein  Stutenhof  der  pommerellischen  Herzöge. 

Ein  kleines,  kräftiges  Pferd,  besonders  Bauernpferd,  nennt 
man  einen  K unter,  auch  übertragen  auf  Menschen.  Es  heißt 
lit.  Künteris,  poln,  Kon,  Pferd.     Ursprünglich  bezeichnet  es  nach 


Von  A,  Treichel.  171 

Grimm  WB.  Y.  2741.  ein  Ungetüm.     Dann   denke  man  an  das 
trojanische  Pferd. 

Ein  schlechtes,  altes,  abgetriebenes  Pferd,  auch  jedes  Pferd 
durch  Verallgemeinerung,  nennt  man  eine  Kragge  oder  Kracke, 
norwegisch  Krakje,  schwedisch  Krake. 

Nach  Linde  sind  heciepecie  unansehnliche  Pferde,  die  den- 
noch gut  laufen;  bei  Mrongovius  hetka  eine  elende  Mähre,  sonst 
Szkapa;  dies  in  der  Provinz  Posen  (nach  K.)  auch  von  Deutschen 
gebraucht.  Die  erste  Silbe  beider  "Worte  muß  dann  von  dem 
häufigen  Gebrauche  des  Spornrufes  (hetzen)  herzuleiten  sein. 

Nach  Hirsch  (Danz.  Handelsgesch.  S.  2B9.)  und  sonst  wird 
erwähnt  die  Schweike  als  Pferd,  vielleicht  Stute,  da  sie  neben 
dem  Hengste  angeführt  wird:  1401  eine  Schweike  3  Mk.,  1408 
ein  Hengst  16  Mk.  Vielleicht  ist  Schweike  ein  schweifendes 
Pferd,  gebraucht  zu  Dienstreisen,  Depeschen  damaliger  Zeit,  also 
besonders  hartlich. 

Der  Name  Pferd  ist  abzuleiten  vom  mittellateinischen  para- 
veradus  und  liegt  diesem  ein  keltisches  Wort  zu  Grunde.  Die 
Namen  Hongre  (Ungar),  Wallach  u.  s.  w.  erinnern  daran,  daß 
früher  die  Pferde  vielfach  aus  den  Donauländern  bezogen  wur- 
den. Aus  denselben  Ländern  entstammten  demgemäß  früher 
auch  die  kundigen  Kastratoren.  Hier  hat  also  die  erste  Heimat 
der  Gattung  den  Namen  gegeben.  Und  weil  Zelt  früher  den 
Gang  des  Pferdes  zwischen  Paß  und  Trab  bedeutete,  gab  diese 
Gewohnheit  in  Deutschland  früher  einem  schnellen  Pferde  den 
Namen  Zelter. 

Nach  der  Farbe  heißen  die  Pferde  Fuchs,  Rapp,  Scheck, 
Falber,  Schimmel,  Kastanie. 

Trotz  der  Namensbezeichnung  stimmt  häufig  das  Geschlecht 
nicht  damit  oder  läßt  sich  nicht  mit  Bestimmtheit  heraushören. 
Patronymika  deuten  meist  auf  Wallache.  Patronymisch  nenne 
ich  in  diesem  Falle  die  Bezeichnungen  nach  Vorbesitzern.  Der- 
artig fähre  ich,  aus  meinem  Stalle  an:  Böttcher,  Lehre,  Schälke, 
den  alten  Wrangel,  Eronia  (Stute  von  einem  Bauer  Eron), 
Muchow  (Wallach  von  Muchowski),  Stiewsche  (Stute  von  Stiewe), 


172        Provinzielle  Sprache  zu  and  von  Thieren  and  ihre  Namen. 

Englersche,    Adamowa   (Stute   eines  Vorbesitzers  mit  Vornamen 
Adam). 

Möglich  wäre  auch  ein  Name  nach  dem  Vororte. 

Auch  der  Stand  des  Vorbesitzers  bringt  hier,  wie  bei  Ochsen, 
häufig  den  Namen,  so  Major;  auch  katholischer  und  evange- 
lischer Pfarrer. 

Sehr  vornehm  klingen  die  Namen  der  in  Gestüten  ge- 
züchteten Pferde,  bei  welchen  hinsichtlich  des  Stammbaums  voll- 
ständige Druckwerke  bestehen.  Der  Pferdestammbaum  ist  alte 
arabische  Sitte.  Ihre  Namen  stehen  auf  Täfelchen  neben  dem 
Stande  oder  Box.  Ebenso  ist's  bei  der  Cavallerie.  Hier  soll 
es  Gesetz  sein,  die  Pferde  eines  Jahrganges  mit  Namen  von 
gleichen  Anfangsbuchstaben  zu  benennen.  Dabei  geriethe  man 
aber  für  Q,  X  und  Y  in  einige  Verlegenheit. 

Pferdenamen,  nach  beliebiger  Wahl  getroffen,  viele  aus 
Hoch-Paleschken,  eingeklammerte  aus  Rombitten,  Er.  Saalfeld 
(nach  Frl  E.  Lemke),  sind: 

Abel,  Achill,  Agathe,  Ali,  Alina,  Alma,  Anton,  Arpad. 

Barba,  Baribas,  Bella,  Bergart,  Bessi,  Betja,  Biala  (polru 
die  Blesse),  Blasius,  Blenker,  Blumsbugy,  Border,  Bourbaki,  Bri- 
arcus,  Briary,  Bruiner,  Brummer,  Bruno,  Bruns,  Brunka,  Brun- 
hilde,  Brutto,  Brutus. 

Carabus,  Carus,  Casperine,  Christian,  Christoph,  Czapka 
(poln.  =  Mütze). 

Dicke,  Dionys,  Dora,  Droll. 

Else,  Embel,  Ernst,  Eronia,  Eva. 

(Fauxpas),  Pix,  Fly. 

Gamette,  Ganymed,  (Garibaldi),  Gazelle,  Geronim,  Görka, 
(Gräfin),  Grethe. 

Haber,  Hangel,  Hans,  Harun,  Hector,  Hilar,  Horsa,  Hanke- 
bunk,  Hoppek,  Hulper,  (Husch). 

Isabella,  Isidor,  Jane,  Jochen,  (Johnson),  Julka. 

Karline,  Kascha,  Easchlan,  Kastanna,  Kipnick,  (Kluczek 
=  Schlüsselchen),  Knopf,  Krön,  Kunter. 


Von  A.  TreicheL  173 

Lerpel,  Lerse,  Liese,  Lizy,  (Lincoln),  Lorbas,  Lord,  Lotte, 
Louise,  Lupus. 

Maline  (die  kleine),  Marie,  Maroska  (die  graue),  Maura, 
Mauschel,  Max,  (Mazzini),  Mimi,  Molly,  Monder,  Moses,  Muohow, 
Muscat,  (Musch). 

Nemo,  Netto,  Nina,  Norchen,  Norman,  Novem. 

Obotrit,  Omar,  Otto. 

Pepi,  Peter,  (Pfeil),  Philipp,  Pontifex,  (Prallus),  Pulter. 

Quintus. 

Benomist,  Böse,  Bosenbusch,  Byno. 

Saturn,  Saul,  Sellerie,  Solabella,  Sophie,  Stella,  Stepke, 
Stern,  Stina,  Sulla,  die  Schissen  (in  Brünhausen). 

Tarkos,  Thara,  (Tinchen),  Timone,  Tingol,  Tobi,  Toni,  Trüsch. 

Wolkenschieber,  Wolterse.     (Bedeutung  unklar!) 

Zacharias,  Zeno,  Zeus,  Zimbel,  Zirke. 

W.  v.  Schulenburg  (Wend.  Volksth.  S.  6B.)  hat  folgende 
Pferdenamen:  carnawa,  schwarze,  syrka,  graue,  symlawa,  Symel 
Schimmel,  sely  symel,  weißer  Schimmel. 

Sehr  häufig  trifft  man  natürlich  auf  Vornamen,  besonders 
für  Stuten. 

Aeußerst  passend  wäre  die  Entleihung  der  Namen  von 
historischen  Pferden,  von  berühmten  Reitern  (Mazeppa),  von 
Circusbesitzern. 

Historische  Pferde  wären:  aus  dem  Alterthume:  Alexanders 
des  Großen  Bukephalos,  der  Eschkar  (Fuchs)  Mervan's,  des  letzten 
Khalifen  der  Omajaden  (Preis  300000  Dirhen),  Hengst  Dahis 
des  Königs  Kais  Ben  Soheir,  dessen  Besitz  Veranlassung  war 
zu  einem  40jährigen  Kriege  der  blutsverwandten  Stämme  Abs 
und  Dhobjam;  aus  dem  Mittelalter:  Don  Quichote's  Bosinante, 
die  Babiefa  des  Cid  el  Campeador;  aus  neuerer  Zeit:  Kaiser 
Wilhelm's  I.  Stute  Sadowa  und  Cond6,  das  Leibpferd  Friedrich's 
des  Großen,  gestorben  am  17.  April  1804,  40  Jahre  alt  geworden 
und  ausgestopft;  aus  Mythologie  und  Sage:  das  vom  Meeres- 
gott Poseidon  mit  der  Medusa  erzeugte  Musenpferd  Pegasus, 
Wodan's  weißes   Pferd    Sleipnir,   Bollegaul,    der   Schimmel  der 


174        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

nordischen  Göttin  Holda,  das  bei  den  Muhamedanern  berühmte 
Silberpferd  Alborak  des  Erzengels  Gabriel,  Siegfriede  Pferd 
Grani,  der  Hengst  Wunsch  aus  Jul.  "Wolfs  wildem  Jäger,  das 
schnelle,  starke  und  muthige  Pferd  Beyart  der  vier  Haimons- 
kinder,  auf  dem  sie  alle  zusammen  ritten,  eines  Sarazenen- 
Sultan's  Pferd  Pontifex  mit  goldenem  Hörne,  der  alten  Ungarn 
weißes  Zauberpferd  Tatos  mit  Gelehrsamkeit  und  Verstand,  das 
dämonische  Pferd  Hrimfaxi,  auf  welchem  nach  nordischer  Mytho- 
logie die  Nacht  fährt,  wie  der  indische  Gott  Wischnu  von  einem 
todbringenden  Pferde  Kalighi  gefahren  wird,  wenn  er  Menschen 
vernichten  will,  die  namenlosen,  Menschenfleisch  fressenden 
Stuten  des  Diomedes,  das  fliegende,  hölzerne  Pferd  Clavilenno 
aus  1001  Nacht,  das  hinkende  dreibeinige  Pferd,  Helhest,  dem 
hinkenden  Teufel  entsprechend,  der  todbringenden  Göttin  Hei 
in  der  nordischen  Mythologie,  das  Meerpferd  Hippocampos  mit 
Fischschwanz  (Symbol  der  Schnelligkeit  und  des  Wassers)  nach 
griechischer  Mythe,  nach  skandinavischer  Mythe  die  Sonnen- 
wagenpferde  Allsvidur  "(allversorgend)  und  Arvakur  (früh  wach), 
das  Pferd  Svadilfur  des  die  Götterburg  erbauenden  Biesen.  Doch 
sind  dies  nur  die  bekannteren  und  benannten  Pferde,  um  welche 
es  sich  hier  handelt.  Breilein  heißt  das  Pferd  des  beglückten 
Kitters  im  Märchen  um  Saalfeld  her  (Frl.  E.  Lemke). 

Nach  einem  Pferde  und  seiner  Spur  hat  die  Roßtrappe  den 
Namen.     Vielfach  seine  Trittspuren  in  Steinsagen. 

Das  Pferd  im  Aberglauben  trifft  man  an  Bauerhöfen  in  den 
Pferdeköpfen  an  den  Dachfirsten,  welche  vor  Wetterschaden, 
Krankheit  und  bösen  Geistern  schützen  sollen. 

In  Sachsen  warf  man  Pferdeköpfe  in  die  Johannisfeuer. 

Das  Pferd  war  ein  den  Göttern  besonders  angenehmes  Opfer. 

Kömische  Kaiser  errichteten  ihren  Streitrossen  Denkmäler. 

Nach  einem  orientalischen  Spruche  darf  der  Edle  dreierlei 
Arbeit  thun,  ohne  zu  erröthen,  nämlich  für  Vater,  Gast  und  Pferd. 

Bekannt  ist  nach  Shakespeare  der  Ausspruch  König 
Richard's  HI.  in  der  Schlacht  bei  Bosworth:  Ein  Pferd!  Ein 
Pferd!    Ein  Königreich  für  ein  Pferd! 


Von  A.  Treichel.  175 

Die  angelsächsischen  Eroberer  Englands,  Hengist  und  Horsa, 
hatten  Fferdenamen. 

(N.  W.-Pr.  Z.  1889.  No.  278.)  Aus  Nord -Amerika:  In 
Middletown,  N.-Y.,  wurde  ein  33  Jahre  altes  Schlachtroß  mit 
militärischen  Ehrenbezeugungen  begraben.  Es  war  während  des 
Bürgerkrieges  vom  Obersten  Fowler  geritten  worden  und  machte 
unter  seinem  Reiter  30  Schlachten  und  Gefechte  mit,  in  welchen 
es  mehrfach  verwundet  wurde;  es  erhielt  nach  Beendigung  des 
Krieges  das  Gnadenbrod  und  wurde  bis  an  sein  Ende  mit  der 
größten  Sorgfalt  gewartet  und  gepflegt. 

Die  alte  Rieke  ist  jenes  historische  Pferd  des  ersten 
Garde-Dragoner-Regiments,  was  als  das  letzte  von  allen,  welche 
die  große  Attaque  im  Kriege  gegen  Frankreich  mitgemacht 
hatte,  vom  Officier-Corps  des  Regiments  angekauft  und  in  Pflege 
gegeben  wurde,  bis  es  1891  im  September  einging. 

Aus  Masins'  Naturstudien  (2.  Samml.  S.  101.)  setze  ich 
hierher:  „Wäre  aus  der  Geschichte  des  Menschen  das  Pferd 
weggenommen,  wir  würden  in  der  That  \ms  dieselbe  schwer  zu 
denken  vermögen:  ohne  das  Pferd  weder  ein  Alexanderzug,  noch 
eine  Völkerwanderung,  weder  ein  islamitisches  "Weltreich,  noch 
ein  christliches  Ritterthum;  ohne  das  Pferd,  mit  einem  "Worte, 
wären  alle  jene  großen  Bewegungen,  welche  hochfluthartig  die 
"Welt  erschütterten  und  in  ihrem  innersten  Grunde  aufregten, 
nicht  möglich  gewesen  und  die  Völker  hätten,  still  und  dumpf 
auf  ihrer  Scholle  sitzend,  niemals  die  altgewohnten  Grenzen  ver- 
lassen, um  wandernd,  kriegend,  abenteuernd  und  kolonisirend 
das  Menschheitsband  von  Land  zu  Land  zu  schlingen." 

Rind  (Kuh,  Bulle,  Ochs,  Kalb). 

Kuh  und  Kalb.  Lockruf  und  Schmeichelname:  Musch! 
Müsch!  Maschinne!  Musch!  Musche!  Nach  Frischbier  (W.  B. 
II.  80.)  außerdem  noch:  Mosch!  Mosche!  Muschche!  Moschche! 
Muschke!  Moschke!  Muschkekohke !  Die  Muschekuh!  So  ver- 
stärkt sich  die  Zärtlichkeit  in  der  Benennung  namentlich  im 
Kindermunde.  Mühling  hat  noch  Muscher.  Jim  jim!  (W.Pr.) 
Außerdem  ein  anhaltender  Zischlaut,  ein  langgezogenes  S. 


176        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  and  ihre  Namen. 

Nach  Knoop:  Fremdsprachliches  201.  ist  in  Pommern 
Kr ü seh  Lockruf  für  die  Kuh,  welche  deshalb  in  der  Kinder- 
sprache Kruschkauh  oder  bloß  Krusch  genannt  wird.  Bei  uns 
hat  dies  Krusch  eine  verschlechternde  Bedeutung.  Manche  Frauen 
nennen  dort  ihre  Kuh  Ulsch  (Alte).  Ableitung  von  Krusch  ist 
selbstverständlich  das  polnische  Krowa,  Kuh. 

Blinde  Kuh  ist  ein  beliebtes  Kinderspiel,  auch  für  Alte. 
Jemandem  werden  die  Augen  verbunden  und  so  greift  er  als 
blinde  Kuh  nach  einem  der  übrigen  Genossen,  der  ihn  ablöst. 

Eiserne  Kuh,  gerichtlich  dem  Ausgedinger  verschrieben, 
muß  beim  Abgange  (ihrem  Sterbefall)  wieder  erneuert  werden. 
Der  Vertrag  ist  der  Eisernekuhvertrag,  in  Bayern  Ewiggültbrief. 

Die  schwarze  Kuh  ist  die  schwarze  Kunst,  der  Teufel. 
„Die  schwarze  Kuh  hat  ihn  gedrückt." 

Bulle.  Von  ihm  sagt  man:  Ein  tüchtiger  Bikus,  da  pol- 
nisch byk  =  Bulle,  Stier,  nicht  zu  verwechseln  mit  psikus, 
Schabernack.  Schelmenstreich. 

§ 

Gelingt  es  bei  Kindern  auch  wohl  gleich,  ihnen  den  Begriff 
von  Kuh  und  Bulle  klar  zu  machen,  so  bleibt  für  den  Ochsen, 
um  im  Geleise  zu  bleiben,  ohne  anzustoßen,  doch  nur  einfach 
der  Onkel  übrig,  freilich  ohne  Tante. 

Vom  Ochsen,  wenn  er  dumm  anstiert,  sagt  man,  er  stürt, 
glupt  (poln.  ghipi,  dumm). 

Ochs.  Rufe  beim  Gebrauche  (Fahren,  Pflügen),  anspor- 
nend: mit  der  Intention  nach  rechts:  Hott!  Hodd!  auch  Hodder! 
nebst  Wenden  dabei:  Hottweng!  (weng*  =  wenden!)  Hottweh! 
Hodd  weh!  Um  Gumbinnen:  Pülsch!  Nach  Frischbier  W.  B.  I. 
183.  Heitsch!  H3tsch!;  mit  der  Intention  nach  links:  Sseh!  (West- 
preußen), nach  Frischbier  Z&!,  in  Litthauen  Seh  eh!,  aber  meist 
durchaus  Tül!,  polnisch  zobie  (zu  oder  gegen  sich!),  daraus  ver- 
dreht ksobie!  ksub!,  und  dies  verdeutscht  entweder,  länger  zu 
Schodder!  (so  auch  in  Elbinger  Niederung!),  czoder  in  Masuren, 
Schwodder!,  Schwodde!  Schwod!  Schwudde!  (nach  Hennig  251.), 
auch  Schwade!  (Schwoide!  in  Niederlausitz,  nach  Anton:  Alphab. 
Verz.  12,  26.),  oder  kürzer  zu  Ksä!  Z6!  Sseh!  Scheh!  Ksä!  Zä! 


Von  A.  Treichel.  177 

(Vocal  kurz  und  scharf);  um  Elbing  heißt  es:  Ksei!  das  Sche- 
mionek  2.  Xey!  schreibt;  nebst  Wenden  dabei:  tülweh!  oder  tül- 
weng!  Mrongo vius  giebt  Kse,  Ksobie,  d.  i.  Kusobie,  gegen  sich. 
Das  Zö!  ist  wohl  gleich  zu,  wie  man  zefrieden,  statt  zufrieden 
sagt,  platt  te.  —  Das  tül  erscheint  mir  unableitbar;  vielleicht 
hängt  es  zusammen  mit  dem  polnischen  tulic,  zärtlich  an- 
schmiegen, andrücken,  oder  tulaö,  herumirren;  beide  Verba  haben 
den  Begriff  der  Bewegung  nach  einer  bestimmten  Seite.  —  Hodder 
kommt  her  von  dem  polnischen  od  siebie. 

Meist  wird  dabei  der  Lenkochse,  d.  h.  der  auf  der  linken 
Saite  gehende,  vorderste  Ochse  mit  Namen  angerufen,  also  Tül- 
weh, Bunt!  oder  Hoddweb,  Bliß! 

Heifit  es  im  Kreise  Bereut  stellenweise  (z.  B.  Orle):  Tül, 
Krojanke!,  so  ist  damit  ebenfalls  der  Yorderochse  gemeint,  da 
Kroj  früher  das  ehemalige  Vorzeug  beim  Pfluge  hieß.  Den 
Namen   der    betr.    Stadt    kennt    das    hiesige    Volk   wohl  kaum. 

Mrongovius  in  seinem  Lexicon  hat  die  Interjectionen  hec! 
und  hecia!  =  ecz!  (vergl.  Heitsch!  und  heciepecie  unter  Pferd!) 
als  Zuruf  an  die  Ochsen,  wenn  sie  rechts  gehen  sollen;  dann 
auch  Het!,  wie  Hen!,  wohl  gleich:  siehe  da!  schau!  Sonst  heißt's 
im  reinen  Polnisch  Ot!  Oto!  =  siehe,  wohlan!,  klingt  aber 
Hot!  im  preußischen  Polnisch.  Damit  ist  dann  die  Herleitung 
für  das  Hott  gegeben. 

Beim  Anhalten  heißt's  Ooohlä!  (hol'  an  =  halte  an?),  in 
Littauen:  Hohä!  (Fr.  V.  B.  63.),  nach  Frischbier:  Bischke.  — 
Für  das  Zurückhalten  gelten  die  gleichen  Rufe,  wie  beim  Pferde. 
—  Beim  Zurückzoppen  (wenn  die  Ochsen  zu  weit  vorgingen) 
heißt's:  Trück!  Trügg!  (das  plattdeutsche  Zurück!)  —  Zopp!  — 
Stup!  —  Stakü!  (wenn  auf  der  Weide  zu  weit  vor!),  vielleicht 
in  Verbindung  mit  poln.  staö,  stehen.  Aus  jenen  Spornlauten 
entstand  die  Redensart:  Der  Eine  will  hodder,  der  Andere 
schwodder!  (auch  Fr.  R.-A.  I.  1640.),  d.  h.  es  fehlt  an  einem 
ordentlichen  Commando,  so  daß  der  Eine  dies,  der  Andere  das  will. 

Dat  ös  nich  hodder,  nich  schwodder!  nicht  rechts,  nicht 
links,  also  unentschieden. 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX.  Hft  U2,  12 


178        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

Er  weiß  davon  nich  hot,  nicht  schwodde!  ist  der  Sache  fremd, 
weiß  sie  nicht  anzugreifen. 

Hennig  (Preuß.  W.  B.  1785.)  führt  folgenden  hergehörigen, 
„bekannten  Vers"  an:  Hotte  tenet  dextram,  retinet  sibi  Schwodde 
sinistram. 

Aehnlich  heißt's  in  Hinterpommern  (K.):  Dei  weit  nich 
von  hott  6k  nich  von  tül  (weder  rechts,  noch  links)  und:  De 
eige  (eine)  geht  hott,  de  angerd*  (andere)  tul  (hierher,  dorthin). 

In  Hinterpommern  (K.  108.-206.  396.  413.)  hat  man  als 
Zuruf  für  die  Ochsen,  rechts  zu  gehen,  nur  den  einen  Ausdruck 
hott;  also,  rechts  zu  wenden,  hott  weng*  (wende!).  Dagegen 
gebraucht  man  als  Zuruf,  links  zu  gehen,  diese  vier  Ausdrücke, 
wovon  die  ersten  drei  sprachlich  wohl  zusammen  gehören:  1.  Ksoh. 
(Zipkow,  Kr.  Stolp);  2.  Czob  (Zezenow,  Kr.  Stolp);  3.  Zä  (Wollin, 
Kr.  Stolp)  und  zä  wäng,  links  wenden!  4.  Tul  und  tul  wäng; 
auch  tuje  (Zipkow);  auch  tull  (Kreis  Lauen  bürg);  wovon  Tulloss, 
ein  dummer  Mensch,  nicht  geachtet,  links  liegen  gelassen. 

Um  Leip,  Kr.  Osterode  in  Ostpreußen,  wo  die  Ochsen  noch 
mit  der  Zoche  pflügen,  heißt's  Atsch,  wenn  diese  rechts,  Sseh, 
wenn  sie  links  geheu  sollen,  und  Frschoh,  wenn  zurück.  (Dies 
hängt  deutlich  zusammen  mit  dem  poln.  Wendung;  Wrot,  wrööic, 
wracac,  zurückkehren).  Die  Bevölkerung  spricht  dort  meist 
masurisch. 

Schemionek  (Ausdrücke  u.  s.  w.,  1881.  2.)  giebt  für  die 
Gegend  um  Elbing  aitsch!  als  rechts  weisenden  Zuruf  an,  womit 
heitsch!  und  andererseits  atsch!  zu  vergleichen  ist. 

Ueber  preußische  Rindernamen  vergl.  meinen  Vortrag  in 
Schlochau  in  Vers,  des  westpr.  bot.  zool.  V.  vom  15.  Juni  1886, 
aber  abgedruckt  durch  Zuvorkommenheit  des  Hist.  V.  i.  Marien- 
werder in  dessen  Schriften  H.  21.  S.  36  ff.  nebst  Recapitulation 
und  Nachtrag.  Dazu  Brunek  (Braunchen),  Bunt,  Bliß,  Schwört, 
Witt;  ferner:  Lieschen,  Clärchen,  Röschen,  Kreek  (Brün- 
hausen).  Es  ist  in  Orle,  Kr.  Berent,  eine  sonderbare  Vorliebe 
der  Leute,  ihre  Kühe  Saturn  zu  nennen.  Um  Saalfeld  (Frl. 
E.    Lemke)    wird    die    Kuh    mit   Vorliebe    Mschock    genannt. 


Von  A.  Treichel.  179 

Prisch  heißt  ein  junges  Stück  Vieh  in  Kr.  Rössel,  Ostpreußen. 
(Dr.  Stuhrmann).  In  der  Provinz  Sachsen  heißt  jeder  Bulle 
Michel. 

W.  v.  Schulenburg  (Wend.  Volksth.  S.  65.)  nennt  in  Betreff 
des  Rindviehes  folgende  Namen  aus  der  Lausitz: 

Von  Bullen:  byk,  Bulle  (sumel,  grauer,  Dorf  Schleife); 
blasow,  blässiger;  smalow,  schwarzer. 

Von  Kühen:  zolta,  gelbe;  blasa  und  blasawa,  blässige  (Blässe 
ist  ein  weißer  Fleck  auf  der  Stirne);  cerwena,  rothe;  wosawa, 
kleinblässige;  bela,  weiße;  sumlawa,  grauschwärzliche;  syrawa, 
pisana,  buntfarbige  (mehr  fleckig);  pasana,  buntstreifig;  carna-, 
bela,  cerwena  pisana,  schwarz-,  weiß-,  rothbunte ;  ebenso  pasana, 
ebenso  streifige;  gwezdula,  sternige  (wohl  mit  sternförmiger 
Zeichnung  vor  der  Stirn);  brunawa,  bräunliche;  carnawa,  schwarze; 
bruna,  braune;  malka,  kleine;  welika,  große;  malka  oder  welika 
pisana  oder  pasana,  klein-  oder  großfleckige  oder  streifige; 
stwortula,  Donnerstagskuh  (wörtlich:  vierte;  stwortk,  Donnerstag); 
petala,  Freitagskuh  (petk,  fünfter,  seil.  Tag,  also  Freitag). 

Aus  Dorf  Schleife  giebt  derselbe:  lysawa,  mit  einigen 
weißen  Sternchen,  Streifen  oder  Flecken  am  Kopfe  (ob  nicht 
von  lys,  Fuchs?);  stryma,  bunte;  plowasa,  plowsa,  gelbe;  belica, 
weiße;  hirsa,  hirschige;  pönzela,  Montags-,  woltora,  Dienstags-, 
sredula,  Mittwochs-,  stwortula,  Donnerstags-,  petula,  Freitags-, 
sobota,  Sonnabends-,  nezela,  Sonntagskuh.  Früher  sollen  die 
Kühe  dort,  als  sie  noch  in  allgemeinen  Heerden  zur  Hütung  ge- 
trieben wurden,  überall  sämmtlich  ihre  besonderen  Namen  gehabt 
haben,  jetzt  aber  weniger,  weil  Stallfütterung  besteht. 

Aus  dem  Rinderstalle  eines  Polen  notirte  ich  mir  folgende 
Namen:  für  junge  Bullen  CymbaJ,  Sob,  Iwan,  John,  Busella; 
dann  für  Kühe  Holka,  Helka  (Helene),  Olenka,  Latarnia  (Laterne: 
mit  breiter  Blässe  auf  der  Stirn),  Jaskolka  (Schwalbe),  Kwiatocha 
(Sternchen,  Blümchen),  Kruska  (ein  schwarzer  Vogel;  Kruk, 
Rabe),  Kricha  (Christine),  Dusia  (Duchen),  Lusia  (Ludowika), 
Pollusia  (Apollonia),  Maluda  (Kleinchen),  Myszia  (Mauschen  oder 
mausefarben),  Magda,  Gwiazda  (Stern),    Isa  (Elisabeth),   Iwanka, 

12* 


1Ö0        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

Lychna  (Kleinigkeit,  Blässe).    Kruscha,  Kruscka  ist  Liebkosungs- 
wort für  eine  Kuh. 

Aus  einem  größeren  Kuh  stall  eines  pommerschen  Gutes 
(Wampen,  Kr.  Greifswald),  wo  es  auch,  wie  öfters  sonst  und 
namentlich  auch  bei  Pferden,  Mode  ist,  jede  Kuh  mit  einem 
Namen  zu  belehnen  und  diesen  auf  eine  ihrem  Stande  an  der 
Decke  oder  sonst  beigefügte  Tafel  zu  schreiben,  entnehme  ich 
die  folgenden  Namen,  indem  ich  dazu  bemerke,  daß  dasselbe 
Ziel  anderwärts  auch  durch  Zahlen  erreicht  wird.  Bei  dem 
Verzeichnisse  fällt  auf,  daß  die  ersten  Buchstaben  des  ABC  so 
gar  wenig  darin  vertreten  sind ;  vielleicht  ging  es  nach  dem  ABC 
für  die  einzelnen  Jahrgänge  und  gerade  deren  Träger  waren 
abgestellt  oder  eingegangen,  so  daß  wir  unter  den  ersten  Buch- 
staben auch  die  ältesten  Stücke  zu  suchen  haben.  Manche  Jahr- 
gänge, wenn  sie  auf  nicht  häufige  Anfangsbuchstaben,  wie  Q, 
X,  Y  treffen,  mögen  dem  Namengeber  viel  Kopfzerbrechen  verur- 
sachen. Gemeinhin  wird  dies  Geschäft  aber  der  gnädigen  Frau 
obliegen,  welche  meist  die  mythologischen  Ueberreste  ihres  Pen- 
sionates für  höhere  Töchter  dabei  zu  verwerthen  trachten  wird; 
einer  "Wirthin  würden  Romannamen  am  nächsten  liegen,  wenn 
sie  nicht  die  alte,  gute  Zeit  vorzieht.  Wie  der  gemeine  Mann 
(Kuhhirt  u.  s.  w.)  aber  die  ihm  ausländischen  Namen  sich  zurecht- 
legt und  verunstalten  wird,  gleichsam  zum  Hohn  für  das  un- 
bekannte Mundgericht,  das  ist  eine  andere  Sache. 

Gerda,  Hera,  Hydra,  Kleopatra,  Leonore,  Lilie,  Libelle, 
Lilli,  Lorette,  Mimosa,  Magelone,  Maba,  Minca,  Madame,  Nelke, 
Natalie,  Nymphe,  Nixe,  Nelly,  Olga,  Odaliske,  Oda,  Orta,  Olym- 
pia, Ora,  Olivia,  Pandora,  Philippine,  Petronella,  Psyche,  Pepita, 
Pales,  Pythia,  Procne,  Portia,  Pontia,  Porta,  Pasta,  Polyxena, 
Pappaea,  Rhea,  Rahel,  Regina,  Reinette,  Remus,  Reseda,  Roma, 
Raupe,  Riecke,  Ruth,  Rebecca,  Ruperta,  Renata,  Romana,  Rosa, 
Rosamunde,  Rothkehlchen,  Röschen,  Raute,  Rosenhain,  Roxella, 
Reh,  Ranke,  Rosine,  Rezia,  Salchen,  Sappho,  Sarah,  Sardelle, 
Sardine,  Schatz,  Schneewittchen,  Schnecke,  Schönmädchen, 
Schöne,  Schwalbe,  Schwan,  Schneerose,  Semele,  Selene,  Semper, 


Von  A.  Treichel.  181 

Sirene,    Sibylle,    Sponsa,    Susa,    Zebu,    Zeisig,    Zenobia,    Zygia, 
Zuleika. 

Interessant  ist,  was  bezüglich  der  Ochsennamen  aus  Süd- 
afrika  hierher  gehört,  was  ich  einem  Artikel  des  Specialbericht- 
erstatters (Eugen  Wolf)  über  die  Frage  des  Transportes,  der  hier 
fast  durchgehends  nur  mit  Ochsen  geschieht,  im  Berliner  Tage- 
blatte Jg.  XX.  No.  526,  vom  17.  Oct.  1891  entnahm:  „Ein 
Kaffernboy,  der  dort  einen  Ochsenwagen  führt,  kommt  überall 
durch.  Ist  ihm  der  Fluß  zu  reißend,  so  läßt  er  seinen  Wagen 
stehen  und  sucht  sich  eine  bequemere  Fuhrt  ober«  oder  unter- 
halb aus.  Ist  ihm  das  Wasser  nach  heftigen  Regengüssen  zu 
tief,  so  wartet  er  einen,  zwei  oder  mehr  Tage,  bis  es  abläuft; 
er  holt  die  Zeit  schon  wieder  ein.  Für  einen  Baumstamm,  der 
ihm  im  Wege  ist,  hat  er  seine  Säge  und  sein  Handbeil  mit; 
allzu  schroffe  Wege  ebnet  er  sich  mit  der  Schaufel.  Reparaturen 
an  seinem  Wagen,  die  Dank  der  kräftigen  Bauart  derselben  sehr 
selten  nöthig  werden,  macht  er  alle  selbst.  Er  ist  mit  Nägeln, 
mit  Draht,  Holz  u.  s.  w.  versehen.  Seine  Haupthilfsmittel  sind 
jedoch  lange,  naturgare  Lederriemen,  die  er  in  großer  Menge 
bei  sich  führt,  und  mit  welchen  er  selbst  Achsenbrüche  heilt. 
Die  Findigkeit  solcher  Kaffern  ist  eine  ganz  hervorragende. 
Seine  persönlichen  Effecten  sind  ein  oder  zwei  wollene  Pferde- 
decken, etwas  Taback,  ein  eiserner  Kessel,  in  welchem  er  täglich 
seinen  Maismehlbrei  kocht,  ein  Wasserfäßchen,  das  unter  dem 
Wagen  hängt,  und  —  eine  Ziehharmonika.  Damit  zieht  er  nun 
los,  von  Kapstadt  bis  nach  dem  Zambesi,  von  Dalagoa  Bay  bis 
nach  Walfisch  Bay;  wohin,  ist  ihm  ganz  gleich;  er  fragt  die 
Route,  findet  sich  zurecht  und  liefert  seine  Waarenladung,  die 
häufig  einen  Werth  von  vielen  Tausenden  von  Pfund  Sterling 
repräsentirt,  an  die  richtige  Adresse  ab.  Er  schläft  unter  seinem 
Wagen,  seine  Ochsen  lagern  des  Nachts  um  ihn  herum.  Seine 
Säcke  Maismehl,  seinen  Sack  Salz  und  seinen  eingeborenen  Ta- 
back hat  er  gut  gegen  Nässe  gesichert;  weitere  Ansprüche  hat 
er  nicht.  Seine  Ochsen  kennen  ihn  und  kommen  in  der  Frühe, 
nachdem  sie  etwas  gegrast  haben,    von  selbst   zum  Wagen  und 


182        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

melden  sieh  paarweise  an  der  Stelle  des  Zuges,  wo  sie  hinge- 
hören. Er  ruft  sie  alle  nach  Namen.  In  jedem  Gespanne  ist 
stets  ein  Ochse,  der  „Englißmaq"  heißt;  dies  haben  die  Boeren 
eingeführt.  „Englißman"  ist  das  Stiefkind  der  Ochsenfamilie, 
„Englißman"  bekommt  die  meisten  Peitschenhiebe;  er  muß  Alles 
„austunken",  wenn  im  Laufe  des  Tages  etwas  schief  geht.  An- 
dere beliebte  Namen  für  seine  Ochsen  sind  Stenbock,  Sixpence, 
Eedbock,  Hansbuck,  Bontes,  Jellowbuck,  Basjan,  Rojan,  Valentin, 
Coalbuck  und  je  nachdem  er  das  "Wort  Buck-baok,  bück,  bock, 
boeck,  book  und  bo-o-o-ok  ausruft  und  ausdehnt,  feilt  auch  der 
Peitschenhieb    mehr  oder  weniger  kräftig    auf    den  Bücken  des 

betreffenden  Ochsen  nieder.     Und    hier   ist   wieder    einmal    die 

i 

Klugheit  des  „dummen  Ochsen"  zu  konstatiren.  Er  achtet  ganz 
genau  auf  den  Tonfall  des  Ausrufes  seines  Treibers  und  weiß, 
daß  auf  lange  Ausrufe    auch   lange  Hiebe    fallen;    schnell  ! 

und  ohne  erst  auf  die  Hiebe  zu  warten,  legt  er  sich  bei  einem 
ausgedehnteren  Rufe  fester  ins  Joch  und  vermeidet  dadurch 
häufig  die  Hiebe,  die  dem  Rufe  folgen  sollen.  Ich  habe  mich 
vom  Wagen  aus  selbst  davon  überzeugt;  trotzdem  arbeitet  die 
enorme  Peitsche  immerfort,  einer  Riesen-Klapperschlange  ähnlich, 
in  der  Luft  herum.     Sie  ist    eben    das  Musikwerk    des  Treibers  ! 

während  der  Fahrt;  sobald  die  Fahrt  für  den  Tag  eingestellt 
ist,  sobald  die  Ochsen  weiden  und  er  selbt  seinen  „Souff",  wie 
er  den  Mehlbrei  nennt,  verzehrt  und  sich  eine  Pfeife  Boeren- 
taback  angezündet  hat,  greift  er  zu  seiner  Ziehharmonika  und 
entlockt  derselben,  wenn  auch  eintönige,  so  doch  interessante 
Kaffernweisen,  bis  die  Sterne  flimmern  und  er,  in  seine  Decke 
eingewickelt,  von  „ihr" 'träumt.  Der  Ochse  sucht  sich  überall 
sein  Futter  selbst  —  er  ist  sehr  bescheiden  —  langes  oder  kurzes, 
hartes  oder  feines  Gras,  junges  Gebüsch;  ja  selbst  ganz  dürres, 
gelbes  Gras  genügt  ihm.  Natürlich  hängt  von  der  dauernden 
Beschaffenheit  des  Futters  sein  mehr  oder  weniger  gutes  Aus- 
sehen und  seine  Leistungsfähigkeit  ab ;  aber  er  zieht  vier  Wochen 
lang  durch  „Buschwald"  und  schlechtes,  dürres  Gras,  ohne  daß 
man  es  ihm  anmerkt.     Auch    in    der  Wasserfrage   ist   er   nicht 


Von  A.  Treichel.  183 

heikel;  er  säuft  jede  Art  von  Wasser,  brackiges,  salziges,  eisen- 
haltiges, schwefeliges  oder  gar  keine  für  mehrere  Tage,  ohne  daß 
er  es  besonders  zu  entbehren  scheint.  Der  Ochse  verläßt  seinen 
Wagen  nie  auf  große  Entfernung;  auch  sondert  er  sich  nicht 
von  seinen  Kameraden  ab,  sodaß  ein  Verlust  durch  Entlaufen 
nicht  zu  befürchten  ist.u 

Schaf,  Bock,  Lamm. 

Purr,  Prrr!  sagt  der  vorangehende  Schäfer,  entweder  wenn 
er  die  Heerde  halten  oder  sie  auffordern  will,  nachzukommen 
oder  zu  laufen.    Also  dann  gegentheilig  wie  beim  Pferde! 

Udz!  wird  das  Schaf  um  Wahlendorf,  Kr.  Carthaus,  an- 
gerufen. 

Nach  Frischbier  gilt  für  Schaf  und  Ziege  der  fast  immer 
in  Wiederholung  gegebene  Zuruf  Matz,  Korr,  Zamm;  auch 
(V.  B.  64.  242  d.)  für  Litauen  Burr,  im  Samland  Hödd. 

Als  Lockruf  gilt  im  östlichen  Pommern  Schik;  daher  ist 
dort  auch  Schikske  (mit  eingeschobenem  s  als  bei  einem  auf 
ke  ausgehenden  Stamme)  so  viel  als  Schäfchen. 

Der  Schafbock  heißt  Kamm.  Bammdösig  wäre  darnach: 
dumm,  wie  ein  Schafbock,  wenn  nicht  so  dumm,  daß  man 
Wände  einrennen,  einrammen  könnte.  Bammeln  ist  das  Sich- 
begatten von  Kaninchen,  Hasen  (mas  Bammler),  Katzen  und 
Schafen,  auch  übertragen  von  Menschen.  „Bockchen,  Bockchen, 
schiele  nicht !"  ist  ein  beliebtes  Kinderspiel.  Mit  dem  „Bunten 
Bock"  wird  in  Pommern  den  Kindern  gedroht,  die  er  zu  fressen 
kommen  wird. 

Lamm.  Es  ist  Matz,  wenn  man  von  ihm  spricht.  Im 
Samland  ist  schuch  sein  Scheuchruf,  sonst  aber  Schuchchen 
sein  Schmeichelwort. 

W.  v.  Schulenburg  (Wend.  Volksth.  S.  65.)  fuhrt  als  Schaf- 
namen um  Dorf  Burg  an:  Sepka,  Schäfchen  (vom  Lockruf  Söp,  Söp). 

Schaf  und  Lamm  kommen  vielfach  in  der  Kindersprache 
vor,  also  auch  in  den  für  deren  Welt  gemachten  und  gesungenen 
Liedern  und  Wiegenliedern,    deren    für   Hinterpommern  Knoop 


184        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  and  ihre  Namen. 

etwa  35  angiebt,  wovon  manche  auch  bei  uns  bekannt  sind. 
Außer  dem  Schaf  finden  da  aus  der  Thierwelt  noch  Platz,  wie 
wir  sehen,  Enten  und  Gänse,  das  Huhn,  die  Vögelein,  Sperling, 
Storch,  Frosch,  Laus,  Fledermaus,  Pferd,  Hund,  Maus,  Katze, 
Kuh.  Außer  dem  bunten  Bock  als  Scheuchmittel  wird  beim 
Schaf  genannt  ein  schwarzes  und  ein  weißes;  das  schwarze 
kommt  aber  die  Kinder  beißen.  Unter  Zusatz  ihres  Naturlautes 
spricht  man  vom  Bähschaf  und  vom  Bählamm,  meistens  ver- 
schlechternd (Dummheit).  Ein  Lied  lautet  dort:  Lämmke  leip 
int  Hultke,  Stett  sik  dat  Beinke  Am  kleine  Steinke  Un  saed'  bah! 
Hier  ist  das  bekannteste  Wiegenlied :  Schlaf,  Kindchen,  schlaf, 
Draußen  gehn  die  Schaf,  Ein  schwarzes  und  ein  weißes.  Und 
wenn  das  Kind  nicht  schlafen  will,  Dann  kommt  das  schwarze 
und  beißt  es. 

Schwein,  Eber,  Ferkel. 

Schwein.     Von  und  zu  ihm  wird  buk,  butsoh  gesagt. 

Um  Schlochau  heißt  der  Lockruf  für  das  Schwein  kusoeg, 
kuku!  (Pfr.  Hasse.) 

Kugut  ist  nach  Fr.  "W.  B.  I.  441.  (beide  u  kurz)  Lockruf 
für  Schweine  im  Kirchspiel  Friedrichswalde,  Kr.  Pilkallen.  In 
der  Kassubei  wiederholt  man  den  Zuruf  und  Ruf  Pila  Pila!  zu 
Sau  und  Ferkel.  Auch  Nita  Nita!,  aber  mehr  zu  kleineren 
Schweinen,  wogegen  zu  größeren:  Nitschanitscha!  (geschrieben 
wohl  nicza!),  woraus,  da  der  Ton  auf  die  Ultima  gelegt  wird, 
für  das  Ohr  Czani  czani!  entsteht.  Eine  solche  Verstellung  der 
Silben  läßt  sich  bei  Wiederholungen  häufiger  beobachten.  Auch 
gilt  Nuckel  oder  Nucke  als  Lockruf  für  Schweine,  besonders 
für  Ferkel,  da  es  sich  um  kleine  Thiere  dabei  handelt  und  zu- 
gleich ihr  Geräusch  onomatopoesirt  wird. 

Nurcksen,  nörcksen  ist  das  ruckweise  Grunzen  der 
Schweine;  ab  und  zu  ein  Knurren  hören  lassen. 

Borg  (polnisch  wieprz)  ist  hauptsächlich  der  geschnittene 
Eber.  Auch  Säue  werden  geschnitten  (eine  besonders  von  herum- 
ziehenden Ungarn  verstandene  Kunst),  damit  sie  nicht  mehr 
Junge  kriegen  und  somit  besser  fett  werden. 


Von  A.  Treiehel.  185 

Kuyel,  Kuijel,  Kuigel  ist  der  zahme  Eber,  Stamm-Eber. 
Ferkel.  Von  gleicher  Bedeutung,  wie  oben  Nuckel,  ist 
bei  uns  hierfür  Nuttnutt!  Ein  anderer  Lockruf  ist  für  kleinere 
Schweine  Nutsch  nutsch!  Man  spricht  auch  vom  Nutsche- 
Schwein.  Ferner:  Bosch  böschke,  auch  Bosch  bosch,  auch 
Osch  osch!  Frischbier  kennt  als  Lockrufe  Nuckel  Nuckel!, 
um  Angerburg  Nucke  Nucke!  oder  Pochla  Pochla,  auch 
Kusch  Kusch,  im  Ermlande  Eosch  Kosch!  oder  Posch 
Posch,  ebenda  Schäschä  (wohl  Scheuchruf),  für  die  Ferkel  im 
Ermlande  auch  Pochlapochla! 

Nach  Fr.  W.  B.  ist  Poch,  Pochel,  Pocher,  n.,  Lockruf 
und  Name  für  das  Schwein,  Pochel  besonders  für  das  Ferkel, 
für  dieses  auch  Pochla  in  Ermland,  Angerburg,  Samland  (Volksr. 
64,  242  c.)  Posch,  dem.  Poschchen,  platt  Poschke,  ebenfalls 
Name  und  Lockruf  für  Schwein  und  Ferkel.  Zu  Kindern,  die 
sich  besudelt  haben,  sagt  man:  Du  bist  ein  kleines  Poschchen! 
Um  Saalfeld  (Frl.  E.  Lemke)  lockt  man  die  großen  Schweine 
mit  dem  Bufe:  Eowmei  Kowmei!  (oder  Kowneü),  die 
Ferkel  aber  mit:  Nitschchen,  Nitsch  Nitsch  Nitsch!  oder: 
Nitsch,  Ferkelchen,  Nitsch! 

In  der  Altmark  (Urdsbr.  1.  1.)  ist  Lockruf  für  das  Schwein 
Könn'n  könön! 

Porchel,  n.,  ist  ein  kleines,  dickes  Schwein.  Puskuijel, 
m.,  eigentlich  Halbkuijel,  ist  ein  Eber  mit  einem  Hoden,  da 
litauisch  pus  =  halb,  polnisch  po.  Es  wird  fälschlich  zu  Piss- 
kuijel  verdreht. 

Besondere  Bufnamen  oder  Bezeichnungen  für  Einzelthiere 
beim  Schweine  fand  ich  bisher  nirgend  in  der  Provinz,  noch  sonst  wo. 
Auf  Bügen  ist  Mudd  mudd!  ein  Lockruf  für  die  Schweine 
und  werden  demnach  die  Bügianer  selbst  im  übrigen  Vor- 
pommern Muddländer  genannt.  (Die  Mönchguter  aber  Poken.) 
Auch  in  Ostpommern  (K.)  ist  Bütsch  Lockruf  für  die 
Schweine,  die  deshalb  auch  in  der  Sondersprache  Butschkes 
genannt  werden;  dort  lockt  man  aber  auch  mit  Buche  1.  In 
Wusseken,  Kr.  Bütow  (Archut),  ist  Buchelke  ein  kleines  Schwein. 


186        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

Bei  Polzin  bezeichnet  Polks  ein  kleines  und  fettes  Schwein. 
O.  Knoop  läßt  den  Lockruf  butsch  vielleicht  zurückführen  auf  pol- 
nisch pözdz,  den  Imperativ  von  isc  kommen,  wie  man  in  Gnesen  den 
Hunden  zuruft:  pözdz  tu,  komm'  her!  Als  polnischen  Lockruf  nennt 
K.  Niut  niut!  und  Bernd  hat  nutsch  nutsch!  als  Lockruf  und 
Nutschen,  Nutschcken  für  die  Schweine  selbst,  besonders  junge. 
Ebenso  heißt's  in  Hinterpommern  Nütschkes  und  Nutscheschwein- 
chen.  Wie  buohel  zu  butsch,  Buchelke  zu  Butschke,  so  stellt  sich 
nach  Knoop  sprachlich  auch  die  Form  Nuchelke  zu  Nutschke,  und 
alle  diese  Wörter  bezeichnen  etwas  Kleines  überhaupt.  Um 
Polzin  in  Pommern  lockt  man  die  Ferkel  mit  Liter  liter! 

Ziege,  Ziegenbock. 
Bei  der  Ziege  ist  Burr!  ein  Lockruf,  sodann  Meck  meck!, 
auch  nach  Frischbier  Matz  (so  in   Sagorz,    Kr.   Neustadt),    wie 
für's  Schaf;  auch  Hödd  (Samland).     Sie  heißt  Zicke. 

Die  polnische  Zunge  ruft  nach  dem  Namen  Kos  (Koza). 

Die  junge  Ziege,  das  Ziokel,  ist  das  Höken  oder 
Hippchen;  ihr  Lockruf  ist  Hipp  Hipp!  (Zippnow,  Kr. 
Dt.  Krone). 

Namen  für  Ziegen  sind  Billy,  Jenny,  Jlse,  Irene,  Nanny, 
(Sagorsz).  Frau  Base  heißt  eine  Zicke  im  Milchpeter  in  Danzig's 
Vorzeit  v.  W.  Domansky. 

Der  Ziegenbock  wird  oft  Menter  (Mentor?)  genannt  (ob 
nicht  mehr  märkisch?);  Ableitung  außerdem  unklar. 

Namen  für  ihn  sind  Hans,  Jacob,  Peter. 

Sein  Lockruf  Meck  meck!  ist  auch  der  Neckruf  für  die 
Mitglieder  der  ehrenwerthen  Schneiderzunft. 

Die  Ziege,  meist  im  männlichen  Thiere,  ist  der  Glücks- 
stern in  Viehställen  gegen  die  Lungenseuche  und  in  Pferde- 
ställen gegen  die  Ratten. 

Kaninchen. 

Das  Kaninchen  hat  zum  Lockrufe  ein  Mocke  Mocke! 
Daneben  giebt  Frischbier  noch  an  Trusch  Trusch! 

In  der  Altmark  (Urdsbr.  1. 1.)  ist  Lockruf  für  das  Kaninchen: 
Muckel  Muckel! 


Von  A.  Treichel.  187 

Auch  das  Kaninchen  tritt  jetzt  als  neueste  Specialität  zu 
den  gelehrten  Pferden,  Hunden,  Wölfen,  Schweinen,  Katzen, 
Bobben  und  Gänsen.  Wenn  auch  nicht  in  Preußen,  so  zeigt  es 
doch  in  Paris  (Boulevard  des  Alles  du  Calvaire)  seine  Kunst- 
stücke, wohin  das  Publikum  strömt,  um  gewiß  nebenbei  auch 
die  kurzgeschürzte  Bändigerin,  Mademoiselle  Clara,  in  ihrem 
Kaninchen-Kostüme  gebührend  zu  bewundern,  die  es  verstanden 
hat,  das  angeborene  Springtalent  ihrer  Künstler  auszubilden  und 
zu  verwerthen.  In  mächtigen  Sätzen  sausen  sie  durch  die 
Arme  brennender  Leuchter  und  haben  keine  Furcht  vor 
dem  Bogen  des  flammenspeienden  Laubenganges,  wenn  sie 
sich  auch  beeilen,  dem  Feuer  möglichst  schnell  zu  entrinnen. 
Als  besondere  Heldenstücke  dürfen  die  Sprünge  durch  aufge- 
spanntes Papier  und  das  Abschießen  eines  Revolvers  gelten. 
Eine  echt  kaninchenhafte  Leistung  ist  das  Kriechen  durch  eine 
Bohre.  Wie  gern  blieben  die  Artisten  in  der  sie  anheimelnden 
dunkelen  Höhlung,  wenn  nicht  das  Zauberstäbchen  der  schönen 
Bändigerin  sie  wieder  an  das  Licht  lockte.  Die  Arbeiten  der 
vierbeinigen  Künstler  sind  von  einem  gewissen  Humor  getragen 
und  gründet  sich  dieser  Vorzug  auf  ihren  eigentümlichen  Körper- 
bau, die  jede  Erregung  verrathenden  Löffel  und  die  ununter- 
brochen zuckende  Oberlippe.  Natürlich  werden  diese  Kaninchen 
auch  ihre  "besonderen  Namen  haben,  wie  es  deren  in  zoologischen 
Gärten,  Menagerien  und  Schaustellungen  für  jede  und  nament- 
lich künstlerische  Sorte  von  Thieren  giebt. 


Marder. 

Ein  in  ausgewachsenem  Zustande  durch  Güte  und  freund- 
liches Zureden  vom  Vogelhändler  Roßkopf  in  Berlin  innerhalb 
vier  Wochen  1891  gezähmter  Marder,  der  so  zahm  geworden, 
daß  er  in  einem  Käfig  mit  vier  Tauben  in  friedlicher  Weise 
haust  und  spielt,  wie  ein  Pudel  springt  und  tanzt,  seinem  Herrn, 
der  ihn  frei  aui  der  Schulter  überall  mitnehmen  kann,  aufs 
Wort  parkt,  hört  wie  ein  Hund  auf  den  Namen  Schurgel. 


188        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

Seehund. 

Andere  Thiere,  besonders  fremdländische  oder  sonst  nicht 
dem  Dienste  von  Menschen  gewöhnte,  wie  man  sie  in  Schau- 
buden oder  Menagerieen  hat,  haben  ebenfalls  in  der  Mehrzahl 
der  Fälle  ihre  Rufnamen,  namentlich  wenn  sie  irgend  ein  ihrem 
Geschlecht  ungewohntes  Stück  vorführen  können.  Dieser  Name 
prangt  dann  auch  auf  den  Programmen  oder  Zetteln.  So  hieß 
1890  in  einer  Schaubude  auf  der  Dresdener  Vogelwiese  ein 
producirender  Seehund  ßappo.  Wenn  die  Thiere  selbst  auf 
ihren  Namen  hören,  so  liegt  das  in  der  Gewöhnung  an  die 
dunkelern  oder  hellen  Vokale  darin. 

Katze,  Kater. 

Von  und  zu  ihr  sagt  man:  Mies!  Miesekatze!  Miez! 
Mieze!  (dies  auch  Abkürzung  des  Vornamens  Marie)  Miezchen! 
Mießmieß!  auch  in  der  Altmark. 

Ihr  Herruf:  Mies,  komm'  her!  ist  im  Kinderrätsel  der 
Unterschied  vom  Commissär  (Komm,  Mies,  her!  auch  englisch: 
come  miss  here,  komme,  Fräulein,  her!) 

Ferner:  Pui,  Puika  (polnisch),  Puikatz,  Pikatz,  Pui- 
chen,  Puike,  Puja,  Puje,  Pusoh,  Puschekatze,  auch  Pi. 

Frischbier  kennt  als  Schmeichelnamen  für  die  Katze:  Pi, 
Pusch  und  für  den  Kater:  Puscher.     £.  Lemke  hat  Mickschen. 

An  anderer  Stelle  für  die  Katze:  Pusch,  Pusche,  Püsohe, 
Püse,  Pise,  Deminutiv  Puschchen,  platt  Puschke. 

Puschkatze  ist  die  Schmeichelkatze,  weil  sie  sich  gern, 
streichen  läßt  und  streichend  sich  anschmiegt.  Dies  Liebkosen 
ist  puschen,  puschaien,  buschauen  (Elbing),  puschkatten,  pusch- 
katern;  Alles  dies  auch  mit  dem  weicheren  b  gesprochen,  sowie 
das  Seh  nach  Art  des  französischen  j.  Zur  Ableitung  stelle  ich 
das  polnische  buzia,  Kuß;  bujac,  lustig  umherschwärmen;  puch, 
Flaumfeder;  puchac,  husten,  stark  hauchen.  Pipikattke,  host 
ok  e  Zagelke?  Wenn  Jemand  nach  der  Katze  ruft.  (Fr.  R.  A. 
I.  2943.) 

Fr.  Volksr.  31,  119.  giebt  folgenden  Kinderreim,  wo  der 
Kater  Puschpusch  heißt: 


Von  A.  Treichel.  189 

Puschpusch,  min  K&terke,  wo  wärscht  Du? 

„ön  Großmutters  Kämerke." 

Wat  deedst  du  da? 

„Eet  seete  Melk  möt  Pämelke." 

Pämel  (Paarsemmel)  soll  Brod  aus  Weizen  in  Semmel- 
form sein. 

In  Provinz  Sachsen  ruft  man  ihr  mit  Mietzmietz!  oder 
einem  Pfiffe  in  der  Tonhöhe  c  und  e. 

Ihr  Naturton  ist  das  bekannte  Miau!,    das  zur  Brunstzeit 

Stein'    erweichen,    Menschen   rasend    machen    kann. 

Im  März,  wenn  der  Kater  balzt/  tönt  sein  Ruf  mehr  gedehnt  wie 
Fra-u,  Fra-u,  Fra-u! 

Auch  ist  ein  zischender  Laut  dabei  zu  hören.  Mit  Ks! 
macht  man  den  Hund  auf  sie  aufmerksam  oder  hetzt  ihn  an. 

Dem  Feinde  (Hund)  gegenüber  pfaucht  sie. 

Ihr  Naschen  oder  langsames  Fressen  ist  schm engen. 

Namen  von  Katzen  sind  nach  Vornamen:  Frau  Annchen, 
Bella,  Cilly,  Liese,  Lieschen,  Lilly,  Meta,  Mietze,  Mimi,  nach 
historischen  Personen:  Lucca,  nach  der  Farbe:  Grauohen,  Grauda, 
nach  Eigenschaften,  Gedichten,  Geschichten,  Märchen:  Fange- 
maus, Leiseschlich,  Leisetritt,  Plappchen  (plappern,  sprechen), 
Sammetfell,  Sammetpfbtchen  (Gedicht  von  Beinick),  Schlauchen, 
Sekka,  Töpfchenaus;  sonst:  Bebe,  FuXssi,  Mauchen,  Pulssi,  Tu'lssi. 

Namen  für  Kater  sind  Droll,  Fidel,  Hans,  Hinz  („Der 
Kater")?  Hiddigeigei  (im  Trompeter  von  Säckingen),  Kunz,  Klax, 
Miau,  Mohr,  Moldux,  Murmel,  Murner  („Der  Kater"  und  bei 
A.  Köper  bei  Herrn  Hevelke's  Papagei  S.  67),  Murrer,  Netto, 
Nuss,  Peter,  Pips,  Puck,  Pudel,  Puff,  Puss,  Rodilard,  Schmudel, 
Schnurr,  Schön,  Schwips. 

Um  Saalfeld  in  Ostpr.  (Frl.  E.  Lemke)  sind  die  beliebtesten 
Namen  für  die  Katze:  Schmigglien,  Lieschen,  Jettchen,  Juste; 
für  den  Kater:  Peter,  Schnurr,  Fuchs;  für  beide:  Mühsam. 
Wenn  man  einer  Katze  den  Namen  Mühsam  giebt,  so  soll  das 
beißen,  sie  greift  fleißig  Mäuse  und  giebt  sich  viel  Mühe  dabei. 

"W.  v.  Schulenburg  (W.  Volksth.  S.  65.)  nennt  als  Katzen- 


190        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

namen:  Kot,  Kater;  Kotlar,  Kesseliger,  weil  schwarz,  wie  ein 
Kessel,  Kotol;  Peter;  Kocka;  Hajta,  Ajta,  Mieß  (vom  Lockruf 
Ajt  ajt!  Ajtka  auch  die  weibliche  Scham);  Peto;  Kica,  Kiczka; 
Cygan,  Zigeuner;  Grozawka,  Grozajka,  stallige,  weil  diese  viel  in 
den  Stall,  poln.  groä,  kommt. 

Von  den  vielen  Kunststücken,  welche  den  Hunden  gelehrt 
werden,  weiß  die  Katze  meist  nichts  von  ab.  Bekannt  ist,  daß 
man  sie  lehren  kann,  auf  das  Kommando:  (Mohr)  spring'!  in 
menschlicher  Höhe  durch  die  in  Kreisform  und  in  schräger  Lage 
gehaltenen  Hände  zu  springen.  Die  Katze  lernt  dies  Stück  sehr 
leicht,  wenn  man  ihr  zu  Anfang  erst  niedrig,  dann  immer  höher 
die  gekreisten  Arme  vorhält  und  sich  vor  sie  hinstellt,  indem 
man  ihr  mit  den  Beinen  Nachstoß  oder  Schnellung  giebt.  Meist 
thut  die  ausgelernte  Katze  es  doch  nicht  öfter,  wie  drei  Male. 
Aehnlich  lernen  sie  auch,  über'n  Stock  springen.  Schläge  und 
zuletzt  Hunger  lehren  sie  auch  sitzen,  Pfote  geben  und  tot  sein. 

Hund. 

Er  bellt,  macht  hauhau!  wauwau!,  ist  also  ein  Wauwau 
oder  Deminutiv  Wauwauchen. 

Auch  Baubau  oder  Baubauchen  (schmeichelnd). 

Er  blafflb,  bellt  häufiger,  macht  Blaff  blaff! 

(Ein  Ort  ist  einen  Hundeblaff  weit.) 

Er  haffb,  macht  Haffhaff,  wenn  mit  Anstrengung  oder  in 
einem  fort.  Polnisch  ist  der  Hau-  und  Hafflaut  chab.  Bellen 
heißt  in  Saalfeld,  Ostpr.,  schallnachahmend  schauken. 

Der  Fleischerhund  bellt  im  Märchen:  Was,  was! 

Er  winselt:  jankt,  kajankt  (poln.  j^kac,  ächzen;  j^kac, 
stammeln);  kajint,  kajinkt,  kujiönt,  kawint,  kawinkt,  mift  (dies 
auch  gleich  pulvern,  ludern),  walait  (lauter,  wenn  plötzlich  ge- 
schlagen). —  Es  ist  schwer  zu  sagen,  wie  die  auffallige  Vorschlags- 
silbe ka-  oder  ku-  in  kajinen  oder  kawinken  entstanden  ist. 
K.  (128.)  ist  der  Meinung,  daß  aus  einer  Yerschlagssilbe  po,  die 
eine  wiederholte  Handlung  bezeichnet.  Mir  ist  das  aus  dem 
Polnischen  nicht  bekannt,  sonst  auch  die  Wandlung  von  po  zu 
ko  schwer  denkbar.    Eher  ließe  sich  die  Annahme  einer  vorge- 


Von  A.  Treichel.  191 

setzten  Art  von  Reduplikation  der  zweiten  Silbe  hören.  Am 
besten  mag  passen,  wenn  man  wie  beim  klo-bocian  (Storch)  ver- 
fährt and  das  ka  für  den  gutturierten  Hundelaut  hau,  haff  nimmt,  so 
daß  also  kajauken,  kawinen  =  ächzen,  winseln  wie  ein  Hand,  mit 
seinem  Laute.  In  der  Niederlausitz  sagt  man  (statt  h — )  Kaffke 
f&r  sein  Gebelle.     Polnischer  Hundelaut  ist  ja  auch  chab ! 

Auch  ist  Willen  sein  Wehklagen,  wie  überhaupt  klagende 
Tiere  Laute  ausstoßen,  schwed.  voja  seg,  engl.  woe. 

Er  bettelt:  günselt,  jüngelt,  jungelt. 

Er  ist  ärgerlich:  jauzt,  gnauzt. 

Er  paßt  auf  und  meldet  den  Fremden:  gnurrt,  knurrt. 

Demgemäß  benennt  man  den  Hund  auch  nach  seiner  je- 
weiligen Aeußerung,  alliteriert  aber  dabei,  z.  B.  Gnurrköter. 
Liebkosend  ist  er  immer  der  Bau  bau.  Dies  wird  aber  auch 
als  Schreckgespenst  verwandt,  wohl  aus  Verwechselung  mit  Po- 
panz oder  polnisch  bobo,  bubo  von  gleicher  Bedeutung. 

Wenn  er  (auch  das  Schwein)  frißt,  so  schlapst  er. 

Ruf-  und  Lockname  ist  auch  Schuck!  Schuck!  Schuck- 
chen! Vielleicht  vom  polnischen  suka,  Hündin?! 

Ebenso  Schupp!  Es  bezeichnet  vielleicht  etwas  Kleines. 
Polnisch  heißt  ein  kleiner  Hund  dann  Schuppe k. 

Sonst  auch  Lulu,  Lulak  für  Tolpatsche.  Besonders  für 
ganz  kleine  Hunde  gilt  als  Schmeichelname  Tutu,  Tito.  Tu  pol- 
nisch =  hier.  Im  Polnischen  Du  da.  Tutam,  Tuitam  (hier  [und]  da) 
finden  wir  später  als  Namen. 

S6,  S6,  komm  her;  z.  B.  Wasser,  Se;  Kr.  Berent,  Carthaus. 
Wasser,  tu  Se,  komm'  hier  her! 

Nach  C.  Gander:  Sagen  aus  Kr.  Guben  (in  Mitth.  der 
Niederl.  Ges.  f.  Anthr.  u.  A.  K.  Bd.  H.  H.  1.  1891.  S.  127.  129.) 
machen  (bellen)  dort  die  Hunde:  KiffkeKeflf  ke!  oder  Kiffke  Kaffke! 

Schläcks  ist  in  Hinterpommern  (K.  331.)  ein  Schimpfwort, 
auch  für  Hunde.  Hund  ist  selbst  ein  Schimpfwort,  wie  viele 
Beispiele  erweisen  würden.  Daher  wird  der  aus  Polnisch  ver- 
deutschte Zuruf  putsch  (komm,  gehe)  tu  (hierher;  oder:  Du,  für 
die  Aussprache!),  Hund!  doppelsinnig  gebraucht. 


192        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

Der  schnell  laufende  Hand  kaschunkt  (rührt  die  Schinken 
und  bellt  [ka!]),  neuzeitlich:  kilometert. 

Schu!,  Schuch!  ist  aber  sein  Scheuchruf1.  Tschüh!  ist 
Anfeuerung8ruf  beim  lautjagenden  Jagdhunde.  Ebenso: 
Tschüh  bün! 

Auf  Err!  schickt  man  sie  aus  der  Stube  hinaus;  jedenfalls 
ist's  das  nicht  weiter  ausgesprochene  Baus. 

Kusch'!,  Kusch'  dich!  heißt's,  wenn  er  still  sein  oder 
sich  niederlegen  (coucher)  soll,  also  Zuruf  an  den  zufahrenden 
Hund.    Zur  Redensart  ist  geworden  das  Juno,  kusch'  dich! 

Nerr!,  Nercks!  Ist  Beiz-  und  Spornruf  für  bissige  Hunde. 

Mit  Ks,  Ks!  macht  man  ihn  aufmerksam.  Daher  die 
alliterirende  Redensart  zum  Stechen  im  Kartenspiel :  Ks,  Karl,  es 
kommt  die  KatzM  Die  Katze  ist  ja  auch  des  Hundes  liebster  Feind. 

Huss!  ist  ein  Hetzruf,  zunächst  für  Hunde. 

Stachel-  und  Spornrufe  sind:  Hetz'l  (er  soll  laufen!)  und 
Fass!  oder  Fasch!  (er  soll  fangen!)  Also:  Fasch'  die  KatzM 
Fasch'  die  Kurr'!  (Hühner.)  Dies  Fasch  scheint  nur  die  durch 
das  Kassubische  beeinflußte  Aussprache  des  deutschen  „Faß!",  also 
eine  Quetschung  des  s  zu  seh,  wie  öfters  auch  in  Hinterpommern. 
"Wenn  er  das  Gefaßte  herbringen  (apporter)  soll,  heißt's  Apport! 
und  Fasch'!  Apport!,  wovon  mehr  in  den  Kunststücken. 
Uebrigens  sind  die  französischen  Ausdrücke  gerade  bei  Hunden 
bemerkenswerth.  Aus  eingebildeter  Vornehmheit  und  Präzision 
sind  sie  dann  wohl  von  Jägern  ap-  und  importirt. 

Aus  Hinterpommern  (K.  367.  350.)  sind  noch  zwei  Inter- 
jeetionen  für  den  Hund  zu  bemerken:  1.  Stecke,  beim  Antreiben 
und  Anhetzen,  wenn  sie  bellen  (polnisch  szczekac)  sollen. 
2.  Schük,  wenn  sie  etwas  Eßbares,  das  man  ihnen  zuwirft,  fangen 
(Imperativ  zu  poln.  szukac,  suchen,  sich  bemühen^  trachten) 
sollen.  Auch  ein  davon  gebildetes  Verbum  schüke  kommt 
dort  vor. 

Nach  Bemerk,  zum  (littauischen)  Vocabularium  von  Ziegler 
vom  Pfarrer  Jacoby  (Altpr.  M.  S.  Bd.  XVII.  1880.  S.  641.)  ruft 
man  (auf  littauisch)  te  bun!  dem  Hunde  zu,  der  sich  aus  seiner 


Von  A.  Treichel.  193 

kauernden  Stellang  wieder  erheben  will,  und  soll  darin  der  dabei 
übliche  Zuruf:  tibö!  tibö!  gefunden  werden.  Ob  aber  dies  nicht 
verderbt  ist  aus  tu  bo!?  Vergl.  auch  das  Tschubün! 

Tu  bo,  tout  beau,  Alles  gut!  Wahr*  Dich!  wird  dem  Hühner- 
hunde zugerufen,  wenn  er  vorsichtig  sein  und  seine  Sache  gut 
machen  soll.  Tout  beau!  ist  auch  Commando  zum  Niederlegen, 
den  Kopf  ruhend  auf  den  ausgestreckten  Vorderläufen,  den  Blick 
auf  das  Wild  gerichtet.  Dieses  Commando  wird  abgegeben, 
11m  dem  Schützen  Zeit  gewinnen  zu  lassen,  sich  dem  Wilde  zum 
Schusse  zu  nähern  und  ein  Herausstoßen  desselben  durch  den 
suchenden  Hund  zu  vermeiden. 

Tir  ho,  tire  haut,  ziele  hoch!  rufen  sich  zwar  die  Jäger 
zu,  wenn  Federwild  gestrichen  kommt;  es  gilt  aber  auch  für  den 
Hund,  daß  er  aufpasse  und  zur  Stelle  sei. 

Wallo!  Wahr'  zu! 

Pfui,  HasM  Zuruf,  wenn  in  der  Schonzeit  der  Hund  einen 
Hasen  verfolgt.  Aehnlich:  Pfui,  Lerch'!  Pfui,  Vogel!  Pfui, 
Huhn!  Hasenrein  ist  ein  Hund,  welcher  nur  auf  Commando 
die  Fährte  eines  Hasen  verfolgt.  (Aehnlich  stubenrein,  wenn 
er  durch  Dressur  [Hineinstucksen  der  Nase]  von  der  Besude- 
lung der  Stube  sich  fern  hält.) 

Hetz'  oder  Hetz',  allons!  bei  Hetzjagden  Commando  für 
Windhunde  zum  Verfolgen  des  aufgehenden  Wildes. 

Setz'  dich!  Der  Hund  setzt  sich  auf  die  Hinterbeine. 

Soll  der  Schäferhund  die  Schafe  im  Bogen  treiben,  wenn's 
nach  Hause  geht,  so  ist  für  ihn  ein  Zeichen  in  Pommern  der 
gewöhnliche  Schäferruf:  To  bucht,  to  bucht! 

Hopp!  Ahupla!  heißt's,  mit  ermunterndem  Zurufe,  wenn 
der  Hund  hoch  springen  soll.  Im  letzteren  Worte  steckt  Etwas 
vom  Hoppen. 

Kunststücke  der  Hunde. 

Dien'!  Mach'  Männchen!  Sich  auf  den  Hinterpfoten 
aufrichten  oder  auch  zugleich  sich  hinsetzen,  die  Vorderpfoten 
nieder  oder  bittend  in  die  Höhe  haltend. 

Letzteres    thut    er    auch,    wenn's    heißt:     Mach'    schön! 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX  Hft  1  u.  2.  13 


194         Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Kamen. 

Mach'  dich  fein!     Auch  geht  der  Hund  auf  den  Vorderbeinen 
und  hält  die  hinteren  hoch. 

Tanz'  mal!    Wenn  er  dann  umhergeht. 

Gieb  Pot(ohen)!  Sag'  dem  Onkel  guten  Tag!  Wenn 
der  Hund  von  der  Erde  aus  oder  dienend  eine  seiner  Pfoten 
geben  soll.     Die  andere!  heißt's  beim   Wechseln. 

Spring'!  oder  Hopp!  Wenn  er  über  einen  quer  vorge- 
haltenen Stock  oder  an  dem  Herrn  in  die  Höhe  oder  sonst  wo 
hinauf  springen  soll. 

Mir  ist  heiß!  oder:  Nimm  die  Mutz'  ab!  Der  Hund 
soll  die  Mütze  des  Herrn  herabholen;  beim  Geradestehen  thut 
er  das  mit  Aufspringen;    meist  bückt  der  Herr  sich  aber  dabei. 

Nimm's  nicht!  oder:  ('s)  ist  vom  Juden!  Der  Hund 
soll  von  seinem  Vorhaben,  besonders  aber  von  seinem  Fressen 
abgebracht  werden  und  damit  aufhören! 

Mach'  ab  die  Asch'!  Der  Hund  streift  mit  der  erhobenen 
Pfote  die  stehende  Asche  von  der  brennenden  Cigarre  ab. 

Kieck'  durch  die  Brill'!  Der  Hund  muß  durch  den  in 
die  Seite  gestemmten  Arm  hindurch  sehen! 

Wie  legen  sich  die  faulen  Mädchen  hin?  Der  Hund 
legt  sich  auf  die  lange  Seite. 

Wie  liegen  die  Mädchen  im  Mai?  oder:  Wie  faul 
sind  die  Mädchen?     Der  Hund  legt  sich  auf  den  Bücken. 

Wo  ist  mein  Stock?  Der  Hund  sucht,  holt  und  bringt  ihn. 

Such'  verloren!  Aport!  Der  Hund  muß  Verlorenes 
oder  Verstecktes  suchen,  holen  und  hervor-  und  herbringen. 

Fasch'  aport!  (mehr  für's  Wild)  und  Aport!  Wenn  der 
Hund  nach  einem  weggeworfenen  Gegenstande  laufen  und  ihn 
holen  und  zum  Herrn  bringen  soll.  Am  Schwierigsten  zu  appor- 
tiren  sind  ganz  kleine,  glatte,  mit  den  Lefzen  kaum  faßbare 
Gegenstände,  wie  unter  den  Münzen  die  20-Pf.-Stücke  erster 
Prägung. 

Wie  spricht  der  Hund?    Er  fängt  zu  bellen  an. 

Tot!     Der  Hund  muß  sich  hinstrecken  und  still  liegen. 

Arge  Verdrießlichkeiten    hatte    ein    gelehriger   Pudelhund, 


Von  A.  Treichel.  195 

der  den  schönen  Namen  Schnüffel  führt,  im  Dezember  1890 
seinem  Herrn  und  Gebieter,  einem  stark  verschuldeten  Kom- 
missionär M.  in  Berlin  bereitet,  der  sich  seinen  Verbindlichkeiten 
durch  allerhand  Kunstkniffe  zu  entziehen  suchte  und  zu  besagter 
Zeit  den  bei  ihm  durchaus  nicht  ungewöhnlichen  Besuch  eines 
Gerichtsvollziehers  zu  erwarten  hatte.  Als  es  vormittags  an  die 
Thür  heftig  pochte,  verbarg  M.  seine  mit  300  Mk.  beschwerte 
Brieftasche  nebst  der  etwa  20  Mk.  enthaltenden  Geldbörse 
zwischen  Sitz-  und  Lehnpolster  des  Sofas  und  öffnete  sodann 
unerschrocken  dem  Gerichtsvollzieher  die  Thüre.  Dieser 
muß  aber  wohl  von  seinen  Auftraggebern  über  die  Kniffe  des 
böswilligen  Schuldners  sehr  gut  instruirt  gewesen  sein;  denn, 
als  sich  nichts  Pfändbares  vorfinden  wollte,  kommandirte  der 
Vollstreckungsbeamte  dem  auf  der  Stubendiele  liegenden  Hunde: 
„Schnüffel!  Aufgepaßt,  such'!"  Der  kluge  Hund  sprang  sofort 
auf  das  Schlafsofa  und  apportierte  die  versteckte  Brieftasche 
und  die  Börse.  M.  soll  sehr  verblüfft  dreingeschaut  haben.  Was 
aber  nachher  kam?    Der  Pudel  kann's  nicht  erzählen. 

Das  Wesen  des  klügsten  Huudes,  des  Pudels,  hat  Wagner 
im  Zwiegespräch  auf  dem  Spaziergange  in  Göthe's  Faust  zu- 
treffend geschildert,  wenn  er  sagt: 

Es  ist  ein  pudelnärrisch  Thier; 
Du  stehest  still,  er  wartet  auf, 
Du  sprichst  ihn  an,  er  strebt  an  dir  hinauf; 
Verliere  was,  er  wird  es  bringen, 
Nach  Deinem  Stock  in's  Wasser  springen. 
Eine  alte  Handschrift  (Stephan  Grau,  um  1685),  welche  die 
Landwirtschaft  behandelt,  sagt,  Hundsnamen  sollen  wenig  Silben 
haben.      Dasselbe   möchte   für   viele    Wirthschaftsthiere    gelten, 
besonders  für  Ochsen. 

Namen  der  Hunde.  Echt  volksthümlich  sind  die  ge- 
sperrt gedruckten. 

Affe  (N.),  Ajax,  Ali,  Alice,  Aline,  Alkmene,  AUegro,  Alt- 
mann, Ami,  Amie,  Amies,  Ammi,  Amor,  Amrett  (Saalfeld, 
Amorette?)  Arau  (?),  Azor. 

13* 


196        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Kamen. 

Baldina(N.),  Baldine (N.),  Bammel, Baron,  Bary,  Basser,  Basta, 
Bastei,  Bauschan,  Bello,  Belli,  Belline,  Bell,  Bellmann,  Beller- 
mann, Belotte,  Bern,  Ben,  Benno,  Beppo,  Bergine  (Saalfeld;  N.), 
Bergmann,  Bernhardine  (N.),  Berry,  Betty,  Bianca,  Bieder- 
mann, Bill,  Blandine,  Blitz,  Blum  (B.),  Bob,  Bobby,  Bobbeck, 
Boncoeur,  Bordeaux,  Bosco,  Box,  Boxel,  Boxer,  Braun,  Bravo, 
Britan,  Bruno,  Brunek,  Brutto,  Brutus  (N.),  Bütow,  Bulle,  Bulli, 
Bummel,  Bursch  (Saalfeld),  Butzi. 

Cäsar,  Cätrina  (N.;  vergl.  Citryna),  Caro,  Careau  König, 
Cartouche,  Castor,  Cerberus,  Chasseur,  Cibolo,  Cito,  Citryna, 
Coeur,  Cohn,  Contessa,  Cora,  Czardas. 

Dachs,  Daus,  Demant,  Diana,  Dick,  Dickus,  Dickens,  Dido, 
Dog,  (Dolot),  Donner,  Dohle  (N.),  Droll,  Drollig,  Duda,  Dunaj, 
Duo,  Dux  (N.),  Dyza. 

Eidex,  Eli,  Elias,  Emmi  (N.),  Ettchen  (N.) 

Faftier,  Fanny,  Fasch,  Fatschke,  Feitel  (V?),  Feld- 
mann, Fidfel,  Fidele,  Fido,  Fidol  (polnisch),  Fidu,  Fifi,  Figa, 
Filo,  Filou,  Finette,  Fingal,  Fips,  Fix,  Flambo,  Flanqueur, 
Fleck,  Flick,  Flink,  Flinkas,  Flipp,  Flock,  Flocke,  Fly,  Forach, 
Fortune,  Fox,  Fricha,  Fripp,  Frisch,  Frische,  Fuchs,  Funk. 

Gaston,  Genuchna,  Gerstel,  Gockel,  Gocky,  Gräber  (so  auch 
der  Dachs),  Graf,  Graps,  Graumann,  Greif,  Grisette,  (Gypsch). 

Hanna,  Harry,Hartmann,  Hector,  Heldmann,  Helka,  Hero, 
Herr  Kules,  Hertha,  Heuochs  (N.),  Hexe  (N.)7  Hinke  (die  Hin- 
kende), Hirschmann,  Hopf,  Hübsch  (N.),  Hurtig. 

Jako,  Jely,  Jocco,  Jocca  (N.),  Joko,  Joli  (artig),  Juczka, 
(Jummy),  Juncker,  Juno,  Jupiter. 

Kaiser,  Kanarek  (N.),  Kaneel  (B.  und  N.),  Kascha,  Kan- 
wan  (B.),  Kerl,  Kerlchen,  Klaff,  Klaus,  Kleff,  Knirps,  Kobold, 
König,  Kottel,  Kr61. 

Lachmann,  Lady,  Leddi,  Lamour,  Lango  (N.),  Leander, 
Lecko,  Lehmann,  Leo,  Leonhard,  Leonberg,  Lewin,  Lidy,  Liotta, 
Lis,  Lisi,  Loddi  (N.),  Lorbas,  Lola,  Lord,  Lucas,  Luchs,  Luft, 
Lulatsch,  Lulu,  Lumps,  Lustig. 

Maczek,  Manne,  Männel,   Manille,  Maren,  Marco  (N.),   Ma- 


Von  A.  Treichel.  197 

rinka,  Mars,  Mauschel,  Mazur,  Medor  (russisch),  Menni,  Mentor, 
Meyer,  Mila  (N.)7  Mina,  Minca,  Mineur,  Miß,  Mist,  Mobby, 
Mock  (N.),  Mohr,  Moro,  Molkus,  Moll,  Molli,  Mollo,  Mondri  (N.), 
Monjou,  Mops,  Morchel,  Mordax,  Morion  (N.),  Mörtel  (N.), 
Mostrich,  Mröwka,  Muff,  Mumpitz,  Munter,  Murach,  Murphy, 
Murr  (N.),  Murrian,  Murx,  Muzel,  Mylord. 

Naucke,  Neger,  Nelly,  Nero,  Nettchen,  Netti,  Netto,  Nickel, 
Nietel,  Nimrod,  Nord  (N.),  Norma,  Norman,  Nudel,  Nutte,  Nygus. 

Obal,  Omei  (Saalfeld:  Ami),  Opas,  Oscar,  Oso,  Ossmann. 

Pack,  Packan,  Paddy,  Paloma,  Pantalon,  Pascha,  Pedro, 
Peg,  Penny,  Peppi  (N.),  Peppo,  Perek,  Perl  (B.  und  N.),  Perro  (N.), 
Persie,  Peschinka,  Petersüie,  Pett(N.),  Petz,  Pfeffer,  Pfiffig,  Pfiffy, 
Phips,  Phylax,  Pico,  Piel  (?),  Pies,  Pietsch,  Piff,  Pikas,  Pilot, 
Pinscher,  Pips  (N.),  Pique,  Pitt,  Pitty,  Pluto,  Pog,  Poll  (R),  Polio, 
Polly,  Pollux,  Ponto,  Poppel  (?),  Portier,  Porto,  Pretty,  Prinz, 
Puck,  Pucke  (N.,  wohl  Deminutiv),  Pudel,  Purzel,  Pussel,  PutteL 

Quark,  Quasi. 

Rasch,  Remus,  Rolf,  Roland,  Rollo,  Romulus,  Rosa,  Rosette, 
Bade,  Ruß  (N.),  Rustan. 

8achs  (B.  und  N.),  Samuellchen,  Sancho,  Saturn,  Saul, 
Scharf,  Scheck  (N.),  Schelli  (Saalfeld:  joli),  Schimmel,  Schipsel 
(B.  und  N.),  Schlupfer,  Schmul,  Schmutzer,  Schnaphahn,  Schnapp, 
Schnaps,  Schnauz,  Schnauz el,  Schnauzer,  Schnell,  Schnelle, 
Schnipp,  Schnips  (N.),  Schnüffel,  Schnurr,  Schuft,  Schufterle, 
Schurk,  Schüsch,  Schute,  Schütsch,  Schwarz,  Schweinchen, 
Schweizer,  Seemann,  Sekt,  Sherry,  Simson,  Sinedone,  Smok, 
Snob,  Soliman,  Solli  (N.  Joli?),  Solo,  Sorri  (N.),  Spadille, 
Spitz,  Spondehl,  Springinsfeld,  Ssussak,  Stachel,  Stepke, 
Stichel,  Stipke,  Stopka,  Strolch,  Stroom,  Ssuka,  Sultan,  Szarek, 
Szekka,  Szigai. 

Tamlar(N.),  Tammo,  Tappel,  Teckel,  Teil,  Tello,  Terry  (N.), 
Tiger,  Tipp,  Tira  (Thyra?),  Tiras,  Tito,  Toddy,  Totti,  Tray,  Treff, 
Treffle,  Triemlinchen  (?  N.),  Trimm,  TroU,  Trulle,  Trutschel  (B.), 
Tuck,  Tudehl,  Tuitam,  Tullus,  Turck,  Ttirck,  Turek,  Turs, 
Tüs,  Tussel,  Tutel,  Tutti,  Tuttmann  (N.),  Tycks. 


198        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

XJlmer,  Uncas,  Unke,  Urach. 

Varna,  Vedette,  Venus,  Viehchen,  Viva,  Vivat,  Vixen. 

Wachtel,  Wackerlos,  Wächter,  Waldmann,  Waldine, 
Waldo,  Wasser,  Wassermann  (B.),  Weiland,  Werra,  Werre, 
Wetter,  Wiedu,  Wieso,  Wiwi,  Wolf,  Wolga,  Wulf,  Wups, 
Wuptig,-  Wurst,  Wurstel. 

Xanthippe. 

Zänker  (N.),  Zambo,  Ziesak  (?),  Zipsi,  Zottel. 

Jagd-  oder  Jägerzeitungen  werden  namentlich  im  Annoncen- 
teile viele  andere  Hundenamen  ergeben,  die  ich  übergehe. 

Das  Hundegeschlecht  wird  wohl  am  meisten  mit  Namen 
begabt  sein.  Ist  er  geboren  und  bleibt  er  am  Leben  (d.  h.  wird  nicht 
ersäuft),  so  muß  er  seinen  Namen  haben,  dessen  helle  oder  dunkle 
Laute  sich  auch  seinem  Gehör  einprägen  und  ihn  zur  Nachfolge 
beeinflußen. 

Hin  und  wieder  besteht  dabei  einige  Aehnlichkeit  mit  den 
sog.  Kneipnamen  oder  noms  de  guerre. 

Einige  Hundenamen  erhielt  ich  durch  die  Herren  Lehrer 
Bensch  (B.)  aus  Dorf  Barkoczin  und  Ed.  Neumann  (N.)  aus 
Wiesenthal,  Kreis  Berent,  beide  aus  deutscher  Gegend. 

Polnische  Namen  von  Hunden. 
Burek,  Braunchen.  —  Citryna,  Citrone.  Ciucia,  ein  Kleines 
Hündchen.  —  Contesa,  Fineta,  Tirassa.  —  Duda,  kleiner  Hund, 
(Diesen  Namen  fand  ich  bei  allen  Hunden  des  Dorfes  Cengardlo.), 
Dudek,  Wiedehopf.  —  Filuta,  Kujonin.  Piga,  Feige.  Figanka, 
Feigchen;  (Wilga,  Goldamsel??)  —  Helka,  Helenchen.  —  Kröl, 
König.  Kanarek,  Kanarienvogel.  Kruszina,  Brosamen.  —  Los, 
Fuchs.  Luchna,  Ljulu,  Kleinigkeit.  Jenuchna,  noch  größere 
Kleinigkeit.  —  Mazur,  Masure.  Maczek,  Matthias.  M$dry 
(vergl.  Mondri),  klug,  weise.  Muszka,  kleine  Fliege  (Mucha). 
Mröwka,  Ameise.  Maganka,  (Maj,  Laub,  Mai?  Mak,  Mohn?)  — 
Nygus,  Nichtsnutz  [nequam],  Faulpelz.  —  Obal,  Um  werf  er 
(obalid).  —  Psota,  Neid,  Schabernack  (kl.  Dachshunde  =  D.  Berg- 
mann).    Purtek,    Stänkerchen.      Pies,    Hund.      Perek,    Nichts, 


Von  A.  TreicheL  199 

Bischen.  Perzynka,  Flockchen,  kleines  Korn,  Stäubchen,  kleiner 
Funke,  ein  Bisohen  (p6rz,  Flocke,  Wolle,  perzyna,  Staub  und  Asche). 
Seka,  Hündin,  Zag  (suka).  Manche  Bauern  nennen  die  Hün- 
dinnen mit  keinem  andern  Namen.  Smok,  theerschwarz,  grau- 
sam. Stopka,  Füßchen.  Szarek,  Grauchen.  Szigai,  hetz'  ihn. 
(von  szigaö;  Kr.  Strasburg.)  —  Tudöl.  Tuitam,  hier  und  da. 
Turek,  Türke.     Tuska,  richtiger  kassubisoher  Hundename. 

Dem  Französischen  sind  natürlich  die  folgenden  Namen 
entlehnt:  Ami,  Joli,  Molly,  Boncoeur,  Chasseux,  Filou,  Flanqueur, 
I/amour,  Pique,  Treffle,  Coeur,  Carreau,  Finette,  Lisette,  Mi- 
nette  u.  s.  w.,  Manille,  Spadille. 

Es  sind  gewöhnliche  Namen  für: 

Hühnerhunde:    Venus,  Flambo,    FidÄl,  Juno,  Wolga,  Cora. 

Jagdhunde:  Jocko,  Aline,  Waldine,  Greif,  Contessa,  Diana, 
Nimrod,  Frische,  Boncoeur,  Flanqueur,  Chasseur. 

Windhunde  (meist  weiblich!):  Finette,  Minette,  Manille, 
Spadille,  Schnelle,  Sinedone,  Helka,  Figa,  Szigai  (diese  drei  im 
Kreise  Strasburg). 

Windspiele  (Stubenhunde):  Azor,  Fifi,  Wiwi,  Zipsi. 

Wachtelhund:  Joli. 

Teckel:  Flick,  Flocke,  Flipp,  Bastei,  Gerstel,  Wurstel, 
Embel,  Hirschmann,  TrUtschel,  Männel,  Wackerlos  (Neuvorpom- 
mern), Waldmann,  Teckel,  Gräber,  Ettohen. 

Hofhunde:  Pluto,  Gaston,  Lord,  Mars,  Mylord,  Pascha, 
Stroom,  Sancho,  Saturn,  Sultan,  Sherry,  Berry,  Cäsar,  Bravo, 
Bauschan. 

Schäferhunde:  Schweizer,  Graumann,  Hurtig,  Seemann, 
Strom,  Wasser,  Spondehl,  Schimmel,  Luft,  Klaus. 

Kegel  (pommersche):  Ein  Hirtenhund  muß  'nen  richtigen 
Wassersnamen  haben. 

In  Sohlesien  ist  Pümmer  ein  häufiger  Name  für  Schäfer- 
hunde. 

Spitze:  Spitz,  Fips,  Fix. 

Dachshunde:  Dachs. 

Pudel:  Caro,  Pudel. 


200        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

Es  sei  hierbei  bemerkt,  daß  schon  im  Esopas  (IV.  94. 62) 
des  Burkhard  Waldis  (1548)  nach  Bearbeitung  von  Heinr.  Kurz 
als  Namen  der  Hunde  eines  Schäfers,  der  ihnen  pfeifft,  vor- 
kommen Strom,  Greiffe  und  dann  Trostrein!  Ein  Jagdhund 
heißt  dort  (II.  71)  Stawber  =  ?  Stauber,  der  also  im  Laufen 
Staub  macht. 

Azor  kommt  viel  auf  Bilderbogen  vor. 

Um  Saalfeld  (Frl.  E.  Lemke)  heißen  junge  oder  kleine 
Hunde  im  Ganzen  Schutel  oder  Schutschel. 

Kleine  Hunde  heißen  meist  Ammi,  Joli,  Moli,  Pitti  (viel- 
leicht Petite),  Pussel,  Purzel,  Puck,  Puttel,  Quark,  Murx,  Fips 
(Schneider),  aus  Ironie:  Kerl,  Kerlchen. 

Große  Hunde:  Bravo,  Murphy,  Pluto,  Heldmann,  Ponto, 
Eüde,  Hrolf,  Obal,  Teil,  Simson,  Tyras,  Bulle,  Cäsar,  Türck, 
Tiger,  Sultan,  Uncas,  Urach,  Wolf.  "Wie  Waldo  und  "Waldine 
sprachlich  mit  Wald  zusammenhängen,  erinnern  die  häufigeren 
Namen  Bello,  Belline,  Bellermann,  Bellmann  (Otto  B. !)  im  Klange 
wohl  nur  aus  Bellen. 

Der  volkstümlichen  Scherzrichtung  verdanken  wir  wohl 
die  Namen :  Wieso,  Wiedu,  Wiesie,  Wusi,  Wups,  Wuptig,  Funk. 

Arten:  Dachs,  Spitz,  Teckel,  Mops,  Leonberg,  Pinscher, 
Ulmer,  Dog,  Pudel  u.  s.  w. 

Eigenschaft:  Munter,  Droll  (ig),  Pfiffig,  Schnelle,  Frische, 
Greif,  Scharf,  Packan.  Flink,  Blitz,  Klaff,  Kleff,  Treff,  Eidex, 
Forsch,  Springinsfeld,  Fix. 

Farbe:  Graumann,  Schimmel;  Neger,  Mohr,  Fuchs,  Smok, 
Wolf,  Braun,  Schwarz. 

Zeichnung:  Bergmann  heißen  zumeist  die  Hunde  mit  gelben 
Flecken  über  den  Augen;  Boxer  die  mit  breiter  Lefze;  Schnauzer, 
Schnauzel  die  mit  bartähnlichem  Behang  am  Maule  (die  Pinscher). 

Die  Endung — as  ist  mehr  polnisch,  z.  B.  Flinkas,  Lorbas  (nicht 
aber  Tyras,  Uncas,  Pikas),  ebenso  —  eta,  uta,  wie  Fineta,  Filuta. 

Auf  der  Hand  liegen  die  vielfachen  Composita  mit  Mann, 
wie  Alt-,  Berg-,  Bell-,  Beller-,  Bieder-,  Feld-,  Grau-,  Hart-, 
Held-,  Wald-,  Hirsch-  u.  s.  w.  Mann. 


Von  A.  Treichel.  201 

Bezeichnend  ist  die  Endung  —  el  für  Teckel,  wohl  weil 
dies  Artwort  darauf  endet.  Abstracte  Begriffe  kommen  zur  Ver- 
wunderung nicht  selten  vor.  Sehr  viele  Namen  entstammen  den 
Figuren  aus  Kartenspielen  (wie  die  Farben  und  Werthe),  wie 
Ponto,  Manille,  Spadille,  Basta,  auch  von  Weinsorten;  dann  grie- 
chische und  römische  Götternamen  und  solche  von  Helden. 
Patronymika  kommen  gar  nicht  oder  selten  vor,  dann  vielleicht 
ans  Bache,  um  zu  versinnbildlichen,  Jemand  sei  auf  den  Hund 
gekommen,  wie  es  in  gleichem  Sinne  ähnlich  etwa  heißt,  er  sei 
gut  genug,  auf  den  Pfeifenkopf  gemalt  zu  werden.  Uebrigens 
mag  hier  eine  einschlägige,  doppeldeutige  Inschrift  für  den 
Pfeifenkopf  eine  Stelle  finden: 

Die  Jagd  ist  nun  geschlossen, 
Verrostet  ist  der  Speer, 
Das  Pulver  ist  verschossen, 
Der  Hund,  er  steht  nicht  mehr! 

Wenig  erklärlich  in  der  Ableitung  sind  folgende  Namen. 

Für  Sinedone  etwa  eine  Ableitung  vom  lateinischen  sine 
dono  (ohne  Geschenk)  zu  wollen,  giebt  keinen  Sinn  und  scheint 
zu  gewagt.  Viel  eher  könnte  die  Vorstellung  Platz  greifen,  es 
sei  mit  Volksgelehrsamkeit,  ihr  recht  wohlklingend  geschaffen, 
dasselbe,  wie  der  Vorname  Sidonie.  Aehnlich  wird  ja  im  Volks- 
munde Ottilie  zu  Jozilge  verderbt  (Saalfeld:  Frl.  E.  Lemke). 

Ist  dann  Spondehl  offenbar  nach  Analogie  von  Fidel, 
Tudel  u.  s.  w.  gebildet,  so  wäre  es  vergebens,  nach  einem  sinn- 
gemäßen Stammwort  zu  suchen. 

Mit  Tudel  steht  die  Sache  eigentlich  auch  nicht  viel 
besser. 

W.  v.  Schulenburg,  der  einzige,  der  (in  Wendisches  Volks- 
tum. 1882.  S.  65.)  auch  die  Hundenamen  in  den  Bereich  seiner 
Beobachtungen  gezogen  hat,  bemerkt  dafür  folgendes:  Syrava  heißt 
die  Graue  (syry,  grau);  also  gleich  dem  weiblichen  Graumann. 
Unter  den  Niederwenden  gebräuchlich  sind:  Wasser,  Weite, 
Friso,  Munter,  August,  Bomker  (Boncoeur),  Pyta,  Sedan,  Sultan, 
Napolium,   Lustig,   Feliks,    Mor  (Mohr),    Wachtel,    Waldmann, 


202        Provinzielle  Sprache  2a  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

Mica  (Amica?  Solche  Ableitung  wäre  nicht  nötig,  da  Mica  auch 
Mädchenname  und  =  Strahlende!),  Sweicar  [Schweizer],  Bowin, 
Fid&l,  Lota  (Lotte),  Rinow  [Ryno?],  Dancow(?),  Flöhmich, 
Sand,  Hansko,  M6ro,  M6rko,  Lulo,  Moli,  Ami,  Typs,  Teksel, 
Peter,  Tresur  (Tresor),  Admiral,  Ducks,  Berline,  Kulej,  Paris, 
Moryc,  Golkojska  (weil  die  Hündin  aus  Kolkwitz  war,  also  halbes 
Patronymikon).  Aus  Schleife  (Dorf)  führt  derselbe  an:  Fuchs, 
Spie,  Dachsei,  Ringel. 

Kurz  bemerkt  sei  noch,  daß  über  griechische  Namen  der 
Hunde  Elimar  Bäcker  1884  in  Königsberg  disseriert  hat,  wie 
1885  im  allgemeinen  de  nominibus,  quae  Graeci  peeudibus  do- 
mesticis  indiderunt  (meist  Hunde  und  Pferde)  1886  ebenda 
Friedrich  Jeschonneck. 

Wie  der  Hund  zum  Namen  kommt.  Weshalb  heißt  der 
Hund  Fung?  Na,  ich  fung  (fand,  fing)  ihm  und  da  nannt*  ich 
ihm  Fung! 

Wo  der  Hund  bei  kinderlosen  Eheleuten  (Großgrundbesitzern 
auf  dem  Lande)  sehr  hofiert  wird,  heißt  man  ihn  scherzhaft 
spöttisch  Junger  Herr. 

Hundenamen  finden  wir  in  der  Provinz  auch  gleichlautend 
mit  Familiennamen,  so  z.  B.  Nickel,  Maren,  Frisch,  Remus  (so 
auch  in  Kreis  Lauenburg),  Weiland,  Lehmann,  Waldmann, 
Gräber,  Hartmann,  Altmann,  wie  fast  alle  auf  -mann  u.  s.  w. 

Nach  dem  Namen  Ammi,  den  meist  kleine  Hunde  führen, 
weil  diese  als  Spielzeug,  ebenso  wie  die  Möpse,  öfters  feinere 
Halsbänder  bekommen,  heißen  Ammi-  (oder  Mops-)Bändchen 
auch  die  einfachen  Bänder,  mit  Schleifen  oder  Ponpons  versehen, 
welche  die  Damen  um  den  Hals  zu  tragen  pflegen. 

Auch  auf  den  Inseln  des  Malayischen  Archipels  (Engano) 
geben  die  Eingeborenen,  wie  die  Europäer,  ihren  Hunden  Namen; 
ein  Häuptling,  den  v.  Rosenberg  (Mal.  Arch.)  besuchte,  hieß 
nach  seinem  Lieblingshunde  Pah;  dort  nehmen  nämlich  bei  un- 
fruchtbarer Ehe  diejenigen,  die  sich  Kinder  wünschen,  den  Namen 
eines  Tieres,  besonders  eines  Hundes,  an. 


Von  A.  TreicheL  203 

Einiges  vom  Hund  in  Reimen  und  im  Sprichwort. 
Caro  (Pikas)  war  ein  Hühnerhund, 
Auf  dem  Bücken  war  er  bunt.  — 
Phylax,  der  so  manche  Nacht 
Haus  und  Hof  getreu  bewacht.  — 
(Fix)  Spitz,  komm';  ich  glaube,  der  Pastor  stichelt;  —  der  Kerl 

lügt!  — 
Venus,  Du  verfluchter  Köter!  — 

Wie  heißt  der  Hund?  —  Wie  Du!  —  Wie  so?  —  Na, 
Fidu.  Ein  beliebtes  Scherzrätsel.  —  Dieser  Name  ist  vielleicht 
aus  Vidocq  verderbt,  dem  berühmten  Pariser  Polizeispion. 

Leber  öß  vorn  Weber;  Plütz  öß  vorn  Schütsch.  (Hund.) 
(Elbing.  Fr.  I.  2370.)  Weitere  der  zahlreichen  Beispiele  aus 
Fr.  unterdrücke  ich. 

Du  bist  noch  dummer,  as  oll  Türk!    (Ostpommern.  K.  81.) 

Hei  is  mit  alle  Hunge  hitzt,  blos  mit  Schulte  Wassre 
nich.  (Culsow,  Kr.  Stolp.  K.  22  S.).  In  Zezenow  (Stolp) :  blot 
noch  nich  mit  Schulte  Demant. 

Prr!  seggt  Gust,  de  Schimmel  is  los  o  heil  de  Zäg'  am 
Schwanz.     (Gr.  Gänsen,  Kr.  Stolp.    K.  420.) 

Hund  in  Geschichte  und  Dichtung. 

Dominicanes,  Hunde  des  Herrn,  wurden  spottend  die  Do- 
minikaner genannt.  —  Hundsfott  ist  canis  vulva. 

Der  nach  langer  Irrfahrt  (von  20  Jahren)  heimkehrende 
Odysseus  wird  vom  alten  Haushunde  Argos  unter  Schweif- 
wedeln noch  wiedererkannt. 

Hyrkanus,  Hund  des  Königs  Lysimachus,  läuft  ebenfalls 
in  die  Flammen,  als  sein  Herr  verbrannt  wurde. 

Der  Hund  Katmir  bewacht  die  s.  g.  Siebenschläfer,  sieben 
junge  Christen  aus  Ephesus  z.  Z.  des  Kaisers  Decius.  In  der 
muhamedanischen  Legende  ist  er  eins  der  wenigen  Thiere,  die 
in  den  Himmel  kommen;  außer  ihm  noch  der  Widder,  den 
Abram  statt  des  Isaac  opferte,  Bileam's  Esel,  der  Esel,  auf 
welchem  Christus  ritt,  und  das  Maulthier,  auf  dem  Muhamed  gen 
Himmel  ritt. 


204        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

Bekannt  ist  die  Treue  vom  Hunde  des  h.  Rochus  und  das 
französische  Sprichwort  spricht  von  St.  Boche  et  son  chien  in 
gleicher  Beziehung. 

Bezerillo  war  eine  der  Doggen,  deren  sich  die  Spanier 
bei  der  Eroberung  von  Mexiko  gegen  die  Indianer  bedienten. 

Hund  Pantalon  kommt  in  einem  Gedichte  vor. 

Hektor  ist  der  Hund  des  alten  Bumpo  aus  Cooper's  Er- 
zählung: Der  Windsteller. 

Cibolo  ist  der  Hund  des  Cibolero  Carlos  aus  Mayne-Reid's 
Erzählung:  Der  weiße  Häuptling. 

Bauschan  ist  Nüssler's  Hund  in  Reuter's  Ut  mine  Strom tied. 

Schnips  heißt  der  Pudel,  der  so  gut  apportiren  konnte, 
in  A.  F.  E.  Langbein's  gleichnamigem  Schwanke, 

Asu  ist  der  Hund  des  Juden  Abdias  aus  Stifter's  Studien. 

Wille  ist  der  Hund  in  Jul.  Wolffs  Wildem  Jäger. 

Wackerlos  heißt  das  mausfarbene  Windspiel  in  Rud.  Baum- 
bach's  Märchen:  Es  war  einmal.     (S.  27.     Der  Würfel.) 

Baby  hieß  das  Wachtelhündchen  des  erschossenen  Kaisers 
Max  von  Mexiko.  Der  1889  von  einem  verrückten  Polizisten 
förmlich  abgeschlachtete  General  Corona,  der  mit  Escobedo 
namentlich  auf  der  Erschießung  des  Kaisers  bestanden  hatte, 
hatte  sich  das  Thierchen  angeeignet,  rief  es  „Imperatrice", 
traktierte  es  mit  Fußtritten  und  bedauerte  öffentlich,  seiner 
früheren  Herrin  nicht  gleiche  Liebenswürdigkeit  erweisen  zu 
können. 

Cäsar  und  Minca  heißen  die  typischen  Hunde  der  Inserate 
der  Hundezüchtungsanstalt  in  Zahna. 

Jummy  ist  der  Lieblingshund  der  Prinzessin  von  Wales, 
der  bei  Winterskälte  vom  Schneider  einen  Ueberzieher  ange- 
messen bekommt  und  außerdem  ein  silbernes  Halsband  trägt  mit 
der  Inschrift  seines  Namens  und  des  seiner  Besitzerin. 

Boatswain  hieß  der  Hund  von  Lord  Byron. 

Biche  hieß  eines  der  Windspiele,  der  Lieblingshunde 
Friedriche  des  Großen,  wofür  er  auch  Lösegeld  zahlen  mußte, 
als  sie  einmal  im  Kriege  gefangen  genommen  wurden. 


Von  A.  Treichel.  205 

Barry  hieß  der  berühmte  Bernhardinerhund,  der  in  dorti- 
gen Schneemassen  über  40  Menschen  das  Leben  rettete;  er  soll 
im  Berliner  Museum  ausgestopft  sein. 

Tyras  hieß  der  Hund  Bismarck's,  der  s.  g.  Beichshund, 
wie  ebenso  seine  Nachfolger.  Nach  Mittheilung  der  Hamb.  Nachr. 
heißt  Bebekka  jetzt  eine  der  Doggen  des  Herzogs  von  Lauenburg. 
La  Meule  hieß  ein  Begimentehund  der  afrikanischen  Jäger. 
Regimenter,  Bataillone,  Compagnieen  haben  als  Gesammtbesitz 
ihre  eigenen  Hunde,  die  auch  mit  in  den  Krieg  zogen  und  all- 
seits gepflegt  werden.  —  Ebenso  kamen  als  Gesammtbesitz  noch 
vor  Gans,  Katze,  Ziegenbock. 

Aehnlich  besitzen  Studentenverbindungen  häufig  insgesammt 
einen  Hund,  den  Couleurhund. 

Andererseits  sind  wiederum  durch  den  häufigen  Umgang 
des  Menschen  mit  dem  Hunde  wahrscheinlich  alte  deutsche  Namen 
entstanden,  z.  B.  Budhart  (Hundsherz),  Budolf  (Hundswolf), 
Bupert,  Rudpert,  Buhprecht,  Robert,  Beppert  (Prachthund). 
So  nach  Yiehbeck,  Namen  der  alten  Deutschen.  (Erlangen, 
1818.)  Das  Bud  in  Budhart,  Budolf  u.  s.  w.  hat  aber  mit  rüde, 
rüde  (molossu8)  garnichts  zu  thun,  sondern  ist  nach  Prof.  K.  Wein- 
hold  das  alte  ruod,  hruod  =  Ruhm,  Ehre. 

Es  wird  schließlich  keine  Indiscretion  sein,  wenn  ich  ein 
mir  überkommenes  Gedichtchen  jenes  kühnen  und  berühmten 
Afrikaforschers  und  Beisenden  Dr.  Geo.  S  chweinfurth  hier  her- 
setze, worin  er  selbst  eine  Thatsache  mittheilt,  wie  der  bellende 
Hundelaut  einem  Flusse  im  Innern  des  schwarzen  Erdtheiles  den 
geographischen  Namen  gab. 

Erinnerung  an  den  Wau  in  Oentral-Afrika. 

(29.  IV.  1869.) 
Ich  kenn'  im  fernen  Mohrenland 
Ein  Flüßchen,  das  fast  unbekannt, 

Wau,  Wau, 
Es  fließt,  von  grünem  Laub  umstellt, 
Und  überwölbt  vom  Himmelszelt, 
Blau,  blau. 


206        Provinzielle  Sprache  xn  und  von  Thieren  und  ihre  Kamen. 

Zu  diesem  kleinen  Paradies 

Ein  weiter  Weg  mich  kommen  hieß 

Eauh,  rauh! 
So  zog  auf  Straßen  krumm  und  g'rad 
loh  hin  zu  seinem  Silberpfad, 

Schlau,  schlau. 
Das  Glück  war  meines  Namens  werth, 
Es  wird  nicht  jedem  so  bescheert! 

Sau,  Sau! 
Da  träumt'  ich  unter  kühlem  Dach 
Uralter  Bäume  und  sann  nach  — 

Schau,  schau! 
Das  Leben  hinter  mir  verlieh 
Nichts,  als  verkehrte  Theorie! 

Grau,  grau. 
Zwei  Hunde,  die  ich  mitgebracht, 
Die  haben  mich  bald  wach  gemacht, 

Hau,  hau! 
Der  Große  bellt,  der  Kleine  bellt, 
Und  hin  durch  alle  Wälder  gellt: 

Wau,  wau! 
Des  Waldes  Echo  nimmt  es  auf 
Es  hemmt  des  Flüßohens  eig'nen  Lauf, 

Wau,  wau. 
In  tausendfachem  Wiederhall 
Klingt  nur  des  einen  Wortes  Schall, 

Wau,  wau. 
Es  hallt  und  schallt  in  einem  fort 
Das  eine  kleine  Hundewort: 

Wau,  wau! 
Und  Wort  und  Flüßchen  ewig  sind 
Nun  meiner  Seele  Angebind', 

Wau,  wau! 
Die  Ufer  grün,  das  Wasser  blau, 
Das  war  das  kleine  Flüßchen  Wau. 


Von  A.  Treichel.  207 

Der  Hund  und  sein  Name  in  Märchen  und  Bätsel. 

Anhang. 

Im  Märchen  heißt  der  Hund  öfters  Petersilie,  Wups,  Wuptig, 
wenigstens  für  Preußen. 

Im  Neckmärchen  heißt's  (Fr.  Preuß.  V.  R.  und  V.  Sp.  368): 
Es  war  einmal  ein  großer  Wald.  Darin  hauste  vor  vielen,  vielen 
Jahren  ein  Jäger.  Der  Jäger  hatte  zwei  Hunde.  Der  eine 
Hund  war  grau,  häßlich  und  faul,  der  andere  war  geschwind 
wie  der  Wind,  hübsch  und  bunt.  Der  erste  Hund  hieß  Erzäbl- 
nicht,  der  zweite  hieß  Erzähl'.  Wie  hieß  der  erste  Hund?  Er- 
zähl7 nicht.  Siehst  Da,  mein  Kind,  so  thu'  ich's  auch  nicht. 
Ach  nein,  bitte,  bitte,  Erzähl'  hieß  er.  Bewahre,  er  hieß  Er- 
zähl' nicht.     (Aus  Pommerellen.) 

In  den  Eügenschen  Sagen  und  Märchen  von  Dr.  A.  Haas 
(1891.)  heißt  der  Hund  der  guten  Hirten  Seemann  (S.  205.)  und 
Wassermann  ein  anderer  (S.  208.),  mit  dem  sich  sein  Herr  ver- 
tmwillte  und  den  er  mit  einem  Handstocke  erschossen  glaubt, 
wie  man  sieht,  ebenfalls  Wassernamen,  ein  dritter  (S.  219.)  aber 
Bobby.  In  den  gleichen  Märchen  schreit  (S.  233.)  der  Schäfer- 
hund: wat,  wat,  wat,  wat? 

Dr.  A.  Haas  giebt  im  Märchen  von  dem  Vogel,  der  goldene 
Eier  legt  (S.  241.),  auch  richtige  Märchennamen  für  Hunde, 
welche  zugleich  ihre  Eigenschaft  oder  ihr  Können  bezeichnen, 
nämlich  Packan,  Reißnieder  und  Bräkisenunstahl,  d.  h. 
Brich  Eisen  und  Stahl.  Ferner  heißt  dort  (S.  147.)  Trizy  der 
beigegebene  Hund  der  Nachtigall  als  einer  verwünschten  Schä- 
ferin, obschon  einer  ihrer  Naturlaute. 

In  einem  Schlummerliede  für  Kinder,  das  Dörr  für  die 
Werder  angiebt,  heißt  der  Hund  Kunterbunt. 

Hund  im  Volksrätsel  ist  Huffhaff,  dem  Klange  des 
Bellens  nachgebildet.  Frischb.  Tier  E.  36.  Dort  auch  Grimm- 
gram für  den  Wolf,  dem  grimmen,  dem  alles  gram. 

H.  Frischbier  (Menschenwelt  in  Volksr.  aus  den  Prov. 
Ost-  und  Westpr.  Z.  S.  f.  Deutsche  Philologie.  XXIH.  S.  261.) 
führt  für  Hundenamen  nachfolgende  Yexirrätsel  an: 


206        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

(202.)  Es  kam  die  frau  von  Thielen 
Den  rechten  weg  nach  mühlen; 
Sie  hatte  bei  sich  einen  hund 
und  gab  ihm  den  namen  ans  eignem  mund: 
Also.     Wie  hieß  der  hund? 

(204.)  Ich  war  einmal  da 
Bei  meinem  papa, 
Da  war  ein  klein  hündchen, 
Das  spielt'  mit  mir. 
Sein  name  war  dreimal  genannt. 
Wie  hieß  der  hund?     (War.) 

(205.)  Paulus  saß  am  Feuer  und  Pfiff; 
Aber  Paulus  pfiff  nicht, 
Sondern  Paulus  saß  am  Feuer  und  Pfiff. 

Der  Hund  hieß  Pfiff.  (Gerdauen.)    Vergl.  Simrook,  Eätselb. 
II.  68. 

Als  Halbrätsel  giebt  Archut-Freist  (in  Z.  S.  f.  Volksk.  Bd.  IL 
S.  353.)  das  folgende  an,  obschon  nicht  recht  verständlich: 

Ik  Wasser  mal  in  Pommerland, 
in  Pommerland  Wasser  ik  bekannt. 
Doar  begegnde  mi  drei  Herre, 
die  fraüge,  wo't  Hündke  heite  sull; 
Hündke  Name  Wasser  mi  vergäte, 
hef  t  dreimal  seggt,  sali  S'noeh  nich  weite? 
(Das  Hündchen  hieß  Wasser.) 

Nach  0.  Schell,  Volkswitz  in  Eätseln  (Am  Urquell.    M.  S. 
f.  V.  K.   1890.  No.  8.  S.  132.)  heißt's  (No.  11.)  im  Bergischen: 

Kaiser  Karolus,  der  hatt'  einen  Hund. 

Ich  geb'  dir  den  Namen  in  deinen  Mund.      3 

Also,  wie  heißt  der  Hund?    (Also.) 

Var.  in  Dithmarschen  (S.  172) :  Er  nannte  ihn  nach  seinem 

eigenen  Mund. 

(H.  Volksmann.) 


Von  A.  Treichel.  209 

Aehnlich  lautet  das  gleiche  Bätsei  bei  H.  Frischbier  a.  a. 
0.  (203.)  Zu  vergl.  Meier:  D.  Kinder-Reime.  286.  Simrock: 
Bätsel-B.  I.  42.  und  Mone:  Anz.  VH.  26B,  245.  267,  279.  371, 
287:  Antwerpen.  —  In  N.  Pr.  Prov.  Bl.  VIII.  378.  heißt's: 

Kaiser  Karolus  hatte  einen  Hund, 

Er  gab  ihm  den  Namen  mit  (selbst)  aus  seinem  Mund; 

Wie  hieß  Kaiser  Karolus  sein  Hund? 
Die  Lösung   ist   hier  Wie,    auch   Mit   (Selbst).    —    Das 
Rätsel  tritt  nach  Fr.  auch  ganz  kurz  auf:   Kaiser  Karolus  hatte 
einen  Hund:  Wie  hieß  der  Hund? 

Häufig  genug  kommt  die  ganz  erklärliche  Thatsache  vor, 
daß  man  das  Fell  todter  Lieblingshunde  namentlich  zu  Stiefeln 
oder  auch  zu  Bettvorlegern  verarbeitet.  Man  hält  das  Hundefell 
für  gesundheitdienlich,  ebenso  wie  das  von  Katzen  zu  Pelzen  fftr 
rheumatisch  Leidende.  Dsurauf  begründet  sich  dann  die  Entstehung 
eines  Theiles  der  volksthümlichen  sog.  Yerbrecherrätsel  oder  bei 
weniger  criminalistischer  Anhauchung  von  mir  sog.  Simson- 
Rätsel,  in  denen  dem  Verbrecher  die  (meist  Todes-)Strafe  erlassen 
wird,  wenn  er  Rätsel  aufgiebt,  welche  die  Richter  nicht  raten 
können.  Als  Simsonrätsel  fähre  ich  beispielsweise  ein  weniger 
bekanntes  an,  welches  Dr.  A.  Haas  im  Märchen  von  Hans  und  seinem 
Herrn  (S.  239.)  als  ein  von  einer  in  Rätseln  und  Büchern  kundigen 
Prinzessin  zu  lösendes  Rätsel  in  den  Mund  des  Hans  legt:  „Ein 
schlug  ein  und  ein  schlug  drei  unjd  drei  schlugen  vierund- 
zwanzig" und  will  als  Auflösung:  Wein  (vergifteter)  schlug  ein 
Pferd,  das  Pferd  drei  Raben  und  die  3  Raben  24  Räuber. 

Mit  dem  Hunde  beschäftigen  sich  aber  folgende  Verbrecher- 
Rätsel. 

(O.  Knoop:  Volkssagen  .  .  .  aus  Hinterpommern  S.  87): 
Eine  D.une  hatte  sich  aus  der  Haut  ihres  Lieblingshundes,  der 
Pupen ellchen  hieß,  Schuhe  machen  lassen  und  legte  nun,  da 
sie,  zum  Tode  verurtheilt,  hingerichtet  werden  sollte,  doch  das 
Leben  geschenkt  bekommen  sollte,  wenn  ihren  Richtern  ein 
Räthsel  aufgegeben  würde,  das  sie  nicht  lösen  könnten,  folgendes 
Räthsel  vor: 


210        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

Auf  Pupenellchen  geh'  ich, 
Auf  Pupenellchen  steh'  ich, 
Auf  Pupenellchen  bin  ich  hübsch  und  fein, 
Meine  lieben  Herren,  was  mag  das  wohl  sein? 
So    aus    der  Gegend  um  Bütow.     Anderwärts  in  Pommern 
heißt  dann  der  Hund  Finelle. 

Nach  Archut  (Volksräthsel  aus  der  Provinz  Pommern: 
Freist,  Kr.  Lauenburg,  in  Z.  S.  f.  Volkskunde.  H.  1890.  S.  276.) 
gilt  dasselbe  ßäthsel  für  Schuhe  vom  Leder  des  Hundes 
Pumpanell. 

Sie  werden  in  der  Literatur  noch  erwähnt  in  Urdsbrannen 
1883.  S.  37.  (Müllenhof)  und  1885.  S.  172.  (Frischbier).  Nach 
letzterem  steht  das  Fräulein  in  einigen  Gegenden  Westpreußens 
auf  Pompinellen,  in  Ostpreußen  vielfach  Pompernellchen, 
in  Szillen,  Kr.  Kagnit,  auf  Bibernellchen,  das  Frischbier 
fassen  will  als  Schuhe  aus  Biberfell.  Gewiß  könnte  dies  mit 
vollem  Rechte  die  ursprüngliche  Lesart  sein,  so  daß  es  sich  an- 
fanglich um  einen  Biber  gehandelt  hätte,  welche  Thiere  es  vor 
Zeiten  ja  auch  in  unserer  Provinz  gab,  und  müßten  sich  alsdann 
alle  übrigen  Namen,  soweit  erwähnt,  weil  anklingend,  auf  dieses 
Wort  zurückbeziehen.  Dagegen  scheint  mir  aber  der  Umstand 
zu  sprechen,  daß  Schuhe  aus  Biberfell,  wenn  sie  als  Kernpunkt 
eines  Rätsels,  als  dessen  Verhüllung  auftreten  sollen,  dem  nach- 
denkenden Richter  sowohl  durch  den  offen  gegebenen  Namen,  als 
auch  durch  die  äußere  Erscheinung  gar  zu  leicht  in  die  Augen 
fallen  müßten.  Gerade  der  Name  soll  aber  mit  zur  hüllenden 
Kapsel  dienen  und  muß  also  einem  Hunde  als  einem  gewöhn- 
lichen Thiere  angehören.  Weshalb  mag  er  aber  gerade  gewählt 
sein?  Ich  halte  dafür,  daß  Bibernellchen  wohl  die  ursprüngliche 
Bezeichnung  sei  und  daß  dieser  Name  im  Volksmunde  bei  dem 
vom  Tode  erlösenden  Ereignisse  deshalb  als  Name  des  Hundes 
genommen  sei,  weil  er  zugleich  eine  Pflanze  bezeichnet,  von 
welcher  ich  in  meinem  Armetill,  Bibernell  und  andere  Pestpflanzen 
auseinandergesetzt  hatte,  daß  sie  vom  Volke  ebenfalls  mit 
einer    vom    Tode    durch    die    Pest    erlösenden    Kraft    belehnt 


Von  A.  Treichel.  211 

worden  sei.  Auf  S.  15.  wies  ich  dort  schon  darauf  hin,  daß  der 
bloße  Name  der  Pimpinella  hier  zur  Erlösung  von  dem  Tode 
führen  soll.  Der  Vers  der  Stimmen,  welche  ein  Mittel  gegen 
die  Pest  verrathen,  heifit  ja  in  Varianten:  „Torrn entill  und  Biber- 
nell,  Kommt  der  Tod  nicht  so  schnell!"  Heute  konnte  ich  die 
Gründe  hinzufügen,  welche  gegen  die  Auffassung  der  Herstam- 
mung aus  Biberfell  zu  sprechen  scheinen.  Allerdings  wäre  es 
von  durchschlagender  Begründung,  wenn  man  in  den  Ländern 
oder  Provinzen,  wo  der  Bibernellvers  vorkommt,  ebenfalls  nach 
dem  etwa  gleichartigen  Vorkommen  des  Rätsels,  wo  Bibernelle 
als  Hundename  gilt,  Ausschau  halten  und  Bestätigung  finden 
möchte! 

In  Pommerellen  ist  dann  noch  verbreitet  ein  ähnliches 
Bätsei  bei  einem  gräflichen  Gastmahl  („Wer  das  thut  raten,  Dem 
geb'  ich  'nen  Braten  Und  zwei  Stof  Wein."))  wo  der  „hübsche" 
Hund  Perl  hieß. 

Nach  Müllenhof  (Sagen,  Lieder  und  Märchen  aus  Schleswig- 
Holstein  und  Lauenburg.  S.  604.)  und  nach  Urdbrunnen  II.  37. 
kommen  auch  dort  gleichartige  Bätsei  vor:  in  Stapelholm,  und 
zwar  in  Kleinsee  bei  Bergenhusen,  heifit  der  Hund  Fiilaks,  in 
Fockbeck  bei  Rendsburg:  Ilaks,  in  Blickstedt  im  Dänischen 
Wohld  und  bei  Kellinghusen  II  as  (I  stets  gedehnt!),  in 
Süderdithmarschen  (wahrscheinlich)  II o  (Müllenhof):  alle  diese 
Varianten  haben  im  Deutschen  aus  Phylax  entstehen  können! 
Das  Bätsei  lautet  bei  Müllenhof:  Op  Ilo  gah  ik,  Op  Ho  stah 
ik,  Op  Ho  kam  ik  hergerannt,  Ilo  is  mi  wohl  bekannt,  Op 
Bö  keer  un  wenn  ik  mi,  Op  Ilo  heff  ik  Freud  un  Leid:  Bathet, 
ihr  Herren,  nun  ist  es  Zeit."  In  der  Gegend  von  Lunden  heifit 
dieser  Hund  Baawou. 

Außer  diesen  Namen  hörte  oder  las  ioh,  ohne  daß  ich  Be- 
legstellen angeben  kann,  noch  die  folgenden:  Elias,  Idel  (viel- 
leicht dasselbe!),  Samuellchen,  Wackerlos. 

Im  Corr.  BL  des  V.  £  n.  d.  Sprachf.  VHL  S.  23.  giebt 
H.  Jellinghaus  f&r  Wallenbrück  in  der  Grafschaft  Ravensberg 
in  Westfalen   ein   ähnliches   Yerbrecherräthsel,    welcher   Name 


212        Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen. 

übrigens  von  H.  Frischbier  herrührt,  und  darin  den  wahr- 
scheinlich ebenfalls  aus  Phylax  verderbten  Hundenamen  Uplack 
an.  Im  Weiteren  wäre  noch  nachzusehen  Z.  S.  f.  D.  Philol. 
V.  "146.  (für  Pommern),  H.  Mier:  200  plattd.  Eäthsel.  (Weener. 
1869.)  und  L.  Strackerjan:  Abergl.  und  Sagen  in  Oldenburg. 
1867\  IL  S.  89.  No.  374.  c. 

In  Schwienhusen  (Dithmarschen)  heißt  dieser  Hund  Kla- 
fier,  um  Schlichting  und  Lunden  (Schleswig-Holstein)  Klawier 
oder  Klafeer  und  Klafietgern  (Lehrer  H.  Carstens);  auch 
Phylax  kommt  vor.  Um  Weddingstedt  i.  D.  heißt  er  Ida,  wozu 
oben  Idel  und  Elias  zu  vergleichen. 


Berichtigung. 

Seite  26  Anm.  2  and  Seite  33  Anm.  1  lies:  Thunert  statt  Thurau. 


4)rao*>  von  iL  Leupold,  Königsberg  in  Pr. 


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Drittes  und  viertes  Heft. 

April  -  Jtini  1892. 
Ausgegeben  im  Juli  1892. 

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Verlag  von  Ferd.  Beyer1  s  Buchhandlung. 

(Thomas  &  Opperraann.) 
1892. 


Inhalt. 


I.  Abhandlungen.  Seite 

Kant  über  den  ewigen  Frieden.    Von  Franz  Bühl.    .     .    213—227 

Die  Schotten  und  Engländer  in  Ostpreußen,  und  die  „Brüder- 
schaft Groß-Britanischer  Nation"  zu  Königsberg. 
Von  Johannes  Sembrzycki 228—247 

Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens.    Von  C.  Beckherrn. 

Mit  15  Tafeln 248-313 

II.  Mlttheilnnffen  und  Anhang. 

Universitäts-Chronik  1891  und  1892  (Nachtrag  u.  Fortsetzung)     314—316 


Alle  Rechte  bleiben  vorbehalten. 


Herausgeber  und  Mitarbeiter. 


SEP    9    1892 


Kant  über  den  ewigen  Frieden. 

Rede,  gehalten  in  der  Kant-Gesellschaft  am  22.  April  1892 

von 

Franz  Rfihl. 


Wenn  die  Völker  Europas  am  Ende  des  19.  Jahrhunderts 
unter  der  unerträglichen  Last  von  sich  immer  steigernden  Kriegs- 
rüstungen seufzen,  so  ist  das  Ende  des  18.  von  wirklichen 
Kämpfen  der  furchtbarsten  Art  erfüllt,  wie  sie  die  voran- 
gegangene Zeit  in  gleichem  Umfange  wenigstens  seit  den 
Friedensschlüssen  von  Münster  und  Osnabrück  nicht  gekannt 
hatte.  Es  ist  daher  nur  natürlich,  daß  zu  beiden  Epochen  über 
die  Möglichkeit  eines  dauernden,  wirklich  ewigen  Friedens 
und  über  die  Mittel,  dieses  Ziel  zu  erreichen,  philosophirt  worden 
ist.  Kant's  berühmte  Schrift  über  diese  Frage  pflegt  mit  Recht 
als  Ausgangspunkt  für  solche  Betrachtungen  zu  dienen,  denn 
wenn  sie  gleich  in  ihren  empirischen  Grundlagen  vielfach  die 
Zeit  ihrer  Entstehung  verräth,  so  machen  doch  die  hier  formu- 
lirten  Sätze  auf  Qemeingiltigkeit,  auch  unter  ganz  anders  ge- 
arteten Verhältnissen,  Anspruch  und  bilden  daher,  wie  eine  feste 
Basis  zur  Verteidigung,  so  ein  bestimmtes  und  klar  erkennbares 
Object  für  den  Angriff. 

Es  ist  bekannt,  wie  insbesondere  von  militärischer  Seite, 
welcher  man  das  freilich  am  wenigsten  verdenken  wird,  in  den 
letzten  Jahren  die  Stellung  des  Problems  überhaupt  für  unberechtigt 
erklärt  worden  ist,  und  namentlich  hat  der  Graf  Moltke,  der 
nicht  bloß  ein  großer  Feldherr,  sondern  auch  ein  guter  Ge- 
schichtskenner,    ein   scharfer  Denker   und  ein  ungewöhnlich  ge- 

Altpr.  II onatMohrift  Bd.  TEXTE.  Hit.  6  u.  4.  14 


214  Kant  über  den  ewigen  Frieden. 

bildeter  Mann  war,  es  am  Abend  seines  Lebens  für  wenig 
wünsch enswerth  erklärt,  daß  der  Krieg  überhaupt  aufhöre. 
Diese  Meinung  ist  nicht  neu,  und  Kant  hat  ihrer  ausdrücklich 
gedacht.  „Denn  der  Krieg",  sagt  er,  „scheint  auf  die  mensch- 
liche Natur  gepfropft  zu  sein  und  sogar  als  etwas  Edles,  wozu 
der  Mensch  durch  den  Ehrtrieb,  ohne  eigennützige  Triebfedern, 
beseelt  wird,  zu  gelten;  so  daß  Kriegesmuth,  nicht  nur  wenn 
Krieg  ist,  sondern  auch,  daß  Krieg  sei,  von  unmittelbarem  großem 
Werthe  zu  sein  geurtheilt  wird,  mithin  in  dem  Kriege  an  sich 
selbst  eine  innere  Würde  gesetzt  wird".  Er  fügt  hinzu,  daß 
ihm  sogar  Philosophen  als  einer  gewissen  Veredelung  der 
Menschheit  eine  Lobrede  halten;  diese  Philosophen  werden  in- 
dessen sofort  mit  dem  alten  Satze  zurückgewiesen:  „Der  Krieg 
ist  darin  schlimm,  daß  er  mehr  böse  Leute  macht,  als  er  weg- 
nimmt". Und  in  der  That  ist  das  menschliche  Leben  mannig- 
faltig und  unglücklich  genug,  um  auch  bei  ununterbrochenem 
Friedensstande  der  Staaten  unter  einander  jene  Eigenschaften 
des  Gemüths  zur  Entwickelung  und  Bethätigung  gelangen  zu 
lassen,  um  derentwillen  der  Krieg  für  wünschenswerth  gehalten 
wird,  und  die  Erfahrung  spricht  nicht  dafür,  daß  in  kriegerischen 
Zeiten  die  Menschen  auf  eine  höhere  moralische  Stufe  gehoben 
würden,  sie  lehrt  vielmehr  das  G-egentheil,  und  es  ist  auch  nur 
zu  natürlich,  daß  die  Menschen,  wenn  im  öffentlichen  Leben  Gewalt 
und  rücksichtslose  Härte  herrschen,  geneigt  sein  werden,  auch 
im  privaten  die  weicheren  und  zarteren  Regungen  des  Gemüths 
zurücktreten  zu  lassen  und  das  eigene  Interesse  ohne  Rück- 
sicht auf  die  Rechte  Anderer  zur  Geltung  zu  bringen. 

Die  so  zu  sagen  historische  Berechtigung  des  Krieges 
dagegen  leugnet  Kant  keineswegs.  Er  betrachtet  ihn  vielmehr 
als  eines  der  Mittel,  deren  sich  die  Natur  bedient,  um  ihre 
Zwecke  mit  dem  Menschen  zu  erreichen.  Man  würde  auch 
seine  Absicht  völlig  verkennen,  wenn  man,  wie  es  wohl  geschehen 
ist,  annehmen  wollte,  er  sei  auf  eine  Beseitigung  des  Krieges 
in  absehbarer  Zeit  ausgegangen  oder  habe  wohl  gar  eine  sofortige 
definitive  Beseitigung    aller  Kriege    für    möglich  oder  auch  nur 


Von  Franz  Rühl.  216 

ftir  wünschenswerth  gehalten.  Er  erklärt  den  ewigen  Frieden 
in  der  Rechtslehre  sogar  geradezu  für  eine  „unausführbare  Idee". 
Seine  Ausfuhrungen  gehören  vielmehr  zu  derselben  Gattung 
des  philosophischen  Chiliasmus,  wie  jene  neun  Sätze  zur  Idee 
einer  allgemeinen  Geschichte  in  weltbürgerlicher  Absicht,  über 
welche  ich  bei  einer  früheren  Feier  dieses  Tages  hier  mich  zu 
äußern  die  Ehre  hatte.  Der  ewige  Friede  ist  allerdings  eine 
Forderung  der  praktischen  Vernunft,  aber  eine  derjenigen,  welche 
nur  in  den  spätesten  Zeiten  ihre  Realisirung  finden  können. 
Die  Aufgabe  des  Philosophen  ist,  festzustellen,  unter  welchen 
Bedingungen  ein  solcher  Friede  möglich  und  unter  welchen  Be- 
dingungen er  gesichert  sein  würde;  die  Aufgabe  der  Menschheit  be- 
steht darin,  freiwillig  oder  durch  die  List  der  Natur  gezwungen  diese 
Bedingungen  mehr  und  mehr  zu  erfüllen  und  dadurch  dem  Ziele 
näher  und  näher  zu  rücken.  Es  versteht  sich  dabei  von  selbst,  daß 
jene  Bedingungen  ein  untrennbares  Ganzes  bilden  müssen,  daß  man 
nicht  eine  einzelne  beliebig  herausgreifen  oder  fortlassen  könne, 
daß  sie  sich  vielmehr  gegenseitig  stützen  und  ergänzen  und  die 
Erfüllung  der  einen  die  der  andern  zur  nothwendigen  Voraus- 
setzung und  zur  Gewähr  habe. 

Freilich  könnte  es  am  einfachsten  zu  sein  scheinen,  die 
Möglichkeit  eines  Krieges  dadurch  zu  beseitigen,  daß  alle  Staaten, 
welche  doch  die  kriegführenden  Subjecte  darstellen,  zu  einem 
einzigen  vereinigt  würden.  Allein  einer  solchen  Weltmonarchie 
(oder  "Weltrepublik)  steht  zweierlei  entgegen.  Einmal  sind  es 
Gründe  der  Zweckmäßigkeit,  welche  dagegen  sprechen,  indem 
die  Gesetze  mit  dem  vergrößerten  Umfange  des  Reichs  an  Nach- 
druck verlieren  oder  schablonenhaft  durchgeführt  zu  einem 
seelenlosen  Despotismus  führen,  welcher  die  Keime  des  Guten 
ausrottet  und  damit  schließlich  die  Anarchie  heraufbeschwört. 
Zweitens  aber  würde  die  Herstellung  eines  einzigen  Staates  dem 
klar  vorliegenden  Willen  der  Natur  widersprechen,  welche  durch 
die  Verschiedenheit  der  Sprachen  und  der  Religionen  die  Völker 
Ton  einander  absondert.  Beide  Einwendungen  gegen  das  Princip 
der  Weltmonarchie  hat  Kant  nicht  näher  ausgeführt;  sie  würden 

14* 


216  Kant  über  den  ewigen  Frieden. 

sich  bei  einer  eingehenden  Einzelbetrachtung  noch  erheblich  ver- 
stärken; es  genügte  für  die  Zwecke  des  Philosophen,  die  wichtig- 
sten Momente  hervorzuheben.  Wenn  man  zweifelhaft  sein  kann, 
ob  nicht  die  praktische  Geltung  des  ,cuius  regio  eius  religio*  im 
18.  Jahrhundert  eine  stärkere  Betonung  des  Unterschieds  der 
Religionen  bewirkt  hat,  als  mit  einer  universalen  geschichts- 
philosophischen  Betrachtung  verträglich  ist,  so  ist  es  heute  viel- 
leicht doppelt  angemessen,  die  Wirksamkeit  des  Unterschiedes 
der  Sprachen  zu  betonen,  wo  der  Gedanke  einer  künftigen  Welt- 
sprache Vielen  als  ein  Postulat  der  geschichtlichen  Entwicklung 
erscheint.  Die  physische  und  geistige  Natur  des  Menschen  ist 
nun  einmal  so  beschaffen,  daß  der  Zeitpunkt  der  allgemeinen 
Annahme  einer  Weltsprache  zugleich  der  des  Ursprungs  einer 
neuen  Reihe  selbständiger  Sprachen  sein  würde. 

Ist  aber  die  Herstellung  eines  Universalreichs  unmöglich, 
muß  es  nothwendig  immer  verschiedene  Staatsindividuen  geben, 
so  ist  ihr  Naturzustand  nothwendig  der  Krieg  oder,  was  auf 
dasselbe  hinausläuft,  ein  Zustand,  in  welchem  die  Gewalt  das 
größte  Recht  giebt.  Das  Problem  besteht  nun  darin,  auf  welche 
Weise  die  Staaten  aus  diesem  Naturzustande  herauskommen 
können,  in  einen  Zustand,  in  welchem  das  Recht  die  größte 
Gewalt  hat. 

Kant  hat  seine  Sätze  in  die  Form  eines  Vertrags  gekleidet, 
wie  er  zwischen  verschiedenen  Staaten  abgeschlossen  zu  werden 
pflegt;  er  hat  sich  sogar  den  kleinen  Scherz  erlaubt,  einen  „ge- 
heimen Artikel"  einzufügen,  wie  deren  die  Staatskunst  der 
Gleichgewichtsepoche  liebte.  Er  unterscheidet  dabei  Präliminarien 
und  Definitivartikel.  Die  ersteren  sind  Vorbedingungen,  die  vor 
Allem,  auch  in  der  Zeit  noch  fortdauernder  völkerrechtlicher 
Kriegsmöglichkeit,  erfüllt  werden  müssen;  erst  wenn  diese  Sätze 
zur  Anerkennung  gelangt  sind,  können  die  andern  aufgestellt 
werden,    auf   welchen    der  wirkliche  ewige  Friede  beruhen  soll. 

Die  Präliminarartikel  sind  sämmtlich  negativ,  ver- 
bietend, die  Definitivartikel  positiv,  gebietend. 


Von  Franz  Rühl.  217 

Der  erste  Präliminarartikel  lautet: 

„Es  soll  kein  Friedensschluß  für  einen  solchen  gelten, 
der  mit  dem  geheimen  Vorbehalt    des  Stoffs    zu    einem 
künftigen  Kriege  gemacht  worden". 
Dieser  Artikel  ist  die  Grundlage  aller  übrigen;    es  sollen  durch 
ihn  alle  bisher  bestandenen  Ursachen  zu  Kriegen,  auch  die  den 
Paciscenten  zur  Zeit  möglicherweise  noch  unbekannten,  beseitigt, 
mit  der  Vergangenheit  soll  ein  für  allemal  abgeschlossen  werden. 
Das    schließt    also    auch   jeden    Friedensschluß    aus    bloßer    Er- 
schöpfung   eines    oder    beider    Theile    oder    ein    Zurückbleiben 
irgend  welcher  Prätensionen,    die   nur  für  den  Augenblick  auf- 
gegeben   werden,    aus.     Nur   wenn   diese   Vorbedingung    erfüllt 
wird,    kann    überhaupt    der  Gedanke   an    einen  ewigen  Frieden 
auftauchen.     Sie    enthält   aber  auch  zwei  Voraussetzungen,  von 
denen  es  mir  zweifelhaft  ist,  ob  Kant  sie  erwogen  hat;  ausgeführt 
hat    er   sie   jedenfalls   nicht.     Die    eine  ist  die,    daß  kein  Volk 
einer  Religion  anhängen  darf,  welche  die  Bekämpfung  der  An- 
hänger einer  andern  Religion  zur  Pflicht  macht,  weil  in  solchem 
Falle,    wie  der  Islam  z.  B.  ganz  consequent  lehrt,  jeder  Friede 
mit  einem  andern  Staate,  in  dem  diese  Religion  nicht  herrscht, 
nur    als   ein  Waffenstillstand   zu    betrachten    wäre.     Die  zweite 
geht  dahin,    daß  die  friedenschließenden  Staaten  keine  lediglich 
historisch,  d.  h.  zufallig  erwachsenen  .Gebilde  sind;  sie  müssen  ihre 
Wurzel  in  sich  selbst  haben,    nicht  in  der  Willkür  vergangener 
Zeiten,    ihre  Begrenzung    muß   auf   Grundsätzen    der   Vernunft 
ruhen,  nicht  auf  dem  historischen  Recht  oder,  was  dasselbe  ist, 
auf  früherer  Gewalt.     Es    muß    also    verlangt    werden,    daß    die 
einen    ewigen  Frieden  abschließenden  Staaten    im  Stande    sind, 
ohne    Veränderung    ihres    Gebiets    oder    der    Zusammensetzung 
ihrer  Bevölkerung  das   höchstmögliche  Maß  von  Glück  für  ihre 
Bürger  zu  erreichen  und  dasselbe  durch  eine  Veränderung  ihres 
Territorialbestandes    oder    ihrer  Bevölkerungsbestandtheile  nicht 
zu  vermehren  vermögen. 

Ist  der  erste  Artikel  erfüllt,  kann  also  aus  Thatsachen  der 
Vergangenheit  kein  neuer  Krieg  entstehen,    so    handelt    es  sich 


218  Kant  über  den  ewigen  Frieden. 

darum,  die  Ursachen  der  Kriege  für  die  Zukunft  zu  beseitigen. 
Das  ist  die  Aufgabe  der  folgenden  Artikel. 

Der  zweite  Artikel  schreibt  nun  vor: 

„Es  soll  kein  für  sich  bestehender  Staat  von  einem 
andern  Staate  durch  Erbung,  Tausch,  Kauf  oder  Schenkung 
erworben  werden  können". 
Dieser  Satz  ergiebt  sich  bereits  aus  dem  Wesen  des  Staats,  an 
welchem  kein  Eigenthum  erworben  werden  kann,  da  er  keine  Habe, 
kein  Patrimonium,  ist,  sondern  eine  Gesellschaft  von  Menschen,  über 
die  Niemand  anders,  als  er  selbst,  zu  disponiren  hat.  Die  Wichtig- 
keit dieses  Artikels  lehrt  nicht  nur  das  Zeitalter  der  eigentlich 
sogenannten  Erbfolgekriege,  sondern  auch  unsere  eigene  Epoche; 
so  ist  z.  B.  der  Conflict  zwischen  Deutschland  und  Dänemark 
aus  seiner  Nichtbeachtung  entsprungen  und  die  gegenwärtigen 
Differenzen  zwischen  Schweden  und  Norwegen  beruhen  im  Wesent- 
lichen darauf,  daß  man  ihn  im  Jahre  1815  in  Skandinavien  nicht 
streng  durchgeführt  hat. 

Der  dritte  Artikel  verlangt: 

„Stehende  Heere  sollen  mit  der  Zeit  ganz  auf- 
hören" , 
was  natürlich  die  periodisch  vorgenommene  freiwillige  Uebung 
der  Staatsbürger  in  den  Waffen,  um  sich  und  ihr  Vaterland 
vertheidigen  zu  können,  nicht  ausschließt.  Die  stehenden 
Heere  bedrohen  nämlich  die  andern  Staaten  beständig  mit 
Krieg,  indem  man  allezeit  glaubt,  dazu  gerüstet  zu  sein, 
also  das  Verlangen  leicht  entstehen  kann,  von  dieser  Eüstung 
Gebrauch  zu  machen.  Die  Einrichtung  der  stehenden  Heere 
reizt  ferner  die  Staaten  dazu  an,  sich  einander  in  der  Menge 
der  Gerüsteten  zu  übertreffen,  also  ihre  Zahl  ins  Unendliche 
zu  steigern  und  indem  durch  die  darauf  verwandten  Kosten 
der  Friede  endlich  noch  drückender  wird  (oder  zu  sein  scheint), 
als  ein  kurzer  Krieg,  werden  sie  zur  Ursache  von  Angriffs- 
kriegen, um  diese  Last  los  zu  werden. 

Uebrigens  ist  hiebei  zu  bemerken,  daß  Kant  unter  „stehen- 
dem Heer  (miles  perpetuus)"    etwas  Anderes   versteht,    als    was 


Von  Franz  RühL  219 

heute'  in  dem  größten  Theile  von  Europa  so  genannt  wird.  Er 
versteht  darunter  die  Soldtruppen,  wie  sie  vor  der  französischen 
Revolution  allein  üblich  waren,  oder,  um  den  Begriff  noch 
schärfer  zu  fassen,  Heere,  welche  aus  lauter  Berufssoldaten  zu- 
sammengesetzt sind.  Hinsichtlich  deren  hebt  Kant  noch  beson- 
ders hervor,  daß  zum  Tödten  oder  getödtet  zu  werden  in  Sold 
genommen  zu  sein  einen  Gebrauch  von  Menschen  als  bloßen 
Maschinen  und  Werkzeugen  in  der  Hand  eines  Andern  zu  ent- 
halten scheint,  der  sich  nicht  wohl  mit  dem  Rechte  der  Mensch- 
heit in  unserer  eigenen  Person  vereinigen  läßt.  Die  heutigen 
europäischen  Heere  beruhen  der  Mehrzahl  nach  theoretisch  auf 
anderen  Grundlagen,  obwohl  die  Praxis  noch  nicht  alle  Ueber- 
bleibsel  aus  der  Zeit  der  Soldheere  ausgestoßen  hat,  und  es  ist 
bekannt,  um  wieviel  weniger  leicht  man  sich  grade  auch  um 
der  veränderten  Zusammensetzung  der  Heere  willen  zum  Kriege 
entschließt.  Aber  insoweit  mehr  Truppen  gehalten  werden,  als 
zur  kriegerischen  Ausbildung  der  Bürger  erforderlich  ist  (und 
das  ist  offenbar  der  Fall,  solange  man  den  „Präsenzstand"  z.  B. 
von  dem  der  Heere  der  Nachbarn  abhängig  sein  läßt),  so  lange 
bilden  auch  die  anderen  Heere  eine  Gefahr  für  den  Frieden, 
wie  die  Soldheere  des  18.  Jahrhunderts. 

Das  nothwendige  Complement  der  Soldaten  für  die  Krieg- 
führung sind  die  materiellen  Mittel,  praktisch  ausgedrückt  das 
Geld.  Die  Sammlung  eines  Schatzes  zu  Kriegszwecken  schließt 
also  analoge  Gefahren  für  den  Frieden  in  sich  wie  die  Auf- 
stellung stehender  Heere.  Kant  hatte  indessen  die  wirthschaft- 
liche  Entwicklung  des  Zeitalters  zu  genau  verfolgt,  um  prak- 
tisch darin  eine  große  Gefahr  zu  sehen;  das  Verfahren  Fried- 
richs d.  G.  erkannte  er  offenbar  als  das,  was  es  war,  als  einen 
Anachronismus.  Er  formulirte  seinen  vierten  Artikel  dem- 
nach anders,    nämlich  dahin: 

„Es    sollen    keine    Staatsschulden    in    Beziehung   auf 
äußere  Staatshändel  gemacht  werden", 

eine  Forderung,  die  noch  außerdem  damit  begründet  wird,  daß 


220  Kant  über  den  ewigen  Frieden. 

der  endlich  doch  unvermeidliche  Staatsbankerott  auch  andere 
Staaten  unverschuldet  mit  in  den  Schaden  verwickeln  müsse. 

Eine  sehr  häufige  Ursache  der  Kriege,  grade  die  Ursache 
der  Kriege  der  Zeit,  in  welcher  der  Philosoph  schrieb,  triflt  der 
fünfte  Artikel: 

„Kein  Staat  soll  sich  in  die  Verfassung  und  Regierung 
eines  andern  Staats  gewaltthätig  einmischen". 

Denn  ein  Recht  dazu  kann  keinem  Staate  zugesprochen  werden, 
da  jeder  Staat  ein  sich  selbst  bestimmendes  Individuum  ist, 
das  keinen  Richter  über  sich  anzuerkennen  braucht.  Es  kann 
aber  auch  kein  Staat  sich  durch  die  innern  Zustände  eines 
andern  verletzt  fühlen,  indem  diese  etwa  seinen  eigenen  Unter- 
thanen  ein  böses  Beispiel  geben  könnten.  Denn  sind  diese  Zu- 
stände wirklich  schlecht,  so  werden  sie  den  Unterthanen  anderer 
Staaten  lediglich  zur  Warnung  dienen. 

Sind  alle  diese  Bedingungen  erfüllt,  so  ist  damit  zwar  die 
Möglichkeit  und  der  Anreiz  zum  Kriege  gemindert,  aber  der 
ewige  Friede  noch  nicht  gesichert;  die  Möglichkeit  des  Krieges 
an  sich  ist  also  noch  immer  gegeben,  und  er  wird  voraussicht- 
lich noch  immer,  wenn  auch  selten,  stattfinden.  Es  fehlt  also 
noch  eine  Bestimmung,  welche  den  Krieg  so  gestaltet,  daß  er 
zu  einem  Frieden,  wie  ihn  der  erste  Artikel  verlangt,  führen 
kann.     Darum  schreibt  der  sechste  Artikel  vor: 

„Es  soll  sich  kein  Staat  im  Kriege  mit  einem  andern 
solche  Feindseligkeiten  erlauben,  welche  das  wechselseitige 
Zutrauen  im  künftigen  Frieden  unmöglich  machen  müssen: 
als  da  sind  Anstellung  der  Meuchelmörder,  Giftmischer, 
Brechung  der  Capitulation,  Anstiftung  des  Verraths  in 
dem  bekriegten  Staat  eibc". 

Denn  sonst  könnte  keinerlei  Vertrauen  in  die  Denkungsart  des 
Feindes  zurückbleiben,  es  könnte  also  auch  kein  Friede  abge- 
schlössen  werden  und  der  Krieg  müßte  nothwendig  zu  einem 
Ausrottungskriege  werden,  es  läge  also  zwar  die  Möglichkeit  vor, 
|  daß  der  ewige  Friede  erreicht  werde,  aber  auf  dem  Kirchhof. 


Von  Franz  RühL  221 

Sind  nun  durch  die  Präliminarartikel  die  Hindernisse  des 
ewigen  Friedens  beseitigt,  so  entstellt  die  zweite  Frage:  welche 
positive  Voraussetzungen  sind  zu  seiner  Durchführung  erforder- 
lich, wie  wird  er  verwirklicht?  Das  festzusetzen  ist  die  Aufgabe 
der  Definitivartikel. 

Der  erste  von  ihnen  stellt  die  notwendige  Beschaffenheit 
der  einzelnen  Staaten  an  und  für  sich  auf.     Er  lautet: 

„Die    bürgerliche    Verfassung    in    jedem   Staate    soll 
republikanisch  sein". 

Dabei  ist  zu  bemerken,  daß  Kant  hier  in  die  üble  Gewohn- 
heit andrer  Philosophen  verfallen  ist,  einen  philosophischen  Ter- 
minus zu  prägen,  der  in  der  Sprache  des  gewöhnlichen  Lebens 
zwar  eine  verwandte,  aber  doch  eine  wesentlich  andere  Bedeu- 
tung hat.  Es  ist  bekannt,  welche  Schwierigkeiten  Aristoteles 
seinen  Auslegern  durch  eine  neue  Definition  der  die  Staats- 
formen bezeichnenden  Eigenschaftswörter  gemacht  hat,  die  er 
dann  doch  wieder  auf  die  bestehenden  Staaten  anwandte;  ähn- 
lich steht  es  mit  der  Bepublik  bei  Kant.  Ich  muß  es  mir  ver- 
sagen, auf  die  Kantische  Staatslehre  im  Allgemeinen  einzugehen, 
welche  an  offenbaren  Widersprüchen  krankt,  die  dem  Philosophen 
nicht  entgangen  sein  können  und  welche  er  doch  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  auch  gelöst  hat,  ohne  daß  er  sich  freilich 
für  verpflichtet  gehalten  hat,  diese  Lösung  Anderen  mitzutheilen. 
Für  den  vorliegenden  Fall  genügt  die  Bemerkung,  daß  Kant 
unter  Republik  eine  Staatsverfassung  oder  —  wie  er  sich  aus- 
drückt —  eine  Begierungsart  versteht,  die  nach  den  Principien 
der  Freiheit  der  Glieder  einer  Gesellschaft  (als  Menschen),  nach 
dem  Grundsatz  dar  Abhängigkeit  Aller  von  einer  gemeinsamen 
Gesetzgebung  (als  Unterthanen)  und  nach  dem  Gesetz  der  Gleich- 
heit (als  Staatsbürger)  gestiftet  ist  und  in  der  die  gesetzgebende 
Gewalt  bei  den  Repräsentanten  des  Volks  ruht,  die  regierende 
(ausübende)  aber  von  ihr  getrennt  ist.  Eine  solche  Verfassung 
nun  setzt  die  Zustimmung  der  Staatsbürger  zu  dem  Beschlüsse, 
daß  Krieg  sein  solle,  voraus  und  da  diese  nun  alle  Drangsale 
des  Krieges  über  sich  selbst  beschließen  müßten,   so  werden  sie 


222  Kant  über  den  ewigen  Frieden. 

sich  sehr  bedenken,  ein  so  schlimmes  Spiel  anzufangen,  während 
in  einer  nichtrepublikanischen  Verfassung,  wo  das  Oberhaupt 
(oder  die  Oberhäupter)  nicht  Staatsgenosse,  sondern  Staatseigen- 
tümer ist,  dieses  durch  den  Krieg  an  seinen  Genüssen  Nichts  ein- 
büßt, also  den  Krieg,  wie  eine  Lustpartie,  einen  Sport,  aus  unbedeu- 
tenden Ursachen  beschließen  kann.  Das  gilt  natürlich  auch  da, 
wo  sich  das  Staatsoberhaupt  als  erster  Diener  des  Staats  fühlt 
oder  sich  wenigstens  dafür  ausgibt.  Wie  viel  mehr  es  von  der 
Tyrannis  und  dem  Caesarismus  gilt,  hat  Kant  nicht  erörtert, 
denn  in  Staaten,  in  welchen  die  oberste  Gewalt  usurpirt  worden 
ist,  herrscht  nach  seiner  Auffassung  Anarchie. 

Gegen  diesen  ersten  Definitivartikel  ist  eingewandt  worden, 
daß  die  Leidenschaften  der  Völker  nicht  minder  zum  Kriege 
fuhren,  als  die  ihrer  Begierer.  Insofern  dabei  die  auf  den  Eigen- 
nutz gebauten  Leidenschaften  in  Betracht  kommen,  erledigt  sich 
das  im  Wesentlichen  durch  die  Betrachtung  der  Präliminar- 
artikel. Es  erledigen  sich  aber  dadurch  auch  die  mehrfaoh  vor- 
gebrachten Beispiele  von  rein  idealen  Antrieben  der  Völker  zum 
Kriege.  Man  hat  angeführt,  daß  im  Jahre  1794,  also  ein  Jahr 
vor  dem  Erscheinen  von  Kant's  Schrift,  das  spanische  Volk  seine 
"Regierung  wider  ihren  Willen  in  den  Krieg  mit  dem  königs- 
mörderischen Frankreich  getrieben  habe.  Damit  hat  es  aber 
ohne  Frage  den  fünften  Präliminarartikel  verletzt.  Man  könnte 
den  Krieg  Frankreichs  zu  Gunsten  Amerikas  gegen  England  an- 
führen; dieses  Beispiel  beweist  nur  die  Unentbehrlichkeit  des 
zweiten  Präliminarartikels,  da  der  englische  Staat  ein  Besitz- 
recht auf  den  amerikanischen,  der  kein  Theil  des  englischen  war, 
behauptete  und  kann  höchstens  dazu  führen,  diesem  Artikel  eine 
etwas  weitere  Fassung  zu  geben;  man  könnte  die  Unterstützung 
der  Griechen  durch  die  Nationen  Europas  anführen,  aber  die 
Türkei  war  und  ist  keine  Republik,  es  würde  sonst  der  griechische 
Aufstand  nicht  ausgebrochen  sein.  Vielleicht  ist  es  nicht  über- 
flüssig, zu  bemerken,  daß  Kant  nicht  geglaubt  hat,  irgend  einen 
der  ihm  bekannten  Staaten  als  eine  Bepublik  anerkennen  zu 
müssen. 


Von  Franz  Rühl.  223 

Nun  stehen  aber  die  Staaten  als  solche  einander  immer 
noch  im  Naturzustande  gegenüber  und  auch  ein  in  der  Bepublik 
lebendes  Volk  wird  zum  ewigen  Frieden  nur  geneigt  sein,  ihn 
sich  nicht  sichern  können,  da  es  nicht  sicher  vor  einer  Streitig- 
keit mit  einem  andern  Volke  ist.  Der  Proceß  der  Staaten 
unter  einander  aber  ist  der  Krieg,  da  sie  einen  über  ihnen 
stehenden  Richter  mit  Bücksicht  auf  ihre  Souveränetät  (oder, 
wie  Kant  sagt,  Majestät)  nicht  anerkennen  können.  Um  aus 
diesem  Zustande  herauszukommen,  können  sie  nicht  ebenso  ver- 
fahren wie  die  Einzelnen,  welche  den  Staat  gründen  wollen,  da 
sie  sonst  ihre  selbständige  Existenz  aufgeben  müßten,  was,  wie 
früher  gezeigt,  ebenso  unzweckmäßig  als  unmöglich  sein  würde: 
es  muß  also  als  Surrogat  des  unmöglichen  Völkerstaates  ein 
Völkerbund,  ein  Friedensbund  treten,  der  lediglich  auf  Erhal- 
tung und  Sicherung  der  Freiheit  der  verbündeten  Staaten  aus- 
geht, ohne  daß  diese  sich  doch  deßhalb  öffentlichen  Gesetzen 
und  einem  Zwange  unter  denselben  zu  unterwerfen  brauchen. 
Also  heißt  der  2.  Definitivartikel: 

„Das  Völkerrecht  soll  auf  einen    Föderalismus    freier 
Staaten  gegründet  sein", 
und  die  Föderation  entscheidet  dann  natürlich  nach  Grundsätzen 
der  Vernunft  die  zwischen  ihren  Gliedern  entstehenden  Streitig- 
keiten. 

Gegen  diesen  Artikel  ist  eingewandt  worden,  daß  es  doch 
jedem  Staate  unbenommen  bleibe  (und  bei  der  von  Kant  an- 
genommenen Böswilligkeit  der  menschlichen  Natur  wäre  der 
Fall  garnicht  so  unwahrscheinlich),  einen  der  aufgestellten 
Friedensartikel  zu  verletzen  oder  gar  einen  anderen  Staat  mit 
Krieg  zu  überziehen;  er  könne  dann  nur  mit  Gewalt  zur  Beob- 
achtung der  Bedingungen  des  Friedensbundes  gezwungen  wer- 
den, also  nur  durch  Krieg,  und  damit  habe  dann  der  ewige 
Friede  ein  Ende.  Diesem  Einwände  ließe  sich  entgegensetzen, 
daß  ja  auch  der  Staat  denjenigen,  welche  seine  Gesetze  ver- 
letzen, Uebel  zufüge,  zu  deren  Beseitigung  grade  der  Staat  ge- 
stiftet sei,  wodurch  die  Rechtsordnung  doch  nicht  gestört,    son- 


224  Kant  über  den  ewigen  Frieden. 

dem  im  Gegentheil  aufrecht  erhalten  werde.  Allein  das  würde 
nicht  im  Sinne  Kant's  geurtheilt  sein,  da  der  Begriff  des  Staats 
eben  die  Existenz  von  Gesetzen,  die  über  demselben  stehen  und 
einen  Zwang  zur  Innehaltung  derselben  ausschließt.  Vielmehr 
ergibt  sich,  so  weit  ich  sehe,  die  Lösung  der  Schwierigkeit  auf 
eine  andere  Weise.  Der  Staat,  welcher  die  Grundlagen  des 
Friedensbundes  verletzt,  scheidet  dadurch  von  selbst  aus  diesem 
aus.  Damit  ist  jede  Verbindung  mit  den  andern  Staaten  ab- 
gebrochen, er  ist  vollkommen  isolirt,  und  die  andern  Staaten 
haben  die  Mittel  in  der  Hand,  ihre  Unterthanen  zu  zwingen, 
diese  Isolirung  in  keinem  einzelnen  Punkte  aufzuheben.  Wenn 
es  aber  schon  gegenwärtig  kaum  für  einen  einzelnen  Staat  mög- 
lieh  ist,  in  solcher  Isolirung  weiter  zu  leben,  so  wird  das  bei 
der  Stufe  der  Cultur  und  des  gegenseitigen  Verkehrs,  welche 
der  Friedensbund  voraussetzt,  vollends  unmöglich  sein  und  der 
bundbrüchige  Staat  wird  durch  die  Größe  der  Uebel,  welchen 
er  sich  aussetzt,  ganz  von  selbst  gezwungen  sein,  sich  dem 
Bunde  wieder  einzufügen. 

Nun  bleibt  noch  ein  Einwand  übrig,  der  neuerdings  dahin 
formulirt  worden  ist,  daß  der  ewige  Friede  eine  im  Wesentlichen 
gleichartige  Cultur  voraussetze,  was  mit  den  unzweifelhaftesten 
Ergebnissen  der  Geschichte  im  Widerspruch  stehe.  Auch  die 
Völker  erreichten,  wenn  sie  überhaupt  zu  einer  normalen  Ent- 
wicklung gelangten,  in  allmälich  aufsteigender  Linie  die  Höhe 
ihrer  Kraft,  um  nach  deren  Ueberschreitung  zu  altern  und  zu 
verfallen,  endlich  zu  sterben  und  in  neuen  Bildungen  aufzugehn. 
Verfallende  Völker  aber  sänken  zu  einem  Zustande  herab,  welcher 
sie  den  noch  kräftigen  Völkern  als  leichte  Beute  überliefere,  ja 
diesen  unter  Umständen  die  Notwendigkeit  der  Eroberung  auf- 
zwinge, denn  jeder  Staat  habe  das  Recht  und  die  Pflicht,  sich 
vor  den  übeln  Einflüssen  eines  in  seiner  unmittelbaren  Nähe 
verwesenden  Organismus  zu  schützen.  Die  letztere  Behauptung 
gehört,  wie  ich  fürchte,  zu  den  Wendungen,  mit  welchen  Diplo- 
maten die  Gewaltthaten  ihrer  Herren  zu  beschönigen  pflegen; 
Kant  hat  sie  bereits  durch  die  Erläuterungen  zum  fünften  Präli- 


Von  Franz  Rühl.  226 

minarartikel  abgewiesen.  Was  aber  das  angebliche  geschichtliche 
Gesetz  betrifft,  so  wäre  denn  doch  eine  scharfe  Definition  des  Be- 
griffs „Verfall"  in  seiner  Anwendung  auf  Völker  und  Staaten 
und  eine  Untersuchung  der  Ursachen  des  Verfalls  zu  wünschen. 
Daß  dagegen  beständig  neue  Bildungen  auch  von  Völkern  und 
Staaten  entstehen  müssen,  folgt  allerdings  aus  der  von  Kant  an- 
genommenen unendlichen  Perfectibilität  des  menschlichen  Ge- 
schlechts und  daß  ein  Volk,  das  in  der  Krisis  einer  solchen  Um- 
bildung begriffen  ist,  Andere  als  eine  leichte  Beute  zum  Angriff 
reizen  kann,  ist  unleugbar. 

Aber  dem  soll,  so  viel  ich  sehe,  der  3.  Definitivartikel 
vorbeugen: 

„Das  Weltbürgerrecht  soll  auf  Bedingungen  der  all- 
gemeinen Hospitalität  eingeschränkt  sein". 

Dadurch  wird,  nach  der  positiven  Seite,  das  Recht  eines 
Fremdlings  begründet,  wegen  seiner  Ankunft  auf  dem  Boden 
eines  fremden  Staates  von  diesem  nicht  feindselig  behandelt 
zu  werden,  aber  nach  der  negativen  Seite  wird  ihm  das 
Gastrecht  bestritten,  also  das  Recht  zum  dauernden  Auf- 
enthalte in  einem  fremden  Staate.  Und  in  der  That  sind 
die  Eroberungen  von  Ländern  niederer  Cultur  dadurch  in 
die  Wege  geleitet  worden,  daß  die  Mitglieder  der  Staaten 
höherer  oder  kräftigerer  Cultur  ein  Recht  zur  dauernden 
Niederlassung  daselbst  in  Anspruch  nahmen  oder  bewilligt  er- 
hielten. Kant  führt  das  an  einigen  Beispielen  näher  aus  und 
macht  dabei  allerlei  Bemerkungen  über  die  Ergebnisse  der  Co- 
lonialpolitik,  von  denen  ich  mich  wundere,  daß  sie  in  diesen 
Zeiten,  wo  das  Für  und  Wider  der  Colonialpolitik  so  eifrig  er- 
örtert wird,  noch  von  keiner  Seite  verwerthet  worden  sind. 

In  der  zweiten  Auflage  seiner  Schrift  hat  Kant  noch  einen 
Zusatzartikel  hinzugefügt,  dahin  gehend,  daß 

„die  Maximen  der  Philosophen  über  die  Bedingungen 
der  Möglichkeit  des  öffentlichen  Friedens  von  den  zum 
Kriege  gerüsteten  Staaten  zu  Rathe  gezogen  werden 
sollen". 


226  Kant  über  den  ewigen  Frieden. 

Es  ist  weder  zu  erwarten  noch  zu  wünschen,  sagt  Kant, 
daß  Könige  philosophiren  oder  Philosophen  Könige  würden, 
weil  der  Besitz  der  Gewalt  das  freie  Urtheil  der  Vernunft  un- 
vermeidlich verdirbt,  und  eben  deßhalb  sollen  die  Könige  die 
Philosophen  hören.  Was  von  Königen  gilt,  gilt  auch  von  könig- 
lichen, d.  h.  sich  selbst  nach  Gleichheitsgesetzen  beherrschenden 
Völkern.  Da  man  aber,  wie  Kant  mit  der  feinen  Malice  be- 
merkt, welche  ihm  so  wohl  steht  und  manchen  seiner  Schriften 
einen  so  eigenthümlichen  Beiz  verleiht,  der  gesetzgebenden 
Autorität  eines  Staats  natürlicherweise  die  größte  Weisheit 
beilegen  muß,  so  scheint  es  dem  Ansehen  derselben  nicht  zu 
entsprechen,  von  den  Philosophen,  die  doch  ihre  Unterthanen 
sind,  ßathschläge  entgegenzunehmen.  Deßhalb  soll  der  Staat 
sie  stillschweigend  dazu  auffordern  und  dieser  Artikel  ein 
geheimer  sein.  Die  stillschweigende  Aufforderung  an  die 
Philosophen  aber  läuft  darauf  hinaus,  daß  man  sie  über  die 
Maximen  der  Kriegsführung  und  Friedensstiftung  frei  und 
öffentlich  reden  läßt;  sie  werden  es  dann  schon  von  selbst  nicht 
an  sich  fehlen  lassen.  Der  Artikel  ist  also  im  Grunde,  wie  mir 
scheint,  zugleich  eine  Abweisung  derjenigen  Ausartung  der 
Vaterlandsliebe,  für  welche  sich  in  diesem  Jahrhundert  der  Aus- 
druck Chauvinismus  ausgeprägt  hat. 

Die  Idee  des  ewigen  Friedens  ist,  wie  wir  gesehen  haben, 
chiliastisch,  sie  gehört  zu  den  Zielen  der  Entwicklung  des 
Menschengeschlechts,  es  fehlen  ihr  gegenwärtig  alle  Vor- 
bedingungen, vor  Allem  die  der  Existenz  einer  Weltgeschichte, 
und  ich  fürchte,  allzu  sanguinisch  gewesen  zu  sein,  wenn  ich 
vor  Jahren*)  den  Zeitraum,  der  uns  von  dem  Beginn  der  Welt- 
geschichte trennt,  bloß  auf  mindestens  ein  Jahrtausend  veran- 
schlagt habe.  Innerhalb  der  einzelnen  Culturkreise  aber,  deren 
Geschichte  sich  jetzt  abspielt,  ist  eine  immer  weitergehende  An- 
näherung an  den  ewigen  Frieden  nicht  nur  erstrebenswerth, 
sondern  auch  möglich,  und  er  wird  hier  durch  dieselben  Mittel 


*)  Nord  und  Süd  Band  XIII.  S.  363. 


Von  Franz  Bühl.  227 

zu  Stande  kommen,  wie  dereinst  für  die  Menschheit.  Als  diese 
Mittel  aber  betrachtet  Kant  zwei,  die  an  sich  mit  der  Gerechtig- 
keit Nichts  zu  thun  haben,  die  aus  der  menschlichen  Selbstsucht 
entspringen,  deren  sich  aber  die  Natur  bedient,  um  das  von  ihr 
gewollte  Ziel  zu  erreichen.  Das  ist  einmal  der  Krieg  selbst, 
welcher  die  Menschen  nicht  nur  zur  Verbesserung  ihrer  Staats- 
verfassungen zwingt,  sondern  auch  den  einzelnen  Staaten  in  ihren 
Beziehungen  zu  einander  den  Begriff  des  Rechts  aufnöthigt, 
gleichwie  die  Uebel,  welche  mit  dem  Zustande  der  Wildheit 
verbunden  sind,  zur  Begründung  der  bürgerlichen  Gesellschaft 
geführt  haben.  Das  andere  Mittel  ist  der  Handelsgeist,  der 
früher  oder  später  sich  jedes  Volkes  bemächtigt  und  der  mit 
dem  Kriege  nicht  auf  die  Dauer  zusammen  bestehen  kann, 
wenn  es  auch  zuweilen  der  Krieg  ist,  welcher  den  ersten  Ver- 
kehr zwischen  zwei  Völkern  anbahnt. 

Es  würde  nun  wohl  nicht  gegen  den  Sinn  des  großen 
Weisen  sein,  wenn  ich  jetzt  den  Versuch  machen  wollte,  zu 
untersuchen,  ob  und  inwiefern  sich  die  Völker  des  europäischen 
Culturkreises  in  dem  abgelaufenen  Jahrhundert  dem  Ideale  des 
ewigen  Friedens  genähert  haben.  Ich  möchte  glauben,  daß 
trotz  aller  Erscheinuugen,  welche  für  das  Gegentheil  zu  sprechen 
scheinen  könnten,  das  Ergebnis  einer  solchen  Untersuchung 
kein  ungünstiges  sein  würde,  und  vielleicht  würde  sich  aus  der 
geschichtlichen  Betrachtung  noch  das  eine  oder  andere  Moment 
ergeben,  welches  zu  einer  schärferen  Bestimmung  einzelner 
Artikel  des  ewigen  Friedens  führen  könnte.  Allein  solche  Aus- 
führungen würden  nothwendig  das  Maß  der  Zeit  überschreiten 
müssen,  welches  bei  dieser  Gelegenheit  dem  Redner  billig 
verstattet  werden  kann. 


Die  Schotten  und  Engländer  in  Ostpreussen, 

und  die 

„Brüderschaft  Gross- Britannischer  Nation44  eu  Königsberg. 

Von 

Johannes  Sembrzycki. 


Bekanntlich  ist  die  heutige  deutsche  Bevölkerung  Ost- 
preußens keine  von  Anbeginn  einheitliche,  sondern  besteht  aus 
den  Nachkommen  von,  den  verschiedensten  deutschen  Stämmen 
und  Gegenden  zugehörigen  Colonisten  und  den  germanisirten 
Abkömmlingen  von  Polen,  Litauern,  Franzosen,  Schweden, 
Holländern  und,  nicht  zum  geringsten  Bruchtheile,  Schotten  und 
Engländern,  deren  es  hier  bereits  im  XVII.  Jahrhundert  eine 
beträchtliche  Anzahl  gab.  Sie  gehörten  fast  ausschließlich  dem 
Kaufmanns-  und  Handels-,  seltener  dem  gewerblichen  Stande  an 
und  waren  namentlich  in  den  Haupthandelsorten  Königsberg, 
Memel  und  Tilsit  zahlreich,  aber  auch  in  allen  kleineren  Städten 
der  Provinz  zu  finden,  wo  sie  öfters  bald  zu  Ansehen  und  Ein- 
fluß gelangten.  So  werden  in  Angerburg  die  Schotten  Daniel 
Wilson  1626  und  George  Wilson  1648,  Thomas  Hamilton 
1647  und  Wilhelm  Anderson  1648  als  Besitzer  von  Mälzen- 
bräuergrundstücken erwähnt;  der  zuletzt  Genannte  wurde  bald 
Rathsverwandter  (Mitglied  des  städtischen  Rathscollegiums)  und 
sein  Sohn  Thomas  Anderson  (gest.  1710)  sogar  Bürgermeister, 
welche  Würde  auch  dessen  Sohn  Bernhard  A.  bekleidete 
(H.  Braun,  Alte  und  neue  Bilder  aus  Masuren,  1888;  pag.  31). 
In  Barten  befindet  sich  in  der  Kirche  der  Grabstein  eines 
Thomas  Gordon  aus  Aberdeen,  gestorben  1637  (Adolf  Boetticher, 
Die  Bau-  und  Kunstdenkmäler  der  Prov.  Ostpreußen.  Heft  II. 
Natangen.  Kgsbg.  1892;  pg.  25);  in  Marggrabowa  lebte  um 
1670  ein  schottischer  Kaufmann  Johann  Bierell  (Acten);  der 
reformirte  Prediger  Georg  Douglas,  1758  bis  1772  in  Jerichow, 


Von  Johannes  Sembrzycki.  229 

dann  in  Aschersleben,  stammte  aun  einer  schottischen  Familie  zu 
Schippenbeil  (Daniel  Heinrich  Hering,  Neue  Beiträge  zur  Gesch. 
der  Evangel.  ßeformirten  Kirche  in  den  Preuß.-  Brandenburg. 
Ländern.  I.  Berlin  1786;  pag.  166).  Um  nach  "Westpreußen  hinüber- 
zugreifen, so  lebte  schon  1594  in  Stuhm  ein  Schotte  David 
Trumb  (nach  Henneberger,  Erklärung  der  preußischen  größern 
Landtafel  oder  Mappen.  Kgsbg.  1595)  und  1601  ein  anderer, 
Namens  Steinson.  Ferner  finden  wir  1640  in  Christburg 
einen  Schotten  Donalson  (Schmitt,  Geschichte  des  Stuhmer 
Kreises,  Thorn  1868;  pag.  132—133)  und  in  Strasburg  1635 
einen  Martin  Donneelson,  „civis  Brodnicensis"  (Zermann, 
Chronik  der  Stadt  Strasburg,  Strasburg  1851;  pag.  75). 

Man  ist  geneigt  gewesen,  diese  Einwanderung  den  politi- 
schen und  religiösen  Verhältnissen  in  England  und  Schottland 
nach  Cromwells  Tode  und  den  Thronbesteigungen  Karls  II. 
(1660)  und  Jacobs  H.  (löSö^  zuzuschreiben,  und  hat  z.  B.  auf 
die  Cameronianer  hingewiesen,  die  „schottischen  Anhänger  Crom- 
well's,  welche  unter  dem  zurückgekehrten  Könige  Karl  II.  aus- 
zuwandern besonders  dringenden  Anlaß  hatten"  (Max  Büdinger, 
Zeit  und  Baum  bei  dem  indogerman.  Volke;  Sitzungsber.  der 
Philosoph.-histor.  Classe  der  kaiserl.  Akademie  der  Wissensch. 
Wien  1881.  Bd.  98,  pag.  512  Anm.).  Aus  dem  oben  Angeführten 
und  den  unten  folgenden  Notizen  ist  aber  ersichtlich,  daß  die 
Immigration  von  Schotten  bereits  weit  früher  stattgefunden  hat. 
Als  ihre  Ursachen  sehe  ich  der  Hauptsache  nach  das  Bestreben 
nach  Erwerb  durch  den  Handel  an;  für  Westpreußen,  im  Be- 
sonderen Danzig,  verweise  ich  auch  auf  die  Notiz  bei  M.  Christoph 
Hartknoch  („Preußische  Kirchen-Historia",  1686;  pag.  721), 
wonach  in  dem  Kriege  des  Königs  von  Polen  Stephan  Batory 
gegen  die  Danziger  1577  von  den  letztern  ,,sieben  hundert 
Schotten  angenommen,  und  ihnen,  weil  sie  Eeformirt  waren, 
erlaubet  worden,  daß  sie  einen  Prediger  ihres  Glaubens  ge- 
halten" etc.  Viele  von  diesen  werden  gewiß  im  Lande  geblieben 
sein.  —  Daß  in  der  zweiten  Hälfte  des  XVII.  Jahrhunderts  auch 
manche    presbyterianisch    gesinnte    Engländer    und  wegen  ihrer 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX.  Hft  3  u.  4.  15 


230  Die  Schotten  und  Engländer  in  Ostpreußen  etc. 

politischen  Ansichten  verfolgte  Schotten  in  Preußen,  welches 
ihnen  durch  ihre  hier  bereits  befindlichen  Landsleute  bekannt 
war,  eine  Zuflucht  gesucht  haben  werden,  läßt  sich  nicht  be- 
streiten; doch  ist  ihre  Anzahl  sicher  eine  im  Yerhältniß  zu  den 
durch  ihren  Handelsgeist  hierher  Verschlagenen  nur  kleine. 

Es  sind  aber  auch  katholische  Schotten,  welche  die  Be- 
drückungen um  ihres  Glaubens  willen  nicht  ertragen  konnten 
und  auswanderten,  nach  dem  katholischen  Theile  Ostpreußens, 
dem  Ermlande,  gekommen,  und  zwar  weit  früher  als  die  der 
gleichen  Ursache  wegen  emigrirten  Nonoonformisten  (Presby- 
terianer).  Einen  Beweis  hierfür  liefert  die  von  Prof.  Dr.  Ditt- 
rich  in  seinen  „Beiträgen  zur  Baugeschichte  der  ermländischen 
Kirchen"  (Zschrft.  f.  d.  Gesch.  u.  Alterthumskunde  Ermlands, 
Bd.  VIII  u.  IX)  mitgetheilte  Gründungsgeschichte  der  Rochus- 
kapelle zu  Anisdorf  (IX,  pg.  432 — 434),  die  mit  des  Verfassers 
eigenen  Worten  hier  folgen  möge:  $,Als  einst  ein  fremder  Kauf- 
mann, ein  Schotte,  des  Weges  von  Guttstadt  nach  Wormditt, 
wo  damals  viel  Handel  getrieben  wurde,  fuhr,  hörte  er,  wie  ein 
am  Wege  in  der  Nähe  von  Arnsdorf  pflügender  Knecht  ein 
schottisches  Lied  sang.  Verwundert  hielt  er  an,  rief  den  Pflüger 
zu  sich,  und  auf  die  Frage,  wie  derselbe  denn  in  jene  Gegend 
verschlagen  worden,  erfuhr  er  von  ihm,  daß  Meier,  so  hieß  der 
fremde  Arbeiter,  unter  Königin  Elisabeth  (1558  —  1603;  sie  stellte 
den  protestantischen  Ritus,  unter  Beibehaltung  des  bischöflichen 
Systems,  wieder  her)  wegen  seines  Glaubens  aus  der  Heimath 
geflohen  und  nun  mit  vielen  andern  nach  Ermland  gekommen 
sei,  wo  er,  aller  Mittel  bar,  sich  dazu  habe  verstehen  müssen, 
die  ländlichen  Arbeiten  zu  lernen,  um  als  Knecht  sein  Brot  zu 
verdienen.  Weil  der  Kaufmann  aus  der  Art  und  Weise,  wie 
Meier  seine  Erlebnisse  erzählte,  sehr  bald  dessen  hervorragende 
Begabung  erkannte,  nahm  er  ihn  mit  sich  und  übergab  ihn  den 
Jesuiten  in  Braunsberg  zur  weitern  Ausbildung.  Später  wurde 
der  einstige  Ackerer  ein  reicher  Kaufmann.  Aus  Dankbarkeit 
gegen  Gott  für  die  so  glückliche  Wendung  seiner  Lebens- 
geschicke erbaute    er    im  Jahre  1617  zu  Arnsdorf  (Kreis  Heils- 


Von  Johannes  Sembrzycki.  231 

berg)    eine  dem  hl.  Rochus    geweihte  Kapelle,    massiv  mit  acht 

Fenstern  und  einem  Dachthürmchen  mit  Glocke".  —  „Auf  einem 

schwarzen  Marmorstein    in    der   äußern  Ostwand    liest   man  die 

Inschrift: 

L  M.  I. 

Famatus  Ioannes  Maier,  natione 

Scotus,  Civis  Brunsb.,  in  pueris 

Arensdorfii  et  Lauterwaldii  serviens 

ex  voti  causa  hoc  Sacellum 

ad  Dei  omnipotentis  gloriam 

fundavit  et  exstruxit.     Anno 
salutis  humanae  1617.u 

Auch  in  der  Matrikel  des  pästlichen  Seminars  oder  Alumnats 
zu  Braunsberg  finden  sich  Schotten  und  Irländer  eingetragen 
(Bibliotheca  Warmiensis,  I,  pg.  170),  welche  dort  zu  Missionären 
ausgebildet  wurden.  Dagegen  hat  die  von  einigen  ermländischen 
Adelsfamilien  (z.  B.  v.  Schau  von  v.  Scheven,  v.  Hannemann 
von  Hammont)  behauptete  Abstammung  von  schottischem  Adel 
bisher  noch  durch  nichts  irgendwie  belegt  werden  können;  hi- 
storisch steht  nur  das  fest,  daß  es  Mehlsacker,  resp.  Brauns- 
berger  Kaufherren  und  Stadtpatricier  waren,  die  den  polnischen 
Adel  erhielten  und  sich  dann  Güter  kauften  (Mittheilung  des 
Herrn  Prof.  Dr.  Dittrich). 

Im  Allgemeinen  waren  diese  Schotten  und  Engländer  von 
der  eingeborenen  Bevölkerung  nicht  gern  gesehen  und  verschie- 
denen Beschränkungen  unterworfen.  „Es  ist  bekandt",  heißt 
es  in  Bezug  auf  Königsberg  in  Acten  aus  dem  Jahre  1819, 
„daß  zu  damaliger  Zeit  (in  der  ersten  Hälfte  des  XVIIL  Jahrh.) 
kein  Britte  sich  hier  possessionat  machen,  ja  selbst  nur  unter 
sehr  beschränkten  Verhältnissen  des  Handels  wegen  sich  kurze 
Zeit  hier  aufhalten  konnte"  und  ebenda  an  anderer  Stelle:  „Es 
ist  be&andt,  daß  damals  kein  Ausländer,  namentlich  kein  Britte 
für  eigne  Rechnung  hier  Handel  treiben  konnte;  und  obgleich 
viele  dieser  Nation  des  Handels  wegen  hieher  kamen,  so  war 
doch  einem  jeden  die  Zeit  bestimmt  wann  derselbe  wieder  seine 

15* 


232  Die  Schotten  und  Engländer  in  Ostpreußen  etc. 

Rückreise  antreten  musste".  Nach  der  Landesordnung  von  1640 
durften  die  Schotten  in  den  Städten  nur  auf  Jahrmärkten  ihre 
"Waaren  öffentlich  und  ungehindert  feil  halten,  zu  anderen  Zeiten 
nicht.  In  Rastenburg  durfte  kein  Schotte  das  Bürgerrecht  er- 
werben ;  über  das  daselbst  von  Joh.  Starcovius  gegen  die  Schotten 
verbreitete  Pasquill  und  den  weiteren  Verlauf  dieser  Sache  ver- 
gleiche man  „Schaffens  Chronik  von  Rastenburg.  Mitgetheilt 
von  C.  Beckherrn."  Rastenburg  1889,  pg.  10  sub  annis  1611, 
1612.  In  dem  damals  polnischen  Westpreußen  gebot  das  1636 
erneuerte  Edict  von  1552,  „daß  man  nirgends,  weder  auf  dem 
Lande  noch  in  den  Städten  die  umlaufenden  Schotten  und  an- 
dere Paudelkrämer  dulden  oder  leiden  sollte",  und  auch  in  den 
Ermländischen  Landtagsabschieden  werden  die  Schotten  oft  mit 
Strafe  bedroht. 

Wer  also  von  den  Schotten  und  Engländern  in  Königsberg 
und  sonst  in  Ostpreußen  ungehindert  wohnen  und  seinen  Ge- 
schäften nachgehen  wollte,  mußte  sich  entschließen,  hier  das 
Bürgerrecht  zu  erwerben  und  sein  Vaterland  gegen  die  neue 
Heimath  in  Preußen  zu  vertauschen. 

Die  Ursachen  dieses  Verhaltens  gegen  die  Schotten  und 
Engländer  waren  hauptsächlich :  die  fühlbare  Concurrenz,  die  sie 
den  einheimischen  Kauf  leuten  durch  ihre  durchschnittliche  Wohl- 
habenheit und  Intelligenz  machten,  und  ihre  Zugehörigkeit  zum 
reformirten  Glauben,  der  in  dem  streng  lutherischen  Ostpreußen 
und  dem  ganz  katholischen  Polen  damals  völlig  gleiche  Be- 
schränkungen und  Zurückweisungen  erfuhr.*)  In  der  That 
würde  auch  die  reformirte  Lehre  ohne  diese  Ausländer  in  Ost- 
preußen kaum  für  die  Dauer  haben  Wurzel  fassen  können;  die 
ältesten,  bereits  im  XVII.  Jahrhundert  entstandenen  reformirten 


*)  Als  Kurfürst  Friedrich  Wilhelm  1653  einen  geschickten  Schiffs- 
zimmermann, Lubbert  Harmens,  aus  Holland  nach  Königsberg  berief, 
wo  derselbe  Fregatten  und  Kriegsschiffe  baute,  wollte  man  ihn  seiner  Religion 
wegen  nicht  dulden,  „und  kaum  vermochte  ihn  ein  höchstes  Patent,  so  ihn 
zum  Churfurstl.  Schiffszimmermann  erklärete,  zu  schützen"  (Bock,  Versuch 
e.  wirthschaftl.  Naturgesch.,  I,  pg.  667). 


Von  Johannes  Sembrzycki.  233 

Gemeinden  Ostpreußens  verdanken  sämmtlich  ihr  Ent-  und  Be- 
stehen in  erster  Linie  den  Schotten,  Engländern  und  Holländern, 
welche  sich  an  den  betreffenden  Orten  aufhielten.  Zu  Memel 
bestand  schon  vor  1640  eine  kleine  durch  Wendelin  von 
Rodem  eine  Zeit  lang  pastorirte  reformirte  Gemeinde,  unter 
deren  Mitgliedern  die  Namen  Barclay,  O'Gilvie  oder  Ogilvie, 
Fenton  vorkommen,  und  die  1685  in  einer  Bittschrift  an  den 
Kurfürsten  sagt  „coetus  noster  evangelicus  reformatus  consistit 
ex  Hollandis  et  Scotis".  —  Aus  Engländern  und  Schotten  setzte 
sich  ferner  die  Gemeinde  zu  Tilsit  zusammen,  welche  auf  Be- 
treiben des  schottischen  Kaufmanns  Wilhelm  Ritsch  1679  in 
der  Person  des  von  schottischen  Eltern  zu  Königsberg  geborenen 
Alexander  Dennis  ihren  ersten  Prediger  erhielt  und  1711 
von  dem  schottischen  Kaufmanne  Johann  Irwing  mit  einem 
Legate  von  42,000  Fl.  bedacht  wurde  (Hering,  Neue  Beiträge  etc., 
I,  pg.  307—309;  319—322).  —  Die  reformirte  Gemeinde  in 
Inster  bürg,  welche  1702  ihren  ersten  Prediger  erhielt,  bildete 
sich  anfänglich  durch  Schotten,  welche  sich  des  Handels  wegen 
in  Insterburg  niederließen  (Harnoch,  Chronik  und  Statistik  der 
evang.  Kirchen  in  den  Prov.  Ost-  und  Westpreußen,  Neiden- 
burg, 1890;  pg.  561  nach  Hennig,  Beschreibung  der  Stadt  Inster- 
burg). —  Die  Gemeinde  zu  Pillau  reicht  in  ihren  ersten  An- 
fängen ebenso  wie  die  Memeler  bis  über  das  Jahr  1640  zurück, 
erhielt  ihren  ersten  Prediger  aber  erst  1681.  Derselbe  hieß 
Abraham  Buets,  stammte  aus  Amsterdam  und  predigte  nur 
holländisch;  er  starb  1712.  Anfänglich  war  er  bei  den  Holländern 
der  zu  Pillau  stationirten  kurfürstlichen  Marine  „Sieckentröster" 
gewesen,  woraus,  wie  Hering  anmerkt,  bei  Arnoldt  (Kurzgefaßte 
Kirchengesch.  des  Königreichs  Preußen,  Königsberg  1769;  pg.  573) 
durch  einen  Druckfehler  „Steckentröster"  geworden  ist.  — 
In  der  schon  in  Westpreußen  liegenden  Stadt  Elbing  wurde 
bereits  1680  durch  die  dortige  Handelsgesellschaft  der  Eng- 
länder*) eine  reformirte  Gemeinde  gestiftet,  unter  deren  Predigern 

*)  Werthvolle,    wenn    auch    fast   ausschließlich    commercielle   Nach- 
richten über  dieselbe  giebt  F.  Neumann  in  seinem  Aufsatze  „Die  englische 


234  Die  Schotten  und  Engländer  in  Ostpreußen  etc. 

Richard  Pernham  and  der  zu  Edinburg  geborene,  berühmte 
Johann  Duräus  (1628—1630)  genannt  werden  (Rhesa's  Presby- 
terologie  von  Westpreußen,  pg.  169,  und  Hering,  Neue  Bei- 
träge etc.  I,  pg.  369  ff.),  und  die,  nach  der  1628  durch  den  Neid 
der  Danziger  bewirkten  Aufhebung  der  englischen  Societät  durch 
Reichstagsbeschluß,  1661 — 1663,  ebenso  wie  in  dieser  Zeit  Memel, 
von  Königsberg  aus  durch  Wendelin  von  Rodem  vierteljährlich 
versorgt  wurde.  Die  unter  den  Elbinger  Patriciern  vorkommen- 
den Namen  Ramsey,  Roule,  Rupson  (Altpreuß.  Monats- 
schrift, VI,  pg.  337)  gehören  Mitgliedern  der  „englischen  Ostsee- 
Compagnie"  an. 

Daß  in  Königsberg  bei  Begründung  der  reformirten  Ge- 
meinde diese  zum  überwiegenden  Theile  aus  Ausländern  be- 
standen habe,  geht  aus  dem  Umstände  hervor,  daß  unter  den  am 
28.  October  1646  in  ihr  Amt  eingeführten  ersten  Kirchenvor- 
stehern sich  drei  Engländer,  die  Kaufleute  Joseph  Winde, 
Johann  Gordon  und  Johann  Davisson,  zwei  Holländer,  der 
Kaufmann  Siebrandt  Ottson  Born  und  der  Seefahrer  Peter 
Andresson,  und  nur  zwei  Deutsche,  der  kurfürstliche  Kanzlei- 
verwandte Oswald  Hesse  und  der  kurfürstliche  Münzmeister 
Daniel  Koch,  befanden  (Hering,  Neue  Beiträge  I,  283).  An- 
fänglich theilte  sich  auch  die  Gemeinde  in  vier  Nationen:  die 
schottische,  englische,  holländische  und  deutsche  (Hering,  1.  c. 
pag.  285);  später  aber,  wie  es  scheint,  nach  1706,  als  die  beiden 
Reiche  England  und  Schottland  zu  einem  gleichförmigen  Staats- 
körper vereinigt  worden  waren,  schlössen  sich  auch  die  beiden 
ersten,  wenn  auch  als  Unterabtheilungen  wohl  noch  bestehen 
bleibend,  zu  einer  „Brüderschaft  Hochlöblicher  Groß- 
Britannischer  Nation"  zusammen,  welche  wie  jene  stets 
zwei  durch  förmliche  Vollmachten  beglaubigte  Vorsteher  und 
Geschäftsträger,  sogenannte  Aelterleute,  hatte,  die  dauernd  in 
Königsberg    wohnten    und    die  Gerechtsame  und  Interessen  der 


Handels-Societät.    Mittheilungen    aus   Elbing's   Vorzeit."    N.  Pr.  Prov.  Bl. 
1857.  XII  pg.  141-148. 


Von  Johannes  Sembrzycki.  235 

hier    aufhaltsamen    und    zureisenden    Engländer    und    Schotten 
wahrzunehmen    verpflichtet    waren.     Ein  Ausfluß  de»  durch  die 
genannten  Vereinigungen  rege  erhaltenen  Zusammengehörigkeits- 
und  Nationalgefühls    war    der    im    XVII.  Jahrhundert  zweimal 
geäußerte    Wunsch,    einen    der    englischen    Sprache    mächtigen 
Prediger  zu  besitzen.     Zum  ersten  Male  thaten  sie  1679  Schritte 
deswegen,    erhielten    aber    eine    absohlägliche   Antwort  (Hering, 
Neue  Beiträge  etc.  I,  285);  im  Jahre  1685  erneuerten  sie  jedoch 
ihre  Bitten  und  drangen  diesmal  durch.     Nach  den  Acten  hier- 
über, die  noch  erhalten  sind,  erging  am  14.  November  1685  ein 
Schreiben  der  Ostpreußischen  Regierung  an  die  drei  reformirten 
Hofprediger  Schlemüller,  Blaspiel  und  Bergius,  wonach  der  Kur- 
fürst auf  Ansuchen  einiger  in  Königsberg    lebenden    englischen 
Familien    die    Abhaltung   des    Gottesdienstes    in    ihrer  Sprache 
„und    dessen    völliges    exercitium,    sambt  allen  dazu  gehöhrigen 
actibus    catechisationis,    visitationis    der    Krancken,    administra- 
tionis  des  Heyligen  Nachtmahls  auch  der  Heyligen   Tauffe    und 
andern  dergleichen  Geistlichen  Uebungen"  auf  dem  großen  refor- 
mirten Schul-  oder  Predigt-Saal  im  Schlosse  durch  Rescript  de 
dato  Cöln  an  der  Spree,  4.  Septbr.,  gestattet  habe,  und  sie  daher 
den  präsentirten  Prediger  M.  Jacob  Brown  examiniren  möchten. 
Einige    Zeit    darauf    erfolgte    die    Antwort    der    Prediger    und 
Aeltesten  der  reformirten  Gemeinde,    wonach    Brown  schon  vor 
einigen  Jahren  von    ihnen    ein   Zeugnifl  über   seine   Orthodoxie 
„in  Sachen  zur    Seeligkeit    gehörig"    und    seinen    untadelhaften 
Wandel    ausgestellt    worden    sei;   er  sei  jedoch  „in  Sachen,  den 
äußerlichen  Gottesdienst  und  die  Kirchenordnung  angehend,  un- 
richtig befunden".     Bald  nach  seiner  ersten  Ankunft  1658  oder 
1659  habe  er  „conventicula  angefangen"  und,  als  ihm  dies  unter- 
sagt worden,  zwar  die  Stadt  verlassen,  aber  nur,  um  von  Zeit  zu 
Zeit  besuchsweise  wiederzukommen  und  seine  Conventicula  fort- 
zusetzen.    Es  werden  nun  seine    „nach  quäkerey  übel  riechende 
irrungen"  angeführt,  unter  denen  die  hauptsächlichsten  sind :  Kinder 
sollten  nicht  beten,  weil  sie  es  nicht  verständen;  man  solle  nicht 
die  in  Büchern  enthaltenen  Gebetformeln    gebrauchen,    sondern 


236  Die  Schotten  und  Engländer  in  Ostpreußen  etc. 

aus  dem  Geist  beten;  die  Fest-  und  Feiertage  seien  voller  Aber- 
glauben und  Abgötterei  und  sollten  nicht  heilig  genannt  werden; 
der  Gesang  in  der  Kirche  dürfe  nicht  mit  Orgel  und  Musik- 
instrumenten begleitet  werden.  Zum  Schlüsse  wird  noch  gesagt, 
es  seien  nur  drei  Personen  englischer  Nation,  ein  Mann  und 
zwei  Frauen,  der  deutschen  Sprache  gar  nicht  kundig,  jedoch 
auch  beflissen,  sie  zu  lernen,  und  die  Bitte  um  Aufhebung  des 
kurfürstlichen  Rescripts  ausgesprochen.  Da  jedoch  eine  von 
Brown  abgegebene  schriftliche  Erklärung,  er  wolle  sich  nicht 
nur  in  der  Lehre,  sondern  auch  in  den  Ceremonien  den  in 
Königsberg  geltenden  Vorschriften  conform  bezeigen,  dem  Kur- 
fürsten eingereicht  wurde,  so  erließ  letzterer,  de  dato  Potsdam 
17.  December  1685,  den  erneuten  und  gemessenen  Befehl,  Brown 
ohne  Widerrede  zur  Ausübung  des  Predigtamts  in  Königsberg 
zuzulassen,  was  den  reformirten  Hofpredigern  am  8.  Januar  1686 
durch  die  Ostpreußische  Regierung  mitgetheilt  wurde.  Ob  nun 
Brown,  der,  wie  aus  einem  der  Schriftstücke  hervorgeht,  damals 
zu  Danzig  öffentlich  und  mit  Beifall  in  englischer  Sprache 
predigte,  wirklich  nach  Königsberg  gekommen  sei,  oder  nicht, 
und  wie  seine  späteren  Schicksale  sich  gestaltet  haben,  darüber 
findet  sich  merkwürdigerweise  nicht  die  kleinste  Notiz;  es  steigt« 
unwillkürlich  der  Verdacht  auf,  als  hätten  die  Hofprediger  das 
ihnen  unbequeme  Edict  verheimlicht  oder  doch  irgendwie  hinter- 
trieben. —  Die  Schotten  und  Engländer  scheinen  auch  sonst  zu- 
weilen in  kirchlicher  Hinsicht  etwas  abweichende  Meinungen 
gehabt  zu  haben;  als  der  Hofprediger  Schlemüller  am  3.  Advents- 
sonntage 1653  predigte,  fiel  ihm  der  schottische  Major  Wilhelm 
Rowe  ins  Wort  und  widersprach.  Schlemüller  „wußte  nicht, 
was  ihm  geschah;  und  schwieg  eine  Weile  stille.  Als  er  aber 
vernahm,  daß  es  eines  Menschen,  und  zwar  des  vorerwähnten 
Mannes  Stimme  war,  dessen  Worte  er  doch  nicht  verstehen 
konnte:  so  wieß  er  ihn  mit  Zach.  3,  2  ab,  und  fuhr  darauf  in 
seiner  Predigt  fort.  Rowe  aber  ward  von  der  Obrigkeit  be- 
straft" (Hering,  N.  B.  I,  pag.  288—289).  An  allen  Bestrebungen 
jedoch,  welche  zum  Wohle  der  Gemeinde  unternommen  wurden, 


Von  Johannes  Sembrzycki.  237 

nahmen  Schotten  und  Engländer  stets  den  regsten  Antheil.  So 
haben  sich  drei  Schotten:  Thomas  Herwie,  Francis  Hay  und 
Carl  Ramsay,  um  den  Bau  der  Burgkirche  ganz  besondere  Ver- 
dienste erworben.  Der  erste,  geboren  zu  Aberdeen  am  1.  Mai  1621, 
ließ  sich  in  Königsberg,  wo  er  die  Kaufmannschaft  erlernt  hatte, 
1656  häuslich  nieder  und  starb  am  24.  Jan.  1710  als  Vorsteher 
der  reformirten  Gemeinde.  Man  that  bei  seinem  Tode  das  Be- 
kenntnis:  „wer  weiß,  ob  ohne  seinen  Eifer  wir  diesen  Tempel 
in  dem  Stande  würden  gesehen  haben,  in  dem  er  jetzt  ist".  Er 
förderte  auch  die  Erbauung  des  Wittwenhauses  durch  beträcht- 
liche Geldvorschüsse  und  soll  den  Leichenwagen  der  Gemeinde 
beschafft  haben.  Auch  literarisch  war  er  thätig;  er  übersetzte 
Sam.  Rhetorfort's  Briefe  ins  Deutsche  und  ließ  sie  auf  seine 
Kosten  1682  in  12°  zu  Königsberg  drucken  (D.  Daniel  Heinrich 
Araoldt,  Zusätze  zu  seiner  Historie  der  Königsbg.  Universität, 
Kgsbg.  1756;  pg.  148,  und  Hering,  Neue  Beiträge  etc.  I, 
pg.  277  —278).  Die  beiden  andern  Männer  brachten  1697  in 
Schottland  zu  dem  Bau  der  Kirche  eine  Collecte  von  über 
4000  Thalern  zusammen;  um  sich  dafür  den  Schotten  dankbar 
zu  erweisen,  wurden  ihnen  nach  Vollendung  des  Baues  die  14  vor- 
deren halben  Bänke  gegen  Erstattung  des  Tischlerlohns  im  Be- 
trage von  224  Fl.  für  sich  und  ihre  Nachkommen  zu  völlig 
freier  Disposition  übergeben,  worauf  sie  von  den  Schotten  mit 
grünem  Tuch  ausgeschlagen  und  gepolstert  wurden  (das  Tuch 
kostete  über  347  FL,  und  zum  Polstern  der  Sitze  wurden  3  Stein 
40  Pfd.  Elenshaar  im  Betrage  von  10  Fl.  verbraucht).  Vorn  an 
der  ersten  der  mit  „S.  B.u  (Schottische  Bänke)  bezeichneten 
Bänke  wurde  ein  Wappenschild  mit  dem  schottischen  Löwen 
angebracht,  das  erst  in  der  Franzosenzeit,  als  die  Kirche  als 
Lazareth  dienen  mußte,  verschwand.  Sechs  Angehörige  der  eng- 
lischen Nation  (Barker,  David  Barclay,  Bernadiston,  Booth,  Ed- 
ward Collins,  Nettelton)  erkauften  dann  1715  noch  eine  Bank, 
die  sogenannte  englische,  welche  mit  dem  großen  britischen 
Wappen  geziert  wurde.  Da  die  Schotten  über  ihre  Bänke  in- 
dessen nichts  Schriftliches  besaßen,  mußten  sie  1739  zwei  wieder 


238  Die  Schotten  und  Engländer  in  Ostpreußen  etc. 

abtreten,  wogegen  sie  1761  eine  Verschreibung  über  die  übrigen 
zwölf  erhielten,  wonach  sie  dieselben  für  sich  und  ihre  Nach- 
kommen erblich  und  frei  von  Bankenzins  zur  beliebigen  Be- 
nutzung erhielten.  Nach  den  Statuten  der  Brüderschaft  wurde 
von  den  Miethern  der  Bänke  ein  einmaliges  Einkaufsgeld  von 
12,  später  meist  nur  6  Fl.  erhoben.  Die  hierdurch  einkommen- 
den Beträge  bildeten  seit  1766  mit  den  unter  den  Reformirten 
englischer  und  schottischer  Abkunft  gesammelten  Collecten  und 
milden  Beiträgen  und  den  Zinsen  eines  Capitals  von  2000  Fl. 
die  Einkünfte  der  Armen-Kasse  der  Brüderschaft,  aus  welcher 
verunglückte  Schiffsleute  und  bedürftige  Durchreisende,  sowie 
hier  wohnhafte  Arme  ihrer  Nation  unterstützt  und  in  zwei  be- 
sonderen Zimmern  des  königlichen  Großen  Hospitals  unterhalten 
und  verpflegt  wurden.  Auch  gehörten  der  Brüderschaft  die 
zwei  sogenannten  schottischen  Gewölbe  auf  dem  reformirten 
Kirchhofe. 

Die  in  Königsberg  ansässigen  Mitglieder  der  Brüderschaft 
genossen  vielfach  sowohl  in  der  reformirten  Gemeinde,  innerhalb 
deren  sie  oft  Aemter  und  Vertrauensstellungen  bekleideten  (Col- 
lins  war  im  XVIII.  Jahrh.  über  50  Jahre  lang  Kirchon  Vorsteher), 
als  unter  der  Bürgerschaft  großes  Ansehen;  der  aus  Schottland 
eingewanderte  Arzt  Dr.  George  Motherby  erwarb  sich  beson- 
ders durch  sein  Impfverfahren  einen  solchen  Ruf,  daß  der  Con- 
sistorialrath  Friedr.  Samuel  Bock  im  Jahre  1770  ein  besonderes 
Schriftchen  „Von  der  vorzüglichen  Geschicklichkeit  des  Herrn 
George  Motherby  Med.  Doct.  bey  Einpfropfung  der  Pocken,  er- 
theilet  aus  eigener  Erfahrung  an  seinem  Kinde  sichere  Nach- 
richt" etc.  (Kgsbg.  1770,  4°,  8  pg.,  cf.  Pisanski,  Literärgesch., 
Kgsbg.  1886,  pg.  626)  herausgab,  an  dessen  Schlüsse  er  „die 
nahe  Abreise  des  Herrn  Dr.  Motherby"  erwähnt.  Zwar  meint 
er,  es  sei  „zu  dessen  Wiederkunft  einige  Hofnung  vorhanden", 
jedoch  findet  sich  nichts  darüber,  daß  dieselbe  wirklich  erfolgt 
sei.  —  Unter  den  Kaufleuten  ist  besonders  Green,  der  Freund 
Kant* s,  bemerkenswert!],  welcher  im  vorgerückten  Alter  sich 
mehr  und  mehr  einem  zurückgezogenen  Leben  und  der  Leetüre 


Von  Johannes  Sembrzycki.  239 

englischer  Bücher  über  Erfindungen  und  Entdeckungsreisen  hin- 
gab und  sich  daher  durch  einen  in  seinem  Geburtsorte  Hüll 
wohnenden  Geschäftsfreund  einen  tüchtigen  Gehülfen  in  der 
Person  von  Robert  Motherby  kommen  ließ,  der  als  achtzehn- 
jähriger Jüngling,  ohne  ein  "Wort  deutsch  zu  können,  nach 
Königsberg  kam,  das  Geschäft  Greens  in  die  Höhe  brachte, 
Associe  wurde  und  es  endlich  selbst  übernahm.  Aus  seiner  Ehe 
mit  der  Französin  Charlotte  Toussaint  entstammten  elf  Kinder; 
alle  redeten  früh  mit  Geläufigkeit  englisch,  französisch  und 
deutsch,  und  jeder  der  Söhne  mußte  eine  Zeit  in  England  zu- 
bringen. Der  eine  derselben,  William  Motherby,  geboren 
9.  Decbr.  1776  zu  Königsberg,  studirte  daselbst  Medicin,  pro- 
movirte  in  Edinburg  1797  und  wurde  bald  ein  beliebter  Arzt 
in  seiner  Vaterstadt.  Wie  Dr.  George  M.  die  Impfung  über- 
haupt, so  führte  er  die  Kuhpockenimpfung  in  Königsberg  ein 
(die  Lymphe  dazu  hatte  er  aus  Edinburg  mitgebracht)  und  gab 
im  Jahre  1801  zu  deren  Vertheidigung  zwei  in  Königsberg  bei 
Degen  gedruckte  Schriftchen  heraus:  „Ueber  Kuhpockenimpfung" 
(8°,  16  pg.)  und  „Ehrenrettung  der  angeschuldigten  Kuh- 
pocken" etc.  (8°,  15  pg.).  Bei  Einführung  der  neuen  Städte- 
ordnung wurde  er  Stadtverordneter,  bewirthschaftete  seit  1832 
das  Gut  Arnsberg  bei  Creuzburg  und  starb  16.  Januar  1847 
(Gedächtnißrede  auf  ihn  von  A.  Hagen,  N.  Pr.  Prov.  Bl.  1.  c. 
pg.  131 — 144).  Von  seinen  litterarischen  Arbeiten  sind  noch 
erwähnenswerth  eine  Uebersetzung  aus  dem  Englischen:  „Ueber 
die  Vertiefung  des  Ackerbodens  von  Cuthbert  William  John- 
son Esqu.",  Kgsbg.  1841  (gr.  8°,  72  pg.)  und  „Ueber  den  Genuß 
des  Pferdefleisches",  Kgsbg.  1841  (gr.  8°,  22  pg.).  —  Auch  sein 
Bruder  Robert  M.,  erst  Kaufmann,  dann  Sprachlehrer,  gest. 
1832,  war  litterarisch  thätig.  Aus  dem  Englischen  übersetzte 
er  „Die  lustigen  Weiber  von  Windsor"  (Kgsbg.  1826;  8°,  184  pg.), 
aus  dem  Italienischen  „Geschichte  der  Liebe  und  des  Todes  von 
Romeo  und  Julie"  (Kgsbg.  1828;  8°,  71  pg.).  Ferner  gab  er 
heraus  „Poket-Dictionary  of  the  Scottish  Idiom  the  signification 
of  the  words  in  english   and   german  chiefly  calculated  to  pro- 


240  Die  Schotten  und  Engländer  in  Ostpreußen  etc. 

mote  the  unterstand  of  the  works  of  Scott,  Rob.  Büros,  Allan 
Ramsay  etc.  with  an  appendix  containing  notes  explicative 
of  Scottish  customs,  manners,  traditions  etc.  (Kgsbg.,  Gebr. 
Bornträger,  Gr.  12°.  Zwei  Auflagen).  Ein  zweiter  Bruder, 
Joseph  M.,  war  Schiffsabrechner;  bei  ihm  standen  die 
2000  Fl.  der  Großbritannischen  Armenkasse.  Er  wurde  1819 
fallit  und  erschoß  sich  am  2B.  Februar  1820  (Acten).  Der  jüngste 
Bruder  John,  geb.  16.  Sept.  1784,  wurde  Regierangsrath  in 
Königsberg  und  starb  als  Laridwehrofficier  beim  Sturm  auf  Leipzig, 
19.  Octbr.  1813.  —  Was  endlich  den  gewerblichen  Stand 
betrifft,  so  ist  der  englische  Lohgerber  Benjamin  Dell 
erwähnenswerth ,  welcher  in  Verbindung  mit  einem  andern, 
Namens  Jean  Jarvis,  1716  eine  Fabrik  englischen  Leders  in 
Königsberg  begründete,  welche  nach  dem  1726  erfolgten  Ver- 
kaufe an  die  vier  Schuhmachergewerke  von  den  Engländern 
John  Sager  (ging  1729  nach  England  zurück),  Gabriel 
Reith  und  Peter  Breyerley  (1737  bis  1742)  geleitet  wurde 
(Bock,  Versuch  e.  wirthschaftl.  Naturgesch.,  V  pg.  412 — 426). 

