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JOHN AMORY LOWELL,
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Altpreussische
Monatsschrift
neue Folge.
Der
Heuen Preussisden Proviiisial-BIätter
vierte Folge.
Herausgegeben
von
Rudolf Reicke und Ernst Wiehert.
Neunundzwanzigster Band.
Der Preussischen Pro vi nzial -Blätter LXXXXV. Band.
Mit Beiträgen
von
E. Arnoldt, O. Beckherrn, W. BrOning, H. Ehrenberg, H. Frischbier f,
E. Hall i er, A. Lentz, P. v. Lind, J. Reicke, F. Ruhl, J. Sembrzycki,
A. Seraphim, R. Sprenger, W. Tesdorpf, A. Treichel und Ungenannten.
Mit 15 Tafeln.
Königsberg in Pr.
Verlag von Ferd. Beyer' s Buchhandlung.
1892.
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Alle Rechte bleiben vorbehalten.
Herausgeber und Mitarbeiter.
Inhalt.
I. Abhandlungen.
Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden im dreizehnjährigen
Städtekriege. Von Wilhelm Brüning. 1—69. Berichtigung 212.
Zu Johann Christoph Gottsched's Lehrjahren auf der Königsherger Uni-
versität. Von Johannes Reicke. 70 — 160.
Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen. Von A. Treichel.
151-212.
Kant über den ewigen Frieden. Von Franz Bühl. 213—227.
Die Schotten und Engländer in Ostpreußen, und die „Brüderschaft Groß-
Britannischer Nation" zu Königsberg. Von Johannes Sembrzycki.
228-247.
Die Wappen der Städte Alt -Preußens. Von C. Beckherrn. Mit fünf-
zehn Tafeln. 248 — 313. Berichtigung und Zusatz 569.
Ueber Auswanderungen lettischer Bauern aus Kurland nach Ostpreußen
im 17. Jahrhundert. Von A. Seraphim. 317—331.
Preußische Volksreime u. Volksspiele. Von H. Frisch bier (Schluß). 332-363.
Die Beziehungen des Deutschen Ordens zu dem Bischof Christian von Preußen.
Von A. Lentz. 364—399.
ö Zur Beurth eilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft und Kant's Pro-
legomena. Anhang No. 4 und No. 5. Von Emil Arnoldt
400-446. 465-564.
Postalisches aus Preußen. Von A. Treichel. 565—568.
II. Kritiken und Referate.
P. von Lind, „Kant's mystische Weltanschauung11, ein Wahn der modernen
Mystik. Von Ernst Hallier. 447—450.
A. Hensel, Masuren. Ein Wegweiser durch das Seengebiet und seine
Nachbarschaft. Von B. 450—451.
Die landeskundliche Litteratur der Provinzen Ost- und Westpreußen. Von
J. Sembrzycki. 451—453.
Sitzungsberichte des Vereins für die Geschichte von Ost- und Westpreußen.
1891/92. Mitgetheilt von Dr. W. Tesdorpf. 453—462.
Bot ti eher, Adolf, die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Ostpreußen.
I. IL Von Hermann Ehrenberg. 570—576.
IV Inhalt.
Hai Her, Ernst, die socialen Probleme und das Erbrecht. Von P. von Lind.
576-578.
Mierzynski, Ant., Mythologiae Lituanicae Monumenta. — Co znaczy Sicco.
Von J. Sembrzycki. 578-680.
K^trzynski, W., Biblioteka Wiktora Hr. Baworowskiego Von J. Sem-
brzycki. 581—582.
Nadmorski, Kaazuby i Kociewie. Von J. Sembrzycki. 582.
III. Mlttheilmireii and Anhang*
Zu Simon Dachs „Anke van Tharau". 583.
Universitäts-Chronik. 314-316 468. 584.
Lyceum Hosianum in Braunsberg. 316. 463.
Notiz. 4h4.
ische
Monatsschrift
neue Folge.
Der
ITeuen Itaissischen fröTinaal-Blatter
Tierte Folge.
Herausgegeben
tron
Rudolf Reicke und Ernst Wiehert,
Der Monatsschrift XXIX. Band. Der Provinzialblätter LXXXXV. Band.
Erstes und zweites Heft.
Januar — März 1892.
Ausgegeben im Juni 1892.
Königsberg in Pr.
Verlag von Ferd. Beyer' s Buchhandlung.
(Thomas & Oppermann.)
1892.
Inhalt.
Abhandlungen. Seite
Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden im
dreizehnjährigen Städtekriege von Wilhelm Brüning 1—69
Zu Johann Christoph Gottsched's Lehrjahren auf der Königs-
herger Universität. Von Johannes Reicke 70—150
Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
Von A. Treichel 151—212
Berichtigung 212
Alle Rechte bleiben vorbehalten«
Herausgeber und Mitarbeiter.
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JUL 25 1892
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Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen
Orden im dreizehnjährigen Städtekriege.
I. Teil.
Von
Wilhelm Bruning.
Einleitung.
Das Bistum Ermland und der preussische Bund vor 1454.
Die Bemühungen Heinrichs von Plauen, durch die Bildung
des Landesrates dem berechtigten Streben der preußischen
Stände nach politischer Bethätigung Genüge zu thun, waren
ohne Erfolg geblieben, ja gerade diese, hohe staatsmännische
Klugheit bekundende, That wurde von den verblendeten Ge-
bietigern zum Hauptpunkt der Anklage in dem schmachvollen
Prozeß gegen den Better des deutschen Ordens erhoben. Als
unter der Regierung Pauls von Bußdorf die Forderung des
Zur gefälligen Beachtung.
Zwingende Gründe veranlassen uns, die „AltpreU88i8Che
Bibliographie" von jetzt ab am Schluß des Jahrganges als
„Supplement-Heft" unter möglichst billiger Berechnung er-
scheinen zu lassen.
Die Verlagsbuchhandlung.
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Der alte Erfahrungssatz, dass eine in inrer .
stehen bleibende Gesetzgebung Gesetzlosigkeit erz<
auch in Preußen wieder seine Bestätigung. Die Tau
rechtigter Hofihungen erregte die Gemüter der Landoi
Bürger der reichen Städte, denen ohnehin schon ei
hochfahrender Sinn eigen war; der Krieg mit Polen.
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX Hft, U2. 1
Inhalt.
Abhandlungen. Seite
Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden im
dreizehnjährigen Städtekriege von Wilhelm Brüning 1—69
Zu Johann Christoph Gottscheds Lehrjahren auf der Königs-
berger Universität. Von Johannes Reicke 70 — 150
Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
Von A. Treichel 151-212
Berichtigung 212
Alle Rechte bleiben vorbehalten.
Herausgeber und Mitarbeiter.
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JUL 25 1892
4lbrak1
Die Stellung des Bistums Er ml and zum deutschen
Orden im dreizehnjährigen Städtekriege.
I. Teil.
Von
Wilhelm Brüning.
Einleitung.
Das Bistum Ermland und der preussische Bund vor 1454.
Die Bemühungen Heinrichs von Plauen, durch die Bildung
des Landesrates dem berechtigten Streben der preußischen
Stände nach politischer Bethätigung Genüge zu thun, waren
ohne Erfolg geblieben, ja gerade diese, hohe staatsmännische
Klugheit bekundende, That wurde von den verblendeten Ge-
bietigern zum Hauptpunkt der Anklage in dem schmachvollen
Prozeß gegen den Better des deutschen Ordens erhoben. Als
unter der Regierung Pauls von Rußdorf die Forderung des
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Zur gefälligen Beachtung.
Zwingende Gründe veranlassen uns, die „Altpreuosische
Bibliographie" von jetzt ab am Schluß des Jahrganges als
„Supplement-Heft" unter möglichst billiger Berechnung er-
scheinen zu lassen.
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Bürger der reichen Städte, denen ohnehin schon eil
hochfahrender Sinn eigen war; der Krieg mit Polen
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX Hit. 1 u. 2. 1
Inhalt.
Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden im
dreizehnjährigen Stftdtekriege von Wilhelm Brüning 1—69
Zu Johann Christoph Gottsched's Lehrjahren auf der Königs-
herger Universität Von Johannes Reicke 70-150
Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
Von A. Treichel 151-212
Berichtigung 212
- Alle Rechte bleiben vorbehalten.
— —_ V
JUL 25 1892
4lbrar1
Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen
Orden im dreizehnjährigen Stadtekriege.
I. Teil.
Von
Wilhelm Brnning.
Einleitung.
Das Bistum Ermland und der preussische Bund vor 1454.
Die Bemühungen Heinrichs von Plauen, durch die Bildung
des Landesrates dem berechtigten Streben der preußischen
Stände nach politischer Bethätigung Genüge zu thun, waren
ohne Erfolg geblieben, ja gerade diese, hohe staatsmännische
Klugheit bekundende, That wurde von den verblendeten Ge-
bietigern zum Hauptpunkt der Anklage in dem schmachvollen
Prozeß gegen den Retter des deutschen Ordens erhoben. Als
unter der Regierung Pauls von Rußdorf die Forderung des
Landes nach einer Erneuerung des Landesrates immer drin-
gender wurde, sah der Hochmeister sich schließlich zu einer
Beratung über diese Angelegenheit mit den Ständen genötigt.
Das Resultat derselben war aber nur die Einsetzung des
kümmerlichen Instituts des geheimen, aus vier Landesrittern
bestehenden Rates, der in keiner Weise einen nachhaltigen Ein-
fluss auf die Landesverwaltung ausübte. Auch das „Gericht der
gemeinen Lande", das Paul von Rußdorf bewilligte, hörte nach
zweimaliger Wirksamkeit auf zu existieren und änderte nichts
an dem traurigen Zustande der Rechtspflege im Ordenslande.
Der alte Erfahrungssatz, dass ele in ihrer Ausbildung
stehen bleibende Gesetzgebung Gesetzlosigkeit erzeugt, fand
auch in Preußen wieder seine Bestätigung. Die Täuschung be-
rechtigter Hoffnungen erregte die Gemüter der Landesritter und
Bürger der reichen Städte, denen ohnehin schon ein starrer,
hochfahrender Sinn eigen war; der Krieg mit Polen und der
Altpr. Mon&tuohrift Bd. XXIX. HfL 1 n. 2. 1
2 Die Stellung des Bistums Eimland zum deutschen Orden etc.
Hussiteneinfall steigerte die auch durch unglückliche Natur-
ereignisse hervorgerufene allgemeine Notlage im Lande und ver-
wüstete weite Strecken, besonders im Kulmerland, dem Herde
de* Opposition ; dazu kam die Einführung neuer Zölle und der
Niedergang des Handels durch die Konkurrenz des Ordens; und
zuletzt noch das tiefgehende, an Anarchie grenzende, Zerwürfnis
im Orden selbst: der Streit des Deutschmeisters mit dem Hoch-
meister und der kleinliche Zank zwischen ober- und nieder-
deutschen Mitgliedern der Ordenskonvente, Zerwürfnisse, die zur
Demütigung des Hochmeisters führten und die ohnehin schon
sehr beeinträchtigte Achtung der Unterthanen vor ihren Herren
vollends untergrub: alle diese und andere Gründe mehr — Ver-
letzung der Landesrechte, Verschlechterung der Münze — Hessen
bei den Führern der Stände immer mehr den, Entschluss zur
Reife gelangen, einer Regierung gegenüber, die nur Unglück
über ihre Unterthanen zu bringen schien, auf „Sicherung der
Interessen durch eigene Kraft" bedacht zu sein.1)
Und dennoch, so schlimm in mancher Hinsicht die Zu-
stände im Ordenslande waren, so berechtigt viele Beschwerden
der Unterthanen klangen — es waren darunter auch manche
sehr unbegründete2) — so wenig man gegen einen engen Zu-
sammenschluss derjenigen Kreise, die gleiche Interessen ver-
fochten, einwenden kann: die Stände hätten doch davor zurück-
schrecken müssen, einen Bund zu stiften, der im Grunde eine
durchaus revolutionäre Tendenz besaß. Diese machte eine legale
Auseinandersetzung der streitenden Parteien von vornherein un-
möglich und führte den preußischen Bund denn auch nach
kurzer Zeit zu so ungesetzlichen und antinationalen Handlungen,
dass die Sympathie, die jeder gerecht Urteilende ihm entgegen
bringen muß, fast ganz aufgehoben wird.8)
1) M. Toppen, Akten der Ständetage Ost- und Westpreußens (St A.)
II, 283.
2) E. Wiehert, Die politischen Stände Preußens. Altpreuß. Monats-
schrift. Jahrg. 1868, S. 233.
3; Ranke, 12 Bücher preußischer Geschichte. I, 115.
Von Wilhelm Brüning. 3
Schon im Jahre 1438 hatten die Kulmer den Beschluß ge-
faßt, eine allgemeine Vereinigung des Landes zu stände zu
bringen, um ihre Forderungen durchzusetzen. Er kam damals
noch nicht zur Ausführung, aber auf den Ständetagen von
1438 — 1440, auf denen in sehr erregten Debatten über die Ab-
schaffung des zu Unrecht auferlegten Pfundzolls gestritten wurde,
schlössen sich die Stände immer enger zusammen. Ueberhaupt
dienten die vielen Tagfahrten nur dazu, die Opposition der
Stände gegen den Hochmeister zu kräftigen. In der Verständi-
gung und gemeinsamen Beilegung der Uebelstände that man
keinen Schritt weiter.
Das Bistum1) Ermland ist auf den Ständetagen vor 1440
nur spärlich vertreten, obwohl seinen Bewohnern das Recht zu-
stand, an den Tagfahrten der Ritterschaft und Städte des übri-
gen Landes teilzunehmen.2) Auch der thatkräftige Bischof von
Ermland, Franz Kuhschmalz, spielt auf ihnen noch nicht die
bedeutende Rolle, die er später nach der Stiftung des Bundes
aus Ueberzeugung im Interesse des Ordens, aber nicht immer
zum Nutzen desselben, übernahm. Von den Städten beschickte
die Tagfahrten überhaupt nur Braunsberg; eine Vertretung der
Ritterschaft fehlt ganz. Eine Zeit lang, vom 24. August 1438
1) Unter dem „Bistum*4 Ermland verstehen wir nicht den gesamten
bischöflichen Sprengel, der außer Ermland selbst im Westen und Süden das
kleine Pogesanien, im Osten Natangen und Barten umfaßte (Karl Lohmeyer,
Gesch. von Ost- u. Westpr. I, 88), sondern das Drittel dieses Sprengeis,
welches Bischof und Domkapitel als weltliche Herrschaft mit allen Hoheits-
rechten besaßen und welches im Ganzen dasselbe Gebiet ist, das gegenwärtig
die Landratskreise Alienstein, Braunsberg, Heilsberg nnd Rössel bildet (Saage,
Die Grenzen des ermländischen Bistumssprengeis in der Ermländischen Zeit-
schrift. I, 51). Dieser bischöfliche Landesteil fuhrt auch gleich von Anfang
an, wenigstens schon seit 1280, den Namen Bistum, Episcopatus x«r' Ifaxrjv.
(A. Thiel, Beiträge zur Verfassungs- und Rechtsgeschichte Ermlands. Ermld.
Ztechr. in, 667.) Die bischöflichen Aemter im Bistum waren Braunsberg,
Wormditt (mit Guttstadt), Heilsberg (mit Rößel, Seeburg, Wartenburg, Bischof-
stein und Bischofsburg). Das Domkapitel besaß das Amt Frauenburg, die
Vogtei Mehlsack und das Amt Alienstein. (Lotar Weber, Preussen vor
600 Jahren. S. 480 ff.)
2) M. Toppen, Altpreuß. Monatsschrift. Jahrg. 1868, S. 531.
1*
4 Die Stellang des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
bis zum 4. Februar 1439 hat sogar Braunsberg 6 Tagfahrten
ohne Teilnahme vorüber gehen lassen.
Der Wunsch nach dem Wiedererscheinen Braunsbergs
wurde auf der Tagfahrt zu Elbing am 10. Januar 1439 ausge-
sprochen.1) Fortan fehlten dann die Gesandten der Stadt auf
keiner Versammlung. Eine Vertretung der ermländischen Ritter-
schaft finden wir aber erst auf dem Ständetag zu Elbing am
21. Februar 1440 durch Hans von Wargell.2) An diesem Tage
wurde die Urkunde der lange geplanten Verbindung der Stände
entworfen und ihre Untersiegelung auf einer neuen Tagfahrt in
Aussicht genommen. Denjenigen Gebieten und kleinen Städten,
die sich noch nicht erklärt hatten, wurde der Eintritt offen ge-
lassen. Als Aufforderung, sich der Verbindung anzuschließen,
erließ dann am 27. Februar 1440 der Bat von Kulm ein Aus-
schreiben an alle noch nicht Beigetretenen und ersuchte sie, zur
Untersiegelung des Vertrages am 13. März in Marienwerder zu
erscheinen.8) Inbetreff des Ermlandes nahm der Bat den Mund
etwas voll, indem er erklärte, daß er „mit der kirchen rittere
und knechte czu Heyleszberg eyn eynunge gemacht habe", denn
bis dahin hatte eben nur der einzige Bitter Hans Wargell seine
Zustimmung zum Bunde erklärt. Ob er ein Vertreter der ge-
samten Bitterschaft war, ist fraglich. Braunsberg unterschrieb
den Bundesbrief am 13. März in Marienwerder. Erst am 5. Mai
schlössen sich von Bittern und Knechten des ermländischen
Bistums außer dem genannten Wargell noch an: Hans von Po-
tritthen, Jakob von Baysen, der Landrichter Hans von Bogetteln,
Jakob vom Felde und Fabian von Wusen; von den ermländi-
1) M. Toppen, St.-A. II, 95.
2) M. Toppen, St.-A. II, 152 : Ritter von der gemeynen ritter und
knechte wegen des Heilsbergschen gestuftes. — Die Bezeichnungen Bitter
und Knechte wurden immer neben einander gebraucht. Es sind darunter
die Freien zu verstehen. — Das Datum: 20. Febr. 1440 bei Bender, Erm-
lands politische und nationale Stellung innerhalb Preußens S. 82 ist in
21. Febr. zu verändern.
3) M. Toppen, St.-A. II, 161.
Von Wilhelm Brüning. 5
sehen Städten untersiegelten den Vertrag nunmehr auch "Worm-
ditt, Heilsberg, Rößel, Guttstadt, Wartenburg, Seeburg, Bischofs-
stein, Allenstein, Mehlsack und Frauenburg.1)
Die Bürgermeister und Ratmannen dieser Städte erklärten
im Bundesbrief ausdrücklich: „wir hengen unser stete segele
hiran von volkomener macht, geheyses und befeles wegen unser
scheppen, burger und ganeze gemeyne."
Diese Einmütigkeit der Bewohner des gesamten Bistums
bei der Erklärung ihres Beitritts zum Bunde bekundete sich
auch fernerhin durch festes Ausharren bei demselben, obwohl
sie oft genug auf eine sehr harte Probe gestellt wurde. Denn
sowohl der Hochmeister als auch der Bischof setzten alles dran,
die einzelnen Bundesmitglieder zum Austritt zu bewegen. Diese
Bemühungen, die auch die Ordensgebietiger in ihren Distrikten
sich nicht verdrießen ließen, waren von Erfolg bei vielen kleinen
Städten und den ehrbaren Leuten des Landes, besonders im
Niederland, wo wohl der Sinn für Politik nicht so ausgebildet
war wie im übrigen Preußen und auch die Bewohner wegen
einer weniger guten materiellen Lage in ihren Forderungen
noch zurückhaltender waren. Im Ermlande aber ist es weder
dem Hochmeister noch dem Landesherrn gelungen, auch nur
eine Stadt vom Bunde abzubringen. Auch unter der ermländi-
schen Ritterschaft gab es nur wenige, die auf die Seite des
Ordens übertraten. Ein bei den Ordensgebietigern sehr beliebtes
Mittel, die Bundesmitglieder abtrünnig zu machen, bestand darin,
die Beschickung der Tagfahrten seitens der kleinen Städte und
der Leute vom Lande möglichst zu erschweren oder zu ver-
1) M. Toppen, S.-A. H, 179: Man vermißt Bischofaburg. Diese Stadt
wird überhaupt nur zwei Mal genannt, nämlich auf dem Städtetag zu
Marien werder am 5. Mai 1451 und zu Graudenz am 12. April 1454. (St.-A.
III, 307; IV, 400.) Auch in dem dreizehnjährigen Kriege spielt sie keine
Rolle; wir sind in den Kriegsberichten nur ein Mal auf ihren Namen ge-
stoßen. Diese Stadt, die nach Cod. dipl. Warm. III, 149 im Jahre 13S5
ihre Handfeste erhielt, muß damals noch eine sehr geringe Bedeutung ge-
habt haben. Bei der Ausschreibung der Steuern seitens des Bundes wird
sie garnicht genannt.
6 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
hindern. Im Ermlande konnte natürlich der Orden von einem
derartigen Mittel keinen Gebrauch machen, und auch deshalb
finden wir nach der Stiftung des Bundes eine viel regere Be-
teiligung ermländischer Gesandten an den Tagfahrten als vor
1440. Auch die Erfolge der klugen und taktvollen Politik Con-
rads von Erlichshausen bewirkte keinen Umschlag zu Gunsten
der Ordenssache im Ermlande.
Merkwürdig genug: Welcher Art konnten die Gründe
sein, welche die Bewohner eines Bistums, das bei seiner ex-
imierten und unabhängigen Stellung weit weniger unter der
Ordensherrschaft zu leiden hatte als das übrige Land, zu so er-
bitterten Feinden des Ordens machten? Die Gründe für diese
Stellungnahme Ermlands zu der wichtigsten und verhängnis-
vollsten Frage, welche die Geschichte des deutschen Ordens auf-
weist, sind bis jetzt noch nicht genügend dargelegt worden.
Töppen's Ständeakten geben uns die Möglichkeit, sie zu finden
und zu erklären.
Alle älteren ermländischen Historiker, wie der heuchlerische
Johannes Plastwich, Thomas Treter, Johannes Leo und natürlich
nicht am letzten „der böse Geist der preußischen Geschicht-
schreibung", Simon Grünau,1) haben die ersichtliche Tendenz,
die Landesregierung der ermländischen Bischöfe stets als über
alles Lob erhaben darzustellen und jeden Bischof zu einem
wahren Vater seiner Unterthanen zu machen, der in seinen Be-
mühungen, sich diesen Ruhmestitel zu erwerben, nur von dem
bösen deutschen Orden gehindert wurde. Die neueren erm-
ländischen Geschichtschreiber, auch meist ermländische Dom-
herren wie die älteren, sind diesen in der entstellenden Schön-
färberei getreulich nachgefolgt oder sie sind über viele heikle
Punkte, bei denen die vorgefaßte gute Meinung leichtlich in's
Schwanken hätte geraten können, hinweggegangen. Die Stel-
1) Karl Lohmeyer, Ueber den heutigen Stand der Forschung auf dem
Gebiet unserer Provinzialgeschichte. Altprß. Monatsschr. 1866, S. 336.
Von Wilhelm Brüning. 7
lung des Bistums Ermland zum Bunde ist ein solcher heikler
Punkt.
Professor Bender giebt in seiner schon genannten Fest-
schrift zur ermländischen Säkularfeier 1872 nur bei Braunsberg
den Grund für seinen Anschluß an den preußischen Bund an,
und zwar auch nur einen. Er sagt, daß dieser Schritt Brauns-
bergs aus der Sonderstellung als Mitglied des Hansabundes, die
es an die übrigen großen Städte anknüpfte, zu erklären ist.1)
Diese Angabe ist richtig, denn der Gedanke, den Bund zu
stiften, war hauptsächlich außer von der schon seit langer Zeit
aufsässigen Ritterschaft des Kulmerlandes, von den reichen
Hansastädten in Preußen gefaßt worden. Der Eigenhandel des
Ordens, der den kaufmännischen Unternehmungen der Städte
schweren Abbruch that, war diesen ein Dorn im Auge. Sie
wollten vom „Kaufschlagen" der Herren nichts wissen und
nahmen den Gesamthandel des Landes als ihr Monopol in An-
spruch. Auf politischem Gebiete kam es zwischen dem Orden
und den Hansastädten zu Kollisionen, so oft der Orden den Ver-
such unternahm, die Städte, die sich als „exceptionelle Gemein-
wesen" betrachteten, zu botmäßigen Gliedern des Staatsorganis-
mus zu machen, und infolgedessen gezwungen war, einzelne
Forderungen, die sich mit den landesherrlichen Rechten nicht
vertrugen, zurückzuweisen. Auch die unbedingte Selbständig-
keit der auswärtigen Politik der Städte sahen die Hochmeister
sich öfters gezwungen zu beschränken.2)
Die kommerzielle und politische Konkurrenz aber war nicht
allein für Braunsberg's Anschluß an den Bund bestimmend.
Ein zweiter, nicht minder wichtiger Grund, diesen Schritt zu
1) 1. c. S. 82.
2) M. Toppen, St.-A. Vorrede S. XIII. — Vergl. zu diesem Punkte
die vortrefflichen Ausführungen Caro's, Gesch. Polens V, 10 fg. Sie stellen
die geringe Berechtigung der Forderungen der Städte auf dem Gebiet des
Handels und ihr undankbares Verhalten dem Orden gegenüber, der sie groß
und reich gemacht hatte, entgegen der oberflächlichen landläufigen Ansicht
in das richtige Licht.
g Die Stellung des Bistums Ermlaud zum deutschen Orden etc.
wagen, betraf das Verlangen der Bündner nach einem allge-
meinen Gerichtshof, durch welchen Rechtshändel der Obrigkeit
als alleiniger entscheidender Instanz entzogen werden sollten.
Wie die Unterthanen im Ordenslande den Hochmeister und
seine Gebietiger nicht mehr als die einzigen Richter anerkennen
wollten, so wünschten auch die Eingesessenen des Bistums Erm-
land nicht mehr ihren Bischof als Oberrichter über sich zu
sehen. Deshalb bestimmte die Tagfahrt zu Elbing am 5. Mai 1440,
daß alle Rechtshändel, die im Bistum Ermland entsänden, zu-
erst an die Stadt Braunsberg gebracht würden. Könnte Brauns-
berg die „Schelunge nicht hinlegen", so sollte die Stadt die
Angelegenheit den „Herren von Culm" übergeben, die dann
den im Bundesbriefe vorgesehenen Instanzenweg einzuschlagen
hätten.1)
Ein dritter Uebelstand, der das Ermland in die Arme der
Opposition trieb, wurde auf der Tagfahrt zu Marienwerder am
13. März 1440 vor Lande und Städte gebracht. Ritter und
Knechte beklagten sich darüber, daß der Bischof und die Dom-
herren „keynen edeln man mer in eren thum nemen wellen".
Sie verlangten, daß diese abwechselnd einen Adligen und eines
Bürgers Sohn aufnähmen. „Wurden sie des also vorstossen,
das wer en eyne grosse schände und stet en nicht czu leiden."2)
Auch sonst noch gab es Stoff genug zur Unzufriedenheit
im Ermlande. Der beste Beweis dafür ist der lange Zeit
währende und überaus erbitterte Streit, den der Bischof mit
der Stadt Braunsberg führte. Er wurde zuerst im Juni 1444
vor Landen und Städten auf einer Tagfahrt zu Elbing zur
Sprache gebracht. Es handelte sich dabei um die Feststellung
der Grenzen städtischer und bischöflicher Gerichtsbarkeit und
um die „Ladung", d. h. um das Recht des Bischofs, die Brauns-
berger zur Entscheidung dieser Angelegenheit vor auswärtiges
1) Töpen, St.-A. II, 173, 214.
2) M. Toppen, St.-A. II, 168.
Von Wilhelm Brüning. 9
geistliches Gericht zu fordern.1) Die Bürger bestritten durch-
aus die Kompetenz eines solchen und verlangten die Beantwor-
tung dieser rein weltlichen Streitfrage im eigenen Lande. In
diesem Konflikte kam die Bestimmung des Bundesvertrages, daß
ein Mitglied die Hilfe des Bundes anrufen dürfe und diese ihm
gewährt werden müsse, zum ersten Mal zur Anwendung. Da-
durch erhält derselbe eine allgemeine Bedeutung. Die Brauns-
berger verklagten den Bischof wegen Verletzung der durch die
Stadt-Handfeste ihnen verbrieften Privilegien bei dem Bunde
und baten diesen um Hilfe für den Fall, daß der Bischof, wenn
sie sich mit ihm in Freundschaft nicht einigen könnten, sie
überfallen und vergewaltigen sollte. Sie wurde ihnen im vollsten
Umfange zugesagt.2) Mit der Stadt Heilsberg, seiner Residenz,
geriet der Bischof, weil sie ihre Privilegien und Briefe von
ihm nicht wollte antasten lassen, gleichfalls in heftige Zerwürf-
nisse.8) Und zwei unangenehme Prozesse mit den Landesrittern
Georg vom Berge,4) dem der Bischof das Verkaufsrecht seiner
Mühle streitig machte, und mit Sander von Baysen,6) der in
einer Erbschaftsangelegenheit den Bischof einer ungerechten
Handlungsweise zieh, machte auch die ermländische Ritterschaft
noch mehr zur Gegnerin ihres Landesherrn.
Sowohl Heilsberg wie Georg vom Berge wandten sich an
den Bund, der es auch nicht an Fürsprache für sie beim Hoch-
meister fehlen ließ. Er verlangte energisch, daß der Hochmeister
als Beschirmer des Ermlandes den bedrängten Leuten zu ihrem
Rechte verhelfe und die Geistlichkeit zwinge, dem „gemeinen
Gerichte" zu gehorchen, damit die Sache nicht außer Landes
vor Papst und Erzbischof getragen würde. Vermöge er die
1) M. Toppen, St.-A. H, 601, 608; III, 59, 66, 77.
2) M. Toppen, St.-A. II, 601.
8) M. Toppen, St.-A. IH, 120, 143.
4) M. Toppen, St.-A. III, 143, 173.
6) M. Toppen, St.-A. H, 683 fg.
10 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
Geistlichkeit hierzu nicht zu bewegen, so solle er ihnen seinen
Schutz entziehen.1)
Wir lernen den Bischof Franz in diesen sehr unerquick-
lichen Zerwürfnissen mit seinen Unterthanen von einer etwas
anderen Seite kennen, als ihn die ermländischen Historiker zu
schildern belieben. Johannes Plastwich, der ermländische
Domherr und Chronikenschretiber, weiß natürlich von der
feindseligen Stellung, die Bischof Franz seinen Unterthanen
gegenüber teilweise einnahm, nichts zu berichten und nennt ihn
„den frömmsten Landesvater".2) Thomas Treter schreibt es ihm
natürlich nach.8) Domkapitular Eichhorn, der in seiner „Ge-
schichte der ermländischen Bischofswahlen" seinen landsmänni-
schen Chronikenschreibern blindlings folgt und auf das Zeugnis
des verbitterten Plastwich hin sogar einem Winrich von Knip-
rode den Versuch eines Meuchelmordes gegen einen ermländi-
schen Bischof zutraut,4) ist auch ganz und gar von der landes-
väterlichen Fürsorge des Bischofs Franz für seine Unterthanen
überzeugt.6) Unter dieser Voraussetzung wird er sich wohl
manche Erscheinung nicht haben erklären können.
In "Wahrheit war Bischof Franz ein durchaus strenger und
heftiger Charakter. Wir werden noch später sehen, daß ihm,
wenn der Zorn aus ihm sprach, Worte zu Gebote standen, die
man aus einem bischöflichen Munde nicht zu hören erwartet
und die durchaus verletzend wirken mußten. Dabei war er
ganz erfüllt von dem priesterlichen Stolze und Hochmut, über
den mittelalterliche Prälaten nur verfügen konnten, und ein
starrer Vertreter hierarchischer Prinzipien. Deshalb wollte er
auch den Bund, als jeglicher kirchlicher Freiheit und Herrschaft
entgegen stehend, hauptsächlich mit geistlichen Waffen bekämpft
1) M. Toppen, St.-A. III, 165.
2) Monumenta historiae Warmiensis (Mon. hist. Warm.) III, 88.
3) Thomae Treten de episcopatu et episcopis ecclesiae Warmiensis S. 38.
4) Ermld. Ztschrft. I, 115.
5) Ermld. Ztschrft. I, 125.
Von Wilhelm Brüning. 11
wissen. Von der Klage über die Unzulänglichkeit und Un-
erträglichkeit geistlichen Gerichts1) in weltlichen Dingen wollte
er nichts hören, und der Gedanke, dem Urteilsspruche von Laien
gehorchen zu müssen, war dem stolzen Kirchenfürsten, der nicht
einmal den Hoöhmeister als Richter in der Braunsberger Streit-
frage gern sah, ein Greuel. Gerade die Forderung des Bundes
nach einem allgemeinen Gericht war es, die diesen Bischof zum
Todfeinde der Vorkämpfer bürgerlicher Freiheit in Preußen
machte.
Von diesem Gesichtspunkt der Beurteilung aus aber müssen
wir ihn gegen einen unberechtigten Vorwurf in Schutz nehmen.
Li. v. Baczko behauptet, daß der Bischof von Ermland vor 1440
ein äußerst gefährlicher Feind des Ordens gewesen sei und daß
ihn nur der Eigennutz zum treuen Freunde desselben gemacht
habe.2) Wir wissen nichts von dieser Feindschaft und Baczko
hat sie auch nicht nachgewiesen. "Wir halten den Bischof nicht
nur für den bedeutendsten Freund des Ordens in diesen gähren-
den Zeiten, sondern auch für den Überzeugungstreuesten. Das
hat er oft genug durch uneigennützige Handlungen für den
Orden aufs deutlichste bewiesen. "Wir haben hier das seltene
Schauspiel, daß ein Bischof von Ermland, dessen Vorgänger und
Nachfolger mit sehr wenigen Ausnahmen aus neidischer und
eifersüchtiger Wachsamkeit über ihre Rechte, deren Schmäle-
rung sie beständig argwöhnten, Feinde des Ordens waren, aus
Ueberzeugung und Treue ein Freund desselben ist. Diese Tu-
gend mildert manchen sonst abstoßend wirkenden Zug in dem
Charakter des Bischofs.
In einem ganz eigentümlichen Lichte erscheint uns die
Behauptung ermländischer Historiker, daß die Regierung im
Bistum eine ganz vortreffliche gewesen sei und die Unterthanen
in ihm sich besonders glücklich gefühlt hätten, wenn wir sehen,
daß nicht nur das im Bundesbriefe verkündete revolutionäre
1) Vergl. das Urteil Töppen's über das geistliche Gericht St.-A. III, 357.
2) Gesch. Preußens III, 219.
12 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
Recht der Selbsthilfe durch Gewalt zuerst im Ermlande zur
Geltung kam, sondern auch der Geist des Aufruhrs gegen Pflicht
und Herkommen sich gerade unter den Untersassen des erm-
ländischen Domkapitels in erster Reihe einen heftigen Ausbruch
verschaffte. Nirgendwo ist in Preußen ein Bauernaufstand so
früh ausgebrochen, als gerade im Ermland. Daß von dem Glück,
unter dem Krummstab zu wohnen, nicht einmal das damals
mißachtete und politisch unreife Landvolk überzeugt war, zeigt
die ganze entstellende Absichtlichkeit älterer wie neuerer erm-
ländischer Geschichtschreibung von der augenfälligsten Seite.
Im Jahre 1440 sagten die Bauern des Domkapitels in fast
allen Dörfern des Kammeramts Mehlsack die Leistung des Schar-
werks und anderer Verpflichtungen auf. Sie erhoben einen Auf-
ruhr, der leicht schon damals den im Lande vorhandenen Zünd-
stoff zum allgemeinen Brande hätte entflammen können, wenn nicht
ein so weiser und nachsichtiger Meister, wie es Conrad von Er-
lichshausen war, an der Spitze des deutschen Ordens gestanden
und die Angelegenheit in die Hand genommen hätte. Aber auch
der sonst so strenge Bischof suchte den Streit durch Güte und
Versöhnlichkeit beizulegen. Er wollte nichts wissen von einer ge-
waltsamen Unterdrückung des Aufstandes, wie sie das Domkapitel
vom Hochmeister verlangte.1) Erst als seine Vorschläge an dem
Trotz der Bauern scheiterten, ließ er am 2. Januar 1442 vierzig
der dreistesten Aufrührer festnehmen und in Ketten legen.
Nunmehr nahmen sich die im Bunde befindlichen Ritter und
Städte des Ermlandes der Sache der Bauern an und setzten
einen Schiedsspruch durch, der recht milde war und den Land-
leuten wesentliche Erleichterungen ihrer mit Recht als zu hart
beanstandeten Lasten brachte. Damit war der Streit beigelegt.2)
Die von Plastwich8) behauptete und von Bender4) geglaubte
1) M. Toppen. St.-A. II, 311, 379, 398. — Joh. Voigt, Geschichte
Preußens Vm, 14.
2) M. Toppen, St.-A. II, 401.
3) Mon. hist. Warm. III, 90.
4) 1. c. S. 83.
Von Wilhelm Brüning. 13
Verbindung der aufständischen Bauern mit den Bündnern läßt
sich nicht nachweisen. Wo es sich um die Verletzung seiner
Interessen . handelt, nimmt der Domherr Plastwich, der bald
darauf ein eifriger Freund des Bundes wurde, keinen Anstoß
daran, diesem etwas Schlimmes nachzusagen. Den Versuch, sich
dem Bunde anzuschließen, haben die Bauern gemacht. Der
Bund als solcher antwortete aber ausweichend.1} Auch gab er
sich alle Mühe, die von gegnerischer Seite geargwöhnte Ver-
bindung mit den Aufständischen zu bestreiten. Er erklärte aus-
drücklich, keine Bauern aufnehmen und sich auch nicht ihrer
annehmen zu wollen.2) Wir werden deshalb nicht fehlgehen,
wenn wir in der Behauptung Plastwich's nur den Versuch sehen,
sich selbst und andere über den wahren Grund des Aufruhrs,
die unerträgliche Ausnutzung des armen Landvolks durch ihre
geistlichen Herren, hinwegzutäuschen. Nur zu der Annahme
sind wir auf Grund der Ständeakten berechtigt, daß die Hoffnung
auf die Unterstützung des Bundes und die gleichen Bestrebungen
desselben, wie die Aufkündigung der ferneren Lieferung des
Wartegeldes und Schalwenkorns vonseiten der Lande und Städte,8)
die Bauern zum Aufstande ermutigt und zu einem so über-
raschend energischen Ausharren in demselben veranlaßt hat.