Blieben  nun  auch  die  nach  Ostpreußen,  insbesondere  Königs- 
berg gekommenen  Schotten  und  Engländer  ihrer  Nationalität 
treu  und  in  stetem  Verkehr  mit  der  alten  Heimath  (zahlreiche 
Originalbriefe  solcher  Auswanderer  des  XVII.  Jahrh.  aus  Memel, 
Tilsit,  Insterburg,  Königsberg  an  die  schottischen  Behörden  sind 
in  der  großen  Landesbibliothek  zu  Edinburg  gesammelt;  cfr. 
Aufruf  des  Dr.  Rieß  in  der  ,,Königsb.  Härtung.  Ztg."  1884, 
Nr.  234,  Abend- Ausgabe),  so  germanisirten  sich  ihre  Nachkommen, 
wenn  sie  auch  ihrer  Abstammung  eingedenk  blieben,  doch  schnell, 
da  in  der  reformirten  Schule,  auf  deren  Besuch  sie  angewiesen 
waren,  die  Unterrichtssprache  die  deutsche  war.  Hiergegen 
scheinen  die  Schotten  und  Engländer  nichts  einzuwenden  gehabt 
zu  haben;  dagegen  erhoben  sie  bei  anderer  Gelegenheit  Be- 
schwerde über  die  Schule.  Im  November  1699  nämlich  klagten  sie, 
zum  Theil  wol  auf  Anregung  ihrer  Landsleute  und  Glaubens- 
genossen im  polnischen  Litauen  (über  welche  ich  in  einem 
späteren  Artikel  ausführlichere  Nachrichten  bringen  werde),  die 


Von  Johannes  Sembrzycki.  241 

Schule,  welche  früher^einen  solchen  Ruf  besessen  habe,  daß  sie 
sogar  von  Kindern  aus  Polen  und  Litauen  besucht  worden  sei, 
scheine  desselben  jetzt  verlustig  gegangen  zu  sein,  da  in  ihr 
keine  auswärtigen  Kinder  mehr  anzutreffen  seien,  ja  sogar 
Hiesige  ihre  Kinder  aus  derselben  nähmen  und  nach  anderen 
Orten  gäben;  es  möge  daher  außer  andern  geschickten  Lehrern 
besonders  ein  tüchtiger,  in  der  polnischen  Sprache  wohl  er- 
fahrener Rector  angestellt  werden,  dessen  Stelle  gerade  vacant 
sei.  —  Hiernach  muß  der  bereits  seit  1662  an  dieser  Schule  an- 
gestellte und  seit  1668  als  Rector  amtirende  Frensdorf  1699 
gestorben  sein;  Hering  (Neue  Beitr.  I,  pag.  301,  303)  theilt  dar- 
über nichts  mit. 

Wenn  übrigens,  wie  oben  gesagt,  in  der  reformirten  Schule 
die  Unterrichtssprache  naturgemäß  die  deutsche  war,  so  fehlte 
es  doch  denen,  welche  englisch  lernen  wollten,  nicht  an  Gelegen- 
heit dazu.  Der  Professor  Carl  Heinrich  Rappolt  gab  1731 
zu  Königsberg  ein  Büchlein  unter  dem  Titel  „Joannis  Wallis 
tractatus  de  loquela  seu  sonorum  formatione  gramatico-physicus 
et  gramatica  linguae  Anglicanae  per  compendium  edita,  annexis 
dictionis  Anglicanae  exemplis  selectis"  heraus,  in  dessen  Vorrede 
er  die  Methode  angiebt  „nach  der  er,  mit  Zuziehung  dieses  Büch- 
leins den  Unterricht  in  der  engelländischen  Sprache  ertheilen  wolle: 

welches  er  auch  nachher  bis  an  seinen  Tod  gethan Die  Wallissche 

Grammatik  selbst  ist  nachher  in  Königsberg  einige  mal  nach 
einander  aus  der  Presse  getreten"  (Pisanski,  1.  c,  pg.  647). 

Unter  den  wenigen  reformirten  Studenten  der  Königsberger 
Universität  (1744  waren  es  von  1032  Studenten  nur  21;  Pisanski, 
1.  c,  pg.  472,  Anm.  2)  befanden  sich  auch  öfters  Söhne  von 
Angehörigen  der  Großbritannischen  Nation.  Samuel  Kiuck,  zu 
Königsberg  1698  geboren,  erwarb  hier  1723  den  mediciniscben 
Doctorgrad,  starb  aber  schon  1726  (D.  Dan.  Heinr.  Arnoidts 
Zusätze  zu  seiner  Historie  der  Kgsbg.  Univ.,  Kgsbg.  1756; 
pg.  154).  Wer  von  ihnen  sich  dem  geistlichen  Stande  widmen 
wollte,  ging  von  Königsberg  noch  nach  auswärtigen  reformirten 
Universitäten.       Johann    Wilhelm    Thomson,     geboren     zu 


242  Die  Schotten  und  Engländer  in  Ostpreußen  etc. 

Königsberg  1704  als  Sohn  des  damaligen  Bectors  der  reformirten 
Schule  und  späteren  Hofpredigers  Jakob  Thomson,  wurde 
1732  Hofprediger  in  Königsberg  und  starb  21.  Decbr.  1761; 
seine  Unterschrift  in  den  Acten  lautet  übrigens  „Thom  Son". 
David  Herwie,  geb.  1707  zu  Königsberg,  war  erst  reformirter 
Prediger  zu  Wilhelmsberg,  dann  1738—1775  zu  Pillau.  D.  Wil- 
helm Crichton,  1732  zu  Königsberg  als  Bruderssohn  des  da- 
maligen aus  Insterburg  gebürtigen  Hofpredigers  Wilhelm 
Crichton  geboren,  studirte  zu  Königsberg  und  Frankfurt,  wurde 
später  Hofprediger  zu  Königsberg  und  starb  1805. 

Von  den  in  Ostpreußen  eingewanderten  Engländern  waren 
übrigens  einzelne  nicht  reformirt,  sondern  Anhänger  der  Hoch- 
kirche und  schlössen  sich  hier  der  lutherischen  Kirche  an,  und 
dasselbe  geschah  auch  seitens  einzelner  schottischer  Familien, 
besonders  in  den  kleinen  Städten,  wo  jede  Gelegenheit,  refor- 
mirtem  Gottesdienste  beizuwohnen,  fehlte. 

So  war  z.  B.  Georg  Anderson,  ein  Sohn  des  zu  Anfange 
dieser  Arbeit  in  Angerburg  genannten  Wilhelm  A.,  lutherischer 
Pfarrer  zu  Eosengarten  bei  Angerburg.  M.  Andreas  Murray 
aus  Memel,  der  auch  auf  der  Königsberger  Universität  einige 
Zeit  studirte,  war  in  der  ersten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts 
erster  Pastor  der  deutschen  Gemeinde  zu  Stockholm  (Arnoidts 
Historie  der  Kgsbg.  Univ.,  Kgsbg.  1746,  II,  pg.  445 — 446). 
David  Sterling,  geb.  21.  Jan.  1712  zu  Osterode  in  Ost- 
preußen als  Sohn  eines  Schotten,  wurde  1740  zu  Königsberg 
als  lutherischer  Geistlicher  ordinirt,  war  zuerst  kurze  Zeit  Ad- 
junct  in  Kruglanken  und  Diakonus  in  Hohenstein  (Ostpr.),  so- 
dann Diaconus  bei  der  ehemaligen  protestantisch-polnischen 
Kirche  auf  dem  Steindamm  zu  Königsberg,  als  welcher  er  1752 
starb  (Dr.  R.  Reicke,  „Kantiana",  S.-A.,  1860;  pg.  59,  und  Ar- 
nolds Presbyterologie). 

Vor  Allem  aber  ist  hier  Kant  zu  erwähnen,  dessen 
schottische  Abkunft  durch  seine  eigene  Aussage  beglaubigt  wird. 
In  dem  Entwurf  zur  Antwort  auf  des  schwedischen  Bischofs 
Jacob  Lindblom   (der  Kant's  Vater    schwedischer  Abkunft  sein 


Von  Johannes  Sembrzycki.  243 

läßt)    Brief   heißt  es:    „Daß  mein  Großvater,    der  als  Bürger  in 
der   Preußisch -Littauischen    Stadt  Tilsit    lebte,    aus    Schottland 
abgestammt  sei  —  ist  mir  gar  wohl  bekannt"  (Schubert,  XI,   1, 
pg.  174).      Ebenso   schreibt  Borowski    (üb.  Imm.  Kant,    Kgsbg. 
1804,   pg.  21):  ,, Dieser  {KanVs  Vater) ,    wie   sich  Kant  von  ihm 
gehört  zu  haben,  oft  erinnerte,  stammte  von  Vorfahren  her,  die 
in  Schottland  gelebt  hatten.      Er  schrieb    sich  Cant:    der  Sohn 
brauchte    das    K    schon    frühe    in    seinem    Namen".      Für    die 
Eichtigkeit  dieser  Angaben  spricht  die  Thatsache,  daß  der  Name 
Cant  im  XVII.  Jahrhundert  in  Schottland    öfters    vorkam  und 
noch   heute    dort    vorkommt.       Daß    „von    den   drei   Predigern, 
welche  am  20.  Juli  1638  sich  in  der  Begleitung  Montrose's  bei 
dessen  Einzug  in  Aberdeen  befanden,   einer  Cant  hieß",    führt 
Max  Büdinger  (,,Zeit  und  Schicksal  bei  Römern  und  Westariern", 
Wien  1887;    pg.  3 — 4,    Anm.  2)    nach    „Rawson  Gardiner,   Fall 
of  the  monarchy  of  Charles  I;  t.  I,  pg.  389,  161<l  an;  ein  Brief 
eines  W.  Cant,    datirt   ,,Lambeth,    Nov.  15.  1639",    findet  sich 
abgedruckt  in  „Macray,  William  Dünn,  Annais  of  the  Bodleian 
Library"  (1868;  Appendix  D,  pg.  322);  ein  Andrew  Cant  junior 
war  1673—1675    „minister    of  Trinity  College  Church,    Edinb." 
(H.    Scott's    Fasti    Ecci.   Scotianae,    S.  32).     „Daß    noch   gegen- 
wärtig   in   der  Umgegend  von  Aberdeen  nicht  wenige  Familien 
den    Namen    Cant    führen",    erzählt    Friedrich    Zöllner    (Ueber 
Wirkungen    in   die    Ferne  288,    Wissenschaftl.  Abhandlungen  I, 
1878),  wie  Büdinger  (1.  c.)  angiebt.  —  Kant's  Großvater  bereits 
hatte  sich  in  Memel,   obwohl  dort  eine  reformirte  Gemeinde  be- 
stand, den  Lutheranern  angeschlossen,  wie  die  Eintragungen  in 
den  Kirchenbüchern  der  luther.  Stadtkirche  seit  1678  beweisen, 
—  so  daß  er  oder  sein  Vater,  wol  kaum  zu  den  Presbyterianern 
oder  Nonconformisten  gehört  haben  wird.    —    Die  vorstehenden 
Mittheilungen    über    Kant     verdanke    ich     Herrn    Bibliothekar 
Dr.  R.  Reicke. 

Ob  M.  Matthias  Friedrich  Watson  aus  Königsberg, 
welcher  daselbst  1766  bis  1759  Professor  der  Poesie  an  der 
Universität  war  und  dann  Schulrector  zu  Mitau  wurde  (Pisanski, 


244 


Die  Schotten  und  Engländer  in  Ostpreußen  etc. 


1.  c.  6B1,  708),  lutherisch  oder  reformirt  war,  kann  ich  nicht  ent- 
scheiden, halte  aber  das  letztere  für  wahrscheinlicher,  da  in 
Mitau  auch  eine  reformirte  Gemeinde  besteht,  die  1701  fondirt 
wurde,  deren  Anfinge  aber  bis  1642  zurückreichen,  wo  Herzog 
Jacob,  mit  der  Schwester  des  großen  Kurfürsten  vermählt,  dieser 
das  Recht  zugestand,  einen  reformirten  Hofprediger  halten  zu 
können,  sowie  daß  an  ihren  Gottesdiensten  auch  sonst  in  Stadt 
und  Land  vorhandene  Reformirte  Theil  nehmen  dürften  (Dalton, 
Urkundenbuch  der  evang.-reform.  Kirche  in  Rußland,  Gotha  1889; 
pg.  116).  Vielleicht  war  er  ein  Sohn  oder  Verwandter  des 
1708  vorkommenden  Watson  (siehe  unten). 

Schließlich  will  ich  noch  nach  F.  A.  Meckelburg,  „Ent- 
wurf einer  Matrikel  des  Adels  in  der  Prov.  Preußen",  in  den 
N.  Pr.  Prov.  BL,  der  v.  Young,  eines  adligen  Geschlechts  eng- 
lischen Ursprungs,  auf  Bartossen  und  Rogalicken  (beide  im 
Kreise  Lyck)  Erwähnung  thun  (N.  Pr.  Prov.  BL  1867.  XI, 
pg.  35).  Erinnert  sei  hierbei  an  den  reformirten  Prediger 
Wojciech  de  Young,  Pole,  1717  zu  Schwartow,  Kreis  Lauen- 
burg in  Pommern. 

Ein  Verzeichniß  der  aus  den  Acten  mir  bekannt  gewordenen 
reformirten  Mitglieder  der  Brüderschaft  Großbritannischer  Nation 
in  den  Jahren  1700 — 1740  lasse  ich  hier  folgen  (die  oben  schon 
genannten  ausgenommen) : 


Ackerslot,  Peter  1708. 

Allan,  George  1701. 

Anderson,  Fried.  1735. 

Barclay,  Wilhelm  1716. 

Barnett,  Joh. 

Berendts,  Jacob. 

Birell,  Lorenz  1701. 

Coup  er,  Gilbert. 

Craramond,  David. 

Craw,  Francis. 

Crayge,  Gilbert. 

Daniel,  Nath. 

Dogge. 

Douglas,  Joh.  1714;  Daniel  1716. 

Dunckam,  Wilh.  1736,  1738. 


Ferwahter,  Carl. 

Forbus. 

Geren,  Alex.  (Green?)  1701,  1736. 

G  or  d  o  n ,  George  1701 ;  Wilhelm  1701 ; 

Peter  1707. 
Gray,    Wilh.    1701;    George    1701; 

Alex.  1716. 
Hunt  er,  Heinrich. 
Innes,  Peter. 

Irwing,  Joh.  Albrecht  1701. 
Earkettel,  Alex.  1714. 
Karr,  Joh.  1726,  1735. 
Kas.uh  (?),  David  1736. 
Keliy,  Joh.  1716. 
Kieyth,  Joh.  1716. 


Von  Johannes  Sembrzycki. 


245 


Kiuck,  Jacob  u.  2  Söhne  1716. 

Lamp. 

Lessly,  George  1701. 

Leyel,  Joh. 

Liwingston,  Robert  1701. 

Loesekan. 

Maclair,  Robert. 

Hill,    Johann    1701;    David    1701; 

Andreas  1707. 
Mitschell,  Daniel  1701. 
Mitschelhill,  Jacob  1701. 
Oufries. 

Ouchterlounc,  Hercules. 
P  an  ton,  Heinrich. 
Payne,  Daniel  1737. 
Pekock,  Martin. 
Persode,  Ludwig  1701. 


Ramadye,  Thomas  1701. 
Renny,  Jacob. 
Rodet. 

Ross,  Joh.  1738. 
Sarry  (Sarcy?),  Philipp. 
Schluymer,  Peter. 
Spidman,  Peter. 
Stronoch,  Rob.  1701. 
Stuart,  Thomas.  1716. 
Thau,  Joh. 
Tewendeil,  Wilh. 
Trotter,  Joh. 
Turner,  Carl  1735. 
Watson  1708. 
Watt,  Wilh.  1708. 
Walt,  Alex. 


Nachdem  die  Brüderschaft  mit  ihren  Einrichtungen  lange 
Zeit  bestanden,  verfiel  sie  gegen  Ende  des  vorigen  und  zu  An- 
fange des  laufenden  Jahrhunderts  in  Folge  der  veränderten 
Zeitverhältnisse  und  der  Kriege  mit  ihren  Folgen.  Im  Jahre 
1819  benutzten  wirkliche  britische  Unterthanen  die  Bänke  der 
Kirche  gar  nicht  mehr,  ja  unter  den  damaligen  Sitzinhabern 
führte  nur  der  „Negotiantu  Durham  einen  englischen  Namen, 
und  als  letzter  Rest  der  Brüderschaft  bestand  nur  noch  die 
Armen-Kasse  unter  der  Verwaltung  des  alten  Bankbuchhalters 
Edward  Collins  (schon  sein  Vater  hatte  1766  und  noch  länger 
dies  Amt  bekleidet),  welcher  aus  derselben  sechs  meist  auch 
schon  sehr  alten  Personen  groß -britannischer  Abkunft  (De- 
moiselle  Collins,  Demoiselle  Crichton,  Jungfer  Watson, 
Wwe.  Gessner,  Wwe.  Boltz,  geb.  Morrison,  und  Wwe.  des 
1806  zu  Pillau  verstorbenen  reform.  Predigers  Schröder,  geb. 
Her  wie)  monatliche  Unterstützungen  im  jährl.  Gesammt-Betrage 
von  288  Fl.  zahlte.  Das  reformirte  Kirchen- Collegium  traf  daher 
mit  ihm  ein  gütliches  Abkommen,  wonach  Bänke  und  Kasse 
mit  1.  Januar  1820  in  die  Verwaltung  desselben  übergingen  und 
nur  Collins  die  Benutzung  seines  Kirchensitzes  in  der  englischen 
Bank  und  die  6  von  ihm  unterstützten  Personen  ihre  Beihülfen 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX.  Hit  8  n.  4.  16 


246  Die  Schotten  und  Engländer  in  Ostpreußen  etc. 

ad  dies  vitae  behielten.  Schon  vorher  war  1819  das  britische 
Wappen  von  der  engl.  Bank  entfernt  und  in  die  Sacristei  ge- 
stellt worden.  So  verschwanden  die  letzten  Spuren  der  einst 
zahlreichen  „Brüderschaft  Großbritannischer  Nation". 

Anhangsweise  möchte  ich  noch  folgender  zwei  fdr  die  Pro- 
vinz wichtiger  Männer  Erwähnung  thun: 

John  Prince-Smith,  1808  zu  London  geboren,  kam  wenig 
über  20  Jahre  alt  als  englischer  Sprachlehrer  nach  Elbing,  wo 
er  auch  nach  Aufgabe  der  Stelle  nach  10  oder  12  Jahren  blieb, 
indem  er  sich  mit  nationalökonomischen  Studien  beschäftigte 
und  für  den  „Elbinger  Anzeiger"  eine  Reihe  von  Artikeln  über 
die  Quellen  des  „Pauperism"  schrieb;  später  ging  er  nach  Berlin, 
wo  er  1848  mit  an  der  Spitze  der  radicalen  „Abendpost"  stand. 
Nachher  widmete  er  sich  ganz  volkswirtschaftlichen  Studien 
und  starb  zu  Berlin  am  3.  Febr.  1874.  („Altpr.  Mschrfb.",  XI, 
1874,  pg.  192.) 

Alexander  Jung,  geboren  zu  Bastenburg  am  28.  März  1799, 
sagt  in  seiner  Selbstbiographie  (N.  Pr.  Prov.  Bl.  1857.  XII, 
pg.  94),  daß  sein  Vater  zwar  ein  Magdeburger  war,  seine  Vor- 
fahren väterlicher  Seite  jedoch  aus  England  stammten. 

Ebenso  muß  die  „Pott-Cowle'sche  Stiftung"  zu  Elbing 
erwähnt  werden,  über  welche  die  „Königsbg.  Hartungsche  Zeitung" 
von  1892  in  Nr.  11  das  Folgende  mittheilt:  „Das  Vermögen  der 
Stiftung  beträgt  nach  dem  heutigen  Rechnungsabschluß  733566  Mk. 
Die  Kapitalien  sind  sämmtlich  pupillarisch  sicher  untergebracht 
und  haften  dafür  14  städtische  Grundstücke  und  27  Landgüter. 
Die  betheiligten  Anstalten  haben  den  vollen  Betrag  der  ihnen 
gebührenden  Zinsen  vom  Stammkapital  nach  den  Testaments- 
bestimmungen erhalten  und  wurden  die  Unterstützungen  an 
Hausarme  heute  in  gewohnter  Weise  verabreicht.  Der  Begründer 
dieser  Stiftung,  Eichard  Oowle,  war  ein  früherer  Kaufmann, 
welcher  in  seiner  kaufmännischen  Thätigkeit  in  Libau,  Memel 
und  London  sehr  vom  Glück  begünstigt  wurde.  Mit  seinem 
Schwager  Pott  zog  er  nach  Aufgabe  seiner  geschäftlichen  Thätig- 
keit nach  Danzig,    doch   verließen   sie    diese  Stadt,  als  dieselbe 


Von  Jobannes  Sembrzycki.  247 

1807  durch  französische  Trappen  in  Besitz  genommen  wurde. 
Jetzt  sollte  Königsberg  (Ostpr.)  zum  Aufenthalte  gewählt  werden 
nnd  reiste  Pott  im  Winter  1808/9  dorthin;  jedoch  konnte  er 
sich  mit  dem  Magistrate  von  Königsberg  nicht  über  die  zu 
leistenden  Abgaben  einigen,  und  es  wurde  deshalb  Elbing  zum 
Wohnsitze  gewählt.  Das  Testament  wurde  am  10.  Januar  1821 
geöffnet.  Die  Summe  sämmtlicher  Vermächtnisse  betrug  17000Pfd. 
Sterl.  und  399850  Etl.  preuß.  Courant.  Die  Pott-Cowlesche 
Stiftung  in  Elbing  wurde  mit  200000  Etl.  begründet.  Laut 
Bestimmung  des  Begründers  finden  die  Zinsen  folgende  Ver- 
wendung: 1.  die  Zinsen  von  50000  Etl.  sollen  jährlich  ftir  das 
Industriehaus  bestimmt  bleiben.  2.  Für  das  Krankenhaus  die 
Zinsen  von  50000  EU.  3.  Die  Zinsen  von  20000  Etl.  wurden 
an  das  Elisabeth-Hospital  überwiesen  und  erhalten  darin  10  alte 
weibliche  Dienstboten,  welche  wenigstens  10  Jahre  bei  ihrer 
letzten  Herrschaft  treu  und  ordentlich  gedient  haben,  unentgelt- 
liche Aufnahme.  4.  Die  Zinsen  von  10000  Etl.  erhält  das  heil. 
Leichnamshospital,  von  5000  Etl.  das  George -Hospital,  von 
weiteren  je  5000  Etl.  das  Pestbuden-,  Konvent-,  Pauperknaben- 
und  Kinderhausstift  und  eine  neu  zu  errichtende  Schule  für 
arme  Mädchen.  5.  Die  Zinsen  von  10000  Etl.  sollen  am  12.  Januar 
eines  jeden  Jahres  (Geburtstag  Pott's)  in  aller  Stille  an  Haus- 
anne vertheilt  werden.  6.  Die  Zinsen  von  den  übrigen  30000  Etl. 
sollen  zum  Besten  des  Gymnasiums  verwendet  werden." 


16* 


Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preussem 

Von 

C.    Beckherr n. 

(Mit  15  Tafein.) 


Vorbemerkung.  Zu  dieser  Arbeit  sind  betratst  worden :  Vossberg's  Geschichte 
der  preussinchen  Münzen  und  Siegel,  desselben  Siegel  der  Städte  Danzig,  Eibin g  xl  s.  w., 
v.  Werner's  Poleographie,  Hensohe's  Wappen  und  Siegel  Königsbergs,  Weinreieh's 
Dansiger  Chronik,  Wegner,  ein  pommersohes  Hersogtham  etc.,  Dlugoss's  BanderU 
Prutenorum  und  die  von  den  Magistraten  mehrerer  Städte  dem  Verfasser  eingesandten 
Siegelabdrücke.  Die  Wappen  der  übrigen  Städte,  soweit  sie  nicht  in  den  genannten 
Werken  enthalten,  sind  sowohl  den  Abbildungen  als  auoh  den  Beschreibungen  nach 
ans  8iebmacher's  Wappenbuoh,  Abtheilung  Städtewappen,  entnommen  und  ist  dabei 
zugleich  auf  einige  Irrthümer  hingewiesen  worden,  deren  Vorkommen  in  einem  po  um* 
fangreichen  Werke  kaum  su  vermeiden  war.  Vergleiche  mit  den  alten  Siegeln  der 
Urkunden  konnten  nur  in  einseinen  Fällen  vorgenommen  werden. 


Unter  Alt -Preußen  werden  hier  verstanden  die  jetzigen 
Provinzen  Ost-  und  Westpreußen  unter  Ausschließung  der  Städte 
Kamin,  Flatow,  Zempelburg,  Vandsburg,  Jastrow,  Krojanke, 
Märkisch  Friedland,  Deutsch  Krone,  Schloppe,  Tütz  und  Gurzno; 
dagegen  sind  hinzuzuzählen  die  jetzt  zu  Pommern  gehörenden 
Städte  Leba,  Lauenburg  und  Bütow.  Das  so  begrenzte  Gebiet 
ist  das  des  alten  Ordensstaates,  dessen  Städte  in  der  überwiegend 
größten  Anzahl  ihre  Entstehung  dem  Deutschen  Orden  ver- 
danken. Ein  nicht  unbeträchtlicher  Theil  ist  von  den  unter 
dem  Schutze  des  Ordens  stehenden  preußischen  Bischöfen  ge- 
gründet worden,  ein  kleiner  Theil  von  den  preußischen  Herzögen 
und  ein  ziemlich  gleicher  von  den  Königen.  Es  bleibt  dann 
noch  eine  kleine  Anzahl  von  Städten,  deren  Gründung  den 
pommerellischen  Herzögen,  dem  Adel,  den  Johannitern  und  den 
Königen  von  Polen  zuzuschreiben  ist. 

Diese  Verschiedenheit  des  Ursprunges  prägt  sich  auch  in 
den  "Wappen  der  Städte  aus,  natürlich  nur  in  denjenigen  Gruppen, 


Von  C.  Beckherrn.  249 

welche  eine  größere  Anzahl  aufzuweisen  haben.  Die  kenn- 
zeichnenden Merkmale  dieser  Gruppen  bestehen  bei  denen  der 
eigentlichen  Ordensstädte  in  dem  häufig  vorkommenden  Kreuze, 
bald  freistehend,  bald  in  den  Ordenswappenschild  eingefügt,  und 
in  der  Figur  der  Jungfrau  Maria  oder  derjenigen  eines  Heiligen, 
bei  denen  der  bischöflichen  in  der  Mitra  und  dem  Krummstabe. 
Den  Wappen  der  von  den  preußischen  Herzögen  gegründeten 
Städte  ist  oft  der  hohenzollernsche  Wappenschild  oder  der 
brandenburgische  Adler  eingefügt,  auch  fällt  bei  einigen  die  auf 
den  oberen  Schildesrand  gesetzte  Figur  auf.  Einige  derjenigen 
Städte,  welche  ihr  Stadtrecht  von  den  preußischen  Königen  er- 
halten haben,  führen  in  ihren  Wappen  neben  andern  Figuren 
auch  den  nichtstilisirten  (eigentlich  nicht  heraldischen)  preußischen 
Adler,  ein  Theil  von  ihnen  besitzt  aber  noch  kein  Wappen, 
denn  der  stilisirte  preußische  Adler,  welchen  sie  allein  in  ihren 
Siegeln  führen,  kann  als  solches  nicht  gelten. 

Ein  auffallender  Umstand,  welcher  die  Wapper  des  größten 
Theiles  der  preußischen  zum  Hansabunde  gehörenden  Städte 
betrifft,  mag  hier  noch  angeführt  werden,  nämlich  das  Vor- 
kommen eines  weißen  Kreuzes  in  den  Wappenschilden  oder 
Bannern  Königsbergs,  Elbings,  Danzigs  und  Braunsbergs.  Da 
dieses  Kreuz  das  Ordenskreuz  nicht  sein  kann,  welches  schwarz 
ist,  liegt  die  Vermuthung  nahe,  daß  dieses  Zeichen  zur  Hansa 
in  Beziehung  stehe;  vielleicht  hat  es  dieser  Bund  oder  das  Haupt 
desselben,  Lübeck,  ehemals  in  der  Flagge  geführt.  Das  weiße 
Kreuz  haben  auch  Yegesack,  entstanden  im  Gebiete  der  Hansa- 
stadt Bremen,  und  Zwolle,  ebenfalls  zur  Hansa  gehörig. 

Keine  der  vielen  Hunderte  älterer  Urkunden,  namentlich 
die  Gründungshan  diäten  der  alten  Städte,  in  denen  man  sie 
am  ersten  zu  finden  erwarten  sollte,  enthält  auch  nur  eine  An- 
deutung über  die  Verleihung  eines  Wappens  an  eine  Stadt 
seitens  der  Landesherrschaft;  erst  in  den  von  den  preußischen 
Herzögen  ertheilten  Privilegien  befinden  sich  zuweilen  Wappen- 
verleihungen an  die  von  ihnen  gegründeten  Städte.  Man  darf 
daher  annehmen,  daß  die  älteren  Städte,  als  es  bei  ihnen  Gebrauch 


260  Di*  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

wurde,  wirkliche  Wappen  zu  führen,  in  diese  die  von  ihnen 
selbst  nach  eigenem  Belieben  gewählten  und  als  bleibende, 
charakteristische  Kennzeichen  dienenden  Figuren  ihrer  Siegel 
aufgenommen  haben.  Diese  Siegel  enthielten  bald«  ein  stilisirtes 
Bild  einer  Stadt  in  Gestalt  eines  Thores  oder  einer  Burg,  bald 
eine  Anspielung  auf  den  Namen  -  der  Stadt,  deren  Lage,  die 
Beschaffenheit  des  Geländes,  in  dem  der  Ort  entstand,  oder  die 
Hauptbeschäftigung  ihrer  Bürger,  bald  ein  nicht  mehr  zu  deuten- 
des Symbol,  welches  wohl  meistens  zu  irgend  einem  Ereigniß 
aus  ihrer  geschichtlichen  Entwickelung  in  Beziehung  stehen 
dürfte.  Auch  die  Bildnisse  der  Gründer  der  Städte  oder  Theile 
von  deren  Familienwappen  waren  zuweilen  in  die  Siegel  auf- 
genommen. Von  einigen  Städten  findet  man  auch  schon  aus 
früher  Zeit  stammende  Siegel,  in  denen  die  Figuren  nicht  mehr 
frei  in  dem  runden  Siegelfelde  stehen,  sondern  in  einen  be- 
sonderen Schild  eingefügt  sind,  woraus  ersichtlich  ist,  dati  sie 
schon  als  wirkliche  Wappen  gelten  sollten. 

Aus  der  angegebenen  Entstehungsweise  der  Städtewappen 
läßt  es  sich  erklären,  weshalb  ihnen,  mit  Ausnahme  einiger 
neuerer,  ein  wesentlicher  Theil  eines  vollständigen  Wappens, 
nämlich  der  Helm  nebst  Decke  und  Kleinod  fehlt  und  bei  sehr 
vielen  die  jedem  Wappen  nothwendigen  Farben  des  Schildes 
und  der  Figuren  nicht  festgestellt  sind.  In  den  Siegeln  hatten, 
weil  hier  Farben  oder  die  damals  noch  nicht  gebräuchliche 
Sohraffirung  nicht  angewendet  werden  konnten,  Heroldsbilder1) 
nicht  leicht  zur  Darstellung  kommen  können,  daher  finden  wir 
diese  auch  nur  selten,  und  zwar  in  ihren  einfachsten  Formen, 
in  den  Wappen  der  Städte,  wenigstens  der  preußischen;  hier 
zeigen  sich  fast  nur  die  sogenannten  gemeinen  Figuren8),  welche 


1)  Ein  Heroldsbild  wird  durch  die  Theilnng  des  Schildes  in  mehrere 
Farben,  welche  durch  regelmäßige  Linien  begrenzt  sind,  hervorgebracht. 
Die  Theilungslinien,  gerade  oder  krumme,  reichen  an  die  Schildränder  und 
bewirken  eine  Theilung  des  ganzen  Feldes. 

2)  Unter  gemeinen  Figuren  versteht  man  diejenigen,  welche  einen 
Gegenstand  der  Natur  oder  ein  Erzeugniß  der  menschlichen  Hand  darstellen, 


Von  0.  Beckherrn.  261 

die  Wappen  nicht  selten  zu  redenden  machen,  manchmal  freilich 
mit  Unrecht. 

Die  Wappen  der  meisten  alten  Städte  haben  sich  im  Laufe 
der  Zeit  verändert.  Diese  Veränderung  besteht  nicht  nur  darin, 
daß  die  Figuren  eine  andere  Stellung  oder  in  einzelnen  Theilen 
eine  von  der  früheren  abweichende,  oft  unheraldisohe  Form  an- 
genommen haben,  vielmehr  ist  in  nicht  seltenen  Fällen  das 
Wappen  ein  durchaus  anderes  geworden.  Jene  minder  wichtigen 
Veränderungen  beruhen  zumeist  auf  der  Unkenntnis  und  Un- 
geschicklichkeit der  Stempelschneider  oder  Maler  oder  auf  einem 
dadurch  veranlagten  Mißverständnis,  die  gänzlichen  Umgestal- 
tungen aber  zuweilen  auf  dem  Umstände,  daß  die  Städte  in 
alter  Zeit  neben  ihrem  großen  Siegel  auch  noch  ein  kleines 
(Signet,  Secret)  führten,  dessen  Bild  ein  von  dem  des  großen 
meistens  ganz  abweichendes  war  und  hin  und  wieder  in  ein  in 
späterer  Zeit  angefertigtes  Wappen  aufgenommen  worden  ist. 
Auch  politische  oder  sonstige  Vorgänge  haben  zuweilen  Ver- 
anlassung zur  Abänderung  des  Wappens  gegeben,  in  vielen 
Fällen  aber  haben  Unverstand  und  pietätlose  Willkür  die  Ver- 
unstaltung der  Wappen  herbeigeführt. 

In  unserer  Zeit  macht  sich  immer  mehr  das  Bestreben 
geltend,  die  willkürlichen  Zuthaten  und  die  Stillosigkeit  sowohl 
der  Geschlechts-  als  auch  der  Amts-  und  Stadtwappen  zu  be- 
seitigen und  darin  die  einfachen,  heraldischen  Stilformen  des 
Mittelalters  in  künstlerischer  Auffassung  wieder  herzustellen. 
Eine  solche  Restitution  würde  zuvörderst  die  Wappenschilde  zu 
betreffen  haben,  denn  die  Wappen  wurden  ursprünglich  auf  den 
wirklichen  Kampfschilden  angebracht,  welche  sehr  einfache, 
dabei  aber  doch  gefällige  Formen  hatten,  wie  solche  bei  der 
bildlichen  Darstellung  der  Wappen  auf  den  beigegebenen  Tafeln 
zur  Anwendung   gekommen    sind.8)    Es    ist    daher  widersinnig, 


also  Menschen,   Thiere,   Pflanzen,  Bauwerke,  Waffen,  Geräthe  u.  s.  w.    Sie 
stehen  entweder  ganz  oder  wenigstens  auf  zwei  Seiten  frei  im  Felde. 

3)  Zu  diesen  Formen  kann   auch  noch   die   bei   den  Turnieren   ge- 


252  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

den  Wappenschilden,  wie  es  im  16.  Jahrhundert  üblich  wurde, 
oft  häßliche,  verschnörkelte  und  unzweckmäßige  Formen  zu  geben, 
welche  sie  zum  Gebrauche  im  Kampfe  ganz  untauglich  gemacht 
haben  würden.  Was  nun  die  gemeinen  Figuren  anbetrifft,  so 
werden  diese,  besonders  die  Thiere,  in  den  maßgebenden  alten 
Wappen  nicht  in  ihrer  natürlichen  Gestalt,  sondern  stilisirt  dar- 
gestellt und  meistens  in  einer  von  der  natürlichen  ganz  ab- 
weichenden oder  dieser  sich  nur  annähernden  Farbe,  z.  B.  der 
braune  Bär  schwarz,  die  rosenrothe  Rose  zinoberroth  u.  s.  w. 
Der  Boden,  auf  welchem  in  neueren  Wappen  die  Figuren  stehen, 
fehlt  sehr  oft  in  den  ältesten  oder  ist  durch  einen  sogenannten 
Dreiberg  ersetzt.  Einzelne  Bäume  sind  häufig  mit  der  Wurzel 
und  nur  wenige  Zweige  mit  sehr  großen  Blättern  und  Früchten 
zeigend  dargestellt.  Diejenigen  Wappen,  welche  Figuren  ent- 
halten, bei  deren  Darstellung  auf  die  Perspective  Werth  gelegt 
ist  —  man  findet  vollkommen  perspectivisch  gezeichnete  Städte 
und  Landschaften  — 7  sind  nicht  nach  echt  heraldischen  Grund- 
sätzen entworfen  und  gehören  der  neueren  Zeit  an. 

Es  wurde  schon  angeführt,  daß  für  viele  der  hier  be- 
schriebenen Wappen  die  Farben  noch  nicht  festgestellt  sind. 
In  den  in  neuerer  Zeit  —  etwa  seit  dem  16.  Jahrhundert  — 
entstandenen  wird  mit  wenigen  Ausnahmen  für  die  gemeinen 
Figuren  die  natürliche  Farbe  angenommen  werden  können,  für 
die  Figuren  einiger  der  älteren  Wappen  werden  hingegen  in 
Ermangelung  besserer  Anhaltspunkte  diejenigen  Farben  am 
angemessensten  zu  wählen  sein,  welche  in  den  Bannern  aus 
der  Tannenberger  Schlacht  vorkommen,  selbst  dann,  wenn  darin 
nicht  die  Wappen  der  betreffenden  Städte  selbst,  sondern  nur 
die  der  Komtureien  oder  der  Bisthümer,  denen  die  Städte  an- 
gehörten, enthalten  sind.  Die  Farbe  des  Feldes  läßt  sich  mit 
einiger  Sicherheit  auch  nach  den  Schnüren  oder  Bändern  be- 
stimmen, mittels  welcher  die  Siegel  an  den  Pergamenturkunden 


brauchte   Tarteche   gerechnet    werden,    welche   aber    gewöhnlich    nur   für 
Geschlechts wappen  verwendet  wird. 


Von  C.  Beckherrn.  253 

befestigt  sind,    denn   zu   diesem  Zwecke  wurden  oft  solche  ver- 
wendet, welche  die  Farben  des  Wappenfeldes  zeigten. 

Denjenigen  Städten,  welche  einmal  beabsichtigen  sollten, 
sich  auf  Grund  ihrer  alten  Siegel  ein  neues  richtiges  und  nach 
den  Regeln  der  Heraldik  entworfenes  Wappen  unter  Berück- 
sichtigung der  etwa  in  Folge  historischer  Ereignisse  statt- 
gefundenen  Veränderungen  anfertigen  zu  lassen,  um  ihre  Bath- 
häuser  etc.  mit  einem  solchen  von  den  Vorfahren  überkommenen 
geschichtlichen  Gedenkzeichen  zu  schmücken4),  würde  anzurathen 
sein,  sich  in  solcher  Angelegenheit  an  den  in  Berlin  bestehenden 
Verein  „Deutscher  Herold"  zu  wenden,  welcher  in  der  Läge 
ist  und  gewiß  bereit  sein  würde,  guten  Rath  zu  ertheilen.  Von 
dort  her  würde  besonders  hinsichtlich  der  Stilisirung  der  Wappen- 
figuren Gutes  zu  erwarten  sein,  denn  die  dieser  Arbeit  bei- 
gegebenen Abbildungen  lassen  wegen  geringer  Fertigkeit  des 
Verfassers  im  Zeichnen  noch  oft  den  echt  heraldischen  Charakter 
und  Schwung  vermissen. 


Alienburg,    im  Jahre    1384   als   Wildhaus   erwähnt,    erhält 

1400   eine  Handfeste   vom   HM.    Konrad   von  Jungingen.    Das 

ursprüngliche   Wappen    nach    dem    Siegel   von   1440   zeigt   ein 

Elen,    welches    über    einen    unebenen    Boden    (Moor,    Bruch?) 

schreitet  (Taf.  I),    wahrscheinlich    als  Anspielung   auf   die  Lage 

der  Stadt   in   der   Nähe   des   großen  Frischingwaldes,    woselbst 

sich  dieses  Wild  noch  bis  in  die  neuere  Zeit  hinein  aufhielt. 

In  jüngeren  Siegeln  hat  sich  das  Elen  aus  Mißverständniß  in  einen 
Hirschkopf  mit  Hals  verwandelt,  welcher  aus  einem  Rohrgebüsch  hervor- 
ragt   (Siebmacher  S.  125.) 

Allenstein.  Die  Burg  erbaut  1334.  Die  Stadt  gegründet 
um  1348  vom  Probst  des  ermländischen  Domkapitels  Hartmuth, 
daneben  1378   eine   Neustadt,   welche   nicht   selbständig  wurde, 


4)  Wie  Soldau  es  jetzt  zu  thun  beabsichtigt.  Mit  gutem  Beispiel  sind 
bereit«  früher  vorangegangen  Graudenz,  Neidenburg  und  Rhein,  die  zuerst 
genannte  Stadt  allerdings  in  wenig  befriedigender  Weise. 


254  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

vom  Probst  Heinrich.  Ein  kleines  Siegel  von  1358  zeigt  den 
heiligen  Jacobus,  den  Schutzpatron  der  Hauptkirche,  rechts 
schreitend,  mit  kurzem  Bocke  und  kleinem  Hute;  am  Gürtel 
hat  er  eine  Tasche,  in  der  Hechten  den  Wanderstab,  in  der 
Linken  eine  Kürbisflasohe  oder  auch  eine  Muschel.     (Taf.  I.) 

In  einem  großen  Siegel  aus  dem  16.  Jahrhundert  erblickt 
man  denselben  Heiligen  vorwärts  stehend  dargestellt.  Ueber 
dem  Rocke  trägt  er  noch  einen  kurzen  Mantel,  auf  dem  Haupte 
einen  großen  Hut,    am  Gürtel  Tasche   und  Trinkflasche    und  in 

der  Rechten  den  Wanderstab.     (Yoßberg  S.  48.) 

Jetzt  hat  man  den  grau  gekleideten  Heiligen  im  rothen  Felde  auf 
einen  grünen  Boden  zwischen  ein  goldenes  halbes  Kreuz  (Wegweiser?)  und 
eine  gezinnte  silberne  Mauer  oder  einen  Thurm  gestellt  und  ihm  einen 
langen  Pilgerstab  in  die  Hand  gegeben,  an  dem  oben  die  Flasche  hängt* 

Angerburg.  Die  Burg  erbaut  1335.  Die  Stadt,  ehemals 
ein  Dorf  mit  Namen  Neudorf  oder  Gerothwohl,  soll  1572  ge- 
gründet worden  sein  und  das  Gründungsprivilegiuni  zugleich 
die  Verleihung  des  Wappens  enthalten  haben:  Im  blauen  Felde 
auf  einem  Grunde  stehend  ein  viereckiger,  gezinnter  grauer 
Thurm  mit  rothem  kegelförmigem  Dache,  auf  dessen  Spitze  eine 
Wetterfahne.  An  der  Mitte  des  Thurmes  ein  getheilter  Schild, 
worin  oben  in  Silber  ein  stilisirter,  wachsender  rother  Adler, 
unten  das  von  Silber  und  Schwarz  quadrirte  hohenzollernsche 
Wappen  die  Gründung    durch    einen  brandenburgischen  Hohen- 

zollern  anzeigen.     Im  Felde  die  Zahl  1572.     (Taf.  I.) 

Das  Gerichtssiegel  hat  den  hohenzollernschen  Schild,  über  dem  auf 
einem  Bogen  (Regenbogen?)  eine  wachsende  männliche  Figur  (Christas?) 
mit  einem  Schwert  in  der  Rechten  and  der  Weltkugel  in  der  Linken.  Auf 
der  Brust  hat  sie  ein  kleines  Kreuz,    (v.  Werner,  Poleographie  II,  29.) 

Ary8.  Als  Dorf  gegründet  1443  vom  HM.  Konrad  von 
Erlichshausen,  zur  Stadt  erhoben  1726  vom  Könige  Friedrich 
Wilhelm  I.  Wappen:  Auf  einem  Postamente  ruht  ein  Füllhorn 
und  auf  diesem,  übers  Kreuz  gelegt,  Scepter  und  Schwert, 
welche  der  nichtstilisirte  königliche  Adler  in  den  Fängen  hält. 
(Taf.  I.)  Der  durch  das  Füllhorn  ausgedrückte  Wunsch  des 
Verleihers  des  Wappens,  die  Stadt  möge  dereinst  zu  Beichthum 


Von  0.  Beckherrn.  266 

gelangen,  ist  bisher  durchaus  nicht  in  Erfüllung  gegangen; 
vielleicht  wird  nun  aber  die  Anlegung  des  großen  Schießplatzes 
der  Truppen  in  der  Nähe  dieser  kleinen,  abseits  vom  Verkehr 
gebliebenen  und  in  unfruchtbarer  Gegend  gelegenen  Stadt  die 
Veranlassung  zur  Hebung  ihres  Wohlstandes. 

Baldenburg  hat  eine  Handfeste  von  1396  vom  HM.  Konrad 
von  Jungingen.  Im  Siegel  aus  dem  Anfange  des  16.  Jahrhunderts 
steht  zwischen  zwei  unten  sich  berührenden  Hirschstangen  eine 
weibliche  Figur,  in  der  Rechten  einen  Ball  haltend,  die  Linke 
auf  die  Hüfte  gestützt.  (Taf.  I.)  Preuß  (preuß.  Landes-  u. 
Volkskunde  S.  380)  giebt  an,  die  Stadt  habe  in  älterer  Zeit 
Ball  de  Olde  geheißen;  die  Form  dieses  Namens  ist  aber  so 
sonderbar  und  für  unser  Land  so  ungewöhnlich,  daß  hier  ein 
Irrthum  oder  eine  Verunstaltung  vorzuliegen  scheint,5)  dennoch 
wird  der  Ball  in  der  Hand  des  Frauenzimmers  auf  den  ersten 
Theil  des  Namens  anspielen  sollen,  welcher  aber  wohl  vom 
slavischen  bal  oder  bei  —  weiß  —  abzuleiten  ist. 

Jüngere  Siegel  stellen  diese  Figur  ohne  Ball  mit  beiden  Händen  auf 
die  Hüften  gestützt  dar  zwischen  zwei  unten  sich  kreuzenden  Eichenzweigen. 
(Siebmacher  S.  129.) 

Barten.  Die  Burg  erwähnt  1377,  die  daneben  gelegene 
Lischke  1419,  wann  sie  zur  Stadt  erhoben,  ist  unbekannt.  Das 
Wappen  ist  ein  redendes:  Im  rothen  Felde  des  Schildes  ein 
kleinerer  grüner  Schild,  worin  eine  aufgerichtete  silberne  Barte.6) 
Daneben  die  Zahl  1359.  (Taf.  I.)  Diese  Jahreszahl  beruht  sicher- 
lich auf  einem  Irrthum,  wird  also  aus  dem  Wappen  zu  ent- 
fernen sein. 


5)  Das  Flüßchen  Ball,  welches  bei  der  Stadt  in  den  Belzigsee  fließt, 
soll  früher  Beale  —  weißer  Fluß  —  geheißen  haben.  Könnte  etwa  Beale 
in  Baldeolde  corrumpirt  und  diese  Namensform  dann  auch  auf  die  Stadt 
übertragen  worden  sein?  Der  Ort  Baldau  bei  Dirschau  hieß  ehemals  eben- 
falls Bale  oder  Beale. 

6)  Die  Barte  war  eine  Streitaxt  mit  kurzem  Stiel  und  gehörte  zur 
Bewaffnung  des  Reiters.  Die  Hellebarde  wurde  vom  Fußvolk  geführt  und 
besaß  einen  langen  Stiel. 


256  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

Bartenstein.  Die  Burg  erbaut  ca.  1240,  die  Stadt  gegründet 
1326  vom  Komtur  zu  Balga  Dietrich  von  Altenburg.  Handfeste 
1332  vom  HM.  Luther  von  Braunschweig.  Eine  Neustadt,  welche 
aber  nicht  zur  Selbständigkeit  gelangte,  wurde  1356  angelegt. 
Das  älteste,  vielleicht  aus  dem  Secretsiegel  stammende  Wappen 
ist  ein  redendes:  Zwei  gekreuzte  silberne  Barten  auf  einem 
stufenförmigen  Postamente  —  von  Stein  —  im  schwarzen  Felde 
stehend.     (Taf.  I.) 

In  einem  andern  Wappen  ist  im  silbernen  Felde  ein  Ritter 
in  stahlgrauer  Rüstung  auf  einem  springenden  schwarzen  Rosse 
dargestellt,  welcher  in  der  Rechten  eine  Barte  aufrecht  hält. 
(Taf.  I.) 

Sage:  Ein  von  seinem  Truppe  abgeschnittener  Ritter  mit 
Namen  Johannes  wurde  von  den  Preußen  verfolgt.  Um  sich 
zu  retten,  sprang  er,  nachdem  er  das  Gelübde  gethan,  dem 
heiligen  Johannes  eine  Kirche  zu  bauen,  mit  seinem  Rosse  vom 
hohen  Ufer  in  die  Alle,  welche  er  durchschwamm.  So  entkam 
er  glücklich  den  Feinden  und  erbaute  später  bei  Bartenstein 
die  St.  Johanniskirche.     (N.  Pr.  Prov.  Bl.  H,  49.) 

Die  Nachricht  Hennenberger's,  daß  die  Stadt  ursprünglich  Rosenthal 
geheißen  und  ein  auf  diesen  Namen  anspielendes  Siegelbüd  geführt  habe, 
ist  durch  nichts  bestätigt,  eben  so  wenig  die  Angabe,  daß  zu  gewisser  Zeit 
die  Figuren  der  oben  beschriebenen  beiden  Wappen  in  einem  vereinigt 
gewesen  seien.    (Vergl.  Behnisch,  Gesch.  d.  Stadt  Bartenstein  S.  71.) 

Das  schwarz -weiße  Banner  des  Pflegers  von  Bartenstein  aus  der 
Tannenberger  Schlacht  zeigt  in  dem  schwarzen  Theile  des  Fahnentuches 
eine  weiße  Barte. 

Berent  (Bern)  wird  unter  dem  Namen  Costrina  schon  1284 
erwähnt,  ausdrücklich  als  Stadt  1437.  Wappen:  Ein  nach  links 
gewendeter  Bär,  unter  einem  Zweige  mit  fünf  Blättern  stehend. 
Die  Stadt  ist  wahrscheinlich  nach  den  früheren  Besitzern;  den 
Rittern  von  Beeren,  benannt  worden,  auf  deren  Namen  auch 
das  Wappen  anspielt.     (Taf.  I.) 

Bialla,  zur  Stadt  erhoben  1722  vom  Könige  Friedrich 
Wilhelm  I.,  besitzt  kein  eigenthümliches  Wappen  und  führt  im 
Siegel  den  stilisirten  preußischen  Adler. 


Von  C.  Beckherrn.  257 

Bischof8burg.  Neben  der  schon  vorhandenen  Burg  1395 
vom  Bischof  von  Ermland  Heinrich  Sorenbohm  gegründet. 
"Wappen  nach  einem  Siegel  aus  dem  17.  Jahrhundert:  Hinter 
einer  gezinnten  Mauer  erhebt  sich  ein  hohes  Haus  mit  Sattel- 
dach, zwei  in  der  Diagonale  liegende  Ecken  des  Hauses  sind 
mit  viereckigen,  gezinnten  Thürmen  besetzt.  An  der  Mitte  der 
Mauer  hängt  ein  rechts  gelehnter  Dreiecksschild,  der  ein  Herolds- 
bild in  Form  eines  Stufengiebels  zeigt,  das  Familienwappen  des 
Gründers.  Ueber  diesem  kleinen  Schilde  schwebt  als  Würde- 
zeichen eine  Bischofsmütze  mit  Bändern.     (Taf.  II.) 

Bi8Chof88t6inf  früher  Dorf  Strowangen,  wurde  durch  Hand- 
feste von  1385  vom  Bischof  von  Ermland  Heinrich  Sorenbohm 
zur  Stadt  erhoben.  Das  älteste  Wappen  nach  dem  Siegel  von 
1440  zeigt  im  Felde  des  Schildes  einen  kleineren  Dreiecksschild 
mit  dem  Heroldsbilde  eines  Stufengiebels  (vergl.  Bischofsburg). 
Hinter  diesem  kleinen  Schilde  ragt  ein  nach  links  geneigter 
und   mit    einer   Kirchenfahne    versehener    Bischofsstab    hervor. 

(Taf.  IL) 

Jüngere  Siegel  zeigen  allein  einen  Bischofsstab,  welcher  aufrecht  auf 
einem  Felsen  —  Stein  —  steht,  ein  halb  redendes  und  auf  den  Namen  an- 
spielendes Wappen,  wahrscheinlich  aus  dem  Secret  stammend. 

Bischof8Werder.  Gegründet  1325  vom  Bischof  Rudolph 
von  Pomesanien.  Handfeste  von  demselben  1331.  Wappen 
nach  dem  Siegel  aus  dem  17.  Jahrhundert:  Ein  die  Zunge  heraus- 
streckender und  sich  zum  Auffliegen  anschickender,  halb  rechts 
gewendeter  Adler  steht  auf  einem  am  Boden  liegenden  Bischofs- 
stabe, eine  abgeänderte  Form  des  bischöflichen,  im  Banner  aus 
der  Tannenberger  Schlacht  dargestellten  Wappens:  Im  rothen 
Fahnentuche  der  Adler  des  Evangelisten  Johannes,  zu  dessen 
beiden  Seiten  Bischofsstäbe  schweben,  sämmtliche  Figuren  golden 
tingirt.  Hiernach  können  dem  Wappen  der  Stadt  dieselben 
Farben  gegeben  werden;  der  Boden  wird  besser  fortgelassen. 
(Taf.  H.) 

Braunsberg.  Der  Orden  baute  1241  hier  eine  Burg,  welche 
schon    im    folgenden   Jahre    von    den   Preußen   wieder   zerstört 


258  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

wurde.  Ungefähr  1251  legte  der  Bischof  Anselm  von  Ermland 
hier  abermals  eine  Burg  und  auch  eine  Stadt  an.  Diese  wurden 
1261  von  den  Preußen  so  bedrängt,  daß  sie  von  den  Einwohnern 
verlassen  und  verbrannt  wurden.  Erst  die  1279  durch  den 
Bischof  Heinrich  Fleming  von  neuem  begonnene  Gründung  von 
Burg  und  Stadt  hatte  Bestand.  Letztere  erhielt  von  dem  ge- 
nannten Bischof  1284  die  Handfeste.  Die  Neustadt  wurde  um  1338 
vem  Bischof  Heinrich  Sorenbohm  gegründet. 

Altstadt.  Im  ältesten  Siegel  aus  dem  13.  Jahrhundert 
erblickt  man  einen  Schild,  in  dessen  Mitte  eine  Linde  auf  einem 
Boden  steht,  rechts  davon  ein  Drache,  links  ein  Hirsch,  beide 
zur  Krone  des  Baumes  emporblickend.  (Taf.  H.)  Diese  Figuren 
sind  hier  unzweifelhaft  religiöse  Symbole:  Der  Drache  das  des 
Teufels  oder  des  Heidenthumes,  der  Hirsch  das  Sinnbild  Christi 
oder  der  Apostel  und  der  anderen  Verbreiter  des  Christentbums. 
(Munter,  Sinnbilder  der  alten  Christen.)  Zu  erklären  bleibt  noch, 
welche  Bedeutung  die  zwischen  diesen  beiden  Symbolen  stehende 
Linde  hat,  um  den  Sinn  des  Ganzen  verstehen  zu  können, 
welcher  sich  auf  die  Verhältnisse  zwischen  Christenthum  und 
Heidenthum  bei  der  Gründung  der  Stadt  beziehen  wird.7) 

Das  Banner  aus  der  Tannenberger  Schlacht  ist  weiß  und 
schwarz  und  hat  im  weißen  Theile  des  Fahnentuches  ein  schwarzes, 
im  anderen  ein  weißes  Kreuz. 

Ein  mit  der  Jahreszahl  1642  bezeichneter  Stempel  hat  die 
beiden  Thiere   und   über    dem  Baume  drei  zusammengebundene 


7)  Die  Linde  galt  den  heidnischen  Preußen  als  heiliger  Baum,  auch 
bei  den  Christen  genoß  sie  noch  eine  gewisse  Verehrung,  denn  in  ihrem 
Schatten  oder  an  ihrem  Stamme  stellte  man  besonders  gern  Heiligenbilder 
auf.  (Heilige  Linde  bei  Rastenbarg.)  Die  Linde  auf  dem  Barghofe  und 
auf  dem  Anger  des  Dorfes  spielte  im  Leben  des  deutschen  Volkes  ebenfalls 
eine  Rolle.  In  dem  unten  beschriebenen  Wappen  vom  Jahre  1642  gilt  sie, 
wie  aus  der  dazu  gehörigen  Devise  hervorgeht,  als  Sinnbild  der  Stadt 
Braunsberg;  vielleicht  ist  dasselbe  auch  schon  in  dem  ältesten  Wappen  der 
Fall  gewesen  und  würden  dann  die  drei  Figuren  desselben  als  Anspielung 
auf  die  Zerstörung  der  jungen  Stadt  durch  die  Heiden  und  ihre  nachherige 
Wiederherstellung  durch  den  Bischof  anzusehen  sein. 


Von  C.  Beokherrn.  259 

Kornähren,  rechts  und  links  neben  diesen  schwebt  ein  Halb- 
mond. Schildhalter  sind  zwei  Engel  mit  Lorbeerzweigen  in  den 
Händen.  Unter  dem  Schilde  die  Devise:  Sub  hoc  sidere  trun- 
cata  viresco  —  unter  diesem  Gestirne  werde  ich  auch  verstümmelt 
wieder  grünen.  (Taf.  H.)  Sie  bezieht  sich  auf  die  Drangsale, 
welche  die  Stadt  während  des  schwedisch -polnischen  Krieges 
erduldet  hatte. 

Durch  Diplom  des  Königs  Augast  III.  von  Polen  vom  18.  Juli  1748 
wurde  das  Wappen  dahin  geändert,  daß  die  Thiere  nebst  Devise  fortfallen, 
die  A ehren  von  einem  rothen  Bande  umschlungen  und  die  Halbmonde  in 
einen  Über  dem  Baume  schwebenden  goldenen  Ring  verwandelt  werden 
sollten.  Der  Baum  soll  von  natürlicher  Farbe  und  das  Feld  silbern  sein. 
(Siebmacher  S.  131.) 

Neustadt.  Das  Wappen  enthielt  zwei  gekreuzte  Bischofsstäbe. 

Briesen  (Wambresia,  Wredek,  Frideck),  Burg  und  Stadt 
des  Bisthums  Kulmsee,  als  Ort  erwähnt  1246,  seit  1311  einige 
Jahre  hindurch  Bischofssitz.  Erneuerte  Handfeste  1534  vom 
Bischof  Johannes  von  Höfen.  Ein  alter  Siegelabdruck  zeigt 
einen  halben  Flug  und  einen  Bischofsstab  neben  einander  frei 
im  Felde  schwebend,  diesen  als  Attribut  des  bischöflichen  Grün- 
ders, jenen  wohl  als  Figur  aus  dessen  Familienwappen.    (Taf.  H.) 

Bfltow.  Die  Burg  erwarb  1329  der  Orden  von  den  Bittern 
von  Beeren  und  gründete  wahrscheinlich  bald  darauf  auch  die 
Stadt.  Wappen:  Hinter  einer  Mauer  mit  Thor  zwei  gezinnte 
Thürme  mit  spitzen  Dächern,  zwischen  beiden  auf  der  Spitze 
des  Thores  der  Ordensschild.    (Taf.  II.) 

Christburg.  Die  Burg  erbaut  1247,  die  Stadt  erwähnt  1288. 
Handfeste  1290  vom  Landmeister  Meinhard  von  Querfurt.  Wappen : 
Die  heilige  Katharina  in  modernem  Kleide  mit  Mauerkrone,  in 
der  Rechten  ein  Schwert,  in  der  Linken  ein  Bad  haltend.  (Sieb- 
macher S.  133.)    (Taf.  II.) 

Danzig  (Gyddanyzc,  Dantzike,  Gdansk),  schon  997  in  der 
Geschichte  des  heiligen  Adalbert  erwähnt,  war  die  Hauptstadt 
Pommerellens   und   wurde  1308   vom  Deutschen  Orden  erobert. 


260  I>ie  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

Die  alte  Burg  der  pomnierellischen  Herzöge  wurde  zwischen 
1335  und  1341  vom  Orden  umgebaut  und  auch  neben  der  alten 
Stadt  1340  eine  neue,  die  Rechte  Stadt,  gegründet,  welcher 
drei  Jahre  später  HM.  Ludolf  König  eine  Handfeste  gab,  die 
Winrich  von  Kniprode  1378  erneuerte.  Neben  diesen  Städten 
entwickelte  sich  bald  eine  Jungstadt,  welche  1380  von  "Winrich 
von  Kniprode  die  Handfeste  erhielt,  im  Jahre  1455  aber  von 
den  Bewohnern  der  Rechtstadt  zerstört  wurde.  Außerdem  ent- 
stand 1393  noch  eine  Vorstadt. 

Altstadt.  Das  älteste  Siegel  stammt  aus  dem  Jahre  1299. 
Es  zeigt  ein  auf  dem  Meere  schwimmendes,  plumpes  Schiff  mit 
großem  Steuerruder  und  Vorder-  und  Hinterkastell.  Diese  Kastelle 
sind  mit  Zinnen  versehen  und  ragen,  von  offenen  Balkengerüsten 
getragen,  sehr  hoch  über  den  Schiffsbord  empor.  Der,  abgesehen 
vom  Bugspriet,  einzige  Mast  wird  vorn  und  hinten  durch  je 
drei  Taue  gestützt  und  hat  an  seiner  Spitze  eine  kleine  vier- 
eckige Flagge.  Unter  dieser  ist  am  Mäste  ein  mit  Zinnen  ver- 
sehener, ganz  nach  hinten  hinausgerückter  sogenannter  Mast- 
korb befestigt.  Vor  dem  Mäste  schwebt  frei  ein  Stern.  (Wein- 
reichs Danziger  Chronik  Taf.  II.) 

In  einem  Siegel  von  1414  erblickt  man  die  heilige  Katha- 
rina, der  eine  der  Kirchen  geweiht  war,  mit  der  Krone  auf  dem 
Haupte,  in  langem  Gewände  und  Mantel,  welcher  die  rechte 
Schulter  nebst  Arm  freiläßt.  In  der  Linken  hält  sie  ein  Bad, 
mit  der  Rechten  stützt  sie  sich  auf  ein  Schwert,  den  rechten 
Fuß  setzt  sie  auf  eine  vor  ihr  auf  dem  Bauche  liegende  ge- 
krönte, männliche  Figur,     (a.  a.  O.  Taf.  II.) 

Rechtstadt.  Ein  ungefähr  aus  dem  Jahre  1400  stammen- 
des großes  Siegel  enthält  ein  Schiff,  welches  bessere  Formen 
zeigt  als  das  der  Altstadt.  Vorder-  und  Hinterkastell,  beide 
gezinnt,  ragen  nur  mäßig  über  den  Schiffsbord  empor  und  sind 
enger  mit  dem  Rumpfe  verbunden.  Der  Mast  wird  nicht  nur 
vorn  und  hinten  durch  Taue,  sondern  auch  von  den  Seiten 
durch  sogenannte  Strickleitern  (Wanten)  gestützt.  Aus  dem 
seine    Spitze    umgebenden    sogenannten    Mastkorbe    hängt   ein 


Von  C.  Beckherrn.  261 

langer  zweiendiger  "Wimpel  herab,  in  welchem  zwei  Kreuze 
neben  einander  stehen.  Vor  der  Spitze  des  Mastes  schwebt 
frei  ein  Stern.  (Voßberg,  Münzen  und  Siegel  der  Städte  Danzig, 
Elbing  u.  s.  w.  Taf.  IL)  (Taf.  II.)  In  dem  gleichzeitigen 
Secretsiegel  befindet  sich  ein  ähnliches  Schiff,  an  dessen  Seite 
ein  kleiner  getheilter  Wappenschild  befestigt  ist,  worin  oben 
zwei  Kreuze  neben  einander,  in  der  an  der  Mastspitze  wehenden 
zweispitzigen  Flagge  erblickt  man  dagegen  zwei  Kreuze,  welche 
über  einander  schweben. 

Das  Banner  aus  der  Tannenberger  Schlacht  (1410)  hat  im 
rothen  Fahnentuche  zwei  über  einander  schwebende  weiße  Kreuze. 

Jungstadt.  Im  Siegel  von  1387  steht  unter  einem  Bal- 
dachin der  heilige  Bartholomäus.  Er  ist  nur  mit  einer  Art  von 
Schwimmhose  bekleidet,  sonst  nackt  und  hält  in  der  Rechten 
ein  sehr  großes,  fast  beilartiges  Messer,  mit  der  Linken  auf  der 
Schulter  einen  Stab,  an  dem  die  ihm  abgezogene  Haut  hängt. 
Zu  jeder  seiner  beiden  Seiten  befindet  sich  ein  gekrönter  Adler, 
sein  Haupt  ziert  ein  Nimbus. 

Bald  nach  dem  Abfalle  der  Städte  vom  Orden  wurden  sie 
zu  einer  Gemeinde  vereinigt,  an  deren  Spitze  der  Rath  der 
Rechtstadt  trat,  welche  schon  seit  langer  Zeit  die  anderen  an 
Bedeutung  überragte.  In  Folge  dessen  kam  auch  das  "Wappen 
der  Altstadt  nun  außer  Gebrauch,  um  dem  der  Rechtstadt  Platz 
zu  machen,  welches  meistens  in  der  Gestalt  angewendet  wurde, 
die  das  Banner  vom  Jahre  1410  zeigt. 

Der    König  Kasimir  IV.  von  Polen,    unter    dessen  Schutz 

die  Stadt  sich  begeben  hatte,  vermehrte,    um  diesen  symbolisch 

anzudeuten,    im  Jahre  1457  dieses  Wappen  durch  eine  goldene 

Krone    im    „Obertheile"    des    Schildes,    also    über    dem    oberen 

Kreuze.     (Taf.  IH.) 

Dieses  Wappen,  dem  man  zwei  Löwen  als  Schildhalter  gegeben  hatte, 
wurde,  wahrscheinlich  während  des  kurzen  Bestehens  der  Stadt  als  Freistaat 
nach  dem  Tilsiter  Frieden,  willkürlich  umgewandelt  und  verunstaltet,  indem 
man  die  als  gemeine  Figur  verliehene,  also  in  den  Schild  gehörige  Krone 
gleich  einem  Würdezeichen  über  denselben  setzte. 

Altpr.  MonatSflohrift  Bd.  XXIX  Hft.  S  n.  4.  17 


262  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

Der  Vollständigkeit  wegen  mag  hier  noch  ein  bei  Siebmacher  S.  19 
beschriebenes,  ganz  willkürlich  erfundenes  Wappen  mitgetheüt  werden: 
In  G.  ein  gr.  Balken,  worin  zwei  tanzende  Paare.  Oben  ein  schw.  Adler, 
unten  ein  schw.  Kreuz.  Die  tanzenden  Paare  sollen  wohl  als  Anspielung 
auf  den  Namen  der  Stadt  gelten. 

Darkehmen.  Zur  Stadt  erhoben  1724  vom  Könige  Friedrich 
Wilhelm  I.  Wappen:  Im  unteren  Theile  des  Schildes  eine 
Rasenfläche,  auf  welcher  ein  zum  Auffliegen  sich  anschickender 
Adler  steht.  Den  Hintergrund  bilden  drei  Berge,  über  denen 
eine  strahlende  Sonne  schwebt.     (Taf.  III.) 

Deutsch  EMail.  Handfesten  der  Stadt  1306  vom  Komtur 
zu  Christburg  Sieghard  von  Schwarzburg  und  1317  von  Luther 
von  Braunschweig.  Wappen  nach  dem  Siegel  aus  dem  14.  Jahr- 
hundert: Unter  einem  gothischen  Portale  sitzt  auf  einem  Sessel 
die  gekrönte  Maria  mit  dem  Jesuskinde,  in  der  Rechten  einen 
Apfel  haltend.    Zu  beiden  Seiten  des  Portales  Ranken.  (Taf.  HI.) 

Dirschau  (Trsow,  Dirssowe),  ein  sehr  alter  Ort,  wurde  1198 
vom  Herzoge  Grimislaw  von  Pommerellen  an  den  Johanniter- 
orden  geschenkt.  Herzog  Sambor  erbaute  sich  hier  12B2  eine 
Burg  und  erhob  1260  den  Ort  zur  Stadt.  Diese  wurde  1308 
vom  Deutschen  Orden  erobert.  Sie  führt  schon  in  ihren  alten 
Siegeln  einen  rechts  gewendeten  aufrechten  Greif,  das  Wappen 
Pommerellens.  Die  Farben  können  nach  dem  Banner  aus  der 
Tannenberger  Schlacht  bestimmt  werden:  Feld  silbern,  Greif 
roth  mit  Augen,  Schnabel  und  Krallen  von  Gold,  Zunge  und 
Pupille  schwarz.    (Taf.  HI.) 

Domnau,  ein  alter  Ort,  bestand  als  Stadt  im  Jahre  1400. 
Die  verlorene  ältere  Handfeste  wurde  1481  vom  Komtur  zu 
Brandenburg  Kunz  von  Egloffstein  erneuert.  Im  ältesten  Siegel 
von  1440  befindet  sich  im  gegitterten  Felde  eine  vierzehige 
Vogelkralle.     (Taf.  HI.) 

Bei  neueren  Wappen  hat  man  dem  von  Zweigen  umgebenen  Schild« 
eine  Krone  aufgesetzt  (Siehmacher  S.  136),  zu  der  Führung  dieses  Würde- 
zeichens dürfte  die  Stadt  aber  wohl  nicht  berechtigt  sein. 


Von  C.  Beckham*.  263 

Drengfurt  wird  1419  als  Stadt  erwähnt.  Im  Siegel  mit  der 
Jahreszahl  1781  erblickt  man  eine  Justitia  mit  Schwert  und 
Waage,  der  aber  die  gewöhnliche  Binde  um  die  Angen  fehlt. 
(Taf.  III.)  Es  muß  dahingestellt  bleiben,  ob  dieser  Mangel  auf 
einem  Versehen  beruht,  oder  ob  er  etwa  eine  boshafte  Anspielung 
seitens  des  Verleihers  des  Wappens  auf  die  vielleicht  nicht  immer 
unparteiische  Rechtsprechung  E.  E.  Gerichtes  der  Stadt  in  früherer 
Zeit  sein  soll.  Dieses  Wappen  scheint  überhaupt  dem  Gerichts- 
siegel zu  entstammen  und  ein  eigentliches  Stadtwappen  nicht 
zu  existiren. 

Elbing.  Die  Burg  erbaut  1237.  Die  schon  1242  existirende 
Stadt  erhielt  ihre  Handfeste  1246  vom  HM.  Heinrich  von  Hohen- 
lohe.  Die  Neustadt  wurde  vom  HM.  Dietrich  von  Altenburg 
angelegt  und  erhielt  ihre  Handfeste  1347  vom  HM.  Heinrich 
Tusmer. 

Altstadt.  Das  älteste  Siegel  befindet  sich  unter  einer 
Urkunde  von  1242.  Es  enthält  einen  auf  dem  Wasser  schwim- 
menden Kahn,  welcher  mit  einem  Mäste  versehen  ist,  an  dessen 
Spitze  anstatt  eines  Wimpels  sich  eine  länglich  viereckige  Wetter- 
fahne um  Angeln  bewegt.  Unter  dieser  Fahne  schwebt  frei 
ein  großes  Kreuz.  Das  Steuerruder  wird  von  einem  Schiffer 
bedient,  dessen  Kopf  mit  einer  spitzen  Kaputze  bedeckt  ist. 

In  einem  aus  dem  14.  Jahrhundert  stammenden  Siegel  er- 
scheint ein  einmastiges,  mit  Vorder-  und  Hinterkastell  versehenes 
Schiff,  auf  deren  jedem  ein  Matrose  steht.  Vom  Hinterkastell 
wehen  zwei  viereckige,  quer  getheilte  Flaggen  mit  zwei  Kreuzen 
und  vom  Mäste  ein  dreiendiger  Wimpel  mit  einem  Kreuze. 

Diesem  Siegel  ist  das  älteste  Secret  sehr  ähnlich,  es 
weicht  nur  darin  ab,  daß  die  beiden  Matrosen  und  die  eine 
Flagge  des  Hinterkastells  fehlen,  der  zweiendige  Wimpel  am 
Mäste  zwei  Kreuze  zeigt  und  aus  der  Spitze  des  Mastes  drei 
Pfeile  in  wagerechter  Stellung  hervorragen.  (Taf.  III.)  Die 
Seeschiffe  dieser  jüngeren  Siegel  lassen  gegenüber  dem  ursprüng- 
lichen,   nur   der  Fischerei  oder  der  Haff-  und  Küstenschiffahrt 

17* 


264  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

dienenden  Kahne  den  Fortschritt  der  anfänglich  unbedeutenden 
Stadt  zur  eigentlichen  Handelsstadt  und  zum  Mitgliede  des  wehr- 
haften Hansabundes  erkennen. 

Das  Banner  aus  der  Tannenberger  Schlacht  ist  von  Roth 
und  Weiß  quergetheilt,  oben  mit  einem  weißen,  unten  mit  einem 
rothen  Balkenkreuze.  In  dieser  Gestalt  erscheint  in  neuerer 
Zeit  auch  das  eigentliche  Wappen,  in  dem  das  rothe  Feld  zu- 
weilen gegittert  ist.  Als  Schildhalter  dient  ein  Engel.  (Taf.  III.) 
Die  Gitterung  des  Feldes  pflegt  als  Darstellung  einer  gemeinen 
Wappenfigur,  nämlich  eines  Fischernetzes,  aufgefaßt  zu  werden, 
welches  auf  die  Lage  der  Stadt  zwischen  fischreichen  Gewässern 
anspielen  soll;  sie  ist  aber  nur  eine  bedeutungslose  und  ziemlich 

oft  angewendete  Verzierung  der  Wappenfelder. 

Das  Banner  des  Komturs  war  dem  der  Stadt  gleich,  jedoch  standen 
die  Farben  darin  umgekehrt. 

Neustadt.  Wappen:  Ein  von  Silber  und  Roth  gespaltener 
Schild,  worin  rechts  drei  über  einander  gestellte  rothe  Rosen 
mit  goldenen  Staubfaden,  links  ein  schwarzes  Ordenskreuz. 

Fl8ChhaU86n  (Schonewik).  Die  Burg  erwähnt  1268.  Hand- 
feste der  Stadt  1299,  erneuert  1305  vom  Bischof  Siegfried  von 
Samland.  Wappen:  Ein  Bischofsstab  und  ein  Schwert  mit  ein- 
ander sich  kreuzend;  in  dem  unteren  Winkel  schwebt  steigend 
ein  Fisch.  (Taf.  III.)  Hierin  liegt  eine  Anspielung  auf  die 
Gründung  durch  einen  Bischof  und  auf  die  durch  die  Lage  am 
Haff  bedingte  ehemalige  Hauptbeschäftigung  der  Einwohner, 
den  Fischfang.  Die  Farben  können  diesem  Wappen  nach  dem 
ähnlichen  des  Bischofs  von  Samland  gegeben  werden,  welches 
uns  das  Banner  aus  der  Tannenberger  Schlacht  vorführt,  nämlich 
das  Feld  silbern,  Schwert  und  Stab  roth.  Für  den  Fisch,  welcher 
in  letzterem  Wappen  fehlt,  wäre  die  blaue  Farbe  passend. 

Frauenburg,  Stadt  des  ermländischen  Domkapitals,  wird  er- 
wähnt 1287.  Handfesten  von  1318  und  1320  von  den  Probaten 
Heinrich  und  Jordan.  Das  älteste  Siegel  aus  dem  14.  Jahr- 
hundert zeigt  zwischen  zwei  Thürmen  ein  Thor,    über  welchem 


Von  C.  Beckherrn.  265 

Maria  mit  dem  Jesuskinde,  von  Sternen  umgeben,  thront.    Neben 

den  Thürmen  Banken.     (Voßberg.S.  37.)     (Taf.  IV.) 

In  einem  wahrscheinlich  jüngeren  Wappen  ragt  hinter  einer  mit 
Thor  versehenen  Mauer  ein  Burggebäude  empor,  welches  mit  drei  gezinnten 
Thürmen  bewehrt  ist.  Aus  dem  mittelsten  wächst  ein  Frauenzimmer  mit 
wallendem  Haar  und  gefalteten  Händen  hervor.  Zu  diesem  Wappen  steht 
die  nachstehende  Sage  in  Beziehung. 

Die  auf  dem  unweit  der  Stadt  gelegenen  Schloßberge  bei  Sonnen- 
berg (Althof)  wohnende  Wittwe  eines  edlen  Preußen  wurde  durch  den 
Bischof  Anselm  zum  Christenthum  bekehrt  und  schenkte  dann  dem  Nach- 
folger desselben»  Bischof  Heinrich,  ihr  ganzes  Besitzthum,  worin  dieser 
Frauenburg  gründete.  Daß  diese  Sage  nicht  auf  historischem  Grunde  beruht, 
geht  daraus  hervor,  daß  diese  ganze  Gegend  schon  1251  im  Besitz  Anselms 
war,  wie  urkundlich  feststeht,  (v.  Winkler,  Zeitschr.  f.  d.  Gesch.  Erm- 
lands  II,  390.) 

Freistadt.  Stadt  des  Bisthums  Pomesanien,  gegründet  1331 
von  zwei  Edelleuten,  Johann  und  Ludwig  von  Stangen.  Das 
älteste  Wappen  stellt  sich  folgendermaßen  dar:  In  dem  eigent- 
lichen Wappenschilde  befindet  sich  ein  kleinerer,  worin  auf 
einem  Aste  ein  Adler  mit  ausgebreiteten  Flügeln  steht.  Ueber 
seinem  Kopfe  schwebt  eine  mit  den  Hörnern  nach  unten  ge- 
kehrte Mondsichel.  Auf  dem  oberen  Bande  des  kleinen  Schildes 
liegt  ein  Ast  mit  abgehauenen  Zweigen.  (Taf.  IV.)  Der  Ast 
in  und  auf  dem  Schilde  und  theilweise  auch  der  Adler  erinnern 
an  das  Familienwappen  der  preußischen  Stangen:  Im  Schilde 
ein  auf  jeder  Seite  mit  drei  rautenförmigen  Auswüchsen  besetzter 
Schrägebalken,    das   stilisirte  Bild    eines  Astes  mit  abgehauenen 

Zweigen,  auf  dem  Helm  ein  geschlossener  Adlerflug. 

Im  neueren  Wappen  steht  auf  gepflastertem  Grunde  ein  Portal,  ge- 
bildet durch  zwei  mit  Sockeln  und  Knäufen  versehene  Pfeiler,  welche  durch 
einen  gegitterten  Bogen  verbunden  sind.  Auf  diesem  steht  ein  Adler  mit 
ausgebreiteten  Flügeln.  Neben  einem  der  Pfeiler  steckt  ein  Palmenzweig. 
(Siebmacher  S.  203.) 

Friedland  a.  d.  Alle  wird  1312  erwähnt.  Handfeste  1324 
vom  Komtur  zu  Brandenburg  Heinrich  Tusmer.  Wappen  nach 
dem  Siegel  von  1440:  Im  goldenen  Felde  ein  Geierfuß  in  natür- 
licher Farbe  mit  rother  Abschnittsfläche,  welcher  einen  Karpfen 
in  den  Krallen  hält.     (Taf.  IV.) 


266  Die  Wappen  der  Städte  Ali-Preußens. 

Sage:  In  alter  Zeit  war  einstmals  ein  Geier  den  Bewohnern 
der  Stadt  eine  Plage,  weil  er  ihnen  Geflügel  und  andere  junge 
Hausthiere  raubte.  So  viel  man  ihm  auch  nachstellte,  er  ließ 
sich  nicht  fangen.  Eines  Tages  jedoch,  da  ein  Bürger  in  der 
Nähe  des  Mühlenteiches  jagte,  sah  dieser  den  Geier  von  der 
Wasserfläche  aufsteigen,  in  einem  der  Fänge  einen  Karpfen 
haltend.  Er  schoß  nach  ihm,  traf  aber  nur  ein  Bein,  welches, 
vom  Rumpfe  getrennt,  mitsammt  dem  Fische  ins  Wasser  fiel, 
während  der  Vogel  entkam.  Mehrere  Jahre  darauf,  als  man  im 
Mühlenteiche  fischte,  fing  man  jenen  Karpfen,  in  dessen  Bücken 
noch  das  fest  eingekrallte  Bein  des  Geiers  haftete.  Das  An- 
denken an  dieses  merkwürdige  Ereignifl  sollte  die  Wappenfigur 
aufbewahren.  (Reiter,  N.  Pr.  Prov.  Bl.  3.  F.  IX,  263.)  Dieser 
Sage  merkt  man  an,  daß  sie  auf  das  bereits  vorhandene  Wappen 
erdichtet  worden  ist. 

Garn866y  zuerst  ein  Cistercienserkloster,  wird  erwähnt  1285. 
Die  Stadt  erhielt  ihre  Handfeste  1334  vom  Bischof  Berthold 
von  Pomesanien.  Wappen:  Ein  nach  rechts  gewendeter  zum 
Grimmen  geschickter  Löwe.     (Taf.  IV.) 

Gerdalien.  Die  Burg,  ursprünglich  Sitz  eines  altpreußischen 
Edlen,  wird  als  Ordenshaus  erwähnt  1315.  Die  Stadt  erhielt 
1398  eine  Handfeste  vom  HM.  Konrad  von  Jungingen.  Im 
ältesten  Siegel  stehen  unter  einem  gothischen  Portale  die  Apostel 
Paulus  und  Petrus,  ersterer  mit  zu  Boden  gesenktem  Schwerte, 
letzterer  mit  dem  Schlüssel  in  der  Hand.     (Taf.  IV.) 

Gilgenburg  (Hgenburg).  Neben  der  schon  bestehenden  Burg 
1326  vom  Komtur  zu  Christburg  Luther  von  Braunschweig  ge- 
gründet. Erneuerte  Handfeste  1534  vom  Herzog  Albrecht. 
Wappen:  Eine  heraldische  Lilie.  (Taf.  IV.)  Diese  soll  eine 
silberne  Tinctur  haben,  die  Farbe  des  Feldes  kann  nicht  an- 
gegeben werden.  Zur  Zeit  der  Entstehung  dieses  Wappens  hat 
man  angenommen,  daß  der  Name  der  Stadt  aus  Lilienburg 
corrumpirt  worden  sei  und,  um  dasselbe  zu  einem  halbredenden 
zu  machen,  die  Lilie  als  Wappenfigur  gewählt,  denn  nach  Har- 


Von  0.  ßeckhorrn.  267 

noch  (Chronik  d.  evang.  Kirchen  S.  207)  hat  ein  aus  dem 
17.  Jahrhundert  stammendes  Siegel  in  der  Umschrift  Civitas 
Liliopolensis. 

Goldap.  Gegründet  1567  vom  Herzog  Albrecht,  Handfeste 
1570  von  Herzog  Albrecht  Friedrich,  worin  der  Stadt  folgendes 
Wappen  verliehen  wird:  Schräge  links  getheilter  Schild,  worin 
oben  in  Silber  wachsend  ein  rother  stilisirter  Adler  mit  goldenen 
Kleestengeln  auf  den  Flügeln  und  F  auf  der  Brust,  unten  das 
hohenzollernsche  "Wappen.  Beide  weisen  auf  den  branden- 
burgischen Hohenzollern  als  Verleiher  des  Wappens  hin.  (Taf.  IV.) 

Von  dem  ehemals  am  Bathhause  angebracht  gewesenen 
Wappen  wird  erzählt,  daß  der  mit  der  Anfertigung  desselben 
beauftragte  Maler,  weil  ein  wohl  weiser  Rath  von  dem  verlangten 
Preise  ein  Beträchtliches  heruntergehandelt  hätte,  auf  dem  Schilde 
zuerst  mit  Oelfarben  eine  Sau  mit  Ferkeln  und  auf  diesem 
Untergrunde  die  richtigen  Wappenfiguren  mit  Leimfarben  gemalt 
habe.  Durch  den  Eegen  seien  diese  bald  abgewaschen  und  nun 
die  Sau  nebst  Ferkeln  dauernd  sichtbar  geworden.  Diese  Boß- 
heit  des  Malers  habe  den  Goldapern  den  Spottnamen  „Ferkel- 
macker"  eingetragen. 

Gollttb  (Golau).  Die  Burg  erwähnt  1296,  die  Stadt  um  1331. 
Ihre  Handfdste  wird  1421  vom  HM.  Michael  Küchmeister  von 
Sternberg  erneuert.  Wappen:  Eine  weibliche  Figur  mit  einem 
Vogel  auf  der  rechten  Hand.  (Taf.  IV.)  Dieser  Vogel  scheint 
eine  Taube  darstellen  zu  sollen,  denn  man  hat  den  Namen  der 
Stadt  wahrscheinlich  von  dem  polnischen  Worte  golqJb  —  Taube  — 
hergeleitet,  um  das  Wappen  zu  einem  redenden  zu  machen,  weil 
fftr  derartige  Wappen  ehemals  eine  große  Vorliebe  herrschte. 

Graudenz  wird  zuerst  1222  als  ehemalige  Burg  erwähnt, 
welche  Herzog  Konrad  von  Masovien  in  diesem  Jahre  dem 
Bischof  Christian  von  Preußen  schenkte.  Sie  ist  wahrscheinlich 
von  diesem  wieder  hergestellt  worden,  wird  aber  erst  1250  als 
Ordenshaus    genannt.     Die   Stadt   erhielt   ihre   Handfeste    1291 


268  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

vom  Landmeister  Meinhard  von  Querfurt.  Ein  Siegelabdruck 
aus  dem  Anfange  des  14.  Jahrhunderts  enthält  einen  Bischof 
mit  segnend  erhobener  Rechten  und  mit  dem  Krummstabe  in 
der  Linken,  auf  einem  mit  gothischen  Verzierungen  versehenen 
Sessel  sitzend.  (Taf.  IV.)  Nach  Frölich  (Gesch.  d.  Graudenzer 
Kreises  I,  139)  soll  diese  Figur  den  heiligen  Nicolaus  als  Patron 
der  Pfarrkirche  darstellen.  Das  kann  zwar  richtig  sein,  aber 
Bedenken  erregt  dabei  der  Umstand,  daß  der  Figur  des  Bischofs 
im  Siegel  das  wesentlichste  Attribut  der  Heiligen,  der  Nimbus, 
fehlt,  ein  in  alten  Darstellungen  seltenes  Vorkommniß;  außer- 
dem ist  zu  beachten,  daß  die  beiden  heiligen  Bischöfe  mit  dem 
Namen  Nicolaus  gewöhnlich  anders  dargestellt  werden.  Nicolaus 
von  Bari,  Bischof  von  Myra,  der  Beschützer  der  Seefahrer,  er- 
scheint zuweilen  segnend  im  bischöflichen  Gewände,  seine  Inful 
wird  von  einem  Engel  gehalten.  Oefter  steht  vor  ihm  ein  Ge&ß, 
worin  sich  drei  Kinder  befinden.  Die  gewöhnlichste  Darstellungs- 
weise ist  diejenige,  bei  welcher  er  drei  Kugeln  (Brode)  in  der 
Hand  hält.  Nicolaus  Albergati,  Bischof  von  Bologna,  wird  vor 
einer  Stadt  —  Bologna  —  stehend  abgebildet,  mit  einem  Reliquien- 
kästchen in  der  Hand.  (Wessely,  Ikonographie  der  Heiligen 
S.  313.)  Demnach  ist  es  also  mindestens  sehr  gewagt,  den 
Bischof  des  Siegels  für  den  Patron  der  Kirche  und  überhaupt 
für  einen  der  beiden  heiligen  Bischöfe  des  Namens  Nicolaus  zu 
halten.  Da  nun  Graudenz  weder  zu  dem  nach  den  Bestimmungen 
von  1243  dem  Bischöfe  von  Kulm  zugefallenen  Theile  des  Kulmer- 
landes  noch  zu  dem  Gebiete  eines  andern  Bischofs  gehört  hat, 
so  kann  auch  keiner  von  diesen  oder  von  den  späteren  Bischöfen 
von  Kulm  zu  Graudenz  in  näheren  Beziehungen  gestanden  haben; 
solches  läßt  sich  nur  von  dem  Bischof  Christian  annehmen. 
Diesem    war   schon    im  Jahre  1222    vom    Herzoge  Konrad  von 

Masovien  ein  Gebiet  im  Kulmerlande  geschenkt  worden,   worin 

• 

auch  die  ehemalige  Burg  Grudenc  lag.  Die  Schenkung  war 
erfolgt,  weil  der  Bischof  die  verwüstete  Burg  Kulm  wieder  her- 
gestellt hatte,  man  darf  also  wohl  annehmen,  daß  er,  nachdem 
er  in  den  Besitz  der  zerstörten  Burg  Grudenc  gelangt  war,  auch 


Von  C.  Beckherrn.  269 

diese  wieder  aufgebaut  und  in  deren  Schutz  auch  eine  Nieder- 
lassung gegründet  haben  wird,  welche  später  zur  Stadt  Graudenz 
heranwuchs,  und  daß  die  Bürger  derselben  das  Bild  des  Bischofs 
Christian,  des  ersten  Gründers  des  Ortes,  in  ihr  Stadtsiegel  auf- 
genommen haben,  um  sein  Andenken  dadurch  zu  ehren.  (Yergl. 
Artikel  Löbau.) 

Ein  Secretsiegel  ans  dem  15.  Jahrhundert  zeigt  einen  die  Zunge 
herausstreckenden  Stierkopf,  wohl  entlehnt  dem  Wappen  der  Komturei, 
welche  in  dem  Banner  aus  der  Tannenberger  Schlacht  im  weißen  Fahnen- 
tuch e  einen  schwarzen  Stierkopf  mit  gelben  Augenlidern  und  Nasenlöchern 
und  eisernem  Nasenringe  führte. 

Der  Stierkopf  kehrt  auch  auf  einem  Stempel  vom  Jahre  1809  wieder, 
und  zwar  mit  zwei  unter  dem  Maule  sich  kreuzenden  Schwertern.  (Sieh- 
macher S.  142.) 

Seit  1840  fuhrt  die  Stadt  im  Wappen  eine  Mauer,  auf  welcher  sich 
rechts  und  links  je  zwei  dicht  neben  einander  gestellte  Thürme  mit  spitzen 
Dächern  erheben.  Die  beiden  inneren  derselben  sind  durch  einen  Bogen 
verbunden,  der  wieder  drei  kleine  Thürme  trägt.  In  dem  so  gebildeten 
Portale  steht  ein  Bischof  mit  Inful  und  Stab,  in  der  Rechten  einen  Gegen- 
stand haltend,  welcher  wie  ein  kleiner  mit  Stacheln  besetzter  Streitkolben 
aussieht    (Siebmacher  S.  142.) 8) 

Gumbinnen.  Zur  Stadt  erhoben  1725  vom  Könige  Friedrich 
Wilhelm  L  Sie  fährt  gegenwärtig,  nach  der  dem  Verfasser  vom 
Magistrat  gefälligst  gemachten  Mittheilung,  folgendes  Wappen: 
Schräge  links  getheilter  Schild,  dessen  beide  Plätze  eine  carmin- 
rothe  (!)  Farbe  haben,  darin  oben  wachsend  ein  schwarzer  stili- 
sirter  Adler  mit  goldener  Krone,  Scepter,  Klaue  und  Schnabel 
und  schwarzer  (?)  Zunge,  unten  ein  aufrechter,  schwarzer  Pfeil. 
Auf  dem  Schilde  ruht  ein  Spangenhelm  ohne  Decken  und 
Kleinod.  Dieses  Wappen  ist  offenbar  ein  verunstaltetes,  denn 
niemals  dürfen  zwei  an  einander  grenzende  Plätze  des  Schildes 
eine  gleiche  Farbe  haben,  welche  übrigens  hier  eine  ganz  un- 
gebräuchliche ist;  als  Roth  wird  nur  Zinober  oder  allenfalls  auch 
Mennige    verwendet.     Ferner   ist  der  Adler  ohne  jeden  Zweifel 


8)  Eine  nicht  ganz  zuverlässige  Quelle  giebt  folgende  Farben  an: 
Feld  roth,  die  Bauwerke  von  Silber,  das  Gewand  des  Bischofs  violett  mit 
silbernen  Borten. 


270  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

der  königliche  preußische,  welcher  nur  im  silbernen  Felde  vor- 
kommt. Dem  Helme  fehlt  ein  für  einen  Wappenhelm  wesent- 
licher Theil,  nämlich  das  Kleinod.  Dieses  ist  hier  wahrschein- 
lich fortgelassen,  um  das  Wappen  bequemer  in  dem  beschrankten 
Baume  eines  kleineren  Siegels  unterbringen  zu  können;  ur- 
sprünglich ist  es  aber  auch,  wie  aus  der  bei  Siebmacher  (S.  248) 
zu  findenden  Beschreibung  nach  dem  im  Jahre  1824  geschnittenen 
Siegelstempel  hervorgeht,  vorhanden  gewesen,  und  zwar  in  Gestalt 
des  preußischen  Adlers. 

Das  richtige  Wappen  wird  sich  demnach  folgendermaßen 
darstellen;  Schräge  links  getheilter  Schild,  oben  in  Silber 
wachsend  der  schwarze  preußische  Adler,  unten  in  Roth  ein 
aufrechter,  schwarzer,  heraldisch  richtiger  aber  ein  silberner 
oder  goldener  Pfeil  (vergl.  Anmerk.  15).  Auf  dem  Schilde  ein 
Stechhelm  —  Spangenhelme  gehören  zu  adligen  Familienwappen  — 
mit  dem  preußischen  natürlichen  Adler  als  Kleinod.  Helmdecken 
silbern  und  roth.     (Taf.  V.) 

Guttstadt  existirte  1310  und  erhielt  1330  eine  Handfeste 
vom  Bischof  Heinrich  von  Ermland.  Das  Siegel  von  1440  zeigt 
auf  einem  Basengrunde  hinter  einem  dünnen,  ästigen  Baum- 
stumpfe einen  nach  links  schreitenden  Hirsch  mit  einem  Zweige 
im  Maule.  (Taf.  V.)  Dieses  Wappen  scheint  auf  die  Anlegung 
der  Stadt  auf  einer  dem  Walde  abgerungenen  Bodenfläche  hin- 
zudeuten. 

In  einem  Siegel  von  1710  ist  der  Rasengrund  nebst  Baumstumpf  fort- 
gelassen und  der  Hirsch  mit  einem  Blatte  im  Maule  nach  rechts  springend 
dargestellt.    (Siebmacher  S.  144.) 

Hammerstein.  Die  Burg  erbaut  zwischen  1395  und  1443. 
Die  Stadt  erhielt  ihre  Handfeste  1395  vom  HM.  Konrad  von 
Jungingen.  Im  Siegel  aus  dem  16.  Jahrhundert  schwebt  über 
drei  Steinen  ein  Hammer,  welche  Figuren  das  Wappen  zu 
einem  redenden  machen,  daneben  rechts  ein  Halbmond,  links 
ein  Stern.     (Taf.  V.) 

Diese  Figuren  werden  in  wenig  ansprechender  Weise  als 
Gedenkzeichen  an  Vorkommnisse  während  des  Hussiteneinfalles 


Von  0.  Beckherrn.  271 

gedeutet.  (Benwitz,  Pr.  Prov.  Bl.  III,  28.)  Zu  jener  Zeit  sollen 
nämlich  hussitische  Eisenarbeiter  in  der  Stadt  gewohnt  haben, 
welche  sich  nur  bei  Mond-  und  Sternenlicht  getrauten,  auf  dem 
bei  der  Stadt  gelegenen  Eisenhammer  zu  arbeiten,  weil  sie  den 
Haß  der  über  die  Verwüstungen  des  Landes  durch  das  hussitische 
Heer  erbitterten  Einwohner  zu  fürchten  hatten. 

Heiligenbeil,  ein  uralter  Ort,  soll  im  Jahre  1301  zur  Stadt 
erhoben  worden  sein.  Die  verlorene  Handfeste  wurde  1522 
vom  HM.  Albrecht  von  Brandenburg  erneuert.  Das  große  Siegel 
unter  dem  Bundesbriefe  von  1440,  dessen  Stempel  nach  der 
Form  seiner  Buchstaben  im  14.  Jahrhundert  geschnitten  worden, 
zeigt  einen  Baumstumpf  mit  wieder  grünenden  Zweigen,  gegen 
den  ein  Wolf  über  einen  Strauch  hinweg  anspringt.  (Taf.  V.  — 
Voflberg,  Taf.  XV.) 

Das  kleine  Siegel  —  wohl  Secret  —  enthält  zwei  sich 
kreuzende  Beile,  das  Banner  aus  der  Tannenberger  Schlacht  im 
schwarzen,  oben  weiß  eingefaßten  Fahnentuche  ein  weißes  Beil. 

Das  Wappen  des  kleinen  Siegels  scheint  ein  th  eil  weise 
redendes  zu  sein,  ist  es  aber  eben  nur  scheinbar.9)  Denn  der 
Name  der  Stadt  hat  mit  einem  Beile  nichts  zu  thun,  weil  er 
zu  der  Zeit,  als  der  Siegelstempel  geschnitten  wurde,  Heilige- 
stadt —  Sancta  civitas  hat  die  Umschrift  beider  Siegel  — 
lautete.  Dieser  Name  weist  aber  auf  einen  schon  zur  Zeit  des 
Heidenthumes  hier  existirenden  Ort  hin,  welcher  ein  Heiligthum 
in  sich  barg,  denn  nach  Simon  Grünau  hieß  er  bei  den  alten 
Preußen  swentemest  d.  i.  Heilige  Stadt.10)  Nachdem  durch 
Ansiedelung  deutscher  Einzöglinge  der  Ort  sich  zu  einer  wirk- 
lichen Stadt  entwickelt  hatte,  wurde  diese,  wie  alle  Ordensstädte, 


9)  Um  es  ganz  zu  einem  redenden  zu  machen,  hat  man  in  einer 
jüngeren  Darstellung  die  Beile  auf  einen  Altar  gestellt  und  sie  auf  diese 
Weise  als  heilige  bezeichnet. 

10)  In  Nesselmann's  deutsch-preußischem  Vocabular  lautet  das  eine 
Stadt  bezeichnende  preußische  Wort  m  es  tan,  vielleicht  mit  der  ursprüng- 
lichen Bedeutung  von  Statt,  Stätte,  weil  wirkliche  Städte  im  heidnischen 
Preußen  noch  nicht  existirten. 


272  Di©  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

sogleich  befestigt.  Einen  befestigten  Ort  aber  bezeichneten  die 
Preußen  mit  dem  Worte  pill  oder  pil  (vergl.  Artikel  Schippen- 
beil), sie  gaben  daher  nunmehr  der  Stadt  den  Namen  swentepil, 
welcher  bald  auch  halb  ins  Deutsche  übertragen  wurde  und  nun 
Heiligepil  lautete.11)  (Lucas  David  I,  84  schreibt  Hailpil  und 
giebt  diesem  Namen  die  unrichtige  Bedeutung  Haffburg.)  Dieser 
Name  blieb  im  Volksmunde,  also  am  häufigsten,  neben  dem 
offiziellen  Heiligestadt  noch  lange  im  Gebrauch.  Im  Laufe  der 
Zeit  ging  den  deutschen  Bewohnern  die  eigentliche  Bedeutung 
des  Wortes  pil  verloren,  und  es  lag  ihnen  sehr  nahe,  dieses 
Wort,  bei  dem  sie  sich  nichts  denken  konnten,  in  das  nieder- 
deutsche Biel  und  das  hochdeutsche  Beil  zu  verwandeln.12)  So 
wurde  aus  dem  bedeutungsvollen  Heiligepil  —  Heiligestadt  — 
ein  sinnloses  Heiligenbeil.  Dafür,  daß  die  Stadt  auf  der  Stelle 
eines  heidnischen  Kultusortes  steht,  spricht  nicht  allein  ihr  ur- 
sprünglicher Name,  diese  Annahme  findet  vielmehr  auch  eine 
Stütze  an  nachstehender,  wie  es  scheint,  auf  Thatsachen  be- 
ruhender Sage. 

Auf  der  Stelle,  auf  welcher  sich  jetzt  die  Stadt  erhebt, 
stand  zur  Zeit  des  Heidenthumes  eine  den  Preußen  heilige  Eiche, 
unter  der  sie  ihre  Götter  verehrten.  Als  der  Bischof  Anselm 
ins  Land  gekommen  war,  ließ  er  diesen  Baum  umhauen,  wobei 
die  Klinge  eines  Beiles   absprang    und    einen  der  Arbeiter  ver- 


11)  Derartig  gebildete  Ortsnamen  findet  man  in  Ostpreußen  noch 
mehrere,  z.  B.  Schöndamerau,  Finsterdamerau,  Grünlauken,  Schwarzlauken, 
Eichmedien;  auch  Schippenbeil  =  Schippen(Schiffen)pil  gehörte  dazu. 
Außerdem  giebt  es  noch  Namen,  bei  denen,  im  Gegensatz  zu  den  angefahrten, 
der  erste  Theil  preußisch  und  der  zweite  deutsch  ist. 

12)  Den  Uebergang  von  pil  zu  btl  finden  wir  in  einer  aus  dem  Ende 
des  14.  Jahrhunderts  stammenden  Nachricht  des  Braunsberger  Archivs, 
Bd.  79,  3,  über  die  im  Jahre  1849  in  Preußen  auftretende  Seuche  des 
schwarzen  Todes.  Darin  wird  unter  den  von  ihr  betroffenen  Städten  auch 
Heiligenbil  genannt.  (N.  Pr.  Prov.  Bl.  I,  182.)  Dlugoß  nennt  in  seiner 
Schrift  Banderia  Prutenorum,  verfaßt  vor  1448,  die  Stadt  Elgebeyl  (Heiligen- 
beil) und  polnisch  in  wörtlicher  Uebersetzung  Swiantha  Siekierka. 


Von  C.  Beckherrn.  273 

wundete.     (v.  "Werner,    wöchentliche  königsbergische  Prag-  und 
Anzeigungs-Nachrichten  1749  No.  48.) 

Die  besondere  Erwähnung  des  Beiles  in  dieser  Sage  ist 
nur  als  spätere  Zuthat  dem  neueren,  verunstalteten  Namen  der 
Stadt  oder  auch  dem  Beile  im  kleinen  Siegel  zu  Liebe  geschehen, 
denn  man  erkennt  aus  obigen  Ausführungen,  daß  das  Beil  nicht 
auf  Grund  der  Sage  in  das  Siegel  aufgenommen  worden  ist. 
Es  ist  eine  nicht  selten  gebrauchte  Wappenfigur,  welche  unter 
andern  auch  in  den  Wappen  von  Barten,  Bartenstein  und  Kro- 
janke  vorkommt.  Die  Beile  des  Heiligenbeiler  Siegels  sollen 
eine  Anspielung  auf  den  im  Mittelalter  von  der  Stadt  lebhaft 
betriebenen  Holzhandel  sein.     (v.  Werner  a.  a.  0.  No.  52.) 

Wenn  dieser  Theil  der  Sage  für  uns  nur  nebensächliches 
Interesse  hat,  so  ist  der  andere  um  so  wichtiger,  denn  die  darin 
enthaltene  Nachricht  von  der  Vernichtung  des  einst  an  diesem 
Orte  befindlich  gewesenen  heidnischen  Heiligthumes  findet  in 
dem  Bilde  des  großen  Siegels  ihre  Beglaubigung.  Dasselbe  läßt 
sich  zweifellos  folgendermaßen  deuten.  Durch  den  wieder  Zweige 
und  Blätter  treibenden  Baumstumpf  sollen  wir  an  den  zuerst 
durch  den  Bischof  bald  nach  dem  Friedensschlüsse  vom  Jahre  1249 
hier  unterdrückteil  heidnischen  Kultus  erinnert  werden,  welcher 
aber  während  des  1260  ausgebrochenen  allgemeinen  Aufstandes 
der  Preußen  wieder  aufgelebt  war.  Der  mit  voller  Kraft  gegen 
den  Baumstumpf  über  einen  Strauch  hinweg  anspringende  Wolf 
soll  die  von  der  benachbarten  Ordensburg  Balga  ausgehenden 
Unternehmungen  zur  abermaligen  und  gänzlichen  Zerstörung 
des  Heiligthumes  und  Unterdrückung  des  alten  Glaubens  an- 
deuten, denn  der  Wolf  nebst  Strauch  war  das  Wappenbild  des 
Komturs  zu  Balga  als  Vogt  von  Natangen.  Das  Siegel  desselben 
aus  dem  14.  und  15.  Jahrhundert  bei  Voßberg  (Taf.  XIII)  zeigt 
nämlich  vor  einem  Strauche  einen  laufenden  Wolf,  das  Banner 
aus  der  Tannenberger  Schlacht  im  weißen  Fahnentuche  einen 
aufgerichteten  rothen  Wolf  mit  schwarzer  Zunge,  Zähnen  und 
Krallen.     Diese  Farben   werden    demnach    auch   dem  Wolfe  im 


274  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

Wappen  Heiligenbeils  zu  geben,  der  Baumstumpf  aber  schwarz, 
die  Blätter  grün  und  das  Feld  silbern  zu  tingiren  sein. 

In  diesem  Siegel  besitzt  die  Stadt  ein  so  interessantes 
Wappen,  wie  es  selten  gefunden  wird;  es  ist  schon  sehr  lange 
außer  Gebrauch,    die  Stadt   sollte    aber   nicht   verabsäumen,  es 

wieder  einzuführen. 

Ein  Gerichtssiegel  von  1607  zeigt  eine  Justitia,  welche  anstatt  eines 
Schwertes   ein  Beil  in   der  Rechten  hält.    (Siegelsammlung  der  „Prussia".) 

Heilsberg.  Die  Burg  existirte  schon  1261,  die  Stadt  wurde 
1306  vom  Bischof  Eberhard  von  Ermland  gegründet.  Wappen 
nach  einem  Siegel  von  1440:  Im  rothen  Felde  ein  silbernes 
zurückschauendes  Lamm  mit  goldenem  Heiligenschein,  welches 
mit  seinem  rechten  Vorderfuße  einen  golden  Bischofsstab  hält. 
(Taf.  V.)  Es  ist  dem  Wappen  des  Bischofs  von  Ermland  im 
Banner  aus  der  Tannenberger  Schlacht  entnommen,  woselbst 
aber  das  Lamm  eine  Kreuzfahne  hält  und  sein  Blut  in  einen 
Kelch  rinnen  läßt. 

Heia  (Heyle).  Ursprünglich  ein  Fischerdorf,  durch  Hand- 
feste von  1378  vom  HM.  Winrich  von  Kniprode  zur  Stadt  er- 
hoben. Nach  dem  Bundeskriege  stand  diese  lange  Zeit  hindurch 
unter  dem  Schutze  und  der  Verwaltung  Danzigs.  Wappen 
nach  dem  Siegel  von  1440:  Eine  männliche  Figur  in  falten- 
reichem Gewände,  die  mit  der  Rechten  einen  Schlüssel,  mit  der 
Linken  eine  Krone  emporhält.  (Taf.  VI.)  Trotz  dieser  Krone, 
welche  sich  nicht  deuten  läßt,  wird  man  die  Figur  för  den 
Apostel  Petrus  halten    dürfen,    dem   die   noch   stehende  Kirche 

geweiht  war. 

Im  Secretsiegel  befindet  sich  nur  ein  aufrecht  gestellter  antiker 
Schlüssel  mit  je  einem  Sterne  zu  beiden  Seiten. 

Hobenstein.  Die  Erbauungszeit  der  nach  ihrem  Erbauer, 
dem  Komtur  zu  Osterode  Günther  von  Hohenstein,  benannten 
Burg  ist  nicht  bekannt;  die  Stadt  erhielt  ihre  Handfeste  1359 
vom  HM.  Winrich  von  Kniprode.  Das  älteste  Siegel,  welches 
schon    aus    dem    Jahre    1353    stammen   soll,    hat   den   Apostel 


Von  C.  Beckherrn.  275 

Petrus  mit  dem  Schlüssel  in  der  Rechten  und  einem  Stabe  in 
der  Linken.  (Taf.  VI.)  Als  Farbe  des  Schildes  könnte  eine 
aus  dem  Familienwappen  des  Gründers  der  Burg,  nämlich 
Silber  oder  Roth  (vergl.  Art.  Soldau),  für  den  Apostel  die  ge- 
bräuchlichen Farben  gewählt  werden. 

In  späteren  Siegeln  hat  sich  der  Stab  zuerst  in  ein  Schwert  und 
dann  in  eine  Fahne  verwandelt.  (Siebmacher  S.  251.)  Das  Gerichtssiegel 
enthält  eine  Justitia. 

Insterburg.  Die  Burg  erbaut  1337,  die  Stadt  wurde  erst 
1583  vom  Markgrafen  George  Friedrich  gegründet.  Nach  der 
im  Gründungsprivilegium  enthaltenen  Beschreibung  des  ihr  ver- 
liehenen Wappens  besteht  dieses  aus  einem  silbernen  Schilde, 
worin  auf  grünem  Boden  ein  schwarzer  Bär  steht,  über  diesem 
die  Buchstaben  G.  F.  —  George  Friedrich.  Auf  dem  oberen 
Scilildesrande  befindet  sich  wachsend  ein  Jäger  mit  dem  Jagd- 
horn. Da  auf  einem  wirklichen  Wappenschilde  die  Anbringung 
einer  Figur,  wie  hier  geschehen,  unheraldisch  ist,  hat  man  später 
das  Ganze  als  Wappenfigur  in  einem  größeren  Schild  gesetzt 
und  diesem  die  blaue  Farbe  gegeben.18)  Für  die  Kleidung  des 
Jägers  werden  Braun  und  Grau  die  angemessenen  Farben  sein, 
für  das  Hörn  Schwarz  und  Gold  und  die  Feder  am  Hute  Roth. 
Auch  ist  noch  zu  bemerken,  daß  die  Erallen  des  Bären  ab- 
stechend zu  tingiren  sind,  entweder  mit  Gold  oder  Roth. 
(Taf.  VI.)  Jäger  und  Bär  weisen  auf  die  damals  aus  großen 
Waldungen  bestehende  Umgebung  der  Stadt  hin,  die  Ueberreste 
der  ehemaligen  großen  Wildniß. 


13)  Um  den  im  Privilegium  vorgeschriebenen  silbernen  Schild  als 
eigentlichen  Wappenschild  gelten  zu  lassen  und  dabei  zugleich  den  Jäger 
in  heraldisch  richtiger  Weise  anbringen  zu  können,  hätte  der  Verleiher  des 
Wappens  dem  Schilde  einen  Helm  aufsetzen  und  diesem  den  Jäger  als 
Kleinod  geben  müssen.  In  derselben  Weise  wie  hier  ist  auch  bei  der 
Wappenverleihung  für  Labiau  und  wahrscheinlich  auch  für  Stallupönen 
gegen  die  Heraldik  gesündigt  worden.  Auch  bei  dem  Wappen  von  Marien- 
werder mußte  der  in  dieser  Hinsicht  begangene  Fehler  durch  Hinzufügung 
eines  grösseren  Schildes  verbessert  werden. 


276  Die  Wappen  der  Städte  Ali-Preußens. 

Bei  neueren  Darstellungen  des  Wappens  hat  man  hin  und  wieder  die 
Geschmacklosigkeit  begangen,  eine  einem  Postiilon  gleichende  Figur  auf 
den  kleinen  Schild  zu  setzen. 

Johannisburg.  Die  Burg  erbaut  1345  vom  HM.  Heinrich 
Tusmer.  Die  daneben  entstandene  Lischke  wird  zuerst  er- 
wähnt 1367.  Sie  wurde  vom  Kurfürsten  Friedrich  Wilhelm 
durch  Handfeste  vom  8.  November  164B  zur  Stadt  erhoben.  In 
dieser  Handfeste  wird  ihr  folgendes,  auf  den  Namen  anspielende 
Wappen  verliehen:  Ein  getheilter  Schild,  dessen  oberer  Platz 
von  Silber  und  Schwarz  gespalten,  der  untere  roth  ist.  In  der 
Mitte,  auf  der  Schildestheilung  liegt  eine  Schale  mit  dem  Haupte 
Johannis    des    Täufers.     (Taf.  VI.)    (von  Werner,    Poleographie 

VI,  42.) 

Das  Gerichtssiegel  zeigt  St.  Johannes,  welcher  in  der  Linken  ein 
Buch,  in  der  Rechten  einen  Kelch  hält,  aus  dem  sich  eine  Schlange  empor- 
ringelt.   Im  Hintergrunde  erblickt  man  eine  Kirche,    (von  Werner  a.  a.  0.) 

Kauernick  (polnisch  Kurz^tnik),  Burg  und  Stadt  des  Bis- 
thums  Kulmsee,  erwähnt  1330.  Wappen:  Ein  nach  links  ge- 
wendeter gekrönter  Hahn.  (Taf.  VI.)  Der  Name  der  Stadt 
lautete  im  14.  Jahrhundert  Kurnik;  diese  Form  war  neben  der 
jetzigen  aber  auch  noch  im  folgenden  Jahrhundert  gebräuchlich, 
als  Westpreußen  unter  die  polnische  Herrschaft  kam.  Die  Polen 
hielten  diesen  Namen  für  das  in  ihrer  Sprache  vorkommende 
Wort  kurnik,  welches  einen  Hühnerstall  oder  überhaupt  einen 
Ort,  wo  Hühner  gehegt  werden,  bedeutet;  sie  gaben  daher  der 
Stadt  auch  den  Namen  Kurzantnik,  später  KurzQtnik  geschrieben, 
welcher  in  ihrer  Sprache  dieselbe  Bedeutung  hatte.  Das  auf 
den  Namen  der  Stadt  anspielende  Wappen  stammt  also  sicher- 
lich aus  der  Zeit  der  Polenherrschaft  und  ist  ihr  wahrscheinlich 
von  einem  Könige  Polens  verliehen  worden,  worauf  die  Krone 
auf  dem  Kopfe  des  Hahnes  hindeutet. 

Königsberg.  Die  Burg  erbaut  1255.  Die  erste  Stadt,  er- 
wähnt 1258,  wurde  1264  zerstört.  Handfeste  der  neugegründeten 
Stadt  —  Altstadt  —  1286  vom  Landmeister  Konrad  von  Thier- 


Von  C.  Beckherrn.  277 

berg,  der  Neustadt  Löbenicht  1300  vom  Komtur  zu  Königsberg 
Berthold  Brühaven,  des  Kneiphofs  (Pregelmünde)  1327  vom 
HM.  Werner  von  Orseln. 

Altstadt.  Das  große,  älteste  Siegel  hängt  unter  einer 
Urkunde  von  1360.  Es  enthält  einen  gekrönten  Ritter  auf 
schreitendem  Rosse,  welcher  in  der  Rechten  ein  Scepter  und 
am  linken  Arme  einen  Dreiecksschild  trägt,  auf  dem  ein  die 
Schildesränder  berührendes  Balkenkreuz  mit  einem  stilisirten 
Adler  in  der  Mitte  zu  sehen  ist.  (Taf.  VII.)  Dieser  Ritter  ist 
unzweifelhaft  König  Ottokar  von  Böhmen,  der  Schild  aber  der 
des  deutschen  Ordens  mit  dem  hochmeisterlichen  Wappen.  Dieser 
Schild  am  Arme  des  Böhmenkönigs  soll  an  die  von  diesem  und 
dem  Orden  gemeinschaftlich  ausgeführte  Eroberung  des  Sam- 
landes  erinnern,  welche  die  Gründung  der  Stadt  zur  Folge  hatte.14) 
Dieses  Wappen  blieb  bis  gegen  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts 
im  Gebrauch. 

Neben  diesem  tritt  im  15.  Jahrhundert  im  Secretsiegel 
noch  ein  anderes  auf  und  verdrängt  allmählich  das  alte  Wappen ; 
vielleicht  ist  es  sogar  schon  im  vorhergehenden  Jahrhundert 
entstanden,  denn  wir  erblicken  es  schon  im  Banner  aus  der 
Tannenberger  Schlacht,  welches  uns  auch  die  richtigen  Farben 
überliefert  hat.  Es  zeigt  im  von  Silber  und  Roth  getheilten, 
zuweilen  auch  mit  Damascirung  versehenen  Schilde  oben  eine 
rothe  Krone,  unten  ein  silbernes  Kreuz;  im  Anfange  des 
16.  Jahrhunderts  gab  man  ihm  zwei  Löwen  als  Schildhalter. 
(Taf.  VII).  Die  Krone  erinnert  an  König  Ottokar,  welcher 
durch  Unterstützung  des  Ordens  mit  Geld  beim  Aufbau  der 
ersten  Burg  mitgeholfen  hat,  die  Vorbedingungen  für  die  Grün- 
dung der  Stadt  zu  erfüllen.    Ueber  die  Bedeutung  des  silbernen 


14)  An  die  einstige  Waffen genossenschaft  erinnert  auch  ein  von  den 
Polen  in  der  Schlacht  bei  Tannenberg  erbeutetes  Banner,  welches  höchst 
wahrscheinlich  der  Hauskomtur  von  Königeberg  geführt  hat;  es  zeigt  oben 
das  schwarze  Ordenskreuz  im  weißen  Felde,  unten  den  weißen  böhmischen 
Löwen  im  rothen  Felde. 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX.  Hft  8  u.  4.  18 


278  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

Kreuzes    wurde    schon   in  der  Einleitung  eine  Vermuthung  aus- 
gesprochen. 

Eine  Abbildung  aus  dem  17.  Jahrhundert,  mit  welcher  die  „Prussia" 
sonderbarerweise  ihre  Diplome  verziert  hat,  setzt  dem  Schilde  einen  Helm 
mit  offenem  Fluge  auf,  in  welchem  als  weitere  Helmzier  ein  Kreuz  mit  da- 
rüber schwebender  Krone  steht.  Als  Schildhalter  figuriren  in  dieser  anf 
TJnkenntniß  oder  willkürlicher  Erfindung  beruhenden  Darstellung  zwei  wilde 
Männer. 

Auch  gegenwärtig  wird  das  Wappen  oft  noch  unrichtig  dargestellt 
indem  man  ihm  anstatt  der  rothen  eine  goldene  Krone  im  silbernen  Felde 
giebt,  wodurch  gegen  die  heraldische  Regel,  daß  nicht  Metall  auf  Metall 
zu  setzen  ist,  verstoßen  wird.15)  Zu  dieser  Regelwidrigkeit  ist  man  auch 
erst  allmählich  gelangt,  denn  man  hatte  sich  zuerst  damit  begnügt,  die 
Ecken  der  rothen  Krone  zu  vergolden. 

Das  Gerichtssiegel  der  Altstadt  zeigte  Christus,  auf  einem  Regea- 
bogen sitzend  und  in  der  Linken  ein  Schwert,  in  der  Rechten  einen  Oel- 
baumzweig  haltend.  Zu  beiden  Seiten  schwebte  je  ein  Engel,  zu  seinen 
Füssen  das  Stadtwappen.    (Conrad,  Altpr.  Monatsschr.  XXIV,  214.) 

Löbenicht.  Das  Wappen  dieser  Stadt  hat  im  blauen 
Felde  eine  goldene  Krone,  darüber  und  darunter  schwebt  ein 
sechsstrahliger  goldener  Stern.     (Taf.  VII). 

In  der  erwähnten  Darstellung  aus  dem  17.  Jahrhundert  halten  zwei 
bekleidete  weibliche  Gestalten  den  Schild.  Lilienthal  (Erläutertes  Preussen 
IV,  7)  macht  aus  ihnen  zwei  braune  Engel  und  setzt  auf  den  Schild  einen 
offenen  Helm  mit  Krone  und  schwarzen  und  grünen  Decken.  Der  Schild 
soll  grau  gefärbt  und  die  darin  schwebende  Krone  braun  und  vergoldet 
sein.  Es  ist  offenbar,  daß  dieser  Beschreibung  ein  mit  willkürlichen  Zu- 
thaten  versehenes  altes,  verwittertes  Wappen  zu  Grunde  gelegen  hat,  in 
dem  das  Blau  des  Schildes  verblaßt  und  das  Oold  der  Krone  zum  Tbeü 
bis  auf  die  rothbraune  Unterlage,  welche  man  den  Vergoldungen  zu  geben 
pflegte,  bereits  abgerieben  war. 

Das  Gerichtssiegel  des  Löbenichts  enthielt  eine  Justitia,  an  deren 
rechte  Hüfte  sich  das  Stadtwappen  lehnte.    (Conrad  a.  a.  0.  S.  215.) 


15)  Diese  Regel  gilt  jedoch  hauptsächlich  nur  für  selbständige  Wappen- 
figuren, denn  bei  einzelnen  Theilen  von  diesen  wird  auch  in  alten  Wappen 
zuweilen  davon  abgewichen.  So  findet  man  z.  B.  die  goldenen  Krallen  nnd 
Kronen  der  Adler  und  die  goldene  Krone  der  Jungfrau  Maria  auf  metallenem 
Grunde.  Andererseits  soll  auch  nicht  Farbe  auf  Farbe  zu  stehen  kommen, 
jedoch  sind  einzelne  Ausnahmen  gestattet  z.  B.  für  die  natürliche  Farbe 
der  menschlichen  Figuren,  Thiere  und  Pflanzen. 


Von  C.  Beokherrn.  279 

Kneiphof  (Knipabe)  hat  als  Wappen  im  grünen  Felde 
einen  aus  Wellen  emporragenden  Arm,  welcher  mit  blauem 
Aermel  bekleidet  ist  und  in  der  Hand  eine  goldene  Krone  hält. 
Zu  beiden  Seiten  schwebt  je  ein  Jagdhorn.  (Taf.  VII.)10)  Die 
Krone  hat  sowohl  hier  wie  auch  beim  Löbenicht  dieselbe  Be- 
deutung, welche  beim  Wappen  der  Altstadt  angegeben  wurde. 
Die  Wellen,  aus  denen  der  die  Krone  stützende  Arm  hervor- 
ragt, weisen  auf  die  Lage  der  Stadt  auf  einer  Insel  hin,  welche 
die  Schifffahrt  und  somit  auch  den  Handel  begünstigte,  auf  dem 
der  Wohlstand  der  Stadt  beruhte.  In  einem  Siegel,  welches  die 
Stadt  vom  Anfange  des  16.  Jahrhunderts  bis  zur  Vereinigung 
der  drei  Städte  führte,  kommt  als  Schildhalter  ein  Krieger  vor, 
welcher  halb  wie  ein  römischer  Legionssoldat,  halb  wie  ein  Lands- 
knecht aussieht  und  in  der  Rechten  eine  kleine  Fahne  hält. 
Er  wird  auf  den  sagenhaften  kneiphöfischen  Schuhmachergesellen 
Hans  von  Sagan  gedeutet,  welcher  in  der  Schlacht  bei  ßudau 
eine  Rolle  gespielt  haben  soll. 

Die  Beschreibung  Lilienthals  (a.  a.  0.  III,  472)  hat  wieder  Unrichtiges, 
indem  hier  der  Schild  von  Silber  und  Grün  getheilt  ist.  Die  als  Schildhalter 
auftretenden  Bären  zeigt  auch  die  erwähnte  Darstellung  aus  dem  17.  Jahr- 
hundert. Ausserdem  setzt  diese  in  unheraldischer  Weise  noch  eine  doppelt 
geschwänzte  Melusine  auf  den  oberen  Schildesrand.  Diese  sowie  auch  die 
Bären  sind  willkürliche  Zuthateo. 

Im  Gerichtesiegel  des  Kneiphofs  erblickte  man  Christus,  auf  einem 
Regenbogen  sitzend  und  mit  Schwert  und  Oelbaumzweig  in  den  Händen. 
Seine  Füsse  ruhten  auf  der  Weltkugel.  Weiter  unten  zeigten  sich  zwei 
durch    das   Stadtwappen   von   einander   geschiedene  Gruppen   menschlicher 


16)  Kniepow,  Kniephof,  Kneibab  kommt  auch  anderweitig  als  Orts- 
name vor.  Stadie  (Altpr.  Monatsschr.  VI,  306)  leitet  ihn  von  knieja  — 
morastiger,  lehmiger  Ort  —  ab,  was  zur  ehemaligen  Beschaffenheit  des 
Bodens  der  Insel,  auf  welcher  die  Stadt  angelegt  wurde,  sehr  gut  passen 
würde.  Knieja  bedeutet  aber  auch  Forst,  woraus  zu  folgern  wäre,  daß  die 
Insel  •  ursprünglich  auch  mit  Wald  bedeckt  gewesen  sei.  Sollten  etwa  auf 
diesen  Umstand  die  Jagdhörner  des  Wappens  hinweisen,  oder  sind  diese  als 
Anspielung  auf  den  Namen  der  Stadt  anzusehen,  weil  ein  Jägerhorn  polnisch 
kniejowka  heißt?  Die  polnische  Sprache  war  gewiß  schon  im  14.  Jahr- 
hundert einem  großen  Theile  der  Einwohner  Königsbergs  durch  den  von 
ihnen  mit  Polen  betriebenen  Handel  mehr  oder  weniger  geläufig. 

18* 


280  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

Figuren,  die  auf  der  rechten  Seite  die  Guten,  die  auf  der  linken  die  Bösen 
im  jüngsten  Gericht  darstellend.    (Conrad  a.  a.  0.) 

Gleich  nach  der  Krönung  Friedrichs  I.  heantragten  die  Bewohner  der 
Burgfreiheit  beim  Könige  die  Erhebung  ihres  Stadttheiles  zur  selb- 
ständigen Stadt,  gelangten  aber  wegen  des  Widerspruchs  der  andern  drei 
Städte  nicht  zum  Ziele.  Sie  hatten  sich  auch  ein  eigenes  Wappen  erbeten, 
nämlich  eine  von  oben  aus  Wolken  hervorkommende  Hand,  welche  eine 
Königskrone  hält  „weil  E.  Majestät  dieselbe  vom  Himmel  empfangen",  da- 
runter auf  der  einen  Seite  ein  Stern,  auf  der  andern  ein  blaues  Kreuz,  beide 
dem  neugestifteten  Orden  vom  schwarzen  Adler  entlehnt.  (Conrad.  Altpr. 
Monatsschr.  XXIII,  7.)17) 

Den  herzoglichen  Vorstädten  oder  Freiheiten,  mit  Ausnahme  der  Barg- 
freiheit, verliehen  im  Laufe  des  16.  Jahrhunderts  die  Landesherren  in  den 
Gerichtssiegeln  besondere  Wappen. 

Der  Sackheim  hatte  im  Schilde  von  wahrscheinlich  blauer  Farbe 
das  silberne  Lamm  Gottes  mit  goldenem  Heiligenschein  und  rother  Krenz- 
fahne,  auf  einem  grünen  Boden  stehend.  Dieses  Wappen  stammte,  nach  der 
im  Siegelfelde  befindlichen  Zahl  78  zu  schließen,  wahrscheinlich  aus  dem 
Jahre  1578. 

Dem  Tragheim  wurde  1577  vom  Herzog  Albrecht  Friedrich  folgendes 
Wappen  verliehen:  In  einem  größeren  Schilde  von  blauer  Farbe  ein  kleinerer, 
wahrscheinlich  von  Silber,  worin  zwischen  zwei  Bäumen  ein  nach  rechts 
gewendeter  Hirschkopf  mit  Hals  schwebt.  Diesen  Figuren  wird  die  natür- 
liche Farbe  zu  geben  sein.  Den  kleinen  Schild  umgeben  in  dem  blatten 
Felde  vier  wahrscheinlich  silberne  Rosetten.  Dieses  Wappen  spielt  offenbar 
auf  die  Lage  des  Tragheims  neben  dem  herzoglichen  Hetzgarten  an. 

Der  Vordere  Roßgarten  hat  1576  ebenfalls  von  Herzog  Albreoht 
Friedrich  ein  Wappen  erhalten:  Im  wahrscheinlich  blauen  Felde  ein  anf 
grüner  Aue  weidendes  silbernes  Roß. 

Dem  Hinteren  Roßgarten  verlieh  1596  Markgraf  George  Friedrieh 
ein  Wappen :  Im  blauen  Felde  eines  größeren  Schildes  ein  kleinerer  silberner. 
In  diesem  auf  grüner  Weide  ein  schwarzer  nach  rechts  gewendeter  Stier, 
welcher  den  Kopf  dem  Beschauer  zuwendet.  Die  Bedeutung  der  Wappen 
beider  Roßgärten  liegt  auf  der  Hand,  denn  beide  Vorstädte  waren  auf  den 
ehemaligen  Pferde-  und  Viehweiden  entstanden. 

Der  Neuen  Sorge,  zwischen  Sackheim  und  Roßgarten  gelegen,  gab 
1662  der  Große  Kurfürst  als  Wappen  eine  von  oben  aus  einer  Wolke  her- 
vorkommende Hand,  welche  ein  Winkelmaß  hält.  Zu  beiden  Seiten  des- 
selben  befindet   sich  je   ein    offenes  Auge,   außerdem    die  Zahl  1662.     Als 


17)  Das  oberburggräf  liehe  Amt,  unter  dem  die  Burgfreiheit  in  allen  Ver- 
waltnngs-,  Justiz-  und  andern  Sachen  stand,  führte  im  Siegel  das  hohen - 
zollernsche  Wappen.    (Conrad,  Altpr.  Monatsschr.  XXIV,  226). 


Von  C.  Beckherrn.  281 

Farbe  des  Schildes  wird  die  blaue,  als  die  der  Figuren  die  natürliche  anzu- 
nehmen sein.  Die  Umschrift  des  Siegels  enthält  die  Devise:  Rectum  inter 
et  aequum. 

Auch  die  städtischen  Freiheiten  mit  Ausnahme  der  zum  Löbenicht 
gehörigen,  den  Anger  und  einen  kleinen  Theil  des  Sackheims  umfassenden, 
besaßen  schon  von  altersher  Wappen  in  ihren  Gerichtssiegeln. 

Der  zur  Altstadt  gehörige  Steindamm  hatte  eine  Justitia  mit  der 
Binde  um  die  Augen,  dem  Schwerte  in  der  Hechten  und  der  Waage  in  der 
Linken  im  rothen  oder  silbernen  oder  wahrscheinlicher  im  von  beiden 
Farben  getheilten  Felde. 

Die  zum  Kneiphof  gehörige  „ Vorstadt"  mit  dem  Haberberge  hatte 
im  grünen  Felde  eine  aus  einer  Wolke  hervorkommende  Hand,  welche 
zwischen  zwei  freischwebenden  Jagdhörnern  eine  Waage  hielt,  eine  An- 
spielung auf  den  Umstand,  daß  die  Vorstadt  derjenige  Ort  war,  welcher 
die  dem  Handel  des  Kneiphofs  dienenden  Einrichtungen,  die  Speicher,  die 
Waage  u.  s.  w.  enthielt. 

Nach  der  Vereinigung  von  Altstadt,  Löbenicht,  Kneiphof 
nebst  Vorstädten  zu  einer  Gemeinde,  der  Stadt  Königsberg, 
im  Jahre  1724  wurde  das  Wappen  derselben  in  der  Art  formirt, 
daß  man  den  unteren  Theil  des  gekrönten  und  mit  Namenszug 
nebst  Krone  auf  der  Brust  versehenen,  stilisirten  preußischen 
Adlers  mit  den  in  einer  Beihe  an  einandergefügten  Wappen- 
schilden der  drei  alten  Städte  belegte,  wobei  der  der  Altstadt 
die  Mitte,  der  des  Kneiphofs  die  rechte  Seite,  welche  eigent- 
lich dem  Löbenicht  hätte  zukommen  müssen,  und  der  des  Lobe- 
nichts  die  linke  Seite  einnahm.  Eine  gegenwärtig  am  meisten 
gebrauchte  Form  dieses  Wappens,  bei  welcher  der  Adler  in 
Fortfall  kommt,  erblickt  man  am  Thurme  des  Kneiphöfischen 
Eathhauses:  Oben  rechts  Altstadt,  links  Löbenicht,  unten  auf 
der  Mittellinie  Kneiphof.  Auf  den  beiden  oberen  Schilden  ruht 
eine  goldene  Königskrone.  Diese  darf  aber  nicht,  wie  man  es 
hier  und  auch  anderwärts  sieht,  die  mittelalterliche  mit  Blättern 
und  Zacken  besetzte,  oben  offene  sein,  sondern  die  mit  Bügeln 
geschlossene,  noch  jetzt  gebräuchliche;  denn  die  Stadt  führt 
diese  Königskrone  in  ihrer  Eigenschaft  als  Krönungs-  und 
königliche  Residenzstadt,  zu  welcher  Würde  sie  doch  erst  in 
neuerer  Zeit  gelangt  ist.  (Taf.  VII.)  Der  diesem  zusammen- 
gesetzten Wappen  zu  gebende  Schild  wird  die  silberne  Tinctur 


282 


Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 


erhalten  müssen.  Daß  dabei  die  große  goldene  Krone  eine 
metallene  Unterlage  erhält,  hat  nichts  zu  sagen,  weil  sie  hier 
nur  als  Theil  eines  Ganzen  und  nicht  als  selbständige  Figur 
auftritt.  (Vergl.  Anmerk.  IB.)  Hierbei  muß  bemerkt  werden, 
daß  die  auf  Tafel  VII  dargestellte  Art  und  Weise  der  Ver- 
einigung der  drei  Wappen  in  einem  Schilde  nicht  ganz  den 
Regeln  der  Heraldik  entspricht.  Will  man  diese  genau  befolgen, 
so  hat  die  Vereinigung  entweder  durch  Verschränkung  (Fig.  1) 


Fig.  L 


Fig.  Ä 


Fig.  8. 


a 


a 

b 

c 

d 

e 

f 

\g 

h 

kj 

i 

oder  durch  Einpfropfung  (Fig.  2)  zu  geschehen,  wobei  Altstadt 
in  a,  Löbenicht  in  b,  Kneiphof  in  c  und  die  grosse  Krone  auf 
den  oberen  Schildesrand  zu  stehen  kommen.  Bei  diesem  Ver- 
fahren würden  aber  die  schmalen  Felder  der  Einzeichnung  der 
Figuren  in  der  angemessenen  Größe  sehr  hinderlich  sein  und 
das  Wappen  kein  gefälliges  Aussehen  haben.  Diese  Uebelstände 
könnten  vermieden  werden,  wenn  man  den  Wappen  der  drei 
Städte  noch  diejenigen  der  Vorstädte  hinzufügen  wollte.  Dieses 
Gesammtwappen  würde  sich  dann  so  gestalten,  wie  Fig.  3  zeigt, 
worin  die  Plätze  der  einzelnen  Wappen  folgendermaßen  ange- 
ordnet sind:  a  Altstadt,  b  Löbenicht,  c  Kneiphof,  d  Steindamm, 
e  Vorstadt,  f  Tragheim,  g  Sackheim,  h  Vorderer  Roßgarten, 
i  Hinterer  Roßgarten,  k  Neue  Sorge. 

Bemerkens werth  ist  noch,  daß  die  Russen  während  der  Occupation 
im  siebenjährigen  Kriege  der  Stadt  ein  abgeändertes  Wappen  octroyirten, 
in  welchem  der  mit  den  Schilden  belegte  preußische  in  den  doppelköpfigen 
russischen  Adler,  über  dem  die  Zarenkrone  schwebte,  verwandelt  war. 

Konitz,  ein  sehr  alter  Ort,  wird  schon  1205  erwähnt  und 
kommt  1309  unter  die  Herrschaft  des  deutschen  Ordens.  Wann 
er    zur  Stadt  erhoben,    ist  nicht  bekannt,    die  Handfeste  wurde 


Von  C.  Beckherrn.  283 

1360  vom  HM.  Winrieh  von  Kniprode  erneuert.  Das  älteste 
Wappen  ist  ein  nach  vorn  gewendeter  Stierkopf,  zwischen 
dessen  Hörnern  neun  langgestielte  Blumen  aus  dem  Kopfe  her- 
vorwachsen; zu  beiden  Seiten  desselben  befinden  sich  ebenfalls 
Stengel  mit  Blumen.  (Taf.  VI.)  Der  Ort  soll  von  aus  Mecklen- 
burg vertriebenen  Wenden  gegründet  worden  sein,  der  Stier- 
kopf könnte  daher  als  Erinnerung  an  diesen  Vorgang  angesehen 
werden,  denn  Mecklenburg  führt  ebenfalls  einen  Stierkopf  im 
Wappen. 

Jüngere  Siegel  zeigen  anstatt  der  Blumen  vier  Ordens- 
kreuze zwischen  den  Hörnern  und  auf  deren  Spitzen,  wahr- 
scheinlich als  Andenken  an  die  Treue,  welche  die  Stadt  dem 
Orden  während  des  Bundeskrieges  bewiesen  hatte. 

Kreuzburg.  Die  Burg  erbaut  um  1253.  Handfeste  der 
Stadt  13 1B  vom  Großkomtur  Heinrich  von  Plock.  Wappen  nach 
dem  Siegel  von  1440:  Eine  gezinnte  Mauer  mit  Thor,  dessen 
Flügel  geöffnet  sind.  Hinter  beiden  Enden  der  Mauer  erheben 
sich  viereckige,  gezinnte  Thürme,  zwischen  denen  ein  rechts 
gelehnter  Dreiecksschild  schwebt.  Dieser  ist  gespalten  und 
zeigt  rechts  einen  halben  stilisirten  Adler,  links  die  Hälfte 
eines  Kreuzes.     (Taf.  VI.) 

Kulm  (Colmen)  wird  zuerst  1222  als  vor  vielen  Jahren  von 
den  Preußen  zerstörte  Burg  erwähnt.  Die  Stadt  wurde  1232 
gegründet  und  erhielt  1233  vom  HM.  Hermann  von  Salza  ihre 
Handfeste.  Im  ältesten,  grossen  Siegel  von  1345  erblickt  man, 
auf  drei  an  einander  gereiheten  Bogen  ruhend,  ein  Thorhaus 
und  zu  beiden  Seiten  desselben  niedrige  Thürme  mit  vortretenden 
oberen  Geschossen  und  Dächern.  Darunter  ohne  Boden  auf 
nach  rechts  galoppirendem  Bosse  einen  Bitter  mit  Eisenhut, 
Ordensschild  am  linken  Arme  und  Banner  in  der  Rechten. 
Dieses  läuft  in  drei  Enden  aus  und  enthält  in  dem  geschlossenen 
Theile  neben  der  Stange  die  Figuren  des  in  der  Tannenberger 
Schlacht  von  der  Stadt  oder  dem  Komtur  von  Kulm  geführten 
Banners,  nämlich  im  rothen,  oben  schwarz  eingefaßten  Fahnen- 


284  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

tuche  zwei  weisse  Ströme,  in  deren  oberem  das  schwarze  Ordens- 
kreuz  schwebt.     (Taf.  VI.) 

In    jüngeren  Siegeln    ist    unter    drei    sich  an  einander   schließendea 

Wimpergen  das  Roß  auf  einem  Boden  schreitend  dargestellt,  der  Schild  des 

Ritters  zuerst  unten  abgerundet,  später  oval,  das  Banner  dreieckig,  und  der 
Eisenhut  ist  in  einen  Visirhelm  verwandelt. 

Im  jüngsten  Siegel  ist  im  Banner  de«  Ritters  ein  Berg  abgebildet 
auf  dessen  Gipfel  das  Ordenskreuz  steht.  Dieses  Bild  des  Bauners  soll  auch 
für  sich  allein  als  Wappen  der  Stadt  vorkommen.  (Vergi.  N.  Pr.  Prov.  Bl. 
a.  F.  X,  376.) 

Kulmsee  war  Sitz  des  Bischofs  Christian  und  wird  unter 
dem  Namen  Loza  schon  1222  erwähnt.  Bischof  Heidenreich 
erhob  den  Ort  1251  zur  Stadt  und  wahrscheinlich  zugleich  auch 
zu  seinem  Sitze.  Das  älteste  Siegel  aus  dem  13.  Jahrhundert 
enthält  die  sehr  ungeschickt  ausgeführte  Darstellung  einer 
Kirche,  augenscheinlich  der  noch  stehenden  ehemaligen  Kathe- 
drale des  Bisthums.  Wir  erblicken  die  Westfront  des  Gebäudes 
mit  den  beiden  Hauptthürmen,  von  denen  der  südliche  aber  als 
vollendet  dargestellt  ist.  Zwischen  denselben  zeigt  sich  der 
niedrige  Zwischenbau  mit  seinem  an  den  dahinter  emporrageDden 
Giebel  des  Langhauses  sich  anlehnenden  Pultdache,  mit  dem 
Portal  und  der  darüber  befindlichen  großen  Fensterrose.  Die 
beiden  kleinen  Ostthürme  kommen  in  dieser  Darstellung  nicht 
zur  Geltung,  weil  sie  von  den  Haupthürmen  verdeckt  werden. 
An  jeden  dieser  letzteren  lehnt  sich  ein  Baumzweig  an. 
(Taf.  VI.)  Die  alten  Siegel  pflegen  sonst  nur  stilisirte  oder  der 
Phantasie  entsprungene  Darstellungen  von  Bauwerken  zu  ent- 
halten, das  oben  beschriebene  wird  daher  durch  die  im  All- 
gemeinen richtige,  wenn  auch  mangelhafte  und  ungeschickt 
ausgeführte  Abbildung  besonders  interessant,  die  es  von  der 
alten  Kathedrale  giebt,  deren  Bau  bereits  um  das  Jahr  1254 
begonnen,  wegen  wiederholter  Unterbrechungen  durch  Brand 
und    andere  Zwischenfalle    aber    erst  um  1359  vollendet  wurde. 

Ein  jüngeres  Siegel  hat  ebenfalls  eine  Kirche,  aber  in  sehr  ver- 
änderter, nüchterner  Gestalt,  ohne  die  entfernteste  Aehnlichkeit  nüt  der 
ehemaligen  Kathedrale.     (Siebmachor  S.  134.) 


Von  C.  Beckherrn.  285 

Labiau  (Labegowe).  Die  Burg  existirte  schon  1277.  Di9 
dabei  gelegene  Lischke,  erwähnt  zwischen  1392  und  1396,  wurde 
vom  Kurfürsten  Friedrich  Wilhelm  durch  Handfeste  von  1642 
zur  Stadt  erhoben.  Diese  Handfeste  enthält  auch  die  Verleihung 
des  "Wappens,  welches  folgendermaßen  beschrieben  wird:  „Ein 
weißer  Schild,  darinnen  aus  einer  blauen  Wolke  ein  halb  grüner 
Arm,  s.o  in  der  Hand  ein  Jägerhorn  hält,  und  unten  ein  grüner 
Baum,  über  dem  Schild  aber  ein  Auer,  inmaßen  denn  solches 
allhie  mit  Farben  scheinbarlichen  vorgemalet  und  eingeleitet." 
(Toppen,  Altpr.  Monatschr.  IV,  521).  (Taf.  VIII.)  Wegen  der 
nach  dieser  Beschreibung  unheraldischen  Stellung  des  Auers  auf 
dem  oberen  Schildesrande  ist  das  Ganze  als  Wappenfigur  in 
einen  größeren  Schild  einzufügen,  für  den  die  rothe  Farbe  die 
passendste  sein  dürfte.  (Vergl.  Art.  Insterburg).  Der  Baum, 
das  Jägerhorn  und  der  Auer  (Wisent)  spielen  auf  die  Lage  der 
Stadt  in  der  Nähe  des  großen  sogenannten  Baumwaldes  an,  wo- 
selbst wie  auch  in  den  nördlich  von  Labiau  gelegenen  Mooren 
der   Auer    noch    im    17.   Jahrhundert    sich    aufhielt;    der   letzte 

wurde  1755  im  Baumwalde  erlegt. 

Das  Wappen  bei  Siebmacher  (S.  151),  welches  auf  dem  Schilde  einen 
Helm  mit  wachsendem  Heiligen  als  Kleinod  hat,  ist  nach  Obigem  zu  ver- 
werfen. 

Landeck  wird  1447  erwähnt,  in  welchem  Jahre  der  HM. 
Konrad  von  Erlichshausen  Burg  und  Dorf  an  Siegfried  von  Malen 
verlieh.  Letzteres  ist  erst  in  neuerer,  unbekannter  Zeit  zur 
Stadt  erhoben  worden.  Wappen:  In  einem  größeren  Schilde 
ein  kleinerer,  worin  eine  Weintraube  mit  Stiel  und  Blättern. 
Auf  dem  oberen  Rande  des  kleinen  Schildes,  dessen  Seiten  mit 
Zweigen    geschmückt   sind,    steht    der    nichtstilisirte  preußische 

Adler  mit  ausgebreiteten  Flügeln.     (Taf.  VIII.) 

Nach  Benwitz  (Pr.  Prov.  Bl.  III,  27)  soll  Landeck  ein  Lamm  im 
Wappen  führen. 

Landsberg  (Landstraß).  Handfeste  1335  vom  Komtur  zu 
Balga  Heinrich  von  Muro.  Das  älteste  Siegel  am  Bundesbriefe 
von    1440   zeigt   einen    auf   einem  Boden    stehenden  Wolf   mit 


286  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

einem  Lamm  im  Bachen.     (Voßberg  Taf.  XVII).     Der  Wolf  ist 

dem  Wappen    des  Komturs    zu  Balga,    des  Gründers  der  Stadt, 

entlehnt,    die    angemessensten    Farben    werden    demnach    sein: 

Feld  silbern,  Wolf  roth  mit  schwarzen  Krallen,  Lamm  schwarz. 

(Taf.  VIII.) 

Bei  Siebmacher  (S.  304)  ist  der  Wolf  laufend  und  eine  Gans  im 
Rachen  tragend  dargestellt. 

Lauenburg  (Lewenburg)  wurde  vom  HM.  Dietrich  von  Alten- 
burg durch  Handfeste  von  1341  zur  Stadt  erhoben.  Wappen 
nach  dem  Siegel  von  1440:  Eine  Burg  mit  doppeltem,  gestaffeltem 
Parcham.  Aus  einem  gewölbten  Durchlaß  der  äußeren  Parcham- 
mauer  strömt  ein  Fluß,  die  Leba,  hervor.  Oben  links,  neben 
dem  Hauptthurme  der  Burg  sitzt  ein  Löwe.    (Taf.  VIH.)   Dieser 

Leu    soll    das  "Wappen  zu  einem  redenden  machen:    Leuenburg. 

In  einem  Siegel  von  1526  hat  die  auf  ebenem  Boden  stehende  Burg 
nur  einen  einfachen  Parcham  und  der  Fluss  fehlt.    (Siebmacher  S.  152.) 

Lautenburg  (Lutirberg),  erwähnt  im  Anfange  des  15.  Jahr- 
hunderts, erhielt  eine  Handfeste  zwischen  1422  und  1441  vom 
HM.  Paul  von  Roßdorf.  Wappen:  Ein  nach  rechts  springendes 
Einhorn.     (Taf.  VIH.) 

Voßberg  (S.  38)  giebt  dem  Wappen  angeblich  nach  einem  Siegel  ans 
dem  17.  Jahrhundert  nur  den  Kopf  eines  Einhorns. 

Leba  (Lebemunde).  Handfeste  1357  vom  Komtur  zu  Danzig. 
Wappen  nach  dem  Siegel  von  1440.  Ein  Seehund  (Seelöwe?), 
hinter  dem  ein  lateinisches  Kreuz  hervorragt.     (Taf.  VIH.) 

L6886I1.  Handfeste  1298  vom  Landmeister  Meinhard  von 
Querfurt  und  1306  von  Korad  Sack.  Im  Siegel  von  1665  be- 
findet sich  ein  Kelch,  aus  dem  ein  von  Strahlen  umgebenes 
Haupt,  wohl  das  Johannis  des  Täufers,  hervorragt.  Neben  jeder 
Seite  des  Kelches  schwebt  ein  Stern.     (Taf.  VHI.) 

Liebemühl.  Handfeste  1335  vom  Komtur  zu  Christburg 
Härtung  von  Sonnenborn.  Wappen:  Ein  Mühlrad  (Taf.  VIII), 
als  Anspielung  auf  den  Namen  der  Stadt. 


Von  0.  Beckherrn.  287 

Liebstadt  (Libinstadt).  Gründung  von  Burg  und  Stadt 
nicht  bekannt,  letztere  wird  1315  zuerst  erwähnt.  Wappen 
nach  dem  Siegel  von  1332:  Ein  stehender,  nach  links  gewendeter 
Hirsch,  unter  und  vor  dem  je  eine  Blume  aus  dem  Schildes- 
rande  hervorwächst.  Vor  dem  Kopfe  des  Thieres  schwebt  am 
Schildesrande  ein  kleines.  Kreuz.     (Taf.  VIII.) 

LÖbau.  Um  das  Jahr  1216  schenkte  Survabuno,  der 
preußische  Häuptling  des  Gebietes  Löbau,  seine  Wohnburg  dem 
Bischof  Christian.  Dieser  hat  dann  höchst  wahrscheinlich  neben 
der  Burg  den  1260  urkundlich  erwähnten  Marktflecken  (forum) 
Löbau  gegründet,  woraus  ca.  1269  die  Stadt  entstanden  ist. 
Ihre  Gründungshandfeste  ist  verloren  gegangen,  eine  zweite  er- 
hielt sie  vom  Bischof  Hermann  (1303 — 1311)  und  eine  dritte 
1326  vom  Bischof  Otto.  In  dem  Siegel  von  1440  steht  ein 
Bischof  mit  segnender  Hechten  und  dem  Krummstabe  in  der 
Linken  zwischen  einem  Laub-  und  einem  Nadelbaume  (Taf.  IX), 
welche  beide  die  Entstehung  des  Ortes  inmitten  grosser  Waldungen, 
die  noch  bis  in  spätere  Jahrhunderte  hier  existirten,  andeuten. 
Die  Schutzheiligen  der  Stadt  waren  St.  Joseph  und  St.  Nicolaus, 
Bischof  von  Myra.  Diesen  letzteren  kann  die  Figur  des  Bischofs 
im  Siegel  jedoch  nicht  darstellen,  denn  ihr  fehlt  jedes  den 
heiligen  Nicolaus  kennzeichnende  Attribut.  (Vergl.  Art.  Graudenz.) 
In  Löbau  wurde  er  mit  einer  Warnie  vor  seinen  Füßen,  worin 
drei  Kinder  sitzen,  abgebildet.  (Liek,  die  Stadt  Löbau.  Zeitsch. 
d.  hist.  Vereins  f.  d.  R.  B.  Marienwerder  Heft  28,  S.  400.) 
Außerdem  läßt  der  Bischof  des  Siegels  das  allen  Heiligen  ge- 
meinsame Attribut,  den  Nimbus,  vermissen.  In  dieser  Figur 
haben  wir  also  den  unbekannten  bischöflichen  Aussteller  der 
ersten  Handfeste  und  Gründer  der  Stadt,  wenn  nicht  etwa  gar 
den  Bischof  Christian  als  Gründer  des  Marktfleckens,  aus  dem 
die  Stadt  sich  entwickelte,  vor  uns.  Da  dieser  auch  der  erste 
Lehrer  des  Christentums  in  dieser  Gegend  gewesen  war,  von 
dessen  Thätigkeit  in  dem  entstehenden  Orte  die  Sage  noch  jetzt 
zu   berichten  weiss  (Liek  a.  a.  O.  S.  411),    so  ist  es  sehr  wahr- 


288  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

scheinlich,  daß  die  Bürger  der  jungen  Stadt  durch  die  Auf- 
nahme seines  Bildes  in  das  Stadtsiegel  sein  Andenken  haben 
ehren  wollen.  (Vergl.  das  Porträtsiegel  Christians  bei  Voßberg 
S.  17,  worin  die  Figur  des  Bischofs  der  im  Stadtsiegel  sehr 
ähnlich  ist.) 

Ein  großes  Siegel  von  1541  zeigt  einen  Bischof,  über  dem  der  preußische 
Adler  schwebt.  Das  Secretsiegel  von  demselben  Jahre  enthält  eine  Bischofs- 
mütze, dahinter  gekreuzt  Krummstab  und  Kreuz  (Schwert?).    (Liek  a.  a.  0.) 

Lötzen.  Die  Burg  erwähnt  zwischen  1335  und  1341.  Das 
daneben  schon  1475  bestehende  Dorf  Neuendorf  wurde  1573 
vom  Herzog  Albrecht  Friedrich  zur  Stadt  erhoben  und  als  solche 
1612  vom  Kurfürsten  Johann  Siegismund  bestätigt.  Seitdem 
führt  die  Stadt  ein  Wappen,  in  dessen  Felde  drei  Fische  — 
Bressen  —  über  einander  schweben  (Taf.  IX),  eine  Hinweisung 
auf  den  Fischfang,  die  frühere  Hauptbeschäftigung  der  Ein- 
wohner, zu  welcher  die  Lage  des  Ortes  zwischen  zwei  großen 
Seen  aufforderte.  Die  drei  Bressen  des  hier  nach  Siebmacher 
beschriebenen  und  gezeichneten  Wappens  sollen  sich  in  dem 
ältesten  Siegel  neben  einander  in  steigender  Stellung  befunden 
haben,  und  zwar  so,  daß  der  mittelste  die  beiden  andern  an 
Größe  überragte.  Letzterer  Umstand  ist  unwesentlich,  denn  die 
bedeutendere  Größe  des  mittelsten  Fisches  hat  nur  die  bessere 
Ausfüllung    des    kreisförmigen  Siegelfeldes    zum  Zweck   gehabt. 

Lyck.  Die  schon  1390  bestehende  Burg  wurde  1398  und 
1408  vom  Komtur  zu  Balga  umgebaut.  Daneben  wurde  1425 
vom  HM.  Paul  von  Rußdorf  ein  Dorf  angelegt;  dieses  sollte 
schon  1445  zur  Stadt  erhoben  werden,  thatsächlich  geschah  die 
Erhebung  aber  erst  durch  den  Kurfürsten  Friedrich  Wilhelm 
mittels  des  Privilegiums  von  1669.  In  diesem  wird  der  Stadt 
als  Wappen  ein  Januskopf  verliehen.  (Taf.  IX.)  v.  Werner 
fügt  in  seiner  Poleographie  (III,  40)  die  wohl  kaum  zu  be- 
gründende Anekdote  hinzu,  der  Kurfürst  habe  diese  Wappen- 
figur gewählt,  weil  der  damalige  Bürgermeister  Janus  geheißen 
habe.    Es  wird  daher  richtiger  sein,  diese  Figur  dahin  zu  deuten, 


Von  C.  Beckherrn.  289 

daß  der  Kurfürst  durch  sie  die  Wichtigkeit  der  Stadt  mit  ihrem 

festen  Schlosse,  welche  noch  jüngst  einem  Anstürme  der  wilden 

Tatarenhorden    ausgesetzt    gewesen    waren,     als    Pforte    gegen 

Polen  und  Litauen  habe  hervorheben  wollen,  denn  der  römische 

Gott  Janus,  welcher  mit  einem  Schlüssel  in  der  Hand  dargestellt 

wurde,    galt    nicht  nur  als  Beschützer  der  Hausthüren,    sondern 

auch  als  Wächter  der  Pforten  des  Landes. 

Nach  der  soeben  citirten  Quelle  hat  dieser  Ort  schon  1513  ein  Gerichts- 
siegel mit  folgendem  Wappen  geführt:  Ein.  Hirsch,  welcher  ans  einer  am 
linken  Schildesrande  stehenden  Baumgruppe  hervorspringt,  eine  Hindeutung 
auf  die  Entstehung  des  Ortes  inmitten  der  großenVWildniß  und  das  ihm 
schon  als  Dorf  in  der  Handfeste  von  1425  verliehene  Jagdrecht. 

Marggrabowa.    Siehe  Oletzko. 

Marienburg.  Die  Erbauung  der  Burg  begann  1274.  Hand- 
feste der  Stadt  1276  vom  Landmeister  Konrad  von  Thierberg, 
erneuert  1303  von  Konrad  Sack.  Wappen:  Ein  geschlossenes,  mit 
Fallgatter  versehenes  Thor,  flankirt  von  zwei  viereckigen,  ge- 
zinnten  Thürmen.  Zwischen  diesen  über  dem  Thore  schwebt 
der  Ordensschild.     (Taf.  IX.) 

Das  aus  dem  13.  Jahrhundert  stammende,  ajso  älteste  Siegel 
ist  das  Secret.  Es  zeigt  eine  gezinnte  Mauer  mit  einem  etwas 
höheren  geschlossenen  Thore,  welches  mit  einem  Fallgatter  und 
ebenfalls  mit  Zinnen  versehen  ist.  Dahinter  ragen  drei  acht- 
eckige, gezinnte,  spitze  Dächer  tragende  Thürme  hervor,  von 
denen  der  in  der  Mitte  größer  ist  als  die  andern. 

In  einem  jüngeren  großen  Siegel  erblickt  man  eine  gezinnte  Mauer 
mit  geschlossenem  Thore,  worüber  sich  ein  starker  Thurra  mit  geschweiftem 
Dache  erhebt;  an  seiner  Vorderseite  ist  der  Ordensschild  befestigt.  Hinter 
beiden  Enden  der  Maner  ragt  je  ein  schlanker  Thurm  mit  spitzem  Dache 
hervor.  Neuerdings  hat  man  den  Ordensschild  ins  Thor  versetzt  und  an 
seiner  Stelle  einen  Schild  mit  dem  preußischen  Adler  angebracht.  (Sieb- 
macher  S.  310.) 

Marienwerder,  Burg  und  Stadt  des  Bisthums  Pomesanien. 
Die  Burg  erbaut  1233,  die  Stadt  gegründet  1234.  Die  vom 
Landmeister  Hermann  Balk  ausgestellte  Handfeste  wurde  1336 
vom  Bischof  Berthold  erneuert.     Wappen:    In    einem    größeren 


290  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

Schilde,  welcher  silbern  zu  tingiren  wäre,  ein  kleinerer  blauer 
Schild,  in  welchem  rechts  ein  silberner  Bischofsstab,  links  eine 
rothe  Bischofsmütze  und  unter  dieser  ein  silbernes  Kreuz  schwebt. 
Auf  dem  kleinen  Schilde  wachsend  die  Jungfrau  Maria  im 
rothen  Gewände.  Diese  soll  die  Stadt  zum  Andenken  an  die 
tapfere  Verteidigung  des  Domes  durch  die  Bürger  gegen  die 
Polen  im  Jahre  1414  (Voigt,  Gesch.  Preußens  VII,  251)  im 
"Wappen  führen.  (Taf.  IX.)  Das  silberne  Kreuz  könnte  viel- 
leicht, wenn  die  in  der  Einleitung  über  die  Bedeutung  dieses 
Zeichens  ausgesprochene  Vermuthung  richtig  wäre,  die  Zuge- 
hörigkeit dieser  in  der  Nähe  der  Weichsel  gelegenen  Stadt  zur 
Hansa  andeuten,  trotzdem  daß  dieselbe  unter  den  Hansastädten 
nicht  ausdrücklich  genannt  wird. 

Die  Jungfrau  Maria  hat  sich  in  neueren  Wappen  in  eine  andere  weib- 
liche Figur  verwandelt,  welche  eich  zwischen  zwei  Hirschstangen  befindet, 
die  sie  mit  den  Händen  anfaßt. 

Mehfoack.  Burg  und  Stadt  des  ermländischen  Domkapitels, 
ursprünglich  ein  altpreußischer  Ort  mit  Namen  Malcekuke. 
Handfeste  der  Stadt  1312  vom  Probst  Heinrich;  die  Burg  stand 
wahrscheinlich  schon  früher.  Im  Siegel  von  1440  befinden  sich 
Schwert  und  Schlüssel  gekreuzt,  im  oberen  Winkel  und  in  denen 
zu  beiden  Seiten  je  ein  Mehlsack,  das  zugebundene  Ende  nach 
außen  gerichtet.  (Taf.  IX.)  Die  Absicht,  durch  diese  das 
Wappen  zu  einem  redenden  zu  machen,  ist  eigentlich  verfehlt, 
weil  die  ursprüngliche  Namensform  mit  einem  Mehlsacke  nichts 
zu  thun  hat. 

Memel.  Die  Burg  1252  vom  Landmeister  von  Livland 
Andreas  von  Steierland  und  vom  Bischof  Heinrich  von  Kurland 
erbaut.  Die  Stadt,  zuerst  Neu-Dortmund,  bald  aber  Memelburg 
genannt,  erhielt  1257  vom  Landmeister  Burchard  von  Hörn- 
hausen  eine  Handfeste,  welche  1258  der  Bischof  Heinrich  be- 
stätigte. Im  ältesten  Siegel  befand  sich  eine  gezinnte  Mauer 
mit  einem  Thore  in  Gestalt  eines  viereckigen,  gezinnten  Thurmes 
von  drei  Geschossen.     Zu  beiden  Seiten  desselben  stand  auf  der 


Von  C.  Beckherrn.  291 

Mauer  je  eine  sonderbar  gestaltete,  aus  Balken  gezimmerte  und 
mit  Zinnen  versehene  Seebake.  Unter  der  Mauer  lag  auf  dem 
Wasser  ein  Kahn.  (Taf.  IX.)18)  Seebaken  und  Kahn  kenn- 
zeichnen die  Schifffahrt  treibende  Stadt. 

Mewe.  Der  Ort  erwähnt  1204,  die  Burg  vom  Deutschen 
Orden  erbaut  1283.  Handfeste  der  Stadt  1297  vom  Landmeister 
Meinhard  von  Querfurt.  In  einem  Siegel  von  1450  zeigt  sich 
freistellend  eine  Möwe  mit  einem  Fische  im  Schnabel.  (Taf.  XI.) 
Der  Name  des  Ortes  lautete  ursprünglich  Gymew,  das  Wappen 
kann  daher  als  redendes  nicht  gelten. 

Mohrungen.  Neben  der  schon  bestehenden  Burg  wurde 
1327  die  Stadt  vom  Komtur  zu  Elbing  Hermann  von  Oettingen 
gegründet,  die  Handfeste  von  seinen  Nachfolgern  Otto  von  Drei- 
leben 1331  und  Siegfried  von  Sicken  1333  verändert.  Das 
Siegel  unter  dem  Bundesbriefe  von  1440  hat  freistehend  eine 
jugendliche  männliche  Figur  in  einem  hemdeartigen,  um  die 
Hüften  gegürteten  Gewände,  welches  die  nackten  Füsse  frei- 
läßt; der  Kopf  ist  ebenfalls  nicht  bedeckt.  Sie  hält  in  der 
Linken  eine  kleine  Kugel  und  mit  der  Rechten  auf  der  Schulter' 
einen  Stab,  welcher  am  oberen  Ende  in  eine  grosse  Kugel  aus- 
läuft, vielleicht  eine  Keule.  (Taf.  IX.)  Voßberg  (S.  45)  hält 
die  Figur  für  einen  Pilger,  indem  er  den  Stab  für  einen  Pilger- 
stab und  die  große  Kugel  desselben  für  eine  Kürbisflasche  an- 
sieht; diese  Erklärung  ist  aber  keineswegs  zutreffend,  mit 
größerem    Rechte    könnte    man    an'  einen    heidnischen   Preußen 

denken. 

Bei  Siebmacher  (S.  313)  wird  der  fragliche  Gegenstand  auf  der 
Schalter  der  Figur  als  Braupfanne  angesprochen  und  in  Form  einer  Schöpf- 
kelle von  einem  mit  Federn,  Korallen  und  Spangen  reich  geschmückten 
Mohren  getragen,  welcher  die  Linke  auf  die  Hüfte  stützt.  Das  Feld  ist 
blau  und  mit  Sternen  bestreut.  Dieses  Wappen  ist  ein  dem  Namen  zu 
Liebe  willkührlich  erfundenes  Machwerk  neuerer  Zeit. 


18)  Die  Farben  sind  nach  einer  nicht  ganz  zuverlässigen  Quelle 
folgende:  Das  Feld  roth,  das  Mauerwerk  silbern,  das  Wasser  blau,  Baken 
und  Kahn  braun  oder  schwarz. 


292  Die  Wappen  der  Städte  AltrPreußens. 

MühlhaU86n.      Gegründet  vom  Komtur  zu  Elbing  Hermann 

von  Oettingen.      Die  Handfeste  hat  1338  der  Komtur  Siegfried 

von  Sicken    verändert.      Im    ältesten  Siegel    von    1440  befindet 

sich    als   Anspielung    auf   den   Namen    ein  Mühlrad,    in    dessen 

Mitte    auf   den   Speichen    das  Stammstück    eines  Lindenbaumes 

mit  Zweigen    und  Blättern    liegt.     (Taf.  X.)      Letzteres  scheint 

anzudeuten,    daß    die   Stadt    auf   der   Stelle    eines    ausgerodeten 

Waldes  angelegt  worden  sei. 

In  jüngeren  Siegeln  fehlt  der  Baumstamm. 

Neidenburg.  Wann  die  Burg  erbaut,  ist  nicht  bekannt. 
Die  Stadt,  erwähnt  1376,  erhielt  ihre  Handfeste  1381  vom  HM. 
Winrich  von  Kniprode.  Das  älteste,  aus  dem  Ende  des  14.  Jahr- 
hunderts stammende  Siegel  führt  einen  nur  am  Eumpfe  mit 
einem  behaarten  Felle  bekleideten,  sonst  nackten  Mann,  dessen 
Kopf  mit  einem  Laubkranze  geschmückt  ist.  In  der  Rechten 
hält  er  mit  ausgestrecktem  Arme  ein  Schwert  mit  großem, 
scheibenförmigem  Knaufe,  in  der  linken  eine  heraldische  Lilie. 
Zwischen  seinen  Füßen  ragt  aus  dem  Boden  ein  Gegenstand 
auf,  den  man  für  einen  Baumstumpf  halten  kann.  Zu  beiden 
Seiten    des    Mannes    wächst    aus    dem    Boden    eine    rebenartige 

Pflanze.     (Taf.  X.) 

In  dem  1883  neu  angefertigten  Wappen  ist  dem  Manne  anstatt  des 
Felles  ein  Laubkranz  um  die  Hüften  gegeben,  und  die  Pflanzen  zu  beiden 
Seiten  sind  als  junge  Eichenbäume  dargestellt.  Das  Feld  des  Schildes  hat 
eine  silberne,  die  heraldische  Lilie  eine  goldene  Tinctur  erhalten,  das  Uebrige 
erscheint  in  natürlicher  Färb«.  Dieses  Wappen  wird  folgendermaßen  ge- 
deutet: „Der  wilde  Mann  steht  in  einem  der  Kultur  eröffneten  Lande,  was 
der  Baumstumpf  zwischen  seinen  Füßen  nebst  den  daneben  grünenden 
Pflanzen  darstellen  soll.  Das  Schwert  in  der  Rechten  bedeutet,  daß  das 
Land  erobert  ist,  wogegen  die  Lilie  als  Symbol  der  Kultur  zu  gelten  hat." 
(Conrad,  Sitzungsber.  d.  Prussia  1886  S.  66  ff.)  Diese  Deutung  trifft  wohl 
nicht  das  Richtige.  Wie  kann  das  Schwert  in  der  Hand  dieses  durch  seine 
Bekleidung  als  im  Urzustände  befindlich  gekennzeichneten  Mannes  auf  die 
Eroberung  des  Landes  durch  den  deutschen  Orden  hinweisen,  und  wie  paßt 
dieser  Mann  in  ein  kultivirtes  Land? 

Das  Wappen  bei  Siebmacher  (S    160)  ist  ganz  unrichtig  dargestellt. 

Neuenburg.  Die  Burg  (Nove)  erwähnt  1266,  die  Stadt  1301. 
Letztere  erhielt  1302  ihre  Handfeste  vom  Palatin  Peter  Swenza, 


Von  C.  Beckherrn.  293 

dorn  sie  von  Wenzel  II.  verliehen  worden  war.  Wappen:  Eine 
Mauer,  worin  in  der  Mitte  ein  Thor  mit  aufgezogenem  Fall- 
gatter, daneben  zwei  Pforten,  auf  der  Mauer  drei  gezinnte 
Thürme  deren  mittelster  die  andern  überragt.  (Siebmacher 
S.  160.)    (Taf.  X.) 

In  einem  Siegelabdrucke  vom  Jahre  1502,  wahrscheinlich 
von  einem  Stempel  des  IB.  Jahrhunderts  stammend  (Wegner, 
ein  pommersches  Herzogthum  etc.  Thl.  II,  142),  erblickt  man 
eine  Mauer  mit  zwei  Pforten  und  dahinter  das  Haupt-  und  das 
Wehrgangsgeschoß  eines  Burggebäudes  in  der  Bauart  des 
Deutschen  Ordens.  Von  den  Thürmen  der  Burg  zeigt  sich  einer 
an  der  vorderen  rechtsseitigen  Ecke,  zwei  andere  überragen  das 
Dach  des  Gebäudes  an  den  beiden  Enden,  und  zwischen  diesen 
in  der  Mitte  erhebt  sich  ein  vierter,  welcher  sich  durch  seine 
Größe  als  Hauptthurm  kennzeichnet.  Die  ungewöhnliche  Stellung, 
in  welcher  diese  letzten  Thürme  erscheinen,  ist  zwar  zum  Theil 
der  Ungeschicklichkeit  des  Stempelschneiders  zuzuschreiben, 
zum  Theil  scheint  die  Unregelmäßigkeit  in  der  Anordnung  der 
Thürme  aber  auch  auf  dem  Umstände  zu  beruhen,  daß  wir  hier 
kein  Phantasiegemälde  sondern  die  Abbildung  eines  bestimmten 
Ordenshauses,  also  Neuenbürgs,  vor  uns  haben,  bei  dem  Ab- 
weichungen von  der  regelmäßigen  Bauart  anzunehmen  sind,  wie 
solche  hin  und  wieder  auch  bei  andern  Ordenshärusern  vor- 
kamen.    (Taf.  XV.) 

Neumark.  Gegründet  1325  vom  Kulmer  Landkomtur  Otto 
von  Luterberg.  Im  Siegel  von  1440  ein  getheilter  Schild,  im 
oberen  Platze  ein  nach  rechts  schreitender  Leopard,  im  unteren 
eine  fünfblätterige  ßose.     (Taf.  X.) 

Neustadt  (Weyherowa,  Weyhersfrei.)  Gegründet  1643  von 
dem  "Woiwoden  von  Marienburg  Jacob  Weyher.  Wappen  nach 
dem  Siegel  von  1774:  Ein  silbernes  Johanniterkreuz,  in  der 
Mitte  mit  einer  fänfblätterigen,  rothen  Rose  belegt.  Als  Farbe 
des  Feldes,  welche  nicht  bekannt  ist,  könnte  Schwarz,  die  Farbe 
des   Mantels    der   Johanniter,    angenommen    werden.     (Taf.  X.) 

Alipr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX.  Hft  3  u.  4.  19 


294  Di«  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

"Wenn  etwa  das  Gebiet,  in  dem  die  Stadt  entstand,  ehemals 
dem  Johanniterorden  angehört  hätte,  worüber  jetzt  keine  Nach- 
richten mehr  vorliegen,  würde  das  Kreuz  als  Erinnerungszeichen 
an  dieses  Verhältnis  gelten  können ;  die  Rose  ist  dem  Pamilien- 
wappen  des  Gründers  entlehnt. 

Neuteich.  Handfeste  vom  Jahre  1316,  erneuert  1476  vom 
Könige  Kasimir  IV.  von  Polen.  Wappen  im  Siegel  von  1809: 
Ein  Zweig  mit  drei  herzförmigen  Blättern.     (Taf.  X.) 

Nikolayken,  zur  Stadt  erhoben  1722  vom  Könige  Friedrich 
Wilhelm  I.,  besitzt  kein  eigenthümliohes  Wappen  und  führt  im 
Siegel  den  stilisirten  preussischen  Adler. 

Nordenburg.  Die  Burg  war  zuerst  ein  Wildhaus  und  wird 
erwähnt  1365.  Die  Stadt  soll  1405  gegründet  worden  sein. 
Wappen:  Ein  nach  rechts  springendes  Roß,  darüber  und  da- 
runter ein  Stern.     (Taf.  X.) 

Oletzko  (Marggrabowa).  Gegründet  1560  vom  Herzog 
Albrecht  neben  einem  Schlosse.  Das  der  Stadt  im  Gründungs- 
privilegium  verliehene  Wappen  zeigt  im  sibernen  Felde,  auf 
einem  Grunde  stehend,  einen  grauen  Thurm  mit  einer  großen 
und  zwei  kleinen  rothen  Spitzen.  Am  Thurme  hängt  ein  ge- 
spaltener Schild,  worin  rechts  in  Silber  ein  halber  rother  AdlerT 
links  das  von  Silber  und  Schwarz  quadrirte  hohenzollern9che 
Wappen  an  die  Gründung  durch  einen  brandenburgischen 
Hohenzollern  erinnern.  (Taf.  X.)   (v.  Werner,  Poleographie  II.  30.) 

Ob  dieses  Wappen  Veränderungen  erlitten,  kann  nicht  angegeben 
werden,  da  wiederholt  an  den  Magistrat  gerichtete  Bitten  am  Mittheilung 
keine  Berücksichtigung  gefanden  haben. 

Orteteburg.  Die  Burg  wird  1360  erwähnt,  die  daneben 
entstandene  Lischke  1466.  Diese  wird  zuerst  1673  amtlich 
Stadt  genannt.  Wappen:  Auf  einem  Boden  ein  nach  links 
springender  Hirsch  vor  einem  Tannenwalde,  eine  Hindeutung 
auf  die  Entstehung  des  Ortes  in  der  großen  Wildniß.     (Taf.  X.) 

Dieses  Wappen  hat  Anlaß  zur  Entstehung  der  Sage  ge- 
geben, daß  einstmals  ein  Jäger  mit  Namen  Ortel,  welcher  einen 


Von  C.  Beckherrn.  296 

Hirsch  verfolgte,  in  der  Wildniß  eine  wüste,  von  den  Ein- 
wohnern verlassene  Stadt  entdeckt  habe,  welche  nun  wieder  her- 
gestellt worden  und  ihren  Namen  nach  dem  des  Entdeckers  er- 
halten habe.  Bekanntlich  ist  jedoch  die  Stadt  nach  dem  Namen 
des  Erbauers  der  Burg,  des  Komturs  zu  Elbing  Ortolf  von 
Trier,  benannt  worden. 

Osterode.  Die  Burg  wird  1333  erwähnt,  zwischen  1349 
und  1370  wurde  sie  vom  Komtur  Günther  von  Hohenstein  um- 
gebaut. Die  Stadt  erhielt  ihre  Handfeste  1348  vom  Komtur  zu 
Osterode  Albrecht  Schoff.  Wappen :  Auf  einem  Boden  ein  nach 
rechts  sprengender  Reiter  in  einem  an  die  polnische  Tracht  er- 
innernden Anzüge,  mit  Säbel  und  Lanze  bewaffnet,  welcher  mit 
letzterer  zum  Stoße  ausholt.  (Taf.  XI.)  (Siebmacher  S.  164.) 
Dem  Reiter  dürften  die  natürlichen  Farben  zu  geben  sein,  dem 
Schilde  Silber  oder  Roth  nach  dem  von  diesen  beiden  Farben 
quadrirten  Banner  des  Komturs.  Nach  Voßberg  S.  35  soll  in 
einem  schlecht  erhaltenen  Siegel  vom  Jahre  1476  ein  mit 
Schwert  und  Lanze  bewaffneter  und  gerüsteter  Ritter  des  Deut- 
schen Ordens  zu  erkennen  gewesen  sein. 

Passenheim,  ursprünglich  ein  Kirchdorf  mit  Namen  Hein- 
richswalde, wurde  vom  HM.  Konrad  Zöllner  von  Rothenstein 
durch  Handfeste  von  1386  zur  Stadt  erhoben  und  erhielt  seinen 
neuen  Namen  zu  Ehren  des  obersten  Spittlers  und  Komturs  zu 
Elbing  Siegfried  Walpot  von  Bassenheim.  Im  ältesten  Siegel 
steht  unter  einem  gothischen  Portale  die  Mutter  Maria  mit  dem 
Jesuskinde  auf  dem  Arme  und  einem  Scepter  in  der  Rechten. 
An  den  Außenseiten  des  Portals  stehen  auf  Konsolen  kleine 
mit  Zweigen  besteckte  Kapellen.     (Taf.  XI.) 

Pillau.  Die  Festung  wurde  1626  vom  Könige  von  Schweden 
Gustav  Adolph  angelegt  und  nach  163B  vom  Grossen  Kurfürsten 
umgebaut.  Der  bald  daneben  entstandene  Flecken  erhielt  1725 
vom  Könige  Friedrich  Wilhelm  I.  das  Stadtrecht.  Wappen: 
Ein  im  Meere  schwimmender   Stör   mit   einer   Krone   auf  dem 

19* 


296  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

Kopfe,  eine  Hinweisung  auf  den  ehemals  hier  betriebenen  sehr 
ergiebigen  Störfang  und  die  Verleihung  des  Wappens  durch  den 
König.     (Taf.  XI.) 

Pillkallen,  zur  Stadt  erhoben  1724  vom  Könige  Friedrich 
Wilhelm  L,  besitzt  kein  eigentümliches  Wappen  und  führt 
im  Siegel  den  stilisirten  preußischen  Adler. 

Podgorz  entstand  aus  der  im  15.  Jahrhundert  neben  der 
Burg  Dibau  gelegenen  Stadt  Alt-Nessau.  Diese  wurde  nämlich 
vom  Könige  Sigismund  III.  von  Polen  in  Folge  der  Beschwerden 
der  Stadt  Thorn  mit  einem  Theile  nach  Polen,  mit  dem  andern 
stromabwärts  in  grössere  Entfernung  von  Thorn  verlegt.  Dieser 
Theil  wurde  nunmehr  Podgorz  genannt.  Wappen:  Zwischen 
zwei  niedrigen  Säulen  steht  ein  Bischof  mit  dem  Krummstabe 
in  der  Linken  und  einem  nicht  zu  erklärenden  Gegenstande  in 
der  Rechten,  welcher  aus  drei  kleinen  auf  einander  gestellten 
Sechsecken  zu  bestehen  scheint.  Ueber  dem  Ganzen  schwebt 
der  nicht  stilisirte  preußische  Adler.     (Taf.  XI.) 

Preuß.  Eilau.  Burg  und  Stadt  gegründet  um  1336.  Wap- 
pen: Getheilter  Schild,  oben  ein  wachsender,  zum  Angriff  ge- 
schickter Löwe,  unten  drei  neben  einander  schwebende  Kreuze. 
(Taf.  XL) 

Preuß.  Friedland.      Handfeste  1354   vom  HM.  Winrich  von 

Kniprode.     Im  Siegel  von  1668  befindet  sich  frei  im  gegitterten 

Felde  ein  nach  rechts  springender  Eber.  (Taf.  XL)  Die  Gitterung 

des  Feldes  wird  mitunter  irrthümlicher weise    als   ein   dem  Eber 

gestelltes  Jagdnetz  gedeutet.     (Vergl.  Art.  Elbing.) 

In  jüngeren  Siegeln  ist  der  Eber  auf  einem  Boden  stehend  dargestellt. 

Preuß.  Holland.  Die  Burg  bestand  wahrscheinlich  unter 
dem  Namen  Pazlock  schon  1284.  Die  Stadt,  aus  einer 
holländischen  Niederlassung  hervorgegangen,  erhielt  ihre  Hand- 
feste 1297  vom  Landmeister  Meinhard  von  Querfurt.  Das 
älteste  Siegel  von  1440  zeigt  im  gegitterten  und  mit  Lilien 
bestreuten  Felde  auf  einem  nach  rechts  springenden  Bosse  einen 


Von  C.  Beckherrn.  297 

Bitter  im  Haubert  —  Maschen-Panzerhemde  —  mit  Kapuze 
und  Helm,  welcher  ein  Schwert  schwingt.  Sein  Dreieckschild 
hat  als  Wappenfigur  einen  wagerechten  Balken.  (Taf.  XI.)  Dieser 
Bitter  soll  den  Begründer  der  Stadt,  den  Landmeister  Meinhard 
von  Querfurt,  darstellen.  Man  'hat  diesen  dadurch  kenntlich 
gemacht,  dass  man  auf  seinen  Schild  nicht  das  Ordenskreuz 
sondern  sein  Familienwappen  setzte;  einen  solchen  Verstoss 
gegen  die  Ordensregel  durfte  eine  Stadt  sich  wohl  erlauben. 
Das  Wappen  des  alten  Dynastengeschlechts  der  edlen  Herren 
von  Querfurt  kommt,  wie  es  auch  bei  andern  häufig  der  Fall 
ist,  in  verschiedenen  Formen  vor:  bald  ist  der  Schild  von  Silber 
und  Roth  siebenmal  getheilt  (vergl.  Siebmacher,  abgestorb.  Adel 
d.  Prov.  Sachsen  S.  126),  bald  nur,  wie  bei  den  Burggrafen  von 
Magdeburg,  sechsmal,  liat  hier  also  drei  Balken.  In  verschiedener 
Gestalt  finden  wir  das  Wappen  der  Herren  von  Querfurt  auch 
im  Wappen  der  Stadt  dieses  Namens  (Siebmacher,  Städtewappen 
Taf.  196),  welche  von  ihnen  neben  ihrer  Stammburg  gegründet 
worden  ist.  Darin  schwebt  nämlich  zu  beiden  Seiten  eines 
Marienbildes  je  ein  kleiner  Schild  mit  dem  Wappen  des  ge- 
nannten Geschlechts.  (Vergl.  Wappen  von  Soldau,  worin  eben- 
falls ein  Familienwappen  doppelt  angebracht  ist,  das  ßer  Grafen 
von  Hohnstein.)  Der  zur  linken  Seite  hat  in  Silber  drei  rothe 
Balken,  der  zur  Rechten  aber  nur  einen.  Diese  einfachste  Form 
sehen  wir  auch  in  dem  Schilde  des  Ritters  im  Wappen  von 
Preuß.  Holland.  Bei  einer  farbigen  Darstellung  dieses  letzteren 
müßte  der  Schild  des  Ritters  also  einen  rothen  Balken  im  sil- 
bernen Felde  erhalten. 

Die  Unwissenheit  späterer  Zeiten  hat  aus  dem  Begründer  der  Stadt, 
dem  verdienstvollen  Landmeister  von  Preußen,  einen  St.  Georg  gemacht, 
denn  das  soll  doch  wohl  der  in  jüngeren  Siegeln  über  einen  Lindwurm 
hinwegspringende  Ritter  sein,  wenn  er  auch,  abweichend  von  der  gewöhn- 
lichen Darstellungs weise,  anstatt  der  Lanze  ein  Schwert  führt.  Diesem 
Heiligen  war  eine  der  Kirchen  geweiht. 

Preuß.  Stargard.  Die  Burg  wurde  1174  vom  Herzog 
Grimislaw  von  Pommerellen  den  Johannitern  abgetreten.  Die 
Stadt  wurde  1310  vom  Deutschen  Orden  gegründet  und  erhielt 


298  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

1348  vom  HM.  Heinrich  Tusmer  eine  Handfeste.  Das  Siegel 
von  1339,  welches  noch  als  Abdruck  am  Bundesbriefe  von  1440 
hängt,  zeigt  ein  lateinisches  Kreuz,  welches  auf  einer  langen 
und  schmalen,  etwas  gekrümmten  Basis  steht.  Zu  seinen  beiden 
Seiten  stehen  auf  dieser  auch  je  zwei  bedeutend  kleinere  heral- 
dische Lilien.  Darunter  schwebt  auf  einer  blattartigen  Ver- 
zierung ein  kleines  Kreuz.      (Taf.  XI.)      (Voßberg,  Taf.  XVII.) 

In  jüngeren  Wappen  (Siebmacher  S.  177)  hat  man  obige  Figur  in 
eine  Krone  umgeändert,  welche  zuerst  anstatt  des  mittelsten  Blattes  ein 
grosses  Kreuz,  später  auf  diesem  Blatte  ein  kleines  Kreuz  hat.  Diese  Um- 
gestaltung hat  ihren  Grund  darin,  daß  man  die  neben  dem  Kreuze  auf  der 
Basis  stehenden  Figuten  als  Zacken  einer  mittelalterlichen  Krone  angesehen 
hat,  während  sie  in  der  That  heraldische  Lilien  darstellen  sollen,  welche 
aus  den  Siegeln  der  alten  pommer ellischen  Herzöge  stammen.  (Yergl.  Voß- 
berg, Siegel  der  Städte  Danzig,  Elbing  u.  s.  w.  S.  3  u.  Taf.  I,  A.  u.  D.) 

Putzig.  Ursprünglich  ein  Dorf,  welches  Herzog  Sambor  I. 
von  Pommerellen  an  das  Kloster  Oliva  schenkte,  dann  aber 
wieder  eintauschte  und  zum  Marktflecken  machte,  woselbst  1271 
ein  Kastellan  residirte.  Nach  der  Besitzergreifung  durch  den 
Deutschen  Orden  erhielt  der  zur  Stadt  erhobene  Ort  im  Jahre 
1348  eine  Handfeste  vom  HM.  Heinrich  Tusmer.  Ein  Siegel 
des  15.  Jahrhunderts  zeigt  einen  Löwen  in  natürlicher  Gestalt, 
welcher  einen  Fisch  anbeißt.     (Taf.  XL) 

Ragnit.  Die  Burg,  zuerst  Landeshut  genannt,  wurde  1289 
erbaut.  Eine  Lischke  bestand  bei  derselben  schon  1437,  sie 
wurde  1722  durch  den  König  Friedrich  Wilhelm  I.  zur  Stadt 
erhoben.  Wappen  nach  dem  Siegel  von  1724:  Im  Schildesfuße 
ein  Fluss,  auf  dessen  massig  hohem  Steilufer  sich  eine  Stadt 
ausdehnt,  welche  Ragnit  vorstellen  soll.  Darüber  schwebt  der 
nichtstilisirte  preußische  Adler  und  über  diesem  ein  von  Strahlen 
umgebenes  Auge,  ein  sogenanntes  Auge  Gottes.  Dazu  die  De- 
vise: Sub  eis  tuta  Eagneta  —  unter  ihnen,  nämlich  dem 
preussischen  Adler  und  dem  Auge  Gottes,  ist  Kagnit  sicher. 
(Taf.  XII.) 

Bei  Siebmacher  (S.  222)  ist  das  Wappen  der  Stadt  irrthümlicherweise 
dem  Banner  des  Komturs  entnommen,  welches  derselbe  nach  Diagoß  in  der 


Von  C.  Beckherrn.  299 

Schlacht  bei  Tannenberg  geführt  haben  soll:  Im   weissen  Fahnentuche  drei 
rothe  pkrygische  Mützen  über  einander  schwebend. 

Ra8tenburg.  Die  Burg  als  Wildhaus  erbaut  ca.  1329. 
Die  Stadt,  erwähnt  1345,  erhielt  ihre  Handfeste  13B7  vom 
Komtur  zu  Balga  Hennig  Schindekopf;  sie  wurde  1378  vom 
HM.  Winrich  von  Kniprode  bestätigt.  Eine  fast  gleichzeitig 
entstandene  Neustadt  gelangte  nicht  zur  Selbständigkeit.  Ein 
Siegelabdruck  aus  dem  16.  Jahrhundert  zeigt  auf  einem  Boden 
einen  nach  rechts  gewendeten,  vor  sieben  Laubbäumen  stehenden 
Bären.  Diesem  wird  die  schwarze,  den  Krallen  desselben  die 
goldene,  den  Bäumen  und  dem  Boden  die  grüne  und  dem  Felde 
die  silberne  Tinktur  zu  geben  sein.  (Taf.  XH.)  Einzelne 
Bäume  sollen  in  der  Regel  einen  Wald  vorstellen,  wie  solches 
aus  den  redenden  Wappen  der  Städte  Grünhain,  Haynichen, 
Mittelwalde  u.  a.  deutlich  hervorgeht.  Im  Wappen  Eastenburgs 
erinnern  sie  nebst  dem  Bären    an    die  Gründung  der  Stadt    am 

Bande  der  großen  Wildniß. 

Ungefähr  um  die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  haben  sich  die  sieben 
Laubbäume  in  drei  Fichten  (Tannen)  verwandelt,  zwischen  denen  der  Bär 
eingeklemmt  erscheint.  Zu  dieser  Umwandelung  scheint  eine  Bärenjagd 
Veranlassung  gegeben  zu  haben,  über  welche  die  nachstehende  Sage  be- 
richtet, deren  Inhalt  mit  ziemlicher  Sicherheit  als  Thatsache  angesehen 
werden  kann,  weil  auch  in  der  Wappensage  der  Nachbarstadt  Sensburg 
von  dieser  Bärenjagd  erzählt  wird.  Ferner  soll  sich  an  das  Wappen  der  be- 
nachbarten Stadt  Rössel  eine  Sage  knüpfen,  welcltf  zu  der  Ra'stenburger 
Bärenjagd  ebenfalls  in  Beziehung  zu  stehen  schein* 

In  der  Umgegend  Rastenburgs  hauste  vor  Zeiten  ein  gewaltiger  Bär, 
welcher  nicht  nur  den  Heerden  grossen  Schaden  that,  sondern  auch  Menschen 
anfiel,  so  daß  es  für  die  Einwohner  gefahrlich  war,  die  Mauern  ihrer  Stadt 
zu  überschreiten.  Die  Bürger  sahen  sich  daher  genöthigt,  gemeinsam  gegen 
das  Ungethüm  zu  Felde  zu  ziehen.  Es  gelang  ihnen  auch,  demselben  einen 
Spiess  in  den  Leib  zu  rennen;  da  die  Verwundung  aber  nicht  tötlich  war, 
konnte  der  Bär  mit  dem  Spieße  im  Leibe  noch  die  Flucht  ergreifen.  Erst 
nachdem  er  sich  zwischen  drei  dicht  bei  einander  stehenden  Fichten  fest- 
gerannt hatte,  wurde  er  von  den  Jägern  erreicht  und  hier  vollends  getötet. 
Dieses  soll  auf  dem  eine  Meile  südlich  von  Rastenburg  bei  dem  Gute 
Hinzenhof  sich  erhebenden  altpreußischen  Schloßberge  geschehen  sein,  auf 
dem  noch  bis  in  die  neuere  Zeit  drei  mächtige,  alte  Fichten,  weithin  sicht- 
bar, nahe  beisammen  standen,  und  welcher  noch  gegenwärtig  das  Rasten- 
burger  Stadtwappen  genannt  wird.    Wie  umwohnende  Landleute  zu  erzählen 


300  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

wissen,  soll  da,  wo  einst  die  Fichten  standen,  noch  jetzt  Blut  hervorquellen, 
wenn  man  ein  tiefes  Loch  in  den  Boden  gräbt. 

Gegen  die  Annahme,  daß  man  anstatt  der  sieben  Laubbäume  die  drei 
Fichten,  das  Wahrzeichen  dieses  den  Bürgern  durch  die  daselbst  erfolgte 
Befreiung  von  dem  gefährlichen  Thiere  denkwürdigen  Ortes,  in  das  Wappen 
aufgenommen  hätte,  würde  kaum  etwas  einzuwenden  sein. 

Nach  Voßberg  soll  in  dem  Siegel  unter  dem  Bundesbriefe  von  1440 
anstatt  des  Bären  ein  Eber  vor  dem  Walde  stehen  und  darüber  ein  Kreuz 
schweben.  Dieses,  das  Symbol  der  Orden sherrschaft,  ist  nach  dem  Abfalle 
der  Stadt  vom  Orden  verschwunden,  denn  das  Siegel  unter  dem  Bundes- 
briefe von  1448  hat  es  nicht  mehr.  In  der  Abbildung  dieses  Siegels  bei 
Voßberg  findet  man  auch  wieder  den  Eber;  dieser  aber  sowohl  als  auch 
der  von  1440  sollen  doch  wohl  eigentlich  Bären  sein,  was  schon  aus  der 
Form  der  Füße  in  der  Abbildung  hervorgeht.  Diese  beiden  Thiere,  von 
ungeschickten  Stempelschneidern  dargestellt,  können  leicht  mit  einander 
verwechselt  werden,  was  z.  B.  auch  der  Stadt  Wörlitz  passirt  ist,  in  deren 
Wappen  aus  dem  ursprünglichen  wirklichen  Eber  in  der  That  ein  Bär  ge- 
worden ist,  möglicherweise  dadurch  veranlaßt,  daß  in  einigen  Gegenden 
Deutschlands,  z.  B.  in  Mecklenburg,  Westfalen,  Niedersachsen  der  Eber 
auch  Bär  genannt  wird,  ohne  Zweifel  aber  in  Folge  von  Ungeschicklichkeit 
und  Mißverständniß.  So  wird  auch  Voßberg  den  Bären  der  wahrscheinlich 
schlecht  geschnittenen  oder  mangelhaft  abgedrückten  Stempel  der  Siegel 
unter  den  beiden  Bundesbriefen  für  einen  Eber  gehalten  und  letzteren  in 
seine  Zeichnung  aufgenommen  haben.  (Vergl.  Beckherrn,  Rastenb.  ürk. 
Altpr.  Monatsschr.  XXII.,  553,  554.) 

Die  etwaige  Annahme,  der  Bär  könnte  erst  zusammen  mit  den  drei 
Fichten,  in  das  Wappen  gelangt  sein,  würde  dadurch  widerlegt  sein,  da£ 
er  in  dem  oben  beschriebenen  Siegel  aus  dem  16.  Jahrhundert  schon  vor 
den  sieben  Laubbäumen  steht.  Ferner  ist  der  Umstand  zu  beachten,  daß 
die  Sage,  .welche  von  der  Entstehung  des  Wappens  von  Sensburg  erzählt, 
auch  der  Aufnahme  des  Bären  in  das  Bastenburger  Wappen  aus  der  gleichen 
Veranlassung  erwähnt,  und  daß  die  im  Wappen  Sensburgs  enthaltene  Jahres- 
zahl seine  Entstehung  in  das  Ende  des  14.  Jahrhunderts  setzen  läßt. 

Reden  (Radim,  Redin,  Radzin).  Die  Burg  erbaut  ca.  1233 
vom  Landmeister  Hermann  Balk,  welcher  1234  auch  die  Stadt 
gründete.  Ihre  Handfeste  "wurde  1285  vom  Landmeister  Konrad 
von  Thierberg  erneuert.  Wappen  nach  dem  Siegel  von  1440: 
Ein  Rad  mit  acht  Speichen,  eine  etwas  gezwungene  Anspielung 
auf  den  Namen  der  Stadt  in  seinen  früheren  polnischen  Formen. 
(Vergl.  Maronski,  Altpr.  Monatsschr.  XVII.  4B3.)  Frölich  be- 
hauptet dagegen  in  seiner  Geschichte  des  Graudenzer  Kreises 
(I,  244),    daß    die    Stadt    Namen    und  Wappen    von    einem  als 


Von  C.  Beckherrn.  301 

Kreuzfahrer  nach  Preußen  gekommenen  deutschen  Edelmanne 
angenommen  habe,  welcher  der  noch  heute  im  Hannoverschen 
blühenden  Familie  v.  Beden  angehörte,  welche  ebenfalls  ein 
Bad  mit  acht  Speichen  im  Wappen  führe. 

Rhein.  Die  Burg  erbaut  1377.  Die  Stadt  wurde  1726 
vom  Könige  Friedrich  Wilhelm  I.  gegründet.  Sie  führt  erst 
seit  1880  ein  Wappen,  nämlich  das  der  ehemaligen  Komturei: 
Im  silbernen  Felde  ein  schwarzer,  auf  grünem  Boden  ruhender 
Hirsch,  hinter  dem  sich  ein  grüner  Baum  erhebt.  (Taf.  Xn.) 
Die  Komturei  Rhein  erstreckte  sich  über  einen  Theil  der  großen 
Wildniß. 

Riesenburg  (Besenburg).  Burg  und  Stadt  gegründet  1276 
vom  Bischof  Albert  von  Pomesanien.  Erneuerte  Handfeste  1330 
vom  Bischof  Rudolph.  Im  ältesten  Siegel  aus  dem  15.  Jahr- 
hundert erblickt  man,  auf  einem  Boden  stehend,  ein  von  vier 
Pfeilern  gebildetes  Portal,  unter  dem  ein  Mann  —  ein  alter 
Preuße  —  befindlich,  welcher  nach  links  schreitend  und  den  Kopf 
zurückwendend,  sich  mit  geschwungener  Keule  zu  vertheidigen 
scheint.  (Taf.  XH.)  Dieser  im  Verhältnis  zum  Portal  sehr  groß  dar- 
gestellte Mann,  welcher  als  Riese  das  Wappen  zu  einem  halb- 
redenden machen  soll,  ist  eine  Anspielung  auf  die  fabelhaften 
Berichte  der  Chronisten,  nach  denen  der  Deutsche  Orden  bei 
der  Eroberung  dieses,  Reysen  oder  Resien  genannten,  Terri- 
toriums mit  den  riesengroßen  und  tapfern  Bewohnern  harte 
Kämpfe  zu  bestehen  hatte.  Daher  geht  auch  die  Sage,  dass 
die  ersten  Erbauer  der  Stadt  Männer  von  fünf  Ellen  Höhe  ge- 
wesen sein. 

In  neueren  Siegeln  steht  auf  einer  niedrigen  Mauer  ein  von  zwei 
Säulen  gebildetes  Portal,  über  welchem  sich  noch  ein  kleines  mit  zwei 
Fahnen  geschmücktes  Gebäude  erhebt.  Im  Portale,  mit  diesem  von  gleicher 
Höhe,  steht  ein  Mann  mit  geschulterter  Keule.     (Siebmacher  S.  169.) 

RÖßel  (Eesil).  Die  Burg  um  1240  erbaut,  die  Stadt  1337 
vom  ermländischen  Domkapitel  gegründet.  Das  älteste  Siegel 
von  1472  hat  im  gegitterten  und  mit  Kreuzen  bestreuten  Felde 


302  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

einen  auf  einem  Bischofsstabe  nach  rechts  schreitenden  Bären, 
welcher  mit  der  Schnauze  den  gekrümmten  Theil  des  Stabes 
berührt.     (Taf.  XII.)    Es  soll  eine  Sage  existiren,  welche  diesen 

Bären  zu  der  Rastenburger  Wappensage  in  Beziehung  treten  läßt. 

Später  wird  der  Bär  sitzend  und  den  Stab  in  den  Tatzen  haltend 
dargestellt. 

R086nb6rgf  Stadt  des  Bisthums  Pomesanien,  erhielt  1315 
eine  Handfeste  vom  Probst  Heinrich  von  Lüneburg.  Im  ältesten 
Siegel  steht  hinter  einem  durch  einen  Steinhaufen  angedeuteten 
Berge  eine  weibliche  Figur,  welche  in  der  Linken  eine  große 
Kose  hält.  Kleine  Kosen  wachsen  auch  zwischen  den  Steinen 
hervor,  und  das  Siegelfeld  ist  mit  solchen  bestreut.     (Taf.  XIL) 

Dieses  Bild  giebt  ein  redendes  Wappen. 

In  jüngeren  Siegeln  steht  auf  einem  Boden  eine  weibliche  Figur, 
welche  mit  der  Rechten  einen  aus  dem  Boden  wachsenden  Rosenstock  be- 
rührt. Zwischen  beiden  liegt  ein  Stein,  aus  dem  ein  Rosenzweig  hervor- 
wächst.   (Siebmacher  S.  169.) 

Saalfeld  wurde  gegründet  1305  und  erhielt  1315  und  1320 
Handfesten  von  den  Komturen  zu  Christburg  Siegfried  von 
Schwarzburg  und  Luther  von  Braunschweig.  Im  ältesten  Siegel 
ist  St.  Johannes  der  Apostel  nackt  und  mit  Heiligenschein  dar- 
gestellt,   in    einem   über  Flammen    stehenden  Oelkessel  sitzend. 

(Taf.  XH.)    Ihm  war  die  Kirche  geweiht. 

In  neueren  Siegeln  hat  man  aus  Mißverständnis  die  Flammen  in 
Banken  mit  Blumen  verwandelt. 

Schippenbeil  (Schiffenburg).  Handfeste  1351  vom  HM.  Hein- 
rich Tusmer.  Im  großen  Siegel  von  1440  erblickt  man  einen 
auf  dem  Wasser  schwimmenden  Kahn  (Schiff),  in  welchem,  eine 
Burg  vorstellend,  eine  gezinnte  Mauer  mit  Thor  und  links  sich 
anschließendem  Thurme  mit  Zinnen  und  spitzem  Dache  steht. 
(Taf.  XII.)  (Voßberg,  Taf.  XVII.)  Dieses  Wappen  ist  ein 
redendes,  denn  die  Stadt  hieß  ursprünglich  und  noch  in  einer 
Urkunde  von  1475  Schiffenburg.  Dieser  Name  hat  merk- 
würdige Wandelungen  erfahren,  indem  aus  dem  hochdeutschen 
Schiff  das    plattdeutsche    Schipp    und    aus    dem   hochdeutschen 


Von  0.  Beckherrn.  303 

Burg  das  altpreußische  pil  geworden  ist.  (Vergl.  Artikel  Heiligen- 
beil.)  In  dieser  veränderten  Form,  Schippenpil,  finden  wir 
den  Namen  schon  im  Jahre  1432  in  einem  Formelbuche  des 
15.  Jahrhunderts,  welches  von  Kolberg  in  der  Zeitschrift 
für  die  Geschichte  Ermlands  (Bd.  IX,  S.  285)  mitgetheilt 
worden  ist.  Aus  dem  pil  hat  dann  der  Hochdeutsche  durch 
Vermittejung  des  plattdeutschen  Biel  ein  Beil  gemacht.  Auch 
beim  ersten  Theile  des  Namens  denkt  jetzt  niemand  mehr  an 
ein  Schiff,  sondern  an  einen  Spaten  oder  eine  Schaufel  —  Schippe. 

Im  Secretoiegel  ist  aus  der  Mauer  ein  dreigeschossiges  Gebäude  ge- 
worden, mit  einem  größeren  gezinnten  und  mit  spitzem  Dache  versehenen 
Thurme  links  und  einem  kleineren  rechts.  Im  Felde  die  Buchstaben  S.  B. 
(Voßberg  Taf.  XVIL) 

Die  Abbildungen  des  großen  Siegels  in  Großmann's  gesammelten 
Nachrichten  von  der  Stadt  Schippenbeil  stellen  das  Burggebäude  in  einem 
zopfigen  Stil  dar.  Sie  sind  daher  nach  neueren  Siegeln  angefertigt  und  die 
Gebäude  wahrscheinlich  vom  Zeichner  auch  noch  verunstaltet  worden. 

Das  daselbst  befindliche  Gerichtssiegel  zeigt  unten  das  Stadtwappen, 
darüber,  auf  einem  Regenbogen  sitzend,  Christus. 

Schirwindt,  zur  Stadt  erhoben  1725  vom  Könige  Friedrich 
Wilhelm  I,  besitzt  kein  eigentümliches  Wappen  und  führt  den 
stilisirten  preußischen  Adler  im  Siegel. 

Schlochau.  Die  Burg  erwähnt  1312.  Die  Stadt  erhielt  ihre 
Handfeste  1348  vom  HM.  Heinrich  Tusmer.  Wappen  nach 
einem  Siegel  aus  dem  14.  Jahrhundert:  Ein  nach  links  ge- 
wendeter Stierkopf  mit  Hals  und  offenem  Maule.  (Taf.  XIII.) 
Der  Stierkopf  befindet  sich  in  derselben  Form  schon  auf  einer 
Münze  der  pommerellischen  Herzöge.  (Vergl.  Voßberg,  Siegel 
der  Städte  Danzig  u.  8.  w.  S.  3.  Hier  wird  aber  diese  Figur 
irrtümlicherweise  für  einen  Ziegenkopf  gehalten.)  Das  Banner 
des  Komturs  aus  der  Tannenberger  Schlacht  ist  von  Roth  und 
Weiss  getheilt.  Im  rothen  Felde  befindet  sich  das  weisse  Lamm 
Gottes  mit  der  Fahne  und  dem  das  Blut  auffangenden  Kelche. 
Nach  diesen  Farben  könnten  auch  die  des  Wappens  der  Stadt 
bestimmt  werden,  nämlich  das  Feld  silbern,  der  Stierkopf  roth 
und  die  Hörner  desselben  schwarz. 


304  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

Das  Wappen  bei  Siebmacher  \S.  172)  hat  einen  Ziegenkopf,  aber  ge- 
wiss in  Folge  von  Missverständniss,  denn  auch  der  Komtur  führte  im  Siegel 
einen  Stier. 

Schöneck.  Burg  und  Stadt,  von  den  Johannitern  1 180  ge- 
gründet, kamen  1370  an  den  Deutschen  Orden.  Handfeste  der 
Stadt  1341  vom  Komtur  des  Johanniterordens  zu  Schöneck 
Adolph  von  Schwalenberge.  Wappen:  In  einer  Schale  liegt 
das  Haupt  Johannis  des  Täufers.  Unter  der  Schale  ragt  der 
Griff  eines  Schwertes  hervor.  (Taf.  XIII.)  Dieses  Wappen  be- 
darf keiner  weiteren  Erklärung. 

Schön866  (Kowalewo).  Schon  1222  als  quondam  castrum 
erwähnt,  als  Ordenshaus  um  das  Jahr  1273.  Die  Stadt  wurde 
1275  gegründet,  schied  1833  aus  dem  Stande  der  Städte  aus  und 
stand  unter  einem  königlichen  Schulzenamte.  Im  Jahre  1868 
wurde  der  Ort  Marktflecken  mit  städtischer  Verwaltung  und 
1871  dem  Gemeindevorstande  der  Titel  Magistrat  zugestanden. 
(Mittheilung  des  Bürgermeisters  Herrn  Rückert.)  Trotz  dieser 
Wandlungen  hat  sich  die  Stadt  ihr  altes  Wappen  bewahrt:  Die 
vordere  Hälfte  eines  Fisches,  worüber  ein  Halbmond  und  zu 
des  letzteren  beiden  Seiten  je  ein  Stern  schwebt.  Die  Farben 
können  nach  dem  Banner  des  Komturs  zu  Schönsee,  welches  im 
weißen  Felde  zwei  rothe  Fische  hatte,  bestimmt  werden,  näm- 
lich so:  Das  Feld  roth,  der  Fisch,  die  Sterne  und  der  Halbmond 
silbern,  der  innere  Theil  des  letzteren,  welcher  als  Gesicht  dar- 
gestellt wird,  golden.     (Taf.  XIII.) 

Schwätz.  Die  Burg  bestand  schon  1198,  die  Stadt  wird 
erst  1310  erwähnt.  Sie  erhielt  1338  eine  Handfeste  vom  HM. 
Dietrich  von  Altenburg.  Das  bei  Wegner  (Ein  pommersches 
Herzogthum  etc.  II,  130)  abgebildete  Siegel  von  1540  enthält 
in  einem  Schilde  zwischen  zwei  mit  den  Hörnern  nach  außen 
gekehrten  Mondsicheln  einen  sogenannten  Strichpfahl  oder 
Faden,  welcher  aber  eigentlich  eine  brennende  Kerze  sein  soll. 
(Taf.  XIII.)  Dieses  Wappen  hat  man  wahrscheinlich  für  die 
Stadt  auf  Grund  nachstehender  Sage  angenommen. 


Von  C.  Beckherrn.  305 

Herzog  Swantopolk  von  Pommerellen  fuhr  einstmals  in 
Begleitung  mehrerer  seiner  Bitter  in  einem  Kahne  von  Kulm 
nach  Sartowitz.  Es  war  finstere  Nacht  geworden;  da  gerieth 
er  mit  seinem  Kahne  in  einen  Strudel,  den  der  hoch  ange- 
schwollene Weichselstrom  an  der  Einmündung  des  Schwarz- 
wassers bildete.  Der  Kahn  schlug  um,  einige  Kitter  versanken 
in  die  Tiefe  und  Swantopolk  selbst  schwebte  in  äußerster  Todes- 
gefahr; ein  Licht  aber  bewahrte  ihn  vor  dem  Untergange.  An 
der  Mündung  des  Schwarzwassers  hatte  sich  nämlich  ein  Ein- 
siedler eine  Hütte  erbaut  in  der  Absicht,  an  dieser  gefährlichen 
Stelle  etwa  in  Todesnoth  gerathende  Schiffer  zu  retten,  um 
seine  Sünden  dadurch  zu  büßen.  Er  war  in  dieser  Nacht  ge- 
rade damit  beschäftigt,  einen  Verunglückten  wieder  zu  beleben, 
als  er  Geschrei  und  Rufen  von  der  Weichsel  her  vernimmt. 
Er  springt  mit  einer  brennenden  Kerze  schnell  ans  Fenster 
und  wird  dadurch  der  "Retter  des  Fürsten,  denn  bei  dem 
Scheine  des  Lichtes  kann  nun  ein  auf  einem  zweiten  Kahne 
seinen  Herrn  begleitender  Ritter  sehen,  wo  jener  mit  den  Fluten 
ringt;  es  gelingt  ihm,  ihn  zu  erfassen  und  in  den  Kahn  zu 
ziehen.  Jetzt  theilte  sich  auch  plötzlich  das  dunkle  Gewölk 
und  die  hervortretende  Mondsichel  beleuchtete  den  Wasser- 
spiegel, so  daß  der  Ritter  die  gefährlichsten  Stellen  vermeiden 
und  den  Kahn  glücklich  an  das  Ufer  rudern  konnte.  Der 
Herzog  ließ  nun  hier  eine  Burg  erbauen,  auf  deren  Thurm  ein 
Feuer  zum  Nutzen  der  Schiffer  unterhalten  werden  sollte.  Auch 
ein  Kirchlein  wurde  auf  der  Stelle  der  Hütte  erbaut,  um  welche 
allmählich  eine  Stadt  entstand,  welche  man  zum  Andenken  an 
Swantopolk's  Errettung  Swieciem  —  Licht  —  nannte;  Kerze 
und  Mondsichel  nahm  man  in  ihr  Wappen  auf.  Dieses  würde 
also  ein  redendes  sein,  wenn  der  Name  der  Stadt  ursprünglich 
so  gelautet  hätte;  das  ist  aber  nicht  der  Fall,  denn  die  Burg, 
nach  welcher  später  auch  die  Stadt  benannt  worden  ist,  hiess 
zuerst  Zwece,  die  Form  Swiecze,  welche  von  swieca  —  Kerze, 
Licht  —  abgeleitet  werden  könnte,  kommt  sicher  erst  im 
15.  Jahrhundert  vor.     (Wegner  a.  a.  0.  S.  62—66.) 


306  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

Seeburg.  Die  Stadt  wurde  1338  neben  der  schon  vor- 
handenen Burg  vom  Magister  Nicolaus,  dem  Stellvertreter  des 
Bischofs  Hermann  von  Praga,  gegründet.  Wappen:  Drei  schmale, 
zweigeschossige  Gebäude  mit  Pyramidendächern  und  modernen 
Tbüren  und  Fenstern  stehen  ohne  Boden  mit  Zwischenräumen 
neben  einander;  das  mittelste  überragt  die  beiden  andern.  Darüber 
schwebt  der  nichtstilisirte  preussische  Adler.  Unter  den  Ge- 
bäuden liegt  ein  Zweig  mit  Blättern.     (Taf.  XIEE.) 

Bei  Voßberg  (S.  47)  ist  irrthümlicherweise  aus  den  drei  profanen  Gebäuden 
eine  Kirche  gemacht. 

Serreburg,  (Seynsburg,  Segensburg).  Gegründet  zwischen 
1393  und  1407  vom  HM.  Konrad  von  Jungingen.  Wappen: 
Im  silbernen  Felde  eine  schwarze  Bärentatze  mit  goldenen 
Klauen.  Daneben  soll  die  Jahreszahl  1348  stehen,  wofür  aber 
wohl  1398  zu  lesen  ist.  (Taf.  XIII.)  Die  Figur  hat  Bezug 
auf  die  Gründung  der  Stadt  an  der  grossen  Wildniß. 

Sage:  Ein  gewaltiger  Bär  machte  einst  die  Gegend  um 
Bastenburg  unsicher.  Die  Bürger  Sensburgs  zogen,  mit  Sensen 
bewaffnet,  den  Bastenburgern  zu  einer  von  diesen  veranstalteten 
Jagd  zu  Hilfe  und  hieben  im  Kampfe  mit  dem  Unthier  diesem 
eine  Tatze  ab.  Da  wegen  der  Stärke  des  ungewöhnlich  großen 
Thieres  das  Unternehmen  ein  gefährliches  und  der  Kampf  ein 
ruhmvoller  gewesen  war,  nahm  man  zum  Andenken  daran  eine 
Bärentatze  in  das  Wappen  der  Stadt  auf.  Die  Bastenburger 
wurden  mit  dem  Bären  nun  leicht  fertig  und  setzten  die  Figur 
dieses  Thieres  mit  abgehauener  Tatze  in  ihr  Wappen.  In  die- 
sem letzten  Punkte  irrt  jedoch  die  Sage,  denn  das  Wappen 
Bastenburgs  zeigt  den  unverstümmelten  Bären.  Durch  die  all- 
gemeine Bewaffnung  der  Bürger  mit  Sensen  will  sie  den  Namen 
der  Stadt  erklären,  allerdings  in  wenig  ansprechender  Weise, 
denn  zu  einer  solchen  Jagd  hätten  die  Bürger  doch  mit  ge- 
eigneteren Waffen  ausziehen  müssen,  welche  ihnen  meistens 
auch  zur  Verfügung  gestanden  haben  würden. 

Soldau.  Wann  die  Burg  erbaut,  ist  nicht  bekannt.  Die 
Stadt   erhielt   ihre    Handfeste    1344    vom    HM.    Ludolf  König. 


Von  C.  Beckherrn.  307 

Das  älteste  Siegel  enthält  ein  zierliches  gothisehes  Portal;  darin 
steht  in  langen,  faltenreichen  Gewändern  die  heilige  Katharina 
mit  der  Krone  auf  dem  Haupte,  welche  in  der  Linken  ein  zu 
Boden  gesenktes  Schwert,  in  der  Rechten  einen  Theil  eines 
Bades  hält.  An  beiden  äußeren  Seiten  des  Portales  sind 
palmenartige  Zweige  befestigt,  welche  kleine  Dreiecksschilde 
halten,  deren  Felder  von  Silber  und  Eoth  geschacht  sind. 
(Taf.  XIII.)  Diese  Schilde  sind  das  Familieuwappen  des 
Komturs  zu  Osterode  Günther  von  Hohenstein  (1349 — 1370), 
welcher  der  jungen  Stadt  zu  ihrer  Entwickelung  durch  mancherlei 
Unterstützungen  förderlich  gewesen  zu  sein  scheint. 

Diese  Angaben  verdankt  der  Verfasser  einer  Mittheilung 
des  Herrn  Dr.  Reicke  aus  einem  demnächst  in  der  Altpr. 
Monatsschr.  zu  veröffentlichenden  Aufsatze  des  Gerichts- Assessors 
Herrn  Conrad  über  das  Wappen  von  Soldau.  Dieselbe  Quelle 
giebt  auch  nach  dem  Gutachten  des  Herrn  Professors  Hilde- 
brandt in  Berlin  die  für  das  Wappen  zu  wählenden  Farben  an, 
nämlich:  Feld  blau,  Portal  golden,  Untergewand  der  Heiligen 
roth,  Mantel,  Krone,  Rad  und  Schwertgriff  golden,  Schwertklinge 
stahlgrau.  Bemerkenswerth  ist  noch,  daß  St.  Katharina  die- 
jenige Heilige  war,  welche  von  Günther  von  Hohenstein  ganz 
besonders  verehrt  wurde,  wie  Wigand  von  Marburg  berichtet: 
Quam  sibi  eligerat  in  sponsam  et  amicam. 

Stallupönen.  Zur  Stadt  erhoben  1722  vom  Könige  Friedrich 
Wilhelm  I.  Wappen:  In  einem  größeren  Schilde  befindet  sich 
ein  kleinerer,  worin  ein  einfacher,  viereckiger  Tisch.  Ueber 
dem  kleinen  Schilde,  dessen  Seiten  mit  Eichenzweigen  geschmückt 
sind,  steht  der  nichtstilisirte  preußische  Adler.     (Taf.  XIII.) 

Sage:  Der  Landesherr  hat  einstmals,  als  er  auf  einer  Reise 
diesen  Ort  berührte,  hier  an  einem  Tische  —  stalas  —  im  Freien 
gerastet  und  sich  auf  diesem  zur  Erquickung  Milch  —  pienas  — 
vorsetzen  lassen.  Mit  Bezug  hierauf  hat  der  Ort  seinen  jetzigen 
Namen  und  den  Tisch  ins  Wappen  erhalten. 


308  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

Sage  und  Wappen  sind  jedoch  schlecht  erfunden,  denn  in 
dem  Namen  steckt  weder  das  Wort  stalas  noch  pienas  —  un- 
genießbare Milch,  welche  die  Kuh  giebt,  unmittelbar  nachdem 
sie  ein  Kalb  geworfen  —  sondern  upe,  Floß.  (Vergl.  Hoppe, 
Altpr.  Monatsschr.  XV,  689  unten.     Stolupiany.) 

Stargard.     Siehe  Preuß.  Stargard. 

Straßburg.  Die  Burg  wird  erwähnt  während  des  zweiten 
Aufstandes  der  Preußen,  die  Stadt  1298.  Wappen  nach  dem 
Siegel  von  1468:  Im  gegitterten  und  punktirten  Felde  eine  auf- 
gehobene rechte  Hand  mit  ausgestreckten  Fingern,  die  innere 
Fläche  zeigend.  (Taf.  XIII.)  Das  Banner  des  Komturs  aus 
der  Tannenberger  Schlacht  hat  im  weißen  Fahnentuche  einen 
springenden  rothen  Hirsch;  das  Wappen  der  Stadt  könnte  daher 
so  tingirt  werden:  das  Feld  roth,  mit  Gold  gegittert,  die  Hand 
silbern. 

Stuhnt.  Die  Burg  erwähnt  1333,  die  Stadt  gegen  Ende 
des  14.  Jahrhunderts.  Im  ältesten  Siegel  steht  auf  dem  oberen 
Bande  eines  kleinen  ledigen  Schildes  Maria,  mit  dem  Jesus- 
knaben auf  dem  Arme,  in  der  Linken  ein  Scepter  haltend 
(Taf.  XIV). 

In  jüngeren  Siegeln  fallt  das  Scepter  fort,  und  auf  dem  großen  Schilde 
ruht  ein  Helm  mit  dem  preußischen  Adler  als  Kleinod.    (Siehmacher  S.  179.) 

Tapiau.  Die  Burg  neben  der  Heidenburg  Sugurbi  1265 
erbaut.  Die  dabei  entstandene  Lischke  wurde  1722  vom  Könige 
Friedrich  Wilhelm  I.  zur  Stadt  erhoben.  Wappen:  Aus  einer 
Wolke  am  linken  Schildesrande  streckt  sich  ein  geharnischter 
Arm  hervor,  welcher  aufrecht  ein  Schwert  hält.  Darüber  eine 
strahlende  Sonne,  worin  in  hebräischer  Schrift  „Jehova"  steht. 
(Taf.  XIV.) 

Thorfl.  Die  Burg  erbaut  1231.  Die  fast  gleichzeitig  ge- 
gründete Stadt  erhielt  1233  ihre  Handfeste  vom  HM.  Hennann 
von  Salza.     Die  Neustadt  wurde  1264  gegründet. 


Ton  C.  Beckherrn.  309 

Altstadt.  Im  ältesten  Siegel  aus  dem  13.  Jahrhundert 
sitzt  Maria  mit  dem  Jesusknaben  unter  einem  Portale,  welches 
von  zwei  runden,  ornamentirten  und  durch  einen  Bogen  mit 
einander  verbundenen  Thürmen  gebildet  wird.     (Taf.  XIV.) 

Das  Banner  aus  der  Tannenberger  Schlacht  hat  im  weißen 
Fahnentuche  ein  rothes  Thor,  bestehend  aus  drei  gezinnten 
Thürmen,  deren  mittelster  die  andern  überragt.  Die  Thor- 
öffnung ist  schwarz,  das  Fallgatter  weiß,  und  die  aufgeschlagenen 
Thorflügel  sind  gelb.  Dieses  Thor  führt  später  die  Stadt  auch 
im  Wappenschilde  (Taf.  XIV),  welcher  von  einem  knieenden 
Engel  gehalten  wird.  Das  Thor  soll  das  Wappen  zu  einem 
redenden  machen,  thut  es  aber  mit  Unrecht,  denn  der  Name 
der  Stadt  hat  mit  dem  deutschen  Worte  -Thor  nichts  zu  thun, 
weil  nach  Prutz  (Altpr.  Monatsschr.  XV,  10)  die  hier  zuerst 
erbaute  Ordensburg  von  den  Rittern  zur  Erinnerung  an  ihre 
Burg  Toron  im  Heiligen  Lande  den  gleichen  morgenländischen 
Namen  erhielt.  Das  älteste  Siegel  der  Stadt  hat  daher  auch 
in  der  Umschrift  Thorun,  eine  etwas  abgeänderte  Form  jenes 
Namens. 

Das  jüngere  Wappen  mit  dem  Thore  hat  das  alte  mit  dem 
Marienbilde  schon  seit  langer  Zeit  vollkommen  verdrängt;  weil 
es  aber  nur  aus  einer  unrichtigen  Herleitung  des  Namens  der 
Stadt  hervorgegangen  ist,  würde  seine  Beseitigung  und  die 
Rückkehr  zum  Gebrauche  des  ursprünglichen  Wappens  durchaus 

gerechtfertigt  und  zu  empfehlen  sein. 

Ein  altes  Secretsiegel  zeigt  Johannes  den  Täufer  zwischen  zwei 
Bäumen  stehend;  ihm  war  eine  der  Kirchen  geweiht. 

Neustadt.     Sie    führte    in    ihren  Siegeln  eine  aus  Balken 

und  Brettern  gezimmerte  Bake,  ähnlich  den  Seebaken  im  Wappen 

Memels,    zwischen    zwei  Ordensschilden,    über    deren  jedem  ein 

Stern  schwebte.     Ein    solcher   zeigte   sich    auch    innerhalb    der 

Bake.     Diese   ist   vielleicht   eine    Anspielung   auf   die    auf   der 

Weichsel  lebhaft  betriebene  Schifffahrt. 

Tilsit.  Die  Burg  1408  auf  der  Stelle  der  alten  Schalauer- 
burg    erbaut.     Der   daneben    gelegene    Ort   wurde    1552    durch 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX.  Hft  3  u.  4.  20 


310  Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preußens. 

Herzog  Albrecht  zur  Stadt  erhoben.  Das  von  diesem  verliehene 
Wappen  zeigt  im  silbernen  Felde  eine  Mauer  mit  zwei  nach 
vorn  abgedachten  Zinnen,  zwischen  denen  sich  ein  runder,  mit 
zwei  Scharten  und  Kegeldach  versehener  Thurm  erhebt.  Dieses 
Mauerwerk  ist  roth.  An  der  Mauer  unterhalb  des  Thurmes  ist, 
mit  Bezug  auf  den  Verleiher  des  Wappens,  der  hohenzollernsche 
von  Silber  und  Schwarz  cjuadrirte  Wappenschild  angebracht, 
worin  jedes  der  beiden  schwarzen  Felder  eine  kleine  runde, 
silberne  Scheibe  enthält,  welche  jedoch  zuweilen  fortgelassen 
wird.  Der  Schildesfuß  unter  der  Mauer  ist  durch  einen  blauen 
Fluß  ausgefüllt.     (Taf.  XIV.) 

Tolkemit  wird  erwähnt  1326.  Im  ältesten,  großen  Siegel 
aus  dem  14.  Jahrhundert  ist  im  gegitterten  und  punktirten 
Felde  ein  aufrecht  stehender  Baumast  dargestellt,  aus  dessen 
oberem  Ende  drei  große  eichenlaubähnliche  Blätter  hervorwachsen. 
(Taf.  XIV.) 

Ein  anderes,  wahrscheinlich  eben  so  altes  und  als  Secret 
anzusehendes  Siegel  hat  in  stilisirter  Form  einen  Baum  mit  der 
Wurzel  und  drei  gestielten  Blättern.  Ueber  dem  mittelsten 
derselben  steht  ein  kleines  Kreuz,  welches  die  Gründung  der 
Stadt  durch  den  Deutschen  Orden  andeutet.    (Siebmacher  S.  110. » 

Tuchel.  Die  Burg  erwähnt  1313.  Die  Stadt  soll  schon 
unter  Herzog  Sambor  von  Pommerellen  zwischen  1187  und  1207 
gegründet  worden  sein.  Handfeste  1346  vom  HM.  Heinrich 
Tusmer.  Im  ältesten  Siegel  erblickt  man,  auf  einem  sich  krüm- 
menden Drachen  stehend,  die  heilige  Margaretha  mit  Krone  und 
Heiligenschein.  Sie  hält  mit  der  Linken  ihr  Gewand  und  in 
der  Rechten  ein  lateinisches  Kreuz.     (Taf.  XI V.) 

In  jüngeren  Siegeln  ist  diese  Heilige  in  halber  Figur  ohne  Heiligen- 
schein dargestellt.  Sie  hält  das  Kreuz  in  der  Linken  und  erhebt  segnend 
die  Rechte.    An  ihrer  rechten  Seite  schwebt  eine  Taube.    (Siebmacher  S.  112.» 

Wartenburg.  Die  Stadt,  bald  nach  der  1326  erbauten  Burg 
in  der  Gegend  des  jetzigen  Dorfes  Alt-Wartenburg  vom  Bischof 
Eberhard  angelegt,    wurde   1354  durch  die  Litauer  zerstört  und 


Von  C.  Beckherrn.  311 

darauf  nebst  der  Burg  auf  die  Stelle  verlegt,  welche  sie  heute 
einnimmt.  Sie  erhielt  ihre  Handfeste  1364  vom  Bischof  Johann 
Streifrock.  Wappen  nach  dem  Siegel  von  1440:  Im  blauen 
Felde  ein  grüner  Hügel,  auf  dem  zwei  Engel  in  den  gebräuch- 
lichen Farben  stehen  und  zwischen  sich  eine  große  grüne  Bischofs- 
mütze mit  goldenem  Besätze  und  Bändern  emporhalten.  (Taf.  XIV.) 

Dem  Gerichtssiegel  war  eine  unter  der  Inful  stehende  Justitia  hin- 
zugefügt. 

Wehlau.  Die  Burg  wurde  12B6  von  den  alten  Preußen 
angelegt  und  nach  ihrer  Eroberung  durch  den  Deutschen  Orden 
von  diesem  als  Ordenshaus  im  Jahre  1256  eingerichtet.  Die 
Stadt,  gegründet  1335,  erhielt  1339  ihre  Handfeste.  Ein  Siegel 
von*  1440  zeigt  einen  nach  vorn  schauenden  Hirschkopf  mit 
Geweih  von  acht  Enden,  zwischen  dessen  Stangen  ein  Stern 
schwebt.  (Taf.  XIV.)  Der  Hirschkopf  steht  wohl  in  Beziehung 
zur  Lage  der  Stadt  in  der  Nähe  des  großen  Baumwaldes  und 
des  Frischingwaldes. 

In  neueren  Siegeln  ist  der  Hirschkopf  in  einen  Ochsenkopf  verunstaltet 
worden,  und  auf  den  oberen  Schildesrand  hat  man  den  nichtstilisirten 
preußischen  Adler  gesetzt. 

Willenberg.  Die  Burg  erwähnt  um  1361.  Die  daneben 
entstandene  Lischke  wurde  1723  zur  Stadt  erhoben  und  erhielt 
1747  vom  Könige  Friedrich  II.  ein  Privilegium.  Die  Stadt  be- 
sitzt kein  eigenthümliches  Wappen  und  führt  im  Siegel  den 
preußischen  Adler. 

Wormditt.  Die  Burg  existirte  wahrscheinlich  schon  lange 
vor  1308,  in  welchem  Jahre  die  Stadt  zuerst  erwähnt  wird. 
Erneuerte  Handfeste  1359  vom  Bischof  Johann  von  Ermland. 
Wappen:  Ein  Lindwurm,  welcher  den  Kopf  gegen  den  Kücken 
wendet  und  den  langen  Schwanz  aufwärts  bis  über  den  Kopf 
hinweg  krümmt,  eine  Stellung,  welche  dem  Ungeheuer  gegeben 
worden  ist,  um  diese  langgestreckte  Figur  dem  kreisförmigen 
Siegelfelde  besser  anpassen  zu  können.  (Taf.  XV.)  In  Folge 
der    ehemals    herrschenden    Vorliebe    für    redende  Wappen    hat 


812  Di©  Wappen  der  Städte  AltrPreußens. 

man  in  nichts  weniger  als  ansprechender  Weise  versucht,    auch 

dieses  zu  einem  solchen  zu  stempeln,   nämlich  so:  Wormditt  ist 

gleich  dit  Worm    —    dieses  Wurm!    —    womit    der   Lindwurm 

gemeint    wird.      Dieser    ist    aber,    wie    die    andern    fabelhaften 

Thiere,    eine    in    den    alten  Wappen  nicht  selten  vorkommende 

Figur  und  auch,    aus  nicht  mehr  zu  ermittelnder  Veranlassung, 

in    das    gewiß    sehr    alte  Wappen  der  Stadt  Wormditt  gelangt., 

deren  Name  keineswegs  zu  dieser  Wappenfigur,  sondern  zu  der 

altpreußischen  Landschaft  Warmien  in  Beziehung  steht. 

Bei  Siebmacher  (S.  343)  ist  der  zusammengekrümmte  Lindwurm 
irrthümlich  auf  dem  Rücken  liegend  dargestellt. 

Ziflten  existirte  vor  1341  und  erhielt  1352  die  Handfeste 
vom  HM.  Winrich  von  Kniprode.  Wappen  nach  dem  Siegel 
von  1440:  Hinter  einer  niedrigen,  gezinnten  Mauer  ragen  zwei 
mit  gezinntem  Wehrgange  gekrönte  und  mit  spitzen  Dächern 
versehene  Thürme  hervor,  welche  schräge  nach  innen  geneigt 
sind  und  sich  kreuzen.  Der  vordere  Thurm  hat  in  der  Mitte 
ein  großes  Spitzbogenfenster  mit  Maß-  und  Stabwerk  und  darüber 
ein  kleines  Fenster  mit  flachem  Bogen.  Ein  dem  letzteren 
ähnliches  hat  auch  der  hintere  Thurm.  In  dem  von  den  Thürmen 
gebildeten  oberen  Winkel,  zwischen  den  Dächern,  schaut  ein 
Löwenkopf  hervor.  Das  Feld  des  Schildes  ist  blau,  das  Mauer- 
werk wahrscheinlich  silbern,  und  der  Löwenkopf  golden.  (Taf.  XV.) 
(Voßberg  Taf.  XVHL) 

Bei  Siebmacher  (S.  844),  woselbst  dieses  Wappen  mit  Unrecht  als 
unrichtig  erklärt  wird,  haben  die  beiden  Thürme  sehr  einfache,  nüchterne 
Formen,  und  der  Löwenkopf  ist  in  einen  Ochsenkopf  verwandelt. 

Im  Gerichtssiegel  von  1582  erblickt  man  Christus  nackt  auf  einem 
Halbmonde  stehend,  in  der  Rechten  eine  Fahne,  in  der  Linken  die  Welt- 
kugel haltend. 


In  der  Reihe  der  vorstehend  aufgeführten  Städte  befinden 
sich  außer  Königsberg  noch  vier  andere,  nämlich  Braunsberg, 
Danzig,  Elbing  und  Thorn,  welche  aus  der  Vereinigung  ver- 
schiedener   ehemals    selbständiger  Städte    hervorgegangen    sind, 


Von  C.  Beckherrn.  313 

als  ihr  Wappen,  aber,  mit  Ausnahme  Königsbergs,  nur  dasjenige 
beibehalten  haben,  welches  von  der  ältesten  oder  bedeutendsten 
der  letzteren  geführt  wurde.  Es  wäre  aber  richtiger  gewesen, 
wenn  man  die  Wappen  der  weniger  hervorragenden  alten  Schwester- 
städte nicht  der  Vergessenheit  anheimgegeben,  sondern  durch 
Vereinigung  der  verschiedenen  zu  einander  gehörigen  Wappen 
ein  neues  geschaffen  hätte,  welches  für  die  betreffende  neu- 
organisirte  Gemeinde  zugleich  auch  bedeutungsvoller  geworden 
wäre,  indem  es  einen  Theil  von  deren  geschichtlicher  Entwicke- 
lung  gleichsam  im  Bilde  dargestellt  hätte,  wie  wir  ein  solches 
im  Wappen  Königsbergs  vor  Augen  haben.  In  diesem  könnte 
uns  allerdings  ein  noch  vollständigeres  Bild  der  Entwickelung 
unserer  altehrwürdigen  Stadt  vorgeführt  werden,  wenn  darin 
mit  den  Wappen  der  drei  alten  selbständigen  Städte  diejenigen 
aller  Vorstädte  oder  Freiheiten  vereinigt  würden.19) 


19)  Das  Wappen  auf  dem  großen  Plane  von  Valerian  Muller  v.  J.  1815 
enthält  nicht  die  Wappen  aller  Vorstädte,  dagegen  überflüssigerweise  das 
der  Altstadt  zweimal.  Von  diesen  beiden  würde  nur  das  jüngere,  mit  Krone 
und  Kreuz,  aufzunehmen  sein.  Von  den  übrigen  Wappen  sind  einige  un- 
richtig dargestellt. 


Mitteilungen  und  Anhang. 


.   yN      -..  -       ^     — 


Universitäts-  Chronik  1891  u.  1892. 

(Nachtrag:  u.  Fortsetzung.) 

1891.  21.  Dez.  Med.  I.-D.  v.  Arthur  P leck  (a.  Königsberg^  prakt.  Arzt: 
Ein  Fall  von  fieberhafter  disseminirter  Miliarcarcinose.  Kgsbg.  L  Pr. 
Druck  v.  M.  Liedtke.    (51  S.  8.) 

1899. 

30.  März.  Med.  I.-D.  v.  Max  Podack  (a.  Königsberg),  prakt.  Arzt:  Beitrag 
zur  Histologie  und  Funktion  der  Schilddrüse,  Kgsbg.  i.  Pr.  Buch- 
u.  Steindruck.  E    Erlatis.     (55  S.  8.) 

30.  März.  Med.  I.-D.  v.  Engen  Ries»  (a.  Saalfeld),  prakt.  Arzt:  Lieber  den 
Einfiuss  des  Bronchialkatarrhs  auf  die  Aufnahme  und  Ausscheidung 
inhalürten  Kohlenstaubes.  Kgsbg.  i.  Pr.  Druck  v.  M.  Liedtke.  (2  BL, 
27  S.  8.) 

9.  April.  Med.  I.-D.  v.  Alfred  Noering  (a.  Nordenburg,  Kr.  Gerdauen): 
Ueber  einen  Fall  von  Fibrosarkom  des  Nervus  opticus.  Kgsbg.  i.  Pr. 
Druck  v.  M.  Liedtke.    (2  BL,  25  S.  8.) 

9.  April.  Phil.  I.-D.  v.  Johannes  Reicke  (a.  Königsberg):  No.  18.  Zu 
Johann  Christoph  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Uni- 
versität. Erster  Theil.  Kgsbg.  i.  Pr.  Druck  v.  R.  Leupold.  (36  S.  8.) 
[Abgedr.  a.  „Altpreuß.  Monatsschrift"  XXIX.  Band  1.  u.  2.  Heft: 
S.  70  ff.] 

13.  April.  .  .  .  Ordo  Medic.  .  .  .  Ferdinando  Falkson  Regimontano  cum  de 
cura  aegrotorum  tum  de  eruditione  civium  et  salute  publica  egregie 
merito  summos  in  med.  chir.  et  arte  obstetr.  honores  .  .  .  ante  hos 
quinquaginta  annos  d.  XIII.  Apr.  collatos  instaurat  atque  confirmat  — 
in  cuius  rei  fidem  solemne  hoc  diploma  ei  datum  .  .  .  est  ab  Rud. 
Dohrn  Med.  Dr.  P.  P.  0.  h.  t.  Dec.  Regim.  Pr.  Ex  offic.  Liedtkiana.  (fol.  • 

27.  April.  Med.  I.-D.  v.  Otto  Rubsaiuen  (a.  Seh  wetz),  prakt.  Arzt:  Ein 
Beitrag  zur  Kenntnis  der  Larvngitis  hvpoglottica  chronica  hyper- 
trophica.  Kgsbg.  i.  Pr.  Druck  v.  M.  Liedtke.  (2  Bl.  39  S.  8.  in. 
1  Tabelle.) 

Chronik  d.  Kgl.  Albertus-Universität  zu  Königsberg  i.  Pr.  f.  d.  Studien- 
u.  Etatsj.  1891/92.     Kgsbg.  Hartungsche  Buchdr.     (32  S.  8.) 

17.  Mai.  Lectiones  cursorias  quas  venia  et  consensu  ord.  med.  .  .  .  PäuI 
Ost  mann  Med.  Dr.  Ueber  traumatische  Verletzungen  des  Ohrs  ad 
docendi  facult.  rite  impetr.  .  .  .  habebit  indicit  Rud.  Dohrn  Med.  Dr. 
P.  P.  O.  Ord.  Med.  h.  t.  Dec.  Regim.  Bor.  Typ.  Liedtkianis. 


Universitäts-Chronik  1891  und  1892.  315 

21.  Mai.  Phil.  I.-D.  v.  Panl  Schneider  a.  Deutz:  No.  19.  Ueber  Paratolenyl- 
oxytetrazotsäure.     Kgsbg.  Ostpr.  Ztgs-  u.  Verl  -Dr.     (2  Bl.,  32  S.  8.) 

27.  Mai.  Phil.  I.-D.  v.  Wilhelm  Brttnin?  (a.  Mariensee  b.  Seeburg  Ostpr.): 
No.  20.  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden  im 
dreizehnjährigen  Städtekriege.  Erster  Theil.  Kgsbg.  in  Pr.  Druck 
v.  R.  Leupold.  (2  Bl.,  71  S.  8.)  [Abgedr.  a.  „Altpreuß.  Monatsschrift1' 
XXIX.  Bd.    1.  u.  2.  Heft:  S.  1-69.] 

Ar  ad.  Alb.-Regim.  1892.  II.  Lectiones  Pseudophocylideae.  Quibus  orationes 
ad  celebr.  d.  XXI  et  XXIII  m.  Maii  XaIII  m.  Jnnii  memoriam  .  .  . 
Iac.  Prider.  de  Rhod  Frider.  de  Groeben  Abeli  Frider.  de  Groeben 
Ioann.  Diter.  de  Tettau  .  .  .  d.  XXVIII  m.  Maii  .  .  .  publ.  habendas 
indicit    Arth.  Lud  wich  P.  P.  0.    Regina,  ex  offic.  Härtung.     (8  S.  4.) 

30.  Mai.  Lectiones  cursorias  quas  venia  et  consensu  ord.  medic.  .  .  . 
Gustav  Valentin!  Med.  Dr.  Ueber  den  Stand  der  Therapie  des 
Diabetes  mellitus  ad  docendi  facult.  rite  impetr.  .  .  .  habebit  indicit 
Rud.  Dohrn  Med.  Dr.  P.  P.  0.  Ord.  Med.  h.  t.  Dec.  Regim.  Bor. 
Typ.  Liedtkianis. 

30.  Mai.  Lectiones  cursorias  .  .  .  ord.  medic.  .  .  .  Paul  Hubert  Med.  Dr. 
Ueber  die  Grenze  der  physikalischen  Diagnostik  .  .  .  indicit  Rud. 
Dohrn  .  .  .  ibd. 

9?ro.  126.  flmtl.  3Ser^etd)iüft  b.  ^evfonafö  u.  b.  Stubircnben  auf  b.  £g(.  9tt6ertu3= 
ilniucrj.  ju  SönigSbcvfl  in  sJk.  f.  b.  Somm.=£em.  1892.  ägSba,.  .Jmrtunajdje 
«uc^br.  (34  8.  8.) '  [97  (12  theol.,  7  jur.,  28  med.,  50  phil.)  Doc, 
5  Sprach-  u.  Exercitienmstr.,  692  (141  theol.,  162  jur.,  255  med., 
134  phil.)  Stud.  u.  9  nicht  immatriculationsfäh.  z.  Hören  d.  Vorl. 
Zugelassene.] 

3.  Juni.  Med.  I.-D.  v.  Joseph  Qolntar  (a.  Rössel),  prakt.  Arzt:  Operative 
Behandlung  der  Carcinome  des  Dickdarmes  mit  besonderer  Berück- 
sichtigung der  Darmresektion.  Kgsbg.  i.  Pr.  Druck  v.  M.  Liedtke. 
(2  Bl.,  44  S.  8.) 

3.  Juni.  Med.  I.-D.  v.  Joseph  Flack  ta.  Sanilack,  Kr.  Rössel),  prakt.  Arzt: 
Ueber  Sarkome  der  Augenlider/  Ebd.     (2  BL,  32  S.  8.) 

13,  Juni.     Lectiones    cursorias    quas  venia   et   consensu    ord.  medic 

Rudolph us  Kafemann  Med.  Dr.  Ueber  die  chirurgische  Behandlung 
der  Larynxphthise  ad  docendi  facult.  rite  impetr habebit  indi- 
cit Rud.  Dohrn  Med.  Dr.  P.  P.  0.  Ord.  Med.  h.  t.  Dec.  Regim.  Bor. 
Typ.  Liedtkianis. 

15.  Juni.  ...  Ex  decreto  Ord.  Philos.  .  .  .  Carolo  Frederico  Gullelmo 
Iordan  Insterburgensi  Phil.  Dr.  qui  paene  totuin  facundiae  et  poeseos 
campum  permensus  cum  summorum  poetarum  peregrinorum  trans- 
latione  in  sermonem  nostratium  tum  magna  illa  fabulae  de  Nibe- 
lungis  instauratione  totque  aliis  operibus  luculentis  in  diversissimis 
orbis  terrarum  partibus  auditorum  lectorumque  frequentissimorum 
animos  permulcens  multum  gloriae  meruit  summos  in  philos.  honores 
ante  hos  quinquaginta  annos  die  XV  m.  Iunii  in  eum  collatos  gratu- 
labundus  renovavit  Guilelmus  Fleischmann  Dr.  Phil.  P.  P.  0.  h.  t. 
Dec.    Regim.  Pr.  ex  offic.  Härtung,  (fol.) 

30.  Juni.     Lectiones    cursorias    quas    venia    et   consensu   Ord.   Medic 

Casimir  de  Krzywicki  Med.  Dr.  Ueber  die  Stellung,  Bedeutung  und 
Vertretung    des    laryngologischen    Unterrichts    an    den    preussischen 

Universitäten    ad    docendi    facult.    rite  impetr habebit   indicit 

Rud.  Dohrn  Med.  Dr.  P.  P.  O.  Ord.  Med.  h.  t.  Dec.  Regim.  Bor.  Typ. 
Liedtkianis. 

30.  Juni.  Med.  I.-D.  v.  Engen  Krebs  (a.  Kgsbg.),  prakt.  Arzt:  Aus  der 
inneren  Abtheilung  des  Städtischen  Krankenhauses  zu  Königsberg  i.  Pr. 


316  Mittheilungen  und  Anhang. 

Ein  Fall  von  reinem  Cocainismus.  Kgsbg.  i.  Pr.  Druck  v.  M.  Liedtke. 
(2  BL,  27  S.  8.) 

30.  Juni.  Med.  I.-D.  v.  Friedrich  Herrmann  (a.  Halberstadt  am  Harz),  approb. 
Arzt:  Ueber  Tympania  uteri  nebst  4  einschlägigen  Fällen  aus  der 
Königsberger  Üniversitäts-  Frauenklinik.  Kgsbg.  i.  Pr.  Druck  v. 
M.  Liedtke.     (2  BL,  45  S.  8.) 

1.  Juli.  Phil.  I.-D.  y.  Arthur  Hirsch  a  Kgsbg.  i.  Pr.:  No.  21.  Zur  Theorie 
der  linearen  Differentialgleichung  mit  rationalem  Integral.  Kgsbg.  i.  Pr. 
Hartungsche  Buchdr.     (2  BL,  44  S   4.) 

.  .  .  Universitati  Dublinensi  Collegii  sacrosanctae  et  individuae  Trinitatis 
incluto  nomine  ornatae  omnigenae  humanitatis  Htterarumque  univer- 
sarum  altrici  moderatrici  propagatrici  W.  R.  Hamiltonis  aliorumque 
doctorum  operibus  immortalibus  in  toto  orbe  conspicuae  sacra  saecu- 
laria  tertia  a  V.  ad  VIII.  d.  m.  Iulii  a.  MDCCCXCII  .  .  .  celebranti 
.  .  .  congratulamur  Universit.  Albert.  Regimont.  Rector  et  Senatus 
et  Professores  omnium  ordinum  .  .  .  Regim.  Pr.  ex  offic.  Härtung.  (Dipl.) 

6.  Juli.  Med.  I.-D.  v.  Walther  Bolck  (a.  Goldap,  Ostpr.),  approb.  Arzt:  Die 
Alkoholbehandlung  bei  Erkrankungen  des  Ohres.  Kgsog.  i.  Pr.  Druck 
v.  M.  Liedtke.     (2  BL,  59  S.  8.) 

9.  Juli.  Phil.  I.-D.  v.  Paul  Wiskirchen,  Apotheker  a.  Kgsbg.  i.  Pr:  No.  22. 
Ueber  Modifikationen  alkylierter  Dibenzhydroxamsäureester  und 
alkylierter  Benzhydroxamsäuren.  Kgsbg.  Hartungsche  Buchdr. 
(2  BL,  66  S.  8.) 

19.  Juli.  Lectiones  cursorias  quas  venia  et  consensu  Ord.  Medic.  .  .  . 
Rudolphus  Gohn  Med.  Dr.  Ueber  die  experimentellen  Grundlagen  der 
Eisen therapie.  Ad  docendi  facult.  rite  iinpetr.  .  .  .  habebit  indicit 
Rud.  Dohrn  Med.  Dr.  P.  P.  0.  Ord.  Med.  h.  t.  Dec.  Regim.  Bor. 
Typ.  Liedtkianis. 

21.  Juli.  Med.  I.-D.  v.  Georg  Seh  ei  de  mann  (a.  Stettin),  prakt.  Arzt:  Ueber 
das  Verhalten  einiger  Hydroxylamin Verbindungen  im  Thierkörper. 
Kgsbg.  i.  Pr.     Druck  v.  M.  Liedtke.     (2  BL,  51  S.  8.) 

21.  Juli.  Med.  I.-D.  v.  Richard  Pfeiffer  (a.  Lyck),  pract.  Arzt:  Zwei  Fälle 
von  Tabes  ineipiens.    Kbg.  i.  Pr.    Buchdr.   v.  R.  Leupold.    (43  S.  8.) 


Lyceum  Hosianum  in  Braunsberg  1891  u.  1892. 

Index  lectionum  in  Lyceo  Regio  Hosiano  Brunsbergensi  per  hiemem  a  d. 
XV.  Oct.  a.  MDCCCLXXXXI  usquead  d.  XV.  Mart.  a  MDCCCLXXXXII 
instituendarum  [h.  t.  Rect.  Dr.  Wilh.  Killing,  P.  P.  O.J.    Brunsbergae 

S-p.  Heyneanis  (R.  Siltmann).  (12  p.  4.)  [Praeced.  Prof.  Dr.  Wfllu 
eissbrodt  commentatio:  De  codice  Cremifanensi  Millenario  et  de 
fragmenti8  evangeliorum  Vindobonensibus  n.  383  (Salisb.  400)  Norim- 
bergensibus  n.  27932  commentatio.  Particula  II.  p.  8—10.] 
Index  lectionum  .  .  .  per  aestatem  a  d.  XV.  Apr.  a.  MDCCCLXXXXI  usque 
ad  d.  XV.  Augusti  a.  MDCCCLXXXXII  instituendarum.  ibd.  (32  p.  4.) 
[Praeced.  Prof.  Dr.  Franc.  IMttrlch  commentatio:  Miscellanea  Ratis- 
bonensia  a.  1541.  p.  3—29.] 


Druck  von  B.  Leopold,  Königsberg  in  Pr. 


Altpr.  Monalsschr.  XXIX.H.3-4.  Taf. I. 

AUenburg.  Allenstein.  Angerburg. 


Arys.  Baidonburg.  Barten. 


Bartenstein  I.  Bartenstein  H.  Berent. 


[inull.S[liMr;liii|itef]>rr 


Allpp.Mtnahsclir.XXIX.H.3-4.  Taf.  B. 

Bischofsburg.         Bischofstein.        Bischofswerder. 


Braunsborg  I.        Braunsberg  n.  Briesen. 


Bütow.  Christburg.  Danzig  I. 


Lllh  y  H.  Schwan   Kömgsbefq/f 


I 

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I 

I 


Allpn  Monatsschr  XXIX.H.3-*.  TafM. 

Danzig  II.  .  Darkehmen.  Deutsch  Eüan. 


Dirschau.  Domnau.  Drengfurt. 


Elbing  I.  Elbing  H.  Fischhausen. 


I 


Allpr  Monalsschr  XXIX  «3-4.  TafW. 

Franenburj».  Freistadt.  Friedland  a.d.A. 


Garnsee.  Gerdauen.  Gilgenbur 


Goidap. 


Goliub.  Graudenz. 


Üb« H.  Schwarz.  Kc^igitt;-.- 


Allpi\M»nslsschr.XXIX.H.3-4. 

Guttstadt. 


Gumbinnen. 


Taf.V. 
Hammers  tein. 


ßnj 


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Altpp.Monitsschr.MIX.H.3-4.  Taf.VT. 

Heia.  Uohenslein.  Insterburg. 


Johannisburg  Kauernick.  Konitz. 


Kreuzburg.  Kulm.  Kulmsee. 


INI  1 1.  Sclwin.  MnijjMrq'fr 


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lpp.MonalssrimMIX.H.3-4  Königsberg  I.  TafM. 


Königsberg!!. 


Lilh.  K  H  iohul,  Kbnijsbftrj-Pr. 


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Altpr.Monalsschr.  XXIX  H.  3-4.  Taf.VM. 

Labiau.  Landeck.  Landsberg. 


Lauenburg.  Lautenburg.  Leba. 


Lessen.  Liebemühl.  Liebstadt. 


lüh.v  Ucbwau  Kinitshr^Pr 


AHpp.llonimchr.mX.IU-*. 

Löbau  Lötzcn 


Maricnburg  Marienwerder  Mehlsack 


Memel 


Mewe  Mohrungen 


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Li»  i  K.Sdiwlfi,  König!berg%Pf. 


Altpr.Monalsschr.  MIX.  H.3-4.  Taf.X 

Mühlhausen  Neidenburg  Neuenburg  I. 


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Neumark  Neustadt  Neuteich 


Nordenburg  Oletzko  Orteisburg 


jAü 


lillllH.  Schwarz,  KDIlijSlerj-Fr 


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pr.  Mnnatsscbr.  XXIX.  H.3-4.  Taf.JT. 

Osterode.  Passenheini.  Pillau. 


Podgorz.  PreussEilau.         Preuss. Friedland 


Prenss.Holland.  Preuss.Stargari  Pulzig. 


H.Schwin.KSnigsbirfl  vfr 


Allpr.ltaalssdir.XXU.  K.3-4. 

Ragnit.  Rastenburg. 


Ta/M 
Rehden. 


1 


Rhein.  Riesenburg.  Rössel. 


Rosenberg.  Saalfeld.  Schippenbeil. 


LilVv.H.  SthwsPi.  Königsberg  yfr 


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I 


Aftpr.  Monatsschr.  XXIX.  H.3-4. 

Schlochau.  Schöneck. 


Schönsee. 


Schweiz.  Seeburg.  Sensburg. 


Soldau.  Stallupönen.  Strassburg. 


I  rllr ».  H.  Stdirirj,  Kinipten'ff 


Altpr.Monilssckr.XXIU.3-4. 

Stuhm. 


Tapiau. 


TafM 
Thorn  I. 


Thorn  n. 


Tilsit. 


Tolkemit. 


Tuchel.  Wartenhurg.  Wehlau. 


litl-f.  K.I(«w»n,  Mitijaerij^r 


AltppJonabschr.UIX.H.3-4. 
Wormdttt. 


TafM 


Zinten. 


Nenenburg  H. 


Erklärung  der  Schraffirung. 


Silber.    Gold.     R*lh. 


Mas  fehlen  der  Schraffirung  zeigt  nur  dann  die  silberne  Tinctur  an, 
trenn  diese  auch  in  den  Beschreibungen  der  Wappen  angegeben  ist,  denn 
diejenigen  Wappen,deren  Farben  nicht  bekannt  sind,  haben  ebenfalls  keine 
Schraffirung  erhatten. 


Separat- Abdrücke  ans  der  Altpreussischen  Monatsschrift. 

Geschichte 

der 

Befestigungen  Königsbergs 

von  C.  BeclLfcerrn. 
Mit  2  Planskiceen.  —  Preis  2,90  Mk. 

Samaiten  und  der  deutsche  Orden 

bis  zum  Frieden  von  Melno 

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Dr.  Robert  Krumbholtz. 

Mit  einer  autographirten  Karte. 

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General -Lieutenant  Freiherr  von  Günther 

und  das 

Günther -Denkmal  zu  Lyck 

von 

A.  Grabe?  Oberst-Lieutenant  z.  D. 
Hebst  5  Abbildungen«  —  Preis  1,60  Mk. 


Die  Reise  des  Vergerius  nach  Polen 

1556—1557. 

Sein  Freundeskreis  nnd  seine  Königsberger  Fingschriften  ans  dieser  Zeit. 

Ein  Beitrag  zur  polnischen  nnd  ostpreußischen  Reformationsgeschichte 

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Westprenssisebe  Schlösser  im  sechzehnten  Jahrhundert 

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Johann  Christoph.  Gottsched' s 

Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

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Dr.  Johannes  RelcKe. 

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Ferd.  Beyer's  Buchhandlung». 

(Thomu  k  Oppermann.) 


Soeben  erschienen: 

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Albreeht  von  Brandenburg 

von  Erich  Joachim,  Königl.  Staatsarchivar. 

Erster  Band,  von  1510-1517.  —  Preis  geb.  8  Mark. 

Stets  vorräthig  in  der  CJrÖfe  &  UnzerVhen  Buchhandlung, 

Königsberg  In  Pr„  gegenüber  der  Königl.  Universität. 


Soeben  eraclh.oln.t : 


Soeben  erschien: 

Die  Bau-  und  Kunst-Denkmäler 

der  Provinz  Ostpreussen. 

Im  Auftrage  des  Ostpreull.  Pro vinzial-  Landtages  bearbeitet, 

Adolf  Böttlcher. 

Heft  II.     Natangea. 

Preis  3  Mark. 

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Im  Verlage  der  MBnehoner  Handelsdrnckerel  und  Terlagsanstalt 
(M.  Poessl)  erschien: 

Kant's  mystische  Weltanschauung 

ein  Wahn  der  modernen  Mystik. 

Eine  Widerlegung  der  Dr.  C.  du  Preschen  Einleitung  zu  Kant's  Psychologie 

von  P.  von  Und. 

Preis  Mk.  4.— 


Heft  5  u.  6  erscheinen  als  Doppelheft  Ende  September.   Die  Herausgeber. 


^ V' 

DEC    13    1892 


Altpreussische 

Monatsschrift 

neue  Folre. 

Der 

Heuen  Preussiscken  Promdd-Blätter 

¥lerte  Folre. 

Herausgegeben 

von 

Rudolf  Reicke  und  Ernst  Wiehert. 


Der  Monatsschrift  XXIX.  Band.    Der"Provinzialblätter  LXXXXV.  Band. 


Fünftes  und  sechstes  Heft. 

Juli  —  September  1892. 


Königsberg  in  Pr. 

Verlag  von  Ferd.  Beyer' s  Buchhandlung. 
(Thomas  &  Oppermann.) 

1892. 


Inhalt. 


I.  Abhandlungen. 

Ueber  Ans  Wanderungen  lettischer  Bauern  aus  Kurland  nach 

Ostpreussen  im  17.  Jahrhundert.  VonA. Seraphim.  817—331 
Preußische  Volksreime  u.  Volksspiele.    Von  H.  Frisch- 

hier  (Schluß) 332-363 

Die  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens  zu  dem  Bischof 

Christian  von  Preußen.  Von  A.  Lentz.  .  .  .  364—399 
Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft 

und  Kant's  Prolegomena.    Anhang  No.  4  u.  No.  5. 

Von  Emil  Arnoldt 400—446 

II.  KritiKen  und  Referate. 

P.  von  Lind,  „Kant's  mystische  Weltanschauung",  ein 

Wahn  der  modernen  Mystik.    Von  Ernst  Hallier.     447—450 

Masuren.    Ein  Wegweiser  durch  das  Seengebiet  und 

seine  Nachbarschaft.     Von  B 450—451 

Die  landeskundliche  Litteratur  der  Provinzen  Ost-  und 

Westpreussen  .  .  .  Von  J.  Sembrzycki.    .     .     .     451—453 

Sitzungsberichte  des  Vereins  für  die  Geschichte  von 
Ost-  und  Westpreußen.  1891/92.  Mitgetheilt  von 
Dr.  W.  Tesdorpf. 453—462 

III.  Hittheilnnren  und  Anhanr. 

Universitäts-Chronik  1892 468 

Lyceum  Hosianum  in  Braunsberg  1892 463 

Notiz 464 


Alle  Rechte  bleiben  vorbehalten. 


Herausgeber  und  Mitarbeiter. 


kJ"         — "? 

DEC   13    1892 


Uefoer  Auswanderungen  lettischer  Bauern 
aus  Kurland  nach  Ostpreussen  im  17.  Jahrhundert. 

Von 

A.  Seraphim. 


Es  ist  bekannt,  daß  in  Ostpreußen  Letten  noch  heute  sich 
finden.  Sie  sind  heimisch  einerseits  in  der  Vorstadt  Memels 
„Bommels  Vittea  und  den  nördlich  davon  gelegenen  Ortschaften 
Melneraggen  und  Karkelbeck,  andererseits  auf  der  kurischen 
Nehrung  in  den  Dörfern  Schwarzort,  Perwelk,  Preil,  Nidden, 
Pilkoppen  und  Sarkau.1)  Wie  kommen  diese  Letten  nach 
Preußen?  Die  Frage  ist  noch  nicht  definitiv  gelöst  und  diese 
Mittheilungen  sollen  eine  Lösung  nicht  versuchen.  Große 
Wahrscheinlichkeit  scheint  jedenfalls  die  Ansicht  Dr.  August 
Bielensteins  zu  haben,  die  er  in  seinem  Aufsatze2)  „Welches 
Volk  hat  an  den  Küsten  des  Bigaschen  Meerbusens  und  in 
Westkurland  die  historische  Priorität  etc.?u  andeutet  und  in 
seinem  großen  Werk  über  die  Grenzen  des  lettischen  Sprach- 
stammes im  13.  Jahrhundert  und  in  der  Gegenwart,  —  genauer 
darzulegen  und  zu  beweisen8)  die  Absicht  hat.  Wie  die  kurischen 
Letten  selbst  durch  von  der  See  kommende  Eroberer  fin- 
nischen Stammes  angegriffen  und  zum  Theil  beherrscht  wurden,  — 


1)  A.  Bezzenberger  im  Magazin  der  Lett.  Litterär.  Gesellschaft  XVIII. 
p.  1.  ff. 

2)  Balt.  Monatsschrift  XXXVI.  cfr.  hes.  p.  101  und  108. 

8)  Es  wird  demnächst  von  der  Kaiserl.  Academie  der  Wissenschaften 
zu  St.  Petersburg  herausgegeben. 

Altpr.  Monatuohrift  Bd.  XXIX.  Hft  5  u.  6.  21 


318        Ueber  Auswanderungen  lettischer  Bauern  aus  Surland  etc. 

so  zogen  sie  selbst  auch  über  die  See  und  ließen  sich  ver- 
einzelt sogar  bis  nach  Danzig  hin,  an  den  preußischen  Küsten 
nieder.  Im  Gegensatz  dazu  steht  die  ältere  Auffassung,  daß 
die  lettischen  Bewohner  der  kurischen  Nehrung  ( —  mit  dieser 
beschäftigen  sich  die  früheren  Arbeiten  in  erster  Linie  — )  erst 
im  15.  Jahrhundert  aus  Kurland  nach  Preußen  gezogen  seien« 
Zum  Belege  dafür  stellt  V.  Diederichs  die  urkundlichen  Belege 
für  die  Thatsache  zusammen,  daß  über  nach  Preußen  entwichene 
Bauern  die  livländischen  Ordensautoritäten  häufig  mit  den 
preußischen  verhandelt  haben.1)  So  hat  sich  auch  im  Wesent- 
lichen Prof.  Dr.  A.  Bezzenberger  in  seinem  Werke  über  die 
kurische  Nehrung  geäußert.2)  Er  meint  an  einer  anderen  Stelle, 
die  Letten  der  Nehrung  seien  aus  Westkurland  aus  der  Nieder- 
bartau'schen  Gegend  nach  Preußen  gekommen,  was  sich  ihm 
aus  Gründen  des  Dialects  ergiebt.8)  Nun  würde,  wenn  die  von 
Bielenstein  angedeutete  Erklärung  die  richtige  ist,  es  sich  in  den 
von  Diederichs  angegebenen  Fällen  nur  um  eine  Verstärkung 
des  lettischen  Elements  in  Preußen,  das  dort  schon  vorhanden 
war,  handeln.  Freilich  dürfen  wir  das  nicht  unterschätzen, 
erst  der  lebendige  Contact  mit  dem  eigentlichen  Lettenlande, 
der  fortdauernde  Zuzug  aus  demselben,  ermöglichten  es  neben 
der  Abgeschlossenheit  der  Wohnsitze,  daß  sich  die  doch  relativ 
kleine  Anzahl  der  in  der  Diaspora  lebenden  Letten  in  ihrem 
Volksthume  so  lange  erhielt.  Auf  der  anderen  Seite  mochte 
die  Auswanderung  gerade  an  die  preußische  Küste  um  so  näher 
liegen,  um  so  ausführbarer  erscheinen,  als  ja  dort  eben  Lands- 
leute schon  von  Altersher  wohnten.  Wir  haben  wohl  einen 
sehr  allmählich  fortschreitenden  Proceß  mit  einzelnen,  besonders 
hervortretenden,  Höhepunkten  anzunehmen;  die  Einwanderungen 
nach  Preußen  sind  wohl  gewiß  kein  einmaliges  geschichtliches 
Factum.     Die    Tendenz   zu    solchen  Auswanderungen    war  von 


1)  Magazin  der  Lett.  Litterär.  Gesellschaft  Bd.  XVII.  p.  49  p.  52. 

2)  Die  kurische  Nehrung  und  ihre  Bewohner.  Stuttgart,  1889  p. 262. 277 ff 

3)  Magazin  der  Lett.  Litterär.  Gesellschaft  XVIII.  p.  134  ff. 


Von  A.  Seraphim.  319 

Altersher  vorhanden;  bei  gegebener  Veranlassung  machte  sie 
sich  in  besonders  starker  Weise  geltend.  Diederichs  fügt  seinen 
Mittheilungen  hinzu,  es  entziehe  sich  unserer  Kenntniß,  ob 
solche  Beschwerden  und  Anlässe  dazu  später  ganz  aufgehört 
haben.  Doch  finde  noch  in  neuester  Zeit  eine  Verbindung 
zwischen  Kurland  und  der  kurischen  Nehrung,  namentlich  durch 
nissische  Ueberläufer,  statt.  Prof.  Bezzepberger  meint,  eine 
etwaige  spätere  Zuwanderang  könne  keine  sehr  große  gewesen 
sein.  Daß  in  späterer  Zeit  eine  Invasion  der  kurischen  Nehrung 
stattgefunden  habe,  erscheine  undenkbar  (p.  262).  Weniger  ist 
bisher  die  Frage  erörtert  worden,  was  es  mit  den  Letten  der 
nächsten  Umgegend  Memels  auf  sich  habe. 

Die  folgenden  Mittheilungen  nun  werden  uns  zeigen,  daß 
noch  im  17.  Jahrhundert  zwei  verhältnißmäßig  größere  Ein- 
wanderungen von  lettischen  Bauern,  gerade  aus  der  Nieder- 
bartauschen Gegend,  nach  Preußen,  jedenfalls  ins  Memelsche, 
vielleicht  auch  auf  die  kurische  Nehrung  stattgefunden  haben. 
Sie  werden  uns  andererseits  auch  den  Beweis  erbringen,  wie 
nothwendig  eine  solche  Zuwanderung  war,  wenn  anders  sich 
das  lettische  Element  erhalten  sollte.  Krieg  und  allerlei  Elend 
hatten  die  Bevölkerung  jener  Gegenden  so  decimirt,  daß  die 
neuen  Bewohner  ein  wichtiger  Factor  wurden,  dem  die  Gegend 
Wesentliches  zu  verdanken  hatte.  Es  ist  nicht  unmöglich,  daß, 
wenn  dieser  Zuschub  im  15.  und  17.  Jahrhundert  unterblieben 
wäre,  die  lettische  Sprache  in  Preußen  schon  jetzt  erloschen 
wäre.  So  wird  man  denn  auch  einen  gewissen  Zusammenhang 
der  heutigen  preußischen  Letten  mit  jenen  Zuwanderungen 
a  priori  nicht  von  der  Hand  weisen  können,  auch  wenn  man, 
wie  Bielenstein,  die  ursprüngliche  Einwanderung  der  Letten 
in  die  prähistorische  Zeit  rückt.  Gehen  wir  nun  genauer  auf 
die  Sache  ein.1) 


1)  Die  folgenden  Mittheilungen  stützen  sich  auf  Actenstücke  des 
Herzogl.  Archives  zu  Mitau  (H.  A.)  sowie  auf  solche  im  Kgl.  Geh.  Staats- 
archiv zu  Königsberg  (K.  St.  A.).  Die  letzteren  befinden  sich  in  zwei 
großen  Pappkasten,  von  denen  der  eine  die  (neue)  Aufschrift:  „Livland  und 

21* 


320        Ueber  Auswanderungen  lettischer  Bauern  aus  Karland  etc. 

Ueber  die  erste  dieser  Einwanderungen  habe  ich 
Folgendes  festzustellen  vermocht. 

In  den  Tagen  des  (ersten)  schwedisch-polnischen  Krieges 
siedelten  sich  kurische  (lettische)  Bauern  in  Ostpreußen  an. 
Herzog  Jacob  von  Kurland,  welcher  mehrere  Jahrzehnte  später 
den  Kammerjunker  Joh.  Casimir  von  Bothsheim  (1676)  nach 
Berlin  schickte,  u.  A.  auch,  um  am  dortigen  Hofe  die  Rück- 
lieferung der  entwichenen  Bauern  zu  erwirken,  schreibt  in  der 
für  diesen  Beamten  bestimmten  Instruction1) :  „so  sindt  dieselben 
und  zwar  die  besten  Leute,  zu  der  Zeit,  als  die  Rheingrafen 
sothane  Preußische  Oerter  außgehawen  und  Ihre  Churfürstl. 
Durchl.  (d.  h.  wohl  Georg  Wilhelm  von  Brandenburg)  ihnen 
zehnjährige  Freiheit  (d.  h.  Abgabenfreiheit)  versprochen,  mit 
zehn  und  zwanzig  Pferden  und  anderm  großen  Antheil  Vieh 
von  hier  dahin  gelaufen  und  haben  dero  Aembter  sonderlich 
den  District  Memel,  Tilse,  Ragnit,  Insterburg  und  den 
ganzen  Strandt  lengst  dem  Haffe  (d.  h.  natürlich  dem 
kurischen)  in  Auffnahme  gebracht".  Die  Angabe,  es  sei 
diese  Invasion  zu  der  Zeit  geschehen,  als  „die  Rheingrafen 
sothane  Orte  ausgehawen",  fordert  zur  genaueren  Datirung  auf. 
Wer  sind  die  Rheingrafen  und  was  hat  es  mit  ihnen  für  eine 
Bewandtniß?  In  Israel  Hoppe's  Geschichte  des  schwedisch- 
polnischen Krieges  in  Preußen  finden  sich  nun  mehrere  Angaben, 
welche  diese  Frage  zu  beantworten  wohl  geeignet  sind. 

Als  Gustav  Adolf  im  Jahre  1628  sich  in  Preußen  aufhielt, 
landeten  am  8.  September  in  Pillau  „der  Rheingraf  Otto  Ludwig" 
mit  mehreren  Brüdern  und  einem  Regimente  deutscher  Reiter. 
Sie  hatten  in  dänischen  Diensten  gestanden  und  waren  jetzt  auf 


Kurland  1649—1657"  trägt,  während  der  zweite  durch  „Kurland,  Livland, 
Pilten  und  Grobin  1639—1648"  bezeichnet  ist.  Aus  dem  Inhalte  des  ersteren, 
für  unsere  Frage  wichtigeren  Kastens  sind  3  Acten  mit  der  Aufschrift 
„Grobin  und  Pilten"  hervorzuheben,  sowie  mehrere  einzelne  Actenatöcke. 
welche  noch  die  alte  Archivbezeichnung  A.  Z.  5.  15.  38,  VI.,  VIT.,  XIII., 
XV.  tragen. 

1)  H.  A.  Concept. 


Von  A.  Seraphim.  321 

Kosten  des  dänischen  Königs  nach  Preußen  übergesetzt,  um 
dort  in  des  großen  Schwedenkönigs  Heer  Dienste  zu  nehmen.  — 
Gustav  Adolf  nimmt  sie  auch  an  und  läßt  sich  von  ihnen  hul- 
digen (Hoppe  p.  288).  Wir  haben  es  hier  also  mit  einem  jener 
abenteuernden  fürstlichen  Söldnerführer  zu  thun,  wie  sie  dem 
30jährigen  Kriege  ja  nicht  fremd  sind.  Wir  finden  das  Rhein- 
grafische  Regiment  unmittelbar  darauf  bei  Elbing  (p.  285)  wieder, 
im  September  1628  haben  sie  ein  Scharmützel  bei  Rehden  (p.  296), 
am  14.  October  kommt  Otto  Ludwig  selbst  nach  Elbing  zu 
seinem  Regimente,  „weil  seine  Reiter  bei  dem  Könige  sich 
schon  befanden"  (p.  307).  Gustav  Adolf  beschließt  nun,  trotz 
seines  Schwagers  Bitten,  seine  Truppen  im  Herzogthum 
Preußen  Winterquartier  beziehen  zu  lassen  (p.  319).  Dem- 
entsprechend begiebt  sich  am  4.  Novbr.  „der  Rheingraff  mit  seinen 
deutschen  Pferden  in  das  Bisthum  nach  Wormut  etc.  —  —  — 
und  Zinten  in  das  Herzogthumb"  (p.  323).  Ende  December 
desselben  Jahres  fangen  „die  Reingräffischen  Reiter  im  Herzog- 
thumb bei  Domnau  einen  Boten  der  Städte  Koenigsberg  an 
den  polnischen  Hof  ab,  welcher  Schreiben  mit  sich  führte,  in 
denen   über    den  Muthwillen    der    schwedischen  Reiterei 

Klage  geführt  war.     „Weßwegen  dan  sie  — von    den 

Reingräffischen  soviel  mehr  Verdrusses  zuweilen  erleiden  musten" 
(p.  336).  Zu  Ende  des  Jahres  beklagen  sich  die  ostpreußischen 
Stände  („die  Churfürstlichen")  „über  den  RheingrafFen  und 
dessen  Reiterey,  als  welche  sich  weder  mit  der  erforderlichen 
Station,  weder  mit  denen  inhabenden  Quartieren  begnügen  ließen, 
sondern  täglich  je  mehr  und  mehr  Edele  und  Unedele  auff  dem 
Lande  plageten,  die  Straßen  hin  und  wieder  ganz  unsicher  und 
anruhig  macheten  „in  Summa  ihrem  Landesfürsten  Land  und 
Leute  verderbeten,  auch  ihr  Quartier  über  Versprechen 
zur  großen  Ungebür  und  merklichem  Schaden  des  Landesfürsten 
und  dessen  Unterthanen  erweiterten"  (p.  341).  Erfolg  haben 
indessen  diese  Klagen  nicht,  denn  im.  Januar  1629  wiederholen 
sich  dieselben,  da  „die  Rheingraffischen  Reiter  hin  und 
wieder  umb  Koenigsberg  und  anderen  Orten  im  Herzog- 


322        Ueber  Auswanderungen  lettischer  Bauern  aus  Kurland  etc. 

thumb  nach  all  ihrem  Muthwillen  gebahreten,  die 
Kaufleute  beraubeten,  den  Bauern  die  Pferde  aus- 
spanneten,  die  Edelhöfe  plünderten  und  was  dergleichen 
Kriegesfrüchtlein  von  ihnen  mehr  konten  gebrochen 
werden"  (p.  355).  Im  April  finden  wir  dieselben  Ermahnungen 
des  Kurfürsten  an  den  Canzler  wieder  (p.  381).  Die  Landstande 
des  Herzogthums  senden  im  Mai  desselben  Jahres  den  Burg- 
grafen zu  Dohna  nach  Elbing  abermal  „inständigst  wieder  an- 
haltende, daß  doch  endlich  das  hoch  beschwerete  Land  der 
Rheingräffischen  unerträglichen  Last  möchte  befreyet  werden, 
sintemal  sie  die  inhabende  Quartier  biß  auff  die  eußerste  Grund- 
suppen aussaugeten  und  noch  über  selbige  den  Adel  verderbeten, 
auch  stets  mehr  und  mehr  Oerter  sich  impatronireten"  (p.  394). 
Dann  begegnen  wir  dem  Regimente  bei  den  Kämpfen  in  West- 
preußen. Erst  am  13.  Dec.  1630  ziehen  die,  mitunter  auch 
gegen  den  eigenen  Obersten  meuternden,  Soldaten  des  Rhein- 
graffen  aus  Preußen  ab.  „Welche  dann  eine  überaus  große 
Fagagie,  von  Raub  und  Nahm  gespicket,  mitschleppeten  und 
solche  zwar  beynahe  der  Best  von  den  deutschen  Reitern  waren, 
aber  auch  den  Rest  des  Gutes  und  Vermögens  derer,  bey 
welchen  sie  logieret,  mit  tausend  Seuffzern  und  Weheklagen  mit 
sich  auß  dem  Lande  nahmen"  (p.  470). 

Aus  den  angeführten  Mittheilungen  Hoppe's  ersieht  man, 
daß  um  das  Jahr  1630  die  Reiter  des  Rheingrafen  Otto  Ludwig 
und  seiner  Brüder  (daher  in  der  obigen  Instruction  der  Plural 
„die  Rheingrafen")  in  Ostpreußen  entsetzlich  gehaust  haben. 
Zwar  ist  von  einer  Aushauung  jener  Gegenden  durch  die  „Rhein- 
grafen"  Nichts  überliefert,  aber  einmal  würde  ein  derartiger 
Vandalismus  wohl  zu  dem  stimmen,  was  sie  sonst  zu  verüben 
nicht  Anstand  nahmen  und  ferner  könnte  es  sich  sehr  wohl 
um  einen  bildlichen  Ausdruck  des  Herzogs  handeln.  Jedenfalls 
lag  nach  ihrem  Abmärsche  manche  Gegend  Ostpreußens  ganz 
verwüstet.  Ergiebt  sich  somit  schon  bis  zur  höchsten  Wahr- 
scheinlichkeit, daß  wir  die  „Rheingrafena  der  Instruction  des 
Jahres  1676  mit  Otto  Ludwig   und   seinem  Regimente  zu  com- 


Von  A.  Seraphim.  323 

biniren  das  Becht  haben,  so  wird  der  letzte  Zweifel  durch 
zwei  Actenstücke  benommen,  welche  sich  im  Königsberger 
Egl.  Geh.  Staatsarchive  erhalten  haben.  Im  Jahre  1639  schreibt 
nämlich  Adam  Krohn,  Voigt  zu  Memel  an  den  Kurfürsten  von 
Brandenburg1)  über  die  in  Bede  stehenden  lettischen  Bauern 
und  bemerkt,  daß  sie  „mehrentheils  über  acht  Jahr  alhier 
gewohnet"  und  in  einem  anderen  an  Friedrich  "Wilhelm  gerich- 
teten Schreiben  Krohns2)  lesen  wir,  es  „seindt  —  —  —  bey 
der  Schwedischen  Begierung  an  wehrenden  Sequestration  von 
den  Schwedischen  Beutern  die  Unterthanen  so  ver- 
wüstet undt  weil  sie  das  Land  wieder  zu  besetzen  schuldig, 
dieselbigen  so  auß  Churlandt  und  anderswo  überge- 
lauffen,  genommen  und  das  wüste  landt  besetzet  worden". 
Ziehen  wir  die  Summe,  so  ergiebt  sich:  Kurländische,  lettische 
Bauern  sind  nach  einigen  Kreisen  des  Herzogthums  Preußen 
gezogen  worden,  als  es  dort  nach  den  Verwüstungen  des  Landes 
durch  die  Schwedische  Soldatesca  an  arbeitenden  Einwohnern 
gebrach.3)  Was  nun  die  Zahl  der  in  jene  Gegend  aus  Kurland 
entwichenen  Bauern  anlangt,  so  giebt  Krohn  dieselbe  in  dem 
ersteren  dieser  beiden  Schreiben  auf  über  100  an  und  damit 
würde  stimmen,  daß  Herzog  Jacob  von  Kurland  von  „160  Per- 
sohnen"  spricht.4)  Aus  einem  Actenstücke  späterer  Zeit  erfahren 
wir,  daß  es  sich  hauptsächlich  um  Bauern  aus  den  herzoglich 
Kurländischen  Aemtern  Grobin,  Durben,  Butzau,  Ober- 
bartau  und   Nieder  bar  tau   handelt5),    welche    sämmtlich    im 


1)  d.  d.  Mümmel  d.  15.  August  1689  K.  St.  A.  Cop. 

2)  d.  d.  Mümmel  d.  14.  April  1646  K.  St.  A.  Cop. 

3)  Daß  die  Devastirung  des  Landes  ausschließlich  durch  Rheingräfische 
Reiter  erfolgt  sei,  will  Herzog  Jacob  gewiß  nicht  sagen.  Sie  sind  ihm 
wohl  nur  mehr  Typen  jener  plündernden  Schwedischen  Kriegsvölker  und 
als  solche  zur  annähernden  Datirung  geeignet  erschienen. 

4)  Herzog  Jacobs  Instruction  für  Christoph  Derschau  d.  d.  Mitau 
<L  29.  März  1644  H.  A.  Concept. 

5)  Herzog  Jacob  an  Joh.  Goetze  Hauptmann  zu  Memel  d.  d.  Rutzau 
d.  29.  Juny  1639  und  an  Adam  Krohn  d.  d.  Rutzau  d.  1.  Juli  1639  K.St.  A.Cop. 


324         Ueber  Auswanderungen  lettischer  Bauern  aus  Kurland  etc. 

südwestlichen  Theile  Kurlands,  nicht  weit  der  preußischen  Grenze 
belegen  sind.  —  Man  wird  hier  unwillkürlich  an  Prof.  Bezzen- 
bergers  Dialect-Forschungen  erinnert,  welcher  gerade  zwischen 
dem  preußischen  Lettisch  und  dem  Niederbartauschen  große 
verwandtschaftliche  Aehnlichkeiten  nachweist  (cfr.  oben). 

Diese  Auswanderung  wird  dann  später  Gegenstand  lebhafter 
Verhandlungen  zwischen  dem  herzoglich  Kurländischen  Hofe 
und  der  brandenburgisch-preußischen  Regierung.  Zuerst  geschieht 
in  der  Sache  Etwas  im  Jahre  1639.  Herzog  Jacob,  damals  noch 
Mitregent  seines  Oheims,  des  Herzog  Friedrich,  nimmt  sie  in 
die  Hand.  Der  Herzog  entsandte  Lewin  von  Nolde  (Nollen) 
mit  einem  dringenden  Schreiben  an  den  Hausvoigt  von  Memel, 
Adam  Krohn,  sowie  den  Hauptmann  in  derselben  Stadt,  Johann 
Goetze,  und  forderte  sie  auf,  seinem  Bevollmächtigten  (Nolde) 
die  in  dem  Memelschen  Kreise  angesessenen  lettischen  Bauern 
auszuliefern.  Die  genannten  preußischen  Beamten  konnten  diese 
Angelegenheit  ihrerseits  nicht  entscheiden  und  berichteten  des- 
halb an  den  Kurfürsten  Georg  Wilhelm,  wobei  sie  eine  Rück- 
gabe der  Emigrirten  durchaus  widerriethen.  „Sollten  die- 
selben, so  mehrentheils  über  8  Jahren  alhier  gewohnet 
und  hie  bevor  von  dem  Hertzoge  in  Churlandt  niemalen 
gesuchet,  also  außgegeben  werden,  würden  viel  öhrter 
wreder  wüste  liegen  bleiben."1)  Man  sieht,  wie  sehr  man 
in  Memel  die  neu  hinzugewanderten  kurischen  Bauern  schätzte 
und  einen  wie  wesentlichen  Bestandtheil  der  Bevölkerung  sie 
ausmachten.  Konnte  man  sie  nicht  entbehren,  so  liegt  der 
Schluß  nahe,  daß  die  bisherigen  Bewohner  zum  größten  Theile 
verschwunden  waren,  ehe  der  neue  Zuzug  kam.  Der  Kurfürst 
schrieb  nun  dem  Herzog  Jacob  am  15.  Nov.  16398),  es  sei  ihm 
unbekannt,  daß  sich  kurische  Bauern  im  Memelschen  angesiedelt 
hätten,  aber  er  habe  deshalb  an  seinen  Hauptmann  in  Memel 
geschrieben.     Wir    wissen    nun,    welche   Antwort    der    Kurfürst 


1)  Krohn  an  d.  Kurfürsten  d.  d.  Mümrael  d.  15.  August  1639  K.StA.Cop. 

2)  H.  A.  Orig. 


Von  A.  Seraphim.  325 

auf  diese  seine  Anfrage  von  seinen  Memelschen  Beamten  erhielt. 
Thatsache  sei  es,  daß  kurische  Bauern  im  Memelschen  an- 
gesiedelt seien,  aber  ihre  Auslieferung  empfehle  sich  nicht,  denn 
sie  hätten  „zum  Theil  weniger  den  nichts  hierhergebracht  undt 
jetzo  ein  gut  aufwachs",  dieser  müsse  jedenfalls  im  Auslieferungs- 
falle zurückbehalten  werden.  Auch  sei  die  Auslieferungsbitte 
ungerechtfertigt,  denn  Curland  könne  sich  unmöglich,  wie  es 
thue,  „auf  die  Pacta,  so  die  Litthauischen  und  Pollnischen 
Stände  zusammengebracht,  beziehen,  noch  weniger  auf  eine 
Constitutio  Regni,  welche  wider  die  Pacten  zwischen  Littawen, 
Polen  und  dem  Herzogthum  Preußen  leufft".1)  Diese  Meinungs- 
äußerung muß  beim  Kurfürsten  Erfolg  gehabt  haben,  denn  in 
den  folgenden  Jahren  kommt  der  Herzog  von  Curland  auf  diese 
Angelegenheit  zurück.  Es  werden  zwischen  dem  Mitauer  Cabi- 
nete  und  den  Königsberger  Regimentsräthen  fruchtlose  Verhand- 
lungen geführt.2)  Preußischerseits  berief  man  sich  hierbei  auf 
alte  Pacta,  laut  welchen  die  Herzöge  von  Kurland  und  der 
Kurfürst  von  Brandenburg  die  Auslieferung  entwichener  Bauern 
gegenseitig  einander  erlassen  hätten.  Dagegen  wurden  diese 
Abmachungen  von  Kurländischer  Seite  strict  in  Abrede  gestellt8) 
und  dabei  auf  den  großen  Schaden  aufmerksam  gemacht,  den 
die  Nichterfüllung  der  Kurländischen  Anforderung  für  den  Herzog 
im  Gefolge  haben  müsse.  Wenn  die  Bauern  nicht  ausgeliefert 
würden,  stehe  der  vollkommene  Ruin  der  kurländischen  Grenz- 
ämter zu  erwarten.4)    Schließlich  erbot  sich  der  Kurfürst,  obwohl 


1)  Adam  Krohn  und  Adam  Zimmermann  an  den  Kurfürsten  d.  d. 
Mämmel  d.  26.  Novbr.  1639  Cop.  K.  8t.  A. 

2)  Herzog  Jacob  an  Friedrich  Wilhelm  d.  d.  Mitau  d.  29.  Juli  1640 
H.  A.  Die  Preuß.  Oberräthe  an  Herzog  Jacob  d.  d.  Königsberg  d.  26.  April  1640 
K.  St.  A. 

3)  Herzog  Jacob  an  Kurf  Friedrich  Wilhelm  ohne  Dat.  Eingegangen 
d.  12.  Juni  1642  Orig.  K.  St.  A.  „Beantwortungsschreiben  An  Hertzogen 
in  Churlandt,  die  Piltensche  und  Jülichsche  Anforderung,  Item,  die  Auß- 
folgung  der  ins  Herzogthumb  entlauifenen  Bauern  betrf.  d.  27.  Juny  Anno  1642 
Cop.  K  St.  A. 

4)  Der  Kurland.  Agent  Georg  Vischer  an  Kurf,  Friedrich  Wilhelm. 
Eingegangen  d.  3./13.  May  Anno  1642  K.  St.  A, 


326        Ueber  Auswanderungen  lettischer  Bauern  aus  Kurland  etc. 

jenes  Pactum  sich  durch  noch  lebende  Zeugen  nachweisen  laße, 
„nicht  auß  Pflicht,  sondern  zu  Bezeugung  freundvetterlicher 
Zuneigung"  die  Bauern  zu  extradiren,  welche  innerhalb  drey 
Jahren  entgangen,  wann  ihre  Namen  genannt  würden."  Kur- 
ländischer  Seits  war  man  damit  nicht  zufrieden  und  so  finden 
wir  noch  1644  die  Sache  unerledigt.  In  diesem  Jahre  schickte 
der  Herzog  meinen  ßath  Christoph  von  Derschau  aus  Kurland 
nach  Königsberg,  um  von  den  Regierungsräthen  die  Auslieferung 
der  Bauern  und  einen  festen  Termin  zu  dieser  Auslieferung  zu 
erlangen.  Die  für  Derschau  bestimmte,  vom  29.  März  datirte, 
Instruction  ist  uns  erhalten1);  in  ihr  wird  die  Anzahl  der  ent- 
wichenen Bauern  auf  150  Personen  angegeben.  Derschau  über- 
gab in  Königsberg  ein  herzogliches  Schreiben  an  die  Regierungs- 
räthe,  welche  ihrerseits  dem  Kurfürsten  darüber  Bericht  er- 
statteten, allein  auch  diese  Mission  ergab  kein  greifbares  Be- 
sultat.2)  Was  dabei  besonders  von  preußischer  Seite  gegen  die 
curländischen  Forderungen  geltend  gemacht  wurde,  zeigen  die 
Verhandlungen  der  Jahre  1646  bis  1648  ganz  deutlich.  Der 
Kurfürst  scheint  genauere  Mittheilungen  über  die  vom  kur- 
ländischen  Hofe  geleugneten  Abmachungen  über  gegenseitigen 
Erlass  der  Auslieferung  entwichener  Bauern  aus  Memel  ein- 
gefordert zu  haben.  Jedenfalls  berichtet  der  Hausvoigt  Krohn8) 
dem  Kurfürsten,  ein  förmlicher  Vergleich  über  diesen  Gegen- 
stand finde  sich  in  den  Amtsbüchern  nicht,  er  entsinne  sich 
aber,  daß  1628  (diese  Jahreszahl  beruht  wohl  auf  einem  Gedächtniß- 


1)  In  Mitau  im  H.  A.  Copie  und  in  Kgsbg.  K.  St.  A.  das  Original. 

2)  Herzog  Jacob  an  die  preuß.  Oberräthe  Mitau  d.  29.  März  1642. 
K.  St.  A.  Orig.  Die  preuß.  Oberräthe  an  den  Kurfürsten  d.  d.  22.  Juli  1642 
K.  St.  A.  Cop.  Iin  Königl.  Staatsarchiv  zu  Königsberg  findet  sich  auch  ein 
Acten&tück  „Desideria  Illustrissimi  Curl.  et  Semg.  Ducis  ad  Ser.  et  Pot. 
Elect.  Brandenburgi um  etc.".  in  welchem  Desiderium  III.  hier  in  Frage 
kommt.  Es  scheint,  zumal  da  es  sich  in  einem  Kasten  befindet,  welcher 
nach  der  allgemeinen  Aufschrift  Acten  aus  den  Jahren  1639 — 48  enthält, 
wohl  naheliegend,  diese  Desideria  mit  der  von  Derschau  überreichten  herzogl. 
Meinungsäußerung  zu  combiniren. 

3)  Krohn  an  den  Kurfürst  d.  d.  Memel  d,  14.  April  1646  Cop.  K.  St  A. 


Von  A.  Seraphim.  327 

fehler)  Kurfürst  Georg  Wilhelm  und  Herzog  Friedrich  von  Kur- 
land in  Memel  zusammen  gewesen  seien.  Herzog  Friedrich 
habe  bei  der  Tafel  zum  Hauptmann  von  Memel  bemerkt,  daß 
im  Amte  M.  kurländische  Bauern  sich  befanden.  Als  ihm  der 
Angeredete  zur  Antwort  gegeben,  preußische  Bauern  befanden 
sich  auch  in  Kurland,  habe  der  Herzog  gelacht  und  gemeint, 
„er  begehre  keinen  zu  suchen."  Der  Amtmann  von  Rutzau, 
Bechelt,  habe  das  gehört.  Demgemäß  sei  auch  niemals  zu 
Herzog  Friedrichs  Zeiten  eine  Nachfrage  nach  diesen  Bauern 
kurländischer  Seits  erfolgt.  In  diesem  Sinne  äußerten  sich  auch 
die  preußischen  Oberräthe,  indem  sie  ihren  Landesherrn  be- 
sonders auf  das  letzterwähnte  Schreiben  Krohns  hinwiesen.1) 
Herzog  Jacob  erkannte  aber  keineswegs  diese,  wie  ihm  schien, 
nicht  genügend  beglaubigte,  Ueberlieferung  an,  sondern  ließ 
sich  von  einer  Reihe  älterer  Landesbeamten  seines  Herzogthums 
die  schriftliche  Versicherung  ausstellen,  daß  ihnen  von  solch 
einem  Abkommen  Nichts  bekannt  sei,  daß  sie  sich  vielmehr  aus 
ihrer  amtlichen  Praxis  genau  erinnerten,  daß  Herzog  Friedrich 
häufig  der  übergelaufenen  Bauern  wegen  reclamirt  habe.8)  Viel- 
leicht in  Folge  dieser  energischen  Haltung  kommt  man  in 
Königsberg  entgegen.  Nachdem  der  Kurfürst  seine  Zustimmung 
gegeben,  daß  von  den  nach  einem  bestimmten  Jahre  Entwichenen 
eine  bestimmte  Anzahl  ausgeliefert  werden  solle  (mit  Ausschluß 
des  „Vieh,  Fahrnus  und  der  in  Preußen  geborenen  jungen  Mann- 
schaft"), wandten  sich  die  preußischen  Oberräthe  an  die  kur- 
landischen8) und  schlugen  vor,  als  terminus  a  quo  für  die  Aus- 
lieferung solle  das  Jahr  des  Regierungsantrittes  des  Kurfürsten 


1)  Die  Oberräthe  des  Herzogthums  Preußen  an  den  Kurfürst  Friedrich 
Wilhelm  d.  d.  Königsberg  d.  22.  August  1646  Cop.  K.  St.  A. 

2)  Ich  hebe  hervor  die  Erklärung  des  Christoph  von  Fircks,  der 
Candauscher  Hauptmann,  dann  Oberburggraf  und  Kant  zier  gewesen  war. 
Sie  ist  datirt  vom  5.  Sept.  1646  Orig.  H.  A. 

3)  Der  Kurfürst  an  die  preuß.  Oberräthe  d.  d.  Haag  d.  16.  Mai  1647 
Orig.  K.  St.  A.  Die  Oberräthe  Preußens  an  die  kur ländischen  Oberräthe 
i  &  Königsberg  d.  2.  Octob.  1647  Cop.  K.  St.  A.,  Orig.  in  Mitau  im  H.  A, 


328        Ueber  Auswanderungen  lettischer  Bauern  aus  Kurland  etc. 

gewählt  werden  (1640)  und  dieselbe  solle  sich  nur  auf  die  in 
den  Kreisen  Memel,  Tilsit  und  Ragnit  angesiedelten  Bauern  und 
zwar  nur  auf  eine  bestimmte  Anzahl  beziehen.  Bei  „so  nahe 
verwandten  und  befreundeten  Potentaten"  sei*  doch  auf  gute 
Lösung  zu  hoffen.  Wir  hingegen  brauchen  uns  nur  zu  entsinnen, 
daß  die  Hauptauswanderung  kurländischer  Bauern  bald  nach  1630 
stattgefunden  hatte,  um  zu  verstehen,  daß  man  in  Kurland  sich 
dem  Vorschlage  der  Oberräthe  gegenüber  durchaus  ablehnend 
verhielt,  während  der  Große  Kurfürst  mit  dem  Verhalten  seiner 
preußischen  Räthe  durchaus  einverstanden  war.1)  Bei  dieser 
Verschiedenheit  der  Auffassungen  des  Mitauer  und  des  branden- 
burgischen Hofes  begreift  man,  daß  wir  dieser  Angelegenheit 
noch  in  den  Acten  der  folgenden  Jahre  (1649,  1653,  1667)  be- 
gegnen.2) Dann  tritt  eine  Pause  ein,  der  große  polnisch-schwedische 
Krieg  bricht  1655  aus  und  zieht  Kurland  gleich  Preußen  in*  seine 
Kreise.  Im  September  1658  nahmen  die  Schweden  den  neutralen 
Herzog  Jacob  von  Kurland  gefangen,  erst  der  Friede  zu  Oliva 
giebt  ihm  Thron  und  Freiheit  wieder.8) 

In  diese  Zeit  nun,  in  die  Tage  dieses  schwedischen  Krieges 
ist  eine  zweite  Bauernemigration  aus  Curland  nach 
Preußen  zu  datiren. 

Eine  größere  Anzahl  von  Bauern  Verließ  Curland  und 
wanderte  in  die  Aemter  Memel,  Tilsit,  Ragnit  und  Insterburg, 
zu  deren  Cultivirung  sie  erheblich  beitrugen,  wahrscheinlich 
180  Familien.4)  Die  Gründe  dieser  Auswanderung  entziehen 
sich  unserer  Kenntniß,    doch  darf  es  als  nicht  unwahrscheinlich 


1)  Schreiben  des  Kurfürsten  an  die  preuß.  Oberräthe  d.  d.  Cleve 
d.  29.  May  1648  und  d.  d.  Cleve  d.  20.  Martis  1648  Orig.  K.  St   A. 

2)  Friedrich  Wilhelm  von  Brandenburg  d.  d.  8.  Sept.  1649  an  Herzog 
Jacob.  Vidimirte  Copie  H.  A.  Herzog  Jacob  an  Karfürst  Friedrich  Wilhelm 
d.  d.  Mitau  d.  10.  Dec.  1658  und  den  20.  Dec.  1653  Cop.  H.  A.  Friedrich 
von  Goetzen  an  Kurfürst  Friedrich  Wilhelm  d.  d.  Memel  d.  22.  Juli  1657 
Orig.  K.  St.  A. 

3)  cfr.  Cruse:  Kurland  unter  den  Herzögen  I.  p.  166.  Actenstücke 
z.  Geschichte  d.  Groß.  Kurfürsten  V.  294,  569,  651,  728. 

4)  Mittheilung  des  Kgl.  Geh.  Staatsarchivs  zu  Berlin  an  Herrn 
Prof.  Dr.  C.  Lohmeyer  in  Königsberg,   der  so  gütig  war,    mir  dieselbe  «ur 


Von  A.  Seraphim.  329 

gelten,  daß  die  Verhältnisse  des  zwar  neutralen,  thatsächlich 
aber  von  Polen  und  Schweden  in  gleicher  Weise  mißhandelten 
Herzogthums  Kurland  den  Anlaß  zu  diesem  Ereigniß  geboten 
haben.  Seitdem  begegnen  wir  dieser  Angelegenheit  häufig  in 
den  Acten  der  dem  Kriege  folgenden  Jahre,  sie  ist  ein  stets 
wiederkehrender  Punkt  in  der  Reihe  der  von  Kurland  an  Preußen 
gestellten  Prätensionen.  Schon  1660  muß  sich  Herzog  Jacob 
an  seinen  Schwager,  den  Großen  Kurfürsten,  mit  dem  Verlangen 
der  Bückgabe  der  Ausgewanderten  gewandt  haben,  denn  im 
November1)  dieses  Jahres  schreibt  Friedrich  Wilhelm  an  seinen 
Statthalter  und  die  Oberräthe  in  Preußen,  da  ihm  aus  Kurland 
berichtet  sei,  „daß  wehrendem  diesem  letzten  Kriege  die 
Unterthanen  aus  Churlandt  entlauffen  und  sich  in 
Unserem  Herzogthumb  befinden  sollen,  So  haben  Wir 
versprochen,  daß  solche  wieder  abgefordert,  dagegen  aber  auch 
Unß  die  Unserige  so  in  selbiger  Zeit  dahin  gegangen,  abgefolget 
werden  mögen*'.  Ein  Schreiben  desselben  Inhalts  sandte  der 
Kurlurst2)  nach  Mitau.  Dementsprechend  erhielt  der  Herzog 
zu  Beginn  des  folgenden  Jahres  aus  Königsberg  die  Mittheilung, 
die  Regierungsräthe  hätten  an  die  Grenzämter  geschrieben  und 
Anordnungen  im  Hinblick  auf  die  Auslieferung  der  Bauern  ge- 
troffen.8)   Es  wird  wohl  an  unserem  lückenhaften  Material  liegen, 


Disposition  zu  stellen.  Ich  bitte  ihn,  dafür  an  dieser  Stelle  meinen  ver- 
bindlichsten Dank  entgegen  zu  nehmen.  Auf  180  Familien  giebt  die 
Anzahl  der  Entwichenen  auch  eine  undatirte  Berechnung  des  durch  diese 
Auswanderung  verursachten  Schadens  an  (H.  A.).  Ob  die  erste  Auswande- 
rung darin  einbegriffen  ist,  'muß  dabei  uuentschieden  bleiben.  In  der 
Instruction  für  Bothsheim  behauptet  der  Herzog  sogar,  „die  Leute  (d.  h. 
doch  wohl  die  um  1630  und  während  der  Jahre  1655—66  nach  Preußen 
Gewanderten  zusammen)  hätten  sich  inzwischen  in  etlich  tausendt 
Familien  vermehrt".  Das  wird  wohl  auf  einer  kleinen  Uebertreibung 
beruhen. 

1)  d.  d.  Cöln  d.  19.  Nov.  1660  Cop.  H.  A. 

2)  Der  Kurfürst  an  Herzog  Jacob  d.  d.  Cöln  d.  14.  Nov.  1660  H.  A.  Orig. 

3)  Der  Statthalter  Boguslaw  Radziwill  und  die  Regierungsräthe  an 
Herzog  Jacob  d.  d.  Königsberg  d.  24.  Januar  1661  H.  A.  Siehe  auch  den 
Beschluss  des  Kurland.  Landtages  v.  5.  August  1662  Funct  14  bei  Rummel: 
„Die  Curländischen  Landtags  und  Conferentialschlüße  1618— 1759"  p.  194. 


330        Ueber  Aaswanderangen  lettischer  Bauern  aus  Karland  etc. 

wenn  wir  dieser  Angelegenheit  über  ein  Jahrzehnt  nicht  be- 
gegnen, um  sie  dann  1676  noch  unerledigt  wieder  zu  finden. 
In  diesem  Jahre  schickte  der  Herzog  Jacob  den  Kammerjunker 
Joh.  Casimir  von  Bothsheim  nach  Berlin,  um  dort  den  Prinzen 
Alexander,  den  jüngsten  Sohn  des  herzoglichen  Hauses  am  kur- 
fürstlichen Hofe  einzuführen,  und  außerdem  u.  A.  auch  die 
Auslieferung  sowohl  der  nach  der  Zeit  „der  Rheingrafen",  als 
auch  der  während  des  schwedisch-polnischen  Krieges,  entwichenen 
kurländischen  Bauern  zu  erwirken  oder  eine  Entschädigung  für 
dieselben  zu  erlangen.  Die  vom  Herzoge  für  Bothsheim  be- 
stimmte Instruction  giebt  uns  über  diese  Frage  Auskunft.  Er 
hoffe,  schreibt  der  Herzog  in  diesem  Schriftstücke,  „daß  Ihre 
Churfürstl.  Durchl.  Unß  endlich  deshalb  gebürliche  Satisfaction 
geben  werden,  den  es  ob  zwar  Ihre  Churfürstl.  Durchl.  die  Aus- 
antwortung  derselben  dero  Beamten  befohlen,  so  ist  es  doch 
nie  mahlen  zum  effect  gekommen."1)  Der  Herzog  schlägt  eine 
Geldentschädigung  oder  die  Schadloshaltung  durch  Abtretung 
einiger  in  den  kurfürstlichen  Landen  gelegenen  Aemter  vor. 
Aber  auch  diese  Mission  hat  so  wenig  Erfolg  gehabt,  wie  die, 
welche  im  Jahre  1680  Dieterich  von  Alten  Bockum,  1681 
wieder  Bothsheim  auszuführen  ersehen  wurden. 

Weiter  habe  ich  diese  Verhandlungen  nicht  zu  verfolgen 
vermocht;  daß  aber  eine  Auslieferung  der  entlaufenen  Bauern 
auch  in  der  Folge  nicht  stattgefunden  hat,  ist  nach  den  im 
Obigen  gemachten  Mittheilungen  gewiß  vorauszusetzen.2) 


1)  Diese  Instruction  muß  nach  dem  6.  Aug.  1676  verfaßt  sein,  da  der 
Herzog  Reine  Gemahlin  Louise  Charlotte  schon  als  todt  bezeichnet,  und  daß 
sie  in  der  That  in  diesem  Jahre  verfaßt  sein  wird,  zeigt  der  Umstand,  daß 
der  Herzog  am  26.  Aug.  1676  an  seine  Schwägerin,  Hedwig  Sophie,  Land- 
gräfin von  Cassel  (geborene  Prinzessin  von  Brandanburg)  schreibt,  er  habe 
Joh.  Casimir  von  Bothsheim  nach  Cassel  abdelegirt,  um  ihr  den  Tod  seiner 
Gemahlin  zu  notificiren.  (Copie  des  im  Egl.  St.  A.  in  Marburg  befind]. 
Originals  in  meinem  Besitze  d.  d.  Mitau  d.  26.  Aug.  1676).  Siehe  auch 
„Aus  Kurlands  herzoglicher  Zeit11  p.  188  (Mitau  £.  Behres  Verlag  1891). 

2)  Das  bestätigt  auch  die  von  Prof.  Dr.  Lohmeyer  in  Königsberg  mir 
zur  Disposition  gestellte  Mittheilung  des  Kgl.  Geh.  St.  A.  in  Berlin  an  ihn: 


Von  A.  Seraphim.  331 

So  spricht,  irre  ich  nicht,  Alles  dafür,  einen  Zusammenhang 
dieser  Emigranten  mit  den  heutigen  Rudera  der  Letten  in 
Preußen,  besonders  den  bei  Memel  Lebenden,  anzunehmen.  Was 
die  kurische  Nehrung  anlangt,  so  kann  sie  einerseits  schon  aus 
dem  Grunde  gleichfalls  in  diese  Annahme  eingeschlossen  werden, 
weil  der  Memelsche  Kreis1),  von  dem  in  der  Bothsheimschen 
Instruction  die  Bede  ist,  auch  die  nördliche  Hälfte  der  kurischen 
Nehrung  umfaßt.  Wenn  ferner  an  demselben  Orte  gesagt  ist, 
die  Leute  hätten  auch  „den  ganzen  Strand  lengst  dem 
Haff  in  Aufnahme  gebracht",  so  können  wir  unter  diesem 
„Strande"  sehr  gut  die  Küste  der  kurischen  Nehrung  ver- 
stehen, die  ja  auf  der  einen  Seite  von  der  See,  auf  der  anderen 
vom  Haff  bespült  wird.  Der  Ostseestrand,  der  sich  längst 
dem  Haff  hinzieht,  scheint  die  Nehrung  zu  sein,  nicht  das 
Binnenland,  welches  an  das  Haff  grenzt.2) 

Sollten   die    hier    verlautbarten    Anschauungen    sich    im 
Allgemeinen    nicht    als    richtige  bewähren,    so  dürften  die  oben 
mitgetheilten  Thatsachen  doch  kleine  Bausteine  für  berufenere 
Kräfte  sein. 
Mi  tau  in  Kurland,  den  5./17.  März  1892.  A.  Seraphim. 

„die  Leute  blieben  dauernd  ansässig  in  den  Aemtern  Memel,  Tilsit, 
Ragint  und  Insterburg,  zu  deren  Cultivirung  sie  erheblich 
beitrugen.  Was  aus  den  nach  Tilsit,  Ragnit  und  Insterburg  gewanderten 
Letten  geworden  ist,  ob  sie  etwa  von  den  Litthauern  aufgesogen  worden 
sind  etc. muß  eine  offene  Frage  bleiben. 

1)  In  der  Instruction  Bothsheims  steht  allerdings  ein  Memelscher 
Bist  riet,  aber  darauf  ist  wohl  kein  Gewicht  zu  legen,  da  des  Herzogs 
Angaben  überhaupt  etwas  allgemein  gehaltene  sind. 

2)  Diese  Annahme  wird  wohl  auch  darin  eine  Stütze  finden,  daß 
die  das  kurische  Haff  im  Osten  begrenzende  Küste  stets  wenig  bewohnt 
gewesen  ist.  Ferner  macht  mich  Dr.  August  Bielenstein  darauf  aufmerksam, 
daß  im  15.  Jahrhundert  die  Nehrung  schlechthin  „der  Strand" 
genannt  worden  ist,  so  jedenfalls  in  der  Reisebeschreibung  Ghillebert's 
von  Lannoy,  der  1413  und  1414  jene  Gegenden  passirte.  Scriptores  rer. 
Prnsaicarum  III.  Beil.  V.  p.  445  „et  costie  on  la  raer  a  main  senestre  en 
cbeminant  de  Keuniczeberghe  et  a  la  main  dextre  une  autre  grosse  reviere, 
et  nomme  l'on  ce  chemin  le  sträng.'4  G.  v.  L.  reiste  von  Königsberg 
nach  Memel  —  offenbar  über  die  Nehrung.  Die  Uebersetzung  der  betr 
Stelle  in  Banges  Archiv  för  die  Geschichte  Liv-Est-Kurlands  V.  p.  168,  1G9. 


Preussische  Yolksreime  und  Volksspiele, 

Von 

H.  Frischbier. 

(Fortsetzung.) 


IX.  Aus  dem  Volksleben. 

Festliches. 

278.  Lied  der  heiligen  drei  Könige. 

1.  Wir  kommen  herein  ohn'  allen  Spott, 

Einen  schönen  guten  Abend,  den  geh*  uns  Gott! 

2.  Einen  schönen  guten  Abend,  eine  fröhliche  Zeit, 
Die  unser  Herr  Christus  hat  bereift! 

3.  Drei  Weisen  die  zogen  von  Haus  zu  Haus, 
Herodes  gucket  zum  Fenster  hinaus: 

4.  Ihr  heil'gen  drei  Weisen,  wo  wollt'  ihr  hin? 
„Nach  Bethlehem  steht  unser  Sinn. 

5.  Da  liegt  ein  kleines  Kind  geboren, 
Von  einer  Jungfrau  auserkoren." 

6.  Sie  zogen  die  Goldschnur  wohl  über  das  Haus, 
Da  sprang  ein  schwarzbraunes  Mädchen  heraus. 

7.  Wir  müssen  das  Mädchen  lieben  und  ehren, 
Daß  sie  uns  thut  eine  Gabe  bescheren. 

8.  Eine  Gabe  bescheren,  viel  Geld  spendiren, 
Wir  müssen  heute  noch  weiter  marschiren. 

(Nach  Etnpfatig  der  Gabe:) 

9.  Wir  wünschen  dem  Herrn  einen  gold'nen  Tisch, 
Auf  allen  vier  Ecken  Braten,  Hühner  und  Fisch', 


Von  H.  Frischbier.  333 

10.  Und  in  der  Mitte  eine  Kanne  mit  Wein, 
Daß  er  kann  trinken  nnd  lastig  sein! 

11.  Wir  wünschen  der  Frau  eine  gold'ne  Krön, 
Aufs  and're  Jahr  einen  jungen  Sohn! 

12.  Wir  wünschen  dem  Mädchen  den  Besen  in  die  Hand, 
Daß  sie  kann  fegen  das  Haus  so  blank! 

13.  Wir  wünschen  dem  Jungen  eine  Schrape  in  die  Hand, 
Daß  er  kann  schrapen  den  Schimmel  blank! 

14.  Wir  wünschen  dem  Knecht  eine  Häcksellad1, 
Daß  er  kann  schneiden  früh  und  spat! 

15.  Wir  stehen  zusammen  auf  einem  Platz 

Und  wünschen  allen  eine  gute  Nacht! 

(Samland.) 

In  Königsberg  singen  die  Knaben  auch:  Wir  kommen  herein  mit  Sang 

und  Spott;  nach  11:   Wir   wünschen  der  Jungfer  einen  rothen  Rock,  Daß 

sie  kann    stehn   wie   ein  Ziegenbock!   —    Wir   wünschen   dem  Sohn  einen 

weißen  Schimmel,  Daß  er  kann  reiten  bis  in  den  Himmel!   (Ebenso  in  Dön- 

hoffstädt.)    —    Wir   wünschen   dem  Knecht  den  Besen  in  die  Hand,  Daß  er 

kann  kehren  den  Stall  recht  blank!    —    Wir   hören   die  Madam    (die  Frau) 

mit  den  Schlüsseln  klingen,  Sie  wird  uns  wohl  eine  Gabe  bringen!    (Ebenso 

in  Dönhoffstädt.)   —    Doch  muss  sie  dies  thun  nur  ja  recht  bald,  Denn  uns 

werden  Hand'  und  Füße  kalt! In  Dönhoffstädt  lautet  Strophe  8:  Eine 

Gabe  verehren,    eine  Bratwurst  spendiren,    Wir  müssen  noch  heute  können 

weiter  marschiren. 

Vergl.   Volksr.  785  ff. 

Ostern. 

279.  Schmackoster, 
Grün'  Oster, 
Sechs  Eier, 
Sieben  Schilling, 
Ein  Stück  Speck, 
Dann  geh  ich  weg; 
Ein  Stof  Bier, 
Dann  bleib1  ich  hier. 

(Königsberg.)     Vergl.   Volksr.  797. 

280.  Zum  Schmackostern  komm'  ich  her, 
Ich  wünsch'  Ihnen  guten  Morgen! 
Gott  gebe,  daß  Sie  dieses  Jahr 
Vollbringen  ohne  Sorgen! 
Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX.  Hft.  5  n.  6.  22 


334  Preußische  Volksreime  und  Volksspiele. 

Die  Feitsche*)  tappt,  fallira! 

Daß  Sie  die  Floh  nicht  beißt! 

Gebt  alle  bunten  Eier  her, 

Wie  sie  sein,  schwarz  und  weiß, 

Ich  nehm  sie  alle  mit  Dank  und  Fleiß.     ( Dönhoff städt) 

Osterei  er-Beime. 

281.  a)  Hier  schenk'  ich  dir  ein  Ei 
Aus  meiner  Lieb  und  Treu. 
Und  brichst  du  dieses  Ei  entzwei, 
So  ist  uns're  Lieb  vorbei.  (Königsberg.) 

b)  Ich  bin  gerührt  wie  Aepfelmus, 
Geschmolzen  wie  Pomade, 

Mein  Herz  schlägt  wie  ein  Pferdefuß 
In  meiner  linken  Wade. 

(Danzig.)     Vergl.  Volksr.  798. 

c)  Drei  Hosen  roth,  drei  Lilien  weiß, 
Ich  liebe  dich,  daß  niemand  weiß. 

d)  Die  Myrthen  sprießen  schon  hervor 
In  deinem  Hochzeitskränzchen, 

Die  Füßchen  wollen  nicht  mehr  gehn, 
Sie  schweben  stets  zum  Tänzchen. 

e)  Ich  bin  eine  junge  Braut, 
Bin  noch  keinem  anvertraut, 
Ich  sitz'  im  Rosengarten 

Und  thu'  meiu's  Liebchens  warten. 

f)  Nimmer  will  ich  dich  vergessen, 
Theures  Liebchen,  denk'  an  mich! 

Bis  man  einst  mein  Grab  wird  messen, 

Schlägt  mein  Herze  nur  für  dich.         (Dönhoff Stadt.) 

Zur  Ernte. 

Bei  Ueberreichung  des  Erntekranzes. 
282.  Wir  bringen  die  Krone,  von  Aehren  gebunden, 
Zur  Ehre  dem  Herrn,  mit  Blumen  umwunden, 

Freude  sei  uns  gegeben,  Freude  sei  uns  gegeben! 

Gott  seg'ne  die  Arbeit,  die  wir  jetzt  thaten, 
Gott  fülle  die  Scheunen,  bewahre  die  Saaten 

Und  steh'  uns  gnädig  bei,  und  steh'  uns  gnädig  bei! 


*)  Klingerstock  des  Hirten. 


Von  H.  Frischbier.  335 

Gott  gebe  uns  Friede,  Gesundheit  und  Kräfte 
Zu  unserer  Arbeit  und  Amtsgeschäfte, 

Und  geh'  uns  Speis'  und  Trank,  und  geb'  uns  Speis  und  Trank. 

Von   einem  Dienstmädchen   aus   Szillen  im    Kreise    Ragnit  mitgetheilt. 
Volkstümlich? 

Bei  Ueberreichung  des  Erntekranzes. 

288.  Zu  der  Herrschaft  bin  ich  getreten, 
Weil  ich  darum  bin  gebeten. 
Heut1  ist  mein  schöner  Ehrentag, 
Da  ich  das  Aehrenkränzlein  bringen  mag. 
Ich  bring's  so  gut,  wie  ich  es  kann, 

Die  Herrschaft  (der  gnäd'ge  Herr  etc.)  nehme  es  mit  Vergnügen  an. 
Ich  bring'  einen  Kranz  von  reinem  Korn, 
Es  ist  gewachsen  zwischen  Distel  und  Dorn, 
Es  ist  gewachsen  bei  Schnee,  Hagel  und  Regen. 
Ich  wünsch'  der  Herrschaft  aufs  Jahr  einen  bessern  Segen, 
Ich  wünsch'  der  Herrschaft  ein  langes  Leben, 
Der  liebe  Gott  möge  ihr  die  Gesundheit  geben. 

(Wehlack,  Kr.  Rastenburg.)     Vergl.   Volksr.  799  ff. 

Spruch  beim  Binden. 

284.  Ich  habe  mich  überwunden, 
(Ich  wül  mich  unterwinden), 
Den  Herrn  N.  zu  binden 
Mit  einem  gelben  Strohband 
Um  seine  schneeweiße  Hand. 
Das  Bändlein  soll  gelöset  sein 
Nicht  mit  Bier  oder  Branntewein, 
Sondern  was  dem  Herrn  wird  gefallig  sein. 
Die  Ehr'  ist  nicht  für  mich  und  die  Gemein', 
Sondern  für  den  Herrn  ganz  allein. 

285.  Ich  hab'  mir  das  nicht  vorgenommen, 

Daß  der  Herr  (die  Dame)  möchte  zu  uns  kommen. 

Ich  will  mich  überwinden, 

Den  schönen  Herrn  (die  schöne  Dame)  zu  binden. 

Ich  binde  mit  einem  Kornband 

Dem  Herrn  seine  (der  Dame  ihre)  schneeweiße  Hand. 

Ich  bitte,  sie  möchten  es  nicht  übel  nehmen, 

Sondern  ein  kleines  Geschenk  mir  dafür  geben. 

(WeMack,  Kr.  Rastenburg.)     Vergl.   Volksr.  811. 

22* 


336  Preußische  Volksreime  und  Volksspiele. 

286.  Ich  bind*  dich  mit  einem  Band  oder  Bändelein 
Auf  dein  schneeweißes  Hemdelein! 

Du  wirst  schon  wissen,  zu  was  es  sei,  zu  was  ich's  mein'. 
Zu  einer  Kanne  Bier  oder  einer  Flasche  Wein, 
Damit  ich  mit  meinen  Kameraden  kann  lustig  sein. 

287.  Ich  thue  den  Herren  binden 

Nicht  mit  Dornen,  auch  nicht  mit  Disteln, 

Sondern  mit  einem  Kornbandelein. 

Das  Bändelein  hat  weder  Haken  noch  Oesen: 

Der  Herr  wird  sich  wohl  wissen  auszulösen, 

Nicht  mit  Bier,  auch  nicht  mit  Wein, 

Sondern  was  dem  gnädigen  Herrn  gefallig  wird  sein. 

Das  thu'  ich  nicht  für  mich  allein, 

Sondern  für  die  ganze  Gemein1. 

Ncu-BoliUcn  bei  Liebstadt. 

Liebe  und  Freitschaft. 

288.  Ein  Kttßchen  in  Ehren 
Ist  jederzeit  erlaubt, 
Und  wer  kann's  dem  wehren, 
Der  mir  ein  Küßchen  raubt? 

(DönholTstädL) 

289.  De  B16m,  wo  blau  bleegt, 
Süll  keiner  breite  — 

Oeck  seech  mfn  Schatzke  dorch  de  Tun, 
Oeck  wull  mi  möt  em  sprdke. 

Schatzke,  Schatzke,  lewet  Kind, 
Lange  rnch  gesene, 
War  et  man  mtn  Wöll  gewese, 
War  et  lang  gesehene! 

(Rauschen  —  Samland.) 

290.  Ja  Koppsalat,  ja  Koppsalat, 
On  greene  Peterzölge, 
Greene  Peterzölge 

On  Koppsalat! 
In  meines  Vaters  Garten, 
Da  wächst  ein  Blümelein: 
Wie  lang'  muss  ich  noch  warten, 
Dann  ist  der  Freier  (auch:  das  Blümelein)  mein! 

(Königsberg.    Rastenimrg.) 


Von  H.  Frischbier.  337 

Die  vier  letzten  Zeilen  lauten  auch: 

In  meines  Vaters  Garten, 

Da  liegt  ein  großer  Stein, 

Und  darauf  steht  geschrieben: 

Der  Freier  (auch:  der  Abschied)  der  ist  mein! 

291.  Lieben  ist  nicht  wider  Gott, 
Sonst  hätt'  er's  nicht  erschaffen; 
Sünde  kann  es  auch  nicht  sein, 
Es  lieben  ja  die  Pfaffen; 

War*  es  etwa  ungesund, 

Würden  es  die  Aerzte  meiden, 

Und  wahrhaftig,  thät'  es  weh, 

Wtird'  es  keine  Jungfrau  leiden. 
(Königsberg.)    Auch  mit  dem  Anfange:  Wenn  Lieben  etwas  Böses  war', 
So  war*  es  nicht  erschaffen,   Und   wenn   es   eine  Sünde  war',   So   thäten's 
nicht  die  Pfaffen. 

292.  Mädchen,  willst  du  heirathen, 
Heirath'  einen  Pfaffen, 

Der  kann  dir  die  Sund'  vergeben 
Und  auch  bei  dir  schlafen. 

(Königsberg.) 

298.  Ein  Bauernmädchen  mag  ich  nicht, 
Sie  ist  mir  viel  zu  schlecht, 
Sie  hat  ein  kurzes  Röckchfen  an 
Und  ihre  Bein'  voll  Dreck. 

(Friedland  t.  Ostpr.) 

294.  Mein  Herz  und  Dein  Herz, 
Die  sehen  sich  gerne  — 
Leck'  mir  hei  Tag'  im  A., 
Brauchst  kein1  Laterne.  (Königsberg.) 

295.  Lieber  Vater,  sei  so  gut, 
«Mach*  mir  eine  Freude, 
Kauf  mir  einen  Federhut 
Und  Kattun  zum  Kleide. 

(Königsberg.)     Vergl.   Volksr.  837. 

296.  Allemal  kann  man  nicht  lustig  sein, 
Allemal  hat  man  kein  Geld, 
Allemal  liebt  mich  mein  Mädchen  nicht, 
'Weil  es  nicht  immer  gefällt. 


338  Preußische  Volksreime  und  Volksspiele. 

Liebesklage. 

297.  :,:  Ist  alles  dunkel,  ist  alles  trübe, 

Dieweil  mein  Schatz  ein'  andern  liebt.  :,: 
Ich  hab'  geglaubt,  sie  liebet  mich, 
Ich  hab'  geglaubt,  sie  liebet  mich; 
Aber  nein,  ach  neine,  aber  nein,  ach  neine. 
Aber  nein,  ach  nein,  sie  hasset  mich. 

Was  nützet  mir  ein  schöner  Garten, 
Wenn  and're  d'rin  spazieren  geh'n 

Und  pflücken  alle  Blumen  ab, 

Und  pfl.  etc. 
Daran  ich  meine,  daran  ich  meine, 
Daran  ich  meine  Freude  hab'. 

Was  nützet  mir  mein  schönes  Madchen, 
Wenn  an'dre  mit  ihr  spazieren  geh'n, 

Und  küssen  ihre  Schönheit  ab, 

Und  küssen  etc. 
Daran  ich  meine,  daran  ich  meine, 
Daran  ich  meine  Freude  hab'. 

Kirsch  mit  Kümmel  hab1  ich  getrunken, 
Von  nun  an  trink'  ich  ßranntewein 

(Schluß  leider  unbekannt.)  Smb. 

Bei  der  Hochzeit. 

Platzmeister  sprüc  he. 
298.  Einladung  zur  Hochzeit. 

Günstige  Herren  und  gute  Freund'!  Ihr  mögt  es  mir  nicht  übel 
nehmen,  daß  ich  zu  Euch  so  dreist  hereinkomm',  weil  ich  ein  ausgesandter 
Bote  bin  von  Gott  und  zwei  Perschon'n,  von  Braut  und  Bräutigam. 

Von  Braut  und  Bräutigam  nicht  allein,  sondern  von  der  ganzen 
Freundschaft  insgemein!  Nämlich  von  dem  wohlehrbaren  und  geachteten 
N.  N.  mit  seiner  Jungfren  Braut  N.  N. 

Diese  beiden  Perschonen  gedenken  sich  in  den  Ehestand  zu  begeben 
und  lassen  bitten,  künft'gen  Donnerstag  in  dem  Bräutigam  seine  (in  der 
Braut  ihre)  Behausung  zur  Hochzeit  zu  kommen. 

Da  soll  euch  alle  Ehre  erzeigt  werden  nebst  Essen  und  Trinken  and 
was  Gott  durch  seinen  Segen  verliehen  hat. 


Von  H.  Frischbier.  339 

Von  der  Mahlzeit  zum  Trunk, 

Fröhlich  zum  Sprung! 

Mit  Tanzen  und  Springen 

Wollen  wir  die  Hochzeit  anfangen  und  zu  Ende  bringen. 

Ich  hab'  noch  eine  kleine  Bitt': 

Bringt  eure  Jungfern  und  Gesellen  mit, 

Den  Herzvater  mit  den  Söhnen, 

Die  Frau  Mutter  mit  den  Töchtern, 

So  viel  das  ganze  Haus  vermag! 

Verschmäht  ihr  mich  und  meine  Bitt', 

So  verschmäht  ihr  die  Brautleute  daneben  mit. 

Wenn  der  Herr  einen  Sohn  oder  eine  Tochter  ausgeben  soll  oder 
sonst  ein  Gastmahl  anstellen  wird,  und  diese  beiden  Perschonen  dazu  ein- 
geladen werden,  so  werden  sie  es  euch  wiedervergelten! 

Ich  bin  noch  jung  von  Jahren, 

Ich  hab'  noch  wenig  erfahren, 

Ich  bin  noch  jung  von  Ehren, 

Was  ich  nicht  kann,  will  ich  noch  lehren! 

Ich  bitte  noch  für  meine  Perschon:  Hab'  ich  was  nicht  recht  gemacht, 
desto  besser  werdet  ihr  es  verstehn.    Nun  adje! 

Nu,  Peerdke,  mottet  du  springen, 
On  öck  wa  schoten,  dat  et  wa't  klingen! 
Min  Peerdke,  du  mottet  wöppen, 
Dat  mm  Kranz  deit  (thut)  nöppen! 
Hier  awer  wöll  wi  ons  sachtke  dröcken  — 
De  Balken  heft  sick  nich,  dröm  mot  öck  mi  bocken! 
Nu  hilft  alle  gesund,  bet  wt  ons  öm  Hochtidshus  weddesene! 

(ERringer  Höhe.)  —  Der  ganze  Spruch  wird  in  singendem  Tone  her- 
gesagt, wobei  die  letzte  oder  auch  schon  vorletzte  Silbe  jedes  Satzes  auf  die 
Quarte  abwärts  fallt     Vergl.   Volksr.  856. 

299.  Ehrbare,  günstige  Herren  und  gute  Freunde!  Ich  bitte  sie  ganz 
freundlich,  sie  wollen  mir  nicht  übel  nehmen,  daß  ich  so  dreist  zu  Ihnen 
herein  komme,  denn  ich  habe  eine  christliche  Bitte  und  Werbung 
an  sie.  Ich  hoffe,  sie  werden  meine  christliche  Werbung  willig  auf-  und 
annehmen,  dieweil  ich  ein  ausgesandter  Bote  bin  von  Braut  und  Bräutigam 
und  von  der  ganzen  Freundschaft,  als  nämlich  von  der  ehrbaren  und  wohl- 
geachteten (Namen  der  Braut  und  des  Bräutigams).  —  Diese  beiden  Per- 
sonen haben  sich  durch  Schickung  Gottes,  des  Allmächtigen,  wie  auch  mit 
Rath  und  Wissen  der  Anverwandten  und  Freundschaft,  in  ein  christliches 


340  Preußische  Volksreime  und  Volksspiele. 

Eheverlöbniß  eingelassen  und  sind  nun  willens  mit  göttlicher  Hilfe 
solch  Eheverlöbniß  auf  künftigen  Freitag  ins  Werk  zu  richten  und  alsdann 
ihren  Hochzeitlichen  Ehrentag  zu  halten.  Weil  aber  solches  Vor- 
nehmen nicht  ohne  guter  Freunde  Beistand  geschehen  noch  vollzogen  werden 
kann,  so  bittet  der  Herr  Bräutigam,  wie  auch  seine  herzgeliebte,  ehr-  und 
tugendsame  Jungfer  Braut  samt  der  ganzen  Freundschaft,  —  und  ist  such 
mein  dienstfreundliches  Bitten,  eure  Lieben  wollen  sich  künftigen  Freitag 
10  Uhr  in  der  Behausung  des  ehrbareu  und  wohl  geachteten  Gastgebers  N.  N. 
(Namen  und  Ort)  einstellen.  —  Ferner  bitte  ich:  ihr  Lieben  wollen  helfen 
das  Geleit  geben  sammt  mir  nach  —  (Kirchort)  in  die  christliche  Kiiche 
und  allda  der  priesterlichen  Copulation  mit  herzlicher  Andacht  beiwohnen 
und  Gott  den  Allmächtigen,  um  eine  glückliche  Ehe  helfen  anrufen,  damit 
ihr  (des  Brautpaars)  christliches  Vornehmen  einen  glücklichen  Anfang  nnd 
ein  gottseliges  Ende  nehmen  möge.  Gott  gebe,  daß  es  in  einer  glücklichen 
Stunde  geschehe.  —  Nach  geschehener  Trauung  wolle  der  Herr  mit  den 
lieben  Seinigen  nebst  allen  geladenen  Gasten  wieder  zurückkehren  in  des 
ehrbaren  und  wohlgeachteten  N.  N.  Behausung  und  sich  zur  Mahlzeit 
verfügen.  Allda  werden  eure  Lieben  sehen,  was  der  überreiche  Speisemeister, 
Gott  der  Allmächtige,  an  Essen  und  Trinken  bescheret  hat  und  vor  der 
Mahlzeit  vorlieb  nehmen  mit  Trunk  und  fröhlichem  Sprung;  —  und  wollen 
allerseits  mit  Singen  und  Springen  die  Hochzeit  helfen  zu  Ende  bringen, 
nicht  allein  Freitag  und  Sonnabend,  sondern  die  ganze  Woche  hindurch, 
so  lange  die  Hochzeit  dauern  wird. 

Ferner  bittet  der  Herr  Bräutigam,  wie  auch  seine  herzgeliebte,  ehr- 
und  tugendsame  Jungfer  Braut,  und  ist  auch  mein  dienstfreundliches  Bitten: 
Eure  Lieben  wollen  keine  Entschuldigungen  machen,  denn  sie  (die  Gast- 
geber) haben  sich  Ihres  Ausbleibens  nicht  versehen.  Darum  thun  sie  ihnen 
die  Liebe  und  stellen  sich  ein,  verschmähen  sie  Braut  und  Bräutigam  nicht 
und  daneben  mich  ausgesandten  Boten  auch  nicht.  Sollten  sie  dagegen 
einmal  einen  Sohn  oder  Tochter  ausgeben  oder  sonst  eine  andere  Copulation 
anstellen,  so  will  ich  auch  wiederum  Beistand  leisten,  wofern  ich  dazu  ge- 
laden werden  sollte.  (Dies  Folgende  in  platter  Sprache:)  ,,Hebb  eck  nich 
recht  gebede,  so  mott  jü  ml  beter  verstahne,  desto  eher  käme  und  desto 
länger  bliewe." 

Ich  bleibe  also  bei  der  Hoffnung. 

Ich  bin  noch  jung  von  Jahren, 

Hab'  in  der  Sache  noch  wenig  erfahren, 

Ich  bin  noch  jung  an  Ehren, 

Was  ich  nicht  kann,  hoff*  ich  noch  besser  zu  lehren  (lernen). 

Thun    sie    also    wohl    und   stellen   sie  sich   ein,     verschmähen    sie 


Von  H.  Frischbier.  341 

Braut    und    Bräutigam     nicht     und    mich     ausgesandten    Boten    daneben 
auch  nicht.  (  Wehlack,  Kr.  Rastenburg.) 

Vgl.  den  „Nathang.  Hochzeitsbitterspritch"  aus  Weissemtdn,  Kr.  Königs- 
berg, in  N.  Pr.  Prov.  Bl.  1857  XII,  pg.  105-106.  Smb. 

Ausbitte  zur  Trauung. 

300.  Die  Platzmeister  kommen  zu  Pferde  oder  treten  auch  zu  Fuß 
in  das  Zimmer,  um  zur  Abfahrt  nach  der  Kirche  aufzufordern: 

Großgünstige  Herren  und  gute  Freunde,  wie  auch  Frauen  und  Jung- 
frauen alle  sämmtlich !  Es  wird  ihnen  doch  wohl  allen  wissend  und  bekannt 
sein,  wie  diese  beiden  Personen  mit  einander  verlobt  und  versprochen  sind 
and  nun  gewartet  haben  auf  die  priesterliche  Copulation,  welche  auch 
heutiges  Tages  soll  vollzogen  werden. 

Darum  (zur  Braut),  herzgeliebte,  ehr-  und  tugendsame  Jungfer  Braut, 
laßt  ihr  herzgeliebter  Herr  Bräutigam  ihnen  einen  guten  Tag  vermelden 
and  sie  ganz  freundlich  bitten  um  ein  kleines  Ehrengeschenk,  ein  Tüchlein 
oder  Ringlein,  oder  was  sie  sonst  ihrem  herzgeliebten  Bräutigam  verehren 
mögen,  welches  Geschenk  er  von  ihnen  willig  auf-  und  annehmen  will. 
Darum,  liebe  Jungfer  Braut,  übergeben  sie  uns  dieses  kleine  Geschenk,  das 
ich  sodann  dem  Herrn  Bräutigam  in  seine  treue  Hand  überantworten  werde. 

(Eine  ähnliche  Ansprache  hält  der  zweite  Platzmeister  an  den  Bräutigam. 
Das  erhaltene  Geschenk  wird  mit  folgenden  Worten  überreicht:) 

Herzgeliebte,  ehr-  und  tugendsame  Jungfer  Braut  (etc.  Bräutigam)! 
Es  übersendet  ihnen  ihr  Herr  Bräutigam  dieses  kleine  Ehrengeschenk, 
nämlich  ein  Ringlein  (Tüchlein).  Da  sie  aber  sehen,  daß  das  Ringlein  fein 
rund  ist  und  kein  Ende  hat,  so  hoffet  und  wünschet  ihr  Herr  Bräutigam, 
daß  sie  (die  einzugehende  Ehe)  künftig  auch  kein  Ende  haben  und  nehmen 
wird,  nicht  in  guten  Tagen,  auch  nicht  in  Kreuz,  Jammer  und  Noth.  Er 
will  ihnen  treu  sein  bis  in  den  Tod.  Ferner  bittet  der  Herr  Bräutigam  die 
herzgeliebte  etc.  Jungfer  Braut,  sie  möge  dieses  kleine  Ehrengeschenk  von 
ihm  willig  an-  und  aufnehmen  und  für  diesesmal  vergnügt  sein! 

(Der  Platzmeister  steckt  der  Braut  den  Ring  an  den  Finger  und 
wendet  sich  alsdann  an  die  Hochzeitsgäste:) 

Groß  günstige  Herren  und  gute  Freunde,  wie  auch  Frauen  und  Jung- 
frauen! Der  Herr  Bräutigam  und  seine  vielgeliebte  etc.  Jungfer  Braut  lassen 
sich  höflich  bedanken,  und  wir  Boten  bedanken  uns  auch,  daß  sie  sich  auf 
unsere  geringe  Einladung  günstig  haben  eingestellt! 

{Folgt  Abfahrt  zur  furche.) 

( Weklack.) 


342  Preußische  Volksreime  und  Volksspiele. 

Platzmeisterspruch  im  Kruge. 

301.  Der  Hochzeitszug  hält  zunächst  vor  dem  Kruge,  der  Schenke. 
Der  Platzmeister  ist  im  Galopp  voraufgeeilt  und  hat  in  der  Krugstube  sich 
einen  „Kruß"  Bier  geben  lassen: 

Herr  Wirth  und  Frau  Wirthin,  ich  bin  ein  Heiter,  ausgesandt 
Von  dem  Herrn  Bräutigam   und  auch  von  seiner  herzliebsten  etc. 

Braut,  ganz  wohl  bekannt! 
Sie  haben  sich  versammelt  auf  einem  grünen  Plan 
Und  thun  ihnen  eine  große  Ehre  an 

Und  lassen  fragen,  ob  sie  nicht  können  beherbergen  ein  hundert  Mann, 
Theils  zu  Boß,  theils  zu  Fuß, 
Wie  ich  hier  vermelden  muß. 
Für  die  Pferde  einen  warmen  Stall, 
Heu  und  Haber  haben  wir  allzumal, 
Dabei  möchten  sie  sich  nicht  lange  bedenken 
Und  einen  Kruß  Bier  mir  einschenken, 
Es  mag  sein  Bier  oder  Wein, 
Damit  Braut   und   Bräutigam    nebst   den  andern   Gästen  mögen 

fröhlich  sein! 

Der  Platzmeister  reitet  jetzt  hinaus  vor  den  Krug  dem  inzwischen 
angekommenen  Hochzeitszuge  entgegen  und  überreicht  den  Kruß  Bier  mit 
folgender  Ansprache: 

Geehrter  Herr  Bräutigam  und  herzgeliebte  etc.  Braut! 

Ihnen  bring1  ich  dieses  Krügelein, 

Der  Herr  Wirth  hat  es  mir  geschenket  ein, 

Es  mag  enthalten  Bier  oder  Wein, 

Ich  weiß  nicht,  was  darin  mag  sein, 

Sie  sollen  daraus  trinken  Gesundheit  und  Leben 

Und  ihre  herzgeliebte  etc.  Braut  und  Gäste  auch  daneben! 

Auch  kann  ich  ihnen  dabei  noch  sagen, 

Es  wird  da  drinnen  ihnen  wohl  behagen: 

Stub'  und  Stall  sind  gerichtet  ein, 

Und  sie  sollen  alle  willkommen  sein!  (Wehlack.) 

Platzmeisterspruch  beim  Sammeln  von  Geld  für  die  Musi- 
kanten. 

802.  Ihr  Herren  Musikanten,  laßt  eure  Saiten  stille  schweigen, 
Ich  will  mich  als  euer  gehorsamer  Diener  erzeigen! 
Ihr  Herren  und  Gesellen  fein, 
Und  ihr  alle,  Groß  und  Klein, 


Von  H.  Frischbier.  343 

Alle,  die  ihr  hier  zu  diesem  hochzeitlichen  Ehrentage 

Seid  eingeschlossen,  vernehmt,  was  ich  sage! 

Vormals  war  ich  zu  Pferd  vorhanden, 

Jetzt  aber  auf  freiem  Fuß  gestanden. 

Ich  komme  nicht  aus  Haß  und  Neid, 

Sondern  aus  Lieb  und  Freundlichkeit, 

Dabei  mögt  ihr  euch  nicht  lange  bedenken, 

Sondern  mir  einen  Reichsthaler  auf  diesen  Teller  schenken. 
Es  ist  nicht  für  mich,  auch  nicht  für  meinen  Kamrad',  auch  nicht 
für  den  Herrn  Bräutigam,  auch  nicht  für  die  herzgeliebte,  ehr-  und  tugend- 
same  Jungfer  Braut,  sondern  für  die  Herren  Musikanten,  die  wollen  ihren 
Verdienst  und  Lohn  davon  haben  und  werden  sich  dafür  auch  freundlich 
bedanken. 

Die  Musikanten  blasen  Tusch,  und  die  Sammlung  beginnt,  indem  der 
Platzmeister  seinen  Thaler  klingend  auf  den  Teller  geworfen.    (  Wehlack.) 

Einladung  zur  Hochzeit. 
803.  Hans  Quast, 

Braut  und  Bräut'gam  läßt  aich  bitten  zu  Gast, 
Durch  einen  eichnen  Ast, 
Durch  ein  linden  Brett! 

Kain  Messer  und  kain  Gabel  derft  ihr  bringe, 
Keinen  Braten  werd't  ihr  finge, 
Was  der  Storch  auf  die  Brache  seh., 
Das  ist  für  aich  zu  Grütz.  (Ermland.) 

304.  Kern  de  Olsche  angerennt, 
Onse  seTge  Tante, 
Möt  e  Sack  voll  Lewerworscht 
Fer  de  Musekante.  (Giggarn.) 

305.  Vor  der  Hochzeit  sind  sie  Brautleut', 
Nach  der  Hochzeit  sind  sie  Eh'leut; 
Vor  der  Hochzeit  giebt  es  Küsse, 
Nach  der  Hochzeit  giebt  es  Schmisse. 
{Dönhojfstädt)    Vergl.  Frischbier,  Preuß.  Sprichivörtcr,  I.,  1638;  IL,  1219. 

Aus  Freundschaft. 

Zum  Geburtstage. 
306.  Oeck  wönsch  di  öle  Dü'tsche  vel 
Gesundheit,  Glöck  on  Segen, 
Dem  Kummer  schleit  min  Pitschestel 
Qn  d|  min  Hart  entgegen. 

{Sarnland.)     Vergl.   Volksr.  867. 


344  Preußische  Volksreime  und  Volksspiele. 

Für  die  letzte  Seite  des  Stammbuches. 

807.  Wer  dich  lieber  hat  als  ich 
Der  schreibe  sich  hinter  mich! 

(Königsberg.)     Oder:  Ein  bess'rer  Freund,  als  ich,  Der  etc.  —  Oft  liest 
man  nun  dahinter  geklemmt: 

Ich  hab'  dich  lieber  als  der, 
Drum  schreib'  ich  mich  hinterher. 

808.  Ich  muß  in  dieses  Buch  hinein, 
Und  soll't  es  auch  per  Quere  sein! 

Ist  im   Stammbuche    Raummangel,   so   schreibt   man   diesen     Vers    an 
den  Rand.  Smb. 

Vermischtes. 

809.  Kaechubke  et  Kirschke, 
Let  Steenke  fallen, 
Ut  Steenke  was  (wasst)  Boomke, 
Op  Boomke  wedder  Kirschke. 


(Bommereüen.) 


810.  Oal,  greene  Oal! 

Madam,  komm  doch  moal  doal: 

De  Käksche  (Köchin)  sott  öm  Kellerloch 

On  flockt  de  Kreoline  (Krinoline)  noch. 


(Samland.) 


811.  Kruschkenmus  mit  Melch  (Milch), 
So  singt  die  Lerch'. 

Hätt'  die  Lerch  nicht  so  gesungen, 

War1  die  Kruschkenmus  nicht  so  gelungen. 

Kruschkenmus  mit  Melch. 

(Dönhoffstädt.) 

812.  Kreuzbub*  gehöret  nicht  zum  Spiel, 
Den  acht*  ich  zu  geringe, 

Weil  er  verkauft  hat  Jesum  Christ 
Für  dreißig  Silberlinge. 

(Friedland  t.  Ostpr.) 

813.  Bombeli  Potente, 

De  Meiler  schöt  drei  Ente, 

Hadd  hei  nich  drei  Ente  geschoate, 

War  hei  nich  öm  Woater  versoape. 

(Natangen.) 


Von  H.  Frischbier.  345 

314.  Hei,  hei,  Soldaten! 

Der  Borger  giebt  den  Braten, 
Der  Gärtner  giebt  das  Moos, 
Er  ist  die  Soldaten  los. 

(Königsberg.) 

815.  Onse  ole  Großke, 

Der  drömd'  emoal  en  Dröm, 

Det  jnst  ver  6rem  Bedde  stund 

Ein  grot'  gebroadner  Hoan. 

Und  als  sie  nun  vom  Schlaf  erwacht1 

Und  dies  nicht  wahr  befand, 

Stieß  sie  vor  Aerger  mit  dem  A. 

Drei  Bohlen  aus  der  Wand. 

(Samland.) 

316.  Beim  Niesen. 

A.  Gott  stärk'  deine  Schönheit! 

B.  Habe  Dank  für  deine  Höflichkeit. 

A.  Das  ist  nicht  meine  Höflichkeit,  das  ist  meine  Schuldigkeit. 

(Dönhoffstädt) 

317.  Wir  leben  ohne  Sorgen, 
Wir  leben  ohne  Noth, 
Wir  brauchen  nicht  zu  borgen, 
Wir  haben  Geld  und  Brot! 

(Königsberg.) 

818.  E  R6V  an  de  Motz 

On  e  Knöppel  ön  de  Hand, 

Möt  Gott,  fer  König  on  Vaterland! 

(Königsberg.) 

819.  Ach  Brannte  wein,  ach  Brannte  wein, 
Du  bist  'ne  edle  Salbe, 
Machst  manchen  Menschen  zum  Kalbe, 
Und  aus  dem  Kalbe  wird  ein  Schwein, 
Das  macht  der  edle  Branntewein!  — 
Ach  Branntewein,  ach  Branntewein, 
Du  stärkest  meine  Glieder, 
Und  wo  der  Dreck  am  tiefsten  ist, 
Da  reißest  du  mich  nieder. 

(DönhofiTstädt.)     Vergl.   Volksr.  903. 


346  Preußische  Volksreime  und  Volksspiele. 

320.  Meine  Matter  hat  die  Gans1  abgerupft, 
Sind  nackend  in  der  Stab1  'rumgehuppt. 
Ohne  Federn  und  ohne  Schwanz 
Haben  sie  Polonais'  getanzt. 

(Mühlhausen  a.  d.  Ostbahn.) 

321.  Es  saß  ein  Meeeke  an  jenem  Sprink, 
Es  war  kein  Meeske,  es  war  ein  Fink. 
Sieh,  wie  er  singt,  sieh,  wie  er  springt, 
Sieh1  wie  der  Jud'  um's  Dittchen  dingt. 

(Mühlhausen  a.  d.  Ostbahn.) 

822.  Eaffeeche,  Kaffeeche,  du  edler  Trank, 

Wenn  ich  dich  nicht  habe,  so  bin  ich  krank, 
Wenn  ich  dich  kriegen  und  haben  soll, 
So  bin  ich  gesund,  so  ist  mir  wohl. 

(Dönho/fstädt.) 

328.  Mädchen,  höre  diesen  Zweck: 

Ich  sag*  dir,  laß*  den  Kaffee  weg! 
Wirst  du's  dir  nicht  lassen  sagen, 
Wirst  du  es  noch  oft  beklagen, 
Daß  ich  dir  auf  deine  Haub* 
Keinen  Silberband  erlaub*. 

Was  frag*  ich  nach  dem  Silberband, 
Bleibt  der  Kaffee  nur  im  Land! 
Kaffee,  Kaffee,  mein  Vergnügen, 
Kaffee  kann  mein  Herz  besiegen, 
Was  frag'  ich  nach  dem  Silberband, 
Bleibt  der  Kaffee  nur  im  Land! 

Hat  der  Kaffee  noch  nicht  Ruh', 
Ei,  so  weiß  ich,  was  ich  thu'. 
Da  du  den  Kaffee  immer  liebest 
Und  die  Mutter  oft  betrübest, 
Sollst  du  haben  keinen  Mann, 
Du  versoffne  Kaffeekann' ! 

Ach  Mamachen,  einen  Mann, 
Ich  bitte,  was  ich  bitten  kann! 
Kaffee,  Kaffee,  weich'  von  mir, 
Liebes  Mannchen,  komm'  zu  mir! 

(Dönhofstädt) 


Von  H.  Frischbier.  347 

Parodien. 

324.  Ach,  bewahre  mich  vor  Möhren, 
Schütze  mich  vor  saurem  Kamst! 
Laß  mich  nicht  die  Bruken  zehren, 
Noch  der  Keilchen  blauen  Dunst! 
Auch  die  Krebse  mag  ich  nicht, 
Weil  man  fanget  sie  bei  Licht; 
Lieber  Pflaumenmus  mit  Keilchen, 
Das  ist  für  mein  süßes  Mäulchen. 

Melodie:  Werde  munter,  mein  Gemüthe. 

Vergl.  Frischbier,  Preuß.  Sprichwörter  IL  S.  240. 

326.  Hunger  leidet  mein  Gemüthe, 
Ach,  wann  geht  das  Essen  an? 

326.  De  Bröll  ös  fett,  öck  kann  nich  sene!  — 
Nei,  Junges,  neu  Dat  geit  nich  recht! 
Oeck  wa  jü  alle  .äwertene, 
Jü  wäd't  noch  hfde  goane  schlecht! 
O  je,  o  je,  öck  oarmor  Mann, 
Wat  fang  öck  möt  de  Junges  an! 

Melodie:  Wer  nur  den  lieben  Gott  läßt  walten.  Der  Kantor  einer  Dorf- 
Mrche  sagte  seinen  Chorknaben  den  Text  der  Lieder,  die  gesungen  wurden, 
zeilenweise  vor.  Die  vor  sich  hergesagte  Bemerkung  über  den  Zustand  seiner 
Brille  wird  von  den  Knaben  irrthümlich  oder  boshaft  als  erste  Zeile  der  Strophe 
gesungen,  und  ohne  Halt  stürmt  der  Gesang  bis  zum  Schlüsse  fort.  —  Wie 
oben  in  Königsberg;  es  folgen  noch  Varianten:  a)  aus  Schippenbeil,  b)  aus  dem 
Ermlande  und  c)  aus  Jarantowice. 

a)  De  Bröll  ös  fett,  öck  kann  nich  sene. 
Jungens,  sid  stöll,  et  ös  nicht  recht! 
Jü  wäre  de  Lud'  ön  de  Andacht  störe! 
Nu  hörT  öck  all,  et  geit  ml  schlecht. 
Oeck  oarmer  Mann,  öck  oarmer  Mann, 
Wat  fang'  öck  möt  de  Jungens  an! 

b)  Kantor.    De  Bröll  ös  fett,  öck  kann  nich  sene 
Lud9,  singt  nich  so,  et  ös  nich  recht! 

Pfarrer.    Seid  ihr  denn  alle  toll  geworden? 

Ich  werd'  gleich  schicken  nach  der  Wach'! 

Glöckner.    Wat  fang'  öck  armer  Glöckner  an, 

De  Pfarr  dat  ös  en  schlömmer  Mann? 


348  Preußische  Volksreime  nnd  Volksspiele. 

c)  "Wat  es  dat  denn  met  mfne  Brelle, 
Se  es  jo  ganz  met  Fett  beschmert! 
Um  Himmels  welle  seid  doch  stelle! 
Herjee,  wenn  dat  de  Pastor  hart! 
Ihr  bringt  mich  um  mein  Stückchen  Brot, 
Halft  's  Maul,  euch  holt  die  Schockschwernoth ! 

327.  Ach  Gott,  nun  ist  es  wieder  Morgen, 
Nun  geht  das  Branntweinsaufen  los. 

Der  Knapphans  will  uns  nichts  mehr  borgen, 
Er  schreit  aus  aller  Angst  und  Noth: 
Bringt  Gelder  her,  bringt  Gelder  her, 
Der  Schnaps  kommt  nicht  von  ungefähr! 

(Samland ) 

328.  Mein  Gott,  nun*  ist  es  wieder  Morgen, 
Das  Saufen  fangt  schon  wieder  an; 

Kein  Gastwirth  will  mir  mehr  was  borgen, 

Was  fang'  ich  armer  Teufel  an? 

Die  Kisten  sind  leer,  die  Kasten  sind  leer, 

Harum  ditscharum, 
Ach,  wenn  ich  doch  erst  besoffen  schon  war*, 

Harum,  ditschei. 
Melodie  aus  „Stradetta".  Smb. 

329.  Reich'  mir  die  Hand,  mein  Leben, 
Komm'  in  mein  Schloß  mit  mir, 
Ich  will  dir  Bratwurst  geben 

Und  Löb'nichtsch  (saures)  Tafelbier. 
(Königsberg.)    Löbenicht,  m.,  Stadttheil  in  früheren  Jahrh.  eine  der  drei 
Städte  Königsbergs,  mit  zahlreichen  Brauereien. 


Aus  dem  Jahre  1813. 
Melodie:  Valet  will  ich  dir  geben. 

330.  Als  wir  von  Rußland  kamen 
In  einem  zerrissenen  Bock, 
Da  huckten  in  jeder  Seite 
Wohl  mehr  denn  dausend  Schock. 
Da  fung  öck  an  to  knacke 
|  Min'  Knä welkes  wurde  r6t, 

;  Doa  sunge  de  oarme  Lü'skes: 

Wi  bötter  ös  de  D6t!  (Samland:  Ält-PiUau) 


Von  H.  Frischbier.  349 

331.  Alle  meine  Entchen 

Schwimmen  auf  dem  See, 

Köpfchen  in's  Wasser, 

Schwänzchen  in  die  Höh! 

(Danzig.) 

332.  Ich  bin  liederlich, 

Du  bist  liederlich, 

Wir  sind  liederliche  Leute, 

Trinken  Bier  und  Brannte  wein, 

Schlagen  dem  Bauern  die  Fenster  ein  — 

Ich  bin  liederlich, 

Du  bist  liederlich, 

Wir  sind  liederliche  Leute! 

(Königsberg.     Danzig.) 

333.  Klein  bin  ich, 

Das  weiß  ich, 

Drum  werd'  ich  veracht't, 

Warum  hat  mich  mein  Vater  nicht  größer  gemacht! 

(Königsberg.) 

334.  Et  kern  e  kleener  Jung  geröde, 
Dat  war  e  StafÖtt, 

Hadd  e  grote  ledd're  Sack, 

He  brocht  ök  wat  möt. 

(Friedland  i.  Ostpr.) 

335.  Ein  Vergnügen  eig'ner  Art 
Ist  doch  eine  Wasserfahrt, 
Wenn  man  auf  das  Wasser  fahrt 
Und  so  hin  und  wieder  fahrt, 
Ein  Vergnügen  eig'ner  Art  etc. 

(Königsberg.)    In  schaukelnder  Bewegung  zu  singen;  beim  Gelage.  *) 


*)  Diesen  Reim  betreffend,  findet  sich  in  dem  „Echo  am  Memelnfer" 
einer  in  den  vierziger  Jahren  bei  Reyländer  in  Tilsit  erschienenen  Zeitung, 
im  Jahrgange  1846,  nr.  65,  pag.  515,  folgendes :  Ein  Korrespondent  „Q.  U.  J.a 
aus  Königsberg  berichtet  über  eine  ziemlich  mißglückte  Gondelfahrt  der 
dortigen  Concordia  und  schließt  mit  den  Worten: 

„Ein  Vergnügen  eig'ner  Art 
Ist  doch  so'ne  Gondelfahrt!  — 
Schenket  ein, 
Immer  ein, 
Dort  und  hier 
Das  Braunebier!  — 
Diese  Verse  sind  von  mir.    Sie   gefallen  Ihnen   nicht?    Ich  bitte  um 

Alipr.  Monatesohrift  Bd.  XXIX  Hft.  5  u.  6.  23 


350  Preußische  Volksreime  und  Volksspiele. 

386.  Trau're  nicht,  zage  nicht, 
Sei  nicht  ungeduldig, 
Was  du  nicht  bezahlen  kannst, 
Bleib'  den  Leuten  schuldig. 

337.  Ei  was  sagst  du,  ei  was  sagst  du, 
Ei  was  sagst  dn  nun  dazu? 
Zweimal  dreimal,  zweimal  dreimal, 
Zweimal  ich  und  einmal  du. 

(Dönhoptädt) 

Schwerhörig. 

338.  Gutte  Morge,  Ala! 

Es  schlagsche  warm. 
Ala,  bring'  ji  dene  Osse  ta  vakepe? 

Na  freilich  kann  he  stete. 
Wi  alt  es  he? 

Vörtien  Thäla. 
De  Kerdel  es  ja  doli! 

Na  freilich  wea  he  en  Boll, 

ech  liß  em  schneide. 
Möt  dem  Ala  es  je  nuscht  zu  mache! 

De  Mutta  säd,  minger  soll  ech  ihn  nich  lasse. 

(Ermland.)     Vgl.   Yolksr.  917 

339.  Mädchen,  guten  Tag! 

Herr  Pfarr',  ich  wasch'  den  Sack. 
Mädchen,  was  mag  die  Uhr  wohl  sein? 

Herr  Pfarr',  es  gehen  drei  Scheffel  hinein. 
Mädchen,  du  bist  ein  Narr! 

Ich  dank',  Herr  Pfarr',  ich  dank',  Herr  Pfarr'! 
(Memel.)     Lehrer-Ztg.  f.  Ost-  u.    Westpr.  1888*  S.  378. 

Städter  und   Bauer. 

340.  Heda,  Bauer,  wo  geht  der  Weg  hinaus? 

Der  Weg,  der  geht,  wohl  seine  Straße, 
Fallen  fallera  faller  um! 


Vergebung,  sie  sind  eigentlich  zu  einer  Oper  bestimmt,  dazu  sind  alle  Verse 
gut  und  nur  hier  bei  einer  sich  j-o  darbietenden  Gelegenheit  gebe  ich  ein 
Pröbchen  zum  Besten."  — 

Es    sind   also   offenbar   diese   Verse    aus  dem   Blatte   in's   Publikum 
übergegangen.  &mb. 


Von  H.  Frischbier.  351 

Das  weiß  ich,  daß  der  Weg  seine  Straße  geht.    Sage  mir,  wie  komme 
ich  aber  das  Wasser? 

Es  giebt  wohl  Enten,  die  d'rüber  schwimmen, 
Fallen  etc. 
Das  weiß  ich,  daß  Enten  hinüberschwimmen.    Sage  mir,   wie  tief  ist 
das  Wasser? 

Die  Steine,  die  liegen  wohl  auf  dem  Grand, 
Fallen  etc. 
Das  weiß  ich,  daß  die  Steine  auf  dem  Grande  liegen.    Sage  mir,  wem 
gehört  dieses  Haus? 

Das  Haas  gehört  wohl  seinem  Herrn, 
Fallen  etc. 
Das  weiß  ich,   daß  das  Haus  seinem  Herrn  gehört.    Sage  mir,   haben 
sie  auch  Wein,  thun  sie  auch  schenken? 

Sie  schenken  nicht,  man  muß  bezahlen, 
Fallen  etc. 
Kutscher,  fahr  zu!  (Ermland.) 

Bäthsel-Lied. 

841.  Mädchen,  ich  will  dir  ein  Räthsel  verkünden, 

Und  kannst  du  es  ergründen, 

So  heirath'  ich  dich! 

Sage:  Welcher  Müller  ist  ohne  Mühle, 

Sage:  Welcher  Löffel  ist  ohne  Stiel? 

„Der  abgebrannte  Müller  ist  ohne  Müble, 
„Der  abgebroch'ne  Löffel  ist  ohne  Stiel." 

Mädchen,  ich  will  dir  (etc.  wie  oben) 

Sage:  Welcher  König  ist  ohne  Land, 

Sage:  Welches  Wasser  ist  ohne  Sand? 

„Der  König  von  Hannover  ist  ohne  Land, 
„Das  Wasser  in  den  Augen  ist  ohne  Sand." 

( Tilsit.)     Smb. 

Masurische  Reime  (Gegend  von  Passenheim). 

342.  Wyazla  na  poleczko, 
R<5bi6  jej  sie,  niechce, 
Spojrzy  na  sloneczko, 
Czy  daleko  jesce. 
(Auf  das  Feldchen  ging  sie,   Hat  nicht  Lust  zur  Arbeit,    Schauet  hin 
aufs  Sonnchen,  ob  es  lang*  noch  währe.) 

23* 


352  Preußische  Volksreime  und  Volksspiele. 

843.  Maryanno  wstan! 
Przyjdzie  Micha!, 
Bedzie  kichal. 
Bedzie  chcial  gorzalki. 
(Marianne,  auf!   Michel  kommet   und    wird  niesen   und  wird  Brannt- 
wein wollen.) 

344.  Siedzi  dudek  we  stodole. 
Co  omlöci,  to  opole, 

Co  opole,  to  osiece, 
Co  oaiece,  to  przepiece. 
(In  der  Scheune  sitzt  der  Pinsel,  Was  er  abdrischt,  weht  auch  ab  er, 
Was  er  ab  weht,  siebt  er  ab  auch,  Was  er  absiebt,  das  verbackt  er.) 

345.  Przyjacielstwo  bliskie, 
Wesel my  sie,, 
Kluski  na  misce, 
Radujmy  sie,. 

(Die  Freundschaft  ist  nahe,  frohlocken  wir;  Keilchen  in  der  Schüssel, 
freuen  wir  uns.) 

346.  Kiedy  ja  byl  mlody, 
Wyskoczyl  ja  z  klody, 
Alem  teraz  stary  dziaka, 
Nie  wyskoczQ  i  z  przetaka. 

(In  meinen  Jugendjahren  Sprang  ich  aus  einer  Tonne,  Doch  jetzt  als 
armer  alter  Wicht,  Spring'  ich  selbst  aus  'nem  Siebe  nicht.) 

347.  Bieda  na  biedq  idzie; 
Wlej  piwo,  iydzie! 

(Noth  kommt  auf  Noth;  gieß  Bier  ein,  Jude!) 


348.  Pijta,  chlopcy,  pijta, 
Nie  böjta  si'q  pana, 
Bo  go  podziöbala 

Na  padole  kania!  ! 

(Trinket,  Jungens,  trinket.    Fürchtet    nicht   den  Herren!    Diesen    hat  ! 

zerhackt  ja  In  dem  Thal  die  Weihe.) 

349.  Siwe  konie,  siwe, 
Malowane  sanki, 

Wsiad$  i  pojadQ  | 

Do  mojej  kochanki. 
(Graue  Pferdchen,    graue,   Ein  gemaltes  Schlittchen;    Setz9    mich   ein 
und  fahre  Hin  zu  meinem  Liebchen.) 


Von  H.  Frischbier.  353 

350.  Z  kamienia  na  kamien, 
Skowroneczek  skacze, 
Tak  tez  moje  serce, 
Zawsze  we  mnie  ptacze. 
(Auf  den  Stein  vom  Steine   Hüpfet  hin  das  Lerchlein ;    Ebenso  mein 
Herze  In  mir  stetig  weinet.) 

Wohl  nur  der  erste   Vers  eines  längeren  Liedes. 

351.  Hojsza,  do  lasa! 

Ktöra  pi$kna,  to  nasza, 
Ktöra  czarna,  kowalowa, 
Ktöra  biala,  mlynarzowa, 
Ktöra  cienka,  panowa, 
Ktöra  gruba,  gburowa. 
(Heißa,   zum    Walde!    Welche  schön  ist,   ist  unser;   Welche  schwarz, 
ist  für  den  Dorfschmied,  Welche  weiß  ist,  für  den  Müller,    Welche  zart  ist, 
für  den  Herrn,  die  derbe  für  den  Bauern.)  Smb. 

Signale  und  Klänge. 

Galopp: 

952.  Schenkel  'ran,  Schenkel  'ran, 
Laßt  ihn  laufen,  was  er  kann! 

(Königsberg.) 

Trab: 

853.  Zieh'  mir  das  Ding  aus  dem  Leib,  oder  ich  schrei! 

(Königsberg.) 

Zapfenstreich: 

354.  a)  Wo  kommen  denn  alle  Kaschuben  her 
Es  sind  ja  ihrer  wie  Sand  am  Meer? 
Von  Stolp,  von  Stolp,  von  Stolp! 

(Danzig.) 

b)  Was  haben  wir  heut'  zu  Abendbrot? 
Kartoffeln,  Salz  und  trocken  Brot. 

Hurrah,  Hurrah,  Hurrah! 

c)  Was  hab'n  die  Jäger  zu  Abendbrot? 
Kartoffeln  mit  Schälen  und  Schempersupp. 

Quarrö,  Quarrö,  Quarre! 

(Dönhoffstädt.) 


354  Preußische  Volksreime  und  Volksspiele. 

d)  Kopp  und  Schnabel  sind  schon  weg, 
Die  pol'sche  Gaß  die  hat  keine  Eck. 

0  weh,  o  weh,  o  weh! 

e)  De  Schnoawel  ös  toerscht  verbrennt, 
De  Kopp  dei  ös  em  noagerennt! 

(Königsberg.)  Beide  Reime  beziehen  sich  auf  zwei  Brände  von  Eck- 
häusern der  polnischen  Gasse  zu  Königsberg  vor  circa  40  Jahren;  die  Besitzer 
der  Häuser  hießen  Kopp  und  Schnabel. 

f)  Der  Bäcker  backt  uns  das  Brot  zu  klein, 
Da  mag  der  Teufel  Soldate  sein. 

O  je,  o  je,  o  je! 

Quarrä  formiren: 
355.  Schützen,  Schützen,  rüstet  euch  zum  Streite! 


Infanterie  -  Signale. 

356.  I.  Benennungs-Signale. 

1.  Compagnie: 

Die  erste  sagt,  sie  ist  die  beste. 

2.  Compagnie: 

Das  ist  nicht  wahr,  das  ist  nicht  wahr. 

3.  Compagnie: 

Streit 't  euch  nicht,  streift  euch  nicht,  streift  euch  nicht! 

4..  Compagnie: 

Der  Teufel  ist  los,  der  Teufel  ist  allwieder  los! 

Signal  für  „das  Ganze": 

Kommt  ete,  kommt  ete,  sönd  Fösch! 

II.  Ausführungs-Signale. 

Halt: 

Nun  halt! 

Avanciren : 

Nun  marsch  man  fort,  nun  marsch  man  fort,  nun  marsch, 
nun  marsch,  nun  marsch  man  fort!  Marsch,  marsch, 
marsch ! 

Langsam  zurück: 

Schützen,  Schützen,  kommt  zurück! 


Von  H.  Frischbier.  355 

Rechts  schwenken: 

Nehmt  euch  die  linke  Schulter  vor! 

Links  schwenken: 

Rechte  Schulter  vor,  rechte  Schulter  vor! 

Chargiren,  Feuern: 

Schießt  ihn  todt,  schießt  ihn  todt! 

Stopfen: 

Aufhören  mit  Feuern! 

857.  Varianten. 
3.  Compagnie: 

Katholiken,  Katholiken,  Katholiken! 

Oder: 

Portoriko,  Portoriko,  Portoriko! 

Avanciren: 

Geht  weiter  vor,  geht  weiter  vor,  geht  immer,  immer  weiter 
vor!  Vor,  vor,  vor! 
Oder: 

Kartoffelsupp,  Kartoffelsupp,  die  ganze  Woch'  Kartoffelsuppe 
Supp,  Supp,  Supp!  (Dönhoffstädt.) 

358.  Putzt  das  Gewehr  mit  Hammerschlag 
Und  niemals  nicht  mit  Sand, 
Mit  Kreide,  mit  Kreide, 
Es  leb1  der  Herr  Sergeant! 

Wer  sich  mit  Sand  statt  Hammerschlag 

Beim  Putzen  treffen  läßt, 

Drei  Tage,  drei  Tage, 

Die  geht  er  in  Arrest!  Smb. 

m 

Gebet  vor  der  Wache,  Gewehr  bei  Fuß. 
859.  Oeck  wöll  nich  mer  bi  Gretke  goan, 
Se  heft  e  schewe  Föt. 
„Ach  Nimmerjoan,  Hans  Nimmerjoan, 
Dat  ward  schon  wedder  got.'4  (Danzig.) 

860.  Klang  der  Instrumente. 

a)  bei  der  Brautfahrt  zur  Kirche: 

Wi  foare  möt  der  Brut,  wi  färe  möt  der  Brut 

Tom  Dör  herut,  tom  Dör  herüt, 

Oen  't  Elend  herön,  ön  't  Elend  herön! 

(Dönho/fstädt) 


356  Preußische  Volksreime  und  Volksspiele. 

b)  beim  Brauttanz: 

Baß:  De  Brut  ob  noch  Jungfer,  de  Brut  ös  etc. 

Violine:   Oeck   weet   bi  miner  Seel'  nich,   op    de   Brut   noch   Jungfer 

ös,  öck  weet  etc. 

(Samland.) 

Der  Postillon  bläst: 

361.  Uns're  Fru  Häkere, 
Hefft  e  ganz  knäkere, 
Hefft  e  ganz  knäkere 
Schnupftabaksdos*,  Schnupftabaksdos1 ! 

362.  Glockensprache. 

a)  Das  Glöcklein  der  Bartener  Mühle: 

De  Meiler,  de  Meiler,  de  Metzkedeew, 
De  hefb  dem  Bure  sine  Sack  so  leew. 

Nömm  nich  alltovel,  nömm  nich  alltovel! 

b)  Die  kleine  Kirch  englocke  in  Barten  ruft  zur  Decemszahluog: 

Bring'  Düttkes,  bring'  Düttkes  etc.! 

c)  Die  Arbeitsglocke  in  Dönhoffstädt: 

Tie  Doaler,  tie  Doaler 

Fer  de  öle  Spetoaler! 
Anmerkung:  Die  genannte  Glocke  war  bis  vor  40  Jahren  im  Dienste  der 
Dönhoffstädter  reformirten  Schloßkapelle,  die,  wie  das  Hospital  in  dem  Dönhoff- 
städt ganz  nahe  gelegenen  Gr.  Wolfsdorf,  eine  Stiftung  des  Grafen  Bogislaus 
von  Dönhoff"  ist;  beide  Stiftungen  hatten  finanzielle  Beziehungen  zu  einander. 
Jetzt  ist  die  Glocke  ausschließlich  Arbeitsglocke,  was  sie  früher  nur  nebenbei  war. 

Die  Mühle  spricht: 
363.  Ein  Scheffel  drei  Viertel! 
Hinweis  auf  den  diebischen  Müller.     Der  Scheffel  =  4  Viertel. 

Straßen-Echo. 

364.  Landfrauen  riefen  sonst  im  Frühjahr  durch  die  Straßen  von  Königs- 
berg, die  Maiblume,  Convallaria  majalis  L.,  feilbietend: 

Frü's,  Löllgeconfallge  (Lilien-Convallie) ! 

Die  Straßenjungen  riefen  zurück: 

Du  Rackerkanallge  (Racker-Canaille)! 

Sylvester. 

365.  Kinder,  vorzugsweise  Knaben,  bieten  aus  Thon  geformte  und  mit 
Farben  und  Bauscligold  geschmückte  9  Figuren:  das  sternartige  Glück,  das 
Geld,  1  Leiter,  1  Bing,  1  Mann  resp.  1  Frau,   1  Kind  in  der   Wiege,  1  Brot, 


Von  H.  Frischbier.  357 

1  Schlüssel,  1  Todtenkopf,    alles   kurzweg   das  Glück  genannt,    unter  folgendem 
gesangartigen  Rufe  zum  Kaufe  an: 

Glöck  on  Segen,  Glöck  on  Segen, 
Glöck,  Glöck! 
Hin  und  wieder  hört  man  noch  den  Zusatz:  Wer  keft,  dei  heft  (Wer 
kauft,  der  hat  —  das  Glück)!  —  Am  Sylvesterabende,  gegen  oder  um  die 
Mitternachtsstunde,  wird  in  Familienkreisen  „Glück  gegriffen^,  d.  h.  die 
oben  genannten  Figuren  werden  je  mit  einem  Teller  bedeckt,  und  jedes  Familien- 
glied deckt  drei  Teller  auf:  die  gewählten  Figuren  künden  das  Schicksal  für 
das  nächste  Jahr.  Vergl.  Neue  Preuß.  Prov.-Bl.  Band   VI,  S.  215. 

Tanzreime. 

Vergl.  auch  die  von  Sembrzycki  in  der  Zeitschrift  „Am  Ur~ Quell" 
(Band  IL  und  III.)  in  seiner  Arbeit  „OstpreußiscJie  Sprichwörter,   Volksreime 

und  Provinzialismen'1,  mitgetheilten  Tanzreime. 

366.  Op  eenem  Strömp  on  eenem  Schau 
Geit  et  ömmer  lostig  tau. 

367.  Mein  Schatz  ist  ein  Reiter, 
Ein  Heiter  muß  's  sein, 
Das  Pferd  ist  des  Königs, 
Der  Reiter  ist  mein. 

368.  Mein  Schatz  ist  kreideweiß, 
Hat  krumme  Glieder, 

Geht  krumm  zum  Thor  hinaus, 
Kommt  pucklig  wieder. 

469.  E  Knoppe  op  e  Kni, 
De  goa  öck  verbi, 
E  Flock  om  em  Loch, 
De  nem  öck  mi  doch!  {Dönhoffstädt.) 

370.  Hei,  Karschewski  Rüger 
Schott  ver  onse  Dar, 
Kömmt  hei  morge  wedder, 
Kröcht  hei  dichtig  Schmer. 

(Samland.)  Vergl.  Frischbier,  Sprichwörter  IL,  No.  162.  —  Zu  den 
dort  angeführten  Tanz- Bezeichnungen  nenne  ich  ergänzend  noch  folgende: 
Schwat  (schwarte)  Kohbel,  witte  Sü!  —  Hol  fest,  sott  op  de  Hinderdär!  — 
Säd  öck  nich,  sad  öck  nich,  Gewt  dem  Bür  de  Kobbel  nich!  Sämmtlich  im 
Samlande  üblich;  in  der  Gegend  von  Rastenburg:  Der  Bauer  tanzt  uui's 
Dittche  'nun!  —  Schwartet  Fleesch  möt  witte  Täne!) 


358  Preußische  Volksreime  und  Volksspiele. 

871.  Ach  herrje,  wi  geit  et  mi, 
Wat  sönd  dat  fer  Tide? 
Kein  Mönsch  lett  mer  Schlorre  inoake, 
Wat  heft  dat  tö  bedide? 
Kern  emoal  e  ölet  Wiw 
Möt  terretne  Schlorre, 
On  als  öck  dat  tö  er  säd, 
Fung  se  an  to  gnorre. 

(Dönhoffstädt.) 

872.  Wie  ich  ein  Wirth  war,  hatt'  alles  ich,  hei! 
Vier  Katzen  zur  Arbeit  und  die  fünfte  frei. 

Masurisch  (Passenheim):  Kiedy  ja  byl  gospodarzem  mi alein  wszystko, 
hej!  Cztery  koty  do  roboty  a  piatego  frej.) 

378.  Schwarze  Rappen  reit*  ich  gern, 
Füchse  noch  viel  lieber, 
Junge  Mädchen  hab'  ich  gern, 
Küss'  sie  noch  viel  lieber. 
Oder:  Junge  Mädchen  küss'  ich  gern,  Die  alten  schlag'  ich  nieder. 

(Dönhoffstädt.)     Vergl.   Volksr.  648. 

874.  Schwef  llicht,  Schwefllicht,  Wockeseide! 
Schwefllicht,  Schwefllicht,  Hüsgerath! 
Hadd  öck  nich  e  Mann  genoame, 

i 

Brükt  öck  nich  möt  Schwefllicht  goane  —  , 

Schwefllicht,  Schwefllicht,  Wockeseide!  ' 

(Königsberg.)    Aus  Dönhoffstädt  mit  der  gegensätzlichen   Variante: 

Hadd  öck  doch  e  Mann  genoame, 
Mußt  öck  nich  möt  Schwefllicht  goane. 

375.  Hans  heft  e  lange, 

Hans  heft  e  lange  Geißelstock. 

Trin  heft  e  rüge, 

Trin  heft  e  rüge  Motz  op  e  Kopp. 

(Königsberg.)    Auch:   Hans   heft   e  gröte  Pipekopp.    Trin*  heft  e  rode 


Motz  etc. 


876.  Oeck  sott  on  denk' 

Hier  op  de  Bank, 

Wenn  hei  so  kern, 

On  mi  so  nein! 

(Danzig.) 


Von  H.  Frischbier.  359 

377.  Ach  wenn  hei  doch  kern, 
Ach  wenn  hei  ml  nem, 
Dat  öck  doch  endlich  von  de  Gaß  'runder  kern! 

Hei  öS  schon  gekoame, 
Hei  heft  mf  genoame, 

Nu  si  öck  doch  endlich  von  de  Gaß  'runder  gekoame! 

(Königsberg.)     Vergl.   Volksr.  948. 

378.  So  lang'  de  Rock  on  de  West  noch  hält, 
'  Lew  öck  lostig  ön  er  (froh  ön  dieser)  Welt, 
So  lang'  noch  de  preußsche  Dittke  gölt. 
Ward  noch  Ömmer  Schott'sch  bestellt! 

(Königsberg.)     Vergl.   Volksr.  952. 

379.  Goden  Dag,  Herr  KopperschmÖd ! 
Schönen  Dank,  Herr  Keßler. 
Wolle  se  min  Schwoager  sönd, 
Denn  heirathe  s'  mine  Schwester!  (Königsberg.) 

880.  On  wenn  min  Mann  nich  Bohne  frett, 
Wat  Diwel  frett  hei  dann? 
Denn  schnid  öck  em  den  Hoarzopp  af 
On  broad  em  ön  de  Pann. 

(Samland.)     Vergl.   Volksr.  954. 

381.  Mich  hungert,  mich  durst't, 
Mich  lockert  nach  Wurst, 
Mir  schlackert  der  Magen, 
Wem  soll  ich  es  klagen! 

882.  Du  Mädchen  vom  Lande, 
Wie  bist  du  so  schön, 
Ich  hab'  ja  mein  Lebtag' 
Kein  schön'res  gesehn!  (Königsberg.) 

888.  Bruder,  steh'  auf  und  sattel  den  Schimmel, 
Prügel  dein  Weib,  so  kommst  in  den  Himmel. 

(Dönhoffstädt.) 
384.  Husaren  sind  Narren, 

Sie  trinken  keinen  Wein, 

Sie  lieben  kein  Mädchen 

Und  schlafen  allein.  (Dönhoffstädt.) 

Ist  der  letzte  Vers  eines  Soldatenliedes^  welches  lautet: 
Ach  Tochter,  liebe  Tochter,  was  hast  du  gemacht, 
Denn  du  hast  dich  an  die  (Regimentsname)  Grenadiere  gemacht. 


360  Preußische  Volksreime  und  Volksspiele. 

Ach  Mutter,  liehe  Mutter,  das  ist  ja  meine  Freud', 

Denn  die  (Regimentsname)  Grenadiere  sind  kreuzbrave  Leut'. 

Sie  gehen  spät  schlafen  und  stehen  früh  auf, 

Und  dann  trinken  sie  ihren  Kaffee  und  ein  Schnäpschen  darauf. 

Husaren  sind  Narren  etc.  Smb. 

886.  Lott1  ös  dodt,  Lott'  ös  dodt, 

Liske  liggt  öm  Starwe. 

Blau  Marike  freut  söck  dodt, 

Sie  meent,  se  ward  bald  arwe. 

(Königsberg.)     Vers  3  u.  4:  Dat  ös  göt,  dat  ös  göt,  Loat  se  man  ver- 

darwe.     Vergl.   Volksr.  955.    Aus  Dönhoffstadt  wird  mir  noch  folgende  in  den 

ersten   dreißiger  Jahren  in   Königsberg  gehörte    Fortsetzung   des    Reimes   mit- 

getheilt : 

Wer  da  sagt,  die  Lott'  ist  todt, 

Der  muß  Strafe  geben, 

Denn  es  ist  Polizeigebot, 

Daß  die  Lott  soll  leben. 

886.  Hopsa,  Marianchen,  dreh*  dich  mal  um! 
Dreh'  dich  mal  um  und  um, 

Daß  ich  bald  zu  dir  komm, 

Hopsa,  Marianchen,  dreh*  dich  mal  um! 

887.  In  Königsberg  ist  der  Deiwel  los, 
Da  tragen  die  Mädchen  Hosen, 
Zieh'n  sich  weiße  Handschuh1  an 

Und  tanzen  mit  Matrosen.  (Königsberg.)     Smb. 

888.  Wenn  öck  man  erseht  dat  Gold  von  jü  hadd, 

Denn  spei  öck  nich  mehr,  denn  schit  öck  jü  wat. 
(Dönhoffstadt.)    Einer  Tanzmelodie  unter-   und  dem  Musikanten  in  den 
Mund  gelegte   Worte.  Smb. 

889.  Stiefel,  du  mußt  sterben, 

Bist  noch  so  jung,  jung,  jung! 
Stiefel,  du  mußt  sterben, 
Bist  noch  so  jung! 

Wenn  das  der  Absatz  wüßt', 
Daß  Stiefel  sterben  müßt1, 
Würd1  er  sich  grämen 
Bis  in  den  Tod. 
(Königsberg.)    Auch:   Soll   ich   schon   sterben,    Bin  noch  so  jung  etc.! 
Wenn   das   meine  Mutter  wüßt',   Daß   ich   etc.    —    Dem   Mythmus  folgend, 


Von  H.  Frischbier.  361 

werden  beim  Gesänge   die  flachen  Hände  gegen   die  eines  andern  wechselweise 
angeschlagen.  VergL   Volksr.  963. 

390.  Warum  sind  deine  Stiefel  geschwollen? 

Hurrah ! 
Weil  sie  nicht  in  die  Hosen  'reinwollen! 

Hurrah! 
So  nimm  und  schmier  deine  Stiefel  mit  Speck, 
Dann  fallen  die  Hosen  herunter  wie  Dreck! 

Hurrah,  Hurrah,  hurrah!  Smb. 

391.  Komm,  halbier7  mich, 
Komm,  halbier'  mich, 
Komm,  halbier  mich  heute; 
Bald  von  vorne, 
Bald  von  hinten, 
Bald  auf  beide  Seite. 
Komm,  halbier'  mich  hübsch  und  fein; 
Morgen  soll  die  Hochzeit  sein.  Smb. 

392.  Holdes  Liebchen  in  der  Ferne 

Kirsch  mit  Kümmel  trink'  ich  so  gerne, 

In  der  Laterne  brennt  kein  Licht, 

Holdes  Liebchen,  vorgiß  mein  nicht.  Smb. 

Vermischtes  (Nachtrag). 

393.  Gedanken  sind  frei! 

Kein  Mensch  kann  sie  wissen, 

Kein  Jäger  sie  schießen 

Mit  Pulver  und  Blei; 

Gedanken  sind  frei.  Smb. 

394.  Oeck  war  die  lehre  Flinse  backe 
Von  dat  schene  Weitemehl, 
Nömm  nich  vel, 
Back'  man  vel 
Von  dat  schene  Weitemehl. 
Vergl   Volksr.  500.  Smb. 

395.  Muttersch  Vaderbrödersch  Sahn 
Huckt  op  jennsit  K&merdär, 
Plpt  on  danzt 
On  flecht  e  Kranz 
Von  de  geie  Blomes. 


362  Preußische  Volksreime  und  Volksspiele. 

Gele  Biomo  läte  göt, 
Blaue  noch  vel  schener; 

Wie  de  Brut  tom  Trüe  fohr,  war  se  blank  geflochte, 
Wie  de  Brut  vom  Trüe  kam,  hadd  se  klene  Dochter. 

Smb. 
396.  Unter  mein1  Bettchen  liegt  Haferstroh,  Haferstroh, 
Unter  mein'  Bettchen  liegt  Heu, 

Wenn  mich  mein  Liebchen  nicht  küssen  will,  küssen  will, 
Jag1  ich  sie  fort  eins,  zwei,  drei. 

Variante  zu  Volksr.  512.  Smb. 

897.  Veizage  nicht,  o  lieber  Ohrist, 
Wenn  deine  Mutter  Funsen  frißt; 
Sie  wird  auch  für  dich  backen.  Smb. 


Zum  Schloß. 
(Am  Ende  des  „Singsangs"  an  einem  Spinnabende.) 

398.  Aus  ist  das  Liedlein, 
Aus  ist  der  Tanz; 
Mädchen,  hol'  Blumen 
Und  flicht  mir  'en  Kranz. 

399.  All  wieder  ist  ein  Lied  gesungen, 
Ein  Dittchen  ist  verdient, 

Und  wer  mir  noch  ein  Dittchen  giebt, 
Dem  sing'  ich  noch  ein  Lied. 

399a.  Wieder  ist  ein  Lied  gesungen; 
Folgt,  ein  Schnäpschen  drauf! 
In  Polen  und  in  Ungarn 
Da  ist  es  also  Brauch.  Smb. 

400.  Das  Lied  ist  ausgesungen 
Mit  einem  frohen  Muth; 

Die  Jungfern,  die  uns  kennen, 
Die  sind  uns  alle  gut! 


Von  H.  Frischtrier. 


363 


Ein  Verzeichnis  der  polnischen  Reime 

füge  ich  hier   bei,   da  dieselben,   hin   und  her  unter  den  deutschen  zerstreut, 
anders  nicht  leicht  aufzufinden  sein  wurden.  Sembrzycki. 


Ach  möj  Boze  wszecbmogacy  No.  92. 

A  szo  kania  43. 

Bieda  na  bied$  idzie  347. 

Dera,  dera,  deska  35. 

Deszyczku,  nie  padaj  38. 

Epel,  pepel,  birom  221. 

Gdzie  jest  wilk?  252. 

Hojsza  do  lasa  351. 

liedy  ja  byl  mlody  346. 

Eiedy  ja  byl  gospodarzem  372. 

Ele,  kle,  bocianie  41.  42. 

Kukaweczko,  panieneczko  44. 

Kukaweczka  kuku  45. 

Kckarykn  gda  gda  47. 

Kulik  w  lesie  46. 


Lezala  za  plotem  91. 
Lezal  zajac  pod  miedzq  37. 
Haryanno  wstan  343. 
Maju,  maju  49. 
Otta  hija!  Pojedziemy  9. 
Pijta  chlopcy  348. 
Przyjacielstwo  bliskie  345. 
Siedzi  dudek  we  stodole  344. 
Siwe  konie,  siwe  349. 
Ta  ksi$ga  Rektorowa  193. 
W$  drowali  szewcy  93. 
Wyszla  na  poleczko  342. 
Z  kamienia  na  kamien  350. 
Zuzaj,  dzieciQ,  io  wieczora  10. 
Äydzie,  iydzie  106.  107. 


Die  Beziehungen  des  Deutsehen  Ordens  zu  dem 
Bischof  Christian  von  Preussen. 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Gründung  des  Deutschen  Ordensstaates 

von 

Alfred   Leiti 

aus  Insterburg. 


Abkürzungen:  Voigt  =  Johannes  Voigt:  „Geschichte  Pretusens  von  den 
ältesten  Zeiten  bis  zum  Untergange  des  Deutschen  Ordens"  9  Bände,  Königsberg,  1827  bU 
1889.  SS.  r  er.  Prnss.  =  Scripte  res  rerum  Prussicarum,  adt.  Hirsch,  Toeppen,  Strehlke. 
Leipzig  1861  ff.  A.  M.  —  Altpreussisohe  Monatsschrift  P.  U.  B.  =  Preamisohes  Ur- 
kunden-Buch. Politische  Abteilung.  Band  I.  Die  Bildung  des  Ordensstaatea,  1.  Hälfte, 
herausgegeben  von  Pbilippi  und  Woelky,  Königsberg  1882/83.  Q.  GK  A.  ==  Gtoettinger  Oe* 
lehrte  Anzeigen.  S.  U.  B.  =  Siebenbürgisches  Urkunden  -  Buoh  in  den  Fontes  rerom 
Austriaoarum,  Abteilung  2,  Band  18,  edt  Teutsoh  und  Firnhaber.  P.  P.  St.  =  Perlbacb: 
„Preussisoh-polnische  Studien  zur  Geschichte  des  Mittelalters".  Halle  1888.  D.  O.  = 
Deutscher  Orden.  D.  O.staat.  =>  Deutscher  Ordensstaat.  Stronosyn'ski  =  Kasimir 
Stronozyiiski:  „Wzory  pism  dawnych".    1839. 

In  dem  Vorworte  zu  seiner  Schrift  „Die  Gründung  des 
Deutschen  Ordensstaates  in  Preußen",  Leipzig  1857,  hat  Watterich 
mit  Recht  darauf  hingewiesen,  wie  gerade  ein  Zeitraum  in  der 
Geschichte  des  D.  0.  auch  nach  Voigts  großer  Arbeit  in  seiner 
wesentlichsten  Beziehung,  in  der  politischen  nämlich,  noch  immer 
der  befriedigenden  Klarheit  entbehre;  es  sei  dies  der  wichtigste 
von  allen,  die  Gründung  des  D.  O.staates. 

Daß  Watterich  uns  diese  befriedigende  Klarheit  nicht  ver- 
schafft hat,  darüber  giebt  es  heute  wohl  nur  eine  Stimme.  Aber 
auch  die  Versuche  seiner  zahlreichen  Nachfolger,  die  schwierige 
Frage  nach  der  Gründung  des  D.  O.-staates  zu  beantworten, 
müssen  als  verfehlt  erscheinen,  nachdem  das  einschlägige  Ur- 
kundenmaterial  neu  ediert  und  von  neuem  kritisch  beleuchtet 
worden  ist.  Auf  Grund  dieser  neuen  Arbeiten  soll  hier  der 
Versuch  gemacht  werden,  die  Beziehungen  zwischen  dem  D.O. 
und  Bischof  Christian  von  Preußen  klarzulegen,  die  für  die 
richtige  Auffassung  der  Gründung  des  D.  O.staates  ent- 
scheidend sind. 


Von  Alfred  tentz.  3g5 

Diese  Beziehungen  sind  weder  von  den  Ordenschronisten,  noch 
von  der  polnischen  Ueberlieferung  berücksichtigt  worden;  beide 
beachten  nur  diejenigen  zwischen  dem  D.  O.  und  dem  Herzog 
Konrad  von  Masovien.  Nach  der  Auffassung  der  Ordenschronisten, 
an  deren  Spitze  Peter  von  Dusburg  steht — 100  Jahre  nach  des  Ordens 
Ankunft  in  Preußen  vollendete  er  seine  Chronica  Terrae  Prussiae  — 
hatte  Herzog  Konrad  von  Masovien  dem  D.  0.  bei  seiner  An- 
kunft in  Preußen  das  Kulmerland  für  alle  Zeiten  geschenkt; 
nach  den  polnischen  Schriftstellern  war  Konrads  Schenkung 
nur  eine  bedingte  gewesen;  nur  so  lange  sollte  das  Kulmerland 
dem  D.  O.  gehören,  bis  die  heidnischen  Preußen  bekehrt  wären.1) 

Erst  bei  Lucas  David,  der  auf  Anregung  "Albrechts  von 
Brandenburg  seine  „Preußische  Chronik"2)  schrieb,  gestalten  sich 
die  Verhältnisse,  unter  denen  der  D.  O.staat  gegründet  wurde, 
wesentlich  anders.  David  hatte  die  Archive  fleißig  durchsucht 
und  aus  den  aufgefundenen  Urkunden  erkannt,  daß  Bischof 
Christian  bei  Ankunft  des  D.  0.  die  ausgedehntesten  Besitzungen 
im  Kulmerlande  hatte,  und  daher  Konrad  nicht  ohne  weiteres 
dem  D.  0.  das  Kulmerland  abtreten  konnte,  vielmehr  wenn  eine 
solche  Schenkung  stattfand,  Christian  in  erster  Linie  als 
Schenkender  in  Betracht  kommen  mußte.  Bei  seiner  großen 
Kritiklosigkeit  war  es  ihm  jedoch  unmöglich,  das  Verhältnis 
zwischen  Orden  und  Bischof  klar  zu  erfassen. 

Daß  Bischof  Christian  für  den  D.  0.  ein  Hindernis  war, 
das  aus  dem  Wege  geschafft  werden  mußte,  erkennt  unter  den 
neueren  Historikern  sehr  richtig  August  von  Kotzebue  in 
seiner  „Aelteren  Geschichte  Preußens".  Riga  1808.  Er  tadelt 
scharf  die  „zügellosen  Brüder",  die  diesen  Bischof  unschädlich 
machen  wollten,  und  protestiert  gegen  alle  Versuche,  „diese  Ver- 
brechen zu  beschönigen".  Bald  nach  Kotzebue  giebt  uns  Voigt 
die  Kehrseite  dieses  Bildes.  Die  Begeisterung  für  den  D.  0. 
hat  bei  Voigt  höchst  nachteilig  auf  die  Darstellung  der  politischen 


1)  SS.  rer.  Pruss.  I,  S.  37,  Anm.  1. 

2)  edt.  Dr.  Ernst  Hennig,  1812,  vgl.  Band  2,  S.  13  ff. 

Altpr.  Monateschrift  Bd.  XXIX  Hft.  5  u.  6.  24 


366       Die  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens  z.  d.  Bischof  Christian  etc. 

Verhältnisse  zur  Zeit  der  Ankunft  des  D.  0.  gewirkt.  Um  zu 
einem  dem  D.  0.  günstigen  Resultate  zu  gelangen,  beschuldigt 
Voigt  Bischof  Christian  hierarchischer  Herrsch-  und  Selbstsucht 
und  des  böswilligen  Strebens,  auch  das  Heilsame  und  anerkannt 
Gute  zu  hindern,  sobald  sein  Eigennutz  dadurch  vom  beab- 
sichtigten Ziele  zurückgehalten  wurde.1) 

Watterich  erkennt  nun  a.  a.  0.  richtig,  daß  die  Widersprüche 
in  den  erhaltenen  Urkunden  darauf  hinweisen,  es  sei  von  einer 
Seite  ein  falsches  Spiel  gespielt  worden.  Er  stempelt  deshalb 
Herzog  Konrad  zu  einem  gemeinen  Betrüger.  „Phantasievolle 
Einbildungen"  nennt  Waitz  in  seiner  scharfen  Kritik2)  der 
Watterich'schen  Schrift  dessen  Art  und  Weise,  Geschichte  zu 
schreiben.  Aber,  hat  Watterich  Christians  Stellung  im  Kuliner- 
lande  überschätzt,  so  unterschätzt  Waitz  dieselbe,  und  das  thut 
auch  Ewald,  der,  auf  Waitzs  Resultaten  fußend,  unseren  Zeit- 
raum zum  Gegenstande  zweier  Dissertationen8)  gemacht  und 
später  die  Ergebnisse  derselben  in  seiner  „Eroberung  Preußens 
durch  den  D.  O.",  Halle  1872,  Band  H  1875,  verwertet  hat.  - 
Von  einem  so  schroffen  Gegensatze  zwischen  dem  D.  0.  und 
Christian,  wie  Watterich  und  auch  Herrmann  (Rationis,  quae 
ordini  militari  Teutonico  cum  ordine  ecclesiastico  saec.  XIH  in- 
eunte  in  Prussia  intercesserit,  explicatio,  Berolini  1837)  ihn  dar- 
stellen, will  Waitz  nichts  wissen,  obgleich  er  nicht  hezweifelt, 
daß  die  Absichten  des  D.  0.  und  des  Bischofs  mehr  als  einmal 
feindlich  auf  einander  stießen. 

Einen  Schritt  vorwärts  that  die  Forschung  durch  Rethwisch's 
Dissertation:  „Die  Berufung  des  D.  0.  gegen  die  Preußen", 
Berlin  1868.  Rethwisch  ging  zuerst  kritisch  zu  Werke  und 
brachte  für  einige  Urkunden  den  Beweis  der  Unechtheit;  aber 
wie  Waitz  ließ  auch  er  das  Verhältnis  Christians  zum  D.  0.  auf 


1)  B.  IL,  S.  459. 

2)  G.  G.  A.  1858,  Band  2,  S.  1761  ff. 

3)  De  Christiani  Olivensis  ante  ordinera  tentonicum  in  Prussiam  ad- 
vocatum  condicione.  Diss.  Bon.  1863  and  Qaali  reram  condicione  ordo 
teutonicus  Prussiam  occupare  inceperit.    Diss.  Hall.  1866. 


Von  Alfred  Lentz.  367 

einer  rechtlich  anerkannten  Grundlage  beruhen.  Gegen  ihn 
wandte  sich  1870  Didolff  in  der  Bonner  Dissertation:  „De  re- 
publica  ordinis  teutonici  borussica",  indem  er  die  Echtheit  der 
von  Bethwisch  angegriffenen  Urkunden  zu  erweisen  versuchte. 
1871  faßte  Lohmeyer  in  seiner  Abhandlung:  „Die  Berufung  des 
D.  0.  nach  Preußen"1)  die  politischen  Verhältnisse,  unter  denen 
der  D.  O.staat  gegründet  wurde,  noch  einmal  zusammen.  Nach 
ihm  liegt  die  Sache  so,  daß,  „wenn  nicht  zufallig  neues  Quellen- 
material gefunden  wird,  in  keinem  irgend  erheblichen  Punkte 
eine  wesentliche  Aenderung,  für  keine  noch  unentschiedene 
Frage  nähere  Aufklärung  zu  erwarten  ist.'*2) 

Erhebliche  Aufklärungen  haben  indeß  schon  die  Arbeiten 
Perlbachs  gebracht. 

Es  sind  hier  zu  erwähnen: 

1)  1872  „Zur  Geschichte  der  ältesten  preußischen  Bischöfe"  (A.  M. 
IX.  S.  550-565  und  S.  628-638). 

2)  1873  „Die  ältesten  preußischen  Urkunden"  (A.  M.  X.  S.  639-649). 

3)  1874  „Preußische  Regesten  bis  zum  Ausgang  des  13.  Jahr- 
hunderts" (A.  M.  XI.  u.  XII.  a.  versch.  St.). 

4)  1884.  G.  G.  A.  S.  91—96  seine  einschneidende  Kritik  des  im 
J.  1883  von  Woelky  und  Philippi  edierten  P.  U.  B. 

5)  Endlich  hat  Perlbach  1886  in  seinen  P.  P.  St.  noch  einmal  ebenso 
gründlich  wie  scharfsinnig  die  einschlägigen  Urkunden  behandelt 
und  die  durch  sie  gestellten  kritischen  Fragen  zu  lösen  versucht.8) 

An  der  Hand  der  überlieferten,  seit  1882/3  im  P.  TT.  B. 
neu  gedruckten  Urkunden  wollen  wir  nun  darzustellen  versuchen, 
wie  sich  nach  unsrer  Auffassung  die  Beziehungen  zwischen  dem 
D.  O.  und  Bischof  Christian  gestaltet  haben  müssen. 

Für  das  Verständnis  der  späteren  Ereignisse  ist  es  not- 
wendig, daß  wir  den  Bischof  Christian  von  Anfang  seiner 
Missionsthätigkeit  bis  zur  Ankunft  des  D.  0.  kurz  ins  Auge  fassen. 


1)  Zeitschrift   für  preuß.  Geschichte   und  Landeskunde.    Berlin  1871. 
Band  8.  S.  579  ff. 

2)  Vergl.   auch  Lohmeyer:    „Geschichte   von  Ost-  und  Westpreußen". 
Gotha  1881.    S.  45-88. 

3)  Vergl.  sein  Vorwort  zu  den  P.  P.  St. 

24* 


368      Die  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens  z.  d.  Bischof  Christian  etc. 

Christian  war  schon  vor  12 101)  mit  einem  gewissen  Philipp 
und  einigen  andern  Mönchen  nach  Preußen  gegangen,  um  mit 
päpstlicher  Erlaubnis  den  Heiden  das  Evangelium  zu  predigen. 
Der  Samen  der  göttlichen  Lehre  fiel  auf  ein  gutes  Land;  mit 
Freuden  nahm  sich  der  Papst2)  der  jungen  Pflanze  an,  die  fröh- 
lich gedieh. 

Zwischen  dem  4.  September  1210  und  dem  18.  Februar  1216 
wurde  Christian  zum  Bischof  von  Preußen  geweiht8).  Bald 
wurde  der  Grund  zur  Dotation  des  neuen  Bistums  gelegt.  Aus 
zwei  päpstlichen  Konfirmationen  vom  18.  Februar  12 16*)  er- 
sehen wir,  daß  zwei  neubekekrte  Preußen  Warpoda  und  Survabuno 
dem  Bischöfe  von  Preußen  die  terra  Lubovie  und  die  terra  de 
Lansania  geschenkt  hatten.6) 

Je  größer  aber  die  Zahl  der  Getauften  wurde,  desto  heftiger 
wurden  die  Angriffe  der  übrigen  Heiden,  desto  energischer  ihre 
Versuche,  die  Abgefallenen  wieder  zum  alten  Glauben  zurück- 
zuführen. Deshalb  erlaubte  Papst  Honorius  III.  Christian,  den 
Gläubigen  in  den  benachbarten  Ländern,  welche  den  Bedrängten 
Hilfe  leisten  wollten,  das  Zeichen  des  Kreuzes  zu  erteilen.6; 
Christian  erhielt  in  der  Folgezeit  die  Obergewalt  über  alle 
Kreuzfahrer  und  das  Recht,  gegen  jene,  die  ohne  seinen  Willen 
das  Land  der  Getauften  betreten  oder  durch  ihre  Eroberungs- 
lust das  Bekehrungswerk  hindern  würden,  mit  Kirchenstrafen 
vorzugehen.  Vor  versammeltem  Kreuzheere  erhielt  Christian 
durch  die  Schenkung  von  Lonyz  am  5.  August  1222  einen 
hochbedeutenden    Zuwachs    seiner    weltlichen    Macht.      Herzog 


1)  P.  ü.  B.  5. 

2)  P.  ü.  B.  6. 

3)  P.  P.  St.  S.  21. 

4)  P.  ü.  B.  9.  u.  10. 

5)  Das  P.  U.  B.  identifiziert  die  beiden  Gebiete  mit  dem  Lande  Loeban 
und  mit  dem  Kirchdorf  Gr.  Lensk  s.  ö.  von  Löbau  (so  nach  Lohmeyer  6.  v. 
O.  n.  W.,  S.  48).  Für  die  5  polnischen  Schenkungen  von  1223—1*224  an 
Christian  vgl.  P.  P.  St.  S.  39  ff. 

6)  P.  U.  B.  15. 


Von  Alfred  Lentz.  369 

Konrad  von  Masovien  urkundet  an  jenem  Tage  also:1)  "Weil 
Bischof  Christian  erlaubt  hat,  daß  Heinrich,  der  Herzog  von 
Schlesien,  der  Breslauer  und  der  Lebuser  Bischof,  deren  Barone 
und  die  übrigen  nach  Preuiien  ziehenden  Kreuzfahrer  die  Burg 
Kulm,  welche  die  Preußen  viele  Jahre  hindurch  bestürmt  und 
völlig  zerstört  haben,  wieder  aufbauen,  schenkt  er  Christian 
einen  Teil  des  Kulmischen  Territoriums  —  23  ehemalige  Burgen  — 
mit  allen  Einkünften  und  mit  herrschaftlichen  Rechten,  außer- 
dem 100  Dörfer,  —  von  denen  32  namentlich  aufgeführt  werden  — 
ferner  alles  das,  was  zwischen  ihm  (Konrad)  und  den  Preußen 
an  Gebiet  streitig  ist.  Damit  aber  des  preußischen  Bischofs 
Wille  der  Wiedererbauung  Colmens  geneigt  und  zugethan  sei, 
haben  der  ehrwürdige  Gethko,  Bischof  von  Plock,  und  sein 
Kapitel  noch  2  Dörfer  und  ihre  sämtlichen  geistlichen  und 
weltlichen  Rechte  im  Kulmerlande  hinzugefügt. 

Christian  soll  außerdem  in  der  Burg  Colmen  einen  eigenen 
Hof  und  Konvent  haben,  und  im  ganzen  Kulmerlande  (ausgenom- 
men sind  die  Güter,  welche  der  Bischof  dort  besitzt  oder  in 
Zukunft  durch  Kauf  oder  Schenkungen  besitzen  wird)  soll  der 
jedesmalige  Regent  des  Landes  mit  dem  Bischof  von  Preußen 
die  Einkünfte  teilen  und  dazu  ihm  den  Zehnten  von  seinem 
Teile  im  Kulmerlande  abtreten  .  .  . 

Am  18.  April  1223 2)  bestätigte  Honorius  III.  diese  Schen- 
kung. Er  erklärt:  „idem  dux  terram  eandem  (sc.  Culmensem) 
cum  quibusdam  villis  consistentibus  in  eadem  ....  tibi  et  per 
te  ecclesie  ac  tuis  successoribus  contulit"  und  fahrt  dann  fort: 
„nos  terram,  castra  et  alia  supradicta  .  .  .  tibi  et  tuis  successo- 
ribus ....  confirmamus."  Perlbach8)  bemerkt  hierzu:  „Diese 
Bestätigung  giebt  offenbar  nur  einen  knappen  Auszug  der  Schen- 


1)  P.U.B.  41  u.  Perlbach:  P.P. St.  S.  26  ff.  Wir  geben  mit  dem 
P.  U.  B.  der  Leseart  des  Vidimus  A.  den  Vorzug.  Die  Perlbachsche  An- 
nahme, daß  A.  vom  Bischof  Christian  um  1239  interpoliert  sei,  erscheint 
uns  nicht  begründet. 

2)  P.  U.  B.  U. 

3)  A.  M.  X.    S.  633. 


370       Die  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens  z.  d.  Bischof  Christian  etc. 

kurig  ....  wie  ungenau  die  Kurie  den  Inhalt  wiedergiebt,  zeigt 
der  Umstand,  daß  sie  den  Herzog  das  ganze  Kulmerland  dem 
Bischof  verleihen  lässt." 

Dem  gegenüber  lesen  wir  aus  der  päpstlichen  Bestätigungs- 
bulle heraus,  daß  Christian  durch  die  Lonyzer  Schenkung  in  der 
That  in  den  Besitz  des  ganzen  Kulmerlandes  gelangt  sei.1) 

Berücksichtigen  wir  nun  die  Worte  der  Lonyzer  Schenkung 

„quicquic  ad  dominium  Culmensis    territorii  pertinet 

quicunque  Colmensem  terram  habuerit,  omnes  proventus  ipsius 
terre  cum  episcopo  Pruzie  dimidiabit",  so  werden  wir  wohl  der 
Wahrheit  am  nächsten  kommen,  wenn  wir  den  Bischof  von 
Preußen  als  den  Souverain,  den  polnischen  Herzog  aber  als  den 
Suzerain  im  Kulmerlande  auffassen. 

Bis  an  sein  Lebensende  hatte  Honorius  III.  der  preußischen 
Sache  sein  regstes  Interesse  gewahrt.2)  Sein  Nachfolger, 
Gregor  IX.,  unterstützte  gleichfalls  Christian  in  seinem  Missions- 
werke.8)  Die  Wut  der  heidnischen  Preußen  aber  wurde  so  groß, 
daß  Christian  sich  entschloß,  nach  dem  Vorbilde  der  Schwert- 
ritter in  Livland  den  Orden  der  Ritterbrüder  von  Dobrin  zu 
stiften,  den  der  Papst  am  28.  Okt.  1228  bestätigte.4)  Von  der 
Thätigkeit  dieses  Ordens  können  wir  leider  nichts  berichten.5) 
Vielleicht  ward  dieser  Ritterorden  gerade  deshalb  gestiftet,  weil 
er  bereit  war,  unter  billigeren  Bedingungen  als  der  D.  0.  den 
Kampf  gegen  die  heidnischen  Preußen  zu  unternehmen.  Aut- 
fallend   bleibt   jedenfalls    die  Thatsache,    daß    der    neugestiftete 


1)  Vgl.  Herrmann  a.  a.  0.  Exkurs  III,  „de  terra  Colmensi  Christ irdo 
episcopo  a  Conrado  Masoviae  duce  et  Gunthero  Masoviae  episcopo  dorn» 
data",  wo  H.  aus  der  päpstlichen  Bestätigungsbulle,  feiner  aus  der  Leslauer 
Urkunde  (s.  unten  S.  20  ff.)  und  dem  Schreiben  Gregore  IX.  vom  11.  Apr.  1240 
(s.  unten  S.  27  ff.)  den  Schluß  zieht,  daß  Christian  seit  dem  5.  Aug.  1222 
das  ganze  Kulmerland  besessen  habe.    Vgl.  unsern  Exkurs  I. 

2)  P.  TL  B.    57. 

3)  P.  U.  B.    61. 

4)  P.  U.  B.     68  u.  69. 

5)  Vgl.  für  die  Entstehung  dieses  Ordens  den  Exkurs  IL  bei  Reth- 
wisch  a.  a.  O.     S.  52  ff.  u.  P  P.  St.    S.  61  ff. 


Von  Alfred  Lentz.  371 

Orden  im  Juli  1228  von  Herzog  Konrad  von  Masovien  und  dem 
Bischof  von  Plock  mit  Schenkungen  bedacht  wurde,  nachdem 
schon  vorher  (bis  Mai  1228)  zwischen  dem  D.  O.,  Christian  und 
Herzog  Konrad  Unterhandlungen  gepflogen  waren  (vgl.  P.U.  B.  65). 
Ohne  Zweifel  trat  der  D.  0.  von  vorneherein  mit  der  Absicht  auf, 
im  Preußenlande  das  zu  erreichen,  was  ihm  im  Burzenlande  miß- 
langen war,  nämlich  einen  selbständigen,  nur  dem  Papste  unter- 
worfenen Ordensstaat  zu  gründen. 

Für  das  Verhalten  des  D.  0.  in  Preußen  ist  sein  Verhalten 
im  Burzenlande  äußerst  charakteristisch.  Die  Ereignisse,  die  sich 
hier  zugetragen  haben,  sind  nichts  anders  als  das  Vorspiel  des 
welthistorischen  Dramas,  das  in  Preußen  zu  Ende  gespielt  wurde.1) 

1211  erhielt  der  D.  0.  vom  König  Andreas  von  Ungarn 
die  terra  Borza  im  Siebenbürgischen  zum  ewigen  Besitz,  aber 
die  königlichen  Hoheitsrechte  bestanden  fort,  und  die  Bitter 
wurden  Lehnsleute  der  ungarischen  Krone.2)  Nur  hölzerne 
Burgen  und  Städte  durften  sie  bauen,  wohl,  damit  sie  nicht 
zu  übermütig  würden  und  sich  dorn  Willen  des  Königs  wider- 
setzten (Philippi).  Aus  einer  Urkunde  v.  J.  1222 8)  erfahren 
wir  plötzlich,  daß  der  König  seine  Schenkung  widerrufen  habe, 
weil  sein  Zorn  über  den  D.  0.  entbrannt  gewesen  sei.  Die 
Brüder  wurden  aber  wieder  in  das  Burzenland  eingesetzt  und 
mit  neuen  Rechten  ausgestattet.  Bald  jedoch  geriet  Bischof 
Baynald  von  Siebenbürgen  mit  dem  D.  0.  in  heftigen  Konflikt, 
als  der  D.  O.  das  Burzenland  der  geistlichen  Oberhoheit  des 
Bischofs  entziehen  wollte.  Der  Papst  untersagte  auf  die  Bitten 
der  Brüder  hin  dem  Bischof  die  Ausübung  seiner  Rechte  über 
das  Burzenland4),  da  dasselbe  unmittelbar  unter  Rom  stehe.  Bald 
darauf  nahm    der  Papst    das  Burzenland  unter  den  Schutz  des 


1)  Vgl.  hierfür  Alexis,  Graf  von  Bethlon :  Gesch.  Darstellung  des  D.  O. 
in  Siebenbürgen,  Wien,  1831  und  Philippi:  „Die  Deutschritter  im  Burzen- 
lande", Kronstadt  1862.     Die  Urkunden  hierzu  finden  sich  im  8.  U.  B. 

2)  S.  U.  B.  12. 
B)  S.  U.  B.  18. 
4)  S.  ü.  B.    21. 


372       Die  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens  z.  d.  Bischof  Christian  etc. 

apostolischen  Stuhles.1)  Dadurch  löste  er  aber  das  Band,  welches 
den  D.  0.  mit  der  ungarischen  Krone  verknüpfte.  Energisch 
setzte  da  Andreas  IL  den  Bestrebungen  des  D.  O.  ein  Ziel; 
122B  wurden  die  Brüder  des  D.  0.  aus  dem  Burzenlande  ver- 
trieben, weil  sie  „wie  die  Maus  in  der  Kornkammer,  wie  die 
Schlange  im  Schöße"2)  Gutes  mit  Schlechtem  vergolten  hatten. 
Alle  Versuche  päpstlicherseits,  die  Bitter  wieder  zu  restituieren, 
scheiterten  an  der  Energie  des  ungarischen  Königs. 

Der  D.  0.  mußte  also  suchen,  ein  neues  Feld  der  Thätig- 
keit  zu  gewinnen.  Wohl  mit  Recht  drängt  sich  da  die  Ver- 
mutung auf,  daß  die  Vertreibung  der  Brüder  aus  dem  Burzen- 
lande und  ihr  Erscheinen  in  Preußen  in  einem  nahen  Zu- 
sammenhange stehen. 

Man  hat  bis  dahin  den  Winter  1225—26  für  die  Zeit 
gehalten,  in  welcher  eine  polnische  Gesandtschaft  mit  dem 
Hochmeister  des  D.  0.  Verhandlungen  anknüpfte.  Man  stützte 
sich  hierbei  auf  die  im  März  1226  in  Bimini  ausgestellte  Gold- 
bulle Friedrichs  II.,  durch  welche  Hermann  von  Salza  die  Er- 
laubnis erhielt,  das  ihm  vom  Herzog  Konrad  angebotene 
Kulmerland  anzunehmen  unter  der  Bedingung  des  Kampfes 
gegen  die  Preußen,  sowie  alles  dort  zu  erobernde  Land  für  sich 
und  den  D.  0.  in  Besitz  zu  nehmen  und  mit  der  Machtvoll- 
kommenheit eines  Beichsfürsten  zu  besitzen. 

Perlbachs8)  Scharfsinn  ist  es  gelungen,  festzustellen,  daß 
in  dieser  Bulle  Spuren  einer  älteren  Ausfertigung  oder  auch 
nur  eines  älteren  Konzeptes  vom  Jahre  1224  vorhanden  sind. 
Für  ihn  ergeben  sich  daraus  nur  zwei  Möglichkeiten:  entweder 
ist  das  Anerbieten  Konrads  erbeblich  früher  anzusetzen,  etwa 
in  den  Herbst  1223  —  oder  der  Hochmeister  hat  ohne  polnische 
Anregung  Preußen  als  neue  Heimstätte  seines  Ordens  ins  Auge 
gefaßt.     Wenn  wir  uns  mit  Perlbach  für  die  erstere  Alternative 


1)  S.  U.  B.    25  u.  26. 

2)  S.  U.  B.    30,  32,  34. 

3)  P.  P.  St.    S.  45  ff. 


Von  Alfred  Lentz.  373 

entscheiden,  so  müssen  wir  Konrads  Anerbieten  noch  früher, 
nämlich  vor  die  Lonyzer  Schenkung  vom  August  1222  ansetzen ; 
denn  nur  vor  diesem  Termin  konnte  Konrad  frei  über  das 
Kulmerland  verfügen. 

Auch  wann  der  D.  O.  seinen  Einzug  in  Preußen  gehalten 
hat,  ist  nicht  sicher  festzustellen.  1228  sehen  wir  ihn  in  Unter- 
handlungen mit  Bischof  Christian  von  Preußen1).  Am  3.  Mai 
urkundet  der  Bischof  zu  Mogila  bei  Krakau,  daß  er  den  Kittern 
des  D.  O.  den  Zehnten  aus  denjenigen  Gütern  im  Kulmerlande 
übertragen  habe,  welche  Herzog  Konrad  unbeschadet  der  bischöf- 
lichen Rechte  (salvo  jure  nostro)  demselben  hier  übertragen 
konnte.  Diese  Urkunde  setzt  also  eine  Schenkung  Konrads  an 
den  D.  O.  voraus:  Konrad  hat,  so  hören  wir,  dem  D.  O.  bona 
in  territorio  Cholmense  übertragen.  Näheres  über  diese  bona 
erfahren  wir  aus  zwei  päpstlichen  Bullen  des  Jahres  1230.  Am 
12.  Januar  1230  fordert  Gregor  IX2)  die  Brüder  des  D.  O.  auf, 
mannhaft  zum  Kample  gegen  die  Preußen  vorzugehen.  Der 
Hochmeister  habe  dem  Papste  berichtet,  daß  Herzog  Konrad 
dein  D.  0.  das  castrum  Colme  et  quaedam  alia  castra  in  Pru- 
tenorum  confinio  übertragen  habe,  „adiciens,  quicquid  de  terra 
illorum  poteritis  obtinere". 

Und  am  12.  September  12303)  bestätigt  Gregor  IX  dem 
D.  0.  die  Schenkung  des  Herzogs  Konrad  über  die  Burg  Culm 
und  die  etwaigen  Eroberungen  in  Preußen.  Der  Inhalt  der 
Schenkung  wird  hier  ebenso  wie  in  der  vorerwähnten  Urkunde 
angegeben  mit  Ausnahme  der  castra  in  Prutenorum  confinio. 
Der  Papst  erwähnt  auch  hier  wieder  nur  das  castrum,  quod 
Colinen  dicitur  .  .  .  insuper,  quicquid  fratres  in  terra  paganorum 
poterint  obtinere.  Der  Zwischensatz  „dum  tarnen  talis  sit  pa- 
ganorum terra,  in  qua  nondum  cultus  Christiane  religionis  f uerit 
introductus"    erscheint  uns  nur  verständlich,    wenn  wir  ihn  als 


1)  P.  U.  B.  65. 

2)  P.  ü.  B.  72. 

3)  P.  U.  B.  80. 


374      Die  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens  z.  d.  Bischof  Christian  etc. 

einen  Satz  aus  dem  Privileg  Konrads  auffassen.  Konrads 
Schenkungen  sollten  nur  für  so  lange  gelten,  als  das  Land  der 
Preußen  noch  nicht  christianisiert  sei.  Dadurch  würde  die 
Richtigkeit  der  polnischen  Tradition,  welche  nur  von  einer  be- 
dingten Schenkung  Konrads    etwas  wissen  will,    erwiesen  sein. 

Wir  müssen  also  feststellen,  daß  bis  Mitte  1230  Herzog 
Konrad  dem  D.  O.  nur  die  Burg  Kulm,  einige  Güter  an  der 
Grenze  der  Preußen1)  und  außerdem  alles  das  überlassen  hatte, 
was  der  D.  0.  in  Preußen  erobern  würde. 

Dem  steht  nun  die  Thatsache  gegenüber,  daß  wir  aus  den 
Jahren  1228 — 1230  drei  Urkunden  -  wir  nennen  sie  A,  B 
und  C  —  besitzen,  in  welchen  Herzog  Konrad  dem  D.  0.  das 
ganze  Kulmerland  abtritt: 

1.  1228,  April  23,  Beze  (P.  U.  B.  64).  Herzog  Konrad  ver- 
leiht dem  D.  0.  das  Land  Kulm  und  das  Dorf  Orlow  in 
Cujavien  (A). 

2.  1230  ohne  Tag  und  Ortsangabe  (P.  U.  B.  75).  Herzog 
Konrad  übergiebt  dem  D.  0.  das  Land  Kulm  unter  dem  Ver- 
sprechen gegenseitiger  Hilfe  (B). 

3.  1230,  Juni,  bei  Kruschwitz.  Herzog  Konrad  tritt  dem 
D.  O.  das  Kulmerland  in  bestimmten  Grenzen  und  mit  allen 
landesherrlichen  Rechten  zu  freiem  Besitze  ab,  desgleichen  alle 
weiteren  Eroberungen  im  Lande  der  Heiden  (C). 

Daß  C,  die  umfangreichste,  mit  allen  möglichen  Kautelen 
ausgestattete  Urkunde  eine  Fälschung  des  D.  O.  sei,  wird  heute 
sowohl  von  deutscher  (Lohmeyer,  Woelky),  als  auch  von  pol- 
nischer Seite  (KQtrzynski)  allgemein  anerkannt.2)  Mit  großem 
Scharfsinn  hat  Perlbach  in  den  P.  P.  St.  S.  78  ff.  eine  Fülle 
schwerwiegender  äußerer  und  innerer  Gründe  für  ihre  Unecht- 
heit  vorgebracht. 


1)  Die  Schenkung  des  Dorfes  Orlow  von  1229  (P.  U.  B.  71)  wird  von 
Perlbach  (P.P.  St.  S.  87)  angezweifelt;  P.  U.  B.  76  die  Schenkung  von  Nessau 
muß  in  die  zweite  Hälfte  d.  J.  1230  gesetzt  werden. 

2)  P.  P.  St.  S.  78. 


Von  Alfred  Lentz.  375 

Obgleich  Perlbach1)  auch  für  A.  und  B.  eine  Reihe  von 
Verdachtsmomenten  angiebt,  läßt  er  ihre  Echtheit  und  somit  die 
Schenkung  des  ganzen  Kulmerlandes  an  den  D.  0.  unange- 
fochten. In  diesem  Punkte  erscheint  uns  Perlbach  nicht  kon- 
sequent. P.  P.  St.  S.  68  tibersetzt  er  das  in  P.  U.  B.  72  erwähnte 
castrum  Colmen  richtig  mit  Burg  Colme;  aber  er  sagt,  daß  den 
Ausführungen  des  Hochmeisters  A.  vorgelegen  habe,  und  hier  ist 
die  Bede  von  der  terra  Chelmen.  Sodann  zeigt  er  (S.  86),  daß 
der  Papst  am  12.  Sept.  1230  dem  D.O.  die  Burg  Culm  und  „quicquid 
fratres  in  terra  paganorum  poterint  obtinere",  bestätigt  habe.  Er 
meint,  daß  von  unsern  drei  Urkunden  am  12.  September  1230 
weder  A.  noch  C.  —  B.  erscheint  ihm  wegen  des  Fehlens  des 
herzoglichen  Siegels  nur  als  Präliminarvertrag,  der  nicht  voll- 
zogen wurde  —  dem  Papste  zur  Bestätigung  vorgelegen  hätten. 
Er  schließt  daraus,  es  müsse  noch  eine  andere  Schenkung  Kon- 
rads existiert  haben2),  die  nicht  mehr  erhalten  sei.  Auch  giebt 
P.  zu  bedenken,  ob  der  Herzog  im  Juni  1230  wirklich  das 
Kulmerland  ohne  jeden  Staats-  und  privatrechtlichen  Vorbehalt 
dem  Orden  abtreten  und  auch  Dritten  gegenüber  in  Schutz 
nehmen  konnte;  hören  wir  doch  noch  nach  fünf  Jahren  von 
Ansprüchen  Dritter  auf  einzelne  Güter  im  Kulmerlande,  die  der 
Herzog  jetzt  erst  innerhalb  eines  Monates  ablösen  wollte. 

Und  trotz  dieser  zutreffenden  Erwägungen,  die  wir  Wort 
für  Wort  unterschreiben,  hält  Perlbach  an  der  Schenkung  des 
Kulmerlandes  fest,  wie  seine  Worte  auf  Seite  96  beweisen: 
„Während  der  Vertrag  über  das  Kulmerland  und  Nessau 
zwischen  Konrad  und  dem  D.  O.  im  Jahre  1230  zu   einem  end- 


1)  Vgl.  P.  P.  St.  S.  56  ff.  und  S.  73  ff. 