So sehen wir, daß im Ermlande trotz der gepriesenen Re-
gierung der Bischöfe und der Domherren die gährende Unzu-
friedenheit mit den herrschenden Zuständen um nichts geringer
war als in denjenigen Teilen des Ordenslandes, die am hervor-
ragendsten an der Opposition gegen die Landesregierung be-
teiligt waren. Leider war das Verhalten des Bischofs in den
letzten Jahren vor Ausbruch des Krieges nicht geeignet, die
Mißstimmung in seinem Bistum zu beschwichtigen und die Ge-
danken an eine gewaltsame Lösung der Streitfrage aus der Welt
zu schaffen. In den Jahren von 1440 ab bis zum Beginn des
1) iL Toppen, St.-A. II, 250.
2) M. Toppen, St.-A. H, 298, 336, 395.
8) M. Toppen, St.-A. II, 836.
14 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
Kampfes folgte eine Tagfahrt der andern, auf denen die Be-
strebungen der Ordenspartei auf Einführung des Pfundzolls und
Auflösung des Bundes gerichtet waren. An allen diesen Ver-
handlungen nahm der Bischof Franz den eifrigsten und hervor-
ragendsten Anteil. Er leistete dem Hochmeister nicht unwesent-
liche Dienste bei der "Wiedererlangung des Pfundzolls, der für
den Bestand des Ordens schon von so großer Wichtigkeit ge-
worden war, daß der Hochmeister behauptete, ohne ihn über-
haupt nicht mehr regieren zu können.1) Mit diesem Siege er-
reichte die Ordenspartei sehr viel, alle ihre Anstrengungen aber,
die Auflösung des Bundes durchzusetzen, scheiterten an der
Festigkeit seiner Stifter. Die schärfste Agitation gegen den
Bund ging vom ermländischen Bischof aus. Dabei zeigte sich
die ganze Heftigkeit und Schroffheit seines Charakters. Er
brachte es bald so weit, der beßtgehaßte Mann im ganzen Lande
zu sein. Seine Abneigung gegen den Bund riß ihn sogar zu
unklugen und für die Ordenssache nachteiligen Handlungen hin.
Auf einer Tagfahrt zu Elbing, am 5. April 1446, hielt der
Bischof ohne Vorwissen des Hochmeisters, nachdem er sich mit
den drei anderen Landesbischöfen zu diesem Zweck vereinigt
hatte, eine ungemein scharfe Bede gegen den Bund. Ent-
sprechend seiner ganzen hierarchischen Auffassung, verdammte
er ihn als eine „alles natürliche und göttliche Recht" verletzende
Institution, die gegen die „Satzung päpstlicher und kaiserlicher
Ordnung" verstoße. Die Bündner bezeichnete und behandelte
er als beklagenswerte verirrte Schafe der bischöflichen Heerde.2)
Der Erfolg dieser Rede war keineswegs der, den der eifrige
Kirchenfurst in gutem Glauben erwartete. Sie rief in den
Reihen der Bündner eine Entrüstung ohne Gleichen hervor.
Statt die Rücksicht auf das verletzte Recht zu vermehren, hatte
sie nur die Opposition verstärkt. Der Bischof sollte das bald
an sich selbst erfahren. Die Stände beschwerten sich über sein
1) M. Toppen, St.-A. II, 466, 476, 496, 501, 541.
2) M. Toppen, St.-A. H, 693.
Von Wilhelm BrOning. 15
feindseliges Verhalten und verlangten (Jenugtbuung. Die Ver-
mittelung und die freundlichen Worte des Hochmeisters waren
nicht imstande, die empörten Gemüter zu besänftigen. Die
Bischöfe mußten eine schriftliche Ehrenerklärung abgeben und
sich eine derbe Zurückweisung ihrer verletzenden Auffassung
seitens des Bundes gefallen lassen. Der Zorn der Stände war
aber dadurch noch nicht besänftigt; ihre anzüglichen Bemer-
kungen, die sie auf einer Tagfahrt am 9. Juni gegen den Bischof
Franz richteten, bewirkten die tiefste Demütigung des stolzen
Prälaten, seine Entfernung von der Versammlung.1) Der Hoch-
meister verhinderte sie nicht. Ueberhaupt war dieser bemüht,
durch ruhiges und mildes, aber doch auch wieder taktvoll energi-
sches Auftreten eine Versöhnung der Parteien und eine Bei-
legung des Streites herbeizuführen. Er errang bedeutende Er-
folge, aber ob auch dieser von älteren wie neueren Geschicht-
schreibern in gleicher Weise gefeierte Mann imstande gewesen
wäre, den Kampf zu einem friedlichen und guten Ende zu
führen, ist fraglich. Die Bedingungen, von denen die beiden
Parteien ausgingen, schlössen einander aus: die Bündner wollten
von ihrer Vereinigung nicht lassen, und der Orden wollte mit
ihnen nichts zu thun haben, bevor sie dieselbe nicht aufgegeben
hätten. Als Conrad von Erlichshausen starb, war er von der
Erreichung seiner Hauptaufgabe ebenso weit entfernt als im
Beginn seiner [Regierung. Ja, die Parteien standen bei seinem
Tode sich schroffer als je gegenüber.2)
War nun die leidenschaftliche Thätigkeit des ermländischen
Bischofs schon unter der maßvollen Regierung Conrad's von
1) M. Toppen, St.-A. II, 701, 708, 710.
2) Siehe das Urteil Töppen's St.-A. HI, 111. Danach wird es wohl
notwendig sein, die allgemeine Ansicht über die Erfolge der Regierungs-
thätigkeit dieses Hochmeisters zu berichtigen. Jedenfalls ist die Auflösung
des Bundes keine so leichte Sache gewesen, als welche sie sich G. Lohmeyer
vorstellt, (üeber den Abfall des preußischen Bundes vom deutschen Orden.
S. 8. Progr. der Realschule zu St. Johann. Danzig 1871.) Vorsichtiger
urteilt Caro 1. c. V, . 16 u. 17.
16 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
Erlichshausen von keinem Erfolg belohnt, so wurde sie geradezu
verderblich unter dem Hochmeister Ludwig von Erlichshausen,
der, selber extrem und starr und weit weniger begabt als sein
Vetter, die hinhaltende und milde Politik desselben in das
gerade Gegenteil verkehrte. Ende des Jahres 1460 erschien ein
päpstlicher Legat, der Bischof Ludwig von Silva, im Ordens-
lande, um gegen den Bund mit allen geistlichen Waffen aufzu-
treten. Das Gebahren dieses Legaten, der alles andere eher als
ein Friedensbote war, erregte die Gemüter nur noch mehr. Es
verstimmte schließlich sogar den Hochmeister, so daß ihm eine
baldige Entfernung des Legaten nur erwünscht gewesen wäre.
Ueberhaupt war das Verhalten des Hochmeisters dem päpst-
lichen Gesandten gegenüber ein derartiges, daß man annehmen
darf, er habe ihn nicht in's Land gerufen. Hat da vielleicht
der Bischof Franz seine Hand im Spiele gehabt? Die Bündner
waren bald fertig mit ihrer Meinung und beschuldigten den
Bischof direkt als den Urheber der ganzen päpstlichen Anklage
und der Unehre, in die sie durch den Legaten gekommen wären.
So rief ihm Hans von Czegenberg, der Führer des kulmer-
ländischen Adels auf der Tagfahrt in Elbing am 29. Dezem-
ber 1450 zu: „Her bischof von Heilsberg, desse muhe haben
wir von euch, wen das gancze land schreiet obir euch und sein
dorumme bitter uf euch.u Der Bischof antwortete nur: „Das
vorgebe euch got, das ir mir das zuleget."1)
Wir haben keinen Grund, dem Bischof nicht Glauben zu
schenken. Er war der Mann, auch diese Anklage, die in seinen
Augen ja nicht einmal eine solche sein konnte, auf sich zu
nehmen. Auch der Legat nahm den Bischof gegen die Be-
hauptung, daß dieser ihn herbeigerufen habe, in Schutz, ja
machte ihm und den anderen Prälaten sogar einen Vorwurf
daraus, daß sie dem Papste keine Mitteilungen über den Zustand
im Lande hätten zukommen lassen.
1) M. Toppen, St.-A. HI, 246.
Von Wilhelm Brüning. 17
Trotz der schlimmen Erfahrung, die man auf der Ordens-
seite mit dem Auftreten des Legaten und der Verkündigung
der päpstlichen Bullen gegen den Bund gemacht hatte, unter*
nahm der Bischof nach der Abreise des Legaten dennoch den
Versuch, von den Kanzeln aus den Bund bekämpfen zu lassen.
Die gehässige klerikale Verhetzung hatte den bösesten Erfolg.
In Heilsberg kam es darob zu aufregenden Scenen.1) Aber auch
diese Vorgänge vermochten den schroffen hierarchischen Partei-
mann nicht zur Buhe und Besonnenheit zu bringen. Hatte der
Papst allein nicht helfen können, so sollten sich auch noch der
Kaiser und die Fürsten in's Mitttel legen. Er bat, wie er auf
der Tagfahrt von Elbing am 27. September 1451 selbst gestand,
sich an den Papst, den Kaiser und die Fürsten gewandt, um
von ihnen eine Verurteilung des Bundes zu erlangen. Seine
Bemühungen wurden mit Bullen2) und fürstlichen Zuschriften
reichlich gesegnet. Als ihm die Stände deshalb Vorwürfe machten,
antwortete er: „was er gethoen hette, das hette er gethoen auf
die von Braunßberg." Sein Kampf mit Braunsberg wegen der
„Ladung'* ruhte nämlich immer noch nicht.
So sehr auch die Handlungsweise des Bischofs die Führer
des Bundes erzürnte, es gelang dem Hochmeister und seinem
treuen Verbündeten dennoch, die arbeitenden Klassen in einigen
großen Städten, die zum Teil in schroffem Gegensatz zum Pa-
triziat standen, mehrere kleine Städte und besonders viele vom
Landvolk durch die kirchlichen und kaiserlichen Drohungen ein-
zuschüchtern und zum Abfall vom Bunde zu bewegen. Des
Hochmeisters Erbietungen und Versprechungen thaten ein Uebri-
ges. Aber gerade in dem Lande des Urhebers der päpstlichen
und fürstlichen Ermahnungs- und Drohbriefe hatten diese keinen
Erfolg. Wiederholt versicherten, ob auch andere wankten, die
1) M. Toppen, St.-A. m, 329.
2) M. Toppen, St.-A. III, 827. Inbetreff der in der Bulle des Papstes
Nicolaus V. genannten Konstitution Karolina vergl. Leges, statuta, consti-
tutiones, privilegia regni Poloniae, magni ducatus lithvaniae etc. Warschau
1732. S. 105 ff.
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX. Hft. 1 u. 2. 2
18 Die Stellung des Bistums Erraland zum deutschen Orden etc.
Stände des Bistums — auch das kleinste Städtchen fehlte nicht
— dem Bunde ihre Anhänglichkeit. Andererseits ließ sich aber
auch der Bischof durch den Trotz seiner Unterthanen nicht be-
irren und war bis zur Aufopferung in treuester Hingebung fiftr
die immer mehr gefährdete Ordenssache thätig. Das Verhältnis
zwischen den beiden kämpfenden Parteien nahm eine immer
drohendere Gestalt an. Der Ton der Reden auf den in immer
kürzeren Zwischenräumen sich folgenden Tagfahrten wurde hefti-
ger, und bald schreckte man vor gegenseitigen Verleumdungen
nicht mehr zurück. Die Spannung und Erbitterung wuchs.
Schon begann der Bund die dem Orden treu Verbliebenen zu
überwachen; auf die abgefallenen Bundesmitglieder versuchte er
einen terrorisierenden Einfluß auszuüben, so hetzte er z. B. in
den zum Orden übergetretenen Städten Marienburg, Konitz und
Thorn-Neustadt das Gesinde auf, seine Arbeit einzustellen. Der
Geist des Verrats und Verbrechens, der im späteren Kampfe so
viele Abscheu erregende Züge zu Tage treten lassen sollte, be-
gann durch das Land zu schleichen und die erhitzten Gemüter
zu verderben. Der Komtur von Gollub warnte den Hochmeister
vor Vergiftungsanschlägen.1) Die Eidechsengesellschaft, diese
alte Pflanzstätte hochverräterischer Umtriebe, wurde immer
rühriger und vermehrte die Zahl ihrer Mitglieder. Diese Landes-
ritter, in ihrer Gesinnung zum Teil halbe Polen, blickten gierig
nach den Vorrechten des polnischen Adels nach dem Nachbar-
lande herüber und knüpften die nie ganz fallen gelassene Ver-
bindung mit dem Polentum fester. Auch zwischen Polen und
Thorn, in welcher Stadt der jähzornige Todfeind des Ordens,
der Ratsherr Tylemann vom "Wege, das Wort führte, wurde der
Verkehr immer eifriger, und polnische Edelleute, Geistliche und
Gelehrte, die in niemals gesehener Anzahl die Stadt aufsuchten,
„schürten das Feuer der Zwietracht nach Möglichkeit".2) Bald
1) M. Toppen, St.-A. III, 523.
2) Die Behauptung Caro's (1. c. V, 2), daß der Bund in Preußen keine
andauernde und systematische Aufreizung durch die Polen erfahren habe, wird
wohl nach den Angaben in den St.-A. 111,546, 711 einer Berichtigung bedürfen.
Von Wilhelm Brüning. 19
sseigten sich auch die ersten mit größter Vorsicht verdeckten
Spuren der Rüstung zum offenen Kampfe auf bündnerischer
Seite. Der scharfsichtige wackere Komtur von Elbing, Heinrich
Reuß von Plauen, bald des Ordens einzige und festeste Stütze,
sprach es schon Ende des Jahres 1452 offen und laut aus: „Er
wolle seinen Hals zum Pfände setzen, daß es den Städten nur
noch darauf ankomme, den Orden zu vertreiben und sich selber
zu Herren zu machen.1*1}
Ein friedlicher Austrag des Streites im Lande selbst war
bereits unmöglich. Auf bündnerischer Seite scheute man sich
nicht mehr, Schreiben des Hochmeisters mit verächtlichem Spott
zu behandeln. Der Ordensfürst, ohnehin leicht leidenschaftlich
erregt, fühlte sich dadurch tief beleidigt und wies jedes Zuge-
ständnis in derselben rücksichtslosen "Weise von der Hand, wie
die Bündischen ihre Forderungen, z. B. nach Bewilligung des
Richttages, stellten. Man mußte höhere Autoritäten aufsuchen.
Der Bund wandte sich an den Kaiser, zum ersten Mal Ende
des Jahres 1452. Bald darauf ging auch eine Gesandtschaft
desselben nach Polen ab.
Die Freude des Bischofs von Ermland, daß der Bund sich
vor dem Kaiser zu Recht erboten habe, war groß. Er sprach
sie dem Hochmeister in einem Briefe vom 16. Januar 1453 mit
wahrer Genugthuung aus. Er erhoffte nun ein gutes Ende des
Streites. Dies Vertrauen gereicht ihm nur zur Ehre. Ueber-
haupt ist das Schreiben sehr dazu geeignet, die ganze An-
schauungsweise dieses Mannes erkennen zu lassen. Seine Oppo-
sition gegen den Bund war eine ehrliche und überzeugungstreue.
Daß er, pochend auf sein vermeintliches gutes Recht, durch seine
Heftigkeit öfters zu politisch unklugen Handlungen hingerissen
wurde, ist eine Sache für sich. Er wurzelte fest auf dem Boden
der damals bestehenden Ordnungen des Reichs und der Kirche
und betrachtete den Bund in seinen Tendenzen als unvereinbar
1) M. Toppen, St.-A. III, B1B.
2) M. Toppen, St.-A. III, 557.
2*
20 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
sowohl mit dem kanonischen Recht als mit dem dynastischen
fürstlichen Interesse. Er, als Bischof und Landesfürst, ein be-
rufener Verteidiger der festgesetzten Ordnung, durfte, wollte er
sich selber treu bleiben, den Bund nicht anerkennen, ja er
mußte ihn bekämpfen. Wer darf dem kraftvollen Manne einen
Vorwurf aus dieser seiner Ueberzeugung machen, selbst wenn
er sich mit seinen Sympathien auf die Seite des Bundes stellt?1)
Die Bundesgesandtschaft erreichte beim Kaiser trotz der
Gegenagitätion des Ordens Erfolge, die sie aber, in Anbetracht
der bisherigen kaiserlichen Verurteilung der Vereinigung, weniger
der Anerkennueg ihres guten Rechtes als ihren gefüllten Taschen,
mit denen der Ordenssäckel nicht konkurrieren konnte, zu ver-
danken hatte. Dem Bunde wurde die Erlaubnis erteilt, Ver-
sammlungen abhalten und zur Bestreitung der Ausgaben für
Bundesgeschäfte eine Schätzung erheben zu dürfen. Außerdem
erhielten die Städte Culm und Thorn eine kaiserliche Bestäti-
gung ihrer von den Kaisern erteilten — bis dahin aber gänz-
lich unbekannten Privilegien — und eine Bestätigung ihres an-
geblich schon früher verstatteten Rechts, mit Rittern und
Knechten und anderen Städten im Lande Preußen eine Ver-
einigung eingehen zu dürfen.
Mit diesem Machwerk bestochener Schreiber der kaiser-
lichen Kanzlei2) ausgerüstet, suchten die Bündner in Preußen
diejenigen in ihrer Treue zum Bunde zu befestigen, die wankend
geworden waren, und andere zu ködern, die nichts von ihnen
wissen wollten. Es gelang ihnen nur zu gut. Aus dieser Hand-
lungsweise gegen besseres Wissen ersehen wir wiederum, daß
1) Gustav Lohmeyer (1. c. S. 14) beliebt die Meinung des Bischofs
von Ermland, daß der Bund sich an den Kaiser gewendet habe, um sich
desto leichter mit dem Orden vertragen zu können, eine „kindliche" zu
nennen. Wenn er das in gutem Sinne verstanden wissen wollte — was er
aber nicht will — könnte man es gelten lassen. Der Bund, der immer
tiefer in offene, landesverräterische Empörung hineintrieb, hatte diese harm-
lose „kindliche*4 Auffassung allerdings nicht mehr verdient.
2) M. Toppen, St.-A. III, 551. Caro 1. c. V, 15.
Von Wilhelm Brüning. 21
der Bund bewußt immer tiefer in eine Opposition hineintrieb,
die schließlich zu einer gewaltsamen Lösung führen mußte.
Die Erregung in Preußen wurde immer heftiger: Die
Bündner pochten auf ihre kaiserliche Confirraationsurkunde des
Bundes ; die Ordensritter und ihre Anhänger nannten sie des-
halb Lügner. Der Bund berief Tagfahrten gemäß der kaiser-
lichen Erlaubnis; der Hochmeister verbot sie, aber mit geringem
Erfolg. Der Bund legte ein Geschoß auf seine Mitglieder; der
Hochmeister erklärte, das sei ,,widder vornunfft und alle rechte"
und befahl den Bischöfen und seinen Gebietigern die Erhebung
des Geschosses „bey eyden und truwen" zu untersagen.1) Ja
er drohte den kleinen Städten sogar den Verlust ihrer Frei-
heihen und Handfesten an, wenn sie die Auflage entrichten
würden.2) Auch der Bischof Franz agitierte aufs heftigste
gegen die Steuer.8) Ihr Einschreiten blieb nicht ohne Wirkung.
Die Erhebung des Geschosses nahm nicht den Fortgang, wie
ihn die Bündner wünschten. Es scheint fast so, als ob erst
jetzt, wo es mit der Bundesmitgliedschaft allein nicht mehr ge-
than war, sondern auch Pflichten verlangt wurden, weite Kreise
zur Erkenntnis kamen, wie tief sie sich mit dem Bunde einge-
lassen hätten.
Auch im Ermlande fand letzterer nicht das frühere Ent-
gegenkommen. Sogar in Braunsberg kam das Geschoß spärlich
und spät ein,4) und die kleinen, nicht sonderlich wohlhabenden
Städte sträubten sich dagegen, zumal da die großen Städte
auch versprochen hatten, daß die kleinen durch den Bund nicht
beschwert werden würden.5) Wartenburg und Bischofsstein
wollten das Geschoß nicht geben, Rößel, Heilsberg und Gutt-
stadt verschoben die Antwort; in Wormditt kam die Schätzung
zwar ein, aber der Hat wollte sie nicht vollständig ausliefern,
1) M. Toppen, St-A. III, 605, 606.
2) M. Toppen, St.-A. III, 615.
3) M. Toppen, St.-A. III, 606.
4) M. Toppen, St.-A. IV, 220.
5) M. Toppen, St.-A. IH, 607.
22 Die Stellang des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
sondern zum Teil zu der Stadt Nutzen verwenden.1) Besonders
stark war die Abneigung gegen die Bundesauflage bei dem
armen Landvolk, und um dieses nicht zu verlieren, beschloß der
Bund auf der Tagfahrt zu Marienwerder am 8. April 1453, von
den Landbewohnern zunächst nur die Hälfte des Geschosses
einzufordern und die andere auf ein Jahr zu stunden.2)
Der Kaiser hatte bei der ersten Verhandlung mit den
Ordensvertretern und Bundesgesandten einen Richttag angesetzt,
auf dem der Streit endgiltig entschieden werden sollte. Der
Orden und die Bischöfe betrauten mit der Führung des Pro-
zesses vor dem Kaiser den Bischof von Ermland, den Komtur
von Elbing, Heinrich Reuß von Plauen, den Vogt von Leipe,
Georg von Egloffstein, und den Eat des Hochmeisters, Dr. Lau-
rentius Blumenau. Die Ordenssache war damit in gute Hände
gelegt, und der Prozeß endete denn auch mit der vollständigen
Verurteilung des Bundes am 1. Dezember 1453.8)
Während der Verhandlungen vor dem kaiserlichen Gerichts-
hof war der Bund in Preußen rastlos thätig gewesen. Die
Führer mochten sich wohl sagen, daß die Entscheidung niemals
zu ihren Gunsten ausfallen könnte, selbst wenn sie noch so viel
Geld aufwendeten, und da sie zudem auf eine legale Beilegung
des Kampfes kein Gewicht mehr legten, bereiteten sie im Stillen
alles zum Abfall vor.
Die Städte und der Landadel im Ermlande waren dem
Bunde feste Genossen, davon konnte er überzeugt sein. Be-
1) M. Toppen, St.-A. III, 616.
2) Es beginnen mit diesem Geschoß die Opfer an Geld und Gut, die
der Bund seinen Mitgliedern, sehr oft gegen deren Willen auferlegte und
mit größter Strenge eintrieb. Bald sollten diese eine solche Höhe annehmen,
daß man mit Caro getrost sagen darf: „Hätten die Städte und der Landadel
iu Preußen für irgend eine Aufgabe, die der Orden gestellt, jemals solche
Opfer gebracht, dann wären zuverlässig weniger Konflikte zwischen der
Landesherrschaft- und den Unterthanen vorgekommen.41 — Auch aus dem
Ermlande wurden, wie wir später nachweisen werden, Summen in solcher
Höhe im Laufe der Kriegsjahre eingetrieben, daß man sich wundern muß,
wie das Land sie hat aufbringen können.
3) M. Toppen, St.-A. IV, 186.
Von Wilhelm Brüning. 23
wiesen es ihm doch auch die Tagfahrten, die in dieser Zeit zum
ersten Male im Ermland selbst abgehalten wurden. Der Kom-
tur vom Balga machte dem Hochmeister am 9. Juli 1453 darüber
Mitteilung und meinte besorgt, daß die kleinen Städte im Erm-
land nicht viel Gutes vorhätten.1)
Zum ersten Mal tritt nunmehr auch das ermländische Dom-
kapitel aus dem Dunkel der Unthätigkeit hervor, in dem es bis
dahin verharrt hatte. Wir erfahren aber vorerst nur aus dem
Rezeß der Tagfahrt zu Thorn vom 29. Mai 1453, daß „eine
botschaft mit eime gewerbe an das capittel der thumhern czur
Frawenburg" 2) geschickt worden war. Auf der nächsten Tag-
fahrt zu Graudenz sollte über ihren Erfolg berichtet werden,
was aber nicht geschehen ist. Wohl um das Kapitel der Bundes-
sache näher zu bringen, wurde am 12. August eine zweite Ge-
sandtschaft „zu den landen des gesticktes Heilsberg und der
thumerie" und Botschaft an die beiden Landrichter im Heils-
bergischen Gebiete und im Distrikte des Domkapitels, Jakob
von Baisen und Fabian von Wusen, abgeschickt.8) Am 24. August
fand dann in Gegenwart mehrerer Eidechsenritter in Braunsberg
eine Tagfahrt statt, auf der die ermländische Bitterschaft die
Zusage gab: „der kirche land welle lebende und tot bey dem
bunde bleyben".4)
Nach den Angaben Plastwichs hat das ermländische Kapitel
nach der Abreise des Bischofs Franz an den kaiserlichen Hof,
von Juni 1453 bis zum Beginn des Krieges mehr als zehn Tag-
fahrten mit den Bittern und Bürgern des Bistums abgehalten.
Die Zusammenkünfte hätten bezweckt, die Bewohner des Bis-
tums in einem Kriege zwischen Orden und Bund zur Neutra-
lität zu bewegen und die Besetzung der Schlösser der Kirche
ohne Zuziehung fremder Hilfe allein mit Landeseingesessenen
1) M. Toppen, St.-A. IH, 683.
2) M. Toppen, St.-A. III, 658.
3) M. Toppen, St.-A. IV, 18.
4) M. Toppen, St.-A. IV, 61. — Joh. Voigt, Gesch. der Eidechsen-
gesellschaft in Preußen S. 135.
24 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
durchzusetzen.1) Etwas weniger harmlos erscheinen uns diese
Verhandlungen nach einem Rezeß der Tagfahrt der Ritterschaft
und Städte des Ermlandes zu Wormditt, am 21. Januar 1464.
Aus ihm ersehen wir, daß die ermländischen Bündner den Dom-
herren am B. Juli 14B3 zugesagt hatten: ,,ab imand were, der
das bistum adir kirchenland addir sie welle angrifen adir leidi-
gen weide, wir weren helfen und das helfen widdern und stören
noch unserm hogesten vermögen mit leibe und gutte, unsched-
lich unsir voreinunge, als wir uns voreinet und vorbunden haben
mit landen und stetten. Desgleichen die obenberurten herrn
landen und stetten wedir zugesagit haben".2) Die Domherren
fragten die Bündner, was das hieße: „unschedlich unser vor-
einunge, als wir uns voreinet und vorbunden haben mit landen
und stetten". Sie erhielten eine ausweichende, nichtssagende
Antwort und gaben sich damit zufrieden, ja sprachen sogar
ihren Dank dafür aus.
Ist auf dieser Tagfahrt von Neutralität die Rede? Die
ermländischen Stände wollten die Domherren in einem Kriege
schützen „ohne Schaden ihrer Vereinigung". Diese verlangte,
daß sie in einem Kriege des Bundes gegen den Orden ersterem
Hilfe leisteten, also versprachen sie den Domherren Hilfe gegen
den Orden und damit auch gegen den Bischof. Denn es war
ganz zweifellos, auf wessen Seite sich dieser im Kriege stellen
würde.
Und übrigens, wenn die Domherren wirklich an Neutrali-
tät gedacht haben sollten, woher nahmen sie das Recht, eine
solche mit den Städten und dem Adel des Bistums für den Fall
eines Krieges zu bestimmen? Dieses Recht besaß nicht ein-
mal der Bischof, sondern er hatte in Kriegszeiten mit seiner
Mannschaft einfach den Befehlen des Hochmeisters zu gehorchen.8)
1) Mon. hist. Warm. III., 102. — Th. Treter 1. c. S. 43 und Joh. Leo,
historia Prussiae S. 272 machen daraus gleich ein beschworenes Neutralitäts-
bündnis.
2) M. Toppen, St.-A. IV, 279.
3) Joh. Voigt, 1. c. V, 5G3. - Karl Lohraeyer, 1. c. S. 143.
Von Wilhelm Brüning. 25
Also wäre auch dieses Vorgehen des Domkapitels schon ein
Verrat am Orden gewesen.
Auf derselben Tagfahrt zu Wormditt wurde auch inbetreff
der Besetzung der Schlösser verfügt, daß die drei Domherren
Wichart, Weterheim und Plastwich — unser Chronist — als
Hauptleute die Schlösser Heilsberg, Rößel und Seeburg befehli-
gen sollten. Wichart wurde außerdem zum Hauptmann des
ganzen Bistums bestellt. Die drei Burgen aber waren bischöf-
liches Eigentum, und die Verfügung über sie seitens der Dom-
herren auf Wunsch der Bündner war ein dreister Eingriff in
die bischöflichen Rechte. Wie wenig der Bischof mit dem Ge-
bahren seines Kapitels und dessen Paktieren mit den Bündnern
zufrieden gewesen sein wird, können wir uns vorstellen, wenn
wir aus seinem Briefe aus Wien-Neustadt ersehen, daß er schon
am 29. November 1453 den Hochmeister dringend aufforderte,
mit seinem Vogte in Heilsberg, der ein Ordensbruder war, für
die Instandsetzung seiner Schlösser — der drei obengenannten —
Sorge zu tragen, „das doran keyn ^schaden ader vorsewmnis
geschee." l)
So waren denn auch im Ermlande alle Vorbereitungen für
den geplanten Abfall getroffen. Die Position war dort für den
Orden eine gänzlich verlorene, seitdem auch das Domkapitel
sich den aufrührerischen Anschlägen der Bistumseingesessenen
nicht ungeneigt zeigte. Der ermländische Bischof, in unver-
drossenem Kampfe für sein altes Recht und das Wohl des
Ordens sich abmühend, sollte seine Schlösser nicht mehr wieder-
sehen.
Der Bund verwarf, wie zu erwarten, den Schiedsspruch
des kaiserlichen Richters. Er blieb nach der Verkündigung
desselben mit dem Hochmeister nur noch in Verbindung, um
unter dem Deckmantel der Unterhandlungen sich zu rüsten. Er
wollte den Hochmeister täuschen; es gelang, wie dies die Ge-
1) M. Toppen, St-A. IV, 106.
26 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
fangennahme des obersten Marschalls, des Komturs von Danzig
und des von Graudenz beweist, die die Bündner zum Zweck
von Verhandlungen nach Thorn lockten, während ein gemeiner
Thorner Stadtknecht mit dem Absagebrief an den Hochmeister
schon unterwegs war.1) Diese erste That des Bundes ist be-
zeichnend für den Geist, in dem er den Krieg zu führen ge-
dachte, einen Krieg, wie ihn Preußen so furchtbar in seinen
Erscheinungen und so verderblich in seinen noch heute wahr-
nehmbaren Folgen niemals sonst gesehen hat.
Die Stellung des Bistums Ermland im preussischen Städtekriege.
Kapitel l.
Am 4. Februar 1454 kündigten Lande und Städte des
Bundes, also auch das Ermland, dem Hochmeister die Huldi-
gung auf und sagten ihm Krieg an. Er begann noch an dem-
selben Tage. Und wie der Ordenschronisfc 1410 ausrief: „der
glich ny mer gehört ist in keynem lande von so grossir un-
truwe und snellich wandelunge",2) so hätten das die Chronisten
auch vom Jahre 1454 klagen können, die meisten aber, städtische
oder klerikale Gegner des Ordens, freuen sich nur des allge-
meinen Abfalls.
Der Kampf kam für den Orden, wenn auch nicht uner-
wartet, so doch zu früh. Die Aufständischen waren in etwa
vier Wochen Herren aller Ordensburgen mit Ausnahme von
Marienburg, Konitz und Stuhm.3)
1) Joh. Voigt, Geschichte Marienburgs S. 402.
2) Thurau, Der große Krieg zwischen Polen und dem deutschen Orden,
S. 28. Königsberger Dissertation 1886.
3) Die ältere Hochmeisterchronik (SS. rer. Pruss. III, 665) führt als
sehr glaubwürdigen Grund für diese schnelle Eroberung die mangelhafte
Ausrüstung der Schlösser und die Treulosigkeit der Besatzung an, welche
aus Söhnen und Freunden der Bündner bestand. Den gehässigen Vorwurf,
den Plastwich (Mon. hist. Warm. III, 92) dem Orden macht, indem er den
Verlust der aufs beste ausgerüsteten Burgen allein der Feigheit der Ordens-
Von Wilhelm Brtining. 27
Auch im Ermlande loderte der Aufruhr in hellen Flammen.
Am 5. Februar schrieb der Vogt von Heilsberg einen Klage-
brief1) an den Kompan des Komturs zu Balga über die Unzu-
verlässigkeit der Mannschaft des Bistums. Er könnte weder
mit den ehrbaren Leuten, noch mit den Schulzen oder Bauern
das Schloß bemannen. Neun Tage später erfolgte ohne jede
äußere Veranlassung die Beitrittserklärung des ermländischen
Domkapitels zum Bunde. Die Domherren erklärten darin, daß
sie „den landen und steten disses landes czu Prewsen beystendig
seyn wellen mit huelffe und mit rathe, mit leybe und mit gute,
brüder Schuld giebt, verträgt eine Berichtigung durch die Angabe der Hoch*
meisterchronik sehr wohl. — Vergi. auch M. Toppen, St.-A. IV, 375 und
J. Voigt, Gesch. der Eidechsengesellschaft in Preußen, S. 148, 150, 151.
1) Toppen hat in seiner Abschrift des Briefes St.-A. IV, 310 den Satz
fibersehen, der nach den Worten: „sy sullen gutwillig dorczu sein" steht: „ich
czweifele ouch nicht, wüste es unser homeister, er worde ein suichs be-
stellen". Dieser Vogt von Heilsberg war ein Bruder des deutschen Ordens.
L. v. Baczko (1. c. S. 278) erzählt: „Aus Gefälligkeit gegen den ermländischen
Bischof habe sich Conrad von Erlichshansen des Rechts begeben, einen
Bruder seines Ordens zum ermländischen Vogte einzusetzen". Diese Nach-
richt geben Simon Grünau und Thomas Treter (A. Thiel, Beiträge zur Ver-
fassungsgeschichte Ermlands in Ermld. Ztschr. III. 667). Bender folgt ihr,
wenn er (1. c. S. 20) sagt: „Von 1441 finden wir die Vögte wieder aus den
heimischen Rittervasallen genommen." Das ist nicht richtig. Der Orden
besaß auch unter der Regierung des Bischofs Franz das wichtige Recht,
den Landvogt für das Bistum Ermland zu stellen.
In einem Briefe vom 2. Mai 1453 schreibt der Komtur von Elbing
dem Hochmeister: Er habe dem Bischof die Absicht des Hochmeisters, den
bisherigen Vogt des Bischofs zum Treßlei zu machen, mitgeteilt Als neuen
Vogt wünsche der Bischof nicht den Hauskomtur von Danzig, sondern den
von Königsberg. (Königsberger Staatsarchiv [K. St.-A.J Schbld. 55/a No. 5.)
Am 25. Mai spricht der Domprobst von Frauenburg dem Hochmeister sein
Lob über den neuen Vogt aus. (K. St.-A. Schbld. 78, No. 100). Aus diesem
Briefe ersehen wir auch, daß viele Leute im Bistum dem Vogte nicht wohl
wollten.
Da hier die Benutzung meines archivali sehen Quellenmaterials be-
ginnt, sei es mir an dieser Stelle gestattet, den Herren Staatsarchivar
Dr. Joachim und Archivar Dr. Panzer für die Freundlichkeit, durch welche
sie mir meine Arbeiten auf dem Königsberger Staatsarchiv ermöglicht haben,
meinen Dank auszusprechen.
28 Die Stellung des Bistums ErmJand zum deutschen Orden etc.
is treffe hog adir nedir und geben uns in ere eynunge und be-
schirmunghe noch innehaldunge des brieffes des bundes".1)
Das war deutlich gesprochen! So ließen sich die Herren
vernehmen, die noch am 16. August 14B3 insgesamt ein Dank-
schreiben an den Hochmeister für die Gunst und das Wohl-
wollen richteten, welches er gegen ihre Kirche und sie stets
bewiesen habe.2) Vergessen waren die Bemühungen Conrads
von Erlichshausen , in dem gefahrvollen Bauernaufstand die
Rechte des Kapitels zu schützen, vergessen auch die Neutralität,
an die uns Plastwich so gern glauben machen will. War sie
so schnell zur Unmöglichkeit geworden? Wir haben gesehen,
daß sie überhaupt kaum vorhanden gewesen ist. Zum Ueber-
tritt gezwungen hat das Domkapitel niemand, und wenn Land
und Städte des Bistums Ermland zwei Tage nach dem Ereignis
nach Thorn melden, „das die herren des capittels sich uns dir-
geben haben,"8) so brauchen wir nach den Vorereignissen dabei
nicht an Gewalt zu denken.4)
1) M. Toppen, St.-A. IV, 324.
2) Brief des Domkapitels an den Hochmeister, dat. Frauenburg d.
16. August 1453. K. St.-A.
3) M. Toppen, S.-A. IV, 330.
4) Der Herausgeber der Mon. hist. Warm., Wölky, hat die Stelle bei
Plast wich mißverstanden, aus der er folgert-, daß die Braunsberger den Bei-
tritt des Domkapitels zum Bunde durch einen Ueberfall Frauenburgs er-
zwungen hätten. (1. c. III, 103.) Einen ähnlichen Irrtum bei Caspar Schütz
und die sich daraus ergebende falsche Auffassung bei Voigt (1. c. VIII, 370)
hat schon Bender (l. c. S. 86) nachgewiesen. Wenn nun der Verfasser der
Festschrift meint (1. c. S. 87, Anm.), daß die Handlungsweise des Kapitels
kein direkter Abfall von seinem Herrn, dem Bischof, gewesen ist, und als
Grund dafür angiebt, daß der Hochmeister und der Bischof auch nach dem
Abschluß des Bündnisses mit dem Domkapitel in Verbindungen gestanden
haben, so müssen wir diese Behauptung als einen unberechtigten Versuch,
die Schuld des Kapitels zu beschönigen, zurückweisen. Er ist auch sehr
schwächlich. Der Brief des Hochmeisters an den Domprobst Arnold von
Datteln — (er ist nicht vom 14. Juli, wie Joh. Voigt, Geschichte Marien-
burgs S. 417 angiebt, sondern von Sonnobend vorm Sontag Exaudi d. i.