2)  Für  die  Existenz  einer  solchen  Urkunde  spricht  ihm  die  Erwähnung 
der  preußischen  Erwerbungen  in  der  päpstlichen  Bestätigungsbulle,  von  der 
A.  nichts  enthält.  C.  kann  dem  Papste  nicht  vorgelegen  haben;  wäre  diese 
vom  Herzog  Konrad  wirklich  vollzogen  worden,  so  hätte  der  D.  O.  keinen 
Grund  gehabt,  dieselbe  ängstlich  zu  bewahren,  so  lange  Konrad  am  Leben 
war.  Erst  zehn  Jahre  nach  Konrads  Tod  ließ  der  Orden  C.  vom  Papste 
Alexander  IV.  transsxunieren.    (P.  P.  St.  S   56). 


376       Die  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens  z.  d.  Bischof  Christian  etc. 

gültigen  Abkommen  geführt  hatte,  scheinen  die  von  Christian 
gegebenen  Zusagen  den  Hochmeister  noch  nicht  befriedigt 
zu  haben." 

Unmöglich  können  aber  castrum  Colme  und  Kulmerland 
dasselbe  sein.  Wenn  Perlbach  C.  als  Fälschung,  B.  als  nicht 
vollzogene  Präliminarurkunde  bezeichnet,  so  bleibt  uns  nur  übrig, 
auch  A.  für  eine  Fälschung  zu  erklären  und  somit  zu  ßethwischs 
Resultaten  zurückzukehren1).  Freilich  wird  das  letzte  Wort 
in  dieser  Angelegenheit  erst  dann  gesprochen  werden  können, 
wenn  A.  und  B.  endlich  einmal  nach  den  im  Warschauer  Haupt- 
archiv befindlichen  Originalen  gedruckt  sein  werden2). 

Daß  dem  D.  O.  Konrads  Schenkungen  nicht  genügt  haben, 
beweisen  seine  Verhandlungen  mit  dem  Bischof  Christian  von 
Preußen.  Hatte  der  D.  O.  sich  das  Kulmerland  als  Operations- 
basis für  den  Kampf  gegen  die  Preußen  ausersehen,  so  mußte 
als  Schenkender  vor  allen  Christian  in  Betracht  kommen. 

Für  die  Darstellung  der  nun  folgenden  Beziehungen  zwischen 
Christian  und  dem  D.  0.  lassen  wir  eine  Zusammenstellung  von 
solchen  Stellen  folgen,  in  denen  von  einer  Auseinandersetzung 
zwischen  dem  Bischof  und  dem  D.  O.  die  Rede  ist.  Nachdem 
wir  uns  hieraus  ein  Bild  über  das  Verhältnis  beider  Parteien  ver- 
schafft haben,  wollen  wir  sehen,  wie  wir  uns  zu  den  auf  uns 
gekommenen  Urkunden  zu  verhalten  haben,  in  denen  Bischof 
und  Orden  sich  vergleichen. 


1)  Rethwisch  a.  a.  0.  Exkurs  VI  und  VII. 

2)  Vom  6.  Januar  1233  haben  wir  eine  Urkunde  (P.  ü.  B.  94),  in  der 
Kasimir,  Herzog  von  Cujavien  und  Leszyo  dem  D.O.  die  Schenkung  des 
Kulmerlandes  bestätigt.  Perlbach  (P.P.  St.  S.  101  ff.)  hat  überzeugend  dar- 
getban,  daß  diese  Konsenserklärung  erst  für  das  Jahr  1247  anzusetzen  sei, 
da  Titel  und  Siegel  nicht  zu  1233  passen.  Erst  nach  dem  Tode  Boleslavs, 
(1247)  des  ältesten  Sohnes  Konrads,  konnte  die  Zustimmung  Kasimirs  fin- 
den D.  0.  von  Bedeutung  sein. 


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Von  Alfred  Lentz.  3?9 

Ans  den  angeführten  Stellen  erfahren  wir,  daß  zwischen 
dem  D.  0.  und  Christian  hinsichtlich  des  Kulmerlandes  und 
der  Teilung  eroberten  und  zu  erobernden  Gebietes  durch  Ver- 
mittelung  des  päpstlichen  Gesandten  Wilhelm  von  Modena  Ver- 
einbarungen getroffen  sind. 

Unserer  Meinung  nach  bildet  gerade  die  zeitlich  richtige 
Absetzung  dieser  vom  päpstlichen  Gesandten  getroffenen  Aus- 
einandersetzungen den  Brennpunkt  in  der  Frage  nach  den 
Beziehungen  zwischen  Christian  und  dem  Orden. 

Da  Wilhelm  von  Modena  12291)  —  bezw.  in  der  zweiten 
Hälfte  des  Jahres  1228  —  als  päpstlicher  Gesandter  in  Preußen 
weilte,  so  müssen  wir  notwendig  in  diese  Zeit  Wilhelms 
vermittelnde  Thätigkeit  verlegen.2) 

Der  Grund  zu  Wilhelms  Eingreifen  in  die  politischen  Ver- 
hältnisse Preußens  waren  Streitigkeiten,  die  zwischen  Christian 
und  dem  D.  0.  wegen  Teilung  von  Ländern  und  Einkünften  aus- 
gebrochen waren  (vgl.  VIEL). 

Was  zunächst  die  Ordnung  der  Verhältnisse  im  Kulmer- 
lande  betraf,  so  wurde  durch  den  Legaten  festgesetzt,  daß  der 
D.  0.  dem  Bischöfe  600  Hufen  im  Kulmerlande  überlassen  sollte 
(vgl.  IV  und  V). 

Bruder  Heinrich  Sturluz  erhielt  den  Auftrag,  diese  600  Hufen 
zu  vermessen;  dieselben  kamen  zu  liegen  in  Loza,8)  in  Wambrez,4) 


1)  Vgl.  den  Exkurs  II. 

2)  Daß  zwischen  Orden  und  Bischof  durch  Wilhelm  von  Modena  ein 
Abkommen  geschlossen  wurde,  wird  seit  Watterich  allgemein  angenommen. 
Aber  hinsichtlich  der  Bestimmung  von  Zeit  und  Inhalt  eines  solchen  Ab- 
kommens irren  wie  Watterich  unseres  Erachtens  auch  Toeppen  (Historisch- 
comparative  Geographie  von  Preussen  S.  113),  Ewald  (a.  a.  0.)  und  Perl- 
bach (A.  M.  IX,  S.  636  u.  P.  P.  St.  a.  versch.  0.),  indem  sie  Wilhelms 
ordnende  Thätigkeit  kurz  vor  die  durch  Wilhelm  1243  bewerkstelligte 
Teilung  Preußens  ansetzen  und  zwar  zwischen  1239  und  1242.  Rethwisch 
(a.  a.  0.)  kommt  hinsichtlich  der  Regelung  der  Kulmischen  Frage  der 
Wahrheit  am  nächsten  (1230,  spätestens  Juni).  Inwieweit  wir  ihn  ergänzen 
und   berichtigen,   mag   eine  Vergleichung  mit  S.  44  seiner  Schrift  ergeben. 

3)  Wo  die  Kathedrale  Kulmsee  errichtet  wurde. 

4)  D.  i.  Briesen. 


380       Die  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens  t.  d.  Bischof  Christian  etc. 

in  Boberow1)  und  an  der  Drewenz  (vgl.  VI).  Außerdem  sollte 
der  Bischof  von  jedem  deutschen  Pfluge  einen  Scheffel  Weizen 
und  einen  Scheffel  Roggen,  von  jedem  Haken  einen  Scheffel 
Weizen  erhalten.  Mit  dieser  Bestimmung  erklärten  sich  die 
Leute,  welche  im  Kulmerlande  blieben,  einverstanden  (vgl.  IV 
und  VII). 

Unter  der  Bedingung  also,  daß  ihm  im  Kulmerlande 
600  Hufen  ausgemessen  und  der  Bischofsscheffel  gezahlt  würde, 
hatte  Christian  das  Kulmerland  dem  D.  0.  überlassen.  Den 
Grund  der  Schenkung  erfahren  wir  aus  I.  Zur  Erweiterung 
des  preußischen  Bistums,  zur  Bekämpfung  der  Heiden  und  zum 
Schutze  der  Predigt  des  Evangelii  hatten  die  Brüder  das  Kulmer- 
land vom  Bischof  empfangen.  Außerdem  hören  wir  hier, 
daß  die  Brüder  dem  Bischof  das  „servitium"  zugeschworen 
haben.  Du  Cange:  „Glossarium  mediae  et  infimae  latinitatis",  edt. 
Favre  1886  Tom.  VII  S.  449,  sagt  zum  Worte  Servitium: 
„regulariter  accipitur  pro  quolibet  obsequio,  quod  a  vasallis 
et  tenentibus  debetur  ratione  feodi  vel  tenurae"  und  ferner: 
„observandum  omnino  est  voce  servitium,  ubi  nude  occurrit  in 
chartis  clientelarum,  ut  plurimum  significari  servitium  mili- 
tare,  quo  vasallus  dominum  suum  in  exercitum  per- 
gentem  sequi  tenebatur."  Unter  diesen  Umständen  können 
wir  nicht  mehr  daran  zweifeln,  daß  der  D.  O.  für  den  Empfang 
des  Kulmerlandes  zum  Bischof  Christian  in  das  Verhältnis 
der  Vasallität  trat.2) 

Wie  wurde  nun  die  preußische  Frage  durch  den  päpst- 
lichen Gesandten  geregelt? 


1)  Bobrowo,  Dorf  Va  Ml.  von  Straßburg  (vgl.  P.  U.  B.  S.  133. 
Aura.  2,  3,  4). 

2)  Waitz  (a.  a.  O.)  las  für  servitium  nach  den  alten  Drucken  von 
P.  U.  B.  134  „sermonem".  „Sermo",  sagt  er,  „heißt  Schatz,  und  zwar  zu- 
nächst der,  welchen  der  Höhere  dem  unter  ihm  Stehenden  gewährt,  kann 
also  jedenfalls  nicht  auf  die  Dienstpflicht  eines  Vasallen  bezogen  werden". 
So  kommt  er  zu  dem  falschen  Resultat,  daß  die  Ordensbrüder  Christian 
gegenüber  als  die  Lehnsherrn  in  Kulm  erscheinen. 


Von  Alfred  Lentz.  381 

Wilhelm  von  Modena1)  entsohied  dahin:  Da  die  Brüder 
des  D.  0.  des  Tages  Last  und  Hitze  tragen,  so  sollen  sie  in 
allen  eroberten  und  zu  erobernden  Gebieten  zwei  Drittel  mit 
allem  zeitlichen  Einkommen,  der  Bischof  dagegen  nur  ein  Drittel 
erhalten.  In  den  beiden  Dritteln  des  Ordens  soll  jedoch  der 
Bischof  das  geistliche  Becht  ausüben,  das  überhaupt  nur  durch 
einen  Bischof  ausgeübt  werden  kann.  Wie  es  mit  dem  Zehnten 
in  den  zwei  Dritteln  sein  sollte,  wurde  nicht  sogleich  entschieden. 
Erst  später  (1251)  gab  Wilhelm  von  Modena  die  Erklärung,  ab, 
daß  die  Bitter  in  ihren  Teilen  auch  den  Zehnten  genießen 
sollten.  Auf  diesem  Vertrage  beruhte  die  vorgenommene  Drei- 
teilung in  der  Loebau,  und  auf  dem  hier  aufgestellten  Prinzipe 
die  in  III  erwähnte  Teilung  des  Samlandes. 

Wir  gelangen  also  zu  dem  Schlüsse,  daß  das  Prinzip  der 
Dreiteilung  zwischen  Orden  und  Bischof  sogleich  bei  den  ersten 
Anfangen  der  ordensritterlichen  Thätigkeit  in  Preußen  aufge- 
stellt wurde. 

Da  die  unter  Wilhelm  von  Modenas  Vermittelung  abge- 
schlossenen Anordnungen  auch  nach  dem  Jahre  1230  von  Seiten 
der  leitenden  Persönlichkeiten  des  D.  O.  ausdrücklich  als  rechts- 
gültig anerkannt  werden,  so  müssen  wir  alle  Urkunden,  nach 
denen  sich  das  Verhältnis  zwischen  Christian  und  dem  D.  0. 
anders,  als  oben  gezeigt  ist,  gestaltet,  als  Fälschungen  ansehen. 


1)  Uns  bestimmen  folgende  Punkte  dazu,  die  Regelung  der  preußischen 
Angelegenheit  in  die  Zeit  des  Anfanges  der  ordensritterlichen  Thätigkeit 
anzusetzen:  1.  Das  in  II  bisher  übersehene  Wort  olim.  Es  wäre  doch 
zu  auffallend,  wenn  ein  Vertrag,  der  nach  den  früheren  Annahmen  JL242, 
frühestens  aber  1239  abgeschlossen  sein  soll,  am  20.  September  1242  bereits 
als  eine  ordinatio  olim  celebrata  erwähnt  würde.  —  2.  In  Stelle  VIII, 
1251,  spricht  Wilhelm  von  Modena  davon,  daß  es  seit  lang  hergebrachten 
Zeiten  so  beobachtet  sei  in  Livland  und  Preußen,  daß  die  Brüder  ihre  beiden 
Teile  mit  dem  Zehnten  besäßen:  „Et  ita  observatum  est  a  longis  retro 
temporibus  ..."  —  3.  Der  Zweck  der  von  uns  auf  Seite  387  als 
Fälschung  bezeichneten  Urkunde  Christians  vom  Jahre  1231  kann  lediglich 
richtig  verstanden  werden,  wenn  wir  in  Betracht  ziehen,  daß  dieselbe  auf 
eine   vor    1231   vollzogene   Regelung   der   preußischen  Angelegenheit  Bezug 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX.  Hft.  5  n.  6.  25 


382       Die  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens  z.  d.  Bischof  Christian  etc. 

In  einer  der  uns  erhaltenen  Urkunden  jedoch,  nämlich  in 
der  Leslauer  (Januar  1230)1)  finden  wir  hinsichtlich  der  Be- 
stimmungen über  die  Dotation  des  Bischofs  im  Kulmerlande  und 
der  für  den  Orden  höchst  unangenehmen  Verpflichtungen,  die 
ihn  in  drückende  Abhängigkeit  vom  Bischof  brachten,  eine 
glänzende  Bestätigung  des  oben  rekonstruierten  Ueber- 
einkommens. 

Woelky,  der  letzte  Herausgeber  dieser  Urkunde,  bemerkt 
im  „Kulmer  Urkundenbuche  I"  (Danzig  1884)  zu  No.  3,  seinem 
Hegest  des  Leslauer  „Vertrages":  „Da  das  Original  nicht  mehr 
vorhanden  ist,  läßt  es  sich  nicht  in  betreff  seiner  Echtheit  prüfen; 
der  Inhalt  aber,  verglichen  mit  No.  2,2)  spricht  für  eine 
Fälschung,  die  etwa  gefertigt  sein  mag,  als  Bischof  Christian 
seine  Rechte  gegen  den  D.  O.  wieder  geltend  machen  wollte".  Dem- 
gegenüber erklärt  Perlbach  (P.  P.  St.  S.  72,  Anm.  5)  „als  Fälschung 
möchte  ich  das  Dokument  nicht  bezeichnen.  Die  Aebte  haben 
sicherlich  eine  diplomatisch  echte,  mit  echten  Siegeln  versehene 
Urkunde  ausgestellt,  nicht  etwa  der  Bischof  eine  solche  an- 
fertigen lassen  —  aber  was  in  der  Urkunde  stand,  das  hat 
ihnen  ihr  Ordensbruder    an    die  Hand  gegeben". 

P. .  kommt  zu  dem  Resultat,  daß  das  Todesjahr  Gregors  1241 
das  Entstehungsjahr  unseres  Zeugnisses  bezeichne.  Er  stellt 
die  Vermutung  auf,  daß  diese  Urkunde  im  Zusammenhange 
stehe  mit  der  großen  Klageschrift  des  Bischofs8) :  (vgl.  I)  „damals 
ließ  er  sich  von  den  Vermittlern  seines  Abkommens  mit  dem 
D.  0.  die  Versprechungen  der  Ritter  bezeugen." 


nimmt  (P.  U.  B.  83).  —  4.  Die  Leslauer  Urkunde  vom  Januar  1230  spricht 
auch  von  Urkunden,  die  die  preußische  Angelegenheit  berühren :  „instrumenta, 
negotium  Prussie  tangentia  .  .  .  ."     (P.  U.  B.  74.) 

1)  P.  U.  B.  74. 

2)  P.  U.  B.  73,  d.  i.  die  Urkunde  von  1-230  o.  T.  u.  O.  (B.) 

3)  P.  U.  B.  134. 


Von  Alfred  Lentz.  ä8ä 

Mit  vollem  Bechte  hebt  Perlbach  (P.  P.  St.,  S.  71)1)  hervor, 
daß  wir  hier  keinen  Vertrag  vor  uns  haben,  sondern  ein  Zeugnis 
der  beiden  Aebte  Heinrich  von  Lekno  und  Johannes  von  L$d 
über  die  Versprechungen  des  D.  0.  an  den  Bischof,  als  dieser 
ihm  seinen  Anteil  am  Kulmerlande  abtrat.  Dieses  Zeugnis  sei 
aber  kein  gleichzeitiges,  das  ergäben  die  Ausdrücke  terris  tunc 
arabilibus,  proventibus,  qui  tunc  fuerunt.  Aber  die  Ausstellung 
der  Urkunde  erst  ins  Jahr  1241  zu  setzen,  dafür  können  wir 
keine  Notwendigkeit  erblicken.  Wir  sind  der  Ueberzeugung, 
daß  dieses  im  Januar  1230  ausgestellte  Protokoll  über  die  Ver- 
sprechungen des  D.  0.  an  den  Bischof  Bezug  nimmt  auf  das 
1228  bezw.  1229  durch  Wilhelm  von  Modena  zwischen  dem 
Bischof  und  dem  D.  O.  abgeschlossene  Uebereinkommen. 

Unsrer  Meinung  nach  ist  die  Ausstellung  der  Leslauer 
Urkunde  in  Zusammenhang  zu  bringen  mit  Wilhelms  Abreise 
aus  Preußen.2)  Im  Januar  1230  ist  Wilhelm  bereits  auf  der 
Rückreise  begriffen.  Sogleich  werden  die  Ritter  ihre  Verpflich- 
tungen, die  sie  für  den  Empfang  des  Kulmerlandes  einge- 
gangen waren,  mißachtet  haben.  Der  Bischof  wird  sich  des- 
halb an  die  Männer  gewandt  haben,  die  bei  den  Auseinander- 
setzungen zugegen  gewesen  waren.  Im  Januar  1230  brachten 
die  beiden  Cistercienseräbte  die  ordensritterlichen  Verpflichtungen 
zu  Protokoll.  Sie  urkundeten  also:  Ich,  Bruder  Heinrich,  Abt 
von  Lekno  und  ich,  Bruder  Johannes,  Abt  von  Lq.d,  thuen  allen 
jetzt  und  später  lebenden  Gläubigen  kund  zu  wissen:  Als  der 
ehrwürdige  Vater  Christian,  durch  Gottes  Gnade  Bischof  von 
Preußen,  sich  alle  Mühe  gegeben,  daß  die  Heiden,  welche  allzu 
sehr  an  Macht  zugenommen,  in  Preußen  ausgerottet  würden,  hat 
er,  bewogen  durch  den  Eifer  für  den  Glauben  und  für  die  heilige 
Kirche,  das  Gebiet,    welches    er  im  Kulmer  Territorium  sowohl 


1)  Vergl.  die  Zusammenstellung  der  verschiedenen  Ansichten  über 
diese  Urkunde,  Perlbach,  A.  M.  IX.  S.  632  ff.  Hier  erklärt  P.,  „es  bleibt 
nur  übrig,  sie  für  gefälscht  resp.  interpoliert  zu  halten  .  .  oder  mit  Didolff 
in  ihr  einen  vorläufigen  Entwurf  zu  erblicken". 

2)  Vgl.  Exkurs  II. 

25* 


384      Die  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens  z.  d.  Bischof  Christian  etc. 

auf  dem  "Wege  des  Kaufes  als  auch  durch  die  Schenkung 
Konrads,  des  Herzogs  von  Cujavien,  Lescyz  und  Masovien,  sowie 
auch  nach  der  Zustimmung  des  ehrwürdigen  Vaters,  des  Bischofs 
von  Plock  und  seines  Kapitels  mit  vollem  Recht,  sowohl  in 
geistlicher  wie  weltlicher  Beziehung,  rechtskräftig  erworben  hatte, 
den  frommen  Männern,  den  Brüdern  des  D.  O.  unter  unserer1) 
eifrigster  Mitwirkung  übertragen,  so  jedoch,  daß  diese  ihm  und 
seinen  Nachfolgern  von  dem  besagten  Gebiete  in  jedem  Jahre 
ein  Maaß  Weizen  und  ein  Maaß  Roggen  von  jedem  deutschen 
Pfluge  und  von  jedem  slavischen  Pfluge  ein  Maaß  Weizen,  nach 
Breslauer  Maaß,  im  ganzen  Kulmerlande  für  ewig  zu  zahlen  ge- 
halten sein  sollen.  Und  diese  Leistung  versprachen  die  Brüder 
sowohl  von  den  damals  beackerten  Gebieten,  als  auch  von  all 
den  Gebieten,  die  in  dem  Kulmerlande  von  neuem  in  Kultur 
gebracht  werden  sollten.  Außerdem  versprachen  sie  von  dem 
besagten  Gebiete  200 2)  deutsche  Pflüge  mit  allem  dahin  Zu- 
gehörigem Christians  Leuten  anzuweisen  oder  ihm  zum  Anweisen 
zu  überlassen.  Dazu  versprachen  sie  ihm  und  seinen  Nachfolgern 
fünf  Höfe,  jeden  von  fünf  deutschen  Pflügen,  im  Kulmerlande 
zu  überlassen,  wo  es  ihm  belieben  würde  und  zwar  so,  daß  er 
in  diesen  und  den  200  deutschen  Pflügen  mit  all  ihrem  Zubehör, 
Wiesen,  Weiden,  Flüssen,  Seen,  Fischereien,  Mühlen,  Wäldern, 
Jagden,    Salz-,    Gold-   und    Silberbergwerken,    kurz,    mit   allem 


1)  nobis  median  tibua  et  pro  posse  nostro  cooperantihus. 

2)  Der  Bischof  erhält  im  Ganzen  225  aratra  Theutonicalia.  Daß 
diese  Flächenbestimmung  gleich  kommt  den  oben  angeführten 
COOmansi  (1  aratrum  theutonicale  =  22/8  mansi),  hat  überzeugend 
nachgewiesen  der  ostpreußische  Rittergutsbesitzer  Lothar 
Weber  in  seinem  Werke:  „Preußen  vor  500  Jahren",  Danzig  1878, 
S.  154. 

Watterich  liest  ganz  willkürlich  mit  Bezug  auf  unsre  Stelle  IV 
600  für  200  Pflüge  und  richtet  so  eine  heillose  Verwirrung  an.  Rethwisch 
übersieht,  daß  hier  nicht  von  mansi,  sondern  von  deutschen  Pflügen  die 
Rede  ist.  Er  meint,  der  Bischof  hätte  hier  nur  200  Hufen  (!)  erhalten.  Dies 
ist  ihm  ein  Hauptgrund,  die  Vereinbarung  des  Legaten  später  anzusetzen, 
als  die  Leslauer  Urkunde,    (a.  a.  0.  S.  44,  45.) 


Von  Alfred  Lentz.  385 

Nutzen  und  allen  Einkünften,  die  damals  vorhanden  waren  und 
später  noch  kommen  konnten,  gleich  wie  ein  Herr  in  seiner 
Herrschaft  im  Besitze  der  geistlichen  und  weltlichen  Gerichts- 
barkeit, ganz  nach  seinem  Willen,  ohne  Bücksicht  auf  die  Brü- 
der, schalten  und  walten  könnte. 

Sie  versprachen  ferner,  alles  das,  was  im  besagtem  Terri- 
torium der  Bischof  als  Lehen  ausgegeben  hatte,  ruhig  im  Besitze 
seiner  Vasallen  zu  lassen,  so  daß  diese  dem  Bischöfe  und  seinen 
Nachfolgern  wie  Vasallen  ihrem  Herrn  verpflichtet  sein  müßten, 
auch  versprachen  sie,  daß  sie  nichts  im  besagten  Gebiete  etwa 
unter  dem  Namen  „Lehen"  ausgeben  sollten  ohne  Zustimmung  des 
besagten  Bischofs,  auch  daß  sie  alle  Bewohner  dieses  Landes1), 
sowohl  die  belehnten  als  auch  die  übrigen  Preußen,  auf  eigne 
Kosten  bekämpfen  und  seinem  Bistum  unterordnen  müßten  und 
daß  auf  den  Kriegszügen  das  Banner  des  Bischofs  sowohl  bei 
Hin-  als  Rückmarsch  vor  dem  Banner  der  Brüder  einhergehn  sollte. 

Eben  so  versprachen  sie,  die  Mannen  des  Bistums,  sowohl 
die  Lehnsleute  als  auch  die  übrigen  mit  all  ihnen  Zugehörigem, 
alles,  was  der  Bischof  besitzt  und  besitzen  wird,  und  die  ganze 
Gerichtsbarkeit  des  Bischofs  und  seiner  Nachfolger  gegen  jeder- 
mann in  Treue,  mit  Rat  und  That,  ohne  Hinterlist,  gleichsam 
wie  ihre  eigenen  Güter  zu  hegen  und  nach  ihrem  Können  zu 
verteidigen,  und  wohin  auch  immer  der  Bischof  zu  ihren  Gütern 


1)  Es  muß  durchaus  in  dieser  Weise  übersetzt  werden.  Im  Texte 
steht  „et  omnes  eandem  terram  inhabitantes,  tarn  feodales  quam  alios  Pru- 
tenos,   expugnare   in  propriis  expensis  episcopatui  ipsius  subicere  deberent". 

Man  hat  bisher  einfach  alios  in  alii  verbessert  (vgl.  P.  U.  B.  74  unter  g: 
„alii  richtig").  Dann  würde  die  Stelle  zu  übersetzen  sein  „und  alle  Bewohner 
des  Kulmerlandes,  die  Lehnsleute  sowohl  als  die  übrigen,  müßten  auf  eigene 
Kosten  die  Preußen  bekämpfen  und  dem  Bistum  desselben  unterwerfen".  Nun 
enthält  aber  unsre  Urkunde  gerade  ein  Protokoll  über  die  Versprechungen  der 
Ordensbrüder,  und  deshalb  kann  kein  Zweifel  darüber  sein,  daß  in  deberent 
das  Subject  fratres  steckt.  Unsre  Urkunde  behandelt  nur  „das  negotium 
Colmense",  wenn  wir  uns  so  ausdrücken  dürfen.  Für  das  „negotium  Prusie" 
wird  auf  besondere  Urkunden  verwiesen, 


386       Die  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens  z.  d.  Bischof  Christian  etc. 

käme,  ihn  mit  der  schuldigen  Ehrenbezeugung  als  ihren 
Bischof  und  Herrn  zu  empfangen  und  ihm  das  Notwendige 
zu  leisten.  Ebenso  versprachen  sie,  alle  Urkunden  und  Voll- 
machten, welche  der  Bischof  über  die  Kreuzfahrer  von  den 
seligen  Päpsten  Innocenz  und  Honorius  erhalten  hat,  außerdem 
alle  Urkunden  über  die  preußische  Angelegenheit1)  mit  eigenen 
Kosten  und  eigener  Mühe  durch  eine  Bulle  des  heiligen  Vaters 
und  Herrn  Gregors  IX.,  des  höchsten  Pontifex  des  römischen 
Stuhles,  erneuern  zu  lassen.  Das  war  noch  ausdrücklich  unter 
ihnen  ausgemacht,  daß,  wenn  die  Brüder  dem  erwähnten  Bischöfe 
die  Zahlungen  und  versprochenen  Festsetzungen  zur  rechten 
Zeit  nicht  leisten  sollten,  daß  dann  der  Bischof  von  neuem  die 
oft  erwähnten  Besitzungen  an  sich  nehmen  dürfe.  Dies  ist 
verhandelt  zu  Leslau  im  Jahre  des  Herrn  1230  im  Monat  Jannar 
unter  Gegenwart  der  unterzeichneten  Zeugen2):  Prior  Johannes, 
Herrmann,  Mönch  von  Lekno;  die  Brüder  von  Thimau:  Gerhard 
und  Konrad;  die  Streiter  Christi  in  Preußen:  Andreas,  Werner, 
Johannes,  Albrand,  Konrad.     Glück  auf.    Amen. 

Als  Fälschungen  des  Ordens  müssen  wir  hingegen  er- 
klären: 

1)  P.  U.  B.  73  (1230  0.  T.  u.  0.)  Christian  tritt  dem  D.  0. 
alles  von  Herzog  Konrad  und  der  Kirche  von  Plozk  ihm  gegebene 
oder  von  ihm  angekaufte  Land  im  Kulmerlande  ab,  sich  nur 
den  „Bischofsscheffel",  200  Pflüge  und  5  Höfe  vorbehaltend. 

Diese  Urkunde  erscheint  uns  als  ein  Auszug  aus  der 
Leslauer  Urkunde,  in  dem  die  demütigenden  Verpflichtungen 
des  Ordens  ausgelassen  wurden. 


1)  Omnia  instrumenta,  negotium  Prusie  tangentia.  Unserer  Meinung 
nach  können  diese  Worte  sich  nur  auf  die  oben  angeführte  Regulierung 
der  preußischen  Verhältnisse  durch  Wilhelm  von  Modena  beziehen. 

2)  Perlbach  (P.  P.  St.  S.  73)  muß  doch  zugeben,  daß  die  Worte:  ,.AcU 
sunt  hec  in  Wladisslavia  a.  d.  1230  mense  Januario"  auf  die  Verhandlung 
selbst  zu  beziehen  seien,  da  die  Dobriner  Andreas  etc.  nur  auf  das  Jahr  1230 
passen.  „Die  Zeugen,11  sagt  er,  „sind  also  Handlungzeugen,  deren  Namen 
1230  schriftlich  fixiert  wurden.4' 


Von  Alfred  Lentz.  387 

Im  P.  U.  B.  ist  diese  Urkunde  nach  StronczyAski  gedruckt. 
Von  Siegeln  fehlt  jede  Spur;  die  untere  Ecke  ist  links  ab- 
gerissen. Die  Schrift  in  dieser  Urkunde  stimmt  nicht  mit  der 
bischöflichen  Urkunde  von  Clara  Tumba  (P.  U.  B.  65),  sondern 
auffälliger  Weise  mit  der  Schenkung  von  Nessau  (Konrad  an 
den  D.  0.)  von  demselben  Jahre  überein.  Datum-  und  Orts- 
angabe fehlen  bei  unserer  Urkunde.  Der  Ort  ist  nicht  zu  er- 
mitteln, da  wir  nicht  wissen,  welcher  Stadt  die  drei  erwähnten 
Bürger  (cives)  Albert  der  Schulze,  Menricus  und  Hildebrand 
angehören.1) 

Als  Fälschungen  müssen  wir  auch  P.  U.  B.  82  und  83  vom 
Jahre  1231  bezeichnen.  In  der  ersteren  tritt  Christian  dem 
D.  0.  bedingungslos  —  nur  die  geistliche  Jurisdiktion  ausge- 
nommen —  alle  ihm  vom  Plocker  Bistum  eingeräumten  Rechte 
und  Einkünfte,  ferner  alles,  was  Herzog  Konrad  ihm  geschenkt 
hat,  auch  das  von  den  Erben  Christians  gekaufte  Gut  Bezin  ab. 
Zusammen  mit  Nro.  82  ist  Nro.  83  zu  betrachten:  Christian 
tritt  dem  D.  0.  in  den  Ländern  Preußens,  welche  ihm  nach 
huldvoller  Rechtsentscheidung  des  päpstlichen  Stuhles  gehören 
oder  gehören  werden,  zum  vollen  Eigentume  mit  Vorbehalt  der 
geistlichen  Jurisdiktion  sein  Drittel  ab. 

Nro.  83  ist  uns  nur  in  einer  Abschrift  im  Staats-Archiv 
zu  Königsberg  erhalten.  „Völlig  ohne  Beglaubigung"  sagt  der 
Herausgeber  des  P.  U.  B. 

Beide  Urkunden  sind  nach  einer  Formel,2)  wahrscheinlich 
an  einem  Orte  und  demselben  Tage  ausgefertigt.  Perlbach  hebt 
kundig  hervor,  daß  in  der  Zeugenreihe8)  die  beiden  Kloster- 
geistlichen Abt  Albert  von  Velegrad  (in  82  und  83)  und  Unter- 
prior Dietmar  von  Heiligenkreuz  (82)  nach  Maehren  und  Nieder- 
östreich  verweisen.  In  dem  in  83  auftretenden  Werner  von  Prag 
vermutet    er    eineu  Begleiter    des  mährischen  Abtes.     Die  nicht 


1)  Vgl.  P.  P.  St.  S.  69  ff.  und  Tafel  III  daselbst. 

2)  Vgl.  P.  P.  St.  S.  96  ff. 

3)  Von  12  Zeugen  in  82  und  83  sind  7  beiden  Urkunden  gemeinsam. 


388       Die  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens  z.  d.  Bischof  Christian  etc. 

zu  häufigen  Namen  Gerold  und  Gebolf  hat  Perlbach  für  Oester- 
reich  aus  den  für  diese  Landschaft  zahlreich  erhaltenen  Toter- 
büchern  ermittelt.  Nach  Oesterreich  deutet  auch  der  Ausstellungs- 
ort apud  ßubenichit  hin  (S.  98).  Rubenicha  heißt  ein  B*ch, 
welcher  wenige  Kilometer  unterhalb  Steyer  auf  dem  rechten 
Ufer  in  die  Enns  fließt;  eine  ecclesia  de  Rubinich  wird  1200 
erwähnt.  P.  weist  darauf  hin,  daß  die  Datierung  nach  den 
Jahren  des  Papstes  mit  gleichzeitiger  Erwähnung  des  kaiser- 
lichen Namens  an  den  gleichen  in  Oberösterreich  und  in  Salz- 
burg herrschenden  Gebrauch  erinnert. 

Wie  paßt  nun  der  Bischof  Christian  zu  der  Ausstellung 
dieser  nach  Oberösterreich  hinweisenden  Urkunden? 

Was  Perlbach  S.  99  und  100  anfuhrt,  um  diesen  auf- 
fallenden Umstand  zu  erklären,  erscheint  trotz  der  geistreichen 
Vermutungen  nicht  stichhaltig.  Nach  unserer  Ansicht  wurde 
qei  Anfertigung  dieser  beiden  Fälschungen  eine  Urkunde  aus 
dem  Oesterrei einsehen  zu  Grunde  gelegt.  Der  Zweck  der 
Fälschungen  konnte  nur  der  sein:  der  D.  0.  wollte  Urkunden 
besitzen,  nach  denen  der  Bischof  auf  all  seinen  weltlichen  Be- 
sitz unter  dem  alleinigen  Vorbehalt  der  geistlichen  Jurisdiktion 
zu  Gunsten  des  Ordens  verzichtet  hatte;  denn  unserer  Meinung 
nach  setzt  P.  U.  B.  83  die  bedingungslose  Abtretung  des  dem 
Bischöfe  nach  dem  von  uns  oben  rekonstruierten  Ueberein- 
kommen1)  gehörenden  Drittels  alles  eroberten  und  zu  erobern- 
den Landes  in  Preußen  an  den  Orden  fest. 

Wir  müssen  daher  die  bisher  vertretene  Ansicht,  als  hätte 
der  Orden  vom  Bischöfe  nur  ein  Drittel  Preußens  oder  seiner 
Besitzungen  in  Preußen  (P.  P.  St.  S.  100  Note .  4)  empfangen, 
wohingegen  der  Bischof  sich  die  übrigen  zwei  Drittel  zurück- 
behalten hätte,  verwerfen2). 


1)  Vgl.  S.  381. 

2)  Vgl.  Perlbach  a.  a.  O,  S.  96. 


Von  Alfred  Lentz.  389 

Als  Fälschung1)  ist  auch  P.  U.  B.  77  anzusehen:  1230, 
März  18.  (nach  Perlbach  nicht  17).  Bischof  Guenther  und  das 
Domkapitel  zu  Plock  treten  dem  D.  0.  ihre  Besitzungen  im 
Kulmerlande  zu  freiem  Eigentume  ab,  sich  nur  die  Ausübung 
der  Pontifikalakte  vorbehaltend. 

Ein  Original  scheint  nie  existiert  zu  haben.2) 

Rethwisch  und  Perlbach  haben  ihre  Unechtheit  mit 
zwingenden  Gründen  dargelegt.  Der  Zweck  der  Fälschung  war 
der,  daß  der  Orden  für  alle  Besitzungen  Christians  im  Kulmer- 
lande, die  dieser  vom  Plocker  Bistum  erhalten  hatte,  eine  recht- 
liche Abtretungsurkunde  auch  vom  Plocker  Bischof  und  Kapitel 
in  Händen  haben  wollte,  wie  er  eine  solche  vorher  vom  Bischof 
Christian  gefälscht  hatte. 

Wann  sind  nun  die  oben  angeführten  Fälschungen  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  entstanden? 

Christian  war  mittlerweile  in  die  Gefangenschaft  der 
Preußen  geraten.8)  Jetzt  ging  der  D.  O.  rücksichtslos  gegen 
seine  Besitzungen  vor  und  verfertigte  unseres  Erachtens  eine 
Reihe  von  Fälschungen,  durch  die  er  die  Rechtmäßigkeit  seiner 
Usurpationen  zu  erweisen  gedachte.  Die  Kulmer  Handfeste4) 
vom  Dezember  1233  spiegelt  trefflich  den  gänzlich  veränderten 
Standpunkt  wieder,  den  der  D.  0.  im  Kulmerlande  seit  Christians 
Gefangenschaft  eingenommen  hatte.  Erst  nach  Christians  Ent- 
fernung finden  Verhandlungen  mit  Herzog  Konrad  hinsichtlich 
des  Kulmerlandes  statt.  Am  3.  August  12346)  nimmt  Gregor  IX. 
das  dem  D.  0.  von  Konrad  geschenkte  Land  Kulm  und  was 
den  Preußen  weiter  abgerungen  werden  wird,  als  Eigentum  des 


1)  Vgl.  Rethwisch  a.  a.  0.  S.  65  Exkurs  VIII.     Perlbach:  A.  M.  X. 
S.  644  ff.    Ders.  P.  P.  St.  S.  88  ff. 

2)  P.  U.  B.  S.  57. 

3)  Zwischen  dem  29.  Juni  1232  und  dem  7.  Oktober  1233,  vgl.  Perl- 
bach A.  M.  IX.  S.  633. 

4)  P.  ü.  B.  105. 

5)  P.  ü.  B.  108.     Vgl.  auch  P.  U.  B.  119,  wo  Wilhelm  von  Modena  am 
19.  Oktober  1235  die  Schenkung  des  Kulmerlandes  bezeugt. 


390      Die  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens  z.  d.  Bischof  Christian  etc. 

h.  Petrus  in  den  Schutz  des  apostolischen  Stuhles.  Unmittelbar 
vor  dieser  Bulle  findet  sich  in  dem  Register  Gregors  die 
Kruschwitzer  Fälschung,  die  für  alle  Eventualitäten  damals 
hineingeschmuggelt  sein  mag,  eingetragen. 

Als  Christian  nach  langjähriger  Gefangenschaft  zurück- 
kehrte, wie  fand  er  da  die  Lage  der  Dinge  so  ganz  ver- 
ändert! Auf  seine  Beschwerden  beim  apostolischen  Stuhle  er- 
ließ Gregor  IX.  ein  Schreiben  an  den  Bischof  von  Meißen, 
den  Dompropst  und  den  Propst  bei  S.  Afra  daselbst,  in 
dem  er  ihnen  die  Klagepunkte  mitteilt,  welche  der  Bischof 
von  Preußen  gegen  den  D.  0.  erhoben,  und  ihnen  aufträgt,  den 
Kläger  in  Schutz  zu  nehmen  und  ihm  Recht  zu  schaffen,  oder 
beide  Teile  vor  den  päpstlichen  Stuhl  zu  weisen.  Der  Brief  ist 
zu  charakteristisch  für  das  Vorgehen  des  Ordens,  als  daß  wir 
ihn  nicht  seinem  wesentlichen  Inhalte  nach  hier  anführen  sollten: 
Aus  den  Klagen  unseres  ehrwürdigen  Bruders,  des  Bischofs  von 
Preußen  haben  wir  erfahren,  daß  die  Brüder  des  D.  O.  nicht  er- 
laubten, daß  solche  Preußen,  die  sich  zur  Annahme  des  Christen- 
tums bereit  erklären,  zum  Empfange  der  heiligen  Taufe  zuge- 
lassen werden.  Die  Neugetauften  aber,  die  ihm,  dem  Bischof, 
durch  den  Eid  der  Treue  verbunden  sind,  und  welche  diesen 
Eid  halten  wollen,  scheuen  sich  die  Bitter  nicht,  falls  sie  ihnen 
nicht  gehorchen,  mit  verschiedenen  Plagen  zu  quälen,  weshalb 
einige  von  diesen  aus  Furcht  vor  derartigen  Quälereien  dazu  ge- 
trieben sind,  wieder  zu  den  Irrtümern  des  Unglaubens  zurück- 
zukehren. Die  Kreuzfahrer  hindern  sie  daran,  Kirchen  zu  bauen; 
sind  solche  bereits  erbaut,  so  haben  sie  dafür  gesorgt,  daß  sie 
der  Vernichtung  der  Heiden  preisgegeben  werden.  Obwohl  der 
Bischof  das  Kulmerlandt  welches  er  teils  durch  die  Mildthätig- 
keit  christlicher  Fürsten  und  anderer  Getreuen  durch  Kauf  er- 
standen, teils  durch  die  Schenkung  des  edlen  Konrad  von  Ma- 
sovien  und  des  ehrwürdigen  Bruders,  des  Bischofs  von  Ploczk, 
und  seines  Kapitels  zum  Besten  seines  Bistums  erhalten,  aber 
unter  Vorbehalt  von  bischöflichen  Rechten,  Dienstleistungen  und 
gewissen  Ländereien  unter  bestimmten  Bedingungen  den  Ordens- 


Von  Alfred  Lentz.  391 

rittern  behufs  Vergrößerung  des  preußischen  Bistums,  zur  Unter- 
jochung des  Heidentums,  zur  Verteidigung  christlicher  Lehre 
und  christlichen  Glaubens  abgetreten  hatte,  so  haben  die 
Bitter  weder  seine  Verteidigung,  als  ihn  die  Preußen  gefangen 
nahmen,  übernommen,  noch  haben  sie,  obgleich  sie  vom 
apostolischen  Stuhle  die  Aufforderung  dazu  erhalten,  sich  um 
seinen  Loskauf  aus  der  Gefangenschaft  bekümmert.  Ja,  sie 
haben  sogar  einige  vornehme  Preußen,  welche  sie  in  Fesseln 
geworfen,  für  Geld  in  Freiheit  gesetzt,  anstatt  die  hierdurch 
ermöglichte  Gelegenheit  zur  Auslösung  des  Bischofs  zu  benutzen 
und  einen  edlen  Neophyten,  welcher  dem  Bischof  für  sein  Be- 
harren im  Glauben  seinen  Sohn  als  Geisel  gegeben  hatte,  ge- 
tötet, weil  sie  von  ihm  kein  Geld  erpressen  konnten.  Ferner  haben 
sie  während  des  Bischofs  Gefangenschaft  die  bischöfliche  Kirche 
und  das  ganze  Gebiet  seines  Bistums,  die  Stadt  und  die  Burg 
Sanctir  mit  den  Neubekehrten  feindlich  überfallen;  sie  haben 
ihn  all  seines  Eigen turas  schändlich  beraubt;  die  bischöflichen 
Rechte,  die  Zehnten  und  andere  Einkünfte,  die  sonst  in  die 
Kasse  des  Bistums  flössen,  halten  sie  gewaltsam  fest  und  miß- 
brauchen ganz  ungebührlicher  Weise  die  bischöflichen  Funktionen, 
die  sie  sich  angemaßt  haben.  Das  Kulmerland  aber  haben  sie  trotz 
aller  Verträge,  die  sie  mit  ihrem  Eide  bekräftigt  haben,  voll- 
ständig in  Besitz  genommen,  indem  sie  sich  zum  Nachteil  der 
preußischen  Kirche  der  bischöflichen  Rechte  bemächtigt  haben. 
Und  obgleich  die  Ritter  die  größten  Benefizien  im  Kulmer- 
lande  vom  Bischof  empfangen  hatten,  damit  sie  die  Ehre  und 
die  Rechte  des  preußischen  Bistums  mit  allen  Mitteln  verteidigten, 
so  haben  sie  sich  doch  so  große  Undankbarkeit  zu  Schulden 
kommen  lassen,  daß  sie  ihm  nicht  nur  das  schuldige,  eidlich 
beschworene  servitium1)  gebrochen  haben,  sondern  daß  sie  auch 
die  Kreuzfahrer,  deren  Retter  und  Helfer  der  Bischof  gewesen, 
daran  hindern,  die  gewohnte  Zuflucht  zu  ihrem  Bischof  zu 
nehmen.      Deshalb,     so    fährt    Gregor    fort,    hat    uns    Christian 


/ 


1)  Vergl.  hierzu  oben  Seite  380. 


392      Die  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens  z.  d.  Bischof  Christian  etc. 

demütigst  gebeten,  daß  wir  mit  seiner  bedrängten  Lage  Mitleid 
hätten  und  unser  Augenmerk  richteten  auf  die  traurige  Lage 
seiner  Kirche,  welche  durch  den  Beistand  der  Brüder  gehoben 
und  unterstützt  werden  sollte. 

Bald  starb  Gregor  IX.,  und  mit  ihm  verlor  der  hinter- 
gangene  Bischof  seine  letzte  Stütze.  Gregors  Nachfolger  war 
ein  ausgesprochener  Freund  der  ordensritterlichen  Interessen. 
Am  29.  Juli  12431)  bevollmächtigte  Innocenz  IV.  den  Legaten 
"Wilhelm  von  Modena,  Preußen  und  das  mit  ihm  verbundene 
Kulmerland  in  Diözesen  zu  teilen.  Am  selben  Tage  entledigte 
sich  Wilhelm  zu  Anagni  dieses  Auftrages.  Er  teilte  das  Land 
der  Preußen  in  vier  Diözesen.  Im  Kulmerland,  der  ersten  Diözese, 
sollte  dem  Bischof  das  zustehn,  was  er  bereits  früher  festgesetzt 
hatte  (vgl.  IV.).  In  den  übrigen  drei  Diözesen  sollte  das 
Prinzip"  der  Dreiteilung  zwischen  dem  D.  O.  und  den  einzu- 
setzenden Bischöfen  zur  Geltung  kommen. 

Seine  Stellung  zu  Bischof  Christian  gab  Innocenz  deutlich 
durch  ein  Schreiben  an  ihn  vom  30.  Juli  12432)  zu  erkennen. 
Nachdem  er  ihn  von  der  durch  Wilhelm  von  Modena  getroffenen 
Diözesenteilung  Preußens  in  Kenntnis  gesetzt  hat,  fordert  er 
ihn  auf,  eine  dieser  Diözesen  für  sich  zu  wählen  und  mit  dem 
dritten  Teil  derselben  sich  zu  begnügen;  er  solle  sich  nicht 
unterstehn,  Ländereien  oder  Rechte,  die  zu  der  auszuwählenden 
Diözese  gehören  werden,  zu  verleihen,  zu  entfremden  oder  zu 
verschenken,  ohne  besonders  dazu  vom  apostolischen  Stuhle 
bevollmächtigt  zu  sein;  er  möge  wissen,  daß  er,  der  Papst, 
alles  für  null  und  nichtig  erkläre,  was  er  vom  Lande 
Preußen,  vom  Kulmerlande  oder  seinen  Einkünften  entfremdet 
habe  oder  in  Zukunft  entfremden  werde.  Falls  er  sich  die 
Kulmer  Diözese  auswählte,  dann  sollte  ihm  hier  genügen, 
was    in    dem  Vertrag    zwischen    ihm   (Christian),    dem  Legaten 


1)  P.  ü.  B.  142. 

2)  P.  U.  B.  144. 


Von  Alfred  Leute.  393 

dem  Orden    und  den  Einwohnern  des  Kulmerlandes  näher  fest« 
gesetzt  worden  sei. 

Die  Temporalien  übrigens,  welche  ihm  nach  bischöflichem 
Rechte  zustehen,  solle  er  im  Namen  des  Papstes  und  der 
römischen  Kirche  aus  der  Hand  des  Legaten  selbst  empfangen 
und  sich  überhaupt  so  benehmen,  wie  es  seine  bischöfliche 
Würde  und  seine  geistliche  Ehre  erfordere,  wie  es  Gott  und 
der  Kirche  zum  Ruhm,  ihm  zum  Verdienste  und  den  Gläubigen 
in  Preußen  zur  Förderung  gereiche. 

Am  1.  Oktober  1248 *)  beauftragt  der  Papst  den  Dominikaner- 
prior zu  Magdeburg,  den  Bischof  von  Preußen  davor  zu  warnen, 
daß  er  ferner  den  D.  0.  in  Preußen  mit  Worten  und  Werken  an- 
feinde und  namentlich  durch  unbefugte  Erteilung  von  Ablässen 
ihm  die  Almosen  schmälere. 

Christian  wandte  sich  an  das  Generalcapitel  der  Cistercienser, 
um  durch  seine  Brüder  am  apostolischen  Stuhle  sein  gutes  Recht 
durchzusetzen.  Im  September  oder  Oktober  12432)  wenden  sich 
die  Cistercienseräbte  von  Morimond,  Altenbergen,  Heisterbach, 
Hardenhausen,  Marienstadt,  L$d,  Lekno,  Dargun,  Zinna,  Obra 
und  Paradies  an  Innocenz  IV.  Sie  erklären,  sie  hätten  die 
Urkunden  gelesen,  welche  von  Innocenz'  Vorgängern,  den  Päpsten 
Innocenz  HL,  Honorius  III.  und  Gregor  IX.,  dem  ehrwürdigen 
Bischof  von  Preußen  ausgestellt  und  nicht  im  geringsten 
verletzt  wären  oder  Grund  zum  Zweifel  an  ihrer  Echt- 
heit böten.  ,,Wie  sehr  sich  Bischof  Christian  angestrengt  hat", 
heißt  es  in  dieser  Bittschrift,  „in  Preußen  Seelen  zu  gewinnen, 
davon  sprechen,  wenn  Menschen  schweigen,  seine  Werke,  die 
ihm  ein  lobenswertes  Zeugnis  ausstellen:  Dem  Tode  hat  er  sich 
um  Christi  Namen  willen  ausgesetzt,  Gefangenschaft,  Fesseln  und 
Kerker  und  harte  Mißhandlungen  geduldig  ertragen.  Jetzt  aber 
versuchen  gewisse  Nebenbuhler,  ihm  die  ihm  vom  apostolischen 


1)  P.  ü.  B.  149. 

2)  P.  U.  B.  153. 


394      l)ie  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens  z.  d.  ßischof  Christian  etc. 

Stuhle  erwiesenen  Gunstbezeugungen  auf  Grund  von  Schrift- 
stücken, in  denen  von  den  früheren  Privilegien  kein  Wort  ent- 
halten ist,  zu  entziehen  und  seine  Arbeiten  zu  entkräften. 
Daher  fallen  wir  Eurer  Heiligkeit  zu  Füßen  und  flehen  demütig 
für  den  Bischof  und  mit  ihm,  daß  Ihr  die  von  Euch  und  Euren 
Vorgängern  dem  Bischof  überwiesenen  Privilegien  bestätigen 
möget,  trotz  aller  Schriftstücke,  die  zum  Nachteil  des  Bischofs 
von  seinen  Gegnern  erlangt  sein  sollten." 

'Auch  diese  Bitte  blieb  unerhört. 

Am  16.  Januar  12451)  schreibt  Innocenz  IV  an  Christian: 
„Wir  erinnern  uns,  daß  wir  Dir  aufgetragen  haben,  eine  von  den 
durch  päpstliche  Autorität  begrenzten  Diözesen  nach  freier  Wahl 
auszuwählen.  Deshalb  befehlen  wir  Dir,  daß  Du  innerhalb  zweier 
Monate  nach  Empfang  dieses  Schreibens  eine  von  den  Diözesen 
auswählest,  in  der  Du  wie  ein  Bischof  herrschest  und  Dir  wie 
einem  Diözesanen  und  loci  ordinario  gehorcht  werde." 

Der  Dominikanerprior  Heinrich  erhielt  am  6.  Februar  1245 
den  Auftrag,2)  den  Bischof  zur  Befolgung  des  päpstlichen  Be- 
fehls anzuhalten,  und,  falls  er  nicht  gehorche,  ihn  des  Amtes 
zu  entsetzen. 

Ob  dieses  harte  Wort  noch  zu  Christians  Ohren  gekommen 
ist,  wissen  wir  nicht. 

Christians  letzte  Tage  sind  in  ein  tiefes  Dunkel  gehüllt; 
von  dem  Ausgange  des  großen  Kampfes,  den  er  mit  dem  D.O. 
auszukämpfen  hatte,  haben  wir  keine  Kenntnis.  Der  Catalogus 
Episcoporum  Culmensium  (s.  Kulmer  Urkundenbuch  I.,  S.  624) 
bringt  die  Nachricht,  daß  Christian  in  Marburg  begraben  sei. 
Der  Cistercienserorden  feierte  sein  Gedächtnis  am  4.  Dezember. 
„Mit  Sicherheit,44    sagt  Woelky,    „ist   jedoch    hieraus    nicht  auf 


1)  P.  U.  B.  159. 
1)  P.  ü.  B.  166. 


Von  Alfred  Lentz.  g9g 

den  Todestag   zu    schließen,    da   in  Martyrologien    häufig   auch 
Transpositionen  auf  andere  Tage  vorkommen." 

Wer  wollte  Christian  seine  Teilnahme  versagen? 

Mögen  obige  Blätter  dazu  beitragen,  Altpreußens  großem 
Apostel  ein  würdiges  Gedächtnis  im  Herzen  der  Nachwelt  zu 
sichern ! 


Exkurs  L 

Christian*  Stellung  im  Kuimerlande  seit  der  Lonyzer  Schenkung. 

Die  Frage,  welche  Stellung  Christian  im  Kuimerlande 
z.  Z.  der  Ankunft  des  D.  0.  eingenommen  hat,  ist  für  die 
richtige  Auffassung  der  Beziehungen  zwischen  dem  Bischof  und 
dem  D.  0.  von  der  größten  Tragweite. 

Wir  meinen  nun  annehmen  zu  müssen,  daß  Christian  seit 
der  Lonyzer  Schenkung  im  Besitze  des  ganzen  Kulmerlandes 
gewesen  sei.  Mit  dieser  Annahme  kommen  wir  zurück  auf  die 
Resultate  Hermanns  (a.  a.  0.  S.  46),  der  noch  frei  von  den 
Einflüssen  "Watterichs  und  Waitzs  das  Verhältnis  zwischen 
Bischof  und  Orden  ganz  objektiv  betrachten  konnte.  In  seinem 
Exkurs  III.  bringt  er  eine  Reihe  von  Beweisen  für  unsere  Annahme 
herbei.  "Wenn  Konrad  in  der  Lonyzer  Schenkung  erklärt: 
„se  partem  praedicti  Colmensis  territorii  donare  Christiano",  so 
versteht  H.  darunter  den  Teil,  den  Konrad  selbst  besaß,  nämlich 
die  Güter  und  Besitzungen  ausgenommen,  welche  Bischof  und 
Kapitel  von  Plock  Christian  übertrugen.  H.  weist  ferner  auf 
die  päpstliche  Bestätigungsbulle  vom  18.  April  1223  hin,  wo 
Honorius  erklärt:  ,,idem  dux  terram  eandem  (sc.  Colmensem) 
tibi  .  .  .  contulit.  .  .  Nos  ergo  terram,  castra  .  .  .  confirmamus. 

Auch  in  dem  päpstlichen  Schreiben  vom  11.  April  1240 
(P.  U.  B.  134)  ist  wieder  die  Rede  davon,  daß  Christian  dem 
D.  O.    das    ganze   Kulmerland   abgetreten   habe:    „cum    terram 


396      Die  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens  z.  d.  Bischof  Christian  etc. 

Colmensem"  heißt  es  daselbst,  „idem  (episcopus)  dictis  fratribas 
concessisset". 

Endlich  läßt  die  Leslauer  Urkunde,  welche  wir  in  das 
richtige  Licht  gestellt  zu  haben  glauben,  keinen  Zweifel  an  der 
Richtigkeit  unsrer  Annahme  aufkommen. 

Treffend  bemerkt  Hermann  bei  Erwähnung  dieser  Urkunde: 
„ceterae  conditiones,  quae  in  eadem  pactione  ad  eandem  terram 
spectant,  totam  terram  Colmensem  intelligendam  esse,  aperte 
docent." 

Unsere  Beweisführung  würde  aber  nicht  ausschließen,  daß 
Herzog  Konrad  als  der  Suzerain  außer  der  Burg  Kulm  auch 
noch  andere  Burgen  im  Kulmerlande  sich  zurückbehalten  hätte 
(castrum  Colme  et  quaedam  alia  castra  in  confinio  Prutenorum 
P.  U.  B.  72). 

Exkurs  II. 

Zur  Chronologie  Wilhelms  von  Modena,  des  päpstlichen  Gesandten 

in  Preußen. 

Vgl.  hierfür  die  Regesten  "Wilhelms  bei  Watterich  a.  a.  0. 
S.  241  und  die  von  Ernst  Strehlke  bearbeiteten  Eegesten  Wil- 
helms SS.  rer.  Pruss.  S.  116  ff". 

Ferner:  Krosta:  „Wilhelm  von  Modena  als  Legat  in  Preußen". 
Ein  Beitrag  zur  ältesten  preußischen  Kirchengeschichte.  Pro- 
gramm der  städtischen  Realschule  zu  Königsberg  in  Pr.  1867. 

Die  Frage,  wann  Wilhelm  von  Modena  als  päpstlicher 
Gesandter  in  PreuJßen  geweilt  hat,  ist  für  die  Darstellung  der 
Gründungsgeschichte  des  D.  O.-staates  von  der  allergrößten 
Wichtigkeit.  Auf  diese  Frage  muß  hier  des  Nähern  eingegangen 
werden,  da  Perlbach  (P.  P.  St.  S.  60)  die  Ansicht  ausgesprochen 
hat,  daß  Wilhelm  beim  Beginn  der  ordensritterlichen  Thätig- 
keit  nicht  in  Preußen  anwesend  gewesen  sei. 

„Wilhelm",  sagt  er,  „ist  seit  Juli  1226  und  bis  Januar  1230 
nicht  im  Norden,  sondern  in  Italien  und  gerade  1228  an  seinem 
Bischofssitz/4 


Von  Alfred  L&ätsL  39? 

P.  stützt  sich  für  seine  Behauptung  auf  die  Strehlkeschen 
Regesten  (S.  122  und  123).  Das  Chronicon  sive  Annales  prio- 
ratus  de  Dunstaple  berichtet  nämlich  zum  Jahre  1229:  „episcopi 
Bononiensis  et  Mutinensis  .  .  ceperunt  treugas  .  .  .  maxime  metu 
Federici  imperatoris  de  transmarinis  partibus  redeuntis".  Daß 
aber  diese  Stelle  für  Wilhelms  Chronologie  nicht  zu  verwerten 
sei,  hebt  Strehlke  selbst  mit  den  Worten  hervor:  „Indeß  schon 
im  Juni  1229  kehrte  Friederich  aus  dem  heiligen  Lande  nach 
Apulien  zurück  und  der  Stillstand  wurde  am  22.  Dezember  1229 
durch  den  Bischof  von  Reggio  abgeschlossen." 

In  seinen  früheren  Arbeiten  hat  übrigens  Perlbach  Wilhelms 
Anwesenheit  in  Preußen  in  das  Jahr  1229  verlegt.  A.  M.  IX. 
S.  559  u.  XI.  S.  29. 

Für  dieses  Jahr,  bezw.  die  zweite  Hälfte  des  Jahres  1228 
Wilhelm  als  päpstlichen  Gesandten  in  Preußen  anzusetzen,  zwingen 
uns  mit  Notwendigkeit  folgende  Gründe: 

1.  Albericus,  Mönch  zu  Neuf  Montier  bei  Huy  an  der  Maas 
berichtet  in  seiner  Weltchronik  (SS.  rer.  Pruss.  I.,  S.  241) 
zum  Jahre  1228,  daß  Wilhelm  in  Preußen  viele  Heiden  bekehrt 
ihre  Sprache  gelernt  und  den  Donat  in  dieselbe  übersetzt  habe. 
Perlbach  hebt  kundig  hervor,  daß  man  in  Huy  wohl  in  der 
Lage  war,  über  die  Reise  Wilhelms  genau  unterrichtet  zu  sein 
(A.  M.  IX.,  S.  559  ff.). 

Wir  möchten  daher  nicht  daran  zweifeln,  daß  Wilhelm 
schon  im  Jahre  1228  und  nicht  erst  1229,  wie  P.  will,  in 
Preußen  gewirkt  hat.  Nur  für  den  12.  Juni  1228  wird  Wilhelms 
Anwesenheit  in  Modena  au3  Urkunden  des  Kapitelarchivs  daselbst 
bezeugt.  Wie  viel  Glaubwürdigkeit  diesen  Urkunden 
zukommt,  bleibt  indessen  noch  zu  untersuchen  (vgl. 
SS.  rer.  Pruss.  S.  119  zum  Jahre  1225,  wo  betont  wird,  daß 
die  Angaben  aus  dem  Kapitelsarchive  sich  schwer  mit  den 
sonstigen  Nachrichten  über  Wilhelm  vereinbaren  lassen). 

2.  Am  18.  Januar  1230  fordert  Gregor  IX.  den  D.  O.  auf, 
mannhaft  zum  Kampfe  gegen  die  Preußen  vorzugehen    „proviso 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX.  Hit  6  u.  6.  26 


Ö98      Die  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens  z.  d.  Bischof  Öhristian  etc. 

ne  contra  terram  illam,  que  ven.  fratrem  nostrum  Mutinensem 
episcopüm  dinoscitur  recepisse". 

"Watterich  (a.  a.  O.  S.  212),  Toeppen  (Hist.  comp.  Geog.  Pr. 
S.  36)  und  Krosta  (a.  a.  O.  S.  6)  sind  der  Ansicht,  daß  mit 
jener  terra  Livland  gemeint  sei.  In  Livland  war  aber  bereits 
ein  selbständiges  Staatswesen  entstanden;  schon  1225  and  122ß 
hatte  Wilhelm  die  zwischen  dem  Bischof  und  dem  Schwertorden 
bestehenden  Streitpunkte  auszugleichen  unternommen. 

Sollte  der  Papst  da  wirklich  dem  D.  O.  Absichten  unter- 
schieben wollen,  die  auf  eine  Unterwerfung  Livlands  hinzielten? 
Nur  Preußen  oder  genauer  ein  Land  in  Preußen  kann  unseres 
Erachtens  mit  jener  terra  gemeint  sein. 

3.  Am  5.  Januar  1230  heißt  Wilhelm  zum  erstenmale  ur- 
kundlich „legatus  Prusciae". 

An  jenem  Tage  urkundet  Herzog  Heinrich  von  Schlesien 
mit  dem  Bischöfe  Laurentius  von  Breslau  über  den  Blutbann 
im  Neißeschen.  (SS.  rer.  Pruss.  S.  123).  Vermittelt  wird  dieser 
Vertrag  durch  den  päpstlichen  Gesandten  Wilhelm  von  Modena. 

Am  6.  Februar  1230  treffen  wir  Wilhelm  in  Merseburg. 
Er  unterzeichnet  an  diesem  Tage  eine  Urkunde  mit  den  Worten: 
„Wilhelm,  Bischof  von  Modena,  der  Gesandte  von  Preußen,  der 
damals  durch  Zufall  nach  jener  Gegend  gelangt  war." 

Dann  hatte  Wilhelm  eine  längere  Gefangenschaft  in  Aachen 
zu  erleiden;  am  28.  August  1230  unterzeichnet  er  bereits  zu 
Ceperano  den  Frieden  zwischen  Kaiser  und  Papst  (SS.  rer. 
Pruss.  ebendas.). 

Unsere  Ansicht  ist  nun  die,  daß  Wilhelm  sich  am  5.  Januar 
1230  bereits  auf  der  Rückreise  befand,  daß  er  also  vorher  als 
Gesandter  in  Preußen  gewirkt  haben  muß. 

4.  In  unserer  Stelle  IV.  heißt  es:  „Dem  Bischof  soll  im 
Kulmerlande  das  zustehen,  was  nach  gemeinsamer  Uebereinkunft 
und  nach  dem  Willen  des  Bischofs  von  Preußen,  der  Brüder 
des  D.  0.  und  der  Leute,  die  in  demselben  Lande  blieben,  fest- 
gesetzt war,  als  zuerst  zur  Ansiedlung  jener  verwüsteten 
Gegend  Leute  hinzogen/1 


Von  Alfred  Lentz.  399 

Daß  auch  der  Legat  bei  AbschlieJBung  dieses  Ueberein- 
kommens  zugegen  war,  geht  aus  Stelle  V.  hervor.  Die  Leslauer 
Urkunde  vom  Januar  1230  spricht  nun  bereits  von  terrae 
arabiles  im  Kulmerlande  und  von  Leuten,  welchen  der  Bischof 
hier  Land  als  Lehen  verliehen  hat. 

Es  kann  somit  kein  Zweifel  sein,  daß  die  von  uns  re- 
konstruierten  Auseinandersetzungen  vor  den  Januar  1230  zu 
setzen  sind. 


«  »«■»♦  ■ 


26* 


Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen 
Vernunft  und  Kant's  Prolegomena. 

Von 

Emil  Arnoldl. 


Anhang*  zu  der  Abhandlung*: 

Die  äussere  Entstehung  und  die  Aifassvnpzeit  der  Kritik 

der  reinen  Venranfl. 

No.  4  und  No.  5. 
Characteristik  von  Kant's  Vorlesungen  über  Metaphysik  und  möglichst 
vollständiges  Verzeichniss  aller  von  ihm  gehaltener  oder  auch  nur 

angekündigter  Vorlesungen. 

Ich  habe  mich  anheischig  gemacht,  unter  der  No.  4  und  5 
dieses  Anhangs  Verzeichnisse  von  Kant's  Vorlesungen  über 
philosophische  Encyklopädie  und  über  Metaphysik  zu  liefern. 
Dem  Zwecke  dieses  Anhangs  aber,  von  den  Nebenfragen,  die 
sich  bei  der  Untersuchung  über  die  äußere  Entstehung  der  Krit. 
d.  r.  V.  erheben,  wenigstens  einige  ausführlicher  zu  beantworten, 
kann  die  Einlösung  meines  Wortes  nur  dann  recht  dienen,  wenn 
sie  nach  der  vorangegangenen  Behandlung  von  Kant's  Collegien 
über  Anthropologie  und  physische  Geographie  nun  neben  seinen 
Collegien  über  philosophische  Encyklopädie  und  über  Metaphysik 
auch  alle  seine  übrigen  Collegien  während  der  Jahre  1770—1780 
mindestens  äußerlich  berücksichtigt,  d.  h.  neben  den  Gegen- 
ständen, denen  sie  galten,  ihre  wöchentliche  Stundenzahl  und 
wo  möglich  ihre  Dauer  für  jedes  Semester  angiebt.  Denn  nur 
aus  der  wöchentlichen  Gesammtzahl  der  Stunden,  die  Kant 
seiner  akademischen  Lehrthätigkeit  widmete,  läßt  sich  die  Zeit 
bemessen,  die  er  außer  den  Universitätsferien  neben  den  ihm 
nöthigen  Erholungen  zu  Meditationen  für  die  Krit.  d.  r.  V.  und 
zur  Abfassung  derselben  übrig  behielt.    Noch  ersprießlicher  aber 


Von  Emil  Arnoldt.  401 

wird  die  Ausführung  meines  Vorhabens  jedenfalls  dann,  wenn 
sie  sich  über  Kant's  gesaramte  akademische  Lehrthätigkeit  vom 
Jahre  1755  an  bis  zum  Jahre  1796  hin  in  der  angegebenen 
Weise  erstreckt.  Denn  damit  liefert  sie,  wenn  auch  kein  Bild, 
doch  einige  umrisse  zu  einem  Bilde  von  seiner  akademischen 
Lehrthätigkeit,  die  einen  Haupttheil  seiner  Gesammtwirksamkeit 
ausmachte,  ob  sie  sich  gleich,  wenigstens  extensiv,  nahezu  in 
demselben  Grade  einschränkte,  in  welchem  sich  der  Kreis  seiner 
schriftstellerischen  Thätigkeit  mehr  und  mehr  erweiterte.  Selbst- 
verständlich braucht  die  Uebersicht,  die  ich  geben  werde,  Kant's 
früher  behandelte  Vorlesungen  über  Anthropologie  und  über 
physische  Geographie  jetzt  kaum  mehr,  als  mit  einfacher  Notirung 
in  den  Semestern,  in  denen  sie  Statt  fanden,  zu  berück- 
sichtigen. 

Wenn  es  aber  vorhin  nahe  lag,  Kant's  Collegia  über 
physische  Geographie  und  über  Anthropologie  nicht  blos  der 
Reihe  nach  anzuführen,  sondern  beide  nach  ihrer  theils  gemein- 
schaftlichen, theils  verschiedenen  Tendenz  einigermaßen  zu 
characterisiren,  so  liegt  der  Versuch  zu  einer  ähnlichen  Charac- 
teristik,  was  seine  übrigen  Collegia  anlangt,  bei  zwei  von  ihnen 
ebenso  nahe:  der  Logik  und  der  praktischen  Philosophie  oder 
Moral,  und  bei  einem  noch  näher  und  am  nächsten:  der  Meta- 
physik. Denn  die  fünf  Collegia  über  Logik,  Metaphysik,  Moral, 
physische  Geographie,  und  Anthropologie  waren  seine  Principal- 
Collegia.  In  ihnen  trat  die  Originalität  seiner  Lehrmethode 
und  seiner  Lehrmeinungen  am  deutlichsten  hervor.  Er  las  sie 
am  häufigsten,  die  Studenten  besuchten  sie  am  zahlreichsten, 
auch  Männer  besuchten  sie,  die  ihr  akademisches  Triennium 
längst  absolvirt,  und,  wie  es  scheint,  mitunter  auch  solche,  die 
keiner  Universität  je  als  deren  Bürger  angehört  hatten.  So 
waren  sie  es,  die  Kant's  Bedeutung  und  Ruhm  als  akademischen 
Lehrers  begründeten  und  aufrechthielten.  Unter  diesen  fünf 
Vorlesungen  aber  nimmt  sich  —  um  anderer  Gründe  nicht  zu 
gedenken  —  die  Metaphysik  schon  deshalb  von  den  übrigen 
aus,   weil   sie  in  jeder  ihrer  vier  Abtheilungen  mit  je  einer  der 


402       Zur  Beurtheilung  von  Eant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

übrigen  Vorlesungen  mehr  oder  weniger  in  Berührung  kommt: 
in  der  Ontologie  mit  der  Logik,  in  der  Kosmologie  —  wenn 
auch  nur  anstreifend  —  mit  der  physischen  Geographie,  in  der 
Psychologie  mit  der  Anthropologie,  und  in  der  rationalen  Theo- 
logie mit  der  Moral. 

Niedrigeren  Banges  als  die  fünf  eben  genannten  Collegia 
sind  vier  andere:  über  philosophische  Encyklopädie,  Naturrecht, 
Pädagogik,  und  natürliche  Theologie,  unter  welchen  sich  die 
beiden  ersteren  in  sehr  weitem,  die  beiden  letzteren  in  noch 
viel  weiterem  Abstände  von  den  fünf  vorher  genannten  befinden. 
Doch  verdienen  die  Vorlesungen  über  natürliche  Theologie,  von 
denen  Pölitz  eine  Nachschrift  veröffentlicht  hat,  neben  der 
Pölitz'schen  Ausgabe  und  anderen  ungedruckten  Nachschriften 
von  Kant's  Vorlesungen  über  Metaphysik  eine  genauere  Beachtung, 
weil  sie  neben  diesen  allerdings  wichtigeren  Quellen  doch  immer- 
hin zur  Erkenntnis  der  Differenz  zwischen  Kant  dem  akademi- 
schen Lehrer  und  Kant  dem  Schriftsteller  beitragen.  Die  Vor- 
lesungen über  Naturrecht,  von  denen  ich  nie  eine  Nachschrift 
gesehen  habe,  könnten  wohl  noch  einige  Beleuchtung  erhalten, 
wenn  aus  Kant's  Handexemplar  des  dabei  von  ihm  zu  Grunde 
gelegten  AchenwalFschen  Compendiums  seine  darin  aufgezeich- 
neten Anmerkungen  veröffentlicht  würden.  Auch  von  seinen 
Vorlesungen  über  philosophische  Encyklopädie  weiß  ich  nichts 
mehr,  als  was  darüber  das  unten  folgende  Verzeichnis  seiner 
Collegien  enthält.  Mit  Hilfe  des  Feder'schen  Compendiums, 
von  dem  er  dabei  ausging,  lassen  sich  über  die  Behandlung 
seines  Themas  eben  so  wenig  irgend  wie  fruchtbare  Vermuthungen 
aufstellen,  als  mit  Hilfe  der  kurzen  Notiz  in  seinem  Briefe  an 
Herz  vom  15.  Decbr.  1778,  daß  aus  der  Nachschrift,  die  er  ihm 
damals  von  jenem  Collegium  überschickte,  etwas  zu  entnehmen 
wäre,  das  einen  systematischen  Begriff  der  reinen  Verstandes- 
erkenntnisse, so  fern  sie  wirklich  aus  einem  Princip  in  uns 
entspringen,  erleichtern  könnte. 

Ebenso  ist  nicht  viel  Bestimmtes  anzugeben  von  den 
Collegien,  welche  die  dritte  und  letzte  Gruppe  ausmachen,   von 


Von  Emil  Arnoldt.  403 

den  Collegien  über:  Physik,  Mathematik,  die  mechanischen 
Wissenschafben  (Mechanik,  Hydrostatik,  Hydraulik,  Aerometrie), 
und  Mineralogie.  Unter  diesen  steht  das  Colleg  über  Physik 
den  drei  anderen  weit  voran.  Kant  las  es  fast  so  oft  als  die 
Anthropologie  und  bis  in  die  spätere  Zeit  seiner  Lehrthätigkeit 
hin  (zum  letzten  Male  1787/88),  während  er  Mathematik  und 
die  mechanischen  Wissenschaften  nur  als  Privatdocent  vortrug, 
die  Mineralogie  allerdings  in  dem  zweiten  Semester  seiner  Pro- 
fessur (1770/71),  jedoch  nur  ein  einziges  Mal.  Wenn  noch  aus- 
führliche Nachschriften  von  seinem  Colleg  über  Physik  vor- 
handen wären,  so  würde  die  Durchforschung  derselben  gewiß 
Ergebnisse  liefern,  welche  die  Einsicht  in  sein  originales  Denken, 
sein  vorsichtiges  Hypothesen-Bilden,  sein  weit  ausgreifendes 
Wissen  nicht  um  ein  Geringes  bereicherten. 

Hiernach  bin  ich  allein  schon  durch  das  mir  zugängliche 
Material  genöthigt,  meine  Bemerkungen  über  Kant's  Collegia 
auf  die  der  ersten  Gruppe  einzuschränken  und  aus  der  zweiten 
höchstens  das  Colleg  über  natürliche  Theologie  zu  berücksichti- 
gen. Doch  sehe  ich  mich  zu  einer  noch  engeren  Einschränkung 
veranlaßt.  Denn,  um  eine  größere  Weitläufigkeit  zu  vermeiden, 
als  mir  ohnehin  blos  die  Besprechung  seines  Hauptcollegs  an 
der  Hand  der  mir  zugänglichen  Nachschriften  desselben  auferlegt, 
werde  ich  im  Folgenden  seine  Collegia  über  Logik  und  über 
Moral  gar  nicht  berücksichtigen,  sondern  wie  ich  unter  der 
vorigen  Nummer  dieses  Anhangs  sein  Colleg  über  physische 
Geographie  behandelt  habe,  so  jetzt  nur  sein  Colleg  über  Meta- 
physik einer  Beurtheilung  unterziehen.  Ehe  ich  aber  dazu 
übergehe,  möchte  ich  die  mit  Recht  gepriesene  Tendenz,  welche 
Kant  in  seinen  Collegien  durchweg  verfolgte,  aus  dem  Gesichts- 
puncte  betrachten,  daß  sich  in  Folge  derselben  seine  Vorträge 
unmöglich  zu  einem  unmittelbaren,  reinen  und  vollgiltigen  Aus- 
druck seiner  Lehrmeinungen  und  Ueberzeugungen  gestalten 
konnten. 

Demnach  wird  die  folgende  Abhandlung  zwei  Abtheilungen 
enthalten.      Die    erste    derselben     soll     zunächst    die    Tendenz, 


I 


404       Zur  BeurtheihiDg  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

Methode  und  Vortragsform  von  Kant's  Collegien  aus  dem  ange- 
zeigten Gesichtspuncte  erwägen,  sodann  im  Besonderen  sein 
metaphysisches  Colleg  characterisiren  und  die  mir  zugänglichen 
Nachschriften  desselben  namhaft  sowie  über  deren  Ursprungs- 
periode und  äussere  Beschaffenheit  Mittheilung  machen,  endlich, 
was  den  Inhalt  derselben  anlangt,  den  einen  und  den  anderen 
der  darin  erörterten  Begriffe  herausheben  und  vom  Standpuncte 
des  in  Kant's  Druckschriften  entwickelten  Kriticismus  mehr 
oder  weniger  angelegentlich  prüfen.  Darauf  soll  die  zweite  Ab- 
theilung ein  möglichst  vollständiges  Yerzeichniß  von  allen 
Collegien  Kant's  mit  den  darüber  mir  etwa  zu  Gebote  stehen- 
den näheren  Notizen  entwerfen. 

I.  Abtheilung. 

Allgemeiner  Character  der  Kanf  sehen  Collegia  und  sein 
metaphysisches  Colleg  im  Besonderen. 

1.  Tendenz,  Methode  und  Vortragsform  seiner  Collegia. 

a)  Tendenz. 
Kant  hat  bereits  in  der  „Nachricht  von  der  Einrichtung 
seiner  Vorlesungen  in  dem  Winterhalbjahre  von  1765— 1766" 
ausführlich  die  Tendenz  seiner  Collegia  bezeichnet.  Der 
Lehrer  solle  an  seinem  Zuhörer  erstlich  den  verständigen, 
dann  den  vernünftigen  Mann,  endlich  den  Gelehrten 
bilden,  —  den  ersten,  indem  er  ihn  auf  dem  Wege  der  Er- 
fahrung zu  Urtheilen,  die  aus  der  Anschauung  gewonnen  werden, 
und  durch  diese  Urtheile  zu  Begriffen  führe,  den  zweiten,  indem 
er  das  Verhältniß  der  Begriffe  zu  ihren  Gründen  und  Folgen 
aufweise,  den  dritten,  indem  er  die  Begriffe  in  einem  nach 
Principien  der  Wissenschaft  geordneten  Ganzen  erkennen  lasse. 
Er  solle  nicht  tragen,  sondern  leiten,  und  sein  Zuhörer  nicht 
Gedanken,  sondern  denken  lernen,  nicht  Philosophie,  son- 
dern philosophiren  lernen.  Lernen  ließen  sich  nur  die  hi- 
storischen und  die  mathematischen  Wissenschafben,  aber  die 
Philosophie  schon  deshalb  nicht,   weil  noch  keine  wirklich  vor- 


Von  Emil  Arnoldt.  405 

banden  sei.  Man  könne  nicht,  wie  etwa  den  Polyb,  um  einen 
Umstand  der  Geschichte,  oder  den  Euklid,  um  einen  Satz  der 
Größenlehre  zu  erläutern,  eben  so  ein  Buch  der  Weltweisheit 
vorzeigen  und  sagen:  Hier  ist  zuverlässige  Einsicht,  lernet  es 
verstehen,  bauet  darauf,  so  seid  ihr  Philosophen.  In  jenen 
Wissenschaften  sei  ein  gemeinschaftlicher  Maßstab  da,  in  dieser 
aber  habe  jeder  seinen  eigenen.  Daher  gebe  es  in  keiner  Art 
der  Gelehrsamkeit  vom  Handwerke  so  viele  Meister,  als  in  der 
Philosophie.  Auch  schicke  es  sich  für  die  Philosophie  nicht, 
eine  Brotkunst  zu  sein.  Denn  es  widerstreite  ihrer  wesentlichen 
Beschaffenheit,  sich  dem  Wahne  der  Nachfrage  und  dem  Gesetze 
der  Mode  zu  bequemen,  und  nur  die  Nothdurft,  die  noch  über 
die  Philosophie  ist,  könne  sie  nöthigen,  sich  in  die  Formen  des 
gemeinen  Beifalls  zu  schmiegen.  Daher  mißbrauche  man  das 
Zutrauen  des  gemeinen  Wesens,  wenn  man  die  der  Universität 
anvertraute  Jugend  mit  einer  vorgeblich  schon  fertigen  Welt- 
weisheit hintergehe,  die  ihr  zu  gute  von  anderen  wäre  ausge- 
dacht worden,  anstatt  daß  man  ihre  Verstandesf&higkeit  erweitere, 
damit  sie  künftig  selbst  ihre  eigene  Einsicht  reifer  ausbilde. 
So  durfte  er  kurzweg  erklären:  „Die  Methode,  selbst  nachzu- 
denken und  zu  schließen,  ist  es,  deren  Fertigkeit  der  Lehrling 
eigentlich  sucht,  —  —  wovon  die  etwa  zugleich  erworbenen 
entschiedenen"  (dogmatischen)  „Einsichten  als  zufällige  Folgen 
angesehen  werden  müssen,  zu  deren  reichem  Ueberflusse  er  nur 
die  fruchtbare  Wurzel  in  sich  zu  pflanzen  hattf  (R  I,  292.  — 
H.  1867.     n,  315). 

Hiernach  war  Erweiterung  der  Verstandesfahigkeit,  An- 
leitung zum  Selbstdenken,  Erweckung  des  Entschlusses  und 
Entwickelung  des  Vermögens,  zu  philosophiren,  die  Tendenz 
fast  aller  Kant'schen  Collegia,  zumal  aber  seiner  rein  philosophi- 
schen; wobei  der  akademische  Lehrer  selbst  in  der  Bethätigung 
jenes  Entschlusses  und  der  Ausübung  jenes  Vermögens  natürlich 
der  akademischen  Jugend  Beispiel  und  Muster  werden  sollte. 

Diese  Tendenz  hat  Kant  durch  die  ganze  Zeit  seiner  fol- 
genden akademischen  Lebrthätigkeit  festgehalten.     In  der  Krit. 


406      Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

d.  r.  V.  äußert  er  sich  da,  wo  er  von  dem  Unterschiede  der 
historischen  und  rationalen  Erkenntniß  handelt,  freilich  so,  als 
hätte  er  die  trübe  Erfahrung  gemacht,  daß  die  objectiv  philo- 
sophische Erkenntniß  ,,bei  den  meisten  Lehrlingen"  subjectiv 
doch  nur  historisch  bleibe.  Trotzdem  aber  und  zum  Theil  viel- 
leicht gerade  deshalb  schärft  er  wieder  ein:  „Man  kann  — 
„unter  allen  Vernunftwissenschaften  (a  priori)  nur  allein  Mathe- 
„matik,  niemals  aber  Philosophie  (es  sey  denn  historisch),  sondern, 
„was  die  Vernunft  betrifft,  höchstens  nur  philosophiren  lernen". 
Und  obschon  er  am  Ende  überzeugt  war,  den  einzigen,  sehr 
durch  Sinnlichkeit  verwachsenen  Fußsteig  entdeokt  zu  haben, 
auf  welchem  es  gelingen  dürfte,  dem  Urbilde  der  «objectiven 
Philosophie,  einer  bloßen  „Idee  von  einer  möglichen  "Wissen- 
schaft" als  dem  System  aller  philosophischen  Erkenntniß,  einer 
Idee,  „die  nirgend  in  concreto  gegeben  ist",  -das  bisher  verfehlte 
Nachbild  einer  subjectiven  Philosophie,  so  weit  als  es  Menschen 
vergönnt  ist,  gleich  zu  machen  —  was,  wenn  es  gelänge,  aller- 
dings in  gewissem  Grade  die  Unmöglichkeit,  Philosophie  zu 
lernen,  aufhöbe  —  so  gab  er  doch  das  an  seine  Erklärung  vom 
Jahre  1765  anklingende  Urtheil  ab:  „Bis  dahin  kann  man  keine 
„Philosophie  lernen;  denn,  wo  ist  sie,  wer  hat  sie  im  Besitze 
„und  woran  läßt  sie  sich  erkennen?  Man  kann  nur  philosophiren 
„lernen,  d.  i.  das  Talent  der  Vernunft  in  der  Befolgung  ihrer 
„allgemeinen  Principien  an  gewissen  vorhandenen  Versuchen 
„üben,  doch  immer  mit  Vorbehalt  des  Rechts  der  Vernunft,  jene 
„selbst  in  ihren  Quellen  zu  untersuchen  und  zu  bestätigen,  oder 
„zu  verwerfen".     (R.  II.  645.  646.  —  H.  III,  551  u.  562.) 

Damit  wird  nun  der  Begriff  des  Philosophiren-Lernens  in 
seiner  Anwendung  auf  jedermann,  dem  Philosophie  angelegen 
ist,  mithin  nicht  blos  auf  Lehrlinge  und  Lehrer  der  Philosophie 
näher  etwa  so  bestimmt:  Alles  Philosophiren  ergiebt  vorläufig 
höchstens  eine  subjective  Philosophie  und  ist  immer  noch  ein 
bloßes  Philosophiren-Lernen  in  der  Art,  daß  die  jedem  Menschen 
eigentümliche  Naturanlage,  a  priori  zu  erkennen,  geübt  werde 
mittelst  der  Prüfung,  vor  allem  zufolge  welcher  Methode  die  vor- 


Von  Emil  Arnoldt.  407 

handenen  subjectiven  Philosophien  Erkenntniß  haben  gründen, 
weiter  durch  welche  Kategorien  sie  die  gegebenen  Erscheinungen 
haben  verstehen  und,  nach  Auffindung  allgemeiner  Gesetze  für 
alles  Bedingte,  durch  welche  Ideen  das  Bedingte  aus  dem  Un- 
bedingten begreifen  wollen.  Bei  dieser  Prüfung,  die  allerdings 
ein  autoritätsfreies  Denken,  aber  vom  Standpunct  der  zu  prüfen- 
den subjectiven  Philosophie  vollzieht,  um  die  Methode  derselben 
in  ihrer  Tragweite  und  consequenten  Anwendung  zu  beurtheilen, 
bleibt  das  Recht  der  aus  allen  subjectiven  Philosophien  zur  ob- 
jectiven  Philosophie  hinstrebenden  allgemeinen  Menschenvernunft 
vorbehalten,  in  einer  fort  und  fort  zu  erneuenden  Kritik  ihrer 
selbst  jene  Methode,  jene  Kategorien  und  Ideen  zu  bestätigen, 
oder  zu  verwerfen  auf  Grund  einer  Untersuchung  über  die 
Quellen,  den  Umfang  und  Gebrauch  wie  die  Grenzen  alles 
menschlichen  Wissens. 

Daß  diese  Auslegung  der  oben  citirten  Stelle  aus  der 
Krit.  d.  r.  V.  richtig  und  unter  „Befolgung  ihrer  allgemeinen 
Principien"  nicht  etwa  Anwendung  der  Maximen  der  Vernunft 
zur  Vermeidung  des  Irrthums  und  zur  Annäherung  an  das 
Urbild  der  "Weisheit  zu  verstehen  ist,  nämlich:  Selbstdenken, 
sich  in  die  Stelle  jedes  anderen  denken,  jederzeit  mit  sich  selbst 
einstimmig  denken,  erhellt  schon  aus  der  Erwägung:  es  bedarf 
keiner  Untersuchung  überhaupt  und  zumal  keiner  Untersuchung 
ihrer  Quellen,  um  jene  Maximen  zu  bestätigen;  sie  verwerfen 
hieße:  alles  Philosophiren  in  seinen  Lebenskeimen  ertödten. 

Mit  dieser  Auslegung  harmonirt  auch  eine  Auseinander- 
setzung in  der  Einleitung  zu  Kant's  Logik,  ob  sie  gleich  übrigens 
die  in  der  Krit.  d.  r.  V.  einigermaßen  statuirte  Möglichkeit, 
Philosophie  zu  lernen,  schlechthin  negirt: 

„Es  kann  sich  überhaupt  Keiner  einen  Philosophen  nennen, 
„der  nicht  philosophiren  kann.  Philosophiren  läßt  sich  aber  nur 
„durch  Uebung  und  selbsteigenen  Gebrauch  der  Vernunft  lernen. 

„Wie  sollte  sich  auch  Philosophie  eigentlich  lernen  lassen?  — 
„Jeder  philosophische  Denker  baut,  so  zu  sagen,  auf  den  Trüm- 
„meru  eines    andern  sein  eigenes  Werk;    nie  aber    ist   eines  zu 


408       Zur  Beurth eilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

„Stande  gekommen,  das  in  allen  seinen  Theilen  beständig  ge- 
,,wesen  wäre.  Man  kann  daher  schon  aus  dem  Grunde  Philo- 
sophie nicht  lernen,  weil  sie  noch  nicht  gegeben  ist.  Ge- 
setzt aber  auch,  es  wäre  eine  wirklich  vorhanden:  so  würde 
„doch  Keiner,  der  sie  auch  lernte,  von  sich  sagen  können,  daß 
„er  ein  Philosoph  sey;  denn  seine  Kenntniß  davon  wäre  doch 
„immer  nur  subjectiv-historisch. 

„In  der  Mathematik  verhält  sich  die  Sache  anders.  — 

„Die  Beweise  sind  hier  so  evident,  daß  ein  Jeder  davon  über- 
zeugt werden  kann;  auch  kann  sie  ihrer  Evidenz  wegen,  als 
„eine  gewisse  und  beständige  Lehre,  gleichsam  aufbehalten 
„werden. 

„Der  philosophiren  lernen  will,  darf  dagegen  alle  Systeme 
„der  Philosophie  nur  als  Geschichte  des  Gebrauchs  der 
„Vernunft  ansehen  und  als  Objecte  der  Uebung  seines  philo- 
sophischen Talents. 

„Der  wahre  Philosoph  muß  also  als  Selbstdenker  einen 
„freien  und  selbsteigenen,  keinen  sklavisch  nachahmenden  Ge- 
brauch von  seiner  Vernunft  machen.  Aber  auch  keinen  dialek- 
tischen, d.  i.  keinen  solchen  Gebrauch,  der  nur  darauf  ab- 
„zweckt,  den  Erkenntnissen  einen  Schein  von  Wahrheit  und 
„Weisheit  zu  geben.  Dieses  ist  das  Geschäft  des  bloßen 
„Sophisten     —     —     —     —     —     —     —     —     —     —     —    — 

■ 

„Philosophie  —  —  —  schließt  gleichsam  den  wissenschaft- 
lichen Cirkel  und  durch  sie  erhalten  sodann  erst  die  Wissen- 
schaften Ordnung  und  Zusammenhang. 

„Wir  werden  also  zum  Behuf  der  Uebung  im  Selbst- 
„denken  oder  Philosophiren  mehr  auf  die  Methode  unsers  Ver- 
„nunftgebrauchs  zu  sehen  haben,  als  auf  die  Sätze  selbst,  zu 
„denen  wir  durch  dieselbe  gekommen  sind."  (ß.  JH,  187  —  189.— 
H.  VIII,  26  u.  27.) 

Hier  wird  ausdrücklich  gesagt:  1.  Wer  philosophiren  lernen 
will,  hat  vor  allem  auf  die  Methode  des  Vernunftgebrauchs  in 
subjectiven  Philosophien    und    erst    hinterher  auf  die  mit  Hilfe 


Von  Emil  Arnoldt.  409 

der  Methode  gewonnenen  Sätze  zu  achten.  2.  Er  hat  demnach 
alle  bisherigen  Systeme  der  Philosophie  nur  als  Uebungsobjecte 
für  sein  philosophisches  Talent  zu  behandeln,  d.  h.  die  vorhan- 
denen subjectiven  Philosophien  zunächst  kennen  zu  lernen,  dann 
aber  dahin  zu  prüfen,  ob  ihre  Methoden  consequent  angewendet 
und  die  damit  angeblich  gewonnenen  Resultate  wirklich  da- 
durch ermöglicht  worden,  -  worauf  im  Falle  entdeckter  In- 
consequenzen  die  Forschung  nach  einer  neuen  Methode  mit  dem 
Ausblick  auf  das  Ziel  einer  objectiven  Philosophie  einzutreten 
hätte.  3.  Er  soll  eingedenk  bleiben,  daß  die  Philosophie  nie 
und  nimmer  könne  gelernt  werden. 

In  den  beiden  ersten  dieser  Sätze  ist  die  Uebereinstimmung 
mit  den  oben  aus  der  Krit.  d.  r.  V.  behandelten  Citaten  offen- 
bar, und  eben  so  scheint  es  die  Abweichung  davon  in  dem 
dritten.  Aber  die  Differenz  ist  auf  hebbar.  Denn  allerdings 
kann  niemand  ein  Philosoph  werden  dadurch,  daß  er  die  ob- 
jective  Philosophie,  wenn  sie  gegeben  wäre  oder  einst  gegeben 
würde,  historisch  erlernte,  wie  auch  niemand  ein  Mathematiker 
dadurch,  daß  er  den  Euklid  und  andere  mathematische  Werke 
auswendig  lernt.  Wie  jedoch  die  Mathematik  rational  kann  er- 
lernt werden,  indem  sich  der  Intellect  im  Verein  mit  der  An- 
schauung von  der  Richtigkeit  der  mathematischen  Sätze  und 
Beweise,  Formeln  und  Operationen  überführt  und  bei  dieser 
Ueberfiihrung  sich  so  cultivirt,  daß  er  auf  dem  Gebiete  der 
Mathematik  zu  eigener  Productivität  gelangt,  so  könnte  auch 
die  Philosophie  rational  erlernt  werden,  wenn  sie  als  „eine  ge- 
wisse und  beständige  Lehre"  ins  Dasein  träte.  Auch  würde  die 
Vernunft  desjenigen,  der  die  einst  etwa  vorhandene  objective 
Philosophie  rational  erlernte,  ihre  Productionsfähigkeit  sicher 
durch  dieses  rationale  Lernen  so  gesteigert  erhalten,  daß  sie  auf 
philosophischem  oder  anderem  Gebiete  neue  Einsichten  zu  er- 
zeugen vermöchte. 

IndeJß  ist  der  Streit  um  diese  Frage  müßig,  da  die  objective 
Philosophie  nicht  existirt  und  vielleicht  nie  existiren  kann,  in  sofern 
sie  als  Idee,  obgleich  wirksam,  dennoch  nicht  zu  verwirklichen  ist. 


410      Zur  BeurtheiluDg  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

Also  bleibt  es  dabei:  Man  kann  nicht  Philosophie  lernen, 
sondern  nur  philosophiren.  Zu  diesem  Zwecke  aber  muß  man 
der  Methoden  Herr  werden,  —  der  falschen  Methoden,  um  sie 
zu  vermeiden,  der  richtigen  Methode,  um  sie  anzuwenden. 
Darauf  läuft  schließlich  alles  Philosophiren- Lernen  hinaus. 

In  den  auf  der  Königsberger  Kgl.  und  Universitäts-Biblio- 
thek vorhandenen  Nachschriften  von  Kant's  Vorlesungen  über 
,,die  Vernunftlehreu  im  Sommersemester  1782  und  im  Sommer- 
semester 1793  finden  sich  fast  genau  dieselben  Gedanken,  als 
die  eben  besprochenen  aus  der  Krit.  d.  r.  V.  und  der  Einleitung 
in  die  Logik.  Um  diese  Uebereinstimmung  zu  constatiren,  hebe 
ich  zunächst  aus  der  Nachschrift  der  1782  er  Vorlesung  folgende 
Sätze  heraus:  S.  5.  „Eine  Erkentniß  kan  aus  der  Vernunft  ent- 
standen seyn,  allein  die  Art  wie  ich  sie  erkenne,  ist  doch 
„historisch,  wenn  ich  sie  nämlich  mir  erwerbe,  wie  sie  mir 
„gegeben  war,  z.  B.  der  Polyhistor,  der  die  Philosophie  der 
„Alten  studirt.  Hier  ist  die  Erkentniß  objective  eine  Vernunft- 
„Erkentniß,  subjective  aber  historisch.  Es  ist  zweyerley  Philo- 
sophie lernen  and  philosophiren  lernen.  Es  ist  einer  der 
„größten  Fehler  in  der  Unterweisung,  wenn  man  Systeme  der 
„Philosophie  eines  Autors  auswendig  lernen  läßt,  ohne  über  den 
„Autor  urtheilen  zu  laßen.  Es  ist  daher  nöthig  in  der  Methode 
„der  Vernunft  mehr  Vernunft  zu  gebrauchen".  —  S.  6.  „Die 
„Philosophie  kann  nicht  erlernt  werden,  weil  ein  jeder  Philosoph 
„auf  den  Trümmern  eines  anderen  sein  eigenes  Gebäude  auf* 
„richtet,  und  wenn  mir  würklich  ein  System  gegeben  würde, 
„welches  so  klar  wäre,  daß  es  auf  immer  unwidersprechliehe 
„Säzze  enthielte,  so  würde  ich  dennoch  kein  Philosoph  seyn, 
„wenn  ich  alle  Säzze  desselben  auswendig  lernte.  Ich  würde 
„dann  nicht  philosophiren  lernen,  sondern  ein  historisches  Er- 
„kentniß  besizzen,    ohne  die  Quellen,  woraus  es  geschöpft  wäre, 

„zu  wißen."    —  —  — .    „Philosophie  schließt  den  Cirkel" 

[sc.  aller  Wissenschaften].  —  —  „Indem  wir  die  Philosophie 
„als  Geschicklichkeit  betrachten,  so  werden  wir"  [mehr]  „auf 
„die  Methode  derselben,  als  auf  die  Absicht,  worauf  sie  gerichtet 


Von  Emil  Arnoldt.  411 

„ist  sehen.  Auf  die  obersten  Maximen  werden  wir  freylich 
„auch  unsre  Blicke  richten,  allein  da  wir  durch  die  Methode 
„angefuhret  werden,  wie  wir  philosophiren  lernen  sollen,  und 
„folglich  die  Philosophie  den  menschlichen  Geist  in  die  gröfte 
„Freiheit  sezt,  so  verdient  sie"  [die  Methode]  „die  gröfte  Auf- 
merksamkeit". 

Aus  der  1793er  Vorlesung  citire  ich:  S.  11  und  12.  „Eine 
„Erkenntniß  kann  subjectiv  historisch  zugleich  aber  auch  ob- 
„jectiv  rationell  seyn  z.  B.  Religionswahrheiten,  die  blos  durch 
„die  Vernunft  erkannt  werden,  sind  für  den,  der  den  Catechismum 
„lernt,  oder  insoweit  sie  blos  auf  OfFenbahrung  beruhen,  subjectiv 
„historisch:  ebenso  mit  der  Moral.  —  Darin  liegt  der  Unter- 
schied zwischen  lernen  zu  philosophiren,  und  Philosophie 
„lernen.  Der  letztere  lernt  die  theoretischen  Begriffe  die  ihm 
„sein  Meister  z.  E.  Baumgarten  in  den  über"  [??]  „notionibus 
„philosophiae,  gesammelten  WolFschen  Definitionen  vorträgt; 
„er  erlangt  eine  bloß  historische  Kenntniß,  ohne  sich  zum  Denken 
„zu  gewöhnen.  Der  erstere  lernt  die  Methode  zu  denken,  er  ist 
„freilich  auch  im  Zustande  der  Receptivität,  er  ist  sogar  bey 
„communication  der  materiellen  Kenntniße  blos  empfänglich: 
„aber  er  lernt  zugleich  die  Methode,  woran  er  die  ihm  vorge- 
tragene Theorie  prüft,  und  sich  selbst  von  ihrer  Consequenz 
„Ueberzeugung  schaft.  Indeß  liegt  an  der  vom  Lehrer  ge- 
wählten Methode  und  der  richtigen  Fassung  sehr  viel." 

Man  sieht  hieraus:  Kant  ließ  sich  nicht  verdrießen,  immer 
von  neuem  die  Mahnung  zu  wiederholen,  daß  die  Fruchtbarkeit 
des  philosophischen  Studiums  dem  Philosophiren -lernen  und 
nicht  dem  Lernen  einer  Philosophie  entquelle,  und  ferner:  er 
ließ  sich  trotz  seiner  mehr  und  mehr  gefesteten  Ueberzeugung 
von  der  dauerhaften  Unerschütterlichkeit  seines  Systems  nie  die 
Prätension  jener  absoluten  und  autoritativen  Wahrheitserkennt- 
niß  beikommen,  durch  deren  Besitz  das  philosophirende  Subject 
der  Philosoph  und  das  System  desselben  die  Philosophie 
würde  geworden  sein. 

Freilich    wäre   für  Kant    durch    einen    solchen  Wahrheits- 


412       Zur  Beurth eilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

besitz  allein  das  philosophirende  Subject  doch  nicht  schon  der 
Philosoph  gewesen!  Dies  bestätigt  eine  Bemerkung  in  der 
Nachschrift  der  1793er  Vorlesung,  welche  hier  auch  einen  Platz 
finden  mag. 

Kant  hat  nämlich,  wie  notorisch  ist,  wiederhol  entlich  er- 
klärt, daß  sich  niemand  selbst  einen  Philosophen  zu  nennen  an- 
maßen dürfe  (R.  II,  646),  wenn  darunter,  nach  der  Forderung 
der  Alten,  ein  Weisheitslehrer  verstanden  werde  als  Meister 
in  Kenntniß  der  Weisheit,  „der  auch  die  unfehlbare  Wirkung 
derselben  (in  Beherrschung  seiner  selbst  und  dem  ungezweifelten 
Interesse,  das  er  vorzüglich  am  allgemeinen  Guten  nimmt)  an 
seiner  Person,  als  Beispiele,  aufstellen  kann"  (R.  VIII,  243  u. 
244.  —  Vgl.  IX,  217  und  218  Anm.  —  VII,  2  A.,  207  Anm.  - 
III,  185  unt.  — ).  Auch  nach  der  1793er  Nachschrift  wird  die 
Philosophie  eingetheilt  in:  a)  eine  Kunstlehre  und  b)  eine  Weis- 
hfeitslebre  „als  System  philosophischer  Erkenntniß,  insofern  sie 
„auf  den  höchsten  möglichen,  nothwendigen  Zweck  der  Mensch- 
„heit,  nämlich  das  höchste  Gut  gerichtet  wird,  Erkenntniß  unserer 
„Pflichten  und  active  Ausübung  unserer  Pflichten".  Dann  heißt 
es  weiter:  „In  dieser  Rücksicht  ist  es  schwer,  zu  bestimmen,  ob 
„ein  Mensch  den  Nahmen  eines  Philosophen  erreichen  wird. 
„Herr  Kant  würde  den  Herrn  Sulzer  dafür  bestirnt  haben, 
„wenn  man  ihn  mit  der  ausgebreiteten  materiellen  Kenntniß 
„eines  Leibnitz  und  mit  dem  unpartheyischen  Urtheil  eines  Hume 
„hätte  verbinden  können".  Das  soll  wohl  ohne  Zweifel  den 
Sinn  haben:  Kant  würde  Sulzer  für  einen  Philosophen  in  der 
antiken  Bedeutung  des  Wortes  genommen  haben,  wenn  derselbe 
neben  seinen  anderen  Eigenschaften  zugleich  die  ausgebreitete 
sachliche  Kenntniß  eines  Leibniz  und  das  vorsichtig  abwägende 
Urtheil  eines  Hume  besessen  hätte. 

Abgesehen  von  der  hohen  Achtung,  die  hier  Sulzern  ge- 
zollt, und  die  für  Kant's  Schätzung  von  Menschen werth 
characteristisch  ist,  hat  jene  Bemerkung  auch  Wichtigkeit  als 
Zeugniß  dafür,  daß  Kant  den  wahren  Philosophen,  welcher  mit 
Sulzer's    besonnener  Lebensführung    und    thätigem  Interesse  an 


Von  Emil  Arnoldt.  413 

dem  allgemeinen  Weltbesten  das  unbefangene  und  vorsichtige 
Urtheil  Hume's  und  den  versatilen,  reichen  und  durch  Wissen 
bereicherten  Geist  eines  Leibniz  vereinige,  auf  solche  Art  ge- 
wissermaßen als  den  vernünftigen,  verständigen  und  ge- 
lehrten Mann  dachte,  den  er  nach  der  „Nachricht  von  der  Ein- 
richtung seiner  Vorlesungen  in  dem  Winterhalbjahre  von 
1765 — 1766"  in  den  Bürgern  der  Akademie  heranzubilden  den 
Vorsatz  hatte. 

b)  Methode  und  Vortragsform. 

Um  nun  philosophiren  lernen  zu  lehren,  —  welche  Methode 
und  welche  Vortragsform  mußte  Kant  für  seine  Collegia  wählen, 
wenn  unter  Methode  die  nothwendige,  durch  die  Natur  eines 
wissenschaftlichen  Objects ,  eines  wissenschaftlichen  Strebens 
bestimmte  Ordnung  des  Denkens,  und  unter  Vortragsform  die 
Art  der  Gedankenmittheilung  verstanden  wird,  um  sich  anderen 
verständlich  zu  machen?  (vgl.  R.  III,  180.  -  H.  VIII,  20.). 
„An  der  vom  Lehrer  gewählten  Methode  und  der  richtigen 
Faßung  liegt  sehr  viel",  wie  das  aus  der  1793  er  Vorlesung 
so  eben  gegebene  Excerpt  besagt. 

Ueber  die  Methode,  die  er  als  Lehrer  befolgte,  hat  er  sich 
schon  in  der  „Nachricht"  u.  s.  w.  vom  Jahre  1765  hinlänglich 
klar  mit  den  wenigen  Worten  ausgesprochen:  „Die  eigentüm- 
liche Methode  des  Unterrichts  in  der  Weltweisheit  istzetetisch, 
„wie  sie  einige  Alte  nannten  (von  tr\veiv)^  d.  i.  forschend, 
„und  wird  nur  bei  schon  geübterer  Vernunft  in  verschiedenen 
„Stücken  dogmatisch,  d.  i.  entschieden"  (R.  I,  292.  —  H.  II, 
315.).  Diese  Methode  scheint  er  auch  für  die  späteren  Jahre 
seiner  Lehrthätigkeit,  und  zumal  in  seinen  Collegien  über  Logik 
und  über  Metaphysik,  beibehalten  zu  haben,  obgleich  die  mir 
bekannten  Nachschriften  derselben  nicht  das  Recht  geben,  es  zu 
behaupten.  Doch  hat  Jachmann  es  bezeugt,  indem  er  sagt: 
„Nie  war  es  Kants  Absicht,  eine  Logik  seinen  Zuhörern  bei- 
zubringen, sondern  sie  denken  zu  lehren",  und  ferner:  „Eine 
„besondere  Kunst   bewies  er  bei  der  Aufstellung  und  Definition 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX.  Hft.  5  u.  6.  27 


4 14       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

„metaphysischer  Begriffe  dadurch,  daß  er  vor  seinen  Zuhörern 
„gleichsam  Versuche  anstellte,  als  wenn  er  selbst  anfinge,  über 
„den  Gegenstand  nachzudenken,  allmählig  neue  bestimmende 
„Bögriffe  hinzufügte,  schon  versuchte  Erklärungen  nach  und 
„nach  verbesserte,  endlich  zum  völligen  Abschluß  des  vollkommen 
„erschöpften  und  von  allen  Seiten  beleuchteten  Begriffes  über- 
„ging,  und  so  den  strenge  aufmerksamen  Zuhörer  nicht  allein 
„mit  dem  Gegenstände  bekannt  machte,  sondern  ihn  auch  zum 
„methodischen  Denken  anleitete"  (I.  Kant  geschildert  in 
Briefen  etc.  S.  29.). 

Dagegen  hat  Kant  über  die  Vortragsform  seiner  Collegia 
keine  ausdrückliche  Angabe  gemacht,  abgesehen  davon,  daß  er 
in  der  „Nachricht"  u.  s.  w.  die  bei  seiner  Tendenz  und  seiner 
Methode  fast  selbstverständliche  Bemerkung  einschaltete:  „Auch 
„soll  der  philosophische  Verfasser,  den  man  etwa  bei  der  Unter- 
,, Weisung  zum  Grunde  legt,  nicht  wie  das  Urbild  des  Urtheila, 
„sondern  nur  als  eine  Veranlassung  selbst  über  ihn,  ja  wider 
„ihn  zu  urtheilen,  angesehen  werden"  (R.  I,  292.  —  H.  II,  315.). 
Denn  was  er  dort  noch  über  die  Behandlung  der  Wissenschaften, 
die  er  vortragen  wollte,  specieller  notificirt,  betrifft  einerseits 
den  Inhalt  derselben,  den  er  im  Umrisse  beschreibt  und  nach 
Haupttheilen  gliedert,  andererseits  den  Lehrgang,  den  er  einzu- 
schlagen, das  methodische  Verfahren,  das  er  zu  befolgen  ge- 
dachte. Späterhin  hat  er  in  seinen  Werken  allerdings  gelegent- 
lich über  den  Vortrag  der  drei  philosophischen  Grundwissen- 
schaften Anmerkungen  gemacht,  —  über  den  scholastischen  und 
den  populären  Vortrag  der  Logik  (R.  III,  179  u.  180.  — 
H.  Vin,  19  u.  20.),  ferner  daß  keine  formelle  Metaphysik 
könne  populär  werden  (R.  IX,  4.  —  H.  VII,  4.),  vorzüglich  je- 
doch über  die  Sittenlehre.  Die  Lehre  der  Sitten  sei  auf 
Metaphysik  zu  gründen,  und  ihr,  wenn  sie  fest  stehe,  durch 
Popularität  Eingang  zu  verschaffen,  mithin  eine  erste  Unter- 
suchung ihrer  Grundsätze  nothwendig  ohne  Anspruch  auf  das 
höchst  seltene  Verdienst  einer  wahren  philosophischen  Popularität 
(R.  VIII,  32.    —    H.  IV,  257.    —    Vgl.  R.  VII,  2.  A.,   26.  - 


Von  Emil  Arnoldt.  415 

H.  Vll,  450.).  Freilich  dürfe  der  Vortrag  des  moralischen 
Princips  eben  nicht  allemal  metaphysisch  und  scholastisch  sein, 
wenn  der  Lehrer  nicht  etwa  den  Lehrling  zum  Philosophen 
bilden  wolle;  aber  ob  auch  Metaphysik  die  Orakel-  oder  genie- 
mäßig über  Pflichtenlehre  absprechenden  Weisheitslehrer  noch 
so  sehr  anekele:  „auf  ihren  Bänken  selbst  erst  die  Schule  zu 
machen",  sei  für  diejenigen,  die  sich  zu  solchen  Lehrern  auf- 
werfen, unerläßliche  Pflicht  (R.  IX,  219  u.  220.  —  H.  VII,  178 
u.  179.).  Denn  in  der  Unterscheidung  der  Glückseligkeitslehre 
von  der  Sittenlehre  müsse  man  so  pünctlich,  ja,  wenn  es  auch 
hieße,  peinlich,  so  scholastisch  verfahren,  als  je  der  Geometer 
in  seinem  Geschäfte  (E.  VIII,  221  u.  222.  IX,  5.  —  H.  V,  97. 
VII,  4).  Ob  nun  gleich  diese  Bemerkungen  an  und  für  sich 
von  Bedeutung  und  dazu  keineswegs  blos  für  die  schrift- 
stellerische Behandlung  der  genannten  Wissenschaften  giltig 
sind,  so  führen  sie  doch  in  Bezug  auf  die  Vortragsform  seiner 
Collegia  zu  keiner  weiteren  Einsicht,  als  daß  er  sich  in  ihnen 
im  Allgemeinen  mehr  des  scholastischen,  als  des  populären,  im 
Besonderen  in  der  Logik  vorzugsweise  des  scholastischen,  in  der 
Metaphysik  nur  des  scholastischen,  in  der  Ethik  bei  der  Grund- 
legung der  Principien  des  scholastischen,  bei  der  Durchführung 
derselben,  wo  und  wie  immer  er  konnte,  des  populären  Vor- 
trages wird  befleißigt  haben. 

Also  verbreitet  sich  diese  Einsicht  nicht  über  die  Vortrags- 
form seiner  Collegia  als  ein  Resultat  aus  der  Tendenz  und  der 
Methode  derselben.  Gleichwohl  liegt  zu  Tage:  wenn  er  wollte 
philosophiren  lehren  und  daher,  wie  sich  gebührte,  bei  seinen 
Erörterungen  die  zetetische  Methode  anwenden,  so  mußte  dieser 
Tendenz  und  Methode  gemäß  auch  sein  Vortrag  eine  bestimmte 
Form  erhalten.  Welche  Form  war  dies?  Sie  ist  allerdings  nur 
a  priori  durch  einen  Schluß  zu  ermitteln.  Aber  den  Schluß  be- 
stätigt das  eine  und  das  andere  Factum. 

Tendenz  und  Methode  mußten  die  Vortragsform  in  drei- 
facher Hinsicht  beeinflussen  und  bestimmen: 

1.  Zunächst    hatte  die  Tendenz,    philosophiren    zu    lehren, 

27* 


416      Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

die  Folge,  daß  Kant  nicht  in  dogmatischem  Lehrvortrage 
ein  neues  System  überlieferte,  auch  als  er  es  ausgebildet  hatte. 
Er  mußte  die  Lehrlinge  darauf  vorbereiten,  sie  mit  den  philo- 
sophischen Problemen,  den  bisherigen  Lösungsversuchen  der- 
selben und  den  Methoden  dieser  Lösungsversuche  bekannt 
machen.  Um  diese  Kenntniß  anzubauen,  die  er  unter  allen 
anderen  Kenntnissen,  welche  ein  Philosoph  nöthig  hat  (vergl. 
R.  III,  187.  —  H.  VIII,  25.),  für  die  ersprießlichste  halten  mußte, 
bot  sich  ihm  als  fügliches  Mittel  das  Initiiren  der  Lehrlinge  in 
die  herrschende  Philosophie  und  das  Discipliniren  ihres  Denkens 
an  der  Systematik  derselben.  Hieraus  erklärt  sich,  daß  er  die 
von  der  Regierung  den  Docenten  gegebene  Vorschrift,  nach 
Compendien  zu  lesen,  in  allen  seinen  Collegien,  mit  Ausnahme 
der  physischen  Geographie,  auch  dann  noch  strict  befolgte,  als  der 
Inhalt  seiner  Vorträge  von  dem  Inhalt  der  Lehrbücher,  die  noch 
am  meisten  seiner  Absicht  entsprachen,  mit  den  Jahren,  zumal 
in  der  Metaphysik  und  Ethik,  so  abweichend  wurde,  daß  die 
Beziehung-  auf  das  Lehrbuch  dem  Gang  seiner  eigenen  Aus- 
einandersetzungen eher  zum  Hemmniß,  als  Förderniß  hätte  ge- 
reichen können.  Auch  entsprang  daraus  seine  Gewohnheit,  in 
den  Einleitungen  zu  seinen  Vorlesungen  historische  Excurse 
und  in  den  Vorlesungen  selbst  bei  Behandlung  einzelner  Probleme 
Rückblicke  auf  die  Doctrinen  seiner  Vorgänger  zu  thun.  Mochten 
solche  Excurse  und  Rückblicke  an  den  überkommenen  Systemen 
auch  nur  einzelne,  —  nur  die  grundsätzlichen,  die  eigenthüm- 
lichsten  Philosopheme  streifen,  so  waren  sie  doch  immer  eine 
Mahnung,  jene  Kenntnisse  zu  erwerben,  ohne  die  „man  nie  ein 
Philosoph  werden  wird",  wenngleich  schon  jene  „Kenntnisse  allein 
nie  den  Philosophen  ausmachen  werden"  (R.  III,  187.  — 
H.  VIII,  25.). 

2.  Die  zetetische  Methode  forderte,  daß  er  die  herrschende 
Philosophie  an  der  Hand  der  Compendien  in  ihrer  eigenen 
Methode  und  ihren  einzelnen  Doctrinen  untersuchte,  als  un- 
unzulänglich und  mehr  oder  weniger  haltlos  erwiese  und  über 
die  in  seinen  Excursen  und  Rückblicken  berührten  Systeme  eine 


Von  Emil  Arnoldt.  417 

ähnliche  Orientirung  gäbe.  Diese  Orientirung  konnte  nur  an 
einer  neuen  Methode  und  an  neuen  Principien  geschehen,  die 
er  aber  bei  Festhaltang  der  zetetischen  Vortragsmethode  nicht 
einfach  zu  überliefern,  sondern  auffinden  zu  lassen,  nach  An- 
tastung der  alten  Systeme  als  einzig  brauchbare  Instrumente 
zur  Errichtung  eines  neuen  aufzuweisen,  auch  wohl  als  solche 
zu  erproben  hatte.  Aus  solcher  Vortragsart  erklärt  sich  leicht, 
daß  er,  wie  mehrfach  bezeugt  worden,  denkenden  Köpfen  unter 
seinen  Zuhörern  die  mannigfachsten  und  nachhaltigsten  An- 
regungen zu  selbstständiger  Entwickelung  ihrer  Fähigkeiten 
darbot,  ferner  daß  er  die  vorgefundenen  philosophischen  Ge- 
bäude, ob  er  gleich  wenig  von  ihnen  nutzen  konnte,  doch  mit 
vorsichtiger  Schonung  ihrer  Bestandstücke  abtrug,  statt  sie  mit 
Ungestüm  zu  zerstören,  endlich  daß  er  —  unähnlich  manchem 
seiner  philosophischen  Nachfahren  —  seine  Vorgänger  mit  maß- 
voller Polemik  bekämpfte,  ohne  Eifersüchtelei,  ohne  Herabsetzung 
der  fremden  bei  prätensiöser  Herausstreichung  der  eigenen 
Leistungen,  vielmehr  mit  bereitwilliger  Anerkennung  jedes  Ver- 
dienstes, das  er  vorfand. 

3.  Tendenz  und  Methode  zusammen  verboten  den  Vortrag 
eines  neuen  Systems  als  eines  fertigen  Ganzen.  Dagegen  forderte 
die  aus  der  Kritik  der  bisherigen  Philosophie  entspringende 
Einsicht  in  die  Unzulänglichkeit  ihrer  Methoden  und  in  die  Un- 
sicherheit ihrer  Principien  wie  die  zu  fester  Ueberzeugung  ge- 
steigerte Gewißheit  von  der  Probehaltigkeit  des  eigenen,  sich 
allmälig  entwickelnden  Systems  mit  innerer  Notwendigkeit, 
daß  der  Vortrag  das  neue  Lehrgebäude  irgend  wie  herrichte, 
wenn  er  auch  das  alte  nicht  stürmisch  in  lauter  Trümmer  schlüge. 
Die  Folge  davon  war:  Indem  Kant  bei  fortdauernder  Anknüpfung 
seiner  Vorträge  an  die  alten  Lehrbücher,  von  deren  Doctrinen 
er  kaum  eine  einzige  bestehen,  und  von  deren  Begriffsbe- 
stimmungen er  äußerst  wenige  gelten  ließ,  demungeachtet  sein 
neues  System  den  Umrissen  des  alten  einfügte,  so  brachte  er 
auch  nach  Ausbildung  seines  Systems  gleichwohl  dieses  selbst 
niemals  in  seineu  Collegien  zu  einer  ihm  völlig  adäquaten  Dar~ 


418       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  et«. 

Stellung.  Die  Darstellung  war  inadäquat  im  Einzelnen  und  im 
Ganzen:  im  Einzelnen,  denn  sie  gab  öfters  ziemlich  weitläufige 
Erörterungen  von  solchen  Begriffen,  die  für  sein  System  eine 
nur  untergeordnete  Bedeutung  hatten,  z.  B.  vom  unum,  verum, 
et  perfectum,  während  sie  mitunter  die  Explication  von  Be- 
griffen, die  für  sein  System  ein  Ausschlag  gebendes  Moment 
enthielten,  z.  B.  die  von  der  objectiven  Giltigkeit  der  Kategorien 
und  damit  die  Deduction  der  letzteren  über  Gebühr  einschränkte; 
im  Ganzen,  denn  sie  ließ  —  wobei  allerdings  noch  andere  in 
dem  nächsten  Abschnitt  zu  erwähnende  Gründe  mitwirkten  — 
eine  Discrepanz  aufkommen  zwischen  den  philosophischen  An- 
sichten, die  er  als  Autor  in  seinen  Werken,  und  denen,  die  er 
als  akademischer  Lehrer  in  seinen  Collegien  entwickelte.  Dies 
gilt  allerdings  eigentlich  nur  von  seinem  metaphysischen  Colleg, 
obschon  er  auch  hier  mit  der  Zeit  dazu  überging,  sein  neues 
System,  freilich  immer  mit  Anlehnung  an  das  alte,  mehr  und 
mehr  seinen  Vorträgen  einzuverleiben.  Dagegen  trat  er  in  seinem 
Colleg  über  Ethik  viel  entschiedener,  obwohl  auch  nicht  ganz 
frei  von  jeder  Rücksicht  auf  seine  Zuhörer  mit  seinen  neuen 
Principien  hervor.  Desgleichen  überlieferte  er  in  seinem  anthro- 
pologischen Colleg  durchweg  seine  eigenen  originalen  Be- 
obachtungen, Reflexionen,  Combinationen  und  Einfalle.  Mit  der 
Logik  aber  hat  er,  ausschließlich  der  Einleitung,  deren  Ex- 
positionen in  ihrem  Bereich  allerdings  seinen  philosophischen 
Neuerungen  gerecht  wurden,  nie,  weder  als  Schriftsteller,  noch 
als  akademischer  Lehrer  die  Umgestaltung  vorgenommen,  welche 
sein  System  in  seiner  vollkommenen  Ausbildung  würde  gefordert 
haben,  so  daß  schon  dieser  Unterlassung  halber  die  erwähnte 
Discrepanz  nicht  zum  Vorschein  kommen  konnte. 

2.  Bestimmung  des  allgemeinen  Characters  von  Kant's 
metaphysischem  Colleg  und  Bericht  über  einige  Nach- 
schriften des  letzteren. 

a)  Allgemeiner  Character  von  Kant's  metaphysischem  Colleg. 

Mit  den  bisher  angegebenen,  inneren,  sachlichen  oder  ob- 


Von  Emil  Arnoldt.  419 

jectiven  Gründen,  welche  verhinderten,  daß  Kant's  Collegia 
seine  philosophischen  Ansichten  rein  und  völlig  zum  Ausdruck 
brachten,  verband  sich  in  seinem  metaphysischen  Colleg  ein  an- 
derer Grund  halb  objectiver,  halb  subjectiver  Natur,  der  hier 
jene  Folge  in  erhöhtem  Grade  nach  sich  ziehen  mußte. 

Kant  hatte  seit  dem  Beginn  seines  Philosophirens  in  den 
Fragen  nach  den  Vernunftbeweisen  von  dem  Dasein  Gottes, 
wie  von  der  Freiheit  des  "Willens  und  von  der  Unsterblichkeit 
der  Seele  Hauptprobleme  der  Metaphysik  erblickt,  und  er  er- 
klärte in  der  Methodenlehre  der  Krit.  d.  r.  V.  die  Lösung  dieser 
drei  Probleme  für  den  Endzweck  der  Metaphysik,  der  dann 
wiederum  moralischen  Zwecken  untergeordnet  sei.  „Die  End- 
„absicht",  sagt  er,  „worauf  die  Speculation  der  Vernunft  im 
„transcendentalen  Gebrauche  zuletzt  hinausläuft,  betrifft  drei 
„Gegenstände:  die  Freiheit  des  Willens,  die  Unsterblichkeit  der 
„Seele  und  das  Daseyn  Gottes.  In  Ansehung  aller  drei  ist  das 
„Mos  speculative  Interesse  der  Vernunft  nur  sehr  gering,  —  — 

„ weil  man  von  allen  Entdeckungen,  die  hierüber  zu  machen 

„seyn  möchten,  doch  keinen  Gebrauch  machen  kann,  der  in  con- 
creto, d.  i.  in  der  Naturforschung,  seinen  Nutzen  bewieseu 
(R.  II,  615  u.  616.  —  H.  III,  528.);  und  weiterhin:  „Die  ganze 
„Zurüstung  also  der  Vernunft,  in  der  Bearbeitung,  die  man  reine 
„Philosophie  nennen  kann,  ist  in  der  That  nur  auf  die  drei  ge- 
dachten Probleme  gerichtet.  Diese  selber  aber  haben  wiederum 
„ihre  entferntere  Absicht,  nämlich,  was  zu  thunsey,  wenn 
„der  Wille  frei,  wenn  ein  Gott  und  eine  künftige  Welt  ist." 
So  sei  „die  letzte  Absicht  der  weislich  uns  versorgenden 
„Natur,  bei  der  Einrichtung  unserer  Vernunft,  eigentlich  nur 
„auf's  Moralische  gestellt"  (R.  II,  617  u.  618.  —  H.  III,  529.).  — 
Auch  in  den  „Prolegomena"  setzt  er  der  Metaphysik  das  gleiche 
Endziel,  indem  er  ihren  im  Unterschiede  von  Naturbegriffen 
reine  Vernunftbegriffe  behandelnden  Theil  als  ,,den  wesentlichen 
Zweck  derselben"  bezeichnet,  „wozu  alles  andere  nur  Mittel  ist" 
(R.  III,  94  u.  95.  —  H.  IV,  75.);  denn  auch  ohne  die  in  der 
Analytik  des  Verstandes  gelieferte  Deductiou  verrichte  die  Ver- 


420       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

nunft  in  der  Mathematik  wie  Naturwissenschaft  ihr  Geschäft 
„ganz  sicher  und  gut",  während  die  Vernunftideen  „wohl  gar 
„den  Maximen  des  Vernunfterkenntnisses*)  der  Natur  entgegen 
„und  hinderlich"  seien  (R.  III,  99.  —  H.  IV,  79.);  gleichwohl 
dienen  die  transscendentalen  Ideen,  entsprungen  aus  jener  „Natur- 
„anlage  unserer  Vernunft,  welche  Metaphysik  als  ihr  Lieblings- 
„kind  ausgeboren  hat"  (R.  III,  127.  —  H.  IV.  101.),  dazu, 
„die  frechen  und  das  Feld  der  Vernunft  verengenden  Be- 
hauptungen des  Materialismus,  Naturalismus  und  Fatalis- 
„inus  aufzuheben,  und  dadurch  den  moralischen  Ideen  außer  dem 
„Felde  der  Speculation  Raum  zu  verschaffen"  (R.  III,  139  u. 
140.  —  H.  IV,  110  u.  111.).  Die  transscendentalen  Ideen  aber, 
welche  zu  Gunsten  einer  Lebensführung  nach  der  Norm  morali- 
scher Ideen,  d.  h.  der  Idee  vom  höchsten  Gut,  den  Materialis- 
mus, Naturalismus  und  Fatalismus  stürzen,  sind  keine  anderen, 
als  die  Ideen  von  der  Unsterblichkeit,  von  der  Freiheit  und 
von  Gott,  wie  Kant  an  den  citirten  Stellen  der  Prolegomena 
theils  von  fern  andeutet,  theils  mit  einigem  Umschweif,  aber 
unverkennbar  ausführt.  —  Desgleichen  äußerte  er  in  der  Vor- 
rede zu  den  „Metaphys.  Anfangsgr.  der  Naturwissensch.",  „daß 
„Metaphysik  so  viel  Köpfe  bisher  nicht  darum  beschäftigt  hat 
„und  sie  ferner  beschäftigen  wird,  um  Naturkenntnisse  dadnreh 
„zu  erweitern  (welches  viel  leichter  und  sicherer  durch  Beob- 
„achtung,  Experiment  und  Anwendung  der  Mathematik  auf 
„äußere  Erscheinungen  geschieht),  sondern  um  zur  Erkenntniß 
„dessen,  was  gänzlich  über  alle  Grenzen  der  Erfahrung  hinaus- 
„liegt,    von    Gott,    Freiheit    und    Unsterblichkeit   zu    gelangen'' 


*)  Hartenstein  hat  hier  abweichend  von  der  Or.-Ausg.  irrthümlif-h 
„Verstandeserkenntnisses"  drucken  lassen  (Bd.  IV,  S.  79  u.  Vorrede  8.  IVJ. 
B.  Erdmann's  (S.  88)  und  K.  Schulz'  (S.  114)  Ausgaben  der  „Prolegomena" 
bringen  die  richtige  Lesart.  Hartenstein^  Mißverständnis  rührt  wohl  da- 
her^ daß  Kant  sich  ein  wenig  kurz  gefaßt  hat  beim  Anspielen  auf  den  Ge- 
danken: Es  ist  eine  Maxime  der  Vernunft,  in  der  Naturerkenntniß 
des  Verstandes  keinen  Erklärungsgrund  aus  der  übersinnlichen  Welt  zu- 
zulassen. 


Von  Emil  Arnold t  421 

(R.  V,  317  u.  318.  —  H.  IV,  367.).  —  Ebenso  hebt  er  in  der 
Methodenlehre  der  teleologischen  Urtheilskraft  nachdrücklich 
hervor:  „Gott  Freiheit  und  Seelenunsterblichkeit  sind  diejenigen 
„Aufgaben,  zu  deren  Auflösung  alle  Zurüstungen  der  Metaphysik, 
„als  ihrem  letzten  und  alleinigen  Zwecke,  abzielen"  (R.  IV, 
381.  —  H.  V,  487.).  —  Und  in  der  Abhandlung  über  die  Fort- 
schritte der  Metaphys.  seit  Leibnitz*  und  Wolfs  Zeiten  weist  er 
unablässig  Freiheit,  Gott,  Unsterblichkeit  —  das  Uebersinnliche 
in  uns,  über  uns,  nach  uns  —  als  die  Objecto  auf,  deren  Er- 
kenntniß  den  Endzweck  der  Metaphysik  ausmacht,  und  deren 
freies,  aber  nach  objectiven  Grundsätzen  der  Moral  nothwendiges 
Annehmen  wiederum  auf  die  subjectiven  Principien  der  Moralität 
zur  Bestärkung  in  denselben,  mithin  auf  das  Thun  und  Lassen 
des  Menschen  zurückwirkt  (R.  I,  529  u.  B30.  B33  u.  534. 
537  u.  538.  540—542.  546—553.  —  H.  VIII,  553  u.  554. 
556  u.  557.     660  u.  561.     562  u.  563.     567—572.). 

Es  war  daher  ein  sachlicher  Grund,  welcher  ihn  bestimmte, 
seine  metaphysischen  Vorträge  auf  die  Behandlung  der  drei 
genannten  Probleme  anzulegen  und  durch  die  ontologischen 
Untersuchungen,  die  er  darin  anstellte,  die  Lösung  derselben 
vorzubereiten.  So  wurde  die  Ontologie  ein  bloßes  Mittel  zur 
Erreichung  der  Zwecke,  welche  sich  in  den  übrigen  Theilen  der 
Metaphysik  hervorthaten.  Diese  Subordination  der  Ontologie 
bedingte  freilich  noch  nicht  deren  Herab-  oder  auch  nur  Hintan- 
setzung. Aber  die  Erweiterungen  der  Vernunfterkenntniß  in 
praktischer  Absicht,  zu  denen  die  transscen dentalen  Ideen  Aus- 
sicht eröffneten,  konnten  leicht  ein  unwillkürliches  Bestreben 
erzeugen,  den  mühsamen  Gang,  welchen  die  Ontologie  mit  ihrer 
Analytik  des  Verstandes  zurückzulegen  hatte,  abzukürzen,  um 
bald  zu  den  Zwecken  zu  gelangen,  denen  jene  ontologisohe  Zu- 
rüstung  diente.  Dann  hätte  die  Beschäftigung  mit  den  Resul- 
taten, zu  denen  der  Gang  führte,  vor  der  Beschäftigung  mit 
den  Mühseligkeiten  des  Ganges  selbst  den  Vorzug  erhalten, 
während  doch  die  Anleitung,  gerade  diese  Mühseligkeiten  auf- 
zusuchen und  zu  überwinden,   durch   die  zetetische  Methode  für 


422       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

die  Instruction    der  Zuhörer    in    der   Metaphysik    dringend  ge- 
boten war. 

Ein  solches  unwillkürliches  Bestreben  mochte  factisch  in 
Kant  zu  Zeiten  emporkommen,  da  der  Grund,  welcher  ihn  ob- 
jectiverseits  zur  Subordination  der  Ontologie  unter  die  übrigen 
Theile  der  Metaphysik  veranlaßte,  in  ihm  subjectiverseits  ein 
verstärktes  Gewicht  erhielt  durch  den  Trieb,  in  der  akademischen 
Jugend  eine  lautere  und  durch  den  Vernunftglauben  gefestete 
Moralität  anzubauen.  Dies  war  in  ihm  keine  vorsätzliche  Be- 
mühung, sondern  eine  spontane  Regung,  mit  innerer  Notwendig- 
keit aus  dem  Gefühl  der  Verpflichtung  entspringend,  nach  Kraft 
und  Gelegenheit  „zum  Weltbesten"  hinzuwirken.  Es  war  daher 
ein  theils  objectiver,  theils  subjectiver  Grund,  welcher  ihn  ge- 
neigt machte,  in  seinen  Vorlesungen  über  Metaphysik  die  Theile 
der  Disciplin,  in  denen  er  von  der  Freiheit,  von  der  Unsterb- 
lichkeit, und  von  Gott  zu  handeln  hatte,  vor  demjenigen  zu  be- 
vorzugen, der  die  eigentliche  Wissenslehre  oder  die  Theorie  der 
Erfahrungserkenntniß  enthielt.  Freilich  ließ  er  sicher  nie  außer 
Acht,  daß  die  Resultate  der  kritischen  Philosophie  zu  verstehen 
seien,  nur  wenn  ,,die  Schritte,  die  dahin  führen,  mit  sorgfältigem 
Fleiße  durchgegangen"  werden,  und  daß  „die  Wissenslehre 
schlechterdings  nicht"  könne  „vorbeigegangen  werden,  ob  sie 
zwar  größtenteils  auf  Beschränkung  der  Anmaßungen  im  theo- 
retischen Erkenntnis  gerichtet'*  sei  (ß.  I,  658  u.  659.  —  H.  VI, 
496  u.  497.).  Aber  der  Vortrag  der  Wissenslehre  mußte  ohne 
Frage  wesentlich  ein  anderer  sein,  wenn  er  gleichentheils  auf 
Erklärung  der  Möglichkeit  des  Wissens  wie  auf  Einschränkung 
der  Anmaßungen  in  der  theoretischen  Erkenntniß,  und  ein 
anderer,  wenn  er  „größtenteils"  auf  Erklärung  der  Möglichkeit 
des  Wissens,  und  wiederum  ein  anderer,  wenn  er  „größtenteils" 
auf  Einschränkung  der  Anmaßungen  in  der  theoretischen  Er- 
kenntniß gerichtet  ward.  Und  das  letzte  dieser  drei  Ziele  hat 
Kant,  meine  ich,  bei  seinen  Vorlesungen  über  Metaphysik  nach 
dem  J.  1781  vorzugsweise  und  mit  den  Jahren  mehr  und  mehr 
im  Auge  gehabt. 


Von  Emil  Arnoldt.  423 

Gewiß  war  ihm  die  Ertheilung  „eines  gründlichen  Unter- 
richts in  der  Kritik  der  reinen  Vernunft"  an  die  akademische 
Jugend  sehr  angelegen.  Aber  er  wußte,  daß  sie  „der  Modeton 
des  Zeitalters"  und  „die"  im  „eigenen  Busen  verborgene  Dia- 
lektik" zur  Leetüre  von  Schriften  zöge,  in  denen  „ein  nicht  ge- 
meiner Kopf  die  Freiheit  des  menschlichen  Willens,  die  Hoff- 
nung eines  künftigen  Lebens  und  das  Daseyn  Gottes  weg- 
demonstrirt  haben  solle".  Daher  zweckte  er  wohl  sein  meta- 
physisches Colleg  hauptsächlich  darauf  ab,  mit  jenen  Principien 
vertraut  zu  machen,  deren  „Ausübung"  die  grundlosen  Be- 
hauptungen eines  solchen  Gegners  „in  lauter  Dunst  aufzulösen" 
vermöchte,  und  zu  zeigen,  daß  allerdings  dieselben  Streiche,  die 
das  Gebäude  des  Feindes  niederschlügen,  auch  einem  etwa  zu 
errichtenden  eigenen  speculativen  Bauwerke  müßten  verderblich 
sein,  daß  aber  immer  „noch  eine  Aussicht  in  das  praktische 
Feld"  zur  Gründung  eines  vernünftigen  und  heilsamen  Systems 
auf  festerem  Boden  übrig  bliebe  (R.  II,  581— 584.  —  H.  III, 
501  u.  602.). 

Die  Verfolgung  dieses  Zweckes  als  Hauptzweckes  benach- 
teiligte direct  den  Vortrag  der  Wissenslehre  in  der  Ontologie. 
Aber  es  trat  noch  ein  Umstand  hinzu,  welcher  fernerhin  die 
Wissenslehre  in  Nachtheil  setzte  auf  indirecte  Art.  Indirect 
beeinträchtigte  der  Vortrag  der  übrigen  Theile  der  Metaphysik 
die  Wissenslehre  dadurch,  daß  er  bei  Behandlung  der  Beweise 
von  der  Unsterblichkeit  der  Seele  und  von  dem  Dasein  Gottes 
nicht  immer  die  Grenzen  hütete,  welche  die  Wissenslehre  dem 
Wissen  abgesteckt  hatte  oder  hätte  abstecken  sollen,  und  so  bei 
mangelhafter  Scheidung  der  Gebiete  des  Wissens  und  des  Ver- 
nunftglaubens einer  Klärung  der  Erkenntniß  über  das  Wißbare 
und  Nicht- Wißbare    wenig  förderlich    oder    gar    hinderlich  war. 

Denn  Kant  hegte  auf  Grund  der  Erkenntniß,  die  er 
aus  der  praktischen  Philosophie  schöpfte,  die  innige  Ueber- 
zeugung  von  der  Unsterblichkeit  der  menschlichen  Seele  im 
Sinne  eines  ewigen  Bestehens  derselben  als  mit  sich  iden- 
tischen   Selbstbewußtseins    und    von    dem    Dasein    Gottes    als 


424       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

eines  lebendigen  Gottes  im  Sinne  eines  strengen  Theismus. 
Indeß  konnte  er  sich  nicht  verhehlen:  Dieser  praktische  oder 
moralische  Vernunftglaube,  ob  er  gleich  „oft  fester  ist,  als 
alles  Wissen",  giebt  doch,  weil  er  sogar  für  das  Subject,  das 
ihn  in  sich  erzeugt  hat,  „nur  die  Stelle  eines  Erkenntnisses 
vertritt,  ohne  selbst  ein  Erkenntniß  zn  seyn",  keine  Ueber- 
zeugung, „die  sich  mittheilen  läßt  und  allgemeine  Beistimmung 
gebietet,  wie  die  Ueberzeugung,  die  aus  dem  Wissen  kommt" 
(R.  III,  243.  246.  I.  384.  —  H.  VIII,  70.  73.  IV,  347.).  Und 
doch  wollte  er  so  gern  in  der  akademischen  Jugend  jene  Ueber- 
zeugung anpflanzen,  oder  vielmehr  das  Streben  zu  eigener  Er- 
weckung und  Ausbildung  jener  Ueberzeugung  anregen.  Nun 
wußte  er  freilich  sehr  gut,  daß  man  zum  Behuf  des  nothwendigen 
praktischen  Gebrauchs  der  Vernunft  Gott  und  Unsterblichkeit 
nicht  annehmen  könne,  ohne  zugleich  der  speculativen  Ver- 
nunft ihre  Anmaßung  überschwänglicher  Einsichten  zu  be- 
nehmen, und  daß  jeder  Versuch,  die  Einsichten  der  speculativen 
Vernunft  über  die  Grenzen  des  Sinnlichen  hinaus  zu  erweitern, 
den  praktischen  Vernunftglauben  gefährde  (E.  II,  679.  I,  393  u. 
394.  —  H.  III,  24  u.  25.  IV,  465.).  Andererseits  wiederum 
konnte  ihm  nicht  entgehen:  obzwar  ,,zu  dem,  was  jedem  Men- 
schen zur  Pflicht  gemacht  werden  kann",  nämlich  die  Be- 
förderung des  höchsten  Gutes  in  der  Welt,  schon  „das  Minimum 
der  Erkenntniß"  —  es  ist  möglich,  daß  ein  Gott,  daß  Unsterb- 
lichkeit sei  —  subjectiv  hinreiche,  so  ist  doch  dieses  Minimum 
unerläßlich,  und  als  „Hypothese  gehört"  es  „für  die  theoretische 
Vernunft"  (R.  X,  184,  Anm  —  I,  383.  VIII,266.  —  H.  VI,  252, 
Anm.  —  IV,  347.  V,  132.).  Dieses  Minimum  theoretischer  Er- 
kenntniß in  seinen  Zuhörern  zu  cultiviren,  war  daher  zweifellos 
seine  Aufgabe.  Aber  indem  er  sich  ihrer  entledigte,  geschah 
es  wohl,  daß  er  die  theoretischen  Beweise  für  die  Unsterblich- 
keit der  Seele  und  für  das  Dasein  Gottes  so  vortrugt  als  ob  sie 
nicht  nur  die  Denkbarkeit  dieses  Uebersinnlichen,  sondern  etwas 
mehr  als  die  bloße  Möglichkeit  zu  garantiren  vermöchten.  Daß 
er  so  die  Grenzen  des  Wißbaren  und  des  Nicht-Wißbaren  einiger- 


Von  Emil  Arnoldt.  426 

maßen  in  einander  laufen  ließ,  verrathen  seine  von  Pölitz  heraus- 
gegebenen Vorlesungen  über  Metaphysik  aus  —  späterhin  näher 
zu  bestimmenden  —  Semestern  des  1780er  Decenniums  unwider- 
sprechlich,  dagegen  von  ungedruckten  Nachschriften  seiner  Vor- 
lesungen über  Metaphysik  die  beiden  mir  bekannten  aus  dem 
folgenden  Decennium  weniger  deutlich,  doch  immerhin  wahr- 
nehmbar. Freilich  unterließ  er  nie,  an  irgend  einer  Stelle  seiner 
Vorlesungen  oder  auch  an  mehreren  Stellen  zu  erklären,  daß 
jene  Beweise  nicht  die  Kraft  hätten,  die  Wirklichkeit  ihrer 
Objecte  darzuthun.  Aber  indem  er  sie  vortrug,  scheint  er  in 
dogmatischerem  Tone  davon  geredet  zu  haben,  als  billig  war, 
—  so,  als  ob  sie  jener  Kraft  nicht  völlig  entbehrten. 

Demnach  veranlaßte  die  gleiche  Richtung  auf  dasselbe 
Ziel:  Sicherung  des  Vernunftglaubens  an  die  Realität  der  drei 
Ideen,  unwillkürlich  in  den  verschiedenen  Theilen  der  Meta- 
physik ungleiche  Bestrebungen,  welche  die  Behandlung  der 
ganzen  Wissenschaft  benachtheiligten :  in  der  Ontologie  Ein- 
engung der  Wissenslehre,  in  den  übrigen  Theilen  der  Meta- 
physik Erweiterung  des  Wissens,  und  es  scheint  fast,  als  ob  die 
Einschränkung  der  Wissenslehre  eine  Ausschreitung  des  Wissens 
hätte  zur  Folge  gehabt. 

Diese  Eigenheiten  waren,  meine  ich,  dem  Kant'schen  Colleg 
über  Metaphysik  wirklich  zugehörig.  Von  zwei  anderen  aber, 
die  man  ihm  beizulegen  geneigt  sein  könnte,  halte  ich  es  für 
zweifelhaft,  ob  sie  ihm  in  der  That  anhafteten  Allerdings 
finden  sie  sich  in  den  mir  bekannten  Nachschriften.  Aber  viel- 
leicht kamen  sie  in  die  Nächschriften  nicht  unmittelbar  auf 
Grund  des  Kant'schen  Vortrags,  sondern  auf  Grund  der  Auf- 
fassung dieses  Vortrags  durch  die  Nachschreiber.  Eine  besteht 
in  dem  bisweilen  vorhandenen  Mangel  an  genügender  Klarheit 
darüber,  ob  die  Ansichten,  die  Kant  entwickelte,  von  ihm  ge- 
billigt, oder  verworfen,  und  zumal  bei  nicht  völliger  Billigung 
und  nicht  völliger  Verwerfung  in  wie  weit  gebilligt,  und  in 
wie  weit  verworfen  wurden.  Dies  gilt  sowohl  von  einzelnen 
herkömmlichen    philosophischen  Lehrmeinungen,    einzelnen    An- 


426       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

sichten,  die  er  aus  den  Systemen  früherer  Denker  beibrachte, 
als  auch  von  eigenen  kühnen  Gedanken  und  Aperes,  die  er 
aus  der  Masse  der  ihm  zuströmenden  Ideen  aufgriff  und  ver- 
suchsweise manchmal  wohl  weiter  verfolgte,  als  nach  seinen 
kritischen  Principien  zulässig  war.  —  Die  andere  —  ebenfalls 
nicht  mit  gänzlichem  Stillschweigen  zu  übergehende  —  Singu- 
larität betrifft  die  den  Nachschriften  zufolge  gelieferten  Begriffs- 
bestimmungen und  Explicationen  derselben.  Sie  sind  durchweg 
präcis  und  treffend,  aber  die  Begriffsbestimmungen  doch  mit- 
unter wenig  genau  und  die  Explicationen  recht  dogmatisch. 
Es  ist  möglich,  daß  hier  das  Meiste,  das  Ausstellungen  zuläßt, 
den  Nachschreibern  zur  Last  fallt.  Indeß  kann  ich  mich  des 
Eindrucks  nicht  erwehren,  daß  Manches  davon  auf  Kant's  eigene 
Rechnung  kommt. 

Für  beide  Besonderheiten  wird  ein  nachfolgender  Abschnitt 
meiner  Auseinandersetzung  mehrfache  Belege  darbieten.  An 
dieser  Stelle  habe  ich  nur  noch  darauf  hinzuweisen,  daß  Jach- 
mann's  Mittheilungen  über  Kant's  metaphysischen  Vortrag,  von 
denen  ich  schon  oben  eine  citirte,  das  Vorkommen  jener  Singu- 
laritäten in  den  Nachschriften  erklärlich  machen. 

In  Betreff  der  zuerst  erwähnten  ist  auf  die  Aeußerung 
Jachmann's  zurückzugehen:  „Wer"  den  „Gang  seines"  meta- 
physischen „Vortrages  Kant  nicht  abgelernt  hatte,  seine  erste 
„Erklärung  gleich  für  die  richtige  und  völlig  erschöpfende  an- 
„nahm,  ihm  nicht  angestrengt  weiter  folgte,  der  sammelte  blos 
„halbe  Wahrheiten  ein,  wie  mich  davon  mehrere  Nachschriften 
„seiner  Zuhörer  überzeugt  haben.  Bei  diesen  metaphysischen 
„Speculationen  ereignete  es  sich  aber  öfters,  daß  Kant  von 
„seiner  Geisteskraft  hingerissen,  einzelne  Begriffe  zu  weit  ver- 
folgte und  in  dieser  Digression  den  Gegenstand  aus  dem  Auge 
„verlor,  wo  er  denn  gewöhnlich  mit  dem  Ausdrucke:  in  summa, 
„meine  Herren!  plötzlich  abbrach  und  auf  das  Hauptmoment 
„wieder  eiligst  zurückkehrte."  (Jachmann,  I.  Kant  geschildert  etc. 
S.  29  u.  30.)  Diese  Aeußerung  bezeugt  direct,  daß  in  Kant's 
metaphysischem    Vortrage    die    abschließenden   und    endgiltigen 


Von  Emil  Arnoldt.  427 

Erörterungen  von  den  einleitenden  und  vorläufigen  nicht  streng 
gesondert  und  daher  nicht  leicht  zu  unterscheiden  waren,  und 
daß  in  Folge  dessen  die  Nachschreiber  öfters  „halbe  Wahrheiten" 
einsammelten,  also  Ansichten,  die  Kant  nur  zur  Hälfte  gebilligt 
hatte,  voll  und  ganz  als  seine  Ansichten  hinnahmen.  Welchen 
Inhalt  die  Excurse  hatten,  in  die  der  Vortrag  bisweilen  aus- 
schweifte, erfahren  wir  nicht.  Doch  läßt  sich  vermuthen,  daß 
die  gewagten  Behauptungen,  die  frappanten  Gedankenconcep- 
tionen,  welche  die  eine  und  die  andere  Nachschrift  mitunter 
bringt,  in  solchen  Excursen  hingeworfen,  und  daß  diese  Ge- 
dankenexperimente von  den  Nach  Schreibern  als  erprobte  Ge- 
danken betrachtet  wurden. 

Daß  Kant  selbst  hin  und  wieder  ungenaue  Begriffsbe- 
stimmungen gab,  bezeugt  Jachmann  nicht.  Vielmehr  behauptet 
er  direct  das  Gegentheil.  Aber  seine  Behauptung  wird  indirect 
durch  einige  seiner  Angaben  über  Kant's  Vortragsweise  wider- 
legt. Er  sagt  nämlich:  „Seine  Vorträge  waren  ganz  frei.  In 
„vielen  Stunden  bediente  er  sich  nicht  einmal  eines  Heftes, 
„sondern  er  hatte  sich  auf  dem  Rande  seiner  Lehrbücher  Einiges 
„notirt,  das  ihm  zum  Leitfaden  diente.  Oft  brachte  er  nur  ein 
„ganz  kleines  Blättchen  in  die  Stunde  mit,  worauf  er  seine 
„Gedanken  in  kleiner  abgekürzter  Schrift  verzeichnet  hatte*  * 
(I.  K.  geschild.  in  Br.  S.  27  u.  28).  Dies  ist  als  Factum  zu 
betrachten.  Wenn  Jachmann  indeß  weiterhin  angiebt:  „Sein 
„Vortrag  war  immer  dem  Gegenstande  vollkommen  angemessen, 
„aber  er  war  nicht  ein  memorirter,  sondern  ein  stets  neu  ge- 
dachter Erguß  des  Geistes"  (S.  28),  so  ist  freilich  ebenfalls  als 
Pactum  zu  betrachten,  daß  er  ,, nicht  ein  memorirter"  war,  und 
auch  „ein  stets  neu  gedachter*',  wenn  „neu  gedachter"  soviel 
heißen  soll,  als  immer  von  neuem  gedachter,  was  nicht  aus- 
schließt, daß  die  Gedanken,  die  er  enthielt,  in  verschiedenen 
Semestern  großentheils  wiederholt,  wenn  auch  anderentheils 
durch  neue  ersetzt  und  vermehrt  wurden.  Daß  er  aber  immer 
dem  Gegenstande  vollkommen  angemessen  war,  ist  ein  Ur- 
theil,  das,  beim  Worte  genommen,    nicht    für  wahr  gelten  darf. 


428      Zur  Beurtheilung  von  Kantus  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

Ein  ganz  freier  Vortrag  über  philosophische  Themata  und  speciell 
über  Metaphysik  kann  unmöglich  immer  d.  h.  Stunde  für  Stunde 
in  allen  seinen  Begriffsbestimmungen,  Expirationen  und  Aus- 
führungen dem  Gegenstande  vollkommen  angemessen  sein. 
Es  ist  vielmehr  unausbleiblich,  daß  allein  schon  von  seinen  Be- 
griffsbestimmungen oft  einige  zu  weit,  andere  zu  enge,  mithin 
keineswegs  alle  von  solcher  Präcision  sein  werden,  als  ihre  voll- 
kommene Angemessenheit  zur  Sache  verlangt.  Eant's  Vortrag, 
so  weit  er  aus  den  mir  zugänglichen,  gedruckten  wie  ungedruckten 
Nachschriften  zu  beurtheilen  ist,  läßt  hinsichtlich  seiner  Form, 
in  wie  fern  sie  auf  den  Inhalt  einwirkte,  zwei  Ausstellungen  zu: 
Er  war  in  seinen  Begriffsbestimmungen  bisweilen  nicht  exact 
genug  und  in  seinen  Ausführungen  öfters  viel  zu  dogmatisch. 
In  beiden  Fällen  mangelte  ihm  scharfe  Begrenzung.  Eant  hätte 
sie  natürlich  geben  können;  auch  gab  er  sie  meistens,  aber, 
wenn  er  sie  gab,  dann  nachträglich,  beiläufig,  mitunter  nur  in 
Winken,  wie  der  Gang  seines  freien  Vortrags  es  gerade  mit  sich 
brachte.  "Wurde  aber  auch  jener  Mangel  nachträglich  durch  wog  auf- 
gehoben, so  besaß  doch  der  ganze  Vortrag  in  allen  seinen  Bestand- 
teilen nicht  eben  die  Vollkommenheit,  die  Jachmann  ihm  zuschrieb. 

Der  Uebersicht  halber  fasse  ich  die  an  Kant's  metaphy- 
sischem Colleg  bemerklich  gemachten  Eigentümlichkeiten  in 
numerirter  Reihenfolge  zusammen: 

1.  Indem  Kant  immer  ein  seinem  System  nicht  conformes 
Lehrbuch  benutzte,  war  er  zu  einer  Einfügung  und  Anpassung 
seiner  Ansichten  genöthigt,  aus  der  manche  Unzuträglichkeit 
erwuchs.  So  kam  es  nie  zu  einer  gehörigen  Scheidung  der 
Analytik  und  der  Dialektik  und  nie  zu  einem  Vortrage  der 
Metaphysik  nach  der  Eintheilung,  die  er  als  die  richtige  hin- 
stellte, wobei  allerdings  auffallt,  daß  er  als  solche  —  wie  ich 
später  darlegen  werde  —  in  verschiedenen  Semestern  eine  mehr 
oder  weniger  verschiedene  angab. 

Sodann  führte  sein  pädagogisches  Bemühen,  die  Moralität 
seiner  Zuhörer  zu  heben  durch  Festigung  des  Glaubens  derselben 
an  Freiheit,  Gott  und  Unsterblickkeit 


Von  Emil  Arnoldi  429 

2.  in  der  Ontologie  eine  verengte  Entwickelung  der  Wissens- 
lehre, speciell  der  Theorie  der  Erfahrung  und 

3.  in  den  übrigen  Theilen  der  Metaphysik  eine  den  Prin- 
cipien  des  Kriticismus  nicht  ganz  homogene,  mitunter  an  Dog- 
matismus streifende  Behandlung  der  theoretischen  Beweise  für 
die  Realität  jener  übersinnlichen  Objecte  herbei. 

4.  Bei  seinen  Analysen  und  Determinationen  von  Begriffen 
war  die  Distinction  zwischen  seinen  vorläufigen  und  seinen  end- 
giltigen  Feststellungen,  so  wie  bei  seinen  Darlegungen  und 
Beurtheilungen  überkommener  metaphysischer  Doctrinen  die 
Gradbemessung  seines  Beifalls  und  seiner  Mißbilligung  öfters 
für  seine  Zuhörer  nicht  leicht  auszuführen. 

5.  Die  Definitionen,  die  er  gab,  waren  durchweg  äußerst 
präcis  und  treffend,  gleichwohl  solcher  Art  nicht  sämmtlich  und 
nicht  an  jeder  Stelle  seines  Vortrages,  und  die  Verbesserungen, 
die  er  nachträglich  meistens  beibrachte,  seinen  Zuhörern  nicht 
immer  merklich. 

6.  Sein  Ideenreichthum  verleitete  ihn  gelegentlich  zum 
Aufwerfen,  und  seine  intellectuelle  Versatilität  zum  Verfolgen 
transscendenter  Gedanken.  Dies  mag  in  den  früheren  Jahren 
seiner  Lehrthätigkeit  häufiger  vorgekommen  sein,  als  in  den 
späteren  und  spätesten.  Aber  es  fehlte  daran  auch  in  den 
letzteren  nicht. 

Wenn  diese  Characteristik  von  Kant's  metaphysichem 
Colleg  die  Eigenartigkeit  desselben  richtig  dargestellt  hat,  ob- 
gleich sie  nur  theils  auf  Schlüssen  aus  Kant's  Angaben  über 
den  Endzweck  der  Metaphysik,  theils  auf  Vermuthungen  aus 
Inhalt  und  Form  einiger  Nachschriften  seiner  metaphysischen 
Vorlesungen  beruht,  so  ist  die  Annahme  begründet:  Hätte  Kant 
zu  gehöriger  Zeit  sein  System  der  Metaphysik,  wie  er  zu  thun 
beabsichtigte,  selbst  zur  Veröffentlichung  durch  den  Druck  ge- 
bracht, so  würde  es  sich  nicht  blos  in  der  Form,  sondern  auch  in 
wesentlichen  Stücken  seines  Inhalts  bedeutend  von  dem  System 
der  Metaphysik  abheben,  welches  irgend  eine  —  auch  die  beste  — 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX.  Hft.  5  u.  6.  28 


430       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

der  noch  vorhandenen  Nachschriften  seines  metaphysischen 
Collegs  aufweist.  Daher  sind  alle  diese  Nachschriften  zur 
Eruirung  von  Kant's  metaphysischen  Ansichten  nur  mit  Vor- 
sicht zu  gebrauchen. 

b)  Nachschriften  von  Kant's  metaphysischem  Colleg. 

Ich  kenne  deren  vier:  1.  „Kant's  Vorlesungen  über  die 
Metaphysik.  Zum  Druck  befördert  von  dem  Herausgeber  der 
Kantischen  Vorlesungen  über  die  philosophische  Beligionslehre. 
Erfurt,  1821,  in  der  Keyserschen  Buchhandlung".  Als  Heraus- 
geber von  diesen  in  erster  Auflage  zu  Leipzig  1817  bei  Franz 
erschienenen  Vorlesungen  über  die  philosophische  Religionslehre 
hat  sich  bekanntlich  in  der  zu  Leipzig  1830  bei  Taubert  er- 
schienenen zweiten  Auflage  derselben  (Vorr.  S.  X.)  Karl  Heinr. 
Ludw.  Pölitz,  Prof.  an  der  Univ.  zu  Leipzig,  genannt  und 
damit  zugleich  als  Herausgeber  jener  im  Jahre  1817  zum 
Druck  beförderten  Kant'schen  Vorlesungen  über  die  Meta- 
physik. —  2.  Ein  auf  der  Königsberger  Kgl.  und  Univ.  Biblioth. 
befindliches  und  zur  Gotthold'schen  Biblioth.  gehöriges  Manu- 
script,  das  auf  dem  Schilde  des  alten  Papp-Einbandes  den 
gedruckten  Titel:  ,,P.  Kants  Metaphysik"  und  auf  der  ersten 
Seite  des  Vorsetzeblattes  unten  rechts  die  deutsch  geschriebenen 
"Worte:  „kostet:  3  rthl."  und  darunter,  wie  mir  scheint  von 
derselben  Hand,  wenigstens  in  jetzt  gleich  verblichener  Dint* 
den  lateinisch  geschriebenen  Namen:  „C.  C.  v.  Korff"  trägt. 
Die  Handschrift  in  diesem  Vermerk  und  die  in  dem  Vorlesungs- 
Manuscript  selbst  ist  meines  Erachtens  nicht  ein  und  dieselbe. 
Es  umfaßt  443  Quartseiten  in  ziemlich  großer,  leicht  lesbarer, 
von  allen  Abbreviaturen  freier  Schrift.*)  —  3.  Ein  der  Königs- 
berger Kgl.  u.  Univ.  Biblioth.  gehöriges  Manuscript,  das 
auf  dem  Schilde  des  alten  Papp-Einbandes  den  gedruckten  Titel: 


*)  In  der  „Matricula  Pars  IL4'  der  Königsberger  Universität  habe  ich 
zwischen  dem  J.  1755  und  dem  J.  1788  keinen  C.  C.  v.  Kor  ff  aufgefunden, 
sondern  bei  denen  dieses  Zunamens  folgende  Vornamen:  Christian  Wil- 
helm,  Equ.  Cur.    immatriculirt  d.  15.  Octbr.  1766,   Adolph,  Equ.  Bornas. 


Von  Emil  Araoldt.  431 

Kants  Metaphysik,  und  auf  der  ersten  Seite  des  Vorsetzeblattes 
den  geschriebenen  Titel  trägt:  „Immanuel  Kants  Vorlesungen 
über  die  Metaphysic",  darunter  rechts  in  der  Ecke:  „im  Win- 
ter 1794."  Es  umfaßt  294  Quartseiten  in  gedrängter,  vielfach 
abgekürzter,  aber  wohl  lesbarer  Schrift,  welche  augenscheinlich 
Keinschrift  ist.  —  4.  Die  etwa  650  Quartseiten  enthaltende, 
sorgf&ltig  angefertigte  und  collationirte,  mir  zur  Benutzung  über- 
gebene  Copie  eines  Manuscripts,  über  welches  der  Besitzer  der- 
selben bei  der  —  beabsichtigten  —  Herausgabe  von  ihr  seiner 
Zeit  das  Nöthige  bekannt  machen  will.  Sie  ist  überschrieben: 
„Bemerkungen  über  Metaphysic  nach  Baumgarthen,  aus  dem 
Vortrage  des  HE.  Prof.  Kant  pro  1794/95",  und  nennt  als  An- 
fangstag des  Collegs  „d.  13t.  Octbr.",  als  Schlußtag  desselben 
d.  „20t.  Febr.". 

Die  erste  Nachschrift  werde  ich  im  Folgenden  die  Pölitz- 
sche  Ausgabe  oder  die  Metaphysik  bei  Pölitz,  die  zweite  das 
KorfFsche  Manuscript,  die  dritte  die  Nachschrift  oder  die  Vor- 
lesungen vom  „Winter  1794"  oder  vom  Semester  1793/94,  die 
vierte  die  Nachschrift  oder  die  Vorlesungen  vom  Semester  1794/95 
nennen. 

«)  Rosenkranz'  unzulängliches  Urtheil  über  Kant's  metaphysische  Vorlesung 

auf  Grund  der  Pölitz'schen  Ausgabe. 

Auf   die   Pölitz'scbe  Ausgabe   hat   bereits    Rosenkranz    in 

seiner  „Geschichte  der  Kant'schen  Philosophie"  (K.'s  S.  W.  Xu., 

148—150)    hingewiesen   und  aus  der  rationalen  Psychologie  bei 

Pölitz    etwa    zwei    Seiten    abdrucken    lassen,    um    von    Kant's 

„Deutschlateinischem    Kathederjargon"    ein    Beispiel    zu    geben. 

Zuvor  bemerkt  er:    Kant's  Kathedervortrag  blieb  sich  seit  dem 

Wintersem.  1766/66    durch    sein  ganzes  Leben  ziemlich    gleich, 

und  Kant  unterschied  von  dem,    was    er    darin    gab,    sorgfältig 


d.  30.  Octbr.  1767,  Friedrich  Carl  Wilhelm,  Lib.  Baro  Curon.  d. 
18.  Mai  1775,  Friedrich  Gotthard,  L.  B.  Equ.  Curon.  d.  12.  Octbr.  1781. 
—  In  dem  Akademischen  Erinnerungsbild^  Königsberg  1825,  welches  die 
Namen  aller  von  1787/88  bis  1817  bei  der  Königsb.  Univers.  Immatriculirten 
aufzuführen  bestimmt  ist,  kommt  der  Name :  v.  Korff  gar  nicht  vor. 

28* 


432       Zur  Beurtheilung  von  Kant'a  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

seine  Schriftstellerei.  In  der  Metaphysik  legte  er  Baumgarten's 
Lehrbuch  zu  Grunde.  „Sein  Vortrag  folgte  demselben  im  All- 
gemeinen, erging  sich  aber  frei,  erklärte,  bestätigte,  verwarf, 
„schweifte  ab,  kam  zurück.  Er  ging  auch  stets  von  den  alten 
„Lateinischen  Definitionen  aus  und  knüpfte  an  sie  seine  Begriffs- 
„bestimmungen."  Noch  deutlicher  als  die  Vorlesungen  über  die 
Logik,  welche  Jäsche  herausgab,  „veranschaulichen  diese  Manier 
„die  von  Pölitz  1821  zu  Erfurt  edirten  Vorlesungen  Kant's  über 
„die  Metaphysik,  worin  die  Frische  des  Vortrags,  des  münd- 
lichen Denkens,  ihm  oft  die  treffendsten  Wendungen  und 
„Vergleichungen  entlockt  hat,  z.  B.  wenn  er  den  Baum  das 
„Phänomen  der  göttlichen  Gegenwart  nennt." 

Diesen  Rosenkranz'schen  Bemerkungen  habe  ich  entgegen- 
zusetzen: Ob  sich  Kant's  Kathedervortrag  in  der  Metaphysik 
seit  dem  Sem.  1765/66  bis  zur  Schöpfung  der  Krit.  d.  r.  V. 
„ziemlich  gleich"  blieb,  kann  auf  Grund  gedruckten  Materials 
niemand  wissen.  Seit  der  Schöpfung  der  Krit.  d.  r.  V.  erfuhr 
er  hinsichtlich  seines  Inhalts  mannigfache  Aenderungen,  brachte 
aber  schwerlich  jemals  die  Lehrmeinungen  des  Kriticismus  völlig 
zur  Geltung.  Nachweisbar  that  er  es  auch  im  Sem.  1794/95 
nicht.  Im  Allgemeinen  ist  es  richtig,  dass  Kant  von  dem, 
was  er  in  seinen  akademischen  Vorträgen  darlegte,  das  abschied, 
was  er  als  Schriftsteller  lehrte.  Ob  er  es  aber  „sorgf&ltig"  schied, 
ist  aus  den  mir  bekannten  Nachschriften  eben  so  wenig  zu  er- 
sehen, als  nach  welchen  Maximen  er  es  schied.  Wer  jedoch 
sorgfältig  nicht  ganz  wenige  Nachschriften  seiner  Collegien 
gelesen  hat,  muß,  glaube  ich,  den  Eindruck  erhalten,  daß  Kant 
bei  seinen  akademischen  Vorträgen  meistens  bald  durch  päda- 
gogische, bald  durch  didaktische  Rücksichten  in  der  Aeußerung 
seiner  endgiltigen  Ueberzeugungen  gehemmt  wurde.  Ferner  ging 
Kant  nicht  „stets"  von  den  alten  Lateinischen  Definitionen  aus, 
sondern  nur  öfters,  und  endlich  nannte  er  den  Kaum  nicht 
schlechthin  das  Phänomen  der  göttlichen  Gegenwart,  sondern 
nur  bedingter  "Weise. 

Demnach  hat  Rosenkranz  auf  Grund  der  Pölitz'schen  Aus- 


Von  Emil  Arnoldt.  433 

gäbe  hinsichtlich  des  Inhalts  und  der  Form  von  Kant's  meta- 
physischen Vorlesungen  seit  1765/66  Generalisationen  gemacht, 
die  keineswegs  in  ihrem  ganzen  Umfange  giltig  sind. 

ß)  B.  Erdinann's  Irrthum  über  die  Ursprungszeit  von  Kant's  metaphysischer 
Vorlesung  im  grössten  Theil  der  Pölitz'schen  Ausgabe  und  in  dem 

KorfPschen  Heft. 

In  schwereren  Irrthum  über  die  Pölitz'sche  Ausgabe  ist 
Benno  Erdmann  verfallen.  Er  kündigte  sie  als  „eine  unbeachtet 
gebliebene  Quelle  zur  Entwickelungsgeschiohte  Kant's"  an,  die 
„aber  bisher  nur  wenig,  und  so  weit"  er  „gesehen  habe,  stets 
unkritisch"  benutzt  worden  (Philos.  Monatshefte,  herausg.  von 
Schaarschmidt,  Bd.  XIX,  129 — 144.  vgl.  „Mittheilungen  über 
Kant's  metaphys.  Standpunkt  in  der  Zeit  um  1774",  ibid.  Bd.  XX, 
65 — 97).  Er  selbst  aber  hat  sie  ebenfalls  unkritisch  benutzt. 
Denn  es  ist  durchaus  unkritisch,  das,  was  bei  Pölitz  oder  in 
irgend  einer  anderen  Nachschrift  steht,  sobald  nicht  ein  Ver- 
sehen der  Nachschreiber  offenbar  vorliegt,  ohne  Weiteres  als 
stricte  Ansicht  Kant's  hinzunehmen  und  gleich  baarer  Münze 
weiter  zu  geben,  wie  wenn  sie  Kant  selbst  als  seine  eigene 
Ansicht  gestempelt  hätte. 

Dies  darf  nur  bei  Ansichten  geschehen,  welche  mit  den 
Lehrmeinungen  übereinstimmen,  die  Kant  seit  dem  Jahre  1781 
veröffentlicht  hat.  Dagegen  müssen  Ansichten,  die  eine  solche 
Uebereinstimmung  nicht  haben,  in  verschiedener  Art  behandelt 
werden.  Finden  sie  sich  in  Nachschriften,  die  notorisch  aus 
einem  Jahre  nach  1781  herstammen,  und  sind  sie  nicht  als  Be- 
richtigungen oder  Ergänzungen  der  veröffentlichten  Lehr- 
meinungen, sondern  als  mehr  oder  weniger  bedenkliche  Ab- 
weichungen von  den  letzteren,  dabei  nicht  als  irrthümliche  Auf- 
fassungen der  Nachschreiber,  sondern  als  von  Kant  herrührend 
zu  erweisen  oder  zu  vermuthen,  so  müssen  sie,  je  nachdem  ihr 
Inhalt  ist,  entweder  betrachtet  werden  als  Accommodationen, 
welche  pädagogische  oder  didaktische  Rücksicht,  oder  als  Ein- 
fälle, welche  der  mündliche,  freie  Vortrag,  oder  als  Aus- 
schweifungen, wejclje  eine  Lieblingsmeinung,  oder  als  Versehen, 


434       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

welche  ein  momentanes  Fehlgehen  des  Denkens  herbeiführte. 
Finden  sie  sich  aber  in  Nachschriften,  die  notorisch  aus  einem 
Jahre  vor  1781  herstammen,  und  unter  ähnlichen  Bedingungen 
als  den  vorhin  angeführten,  so  müssen  sie,  wiederum  je  nachdem 
ihr  Inhalt  ist,  entweder  betrachtet  werden  als  Zeugnisse  dafür, 
daß  spätere  Lehrmeinungen  noch  nicht  ausgebildet  waren, 
oder  wiederum  als  Accommodationen,  als  Einfalle,  als  Aus- 
schweifungen —  eines  von  den  drei  letzteren  immer,  wenn  sich 
parallele  oder  conforme  Aeußerungen  anführen  lassen,  die  notorisch 
einer  Nachschrift  aus  der  Zeit  nach  1781  entstammen.  Endlich: 
finden  sie  sich  in  Nachschriften,  deren  Ursprungszeit  nicht 
notorisch  ist,  so  können  sie  —  um  der  unbestimmten  Möglich- 
keiten, denen  dann  ihre  Erklärung  unterliegt,  hier  nicht  zu  ge- 
denken —  zur  Feststellung  des  Ursprungs  jener  Nachschriften 
vor  dem  Jahre  1781  nur  in  selten  günstigen  Fällen,  und  gar 
nicht  in  dem  Falle  verwerthet  werden,  daß  sie  in  Nachschriften 
aus  der  Zeit  nach  1781  mit  ganz  oder  beinahe  gleichem  Inhalte 
wiederkehren.  Diesen  Fall  aber  hat  B.  Erdmann  bei  seiner 
Datirung  des  größeren  Theils  der  Pölitz'schen  Ausgabe  auf  die 
Zeit  um  1774  völlig  außer  Acht  gelassen. 

Er  hat  bekannt  gemacht,  daß  die  Kosmologie,  die  Psycho- 
logie, und  die  rationale  Theologie  in  der  Pölitz'schen  Ausgabe 
mit  den  entsprechenden  Theilen  des  KorfFschen  Manuscripts 
auf  der  Königsberger  Kgl.  u.  Univers.-Biblioth.  „im  Wesentlichen 
wörtlich  übereinstimmen"  und  die  „Abweichungen"  in  den  dort 
vorhandenen  Ausführungen  jener  drei  Disciplinen  „von  Kant's 
späteren  kritischen  Lehren"  als  „so  charakteristische"  in  An- 
spruch genommen,  daß  er  zu  erkennen  im  Stande  sei,  ihr  Ge- 
dankengehalt habe  „sicher  nicht  vor  dem  Winter  1773/74  und 
kaum  viel  später"  in  Kant's  Denken  vorhanden  sein  können. 
Darnach  hat  er  auch  Belege  dafür  zu  geben  gesucht,  daß  „den 
gleichen  Zusammenhang  wie  die  kosmologischen,  psychologischen, 
und  rational -theologischen  Ausführungen  bei  Pölitz  die  onto- 
logischen  Darlegungen  in  der  Königsberger  Nachschrift  der 
Kantischen  Vorlesungen"    [d.  h.  in  dem  KorfTschen  Heft]   „be- 


Von  Emil  Arnoldt.  435 

künden",  und  schließlich  sich  das  Ansehen  gegeben,  als  habe 
er  das  alles  sicher  festgestellt  und  erwiesen.  Auch  hat  A dickes 
in  seiner  Schrift:  „Kant's  Systematik  als  systembildender  Factor" 
es  ihm  ohne  viele  Untersuchung  geglaubt. 

Eine  ausführliche  Widerlegung  von  B.  Erdmann's  Be- 
hauptungen würde  mich  von  dem  Gange  meiner  gegenwärtigen 
Darstellung  zu  weit  ablenken.  Daher  werde  ich  von  ihnen  nur 
diejenigen  berücksichtigen,  welche  die  in  der  Pölitz'schen  Aus- 
gabe und  in  dem  EbrfTschen  Manuscript  nahezu  tiberein- 
stimmenden Theile  der  Kant'schen  Vorlesung  über  Metaphysik 
betreffen.  Diese  Berücksichtigung  wird  dahin  auslaufen,  B.  Erd- 
mann's  falsche  Datirung  der  Vorlesung  in  dem  KorfTschen  Heft 
und  in  dem  entsprechenden  Theile  der  Pölitz'schen  Ausgabe 
durch  eine  richtigere  zu  ersetzen. 

Fast  alles,  was  dorther  B.  Erdmann  auf  S.  131 — 134  seiner 
Abhandlung:  „Eine  unbeachtet  gebliebene  Quelle"  u.  s.  w.  als 
Kennzeichen  entnimmt,  daß  jene  Vorlesung  „kaum  viel  später'* 
als  im  Winter  1773/74  nachgeschrieben  sei,  läßt  sich  als  vor- 
handen auch  in  späteren  und  sehr  viel  späteren  Vorlesungen 
Kant's  nachweisen,  theils  in  den  von  Pölitz  herausgegebenen 
Vorlesungen  über  die  philosophische  Religionslehre,  welche 
vielleicht  im  Winter  1785/86  nachgeschrieben  wurden,  theils  und 
zumeist  in  den  von  mir  oben  aufgeführten  Vorlesungen  über 
Metaphysik  „im  Winter  1794"  und  „pro  1794/95".  Dahin  ge- 
hört zunächst  der  Satz:  die  Welt  sei  ein  totum  substantiale, 
bei  dessen  Behandlung  sich  B.  Erdmann  eine  hier  nicht  weiter 
zu  erörternde  Verdrehung  der  bei  Pölitz  gelieferten  —  in  der 
Vorlesung  von  1794/96  dem  Inhalt  nach  genau  wiederkehrenden  — 
Determinationen  hat  zu  Schulden  kommen  lassen.  Ferner  ge- 
hören dahin  die  Sätze:  die  constitutiven  Theile  des  Universums 
seien  einfache  Theile  oder  Substanzen;  die  Materie  sei  keine 
Substanz,  sondern  ein  Phänomenon  der  Substanz,  etwas,  das 
wir  nur  per  analogiam  Substanz  nennen;  die  Substanzen  der 
Welt  stehen  in  einem  Commercium,  welches  nur  dadurch  mög- 
lich  sei,    daß    sie    alle    durch  Einen    sind   und  von  Einem  ab- 


436       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

hängen.  Ja,  selbst  der  Satz:  dies  sei  ,,der  einzige  Grund,  die 
Verknüpfung  der  Substanzen  durch  den  Verstand  einzusehen, 
sofern  wir  die  Substanzen  anschauen,  als  lägen  sie  allgemein  in 
der  Gottheit",  läßt  sich  aus  Aeußerungen  in  Kant's  späteren 
Vorträgen  herauslesen.  Die  Sätze  aber,  daß  unsere  Erkennt- 
niß  jener  Verknüpfung  eine  symbolische,  und  daß  der  Baum 
das  Phänomenon  der  göttlichen  Allgegenwart  sei,  sind  in  den 
mir  bekannten  beiden  Vorlesungen  aus  der  ersten  Hälfte  der 
1790  er  Jahre  ihrem  Inhalte  nach  wieder  deutlich  ausgesprochen. 
Der  Belege  für  meine  Angaben  darf  ich  mich  hier  überheben, 
weil  sie  sich  in  dem  folgenden  Abschnitte  meiner  Darstellung 
bei  der  Beurtheilung  von  Kant's  Auslassungen  vor  seinen  Zu- 
hörern über  die  Substanzen  der  Welt  von  selbst  darbieten 
werden. 

Hier  habe  ich  nur  noch  drei  Bemerkungen  hervorzuheben, 
mit  denen  außer  den  angeführten  B.  Erdmann  die  Zeit  um  1774 
als  die  Ursprungszeit  der  in  Rede  stehenden  Kant'schen  Vor- 
lesung constatiren  will. 

Er  behauptet  nämlich:  „Wir  treffen  in  den  Ausführungen 
über  die  Verstandeserkenntniß"  bei  Pölitz  „den  gleichen  Stand- 
punkt", als  in  der  Dissertation  von  1770,  indem  „wir"  dort 
„S.  158  f.  erfahren:  „„Allein  wenn  wir  den  Verstand  negativ 
definiren,  im  Gegensatze  mit  der  Sinnlichkeit,  so  ist  der  Ver- 
stand ein  Vermögen,  Dinge  unabhängig  von  der  Art,  wie  sie 
uns  erscheinen,  zu  erkennen.  Der  Verstand  ist  aber  das  Ver- 
mögen, Dinge  zu  erkennen,  so  wie  sie  sind"",  und  zwar 
„„Dinge  zu  erkennen,  so  wie  sie  sind,  durch  Begriffe  und 
Reflexion,  also  bloß  discursiv."" 

Auf  diese  Behauptung  habe  ich  zu  entgegnen:  Mein  kritischer 
Bericht:  „Kant  nach  Kuno  Fischer's  neuer  Darstellung"  ent- 
hält auf  S.  21—25  die  Exposition,  daß  aus  der  Dissertation  von 
1770  Kant's  damalige  Ansicht  über  die  Verstandeserkenntniß 
nicht  sicher  zu  bestimmen  ist.  Niemand  weiß  genau,  welche 
Form  und  welchen  Inhalt  Kant  damals  der  Verstandeserkennt- 


Von  Emil  Amoldt.  437 

niß  vindicirte.  Daher  ist  es  vorweg  verfehlt,  jene  unbestimmte 
Ansicht  als  bestimmten  Kanon  zur  Beurtheilung  einer  späteren 
Ansicht  Kant's  über  die  Verstandeserkenntniß  gebrauchen  zu 
wollen.  Ein  solcher  Gebrauch  wird  aber  um  so  verfehlter,  wenn 
man  weiter  berücksichtigt,  daß  die  spätere  Ansicht,  welche  ver- 
glichen wird,  nicht  weniger  unbestimmt  ist,  als  die  frühere,  mit 
der  sie  in  Vergleich  kommt.  Wie  unbestimmt  sie  indeß  auch 
ist,  so  läßt  sich  doch  nachweisen,  daß  sie  von  B.  Erdmann 
falsch  aufgefaßt  und  falsch  dargestellt  wird. 

Denn  B.  Erdmann  übersieht,  daß  von  den  beiden  Stellen, 
die  er  aus  der  Psychologie  in  der  Pölitz'schen  Ausgabe  und 
dem  Korff'schen  Manuscript  der  Metaphysik  citirt  und  mit  einem 
„und  zwar"  in  Eins  nimmt,  die  erste  von  der  Verstandeser- 
kenntniß überhaupt  und  im  Allgemeinen  d.  h.  der  göttlichen 
und  der  menschlichen  zugleich,  mithin  nicht  blos  und  nicht 
speciell  von  der  menschlichen,  die  zweite  dagegen  allein  von 
der  menschlichen  handelt,  welche,  ob  sie  zwar  Dinge  er- 
kennt, wie  sie  sind,  doch  von  der  göttlichen,  welche  ebenfalls 
Dinge  erkennt,  wie  sie  sind,  aber  anders  und  in  gewissem 
Sinne  andere,  himmelweit  unterschieden  ist.  Und  gerade 
diesen  himmelweiten  Unterschied  bemerklich  zu  machen,  ist  die 
Tendenz  jener  ganzen  psychologischen  Auseinandersetzung  auf 
den  angezogenen  Seiten  158  und  159,  aus  der  B.  Erdmann  jene 
Stellen  so  herausgerissen  hat,  daß  er  sie  dem  Gedankenzusammen- 
hange; in  dem  sie  dort  auftreten,  völlig  entfremdete. 

In  diesem  Zusammenhange  ist  vom  Standpunct  des  Kriti- 
cismus  der  Satz  zulässig:  der  menschliche  Verstand  erkennt 
durch  Begriffe  und  Reflexion,  also  blos  discursiv  die  Dinge,  so 
wie  sie  sind,  im  Unterschiede  von  einem  anderen  Verstände,  den 
„wir  uns  denken  können"  als  einen  solchen,  „der  die  Dinge  er- 
kennt, so  wie  sie  sind,  aber  durch  Anschauung".  Denn  aller- 
dings erkennt  der  menschliche  Verstand  die  Dinge,  so  wie  sie 
sind,  aber  die  Erfahrungsdinge  als  solche,  während  er  die 
Noumene  derselben,  wenn  es  deren  giebt,  nicht  erkennt,  weil 
er  nur  discursiv  ist.     Dagegen  „können  wir  uns"  in  unbestimm- 


438       Zur  Beurtheilung  von  Kant'4  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

ter  Art  „einen  Verstand"  als  möglich  „denken0,  welcher  die 
Dinge,  so  wie  sie  sind,  erkennt  als  Noumene,  weil  er  intuitiv 
ist.  Indem  der  menschliche  Verstand  die  Dinge  erkennt,  so  wie 
sie  sind,  erkennt  er,  daß  sie  für  ihn  Phänomene  sind,  und  unter 
welchen  Bedingungen  sie  für  ihn  als  Phänomene  zu  Stande  kommen. 
Indem  der  göttliche  Verstand  die  Dinge  erkennt,  so  wie  sie 
sind,  schafft  und  erhält  er  sie  als  Dinge  an  sich,  und  hat  sie, 
da  der  Schöpftrags-  und  der  Erhaltungsact  sich  zugleich  als 
Erkenntnißacte  vollziehen,  erkennend  in  seiner  intellectuellen 
Anschauung  als  Noumene  vor  sieb.  Der  menschliche  Verstand 
und  der  göttliche  Verstand  erkennt  eben  dieselben  Dinge,  so 
wie  sie  sind,  aber  jeder  eben  dieselben  Dinge  von  einer  anderen 
Seite,  oder  vielmehr:  eben  dieselben  Dinge  sind,  obschon  sie 
eben  dieselben  sind,  dennoch,  da  mit  der  Erkenntniß  des  Gegen- 
standes immer  der  Gegenstand  der  Erkenntniß  sich  ändert,  für 
den  menschlichen  Verstand  andere,  als  für  den  göttlichen  Ver- 
stand, und  zwar  andere  nicht  nur  in  ihrem  Wesen  und  ihrer 
Beschaffenheit,  sondern  auch  in  ihrem  Sein.  Demnach  durfte  Kant, 
ohne  eine  Erkenntniß  von  Dingen  an  sich  im  Sinne  zu  haben, 
sehr  wohl  sagen,  also  auch  nach  dem  J.  1781  sagen:  Der  Verstand 
erkennt  die  Dinge,  so  wie  sie  sind.  Sagt  er  doch  nach  einer 
mir  vorliegenden  Nachschrift  seiner  „Vernunftlehre  pro  1793": 
„Durch  die  Erfahrung  erkennen  wir  nur  wirkliche  Gegenstände, 
mithin  was  sie  sind,  durch  die  logica  pura  aber  erkennen  wir 
sie  a  priori,  oder  wie  sie  seyn  müßen."  Wenn  er  dies  im 
J.  1793  sagen  konnte,  warum  sollte  er  jenes  nicht  um  das  Jahr 
1780  oder  später  sagen?  Es  kommt  eben  alles  auf  den  Zusam- 
menhang an,  in  dem  er  dergleichen  sagte.  Aus  hingeworfenen 
Gedankenfragmenten,  aufgelesenen  Brocken,  zusammengewürfeltem 
Stückwerk  läßt  sich  darthun,  was  man  will. 

Eine  andere  Bemerkung  B.  Erdmann's  verweist  darauf, 
daß  in  der  Pölitz'schen  Ausgabe  und  in  dem  Korff'schen  Manu- 
script  „„die  Erkenntniß  von  Gott  das  Ziel  und  die  Endabsicht 
der  Metaphysik" u  genannt  wird,  „daß  die  letztere  also  als  eine 
Wissenschaft   bestimmt   werden    könnte",    „„in    der  wir   unter- 


Von  Emil  Arnoldt.  439 

suchen,  ob  wir  eine  Ursache  der  Welt  einzusehen  im  Stande 
sind"".  Dies  soll  nach  B.  Erdmann's  Meinung  ebenfalls  ein 
Zeichen  sein,  daß  die  Vorlesung  in  der  Zeit  um  1774  gehalten 
worden. 

Dagegen  ist  zu  urgiren,  daß  die  „Einleitenden  Begriffe" 
zur  rationalen  Theologie,  denen  das  obige  Citat  entnommen  ist, 
wenn  man  auf  die  unmittelbar  vorhergehenden  Sätze  hinblickt, 
eben  so  wie  der  Schluß  der  Psychologie  nicht  blos  die  Erkennt- 
nis von  Gott  als  Zweck  der  Metaphysik  hinstellen,  sondern  auch 
die  Erkenntniß  der  anderen  Welt,  d.  h.  der  Seelenunsterblich- 
keit: „Alle  Speculationen  der  Philosophie  haben  ihre  Beziehung 
auf  diese  zwei  Grenzbegriffe"  (Poel.  S.  262),  „Gott  und  die 
andere  Welt  ist  das  einzige  Ziel  aller  unserer  philosophischen 
Untersuchungen"  (Poel.  S.  261.  vgl.  S.  157.  17  u.  18.).  Wird 
ferner  erwogen,  wie  sehr  die  rationale  Psychologie  sich  an- 
gelegen sein  läßt,  die  Annahme  der  transscendentalen  Freiheit 
zu  rechtfertigen,  und  wie  die  rationale  Psychologie  so  wohl  als 
die  rationale  Theologie  einschärft:  „wenn  die  Begriffe  von  Gott 
und  von  der  andern  Welt  nicht  mit  der  Moralität  zusammen- 
hingen, so  wären  sie  nichts  nütze";  —  „wenn  diese  Grenzen 
nicht  wären,  dann  wären  alle  metaphysischen  Speculationen  ver- 
gebens, und  nicht  von  dem  geringsten  Nutzen":  dann  darf 
wohl  die  Uebergehung  der  Freiheit  als  des  dritten  Problems, 
dessen  Behandlung  außer  der  des  Problems  von  Gott  und  des 
Problems  der  Unsterblichkeit  den  Endzweck  der  Metaphysik 
ausmacht,  für  eine  Ungenauigkeit  der  Darstellung,  nicht  für 
eine  vorsätzliche  Beschränkung  des  systematischen  Inhalts  an- 
gesehen werden.  Die  Auflösung  der  Probleme:  Freiheit,  Gott, 
und  Unsterblichkeit  hat  Kant  aber,  wie  meine  Auseinandersetzung 
über  die  Tendenz  seines  metaphysischen  Collegs  zeigte,  zu  den 
verschiedensten  Zeiten  und  in  den  1790  er  Jahren  eben  so  wie 
in  den  1780er  für  den  Endzweck  der  Metaphysik  erklärt. 

Demgemäß  heißt  es  auch  in  der  Nachschrift  der  Vorlesung 
über  Metaphysik  aus  dem  „Winter  1794" :  „Metaphysik  als  eine 
„Philosophie  der  reinen  Vernunft   führt    kein  gnugsames  specu- 


440       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

„latives  Interesse  mit  sich,  um  eine  so  schwer  zu  erreichende 
„Kenntniß  zu  unternehmen/*  —  —  —  —  „Gott,  Freiheit,  Un- 
sterblichkeit sind  die  drei  Objecto,  die  ein  practisches  Interesse 
„mit  sich  führen,  und  um  deren  willen  Metaphysik  unter- 
nommen ist.** 

Ausführlicher  ist  dies  in  der  Nachschrift  des  Vortrags  „pro 
1794/95"  dargelegt:  „Meta-physic  ist  Physic  über  die  empirische 
„Erkenntniß  der  Natur  hinaus  —  —  — .  Man  traf  hier  drey 
„Objecto,  die  über  die  Grenzen  der  Natur-Erkenntniß  lagen, 
„und  blos  a  priori,  oder  durch  die  menschliche  Vernunft  allein 
„erfunden  und  erkannt  wurden.  Dies  sind  1)  Gott,  d.  i.  der 
„erste  Anfang  aller  Dinge,  2)  Freiheit,  d.  i.  ein  von  allem 
„Natur-Einfluß  unabhängiges  Vermögen  des  Menschen,  mit  Wider- 
„strebung  gegen  alle  sinnliche  Antriebe  und  Kräfte  der  Natur, 
„der  Vernunft  gemäß  zu  handeln,  3)  Unsterblichkeit,  d.  i.  der 
„Gegenstand  der  Untersuchung  des  Verstandes,  inwiefern  die 
„Seele,  als  ein  eigenes  Wesen,  den  physischen  Menschen  über- 
leben werde.  Alle  drey  sind  reine  Vernunft-Begriife,  die  sich 
„in  der  Erscheinung  schlechthin  nicht  darstellen  lassen,  die  mit- 
„hin  blos  gedacht  werden  können.  Sie  kann  man  daher  über- 
„sinnliche  Gegenstände,  Noumena  d.  i.  Gegenstände  des  Ver- 
standes nennen  und  sie  den  Phaenomenis  opponiren.  Der  Ver- 
„such  nun,  diese  Gegenstände  näher  zu  untersuchen,  war  die  Ent- 
stehung der  Metaphysic.'* „Es  lag  wohl  in  der  Natur  der 

„Dinge  selbst,  daß  man  um  nähere  Entwicklung  dieser  über- 
sinnlichen Gegenstände  sich  bemühte.  Nur  auffallend  ist  es, 
„daß  der  Mensch  (und  jedem  Menschen  ist  dies  angebohren)  ein 
„Interesse  daran  fand,  und  noch  findet.  Denn  zur  Erweiterung 
„der  empirischen  principia,  der  Wissenschaft  der  empirischen 
„Physic  trägt  die  Metaphysic  nichts  bey:  die  Kenntniß  ist  in 
„Ansehung  der  Physic  ganz  unnöthig."  —  —  —  —  »Dagegen 
„ist  es  gewiß,  daß  alle  unsere  sinnliche  Erkenntniße  auch  nur 
„sinnlich  bedingt  sind,  mithin  so  wie  die  Dinge  selbst  veränder- 
lich und  zufällig -gewiß.  Darin  liegt  der  Grund,  daß  der 
„Mensch  insofern    keine  Befriedigung    für  seine  Vernunft  dabei 


Von  Emil  Arnoldt.  441 

„findet,  als  er  sein  summum  bonum,  d.  i.  den  höchsten  End- 
zweck aller  seiner  Zwecke,  den  höchsten  Grad  der  Würdigkeit 
„glücklich  zu  seyn,  mit  der  größten  Sittlichkeit"  [sollte  heißen: 
Glückseligkeit]  „verbunden,  zu  erkennen  und  zu  erreichen 
„sich  bemüht.  Dieser  Gegenstand  seiner  Bemühung  liegt  über 
„die  Natur  hinaus;  er  kann  alle  seine  empirische  Kenntniß  nicht 
„für  hinlänglich  dazu  finden,  er  muß  blos  durch  die  Vernunft 
„in  den  Gesetzen  derselben  es  finden:  er  füÖt  es  als  nothwendig, 
„daß  dies  für  die  Vernunft  allein  der  höchste  Zweck  und  Be- 
stimmung sey:  er  mag  z.  E.  seine  Untersuchung  auf  Bestimmung 
„von  Pflicht  und  Recht,  auf  Belohnung  seiner  Handlungen  in 
, jenem  Leben,  auf  Bestimmung  seiner  selbst  etc.  richten;  und 
„hierin  liegt  der  Grund,  daß  Metaphysic  schlechthin  cultivirt 
„werden  muß,  weil  sonst  der  ganze  Zweck  aller  theoretischen  und 
„practischen  Vernunft -Erkenntniße  nicht  erfüllt  werden  kann." 

Man  sieht:  Kant  hat  in  verschiedener  Form  immer  wieder 
die  dem  Inhalt  nach  gleiche  Erklärung  abgegeben :  der  Antrieb, 
die  Veranlassung,  der  Beweggrund  zur  Gründung  der  Metaphysik, 
das  Ziel,  der  Zweck  und  Endzweck  derselben  ist  die  Be- 
schäftigung mit  den  Fragen  nach  Gott,  Freiheit  und  Unsterb- 
lichkeit unter  Anleitung  moralischer  Interessen  und  zum  Behuf 
der  Befriedigung  derselben.  Daher  ist  es  durchaus  irrig,  eine 
solche  Erklärung,  sie  mag  vollständig,  oder  unvollständig  sein, 
als  ein  Kriterium  zur  Feststellung  der  Ursprungszeit  eines 
Kant'schen  Collegs  über  Metaphysik  und  zumal  gerade  als  der 
Zeit  um  1774  benutzen  zu  wollen. 

Eine  dritte  Bemerkung  B.  Erdmann's,  die  ich  hier  noch 
berücksichtige,  schließt  sich  unmittelbar  an  die  vorige  an:  „In 
diesem  Sinne  ist  die  Metaphysik  denn  auch  (wie  andrerseits 
die  Moral)  eine  analytische  Disciplin  (J36),  und  zwar  nicht  blos 
in  der  rationalen  Theologie,  sondern  ebenso  auch  in  der  rationalen 
Kosmologie  und  Psychologie,  wie  dies  besonders  für  die  letztere 
Disciplin  aus  jeder  Seite  der  Ausführungen  S.  196  f.  erhellt."  Diese 
Bemerkung  rührt  daher,  daß  B.  Erdmann  die  Auseinandersetzung 
auf  S.  136  u.  137  der  Pölitz'schen  Ausgabe  mißverstanden  hat. 


442       Zur  Beurtheilung  von  Kant*s  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

Es  ist  dort  mit  keinem  Worte  gesagt  und  auch  nicht  von 
ferne  angedeutet,  daß  die  Metaphysik  eine  analytische  Disciplin 
sei.  Es  ist  dort  —  fast  genau  so,  wie  in  der  Anthropologie 
(R.  VII,  2  A.  21  u.  22.  —  H.  VII,  446.)  —  von  den  dunkelen 
Vorstellungen  die  Rede:  Könnten  wir  uns  aller  unserer  dunkelen 
Vorstellungen  auf  einmal  bewußt  werden,  so  würden  wir  über 
den  Schatz  in  unserer  Seele  erstaunen.  Das  Telescop,  auf  die 
entferntesten  Himmelskörper  gerichtet,  „thut  nichts  weiter,  als 
„daß  es  nur  in  uns  das  Bewußtseyn  von  unzähligen  Himmels- 
„körpern  erweckt,  die  mit  bloßen  Augen  nicht  können  gesehen 
„werden,  welches  aber  schon  dunkel  in  unserer  Seele  lag".  — 
—  —  „Ferner  alles,  was  in  der  Metaphysik  und  Moral  gelehrt 
„wird,  das  weiß  schon  ein  jeder  Mensch;  nur  war  er  sich  dessen 
„nicht  bewußt;  und  der  uns  solches  erklärt  und  vorträgt,  sagt 
„uns  eigentlich  nichts  Neues,  was  wir  noch  nicht  gewußt  hätten, 
„sondern  er  macht  nur,  daß  ich  mir  dessen,  was  schon  in  mir 
„war,  bewußt  werde.**  —  —  —  „Wenn  demnach  im  künftigen 
„Leben  unsere  Seele  sich  aller  ihrer  dunkeln  Vorstellungen  be- 
„wußt  seyn  wird;  so  wird  der  Gelehrteste  nicht  weiter  kommen, 
„als  der  Ungelehrteste;  nur  daß  sich  der  Gelehrte  schon  hier 
„etwas  mehreren  bewußt  ist.  Wenn  aber  in  beider  Seelen  ein 
„Licht  aufgehen  wird,  so  sind  sie  beide  gleich  klar  und 
„deutlich." 

Aus  diesen  Anführungen  ergiebt  sich  sofort,  daß  hier  die 
Rede  ist  von  dem  psychologischen  Unterschiede  zwischen 
dunkelen  und  deutlichen  Vorstellungen,  nicht  von  dem  logi- 
schen zwischen  analytischen  und  synthetischen  Urtheilen,  von 
einem  Unterschiede  im  subjectiven,  nicht  im  objectiven  Bewußt- 
sein. Nach  diesem  Unterschiede  sind  alle  nur  möglichen  ana- 
lytischen Urtheile  zunächst  eben  so  dunkel  als  die  synthetischen, 
und  die  dunkelen  synthetischen  werden  nicht  dadurch  analytische, 
daß  sie  deutlich  werden,  sondern  vielmehr  je  deutlicher  sie 
werden,  desto  mehr  heben  sie  sich  als  synthetische  von  den 
analytischen  als  solchen  ab,  wie  denn  auch  selbst  der  Unter- 
schied zwischen  analytischen  und  synthetischen  Urtheilen  über- 


Von  Emil  Arnoldt.  443 

haupt  von  jeher  in  allen  Seelen  geruht  hat,  aber  in  dem  sub- 
jectiven  Bewußtsein  einer  jeden  dunkel  geblieben  ist,  bis  er  als 
Unterschied  des  objectiven  Bewußtseins  durch  die  Kantische 
Philosophie  aus  der  psychologischen  Dunkelheit,  die  ihn  jeder 
Seele  verbarg,  in  psychologische  Deutlichkeit  für  jedes  subjective 
Bewußtsein  versetzt  ward,  das  sich  mit  jener  Philosophie  ver- 
traut machte. 

Wenn  auf  Grund  der  citirten  Aeußerung  anzunehmen  wäre, 
daß  Kant  damals,  als  er  sie  that,  die  Metaphysik  und  Moral  für 
eine  analytische  Disciplin  gehalten  hätte,  so  würde  auch  anzu- 
nehmen sein,  daß  er  damals  die  Mathematik,  die  Astronomie, 
die  Botanik  und  jede  beliebige  andere  Wissenschaft  als  ana- 
lytische Disciplinen  hätte  betrachten  wollen.  Denn  „alles,  was" 
in  jenen  Wissenschaften  „gelehrt  wird,  das  weiß  schon  ein  jeder 
Mensch"  in  dem  Sinne,  daß  es  in  seiner  Seele  ruht  als  Conglo- 
merat  völlig  dunkeler  Vorstellungen,  von  denen  er  nicht  das 
geringste  Bewußtsein  hat.  Wenn  B.  Erdmann  aber  behauptet: 
besonders  für  die  rationale  Psychologie  „erhellt  aus  jeder  Seite" 
ihrer  Ausführungen,  daß  sie  in  der  Pölitz'schen  Ausgabe  als 
analytische  Disciplin  abgehandelt  worden,  so  ist  diese  Behaup- 
tung nicht  wahr.  Wahr  ist  nur,  daß  die  zum  großen  Theil 
analytische  Erkenntniß,  die  dort  vorgetragen  wird,  nicht  immer 
als  bloß  analytische  hinlänglich  characterisirt  ist,  —  worauf  ich 
in  dem  folgenden  Abschnitt  meiner  Darstellung  beiläufig  noch 
werde  zu  sprechen  kommen. 

Doch  möchte  ich  hier  hervorzuheben  nicht  unterlassen,  daß 
in  der  Ontologie  des  Korff'schen  Manuscripts,  welche  zu  der- 
selben Vorlesung  gehört,  aus  der  Pölitz  die  Kosmologie,  Psycho- 
logie, und  Theologie  entnahm,  bei  der  Unterscheidung  zwischen 
analytischen  und  synthetischen  Urtheilen  allerdings  der  auffallige 
Satz  vorkommt  (S.  24.):  „die  gantze  Moral  besteht  in  analytischen 
Urtheilen",  —  ein  Satz,  der  übrigens  den  anderen  in  der  Psycho- 
logie der  Pölitz'schen  Ausgabe  (S.  14B.)  wie  des  KorfTschen 
Manuscripts  (S.  216.)  nicht  ausschloß:  „Den  Begriff  der  Tugend 
würde   kein  Mensch  haben,    wenn    er    immer"    [im    KorfTschen 


444      Zur  Benrtheilnng  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

Manuscript  fehlt:  immer]  „unter  lauter  Spitzbuben  wäre".  Hier- 
nach hätte  also  Kant,  als  er  die  in  dem  Korff'schen  Manuscript 
überlieferte  Vorlesung  hielt,  wirklich  gelehrt,  daß  die  Moral 
eine  analytische  Disciplin  sei. 

Aber  ist  das  so  sicher?  Der  Nachschreiber  oder  Abschreiber, 
von  welchem  das  Korff'sche  Manuscript  herrührt,  hat  sich  so 
viele  Nachlässigkeiten,  Schreibfehler,  sinnwidrige  Auslassungen 
zu  Schulden  kommen  lassen,  daß  ich  vermuthe,  er  habe  auch  in 
dem  oben  citirten  Satze  das  Wort:  „fast"  überhört  oder  über- 
sehen. Wenigstens  findet  sich  in  der  Ontologie  der  Pölitz'schen 
Ausgabe  und  zwar  ebenfalls  bei  Darlegung  des  Unterschiedes 
zwischen  analytischen  und  synthetischen  Urtheilen  der  nahezu 
gleichlautende  Satz  mit  der  nöthigen  Beschränkung  des  „fast": 
„Die  ganze  Moral  bestehet  fast  aus  lauter  analytischen  Urtheilen" 
(S.  25.).  Nun  ist  freilich  das  Heft,  aus  welchem  Pölitz  „die  Ein- 
leitung und  die  Ontologie"  entnahm,  „im  Jahre  1788  nach- 
geschrieben, und  von  einer  zweiten  Hand  im  Jahre  1789  oder 
1790  theilweise  berichtigt,  mehr  aber  noch  erweitert  und  er- 
gänzt worden"  (Vorr.  S.  V.).*)  Daher  ist  es  wohl  möglich,  daß 
jenem  Satze  erst  im  Jahre  1788  oder  später  das  beschränkende 
„fast"  einverleibt  worden. 


*)  Diese  Zeitbestimmung  hat  B.  Erdmann  bemängelt.  Im  Text  seiner 
Abhandl.:  „Eine  unbeachtet  gebliebene  Quelle"  u.  s.  w.  auf  S.  130  bezeich- 
net er  die  Pölitz'schen  Bemerkungen  über  das  gegenseitige  innere  Verhältniß 
jener  beiden  der  Pölitz'schen  Ausgabe  zu  Grunde  gelegten  Manuscripte  als 
„unzutreffend  auch  in  der  Hauptsache",  wobei  er  aber  eine  angeblich  Politi- 
sche Meinung  bestreitet,  die  Pölitz  gar  nicht  verlautbart  hat.  Doch  das  mag 
unbeachtet  bleiben.  Zu  „Hauptsache"  merkt  er  dann  unter  dem  Text  an: 
„Ungenau  ist  die  Zeitbestimmung  des  kürzeren  Manuscripts"  d.  h.  des  im 
J.  1789  oder  1790  ergänzten  Manuscripts  vom  J.  1788,  aus  dem  Pölitz  die 
Ontologie  hernahm.  „Kant  hat  über  Metaphysik  in  den  Wintern  1788,89, 
„1789/90  und  nach  aller  Analogie  auch  1790/91  gelesen  (das  Vorlesungs- 
„Verzeichniß  dieses  Semesters  fehlte  in  den  von  mir  durchgesehenen  Exem- 
plaren)**), während  nach  Pölitz'  Worten  an  die  Sommer  -  Semester  1788, 
„1789  oder  1790  zu  denken  wäre,  in  denen  Kant  Logik  vortrug."     Aber  diese 


**)  Was  für  Exemplare  mag  doch  B.  Erdmann  durchgesehen  haben?  — 
Exemplare  wovon? 


Von  Emil  Arnoldt.  445 

Bereits  vor  jenen  Jahren,  nämlich  bei  der  Beschäftigung  mit 
der  „Grundleg.  z.  Metaph.  der  Sitt.u,  also  vor  1786  war  Kant  zu 
der  Einsicht  gelangt,  daß  zwar  die  Imperativen  der  Geschicklich- 
keit analytisch-praktische  Sätze  seien,  und  die  Imperativen  der 
Klugheit  —  eher  Anrathungen,  als  Gebote  —  es  sein  würden, 
wenn  es  einen  bestimmten  Begriff  der  Glückseligkeit  gäbe,  daß 
aber  der  kategorische  Imperativ  oder  das  Gesetz  der  Sittlichkeit 
nur  ein  synthetisch-praktischer  Satz  a  priori  sein  könne.  Ob  er 
jedoch  schon  damals  überlegt  hatte,  daß  zwar  alle  Rechtspflichten 
und  die  Begriffe  von  ihnen  analytisch  aus  dem  Begriffe  der 
äußeren  Freiheit,  alle  Tugendpflichten  aber,  d.  h.  diejenigen,  die 
eine  Verbindlichkeit,  sich  gewisse  Zwecke  zu  setzen,  enthalten, 
nur  synthetisch  aus  der  Bestimmung  der  inneren  Willkür  können 
abgeleitet  werden,  —  das  mag  dahingestellt  bleiben.  Hatte  er  es 
überlegt,  so  war  die  Behauptung  der  Ontologie  von  1788  in  der 
Pölitz'schen  Ausgabe:  die  ganze  Moral  besteht  fast  aus  lauter 
analytischen  Urtheilen,   trotz  des  beschränkenden  „fast"  noch 


Bemängelung  wegen  Ungenauigkeit  ist  selbst  ungenau  in  dreifacher  Hin- 
sicht: 1.  Sie  läßt  unbestimmt,  gegen  wen  der  Vorwurf  der  Ungenauigkeit 
gerichtet  ist,  ob  gegen  den  Herausgeber,  oder  gegen  die  Urheber,  oder  gegen 
den  Herausgeber  sowohl  als  auch  gegen  die  Urheber  des  Manuscripts.  Nur 
wenn  und  in  so  weit  er  den  Herausgeber  träfe,  wäre  er  von  irgend  welcher 
Bedeutung.  Daß  er  ihn  aber  wirklich  und  mit  Recht  trifft,  ist  nicht  aus- 
zumachen. 2.  Nicht  blos  das  Verzeichniß  der  an  der  Königsb.  Univers,  in 
dem  Semester  1790/91  zu  haltenden  Vorlesungen  fehlt  auf  der  Königsb.  Kgl. 
u.  Univ.-Biblioth.  und  bei  den  Acten  des  Königsberger  Univ. -Senats,  sondern 
auch  das  Verzeichniß  der  in  jenem  Semester  an  der  Königsb.  Univ.  wirklich 
gehaltenen  Vorlesungen  bei  den  Acten  des  Königsberger  Univ.  -  Senats. 
3.  Trotzdem  ist  nicht  blos  „nach  aller  Analogie"  zu  schließen,  daß  Kant  im 
Wintersem.  1790/91  Metaphysik  gelesen  habe,  sondern  es  steht  fest,  daß  er 
sie  wirklich  gelesen  hat,  nach  dem  in  Berlin  vorhandenen  Königsberger 
Senatsbericht  über  die  damals  an  der  Königsberger  Universität  abgehaltenen 
(Kollegien,  —  wie  sich  weiter  unten  zeigen  wird.  Diese  Kleinmeisterei  ist 
selbstverständlich  nur  einer  solchen  Kleinmeisterei  gegenüber  berechtigt,  als 
B.  Erdmann  sie  continuirlich  ausübt.  Hier  hat  er  sie  wohl  zu  dem  speciellen 
Zweck  ausgeübt,  um  durch  Unsichermachung  aller  vorliegenden  Pölitz'schen 
Angaben  überhaupt  seiner  eigenen  Datirung  des  undatirten,  von  Pölitz  be- 
nutzten früheren  und  des  undatirten  Korffschen  Mannscripts  die  Wege  zu 
bereiten. 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX.  Hft  5  u.  8.  29 


446       Zur  Beurtheiiung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

immer  zu  weit.  Kurz,  nachdrücklich  bestreiten  und  entscheidend 
widerlegen  läßt  sich  die  Annahme  nicht,  daß  er  damals,  als  er 
die  in  dem  KorfPschen  Manuscript  enthaltene  Vorlesung  über 
Metaphysik  oder  die  in  der  Pölitz'schen  Ausgabe  enthaltene 
Kosmologie,  Psychologie,  und  Theologie  tradirte,  in  der  That 
die  Moral  für  eine  analytische  Disciplin  angesehen  habe. 

Daraus  aber  folgt  noch  lange  nicht,  daß  er  jene  Vorlesung 
in  der  Zeit  um  1774,  sondern  es  folgt  nur,  daß  er  sie  vor  1785 
gehalten  habe.  Da  entsteht  nun  die  Frage,  ob  sich  nicht  un- 
gefähr, wenn  auch  nicht  das  Semester,  in  welches  jene  Vor- 
lesung, doch  der  Zeitraum,  in  welchen  jenes  Semester  fiel, 
ziemlich  sicher  bestimmen  lasse.  Und  dieser  Zeitraum  läßt  sich* 
allerdings  einigermaßen  sicher  bestimmen.  Doch  schließt  er  das 
Wintersemester  1773/74  oder  eine  „kaum  viel  spätere"  d.  i.  also 
eine  wenig  spätere  Zeit  nicht  in  sich  ein. 

Hier  erhebe  ich  meinen  Haupteinwand  gegen  B.  Erd- 
mann's  Datirung.  Statt  seinem  eingebildeten  Wissen  von  Kant's 
subjecti  ver  Gedanken  -  Entwickelungs  -  Geschichte  zu  vertrauen, 
durch  welches  er  seiner  Prätension  nach  befähigt  wird,  aus  dem 
Inhalt  Kant'scher  Aeußerungen  die  Ursprungszeit  derselben  zu  be- 
stimmen, hätte  er  zum  Zweck  eines  Versuchs,  jenes  undatirte 
Manuscript  zu  datiren,  nach  mehr  äußerlichen  Merkmalen  in  ihm 
spüren  sollen,  —  Merkmalen,  welche,  wo  sie  vorhanden  sind,  für 
Zeitbestimmungen  immer  viel  zuverläßigere  Kriterien  darbieten, 
als  alle  rein  inneren  Merkmale. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Kritiken  and  Referate. 