1. Juni 1454. K. St.-A. Varia No. 134) — stützt Bender's allgemeine Be-
hauptung durchaus nicht. Denn abgesehen davon, daß der Hochmeister
Briefe in höflichem, ja beinahe freundlichem Stil mit seinen ärgsten Feinden
Von Wilhelm ßrüning. 29
Auch' nicht die allgemeine Kriegslage machte diesen ver-
hängnisvollen Schritt des Kapitels zur Notwendigkeit. Der
gewechselt hat, ist der Inhalt dieses Briefes, den Bender wohl nur aus Voigt
kennt, von keiner sonderlichen Bedeutung. Die einzige Stelle, der man eine
solche beilegen könnte, ist die Bitte des Hochmeisters an den Dom probst:
„Ir wellet do vinlang im lande dirforsschen lassen, was doch gutter czeitunge
do were, vnd ap das volk eynerley mosse vns sey gewogen". Wir wollen
aber schon zugeben, daß man einen solchen Wunsch nicht an einen abge-
sagten Feind richtet, und werden auch später (s. u. S. 37) selbst nachweisen,
daß Datteln den extremen Forderungen der Bündner im Ermland entgegen-
getreten und dem Orden vielleicht nicht abgeneigt gewesen ist. Aber giebt
dieser einzige an den Domprobst gerichtete Brief Bender die Berechtigung
zu der Behauptung, daß der Hochmeister mit dem Domkapitel als solchem
in Verbindung gestanden hat? Dieser eine Domherr repräsentiert doch
nicht die ganze Körperschaft! Und wenn wir ihm auch noch den Dom-
kantor Arnold Coster von Venrade als Anhänger des Ordens zugesellen
(8. u. S. 40 u. S. 65), so bleiben doch noch 14 andere Domherren als er-
bitterte Feinde des Ordens übrig, die man doch weit eher „das Domkapitel"
nennen kann. Für die behauptete Verbindung des Bischofs mit dem Kapitel
liefert übrigens der Brief des Hochmeisters gar keinen Beweis und auch
sonst haben wir einen solchen nicht gefunden. Der Bischof ignoriert das
Kapitel nach dessen Uebertritt zum Bunde vollständig, und zwar bis zu
seinem Tode.
Wie Bender seine Behauptung durch die Bemerkung, daß Datteln
während der Abwesenheit des Bischofs dessen Stellvertreter in geistlichen
und weltlichen Angelegenheiten gewesen ist, zu stützen versucht, verstehen
wir nicht. Der Bischof übertrug jenem doch dies Amt lange vor dem Ab-
fall des Kapitels.
Noch weniger Glück hat Bender durch die Berufung auf seinen Haupt-
zeugen Plastwich, der ,.immer wiederholt von dem Abfalle der ermländischen
Stände von ihrem rechtmäßigen Herrn, dem Bischöfe, mit Entrüstung und
Abscheu'1 spreche. Für uns entrüstet sich dieser ohne Not. Wir glauben
nicht an die Aufrichtigkeit dieses an sich sehr begründeten Affekts, denn
wie kommt es, daß der fromme Mann so gar nichts von dem Abfall und der
Untreue des Kapitels zu erzählen weiß? Wie geschickt und schlau schlüpft
er über dieses Ereignis hinweg, das den Fluß seiner Biederkeit und Auf-
richtigkeit erheuchelnden Darstellung so peinlich und unzweckmäßig unter-
brechen würde! Wir müssen gestehen, daß uns eine derartige Geschicht-
schreibung mit größerer Entrüstung erfüllt, als der Abfall der ermländischen
Stände. (VergL das Urteil Töppen's in der Altprß. Monatsschr. Jahrgang
1868, S. 526.)
Bender fügt dann noch hinzu, daß Plastwich mit gleicher Entrüstung
auch von der 'Undankbarkeit des Ordens gegen den Bichof spricht, der sich
30 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
Bund hatte ja zwar in der Eroberung der Burgen "bedeutende
Fortschritte gemacht, aber am 14. Februar befanden sich doch
erst dreizehn derselben in seinen Händen,1) zudem war die
Kriegstüchtigkeit des Ordens noch auf keine ungünstig aus-
fallende Probe gestellt worden. Die Domherren hätten somit
ruhig noch einige Zeit die Entwickelung der Ereignisse auf
ihren wohl befestigten Schlössern abwarten und sich so die
Widerrufung ihres schimpflichen Uebertritts zum Bunde nach
der Schlacht bei Konitz ersparen können. Nun aber hat es
durch seine Handlungsweise den Vorwurf eines doppelten Ver-
rats, sowohl an dem Hochmeister, wie an dem treuen Bischof
auf sich geladen. Der wahre Grund, weshalb das Kapitel sich
so schnell dem Bunde in die Arme warf, war ein innerer. Ihm
war die Treue und Freundschaft, mit der der Bischof dem
Orden anhing, verhaßt. So beiläufig verrät das auch Plastwich,
wenn er sagt: Dominus Franciscus magistro et ordini, invito
capitulo, nimiam assistentiam faciebat.2)
Da das Domkapitel mit solch schlimmem Beispiel den
Unterthanen vorangegangen war, so besannen sich denn auch
Lande und Städte des Ermlandes nur noch elf Tage, bis sie auch
ihrem Landesfürsten, dem Bischof, den Gehorsam aufsagten.
Sehen wir uns einmal die Gründe näher an, die die Auf-
ständischen für diese Handlungsweise angeben.8)
so ganz für jenen aufopferte. Diese Undankbarkeit ist, wie wir noch nach-
weisen werden, niemals vorhanden gewesen, aber eine derartige Verleum-
dung des Ordens darf uns nicht bei einem Chronisten in Erstaunen setzen,
der in seiner klerikalen Voreingenommenheit als Gründe für die Verluste
der Ordensbrüder im Beginn des Krieges anführt: quia ecclesias possessio-
nibus suis spoliantes, cleruni suppresserunt, episcopos ecclesiarum suarum
abstracta bona repetentes in corpore et bonis tyrannice persequendo in
exilio misere vivere coegerunt! (Anspielung auf den verräterischen Bischof
Heinrich Vogelsang von Heilsberg und auf das „Exil" des Bischofs Franz.
"Wir sprechen weiter unten darüber.)
1) Joh. Voigt, VIH, 369.
2) Mon. hist. Warm. III, 91.
3) M. Toppen, St.-A. IV, 354.
Von Wilhelm Brüning. 31
In erster Reihe machen sie ihrem Herrn einen Vorwurf
daraus, daß er an den kaiserlichen Hof gezogen sei, die Sache
des Ordens gegen den Bund zu fahren — ohne Wissen, Willen
und Vollmacht des Kapitels und auch ohne Wissen seiner Unter-
thanen. Er hätte daheim bleiben, den Bund nicht „so tief
durchgründen" und der Kirche „Gerechtigkeit" beschirmen sollen.
Diese Unterthanen müssen keine sonderliche Vorstellung
von der Landeshoheit ihres Herrn gehabt haben, wenn sie die
Freiheit seines Handelns so beschränkt wissen wollten. Ein
Recht dazu hatten sie sicher nicht. Der Bischof saß im Rate
des Hochmeisters und es wäre, wenn er es freiwillig nicht hätte
thun wollen, einfach seine Pflicht gewesen, für das Wohl des
Ordens aufgetragene politische Missionen zu übernehmen. Den
Bund mußte er gerade deshalb bekämpfen, weil er der Kirche
„Gerechtigkeit" verletzte. Er hatte dabei die Autorität des
Papstes und Kaisers auf seiner Seite.
Die Bündner fahren fort: Der Bischof habe aus Rücksicht
auf den Orden nicht wie seine Vorgänger den Nutzen seiner
Kirche wahrgenommen und sich keine Mühe gegeben, die von
den Herren des Ordens in vergangenen Zeiten der ermländischen
Kirche entrissenen Länder und Städte wieder einzubringen. Er
habe die Urkunde über die Landaufteilung bei der Stiftung des
Bistums in Händen gehabt, aber keinen Gebrauch davon gemacht.
Es ist fast so, als hörte man den über den Länderbesitz
der ermländischen Kirche eifersüchtig wachenden Plastwich
reden, bei dem die Raubsucht des Ordens fast zur fixen Idee
geworden ist. Vielleicht hat er den Bündnern mit diesem
Grunde ausgeholfen. Man lese nur in seiner Chronik die be-
treffenden Stellen,1) in denen er über die Schmälerung des erm-
ländischen Territoriums spricht. So mancher Irrtum läuft ihm
da bei der Unterscheidung von Mein und Dein unter. Den
Bündnern ergeht es nicht besser. Diese Begründung ihres
Uebertritts ist ebenso wenig stichhaltig als die anderen. Wir
1) Mon. hiflt. Warm, m, 61 fg.
32 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
können ihn mit den Worten Wölky's1) zurückweisen: „War
der Bischof steil wirklich zu klein ausgefallen, so konnte
eben wegen dieser Entsagung und der päpstlichen Bestätigung
von 1265 ein späterer Bischof kein Recht auf eine neue Teilung
herleiten, sondern nur verlangen, daß die noch nicht geteilten
Landschaften seiner Diözese, also etwa Galindien und ein Teil
Sudauens, nach den Bestimmungen der Circumskriptionsbulle
geteilt würden." Der Streit um die Grenzen des Bistums wurde
unter dem Bischof Heinrich Sorbom im Jahre 1374 durch ein
Schiedsgericht endgültig beigelegt. Bischof und Domkapitel
waren damit zufrieden.2) Bischof Franz hatte also gar kein
Recht mehr, wie die Bündner verlangen, von den „kl&rlichen
brieffen, die da lauten von der ersten pflantzung undt abthey-
lung der lande zwischen dem orden undt der kirche" Gebrauch
zu machen.
Doch hören wir weiter. Es sei noch in aller Leute Ge-
dächtnis, daß der Orden einen Bischof von Ermland aus dem
Lande getrieben und das ganze Bistum für drei Jahre in Besitz
genommen und beraubt habe. Alle Steuern seien dieser Zeit in
die Kassen des Ordens geflossen. „Großmächtige Herren" hätten
darauf entschieden, daß der Orden das Land zurükgebe und
der Kirche 25000 Mr. als Schadenersatz zahle. Der Bischof
Franz habe sich um alles andere gekümmert, nur nicht um die
Bezahlung dieser Summe, von der kein Groschen zum größten
Schaden seiner Unterthanen eingekommen sei.
Wir finden hier wieder eine merkwürdige Uebereinstim-
mung zwischen dem Absagebrief und der Chronik unseres „Ge-
währsmannes" Plastwich,8) die man eher eine Anklageschrift
gegen den Orden nennen könnte. Wie jener, so erzählt auch
diese uns zwar von der Vertreibung des Bischofs Heinrich Vogel-
sang, aber nichts davon, daß dieser nach der Schlacht bei
1) Mon. bist. Warm. III, 69.
2) Plastwich macht aber nur dem Bischof den Vorwurf, gegen den
Orden hierbei zu nachgiebig gewesen zu sein. (Mon. bist. Warm. III, 77.)
3) Mon. hist. Warm. III, 84, 89.
Von Wilhelm Brüning. 33
Tannenberg, allen anderen Bischöfen voran, *) als ob er nicht
schnell genug zum Verräter werden konnte, sich dem Polen-
könig unterworfen hatte. Dem Orden war im Frieden zu Thorn,
während allen anderen Flüchtigen und vom Orden Abgefallenen
Amnestie zugesagt worden war, ausdrücklich verstattet, mit dem
Bischof nach dem Recht zu verfahren. Der Hochmeister behandelte
ihn, wie es einem Verräter gebührte, und ließ sich nicht
durch die Briefe Vitolds und Wladislaus', in denen sie be-
haupteten, daß der Bischof nichts gegen den Orden unter-
nommen habe, beirren.2) Die „großmächtigen Herrren", welche
die Entschädigungssummen für den Bischof festgesetzt hatten,
waren König Sigismund von Ungarn und seine Berater. Sigis-
mund, nur von seiner Geldgier geleitet, hatte im Jahre 1412
in Ofen mit dem Ordensmarschall Küchmeister von Sternberg
einen für den Orden durchaus nachteiligen Vertrag abge-
schlossen, der diese Bestimmung inbetreff des Ermlandes ent-
hielt. Heinrich von Plauen wollte nichts davon wissen. Wenn er
auch schließlish den Vertrag bestätigt haben mag, so wurde
dieser doch nichtig durch den bald wieder ausbrechenden Krieg
zwischen Polen und dem Orden. 8)
Die Bundner machten also auch hier dem Bischof einen
unberechtigten Vorwurf, wenn sie verlangten, daß er die Ent-
schädigungssumme vom Orden hätte eintreiben sollen. Wo es
sich um die Vertretung berechtigter Forderungen handelte, hat
es der Bischof Franz nicht an der nötigen Energie auch dem
Hochmeister gegenüber fehlen lassen. Das bewies er in dem
Streite mit Conrad von Erlichshausen, der sich über die Be-
setzung zweier ermländischer Kanonikate durch vom Orden vor-
1) Fr. Thurau, 1. c. S. 29. Domkapitular Eichhorn schreibt aber:
„Heinrich ergab sich, den übrigen Bischöfen Preußens folgend, dem König
von Polen." Dafür erfuhr das „schuldlose" Bistum nachher eine „blutige
Rache" seitens des „harten und rachedurstigen" Heinrich von Plauen.
(Ermld. Ztschr. I, 119.) Vergl. E. Lampe 1. c. S. 14.
2) Mon. hist. Warm. III, 83. — Wölky scheint diesen Briefen wirk-
lich einige Beweiskraft zuzutrauen.
3) Mon. hist. Warm. III, 84. — E. Lampe 1. c. S. 32, 35, 40.
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX. Hft 1 u. 2. 3
34 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
geschlagene Personen entspann. Er bekämpfte das dem Hoch-
meister von Papst Nicolaus V. verliehene Privileg, so wertvoll
dasselbe dem ersteren auch war, aufs nachdrücklichste und setzte
auch dessen Aufhebung schließlich durch.1)
Die beiden nächsten und letzten Beschwerden der Bündner
haben einen religiösen Inhalt. Sie widersprechen sich durchaus.
Einmal beschuldigen sie den Bischof, ein „unbarmherziger
Richter0 gewesen zu sein, weil er Leuten, die doch im christ-
lichen Glauben gestorben seien, das kirchliche Begräbnis ver-
weigert und sie gleich „unvernünftigen Tieren" im Felde habe
einscharren lassen. Gleich darauf halten sie ihm vor, in sein
Schloß Heilsberg, „fremde Leute, die nicht zur Kirche gehören,"
aufgenommen zu haben. Es kann sich in beiden Fällen nur
um Hussiten handeln, denn hussitische Grundsätze hatten auch
im Ermland Eingang gefunden, gegen die der Bischof im
Jahre 1449 kräftig eingeschritten war, und mit den „fremden
Leuten" sind böhmische Söldner gemeint.2) Der Bischof soll
also in einem Fall zu strenge und im anderen zu nachsichtig
gegen den Hussitismus gewesen sein. Es hieß aber doch ein-
fach die geistliche Gewalt des Bischofs aufheben, wenn ihm die
Entscheidung, ob jemand ein kirchliches Begräbnis erhalten
sollte oder nicht, nicht mehr zustand. Daß sich der Bischof um
Bemannung seiner Schlösser bemüht hat, wissen wir, ob er dazu
hussitische Söldner verwandt hat, wissen wir aber nicht, auch
die Aufständischen sagen es nicht bestimmt. Wenn er es wirk-
lich gethan hätte, wäre das Schloß in Heilsberg wohl nicht so
bald in die Gewalt der ermländischen Bündner gefallen. Jeden-
falls aber nimmt sich ein solcher Vorwurf in dem Munde dieser
Leute sehr sonderbar aus, die ein paar Wochen nach ihrer Ab-
sage an den Bischof das ganze Ermland mit böhmischen, hussi-
tischen Söldnern überschwemmten und sie mit offenen Armen,
aber zu ihrem baldigen Entsetzen, in ihre Städte aufnahmen.
1; SS. rer. Pruss. IV, 37.
2) Ermld. Ztschr. I, 126. — Th. Treter 1. c. p. 39 hebt als Verdienst
des Bischofs hervor, daß er bei der Degradation des Huß mitgewirkt habe.
Von Wilhelm Brüning. 36
Das also waren die Gründe, die die Unterthanen des
Bischofs für ihren Abfall geltend machten. Man sieht, sie sind
zum Teil sehr weit her geholt, zum Teil ganz hinfällig. "Wir
geben es gern zu und haben es auch im Gegensatz zu der glori-
fizierenden Darstellung des bischöflichen und domherrlichen
Regiments nachgewiesen, daß die Bistumseingesessenen manchen
triftigen Grund 'zur Klage und viele berechtigte Bitten um Ab-
stellung von üebelständen vorführen konnten, ihren Verderben
bringenden Aufruhr haben sie aber schlecht motiviert trotz der
sehr leicht möglichen Redaktion des Absagebriefes durch den
mit so vielen advokatorischen Talenten begabten Domherrn
Johannes Plastwich. Solch ein Absagebrief konnte nur geschrie-
ben werden in einer Zeit, in welcher der zerstörende Geist der
Empörung nicht einmal mehr vor der höchsten Autorität im
Reiche, dem Kaiser, haltmachte und die Tendenzen der Sonder-
bündelei und die Gier des absoluten Eigennutzes jede allgemeine
und höhere Rtiohsicht schroff verletzten.1)
Nachdem am 22. Februar die Bemühungen der Bündner,
Polen zum Bundesgenossen, zu gewinnen, mit der Kriegserklärung
des Königs Kasimir belohnt waren, und am 6. März die mit so
nichtssagenden Argumenten gestützte Inkorporationsurkun de2)
1) Caro 1. c. V, 169 : „Uneigennützigkeit war diejenige Tugend, die im
15. Jahrhundert noch seltener geworden war, als zu anderen Zeiten."
2) Das Ermland war unter den Abgesandten des Bundes, die dem
Könige die Unterwerfung Preußens anboten, durch den Batmann Johann
Kaie aus Braunsberg vertreten. (M. Toppen, St.-A. IV, 366.) Wie die Rats-
sendeboten der übrigen kleinen Städte, so genehmigten auch die des Erm-
landes die Uebergabe des Landes durch die Bundesgesandten auf der Tag-
fahrt zu Elbing am 12. April 1454. (St.-A. IV, 400.)
Wir möchten uns an dieser Stelle die Ansicht auszusprechen erlauben,
daß die Nachrichten von Caspar Schütz, „historia rerum Prussicarum f. 196 a",
über die Verhandlungen des Bundes im geheimen Rat zu Thorn kurze Zeit
nach Ausbruch des Krieges über die Frage, unter wessen Oberhoheit man
sich stellen solle etc., unglaubwürdig sind. Voigt widerspricht ihnen nicht
und Malotka (Beiträge zur Geschichte des deutschen Ordens im 15. Jahr-
hundert. Altpr. Monatsschr. Jahrg. 1882, S. 398) schenkt ihnen Glauben.
Wenn man erwägt, daß die Verbündeten mit Polen schon vor dem Kriege
eng liiert waren und daß ihre beiden Gesandtschaften im Sommer 1453 und
3*
36 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
erfolgte, durch welche Preußen dem polnischen Reiche „reuniert"
wurde, brachen die zahlreichen böhmischen und deutschen Söld-
nerhorden in das Land hinein nnd halfen die bisherigen Siege
der Aufständischen vervollständigen. Bald erschien auch der
König selbst in Preußen, um die Huldigung der Lande entgegen
zu nehmen. Ueberall schwur man ihm den Eid des Gehorsams
und der Treue. Die Insassen des Bistums1) und das Domkapitel
huldigten in Elbing und letzteres ließ am 11. Juni 1454 sein
Siegel an die Huldigungsurkunde hängen, in der es versprach,
sich nie von der Krone Polen zu trennen oder mit den Feinden
derselben sich in Verbindung einzulassen.8)
Von kriegerischen Leistungen der Ermländer ist im ersten
im Januar 1454 dort das freundlichste Entgegenkommen fanden, so möchten
wir eher annehmen, daß sie in der festen Hoffnung auf polnische Hilfe den
Krieg begannen, und nicht, daß sie erst nach dem Anfang desselben darüber
berieten, ob sie den König von Polen oder von Dänemark oder von Böhmen-
Ungarn als Oberhaupt erwählen sollten. Auch Caro (1. c. V, 23) nimmt an,
daß die Kriegserklärung mit Zustimmung der polnischen Krone erfolgt sei,
und Toppen (St.-A. TV, 376) hält es für möglich, daß die Unterwerfung
Preußens unter Polen schon von der Gesandschaft im Januar 1454 berührt
worden sei. Daß bei den Königen von Böhmen und Dänemark für die
Bündner nicht viel zu hoffen war, ' ersehen wir daraus, daß ersterer noch
kurz vor Ausbruch des Krieges Vermittelungsversuche /wischen dem Hoch-
meister und seinen Unterthanen machte, und der Hochmeister sich nach
Beginn des Krieges an den dänischen König um Hilfe wandte. Was hatten
es die Bündner nötig, in Böhmen oder Dänemark nach Beistand zu suchen,
da sie gewiß sein konnten, diese in Polen zu finden! Diese Angabe in der
„historia" des phantasievollen Abschreibers Lindau' s ist sicher eine Fabel, nur
erdacht, um die Verbrüderung mit Polen nicht als eine von langer Hand
her abgekartete Geschichte erscheinen zu lassen.
m
1) Die Vermutung Töppens (SS. rer. Pruss. HI, 672), daß der unter
den in Königsberg dem Bevollmächtigten des Königs huldigenden Vertretern
der Städte des östlichen Preußens genannte Nicolaus Leustener Semburgensis
ein Seeburger sei, ist sicher unrichtig. Es ist Sensburg gemeint. Wie sollte
Seeburg allein von allen ermländischen Städten dort vertreten sein?
2) M. Toppen, St.-A. IV, 424.
Caro (1. c. V, 27, 30) vergißt zu erwähnen, daß der ermländische
Bischot weder an der allgemeinen Untreue teilnahm, noch dem Könige wie
die anderen Bischöfe huldigte trotz der Drohung der Bundesführer, ihn,
wenn nötig, mit Gewalt dazu zu zwingen.
Von Wilhelm Brüning. 37
Jahre des Kampfes nicht viel zu berichten.1) Sie bestanden,
abgesehen von einem Einfall der Braunsberger in das Gebiet
von Balga, in der Beihilfe bei der Eroberung Rastenburgs und
bei der Belagerung Marienburgs.2) Sie belagerten dort ihren
eigenen Bischof, der nach seiner Rückkehr vom kaiserlichen
Hofe, da er nicht nur seine Unterthanen, sondern auch sein
Kapitel im Aufstande gegen sich sah, Schutz und Schirm bei
dem Hochmeister in Marienburg gesucht hatte. Wie der Hoch-
meister trotz der Belagerer Gelegenheit fand, mit dem Dom-
probst der ermländischen Kirche Arnold von Datteln, den er
wohl wegen seiner Opposition gegen die Besteuerung der Geist-
lichkeit durch den Bund dem Orden nicht ganz ungünstig ge-
stimmt glaubte, in Verbindung zu treten und ihn zu bitten,
„im lande dirforschen zu lassen, was dach gutter czeitunge do
were .... vff das wir ouch irkeyne vortrostunge von euch
mögen haben,8) so gelang es auch dem Bischof, den die Müh-
sale der Belagerung nicht mürbe machten, seine Drohworte gegen
den Bund an den Mann zu bringen.4)
Aber dem Schwerte der Ordensritter, das noch immer
schneidig genug war, polnische Adlige, deren Kampfeseifer von
abgetrotzten königlichen Privilegien bedingt war, und ihre an
Zahl den Ordenstruppen weit überlegenen Banderien zu Paaren
*
1) Desto mehr Mühe gaben sich die Domherren sowohl, mit Ausnahme
des Domprobstes, als auch Lande und Städte im Ermlande, den Bund mit
Geld und anderen Hilfsmitteln zu unterstützen. (Brief Jakob's von Ge-
dawthen an Stibor von Baisen, dat. Heilsberg d. 24. Mai 1454. K. St.-A. —
M. Toppen, St.-A. IV, 431. — Brief Jakob's von Reppin an den Heergrafen,
dat. Elbing d. 26. Juni [1454] K. St.-A.)
2) Mon. hist. Warm. ITT, 108. - M. Toppen, St.-A. IV, 380. — J. Voigt
1. c. VIII, 371.
3) Brief des Hochmeisters, dat. Marienburg d. 1. Juni 1454. K St.-A.
4) Brief an den Bischof von Leßlau, d. Marienburg d. 13. Juni 1454.
K. St.-A. Es ist dies das Schreiben, welches uns oben zu dem Ausspruch
veranlaßte, dem Bischof gebe sein Haß gegen den Bund Worte ein, die in
seinem Munde sehr verletzend wirkten. Er nennt den Bund wieder eine
„liga contra libertatem ecclesiae et totum st a tum ecclesiasticum" ; wenn ein
Bischof gegen ihn nicht einschreite, so sei er „mehr ein schamloser Hund
zu nennen als ein Bischof \
38 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
zu treiben, sollte bald die Befreiung des Ordenshaupthauses ge-
lingen. Die Polen erlitten eine schmachvolle Niederlage am
18. September 14B4 bei Konitz; drei Tage darauf waren die Be-
lagerer der Marienburg in alle Winde zerstoben und der Hoch-
meister und Bischof frei.1)
Dieser Sieg bewirkte einen außerordentlichen Umschlag zu
Gunsten des Ordens. "War man schon vorher hier und da zu
der Erkenntnis gekommen, daß man sich mit dem polnischen
Bündnis verrannt und keinen guten Tausch gemacht habe, so
zeigte jetzt vollends dieser Sieg, wieviel mehr Anhänger der
Orden noch besaß, als man geglaubt hatte. Wir können fast
sagen, dem Orden fiel das ganze Land wieder zu mit Ausnahme
der großen Städte, der Mehrzahl des Landadels und — des Erm-
landes. Daß Braunsberg bei dem Bunde verharrte, braucht uns
nicht zu wundern, es war groß und stark genug, um dem Orden
zu trotzen, die Ausdauer der kleinen Städte aber und des Land-
volkes können wir uns nur dadurch erklären, daß sie sich durch
das Domkapitel gestärkt und geschützt fühlten.
Nunmehr faßte der Hochmeister den Entschluß, das wider-
spänstige Bistum durch die Schärfe des Schwertes zum Gehor-
sam zurückzubringen. Diese bedeutende Aufgabe fiel dem kraft-
vollsten Mann des Ordens zu, Heinrich Reuß von Plauen.
Schon einen Monat nach der Schlacht bei Konitz hatte er
einen Zug in die Landprobstei der Domherren unternommen,
um diese für ihren Abfall zu strafen, er mußte sich aber mit
dem Abbrennen einiger Dörfer und einer reichen Beute an Vieh
und Getreide begnügen.2)
Diesmal galt es eine größere Unternehmung ins Werk zu
setzen. Wir können seinen Kriegszug nach seinen Berichten
1) Joh Voigt, Geschichte Marienburgs, S. 425.
Brief des Hochmeisters an den jüngeren Heinrich Reuß von Plauen,
dat. Marienburg d. 24. Sept. 1454. K. S.-A.
2) Brief an den Hochmeister, dat. Osterode den 18. Oktober 1454.
K. St.-A.
Von Wilhelm Brüning. 39
genau verfolgen.1) Am Dienstag den 10. Dezember 1454 zog er
gegen Frauenburg.2) Unterwegs „sengte er einige Dörfer ab".
Die Stadt „pochte er aus" und verbrannte sie, den Domherren
wurden „etzliche Güter" genommen. Aber die Kirche, ihr Ge-
höft und die Häuser der Priester, schreibt er, seien ganz unver-
sehrt geblieben.8) Darauf zog der Komtur vor Braunsberg,
richtete aber wenig aus.
Es war ihm diesmal nicht gelungen, Ermland zum Abfall
vom Bunde zu zwingen, nur von der Stadt Mehlsack hatte er
Zusagen erhalten, deshalb wiederholte er im April des nächsten
Jahres seinen Zug.
"Wir folgen wieder seinem Bericht.4) Am 10. April er-
schien er vor Braunsberg. Er wollte mit den Bürgern „tey-
dingen und reden", sie wiesen aber jede Unterhandlung zurück
und leisteten Widerstand. Da ließ der Komtur seine Reiter
1) Brief an den Hochmeister, dat. Preußmarkt d. 13. Dezember 1454.
K. St.-A.
2) Plastwich giebt fälschlich den 11. Dezember an und Bender folgt
ihm hierin.
3) Wenn man die ganze dreiste Heuchelei Plastwichscher Geschicht-
schreibung kennen lernen will, muß man seinen Bericht über diesen Einfall
des Komturs lesen. (Mon. bist. Warm. HI, 109.) Er wagt es, an dieser
Stelle von den Verdiensten der ermländischen Domherren um den deutschen
Orden zu sprechen und sich in bitteren Klagen über die Verwüstungen des Kom-
turs zu ergehen, „als ob das Kriegführen bloßes Spiel und als ob es ganz
in der Ordnung wäre, einem auf Tod und Leben Krieg anzukündigen und
dann doch die rücksichtsvollste Behandlung zu erwarten". (S. das Urteil
Töppens in Altpr. Monatsschr. Jahrg. 1868, S. 526.) — Bender (1. c. S. 89)
folgt ganz Plastwichscher Auffassung und Darstellung. Was wir von der
Erzählung Plastwichs, daß der Komtur einige Domherrenkurien in Brand
gesteckt und die anderen mit Feuer bedroht habe, zu halten haben, wissen
wir nach obigem Bericht, dem wir größere Glaubwürdigkeit beimessen als
jener. Ebenso wenig ist die Brandschatzung des Kapitels unbedingt er-
wiesen, denn der Komtur sagt nichts darüber und die Angaben bei Plast-
wich und in der älteren Hochmeisterchronik gehen weit auseinander.
(SS. rer. Pruss. HI, 683.)
4) Brief des Komturs, dat. Altstadt -Königsberg d. 19. April 1455.
K. St.-A. — SS. rer. Pruss. IV, 142.
40 Die Stellang des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
absitzen und erlief mit ihnen die Neustadt. Er „ verbrannte"
sie und die Vorstadt „in den Grund44.1)
Abgesandte von Mehlsack kamen zu ihm und übergaben
ihm ihre Stadt. Er nahm sie zu Gnaden auf und schickte
Truppen dorthin, die Stadt in Besitz zu nehmen. Die Kneip-
höfer aus Königsberg hatten dieselbe Absicht gehabt, der Streit-
haufe des Komturs überraschte sie aber, schlug sie in die Flucht
und nahm ihnen alle Fourage und alles Gepäck ab. Der Kom-
tur setzte seinen Siegeszug, der schließlich mit der Eroberung
Königsbergs und dem erfolgreichen Treffen bei Preußisch Eylau
gekrönt wurde, fort.
Die Eroberung Mehlsacks war nicht von langer Dauer,
denn schon am 22. April meldete Bruder Siegfried Flach von
Schwarzenberg, Hauptmann zu Heiligenbeil, dem Hochmeister,
daß Mehlsack von bündischen Kriegshaufen erobert und aus-
gebrannt sei. Die gefangenen Herren hätten die Bündner nach
Heilsberg gebracht.2) Unter jenen befand sich auch Arnold
Coster von Venrade, Domherr und Kantor an der Kirche zu
Frauenburg.8)
1) Plastwich bemerkt dazu 1. c. S. 110: Commendator servitii per do-
minum Franciscam episcopum ordini suo impensi iam immemor.
Der Bischof wird die Handlungsweise des Komturs sicher nur als
eine gerechte Strafe der Braunsberger, die ihm so viel zu schaffen gemacht,
angesehen haben.
2) Brief Schwarzenbergs an den Hochmeister, dat. Heiligenbeil den
22. April 1455. K. St.-A. — Vergl. die Berichte über die Eroberung Mehl-
sacks durch die Bündner bei Plastwich, 1. c. S. 110, in SS. rer. Pruss.
III, 692; IV, 143, bei Caspar Schütz, 1. c. fol. 223 b (falsche Zeitangabe) und
bei Dionysius Runau, historia und einfei tige Beschreibung des großen drei-
zehenjärigen Kriegs in Preußen fol. 25. Von allen diesen weiß nur Plast-
wich zu erzählen, daß der Verlust Mehlsacks allein eine Schuld der Nach-
lässigkeit der Ordensritter gewesen ist.
3) Daß dieser Mann, der ein Freund der Ordenssache gewesen zu sein
scheint (vergl. über ihn den Brief des Ordensbruders Erwin Hug vom
Heiligenberg, dat. Rößel d. 21. Febr. 1456. K. St.-A.), denn der Hochmeister
bemühte sich nach dem Tode des Bischofs Franz sehr, ihn zu dessen Nach-
folger zu machen, für die Uebergabe Mehlsacks an den Orden thätig ge-
wesen ist, ist leicht möglich. Plastwich aber schreibt sie dem Verdienst
des ganzen Kapitels zu. Dieses habe die Bürger zur Gesandtschaft an den
Von Wilhelm Brüning. 41
Trotz dem Verluste der eben eroberten Stadt hatte doch
der siegreiche Zug des Komturs noch bedeutendere Erfolge in
einem anderen Teile des Ermlandes aufzuweisen, in Stadt und
Schloß Allenstein.
Wir kommen nunmehr zu einem Ereignis im dreizehn-
jährigen Kriege, welches für den Orden von großer gewinn-
bringender Bedeutung, aber auch eine Quelle der ärgsten An-
feindungen werden sollte. Eine ausführliche Schilderung des-
selben giebt nur die Denkschrift und die Chronik des Johannes
Plastwich, der wegen der mißlichen Solle, die er in Allenstein
gespielt hat, und wegen des daraus resultierenden persönlich-
feindseligen Verhältnisses zum Orden am allerwenigsten ein
glaubwürdiger Zeuge ist. Die wahrhaft erfreuliche Fülle unver-
dächtigerer Nachrichten, die uns das hiesige Staatsarchiv in
Briefen und Urkunden über die Vorfalle in Allenstein aufbe-
wahrt hat, setzt uns in den Stand, die Angaben Plastwichs zu
prüfen und Schuld und Unschuld beider streitenden Parteien
abzuwägen.
Es mußte dem Orden ganz besonders viel daran gelegen
sein, den strategisch festesten Punkt1) des Bistums, Stadt und
Schloß Allenstein, in seine Gewalt zu bekommen. So schrieb
der Komtur von Osterode dem Hochmeister, daß, wenn der
Orden Allenstein gewänne, sich auch, die kleinen Städte im
Niederland ergeben würden.2) Es war deshalb auch schon bald
nach der Schlacht bei Konitz und dann wieder im Beginn des
Jahres 1456 unter schweren Androhungen von dem Komtur von
Elbing zum Verlassen des Bundes aufgefordert worden.8) Der
Komtur von Osterode und der Ordenshauptmann Georg von
Komtur bewogen, damit der Bischof mit Hilfe des Ordens in sein Bistum
wieder zurückgeführt würde. Das hätte auch geschehen können, wenn der
Orden es nur ernstlich gewollt hätte. — Lauter unwahre, leicht zu wider-
legende Behauptungen.
1) Mon. hist. Warm. IV, 33.
2) Brief des Komturs, dat. Osterode d. 21. Nov. 1464. K. St.-A.
3; Mon. hist. Warm. III, 111.
42 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutseben Orden etc.
Schlieben unterhandelten mit den Bürgern Aliensteins im No-
vember 1454. Diese scheinen nicht abgeneigt gewesen zu sein,
zum Orden überzugehen, aber ihre Herren (also die Domherren)
untersagten ihnen, wie sie dem Komtur schrieben, weitere Unter-
handlungen unter Androhung ihrer Ungnade.1)
Als aber die Herren des Ordens ihre siegreichen Fahnen
immer weiter in das aufständische Land hinein trugen und eine
Stadt nach der andern in ihre Hände fiel, mußten auch die
Domherren daran denken, einen anderen Kurs einzuschlagen.
Ihre Stellung war schon eine sehr unsichere geworden. Sie be-
fanden sich in arger Bedrängnis. Besonders viel zu leiden
hatten sie von dem Eroberer Höllensteins, dem kühnen Haupt-
mann Muschick von Schwynau.2)
In ihrer Not wandten sie sich an den Hochmeister und
baten ihn um Schutz. Muschick habe ihnen geschrieben, sie
sollten ihm Schloß und Stadt „eingeben", oder er wolle ihnen
allen nur möglichen Schaden zufügen. Der Hochmeister möge
doch dafür sorgen,8) daß Muschick sie in Buhe lasse, bis sie
sich in des Ordens Beschirmung begeben hätten. Sie bäten ihn
sehr, sie vor dem Schicksal Mehlsacks zu bewahren.4)
1) Brief des Komturs, dat. Osterode d. 26. Nov. 1454. K. St.-A.
2) Er war einer der wenigen Söldnerführer, die vom Bunde zum
Orden übertraten. Seiner Nationalität nach war er Böhme. (SS. rer. Pruss.
EI, 688; IV, 119.)
8) Mit der Begründung : „wir bitten demuttielichen ewer gnade, das ir
wellet anseen, das unser kirche ewern gnaden und orden alle czeith czu
dinste ist geweßen und sich getruwelich hot bewyßet und noch alle czit
wirt bewysen."
Man durfte dem Hochmeister schon etwas bieten. In seiner Lage,
die trotz aller Siege und Fortschritte wegen der unbezahlten Söldner eine
bedrängte war, war er zufrieden, wenn man nur zu ihm zurückkehrte.