P.  von  Lind,  „Kant's  mystische  Weltanschauung",  ein  Wahn  der  moder- 
nen Mystik.  Eine  Widerlegung  der  Dr.  C.  du  Prel'schen  Ein- 
leitung zu  Kant's  Psychologie.  München  (M.  Pössl).  8°.  VIII 
u.  144  S. 

Eino  exakte  und  werthvolle  Widerlegung  der  Uebergriffe  der  modernen 
Mystik  in  die  gesunde  Philosophie.  Sehr  richtig  betont  der  Verfasser  im 
ersten  Abschnitt,  daß  die  Spiritisten  an  der  thatsächlichen  Grundlage  ihrer 
Lehre  nach  gerade  irre  werden  und  deshalb  den  Versuch  machen,  die  theore- 
tische Spekulation  als  Stütze  derselben  in's  Feld  zu  rufen.  Da  eine  Berufung 
auf  lebende  Philosophen  raschen  Widerspruch  von  Seiten  derselben  zur  Folge 
haben  würde,  so  mußte  man  an  die  Hülfe  verstorbener  denken,  denn  diese 
können  nicht  widersprechen.  Keiner  konnte  dazu  geeigneter  scheinen,  als 
der  größte  und  klarste  von  ihnen,  nämlich  Immanuel  Kant.  Da  nun  Kant 
sich  nicht  selbst  gegen  solche  Insinuationen  zur  Wehre  setzen  kann,  so  ist 
es  tun  so  werthvoller,  daß  Herr  v.  Lind  die  Widerlegung  der  spiritistischen 
Mißdeutungen  übernommen  hat. 

Mit  Recht  tadelt  der  Verfasser,  daß  Herr  du  Prel  außer  Kant's  Ein- 
leitung zur  Psychologie  noch  eine  eigene  geschrieben  hat,  die  ja  den  Leser 
über  Kant  nicht  belehren,  sondern  nur  irre  fuhren  kann.  Nicht  ohne  Humor 
zeigt  der  Verfasser,  daß  der  materialistische  Zeitgeist  die  Spiritisten  antreibt, 
die  abgeschiedenen  Geister  photographiren  zu  wollen  und  daß  die  „empirische 
Experimentalpsychologie"  ein  Unding  ist  und  Kant's  Auffassung  geradezu 
widerspricht. 

Im  zweiten  Abschnitt  weist  der  Verfasser  nach,  daß  Kant  in  seinen 
,,Träumen  eines  Geistersehers"  nicht  selbst  den  Träumen  Swedenborg's  zu- 
stimmte, sondern  dieselben  ganz  objektiv  dem  Leser  vorführte  und  Sweden- 
borg sogar  den  „Erzphantasten  unter  allen  Phantasten"  nannte,  daß  also 
du  Prel  keineswegs  ein  Recht  hat,  Kant  auf  Grund  dieser  Schrift  mystische 
Ansichten  zuzuschreiben.  Die  gänzliche  Verschiedenheit  der  Anschauungen 
von  Kant   und  Swedenborg    wird   im    dritten    Abschnitt    durch    literarische 

29* 


448  Kritiken  und  Referate. 

Parallel8tellen  bewiesen  und  im  folgenden  eine  unparteiische  Charakteristik 
von  Kant's  „Träumen  eines  Geistersehers"  geliefert.  Da  die  Swedenborgianer, 
und  namentlich  Tafel  in  Tübingen,  auch  Kant's  Brief  über  Swedenborg  an 
Fräulein  Charlotte  von  Knobloch  heranziehen,  um  zu  beweisen,  daß  Kant 
nach  der  Herausgabe  der  „Träume  eines  Geistersehers"  seine  Ansichten  über 
Swedenborg  zu  Gunsten  des  Mysticismus  geändert  habe,  so  galt  es  nicht 
nur  eine  sachliche  Widerlegung  dieses  Irrthums,  sondern  besonders  auch  den 
Nachweis,  daß  Kant  nicht  erst  1768,  wie  die  Swedenborgianer  wollen,  son- 
dern vor  1764  jenen  *Brief  geschrieben  hat.  Der  Beweis  liegt  einfach  darin, 
daß  Fräulein  von  Knobloch  sich  schon  1763,64  verheirathet  hat,  während 
die  „Träume"  erst  1766  erschienen  sind.  In  den  folgenden  Abschnitten 
richtet  der  Verfasser  kritische  Blicke  auf  Kant's  Psychologie,  auf  die  Identität 
von  Kant's  psychologischen  Anschauungen  mit  denjenigen  in  den  „Träumen 
eines  Geistersehers"  und  in  der  „Anthropologie".  Es  folgt  darauf  im  9.  Ab- 
schnitt  „die  unvereinbare  Verschiedenheit  des  Kantischen  und  des  mystischen 
trän sscen dentalen  Subjekts/'*)  Im  10.  und  11.  Abschnitt  wird  die  völlige 
Unmöglichkeit  einer  mystischen  Weltanschauung  bei  Kant  auf  Grund  seines 
ganzen  Wesens,  seines  ganzen  Entwickelungsganges  und  seiner  Sittenlehre 
bewiesen. 

Zum  Schlüsse  folgt  im  letzten  Abschnitt  eine  treffende  Kritik  des 
modernen  Spiritismus.  Fast  zu  milde  bezeichnet  der  Verfasser  den  gegen- 
wärtigen Zeitgeist  als  materialistisch  und  realistisch.  Man  könnte  ihn  wohl 
mit  mehr  Recht  nihilistisch  nennen.  So  sind  z.  B.  die  Landschaften  mancher 
unserer  modernen  Maler  nicht  bloß  mit  gänzlicher  Unkenntniß  aller  Gesetze 
der  Kunst,  sondern  auch  mit  cynischer  Verachtung  aller  Naturwahrheit  auf 
die  Leinwand  gestrichen. 

Das  Schlusswort  der  sehr  empfehlenswerthen  Schrift  lautet:  „Nicht 
nur  an  seiner  ethischen  Verwerflichkeit,  sondern  auch  an  dem  von  ihm 
aufgestellten  prinzipiellen,  elementaren  Widerspruch  zwischen  Sinnlichem 
und  Geistigem,  an  beiden  wird  der  Spiritismus  zerschellen  und  die  gesunde 
Vernunft  auf  diese  Weise  den  Sieg  davontragen.  Dazu  ist  es  aber  not- 
wendig, daß  das  Andenken  und  die  lebendige  Erinnerung  an  solche  Männer 
erneuert  wird,  welche  der  Wissenschaft  unsterbliche  Verdienste  geleistet 
haben.  Und  zu  solchen  Männern  gehört  Immanuel  Kant.  Ans  dem  ein- 
fachen, gesunden,  natürlichen  und  wahren  Empfinden,  aus  einem  festen, 
treuen  und  schlichten  Glauben  an  die  idealen  Güter  des  Lebens  und  an  Gott, 
hierau 8  kann  die  der  Gegenwart  so  nothwendige  geistige  Wiedergeburt  und 
geistige  Gesundheit  zu  Theil  werden,  eine  Denkweise,  wie  sie  in  Kant's 
Schriften    und   in    seiner  verehrungswürdigen  Persönlichkeit   ausgesprochen 

*)  s.  Ergänzung  am  Ende.    Anm.  d.  Red. 


P.  von  Lind,  „Kant's  mystische  Weltanschauung"  etc.  449 

liegt;  aber  eine  geistige  Wiedergeburt  ist  nicht  durch  einen  complicirten, 
annatürlichen,  ungesunden,  bedauernswerthen  Mysticismus  möglich,  welcher 
erwiesenermaßen  keine  ethische  Kraft  besitzt,  und  über  dessen  Wesen  und 
Zwecklosigkeit  unser  großer  Kant  längst   das  letzte  Wort  gesprochen  hat." 

Ernst  Hallier. 


Ergänzung. 

Für  den  Mystiker  ist  dieser  Abschnitt  zweifellos  der  schwerwiegendste, 
weil  das  transscendentale  Subject  der  Grundpfeiler  und  die  logische 
Voraussetzung  aller  Mystik  ist,  wie  du  Prel  richtig  bemerkt.  (Kant,  Psycho- 
logie, Einleitung  S.  XLII;  Ausg.  du  Prel.)  Auch  Kant  nimmt  ein  trans- 
scendentales  Subject  und  eine  intelligibele  Welt  an.  Es  könnte  demnach 
scheinen,  als  wenn  Kant  doch  Mystiker  wäre.  Beide  Ausdrücke  bedeuten 
indessen  bei  Kant  etwas  ganz  anderes  wie  bei  der  Mystik.  Betrachtet  die 
Mystik  nämlich  den  trän sscen dentalen  Zustand  als  Regel  und  das  menschliche 
Leben  nur  als  Ausnahme  von  dieser  Kegel,  ja,  sieht  die  Mystik  das  trans- 
scendentale Subject  als  den  Schöpfer  der  irdisch-menschlichen  Erscheinungs- 
form an,  so  beweist  der  Verfasser  an  vier  Stellen  aus  Kant*),  daß  dem 
transscendentalen  Subject  eine  außer  aller  Erfahrung  liegende  persönliche 
Function  garnicht  zukommt.  Damit  sinken  die  persönlichen* Befugnisse  des 
mystisch  -  transscendentalen  Subjects  zu  Boden.  Den  Grund  nun  aber  vor 
allen  dafür,  weshalb  wir  von  immateriellen  Naturen  und  den  Gesetzen,  nach 
welchen  sie  wirken,  nichts  Positives  wissen  können  —  und  eine  Incar- 
nationsfahigkeit  würde  doch  etwas  Positives  im  hohen  Grade  enthalten  — 
sondern  daß  die  Noumena  für  uns  nur  negative  Bedeutung  haben  können, 
diesen  erläutert  Kant  an  einer  bedeutsamen  Stelle  der  Vernunftkritik**), 
welche  der  Verfasser  schon  in  Abschnitt  VIII  (S.  91,  92)  Anm.  citirt.  Ein 
mystisch-tran88cendentales  Subject,  nämlich  ein  mit  positiven  und  individuellen 
Anlagen,  mit  Wille  und  Incarnationsfahigkeit  ausgestattetes  Noumenon 
existirt  also  nach  Kant  mit  Recht  durchaus  nicht,  welcher  in  der  intelligi- 
belen  Welt  nur  einen  rein  ethischen  Schlußstandpunkt  allgemeiner  und  nie 
individuell   besonderer  Natur   erblickt.    Für  Kant   ist  die  intelligibele  Welt 


*)  1.  Kant,  Vernunftkritik  (Kehrbach)  S.  122. 

2.  Kant,  Psychologie  (du  Prel)  S.  68. 

3.  Kant,  Vorlesungen  üb.  d.  Metaphysik  (Pölitz)  S.  112  u.  113. 

4.  Kant,  Prolegomena  (Kehrbach)  §  47  u.  48. 

**)  Vernunftkritik  (A-;  B  307-8  u.  9.    Kehrbach  S.  684-68(5.) 


450  Kritiken  und  Referate. 

eben  nur  und  ganz  allein  die  moralische  (cf.  Kant,  Vernunftkritik,  Kehr- 
bach S.  612  u.  613).  — 

Mit  diesem  von  dem  Verfasser  auf's  Klarste  geführten  Nachweise  ist 
im  Grunde  jede  Möglichkeit  von  Kant's  mystischer  Weltanschauung  oder 
Kant' s  Antecipation  einer  solchen  zertrümmert,  und  es  besteht  facti  seh  eine 
unvereinbare  Verschiedenheit  zwischen  dem  Kantischen  und  mystischen 
trän sscen dentalen  Subject. 

Der  Verf.  m.  ausdrückl.  Einverständniß  des  Hrn.  Ref. 


SRafitrett.     Gilt  SBeatoeifet    butd)    bat   fceengebict    uttb    feine   9U4barfd)aft. 

SperauSaegeben  uon  91.  $enfel.  9J?it  12  ^Huftrationcn  nact)  fcMo- 
grapf)ijd)en  Wufnafjmen  uon  8.  TOin^toff  in  Slönigdberg.  ^a^n  (eparat 
eine  SBcge sparte.  föhtigdberg.  §artungjd)e  $er(ag$brucferet.  1892. 
(134  6.  tl  8.)    1  SRf.,  tefp.  1,50  2Rf. 

Die  im  vorigen  Jahre  in  Lötzen  gegründete  Gesellschaft  zur  Er- 
leichterung des  Personenverkehrs  auf  den  masurischen  Seen  hat  einen  neuen 
Dampfer  bauen  lassen,  welcher  seine  Fahrten  bereits  begonnen  hat.  Es  ist 
vorauszusehen,  daß  dadurch  das  an  landschaftlichen  Reizen  so  reiche,  bis 
jetzt  aber  noch  wenig  bekannte  Masuren  bei  den  Touristen  in  Aufnahme 
kommen  wird.  Diesen  wird  das  kleine  unlängst  erschienene  Buch  sehr  will- 
kommen sein.  Es  enthält  als  Einleitung  eine  kurz  gefaßte  Beschreibung 
der  Landschaft  im  Allgemeinen,  ihrer  Berge,  Seen,  Wälder  und  Bewohner 
und  ferner  eine  gedrängte  Uebersicht  ihrer  Geschichte.  Dieser  Abschnitt 
beschäftigt  sich  auch  mit  den  zahlreichen  Ueberresten  alter  Befestigungen, 
den  sogenannten  Schloßbergen  und  Burg  wällen  und  schreibt  deren  Ursprung 
ausnahmslos  den  heidnischen  Preußen  zu.  Das  ist  nicht  richtig,  denn  ein 
sehr  großer  Theil  dieser  Befestigungen  ist  vom  Deutschen  Orden  oder  auch 
von  den  deutschen  Ansiedlern  angelegt  worden.  Als  einzelne  Beispiele 
mögen  hier  nur  Eckersberg,  Tirklo  und  die  Insel  Gilm  genannt  werden. 
Nun  folgen  unter  Vermeidung  der  bei  solchen  Gelegenheiten  oft  verwendeten 
überschwänglichen  Phrasen,  anschauliche  Schilderungen  der  sehenswertesten 
Orte  und  Gegenden  mit  der  Anweisung,  sie  auf  dem  besten  und  angenehm- 
sten Wege  zu  erreichen,  wobei  für  den  Reisenden  wichtige  Angaben  über 
Gasthäuser,  Fuhrwerk  und  Preise  nicht  fehlen.  Diesem  Abschnitte  schließen 
sich  einige  Reisepläne  an,  welche  nach  Maßgabe  der  dem  Reisenden  zur 
Vertilgung  stehenden  längeren  oder  kürzeren  Zeit  entworfen  worden  sind. 
Den  Schluß  bilden  Dampfschiffs-  und  Omnibusfahrpläne  nebst  Angabe  der 
Erleichterungen,  welche  die  Südbahn  den  Reisenden  gewährt.  Zweckmäßig 
wäre  die  Zugabe  eines  Registers  gewesen. 


Masuren.    Ein  Wegweiser  durch  das  Seengebiet  etc.  451 

Wenn  auch  einige  sehr  schöne  Theile  Masurens  in  dem  Bache  nicht 
berücksichtigt  worden  sind,  so  ist  es  doch  sehr  brauchbar,  handlich  und 
auch  angenehm  zu  le?en,  nicht  zu  rühmen  sind  aber  seine  Illustrationen, 
diese  sind  größten theils  mißrathen.  Hierdurch  wird  allerdings  der  Werth 
des  Buches  wenig  beeinträchtigt,  es  ist  aber  doch  zu  bedauern,  daß  die  an 
und  für  sich  hübschen  Ansichten  die  landschaftlichen  Schönheiten  Masurens 
so  wenig  zur  Geltung  bringen.  Die  Karte  hätte  ohne  Schaden  fortgelassen 
werden  können,  denn  dem  Wanderer  ist  nur  eine  solche  Karte  von  Nutzen, 
auf  welcher  alle  Wege,  auch  die  unbedeutendsten  Feldwege,  sowie  auch  die 
wesentlichsten  Orientirungspunkte,  z.  B.  Windmühlen,  alleinstehende  Ge- 
bäude, ausgezeichnete  große  Bäume,  Gebüsche,  kleine  Bäche  mit  ihren 
Brücken,  Hügel  u.  s.  w.  verzeichnet  sind.  Dazu  würde  aber  ein  ziemlich 
großer  Maßstab  erforderlich  und  die  Herstellungskosten  sehr  bedeutend  sein. 

B. 


Die  landeskundliche  Litteratur  der  ProTinzen  Ost-  und  Westpreussen  .  .  . 

Gesammelt  und  herausgegeben  von  der  Königsberger  Geographischen 
Gesellschaft  Heft  I.  Allgemeine  Darstellungen  und  allgemeine 
Karten.  Königsberg  1892.  (8°,  8  Bl.  71  pag.).  In  Kommission 
bei  Hübner  &  Matz,     baar  2  Mk. 

Das  mit  dem  vorliegenden  Heftchen  begonnene  Unternehmen,  eine 
vollständige  Bibliographie  aller  irgend  auf  die  Landes-  und  Volks-Kunde 
von  Ost-  und  Westpreußen  sich  beziehenden  Arbeiten  zu  liefern,  ist  als  ein 
sehr  verdienstliches  mit  Freude  zu  begrüßen,  und  da  wir  hier  einen  ersten 
Versuch  auf  diesem  Gebiete  vor  uns  haben,  so  werden  wir  es  natürlich 
finden,  daß  derselbe  manche  Auslassungen  und  Irrthümer  aufweist,  welche 
letztere  allerdings  theilweise  einer  gewissen  Flüchtigkeit  in  der  Bearbeitung 
ihren  Ursprung  zu  verdanken  scheinen. 

Um  näher  auf  dieselben  einzugehen,  so  ist  das  Werk  „Notizen  von 
Preußen"  zweimal  aufgeführt,  das  einemal  richtig  pg.  11,  No.  87,  das 
zweitemal  irrig  unter  den  „Zeit-  und  Gesellschafts-Schriften",  pg.  2,  No.  15. 
Hier  hätte  auch  der  Name  des  Verf.  in  Klammern  gesetzt  werden  müssen, 
da  das  Werk  anonym  erschienen  ist;  ebenso  dürfte  nicht  stehen  „1795  f.u, 
sondern  1795/^6,  und,  da  Titel  genau  zu  copiren  sind,  müßte  es  nicht 
„Litthauen u,  sondern  „Littauen"  heißen.  Dasselbe  gilt  für  pg.  3,  No.  30, 
wo  statt  „litthauisch"  —  litauisch  stehen  müßte.  Auf  pg.  3  ist  die 
Ermländ.  Ztschrft.  unter  den  Namen  der  Herausgeber  angeführt,  die  gleich 
darauf  folgende  Altpreuß.  Monatsschrift  nicht.  Der  zweite  Band  der 
Goldbeck'schen  Topographie  erschien  nicht  1788  (pg.  11,  No.  84),  sondern  1789. 


452  Kritiken  und  Referate. 

Die  Arbeit  von  Alfred  Thomas  „Litauen  (nicht:  Littauen)  nach  den  Wege- 
berichten" befindet  sich  bedeutend  erweitert  im  Programm  des  Real- 
gymnasiums zu  Tilsit  1885;  hiernach  ist  pg.  17,  No.  154  zu  ergänzen.  Nach 
der  Notiz  auf  pg.  59,  No.  591  könnte  es  scheinen,  als  wenn  die  v.  Sucho 
doletz'sche  Karte  1733  wirklich  erschienen  sei;  sie  wurde  aber  nur  (Bock, 
Naturgesch.  I,  12)  seit  1732  angefertigt  und  erschien  erst  1763  (No.  597). 

Von  Auslassungen  sind  zu  erwähnen: 

(Assessor  Quermann,  Memel)  Bruchstücke  aus  dem  Tage  buche 
eines  Reisenden  von  Königsberg  nach  Memel,  Preußens  Gränz- 
stadt  (Hallisches  Wochenblatt  1820  und  Tilsiter  „Gemeinnütziges  Wochen- 
blatt fftr  die  Provinz  Litthauen"  1^21,  No.  10  und  11). 

Aus  Litauen  und  Masuren  (Königsbg.  Härtung.  Ztg.  1888,  No.  176. 
194,  212). 

Yerzeichniss  sämmtlicher  Ortschaften  in  den  Provinzen 
Ost-  und  Westpreußen.  Zum  Dienstgebrauch  der  Postanstalten  von 
Zeit  zu  Zeit  neu  herausgegeben,  z.  B.  Berlin  1887. 

Karte  von  Preußen  aus  dem  XV.  Jahrh.,  reproducirt  nach  dem 
Manuscript  in  der  ftirstl.  Czartoryski'schen  Bibliothek  zu  Krakau  von 
K^trzynski  in  seinem  Werke  „0  ludnosci  polskiej"  (Lemberg  1882). 

Tabula  mcderna  Prussie,  Livonie,  Norvegie  etGothie.  Arn. 
Buckinck  sc.  (Ptolemaeus,  Cosmographia,  Rom  1478). 

M.  Seutter  lieferte  ca.  1720  eine  ausführliche  Karte  von  Preußen 
in  Quer  royal  Folio,  mit  dem  Porträt  Friedrich  Wilhelms. 

Christ.  Kilian,  Die  Preußischen  und  Brandenburg.  Reiche,  Lander 
und  Herrschaften,  7  kleine  Landkarten.    Augsburg  1757,  Kl.-Fol. 

T.  C.  Lotter,  Karte  von  Preußen,  preuß.  Polen,  Pommern  1759. 

Franz  Ludwig  Guessefeld,  Tabula  regni  Borussiae,  Borussiain 
oriental.  exhib.  1775. 

Tabula  geogr.  totam  Borussiam  ut  et  district.  Notecensem 
exhib.  ed.  ab  Homannian.  hered.  (ca.  1782). 

Guessefeld,  Karte  1798.    Gr.-Folio. 

Guessefeld',  Karte,  Nürnberg,  H omann's  Erben  1805.    Qu.  Imp.  Fol. 

Das  Königreich  Preußen  mit  den  freien  Städten  Danzig 
und  Thorn.    (ca.  1806.) 

Güssefeld,  Karte  v.  Königreich  Preußen  nebst  dem  Herzog- 
thum  Warschau,  entworfen  von  — .    Nürnberg  1810,  Folio. 

Prima  parte  della  descrittione  dei  regno  di  Polonia;  Jl 
vero  disegno  della  seconda  parte  del  regno  di  Polonia.  Große 
Karte  v.  Polen  und  den  anliegenden  Ländern.     Venedig  1568. 

Nova  descriptio   Sarmatiae   EJuropaeae    quae   Sigismundo 


Die  landeskundliche  Litteratur  der  Provinzen  Ost-  u.  Westpreußen.     453 

Augnsto  regi  Poloniae  subjacet.  Andreas  Pograbias  Pilsnensis  fec. 
Venet.    Nie.  Nelli  aeris  formis  1B69/70. 

Poloniae,  Lithuaniae,  Voliniae,  Podoliae,  Ucraniae, 
Prussiae,  Livoniae,  Curlandiae  descriptio.  Friedr.  de  Witt  exe. 
Amsterdam  ca.  1660. 

Hieron.  Gol^biewski,  Obrazki  Rybackie.  Pelplin  1888.  8°, 
81  pg.    Sehr  interessante  Monographie  der  Halbinsel  Heia. 

C.  F.  Weiland,  Charte  von  dem  Königreiche  Polen,  Ost- 
u.  Westpreussen  und  Posen,  Weimar  1829.    Gr-Fol. 

Zn  No.  601  (pg.  60).  Der  Titel  lautet:  „Kanter,  J.  J,  regni  Poloniae, 
magni  ducatus  Lituaniae,  provinc.  .  .  .  junetarnm,  et  regionam  vicin.,  nova 
mappa  geographica.    Regiom.  1770." 

Edward  Rastawleckl,  Mappografla  dawnej  Polski.  Warschau  1346. 
Ein  sehr  wichtiger  raisonn.  Katalog  von  über  400  Karten  aus  dem  16.— 18. 
Jahrh.  von  Polen,  Litauen,  Preußen  etc. 

Ghrzanowski,  Karta  dawnej  Polski  z  przyleglemi  okolicami 
krajöw  sasiednich,  wedlug  nowszych  materyalöw.  Paris  1859.  1  :  800,000. 
(Ein  Atlas  von  60  Bl.  Gross-Folio  ) 

Atlas  de  l'ancienne  Pologne  pour  servir  a  l'ätude  de  la 
Geographie  naturelle  et  historique  des  pays  compris  entre  la 
mer  Baltique  et  la  mer  Noire  per  A.  H.  Dufour  et  Felix  Wrot- 
nowski.    Paris  1850.    12  Blatt. 

Die  Nichtberücksichtigung  der  polnischen  Litteratur  ist  sehr  zu 
bedauern.  J.  Sembrzycki. 


Sitzungsberichte 

des 

Vereins  für  die  Geschichte  von  Ost-  und  Westpreussen.   1891/92. 

Mitgeteilt  vom  Schriftführer  des  Vereins  Oberlehrer  Dr.  W.  Tesdorpf. 

Sitzung  vom  12.  October  1891.  Am  Montag  dem  12.  October  eröffnete 
der  Verein  für  die  Geschichte  von  Ost-  und  Westpreußen  seine  diesjährige 
Winterthätigkeit  mit  einer  Sitzung  im  H6tel  Königlicher  Hof.  Herr  Archivar 
Dr.  H.  Ehrenberg  hielt  zunächst  einen  Vortrag:  „Joachim  Ludwig  Schult- 
heiß von  Unfried  und  der  angeblich  von  Schlüter  erbaute  Theil  des  Königs- 
berger Schlosses".  Derselbe  ist  bereits  abgedruckt  im  „Centralblatt  der 
Bauverwaltung  vom  3.  und  10.  October  1891.  Der  Herr  Verfasser  kommt 
bei  dieser  Untersuchung  zu  dem  höchst  interessanten  Ergebniß,  daß  der  be- 
rühmte Schlüter  mit  dem  unter  Friedrich  I.  ausgeführten  Neubau  des  Südost- 


454  Kritiken  und  Referate. 

flügels  unseres  Schlosses  nichts  zu  thun  hat.     Sein  Name  wird  in  den  uns 
erhaltenen  einschlägigen  Akten  niemals  genannt.     Vielmehr  stammen  Pläne 
und  Ausführung   her   von  Joachim  Ludwig  Schultheiß   von  Unfried,  einem 
Sohne   des   brandenburgischen    Geheimen  Kammerraths  Joachim  Schultheiß 
von  Unfried.     Joachim  Ludwig  von  Unfried   machte   auf  Kosten  Kurfürst 
Friedrichs  III.   eine   große  Studienreise   nach  Frankreich    und   Italien,  von 
welcher  er  1700  zurückkehrte,  und  wurde  dann  als  Ingenieur  und  Baumeister 
in  Preußen  angestellt.     1705  erhielt  er  auf  seinen  Wunsch  zur  Unterscheidung 
von  den  gewöhnlichen  Maurer-  und  Zimmermeistern  den  Charakter  als  Ober- 
ingenieur und  Baudirektor  und  leitete  als  solcher  den  Schloßbau.     Aus  den 
offenbar   von   ihm   herrührenden  Plänen  und  Zeichnungen   können   wir  er- 
kennen,  daß   anfanglich   eine   große   monumentale  Anlage   des  ganzen  Ost- 
flügels beabsichtigt  wurde,  die  unserer  Stadt  zu  großer  Zierde  gereicht  hätte, 
leider  wurde  nur  die  Südostecke  fertig,  da  der  weitere  Bau  unter  dem  spar- 
samen Friedrich  Wilhelm  I.  eingestellt  wurde.    Jener  Eckpavillon  aber  wurde 
völlig  durch  Unfried  aufgeführt;    die   bisherige  Annahme,   daß   der  oberste 
Stock  und  das  Dach  unter  russischer  Herrschaft  1758—60   aufgesetzt  seien, 
ist  unrichtig;    damals   wurden   nur   Renovirungsarbeiten   gemacht,   um  die 
Kriegsschäden  auszubessern.     Von    1713—21    fehlen   uns  Nachrichten  über 
Leben  und  Stellung  Unfrieds.     1721  wird   er  von  Friedrich  Wilhelm  I.  zum 
preußischen  Kammerrat h  und  Oberlandbaudirektor  ernannt  mit  einem  Gehalt 
von  500  Thalern  und  ist  in  dieser  Stellung   bis   zu  seinem  Tode  verblieben, 
welcher  im  Hochsommer  1753   erfolgte.     Er   gehört   unstreitig   zu   den  be- 
deutenderen Baumeistern  seiner  Zeit.    —    Sodann   hielt  Herr  Staatsarchivar 
Dr.  Joachim  einen  kurzen  Vortrag    über   eine   von   ihm  in  diesem  Sommer 
unternommene  Dienstreise  in  Litauen,  auf  welcher  es  dem  Herrn  Vortragen- 
den gelungen   ist,   einige   recht  interessante,    meist   aus   dem  vorigen  Jahr- 
hundert stammende  Archivalien  in  den  Städten  Insterburg,  Tilsit,  Pillkallen, 
Schirwindt  u.  a.  m.    aufzufinden;   sie   werden   jetzt   auf  Veranlassung  von 
Herrn  Dr.  Joachim  größtenteils  als  Depositum  in  das  hiesige  Staatsarchiv 
übergeführt.     Als   besonders  werthvoll    und   musterhaft  verwaltet   erwähnt 
der  Herr  Vortragende   noch    das    Archiv    des    Hauptgestüts    zu    Trakehnen. 
Herr  Professor  Prutz   macht   darauf  noch  einige  interessante  Mittheilungen 
aus  zwei  neu  erschienenen  Büchern :   aus  dem  zweiten  Bande  von  Ulmanns 
Geschichte  Kaiser  Maximilians  I.  und  aus  den  Memoiren  Leopolds  von  Ger- 
lach.    Für   die  Geschichte   unserer  Provinz   sind   aus   Ulmanns  Maximilian 
besonders    die    Stellen    wichtig,    welche    das   Verhältniß  Maximilians   zum 
Deutschen  Orden  behandeln.     Es  geht  daraus  hervor,    daß   Maximilian  ur- 
sprünglich   die   redlichste  Absicht   hatte,   den    Deutschen  Orden  gegen  die 
Uebergriffe  Polens  zu  schützen,  seine  abenteuerliche  und  schwankende  Politik 
aber   auch   in   dieser    Hinsicht    keinerlei   Erfolge    aufzuweisen   hatte.    Die 


Verein  für  die  Geschichte  von  Ost-  und  Westpreußen.  455 

Memoiren  Leopolds  von  Gerlach  sind  nach  dem  Herrn  Vortragenden  für  die 
Geschichte  unseres  Jahrhunderts  von  hervorragender  Bedeutung.  Trotzdem 
sie  neue  Thatsachen  kaum  enthalten,  bieten  sie  doch  eine  Fülle  interessan- 
tester Details  über  historische  Persönlichkeiten  und  Verhältnisse  aus  der 
Mitte  des  Jahrhunderts. 

Sitzung  Tom  9.  NoTember  1891.  Zuerst  sprach  der  Bibliotheks- 
kustos Herr  Dr.  Mendthal  über  ein  nur  im  Manuskript  vorhandenes  Buch 
der  von  Wallenrodt'schen  Bibliothek.  Dasselbe  ist  verfaßt  von  John 
von  Collas.  Dr.  aller  Fakultäten,  und  führt  den  etwas  weitläufigen 
Titel:  „Wahre  Beschreibung  des  Königreichs  Preußen  und  dessen  Interesse, 
sowohl  in  Oekonomicis,  fremden  und  einheimischen  Commerciis,  als  Poli- 
ticis  zu  Krieg-  und  Friedenszeiten;  allwo  des  Climatis  und  Situation 
Gelegenheit,  Landes  Fruchtbarkeit,  Reich th um,  die  Genie  und  Foible  der 
Einwohner  und  angränzenden  Nachbaren,  ihre  Lebensart,  Gewohnheiten  und 
Staats-Maximen,  wie  auch  des  Auctoris  unmaßgebliche  Gedanken,  wie  solches 
am  füglichsten  durch  Verbesserung  der  Königlichen  Intraden  und  der  Unter- 
thanen  Conservation  in  Flor  gebracht  werden  könne,  in  12  Teilen  verfasset." 
Von  diesem  ca.  1713  geschriebenen  Buche  ist  nur  dieser  eine  Teil  bekannt, 
der  vor  einigen  Jahren  der  von  Wallenrodt'schen  Bibliothek  aus  Privatbesitz 
geschenkt  worden  ist;  er  enthält  eine  genaue  Beschreibung  des  Samläri- 
dischen  Kreises  und  dürfte  bei  näherer  Durchforschung  vieles  Interessante 
über  das  Samland  enthalten.  Ob  die  im  Titel  erwähnten  11  andern  Theile 
je  vorhanden  gewesen  und  vielleicht  noch  verstreut  in  privaten  Bücher- 
sammlungen sich  befinden,  ist  zur  Zeit  unbekannt.  Etwaige  Mittheilungen 
darüber  würde  der  Verein  für  die  Geschichte  von  Ost-  und  Westpreußen 
dankbar  entgegennehmen,  da  besonders  der  Teil  über  den  litauischen  Kreis 
interessante  Vergleiche  über  Litauen  vor  der  Regierung  Friedrich  Wil- 
helm L  mit  den  durch  diesen  König  daselbst  geschaffenen  Zuständen  gestatten 
würde. 

Sodan  referirte  Herr  Dr.  Stettiner  über  die  wissenschaftliche  Abhand- 
lung des  Osterprogramms  1890  des  Gymnasiums  zu  Elbing  betitelt:  „Die 
preußischen  Landtage  während  der  Regentschaft  der  branden burgischen  Kur- 
fürsten Joachim  Friedrich  und  Johann  Sigismund  1603—19,  nach  den  Land- 
tagsakten dargestellt  von  Direktor  M.  Toeppen."  Das  Programm  behandelt 
die  Jahre  1603—5,  in  welchen  die  wichtigen  Verhandlungen  über  die  Ueber- 
nahme  der  Vormundschaft  über  Herzog  Albrecht  Friedrich  durch  Joachim 
Friedrich  von  Brandenburg  geführt  wurden.  In  jeder  Beziehung  tritt  das 
Streben  der  preußischen  Stände  und  besonders  des  preußischen  Adels  hervor, 
für  sich  eine  möglichst  große  Unabhängigkeit  von  Brandenburg  sicher  zu  stellen. 

Endlich  berichtete  Herr  Professor  Dr.  Franz  Rühl  über  einen  soeben 
erschienenen  Band  der  Aufzeichnungen  des  Staatsministers  Theodor  v.  Schön, 


456  Kritiken  nnd  Referate. 

Derselbe  ist  eine  Fortsetzung  des  früher  erschienenen  Bandes:  „Stadien- 
reisen eines  jungen  Staatsmannes  in  Deutschland4'  und  fährt  den  Titel: 
„Studienreisen  eines  jungen  Staatsmannes  in  England."  Er  enthält  die  Auf- 
zeichnungen Schöns  über  seine  1798—1800  unternommene  Reise  nach  Eng- 
land, welche  als  eine  sehr  wichtige  Entwickelungsperiode  im  Leben  dieses 
berühmten  Sohnes  unserer  Provinz  anzusehen  ist.  Schön  hatte  diese  Reise 
auf  Anregung  des  Staatsministers  von  Schroetter  gemacht,  welcher  auf  den 
Lebensgang  Schöns  vielfach  entscheidend  und  fördernd  eingewirkt  hat. 
Der  Vergleich  der  Verhältnisse  im  konstitutionellen  England  mit  den 
Zuständen  im  absolutistischen  Preußen  hat  den  Horizont  Schöns  selbst- 
verständlich unendlich  erweitert  und  seine  Befähigung  zu  den  hohen 
Verwaltungsämtern,  welche  er  später  in  Ostpreußen  einnahm,  sehr  ver- 
mehrt. Von  seiner  englischen  Reise  zurückgekehrt,  wurde  Schön  von 
Schroetter  zunächst  auf  ein  Jahr  der  Regierung  von  Südpreußen  in 
Bialystock  zugewiesen.  Es  ist  sehr  natürlich,  wenn  er  dieser  Berufung 
anfangs  widerwillig  folgte,  der  Abstand  zwischen  der  Weltstadt  London 
und  dem  kleinen  polnischen  Landstädtchen  Bialystock  mußte  ihm  sehr 
fühlbar  sein ;  doch  hat  er  später  selbst  ausgesagt,  daß  das  Arbeiten  in  diesem 
Districte,  in  dem  die  preußische  Regierung  damals  gerade  bedeutende  und 
segensreiche  Reformen  aller  Art  durchführte,  äußerst  anregend  und  instruktiv 
für  ihn  gewesen  wäre. 

Sitzung  vom  14.  Dezember  1891  im  Artushofe.  Herr  Realgymnasiallehrer 
Dr.  P.  Stettiner  hielt  einen  Vortrag  über  ,, Diplomatische  Verhandlungen  über 
die  Souveränität  Preußens  während  der  Jahre  1655— 60.4<  Während  des  nordi- 
schen Krieges  (1655—1660)  haben  die  diplomatischen  Verhandlungen  über 
den  Besitz  des  Herzogthums  Preußen  und  seiner  Hafenplätze  wiederholt 
einen  entscheidenden  Einfluß  geübt.  Schon  im  September  1654,  kurz  nach 
dem  Regierungsantritt  des  jungen  Schwedenkönigs  Karl  X.  Gustav,  äußerte 
der  schwedische  Gesandte  in  Berlin  in  einer  Audienz  dem  großen  Kurfürsten 
gegenüber,  daß  Schweden  die  Hafen  platze  Pillau  und  Memel  während  des 
Krieges  mit  Polen  besetzen  müsse.  Wenn  auch  diese  Eröffnung,  wie  wir 
jetzt  durch  die  Arbeit  einer  schwedischen  Gelehrtin  Ellen  Fries  (Biographische 
Studie  über  Erich  Oxenstierna)  wissen,  nicht  dem  Gesandten  aufgetragen 
war,  so  entsprach  sie  doch  den  Plänen  des  Königs  und  seines  Kanzlers 
Erich  Oxenstierna.  Man  hatte  dort  nicht  vergessen,  daß  der  Hafenzoll  Pillaas 
allein  Gustav  Adolf  500000  Rthlr.  gebracht  hatte.  Man  sah  den  Besitz  der 
preußischen  Hafenplätze,  „der  Augen  der  Ostsee",  als  die  unentbehrliche 
Grundlage  für  Schwedens  Wohlstand  im  Innern  und  Frieden  nach  außen  an. 
So  ging  Schweden  bei  allen  Verhandlungen  bis  zum  Königsberger  Vertrage 
vom  Jahre  1656  darauf  aus,  die  kurfürstlichen  Rechte  über  die  Hafenplatze 
möglichst  zu  beschränken.    Es   ließ   aber   mit   diplomatischem  Geschick  die 


Verein  für  die  Geschichte  von  Ost-  und  Westpreußen.  467 

Geheimen  Rät  he  des  Kurfürsten  über  diesen  Zielpunkt  im  Umklaren,  bis 
die  glänzenden  Waffenerfolge  des  Schwedenkönigs  gegenüber  Polen  diesen 
Forderungen  den  noth wendigen  Nachdruck  gewährten.  Es  ist  zweifelhaft, 
ob  der  große  Kurfürst  oder  sein  genialer  Rathgeber,  der  Graf  von  Waldeck, 
zuerst  daran  gedacht  hat,  die  polnisch-schwedische  Verwickelung  zur  Ab- 
schüttelung  des  drückenden  Lehnsjoches,  das  er  von  Polen  trag,  zu  benützen. 
Bekannt  ist,  daß  die  Einschließung  des  Kurfürsten  und  seiner  Armee  durch 
Schweden  im  Dezember  1665  diesen  nöthigte,  die  schwedische  Lehnshoheit 
über  das  Herzogthum  Preußen  anzuerkennen.  Es  nahm  ihm  zugleich  der 
Königsberger  Vertrag  die  freie  Verfügung  über  die  Höhe  der  Hafenzölle 
in  Pillau  und  Memel.  Es  hat  sogar  den  Anschein,  als  ob  der  Kurfürst 
kurze  Zeit  bereit  war,  das  Herzogthum  Preußen  bei  der  beabsichtigten 
Theilung  Polens  an  Schweden  abzutreten.  Dann  aber  zwang  die  kurfürst- 
liche Politik  durch  gewandte  Benutzung  der  Waffenerfolge  den  Schweden- 
könig trotz  seines  heftigen  Widerstrebens,  den  Kurfürsten  als  souveränen 
Herzog  Preußens  anzuerkennen.  Während  noch  die  Verhandlungen  schwebten, 
erschien  ein  russischer  Gesandter  in  Königsberg  mit  der  dreist  und  über- 
müthig  ausgesprochenen  Forderung,  das  Herzogthum  Preußen  in  ein  russisches 
Lehen  zu  verwandeln.  Während  diese  erschreckende  Forderung  des  Mos- 
kowiters, wie  man  damals  den  Zaren  schlechtweg  nannte,  durch  einen  Neu- 
tralitätsvertrag beseitigt  wurde,  traten  die  hochmögenden  Staaten  der  Nieder- 
lande bald  mit  versteckten  Intriguen,  bald  mit  verblüffender  Offenheit  mit 
der  Forderung  auf,  Pillau  besetzen  zu  dürfen.  Der  einsichtige  Vertreter 
des  großen  Kurfürsten,  der  Geheime  Rath  Daniel  Weimann,  wußte  die 
Herren  mit  diesem  Köder  dann  längere  Zeit  vortrefflich  bei  Laune  zu  er- 
halten, während  er  natürlich  nie  den  Gedanken  an  eine  Abtretung  hegte. 
In  den  verschiedensten  Hauptstädten  Europas  tauchte  ziemlich  gleichzeitig 
das  Gerücht  auf,  daß  der  Bruder  des  Kaisers,  der  damals  Hoch-  und  Deutsch- 
meister des  deutschen  Ordens  war,  das  ehemalige  Ordensland,  das  Herzog- 
thum Preußen,  für  sich  in  Ansprach  nehmen  wolle.  Der  kaiserliche  Gesandte 
in  Polen,  Franz  v.  Lisola,  benutzte  dies  phantastische  Gerücht,  das  ver- 
muthlich  polnische  Ofßciöse  in  die  Welt  gesetzt  hatten,  um  die  Führer  der 
preußischen  Opposition,  Albrecht  v.  Kalkstein  und  den  Obermarschall  v.  Kreutzen, 
zum  Widerstände  gegen  den  Kurfürsten  zu  ermuthigen.  Von  geheimen  Ver- 
handlungen dieser  erbitterten  Gegner  des  Kurfürsten  haben  wir  erst  durch 
Wiener  Archivpublikationen  erfahren.  Franz  v.  Lisola  wurde  der  Vermittler 
zwischen  Brandenburg  und  Polen.  Mit  Mühe  hatte  er  dem  Polenkönig  die 
Instruktion  abgerungen,  im  äußersten  Falle  dem  Kurfürsten  die  unbedingte 
Souveränetät  seines  Herzogthums  zuzugestehen.  Mit  allen  denkbaren  Kunst- 
griffen und  Verstellungskünsten  suchte  der  vielgewandte  Diplomat,  der  die 
Kurfurstin,   die   Schwester,  ja   sogar   die  Schwiegermutter   des  Kurfürsten 


468  Kritiken  und  Referate. 

dazu  alarmirt  hatte,  dies  Zugeständniß  von  Polen  abzuwenden.  Die  un- 
erschütterliche Festigkeit  des  Kurfürsten  und  seiner  Räthe  führte  schließlich 
Polen  zur  Anerkennung  der  Unabhängigkeit  Preußens  im  Wehlauer  Ver- 
trage 1657.  Sie  ist  dann  von  keiner  Macht  im  Verlaufe  des  Krieges  an- 
gefochten und  im  Frieden  zu  Oliva  von  den  Machten  garantirt  worden. 
Das  Herzogthum  Preußen,  unser  Ostpreußen,  hatte  damit  die  Bestimmung 
erhalten,  die  ein  weitblickender  Diplomat  jener  Tage  noch  vor  dem  Kriege 
ihm  vorgezeichnet  und  die  es  bis  zum  heutigen  Tage  erfüllt  hat.  Seine 
Aufgabe  ward,  „Europa  vor  den  Barbaren  des  Ostens,  den  Tartaren,  Mosko- 
witern, Kosacken  zu  schützen.  Die  Bedeutung  der  Marken  mußte  jenseits 
der  Weichsel  erneuert  werden." 

Sitzung  vom  11.  Janaar  1892.  Herr  Professor  Dr.  Lohmeyer  berichtete 
über  die  Zusammenstellung  der  livländischen  Geschieht slitteratur  des 
Jahres  1890  durch  Dr.  Pölchau  und  über  die  im  Band  VI  der  Monumenta 
Poloniae  historica  von  Dr.  Ketrzynski  in  Lemberg  besorgte  neue  HerauB- 
gabe  der  gesammten  Chronik  von  Oliva.  Eingehend  besprach  der  Herr 
Vortragende  die  Streitfrage,  ob  der  im  Anfange  des  ersten  Theiles  des 
Werkes,  der  um  1360  verfaßten  sogenannten  altern  Chronik  von  Oliva,  ent- 
haltene Abschnitt  über  die  Anfänge  der  Ordensherrschaft  in  Preußen,  der 
bis  1256  reicht,  schon  vor  1260  entstanden,  oder  ob  er  erst  ein  Jahrhundert 
später  von  dem  Autor  der  älteren  Olivaer  Chronik  selbst  verfaßt  ist  Die 
Meinung  des  Herausgebers,  daß  als  Verfasser  der  altern  Chronik  von  Oliva 
der  Abt  Stanislaus  zu  betrachten,  und  daß  dieser  ein  Pole  gewesen  sei,  fand 
nicht  allgemeinen  Anklang.  Einer  Anregung  des  Herrn  Archivar  Dr.  Ehren- 
berg zufolge  debattirte  man  darauf  über  die  Notwendigkeit  einer  Biblio- 
graphie der  altpreußischen  Geschichte.  An  die  von  Herrn  Professor  Dr.  Pruts 
vorgelegten  neuen  Leitfaden  für  den  historischen  Unterricht  in  den  Kadetten- 
anstalten knüpfte  sich  eine  Debatte  über  die  Aufgabe  des  historischen  Unter- 
richts, speciell  des  Unterrichts  in  der  vaterländischen  Geschichte,  an  welcher 
sich  neben  Herrn  Professor  Prutz  selbst  besonders  die  Herren  Oberlehrer 
Dr.  Krause  und  Realgymnasiallehrer  Dr.  Stettiner  betheiligten. 

Sitzung  vom  8.  Februar  1892.  Herr  Staatsarchivar  Dr.  Joachim 
brachte  die  kultur-his torisch  nicht  unwichtige,  aber  gewiß  wenig  bekannte 
Erscheinung  zur  Sprache,  daß  am  Anfange  unseres  Jahrhunderts,  im  Jahre 
1801,  für  kurze  Zeit  ein  Vertrag  zwischen  Preußen  und  Rußland  bestanden 
hat,  nach  welchem  Preußen  Verbrecher  an  Rußland  zur  Deportation  nach 
Sibirien  überweisen  konnte,  practisch  ist  diese  Sache  nur  vereinzelt  aus- 
geführt worden,  weil  die  Kosten  für  Preußen  allzu  große  waren.  Näheres 
darüber  findet  sich  bei  Stölzel:  Brandenburg-Preußische  Rechtsgeschichte.  — 
Herr  Professor  Dr.  Lohmeyer  macht  darauf,  jedoch  ohne  sich  auf  kritische 
Erörterungen  einzulassen,   auf  ein   soeben   mit  Subvention  der  Gesellschaft 


Verein  für  die  Geschichte  von  Ost-  und  Westpreußen.  459 

Air  Geschichte  der  Ostseeprovinzen  Rußlands  zu  Riga  neu  erschienenes  Buch 
aufmerksam.  Es  betitelt  sich:  Neumann:  Das  mittelalterliche  Riga  (Berlin, 
Springer  1891),  ist  ganz  nach  Art  der  Steinbrech  tischen  Arbeiten  angelegt 
und  zeichnet  sich  gleichfalls  durch  eine  Fülle  werth voller  Illustrationen 
aus.  Endlich  kritisirt  Herr  Professor  Dr.  Prutz  den  soeben  herausgekom- 
menen 3.  Band  der  Staatsschriften  zur  Geschichte  Friedrichs  des  Großen, 
welche  unter  Redaction  von  Sybel  und  Schmoller  stehen.  Dieser  Band  ist 
bearbeitet  von  Kranske  und  behandelt  den  Anfang  des  siebenjährigen  Krieges. 
Herr  Professor  Dr.  Prutz  giebt  sein  Urtheil  dahin  ab,  daß  dieser  Band 
manche  interessante  Einzelheit,  aber  nur  wenig  wirklich  Wichtiges  enthalte. 
Das  Werk  leide  an  einem  Fehler,  der  bedauerlicherweise  in  der  historischen 
Forschung  immer  mehr  überhand  nehme,  daß  man  nämlich  allzu  kritiklos 
Wichtiges  und  Unwichtiges  bei  dergleichen  Publikationen  heranziehe.  Man 
sei  versucht,  dabei  von  planlosem  Abdruck  ganzer  Archive  zu  sprechen,  und 
könne  nur  die  Geld-  und  Zeitverschwendung  aufs  bitterste  beklagen.  In 
der  sich  über  diesen  Punkt  entspinnenden  Debatte  fand  diese  Ansicht  leb- 
hafte Unterstützung;  namentlich  wurde  auch  festgestellt,  daß  eine  sehr  große 
Anzahl  der  dort  abgedruckten  Stücke  garnicht  einmal  als  wirklich  unter 
den  Begriff  von  Staatsschriften  fallend  zu  betrachten  sei. 

Sitzung  Tom  4.  April  1892.  In  dieser  Sitzung  gab  Herr  Oberlehrer 
Dr.  W.  Tesdorpf  im  Anschluß  an  seine  im  diesjährigen  Oster  programm  der 
hiesigen  Stadt.  Höh.  Töchterschule  veröffentlichte  größere  Abhandlung  ein 
Lebensbild  des  Königlich  preußischen  Oberingenieurs,  Kammerraths  und 
Landmesserdirektors  John  von  Collas,  über  dessen  Werk,  eine  geographisch- 
statistisch-volkswirtschaftliche  Beschreibung  des  Samlandes,  bereits  in  einer 
frühern  Monatssitzung  des  Vereins  von  anderer  Seite  Bericht  erstattet  wor- 
den war.  Einer  alten  lothringischen,  im  17.  Jahrhundert  nach  England 
übergesiedelten  Adelsfamilie  angehörig,  war  John  Collas  1678  in  London 
geboren  und  hatte  seine  erste  Erziehung  als  Page  in  einigen  dem  Hofe 
Wilhelms  III.  nahestehenden  Edelhäusern  erhalten.  Seine  weitere  Ausbil- 
dung muß,  obwohl  über  sie  nichts  überliefert  ist,  eine  ganz  ausgezeichnete 
gewesen  sein,  das  beweisen  nicht  bloß  seine  späteren  Arbeiten,  sondern  auch 
der  Umstand,  daß  er  im  Jahre  1701,  wo  er  in  Königsberg  auftauchte,  um 
als  Begleiter  des  Grafen  Heinrich  XXIV.  Reuß  zu  Plauen  eine  Reise  nach 
Persien  anzutreten,  sicher  schon  Mitglied  der  Akademie  der  Wissenschaften 
zu  London  war.  Da  aber  Graf  Reuß,  zum  kaiserlichen  Heere  ein- 
berufen, die  Reise  aufgeben  mußte,  so  blieb  Collas  selbst  in  Preußen.  Wenn 
er  hier  sofort  in  die  engsten  Beziehungen  zu  den  ersten  Familien  des 
Landes  (Waldburg,  Dönhoff,  Lehndorff,  Dohna  u.  s.  w.)  treten  konnte, 
so  dürfen  wir  annehmen,  daß  dazu  neben  seiner  adligen  Abstammung  ohne 
Frage  auch  seine  persönliche  Bedeutung  die  Veranlassung  gewesen  ist.    Ob- 


460  Kritiken  and  Referate. 

gleich  er  1703  das  Gut  Dommelkeim  bei  Wargen  kaufte  und  dort  zunächst 
seinen  Wohnsitz  nahm,  hat  er  sich  doch  weniger  der  Landwirthschaft  als 
den  Wissenschaften  und  mit  großer  Vorliebe  baulicher  Thätigkeit  zugewandt. 
Bald  nach  1708  wird  er  Mitglied  der  jungen  Berliner  Akademie  —  auf  Grund 
welcher  Arbeiten  und  aus  welcher  Wissenschaft,  wissen  wir  freilich  nicht. 
Zweimal  hat  er  jenen  großen  Plan  in  Anregung  gebracht,  der  wie  vor  ihm, 
so  auch  nach  ihm  öfter  ins  Auge  gefaßt,  aber  immer  noch  nicht  zur  Aus- 
führung gekommen  ist,  eine  Kanalverbindung  zwischen  den  masurischen 
Gewässern  und  dem  Pregel;  mehrere  preußische  Herrenhäuser  Friedrichstein, 
Dönhofstedt,  später  auch  das  alte  Joachimsthal'sche  Gymnasium  in  Berlin 
sind  nach  seinen  Rissen  gebaut.  Zu  Ende  1712  wurde  Collas,  der  schon  seit 
kurzer  Zeit  (man  weiß  nicht,  seit  wann)  Landmesserdirektor  war,  zum  König- 
lichen Oberingenieur  ernannt  und  in  die  Kammer  (Regierung)  berufen.  In 
dieser  Stellung,  welche  er  vielleicht  nur  bis  1721,  jedenfalls  nicht  bis  1734 
innegehabt  hat,  scheint  er  sich  hauptsächlich  mit  der  Herstellung  einer 
Generalkarte  des  Königreichs  Preußen  beschäftigt  zu  haben,  von  welcher 
leider  nur  ein  unvollständiger  Entwurf  erhalten  ist.  Gestorben  ist  Collas 
erst  im  Jahre  1753.  Von  seiner  Gattin,  einer  Tochter  des  Königsberger 
Hofkaufmanns  Pierre  Pellet,  dessen  Familie  mit  den  Pelet-Narbonne  in  Zu- 
sammenhang steht,  hinterließ  er  fünf  Söhne  und  eine  Tochter.  Außer  jenem 
einen,  wahrscheinlich  dem  einzigen  Bande  der  „Wahren  Beschaffenheit  des 
Königreichs  Preußen"  und  dem  Entwurf  der  Generalkarte  ist  von  allen 
schriftstellerischen  Werken,  welche  Collas  verfaßt  oder  wenigstens  entworfen 
hat,  nichts  erhalten;  sie  gehörten  den  Gebieten  der  Naturwissenschaften,  der 
Oekonomie,  der  Geschichte,  besonders  aber  der  Baukunst  an.  Zum  Beweise 
der  hohen  Anerkennung,  welche  man  der  wissenschaftlichen  Thätigkeit 
Johns  v.  Collas  entgegenbrachte,  dient  ein  höchst  schmeichelhafter  Brief, 
welchen  Leibniz  Oktober  1712  an  den  verhältnißmäßig  noch  jungen  Mann 
gerichtet  hat.  —  Die  Autotypien  der  samländischen  Ordensburgen  lagen  den 
Anwesenden  vor. 

Sitzung  vom  10.  Mai  1892.  [Generalversammlung.]  Der  Vor- 
sitzende, Herr  Professor  Dr.  Prutz,  eröffnete  die  Sitzung  und  berichtete  über 
Thätigkeit  und  Lage  des  Vereins  im  abgelaufenen  19.  Jahre  seines  Bestehens. 
Der  Verein  zählt  mit  Ausschluß  der  ihm  angehörenden  Korporationen  etwa 
70  ordentliche  Mitglieder  und  verfügt  über  ein  Vereinsvermögen  von 
12253  Mark.  Als  Vereinsschrift  ist  den  Mitgliedern  zugegangen  das  erste 
Heft  des  Samländischen  Urkundenbuches,  herausgegeben  von  Bibliothekar 
Dr.  Mendthal  und  dem  inzwischen  verstorbenen  Domvikar  Dr.  Wölky.  Für 
das  neu  beginnende  Vereinsjahr  6ind  in  Vorbereitung  und  werden  zur  Aus- 
gabe gelangen  ein  neues  Heft  und  vielleicht  auch  das  Schlußheft  der  Chronik 
des  Simon  Grünau,   bearbeitet   von  Staatsarchivar  Dr.  Wagner  in  Aurich, 


Verein  für  die  Geschichte  von  Ost-  und  Westpreußen.  461 

sowie  das  Haushaltungsbuch  des  Fürstenthums  Preußen  des  Caspar  von 
Nostitz,  herausgegeben  durch  Professor  Dr.  Lohmeyer.  Die  Versammlung 
wählte  darauf  durch  Akklamation  zu  Kassenrevisoren  die  Herren  Bürger- 
meister Hoffmann  und  Stadtrath  Warkentien.  Für  das  aus  dem  Vorstande 
wegen  seiner  Berufung  nach  Straßbarg  i.  £.  ausgetretene  Mitglied  Herrn 
Professor  Dr.  Dehio  wurde  neu  gewählt  Herr  Oberstaatsanwalt  v.  Plehwe; 
die  statutenmäßig  ausscheidenden  Mitglieder  des  Vorstandes,  Herr  Professor 
Dr.  Lohmeyer  und  Herr  Stadtrath  Michelly,  wurden  wiedergewählt  So- 
dann hielt  Herr  Professor  Dr.  Prutz  den  Vortrag  des  Abends :  „Eine  Fürsten- 
reise nach  Preußen  vor  500  Jahren".  Das  Material  zu  dieser  farbenreichen 
kulturhistorischen  Schilderung  hatte  der  Herr  Vortragende  aus  Studien  ge- 
nommen, denen  er  augenblicklich  obliegt  zum  Zwecke  einer  Herausgabe  der 
„Treasnres  accounts  of  the  Earl  of  Derbys  expeditions",  der  Rechnungs- 
bücher des  Earl  of  Derby,  späteren  Königs  Heinrichs  IV.  von  England,  welche 
seinerzeit  als  Vereinspublikation  des  Vereins  für  die  Geschichte  von  Osfc- 
und  Westpreußen  erscheinen  werden.  Nach  einer  kurzen  Einleitung  Über 
den  Werth  und  die  Bedeutung  derjenigen  Quellen,  welche  durch  spezielle 
Behandlung  kulturhistorischen  Materials  uns  einen  Einblick  in  das  Leben 
und  Treiben  früherer,  fern  zurückliegender  Kulturepochen  gestatten,  besprach 
der  Herr  Vortragende  den  Inhalt  der  vorliegenden  Rechnungsbücher,  welche 
im  Auftrage  Heinrichs  v.  Derby  auf  seiner  Reise  nach  dem  Ordenslande 
Preußen  und  auf  seinem  mit  dem  Orden  unternommenen  Litauerzuge  1390/91 
geführt  worden  sind.  Diese  Aufzeichnungen  wurden  1866  von  dem  1881  in 
Göttingen  verstorbenen  Professor  Reinhold  Pauli  im  Londoner  Staatsarchive 
aufgefunden.  Eine  von  Pauli  beabsichtigte  Herausgabe  hinderte  dessen 
frühzeitiger  Tod.  Nunmehr  erfolgt  die  Herausgabe  durch  die  Camden  Society 
in  London  und  den  Verein  für  die  Geschichte  von  Ost-  und  Westpreußen 
gemeinsam,  und  es  ist  mit  Freude  zu  berichten,  daß  dadurch  endlich  dieses 
für  die  Kulturgeschichte  des  14.  Jahrhunderts  hervorragend  wichtige  Quellen- 
material allgemeiner  Benutzung  und  Verwerthung  zugänglich  gemacht  wird. 
Gestatten  doch  diese  Rechnungsbücher  eingehende  und  zum  Theil  über- 
raschende Einblicke  sowohl  in  die  hochstehende  englisch  -  normannische 
Lebensführung  damaliger  Zeit,  wie  in  die  noch  etwas  ursprüngliche  Kultur 
des  Ordenslandes  Preußen.  Auch  sprachlich  ist  diese  Geschichtsquelle  von 
großer  Bedeutung,  da  sie  in  einem  seltsamen  Mischmasch  von  mittelalter- 
lichem Latein,  normannischem  Englisch  und  zum  Theil  mißverstandenem 
Deutsch  abgefaßt  ist.  An  der  Hand  dieser  Rechnungsbücher  kann  man  nun 
die  Reise  und  Littauerfahrt  des  englischen  Fürsten,  über  die  sich  sonst  nur 
vereinzelte  Notizen  in  einigen  Chroniken  erhalten  haben,  auf  das  Genaueste 
verfolgen  und  aus  den  Kosten  derselben,  4800  Pfd.  Sterl.  damaligen  Geldes, 
die  einen  Werth  von  nahezu  800000  Mk.  darstellen,  einen  Vergleich  ziehen 


462  Kritiken  und  Referate. 

mit  den  Kosten  heutiger  fürstlicher  Reisen.  Nach  sehr  sorgfältigen  Vor- 
bereitungen und  Zurüstungen  trat  der  Earl  of  Derby,  da  politische  Verhält- 
nisse seine  zeitweilige  Entfernung  erforderlich  machten,  seine  Reise  nach 
Preußen  im  Juli  1890  an  und  landete  nach  etwa  drei  Wochen  an  der  Küste 
westlich  von  Danzig.  Nach  kurzem  Aufenthalte  daselbst  wurde  die  Weiter- 
reise nach  Königsberg  und  von  donjb  mit  dem  Ordensheim  zusammen  die 
eigentliche  Littauerreise  unternommen,  die  den  englischen  Prinzen  durch 
die  preußische  Wildniß  tief  nach  Littauen  und  zur  Belagerung  von  Wilna 
führte.  Das  Herbstwetter  zwang  dann  zur  Rückkehr,  Heinrich  IV.  ver- 
brachte den  Winter  in  Königsberg  und  Danzig  und  kehrte  im  April  1391 
nach  England  zurück.  Die  Rechnungsbücher  lassen  die  ganze  Lebensführung 
auf  der  Reise  und  im  Kriege  durch  die  in  ihnen  aufs  Genaueste  gebuchten 
Ausgaben  deutlich  erkennen  und  zeigen  die  ren<ht  verschwenderische,  aus  dem 
Vollen  lebende  Hofhaltung  bis  in  die  kleinsten  Züge. 


Mittheitangen  und  Anhang. 


UniversitSts-  Chronik  1892. 

Acad.  Alb.  Regim.  1892.  III.  Index  lectionum  . . .  p.  hiem.  a.  MDCCCLXXXXII/ 
LXXXXIII  a  d.  XV  m.  Octobr.  habendarum.  .  .  .  Regim.  ex  offic. 
Hartungiana.  (48  S.  4.)  [Insunt  Arthur!  Lud  wich  Adnotationum 
criticarum  ad  scholia  in  Homeri  Iliadein  Genavensia  Pars  II  et  Com- 
mentatio  Qualitätszeichen  in  den  ältesten  Hiashandschriften  inscripta. 
S.  3-31.] 

Verzeichniß  d.  .  .  .  im  Wint.-Halbj.  vom  15.  Oct.  1892  an  zu  haltenden 
Vorlesungen  u.  d.  öffentlichen  akademischen  Anstalten.  Kgsbg.  Har- 
tungsche  finchdr.  (11  S.  4.) 
1.  Aug.  Med.  I.-D.  v.  Albert  Bereut  (a.  Carthaus  i.  Westpr.):  Ueber  die 
Heilung  von  Herzwunden,  mit  besonderer  Berücksichtigung  derGrawitz'- 
schen  Schlummerzellen theorie,  nach  Versuchen  am  Kaninchen.  Kgsbg. 
i.  Pr.    Druck  v.  M.  Liedtke.     (2  BL,  43  S.  8.) 

3.  Aug.     Phil.   I.-D.  (No.  23.)    v.  Alfred  Lemcke    (a.    Königsberg   in    Pr.) : 

Beiträge  zur  Kenntniß  der  Gattung  Carex  Mich.    Kgsbg.  in  Pr.  Buchdr. 
v.  R.  Leupold.    (1  BL,  130  S.  8.) 

4.  Aug.     Med.  I.-D.  v.  Max  Hertzfeld  (a.  Oletzko),   prakt.  Arzt:   Ein  Fall 

von  Nabelschnurbrucb.  Kgsbg.  i.  Pr.  Druck  v.  M.  Liedtke.  (2  BL, 
29  S.  2  Taf.  8.) 
4.  Aug.  Med.  I.-D.  v.  Hugo  Poddey  (a.  Insterburg),  approb.  Arzt:  Drei 
Fälle  von  idiopathischer  acuter  gelber  Leberatrophie.  Kgsbg.  i.  Pr. 
Druck  v.  M.  Liedtke.  (1  BL,  55  S.  8.) 
4.  Aug.  Med.  I.-D.  v.  Victor  Schwarz  (a.  Königsberg  i.  Pr.):  Ueber  die 
Verletzungen  der  Arteria  mammaria  interna.  Kgsbg.  i.  Pr.  Druck 
v.  M.  Liedtke.    (1  BL,  55  S.  8.) 

18.  Aug.  Phil.  L-D.  (No.  24.)  von  Friedrich  Fuchs  a.  Neuheide  (Kr.  Elbing) : 
Ueber  Benzenyloxytetrazotsäure.  Kgsbg.  in  Pr.  Buchdr.  v.  R.  Leu- 
pold.   (31  S.  8.) 

20.  Aug.  Phil.  L-D.  (No.  25.)  v.  Adolf  Schachten  Der  Commentar  zu  Esra 
und  Nehemia  von  Jesaja  di  Trani  nach  Handschriften  der  Angelica 
in  Rom  und  der  Bodlejana  in  Oxford  herausgegeben  und  kritisch 
bearbeitet  nebst  Einleitung  über  die  Anfänge  der  jüd.  Exegese  in 
Italien.    I.  Theil.    Kgsbg.  i.  Pr.  Buch-  u.  Steindr.  E.  Erlatis.  (69  S.  8.) 


Lyceum  Hosianum  in  Braunsberg  1892. 

Index  lection.  in  Lyceo  regio  Hosiano  Brunsbergensi  per  hiemem  a  die 
XV.  Oct.  a.  1892  usque  ad  diem  XV.  Martii  a.  1893  instituendarum. 
[h.  t.  Prorector  Dr.  Hugo  Weiß,  P.  P.  0.]  Brunsb.  Typis  Heyneanis 
(R.  Siltmann)  1892.  (18  S.  4°.)  Praecedit  Prof.  Dr.  Hugonis  Weiss 
commentatio  exegetica:  de  octo  quae  dicuntur  beatitudinibus.  (S.  3— 16.) 


464  Mittheilungen  und  Anhang. 

Notiz. 

Die  Königl.    dänische  Akademie   der  Wissenschaften   stellt  folgende 
soeben  philosophiegeschichtliche  Preisfrage : 

Question  de  Philosophie. 

(Prix:  la  Medaille  d'or  de  l'Aoademie.) 

Tandis  que  les  oeuvres  de  Kant  et  son  rang  dans  l'histoire  de  la 
pensee  philosophique  ont  ätö,  durant  ce  dernier  quart  de  siecle,  le  theme  de 
travaux  dont  le  nombre  est  meme  colossol,  Harne,  dont  la  philosophie 
a  discute  les  plus  importants  des  problemes  <jui  ont  occupe  Kant,  n'a  point, 
a  beaucoup  pres,  &t&  au  tan  t  eludiö,  ni  en  ci  qui  concerne  Pintelligence  de 
sa  doctrine  m6me,  ni  pour  son  classement  dans  l'histoire.  Or,  il  faut  ad- 
mettre  comme  l'un  des  plus  importants  parmi  les  resultats  des  investi- 
gations  qui  ont  &t&  faites  sur  Kant,  le  fait  que  Hume,  soit  comme  precur= 
seur  de  Kant,  soit  comme  lui  faisant  pendant,  a  une  importance  positive 
beaucoup  plus  considerable  qu'on  ne  lui  en  a  generalement  reconnu  autre- 
fois;  car  l'element-  dogmatique  de  Kant  est  aujourd'hui  defini  d'une 
maniere  plus  nette  et  plus  saillante  qu'auparavant.  Le  desir  de  FAcademie 
est  donc  de  voir  entreprendre 

une  ötude  approfondie  de  la  philosophie  de  Hume  et  de  son  impor- 
tance pour  Involution  de  la  theorie  de  la  connaissance,  celle  de  la 
Psychologie  et  de  l'ethique,  et  l'on  desire  que  l'attention  soit  speciale- 
ment  appelee  sur  les  rapports  entre  Hume  et  l'äcole  anglaise  qui 
refleurit  dans  notre  siecle. 


Les  reponses  aux  question  s  peuvent  etre  en  langue  danoise,  suedoise, 
anglaise,  allemande,  francaise  ou  latine.  Les  memoires  doivent  etre  ecrits 
lisiblement  et  marques,  non  point  du  nom  de  l'auteur,  mais  d'une  Epigraphe, 
et  aecompagnes  d'un  billet  cachetö,  contenant  le  nom,  profession  et  adresse 
de  l'auteur  avec  la  p~oduction  de  l'epigraphe  a  Fexte>ieur.  Aucun  membre 
danois  de  l'Academie  ne  peut  concourir  pour  un  des  prix  proposes.  A  de  faut 
d'autre  prix  designö,  c'est  la  m&laille  d'or  de  l'Academie  (valeur:  320  cou- 
ronnes)  qui  sert  de  recompense  pour  la  Solution  satisfaisantedes  questions  posees. 

Excepte  les  Solutions  des  questions  de  paleontolugie  et  des  questions 
pour  les  prix  Thott  et  Olassen,  dont  le  terme  expire  le  31  octobre  1884,  les 
coneurrents  doivent  faire  parvenir  leur  reponses  avant  la  fin  d'oetobre  1893 
au  secretaire  de  l'Academie,  M.  H.-G.  Zeuthen,  professeur  a  1' Universite 
de  Copenhugue.  Le  jugement  est  portö  durant  le  mois  de  feVrier  suivant, 
apres  quoi  les  auteurs  peuvent  retirer  leurs  reponses. 

[Archiv  f.  Gesch.  d.  Philosophie.  Bd.  V.  Hft.  3.  1892.  S.  439—440.] 


Drnok  yon  B.  Leopold,  Königsberg  in  Pr. 


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Die  Dichtung  hat  zum  Hintergrand  den  Untergang  des  Deutschen  Ritterordens, 
mit  dessen  letzten  Geschicken  der  Gang  der  Handlang  eng  verbanden  ist.  Tragisch  nnd 
düster  wie  die  Grandstimmung,  ist  der  Ausgang  der  Helden  dieses  Liedes  vou  „verrathener 
Liebe  nnd  gebrochener  Treue1*,  die  auf  der  blutigen  Wahlstatt  von  Tannenberg,  in  der 
des  Ordens  Blüthe  für  immer  vernichtet  wurde,  ihren  Untergang  finden.  Wunderbare 
Naturschilderungen  und  farbenprächtige  Bilder  aus  dem  Leben  der  Marienburg  heben 
sich  von  dem  düsteren  Hintergrunde  wirksam  ab. 


■y  Ein  neuer  Roman  von  Rudolf  von  Gottaehall!  •% 

Soeben  erschien: 

Romeo  und  Julie  am  IPregel. 

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Rudolf  von  Gottschall. 

:  geh.  5  Mk.,  eleg.  geb.  6  Mit 


Dls  jiulitisi'he  Gfthrung  der  ersten  viertiger  Jahre,  welche  In  Königsberg  ein  so 
reges  öffentliches  Leben  hervorbrachte,  dm  die  Augen  ff&Q*  Deutschlands  in  jener  Zeit 
Huf  die  alte  Beeidenastadt  am  "regel  gerichtet  waren,  dient  der  in  ihrer  Einfachheit 
tief  ergreifenden  Kr»ahlnog  als  Hintergrund.  Ein  durch  glaniende  Gat  —  J-  "■'--- 
und  Hersens  eusgeseirlineter,  an  d»V"~  '-  "<-  —  <-  — =  -  — 
Literat  gewinnt  die  Liebe  der  Tochter  < 

'      "      '  '■■    '  ■L-Uwieriirklntcn    ihr,!    II«ü_. _ „ 

d  politischen  Gegner*. 

sberg  als  Feuilletoo-Rednotenr  dar 
r  Loc Altrene  ein  anaohanlichea  Büd 
istande  Ostprenssen*.    Dm  Buch   iat 


■eiohneten  Verlage  erschien: 
Znm  24.  Januar  1898,  dem  Tage  der   100jährigen  Wiederkehr 
der 

Besitzergreifung  der  Stadt  Thorn 

durch  die  Krone  Preutsens. 

Darstellung  der  damaligen  Znstärde,  der  Sinnesart  dar  stadtisohm  Behörde! 

und  der  Bürgerschaft  nach  Materialien  des  Stadtarchiv* 

Preis:  i,M  n.      *on   *■  Tletsen,   Cueto,  genannten  Archivs.  rnu.  ^  „. 

Die  deutsche  Qrdensfaarg  Thora  vor  dar  Zerstörung  1454  c.  st^tn**. 

hörn.  Ernst  Lambeok  Verlag. 


Soeben   erscheint: 


Heft  7  u.  8  erscheinen  als  Doppelheft  Ende  Deoembei. 
Die  Herausgeber. 


«     ■       1  ')     1 . 


1    v       -- 


Zur  Beurtheilung  von  Kant' s  Kritik  der  reinen 
Yernunft  und  Kant's  Prolegomena. 

Von 

Emil  Arnoldt. 

Characteristik  von  Kanf  s  Vorlesungen  Ober  Metaphysik  und  möglichst 
vollständiges  Verzeichniss  aller  von  ihm  gehaltener  oder  auch  nur 

angekündigter  Vorlesungen. 

Anhang  No.  4  nnd  No.  5. 

(Fortsetzung.) 

Auf  Grund  zweier  solcher  mehr  äußerlichen  Merkmale  in 
der  Politischen  Ausgabe  und  in  dem  KorfFschen  Heft  läßt 
sich  der  Zeitraum  ziemlich  sicher  feststellen,  in  den  jenes 
Colleg  muß  gefallen  sein. 

Die  Grenze  für  den  Anfang  des  Zeitraums  ergiebt  sich 
folgendermaßen : 

Die  Methodenlehre  der  Krit.  d.  r.  V.  enthält  in  dem  Ab- 
schnitte über  „die  Disciplin  der  reinen  Vernunft  in  Ansehung 
ihres  polemischen  Gebrauchs4*  bekanntlich  den  Satz:  „Ich  bin 
„zwar  nicht  der  Meinung,  welche  vortreffliche  und  nachdenkende 
„Männer  (z.  B.  Sulzer)  so  oft  geäußert  hahen,  da"  [bei  H.  III, 
494  „dassu  für  „da"]  „sie  die  Schwäche  der  bisherigen  Beweise 
„fühlten:  daß  man  hoffen  könne,  man  werde  dereinst  noch 
„evidente  Demonstrationen  der  zween  Cardinalsätze  unserer  reinen 
„Vernunft:  es  ist  ein  Gott,  es  ist  ein  künftiges  Leben,  erfinden. 
„Vielmehr  bin  ich  gewiß,  daß  dieses  niemals  geschehen  werde." 
(1.  Orig.-Ausg.  S.  741  u.  742.  —  2.  Orig.-Ausg.  S.  769  u.  770. 
—  E.  H,  573.  — ) 

Hier  ist  nicht  angedeutet,  ob  Sulzer,  als  dieser  Satz  ge- 
schrieben und  gedruckt  und  wieder  gedruckt  wurde,  noch  am 
Leben,    oder   bereits    verstorben   war,   während  die  „Grundl.  z. 

Altpr.  MonatMohrift  Bd.  XXIX.  Hft.  7n.&  80 


466       2ar  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

Metaph.  d.  Sitt."  in  der  Anmerkung,  in  der  sie  eines  Briefes 
„vom  sei.  vortrefflichen  Sulzer"  an  ihren  Autor  erwähnt  (R.  VIII, 
34.  —  H.  IV,  2B9)  Sulzer  direct  und  ausdrücklich,  die  Anthro- 
pologie aber  in  der  Anmerkung,  in  der  sie  einer  Unterredung 
Friedriche  II  mit  dem  „vortrefflichen  Sulzer"  über  das  Gedeihen 
der  Schulanstalten  in  Schlesien  und  über  Rousseau's  Grundsatz, 
daß  der  Mensch  von  Natur  gut  sei,  gedenkt  (R.  VII,  2  A.,  275.  — 
H.  VII,  657.),  Sulzer  allenfalls  indirect  als  schon  verstorben  be- 
zeichnet. Dagegen  ist  Sulzer  indirect,  aber  unverkennbar  als 
schon  verstorben  bezeichnet  bei  Pölitz  in  der  transscendentalen 
Theologie,  wo  es,  dem  eben  citirten  Satze  aus  der  Methoden- 
lehre der  Krit.  d.  r.  V.  so  ziemlich  parallel,  wörtlich  also  heißt: 

„Damit  aber  die  ganze  Sache  erschöpft  sey;  so  müssen 
,,noch  die  übrigen  Beweise,  als:  der  kosmologische,  der 
„physiko  -  theologische  und  der  moralische  angeführt 
„werden;  damit  alle  vier  Beweise  können  übersehen  werden, 
„und  man  nicht,  wie  Sulzer  glaubte:  es  werde  sich  noch  einer 
„finden,  der  eine  recht  ächte  Demonstration  vom  Daseyn  Gottes 
„erfinden  könnte"  (S.  283). 

Hier  fehlt  das  Verbum  zum  Subject:  „man".  Aber  es 
steht  in  dem  Korff'schen  Manuscript,  und  zwar  übergeschrieben, 
aber  von  derselben  Hand,  von  der  das  ganze  Manuscript,  und 
mit  derselben  Dinte,  mit  der  der  ganze  Satz  geschrieben  ist: 
„Damit  aber  die  gantze  Sache  erschöpft  sey,  so  müßen  noch  die 
„übrigen  Beweise:  der  Cosmologische,  Physico-theologische  und 
„der  moralische  angeführet  werden,  damit  alle  4  Beweise  können 
„übersehen  werden;  und  man  nicht  wie  Sultzer  glaubte?  an- 
,, nehme,"  [dies  Wort  sammt  dem  Komma  übergeschrieben]  „es 
„werde  sich  noch  einer  finden,  der  eine  recht  ächte  Demonstration 
„vom  Daseyn  Gottes  geben  könnte"  (S.  369). 

Also  war  Sulzer  todt,  als  Kant  die  von  Pölitz  und  die  im 
Korff'schen  Heft  überlieferte  Vorlesung  hielt.  Denn  von  einem 
Lebenden  sagt  man  nicht:  „er  glaubte",  wenn  man  nicht  an- 
deuten will,  daß  er  seinen  Glauben  geändert  habe,  wovon  hier 
nicht  die  Rede  sein  kann.     Sulzer  starb  aber  im  J.  1779  d. 


Von  Emil  Arnoldt.  467 

oder  27.  Februar*),  demnach  hat  Kant  jene  Vorlesung  frühestens 
im  J.  1779  gehalten.  Ob  er  sie  aber  frühestens  im  Wintersem. 
1778/79  oder  frühestens  im  Wintersem.  1779/80  hielt,  ist  nicht 
bestimmt  auszumachen.  Denn  da  er  im  Wintersem.  1778/79 
Metaphysik  bis  zum  26.  März  las  und  erst  in  der  rationalen 
Theologie  jene  Meinung  Sulzer's  vorbrachte,  so  ist  es  nicht 
gerade  unmöglich,  daJß  er  sie  am  Ende  der  ersten  oder  am  An- 
fang der  zweiten  Woche  des  März  erwähnte,  wo  bereits  die 
Nachricht  von  Sulzer's  Tode  nach  Königsberg  gelangt  sein 
konnte«  Sieht  man  aber  auf  die  Stelle  der  rationalen  Theologie, 
an  der  jene  Erwähnung  Statt  findet,  so  dürfte  man  zu  der  An- 
nahme geneigt  sein,  daß  sie  während  des  Semesters  1778/79 
schon  im  Februar  hätte  Statt  haben  müssen,  und  demnach  als 
frühesten  Termin  für  das  Abhalten  der  Vorlesung  das  Semester 
1779/80  wahrscheinlicher  finden,  als  das  Semester  1778/79.**) 


*)  Den  25.  Februar  giebt  als  Todestag  an  Foriney's  „Eloge  de 
Mr.  Salzer.  La  dans  l'aasembläe  publique  de  l'Academie  Boyale  des 
Sciences  et  Belles-Lettres  du  Jeudi  3  Juki,  par  le  secretaire  perpetuel." 
A  Berlin  1779.  S.  46.  In  den  Nouveaux  Memoires  de  l'Acad.  etc.  Annöe 
MDCCLXXIX  etc.  S.  60.  In  der  Uebersetzung:  Lobrede  auf  Herrn  Sulzer  etc. 
Berlin  1779.  S.  42.  —  Dies  Datum  bringt  auch  Blanckenburg  (s.  unt.)  S.  134, 
und  Jördens,  Lexikon  deutscher  Dichter  und  Prosaisten,  IV.  Bd.  1809.  S.  758.  — 
Dagegen  giebt  d.  27.  Februar  als  Todestag  an  Nicolai  in  „Joh.  George  Sulzers 
Lebensbeschreibung,  von  ihm  selbst  aufgesetzt.  Aus  der  Handschrift  abgedruckt, 
mit  Anmerkungen  von  J.  B.  Merian  und  Fr.  Nicolai.  BerL  u.  Stettin  1809." 
S.  68  Anm.  —  Vielleicht  darnach  auch  Meusel,  Lexikon  der  vom  J.  1760 
bis  1800  verstorbenen  Teutschen  Schriftsteller.    XIII  Bd.  1813.    S.  555. 

**)  Die  Sulzer'sche  Ansicht,  der  Kant  widersprach,  stand  in  den  „Ge- 
danken über  einige  Eigenschafben  der  Seele,  in  sofern  sie  mit  den  Eigen- 
schaften der  Materie  eine  Aehnlichkeit  haben,  zur  Prüfung  des  Systems  des 
Materialismus."  In  der  Einleitung  dazu  wies  Sulzer  zunächst  darauf  hin, 
daß  es  in  allen  Wissenschaften  Wahrheiten  giebt,  welche  durch  ein  an- 
schauendes Gefühl  empfunden,  von  Cicero  Urtheile  der  Natur  genannt,  von 
den  alten  Weltweisen  erkannt,  bis  auf  unsere  Zeiten  erhalten,  durch  Ent- 
deckungen der  Neueren  immer  mehr  bestätigt  wurden,  und  fuhr  dann  fort: 
„Zwo  der  allerwichtigsten  Wahrheiten  sind  Beyspiele  dieser  Dauerhaftigkeit: 
„das  Daseyn  Gottes  und  die  Unsterblichkeit  der  Seele.  Es  ist  ausgemacht, 
„daß  der  gesunde  Verstand  hinreicht,  diese  beyden  Wahrheiten  zuerkennen; 
„denn  alle  Völker  haben  sie  angenommen,  welche  nur  einen  gewissen  Grad 

30» 


468      Zur  Beurtheilung  von  Kantus  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

Eben  so  läßt  sich  der  späteste  Termin  für  das  Halten  der 
Vorlesung  zwar  nicht  mit  völliger,  doch  einiger  Zuverläßigkeit 
bestimmen. 

In  der  Kosmologie  S.  105  bei  Pölitz  heißt  es  nämlich: 
„Die  physischen  Elemente  können  zweifaoh  seyn:  als  Elemente 
„der  Species  nach,  und  als  Elemente  der  Einheit  nach.  So  ist 
„der  Theil"  [im  KorfPschen  Heft  S.  168:  „der  geistige  Theil"] 
„des  Biers  ein  Element  der  Species  nach,  indem  er  aus  vielen 
„Arten  zusammengesetzt  ist;  aber  Wasser  läßt  sich  nicht  in 
„verschiedene  Materien  von  verschiedener  Species  scheiden." 
Dazu  hat  Pölitz  am  Ende  des  Bandes  unter  den  wenigen  da- 
selbst gegebenen  Berichtigungen  des  Textes  auch  angemerkt: 
„Wahrscheinlich  fallen  diese  Vorlesungen  noch  in  die  Zeit,  bevor 
,  jene  neue  Entdeckung"  —  daß  das  Wasser  in  zwei  Gasarten 
kann  aufgelöst  werden  —  „zu  Eants  KenntniB  gekommen  war." 

Dies  ist  aber  nicht  nur  wahrscheinlich,  sondern  ganz  ge- 
wiß. Denn  sonst  hätte  Kant  unmöglich  das  Wasser  für  eine 
nicht  scheidbare  Materie  ausgeben  können.  Und  es  fragt  sieb 
nun,  wann  er  frühestens  zur  Kenntniß  jener  Entdeckung  gelangt 

„der  Vernunft  erreicht  hatten.  Dessen  ungeachtet  aber  kann  man  dennoch 
„nicht  sagen,  daß  auch  die  größten  Philosophen  des  Alterthums  zureichende 
„Beweise  davon  gegeben  hätten.  Aber  doch  ist  die  Glaubwürdigkeit  dieser 
„Wahrheiten  durch  den  Fortgang  der  Philosophie  unter  den  neuem  nicht 
„nur  nicht  vermindert,  sondern  vielmehr  bestätigt  worden.  Und  man  kann 
„hoffen,  die  Philosophie  dereinst  auf  einer  höhern  Stufe  der  Vollkommen- 
heit zu  sehen,  wo  sie  uns  dann  für  diese  Wahrheiten  eben  so  einleuchtende 
„Beweise  geben  wird,  als  die  Geometrie  in  ihrer  vollkommensten  Evidenz.1*  — 
Diese  Abhandlung  vom  Jahre  1771  hatte  Sulzer  neben  anderen  seiner 
ebenfalls  ursprünglich  Französisch  geschriebenen  und  in  den  Jahrbüchern 
der  KgL  Akademie  der  Wissenschaften  veröffentlichten  Schriften  nach  deren 
Uebertragung  ins  Deutsche  in  die  von  ihm  veranstaltete  Sammlung: 
„J.  G.  Sulzers  vermischte  philosophische  Schriften,"  Leipz.  1773  als  vor- 
letzte derselben  S.  848—376  aufgenommen,  worauf  dann  Blanckenburg  „eine 
Fortsetzung  der  vermischten  philos.  Schrift.  Sulzers"  nebst  einigen  Nach- 
richten von  dessen  Leben  und  sämmtlichen  Werken  als  zweyten  Theil  im 
J.  1781  ebenfalls  zu  Leipz.  bey  Weidmanns  Erben  und  Reich  folgen  ließ. 
Wahrscheinlich  hatte  Kant  jene  Abhandlung  nicht  aus  den  Jahrbüchern 
der  Akademie,  sondern  erst  aus  Sulzer's  Sammlung,  also  frühestens  im 
J.  1773,  vielleicht  aber  auch  erst  später  kennen  gelernt. 


Von  Emil  Arnoldt  469 

ist,  oder  wenigstens  kann  gelangt  sein.  Denn  der  früheste 
Termin  für  seinen  Gewinn  jener  Kenntniß  ist  selbstverständlich 
zugleich  derjenige,  über  den  hinaus  die  Ursprungszeit  der  zu 
datirenden  Vorlesung  nicht  darf  verlegt  werden.  Nach  Arago 
in  dessen  Gedächtnißrede  auf  James  Watt  und  nach  der  ihr 
angehängten  geschichtlichen  Note  Lord  Brougham's  über  die 
Entdeckung  der  Zusammensetzung  des  Wassers  (Oeuvres  Compl. 
de  F.  Arago,  I,  467.  498  u.  499.  500.  507.  —  Deutsche  Ausg.  I, 
366.  399.  400.  406.)  wäre  es  sehr  möglich,  daß  Watt,  Cavendish, 
und  Lavoisier,  ohne  von  ihren  gegenseitigen  Arbeiten  etwas  zu 
wissen,  beinahe  gleichzeitig  d.  h.  im  J.  1783  den  Schluß  ge- 
zogen hätten,  das  Wasser  sei  Product  der  Verbindung  von  Sauer- 
stoff und  Wasserstoff.  Der  wissenschaftlichen  Welt  bekannt 
wurde  die  neue  Entdeckung  durch  Lavoisier's  Abhandlung: 
„sur  la  combinaison  du  principe  oxygine  avec  l'esprit  de  vin"  etc. 
und  Cavendish'  Abhandlung:  , .Experiments  on  Air",  welche 
beide  im  J.  1784  —  jene  in  der  Histoire  de  l'Acad.  etc.,  diese 
in  den  Philosophical  Transactions  —  erschienen  und  bald  nach 
ihrem  Erscheinen  —  das  steht  so  gut  wie  ausser  Zweifel  — 
auch  an  die  Königsberger  Schloßbibliothek  gelangten.  Daher 
ist  mit  ziemlicher  Sicherheit  anzunehmen,  daß  Kant  spätestens 
im  J.  1785,  wenn  nicht  bereits  im  J.  1784  von  der  neuen  Ent- 
deckung Kenntniß  gewann,  und  demnach  als  spätester  Termin 
fär  die  fragliche  Vorlesung  das  Wintersemester  1784/85,  wenn 
nicht  1783/84  anzusetzen. 

Also  feilt  in  den  Zeitraum:  1778/79,  wahrscheinlicher 
1779/80  bis  1784/85,  vielleicht  1783/84,  aber  nicht,  wie  B.  Erd- 
mann behauptet,  in  die  Zeit  um  1774  das  Semester,  in  welchem 
Kant  die  Kosmologie,  Psychologie  und  Theologie  der  Pölitz'schen 
Ausgabe  so  wie  die  in  dem  Korffschen  Heft  überlieferte  ganze 
Metaphysik  vortrug. 

y)  B.  Erdmann's  unhaltbare  Meinung  über  das  Verhältniß  und  die 
Ursprungsart  des  von  Pölitz  benutzten,  größeren  metaphysischen  Manuscripts 

und  des  Korffschen  Manuscripts. 

Unberücksichtigt   lassen   möchte   ich    auch   nicht  B.  Erd* 


470      Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

mann's  Darstellung  des  Verhältnisses  zwischen  der  Nachschrift, 
aus  der  Pölitz  die  Kosmologie,  Psychologie,  und  Theologie  ent- 
nahm, und  der  damit  durchweg  übereinstimmenden,  auf  der 
Königsberger  Kgl.  u.  Univers.- Bibliothek  befindlichen  Nach- 
schrift, die  ich  als  das  Korff 'sehe  Heft  bezeichnet  habe.  B.  Erd- 
mann sagt  darüber  in  seiner  Abhandlung:  „Eine  unbeachtet 
gebliebene  Quelle"  etc.  auf  S.  135: 

Es  „finden  sich  im  Einzelnen  so  zahlreiche  kleine  Variationen 
„des  Ausdrucks,  so  viele  Auslassungen,  endlich  auch  einzelne 
„Zusätze  bei  Pölitz,  daß  der  nächstliegende  Gedanke,  die  Königs- 
,, berger  Handschrift  biete  das  ausführlichere  Manuscript,  durch- 
haue unzulässig  wird.  Es  bleibt  vielmehr,  wie  mir  scheint,  nur 
„die  Annahme  übrig,  daß  beide  Nachschriften  derselben  Vor- 
lesung Kant's  entstammen.  Vorausgesetzt  muß  dabei  werden, 
„daß  Kant  hinreichend  langsam  gesprochen  habe,  um  einem  ge- 
„übten  Zuhörer  ein  nahezu  vollständiges  Mitschreiben  zu  er- 
möglichen, daß  ferner  beide  Zuhörer  dem  Gedankengange  un- 
gefähr gleich  gut  haben  folgen  können"  u.  s.  w.  Dazu  giebt 
B.  Erdmann  unter  dem  Text  die  Note:  „Die  zahlreichen  einzelnen 
„kleineren  Versehen  u.  s.  w.  sind  nahezu  gleich  zwischen  beiden 
„vertheilt." 

Aus  dieser  etwas  unklaren  Darstellung  geht  doch  klar  her- 
vor: B.  Erdmann  nimmt  an,  die  Verfasser  jener  Nachsohriften 
seien  beide  in  einem  und  demselben  Semester  Zuhörer  von  Kant's 
metaphysischem  Oolleg  gewesen,  und  zwar  geübte,  die  dem  Ge- 
dankengange des  Lehrers  ungefähr  gleich  gut  folgten  und  den 
Vortrag  desselben  nahezu  vollständig  nachschrieben,  wobei  sich 
„die  zahlreichen  einzelnen  kleineren  Versehen  u.  s.  w.",  die  sie 
begingen,  „nahezu  gleich  zwischen  beiden"  vertheilten.  Die  An- 
nahme jedoch,  daß  zwei  Zuhörer  Kant's  völlig  selbstständig, 
mithin  unabhängig  von  einander  sowohl,  als  von  dem  Manu- 
script eines  Dritten  jene  —  angeblichen  —  Nachschriften  auf- 
setzten, beruht  auf  einer  oberflächlichen  Vergleichung  des  Textes 
der  letzteren.  B.  Erdmann  hat  kurz  vor  seiner  oben  citirten 
Darstellung  die  Korff'sche  Handschrift  „unzweifelhaft  eine  Bein- 


Von  Emil  Arnoldt.  471 

schrift"  genannt.  Eine  Reinschrift  ist  sie  wohl  auch,  aber  viel- 
leicht nur  eine  reine  Absohrift,  verfertigt  von  jemand,  der  Kant's 
Vorlesung  niemals  gehört  hatte.  Und  von  der  Urschrift,  die 
Pölitz  vorgelegen  hat,  ist  gar  nichts  mehr  zu  wissen,  und  daher 
auch  nicht  die  leiseste  Vermuthung  zu  wagen,  ob  sie  originale 
oder  mundirte  Nachschrift  oder  eine  Abschrift  gewesen  sei.  Doch 
das  ist  unerheblich.  Aber  erheblich  ist.  daß  B.  Erdmann  hier 
zweierlei  unbeachtet  gelassen  hat. 

1.  Er  redet  von  „zahlreichen  einzelnen  kleineren  Ver- 
sehen u.  s.  w.",  die  „nahezu  gleich  zwischen  beiden"  Nachschriften 
oder  Nachschreibern  „vertheilt  sind".  Ob  sie  „nahezu  gleich 
vertheilt  sind",  kann  er  kaum  wissen,  da  er  sie  schwerlich  ge- 
zählt hat.  Doch  das  ist  gleichfalls  Nebensache.  Hauptsache 
aber  ist:  „wenn  er  nur  kleinere  Versehen  u.  s.  w."  bemerkt  hat, 
so  hat  er  die  großen  Versehen  unbemerkt  gelassen.  Denn  große  - 
Versehen  eines  Nach-  oder  Abschreibers  sind  unzweifelhaft  solche, 
welche  den  Sinn  der  niedergeschriebenen  Sätze  gröblich  ent- 
stellt oder  gar  in  sein  Gegentheil  verkehrt  haben,  und  solche 
Versehen  enthält  die  Pölitz'sche  Ausgabe  wie  das  Korff'sche 
Heft  in  nicht  geringer  Zahl. 

2.  B.  Erdmann  hat  allerdings  die  Abweichungen,  die  zwischen 
dem  Texte  der  Pölitz'schen  Ausgabe  und  dem  der  „Königsberger 
Handschrift"  d.  h.  des  Korff'schen  Hefts  an  vielen  Orten  vor- 
handen sind,  beachtet  und  durch  mancherlei  Anführungen  hin- 
länglich markirt.  Aber  er  hat  unter  den  Uebereinstimmungen, 
welche  zwischen  den  beiden  Texten  durchgängig  sind,  diejenigen 
nicht  beachtet,  die  seine  Annahme  von  den  zwei  selbstständigen 
Nachschreibern  unhaltbar  machen.  Indem  er  nämlich  die  großen 
Versehen,  von  denen  ich  sprach,  nicht  bemerkte,  hat  er  auch 
nicht  beachtet,  daß  ziemlich  viele  jener  sinnwidrigen  Sätze,  die 
in  Folge  jener  Versehen  zu  Stande  kamen,  theils  ganz,  theils  fast 
ganz  übereinstimmen  in  der  Pölitz'schen  Ausgabe  und  in  dem 
Korff'schen  Heft.  Er  hat  ferner  nicht  beachtet,  daß  und  wie 
an  mehreren  Orten  die  Parenthesen  übereinstimmen,  nämlich 
so,  daß  sie  in  der  Pölitz'schen  Ausgabe  genau  da  anfangen  und 


472      Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

genau  da  schließen,  wo  sie  in  dem  KorfFsehen  Heft  anfangen 
und  schließen. 

Auch  scheint  mir  an  manchen  Stellen  ursprünglich  Ueber- 
einstimmung  geherrscht  zu  haben,  wo  jetzt  Abweichungen  vor- 
handen sind,  weil  dort  Pölitz  oder  ein  anderer  vor  ihm  un- 
geschickte Ausdrücke  und  Redewendungen  durch  bessere  zu  er- 
setzen versuchte.  Doch  dies  ist  blos  meine  Vermuthung,  und  ich 
lege  kein  Gewicht  darauf.  Dagegen  sind  die  beiden  vorigen 
Arten  der  Uebereinstimmung  —  die  Uebereinstimmung  sinn- 
widriger Sätze  und  die  von  Parenthesen  —  unstreitig  vorhanden. 

Die  ausführliche  Begründung  dieser  Behauptung  würde 
hier  zu  weitläuftig  sein.  Zum  Belege  derselben  muß  ich  mich 
auf  kurze  Angaben  beschränken.*) 

Uebereinstimmung  sinnwidriger  Sätze  findet  sich 

* 

in  der  Kosmologie 

bei  P.  S.  103,  Z.  6  von  ob.  „die  Materie  besteht  aus  ein- 
fachen Theileu";  bei  K.  S.  166  ob.  eben  so;  für:  die  Materie  be- 
steht nicht  aus  einfachen  Theilen. 

bei  P.  S.  104  Z.  6  v.  ob. :  „Wir  können  absolut  erste  Theile, 
sowohl  in  der  Materie,  als  auch  in  der  materiellen  Welt  an- 
nehmen"; bei  K.  S.  167  Mitte  eben  so;  für:  wir  können  keine 
absolut  erste  Theile  u.  s.  w.  annehmen. 

bei  P.  S.  107  Z.  4  v.  ob.  „metaphysisch";  bei  K  S.  171 
eben  so;  für  mechanisch. 

bei  P.  S.  108  Z.  3  v.  ob.  „Impossibilität",  was  Pölitz  unter 
den  Berichtigungen  in  Impassibilität  verbessert  hat;  bei  K.  S.  172 
Mitte  deutlich  ebenfalls  „Impossibitität". 

bei  P.  S.  108  Z.  9  von  ob.  „nicht"  ftr  noch;  bei  K.  S.  172 
Mitte  „nichts"  für  noch. 

bei  P.  S.  118  Z.  14  von  ob.  „daß  aber  aus  diesen  Kräften 
der  Natur    die   Begebenheit   nach    der  Ordnung    der  Dinge 


*)  Bei  diesen  Angaben  werde  ich  die  Politische  Ausgabe  mit  P.,  das 
Korff'ache  Manuscript  mit  K.  bezeichnen. 


Von  Emil  Arnoldt.  473 

fließet,  das  ist  die  Form  des  Wunders";  bei  K.  S.  183  unt.  u. 
184  ob.  „daß  aber  ans  dieser  Kraft  der  Natur  die  Begebenheit 
nach  der  Ordnung  der  Dinge  fließe"  u.  s.  w.;  für:  nicht  nach 
der  Ordnung  der  Dinge. 

In  der  Psychologie 

bei  P.  S.  154  Z.  8  von  ob.  ,,die  Verstandeserkenntniß  ist 
logisch,  wenn  sie  indirecte  intellectual  ist"  u.  s.  w.;  bei  K. 
S.  225  unt.  eben  so;  „logisch"  für  symbolisch.  Die  ganze 
Stelle  für  die  Uebereinstimmung  von  P.  u.  K.  characteristisch ; 
bei  beiden  indirecte,  nicht  indirect. 

bei  P.  S.  182  Z.  16  von  ob.  fehlt  liberum  hinter  arbitrium 
sensitivum,  bei  K.  S.  255  unt.  ebenfalls. 

bei  P.  S.  213  Z.  2  von  unt.  und  eben  so  bei  K.  S.  290 
Mitte  „Materialität"  für  Immaterialität. 

bei  P.  S.  220  Z.  8  von  ob.  und  eben  so  bei  K.  S.  297  unt. 
„physikalische  Persönlichkeit"  für  psychologische. 

bei  P.  S.  234  Z.  7  bis  Z.  4  von  unt.  zwei  Sätze,  die  in 
Folge  falscher  Interpunction  und  in  Folge  eines  falschen  Genus 
des  Belativ-Pronomens  keinen  rechten  Sinn,  und  bei  K.  S.  313 
ob.  dieselben  Sätze,  die  in  Folge  der  fast  gleichen  falschen 
Interpunction  und  in  Folge  eines  ganz  gleichen  falschen  Genus 
des  Relativ-Pronomens  keinen  viel  besseren  Sinn  geben:  „Nun 
liegt  es  schon  im  allgemeinen  (bei  K.  gemeinen)  Begriff  der 
Seele,  daß  sie  ein  Subject  sey.  (bei  K.  ;  statt  des  Puncts.)  Die 
(bei  K.  die)  Spontaneität  in  sich  enthält,  sich  selbst  aus  dem 
innern  Princip  zu  determiniren."  Das  Punctum  und  das  Semi- 
kolon sind  durch  ein  Komma,  und  „die"  durch  das  zu  ersetzen. 

bei  P.  S.  245  Z.  5  von  unt.  u.  ff.  und  bei  K  S.  325  unt. 
die  sinnlose  Begriffsbestimmung  von  Analogie  wörtlich  gleich: 
„Analogie  ist  die  Proportion  der  Begriffe,  wo  ich  aus  dem  Ver- 
hältnisse zweier  Glieder,  die  ich  kenne,  zum"  [„zum"  für:  das] 
„Verhältnis  des  dritten  Gliedes,  das  ich  kenne,  das  Verhältnis 
des  vierten  Gliedes"  [die  letzten  fünf  Worte  für:  zum  vierten 
Gliede]  „das  ich  nicht  kenne,  herausbringe". 


474      Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

bei  P.  S.  251  Z.  10  von  unt.:  „das  geistige  Leben  könnte 
doch  fortdauern  und  ausgeübt  werden,  wenn  es  gleich  auch" 
[für:  nicht,  wie  P.  unter  den  Berichtigungen  angegeben  hat] 
„mit  dem  Körper  zufällig  vereinigt  wäre";  bei  K.  S.  332  Mitte: 
,,wenn  es  auch  zufällig  mit  dem  Körper"  [hier  ist  ebenfalls  ein- 
zuschalten: nicht]  „vereinigt  wäre".*) 

In  der  rationalen  Theologie 

bei  P.  S.  266,  Z.  7  v.  unt.  und  bei  K.  S.  349  unt.  „sie  not- 
wendig voraussetzen  muß,  wenn  er  nicht  wie  ein  Thier  oder 
wie  ein  Bösewicht  handeln  will":  —  „Thier"  für  Thor;  „sie" 
ist  bezogen  auf  „Erkenntniß  G-ottes",  was  weit  voransteht,  aber 


*)  „I.  Kant's  Vorlesungen  über  Psychologie.  Mit  einer  Einleitung: 
„„Kant's  mystische  Weltanschauung" u  herausgegeben  von  Dr.  Carl  duPrel. 
Leipzig.  Günthers  Verlag.  1839.",  welche  aus  der  Politischen  Ausgabe  von 
»Kaufs  Vorlesungen  über  die  Metaphysik"  den  dritten  Abschnitt:  „Psycho- 
logie" enthalten,  sind  nicht,  obschon  Du  Prel  in  der  Vorrede  ankündigt, 
daß  er  diese  Psychologie  .,hier  neu  herausgebe",  eine  wirklich  neue  Aus- 
gabe, sondern  ein  bloßer  Ab  druck*  derselben.  Sie  bringen  ohne  Anstoß 
nicht  allein  das  Sinnwidrige,  das  ich  oben  aus  jener  Psychologie  notirt, 
sondern  auch  alles  übrige  darin  enthaltene  nicht  wenige  und  nicht  wenig 
Sinnwidrige,  das  ich  daraus  oben  nicht  notirt  habe,  weil  es  in  dem 
KorfPschen  Manuscript  an  den  betreffenden  Stellen  nicht  seines  Gleichen  hat. 
Sogar  jener  einzige  von  allen  sinnentstellenden  Fehlern  in  der  Psychologie, 
welchen  Pölitz  am  Ende  seines  Buches  berichtigt  hat,  kehrt  un berichtigt 
in  dem  Du  Prel'schen  Abdruck  wieder,  während  darin  (S.  4  Z.  4  von  ob.)  nur 
ein  einziger  einfacher  Druckfehler  der  Pölitz'schen  Ausgabe  auf  S.  126 
Z.  13  von  unten  —  „aus  einer  Vernunft"  für:  aus  reiner  Vernunft  —  ver- 
bessert ist.  Ob  aber  darin  neue  Fehler  und  wie  viele  etwa  hinzugethan 
worden,  kann  ich  nicht  angeben.  Unter  die  Augen  gekommen  ist  mir  nur 
Ein  neuer  auf  S.  79,  Z.  6  von  unt. :  „vorliegen"  für  „vorbringen"  bei  Pölitz 
auf  S.  236,  Z.  4  von  unt.,  welches  letztere  sich  dem  Zusammenhange  der 
Gedanken  auch  ni^.ht  sehr  passend  einfügt.  Ueber  Du  Prel's  Versuch,  die 
aberwitzige  Behauptung  zu  erhärten,  daß  ,,Eant  heute  Spiritist  sein  würde'1 
(S.  LIII  der  Einleit.),  verliere  ich  kein  Wort.  Warum  erkundigen  sich 
Spiritisten  nicht  bei  Kant  selbst  direct  oder  indirect,  ob  er  jener  Behauptung 
beipflichte?  Um  dies  zu  thun,  ist  Du  Prel  trotz  seiner  Bekanntschaft  mit 
der  „Thatsache  photographierbarer  Phantome"  (S.  XLV  der  Einleit)  und 
trotz  seines  intimen  Verkehrs  mit  Geistern  von  dem  Geiste  des  gesnnden 
Menschenverstandes  wohl  noch  nicht  verlassen  genug. 


Von  Emil  Arnoldt.  475 

zu  beziehen  auf  Existenz  Gottes,  was  gar  nicht  dasteht.  Die 
wörtliche  Uebereinstimmung  der  ganzen,  den  citirten  Passus 
enthaltenden  zwei  Sätze  bei  P.  und  bei  K.  befremdet  ungemein. 

bei  P.  S.  276,  Z.  11  von  unt.:  „ohne  diese  höchste  Realität 
ist  die  Möglichkeit  aller  Dinge  nicht  deutlich";  bei  K.  S.  360 
Mitte  genau  eben  so;  —    „deutlich"  für  denklioh. 

bei  P.  S.  277,  Z.  5  von  ob.:  „die  Bedingung,  durch  deren 
Aufhebung  das  Deutliche  aller  Möglichkeit  der  Dinge  aufgehoben 
wird,  muß  nothwendig  seyn";  bei  K.  S.  361  Mitte  genau 
eben  so;  —  „das  Deutliche"  für  das  Denkliche. 

bei  P.  S.  321,  Z.  8  von  ob.:  „eines  heiligsten  Wesens"; 
bei  K.  S.  415  ob.  eben  so;  —  „heiligsten"  für  heiligen.  Der 
Ausdruck  ist  zwar  nicht  durchaus  sinnwidrig,  aber  immerhin  verfehlt. 

bei  P.  S.  326  Z.  2  u.  1  von  unt.  und  S.  327  Z.  1  u.  2  von  ob. : 
„Der  Zustand  der  Welt,  der  in  der  Eeihe  der  Dinge  von  Gründen 
und  Folgen,  Ursachen  und  Wirkungen  keinen  andern  vor  sich 
hat,  ist  der  Anfang" ;  bei  K.  S.  422  ob.  eben  dieselbe  Definition 
von  Anfang,  nicht  nur  in  gleich  lautenden  Worten  und  mit  derselben 
Interpunction,  sondern  auch  —  worauf  es  hier  mehr  ankommt  — 
mit  der  gleichen  sinnwidrigen  Verstellung  der  Worte:  „in  der 
Eeihe  der  Dinge  von  Gründen  und  Folgen,  Ursachen  und 
Wirkungen"  ftbr:  in  der  Eeihe  von  Gründen  und  Folgen,  Ur- 
sachen und  Wirkungen  der  Dinge. 

Die  Uebereinstimmung  der  Parenthesen  bei  P.  und 
bei  K.  ist  eine  durchgängige,  —  durch  alle  jene  drei  Theile 
der  Metaphysik,  die  hier  in  Betracht  kommen,  die  Kosmologie, 
Psychologie,  rationale  Theologie: 

bei  P.  S.  95  unt.  (K.  157  ob.)  —  P.  S.  101,  1.  Absch. 
(K.  163  unt.).  —  P.  S.  112  unt.  (K.  177  unt.).  —  P.  S.  114, 
1  Hälfte  (K.  179  ob.).  —  P.  S.  155  ob.  (K  226  unt.).  — 
P.  S.  164,  3  Absch.  (K.  236  Mitte).  —  P.  S.  189  unt.  (K.  265 
Mitte.).  —  P.  S.  213,  2  Absch.  (K.  289  unt.)  —  P.  S.  214, 
1  Absch.  (K.  291  ob.)  —  P.  S.  216,  3  Absch.  (K.  293  unt.).  — 
P.  224,  1  H.  (K.  301  unt.)  —  P.  S.  239  ob.  (K.  318  ob.).  — 
P.  S.  242  Mitte  (K.  322,  1  H.).  —  S.  246,  1  H.  (K.  326,  1  H.).  — 


476      Zur  Beurth eilung  von  Kant'e  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

P.  S.  298,  2  Absch.  (K.  386,  1  H.)  —  P.  S.  305  ob.  (K.  394  ob.).  - 
P.  S.  307,  1  H.  (K.  396  Mitte).  — 

Unter  diesen  siebzehn  übereinstimmenden  Parenthesen 
giebt  es  nur  drei,  bei  denen  die  Uebereinstimmung  durch  den 
Inhalt  —  die  Einsetzung  des  lateinischen  Terminus  für  den 
deutschen  oder  umgekehrt  —  und  daher  durch  eine  sachliche 
Notwendigkeit  kann  herbeigeführt  sein,  nämlich  die  bei  P. 
auf  S.  216:  „Alle  Materie  als  Materie  (materia,  qua  talis)  ist 
leblos";  —  S.  298:  „die  omnisufficientia  ( Allgenugsamkeit)" ;  — 
S.  307:  „der  höchste  Verstand  (intellectus  originarius)1*.  Bei 
allen  übrigen  Parenthesen  kann  von  einer  sachlichen  Noth- 
wendigkeit  entweder  gar  nicht,  oder  kaum  die  Bede  sein. 

Die  Parenthese  bei  P.  auf  S.  274,  1  Absch.:  „Dieser  Be- 
griff ist  der  Grenzbegriff  (Conceptus  terminatus)"  findet  sich, 
obschon  sie  zu  erwarten  wäre,  bei  K.  nicht,  wo  die  Worte: 
„Conceptus  terminatus"  uneingeklammert  blos  durch  ein  Komma 
von  den  "Worten:  „der  G-rentzbegrif l  getrennt  sind.  Ferner: 
die  Parenthese  bei  P.  auf  S.  163  unt.  fehlt  bei  K.  auf  S.  226, 
weil  der  Satz,  in  dem  sie  bei  P.  vorkommt,  bei  K.  eine  andere 
Fassung  erhalten  hat.  Sodann:  zwei  Parenthesen  bei  P.  anf 
S.  320  fehlen  bei  K.  auf  S.  414,  weil  die  bei  P.  in  den  Paren- 
thesen stehenden  Worte  bei  K.  ausgefallen  sind.  Dabei  ist 
höchst  auffallig,  daß  der  eine  der  hier  in  Betracht  kommenden 
Sätze  bei  P.  wie  bei  K.  genau  auf  dieselbe  Art  gegen  die  gram- 
matische Construction  verstößt.  Bei  P.  lautet  er:  „der  Zustand 
aber  des  höchsten  Wohlgefallens  an  sich  aus  innern  Principien 
und  der  Selbstzufriedenheit  nennen  wir  Seligkeit  (beatitudo)". 
Bei  K.  lautet  er:  „Der  Zustand  aber  des  höchsten  Wohlgefallens 
an  sich"  [es  fehlt:  „aus  innern  Principien"]  und  der  Selbstzufrieden- 
heit nennen  wir  Seeligkeit".  Also  bei  P.  wie  bei  K.  steht  „der 
Zustand"  für:  den  Zustand. 

Auch  sei  der  Vollständigkeit  wegen  noch  angefahrt, 
daß  bei  P.  auf  S.  334,  2  Absch.  hinter  dem  Satze:  „dem- 
nach kommt  hier  der  Satz  de  mundo  optimo  vor",  der  bei 
K.    auf  S.  431    darauf  folgende    ziemlich    sinnlose    Satz:   „der 


Von  Emil  Amol  dt  477 

Optimismus  ist  (:  wenn  man  die  Welt  im  Ganzen  nimmt:)  das 
höchste  erschaffene  Gut",  wahrscheinlich  mit  Absicht  unterdrückt 
und  so  mit  dem  Satze  auch  die  Parenthese  desselben  fortgelassen 
worden. 

Duroh  den  Nachweis  solcher  Uebereinstimmung  von  sinn- 
widrigen Sätzen,  von  Parenthesen,  von  Verstößen  gegen  die 
grammatische  Construction  fällt  B.  Erdmann's  Annahme  von 
den  zwei  Zuhörern,  die  in  einem  und  demselben  Semester  Kant's 
Vortrag  selbstständig  nachschrieben.  Sie  könnte  auch  durch  die 
weiteren  Annahmen  nicht  gestützt  werden,  daß  Kant  jene  auf- 
gewiesenen Fehler  selbst  begangen,  daß  er  seinen  Vortrag  mit 
Angabe  der  Parenthesen  in  die  Feder  dictirt,  und  daß  jene 
beiden  Zuhörer  ihn  ohne  viel  Ueberlegung  nachgeschrieben 
hätten.  Denn  der  Annahme,  daß  Kant  solche  Fehler,  als  die 
aufgewiesenen,  in  seinen  Vorträgen  jemals  begangen,  entspricht 
kein  Zeugniß,  und  der  Annahme,  daß  er  seinen  Vortrag  jemals 
dictirt  habe,  widerspricht  jedes  Zeugnis,  das  uns  über  seine 
Vortragsweise  aufbehalten  ist,  und  dieser  zweiten  Annahme 
widerspricht  obendrein  die  Menge  von  Varianten  in  den  beiden 
Manuscripten,  welche  ganz  und  gar  wäre  unmöglich  gewesen, 
wenn  zwei  Zuhörer  einen  und  denselben  Vortrag,  wie  sie  ihn 
dictirt  erhielten,  zu  Papier  gebracht  hätten. 

Ueber  die  Ursprungsart  der  Manuscripte  und  das  Verhältniß 
derselben  zu  einander  hege  ich  die  Vermuthung,  daß  beiden  — 
dem  von  Pölitz  benutzten  und  dem  KorfPschen  —  ein  drittes 
habe  zu  Grunde  gelegen,  welches  verschiedentlich  abgeschrieben, 
vielleicht  auch  hier  und  dort  überarbeitet  worden,  und  dessen 
Text  bei  diesem  Abschreiben  und  Ueberarbeiten  unter  mancherlei 
Umständen  mancherlei  Veränderungen  erlitten  hat.  Doch  diesen 
„Quark"  weiter  zu  behandeln,  nehme  ich  Abstand,  weil  er  wohl 
breit  getreten,  aber  nicht  „stark"  werden  könnte,  d.  h.  im  vor- 
liegenden Falle  ergiebig  an  einer  sicheren  Thatsache. 

<f)  Die  Nachschrift  vom  „Winter  1794"  und  die  Nachschrift  vom  Winter- 
semester 1794/95. 

An    welches    Semester    ist   zu   denken,    wenn   man   liest: 


478      Zar  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

„Kants  Vorlesungen  über  die  Metaphysic  im  Winter  1794"? 
Ich  sollte  meinen:  an  das  Wintersemester  1794/95.  Demnach 
würde  diese  Nachschrift,  die  ich  im  Original,  und  die  andere 
„aus  dem  Vortrage  des  Herrn  Prof.  Kant  pro  1794/95",  die  ich 
nur  in  der  Copie  kenne,  demselben  Semester  entstammen.  Ich 
habe  es  ursprünglich  angenommen,  diese  Annahme  aber  nach 
genauerem  Vergleich  beider  Nachschriften  aufgegeben. 

Im  Allgemeinen  ist  freilich  der  Inhalt  beider  den  Gedanken 
nach  gleich,  aber  im  Einzelnen  mannigfach  variirt,  und  der 
Ausdruck  durchweg  verschieden.  Solche  Abweichungen  —  von 
denen  Proben  im  nächsten  Abschnitt  dieser  Abhandlung  folgen 
werden  —  konnten  schwerlich  einem  und  demselben  Vortrag 
gegenüber  eintreten,  auch  wenn  —  was  kaum  einem  Zweifel 
unterliegt  —  die  eine  Nachschrift,  nämlich  die  „im  Winter  1794", 
an  der  Hand  von  Aufzeichnungen  aus  dem  Colleg  zu  Hanse 
mit  dem  Streben  nach  conciser  Fassung  des  Gehörten  ausgearbeitet 
und  ins  Reine  gebracht,  die  andere,  nämlich  die  „pro  1794/95", 
gleich  im  Colleg  in  unmittelbarem  Anschloß  an  den  fortlaufenden 
Vortrag  niedergeschrieben  und  dann  ohne  spätere  Ueberarbeitnng 
und  Aenderung  aufbehalten  ward. 

Entscheidend  jedoch  für  den  Ursprung  jener  zwei  Nach- 
schriften aus  zwei  verschiedenen  Semestern  sind  die  verschiedenen 
Eintheilungen  der  Metaphysik,  von  denen  die  eine  Nachschrift 
die  eine  Eintheilung,  die  andere  Nachschrift  eine  davon  ab- 
weichende als  normale  Eintheilung  überliefert.  Es  ist  ganz 
unmöglich,  daß  diese  Verschiedenheit  blos  aus  einer  verschiedenen 
Auffassung  einer  und  derselben  Eintheilung  von  Seiten  der  zwei 
Nachschreiber  entsprang,  und  eben  so  unmöglich,  daß  Kant  in 
einem  und  demselben  Semester  beide  Eintheilungen  als  normale 
aufstellte.  Das  wird  gleich  unter  der  ersten  Nummer  des 
folgenden  Abschnitts  ersichtlich  sein,  wo  ich  von  beiden  Ein- 
theilungen Schemata  entwerfen  will.  Ist  aber  mit  dem  „Winter 
1794"  nicht  das  Semester  1794/95  gemeint,  so  kann  darunter 
nur  das  Semester  1793/94  verstanden  werden. 


Von  Emil  Arnoldt.  479 

3.  Prüfung  einiger  aus  Kant's  metaphysischen 
Collegien  überlieferten  metaphysischen  Ansichten  vom 
Standpunct  des  in  Kant's  Druckschriften  entwickelten 

Kriticismus. 

Diese  Prüfung  soll  zunächst  Kant's  Einteilungen  der 
Philosophie,  speciell  der  Metaphysik  exponiren  und  in  einigen 
Puncten  beleuchten,  sodann  einige  wenige  seiner  Definitionen 
herausgreifen  und  als  Beispiele  ungenauer  Begriffsbestimmungen 
in  seinem  mündlichen  Vortrage  aufweisen,  endlich  seine  Aeuße- 
rungen  über  die  Substanzen  der  Welt  vorlegen  und  eingehender 
beurtheilen. 

a)  Eintheilungen  der  Philosophie,  speciell  der  Metaphysik. 

Es  kommen  hier  wesentlich  nur  drei  Eintheilungen  in 
Betracht:  a)  diejenige,  die  in  dem  KorfPschen  Heft  (zwischen 
1778/79  oder  1779/80  und  1783/84  oder  1784/85),  ß)  diejenige, 
die  in  dem  Heft  vom  „Winter  1794"  (1793/94),  y)  diejenige, 
die  in  dem  Heft  „pro  1794/95"  als  normale  hingestellt  ist,  denn 
die  vierte,  die  ich  allenfalls  noch  zu  berücksichtigen  hätte,  näm- 
lich die,  welche  die  Prolegomena  zur  Metaphysik  in  der  Pölitz'- 
schen  Ausgabe  enthalten,  welche  also  ein  entweder  aus  dem 
Semester  1787/88  oder  1788/89  herrührendes  Heft  überliefert 
hat,  ist  unvollständig  und  von  untergeordneter  Bedeutung.  Sie 
wird,  meine  ich,  durch  folgende  kurze  Angabe  hinreichend  ge- 
schildert: 

Nachdem  dort  die  „Einleitung"  von  der  Philosophie  über- 
haupt in  ähnlicher,  zum  Theil  gleicher,  aber  weniger  ausführ- 
licher Axt,  als  die  „Einleitung"  in  die  Logik  unter  No.  HI 
(R.  HI,  182—189.  —  H.  VHI,  22—27.)  gehandelt  und  daran 
eine  mit  dem  „Abriß"  in  der  Einleitung  zur  Logik  unter  No.  IV 
ebenfalls  nahezu  übereinstimmende  „Geschichte  der  Philosophie" 
geknüpft  hat,  bringen  die  „Prolegomena"  nach  Unterscheidung 
der  Philosophie  in  die  reine  und  die  angewandte  und  nach  der 
Erklärung,  die  Metaphysik  sei  das  System  der  reinen  Philosophie, 
indem    sie    beiläufig    der  Moral,    nachdrücklich    der   Kritik    der 


480      Zur  Beurtheilnng  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  ete. 

reinen  Vernunft,  aber  der  angewandten  Philosophie  weiter  gar 
nicht  erwähnen,  eine  Eintheilung  der  Metaphysik,  welche 
schematisirt  sich  so  ausnimmt: 


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Von  Emu  Arnoldt.  481 

Diese  Eintheilung  ist  unvollständig,  weil  bei  der  Kosmologie 
die  transscendenten,  und  bei  der  rationalen  Theologie  alle  Unter- 
abtheilungen fehlen.  Ohne  Zweifel  wurden  sie  bei  der  Be- 
handlung dieser  Theile  auch  im  Semester  1787/88  oder  1788/89 
angegeben,  wie  dies  in  den  drei  anderen  Semestern  geschah, 
aus  denen  ich  Eintheilungen  der  Metaphysik  anzuführen  habe. 

Zu  beachten  ist  an  dieser  Eintheilung,  daß  Kant  hier  ab- 
weichend von  der  Eintheilung  der  Metaphysik  in  der  Krit.  d. 
r.  V.,  statt  vier  Haupttheile:  1.  Ontologie,  2.  rationale  Physio- 
logie, 3.  rationale  Kosmologie,  4.  rationale  Theologie  anzunehmen 
(R.  II,  652.  —  H.  HI,  556.),  nur  drei  annahm,  die  Bezeichnungen: 
Physiologie  und  Kosmologie  als  gleichwerthig  setzend,  daß  er 
aber  die  Bezeichnung:  Physiologie  für  einen  Haupttheil  der 
Metaphysik  in  Uebereinstimmung  mit  der  Krit.  d.  r.  V.  noch 
festhielt,  was  später  nicht  der  Fall  war.  Ueber  die  Nothwendig- 
keit,  die  empirische  Psychologie  principiell  von  der  Metaphysik 
auszuschließen  und  sie  doch  aus  Nützlichkeitsgründen  darin  vor- 
zutragen, hat  er  seit  der  Abfassung  der  Krit.  d.  r.  V.  immer 
gleich  entschieden  gedacht,  aber  sich  nicht  immer  gleich 
nachdrücklich  geäußert.  In  der  „Nachricht  von  der  Ein- 
richtung seiner  Vorlesungen  in  dem  Winterhalbjahre  von  1765 
bis  1766"  hatte  er  der  empirischen  Psychologie,  mit  welcher  er 
damals  den  Vortrag  der  Metaphysik  begann,  zum  Behuf  didak- 
tischer Zwecke  große  Wichtigkeit  beigelegt.  Aber  auch  später- 
hin widmete  er  ihrer  Darstellung,  die  er  aus  ganz  anderem 
Gesichtspuncte  lieferte,  als  seine  Anthropologie,  in  seinen  meta- 
physischen Vorträgen  eine,  wie  es  scheint,  nicht  gerade  kurze  Zeit. 

«)  Eintheilung  der  reinen  Philosophie,  speciell  der  Metaphysik 
nach  dem  KorfFschen  Heft  und  der  Pölitz'schen  Ausgabe  der  Metaphysik 

in  der  Kosmologie,  Psychologie  und  Theologie. 

Die  Eintheilung,    die    ich  hier  folgen  lasse,    findet  sich  in 

der  Vollständigkeit  und  übersichtlichen  Ordnung,   in  der  ich  sie 

gebe,    an    keiner  einzelnen  Stelle   des  Korfi'schen  Heftes  oder 

der  Pölitz'schen  Ausgabe.     Die  Ontologie  des  KorfFschen  Heftes 

bringt  die  Haupteintheilung,    die  Pölitz'sche  Ausgabe  diese  also 

Altpr.  MonAtMohrift  Bd.  XXIX.  Hit.  7  u.  8.  31 


482       Zur  Beurtheilung  von  Kantus  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

gar  nicht.  Die  Benennung  der  Unterabtheilungen  und  die  näheren 
Bestimmungen  der  letzteren  sind  in  dem  Korffschen  Heft  und 
in  der  Pölitz'schen  Ausgabe  zerstreut  vorhanden,  theils  zu  Anfang 
der  Kosmologie,  theils  zu  Anfang  der  Psychologie,  theils  durch 
die  Theologie  hin.  Bei  Zusammenstellung  der  zerstreuten  Angaben 
bin  ich  so  wenig  als  möglich  von  den  überlieferten  Worten  ab- 
gewichen und  habe  mir  nur  hier  und  dort  stylistische  Aenderungen, 
und  zwar  kaum  eingreifendere,  als  Kürzungen  erlaubt. 

Reine  Philosophie 
ist 
Logik  Metaphyisk  * 

I.  Heine  Metaphysik  (Metaphysica  II.  Angewandte  Metaphysik  (Metaphysik 

pura)  applicata) 

a)  Ontologie     b)  Kosmologie    c)  Theologia  a)  Somatologia  pura         b)  Psychologia 

naturalis  (rationalis)  rationalis 


Sachgemäße  Eintheilung: 
I.  Transscendentale  Metaphysik  II.  Metaphysica  applicata 

a)  Ontologie   h)  Kosmologie   c)  Archeologie     a)  Physiologia  b)  Psychologia  c)  Theologia 

rationalis  rationalis         naturalis 

Physica  generalis    Psychologia 

generalis 

Physica  specialis      Psychologia 

specialis 

Beine  Philosophie  ist  Logik, 

behandelt  den  formalen  Gebrauch,  die  Regel  des  Gebrauchs 
des  Verstandes  und  der  Vernunft  überhaupt. 

Beine  Philosophie  ist  Metaphysik, 

studirt  das  Subject,  giebt  als  eine  Logik  vom  Gebrauch  des 
reinen  Verstandes  und  der  reinen  Vernunft  Anweisung,  mit 
reinen  Vernunftbegriffen  umzugehen,  untersucht  die  Gesetze, 
nach  denen  man  zu  solchen  Begriffen  gelangt,  liegt  jenseits  der 
Physik,    indem    sie    auf   die  Erfahrungs-    und  Vernunftbegriffe, 


Von  Emil  Arnoldt.  483 

die  in  jener  gemischt  sind,  reine  Vernunftbegriffe  folgen  läßt, 
ist  aber  nicht  Hyperphysik,  worunter  eine  theologische  Natur- 
lehre zu  verstehen  wäre. 

Sie  kann  eingetheilt  werden  in: 

I.  Beine  Metaphysik  (Metaphysica  pura). 

a)  Ontologie  untersucht,  wie  der  Verstand  zu  reinen  Be- 
griffen gelangt,  welche  die  allgemeinsten  Eigenschaften  der 
Dinge  betreffen,  erwägt  die  Dinge  gleichsam  distributiv  darauf 
hin,  was  einem  jeden  von  ihnen  insbesondere  zukommt. 

b)  Kosmologie  erwägt  die  Dinge  collectiv  als  Theile 
im  Verhältnis  eines  gemeinschaftlichen  Ganzen,  welches  die 
Welt  heiJBt. 

c)  Theologia  naturalis  erwägt  die  Dinge  ebenfalls  collectiv, 
subordinirt  sie  aber  alle  zusammengenommen  einer  obersten  Ur- 
sache, welche  Gott  genannt  wird. 

II.  Angewandte  Metaphysik  (Metaphysica  applicata). 

a)  Somatologia  pura  (rationalis)  enthält  Erklärungs- 
grunde von  dem,  was  wir  durch  die  [äußeren]  Sinne  erfahren. 

b)  Psychologia  rationalis  enthält  Erklärungsgründe  von 
dem,  was  wir  durch  den  inneren  Sinn  erfahren. 

Aber  der  Sache  angemessen  wird  die  Metaphysik  folgender- 
maßen eingetheilt: 

Die  Metaphysik  ist  ein  Organon  der  reinen  Vernunft. 

I.  Transscendentale  Metaphysik 

handelt,  indem  in  ihr  sowohl  die  Form  als  das  Object  ein  reiner 
Vernunftbegriff  ist,  von  einem  Etwas  oder  von  einem  Dinge 
überhaupt. 

a)  Ontologie  sagt  allgemeine  Prädicate  von  einem  Dinge 
aus,  die  ihm  allein  und  besonders  zukommen,  erwägt  die  Regeln 
unseres  Denkens  über  den  Gegenstand  überhaupt,  handelt  als 
transscendentale  Logik  von  den  Regeln  und  dem  Gebrauch 

31* 


484       Zur  Beurtheilung  von  Kant'«  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

des  reinen  Verstandes  und  der  reinen  Vernunft,  gehört  zur 
transscendentalen  Philosophie,  welche  die  Principien  der  reinen 
Anschauung  (in  der  transscendentalen  Aesthetik)  und  der  reinen 
Begriffe    (eben    in    dieser   transscendentalen  Logik)    untersucht. 

Sie  ist  Analytik.  Diese  aber  theils  Analytik  der  Be- 
griffe. Dieser  analytische  Theil  untersucht  die  Begriffe  des 
reinen  Verstandes  z.  B.  vom  Endlichen,  Unendlichen,  Ursache 
und  Wirkung,  giebt  das  System  der  aus  den  Functionen  der 
Urtheile  abgeleiteten  Kategorien. 

Sie  ist  theils  Analytik  der  Grundsätze.  Dieser  syn- 
thetische Theil  betrachtet  die  Grundsätze,  die  aus  den  Be- 
griffen des  reinen  Verstandes  entspringen:  alles,  was  da  ist  [d.  h. 
in  der  Zeit  ist],  ist  entweder  Substanz  oder  Accidenz;  alles,  was 
geschieht,  ist  eine  Wirkung,  Folge  einer  Ursache,  oder:  alles 
was  in  der  Zeit  auf  einander  folgt,  ist  bestimmt  in  einer  Reihe; 
alles  was  zugleich  ist,  ist  bestimmt  in  einem  Ganzen.  Er  zeigt: 
„Weil  die  synthetischen  Principia  die  Bedingung  der  Möglich- 
keit der  Erfahrung  enthalten,  so  sind  sie  auch  die  Bedingung 
der  Möglichkeit  der  Gegenstände  der  Erfahrung";  sie  sind  im- 
manent, d.  h.  von  einem  Gebrauch  für  Gegenstände  der  Sinne, 
nicht  transscendent,  d.  h.  von  keinem  Gebrauch  außerhalb  aller 
möglichen  Erfahrung. 

Sie  ist  Dialektik,  sie  zeigt:  ,,alle  synthetischen  Principia 
„sollen  nicht  von  Dingen  überhaupt  urtheilen,  sondern  vom 
„Gegenstande  der  Sinne,  denn  sonst  sind  sie  transscendent  und 
„dialektisch;  z.  E.  die  Erkenntnis  von  Gott  dient  nicht  zur 
Speculation,  sondern  zum  praktischen  Gebrauch. 

b)  Kosmologie  coordinirt  alle  Dinge  und  sieht,  was  ihnen 
conjunctiv  zukommt.  Sie  heißt  Cosmologia  transscenden- 
talis,  weil  ihr  Gegenstand  selbst  ein  Gegenstand  der  reinen 
Vernunft  ist,  nämlich  der  Grenzbegriff  der  Welt  als  desjenigen 
Ganzen,  das  kein  Theil  mehr  von  anderen  ist.  Selbstverständ- 
lich ist  sie  rational,  weil  sie  ihre  Principien  aus  der  reinen 
Vernunft  nimmt,  aber  nicht  blos  rational,  sondern  eben  um 
ihres  Vernunft- Gegenstandes  willen  transscendental.    Sie  handelt 


Von  Emil  Arnoldt.  435 

„von  der  Natur  jedes  Dinges  überhaupt,  von  der  Natur  der 
„Welt,  oder  der  Natur  im  allgemeinen  Verstände,  wo  es  den 
„Inbegriff  aller  Naturen  bedeutet." 

c)  Archeologie  subordinirt  die  Dinge  einer  obersten 
Ursache.  Diese  Lehre  von  der  Anfangs-Ursache  —  der  erste 
Theil  der  Theologia  rationalis  —  ist  Theologia  trans- 
sc enden talis,  welche  nachweist,  daß  unsere  Vernunft  ein  Ur- 
wesen,  ein  erstes  und  höchstes  Wesen,  ein  Wesen  aller  Wesen 
voraussetzen  muß;  sie  beruht  ganz  und  gar  auf  rein  transscen- 
dentalen  Begriffen. 

II.  Metaphysica  applicata 

hat  empirische  Gegenstände  zum  Object,  leitet  sie  aber  aus 
allgemeinen  Gründen  der  reinen  Vernunft  ab. 

a)  „Diejenige  Wissenschaft,  die  von  der  Nützlichkeit  [!!] 
„des  Sinnlichen,  und  von  den  Gesetzen,  nach  welchen  wir  von 
„den  Sinnen  afficirt  werden,  oder  die  von  dem  Geschmack  [!!] 
„handelt.  Dieses  wäre  der  Haupt-Theil  der  Metaphysices  appli- 
,,catae".*)  Diese  corrumpirte  Stelle  hat  im  Original  wahrschein- 
lich etwa  so  gelautet:  Diejenige  Wissenschaft,  die  von  der 
Möglichkeit  des  Sinnlichen  und  von  den  Gesetzen,  nach 
welchen  wir  von  dem  Sinnlichen  afficirt  werden,  oder  von 
dessen  Genesis  [d.  h.  von  der  Genesis  der  äußeren  Natur- 
PhänomeneJ  handelt.  Dieser  Theil  ist  also  nichts  anderes,  als 
die  vorhin  genannte  Somatologia  pura  (rationalis)  oder,  wie 
sie  weiterhin  [bei  Korff  S.  194,  bei  Poelitz  S.  126]  bezeichnet 
wird,    die    Physiologia    rationalis    des    äußeren    Sinnes. 


*)  Hier  hat  der  Abschreiber  das  Original  nicht  recht  lesen  können, 
wie  die  von  ihm  gesetzten  vier  kräftigen  Puncto  —  einer  neben  jeder  der 
betreffenden  Reihen  —  wahrscheinlich  andeuten  sollen.  Er  hat  wohl  meistens 
ohne  Verständnis  des  Inhalts  abgeschrieben.  Auch  besaß  er  keine  Kenntniß 
des  Griechischen.  Für  Somatologia  hat  er  zweimal  „Somothologia",  für 
Physiologie  mindestens  neunmal  „Psychologie",  für  Hyperphysic  einmal 
„hyber  Physic"  u.  s.  w.  geschrieben  und,  statt  (pvavg  in  griechischen  Buch- 
staben zu  schreiben}  falsch  nachgemalt:  „(piois". 


486       Ziir  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

Die  Pbysiologia  rationalis  des  äußeren  Sinnes  betrachtet 
die  Natur  als  den  Inbegriff  aller  Gegenstände  der  [äußeren] 
Sinne  und  giebt  eine  Erkenntniß  dieser  Gegenstände,  so  fern  sie 
durch  reine  Vernunftbegriffe  kann  erlangt  werden,  und  zwar: 

als  Physica  generalis  von  den  Gegenständen  des  äußeren 
Sinnes  oder  den  Körpern  überhaupt  und 

als  Physica  specialis  von  den  Körpern,  die  wir  kennen; 
sie  behandelt  die  unendliche  Theilbarkeit  eines  Körpers,  die 
Leblosigkeit  (vis  inertiae)  der  Materie,  und  die  ganze  Bewegungs- 
lehre, da  diese  aus  dem  Begriff  des  Körpers  kann  eingesehen 
werden,  während  die  Lehren  von  der  Anziehung,  der  Schwere, 
der  Flüßigkeit  etc.  der  Körper  in  die  Physica  empirica 
gehören. 

b)  „Wenn  wir  uns  durch  unseren  Sinn  beobachten,  so  be- 
kommen wir  Gelegenheit  Erfahrungen  zu  sammeln,  dieses  würde 
„die  Psychologia  rationalis  seyn.  Hier  ist  hinter:  „Er- 
fahrungen zu  sammlen"  ein  Satz  ausgefallen,  welcher  ungefähr 
so  gelautet  hat:  "Wir  untersuchen  aber  auch,  wie  viel  wir  von 
der  menschlichen  Seele  durch  die  Vernunft  erkennen  können 
[oder  genauer:  was  wir  über  die  menschliche  Seele  durch  reine 
Vernunftbegriffe  denken],  dieses  würde  die  Psychologia  ratio- 
nalis sein. 

Die  Psychologia  rationalis  ist  eine  Physiologie  von 
Gegenständen  des  inneren  Sinnes.  Die  allgemeine  Be- 
stimmung der  Handlung,  oder  der  allgemeine  Character  des 
Gegenstandes  des  inneren  Sinnes  ist  Denken.  So  zerfällt  die 
Psychologia  rationalis  in: 

Psychologia  generalis  oder  Pneumatologie,  welohe  von 
denkenden  Wesen  überhaupt  handelt,  und  in: 

Psychologia  specialis,  welche  von  dem  denkenden 
Subject  handelt,  das  wir  kennen,  und  das  ist  unsere  Seele. 

Die  empirische  Psychologie  gehört  eben  so  wenig  in 
die  Metaphysik,  als  die  empirische  Physik. 


Von  Emil  Amoldt.  437 

c)  „"Wenn  wir  von  den  Dingen  in  der  Welt  als  einer  Wir- 
kung auf  die  Ursach  ad  Analogiam  schließen,  dann  entsteht 
„die  Theologia  naturalis.  Sie  ist  der  zweite  Theil  der 
Theologia  rationalis,  entlehnt  den  Begriff  von  Gott  aus 
empirischen  Principien  und  ist: 

Kosmotheologie,  indem  sie  ihre  Begriffe  aus  empirischen 
allgemeinen  Principien  des  Daseins  der  Natur  überhaupt  ent- 
lehnt, und 

Physikotheologie,  indem  sie  ihre  empirischen  Begriffe 
aus  der  bestimmten  Beschaffenheit  z.  E.  aus  der  Ordnung  dieser 
Welt  entlehnt. 


Die  Moraltheologie  ist  für  sich  zu  behandeln  als  dritter 
Theil  der  Theologia  rationalis;  sie  hat  den  Begriff  Gottes 
als  des  summi  boni  zum  Gegenstand. 


Hier  ist  nicht  Eine  Eintheilung  der  Metaphysik,  sondern 
es  sind  den  Haupttheilen  nach  zwei  Einteilungen  der  Meta- 
physik gegeben,  —  eine  „der  Sache"  nicht  gerade  unangemessene, 
und  eine  ihr  gahz  angemessene. 

B.  Erdmann  hat  in  seinem  Aufsatze:  „Mittheilungen  über 
Kant's  metaphysischen  Standpunkt  in  der  Zeit  um  1774"  (a.  a.  0. 
S.  71  u.  72.)  diese  Eintheilungen  flüchtig  gestreift,  aber  die 
zweite  hinsichtlich  des  ersten  Haupttheils  der  angewandten 
Metaphysik,  „der  Geschmackslehre"  [!!]  „nicht  zu  deuten"  ge- 
wußt. Man  hat  jedoch  diesen  ersten  Haupttheil  der  angewandten 
Metaphysik  nimmermehr  als  „Geschmackslehre  zu  deuten11.  Denn 
Kant  konnte  unmöglich  in  einer  und  derselben  Vorlesung  den 
Geschmack  nebenher  (bei  Korff  S.  242-263;  bei  Pölitz 
S.  170 — 179.)  in  der  empirischen  Psychologie  abhandeln,  „welche 
eben  so  wenig  in  die  Metaphysik  gehört,  als  die  empirische 
Physik",  und  doch  zugleich  die  Geschmackslehre  für  einen 
Haupttheil  der  angewandten  Metaphysik  neben  der  rationalen 
Psychologie  erklären,    man    mag   sich    auch    die  Discrepanz,  die 


488      Zur  Beurtheilung  von  Kant'e  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

ich  zwischen  seinen  normativen  Einteilungen  der  Metaphysik 
und  seinen  wirklichen,  an  das  Baumgarten'sche  Lehrbuch  an- 
gelehnten, metaphysischen  Ausführungen  als  vorhanden  behaupte, 
noch  so  groß  denken. 

Mit  meiner  Conjectur  ist  die  Schwierigkeit  gehoben.  Die 
sogenannte  angemessene  Eintheilung  unterscheidet  sich  von  der 
weniger  angemessenen  nur  dadurch,  daß  die  Theologie,  welche  bei 
der  letzteren  insgesammt  und  hier  als  Theologia  naturalis  in 
die  reine  Metaphysik  zu  stehen  kommt,  getrennt,  und  der  eine 
Theil  als  Archäologie  oder  transscendentale  Theologie  in  die 
reine  Metaphysik,  der  andere  als  natürliche  Theologie  mit  den 
Unterabtheilungen  der  Kosmotheologie  und  der  Physikotheologie 
in  die  angewandte  Metaphysik  verlegt  wird.  Diese  Trennung 
empfiehlt  sich  allerdings  in  so  fern,  als  die  Transscendental- 
Theologie  auf  reinen,  die  Kosmotheologie  und  die  Physiko- 
theologie dagegen  auf  empirischen  Begriffen  basiren;  sie  hat 
aber  den  Mangel,  daß  nun  die  Theologia  rationaKs,  welche  sowohl 
die  Transscendental-Theologie  wie  die  natürliche  Theologie  als 
auch  die  Moraltheologie  umfaßt,  durch  Zerreißung  in  drei  völlig 
gesonderte  Stücke  gar  nicht  als  deren  übergeordnete  Einheit 
bemerkbar  wird. 

Andere  Mängel  übergehe  ich,  um  nicht  zu  weitläufig  zu 
werden.    Doch  möchte  ich  noch  in  Kürze  auf  dreierlei  hinweisen: 

Die  Eintheilung  macht  eine  Physiologie  des  äußeren  und 
eine  Physiologie  des  inneren  Sinnes  namhaft  und  coordinirt  beide 
als  zwei  Haupttheile  von  der  angewandten  Metaphysik.  Sollte 
sie  aber  „angemessen"  sein,  so  hätte  sie  diese  zwei  coordinirten 
Theile  auch  subordiniren  müssen  der  beide  umfassenden  höheren 
Einheit  einer  Physiologia  rationalis  überhaupt,  die  sie  indeß  als 
sich  gliedernden  Oberbegriff  nicht  aufführt. 

Sodann:  die  Physiologia  rationalis  des  äußeren  Sinnes 
gliedert  sich  in  die  Physica  generalis,  welche  von  den  Gegen- 
ständen des  äußeren  Sinnes  oder  den  Körpern  überhaupt,  und 
in  die  Physica  specialis,  die  von  den  Körpern  handelt,  die  wir 
kennen.     Was    nun  Physica  specialis  im  Unterschiede   von  der 


Von  Emil  Arnoldt.  489 

• 

Physica  empirica  näher  zu  erörtern  hat,  ist  angegeben.  Welche 
„Körper  überhaupt"  aber  es  sind,  mit  denen  sich  die  Physica 
generalis  beschäftigen  soll,  ist  in  dem  KorfPschen  Heft  eben  so 
wenig  als  in  der  Pölitz'schen  Ausgabe  irgendwo  gesagt.  Doch 
ist  zu  vermuthen:  Im  Gegensatze  zu  den  Körpern,  die  wir 
kennen,  sind  Körper  gemeint,  die  wir  nicht  kennen,  und  als 
Gegenstück  zur  Psychologia  generalis  oder  Pneumatologie  ist 
die  Physica  generalis  als  übersinnliche  Körperlehre  oder  hyper- 
physische Somatologie  beabsichtigt.  Diese  Vermuthung  findet 
Bestätigung  dadurch,  daß  nach  der  Eintheilung  der  Metaphysik 
im  Wintersemester  1793/94,  wie  sich  alsbald  zeigen  wird,  die 
„rationale  Somatologie"  in  „Transscendonte"  und  in  „Immanente 
Körperlehre"  zerfällt,  von  denen  die  erstere  den  mundus  intelli- 
gibilis  oder  pneumaticus  reiner  Intelligenzen  behandeln  soll. 
Nun  kann  man  sich  allerdings  ungefähr  denken,  daß  die  Welt 
von  Gegenständen,  zu  welcher  reine  Intelligenzen,  wenn  es 
deren  giebt,  in  irgend  einem  uns  unbekannten  Verhältniß  stehen 
mögen,  eine  andere  Welt  sein  müsse,  als  die  unserige.  Wie 
man  aber  berechtigt  sein  soll,  die  etwaigen  Gegenstände  einer 
solchen  etwaigen  Welt  als  Körper  zu  denken,  und  gar  jene 
Gegenstände  mit  den  Körpern  unserer  Welt  zu  Einer  „Natur" 
zusammenzufassen,  ist  nicht  abzusehen.  Auch  dürfte  eine  über- 
sinnliche Körperlehre  keinen  anderen  Inhalt  haben,  als  die  Dar- 
legung der  Möglichkeit,  einen  solchen  Gedanken,  wie  den  oben 
angegebenen,  zu  fassen,  zugleich  aber  die  Warnung  vor  dem 
Versuch,  ihn  auszubilden,  da  er  nichts  als  ein  leeres  Hirngespinnst 
sei.  Eine  angebliche  Wissenschaft  jedoch,  die  in  den  Nachweis 
ausläuft,  daß  sie  keine  wirkliche  Wissenschaft  ist,  darf  nicht 
Wissenschaft  genannt  werden,  sei  der  Nachweis  ihrer  Unmöglich- 
keit auch  noch  so  wissenschaftlich. 

Drittens.  Die  Metaphysik  wird  ein  Organon  der  reinen 
Vernunft  genannt.  Diese  Bezeichnung  ist  nicht,  wie  B.  Erdmann 
(a.  a.  0.  S.  66.)  zu  behaupten  scheint,  geradezu  abweichend  von 
der  Erklärung,  welche  die  Krit.  d.  r.  V.  über  „ein  Organon  der 
reinen   Vernunft"    aufstellt   (E.  H,  25.  63.  65.    —    H.    III,   49. 


490       Zur  Beurtheilung  von  Kant'e  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

88.  89.).  Denn  da  nach  der  vorliegenden  Eintheilung  die  Meta- 
physik als  eine  Logik  vom  Gebrauch  des  reinen  Verstandes  und 
der  reinen  Vernunft  Anweisung  giebt,  mit  reinen  Vernunft- 
begriffen  umzugehen,  d.  h.  Anweisung  giebt,  von  welchen  Gegen- 
ständen reine  Vernunftbegriffe  und  in  welchen  Beziehungen  sie 
von  ihnen  dürfen  und  nicht  dürfen  gebraucht  werden,  so  enthält 
sie  allerdings  „Regeln,  über  eine  gewisse  Art  von  Gegenständen 
richtig  zu  denken",  und  kann  in  diesem  Sinne  mit  Recht  ein 
Organon  genannt  werden  (R.  II,  57.  —  H.  HE,  82.).  Auch 
durfte  Kant,  wenn  er  den  Unterschied  zwischen  Kanon  und 
Organon  nicht  ausführlich  darlegen  wollte,  für  die  Metaphysik 
die  Benennung  Organon  um  so  eher  anwenden,  als  er  sogar  für 
die  allgemeine  Logik  diese  Benennung  in  bestimmtem  Sinne 
gelten  ließ  (R.  III,  172.  —  H.  VIII,  13,). 

ß)  Eintheilung  der  Philosophie,  speciell  der  Metaphysik  nach  der 
Nachschrift  der  letzteren  ,,im  Winter  1794"  (1793/94). 

Philosophie. 
Reine  Philosophie  Angewandte  Philosophie 

1.  Logik  Metaphysica  specialis 

2.  Krit.d.r.V.  Welt  Gott 

8.  Transscen-  1.  Beine  Kosmologie  2.  Rational-  oder  Vernunft-Theologie 

dental-Philo-  angewandte  Ontologie  Specul.  Theol.  Prakt  od.  ration. 

sophie         rationale  Soma-      rationale  Psycho-  Glaubenstheotogie 

tologie  logie  Transsc.    Physiko- 

Imma-      Trans-      Imma-     Trans-    Theologie   theologie 
nente     scendente    nente     scendente 
Körperlehre  Seelenlehre 

Philosophie. 
Reine  Philosophie: 

1.  Logik  behandelt  die  Form  der  Erkenntniß. 

2.  Kr  it.  d.  r.  V.  untersucht  das  Subject,  nämlich  die  Ver- 
nunft   nach    ihren  Vermögen,    ihrem   Umfang,    ihren   Grenzen; 


Von  Emil  Arnoldt.  491 

sie  ist  eine  Propädeutik   aller  Metaphysik,    die  Philosophie    der 
Möglichkeit  der  Erkenntnisse  a  priori. 

3.  Transscendental-Philosophie  oder  Ontologie,  oder, 
wenn  man  sie  Metaphysik  nennen  will,  Metaphysica  generalis. 

Sie  ist  ein  Inbegriff  der  elementaren  Erkenntnisse  [a  priori], 
aller  Principien  des  reinen  Denkens,  oder  aller  Vorstellungen, 
so  fern  sie  Gründe  ausmachen,  der  Principien  zum  immanenten 
Gebrauch  der  Vernunft,  reine  philosophische  Vernunft- Wissen- 
schaft auf  Gegenstände  unserer  Erkenntnis  bezogen;  sie  enthält 
Begriffe  a  priori  überhaupt  zur  Erkenntniß  der  Dinge,  aber  nur 
solche,  „die  von  sich  Gegenstände  der  Erfahrung  haben  können," 
„deren  Gegenstand  in  der  Erfahrung  Statt  finden  kann",  notiones; 
sie  hat  eigentlich  nicht  Objecte  a  priori,  sondern  Gegenstände 
der  Erfahrung;  sie  löst  eigentlich  die  metaphysische  Sprache 
auf  und  entwirft,  so  zu  sagen,  eine  metaphysische  Grammatik; 
sie  urtheilt  nicht,  wie  die  Mathematik,  durch  reine  Anschauung, 
sondern  über  reine  Anschauung,  welches  wieder  Erkenntniß  aus 
Begriffen  ist.  In  der  Ontologie  hat  man  nichts  Wirkliches  vor 
sich;  man  sieht  nur,  ob  ein  Etwas  möglich  sei. 

Angewandte  Philosophie. 

Metaphysica  specialis  oder  applicata,  eigentliche 
Metaphysik,  die  zu  einer  Doctrin  gemacht  worden,  aber  recht- 
mäßig mehr  nur  Disciplin  ist,  wird  angewandt  auf  Gegenstände, 
die  gar  nicht  Gegenstände  der  Erfahrung  werden  können,  blos 
intelligibilia  sind,  „enthält  die  Kegeln  des  Uebersinnlichen",  geht 
aufs  Unbedingte  und  Transscendente  in  einer  Erkenntniß, 
deren  Objecte  zwiefach  sind: 

Welt. 

1.  Seine  Kosmologie  hat,  wie  die  Ontologie  nichts 
Wirkliches  vor  sich,  sieht  nur,  ob  eine  Welt  möglich  sei, 
behandelt  die  Dinge  der  Natur  als  Ganzes  und  das  Ganze  der 
coordinirten  Begriffe  derselben  als  Aggregat,  denkt  die  Substanzen 
der  Welt  durch  reine  Vernunftbegriffe. 


492       Zur  Beurtheilung  von  Kant'»  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

Beine  Kosmologie  ist  angewandte  Ontologie  auf 
Gegenstände  des  äußeren  Sinnes; 

Rationale  Somatologie,  besser  rationale  Physik;  diese 
lehrt  von  den  Körpern,  was  aus  bloßen  Begriffen  von  ihnen 
kann  vorgetragen  werden;  sie  zerfallt  in: 

Immanente  Körperlehre  handelt  von  Raum  and  Zeit 
als  Formen  a  priori  der  Gegenstände  der  Sinne; 

Transscendente  Körperlehre  handelt  vom  mundus  in- 
telligibilis,  pneumaticus  reiner  Intelligenzen,  von  der  Freiheit. 

Reine  Kosmologie  ist  angewandte  Ontologie  auf  den 
Gegenstand  des  inneren  Sinnes; 

Rationale  Psychologie;  diese  lehrt  von  der  Seele,  was 
aus  bloßen  Begriffen  von  ihr  kann  vorgetragen  werden;  sie  zer- 
fällt in: 

Immanente  Seelenlehre,  ihre  Principien  sind  alle  nur 
negativ ; 

Transscendente  Seelenlehre  handelt  als  dogmatische 
Seelenlehre  oder  Pneumatologie  von  der  Unsterblichkeit,  ob  diese 
nothwendig  aus  unserer  Naturbeschaffenheit  folge. 

Gott. 

2.  Rational-  oder  Vernunft -Theologie  [im  Unter- 
schiede von  derjenigen  Glaubenstheologie,  die  auf  Offenbarung 
gegründet  ist],  nicht:  natürliche  Theologie,  als  welche  nur 
die  Physikotheologie  zu  bezeichnen  wäre;  sie  ist  die  Kritik 
unserer  Vernunft  in  Ansehung  der  Begriffe,  die  wir  uns  von 
Gott  machen.  Sie  ist  Speculative  Theologie  und  Praktische  Theologie. 

Speculative  Theologie.  Sie  beruht  auf  dem  Ganzen 
subordinirter  Weltbegriffe  in  einer  Reihe,  welche  auf  ein  erstes 
Wesen  als  Urgrund  von  allem  führt,  auf  ein  ens  necessarium, 
originarium,  ens  entium,  ens  realissimum,  summum.     Sie  ist 

a)  Transscendentelle  Theologie  oder  eigentliche  me- 

■ 

taphysische  Theologie,  die,  dogmatisch  genommen,  Theosophie 
sein  würde,  als  Untersuchung,  was  Gottes  Natur  sei,  aber  als 
Ontotheologie  zu  behandeln  ist,  wovon  die  Kosmotheologie 


Von  Emil  Arnoldt  493 

nur  einen  Theil  und  eine  Folgerung  ausmacht.  Sie  betrachtet 
das  ens  entium  als  Substanz,  Ursache  der  Dinge  nach  dem 
Begriffe  der  Realität. 

b)  Physikotheologie.  Sie  betrachtet  Gott  als  summa  in- 
telligentia,  auf  welche  die  Zwecke  in  der  Welt  zurückzu- 
führen sind. 

Praktische  oder  rationale  Grlaubenstheologie  oder 
Moraltheologie.  Sie  betrachtet  Gott,  das  ens  summum,  die 
summa  intelligentia  als  summum  bonum. 


Empirische  Kosmologie  von  Gegenständen  der  äußeren 
Sinne  oder  empirische  Physik  betrachtet  die  Welt  als  In- 
begriff der  Erscheinungen;  sie  ist  von  der  Metaphysik  aus- 
zuschließen und  ausgeschlossen. 

Empirische  Kosmologie  vom  Gegenstande  des  inneren 
Sinnes  oder  empirische  Psychologie  (Anthropologie);  sie  ist 
scientia  Metaphysicae  preregrina,  nicht  domestica. 

Diese  empirischen  Disciplinen  der  Kosmologie  machen 
einen  Theil  der  Physiologie  aus. 

Ich  lasse  auf  Kant's  Eintheilung  der  Metaphysik  aus 
dem  Wintersemester  1793/94  hier  unmittelbar  seine  Eintheilung 
derselben  aus  dem  nächsten  Wintersemester  folgen  und  werde 
dann,  beide  mit  einander  vergleichend,  auf  ihre  gegenseitigen 
Uebereinstimmungen  und  Abweichungen  hinweisen. 

y)  Eintheilung  der  Philosophie,  speciell  der  Metaphysik  nach  der  Nach- 
schrift der  letzteren  „pro  1794/95". 

Philosophie. 

Logik      Krit.  d.  r.  V.  Metaphysik 

Metaphysik  der  Natur  Metaphysik 

I.  Immanenter  II.  Transscendenter  Theil  der  Sitten 

Thöil  1.  Metaphysische        2.  Theologia 

Kosmologie  rationalis 

a)  Phys.  Kosmol.      a)  Ontotheologie 

«)  Körperlehre       b)  Physikotheologie 
ß)  Seelenlehre        c)  Moraltheologie 

b)  Metaph.  Kosmol. 


494      Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

Philosophie. 
Logik,  formeller  Theil  der  Philosophie,  abstrahirt  von  den 
Objecten,  trägt  die  Gesetze  des  Denkens  vor. 

Kritik  der  reinen  Vernunft, 
die  Propädeutik  zur  Transscendental-Philosophie,  geht  auf  die 
Möglichkeit,  ein  Erkenntnis  a  priori  einzusehen,  dies  mag  mathe- 
matische oder  philosophische  Gegenstände  betreffen,  prüft  die 
erkennende  Vernunft  in  Ansehung  ihres  Vermögens,  sich  mit  der- 
gleichen Erkenntnissen  zu  beschäftigen,  giebt  als  eine  höhere 
Logik  der  Vernunft  Regeln,  wie  sie  Objecto  a  priori  erkennen 
soll,  beißt  Kritik,  weil  sie  nicht  dogmatisch  verfährt,  sondern 
Irrthümer  untersucht  und  unsere  angemaßten  Urtheile  prüft. 

Metaphysik, 
das  System  der  reinen  Philosophie,  der  reinen  Vernunfterkennt- 
nisse durch  Begriffe,  hat  blos  Principia  a  priori,  die  gegeben 
sind,  die  durch  Vernunft  erkannt,  aber  nicht  gemacht  werden 
und  solche  Beschaffenheit  haben,  daß  man  mit  der  ErkenntnüJ 
selbst  die  Notwendigkeit  dessen  verbindet,  was  man  erkennt; 
sie  begreift  den  materiellen  Theil  der  Philosophie  unter  sich. 

Metaphysik  der  Natur 
enthält    Principien    (Erkenntnißgründe)    und    Gesetze    a   priori 
dessen  und  über  dasjenige,  was  zum  Dasein  der  Dinge  gehört. 

I.  Immanenter  Theil,  Elementar-  oder  Transscendental- 
Metaphysik,  Ontologie,  das  Product  der  Kritik  d.  r.  V.,  ent- 
hält die  Elementarbegriffe,  die  elementa  oder  erste  Principien, 
um  Objecto  a  priori  zu  erkennen,  die  gegeben  werden  können; 
beschäftigt  sich  blos  mit  der  Möglichkeit  der  Dinge  überhaupt 
und  ihren  Eigenschaften,  ohne  die  Wirklichkeit  derselben  voraus- 
zusetzen, z.  B.  Substanzen,  Accidenzen,  Commercium  durch 
Wechselwirkung. 

II.  Transscendenter  Theil,  Architektonische  Metaphysik, 
Metaphysica  propria,  ist  auf  Objecte  angewandt,  —  theils  auf 
sinnliche  Objecte,   die  von  der  Erfahrung  d.  i.  durch  die  Sinne 


Von  Emil  Arnoldt.  496 

als  wirklich  gegeben  sind,  theils  auf  Objecte  der  bloßen  Ver- 
nunft d.  i.  ideae  oder  Begriffe  der  bloßen  Vernunft,  deren 
Objecte  durch  die  Objecte  [der  Erfahrung]  nicht  gegeben  werden 
können  und  Gegenstände  der  übersinnlichen  Erkenntniß  sind. 

Die  auf  Objecte  der  bloßen  Vernunft  angewandte  Meta- 
physik ist 

1.  Metaphysische  Kosmologie.  Die  Kosmologie  aber  ist 
genauer  einzutheilen  in: 

a)  Physische,  in  der  Begründung  empirische,  in  der 
Ausbildung  rationale  Kosmologie,  Cosmologia  rationalis  oder 
specialis;  sie  setzt  Wahrnehmung  d.  i.  Bewußtsein  und  Empfin- 
dung des  Objects  voraus,  welches  und  in  so  fern  es  davon  die 
Ursache  ist,  und  beschäftigt  sich  allein  mit  Vernunfterkennt- 
nissen von  wirklichen,  durch  die  Sinne  und  zwar  entweder  durch 
den  äußeren,  oder  durch  den  inneren  Sinn  allein,  oder  durch 
beide  zusammen  als  gegenwärtig  =  actuell  gegebenen  Objecten. 
Daher  ist  sie 

a)  Körperlehre,  Physica  rationalis,  welche  Objecte  der 
äußeren  Sinne  d.  i.  Körper  zum  Gegenstand  hat; 

ß)  Seelenlehre,  Psychologia  rationalis,  welche  das  Object 
des  inneren  Sinnes  d.  i.  die  Seele  zum  Gegenstand  hat. 

b)  Metaphysische  Kosmologie,  Cosmologia  trausscen- 
dentalis  oder  Cosmologia  generalis ;  sie  handelt  von  der  Möglich- 
keit eines  absoluten  Weltganzen,  von  Natur,  Uebernatürlichem  etc. ; 
hier  werden  die  Objecte  nur  durch  Begriffe  gedacht,  durch  die 
Einbildungskraft  erschaffen;  mithin  ist  es  nicht  nothwendig, 
daß  sie  auch  in  der  vorausgesetzten  Art  Gegenstände  möglicher 
Erfahrung  sind,  d.  i.  daß  sie  wirklich  existiren. 

2.  Theologia  rationalis  —  von  Kant  bei  der  Abhand- 
lung selbst  Theologia  naturalis  genannt  —  führt  zu  dem  Begriff 
eines  nothwendigen,  ursprünglichen,  einigen  Wesens  und  gliedert 
sich  in 

a)  Ontotheologie,  welche  mit  der  Kosmotheologie  — 
einer  bloßen  Folgerung  aus  ihr  —  zusammen  Transscenden- 
tale  Theologie    kann    genannt   werden    und    den   Begriff  des 


496       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

Welturhebers  aus  reinen,  nicht  von  den  Erscheinungen  der 
Welt  hergenommenen,  sondern  ontologischen  Bestimmungen,  z.  E. 
Substanzen,  Realität  etc.  ableitet; 

b)  Physikotheologie;  sie  betrachtet  das  ens  entium  als 
summ  am  intelligentiam,  aus  der  Zweckmäßigkeit  und  Ordnung 
in  der  Welt  auf  ein  verständiges  Wesen  als  Weltursache 
schließend ; 

c)  Moraltheologie;  sie  betrachtet  Gott  —  die  summa 
intelligentia  —  als  summum  bonum. 

Metaphysik  der   Sitten 
enthält   Erkenntniß    der    Regeln    oder    der    Bestimmungsgründe 
unserer  Handlungen  ex  principiis  a  priori. 

Die  Eintheilung  unter  ß)  und  die  Eintheilung  unter  y)  sind 
in  eben  derselben  Art  erlangt,  als  die  unter  «).  Sie  finden  sich 
an  keiner  einzelnen  Stelle  der  von  mir  benutzten  Manuscripte 
in  der  Vollständigkeit  und  Ordnung,  welche  ihnen  in  der 
Schematisirung  die  Bezugnahme  auf  alle  dahin  gehörigen  Stellen 
in  den  bei  Rant's  Vortrage  unablässig  nach  Baumgarten's 
Lehrbuch  festgehaltenen  vier  Haupttheilen  der  Metaphysik  ver- 
schafft hat. 

Sie  können  nicht  einer  und  derselben  Darlegung  entstammen. 
Um  aus  einem  und  demselben  Semester  herzurühren,  sind  sie 
zu  verschieden  trotz  ihrer  Aehnlichkeit. 

Beide  zerlegen  die  Metaphysik  in  zwei  Haupttheile,  wie 
die  vorige  Eintheilung  und  die  Eintheilung  in  der  Krit.  d.  r.  V. 
es  ebenfalls  thuen,  aber  beide  rechnen,  von  diesen  abweichend, 
nur  die  Ontologie  oder  Transscendental-Philosophie  (1793/94), 
die  Ontologie  oder  Elementar-  oder  Transscendental-Metaphysik 
(1794/95)  zur  reinen  Philosophie,  während  sie  den  zweiten 
Haupttheil  allerdings  beide,  aber  jede  von  ihnen  in  etwas  anderer 
Art  als  angewandte  Metaphysik  hinstellen.  Denn  die  Eintheilung 
von  1793/94  hebt  den  Unterschied  zwischen  reiner  und  an- 
gewandter Metaphysik  nachdrücklicher  hervor,  als  die  Eintheilung 
von  1794/95,  und  zwar  zugleich  als  Unterschied  zwischen  Meta- 


Von  Emil  Arnoldt.  497 

physica  generalis  und  specialis,  welchen  die  letztere  (1794/95) 
dem  Worte  nach  nicht  kennt,  indem  sie  nur  bei  der  Kosmologie 
einen  Unterschied  zwischen  Cosmologia  generalis  oder  trans- 
scendentalis  und  Cosmologia  specialis  oder  rationalis  setzt,  welchen 
hinwiederum  die  erstere  (1793/94)  gar  nicht  kennt.  Dagegen 
betont  die  Eintheilung  von  1794/95  statt  des  Unterschiedes 
zwischen  reiner  und  angewandter  Metaphysik  den  Unterschied 
zwischen  dem  immanenten  Theil  (Ontologie,  Elementar-  oder 
Transscendental- Metaphysik)  und  dem  transscendenten  Theil 
(Architektonische  Metaphysik)  stärker,  als  die  Eintheilung  von 
1793/94,  welche  diesen  Unterschied  mehr  implicite,  als  explicite 
enthält,  während  beide  Eintheilungen  den  zweiten  Haupttheil 
in  gleicher  Weise  zugleich  als  eigentliche  Metaphysik,  als  Meta- 
physica  propria  kennzeichnen. 

Den  allgemeinen  Inhalt  des  ersten  Haupttheils  bestimmen 
beide,  obschon  in  der  Fassung  anders,  doch  dem  Gedanken  nach 
gleich,  mit  Ausnahme  der  einen  Bemerkung,  welche,  wenn  ich 
nicht  irre,  nur  in  dem  Vortrage  von  1793/94,  nicht  in  dem 
von  1794/95  erscheint,  nämlich  daß  die  Ontologie  „eigentlich 
die  metaphysische  Sprache  auflöst  und,  so  zu  sagen,  eine  meta- 
physische Grammatik  entwirft".  Diese  Bemerkung  hat  ihre 
Parallele  an  der  Bemerkung  in  der  Ontologie  des  KorfPschen 
Heftes  (S.  132)  und  der  Pölitz'schen  Ausgabe  (S.  78),  daß  die 
Zergliederung  der  transscendentalen  Begriffe  —  der  Kategorien  — 
eine  transscendentale  Grammatik  ergeben  würde,  welche  den 
Grund  der  menschlichen  Sprache  enthielte.*; 


*)  Darüber,  daß  auf  B.  Erdmann  „die  Ausführung  über  die  trans- 
scendentale Grammatik  S.  132  f."  [nicht  „f.",  sondern  blos  S.  182.]  „fremd- 
artiger wirkt"  [sie!],  „als"  die  —  von  ihm  angenommene  —  „bevorzugte Stellung 
der  Kategorien  der  Relation'*  in  der  Ontologie  des  KorfFschen  Heftes'*  ver- 
breite ich  mich  nicht,  obschon  fast  alles,  was  B.  Erdmann  über  jene  „Aus- 
führung" und  „diese  bevorzugte  Stellung**  sagt  (a.  a  0.  S.  79  u.  80.),  auf 
mich  befremdend  wirkt.  Ich  erwähne  nur  im  Vorübergehen:  Der  Ausdruck 
in  B.  Erdmann's  Satze,  dem  die  in  Redezeichen  stehenden  Worte  angehören| 
ist  confus;  B.  Erdmann  wollte  nicht  sagen,  was  er  gesagt  hat:  Der  Ab- 
schnitt   „„Von    der    Materie   und    der    Form""    in    dem    Korff sehen 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX.  Hft  7  u.  8.  32 


498       Zar  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

Dagegen  weichen  die  beiden  Einteilungen  in  der  all- 
gemeinen Inhaltsbestimmung  des  zweiten  Haupttheils  der  Meta- 
physik, —  in  der  Inhaltsbestimmung  der  eigentlichen,  der  an- 
gewandten, der  transscendenten  oder  architektonischen  Meta- 
physik nicht  unerheblich  ab.  Denn  die  Eintheilung  von  1793/94 
nimmt  für  die  transscendenten  Gebiete  eine  ausgedehntere  und 
umfänglichere  Betrachtung  in  Anspruch,  als  die  Eintheilung 
von  1794/95.  Jene  statuirt  die  Behandlung  des  mundus  intelli- 
gibilis  in  einer  transscendenten  Körperlehre  und,  wenigstens 
wie  es  den  Anschein  hat,  eine  Art  von  Pneumatologie  in  einer 
transscendenten  Seelenlehre.  Diese  führt  in  ihrer  Classification 
weder  eine  transscendente  Körperlehre,  noch  eine  transscendente 
Seelenlehre  auf,  sondern  nur  eine  Physica  rationalis  und  Psycho- 
logia  rationalis  als  Theile  einer  Physischen  Kosmologie,  welche 
eine  immanente  Wissenschaft  ist.  Gewiß  sollten  die  transscen- 
dente Körperlehre  und  die  transscendente  Seelenlehre,  wie  ich 
schon  oben  andeutete,    schließlich   zu  negativen  Resultaten  hin- 


lieft e   „sei    dem     undatierten    unter    Pölitz1    Manu  Scripten    entnommen*, 
sondern  er  wollte  sagen:  die  drei  letzten  Abschnitte  der  Ontologie 
in   der   Pölitz'schen   Ausgabe   seien    „dem    undatierten    unter  Pölitz1 
Manuscripten  entnommen".    —   Es  ist  richtig,   daß  dies  letztere  wenn  auch 
nicht,  wie  ß.  Erdmann  meint,  „keinem  Zweifel",  doch  kaum  einem  Zweifbi 
unterliegt.    —    Falsch  ist,   was  B.  Erdmann    weiterhin   angiebt,   daß  nach 
Angabe   des  KorfFschen  Heftes   „eine   transscendentale  Grammatik  anf  die 
transscendentale  Logik  oder  Ontologie  folgen  sollte".    Sie   sollte   nicht  so- 
gleich auf  die  transscendentale  Logik  folgen,    sondern  anf  die  transscenden- 
tale Logik  sollte  die  transscendentale  Aesthetik,  und  auf  die  transscendentale 
Aesthetik    die    transscendentale    Grammatik    folgen.      Eine  solche  Ordnung 
wäre    nicht    anders    als  nothwendig   gewesen ,   wenn   „es   sich   hier",  wie 
B.  Erdmann    nicht   unrichtig   meint    (a.  a.  0.  8.  80),  „um  eine  Consequenz 
aus  der  Lehre  von  den  Prädicabilien  des  reinen  Verstandes  handelt".    Denn 
„die  Prädicabilia   entstehen    aus  zwei  Prädicamenten   und   einer  Form  der 
„Sinnlichkeit,   entweder  Raum  oder  Zeit",   wie   es   in    der  Nachschrift  vom 
„Winter  1794"  heißt  (vgl.  R.  I,  604.  -  H.  VIII, 583).  -  Leer  und  werthlos 
ist  die  Vermuthung,    daß   die  transscendentale  Grammatik,  wenn  Kant  eine 
Metaphysik  für  den  Druck  ausgearbeitet  hätte,  darin  „ein  ihm  vielleicht  als 
solches   bewußtes  Gegenstück   gegen  Lamberts  Semiotik   würde   abgegeben 
haben". 


"Von  Emil  Arnoldt.  499 

leiten.  Aber  sind  zum  Gewinn  solcher  Resultate  zwei  besondere 
Abtheilungen  zweier  besonderen  Theile  in  einer  Wissenschaft  — 
der  rationalen  Somatologie  oder  „besser":  rationalen  Physik  und 
der  rationalen  Psychologie  in  der  reinen  Kosmologie  —  er- 
forderlich ? 

Beide  Einteilungen  sind  nicht  consequent  in  der  Ein- 
theilung  der  Kosmologie.  Die  Eintheilung  von  1793/94  trägt 
diesen  Mangel  der  Consequenz  unverhüllter  an  sich,  als  die  Ein- 
theilung von  1794/95.  Jene  ordnet  die  immanenten  Theile  der 
Kosmologie  geradezu  der  reinen  Kosmologie  unter,  welche,  wie 
die  Ration  al-Theologie,  aufs  Unbedingte  und  Transscendente 
geht.  Diese  bringt  die  physische  d.  i.  immanente  Kosmologie 
mit  deren  Unterabtheilungen,  der  Physica  rationalis  und  der 
Psychologia  rationalis,  allerdings  auch  in  den  transscendenten 
Theil,  bezieht  denselben  aber  sofort  theils  auf  sinnliche  Objecte, 
theils  auf  Ideen,  macht  die  Idee  des  Weltganzen  zum  Gegen- 
stand der  metaphysischen  Kosmologie,  die  Idee  Gottes  zum 
Gegenstand  der  rationalen  Theologie,  und  hebt  dann  mit  einer 
neuen,  einer  genaueren  Eintheilung  der  Kosmologie,  also  der 
Kosmologie  überhaupt  wieder  an  in  physische  und  in  meta- 
physische Kosmologie  oder  umgekehrt;  denn  die  Voransetzung 
der  metaphysischen  Kosmologie  vor  der  physischen  ist,  wie  bei 
der  Eintheilung  von  1793/94  die  Voransetzung  der  transscendenten 
Körperlehre  vor  der  immanenten  und  die  Voransetzung  der 
transscendenten  Seelenlehre  vor  der  immanenten,  den  benutzten 
Manuscripten  zufolge  eben  so,  wenn  nicht  noch  mehr  gerecht- 
fertigt, als  die  Nachsetzung,  und  bei  beiden  Eintheilungen  nimmt 
es  sich  so  aus,  als  ob  in  der  eigentlichen  Metaphysik  vom  Trans- 
scendenten durch  das  Immanente  solle  hinabgestiegen  werden  zum 
außer  ihr  liegenden  Empirischen.  Aber  die  Kosmologie,  welche 
theils  metaphysische,  theils  physische,  mithin  theils  transscen- 
dente, theils  immanente  ist,  gehört  nicht  ganz  und  gar  in  den 
transscendenten  Theil  der  Metaphysik  der  Natur. 

Beide  Eintheilungen  differiren  auch  in  der  Eintheilung 
der  rationalen  Theologie.    Die  von  1793/94  zerlegt  die  rationale 

ß2* 


500       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

Theologie  in  zwei.  Theile,  —  die  speculative  Theologie  und  die 
Moraltheologie,  und  dann  die  speculative  Theologie  in  die  beiden 
Unterabtheilungen,  —  die  transscendentelle  [sie]  Theologie  und 
die  Physikotheologie,  deren  allgemeinen  Inhalt  sie  angiebt  in 
Uebereinstiramung  mit  der  Eintheilung  von  1794/95.  Diese 
zerlegt  die  rationale  Theologie  sogleich  in  drei  Theile,  —  die 
transscendentale  Theologie  (Ontotheologie  und  Kosmotheologie 
zusammen),  die  Physikotheologie,  und  die  Moraltheologie,  ohne 
die  Moraltheologie  ausdrücklich  der  speculativen  Theologie 
gegenüberzustellen.  Nach  meinem  Dafürhalten  empfiehlt  sich 
in  dieser  Beziehung  die  Eintheilung  von  1793/94  mehr,  als 
die  von  1794/95,  eben  weil  jene  strenger,  als  diese,  und,  wie 
es  sich  gebührt,  augenfällig  die  Moraltheologie  von  der  specu- 
lativen abscheidet. 

In  beiden  Eintheilungen  ist  die  Bezeichnung:  Physiologie 
welche  in  der  Eintheilung  von  1793/94  ausgesprochenermaßen 
der  empirischen  Physik  und  der  empirischen  Psycho- 
logie (Anthropologie)  vorbehalten  bleibt,  aus  der  Metaphysik 
verbannt.  In  den  Eintheilungen  der  Metaphysik,  welche  die 
Krit.  d.  r.  V.,  das  KorfFsche  Heft  und  das  von  Pölitz  benutzte 
Manuscript  aus  dem  Semester  1787/88  oder  1788/89  gebracht 
haben,  war  sie  für  wesentliche  Theile  der  Metaphysik  gebraucht 
worden,  —  und  zwar  in  allen  jenen  drei  Eintheüungen  mit 
ziemlich  gleichwertiger  Bedeutung. 

Eine  eigentümliche  Wandelung  erfährt  bis  zum  Semester 
1794/95  der  Begriff  der  reinen  und  der  angewandten  Philosophie. 
In  der  Krit.  d.  r.  V.  wird  nur  die  empirische  Psychologie 
wie  die  empirische  Naturlehre  auf  die  Seite  der  angewandten 
Philosophie  gestellt,  und  die  angewandte  Philosophie  von  der 
Metaphysik  ausgeschlossen  (R.  II,  653.  —  H.  III,  557  u.  668.). 
Dagegen  werden  dort  die  vier  Haupttheile  der  Metaphysik 
der  speculativen  Vernunft:  1.  die  Ontologie,  2.  die  rationale 
Physiologie  mit  den  zwei  Abtheilungen  der  Physica  rationalis 
und  der  Psychologia  rationalis,  3.  die  rationale  Kosmologie,  4.  die 
rationale  Theologie    sammt    und    sonders  der  reinen  Philosophie 


Von  Emil  Arnoldt.  601 

und  zwar  der  Metaphysik  der  Natur  zugerechnet.  Die  Ein- 
teilungen, welche  das  KorfFsche  Heft  überliefert,  nehmen  den 
Begriff  der  reinen  Philosophie  wie  für  die  Logik  und  die  Moral, 
so  auch  für  die  Metaphysik  und  zwar  die  ganze  Metaphysik  in 
Beschlag,  setzen  aber  innerhalb  der.  Metaphysik  einen  Unter- 
schied zwischen  reiner  und  angewandter  Metaphysik.  Diejenige 
von  jenen  beiden  Eintheilungen,  die  „der  Sache  angemessen" 
sein  soll,  legt  die  ganze  rationale  Physiologie  des  äußeren  und 
des  inneren  Sinnes  d.  i.  die  Physica  generalis  und  die  Physica 
specialis,  die  Psychologia  generalis  und  Psychologia  specialis 
so  wie  den  zweiten  Theil  der  rationalen  Theologie,  nämlich  die 
natürliche  Theologie,  d.  i.  die  Kosmotheologie  und  die  Physiko- 
theologie  in  die  angewandte  Metaphysik,  während  sie  den  dritten 
Theil  der  rationalen  Theologie,  nämlich  die  Moraltheologie  für 
sich  will  behandelt  wissen.  Demgemäß  zählt  sie  zur  reinen 
oder  transscendentalen  Metaphysik  die  Ontologie,  die  Kosmologie 
und  den  ersten  Theil  der  rationalen  Theologie,  d.  i.  die  trans- 
scendentale  Theologie.  Die  Eintheilung  von  1787/88  oder  1788/89 
läßt  bei  ihrer  Un Vollständigkeit  nicht  erkennen,  ob  sie  und  wie 
sie  etwa  die  Begriffe  der  reinen  und  der  angewandten  Philosophie, 
der  reinen  und  der  angewandten  Metaphysik  gebraucht  habe. 
Dagegen  scheidet  die  Eintheilung  von  1793/94  die  Philosophie 
streng  in  reine  und  in  angewandte  Philosophie,  nimmt  als  reine 
Philosophie  die  Logik,  die  Kritik  der  reinen  Vernunft,  und  die 
Transscendental-Philosophie  oder  Ontologie  oder,  wenn  man  diese 
Metaphysik  nennen  will,  Metaphysica  generalis,  als  angewandte 
Philosophie  aber  die  Metaphysica  specialis  oder  angewandte  oder 
eigentliche  Metaphysik,  ohne  jedoch  anzudeuten,  ob  sie,  wie  die 
Eintheilung  in  der  Krit.  d.  r  V.  es  that,  die  empirische  Physik 
und  die  empirische  Psychologie  auch  in  die  angewandte  Philo- 
sophie hineinziehen  will.  Gleichwohl  enthält  die  Eintheilung 
von  1794/95  die  Scheidung  von  reiner  und  angewandter  Philo- 
sophie nicht,  sondern  sie  setzt  ohne  Weiteres  die  Metaphysik 
als  das  System  der  reinen  Philosophie  an,  dem  sie  dann  in  der 
Metaphysik  der  Natur  neben  dem  immanenten  Theil  den  trans- 


502       Zur  Beurtheilung  von  Eant'a  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

soendenten  als  eigentliche,  als  auf  Objecto  angewandte  Philo- 
sophie einordnet.  Es  ist  daher  unwidersprechlich,  daß  in  jenen 
Einteilungen  der  Begriff  der  reinen  und  der  angewandten 
Philosophie,  der  reinen  und  der  angewandten  Erkenntniß  variirt 
ohne  feste  Bestimmtheit. 


Zum  Schlüsse    meiner  Auseinandersetzung    über    die    Ein- 
teilungen der  Metaphysik  in  den  mir  bekannten  Nachschriften 
aus    Kant's    metaphysischen    Collegien    ist    die    Frage    zu    be- 
antworten:  Hat  Kant  jene  Eintheilungen  in   dem  Tenor  seiner 
Vorträge    beobachtet    und    durchgeführt?     Sie    läßt    sich    weder 
rund  bejahen,  noch  rund  verneinen.    Kant  bequemte  seine  meta- 
physischen Vorträge    dem  Baumgarten'schen  Lehrbuche   an  und 
brachte    sie    der   von    ihm    verworfenen    Eintheilung    desselben 
gemäß  unter  die  vier  Haupttheile:  Ontologie,  Kosmologie,  Psycho- 
logie, Theologie.     Aber  bei  der  Behandlung  derselben,  wie  auch 
schon    in    der  Einleitung   brachte    er  sein  verwerfendes  Urtheil 
über  jene  Eintheilung  bald  nur  in  abstracto,  bald  auch  in  con- 
creto zur  Geltung.     Er  tadelte  nicht  nur,    sondern   bildete    um, 
erfüllte  nicht  allein  die  alten  Theile  mit  neuem  Inhalt,  sondern 
fügte  auch  neue  Theile  mit  neuem  Inhalt  in  die  überkommenen 
ein.     Dies  that  er  in  den  1790iger  Jahren  bei  allen  vier  Tlieilen 
der  Metaphysik,    am  wenigsten,    wenn    ich    nicht  irre,    bei   der 
Psychologie.    Aber  auch  schon  früher  hat  er  aller  Wahrscheinlich- 
keit nach  dergleichen  Umformungen  vorgenommen.    Und  obgleich 
er  um  die  Zeit,    als    er  die  Krit.  d.  r.  V.  druckfertig  machte 
und  sogar  einige  Jahre  lang  nach  der  Veröffentlichung  derselben 
mit  seinen  Neuerungen   —   was  seinem  Character  durchaus  ent- 
sprach —  sehr  behutsam,  dünkt  mich,   im  Colleg  hervortrat,   so 
hat  er  sie  doch  auch  schon  damals  nicht  gescheut  bei  der  Onto- 
logie   und    der    Theologie.     Daß    aber   trotz    aller    solcher   Um- 
formungen in  früherer  und  späterer  Zeit  niemals  eine  Darstellung 
konnte  zu  Stande  kommen,  welche  seinem  metaphysischen  System 
völlig  gerecht  ward,  liegt  auf  der  Hand. 


Von  Emil  Arnoldt.  508 

b)  Drei  Beispiele  ungenauer  Begriffsbestimmung  aus  Kant's 

metaphysischen  Coliegien. 

Die  drei  Beispiele  ungenauer  Begriffsbestimmung,  die  ich 
den  Nachschriften  von  Kant's  metaphysischem  Vortrage  ent- 
nehme, aber  dem  Vortrage  selbst  glaube  zuschreiben  zu  müssen, 
betreffen  den  Begriff  der  Empfindung,  den  Begriff  eines  ewigen 
Nichts,  und  den  Begriff  der  Welt.  Hier  wie  späterhin  bei  der 
Prüfung  von  Kant's  Aeußerungen  über  die  Substanzen  der  Welt 
werde  ich  das  Korff'sche  Heft  außer  Acht  lassen  und  daher  von 
den  Nachschriften  aus  Kant's  metaphysischen  Coliegien  die 
Pölitz'sche  Ausgabe  der  Metaphysik  ohne  Rücksicht  auf  die 
verschiedene  Ursprungszeit  des  für  sie  benutzten  handschrift- 
lichen Materials  und  ferner  die  Nachschriften  aus  den  Semestern 
1793/94  und  1794/95  so  in  Betracht  ziehen,  daß  ich  für  die 
Aufeinanderfolge  der  Citate,  die  ich  daraus  gebe,  nicht  immer 
die  Folge  der  Ursprungszeit,  sondern  mitunter  auch  den  Gedanken- 
inhalt derselben  maßgebend  sein  lasse. 

«)  Begriff  der  Empfindung. 

Im  zweiten  Abschnitte  der  Ontologie  bei  Pölitz:  „Von  den 
synthetischen  und  analytischen  Urtheilen"  steht  auf  S.  29:  „Eine 
Vorstellung,  die  nicht  aufs  Object,  sondern  blos  aufs  Subject 
bezogen  wird,  heißt  Empfindung."  Diese  Definition  gilt  aber 
mehr  für  das  Gefühl,  als  die  Empfindung.  Denn  „alle  Beziehung 
der  Vorstellungen,  selbst  die  der  Empfindungen  kann  objectiv 
sein",  während  nur  das  Gefühl  die  Vorstellung  ist,  „wodurch 
gar  nichts  im  Objecte  bezeichnet  wird"  (R.  IV,  46.  —  H.  V, 
207  u.  208.).  Freilich  wird  auch  in  der  Krit.  d.  r.  V.  gelegent- 
lich die  unvollständige  Erklärung  gegeben:  „Eine  Perception" 
(Vorstellung  mit  Bewußtsein),  „die  sich  lediglich  auf  das  Subject, 
als  die  Modification  seines  Zustandes  bezieht,  ist  Empfindung", 
aber  nur  in  jener  Stufenleiter  der  Vorstellungsarten,  deren 
wesentlicher  Zweck  kein  anderer  ist,  als  die  Idee  von  den  Be- 
griffen und  den  übrigen  Vorstellungsarten  abzuscheiden.  Denn 
sonst  wird  dort  Empfindung,  „die  die  wirkliche  Gegenwart   des 


504       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

Gegenstandes  voraussetzt",  ausdrücklich  als  „die  Materie  der 
sinnlichen  Erkenntniß"  und  damit  als  auf  Gegenstände  zu  be- 
ziehen und  bezogen  characterisirt  (z.  B.  E.  II,  55.  —  H.  m,  81.). 
Ingleichen  tragen  nach  der  Anthropologie  die  Empfindungen  aller 
Organsinne,  wenn  auch  die  einen  mehr,  als  die  anderen  „zur 
Erkenntniß  des  äußeren  Gegenstandes"  bei  (B.  VII,  2  A.  45 
d.  46.  —  H.  VII,  466.).  Auch  mußte  natürlich  in  eben  jener 
Vorlesung,  in  welcher  der  Empfindung  die  Beziehung  aufs 
Object  abgesprochen  ward,  hernach  ihr  eine  solche  Beziehung 
zugesprochen  werden.  Denn  obschon  es  gleich  nach  der  oben 
citirten  Definition -heißt:  „Durch  Empfindungen  können  wir  gar 
nichts  erkennen"  —  was  richtig  ist,  wenn  man  hinter  „Empfin- 
dungen" allein  einschiebt,  —  heißt  es  bald  darauf  (bei  Pölitz 
S.  33):  „Alle  Vorstellungen  der  Sinne  haben  eine  Beziehung 
aufs  Object"  —  was  aber  wiederum  zu  viel  gesagt  und  von  der 
subjectiven  Empfindung  d.  h.  dem  Gefühl  (E.  IV,  49  u.  50.  — 
H.  V,  210  u.  211.)  nicht  giltig  ist  — ,  und  weiter:  „Die  Er- 
fahrung ist  nichts  anders,  als  eine  Erkenntniß  vom  Object  durch 
sinnliche  Vorstellungen"  —  welche  letztern  außer  den  apriori- 
schen Vorstellungen  der  Sinnlichkeit  nichts  als  die  Empfindungen 
sind.  Wenn  dann  aber  weiter  hinzugefügt  wird:  „Durch  Sinne 
können  wir  nur  die  Eigenschaften  oder  Prädikate  des  Objects 
erkennen,  das  Object  selber  liegt  im  Verstände",  so  ist  es  frei- 
lich im  Allgemeinen  richtig,  daß  im  Verstände  das  Object  liege, 
sodann  aber  zu  bemerken,  daß  die  Sätze:  „Durch  Empfindungen 
können  wir  gar  nichts  erkennen",  und:  „Durch  Sinne  können 
wir  die  Eigenschaften  oder  Prädicate  des  Objects  erkennen", 
einander  widersprechen,  endlich  aber  anstatt  dieser  beiden  Be- 
hauptungen, die  erst  giltig  wären,  wenn  die  ihnen  fehlenden 
Clausein  hinzugethan  würden,  der  Satz  aufzustellen:  Der  Ver- 
stand ist  es,  welcher  die  in  der  Sinnlichkeit  durch  einen  nicht 
sinnlichen  und  nicht  weiter  erforschlichen  Factor  veranlaßten 
Modificationen,  das  empirische  Mannigfaltige  der  Sinnlichkeit  oder 
die  Empfindungen  vereint  mit  dem  apriorischen  Mannigfaltigen 
der  Sinnlichkeit    oder    den    Eaum-    und   Zeit- Vorstellungen   in 


Ton  Emil  Arnoldt  505 

einer  Succession  von  Erkenntniß- Acten  dem  aus  der  Einheit  des 
Selbstbewußtseins  hervorgegangenen  Objecte  als  Eigenschafben 
oder  Prädicate  beilegt. 

Auch  die  Nachschrift  vom  Wintersemester  1793/94  mächt 
in  der  Einleitung  (S.  6)  folgende  Angaben:  „Denken  und  An- 
„schauen  sind  Erkenntnißstücke,  sie  beziehen  sich  aufs  Object, 
„hingegen  Empfinden  ist  kein  Erkenntnißstück,  denn  es  bezieht 
„sich  blos  auf  unser  Subject,  daher  kann  es  kein  Wahrheits- 
„gefuhl  geben  —  Alle  unsre  Erfahrungs-Erkenntnisse  beziehen 
„sich  doch  auf  etwas,  was  Gegenstand  der  Empfindung  ist. 
„Unsere  Principien  (Grundvorstellungen)  sind  Denken  und  An- 
„schauen.  Diese  zwei  Vorstellungsarten  müssen  in  einem  Actus 
„zusammenkommen,  um  ein  Erkenntniß  hervorzubringen,  denn 
,  jede  abgesondert  für  sich  giebt  kein  Erkenntniß."  Hier  ist 
wahrscheinlich  eine  längere  Auseinandersetzung  mit  Verkürzungen 
wiedergegeben,  in  Folge  deren  sie  nur  dann  nicht  widerspruchs- 
voll erscheinen  dürfte,  wenn  man  mehrere  Ergänzungen  hinzu- 
thäte.  Denn  nach  dem,  was  da  steht,  sollte  man  meinen:  Wenn 
unsere  Erfahrungserkenntnisse  sich  auf  etwas  beziehen,  das  Gegen- 
stand der  Empfindung  ist,  so  kann  sich  auch  unser  Empfinden 
nicht  „blos  auf  unser  Subject"  beziehen. 

Die  Nachschrift  aus  dem  Wintersemester  1794/95  bringt 
in  der  Einleitung  nichts,  was  der  eben  angeführten  Bestimmung 
entspräche.  Dagegen  weiterhin  bei  der  Exposition  der  synthe- 
tischen Erkenntnißart  und  des  Unterschiedes  zwischen  sinnlicher 
und  intellectueller  Anschauung  bringt  sie  Erklärungen  über 
Empfindung,  Anschauung  und  Erscheinung,  die  wiederum  in  der 
vorigen  Nachschrift  nicht  zu  finden  sind,  und  die  im  Ganzen 
richtig  an  die  Hand  geben,  wie  die  Empfindung  einerseits  blos 
auf  das  Subject,  andererseits  zugleich  auf  das  Object  zu  beziehen 
sei:  „Das  Vermögen  des  Gemüths,  dadurch,  daß  letzteres  von 
„den  Gegenständen  afficirt  wird,  eine  Vorstellung  erhalten  zu 
„können,  ist  die  Sinnlichkeit.  Entsteht  nun  vom  Gegenstande 
„eine  Wirkung  auf  diese  receptivität  (d.  i.  das  bemerkte  Ver- 
„mögen   der    Sinnlichkeit),    so    entsteht    die    Empfindung    vom 


506       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

„Gegenstande,  und  bewirkt  diese  eine  Beziehung  auf  den  Gegen- 
stand, oder  Vorstellung,  so  entsteht  die  Anschauung  des  Gegen- 
standes, der  nun  ohne  weitere  nähere  Bestimmung  Erscheinung 
„heißt."  Hiernach  ist  die  Empfindung  immer  nur  als  Wirkung 
des  Gegenstandes  auf  die  Sinnlichkeit  durch  Affection  derselben 
vorhanden  und  zunächst  als  bloße  Modification  im  Gemüths- 
zustande  des  Subjects  auch  nur  dem  Subject  zugehörig  und  nur 
auf  das  Subject  zu  beziehen.  Aber  die  Empfindung  kann  eine 
Beziehung  auf  den  Gegenstand,  eine  objective  Vorstellung  be- 
wirken, nämlich  —  darf  man  hinzusetzen  —  durch  ihren  Inhalt, 
ihre  Tonlosigkeit,  ihre  Complication  mit  anderen  Empfindungen, 
z.  B.  die  Gesichtsempfindung  durch  Complication  mit  Tast-  und 
Muskelempfindungen.  Dann  entsteht  die  Anschauung  des  Gegen- 
standes, aber  nicht  ohne  Verschmelzung  der  Empfindung  mit 
der  reinen  Raumvorstellung  der  Sinnlichkeit  und  nicht  ohne 
intellectuelle  Function.  Damit  wird  die  Empfindung  auf  ein 
Empfundenes,  ein  Gegenständliches,  allenfalls  einen  Gegenstand 
bezogen,  „der  nun  ohne  weitere  nähere  Bestimmung",  d.  h.  ohne 
Bestimmung  durch  die  Kategorien,  mithin  als  „unbestimmter 
Gegenstand"  solcher  Anschauung,  wie  schon  aus  dem  Eingange 
der  transscendentalen  Aesthetik  bekannt  ist,  „Erscheinung  heißt". 

ß)  Begriff  eines  ewigen  Nicht«. 

In  dem  von  „Ursache  und  Wirkung"  handelnden  Abschnitte 
der  Ontologie  bei  Pölitz  liest  man  auf  S.  69: 

„Ob  etwas  an  sich  zufällig  ist,  kann  man  a  priori  aus 
„bloßen  Begriffen  nicht  erkennen;  denn  ich  kann  mir  alles  weg- 
„denken;  das  Gegentheil  von  allen  Dingen  ist  möglich,  denkbar 
„(so  zu  sagen:  ein  ewiges  Nichts);  es  widerspricht  sich  in 
„meinem  Begriffe  darin  nichts/4 

Aber  hier  läßt  die  Einschaltung:  „so  zu  sagen,  ein  ewiges 
Nichts  ist  denkbar",  Einspruch  zu.  Denn  niemand  kann  ein 
ewiges  Nichts  denken,  weder  schlechthin,  noch  einigermaßen. 
Schon  in  der  „Nova  dilucidatio"  hat  Kant  im  Beweise  zur 
Prop.  VII  diese  Unmöglichkeit  berührt  (ß.  I,  14.  —  H.  I,  376.) 


Von  Emil  Arnoldt.  607 

und  sie  im  „Einzig  möglichen  Beweisgrund"  u.  s.  w.  in  der 
zweiten  Betrachtang  der  ersten  Abtheilung  (K.  I,  178 — 183.  — 
H.  II,  121 — 125.)  so  hinlänglich  dargethan,  daß  er  noch  in 
seinen  —  ebenfalls  von  Pölitz  herausgegebenen,  vielleicht 
aus  dem  Wintersemester  1785/86  herrührenden  —  Vorlesungen 
über  die  philosophische  Religionslehre  jene  Abhandlung  als  in 
diesem  Puncte  beweiskräftig  anzog.*)  Aber  jene  fehlgreifende 
Einschaltung  in  der  Ontologie  ist  selbst  in  der  Pölitz'schen 
Ausgabe  der  metaphysischen  Vorlesungen  durch  eine  Auseinander- 
setzung in  der  rationalen  Theologie  widerlegt,  wonach  man  sich 
nicht  denken  könne,  daß  gar  nichts  existire.  „Denn  wenn  gar 
„nichts  existirte;  so  wäre  auch  gar  nichts  gegeben,  und  dann 
„könnte  auch  nichts  genannt  werden,  daß  es  nicht  existiren  soll. 
„Folglich  könnte  auch  nichts  gedacht  werden"  (S.  277.).  Oder 
eben  so  gut,  dünkt  mich,  ließe  sich  erklären:  wenn  ein  ewiges 
Nichts  soll  gedacht  werden,  so  wäre  das  Nichts  als  ein  Etwas 
zu  denken,  und  dazu  als  ein  reales  Etwas,  das  eben  nicht  Nichts 
ist.  Selbstverständlich  schließt  diese  Erklärung  nicht  aus,  daß 
ich  logisch  alles  aufheben  kann,  ohne  daß  ein  Widerspruch 
entsteht,  wie  auch  eben  dort  gesagt  wird:  „wenn  ich  alles  setze, 
und  das  Gegentheil  davon,  wenn  ich  alles  wegnehme;  so  bleibt 
nichts  übrig,  was  sich  widersprechen  sollte"  (S.  280.).  Denn, 
setze  ich  hinzu,  in  Gedanken  kann  ich  von  allem  abstrahiren, 
und  indem  ich  dann  nichts  übrig  behalte,  denke  ich  nichts  in 
abstracto,  d.  h.  ein  Nichts,  welches  nur  als  Aufhebung  eines 
Concreten  nichts  ist,  folglich  an  dem  Concreten  ist,  das  immer 
mit  und  bei  ihm  ist;  aber  ich  kann  kein  —  so  zu  sagen  — 
concretes  Nichts  denken,  kein  Nichts  an  und  für  sich,  kein 
„ewiges  Nichts". 

y)    Der  Begriff  der  Welt  ein  reiner  Verstandesbegriff. 
Ich    erwähne  dieser  ungenauen  Bezeichnung  nur  als  eines 
Beispiels  dafür,   daß  in  Kant's  mündlichem  Vortrage  bei  durch- 

*)  I.  Kants  Vorlesungen  über  die  philosophische  Religionslehre  Leipzig. 
1817.  Bei  Carl  Friedrich  Franz.  s.  S.  67.  —  2.  Aufl.  mit  Nennung  des 
Hausgebers,  Leipzig,  1830.    Verlag  der  Taubert'schen  Buchhandlung.  8. 8. 72. 


608       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

weg  präcisen  Begriffserörterungen  nicht  selten  Ausdrücke  da- 
zwischen liefen,  welche  als  ungenaue  durch  eben  jene  Erörterungen 
selbst  documentirt  wurden.  So  wird  zu  Anfang  der  Kosmologie 
bei  Pölitz  der  „Begriff  der  Weltu  durchweg  richtig  als  einer 
von  den  Grenzbegriffen  explicirt.  Aber  daselbst  heißt  es 
mittendrin:  „Dieser  Begriff  ist  ein  reiner  Verstandesbegriff" 
(S.  81).  Als  solcher  jedoch  darf  er  nicht  bezeichnet  werden. 
Denn  er  ist  ein  Vernunftbegriff,  eine  Idee,  und  als  Vernunft- 
begriff, als  Idee  wird  er  in  eben  jener  Explication  dargestellt. 
Auch  zwei  andere  mit  dem  Begriff  der  "Welt  zusammen- 
hängende Angaben  in  der  rationalen  Theologie  bei  Pölitz:  „Ich 
kann  mir  durch  die  Sinne  die  Dinge  dieser  Welt  vorstellen4* 
(S.  270),  „die  Welt  ist  der  Gegenstand  der  Sinnlichkeit"  (S.  32«) 
sind  zwar  da,  wo  es  auf  nähere  Bestimmung  des  Weltbegriffs 
nicht  ankommt,  einigermaßen  zulässig,  aber  immer  der  Miß- 
deutung ausgesetzt,  daß  die  Dinge,  deren  Inbegriff  die  Welt 
ausmacht,  dem  Menschen  durch  die  Sinne  ohne  jede  Function 
des  Denkens  gegeben  seien,  was  keineswegs  der  Fall  ist. 

c)  Vorlegung   von  Erörterungen  über  die  Substanzen  der  Welt 
aus   Kant's    metaphysischen    Collegien    und   Beurtheilung   jener 

Erörterungen. 

Bei  den  vorzulegenden  und  zu  beurtheilenden  Erörterungen 
handelt  es  sich  zunächst  um  die  substantia  phaenomenon  und 
substantia  noumenon,  sodann  um  die  Welt  als  Ganzes  von  Sub- 
stanzen. Weiter  kommt  in  Betracht  die  Seele  als  immaterielle 
und  einfache  Substanz,  endlich  Gott  sowohl  selbst  als  Substanz 
wie  als  Schöpfer  und  Erhalter  der  von  ihm  abhängigen  Substanz 
oder  Substanzen.  Diese  Erörterungen  sind  von  einander  äußer- 
lich leicht  zu  sondern,  schon  als  kosmologische,  als  psychologische, 
als  theologische,  aber  innerlich  nicht  recht  zu  scheiden.  Des- 
wegen ist  öfters  die  spätere  Erörterung  auf  die  frühere  zurück, 
und  die  frühere  auf  die  spätere  voraus  zu  beziehen,  und  die 
Beurtheilung  derselben  kann  sich  eines  solchen  Zurück-  und 
Vorausgreifens  auch  nicht  entschlagen.    Diese  wird  hauptsachlich 


Von  Emil  Arnoldt.  509 

die  Vereinbarkeit  oder  Unvereinbarkeit  jener  Expositionen  mit 
dem  strengen  Kriticismus  erwägen,  dagegen,  abgesehen  von 
Hinweisen  auf  die  wahrscheinliche  Mißdeutung  derselben  durch 
Kant's  Zuhörer,  nicht  besonders  darthun,  daß  sie  die  oben  ge- 
lieferten Angaben  über  die  Eigenthümlichkeiten  und  Mängel 
von  Kant's  mündlichem  Vortrage  bestätigen.  Dies  wird  sich 
meines  Erachtens  eben  so  ohne  ausführlichen  Nachweis  ergeben, 
als  die  von  *  mir  oben  erwähnte,  größere  oder  geringere  Ueber- 
einstimmung  metaphysischer  Ansichten  Kant's  aus  späterer  Zeit 
mit  manchen  in  der  Pölitz'schen  Ausgabe  vorkommenden,  welche 
B.  Erdmann  für  eine  frühere  Zeit  allein  und  als  characteristisch 
für  diese  in  Anspruch  genommen  hat. 

«)  Die  substantia  pbaenomenon  und  die  substantia  noumenon. 

In  der  Kosmologie  bei  Pölitz  8.  99  und  100  heißt  es: 
„Wir  wissen  von  den  Dingen  nichts  weiter,  als  nur  die 
„Art,  wie  wir  von  ihnen  afficirt  werden;  aber  nicht, 
„was  in  den  Dingen  ist.  —  Derjenige,  der  sich  vorstellt, 
„daß  die  Körper  keine  Realitäten  haben,  sondern  nur  Er- 
scheinungen sind,  daß  es  keine  wahren  Gegenstände  der  Sinne 
„gebe,  bei  welchen  wirkliche  Wesen  zum  Grunde  liegen,  der  also 
„bloß  Geister,  und  keine  dem  Körper  zum  Grunde  liegende  Sub- 
stanzen annimmt,  der  ist  ein  Idealist." 

Dagegen  ist  zu  fragen:  Sind  denn  die  Körper  nicht  „nur 
Erscheinungen"  ?  und  haben  sie  nicht  eben  deswegen  Realitäten 
und  Realität,  weil  sie  nur  Erscheinungen  sind,  die  durch  die 
Kategorien  gedacht  werden?  und  werden  sie  nicht  durch  solches 
Denken  eben  wahre  Gegenstände  der  Sinne?  bei  denen,  so  fern 
sie  bloße  sinnliche  Erscheinungen  sind,  allerdings  ein  Unbekanntes 
mag  zu  Grunde  liegen,  aber  ein  Unbekanntes,  das  wir  nimmer- 
mehr ein  Wirkliches  nennen  dürfen,  weil  alles  Wirkliche,  von 
dem  wir  wissen,  die  uns  bekannten  Gegenstände  der  Erfahrung, 
d.  h.  die  zu  Phänomenen  umgedachten  Erscheinungen  sind;  — 
und  welche  Substanzen  sind  gemeint,  die  man  als  dem  Körper 
zu  Grunde  liegend  anzunehmen  hat,  um  den  dogmatischen 
Idealismus  zu  vermeiden? 


510       Zar  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

Selbstverständlich  nicht  physische  Substanzen,  nicht  phy- 
sische Elemente,  die  „wir  in  den  Körpern  finden",  und  „die 
wir  nur  per  analogiam  Substanzen",  nur  „vergleichungsweise 
Elemente"  nennen  (Poel.  S.  104  u.  105)!  Auch  nicht  die  sub- 
stantia  phaenomenon,  das  leblose,  ausgedehnte,  anziehende  und 
zurückstoßende  Bewegliche  im  Baume,  —  der  auf  Veranlassung 
eines  unbekannten  Factors  im  Denken  und  Anschauen  erzeugte 
Inbegriff  von  lauter  Relationen!  Diese  „Materie  im  physischen 
Verstände"  als  „das  Substratum  der  ausgedehnten  Gegenstände, 
die  Möglichkeit  der  Körper"  (Poel.  S.  76)  setzt  die  Ontologie 
einmal  ganz  richtig  als  „die  Substanz14  an,  als  phänomenale 
Substanz,  wie  der  Zusammenhang  zeigt  (Poel.  S.  60  u.  61),  während 
die  Kosmologie  ausdrücklich  erklärt:  „Materie  ist  auch  keine  Sub- 
stanz, sondern  nur  ein  Phänomenon  der  Substanz"  (Poel.  S.  104), 
und  damit  zu  der  physischen  oder  phänomenalen  Substanz  eine 
metaphysische  oder  an  sich  seiende  Substanz  hinzudenkt.  Aber 
was  ist  diese  an  sich  seiende  Substanz?  Wohl  jene  „Materie 
aller  Dinge",  von  der  die  rationale  Theologie  den  göttlichen 
Verstand  als  Princip  angiebt  (Poel.  S.  308),  jene  Substanz,  von 
der  auch  die  Krit.  d.  r.  V.  und  die  Krit.  d.  prakt.  V.  gelegent- 
lich Notiz  nehmen,  indem  die  erstere  dagegen  Verwahrung  ein- 
legt, daß  der  Satz  der  Alten:  gigni  de  nihil o  nihil  Dinge  an 
sich  selbst  angehe  und  „der  Abhängigkeit  der  Welt  von  einer 
obersten  Ursache  (auch  sogar  ihrer  Substanz  nach)"  entgegen- 
stehe (R.  II,  159.  —  H.  III,  172),  die  letztere  aber  betont,  daß 
der  Satz:  „Gott,  als  allgemeines  Urwesen,  sey  die  Ursache 
auch  der  Existenz  der  Substanz",  niemals  dürfe  aufgegeben 
werden,  ohne  den  Begriff  von  Gott  als  Wesen  aller  Wesen  und 
hiermit  seine  Allgenugsamkeit  zugleich  mit  aufzugeben  (ft.  VIEL, 
232  —  H.  V,  105). 

Es  sind  wohl  jene  „Substanzen",  welche  nach  der  Kos- 
mologie „kein  Wesen,  als  der  Schöpfer  allein  wahrnehmen*) 
kann"    (Poel.   S.  97),   jenes    „Substantiale",    das   wir,    nach  der 


*)  Bei  Pölitz  Druckfehler:    „vernehmen". 