4) Brief der Domherren (des Domprobstes, des Dechants, Landprobstes
und anderer Herren der Kirche), dat. Alienstein d. 23. April 1455. K. St.-A.
— Dieser Brief, der in einem sehr kläglichen Tone gehalten ist, beweist,
daß die Uebergabe Aliensteins keineswegs nur von der Freiwilligkeit der
Domherren abgehangen hat, wie Voigt (1. c. VIII, 445) und Bender (1. c.
S. 91) annehmen.
Von Wilhelm Brüning. 43
Dieser Brief der Domherren kam dem Komtur von Oste-
rode in die Hände, er erbrach ihn, um nachzusehen, ob „irgend
ein Artikel oder Schelunge", die den Orden berühre, darin ent-
halten sei, und die er in der Zeit, bis der Brief zum Hoch-
meister komme, „wandeln" könnte. Den Hauptmann Muschick
bat er, das Kapitel in Kühe zu lassen, bis Verhaltungsmaßregeln
aus Marienburg eingetroffen wären.1)
Wie sich das Verhältnis zwischen Muschick und den Dom-
herren in den beiden folgenden Monaten gestaltet hat, wissen
wir nicht. Die Verhandlungen zwischen ihnen begannen im
Juli. Am 2. dieses Monats berichtet Muschick darüber an den
Hochmeister: Johannes Plastwich, der Dechant der ermländischen
Kirche, sei zu ihm nach Hohenstein gekommen und habe mit
ihm in Gegenwart des Komturs von Graudenz, Wilhelm von
Helfenstein „Handlung" gehabt. Plastwich habe ihm gelobt,
daß das Haus Alienstein niemand anders als dem Orden offen
und zu Gebote stehen solle. An dem Tage, an welchem der
Komtur von Elbing diejenigen Domherren, die noch in Frauen-
burg wären, „an Leib und Leben sichern" würde, wollten die
Domherren ihn „mit so groszer macht, als er mag haben," in
das Haus einlassen, jedoch unter der Bedingung, daß die Be-
wohner der Stadt vom Hochmeister „sicherunge lebes, guttes und
ire gerechtikeiten mochten haben".2)
Bereits am 4. Juli beantwortete der Hochmeister Schwynau's
Bericht.8) Er versprach den Domherren und Städtern die ver-
langte Sicherung und den Schutz ihrer Privilegien als Entgelt
für ihre Zusagen. Er machte nur die eine Bedingung, daß, da
er seinen „Gästen" den Sold schulde, auch die Domherren und
ihre Leute zu den Steuern herangezogen werden dürften wie
das übrige Land.4)
1) Brief des Komturs, dat. Osterode d. 24 April 1455. K. St.-A.
2) Brief Muschick's von Schwynau, dat. Hohenstein d. 2. Juli 1455.
K St-A.
8) Brief des Hochmeisters, dat. Marienburg d. 4. Juli 1455. E. St.-A.
4) Diese Bedingung ließ der Hochmeister später fallen.
44 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
Zwei Tage darauf wiederholte der Hochmeister in einem
Briefe an die Aliensteiner seine Zusicherungen. Er ermahnte
sie, zum Orden überzugehen, er wolle ihnen dafür auch ihren
Abfall, da sie ja doch nur von anderen Leuten „schändlich ver-
leitet und verbittert" wären, nicht nachtragen. Sie sollten an
ihre Ehre denken und sich der Lande Verderbnis zu Herzen
nehmen.1)
Dennoch zögerten die Domherren noch immer mit der
Uebergabe, und neue Verhandlungen mußten stattfinden. Der
Komtur von Graudenz berichtete darüber dem Hochmeister.8)
Im Namen der Domherren habe wieder der Dechant Plastwich
gesprochen, die Stadt sei durch einen Ratsherr vertreten ge-
wesen. Muschick von Schwynau habe sich nicht mit ihnen
einigen können, deshalb hätten sich die Ordenshauptleute Georg
von Schlieben und von Lobel in's Mittel gelegt. Nachdem auch
diese wieder die Versicherung abgegeben, daß die Domherren
wegen ihres Verhältnisses zum Bunde nicht „am Leibe versehrt",
sondern vom Orden beschirmt werden würden, seien Schlieben,
Muschick und Lobel mit ihren Rotten in guter Eintracht in
Stadt und Schloß eingelassen und Schlieben und er zu Haupt-
leuten erkoren worden.
Außer diesem Briefe des Komturs belehren uns über die
Unterhandlungen und Uebergabebedingungen vier Schriftstücke:
1. Der Bericht Georgs von Schlieben:
2. Die tegedinge der thumheren unde houelewten;
3. Der Bericht des Domkapitels;8)
1) Brief des Hochmeisters, dat. Marienburg d. 6. Juli 1455. K. St.-A.
2) Brief des Komture, dat. Alienstein d. 17. Juli 1455. K. St.-A.
8) Alle drei in Mon. hist. Warm. III, 138 fg. — Die „tegedinge der
thumheren" ist sicher von Plastwich verfaßt worden, also wenig geeignet,
die Wahrheit des Berichts des Domkapitels zu unterstützen. — Der Bericht
Schliehens liegt im K. St.-A. im Original vor als ein eingeschlossener Zettel
in einem Briefe, dat. Allenstein d. 4. Januar 1456. Er ist an den Hoch-
meister gerichtet. (Wölky vermutet es nur.) Er enthält einige, aber un-
wesentliche Abweichungen von dem von Wölky gegebenen.
Von Wilhelm Brüning. 45
4. Die Urkunde des Hochmeisters, in der er die ver-
einbarten Bedingungen bestätigte.1)
Wir wollen von allen anderen Bestimmungen2) absehen
and nur feststellen, ob Georg von Schlieben von den Domherren
zum Hauptmann gewählt worden ist.
Der Komtur von Graudenz berichtet ausdrücklich, daß die
Domherren ihn selbst und Schlieben zu Hauptleuten erkoren
hätten. Im dem Bericht Schliebens heißt es, daß der Dechant
in Gegenwart des Domherrn Arnold ihn durch Handschlag zum
Hauptmann aufgenommen habe. Die tegedinge bestreitet dies
durchaus,8) ebenso der Bericht des Domkapitels. Der Artikel 3
der Uebergabebestimmungen, die beide anführen, besagt, daß
kein anderer Hauptmann in Stadt und Schloß eingesetzt werden
dürfte, als der, den die Domherren selbst sich vom Orden
erwählten. In seiner Urkunde giebt der Hochmeister den Dom-
herren „aus sonderlicher Gnade" die Erlaubnis, niemand anders,
als ein Mitglied des Ordens zum Hauptmann auf das Schloß
aufzunehmen. Besonders auf Grund dieses Zeugnisses werden
wir wohl annehmen können, daß die Angaben des Komturs in
Zweifel zu ziehen sind, oder aber auch, daß die Domherren bei
den Verhandlungen Schlieben erst die Zusage gegeben, dann
aber wieder zurückgenommen haben, und daß der Hochmeister
„aus sonderlicher Gnade" auch damit einverstanden gewesen ist.
Daß die Domherren, wie es in dem Briefe des Komturs heißt
die Sotten auch gleich in das Schloß aufgenommen haben, kann
nicht der Fall sein. Der Komtur wird das Versprechen gleich
als vollzogene That vorausgenommen haben, denn er hat seinen
1) Pergament Urkunde mit zwei Siegeln, dat. Königsberg-Altstadt den
22. August 1455. E. St.=A. Schbld. 64. No. 6.
2) Von der Znrückführung des Bischofs nach Alienstein und in sein
Bistum überhaupt ist in den Uebergabebestimmungen nirgends die Bede.
Plastwich behauptet es. (Mon hist. Warm. III, 112.)
8) Mon. hist. Warm. III, 143. die (hoffelewte) koren her Jörgen von
Sliffin zcu eime houptman, den dy thumheren ny haben vorliebet, noch
wellen vmmer vor eyne houptman Vorlieben.
46 Die Stellang des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
Brief an den Hochmeister sogleich am Tage der Unterhandlung
geschrieben.
Die Entwickelung der Verhältnisse in Alienstein war nun
folgende: Die Ordenssöldner waren erst einige Tage dort, da
gab es schon Hader und Streit zwischen ihnen, den Domherren
und deren Unterthanen. Die Domherren beschwerten sich beim
Hochmeister, daß die Bedingungen der Uebergabe nicht ge-
halten würden:1) Muschick gebe nicht die Gefangenen heraus,
er poche die Dörfer aus und beraube ihre Leute. Die Hofleute
verlangten von ihnen, sie aufs Schloß zu lassen, obwohl sie
doch den Bestimmungen des Vertrages schon durch die Auf-
nahme des Komturs von Graudenz mit seiner Begleitung von
mehr als dreißig Mann nachgekommen wären.2) Sie hätten dies
gethan zu ihrer großen „Beschwerung" und trotz ihrer großen
Armut.8) Auch bezahlten die Hofleute nicht, was sie ver-
brauchten.
Der Hochmeister versprach den Domherren freundlich Ab-
stellung ihrer Beschwerden. Er habe Muschick den mündlichen
Befehl gegeben, die Gefangenen frei zu lassen, trotzdem dieser
geltend gemacht, daß es darüber keine Bestimmung gebe. Er
bat sie aber auch dringend, dafür zu sorgen, daß ihre Unter-
thanen in allen billigen Sachen gehorsam seien, damit nicht
beide Teile Schaden erlitten.4)
1) Brief der Domherren, dat. Allenstein d. 29. Juli 1455. K. St.-A.
2) Davon, daß der Komtur nur eine so geringe Anzahl von Leuten
auf's Schloß bringen durfte, steht in den Bestimmungen nichts. Auch hatte
Plastwich in dieser Beziehung dem Hauptmann von Schwynau ganz andere
Zusagen gemacht. S. o. S. 43.
3) Der Mitverfasser des Briefes, Plastwich, scheint diese Armut in
seiner Chronik, wo es sich um die Schätzung des Schadens handelt, den das
Kapitel durch Schlieben erlitten haben sollte, ganz vergessen zu haben. Er
giebt in ihr den Schaden auf 40000 Dukaten an und sagt, daß in der Burg
480 Scheffel Weizen, 5820 Scheffel Roggen, 720 Scheffel Mehl und Gersten-
malz gelegen hätten. (Lotar Weher 1. c. S. 280.) Auch Simon Grünau,
Prß. Chronik II, 205 (hrg. von Perlbach) berichtet, daß Stadt und Schloß
Allenstein mit Getreide für zehn Jahre versorgt war.
4) Brief des Hochmeisters, dat. Marienburg d. 8. Aug. 1455. K. St.-A.
Von Wilhelm Brüning. 47
Leise Unzufriedenheit mit dem Verhalten der leicht ge-
reizten Domherren klingt aus dem Briefe heraus.
Es waren ihm Gerüchte zu Ohren gekommen, daß in Alien-
stein allerlei Beden gegen den Orden fielen. Ein Vasall des
Kapitels und alter Feind des Ordens, Balthasar Skayboth, sollte
geäußert haben, daß Alienstein niemals in die Hände des Ordens
gekommen, wenn er auf dem Schlosse gewesen wäre.1)
Der Gewinn von Alienstein war unter den vorhandenen
Verhältnissen kein sehr großer. Auch die Bürger machten
Schwierigkeiten, so daß die Hofleute nicht einmal in der Stadt
sicher waren, und selbst, wenn sie es dort gewesen wären, der
Besitz der Stadt ohne das Schloß war nur eine Gefahr für sie.
Der Komtur von Helfenstein mit der Handvoll Leute nützte
auf dem Schlosse nichts, er war ganz in der Gewalt der Dom-
herren. Sich allein der Treue und dem guten Willen der
letzteren anzuvertrauen, dazu hatten die Hofleute keine sonder-
liche Veranlassung.
Wiederholt bat Schlieben die Domherren, ihn mit etlichen
Leuten auf's Schloß zu nehmen. Der Komtur unterstützte seine
Bitten. Die Domherren wollten Schlieben schließlich mit sechs
Begleitern den Aufenthalt auf dem Schloß gestatten, aber nicht
in der Eigenschaft als Hauptmann. Da begab letzterer sich zum
Hochmeister, um die Abstellung dieses unerträglichen Zustandes
durchzusetzen. Während seiner Abwesenheit machte sein Vetter
Magnus von Schlieben den Versuch, mit fünfzehn Mann auf
dem Schloß festen Fuß zu fassen. Nach der sehr zweideutigen
und vorsichtigen Ausdrucks weise der Tegedinge „wart er von
den thumheren von der beteidunge underrichtet alzo, das her
nicht me offem hawsze lac". Nach dem Berichte Schlieben' s
beliebte man ein weniger glimpfliches Verfahren: Die Dom-
herren drängten Magnus mit Gewalt vom Schlosse. Daraus er-
sehen wir, daß sie thatsächlich die Herren desselben waren und
1) Brief des Hochmeisters, dat. Marienburg d. 3. Aug. 1455. K. St.-A.
48 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
auch trotz des Komturs von Graudenz und seiner dreißig Mann
die Macht besaßen, es zu bleiben.
Auf die Vorstellungen Schlieben's hin gab der Hochmeister
in einem Briefe an den Komtur von Osterode seinem Unmut
über die Verhältnisse in Alienstein Ausdruck. Stadt und Schloß
seien ihm zwar übergeben worden, aber er habe viel „Schelunge
vnd Gebrechen" davon. Der Rat gebe nicht die Schlüssel der
Stadt heraus und die Domherren ließen keinen seiner Hofleute
aufs Schloß. Er besorge, „das doraus vnsern hoffeleuten, vns
vnd vnserm orden, noch deme alse es denne ouch iczunt im
lande eine gestalt hat, ein grosser schaden entstehen mochte."
Der Komtur sollte mit dem Komtur von Graudenz, dem Vogte
von Soldau, Ulrich von Kinsberg, und mit Schlieben die Sache
„vffs aller beste, bequemste vnd gelumpfflichste an die thum-
heren brengen", damit die Uebelstände ein Ende nähmen. Die
Domherren würden deshalb an ihren hoheitlichen Rechten keinen
Abbruch erleiden, er werde sie schützen und bei allen ihren
Privilegien lassen. Ihr Abfall solle ganz und gar vergessen sein.
Ein gutes Verhältnis zum Orden diene doch auch nur zu ihrem
eigenen Besten.1)
Die Wünsche des Hochmeisters fanden bei den Domherren
keine Berücksichtigung. Sie pochten auf die Zusage, daß sie
zu Hauptleuten erwählen könnten, welche sie wollten, und nur
solche Hofleute aufzunehmen brauchten, die ihnen „bequem"
wären.2) Von Georg von Schlieben wollten sie nichts wissen
und seine Hofleute wären ihnen nicht bequem. Sie hätten sich
deshalb neben dem Komtur von Graudenz einen andern Haupt-
mann erwählt, Volkel von Röder.8) Der Hochmeister möge sie
von Schlieben und seiner Rotte befreien. Wenn dies nicht ge-
schähe und Röder nicht bald ihr Hauptmann würde, müßten sie
daran denken, sich zu wehren und sich selbst zu beschirmen.4)
1) Brief des Hochmeisters, dat. Marienburg d. 5. Sept. 1455. K. St.-A.
2) Brief der Domherren, dat. Allenstein d 24. Sept. 1455. K. St.-A.
3) Röder war zwar in Diensten des Ordens, aber kein Mitglied desselben !
4) Brief der Domherren, dat. Allenstein d. 27. Sept. 1455. K. St.-A.
Von Wilhelm Brüning. 49
Diese Drohung wer deutlich genug! Die Kunde von dem
Zwist in Alienstein war sogar bis zu dem in Breslau weilenden
Bischof Franz gedrungen, wohin er sich von Marienburg aus im
April 1466 begeben hatte. In einem Briefe an den Hochmeister
sprach er die Befürchtung aus, daß die Domherren leicht anders-
wo Hilfe nachsuchen und die Hofleute überfallen könnten!
Er riet deshalb die Domherren von den ihnen mißliebigen Hof-
leuten zu befreien.1)
Auch der Komtur von Elbing hatte zur gütlichen Bei-
legung des Streites geraten und gebeten, Georg von Schlichen
zum Nachgeben zu bestimmen.2)
Der Hochmeister hatte es aber anders beschlossen. Die
trotzige Drohung der Domherrren wird wohl nicht wenig dazu
beigetragen haben. Auch durfte er es nicht mit Georg von
Schlieben verderben, der sich durch die Zurückweisung seiner
gütlichen Vorschläge seitens der Domherren verletzt fühlte.
Schlieben war neben Bernhard von Zinnenburg der mächtigste
und tüchtigste Ordenshauptmann. Ein etwaiger Abfall des-
selben — und mit einem solchen zögerten diese Söldnerführer
nicht lange — hätte alle Eroberungen des Ordens im Ermland
und Niederland leicht zu Besitzungen der Polen und des Bundes
gemacht. Der Hochmeister sah sich deshalb genötigt, nicht
mehr zu bitten, sondern zu befehlen und der Drohung der Dom-
herren mit Energie zu begegnen. In einem Brief an den Kom-
tur von Graudenz schrieb er: Schlieben habe sich bei ihm be-
klagt, daß er nichts gegen die Feinde unternehmen könnte, so
gern er auch für den Orden thätig sein möchte; sein Aufenthalt
in Allenstein wäre mit großer Gefahr für ihn verbunden. Er
dürfte nicht mehr wagen, die Stadt zu verlassen, denn er müßte
auf die schlimmsten Anschläge seitens der Domherren und der
Bürger gefaßt sein. Ohne das Schloß wäre er schütz- und
machtlos.
1) Brief des Bischofs, dat. Breslau, den 6. Dezember 1455. K. St.-A.
2) Brief des Komturs, dat. Preusch markt, den 29. September 1455.
K. St.-A.
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX Hft. lu.2. 4
50 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
Der Hochmeister befahl deshalb dem Komtur „bey gehor-
sam und alse wir ernste und höchste können" unter allen Um-
ständen dafür Sorge zu tragen, daß Scb lieben und die Seinen
in den Besitz des Schlosses gelangten. Die Gefahr wäre groß
und er wünschte nicht, daß es in Allenstein ginge wie in Konitz,
wo auch — gegan alles Erwarten — einige der Stadtältesten
die Hofleute hätten verraten wollen. Nur durch Gottes Fügung
wäre man ihnen zuvorgekommen. Schlieben hätte versprochen,
„das her sloß und stadt uns allen zcu glitte vnd zcu fromen wil
halden vnd hat vns ouch czugesaget, was wir den thumheren
und den in der stadt haben vorschreben, das wil her stete vnd
feste halden".1)
Die Vorstellungen des Hochmeisters scheinen auf die Dom-
herren keinen Eindruck gemacht zu haben, denn Schlieben nahm
schließlich, als auch seine letzte persönliche Varmittelung hoch-
mütig zurückgewiesen war, seine Zuflucht zur List und Gewalt.
Er überrumpelte am 29. Dezember 1455 das Schloß und setzte
die Domherren gefangen. Der Anschlag fand von Seiten des
Ordensritters Wilhelm von Helfenstein die eifrigste Unterstützung.
Nach dieser Darstellung wird es wohl nicht schwer halten,
sich von der bisherigen Ansicht zu befreien, daß die Domherren
einzig und allein Opfer der Untreue des Ordens und eines ge-
walttätigen Söldnerführers gewesen sind. Sie hätten durch
einige Nachgiebigkeit das Verhängnis, unter dessen Folgen sie
schwer zu leiden hatten, abwenden können. Jedenfalls hätten
sie dadurch Schlieben die Möglichkeit genommen, sie einfach
als Kriegsgefangene zu behandeln, denn auch die Gewalttätig-
keit eines solchen Mannes hatte eine Grenze, und speziell Schlie-
ben hat während des ganzen Krieges Charaktereigenschaften an
den Tag gelegt, die ihn in die erste Reihe der Sölnerführer
1) Brief des Hochmeisters, dat. Marienburg den 17. Dezember 1455.
K St.-A.
2) Schlieben schreibt in seinem Bericht, daß die Domherren bei allen
ihren Rechten geblieben wären, wenn sie ihm das Schloß willig übergeben
hätten. (Mon. hist. Warm. III, 157.)
Von Wilhelm Brüning. 51
dieser Zeit stellen. Der Hochmeister war mit den Domherren
bei der Uebergabe Allensteins sehr milde verfahren, sie trotzten
dann auf ihre verbrieften Rechte, die zum Teil nur zum Schaden
des Ordens beobachtet werden konnten, nahmen auch andere in
Anspruch, die ihnen nicht zukamen (z. B. die Nichtauslieferung
der Schlüssel der Stadt1)) und verschlossen sich jedem billigen
Wunsche, den der Hochmeister im Interesse einer gedeihlichen
Kriegsführung an sie richten mußte. Viel Vertrauen hatte man
nicht auf Ordensseite zu den Domherren: sie hatten es auch
nicht verdient. Sie schreckten vor Drohungen, anderswo Schutz
zu suchen, nicht zurück, und sie hätten diese auch leicht aus-
führen können, denn sie waren, wie gesagt, als Besitzer des
Schlosses, das sie noch immer stärker zu bemannen suchten,2)
thatsächlich die Herren des Platzes. Daß man den Domherren
sogar verräterische Verbindungen mit Polen zutraute, beweist
ein Brief des Hochmeisters an den Bischof Franz in Breslau.
Er schreibt ihm, daß die Domherren auf dem Schlosse eine
Brücke8) hätten bauen lassen, auf welcher sie eingelassen hätten,
wen sie wollten. Sie hätten das Schloß mit Leuten bemannt,
denen nicht zu trauen gewesen. Der Dechant Plastwich habe
mit den Polen in Verbindung gestanden und sei ein „geschwo-
rener Kanzler des Königs von Polen über Preußen" gewesen.
Von gut unterrichteter Seite sei ihm auch mitgeteilt worden,
daß derselbe Dechant dem König Gelder habe zukommen lassen,
die Eigentum des Bischofs gewesen seien.4)
1) Brief des Hochmeisters an den Komtur von Osterode, dat. Marien-
burg d. 5. September 1455. E. St.-A.
2) In dem Bericht des Domkapitels: „Alse sandten wir in der nacht
vs vnd lissen vorbotten eczliche vnsere scholczen und dienstpflichtige, die
ire guter vnd gerete bey vns in vnserm slosse hatten in vorwarung, das sie
offs slos qwemen vnd das slos . . . holfen vorwachen." (1. c. S. 153.)
Statt der „eczliche vnsere scholczen vnd dinstpflichtige" steht in
Schliebens Bericht „wol bey anderthalbhundert". (1. c. S. 158.)
3) Schlieben hatte gedroht, diese Brücke abzubrechen. Brief der Dom-
herren vom 27. Sept. 1455. K. St.-A.
4) Brief des Hochmeisters, dat. Marienbnrg d. 17. Januar 1456. K. St.-A.
4*
52 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
Bevor wir diese in ihren Folgen für den Orden sehr pein-
liche Angelegenheit weiter verfolgen, wollen wir uns nach
den übrigen kriegerischen Vorfällen dieses Jahres im Ermlande
umsehen.
Die meisten Städte des Ermlandes, so Braunsberg, Worm-
ditt, Heilsberg, Ghittstadt, Seeburg, Wartenburg — Mehlsack war
nach dem Ueberfall durch die Bündner eine leergebrannte, von
niemand begehrte Stätte1) — befanden sich in den Händen
böhmischer Söldnerhauptleute. In Braunsberg befehligte John
Schalski,2) ein Mann, der durch seine Grausamkeiten und Bäu-
bereien seinen Namen weit und breit gefürchtet machte. Nach
dem Uebertritt des Kapitels zum Orden beeilte er sich, Frauen-
burg in seine Gewalt zu bringen und zugleich an den Dom-
herren Bache zu nehmen.3) Er machte dadurch dem Komtur
von Elbing die Erfüllung der ersten Uebergabebedingung Allen-
steins unmöglich, die diesem die Verpflichtung auferlegte, die
Domherren, die noch in Frauenburg wären, zu beschirmen oder
nach Heiligenbeil zu führen. Schalski wurde bei seinem Unter-
nehmen gegen Frauenburg durch Streithaufen der Danziger
unterstützt.4) Letztere nahmen mehrere Domherren gefangen.
In einem Briefe, der seinen wütenden Zorn über die Treulosig-
keit der Domherren charakteristisch offenbart, verlangte der
Gubernator Hans von Baisen am 27. Juli deren Auslieferung.6)
Die Danziger kamen aber seinem Befehle nicht nach, sondern
führten die drei Domherren nach ihrer Stadt und ließen sie für
1) Die Wiederbesetzung der Stadt durch den Orden erfolgte erst im
August 1457. (SS. rer. Pruss. IV, 143)
2) In dem Namensverzeichnis der Böhmen, die dem Hochmeister ab-
sagten, nennt er sich Her Jan vom Waltsteine und von Skal. K. St-A.
Schbld. 79. No. 23. — Er war übrigens ein Verwandter Zinnen bergs. (Zeit-
schrift des westpr. Geschichtsvereins H. XXII, S. 81.)
3) Die* Randbemerkung Wölky's zu den Angaben Plastwichs über die
Eroberung Frauenburgs und die darauf bezügliche Stelle in SS. rer. Pruss.
IV, 146 sind unrichtig. Plast wich sagt nicht, daß Frauenburg bereits am
1. Juli von den Böhmen besetzt worden ist.
4) Caspar Schütz, 1. c. fol. 222 b.
5) Brief des Gubernators bei M, Toppen, St -A. IV, 473.
Von Wilhelm Brüning. 53
ein Lösegeld frei, da man „ihres Geldes notdürftiger war als
ihres Blutes". Die Böhmen und Danziger hausten ganz anders
in Frauenburg, als es der Komtur von Elbing gethan hatte.
Jetzt erst wurden der Domherren Höfe ausgeraubt und verbrannt,
das Kapitelhaus und alle Befestigungen bis auf den Grund zer-
stört. Die Domkirche machten die. hussitischen Söldner zum
Pferdestall.1) Im Vergleich zu diesen Mordbrennern hatte Hein-
rich von Plauen Frauenburg geradezu schonend behandelt.
Auch der Orden gab sich alle Mühe, seine Eroberungen zu
erweitern. In einem Briefe an den Ordensprokurator in Rom,
am 31. August 1455, machte der Hochmeister diesem Mitteilung
über die erfreulichen Fortschritte der Ordenssache.2) 68 Städte
und Schlösser waren wieder in seiner Gewalt. Seine Erfolge
im Ermlande begannen, abgesehen von Allenstein, mit der Er-
oberung Wartenburgs. Schon am 18. Dezember 1464 hatte der
Hochmeister diäse Stadt zur Unterwerfung unter ihren Bischof
und den Orden aufgefordert.8) Aber die Bürger derselben, be-
harrlicher in ihrem Widerstände als die in mancher größeren
Stadt, fielen erst im Juli des nächsten Jahres, als sie sich durch
die außerordentlichen Erfolge des Ordens gefährdet sahen, vom
Bunde ab. Ihnen schloß sich Seeburg an, zwar eine kleine, un-
bedeutende Stadt, aber im Besitze eines recht festen Schlosses.4)
Ordenshauptmann in "Wartenburg wurde Georg Lobel, ein tüch-
tiger und der Ordenssache treu ergebener Kriegsmann.
Auch Bischofsstein und Bischofsburg kamen wieder zum
Orden.5)
1) Mon. bist. Warm, in, 105.
2) Brief des Hochmeisters im K. St.-A.
3) Brief des Hochmeisters im K. St.-A.
4) Brief des Komturs von Osterode, dat. Osterode den 21. Juli 1455.
K. St.-A.
Joh. Voigt (1. c. VIII, 453) nennt fälschlich Orteisburg statt Warten-
burg. Ersteres, das sich freilich auch ergab, ist in diesem Briefe nicht
erwähnt.
Ueber Seeburg weiß Plastwich nichts zu berichten.
5) Brief des Hochmeisters, dat. Marienburg d. 31. Aug. 1455. K. St.-A.
54 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden et«.
Wertvoller als die Eroberung dieser kleinen Orte war die
der bischöflichen Stadt und Burg Rößel, eines Platzes, welcher
nach seinen Geldleistungen für den Bund dieselbe Bedeutung
wie "Wormditt und Heilsberg hatte.1) Am 7. August 1455 fand
die Uebergabe Rößels statt. Die Verschreibung des Hochmeisters
datiert von demselben Tage. Hauptleute in Rößel wurden der
Ordensbruder Wilhelm von Helfenstein und Martin Frodnacher,
ein Söldnerführer.2)
1) M. Toppen, St.-A. IV, 437.
2) Brief des Komturs von Elbing an den Hochmeister, dat. Rößel den
8. Aug. 1455. K St.-A.
Verschreibung des Hochmeisters und des Komturs für Rößel, dat.
Rößel den 7. Aug. 1455. K. St.-A.
Plastwich (1. c. S. 115) nennt falschlich den 9. August als Tag der
Uebergabe. Das ist um so auffälliger, da er bei der Uebergabe zugegen
gewesen sein will! — Von der Beihilfe der Allensteiner Domherren bei der
Erwerbung Rößels, die Plastwich wieder anführt, ist in der Verschreibungs-
urkunde keine Rede, sondern nur von der freien Entschließung des Rats
und der Gemeinde. Was die Zurückführung des Bischofs binnen einem
Monat anbetrifft, durch deren Verheißung nach Plastwich der Orden in
Rößel Einlaß gefunden habe, so ist in der Urkunde nur gesagt, daß derselbe,
falls er zurückkehre, ungehindert in Stadt und Schloß eingelassen werden
solle, falls er sterbe, sollten „aus sonderlicher Gnade" alle Artikel der Ver-
schreibung auch bei seinem Nachfolger in Kraft treten. Auch von der
Jurisdiktion, die den Domherren in Rößel überlassen sein soll, ist in der
Verschreibungsurkunde keine Rede. Sie bestimmt nur, daß „die Herren des
Kapitels die Erträge aus Zinsern, Gerechtigkeiten und Gewöhnlichkeiten, die
dem Bischof gehörten, zu getreuer Hand halten und dem Bischof aufheben
sollten". — Wenn Bender im Anschluß an die Uebergabe Rößels meint
(1. c. S. 93), „daß das Kapitel, dem rechtmäßig die Verwaltung des Landes
oblag, sich die Herstellung und Wahrung der bischöflichen Rechte an ge-
deihen ließ", so können wir vielmehr getrost annehmen, daß auch ohne eine
derartige Bemühung des Kapitels, an die Plastwich uns so gern glauben
machen möchte, der Hochmeister die nötige Rücksicht auf die Rechte seines
treuen Freundes genommen haben wird. Und ob dem Kapitel rechtmäßig
die Verwaltung des Landes zustand, darüber läßt sich streiten. Der Orden
hatte Ermland z. T. zurückerobert, eine Verwaltung des Landes stand dem
Kapitel deshalb nur soweit zu, als der Orden es ihm gestattete. Der Hoch-
meister hatte das Kapitel nachsichtiger behandelt, als dasselbe es verdiente,
aber das heißt doch zu viel verlangen, daß es mit seiner Zustimmung aus
dem ärgsten Feind des Ordens gleich wieder der unumschränkte Herr des
Bistums geworden wäre.
Von Wilhelm Brüning. 55
Outtstadt in seine Gewalt zu bringen, bemühte sich der
Hochmeister vergeblich. Er schrieb den Bürgern dieser Stadt,
daß sie doch selbst nur den größten Schaden von ihrem Abfall
gehabt hätten. Er wolle die Stadt aufs beste behandeln, wenn
sie zum Orden übertreten wüfde, und sie vor Ueberfallen der
Polen beschützen. Letzteres sei der einzige Zweck, den er ver-
folge. Des Abfalls solle garnicht gedacht werden. Die Gutt-
städter aber blieben beim Bunde und behielten ihre böhmischen
Söldner.1)
So war denn das Ermland, was die Besitzergreifung seitens
der beiden Parteien anbetraf, in zwei Hälften zerrissen. Die
östliche, kleinere war in der Gewalt der Ordenstruppen, die
westliche in der der Polen und Bündner. Alle Vorbedingungen
zu dem verderblichsten Kampfe waren vorhanden. Hauptsächlich
wurde er von böhmischen Mietlingen geführt, und zwar von
unbezahlten, denn bald gingen dem Orden die Mittel aus und
auch auf gegnerischer Seite fehlte es an Geld. Das sagt genug,
und erspart uns jede weitläufige Schilderung des wüsten Söldner-
treibens.2)
1) Brief des Hochmeisters vom 1. Januar 1456. K. St.-A.
Der Hochmeister spricht in seinen Briefen von den Bürgern der
kleinen Städte und vom niederen Volke oft als von Verführten. Die vielen
Kundgebungen und Aufstände für den Orden seitens des Volkes, selbst in
den großen Städten, geben dieser Auffassung Recht. Nur für das Ermland
traf sie nicht zu. Hier gaben selbst die Bewohner des kleinsten Ortes den
leitenden Parteien an den Pflanzstätten des Aufruhrs an Haß gegen den
Orden nichts nach. Sicher wurde derselbe nach den Vorfällen in Allenstein
durch das Kapitel und den Klerus aufs eifrigste geschürt. — S. die ver-
räterische That des Pfarrers von Seeburg in SS. rer. Pruss. IV, 153.
2) Wie arg diese Söldner, selbst in Freundesland, hausten und die
armen Einwohner plagten, darüber belehrt uns die rührende Klage der
Burger Eylaus. Sie bitten Georg von Schlieben, keine „Gäste" in ihre Stadt
zu legen, denn die früheren haben sie zu Bettlern gemacht : „wen sie haben
von uns gebrocht und gefurt dy henne zamt mit den keuchelen und haben
uns gelossen das neest mit den schalen und dor zcu sie uns semlichen haben
vorrotten und vorkoffet den buntheren und den polan.u — Brief der Eylauer
vom 25. Dezember 1457, K. St.-A.
56 ßie Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
Auf den Besitzstand der kämpfenden Parteien war das-
selbe von geringem Einfluß. Besonders heftig wogte der Kampf
um Rößel, denn die polnischen Söldnerscharen aus den benach-
barten bündischen Städten machten die größten Anstrengungen,
diesen wohlhabenden und festen Platz wieder in ihre Gewalt zu
bekommen. Den Ordenstruppen unter ihrem wackern Führer
Martin Frodnacher gelang es aber trotz mancher „Schelunge und
Gebrechen" mit den wenig opferwilligen Bürgern der Stadt
diesen Besitz dem Orden zu sichern.1)
Nur Seeburg muß bald wieder in die Hände der Bündner
gekommen sein. Denn schon Ende Januar 1456 berichtete der
Komtur von Elbing dem Hochmeister über einen Zug der Be-
satzung Bößels gegen Seeburg. Es wäre dieser beinahe gelun-
gen, die Stadt zurückzuerobern.2) Im März 1456 finden wir als
Söldnerhauptmann daselbst den Hussiten Johann Colda, der
früher, gleichfalls in bündnischen Diensten, in Wormditt Haupt-
mann gewesen war, mit einer starken Besatzung.8) Am 19. April
desselben Jahres entschuldigte sich die Stadt neben Heilsberg
und Guttstadt bei den Ständen, nicht auf der Tagfahrt in Elbing
erscheinen zu können, weil sie von Feinden umgeben sei. Sie
erklärte sich jedoch mit allem einverstanden, was die Stände
beschließen würden.4) Die Stadt ist den ganzen Krieg hindurch
niemals wieder in die Gewalt des Ordens gekommen.5)
Auch in diesem Jahre wurde wieder um Frauenburg ge-
kämpft. Der Komtur von Elbing hatte im Dezember 1454 zwar
die Stadt und den Dom erobert, aber nicht besetzt. Er that
1^ Briefe der Rößeler vom 23. und 24. November und vom 20. De-
zember 1455. K. St.-A.
2) Brief des Komturs, dat. Königsberg d. 25. Januar 1456. K. St.-A.
8) SS. rer. Pruss. IV, 153. — Brief des Hochmeisters an hern Colda
von Sampach vnd von Nacholdt, Hauptmann zu Wormdit, dat. Marienburg
d. 29. Aug. 1455. K. St.-A.
4) M. Toppen, St.-A. IV, 488. — Es handelte sich wieder einmal um
die Auferlegung neuer direkter und indirekter Steuern, diesmal zur Erwer-
bung der von Ordenssöldnern besetzten Städte und Schlösser.
5) Schreiben des Königs Kasimir an die Städte Bartenstein und See-
burg, dat. Nessau d. 29. Juli 1456. K. St.-A.
Von Wilhelm Brüning. 57
dies auch nicht auf seinem zweiten Zuge im April 1455.
Es nimmt uns dies Wunder, denn der umsichtige Feldherr
mußte sich doch sagen, daß der Besitz Frauenburgs wegen
seiner Lage am Haff und der dadurch vermittelten Wasser-
verhindung mit Samland und Königsberg für den Orden ebenso
vorteilhaft, wie eine Eroberung des Platzes durch die Bündner
wegen der Verbindung mit Elbing und Danzig für denselben
gefährlich war. Wir können uns diese Unterlassung nur da-
durch erklären, daß es Plauen auf seinen beiden Zügen weniger
darauf ankam, feste Plätze zu besetzen als durch rasche und
weite Expeditionen den Eindruck der siegreichen Schlacht bei
Konitz auszunutzen und möglichst viele Landesstrecken und vor
allen Dingen Königsberg dem Orden wiederzugewinnen. Um
diesen Plan auszuführen, durfte er seine ohnehin nicht bedeuten-
den Streitkräfte nicht zersplittern. Er konnte es daher auch,
von der Belagerung des Kneiphofs in Königsberg und anderen
Unternehmungen vollauf in Anspruch genommen, nicht verhin-
dern, daß der Hauptmann von Braunsberg im Juli 1455 Frauen-
burg mit seinen böhmischen Söldnern besetzte. Aber nachdem
er Königsberg vollständig in seine Gewalt gebracht und auch
die meisten anderen Städte im östlichen Preußen dem Orden
wiedergewonnen hatte, setzte er gleich anfangs des Jahres 1456
eine neue Unternehmung gegen Frauenburg ins Werk. Sie war
vom Glück begünstigt, denn Volkel von Köder, den er mit
seinen Hofleuten und Gesellen dorthin schickte, eroberte den
Dom und nahm 22 böhmische Trabanten gefangen. Auch der
Domherr Christoph von Czegenberg, der „buntherren" ergebenster
Anhänger und Verwandter des Eidechsenritters und Bundes-
führers im Culmerland, Hans von Czegenberg, wurde sein Ge-
fangener.1) Er besetzte zwar den Dom, aber bald sehen wir
t) Brief des Komturs, dat. Königsberg d. 21. Febr. 1456. K. St.-A.