Von  Emil  Arnoldt.  6ll 

Ontologie,  „nicht  kennen,  nicht  einsehen  können,  weil  wir  gar 
zu  kurzsichtig  sind,  und  weil  der  Verstand  nur  durch  Begriffe 
denken  kann,  und  Begriffe  nichts  weiter  sind  als  Prädicatea 
(Poel.  S.  55).  Also  ist  hier  „das  transscendentale  Object"  ge- 
meint, „welches  der  Grund  dieser  Erscheinung  seyn  mag, 
die  wir  Materie  nennen",  „ein  bloßes  Etwas,  wovon  wir  nicht 
einmal  verstehen  würden,  was  es  sey,  wenn  es  uns  auch 
Jemand  sagen  könnte4'  (R.  II,  227.  —  H.  III,  235.).  Denn 
„es  ist  weder  Materie,  noch  ein  denkend  Wesen  an  sich  selbst, 
sondern  ein  uns  unbekannter  Grund  der  Erscheinungen,  die 
den  empirischen  Begriff  von  der  ersten  sowohl  als  zweiten 
Art  an  die  Hand  geben"  (R.  II,  303.  —  H.  III,  604.). 
Es  ist  „dasjenige,  was  nicht  Erscheinung  ist,  aber  doch  zum 
obersten  Erklärungsgrunde  der  Erscheinungen  dienen  kann" 
(R.  III,  127.  —  H.  IV,  100.),  vor  allem  zur  Erklärung  der  That- 
sache,  daß  wir  überhaupt  Erscheinungen  haben,  weiterhin  aber 
auch  z.  B.  zur  Erklärung,  weshalb  wir  gemäß  den  Analogien 
der  Erfahrung  gewisse  Erscheinungen  zu  der  einen  Substanz 
und  andere  Erscheinungen  zu  einer  zweiten,  und  wieder  andere 
zu  einer  dritten  Substanz  u.  s.  w.  als  verschiedenen  Phäno- 
menen der  Natur  zusammenzuschließen  gehalten  sind.  Nun  ist 
das  Substantiale  d.  h.  „das  Subject,  welches  existirt,  nach  Ab- 
sonderung aller  Accidentia",  wie  die  Ontologie  lehrt,  „das 
Etwas  überhaupt"  (S.  55.).  Daher  darf  das  transscendentale 
Object  oder  Subject  allenfalls  auch  als  Substantiale  bezeichnet 
werden.  Das  thut  gelegentlich  und  an  passender  Stelle  auch 
die  Krit.  d.  r.  V.  (R.  II,  329.  —  H.  III,  297.).  Wenn  Kant 
aber  in  seinem  Vortrage  der  Kosmologie  das  Substantiale,  das 
transscendentale  Object,  das  Intelligible  als  Substrat  der  Materie, 
d.  h.  die  uns  unerkennbare  substantia  noumenon  mit  der  sub- 
stantia  phaenomenon,  der  einzigen,  die  wir  erkennen  können, 
d.  h.  der  Materie,  und  mit  den  Substanzen,  den  Körpern  der 
Natur  in  Eins  nahm,  ohne  die  phänomenalen  Substanzen  von 
den  noumenalen,  die  substantia  phaenomenon  von  der  substantia 
noumenon   abzugrenzen,    und    den   Körpern   Substanzen    „zum 


512       Zur  Beurtbeilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

Grunde"  legte,  ohne  näher  anzugeben,  welcherlei  Art  von  Sub- 
stanzen er  meinte,  so  mußte  diese  Ungenauigkeit,  meine  ich,  in 
seinen  Zuhörern  fast  unausbleiblich  die  beiden  Mißverständnisse 
erzeugen,  daß  die  Dinge  an  sich  nicht  blos  als  Substanzen 
müßten  gedacht  und  als  solche  dürften  bezeichnet,  sondern  auch 
als  Substanzen  könnten  gewußt  werden  —  welches  letztere  dem 
Wesen  menschlichen  Wissens  geradezu  widerspricht  — ,  und 
ferner,  daß  die  Körper  halb  Erscheinungen,  halb  Dinge  an  sich, 
daß  in  den  Körpern  Dinge  an  sich  enthalten  seien. 

Gleich  ungenau  unterscheiden  zwischen  der  substantia  phae- 
nomenon  und  noumenon  auch  die  von  Pölitz  herausgegebenen  Vor- 
lesungen Kant's  über  die  philosophische  Religionslehre,  welche 
vielleicht  im  Wintersemester  1786/86  gehalten  worden. 

Hier  wird  mit  Rücksicht  auf  die  Weltschöpfung  ausgeführt: 
„In  der  Welt  selbst  entstehen  und  vergehen  nur  die  Formen 
der  Dinge;  die  Substanzen  selbst  sind  permanent".  In  dem 
Apfel  bleibt  ein  und  dieselbe  „Materie",  als  in  den  Säften,  die 
der  Baum  aus  Luft,  Erde,  Wasser  u.  s.  w.  an  sich  zog,  aber  in 
anderer  Zusammensetzung,  anderer  Form.  Bei  Wegschaffhng 
des  Phlogistons  aus  dem  Eisen  zerfällt  es  in  Staub.  „Aber 
doch  bleibt  die  Substanz  des  Eisens  ungestört."  Die  veränder- 
liche, mithin  zufällige  Form  muß  einen  Urheber  haben,  der  sie 
zuerst  einrichtete.  Aber  auch  „die  Substanzen  in  der  Welt,  ob 
wir  gleich  keine  Veränderungen  an  ihnen  wahrnehmen",  sind 
ebenfalls  zufallig,  wie  aus  ihrem  wechselseitigen  Commercium 
als  Theile  eines  Weltganzen  erbellt.  Der  Widerspruch,  „daß  die 
Substanzen  ewig  und  nothwendig",  wie  die  Alten  annahmen, 
und  dennoch  in  einem  influxus  mutuus  seien,  —  die  Ungereimt- 
heit, „daß  also  das  Weltganze  aus  vielen  nothwendigen  Dingen 
bestehen  sollte",  brachte  zuletzt  die  menschliche  Vernunft  auf 
die  Spur  der  Schöpfung  aus  nichts.  „Nunmehr  sah  man  die 
Materie  selbst  als  ein  Produkt  des  göttlichen  freien  Willens  an." 
„Die  Materie  von  Gott  unabhängig"  wurde  „wie  ein  koordinirtes 
Princip"  gedacht.  Haben  hingegen  „auch  die  Substanzen  ihren 
Ursprung    von    Gott    erhalten",    „so    ist    die  Materie  Gott    sub- 


Von  Emil  Arnoldt.  5J3 

ordinirt,  und  alle  ihre  Gesetze  haben  zuletzt  in  ihm  selbst  ihren 
Ursprung.  Diese  Schöpfung  aus  Nichts  scheinet  aber  dem  meta- 
physischen Satze  zu  widersprechen:  Ex  nihilo  nihil  fit.  Allein 
dieses  kann  nur  vom  Höchsten  in  der  Welt  selbst  wahr  seyn. 
Hier  kann  man  mit  Recht  sagen,  daß  keine  Substanz,  die  nicht 
auch  schon  vorher  da  war,  entstehe.  Und  das  will  auch  der 
obige  Satz  nur  sagen." 

Freilich  „macht  die  Frage:  wie  eine  Substanz  von  der 
andern"  [d.  h.  wie  die  "Welt-Substanzen  von  Gott],  „es  sey 
durch  Emanation  oder  durch  Freiheit  hervorgebracht,  und  doch 
eine  für  sich  selbst  subsistirende  Substanz  seyn  könne,  viele 
Schwierigkeiten,  die  zum  Theil  wohl  gar  unauflöslich  bleiben 
dürften".  „In  Gott  läßt  sich  nur  ein  einziger  unendlicher  Akt 
denken,  eine  einzige  fortdauernde  Kraft,  die  in  einem  Augen- 
blicke" —  wobei  aber  nicht  an  eine  Begebenheit  in  der  Zeit 
darf  gedacht  werden  —  „eine  ganze  Welt  schuf,  und  sie  in 
Ewigkeit  erhält.  In  diesem  Weltganzen  wurden  durch  sie  viele 
Naturkräfte  gleichsam  ausgegossen,  die,  nach  allgemeinen  Ge- 
setzen, dasselbe  nach  und  nach  ausbildeten."  Also  geht  die 
Creation  blos  auf  die  Substanzen.  Nur  von  diesen  Substanzen 
gilt  es,  daß  die  Weltschöpfung  mit  einem  Male  geschehen  sei, 
und  ,, diese  Substanzen  bleiben  nun  auch  immer  beharrlich,  und 
ihre  Anzahl  wird  weder  vermehrt,  noch  vermindert".  (1.  Aufl. 
S.  163—168;  2.  Aufl.  S.  178—183.). 

Dieser  Ausführung  gegenüber  erhebt  sich  die  Frage:  Was 
hat  denn  nun  Gott  geschaffen?  Und  darauf  ist  —  aber  nicht 
auf  Grund  jener  Ausführung  —  zu  antworten:  Weder  die  Dinge 
der  Welt,  noch  die  Materie,  das  Bewegliche  im  Räume,  die 
Substanz  in  ihm,  und  eben  so  wenig  die  Theile  derselben, 
welche  wiederum  Substanzen  heißen,  wenn  sie  für  sich  beweglich 
und  also  auch  außer  der  Verbindung  mit  anderen  Nebentheilen 
etwas  im  Baum  Existirendes  sind.  Denn  diese  Substanzen  und 
die  Materie  und  die  Dinge  der  Welt  sind  durch  und  durch 
Phänomene  und  Erscheinungen.  Gott  aber  ist  kein  Schöpfer 
von  Erscheinungen   (ß.  VIII,  234.    —    H.  V,  107.).     Er    schafft 

Altpr.  KonatMohrift  Bd.  XXIX  Hit.  7  iL  &  33 


514       Zur  Beurtheilung  von  Kaut's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

also  nur  Intelligibles,  sowohl  das  Intelligible,  das  der  Materie 
als  dem  Gegenstande  des  äußeren,  wie  das  Intelligible,  das  der 
Seele  als  dem  Gegenstande  des  inneren  Sinnes  zu  Grunde  liegt, 
nur  Noumena,  von  denen  wir  gar  nichts,  sondern  deren  Phä- 
nomene wir  blos  erkennen.  Diese  Phänomene  sind  die  einzigen 
Gegenstände,  an  denen  die  Kategorie  der  Substanz  für  uns  eine 
mehr  als  logische  Bedeutung  gewinnt,  während  sie,  auf  Ueber- 
sinnliches  angewendet,  nichts  weiter  als  ein  Etwas  bedeutet,  das 
als  Subject,  ohne  Prädicat  von  anderem  zu  sein,  kann  gedacht 
werden,  aber  gar  nicht  bedeutet,  daß  einem  solchen  Etwas  die 
sinnliche  Bestimmung  der  Beharrlichkeit  zukomme  (ß.  II,  129.  — 
H.  III,  146.).  Wenn  nun  Kant  aber  schlechtweg  von  perma- 
nenten Substanzen,  von  der  Materie  als  einem  Product  des 
göttlichen  Willens,  von  Substanzen,  die  ihren  Ursprung  durch 
Gott  erhalten  hätten,  und  von  einer  Schöpfung  aus  Nichts  redete  — 
wodurch  sollten  seine  Zuhörer  die  Information  gewinnen,  daß 
er  den  Begriff:  Substanz  bald  im  Sinne  der  schematisirten,  bald 
im  Sinne  der  reinen  Kategorie,  und  den  Begriff:  Schöpfung 
aus  Nichts  gar  nicht  auf  die  Substanzen  der  Sinnenwelt  wolle 
angewendet  wissen? 

Gewiß  dadurch  nicht,  daß  er,  weiterhin  über  die  Welt- 
erhaltung sich  auslassend,  erklärte:  „Gott  erhält  das  Substantiale, 
das  Innere  der  Substanzen  selbst;  —  —  und  ohne  daß  dieses 
Innere  und  wesentliche  Substantiale  der  Dinge  in  der  Welt 
selbst  von  Gott  unaufhörlich  actuirt  würde,  müßten  die  Dinge 
aufhören  zu  seyn"  (ibid.  S.  185 ;  2  Aufl.  S.  202 ).  Vielmehr  leistete 
diese  Aeußerung  dem  Irrthum  Vorschub,  daß  das  Substantiale 
als  das  Innere  der  Substanzen,  der  Dinge  —  welches  Innere 
bekanntlich  „eine  bloße  Grille"  ist  (ß.  II,  226.  —  H.  III,  235.)  — 
in  den  Substanzen,  in  den  Dingen  unserer  Welt  enthalten  sei.  Aber 
das  Substantiale  d.  h.  ein  Etwas  überhaupt  als  An-sich  der  Dinge, 
das  als  transscendentales  Object  oder  Subject,  als  Noumenon  ist 
weder  in,  noch  an,  noch  unter,  noch  über  den  Dingen. 
Sondern  ein  und  derselbe  Gegenstand  ist  ganz  und  gar  und 
durch   und  durch  Ding  an  sich  und  Erscheinung,  Noumen  und 


Von  Emil  Arnoldt.  515 

Phänomen  zugleich.  Jedoch  läßt  er  sich  als  Ding  an  sich  durch 
keinen  bestimmten  Begriff,  sondern  nur  durch  reine  Kategorien 
vorstellen,  die  als  solche  blos  logische  Denkeinheiten  sind.  Denn 
jedes  Merkmal,  jedes  Prädicat,  durch  das  man  den  unbestimmten 
Begriff  des  Gegenstandes  als  Dinges  an  sich  bestimmen  möchte, 
bestimmt  ihn  als  den  eines  Phänomens,  so  daß  von  dem  Gegen- 
stände als  Noumen  nur  eine  Vorstellung  übrig  bleibt,  „aus  der 
ich  nichts  machen  kann",  weil  sie  eine  bloße  logische  Form  ohne 
Inhalt  ist  (E.  H,  129.  235.  —  H.  LEI,  146.  242.). 

Im  Vergleich  mit  den  eben  erwogenen  Expositionen  bringt 
von  den  Begriffen,  die  dort  mangelhaft  behandelt  sind,  eine 
klarere,  hier  und  dort  bündigere,  aber  dem  Wesen  derselben 
immer  nicht  adäquate  Erörterung  die  Nachschrift  von  Kant's 
metaphysischen  Vorlesungen  aus  dem  Wintersemester  1794/95. 

In  der  Ontologie  bei  Behandlung  der  Kategorie  der  Substanz 
findet  sich  in  jener  Nachschrift  die  Erklärung:  „Die  Substanz 
„mit  Hinweglaßung  aller  inhaerirenden  accidenzien  (d.  i.  die 
„Bestimmung  derselben)  gedacht,  heißt  substantiale.  Es  ist 
„dieser  Ueberrest  ein  bloßer  Begriff,  der  keine  Bestimmung  hat. 
,Es  ist  ein  Etwas,  so  blos  gedacht,  oder  vorstellbar  ist,  denn 
„erkennen  läßt  sich  das  substantiale  nicht.  Man  kann  nichts 
„erkennen,  wenn  man  nicht  vom  Objecto  praedicate  hat,  woran 
„man  etwas  erkennt,  indem  alle  Erkenntnisse  nur  durch  Urtheüe 
„geschehen.  Bier  bleibt  aber  nur  das  subject  absque  praedicato 
„übrig,  mithin  kein  Verhältniß  zwischen  Beyden.  Es  bleibt 
„also  nur  eine  Vorstellung  von  einem  Etwas  übrig,  von  dem 
„man  aber  nicht  erkennt,  was  es  ist."  Als  Beispiel  dazu  wird 
dann  nach  flüchtigem  Hinweis  auf  den  Begriff  des  Körpers  an- 
geführt: „So  sind  das  Denken,  Wollen,  Gefühl  der  Lust  und 
„Unlust  praedicate  der  menschlichen  Seele.  Läßt  man  diese 
„weg,  und  denkt  sich  die  Seele  ohne  diese  inhaerentia,  so  bleibt 
„ein  Etwas  übrig,  von  dem  man  keinen  Begriff  hat,  ein  Gedanke 
„ohne  denkende  Subjecte,  und  dies  ist  das  substantiale.  Man 
„nennt  es  auch  das  substratum  aller  accidenzien.  Hieran  Objecto 
„zu    erkennen   ist   dem    menschlichen  Verstände,    wie    gedacht, 

83* 


5 16       Zur  Beurtheilnng  von  Kaut's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

„unmöglich,  und  man  führt  eine  unnütze  Klage  über  seine  Ein- 
„geschränktheit,  vermöge  deßen"  [in  Folge  deren]  ,,der  Verstand 
„nur  durch  die  Wirkungen,  nicht  aber  die  Objecto  an  sich  und 
„in  ihrer  Substanz  erkennen  könne.  Es  liegt  in  der  Qualität 
„des  Verstandes- Vermögens,  daß  wir  nur  durch  praedicate,  die 
„aber  hier  w eggelaßen  werden,  erkennen  können,  und  also  ist 
„alle  ErkenntniB  ohne  Verbindung  der  accidentien  mit  der  Substanz 
„unmöglich." 

Diese  Erklärung  stimmt  mit  jener  in  der  Ontologie  bei 
Pölitz  auf  S.  55  dem  Sinne  nach  durchaus  überein  und  hat  vor 
ihr  keinen  Vorzug,  außer  daß  sie  hier  durch  das  Beispiel  von 
der  Seele  erläutert  ist.  Hiernach  dürfte  nun  kaum  eine  rationale 
Psychologie,  gewiß  aber  in  ihr  keine  Erkenntniß  von  der  Seele 
als  einer  immateriellen  Substanz  möglich  scheinen.  Trotzdem 
wird  in  der  rationalen  Psychologie,  ähnlich  wie  bei  Pölitz,  diese 
Erkenntniß  zu  begründen  gesucht,  wie  sich  zeigen  wird. 

Nach  Berichtigung  eines  Irrthums  der  Wolf  sehen  Schule 
hinsichtlich  des  Begriffs  der  Kraft  folgt  dann  weiter:  „phaeno- 
„mena  substantiata ,  ein  Ausdruck  des  Leibnitz  (ad  autorem 
„P.  193)*),  heißt  überhaupt  nichts  mehr,  als  die  Substanz  als 
„phaenomen  betrachtet,  oder  Realität  als  Bestimmung  im  Baum 
„und  in  der  Zeit.  Alle  Substanzen  werden  von  uns  erkannt, 
„und  betrachtet,  als  sie  sich  in  Baum  und  Zeit  bestimmen  laßen; 
„wir  können  ihre  praedicate  nicht  an  sich  erkennen,  sondern 
„nur  in  so  fern,  als  sie  im  Verhältniß  mit  der  Form  unserer 
„Sinnlichkeit  stehen.  Daher  lassen  sich  substantiae  noumenon 
„nicht  erkennen,  weil  dem  Begriff  der  correspondirende  Gegen- 
stand in  der  Anschauung  fehlt.  Daher,  da  die  substantialia 
„an  sich  nicht  existiren,  so  können  wir  die  Substanzen  nicht 
„an  ihnen  selbst,  sondern  nur  durch  ihre  inhaerirende  aeeidenzien 
„erkennen;    z.  E.   durch  die  Vorstellung  von  Ich  läßt  sich  vom 


*)  Metaphysica  Alex.  Gottl.  Baumgarten.  Edit.  VII,  Halae.  1779. 
§  193:  „Accidentia,  si  videntur  per  se  subsistentia ,  sunt  Phaenomena 
Substantiata".    (Anmerk.  „das  vor  sich  zu  beatehn  acheinende"). 


Von  Emil  Arnoldt.  517 

„subject,  ohne  ihm  ein  praedicat  beizulegen,  nichts  erkennen. 
„Es  dient  nur  als  eine  Bezeichnung  der  Vorstellung  über  ein 
„Wesen,  so  sich  selbst  zum  Object  macht.  Durch  Beobachtung 
„meiner  selbst  erkenne  ich  mich  nur,  wenn  ich  meine  Aufmerksam- 
keit auf  den  innern  Sinn  richte,  als  welcher  sich  eben  so,  als 
„der  äußere  Sinn,  als  phaenomenon  vorstellig  machen  läßt.  Wenn 
„man  daher  die  Substanzen  nach  ihren  Bestimmungen  im  Baum 
„und  in  der  Zeit  erkennt,  und  hält  diese  Bestimmungen  für  die 
„Sache  selbst,  so  vermischt  man  bey  diesem  Schein  den  Begriff 
„der  Substanzen  mit  dem:  phaenomenis  substantiatis". 

Diese  Bestimmung  der  phaenomena  substantiata  enthält 
sowohl  die  ausdrückliche  Forderung,  daß,  als  auch  die  einiger- 
maßen deutliche  Anweisung,  wie  die  Substanzen  als  noumena 
und  als  phaenomena  zu  unterscheiden  seien.  Sie  können  als 
noumena  nur  gedacht,  aber  nicht  erkannt  werden,  weil  der 
Begriff  derselben  als  noumena  ohne  correspondirenden  Gegenstand 
in  der  Anschauung,  mithin  ohne  objective  Realität  bleibt.  Als 
solche  sind  sie  bloße  substantialia,  entia  rationis  oder  leere  Be- 
griffe ohne  Gegenstand,  mithin  für  uns  ein  Etwas  überhaupt, 
das  an  sich  Nichts  ist.  Denn  substantialia  existiren  an  sich 
nicht,  weil  keine  Substanz  ohne  Accidenzen,  ohne  Prädicate 
sein  kann.  Daher  müssen  außer  den  Substantialien  noch  Prädi- 
cate, Accidenzen  angenommen  werden,  die  den  an  sich  seienden 
Substanzen  inhäriren,  wenn  überhaupt  Substanzen  als  noumena 
sollen  gedacht  werden.  Aber  mit  den  an  sich  seienden  Substanzen 
sind  selbstverständlich  auch  ihre  an  sich  seienden  Prädicate, 
„ihre  Prädicate  an  sich"  für  uns  unerkennbar. 

Erkennbar  werden  nur  ihre  Erscheinungen,  die  in  unserer 
Sinnlichkeit  entstehen,  wenn  zu  ihr  jene  Substanzen  und  deren 
Prädicate  in  Verhältnis  treten.  Diese  Erscheinungen  sind  phae- 
nomena substantiata  oder  Substanzen  als  Phänomene,  wenn  sie 
mittelst  der  Kategorien:  Realität  und  Substanz] alität  in  Raum 
und  Zeit  bestimmt  worden,  und  die  in  Raum  und  Zeit  prä- 
senten Substanzen  als  Phänomene  sind  uns  Repräsentanten  ihrer 
Noumeue  oder  ihres  Noumenens,  —  Repräsentanten  des  Noumenon. 


518      Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

So  bleiben  die  Begriffe:  substantia  noumenon  und  substantia 
phaenomenon  oder  phaenomenon  substantiatum  unvermischt,  ob 
sie  gleich,  wie  ihre  Unterscheidung  implicite  andeutet,  einer 
und  derselben  Substanz  gelten,  die  sie  aus  verschiedenen  G-esichts- 
puncten  vorstellen.  Aus  dem  Oesichtspuncte  des  Phänomens 
erscheint  sie  in  durchleuchteter,  deutlicher  Anschauung.  Aus 
dem  Oesichtspunct  des  Noumens  ist  sie  in  Dunkel  gehüllt,  und 
so  sehr,  daß  sie  als  leerer  Begriff  ohne  Gegenstand  für  unsere 
Erkenntniß  Nichts  ist.  Aber  dieses  Nichts  der  Erkenntniß  muß 
an  und  für  sich  als  ein  Etwas  gedacht  werden,  doch  nicht  als 
Abstractum,  sondern,  unter  vorausgesetzter  Anschauung,  als  die 
concreteste  Fülle,  von  der  wir  indeß  nicht  nur  nichts  wissen, 
sondern  auch  dann"  keine" Ahnung  hätten,  wenn  jemand  uns 
sagen  könnte,  was  sie  sei. 

Dies  ist  jetzt  aus  Kant's  obiger  Aeußerung  herauszulesen. 
Ward  es  herausgehört,  als  er  sie  that?  Schwerlich.  Auch  wußten 
seine  Zuhörer  wahrscheinlich  nicht,  daß  er  hier  wie  in  anderen 
Theilen  seines  metaphysischen  Collegs  vom  Wintersem.  1794/95 
—  übrigens  selbst  in  seinen  diesem  Colleg  nicht  weit  voranliegen- 
den und  ihm  folgenden  Druckschriften,  z.  B.  der  Metaphysik 
der  Sitten  —  mit  dem  Begriff:  noumenon  freier  schaltete,  als 
es  nach  der  Krit.  d.  r.  V.  zulässig  war.  Und  „die  Vorstellung 
von  Ich",  als  Beispiel  angeführt,  sollte  zum  Beispiel  dienen 
wofür?  Daß  eine  Substanz  ohne  Prädicate  nicht  erkennbar  sei?  — 
Also  das  Ich  Substanz,  zwar  nicht  anschaubare  Substanz,  wie 
nach  der  Psychologie  bei  PoeL  S.  133,  doch  immerhin  Substanz, 
wie  dort!  —  Freilich  wird  gesagt:  „es  dient  nur  als  eine  Be- 
zeichnung der  Vorstellung  über  ein  Wesen,  so  sich  selbst  zum 
Object  macht".  Dann  ist  dies  Wesen  wohl  Substanz,  oder, 
ohne  Prädicate  gedacht,  ein  Substantiale.  Aber  ist  das  Ich,  das 
die  Vorstellung  von  dem  Substantiale  bezeichnet,  unterschieden 
von  dem  Ich,  das  nach  Poel.  S.  133  „das  Substantiale  aus- 
drückt"? —  Und  was  mögen  Kant's  Zuhörer  dabei  gedacht 
haben,  daß  „sich  der  innere  Sinn,  wie  der  äußere,  als  phaeno- 
menon vorstellig  machen  läßt"? 


Von  Emü  Arnoldt.  519 

Rechte  Klarheit  über  die  substantia  phaenomenon  bringt 
in  der  Nachschrift  von  1794/95  auch  nicht  die  Begründung  des 
Satzes,  daß  bei  allen  Veränderungen  eines  Dinges  die  Substanz 
beharrlich  sei  und  weder  entstehe,  noch  vergehe.  Zwar  wird 
dabei  eingeschärft:  „Das  Beharrliche  der  Dinge  in  der  Natur" 
müsse  „nicht  als  etwas  an  sich  selbst  beharrlich  subsistirendes 
reales  des  Dinges  angesehen  werden/4  „das  Beharrliche  in  den 
Dingen  oder  das  Substantiale"  beruhe  „nur  auf  der  Form  der 
Dinge,  unter  welcher  sie  gedacht  werden".  Hieraus  scheint  mit 
Sicherheit  zu  entnehmen :  beharrlich  ist  nur  die  substantia  phae- 
nomenon. Aber  es  wird  fortgefahren:  „Hieraus  folgt  nun,  daß 
„in  allen  Bestimmungen  aller  in  der  Zeit  gegebenen  Dinge  etwas 
„Beharrliches  sey:  dies  kann  aber  a  priori  nicht  angesehen  [sie] 
„werden,  als  gelte  es  von  Dingen  an  sich  selbst,  sondern  nur 
„das  sieht  man  a  priori  ein,  daß  die  Möglichkeit,  von  Dingen 
„eine  Erfahrung  zu  machen,  —  —  —  auf  die  Bedingung  ein- 
„geschränkt  sey,  daß  die  Substanz  selbst  Beharrlichkeit  habe". 
Diese  Fortsetzung  macht  zweifelhaft,  was  vorher  sicher  schien. 
Die  Substanz  selbst  soll  Beharrlichkeit  haben.  Welche  Sub- 
stanz? Doch  nicht  die  substantia  noumenon?  Denn  auf  diese 
findet  der  Begriff  der  Beharrlichkeit  keine  Anwendung.  Aber 
warum  dann  nicht  einfach  sagen :  die  Möglichkeit  der  Erfahrung 
ist  auf  die  Bedingung  eingeschränkt,  daß  die  Substanz  in  der 
Erscheinung  Beharrlichkeit  habe?  Ohne  diese  einfache  Aus- 
sage lag  das  Mißverständniß  nahe,  daß  die  Beharrlichkeit  der 
substantia  noumenon  allerdings  nicht  a  priori  direct  könne  er- 
wiesen, aber  zum  Behuf  der  Möglichkeit  der  Erfahrung  a  priori 
müsse  angenommen  werden.  Die  Sorglosigkeit  in  der  Verhütung 
dieses  Mißverständnisses  ist  um  so  auffalliger,  als  die  Krit.  d.  r.  V. 
äußerste  Sorge  getragen  hat,  darzulegen:  bei  dem  Grundsatz 
der  Beharrlichkeit  wie  dem  der  Erzeugung  und  dem  der  Gemein- 
schaft kommt  nur  die  substantia  phaenomenon  in  Betracht  (ß.  II, 
168.  173.  174.  178.  179.  180.  185.  186.  190.  318.  —  H.  m, 
170.  184  (zweimal).  189  (zweimal).  190.  194  195.  201.  616.); 
das,  was  in  der  Erscheinung  Substanz  heißt,    ist  ein  bloßes  be- 


520      Zur  Benrtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

harriiches  Bild  der  Sinnlichkeit  (R.  II,  413  u.  414.  —  EL  IE, 
367);  nnd  das  einzige  Beharrliche,  das  als  Anschauung  wir  dem 
Begriffe  einer  Substanz  unterlegen  können,  ist  die  Materie 
(R.  H,  775.  —  H.  HI,  199.). 

ß)  Die  Welt  ein  Ganzeö  von  Substanzen;  das  Commercium  der  Substanzen 
im  Baume  und  außer  dem  Baume;   der  Raum  das  Ph&nomenon  der  gött- 
lichen Allgegenwart. 

Mit  der  Kosmologie  der  von  Pölitz  herausgegebenen  Meta- 
physik im  Wesentlichen  übereinstimmend  lehrt  über  die  Welt 
die  Kosmologie  vom  Winter  1794/95:  Die  Welt  erfordert  1.  so- 
wohl ein  Materiale,  d.  i.  einen  complexum  substantiarum,  als 
auch  ein  Formale,  d.  i.  einen  nexum  substantiarum  [vgl.  Poel. 
S.  81.].  Eine  bloße  multitudo  macht  nicht  eine  wirkliche  Welt 
aus  [vgl.  Poel.  83.].  Nun  entsteht  die  Hauptfrage:  Ist  die  Welt 
nur  als  ein  mundus  unicus  denkbar  oder  sind  mehrere  mundi 
denkbar?  Im  mundus  noumenon  als  totum  ideale  ist  „ein  mehreres 
Ganze"  denkbar,  wovon  jedes  ein  totum  plane  diversum  wäre. 
Da  aber  die  Welt  „ein  Aggregat  von  vielen  unter  sich  ver- 
knüpften Substanzen,  d.  i.  ein  reales  Ganze  ist,  sobald  man  es 
in  Verhältnis  auf  die  Sinne  in  Baum  und  Zeit  betrachtet,  so 
kann  es  der  Welten,  als  mundus  phaenomenon,  wegen  der  Ein- 
heit des  unbegrenzten  Baumes  nur  Eine  Welt  geben."  „Der 
Form  nach  ist  also  die  Welt  ein  totum  substantiale  quod  non 
est  pars  alterius"  [vgl.  Poel.  82.].  Dann  fragt  es  sich:  Wäre 
statt  der  gegenwärtigen  Welt  eine  andere  möglich,  d.  i.  ein 
anderes  absolute  totum,  worin  die  Substanzen  ganz  anders  ver- 
knüpft worden,  also  ein  totum  plane  diversum?  Dies  muß,  so 
fern  man  sich  durch  den  Verstand  einen  mundus  noumenon 
als  möglich  denkt,  allerdings  bejaht,  von  einem  mundus  phae- 
nomenon aber,  wenn  man  die  Dinge  in  der  Welt  oder  die  Welt 
selbst  als  ein  ens  contingens  annimmt,  schlechthin  verneint 
werden.  Denn  als  contingens  muß  die  Welt  eine  causa  simpli- 
citer  talis  haben,  und  beim  Vorhandensein  einer  einigen  obersten 
Ursache  „läßt  sich  actu  eine  andere  Welt  als  die  gegenwärtige 
nicht  als  möglich  annehmen".     [Auch  bei  Pölitz  S.  83  u.  84  — 


Von  Emil  Arnoldt.  521 

in  dem  ersten  Abschnitt  der  Kosmologie,  welcher  von  dem  „Be- 
griff der  "Welt"  handelt  —  ist  die  erste  der  beiden  obigen  Fragen 
von  der  zweiten  ausdrücklich  unterschieden,  aber  schon  die  erste, 
ohne  Unterscheidung  eines  mundus  noumenon  und  mundus  phae- 
nomenon,  auf  Grund  der  Notwendigkeit .  einer  gemeinschaft- 
lichen und  obersten  Ursache  für  alle  in  der  Welt  existirenden 
Substanzen  verneint,  die  zweite  dagegen  nicht  weiter  berührt, 
vielleicht  weil  sie  mit  der  Beantwortung  der  ersten  als  eben- 
falls erledigt  betrachtet  ward].  „Denkt  man  sich  nun  die  Welt 
„als  Noumenon,  so  ist  sie  nichts  weiter  als  ein  absolutes  Ganze 
„von  Substanzen;  aber  man  ist  auch  weiter  nicht  a  priori  zu 
„bestimmen  im  Stande,  was  es  für  Eigenschaften  oder  Deter- 
„minationen  habe.  Denkt  man  sich  aber  die  Welt  als  Phäno- 
„menon,  mithin  die  Dinge  in  Kaum  und  Zeit  als  ihren  reellen 
„Verhältnissen,  worin  sie  gegen  einander  stehen  müßen,  so  laßen 
„sich  folgende  vier  Principien  festsetzen,  unter  welchen  man 
„sich  die  Bestimmungen  der  Welt  denken  muß":  In  mundo  non 
„datur  1.  abyssus,  2.  saltus,  3.  casus  (blindes  Ungefähr), 
,4.  fatum  (blinde  Notwendigkeit). 

Ueber  diese  vier  Principien  habe  ich  im  Vorbeigehen  zu 
bemerken:  Die  drei  letzten  derselben  finden  sich  in  der  Baum- 
garten'schen  Metaphysik  §§  382—387,  bei  Pölitz  S.  88—98,  sind 
aber  in  dem  früheren  Colleg  Kant's  großentheils  anders  behandelt 
worden,  als  in  dem  späteren  vom  Winter  1794/95.  In  der  Krit. 
d.  r.  V.  sind  sie  bei  Darlegung  der  Postulate  des  empirischen 
Denkens  neben  dem  Grundsatze:  In  mundo  non  datur  hiatus, 
berücksichtigt  worden  (E.  II,  190  u.  191.  —  H.  HI,  201  u.  202.), 
an  dessen  Stelle  in  der  Kosmologie  das  Princip:  In  mundo  non 
datur  abyssus  trat. 

An  die  Besprechung  jener  vier  Principien  hat  Kant  in  dem 
Colleg  vom  Winter  1794/96  die  in  einigen  Beziehungen  eigen- 
tümliche Behandlung  der  bei  Pölitz  nur  andeutungsweise  zum 
Vorschein  kommenden  vier  Antinomien  geknüpft,  aus  der  ich 
zwei  Stellen  ausziehe,  welche  die  Substanzen  der  Welt  betreffen. 
Die   minder   wichtige  steht  in  der  Widerlegung  der  Antithesis 


522       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

der  zweiten  Antinomie,  wo  der  Vorhaltung,  die  dem  Gegner 
des  Einfachen  gemacht  wird,  daß  nämlich  nach  Abstraction  von 
aller  Zusammensetzung  als  bloßer  Verbindungsform  der  zur  Materie 
vereinigten  Substanzen  doch  das  Substantiale,  d.  i.  das  innerliche 
Beharrliche  derselben  übrig  bleibe  und  als  einfach  zu  denken 
sei,  der  Zusatz  folgt: 

„Dies  war  auch  die  Meinung  des  Wolf  und  Leibnitz.  Man 
„sieht  wohl,  daß  diese  Idee,  durch  den  bloßen  Verstand  gedacht, 
„an  sich  als  richtig  gelten  kann,  und  [daß]  insofern  sich  denken 
„läßt:  compositum  substantiale  consistit  ex  simplicibus.  Als 
„Phänomen  aber  ist  hier  eine  ausgedehnte  Substanz,  ein  Be- 
harrliches im  Baum,  das  sich,  ohne  Theile  und  ohne  Zertheilang 
„ins  Unendliche  nicht  gedenken  läßt.  Die  Monaden  können 
„aber  im  "Raum  keine  Theile  vom  Körper  ausmachen,  sondern 
„maßen  blos  Punkte  seyn,  weil  sie  sonst  Theile  eines  Baumes 
„seyn  würden." 

Dieser  Stelle  entspricht  bei  Pölitz  S.  102  in  dem  Abschnitt 
der  Kosmologie,  welcher  „von  den  Theilen  des  Universums" 
handelt,  eine  die  Leibniz'sche  Monadologie  betreffende  Aus- 
einandersetzung, von  welcher  ich  nur  den  Schluß  anführe:  „Dem- 
„nach  sagt  also  Leibnitz:  Alle  Substanzen  sind  Monaden  oder 
„einfache  Theile,  die  vim  repraesentativam  haben  und  unter 
„allen  Phänomenis  erscheinen.  Allein  eben  ist  schon  gesagt: 
„Alle  Erscheinung  ist  continuirlich,  und  kein  Theü  der  Er- 
scheinung ist  einfach;  also  bestehen  Körper  nicht  aus  einfachen 
„Theilen  oder  Monaden.  Die  Composita  substantialia  bestehen 
„aber  aus  einfachen  Theilen,  wenn  sie  durch  den  Verstand  ge- 
„dacht  werden".  Damit  ist  wieder  aus  der  Ontologie  bei  Pölitz 
in  dem  Abschnitt:  „Vom  Einfachen  und  Zusammengesetzten'* 
die  Stelle  zu  vergleichen,  wo  es  heißt:  „Ich  kann  mir  in  jedem 
Comp,  subst.  einfache  Theile  denken"  (S.  60. J,  und  aus  der  Krit. 
d.  r.  V.  in  der  „Anmerkung  zur  Amphibolie  der  Reflexions- 
begriffe"  die  Ausführung,  daß  die  Leibniz'sche  Monadologie  auf 
einer  Vergleichung  der  Gegenstände  der  Sinne  als  Dinge  über- 
haupt  blos    im  Verstände,    auf   Vorstellung   derselben   blos  im 


Von  Emil  Arnoldt.  523 

Verhältnis  auf  den  Verstand  beruhte,  wo  denn  „dieses  alles 
auch  seine  Richtigkeit  haben  würde",  wenn  „nicht  etwas  mehr, 
als  der  Begriff  von  einem  Dinge  überhaupt,  zu  den  Bedingungen 
gehörte,  unter  denen  allein  uns  Gegenstände  der  äußeren  An- 
schauung gegeben  werden  können"  (B.  II,  224  u.  225.  231.  — 
s.  auch  I,  479.  —  H.  m,  233  u.  234.  238.  —   s.  auch  VI,  66.). 

An  allen  diesen  Stellen  hat  also  Eant  in  gleicher  Weise 
ausgesprochen,  daß  Dinge  überhaupt,  d.  h.  Dinge  durch  den 
bloßen  Verstand  mit  Abstraction  von  ihrer  Anschauung  gedacht 
oder  an  sich  selbst  durch  die  Vernunft  erwogen,  wenn  auch 
nicht  als  Monaden,  d.  h.  zugleich  mit  Vorstellungskraft  begabt, 
doch  als  einfache  Substanzen  müssen  gedacht  werden. 

Beachtenswerther  ist  in  der  Nachschrift  von  1794/95  die 
Stelle,  an  welcher  bei  Behandlung  der  vierten  Antinomie  das 
Commercium  der  Substanzen  d.  i,  die  „Form  der  Welt"  in 
Betracht  gezogen  wird:  „Die  Substanzen  in  der  Welt  müßen 
„auf  einander  einen  wechselseitigen  Einfluß  haben,  d.  i.  in  nexu 
„reali  stehen,  als  welcher  nur  durch  Wechselwirkung  auf  ein- 
ander statt  finden  kann.  Dieser  nexus  realis  per  commercium 
„würde  unter  den  Dingen  nicht  möglich  anzunehmen  seyn, 
„wenn  man  sie  sich  durch  den  Verstand  an  sich  selbst  existirend 
„denkt.  Die  Substanzen  würden  jede  für  sich  ohne  alles  Ver- 
„hältniß  und  Verbindung  unter  einander  existiren.  Daher  läßt 
,.stch  ein  Totum  reale  von  nothwendigen  Substanzen  gar  nicht 
„denken.  Denn  alsdann  ist  keine  von  der  andern  in  Ansehung 
„ihres  Daseyns  abhängig,  jede  existirt  für  sich,  weil  jede  ihren 
„nothwendigen  hinreichenden  Grund  ihrer  Existenz  in  sich  selbst 
„hat:  viele  nothwendige  Substanzen  hätten  also  unter  sich  keine 
„Verbindung,  jede  kann  für  sich  nur  Welt  und  die  Grund- 
„ursache  einer  Welt  seyn,  aber  mit  einer  andern  Welt  und  den 
„Dingen  in  derselben  könnten  sie  nicht  in  der  geringsten  Ver- 
bindung stehen  z.  E.  viele  Götter.  Alle  dergleichen  Substanzen 
„wären  also  unbedingt  und  durch  sich  selbst  bestimmt,  aber 
„jede  isolirt  durch  ihre  absolute  Nothwendigkeit.  Da  sich  also 
„hiernach,  geradezu,    und  ohne  ihrer  Nothwendigkeit  hinderlich 


524       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

„zu  seyn,  ihre  Verknüpfung  unter  einander  nicht  annehmen  läßt, 
„so  kann  man,  um  diese  sich  zu  denken,  nicht  anders,  als  ihr 
„Daseyn  von  einer  allgemeinen  gemeinschaftlichen  Urquelle  ab- 
leiten, welche  die  allgemeine  Kraft  zu  der  allgemeinen  Wirkung 
„aller  Dinge  ist.  Hiedurch  aber  werden  letztere  von  ihr  ab- 
hängig, und  an  sich  zufällig,  sie  werden  durch  diese  allgemeine 
„Ursache  unter  einander  verbunden,  und  entsteht  daher  eine 
„wechselseitige  Verknüpfung  und  Gemeinschaft  durch  die  ge- 
meinschaftliche Ursache  unter  einander,  da  eine  Handlung  eines 
„einigen  Wesens  nöthig  war,  um  sie  alle  zu  produciren,  und 
„in  der  Art  entsteht  der  nexus  realis. 

„Newton  nennt  den  ßaum  das  organon  der  göttlichen 
„Allgegenwart.  Diese  idee  ist  aber  unrichtig,  da  der  Baum 
„an  sich  nichts  ist,  und  als  etwas  an  sich  selbst  wirklich 
„existirendes  durch  die  Verknüpfung  der  Dinge  nicht  gedacht 
„werden  kann.  Dagegen,  wenn  man  den  Kaum  als  Symbolum 
„sich  denkt,  d.  i.  an  die  Stelle  aller  Verhältniße  und  Wechsel- 
wirkung selbst,  so  denkt  man  sich  darunter  den  Inbegriff  aller 
„Phaenomena,  und  zwar  als  compraesentia,  d.  i.  als  einander 
„gegenwärtig,  und  wechselseitig  auf  einander  wirkend,  und  das 
„Wesen,  so  sie  enthält,  als  Symbol". 

Die  Nachschrift  aus  dem  Wintersemester  1793/94  enthält 
in  der  Kosmologie  durchweg  dieselben  Bestimmungen,  als  die 
Nachschrift  aus  dem  Wintersemester  1794/95,  nur  in  kürzerer 
Fassung,  doch  hier  und  dort  auch  Angaben  und  einzelne  Aus- 
führungen, die  ihr  allein  eigenthümlich  sind. 

So  heißt  es  gleich  bei  der  Erörterung  des  Begrifls  der 
Welt:  „Welt  ist  Totum  substantiarum  quod  non  est  pars  alterius. 
„Eine  Monas  war  ein  Theil,  das  kein  Ganzes  ist.  Welt  ist  ein 
„Ganzes,  das  nicht  als  Theil  von  einem  andern  kann  gedacht 
„werden.  Es  ist  ein  Totum  absolutum  substantiarum,  ein  Ganzes 
„schlechthin,  ein  unbedingtes  Ganzes,  d.  h.  das'  in  keiner  Be- 
ziehung wieder  ein  Theil  eines  andern  seyn  kann.  —  Das 
„Materiale  einer  Welt  sind  Substanzen.  Der  Autor  spricht  nach- 
„her  von  einem  mundo  egoistico,    d.    i.   wo    der  Mensch  denkt, 


i 


Von  ßmü  Arnoldt.  5^5 

„er  sey  die  einzige  Substanz  (das  einzige  existirende  Wesen). 
„Aber  ein  solcher  leugnet  die  Welt,  denn  Welt  ist  nicht  eine 
„Substanz,  sondern  ein  Ganzes  von  Substanzen.  —  Das  Formale 
„in  der  Welt  ist  der  nexus  realis  der  Substanzen  die  die  Welt 
„ausmachen.  Daher  werden  wir  sagen:  Welt  ist  ein  reales 
„Ganze  von  Substanzen  und  nicht  blos  eine  Vielheit  von  Sub- 
„stanzen,  die  nicht  in  nexu  reali  sind  d.  h.  nicht  wechselseitig 
„auf  einander  einfließen,  denn  Substanzen,  die  nicht  in  nexu 
„reali  sind,  können  keine  Welt  ausmachen.  Diese  Einheit  vieler 
„Substanzen  in  nexu  reali  (als  reales  Ganzes)  macht  die  Welt 
„aus.  —  Wenn  ich  auch  von  vielen  Substanzen  mir  in  meinem 
„Kopfe  einen  ganzen  Begriff  mache,  so  ist  deshalb  noch  nicht 
„in  den  Dingen  selbst  eine  reale  Verbindung,  oder  die  Dinge 
„selbst  machen  deshalb  noch  nicht  ein  Ganzes  aus.  —  Das 
„absolute  Ganze  der  in  realer  Verbindung  stehenden  Substanzen 
„(die  Totalität)  gehört  ferner  zum  Begriffe  der  Welt.  Aber  das 
„absolute  Ganze,  das  kein  Theil  von  einem  anderen  ist,  wird 
„eben  die  größte  Schwierigkeit  machen;  denn  der  größte  Baum 
„ist  immer  noch  ein  Theil  von  einem  noch  größeren.  Die  ab- 
solute Totalität  kann  nicht  als  gegeben  gedacht  werden, 
„obgleich  sie  gedacht  werden  kann". 

Diese  Erörterung  des  Begriffs  der  Welt  vom  Winter  1793/94 
ist  conciser,  als  die  vom  Winter  1794/95.  Auch  weist  sie  — 
von  einzelnen  Differenzen  abgesehen  —  eine  größere  Ueberein- 
stimmung,  als  die  andere,  und  eine  weit  größere  Uebereinstimmung, 
als  die  bei  Pölitz  S.  81—83  mit  jener  Erörterung  auf,  welche 
im  §  2  der  Dissertation  vom  Jahre  1770  enthalten  ist. 

Nach  Bemängelung  der  Definition  des  Autors:  „mundus 
est  series  (multitudo)  actualium  finitorum",  weil  ein  Ganzes 
von  Substanzen  jederzeit  ein  Ganzes  von  endlichen  Substanzen, 
mithin  die  Bestimmung:  „finitorum"  überflüssig  sei,  werden  die 
beiden  Fragen:  „Ist  nur  Eine  Welt?  und  keine  neben  ihr  oder 
keine  statt  ihr  [sie]?"  in  dieser  Nachschrift  vom  Winter  1793/94 
folgendermaßen  beantwortet:  „Letztere  Frage  ist  jetzt  gar  nicht 


526      Zur  ßeurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

„zu  beantworten,  weil  sie  die  feinste  Specolation  erfordert.  Sie 
„kommt  in  der  Theologia  rationalis  noch  einmal  vor.  Das 
„Gegentheil  ist  wohl  von  keiner  Würklichkeit  möglich;  wenn 
„ich  alle  Connexionen  in  der  Welt  einsehen  könnte,  würde  ich 
„wohl  einsehen,  daß  keine  andere  Welt  statt  dieser  seyn  könnte.  — 
„Kann  eine  andere  Welt  noch  neben  dieser  seyn?  Hier  muß 
„man  wieder  Phänomena  und  Noumena  unterscheiden.  Mundus 
„phaenomenon  kann  nur  als  eine  einzige  gedacht  werden;  denn 
„sie  kann  nicht  anders  als  im  Baum  existiren,  und  nun  giebts 
„nur  einen  Baum  und  eine  Zeit.  Alle  Dinge,  die  im  Baum 
„sind,  sind  in  respetu  der  action  in  nexu  reali,  daher  kann  nur 
„eine  Welt  im  Baum  seyn;  denn  alle  Substanzen  zusammen 
„machen  erst  eine  Welt  aus.  —  Es  giebt  keine  zwey  All  des 
„Baums.  Die  Welt,  durch  einen  reinen  Vernunftbegriff  gedacht, 
„wo  Baum  und  Zeit  nicht  einfließen,  kann  vielfach  seyn.  Als 
„Noumenon  kann  ich  mir  mehrere  Welten  denken.  Hat  die 
„Welt  eine  Ursache,  so  steht  sie  mit  dieser  (mit  Gott)  in  nexu, 
„nicht  aber  in  nexu  der  aggregation  (composition),  sondern  der 
„Dependenz.  Jede  Substanz  kann  existiren,  ohne  in  aggregation 
„mit  andern  zu  seyn,  daher  kann  eine  Welt  von  Substanzen, 
„als  Noumenon  gedacht,  neben  einer  anderen,  oder  vielmehr 
„als  völlig  isolirt  existiren,  ohne  Bücksicht,  ob  noch  eine  andere 
„Welt  da  ist.  Jede  Welt  existirt  subsistendo  und  nicht  inhae- 
„rendo.  —  Substanzen  werden  durch  ihre  Notwendigkeit  so 
„isolirt,  daß  sie  nicht  allein  mit  anderen  nicht  in  Verbindung 
„stehen,  sondern  durchaus  nicht  von  anderer  Daseyn  abhängen 
„können.  Ein  Ganzes  von  schlechthin  nothwendigen  Substanzen 
„ist  also  ein  Unding;  aber  eine  Menge  von  Substanzen,  die  in 
„keiner  Verbindung  stehen,  läßt  sich  wohl  denken;  daher  werde 
„ich  mir  zwey  absolute  Ganze  von  Substanzen  denken  (als 
„Noumena),  die  auf  einander  gar  nicht  einen  Einfluß  haben, 
„obgleich  ich  sie  mir  in  Gedanken  zusammen  denken  kann. 
„Auch  die  Urheber  zweyer  solchen  Welten  wurden  weder  auf 
„einander,  noch  einer  auf  des  andern  Welt  den  mindesten 
„Einfluß  haben;  denn  jeder  dieser  Urheber  ist  ein  absolut  noth- 


Von  Emil  Arnoldt.  52? 

„wendiges  Wesen,  das  also  mit  den  andern  nicht  in  der  geringsten 
„Verbindung  stehen  kann". 

Hiernach  werden  die  Antinomien  und  zwar  ohne  Erwähnung 
der  Leibniz'schen  Monadalogie  bei  der  zweiten  Antinomie, 
ferner  jene  „vier  kosmologische  Sätze,  welche  determiniren": 
1.  in  mundo  non  datur  abyssus  etc.,  und  unter  einem  besonderen 
Abschnitt  die  „Lex  continui"  behandelt.  Dann  folgt  unter  dem 
Titel:  „Von  der  Materie  der  Welt"  eine  Erörterung  der  Haupt- 
begriffe aus  den  §§  392 — 447  (incl.)  des  Baumgarten'schen  Lehr- 
buchs [bei  Pölitz  S.  98 — 109,  wo  auch  die  Titel  der  einzelnen 
Abtheilungen  mit  denen  des  Lehrbuchs  übereinkommen].  Dieser 
Erörterung  entnehme  ich  folgende  Bestimmungen:  „Monas  ist 
„eine  einfache  Substanz,  Monadatum  ist  ein  Ganzes  von  ein- 
fachen Substanzen.  Kann  man  die  Welt  als  monadatum  an- 
sehen? Da  die  Materie  den  Kaum  erfüllt  und  also  nicht  aus 
„einfachen  Theilen  besteht,  so  ist  die  materielle  Welt  kein 
„monadatum;  denn  da  der  Baum  immer  theilbar  ist,  so  ist  auch 
„alles  in  ihm  theilbar.  —  Element  ist  derjenige  Theil  eines 
„substantiellen  Ganzen,  der  selbst  wieder  keine  Theile  hat.  Dies 
„ist  eine  monas.  Die  Welt,  als  Noumenon  betrachtet,  besteht 
„allerdings  aus  einfachen  Theilen.  Die  Erscheinung  der  Welt 
„(die  Welt  als  phaenomenon)  ist  kein  monadatum.  Die  Welt 
„als  Noumenon  erkennen  wir  gar  nicht.  Die  Welt  als  mona- 
„datum  ist  die  intelligibile  Welt.  Die  Welt  nicht  als  monada- 
„tum  ist  die  sensibile.  Gränzen  der  Dinge  kann  man  nicht  als 
„Substanzen  (Monaden)  annehmen". 

Auch  citire  ich  den  gleich  hernach  gegen  §  414  des  Lehr- 
buchs erhobenen  Einwand:  „Der  Autor  nimmt  an,  alle  Substanzen 
„würcken  gegen  einander  und  cohäriren;  aber  so  müßten  die 
„Geister  die  Körper  bewohnen,  und  dann  müßten  Geister  in 
„der  Körperwelt  seyn.  —  Einfache  Substanzen  können  sich  auch 
„einander"  [sie]    „nicht  berühren,    d.    h.    Geister    können    nicht 

_       o     _ 

„Geister  berühren;  z.  E.  (  a  Y  b  \  a  und  b  als  einfache  Sub- 
„stanzen,  die  sich  berühren"  [sollen],  „sind  doch  außer  einander 


528      Zur  Beurtheilnng  von  Rant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

„und  von  dem  Berührungspunkt  c  unterschieden,  denn  zwischen 
„zwey  Puncten  ist  immer  ein  Kaum.  Die  Gemeinschaft  der 
„Qränzen  von  zwey  ausgedehnten  Wesen  ist  die  Berührung; 
„aber  einfache  Wesen  können  sich  nicht  berühren,  denn  sie 
„fallen  immer  in  einen  Punctu. 

Endlich  gebe  ich  aus  dem  vorletzten  Abschnitt  der  Kos- 
mologie: „Vom  Commercio  der  Substanzen"  eine  längere  Aus- 
einandersetzung wieder,  welche,  abgesehen  von  einzelnen,  auch 
hier  hervortretenden  Mängeln,  die  in  ihr  enthaltene  Ansicht 
über  diesen  Gegenstand  im  Allgemeinen  klarer  und  bestimmter 
zum  Ausdruck  bringt,  als  die  bei  Pölitz  auf  S.  109 — 116  „vom 
Commercio  der  Substanzen"  vorhandene,  und  welche  ihren  Haupt- 
gedanken nach  mit  der  oben  angeführten  Erörterung  über  den- 
selben Gegenstand  zusammentrifft,  die  in  der  vorhin  berück- 
sichtigten Nachschrift  aus  dem  Semester  1794/95  bei  Behand- 
lung der  vierten  Antinomie  vorkommt: 

„Der  Influxus  physicus  ist  a)  originarius,  d.  h.  durch  ihr 
„Dasein  sind  die  Substanzen  schon  in  commercio  ohne  einen 
„Grund  anzunehmen,  b)  derivativus  (rationalis)  fvgl.  Poel.  S.  111]. 
„Aller  influxus  physicus  setzt  ein  derivativum  voraus;  denn 
„dieser  ist  nur  der  wahre.  —  Es  versteht  sich  nicht  schon  von 
„selbst,  daß  Substanzen  in  commercio  sind;  denn  Substanzen 
„sind  gerade  das,  was  allein  für  sich  existirt,  ohne  von  einem 
„andern  abzuhängen.  Bei  dem  mundo  phaenomeno  (der  in 
„Baum  und  Zeit  ist)  ist  es  eben  der  Baum,  der  die  Substanzen 
„verbindet,  wodurch  sie  in  commercio  sind.  Aber  wie  sind  die 
„Substanzen  in  mundo  noumeno  in  commercio?  —  Die  Harmonie 
„der  Substanzen  soll  darin  bestehen,  daß  ihr  Zustand  auf  ein- 
.  „ander,  d.  i.  nach  allgemeinen  Gesetzen  übereinstimmt.  Die 
„Welt  wird  entweder  als  totum  ideale  betrachtet  und  hier  ist 
„dann  eine  harmonia  absque  commercio;  oder  die  Welt  ist 
„totum  reale  und  hier  ist  eine  harmonia  substantiarum  in  com- 
„mercio.  Dieses  letztere  Systema  heißt  das  System  influxus 
„physici.  Das  Systema  aber  harmonia  substantiarum  absque 
„commercio    ist    das  Systema    influxus   hyperphysici,    d.  i.  von 


i 


Von  Emil  Arnoldt.  529 

„einer   caussa   extramundana   schreibt  sich  die  Welt  her;    d.  h. 
„von  Gott. 

„Dies  letztere  kann  nun  seyn:  1.  Systema  adsistentiae 

„2.  Systema  harmoniae  praestabilitae.  Leibnitz  wollte  dadurch 
,nicht  das  commercium  der  Substanzen,  sondern  nur  das  com- 
mercium zwischen  Seele  und  Körper  erklären,  weil  dies  ein 
„Paar  so  heterogene  Substanzen  sind.  Ursache  und  Würkung 
„können  aber  realiter  verschieden  seyn ;  also  kann  ich  annehmen, 
„daß  etwas  von  etwas  ganz  ungleichartigem  z.  E.  Bewegung 
„des  Körpers  von  der  Vorstellung  der  Seele,  wie  Würkung  von 
„der  Ursache  von  einander  abhängen.  Dies  läßt  sich  aber  nicht 
„weiter  erklären,  sondern  wir  nehmen  solche  Sätze  an,  weil 
„durch  sie  die  Erfahrung  möglich  wird.  Das  systema  influxus 
„physici  hat  wieder  eine  zwiefache  Vorstellungsart,  sich  dasselbe 
„als  möglich  zu  denken:  1.  commercii  originarii,  wenn  Sub- 
stanzen dadurch,  daß  sie  existiren  in  commercio  sind;  2.  deri- 
„vativi,  wenn  noch  etwas  hinzukommen  muß,  um  dies  com- 
„mercium  zu  bewürken.  Das  commercium  originarium  ist  qualitas 
„occulta;  es  wird  zu  seinem  eigenen  Erklärungsgrund  an- 
genommen. Es  bleibt  also  nichts  als  das  systema  influxus 
„physici  und  zwar  in  commercio  derivativo  übrig,  wo  ich  an- 
„nehme,  daß  alle  Substanzen  durch  eine  Caussalität  existiren, 
„wodurch  sie  alle  in  commercio  sind  [vgl.  Poel.  S.  112.].  Diese 
„Idee  hat  etwas  erhabenes.  Wenn  ich  alle  Substanzen  als 
„absolut  nothwendig  annehme,  so  können  sie  nicht  in  der  ge- 
„ringsten  Gemeinschaft  stehen.  Nehme  ich  aber  die  Substanzen 
„an  als  existirend  in  Gemeinschaft,  so  nehme  ich  an,  daß  sie 
„alle  durch  eine  Caussalität  existieren,  denn  dadurch  läßt  sich 
„nur  ihre  Gemeinschaft  erklären.  —  Baum  selbst  ist  die  Form 
„der  göttlichen  Allgegenwart,  d.  h.  die  Allgegenwart  Gottes 
„ist  in  Form  eines  Phänomens  ausgedrückt,  und  durch  diese 
„Allgegenwart  Gottes  sind  alle  Substanzen  in  Harmonie  [vgl.  Poel. 
S.  113.].    Aber  hier  kann  unsere  Vernunft  nichts  weiter  einsehn.  — 

„Diejenigen,    welche    den  Baum    für    eine    Sache   an   sich 
„selbst   oder   für   eine    Beschaffenheit    der   Dinge    an    sich    an- 

AXipr.  Monatuohrift  Bd.  XXIX.  Hft  7  u.  8.  84 


&30       Zur  Beartheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

„nehmen,  werden  genöthigt,  Spinozisten  zu  seyn,  d.  i.  sie  nehmen 
„die  Welt  als  einen  Inbegriff  der  Bestimmungen  von  einer 
„einigen  notwendigen  Substanz,  also  nur  Eine  Substanz  an. 
„Raum  als  etwas  nothwendiges  wäre  alsdann  auch  eine  Eigen- 
schaft Gottes,  und  alle  Dinge  existiren  im  Raum  also  in  Gott." 

An  diesen  Stellen  aus  den  Collegienheften  der  Semester 
1794/95  und  1793/94  sind  der  mundus  phaenomenon  und  der 
mundus  noumenon  ausdrücklich  von  einander  unterschieden,  und 
eben  so  die  Substanzen,  so  fern  sie  zum  mundus  phaenomenon 
gehören,  und  so  fern  sie  als  dem  mundus  noumenon  zugehörig 
gedacht  werden.  Ein  solcher  Unterschied  soll  gemacht  werden. 
Darüber  konnten  Kant's  damalige  Zuhörer  nicht  im  Zweifel  bleiben. 
Die  klare  Aussprache  dieser  Forderung  giebt  dem  Vortrage  aus 
der  ersten  Hälfte  der  1790iger  Jahre  vor  dem  früheren,  den  Pölitz 
aufbehalten  hat,  einen  Vorzug.  Aber  der  Unterschied  selbst, 
der  klar  gefordert  war,  —  ist  er  an  den  oben  citirten  Stellen 
auch  klar  gegeben?  und  gegeben  einstimmig  mit  dem  reinen 
und  strengen  Kriticismus  ?  nicht  versetzt  mit  transscendenten 
Begriffen? 

Zur  Beantwortung  dieser  Fragen  bemerke  ich: 

1. 

Der  Unterschied  ist  nicht  klar  gegeben.  Denn  er  spricht 
nicht  aus,  daß  unsere  Gedanken  über  die  sogenannten  Noumena 
durchweg  leer  sind.  Allerdings  können  transscendentale  Subjecte 
oder  Objecto  bei  dem  Versuch,  sie  durch  reine  Kategorien  als  Dinge 
an  sich  zu  denken,  als  einfache  Substanzen  gedacht  werden,  d.  h. 
als  Etwas  überhaupt,  das  schlechthin  Subject  für  sich,  nicht  Prädicat 
von  anderem  ist,  mithin  irgend  wie  unabhängig  besteht,  zu  seinen 
Prädicaten  irgend  welche  uns  unbekannte  Realitäten  beschränkter 
Art  hat  und  in  der  Mannigfaltigkeit  derselben  vor  allem  als 
qualitative  Einheit  d.  h.  als  Princip  der  Einigung  sich  geltend 
macht,  neben  der  quantitativen  Einheit,  als  welche  jedes  der 
Etwas  Eins,  nicht  Viele  ist.  Aber  diese  Gedanken  sind  ohne 
Bedeutung.    Denn  sie  können  auf  keine  Weise  als  wahr  belegt 


Von  Emil  Arnoldt.  531 

werden.  Und  sie  sind  nicht  denknothwendig.  Denn  sie  ver- 
wickeln, wenn  sie  weiter  verfolgt  werden,  in  Antinomien,  wie 
es  alle  Vorstellungen  thuen,  welche  das  Uebersinnliche,  das  als 
Substrat  des  mündus  phaenomenon  muß  angenommen  werden,  in 
bestimmten  Begriffen  erfassen  wollen. 

2. 

Der  Unterschied  ist  nicht  einstimmig  mit  dem  reinen  Kri- 
ticismus.  Er  erklärt  die  Welt  als  Noumenon,  die  intelligible 
Welt  fär  ein  absolutes  Ganze  einfacher  Substanzen,  für  ein  Mo- 
nadatum, in  welchem  das  reale  Commercium  derselben  zufolge 
der  Dependenz  aller  von  Einer  gemeinschaftlichen  obersten 
Ursache  Statt  findet,  und  zwar  so,  daß  ihre  Wechselwirkungen 
innerhalb  der  intelligiblen  Welt  sich  in  den  örtlichen  Ver- 
hältnissen ibrer  Phänomene  innerhalb  der  sensiblen  des 
Baumes  symbolisch  darstellen.  Hier  ist  die  Eintheilung  der 
Gegenstände  in  Phänomena  und  Noumena  und  der  Welt  in 
eine  Sinnen-  und  Verstandeswelt  nicht  streng  in  blos  negativer 
Bedeutung  festgehalten,  wie  die  Krit.  d.  r.  V.  es  verlangt  (R.  II, 
211.  —  H.  DI,  221.).  Freilich  heißt  es  auch  in  jenen  Nach- 
schriften: „Die  Welt  als  Noumenon  erkennen  wir  gar  nicht". 
Aber  es  werden  so  mancherlei  Gedanken  über  die  Noumena  so  be- 
stimmt vorgetragen,  als  wären  sie  Dingen  an  sich  nothwendig  ad- 
äquat. Indeß  formen  sie  nur  die  intelligible  Welt  nach  dem  Bilde 
oder  Schema  der  sensiblen.  Das  Commercium  der  Substanzen 
innerhalb  der  intelligiblen  Welt  ist  der  Wechselwirkung  inner- 
halb der  sensiblen  ohne  zwingenden  Grund,  ohne  alle  Gewähr, 
also  willkürlich  conform  gesetzt.  —  „Die  Welt  als  Noumenon 
betrachtet"  —  hören  wir  —  „besteht  aus  einfachen  Theilen"! 
Dann  dürfte  wohl  auch  die  zweite  Antinomie  der  Krit.  d.  r.  V. 
nach  Art  der  dritten  und  vierten  aufgelöst  werden?  —  Und  die 
intelligible  Welt  soll  ein  Monadatum  sein!  Natürlich  forderte 
Kant,  daß  die  einfachen  Substanzen  des  intelligiblen  Mona- 
datums außer  dem  Baume  und  ohne  alle  Raum  Vorstellung,  aber 
in  Verhältnissen  zu  einander  gedacht  würden,  denen  zufolge  die 

B4* 


632       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

Phänomene   jener  Substanzen    innerhalb  der    sensiblen  Welt  — 
wie  er  schon    im  §.  16  und  in    der  Anmerkung    zum  §.  22  der 
Dissertation   vom    J.  1770    auseinandergesetzt  hatte  —  mittelst 
unserer  Baumes  -  Anschauung  in  bestimmten  Orten,  Lagen   und 
Gestalten  erblickt   würden.     Dann    aber  ist  die  Anwendung  des 
Begriffs:     Monadatum    auf     die    intelligible    Welt    irreführend. 
Denn  ein  Monadatum  ist  ein  zusammengesetztes,  mithin  ausge- 
dehntes Ganzes    unausgedehnter   Monaden.    —    Dazu   noch    der 
Versuch,    in  dem  Monadatum,    in    der  Welt  als  Noumenon,    der 
intelligiblen  Welt   das    für  sie   fragliche  Commercium    der  Sub- 
stanzen  durch  die  eben  so    fragliche  Dependenz    derselben    von 
Einer  obersten  gemeinschaftlichen  Ursache,  von  Gott,  wenn  nicht 
zu  erklären,    doch  plausibel  zu    machen!     Das  Commercium  soll 
als  wechselseitiger  Einfluß  gedacht  werden,    mithin    als  influxus 
physicus,    aber   als  der  berichtigte  („emendatior"),    d.  i.  als  ab- 
geleiteter    („derivativus")      Einfluß      wechselseitigen      Wirkens 
zwischen  den  Weltsubstanzen,    als    ursprünglicher  und  inniger 
Einfluß  einseitigen,    doch  allseitigen  göttlichen  Wirkens  in  den 
Weltsubstanzen,    so    daß  der   letzteren  Commercium   auf  ihrem 
Nexus  mit  einer  obersten  Ursache  beruht,    die  außer  dem  Com- 
mercium steht.     Diesen    berichtigten  Influxus    hatte   bereits  die 
Nova  Dilucidatio    vorgetragen    in    der   Propos.  XIII   und    dem, 
was  dazu  gehört,    aber    in  Bezug  auf  die  Weltsubstanzen  über- 
haupt, ohne  Unterscheidung  eines  mundus  sensibilis  und  intelli- 
gibilis,  auch  die  Dissertation  vom  Jahre  1770  in  den  §§.  17 — 20 
mit    dieser  Unterscheidung,    jedoch    ohne    ausdrückliche    Unter- 
scheidung des  derivativen  und  des  originären  Einflusses,  sodann 
ebenfalls  die  Kosmologie  in  der  Pölitz'schen  Ausgabe  der  Meta- 
physik S.  111  u.   112    und    beiläufig    die  Moraltheologie   in  der 
Pölitz'schen  Ausgabe  der  philosophischen  Beligionslehre,  S.  167. 
186.  (2.  Aufl.  S.  183.  202.),    beide  ohne  Eingehen  auf  die  erste, 
aber   mit    mehr   und    minder    ausführlichem   Eingehen   auf   die 
zweite    Unterscheidung.     Diese    Gedanken    also    erhielten    auch 
Ausdruck    in    Kant's    Colleg    Über    Metaphysik    während    der 
1790  iger    Jahre    —    trotz    der   Krit.    d.    r.    V.     Daß    sie   nach 


Von  Emil  Arnoldt.  533 

dieser  nicht  zulässig  sind,  liegt  auf  der  Hand.  Die  Krit. 
d.  r.  Y.  kennt  nur  ein  Commercium  der  Substanzen  als 
Phänomene  und  Substanzen  selbst  nur  als  Phänomene.  Substanz 
ist,  so  viel  man  davon  wissen  kann,  nur  ein  reiner  Begriff, 
eine  bloße  Denkform,  die  vielleicht  nichts  ihr  Entsprechendes 
hat  im  Nirgend  der  absoluten  Realität.  —  Wechselseitiger  Ein- 
fluß von  Substanzen  als  wirklich  gedacht  ist  Veränderung  ihrer 
Bestimmungen,  Veränderung  aber  nur  in  der  Zeit,  nicht  im  An- 
sich-seienden.  —  Die  Veränderung  der  Substanzen  als  Phäno- 
mene wird  durch  die  Annahme  eines  Einfließens  göttlicher  Kraft 
in  die  Substanzen  als  Noumene  nicht  von  ferne  ausdenkbar. 
„Denn  daß  'eine  Ursache  möglich  sei,  welche  den  Zustand  der 
„Dinge  verändere,  d.  i.  sie  zum  Gegentheil  eines  gewissen  ge- 
„gebenen  Zustandes  bestimme,  davon  giebt  uns  der  Verstand 
„a  priori  gar  keine  Eröffnung"  (E.  II,  148.  —  H.  III,  162.),  und 
„wie  es  nun  möglich  ist,  daß  aus  einem  gegebenen  Zustande 
„ein  ihm  entgegengesetzter  desselben  Dinges  folge,  kann  nicht 
„allein  keine  Vernunft  sich  ohne  Beispiel  begreiflich,  sondern 
„nicht  einmal  ohne  Anschauung  verständlich  machen11  (E.  II, 
779.  —  H.  HI,  207.).  —  Um  in  der  Kosmologie  den  Einfluß 
Gottes  auf  die  Substanzen  als  Noumena  anzunehmen,  müßte  die 
Metaphysik  erst  das  Dasein  Gottes  theoretisch  beweisen.  Aber 
die  Krit.  d.  r.  V.  beweist  die  Unmöglichkeit  eines  solchen  Be- 
weises und  nur  die  Notwendigkeit  des  Begriffs  von  Gott  als 
des  höchsten  Begriffs,  welcher  ein  blos  regulatives  Princip  dar- 
bietet zur  Systematisirung  unserer  Erkenntniß.  *) 


*)  Der  Versuch,  über  das  Commercium  der  Substanzen  als  Noumene 
Rechenschaft  zu  geben,  führt  in  seinem  weiteren  Fortgange  allerdings  noch 
lange  nicht  zu  Hegel's  theosophischen  BegrifFsmengereien ;  wohl  aber  kann 
er  philosophische  Constructionen  der  absoluten  Realität  aus  bloßen  Begriffen 
veranlassen,  wie  Herbart  eine  mit  musterhafter  Praecision  geliefert  hat, 
natürlich  ohne  sie  vor  der  Antithetik  hüten  zu  können,  deren  Keim  sie 
selbst  in  sich  trägt.  Ein  Zeugniß  für  die  Wahrheit  der  Kant'schen  Anti- 
nomienlehre liefern  die  einander  diametral  entgegengesetzten  Uf  theile,  welche 
über  das  Recht  von  deren  Thesen  und  Antithesen  Herbart  und  Schopen- 
hauer fallen,  jeder  von  beiden  in  Conseauenz  seiner  dogmatischen  Ansichten 


534      Zur  Beurtheilung  von  ELant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

Einnehmend,  aber  darum  noch  nicht  durchaus  anzunehmen 
scheint  mir  die  Ansicht,  daß  der  Baum  für  ein  Phänomenon 
der  göttlichen  Allgegenwart  und  die  räumlichen  Bestimmungen, 
so  fern  sie  in  unserer  Erfahrungserkenntniß  gegeben  sind,  für 
ein  Symbol  der  Verhältnisse  zwischen  Elementen  im  An-sich- 
seienden,  zwischen  Dingen  an  sich  dürfen  angesehen  werden. 

Kant  hat  von  Anbeginn  seines  Philosophirens,  wenn  er 
über  den  unendlichen  Raum  oder  über  die  Vorstellung  des 
Baumes  zu  sprechen  hatte,  dabei  fort  und  fort  die  Beziehung 
desselben  zum  göttlichen  Wesen  und  wiederholentlich  speciell 
zur  göttlichen  Allgegenwart  in  Erwägung  gezogen,  seine  Ansicht 
davon  modificirend  gemäß  der  Abwandelung  seiner  Baumtheorie. 

Schon  in  der  „Naturgeschichte  des  Himmels"  erklärte  er 
den  —  als  absolut  real  gesetzten  —  Baum  für  den  „unendlichen 
Umfang  der  göttlichen  Gegenwart",  der  als  „das  unendliche  Feld 
der  Allmacht"  in  dem  Fortgange  der  Ewigkeit  mit  Welten  und 
Ordnungen  erfüllt  werde  (B.  VI,  151.  158  u.  169.  —  H.  I,  289. 
295.).  Hier  ließ  er  also,  wie  es  scheint,  den  später  von  ihm 
als  in  sich  widersprechend  erkannten  Begriff  zu,  daß  Gott  in 
der  Welt  local  gegenwärtig  sei.  Aber  in  der  Dissertation  vom 
J.  1770  erklärte  er  den  —  als  ideal  gesetzten  —  Baum  für  die 
göttliche  Allgegenwart  in  der  Erscheinung  (omnipraesentia 
phaenomenon  B.  I,  330.  —  H.  II,  416.)  eben  so,  wie  er  es 
nachmals  in  seinen  metaphysischen  Collegien  der  1790  iger 
Jahre  that.     Und   zwischeninne    hatte    er   sich  wiederholentlich 


über  den  Urgrund  der  Dinge.  Herbart  behauptete:  „Die  Thesis  hat  ent- 
schiedenes Recht,  und  die  Anti thesis  entschiedenes  Unrecht,  sobald  beide 
gehörig  gefaßt  werden"  (S.  W.  hersg.  von  Hartenstein,  VI,  335.  vgl.  336-343.  - 
IV,  258-263.  —  I,  178-185.),  Schopenhauer  dagegen:  „Der  Beweis  für  die 
Thesis  in  allen  vier  Widerstreiten  ist  überall  nur  ein  Sophisma;  statt  daß 
der  für  die  Antithesis  eine  unvermeidliche  Folgerung  der  Vernunft  aus  den 
uns  a  priori  bewußten  Gesetzen  der  Welt  als  Vorstellung  ist"  (Die  Welt 
als  Wille  und  Vorstell.  3.  Aufl.  I,  586.  vgl.  den  ganzen  Abschnitt  von 
S.  583-602.). 


Von  Emil  Arnoldt.  535 

eben  so  geäußert,  wie  die  von  Pölitz  herausgegebenen  Collegien- 
hefte  bezeugen,  so  in  seinem  Colleg  über  Metaphysik,  wo 
er  in  der  Kosmologie  wiederum  aussprach:  „Der  Baum  ist 
das  Phaenomenon  der  göttlichen  Gegenwart"  (S.  113.  vgl.  303. 
339.),  und  in  seinem  Colleg  über  die  philosophische  Beligions- 
lehre,  wo  er,  Newton's  Vorstellung:  „Der  Kaum  sey  das 
Sensorium*)  der  Allgegenwart  Gottes",  als  „höchst  unschick- 
lich" bezeichnend,  dagegen  ausführte:  „Besser  sagt  man: 
„der  Baum  sey  ein  Phänomenon  der  Allgegenwart  Gottes, 
„wiewohl  auch  dieser  Ausdruck  nicht  durchaus  passend  ist, 
„welches  aber  wegen  Mangel  der  Wörter  in  der  Sprache,  um 
„dergleichen  Gedanken  nur  zu  bezeichnen,  geschweige  denn 
„deutlich  auszudrücken,  nicht  vermieden  werden  kann.  In  sofern 
„der  Baum  aber  nur  eine  Erscheinung  unserer  Sinne,  und  eine 
„Relation  der  Dinge  unter  sich  ist;  in  sofern  die  Belation  der  Dinge 
„selbst  nur  dadurch  möglich  gemacht  wird,  daß  Gott  sie  erhält, 
„ihnen  unmittelbar  und  innigst  gegenwärtig  ist,  und  also  den 
„Ort  derselben  durch  seine  Allgegenwart  bestimmt;  in  sofern  ist 
„er  selbst  die  Ursache  des  Baums,  und  der  Baum  ein  Phäno- 
„menon  seiner  Allgegenwart.  Die  Allgegenwart  Gottes  ist  folg- 
lich nicht  local,  sondern  Virtual;  d.  h.  Gott  wirkt  beständig 
„und  allenthalben  mit  seiner  Kraft  in  alle  Dinge"  (1.  Aufl.  S.  187. 
—  2.  Aufl.  205.). 

Die  Erwägung,  daß  Gott  durch  virtuale,  nicht  locale  Gegen- 
wart den  Dingen  ihren  Ort  bestimme  (vgl.  auch  Pölitz,  K.'s 
Vorles.  über  d.  Metaph.  S.  303.  339.),  stimmt  mit  der  in  der 
Dissert.  vom  Jahre  1770  überein,  welche  für  die  Behauptung, 
daß  der  Baum  omnipraesentia  phaenomenon  dürfe  genannt  werden, 


*)  In  der  rationalen  Theologie  von  Kant's  metaphysischen  Vorlesungen 
bei  Pölitz  ist  diese  Vorstellung  nur  mit  indirecter,  nicht  ausdrücklicher  Er- 
wähnung Newton's  abgelehnt.  „Dadurch,  daß  die  Dinge  alle  da  sind  durch 
„Einen,  machen  sie  eine  Einheit  aus.  Wenn  diese  Einheit  sinnlich  vor- 
bestellt wird;  so  ist  es  der  Raum.  Der  Raum  ist  also  ein  Phänomenon 
„der  göttlichen  Allgegenwart,  obgleich  nicht  ein  Organon,  wie  Einige 
„meinten,  die  es  mehr  mathematisch  als  metaphysisch  nahmen"  (S.  339.). 


536       Zur  Benrtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

den  Grand  angiebt:  „Causa  enim  universi  non  est  omnibus  atque 
singulis  propterea  praesens,  quia  est  in  ipsorum  locis,  sed  sunt 
loca,  h.  e.  relationes  substantiarum  possibiles,  quia  omnibus 
intime  praesens  est"  (B.  I,  330.  —  H.  II,  416.).  Beide  Stellen 
sind  wohl  dahin  zu  verstehen:  Gott  ist  Ursache  des  Baums 
und  der  räumlichen  Bestimmungen  unserer  Erfahrungsgegenstande, 
weil  er  Schöpfer  des  Menschen  wie  aller  menschlichen  Anlagen, 
mithin  auch  unserer  Anlage  zu  ursprünglicher  Erwerbung  der 
Baumesanschauung  und,  den  Substanzen  als  Noumenen  innigst 
gegenwärtig,  beständiger  Urheber  ihrer  übersinnlichen  Verhält- 
nisse zu  einander  ist,  unter  deren  Einfloß  wir' jene  Substanzen 
als  Phänomene  an  gegebenen  Orten  in  der  Sinnenwelt  an- 
zuschauen genöthigt  sind.  Mit  dieser  Auslegung  harmonirt  die 
in  der  Krit.  der  prakt.  Vern.  bei  Behandlung  des  Freiheits- 
problems entwickelte  Ansicht,  daß  die  Annahme,  Gott  sei  Ursache 
des  Baumes  und  der  Zeit  „selbst",  d.  h.  unmittelbarer  Urheber 
derselben  als  zum  Dasein  von  Dingen  an  sich  gehöriger  Be- 
stimmungen, consequenterweise  zum  Spinozismus  führe  (B.  V1H, 
233.  —  H.  V,  106.).  Den  Spinozismus  hat  Kant  stets  bekämpft. 
Dagegen  hätte  er  sowohl  in  seinem  Colleg  über  philosophische 
Beligionslehre  während  des  Semesters  1786/86  als  auch  in  dem 
über  Metaphysik  während  des  Semesters  1794/95  genau  wie  in 
der  Dissertation  vom  Jahre  1770  sagen  können:  Malebranche's 
Ansicht  sei  von  derjenigen,  die  er  selbst  über  die  göttliche 
Allgegenwart  entwickele,  nicht  allzu  weit  entfernt  (proxime  abest), 
daß  wir  nämlich  alles  in  Gott  schauen  (E.  I,  330.  —  H.  11,417.). 
Ich  füge  hier  noch  bei:  In  einer  Anmerkung  der  „Belig. 
innerh.  der  Gr.  d.  bloß.  Vern."  ließ  er  Newton's  Vorstellung, 
die  allgemeine  Schwere  sei  „gleichsam  wie  die  göttliche  All- 
gegenwart in  der  Erscheinung  (omnipraesentia  phaenomenon)", 
als  „eine  erhabene  Analogie"  gelten,  aber  für  keinen  Versuch, 
die  allgemeine  Schwere  durch  die  göttliche  Allgegenwart  zu 
erklären  —  „denn  das  Daseyn  Gottes  im  Baum  enthält  einen 
Widerspruch"  —  (E.  X,  167  Anm.  —  H.  VI,  237.  Anm.), 
während  er  in  der  Nova  dilucidatio,  wo  die  Newton'sche  Attraction 


Von  Emil  Arnoldt.  537 

oder  allgemeine  Schwere  für  die  äußere  Erscheinung  der  Actionen 
und  Eeactionen  der  Substanzen  auf  einander  war  angesehen 
worden,  seine  Meinung  über  das  Verhältniß  der  göttlichen  All- 
gegenwart zu  jener  lex  naturae  nicht  klar  ausgesprochen  hatte, 
wenn  er  von  der  letzteren  gesagt:  „quae  non  nisi  Deo  immediato 
statore  jugiter  durat"  (R.  I,  43.  —  H.  I,  398.). 

Die  so  oft  wiederholte  Bestimmung:  Der  Kaum  ist  das 
Phänomenon  der  göttlichen  Allgegenwart,  ergänzt  den  aus  Unter- 
suchungen der  transscendentalen  Aesthetik  resultirenden  Ge- 
danken: Der  Baum  als  Form  unserer  äußeren  Anschauung  ist 
Nichts  in  Ansehung  der  Dinge,  wenn  sie  durch  die  Vernunft 
an  sich  selbst  erwogen  werden.  Denn  die  Dinge,  die  unter 
unsere  sinnliche  Anschauung  fallen  als  Phänomene,  mögen  in 
der  göttlichen  Anschauung  Noumene  sein,  die,  als  solche  von 
Gott  erschaffen  und  erhalten,  auch  ihre  —  freilich  für  uns  un- 
ausdenkbaren —  nicht-sinnlichen  Verhältnisse  zu  einander  durch 
die  göttliche  allgegenwärtige  Wirksamkeit  determinirt  empfan- 
gen. Dann  würde  die  Möglichkeit  eintreten,  daß  sich  die  nicht- 
sinnlichen Verhältnisse  der  Noumene  in  unserer  sinnlichen 
äußeren  Anschauung  als  räumliche  Bestimmungen  der  Phänomene 
darstellen.  Denn  zu  den  gegebenen  räumlichen  Bestimmungen 
innerhalb  unserer  Erfahrungserkenntniß  muß  ,,im  Objecto,  das 
an  sich  unbekannt  ist,  ein  Grund"  sein  (R.  V,  366  u.  367.  — 
H.  IV,  398.).  Als  solchen  Grund  im  An-sich-seienden  irgend 
welche  nicht -sinnliche  Verhältnisse  anzunehmen,  ist  allenfalls 
statthaft,  wenn  man  sich  bewußt  bleibt,  nur  die  logische  Mög- 
lichkeit derselben  zu  setzen,  aber  weder  ihre  absolute  Realität, 
noch  auch  blos  ihre  reale  Möglichkeit  erkennen  zu  können. 
Und  so  wäre  es  wohl  denkbar,  daß  unsere  Erkenntniß  von  den 
Phänomenen  in  allen  ihren  gegebenen  räumlichen  Bestimmungen 
eine  symbolische  Erkenntniß  von  Verhältnissen  im  An-sich- 
seienden  enthielte.  Dieses  Denken  würde  freilich  auf  transscen- 
dente  Gedanken  führen.  Aber  dergleichen  hat  Kant  in  seinen 
Collegien  über  Metaphysik,  auch  'während  der  1790iger  Jahre, 
xächt  vermieden. 


538       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

4. 

Von  solchen  transscendenten  Gedanken  bei  jener  Unter- 
scheidung zwischen  dem  mundus  noumenon  und  dem  mundus 
phaenomenon  und  zwischen  den  Substanzen  als  Noumenen  und 
Phänomenen  an  den  oben  citirten  Stellen  aus  den  Heften  der 
Semester  1793/94  und  1794/95  weise  ich  nur  folgende  auf: 

Im  mundus  noumenon    sollen    alle  Substanzen  einfach  sein 
und   jede  von   ihnen    in    einen  Punct  fallen.     Dann  fallen  aber 
alle  zusammen  in  einen  und  denselben  Punct.     Denn  der  mundus 
noumenon  ist    raumlos,    und  schon  der  Begriff:    Punct,    auf  ihn 
angewandt,    hat  nur  Sinn  als  Bezeichnung  der  Abstraction  vom 
Baume,  die  man  vollzogon  hat,  —  der  Abstraction  vom  Baume, 
wenn  man  den  mundus    noumenon  zu    denken  versucht.     Dem- 
nach   sind   auch  Gott,    die    einzige    nothwendige  Substanz,    und 
alle  mit   jener  zu  einem  und    demselben  mundus  noumenon  ge- 
hörigen zufälligen  Substanzen  in  Eins  zu  nehmen.     Von  welcher 
Art  aber  soll  diese  Einheit  gedacht  werden?     Nicht  als  Einheit 
der  Inhärenz  und  Subsistenz!     Denn  der  Gedanke  einer  solchen 
Einheit    kommt    einer    Spinozistischen    Denkweise     allzu    nahe. 
Also  als  Einheit    der  Dependenz,    bei  welcher  die    nothwendige 
Substanz  originarie    in  oder    auf   die  zufälligen  Substanzen  ein- 
fließt,   und  diese    zufolge   jenes  Einflusses    derivative  ein  reales 
Commercium  influxus  physici  mit  einander  unterhalten.      Dieser 
wechselseitige  Einfluß    der    zufalligen  Substanzen   auf  einander, 
und  der  einseitige  Einfluß    der  nothwendigen  Substanz    auf  die 
zufälligen  erfordert  nun,  daß  alle  Substanzen  nicht  blos  von  ein- 
ander unterschieden  sind  als  Wesen  differenter  —  übrigens  uns 
unbekannter  —  Qualitäten  oder  Bealitäten,  sondern  daß  sie  auch 
von  einander  geschieden  sind  in  einer  Art,  welche  den  Substan- 
zen ermöglicht,  selbständig  oder  für  sich  zu  sein,   der  nothwen- 
digen absolut,  den  zufälligen  relativ  für  sich.     Aber  eine  solche 
Geschiedenheit  der  Substanzen  im  mundus  noumenon  ist,  da  sie 
nicht    als    räumliche    Trennung,    als    Entfernung    darf  gedacht 
werden,  ein  leerer  Begriff,  ein  Begriff  ohne  Sinn  und  Bedeutung, 
da  er    durch  keine  Anschauung    kann    belegt  werden,    und  ein 


Von  Emil  Arnoldt.  539 

überschwenglicher,  d.  h.  ein  Begriff,  dessen  Gebrauch  trotz  der 
Leerheit  desselben  jenseits  des  Erfahrungsgebietes  für  dieses 
Jenseits  gefordert  und  versucht  wird,  als  ob  er  theoretische 
Erkenntniß  verschaffen  könnte,  während  er  wirklich  keine  ver- 
schafft. Dergleichen  Begriffe  können  wir  vorstellen  als  denkbar 
unter  Abwehr  jeder  Anschauung,  aber  die  Forderung,  sie  so  zu 
denken,  nur  unvollkommen  vollziehen.  So  denken  wir  die  Sub- 
stanzen im  mundus  noumenon  zwar  als  verschieden  mit  völliger 
Klarheit  gleich  verschiedenen  Begriffen  in  einem  systematischen 
Zusammenhange,  deren  etwaige  Schematisirung  mittelst  der 
Raum-  und  Zeitform  wir  als  ihnen  selbst  und  ihrer  logischen 
Ordnung  fremd  wissen.  Wenn  wir  sie  aber  nicht  blos  als  ver- 
schieden zu  denken  versuchen,  sondern  als  geschieden,  für  sich 
seiend,  und  wechselseitig  Bestimmungen  in  einander  setzend 
oder  aufhebend,  so  sind  wir  uns  allerdings  klar  bewußt,  daß 
wir  dabei  die  Raum-  und  Zeit-Anschauung  nicht  einmischen 
dürfen  und  sollen,  können  aber  doch  nicht  ^vermeiden,  entweder 
die  Geschiedenheit  nur  als  Unterschiedenheit,  das  Fürsichsein 
nur  als  abstractes  Subject-sein,  und  das  reale  Commercium  nur 
als  wechselseitige  Bedingtheit  zu  denken,  oder,  sobald  wir  uns 
der  Unzulänglichkeit  dieser  blos  logischen  Formen  bewußt  wer- 
den, zur  Ergänzung  unseres  Gedankens  unwillkürlich  das  Raum- 
und  Zeit-Schema  hinzuzunehmen.*) 

Diesen  überschwänglichen  Gedanken  übertrifft  noch  an 
Ueber8chwänglichkeit  der  andere,  welchen  Kant  nach  den  obigen 
Citaten  vorgebracht  hat,  daß  mehrere  noumenale  Welten,  jede 
von  einem  verschiedenen  Urheber  herrührend  und  diese  Welten 


*)  Dies  gilt  auch  von  dem  „Zusammen'1  der  realen  Wesen,  welches 
Herbart  ohne  Raumvorstellung  denken  zu  können  vermeinte,  aber  wirklich 
ohne  sie  zu  denken  nicht  vermochte.  Die  Einheit  des  absoluten  Geistes 
dagegen,  in  welcher  Hegel  das  Universum  des  reinen  Gedankens,  der  Natur 
und  des  endlichen  Geistes  als  in  sich  unterschiedene  und  ihre  Unterschiede 
als  aufgehoben  in  sich  enthaltende  Totalität  zusammenfaßte,  ist  ihrer  Ab- 
kunft nach  nichts  als  die  Kantische  ursprünglich  synthetische  Einheit  der 
transscendentalen  Apperception,  übertragen  auf  das  Urwesen,  als  dessen 
angebliche  Entfaltung  sie  vom  Standpunct  des  herkömmlichen  transscenden- 


540       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

wie  ihre  Urheber  ohne  den  geringsten  Einfluß  auf  einander, 
können  gedacht  werden.  Was  nun  vorhin  über  die  vielen  Sub- 
stanzen der  Einen  noumenalen  Welt  in  ihrem  Verhältniß  zu 
einander  und  über  das  Verhältniß  des  Urhebers  derselben  zu 
ihnen  gesagt  worden,  —  das  ist  über  die  vielen  noumenalen 
Welten  und  die  vielen  Urheber  derselben,  von  denen  jeder  im 
Verhältniß  zu  seiner  Welt  als  extramundan  müßte  gedacht  wer- 
den, erst  recht  zu  bemerken.  Dieser  transscendente  Gedanke 
ist  in  seiner  Transscendenz  kaum  zu  transscendiren  und  dient 
in  seiner  Leerheit  höchstens  zur  Bestätigung  des  Satzes:  „Den- 
ken kann  ich,  was  ich  will,  wenn  ich  mir  nur  nicht  selbst 
widerspreche,  d.  i.  wenn  mein  Begriff  nur  ein  möglicher  Ge- 
danke ist"  (R.  II,  676.  —  H.  DI,  23.).  Denn  ein  möglicher 
Gedanke  ist  er  allerdings,  aber  auch  nichts  weiter,  nur  „ein 
Gedanke  der  Form  nach,  aber  ohne  allen  Gegenstand"  (R  II, 
742.  —  H.  III,  124.)  und  nicht  nur  ohne  allen  theoretischen, 
sondern  auch  ohne  allen  praktischen  Erkenntnißwerth. 

y)  Die  Seele  eine  einfache,  immaterielle  Substanz;  das  Commercium 

zwischen  Seele  nnd  Körper. 

In  der  rationalen  Psychologie  bringen  die  beiden  Nach- 
schriften aus  Kant's  metaphysischen  Collegien  während  der  ersten 
Hälfte  der  1790iger  Jahre  vier  den  Substanzbegriff  anwen- 
dende Auseinandersetzungen,  von  denen  je  zwei  mit  einander 
parallel  sind.  Das  erste  Paar  gebraucht  bei  der  Frage  nach 
der  Natur  der  Seele  den  Begriff  einer  immateriellen,  einfachen 
Substanz  zur  Abweisung  vulgär  materialistischer  Antworten,  das 


talen  Realismus  halb  rationalistisch,  halb  empiristisch  durch  das  logische 
Denken,  die  äußere  Welt  und  das  Leben  des  Menschen  und  der  Menschheit 
gebreitet  ward.  Diese  Einheit,  wenn  sie  in  ihrer  Unbegreiflichkeit  als 
Constitution  des  Menschengeistes  einmal  hingenommen  ist,  hat  nichts  Un- 
begreiflicheres in  der  Gottheit,  als  im  Menschen.  Unbegreiflich  ist  nur  die 
Billigung,  welche  der  Einfall  erhielt,  durch  diesen  Anthropomorphismns, 
auch  wenn  er  mit  weiteren  Bestimmungen  ausgeschmückt  ward,  das  Weaen 
der  Gottheit,  wie  es  an  sich  selbst  sei,  für  begriffen  zu  erachten, 


Von  Emil  Arnöldt.  64l 

zweite  den  Begriff  der  noumenalen  Substanz  zur  Aufhellung 
des  Commerciums  zwischen  Seele  und  Körper. 

In  der  Nachschrift  vom  Wintersemester  1793/94  heißt  es 
bei  Beantwortung  der  Frage:  „was  ist  die  Seele  im  Leben?", 
wie  folgt: 

„Eine  negative  Eigenschaft  der  Seele  ist:  sie  ist  ein  im- 
materielles unkörperliches  (einfaches)  Wesen.  Dieses  behauptet 
„man  gegen  die  Materialisten.  Materiell  ist  nicht  blos  was 
„Materie  ist,  sondern  auch  was  Theil  einer  Materie  seyn  kann. 
„Was  Einfaches  kann  unmöglich  Theil  einer  Materie  seyn. 
„Jede  Materie  ist  im  Kaum;  ein  Theil  derselben  ist  also  wieder 
„im  Baum,  was  aber  im  Baum  ist,  ist  stets  theilbar  und  nie 
„einfach.  Die  Seele  ist  nicht  materiell.  Die  Materie  hat  kein 
„Vorstellungsvermögen,  mithin  kann  sie  nicht  zugleich  ihr  eignes 
„Lebensprincip  seyn.  (Der  Autor  sagt:  Die  Materie  kann  nicht 
„denken;  wir  sagen:  sie  hat  kein  Vorstellungsvermögen,  und 
„dann  paßt  der  Beweis  auch  auf  Thiere.)  Materia  non  est  sub- 
„stratum  repraesentationum.  Alle  Vorstellungen  sind  entweder  ein- 
„fach,  oder  zusammengesetzt.  Zwei  Vorstellungen  müssen  in  Einem 
„Subject  vereinigt  seyn,  um  eine  Vorstellung  auszumachen. 
„Alle  Vorstellungen  beziehen  sich  auf  ein  Object  d.  i.  eine  Ein- 
„heit,  in  dessen  [deren]  Vorstellung  was  mannigfaches  vereinigt 
„ist.  Vorstellungen  können  also  nicht  unter  mehrere  Subjecte 
„vertheilt  werden  und  dann  Eine  Vorstellung  ausmachen,  son- 
„dern  die  vereinigte  Vorstellung  kann  nur  in  einem  Subject  als 
„eine  Einheit  stattfinden.  Ein  Wesen  kann  daher  keine  Vor- 
stellungen haben  ohne  diese  absolute  Einheit  des  Subjects. 
„Wenn  einzelne  Vorstellungen  unter  mehrere  Subjecte  vertheilt 
„werden,  so  können  diese  isolirt  zusammen  genommen  nicht 
„eine  Einheit  ausmachen;  denn  diese  besteht  aus  dem  Mannig- 
fachen der  Vorstellung.  —  Jede  Materie  ist  aber  ein  Aggregat 
„von  Substanzen  außer  einander,  also  kann  die  Materie  keine 
„Vorstellungen  haben.  Materie  ist  keine  Einheit  des  Subjects, 
„sondern  eine  Vielheit  der  Substanzen.  Wenn  ein  Aggregat 
„von    Substanzen    denken    sollte,    so    müßte  ein  partieller  Theil 


642       Zur  Beurtheilimg  von  iCant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

„der  Vorstellungen  in  den  einzelnen  Theilen  liegen;  diese  aber 
„zusammen  machen  keine  Einheit  der  Vorstellungen  aus.  Eine 
„Menge  von  Substanzen  kann  nie  eine  Vorstellung  in  Gesell- 
schaft haben.  Das  Princip  des  Lebens  ist  das  Vermögen, 
„durch  seine  Vorstellungen  Ursache  von  der  Wirklichkeit  der 
„Gegenstände  [dieser  Vorstellungen]  zu  seyn.  Zum  Denken  wird 
„etwas  einfaches  erfordert;  aber  alle  Materie  ist  zusammengesetzt, 
„folglich  kann  sie  nicht  denken.  —  —  — 

„Der  Ungrund  des  Materialismus  ist  also  wohl  jetzt  erwiesen, 
„aber  darum  nicht  die  Pneumatologie.  Denn  daß  diese  [als] 
„einfach  anerkannte  Substanz  auch  ohne  Verbindung  mit  dem 
„Körper  denken  könne,  läßt  sich  daraus  nicht  folgern.  Die 
„Wirkungen  aus  dem  Vermögen  eines  Wesens  kann  man  nur 
„aus  der  Erfahrung  erkennen.  Ob  die  Seele  auch  außer  dem 
„Körper  zu  denken  continuire,  das  läßt  sich  nicht  a  priori  ent- 
scheiden. Man  müßte  hierüber  Erfahrungen  anstellen.  Er- 
fahrungen können  wir  nur  im  Leben  anstellen.  Hier  aber 
„erfahren  wir  nur,  wie  die  Seele  in  commercio  mit  dem  Körper 
„denkt.  Es  bleibt  daher  unausgemacht,  ob  die  Seele  nach  dem 
„Leben  auch  ohne  commercium  fortfahre  zu  denken. 

„Die  Spiritualität  der  menschlichen  Seele  gehört  zu  den 
„transcendenten  Begriffen,  d.  h.  wir  können  von  ihr  keine  Er- 
kenntnis bekommen,  weil  wir  diesen  Begriffen  keine  objective 
„Realität,  d.  i.  keinen  correspondirenden  Gegenstand  in  irgend 
„einer  möglichen  Erfahrung  geben  können.  Es  ist  nicht  aus- 
zumachen, ob  der  Körper  nicht  ein  unentbehrliches  admini- 
„culum  zum  Denken  der  Seele  sey.  Denn  wir  können  uns  nicht 
„aus  dem  Körper  heraussetzen  um  dies  zu  erfahren." 

In  der  Nachschrift  vom  Wintersemester  1794/95  lautet  die 
der  obigen  entsprechende  Auseinandersetzung  über  die  Seele  als 
immaterielle,  einfache  Substanz  folgendermaßen: 

„Zuförderst  muß  a)  wider  die  Materialisten  behauptet  werden: 
„daß  die  Seele  so  wenig  an  und  vor  sich  materiell  seyn,  noch 
„ein  einfacher  Theil  der  Materie  seyn  könne.  Die  Seele  ist  viel- 
,,mehr  ein  einfaches  Wesen  (im  negativen  Begriff);  daher  auch: 


Von  Emil  Araoldt.  543 

„die  Seele  ist  immateriell  und  unkörperlich.  Materie  heißt  hier 
„nemlich  nicht  nur  was  selbst  durchweg  Materie  ist,  sondern 
„was  auch  nur  ein  Theil  einer  Materie  seyn  kann,  also  ein  aus- 
gedehntes undurchdringliches  Wesen. 

,, Zuförderst   kann    sie  aber  nicht  einfach  und  dennoch  ein 
„Theil  der  Materie  seyn.     Denn  als  (auch  einfacher)    Theil    der 
„Materie  muß  sie  mit  der  letztern  einen  Baum  einnehmen;    der 
„Raum  aber  besteht  wieder  aus  Bäumen,  mithin  hätte  dies  ein- 
„fache   wieder    Theile;   jeder  Theil  der  Materie  ist  aber  wieder 
„Materie,  mithin  muß  die  Seele  vel  materiell    (ganz),    oder    im- 
materiell   (für    sich)    seyn.     Eine    Materie    cogitans  aber  anzu- 
nehmen ist  etwas  unmögliches;    vielmehr  ist  die  Seele  einfach 
„und    in   keinem    Theil    zusammengesetzt.  —  Diese  Einfachheit 
„beruht  auf  der  Einheit  des  Bewußtseyns  im  Denken,   oder  der 
„Einheit  des  Mannigfaltigen  in  der  Vorstellung  überhaupt.     Alle 
„Vorstellungen  beziehen  sich    auf  ein  Object    vermöge    der  Be- 
stimmung im  Gemüth,    vermöge    deren  wir  überhaupt  uns  nur 
„etwas    vorzustellen    fähig    sind".       Der    Gegenstand    muß    aber 
„schlechthin  eine  Einheit  seyn,  wozu  das  Bewußtseyn  des  mannig- 
faltigen   verbunden    ist;    denn    sonst    müßte    der    Satz    z.    E. 
„a)  didicisse   b)  fideliter    c)  artes    d)  mollit    f)  mores  etc.  so  in 
„seinem  Ganzen  gedacht  werden  können,  daß  verschiedene  Kräfte 
„a.  b.  c.  d.  e.  f.  etc.  sich  jede  einen  Begriff  dächte,    und    den- 
„noch  sie  sich  gemeinschaftlich  des  ganzen  Satzes  bewußt  seyn 
„könnten.     Es  kann  also,  da  dies  unmöglich,    keine  Vorstellung 
„eines    Objects    entstehen,    ohne    daß    eine  absolute  Einheit  des 
„sich  vorstellenden  Subjects  vorhanden  sey,  und  es  ist  unmöglich, 
„durch    eine    körperliche    Theilbarkeit  das  Bewußtsein  der  Vor- 
stellung entstehen  zu  lassen,    gleichsam  als  wenn  verschiedene 
„außerhalb  vorhandene  Subjecte  da  wären,    die    die  Vorstellung 
„unter  sich  vertheilten,  weil  es  dann  unmöglich  wäre,  daß  diese 
„Theile,  die  nur  jedem  Subject  für  sich  bekannt  wären,  ohne  ein 
„Zwischenmittel    zu   einem  Ganzen  d.  i.  zur  Einheit  verbunden 
„werden  könnten.     Nimmt  man  nun  an,    daß    die  Materia  cogi- 
„tans  ein  Aggregat  von  Substanzen  sey,  so  müßte  auch  die  ihm 


544      Zur  Beurth eilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 


„beygelegte  Vorstellung  ein  Aggregat  von  Vorstellungen,  nemlich 
„ihrer  Theile  enthalten,  die  von  einander  abgesondert,  wobei 
„von  einem  Theil  dieser  eine  Theil  begriffen,  von  dem  andern 
„ein  anderer  gedacht  würde,  und  wobei  eine  Einheit  nicht 
„zu  erreichen  wäre.  Damit  sie  doch  aber  zu  einem  Ganzen 
,, gebracht  würde,  so  bleibt  immer  nöthig,  ein  vereinigen- 
des Subject  anzunehmen,  welches  alle  diese  Theile  wieder  unter 
„sich  und  mit  einander  verbindet.  Es  kann  also  dem  denkenden 
„Subject  nicht  eine  zusammengesetzte  Vorstellung,  sondern  nur 
„eine  einfache  Vorstellung  beygelegt  werden,  d.  i.  es  verbindet 
die  Vorstellung  zu  einem  einfachen  Princip  oder  ist  einfache 

„Hiedurch  ist  nun  zwar  wohl  bewiesen,  daß  das  Subject 
,denken  könne,  ohne  daß  sein  Princip  körperlich  sey;  es  folgt 
,aber  daraus  b)  noch  nicht,  daß  die  Seele  denken  könne,  ohne 
,mit  dem  Körper  verbunden  zu  seyn,  und  dies  ist  es,  was  die 
,Pneumatologie  lehrt,  dessen  Möglichkeit  aber  nie  bewiesen 
,werden  kann."  —  —  —  — 

„Es  ist  unmöglich,  je  zu  erkennen,  ob  es  irgend  einen 
,Geist,  selbst  einen  Gott  im  Universo  gebe.  Wir  wissen  nichts 
,  weiter,  als  daß  die  Seele  eine  immaterielle  Substanz  sey,  und 
,daß  sie  nicht  als  das  Prädicat  eines  anderen  Wesens  erkannt 
, werden  kann;  —  —  —  ob  aber  die  Seele  ein  Geist  (spiiitus) 
,sey,  als  ein  denkendes  Wesen,  wie  der  Autor  §  247  meint, 
,folgt  aus  dem  letzteren  Begriff  —  [der  Seele]  nicht.  Die  Thiere 
,haben  auch  Seelen,  die  deshalb  nicht  Geister  sind.  Geister 
,sind  specifice  denkende,  immaterielle  Substanzen,  so  auch  ohne 
,  Verbindung  mit  dem  Materiellen  denken  können.  Im  Fall  nun 
,der  Körper  ein  unentbehrliches  adminiculum  und  eine  Be- 
dingung zum  Denken  der  Seele  wäre,  so  würde  sie  als  Seele, 
,nicht  aber  als  Geist  existiren,  da  erstere,  aber  nicht  letzterer 
,in  einer  notwendigen  Verknüpfung  mit  dem  Körper  steht,  um 
,actus  der  Substanz  zu  bewirken." 

Diese  Antworten  auf  die  Frage:  was  ist  die  Seele?  stimmen  ' 
mit  einander  ihrem  allgemeinen  Inhalte  nach  durchweg  überein. 
Aber  der  Form    nach   und   im  Einzelnen  unterscheidet  sich  die 


Von  Emü  Arnoldt.  545 

letztere  (1794/95)  von  der  ersteren  (1793/94)  durch  größere  Aus- 
führlichkeit und  hier  und  dort  auch  durch  größere  Bestimmtheit, 
indeß  nicht  so  sehr,  daß  der  anfängliche  Eindruck,  den  die  eine 
wie  die  andere  macht,  nicht  derselbe  wäre,  —  der  nämlich,  daß 
sie  so  gegeben  worden,  als  ob  die  Krit.  d.  r.  V.  niemals  Para- 
logismen  der  rationalen  Psychologie  behandelt  hätte.  Er  ist 
nicht  viel  weniger  befremdend,  als  der,  welchen  in  der  Politischen 
Ausgabe  der  Vorlesungen  Kant's  über  die  Metaphysik  der  erste 
Abschnitt  der  rationalen  Psychologie  auf  S.  200  bis  S.  204  und 
das  dort  in  der  Einleitung  zur  Psychologie  unternommene  Auf- 
weisen des  bloßen  Begriffs  vom  Ich  als  des  Fundaments  von  vielen 
anderen  Begriffen,  nämlich  der  Substanzialität,  der  Simplicität, 
und  der  Immaterialität  des  Ich  (S.  133  u.  134.)  hervorbringen. 

Bei  Pölitz  wird  geschlossen:  Weil  das  Ich  kein  Prädioat 
von  einem  anderen  Dinge  ist,  sondern  das  allgemeine 
Subject  aller  Prädicäte,  alles  Denkens,  aller  Handlungen,  aller 
möglichen  Urtheile,  die  wir  von  uns  als  einem  denkenden 
"Wesen  fällen  können,  darum  „ist  das  Ich,  oder  die  Seele,  die 
durch  das  Ich  ausgedrückt  wird,  eine  Substanz"  (S.  201  und 
202.)  —  Weil  nicht  viele  Wesen  zusammen  Eine  ganze  Vor- 
stellung haben  können,  z.  B.  wenn  der  Ausspruch:  Quidquid 
agis  etc.  unter  viele  Wesen  vertheilt  wäre,  so  daß  jedes  einen 
Theil  davon  hätte,  dann  der  Gedanke  gar  nicht  vorhanden 
wäre,  sondern  in  jedem  Wesen  nur  der  Gedanke  von  einem 
Worte,  in  keinem  aber  der  ganze  Gedanke,  darum  „muß  die 
Seele  eine  einfache  Substanz  seyn"  (S.  202  u.  203.).  —  Weil 
die  Seele  einfach  ist,  aber  kein  Theil  der  Materie  einfach,  son- 
dern jeder  ins  Unendliche  theilbar,  wie  der  Raum,  in  dem  er 
sich  befindet,  so  „ist  die  Seele  nicht  materiell,  sondern  im- 
materiell" (S.  214.). 

Hier  sind  die  beiden  ersten  Paralogismen  der  rationalen 
Psychologie,  der  der  Substanzialität  und  der  der  Simplicität, 
welche  die  Krit.  d.  r.  V.  als  fehlerhaft  aufweist,  ohne  Hinweis 
auf  ihre  Fehlerhaftigkeit  vorgetragen.  Das  beständige  logische 
Subject  des    Denkens    ist    fälschlich  für    das    reale  Subject  der 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIX.  Hft.  7  u.  8.  35 


546       Zur  Beurtheilung  von  Kaufs  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

Inhärenz,  die  logische  Einheit  des  Subjects  fälschlich  für  die 
wirkliche  Einfachheit  desselben,  im  Allgemeinen  die  Analysis 
des  Selbstbewußtseins  im  Denken,  die  logische  Erörterung  des 
Denkens  überhaupt  fälschlich  für  eine  metaphysische  Bestim- 
mung des  Objects  genommen. 

Aber  auch  an  den  oben  citirten  Stellen  der  Nachschriften 
aus  der  ersten  Hälfte  der  1790er  Jahre  wird  geschlossen: 
Weil  zum  Entstehen  der  Vorstellung  von  einem  Object  eine 
absolute  Einheit  des  Subjects  erforderlich  ist,  das  sich  jener 
Vorstellung  bewußt  wird,  so  muß  die  Seele  ein  immaterielles 
einfaches  Wesen  sein.  Hier  ist  der  psychologische  Paralogisnms 
in  nicht  so  entwickelter  Form  vorhanden,  als  bei  Pölitz,  aber 
vorhanden  ist  er  auch.  Denn  aus  der  blos  logischen  qualitativen 
Einheit  des  Selbstbewußtseins  wird  die  reale  Einfachheit  des 
Subjects  des  Selbstbewußtseins  gefolgert. 

Dies  ist  wenigstens  der  Eindruck,  den  die  erste  Lesung 
der  ausgehobenen  Stellen  hervorbringt.  Und  er  bleibt  in  so  fem 
gerechtfertigt,  als  es  Wunder  nehmen  muß,  daß  Kant  mit 
keinem  Wort  erwähnte,  der  transscendente  Theil  der  Meta- 
physik habe,  wie  in  der  Cosmologia  transscendentalis  Anti- 
nomien, so  in  der  Psychologia  rationalis  Paralogismen  zu  be- 
handeln, und  daß  er  zwar  in  der  Kosmologie  die  Antinomien 
ausführlich  vortrug,  dagegen  in  der  Psychologie  die  Paralogismen 
mit  völligem  Stillschweigen  überging. 

Doch  hiervon  abgesehen,  so  ist  bei  genauerer  Erwägung 
keine  Discrepanz  zwischen  den  Ausführungen  an  den  citirten 
Stellen  und  denen  in  der  Krit.  d.  r.  V.  über  den  psycho- 
logischen Paralogismus  zu  urgiren.  Denn  in  jenen  Ausfah- 
rungen wird  ausdrücklich  hervorgehoben,  und  geltend  gemacht: 

1.  die  Seele  soll  als  einfaches  Wesen  erwiesen  und  anerkannt 
werden  nur  „im  negativen  Begriff",  d.  h.  nur  zur  Abweisung 
von  Irrthümern,    nicht    doctrinal,    sondern    nur    disciplinarisch; 

2.  der  Erweis  der  Einfachheit  und  Immaterialität  der  Seele 
reicht  blos  zu,  den  Materialismus  —  im  vulgären  Sinne  —  zu 
widerlegen,    reicht  aber   nicht  weiter;  3.  er    kann    daher  weder 


Von  Emil  Arnoldt.  647 

die  Unsterblichkeit  der  Seele  darthun,  noch  irgend  wie  eine 
Pneumatologie  begründen.  Daher  beabsichtigte  Kant,  ob  er 
dies  gleich  nicht  kräftig  genug  bekundete,  hier  nur  darzuthun, 
was  er  in  der  Krit.  d.  r.  V.  an  der  rationalen  Psychologie  dar- 
gethan  hatte:  Sie  ist  nicht  Doctrin,  sondern  Disciplin,  „welche 
der  speculativen  Vernunft  in  diesem  Felde  unüberschreitbare 
Grenzen  setzt,  einerseits  um  sich  nicht  dem  seelenlosen  Ma- 
terialism  in  den  Schooß  zu  werfen,  andererseits  sich  nicht  in 
dem  tf&r  uns  im  Leben  grundlosen  Spiritualism  herumschwärmend 
zu  verlieren"  (ß.  II,  797.  —  H.  HI,  285  u.  286.). 

"Wenn  dieses  Urtheil  den  oben  citirten  Darlegungen  aus 
der  ersten  Hälfte  der  1790er  Jahre  recht  ist,  so  ist  ein  ähn- 
liches billig  gegenüber  denjenigen,  die  ich  aus  der  Psychologie 
in  der  Pölitz'schen  Ausgabe  von  Kant's  metaphysischen  Vor- 
lesungen berührte.  Diese  früheren  hatten  wesentlich  denselben 
Zweck,  den  jene  späteren  verfolgten,  —  nur  den  Materialismus 
zu  widerlegen,  nicht  aber  eine  Pneumatologie  zu  errichten. 
Freilich  verbietet  eine  Ueberschau  der  ganzen  rationalen  Psycho- 
logie bei  Pölitz,  in  Abrede  zu  stellen,  daß  dort  Kant's  Gedanken 
wenn  auch  nicht  sich  im  Spiritualismus  herumschwärmend  ver- 
loren, doch  ziemlich  weit  in  den  Spiritualismus  ausschwärmten. 
IndeJß  ist  dabei  zweierlei  zu  beachten:  1)  Was  die  psychologi- 
schen Paralogismen  anlangt,  um  die  es  sich  hier  allein  oder  vor- 
nehmlich handelt,  so  hat  Kant  seine  Tendenz,  eine  blos  ana- 
lytische Begriffszergliederung  des  Selbstbewußtseins  zu  geben, 
stark  accentuirt,  indem  er  in  der  Einleitung  zur  Psychologie 
die  bestimmte  Angabe  machte:  In  der  Psychologia  rationalis 
„betrachte  ich  die  denkenden  Wesen  blos  aus  Begriffen"  (S.  130.), 
und  nicht  ohne  Emphase  erklärte:  „Der  bloße  Begriff  vom  Ich", 
—  ,, dieser  Begriff  drückt  aus":  Substanzialität,  Simplicität,  Im- 
materialität  (S.  133),  weiterhin  aber  —  in  dem  ersten  Abschnitt 
der  rationalen  Psychologie  —  eben  so  emphatisch  hervorhob: 
„Wenn"  wir  nun  von  der  Seele  a  priori  reden,  so  werden  wir 
von  ihr  nichts  mehr  sagen,  als  sofern  wir  alles  von  dem  Begriffe 
vom  Ich  herleiten  können,  und  auf  dieses  Ich  die  transscenden- 

35* 


548       ^ur  Öeurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

talen  Begriffe  anwenden"  können    (S.  201.).     Damit   deutete  er 
zur  Genüge    an,    daß    diese   ganze  Betrachtung    als    ein   bloßes 
Forschen  unter  Begriffen  blos  eine  analytische,  keine  synthetische, 
keine  die  Seele  selbst  als  wirkliches  Object  und  als  Substrat  des 
Ich  determinirende  Erkenntniß  liefere.     2.  Er  hat  vorweg  gegen 
den  objectiven  Gebrauch  dieser  analytischen  Erkenntniß,  als  ob 
sie    zu    dogmatischen  Behauptungen    über    die  Natur    und    die 
Schicksale    der  Seele    berechtige,    mithin   gerade  für    diejenigen 
Discussionen,    bei  denen    sie  von  Werth  sein  könnte,    die  Seele 
von  „der  Hinfälligkeit  aller  Materie14  auszunehmen,  strenge  Ver- 
wahrung  eingelegt.     Denn   in    der    „Uebersicht    der   rationalen 
Psychologie"  bei  Pölitz  heißt  es  in  Bezug  auf  den  zweiten  Theil 
derselben,    welcher    die  Immaterialität    der  Seele    beweisen  soll: 
„Dieser  Theil  kann  nur  hypothetice  abgehandelt  werden;   d.  h. 
es    wird    gezeigt,    was    sich    wohl    durch    die   Vernunft    hievon 
denken   und    erkennen  läßt".     Und   in  Bezug   auf  den    dritten 
Theil,  welcher  den  Zustand  der  Seele  vor  der  Geburt  und  nach 
dem  Tode  des  Menschen  erwägen  soll:    „ob  wir  davon  aus  Be- 
griffen   durch    die  Vernunft    etwas  erkennen  können,"    heißt  es 
weiter:  „Hieraus  werden  wir  aber  ersehen,  daß  unsere  transscen- 
„dentalen  Begriffe    nicht   weiter   gehen,   als    uns  die  Erfahrung 
„leitet,    und  daß  sie    nur  die  Erkenntniß  a  posteriori    dirigiren. 
„Bis  an  die  Grenzen  der  Erfahrung  können  wir  zwar  kommen, 
,,80    wohl    a    parte    ante    als    post,    aber    nicht    bis    über  die 
„Grenzen  der  Erfahrung.    Allein  hier  werden  wir  mit  Nutzen 
„philosophiren,    indem    wir   dadurch  die  falsche  Vernünftelei  in 
„Schranken    halten,    die    die    wahre  Erkenntniß  nur  untergräbt. 
„Wir    werden    hier  nicht  dogmatisch  von  dem  Zustande  der 
„Seele    vor    der  Geburt   und  nach  dem  Tode  reden;    obgleich 
„man  davon,   wovon  man  nichts  weiß,    weit  mehr  reden 
„kann,    als    davon,    wovon    man    etwas   weiß.      Demnach 
„werden    wir    die    Schranken    der    menschlichen    Vernunft   hier 
„bestimmen,  damit  nicht  falsche  Vernünftelei  unter  dem  Scheine 
„der  Vernunfterkenntniß  unsere  wahren  Principien  in  Ansehung 
„des  Practischen  untergraben  könne"  (S.  199  u.  200.). 


Von  Emil  Arnoldt.  549 

Diese  Verwahrung  besagt  eben  so  viel,  als  die  Erklärung 
besagen  würde:  die  in  der  Einleitung  zur  Psychologie  als  denk- 
barer Theil  der  letzteren  aufgeführte  Pneumatologie  oder  Psy- 
chologia  rationalis  generalis  (S.  127)  ist  ein  leerer  Titel,  dessen 
Forderung  einer  ErkenntniJB  „von  den  denkenden  Wesen  über- 
haupt" unerfüllbar  ist,  weil  wir  solche  "Wesen  nicht  kennen,  und 
nur  die  Psychologia  rationalis  specialis  ausführbar,  denn  diese 
handelt  „von  dem  denkenden  Subjecte,  welches  wir  kennen,  und 
das  ist  unsere  Seele".  Demnach  hatte  Kant  auch  hier  bedacht, 
was  er  in  seinen  metaphysischen  Vorträgen  der  1790  er  Jahre 
aussprach:  „Zur  Pneumatologie  können  wir  nicht  gelangen", 
und:  „Die  Principien  der  Psychologia  rationalis  sind  alle  negativ*'. 

Das  aber  scheint  mir  ebenfalls  unleugbar:  die  Schranken, 
die  er  in  der  „Uebersicht"  der  rationalen  Psychologie  jedem 
Vortrage  der  letzteren  als  nicht  zu  überschreitende  setzte,  hat 
er  bei  seinem  wirklichen  Vortrage  derselben  —  in  der  Pölitz- 
schen  Ausgabe  —  nicht  überall  streng  eingehalten,  sondern  hier 
und  dort  mehr  oder  weniger  überschritten. 

Die  beiden  anderen,  auf  Substanzen  bezüglichen  parallelen 
Auseinandersetzungen,  die  ich  der  rationalen  Psychologie  in  den 
Nachschriften  von  Kant's  metaphysischen  Vorlesungen  aus  der 
ersten  Hälfte  der  1790  er  Jahre  entnehme,  behandeln  das  Com- 
mercium zwischen  Seele  und  Körper. 

Ich  gebe  zuerst  die  Auseinandersetzung  in  der  Nachschrift 
vom  Wintersemester  1793/94: 

„Die  Gemeinschaft  der  Seele  mit  dem  Körper  im  Leben 
„zu  erklären  ist  jetzt  unser  Zweck.  Seit  Cartesius  hat  dieser 
„Punct  die  Philosophen  beschäftigt. 

„Es  giebt  eine  harmonia  zwischen  Substanzen  in  commercio 
„und  absque  commercio,  letzteres  giebt  nur  einen  nexum  ideale. 
„Soll  aber  zwischen  Seele  und  Körper  eine  harmonia  in  commercio 
„seyn,  so  ist  hier  ein  influxus  physicus.  Hier  entsteht  also  ein 
„System  des  idealen  und  des  realen  Einflusses  zwischen  Seele  und 
„Körper.  Substanzen  harmoniren,  wenn  der  Zustand  der  einen Sub- 
,  ,8tanz  mit  dem  Zustand  der  anderen  correspondirt .   Die  Heterogenei- 


550       Zur  Beurtheilung  von  Kant'«  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

„tat  der  Wirkungen  mit  den  Ursachen  in  dem  commeroio  zwischen 
„Seele  und  Körper,  da  körperliche  Bewegungen  Vorstellungen 
„hervorbringen,  hat  gemacht,  daß  man  statt  eines  influxus  physici 
„(realis)  einen  influxum  idealem  angenommen  hat,  der  aber  eigent- 
lich kein  influxus  ist.  Denn  hier  müßte  Gott  unmittelbar 
„assistiren  (d.  i.  das  Systema  assistentiae  oder  der  Occasionalis- 
,,mus),  oder  Gott  hätte  schon  im  Anfange  der  Welt  bestimmt; 
„daß  Vorstellungen  sich  grade  in  der  Seele  entwickeln  sollten, 
„wenn  gewisse  körperliche  Bewegungen  vorgehen  würden,  und 
„dies  wäre  das  Systema  harmoniae  praestabilitae.  Aber  die 
„Heterogeneität  der  Wirkung  mit  der  Ursache  macht  nicht  die 
„mindeste  Schwierigkeit;  sondern  wie  Substanzen  überhaupt  auf 
„einander  wirken  können,  macht  die  Schwierigkeit,  sie  mögen 
„homogen  oder  heterogen  sein.  Nehmen  wir  einmal  die  Existenz 
„der  Seele  an,  so  macht  das  weiter  keine  Schwierigkeit,  wie  sie 
„nun  in  dem  Körper  wirke. 

„Die  Körper  als  Körper  können  auf  die  Seele  nicht  wirken 
„und  umgekehrt,  weil  Körper  gar  nicht  Relationen  auf  ein  den- 
„kendes  Wesen  haben  können.  Die  äußere  Relation,  in  der  ein 
„Körper  mit  einer  Substanz  steht,  ist  nur  im  Raum,  also  muß 
„diese  Substanz  auch  im  Raum,  mithin  ein  Körper  seyn.  Oerter 
„sind  pure  Relationen.  Veränderung  der  Oerter  ist  Veränderung 
„der  Relationen.  Die  Erfüllung  des  Raumes,  die  Figur  des 
„Körpers  d.  i.  die  Veränderung  der  Grenzen  sind  lauter  Rela- 
tionen. Bei  der  Seele  können  wir  benennen,  was  innerlich 
„verändert  wird;  dies  sind  aber  nicht  Relationen,  sondern  nur 
„Accidentia  z.  E.  Vorstellungen  etc.  Da  die  Relation  des  Körpers 
„nur  im  Raum  besteht,  so  kann  er  [der  Körper]  nicht  Grand 
„der  inneren  Bestimmungen  z.  E.  der  Vorstellungen  seyn.  Der 
„Körper  als  Phänomenon  ist  nicht  mit  der  Seele  in  Gemein- 
schaft, sondern  die  von  der  Seele  verschiedene  Substanz,  deren 
„Erscheinung  Körper  heißt.  Dies  Substrat  des  Körpers  ist  ein 
„äußerer  Bestimmungsgrund  der  Seele;  wie  aber  dieses  commer- 
„cium  beschaffen  ist,  wissen  wir  nicht.  Am  Körper  kennen  wir 
„bloße   Relationen,   aber   das   Innere  (das  Substrat  der  Materie) 


Von  Emil  Arnoldt.  551 

„kennen  wir  nicht.  Nicht  das  Ausgedehnte  qua  extensum  wirkt 
„auf  die  Seele;  sonst  müßten  beide  Correlata  im  Baum,  mithin 
„die  Seele  ein  Körper  seyn.  Wenn  wir  sagen:  Das  Intelligible 
„des  Körpers  wirkt  auf  die  Seele,  so  heißt  dies:  dieses  äußern 
„Körpers  Noumenon  bestimmt  die  Seele;  es  heißt  aber  nicht: 
„Ein  Theil  des  Körpers  (als  Noumenon)  gehe  als  Bestimmungs- 
„grund  in  die  Seele  über;  er  ergießt  sich  nicht  als  Kraft  in  die 
„Seele,  sondern  er  bestimmt  blos  die  Kraft,  die  in  der  Seele  ist, 
„wo  also  die  Seele  activ  ist.  Diese  Bestimmung  nennt  der  Autor 
„influxum  idealem,  aber  dies  ist  ein  influxus  realis;  denn  ich 
„kann  mir  unter  Körper  auch  nur  einen  solchen  Einfluß  denken. 
„Der  Körper  enthält  also  einen  Grund,  die  Kraft,  die  in  der 
„Seele  ist,  zu  determiniren,  und  so  wieder  enthält  die  Seele 
„einen  Grund,  die  Kraft  des  unbekannten  Etwas  (Noumenon  des 
,, Körpers)  zu  determiniren,  daß  eine  äußere  Bewegung  entsteht. 
„Ohne  daß  aber  beide  Substanzen  schon  Kräfte  haben,  kann  kein 
„influxus  realis  zwischen  ihnen  seyn.  Cartesius  sagt:  Gott  bringt 
„Vorstellungen  unmittelbar  hervor,  wenn  z.  E.  mein  Auge  sich 
„bewegt.  Das  Dritte,  nämlich  das  Auge  etc.  ist  dann  ganz  ent- 
behrlich [in  der  Nachschrift  falsch:  unentbehrlich],  weil  Gott 
„auch  ohne  Auge  die  Vorstellungen  hervorbringen  könnte.  Leib- 
„niz  nimmt  diese  Vorstellungen  praestabilirt  von  Gott  an;  dies 
„ist  nicht  viel  besser. 

„Wenn  die  Seele  nicht  Materie  ist  und  als  solche  nicht 
„denken  kann,  so  ist  sie  vielleicht  ein  Substratum  der  Materie, 
,,d.  h.  das  Noumenon,  wovon  die  Materie  blos  das  Phaenomenon 
„ist,  und  dann  entsteht  der  Materialismus  virtualis.  Phaenomenon 
„substantiatum  ist  eine  zur  Substanz  gemachte  Erscheinung,  die 
„an  sich  keine  Substanz  ist.  Materie  ist  das  letzte  Subjeot  der 
„äußeren  Sinne,  sie  beharrt,  wenn  auch  ihre  Form  verändert 
„wird,  und  daher  heißt  Materie  auch  eine  Substanz.  Weil  Materie 
„nur  möglich  ist  durch  den  Baum,  so  ist  sie  nicht  an  sich  Sub- 
stanz, sondern  als  Erscheinung.  Nehme  ich  sie  als  Substanz 
„an  sich  an,  so  ist  sie  ein  Phaenomenon  substantiatum,  wie  Leibniz 
„sagt    Das  Substrat  des  Phaenomens  der  Materie  ist  uns  gänzlich 


552       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

„unbekannt,  und  wir  wissen  nicht,  ob  es  nicht  sogar  ein  ein- 
faches Wesen  sey.  Wir  können  nicht  wissen,  wie  das  Substrat 
„innerlich  beschaffen  sein  mag,  ob  es  denken  und  Vorstellungen 
„haben  könne.  Also  läßt  sich  wenigstens  denken,  daß  der  Ma- 
terie ein  Substrat  zum  Grunde  liege,  welches  denken  könne. 
„Dies  wäre  der  transcendentelle  Materialism.  —  Das  Lebens- 
„vermögen  wird  vielleicht  in  aller  Materie  angetroffen,  aber  die 
„Materie  hat  an  sich  kein  Lebensvermögen,  sondern  es  liegt  ihr 
„als  ein  Substrat  zum  Grunde.  —  Zwischen  Bewegungen  und 
„Vorstellungen  ist  nicht  der  mindeste  Zusammenhang,  also  kann 
„die  Materie  weder  positiv,  noch  negativ  [für  Vorstellungen  von 
„Einfluß]  angenommen  werden. 

„Alle  Vorstellungen  sind  etwas  in  uns,  und  wir  können 
„nicht  sagen,  daß  sie  Objecte  der  äußeren  Sinne  sind.  Aber 
„alle  Materie  ist  Object  der  äußeren  Sinne,  und  wir  können 
„von  ihren  inneren  Vorstellungen  nichts  annehmen.  Bei  der 
„Materie  haben  wir  nichts  anders,  als  äußere  Relationen  und 
„Veränderungen  äußerer  Relationen.  Da  Körper  keine  Sub- 
stanzen an  sich  sind,  so  können  wir  ihnen  keine  Vorstellungen 
„geben,  sondern  wir  kennen  an  ihnen  bloß  äußere  Relationen. 
„(Vorstellungen  sind  aber  innere  Bestimmungen).  —  Wie  Materie 
„könne  Vorstellungen  haben,  ist  uns  gänzlich  unfaßlich  und 
„unbegreiflich;  also  ist  es  ganz  umsonst,  so  etwas  anzunehmen.  — 
„Wer  behauptet,  daß  das  Substrat  der  Materie  und  das  Substrat 
„unseres  eigenen  Denkens  gleiche  Wesen  sind,  dem  können  wir 
„das  wohl  zugeben,  aber  er  sagt  dadurch  doch  nichts,  denn  wir 
„können  davon  nichts  herleiten,  weil  wir  davon  nichts  kennen 
„und  einsehen." 

Diese  Darstellung  der  Gemeinschaft  zwischen  Seele  und 
Körper  ist  trotz  ihrer  Ausführlichkeit  darin  mangelhaft,  daß  sie 
zwar  ausdrücklich  und  richtig  statt  des  Körpers,  der  nur  Sub- 
stanz in  der  Erscheinung  ist,  das  Noumenon  desselben  als  eine  der 
beiden  Grundbedingungen  des  Commerciums  ansetzt,  dagegen 
als  zweite  Grundbedingung  durchweg  die  Seele  nennt,  während 
statt  der  Seele  ebenfalls  das  Noumenon  derselben  wäre  anzugeben 


Von  Emil  Arnoldt.  553 

gewesen.  Diesen  Mangel  ergänzt  die  kürzere  parallele  Dar- 
stellung in  der  Nachschrift  aus  dem  Wintersem.  1794/95.  Freilich 
ist  auch  sie  hier  und  dort  von  eben  derselben  Ungenauigkeit 
nicht  frei.  Daneben  aber  bringt  sie  die  sachgemäße  Ansioht 
zum  unzweideutigen  Ausdruck: 

„Die  Gemeinschaft  der  Seele  mit  dem  Körper  läßt  sich 
„gar  nicht  denken,  sobald  bey  beyden  das,  was  phaenomenon 
„ist,  genommen  wird.  Wie  läßt  sich  auch  z.  £.  in  Ansehung 
„der  Lust  und  Unlust,  in  Ansehung  der  Einbildungskraft  etwas 
„körperliches  bemerkbar  machen.  Soll  der  Mensch  Vorstellungen 
„von  äußern  Gegenständen  haben,  so  bilden  sie  sich  doch  nicht 
„in  ihm,  gleichsam  als  im  Baum  eingeschlossen  ab;  er  erkennt 
„die  Objecte  nicht  in  materieller  Figur,  d.  i.  es  fließt  nicht  die 
„äußere  Materie  in  die  Seele  über;  aber  ein  etwas  unbekanntes, 
„so  nicht  Erscheinung  ist,  ist  es,  was  auf  die  Seele  einfließt, 
„und  so  erhalten  wir  eine  homogeneität  in  uns  mit  den  Dingen. 
„Hierin  liegt  die  Vorstellung,  die  nicht  das  Phänomen  selbst 
„des  Körpers,  sondern  das  Substratum  der  Materie,  das  Noumenon 
„in  uns  erzeugt;  sie"  [die  SeeleJ  „sondert  dies  vom  Object  ab, 
„das  Noumenon  im  Körper  steht  mit  jenem  Noumenon  der  Seele 
„in  Uebereinstimmung,  und  diese  Einheit  ist  der  Bestimmungs- 
„grund  von  beyden,  sich  das  Object  vorzustellen,  und  hierauf 
„beruht  das  commercium  corporis  et  animae.  So  muß  man  sich 
„auch  den  angenommenen  influxum  physicum  erklären.  Zuförderst 
„muß  man  ihn  sich  leal  denken,  d.  i.  daß  die  Substanzen  außer 
„einander  bloß  durch  ihre  Existenz  (mithin  außerhalb  dem  Baume, 
„denn  im  Baume  hat  der  influxus  kein  Bedenken)  auf  einander 
„im  Einfluß  sein  können.  Indeß  materiell  diesen  Influxus  zwischen 
„Seele  und  Körper  von  [auf]  einander  gedacht,  und  doch 
„so,  daß  beyde  außer  sich  und  jede  für  sich  wären,  ist  etwas 
„an  sich  unmögliches;  und  nimmt  man  ihn  ideal  an,  so  wäre 
„dies  nichts  als  die  harmonia  praestabilita  und  würde  nicht 
„mehr  influxus  seyn.  Er  muß  also  als  immaterielle  Wirkung 
„des  Noumenon  von  beyden  gedacht  werden,  wornach  denn  dies 
„nichts  weiter  heißt,   als  daß  etwas  auf  die  Seele  einfließt,  und 


554       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

„dann  bleibt  keine  Heterogeneitaet  übrig,  die  hier  Zweifel  machen 
„könnte,  indem  sich  über  die  Beschaffenheit  dieser  Einwirkung 
„nichts  weiter  sagen  läßt." 

Diese  Darstellungen  sind  in  mehrfacher  Hinsicht  wichtig. 
Sie  sprechen  klar  und  deutlich  den  Unterschied  zwischen  phäno- 
menalen und  noumenalen  Substanzen  aus.  Sie  bestätigen,  daß 
in  der  Krit.  d.  r.  V.  bei  dem  Grundsatz  der  Beharrlichkeit  unter 
„Substanz  in  der  Erscheinung"  nichts  anderes  gemeint  ist,  als 
die  Materie.  Sie  deuten  an,  daß  bei  dem  Commercium  der 
phänomenalen  Substanzen  in  der  Körperwelt,  bei  dem  influxus 
physicus  der  Materien  Noumena  activ  sind,  von  deren  innerer 
Beschaffenheit,  Verhaltungs-  und  Thätigkeitsweise  niemand  eine 
Ahnung  hat,  daß  den  Körpern  und  den  Seelen  möglicherweise 
ein  und  dasselbe  Substrat  gemeinsam,  und  daher  eine  streng 
monistische  Weltansicht  möglicherweise  richtig,  obschon  durch- 
aus unerweislich,  übrigens  jedoch  von  allem  Spinozismus  für 
immer  in  so  fern  geschieden  sei,  als  sie  jenes  letzte  Substrat 
dem  göttlichen  Urwesen  nicht  inhärent,  sondern  von  ihm  dependent 
zu  denken  hätte.  Diese  Darstellungen  endlich  sind  wichtig  in 
so  fern,  als  sie  Kant's  Ansicht  von  der  Affection  unserer 
Receptivität  durch  Gegenstände  —  wie  sie  von  mir  stets  ge- 
deutet ist  —  zu  dem  klaren  Ausdruck  bringen:  die  Affection 
unserer  leiblichen  Organe  durch  bewegte  Materien  ist  ein  bloßes 
Phänomen,  dem  ein  uns  unbekannter  und  für  uns  unfaßbarer 
nicht-sinnlicher  Vorgang  zu  Grunde  liegt,  welcher  zwischen  dem 
an  sich  seienden  Substrat  unserer  Seele  und  dem  an  sich  seienden 
Substrat  der  Körperwelt  zum  Vollzug  kommt;  das  an  sich  seiende 
Substrat  unserer  Seele  ist  das  unbekannte  Wesen,  dem  wir  das 
uns  bekannte  Denken  und  Anschauen  zuschreiben,  hingegen 
das  an  sich  seiende  Substrat  der  Körperwelt  ist  das  unbekannte 
Wesen,  dem  wir  die  uns  bekannten,  Materie  genannten  Er- 
scheinungen eines  Ausgedehnten,  Beweglichen,  Anziehenden 
und  Zurückstoßenden,  Undurchdringlichen  und  Theil baren  zu- 
schreiben; ob  aber  jene  Wesen  wirklich  zwei  sind,  oder  Ein 
und   Dasselbe,    und   wenn   Eines,    dann   ein  Eins,    welches   die 


Von  Emil  Arnoldt.  555 

Mehrheit  nicht  ausschließt,  d.  h.  ein  solches  Eines,  auf  das  der 
Zahlbegriff  keine  Anwendung  findet,  —  davon  kann  niemand 
etwas  wissen. 

Zum  Abschluß  dieser  Ausführungen  aus  der  rationalen 
Psychologie  will  ich  hier  noch  eine  in  dem  Hefte  vom 
"Wintersemester  1793/94  vorkommende  Stelle  über  das  Ende 
des  Commerciums  zwischen  Seele  und  Körper  wiedergeben,  deren 
Gedanke  wegen  seiner  Uebereinstimmung  mit  einem  bei  Pölitz 
über  dasselbe  Thema  entwickelten  Gedanken  merkwürdig  ist: 

„Es  fragt  sich,  ob  das  Leben  der  Seele  ein  bloß  thierisches, 
„oder  ein  spirituelles  Leben  sey,  ob  sie  auch  nach  dem  Tode 
„des  Menschen  zu  denken  vermöge.  Jede  Materie  ist  leblos 
„(denn  Materie  seyn  heißt:  zusammengesetzt  seyn).  Leben  heißt: 
„durch  eigene  Vorstellungen  Ursache  von  Handlungen  seyn. 
„Vorstellungen  können  aber  in  einem  Compositum  nicht  statt- 
„finden,  denn  hier  sind  sie  unter  mehreren  Subjecten  vertheilt. 
„Man  kann  daher  annehmen,  daß  die  Absonderung  eines  Subjects  von 
„der  Materie  kein  Verlust  ihres  [seines]  Lebens,  vielmehr  Beforde- 
„rung  desselben  sey.  Ist  daher  Materie  mit  einem  Princip  des 
„Lebens  verbunden,  so  muß  die  Leblosigkeit  von  jener  diesem 
„Hindernisse  in  den  Weg  legen.  Diesem  scheint  zu  wider- 
„ sprechen,  daß  der  Körper  das  Denken  nicht  immer  hindert, 
„sondern  ihm  auch  zuweilen  nützlich  ist.  Da  beide  in  commercio 
„sind,  daß  keines  von  beiden  sich  aus  dem  andern  herauszusetzen 
„im  Stande  ist,  so  verhält  es  sich  mit  ihnen  ebenso,  als  mit 
„einem  Menschen,  der  an  eine  Karre  geschmiedet  ist.  Es  ist 
„gewiß,  daß  der  Mensch  ohne  dieselbe  weit  besser  geht,  als  mit 
„ihr,  da  er  aber  angeschlossen  ist,  so  ist  ein  adminiculum  seines 
„Gehens,  wenn  das  Bad  sich  gut  dreht  und  keine  Beibung  ist. 
„So  lange  also  Körper  und  Seele  noch  in  Commercio  sind,  so 
„muß  die  Seele  ein  subsidium  des  Lebens  haben;  darum  scheint 
„aber  das  Princip  des  Lebens  doch  nicht  von  der  leblosen 
„Materie  abzuhängen. 

„Ein  Aufhören  des  ganzen  Lebens  ist  Tod  der  Seele.    Es 
„ist    nicht    blos   die   Frage,   ob   die  Seele    aufhören   wird,    als 


566       Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

„Substanz  zu  seyn,  sondern  ob  sie  nach  dem  Tode  des  Menschen 
„gänzlich  aufhören  wird,  zu  leben?  Ferner  fragt  sich's,  ob  wir 
„blos  Ursache  haben  anzunehmen,  daß  die  Seele  künftig  leben 
„werde,  oder  ob  sie  nothwendig  leben  müsse.  Die  Fortdauer 
„des  Lebens  nach  dem  Tode  ist  nicht  Unsterblichkeit  der  Seele, 
„d.  h.  nicht  die  Unmöglichkeit  der  Sterblichkeit.  Spes  vitae 
„futurae  nach  einem  decreto  divino  ist  nicht  Unsterblichkeit. 
„Vita  futura  als  nothwendig  aus  der  Natur  der  Seele  ist  Immor- 
„talität.  Ersteres  nimmt  das  System  der  Eesurrection  an,  daß 
„die  Seele  aus  dem  Zustand  ihres  Todes,  wenn  sie  gleich  als 
„Substanz  bleibe,  blos  durch  Gottes  Willen  erweckt  werde. 
„Unsterblichkeit  ist  die  Nothwendigkeit  der  künftigen  Dauer 
„aus  der  Natur  der  Seele." 

Ein  Vergleich  dieser  Auseinandersetzung  mit  der  bei  Pölitz 
von  S.  233 — 238  ergiebt  die  völlige  Uebereinstimmung  der  all- 
gemeinen Gedanken,  die  in  beiden  entwickelt  werden.  Doch 
ist  im  Einzelnen  die  spätere  (aus  dem  Wintersemester  1793/94), 
abgesehen  von  ihrer  größeren  Kürze,  von  dem  decidirten  Tone 
positiven  Behauptens  frei,  durch  welchen  sich  die  frühere  (bei 
Pölitz)  unvortheilhaft  ausnimmt,  z.  B.  indem  sie  versichert: 
„Wenn  der  Körper  gleich  aufhört,  so  bleibt  doch  noch  das 
„Princip  des  Lebens  übrig,  welches  unabhängig  vom  Körper 
„die  Actus  des  Lebens  ausgeübet  hat,  und  also  auch  jetzt  nach 
„der  Trennung  vom  Körper,  dieselben  Actus  des  Lebens  un- 
behindert ausüben  muß"  (S.  236.),  oder:  „Wenn  der  Körper 
„gänzlich  aufhört;  so  ist  die  Seele  von  ihrem  Hindernisse  befreiet, 
„und  nun  fangt  sie  erst  an  recht  zu  leben"  (S.  237.).  Dagegen 
findet  das  wohl  erwogene  Urtheil  des  Kriticismus  seinen  kürzesten 
Ausdruck  in  den  Sätzen:  „Es  ist  schlechterdings  unmöglich  zu 
„wissen,  ob  nach  dem  Tode  des  Menschen,  wo  seine  Materie 
„zerstreut  wird,  die  Seele  —  —  zu  denken  und  zu  wollen  fort- 
fahren könne  —  — .  Die  Leibnitz- Wolf  sehe  Philosophie  hat 
„uns    zwar  hierüber  theoretisch- dogmatisch  viel  vordemonstrirt, 

„ —  —  —    aber  Niemanden    überzeugen    können;    —  — . 

„In  moralischer  Bücksicht  aber  haben  wir  hinreichenden  Grand, 


Von  Emil  Arnoldt.  56? 

„ —  —  Unsterblichkeit  der  Seele  anzunehmen"  (Fortschritte  der 
Metaph.  seit  Leibn.  u.  Wolf,  E.  I,  651  u.  662;  vgl.  S.  522.  — 
H.  Vm,  571  u.  572;  vgl.  S.  647  u.  548.).  Auch  ist  es  auf- 
fällig, daß  Kant's  späterer  Vortrag  übereinstimmend  mit  seinem 
früheren  die  Ausübung  der  durch  den  Leib  beeinflußten  Seelen- 
thätigkeit  drastisch  durch  die  Bewegung  eines  an  eine  Karre 
geschmiedeten  Menschen  verbildlichte. 

J)  Gott  Substanz  und  Schöpfer  wie  Erhalter  der  Substanz. 

In  der  rationalen  Theologie  liefern  über  den  Substanz- 
begriff die  mir  vorliegenden  Nachschriften  der  Metaphysik  nichts, 
was  erhebliche  Bedeutung  hätte.  Nach  den  Bestimmungen  und 
Anwendungen  dieses  Begriffs  in  den  vorangehenden  Theilen  ist 
es  folgerecht,  daß  Gott  hier  —  übrigens  in  beiden  Nachschriften 
ohne  wesentliche  Differenz  —  erklärt  wird  für  eine  substantia 
extra-  und  supramundana,  eine  monas  im  unterschiede  von  einem 
compositum  substantiale,  eine  substantia  necessaria  und  substantia 
infinita,  welcher  letztere  Ausdruck  freilich  erhaben,  aber  nur 
der  ästhetischen  Einbildungskraft  genügend  und  besser  durch: 
All  der  Vollkommenheit,  mithin  nicht  immensitas,  infinitudo, 
sondern  omnitudo  der  Vollkommenheit  zu  ersetzen  sei.  Es  sind 
nicht  nur  dem  Sinne,  sondern  größtenteils  auch  dem  Ausdruck 
nach  dieselben  Prädicate,  die  in  den  Pölitz'schen  Ausgaben  der 
Metaphysik  (S.  298  u.  ff.)  und  der  philosophischen  ßeligionslehre 
(1.  Aufl.  S.  72  u.  ff.;  2.  A.  S.  78  u.  ff.)  Gott  beigelegt  werden, 
aber  die  Explicationen  derselben  in  den  späteren  Nachschriften 
obschon  weniger  ausführlich,  doch  präciser,  als  in  den  früheren. 
Näher  zu  erwähnen  wären  höchstens  einige  auf  die  Substanz 
der  "Welt  bezüglichen  Bemerkungen  bei  Erörterung  der  Frage 
von  der  Weltschöpfung  und  der  Welterhaltung. 

In  Bezug  hierauf  heißt  es  in  der  Nachschrift  aus  dem 
Wintersemester  1793/94:  „Weltschöpfer  ist  der  Urheber  der 
„Substanz.  Wenn  ich  creare  aus  nichts  hervorbringen  definire, 
„so  giebt  dies  keinen  Begriff.  Die  Hervorbringung  der  Substanz 
„ist  die  Schöpfung.     Wenn    die  Substanz   nicht    da   ist,    so    ist 


568       Zur  Beurtheiltmg  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Venranft  ete. 

„nichts  da;  also  die  Schöpf q£g  aus  nichts  ist  eine  Folge  von 
„der  Hervorbringung  der  Substanz"  [sollte  heißen:  ein  Folge- 
begriff von  dem  Begriff  der  Hervorbringung  der  Substanz]. 

„Ob  Gott  die  Welt  in  der  Zeit  geschaffen?  ist  eine  absurde 
„Frage;  denn  wir  können  weder  Gott,  noch  die  ganze  Welt 
„in  die  Zeit  setzen.  Gott  ist  der  Schöpfer  der  Welt,  nicht 
„sofern  sie  eine  Sinnenwelt  ist,  sondern  der  Welt  an  sich.  Die 
„Sinnenwelt  ist  ein  Geschöpf  unsrer  eigenen  Sinnlichkeit.  Die 
„Dinge  in  der  Zeit  betrachtet  können  wir  nie  als  ein  gegebenes 
„Ganze  ansehen.  Wenn  etwas  in  Succession  gegeben  ist,  so  ist 
„dies  in  sofern  Object  der  Sinnlichkeit  Durch  unsre  Zusammen- 
setzung per  regressum  ist  uns  nur  die  Welt  gegeben,  und  an 
„sich  ist  uns  nichts  gegeben.  Hätte  Gott  die  Welt  in  der  Zeit 
„geschaffen,  so  entstünde  die  Frage:  was  hat  Gott  vorher  gethan? 
„Und  wie  lange  ging  er  mit  der  Welt  schwanger?" 

Abgesehen  von  der  unzulänglichen  Erklärung:  Die  Sinnen- 
welt ist  ein  Geschöpf  unserer  eigenen  Sinnlichkeit,  sind  hier 
alle  Explicationen  treffend:  Die  leere  Vorstellung  einer  Schöpfung 
aus  Nichts  wird  Gedanke  erst  durch  den  Begriff  einer  Hervor- 
bringung der  Substanz,  die  Substanz  aber,  die  Gott  geschaffen 
hat,  ist  noumenale  Substanz,  und  die  Frage,  ob  Gott  die  Welt 
in  der  Zeit  geschaffen  habe,  absurd,  da  Gott  wie  das  von  ihm 
geschaffene  Noumen  außerzeitlich  muß  gedacht  werden. 

Zu  dieser  kurzen  und  bündigen  Auseinandersetzung  in 
dem  Hefte  vom  Wintersemester  1793/94  findet  sich  eine  ihr 
entsprechende,  aber  weitläuftigere  und  höchst  befremdende  in 
der  Nachschrift  von  1794/95,  welche  folgendermaßen  lautet: 

„Der  Begriff*  einer  Schöpfung  und  eines  Schöpfers  involvirt 
„schlechthin  a)  Causalität  einer  Substanz  zu  seyn.  Substanz 
„zeigt  das  Substratum  aller  Accidenzen,  den  Stoff  zu  aller  körper- 
lichen, unkörperlichen  oder  denkenden  Materie  und  daraus  ent- 
stehenden möglichen  Wesen  an.  Daher  auoh  statt  Substanz 
„nicht  causa  der  Welt  gesetzt  werden  kann.  Ein  oreator  ist 
„allemal  derjenige,  der  Ursache  einer  Substanz  ist,  und  diffe- 
„rirt  vom  Architect,  der  die  Ursache  einer  der  vorher  vorhandenen 


Von  Emil  Arnoldt.  559 

„Substanz  gegebenen  Form  ist.  Die  Alten  nahmen  Gott  für 
„das  letztere  an,  da  sie  voraussetzten,  daß  die  Materie  ewig  sey, 
„und  Gott  nur  die  Form  gegeben  habe;  b)  der  Schöpfer  muß 
„causa  libera  des  Products  seyn;  c)  eine  Substanz  muß  und  kann 
„nicht  anders  als  aus  nichts  entstanden-  seyn.  Daher  ist  ein 
„Autor  einer  Substanz  durch  freien  "Willen  ein  Creator  oder 
„Schöpfer  und  kann  nicht  selbst  ein  erschaffenes  Wesen  seyn". 
Nach  Unterscheidung  des  systema  emanationis  und  des  systema 
creationis  —  welche  in  dem  Hefte  aus  dem  „Winter  1794" 
schon  vorher  gegeben  — ,  und  nach  Besprechung  der  Annahme, 
daß  diese  Welt  die  beste  Welt  sei,  heißt  es  weiter:  „Insofern 
„die  Schöpfung  auf  die  Wirklichkeit  der  Dinge  bezogen  wird, 
„gehört  zu  ihr  der  Begriff  der  Actuation  eines  Dinges  (Bewirkung). 
„In  dieser  Bücksicht  ist  creatio  =  die  actuatio  existentiae  sub- 
„stantiae  und  distinguirt  sich  von  der  Conservation  eines  Dinges 
„=  gleich  actuatio  durationis  substantiae;  mithin  die  Bewirkung 
„des  Anfangs  oder  der  Fortdauer  der  Substanz.  Hiebei  wirft 
„sich  die  Frage  auf:  hat  die  Welt  einen  Anfang  oder  ist  sie 
„von  Ewigkeit  her?  —  Anfang,  Dauer  sind  Begriffe,  die  auf 
„Gesetzen  der  Zeit  beruhen,  wenn  sie  determinirt  werden  sollen ; 
„insofern  ist  aber  auch  gewiß,  daß  wir  uns  weder  vom  Anfang 
„der  Welt,  noch  von  ihrer  Dauer,  da  wir  das  Maaß  der  Zeit 
„von  beyden  nicht  wissen,  keine  Begriffe  machen  können.  Denn, 
„um  den  Anfang  der  Welt  zu  bestimmen,  müßte  eine  leere  Zeit 
„vorhergegangen  seyn,  worin  sie  nicht  war,  und  auf  welche  erst 
„die  Welt  anfangen  soll.  Nun  müßte  man  ein  Nichtseyn  in 
„der  einen  Zeit  haben  wahrnehman  können,  auf  welches  ein 
„Daseyn  in  der  andern  gefolgt  wäre;  inmaßen  der  vorhergehende 
„so  wie  der  nachfolgende  Zustand  der  Welt  doch  in  der  Zeit 
„und  ohne  Zeit  gar  nicht  wahrgenommen  werden  kann;  nun 
„ist  es  aber  unmöglich,  ein  Nichtseyn  eines  Dinges  wahr- 
zunehmen; die  Zeit  läßt  sich  überhaupt  nicht  als  etwas  Existiren- 
f,des  denken,  sondern  nur  als  Form  der  Dinge,  insofern  sie  erst 
„existiren.  Ebenso  wenig  läßt  sich  denken,  wie  die  Welt  von 
„Ewigkeit   her   seyn    soll,    d.    i.    daß    eine  unendliche  Zeit   der 


560       Zur  Beurtheüung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

„Dauer  der  Welt  verflossen  seyn  soll.  Eine  unendliche  Zeit  ist 
,. gerade  diejenige,  die  niemals  verfließen  kann,  sie  kann  also 
„nie  ganz  gedacht  Werden;  mithin  sich  eine  Ewigkeit,  d.  i.  un- 
endliche Dauer  der  Welt  vorzustellen  ist  unmöglich.  Um  diese 
„zu  erkennen,  müßten  wir  die  absolute  Totalität  der  Dinge  und 
„die  Dinge  an  sich  erkennen;  wir  erkennen  aber  die  Dinge  nur 
„durch  unsere  Vorstellungsart  in  den  Formen  von  Baum  und 
„Zeit;  die  Vorstellungen  sind  nur  die  Abdrücke,  die  Formen 
„der  Erscheinungen  der  Dinge,  nicht  die  Formen  der  Dinge  an 
„sich.  In  diesen  Vorstellungen  treffen  wir  auf  einen  regressum 
„von  der  gegenwärtigen  zur  vorigen  Zeit  in  infinitum,  ohne  je 
„auf  das  absolute  Ganze,  ohne  je  auf  den  Anfang  der  Welt  zu 
„stoßen,  der  auch  ohne  Kenntniß  des  Nichtseyns  und  dessen 
„Grenze  zum  Daseyn  nie  ein  Gegenstand  der  Erfahrung  werden 
„kann,  da  wir  eine  leere  Zeit,  wie  gedacht,  wahrzunehmen  außer 
„Stande  sind.  Man  widerspricht  sich  daher  immer  selbst  bey 
„den  Ideen  von  dem  Anfange  oder  dem  Ursprünge  der  Welt 
„(gleich  genommen)  sowie  bei  der  Annahme  einer  Ewigkeit  der 
„Welt.  Der  Ursprung  der  Welt  kann  nur  in  der  Zeit  betrachtet 
„werden,  die  Zeit  inhärirt  aber  nur  der  Vorstellung,  nicht  den 
„Dingen  selbst,  mithin  hat  die  Welt  keinen  Anfang,  und,  da 
„sie  als  göttliches  Product  angesehen  werden  muß,  hat  sie  keinen 
„Ursprung  in  der  Zeit;  die  Frage  vom  Weltursprunge  kann 
„also  nie  auf  einen  Anfang  der  Welt,  sondern  muß  nur  auf  die 
„Ursache  der  Welt  zurückgebracht  werden,  die  außer  ihr  liegt. 
„Nach  unsern  Vorstellungen  von  den  Erscheinungen  der  Dinge 
„finden  wir  schlechthin  überall  einen  bedingten  nexum,  kommen 
„nie  auf  das  Unbedingte,  sondern  können  bei  dem  Unvermögen, 
„die  Totalität  der  Dinge  selbst  einzusehen,  nur  einen  progressum 
„derselben  in  infinitum  annehmen,  mithin  über  die  Dauer  und 
„den  Anfang  nichts  entscheiden." 

Wer  mit  „dem  geschärften  Blick",  den  sich  Benno  Erd- 
mann beilegt  (Reflex.  II,  XLL),  die  Zeit,  wenn  sie  unbekannt 
wäre,  bestimmen  wollte,  in  welcher  Kant  diese  als  Kantisch 
überlieferte  Darlegung  dürfte  gegeben  haben,  würde  gewiß  nicht 


Von  Emil  Arnoldt.  561 

auf  das  Semester  1794/95  verfallen,  und  um  so  weniger,  wenn 
er  wüßte,  daß  die  vorhin  citirte  parallele  Auseinandersetzung 
unwidersprechlich  einem  Collegienhefte  aus  dem  „Winter  1794" 
angehört.  Denn  die  vorhin  citirte  giebt,  wie  ich  schon  bemerkte, 
zu  keiner  der  Bede  werthen  Ausstellung  Anlaß,  die  gegen- 
wärtige aber  zu  mehrfacher,  so  daß  bei  ausgeschlossenem  Zweifel 
über  die  Zeit,  in  der  sie  niedergeschrieben,  doch  Zweifel  ent- 
stehen könnte  über  die  Treue,  mit  der  sie  nachgeschrieben 
worden.  Nicht  zu  gedenken  nämlich,  daß  hier  keine  ausdrück- 
liche Beziehung  der  Schöpferthätigkeit  auf  die  Welt  als  Noumen 
allein  Statt  findet,  auch  nicht  zu  gedenken,  daß  hier  die  Be- 
zeichnung der  von  Gott  geschaffenen  Substanz  als  „Stoffes  zu 
aller  körperlichen,  unkörperlichen  oder  denkenden  Materie  und 
daraus  entstehenden  möglichen  Wesen"  die  gemeinten  Begriffe: 
Substrat  der  substantia  phaenomenon  oder  der  Materie  und  Sub- 
strat der  psychischen  Functionen  oder  der  Seele  oberflächlich, 
ungeschickt,  fehlerhaft  ausdrückt;  —  aber  die  Beantwortung  der 
Frage:  hat  die  Welt  einen  Anfang,  oder  ist  sie  von  Ewigkeit 
her?  —  die  Welt  als  Schöpfung  Gottes!  —  warum  wiederholt 
sie  das  eine  Dilemma  der  ersten  Antinomie,  auf  das  sie  einzu- 
gehen gar  nicht  nöthig  hat?  und  warum  geht  sie  darauf  ein, 
ohne  es  aufzulösen?  und  warum  löst  sie  es  nicht  auf,  da  doch 
die  Auflösung  längst  gefanden  und  in  der  Kosmologie,  wie  die 
Nachschrift  von  1794/95  ausweist,  obzwar  nicht  recht  bündig, 
doch  wirklich  vorgetragen  war?  Freilich  giebt  auch  die  vor- 
liegende Beantwortung  gegen  den  Schluß  nebenher  die  Lösung: 
„die  Welt  als  göttliches  Product  hat  keinen  Ursprung  in  der 
Zeit".  Aber  wozu  alles  übrige,  was  genau  genommen  gar  nicht 
dahin  gehört?  Wahrscheinlich,  um  allerlei  ebenso  wenig  dahin 
gehörigen  Gedanken  in  den  Zuhörern  zu  begegnen,  —  wahr- 
scheinlich um  zu  verhüten,  daß  bei  dem  Begriff  der  göttlichen 
Schöpferthätigkeit  unbehutsames  Denken  wieder  in  die  erste 
Antinomie  verfalle.  Doch  trat  leider  dabei  ein,  was  verhütet 
werden  sollte,  nämlich  der  Kückfall  in  einen  Theil  der  ersten 
Antinomie,  während  schon  der  Hinweis   genügt  hätte,    daß    die 

Altpr.  MonatMohrift  Bd.  XXIX  Hft  7  n.  &  86 


562      Zur  Beurth eilung  von  Kaut's  Kritik  der  reinen  Vernunft  etc. 

göttliche  Schöpferthätigkeit  außerzeitlich  zu  denken,  in  näherer 
Bestimmtheit  aber  und  an  sich  selbst  unausdenkbar  und  mibe- 
greiflich  sei.  Diese  Unbegreiflichkeit,  die  mehrfach  an  anderen 
Orten  mit  dem  wiederholten  Bemerken  eingeschärft  wird,  daß 
kein  Mensch  einsehen  könne,  wie  eine  Substanz  eine  andere, 
wie  die  Gottessubstanz  die  noumenale  Weltsubstanz  hervorbringe, 
ist  auch  hier  gemeint  und  indirect  ausgesprochen  als  Unfähig- 
keit des  Menschen,  die  absolute  Totalität  der  Dinge  und  die 
Dinge  an  sich,  das  Unbedingte  zu  erkennen,  und  als  die  Not- 
wendigkeit, die  Frage  vom  Weltursprunge  nicht  auf  einen  An- 
fang, sondern  auf  die  Ursache  der  Welt  zurückzubringen. 

Dabei  laufen  aber  zwei  wenigstens  im  Ausdruck  verfehlte 
Behauptungen  mit  unter.  Denn  es  ist  nicht  richtig,  daß  „wir 
über  die  Dauer  und  den  Anfang  nichts  entscheiden  können". 
Vielmehr  können  wir  entscheiden:  der  Zeit  wie  dem  Räume  nach 
„sind  nur  Erscheinungen  in  der  Welt  bedingterweise,  die 
Welt  aber  selbst  weder  bedingt,  noch  auf  unbedingte  Art  be- 
grenzt" (R.  II,  411.  —  H.  III,  365.),  d.  h.  die  Welt  als  Phänomen 
hat  da  ihren  Anfang,  wo  der  im  Regressus  der  Welterscheinungen 
aufsteigende  Intellect  diesen  Regressus  fortzusetzen  aufhört,  und 
dem  entsprechend  ist  über  die  Dauer  zu  entscheiden;  die  Welt 
als  Noumen  hingegen  hat  weder  Anfang,  noch  Dauer,  weü  kein 
Zeitbegriff  auf  sie  Anwendung  hat.  —  Ferner:  Es  ist  nicht 
richtig,  daß  unsere  Vorstellungen  schlechtweg  „die  Abdrücke", 
sammt  und  sonders  „die  Formen  der  Erscheinungen  der  Dinge" 
sind.  Keine  Anschauung,  kein  Begriff  ist  Abdruck  oder  Copie. 
Abdrücke  oder  Copien,  wenn  dieser  Ausdruck  zugelassen  wird, 
sind  höchstens  die  reproducirten  Erinnerungsbilder  von  An- 
schauungen. Was  aber  die  Erscheinungsformen  anlangt,  so  sind 
diese  entweder  innerhalb  der  reinen  Raumesanschauung  ab- 
gegrenzte Figuren  und  Gestalten,  oder  Zeitreihen,  sei  es  an 
und  für  sich,  oder  in  räumlicher  Auffassung.  Dagegen  sind  die 
Anschauungen,  die  unsere  Erfahrung  enthält,  nicht  blos  die 
Formen  der  Erscheinungen,  sondern  auch  der  Inhalt  derselben, 
die  Erscheinungen,  die  Phänomene  selbst  als  Getfäge  nicht  blos 


Von  Emil  Arnoldt.  563 

apriorischer,  sondern  auch  empirischer  Vorstellungen.  Dies  ist 
eine  von  den  Lehren,  die  Kant  sehr  gründlich  entwickelt  hat, 
und  eine  Lehre,  die  er  bei  Gelegenheit  seiner  Erörterungen  über 
die  Gemeinschaft  zwischen  Seele  und  Leib,  wie  die  früherhin 
citirten  Stellen  aus  seinen  nachgeschriebenen  Vorträgen  darthuen, 
bis  in  ihre  letzte  Folge  zum  Abschluß  brachte.  Jene  davon  ab- 
weichende unrichtige  Behauptung  ist  ein  Zeugniß  dafür,  daß 
Kant  in  seinen  Vorträgen  —  vielleicht  aus  allzu  willfahriger 
Bücksichtsnahme  auf  die  Fassungskraft  seiner  Zuhörer  —  mit- 
unter Aeußerungen  fallen  ließ,  bei  denen  seine  wirkliche  Ansicht 
zu  Schaden  kam. 

Beachtenswerth  ist  auch,  daß  die  Auseinandersetzung  über 
die  Frage  nach  der  Weltschöpfung  in  der  Nachschrift  von 
1794/95  eine  auffällige  Uebereinstimmung  mit  derjenigen  hat, 
die  auf  S.  326 — 330  der  Pölitz'schen  Ausgabe  der  Metaphysik 
in  der  „angewandten  rationalen  Theologie4'  zu  lesen  ist.  Ja  viel- 
leicht wird  hier  einfacher  und  klarer,  als  in  der  Nachschrift  von 
1794/95  einem  mit  den  Antinomien  nicht  vertrauten  Bewußtsein 
die  Lösung  der  Frage  durch  die  Sätze  geboten:  „Wir  können 
„unsere  Begriffe  nicht  aus  dem  Baum  und  aus  der  Zeit 
„herausbringen"  (S.  329.)."  Wenn  wir  uns  vorstellen,  der  Urheber 
„habe  nicht  angefangen  zu  handeln;  dann  wäre  die  Welt  von 
„Ewigkeit  eine  Wirkung  von  ihm.  Hat  er  aber  angefangen  zu 
„bandeln;  so  muß  die  Ursache,  warum  Gott  angefangen  hat  zu 
„handeln,  von  etwas  bestimmt  worden  seyn.  Wir  können  also 
„hier  nichts  Bestimmtes  sagen,  und  auf  beiden  Seiten  nichts 
„Positives  ausmachen,  sondern  nur  negativ  verfahren,  und  sagen: 
„Die  Welt  hat  eine  Ursache,  und  mehr  brauchen  wir 
„auch  nicht  zu  der  rationalen  Theologie  und  zu  der 
„natürlichen  Eeligion"  (S.  328.). 

Wenigstens  deutet  diese  Lösung  die  Schwierigkeiten  der 
vierten  Antinomie  bestimmter  an,  als  die  in  der  Nachschrift  von 
1794/95,  welche  jene  Schwierigkeiten  nur  sehr  unbestimmt  mit 
den  Worten  berührt:  „Nach  unseren  Vorstellungen  von  den  Er- 
scheinungen    der   Dinge    finden    wir    schlechthin   überall   einen 

86* 


564      Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Ej-itik  der  reinen  Vernunft  etc. 

bedingten    nexum,    kommen   nie   auf  das  unbedingte,    sondern 

können  nur einen  progressum  der  Dinge  in  infinitum"  - 

und  selbstverständlich  einen  eben  solchen  regressum  —  „an- 
nehmen". Beide  Auseinandersetzungen,  im  Ganzen  genommen, 
fehlen  darin,  daß  sie  Schwierigkeiten  der  ersten  Antinomie  vor- 
bringen und  die  der  vierten  blos  streifen,  während  bei  der  Frage 
nach  der  Weltschöpfung  gerade  auf  die  der  vierten  zu  recur- 
riren  war  — ,  wenn  überhaupt  ein  hierbei  gar  nicht  nöthiger 
Eecurs  auf  die  in  der  Kosmologie  abgehandelten  Antinomien 
Statt  fand.  Denn  das  nothwendige  Wesen,  nach  dessen  Dasein 
die  vierte  Antinomie  fragt,  ist  der  unbedingte  Grund  für  die 
in  ihrem  gesammten  Bestände  durchgängig  bedingte  Sinnenwelt. 
Als  was  dieser  unbedingte  Grund  zu  denken  sei,  läßt  die  vierte 
Antinomie  zunächst  unbestimmt.  Aber  die  Auflösung  derselben 
zeigt,  daß  als  jener,  von  allen  Bedingungen  der  Sinnenwelt 
freie  Grund  das  Intelligible,  die  noumenale  Welt  zu  denken  sei, 
und  die  Welt  als  Noumen  muß  als  unmittelbares  Product  der 
göttlichen  Schöpferthätigkeit,  aber  eben  nur  als  Noumen,  nicht 
Phänomen,  wie  denn  alles  Noumenale  —  was  immer  es  sei  — 
neben  Gott  als  unmittelbares  Product  seiner  Schöpferthätigkeit 
gedacht  werden,  —  vorausgesetzt,  daß  „die  leichte  Taube"  der 
Speculation  solche  Höhe  zu  erschwingen  den  Versuch  macht 


Postalisches  aus  Preussen. 

Von 

A.  Treichel. 


1.  Postwesen  in  älterer  Zeit.     (Nach  K.  Pawlowski:  Die 

Prov.  W.-Pr.  S.  168.) 

Das  Postwesen  wurde  seit  1649  in  Polnisch -Preußen  be- 
kannt.. Namentlich  richtete  der  große  Kurfürst  ordentliche  Hof- 
posten zwischen  Berlin  über  Marienwerder  nach  Königsberg  und 
seit  1653  auch  über  Danzig,  Marienburg  und  Elbing  ein.  Die 
erste  Post  in  West-  und  Ostpreußen  war  eine  Eeitpost  von 
Danzig  über  Königsberg  nach  Memel.  1654  wurde  in  Danzig 
eine  Post-Station  zur  Annahme  von  Briefen  errichtet.  Die  Post 
ging  wöchentlich  zweimal.  Außer  den  Routen  zwischen  Danzig 
und  Elbing  längs  der  Küste  und  zwischen  Danzig  und  Thorn 
gab  es  bis  zum  Jahre  1772  keine  Post  in  ganz  Westpreußen. 
Bis  zu  diesem  Jahre  soll  es  auch  in  ganz  Westpreußen  keine 
Apotheke  gegeben  haben. 

Die  Ordensritter  hatten  ihre  Ordenscorrespondenz  durch 
angestellte  „Bryffjongen"  befördern  lassen.  Für  diese  standen 
Tag  und  Nacht  die  „Bryffschwoyken"  (Postpferde)  im  Stall  ge- 
sattelt zur  Benutzung.  „Sweykisa,  ein  altpreußisches  Wort, 
bedeutet  Pferd.  Weiter  gehende  Briefe  wurden  in  einem 
linnenen  „Bryffsack"  von  einem  Ordenshause  zum  andern  durch 
„Bryffjong©iia  naifc  frischen  „Bryffschwoykenu  weiter  expediert. 
Als  Postmeister  führte  der  „Wything"  die  Aufsicht  über  die 
Briefsendungen  und  ritt  als  Ordens-Stallmeister  bei  Feierlich- 
keiten dem  Hochmeister  und  den  Gebietigern  vor.  Jeder 
„Wything"  hatte  einen  „Bryffstall"  (Briefstube).  Amtsbriefe 
wurden  bei  Beförderungen  durch  „Bryffjongen"  auf  den  Zwischen- 
stationen mit  der  Abgangsstunde  notiert.  Z.  B.  Aeußere  Adresse: 
„Dem  Erwirdigen   homeister  mit  großer  wirdikeit  czu  bedienen 


566  Postalisches  aus  Preußen. 

ane  alles  Sumen  —  große  macht  lyt  doran  (sehr  dringlich).  — 
1.  Gegangen  von  Schwetz  am  Tage  petri  vnd  pauli  ap  zwischen 
achte  vnd  nunen  nochmittags.  2.  Gegangen  vom  Olden  hasse 
als  de  seyger  (Uhr)  itzung  Xu  hatte  geschlagen  nach  mitter- 
nacht  von  dem  toge  petri  vnd  pauli  uff  den  montag.  3.  Gegangen 
von  Birgelau  als  d'  seiger  III  slug  von  mittage.  (Geh.  Archiv 
Kgsbg.  LIX.  No.  32.) 

Die  großen  Städte  ließen  ihre  amtlichen  Mittheilungen 
durch  „Läufer"  oder  „Landreuter",  theils  zu  Fuß,  theils  zu 
Wagen  reisend,  befördern.  Für  einzelne  Strecken  nahmen  diese 
auch  Privatbriefe  mit.  Zu  ihrer  Beglaubigung  führten  sie  ihre 
Bestallung  mit  sich  und  dazu  ein  Felleisen  und  ein  besonderes 
Zeichen.  In  einem  Beglaubigungsschreiben  för  die  öffentlichen 
„Läufer"  der  Stadt  Danzig  heißt  es  (1449):  „Wy  begere  juw 
weten,  wo  wy  den  Beschedenen  Mattis  Merkell  diessen  bewiser 
to  vnsem  dener  vpgenomen  vnd  em  vnßer  Stat  Busse  (Felleisen 
zu  Briefen)  mit  dem  teken,  dat  he  vnse  vnd  vnses  Copman 
vnd  ok  des  gemeynen  dwtschen  Gopmans  mit  vns  vorkerende 
Breue  möge  dregen  vnd  bringen"  u.  s.  w.  (Danz.  Stadt-Archiv.) 

2.  Die  Post  vor  50  Jahren  in  Bereut. 

Vor  etwa  60  Jahren  war  in  der  Kreisstadt  Berent  die 
einzige  Post  für  den  ganzen  Kreis  und  diese  hatte  nur  einen 
Briefträger,  behangen  mit  vielen  Orden  aus  den  Freiheitskriegen, 
Namens  Lindemann.  Das  war  ein  kleines,  verwachsenes  Männ- 
chen, ein  Israelit,  dem  es  oblag,  die  wenigen  und  wegen  des 
theuren  Botenlohnes  noch  theureren  Briefe  für  den  ganzen  Kreis 
auszutragen.  "Wohl  weil  er  nicht  gern  weit  gehen  mochte, 
wartete  er  auf  einen  Wochenmarktstag  und  lauerte  dann  den 
ihm  meist  bekannten  Dörflern  auf,  mit  denen  er  nach  seiner 
Art  dann  um  das  Botenlohn  handelte,  durch  Schrauben  und 
Ablassen.  Bist  Du  nicht  aus  P.?  Ja.  Kennst  Du  dem  [sie!] 
T.  dort?  Ja.  Der  hat  'nen  Brief;  willst  Du  dem  ihm  nicht  mit- 
nehmen? Ja.  Aber  er  kostet  5  Groschen.  Die  wird  er  wohl 
nicht  geben  wollen.     Na,  dann  gieb  4  Groschen.    Das*  wird  ihm 


Von  A.  Treichel.  667 

noch  zu  theuer  sein.  Na,  dann  gieb  3  Groschen  oder  ich  zer- 
reiße ihn  gleich  auf  der  Stelle  und  werfe  ihn  fort.  Schließlich 
wurde  man  handelseins.  Ebenso  entwickelte  er  sein  Handels- 
talent, wenn  er  auf  Reisen  war.  Briefe  waren  damals  ein  seltener 
Artikel  und  der  baare  Groschen  wohl  noch  mehr.  Aber  durch 
seine  Drohungen  (Entzweireißen  und  Fortwerfen)  erreichte  er 
seinen  Zweck,  wenn  ihm  auch  die  menschliche  Neugierde  dabei 
half.  Nach  ihm  kam  dann  eine  Zeit  von  zwei  Postboten,  die 
sich  in  den  Kreis  theilten  und  die  eine  hochbegehrte  feste  An- 
stellung mit  monatlich  acht  Thalern  erhielten,  natürlich  aus- 
gediente Unteroffiziere  (Klatt  und  Engler?).  Diese  nahmen  die 
eingelaufenen  Briefe  am  Montage  in  Empfang  und  mußten  sie 
bis  zum  künftigen  Sonnabende  ausgetragen  haben,  so  daß  am 
Sonntage  ihr  Buhetag  war.  (ßef.  Gutsbes.  Sietz.).  —  Und  wie 
bequem  und  rührig  und  zur  Stunde  ist's  heute  auf  diesem 
Gebiete?!  — 

3.  Die  Post  in  Neuteich. 
Vor  50  Jahren  wurde  die  hiesige  Postanstalt  nebenamtlich 
durch  den  Bürgermeister,  oder  vielmehr  durch  dessen  Tochter 
besorgt.  Als  städtischer  Briefträger  fungirte  ein  halbblinder 
ehemaliger  Handwerker  und  die  Briefe,  welche  für  die  Besitzer 
in  der  Umgegend  ankamen,  trug  die  Waschfrau  des  Bürger- 
meisters aus,  jedoch  nur,  wenn  die  Frau  Bürgermeister  nicht 
eben  große  "Wäsche  oder  andere  wirthschaftliche  Verrichtungen 
vorzunehmen  hatte.  In  diesem  Falle  mußten  die  Landbewohner 
warten,  bis  die  Waschfrau  Zeit  hatte.  Jetzt  ist  das  anders  ge- 
worden. Wie  der  für  das  Jahr  1889  aufgestellte  Postbericht 
angiebt,  hat  der  Orts-  und  Landbestellbezirk  des  Postamts  Neu- 
teich nach  der  letzten  Volkszählung  vom  Jahre  1885  5211  Ein- 
wohner. Neuteich  ist  Abrechnungsort  der  vier  Postagenturen 
Gr.  Mausdorf,  Ladekopp,  Schöneberg,  Neu-Münsterberg  und  der 
Posthilfstellen  Brodsack,  Eichwalde,  Tannsee  und  Tralau.  Mit 
der  Postanstalt  ist  die  Telegraphenanstalt  vereinigt.  Im  Post- 
bezirk befinden  sich,  wie  man  der  „K.  H.  Z.u  von  hier  schreibt, 
12   Briefkasten,    davon   3    im   Orte.     Die   Postverwaltung   hat 


568  Postalisches  ans  Preußen. 

7    Diensträume    inne    und    das    Postpersonal    bestellt   ans   drei 
Beamten  und  neun  Unterbeamten. 

4.  Kurische  Nehrung. 

Auf  der  Kurischen  Nehrung  werden  postalische  Sendungen 
jetzt  theils  von  dem  Memel-Cranz'er  Dampfer  mit  Kahn,  theils 
durch  Botenpost  befördert.  Auch  hat  man  Anlegestellen  in  alier- 
neuester  Zeit  gebaut,  um  den  Dampfern  die  Verbindung  mit  der 
Nehrung  zu  erleichtern.  Hinsichtlich  früherer  Zeit  hatte  die 
Handfeste  für  den  Krug  im  Dorfe  Nidden  z.  B.  im  Jahre  1529 
Bestimmungen  gesetzt  für  die  Behandlung  Fremder  („Den  fremden 
ab-  und  zureisenden  soll  der  Krüger  gute  Ausrichtung  um  ihr 
Geld  thun.")  und  die  Beförderung  von  Briefen  und  anderen 
Sachen  „nach  bestem  Vermögen". 

In  Rossitten  war  um  1670  ein  Postreiter  angestellt.  Nach 
A.  Bezzenberger  (Kurische  Nehrung  S.  201)  heißt's:  „Noch 
wohnet  ein  Post  Beuther  alldar  hat  7*  Huebe  Ackers  Davon 
Zinszet  Er  30  Mark".  Auch  wird  1667  eine  „Post  Beuthersche" 
erwähnt.  Wie  es  zur  Zeit  des  D.  O.  dort  aussah,  erhellt  ans 
einem  Briefe  des  Michel  von  Swoben,  Komtur  in  Memel,  an 
den  Hochmeister,  vom  (6.  Mai)  1515,  freilich  zur  Zeit  der  Pest, 
„wo  kein  Aeltester  im  Dorfe  ist,  wo  sie  die  Besorgung  als  kein 
Gewohnheitsrecht  von  Anbeginn  an  behaupten  und  wo  die 
Dörfler,  wenn  Briefe  kommen,  statt  sie  Einer  dem  Anderen 
zu  bringen,  in  die  Berge  laufen  aus  „vorferannus"  (Schrecken; 
vgl.  sich  verfiren).  So  giebt  A.  Bezzenberger  S.  291  an  und 
zeichnet  auch  die  alte  Poststraße  auf  einer  Karte  ein.  Die  Post 
hielt  aber  die  Straße  nicht  immer  ein,  sondern  fuhr  bei  hohem 
Wasser  im  Haff  von  Sarkau  aus  längs  dem  Seestrande.  Die 
Straße  ist  nicht  etwa  eine  Chaussee,  sondern  ein  Weg  in  theils 
losem  Sande.  In  ihrer  Nähe  befanden  sich  einige  Strandbuden, 
in  welchen  Beisende  einen  Unterschlupf  fanden,  jetzt  aber  auch 
längst  verschwunden.  Jetzt  sind  von  diesem  alten  und  seinerzeit 
so  wichtigen  Verkehrswege  nur  noch  einige  alte  Weidenbäume  übrig, 
die  aus  dem  Sande  hervorragen.  —  Ein  weiteres  vgl.  L.  Passarge: 
Aus  balt.  Landen.  S.  105—300.  und  Altpr.  Mon.  VIEL  20  ff. 


Berichtigung  und  Zusatz 

zu  dem  Aufsatze  „Die  Wappen  der  Städte  Alt- Preußens". 

(Altpr.  Monatsschr.  Bd.  XXIX.  Heft  3  u.  4.) 

Von 

C.  Beckherrn. 


Labiau.  Das  Wappen  dieser  Stadt  ist  nach  der  im  Grün- 
dungsprivilegium  enthaltenen  Beschreibung  gezeichnet  worden. 
Nach  einer  Mittheilung  des  Pfarrers  zu  Labiau,  Herrn  Dr.  Leh- 
mann, ist  diese  Beschreibung  aber  leider  ungenau  und  weicht 
von  der  dem  genannten  Privileg  beigegebenen  Abbildung  in 
sofern  ab,  als  auf  dem  silbernen,  die  Hand  mit  dem  Jägerhorn 
and  den  Baum  enthaltenden  Schilde  anstatt  des  Auers  in  ganzer 
Figur  ein  Helm  mit  Decke  und  einem  halb  rechts  ge- 
wendeten, wachsenden  Auer  als  Kleinod  ruht.  Die  ge- 
krümmten Vorderbeine  des  Auers  sind  gekreuzt.  Der  von  mir 
dem  Wappen  gegebene  größere  Schild  muß  demnach  fortfallen. 
(Vergl.  Art.  Insterburg  u.  Anmerk.  13). 

Der  Beschreiber  des  Wappens  bei  Siebmacher  hat  also  hin- 
sichtlich des  Helmes  Recht,  leider  hat  er  aber  den  Auerochsen 
für  einen  Heiligen  angesehen. 

Neuteich.  Das  jetzige  Wappen  hat  im  von  Zweigen  um- 
gebenen Schilde  ein  Kleeblatt  mit  Stiel.  Auf  dem  Schilde  ruht 
der  gekrönte,  natürliche  preußische  Adler.' 


Kritiken  und  Referate. 


»öttidfrer,  gfcolf«     $ie  Bau*  ttttb  ffttufroettfmäler-  fcet  9***i»j  £fyrcette«. 

I.  $a3  Samlanb.  ÄönigSberg  189].  141  Seiten.  —  II.  Baiaitflen. 
ÄönigSberg  1892.  195  ©etten.  »etbe  $efte  mit  ^Ireicf)en  Hbbtlbungen. 
8°.    $vet*  je  3  2Rf. 

-Es  ist  kein  bloßer  Zufall,  daß  eine  der  ersten  Betätigungen  staatlicher 
Fürsorge  für  die  Erhaltung  öffentlicher  Bau-  und  Kunstdenkmaler  in  Preußen 
von  Paris  aus  erfolgte.  In  der  Noth  der  Napoleonischen  Zeit  und  in  der 
glorreichen  Erhebung  der  Freiheitskriege  hatten  erleuchtete  und  weit- 
blickende Männer  erkannt,  einen  wie  köstlichen  Besitz  unser  Vaterland  in 
seinen  älteren  Bauwerken  und  Kunstschätzen  besitze  und  wie  stark  die 
Wurzeln  seien,  die  sich  hier  für  eine  lebensvolle  Neuentwickelung  so 
mancher  Zweige  und  Theile  unseres  Volkslebens  böten.  Freilich  haben 
weder  die  Verfasser  jenes  am  4.  October  1815  in  der  Hauptstadt  des  Erb- 
feindes erlassenen  Königlichen  Kabinetsbefehls,  noch  Schinkel,  der  ihn 
mittelbar  veranlaßt  hatte,  geahnt,  wie  bedeutend  der  Besitz  sei  und  wie 
werthvoll  er  sich  für  den  Neuaufschwung  unserer  Baukunst  und  unseres 
Kunstgewerbes  erweisen  würde.  Es  mußten  Jahrzehnte  vergehen,  ehe  die 
damals  geweckte  Erkenntniß  weitere  Schichten  der  Bevölkerung  ergriff  und 
ehe  sie  behördlicherseits  mit  dem  erforderlichen  Nachdruck  behandelt  wurde. 
An  mannigfachen  Anläufen,  an  Versuchen  aller  Art,  an  hocherfreulichen 
Einzelergebnissen  *)  fehlte  es  nicht,  aber  erst  die  durch  den  Krieg  von 
1870/1  und  die  Gründung  des  Deutschen  Reiches  neubelebte  nationale  Be- 
geisterung vermochte  eine  planmäßigere,  systematischere,  durchgreifendere 
Regelung  der  einschlägigen  Fragen  zu  bringen,  freilich  nicht  so  gut,  wie 
wir  es  gewünscht  hätten,  aber  doch  gut  genug,  um  uns  ihrer  zu  freuen. 
Vor  allem  galt  es  den  überhaupt  vorhandenen  Bestand  zu  ermitteln  und  fest- 
zulegen.     Zu    arg   hatten  Unverstand  und  Geldgier  unsere  alten  herrlichen 


*)   Ich   erinnere   hier   nur  an  die  Arbeiten  von  Adler,  v.  Dehn-Roth- 
felser,  Essenwein,  Lotz,  v.  Quast  u.  a. 


Bötticher,  Adolf.    Die  Bau-  nnd  Kunstdenkmäler  etc.  571 

Kirchen  nnd  Rathhäuser  verwüßtet,  zu  viel  an  beweglichen  Alterthümern 
war  nach  dem  Ausland,  besonders  England  verschleppt  worden,  als  daß 
nicht  der  namentlich  auf  den  Generalversammlungen  der  deutschen  Archi- 
tekten und  Ingenieure  wiederholt  und  dringlichst  laut  gewordene  Wunsch 
nach  einer  möglichst  umfassenden  „Inventarisirung"  die  ernsteste  Beachtung 
in  den  leitenden  Kreisen  gefunden  hätte.  Es  galt  geradezu,  einer  Schädi- 
gung des  Nationalvermögens  vorzubeugen.  Zwar  erwies  sich  die  Hoffnung, 
die  Arbeit  einheitlich  von  Reichswegen  vorzunehmen,  nach  Lage  der  Dinge 
unerfüllbar;  die  Aufgabe  mußte  verfassungsgemäß  den  Einzelstaaten  über- 
lassen bleiben,  von  denen  der  größte  Theil  nunmehr  aber  auch  nicht  länger 
zögerte,  ihr  gerecht  zu  werden,  und  in  Preußen  wiederum  wurde  sie  durch 
das  Provinzialdotationsgesetz  vom  8.  Juli  1875  den  einzelnen  Provinzial- 
verbänden  überwiesen. 

Es  ist  nicht  die  Aufgabe  dieser  Zeilen,  im  Einzelnen  zu  verfolgen, 
wie  sich  die  Ausführung  der  Arbeit  in  den  einzelnen  Gauen  des  Vaterlandes 
vollzogen  hat.  Doch  muß  ich  darauf  hinweisen,  daß  man  in  unserer  Provinz 
Preußen  bereits  kurz  vor  Erlaß  des  Gesetzes  an's  Werk  gegangen  war. 
Allerdings  fand  die  Aufnahme,  welche  Herr  Archivassistent  Wittich  1874 
begann,  in  Folge  äußerer  Umstände  keinen  Abschluss;  die  von  ihm  ge- 
fertigten, überaus  sorgfältigen  Beschreibungen  gothischer  Kirchen  in  mehre- 
ren Kreisen  Ostpreußens  liegen  noch  heute  unveröffentlicht  im  Landeshause. 
Dagegen  wurde  die  Arbeit  im  Jahre  1887  neu  in  Angriff  genommen  und 
diesmal  sind  wir  in  der  glücklichen  Lage,  von  einem  umfangreichen  litera- 
rischen Ergebniß  berichten  zu  können. 

Es  hatte  freilich  nicht  an  solchen  gefehlt,  die  über  die  neugetroffene 
Wahl  der  leitenden  Persönlichkeit  den  Kopf  schüttelten;  es  war  Herr 
Architekt  Adolf  Bötticher,  der  durch  die  ihm  vom  Deutschen  Reich  über- 
tragene Mitwirkung  an  den  Ausgrabungen  in  Olympia  in  weiteren  Kreisen 
bekannt  geworden  war  nnd  durch  seine  Veröffentlichungen  über  Griechen- 
land sich  als  ein  feinsinniger  Kenner  von  Kunst  und  Alterthum  erwiesen 
hatte,  mit  der  Inventarisirung  betraut  worden,  und  vielen  erschien  der 
Sprung  von  Athen  nach  Domnau  und  von  Olympia  nach  Kraxtepellen  als 
gar  zu  gewagt.  Wir  wollen  hierüber  nicht  rechten,  doch  muß  nachdrück- 
lichst hervorgehoben  werden,  daß  durch  diese  Wahl  eine  Gefahr  sicher  ver- 
mieden ist,  nämlich  die  einer  einseitigen  Beurtheilung  und  gelegentlichen 
Ueberschätzung  der  heimathlichen  Alterthümer.  Wir  dürfen  sicher  sein, 
daß,  wenn  jemand  ein  ostpreußisches  Baudenkmal  rühmt,  der  so  von  dem 
griechischen  Schönheitsideal  erfüllt  ist,  wie  Herr  Bötticher,  dasselbe  auch 
wirklich  rühmenswerth  ist.  Und  so  begrüßen  wir  die  ersten  Veröffent- 
lichungen, die  seiner  hiesigen  Thätigkeit  entsprungen  sind,  mit  lebhafter 
Freude  und  können  nur  wünschen,  daß  die  weiteren  Hefte,  wie  es  dem  Ver- 


672  Kritiken  und  Referate. 

nehmen  nach  in  sicherer  Aussicht  steht,  in  der  That  in  kürzester  Frist 
folgen  werden.*) 

Herr  Bötticher  ist  in  der  Weise  vorgegangen,  daß  er  von  Ort  zu  Ort 
zog  und  dabei  von  allen  vorgeschichtlichen  Bargwallen  und  Grabstätten 
und  allen  Denkmälern  der  Baukunst  und  des  Kunstgewerbes  „von  der 
gothischen  Stilepoche  durch  die  Renaissance  einschließlich  des  Barocks  und 
Rococos  bis  zum  Beginn  der  klassicirenden  Reaktion'1  Kenntniß  und  Ver- 
merk nahm.  Was  er  an  Vorarbeiten  hierbei  benutzt  hat,  davon  giebt  er  in 
der  Einleitung  des  ersten  Heftes  Aufschluß;  hervorheben  will  ich  hier  neben 
der  schon  erwähnten  Inventarisirung  Wittichs  die  trefflichen,  1826—1828 
angefertigten  Aufnahmen  des  Lieutenants  Giese,  der  übrigens,  wie  ich  bei- 
läufig bemerken  möchte,  in  den  Akten  jener.  Zeit  und  in  den  damaligen 
Rang-  und  Quartierlisten  Guise,  und  nicht  Giese  genannt  wird.  Auf  ihn 
gehen  die  meisten  der  mitgetheilten  Grundrisse  zurück,  während  die  zahl- 
reichen andern  Abbildungen  entweder  auf  Photographien  Böttichers  oder 
auf  den  meisterhaften,  verständnißvollen  Zeichnungen  des  Architekten  Heit- 
mann  beruhen.  Die  Anordnung  des  Stoffs  ist  in  der  Weise  getroffen,  daß 
die  einzelnen  Kirchspiele  nacheinander  in  alphabetischer  Folge  zur  Schilde- 
rung gelangen;  wenngleich  ich  die  Vortheile  hiervon  nicht  leugnen  will,  so 
würde  ich  es  doch  für  zweckmäßiger  gehalten  haben,  wenn  sämmtliche  Ort- 
schaften ohne  Rücksicht  auf  die  Kirchspiele  streng  alphabetisch  einander 
folgten;  so  aber  ist  die  Beigabe  eines  genauen  Registers  zum  Schluß  des 
Werkes  unerläßlich  geworden,  da  man  unmöglich  erwarten  kann,  daß  jeder 
Mensch  weiß,  daß  beispielsweise  Friedriebstein  unter  Löwenhagen  und 
Ziegenberg  unter  Medenau  zu  suchen  ist.  Es  wird  nun  ferner  bei  jeder 
Ortschaft  ein  kurzer  Ueberblick  über  ihre  Lage  und  ihre  Geschichte  gegeben 
und  sodann  über  die  dort  gemachten  Funde  und  die  dort  erhaltenen  Alter- 
thümer  in  knapper,  aber  übersichtlicher  Form  berichtet.  Auf  das  Freudigste 
zu  begrüßen  ist  es,  daß  der  Verfasser  sich  nicht  auf  die  Beschreibung  des 
Mauerwerks  von  Schlössern  und  Kirchen  beschränkt,  sondern  sein  Augen- 
merk ganz  wesentlich  auch  auf  die  Kleinkunst  im  weitesten  Sinne  des  Wortes 
gerichtet  hat;  und  als  einen  besondern  Vorzug  seiner  Inventarisirung  be- 
zeichne ich  es,  daß  er  auch  einfache  Bauernhäuser,  soweit  sie  noch  alte 
Merkmale  aufweisen,  nicht  übergangen  hat  (vgl.  z.  B.  die  Abbildung  IL  S.  77). 

Das  Bild,  das  sich  aus  dieser  Beschreibung  unserer  Provinz  ergibt, 
ist,  soweit  man  es  nach  den  bis  jetzt  vorliegenden  Heften  beurtheilen  kann, 


*)  Für  Anfang  1893  steht  das  Heft  „Oberland",  für  Ende  1893  das 
Heft  „Ermland"  zu  erwarten,  während  die  Stadt  Königsberg  und  der  Osten 
der  Provinz  1894  den  Abschluß  bilden  sollen. 


feotticher,  Adolf.    Die  fiau-  und  Kunstdenkmäler  etc.  573 

ein  überraschend  günstiges.  Der  Bestand  an  älteren  Kunstwerken  ist  weit 
größer,  als  man  vorher  anzunehmen  geneigt  war,  und  den  spottsüchtigen 
Neidlingen  drinnen  „im  Reich",  die  sich  Ostpreußen  nur  als  ein  großes,  grau 
in  grau  gefärbtes  Landgebiet  für  Veranstaltung  von  Wolfsjagden  vorstellen 
können,  wird  durch  die  nüchterne,  urkundliche  Form  des  Bötticher'schen 
Werkes  das  Auge  endgiltig  darüber  geöffnet  werden,  daß  Ostpreußen  in 
kultureller  Hinsicht  ein  vollberechtigtes  Glied  in  der  Reihe  der  deutschen 
Provinzen  bildet.  Zwar  steht  es  weit  zurück  hinter  dem  Reichthum  der 
Rheinprovinz  oder  Bayerns,  aber  ich  meine,  daß  die  herrlichen  Schlösser  zu 
Lochstadt,  Balga  und  Barten,  die  schönen  gothischen  Kirchen  in  Barten- 
stein, Friedland,  Gerdauen,  Rastenburg,  Deutsch-Tierau  u.  s.  w.,  die  pracht- 
volle Barockkirche  in  Heilige:Linde,  die  Stadtbefestigungen  in  Bartenstein 
und  Wehlau,  und  die  kirchlichen  Ausstattungsgeräthe  in  Fischhausen, 
Medenau,  Pobethen,  Schönwalde,  Allenburg,  Bl&diau,  Cremitten,  Gallingen, 
Heilige-Linde,  Waltersdorf  u.  s.  w.  auch  im  übrigen  Deutschland  sich  recht 
gut  sehen  lassen  könnten.  Ich  vermag  mich  unmöglich  auf  Einzelheiten 
einzulassen;  der  von  Bötticher  zusammengetragene  Stoff  ist  zu  gewaltig, 
als  daß  er  sich  mit  wenig  Worten,  wie  sie  mir  nur  zur  Verfügung  stehen, 
abmachen  ließe.  Es  bewahrheitet  sich  hier  eben  abermals  das  Wort:  „wer 
vieles  bringt,  wird  manchem  etwas  bringen";  ich  bin  fest  überzeugt,  daß 
zum  Mindesten  jeder  Ostpreuße  in  den  beiden  Heften  genug  finden  wird, 
was  ihn,  sei  es  nach  dieser,  sei  es  nach  jener  Richtung  hin  anregt  und 
fesselt.  Aus  eben  demselben  Grunde  wird  auch  nur  zu  leicht  der  eine  dies, 
der  andere  jenes  zu  tadeln  haben ;  über  die  Geschichte  und  die  Baulichkeiten 
der  engsten  Heimath  weiß  jeder  etwas  mitzusprechen,  wenn  es  auch  noch 
so  wenig  ist,  und  oft  kann  der  Fall  eintreten,  daß  gerade  das,  was  er  weiß 
und  was  ihn  interessirt,  übergangen  oder  anders  dargestellt  worden  ist. 
In  manchen  Fällen  wird  der  Tadel  unbegründet,  in  anderen  wird  er  be- 
gründet sein;  häufig  aber  wird  der  Fehler  erklärbar  dadurch  sein,  daß  der 
Verfasser  lediglich  auf  sich  selbst  angewiesen  war  und  in  die  umfangreiche 
Einzel-Literatur  sich  allein  einzuarbeiten  hatte,  deren  Zuverlässigkeit  zu 
prüfen  er  nach  seiner  ganzen  Vorbildung  nicht  immer  im  Stande  war. 

„Unvollendet  Material  zum  Weiterarbeiten",  so  bezeichnet  der  Ver- 
fasser selbst  seine  Arbeit.  Er  hat  Recht;  hätte  er  sie  so  angefaßt,  daß 
späteren  überhaupt  nichts  mehr  zu  leisten  übrig  geblieben  wäre,  so  wäre 
die  Fertigstellung  auf  viele,  viele  Jahre  hinausgeschoben  worden,  während 
wir  jetzt  in  erstaunlich  kurzer  Frist,  jedenfalls  in  kürzerer,  als  in  den  übri- 
gen Provinzen,  einen  Gesammtüberblick  erhalten  haben,  der  im  Großen  und 
Ganzen  eine  sichere  Grundlage  „zum  Weiterarbeiten"  bietet.  Das  „Weiter- 
arbeiten" ist  aber  unbedingt  nothig  und  wenn  auch  ich  im  Folgenden  einige 
Ausstellungen  erhebe,  so   möge  man   sie  nicht  als  den  Ausfluß  von  Tadel- 


574  Kritiken  und  Referate. 

sucht  deuten,   sondern   als   den  Ausdruck  des  Wunsches,   zu   weiterer  Ver- 
vollkommnung des  Werkes  beizutragen  und  anzuregen. 

Im  Hefte  Samland  erscheinen  mir  die  Schlösser  Neuhausen  (S.  96), 
Holstein  (58)  und  Friedrichstein  (80)  zu  wenig  berücksichtigt;  ich  vermisse 
eine  nähere  Beschreibung  der  in  Neuhausen  noch  vorhandenen  alten  Ge- 
wölbe, sowie  eine  Schilderung  der  Architektur  von  Holstein  und  Friedrich- 
stein. Auch  weiß  ich  nicht,  ob  die  Sammlungen  des  Grafen  Dönhoff  über- 
gangen werden  durften,  die  nach  allem,  was  ich  höre,  sehr  werthvoll  sein 
müssen.  Bedauerlich  ist  es,  daß  über  den  italienischen  Baumeister,  der  an- 
geblich in  Metgethen  thätig  gewesen  ist  (I.  58),  sowie  über  den  Italiener, 
der  die  Stuckverzierung  im  Keller  des  Schlosses  Gerdauen  ausgeführt  haben 
soll  (Heft  II.  S.  93),  sich  nichts  Näheres  ermitteln  ließ.  Die  Bezeichnung 
„Nürnberger  Arbeit",  die  sich  öfters  findet  (II.  46:  „Nürnberger  oder  Braun- 
schweiger Arbeit"),  halte  ich  in  dieser  Form  für  bedenklich,  da  sie  leicht 
zu  der  irrthümlichen  Annahme  führt,  daß  es  sich  nachgewiesener  Maßen  und 
völlig  zuverlässiger  Weise  um  „Nürnberger  Arbeit"  handele.  Wenn  man 
auch  mit  Nürnberg  den  Begriff  einer  Blüthezeit  der  deutschen  Kunst  zu 
verbinden  gewöhnt  ist,  so  war  es  doch  damals  keineswegs  die  einzige  deutsche 
Stadt,  in  welcher  bessere  Kunsterzeugnisse  hergestellt  wurden.  Schon  Alwin 
Schultz  hat  beispielsweise  in  seiner  Dissertation  de  Iodoci  Tauchen  vita 
atque  operibus  (Breslau  1864)  die  Ehre  Breslaus  auf  dem  Gebiete  mittel- 
alterlichen Bronzegusses  wiederhergestellt  und  jedes  Jahr  fast  lernen  wir 
eine  neue  Pflegstätte  alter  deutscher  Kunst  kennen.  Ich  betrachte  es  geradezu 
als  die  Aufgabe  der  Inventarisirungen,  auf  dieser  Bahn  fortzuschreiten  und 
unsere  Kenntnisse  in  dieser  Richtung  zu  erweitern.  Für  die  Erzeugnisse 
der  Goldschmiede-  und  Zinngießer-Kunst  wird  das  durch  die  Stempel  er- 
leichtert, welche  die  Meister  ihren  Werken,  häufig  allerdings  an  recht  ver- 
steckter Stelle,  aufzudrücken  pflegten.  So  habe  ich  schon  vor  mehr  als 
drei  Jahren  feststellen  können,  daß  das  schöne  silberne  Altargeräth,  welches 
der  hiesige  Dom  besitzt,  von  einem  in  Königsberg  selbst  ansässigen  Gold- 
schmied gefertigt  worden  ist.  Ich  möchte  deshalb  den  Wunsch  aussprechen, 
daß  die  künftigen  Hefte  weiteren  derartigen  Ertrag  bringen ;  das  neuerdings 
erschienene  umfangreiche  Werk  von  Marc  Rosenberg,  der  Goldschmiede 
Merkzeichen,  Frankfurt  a.  M.  1890,  das  übrigens  (S.  191—194)  auch  einige 
Königsberger  Stempel  bringt  (die  von  ihm  benutzten  Königsberger  Gold- 
schmiedearbeiten befinden  sich  in  Petersburg,  Frankfurt  a.  M.,  Ungarn  und 
Berlin),  bietet  ja  eine  vortreffliche  Grundlage  für  derartige  Feststellungen. 
Auf  andern  Gebieten  hat  Bötticher  verschiedene  tüchtige  einheimische 
Künstler  nachgewiesen,  z.  B.  den  Melchior  Breuer. 

Die  Beichtstühle  in  Bartenbtein    (IL   S.  36)   werden   in  das  Ende  des 
17.  Jahrhunderts   gesetzt;    da   aber   die   chronogrammatische   Inschrift   des 


Bötticher,  Adolf.    Die  Bau-  und  Kunstdenkmäler  etc.  575 

einen  die  Zahl  1785  ergiebt,  so  würde  die  Angabe  danach  wohl  zu  berich- 
tigen sein.  Um  1735  herrscht  freilich  anderwärts  bereits  das  Rococo,  aber 
wenn  in  abgelegenen  Orten,  wie  Bartenstein,  sich  ältere  Formen  länger 
halten,  als  in  den  Hauptsitzen  der  Kultur,  so  ist  das  gar  nichts  seltenes 
und  ist  nicht  weiter  verwunderlich  (vgl.  auch  den  Altaraufsatz  in  der 
Bartensteiner  Johanniskirche  von  1785,  II.  S.  87). 

Weshalb  die  eine  Heiligenfigur  auf  dem  Fischhausener  Kelch  (I.  44) 
die  heilige  Margarethe  sein  soll,  ist  nicht  recht  ersichtlich ;  soweit  die  nicht 
ganz  klare  Abbildung  es  erkennen  läßt,  kann  nur  die  heilige  Agnes  ge- 
meint sein. 

Bei  dem  Ordensschloß  von  Barten  (II.  28)  vermisse  ich  die  Angabe 
von  Maßen. 

Der  für  Heilige-Linde  thätig  gewesene  Maler  Almonti  (II.  116)  dürfte 
richtiger  Altamonti  zu  schreiben  sein.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß 
es  derselbe  1657  in  Neapel  geborene  Künstler  ist,  der  1682  nach  Warschau 
kam,  von  König  Johann  Sobieski  beschäftigt  wurde,  angeblich  auch  in 
Königsberg  war  und  später  in  Lemberg  und  Wien  arbeitete  (vgl.  Ciampi, 
bibliografia  critica  delle  antiche  corrispondenze  etc.,  Florenz  1839.  II.  284  f. 
Sprawozdania  Komisyi  do  badania  historyi  sztuki  w  Polsce.  IY.  3.  Krakau, 
1889.  S.  L  ff.  und  Rastawiecki,  slownik  malarzow  polskich.  Warschau, 
1850.  I.  S.  6  ff.). 

Wohl  nur  auf  Druckfehlern  beruhen  die  Jahreszahlen  1803  (I.  10), 
1560  (I.  96)  und  1729  (IL  120),  sowie  der  Name  von  Debski  (IL  118). 

Im  Uebrigen  aber  muß  hervorgehoben  werden,  daß  der  Druck  von 
einer  Sorgfalt  zeugt,  wie  sie  heute  selten  ist,  und  daß  die  Ausstattung 
durchweg  eine  ungewöhnlich  gediegene  und  vornehme  ist. 

Ich  schließe  hiermit,  wennschon  die  Verführung,  weitere  Anmerkungen 
an  das  Buch  zu  knüpfen,  nahe  genug  liegt.  Ich  kann  aber  nur  noch  ein- 
mal der  Freude  Ausdruck  geben,  daß  wir  es  endlich  besitzen.  Wenn  es  so 
häufig  gekauft  wird,  wie  es  der  Gegenstand  gebietet  und  wie  es  der  über- 
aus niedrige  Preis  gestattet,  so  darf  man  hoffen,  daß  es  weithin  frucht- 
bringend und  anregend  wirken  wird.  Es  wird  allen  geschichtlichen,  beson- 
ders aber  allen  kultur-  und  kunstgeschichtlichen  Forschungen  über  unsere 
Provinz  als  ein  unumgängliches  Quellenwerk  dienen,  ihnen  erst  häufig  die 
rechte  Grundlage  gewähren.  Es  wird  den  Eifer  und  das  Interesse  für  die 
Erhaltung  der  älteren  Bau-  und  Kunst  -  Denkmäler  mehren,  die  uns  die 
pietätvolle  Erinnerung  an  unsere  Vorfahren,  aber  auch  schon  das  eigene 
nüchternste  Interesse  zu  erhalten  befiehlt.  Ohne  sie  wären  wir  starker 
Wurzeln  unseres  Daseins  beraubt,  mit  ihnen  wird  die  Liebe  zur  Heimath 
gesteigert,  werden  Vorbilder  für  Neuschöpfungen  gegeben.    Der  Provinzial- 


576  Kritiken  and  Referate. 

landtag,  wie  der  Herr  Landeshauptmann  nnd  der  Provinzialausschuß  haben 
ßich  daher  ein  hohes  Verdienst  um  die  Provinz  erworben,  daß  sie  so  opfer- 
willig und  feinfühlig  das  Werk  in  jeder  Weise  gefördert  haben. 

Hermann  Ehrenberg. 


Ernst  Halller,  „Die  socialen  Probleme  und  das  Erbrecht.  Eine  rechts- 
philosophische Studie. u  —  Manchen  1892.  3°  45  8.  —  Verlag  der 
Münchener  Kunst-  und  Verlagsanstalt  von  Dr.  E.  Albert  &  Co. 

Nicht  immer  i6t  die  Länge  eines  Werkes  dem  Inhalte  angemessen, 
wenn  nämlich  die  lange  Form  einen  kurzen  Inhalt  bietet.  Die  in  Rede 
stehende  Schrift  bietet,  umgekehrt,  kurze  Form  aber  langen,  inhaltsschweren 
Inhalt.  Der  wohlbekannte  Herr  Verfasser  hätte  seine  Schrift  neben  dem 
Erbrecht  wühl  mit  Recht  einen  Beitrag  zur  Lösung  der  socialen  Frage 
nennen  können,  wie  wir  sehen  werden.  Einer  rechts  philosophischen 
Betrachtung  werden  sich  zwar,  wie  man  glauben  könnte,  rechtswissen- 
schaftliche Bedenken  in  den  Weg  stellen  müssen,  aber  in  diesem  Falle 
ist  ein  solcher  „Streit  der  Facultäten"  nicht  zu  befürchten,  Dank  der  ge- 
schickten Art  und  Weise,  auf  welche  das  Erbrecht  von  vorneherein  gekenn- 
zeichnet wird.  Hierher  gehören  die  noth wendige  Unterscheidung  zwischen 
Besitz  und  Eigenthum,  welche  in  dem  Resultat  gipfelt,  daß  nur  der- 
jenige Besitz  als  Eigenthum  bezeichnet  werden  kann,  welcher  durch 
Arbeit  erworben  wird,  und  zwar  einer  Arbeit,  welche  durch  den  Einzelnen 
der  Gesammtheit  wieder  zu  Gute  kommt.  Wohlverstanden,  der  Verfasser 
wünscht  durchaus  nicht  —  und  zwar  mit  vollstem  Recht  —  eine  Verstaat- 
lichung der  gesammten  Arbeit,  im  Gegen theil,  er  fordert  freieste  Ent- 
faltung der  Individualität,  da  nur,  wie  sehr  richtig  bemerkt  wird,  die 
Arbeitstheilung  allein  einen  Staat  erhalten  kann.  Aber  mit  Recht  wird 
auf  Grund  bereits  geschehener  Verstaatlichungen,  unter  Anderen  der  Eisen- 
bahnen, des  Telegraphen-  und  Postwesens,  der  Forste  u.  s.  w.  die  Forde- 
rung nach  Verstaatlichung  des  Großgrundbesitzes  zunächst  aufrecht 
erhalten,  und  soweit  es  das  Erbrecht  angeht,  des  Kapitals.  Hier  glaubt 
man  zuerst  eine  Kollision  mit  dem  Privateigenthum  vorhanden.  Glänzend 
widerlegt  der  Verfasser  diese  Muthmaßung,  indem  uns  die  Geschichte  Roms 
die  entsetzlichen  Folgen  des  ausgebreitetsten  Großgrundbesitzes  und  des 
Kapitals  zur  Zeit  der  Gracchischen  Unruhen  veranschaulicht.  Eine  große 
Aehnlichkeit  —  wird  weiter  gesagt  —  bestünde  zwischen  dem  damaligen 
Rom  und  der  Gegenwart,  wo  jetzt  der  schroffe  Gegensatz  von  Kapital 
und  Arbeit  ein  solch  scharfes  Gepräge  erhalten  habe,  indem  auf  der  einen 
Seite   der   Arbeitgeber   Millionen    erntete,    an    welchen   der  Arbeiter  keinen 


Ernst  Hallier,  Die  socialen  Probleme  und  das  Erbrecht.  57? 