— SS. rer. Pruss. IV, 152. Die hier in der „Geschichte von wegen eines
Bandes" für die Eroberung Frauenburgs angesetzte Zeit (anfangs März), die
auch Bender angiebt (1. c. S. 93), ist nach dem Briefe des Komturs zu be-
richtigen. Ebenso vielleicht auch die Nachricht, daß der Domherr Barth-
58 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
diesen und die Stadt wieder in der Gewalt der Böhmen und
Volkel Röder als ihren Gefangenen.1)
In Alienstein hatte Georg von Schlieben nach der Ueber-
rumpelung der Domherren im Schlosse eine sichere Stellung; er
nutzte sie aus und wehrte den Feinden des Ordens mit starker
Hand. Aber seine schnelle That, die von Härte leider nicht
freiblieb, hatte die Domherren, die wohl auch kaum nach ihrem
Uebertritt zum Orden dessen aufriohtige Freunde geworden
waren, zu den unerbittlichsten Feinden der Ordensherrschaft ge-
macht. Wegen der von Schlieben erlittenen Gewaltthaten —
er hatte sie nicht nur gefangen gesetzt, sondern auch beraubt —
erfüllten sie mit ihren Klagen alle geistlichen und fürstlichen
Höfe und riefen schließlich den Papst an. Ohne Frage hat die
Angelegenheit, wie schon angedeutet, auf das ermländische Volk
und die Geistlichkeit einen für den Orden sehr nachteiligen
Einfluß ausgeübt und beide in ihrer Opposition gegen ihn
bestärkt.
Für Plastwich besteht natürlich kein Zweifel, daß der
Hochmeister sowohl an dem listigen Ueberfall des Schlosses, als
auch an der Gefangennahme und Beraubung der Domherren
alle Schuld trug. Er berichtet, daß Schlieben und seine Helfer
bekundet hätten, nur im Auftrage des Hochmeisters gehandelt
zu haben. Und nicht genug damit: seine Erbitterung reißt ihn
sogar zu der Behauptung fort, daß der Hochmeister ein dahin
lautendes Geständnis gemacht habe.2)
Doch hören wir diesen selbst. Schon am 9. Januar 1456
schrieb er an Schlieben, daß es wohl sein Wunsch gewesen sei,
ihn im Besitze des Schlosses zu sehen, aber die Gefangennahme
und Beraubung der Domherren erfülle ihn mit dem tiefsten
Unwillen. Schon die Eücksicht auf den Bischof, der um des
Liebenwald der Führer des Zuges gegen Frauenburg gewesen sei. Der
Brief erwähnt ihn überhaupt nicht — Plastwich weiß nichts von dieser
Eroberung Frauen burgs.
1) Brief Seh Hebens, dat. Alienstein d. 24. Aug. 1459. K. St.-A.
2) Mon. hist. Warm. III, 113 u. 114
Von Wilhelm Brüning. 59
Ordens willen „Leib und Leben in Gefahr gebracht, seine Herr-
schaft, Land und Leute verloren habe", hätte Schlieben eine
solche Handlungsweise verbieten sollen. Diese sei nur geeignet,
alle Ehre und alles Ansehen des Ordens zu untergraben und
jeden abzuschrecken, der sich ihm wieder unterwerfen wolle.
Schlieben solle die Domherren sofort freilassen und in Ehren
halten. Wenn er sich mit dem Dechanten Plastwich und dem
Domherrn Arnold Klünger nicht vertragen könne, solle er sie
sicher nach Rößel geleiten lassen.1)
Wir haben keinen Grund, an der Aufrichtigkeit dieser
Worte zu zweifeln, haben auch in keinem der früheren Briefe
des Hochmeisters irgendwelche Andeutung gefunden, die Schlie-
ben auf den Gedanken hätte bringen können, durch Anwendung
von Gewaltthaten, deren Schädlichkeit doch für den Hochmeister
auf der Hand liegen mußte, den Wünschen desselben entgegen-
zukommen. Wir sagen deshalb wohl nicht zu viel, wenn wir
die Behauptungen Plastwichs als unwahr bezeichnen.
Auch der Komtur von Elbing, dem dieser so gern eine
besondere Erbitterung in seiner Handlungsweise gegen das Dom-
kapitel nachweisen möchte,2) verwandte sich energisch für die
Allensteiner Domherren bei dem Hochmeister: Schlieben hätte
sich damit begnügen sollen, das Schloß einzunehmen, die Be-
handlung der Domherren dünke ihn unbillig und unredlich. Der
Hochmeister möge gegen Schlieben einschreiten.8)
Der Hochmeister that dies auch, aber Sohlieben war nicht
gewillt, seinen Befehlen nachzukommen. Den Vorwurf, den
Domherren die Zusagen und Verschreibungen des Hochmeisters
gebrochen zu haben, wies er mit der Behauptung zurück, daß
sie ihm auch nicht die ihrigen gehalten hätten. Auch behandle
er die Domherren garnicht als Gefangene, denn der Domprobst
halte sich mit dem Pfarrer in der Stadt auf und zwei andere
1) Brief des Hochmeisters, dat. Marienburg d. 9. Januar 1456. K. St.-A.
2) Mon. hist. Warm. III, 36 u. 109.
3) Briefe des Komturs, dat. Königsberg d. U» und 19, Januar 1456,
K. St-A.
60 Die Stellung des Bistums Erraland zum deutschen Orden etc.
Herren habe er nach Rößel bringen lassen. Nur den Dechanten
halte er noch zurück „umb etlicher Sachen und handelunge
willen", über die er, wenn sie sich als wahr erweisen sollten,
mit dem Hochmeister persönlich Bücksprache nehmen wolle.
Aber auch dieser sei kein Gefangener, sondern befinde sich in
einer Kammer, in die jedermann Zutritt habe. Dem Verlangen
des Hochmeisters, die Kleider, Bücher, Gelder und Kleinodien,
die er im Schlosse gefunden habe, herauszugeben, könne er
nicht nachkommen, er betrachte diese und auch die Pontifikalien
des Bischofs als gewonnenes Gut. Wenn der Hochmeister
schreibe, er solle den Domherren doch „eine kleine Danksam-
keit" für ihren guten Willen entgegenbringen, so möge Se. Gna-
den wissen, daß er ihnen nur ihren „rechten Lohn" gegeben
habe.1)
Trotz dieser Verteidigung Schliebens ließ der Hochmeister
nicht nach in Ermahnungen und Bitten, den Domherren Genug-
tuung zu verschaffen. Er that dies auch ganz besonders aus
Rücksicht auf die Treue des Bischofs, dessen Beraubung ihn
tief schmerzte, und es war nicht nötig, daß der oberste Ge-
bietiger von Livland durch den Hinweis auf jene ihn in seinem
strengen Verhalten gegen Schlieben noch zu bestärken versuchte.2)
In einer Urkunde vom 4. März 1457 erklärte der Hochmeister
wiederum und öffentlich, daß, als er den Georg von Schlieben
mit seiner Gesellschaft nach Alienstein gelegt habe, es keines-
wegs seine Absicht gewesen sei, ihm das Schloß und die Stadt
1) Brief Schliebens, dat. Allenstein den 19 Januar 1456. K. St.-A.
Die Angaben Plastwichs (1. c. S. 112 u. 114) über die Mißhandlangen
der Domherren und über die Dauer ihrer Gefangenschaft sind sicher nicht
von tendenziöser Uebertreibung frei. Leider können wir ihre Richtigkeit
nicht an der Hand anderer unverdächtiger Nachrichten prüfen, denn die in
den „acta de interceptione castri Allenstein" (Mon. hist. Warm. III, 138) ge-
gebenen erscheinen uns nicht als solche. Wenn aber Plast wich gegen die
schlechte Behandlung, die Schlieben den Domherren angedeihen ließ, die
Wohlthaten derselben für den Orden ins Feld führt, so möchte uns fast
Schliebens letzte Aeußerung in dem obigen Brief als zutreffend erscheinen.
2) Brief des Obersten Gebietigers, dat. Neuermühlen d. 26. Juni 1456.
K. St.-A.
Von Wilhelm Bruning. 61
für rückständigen Sold zu verpfänden oder dem rechtmäßigen
Erbherrn zu entziehen. Wenn Schlieben gegen dieses Abkom-
men gefehlt habe, so sei das wider seinen Willen geschehen.
Er werde die Domherren mit allen Mitteln seiner Macht in
Schutz nehmen.1)
Aber diese Macht war eben nicht groß und reichte nicht
aus, Schlieben zur Herausgabe des Geraubten zu zwingen. Der
Hochmeister war zu sehr auf die Hilfe dieses Söldnerführers
angewiesen, trotzdem hat er es später, wie wir noch sehen wer-
den, auf den Zorn desselben ankommen lassen, um der Gerechtig-
keit zum Siege zu verhelfen. Es ist somit eine Verleumdung
des Hochmeisters und, wie wir nachgewiesen, auch des Kom-
turs von Elbing, wenn Plastwich behauptet, daß beide es an
dem nötigen Eifer darin hätten fehles lassen.2)
Wie überallhin, so war auch zum Bischof Franz in Breslau
Kunde von den Aufsehen erregenden Vorfallen in Alienstein
getragen worden. Der Brief, den er daraufhin an den Hoch-
meister richtete, ist wohl der letzte in der Reihe seiner Breslauer
Korrespondenz. Sein späteres Schweigen war aber keineswegs
durch die Aliensteiner Ereignisse hervorgerufen, denn er urteilte
über diese weit milder als der Komtur von Elbing und der
Livländische Gebietiger. Seine einzige Unmutsäußerung be-
steht darin, daß er sagt, die Nachricht von der Beraubung der
Kirche und der Gefangennahme der Domherren habe ihn nicht
erfreut.8) Auch in diesem Briefe meldet er dem Hochmeister
wieder, was er zur Vollfilhrung des Prozesses und Bannspruchs
gegen die Verbündeten in Preußen ausgewirkt habe. Aus dieser
Thätigkeit des Bischofs dürfen wir vielleicht einen Rückschluß
auf die Gründe ziehen, die ihn bestimmt haben, Breslau als
Aufenthaltsort zu wählen. Als er am 7. Februar 1454 von seiner
1) Pergamenturkunde mit des Hochmeisters Siegel, dat. Marienburg
d. 4. März 1467. K. St.-A. Schbld. 51. No. 35.
2) Mon. hist. Warm. III, 117.
3) Brief des Bischofs an den Hochmeister, dat. Breslau d. 18. April 1456.
K. St.-A.
62 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
Gesandtschaftsreise an den kaiserlichen Hof mit Heinrich von
Plauen nach Preußen zurückkehrte, fand er alle seine Städte
und Lande und selbst das Domkapitel als treueste Genossen des
Bundes im Aufruhr gegen sich begriffen. Er blieb bei dem
Hochmeister in Marienburg, machte die Belagerung mit und
verweilte auch noch anfangs des Jahres 1455 dort. Dann finden
wir ihn am 29. April in Breslau.1) Zu dieser Zeit hatte der
Orden außer der Eroberung Frauenburgs, das aber nicht besetzt
worden war, im Ermland noch keine Erfolge errungen. Der
Bischof hat deshalb sicher in der Befürchtung, zu lange auf die
Bezwingung seines Bistums warten zu müssen, seinem Lande
den Bücken gekehrt. Vielleicht ist auch die traurige Finanz-
lage des Hochmeisters, dem er durch seinen Aufenthalt in der
Marienburg keine weiteren Ausgaben verursachen wollte, nicht
ohne Einwirkung auf diesen Schritt geblieben. Er wählte
Breslau, weil ihm hier durch ein ansehnliches Darlehen, das er
früher dem Bischof von Breslau zur Auslösung verpfändeter
Güter gewährt hatte, die nötigen Existenzmittel zu Gebote
standen.2) Mitbestimmend aber für diese Wahl ist wohl auch
der oben angedeutete Umstand gewesen, nämlich daß er hier,
näher der Kurie und dem kaiserlichen Hofe, für die Beschaffung
päpstlicher Bullen und kaiserlicher Machtsprüche zur „tilgung
des bundes" thätig sein konnte. Er legte denn auch hierin, wie
sein Briefwechsel mit dem Ordensprokurator Jodocus von Hohen-
stein und mit dem Hochmeister beweist, eine unermüdliche
1) Brief des Bischofs an den Ordensprokurator in Rom, dat. Breslau
d. 29. April 1455. K. St.-A.
2) Nach Theiner, vetera monumenta Poloniae et Lithuaniae, tom. II,
p. 116 (nicht 106, wie Wölky Mon. hist. Warm. III, 94 angiebt) schuldete
der Bischof von Breslau und sein Domkapitel dem Bischof Franz 5000
rheinische Gulden.
Bender (1. c. S. 90) hält Schlesien für die Heimat des Bischofs Franz.
Alle Nachrichten stimmen aber darin überein, daß er in Rößel geboren ist.
Der etwas ungewöhnliche Name Kuhschmalz ist auch sonst in Preußen ver-
treten gewesen. S. Toppen, St.-A. IV, 401.
Von Wilhelm Brüning. 63
Energie an den Tag.1) Daß er dann, als der Orden einen Teil
des Ermlandes zurückerobert hatte, nicht heimkehrte, können
,wir uns aus seinem körperlichen Znstande erklären. Schon in
der Verschreibungsurkunde für Rößel vom 7. August 1455 wurde
der Tod des Bischofs vorgesehen.2) Aus einem Briefe des Dom-
herrn Bartholomäus Liebenwald ersehen wir, daß er in der
letzten Zeit seines Lebens sehr schwach „an seyme leibe vnd
sunderlich an seynen sinnen" gewesen ist.8) Er war ein hoch-
betagter Mann, als er am 10. Juni 1457 starb.4)
Plaswich beliebt seine Entfernung aus Preußen eine Ver-
bannung zu nennen, die der Orden verschuldete.*) Seine Rück-
kehr habe dieser nicht gern gesehen, weil er die Einkünfte des
Bischofs selber einziehen wollte.6) Hätte Plastwich die Briefe
zu Gesicht bekommen, die der Bischof aus der „Verbannung"
an den Hochmeister richtete, er würde wohl anderer Meinung
geworden sein. Wir finden nicht die leiseste Andeutung, daß
er dem Orden irgendwelche Schuld an seiner ,, Verbannung*4 bei-
gemessen, und nirgends ist von einer Verstimmung zwischen
dem Hochmeister und Bischof nach dessen Weggang aus Preußen
etwas zu bemerken. Sie blieben die treuesten Freunde, und der
Hochmeister widmete der opferwilligen Ergebenheit seines un-
ermüdlichen Mitarbeiters im Gegensatz zu der Undankbarkeit
und Treulosigkeit der Geistlichkeit im Ordenslande, die nur
„der Feinde Bosheit gestärkt und Schande über den Orden ge-
1) Brief des Hochmeisters an den Bischof, dat. Marienburg d. 19. Nov.
und 4. Dez. 1455. K. St.-A.
Briefe des Bischofs an den Hochmeister, dat. Breslau d. 6. Dez. 1455
und 18. April 1456. K. St.-A.
2) Siehe oben S. 54.
3) Brief des Liebenwald an den Hochmeister, dat. Stnhm den 21. De-
zember 1457. K. St.-A.
4) Ueber das Alter des Bischofs s. Georg Voigt, Enea Silvio de Picco-
lomini, als Papst Pius II., und sein Zeitalter II, 224.
In SS. rer. Pruss. IV, 213 ist irrtümlich der 10. Juli angegeben.
5) Mon. hist. Warm. III, 92 u. 94.
6) Mon. hist. Warm. III, 115.
64 Di6 Stellang des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
bracht habe", das rühmendste Lob.1) Der Bischof machte sein
Wort wahr, das er einst vor dem Kaiser gesprochen, „her weide
dem bunde gram seyn bis in seyn grab."2)
Kapitel 2.
Der Tod des Bischofs Franz, ohnehin ein schwerer Schlag
für den Orden, stürzte diesen auch noch in einen Kampf um
die Besetzung des bischöflichen Stuhles mit der römischen Kurie
und Polen und verwirrte die Verhältnisse im Ermland immer
mehr. Das Domkapitel, dem rechtmäßig die Wahl zustand, war
an drei Orten zerstreut, in Königsberg, in Danzig und Glogau.
Jeder Teil desselben erwählte einen eigenen Bischof. Die Dom-
herren in Königsberg erkoren den Ordensfreund Arnold Coster
von Venrade, die von Danzig den polnischen Vizekanzler Johann
Lutkonis,8) und der „gesündere" Teil des Kapitels, wohl deshalb
von Plastwich so genannt, weil er sich selbst dabei befand, 4)
den Kardinal Enea Silvio de* Piccolomini. Der Domkantor von
Venrade war nach der Eroberung Mehlsacks durch die bündischen
Heerhaufen, die der Stadt ein so furchtbares Schicksal bereiteten,
als Gefangener nach Heilsberg geführt worden. Der Gubernator
Hans von Baisen, der dem Domkantor die Schuld des Abfalls
Mehlsacks vom Bunde zuschrieb, befahl dem Söldnerführer in
Heilsberg, der ihn gefangen genommen hatte, ihn nach Elbing
1) Briefe des Hochmeisters an den Ordensprokurator, dat. Marienburg
d. 17. Jan. 1456 u. 15. Juni 1456.
S. auch den Brief des Komturs von Elbing an den Hochmeister, dat.
Königsberg d. 25. Januar 1456. K. St.-A.
2) M. Toppen, St.-A. IV, 100.
3) Domkapitular Eichhorn -(Gesch. der ermld. Bischofawahlen in der
Ermld. Ztschr. I, S.130) bezweifelt die Angaben Job. Voigts (1. c. VIII, 565),
daß der König von Polen noch bei Lebzeiten des Bischofs Franz diesen zu
bewegen gesucht habe, die Verwaltung des Bistums an Lutkonis abzutreten.
Das Citat Voigt's ist falsch, aber seine Angaben sind richtig. S. den Brief
des Domherrn Bartholomäus Lieben wald an den Hochmeister, dat. Stuhm
den 21. Dezember 1467. K. St.-A.
4) Mon. hist. Warm. III, 98.
Von Wilhelm 3rüning. 6fe
anszuliefern. Dieser ließ ihn aber, „da ihm mit seinem Tode
nicht geholfen wäre" entkommen. Es gelang Venrade, Rößel zu
erreichen. ') Er muß dem Orden ergeben gewesen sein, denn
der Ordensburder Erwin Hug von Heiligenberg rühmt ihn dem
Hochmeister gegenüber: „der hot engern gnaden getriulichen
gantcz lib . . . her ist engern gnaden und orden gancz nutze."2)
Auf diesen Mann nun fiel die Wahl der in Königsberg
versammelten Domherren, wir können annehmen, unter dem
vom Hochmeister ausgeübten Druck. Dieser Umstand beein-
trächtigt die Vortrefflichkeit der Wahl aber keineswegs. Denn
abgesehen davon, daß die der Domherren in Danzig sicher keine
freie gewesen ist und die der in Glogau versammelten sich auch
kaum von störenden und bestimmenden Einflüssen rein gehalten
hat, war die Form derselben weniger mangelhaft, als die der
beiden anderen, denn in Königsberg waren sieben Domherren
versammelt, in Glogau nur sechs und in Danzig gar nur drei.
Sehen wir zu, wie der Hochmeister dem Papste gegen-
über die Wahl zu begründen versuchte:8) Dem Bistum sei
ein Führer notwendig, der Preußen und seine Diözese kenne
und der durch seine Anwesenheit auch etwas für die Wieder-
gewinnung des ungehorsamen Teiles des Landes thun könne.
Der Domkantor Arnold von Venrade sei ein solcher Mann,
1) Brief Wübelm's von Schönberg an den Hochmeister, dat. Rößel
d. 21. Febr. 1466. K St.-A.
Wir ersehen, wie ans dem oben angeführten wuterfüllten Briefe des
Gubernators an die Danziger, so auch aas dem Schreiben Schönberg's wieder,
dafi man anf bündnerischer Seite einen Abfall viel härter zu ahnden ge-
wohnt war, als anf der Partei des Ordens. Die Mäßigung, die der Hoch-
meister seinen ungetreuen Unterthanen gegenüber an den Tag legte, müssen
wir bewundern.
2) Brief desselben, dat. Rößel d. 21. Febr. 1456. K. St.-A.
3) Entwurf zu verschiedenen Schreiben des Hochmeisters an den Papst
und die Kardinäle. K. St.-A. Schbld. 66. No. 222 und Domkapitels- Archiv
in Frauenburg (D.-K.-A. Frbg.) A. No. 16, — Ich nehme hier die Gelegen-
heit wahr, den Herren Domkapitular Dr. Löffler und bischöflichen Archivar
Dr. Liedtke für die liebenswürdigst ermöglichte Benutzung des domkapitu-
lärischen und bischöflichen Archivs meinen ergebensten .Dank auszusprechen.
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX. Hft. 1. u. & 5
66 Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
ihm stehe eine langjährige Erfahrung in den Verhältnissen
des Landes zu Gebote, er sei weise, gerecht und thätig, deshalb
werde seine Regierung „in desen leidlichen und jämmerlichen
engisten deser landeu dem Bistum zum Nutzen gereichen. Der
Kardinal Aeneas werde aus Scheu vor den Gefahren des wütenden
Krieges, der das Bistum zerfleische, die Diözese durch einen Vikar
verwalten lassen, woraus der Kirche selbst, dem Orden und dem
ganzen Lande nur Schaden erwachsen würde. Auch werde der
Ordon in diesem Falle nicht in der Lage sein können, das
Bistum zu schützen.
An den Kardinal Piccolomini schreibt der Hochmeister:
Wenn sich das Bistum in seinem früheren wohlgeordneten
Zustande befinden würde, könnte sich niemand mehr über seine
Wahl zum Bischof freuen als er. Er würde ihn dann gern als
Beschirmer und Helfer der Kirche und des Ordens begrüßen.
Unter den jetzigen Verhältnissen aber könnte der Kardinal
„keine Bequemlichkeit oder zeitliche Güter, sondern nur Mühe
und Arbeit erwarten." Um die ungehorsamen Diözesanen zur
Botmäßigkeit zurückzuführen, dazu sei „ein arbeitender, geduldiger,
demütiger, bekannter und anwesender Bischof" notwendig.
Der Kardinal möchte doch um der Kirche und des Ordens willen
von seiner Bewerbung abstehen und dem erwählten Freunde des
Ordens seine gnädige Hilfe zu teil werden lassen.
Der Hochmeister machte von allen ihm zu Gebote stehen-
den Mitteln Gebrauch, um die Bestätigung der Wahl Venrades
beim Papste zu erlangen. Der Rigaer Erzbischof, der Bischof
Paul von Kurland, der livländische Meister und der Ordens-
procurator in Rom unterstüzten ihn aufs eifrigste in seinen Be-
mühungen. *) Es stand sehr viel für die Ordenssache auf
dem Spiele. Aber so demüthig und häufig der Hochmeister
auch seine Bitten bei dem päpstlichen Stuhle vorbrachte, so
1; Der Hochmeister beauftragte auch den Domherrn Arnold Clünder
für Venrade in Rom zu wirken. Wölky (Mon. hist. Warm. III, 97) hält
ihn und Datteln irrtümlicherweise ftir dieselbe Person.
Von Wilhelm Bröning. 67
triftig auch seine Gründe für die Wahl Venrade's lauteten, *)
seine Bemühungen hatten keinen Erfolg. Wenn jemals, so hätte
der Papst jetzt die beste Gelegenheit gehabt, die so oft aus-
gesprochene Behauptung zu beweisen, daß ihm das Wohl des
Ordens am Herzen liege. Mit Bannbullen allein, die übrigens
erst dem Prokurator ausgehändigt wurden, wenn sie teuer
genug bezahlt waren,2) war wenig gethan. 8) Calixtus III.,
fassend auf dem in Anbetracht des unkanonischen Characters
der drei Wahlen ihm zustehenden Rechtes der Devolution, 4)
bestätigte die Wahl seines einflußreichen Günstlings. Alle
Versuche des Hochmeisters, diesen zu einem Verzicht zu be-
stimmen, waren vergeblich. Er hatte nicht die Geldgier des
Kardinals in Betracht gezogen, der sich gerade damals eifrigst
der Pfründenjagd in Deutschland befleissigte. Mit derselben
frappierenden Offenheit, die der gelehrte Kardinal einst bei der
Schilderung seiner jugendlichen Liebesabenteuer an den Tag
gelegt, sprach er es auch aus, das es ihm bei der Erwerbung
des Bistums nicht zuletzt um die Aufbesserung seiner Finanzen
1) Domkapitular Eichhorn ist freilich ganz anderer Ansicht. — (Vergl.
die Ausführungen Georg Voigt's, Enna Silvio de' Piccolomini etc. II, 223 fg.)
Eichhorn stellt die Wahl des Kardinals durch die in Glogau versammelten
Domherren als einen Akt der höchsten Klugheit dar. Wir werden nicht
irren, wenn wir sie als eine Bethätigung ihres Hasses gegen den Orden be-
zeichnen. Es befanden sich dort Plastwich und Liebenwald, die beide
wegen der Allensteiner Vorfälle aufs heftigste gegen den Orden erbittert
waren. (Brief Lieben walds an den Hochmeister, dat. Heiligenbeil den
21. Jan. 1456, K. St.-A.) Wir müssen sowohl den Versuch, uns an die
„edlen Motive**, von welchen geleitet die Domherren den Kardinal postu-
lierten, glauben zu machen, als auch die Darstellung, nach welcher Picco-
lomini aus warmer Teilnahme für die unglückliche Diözese die Wahl ange-
nommen habe, als unbegründet zurückweisen. G. Voigt (1. c. II, 224) nimmt
auch an, daß Piccolomini es bei den Domherren an Versprechungen nicht
wird haben fehlen lassen. Und wir können annehmen, daß sie besonders
bei Liebenwald, der die ganze Wahlangelegenheit in die Hand nabm, ihren
Eindruck nicht verfehlt haben werden, denn er war, wie er nachher im
Pfaffenkriege bewies, ein schwacher und leicht bestimmbarer Charakter.
2) Brief des Prokurators, dat. Born den 3. Mai 1455. K. St.-A.
3) Ueber die geringe Wirkung päpstlicher Bullen vergl. Caro 1. c. V, 70.
4) Ph. Zorn, Kirchenrecht S. 316.
5*
68 D*e Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden etc.
zu thun war. 1) Er scheute selbst vor dem unsaubersten Handel
nicht zurück, um seinen ewigen Geldmangel weniger fühlbar
zu machen. Mit dreister und unwahrer Schmeichelei machte er
sich an den polnischen König heran, um ihn zur Annerkennung
seiner Wahl zu bestimmen. Kühn behauptete er, stets der
eifrigste Freund und Förderer der polnischen Sache in Rom
gewesen zu sein, obwohl das gerade Gegentheil der Fall war.
Der König wollte jedoch nichts von der Wahl des Kardinals
wissen, ihm war nur daran gelegen, einen ihm* ganz ergebenen
Bischof im Ermland zu haben. 2) Aber alle seine Versprechungen
im Falle der Gewährung der päpstlichen Bestätigung seines Vize-
kanzlers Lutkonis nützten ihm ebenso wenig wie seine Drohungen
im Falle der Verweigerung derselben. Er mußte sich damit
begnügen, seine Anerkennung des Kardinals als ermländischen
Bischofs zu versagen. Dasselbe that der Hochmeister, und beide
haben es dem pfründenlüsternen Kardinal unmöglich gemacht,
jemals den gewünschten Nutzen aus dem gewonnenen Bistum
zu ziehen, das er in trügerischer Hoffnung und in Unkenntniß
als eine „ecclesia nobilis ac praedives, multis arcibus et oppidis
ac latissimo imperio potens" bezeichnete. 8)
Auffallend, aber sehr charakteristisch ist es, daß sich Picco-
lomini erst sehr spät um die Anerkennung seiner Wahl bei dem
Hochmeister bemühte. Er hielt, weil der Polenkönig sich im
Besitze des größeren Teiles der Diözese befand, diesen jeden-
falls für den gefährlicheren Gegner. An Kasimir wandte er
sich mit seinen heuchlerischen Bitten bereits am 30. August 1457,
an den Hochmeister schrieb er erst am 12. April 1468, und
zwar in einem merklich anderen Tone:4) Er habe gehört, daß
sich „irgendjemand'4 in Preußen als ermländischen Bischof
„geriere". Wenn dieser nicht von seiner unkanonischen Wahl
abstehe, werde er gegen ihn mit kirchlichen Censuren vorgehen.
Auch stellte er an den Hochmeister geradezu naive Zumutungen:
1) G. Voigt, 1. c. II, 224. — SS. rer. Pruss. IV, 250. — 2) G. Voigt,
1. c. II, 225. — 3) In seinen Commentarien p. 28. — 4) SS. rer. Pniss. TV,
247 u. 250. .
Von Wilhelm Brüning. 69
er möge doch seinem Prokurator (Lieben wald) die Güter und
Schlösser der Kirche, die in seiner Gewalt wären, herausgeben,
damit durch sein gutes Beispiel auch andere, die solche besäßen,
zur Bückerstattung angespornt würden.
Der Hochmeister, sicher wenig überzeugt von der Nach-
ahmungskraft dieses gewünschten guten Beispiels, behielt seine
eroberten Besitzungen.
Der Kampf dreier Parteien um die Besetzung des erm-
ländischen Stuhles und das Schisma, das dadurch über das Bis-
tum heraufbeschworen wurde, waren natürlich von dem unheil-
vollsten Einfluß auf die Verhältnisse in demselben. Der Epi-
scopat Piccolominis war nichts weniger als segensvoll für die
Diözese und der Zweck, den angeblich die Domherren bei ihrer
Wahl eines mächtigen, bei Papst, Kaiser und Fürsten ange-
sehenen Herrn im Auge gehabt hatten, nämlich mit ihrer Hilfe
die Güter der Kirche wiederzugewinnen, wurde keineswegs er-
reicht. Wir finden auch nirgends eine Bestätigung für die Be-
hauptung Eichhorn's, „daß abgesehen von der Ehre, welche der
berühmte Kardinal dem Bistum brachte, dieser durch sein An-
sehen und entschiedenes Auftreten den streitenden Parteien
Ehrfurcht einzuflößen und die Kriegsfurie in ihrem Laufe zu
hemmen verstanden habe."1) Des Kardinals Prokurator, Lieben-
wald, richtete in Preußen garnichts aus und zog sich bald wieder
arg verstimmt zurück. Der unheilvollste Söldnerkrieg tobte im
Bistum ungestört weiter, und als Piccolomini am 19. August 1458
durch seine Wahl zum Papste Gelegenheit fand, sich aus seinen
wenig ehrenvollen preußischen Händeln zurückzuziehen, sehen
wir dieselbe Gestaltung der Verhältnisse im Ermlande und die
gleiche strategische Stellung der kriegführenden Parteien, die
wir bei dem Tode des Bischofs Franz konstatiert haben. Erst
unter dem Nachfolger des Kardinals, Paul von Legendorf, sollte
eine totale, die sinkende Macht des Ordens zum raschen Verfall
treibende Umwälzung derselben stattfinden.
1) Eichhorn 1. c. S. 134. — Das Werk Voigt's läßt die gerühmte Ehre
etwas zweifelhaft erscheinen
Zu Johann Christoph Gottsched'» Lehrjahren
auf der Königsberger Universität
Von
Johannes Reicke.
,,Preussen ist nicht nur mein Vaterland, sondern es hat
mich auch in seinem Schoosse bis zu männlichen Jahren erzogen,
und auf der Königsbergischen Academie zehn Jahre lang
in den gelehrten Sprachen, freyen Künsten und "Wissenschaften
treulich unterwiesen. Besondere Schicksale nur haben mich nach
Sachsen gebracht" : so schreibt Gottsched in der Widmung sei-
nes Buches „Ausführliche Redekunst" an den damaligen Kron-
prinzen Friedrich von Preußen1) (datiert „Leipzig, in der Oster-
messe. 1736"); und auch „in diesem gesegneten Lande, und in
dem so gelehrten als weltberühmten Leipzig", fährt er fort, „hat
sich" „die natürliche Liebe gegen mein Vaterland gar nicht ver-
lohren. Mehr als einmal haben sich die Triebe der Erkennt-
lichkeit in mir gereget; mehr als einmal habe ich die Neigung
gegen diejenige hohe Schule, der ich den Grund meiner Wohl-
fart zu danken habe, auch öffentlich zu verstehen gegeben". In
der That hat er über den hier bei seinen akademischen Lehrern
genossenen Unterricht wiederholt, in Prosa und in Versen, an
Mit- und Nachwelt berichtet. Die in der folgenden Arbeit ver-
suchte Zusammenstellung dieser eigenen Aussagen, ergänzt und
erläutert besonders auch aus den, seit Jördens wohl nicht wieder
benutzten, Schilderungen seines Lebens seitens durch ihn selber,
wie es scheint, darüber unterrichteter Zeitgenossen, kann frei-
lich nur in mancherlei Einzelheiten neues bringen wollen2) —
hinweisen möchte ich unter diesen gleich hier auf die, um sie der
Vergessenheit zu entreißen, als „Anhang" abgedruckten beiden
Dissertationen seines Lehrers in der „Dichtkunst" Pietsch aus dem
Jahre 1718, die an sich für eine Geschichte der poetischen Theorien
Von Johannes Reicke. 71
jener Zeit nicht ohne Interesse sein dürften, sollten sie auch da-
mals, und sogar auf Gottsched selbst, Einfluß nicht gehabt haben.
Johann Christoph Gottsched war geboren 1700 am
2. Februar8) (Neuen Stils) in Juditten (damals öfter „Judithen-
kirch" genannt)4), nahe bei Königsberg. Sein Vater, Christoph
Gottsched, war der Pfarrer dieser Kirche5), seine Mutter, Anna
Regina, Tochter eines Pfarrers, Johann Biemann's0). „Alle"
vier Söhne7) hat der Vater „selbst unterwiesen und ohne andere
Schulen bis zu der Universität gebracht"8). Johann Christoph,
der älteste, hat ihn nicht blos in einer durch die „Critische
Dichtkunst" (1730 S. 407—410) bekannter gewordenen „Ecloge
Auf meines lieben Vaters sechzigsten Geburts-Tag 1728. Dämon
und Prutenio", in der er so sehnsuchtsvoll in Leipzig der ver-
lassenen Heimat gedenkt, als
„Den Vater, der mir selbst der Weisheit Bahn gezeigt"0)
öffentlich gepriesen; er schildert auch seinen Unterricht ausführ-
lich in mehreren Gedichten, die dann in die Sammlungen seiner
„Gedichte" 1736 und 1761 mitaufgenommen wurden. So in
dem „Poetischen Sendschreiben" ,,An seinen Herrn Vater, zu
seinem Geburtstage. 1727 den 7 Sept." 10) :
„Ach! ich denke noch der Stunden, als mir durch mein andres Jahr
Kaum der zarte Fuß zum Gehen stark genug geworden war;
Als der Mund kaum fähig schien, dir die Sylben nachzulallen,
Wie dir meine Lehrbegier damals schon so wohl gefallen.
Ich erinnre mich der Zeiten, da ich dir im Schooße saß,
Und nach deiner Unterweisung etwa deutsch und römisch las.
O wie lieblich wußtest du bald mit lockenden Geschenken,
Mit Versprechen, Scherz und Lust meine Neigungen zu lenken.
Durch die väterliche Klugheit ward die Arbeit mir ein Spiel,
Denn sie machte, daß mir alles, was mir nützte, wohlgefiel.
Mit den Jahren wuchs dein Fleiß, und so ist mein Schülerorden,
Der viel tausend Knaben qvält, mir ein Paradies geworden.
O wie lieblich ward mir ferner aller freyen Künste Grund,
Durch die väterlichen Lippen, schon in früher Jugend kund!
War doch keine Wissenschaft, die sich nur für Knaben schicket,
Die mir deine Sorgfalt nicht mit Vergnügen eingedrücket.
Schon in meinem zwölften Jahre führtest du mich bei der Hand
In das Chor der deutschen Musen, welches du vorlängst gekannt.
Dein Exempel gieng mir vor; denn nach deiner Seyten Tönen
72 Zu J. C. Gottsched's Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
Ließ sich meines neuen Rohrs ungeübter Klang gewöhnen:
Bis mir endlich Albert ine, wo der Musen Wohnplatz war,
Mehr Geduld und Lust zum Dichten, mehr Geschick und Stoff gebahr.
Aber dir, geehrter Vater! bleibet doch der erste Ruhm,
Alles, was ich bin und habe, nennet sich dein Eigenthum."
u. s. w.
In einzelnem noch mehr bietet eine „Ode Auf den Geburts-
und Namenstag Seiner Aeltern. Im Jahre 1732. den 7 Sept."11)
in den folgenden Versen:
„Und wie rühm ich deinen Fleiß,
Theurer Vater! dein Bestreben,
Mir von allem, was ich weis,
Selbst den ersten Grund zu geben?
Wie der Deutsche, Griech, Lateiner
Und Hebräer schreibt und spricht,
Dieses wies mir sonsten keiner,
Als dein treuster Unterricht;
Den ich, falls ich wechseln sollte,
Gegen nichts vertauschen wollte.
Selbst der Redner edle Kunst
Hast du mir zuerst gewiesen,
Und der Musen süsse Gunst
Durch dein Beyspiel angepriesen.
Und so wuchsen mir die Flügel
Unter deiner Vaterzucht,
Bis ich selbst den Königshügel,
Albertinens Sitz, besucht,
Wo nebst Odoacers12) Mauren,
Margraf Albrechts Künste dauren."