Antheil  habe,  und  andererseits  diese  oder  ähnliche  Reichthümer  nicht  nur 
eine  große  Erbschaft,  sondern  auch  einen  Großgrundbesitz  eröffneten. 
Die  Erben  solchen  Reichthums  müßten  Müßiggänger  werden,  während  es 
doch  nichts  Schimpflicheres  gäbe  als  Müßiggang. 

Die  entsittlichenden  Folgen  eines  solchen  Erbrechts,  welches  den  Erben 
mühelosen  und  ehrlosen  Lebensgenuß  sichert,  diese  will  der  Verfasser  im 
Interesse  des  Gesammtwohles  paralysiren,  indem  er  von  dem  kerngesunden 
Grundgedanken  ausgeht,  daß  nur  der  durch  Arbeit  erworbene  Besitz  auch 
Eigenthum  ist.  Es  erscheint  demnach  nur  als  eine  logische  Consequenz, 
wenn  nicht  nur  eine  Verstaatlichung  des  Großgrundbesitzes,  welcher  ja 
z.  B.  in  Irland  die  traurigsten  Früchte  gezeitigt  hat,  und  eine  Beseitigung 
des  bestehenden  Erbschaftsrechtes  damit  gefordert  wird.  Der  Begriff  des 
Privateigenthums  würde  hiermit  nicht  lädirt,  denn  in  Bezug  auf  allzu 
mächtig  ausgedehntes  Grundeigentum  unterliegt  dasselbe  selbstverständlich 
im  Interesse  des  Ganzen  staatlichem  Eingriff.  Wenn  somit  das  Erbschafts- 
recht sich  einen  staatlichen  Eingriff  gefallen  lassen  müßte,  so  geschieht  dies 
in  weiterer  Erwägung  dessen,  daß  Legate  und  testamentarische  Verfügungen 
sehr  häufig  den  Stempel  größter  Willkür  tragen,  so  daß  durch  ungerechte 
testamentarische  Bestimmungen  nicht  nur  die  unmittelbaren  Erben,  sondern 
auch  die  weiteren  Generationen  getroffen  werden,  und  zwar  nicht  allein 
durch  das  ungerecht  bemessene  Erbe,  sondern  durch  den  hiermit  nothwendig 
verbundenen  tiefen  Zwist  und  Hader.  Wer  hätte  diese  traurige  Wahrheit 
nicht  einmal  in  seinem 'Leben  an  sich  selbst  oder  an  andern  erfahren? 
Diesem  Zustande  kann,  so  meint  der  Verfasser,  nur  abgeholfen  werden, 
wenn  der  Staat  die  Erbschaft  antritt,  aber  nicht  ohne  weiteres  die  Nach- 
kommen; außerdem  wären  nur  die  Kinder  auch  die  Erben,  und  notge- 
drungen die  Seitenverwandte.  „Dann  ist",  bemerkt  der  Verfasser  mit 
Hecht,  rjeglicher  Willkür  einzelner  Menschen  in  dieser  Beziehung  ein  Riegel 
„vorgeschoben  und  unsägliches  Unheil  von  den  Familien  abgewendet/4  (S.  38.) 

Der  Staat  träfe  sodann  eine  gerechte  und  gleichmäßige  Vertheilung, 
jedoch  so,  daß  Niemand  reich  würde,  sondern  ein  Jeder  redlich  arbeiten 
müßte,  um  zu  leben.  Ein  etwaiger  Ueberschuß  würde  vom  Staate  zum 
Gemeindewohl  und  der  von  ihm  verstaatlichten  Anstalten  z.  B.  unentgelt- 
lichem Schulbesuche  verwendet,  wie  ja  in  Bayern  der  Besuch  von  der  Volks- 
schule sowohl  wie  des  Gymnasiums  unentgeltlich  zufolge  der  Verstaatlichung 
geworden  ist.  Die  Consequenzen  seien  folgende:  „Niemals  könnte  es  in 
„solchem  Staate  sich  ereignen,  daß  ein  Stand  den  andern  beneidete,  denn 
„es  hätte  im  Grunde  genommen  keiner  einen  wesentlichen  Vorzug  vor  dem 
„andern.  Man  bedenke  nur,  welcher  unermeßliche  Vortheil  für  den  Staat 
„dadurch  errungen  wäre,   daß   es   keine  Geldheirathen  mehr  gäbe."    (S.  41.) 

Es  bedarf  kaum  des  Hinweises,  daß  eine  Verstaatlichung  des  Groß- 

Altpr.  Monatssohrift  Bd.  XXIX  Hft»  7  u.  8.  37 


578  Kritiken  und  Referate. 

grundbesitzes  und  des  eng  hiermit  zusammenhangenden  Erbrechtes 
und  letzteres  in  Form  eines  staatlichen  Erbschaftsamtes  nicht  allein 
eine  kraftige,  gesunde  Idee  ist,  da  sie  auf  tiefem  ethischen  und  Gerechtig- 
keitsgefühl wurzelt,  sondern  es  ist  einleuchtend,  daß  die  praktische  Ver- 
wirklichung geeignet  ist,  die  so  noth wendige  Gesundung  für  die  leider 
augenblicklich  krankhaften  socialistischen  Utopien  herbeizuführen.  Kapital 
und  Arbeit  würden  sich  unter  solcher  Verwirklichung  nicht  mehr  als  Feinde, 
sondern  als  Freunde  gegenüberstehen)  und  das  öffentliche  Lehen  würde  eine 
gewaltige  sittliche  Hebung  erfahren.  —  Diese  in  jeder  Beziehung  beher- 
zigenswerthen  Vorschläge  des  Verfassers,  welche  von  dem  tiefen  Pflicht- 
begriff  des  £ajov  noUxtxov  dictirt  sind,  würden  also,  wie  wir  es  zu  Anfang 
aussprachen,  thatsächlich  einen  großen  Theil  der  socialen  Frage  lösen 
können.  P.  von  Lind. 


Dr.  Ant.  Mierzvnskt,  Mythologiae  Lltnanicae  Monomen ta.  &rödla  do 
Mytologti  LltewskieJ  od  Tacyta  do  konca  XUI  wieku"  (Quellen 
zur  litauischen  Mythologie  seit  Tacitus  bis  Binde  des  XIII.  Jahrh.). 
Warschau,  1892.  —  8°,  2  Bl.,  155  pag. 

— ,  Co  znaczy  Sicco,  studyum  archeologiczno-literackie  (Was  be- 
deutet Sicco?  —  Archäologisch-literarische  Studie).  Sonderabdrack 
aus  dem  Lemberger  „Przewodnik  Naukowy  i  Literackiu  1891.  — 
8°.    1  BL,  12  pag. 

In  der  ersten  der  oben  erwähnten  Arbeiten,  einer  Frucht  umfang- 
reicher und  mühsamer  Studien,  bietet  uns  der  Verfasser,  Professor  a.  D.  der 
"Warschauer  Universität,  ein  Werk  von  bleibendem  Werthe  und  von  größter 
Wichtigkeit  für  jeden  Forscher  auf  dem  Gebiete  litauischer  Volkskunde. 
Er  hat  sich  die  Aufgabe  gestellt,  ein  Urkundenhuch  der  litauischen  Mytho- 
logie, eine  (auf  absolute  Vollständigkeit  keinen  Anspruch  erhebende)  Samm- 
lung aller  auf  die  letztere  bezüglichen  Notizen  und  Nachrichten  in  den  auf 
uns  gekommenen  Chronisten  und  anderen  Literaturdenkmälern,  zu  schaffen  und 
damit  (wie  er  selbst  in  der  Einleitung  ausspricht)  für  eine  wissenschaftliche 
Bearbeitung  der  litauischen  Mythologie  das  Fundament  zu  legen,  —  und  es 
ist  ihm  gelungen,  aus  den  ältesten  Zeiten  bis  zum  Ausgange  des  XTTT.  Jahrb., 
wo  er  vorläufig  Halt  macht,  17  solcher  Quellen  aneinanderzureihen,  die  er 
mit  kritischen  Erläuterungen  und  Commentaren  von  großer  Ausführlichkeit 
versehen  hat.  Die  Methode,  die  er  dabei  verfolgt,  ist,  aus  der  späteren 
Litteratur  (Johannes  und  Hieronymus  Maletius,  Praetorium,  Juazkiewicz, 
Brivzemniaks,  Wolter  etc.)  sorgfaltig  alles  hervorzusuchen  und  beizubringen, 


Dr.  Ant.  Mierzynski,  Mythologiae  Lituanicae  Monumenta  etc.        579 

was  zur  Bestätigung  der  in  den  alten  Quellen  enthaltenen  Angaben  dienen 
kann,  und  er  verräth  hierbei  ebensogroßes  Geschick  als  Belesenheit. 

Die  ersten  Nachrichten  zur  litauischen  Mythologie  giebt  uns  Tacitus 
in  seiner  ca.  98  n.  Chr.  geschriebenen  „Germania"  (XLV),  da  wo  er  über 
die  Ae stier  (Aestiorum  gentes)  berichtet.  Professor  Mierzynski  unternimmt 
es  nämlich,  aus  dem  mythologischen  Gebiet  in  das  archäologisch -historische 
übertretend,  zu  beweisen,  daß  unter  diesem  Namen  die  längs  der  Ostküste 
der  Ofltsee  wohnenden  litauischen  Volksstämme  allein  gemeint  sein  können. 
„Aestier",  d.  i.  die  östlich  wohnenden,  ist  eine  lediglich  geographische  Be- 
zeichnung, welche  von  den  Germanen  gebraucht  und  von  diesen  durch  die 
Römer  übernommen  wurde,  während  die  Griechen,  deren  Handelswege  zur 
Ostsee  nicht  durch  Deutschland  führten,  diesen  Namen  nicht  kennen,  wogegen 
aber  Ptolemäus  im  II.  Jahrh.  n.  Chr.  die  einzelnen  gentes,  und  darunter 
die  Galinder  und  Sudauer,  aufzählt.  Tacitus  sagt  von  den  Aestiern,  sie 
wohnten  am  östlichen  Ufer  der  Ostsee,  und  es  werde  bei  ihnen  der 
Bernstein  gefunden.  Dasselbe  erzählt  von  ihnen  im  VI.  Jahrhundert 
Cassiodor,  dersie  fiaesti  nennt,  und  um  eben  dieselbe  Zeit  sagt  Jörn  an  des 
(Jordanes),  vom  rechten  Weichselufer  an  wohnten  längs  des  Meeres  die 
Aesti.  Dieselben  Wohnsitze  geben  im  IX.  Jahrh.  den  Aesten,  Esten  Ein- 
hard  und  Wulfstan,  und  so  läßt  sich  nur  annehmen,  daß  immer  dieselben, 
seit  Jahrhunderten  also  ruhig  dort  wohnenden  Volksstämme  gemeint  sind, 
nämlich  die  litauischen,  deren  besondere  Einzelnamen:  Preußen,  Litauer, 
Letten,  seit  dem  IX.  Jahrh.  mehr  und  mehr  in  den  Vordergrund  treten, 
während  schließlich  die  Bezeichnung  Esten  nur  dem  nördlichsten  Stamme 
verblieb,  der  sich  selbst  nicht  so,  sondern  „Maarahvas"  nennt.  Um  nun 
zur  Mythologie  zurückzukehren,  erzählt  Tacitus  von  den  Aestiern,  sie  ver- 
ehrten eine  mater  deorum  und  trügen  Eberbilder  zum  Schutze  gegen  Feinde 
und  alles  Unheil.  Bei  Untersuchung  dieser  Angaben  kommt  M.  zu  dem 
Schlüsse,  daß  mit  jener  mater  deorum  die  Zeminele  habe  bezeichnet  werden 
sollen,  deren  Kultus  bei  den  alten  Preußen  und  Litauern  ja  sehr  verbreitet 
war,  und  daß  unter  den  Eberbildern  Amulete  zu  verstehen  sind,  deren  Ge- 
brauch noch  zu  Praetorius'  Zeiten  sehr  gewöhnlich  war;  die  Schweine 
waren  der  Zeminele  geheiligt,  und  beim  Pflügefest  durfte  unter  den  Speisen 
nicht  der  Schweinerüssel  fehlen.  Nach  Tacitus  tritt  dann  eine  jahrhunderte- 
lange Unterbrechung  ein,  indem  erst  wieder  im  IX.  Jahrh.  Wulfstan,  ein 
anglosächsischer  Seefahrer,  über  die  Begräbnißgebräuche  der  Esten  und  daß 
sie  künstlich  Kälte  zu  erzeugen  im  Stande  seien,  berichtet  (das  letztere  thut 
auch  Praetorius,  der  Wulfstan's  Reisebericht  nicht  kannte).  In  den  beiden 
Vitae  Sti.  Adalberti  des  Gaudentius  und  des  Erzbischofs  Bruno  wird 
dann  der  Sicco,  Sikko,  eine  Priesterart,  erwähnt.  Professor  Mierzynski 
hat  dieses  Wort  zum  Thema  einer  besondern  Abhandlung,  deren  Titel  oben 


a 


87* 


580  Kritiken  und  Heferate. 

an  zweiter  Stelle  citirt  ist,  gemacht  und  führt  aus,  es  solle  eigentlich  Zigo 
(spr.  Schigo;  seh  weich,  wie  das  g  in  Rage)  lauten  und  sei  dasselbe  wie  das 
spätere  Zigonutas;  es  bedeute  „Schreitender,  Wandelnder"  und  habe  da- 
mals zur  Bezeichnung  eines  Priesters,  der  den  Gefangenen  die  ersten  Todes- 
stöße versetzte,  später  eines  solchen  gedient,  der  von  Ort  zu  Ort  wanderte 
und  den  religiösen  Bedürfnissen  des  Volkes  in  den  einzelnen  Dörfern,  die 
er  antraf,  Genüge  leistete.  Verf.  stützt  sich  hierbei  vornehmlich  auf  die 
Maletier  und  die  Vorrede  der  Agenda  Ecclesiastica  von  1590  (die  Quelle 
Hartknochs),  wobei  er  auch  die  polnischen  Masuren  hereinzieht,  meines  Er- 
achtens  ohne  Grund.     Dasselbe  gilt  für  pg.  94  seines  Werkes. 

Von  den  weiteren  Quellenangaben  seien  als  besonders  wichtig  erwähnt : 
die  Notiz  des  Vincenz  Kadlubek  (seit  1208  Bischof  von  Krakau,  dann 
Mönch),  die  Sudauer  hätten  den  Glauben,  daß  die  Seelen  der  ehrenhaft  Ge- 
storbenen in  die  Leiber  neu  zur  Welt  Kommender  übergingen,  so  daß  der 
Tod  ihnen  nichts  Furchtbares  sei;  der  Bericht  des  ChroniconLivonicum, 
die  litauischen  Weiber  hätten  sich  auf  die  Nachricht  vom  Tode  ihrer  Manner 
erhängt,  in  der  Hoffnung,  auf  diese  Weise  mit  ihnen  wieder  vereinigt  zn 
werden;  die  Nachrichten  aus  der  Livländischen  Reimchronik,  der 
Chronik  des  Albrecht  von  Bardewyk  und  päpstlichen  Bullen,  wonach 
die  litauischen  Stämme  die  Kriegsgefangenen  ihren  Göttern  zum  Opfer  er- 
schlugen und  verbrannten  u.  s.  w.  Sehr  interessant  sind  die  detaillirten 
Ausführungen  des  Verf.  auf  pg.  52—88  über  den  bei  den  litauischen  Volks- 
stämmen verbreiteten  Cultus  von  Bäumen,  Hainen,  Bergen,  Steinen,  Flüssen, 
Quellen  und  Thieren,  besonders  Schlangen.  Er  erklärt  hierbei,  trotz  des  in 
den  Quellen  vorkommenden  Ausdrucks  „idolum"  hätten  die  litauischen 
Volksstämme  keine  Götzenbilder,  z.  B.  von  Stein,  besessen;  idolutn  bedeute 
hier  nur  einen  verehrten  Gegenstand,  also  z.  B.  Baum  oder  dergl 
Aus  der  im  10.  Jahrh.  bewerkstelligten  russischen  Uebersetzung  der  Chronik 
des  Griechen  Johannes  Malali  giebt  Verf.  einige  erst  1261  gemachte 
Einschaltungen  über  Sovii  und  litauische  Gottheiten,  und  aus  der  wolhy- 
nischen  Chronik  (Latopis  Ipatijewski)  Notizen  über  den  Hasengott,  die  Gott- 
heiten Diwiriks,  Andaj  (nach  Brückner  =  Gondu)  und  Medeine. 

Wenn  man  vielleicht  auch  nicht  allen  Ansichten  und  Ausführungen 
des  Verf.  unbedingt  wird  beipflichten  können,  so  bleiben  doch  die  „Mytho- 
logiae  Lithuanicae  Monumentau  eine  außerordentlich  reichhaltige  und  zuver- 
lässige Quelle,  der  eine  möglichst  allgemeine  Beachtung  und  Benutzung  nur 
gewünscht  werden  kann.  In  der  Einleitung  bedauert  der  Verf.,  trotz  seiner 
Bemühungen  die  „Neuen  Preußischen  Provinzialblätter"  1846,  Bd.  I.  u.  II. 
nicht  haben  erlangen  zu  können.    Das  klingt  seltsam. 

J.  Sembrzycki. 


Dr.  W.  Ketrzyiiski,  Biblioteka  Wiktora  Hr.  Baworowskiego  etc.       581 

Dr.  W.  Ketrzyriski,   Biblioteka  Wiktora  Hr.   Baworowskiego  we   Lwowie 
(Die  Bibliothek  des  Grafen  Victor  Baworowslci  in  Lemberg).     Lem- 
berg,    1892.      Sonderabdruck    aus    der    „Teka    Konserwatorska". 
11  pg.  Fol. 
Nach  den  Bibliotheken  der  Universität   und   des  Ossolineum  zu  Lem- 
berg  ist   diejenige   des    Grafen  Baworowski   die   reichste   genannter   Stadt, 
nicht  nur  an  Büchern,    sondern    auch  an  Handschriften,  deren  sie  ungefähr 
1000  Bände  zählt.    Herr  Dr.  Ketrzynski  giebt  in  sehr  dankenswerther  Weise 
in  obiger  Arbeit  ein  Verzeichniß  der  wichtigsten  Handschriften;   ich   führe 
daraus  die  für  Ost-  und  Westpreußen  werth vollen  hier  an. 

I.  Historische. 

No.  25.  Von  der  Materie,  Würde,  Gewichten  und  Proportion  der 
Müntzen  insgemein,  besonders  in  Polen  und  Preußen.  Folio;  Ende  des 
XV IL.  Jahrh. 

No.  34.  Verschiedene  auf  die  Geschichte  der  Reformation  in  Polen 
bezügliche  Schriften  und  Acten  aus  den  Jahren  1535—1576.     Folio,   141  Bl. 

No.  42.  Olivaer  und  Pelpliner  Chroniken  und  Dokument«.  Aus  dem 
Anfange  dieses  Jahrh. 

No.  45.  Kuricke,  Gedanographia  oder  Beschreibung  der  Stadt  Dantzig. 
1643.    Folio. 

No.  46.  Annales  civitatis  Gedanensis  a  M.  Casp.  Schützio  concinnati, 
libri  HI  (bis  1424).    Folio. 

No.  47.    Dantiscana  1526—1627.    Folio. 

No.  70.  Kurtze  Erläuterung  über  den  Abriß  der  polnischen  Reichs- 
historie in  die  Feder  dictirt  vom  Verfasser  Herrn  D.  Gottfried  Lenguich 
anno  1717,  revidirt  anno  1725.    Folio. 

No.  77.    Briefe  und  Schriften  von  Christoph  Hartknoch.    4°. 

No.  92.    Danziger  Recesse  von  anno  1667—1676.     Folio;  924  pg. 

No.  93.    Wappenbuch  des  preußischen  Adels.  Folio,  772 pg. ;  X  VII.  Jahrh. 

II.  Juristische. 

No.  7.  Statuta  ecclesiae  Varmiensis  (Mauritii,  Joannis  Dantisci,  Hosii, 
Cromeri,  Commendoni,  Theodori  Potocki  etc.)  Inscriptiones  sepulchrales 
epißcoporum,  praelatoram,  canonicorum  ....  et  aliorum  quorundam  iuxta 
seriem  annorum  in  ecclesia  cathedrali  Varmiensi  collecta  exceptis  octo,  quas 
.edax  attrivit  tempus,  ut  legi  nequeant  (bis  1705).  Papierhandschr.  des  XV IL 
u.  XVIIL  Jahrh.;  Folio.  (Die  „Inscriptiones41  gehörten  wohl  mehr  in  den 
histor.  Theil.) 

No.  30.  Statuta  und  löbliche  Ordnunge  von  königl.  Majestät  Sigis- 
mundo  der  Stadt  Dantzig  gegeben  anno  1526.    Pg.  121. 

Das  alte  kölmische  Recht.    1584. 


682  Kritiken  und  Referate. 

Kurzer  und  grandlicher  Bericht  von  Erbfallen,  wie  es  im  Lande 
Preußen  nach  Magdeburgischera,  Sächsischem  and  Colinischem  Rechte  frei  nnd 
Gewohnheit  gehalten  wird  nnd  sonderlich,  was  diesfals  der  königl.  Stadt 
Dantzig  Recht  und  Gebrauch  ist,  durch  M.  Ca*parum  Schützen  secretarium 
daselbst  zusammengetragen  anno  salutis  1589.    Pg.  20. 

No.  47.    Informatio  in  negotio  societatis  Anglicanae.   Folio;  XVII.  Jht. 

J.  Sembrzycki. 


Dr.  Nadmorskl,  Kaszuby  i  Kociewie.    Jezyk,   zwyczaje,  przesady,  podania, 
zagadki  i  piesni  ludowe  w  pölnocnej  cze^ci  Prus  Zachodnich  (Ka- 
8chuben  und  Kociewien.    Sprache,  Sitten,  Aberglauben,  Sagen,  Bäthsel 
und    Volkslieder  im  nördlichen    Theile    Westpreußens).    Posen,  Cy- 
bulski,  1892.    8°,  168  pg. 
Der  Verfasser  (Nadmorski  ist  ein  Pseudonym)  verbreitet  sich  im  ersten 
Theile  des  Buches  (pg.  6—26)  über   die   Sprache   der   Kassuben;   hier   sind 
seine   philologisch-historischen  Untersuchungen   nicht  gründlich  genug.    Er 
hat   A.    Schleicher* s   wichtiges  Werk  „Laut-  und  Formenlehre  der  Pola- 
bischen   Sprache'*   (Petersburg    1871;   8°,  XIX,   353  pg.)  nicht  benutzt  und 
scheint  auch  R.  Cramer's  „Geschichte  der  Lande  Lauenburg  und  Bütowu 
(Königsberg  1858,  2  Bde.)  nicht  zu  kennen,    sonst    würde  er    aus  den   dort 
mitgetheilten  Gründungsurkunden  ersehen  haben,  daß  der  Flußnamen  Leba 
nicht  gleichbedeutend  ist  mit  „Laba"  (Elbe),  und  daß  der  Name  Lauen- 
burg nicht  „augenscheinlich"  aus  Labenburg"  entstanden  ist,  —  wie  er 
pg.  20  (oben)  behauptet  u.  dgl.  mehr.   —  Der  Hauptwerth   des  Buches   be- 
ruht in   dem   weiterhin    mitgetheilten   ethnographischen   Material;   bei   den 
Volksliedern  wäre  eine  Yergleichung  und  Berücksichtigung  von  Sammlungen 
aus  andern  polnischen  Gegenden  wohl  zu  verlangen  gewesen.    So  kommt  das 
Lied  No.  13  (pg.  167)  „Z  tarnte j  strony  jeziora  stoi  lipka  zielona"  nicht  nur 
in  Kociewien  vor,  sondern  ist  z.  B.  im  ganzen  ostpreußischen  Masuren  sehr 
beliebt,  ebenso  in  Masovien.  J.  Sembrzycki. 


Mittiieiliinpii  und  Anhang. 


Zu  Simon  Dachs  „Anke  van  Tharau". 

V.  11.    Eck  wöll  di  falgen  dörch  Wöler,  dörch  Mär, 

Dörch  Is,  dörch  Isen,  dörch  fendlöcket  Här. 
In  der*  hochdeutschen  Uebersetzung  in  des  Knaben  Wunderhorn,  der 
Form,  in  welcher  das  Gedicht  jetzt  allgemein  verbreitet  ist,   ist  dieser  Vers 
folgendermaßen  wiedergegeben : 

Ich  will  dir  folgen  durch  Wälder,  durch  Meer, 
Durch  Eis,  durch  Eisen,  durch  feindliches  Heer. 
Mär  ist  aber  nicht  =  Meer,  sondern  mnd.  mär  (maer)  'Sumpf,  palus'.    Ich 
darf  wohl  voraussetzen,  daß  dies  nicht  allgemein  bekannt  ist,  da  z.  B.  auch 
Georg  Ellin ger  in  seiner  Sammlung  Kirchenlied  und  Volkslied.    Stutt- 
gart 1892,  S.  29  keine  Erklärung  gibt. 

Falsch  ist  in  derselben  Sammlung  in  V.  12  f. 

Wat  heffc  de  Löwe  doch  ver  een  Bestand, 

Wor  nich  een  Hart  ös,  een  Mund,  eene  Hand, 

Wer  öm  söck  hartaget,  kabbelt  on  schleit, 

En  glik  den  Hungen  on  Katten  begeit? 
hartaget  durch  „ärgert"  wiedergegeben.  Ebenso  von  H.  Oesterley  in  seiner 
Ausgabe  von  S.  Dachs  Gedichten.  Wir  haben  hier  offenbar  das  im  Mnd. 
Wb.  II,  211  verzeichnete  härtogen,  —  tagen,  bei  den  Haaren  ziehen  oder 
reißen.  Vgl.  die  dort  angeführte  Stelle  aus  Joachim  Burmeisters  Xgtarog 
7i€(faO[i£vos:  ick  wol  mick  noch  wol  beth  haartagen  Vnd  streuen 
als  stmuende  katten. 

North eim.  R,  Sprenger. 


584  Jiitth  eilungen  und  Anfang. 

Universitäts- Chronik  1892. 

15.  Oct.  Philos.  I.-D.  (No.  26)  von  Hugo  Erdmann  ans  Bielkenfeld  in  Ostpr.: 
Molieres  Psycho,  Tragödie- Ballet,  im  Vergleich  zu  den  ihr  vorangehenden 
Bearbeitungen  der  Psyche-Sage.  Ein  Versuch,  die  Quellen  des  fran- 
zösischen Werkes  festzustellen.  Insterburg.  Druck  von  J.  G.  Driest. 
(44  S.  8.) 

IB.  Oct.  Philos.  I.-D.  (No.  27)  von  Alfred  Lentz  aus  Insterburg:  Die  Be- 
ziehungen des  Deutschen  Ordens  zu  dem  Bischof  Christian  von  Preußen. 
Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Gründung  des  Deutschen  Ordens- 
staates.   Kgsbg.  i.  Pr.    Druck  v.  R.  Leupold.    (39  S.  8.) 

21.  Oct.    Medic.  I.-D.  von  Emil  Romey,  prakt.  Arzt  (aus  Pr.  Holland):  Ein 

Epignathus    mit    cyclopoider   Gesichtsbildung.     Kgsbg.     Druck  von 
M.  Liedtke.    (27  S.  8.  m.  2  Taf.) 

22.  Oct.    Phil.  I.-D.   (No.  28)   v.  FriU  Schäfer   aus  Kl.  Warkau:    üeber  d. 

Einwirkung  von  Hydroxylamin  auf  Oxaläther.     Ebd.     (87  S.  8.) 

Phil.  I.-D.  (No.  20)   v.    Bruno   Thierbach    aus   Königsb.:   üeber  die 

Verwendbarkeit    der  Thermoelemente   zur  Bestimmung   von  Erdtem- 
peraturen.    Kgsbg.     Hartungsche  Bchdr.     (42  S.  8   m.  I  Taf.) 
Wo.  127.    «mtfidjea  sFeräeicfyttf?  beS  ^erfondS  u.  bcr  ©tubirenben  bcr  Ägl.  Slfberm^ 
UntDcrfität   .  .  .   f.   b.   ©internem.   1892/93.     ÄgSba.     fcartungfcöe  södjbr. 
(34  <5.  8.)    [104  (11  tfjeol.,    7  jur.,  30  meb.,  51  p§U.)  $oc,  5  (Srwitiem 
meiftcr;   676  (126  tfjcoL,  160  jur.,  232  meb.,  142  pi)\l)   6tub.   u.    16  311m 
£öven  ber  $orl.  ©er.] 
8.  Dec.    Lectiones  cursorias  quas  venia  et  consensu  ord.  medic.  .  .  .  Bern- 
hardus  Rosinski   med.    Dr.   über   das   carcinom   des   uterus  ad  doc. 
facult.   rite  impetr.    .   .   .   indicit  Kud.  Dohrn  med.  Dr.  P.  P.  0.  ord. 
med.  h.  t.  Decanus 
30.  Dec.    Med.   I.-D.   v.   Walter  Reich,   approb.   Arzt    (aus   Wehlau):  Die 
Laparotomie   bei   inneren   Einklemmungen   durch   Ligamente.     Kbg. 
Druck  v.  M.  Liedtke.    (84  S.  8.) 


Autoren -Register.  585 


Autoren -Register. 


Arnoldt,  Dr.  Emil,  Zur  Beurtheilung  von  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft 

und  Kant's  Prolegomena.  Anhang  No.  4  u.  No.  5.    S.  400  -446,  46B— 664. 
Beckherrn.  Carl,    Major  a.  D.  in  Königsberg,   Die  Wappen  der  Städte  Alt- 

preußens.     Mit  16  Taf.    248-313     Berichtigung  und  Zusatz  669. 
Brfinlng,  Dr.  Wilhelm,  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum  deutschen  Orden 

im  dreizehnjährigen  Städtekriege.  I.     1—69     (Berichtigung)  212. 
Ehrenberg,  Dr.  Hermann,    Archivar  in  Königsberg,    Recension.      670—576. 
Frischbier,  Hermann,  weiland  Rector  in  Königsberg,  Preußische  Volksreime 

und  Volksspiele  (Schluß).    332-363. 
Halller,  Dr.  Ernst.  Professor  in  München,  Recension.    447—450. 
Lentz,  Dr.  Alfred,  Oberlehrer  in  Insterburg,  Die  Beziehungen  des  Deutschen 

Ordens  zu  dem  Bischof  Christian  von  Preußen.    364—399. 
Lind,  Dr.  Paul  von,  in  München,  Recension.    676—578. 
Reiche,    Dr.    Johannes,    Bibliotheks -  Assistent   in    Königsberg,   Zu    Johann 

Christoph  Gottsched's  Lehrjahren   auf  der  Königsberger  Universität. 

70-150. 
KÄhl,   Dr.   Franz,    Universitäts-Professor    in    Königsberg,    Kant   über   den 

ewigen  Frieden.    213-227. 
Sembraycki,  Johannes,  Apotheker  in  Tilsit,   Die  Schotten  und  Engländer  in 

Ostpreußen,    und    die   „Brüderschaft    Groß-Britannischer   Nation"    zu 

Königsberg.    228-  247. 

Recensionen.    451-453.  578-580.  581-582. 

Seraphim,  August,  Oberlehrer  in  Mitau,   Ueber   Auswanderungen   lettischer 

Bauern  aus  Kurland  nach  Ostpreußen  im  17.  Jahrhundert.    317—331. 
Sprenger,    Dr.    Robert,    Oberlehrer   am   städtischen   Realprogymnasium   iu 

Northeim,  Zu  Simon  Dachs  „Anke  van  Tharau".    683. 
Tesdorpf,  Dr.  Willy,    Oberlehrer   der   städtischen  höheren  Töchterschule  in 

Königsberg,  Sitzungsberichte  des  Vereins  für  die  Geschichte  von  Ost- 

und  Westpreußen  1891/92.    453-462. 
Treichel,  Alexander,  Rittergutsbesitzer  auf  Hoch -Paleschken  bei  Alt-Kisehau, 

Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen.    151—212. 
—  —  Postalisches  aus  Preußen.    565 — 568. 


586  Sach-Register. 


Sach- Register. 


Altprenssen  —  Die  Wappen  der  Städte  A.'s.    Mit  15  Tafeln.    248—3(3. 
Auswanderungen    —    lieber  A     lettischer   Bauern   aus   Kurland   nach   Ost- 
preußen im  17.  Jahrhundert.     317—331. 

Brannsberg  —  Lyreum  Hosianum  in  B.    316.    463. 

Brüderschaft  —  Die  Schotten  und  Engländer  in  Ostpreußen,  und  die 
„B-  Groß  -  Britannischer  Nation"  zu  Königsberg.    228—247. 

Christian  —  Die  Beziehungen  des  Deutschen  Ordens  zu  dem  Bischof  C. 
von  Preußen.    364—399. 

Dach  —  Zu  Simon  D.'s  „Anke  van  Tharau".    583. 
Deutsch-Orden  s.  Orden. 

Engländer  —  Die  Schotten  und  E.  in  Ostpreußen,  und  die  „Brüderschaft 
Groß -Britannischer  Nation4*  zu  Königsberg.     228—247. 

Ermland  —  Die  Stellung  des  Bistums  E.  zum  deutschen  Orden  im  dreizehn- 
jährigen Städtekriege.     1 — 69. 

Frieden  —  Kant  über  den  ewigen  F.    213—227. 

Gottsched  —  Zu  Johann  Christoph  G.'s  Lehrjahren  auf  der  Königsberger 
Universität.     70— 150. 

Hosianum  —  Lyceum  H.  in  Braunsberg.    316.    463. 

Kant  über  den  ewigen  Frieden  213—227  —  Zur  Beurtheilung  von  K.'s 
Kritik  der  reinen  Vernunft  und  K.'s  Prolegomena.  Anhang  No.  4 
und  No.  5.    400-446.     465-564. 

Königsberg  —  Zu  Johann  Christoph  Gottsched's  Lehrjahren  auf  der  K.'er 
Universität.  70—150.  Die  Schotten  und  Engländer  in  Ostpreußen, 
und  die  „Brüderschaft  Groß-Britannischer  Nation"  zu  K.  228—247. 
Universitäts-Chronik.  314—316.  463.  584.  —  Verein  für  die  Ge- 
schichte von  Ost-  und  Westpreußen  1891/92.    453—462. 

Kurland  s.  Lettisch* 

Lettisch  —  Ueber  Auswanderungen  l.er  Bauern  aus  Kurland  nach  Ostpreußen 

im  17.  Jahrhundert.     317—331. 
Lyceum  Hosianum  iu  Braunsberg.    316.    463. 


Sach-Begister.  587 

Orden  —  Die  Beziehungen  des  Deutschen  0.  zu  dem  Bischof  Christian  von 
Preußen  864*399.  —  Die  Stellung  des  Bistums  Ermland  zum 
deutschen  O.  im  dreizehnjährigen  Städtekriege.     1—69. 

Ostprenssen  —  Ueber  Auswanderungen  lettischer  Bauern  aus  Kurland  nach 
0.  im  17.  Jahrhundert.  317-331.  —  Die  Schotten  und  Engländer 
in  0.  und  die  „Brüderschaft  Groß-Britannischer  Nation''  zu  Königs- 
berg.   228-247. 

Postalisches  aus  Preußen.    565-568. 

Preiigsische  Volksreime  und  Voiksspiele.    332—363. 

Provinzielle  Sprache  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen.     151—212. 

Recenslonen  —  Bött icher,  Adolf,  die  Bau-  und  Kunstdenkmäler  der  Pro- 
vinz Ostpreußen  I.  II.  570—576.  —  Hallier,  Ernst,  die  socialen 
Probleme  u.  das  Erbrecht.  576—578.  —  Hensel,  A,  Masuren.  Ein 
Wegweiser  durch  das  Seengebiet  und  seine  Nachbarschaft.  450—451. 
KQtrzynski,  W.,  Bibliotheka  Wiktora Hr. Baworo wskiego.  581  —682.  — 
P.  von  Lind,  „Kant's  mystische  Weltanschauung",  ein  Wahn  der 
modernen  Mystik.  447—450.  —  Die  landeskundliche  Litte ratur  der 
Provinzen  Ost- und  Westpreußen.  451—453.  —  Mierzynski,  Ant.,  My- 
thologiae  Lituanicao  Monumenta.  und  Co  znaczy  Sicco.  578  -580.  — 
Nadmorski,  Kaszuby  i  Kociewie.    582. 

Schotten  —  Die  S.  und  Engländer  in  Ostpreußen,  und  die  „Brüderschaft 
Groß-Britannischer  Nation"  zu  Königsberg.    228—247. 

Sitzungsberichte  des  Vereins  für  die  Geschichte  von  Ost-  und  Westpreußen. 
1891/92.    453-462. 

Sprache  —  Provinzielle  S.  zu  und  von  Thieren  und  ihre  Namen.     151—212. 

Städte  —  Die  Wappen  der  S.  Alt-Preußens.     Mit  15  Tafeln.    248-313. 

Thiere  —  Provinzielle  Sprache  zu  und  von  T.  und  ihre  Namen.     151—212. 

Universitäts-Chronik,    314-316.    463.    581. 

Verein  —  Sitzungsberichte  des  V.   für   die  Geschichte  von  Ost-  und  West- 
preußen. 1891/92.    453-462. 
Yolksreime  —  Preußische  V.  und  Volksspiele.    832—363. 

Wappen  der  Städte  Alt-Preußens.    Mit  15  Tafeln.    248—313. 


-*♦♦- 


588  Selbttanaeige. 

Yalhingrer,  H.,  Commentar  zu  Kant's  Kritik  der  reinen  Vernunft.  IL  Bd. 
Stuttgart,  Berlin,  Leipzig.  Union,  Deutsche  Verlagsgesellschaft 
1892.    (Vin,  B68  8.  gr.  S) 

Selbßtanzeige. 

Bezüglich  der  allgemeinen  Tendenz  dieses  Werkes  sei  auf  die  Selbst- 
anzeige des  J.  Bandes  desselben  in  dieser  Zeitschr.  Bd.  V,  S.  505  hingewiesen. 
Die  Aufgabe,  welche  sich  der  Verf.  damals  gestellt  hat  —  erschöpfende 
Analyse  der  Kr.  d.  r.  V.  unter  Hereinarbeitung  der  gesammten  exegetischen 
und  kritischen  Literatur  — ,  sucht  auch  dieser  II.  Bd.  zu  lösen.  Die 
Methode  der  Behandlung  ist  dieselbe  geblieben,  nur  daß  —  entsprechend 
den  kundgegebenen  Wünschen  —  mehrere  größere  zusammenhängende  Ex- 
curse  eingeschoben  worden  sind,  sowie  in  der  Berücksichtigung  der  Lite- 
ratur eine  strengere  Beschränkung  auf  das  Wesentliche  »ingetreten  ist.  Der 
Gegenstand  dieses  II.  Bandes  ist  die  Transse.  Aesthetik.  Unter  den  speziellen 
Besultaten  glaubt  der  Verf.  folgende  besonders  hervorheben  zu  sollen:  der 
Excurs  über  ,,die  afficirenden  Gegenstände"  (35  —55)  zeigt,  daß  Kant  in  der 
That  solche  als  ungeprüfte,  aber  fundamentale  Voraussetzung  seiner  ganzen 
kritischen  Untersuchung  annimmt;  die  Eliminationsversuche  von  Maimon, 
Beck,  Fichte,  Cohen  u.  A.  werden  zurückgewiesen,  und  zugleich  gezeigt, 
daß  Kant  als  solche  afficirenden  Gegenstände  bald  die  Dinge  an  sich,  bald 
die  Gegenstände  im  Baume,  bald  beides  zugleich  ansetzt,  so  daß  Kant  in 
ein  unlösbares  Trilemma  verfallt.  Sechs  weitere  unbewiesene  Prämissen 
Kant's  bezüglich  der  Unterscheidung  von  Form  und  Stoff  werden  S.  69 — 79 
aufgedeckt.  Der  enge  Zusammenhang  des  Kantischen  A priori  mit  dem 
Angeborenen  wird  S.  89— 101  gegen  Cohen  und  Riehl  vertheidigt.  Daß  Kant 
bei  seiner  Fragestellung  über  das  Wesen  von  Raum  und  Zeit  nicht  alle 
möglichen  Fälle  berücksichtigt  habe,  wird,  unter  Berichtigung  und  Erweite- 
rung der  Trendelenburg'schen  Einwände  gegen  Kant  ausführlich  S.  134—151 
gezeigt.  In  der  Erklärung  der  Transsc.  Erläuterung  (263—286)  wird  der 
Nachweis  geliefert,  daß  Kant  in  seiner  berühmten  Frage  nach  der  „Möglich- 
keit der  Mathematik11  zwei  ganz  verschiedene  Probleme  vermischt  hat,  das 
der  reinen  und  das  der  angewandten  Mathematik:  es  sind  dies  die  Fragen: 
1.  Wie  ist  reine  Mathematik  als  solche  möglich?  und  2.  Wie  ist  die  gültige 
Anwendung  der  reinen  Mathematik  auf  die  empirischen  Objecte  möglich? 
Hand  in  Hand  damit  geht  ein  unklarer  Doppelbegriff  des  Apriori  —  Ver- 
wechselungen, deren  verhängniß volle  Folgen  für  die  Tr.  Aesthetik  und  ihr 
Verständniß  aufgezeigt  werden.  Ein  großer  Excurs  (290—326)  ist  dem  be- 
kannten Streite  Fischer-Trendelenburg  gewidmet;  derselbe  wird  im  Großen 
und  Ganzen  zu  Gunsten  Trendelenburg's  entschieden,  dessen  Behauptung 
einer  „Lücke"  in  Kants  Beweis  von  der  exclusiven  Subjektivität  des  Raumes 
u.  der  Zeit  bestätigt  wird.  Die  methodologische  Analyse  der  Tr.  Aesthetik 
(329—342)  hatte  besonders  die  methodische  Rolle  der  Mathematik  in  der- 
selben festzustellen.  Die  historische  Entstehung  der  Kantischen  Raum-  und 
Zeitlehre  ist  Gegenstand  eines  eigenen  Excurses  (422  bis  436),  in  welchem 
besonders  der  Einfluß  des  Leibniz-Clarke'schen  Streites  auf  die  Ausbildung 
des  Kantischen  Idealismus  wahrscheinlich  gemacht  wird;  derselbe  Einfluß 
liegt  auch  dem  Problem  der  symmetrischen  Gegenstände  (518—532)  zu 
Grunde.  Die  angehängte  Speciallitteratur  ist  durch  eine  Uebersicht  Über 
die  Eberhard'schen  Streitigkeiten  erweitert  (535—540). 

VierU'ljahrrachrlft  f.  wisst'nsclmftl.  Philosophie.  XVII.  Jahrg.  1.  Hft.  1863,  S.  134—135. 


Druck  toxi  B.  Leupold,  Königsberg  in  Pr. 


Separat- Abdrucke  ans  der  Altprenssischen  Monatsschrift. 

Geschichte  der  Befestigungen  Königsbergs 

von 

C.  Beckherrn. 

Mit  2  PlanskizzeH.    —   Preis  2,90  Mk. 


Samaiten  und  der  deutsche  Orden 

bis  zum  Frieden  von  Melno 

von 

Dr.  Robert  Krumbholtz. 

Mit  einer  autographirten  Karte.  —  Preis  4,50  Mk. 


Die  Wappen  der  Städte  Alt-Preussens 

von 

C.  Beckherrn. 

Mit  15  Tafeln.  —  Preis  8  Mk. 

Die  Reise  des  Vergerius  nach  Polen 

1556—1557. 

Sein  Freundeskreis  und  seine  Königsberger  Fingschriften  ans  dieser  Zeit. 

Ein  Beitrag  zur  polnischen  und  ostpreußischen  Reformation sgeschichte 

von  Johannes  Sembrzycki. 

Preis  1,80  Mk. 


Westprenssisehe  Schlösser  im  sechzehnten  Jahrhundert 

Nach  archivalischen  Quellen 

von  Johannes  Semhrzyckl. 

Preis  0,80  Mk. 


Zu 

Johann  Christoph  Gottsehed's 

Lehrjahren  auf  der  Königsberger  Universität. 

Von 

Dr.  Johannes  Reicke. 
Preis  2  Mk. 

Ferd.  Beyer's  Buchhandlung  (Thomas  &  Oppermann). 


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APR    4     1893 


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O  (    APR    4     1893    )       :<s<-X,^-nj. 

■  m 

Altpreussisehe  Bibliographie 

für  1891 


nebst 


Ergänzungen  zu  früheren  Jahren. 


Beilagehefb  zur  Altpreussischsu.  Monatsschrift 

"*  ^Jahrgang  XXIX.  1892. 


Königsberg  in  Pr. 

Verlag  von  Ferd.  Beyer's  Buchhandlung. 

(Thomas  &  Oppermann.) 

1898. 


Altprenssisehe  Bibliographie  für  1891 

nebst  Ergänzungen  zu  früheren  Jahren. 


Abegg,  Rieh.,  (aas  Danzig),  Üb.  das  Chrysen  u.  seine  Derivate.   I.-D.   Berlin. 

(40  S.  8.) 
Abhandlungen  zur  Landeskunde  der  Prov.  Westpr.    Hrsg.  von  d.  Provinzial-  0 

Kommission  zur  Verwaltung  d.  Westpreuß.  Provinzial-Museen.    Heft  II. 

Alterthümer  der  Bronzezeit  in  der  Prov.  Westpr.  u.  den  angrenzenden 

Gebieten  v.  Dr.  A.  Lissauer.    I.  Die  Bronzen.    Danzig.    Th.  Bertling 

in  Komm.     (30  S.  gr.  4.  u.   14  Lichtdr.-Taf.  [zugleich  als  Festschrift 

zur   Begrüßung   der   XXII.    allg.  Versammig.    d.    deutsch,  anthropol. 

Gesellsch.  ausgegeb.])    Baar  6.— 
Hbrantottrifi,   *ßfr.,  (Solbau,  *ur  ©efef}.  u.  xum  SBefen  ber  ©romabfi.    [$u.  ©mbbf. 

9?r.  6  (SBeibtatt).] 
Ackermann,    Friedr.,   Referendar  am  Landgericht  Danzig,   üb.  Stockwerks- 
eigen tum,  insbes.  nach  preuß.  Recht.    I.-D.    Götting.     (53  8.  8.) 
Slbolf,   Jiarf   ßßfeubom.   f.  Äarl   ©elf c],  bk   ©djmuggferStodjter   uon   9?orbernet). 

5>tftor.  föom.    2  53bc.    flönigäberq.    Wartung.    (267  u.  245  ©.  8.)  6.— 
flbreiHSud),   tfönigSberger,   f.  1891.     vlaä)   amtf.  u.  prfoatem  [bireftem]  Material 

afgeftellt.  u.   contylettirt  [9Ser«f  Wb=  u.  8ujüge]   bfö  «Kitte  9toü.  1890.     «Reb.: 

©eo.  5hirrecf.    2Rit  harten  ber  ©tabt,  ©tabtt^eater^fan  u.  ©amlanb.    ßgSbg. 

§aafenftem   u.   Sßogfer.     (VHI,   IV,  96;   371,   207  u.  10  @.  gr.  8.)    ©eb. 

n.  n.  4.50;  ofjne  Äarten  n.  n.  4. — 
Ilsen,  Victor,  cand.  med.  aus  Drewshof  (Westpr.),  ein  Beitrag  zur  Casuistik 

der  primären  epibulbären  Oarcinome.     I.-D.     München.     (27  S.  8.) 
ftttberfrn,   $räaentor  (Ib.,   bret  Xage  au3  b.  gugenbjeit  fjriebr.  II.    17.  j*an.  — 

25.  3an.  —  6.  gebr.  1728.    [©frgäber.  b.  TO.«©ef.  ?ruffia  im  46.  $erein3j. 

@.  170-188.] 
Andersons,  Rad.,  der  deutsche  Orden  in  Hessen  bis  1300.    Diss.    Königsb. 

Koch.    (67  8.  gr.  8.)  baar  1.20. 
Anheim,  Alb.,  aus  Kgsbg.,  Beiträge  zur  Keuntniß  des  Phenylakridins.    I.-D. 

Freiburg  i.  Br.  (47  S.  8.) 
Anspach,  Ed.,    ein  Fall  von  Atresia  ani  urethralis.    Diss.     Kgsbg.    (Koch.) 

(28  S.  gr.  8.  mit  e.  Taf.)  baar  1.— 
Htttifcmiten^iegeL    $ie  Wntifemiten  im  fiid)tc  be§  (Ujriftentl).,  beä  ftedjteä  u.  ber 

2Rord     1.   Sfg.    3.    «ufl.    SXmjig.    Äafemcmn.    (56  S.  8.)    2.  Sfg.    <S6b. 

(56  ©.)  a  -.20. 
Appel,  Carl,  zur  Entwickelung  italien.  Dichtgn.  Petrarcas.     Abdr.  des  Cod. 

Vat.  lat.  3196  u.  Mitteilung  aus  den  Handschriften  Casanat.  A  HI  31 

u.  Laurenz.   Plut.    XLI  N.  14.      Halle  a.  S.,   Verl.  v.  Max  Niemeyer. 

(VHI,  196  S.  gr.  8.)  6.- 
—  —  i  proverbi  di  öharzo  in  appendice   alle  Laudi  Cortonesi.      IH  Propu- 

gnatore   Nuova   Serie  Vol.  III.   Fase.  13.  14.  1890.    S.  49-  74.]     Rec. 

[Archiv   f.    d.    Stud.    d.    neueren    Sprachen   u.  Litt.    86.   Bd.    4.    Hft. 

S   459-462.] 
HtnW,   g.r   ^arabieägärtteht.     WuSg.  in  poüt.   ©pradje  toon  3£.  @.  2.  8ajabt)u8. 

föeubr.    Ägöbg.  ßartung.    (268  ©.  8.)     1.—  geb.  n.  n.  1.50. 
Arndt,  W.,  Rec.  [fcifc  3tfrfjr.    M.  $.    31.  93b.   2.  §ft.    ©.  378-379.] 

1 


2  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

•  

Arendt,   Stabsarzt  Dr.  (Königsberg),   üb.   das  Koch 'sehe  Heilverfahren  geg. 

Tuberculose.    [Dtsche.  med.  Wochenschr.    No.  15.] 
SUmitf ,   SRartfa  (auS  Einfallen)  SRonbftrjem.     flobelle.     [Unfere   geit.     1.  £>ft. 

6.  1-14.    2.  fcft.    S.  97-107.]    Höfen,  SRotoette.    [&bb.    12.  £ft.    IL  8b. 

@.  481-497.] 
Kitt  SüfitS  Sergangenljeit.    Sterter  X&eil.    Süfiter  fieben  (eit  ben  gret&eüsfriegen  in. 

(feit  1858)  2.  9(u*a.    Stint.    8erf.  t>.  SBiöj.  fiotjauft.    (IV,   165  6.)  1,50. 

(1-4.:  6.50.) 
Babucke,  H.  (Kgsbg.  i.  Pr.)t  Ostpreuß.  Sprachproben  aus  d.  Mitte  d.  18.  Jhdta. 

rKorrespondenzbl.   d.  Vereins  f.  niederdtsche.  Sprachforschg.    No.  5. 

5.  66— 78.J 

Badt,  Georg,  aas  Loebau  i.  Wpr.,  kritische  u.  klinische  Beiträge  zur  Lehre 
vom  Stoffwechsel   bei   Phosphorvergiftung.    I.-D.    Berlin.    (54  S.  8.^ 

Baenitz,  Dr.  C,  Leitfad.  f.  d.  ünterr.  in  der  Physik  ....  Mit  800  Abbili 
auf  250  in  d.  Text  gedr.  Holzschn.  u.  1  Farbentaf.  4.  vb.  A.  Biele- 
feld.   Velhagen  &  Klasing.    (IV,  154  S.  gr.  8.)  geb.  1.50. 

t&atinfä,  ©l)mn.=$rüf.  Dr.  3fr.,  b.  3ufunft  be$  gried).  SpradjunterridjtS  auf  b.  ®tpiu 
naften.  Vortrag,  gel),  üi  b.  XVII.  Gteneratofatnlg.  b.  SBereinS  n  Se^rent  fytytr. 
Untrd)tSanftalten  b.  $roo.  Oft-  u.  SBeftpr.  &u  Gängig  am  19.  9Rai  1891. 
ffonifr.    (S.  5J.  ©otteborf.    (28  <3.  gr.  8.)  —.60. 

SatI,  Oberl.  $rof.  Dr.,  ©runbrifj  b.  Haturgef4  aller  brei  SReic^e  ...  2.,  »erb.  «. 
geizig.  O.  ffi.  ffiefclanb.  (VIII,  312  6.  gr.  8.  m.  $o(*|djn.  u.  2  £af.) 
2.—  geb.  2.20. 

Wissenschaftliche  Mittheügn.    [Schriften   d.   naturf.   Ges.  i.  Danzig. 

N.  F.    Bd.  VII,  Hft.  3.]    Verschiedene  Mittheilgn.    [Ebd.  Hft,  4.] 

Baltzer,  M.,  Gymn.-I^ehr.  in  Danzig.    Reo.  [DLZ  No.  89.] 

flauet,  tveft-  u.  oftpreufe.  Organ  b.  tueft*  u.  oftpr.  ©aucnttoereinS.  Heb.:  fiapl. 
Bug.  ©$>ad)t.    9.  3g.    6  9frn.  (©.)  gr.  8.)    Sättig.    ©elbfröert.  baar  1.20— 

»aumbad),  Äari  ($anaia.),  $er  neuefte  foflialpolit.  ©efefrentnmrf.  [Die  Nation.  9h.  42.] 
©emerfgn.  j.  b.  jüngften  ©engten  ber  ftabrifinfpeftoren.    [ebb.  9fr.  10.] 

Becker,  H.  (Kgsbg.),  zur  Alexandersage.  [Ztschr.  für  deutsche  PhiloL 
23.  Bd.    Hft.  IV.    S   424-425.] 

Sedf^crrn,  SWajor  a.  3).  (ßöniafb.),  ©in  Stammbud)  be3  Pfarrer«  <£$riftopfj  «IL 
f$er  3>eutfd>e  fcerolb.  '  XXII.  Kr.  3.  6.  34-87.  4°  1  ©enealogtfd>e3  unb 
©iograpljifdiea  in  ben  SReuen  preufjifdjen  ^roüin^al=93IättenL     [tbb.    9fr.  6. 

6.  82-88.] 

Behrend,  Martin  E.  Th.  ans  Dom.  Maternhof  bei  Eönigsb.  i.  Pr.  Die  Ver- 
staatlichung von  Grund  u.  Boden.  Entstehung  der  einschlägig.  Lehren; 
heutiger  Stand  der  Bestrebungen  u.  Kritik  d.  Haupt-Ideen.  Heidel- 
berger I.-D.    (Weimar)  (109  S.  8°) 

Seftreubt,  Dr.,  (SmtgeS  über  b.  Jijdjeret^erfrütmfje  be*  hirifcr).  ftaffed.  [53erid>te 
b.  giföerei=SBerein3  ber  $romna  Oft*  u.  SBeftpr.  1890/91.  Kr.  4.]  Unter- 
suchungen üb.  die  Hornzähne  von  Myxine  glutinosa.  [Zoolog.  Ana. 
XIV.  Jg.    No.  368.] 

Below,  G.  v.,  Rec.  [Gott.  gel.  Anz.  No.  8.  fciftor.  3tfd|T.  K.  g.  30.  8b. 
3.  §ft.    S.  543.    DLZ.    No.  8.] 

Bender,  G ,  ®efd).  b.  ftäbt.  28atfen=9lnfta(tcn  fotüie  Seftamcnt*  unb  ^(mofen^alttin^ 
in  £ljorn.     ^orn.  S6d)br.  „Corner  Oftbtfdje  8tg."     (29,  VII  u   12  6.  4°, 

Benratb,  (Kgsbg.)  Rec.  [DLZ.  No.  29.  45.  fciftor.  Seitfdjr.  K.  %.  31.  9b. 
2.  oft.    ©.  365  -  67.] 

Berenstein,  Dr.  M.,  neue  Versuche  zur  Bestimmung  d.  Residualluft  wo 
lebenden  Menschen.  Aus  d.  physiol.  Inst,  zu  Kbg.)  [Pflüger's  Archiv 
f.  d.  ges.  Physiol.     60.  Bd.    7.  u.  8.  Hft.    S.  863-374.] 

Bericht  üb.  d.  vierzehnte  Wander- Versammig.  d.  westpr.  botan.  zoolog. 
Vereins  zu  Neustadt  Westpr.  am  19.  Mai  1891.    (114  S.  gr.  8.) 

—  —  üb.  d.  wissensch.  Verhdlgn.  d.  29.  Jahresversammlg.  d.  Preuß.  Botan. 
Vereins  zu  Elbing  am  7.  Okt.  1890,  sowie  üb.  die  Thäthigk.  desselben 


Ältpreußische  Bibliographie  für  1891.  3 

für  1889/90.  Erstattet  von  Dr.  Abromeit  [Aus  Schriften  d.  phys.- 
ökon.  Ges.  82.  Jg.  Kgsbg.  8.  60-96.]  (87  S.gr.  4.)  (W.  Koch.)  1.20. 
Bericht  d.  Vorsteheramtes  d.  itaufmannschaft  zu  Königsberg  i.  Pr.  üb.  d. 
Handel  n.  die  Schifffahrt  von  Königsberg  i.  J.  1890.  Königsberg. 
Härtung.    (VIII,166  S.  gr.  8.) 

—  —  üb.  d.  Znstand  der  Landeskultur   im  Gemeindebezirk  Gr.-Konarczyn, 

Kreis   Schlochau.    [Landwirtschaft!.    Jahrbb.    XIX.    Bd.    (1890)    Er- 
gänzungsband IV.    Berl.     S.  1—20.] 
be«  3fifäerei*2*erem3  b.  ^rotrinjen  Oft*  u.  Söeftyr.    IRebfgirt  bon  Dr.  8e$* 

renbS  .  .  .  1891/92  .  .  .  Königsberg,   gebt,  bei  tt.  ßeupolb.   Kr.  1—4.   4°. 
Bertllng,  Archidiakonus  Aug.,  West-  u.  Ostpr.    Dtscher  Orden.    [Jahresber. 

d.  Geschichtswissenschaft  im  Auftr.  d.  Histor.  Ges.  zu  Berlin.    Hrsg. 

v.  J.  Jastrow.  XI.  Jg.  1888.  Berl.  II,  240-248.   XII.  Jg.  II,  882-390.] 
Bezxenberger.    Benfey,   Thdr.,   kleinere  Schriften.     Ausgewählt  u.  hrsg. 

v.  Adb.  Bezzen  berger.     Gedruckt  m.  Untstütz.  Sr.  Exe.  d.  königl. 

preuß.  Herrn  Cultusministers  u.  d.  königl.  Gesellsch.  d.  Wissenschaltn 

zu  Göttingen.    II.  Bd.    8.  u.  4.  Abth.    Mit  Registern  zu  beiden  Bdn. 

v.   Dr.  Geo.  Meyer  u.   e.   Verzeichn.   d.   Schrftn   Benfey 's.     Berlin 

1892  (91).    (287  u.  166  S.)    20.-  cplt.  42.- 

—  —  Beiträge  zur  künde  der  in dogerman.  sprachen,  hrsg.  v. Dr.  Adb.Bezzen- 

berger.     17.  Bd.  4  hfte  (IV,  360  s.  gr.  8.)  baar  n.  10.— 

—  —  Orientalische  Bibliographie  unter  Mitwirkg.  der  Herren  Dr.  A.  Bezzen- 

berger,  Prof,  in  Kgsbg.  .  .  .  hrsg.  v.  Prof.  Dr.  A.  Müller.  •  Berl. 
H.  Reuther's  Verlgsbchh.  IV.  Bd.  (für  1890)  (IV,  297  S.)  V.  Bd. 
(1.  Hft,  63  S.)    Subscr.-Pr.  a  baar  n.  8.— 

—  —  Zum  baltischen  vocalismus.  [Beiträge  zur  künde  d.  indogerm.  sprachen. 

XVII.  Bd.,  8.  u.  4.  Hft.  s.  213-227.]    Rec.  [DLZ  No.  35.] 
Bldder,  Frdr.,    e.  Fall  v.  Inversio  vesicae  urinariae  congenita.    Diss.  Kgsb. 

(Koch.)    (24  S.  m.  1  Taf.)  baar  1.— 
SHeticit'äeirititg,  ¥reu&ifd)e.  Orqan  b.  SBieneit*üd)ter  ^Brcufeen«.  §r8g.  ö.  3-  ®.  ßantfc, 

fiefjrer  au  |>emrtd}3borf  bei  gfrieblanb,   Ojtyt.    Qaljrgang  1891.    Äönigaberg. 

Of^t.  fltgS.*  u.  Sertaö.sSHucferei  (IV,  200  ©.  gr.  8) 
Bierfreund,  Max,  üb.  d.  Verhalten  d.  Endometriums  bei  Carcinoma  portionis 

et  cervicis  uteri.    Diss.    Kgsbg.  (Koch.)    (25  S.  gr.  8.)  baar  —.60. 
Birnbacber,  Gustav,  drei  Beobachtungen  üb.  Verkümmerung  der  obern  Ex- 
tremitäten.   I.-D.    Kgsb.  (Koch.)    (30  S.  8.  m.  2  Taf.)    baar  1.—. 
ßlitfitein,  Dr.  M,  pract.  Arzt,   u.   Dr.  W.  Ehren thal,   Assistent  am  physiol. 

Instit.    z.  Kgsbg.  i.  Pr.,   neue  Versuche   z.   Physiol.   d.    Darmkanals. 

Mitgeth.  v.  Dr.  W.  Ehrenthal.     [Pflüger's  Archiv   f.  d.  ges.  Physiol. 

des  Menschen  u.  der  Thiere.    48.  Bd.     S.  74— 99.J 
Block,  J.  C ,  Stadtrath  a.  D.,  das  Kupferstich-Werk  des  Wilh.  Hondius.    Mit 

aiphabet,  u.  chronolog.  Register   sowie  mit  Reproduktionen   nach  des 

Künstlers    besten    Stichen    hrsg.    Danzig,    Kafemann.      (III,    80.    S. 

Lex.  8.)    10.—. 
Bludan,  Augustinus.  Presb.  Dioec.  Warm.,    De  Alexandrinae  interpretationis 

libri  Danielis    indole  critica    et    hermeneutica.      P.    I.      Diss.    theol. 

Monasterii  Guestf.    (2  Bl.  79  S.  8.) 
Blumenthal,  Max,  (approb.  Arzt  aus  Czarlin  bei  Dir  schau,  Westpr.)  e.  Fall 

von  Porro  Operation  bei  Osteomalacie.     I.-D.    Würzburg.    (20.  S.  8.) 
Bftrnstein,    Prof.   Dr.   B.,    d.   Flathbewegung   des   Meeres   und   der  Luft. 

[Himmel  u.  Erde.     Illustr.  naturw.  Monatsschr.  hrsg.  v.  d.  Gesellsch. 

Urania.    IL  Jahrg.  1890  Hft.  5.  S.  207-217.    Hft.  6.  S.  262-267]  üb. 

e.  Beziehung  zwischen  dem  Luftdruck  u.  dem  Stundenwinkel  d.  Mondes 

fVerhdlgn.  d.  Physikal.  Ges.  zu  Berlin  Jahrg.  10.  S.  B— 13.    Meteorolog. 

Ztschr.  8.  Jahrg.  S.  161— 170.J 
Boettcher,  Realgymn.-Dir.    Dr.  Carl,  geschichtl.-geograph.   Wegweiser  f.  d. 

Mittelalter  u.  d.  neuere  Zeit.     Für  die  mittleren  u.  ob.  Klass.  höher. 

1* 


4  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

Lehranstalten  jeder  Art,  f.  Seminaristen  o.  Studirende  sowie  f.  Lehrer 

u.  f.  d.  Privatgebrauch.    Lpzg.  Teubner  (XII,  372  8.  gr.  8.)  geb.  4.—. 
©oettiiftet,  «boif,  3>ie  33au=  u.  Äunftbenfmäier  ber  Vromna  Dftyreufeen.    §m  «uftr. 

b.  Oftpreufj.  ^roöinaiaU  SanbtageS   bearb.    $ft.  I.     3>a3  Samlanb.    ÄflSbg. 

Stommiffion8t»erl.   b.  93 e ruf).  Seifert.    2>nuf  D.  SRautenberg.    a.  u.  b.  X."  Sic 

©au*   unb   Äunftbenfmäler  be*   @am(anbe*.     äfttt  aa&tr.  «bblbgn.    (5  ©L, 

143  @.  gr.  8  m.  £af.  1—4)    8- 
Bohm,  Herrn.  (Graudenz),   üb.  cerebellare  Ataxie  nebst  e.  casnistischen  Bei- 
trag zur  Lehre  von  den  Kleinhirngeschwülsten.  I.-D.  Strassbg.  (59  S.  8.) 
Book,  Hugo,   de  Davide,   Israelitarum  rege.    Pars.  I.    Quaestiones   criticae 

et  historicae  in  fontes  habitae  I.  Diss.  Regimonti  (Lpzg.,  Fock)  (78  S. 

gr.  8  m.  1  Tab.)  baar  2.—  (Kgsbg.,  Koch)  baar  1.— 
üb.  Die  Verwendbarkeit  der  doppel formigen  mit  njlT  nnd  y\  anlauten- 
den  Namen   im   A.  T.   für   die   hist.   Quellenkritik   [Ztechr.  £  d.  alt- 

testamenü.  Wissensch.    XI.  Jahrg.    S.  125—156]. 
Stawit,   fjr.,   SMjriman.     3u3   bem  9?ad)Ia&   e.  SBaljnftnnigen.    Stanjig,  §mfh>rif. 

(58  6.  8.)  1.- 
Braun,  Prof.  H.  (Königsb.),  seltenere  Fracturen  des  Oberschenkels.    [Archiv 

f.   klin.    Chir.      42.  Bd.     S.   107-111.    m.  Taf.  III,   Fig.    1-5.1    zur 

Technik   der  Naht  bei   verschied.   Operationen   am  Magen  u.  Darm. 

[Dtsche.   medic.   Wochenschrift   No.   1.     S.  8—4.]     üb.   d.   Koch'sche 

Heilverfahren  gegen  Tuberculose.     [Ebd.    No.  11.    S.  412—415.] 
Braun.  M.,  Ueber  d.  freischwimmenden  Sporocysten  [Zoologischer  Anzeiger 

XIV.  Jahrg.    S.  368—369]  d.  Schwammthiere.    [Vom  Fels  zum  Meer 

1891/92.    Heft  2.    S.  119-124.] 
$raufe*etter,  ©rnft   (in  8uri$,  geb.  j.  ÄönigSberg  i.  $r.  2.  Sunt  1863),   3bfcn, 

ßenrif.  bic  SBübente.    ©dWfpiei  in  5  Äufe.    ÄuS  b.  9?orroegifd).  übertraqen. 

(108  S.  gr.  16.)  [Dtectam'ä  Uniüerfaköibliot&ef.  9?r.2317.  fieipa.    1887.]  -\0. 
$erf.,    Äaifer   u.   ©alitäer;   tueftfjiftor.  ©djaufp.     *u3    b.    Vorweg,    übtrag. 

(274  ©.)  [ebb.  «Rr.  2368-69.  1888.]    ä  —.20. 
©arberg,  9(rne,  SBauernftubenten.    ©r^lung.    9?adj   b.   2.  Aufl.   au*   ber 

„fianbSmaar,  bem  normeg.  SSolföbialcft  übtrag.    ftutorif.  btfdje  Hu£g.   $uba= 

peft,  1888.    Mm  (378  6.  8.)    3.- 
3)  er  f.,   au«  ber  SRännertoelt.    Wuä  ber   „2anb8maar  .  .  .   übtrag.    ©in$Kj 

autorif.  btfä)c  HitSg.    <Bbb.  1888.    (271  6.  8.)    2.- 
©trinbberg.  Wug.,  ber  SBater.    Srauerftriei  in  8  Hufe,    «u«  b.  Scfciuebndi. 

übtrag.    einige  autorif   btfd)e.  Huäg.  (61  ©.  gr.  16)    [ffieclam'S  llnio.«$ibl. 

ftr.  2489.  Spj.  1888.J    —.20. 
$erf ,  gräulein  Sulie.    föaturafiftifd>e8  Srauerft.    &u«  b.  ©äjroeb.    (Sinnige 

autorif.  btf«e  9tu*g.  (63  ®.  gr.  16)  l£bb.  Er.  2666.  1890.]    —20. 
(Stjriftianfen,  (Sinar,  Sötte.    $ie   ©efdHdjte   e.   jung.    9Räbd)en$.    (Seutfcfc 

ü   @.  »raufewetter )    »er(.  1890.    ©a>rer.    (382  6.  8.)    4  — 
Sbfen,  $enrif,  SRoSmerSfalm.    ©in  6djauftrie(  in  4  Elften.    £)eutfd)  u   ©rnfi 

^raufetoetter.    (111  ©.  16.)    [9Ret)er'8  Eolföbüdjer.  9fr.  852.  853.  Seift.  1891. 

bibüogr  3nftitut.]    a  —.10. 
Städtebilder   u.   Landschaften    ans   aller   Welt.      Monats -Zeitschrift. 

Red.  v.  Ernst  Brausewetter,  f.  den  polit.  Theil :  Arth.  Waldeck.    Jahrg. 

1891.     12  Hfte  gr.  4.     (1.  Hft.  48  S.  m.  Illustr.  u.  Taf.)    Zürich  1891. 

Helvetia,  Verl.-  u.  Kunstanstalt,    a  Heft  —.80. 
grauen,    ftopentjagener  Stubte  in  1  9Ht.    $on  Äarl  fiarfen.    ©injig  autorif., 

D.  SBerf.  buvdjgefefjene   btfet).  Ueberf.   oon  (£.  ©raufemetter.    [$ad  SRaga^in  f. 

fittt.    60.  Sa^rg.    9^r.  30-32.]     ©mit  8ofo   als    bramat.  fcidjter.    [©efefl^ 

ftfaft.    5ebr.] 
Brennecke,  Rektor  Dr.  Paul,  Urkunden  d.  Stadt  Pr.  Friedland,  veröffentlicht. 

(Progr.  d.  Kgl.  Progymn.)    Pr.  Friedland.    (S.  8-20.    4°.] 
Brisen  ke,  C.  G.  A.  (Hauptlehrer  z.  Danz.),  Lebensgesch.  zweier  Rüsselkäfer 

[Schriften  d.  naturf.  Ges.  in  Danz.    N.  F.     VII.  Bd.    3.  Hft.    1890. 


I 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  5 

S.  8—9.]     Insekten   auf  Farnkräutern    febd.  S.  9—13.]    Nachtrag  zu 

Bachmann's  Beiträgen  zur  Dipteren-Fauna  der  Provinzen  West-  u.  Ostpr. 

fS.  94—101]    einige  für  Westpr.  od.  überhaupt  neue  Ichneumoniden  u. 

Blattwespen  [S.  102—1 07 J  Dipterenlarven-Gänge  im  Erlenholz  [ebd.  N.  F. 

VII.  Bd.  4.  Hft.    1891.    S.  27-29.]  zur  Kenntniß  der  Parthenogenesis 

[Ebd.  S.  29—30.]  Bericht  üb.  e.  2te  Excursion  nach  Steegen  im  J.  1889. 

[ebd.  S.  50-74.] 
»t»fü»,  Dr.  «.,  9Ba3  fömt.   ttrir  au3  3orbane3  üb.   Me   Urfifee   ber   (ätottjen   ent* 

nehmen?  [<5fä$htx.  b.  3U®.  «Prutfia  im  46.  Vereins}.    6-  41-52.] 
Srftmtfcf,  Dr.  i'ur.  2BiHj.  Don,  <ßrof.  in  $afle,  ftur  ©efdj.  beä  @runbetoent§um3  in 

£fc  unb  SBeftyreufeen.  I.  $>ie  fö(mifd)en  ©ttter.    «erKn.    »crl.  t>.  gr*.  SBafjfen. 

(VIII,  138  ©.  9r.  8.).    3.- 
Brunneniann,  Dir.  Dr.  C.  (Elbing\  Jeremias  Ferner.  Excurs  zu  H.  Th.  Buckle: 

History  of  Civilisation  in  England.     Ohapter  8     Programm- Beilage 

d.  Realgymn.  Elbing.    (7  S.  8 ) 

»ütttter,  Dr.  (£.  ®.,  Sefjrer  am  oriental.  Seminar  in  »erfin,  #iUf36üdjletn  f.  b. 

erften  Unterricht  in  b.  6ua^elts®prad)e.    Sfod)  für  ben  Selbftuntertidjt.    9?adj 

ben  „Swahili  exercises"  öon  ©teere  bear6.  2.r  öielf.  öerb.  u.  öerm.  Slufl. 

Seidig.    %.  D.  SBeigel  ftadrfolg.    (VIII,  103  6.  8)  fort.  2.- 

Rec.  [Verhdlgn.  d.  Ges.  f.  Erdkde  z.  Berlin.     Bd.  XVIII.   S.  287-88.1 

©ujadf,  $rof.  Dr.,  b.  Limitationen  b.  3lrd)to8  b.  «Prob  486anbe8  im  Sanbe^aufe  ju 

ftgäbg.     [Sfcgäber.   b.   SUtertägef.    ^ruffia   im  46.  SBereinSj.     6.  91-101] 

e.  SBeitxag  f.  e.  SMogr.  b.  ©ttSminift  Werte,  jju  2)of)nas©d)lobitten  [e6b. 
@  102—117.]  bie  Stosuen  m.  ©laäflufe  im  «ßruff.sSKuf.  m  e.  «nfj.  üb. 
®fo3fht&  to.  «Prof.  £ei)becf  (m.  £af.  I.  II.  V.)  [e6b.  @.  189—193.]  ein  ßanb* 
meljr  in  b.  Oberförfterei  «Puppen  ftr.  OrtelSburg  (Xaf.  VII)  [tbb.  @.  194-196.] 
b.  ffiefte  e.  SanbmefjrS  bei  3oGanni3burg.    [ebb.  ®.  197—198.] 

Stantjatt,  3o^.f  be3  Triften  ^itgerreife  jur  eitrigen  (Seligfeit.  (3n  poln.  Ueberfefcung.). 
Neue  «uf(.    tföntgäb.    fcartung     (X,  245  @.  12.  m.  10  Silbern)    1.— 

Burdach,  Prof.  Dr.  Konr.,  z.  Kenntn.  altd  Hss.  u.  z.  Gesch.  altd.  Litt.  u.  Kunst. 
[Centralbl.  f.  Bibliotheksw.  8.  Jg.  S.  1-21.  145-76.  824-44.  433-88.] 

Busolt,  G.}  Kallias,  des  Kalliades  Sohn.  [Philologus  Bd.  50.  Hft.  1.  N.  F. 
Bd.  IV.  S.  86—92]  zur  Gesetzgebung  Drakons.  [ebd.  Bd.  50.  Hft.  8. 
S.  593-400] 

Capeller,  Gust.  (ord.  Lehrer),  die  wichtigsten  aus  dem  Griech.  gebild.  Wörter 
(mots  savants)  der  französ.  u.  englisch.  Sprache,  zsgestellt  u.  etymol. 
erklärt.   Teil  III.   (Progr.  d.  Realprogymn.)   Gumbinnen.    (S.  45—64  4°) 

Cappeller,  Prof.  Carl,  a  Sanskrit-English  dictionary,  based  upon  the  St.  Peters- 
burg lexicons.    Straßburg,  Trübner.    (Vlrf,  672  S.  er.  8.)   geb.  21. 

Carl,  Dr.  in  Landeck  in  Westpr.,  ein  glücklich  verlaufner  Fall  von  Uterusruptur. 
[Dteche  medic.  Wochenschr.  No.  10.] 

Carnntb,  O.  (Danzig)  Rec.    [Ztschr.  f.  dteche  philol.  24.  bd.  s.  420.] 

Caspary,  Prof.  J.  (Kgsbg.),  üb.  den  Ort  der  Bildung  des  Hautpigments, 
(m.  Taf.  I.)  [Archiv  f.  Dermatologie  u.  Syphilis.  XXIII.  Jahrg. 
S.  3—8.  Referat  in  Centralbl.  f.  med.  Wissensch.  No.  25.]  üb. 
Adenoma  sebaceum  (m.  Taf.  VIII  u.  IX.)    [ebd.    S.  371-377.] 

Clebsch,  Alfred,  Vorlesungen  üb.  Geometrie.  Bearb.  u.  hrsg.  v.  Dr.  Ferd. 
Lindemann.  2  Bd.  1.  Thl.  Leipzig,  Teubner.  Inh. :  d.  Flächen  1.  u. 
2.  Ordng.  od.  Klasse  u.  der  lineare  Complex.  (VIII,  650  S.  m.  Fig.) 
12-    (I.  u.  IL,  1:36.-) 

[ClÜYer,  Philipp.] 

Bartsch,  Prof.  Dr.  J.,  Philipp  Clüver  der  Begründer  der  histor.  Länder- 
kunde. Ein  Beitrag  z.  Gesch.  der  geograph.  Wissensch.  [Geograph. 
Abhdlgn.  hrsg.  v.  Prof.  Dr.  Albrecht  Penck  in  Wien.  Bd.  V.  S.  166 
bis  215.  Wien  u.  Olmütz.  (49  S.  Lex.  8.  m.  1  Karte:  Clüver's 
Wanderungen  in  Italien).  2.—  cf.  Holm  (Neapel)  Rec.  in:  DLZ.  1892 
No.  3.  u.  G.  Gerland,  Rec.  in  Göttinger  gel.  Anzeigen  1892  No.  9.  S.  337—355. 


6  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

CohBj  Selmar  (approb.  Arzt  in  Bialla  in  Ostpr.),  Beitrag,  z.  Statistik  des 
runden  Magengeschwürs.    I.-D.    Kiel.    (28  S.  8.) 

Cohn,  Thdr.,  81  Fälle  von  Myomektomie  aas  der  gynäkol.  Klinik  zu  Königsb . 
in  d.  Zt.  v.  1887—1891.  Diss.  Königsb.  (Koch.)  (45.  S.  gr.  8.  m. 
1  Doppeltaf.)  baar  1.—. 

Conrad,  Georg  (öerid)t^$lffeffor  in  föetbenburg),  üb.  b.  Stguren  auf  b.  ©urgRntKn- 
plafctfjor  in  Ägäbg.  [9Jeibenbuvger  Ärei8~33l.  10.1  b.  Kaufvertrag  üb.  b.  SaufteGi- 
b.  alt.  SReibenburg.  SRat^aufe«  (u.  1670.)  (ebb.  15.]  b.  ©etoerterofle  ber 
©rob*  u  «leinfämiebe,  Stiemer  u.  Xifa^ler  in  6olbau  (Oftpr.)  ü.  19.  $ej.  lfiiS. 
[59.  60.J  b.  ^rtoilegmm  b.  «tyot&efc  $u  ©olbau.  [62.J  b.  Safjrbud)  b.  eMitg. 
ßirefte  gu  9?arst)m  (Ar   tteibenburg)  [72.  74.  76-78.  81.  82.  84-90.] 

Conradt,  Leop.  (aus  Königsb.)  üb.  die  Nepbritgruben  .von  Schachidula  a. 
die  Schleifereien  von  Chotan.  (m.  Situationsplan.)  (Verhdlgn.  d.  Berl. 
Ges.  f.  Anthropol.,  Ethnol.  u.  Urgesch.  Sitzg.  v.  17.  Oct.  1891.  S.  «92 
u.  693.]  Usambara,  Ost-Afrika  [ebd.  S.  693—694.1  üb.  die  ruß.  Expedi- 
tion von  Grombtschewski  nach  Centralasien  in  d.  Jahren  1889— 1890. 
Vortrug.  [Verhdlgn.  d.  Gesellsch.  f.  Erdkunde  zu  Berlin.  Bd.  XVIII. 
S.  168-176.] 

fotttoent,  $rof.  Dr.,  Sorgef<f}idjtf.  3ft|cfieret  in  »eftyr.  [geftgabe  f.  b.  fcfjeifoe&mer 
be«  III.  beutfd).  Rifdjereitage«  *u  2>aiqig.  3)anjig  1890.  ®.  75-85.  Su«* 
*ug  in:  SRttfjlgn.  b.  tueftpr.  fttfcbereUSSerem*  8b.  III.  9fr.  5/6.  6.  81-86.] 

—  —  Neue  Fände  aus  d.  jüngeren  Stein-,  der  älteren  Bronze-  und  der  Hall- 

stattzeit in  Westpr.  (Aus  d.  Bericht  d.  Westpr.  Provinzial-Mus.  f.  d. 
Jahr  1890.)  [Nachrichten  über  dtsche  Alterthumsfunde  hrsg.  v.  d. 
Berl.  Ges.  f.  Anthrop.,  Ethnol.  und  Urgesch.  2.  Jahrg.  S.  43 — 46j 
allgem.  Bericht  üb.  dL  12|*  Wander- Vsinml.  d.  westpr.  bot-zoolog. 
Vereins  zu  Tolketnit  am  11.  Juni  1889.  [Schriften  der  naturf.  Ges. 
zu  Danzig.  VII.  3.  1890.  S.  If.j  alte  Bäume  im  Kr.  Elbing  [ebd.  S.  13-2» 
üb.  d.  Vbreitg.  d.  Sucoinits,  bes.  in  Schweden  u.  Dänemark  (m.  1  Karte 
Taf.  V)  [ebd.  S.  165—176.1  zwei  im  Aussterben  begriffne  Pflanzen.' 
febd.  Bd.  VII,  Hft.  4.  S.  86—37.]  Geschäftsber.  cL  westpr.  botan.- 
zoolog.  Vereins  pro  1889/90  |ebd.  S.  88—41.] 

[€opernicasj  Favaro,  Antonio,  Sopra  una  scrittura  inedita  di  Giovanni  Keplero 
intorno  al  sistema  copernicano.  Nota  di  A.  Favaro,  presentata  dal 
Socio  Cerruti.  [Atti  della  r.  Accad.  dei  Lincei  Serie  lV.  Rendiconti 
Vol.  VII  Semestre  I.  Fase.  12.  p.  615.  —  Semestre  II  fasc.  I  p.  18—24 

Cordt,  Benj.,  Johannes  v.  Müller's  Briefe  an  Karl  Morgenstern  [Aus:  Alt- 
preuß.  Monatsschr.j    Königsb.  Beyer  (35  S.  gr.  8.)  —.80. 

Cornill,  Prof.  Dr.  Carl  Heinr.,  Einleitung  in  d.  Alte  Testament.  (XII. 
325  S.  gr.  8.)  [Grundriß  der  theol.  Wissenschaften  bearb.  v.  Achelis, 
Cornill,  Ficker  u.  A.    2.  Thl.     1.  Bd.    Freib.  i.  Br.    Mohr.]    5.- 

—  —  Beiträge  zur  Pentateuchkritik  [Ztschr.  f.  d.  alttestam.  Wissensch.  hrsg. 

v.  Bernh.  Stade  XI.  Jahrg.  S.  1—84]. 
Correns,   Paul   (Mewe  in  OstprA   die  dem  Boethius  falschlich  zugeschrieb. 

Abhdlg.    des   Dominicas   Gundisalvi   de   unitate.     I.  Teil.     Breslauer 

I.-D.    Münster  i.  W.    (37  S.  8.) 
CorsepIvSj  Dr.,  Max  (Königsb.  i.  Pr.),   theoret.  u.  prakt  Untersuchungen  z. 

Konstruktion   magnet.   Maschinen.     Berlin.     Springer.     (VIII,    92  S. 

gr.  4  m.  13  Textfig.  u.  2  lith.  Taf.)    6  — 
Cafarf,   SBiUjelm,   Materialien  ju  (Stottfalb  @t>(jramt  Sefftng«  §amburgtfcfcer  $rama* 

turgie.    9Iudfür)rl.  Kommentar  nebft  Einleitung,  intyang  u.  SRegiftern  aigefteflt. 

2.  toerm.  u.  Derb.  Aufl.    $aberborn.    ©d^ömnglj.    (V,  485  S.  gr.  8.)    4,80. 
Curtze,  Maximil.  (Thorn)  Commentar  zu  dem  „Tractatus  de  Numeris  Datis* 

des  Jordanus  Nemorarius.    [Ztschr.  f.  Mathem.  u.  Physik.    36.  Jahrg. 

Histor.-literar.  Abth.  S.  1-23.  41—63.  81—95.  121-138.] 

Rec.    [DLZ.    2.  6.  16.  40.  | 

Czaplewskl,   Dr.  £ug.t   d.  Untersuchung  d.  Auswurfe  auf  Tuberkel bacillen. 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  7 

Jena.    Fischer.    (V1U,  124  S.  gr.  8  m.  1  färb.  Taf.  u.  mehr,  eingedr. 

Holzsohn.)    8.—,  geb.  4. — 
$alcfe,  Ober«@taat3antü.  in  (Stettin,  bie  Sage  her  ftec&tfyredjung  ü6.  b.  Sfrage,  ob  u. 

inwieweit  b.  SBorfrfjriftcn  be«  S>.  ©SB®,  üb.  ©emetyrung  ber  SRed»tS^üUe  u.  bie 

SBeftinummgen  ber  3).  ©t?£).   üb.   bett  3eugnifyn)ang  auf  &•  Serfaljren  in 

$töcU)linarunterfu(f)ungen  9tnroenbung  finben  [Slrdjto  f.  (Strafredjt.    89.  3&fcö- 

6.  248-260]  b.  SSegfcftaffung  ber  «fferuate  in  ©traffad)en  [ebb.  @.  405—409.] 
Danckwerts,  Meliorations-Bauinspector  in  Kgsbg.  i.  Pr.,  die  Anwendung  der 

Photographie   u.   Bildmeßkunst   in   der    Wasserbautechnik   [Ztschr.  f. 

Bauwesen.    Jahrg.  XLI.    Sp.  895—400.] 
Danzig.    Festschrift  zur  88.  General- Versammig.  d.  Katholiken  Deutschlands 

in   Danzig   vom  80.   Aug. — 8.   Sept.    Danz.    Dr.    B.    Lehmann.    (148 

S.  12.  m.  1  Plan.)     1.- 
Dayidsohn,  H.,  (Willenberg  i.  Pr.)  üb.  ischaemische  Lähmungen  und  Contra- 

cturen.     I.-D.    Erlangen.    (28  S.  8) 
Dehlo9  Zwei  Cistercienserkirchen.    Ein  Beitrag  zur  Gesch.  der  Anfange  des 

gotischen  Stils.     [Jahrb.  d.  kgl.  preuß.  Kunstsammlungen.    Xu,  2.] 
Rec.  [Berl.  philol.  Wochenschr.    XI.  Jahrg.    No.  88.    DLZ.  18.] 

3>ettf  nad>\  ©tätt.  $.  Sförberg  b.  ftttl.=rcftg.  SebenS  fjrSg.  b.  $.  6d)ul&fij.    3<*frg. 

1891  [12  ttrn.  Vi  ®g-  gr.  8.|    3nfterbg.    #opf8  Wadjf.  Äbg.  »raun  &  Söeber 

in  Gomm.  baar  1.20. 
Dewitz,  Dr.  Joh.,  Ber.  üb.  d.  Rotatorienliteratur  der  Jahre  1887  u.  1888. 

[Archiv  f.  Naturgesch.    54.  Jahrg.    II.  Bd.    S.  43—62]  d.  Theorien  der 

Farben  Wahrnehmung.     [Himmel  u.  Erde.    IV.  Jahrg.     S.  97— 100.  J 

$iet<f$,  Dr.  ©uft.,  &elgolcmb.  (33  <8.  gr.  8.)   [(Sammlung  gemeinuerftbl.  wtffenfdjftl. 

Vorträge,  begrünb.  t>.  SRub.  9Sird)on>  u.  grj.  to.  fcolfcenborff,  IjrSg.  ö.  Sfhib. 

»trdjohj  u.  mit}.  SBattenbad).    90.  &.    12 1.  #ft.    Hamburg.    SJerlagSanft.  u. 

3)rucferei,  SU©.]    —60. 
ft>amfd}e  fiiteratur.    [Blatter  f.  literar.  Unterhaltung.    förSg.  to.  gr.  Wienemann. 

9*r.  46]  e.  feanilaV  Alma  «Kater  [#om  ftete  jum  SReer.    £ft.  7]  jur  fcolit. 

Sage  in  Portugal     [Unfere  3eit     1.  $ft.    6.  68-79]  b.  tmrtr)fcf»aftr.  Sage 

3R*aroffoS  [®bb.    11.  $ft.    @.  398-418J  b.  Sefuiten.    [ftorb  u.  Süb.  SBb.  58. 

@.  856-375.] 

Dittrlch,  Prof.  Dr.  (Braunsberg  Ostpr.),  ein  neu  entdecktes  Bild  von  Lucas 
Cranach  dem  A eitern  [Ztschr.  i.  christi.  Kunst,  hrsg.  v.  Alex.  Schnütgen 
1890.  III.  Jahrg.  Sp.  825—326]  spätgothische  Beliquienkreuze. 
(Mit  Abbldg.)  (in  den  kathol.  Kirchen  Ost-  u.  Westpr.)  [ebd.  IV.  Jahrg. 
Sp.  311-820.] 

Doering,  Walter,  (pract  Arzt  aus  Neuteich  in  Westpr.),  e.  Fall  von  amyo- 
trophischer Lateralst erose.    I.-D.     Berlin.     (82  S.  8.) 

Dobrn,  Prof.  Dr.  R.,  Geburtshilfe.  [Jahresber.  üb.  d.  Leistgn.  u.  Fortschr. 
in  d.  gesammt.  Medicin  .  .  .  XXV.  Jahrg.  Ber.  f.  d.  J.  1890.  II.  Bd. 
3.  Abth.    S.  681-695.] 

%oman*t\),  2Ba(tf>er,  and  3>anatg3  Sorbett  $ret  ©r^hmgen  für  3ung  u.  Wt 
2Jiit  gttuftrat.  D.  8rtQ.  Senbrat.    Gängig,    ©ertling.    (100  @.  8)  fort.    1.25. 

—  —  SRoru}  fterberS  ©rauttuerbung.  ftiftor.  (Srjä&iung  aus  3)anjigö  alt.  Stagen 
(1—24).    [$ans  Seitung  1890  18.  ftoü.  —  14.  3)ej.  9?r.  18606—18652.] 

Domarus,  Max  von,  (Schlochau)  d.  Beziehungen  d.  deutschen  Könige  von 
Rudolf  von  Habsburg  bis  Ludwig  dem  Baiern  zu  Dänemark.  I.-D. 
Halle.    (60  S.  8.) 

Donalies,  Walter,  z.  Lehre  v.  d.  Hyperplasieen  des  lymphatisch.  Rachen- 
ringes.   I.-D     Kgsbg.     (Koch.)    (33  S.  8.)    —.80. 

Sotfaeitiitig,  fanbroiru)fd)aft(td)e.  §r3g.:  <8en.s@etr.  ©.  «reif«.  28.  3g.  (52  SRrn.) 
9fr.  1.    (4  ©.  gr.  4)  fjalbj.  n.  n.  2. 

Dorner,  D.  Aug.,  Prof.  in  Kgsbg.,  Dogmatik  (Litteraturbericht).  [Theol. 
Jahresber.  hrsg.  v.  R.  A.  Lipsius.    X.  Bd.    8.  Abth.    S.  381—410.] 


8  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

Dorr,  Prof.  Dr.,    6er.  üb.   d.  Thätigk.  d.  El  binger  Alterthumsgesellsch.  im 

Vereinsj.    1888/89.      [Schriften    d.    naturf.    Ges.    in    Danzig.     N.  F. 

VII.  Bd.    3.  Hft.    S.  33-42.] 
Drewitz,    Oscar   (approb.  Arzt   ans  Thorn),   üb.  das  Fassungsvermögen  des 

Magens  künsti.  ernährter  Kinder  im  Säuglingsalter.    I.-D.    München. 

(21  8.  8.)    Thorn  gedr.  bei  Dombrowski. 
$f*fte,   $reb.,   D$c.f   Äinbertaufe   ober  laufe   ber  ©laubigen?    SBonn.    ©djcrgeiiÄ. 

(52  @.  8.)    -.30. 
$rt)gai*rf,  «Ibert  u.  (geb.  *u  ÄtfnigSberg  7.  ftob.  1836)  in  ©aalfelb  a.  ©.,  ©chatten* 

biiber  au$  SRufelanb     Gfjarafter*  u.  ©itten|d)ifberungen.    9?ad)  rujfifdj.  Criqi- 

nafen  afgeftetlt.    Stuttgart  1877.    «ucrbaa).    (VII,  196  ©.  8.)    1.80. 

baSfetbe.    Ecue  frolge!    &hb.  1877.    (III,  186  ©.)    lr80. 

©cenen   oud    b.  jihtgji.   Crientfrtege,   er^lt   uon  rufftfc^.   ©olbaten.    $ortr. 

»erlht  1878.    3Kitt(er  u.  ©o$n.    (44  ©.  gr.  8.)    1.- 
©über  au8  b.  rujfifdjen  ©ofbatenleben.   9?ad)  b.  ©fi^en  $.  3HMnontf.  ©tutt* 

gart,    Huerbadf  1878.    (VIII,  167  ©.  8.)    1.80. 

baSfelbe.    9*.  fr    <Sbb.  1878.    (136  ©.)    1.80. 

$ie  neusruffiföe  fcattif  in  tfjr.  gegenro.  ©nttmdelung  m.  befonb.  93erü<ffid)L  ber 

fjerrfdjenb.   ^uSbilbungSprincuMen  nadj   3)ragomiron>,    fieer,  £ctt)u>fi  u.  anb. 

neueren   üueffen.     ©erf.  1880.    SRittfer  u.  ©ofnt.    (XV,   266  ©.   gr.  8  m. 

31  eingebr.  ©oljfdjn.)    5.— 

—  —  Subdetut-Chakaik.    Sammlung   aaserwählter  Dokumente   aus  d.  turk. 

Staats -Archiven.  Ein  Beitrag  zu  d.  Gesch.  des  russ.-türk.  Krieges 
von   1877—78.     Deutsch   bearb.    Berl.    Luckhardt    1880.    (V,   152  S. 

gr.  8.)    3.— 
ie   russische  Armee   in  Krieg  u.  Frieden,   nach   den  neuesten  Reor- 
ganisations-Bestimmungen  u.  and.  Quellen  dargestellt.    Berl.    Eisen- 
schmidt 1882.    (223  S.  gr.  8.)    4.- 

—  —  Das  strateg.  Kavalleriemanöver   unter  General  Gurko   im  südl.  Buss- 

land, Herbst  1882,  u.  die  Reformbestrebungen  in  der  russisch.  Kavallerie. 
Ebd.  1883.    (47  S.  8  m.  1  lithogr.  Detailskizze.)     1.30. 

—  —  Die  russischen  Sommerlager  1884  mit  besond.  Berücksicht.  des  Lagers 

von  Krasnoe-Selo.    Vortr.    Ebd.  1885.    (98  S.  gr.  8  m.  1  Plan.)    2.50. 

—  —  SRufftfcfye  Klaubereien,    ©fjarafter«   it.  ©ittenfdjüberungen.     91adj  ruft.  Crig. 

afgefteat.    S^g.  1885.    Unffab.    (IV,  250  ©.  8.)    3.- 

—  —  Masslowski   (Oberst   im  russisch.  Generalstabe),   Der   siebenjährige 

Krieg  nach  russischer  Darstellung.  1.  Theil  d.  Feldzug  Apraxin's  in 
Ostpr.  1756—57.  Mit  Autorisation  d.  Verf.  übs.  u.  m.  Anmerkgn. 
verseh.  v.  A.  v.  Drjgalski.    Berlin.    Eisenschmidt  1888.   (XVI,  359  S. 

fr.  8  m.  5  Beil.)    12.—    2.  Theil  Der  Feldzug  des  Grafen  Fermor  in 
.  östl.  Gebieten  v.  Preußen.    1757—1759.    Mit  4  Plänen  u.  1  Schema. 

Ebd.  1891.    (XV,  391  S.)    12.- 
ÄaleiboSfop  au§  b.  mthtär.  Söett.   ©etradjtungen  u.  (Srinnerungen.    (Sbb.  1891. 

(192  ©.  8.)    2.- 
Drygalski,  Dr.  Erich  v.,   Fridtjof  Nansen,  Auf  Schneeschuhen  durch  Grön- 
land.   [Das  Ausland.    64.  Jahrg.    No.  13    14.]    üb.  Bewegungen  der 

Kontinente   zur   Eiszeit.     Entgegnung.     [Petermann's   Mittheilungen 

87.  Bd.    S.  77-78] 
$ufto,  ©ufr,   S3olf^mirt^fd)aftö(e^re  In  gemeinuerftönbl.  Starftettg.    2.  öerm.  u.  Derb. 

Slufl.    SBerl.   §eineä  SSerl.  (VI,  134  ©.  12.)    1.25. 
$te  preuft.  SSenualrungSgcfejje.    (Srgän^ungdbanb :   $)ie  fianbgemembeorbmwg 

f.  b.  7  öft(.  Sßrou.  b   3flouard)ie  tu.  Ginl.,   erttär.  Vnmerfgit.   u.  ©adjregifter. 

Gbb.    (133  ©.    16)  fort.  1.25.    (§ptrorf  u.  ©rgänagäbanb :  3.75.) 
©ro&ftäbtifdje  SMierfaretje  [«Preufe.  Satjrbb.  68.  93b.  ©.  726-731.  «Kit  9?a*(d)r. 

b.  ftebaitton.    £elbrücf  8.  731-734.1 
Dumcke,  Julius  (Königsberg),   d.   deutschen  Faustbücher  nebst  e.  Anhange 

zum  Widmannschen  Faustbuche.    I.-D.    Leipzig-Reudnitz  (103  S.  £r.) 


I 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  9 

$«itffer,  $reb.  SBoIb.,  ber  Mtarbienft  in  $e$ug  auf  bie  (Sommunio,  HRatutm  u.  $Be3= 
ptx  alt=reformatorifrf)en  Äircfic.  $rebigern  u.  ©emeinben  et».4utlj.  Stefenntniffe* 
bargeboten.  $ebft  c.  3ußaoe  &•  Vafftonale.  Stetig.  (Öeity.  Slfab.  Shtdtöbfg. 
[38.  Araber.])  (VI,  26  ©.'  gr.  8.)  -.50. 

Eberhard,  Privatdoc.  Dr.  V.,  zur  Morphologie  der  Polyeder.  Leipzig,  Teubner. 
(IV,  245  S.  gr.  8.  m.  Fig   u.  2  Taf.)  8.—. 

Eckerlein,  Dr.,  Assistenzarzt  d.  Universitäts-Frauenklin.  zu  Kgsbg.,  z.  Kennt- 
niß  des  Athmungsmechanismus  der  Neugeborenen.  [Ztschr.  f.  Geburts- 
hilfe u.  Gynäkolog.     XIX.  Bd.  1.  Hft  1890.  8.  120  ff.) 

Ehrenberg,  Dr.  Herrn  ,  Joachim  Lndw.  Schultheiß  von  Unfried  u.  d.  angebl. 
y.  Schlüter  erbaute  Theil  des  Kgsb.  Schlosses  (m.  Abbildgn.)  [Centralbl. 
d.  Bauverwaltg.     11.  Jahrg.  fto.  40.  41.] 

Rec.  [St)bcl§  (jiftor.  8tfcf)r.     W.  fr    31.  ©b.    ©.  128-29.] 

(HdKttborff,  3o|e#j  ü.,  $uä  b.  fiebcii  c.  £augenid)t8.  ftouefle.  ÄbniqSberg.  3*ert.  u. 
£einr.  SRafc.    (148  3.  16.)    3n  feinem  Sinbanb  1.50. 

Eicfahorst,  Prof.  Dr.  Herrn.,  Handb.  d.  spec.  Pathol.  u.  Therapie  f.  prakt.  Aerzte 
u.  Studirende.  4.  Bd.  Krkhtn.  d.  Blutes  u.  Stoffwechsels  u.  Infections- 
krankhtn.  4.  Aufl.  Wien.  Urban  u.  Schwarzenberg.  (VIII,  750  S. 
gr.  8  m.  105  Holzschn )    (a)  12.—  geb.  (a)  14. 

—  —  Beiträge  zur  Pathol.  d.  Nerven  u.  Muskeln.  Zweiter  Beitr.  Das 
■  Verhalt,  d.  Patellarsehnenreflexes  bei  Tabes  dorsualis  cervicalis. 
(Hierzu  Taf.  I )  [Virchow's  Archiv  f.  pathol.  Anat.  etc.  Bd.  125. 
Folge  XII.  Bd.  V.  S.  25-34.1  erworbene  Trichterbrust  (Mit  3  Ab- 
bildgn. im  Text.)  [Deutsch.  Aren.  f.  klin.  Medicin.  48.  Bd.  S.  618-618.] 
Wahrnehmungen  üb.  d.  Patellarsehnenreflex  bei  Tabes  dorsualis. 
[Wiener  med.  Presse.  No.  20.  Dt.  medic.  Wochenschr.  No.  23. 
Verhdlgn.  des  X.  Congresses  f.  innere  Medicin.    Wiesbad.    S.  872— 876.) 

£ittfomi!ttnfictter*©efe$.  $om  24.  3uni  1891.  ÄönigSberg.  Wartung.  (25  S. 
gr.  8.)    baar  —.20. 

tKentt,  (Staatsanwalt  in  Bartenftein)  &ur  2lu$(egitng  be«  §  482  ©t.«<ß.«D.  im 
galle  boJ>J>e(ter  Unterfud)img3$aft.   ISlr*.  f.  ©trafredjt.   39.  3g.   ©.  272—275.] 

Endemann,  Prof.  Dr.  Fr.  (Kgsbg.).  Rec.  [DLZ.  No.  49.]  $ie  ©egner  beS 
$runffuc&t$gefefre3.     [Ägäbg.  Mg.  8tg.  t».  31.  3)e^.    Wr.  610] 

ettgel,  (Sautenburg  SBeftpr.)  mittelafterl.  «Siegel  uon  dfjriftburg  u.  ©djoeneef  in  SBeftpr. 
(m.  2  Hbbifbgn.)    [$er  $eutfd)e  fcerofb  XXII.    SRv.  1.    ©.  9-10.1 

Erdmann,    Osk.,   zu   den   kleineren   ahd.    denkmälern.     [Ztschr.  f.  deutsche 

Ehilol.  hrsg.  v.  H.  Gering  und  Osk.  Erdmann.  24.  bd.  8.  315—317.] 
Lee.  [DLZ.  No.  7.  Zeitschr.  f.  dtsche  philol.  24.  bd.  s.  120-122. 
410-419.] 
Eyff,  Max  (geb.  zu  Graudenz  W./Pr.)7  üb.  d.  Verbreit ungs weise  d.  Influenza 
nach  d.  Ergebnissen  d.  Epidemie  1889/90.  I.-D.  Breslau  (40  S.  8°). 
gafytenfteit,  $an.  Gtobr.  (nadj  Sl.  Bomber' 3  Stubie  üb.  gafyrenfjeit  it.  befielt 
Arbeiten,  in  b.  ©Triften  b.  naturf.  ©ef.  &.  3)anjig.)  [Qtoea,  töatur  unb  fieben. 
(Sentralorg.   5.  SBbreitg.  natuno.  u.  geogr.  Äenntmfje  .  .  .  &räg.  u.  Dr.  fterm. 

3.  Äiein.    27.  3g.    IV.  fcft.    S.  230-238.1 

Familien  *  Aalen  ber,  aagem.  SRtt  bem  3af)rmar!t3  *  SSeraeidni.  f.  ©c&lef ,  $o(er.r 
»ranbenburg,  Sommern  u.  £ft=  u.  SSeftpreufecn.    £r3g  t>.  2Raj  ©rin^ef.  1891. 

4.  3g     ©djiDeibnifr.  $eege.  (82  6.  2er.  8  m.  «bbiibgn.)    -.50.  .  .  .  1892 

5.  3g.    (88  ©.  m.  2er>Nbbübgn.,  1  garbenbr.  u.  1  SBanbfalenb.)    —.50. 
Feuerwehrmann,   d.   norddtsche.    Oi'ficielles   Organ   d.  preuß.  Landesfeuer- 

wehrverbandes  etc.  hrsg.  u.  red.  v.  Brandmeister  Fr dr.  Lenz.    9.  Jg. 

24  Nrn.     (1  B.  Imp.-4.)     Danzig.    Selbstverl.  baar  n.  n.  5.— 
gieba«,  $ir.  Otto,  b.  ?f>t)fiotogte  ber  Sontuiif».    Seidig,     &.  SRcrjeburger.  (106  ©. 

gr.  8.)    2.40  — 
Fischer,  Gerh.,  d.  persönl.  Stellung  u.  polit.  Lage  König  Ferdinands  I.  vor 

u.  während  der  Passauer  Verhdlgn.  d.  J.  1552.    Dias.    Kgsbg.    (Koch. 

(71  S.  gr.  8)  baar  n.  1.20.- 


10  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

Flach,  Johs.,  der  Hellenismus  der  Zukunft,  Ein  Mahnwort.    2.  (Titel)-Aufl. 

Leipz.  (1888)  1891.    Friedrich.     (VT,  Bl  S.  gr.  8.)     L- 
Flelschmann,  Prof.  Dir.  Dr.  Wilh.,  le  psychrometre.     Tables  pour  calcaler 

l'humidite   relative  de  l'air  des  caves  a  fromages  dressees.    Bremen. 

M.  Heinsius  Nachf.    (13  S.  gr.  16.)    —.80. 

—  —  Untersuchung   d.   Milch  von   16  Kühen  d.  in  Ostpr.  rein  gezüchteten 

holländ.  Schlages  während  der  Dauer  einer  Lactation.  Mitgeth.  aas 
d.  Versuchsmolkerei  zu  Kleinhof-Tapiau  v.  Prot.  Dir.  Dr.  W.  Fleisch- 
mann. Mit  1  graph.  Taf.  (VIII,  368  S.  Lex.  8.)  10.—  [Landwirth- 
schaftl.  Jahrhb.     20.  Bd.     Ergänzungsband  II] 

Florkowskl,  C,  Cons.  des  Stadt -Mus.  in  Graudenz,  Ausgrabungen  auf  d. 
Burg-  u.  Lorenzberg  zu  Kaldus,  fereis  Kulm,  Westpr.  [Nachricht  üb. 
dtsche.  Alterthumsfunde  hrsg.  v.  d.  Berl.  Ges.  f.  Anthrop.  etc.  2.  Jg. 
Hft.  3.  S.  37-40  m.  Zeichnungen.]  Gräberfeld  bei  Kulm,  Westpr. 
[Ebd.  S.  40-43] 

Förgtemann,  E  ,  zur  Entzifferung  der  Mayahandschriften.  I.  u.  II.  Dresden. 
(R.  Bertling.)    (14  u.  19  S.  gr.  8.)  "haar  a  n.  1.—. 

—  —  Zur  Mava-Chronologie  (mit  13  Zinkogr.)     [Ztschr.  f.  Ethnol.    23.  Jg. 

Hft.  IVr    S    141-155.1 
ftolj,    £vei*frf)ii(mft).  %\ii.,    Unleitg.  u.  ©toffuertcifg.  f.  ben  WnfdjauimgSunterridjt  in 

ftiradjig-gemifditen   (spulen.    [1.  u.  2.  Satyr.]    ^an^ig.    Äafemann.    (28  £. 

gr.  8.)   '—50 
[Forster,  Georg,]  Beiträge  z.  Kenntniß  Georg  Forsters  aus  ungedr.  Quellen. 

Von    Alb.    Leitzmann.      [Arch.  f.  d.   Stud.   d    neueren  Sprachen  n. 

Litteraturen.     84.    Bd.   S.    369-404.     86.    Bd.   S.    »29—226.     87.  Bd. 

S.  120-216.    88.  Bd.  S.  1-46.] 
Fraenkel,    Dr.  Carl,    Prof.   d.  Hygiene  a.  d.  Univ.  i.  Königsb.,   Hygienische 

Rundschau    hrsg.    v.  Fraenkel   u.    Dr.   Erwin  v.  Esmarch.      I.  Jahrg. 

Berl.     Hirschwald  (monatl    2 mal  ca.  3  Bg   8)  halbj.  10.— 

—  —  Filteranlagen  f.  städt.  Wasserleitungen       Referat  in  d.  16.  Versig.  d. 

Dtsch.  Vereins  f.  öffitl.  Gesundheitspflege  zu  Braunschweig  v.  11.  bis 

14.  Spt    1890.     [Dtsche.  Vierteljahrsschr.   f.  öffentl.  Gesundheitspflege. 

23.  Bd.     1.  Hft.    S.  38-59.] 
Frankenstein,    Isid ,    aus  Soldan  (Ostpr.),    Beitr.  z.  normal,  u.  pathol.  Anat. 

d.  Praeputium  penis.     I.-D.     Freibg   i.  Baden     (29  S.  8.) 
Franz,    J.,    die   jährl.  Parallaxe  d.  Sterns  Oeltzen  11677    bestimmt   mit  d. 

Königsbg.  Heliometer.    (Sonderdr.)   Köuigsbg.    Gräfe  &  Unzer.   (15  S. 

fol.  m.  1  Taf.)     Kart,  2.50. 
ftredj,  ®i)mii.=£e(jr.r  Integration   einiger  beftimmten  integrale  auf  complerem  SBegc. 

(*rogr.  b.  Tg(  (Vtymn.  5.  $tfd).  Ärone.)    $tfd)  Ärone.    (5.  3—16.  4°  m.  1  Saf.) 
Freymuth,    Dr.,  die   Influenza  in  Danzig  1889/90.     [Schriften  d.  naturf.  Ges. 

1.  Danzig.     N.  F.     Bd.  VII.     Hft.  4.] 
Friedender,  Ludw.,  Petronii  cena  Trimalchionis.    Mit  dtsch.  Ueberstzg.  u- 

erkl.  Anmerkgn.     Leipzig     Hirzel.     (VII,  327  S.  gr.  8.)    6. — 

—  —  Rec.     [Berl.  philol.  Wochenschr.     11.  Jg.     Nr.  46.] 

Frischbier,  H.,  d.  Eid  im  Volksleben.  (Sine  ©nquete.  [Am  Ur-Quell.  Mo- 
natssohr.  f.  Volksk.  hrsg.  v.  Frdr.  S.  Krauss.  2.  Bd.  S.  58— 59.; 
Xotengebräucfc.  [ebd.  S.  80.]  Sitte  u.  Brauch,  [ebd.  S.  11*.]  Räthsel- 
Geschichten.  [ebd.  2.  Bd.  S.  151—152.  166—168.  Preußische  Rätsel- 
Fragen,  [ebd.  3.  Bd.  S.  34-  7] 
Sa*,  ©b.,  ftermann  5rifd)bier  f.  [Öet)r.=3tg.  für  Oft-  u.  SBeftyr.  22. 39.  9to.  51.] 
3acobt)  (3ränt.).  $erm.  grifd)bter  f.    [ebb.    23.  3g.    Er.  1.] 

groelid),  X.f  Cltjvonit  b.  ©tabt  ©rauben*.  3rcftfd)r.  3.  (Srimterg.  an  bie  t>or  600  galjren 
erfolgte  Sßerleiljimg  b.  ©tabtredjte.  ©raubenj.  SRötye'jdje  Sambia,.  (92  3. 
gr.  8.)    1.— 

Froelich,  Lehr.  G.  (Thorn),  Euphorbia  linariaefolia.  [Schrift,  d.  naturf.  Ges. 
in    Danzig.     N.  F.    Bd.  VH.    Hft.  4.     S.  30.J 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  H 

Frommer,  Dr.  jur.,  Otto,  Anfange  u.  Entwickelg.  der  Handelsgerichtsbarkeit 

in   der   St*dt   Königsberg   i.  Pr.      |Unterschgn.   z.    dtsch.    Staats-  u. 

Rechtsgesch.  hrsg.  v.  Dr.  Otto  Gierte.    38.  Hft.]    Breslau.     Koebner. 

(82  S.  gr.  8.)    1.-. 
3)ic   $rbitrage*8faufel   im  Gtetreibeljanbel.     f8tfär.  f.  b.   gefmte.  .f>MSredjt. 

89.  93b.    (9*.  g.  24.  39b.)   3.  u.  4.  $ft.    @.  325-374.]     2).    »efe^unq   be* 

Wagtftratä  bcr  ©tabt  tfönigäbcrg   im  3.  1724.     [SonntagSbfott   9?v.  21  bcr 

tfgfcbg.  ©ort.  Bettung,  u.  24.  9Rai  1891.] 
Frühling,  A.,  Der  Masarische  Schifffahrtskanal.    Vortrag Mit  1  Taf. 

Königsbg. 
Führer  durch  Danzig   u.   seine  Umgebung.     Zur   38.  General- Versmlg.    der 

Katholiken    Deutschlds.     [Ans:    „Danzig,   Festschr."]     Danzig.    Leh- 
mann.   (54  S.  12.)    —  Jb'\ 
Garbe,  Richard.    Aniruddha's  Commentary  and  the  original  parts  of  Vedantin 

Mahädeva's    Commentary    to    .the    Sämkhya    Sütras    translated    by 

Dr.  Richard  Garbe.     Fase.  I.  II.     Calcutta  Asiatic  Society  [Biblio- 

theca  Indica  New  Series  No.  782.  812.  S.  1-192  gr.  8.] 
(Sin  bunfleS  ©fatt   ou§  bcr  ßulturgefdjidjte  3n&tal&    [SBeftermann'ö   tfluftr. 

btfd)e  «Wonot^.  1890.  34.  3g.  $b.  69.  ©.  408-414.] 
Qattii,  $r.  &axi   ($rof.   in   ßönig$b.),   b.   augem.   beutjdje   2Bed)fe(orbng   nebft   b. 

©ed)felfteinj)elfteuerge|efc  u.  ben  Nürnberger  9Jor»enen.    Serlniräg.  tri.  e.  (Sinttg. 

üb.  b.  Sßedtfeiredjt  jamt  Sormularien,  erlä'ut   furjen  9?oten  unt.  ^Berürffic^tigung 

ber  ©nrfrfjeibgen   b.  SReidjSoberljbtöger.   unb   b.    föeic&Sger.   u.  e.   @atf)regifter 

f>r$g.  2Künd>en     <Bccf.    (VIII,  143  ©.  16.)  farton.  1.2<>. 
—  —  die  patentamtl.    u.    gerichtl.    Entscheidgn    in   Patentsachen,   nach    d. 

Reihenfolge   d.  Bestimmungen    d.   Patentgesetzes   System,   zsgest.    u. 

hrsg.    8.  Bd.    Berl.    Heymann.    ^X,  458  S.  12.)    geb.  5.—  (1—8:38.—) 
3)eutfcf>e  SRetdjSgefefre  in  einaefobbrüdfen.    ftr.  106-142.     ©iefien.    G.  9?oU). 

a  -.20. 
$ic  $rüffcfers9lntU©ttauerei<ßonferena.    [$tfrf).  ÄofomaljeUung.   9i.  fr   4.  3g. 

6.    1-4.]      «Rec.    rSHcör.  f.  b.  gefamte   £b(*rcd)t.    39.  95b.     ©.  309-313. 

322-323.    Centralblatt  f.  Rechtsw.    X.  Bd.    S.  336.   340—42.345-46.] 
6e*atte*'$,  Dr.  Gavl  (£mü,   »egweifet  burd)  ©amlanb.     (Sin  sBanberbud)  für  $e- 

fud)er  b.  SamlanbcS.   8.  üerm.  u.  uerb.  9lufl    W\t  Äartc.   ÄönigSb.  Wartung. 

(VII,  103  S.    12.)    1.- 
Gehrke,  Paul,  (Dt.  Crone),  das  Ebert  Ferber-Buch  und  seine  Bedeutung  für 

d.  Danziger  Tradition  d.  Ordensgesch.     I.-D.     Danzig.     (40  S.  8.) 
ftenjmer,   St.   (fianbratfj,  2Harienrocrber),   (Sntftefjg.  u.  9ftedjt3üer$ä(tniffe  b.   ®ut3; 

bewirte  in  b.  7  öftf.  ^roumtaen  b.  ?rcuj$.  Staate^,  bargeft.  unt.  SSerücff.  b.  Sanb- 

gemeinbeorbnnng  Dom   3.  3uli   1891.    Jöerlin,   ©/».  Buffer   (VII.  102  @. 

gr.  8.)    2.50. 
Georgine,    Sanbtuirtfyfdjaftlirfie   Scitung  ....    59.  3o-     3«f^rburg.    (©umbinnen. 

Sterbet)  baar  n.  5.— 
©erbet,   $au(  .ftenrt),   ©nmbflüge  e.  naturgemäß.  3llgcnbbi(bumj.    Xübingen.   ftueä. 

(X,  106  @.  gr.  8.)  2.—      S.  Besprechung  u.  d.   T. :  „e.  neuer  Pestalozzi" 

von  Dr    P.  Stettiner  in:   Kgsbg.  Hartungsche  Ztg    vom   2.  Juli  1H91. 

Abd.-Ausg.  —  Entgegnung  d.   Vfs.  Nr.  155    ibd.-Ausg    —  e.  letzt.  Wort 

v.  Dr.  P.  Stettiner.     Nr.  159.  Abd.-Ausg.   —   e.  letzt.    Wort  vom   Vf. 

Nr.  161.    Abd.-A. 
Gerdeck,    Walter   (pract.    Arzt,    Rosenberg),    üb.    d.    Bruch    des    Olecranon. 

I  -D.    Berlin  (32  S.  8.) 
fceffc  (Su^erintenbent  in  ©cnSburg),  9lu3  ÜRafuren.    3U*  flbroefjr  gegen  Dr.  3afr~ 

aeroäti'S  9luffa&:    „jur    länblidjen    Arbeiterfrage   im    Often   $eutfd)lanb§". 

MStoang.  «emeinbebtatt  9?r.  20,  ©.  115—117.] 
6er&,  m.t  Äafenbarj  Ärölero3fo*$rufefi  eüang.  na  rof  1892.  ffgäbg.  Wartung.  —.76. 
Qerrais,  Hans,  pract.  Arzt  aus  Drengfurt  (Ostpr.),   e.  Fall  von  Torsion  des 

Samenstranges.    I.-D.    Breslau.    (20  S.  o.) 


12  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

Geschichtsschreiber,  Die  preußischen,  des  XVI.  u.  XVII.  Jahrb.,  hrsg.  v. 
d.  Verein  f.  d.  Gesch.  v.  Ost-  u.  Westpr.  2.  Bd.  4.  Lfg.  u.  3.  Bd. 
I.  Lfg.  Leipzig,  Duncker  u.  Hurablot.  10.60.  Inh. :  II,  4.  Simon 
Grunau's  preuß.  Chronik,  hrsg.  v.  Dr.  M.  Perlbach,  R.  Philippi  u. 
Dr.  Paul  Wagner.  6.  Lfg  1889.  (XXIV,  S.  49  *— 786.)  7.-  IÜ,  1. 
Dasselbe.     7.  Lfg.,  Hrsg.  v.  Dr.  P.  Wagner.    1891.   (160  S.)    3.60. 

©etocrbeblatt  f.  b.  $rou.  Oft=  u.  SBeftpr 3g.  1891.     12  §efte    (a  1*/,  bi§ 

2  B.  4.)    (ÄgSbg.,  flocfc.)    baar  4.— 

©itenaS,  ffaifer  ftriebrid)  u.  bie  fiittauer;  c.  Beitrag  &ur  ©ftarafterifttf  be$  (odtfef. 
Ütaifer«     ....    tfgäbg.    Gkäfe   u.    Un$er.    (21  8.  gr.  8.)    baar  n.  -.40. 

Äifffc,  fceinr  £bio.  Wob.,  Dr.  phil.,  geb.  15.  3au.  1827  $u  Warienwerber,  t  im 
$ec.  1890  *u  ScubuS  in  8d)fef.  im  3rrenfjaufe) 

—  —  baS  SBartburgfeft  ber  beutjd)   Stubenten   in   b   $ftngftroodje   b.  3«  l8^  (&on 

War,  Srieblänber  u.  SR  ob.  QHfefe)  Seift.    1848.    BertagSbureau.   (IV,  63  8. 

gv.  8.)     1.— 
( j  gfloberne  Titanen,  Heine  Seute  in  gvofc.  Seit.   3  Xtyt.   Seift.    1850.    Srod: 

f)au3.    (VI,  298;   VI,  214  n.  VI,  348  8.  8.)    12.—    2.  bur*gejc§.  (%\U) 

«uff.    (Sbb.    1853.    10.50. 
$farr=!Rö*c&en:   e.  3bt)ü  aus  unf.  Seit.    2   SBbd).     Bremen    1851.    S4jIobt= 

mann.    (171  u.  138  8.  16.)    3.— 
$farrs$Rü«<d}en;  e.  $>eräen3gefd)id)te  auä  unf.  Qt\t.    2.,  burdjgefelj.  Hufl.   Scipj. 

1854  (»rodöautf  (8  B( ,  171;  l  531.,  143  6.  16.)    2.40. 
(Saniere;  e.  9Riniaturbiib  au3  b.  ©egenroart.    2  Bbe.    Sft.  1863.    Söienbrad. 

(219;  242  8.  8.)    6.— 
kleine  28e(t  u.  gro&e  SBelt;  e.  SebenSbüb.    3  £f)le.    Sp*.  1853.    Broctyaua. 

(VI,  231;  VI,  183;  VI,  160  @.  8.)     10.50. 

—  —  3°&A»ittö  SRatfyenoro;  e.  Bürgermeister  oon  Berlin:  tjiftor.  Srauerfp.  in  5  Hften. 

(Ebb.  1855.  (4  Bf.f  92  8.  8.)  1.60.  -  aufgenommen  u.  b.  %.:  @in  Bürger* 
metfter  oon  Berlin,  ©efdjidftf.  $rama  in  5  Hufe.  (70  8.  16.)  in:  ?f). 
SReelanT*  Unio.=Bibl.    480   33b.    -.20. 

—  —  l£f)rentempel   be3    19.  3aM  J   m   Biographien   berühmter  3tgenoff.    3.  8b. 

a.  u.  b   X.:   $einr.  ftrbr.  dar!  grfjr.  oom  u.  num  Stein;   ein   SebenSbilb  f. 

alle  ftreunbe  ber  uaterf.  ©e[d).  nad)  b.  oorfjanb.  Quell,  bearb.  ()r3g.  ü.  SR.  Öi[efe. 

sJWit  Sßortr.  in  $o(ftfd)ii  u.  Xonbrucf.    ßeip*.  1855.  Spamer.  (IX,  127  8.  8.)  3.- 
$ic  beiben  (Saglioftro.    S5rama  in  5  Slcten.  £p*  1858.  BroctyauS.  (18SS.8.) 

2.40.  —  aufgenommen  u.  b.  2  :   $te   beib.  (Sagüofrro  ob.  Gin  SBertffreit  ber 

SHaqie.    $rama   in   5   Mufeüg.    (68  8.  16.)    in:   $1).   ftecfam'3   Untoerfafe 

Bibliotfjef.    408.  93b.     -.20. 
OTorty  von  8arf)fen.    Batcrlänb.    Xrauerjpiet   in  5  Sitten.    Sp*.  1860.    JfeiL 

(IV,  140  8.  16.)     1.80. 

—  —  Suäfcr  ob.  bie  Demagogen.    $rama   in   5   Veten.     Seipa.  1861.    Bro<n)au*. 

(VI,  130  8.  8.)    2.- 
Ctto  fiubiuig  Brocf.      Gqitylung.      2   £&(e.     ®bb.   1862.      (VI,  239;   VI, 

243  8.  8.)  '  6.- 

.ftätt)d)en;c.  Vornan.   4Bbe.    Breslau  1864.   £reroenbt  (XIV,  943  ©.  8.)  12.- 

$rama!ifd)e  Silber  auS  beutfd).  ©ejdjirf>te.    Seipg.    1865.    93rod^au§.    (VIII 

402  8.  8.)    6.—    (3n^.:  2^er  ^o^meifter  ü.  gWarieuburg  (1410)  9tomantifdjc# 

Xrama  in  4  ^ufj.    —   $er  Burggraf  o.  Nürnberg  (1411  —  1440.)    ©efdii^tl. 

3)rama  in  5  2lufe.  -  Gin  ^8ürgermeifter  Don  Berlin  (1442—1445.)   ©efdjidjtf. 

Urania  in  5  9lufe.) 
Taffelbe.    2.  9litf{.    (Srfte  üoüftänb.  «u«g.:  4  Dramen  in  2  93bn.  Seipj.187« 

SRufre.  (270  u.  256  8.  gr.  16.)    8.— 
iturfürft  SRorifr  ü.  8ad)fen.    ©ejcftidjtl.  Xragöbie.    2.  ?lufl.    «»eue  Bearbeitung. 

»retflau  1872.    Xremenbt.    (110  8.  gr.  8.)    3.— 

öifetiiu«,  (£.,  Saqen  (au.8  fiitauenj  |8&g§ber.  b.  SUtdgef.  ^ßruffia  im  46.  Serem#j. 
8.  76-90*  m.  Xaf.  X,  XI.J 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  13 

$1*6*11,  (Ruft.,  b.  gbealc  b.  ©ocialbemofratie  u.  b.  Aufgabe  be3  Seitaft.  fticl. 
fitpfiuö  u.  Sifdjer  (40  ©.  gr.  8.)  1.-  W.  u.  b.  5:.:  $cutfd)e  ©dnnften  für 
nationales  Sehen.    1.  fteifje.    5.  ipeft. 

Rec.  fD.  L.  Z.  2.  10.] 

Goldbeck,  Otto  (Danzig),  e.  Beitrag  zur  Kenntnis  stickstoffhaltig.  Abkömm- 
linge der  Parahomosalicylsäure.    I.-D.  Berlin  (28  S   8.) 

Goldberg,  Georg  (Königsberg),  z.  Kenntnis  der  Abkömmlinge  des  Benzenylami- 
doxims.    I.-D.     Berlin.    (51  S.  8.) 

©*lbf*tttibt,  2.,  franbbud)  beS  £anbel$recf}t$.  S.  umgearb.  Slufl.  I.  99b.  ükjd)id)t(. 
liter.  (Sinleitg.  u.  bic  ©runbtefren.    1.  Wbtf).:   llntoerfalgefd).   b.   ftbl8red>t§. 

1.  Sfg.    Stuttgart.    ©nfe.    (XVIII,  468  S.  gr.  8.)    12.- 

ßeitfärift  f.  b.  gefamte  fcanbelSredjt,  f)rSg.  D.  ©ef>.  3uft.*SR.  $rof.  Dr.  fi  ©olb  = 

fdjmibt,  ...  39.  93b.    9?   g.  24.  93b.    4  ^>ftc.    (Sbb.    (VIII,  660  ©.). 

—  —  fßefrologe:  g.  SWittermaier;  SeroiS;  S'fcifcöaucr     [8tjd)r.   f.   b    gef.  ftbtSredjt. 

39.  93b.    9*.  g  24.  93b.    ©.  261-264.]    ftufafc  *u  bcr  Slb&anbluug  b.  fcrn. 
SRegierungSr.  Dr.  9tffolter .  ^Bcd^felctgcntrjum  u.  28ed)felforberung  [ebb*  ©.481 — 434 1. 
Gottberg,  Benno  (pr.  Arzt  in  Lyck),   üb.  Augenerkrankungen  bei  Influenza. 
I.-D.    Berlin.     Ebbmeyer.    (2  BL,  28  S.,  1  Bl.  8.) 

[©ottfafb.] 

$eitmüller,  5)r.  gerb.,  ^amburgifdje  3)ramatifer  $ur  8eit  (SottfdjebS  u.  i^re 
93ejiefjungen  au  iljm;  e.  Seitrag  &.  ©efd).  b.  Xljeat.  u.  3>rama3  im  18.  Safjrt). 
3)re$ben.  $ierfon.  (VI,  101  ©.  gr.  8.)  2.40.  Erschien  zuerst  als  Jenaer 
I.-D.  1890, 
Grabe,  Oberstlieut.  z.  D.  A.,  General-Lieut.  Freiherr  v.  Günther  u.  das 
Günther-Denkmal  zu  Lyck  [aus:  „Altpr.  Monatsschr."]  Kgsb.  Beyer. 
(51  S.  gr.  8.  m.  5  Taf.  Abbldg.)     1.60. 

—  —  milit.  3cirtritöcr   au3   b.   93ergangenl).   ßftpreufe.     1.    bie   preufi.   93o£niafen. 

2.  bie  SotuarMft  tm  altpr.  $eer.  [9?euc  militär.  Slätter.  #r3g.  u.  ©.  o.  ©la= 
fenapp.  93b.  38.  ©.  521-529.  93b.  39.  ©.  37-53;  191-197;  377-391; 
456—466.]  $ie  Xonjar^S  im  altpr.  £eere.  f©£g3ber.  b.  8llt.=©ef.  «ßruffia 
im  46.  EereinSj.  @.  130-153  m.  £af.  XI1-XVL] 

8rau,  SReft.  SR.  g.,  3efu§  u.  b.  Slrmut.    geftrebe.  .  .  .    [9lu8:  93en)etdbe3  ©laubenS. 

9*.  g.  XII.  93b   ©.  49—66.    ®üter3lo&.    ^Bertelsmann.  (20  @.  gr.  8.)    —.30. 
Öut&erS  $atedji3mu8   erflärt   aus   biblifd).  Stjeologie;   e.  furje  (Glaubenslehre. 

®bb.  ©.  289-304.    (VIII,  112  ©.  gr.  8.)     1.40.    geb.  1.80. 
9SBa3  bleibt  t».  Sllten  SCeftament?   «ortrag.    [$.  SBen>ci§  b.  ©laubenS.    9?.  g. 

XH.  93b.  ©.  138-157.]     (Srfläruna.    [(*6b.  ©.  401-403.]    $ie  $emut  u. 

b.   §errli*fcit   b.   Ijeit.   ©djrtft.    [Gbb.  6.  441-453.]     Unfere  93erpfli$tuug 

geg.  b.  lutr).  Äirdje  b.  «er.  Staaten,  in  93cuig  auf  b.  ^aftoralfyilfdüerem   für 

b.  lutljcrifdjen  ©emeinben  in  SRorbamerifa.  [<So.  ßird)en=3tg-  126.  33b.  9?o.  42. 

©p.  713-717.] 
fttegorobiis*,  gerb.,  (Supljorion.    (Sine  3)irf)tung  aus  Pompeji  in  4  ©efäng.  6.  9luff. 

fieipg.    g.  Ä.  93rorfl)au§.    (151  ©.  12.)    2.40.    cart.  3.- 
— '  —  ©ebidjte  IjrSg.  u.  91.  g.  ©raf  ü.  8*acf.    ®6b.  1892  (91).   (XXXI,  192©.  12.) 

4.—    geb.  5.— 
9ttf|enai'3.    ©efdj.  e.  bt^antinifd).  .ftaijerin.    3.  bura^gearb.  Aufl.  fjr^g.  u.  gr,^. 

SRüt)l.     ®bb.  1892  (91).    (XII,  279  ©.  8.)    5.- 

—  —  le  grandi  monarchie   ossia  gl'  imperi  universali  nella  storia.    [Nuova 

Antologia.    Anno  XXVI.    3.  ser.    Vol.  31.    Fase.  1  ] 
2)re*btter,  9ltb.,  gerb,  ©regoroüiuä'  lejjte  ©eftrift.  ■  I3)ie  ©egemr»art.  93b.  39.  92r.  22.] 
Ferri,    Annuncia  la  morte   del  socio  straniero  Ferdinando  Gregorovius,  e 

comunica  un  „Cenno  necrologico"  del  defunto  Accademico.    [Atti  della 

reale  Accad.  dei  Lincei.    Ser.  IV.    Rendiconti.    Seduta  del  17.  Maggio. 

Vol.  VII.  p.  481—484.] 
Gnoli,  D.,  F.  g!  [Nuova  Antologia.  Anno  XXVI.  3.  ser.  Vol.  33.  Fase.  12.] 
ftUittfd>mttt,   9lrtl).r    gerb.  O)regorot.iu§.    Cgeb.  19.  San.  1821    *u   9?eibenburg.) 

9?efro(og  m.  $ortr.    LSeip^iger  iUuftr.  3tg.  ü.  9.  9tfai  1891.  92r.  2497.] 


14  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

ÄrumMier,  Staxl,  fcrb.  ©regorotrtu*.    [Unfere  Seit.  6.  $ft.  I  ©.  561— 72.J 
SB.,  (Sine  (Erinnerung  an  ftero   ©reaoroniuS.    (SSon  e.  efjemat.  Sd) (Herrn.)   [ftgSbg. 

$artungfd)e  3tg.  u.  16.  9)toi.  9er.  112.    (2.  9Korgenau8g.)] 
9lünft,  ©igmunb  i  {froren*,  14.  9ttai),  grerb.  ©regorooiuS.    [3)ic  Nation.  8.  gatjrg. 

9tr.  34.  6.  523-626.] 
Vrufc,  $an3,  fterb.  ©regorotoiu«.  I.  IL    [Wattonai^tg.  9hr.  804.  806.] 
tRityl,  grj.,  gerb.  ®regoro»iu&,   (5tebäd)tni3rebe,   gel),   in  b.  ©ita.  b.  fgl.  beutfdj. 

©ef.  in  ftgSbg.   am  28.  9Rai  1891.    [ÄgSbg.   fcartungfdje  3tg.   ü.   1,  Sunt. 

9fr.  125.  126.  128.]    bann  fep.:   ftg06a.    Wartung.    (16  ©.  gr.  8.)    —.20. 
^djatf,  91.  g.  ©raf  ü.,  poetifd).  9*adjnif  an  &erb.  ©regoromu«.    [$orta'f($er  Vtujen* 

almanad)  auf  b.  3.  1892.] 
etmonSfelb,  §.,  gerb,  ©regorobiuS.    [öligem  3tg.  ©eU.*9fr.  106.1 
T.f  0.,  Ferdinande*  Gregorovius.     f Archivio   della  r.   Societa   Romana  di 

storia  patria.    Vol.  XIV.  Fase.  I.  II.  p.  175-177.] 
fRahlt,   $ict,    gerb    ©regorobiuS.    [$a8   SRagaa.  f.  Sttt.    60.  3ü$rg.  9er.  20. 

@.  812— 314.J 
Grentzenberg,    Max    (Danzig),    d.    Spongienfauna   der  Ostsee.     I.-D.    Kiel. 

(56  S   8.  m.  1  Taf.) 
Gronau,   Arthur   (Schwetz  a.  W.),   d.   reifeprüfung   an   den   progymnasien. 

[N.  jahrbb.  f.  philol.  u.  pädag.   2.  abth.  bd.  144.  8.  232— 242.J 
Grossmann,  Adolf  (Berent  i.  Wpr.),  üb.  d.  Behandlung  der  altklass.  Lektüre 

auf  uns.  Gymnasien.    [Ztschr.  f.  d.  Gymn. -Wesen.   45.  Jg.     Der  n.  F. 

25.  Jg.    S.  394-399.] 
Grote,  Geo.,  über  die  glandulae  anales  d.  Kaninchens.   Diss.  Königsb.  (Koch.) 

(27  S.  gr.  8.  m.  1  Taf.)  baar  n.  1.  - 
Gruchot,  Gymn. -Dir.,  zur  Gesch.  des  Gymnas.  während  der  letzten  25  Jahre. 

Gymn.-Progr.    Braunsberg.  Heyne.    (R.  Siltmann.)    (S.  21 — 44.) 
Grnenhagcn,  Prot.  Dr.  (Königsb.),    Physiologie.    Theil  I.  IL    [Jahresbericht 

üb.     d.     Leistungen     u.    Fortschritte     in     d.     gesammten    Medicin. 

XXV.  Jahrg.     Ber.  f.  d.  J.  1890.    I.  Bd.    1.  Abth.    S.  194-231.] 
Qtlftat>*9lb*lf»£ote,   ber,   für  b.  $rot>.  s©eftpreufeeuf   t>r$o.    im  Kuftrage  b.  fraityt: 

bereinS  b.  euang.  ©uft.=9lbolfs®tiftung  f.  b.  $rou.  feeftyreu&en  b.  Äonfifkäl 

9W.  «od).    Sandig,  Äafemann.    (III,'  100  S.  8.)  —.60. 
Gattstadt,  A.    Klinisches  Jahrb.    Hrsg.  v.  A.  Guttstadt.     Ergänzungsband. 

Berlin.    Springer.     8  Mk.     Inh.:    Die  Wirksamkeit   d.  Koch'sch   Heil- 
mittels geg   Tuberkulose.      Amtl.  Berichte  der  Elliniken,   Polikliniken 

u.   pathol.    anatom.  Institute   d.  pr.  Universitäten.    Mit  e.  Zsstellang 

der  Berichtsergebnisse  v.  Prof.  Dr.  Alb.  Guttstadt.    (X,  905  S.  gr.  8.) 

—  8. Bd.  ebd.  (VIII,  648  S.  m. Bildern.)  20.—  (l.-3.u.Ergänzgsbd:  63- 
[ttiitijeit]    $er  „9kturprebiger"  3of>anne3  ©utt*eit  (geb.  j.  ÄönigSb.  6.  Äug.  1853 ) 

[£p*.   iltuftr.    8*8-   »•   25-  *t>n(    1891-     ^°   2495-   @-  445-446  m.  $ortr.J 
Haase,  Dr.  Erich  (Kgsbg.  i.  Pr.),  z.  Entwickig.  d.  Flügelrippen  d.  Schmetter- 
linge.   [Zoolog.  Anz    No.  860.   S.  116—117.]    Ber.   üb.   d.   wissensch. 

Leistgn.    in    d.    Naturgesch.   d.  Echinodermen    im  J.  J887.     [Arch.  f. 

Naturgesch.    54.  Jg.    II.  Bd.   3.  Heft.    Berl.  1888.  (ausgegeb.  im  Apr. 

1891.)    S.  63-81.] 
Hamagid.      Ztschr.    in    hebr.    Spr.)     Red.:    Sam.    Fuchs.    35.  Jg.    50  Nrn. 

(ca.  2  B.)  F.  1.  Lyck  (Wiebe).  baar  12.— 
#ttttbbud)    für    b.   $roo.   Oftyr.     9fodjroei3   b.   Staate,   Vnnrinft.«   u.  ftommunal- 

93ef)örben,   beren   SKttgl.  .u.    Beamten  ....    Auf   ©runb   amtl.   Witt^igtu 

5Jgefteat.    9lbgefd)(ofjen  im  3uni  1891.   ÄgSbg.  i.  ?r.,  Gattung.    (X,  906  3. 

gr.  8.)    3,50:  geb.  3.75. 
garber,    9lgne3,   Silber  aus  9Hafuren  L    (Sin  einleitend  ©ort.     [$eutfc&e  Stoma* 

Seitmig  9?r.  37.]    II.  SDer  berioren  gegangene  9lmtSriä)ter     [ebb.  9h.  38.] 
Harwardt,  Gymn.  L.  Dr.  Emil  Max,    de  Ari&tophanis  irrisionibus  earumque 

fide  et  usu.    Part.  I.     (Jahresber.  d.  Kgl.  Gymn.)    Alienstein.    Harich. 

(S.  l-XVI.  40.) 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  15 

$a*Bad),  $rof.  Dr.  mit).,  Unrfudign.  üb.  ttbam  @mitlj  u.  b.  (Sntroictt.  b.  feoltt  Öefon. 

fieipjiflr  $uncfer  &  $>umbfot.    {X,  440  ©.  gr.  8.)  9.—. 
Hasse,  Ernst  (Bartenstein),  üb.  d.  Dual  bei  den  attisch  Dramatikern.     Beil. 

z.  Gymn.  Progr.    Bartenstein.    (25  S.  4°.) 

—  —  artikel  and  pronomen  des  dnalis  beim  femininum  im  attischen  dialect. 

[Neue  jahrbb.  f.  philol.  u.  pädag.  148.  bd.  6.  hft.  8.  416-418.]  z.  griech. 
Schulgramm.  [ztschr.  f.  d.  Gymn.- Wesen.  45.  Jg.  d.  n.  F.  25.  Jg. 
S.  577-79.] 

$attt«ftalettbet,  ermtänb.  f.  1892.  (St.  9(ba(6.  Äalenber.)  86.  3g.  .  .  .  (102  6. 
m.  «bbtlb.)    99raun8bcrg.    $M)e     —.50. 

Hecht,  Benno  (Kgsbg)  Berechnung  d.  Axenelemente  e.  triklinen  Kryetalles 
aus  d.  sechs  Winkeln,  welche  von  vier  Flächen  gebild.  werd.,  von 
denen  nicht  drei  in  einer  Zone  liegen.  [Neues  «Jahrb.  f.  Mineral., 
Geol.  u.  Palaen  otol.     VII.  Beil. -Bd.    4.  Hft.     S.  488-496.J 

$eibfelb,  Marianne,  SReife=@rinnerungen  au8  Wegtjpten  unb  $a(aftina.  2  Vorträge. 
Stotiflig,  ßafemann.    —.50. 

Heimat,  Westpr.  Beiträge  z.  Gesch.  u.  Landeskunde  Westpreussens.  1.  Gesch. 
d.  Stadt  Danzig.  Von  Hans  Wistulanus  (pseud.  f.  Dr.  B.  Leh- 
mann).    Dan  zig,  Dr.  B.  Lehmann'sche  Buchhdlg.   (98.  S.  kl.  8.)    1.— 

Heinemann,  Oberl.  Emil,  üb.  thermische  Nachwirkgn.  von  Zinkstäben.  Beil. 
z.  Gymn.-Progr   Lyck.  (26  S.  4.) 

Helnicke,  Guilelm.  de  Ciceronis  doctrina  cmae  pertinet  ad  materiam  artis 
rhetoricae  et  ad  inventionem.  Diss.  Königsbg.  (Koch.)  (106  S.  gr.  8.) 
baar  n.  1.20. 

Heisralh,  Stabsarzt  Dr.  (Kgsbg.),  z.  operativen  Behandig.  d.  Ptosis.     [Berl. 

klin.  Wochenschr.    28.  Jg    No.  8.    S.  58-59.] 
Helm,  Otto,    diverse  Mitthlgn.     [Schriften  d.  naturf.  Ges.  i.  Danzig.     N.  F. 

Bd.  VII.  Hft.  4.  S.  34-35.]     Mittheilgn.  üb.  Bernstein.    XIV.  üb.  Ru- 

mänit.    XV.  üb.  d.  Succinit    u.    die    ihm    verwandten   fossilen  Harze. 

[Ebd.  S.  186-203.] 
Hennig,  Dr.  Arth.  (Kgsbg.),  üb.  d.  Wirkung  des  Salipvrins  bei  d.  Influenza. 

[Allg.    medic.    Centralztg.     Oftpr.  3tg.    ü.    27.  ftou.    93eil.   ju   sJ*r.  278.J 

z.    Heilung   rheumat.    Krankhtn.,    mit    bes.    Berücks.    des    Salipyrin. 

[Dtsche.  medic.  Wochenschr.    No.  85—38.] 

Herbart's  Joh.  Friedr.,  sämmtl.  Werke.  In  chrono^og.  Reihenfolge  hrsg.  von 
Karl  Kehrbach.  (In  ca.  12  Bdn.)  4.  Bd.  Langensalza.  Beyer  &  Söhne. 
(XVII,  622  S.  gr.  8.)    5.—. 

—  —  sämmtl.  Werke  hrsg.  v.  G.  Hartenstein.     2.  Abdr.     10.  Bd.     Schriften 

zur  Pädagogik.     1.  Thl.     Hamburg.     Voss.  (XX,  503  S.  gr.  8.)  a  4.50. 

—  —  päbagogijdje  6d)viftcn;  m.  .fterbartö  93iograpfjie  f)r§g   u   Dr.  gr.  SBart&ofomät. 

5.  %luf£.r  neu  bcarb.  u.  in.  erläut.  Wnm.  üjefj.  ü  Dr.  (S.  o.  Saflroüvf.  2.  $ib. 
(VIr  462  e.  gr.  8.  m.  2  Sab.  u.  1  £af.)  [SBibliottyef  päbagog.  ftlaffifer  .  .  . 
§r$g.  d.  grbr.  Sftann.  9.  93b.  Sangenj al\a.  Setjer  &  Söfjne.]  3.  —  geb.  n.  n.  4.— . 

—  —  päbagogtfdje  (Sdjriften;   m.  e.  $arfteHg.  u.  5Jeurtf)etlg.  b.  etfjifd).  «•  mctap^.= 

pftcfyoloa.  ©runblagen  ber  ?äbagogit  fterbartS  ucrjef).  ü.  £tytfel)r.  3  3°f-  ^öolff. 
(1.  SBb.  VIII,  474  @.  8.)  [Sammlung  b  bebcutbft.  päbagog.  vSdjrift.  au«  alt. 
u.  neu.  3t.,  m.  93iogra})fjv  Grläutergn.  u.  erflär  9Inm.  l)r*q.  ü.  DD.  Weg.*  u. 
©d}ulrätf)en  93.  8d)ul^  g.  ©anfen  u.  Stabttf  r.  ©ciftl.  SR.  91.  Äetter.  Üfg.  38-47. 
«ßaberborn.  %.  Sdjöning.  a  —.24.)  1.  93b.  cplt.  2.80. 
allgem.  prakt.  Philosophie.  3.  Ausg.  Hamb.  Voss.  [VJII,  212S.gr.  8.)  2.— . 

Gleichmann,  Sem.-Dir.  Prof.  A.,  üb.  Herbarts  Lehre  v.  d.  Stufen  d.  Unter- 
richts; e.  Beitr.  z.  Kritik  d.  formal.  Stufen  Zillers  u.  z.  Verständigung 
üb.  dieselben.  2.  erw.  Aufl.  Langensalza.  Bever  &  Söhne.  (VII, 
120  S.  gr.  8.)     1.60. 

Haeger,  Aug.,  Lotzes  Kritik  d.  Herbartisch.  Metaph.  u.  Psychol.  I.-D. 
Greifswald.    (88.  S.  8.) 


16  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

Hostlnsky,  Prof.  0.,  Herbarts  Aesthetik,  in  ihr  grundlegend.  Teilen  quellen - 

mäss,  dargest.  u.  erl.    Hamb.  Voss.'    (XXV,  136  S.  gr.  8.)    2.40. 
miiütx,  $.,  b   pji)d)ol.  (Srtfefjg.;  j.  öOjci^r.  $obe8tage  fcerbartS.    [$>a§  SRagaj.  f. 

fiitt.    60.  3g.    SRr.  88.   '©.  526-528.] 
Thilo,  Chr.  A.,  üb.  d.  zweite  Buch  der  allg.  prakt.  Philosophie  Herbart's. 

[Ztechr.  f  exakte  Philos.  Bd.  XVIU.  S.  1-30.    XIX   S.  241-272  | 
Velovan,  Stefan,  d.  psychol.  Begründg.  d.  elementar.  Denkthätigkeiten  im 
Rahmen  der  Herbart'sch.  Wechsel wirkg.  d.  Vorstellgn.    [ebd.  Bd.  XVIII. 
S.  272-296.] 
©otßt,  ©em.-$ir.  06.,  bte  «ebeutg.  b.  ©erbortfd).  ^äbagogif  f.  b.  33olf3fd)ule    ©djöne* 

bccf.    föeumetfter.    (82  S.  gr.  8.)    1.20. 
Wiget,  Theod.,  Pestalozzi  u.    Herbart.    1.    Teil.     [Jahrbach  d.  Vereins  f. 
wissensch.    Pädagogik   23.   Jg.    S.   196—302]  auch  als  Leipziger  I.-D. 
Dresden.    Bleyl  &  Kaemmerer.    (141  S.  8.) 
Herdbuch,  westpr. ;  im  Anftr.  d.  Herd  buch  gesellsch.  f.  Züchtung  v.  Hollän- 
der  Rindvieh   in  Westpr.  hrsg.  v.  P.  Wolff.     1.  Bd.    Berlin.     Parey. 
(366  S.  gr.  8 .  m.  1  färb.  Karte.)    3.— 
$cr*et,$  ©ämmtl.  Söerfe.    £r«g.  r..  »ernf>.  ©upfjan.    (3n  82  $bn.)    5.  ©b.  $crl. 
SSetbmann.    (XXXI,  732  ®.)  9.-     «u%  auf  ©djreibpap.     14  — 

Serfe,   fjrög.   ü.    Dr.  @ug.  Äütjnemann.    (5.  »b.    1.  Hbtl).  LI,  265  S.  m. 

1  »üb  u.  2.  H6tlg.  ©.  267-575  m.  1  ®tlb.)  [$eutfäe  9?attona(.fiitterot. 
ftiftor.  frit.  «u$g  ....  fn*3g.  ü.  3oj.  ßürfdjner.  fifg.  687.  688.  693.  691. 
699.  700.    ©tuttg.    Union,    baar  a  —  50. J 

—  —  3)cr  Gib     $arf)  fpan.  SRomanften  bejungen.    SBeforgt  ü.  Ä.  ftotbermamt.    Berlin. 

ffleut&er.    (116  ©.  12°.  m.  SBitbntä)  [ÜWeifterroerfe  b-  btfc^.  fiitt.  in  neu.  «ufc 

roafjl  u.  93earb.  f.  f)ityere  Sefjranftatten 12.  Stodj.]    -50 

2)er  Gib  .  .  .  IjrSg.  ü.  ?rof.  Dr  SUb.  fcamann.    (XV,  136  ©.  12.)    [Seubner'S 

©ammlg.  btfd).  2)id)t.5  u.  ©djriftrofe.  f.  l)öfj.  Södjterfäul.  .  .  .  ijräg.  ü.  ?rof. 
Dr.  ©.  S3ornt)of.     10.  SBbdj.    fietyjig.    Xeubner.]  cart.  -80. 

—  —  $almb(ätter.     (Srtcfene  morgenlänb.  3Rärd)en  u.  (tr$älj(gn.  f.  b.  3"8^-   $on 

—  —  u.  Ä.  3.  SiebeSfinb.  ftrSg.  m.  (Sinleitg.  u.  (Srlä'utergn.  u.  ätealgtmm.* 
Ober!.  Dr.  0.  §ellingf)au3.  9Rit  7  SBoUbtCb.  in  ftarbenbr.  (VIH,  248  3. 
gr.  8.)  [SlWenborff'ä  $ra$tau3gb.  niertljboller  Sugenbjcfjriften.  3.  »b.  SKünftcr 
i.  9B.  ttftfjenborff.]  fart.  3.75.— 

—  —  et  Liebeskind.    —    Contes  et  paraboles  tires  des  Feuilles  de  palmier, 

de  Herder  et  Liebeskind.    Annotes  par  M.  B.  Levy.    4e  e"d.  Par.  h'br. 

Delagrave.    (XII,  148  S.  12.) 
©riefe  an  Saooter.  I.  II.  mitgeteilt  ü.  £einr.  JJuncf.     [©eil.   *.  ?lflg.  3*9* 

»etl.s9h.  264.  265.J 
$ütt(et  fteinr.,  $ur  ©oetljeforfdjung.  9?eue  JBettr.   Stuttgart.   3)t[dje.  SkrfagSanjtolt. 

(VII,  436  ©.  8.)  6  —    (4.  Herder  und  der  junge  Goethe  in  Straßburg.) 
Ellas,  Jul.  (München),  e.  Schreiben  Herders  an  J.  P.  Fr.  Richter.    [Viertel- 

jahrsschr.  f.  Litteraturgesch.    IV.  Bd.    S.  167.  168.] 
Statt},  $Rcalgt)mn.s$)ir.  Dr.  9t.,  §erber3  Seben  u.  SBerte [SSeHjagen 

n.  ßlafing'S  ©ammlg.  btfdjer.  ©d)ulau§g.f   f>r$g.  ö.  ßberl.  Dr.  3.  2Bi)d}arain. 

48.  Sfg.   Siefefelb.   fcetyagen  it.*  Älafing  J 
£erbcrf)au*    in  9flol)rungen.     [S3om  gel«  aum   3Keer.   1891/92.    ber  ©ammler 

©.  48.  m.  Slbbübg.] 
Äiefcr,   §.   (©tfenaa^),   üb.   .^erberS   nationale  ©ebeutung.    Sortr.    [$)tfd^.'eoang. 

«Blätter.    XVI.  3g.    12.  $ft.    ©.  789-810.] 
Äöfc,  ©eminaroberl.  Dr.  ph.  ii}.,    bie    päbagogifdje    Sebeutung    §erberä.    2eipj. 

3.=$.   3Salbenburg.   (99  ©.  8.) 
Äronenbcrö,    ÜKor.f   ^erber«   ^ilojo^.  ©ebi^te.     [3)ie  Nation.   8-  3g.   9h.  21. 

©.  327-330.J 
LSngin,  Thdr .  die  Sprache  d.  jung.  Herder  in  ihrem  Verhältn.  z.  Schrift- 
sprache.    Beitr.   z.    Gesch.    d.    neuhochdeutsch.    Schriftsprache.    Diss 

Tauberbischofsheim.   Leipzig.    (G.  Fock.)    (109  S.  gr.  8.)    baar  n.  1.50* 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  17 

Pawel,  J.  (Währing  bei  Wien),  ungedruckte  Briefe  Herders  u.  seiner 
Gattin  an  Gleim.  [Ztschr.  f.  dtsche.  philol.  24.  bd.  hft.  III.  s.  342-068. 
25.  bd.  hft.  I.  s.  36-70.] 

gering,  ©efunben.  ©emcübe  o.  Bbolf  gering.  Eon  2.  $.  [Scipj.  itt.  8tg.  93b.  97. 
Sßr.  2523.  ©.  496-497  mit  «Hb.] 

Hermann,  Prof.  Dr.  L.,  Beraerkgn.  z.  Vocalfrage.  (Au»  d.  physiol.  Inst, 
zu  Kgsbg.  i.  Pr.)  [Pflügers  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.  48.  Bd.  8.  181-194.] 
d.  Uebertragung  d.  Vocale  durch  d.  Telephon  u.  d.  Microphon.  [Ebd: 
S.  543— 5737]  üb.  d.  Prüfung  v.  Vocalcurven  mittels  d.  König'schen 
Wellensirene.  (Vorlauf.  Bericht.)  [ebd.  S.  574—577.]  zur  Theorie 
d.  Combinationstöne  [ebd.  49.  Bd.  S.  499-518.]  Beiträge  z.  Kenntniß 
d.  elektrisch.  Geschmackes.  Nach  Versuchen  v.  S.  Laßerstein,  cand. 
med.,  mitgetheilt  ....  [ebd.  S.  519—538.]  üb.  Rheo-Tachygraphie. 
Ein  Verfahren  zur  graphisch.  Registrirung  schneller  elektrischer  Vor- 
gänge [ebd.  S  539— 548.]  Referat  üb.  Physiol.  d.  Bewegung,  d.  Wärme- 
bildung u.  der  Sinne.  [Jahresber.  üb.  d.  Fortschr.  d.  Anat.  u.  Physiol. 
XIX.  Bd.   Lit.  1890    2.  Abth.   S.  12—141.] 

Hermenau,  Leop.,  Beitr.  z.  Kenntnis  d.  akuten  Encephalitis.  Diss.  Kgsbg. 
(Koch)  (39  S.  gr.  8.)  baar  —80 

Herweg,  Otto,  Gymn  -Oberl.,  Kleinigkeiten  aus  d.  math.  Unterricht.  II.  Teil. 
Konstruieren.  (2.  Hälfte.)  [Beil.  z.  Oster-Progr.  d.  Gymn.]  Neustadt, 
Vi  pr.    Brandenburg  &  Co.     (14  S.  4.  m.  Taf.  IV.) 

Heubach,  Hans  (Dt.  Eylau  W.  Pr.)2  Beiträge  z.  Kenntnis  d.  Haloidverbindgn. 
d.  zweiwertigen  Zinns  u.  ihrer  Doppelverbindgn.  Erlangen.  I.-D. 
Konitz.     Wpr.     (19  S.  8°.) 

$et)betf,  $rof.,  b.  GHaSflufe  u.  leine  ©nttmcfelimg  biö  jum  12.  3af)rl).  |©&g8bev.  b. 
Süt.s®e|.  ?rutftn  im  46.  Skremäj.  <S.  192-  193.] 

Hubert,  D ,  u.  Hurifitz,  A.,  üb.  d.  diophant.  Gleichungen  vom  Geschlecht 
Null.  [Acta  mathematica.  14:3.  S.  217—224]  üb.  d.  reellen  Züge 
algebraischer  Curven.  [Mathem.  Annalen.  38.  Bd.  S.  115—138.]  üb. 
d.  stetige  Abbildg.  einer  Linie  auf  ein  Flächenstück,  [ebd.  38.  Bd. 
S.  459—460.]  Vortr.  üb.  d.  stetige  Abbildg.  einer  Linie  auf  e.  Flächen- 
stück (Referat)  [Verhdlgn.  d.  Ges.  dtsch.  Naturforscher  u.  Aerzte. 
63.  Vslg.  zu  Bremen.  IL  Thl.  Leipz.  S.  11-12.]  üb.  d.  Theorie  d. 
algebraischen  Invarianten.  [Nachr.  v.  d.  Kgl.  Ges.  d.  W.  u.  d.  Georg- 
Auz.-Univ.  zu  Göttingen.     No.  7.     S.  232-242.1 

Hilbert,    Dr.    Paul,   Assistenzarzt,    Aus    d.   Kgl.    med.    Univ.-Poliklinik   zu 

Kgsbg.  i.  Pr.     Ueber  traumatische  Meningitis  tuberculosa,  Vortr 

[Berl.  klin.  Wochenschr.    28.  Jg.     No.  31      S.  765-767.] 

Hubert,  Dr.  Rieh,  (in  Sensburg),  e.  seltener  Fall  von  Brücken-Colobom  der 
Iris.  (Mit  1  Zinkogr.)  [Arch  f.  pathol.  Anat.  u.  Physiol.  Bd.  123. 
Hft.  2.  S.  371—372!]  e.  Fall  von  reeidivirender  Skleridis.  [Memora- 
bilien  hrsg.  v.  Fr.  Betz.  N.  F.  10.  Jg.  3.  Hft.]  zwei  Fälle  von  Ery  - 
thropie  bei  intacten  brechenden  Medien.  [Klin.  Monatsblätter  f.  Augen- 
heilkde.  hrsg.  v.  W.  Zehender.     29.  Jg.     Novbr.] 

Himstedt,  Dr.  A.,  ord.  Lehr.,  üb.  Singularitäten  algebraischer  Kurven.  (Beil. 
z.  Progymn.-Progr.)    Löbau  Wpr.    Hoffmann.     (24  S.  8.  m.  2  Taf.) 

Qipptl  u.  b.  ^rauenfrage.    [3JMmd).  Mg.  Qtg.    Beil.  511  $r.  26.] 

Hippel,  Prof.  Dr.  A.  v.  (Kgsbg.),  e.  Fall  von  erfolgreicher  Transplantation 
d.  Hornhaut  [Berliner  klin.  Wochenschr.  28.  Jg.  No.  19.  S.  466—467. 
Referat  im  Centralbl.  f.  med.  Wissen  seh.  No.  25.] 

Qipptl,  &arl  &.,  $cr  9?irentönig.  Gtne  Stvcmbgefd)id)te.  Bresben  u.  fieipjtg. 
1892  (91.)  (S.  $ier|on.    (86  S.  8.)    1.- 

fyipptl  Dr.  jur..  <ßnucttboc.  fRob.  b.,  (geb.  $u  ftöntgftb.  8.  ^uli  1866)  die  kor- 
rektioneile Nachhaft.  (124  S.  gr.  8.)  [Abhdgn.  d.  kriminalist.  Semi- 
nars zu  Marburg,  hrsg.  v.  Frz.  v.  Liszt.  1.  Bd.  3.  Hft.  Freiburg  i.  Br. 
1888.     Mohr.]     Subscr.  Pr.  2.40.     Einzelpr.  3.-. 


18  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

Hippel,  Dr.  jur.,  Privatdoc,  Roh.  v.,  die  Thierqualerei  in  d.  Strafgesetzgebung 
d.  In-  u.  Auslandes,  histor.,  dogmat.  u.  krit.  dargestellt,  nebst  Vor- 
schlägen zur  Abänderung  des  Reichsrechte.  Berlin.  Liebmann.  (VIII, 
198  S.  gr.  8.)    6.—. 

Hirsch,  Prof.  Dr.  Aug.,  Jahresber.  üb.  d.  Leistgn.  u.  Fortschr.  i.  d.  ges. 
Medicin.    25.  Jg.    Ber.  f.  d.  J.  1890.    Berlin.    Hirschwald.    37.—. 

—  —  Jahresber.  üb.  d.  Leistgn.  u.  Fortschr.  in  d   Anatom,  u.   Phvsiol  .  .  . 

Unt.   Special-Red.   v.   Aug.  Hirsch.     Ber.  f.  d.  J.   1890.     Ebd.  (III, 
231  S.)    9.5s». 

—  —  Vierteljahrsschrift,  deutsche,  f.  öffentl.  Gesundheitspflege  ...    28.  Bd. 

Braunschweig.    Vieweg  &  Sohn.     (X,  830  S.  gr.  8.   m.  2  Taf.)    9.70. 

c.  SBcitr.  £.  Äulturgejd)id)te  b.  SfötttelafterS.    (9Rit  ©cj.  auf  Äoteimann,  bic 

©efunbfjeitäpflege  im  Mittelalter.   Hamburg  u.  Spj.  1890.)   [3Me  Nation.  8.  3g. 
9h\  30.    S.  469—470.] 

Hirsch«  Ferd.,  II  ducato  di  Benevento  sino  alla  caduta  del  Regno  Longo- 
bardo  per  Ferdinando  Hirsch.  Traduzione  di  M.  Schipa.  Roma, 
Torino,  Napoli  1890.    L.  Roux  e  C. 

—  —  Mittheilungen  aus  d.  hist.  Litt.,    hrsg.  v.  d.  hist.  Gesellsch.  in  Berlin 

u.  in  deren  Auftr.  red.  v.  Dr.  Ferd.  Hirsch.    XIX.  Jg.  4  Hfte.  Berlin. 

Gärtner.    (VII,  376  S.)   6.— 
3>er  große  Äurfürft  u.  bie  SUtftabt  Wagbebnrg  bid  $um  3-  1666.  [gorfdumgn. 

$.  $rbbg.  u.  ^reufe.  @efö.   5R.  ft.  b.  „SRärtiid).  3t>rfd)ungen  bed  «erein*  für 

@eftf>.  b.  Watt  «ranbenburg".    IV.  93b.   2.  §ä(fte.    Seingtg.    6.  491-527.] 

Rec.    |Mitthlgn.   a.    d.   hist.  Litt.    XIX.  Jg.    S.   47.    58-59.    70-71. 

1C8-110.    S.  124-25    138-40.    172-73.    173-79.   201-7.   250-261. 

803—306.    326—827.  —  Wochenschr.  f.  klass.  Philol.    8.  Jg.    Nr.  5.  - 

fctftor.  8eitid)r.   31.  $b.   867-369.] 
$t*M)»  grana,  Scfjorer'ö  ftamilienbtatt.    (Sine  ifluftr.  8citfcör.    Sieb.:  Dr.  grj.  §iridj. 

12.  ©b.  3g.  1891.  SBerlin.  Scftorer.  Viertel jä^rl.  2.-  in  18  §ftn  a  n.  -.50 

$afje(be  Saton=9lu3g  6.  3g.  1890/91. 14  fcefte  gr.  8.  (1.  §eft  =  116  S.  a  -.75.) 
Hirsch,  J.   (aus  Gollub,   Westpr.),    e.  Beitr.  z.  Chirurgie   des  Occipitalhirns. 

I.-D.   Würzburg.  (45  S.  8.) 
Hirsch  ber  g,  Leop.,  e.  Frucht  m.  angeborenem  Hydrocephalus  u.  Mißbild  gu. 

d.   Gesichts   u.  äußeren  Ohres.    Diss.   Königsb.  i.  Pr.   (Koch.)   (19  S. 

gr.  8.  m.  1  Taf.)  baar  n.  —.80. 
Hirsch  fei  d,  Prof.  Dr.  Gust,   e.   neues  Symptom   für   d.    geistige  Bewegung 

der    Neugriechen.      [Berl.    philolog.    Wochenschr.      11.    Jg.    No.   22. 

Sp.  675-76  u.  701.J    Qur   ferinnerung   an   Otto   XifcWer [flget^. 

9111g  8*9-  92r  295.  vgl.Correspondenz-Rl.  d  deutsch.  Gesellsch. f.  An throp.. 

Ethnol.  u    Urgesch.    XXII.   Jg.    No.     .    S.   57 — 60.]     Nfxtj  tov  ätivo;. 

Ein    epigraphisch-theolog    Exkurs.    [Phiiologus  Bd.  50.  S   430— 4S5.J 

tlntife  öttibtebilber  im  £üben  ÄfeinaftenS.    [^albmona tiefte  ber  beutfdj  3hmfc 

Jdjau.  9fr.  17   6.  395—399.]    3ur  praft.  ©eftaltung   bed   geogt.  Unterr.  an 

Gtymnafien.    [8eitjdn\  f.  @4uU©eograpf»'e  ijr&g.  d.  «.   @.  Seibert.    12.  3$. 

9.  u.  10.  jpft   6.  287-241.]   nodj   einmal  ber   erbfunblidje  Unterricht    [ebb 

©.  241-246.]    Rec.    [Gott.   gel.    Anz.    No.  6.    $tfae.  Shmbfd).    17.  Jfo. 

93b.  6».  S.  474-476.     Berl.  philol.  Wochenschr.  XI.  Jg   No.  13.  31  dt 

42-44.     DLZ.  No.  21.] 

Hirschfeld,  Prof.  Dr.  Otto  (Charlottenburg),  inscriptiones  Orientis  et  Dlyrici 
latini.  [Corpus  inscriptionum  latinar.,  consilio  et  autoritate  Acad. 
litt.  reg.  boruss.  editum  Vol.  III,  suppl.  II.  Fase.  II.  Pars  III. 
Dalmatia.  8  1472-1667.]  die  Flamines  perpetui  in  Africa.  (Hermes. 
26.  Bd.  S.  150-  152.J  die  Sicherheitspolizei  im  röm.  Kaiserreich. 
[Sitzgsber.  d.  kgi.  pr.  Ak.  d.  W.  z.  Berlin  39.  40.  S.  845-877.J 

$obred)t,  3)?ar,  $Bit(anb*ort  1275.  [Sa&eim.  §r$g.  x>.  3$.  $.  ^anteniu«.  27.  39. 
9fr.  42-49.] 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  19 

gtyfitet,  STjercfe  (aus  Stetig,  lebt  in  9*om),  3Rr.  3faac3.    (Sine  (Sr^ä^ff].    9(u§  b. 

heutigen  Snbien  Don  ft.   SWarion  ßrafoforb.    Shitortf.  llcberf   aud  b.  öugl. 

b.  £fj.  Döpfner.     [<pr.  3a£)rbb.    68.  $b.     2-6.  $ft.]     i    Castelli  Romani 

I— III  m.  BbbUbgn.  [SBeftermann'a  tttüftr.  beutle  9Ronatai)efte.    35.  So^rg. 

70.  $b.    $ft.  416-418.1 
$offfjeiit|,  3forftmeift.  .$.,  e.  UMerjagb  in  SRafuren.   [93om  ftete  gum  3flcer.  1891/92. 

$ft.  2.  @.  171  -  172.1    d.  Sammig.   v.  Vogelflügeln   als  ornithol.  Lehr- 
mittel. [Journal  f.  Ornithol.  39.  Jg.  Hft.  4.  S    106—110.] 
Hoffheinz,  üb.  d.  Behandig.  v.  Uterusrupturen  nebst  Beobachtung.    Vortr. .  .  . 

[Dt.  medic.  Wochenschr.     17.  Jg.    No.  22.    S.  738-740.] 
£offtnann,  ©.  $f>.  «.,  25a3  Majorat,    Gvääfjfg.    (80  @.  8°.)    [»ibliotfjef  b.  ©efamt« 

«ttt.  b.  3n*  u.  SluSl.  9fr.  487.  (m.  SMlbn.  b.  8erf.)  fcafle  a.  6.  $enbel.]  -25. 
Profile,  ©.    gut  e^renrettung  ©rnft  Xf).  SBittj.  $offmannft.    ßDie  ©renkten. 
,50.  3g.  9fr.  3.  I.  S.  12 i- 128.] 
Hoffmann,  ord   Lehr.  Dr.  Friedr.,  üb.  d.  Entwicklung  d.  Begriffs  der  Gram- 
matik bei  den  Alten.    [Progr.  d.  Kgl.  Friedr.-Kollegiums]  Königsberg. 

Härtung.    (S.  1—18.  4°.)    (Gräfe  &  ünzer.)     -80. 
Hoffmann,  Dr.  Otto,  Privatdoc.  (Königsbg.)    Die    Griechischen    Dialekte   in 

ihr.    histor.    Zusammenhange   mit  d.  wichtigst,  ihrer  Quellen  dargest. 

1.   Bd.      Der    süd-achäische   Dialekt.       Göttingen.      Vandenhoeck   u. 

Rnprecht's  Verl.    (XVI,  344  S.  gr.  8.)    8.— 
Holder  -Kgfrer,    0.,    üb.    d.    histor.   Werke   des   Johannes   Codagnellus   von 

Piacenza.  II.     [Neues  Arch.  d.  Gesellsch  f.  ältere  dtsche.  Geschichtskde. 

16.  Bd.    3.  Hft.    S.  473— 5H9.]    zu  den  Gesta  Abbat  um  Fontanellensium. 

[ebd.    3.  Hft     S.  602—606.]     zu  den    gefälschten  Livin-Versen.    [ebd. 

S.  623.]    üb.  d.  Braunschweiger  u.  sächs.  Fürstenchronik  u.  verwandte 

Quellen,     [ebd.  17.  Bd.     1.  Hft.    S.  159-184.] 
$ol$,  flrno  (in  ©erfin,   geb   &.  ftaftenburg  26.  9tyr.  1863), 

Älingtn^cr^.    1882  (?)  [cf.  Äürjd)ner3  beutfaVfiitt.'Äalenb.  1892.] 

u.  CScar  3erjd)fe,   beutle  SBcifen.    SBerf.  1884.    $arriftu§  (VI,  208  ©.  8.) 

cart.  3.—. 
(Smanuel   ©cibcl;  e.   ©ebenfbud).     &bb.   1884.    (XII,  356  ©.  8.)     geb.  nt. 

©oibfdjn.  4.—. 
3)a«   ©ud)   ber   3eit.    fiieber  eines  SRobernen.    ^iirtd)  1886.    93ert.  =  9Ragaa. 

XVr  430  6.  8.)    5.-. 

—  —  SJjarne  ?.  ©ohnfen.  (?)  [nad)  Ätirfrfjner.J 

$apa  ^amlct,  9?oocöe  (mit  go$«.  ©d)(af)  1889  (?)  [nad)  Äürfdjner.] 

—  —  u.  Johs.  Schlaf,  die  Familie  Selicke,  Drama  in  3  Aufz.     1.  u.  2.  Aufl. 

Berl.  1890.    (XVI,  94  S.  8.)  2.—    3.  Ausg.  1891. 
$aj>irene  $affion,  SRoüetle  (m   3of)3.  Schlaf)  1890  (?)  [nad)  Äiirftfjner.] 

—  —  Die   Kunst,   ihr   Wesen  u.  ihre  Gesetze.     Berl.  1891  (90).    Issleib  (V, 

156  S.  8.)    3.50. 
Holz -Zeitung,    preussische.     Fachbl.    f.    Holzhandel,  Holz-Industrie  u.  Holz- 
kultur.    Red.:  Louis  Beerwald.    Jahrg.  1891.  ca.  52  Nrn.  (a  1— l1^  B.) 

Fol.     Königsberg.     Expedition,  baar  1.25. 
Hossenf eider,    Oberl.  Emil,    üb.   d.   Reihenfolge    gewisser  Grenzoperationen 

in  d.  Intregalrechnung.      Wissensch.    Beil.    zum    XVII.  Jahresber.    d. 

kgl.  Gymn.  zu  Straßburg  i.  Wpr.    Leipzig.    Teubner.    (27  S.  4.) 
$isfcti4),  Dr  jur.  Gb.,  b.  SRedjt  ber  C££)efd)eibung  in  $>eutfd)(cmb.    W\t  e.  $onu.  ü. 

$rof.  Dr.  $QU.  3orn     Berlin.    Otto  fiiebmann.   (288  8.  gr.  8.)   8  9K. 
Huebner,    Oberl.  Ed.,    üb.   d.  Umformung   unendlicher   Reihen   u.  Producte 

m.   Beziehung   auf  elliptische   Funktionen.      (Ber.    d.    Krieiph.  Stadt- 

Gymn.)  Königsberg.    (S.  1—41.   4.) 
Hurwitz,  A.,  üb.  beständig  convergirende  Potenzreihen  mit  rationalen  Zahlen- 

coefßcienten   n.  vorgeschrieb.  Nullstellen.     [Acta  mathematica.     14 :  3. 

S.  211—216.]    üb.  d.  Nullstellen  der  hypergeometrisohen  Reihe.     [Ma- 

themat.    Annalen.    38.  Bd.     3.  Hft.    S.   452— 458.J   üb.    Riemannsche 

2* 


20  AltpreuAische  Bibliographie  für  1891. 

Flächen  mit  gegeb.  Verzweigungspunkten,  [ebd.  39.  Bd.  1.  Hft.  S.  1—61/ 
üb.  die  angenäherte  Darstellung  d.  Irrationalzahlen  durch  rationale 
Brüche,  [ebd.  2.  Hft.  S.  279—284.]  üb.  d.  Vergleich  des  arithmet.  u. 
d.  geometr.  Mittels.  [Journal  f.  d.  reine  u.  angew.  Mathem.  Bd.  108. 
Hft.  III.    S.  266-268.J 

3ae*bi,  Margarete  (Ucbcrf efrerin  t>.  ital.,  engl.  u.  franj.  Sterten,   lebt  in  eannjtatt, 

geb.  $u  ßönigöb.   i.  ^r.), 
( )  3tnmer(|riin;  dafftfäe  3>enfjprüdje  in  $oefie  u.  Sßrofa  f.  olle  Jage  b.  gaijrc*. 

Ganftatt  *1884.    ©oStjeuner'ö  Sud^.    (397  S.  16.)  geb.  m.  ©olbfan.  2.- 
@ternbanner=8erie.    9imerifanijd)e  #umoriften  u.  9?ooeQiften  1—4.  6.  9.  Bb. 

(Stuttg.    Sufr.    a  2.50. 

JBb.  1.  ©todton,  grant  tt.,   ffluberfjeim;   f>äu3i.   Srtebniffe   e.   jung.   (5&cl>aarc*. 

«utorij.  ttuSg.  btfä.  0.  SR.  gacobi.    1886.    (VI,  278  ©.  8.) 
=     2.  Sroain,  SKarf,   UnterroegS  u.  5>aljeim;   neue  6amm(g.  fjumorift.  8fiftcn. 

bif*.  ö.  Ubo  »radjooget,   SR.  gacobi,  ©.  Shi&r  u.  tt.  1Ö86.   (VII,  312  3) 
s     8.  Eoüenetten  u.  ©fiföen  amerifan.  Stteifter  ber  ©fart  ©torft:  fllbrid),  Bifeoö, 

Renting,  3Ratrt>en>3,  Gerten,  ©torfton  u.  $.    Bürgern,  u.  übirf.  o.  SR.  gacobi 

1887.    (VII,  807  ©.) 
s    4.  ©torfton,  granf  ».,  furioje  ©efrfjid)ten;  auSgeto.  Sammtg.  übf.  t».  SRarg. 

gacobi.    flutorifiert.    1887.    (VIII,  286  ©.) 
=     6.  fcoroarb,   SBtancbe  2Bifli3,  ©uenn;   e.  $BeUe   am  ©tranbe   bec  Bretagne. 

Wutorif.  Uebj.  o.  $el.  ©tern  u.  9Rarg.  gacobi.   1889.    (VI,  326  6.) 
=     9.  ©reen,  9C.  $.,   §anb  u.  SRing;    autorif    Uebtragg.   o.   3Rarg.  gacobi. 

1890.    (VIII,  347  ©.) 

unfere  SJeftgeiten  in  Siebern  u.  ©ebidjten:    gefamm.   u.   &r3g.   Sanftatt  1886. 

©oätjeunerS  »ct)(j.    (VI,  176  ©.  8 )    geb.  m.  ©olbfdjn.  8.— 
©Ijaro,   2Üb.,   gfaria;   e.   ®eitr.  &.  ©efd).  b.  ffommuniämuS ;  autortf.  SfoSa.. 

btjrf).  o.  SR.  gacobi.    ©tuttg    1886.    fiufc.  (VII,  189  ©.  8.)     1.75. 

—  —  beä  %tbzn$  fiauf  in  Siebern  u.  ©ebidjten ;  gefamm.  u.  §r$g.  ©anftatt  1887  (VI. 

166  ©.  8.)  geb.  m.  ©olb^n.  3  — 

Satylor,   SBatyarb,   Sar8;   nonoeg.   gbtytt.   btfd).   o.  IRargaretlje  gacobe 

©tuttg.  1887.  Sufr.  (110  8.  8.  m.  $ortr.)    2.50. 

—  —  ©umner,   SBifliam   ©ratyam,   feciale   ^flidjtcn  ob.  luaS  bie  Waffen  ber  ©c= 

Jeflfd).  einanb.  fdmlbig  finb.    Wutorif.  Uebf&g.  o.  SR.  gacobi.    ffltit  e.  Storro. 

o.  £f).  SBartf).    ©erl.  1887.    ©taube.    (VII,  96  ©.  8.)    1.50. 
foäte   »tüten,    ©ebidjte.    ©tuttg.    1888.    fjin!.   (VIII,  176  ©.  12.)  geb.  m. 

©olbfä%  n.  n.  2.50. 
ßnfet   Xoinä   $ütte;   e.  drj.  f.  b.  gugenb.    *Rad)  §arriet  Seed)er*©to»e  frei 

bearb.    ©tuttg.  18*8.    £f)ienemann;3  IBeri.    (172  ©.  gr  8.  m.  4  garbenbr.* 

SBilb.  nad)  «quareH.  b.  ©.  &ranj.)  geb.  2.—    2.  «uff.  1891.    2.— 
bie   weite,   loeite   Söelt;   e.   @r$äf)lg.   f.   b.   »eibt.    gugenb.     9?adj    ©üjobctö 

SSet^ered   frei   bearb.    9Rit   4  gavbenbr.*^Bt(b    na$  Aquarellen  t>on  &.  Äodj. 

@bb.  1890.  (224  ©.  gr.  8.)  geb.  4 - 

Jacobson,   John,   prakt.  Arzt  a.  Bartenstein  in  Ostpr.,  üb.  angeformte  Fer- 
mente.   I.-D.    Berlin.    (81  S.  8.) 
Jacoby,  Prof.  D.  Herrn.,  d.  erste  Brief  d.  Apostels    Johannes   in   Predigten 

ausgelegt.     Leipz.  Fr.  Richter.     (IV,  179  S.  gr.  8.)  2.80. 
Jaffa,  M.  (Kgsbg.)  Zur  Erinnerung  an  Heinrich  Jacobson.    (Mit  Vera,  seiner 

Schritten.)     [Berl.  klin.  Wochenschr.  28.  Jahrg.  Nr.  2.] 
Janz,    Hob.,    a.    Graudenz,    z.    Casuistik   d.   Perforations  -  Peritonitis.    I.-D- 

Berlin.     (31  S.  8.) 
Jentz8ch}  Dir.  Prof.  Dr.  Alfr.,  Bericht  üb.  d.  Geolog.  Abteilung  d.  Provin- 

zial -Museums   d.    physik.-ökon.    Ges.,   bei   Gelegen h.  d.  Feier  d.  lOOj. 

Bestehens  d.  Gesellsch.  1890  erstattet.     [Aus:  „Schriften  d.  phys.-okon. 

Ges.  z   Kgsbg.uJ    Kgsbg.    W.  Koch  i.  Komm.  (S.  105-145.  4°.;   1.50. 

—  —  u.  G.  Vogel,  Höhenschichten-Karte  Ostr  u.   Westpr.  .  .  .  Hrsg.   v.  <t 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  21 

Ebysik.-öcon.  Gesellsch.  zu  Königsberg  i.  Pr.  1 :  300,000.    Bl.  2.    Sect. 
►anzig.    36,5  X  43  cm.    Kgsbg.  (Koch.)  2.— 
3ona9,  SRidjarb,  $rof.  Dr.  phil.,   ®mnn.s$ir.   in    $rotofd)iu   (geb.  ju   ÖKfgenburg 
i.  Oftpr.  31.  $>ec.  1845.), 

—  —  zum  Gebrauch  der  verba  frequentiva  u.  intensiva  in  d.  alt.  latein.  Prosa. 

[Cato,  Varro,  Sallust|  Posen  1879  (Jolowicz)  (16  S.  4.)     1.— 

üb.  d.  Gebrauch   der  verba  frequentiva  u.  intensiva  bei  Livius.    Ebd. 

1884.     (24  S.  gr.  4.)     1.20. 

—  —  Grundzüge  d.  philos.  Propädeutik;  f.  d.  Gebranch  an  hob.  Lehranstalt. 

zsgestellt.   1-8.  Aufl    Berlin  1881  82.86.   Gaertner.  (27S.gr.  8.)  —.40. 
4.  A.  18*8.  (28  S.)    5    A.  1891  (28  S.) 

SWufterftüde  btfc&r  $rofa;  c.  Sefebud)  f.  b.  ob.  tfaff.  &ölj.  fiefjranftaft  ©Ob.  1882. 

(VIII,  225  ©.  gr.  8.)   geb.  2.80.    —    2.  burdjgejei   u.   eroeit.   2(uff.    1891. 
(VIII,  285  8 )    2  60.     geb.  n.  n.  3.— 

—  —  groben  aftbeutfdj.  3>iä)tg.  im  Original   u.   in   Uebertragungen,   f.  ftreunbe  b. 

mittefoltt.  btfa).  fittt.  auSgett).    Übb   1883  (VII,  123  @.  gr.  8.)  cart.  1.50. 

—  —  e.  Söiirf  auf  b.  ftegreid).  ßampf  b.  djriftl.  Metern,  in.  pantfjeiftifd).  Slnfdjauuugen. 

SSortr.    ?ofen  1*88.    (Werabad).)    (16  ©.  gr  8.)    —.40. 

—  —  e.  beutfdj   jmnbroerfer^Spiel,  nadj  e.  fjbjrfjr.*  Heberlieferg.  aus.  b.  fgl.  ©taat$* 

aräito  j.  ?ofen  &r8g.  ?ofen  1885  goloroicj  (53  ©.  gr  8.)     1.50.    (Eu§  3eit« 

fdjrift  b   ^ifior.  ©ef.  ut  $ofen  befonb   abgebe)    9?ad)trag.  [thb   5.  3g.  1.  £ft. 

1889.  ©.  68    75.] 
üb.  b.  neueft.  SBeftrebgn.  um  Oteinerljaftg.  b.  btfdj.  Spraye.  Sßortr.  $ofen  1886. 

SRerabatf     (24  ©.  gr.  8.)        .50. 
au*  ßrotofcfjinä  Vergangenheit   [8tjcf>r.  b.  §tft.  ©ef.  f.  b.  $roo.  <ßof.    5.  3g. 

4.  $ft.  1890.  8.  4-'l  -23. J 

Sotban,   TOHj ,   (Spiftefn  u.   Vorträge.    granffurt  a.  3R.    Sorban'S  (Selbftoerl.  (V, 

480  ©.  8.)  4.-  geb.  5- 

3)eutfd)e  #tebe.    @bb.  (31  ©.  gr.  16.)  —60. 

Samt,  ftieronnmuS,  3Bü%  3orban  u.  b.  Optimismus.    [$ie  ©egentoart.    89.  93b. 

Mr.  12.] 
Sorban,  3Bo(fg.  Slrt&.f  ?faimen.  ©oSlar.  fi.  Äodj.  (144  ©.  8.)  2.40. 
3*fupeir,   ©nmn.'Dberl.   Otto,   &ranjöf.   Itnterriajtäroert  f.  ©nmnaf.  u.   SRealgtjmn. 

3  2#e.  Verl.  1885.  ©.  ®rote.  geb.  3.80.   3nl).:  1.  %tax\$\.  ©effutgrammatif. 

(XII,  84  8.)  1.—    2.  (S(ementarbud)   b    franjöf.   Sprache  f.  b.  Quinta  unb 

üuarta.  (VIII,  97  8.)  1.20.    3.  ßefebutf)   f.   Untertertia   u.    UebungSbud)   f. 

Xertia  u.  ©efunba.  (VII,  132©.)  1.60.  [Im  Buchhdl.  angez.  Aug.  1891.] 
Rec.  [Ztschr.  f.  d.  Gymnasialwes.    Bd.  44   S.  119—121.] 

Jung,  Arth.,  (f)  in  Meseritz,  Rec.  [Neue  jahrbb.  f.  philol.  u.  paedag.  2.  abth. 

bd.  144.  8.  246—253.1 
ftäftler,    D.   SRart.,  ?rof.  b    £f)eol.,  $.  Uniuerfitäten  u.  b.  offen«,  ütbtn.    Ueb.  b. 

Aufgabe  b   afabem.  Unterrichtes  u.  f.   aroecfmäfjigere  ©eftaltung.    Erlang,   u. 

«eipj.    9(nbr.  3)eia)ert'fa^e  SBlgäbd^Mg.  ftaäif.  (IV,  129  ©.  gr.  8.)  2.40. 
3).  jogen.  t)iftorijd)e  3efuS  u.  b.  gefdjiäVlidje,   bibfijdje   ßfjriftuä.    SSortr.  .  .  . 

zbb.  1892  (91).  (48  ©.  gr.  8.)  —.75. 

Kafemann,  Dr.  R.,  üb.  d.  Behandlung  d.  chronisch.  Otorrhoe  m.  einig,  neuer. 
Borverbindungen.  Aus  d.  Poliklinik  f.  Ohren-,  Nasen-  u.  Halskrankhtn. 
d.  Hrn.  Prof;  Dr.  E.  Berthold.  Dem  .  .  .  Prof.  Dr.  Virchow  z.  sm. 
70.  Geburtstage  gewidm.    Danzig.  A.  W.  Kafemann.  (58  S.  gr.  8.)  1.60. 

—  —  üb.  d.  Beziehgn.  gewiss.  Nasen-  u.  Rachenleiden  z.  Stottern  auf  Grund 

v.  Schuluntersuchgn.  ebd.  (39  S.  gr.  8.)  2.— 

Äalau  turnt  $ofe,  (£.,  Oberft  *.  $.,  ©efdjtdjte  u.  ©enealogie  b.  fjamilie  Ra(aro, 
Äalau,  (Saloto,  Satoo  u.  (Sa(o,  u.  b.  gamilie  ^alau  oom  $>ofe.  3n  2  Xfyn. 
^ad)  officiett.  Urfunben  u.  gamüiennacöri^ten.  SBerL  1890.  «tö  2Rfc.  gebr. 
3.  2(.  ©targarbt  in  @omm.  (VIII,  2  9;  VII,  437  ®.  gr.  8.  m.  8  ?ortr.  u. 
2  color.  SSapp.)    15.— 


22  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

Äaltfftetn,  Äarf  r»,  Nationale  it.  f)umanifrifd)e  ©niebung!  93on  Äarf  ».  fiaftfjtein, 
SRinna  Gauer  u.  911b.  Sufenbnrg.  JlieL  Sipftufi  u.  Tifdjler.  (48  6.  gr.  8.) 
[$eutfdje  Srijriften  f.  nationale«  Seben.  fträg.  u.  (Sug.  äBolff.  1.  SReiöe. 
1.  fceft.]    1.- 

—  —  Nordamerika.     Entdeckgn.    u.    Kolonieen    bis    1762.       [Jahresberichte 

d.  Geschichtswissenschaft   XI.  Jahrg.-  1888.     Berlin.    III,   295-300.1 

Rec.    [Mittlgn.   a    d.    bist.    Litt.     19.  Jg.    S.  61-63.   67-68.   72-74 

347-348.] 
Äalenber,   oft*  u.  roeftpr.,  a.  b.  3.  1892.     flgäbg.    Wartung.     (34  u.  74  6.  16.) 

—.25;  durch  seh.  —.30. 
— ,  neuer  u.  alter  oft*  u.  roeftpreufe.,  auf  b.  3.  1892     9Rit  e.  Xitelbilbc  (in  $ol#din.'> 

u.  *af)[r.  (eingebr.  ^oljf^n.O  3üuftrationen.   (152  6.  8.    SRebft  Seil.:  giluür. 

Gkfd).  b.  jüngft.  SBergangenljt.    $om   80mm.   1890  bis  ftum   Somm.  1891. 

gr.  4.  (12  ©.)    «erlin.  '  Xroimfefd)  &  Sofni.    —.50;  fart.  u   burdrfaY    -.75. 
Kalepky,  Theod.,  a.  Neusorge  (b.  Kaukehnen)   in  Ostpr.,    v.  d    Negation  im 

Provenzalischen.    I.-D.  Berlin.    (28  S.  4.) 
Kalmuss,   Hptlehr.    in    Elbing,   neue  Pflanzen  d.  Kreises  Elbing.  [Schriften 

d.  naturf.  Ges.  in  Danzig.  N.  F.  B.  VII.  Hft.  4.  S.  25-26.] 
Kalnza,   Max    (Kbg.)    Rec.    [Literaturbl.    f.    geiman.   u.    roman.   Philologie 

XII.  Jahrg.  No.  1.  3.1    Referate.   [Engl.  Studien  XV.  Bd.  S.  427-429.] 
Kammer,  Ed.  (Schleswig),  Kec.    (Wochenschr.  f.  klass.  Philol.   VIII.  Jahrg. 

No.  1.] 
Kammler,  Wilh.  (Ferdin.),  [prakt.  Arzt  a.  Westpr.],    die  in  d.  chirurg.  Uni- 

versit. -Klinik  zu  Greif swald  vom  1.  Oktob    1885   bis  1.  Apr.  1§91  zur 

Behandig.    gelangt.   Fälle   v.   ungünstig    geheilten    Frakturen.     I.-D. 

Greifswald.    (38  S.  8.) 
Äattf$«¥obangen,  SRitgl.  b.  9teitf>3tagä  u.  b.  Wbgeorbnet.sfcaufe«  Öraf  u.,   b.  flogen 

SBerfaufSüereine   u.   ifjre   nrirtljfdjaftl.   ^Berechtigung.     2.  Sfuff.     SJerl.     $utt= 

fammer  &  9Hüfjlbred)t.    (24  @.  gr.  8.)    —.60. 
Karplnski,  Paul  (Aug.  Alb.)  [a.  Zoppotj,  Casuist.    Beiträge  z.  Erläuterg.  d. 

Beziehgn.  zw.  Lupus  u.  Garcinom.    I.-D.  Greifswald.    (29  S.  8.) 
Kaufmann,  F.  Real  gyn>n. -Lehrer  i.  Elbing:  Pilze  d.  El  binger  Umgegend.  [Schrift. 

d.  naturf.  Ges.  in  Danzig.  N.  F.  Bd.  VII.  Hft.  4.  S.  75—171.] 
Kersting,  Herrn ,  d.  Pachydermia  laryngis.    I.-D.  Kgsbg.  i.  Pr.  (W.  Koch.) 

(50  S.  gr.  8.)    baar  n.  1.— 
Ketraynski,  W.,   Fontes   Olivenses   wydal   Dr.  W.  Ketayäski.    (Odbitka  2 
VI.  tomu  ,,Monument6w"  S.  25*7  -382)  (126  S.  Lex.  8.). 

—  —  Biskupstwa  i  Klasztory  polskie  w  X  i  XI  wieku.  [Przeglad  powszechnv 

XXIII.  S.  609-27.  XXIV,  15-27.]    o  organizaeyi  Kosciola  w  Pols« 

do  potowy  wieku  XII.  [Przewodnik  naukowy  i  literacki  1891.  S.  662— 69. 

758-6\  842-48.J 
äiettmittfl,  $an3,  ftjg.  «Ibredjt  D.  ?reu&en  u.  3Jtorfgr  3of)ann  to.  Äüfrrin  al*  Untere 

fyä'nbkr  ättriid)  b.  beutjd).  gürftenbunbe  u.  (Snglanb.     [JVorfdjgn    $.  $ranben* 

bürg.  u.  ^reufj.  ©efd).    4.  ob.    1.  fcälfte.    S.  137—175.1    Hec.   [Mitteilgn. 

a.  d.  hist.  Litt.     19.  Jg.    S.  68-70.     154-160.     186-187.    229-232. 

335-M39.] 
KÜling,  Wilh.,  (Braunsbg.)  üb.  d.  Grundlagen  d.  Geometrie.     [Journal  f.  d. 

reine  u.  angew.  Mathematik.    Bd.  109.     Hft.  2.    S.  121— 176.    Hft  3. 

S.  177— 186.  j  üb.  die  Clifford-Klein'schen  Raumformen.    [Mathem.  Au- 

nalen.    39.  Bd.    2.  Hft.    S.  257-278.] 
Kirchhoff,  Gust.,  Vorlesgn.  üb.  mathemat.  Physik.    2.  Bd.    Mathemat.  Optik. 

Hrsg.  v.  Privatdoc.  Dr.  Kurt  Hensel.    Leipz.    Teubner.    (VIII,  272  S. 

gr.  8.  m.  Fig.  u.  Lichtdr.-Portr.)  10.—    8.  Bd    Vorlesgn.  üb.  Electri- 

cität   u.    Magnetismus.     Hrsg.    v.   Prof.  Dr.  Max  Planck,    ebd.    (X, 

228  S.  m.  Fic.)    8.-     (1.-3.:  31.-) 

—  —  Gesamm.  Abndlgn.     Nachtrag   hrsg.  v.  Dr.  Ludw.  Boltzmann.     Mit 

e.  Taf.    Leipz.    Joh.  Ambros.  Barth.    (VII,  137  S.  gr.  8.)    3.60. 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  23 

Äitföfiettt,   <&H)mn.=fi.  fioutS,   ©rammat.  SRepetitorium   b.  franjöf.  ©Jrcadje  f.  ©6er* 

fefunbaner,  . . .    (SBiffenfcö.  Seil.  g.  $rogr.  b.  fgl.  Gtymn.)  2Bel)lau.   (31  ©.  8.) 

Klabnnd,  Herrn.,    üb.  d.  physikal.  Isomerie  einig.  Hydroxylaminderviate  m. 

d.  Radical  d.  Paratoluylsäure.  I.-D.  Kgsbg.  i.  Pr.  ( W.  Koch.)  (77  S. 
gr.  8.)    baar  n.  1.— 

Klebs,  Prof.  Edwin,  Beitrag  z.  Lehre  v.  d.  thrombotisch.  Processen.  (Mit 
2  Taf.)  (44  S.  gr.  4.)  [Aus:  Festschrift  Rud.  Virchow  zu  sm.  71.  Ge- 
burtstage gewidm.  v.  d.  früher,  u.  jetzig.  Assistent,  d.  Berlin,  patholog. 
Instituts.    Berl.    Reimer.    36  M.] 

—  —  Zur  vergleichdn.  Anatomie  d.  Placenta.  [Archiv  f.  mikroskop.  Ana- 
tomie. 37.  Bd.  S.  335-856  u.  Taf.  XVII]  üb.  d.  Wirkung  d.  Koch'schen 
Mittels  auf  d.  Tuberkulose  d.  Thiere,  nebst  Vorschlägen  z.  Herstellg. 

e.  unschädlichen  Tuberkulines.  [Vhdlgn.  d.  10.  Congr.  f.  innere  Me- 
dicin.  Wiesbad.  S.  191—198.  (Vorläufige  Mittheilung:  Wiener  med. 
Wochenschr.  No.  15.)]  üb.  Landry'sche  Paralyse.  [Dtsche.  medic. 
Wochenschr.  17.  Jahrg.  No.  3.J  Patholog.  Anatomie  u.  Bacteriologie. 
Zuschr.  an  d.  Redaction.    [ebd.  14] 

Klebs,  Dr.  Elimar,  Privatdoc.  in  Berlin.    Rec.    [£tftor.  8eitfdjr.  SR.  fr  30.  93b. 

©.  281-82,  289-80.    DLZ.  No.  47.  50.] 
Klebs,  Georg,  üb.  d.  Bildung  d.  Fortpflanzungszellen  bei  Hydrodictyon  utri- 

culatum  Roth.    [Botan.  Zeitg.  48-51  m.  (Taf.  XI.)]    Rec.    [ebd.  19.  25.1 
Klebs,  Rieh.,  Blatt  Heilsberg  nebst  Bohrkarte  u.  Bohrregister  .  .  .     Geognost. 

u.  agronom.  bearbeitet.    Hierzu  2  Zinkdrucke  im  Text.    [Erläuterungen 

zur  geolog.  Specialkarte  v.  Preussen  u.  d.  Thüring.  Staaten.    47.  Lfg. 

Gradabth.  18,  No.  50.]   Berlin.   Parey.    (71  S.  u.  48  S.  gr.  8.)  —  Blatt 

Wernegitten    (Süssenberg)  ....    bearb.  dnreh   G.  Behrendt  u.   Rieh. 

Klebs.     Hierzu  2  Zinkdrucke  im  Text.     [Erläuterungen  ...   47.  Lfg. 

Gradabth.  18.    No.  56.]    (45  u.  49  S.  gr.  8.) 
Kleinwächter,  F.    (Bauinspector  in  Gumbinnen)   d.  Museum    f.  Naturkunde 

d.  Univers.  Berlin,  m.  Zeichnung,  auf  Blatt  1  bis  6  im  Atlas,  entworf. 

v.  Baurath  u.  Prof.  Tiede  in  Berlin.    [Ztschr.  f.  Bauwesen.    Jahrg.  41. 

Hft.  I-III.    Sp.  1-12.1 
Älitufotoftröttt,    STgneje  Gräfin   (in  ÄönigSb.,   geb.   au  $of)enfe(be  21.  ©ept.  1850), 

3§r  einziger  ©ofjn.  Sftoman.  2  »be.  SBerl.  1884.  3anfe.  (282;  248  ©.  8.)  9.—. 

bic  SeurrmgenS.  föom.  2  39be.  ©tuttg.  1888.  $eut[d)e  S3lg3anft.  (268;  240  6. 8.) 

6.-   geb.  m  1  93b.  7.-    Billige  2lu3g.  1890.    (507  S.)    1.50. 

SDer  Softer.    Vornan.    ©bb.  1889.    (868  ©.  8.)    4.— 

$ie  grembe.    SRoman.    ©bb.  1891  (90)    (352  @.  8.)    4.— 

gloru«  »rüggematmS  ^adjlafe.    SRomcm.    (56b.  1891.    (375  @.  8.)    4.— 

groeierlei  ©ijre     SKoman.    [$om  ftete  aum  9tteer.     1891/92  ] 

KllnggTaeff,  Dr  H.  v.,  Schmetterlingstang  d.  Drosera  anglica  Huds.     [Schrift. 

d.  natf.  Ges.  i.  Danz.  N.  F.  VII.  Bd.  3.  Hft.    1890.   S.  21—24.]  bot;in. 

Excursionen  im  J.  1889.     [ebd.  4.  Hft.  1891.  S.  42—49.] 
Klöpper,    Prof.  Dr    Albert,    d.    Brief  an  d.    Epheser   erläutert.      Göttingen, 

Vandenhoeck  &  Ruprecht.     (2  Bd.,  201  S.  er.  &.)    4.40 
Kloerekorn,    Heinr.,   de   proscriptionibus   a.    a.    Chr.    n.    13  a  M.   Antonio, 

M    Aemilio  Lepid«»,  C.  Iuho  Caesare  Octaviann  triumviris  factis.  I.-D. 

Kgsbg.  i.  Pr.     (K-.rh.)     (129  S.  gr.  * )  baar  2. - 
Knebel,  R.  J.  W.  (a    Kgsbg    i.   Pr.)    üb.    Abkömmlinge   d.    „Saiols."     I.-D. 

Le'i'Z.     J«  h    Ambr<»s    Barth.     (15  S.  gr.  S.\ 
Knopf,  föub.,  2Beftyreu&  SBolfSfagen  1-4.  $ft.  ©rauben*.  3-  ©aebet   12° an.  n.  -.15. 

Stil).:    I.  3)ie  Seufelstanjel  *u  Sartonrifc.    (9  3.)    2   $ie  ^fingftglorfen  00m 

Siofterfee.    (6  8)    3   £er  ©d)tDebenjtf)immcl   Don   ©tuftm.    (8  ©.)    4.  35er 

Kaplan   uom   #ageläberge.    (10  ©.;    5.  2>aä  SeftungSgefpenft  tjom   £agel3s 

berge.    (10  ©.; 
Knoth,   Mmx    (Fr.    Aug.)    [a.    Danzig],    üb.    d.    Methoden    zum   Ersatz    von 

Knochendefecten.    I.-D.    Greiiswald.    (31  S.  8.) 


24  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

Kobüinskl,  Gymnasiallehr.  Dr.  Geo.  v.,  d.  gebräuchlichst,  latein.  Synonyma 

zgestellt.     Beil.    z.    Progr.    d.   k.   Wüh.-Gymn.    Kgsbg.     Hartungsche 

Buchdr.     (BS  S.  8.) 
—  —  d.    latein.    Sprache   auf  d.    Gymnasien.    [Ztschr.  f.   d.  Gymn.- Wesen. 

45.  n.  F.     25.  Jg.     S.  399-410.] 
ÄobUfc,  «mtöridjt.  in  Xiifit,  n>eld)e  9?ec^tc  &at  b.  (Srftefjer  ehteö  im  fficge  b.  3nrana*- 

fcollftrccfg.  ucrftcigcrt.    (SJnmbftücfä  beaügl.  betucglic^er  Beüa&fiücfe?    [$eitiäg< 

$.  Grtäuterg.  b.  Ttfön.  3?ed)t$.   4.  ftolge.  5.  3a(jrg.    (b.  g$.  <H.  35.  3af>rg.) 

S.  536  -  64.1 
Koehne,    C,   z.    Ursprung   d.  deutsch.  Stadtverfassung.     Entgegnung,  (geg. 

G    v.  Below)  [Dtsche.  Ztschr.  f.  Gösch  ich  tswissensch.    V.  Bd.   S.  139 

bis  149.]     Replik  von  G.  v.  Below.  febd.  S.  149-156.] 
ftoettig,  Dr.  9*ob,  «brife  c.  beutjcrj.  äittcratuvgef^idjte ;    c.   £iif*bud|   f.   ediulc  u. 

ftauS.     2Rit    10   Seil.    u.   50  «bbilbgn.  im  Xcrk.    2.  oerb.  Slufl.    »iciefelb 

SBeltjagen  &  Klafing.    (IX,  202  ©.  gr.  8.)  2.50.  geb.  3.— 
$cut[d).    ftrauenleben   im   beutfdj.    Siebe.     3.   bte  4.   Xaufenb.     Olbenburg. 

®.  Stauuig'*  »erl.    (VII,  461  ©.  8.)  geb.  in  fiemtu.  m.  ©ofbfän  6.- 
ßnfel  Ißtper  u.  ¥ty«vöberg.    (£.  auftrai.  Vornan  ö.  fcaSma.    SCutoriJ.  Uebjfcg. 

[$af)eim.$ibnot$cf,    12.   $b.]    «iclcfelb   SSetyagen  &  Kfafing.    (479  6.  8.) 

geb.  in  üeimo.  3.— 
Wuf   b.   Sangen   ÜWarfte   in   $an$ig.    2Rit   e.   Slnfidjt   nadj   b.  Habierung  t>- 

SB.   SRannfelb   u.    9(bbilbung   b.   Steffcnfcrjen  #auje$.    [Dafjeim.    27.  3aprg. 

9h*.  25.J  jum  bunbertjä'ör.  Geburtstage  Xfjeob.  Körner'3.  [50.]  tnaä  {offen  mir 

uou  ber  Öibel  galten?  [52.]  e.  Eenfmul  f.  SSity.  SWüfler,  b.  ^ic^tcr  b.  <9riedjcn= 

lieber.  [52.]  ttuguft  ^elftageit  t  [ebb.  28.  3a$rg.  1891/92.  Er   3.] 
Koenigsbeck,  Johs.  (Brunsbergensis),  De  septem  contra  Thebas  exitu.    Diss. 

inaug.  Berolin.     Danzig.     (47  S.  8.) 
[Königsberg.]    $.  ftcrjog  9(ibrec^t  $cnftna(  in  Königsberg.  3Rit  Slbbübung.  ßllufh. 

3tg.  Zcxpm.  Eo.  2499.] 
3ur  ftanbeläpoittif  b.  Ghofe.  Kurfürften  (in  Königsberg  u.  Ofnpr.)  [Kg*bg.  §artgfö. 

#tg.  (SonntagSblatt  Er.  24.] 
9lu3  b.  alten  Königsberg.    9tu8  alt.  Schriften  u.  papieren,  [ebb.  8onntagäblatt  Er.  31.] 
6in  IhinnerungSblatt  an  b.  18.  October  186  lf  Krönungätag  Kön.  ©U&dmS  I  in 

Königsberg.    93on  c.  „alten  KömgSbergerm".    [$ai()eim.  28.  3a§r9-  9fr-  8.J 
Koken,  E.,  neue  Untersuchgn.  an  tertiär.  Fischotolithen.  II.  (Ztschr.  d.  dtsch. 

geolog.  Gesellsch.  1891.  S.  77.)    [Naturw.  Rundschau  6.  Jahrg.  No.  50. 

Rec.  [ebd.  No.  43.  45.  48.  49.] 
ÄonfdKl,  %  2.,  ^rebig.  in  Kgsbg.,  $.  grauenfrage.  ©ot§a  1890.  $ertfje§.  [3immef § 

£anbbibliotf)c!  b.  praft.  3:^eologic.  9lbtf).  22.]    (61  @.  gr  8.)    1.— 
Kopetsch,  Emil,  40  Fälle  v.  Eclampsia  puerperalis  a.  d.  Kgi.  gynäkol.  Klinik 

zu  Kgsbg.     I.-D.  Kbg.  (Koch.)  (35  S.  gr.  8.)     baar  n.  —.80. 
ÄotaKul,  Dr.  3o^S.  «ßaul,  6iona.  »erl.  (9Rot§cr).  (III,  352  @.  12.)  geb.  in  Scirnt». 

n.  3.- 
Kossinna,  Dr.  G.,   Kust.  an  d.  Universitätsbibl.   in  Bonn,  German.  Vorzeit. 

(bis  500.)    [Jahresberichte  d.  Geschieh  tswissensch.  hrsg.  v.  J.  Jastrow. 

XI.  Jahrg.  1888.  Berl.  J891.  11,261— 270.  |     d.  herkunft  der  „Heriman" 

(Zu  ZS.  35,  172  f.)    [Ztschr.  f.  dtsch   alterth.  u.  dtsche.  litter.  35.  bd. 

s.  264.]     German.  dativ  aus  d.  Römer  zeit.  [ebd.  Anzeiger  s.  78.]   Noch- 
mals d.  Sweben.    [West dtsche.  Zeitschr.  f.  Gesch.  u.  Kunst.   Jahrg.  X. 

S.  104-10.] 
Straf),  G.  (Snfterburg),  9tec.  Pßäbagog.  Hrcrjiü  33.  93b.  Er.  3.  N.  jahrbb.  f.  philol. 

u.  pädag.  144.  bd.  s.  206-208.  366-68..1 
Erahn,  E.,  üb.  Zwillingsgeburten.    I.-D.     Kgsbg.    (W.  Koch.)    (85  S.  gr.  8.) 

baar  1.— 
Kraufc,  (Bottlieb,  9teid)Sfrf)r.  griebrid)  2eo*>olb  ü.  Schroetter  u.  Karl  3Bifl)tlmf  &rbr. 

ü.    Schroetter.    (?(ud   b.   Zögern,  beutjeft.  ©togra^ie  [32.  »b.  ©.  579-585] 

abgebr.)  (7  S.  gr.  8.) 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  25 

ttrattfe,  ©ottlieb,  ÄcmtS  Sefcve  toom  (Staat,  [töorb  u.  Süb.  52. 99b.  $ft.  154.  3an.  1890. 
8.  77—88.]  e.  Brief  Gottscheds  an  d.  Königsbgr.  Profess.  Flottweli. 
[Ztschr.  f.  dtsche.  philol.  24.  bd.  s.  202-213.] 

Strafe,  SRedjtSanro.,  9?otar  Dr.  $au(,  (SmfommenfteuergefetJ  u.  24.  3uni  1891,  nebft 
9tu3füf)rung8antt)eifg.  i>.  5.  9lug  1891,  b.  amtl.  SRuftern  b.  8teuererftärg.  u. 
®eje|5,  betr.  Slenberung  b.  ©aöfoerfafjrenS  ü.  24.  3um  1891.  Xertauäg.  m. 
Sinltg.,  ftimueijen  u.  *8ad)regift.  99erlin.  fr  $af)(en.  (IV,  155  8.  16.) 
fart.  1.20. 

—  —  b.  $reu&   (Sinfommenfteuergefefc  t).  24.  3uni  1891  nebft  9(u$ftt$rimc)danwetjg. 

d.  5.  ?lug.  1891,  crft.  u.  aroeit.  Xfjeit.  (Srtäutevt  ebb.  1892  (91.)  (IX, 
285  8.  gr.  8.)  5.60. 

Kretschmann,  Dir.  Dr.  H ,  latein.  Musteraufsätze;  e.  Beitr.  z.  Ehrenrettg. 
d.  latein.  Aufsatzes.  (Wissensch.  Beil.  z.  Progr.  d.  Kgl.  Gymn')  Danzig. 

(32  S.  4.) 

Krieg,  Ob.-Reg.-R  Prof.  Heinr.,  Lehrb.  d.  Stenograph.  Korrespondenz-  u 
Debattenschrift  [Stenograph.  Nationalschrift  u.  Parlamentsstenographie] 
nach  F.  X.  Gabelsbergers  System.  Für  Volks-  u.  höh.  Schulen  sowie 
f.  d.  Selbstunterr.  bearb.  19-21.  Aufl.  Dresden.  1890/91.  G.  Dietze. 
(VIII,  80  S.  16.)  1.50. 

—  —  Lehrb.  d.  Stenograph.  Korrespondenz-  u.  Debattenschrift.     Schlüssel. 

Uebertragg  d.  sämtl.  im  Lehrbuche  enthalt.  Aufgaben.  8.  Aufl.  ebd. 
1890.  (35  S.  gr.  8.)  -60. 

fiettfab.  f  b.  crft.  ftenograpf).  8d>reib= Unterricht  [@l)ft.  (Babelsberger].  2.  Muff. 

tbb.  1891.  (32  8.  gr.  8.)  -80. 