Und auch noch in einer „Als der Verfasser Sein Fünfzig-
stes Jahr zurücklegte. Den 2 Febr. des 1750 Jahres" gedich-
teten Ode, die beginnt „Erhabner Schöpfer alier Welt!'1,18) dankt
er Gott für diesen „Führer", der ihn auf „den Weg der Wissen-
schaft" geleitet:
„Sein treugemeynter Unterricht,
Wies mir der freyen Künste Licht,
Und was die alten Sprachen nützen.
Er selber legte so den Grund,
Er selber that mir spielend kund,
Wobey sonst Knaben mühsam schwitzen;
Bis ich im dreymal fünften Jahr,
Zu höhern Schulen tüchtig war."
Von Johannes Reicke. 73
Der Vater „wieß ihn zu denjenigen Wissenschafften an,
welche einen zukünftigen Gelehrten, und einen rechtschaffenen
Lehrer in der Kirchen zu bilden hinreichend waren", berichtet
Brucker, und seine „glückliche und getreue Erziehung fand einen
natürlichen guten Verstand und feurigen Trieb, welche verur-
sachten, daß sie so erwünscht ausfiel, daß er im Jahr 1714. nach
Königsberg auf die hohe Schule mit Nuzen gesendet werden
können".
Zu Ostern, am 19. März 1714 ist er an der Albertina im-
matriculiert und zwar seiner großen Jugend wegen vom da-
maligen Rector Prof. David Bläsing nicht vereidigt, sondern nur
durch Handschlag auf den ihm vorgelesenen Eid verpflichtet
worden14).
„Hier wiesest Du mir Gönner an,u
singt er 1760 in der Ode an Gott, unmittelbar nach den eben
angeführten Versen,
„Die meines armen Fleißes Bann
Durch Huld und Wohlthun unterstützten.
Mein Mangel ward durch Zuschub leicht,
Die Lehrer wurden mir geneigt,
Indem sie meinen Eifer schützten;
Bis ihre Hand mir noch zuletzt
Den Hut der Lehrer aufgesetzt".
„Sein Herr Vater", so erzählt Brucker, „hatte ihn der
GOttes-gelahrtheit gewiedmet15), aber wohl eingesehen, daß die
schönen Wissenschaffben, die Weltweisheit und die gelehrten
Sprachen den Weg dazu bahnen müßten, und daß ein Gottes-
gelehrter und ein in allen Wissenschafften erfahrner Mann un-
gemein wohl neben einander stehen könnte" 16). Der Sohn selber
dankt ihm dafür in jener Ode vom Jahre 1732:
„Hier empfand ich erst die Kraft
Deiner väterlichen Lehren;
Hier könnt ich die Wissenschaft
In erwünschter Freyheit hören1*.
Sein Vater, heißt es bei Brucker weiter, „gab ihm also
Anleitung unter der Anführung geschickter Männer, welche
damals in Königsberg lehrten, sich in den meisten Wissen-
74 Zu J. C. Gottsched's Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
schafften sorgfältig und fleißig umzusehen. Er ließ sich dem-
nach in den Hör-sälen der öffentlichen und Privat - lehreru —
Brucker nennt die Namen Gercke [lies: Gehrke], Rhode, Meyer ,
von Sanden, Kreuschner, Fischer, Bläsinger [lies: Bläsing],
Bast, Strimesius und Behm — „unermüdet finden, und sich
die Lehr-säze der Dicht- und Rede-kunst, der Historie, der
Mathematik, der Lateinischen und Griechischen Sprache, der
Aristotelischen, Cartesianischen und neuern Philosophie bey-
bringen" ; genaueres weiß in diesen Dingen Stolle zu berichten :
nach ihm „hörete er in den schönen Wissenschafften die Pro-
fessores Bohden und Strimes, in der alten Philosophie Prof.
Bösen und Prof. Gehrken, in der neuern Physic M. Meyern,
Prof. Fischern und Doct. von Sanden, in der practischen
Philosophie Doct. Gregorovium und M. Kreusohnern, und
in Mathefi Prof. Bläsingen und Prof. Rasten". Da er
ja aber „auf seines Vaters Gutachten die Theologie zu seinem
Hauptstudio erwehlet hatte", wie Stolle sagt, so hat er auch sie,
erzählt er selber in der Vorrede vom Jahre 1765, „mit allem
Fleiße studiret, und alle Theile derselben bey den vornehmsten
Lehrern derselben, D. Bernh. von Sanden, Heinrich
Lydiussen, Christian Masecoven, D. Quandten, D. Lang-
hansen, und Prof. Lilienthalen, auch das Hebräische und
Griechische bey D. Hahn, D. Behm, und Prof. Abrah. "Wolfen
getrieben". Ebenso allgemein hatte auch Brucker (1744) berichtet,
er habe „die vortrefflichen Gottes -gelehrten, den jezigen Herrn
Ober-hof-prediger und General -Superintendenten D. Quandten,
D. Bornhard von Sanden, D. Langhansen, D. Lysium,
und D. Masecovium, ingleichem den Herrn Lilienthal alle
Theile der Gottes-gelahrtheit erklären" gehört und „sich auch
unter Herrn D. Hahnen, und Herrn Prof. Wolfen Anleitung
in der Hebräischen Sprache" geübt; dagegen Stolle (1736) hat sich
auch hier wieder mehr auf's einzelne eingelassen und schreibt,
— nur auffallender Weise den seiner Zeit angesehensten Theo-
logen der Universität, Bernhard von Sanden, hier übergehend
— Gottsched habe „sich Doct. Hahnen und Prof. Wolfen
Von Johannes Reicke, 75
in den Orientalischen Sprachen, Doct. Quandten in Theologia
thetica, D. Lysium in der Exegesi, D. Langhansen in der
Morale, und Doct. Masecovium und M. Lilienthalen in der
Homiletio unterrichten" lassen.
Nicht zwar welche Ausbildung ihm durch jeden einzelnen
dieser seiner akademischen Lehrer17) hier zu Theil geworden18),
wohl aber welche Bedeutung im allgemeinen die verschiedenen
Gebiete seiner unter ihrer Anleitung getriebenen Studien für
ihn gehabt haben, darüber hat sich Gottsched selbst öffentlich
erklärt. Ehe ich nun diese seine eigenen Aussagen anführe,
möchte ich eine andere, freilich äußerliche, Frage doch berühren,
— nur um der Docenten willen die dabei in Betracht kommen:
Seine oben citierten Worte von „Huld und Wohlthun",
und „Zuschub", durch „Gönner" auf der Universität (und ähnliche
gebraucht er auch in der gegen das Ende hin anzuführenden „Ele-
gie Als er aus seinem Yaterlande gieng, 1724") können doch,
wenn auch nicht gerade müssen, so ausgelegt werden, daß ihm
auch materielle Unterstützungen von dieser werden zu Theil ge-
worden sein. Vielleicht — um von Stipendien, deren es zumal für
Theologen gewiß auch damals viele gab, ganz abzusehen — wird
man annehmen dürfen? daß der junge Student, der ja sein Eltern*
haus nicht in der Stadt hatte19) und über reichliche Mittel, als
Landpfarrerssohn, wohl auch nicht wird haben verfügen können,
gleich so manchen anderen in dem „communi Convictorio" (der
„Communität") „bei dem Oeconomo" (oder „Probst") „wohlfeiler als
in der Stadt" (als „Convictorialis" oder „Commensalis") wird haben
speisen20), oder etwa auf dem „academischen Collegio" „vor
einen geringen Zins" (als „Contubernalis") wird haben wohnen21)
dürfen, vielleicht gar auch ganz unter die, daselbst wohnenden und
speisenden, „Alumnen"22) wird aufgenommen sein: das waren,
neben Stipendien, die damaligen „zum besten armer Studiren-
den gemachten Anstalten"28) der Universität. Im besondern das
Alumnat war recht „eigentlich für Studiosos Theologiae gestiftet,
indem die sämmtlichen Alumni ohne Unterschied sich verpflichten
76 Zu J. C. Gottscheds Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
müssen, die theologischen Lectiones fleißig zu besuchen, damit sie
dermaleinst gehörig gebraucht werden können", giebt noch
1746 Arnoldt an; allerdings aber sollten, nach ihm, „zum Alu-
mnat gelassen werden" nur solche „so von eigenen Mitteln ent-
blösset . . . und insbesondre ganz arm sind, in dem den übrigen
mit dem Convictorio zu Hülfe gekommen werden kann", auch
sollten überhaupt „Leute die noch gar zu jung — nach den
damals noch geltenden „Leges Alumnorum" vom Jahre 1560
(confirmirt 166 1)24) sollte, wie er sagt, „ordentlicher Weise ein
Alumnus bereits über sechzehen Jahre sein" — , oder zu weit in
Studiis zurücke sind, nicht angenommen" werden: ob nach diesen
Bestimmungen Gottsched überhaupt, wenn auch nicht sogleich
seiner jungen Jahre wegen, so doch bald in ihre Zahl wird haben
aufgenommen werden können? — Als „Oberinspector"26) über
„die in dem Convictorio speisenden, und auf dem Collegio logiren-
den Studiosi, besonders die Alumni" und allgemein über die aka-
demischen Gebäude, als solcher zugleich auch Aufseher über die
Akademische Bibliothek, fungierte damals (1703 — 1719) der ordent-
liche Professor der Mathematik M. David Bläsing; „Sub-oderVice-
inspector"26) („Inspector secundarius") warl713 — 1715 M. Michael
Lilienthal und nach ihm 1715 — 1719 M. Johann Jacob
Eohde. Beide nun hat Gottsched, jenen vielleicht, diesen be-
stimmt sogleich in den ersten Semestern seiner Studienzeit, ge-
hört: möglicherweise, meine ich, als „Alumnus" oder doch „Con-
tubernalis". Nämlich, der Oberinspector hatte (nach Arnoldt's
Angaben) nur die oberste Aufsicht und die Verwaltung der ihm
unterstellten Einrichtungen wahrzunehmen ; des „Sub- oder Vice-
inspectoris Verrichtung" aber sollte nicht blos „sein, daß er mit
den Studiosis in der Communität speise und acht habe, daß es
bey Tische still und ordentlich, besonders unter dem Gebet und
Bibellesen, zugehe, den Precibus beywohne, die Stuben visitire,
und mit den Jüngern Alumnis ihre Collegia wiederhole", auch
„mit denselben in die Kirche gehe", sondern er sollte auch, be-
richtet Arnoldt, „sie im Stilo üben" — ja, die betreffenden Be-
stimmungen jener „Leges Alumnorum" selber verlangen noch
Von Johannes Reicke. 77
einiges mehr, sie scheinen mir interessant genug sie (nach seinem
Abdruck) hierherzusetzen :
„De Ordine Lectionum & Uepetitionum. Lex VIII.
Quatuor ad minimum Lectiones publicas Alumnorum quisque
quotidie audito, pro profectu cuique fuo et Studiorum ratione
a Senatu poft exploratos in Examine fingulos junctas, praeter
quas Infpector diebus Lunae, Martis, Jovis et Veneris hora fe-
cunda aut quarta vefpertina et quinta matutina, cum iis potiffi-
mum, qui in fecundo et tertio funt ordine27), repetet, et audi-
tarum lectionum rationes ab iis exiget. Die Mercurii vero pri-
vatim aliquid praeleget Alumnis omnibus fructuofum; die Saturni
Catechifmum et Explicationes Evangeliorum Dominicalium non
negliget. Diebus Solis et Feftis omnes Alumni cum Infpectore
templum ingrediantur, conciones facras diligenter audiant, publicis
facris et precibus interfint, nee niii cum Infpectore egrediantur.
Qui fecus fecerit, pro arbitrio Senatus graviter muletabitur.
De Exercitiis. Lex IX.
Diebus Mercurii aut Saturni ab Infpectore propofito argu-
mento aecurate feripta Alumnorum emendanda funt. Jubebit
etiam ut Adolefcentes, quorum ingenia ad Poefin apta funt, Car-
olina feripta exhibeant, profectiores poft menfis uniuseujusque
fpatium integram declamationem vel concionem latino fermone
feriptam exhibere teneantur, vel fingulis 14. diebus xquclv, yvioprjvy
O&aiv, locum communem aut fimile quid tractent. Cum celebrantur
publicae Disputationes, omnes alumni interfint, et ex primo
ordine27) finguli uno atque altero argumento propofito oftendant
Specimen ingenii et doctrinae. Cum juffi fuerint ab Infpectore,
ut publice refpondeant vel declament, detreetare non liceat.44
Also, als Gottsched zu Ostern 1714 die Universität bezog,
war Subinspector noch M. Michael Lilienthal. Nach seinen
eigenen Angaben28), (geb. 1686 zu Liebstadt im [ostpreußischen]
Oberlande) hatte er 1700—1706 hier in Königsberg studiert, dar-
auf in Jena 1706 (21. Oct.) sich zum Magister promovieren
lassen und dann noch einige Jahre zunächst an dieser und seit
78 Zu J. C. Gottsched's Lehrjahren auf der Königeberger Universität.
1708 an der Universität Rostock seine Studien fortgesetzt, noch
Collegia hörend, dann aber auch selber solche lesend und durch
eigene Arbeiten sich bekannt machend, auch während der Zeit
Reisen durch Deutschland und nach Holland gemacht, war, schon
auf der Heimkehr, damals bereits, 1711 in Berlin „von der Königl.
Preußischen Societät der Wissenschaften, als ein Mit-Glied auf-
genommen", wobei er, berichtet er, „so wohl von dem damahligen
wackern Presidenten, dem Baron von Leibnitz, als andern ge-
genwärtigen Membris besonders distingviret wurde"; und endlich
1711 Ende Juni war er wieder in Königsberg angekommen.
Hier war er von der Philosophischen Facultät als Magister legens
angenommen worden (2. December hat er pro receptione über
sein „Schediasma de Philothecis, variisque eorundem usu et
abusu, vulgo von Stamm-Büchern u disputiert), und hatte darauf,
erzählt er, „den Anfang gemacht Collegia privata und privatis-
sima, zu lesen, zu welchen sich viele Auditores fanden". „Es
waren Collegia styli Latini & Germanici, Exeroitia Disputatoria,
Lectiones Philosophien, insonderheit aber Collegia über die histo-
riam literariam und notitiam Autorum". „Nach der Hand" hat
er „auch die Historiam universalem, Numismaticam, Geographie
und HeraJdic der Jugend vorgetragen". 1713 war ihm dann,
„von Hofe aus, ohn mein Begehren," sagt er, die Stelle eines
„Inspector Secundarius Alumnorum" übertragen worden, „zu
welcher" ihn der Rector Magnificus „d. 24. Sept. introducirte":
„In dieser Bedienung", schreibt er, „bin fast zwey Jahr ge-
standen, und habe denen Königl. Alumnis mit Lesen und Dis-
putiren zu dienen gesuohet. Wie denn, nicht nur Lectiones in
varia Novi foederis loca ihnen gehalten, und dieselbe ex antiqui-
tatibus, moribus & ritibus gentium erleutert; sondern sie auch
aufs Catheder gefübret, und vermittelst einiger, nachmahls zu-
sammen gedruckten Exercitationum, sie im Disputiren geübet:
Wodurch mir denn eine sonderbahre Liebe und Hochachtung bey
denen Convictoribus erworben ; zumahl da ich ihnen des Abends,
post preces, noch allezeit ein pabulum animi mitgab, und etwas
aus der historia literaria, philologia oder theologia vordiscourrirte,
Von Johannes Reicke. 79
da denn offib, wohl mehr als 100. Auditores diese Lectiones Ve-
spertinas besuchet haben". 1714, in welchem Jahre ihm auch
„bey, der hiesigen Königl. Schloß-Bibliotheck, die Function eines
Sub-Bibliothecarii anvertrauet" wurde, welche er „auch in die
anderthalb Jahr verwaltet", habe er, giebt er an, folgende „Col-
legia" gelesen: „Ein Literarium über eines Anonymi Tract. Die
gantze Gelahrtheit überhaupt. Ein anders über Struvii Intro-
ductionem in notitiam rei literarise, davon meine Notata nach-
mahls draussen sind gedruckt worden. Ein Collegium Philolo-
gico-Criticum, in Historiam Passionis JESU Christi; und ein
ander dergleichen in Pericopas Evangeliorum Dominieales &c."
„Zu Anfang des 1715. Jahres habe ein Collegium historicum
zu lesen angefangen," berichtet er weiter, „über die Antiqui-
täten und andre Merckwürdigkeiten des Königreichs Preussen,
zu welchem die Auditores, durch ein in deutscher Sprache ge-
drucktes Programma, invitiret, in welchem zugleich der Ent-
wurf! dieses Collegii enthalten war. Jedoch da ich bey Ausar-
beitung derer im Entwurf gemachten Articul, bis auf die Bubrick :
vom Kneiphoff Königsberg gekommen war, so wurde gantz un-
vermuthet zum Diaconat im Kneiphoff beruffen": am 4. Juni
erhielt er die „Vocation" und nahm sie an; am 19. Juni bestand
er dann „das Examen im Consistorio", am 28. Juli fand „die
Ordination im Kneiphoff" statt, und am 30. Juli wurde er „in-
troduciret"29). Ob nun Gottsched eben während seiner drei
ersten Semester 1714 — 1715, sei es als alumnus oder nicht, bei
Lilienthal80) irgend welche der hier, nach diesem selbst, ge-
nannten Collegia und Uebungen besucht haben wird? Wahr-
scheinlicher ist mir dies, — obgleich freilich die Angabe Stolle's,
er habe sich durch ihn „in der Homiletic unterrichten" lassen,
auf die vielleicht auch nicht so ohne weiteres abzuweisende
andere Möglichkeit, die ich in der Anmerkung81) erwähnen will,
wohl besser passen mag.
Lilienthal also war im Sommer 1715 aus seiner Stellung
als Subinspector Alumnorum ausgeschieden, und es wurde mit
80 Zu J. 0. Gottscheds Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
diesem Amte M. Johann Jacob Rohde (Eh o de) betraut. Er82)
(1690 24. August hier in Königsberg als Sohn eines Stadtraths
Jacob Rohde geboren) hatte 1706 — 1711 auf der hiesigen Uni-
versität zunächst philosophische Vorlesungen gehört und dann
sich, dem Wunsche seiner Eltern gemäß, der Theologie be-
fleißigt; 1711 um Johannis war er sodann auf Reisen gegangen:
durch Deutschland und später auch nach Holland. — Auf der
Universität Jena — eine „Academiam eruditissimis hominibus
liberalissimisque studiis affluentem" nennt sie der Biograph —
hat er sich länger als anderthalb Jahre aufgehalten: er hörte
da eifrig nicht blos theologische Vorlesungen, sondern auch den
Mathematiker Georg Albrecht Hamberger, „loh. Casp. Posnerum,
Oratorem", den Historiker Burchard Gotthelf Struve u. a. m.
„Quorum vni praesertim", berichtet der selbe, „oratori videlicet
Academico, omne id ee debere semper praedicauit Rohdius
noster, quicquid in pulcherrimis eloquentiae Romanae studiis
possidebat, quod sane multum ao praeclarum fuisse, deinde ali-
quoties in cathedra Academiae nostrae publica, oratoris ordinarii
vicibus functus, luculenter ostendit". Nachdem er in Jena im
Jahre 1713 zum Magister Philosophiae promoviert worden, fand
er alsbald auch dort schon Gelegenheit ein Mal als Redner im
Namen der Universität aufzutreten: auf Friedrich I. den damals
gestorbenen ersten König in Preußen hielt er am Sonntage Mise-
ricordias [= 30. April], dem Tage des feierlichen Leichenbegäng-
nisses in Berlin, in der Universitätskirche einen Lateinischen
Panegyricus, der übrigens auch gedruckt wurde. — Ueberall
aber — der Biograph hat die hauptsächlichsten Orte, die er auf-
suchte, der Reihe nach aufgeführt — , „in his commemoratis locis
singulis", schließt er den Reisebericht, „tantum temporis im-
pendit, quantum requiritur, vt prudens quisque peregrinator,
publica priuataque opera maxima, oculis obeat; virorum clarissi-
morum cognitionem sibi comparet, horum bibliothecas, et reli-
quum artificiosum, pretiosum atque eruditioni seruientem appa-
ratum, curatius penitiusque inspiciat. In itineribus igitur tarn
variis, terra marique emensis, Rohdius noster iis animum suum
Von Jobannes Heicke. gl
locupletauit opibus, quibus animos aliorum aliquando locupletare
posset professor". Nach Königsberg heimgekehrt, ließ er sich hier
(1713 11. Dec.) wieder immatriculieren und disputierte im März88)
1714 pro receptione inFacultatem „De lectis veterum lucubratoriis".
Dann, „docendo, concionando, declamando, disputando per dili-
gentem se praestans philosophiae Magistrum", sagt der Biograph,
wurde er 1715 zum Subinspector der Alumnen bestellt. Das
blieb er bis 1719, in welchem Jahre er einem Rufe des Raths
der Stadt Elbing als Con-Rector und Professor an's Gymnasium
daselbst folgte: da hat er, giebt die Biographie an, „philoso-
phiam moralem, historiam yniuersalem, artemque oratoriam" ge-
lehrt; aber nach wenig mehr als neun Monaten kehrte er 1720,
in die ordentliche Professur der Logik und Metaphysik berufen,
nach Königsberg zurück: im April88) disputierte er pro loco „De
praecipuis Logicae vulgaris naevis". In diesem Amte dann, ur-
theilt der Biograph, „docendi ac disputandi sollertia talem se ad
nouißsimam vsque valetudinem probauit, qualem boni omnes votis
fingere solent; quin etiam aliis super alia speciminibus, publice
editis84), non minori praesentium vtilitati studuit, quam famam
apud exteros magnam gloriamque sibi comparauit". Er ist früh,
1727 am 4. Juli, gestorben. Gerühmt wird in den Schluß-
worten des officiellen Nachrufs besonders auch sein „benignus
animus, et doctrinis, et commendationibus, et beneficiis, ornandi,
fouendi, acuendi ad bonas litteras studiosam juuentutem". Bei
ihm nun, erzählt Gottsched86), habe er schon „1714, gleich
im Anfange" seiner „Academischen Jahre", „ein sogenanntes
Collegium Poeticum zu hören" „Gelegenheit" gehabt; und an
anderer Stelle80) bezeichnet er ihn auch als seinen „königsber-
gischen Lehrer der Beredsamkeit". Gäbe er nicht für jenes
selber das Jahr so bestimmt an, so würde ich allerdings, auf
die obigen Notizen über die Aufgaben des Subinspectors der
Alumnen hin, anzunehmen geneigt sein, Gottsched habe von ihm
als solchem, und dann eben wahrscheinlich als alumnus, Unter-
richt im poetischen und prosaischen Stil erhalten. Jedesfalls
also war ftobde sein Lehrer in der „Dichtkunst" und in der
Alipr. Monatsschrift Bd. XXIX Hit. U2. 6
82 Zu J- 0. Gottscheds Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
„Redekunst": über beides werde ich nachher noch sprechen; ob
Gottsched ihn später auch noch als Professor der reinen Philo-
sophie, also im Jahre 1720 und den folgenden, gehört haben
mag, darüber läßt sich nichts ausmachen.
Von dieser, der „Weltweisheit1', fühlte sich der Student
am meisten angezogen. 1740 am 20. Februar hat er an den
Grafen Ernst Christoph von Manteuffel in Berlin geschrieben :
„Man weiß in Königsberg wohl, daß ich daselbst zehn Jahre
lang ein eifriger Theologus gewesen4 ' 87). Er trieb die Theologie
gewiß inständig und wirklich eindringend ; um so weniger konnte
sie ihn befriedigen : „die philosophische Art zu denken", be-
richtet er in der Vorrede vom Jahre 1755, „die ich mir aus
der cartesianischen, thomasischen und wölfischen Art zu philoso-
phiren geläufig gemachet hatte, machete mich begieriger nach
deutlichen Begriffen in theologischen Materien, als es manchmal
meinen Lehrern lieb seyn mochte. Ich disputirete gern, und
oft; und wenn ich opponirte, trug ich immer wahre, nicht aber
verstellte Zweifel vor. Daher trieb ich sie bisweilen schärfer,
als andere; und bemerkete manchmal, daß mir ihre Knoten mit
unwilligen Antworten, mehr durchschnitten, als aufgelöset
wurden". „In der Weltweisheit", lehrte er 1733 in der Vor-
rede zur ersten Ausgabe seines philosophischen Lehrbuches
„Erste Gründe Der Gesamten Weltweisheit" „Erster, Theoretischer
Theil", ,,sind wir an keine Glaubensformeln und gewisse Aus-
drückungen gebunden. Ein jeder philosophiret nach seinen Kräften,
nach seiner Einsicht undüebung; und bindet sich dabey an nieman-
des Vorschrift. Die Gaben sind mancherley, auch die Art und Weise,
wie man zur Erkenntniß Philosophischer Wahrheiten gekommen,
ist sehr unterschieden. Dieses beydes aber machet, daß man
eine Sache von dieser oder jener Seite ansieht, so oder anders
befindet. Wer sein Lebenlang nur eines einzigen Weltweisen
Bücher mit Fleiß gelesen hat, oder doch gleich Anfangs auf
dessen Schriften verfallen ist, der kan allerdings ein strenger Nach-
folger desselben werden. Er wird nur nach seines Lehrers Art
Von Johannes Jteicke. g$
denken, nur mit dessen Worten reden, nur fftr dessen Sätze
eifern; und weil er keine andre Meynungen mit ihren oft sehr
wahrscheinlichen Beweisen gelesen oder gehöret: So müssen ihm
freylich viele unzulänglich erwiesene Sachen oftmals als un-
umstößliche Wahrheiten vorkommen. Die Peripatetische und
Cartesianiche Schule hat uns viele solche Exempel gegeben,
und auch die neuern Zeiten zeigen, daß es nicht unmöglich sey,
wieder in eine sectirische Philosophie zu verfallen, daraus uns
doch die grösten Männer mit so vieler Mühe zu reissen beflissen
gewesen. Mich hat in meinen Academischen Jahren, die grosse
Freyheit zu philosophiren, die auf der Königsbergischen Univer-
sität damals herrschete, vor einer so sclavischen Art zu denken
und zu lehren in Sicherheit gesetzet. Nachdem ich im Jahr«
1714 und 1715 die Aristotelische Philosophie nach allen ihren
Theilen durchgehöret hatte, fieng ich die Cartesianische an zu
hören, und die Mathematic damit zu verbinden. Diese gab mir
nun, sonderlich in der Physick, anfänglich ein völliges Ver-
gnügen, und ich dachte Wunder wieviel ich von der Natur
wüste: bis ich aus des P. Daniels Voyage du Monde de Defcartes,
und aus Clerici Philosophischen Werken unzehliche Schwierig-
keiten einsehen lernte, die man aus dieses Weltweisen Grundsätzen
nicht auflösen konnte. Ich suchte darauf in Sturms und
Scheuchzers Schriften Trost zu finden; sähe aber, daß ich
nirgends sattsame Gewißheit fand. Dabey lernte ich unzehliche
Schriften berühmter Weltweisen aus Frankreich, Holland und Engel-
land kennen, die mir meine peripatetische u. Cartesianische Lehrer
niemals genennet hatten. Ich gerieht auch über Lockes Werk vom
menschlichen Verstände, nach der Lateinischen Uebersetzung,
und setzte nachmals in der practischen Philosophie mein Ver-
trauen auf die Thomasischen Schriften, darüber ich gröstentheils
ordentliche Collegia gehöret. Daß ich ausser denen, Puffendorfs,
Grotii, Geulings, Philarets und andre dahin gehörige Sachen
gelesen, will ich nicht einmal gedenken. Und bey aller dieser
Vermengung so verschiedener Ideen und Grundsätze wüste ich
endlich selbst nicht wohin ich gehörte, konnte mich auch viel-
6*
£4 Zu J. C . Gottsched' s Lehrjahren auf der Königsberger Universität
mals nicht entschliessen mit wessen Meynnngen ich es halten
sollte. Endlich bekam ich durch des seel. Prof. Basten in
Königsberg Explicationem Leibnitianam mntationam Barometri
in tempeftatibus pluviis, contra Desagalieri dabitationes affertam,
welche DiiTertation ich 1719. vertheidigen half, eine unverhofte
Gelegenheit auf dieses grossen Mannes Schriften zu gerathen.
Ich las dessen Theodicee mit unbeschreiblichem Vergnügen, weil
ich hundert Scrupel darum aufgelöset fand, die mich in allerley
Materien beunruhiget hatten. Ich lernte aber zu gleicher Zeit
auch Herrn Hofrath "Wolfs Gedanken von Gott, der Welt und
der Seele des Menschen kennen. Hier gieng mirs nun wie einem,
der aus einem wilden Meere wiederwärtiger Meynungen in
einen sichern Hafen einläuft und nach vielem Wallen und
Schweben, endlich auf ein festes Land zu stehen kommt. Hier
fand ich diejenige Gewißheit, so ich vorhin allenthalben ver-
geblich gesucht hatte. Und ungeachtet ich niemanden hatte,
der mir darüber gelesen hätte: so begriff ich doch durch meinen
Fleiß und eigenes Nachsinnen sehr wohl, wie grosse Vorzüge
diese Art die Weltweisheit abzuhandeln vor allen andern hätte,
die mir bis dahin bekannt geworden." „Ich habe auch nach
der Zeit", erklärt er, „nicht Ursache gefunden, dieses Urtheil
zu wiederruffen, ungeachtet ich nicht nachgelassen, auch die
Schriften andrer Philosophen, die sich in der Welt einen
Nahmen erworben, nachzulesen. Nirgends habe ich diejenige
Ordnung und Gründlichkeit gefunden, und nirgends habe
ich mich mehr befriedigen können, als in Herrn Wolfs
Schriften".88) Und ähnlich berichtete er 17B5 in seiner Biographie
WolfFs, betitelt „Historische Lobschrift des weiland . . .Herrn
Christians, des H. E. K. Freyherrn von Wolf," etc., S. 85, in-
dem er da sich selbst unter die frühesten „Anhänger und Ver-
theidiger" des verfolgten Philosophen zählt: „Ich hatte zu Königs-
berg nicht nur die aristotelische Philosophie, sondern auch die
cartesianische, und Experimentalphysik, ferner die thomasische
Sittenlehre und sein Recht der Natur erklären gehöret: außer-
dem aber auch le Clercs und Lockens Sachen fleißig gelesen,
Von Johannes Reicke. 35
und die Mathematik über Sturms Tabellen und Mathefin Juvenilem,
auch Herrn Wolfs Anfangsgründe zweymal gehöret. Auf Ver-
anlassung des sei. Prof. Rasts aber, unter welchem ich 1719 de
mutationibus barometri in tempeftatibus pluviis, disputiret hatte,
las ich 1720 die vernünftigen Gedanken von Gott, der Welt,
und der Seele des Menschen; zu einer Zeit, da ich eben mit
LeibnitzensTheodicee beschäftiget war, der zu Liebe ich französisch
gelernet hatte. So voll aber mein Kopf schon von philosophischen
Meynungen war, so ein starkes Licht gieng mir, aus diesen
beyden letzten Büchern, auf einmal auf. Alle meine Zweifel,
womit ich mich vorhin gequälet hatte, löseten sich allmählich
auf. Ich hub an, Ordnung und Wahrheit in der Welt zu sehen,
die mir vorhin, wie ein Labyrinth und Traum vorgekommen war.
Es war also kein Wunder, daß ich mich auch in denen Abhand-
lungen, womit ich mir sowohl in Königsberg 1723*), als hier
in Leipzig 1724**), das Recht Vorlesungen zu halten, erwarb,
mich als einen Lehrling des Hrn. Hofrath Wolfs zeigte; un-
geachtet ich weder ihn selbst, noch einen seiner Schüler jemals
gehöret hatte."89)
Niemand, schrieb er in der Vorrede der ersten seiner drei
Disputationen „Vindiciae Systematis influxus physici" 1727, wie
Danzel40) anfuhrt, könne zu wahrer Wissenschaft gelangen
„qui non principia cognitionis suae ex solidioris Philosophiae
sacrariis repetierit"; gelehrt möge man ohne Philosophie sein,
„vir intelligens autem sciensque, qui nihil pro certo habet, nisi
quod evidenti ratione demonstratum, immotisque veritatibus super-
structum ftierit, is quidem, si absque philosophia exsisteret um«
quam, prodigii instar monstrique habendus esset". Und er selber
hat diesen seinen Grundsatz überall zu befolgen und geltend zu
machen gesucht. —
„Gantz philosophisch, oder welches mir gleichviel düncket,
vernunfftmäßig", erklärt er in der „Vorrede an den Leser" („Ge-
*) Genuina omniprsefentise divinee notio.
**) Hamartigenia, f. cle formte vitjorum queeftio, philofophice foluta.
86 Zu J. C. Gottsched's Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
schrieben in der Leipziger Michaels Messe 1728") sogleich seines
ersten Lehrbuches „Grundriß Zu einer Vernunfftmäßigen Rede-
kunst Mehrentheils nach Anleitung der alten Grieohen und Römer
entworfen und zum Gebrauch seiner Zuhörer ans Licht gestellet"
Hannover 1729, seien „die Ideen" der „großen Meister" „der
Alten" „von der Beredsamkeit" „gewesen", darum folge er ihnen.
„Die wahre Beredsamkeit" aber stellt er besonders hoch: sie
sei „gleichsam ein Zusammenfluß aller ernsthafften und an-
muthigen Wissenschafften, ja der höchste Gipfel der Gelehrsam-
keit", sagt er in der Widmung dieses Werkes (datiert „Leipzig
1728 den 6 Octob."). Er hatte ihr denn auch schon hier in
Königsberg eifrig obgelegen: Die „Historische Einleitung" in
seine „Ausführliche Redekunst, Nach Anleitung der alten
Griechen und Römer, wie auch der neuern Ausländer; Geist-
lichen und weltlichen Rednern zu gut, in zweenen Theilen ver-
fasset und mit Exempeln erläutert" vom Jahre 1736 handelt zu-
nächst „Vom Ursprünge und Wachsthume der Beredsamkeit bey
den Alten", und dann von „den Schicksalen der Beredsamkeit in
Deutschland, bis auf das 1720 ste Jahr, als in welchem", sagt
er, „ich selbst die Augen aufzuthun, und die Beredsamkeit mit
Verstände zu treiben angefangen. Damals las ich alles, was mir
von oratorischen Schriften vorkam, mit dem grösten Eifer, weil
ich, nach gefaßten philosophischen und theologischen Grundlehren,
nun auf die geschickte Art, meine Wissenschaft wieder an den
Mann zu bringen, denken muste". — „Im Jahre 1720. fing er
an vor sich zu studiren", meldet auch Stolle (1736). — So seien
ihm denn auch, erklärt er in jener Vorrede vom Jahre 1756,
als er später in Leipzig seine „oratorischen Vorlesungen" zu
halten angefangen habe, „die weisischen, talandrischen, menan-
tischen, hübnerischen und uhsischen Redekünste längst bekannt"
gewesen; aber — so lauten seine Worte — es „hatten mir doch
dieselben niemals eine Gnüge gethan. Ich hatte aus dem wieder-
holten Lesen dieser Bücher mir noch keinen vernünftigen Begriff
von der Redekunst machen gelernet. Selbst von meinem königs-
bergischen Lehrer der Beredsamkeit, dem sei. Prof. Rohden,
Von Johannes Beicke. 87
hatte ich keine andere Grundsätze davon erlernet, als die aus
trüben Quellen geschöpfet waren: und keiner von diesen allen
hatte mich auf die Alten verwiesen": bei ihnen bekennt er erst
in Leipzig in die Lehre gegangen zu sein.
Geübt hat er sich in Königsberg, als Theologe, besonders,
scheint es, in der geistlichen „Wohlredenheit", durch häufiges
Predigen; in der weltlichen gewiß hauptsächlich um der Pflege
des Lateinischen Ausdrucks willen. War er alumnus, so maßte
er wohl beides, sobald er zu den „profectiores" gezählt wurde,
unter der Anleitung des Subinspectors mit vorgeschriebener
Regelmäßigkeit. Aber erst in Leipzig, in der daselbst bestehen-
den „vertrauten Rednergesellschaft" hat er in deutscher Sprache
„Uebungsreden", wie er 1736 41) angiebt, „seit 1724. bis 1729.
als Magister gehalten": „Es ist in dieser Gesellschaft", sagt er,
„bloß auf die Uebung abgesehen, und es steht irey, zu reden,
wovon man will. Die sämmtlichen Mitglieder geben dem Redner
allemal ihre Erinnerungen: Und ich kan sagen, daß ich diese
Gelegenheit mich zu üben, begierig ergriffen, sobald ich nach
Leipzig gekommen, auch mit grossem Vortheile getrieben habe;
weil es mir in meinen vormaligen academischen Jahren in
Königsberg daran gefehlet hatte". Prof. ordin. Eloquentiae und
zugleich Historiarum war hier 1710 — 1735 M. Johann Samuel
Strimesius: Pisanski48) berichtet über ihn, er habe „die Zierlich-
keit der lateinischen Schreibart vor anderen in seiner Gewalt
gehabt", wie er „durch seine mit großem Beyfall gehaltene Reden
und im netten Stil ausgefertigte Schrifften dargethan" habe.
Stolle und Brucker nennen ihn unter Gottscheds Lehrern; daß
dieser selber ihn irgendwo als solchen aufführe, habe ich nicht
gefunden. Aber auch Johann Jacob Rohde wird in jenem
officiellen Nachruf, wie ich schon anführte, als (sicherlich Latei-
nischer) „orator" der Universität sehr gerühmt; und Pisanski42)
sagt, er werde „auch" „zu denen, die den Flor des reinen Lateins
in Preußen befördert haben," „gezählet": Gottsched wird sich
also bei ihm im Lateinischen Stil48) gut geschult haben.
88 Zu J. 0. Gottscheds Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
Disputiert hat er, wie er selber in der Vorrede vom Jahre 1755
erwähnt, „gern und oft" : vielfach gewiß nur, der Uebung wegen
— war er alumnus, so wird er dazu angehalten worden sein — ,
als Opponent die aufgestellten Sätze anderer angreifend und mit
Gründen zu widerlegen suchend; alsBespondent auf dem Titel-
blatte genannt scheint er zuerst im Jahre 1719 zu sein: Damals,
erzählt er ebenda, „vertheidigte ich unter M. Georg Basten nach-
maligem Prof. Math. Extr. die Dissertation wider den Engländer
Desaguliers, von den Caufis mutationis Barometri in tempeftati-
bus pluviis; darinn Leibnitzens angegebenes Experiment zu Er-
klärung dieser Sache, in dem zwischen dem Bamazzini, und
Schelhammern entstandenen Streite, vertheidiget ward. Doch,
weil ich weder diese, noch etliche andere historische und theo-
logische Dissertationen, die ich unter M. Neufelden, D. von
Sanden, D. Masecov, und D. Quandten, als Bespondent
verfechten helfen, selbst gemachet: so will ich ihrer nicht einmal
erwähnen". Stolle weiß auch diese mit ihren Titeln anzuführen.
Und so lassen sich denn, auf beider Angaben hin, als von ihm
als Bespondenten mitvertheidigte Disputationen anderer Ver-
fasser, der Präsiden, die in der Anmerkung44) aufzuzählenden fest-
stellen. Erwähnenswerth ist dann aber auch noch eine von Gott-
sched selber ausgearbeitete theologische Dissertation, die er
nur hat vertheidigen wollen: in welchem Jahre, sagt weder Stolle,
noch er selbst in jener Vorrede vom Jahre 1755, in der er um-
ständlich über sie berichtet. Sie handelte (Stolle sagt: „de con-
verfione mediata & immediata"), wie er anführt, „de Converfione
hominis, & gratia Dei in eadem efficaci, & fufficiente". Stolle
sagt: ,,Endlich wollte er unter D. Quandtens Vorsitz" dies
„Thema" „ventiliren,. er war auch mit dieser Schrifft fertig,
wurde aber durch die viele Arbeit seines Praefidis daran ge-
hindert"; Gottsched erzählt, vielleicht nur selbst sich die Sache
so auslegend: „Ich ward fertig damit, und übergab sie einem
berühmten Theologen, dem ich mehr, als andern zutrauete, zum
Durchsehen, und bath mir sein Präsidium dabey aus. Allein,
umsonst. Meine Meynung schien ihm nicht orthodox genug zu
Von Johannes Reicke. 89
seyn; und ich bekam meine Abschrift nicht einmal wieder". Er
scheint, entgegen seiner obigen Angabe, unter Quandt über-
haupt nicht disputiert zu haben44).
Eine andere von ihm selbst ausgearbeitete „akademische
Schrift", philosophischenlnhalts, hatGottsched 1721 am 25. Se-
ptember (nicht „im 1722 sten Jahre", wie er in der Vorrede von 1765
angiebt) auf's Katheder gebracht. Er „trug" darin seine da-
maligen — später, wie er bemerkt, von ihm aufgegebenen —
„Zweifel gegen die leibnitzischen Monaden vor": „sie hieß",
sagt er, „Dubia circa Monades Leibnitianas, und ich erwählete
mir Hrn. D. Langhansen, Professorn der Mathematik, und
nachmaligen Hofpredigern und Professorn der Theologie, zum
Präses. Ehe ich sie aber ans Licht stellete, hatte ich sie dem
sei. Prof. Basten, Prof. Fischern, und M. Kreuschnern, bey
denen ich philosophische und mathematische Vorlesungen gehöret
hatte, geschrieben zur Prüfung unterworfen; und mir die Auf-
lösung meiner Zweifel ausgebethen. Da es mir aber bey keinem
damit gelungen war, wägete ich mich damit ans Licht, und ver-
teidigte sie öffentlich". Ihr Titel lautet: Dvbia circa Monades
Leibnitianas qvatenvs ipsae pro elementis corporvm venditantvr Praeeide
Christoph. Langhansen S. 8. Theol. D. et Prof. Extr. nee non Mathem.
Prof. OrcL Reg. Alvmn. et Comin. Convict. Insp. Primär. Soc. Berol.
Scient. Sod. proponit atqve defendet Io. Christoph. Gottsched, Ivdith.
Borvwvs. A. E. S. MDCCXXI. XXV. Sept. Regiomonti, Litteris Heus-
nerianis. (20 S. 4.) — die Widmung: Amplissimae Reipvblicae Palaeo-
politanae gvbernaevlis assidentibvs Consvli Proconsvli Senatoribvs eiqve
qvi ipsis a secretis est viris vt alias virtvtes taceam incomparabili in
litteras propensione conspievis meditationvm philosophicarvm pri-
mitia8 1. m. q. consecrat Respondens Avctor. Stolle (1736) berichtet,
„man" habe auch sie „nachmahls vor seines Praefidis Arbeit
ausgegeben".
Uebrigens hat er während seiner akademischen Lehrjahre,
erzählt er selber, nicht blos „oft", sondern auch „gern" dis-
putiert: interessant sind, und für beide Theile charakteristisch,
die Verse an seinen Vater in jener Ode vom Jahre 1732 („Ge-
dichte" 1736 S. 271: *1751 I, 199):
90 Zu J- 0. Gottscheds Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
„Und was war es dir für Freude,
Wenn dein Sohn die Proben wies,
Und im langen Priesterkleide
Sich mit Beyfall hören ließ;
Ja mit herzlicherm Vergnügen
Die Cathedern oft bestiegen".
Gottsched hat auch oft, wenngleich — nach diesen Worten —
nicht so gern, gepredigt: „Man" wisse auch das „in Königs-
berg wohl, daß" er „unter den Candidaten einer der beliebtesten
im Predigen gewesen"; übrigens in Leipzig predige er erst
seitdem er Professor geworden nicht mehr; im Ganzen habe er
es mehr als hundertmal gethan, hat er, nach Danzel87), 1740 in
dem schon oben angezogenen Briefe an den Grafen von Manteuffel
geschrieben. Er sei auf der hohen Schule zu Königsberg „der
GOttes-Gelahrtheit gewidmet" gewesen, „daher er denn auch
seine Gaben im predigen zu üben, in dieser grossen Stadt fast
hundertmal zehn verschiedene Canzeln bestiegen, auch in Fürst-
lichen und Gräflichen Cabinettern sich hören lassen", berichtet
Goetten (1736). Ob eine von diesen vielen Predigten je ge-
druckt worden, weiß ich nicht.
„A Monte regio attulerat eloquentiae, tum vniverfae, tum
maxime vernaculae, fenfum non abfurdum, nee contemnenda
initia", urtheilt Ernesti in seinem Nachruf: „audierat enim
Quandium, Lilienthalium, et, quem in primis laudare folebat,
Kreufchnerum , difertos et elegantes oratores in Ecclefia
Montis regii".
Johann Jacob Quandt45), dessen Name durch Friedrichs
des Großen Lob allgemein bekannt geworden, war (geb. 1686 zu
Königsberg), vorher Magister legens hier, nachdem er 1715 zu
Rostock den Grad eines Doctor Theologiae erworben, seit dem
Sommersemester 1716 an der Königsberger Universität als
außerordentlicher Professor der Theologie thätig — er wurde da-
neben 1718 Consistorialrath und Pfarrer im Löbenicht; und dann
1721 Prof. Theol. ordin. quartus und Oberhofprediger — an der
Von Johannes Reicke. 91
Schloßkirche ; später rückte er in die erste theologische Professur
ein (1732), ward Eirchenrath und erhielt auch den Titel eines
preußischen General-Superintendenten: in diesen Würden ist er
erst 1772 gestorben. Er wurde von den Zeitgenossen allgemein
als Gelehrter und Kanzelredner bewundert. Auch Gottsched
rühmt ihn überaus in einem „Poetischen Sendschreiben" „An
Se. Hochw. Magnificenz, Herrn D. Johann Jacob Qvandten,
Königl. Oberhofpr. Consistorialrath und ersten Prof. der Theol.
zu Königsberg etc. als er 1736. im Jul. durch Leipzig giengu
(„Gedichte" 1736 S. 677—580: 2 1751 1, 392—395): Leipzig habe
von ihm „schon vorlängst viel Rühmliches gehört", erklärt er,
„Doch itzo selbst gesehn, daß deines Geistes Gaben
Was Ungemeines sind, nicht leicht was gleiches haben.
Die größten Lehrer hier bestätigen den Satz,
Bewundern insgesammt der Wissenschaften Schatz,
Den dein Verstand besitzt, die Einsicht tiefer Lehren,
Den Eifer deiner Brust der Kirchen Heil zu mehren,
Dein redlichfrommes Herz, und die Gelassenheit,
Die deinen Wandel schmückt: Kurz, deine Trefflichkeit.
So viel, und noch vielmehr ist von dem Lehrerorden,
Der unsre Linden ziert, dir nachgerühmet worden."
Und er fehrt fort:
„Sehr viel, doch nicht genug. Mir ist ein mehrers kund,
Wo bleibt noch ausser dem dein hochberedter Mund,
Du Aaron deines Volks! Wo seyd ihr, süsse Stunden!
In welchen vormals ich die Kraft davon empfunden,
Wenn seiner Lippen Strom mit Zentnerworten floß,
Und lauter Honigseim in Ohr und Herzen goß.
Ich hab euch langst vermißt! doch itzt, nach so viel Jahren,
Nachdem ich mehr gesehn, gelesen und erfahren,
Was wahre Redner sind; itzt sag ich, stellt mein Ohr
Das Glücke jener Zeit sich lebhaft wieder vor;
Und hört es gleichsam noch, was damals mich entzücket,
Als sich dein- Unterricht in meine Brust gedrücket.
So angenehm und schön sprach kein Chrysostomus,
So feurig Mayer nicht, auch nicht Lassenius,
So klug kein Tillotson. Wie groß war mein Vergnügen,
So bald du öffentlich den Lehrerstuhl bestiegen!
Wie drang nicht arm und reich, wie drang nicht groß und klein
Mit brennender Begier in jeden Tempel ein,
Wo du zu hören warst! wie ward man da gerühret!
92 Zu J. C. Gottsched's Lehrjahren auf der Königsherger Universität.
Und was für Nachdruck ward von jedem Wort gespüret!
Ihr Edlen Königsbergs! Ihr Bürger dieser Stadt!
Ihr Herzen, die sein Mund zu Qott gezogen hat!
Ihr Frommen, deren Trieb und Andacht er erwecket!
Ihr Sünder, die sein Wort, dem Donner gleich, erschrecket!
Ihr alle wißt und kennt die ungemeine Kraft
Von seiner Gottesfurcht, von seiner Wissenschaft,
Von seiner Lieblichkeit, von seinem Ernst im Strafen,
Von seiner Hirtentreu und Liebe zu den Schafen.
Auch dieß ist nicht genug. Wie hoch hob deinen Ruhm,
0 mein Gamaliel! der Juden Alterthum,
Der Glanz Jerusalems, die Sprache der Propheten,
Der Morgenländer Witz, der Fleiß der Masorethen!
Wie kräftig schütztest du die Göttlichkeit der Schrift!
Wie treulich wiesest du der starken Geister Gift!
Wie männlich konntest du die Gegner übermannen,
Die sich bisher bemüht, den Glauben zu verbannen!
Nur schade, daß das Werk, darinn du sie besiegt,
Nicht längst der klugen Welt gedruckt vor Augen liegt'1
u. s. w. ; er schließt mit den Worten:
„Erfreute Preussen, auf! empfanget euren Qvandt,
In Deutschland hab ich noch nichts trefflichere gekannt.
Verehrt ihn, weil er lebt, geniesset seiner Gaben,
Und hört ihr ihn, so denkt: Man kan nichts grössers haben!'*
Ueber M. Michael Lilienthal habe ich schon berichtet.
Johann Heinrich Kreuschner46) (geb. 1693 zu Königs-
berg) hat, nachdem er 1714 zu Jena Magister geworden und
dann Reisen durch Deutschland und Holland gemacht hatte, auf
der hiesigen Universität in den Jahren 1717 — 1720 dociert: Gott-
sched hat damals, wie er auch selber 1755 in einer oben angeführten
Stelle erwähnt, bei ihm philosophische Vorlesungen gehört;
1720 wurde er dann Diaconus an der Domkirche — als solcher
ist er schon 1730 am 6. Januar gestorben. „Seine Art zu pre-
digen war nicht gemein, sondern lebhafft, nachdrücklich und über-
zeugend. Die Grund- Wahrheiten der Christlichen Religion suchte
er insonderheit vorzutragen, und seinen Zuhörern davon einen
rechten Begriff beyzubringen; dabey auf ein thätiges Christenthum,
mit grossem Nachdruck zu dringen. Darum ihn denn so gar ander
Religions- Verwandte gern hörten" wird ihm nachgerühmt. Gott-
Von Johannes Reicke. 93
sched hat ihn 1730 in einer „Elegie. Ueber den frühzeitigen Hin-
tritt Herr M. Joh. Heinr. Kreuschners, Predigers zu Königsberg"
(„Gedichte" 1736 S. 448—451: 2 17B1 1, 481—484) als der „Ked-
ner Hanpt, der frommen Herzen Freude" und als seinen Lehrer
— er war ihm auch persönlich sehr nahe getreten — besonders
hoch gepriesen und seinen Tod tief beklagt.
„Betrübter Kneiphof! sprich, hat wohl, seit dem dein Tempel,
Dein hochberühmter Thum, auf starken Pfeilern steht;
Hat wohl dein Predigtstuhl ein prächtiger Exempel
Der wahren Redner kunst mit grösserm Recht erhöht?
Sein unerschöpfter Geist war eine Nectarqvelle,
Die von der Zunge sich in vollen Strömen goß:
Denn wer ward nicht gerührt an der geweihten Stelle,
Wenn seiner Reden Kraft in Ohr und Herzen floß?
Da war kein frostig Spiel weit hergesuchter Sprüche,
Da war kein leerer Schall, dem Geist und Nachdruck fehlt;
Kein thörichter Gebrauch vermeynter Rednerschliche,
Die nur ein schwacher Kopf zu seiner Vorschrift wählt.
Nein! lauter Geist und Kraft, ein philosophisch Wesen,
Ein unersch rockner Muth, ein männlichfreyer Mund;
Ein Vortrag an Gewalt und Anmuth auserlesen;
Das alles ward an ihm in vollem Maaße kund.
Das macht, er hatte sich in allen Weisheitslehren
Der richtigsten Vernunft bey Zeiten fest gesetzt;
Und wußte Gottes Wort, als Priester, so zu ehren,
Daß Glauben und Natur einander nie verletzt."
singt er, und gelobt dann:
„Dein Bey spiel soll mir stets in den Gedanken schweben,
Dein grundgelehrter Geist soll stets mein Muster seyn,
Und überall will ich von dir das Zeugniß geben:
An ihm büßt Königsberg was Ungemeines ein".
So mag er sich denn als Redner an ihm vor anderen hier
in Königsberg gebildet haben.
Mir sind von eigenen Beden Gottscheds aus seinen
hiesigen Universitätsjahren als gedruckt zwei bekannt: die „Lob-
und Tiauer-Rede, Welche Bey dem Anno 1719. den 2. Jan. geschehenen
Leich-Begängnisse, Des Wohl-Ehrwürdigen, Groß-Achtbahren und Wohlge-
lahrten Herrn IOANNIS BIEMANNI, Treufleißig gewesenen Seel-Sorgern
derer Christlichen Grunauischen und Passargischen Gemeinen, Nachdem
Derselbe Anno 1718. den 19. Dec. im Achtzigsten Jahre seines Alters Todes
verblichen war, In der Grunauischen Priester- Wohnung, Bey grosser Menge
94 Zu J. 0. Gottached's Lehrjahren auf der Königaberger Universität.
hochansehnlicher Leichen -Begleiter, Gehalten worden, Von Des Seelig-
Verstorbenen In Königsberg studierendem Enckel I. C. G. Königsberg,
Gedruckt in der Königl. Hoff- und Academischen Buchdruckerey.u
(2 Bl. fol.)47); und die von ihm als „Glückwunsch, an weil. Herrn
D. Christian Masecoven, zweyten Lehrer der Gottesgelahrtheit,
Kön. Consistorial-Rath und Pastorn am Thum, als Derselbe 1722
den 4. Oct. das Rectorat zu Königsberg in Preußen zum ersten-
mahl übernahm. Im Namen der dasigen Studirenden." in seine
Sammlung 1749 S. 638—643 mitaufgenommene „Anrede"48).
Uebrigens war jene aber nicht, wie Eogge49) annimmt, „die
erste literarische Leistung Gottsched's" ; als solche »hat er selber
in der Vorrede aus dem Jahre 1765 ein Gedicht bezeichnet, das
schon zu Ende des vorausgehenden Jahres 1718 erschienen war:
„Ich will ganz von vorne anfangen;" schreibt er, nach
einigen einleitenden Worten, in dieser „Vorrede, darinn eine
Nachricht von des Verfassers ersten Schriften, bis zum 1734 sten
Jahre enthalten ist", „wenigstens, um ein lustiges Schicksal,meiner
ersten gedruckten Schrift zu erzählen. Diese war ein deutsches
Gedicht, auf einen königl. preuß. Tribunalsrath, und Consistorial-
präsidenten zu Königsberg, Herrn von Röder. Ich hatte Ursachen,
ihn durch eine Probe meines Fleißes zu verehren. Er war
Amtshauptmann des Ortes, wo mein Vater Prediger war, und
überdem mein Pathe. Ich besang also sein Jahrfest 1719.
aber aus Blödigkeit, hatte ich das Herz nicht, meinen Namen
dabey anders, als mit den Anfangsbuchstaben drucken zu lassen.
Wie Apelles wollte ich hinter der Tafel lauschen, was die vor-
beygehenden sagen würden. Mein Bogen kam unter die Leute;
und viele forscheten begierig, wer ihn gemachet hätte? Das
schien mir nun zu einer Zeit, da HofrathPietsch, als ein starker
Dichter jedermanns Beyfall hatte, und noch ein Capellmeister
Neidhart, durch einen wilden Witz viele bezauberte, ein gutes
Zeichen zu seyn. Einige erfuhrens, ohne daß ich es jemanden ge-
stund: und siehe, diese glaubtens nicht; weil sie mirs nicht zu-
traueten, daß ich ihn selbst gemachet hätte. Das schien mir noch
ein böseres Zeichen zu seyn.
Von Johannes Reicke. 95
Weit gefehlet aber, daß mich dieses stolz gemachet hätte:
so gieng ich endlich damit um, daß ich von einem unstreitigen
Kenner nnd Meister in der Kunst beurbheilet seyn wollte: weil
ich auf die Urtheile anderer mittelmäßiger Gelehrten nicht viel
gab. Ich gieng also zu Hofrath Pietschen, der dazumal Professor
der Dichtkunst zu Königsberg war. Dieser hielt zwar nicht viel
Vorlesungen, war aber bereit, denen, die ihn zu Käthe ziehen
wollten, einen Zutritt, und oft Unterredungen von ganzen
Stunden zu verstatten. Er ließ mich vor sich, und ich bath
ihn um ein Urtheil über mein Gedicht. Er war bereit dasselbe
in meiner Gegenwart durchzulesen, und mir meine Fehler zu
sagen. Nach verschiedenen kleinern Anmerkungen, die zur
Kernigkeit der Sprache und Poesie gehör eten, kam er auf diese
Zeile :
Was wird der späte Mund der stolzen Enkel sprechen ?
Die Zeile ist von Neukirchen! sprach er. Wer hierbey blutroth
ward, das war ich. Er hatte nämlich recht: und ich wußte es
wohl, daß ich diese Zeile gemauset hatte. Allein wer hätte das
gedacht, daß auch Pietsch, oder sonst ein Mensch, Neukirchs
Gedichte so genau kennen würde ? Ich schämete mich also herzlich,
und verschwor es, künftig keine Zeile mehr zu stehlen: sie
möchte mir noch so sehr gefallen. Der Hofrath selbst wider-
rieth mirs; und hielt es für eine unerlaubte Dieberey, die einen,
der selbst etwas machen könnte, nur beschimpfete."
Dieser, so lebhaft vorgetragene, interessante Bericht des
fünfundfünzigjährigen Mannes über seinen, so weit zurückliegen-
den, ersten Versuch als Dichter an die OefFentlichkeit zu treten
scheint doch in einem für ihn auch wesentlichen Punkte, neben
kleineren Versehen60), einen Irrthum zu enthalten. Der, auf der
hiesigen Königlichen und Universitäts- Bibliothek in einem
Exemplar erhaltene, Abdruck des Gedichtes aus dem Jahre 1718
— nicht, wie er angiebt, 1719 — hat folgendes Titelblatt: Als
der Hoch-Edelgebohrne Herr, HERR Christof f Arend von Köder,
Sr. Königl. Majest. in Preussen, hochbestalter Tribunals-Raht, Hauptmann
über das Balgische Ampt, und Praefes E. E. Sambländischen Confiftorfi,
96 Zu J. C. Gottsched's Lehrjahren auf der Königsherger Universität.
Erb-Herrn [sie!], in Methgehten, Tranckwitzen, Tran ckwitzh offen, etc. etc.
Seinen höchsterwünschten Geburts-Tag, Eben an dem heiligen Weynacht-
Feste Anno 1718. den 26. Decembr. Mit allem Hoch-Adlichen Vergnügen
celebrirete; Hat Sr. Hoch-Edelgebohnen [sie!] Excellence Demühtigst gra-
tnliren Sollen Ein unterthäniger Diener J. C. Gottsched. Königsberg,
gedruckt bey Johann David Zäncker. (2 Bl. fol.) Es ist also der
Name des Verfassers hier nicht nur „mit den Anfangsbuch-
staben" bezeichnet — zwei verschiedene Drucke aber eines
solchen Stückes wird man doch nicht annehmen dürfen — ,
und Gottsched muß wohl in dieser Hinsicht sein erstes Gedicht
mit seiner, wie eben angeführt, so bald nach ihm gedruckten
ersten Bede verwechselt haben: deren Titel trägt nur die
Buchstaben „I. C. G." — und überdies, sie ist auch wirklich
aus dem Jahre 1719. Aber der andere bedeutungsvollere Um-
stand, den er von diesem Gedichte erzählt, ist allerdings richtig.
Es hat, beginnend
„Kan sonst der Musen- Volck das hohe Glück geniessen,
Hoch-Wohlgebohrner Herr! in Deiner Huld zu stehn?
So laß auch auf dies Blatt, das sich zu Deinen Füssen
In tiefster Dehmuht legt, ein Gnaden-Blick ergehn.i(
unter 120 Zeilen als 89ste und folgende:
„Was wird der späte Mund der stoltzen Enckel sprechen?
Daß Du den theuren Lauff so trefflich hoch geführt;
Denn es wird ihre Hand kein Reiß von Palmen brechen,
Das nicht vorzeiten auch Dein kluges Haupt geziert."
Die 89ste Zeile ist — aus dem Gedächtnis — entnommen
dem Gedichte Benjamin Neukirch' s ,, Au ff den höchst- feyerlichen
einzug Seiner königlichen Majestät in Preussen in dero residentz
Berlin" [1701]: dessen 63ster von 124 Versen lautet
„Was wird der stoltze mund der späten enckel sprechen?" —
Gottsched wird es nach dem Abdruck in der von Neukirch selbst be-
sorgten Sammlung „Herrn von Hoffmannswaldau und anderer
Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte dritter
Theil"61) gekannt und so benutzt haben. Er hatte also diesen
Dichter schon, bevor ihn Pietsch so recht gerade auf ihn hinwies,
gelesen und hochschätzen gelernt: „Von Jugend auf haben mir
Benjamin Neukirchs Schriften, als eines unsrer besten und stärk-
Von Johannes Üteicke. 97
sten Dichter, gefallen" sagt er in der ,, Vorrede" zu seiner Aus-
gabe „Herrn Benjamin Neukirchs, weiland Marggräfl. Branden-
burg-Anspachischen Hofraths, auserlesene Gedichte aus ver-
schiedenen poetischen Schriften gesammlet und mit einer Vor-
rede von dem Leben des Dichters begleitet von Joh. Christoph
Gottscheden" Regenspurg 1744. „Er war mir auch", fährt er
dann fort, „von großen Kennern und Meistern in der Dicht-
kunst, z. E. dem sei. Hofrath Pietsch, nächst Canitzen, oftmals
als ein gutes Muster angepriesen worden: zumal was diejenigen
Gedichte betrifft, die er in diesem Jahrhunderte gemacht; nach-
dem erden vormaligen lohensteinischen undhoffmannswaldauischen
Geschmack verlassen hatte. Und ich besinne mich, daß mir Hof-
rath Pietsch die neukirchische Palinodie62), die er 1700 auf eine
breslauische Hochzeit gemacht, und sich so anhebt:
Ihr Musen helft mir doch; ich soll schon wieder singen etc.
nunmehro wohl vor fünf und zwanzig Jahren, ganz aus dem
Eopfe vorgesagt; um mich dadurch vor dem unsinnigen Schwulste
eines gewissen Neidharts53) zu warnen, der damals mit seinen
hochtrabenden Versen, zu Königsberg viel junge Leute ein-
genommenhatte/1 Erscheint also nicht nöthig gehabt zu haben
hier in Pietsch's Lehre etwa erst umzulernen: sein Vater schon
wird ihn auf die deutschen Dichter hingeleitet haben, die auch
Pietsch als Muster aufstellte, neben den alten Schlesiern Opitz
und Fleming und dem Preußen Simon Dach, unter den neueren
besonders Canitz und Neukirch — sie, und dann natürlich auch
Pietsch selber, hat er Zeit seines Lebens als die vortrefflichsten
hochgehalten; und dagegen die Nachahmer der Hofmannswaldau
und Lohenstein, deren ,Fehler* zu erkennen er hier gelehrt
worden, hat er nie aufgehört aufs heftigste zu bekämpfen :
sind ihm doch später Klopstock, und überhaupt auch schon die
Schweizer ihrer ganzen Richtung nach, offenbar nur als Erneuerer
jenes trotz seiner langjährigen Bemühungen also doch noch
nicht ausgerotteten ,unrichtigen Geschmacks', wie er wohl
klagen mochte, erschienen. An jenen hat er sich von früh auf
geschult — so kam er zu dem Betonen der „Correctheit über-
Altpr. MonatMuhrift Bd. XXIX. Hft U2. 7
98 Zu J- C. Gotteched's Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
haupt" und allein, das, wie Danzel64) ausgeführt hat, „die Grund-
thatsache, das Urphänomen von Gottscheds Stellung in der Ge-
schichte der deutschen Litteratur" in Wahrheit ausmacht.
Wie zu erwarten, hat Gottsched auch selber die Poesie
während seiner Studienzeit nicht ungepflegt gelassen, aber ge-
wiß nur soweit es ihm sonst gut schien: erklärt er doch, „seltsam
genug" bemerkt M. Bernays, gerade in der Vorrede seiner
„Critischen Dichtkunst" 1730 (die Widmung ist unterzeichnet
„1729 den 6 Octobr.'4), wie er sie „allezeit vor eine Brodt-lose
Kunst gehalten, so habe" er „sie auch nur als ein Neben- Werck
getrieben, und nicht mehr Zeit darauf gewandt, als" er „von
andern ernsthaffbern Verrichtungen erübern können". Und ge-
dichtet haben wird er schon hier, wie doch, wenn man vom
Dramatischen absieht, eigentlich sein ganzes Leben lang, fast05) nur
eine, wohl nicht kleine, Anzahl Gelegenheitsgedichte in der in
jenen Zeiten noch so allgemein üblichen Art der Mache, mochte er
sie nun, ihrem Stoffe oder der Form nach, so oder so benennen.
Erwähnt er doch auch selbst in der Vorrede vom Jahre 1756 nur
solche: „Ich schweige hier sehr vieler einzelnen Gedichte, die
ich in Königsberg bey verschiedenen Gelegenheiten, auf öffent-
liche Feyerlichkeiten habe drucken lassen; z. E. auf den Herzog
von Hollstein, königl. preujß. Generalfeldmarschall, und Statthalter
zu Königsberg; auf ein Reformationsjubelfest der Hauptkirche
daselbst; auf einen Staatsminister, Kanzler von Ostau u. a. m.H —
diese von ihm als gedruckt aufgeführten werde ich in der An-
merkung50) nachweisen; ein annähernd vollständiges Verzeichnis
der in jenen Jahren hier von ihm veröffentlichten kann ich
nicht geben. Bemerken will ich nur daß er Gedichte auf seine
Eltern, wie es scheint, damals nicht herausgegeben hat; und aus
biographischem Interesse nenne ich den folgenden Druck:
„Das Anno 1720. den 24. Augulli Glücklich zurückgelegte
Siebentzigste Jahr, Der Wohl-Edlen mit Ehr- und Tugend reichbe-
gabten Frauen, Fr. Barbara Gottschedin, Hat Die nie-
mahls abnehmende Kräffte der Natur In einem Gedichte vor-
Von Johannes Beicke. 99
■
zustellen, Und Derselben gebührend Glückzuwünschen Gelegen-
heit gegeben Ihren Zweyen in Königsberg ftudirenden Enckeln.
Königsberg, gedruckt in der Königl. Hof- und Academischen
Buchdruckerey." (2 BL fol.) Er enthält zwei Gedichte, das
eine von 64 Alexandrinern unterzeichnet „Io. Chr. Gottfched,
Theol. & lib. art. Cultor", das andere von 8 Alexandrinern
„Io. Frid. Gottfched, Phil. Stud.".
Dieser Bruder Johann Friedrich Gottsched (geb. 1704)
war erst am 6. März eben des Jahres 1720 an der Albertina
immatriculiert67) worden und trieb, nach seiner Unterschrift, also
damals zunächst nur philosophische Studien; nachher hat er sich
der Medicin gewidmet. Johann Christoph rühmt ihn später sehr
in einem „ Gesang. Bey dem frühzeitigen Hintritte seines Bruders,
Herrn Johann Friedrich Gottscheds, den 22 Junii [sie!] 1726."
(„Gedichte" 1736 S. 339—343: 2 1751 I, 537—541):
„Was soll ich, Seliger! von deiner Seelenkraft,
Von deiner Fähigkeit und Neigung zum Studiren,
Von deiner durch den Fleiß erlangten Wissenschaft,
Von deiner Munterkeit für herbe Klagen führen ?
Ich weis, daß Königsberg von dir bezeugen kan,
Daß unter hunderten, die deinesgleichen hieffen,
Kaum einer sich, wie du, der Wissenschaft beflieffen,
Und keiner an Verstand es dir zuvor gethan.
Die Lehrer liebten dich und lobten deine Gaben,
Ja jeder wollte dich zu seinem Schüler haben.
Du warst ein Philosoph, du warst ein Medicus,
Von beydem hatte man die Proben schon gepriesen.
Wie Gottes Gegenwart verstanden werden muß: (a)
Das hattest du mit Ruhm aus der Vernunft erwiesen.
Wie gründlich zeigte dich die Opponentenbank,
Die du so oft mit Muth und Fertigkeit besessen ; (b)
Dabey die Hörer oft den Stundenschlag vergessen,
Wenn deiner Schlüsse Kraft die stärksten Gegner zwang.
Ich schweige von der Schrift, die du zuletzt beschützet,
Darinnen du gezeigt: Was kluges Reisen nützet. (c)u
„(a) In der 1723. den 12 May gehaltenen58) Difp. de Omnipraöf. Divina.
(b) Es ist fast in zweyen Jahren keine medicin ische Difputation gehalten
worden, dazu der Selige nicht als Opponent eingeladen worden, (c) Seine
eigene Difp. de peregrinatione Medicorum."
Er war, als Johann Christoph im Januar 1724 Königsberg
7*
100 Zu J. 0. Gottsched's Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
*
verließ, hier zurückgeblieben; nach der Zeit Hofmeister „in
Wötterkam"09) (wie jener schreibt) geworden, ist er als solcher
schon „1726. den 22 Jenner u daselbst gestorben: sein Leichnam
ist in der Kirche der nahen Stadt Schippenbeil beigesetzt
worden. Uebrigens finden sich außer dem genannten auch noch
andere Gelegenheitsgedichte unter seinem Namen gedruckt:
Gedichte glaubte man ja damals hier noch von jedem homo
litteratus bei vorfallender Gelegenheit fordern zu können60). —
Viel bedeutungsvoller aber für Johann Christoph Gott-
scheds geistige Entwickelung, als seine eigenen Versuche in der
Poesie aus jenen Jahren, sind gewiß die Einblicke gewesen, die
ihn schon hier in Königsberg auch eben Pietsch in das Wesen
der Dichtkunst, in die Poetik hat thun lassen. Er selber be-
richtet bekanntlich in der Vorrede seiner „Criti sehen Dicht-
kunst" 1729, in der er auch „eine kurtze Historie" dieses Werkes
zu „machen" unternimmt, darüber so : „Wie ich von Jugend auf alle-
zeit ein grosses Vergnügen an Versen gehabt, und selbst durch
das Exempel meines eigenen Vaters dazu aufgemuntert worden61):
also fand sich 1714, gleich im Anfange meiner Academischen
Jahre, eine Gelegenheit, ein sogenanntes Collegium Poeticum
zu hören. Mein Lehrer war der nunmehro seel. Prof. Rohde
zu Königsberg62), ein sehr geschickter Mann, der selbst einen
artigen Vers schrieb; und das Buch, so er zum Grunde legte,
war Menantes allerneuste Art zur galanten Poesie zu gelangen68).
Als nachmahls der itzige Kön. Preuß. Hofrath und Leib-Medicus,
Hr. D. Pietsch die Poetische Profeßion daselbst erhielte, und
sonderlich das Gedichte auf den Printz Eugen heraus gab, be-
kam ich noch einen grössern Trieb zur Poesie: weil sein Exempel
dazumahl bey jedermann viel Eindruck machte. Ich hatte nach
der Zeit die Ehre mit demselben bekannt zu werden, und seine
Censuren über meine Kleinigkeiten, so offt als ich es wünschete,
zu hören. Dieser wackere Mann verstattete mir allezeit einen
freyen Zutritt, und ihm habe ichs zudancken, daß ich Canitzen
und Horatzen mit Verstände zu lesen angefangen: weil er mir
Von Johannes Reicke. 101
des erstem Satire von der Poesie offt auswendig hersagte, und
aus dem andern zuweilen seine Übersetzungen vorlaß. Unter
so vielen Unterredungen, so ich seit 1717 bis 1724 mit dem-
selben gehabt, dachte derselbe denn auch einmahl, daß er nicht
ungeneigt wäre, eine Anweisung zur Poesie zu schreiben : Nicht
zwar auf den Schlag, als die gewöhnlichen Anleitungen wären,
daran wir ja keinen Mangel hätten; sondern so, daß darinn der
innere Character und das wahre Wesen eines jeden Gedichtes
gewiesen würde. Damahls geschah es also, daß ich mir den
ersten Begriff von einer Critischen Dicht-Kunst machte: deren
Nutzbarkeit ich gar wohl einsähe; aber mirs noch nicht träumen
ließ, daß ich mich dereinst an dergleichen Arbeit wagen sollte. tt
Und in jener Vorrede vom Jahre 176B schreibt er: Ich „hatte
1714 bey Prof. Rohden zu Königsberg, über des Menantes
allerneueste Art zur galanten Poesie zu gelangen, gehöret ; auch
schon damals M. Rothens, und Prof. Omeisens, vollständigere
Anweisungen kennen gelernet. Auch nach der Zeit", giebt er
hier an, „hatte ich Opitzens, Buchners, Kindermanns, Zesens,
Harsdörfers u. a. m. dahin gehörige Bücher gelesen, oder mir
doch bekannt gemachet. Aber", sagt er, „ich vermissete gleich-
wohl in allen diesen Lehrbüchern eben das, was mir in den
deutschen Anleitungen zur Beredsamkeit zu fehlen geschienen
hatte: nämlich einen recht vernünftigen deutlichen Begriff, von
dem wahren Wesen der Dichtkunst, aus welchem alle besondere
Regeln derselben hergeleitet werden könnten. Ich hatte darüber
den sei. Hofr. Pietsch, der mir allemal einen freyen Zutritt
erlaubete, klagen gehöret: indem er immer sagete, es fehle uns
noch, an einer solchen poetischen Anweisung, darinn das rechte
"Wesen der Poesie erkläret würde. Und ungeachtet ich von ihm
auf Horazens Gedicht de Arte poetica, gefübret worden: so
wissen doch Kenner desselben sehr wohl;" hebt er, in seinem
Sinne ja allerdings berechtigter Weise, hervor, „wie wenig man
sagen könne, daß dieses eine methodische und vollständige Ab-
handlung der Dichtkunst seyu. „Diese Gedanken", fahrt er da
fort, hätten ihn fühlen lassen, daß er „selbst noch nicht recht
102 Zu J. C. Gottscheds Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
wüßte", „was die wahre Dichtkunst seyu, als in Leipzig „eine
Anzahl von Studirenden" von ihm darin „Unterricht begehreten".