—  —  Stenograph.    Schreibeheft   m.   Vorschriften.     Hilfsmittel   z.  leicht,    u. 

schnell.  Erlern g.  d.  dtsch.  Stenographie  nach  F.  X.  Gabelsberger's 
System.  Ebd.  1.  Hft  15-16.  Aufl.  1890.  91.  (48  S.)  -60.  2.  Hft. 
10   A.    1891.   (S.  49-113.)    —90. 

—  —  Correspond enzblatt  d.  kgl.  stenogr.  Instituts  zu  Dresden.     37  bis 

38.  Jahrg.  ebd.  1890.  91.  (12  Nrn.  ä  1— Vl2  B.  gr.  4.)  baar  n.  4  — 

—  —  Echo.     Uebungsblatt  z.  Einführg.  in  d.  Stenograph.  Praxis.     Beiblatt 

z.  Correspondenz blatte  .  .  .  Jahrg.  1890.  91.  (12  Nrn.  a  */«  B-  gr-  8 ) 
ebd.  baar  n.  2.— 

—  —  Lesebibliothek,  stenographische.   Beiblatt  z.  Oorrespondenzblatte  . . . 

Jahrg.  1890.  91.  12  Nrn.  (l/a  B.  gr.  8.)  ebd.  baar  2.— 

Krieg,  Mart.,  üb.  Extrauteringravidität.  L-D.  Kgsbg.  (W.  Koch).  (35  S.  gr.  8.) 

baar  n.  —80. 
Stritt,   ©rief)   u.,   a.   SSeftpr.   (öut   93a(bau),   b.  fird)(.  SBaulaft  b.  $frttnbncr$  naef) 

gemein,  fatljol.  äird)enrecf)t.    3.=$     Berlin.    (83  8.  8.) 
Krieg,   Wolfg.  v.,  Referendar,  üb.  d.  Anspruch  d.  Pfandgläubigers  auf  d. 

Früchte  d.  verpfändet.  Sache  nach  röm.  Recht.  I.-D.  Kgsbg.  (44  S.  8.) 

Ebd.  (Koch.)  (41  S.  gr.  8.)  baar  1.— 
Kroemer,  Dr.  Dir.  d.  Provmz.-Irrenanstalt  in  Neustadt  W.  Pr ,  zur  patholog. 

Anatomie  d.  Chorea.     [Arch  f.  Psychiatrie  u.  Nervenkrank htn   33.  Bd. 

S.  538 --57.] 
Krage,   Carl,    Geh.  Reg.-R.  Dr.    (Danzig)    Rec.    [Zeitschr.  f.    d.  Gymnasial- 

Wesen  45.  Jahrg.  S.  45-51.] 
Kuckuck,  Paul,  a.  Petricken  i.  Ostpr.,  Beiträge  z.  Kenntnis    iaig.  Ectocarpus- 

Arten  d.  Kieler  Föhrde.    I.-D.    d    Univ.    Kiel.     (Sep  -Abdr.  d.  Botan. 

Centralblattes.    Bd.  48.  Hft.  40-44.)    Cassel.    (40  S   8.) 
Kohnert,  Ernst,  Rec.     [Götting.  gel.  Anzeigen  No   2.] 

Kummer,  Gnst.,  a  Elbing,  üb  Erschütterungsströme.  I.-D.  Greifswald.  (44S  8.) 
Lakowltz,  Dr.  (Danzig),    Betuloxylon    Geinitzii    nov.    sp.    und    die   fossilen 

Birkenhölzer.    Mit   Tabelle    u.   Taf.  I.     [Schritten    d.    naturf.    Ges.    i. 

Danz.  N.  F.  VII.  Bd   3.  Hft.  1890.  S.  25-32.]    Dr.  Franz  Carl  Hellwig. 

febd.  S.  177-185.] 


26  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

9anb0emetttfef*£)rbnttttft  f.   b.  7  öftf.  ^romnaen  b.  SMonard)ie.    £g*6g.    Wartung. 

(35  e.  gr  S.)     -.30. 
Saffelbe.    <S;rtra--8ei(.  $u  9fr.  19440  b.  Sandiger  3tg.   $anjig.  Äafcmann  (64  8.81 
Landmann«    üb.  die  Schweizer  Flora.    [Schriften  d.  naturf.  Ges.  in  Danzig. 

Bd.  VII.  Hft.  4.  S   20-22.] 
Lange,  Julias  (Neumark  i.  Westpr  \   zu   Caesars   bellum   gallicum.    (Neue 

l'ahrbb.  f.  philol.  u.  pädag.    143.  bd.    s.    199—208.   u.  Zusatz   v.  Ferd. 

Weck  (Motzt  S.  209.)    zu  Caesars  bellum  ciyile  [ebd.  s.  507—508.] 
Lange,  Reinhold,    e.  Fall   v.  Hernia   funiculi  umbilicalis  m.   Hydrocephalus 

u.  Gaumenspalte.     Dies.    Kgsbg.    Koch.      (19   8.    gr.    8.   m.    1   Taf.) 

baar  1.— 

Langend or AT,  Prof.  Dr.  O.,  physiol.  Graphik;  e.  Leitfad.  der  in  d.  Physio- 
logie gebräuchl.  Registrirmethoden.  Wien.  Deuticke.  (XIV,  316  S. 
gr.  8.  m.  249  Fig.)  9.— 

—  —  zur  Erklärung  des  Curare -Diabetes.  [Archiv  f.  Anat.  u,  Physiol. 
Physiol.  Abtheilg.  S.  476-479.]  e.  Glycerin Wirkung  febd.  S.  480—485] 
kleine  Mittheilungen  zur  Athmungslehre  (ebd.  S.  486—498]  d.  Be- 
ziehen d.  Nervenfasern  des  Halssympathicus  zu  d.  Ganglienzellen  des 
oberen  Halsknotens.     [Centralbl.  f.  Physiol.  Bd.  V.  S.  129  ff.] 

Laser,    H.,   (Koni gab.)  Rec.    [Hygienische   Randschau   hrsg.    v.  Fränkel  u. 

Esmarch.     I.  Jahrg.  No.  i.] 
Laserstein,  S.  fcand.  med),  Beiträge  z.  Kenntnis  des  elektrischen  Geschmacks. 

Nach    Versuchen    von    S.    Laserstein   .   .   .   mitgeth.    v.    L.    Hermann. 

[Pflüger's  Archiv  f.  d.  gesammte  Physiol.  49.  Bd.  S.  519— 538.  | 
Lassar-Cohn,  Privatdoc.  Dr.,   moderne  Chemie.     12  Vorträge,  vor  Aerzten, 

Hamburg.  Voss.  (VII,  166  S.  gr.  8.)  8.50. 

—  —  das  Spermin.  Zur  Richtigstellung.  [Dtsche  medic.  Wochenschr. 
17.  Jahrg.  Nr.  41.     S.   1151.] 

gaittfner,  (S(ara,  ftreifjeit,  bic  idj  meine.    [$ie  ©egenroart.    39.  ob    9?r.  21.  22.1  b. 

erften  38 cibenf öftren,  ©ft^c  [b.  SRagaain  f.  Sitt.  60. gafjrg.  «t.  40.  ©.  626-627.] 
Landon,  Dr.  (Elbing),  einige  Bemerkungen  üb.  d.  Processionsraupen  u.  die 

Aetiologie  der  Urticaria  endemica.     [Virchow's  Archiv  f.  pathol.  Anat. 

u.  Physiol.     Bd.  125.  Folge  XII.  Bd.  V.  S.  220-238  ] 
Laves,   Knrt   (Lyck),   Beiträge  z.   Bestimmung  u.  Verwertung  d.  Bewegung 

d.  Erde  um  den  Schwerpunkt  des  Systems  Erde-Mond     I.-D.    Berlin. 

(48  S.  8.) 

geftmantt,  Dr.  phil.  Bern&arb  [pjeub.:  $an3  SBiftulanu*]  (®nmn.sfief)r.  a.  $., 
©udifjänbf.  in  ^anfltg,  geb.  &n  Sanjig  24.  3)ec.  1851). 

ba$  Wu&i  SBiboä  u.  Serrara  „üb.  baS  3rf)i3ma  beS  fcilbebranbt"  ?c.  1878.  <V> 

(nadj  üiürfdmer) 

ftepetitorium  b.  alt.  ©efd)   im  «nfaVufj  an  SBelterS  fieijib.  b.  SBeltgefd).  2u 

Grone.  1880.  3te6artlj    (16  5.  gr.  8.)  —25. 

—  —  Gregor  VII  u.  Heinr  IV;  krit.  Beleuchtg.  d.  Schrift:  Heinr  IV.  u. 
Gregor  VII.  v.  Wilh.  Marrens,  Von  Hans  Wistulanus.  Danzig 
iaS8.     Dr.  B.  Lehmann'sche  Bchh    (63  S.  8)  l.— 

Gesch.    d.    Stadt    Danzig.    Ehd     1891.    (98  S    12.)  1-   wird  nachträgt. 

(IM' 2)  der  Sammig:  „Wesfpreuß    Heimat  etc"  ah  Nr.  1  eingereiht 

?ef)mann,  9fr    Dr.   (5 .  b.  (Vfötterbämmerung  in  b   norbtfcften  fltytyotogie.    2  Hujl. 

Äo*6g.  »on.  (43  3.  8)  -8(>;  geb    1*80. 
Lehiierdt,  M.  (Königs*«  ),  Rec.  [Berli  er  philol  Wochenschr.   P.  Jahrg.  Nu  22.j 
9el)rer*3ctttinß  f.  Cft=   u.  2öeftöreufcen.     JReb    ü   fieftv.  einer   SBeSfe.     22.  3aW 
\  ftaebg.  Greife  &  Urtier.  (52  Wrn.  08.)  gr.  4)  merteij.  n.  n.  1.60. 

i  Weimer,  ftavi,  £ir.  b.  fionjeroat.,  fur^cr  üeitfab  f.  D  erft.  Älamer-Unterridit  f  £laoier= 

i  2tl)\zx  u   Öetirerinnen  ....  iieipfltg.    9tter|eburger.    (46  58)     —.75 

j  Lemke,  Frl.  E.,  berichtet  aus  Rombit ten   üb.  die  ostpr.  Lippowaner  (Philip- 

i  ponenj   (entnommen  der  Mohrunger  Kreis-Ztg.  No.  48)    [Verhalgn.  d. 


< 


:  i 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  27 

Berlin.  Ges.  f.  Anthrop.,  Ethnol.  u  ürgesch.  Stzg.  v.  30.  Mai.  S.  434— 435.] 
üb.  Bandweben  in  Ostpr.  febd.  S.  4S5]  üb.  Wohnhaus,  ohne  Schorn- 
stein in  Pommern  u.  Westpr  [ebd.  Stzg.  v.  17.  Oct.  S.  725]  berichtet 
aus  New-York  üb.  durchlochte  Nadein  ans  Kalifornien,  [ebd.  Stzg. 
v.  19.  Dec.  S.  881-883.] 

8eti>e<!,  9*.  (®erid)t^9lfjefjor  in  %36g\  Sie  9Ubeiter»£ranfenüeifid)crung  nad)  $eutftf)em 
9*eid)Ärecf)t  [flnnalen  b.  keiUjd).  Meic&S  f.  ©efc^gbfj.,  ^ertoaltg.  u.  Statiftif. 
23.  gafjrg.  @.  101-172.J 

Leyden,  Verhandlungen  des  Congresses  f.  inn.  Medicin.  Hrsg.  v.  DD.  Geh. 
•  Med.  R.  Prof  E.  Leyden  u.  E.  Pfeiffer.  Wiesbaden.  Bergmann. 
(XLIII,  527  S.  gr.  8.  m.  48  Abbildgn.)  10.- 

—  —  Eröffnungsrede   [Verhdlgn.    d.   10.  Congr.  f.  inn.  Med.  S.  1—14.]  kli- 

nische Erfahrgn.  üb.  d.  diagnostische  Bedeutg  der  Kochschen  Lymphe. 
Vortr.  [Berl.  klinische  Wochenschr.  28.  Jahrg.  No.  12.  13.]  üb.  d. 
Koch'sche  Heilverfahren.  [Dtsch.  medic.  Wochenschr.  No.  11.  S.  478 
bis  479.]  üb.  eosinophile  Zellen  aus  dem  Sputum  von  Bronchialasthma; 
[ebd.  No.  38.  S.  1085-1086.]  üb.  acute  Ataxie.  [Ztschr.  f.  klin  Medicin 
XVII.  Bd.  S.  576-687.]  Heinrich  Jacobson  f  lebd.  XVIII.  Bd. 
5  u.  6.  HftJ 
Lieh th ei m f  Med.-K.  Prof.  Dr.,  d.  Koch'sche  Heilverfahren.  Vortr.  [Dtsche 
medic.  Wochenschr.  17.  Jahrg.  No.  7.  S.  273—278.] 

Liebert,  Martin  (Marien  wer  der),  Beiträge  zur  Kenntniss  der  sogen.  Vanadin- 
Molybdansäure.    I.-D.    Halle.    (55  S.  8.  m.  1  Tabelle.) 

Liebreich,  Ose.  u.  Alex.,  Langgaard,  DD.,  Compendium  der  Arzneiverordnung; 
nach  d.  Arzneibuch  f.  d.  Deutsche  Reich  u.  d.  neuest,  fremd.  Pharma- 
copoeen.  3.  vollstg.  umgearb.  Aufl.  Berlin.  Fischer.  (1.  Hälfte. 
288  S.  gr.  8.)    10.- 

—  —  Ueber  Fette.    (7  S.  gr.  4.)   [Festschrift  zu  Virchov/s  71.  Geburtstage 

gewidm [Berlin.    Reimer.] 

—  —  Therapeut.   Monatshefte,      hrsg.  5.  Jahrg.     12  Hfte.    hoch  4.     Berlin. 

Springer.     12.— 

—  —  d.  Möglichkeit  der  Tuberculosen fection  durch Tättowierung.  (Therapeut. 

Monatshfte.  Sonderheft.]  d.  Wirkg.  der  cantharidinsauren  Salze, 
[ebd.  März  auch  Naturwissenschaf tl.  Wochenschrift.  6.  Bd.  No.  12.] 
Einfluß  der  Cantharidin säure  auf  den  Lupus  erkannt  durch  e.  neue 
Beleuchtungsmethode  [ebd.  Juni  ]  Betrachtungen  üb.  d.  physikal. 
Eigenschaft  der  Schwimmblase  der  Fische.  [Naturwissenschaft!  Rund- 
schau 6.  Jahrg.  No  16.J  üb.  hydraulische  Versuche  zur  Erklärung 
d.  todten  Raumes  bei  chemisch.  Reactioneu  [Verhdlgn.  d.  physikal. 
Gesellsch. zu  Berlin.  Jahrg.  10.  S.  1—4.]  Demonstration  d  therapeutischen 
Beeinflussung  d.  Lupus  durch  Cantharidinsäure.  [Berl.  klinische 
Wochenschritt.  28.  Jahrg.  S  457—459]  dritte  Abhandlung  über  den 
toten  Raum  bei  chemischen  Reaktionen  (Mit  21  Textfiguren)  [Ztschrft 
f.  physikal.  Chemie  VIII.  Bd.  S.  83— IÖ4.]  d.  therapeut.  Einwirkung 
des  cantharidinsauren  Kali  auf  d.  Lupus.  [Allgem.  Wiener  medic. 
Ztg.  No.  24  j 

„$q3   Öiebreidjfdje  §eifoerfaf)ien"   (mit  ßiebreidja  ?ortr.).    [üeity;.  ifluftr. 

3tg.  flr.  2488.] 

Liek,  Gust.,   b.   Stabt   fiöbau  m.  93erücf|.  b   Sanbeö  2öbau.    3.  £ft.   (27.  fcft.  b. 

Rtftf>.  b.  tyft   Vereins  f.  b.  9?cfl.=33c(v  SKavtenng.    SHariemu.  ©öfjnfc.  (3.  257 

bi*  384.)    1.20. 
Liepmann,    Moritz     (aus    Danzig") :    d.  Entstehung  d.  Schuldbegriffs.  Jenaer 

I.-D.    Danzig.     Kafemanu.     (32  S.  8.) 
Lindemann,  F.,  Rede,  geh.  am  Sarge  Tischler's  in  dessen  Garten  am  21.  Juni. 

(Sonderdr.)   Königsb.    Koch.    (II,  14  S.  gr.  4.)  —60. 
Link,  Adolf  (Kgsbg.)   Rec.    [Theol.  Litteraturztg.  No.  9.] 


28  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

Lippert,  Jul.  (Stannaitschen),  de  epistula  pseudaristotelica  ntQi  ßaaü.ti'as 
commentatio.     I.-D.     Halis  Saxon.     (40  S.  gr.  8.) 

Llssauer,  Dr.,  Gesichtsurnen  von  Liebschau,  Kr.  Dirschau,  Westpr.  [Nach- 
richten üb.  deutsche  Alterthumsfunde.  Erg.-Bll.  z.  Ztscbr.  f.  EthnoL 
2.  Jg.  S.  79—80.]  Heinrich  Schliemann.  Gedächtnißrede  (Schriften 
d.  naturf.  Ge8    in  Danz.     N.  F.     VII.  Bd.    Hft.  4.   S.  210-222.] 

Ltthr,  Dr.  Max,  d.  Klagelieder  d.  Jeremias,  erklärt.  Götting.  Vandenhoeck 
n.  Ruprecht.     (101  8.  Lex.  8.)     8.— 

Lölir,  P.,  Beitrag  z.  Bändig,  d.  Otitis  media  purulenta.  Diss.  Königab. 
Koch      (27  S.  gr.  8.)  baar  n.  —60. 

Löwenberg.  Alex  .  Beitrag  z.  Behdlng.  der  eitrigen  Mittelohr-Entzündung 
m.  Berücksicht.  der  Bakteriologie  des  Ohreiters  Diss.  Königsb.  Koch. 
(46  8.  gr.  8    -)  baar  n.  1.— 

8*etti,  93abcttc  (pfeubon.  18   frenui  \  Äafdifa.    rSonntagSbl.  %c.  12.] 

am  toodueitStage     Mooette     [ebb.  ftr.  27—32.] 

glieberbitfr.     fianj.  8tg.  »eil.  *.  Wx    18902  | 

8ol)meUer,  $rof  Dr.  Gart,  Litauen,  ®efäid)te  [Igrfdi  u.  ©ruber,  ©ncnffoDabie  b. 
©iffenfrf)  u.  fünfte  2.  Sect.  44.  X$l.  8.  100—105;  roieb  abgebr.  in:  SRigaföe 
Stabtblätt  ftr.  25.  26.1 

3eitfd)rijtenfdjau  u.  ^ücberrecenftonen  au3  b.  3-  1890  (9Utpr.  betr.)  [gtrcfdjunaen 

*  branbenb.  u.  preuft.  ©efd).  IV.  $b.  2.  |>älfte.  8  309-328]  c.  ©eridjt 
üb.  SRefte  lettifd)  .fieibentumfc,  [Mitteilungen  d.  Litauischen  litter  Gesellsch. 
Bd.  III.  (16.  Hft.)  S.  «84-896]  Rec  [Lit.  Centralbl.  No.  17.  18.  19. 
48.  49.  51.  Altpr.  Mon.  8.  149—151.  3tf(f>r.  b.  fjtft.  ®ej-  f-  b.  $roto.  $ofen. 
6.  3g.  8.  234-248.    fctftor.  3tf«r.    %   g.  31.  $b.  8   813-318.] 

Loren x,  Dr.  Rud.,  Lnther's  Einfluß  auf  d.  Entwickelung  d.  evangel.  Kirchen- 
regimentes in  Deutschland.     (Gymn.-Progr.)     Gumbinnen  (27  S    4.) 

Lossen,  W.  u.  Dr.  A.  Köhler,  üb.  d.  Verseifung  von  Estern  mehrbasischer 
Säuren.  [Liebig's  Annalen  d.  Chemie  Bd.  262.  8.  196—219.]  Mit- 
theilungen aus  d.  chemischen  Institut  d.  Univers.  Königsberg:  über 
Tetrazoteäuren,  Oxy-  u.  Dioxytetrazot säuren  [ebd.  263.  Bd  S  78  —  1081. 
Zur  Kenntniß  d.  Amidine  [ebd.  265.  Bd.  S.  129—178].  Aus  dem  chemi- 
schen Laboratorium  d.  Univers.  Königsb.  Krystallographisch-chemiscbe 
Beobachtungen,  [ebd.  2  6.  Bd.  S.  30—52.]  üb.  d.  Zersetzung  d.  Brenz- 
weinsäure  beim  Erhitzen  auf  höhere  Temperatur,  [ebd.  266.  Bd. 
S.  264-266.] 

Lüdwich,  Arth.,  Homeri  Carmina  rec.  et  selecta  lectionis  varietate  instruxit. 
Vol.  prius.  Pars.  IL  Odyssea  Vol.  2.  Lipsiae.  Teubner.  (X,  860  S. 
gr.  8.)     8.— 

—  —  Hymnus  homericus  Mercurii  ab  A.  Lud  wich  germanice  versus  prae- 

missis  lectionibus  ex  codice  Leidensi  excerptis.  Kgsb.  Schubert  u. 
Seidel.    [Index  lertion.  in  aest.  a.  1891.]    (38  S.  gr.  4.)   baar  n.  n.  —.20. 

—  —  Moschopuli  in  Batrachomvomachiam  commentarii  pars  II     [Index  lect 

p.  hiem.  a.  1891/92  ]     eb<J    ('26  S.  gr.  4 )    baar  (a)  n.  —.20. 

—  —  Zu    Aeschylos    Eumeniden    j  Rheinisches    Museum    f.    Philol.     46.  Bd. 

S.  139-144]  Moschopulos' Commentar  zur  Batrachomyomachia.  [Ber- 
liner philol.  Wochenschr.  11.  Jahrg.  No.  24.  Sp.  740.1  Antwort.  [ebd. 
No.  25 1  Berichtigung  [ebd.  No.  25J.  Entgegnung  [eod.  No.  34J.  Kec 
[ebd.  No.  7.  10.  26.  45.  46.  47.] 

Luke,    Gvmn.-Lehr.    Heinr.,    d.  Aussprache    des  Englischen    in    tabellarisch. 

Uebei  sieht.     II.  Teil.     iGymn.-Prog.)     Conitz.     ^8.  3-28.    4°.) 
Luerssen,  Rec.    [Sit.  Gcntrolbl.  26.  28-33.  43.  46.  47.  49.] 
Liitzow,    botanische  Excursionen  im  J.  1889.      [Schriften   d.    naturf.  Ges.  i. 

Danzig     N.  F.     Bd.  VII.     Hft.  4.     S.  81-33.1 
gitUtc$,  (>Mmui  =Üetjr.  Dr.  £>.,  Sanbeefunbe  uon  £ft=  u.  Söeftpreujjen.    «Breslau.  §trt. 

\fiö  8.  gr.  8.  m.  2  Äart.  u.  9lbbilbgn.)    fart.  —.50. 


Altpreußische  Bibliographie  für  18dl.  2d 

Mallteon,  G.,  e.  Fall  von  traumatischer  Reflexpsychoae.   I.-D.    Kbg.   (Koch). 

(25  S.  gr.  8.)  baar  n  —.80. 
SWantraajja,  frof.  $ou(r  bie  §ngiene  b.  fcaut.    ÄgSbg.   SWafr.    (114  9.  8.)  1.— 

—  —  S)ic  fcttgiene  bcr  ©inne.    ®bb.    (124  ©.  8.)  L— 

—  —  3)ic  ©ügiene  bcr  inneren  Organe.    @bb.    (1  7  @.  8.)    1.— 

SRarau»,   SBürgerm.  a.  2).  2B.,  u>a8  muft  id)   nrifien,   um  mid)  uor  ju  fjoljer  (Sin* 

fdjäfcung  ^ur  (Smtommenfteuer  u.  uor  (Strafe  &u  bewahren?    53erl.  Hamburg. 

Sruer  &  CSo     (56  S.  «.  8.)    fart.  -.60. 
Marold,  K.  Rec.  [Anzeiger  f.  dtsch.  alterth.  u.  dt.  litt.  XVII,  2.    s.  116—121. 

DLZ.    Nr.  28.1 
Martens,    Regens  a.  D.  Dr.  Wilh.,   war  Gregor  VII.  Mönch?      Beleuchtung 

der   diese   Frage   bejahend,    herrschend.    Meinung.     (Als  Msc.   gedr.) 

Danzig.     Homann.     (52  S.  gr.  8.)     —.65. 
Martltz,  Rec.  [Arch.  f.  öffentl.  Recht,     VI.  Bd.    S.  474-478.] 
SHafuren,   Wu3.     [SWg.  @t>ang.*£utf)erif#e  ftirdjen^ettg.    9?r.    15.    ©p.  361.J    $ur 

fflbioefjr  üon  ©uperint.  $er&  in  Sendburg  i.  Oftpr  u.  Antwort  beö  Referenten 

in  Er.  .5.    \tbb.  9hr.  19.    6p.  454-57.    457-58] 
Masurke,  Ä.,  vier  Falle  von  Ischias  scoliotica.    Diss.    Kbg.  i.  Pr.     (Koch) 

(47  S.  gr.  8.)  baar  n.  -80. 
Matthias,  F.,  ab.  graphische  Darstellung  d.  Actionsströme  des  Muskels,  bes. 

am  lebenden  Menschen.    Diss.  .  Kgb.  i.  Pr.    (Koch.)    (34  S.  gr.  8.  m. 

2  Tai.)  baar  n.  1.— 
Matzat,  H.,  (Weilburg),  Entwurf  e.  neu.  Schulordnung  für  d.  preuß.  Land- 

wirthschaftsschulen.     [Landwirthschaftl.    Jahrbb.    XX.    Bd.     Hft.    1. 

8.  209—234.]    Auch  sep.:  Berlin,  Parey.     (28  S.  Lex.  8)  1.— 
Rec.    [DLZ.  20  33.  38.J 

Meifert,  Carolus  Aug.  (Boruss.  Occid .),  de  Sophoclis  codieibus.    I.-D.    Halis 

Saxonum.     (74  S    1  Bl.  8.) 
SWelobiecn  ju  ben  00  Äird)en«ebern  u.  12  geiftf.  Solfäüebern  f.  b.  Sd)ule.    (40  ©. 

Äönigebg.  i.  $r.    Wartung.)  —25. 

Meschede,  Prof.  Franz  (Kgsbg.),  üb.  d.  den  paralyt.  Anfallen  zu  Grunde 
liegend,  pathol.-anatom.  Verändergn.  [Virchow's  Arch.  f.  patholog. 
Anat.  u.  Physiol.  Bd.  124.  Hft.  2.  S.  377-382.]  üb.  hysteriforme  An- 
fälle im  Verlaufe  d.  paralyt.  Geistesstörung.  [Vhdlgn.  d.  Ges.  dtsch. 
Natforsch.  u.  Aerzte.  63.  Vslg.  zu  Bremen.  2.  Thl.  Leipzig.  S.  342 
bis  345.J  Simulation  von  Geistesstörung  seitens  e.  Strafgefangenen. 
Entmündigung  desselben.  Motivirtes  Gutachten  behufs  Wiederauf- 
hebung d.  Entmündigung.  [Vierteljhrsschr.  f.  gerichtl.  Med.  3.  F. 
IL  Bd.  I.  Hft.  S.  74-96.]  (mit  Hoettmann  u.  A.)  üb.  d.  Koch'sche 
Heilverfahren  geg  Tuberculose.  (A.  d.  Verein  f.  wies.  Heilkde.  z. 
Kbg.  i.  Pr.)  [Dtsche.  medic.  Wochenschr.  Nr.  10.  S.  383—385.  No.  11. 
S.  422-423.| 

SRetyey,  CberlanbeSger.  3?.  §.  (9Rarienrocrber)  üb.  b.  benj  $inbtfanten  obüegenben 
Beweis.  [9lrd|.  f.  b.  ctmlift.  ?™ri3.  77.  SBb  (SR.  ft.  27.  53b.)  2.  u.  3.  §ft. 
©.  364- 373. J  b.  3ufrf)iebung  u.  ßnrücffrfjicbung  e.  (Sibeä  an  c.  Tritten. 
[Seitr.  *.  (Srläutrg.  b.  btjd).  5Re«t$.  4.  ft.  5.  3g.  4.  u.  5.  ftft  S.  006-616.] 
Zwangsvollstreckg.  zur  Erwirkg.  von  Unterlassungen.  [Ztschr.  f. 
dtsch.  Civilprozess.  Bd.  XV.  S.  477— 4(*2.J  üb.  d.  Reihenfolge  für  d. 
Meinungsäusserung  d.  Richter  bei  d  Berathung.  [ebd.  Bd.  XVI. 
S.  130-138.] 

Michelson,  P.,  u.  J.  Mikulicz,  Atlas  der  Krankhtn.  der  Mund-  u.  Rachen- 
höhle. 1.  Hälfte.  Berlin.  Hirschwald.  (VIII,  76  S.  Lex.  8.  m.  22  färb. 
Taf.)  40.- 

—  —  üb.  d.   Vorhandensein  von  Geschmacksempfindg.  im  Kehlkopf.    (Vir- 

chow's  Archiv  f.  pathol.  Anat.  u.  Physiol.     Bd.  123    S.  389-401.]  üb. 
drei   nach    Koch's    Methode   erfolgreich   behandelte  Fälle  von  Tuber- 


30  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

culose  d.   Schleimhäute  d.  oberen  Luftwege.    Vortr.     [Dtsche.  medic. 

Wochenschr.     17.  Jg.  No.  21.  S.  717-720.] 
Mtehlkc,  Lehr.  Ad.  (Graudenz),  d.  Gesch.  unserer  Sprachlaute  u.  Orthographie 

in  kurz.  Abriss  dargest.     (III.  Jahresber.  d.  höh.  Bürgersch.  zu  Grau- 
denz.)    Graudenz.  Röthe.     (S.  1—39.  4°.) 
Miclke,  Geo.,   (aus  Stargardt  i.  Pr.),   anatom.  u.  physiolog.  Beobachtgn.  an 

d.  Blättern  einiger  Eucalyptus- Arien.     Mit  1  Taf.  Abbildgo.  Jen.  I.-D. 

(Aus   dem   Jahrb.   d.    Haiti  burgischen   Wissenschaftl.    Anstalten  IX.  i 

Hamburg.  (27  S.  gr.  8.) 
Migge,    Max,    üb.    Nasen  rächen polypen    u.    ihre    Behdlg.    ohne   Präliminar- 

Operation.     I.-D     Kgsbg.     Koch.     (32  S.  8.)     —.80. 
9Ri(Sr*$rr*b0rff'  $..   ftammer  u   $f(ug,  e.  öficrveicf).  3>orfgefd)i<fcte.    Stangig.    &xn 

ftorff.     (226  S.  ar.  8)    8.—    geb.  4.— 
Minkowski,  H.,  The*orenies  arithmetiques.    Extrait  d'une  lettre  a  M.  Hermite. 

[Comptes   rendus    hebdomadaires    ä    s^ances   de   PAcad.    des  sciences. 

T.  CXII.     No.  4.     S.  209-212.J    üb.   d.    positiv,  quadratisch.  Formen 

u.    üb     kettenbruchähnl.    Algorithmen.      [Journ.   f.  d.  reine  u.  angew. 

Mathem.     Bd.  107.     S.  278  —  297.]     Beweis,    dass  jede   Discriminante 

eine  von  Eins  verschied.  Zahl  ist.    [Vhdlgn.  d.  Ges.  deutsch.  Natforsch. 

u.  Aerzte.     63.  Välg.  zu  Bremen      II.  Theil.     Leipzig.     S.  13.] 
Minnich,    Walt.,    üb.  e.   Fall    perniciöser   progressiver   Anämie   m.   leichten 

Spinal  -  Symptomen   u.    anatom.  Verändergn.    im  Rückenmark.      Diss. 

Kgsbg.  Pr.     (Koch.)     (44  S.  gr.  8.)     1.— 
äRirbad)  *  Sorqmtten,   3ttitgf.  b.  SReidjSt ,   ($raf  u.f   roäfjnmgäpofitifdje  SBetradjtungen. 

Berlin.    SBalt&er  &  Wpolant'3  »erl     (  6  ©.  gr.  8.)*    -  50. 
9Rittftetliuiftttt  b.  lüeftpr.  &if*erci herein«.    SReb.  Dr.  Seügo     3.  ob.     1890-91. 

ca.  12.  Mnt.    2er.  8.    («r.  1—10.     168  u.   47  <5.   m.    %ah.,   «bbilbgn.   u. 

1  Äart.)    $an$ig.    Saunier  in  ©omni.    8.— 
Mittheilongen   der   litauisch.  -  litterarisch.    Gesellschaft.      16.   Hft.      (III,   4.) 

(S.  311— 424.)     Heidelberg.     Winter,     baar  2  40 
Moniber,  A.,  Daniel  Gabriel  Fahrenheit,  sein  Leb.  u.  Wirken.    Mit  Taf.  III. 

[Schriften    d.    naturf.    Ges.    i.    Danzig.       N.    F.       Bd.    VII.       HfL   3. 

5.  108-139.    Gaea  27.  Jg.    4.  Hit.     S   230-238.] 
Monatsschrift,    altpreußische,   28.  Bd.     [Der  pr.  Prov.-Bl.  94.  Bd.]    Kgsbg. 

Beyer.     (IV,  696  S.  gr.  8)  baar  n.  10.— 
Mosse,  Oberlande  <gerichtsrath  Dr.  (Kgsbg.)     Rec      [DLZ.  No.  44] 
Müller,    Paul    (aus  Legitten   Ost-Pr.)    üb.    Stickstonaufuahme  u.  Stickstoff- 
ausscheidung bei  chronischer  Nephritis.     I.-D.    Berlin  (32  S.  8.) 
Müller,  Dr.  P.  A.    (aus  Ostpr.),   üb.  die  Variationen  des  Erdmagnetismus  in 
St.  Petersburg  u.  Pawiowsk  1873—1885.  St.  Petersburg  1889.    (67  S.4. 
m.  3  Curven-Taf.)     [Repertorium  f.  Meteorologie  hrsg.  v.  d.  ksl.  Akad. 
d.  Wiss     Bd.  XII.    No.  8.J     die   Beobachtungen    der   Inclination    im 
Observatorium  zu  Katari nen bürg  von  1837—1885.    St  Petersburg  1889. 
(28  S.  4.)    [ebd.  No.  12.] 
SRitlfcerftcbt  ©.  91.  u.,   StaatSorc&toar  u.  ©et).  *lrc$torat{)  ju  Waabeburg,  c.  atueite* 
05efd)led)t  nou  S3ünau  u.  (£troa§  über  S&appen  Sariirungen.    |3)cr  btfeftc.  §erotb 
XXII.    ftr.  7  u.  8.    3.  98-104  m    1.  Saf.]    c.  berfäott.  Abetögcjdjletft  b. 
Cberfaufifc  in  Vreufeen  fr.  ßolbifo):  nebft  einig,  ©ebanf.  üb.  b.  Nationalität  alter 
oberlaufifr.  Abel3gefd)(ed)ter.    [ÜHeueS  Saufifr.  Magazin.  67.  »b.  ©.  147  bis  152.) 
Münsterberg,  Dr.  Emil  (Bärgermeist.  in  Iserlohn,  geb.  zu  Danzig  13.  Juli  1855 1, 
—  —  die   deutsche   Armengesetzgebung    u.    das   Material   zu    ihr.    Reform. 
(XXVI,  570  S.  gr.  8.)   [Staats-  u.  socialw.  Forschgn.  hrsg.  v.  G.  Schmoller. 

6.  Bd.     4.  Hft.     Leipz.  1886.]     12.- 

$a3  Sanbarmenroefen;   im  Auftr.   b.   btjd).  Vereins  f.  Armenpflege  u.  S8o^ 

tl)ätigf  .  .  .  bearb.  ».  ?tmt$ritf)ter  Dr.  GmU  SRünfterberg.  [Stritten  b. 
btfd).  «erein«  f.  Armenpflege  u.  3öot)ltt)äHgf.  10.  $ft  ]  Spj  1890.  Wunder  & 
§umbiot.    (XIU,  250  ©.  gr.  8 )    6.- 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  3l 

Mfinsterberg,  Hugo,  Dr.  phil.  et  med.,  Privatdoz.  in  Freiburg  i.  B.,  seit 
Sommer  1892  auf  3  Jahre  beurl.  als  Prof.  d.  experimentellen  Psychol. 
an  d.  Harvard  -  Uni versit.  in  Cambridge  (Mass.),  geb.  zu  Danzig 
1.  Juni  1863) 

—  —  Studentenpflicht  u.  Studentenrecht;  e.  Wort  an  d.  deutsche  Studenten- 

schaft. Leipz.  1883  (Kössling'sche  Bchh.)  G.  Wolf.  (23  S.  gr.  8.)  -  50. 
[Zeitbewegende  Fragen  III.]  . . .  2.  (Titel-) Aufl.  Leipz.  1890.  Levien  —.25. 

—  —  d.  Lehre  v.  d.  natürl.  Anpassung  in  ihr.  Entwickelung,    Anwendg.  u. 

Bedeutg.    Leipz.  1887.    Fock.     (114  S.  gr.  8.)     1.80. 

die  Willenshandlung.    Habilitationsschrift.    Freiburg  i.  B.    1888.    (2  Bl. 

65  S.  gr.  8.) 

—  —  die  Wülenshdlg. ;    e.    Beitrag   z.    physiolog.    Psychologie.     Ebd.   1888. 

Mohr.    (VII,  163  S.  gr.  8.)    4.- 

—  —  Beiträge  zur  experimentellen  Psychologie.     1.  Hft.    Ebd.  1889.    (XU, 

188  S.  gr.  8.)    4.-    2.  Hft.     1889.     (III,  224  S.)    4.-    3.  Hft.     1890. 
Neue  Grundlegung  der  Psychophysik.     (III,  122  S.)    3.— 
der  Ursprung  der  Sittlichkeit.    Ebd.     1889.     (III,   120  S.  gr.  8.)     3.- 

—  —  Gedankenübertragung.     Vortrag.     (Aus:    „Beichte  d.  naturf.  Ges.  zu 

Freib.  i.  B.]    ebd.  1889.     (IV,  23  S.  gr.  8.)     -.80. 

—  —  üb.  Aufgaben  u.  Methoden  der  Psychologie.     (182  S.  gr.  8.)     [Schriften 

d.  Ges.  f.  psychol.  Forschg.     2.  Hft.     Leipz.     1891.     A.  Abel.J     6.— 
Mttttrich,    Prof.  Dr.  A.,    üb.  d.  Einfluss  des  Waldes  auf  d.  period.  Verände- 

rungn.  d.  Lufttemperatur.  [Meteorol.  Zeitschr.  8.  Jg.  Hft.  2.  S.  41  —  61.] 
#a$cetitee*3tcfe,   (Sfara   (ÄönigSb.)    Sftaä)  bem  fernen  Often.    2Weine  erfte  Seereife. 

(9Rtt  Slbbilbgn.)    [9(u3  allen  ^öeittrjcüen.    22.  3qE)vcj.   §ft.  1.  2.  3.  6.J    2ebtn 

in  3aj>an  |ebb.  $ft.  8.  9.  11  m.  Slbbübcut.] 
»atf|,   föeg.s  u.  2Rebic=SR.  $r.  9i.,    werter  ©eneraUSSer.  üb.  b.  öffentl.  ©efunbfjeitS-- 

luejen   im   sJ?eg.=58ej.   ÄönigSberg   f.   b.  Sa^re   1886-88  erftattet.     ßönigSb. 

®räfe  u   Unser.     (V,  236  @.  gr.  8.)  3.- 
Naanyn.     Archiv  f.  experimentelle  Pathol.  u.  Pharmakol.  .  .     Red.  v.  Proff. 

DD.    B.    Naunyn  u.  O.  Sohmiedeberg.    28.  u.  29.  Bd.  a  6  Hfte   gr.  8. 

Lpz.     Vogel,    ä  15.— 

—  —  Referat  üb.    d.  Gallensteinkrankheiten.    [Vhdlgn.    d.    10.  Congress.    f. 

innere  Medic.    Wiesbad.    S.  17—38.]    Bericht  üb.  d   mit  d.  Koch'schen 

Heilverfahren   auf  d.    medic.    Klinik  zu  Strassburg  erzielten  Erfolge. 

Vortrag.     [Dtsche.  medic.  Wochenschr.     17.  Jahrg.     No    9.J 
Nauirerck,  Prot.  Dr.  Goelest.,  Sectionstechnik  f.  Studireude  u.  Aerzte.    Jena. 

Fischer  (V,  127  S.  Lex   8.  m.  41  Abbildgn.)    2  50. 
üb.  d.  Koch'sche  Heilverf.   geg.  Tu  bereu  lose.     Vortr.     [Dtsche.  medic. 

Wochenschr.  No.  13.] 
Neigger,  Dr.  Ernst,  casuistische  Mittheilungen     [ebd.  No.  21.] 
Neuenborn,  Rob.,  Beiträge  z.  Histologie  der  Larynxpolypen.    Diss.    Königsb. 

Koch.    32  S.  gr.  8)  baar  n.  —.80. 
Neuhans,    Oberl.    Otto,    d.    Quellen   des   Trogus  Pompeius    in    der  persisch. 

Gesch     IV    Teil.   (Progr.  des  Hohensteiner  Gymn.)   Osterode.   (25  S.  4.) 
Nenmann,  C.,   üb.  e.  eigenthüml.  Fall  elektrodynamischer  Induction.    Leipz. 

Hirzel.     (84  S.  Lex.  8.  m.  1  Holzschn.)  3.— 

—  —  Bemerkungen  z.  mechan.  Theorie  der  Wärme.    Mit  5  Holzschn.    [Ber. 

üb.  d.  Vhdlgn.  d.  k.  sächs.  Ges.  d.  W.  zu  Leipz.  Mathem.-phys.  Cl. 
I.    S.  75-156.) 

Neuiuann,  Josef  (Barkenfelde  W.-Pr),  d.  Salicylsulfonsäure  in  bezug  auf 
ihren  Wert  als  Eiweissreagens,  ihre  physiolog.  u.  antisept.  Eigen- 
schaften     I.D.     Berlin.     (17  S.  8.) 

Neumark,  Philipp  (Loebau),  üb.  tubaren  Abort.     I.-D.     Berlin.     (32  S.  8) 

Nickel,  Paul  (Elbing),  zur  Pathogenese  d.  sogen,  syphilit.  Mastdarm-Geschwüre. 
I.-D.    Greilsw.    (32  S.  8) 

Nieteki,  Prof.  Dr.,  Rec.    [DLZ.  No.  37.] 


32  Altpreuflische  Bibliographie  für  1891. 

Oergel,  Emil  (Ostpr.)  casuist.  Beitrag  zur  Pathologie  u.  Therapie  d.  Perfora- 

tionsperitonitis  nach  ulcu9  ventriculi.     I.-D.    Greifsw.     (32  S.  8.) 

Ohlert,  K.,  Rec.  [Berliner  philol  Wochen-chr.     11.  Jahrg.    No.  28.] 

©fclri*,  §anä,  baS  3ubiläum.  Stfaufeief  in  4  Sitten.  Bresben.  $ierfon.  (76  6.  8.)  1.— 

Oppenheim,    Berth.,    die   syrische  Uebersetzung  des  5.  Baches  der  Psalmen 

[Psalm  107  —  150]    u.    ihr  Verhältnis    zu    dem  massoretischen  Texte  u. 

den  älte8t.  Uebersetzungen  .  .  .    Diss.   Leipz.   (Königsb.  Koch.)   (70  S. 

fr.  8.)     baar  n.  1.— 
,    Prof   Dr.  Henr.,    de  gennino   spiritalis   animarum  cibi  eucharistici 
sensu  commentatio.    Brunsbergae.     (14  S.  gr.  4°.) 

Panzer,  fflec.  [3t)bci'd  &ift.  Stfcftr.    9?.  ft.    31.  »b     @.  139-140.] 

Passarge,  L.,  Eenrik  Ibsen;  e.  Beitrag  zur  neuest.  Gesch.  d.  norweg.  National- 
litteratur.   MitPortr.  u.  Facsim.  Lpz.  Elischer.   (4  BL,  310  S.  gr.  8.)  3.— 

$id)timgen  bon  Oäroalb  u.  SBolfenftein  [  367— 1 445]   überf.  etngelett.  li.  erfl. 

(168  ©.  gr.  16).  [Unn>erfai«93ibliotf)et  Wx.  2839-2840.  Seip^ig.  Kecfam.] 
geb.  — AO. 

Passarge,  Dr.  Siegfr.  (Jena),  das  Roth  im  östl.  Thüringen.  [Jenaische 
Ztschr.  f.  Naturwissensch  ...  26.  Bd.  N.  F.  19.  Bd.  S.  1-88J  zu- 
gleich als  I.-D.     Jena.     Gust.  Fischer. 

Pawlowski,  Hauptlehr.  J.  N.,  Schul- Wand  karte  v.  Westpreussen,  nach  der 
Generalstabs-Karte  entworf.  u.  gez.  2.  verb.  Aufl.  m.  d.  neuen  Kreis- 
einteilung 1:200,000.  6  Bl.  Farbendr.  63,5  X  48  cm.  Danzig-Kafe- 
mann.     7.50,  auf  Leinw.  12.50. 

Perlbach,  Dr   M.,    Rec.  [Centralbi.  f.  Bibliothekswesen   8.  Jahrg.  S.  52-53. 

127—130.  502-504.  Kwartalnik  historyczny.  V.  S.  876-881.  DLZ.  10/ 
Peters,    C.  F.    W.,   e.  Bemerkung   zum   Keplerschen   Problem      [Astronom. 

Nachr.    No.  3018.    Bd    126.    Sp.  291-292.] 
$etoti0,   $r.  SHtd).,  üb.  $ott$raolj(fatjvt3einricf)tungen  in  fremben  Staaten,  ütäbefonb. 

in  3)änemarf.   I.  £ei(.    (SSovtr.)   [Slügem.  3)tfcfj.  UmuerfttätSsßeitung  IV-  3a^r9- 

1890.    9?r.  13-18.  20.]    II.  Seil,   «aterieüe  Eo(f3n>o$lfaf)rt.    [tbb.  9?r.  21. 

23.  24.    V.  3a£)rg.  Er.  3-6.  8-12.  16.  18.] 
Gaffel be.    9?ad)  gejammelt.  Sßorträgen.    SBerl.  $8tbiiograJ>()ifd)e3  SBureau.  {Sß  S. 

gr  8.)     —.40. 

Petruschky,  Dr.,  üb.  d.  Koch'sche  Heilverfahren  geg.  Tuberculose.  [Dtsch. 
medicin.  Wochenschr.  17.  Jahrg.  No.  13.  S.  485—487.  üb.  d.  Ein- 
wirkung des  Chloroform  und  anderer  Gifte  auf  d   alkalische  Reaction 

d.  Körpersäfte,    [ebd.    S.    669—670.]     Rec.    [Hygienische   Rundschau 
hrsg.  v.  Fraenkel  u.  Esmarch.  I.  Jahrg.  No.  1.] 

Pfeiffer,  R.  (Cand.  med.),  Zwei  Fälle  v.  Lähmung  der  unteren  Wurzeln 
des  plexus  brachialis.  Klumpke'sche  Lähmung.  [Dtsche.  Zeitschr.  f. 
Nervenheilk.  I.  56.] 

Plckert,  Max  (pract.  Arzt  aus  Kulmsee  Westpr.)  üb.  e.  Fall  von  Hernia 
obturatoria.     F.-D.  Berlin.     (32  S.  8.) 

#tctfd),  2ubmig  (SBerltn,  geb.  gu  Stetig  25.  $ec.  1824),  STuä  SBelt  u.  Äimfc  ©tubien 

u.  Silber.    2  3Jbe     3ena  1867'.    Softeuoble  (VI,  664  S.  8.)    9.- 
Oricntfafjrten  e   Serüncr  8eidmer3.    I.  SB.  a.  u.  b.  X.:  9?ad)  Sitten  u.  Stföaru; 

e.  Srtttymgftaudflug  (Wpril  u.  TOai  1869.)    ©er(.  1871.    3anfe.    (XI,  288  8. 
gr.  8.)    3.— 

Eon  Berlin  bift  $arid.  ßriegäbilber.  [1870-1871.]  thb.  (519  @.  gr.  8.)  4.50. 

SRaroffo.    »riefe  u.   b.   beutid).  ©efanbfdjaftSreife   nadi  ge*   im  grüft.  1877. 

8ft.  1878.    SBrocttjauS.    (III,  370  @.  gr.  8)    7.— 
Wallfahrt  nach  Olympia   im  erst.  Frühling   der  Ausgrabgn.    [Apr.  u. 

Mai  1876.]    nebst  e.  Her.  üb.  d.  Resultate  der  beid.  folg.  Ausgrabungs- 

Campagnen.    Reisebriefe.    Berl.  1879.    F.  Luckhardt.   (LV,251S.8.)  4.- 
—  —  €fteria.     Sommerwohnung   b.   $creinä   berliner   tfünftler.     iejt  u    8.  % 

2JJit  28  Slbbilbgn.   naä)  Orig.  Qeicbngn.   b.   Äünftler   u.   p^otogr.  aufnahmen. 


AltpreuJtische  Bibliographie.  33 

»erl.  1886.  ©erlitt.  SBlg«-(£omtoh\  &.*<&  (47  S.  gr.  8.)  —.80.  2.  Wuff. 
»erlitt  1887.    $ominif.    (47  6.  gr.  8.)    —.76. 

Fletsch,  Ludwig.  Fabricius,  E.,  u.  L.  Pietsch,  Führer  durch  das  Pergamon- 
Panorama,  sowie  durch  d.  Kaiser- Diorama  der  centralafrikan.  Er- 
forschungs-Expeditionen. Mit  6  Illustr.  u.  1  Plan.  1—3.  Aufl.  Berl.  1887. 
Dominik.     (41  S.  8 )     —.70. 

(Siinnerung  an  bie  $lau{e.    [Äünftferijetm  im  ^Berlin,  ßanbe3au8fteflg3£alaft.] 

Wx  80  flbbübg.  na*  b.  in  b.  „«laufe"  befinM.  ®emälb.,  (Sfittyhtren  k. 
»erlitt  1889.    fcong.    (47  6.  gr.  8.)    1.- 

—  —  die  Malerei   auf    d.   Münchener  Jubiläums -Kunst -Ausstellung    1888. 

Photogravüre- Ausg.;  m.  begleitd.  Text  v.  L.  Pietsch.  14  Lfg.  Imp.  4. 
(182  S.  m.  eingedr.  Illustr.  u.  66  Taf.)  Münch.  1889.  Hanfstaengl. 
a  n.  6.—  (cplt.  in  Kalblederband:  110.-) 

SBie  man  aum  6d)riftftefler  roerben  fann.   [3).  9ttaga$.  f.  Sitteratur.  60.  Saljrg. 

Hr.  1.  2.  4—11.  25.1  ©rfebniffe  au3  b.  fündiger  gafjren.  [tbb.  ttr.  24.] 
Mtfjen.  (mit  11  Hbbilbgn.)  [©eftermann'S  iflufh\  btfdj.  3&onat3fjfte.  34.3al)rg. 
69.  8b.  1890.  ©.  24-40.  181-197.] 

Pineas,  Dr.  Ose,    1.  Jahresbericht  üb.   d.  Wirksamk.  d.  Augen-Heil- Anstalt 

in  Posen.     Posen.     (Jolowicz)    (10  S.  gr.  8.)    baar  n.  —.60.) 
Wattn,  (£.  t).r  geb.  to.  SJurgSborf,   9lu*jüge  aus   b.  $agebud)e   ber   ©räfin   ©erttja 

fcrudjfejj'S&afbburg,  ftofbame  ber  Königin  Stufe  to.  $reu&en.  [S&gäber.  b.  Alt  = 

©ef.  $ruffia  im  46.  8erem3j.  ©.  118-129.] 
Plew,  Oberl.  Dr.  J.,  Rec.  [DLZ.  No.  44.] 
Poelchau,  Gust.,  e.  Fall  von  Perodaktyhe.    Diss.    Königsb.   (Koch.)    (33  S. 

gr.  8.  m.  1  Taf.)    baar  n.  1.— 
Postleitkarte,    bearb.  im  Kursbureau  d.  Reichs-Postamts.    1 :  450000.   Berl. 

Lith.  Instit.   Farbendr.  70X56,  5  cm.  a -.60   Bl.  1:  Königsberg  i.  Pr. 

Gumbinnen.    Bl.  2:  Cöslin,  Danzig,  Bromberg. 
Prell wltz,  W.  (Königsb.),    Delphisch  TQixttvav  xfjvav  und  xn(ta   [Beiträge  z. 

künde  d.  indogermanischen  sprachen    hrsg.  v.  Bezzenberger.    17.  Bd. 

s.  166—169.]    Miscellen    zu   den   griech.   dialecten   [ebd.  s.  169— 171J. 

Jft  zu  pv.    [ebd.    S.    171  —  172.]     Kyprisch    xag   „und"    [s.    172—174.] 

Nhd.   fratze   [ebd.   s.   174]   register   zu   bd.   XVII.    [ebd.  s.  850-360  ] 

Rec.  [DLZ.  No.  5    Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  8.  Jahrg.  No.  21.] 

tßrtttgel,  7t) ,  b.  griebenSfongrejj  u.  b.  interparlamentar.  Jftmferenä  in  Stauen  u.  ifjr 
SSfjäftnife  JU  Jtant'3  pljilof.  (Sntamrf  j.  ewig,  grieben.  [9lu3:  „Äeformblätter 
ä.  fjörberg.  freiljeitl.  Örnttmcflg.  b.  relig.  Öeben§.]  ßönigäb,  SBraun  u.  SBeber. 
(16  @.  gr.  8.)    -.50. 

—  —  3)ie  t>.  dgibt)=93erfammfung   in  SBerlin  nadj   (Sftarafter,   Verlauf   u.  föefuttat. 

SBon  einem  Sfjeüneljmer  ber  SBerfammlung.  Qtbb.  (Sep.s^lbjug  auä  9?r.  10—12 
b.  SRefomtblättcr)  (82  ©.  gr.  8.)    baar  —.60. 

üb.  b.  S3ebeutung  beS  Sorte«  „9ltf)ei3mu3"  narf)  SBolföuorfteÜungen  u.  2Biffen= 

fd)aft.  [ffieformbtötter  XII.  3af)rg.  <Kr.  13/14.  8.  107-119.] 

Preussen,  Polen,  Litauen  etc. 

Ackermann,  Dr.  Carl,  Beiträge  z.  physisch.  Geogr.  d.  Ostsee;  m.  1  Tiefen- 
karte u.  5  lithogr.  Taf.  2.  (Tit.-)  Ausg.  Hamb.  (1883).  Otto  Meissner. 
(X,  399  S.  gr.  8.)    4.— 

Anzeiger  f.  d.  kathol.  Geistlichk.  d.  Diöcesen  Posen-Gnesen,  Kulm  u.  Ermld. 
8.  Jahrg.  12  Nrn.  (B.  gr.  4.)     Breslau.     Goerlich.     1.20. 

Anzeiger  der  Akad.  d.  Wissen  ach.  in  Krakau.  Bulletin  international  de 
l'Acad.  des  sciences  de  Cracovie.  1891.  10  Hfte.  Krakau.  (Buchh.  d. 
poln.  Verlags-Gesellsch.)  (8,  879  S.  gr.  8.)     6.—    einzelne  Hfte.  —.80. 

Archl?  f.  slav.  Philol.  .  .  hrsg.  v.  V.  Jagiö.  13.  Bd.  (4  Hfte.  1890-91.) 
Berlin.     Weidmann.     (VI,  640  S.  gr.  8.)    20.— 

SUtnWfe,  bie  fcreufitfdjen.  in  iljr.  S8r>ltnift.  51t  b.  Xafeirunben  b.  »HUelalt.  [SBodjenbl. 
b.  3o^annit.=Orbenö-»a(let)  SBranbenburg.  Saljrg.  32.  9fr.  37— 41.J 


34  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

Ateneum   pismo   naukowe  i  literackie,    pod  redak.   P.    Chmielow9kiego. 

.  .  .r.  1891.  (4  Bde.)  Warschau. 
Bain,  R.,  Nisbet,   the    second   partition   of  Poland   (1793)    [The   English 

histor.  Review  No.  22.  Vol.  VI.  p.  331-840.] 
Behrendt,  G.,  u.  H.  Schröder,  Blatt  Gallingen  nebst  Bohrkarte  u.  Bohr- 
register. Gradabth.  18.  No.  51.  Geognostisch  u.  agronomisch  bearb. 
Hierzu  1  Taf.  u.  8  Zinkdrucke  im  Text.  [Erläutergn.  z.  geol.  Special- 
karte v.  Preuß.  u.  d.  Thüringisch.  Staaten.  47.  Lfg.  Gradabth.  1*\ 
No.  51.    Berlin.    (29  u.  58  S.  gr  8.) 

Bible.  Morfill,  W.  R.,  the  London  Lithuanian  Bible.  [The  Academv 
April  18.  No.  989.  p.  370—371.]  H.  Krebs,  the  Lord's  Prayer  in 
Lithuanian.  [ibid.  May  2.  No.  991.  p.  419.]  John  T.  Naak£,  ihe 
London  Lithuanian  Bible  [May  9.  No.  992.  p.  443.]  A.  Neubauer, 
the  Lithuanian  Bible  of  1600  (the  so-called  Chylinsky  Bible) 
[The  Academy.  May  16.  No.  993.  p.  467.  May  30.  No.  995  p.  514.: 
T.  B.  R.,  the  Lithuan  Bible  of  1660.     [June  13.  No.  997.  p.  564.] 

Blblioteka  pisarzy  polskich  (Bibliotheque  des  ecrivains  polonais  du  XVI. 
siecle)  Livr.  9.  JanaSeklucyana  Oeconomia  albo  Gospodarstwo, 
1546,  wydal  Dr.  Zjgmunt  Celichowski.)  Jean  Seclucianus, 
Oeconomia,  1546,  &lite  par  M.  Sigismond  Celichowski.  Cracovie  1S*0 
in  8°  p.  VI  et  78.)  RZsume  in:  Anzeiger  d.  Akad.  d.  W.  in  Krakau 
1891.  Jan.  S.  3—4. 

Livr.  10:  Krysztofa  Pussmana  Historya  barzo  cudua  o  stworzeniu 
nieba  i  ziemi,  1551,  wydal  Dr.  Zygm.  Celichowski  (Christ.  Puss- 
man,  tres  merveilleuse  histoire  de  la  creation  du  riel  et  de  la  terre. 
1551  6d.  p.  M.  Sigism.  Celichowski.  Cracovie  1890.  (p.  34.)  Resume 
in:  Anz.  d.  Ak.  d.  W.  in  Krakau  1891,  Jan.  S.  4—5. 
Livr.  11:  Rozmowa  Polaka  z  Litwinem.  1564.  (Conversation  entre 
un  Polonais  et  un  Lithuanien,  1473,  ödite"  par  M.  J.  Korzeniowski. 
Crac.  1890.  in  8   p.  VIII  et  91.     Resume  ebd.  p.  5-8. 

Blelensteln,  Pastor  Dr.  Aug.,  ref.  üb.  sein  im  Ms.  so  gut  wie  vollendet 
Werk:  „üb.  d.  Grenzen  d.  lettisch.  Volkes  und  der  lett.  Sprache  heute 
u.  bei  Ankunft  der  Deutschen."  [Sitzungsber.  d.  Ges.  für  Geschichte 
u.  Altthskde.  d.  Ostseeprovinzen  Kußl.  a.  d.  J.  1890.    Riga.  S.  3—7.] 

Bilbaflsoff,  Prof.  B.  v.,  Gesch.  Kathar.  II.,  autoris.  Uebstzg.  a.  d.  Russ.  v. 
M.  v.  Bezold.  I.  Bd.  1.  u.  2.  Abth.  Berl.  Norddtsch.  Verl.-Institut. 
(X,  543;  185  S.  gr.  8.)     12.- 

$itt}e*,  (S.  Sf.  8.  ü.,  Dom  £odjmeifterjd)fofje  9Karienburg  q.  b.  töogat.  [SBodjenbl. 
b.  3o^anmt.=Orb.s5BaUcl)  »ranbenbg.    32.  3g.    Ar.  28-31.] 

»Uitfcett,  Victor,  c.  fiaunc  be3  GHüctS.  [SraueiuBta..  b  £cip^.  SOufh?.  3tg. 
Wt.  2600.  2501.]    (Die  Novelle  spielt  in  Ostpr.) 

Bobowski,  M.,  Polska  poezya  religijna  od  najdawniejszych  czasow  ai  do 
konca  XVI.  wieku.  (Die  poin.  religiöse  Dichtg.  v.  ihr.  Anfang,  bis 
z.  Ende  d.  16.  Jahrh.)  Resume  in:  Anz.  d.  Ak.  d.  W.  in  Krakau. 
März.     S.  89—96. 

XtuntU,  3B.,  ©übet  au3  brci  3ct1jrf)brtn.  branbenb-^reuß.  @efd).  1.  93b.  b.  ga&rlj. 
b.  ©rofe.  £urf.     93er(.  93d)ö.  b.  btfcf).  £cf>r.*8tg.    (X,  253  6.  gr.  8.)    2.40. 

Brandenburg,  Dr.  phil.  Erich,  König  Sigmund  u.  Kurf.  Friedrich  L  v. 
Brandenburg;  e.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  deutsch.  Reiches  im  15.  Jahrh. 
Berl.    Mayer  &  Müller.    (4  BL,  220  S.  gr.  8.)   4.— 

Breza,  A.,  Literatura  polska.    Cze&c*  I.    Warszawa.    (XX,  572  S.  8.)  2.— 

Brock,  Dr.  Leop.,  das  brandenburgische  Heer  in  den  Kriegen  von  1688 
bis  1697.  III.  (Beil.  z.  14.  Jahresber.  d.  k.  Gymn.  zu  Königshütte 
O.-S.)    Beuthen.    (40  S.   4.) 

Brückner,  A.,  d.  litau.-poln.  Catechismus  v.  J.  1598.  [Archiv  f.  slav. 
Phüol.  13.  Bd.  S.  557—690.]  Rec.  üb.  Biblioteka  Pisarzöw  Polskich 
No.  6—10.    [Kwartalnik  historyczny.    IV,  889—893.] 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  $5 

Bruinfngk,  H.  Baron,    d.  Hans  d.  Schiffer  geselle  eh.  in  Lübeck.    [Stzgsber. 

d.  Ges.  f.  Gesch.  n.  AK.  d.  Ostseeprov.  itußl.  a.  d.  J.  1890.  S.  104— 108.  J 
Buck,    Woldem.    (aus  St.  Petersb.),   d.   deutsche  Kaufmann   in  Nowgorod 

bis  z.  Mitte  d.  XIV.  Jahrh.   I.-D.    Berlin.   Mayer  &  Müller.    (46  S.  8.) 

Calczynskle,   J.  K.,   Polska  poganska.    Skic   antykwaryczny.     (Progr.  d. 

Gymn.  in  Rzeszow)  (20  S.  8.)  rec.  v.  Dr.  R.  F.  Kaindl  in:   Ztsch. 

f.  d.  österr.  Gymn.  1892.    S.  1140—41. 
eana*>aritt$,   3of)anne3,   b.  £eb.  b.  SBifc^of^  9lbal6.  b.  ?rag;  nad)  b.  2(u3g.  b. 

Monum.  Germ.   übffct.   to.  Dr.  §erm.  fttiffer.    2.  51.   neu  beerb,  u.  bc§.  b. 

SeibenSgefd).   ömefjrt  ö.  2B.  SBattcnbatf).    ßety*.  2»)f'fd}e  SBd)f).   [b.  ©efcfrdjts 

Treiber  b.   btfd).   Sorst.     2.   ©efmtauäg.     10.   3a^rq.     VII.  SBb.l    (XIV. 

52  ©.  8^    1.- 
Cavaign&c,  Godefroy,  la  formation  de  la  Prusse  contemporaine,  ses  origines ; 

le   rainistere   Stein   (1806-1808).    Par.    Hachette  &  Ce.  (VIII,  BIO  S. 

gr.  8)    7  fr.  50  c. 
Codex  epistolaris  saeculi  XV.    Vol.  IL  ed.  Anatol.  Lewicki  (1382— 1445) 

f Monum.  med.  aevi,  res  gest.  Polon.  illustr.  vol.  XII.]   (LXXX,  532  S. 

Lex.  8.)-    Rösume'   in:    Anzeig.  d.  Akad.  d.  W.  in  Krakau  1891. 

Mai.   S.  163—181.    rec.  v.  B.  Ulanowski  in:  Kwartalnik  histor. 

VI,  632-37. 
Cnnerth,  O.,  Handkarte  d.  Prov.  Westpr.  m.  Berücks.  d.  neu.  Kreiseinteilg 

u.  d.  Nebenbahnnetzes;  f.  d.  Schulgebr.  1 :  800,000  Farbendr.  28X34  cm. 

Lpz.    Ed.  Heinr.   Mayer,    baar  —.30. 
Cwiklinski,  L.,   o  zyciu  i  poezyjach  Kiemensa  Janickiego.    (1516 — 1543.) 

Czesc"  I.    Rösuinö:   Anz.    d.  Akad.   d.  W.    in  Krakau  Jan.  1891. 

S.  8-17. 
Czolowskl,    Aleks.,    Sprawy   woloskie   w  Polsce  do  r.  1412.    [Kwartalnik 

histor.  V,  569-598.J 

Druffel,  v.,  „der  Bairische  Minorit  der  Observanz  Kaspar  Schatzger 
n.  seine  Schriften".  Vortr.  [Stzgsber.  d.  philos.-philol.  u.  hist.  Cl.  d. 
k.  b.  Akad.  d.  W.  zu  Müncheu.    1890.    Bd.  IL    Hft.  3.    S.  397—433.] 

Eckstein,   Dr.   K.   (Eberswalde),   thierische   Haareinschlüsse   im   baltisch. 

Bernstein    m.    Taf.  III.     [Schriften    d.    natf.    Ges.    in    Danzig.    N.  F. 

Bd.  VII.    Hft  3.    S.  90-93.J 
Ermittel nn gen  üb.  d.  allg.  Lage  d.  Landwirtschaft  in  Preußen;  aufgenomm. 

i.  J.    1888/89,    bearb.   im   k.   pr.    Minist,    f.  Ldw.,    Domän.    u.   Forst. 

IL  Theil.   Berlin.    Parey.    (3  Bl.,  579  S.  gr.  8.)    [Ldwirthsch.  Jahrbb. 

19.  Bd.  Ergänzbd.  IV.]  Westpr.  betr.  1-20.  21-38.  535-658.  559-579. 
Estreicher,  Bibliothekar  Dr.  Karl,  poln.  Bibliographie    [III.  Abth.    Bd.  L] 

Jahrh.  XV— XVIII.  aiphabet,  geord.    [Der  ganz.  Sammlung  Bd.  XII.] 

Krakau.  (Buchh.  d.  poln.  Verl.-Ges.)    (XIX,  424  S.  gr.  8.)    n.  n.  15.— 

Finkel,  L.,  Bibliografia  historyi  polskiej.  Bibliographie  de  Fhistoire  de 
Pologne  par  M.  L.  Finkel,  en  collaboration  avec  M.  H.  Sawczynski, 
et  avec  le  concours  des  membres  du  cercle  historique  des  e^udiants  de 
Tüniversite  de  Leopol.  l«re  partie.)  Leopol.  8.  p.  XVI.  527.  Publi- 
cation  de  l'Acad.  des  sc.  de  Cracovie.  Bes.  in:  Anz.  d.  Ak.  d.  W.  t. 
Krakau.    Nov.    S.  292—301. 

gorfdjungen  $ux  33rcmbenb.   u.  $reug.  ©efdjid) §räg.  b.  föeinljotb  ßojer. 

4.  93b.  1.  fccilfte.  2pg.  $uncfer  &  fcumblot.  (III,  822  ©.  gr.  8.) 
2.  £älfte  (IV,  III,  328  ©.)    a  6.- 

©e$re,  Dr.,  b.  ©ermanifirung  ber  Sitauer  in  Dftyr.  [<8(obit3,  93b.  59.  9fr.  7.] 
b.  neue  bcutjdjc  flolonifatton  in  ?ofen  u.  SSeftpr.  in  b.  g.  1886—90.  [tbt. 
Er.  18.1 

Geschieh tsblätter^  Hansische,  hrsg.  vom  Verein  f.  Hansische  Gesch. 
(18.)  Jahrg.  1889.  Leip.  1891.  Duncker  &  Humblot.  (3  Bl.  234  u. 
XLVHl  S.  gr.  8.) 

3* 


36  Altpreußische  Bibliographie  für  18Ö1. 

Ueschichtsqnellen,  Hansische;  hrsg.  v.  V.  f.  hans.  Gesch.  VI.  Bd.  Halle. 
Buchh.  d.  Waisenh.  (XIV,  XLVTII,  404  8.  gr.  8.)  8.—  Inh  :  Hanse- 
akten ans  Engld.  1275—1412,  bearb.  v.  Karl  Kunze. 

Gindely,  Dr.  Ant.,  d.  maritimen  Pläne  der  Habsburger  n.  d.  Antheilnahme 
Ks.  Ferdinand  H.  am  poln.-schwed.  Kriege  währd.  d.  J.  1627—29; 
e.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  30 j.  Krieges.  [Denkschriften  d.  Ksl.  Akad.  d. 
W.  in  Wien.    Philos.-hist.  Cl.   39.  B<LJ    (54  S.  4.) 

GloYannlni,  P.  Aem.,  Relazione  di  Polonia  1565  ed.  J.  KorzeniowskL 
[Aus:  „Scriptor.  rer.  Polon."]  Krakau.  Bchh.  d.  poln.  Vlgsges.  (33  S. 
gr.  8.)     1.50. 

Granbner,  L.,  d.  Wasserwerk  der  Stadt  Tilsit.  [Centralbl.  f.  allg.  Gesund- 
heitspflege.   10.  Jg.   4.  u.  5.  Hft.] 

Handtke,   F.,   General-Karte  v.    West-Pr.    1:472000.    28.  Auf.    Glogau. 

C.  Flemming.  Farbendr.  57,5  X  72  cm.  1. —  auf  Leinw.  in  Karton.   2.50 
Schul- Wandkarte  d.  pr.  Prov.  Westpr.  1 :  250000.  2.  A.  6  Bl.  Farbendr. 

45,5  X  45  cm.  Ebd.  §,60.,  auf  Leinw.  in  Mappe.   7.20. 
Hansen,   Dr.   J.  H.,   Hanse.     [Jahresber.  d.  Geschieh  tsw.    11.  Jg.     1888. 

Berl.  1891.   II,  212-215.1 
Hanserecesse  v.  1431—1476,   bearb.  v.  Goswin  Frhr.  v.  d   Ropp.    VI.  Bd. 

Leipz.  1890.  Duncker  &  Humblot.   (XIII,  634  S.  gr.  8.)  22.—   [Hanse- 

recesse.    IL  Abth.    6.  Bd.l 
$<mut<!,   Otto,   ßtofonb  als  ©lieb  b.  btfdj.  ffieidjS  b.  13.  6t3  16.  Safjrtj.    «ortr. 

[?Jreu&.  3o§rb.    67.  ©b.    <S.  364-78.]   audj  6ep.s»bbr.    93erl.    »eratcr. 

(28  ©.  gr.  8.)    —.50. 
Hermann,  Geh.  Ob.-Baur.  H.,  n.  G.  Reichert,  Reg.-Baur.,  Schloß  u.  Dom- 
kirche  zu   Marien werder.     Fol.    m.   3   Kpf.     Berl.     Ernst   &  Sohn. 

cart.  8. — 

Jacob,  Dr.  Geo.,  welche  Hdlsartikel  bezog,  d.  Araber  d.  Mittelalt.  aus  d. 
nord.-balt.  Landern?  2.,  gänzl.  umgearb.  u.  vielf.  verm.  Aufl.  Berlin. 
Mayer  &  Müller.    [III,  88  S.  gr.  8.)    2.50. 

—  —  die  Waaren  beim  arab.-nord.  Verkehr  im  Mittelalt.    Suppl.-Hft.  zur 

2.  Aufl.  von  „Welche  Hdlsartikel.  .  ."?   ebd.  (81  S.  m.  1  Abbild.)    1.20. 

—  —  Kannten  d.  Arab.  wirkl.  sicilisch.  Bernstein?  [Ztschr.  d.  dtsch.  morgld. 

Ges.    45.  Bd.  S.  691  -93. J 
Jahrbuch   d.  Vereins  f.  niederdtsche  Sprachfbrschg.    Jahrg.  1890.    XVL 

Norden.    (2  Bl ,  164  S.  gr.  8.)    4.— 
Solotpic),  93rf)t)bl.  Sofetf),   5Bortg.  üb.   b    beib.   &utferftedjer  Daniel  e&oboroiecfi 

u.  Scremia«  %aid.    [Stjdjr.  b.  Ijift.  ©ef.  f.  b.  $vod.  tyfen.  VI.  3g.  3,4.  §ft. 

®.  483-492.] 

Kallenbachj  Jos.,  commentatio  cui  inscribitur:  Les  humanistes  polonais. 
lind.  lect.  in  Universit.  Friburg.  per  mens.  hiem.  a.  1891/92.]  Frib. 
Helvetior.  (VI,  72  S.  gr.  4.) 

Kareler,  Nicol.,  Causes  de  la  chute  de  la  Pologne.  [Revue  histor.  T.  45. 
p.  241-289.] 

Karte  d.  dtsch.  Reichs  im  Maßat.  v.  1 :  500000  unt.  Redact.  v.  Dr.  C.  Vogel 

ausgef.  in  Just.  Perthes'  geogr.  Anst.  iu  Gotha.    Sekt  5.  Königsberg. 

Sekt.  4.  Danzig.    gr.  fol.  44Va  X  33  cm.  ä  2.- 
Äat),  53.,  «u«  ber  Äaffubei.    [SWonatSblätt.   §rSg.   0.   b.  ©ef.  f.  pornm.  Gkfö.  u. 

m.    9fr.  12.  @.  183— 185.J 
Kellhack,  Dr.  K.,   üb.   d.  Lage  d.  Wasserscheide   auf  d.  halt.  Seenplatte. 

(m.  Karte   auf  Taf.  4.)    [Petermann's   Mitte ilgn.    aus   Just.   Perthes1 

geogr.  Anstalt.  37.  Bd.  II.  S.  38— 41.  | 
ÄirdKttJwlttif  beö  ®ro&.  «urfürft.  [©rcnjbotcn.  60.  3g.  9ir.  5.  @.  199-216.] 
ÄttmiS,  ©tjnm.sS.  Dr.  9Rar,   ©iiüeitg   in  b.  |)oln.  SRünafbe.  V.   [Stfär.  b.  ffit. 

©e|.  f.  b.  «prou.  ^oien.  VI.  3g.  1.  $ft.  @.  35-68.  2.  $ft.  S.  175—214.] 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  37 

ftnapp,  <§feo.  grbr.,   b.  fianbarbetter  in  ftnedjtfd).   u.   greif).    4  Vorträge.    8^. 

3)unrfct  &  fcumbtot.    (IV,  93  S.  gr.  8.) 

Schließt  sich  an  d.  bekannte  voreügl  Werk  des  Vf.:  die- „Bauernbefreiung 

u.  d.  TJrspr.  d.  Landarbeiter  in   d.   alt  Theil.  Preuß."  (Lpz.  1889)  an, 

üb.  w.  z.  vgl.  die  Grenzboten  1891.  No.  3.  S.  112—121. 
b.  ©rbunttftämgT.  u.  b.  totftriift.  SBtrtfdjaft  [©cf>molIer'8  3af|rb.  f.  ©efefrgebg., 

SBipdtg.  it.  SSolfSimrtyfä.   im   btfd^.   SRetdj.    16.  3a$rg.   2.  £ft.   ©.  19—34.] 

2eibetgenfd)aft    im  öftl.   Sttfälb.    SBortr.     Rauft,  gafjrbb.    67.  »b.   3.  $ft. 

6.  233-249.] 
Knoop,  Oberl.  Otto,   Plattdeutsches   aus  Hinterpomm.    (Osterprogr.  d.  K. 

Gymn.   z.   Gnesen)   Posen  1890.    (8.  8—25.  4.)     2.  Sammig:   Fremd- 

sprachl.  im  hinterpumm.  Platt,   nebst  e.  Anzahl  v.  Fischer-Ausdruck. 

u.  Ekelnam.  (Beil.  z.  Progr.  d.  k   Gymn.  zu  Rogasen.)  Rogasen  1890. 

(26  S.  4.)    Forts,    (als  3.  Sammig.)   ebd.    1891.    (IS  S.  4.)    4.  ©ammf. 

A.  @pridjro  u.  JRebenSart.    [SRonatdolätt.  f)r$g.  D.   b.  ©e|.  f.  t>omm.  ©efdj. 

u.  9tä.  1891   Er.  8-6.  8.] 
Htterljanb  ©djerfl,  Redereien,   SRehne  u.  (Stääfjlan.   üb.  pomm.  Orte  u.  ifjre 

©eigner,    [»aüifdje  ©tubien.  41.  3g.  ©.  99-203.] 
Kolberg,  0.,  Lud,  jego  zwyczaje,  sposöb  zycia,  mowa,  podania,  przyalowia, 

obrzedy,  gusla,  zabawy,  piesni,  muzyka,  tance.    Serja  XXITL   llaliskie, 

czes6  1.    Krakau.     (271  8.  8.  m.  Abbildgn.)    7.50. 

—  —  Chelmskie,  obraz  etnograficzny,  wydany  z  materjalow  posmiertnych 

przez  Kopernickiego.    Krakow.    (VI,  265  8.  8.)    6.50. 
Konecznj,  F.,  Walter  v.  Plettenberg,  Landmistrz  Inflancki,  wobec  Zakonu 

niemieckiego,  Litwy  i  Moskwy  1500 — 1525     Resume:  Anzeig.  d.  Akad. 

d.  W.  in  Krakau.    1891  März.     S.  96—100. 
Korrespondenzblatt  d.  Vereins  f.  nieddtsche  Sprachforschg.   Jahrg.  1891. 

Hft.  XV.  (2  BL,  106  S.  8.)    2.— 
Korzenlowskl,  Dr.  Jos.,  Catalogus  codicum  manu  scriptorum  Musei  Prin- 

cipnm    Czartoryski   Cracoviensis.     Fase.    1—8.      öracoviae    1887—91. 

(Buchh.  d.  poln   Verl.-Ges.)     S.  1—272.  gr.  8.)    a  3.- 
Orichoviana.    Opera  inedita    et    epistulae  Stanislai  Orzecho wski 

1543—1566.    Vol.  I.     Editiones  Acad.  litt.  Oracov.      Biblioth.   auetor. 

Polonorum.    Cracov.    (Bchh.    d.   poln.  Vlgsges.)     (XXVIII,   740  S.  8.) 

7.20.    cf.  Anz.  d.  Ak.  d.  W.  z.  Krakau.     Dec.  1891.     8.  323—336. 

—  —  Polonici  regni  cum  adiunetis  provineiis  descriptio.    [Aus:  „Scriptor. 

rer.  PoIon.u]    Ebd.    (13  S.  gr.  8.)     T.60. 
Kranshar,  Aleks.,   Poselstwo  Jak6ba  Smiarowskiego  do  Bohdana  Ohmiel- 

nickiego  pod  oblQzony  Zamoäö  w  r.  1648.    [Kwartalnik  histor.   Rocz- 

nik  V.    8.  813-824.] 
Kunze,  Karl,  Hanseakten  aus  England  1275—1412.  Halle.  Bchh.  d.  Waisenh. 

(XIV,  XLVIII,  404  S.  gr.  8.)  8.—    [Hans.  Geschichtsquellen.     Bd.  VI.) 
Kwartalnik  historyczny.   Organ  towarzystwa  historycznego  zaiozony  przez 

Xaw.  Liskego,  pod  redakeya  Osw.  Balzera.    Rocznik  V.    We  Lwowie. 

(XXIV,  9iS  8.  gr.  8.) 
Sanbfhtmt*    Sßotoefle  \>.  §an3  ftoffmann.  (fpicü  in  Oftyr.  »äfjrb.  b.  gran^ofenjett.) 

[Uiitoerfum  8.  3a$rg.    1891/92.    9?r.  14.] 
grijmantt,  9Raj,  33ot)en;3  $)ennDÜrbigftn.  (m.  93e$.  auf  3fr.  Wtypoib  (Srinncrgn.  au§ 

b.   fieb.   b.   ®en.*Se(bmarfd).   #erm.  b.  »ogen.     8  £l)le.     (£ft.   1889—90.) 

r6t)beP3  tyft.  8tfdjr.    9*.  $•    31.  ©b.    ©.  40-54.]     »otjen'ä   Sarfteflg.  b. 

preuft.  Äriegäüfaffg.    [tbb.  S.  55—80.] 
Leronx,  V.,  Wallenrod,  tragedie  en  5  actes.   Paris,  libr.  0.  Levy.    (84  S.  16.) 
Leskien,   Aug.,   d.  Bildg.  der  Nomina  im   Litauisch.    Des  XII.  Bds.   der 

Abhdlgn.  d.  pbilol.-nist.  Cl.  d.  k.  sächs.  Ges.  d.  W.    No.  III.     Leipz. 

Hirzel.    S.  151-618.    (468  S.    Lex.  8.)    16.- 
Lewlcki,  Prof.  Dr.  A.,  Polityka  polska  wzgledem  paristw  sasiednich  i  ziem 

ruskich  w  r.  1432.     (üb.   d.  Politik  Polens  geg.  d.  Nachbarstaaten  u. 


38  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

gg.  d.  Ruthenen  i.  J.  1482.)   Bemme  in:  Anz.  d.  Ak.  d.  W.  Krakau.  Apr. 

1891.     S.  126—136. 
Lewlckl,  Prof..  Dr.  A.,  Sprawozdanie  z   podrözy   archiwalnej   do   Drezna, 

Gdariska  i  Kr61ewca      [Anz.  d.    Ak.    d.    W.   z.   Krakau.    Dec.    1891. 

S   364-369.] 
Lindner,  Rieh,  (aus  Leipz.),  Zur  alt.  Livländ.  Reimchronik.   I.-D.  Leipz. 

(76  S.  K) 
Zippotoantt,  oftpr.  (güi^onen)  (nad)  b.  SRofjrung.  ßreifytg.  u.  23.  9tyr.  1891  au3 

b.  93er.   t>.   grf.    (5.  fiemfe    in    b.  Bfcblgn.    b.  Berlin.  @e{.    f.   «nt^rop.  k. 

@.  434  ff.)    |©lobu&.    »b.  60.    SRr.  21.    (S.  334  J 
Lislewicz,  Z.,  0  obsadzaniu  biskupstw  w  Polsce  I.  Epoka  Piastowska.  [üb. 

d.  Besetzg.  d.  Bisthüm.  in  Polen  I.    Das  Ztalt.  d.   Piasten.)     Besume 

in:  Anzeig.  d.  Akad.  d.   W.  z.  Krakau.    Apr.  S.  120—126. 
Lftwis  of  Menar,    C.   von,    d.   Deutsch-Ordensburg   Trikaten   in  Li  vi  and 

(m.  2  lithogr.  Taf.)    fStzgsber.  d.  Ges.  f.  Gesch.  u.  AK.  d.  Ostseeprov. 

Ksslds.    a.    d.   J.  1890.     S.  37—50.]    üb.  d.  DOkomturei  Dünamünde. 

[ebd.  S.  118-119.] 
Stufe,  (Sari,  b.  beutfd).  flnftebelungen  ht  Söeftyr.  u.  $ofen.   SReifebeobadjtgn 

Berlin.   $arei).    (48  ©.  gr.  8.)    1.— 
jftattittt»,  Benno,  Aberglaube  im  SRolfereimef.:  e.  Beirr,  j.  Bftanbniä  b.  «bglaub. 

u.  *.  ©efrf).  b.  SRolfereitoef.    ©rem.   #emftu3  ttadif.    (42  ©.  gr.  8.)    1.50. 
SWaitttfc,  Dberftlieut.  a.  2).  ttffr.  D.,  ftacftridjt.  üb.  b.  ftamüle  0.  Waran)  gefamm. 

©örlife.  (1891)   3)ni(f  0.  (£.  «.  ©tarfe.    (8  831.,  72  <S.  gr.  8.    mit   1  gemalt. 

Söajtyentaf.  u.  1  Stammtafel.) 
Steinatbu*,   £).,   Beiträge  5.  ®eftf).   b   fcbtöpolitif   b.  ©ro&.  Äurf.    [8tobel?ä  tjift. 

8tfcr)r.   9?.  3.   30.  Bb.   6.  444-495.] 
Mettig,  Oberl.  G,  Liv-,  Est-  u.  Kurland.    [Jahresber.  d.  Gesch. wissensch. 

11.  Jg.  1888.    II,   249—259.]     Materialien  z.  e.  Gesch.  d.  reformator. 

Bewegung  in  Riga]    [Stzgsber.  d. Ges.  f.  Gesch.  u.  AK.  d.  Ostseeprov. 

Rssl.  a.  d.  J.  1890.    S.  65—71.] 
Meyer,   Archivar  Dr.  Christian,   Gesch.  d.  Prov.  Pos.    Gotha.    Perthes. 

(XI,  371  S.  gr.  8.)   6.—    rec.  v.  C.  Lohmeyer  in  Ztschr.  ä\  hist.  Ges. 

f.   d.  Prov.  Pos.    VI,   234—248.     Dagegen  Chr.  Meyer,    d.  Posener 

Ztschr.  u.  meine  Gesch.  d.  Prov.  Pos.;  e.  Abwehr.    Gotha  1892.    Hier- 

geg.  Lohmeyer,  Erklärung  in  Ztschr.  d.  hist.  Ges.  f.  d.  P.  Posen  VII. 

112  f.  u.  BLZ.  1892.  Nr.  11.    Dageg.:  Chr.  Meyer,  Erklärung. 
Monatsschrift,  baltische.    Hrsg.:   R.  Weiss.    Red.:   N.  Carlberg,   38.  Bd. 

9  Hfte.  (a  5—6  B.  gr.  8.)   Reval.    Kluge's  Verl.  in  Comm.  18.— 
Monnmenta   med.   aevi  hist.   res  gest.  Polon.    illustrantia  Editio   collegii 

hist.  acad.  liter.  Cracoviensis.    T.  XII.    Codex  epistolaris  saeculi  Xv. 

Tom.  II.    Collectus  opera  Prof.  Dr.  Anatoli  Lewicki.   Cracov.   (Buch- 

hdlg.  d.  poln.  Verl.-Ges.)     (LXXVII,  531  S.  Lex.  8.)    12.— 
Morawski,  Prof.  Dr.  K.,  Zycie  i  pisma  Jaköba  Görskiego  (Leb.  u.  Werke 

des    Humanist.   Jac.    Gorski)    1525 — 1585.     (Vorgeles.   in   d.  Stzg.  d. 

Shilol.  Cl.  d.  Akad.  z.  Krakau.)    [Resumö :  Anz.  d.  Ak.  d.  W.  in  Krakau. 
[ai.    S.  158—160.] 
—  —  Andrzej  Patrycy  Nidecki.  Jego  iycie  dziela.  (Andr.  Patricius  Nidecki, 

sein  Leb.  u.  seine  Werke.)     Krakau  1892.     (X,  402  S.)     Besume:  ebd. 

Beehr.  1891.     S.  337—344. 
Morflll,  W.  R.,  the  Ethnography  of  the  Letts  in  Vitebsk.    (Materiali  dlia 

etnografii    Latishkago   Plemeni  Vitebskoi   Gubernii.    Sobrali  snabdil 

obiasneniami  F.  A.  Wolter.   Chast  I.   (St.  Petersburg.)    [The  Academy. 

Dec.  12.    No.  1023.  p.  639-540.] 
Münster,  Theod.,  Konrad  v.  Querfurt,  ksl.  Hof  kanzl.,  Bischof  v.  Hildesheim 

u.  Würzburg.    Leipz.    I.-D.     1890.    Wernigerode  (63  S.  8.) 
Napiersbl,  Leonh.,  Vortr.  üb.  d.  unt.  d.  Nam.  d.  Bodeckersch.  Chronik 

bekannt,  den  Ztr.  v.  1593—1638   behandelnd,   zeitgesch.  Aufzeichngn. 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  39 

[Stzgsber.  d.  Ges.  f.  Gesch.  u.  Ak.  d.  Ostseeprov.  Rssl.  a.  d.  J.  1890. 
S.  33-86.) 
N  eh  ring,  A.,  zu  Otto  Hein's  Abhdlg.  „altpr.  Wirthschftsgesch.  bis  z.  Ordens- 
zeit.11     Theil   II.    abgedr.    im   5.   Hft.    d.   Ztechr.    f.   Ethnol.      1890. 

5.  173  ff.  fVerhdlgn.  d.  Berl.  Ges.  f.  Anthrop.  Ethnol.  u.  ürgesch. 
Außerord.  Stzg.  v.  10.  Jan.  S.  23—24.  Nehrtng  verweist  hinsichtl.  d. 
Jagd,  Fischerei  u.  Viehzucht  auf  s.  Aufsatz  Üb.  „die  Fauna*  eines  masur. 
Pfahlbaus"  in  d.  „Naturw.  Wochenschrift  (hrsg.  v.  ß.  Potonii)  v. 
7.  Oct.  1888,  ferner  auf  s.  Bemerkgn.  in  dies.  Vhdlgn.  1888,  S.  342  f.  u. 
auf  8.  Artikel  üb  „die  Jagdthiere  e.  masur.  Pfahlbaus  aus  d.  alt  Bronce- 
zeit'i  in  d.  Neu.  dtsch.  Jagd-Ztg.  (Berl.)  v.  22.  Dec.  1888;  hinsichtl.  d. 
wild.  Pferde  auf  s.  ausführt.  Arbeit  üb.  „Fossile  Pferde  aus  deutsch. 
Diluvial- Ablagergn.  u.  ihre  Beziehgn.  z.  d.  lebend.  Pferden"  (Berl.  1884), 
hinsichtl.  d.  Bos  primigenius  aufs.  Mitthlgn.  in  dies.  Vhdlgn.  1888.  8. 222  ff. 

Nehring,  Wl.,  d.  ethnogr.  Arbeiten  der  Slaven,  vornehml.  Oskar  Kolbergs. 
[Ztschr.  d.  Vereins  f.  Volkskde.  N.  F.  der  Ztsch.  f.  Völkerpsychol.  u. 
Sprachw.    1.  Jahrg.    Hft.  3.    S.  250—279.    Hft.  4.    S.  431—443.] 

Olshausen,  üb.  d.  im  Küstengebiet  d.  Ostsee  gefand.  Münzen  aus  d.  Zeit 
vor  Ks.  Augustus.  [Vhdlgn.  d.  Berlin.  Ges.  f.  Anthrop.  etc.,  außer- 
ord. Sitze,  v.  4.  Febr.  S.  228—28.]  2t«  Mitthlg.  üb.  d.  alten  Bern- 
steinhandel  u.  d.  Goldfunde,    [ebd.  Stzg.  21.  Febr.    S.  286—819.] 

Orsi,  Dr.  Paoli,  üb.  prähist.  Bernstein  aus  Sicilien  als  Nachtrag  z.  Ols- 
hausen  [ebd.  Stzg.  17.  Oct.  S.  690—91.] 

Orzechowski  s.  Korzenlowskl. 

$apptni)eim,  grijr.  ©uft.  t>.,  W\txfyc\.  üb.  b.  SRefiauration  b.  3>tfdjorben8gebäube 
bct  ßanbfommcnbc  Harburg  o.  3.  1776—1799.  [ÄorrejponbcngblQtt  be«  ©e* 
fmnicrcin»  b.  btf*.  ©eid).*  '"•  Mttf>3üereme.  89.  3fl.  9fr.  5.  <S.  51—52.] 
furje  SebenSbejdjretbg  b.  etyem.  SanbeSfomtyurä  b.  $tfd).sOrb.*93aflet  Reffen 
,,$fji(ipt)  2eo£.  &on  u.  $u  SReuljof",  u.  SWadjr.  üb.  feine  (Sftern  u.  Eorfaljren 
(nebfi  e.  ©tammtaf.)    [$er  beutfd»e  fcerolb.  XXII.   @.  106—106.] 

Pawinskf,  Prof.  Dr.  A.  in  Warschau,  Polen  1795  (Litt.  d.  J.  1883-87.) 
[Jahresber.  d.  Geschichtsw.    11.  Jg.    1888.    III,  214—225.] 

9*eld>ais,  Oberl.  Dr.  «rtfj.,  bie  Itotänb.  ©ejdjiAtäliteratur  im  &  1890.  SRiga. 
Sfymmel.   (108  @.  12.)   1.- 

f  ölen,  bie  preufctfäen.   [SDtfcöc  ffiebue.    16.  gafjrg.  <5tpt  8b.  IH.  <3.  309-318.] 

Polens  Könige  u.  Herrscher.  Portraitgallerie,  dargest.  in  40—50  Helio- 
grav.  nach  Orig.-Zeichngn.  v.  Dir.  Jan  Matejko:  m.  hist.  Einbe- 
gleitung  v.  Prof.  Dr.  Stanisl.  Smolka.  (In  20—26  Lfgn.  Lfg.  1—16. 
Wien.  Perles.  1890—91.    a  2  Bl.  m.  Text:  S.  1—62.  Fol.  baar.  a  2.— 

9*letta  mit).  \>.,  ^reugtf^e  9Ränner.  ©djaufoiel  in  4  fcufe.  SBert.  2)rucf  D. 
$.  ©.  ©ermann.  (2  581.,  59  @.  gr.  8.)  {Spielt  zuerst  in  Tawoggen,  dann 
in  Königsberg;  d.  preuß.  Männer  sind  York,  Clausewitz,  Stein,  Arndt, 
Auerswald,  Dohna,  Schön,  Schrötter  u.  Heidemann. 

Potonlä,  H.,   der  balt.  Bernstein   (m.  Abbildg.)    [Naturw.  Wochenschrift. 

6.  Bd.   No.  3.] 

Przeglad,  palski  pod  redakczya.  dra  J.  Mycielskiego  1891.   Krakow. 

—  —  powszechny  pod  red.  Ks.  M.  Morawskiego.  1891.  Krak.  (12Hfte.  8.) 

Przewodnik  naukowy  i  literacki,  pod  redakeya,  A.  Krechowskiego.   Lwöw 

1891   (12  Hfte.  8.) 
Ranke,  Prof.  Dr.  Jobs.,  Ber.  üb.  d.  22.  allg.  Vsmlg.  d.   dtsch.  anthropol. 

Ges.  z.  Danzig,  m.  d.  Ausflug,  nach  Marienbg.,  Elbing  u.  Kgsbg.  i.  Pr. 

vom  3  —5.,   bezw.   bis  14.  Aug.    1891.     [CorrespondenzBlatt  d.  dtsch. 

Ges.  f.  Anthrop.  etc.    22.  Jg.   Nr.  10—12.] 
Reiche,  Berth.,  d.  polit.  Litt.  unt.  Fr.  Wilh.  II ;  e.  Ueberblick.    I.-D.  Halle. 

(35  S.  8.) 
Rum  ml  er,  Oberl.  Dr.  Emil,  die  Schulzen  d.  deutscbrechtl.  Dörfer  Grosspol. 

im  13.  u.  14.  Jahrh.  (Progr.  d.  K.  Fr.  Wilh.-Gymn.)  Posen.  (S.  8— 16.4°) 


40  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

ftttntmUr,  Cberf.  Dr.  ©mit,  tt6.  b.  <gerid)t8ftanb  u.  b.  rid)ter(.  Sefugniftc  ber  groBpoln. 

Stfufocn  im  13.  u.  14.  3a$rfj.  [Stför.  b.  l)ift.  ®ef.  f.  b.  $roo.  $ofen.  VI.  3g. 

3/4.  fcft.  @.  343-386.] 
Schikowsky,  Paul,  die  Mahre  im  Yolksglaub.  d.  Masuren     [Das  Ausland. 

No.  15.    S.  294-96.] 
£4mit,  Dr.  (Grefe(b),  b.  Äatfjofifenüimfg.  in  3)anaig.    [3>er  $at§oüf.    71.  3g.  IL 

6.  289-301.] 
Schneider,  Prof.  Dr.  Osk.,  Nochmals  zur  Bernsteinfrage ;  einige  Bemerken. 

gg.  Hrn.  Dr.  E.  G.  Jacob.     [Ztsch.  d.  dtsch.  morgenl.  Ges.     45.  Bd. 

S.  239-244.J 
e<f)*n,  Dr.  $aul,  b.  Organifation  b.  fiäbt  SSerwaftg.  in  $reu&.    I.  b.  tjift.  SnrwidMg. 

[«nnaten  b.  btfaV  9iei43.  24.  3g.  9ir.  9.  10.  ®.  707—800.)    II.  b.  geltenbe 

<Re*t.    [9fr.  10.  11.  @.  801-846.1 
egttlt,  ©uft.,  ber  SBernftein,  1.  #erfunft  u.  (£iqenfd)aften.   [$rometf>euö  2.  3afrg. 

Wr.  40.1   2.  SSortommcn  u.  ©enrinnung.   fttr.  50.)    3.  3)er  »ernfteinfjanbel. 

[8   3g.  Wr.  3.  4  ]    4.  $.  »cmftcin  in  b.  Äunft  u.  Snbufrric  [Wt.  13.  14.] 
ed&fccbel,  OSfar,  ^eutfcf)  =  Crbenöbenhitä(er  in  b.  »erüner  Äiofterfir^c.    [S&ocfanbl. 

b.  3o§annit.5Crb.  SBaHet)  »ranbenburg.    32.  3g.  Er.  13.] 
Selbt,  Prof.  Dr.  Wilh.,  Pracisions-Nivellement  der  Weichsel;  im  Auftrage 

d.  Hrn.  Minist,  d.  öfftl.  Arb.  ausgef.   und  bearb.     Mit  1  lithogr.  Taf. 

Berl.  Druck  u.  Verl.  v.  P.  Stankiewicz1  Buchdr.     (74  S.  gr.  4.) 
Vttaptym,  91. f  bie  Anfänge  ber  refomtirt.  Äirdje  in  tfudanb  1645—1701.     &&.* 

Slbbr.  au«  b.  $üna*3tg.  1890. 
eitmtfttbetidjte  b.  gel.  eftaifä.  ©ef.  *,  $orJ>at  1890.    $orpat  (IVf  168  6.  8.) 
Sitzungs-Berichte  d.  Kurland.  Ges.  f.  Lit  u.  Kunst ...  a.  d.  J.  1890.    Mit 

2  Zeichnen.    Mi  tau.    (3  Bl.  92  S.  8.) 
Sitzungsberichte   d.  Ges.  f.  Gesch.  u.  Alterthumskde.   d.   Ostseeprovinzen 

Russl.  a.  d.  J.  1890.    Riga.    (2  BL,  192  8.  gr.  8.  m.  2  Taf.) 
Smolka,  Prof.  Dr.  St.,  Rapport  sur  les  recherches  faites  dans  les  archives 

de  Rome.     [Anz.  d.  Ak.  d.  W.  in  Krakau.    Apr.    S.  136—142.) 
—  —  StanowiskomocarstwwobecKonstytucyiSMaja.  Die  Stelig.  der  Mächte 

ggüb.  d.  poln  Staatsverfssg.  v.  J.  1791.  (Festvortr.)  [ebd.  Juni  S.  200—219.] 

„Geneza  Konstitucyi  3  Maja"    [Resume:  ebd.  Dec.  S.  350—854.] 

Sommerfeld,  Theod.,  Matthaeus  v.  Krakau.    L-D.    Halle.    (103  S.  8.) 
Spitta,  Phil.,   Rec.  üb.  Christ n.  Bartsch,  Dainu  BalsaiMelodieen  litau. 

Volkslieder.     2  Thle.     Heidelb.   1886.     1889.      [Tierteljahrsschrift   f. 

Musikwissensch.    7.  Jg.    S.  668—676.] 
Sprawozdanie  z   czynno&ci  zakladn  narodowego  imienia  Ossolinskich  za 

rok  1891.     (46  S.  gr.  8.) 
8 teilt»  Anilin  |pjeub.  f.  $.  9Hetfcf)mann],  beutfdje  ®cfc^ic^t§=  unb  £eben£bifber 

IX.  Königin  fiuif c ;  e.  2eben*büb.    3.  91.   (m.  1  SBtlbntö)  fcaUe.     1892  (91). 

Scft.  b.  ©dient).    (X,  404  <S.  8.)    3.60. 
Strebel,  §enn.,  Erinnerungen  an  Dr.  Äarl  $ertn.  ©er enbt  (geb.  12.  %>b.  1817 

*u  $an$ig.  f  12.  9Rai  1878  in  Guatemala)  m.  $ortr.   fQMobuS.  »b.  59.  »o.  22.]t 
Tilsit    and    Erfurt.     —    a   Russo-French    alliance.      (1.    Vandal,  Alb. 

Napoleon  et  Alexandre  I.     De  Tilsit  a  Erfurt.     L'alliance  Russe  sous 

le  premier  empire.  .  Par.   1891.     2.  Tatischeff,   Serge,   Alexandre  I 

et  Napoleon,  d'apres  leur  correspondance  inedite  1801—1812.    Par.  1891.) 

TThe  Edinburgh  Review.    No.  354.    Vol.  173.  p.  563—591.] 
Truchsess  t.  Waldburg,  Otto.    Iiteras  a  Truchsesso  ad  Hosium  annis  1560 

et  1561  datas  ex  Codice  Augustano  primum  edidit  atque  annotationibus 

illustravit  et  prooemio  indiceque  exornavit  Antonius  Weber.  Ratisbonae. 

Manz.  1892  (91.)     (123  S.  gr.  8.)     1.50. 
Tschack ert,  Paul,  Selbstanzeige  von :  Tschackert,P.,  Urkundenbuch  zur 

Reformationsgesch.    d.   Herzogth.  Preussen.      i.— 3.   Bd.     Lpz.  1890. 

fGötting.  gel.  Anzeigen.    No.  3.    S.  101—112.]     Kawerau,  Rec.  üb. 

Tschackerts  ürkdnbuch  in  DLZ.  1891.    No.  14 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  41 

Xfäa&ttt,  %aul,  $onf  6|>eratu8 1>.  ^Rotten,  ebang.  SBiJdjof  ü.  Sßomefanien  in  $Rarien= 

tuerber.    (V,   101   S.   gr.  8.)     [Sdjriften    b.   Vereins   f.  SReformationSgefd). 

9?r.  33.1  (8.  Safjrg.  4.  Stiul.)    fcafle.    3Raj  Wemeljer  in  (Somm.     1.20. 
Urkunden-Bach  der  Stadt  Lübeck,  hrsg.  v.  d.  Vereine  f.  Lübeck.    Gesch. 

u.  AK.  9.  Thl.    1.  u.  2.  Lfg.    Lübeck,  Schmersahl.    (S.  1—160,  4.)   6.— 
tttfttttfcettftiid),  $ommerfcfje8.     III.  93b.     9Rit  $erfon.*,  Orts*  it.  Sacforeqtft.  f.  b. 

II.  u.  IU.  »b.  fjrSg.  t>.  «gl.  Staat$=Brd)to  &.  Stettin.     Stettin  1888-1891. 

ftrbr.  ftagef.   (IV,  728  8.  gr.  4.)    1.  »bt§.  1287—1295,  bearb.  ü.  Dr.  Bobgero 

?rümer8.     1888.     (S.  1-258.)     6.-    2.  «bt§.   1296-1800.    zbb.  1891. 

(S.  259-728.)    12.-  ctft.  45.- 
Yanaal,  A.,  Napoleon  I.  et  la  reine  Louise  de  Prusse ;  l'entrevue  de  Tilsitt 

(extrait  du  recent  ouvrage  de  l'auteur  sur  Nap.  I.  et  le  tsar  Alexandre) 

[Revue  politique  et  litteraire.  (Revue  bleue)  1891.  1.  sem.  T.  47.  no.  4.] 
YapoYÜ,  B.,  de  bello  a  Sigism.  I  rege  Polon.  contra  Moscos  gesto  a  1508. 

ed.   J.   Korzeniows&i.     [Aus:    „Scriptores   rer.    Polon. UJ      Krakau. 

Bchh.  d.  poln.  Vlgsges.     (11  S.  gr.  8.)    —.60. 
SerftanMititeett  b.  gelefjrt.  (Sftntfd).  @ef.  $u  $otyat.  15.  93b.  $orpat  1891.   (Scipa- 

Ä.  $.  Äöftfer  in  Gomm.)  a.  u.  b.  £.:  39  (Sftnifaje  $rebigten  t>.  ©eo.  gRfiller 

a.  b.  3.  1600-1606.  m.  e.  $orm.  b.  SBiff).  SReimann.    (LIV,  841  S.  gr.  8. 

m.  1  Sdjrifttaf.)    16.  »b.    1.  #ft.    ®bb.  1891.    (72  S.) 
Virchow,  Rud.,  üb.  d.  diesj.  Generalvsammlg.  d.  dtsch.  anthrop.  Ges.  u.  d. 

Stand  d.  archäol.  Forschg.  in  West-  u.  Ostpr.    [Vhdlgn.  der  Berl.  Ges. 

f.  Anthrop.  etc.  v.  17.  Oct.  S.  746—67.]  üb.  d.  altpr.  Bevölkere.,  namentl. 

Letten  u.  Litauer,  sowie  deren  Häuser  (m.  11  Zinkogr.)  [ebd.  17.  Oct. 

S.  767-805.] 
Wahnschaffe,   Dr.   Felix,   d.   Ursachen   d.  Oberflächengestaltg.  des  Nord- 
deutsch.  Flachlandes;   m.    5   Lichtdr.-Taf.  u.  25  Textillustr.     Stuttg. 

Engelhorn   (166  S.  gr.  8.)  [Forschungen  z.  deutsch.  Landes-  u.  Volkskde. 

hrsg.  v.  A.  KirchhofP.  VI.  Bd.  1.  Hft.]    7.20. 
SBalbntann,  (£.,  galten  u.  Abenteuer  im  btfdj.  (5td)(anbe:  m.  32  $fjotograü.  nadj 

Orig.=8ei4ngn.  o.  «16. 9Kä)ter.  8ty,  o.  3.  (1891)  O.  Spanier.  (VII,  214  S.  gr.  8.) 

4.—  geb.  in  Seinro.  5.— 
S&ebet,  Xfjeob.,  b.  ©eneralsSöfmlg.  ber  Ultramontanen  in  3)anjig  u.  bie  b.  e&ang. 

»unbeä  in  Gaffel.    SBortr.    ©äffe.    (S.  Strien.    (28  6.  gr.  8.)    —.30 
Werner,   Rieh.  Maria  (Lemberg),   Aus   e.  Stammbuch   d.   17.  Jahrh.    (des 

„Simon  Franck  Rastenb.  Prussus  phil.  et  theol.  Stud.  Regii-Borussor.- 

Montis  M.  DC.XLIIX"  m.Eintragungen  u.  a.  von  Alb.  a  Galnein,  Consil. 

Ducat.  Bor.  et  Gapit.  Rastenb  ,  Joh.  Löselius,  Simon  Dachius.)    [Viertel- 

iabrschrift  f.  Littgesch.  IV.  Bd    1.  Hft.    S.  156—156.] 
Wiedemann,  Osk.,   zu   d.  litau.  auslautgesetzen.     [Ztschr.  f.  vgl.   sprachf. 

auf  d.   geb.   d.    indogerm.    sprachen.,    bd.   32.    N.  F.   bd.  12.    hft.  1. 

s.  109-122.] 
Wislocki,  WL,  Przewodnik  bibliograficzny  .  .  .  Rok  XIII    1890.   Krakow. 

Gebethner.    (XXIV,  236  S.  gr.  8.) 
Wisla.   Miesiecznik  geograficzno-etnograficzny.   Tom  V.  Rok  1891.     (5  Bl. 

1029  S.  gr.  8.) 
WoerPs  Reisehandbücher.   Führer  durch  Königsberg  i.  Ostpr.  u.  Umgebg. 

3.  Aufl.    Würzburg.    L.  WoerPs  Sep=-Conto.     (20  S.  gr.  16.  m.  Plan. 

u.  2  Kart.)   —.50. 

—  —  ...  Führer  durch  Insterburg  u.  Umgebung.    Ebd.    —.50. 

—  —  .  .  .  Führer  durch  Marienburg  u.  Umgebg.    Ebd.    —.50. 

—  —  .  .  .  Führer  durch  Thorn  u.  Umgebung.  (20  S.  m.  Plan  u.  2  Kart.)  —.50. 
Wolff,  Landw.-Lehr.  Paul,  westpr.  Herdbuch ;  i.  Auftr.  d.  Herdbuch gesellsch. 

f.  Zchtg.    v.  Holländer   Rindvieh    in   Westpr.    hrsg.     1.    Bd.     Berlin. 
(336  S.  gr.  8.  m.  e.  färb.  Karte)    3.— 
3cfrfd)ttft  b.  »erein«  f.  ©efä.  u    BUtfj.  Sd)(efien8.  .  .  .  fjrSg.  t>.  Dr.  G.  ©rim* 
fagen.   Job.  25.   SBreSlau.   3Äaj  &  (So.   (388  S.  gr.  8.)  *4.— 


42  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

Jtett*,  $rof.  Dr.  ©an«,  ®efd>.  b.  aRittefofterö.     XI.  n.  HL     (655;  696  6.  gr.  8.) 

[flflgem.  Söeltgeftf.  in  einjelbarftellgn.   $b.  5.  6.   Berlin.   1890/91.    ©rote. 

.  .  .  2ief.  148  ff.  ©ubfcr.  a  Sfg.    1.'-] 
$a8  Mittelalter.    (VIII,   174  ©.  gr.  8.)   [fc.  $rufc  u.  $.  ©c&iUcr,    Seit- 

faben  f.  b.  gefdjidjtl.  Unterridit  in  6.  ob.  Älaffen  Ijötj.  2e$ranftaften.    2.  33)eti. 

Berlin,  ©rote.  1.60.  ge6.  2.— 

$ie  Weufteit  (168  ©.  gr.  8.)  [ßeitfaben  3.  3$eU.]  1.40  geb.  1.80. 

8ur   eurotfiifdjen    ©taatengefäitfte.    [Blätter   f.    literar.    Untfjaltg.     9hr.   3.] 

gerbinanb  ©regorooiuä  I.  IL   [9totiona(=8ta.  304.  806.f 
Qnedenfeld,  Carl,    üb.  e.  Fall  v.  Osteoidchondrom  m.  multiplen  Metastasen. 

I.-D.    Kgsbg.    (Koch).    (26  S.  gr.  8.)    baar  n.    -.80. 
Baczklewicz,  Vi  ct.,   Führer  durch  Danzig  u.  s   Umgebung.     M.  e.  Plan  d. 

Stadt.    Danzig.    Dr.  B.  Lehmann'sche  Buchhdlg.    (54  S.)    0,50. 
Iladde,  Dr.  Gust.,   kurze  Gesch.    d.  Entwicklung  d.  Kaukasisch.  Museums 

während  d.   ersten  25  Jahre   sein.  Bestehens   v.  1.  Januar  1867    bis 

1.  Januar  1892.    Tiflis  1891. 

Circularbriefe  I— III.    [Das  Ausland  64.  Jahrg.  No.  38.  39.] 

Bahnen  ftthrer,  C,  über  d.  Zusammensetzg.  u.  Kry stallform  d.  isophtalsaur. 

Barvums.    JTiebig's  Annalen  d.  Chemie.    Bd.  266.    S.  30—33.] 
Ranlsch,  Wilh.  (Kgsbg.  i.  Ostpr.)    Rec.     [DLZ.    3.] 
Batkowaki,  Leop.,   a.  Gollub  (Westpr.),   Beitrag  z.  Kenntnis  d.  physiolog. 

Wirkg.  d.  Phenocollum  hydrochloricum.    I.-D.    Berlin.    (82  S.  8.) 
&öt),  9Recf)töpraft.  (£mi(,  b.  (Sinflufe  b.  bebingt.  SRooation  auf  b.  urfprüngl.  Obligation. 

<panbeftenftubie.     9Rof)rungen  i.  Dftpr.   (SRündjen,    «.   93udtöota.)     (*33  ©. 

gr.  8.)    1- 
Beck,  Paul,  Untersuchgn.  d.  Harns  auf  Mikroorganismen  bei  acuter  Nephritis. 

I.-D.    Würzburg.    (24  S.  8J 
ftcformblätter  &.  ftörberg.  freifjeitl.  ©ntwirfefg.  religtöf.  Sehend.   &räg.  o.  £&.  $rengeL 

12.  3g.     24  Htn.     (l/s  93.   gr.  8.)     ÄgSbg  r   Sroun  &  SBeber  in  Gomm. 

fjalbj.  baar  n.  lr50. 
Behdans,  Oberl.  Dr.,  Aufgaben  a.  d.  Statik  u.  Dynamik  m.  Beispielen,  welche 

an  preuß.  Anstalten   in   d.  Entlassungsprüfg.    bearbeitet   word.   sind. 

Beil.  z.  Progr.  d.  kgl.  Gymn.  Graudenz.  (24  S.  8.) 
9tei$el,  @ug.,  Wec.  [$.  SRagajin  f.  Sitterotur.  .  60.  3a§rg.   89.] 
»eidte,  Victor  (a.  $iflau).    iöuffafo  «itt.    ©eine  ©rfebniffe  u.  Abenteuer  im  teritben 

Söeften.    TOit  4  ©übern  in  garbenbr.   ü.  gfrife  SBergen.    ©tuttg.    8dnnibt 

u.  ©pring.    (176  ©.  8)  fart.  3.— 
Beimann,  Dr.  P.,  d.  altniederdtscfi.  Präpositionen.   Progr.  d.  Real-Gvmn,  zu 

St.  Petri  u.  Pauli.)    Danzig.    (S.  8-26.    4°.) 
fteufd),   $>ernnann,   9lmt3geridjt8r.  a.  $.,   b.  Serfafjren  in  ©runbbudnadjen  nadj  b. 

$reufj.   ©runbbudjgefefcen  u.   5.   Wai   1872  m.   Serücffidjtigg.   b.    einfdjfäg. 

materiell.   9?cd)t§normen   u.   b.   in   b.  93efd)n>erbeinftana   ergangen,   enbgültig. 

(Sntfdjeibgn.  fijftemat.  bargeft.  u.  m.  Formularen  ju  Urfunben  it.  Verfügungen 

oerfefjen.   ©erfin.   Verl.  o.  .fr.  SB.  SRüfler.   (2  »1.,  VII,  380  ©.  gr.  8.;  7.— 
Bheindorff,  Ose,  üb.  Kehlkopftuberculose  im  Kindesalter,    im  Anschluß  an 

e.  Fall  v.  Pseudoparalyse  u.  Tuberculose.  I.-D.  Kgsb.  i.  Pr.  (W.  Koch.) 

(36  S.  gr.  8.)  baar  n.  1.—) 
Bhode,  Paul.,  Thynnorum  captura  quanti  fuerit  apud  veteres  momenti  exa- 

minavit.  [Jahrbuch,  f.  class   philologie.  XVIII.  supplemtbd.  s.  1—79.] 
Blchter,  W.,    15  Fälle  v.   vaginal.  Totalexstirpation   d.  Uterus   a.   d.  Kgl. 

Uni versit. -Frauen-Klinik  zu  Königsberg.    Kbg.    Koch.     (44  S.  gr.  8.) 

baar  n.  1. — 
Bieder,    Adf.    (Gumbinnen),    Lebens-    u.    Glaubensansichten    des    Reise- 
beschreib er  s  Pausanias.    [Neue  Jahrbuch,  f.  philol.  u.  paedag.    2.  abt 

144.  bd.  s.  465-475.1 
Bittberg,  Karl  H.  G.  B.  Graf  v-,  e.  Beitrag  zu  1813.    D.  Belagerg.  d.  Fstg. 

Spandau   u.   damit  in  Zusammhg.   steh,    krieger.  Ereignisse  im  Kgr. 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  43 

Preuß.,   vomehral.   in   d.  Karmark  bis   geg.  Ende   1813.    Mit  Plänen 

u.  Beilagen    verseh.   u.    nach  Archiven   u.   geschichtl.  Belegen  bearb. 

Graudenz.   J   Gaebel.  (VIII,  843  S.  gr.  8.)    9.50. 
ffiofänet,  9trno(b,  b.  ©elb  u.  Sofftot.    [2>ie  ©egennmvt  ©b.  39.  Mr.  18-1  b.  ^oettfcfic 

©eredjtigfeit  (m.  ©cj.  auf  Älfr.  ftrfyr.  o.  93erger  bvamaturg.  SSorträge.    SBien 

1890.   [SHüntf).  «flg.  8tg.   »etI.*Er.  268.] 
Stoecfttet,  fteinr.,  ^ur  Erinnerung  an  SRenerbeer.   [Sie  ©egemoart.  93b.  40.  9?r.  36.1 
ftoepett,    ©efj.  9teg.=9t  $rof.  Dr.  SRidj.,   jur  ©enefiä  b.  fcfaffg.  $o(cn«   to.   3.  9Kai 

1791.     (W.    Kalinka,    Seym    czteroletni.      Tom  III    w   Lwowce    1888 

(b.   öierj%.   Sfteitfätag).)    [£iftor.  8eitftfr.    ft.  fr    30.  (2).  g*.  31.  66.)  93b. 

@.  1—52.)    ba8   Sntcrrcgnnm.    28af>[   u.   Ärönung   oon   ©tani8(ato   Wuguft 

$oniatott)8ft.  6.  Oft.  1763  big  7.  $)ea.  1764.  IStfc^r.  b.  fjift.  ©ef.  f.  b.  *roo. 

?ofen.  VI.  Safcg.  3/4.  <pft.  ©.  255-342.] 
Roethe,  G.    Notiz  zu:  Wappen,   helmzierden  u.  Standarten  d.  groß.  Heidel- 
berg,   minnesängerhs.    [Anzeiger  dtsch.  alterth.  u.  dtsch.  litt.    XVII. 

s.  77—78.]    Noch   einmal   d.    indogerman.    genns.    [ebd.  s.   181—184.] 

ttec.   [DLZ.  11.  41.  46.  52.    £iftor.  flettfär.    9*.  g.   30.  93b.   @.  95-100. 

Ztschr.  f.  dt.  philol.  24.  bd.  s.  273—275.1 
Rosenfeld,  Kurt  (a.  Thorn\  e.  Fall  v.  Pseudoleukaemie.    I.-D.    Halle  a.  S. 

(82  S.  8.) 
Rogenthal,  Rob.,   a.   Kgsbg.   i.   Pr.,   üb.    congenital.    Hydrocephalus.    I.-D. 

Berlin.    (49  8.  8.) 
Rosikat,  ord.  Lehr.  Aug.,  Ueb.  d  Wesen  d.  Schicksalstragödie  I.  Teil.  (Progr. 

d.  städt.  Realgymn.)    Kgsbg.    Hartungsche  Bchdr.    (S.  1—26.  4.) 
fftofftt  ©uperint,   b.  ©onntagSfrage.     ©otfja.    $ertl)e3.    [Shnmer'S  ^anbbibliotljef 

b.  £raft.  Geologie.    Slbtl).  15.]    (V,  66  @.  gr.  8.)    1.— 
fflüffl,   Srvanj,   grerbindnb   ©regorooiuS.     ©ebädjtntörebe,   gefj.   in  b.  Sifcung  b.  fgl. 

beutfd).   ©efeflfdj.   in  #g«bg.   am  28.   3Rai  1891.    tgäbg.  i.  $r.    Wartung. 

(16  ©.  gr.  8.)    baar  n.  —.20. 

—  —  d.  Überlieferg.  v.  Xenophons  Hipparchikos.     [Neue  jahrbb.    f.   philol. 

143.  bd.  S.  53—65.]   wann  schrieb  Zosimos?  [Rhein.  Museum  f.  Philol. 

46.  Bd.  S.  146-147.]    üb.    d.    v.    Mr.  Kenyon  veröffentl.  Schrift  vom 

Staate  d.  Athener,  [ebd.  S.  426—464.]   Rec.  [Berlin,  philol.  Wochenschr. 

XI.  Jahrg.  No.  7.  8.  16.  44.] 
9htttbf4)ait,  eüangettfdje.    Beitg.  f.  b.  ©emeinben  u.  bie  ßNeigfcereine  b.  eo.  SitnbeS. . . 

$r3g.  u.  reb.  o.  Nrtfibiaf.  33  er  Hing.    Safjrg.  1891.    (52  Sßrn.  a  Vs— 1  8. 

gr.  4.)    ©anjig.    ßafemann.    SBiertelj.  —.75. 
8titW*  litterar.   9tod)ia&  nebft  $ac$ri<f)ten  üb.  f.  Sieben.    3m  Sluftr.  o.  grennben 

b.  $erftorb.    &r$g.   o.   P.  Schultzky-^nfterburg.     3,oc^er   3%«I.     Rönigöb. 

SBerl.  o.  fctibner  <fc  9Kafr.    (2  »[.,  388  ©.  8.)  ' 
S.   <l.    Erinnerungen   (aus   b.   Sauren    1840—70    in   flünigäberg.)     [©onntagäbl. 

b.  ÄönigSb.  fcartungfd).  8tg.  $r.  40-46.] 
Saalschutz,   Prof.   Dr.   Louis,   üb.   e.  Specialfall   der   hypergeometr.    Reihe 

dritter  Ordnung.  [Ztschr.  f.  Mathem.  u.  Phys.  36.  Jg.  5.  Hft.  S.  278-295. 

6.  Hft.  S.  321-327.] 
&altoto$ti,  $rof.  Dr.  Sari,   nur  fiefjre   oom   ©flaoenerroerb;   e.  SBcttr.   ,v  3)ogmatit 

b.  röm.  $rtoatredit$.    Seidig.    Saudjnifr.    (XI,  256  ©.  gt.  8.)    8  — 
Salkowski,   Prof.   E.,   zur   Kenntniß   d.   Fett  wach  sbildung.     (23   S.    gr.   4.) 

[Festschr.  zu  Virchow's  71.  Geburtstage  gewidm Berlin.  Reimer.] 

—  —  Physiologische  Chemie.     [Jahresber.   üb.    d.    Leistgn.    u.   Fortschritte 

in    d.    gesammt.   Medic.     XXV.   Jg.    f.  d.  J.  1890.     I.  Bd.     1.  Abth. 
S.  131-193.] 

—  —  üb.  das  Peptotoxin  Briegers.    [Virchow's  Archiv   f.   pathol.  Anat.    u. 

Physiol.  Bd.  124.  Hft.  3.  S.  409—454.  Ref.:  „Dtsche  medic.  Wochen- 
schrift No.  29  vgl.  No.  31. J  üb.  d.  Einwirkung  des  Chloroforms  auf 
gelöste  Fermente.  [Fortschr.  d.  Medicin.  Bd.  9.  No.  5.  Ref.  in: 
ientralbl.  f.  medic.  Wiss.   No.  25.]    üb.  Vorkomm.   u.   Nachweis   des 


44  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

Hämatoporphyrins   im    Harn.      [Ztschr.  f.  physiol.  Chemie.    XV.  Bd. 

S.  286-309.1 

SalkowskI,  Paul  (Memel),  erläuternde  Bemerkgn.  zu  Cicero  de  officiis 
cap.  82.  83.  42.  [Neue  jahrbb.  f.  philo!,  u.  paedag.  2.  abt.  144.  bd. 
hft.  10.   b.  484-491.] 

Samter,  Dr.  E.  0.,  üb.  Lymphangiome  d.  Mundhöhle.  (Aus  d.  kgl.  chir. 
Universitatsklin.  zu  Königsog.)  [Arch.  f.  klin.  Chirurgie.  41.  Bd. 
S.  829-841  m.  Taf.  XI,  Fig.  8.]  üb.  d.  plast.  Ersatz  bei  vollständig. 
Defect  d.  Unterlippe  u.  d.  Kinnhaut.  [ebd.  S.  842—849  hl  Taf.  XI, 
Fig.  4.  5.| 

Samuel,   Prof.  Dr.  S.,   d.  Selbstheilung  d.  Entzündungen   u.  ihre  Grenzen. 

[Virchow's  Archiv  f.  pathol.  Anat.  etc.    Bd.  126.   S.  81—108.] 
Schaede,    Dr.    M.    (Assistent),     Aus    dem    Ambulatorium     d.    Privatdoc. 

Dr.  P.  Michelson  in  Kbg-j  d.  Hypertrophie  d.  Zungentonsille  u.  ihre 

Behandlung.  [Berl.  klin.  Wochenschrift.    28.  Jg.   No.  13.  S.  324—328.] 
ZQatoaütt,  fjrifr,  ßöntgin  öuife;  e.  $rama  f.  b.  $ott*büfne.    ©tuttg.   ©reiner  unb 

Pfeiffer.    (71  6.'   12.)    1.- 

Schellong,  Dr.  0.,  d.  Klimatologie  der  Tropen  (1.  Bericht.),  nach  d.  Ergeb- 
nissen d.  Fragebogenmaterials  im  Auftr.  d.  dtsch.  Kolonialgesellscnaft 
bearb.    Berlin.    Heymann.    (48  S.  gr.  8.)     1.50. 

—  —  Beiträge  z.  Anthropol.  der  Papua,     (m.   5  Zinkogr.  u.  Taf.  III — VI.) 

[Ztschr.  f.  Ethnol.   23.  Jg.    Hfl.  IV,  S.  156-280. | 
[Schenkendorf.]    Jonas,  Fritz,  Briefe  Max  von  Schenkendorfs.  [Vierteljahr- 

schrift  f.  Litteraturgesch.  IV.  Bd.  4.  Hft.  S.  609— 621.J 
Scnlefferdecker,  Prof.  Dr.  Paul  in  Bonn,  mit  W.  Behrens,  u.  A.  Kossei, 

die  Gewebe  d.  mensch  1.  Körpers  u.  ihre  mikroskop.  Untsuchg.   2.  Bd. 

Gewebelehre     mit     besond.    Berücksichtigung    d.     menschl.    Körpers 

v.  P.  Schieferdecker   u.    A.  Kossei.     1.  Abth.    Braunschweig.  Bruhn. 

(XIV,  420  S.  gr.  8.  m.  214  Abbildgn.)     12.60.    (I  u.  II,  1.:  21.  20.) 

—  —  Nachtrag  zu  meiner  Mitth.  üb.  d.  Koch-Wolz'sche  Mikroskopirlampe. 

[Ztschr.  f.  wissensch.  Mikroskopie.  Bd.  VEI.  S.  53.] 
@4)iinittclffmtift,  ftedjtäanto.  x>.,   uaterläno.  ©rinnenmfl8=93änber   (§ierp  Xaf.  VTH 

u.  IX  mit  Sl66übgn.)  [SfegSber.  b.  $lttf)«gej.  $ruffia  im  46.  »crcinSj.  6.53—55.] 

$.  einfüljrg.  b.  '«ßapiergelbeS  in  ^reu&en.    [ebb.  8.  56—68.1 
3d)itma<ber,  <Reg.=$aum.,  e.  Söaumeifter.    3Md)tung.    Berlin.    <£.  Xoedje.    (242  6. 

gr.  8.)    2.40.    geb.  baat  3.40. 
Schirmer,   Dr.  Otto,   Privatdoc.   u.    poliklin.  Assistent  an   d.  Univ.-Augen- 

klinik  zu  Königsb.,  ab.  Adenome  der  Karunkelgegend;  nebst  e.  neuen 

Fall.    Mit  Taf.  VII,  Fig.  1  u.  2.    [Graefe's  Archiv  f.  Ophthalmologie. 

37.  Bd.  Abth.  1.  S.  216—229.)    zur  patholog.    Anat.   u.    Pathogenese 

des  Centralstaars.    (m.  Taf.  I.  u.  II.  Fig.  1—6)     [ebd.  37.  Bd.  Abth.  IV. 

S.  1— 25J     üb.  d.  We^en  der  Hemeralopie;  Vorlauf.  Mittheilg.  [ Dtsch e. 

medic.  Wochenschr.   No.  8.   S.  87—89.     vgl.    Central bl.   f.   d.   media 

Wiss.  No.  17.] 
edjtracr,  ©e^etmr.  ?rof.  Dr.  Xlj.,  Beiträge  &.  3nter^rctotton  t>on  ©cetoofa«  9?cfponfen  I. 

[«r*to.  f.  b.  ctoilift.  <ßrartö.  tt.  ft.  28.  ©b.   1.  fcft.  6.  30-47  ]    Beitrage 

zur   Interpretation    von   Scävola9   Digesten    II.     [Ztschr.  d.  Savigny- 

Stiftg.  f.  Rechtsgesch.  XII.  1.  (Rom.  Abth.  1.)  S.  15-83.] 
edjtntter,  $fr.  2B.,  9(&a3uer;  c.  Warnruf  in  ber  3ubenfrage.    $an$tg.    tfafetnann. 

(15  S.  12.)     -.20. 
Schleimer,  Alex,  Danzig  (aus  Mewe),  d.  Positivismus;  e.  krit.  Studie.  Leipz. 

I.-D.     Danzig.     (32  S.  8.) 
Schmid.     Shakespeare  -  Schulausgabe.    Sammlung  Shakespearischer  Stücke; 

f.  Schulen   hrsg.    v.    Dir.  E.  Schmid.    Danzig.    L.  Saunier.     I.  Julius 

Caesar.   6.  verb.  A.  (92  S.  12.)  II.  The  merchant  of  Venice.   4.  vb.  A. 

(88  S.)    III.  Macbeth.    3.  vb.  A.  (88  S.)    a  -.80. 


Altpreuftische  Bibliographie  für  1891.  45 

egmifet,  Dr.  Ä.  ®.,  Sofabefa  u.  trafen  $u  Cäsars  bellum  Gallicum  nebft.  htr^. 

Sfameifgn.  jum  Ueberf.  9.  #ft.  VI.  ©ud).    ßa»>.  1—20.    (23  S.)   ÄönigSbg. 

gerb,  »etyer'a  SBcr£.     —.80. 
Sofabein   u.   trafen  gu   fiomerö   Obtoffee.   (1.  ©efang.)    (Stot^a.    »ertljeS. 

(IV,  28  @.  8.)    -.40. 
bon  5Rafuren§  8eeen;  fn'ft.  u.  fonbfdjafu'.  ©djifberungen.     [Wiiä:   „SRunbfdjau 

f.  ©eograpfjie  u.  ©tatiftif."]    SBien.     Söfeen,   m.  &ifd)er  in  Äomm.     (16  6. 

gr.  8.  m.  4  ®ilb.  u.  1  $arte.)  baar  n.  n.  —.80. 

Schnaase,  Leop.,  Alhazen;  e.  Beitr.  zur  Gesch.  der  Physik;  m.  Taf.  IV. 
[Schriften  d.  naturf.  Ges.  i.  Danzig.  N.  F.  Bd.  VII.  Hft.  3.  1890. 
8.  140—164.] 

Schnebel,  Reg-  u.  Baurath,  d.  Gründung  der  Festungsgraben- Brücke  der 
Königsberg-Labiauer  Eisenbahn  auf  gusseisernen  Schraubenpfählen. 
[Centralbl.  d.  Bauverwaltg.    XL  Jg.    Nr.  5.    S.  45—47.  m.  Zeichngn.J 

Schneider,  Oberl.  Dr.  Otto,  Lehrbuch  d.  mathem.  Geographie  zum  Gebrauche 
für  d.  Prima  höherer  Schulen.  2  Figurentaf.  m.  34  Zeichngn.  Beil. 
zum  Realgymn. -Programm  Elbing.    (40  S.  8.) 

€$0»,  £I)eöb.  t».,  ©tubienreifen  e.  jung.  ©taatSmanntS  in  (Sngtcinb  am  (Scftluffe 
b.   üorig.  3a^r§.    ©etrr.   u.  9tadjtr.  j.  b.  papieren  b.  SRinift.  u.  ^Burggrafen 

0.  9tfarienburg  Xfjeob  t».  ©djön,  m.  ftacfjtr»ort  ü.  c.  Oftpreufjen  u.  l  fiitfj. 
Berlin.  @imion.  (XIV,  5.4  6.  gr  8.)    10.— 

Schöne,  Alfr.  Prof.  Dr.  (Königsbg.)  Rec.    [DLZ.  40.  43.  47.  49.] 

Siftopetitaitet'*,  ?lrtt)ur,  fämmtl.  SBerfe  in  6  »bn.  fjrSg.  t>.  @buarb©rifebac$.  I. 
a.  u.  b.  £.:  b.  2Belt  a(3  SBifle  u.  «orftettg.  1.  »b.  Eier  ©üdjer,  nebft  e. 
ftnijange,  ber  bie  ßrit.  bei  Äantifdjen  ^fjitofopfjie  enthält,  fieipj.,  3)ru<f  u. 
SBerl.  d.  $f}ü.  föeclam  jun.  f Untuerf al « SBibliot^eL  9?r.  2761-65.]  (4  991  r 
677  S.  gr.  16.)  IL  a.  u.  b.  £.:  b.  SBelt.  ...  2.  »b.,  tu.  b.  ©rgänjgn.  ju 
ben  4  ©üd).  be8  erft.  93b3.  entfj.  [Er.  2781-85.]  (762  <S.)  III.  a.  u.  b.  £.: 
3)er  ©a&  Dom  ^ureidjenb.  ©runbc.  Ueb.  b.  ^Bitten  in  b.  9?atur.  $ie  beiben 
©runbprobleme  ber  (SUnt.  [Wr.  2801-6]  (656  ©.)  IV.  V.  a.  u.  b.  £.: 
Sßarerga  u.  ^aralipomena :  Meine  fcf)ifofop.  8ä}rifteu.  1.  83b.  [9fr.  *821— 25.] 
(554  ©.)    2.  SBb.  [9fr.  2841-45]    (696  ©.)    VI.  a.  u.  b.  £.:  garbenie^re: 

1.  Ueber  ba3  @e§n  unb  bie  Sfarben.  2.  Theoria  colorum  physiologi'-a. 
9Rit  *ßortr.,  biogr  =  bibüogr.  Wnljang,  9?amen*  u.  ©adjregift.  [9fr.  2861—65.] 
(450  6 )    geb.  a  1,50. 

—  —  $anbfdjrift(.  9fruf)to&.    2Iu8  ben  auf  b.  Äönigf.  93ibfiotfj.  in  SBerltn  t»ern>af)rten 

SRfcr  =©üä)ern  (jrSg.  d.  ©b.  ©rifebad).    I.  58b.  99alt§afar  ©racian'8  §anb* 
Orafel  u.  flunft  ber  SBeltftugljeit,  aus  beffen  SBerfen  gebogen  r*on  $>■.  Sßincencio 
Quan  be  fiaftanofa,   u.   aus  b.  fpan.  Orig.   treu  u.  forgf.  überf.  t>.  Ä.  Sdj. 
@bb.  9fr.  2771.  72.]  (178  ©.  gr.  16.)    a  -.20. 

ämmtt.  SBerfe    fjrSg.   ü.  3u(.  grauenftäbt.     2.  SlufL     9frue  (Stitet=)  9tu«g. 

6  93be.  gr.  8.  fieipg.  (1888)  1891.  ©rocffauS  (VIII,  203;  XIV,  160; 
XVI,  93;  68;  XXXVI,  633;  VI,  743;  XXXI,  147;  XLII,  276;  XV,  532 
u.  VI,  696  S.  m.  1.  £af.)  18.—  geb.  24.-  aud)  in  45  fifgn.   a  —.40. 

Daraus  einzeln: 

—  —  üb.  b.  üierfadje  SBuraei  b.   @afeS  Dom  ^«i^enben  (Srunbe;  e.  p^itof.  Wh* 

banblung  m.  e.  fitfj.  &ig.^af.   5.  ($it.=)  «ufl.   ©rag.  ü.  Sul.  grauen ft ab t. 

kbb.  (1876)  1891.  (XV,  160  ©.  gr.  8.)    1.50. 
bie  SBett  aß  SBitte  u.   SBorfteHung.     8.  (Sit.*)  «ufl.   ...    2  93be.    ®b\>. 

(1888)  1891.   (XXXVI,  633  u.  VI,  743  ©.)  6.-  geb.  8.- 
üb.  b.  SBiflen  in  b.  Statur;    e.   (Erörterung    ber    33eft(itigungen,    tuelaie   bie 

$l)ifofol>ljie  b.  SBcrf.  feit  i^r.  «uftret.  burd^  bie  em^ir.  SOÖi'ffenfa^aften  erhalten 

t)at.    5.  (%\U)  «ufl.  .  .  .     ®bb.  (1878)  1891.   (XXXII,  147  @.)    1.50. 

—  —   b.   beiben  ®runbJ)robleme  ber   @tfjifr    befjblt.    in    2  afabem.  $rei§f djriften. 

4.  (Üit.)  ?(ufL  (£bb.  (1881)  1891.  (XLII,  276  ©.)  2.-  geb.  3.- 


46  AltpreuBische  Bibliographie  für  1891. 

5d)0pe üftattet,  flarerga  it.  $ara(tVomcna.  kleine  jrfjtfofopf).  ©Triften.  7.  (Xit=)  9tufL 

2  93be.    ebb.  (1888)  1891.  (XV,  B32  u.  VI,  696  @.)    6.-  geb.  8.- 
ftimmtf.  SBerfe.    ®enaue  XertauSg.  m.  b.  legten  ßufäfeen.     6  35be.     Serftn. 

»ibliogr.  »nftalt  91.  SBarfäaiier.    (V,  V,    26ö;    V,  XXI,    351:    IV,  635: 

VI,  451;  VI,  569  u.  VII,  XVIII,  377  S.  12.  m.  1  $ortr.  u.  2  £af.)  baar 

7,50;  in  3  8b.  6.— 

Daraus  einzeln: 
Varerga  u.  Sßaralipomena.    kleine   Schriften.     2  Jfjle  in  1  Sb.     &bb.   (VI, 

451    u.  VI,  569  S.    12.   m.  $ortr.)   1.60;    geb.  in  Seinto.  2.—    in  2  8be. 

geb.  2.75. 
Sic  «3c(t  a(ö  SMe   u.  «orfteüung.     2  £&(e  in  1  »b.    ebb.    (XXI,  531  u. 

IV,  635  <S.  12.  m.  $ortr.)  1.60.  geb.  in  Seinro.  2.— ;   in  2  »be.  geb.  2.75. 
Heinere  Schriften,     ©enaue   £ertauäg.    in.  ©djopenlj.'ö   fefet.  Sujäfc.    2  Sty* 

in  1  93b.  ebb.  (V,  265  u.  XVIII,  378  6. 12.  m.  *ortr.  u.  1  Jaf.)  1-60;  geb  2.— 
3Retaj)Wif  ber  C*cfd)(ed)t*[iebc.    —    iteb.   b.   SBeiber.    ebb.    (8.  518—540.) 

—.50;  geb.  in  Seinw.   —.75. 
9Berfe.   SRit   Ginltqn,    erläut.  Vmn.  u.  e.  biogr.=fjiftor.  ^^arafterifttf  Sdjofrcn- 

flauer«   in  Kuttoaty   l)räg.   u.    Dr.   SRorüj  ®rajd).     2  93be.    SRit   b.   $ortr. 

Sdjopen&auerS.    1.  u.  2.  91ufl.    fieipj.,   SBerl.  ö.  ®uft.  Socf.    (^XXXII,    740 

u.  VI,  781  6.  gr.  8.)    10- 
3ur  Weftfjetif  ber  v$oefte,   TOufif  u.   ber   bilbenben  fünfte.    9?eu  fjrdg.  u.  cr= 

laut,  üon  Dr.  9Nori&  JBraf^.     1.  u.   2.  9lufl.     (£bb.    (1891).   <2  »1.,  43  3. 

gr.  8.)    —.50. 
fleinere  9luffäfre    uermifrfjt.   3ntyattö;    &r%   u.   m.   <5int.   »fei),   ü.  Dr.  9Ror. 

ErajaV   1.  u.  2.  91.    CSbb.   (IV,  107  gr.  8.)    1.— 

—  —  ÖJenie  u.  SBainifinn;    neu   Ijrög.  u.   erl.  x>.   Dr.   9Hor.  ©rafdj.     1.  u.  2.  91. 

Gbb.    (30  S.  gr.  8.)     —.50. 
$ur  SebenäroeUljett.    9lbf)bfgn;    fjrög.    u.    m.   e.   (5ml.   t»fe^.  u.  Dr.  9Wor. 

93rafd).    1.  u.  2.  91.  <5bb.   (IV,  96  S.  gr.  8.)    1.- 
9Hetatfj.   b.   ©efd)(e#td(iebe. .   Ueb.  b.  Leiber.     3n>ei   «bt)bfgn.    m.   criaut. 

&nm.  ^rSg.  x>.  Dr.  9Kor.  »rafaV    1.-3.  91.   ebb.   (III,  52  6.  gr.  a)  —.75 
über  Religion;   e.    Dialog.     9ieu    burdjgefefj.    u.   f)r*g.   ü.   Dr.   3R.  ©rafdb. 

1.-2.  91.    Gbb.   (35  @.  gr.  8.)     —.50. 
2)ie  SBeft  als  SöiOe  unb  i&orftcflung.     9?acft   b.    3.   Dom  SSerf.  felbft  beforgt. 

9tuft.    1.  »b.    SSicr  »ürfjer,  nebft  e.  9lnf)ang,  ber  bie  Äritif  ber  flantiidj.  Jtyilof. 

enthält.     (XXVII,   446  u.   134  @.  8.  m"  1  2af.)   2.  93b.,  meufjer   bie  Gr= 

gan^gn.  J.  b.  4  SBü$.  be3  1.  93b3.  enty.   (VI,  667  S.)    [93tbüotf>ef   ber  Qk 

fammt'Sitt  b.  3n*  u.  9(u8lanbefc.   $>alle.   O.  $cnbef.  9h.  491—502.  a— .25; 

(Smbänbe  a  n.  n.  — .25J 

—  —  Parerga   u.   Paralipomena.      Kleine    philos.    Schriften.    Hrsg.    sowie 

mit  Einleitg.  u.  Anm.  versehen  von  R.  v.  Koeber.   (In  etwa  lOLfgn. < 

Lfg.   1-12.    Berlin.    Boas.     (1.    Bd.:    VIII,   568   S.   gr.   8.     2.   Bd.: 

VI,  664  S.)  a  -  .60.   cplt. :  7  20.  geb.  in  Halbfr.  baar  8.60. 
fiict)tftrat)len  aus  feinen  Serfen;  m.  e.  SBiogr.  u.  (S^arafteriftif  S(6tH>cn^auer* 

ü.  3ul.   Srauenftnbt.    7.    91.    fift,    93roc!()au5.     (XXIII,   232  S.  12.) 

3.—    geb.  m.  Ö3oIbfct)n.  4.— 
^t)iCofopt)ic  ber  Äunft.    f9lu8:    „ffielt   olö  9Bi(le  u.  Sorfteöung"  u.  w?arerga 

u.  faralipomena"]    2  SBbd).    ($bb.    (VI,    168  u.   V,  253   S.  12.)    a  2.— 

geb.  a  3.— 
üb.  b.  ©cifterfcfyen   u.   roaS   bamit  ^ufnmmen^ängt.     [91u*  „^Qrerga  u.  $arü« 

lipomcna".J    i&bb.    (VII,  127  6.  12.)    2.-    geb.  8.- 
üb.   Religion   u.   edjirfjal.      [9tu§     „parerga     u.    ¥aralu>omena".]      <56b. 

(Vn,  i71  ©.  12.)    2.-    geb.  3.- 
üb.  ©enie,   große  Qteifter  u.  irjrc  3citgenoffen:   e.  Sammlung  i>.  ©teilen  au* 

leinen  ©erfen.    (£bb.    (VII,  151  6.  12.)     2.—    geb.  3.- 
üb.  Urtljcü,   tfritif,    ©eifaK,   JRu^m,   SBa^r^eit  u.  grrt^um;   e.   Sammig.   \>. 

eteflen  aud  f.  «Berten,    ©bb.    (VII,  151  ©.  12.)    2.—    geb.  3.— 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  47 

&d)fiptnfiautt,  3fybori3men  jur  2e6en8toetefjett;  fjr«g.  D.  9.  £.  g .  8t ein.  §atte  (VI, 
162  ©.  8.)   f$ibüotf)ef  b.  ©cfamt=fiitt.  b.  3n*  it.  ftuäl.  SRr.  469-470.  a  -.25.] 

baffefbe.    fSKc^cr'ö   SBoffäbüdjer.     9fr.   845-848.    Seift,    «ibüogr.  3nftitut. 

a  -.10.J    (254  8.  16.) 

gur  Wttctyf).  ber  <8efif>(ed)t3Hebe;    üb.  ben  Sob,  baä  fieb.  b.  Gattung,  foluie 

bie  SrMidff.  ber  ©igenfäaften.   «ert.   JJrieb  &  (So.   (157  ©.  8.)   1.50. 

—  —  selected  Essays,   with  a  biographical  introduetion   and   sketch    of  his 

philosophy    by    Ernest   Beifort    Bax.    Lond.    George   Bell    &   Sons. 
(416  S.  gr.  8.)    5  sh. 

—  —  the  Art  of  Literature:    a  Series   of  Essays,  selected  and  transl.  With 

a  Preface  by  T.  Bailey  Saunders.    Lond.    Swan  Sonnenschein.    (XIV, 
149  S.  gr.  8.)  2  sh.  6  d. 

—  —  Studies   in   Pessimism:    a   Series   of  Essays,    select.    and    edit.    by 

T.  Bailey  Saunders.    2.  edit.    Ebd.  (130  S.  gr.  8.)    2  sh.  6  d. 

—  —  The  Wisdom  of  Life ;  transl.,   with   a  preface  by  T.  Bailey  Saunders. 

2.  ed.    Ebd.    (156  S.  gr.  8.)    2  sh.  6  d. 

—  —  Counsels  and  maxims;   being    the   second    part    of  „Aphorismen  zur 

Lebensweisheit",   translat.   by   T.  Bailey  Saunders.     2.  3.  edit.    Ebd. 
(162  S.  gr.  8 )  2  sh.  6  d. 

—  —  le  Fondement  de  la  morale;   traduit   de   l'allemand  par   A.  Burdean. 

4.  edit.    Paris.    F.  Alcan  (VIII,  196  S.  16.)  2  fr.  60  c. 

la  Volonte.    Paris.    Gautier.    (36  S.  8.) 

Leonhard,  Heinr.  (aus  Grünberg  i.  Schles),  Beitr.  z.  Kritik  der  Schopen- 
hauer'sch.  Erkenntnistheorie,  insbes.   in    ihr.  Anwendg.  auf  d.  Eukli- 
dische Beweis  verfahren.    I.-D.    Bonn.    (73  S.  8.) 
Maunius,  Vincent,  les  philosophes  contemporains.   T.  I.    [Vacherot,  Taine, 

P.  Jan  et,  Caro,  Schopenhauer.)  Paris.  Lecoffre.  (VII,  528  S.  16.) 
Schopenhauer.    [The  Athenaeum.   No.  3313.] 
®(Üoptnl)antt  redivivus.    [$>ie  ©ren^boten.   9fr.  14.  II,  8.  22—31.] 
Stamm,  Slbolf,  ©agner  u.  edjopenfjauer.    [$ie  ©egemuart.    ftr.  48.] 

Schreiber,  Prof.  Dr.,  üb.  das  Koch'sche  Keilverfahren.  (Aus  d.  medic. 
Universitäts-Poliklinik  in  Königsberg.)  [Dtsche  medic.  Wochenschr. 
17.  Jg.  No.  8.  S.  306-309.] 

Schriften  der  naturf.  Ges.  in  Danzig.  N.  F.  VII.  Bd.  4.  Hft.  (IV,  LIV, 
222  S.  gr.  8.)    5.—     (1-4:   25.-) 

—  —  der   physikal. -Ökonom.    Ges.   zu   Königsberg.     31.  Jg.     1890.    Kgsbg. 

Koch  &  Reimer  in  Comm.  (IV,  VI,  154;   58  u.  68  S.  m.  2  lith.  TafV) 
baar  n   6.— 

Schröder,  H.,  Blatt  Siegfriedswalde  nebst  Bohrkarte  u.  Bohrregister.  Grad- 
abth.  18.  No.  57.  Geognostisch  u.  agronomisch  bearb.  u.  erläut.  durch 
H.  Schröder.  Mit  e.  allgem.  Vorw.  von  G.  Berendt.  Hiezu  2  Zinkdr. 
im  Text.  [Erläaterungn.  z.  geolog.  Specialkarte  v.  Preuss.  u.  d. 
Thüring.  Staaten.  XL VII.  Lfg.  Gradabth.  18.  No.  57.  Berlin.  Parey. 
(26  u.  20  S.  gr.  8.) 

Schröter,  H.  (Breslau),  üb.  d.  acht  Schnittpunkte  dreier  Oberflächen  zweiter 

Ordnung.     [Acta  mathematica.     14 :  8.    S.  207—209.  4.] 
edjtäüec,  £anbgerid)täbir.  in  ficmbSberg  o.  3B.f   3ft  üb.  b.  ©rftattung  ber  «uSfagen 

bei  SRücfnafjme  be8  SRedjtSmittetö  befonb.  (£ntfd)eibung  $u  treffen  .  .  .  ?  [9lrd)ü) 

f.  ©trafredjt.    39.  3g.  4.  u.  5.  &ft.   <S.  260-265.] 
Schobert,  Prof.  Dr.  R.,   Entgegnung   (auf  Adolf  Bauer's    (Graz)    Rec.   von 

Schubert's   Buch   üb.    d.    Cyrussage   im  Febr.  dies.  Ztschr.)    [Ztschr. 

f.   d.   österr.  Gymnasien   42.  Jg.    S.  574—576.  u.  Erwiderung^  v.  Ad. 

Bauer.    S.  576.J 
Schttlke,  Dr.  A.,  Electricität  u.  Magnetismus  nach  d.  neueren  Anschauungen 

f.  höh.  Schul,  dargest.  JI.  Tl.  Electrische  Ströme.    (Beil.  z.  Realgymn.- 

Progr.)    Osterode.  Ostpr.    (16  S.  4.  m.  1  Taf.) 


48  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

Schtltxe,  Arth.,   üb.  Facialislähmungen   bei  Neugeborenen   nnt.  Mittheilung 

dreier  beobacht.  Fälle.    Dies.    Kgsbg.    (Koch.)    (26  S.  gr.  8.  m.  2  Taf.J 

baar  n.  1.— 
e^ulblatt,   ^reiiftiföeg.    Organ  b.   SBeftyr.   ^roomAial'ßefjrer*    fomie    b.   ©eftyr. 

2e^rcrretcrbcfaffcn=9Screm«.  18.  3g.  (52  Hrn.  a  1—lVa  »•  4.)    $<"$$.    flyt. 
Schulz,  Dr.  Fritz,  ord.  Lehr.,  d.  für  die  Schule  wichtigen  Englischen  Synonyma 

zsgestit.    Beil.   zum  Realgymn.-Progr.    auf  d.  Burg   zu  Königsberg. 

Kbg.     (45  S.  8 ) 
Schule,  Paul,  e.  Fall  von  Spina  bifida  u.  Myelomeningocele.  Diss.  Kbg.  i.  Pr. 

(Koch.)  (39  S.  gr.  8.  m.  2  Taf.)    baar  n.  1.20. 
fcd&umatttt,  (£.,   au3   b.   ©tubienreife   be8   §rn.   9?at§.  3ac.  Qerfacfc.    1727—1781. 

«uf  bem  9Hjein  u.  burd)  bie  ©d^wet*.    [San*.  Atg.  9to.  18740.] 
Schwarz,  Paul  Theod.  (aus  Ostpr.),  üb.  Ovaria! -Tumoren  bei  schwangerem 

Uterus  m.  Berücks.  e.  Falles  von  Sarkoma  ovarii.  I.-D.  Greifswald.  (27  S.  8.) 
edjftefce,   91.,   jur   ©efd).   ber   (item,   ®efangbüd)er.    [Mittlgn.   d.  Lit   litt.  G«s. 

16.  Hft.  (III,  4 )  S.  396-406.1 
e<f)t9eid)t(,   Hob ,    $er   Xeufefämaler  u.   anbete   ftoueflen.     ©eil.     Otto    3anfe. 

(III,  136  5.  8 )     1.- 

Huf  bem  Äramoetfjof;  e.  ©ejdn'dite  au3  ben  Hlpen.    ©bb.    (136  @.  8.)    1.— 

Serloren;  e.  fieibenSgefd).  au8  b.  «olfe.    (£bb.    (138  ©.  8.)    1.— 

9?o$mal3  ber  beutfdje  ©eftriftftefleroerbanb.    [$ie  Gegenwart.  39.  $b.  9fr.  21. 

©.  334-335.] 
$.  C,  Robert  ©d)n>ei{fcel.     (ÜRit  SBilb:    »tob.  ©ä^weidjel  in   fm.  «r&ettfyiimner. 

Crigmalaetcöng   uon  ®.  $(}iel.   [lieber  £anb  u.  Weer.  66.  9b.  9h.  41.  ©. 855  ] 
««toftdjlcr,  0„   fcenog  «lbred)t  o.  $reufeen;   e   ©ebenftlatt  ftum    17.  3»ai  189]. 

[®onntag«bl.  9<fr  20  b.  GgSbg.  $art.  3tg.J 
©dufte*)«,    Sofe^ine    ©rafin,    $flidjt,    Vornan.'     Berlin.    1892   (91).     O.    3anfe. 

(324  @.  8.)    5.— 

fcebba.    SRoman.   2)auo3.   fc.  SRi^ter.    (404  @.  8.)    4.— 

Slriabne.    [©onntag3=Sl.  <Rr.  14—21.] 

Seelig,  Max  (aus  Königsbg.  i.  Pr.),  d.  dichterische  Sprache  in  Heines  „Buch 

der  Lieder."   I-D.   Halle  a.  S.   (XVI,  112  S.  8.)  (Leipzig.  G.  Fock.)  2.— 
eeljrittg,  28ill).  £f).  in  ßarl8ruf>e,  geb.  $u  tönigSberg  i.  $r.  12.  ?lpr.  1816. 
( )  ©ebid>te  eine«  Ofipreu&en.  1.  $ft.   ©traftfurg  1843.  Sigentl).  b.  Serf.  (281., 

80  ©   8 ) 
(Jenforiabe.    fjünf  $üd>er  (Jenforenlieber.    £6b.  1843.    $rutt  t».  ©.  2.  ©djulcr. 

(IV,  176  ©.  12.) 

BlterSftufen.    ©ebid)te.    (1863  (?). 

9hir  ein  SWenfdjenleben.    (Sebttfte.    SraunSberg.     1863.    ©elbftoerl.    (Seidig. 

©inrid)3.)    (XVI,  525  ©.  16.)    cart.  3.50. 
$urd)  ^ad)t  jum  £itft.    Gfjriftlicfa  ©ebidtfe.    ©efonb.  «bbr.   o.   b.   3.  *bü). 

b.  #ud)e3:  „Wut  ein  »enfdjenleben*.    ebb.     J863.    (VIII,  85  6.  16.) 
—  —  $aä  SBud)  ber  33allaben.    Qugenbalbum  erjäljlenber  3)idjtungen.    Berlin  1865. 

Söinrfelmann  u.  ©ityne.  (XVI,  851  ©   8.  m.  8  ltt$ogr.  u.  ifl.  Silbern  o.  £ofe= 

mann.)    cart.  4.— 
Suft  u.  ©d}era.    Sugenbolbum  erjäljl.  3>idjtgn.  $umorifti[d>.  3n$alt3.  ®bb.  1867. 

(XIV,  365  ©.  gr.  8.  m.  8  litljogr.  u.  ifl.  Silbern  ö.  ^ojemann.)    cart.  4.— 
greiljeit  u.  Saterlanb.    ©efammelte  ©Triften.    1.  83ba^.  SBor  t>em  ©efretung»^ 

friege.    Saterlänbifrf>e   ©ebia^te.    «arlSruije  1871.    ©elbftoerl.   (XII,  172  S. 

gr.  16.)    1.75. 
&om  Äonsil  gu  Wcäa   biö   *.   meftfäl.   ^rieben.     325  —  1648.     (Epigramme, 

Sieber   u.  Samben   j.  ©e|*.  b.  9Renfdtäeit.    «u*   e.   öeitr.  j.   geftliteratur 

b.  Sut^etiubiläumd.    ^.  1883.    fiidjt  &  9)tet)er.    (XXIV,  432  6.   gr.  a) 

5.—     geb.  6.— 
$>ie  5Bel(!  fjie  Soflern!   ©ebanfen  u.  ©cbtd)te  5.  neueft.  ®efä^.  S)tf4lb«.    3Rit 

flbbr.   ber  in   b.  iRorbbeutW.  9lflg.  3tg.   üeröffentl.  »riefe  b.  «önigS  ®eorg 

0.  ^annou.  u.  [eines  Agenten,  ^eibelb.  1885.   ©eift.    (VIII,  104  6.  a)  1.— 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  49 

ecJpittft,  m%  %f).,  Äatfer  fBUgefa  L,  ber  ©icgreitfe,  u.  gürft  SBtömarcf,  fein  ftetrfjfr: 
langer.    2.  (Sit.*)  Sluff.  Berlin  1889.    8rad)t.    (VI,  54  @.  8)    —.60. 

3)eutftf)e   Kationa(*93tbfiotf)e?    Kr.  1.    SBabenia   als   £odjter   ©ermanienS.  .  . 

«ertfn  1890.  $frad)t.  (XVI,  44  ©.  gr.  8.)  1.60  Kr.  2.  1814-1816.  £>a8 
betrogene  $eutfd)lanb  ob.  Don  SötenS  fTongrefe  $u  granffurts  SBunbeätag.  ©ebenf= 
bfätter  beutfäer  ®efd)id)te.  1891.  (XVI,  160  @.  gr.  8.)    baar  1.50. 

Seidlitz,  Geo.,  Fauna  Transsylvanica.  Die  Käfer  [Coleoptera]  Siebenbürgens. 
V.  u.  VI.  Lfg.   (XII.  Familien  S.  XLIX— LVI,  Gattungen  S.  129-192. 

a.  Arten  8.  545—914.)    Königsberg.    Härtung,    a  3.—  (cplt. :  12.—) 

—  —  Fauna   Baltica.    Die   Kater   (Coleoptera)   der   Ostseeprovinzen  Buss- 

lands. .  .  6.  Lfg.  (XII.  Familien  S.  XLIX— LV,  Gattungen  S.  161—192 

u.  Arten  S.  609— 818.)  Ebd.  8—  (cplt.  10.50.) 
Sellgo,  Dr.  in  Heiligenbrunn -Danzig,  hydrobiologische  Unterscbgn.   I.    Zur 

Kenntniss   d.  Lebensverhältnisse    in    einig,  westpr.  Seeen.     [Schriften 

d.  naturf.  Ges.  in  Danzig.    N.  F.    Bd.  VII,  Hft.  3.    1890.    S.  43-99.] 
Selke,  Walter,  üb.  e.  epitheliales  Papillom  d.  Gehirns.  Diss.  Kgsbg.  (Koch.) 

(22  S.  gr.  8.  m.  2  Taf.)  baar  n.  1.20. 
Sembrzycki,    Johs.,    westpreuss.    Schlösser    im    16.    Jhdt.     Nach   archival. 

Quellen.    Königsbg.  i.  Pr.    Beyer.    (37  S.  gr.  8.)     -.80. 

—  —  o8tpreuss.  Haus-    und   Zauber-Mittel.      [Am    Urquell.     Monatschr.    f. 

Volkskde.    hrsg.    v.    Friedr.    S.  Krauss.    III.  Bd.    1.  Hft]    1892    (91.) 

S.  13—16.]  ostpr.  Sprichwörter,  Volksreime  u.  Provinzialismen.    |ebd. 

HI.  Bd.  1.  Hft.  S.  37-  38  ]  Rec.  [Kwartalnik  histor.  V.  S.  633-636.892—894.] 
Settegaft,  £.,   GrlebtcS  u.  (SrftrebteS.    Serün.    1892  (91).    $uttfammer  &  3Rth)f* 

brecht.    (XII,  323  8.  8.)  5.-  geb.  in  fieinto.    6.— 
Seydel,  Dr.  C,  Stadtwundarzt  zu  Kgsbg,  die  Typhus  abdominalis-Epidemie 

in  Königsberg  i.  Pr.  im  J.  1888.    fVierteljahrsschr.  f.  gerichtl.  Medic. 

8.  F.    I.  Bd.     S.  155— 162. J     üb.    d.    Todesursache   nach    ausgedehnt. 

Verbrenngn.  u.  Verbrühgn.    [ebd.  S.  253—263.]   üb.  acquirirte  Lungen- 

atelektase  Neugeborener    u.   deren  Ursachen,     [ebd.  V.  Bd.  S.  5— 17.] 

üb.  d.  Ursachen  der  vitalen,  reactionslosen  Verletzgn.  [Vhdlgn.  d.  Ges. 

dtsch.  Naturf.  u.  Aerzte.  63.  Vslg.  in  Bremen.  2.  Thl.  Lpz.  S.  470— 475. J 

Demonstration  interessanter  Schädel  Verletzungen,     [ebd.  S.  475.]     üb. 

acquirite    Lungen atelektase  Neugeborener    u.    deren  Ursachen.     |ebd. 

487—490.1    Bec.    [Hygienische  Rundschau  hrsg.  v.  C.  Fränkel  u.  Es- 

march.    No.  1.] 
Seydler,  Fr.,  Verzeichn.  d.  in  d.  Kreisen  Brautisberg  u.  Heiligenbeil  d.  Prov. 

Ostpr.  wild  wachs.  Phanerogamen  u.  Gefasskry  ptogamen.  [Aus :  „Schriften 

d.  pnys.-ökon.  Ges.  z.  Kgsbg.]  Kbg.  i.  Pr.  (Koch.)   (45S.gr.  4.    baar  1.40. 
Sieffert,  Prof.  Dr.  E.  (Bonn),  Rec.  [DLZ.  No.  9.] 
Slegl,  Paul  (approb.  Arzt  aus  Liebstadt),    Beitr.  z.  Kenntnis  d.  Wirkg.  des 

Pikrotoxin.     I.-D.  Kiel.     (16  S.  8.) 
Slemerlng,  Dr.  Franz,  d.  Behdlg.  d.  Mythen  u.  d.  Götterglaubens  bei  Lukrez. 

Programm  d.  Realgymn.  Tilsit.     (S.  3—18.  4.) 
Sieroka,  Dir.  Dr.  Otto,    d.  Vaterländisch-Erziehliche  in  Heinrich  v.  Kleists 

„Prinzen  Friedrich  von  Homburg4'.  Rede.  (Gymn.-Bericht.)    Allenstein. 

Harich.  (S.  3-8.  4.) 
Simson,  Paul  (Elbing),  Danzig  im  13jähr.  Kriege  von  1454—1466.    Berliner 

I.-D.     Danzig.     Kafemann.     (138  S.  gr.  8.)     (Sep.-Abdr.    a.  d.  Ztschr. 

d.  westpr.  Geschichtsvereins.) 
Simtfott,   Styotf).  SRub.,    Anleitung  j.   DoUftänb.    (Sntbitterung   ber   blauen  Smrine; 

c.   neue   KaljrungSquelle   f/  SWenfrfjen   u.  Xfjiere.    Stto^rungeii.    9tautenbcrg. 

(15  ©.  8.)    baar  n.  2.— 
Singer,  §.,  auö  Sitauen  u.  9Äa|uren.    I.    aus  b.  tttau.  ©renjgebiet.    [SonntagSbl. 

Kr.  22  b.  Äg3bg.  .fcartgtd).  8*9-]    U.   bon   SoljanniSburg   narf)   33ibminnen. 

[tbb.  Kr.  23.1   III.  e.  Spaziergang  um  b.  SHauerjee.   [ebb.  Kr.  24.]   IV.  a\\Z 

b.  norböftf.  Sitauen.  —  3)ie  3Nemel  üon  Xrappbnen  bid  Silfit.    |ebb.  Kr.  25.] 


50  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

Ginge*,  $.,  bie  SRafurifdje  SBafferfrtage  bon  fiöfren  bid  $um  SRieberfee.  [ebb.  Sonntac^bl. 

ftr.  30.] 
Si*ttttg*berid)ie  b.  *tttf>*gef.  $ru[fia  i.  46.  «ercinSj.  (XVin,  204  @.  8.  u.  16  Inf.) 

Gtlbat,  3.  g.r  Sarefa.    fcefbengebirfjt  in  12  (gefangen,   tfönigSb.   Säubert  u.  Seibel. 

(XII,  189  6.  8.)    3.—    geb.  4.- 
Sommerfeld,  Arnold,  d.  willkürl.  Funktionen  i.  d.  mathemat.  Physik.    Diss. 

Kgsbg.    Koch.    (76  S.  8.)    baar  1.20. 
Sommerfeldt,  G.,  zur  Lebensgesch.   d.   Johannes   de  Cermenate.     [Dtsche. 

Ztschr.  f.  Geschwissensch.  V.  Bd.  S.  159—164.] 
Stütttaglfrusttb,    b.   oftpr.,    $r3g.  D.   @uperint.  ©  raun   u.  $aft.   (Srnft  ©Der*. 

3-  3a^rg.    52  Arn.  (8.)  4.  Berlin.  Sicrtelj.  baar     —.40. 
Stadelniann,  Ernst,  Dr.  med.,  Hofrath  in  Dorpat  (geb.  zu  Insterburg  8.  Der. 

1855.):    der   Icterus   u.    seine   verschied.    Formen;    nebst   Beitrag,   z. 

Physiol.  u.  Pathol.  d.  Gallensecretion.     Stuttgart.    Enke.    (III,  287  S. 

gr.  8.  m.  18  Abbldgn.)  9  — 

—  —  Wie  wirkt  das  per  os  oder  clysma  in  den  Körper  eingeführte  Wasser 

auf  Secretion  u.  Zusammensetzung  der  Galle  ....    [Therap.  Monats- 
hefte S.  512  ff  562  ff.] 

@teffettl)aftcit,  Oberbibfiotf).  Dr.  Gfrnif,  bie  Verbreitung  b.  ©adjfenfpiegefä  in  $olfiein. 

[#tfär.   b.  ©ejellid).   f.  ©tfjlcarotg=$olft.=Sauenburg.  ©efdj.    21.  8b.    S.  365 

bid   371.]      die    Pflichtexemplare    in    Schlesw.  -  Holstein.     2.    Artikel 

[Centralbl.  f.  Bibliotheksw.    8.  Jg.    S.  275-78]     Rec.    [Sit.  Sentralbl. 

Er.  20.] 
Stein,  H.,  Drogen-Karte  nebst  übersieh tl.  Text  u.  pharmakognost.  Daten  für 

Pharmazeuten,  Aerzte  u.  Drogisten.    Kgsbg.    Beyer.    (20  S.  gr.  8.  m. 

1  Karte.)    2.25. 
Steinbrecht,    C.,     Schloß    Marienburg    in    Preußen.      Führer    durch    seine 

Gesch.    u.    Bauwerke  .  .  .    Mit  6  Abbldgn.     Berlin.    Springer.     (19  S. 

gr.  8.)     —.60. 
etettittet,  Dr.  $aul,  EerfjnMgn.  üb.  ßuratei  u.  ©ucceffton  b.  Äurfürften  3o§.  ®igt*m. 

in  ©arfdjau   i.  g.  1609.     [©frgSber.    &•   WtWflcf.  $nrffia   im  46.  Serein*j. 

©.  157—169.] 

Stleda,  Alfr.,  üb.  d.  Kloake  a.  d.  Receptaculum  seminis  d.  weiblichen 
Tritonen.  Diss.  Königsbg.  Koch.  (86  S.  gr.  8.  in.  1  Taf)  baar 
n.  —.80. 

Stleda,  Prof.  Dr.  Ludw.  Pansch,  weil.  Prof.  Adif.,  Grundriß  der  Anato- 
mie d.  Menschen.  3.  veränd.  u.  verm.  Aufl.  Mit  401  Holzschn.  im 
Text  u.  55  Holzschn.  auf  10  Taf.  Berlin.  Oppenheim.  (VII,  579  S. 
gr.  8.)     14.—   geb.  16.- 

—  —  d.   Gaumen wulst   (torus  palatinus)    [Aus:   Internationale   Beiträge  z. 

wissenschaftl.  Medic.  Festschrift  Rud.  Virchow  gewidm.  .  .  .  Bd.  I.] 
Berlin.  (32  S.  Lex.  8.  m.  2  Taf.) 

—  —  üb.  d.  Sulcus  ethmoidalis  der  Lamina  cribrosa  des  Siebbeins,  (ni.  Abbldg.) 

[Anatomischer  Anzeiger.  Centralbl.  f.  d.  gesmte.  wissensch.  Anatomie. 
6.  Jahrg.  S.  232—237.]  e.  neu.  Verfahren  z.  Herstellg.  trockener 
Hirnpräparate,  [ebd.  S.  450—456.]  VIII.  Congress  russisch.  Natur- 
forscher u.  Aerzte  in  St.  Petersburg  1890.  [Archiv  f.  Anthropol. 
19.  Bd.  S.  380-383]  Biographie  des  Thoraas  Joh.  Seebeck,  [«agemeine 
$|dje.  SBiograJ>f)ie.  JBb.  33.  6.  564—665.]  B«c.  [Archiv  f.  Anthropol. 
XX.  Bd.  S.  263-272.    Biol.  Centralblatt.  No.  9  u.  10.] 

Stoeckel,  Gen.-Sekr.   C.  M.,   Deutschlands  Pferde   im   J.    1890.    Ber.  üb.  d. 

1.    all  gem.   dtsche.    Pferde-Ausstellg.    i.    Berlin    .  .  .     Berlin.    Parey. 

(XI,  590  S.  gr.  4.  m.  15  Pferde-Bildniss.  u.  Ausstellungsplan.)    20.— 
$ie  Sollbfuttftucftt   im   fgf.   preufe.   ftnutotgeftüt   ©rabu);    e.  ftüefbfirf  am  b. 

^eiftungen  biejer  3mf)t  hn  1.  Sierteljaljrlj.  ifjreä  &eftef)en3.   ©bb.  (65S.gr.  8.) 

fort.  2.50. 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  51 

Stoewer,  Dr.  Rad.,   d.  Ziel  des  e  van  gel.  Religionsunterrichtes  am  Gymnas. 

u.   Realg.    m.    besond.  Eingehen    auf   d.    bibl.   Lektüre    besprochen. 

(Progymn.-Progr.)    Berent.    Schueler.    (S.  1 — 25.  4.) 
— -  —  üb.  gymnastische,  musikalische  u.  deklamatorische  Schulfeierlichkeiten. 

[Neue  jahrbb.  f.  philol.  u.  paedag.  144.  bd.  S.  50—60.] 
Stosch,  Friedr.  (Dan zig),  üb.  diejeni^.  Unicursalcurven,  deren  Bogen  e.  algebr. 

Funktion  d.  recht winkl.  Koordinaten  ist.  Erlanger  I.-D.  Guben.  (52  S.  8.) 
Strecker,  Arth.  (Zinten),  Franz  von  Meinders.    I.-D.  Berlin.  (34  S.  8.) 
&tttt)\te,  $r.,  SBörterbuttj  *u  ©oeuya  gauft    $tfd)e.  VerlaggsHnft.  ©tuttg.  ficü>j. 

Verl.  SB&ien.    [Vm,  160  6.  gr.  8.)    8.- 
Sßaralipomena  ju  ©oetye'8  Sauft,    ©ntroürfe,  ©fi^en,  Vorarbeiten  u.  Fragmente 

georbn.  u.  ertäut.    ®bb.    (XV,  151  ®.  gr.  8.)    3.— 
etretifcetft,   Gräfin  (Mifela  u.   («ßfeubon.  f.  ©ertr.  Gräfin  Vüloto  ü.  2)ennetmfc,    geb. 

j.  ÄönigSberg  22.  <3ept.  1844),  b.  faffd)e  2Roral  im  Beben  be3  SBeibeS.    Ver= 

Hit.    2frieb  u.  Somp    (VIII,  96  ©.  8.) 

bie  berefjelidjten  u  b.  eftelofen  fjrauen.   ®bb.  (86  ©.)  1.50. 

b.   (Sratefjimg  b.   SCörfjtcr.     ®raufamfeiten  im  fJamUien*  u.   gefellfdjaftlidjen 

fieben.   ®bb.  (74  ©.)  1.60. 
b.   Enterbten,    ®efaHenen   u.   Verlorenen      ©n   Veitrag  jur  Äufturgefd).  b. 

SJeibeS.  (Sbb.  (90  @.)  1.50. 
3)aS  SBeib  am  @nbe  beS  3afjrf)unbert3.    2.  Hüft.  4  Stye.    fönfjaft  bie  eben« 

genannten  ©djriften)  in  1  Vb.  8.  @bb.  4.—  geb.  in  fieimo.  oaar  5.— 
^ubermann,  ©erm.,  bie  dfne.    ©djaufpiel  in  4  Elften.    8.  $uft.   Verlin.  Seemann. 

(III,  156  <S.  8.)    2.—  geb.  3.— 
©obomä  ©nbe.    Srauerfe.  in  6  SKten.    1.-7.  STuff.   (Sbb.  (III,  152  ©.  8.) 

2.—   geb.  8.—     [Suerft  erfdjienen  in   „SWagajin  f.   Sitterat."     59.  3af)rg. 

Er.  46-62  u.  60.  3a$rg.  Wr.  1-5.] 

©eftfluifter.   8wet  ftotteflen.   7.  ^ufl.   (Sbb.   (V,  386  ©.  8.)  8.50.  geb.  4.50. 

im  3»ieHd}t.  3toang(ofe  ©efd}id)ten.  9.  ttufL  ®bb.  (189  6.  8.)  2.-  geb.  8.— 

baS  Sterbelieb,    ftooefle.    [Vom  gelä  jum  SKeer.    1891/92.    #ft.  3—9.    be= 

ferod}.  in  3tfd)r.  b.  affg.  beutfdt).  ©pradioereinS.  7.  3afjrg.  Er.  1.1   „erxeHena 

Onfet".  fcumoreäfe.  [£>.  3Waga^n  f.  fiitt.  60.  Safjrg.  ftr.  13-15.]  gm  Volte* 

garten  (®ebid>t).  [9?orb  u.  ©üb.    15.  3af)rg.   Vb.  57.   ©.  244-247.] 
8ittf,  9lubolfv  #erm.   ©ubermann  u.   ©erfjart  Hauptmann,  e.   üergfeidjenbe  Ve« 

tradjtung.  [$.  SRagag.  f.  Sttter.  60.  3abra.  Er.  18.1 
*fii#c*®rotten)i&,  Äurt,  $erm.  ©ubermann  als  9tomanfd)riftfteuer.  [<Sbb.  ©.  99-102.] 
$e«tt.  Gttbetmattit  (m.  $ortr.)    [©.  12  be8  ©ammlerS,  Veit,  j.  3tfd}r.   „Vom 

8fe(ä  juim  SReer."  1891/92.  ftft.  2.1 
Sultan,  Geo.,  üb.  Lymphangiome  Diss.  feönigsb.  Koch.  (19S.gr.  8.)  baarn.— .p0. 
laufet,  Dr.  theol.,  (5mür  ©eneralfuper.,  praft.  SfoSlegung  ber  Jahnen  j.  Anregung 

u.  görberung  ber  ©ttyriftertenntnifc  ben  $trten  wxt  ber  fteerbe   (Sfjrifti  bar- 
geboten.    4.   burdjgefefjene  »uff.     Verlitt  1892  (91).     ©aertner.     (4   Vt.f 

906  ©.  gr.  8.)    10.— 
Tessmann,   Alfred  (Elbing),    Aelfrics   altenglische  Bearbeitung    der    inter- 

rogationes  Sigewnlfi  Presbyteri  in  Genesin  des  Alcuin.    I.-D.   Berlin. 

(40  S.  gr.  8.) 
Tettan.    ^ufuratoSfi,  ©en.*9Kaj.  91.,  b.  raff.  Slrmee  bei  Wuäbrud)  beö  tJelb^ugeö 

1877—78.    «utorif.  Ueberffcg.  au8  b.  SRuff.  o.  $rem.=£ieutn.  gr^r.  D.  Xettau. 

©rauberu.    ®atbtL    (III,  56  ©.  gr.  8.)    —.90. 
Tieffenbach,  Gymn.-Prof.  Rieh.,  üb.  d.'  Oertlichkeit  d.  Varus-Schlacht.  Berlin. 

Gaertner.    (31  S.  gr.  8.)    —.80. 
^teuften  in  entföeibenb.  (S^ocften  fr.  (Sntiüidlung  unt.  b.  (örofeen  Äurf.  JJncbr. 

9Bi^.r   unt.   flönig   grbrd).  b.  ©r.   u.   unt.  Sfaifer  ©ilt)dm  b.  ©rften.    3)rei 

geftrebeu.    ®bb.    (102  ©.  gr.  8.)    2.- 
—  —  wie  ist  an  d.  humanist.  Gymnasien   der   geschichtl.  Lehrstoff  auf  d. 

einzelnen  Klassen  der  Oberstufe  zu  verteilen?  [Ztschr.  f.  d.  Gymnasial- 

Wesen.  45.  Bd.  S.  321-330.] 


52  Altpreußische  Biblographie  für  1891. 

Tischler,  Dr.  Otto,   üb.  Plastilin.     [Correspondenz-Blatt   d.    deutsch.  Ge».  f. 

Anthropol.,  Ethnol.  u.  Urgesch.  XXII.  Jahr«.  No.  2.  S.  12—13.] 
Krause,  Ed.,  Dr.  Otto  Tischler  f.    Ein  Blatt  d.  Erinnerung,  dem  allzufrüh 

verstorb.    Freunde   gewidmet,    (m.  Porträt)    [Das  Ausland.  64.  Jahrg. 

No.  81.  S.  601-607.] 
Toeppen,   Dir.    Dr.   Max,    d.   preuß.   Landtage   während    der   Regentschaft 

d.    brandenburg.    Kurfürsten   Joachim    Friedrich    u.    Job.  Sigismund. 

(Gymn.-Progr.)     Elbing.     Kühn.     (Beil.  36  S.  4.) 

—  —  kurze  Lebensübersicht   zsgestellt    rür   den   Jahresber.    d.  kgl.   Gymn. 

zu  Marien werder  f.  d.  Schuljahr  1890/91.  Marienwerder.  (S.  19—20.4. 

Stec.    [ftiftor.  3tfd)r.  E.  ft.  31.  »b.  ©.  312-313.] 

Irfidjel,  91.,  primitiv*  ftifctjcrei.  [Gorrigirt.  Sonberabbr.  auä:  „SRittljlgn.  b.  meityr. 
fjifdierei-Skreind.'']  —  Heb.  b.  an  b.  feoinmerfd).  Äüfte  bei  2eba  $u  Utenfilie« 
bei  b.  S!acf)ä=  u.  99rcitlingdftfd)erei  A-  SStvenbg.  fommb.  £>oijarten.  [(Smeuertei 
Sonberabbr.  au$:  „(5ircu(ar  b.  btjdj.  3rifd)erei=$erein3."]  3>anjig.  ('S.  §in- 
ftorff.)    (10  ©.  gr.  8.)    baar  1.— 

—  —  we8tpr.  Schloßberge  n.  Burgwälle.    [Aus:  „Verhdlgn.  d.  Berlin,  anthrop. 

Ges.'r]  Berlin.  Ebd.  (S.  178-189.  gr.  8.  m.  Abbildgn.)  baar  1.50. 
Enthält  auch:  üb.  ornamentirte  Urnen  von  Hochstüblau  (in.  3  Zeichngn.! 
[Verhdlgn.  d.  Berl.  Ges.  f.  Anthrop.  S.  186—187.]  u.  üb.  westpr. 
Häuser  u.  Giebelverzierungen,  (m.  42  Zinkogr.)  [ebd.  S.  187 — 189.  | 

—  —  üb.  Blitzschläge  an  Bäumen.     Üeb.  starke  Bäume.     [Aus  „Schriften  d. 

naturf.  Ges.  z.  Danzig.u]    Ebd.     (5  u.  1  S.  gr.  8.)     baar  —.50. 

( )  Seft=©abc  5.  fteier  b.  250j.  »efte^cnS  b.  tgl.  prfHn*§ebimg=©l)mn.  ju  Ecu- 

ftettin  am  14.-16.  Dct.  1890.    (2  ©1.  8.) 

—  —  das  Alphabet  in  preuß.  Redensarten.    [Aus:   „Altpr.  Mon.'']     i'Danzig. 

C.  Hinstorff.)     (S.  331-337  gr.  8)     baar  n.  n.  -.50. 

—  —  prähistor.  Fundstellen  aus  Westpr.   u.  d.  östl.  Pommern.    [Nachr.  üb. 

dtsche  Altthsfunde.     Jahrg.  IL     Hft.  4.     S.  57-60.]    Burg  wälle  in  d. 

Kreisen  Berent,  Stargardt  u.  Neustadt,  Westpr.  [ebd.  Hft.  6.  S.  81 — 8S.J 

Lied  der  Arbeiter  um  Callies  in  Pommern,    f  Am  Ur-Quell.  Monatsschr. 

f.  Volkskunde.    2.  Bd.     12.  Hft.    S.  207-208.]    14t«  ^jammlfl.  b.  botan. 

aoolog.  Vereins  in  ^cuftabt  i.  Söpr.   [3)ai^.  3.  0.  21.  9Kat.   »eil.  *u  "9fr.  18907.] 
Treitel,    Dr.  Th.,   Privatdoc.   in   Kgsbg.,   weitere   Beiträge   z.   Lehre  v.  d. 

Functionsstörungen  des  Gesichtssinnes.  [Graefe's  Archiv  f.  Ophthaimol. 

37.  Bd.    H.  Abth.    S.  151—198.] 
%üt&,  Dr.  §erm  f  ftr.  Sfteftjdje  u.  feine  pfjUofopl).  Srrtnege.    1.  u.  2.  guß.   3>reäben. 

©lö&.    (72  6.  gr.  8.)    1.50. 
Uecker,  Arth.,   Beiträge  z.  Kenntniss  der  physikal.  Isomerie  einiger  anisy- 

lirter  Hydroxylaminderivate.    Diss.    Kgsbg.  (Koch)  (38  S.  gr.  8)  baar 

n.  —.80. 
Ungeteilter,    5Rea(gt)mn.*2efjr.,   Stammbud)  n.  Sari  §einr.  SRappolt,   $n>f.  b.  $ljtjfif 

in   tfgäbg.    1702—53.    [Sfeg§berid>te   b.  Wttägef.  ^ruffta   im  46.  »ereinsj. 

©.  69-75.] 
Unruh,  Gymn  .-Lehr.  Ferd.,   d.  patriot.  Drama  im  heutig.  Frankreich.   (Progr. 

d.  Altstadt.  Gymn.)    Königsb.    Gräfe  &  ünzer.    (S.  1-20.   4°)   baar 

n.  n.  1. — . 
Urkundenbuch,   neues  preussisches,   Ostpreuss.  Theil.    2.  Abth.:   Urkunden 

der  Bisthümer,    Kirchen  u.  Klöster.    2.  Bd.     Urkundenbuch  d.  Bisth. 

Samland.    Hrsg.  v.  DD.  t  Domvic.  C.  P.  Woelky  u.  Cust.  H.  Mend- 

thal.     1.  Hft.    Lpzg.    Duncker  &  Humblot.    (131  S.  gr.  4,)    5.- 
Yalentini,    Dr.  G.,   üb.  d.  Methode  u.  Wirksamk.  grosser  Wasserzufuhr  bei 

Infectionskrankheiten,  vorzügl.  bei  Unterleibstyphus.    Vortr.    [Dtscbe. 

medic.  Wochenschrift.     No.  30.] 
Yanhöffen,  Dr.  Ernst,   Jahresber.   für  1884—1887   üb.  d.  Coelenteraten  mit 

Ausschluss  d.  Spongien  u.  Anthozoen.  [Archiv  f.  Naturgesch.  54.  Jahrg. 

IL  Bd.     S.  82-148.]    üb.   d.  Ceratodusflosse.    [Vhdlgn.  d.  Ges.  dtsch. 


Altpreußische  Bibliographie  für  1891.  53 

Natf.  u.  Aerzte.     63.  Vsmlg.  zu  Bremen.   IL  Thl.   Lpz.    S.  134—135.] 

Periphvlla  und   Nausithoe.     [Zool.  Anzeiger.    XIV.  Jahrg.     No.  355. 

S.  38-42.]    z.  Systematik  d.  Scyphomedusen.    [ebd.   No.  368.    S.  244  b. 

248.]    Versuch  e.  natürl.  Gruppirung  der  Anthomedusen.    [ebd.  No.  379. 

S.  439-446.1 
Venske,  Oswald   (Danzig),   Behdlg.  einiger  Aufgab,  der  Variationsrechnung 

welche    sich    auf  Raumcurven  cons tanter  erster  Krümmung  beziehen. 

I.-D.     Götting.     (61  S.  8.) 
$erfttttiMitit<teit  b.  15.  <ßrot).=Scmbtage3  b.  $rob.  Dftpr.  t>.  13—19.  $lär£.    flgäbg. 

(2  «l.f  166  ©.  u.  Skucffcttt).    Wr.  1—81  m.  1  Saf.  it.  3  Start.) 
Sefftanblttitgen  b.  14,  tveftpr.  $roü.4!anbtcige3  ü.  11—14  ftebv.   Danaig.  Äafemann. 
Verzeich niss  der  auf  d.  kgl.  Alb.-Universit.  zu  Königsb.  im  Winterhalbj.  zu 

haltend.  Vorlesungen  u.  d.  öffentl.  akadem.  Anstalten.  Kgsbg.  Schubert 

u.  Seidel.    (10  S.  gr.  4.)    baar  n.  — .20. 
Voerkel,  kgl.  Kreisbauinsp.,    Beschreibg.    d.    neu.    städt.    Progymnasial-Ge- 

bäudes  zu  Lötzen.     Hierzu  2  Taf.  m.  Grundrisszeichnungen  u.  1  Lage- 
plan. (XII.  Jahresber.  üb.  d.  städt.  Progymn.)  Lötzen.  (S.  III— VIII.  4.). 
Yolkmann,  Prof.  P.,    Vorlesungen  üb.  d.  Theorie  d.  Lichtes.     Unter  Rück- 
sicht auf  d.  elast.  u.  d.  elektromagnetische  Anschauung.   Leipz.  Teubner. 

(XV,  432  S.  gr.  8.  m.  Fig.)    11,20. 
$j>If*f4»tlfteimfc,  ber  .  .   f>rög.  »•  1-  ©em.*2efu\  ($.  Äranfc.    55.  3af>rg.    ÄgSbg. 

Son'S  »erlog.    (52  9irn.  (53.)  gr.  4.)    SMertelj.  baar  1,25. 
Voss,  G.,   üb.  einige   ameisensaure   Salze.     [Liebig's   Annalen   der  Chemie, 

Bd.  266.  S.  33-52.] 
W.     cl.  neue  Friedrich s-Collegium  in  Königsberg  i.  Pr.   (m.  2  Grundrissen) 

[Centralbl.  d.  Bauverwaltung  XL  Jg.  No.  6.  S.  59—60.] 
W.    ©fi#en  cmS  bem  ftänb.  fieben  Wtpr.     [$anft.  3tg.   9?r.  19046.  19056.  19068. 

19080,  audj  ©onntagäblatt  bei  Ägäbg.  $artimgfd).  3^9  1 
Wagner,  Kurt    (Kgsbg.  i.  Pr.),   üb.  d.  Beziehgn.  d.  Bewegungsempfindung 

zur  Ataxie  bei  Tabikern.    I.-D.    Beilin  (34  S.  8.) 
»alter,  gul.),  ©ifc&of  Dr.  gerb.  SBafter,  roeil.  ©encra^Supermtenbent  to.  Stofonb. 

Seine  SanbtagSprebigten  u.  fein  SebenStauf.    9?ad)  ©riefen  u.  Slufeeidjmmgen. 

ßpä-  Wunder  u.  .fmmblot.    (VI,  408  u.  101  ©.  gr.  8.)    10.— 
SStaftatg,    Srrau  (Sniilie   ».,   geb.   ftreiin  b.  b.  ©olfc   (Vfeubon.  (SmiUe  ©rljarb, 

geb.  *u  $anflig  2.  9lpr.  1833).    ©väfin  Hutf).  Kommt.  2  SBbe.  ©tuttg.  1879 

fcaflberger.    (243:  249  6.  8.)  8.-  geb.  9.—  2.  u.  3.  Stuft.  2  93be.  ©tuttg. 

1882  u.  1891.   $tfd)e  2&erfoga=«nftaft.    8.— 

im  (Spiegel,   föoman.   1.  u.  2.  (Sit.*)  Muff.  ©bb.  1881.  83.  (240  ©.  8.)  4.— 

$ie  9to|e  üom  ftaff.    föoman.    3  93be.     (Ebb.  1884.    (290,  264,  307  3.  8.) 

12.-    2.  8ufl.  1887. 

Xurf  unb  $arfet.    3n?ci  föoueüen.    (£bb.  1884.    (191  ©.  8.)    5.- 

3)a3  SReeriPeibd)en.    Eoüelle.    ebb.  1886    (296  ©.  8.)    5.— ,  geb.  6.— 

önfel  Hermann.   Zottelte.   Berlin  1886.   (171  ©.  8.)    3.-    [SRomanbibüotfjef 

b.  btfd).  gifuftrirten  8eitung.   SBb.  4.    SBedin.)    2.  9tufL   ©tuttg.  1889.  $tfd)e. 

33(g3s?Cnft.    (173  ©.  8.)  3.- 
3>ie  8efjn3jungfer.     Vornan.     5  Bbe.     &bb.  1887.    (341;    326;    318;    296; 

300  ©.  8.)    20.-  geb.  25.- 

3roif«en  fcauel  unb  ©pree.   Motetten.    ®bb.  1887.   (279  ©.  8.)   5.—  geb.  6.— 

©onne.    fein  SHärrfjen   nad)  ©fi^en   toon  fcertfca  o.  SBarburg.     Berlin  1891. 

3Uer.  Sünder.    (68  ©.  gr.  8.  m.  11  «otlbUbern.)    5.- 
©in  grageaeicfjen.    Woüeffe.    ©tuttg.  1891.    $tfrf)e.  BtgSanftalt.    (132  ©.  12.) 

2.—  geb.   n.  n.  3.— 
Wasner,  Geo,  üb.  Siedelungen  der  Neger.   Diss.    Königsb.  Koch.   (55  S.  gr.  8.) 

baar  n.  1.20. 
Weidmann,    Ose,    üb.  Psychosen  bei  Typhus  abdominalis  nach  Beobachtgn. 

in  d.  städt.  Krankenanstalt  zu  Kgsbg.  i.  Pr.  während  d.  Typhusepidemie 

i.  J.  1888.    Diss.    Kgsbg.  (Koch.)    (35  S.  gr.  8.)     baar  n.  1.— 


54  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

Welgel,  M.,  d.  Gräberfeld  von  Kossewen,  Kr.  Sensburg  (Ostpr.).    [Nachr.  üb. 

dtsche.  Alterthumsfunde.    2.  Jahrg.  Hft.  2.  S.  20—28  m.  Zeichnungen.] 
Weiss.    Meyer' s,  H.A.  W.,  krit.-exeget.  Kommentar  üb.  d.  N.  T.  4  Abth. 

d.  Bnef  a    d.  Römer.    8.  Aufl.,   neu   bearb.   v.   Oberconsist-B.  Prof. 

Dr.  Bernh.  Weiss.    Götting.  Vandenhoeck.    (III,  617  S.  gr.  8.)    8.- 

—  —  d.  Johannes-Apocalypse.    Textkrit.  Untersuchungen  u.  Texthersteilung 

Lpz.    Hinrichs.     (VI,  225  S.    gr.  8.)    7.—     [Texte  u.  Untersuchungen 

z.  Gesch.  d.  altchristl.  Literatur   v.  Oscar  v.  Gebhardt  u.  Adolf  Har- 

nack.    VII.  Bd.    Hft.  LI 
Wetssblum,  Dr.,  (Dan zig)  zur  Aristolfrage  [Archiv  f.  Dermatologie  u.  Syphilis 

XXIII.  Jahre.    S.  29-81  ] 
Weissbrodt,  Prof.  Dr.  W.,    üb.    2   altchristl.  Inschriften   bei    Schnitze,  die 

Katakomben.     S.  88    u.    249.     [Rom,  Quartalschrift   f.    christl.  Alter- 

tnmsk.  u.  f.  Kirchengesch.    5.  Jg.    S.  351  ff.] 
Weisselberg,    Karl   (Arzt  aus  Liebstadt),   üb.   die  Diuretische  Wirkung  des 

Calomel  bei  Lebercirrhose.     I.-D.    München.    (36  S.  8.) 
fßtüntt,   Otto,   b.  $erftoa,:W6red)ts$enfmaf   in  Äömg«6erg   (m.  ttbttbg.)    igHuftr. 

8tg.    96.  »b.    Er  2499] 
Wendland,   Wilhelm   (pract.  Arzt.   a.  Liebwalde,   O.-Pr.),   zur  Kenntnis  d. 

fieberlosen  Verlaufs  d.  Typhus  abdominalis.    I.-D.    Berlin.    (39  S.  8.) 
Wendt,   Gustav   (Danzig),   von   d.  beid.  isomeren  Methylnaphtalinen.    L-D. 

Berlin.    (38  S.  8 ) 
Wentecher,   Emil   (cand.   med.   a.   Rosenberg,    W. -Pr.),   zur  Diagnose  der 

Mediastinaltumoren.    L-D.    Würzburg.    (31  S.  #>.  m.  2  TaL) 
»erttetr,  3ad>ariaä,   bcr  24.  3februar.    Sxauerftriel.    (48  @.  16.)    [SRrtjer'S  8o(fe 

bücket  Er.  894.    geifcv    öibfiogr.  ^nftitut.]    —.10. 
SBerttiift,  9*eg.=  u.  3Heb.=$R.  Dr.,  2ef>rbud)  *ur  HuSbübung  uon  fceügeljttffen  [prüften 

$>ettbteneml,  unt.  SRUeinfdjfaft  bcr  ßranfenpffeae,  $e3mfcctton  u.  Srfeijdrtdjau. 

8.   neuburrfigefelj.   u.   ucrm.   flufl.     ©crün   1892  \$1.)     fctrfdjnmtb.     (XU 

162  S.  gr.  8.  mit  37  #ol$f(fyt.)    2.40. 
Medic.  Öe'  graphie  u   Statistik.    Endemische  Krankheiten.  [ Jahresbar. 

üb.  d.  Leistgn.  u.  Fortschritte  in  d.  gesammt.  Medicin.    XXV.  Jahrg., 

Ber.  f.  d.  J.  1890.    I.  Bd.    IL  Abth.    S.  343-380]. 

—  —  Viertel jahrsschrift  f.  gerichtl.  Medicin  u.  offen tl.  Sanitätswesen.   Unter 

Mitwirkung  d.  kgl.  wissensch.  Deputation  f.  d.  Medicinalwesen  .  .  , 
hrsg.    8.  Folge.     1.  u.  2.  Bd.  od.  Jahrg.  1891,    4  Hfte.  gr.  8.     (1.  Hft: 

206  S.  m.  2  Taf.)    Berl.    Hirschwald.     14.— 

—  —  üb.  Ausbildung  u.  Lebenslage  d.  niedern  Heilpersonals.    IV.  Vortrag 

aus  d.  Cyklus:  Der  Entwicklungsgang  im  preuss.  Medicinalw.    [Viertel- 

iahrsschrift  f.  gerichtl.  Medic.    3.  Folge.    IL  Bd.    S.  331— 354  ]    Rec. 

[Hygienische   Rundschau.     1.    Jg.     No.    1.     Dt.   Vierteljahrsschrift  f. 

öffentl.  Gesundheitspflege.    23.  Bd.    S.  318—320.  322.  326.  501-503.] 
Wegsei,  Paul,  e.  Fall  v.  Oesophago scarcinom  m.  Uebergreifen  auf  den  linken 

Vorhof     Metastase  in  der  Dura  mater.    Diss.    Kbg.    (Koch.)    24  S. 

gr.  8.)    baar  n.  —.60. 
»icftert,  Graft,  ©tfjiüe  u.  ßeben.    ^oüe«cn.    Seift.    Hei&ner.    (311  6.  8.)    4.50. 

geb.  5.50. 
bev   jüngftc   »ruber.    (Solider   Vornan.    2  »bc.    ®bb.  1892   (91)    (177  \i 

207  ©.  8.)    6.—  in  1  93b.  geb.  n.  7.—. 

—  —  The  youngest  brother:    a  socialistic  romance;    from  the  German,  by 

„Kannidau.  Chicago.  Laird  u.  L.  12.  (Library  of  choiee  fiction,  n.  17.) 
50  c  .  .  cf.  the  Literarv  News.  Vol.  XII.  No.  4.  New  York.  p.  120. 

frliffttfen.   [$om  gete  guin  Weer.    6pemamt'3  itluftr.  3tf$r.  f.  b.  btfdje.  $>ou* 

1890/91.  IB.  ftft.j  SRarienburg  u.  b.  beutle  Orben^loft.  [<Sbb.  1891/92. 
Oft.  2.  ©.  179-187  m.  5  Hbbübgn.]  (Sine  »eid^te.  Wobctte.  [Gtortenlaubc 
Er.  25.  26.1  töwboff  Öömenftetn.  (Wcbäd)tmfercbe.)  [b.  ©egeiüoart  8b.  39. 
9?r.  10  ]    ÜKationalbanf  f.  b.  bilbenben  ffünfte.    [b.  9Rogajm  f.  2itt.  60.  3a$rg. 


AltpreuUische  Bibliographie  für  1891.  &5 

9fr.  26.)     5)a«   ©nmbftürf.     eine   litau.   ©ef*id)te.    [ffieftermann'ä   iltuftr. 
btfdje.  anonat^ftc.   36.  gafcrg.    93b.  70.    ©.  799—835.]    bic  STaubc  auf  bem 
$ac$e.    Vornan.    [fctfäe.  Vornan  *  »ibKotfjef   1891/92  9?r.  1.  2.  u.  ff.    3u 
Er.  2  c.  ȟb  2Bidjert3.] 
Saftittt,    ©uftaü,    ein   SBefud)    bei   ©rnft   SBi^ert.     (TOt   SBilb   i).   dmalb  £f)ief. 

6.  605.    [lieber  Sanb  u.  SReer.    65.  5Bb.   sJ?r.  24.1 
äofteltifc,  fjebor  ü.,  Grnft  SBidjert.    8u  feinem  60.  ©eburtätage.    [35.  ^RoQa^in  f. 
Sttt   60.  3afjvg.  9?r.  ll.J   @rnft  Söidjert  aß  SfjeaterbtcQter.  [$tfrf>e  ©ü&nen= 
genoffenfdiaft   Wr.  19.]     ©rnft  EHdjert  [b.  Sunftroart.  9hmbtö<m  üb.  alle 
©ebiete  be3  ©c&önen.    $r3g.  ü.  &.  Sl&enariuS.    4.  Safjrg.    13.  ©tücf.J 

Wiehert,  Paul  von,  üb.  d.  Canalis  ethmoidalis.  I.-D.  Kgsbg.  (Koch.) 
(41  S.  8.  m.  1  lith.  Taf.)  1.— 

Wiehert,  Th.,  zur  Oberrheinischen  Historiographie  d.  14.  Jahrh.  [Quidde's 
Dteche  Ztschr.  f.  Geschichtswissenschaft.    VI.  Bd.    S.  90—92.] 

SBiebematttt,  Sljeob.,  fedj^c^n  Safjre  in  b.  SBertftatt  2top.  t>.  Nantes.  (Sin  SBeitr. 
j.  ©efä-  fr.  iefct.  SebenSjafjre.  L— II.  f$tfd)e  SRemie.  16.  3a^rg.  IV.  ©b. 
@.  164-179.    322-839.] 

SÄtttettbüdjet,  b.  Äoftenfeftfefcung3üerfaf)ren  u.  b.  btfdt>e  ©ebüfjrenorbmtng  f.  $Red)t3= 
arnuäUe  m.  ©riäutergn.  u.  SöeifpieL  3.  91.  «Berlin.  §.  30.  SRiWer.  (VJII, 
216  @.  gr.  8)  tart.  4.20. 

b.  aUgem.  btfdje  $M3gcf&b.  m.  2(u3fälu&  b.  ©eerecf)t3.    fttir  bie  ?raji3  ertöut. 

@bb.  (VIII,  596  6.  gr.  8.)  8.—  geb.  in  fieinto.  9.— 

Willutzki,  Ed.,  üb.  e.  primäres  Sarkom  d.  Ureters.  Diss.  Kgsbg.  Koch. 
(23  S.  gr.  8.  m.  8  Taf.)    baar  n.  i.50. 

Wlnckler,  Ernst  (Arzt  aus  Alienstein),  Corpus  alienum  in  fundo  oculi. 
Freiburger  I.-D.  vorgelegt  am  24.  März  1886.  Karlsruhe.  (60  S.  8. 
m.  1  Taf.) 

Wlnckler,  Paul  (Thorn),  üb.  Blutuntersuchungen  bei  Geisteskranken.  I.-D. 
Bonn.    (45  S.  8.  m.  1  Taf.) 

Sittfelmattis,  (Ib.,  b.  3afjrbtid)er  U.  Üueblinburg.  ftadj  b.  9lu$g.  b.  Monnmenta 
Germaniae  überfefct  u  ©b.  SB.  2.  flu  ff.  9?eu  bearb.  t>.  ©.  SBattenba*. 
fity.  $nf.  (VIII,  74  S.  8.)  1.—  f@efd)id)tfd)reiber  b.  beutfdjeu  Eorjeit. 
2.  ©efammtauSg.  ©b.  XXXIV.] 

Rec.  [Götting.  gel.  Anzeigen.  No.  2.    §iftor.  8tfd)r.  30.  S8b.  6.  116—117. 

368-366.1 

Wisbar,  Dr.  G..  üb.  d.  Destillation  der  sauren  Kaliumsalze  einiger  Säuren 
der  Oxalsäurereihe.  [Liebig's  Annalen  der  Chemie.  Bd.  262.  S.  219—232.] 
Zerlegung  von  Brenzweinsäure  u.  von  Buttersäure  durch  d.  Sonnen- 
licht bei  Gegenwart  von  Uransalz.    [Ebd.  S.  232—236.] 

Witte,  Oberl.,  Fr.,  Vorlagen  zu  latein.  Stilübungen  im  Anschluss  an  die 
Lektüre.     Gymn.-Progr.-Beil.     Marienburg.    Giesow.     (30  S.  8.) 

Wodtke,  Dr.  (Dirschau),  Rec.  [Dtsche.  Viertel  jahr^chrift  f.  öffentl.  Gesund- 
heitspflege.   23.  Bd.    S.  317—318.] 

Wogan,  Gymn. -Lehrer,  Theod.,  Bewegung  zweier  materieller  Punkte,  welche 
durch  e.  gewichtslosen  Faden  mit  einander  verbunden  sind,  im  Räume 
u.  in  d.  Ebene  unt.  Einwirkung  d.  Schwerkraft  u.  beliebig  gegebner 
Anfangsgeschwindigkeiten.  (Gym.-Prog.)  Memel.  Siebert.  (S.  3  b. 
28.  4,  m.  2  Zeichnungen  auf  1  Taf.) 

35tofMttmg$s$er&eid)ttiti|  ber  Offiziere  u.  Beamten  ber  ©arnifon  Königsberg  in  $r. 
®ommer«9uidg.  SBearb.  nad)  amtl.  SRaterialien.  Königsberg,  93raun  u.  28eber. 
(26  6.  gr.  8.)    n.  -.40. 

Woithe,  G.,  Schablonen  f.  Zimmermaler,  einschlägig,  in  Originalgrösse :  Ro- 
setten, Ecken,  Mitten,  Friese,  Wand-,  Decken-  u.  Fliesenmuster  etc. 
(In  4  Lfgn.)    (Bog.  1—48.)    Fol.   Leipz.    Jüstel  &  Göttel.     a  n.  n.  2.50. 

Wolff,  Dr.  E.,  z.  Z.  prakt.  Arzt  in  Tilsit,  Zur  Casuistik  d.  arteriell-venösen 
Aneurysmen  .  .  .  [Arch.  f.  klin.  Chir.  41.  Bd.  4.  Hit.  S.  824—828. 
m.  Taf.  XI,  Fig.  1,  2.] 


56  Altpreußische  Bibliographie  für  1891. 

Start,  ttud)  ein,  ü6.  fanbnrirtftfd).  @djm)aöfle  toon  einem  „Keinen"  ©ro&grunbbeftkcr. 

$>.  St.  (9fo«  Söeftyreufren).     [§iftor.*poHt.  »tätter  f.   b.  fatfyri.  Eeutfd^lanb. 

108.  Job.    6.  601-608.] 
3a*ei,  Gug.,   Äonvnb  ftcrbinanb  SRetjer;   e.  iittcrar.  Porträt,    (m.  $ortr.)    pBeftcrr 

mann'3  ittuftr.  btfäic.  ^Wonat^efte.    35.  3g.    »b.  70.    6.  632—646.) 
3<utbrr,  ftrbr.,  ßitaig  ftafi.  $td)tung  nadj  altnorb.  ©agen.    Königsberg  i.  $r.    Äod|. 

(101  ©.     12.)    geb.  m.  ©olbfäin.  2.- 
Zander,    Dr.  R.,   allg.   Anatomie   [Jahresher.   üh.    d.  Fortschr.   d.   Anat.   u. 

Physiol.     19.  Bd.    Lit.    1890.    Abth.  I.    S.  3—65.  75— 148.1    Systemat. 

Anatomie.    Nervensystem.     [Ebd.   S.  248—320.]    Ist   die  Polydactylie 

als  theromorphe  Varietät  od.  als  Missbildg.  anzusehen?   Beitr.  z.  Kennt- 

niss   des  Wesens   u.  Entstehens   der  Polydactylie.     [Virchow's  Arch. 

f.   path.   Anat.  etc.     12.  F.    5.  Bd.    3.   Hft.    S.  453—487.]     Beitr.  z. 

Kenntnis  d.  Schiandkopfes  d.  Wiederkäuer.    [Schriften  d.  physik.-ökon. 

Ges.    31.  Jg.    Jubiläumsbd.     1890.    Kbg.     S.  6—7.] 
äeitfcfrttft  b.   tyftor.  Eereinä   f.   b.  ?Reg.*$ea.  äÄariemüerber.    27.  $ft.    9Rarienro. 

($ö§nfe.)    (S.  257-384.    8.)    n.  n.  1.26. 

—  —  des  westpr.  Geschichtsvereins.    29.  Hft.    Danzig.    Bertling  in  Komm. 

(3  B1M  132  S.  gr.  8.)     baar  n.  n.  2.— 

Leitung,  ÄönigSberger  lanb=  u.  forftiDivtfjfdjaftL  f.  b.  norbofti.  $eutfd)lanb.  £>r#g.: 
©en.  =  Secr   ©.  Ä^rctfö.    27.  3g.    52  tönt.    (ll/a  »•  fol.)    &a(bj.  n.  n.  6.— 

Zelaslnskl,  v.,  zur  Kenntniss  d.  Vergiftung  durch  chlorsaure  Salze.  Disa. 
Kgsbg.  i.  Pr.     (Koch.)    (58  S.  gr.  8.)     baar  n.  1.— 

Zeusen n er,  Reg.-  u.  Geh.  Med.-R.  Dr.,  Generalbericht  üb.  d.  Medicinal-  u. 
San  itats- Wesen  d.  Reg. -Bez.  Danzig  in  d.  J.  1886—88.  Danzig.  Kaie- 
mann.    (III,  82  S.  gr.  8.)    2.— 

Ziem,  Dr.  (Danzig),  üb.  das  Schwellgjewebe  des  Auges.  [Virchow's  Archiv 
f.  path.  Anatomie.  Bd.  126.  S.  467— 484.J  Extraction  einer  abge- 
broch.  Irrigationscanüle  ans  d.  Kieferhöhle.  [Berl.  klin.  Wochenschr. 
28.  Jg.  Nr.  17.]  Durchleuchtung  od.  Probedurchspülung  d.  Kiefer-  u.  Stirn- 
höhle? [ebd.  No.  24.J  Notiz  üb.  Lufthaltigkeit  der  Parotis,  [ebd.  No.  38.[ 

Zimmermann,  Aemilius,  De  epistulari  temporum  usu  Ciceroniano  qnaestiones 
grammaticae.  IV.  (Beil.  z.  Gyinn.-Progr.)  Rastenburg.  Kowalski. 
(23  S.  4.)    I-IV.    (Leipzig.    Fock.)    8.60. 

Rec.     [Neue  philol.  Rundschau.     No.  12.    S.  177—186.] 

Zimmermann,  Franz  (ans  Elbing),  d.  Datirungsformel  in  Urkunden  Kaiser 
Karls IV.  I.Theil.  (Jahresangaben.)  Berlin.  I.-D.  Helmstedt.  1889.  (68S.8.) 

—  —  Acta  Karoli  IV.  imperatoris  inedita.    Ein  Beitrag  z.  d.  Urkdn.  Kaiser 

Karls  IV,  Aus  Italien.  Archiv,  ges.  u.  hrsg.  v.  Dr.  Franz  Zimmer- 
mann.   Innsbruck.    Wagner.    (IX,  278  S.  gr.  8.)     10.— 

Ziolkowski,  Dir.  J.  v.,  Handbuch  d.  Grundbesitzes  in  Westpr.    Mit  Angabe 

sämmtl.  Güter,  ihrer  Qualität  etc Nach  amü.  Quellen  bearb. 

Danzig^   Kafemann.    (XXIV,  284  S.  Lex.  8.)   8.— 

ftotn,  ?rof.  Dr.  $$(.,  Sßormort  *u  Dr.  jur.  <5b.  fcubrid),  baä  9te<$t  ber  (£^e^ 
(Reibung  in  3)eutfcf)lanb.    ^Berlin. 

Rec.  [DLZ.  21.  25.  33.  38.  43.  48.] 

Zühlke,  Dr.  Frz.  (ord.  Lehr,  am  Gymn.  z.  Insterburg)  Mommsen  und  Willems 
in  ihrer  Auffassung  d.  Sonderstellung  d.  Patricier  in  dem  Senat,  resp. 
—  einem  engeren,  ausschließlich  patricisch.  Senat  zur  Zeit  d.  röm. 
Republ.  Insterburg.  (Progr.-Beil.  z.  klg.  Gymn.  u.  Realgymn.)  (43  S.  8.) 

Zwerg,  Gymn. -Lehr.  G.,  Uebersichten  z.  Chronik  d.  kgl.  Gymn.  zu  Marien- 
werder. 3.  Forts.  Von  1863  bis  1890.  (Jahresber.  d.  k.  Gymn.) 
Marien werder.     (S.  1—20.     4.  m.  2  Tabellen.) 

ättm  ®e*äd)tni6  b.  D.  Dr.  9116.  Ataxie,  meil.  Äonftftorialrat  u.  $farr.  a.  b.  £öbem$tfct>. 
Äirdje  in  äömgSbevg  i.  $r.  SReben  an  feinem  ©arge  iL  QJrabe  ....  Stgöbg. 
©räfe  &  Unser.    (30  @.  gr.  8.)    baar  n.  n.  —.80. 


Druek  ron  R.  Leupold,  Königsberg  in  Pr. 


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