Durch Johann Valentin Pietsch nun hätte er schon
hier den „großen Grundsatz von der Nachahmung der Natur,
welcher der Poesie mit so vielen Künsten gemein ist", den er
selbst erst späterhin in Leipzig aus „Aristotels Poetik" begriffen
zu haben in der Vorrede von 17 BB berichtet — und ihn dann
seinem „Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen"
zu Grunde gelegt zu haben rühmt er sich besonders64) — , wenigstens
kennen lernen können: es ist auffallend daß das nicht der Fall
gewesen zu sein scheint. Pietsch hat ihn in seiner Dissertation
pro receptione 1718 ausgesprochen: Gottsched muß diese nicht
bekannt geworden sein. — Seine Zeitschrift „Neuer Büchersaal
der schönen Wissenschaften und freyen Künste" brachte in „Des
IV. Bandes 4. Stück" Leipzig „im Monat April, 1747" S. 371—384
eine „Kurzgefaßte historische Nachricht von den bekanntesten
preußischen Poeten voriger Zeiten" und im „B. Stück" „May, 1747"
dann S. 429 — 4B1 die „Fortgesetzte historische Nachricht von
den bekanntesten Preußischen Poeten voriger Zeiten" : in dieser
erhält S. 449 f. „den XX. und letzten Platz unter den preußi-
schen Dichtern voriger Zeiten" „Joh. Valentin Pietsch", „dessen
Verdienste um die deutsche Dichtkunst noch bey allen Kennern
in frischem Andenken sind" — sein Leben ist da kurz erzählt und
die Ausgaben seiner Gedichte sind genannt, von seinen Disser-
tationen überhaupt keine erwähnt. Auf diese Darstellung be-
ruft sich, und schreibt sie geradezu aus, der Artikel in dem
Buche „Handlexicon oder Kurzgefaßtes Wörterbuch der schönen
Wissenschaften und freyen Künste. Zum Gebrauche der Lieb-
haber derselben herausgegeben, von Johann Christoph Gottscheden"
Leipzig 1760 (die „Zuschrift" hatdas Datum „den 1. des Weinmonats
17B9") Sp. 1303 f.: „Pietsch, (Johann Valentin)", unterzeichnet
„H." (Gottsched zeigt nur so mit „Buchstaben" „am Ende der
Artikel" „die Namen" seiner „Gehülfen" an: auch in der „Vor-
rede" nennt er sie nicht). Auch Daniel Heinrich Arnoldt's
„Historie der Königsbergischen Universität" 1746 II. Theil
Von Johannes Reicke. . 103
S. 404 fahrt auffeilender Weise die Dissertationen nicht vollzählig
auf und auch seine „Zusätze" 1766 S. 70 tragen die dort fehlende
nicht nach. Und diese ist denn auch weder von Jöcher (1751
111,1661) noch von seinemFortsetzerRotermund(1819VI, 171f.) ge-
nanntworden— sie scheintschonfrüh geradezu verschollenzusein. —
Geboren 1690 am 23. Juni zu Königsberg, wo sein Vater könig-
licher Hofapotheker war, hat Pietsch hier — 1706 am 17. April
ist er immatriculiert worden60) — studiert und zwar Medioin,
dann sich auf die Universität zu Frankfurt an der Oder — da
wurde er 1713 am 8. März immatriculiert66) — begeben und
ist dort schon im April des Jahres 1713 zum Doctor Medicinae
promoviert worden. „In Berlin hat er um diese Zeit mit dem
berühmten Benjamin Neukirch einen vertrauten Umgang gehabt,
und den geheimen Rath von Besser", und auf weiteren Reisen „in
Teutschland" auch noch „andere grosse Poeten kennen gelernet".
Dann war er wieder in seine Vaterstadt zurückgekehrt: 1716
Aprilis 24. „Dn. Joh. Valentinus Pitsoh. Regiom. Pr. Med.
Doctor jus Academ. repetiit" giebt die Universitätsmatrikel67) an.
Er hatte „schon in seiner zarten Jugend einen Trieb zur Poesie
bey sich gespüret", berichtet Gottsched in der Vorrede zu seiner Aus-
gabe der Gedichte 1726, und ihm, gegen den Willen seines Vaters,
nachgehangen, auch auf der Universität hier neben „seiner Haupt-
Wissenschafflb" „auch in der Poesie einen Unterricht gesuchet"; nun-
mehr „legte er die erste Probe seiner Poesie ab" — für die
große Welt, indem 1716 sein Heldengedicht „Ihrer Hoch-FürsÜ.
Durchl. Printzen EUGENII von Savoyen Sieg-reicher Feldzug
Wieder die Türeken, Entworffen Von D. Johann Valentin Pietsch."
(so lautet der Titel des ersten Druckes: 6 Bl. fol. o. 0. u. J.) „durch
gute Freunde ohne sein Wissen, der Presse untergeben" wurde.
Dies verschaffte ihm „durch gantz Teutschland den Namen eines
grossen Poeten" und 1717 die durch M. Hieronymus Georgias68) am
12. Juli erfolgten Tod vacant gewordene Stelle eines ordent-
lichen Professors der Poesie an der Albertina. Am 11. Novem-
ber dieses Jahres wurde er daraufhin zum Magister promoviert.
Um sie übernehmen zu können, mußte er sich dann in die
104 Zu J. C. Gottsched'? Lehrjahren auf der Königsberger Universität
Philosophische Facultät „eindisputieren": er that das 1718 (der
Tag ist nicht angegeben) durch die Dissertation — eben jene
nirgends genannte — „Poeticarum Thesium Duodecas, quam pro
receptione in Facultatem Amplissimo Philosophorum Ordine con-
sentiente, in auditorio majori Anno MDCCXVHL D. . . . w) pu-
blica exposuit disquisitioni Johannes Valentinus Pietsch, Phil,
et Med. Doct. Bespondente Melchiore Johanne Caschel. Begio-
monti, Typis Beusnerianis." (12 S. 4.) Und darauf, am 22. Fe-
bruar des Jahres disputierte er pro loco: „Sohlt® I/igat&que
Orationis Limites, Annuente Divino Numine, decreto Amplissimi
Senatus, in Academia Begiomontana pro loco Professionis in
Poesi Ordinario, solenni diputatione exponit Johannes Valentinus
Pietfch, Phil. & Med. Doct. & Poöf. Prof. Publ. Ord. Bespon-
dente Jacobo Friderico Danckmeyer, Begiomont. Pruff. horis ante
et pomeridianis Anno MDCCXVHI. Die XXII Februarii. In
auditorio majori. Begiomonti, Typis Beusnerianis." (Tit., 16 S. 4.)
Diese beiden Disputationen müssen Gottsched unbekannt ge-
blieben sein: hier in Königsberg, das ließe sich erklären dadurch
daß er seine Zeit „ernsthafftern" Dingen nicht entziehen mochte
und der Poesie und ihrer Theorie nur nebenbei sich auch wid-
mete; aber auch in Leipzig69), wo er doch die Litteratur zur
Poetik möglichst vollständig kennen zu lernen suchte : er führt
in der Vorrede zur „Critischen Dichtkunst*' 1729 eine ziemliche
Anzahl Schriftsteller auf die er damals gelesen, diese Abhand-
lungen seines Lehrers Pietsch nicht. So muß ihn denn wohl auch
Pietsch niemals auf sie hingewiesen haben. Sie scheinen mir aber
eines Neudrucks nicht unwerth: im „Anhang" gebe ich sie wieder.
Der neue Professor der Poesie — er wurde übrigens schon
1719 königl. preuß. Hofrath und Leibmedicus, auch Oberland-
physicus in Preußen — „erfüllete nicht nur die Pflichten so ihm
sein Amt auferlegte, jährlich den Preußischen Crönungs-Tag
und das hohe Geburts-Fest Ihro itzt regierenden Kön. Maj. in
Preussen durch seine Arbeit zu feyren, und zuweilen fürnehmen
Gönnern und guten Freunden, bey traurigen und freudigen Zu-
fällen mit seinen Gedichten ein Andencken zu stifften", be-
Von Jobannes Eeicke. 105
richtet Gottsched 1725, „sondern er führte unter der Hand ein
grösseres Poetisches Werck aus. Als im Jahre 1716 und 1717.
der Ungarische Krieg mit so vielen Vortheilen der Christenheit
wider die Türeken geführet wurde, schien diese wichtige Ge-
legenheit ihm allerdings werth zu seyn, ein völliges Helden-Ge-
dichte davon zu verfertigen. Da es ihm nun an gehörigen
Kräfften dazu nicht mangelte, konnte ihn sonst nichts hindern,
dasselbe bald nach geschlossenem Passarowitzischen Frieden
völlig zum Stande zu bringen. Er gab es in den Druck, und
es waren im Jahr 1719 schon vier Bogen im grossesten Formate
davon fertig, als der Urheber, aus gewissen Ursachen, darinnen
einhalten ließ"; „die bereits fertigen Bogen" konnte er jedoch
nicht so unterdrücken, „daß sie nicht endlich ausser die Preu-
ßischen Gräntzen hätten kommen sollen": auch sie fanden,
gleich seinem ersten Gedichte auf den Prinzen Eugen, großen
Beifall, aber vollendet hat Pietsch sein Werk selber nicht: Gott-
sched konnte 1725 in seine Sammlung nur das abgedruckte,
„CARLS Des Sechsten Sieg über die Türeken, Erstes Stücke,
Welches die Zurüstungen zum Kriege, und die Beschreibung
des Türckischen Heeres in sich begreiffi." und des selben
„Anderes Stücke, Worinnen die Belagerung der Festung Bel-
grad, und die Beschliessung des Kayserl. Lagers vorgestellet
wird.", dies unvollständig wieeswar, aufnehmen; erst J.G.Bock gab
1740 den Rest aus den {unterlassenen Papieren, aber nicht ohne
eigene Zusätze, heraus. — „Vorlesungen" hat Pietsch, wie Gott-
sched in der schon angezogenen Stelle der Vorrede vom Jahre
1766 erzählt, „nicht viel" gehalten: welche er während der
Jahre, die Gottsched hier war, im Lectionsverzeichnis angekün-
digt, werde ich in der Anmerkung70) der Reihe nach anführen
— danach wollte er in ihnen wesentlich Horaz behandeln, seine
Ars poetica und auch seine Gedichte. Nach seinen eigenen
Worten scheint Gottsched nur durch „Unterredungen", „oft"
„von ganzen Stunden", von ihm gelernt zu haben: auf Canitz,
Neukirch, Horazens Poetik hat er ihn in solchen hingewiesen,
wie oben angeführt; ob nicht er auch schon auf Boileau? auf ihm
106 Zu J. C. Gottsched's Lehrjahren auf der Königsherger Universität.
hauptsächlich beruhen ja doch deutlich seine in den beiden Dis-
sertationen niedergelegten theoretischen Ansichten über Poesie.
Und die Gedichte seines Lehrers, „alle einzelne Bogen", „die er
in den zehn Jahren, daß ich daselbst studieret, hatte drucken
lassen", berichtet Gottsched ebenda, hat er schon hier „in Königs-
berg" sich „gesammlet": er schien ihm, wie er 172B in der Vor-
rede sagt, „an feurigem Geiste, an Hoheit und Richtigkeit der
Gedanoken, an Kernigkeit der Sprache, an glücklichen Erfin-
dungen und an Lieblichkeit seiner leichtflüssenden Schreib-Art,
allen andern, die jemals teutsche Verse gemacht, überaus weit
vorzuziehen", und an einer anderen Stelle der selben rühmt er
den ,, Reich thum seiner Sprache", die „Beinigkeit des Sylben-
maßes und der Reime", und den „Überfluß wohleingerichteter
poetischer Gedancken" — er wird also mehr als „nur eine Pflicht
der Erkenntlichkeit", wie M. Bernays sagt, haben damit üben
wollen, daß er „das allererste deutsche Buch", das er „in
Leipzig herausgab", wie er selber 1755 anführt, eine Sammlung
von dessen Gedichten sein ließ: „Herrn D. Johann Valentin
Pietschen, Eönigl. Preußischen Hof-Raths und Leib-Medici,
wie auch Ober-Land-Phyfici, und der Poesie Prof. Ord. in Kö-
nigsberg, Gesamiete Poetische Schrillten Bestehend aus Staats-
Trauer- und Hochzeit - Gedichten, Mit einer Vorrede, Herrn le
Clerc übersetzten Gedancken von der Poesie und Zugabe einiger
Gedichte, von Johann Christoph Gottsched, A. M. Leipzig,
1725. zu finden bey Grossens Erben." (1 Titkpfr. + 31 BL,
258 S. 8.) Als dann später, nachdem Pietsch bereits 1733
(29. Juli) gestorben war, „Des Herrn Johann Valentin Pietschen
weyland Königl. Preußis. Hof-Raths und Leib-Medici wie auch
Professor, ord. der Academie zu Königsberg gebundne Schriften
in einer vermehrtem Sammlung ans Licht gestellet von Johann
George Bock der Academie zu Königsberg Profess. ord. wie
auch Mitgliede der Königl. Preußis. Societät der Wissenschafften.
Königsberg Verlegts Christoph Gottfried Eckart, Königl. Preußis.
privil. Buchhändler. 1740." (1 Kpfr. + 7 BL, 436 S., 5 BL 8.)
herauskamen, hat Gottsched selbst in seiner Zeitschrift „Bey träge
Von Johannes Reicke. 107
Zur Critischen Historie Der Deutschen Sprache, Poesie und Be-
redsamkeit, herausgegeben von einigen Liebhabern der deutschen
Litteratur. Siebenter Band. Fünf und zwanzigstes Stück."
Leipzig 1741 S. 131 — 166 diese Ausgabe, wieder mit höchstem
Lobe für den Dichter, aber einigem Tadel für den Herausgeber,
angezeigt: hier übrigens findet sich gleich zu Anfang der Aus-
spruch „Unter allen Dichtern die dieses Jahrhundert Deutsch-
land hervorgebracht, hat Hofrath Pietsch fast mit einhälligen
Stimmen den obersten Platz verdienet u. Und so hat er ihn bis
an sein Lebensende hochgehalten — aus Dankbarkeit und
wirklich überzeugter "Werthschätzung.
Aber auch Pietsch scheint den jungen Gelehrten nicht
blos, nach den obigen Worten, gern bei sich gesehen zu haben;
er hat auch, gleich anderen Docenten, ihn schon hier als solchen
geachtet. 1723 am 2. April wurde Gottsched zum Magister
promoviert, und bei dieser Gelegenheit sind denn auch ihm ver-
schiedene gedruckte poetische Glückwünsche71) dargebracht worden,
unter ihnen von Pietsch die folgenden, wenn sie auch nur wenig
sagen, doch eben so anerkennenden Zeilen (die von Bock 1740
S. 286 als „Auf Herren Johann Christoph Gottsched, bey dessen
im Jahr 1723. nach Verdienst erlangten Würde eines Lehrers
in der Welt-Weisheit." in seine Ausgabe mitaufgenommen sind):
„Mich reitet die Poefie, zn Deinem Ruhm zu schreiben,
Mein Wille feurt mich an, doch muß ich schuldig bleiben
Was ich bezahlen will. Ein halb-erfülltes Bladt
Worauf der Musen-Hand Dein Lob verzeichnet hat,
Weyht unser Phcebus Dir auf meines Pindus-Spitzen ;
Allein indem er sieht daß alle Pressen schwitzen,
Daß man auf jeden Brandt vermischten Weyrauch streut
Und ein Getümmel höhrt, weil alles rennt und schreyt,
Winckt mir der Tichter Fürst, und spricht du solst nicht singen,
Wie kan Dein mattes Spiel zu lauten Paucken klingen.
Mein Gottsched zürne nicht, Dein Ruhm wird doch verehrt,
Wenn man gleich nicht mein Lied bey tausend Schwanen höhrt,
Ich öffne kaum den Mund, denn meine stille Flöhten
Füllt nicht der starcke Wind der lermenden Trompeten.1,4 —
In demselben Jahre habilitierte Gottsched sich dann, „sechs
Wochen nach der Promotion'4 wie er 1765 anführt, als Magister
108 Zu J. C. Gottsched's Lehrjahren auf der Königaberger Universität.
legens mit einer philosophischen Disputation, bei der unter ihm
sein schon genannter Bruder Johann Friedrich sich als Respon-
dens übte: „G-envinam Omnipraesentiae Divinae notionem di-
stincte explicatam et observationibvs illvstratam. Defendent pro
receptione in Facvltatem Phil. Praeses Io. Christoph. Gottsched
Philos. Mag. et Bespondens Io. Frieder. Gottsched Ph. et Med.
Cvlt. MDCCXXITI. D. XII. Maii in avditorio philosophorvm ab
hör. Vlll. ad XII. Regiomonti, Litteris Revsnerianis." (2 BL,
20 S. 4.)72). Und darauf fieng er an nunmehr selber „öffentlich die
studierende Jugend in den schönen Wissenschafften, zumahl in
der Rede- und Dicht-kunst zu unterrichten", erzählt Brucker,
was, sagt er, „um so mehr mit Beyfall geschähe, da er sich
vorher schon durch den Unterricht einiger jungen von Adel, so
seiner Aufsicht anvertrauet worden,78) eine gute Meinung bey
jedermann erworben hatte".
Zu seinem eigenen großen Leidwesen, war nun aber seines
Bleibens hier nicht mehr lange: im Januar 1724 mußte er, um
nicht seiner stattlichen Figur wegen — als Docent an der Uni-
versität! — für die Garde seines Königs weggefangen zu werden,
sich heimlich davon machen. Stolle berichtet: „Weil er sich
seit 1712. [soll heißen: 1721? oder: 1722?] zuweilen im Predigen
geübt, auch in der Poesie hervorgethan hatte, so war er beyder
Ursachen halber bey hohen und niedrigen bekannt, biß ihn
beydes zugleich sein Vaterland zu verlassen und in die Fremde
zu gehen nöthigte. Dieses geschähe gleich im Anfange des
1724. Jahres; denn da er vor dem in Königsberg residirenden
Königl. General-Feld-Mareschall, dem Hertzoge von Hollstein
in seinem Zimmer zu predigen bestellet wurde, und er dieses zwey
Sonntage nach einander verrichtete, wurde ihm von einem hohen
Officier seiner Länge halber dergestalt nachgestellet, daß ihn
niemand mehr vor sicher hielte. Er machte sich also eilends
fort". Und ihm folgte sein Bruder Johann Heinrich Gott-
sched, der (geb. 1706) hier — 1720 am 31. August immatriculiert74)
— (schon Jurisprudenz?) studierte, alsbald nach75). Dieser schreibt
in seiner handschriftlich hinterlassenen Selbstbiographie: „Wegen
Von Johannes Reicke. X09
meiner Größe und bei den damaligen preußischen starken "Wer-
bungen wurde ich frühe in album academicum inscribirt und
ging 1721 [?] nach Königsberg auf die Universität. Weil aber die
Studenten vor den gewaltsamen Werbungen auch in die Länge
nicht mehr sicher waren, und ich schon einigen Angriffen unter-
worfen gewesen war, auch mein Bruder, der Professor, als
damaliger Magister wirklich weggenommen werden sollen und
deswegen nach Frauenburg76) flüchtig werden müssen, so reisete
ich diesem nach, und mein Vater, welcher mich von Balga mit
bis nach gedachtem Frauenburg76) begleitete, schickte uns beide
nach Leipzig. Die Abreise geschah den 19. Jan. 1724, meines
Alters noch nicht volle 18 Jahre. Unsere Reise ging über
Elbing, Thorn, durch Polen, in Schlesien, über Breslau, Liegnitz,
Görlitz, Bautzen nach Leipzig, allwo wir den 18. Febr. eintrafen.
Mein Bruder wählte gleich Leipzig zu seinem beständigen Sitze,
ich aber ging selbigen Jahrs nach Halle, um da meine studia
juridica zu prosequiren." Der Magister aber, berichtet Stolle
weiter — und das ist nach seiner Darstellung der zweite Punkt,
der ihn die Fremde aufzusuchen nöthigte — habe „zu Eibingen
ein Abschieds- Getichte an seine Gönner und Freunde unter
dem Nahmen des flüchtigen Ovidii drucken" lassen, „darinn
seinen Verfolgern etliche Ausdrückungen nicht zum besten ge-
fallen mochten, daher ihm vollends alle Hoffnung, wieder in
sein Vaterland zurücke zu kehren, benommen wurde": mir ist
von einem solchen nichts bekannt, sondern nur ein von Joh.
Joach. Schwabe in der „Vorrede" seiner Sammlung der „Gedichte"
1736 (die dann auch im I. Theile der „zweyten Auflage" 1751
wieder abgedruckt ist) als Probe eines solchen mitgetheiltes
Sinngedicht Gottsched's
„Als er aus seinem Vaterlande gieng.
1724.
Ich bin dein Ebenbild, mein Freund, Ovidius!
Weil ich so wohl, wie du, mein Land verlassen muß;
Wiewohl wir sind uns nicht in allem zn vergleichen;
Weil du die Flacht verdient, ich ohne Schuld maß weichen/'
Wohl aber dichtete er bald darauf auch eine, von Schwabe in
1 10 Zu J. G. Gottsched's Lehrjahren auf der Königsberger Universität
die „Gedichte" 1786 S. 429—431 (= 2. Auflage 1751 I,
S. 493 — 495) aufgenommene,
„Elegie.
Als er aus seinem Vaterlande gieng, 1724.",
die ich doch auch, trotz ihrer etwas umständlichen Redseligkeit,
als seine damalige Stimmung wirklich wiederspiegelnd ganz
hersetzen will:
„Mein Auge will sich noch vor Wehmuth überschwemmen ,
Wenn der gestörte Sinn an jenen Tag gedenkt.
Ich kan nicht mehr den Strom verhaltner Klagen hemmen,
Weil ich den Fuß so schnell aus Königsberg gelenkt.
Ein Schrecken hatte mir die Geister eingenommen,
Ein Schrecken, das mir Mars durch seine Wuth erweckt:
Daher auch der Entschluß von meiner Flucht gekommen,
Der andre fast noch mehr, als meine Brust, erschreckt.
Ich hörte hie und da ein warnend Wort erschallen;
Ein jeder war bemüht und sehr besorgt um mich.
Man sprach: Ich würde bald in schlaue Hände fallen,
Ja mancher stellte sich fast allzu jämmerlich.
Bald ist ein kleiner Brief aus guter Hand erschienen,
Der, als ein Donnerschlag, mein blödes Herz zerschellt.
Bald kam ein lieber Freund mit angsterfüllten Mienen,
Und sprach: Es werde mir beträglich nachgestellt
Bald drang ein falscher Ruff in die bestürzten Ohren,
Ich wäre wirklich schon Beiionen unterthan.
Bald hat ein kühner Mund den leeren Eid geschworen,
Man führe mich bereits zur vollen Uebungsbahn.
Man habe mich schon längst ins dicke Buch geschrieben,
Das Freygebohrne stracks zu Sclavenkindern macht.
So pflegte Freund und Feind mich stündlich zu betrüben;
So ward von jedermann an meinen Fall gedacht.
Zwar Anfangs konnte mich kein Warnungsbothe schrecken,
Man sagte dieß und das: Ich lachte nur dazu.
Kein Dräuwort konnte mir die mindste Furcht erwecken,
Ich dachte jederzeit: Wer ist so frey, wie du?
Zuletzt besiegten mich die wohlgemeinten Worte,
Die mancher treue Mund mir in das Ohr gesetzt.
Ich traute mir nicht mehr an dem beliebten Orte,
Der meinen Geist bisher mit vieler Lust ergötzt.
Der unverhoffte Schluß ward plötzlich abgefasset,
Der Schluß, der eine Flucht aus Königsberg beschloß;
Der Schluß, bei welchem mir das Angesicht erblasset,
Als das betrübte Wort von meinen Lippen floß.
Von Johannes Heicke. 111
Ach! rief ich bey mir selbst, du grimmiges Geschicke!
Was treibt mich deine Hand so schleunig in die Flucht!
Verhängniß! andre doch die zornerfüllten Blicke,
Dadurch dein Eifer nur mein größtes Unglück sucht.
Was drohet mir dein Arm mit den verwünschten Waffen?
Du weist ja, daß ich mich dem Musenchor geweiht.
Was hab ich doch mit Mars, dem Kriegesgott, zu schaffen?
Der mir dennoch so oft mit seiner Knechtschaft dräut.
Doch bald erhohlten sich die zagenden Gedanken,
Und sagten: Ach vielleicht befördert dieß dein Glück!
Vielleicht führt dich der Herr, in seiner Weisheit Schranken,
Durch den schon oftermals gespürten Vaterblick.
Also verkehrte sich die Furcht in ein Vertrauen,
Wiewohl ein neuer Schmerz bekränkte meinen Sinn.
Ich sollte manchen Freund zum letztenmal schauen,
Dem ich verwandt, bekannt und lieb gewesen bin.
Ich sollte unverhofft der Gönner Haus verlieren,
Die meine Schwachheit oft durch ihre Huld gestützt.
Mein Schicksal wollte mich an fremde Oerter führen,
Wo mich, so viel ich weis, kein gleicher Schild beschützt.
Ja, ja, ich fohle noch, wie dem beklommnen Herzen,
Bey manchem Letzungswort so schlecht zu Muthe war.
Sonst pflegte hie und da mein freyer Mund zu scherzen,
Doch damals stellte sich ein trübes Wesen dar.
Zwar wurde mehrentheils der herbe Schmerz verborgen,
Indem ich meinen Gram nicht völlig merken ließ:
Allein mein Herz empfand um desto mehr die Sorgen,
Womit der Abschied mich fast gar zu Boden stieß.
Doch seht, auch dieses ist nicht überall geschehen;
Die kurze Zeit verboth die letzte Höflichkeit.
Ich kriegte manchen Freund und Gönner nicht zu sehen,
Der mir vielleicht itzund mit seiner Ungunst dräut.
Ach Werthste! zürnet nicht. Ich habe nichts verbrochen!
Die angespannte Post hat mir den Gruß verwehrt.
Und hat euch euer Knecht gleich nicht zuletzt gesprochen:
So soll es doch geschehn, wenn er zurücke kehrt.
Indeß lebt alle wohl! und bleibet dem gewogen,
Der eure Namen stets' in treuer Seelen hält.
Voritzo bin ich zwar aus Königsberg gezogen;
Doch wer aus Preussen zieht, der zieht nicht aus der Welt"
Noch 1728 in der, gleich zu Anfang von mir schon erwähnten,
„Ecloge Auf meines lieben Vaters sechzigsten Geburts-Tag"77)
seufzt er als im „Meißner -Land" „fremder Hirt" „Prutenio":
112 Zu J. C. Gottsched's Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
„0 Himmel? der da mir viel gutes zugemessen,
Soll ich mein Vatterland denn gantz und gar vergessen?
Den mütterlichen Schooß, die Brust, so mich gesäugt?
Den Vater, der mir selbst der Weisheit Bahn gezeigt?
Ich ehre deinen Schluß, du Schöpfer meiner Tage;
Du weist, ich murre nicht, indem ich solches sage,
Du fügest alles wohl, und hast, mit Vorbedacht,
Auch mich aus ferner Lufft an diesen Ort gebracht.
Dein Rath, den niemand noch recht würdiglich gepriesen,
Hat sich fürwahr an mir recht sonnenklar gewiesen.
Ich suchte Sicherheit, des Friedens edle Frucht,
Ich wünschte Ruh und Glück, und fand, was ich gesucht
Allein ich dachte nicht, daß mir die Meißner- Hürden,
So lang ein Aufenthalt und Wohnplatz bleiben würden,
Als sie es itzt schon sind. Mich dünckte, daß ein Jahr
Schon ein geraumes Ziel zum Aussenbleiben war,
Und daß des Monden Glantz kaum zwölfmahl wechseln sollte,
Bis ich mich wiederum zurück begeben wollte.
Itzt ist das fünfte Jahr schon gröstentheils vorbey,
Und man vermißt mich noch bey jener Schäferey,
Die dort am Pregelstrom auf bunten Hügeln weidet,
Die Flora wohl so schön mit Gras und Blumen kleidet,
Als dieses Meißner-Land. Was hab ich nun gethan,
Daß ich mein Vaterland nicht wieder sehen kan?
Soll ich mir Haab und Gut in fremder Lufft erwerben,
Ein Fremdling lebend seyn, und als ein Fremdling sterben?
O Himmel, das ist hart! Ach möcht es doch geschehn,
Daß ich die Schäfer-Zunft noch einmahl könnte sehn,
Die mich von Jugend auf, so treu und redlich liebte,
Und sich, indem ich schied, mit reger Brust betrübte;
Die ich sehr hochgeschätzt, weil ihre Gütigkeit
Mir offt behülflich war, mich offtmahls sehr erfreut.
Hier leb ich ohne Danck, und muß in ferner Erden,
Mir selber innerlich ein rechter Abscheu werden.
0 daß mich doch kein Wind nur einen halben Tag,
Zu dieser Hirten-Zahl in Preußen führen mag!
Wie munter würde da mein treues Hertze springen!
Wie würde mir die Lust durch Marck und Adern dringen!
Wie eifrig wollt ich da durch alle Hütten gehn,
Und mündlich überall die Gunst und Huld erhöhn,
Die mir, vor h linderten, die meines gleichen waren,
In Proben mancher Art, zehn Jahre wiederfahren."
Nicht blos Dankbarkeit und Liebe, auch Sehnsucht und
Verlangen dahin zurückzukehren haben ihn auch fernerhin
Von Johannes Reicke. 113
Königsbergs immer von neuem gedenken lassen78); schließlich
fand er aber doch schon bald in Leipzig nicht nur „Ruh und
Glück", sondern auch noch mehr — und beides zunächst durch
Johann Burchard Mencke. Es war in Leipzig „ihm von
dem Bathe zu Königsberg ein Stipendium angewiesen", erwähnt
Srucker; bald nahm ihn Mencke79) (der bekannte Polyhistor,
Herausgeber der „Acta Eruditorum"), Hofrath und Professor an der
Universität, ganz in sein Haus auf als Aufseher über seinen
ältesten Sohn und zugleich auch über seine umfangreiche Biblio-
thek. Durch diese nun aber und seinen persönlichen Umgang
sind ihm ganz neue, bis dahin nicht geahnte, Geistesquellen erst
erschlossen worden: er müsse es ihm „nachrühmen", sagt Gott-
sched in jener Vorrede vom Jahre 1756, „daß er mich zuerst,
auf die alten Lehrer der freyen Künste gewiesen, ohne welche
man niemals etwas gründliches davon lernen würde". „Diesem
Rathe" sei er „gefolget" und habe „sogleich mehr Licht von
der wahren Beredsamkeit, und einen gesundern Begriff von
ihren f&egeln gefunden; als in zehn andern Werken der Neuern,
davon damals alle Buchläden voll waren": und so entwarf er
denn „nach Anleitung der alten Griechen und Kömer" seine
, Redekunst". Schon am 1. März 172480) war er auch in die
unter Mencke's Aufsicht stehende „Deutschübende poetische
Gesellschaft" aufgenommen worden: in dieser, berichtet er in
der Vorrede zur „Critischen Dichtkunst", „ward ich gewahr;
daß man bey Verlesung eines Gedichtes unzehliche Anmerckungen
machte, und solche Sachen, Gedancken und Ausdrückungen in
Zweifel zog, die ich allezeit vor gut gehalten hatte. Ich fand
selber wohl, daß die meisten so ungegründet nicht waren: und
ob ich wohl in einigen Stücken auf meiner Meynung blieb, und
die Einwürfe so man mir machte, vor ungegründet hielte; so
war ich doch nicht im Stande dieselben zu heben, und meine
Gewohnheit auf eine überzeugende Art zu vertheidigen. Eben
damahls kamen mir die Discurse der Mahler in die Hände, die
mich durch so viele Beurtheilungen unsrer Poeten, noch be-
gieriger machten, alles aus dem Grunde zu untersuchen, und
Altpr. MonAtMobrift Bd. XXIX. Hft. 1 u. 2. $
1 14 Zu J. C. Gottsched's Lehrjahren auf der Königeberger Universität
wo möglich, zu einer völligen Gewißheit zu kommen, was richtig
oder unrichtig gedacht; schön, oder heßlich geschrieben; recht,
oder unrecht, ausgeführt worden". Da konnte er sich nun
„drey Jahre'* Mencke's „treffliche Bibliotheck zu Nutze machen".
„Hier lernte ich", sagt er, „alle alte Soribenten, alle ausländische
Poeten, alle Criticos, und ihre Gegner kennen. Ich müste ein
grosses Register machen, wenn ich alle die grössern und kleinern
Wercke anzeigen wollte, die ich in der Zeit durchgelesen, bloß
in der Absicht mir selbst einen regelmässigen Begriff von der
Poesie zu machen; und endlich eine Gewißheit in meinen Ur-
theilen zu erlangen/1 Und auf deren Studium baute er seinen
„Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen" auf.
So mochte er denn in einem „Poetischen Sendschreiben" „An
Seine Hochwohlgebohrne, Herrn Franz Christoph von Scheyb,
auf Gaubickolheim, E. Löbl. Niederösterr. Landschaft Secretar.
1750 im October"81) in Wahrheit sich glücklich preisen:
„Ein jedes Land erzeugt Gemtither edler Art;
Wohl dem! dem eins davon in Freundschaft günstig ward.
Dieß Glück ertheilest Du mir ferngebohrnem Preußen;
Den jener Bernsteinstrand kann seinen Zögling heißen,
Dem Albertinens Schooß die Musen lieb gemacht,
Bis ihn das Glück hieher in Deutschlands Kern gebracht.
Hier hab ich Geist und Witz noch feiner aasgeschliffen,
Was Pietsch mich nicht gelehrt, aus Menkens Huld begriffen,
Durch fremder Sprachen Licht das Deutsche mehr gestärkt,
Und aus der Alten Höh der Neuern Fall bemerkt. u
Und so hätte er auch urtheilen können: die Jahre in Königs-
berg seien seine Lehrjahre gewesen, er habe dann aber in die
Fremde wandern müssen, um da erst Einsichten zu erhalten,
die ihn konnten hoffen lassen dermaleinst auch als Meister —
und seiner Zeit hat er doch als solcher gegolten — angesehen
zu werden.
Von Johannes Reicke. H5
Anmerkungen.
1) Die „Geschichte dieser Widmung" in einem Aufsätze von Berthold
Litzmann (Jena) „Kronprinz Friederich und Gottscheds Ausführliche Rede-
kunst": Zeitschrift für Deutsches Alterthum und Deutsche Litteratur XXX.
N. F. XVm. Band 1886 S. 204— 212 berührt die hier angeführten Worte
nur im Vorbeigehen (S. 206).
2) Für meine ganze Darstellung haben mir die folgenden gedruckten
Quellen zu Gebote gestanden:
Gottlieb Stolle (Philos. Civil. Profes. P. 0. in Acad. Ienensi) „Gantz
neue Zusätze und Ausbesserungen Der Historie Der Philosophischen Ge-
lahrheit" Jena 1786 — ein Anhang zu seiner „Anleitung Zur Historie der
Gelahrheit, denen zum besten, so den Freyen Künsten und der Philosophie
obliegen, in dreyen Theilen nunmehr zum viertenmal verbessert und mit
neuen Zusätzen vermehret, herausgegeben" (Jena 1786) — (die Vorrede
jener „Zusätze und Ausbesserungen" ist vom 3. Januar, die des Werkes
selber vom 20. Februar 1736): S. giebt dort — gelegentlich der zu dem
Abschnitt „Scribenten von dem heydnischen Aberglauben und dessen Stiff-
tern" („Der Anleitung Zur Historie der Gelahrheit, Andrer Theil" „Das
in.Capitel. Von der Pnevmatic oder Geisterlehre": a1724 = »1727 § XXXIX.
4 1737 § XLII.), sammt dem Original, nachgetragenen Gottsched' sehen Ueber-
setzung (1780) der „Historie der heydnischen Orakel" Bernhard v. Fonte-
nelle's — S. 173—175 eine Biographie Gottsched's (bis zum Jahre 1734), die
gerade über seine Studienzeit einige in der Weise sonst nicht über-
lieferte Einzelheiten bietet — sodaß man glauben möchte, S. werde diese
so nur durch Gottsched selbst erfahren haben (wenigstens im Briefwechsel
mag er wohl mit ihm gestanden haben: Danzel „Gottsched und seine Zeit"
1848 führt freilich nur einen Brief Stolle's an S. 116 Anm., aus dem Jahre
1730): allerdings könnten gleich die ersten Worte, G. erkenne „Königsberg in
Preussen vor seine Vaterstadt" (Jahr und Tag seiner Geburt sind richtig
angegeben) wieder daran zweifeln lassen.
Gabriel Wilhelm Goetten (Past. zu St. Michael, in Hildesheim)
„Das Jetzt lebende Gelehrte Europa, Oder Nachrichten Von Den vornehmsten
Lebens- Umständen und Schriften Jetztlebender Europäischer Gelehrten r"
„Der H. Theil" Braunschweig und Hildesheim 1736 (Vorrede: Den 18. April 1736)
[G. erwähnt im Artikel „Gottlieb Stolle" H, S. 613—621 bereits auch die
eben genannte Ausgabe seines Werkes ans dem Jahre 1736] enthält S. 76—92
eine Biographie Gottsched^ mit darauf folgender Angabe seiner Schriften
(bis zum Jahre 1735), deren Schlußabsatz mit den Worten beginnt: „Ein
8*
1 16 Zu J. 0. Gottsched's Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
Fremder würde weit mehr zum Ruhme dieses Mannes gesagt haben, als ich
wegen der Freundschaft thun können, in der ich mit ihm stehe'1 — G. wird
wohl also seine Nachrichten bestimmt von Gottsched selbst haben, zumal
er auch schon in der Vorrede zum I. Theil (der Braunschweig 1736 erschien)
ihn unter denjenigen mitaufführt, die durch „Mittheilung und Verschaffung
allerley diensahmen Nachrichten" seine „Arbeit befördert haben", und ihn
dann auch in der Vorrede des II. Theils unter die „Gönner" rechnet, an die
er ihm zugedachte fernere Mittheilungen („zu dem III. Theile"), wenn nicht
an ihn selbst oder an den Verleger, zu senden bittet. Dieses „dritten Theils
viertes und leztes Stük" Zelle 1740 brachte übrigens S. 801—803 auch
einige Zusätze, aber nur zu den Litteraturangaben des obigen Artikels.
Jacob Brück er (damals noch „V. D. M. Oonsist. Assessor et Scholarcha.
in S. R. I. libera civitate Kaufbyrana"), mehr bekannt als Verfasser einer
„Historia Critica Philosophiae" (1742 ff.) etc., bringt im „Bilder-sal heutiges
Tages lebender und durch Gelahrheit berühmter Schrifft-steller, in welchem
derselbigen nach wahren Original-malereyen entworfene Bildnisse in schwarzer
Kunst, in natürlicher Aehnlichkeit vorgestellet, und ihre Lebens-umstände,
Verdienste um die Wissen schafften, und Schrifften aus glaubwürdigen Nach-
richten erzählet werden, von Jacob Brucker, der königl. Preuß. Societät der
Wissenschafften Mitglied und Johann Jacob Haid, Malern und Kupffer-
stechern. Drittes Zehend. Augspurg, bey Job. Jacob Haid, 1744" — in
Folioformat — als (in dem Exemplar der hiesigen Königl. u. Universitäts-
Bibliothek) siebentes Bildnis das Gottsched's („A. M. Wernerin pinx. I. I. Haid
sc. Aug. Vind.") und dazu (3 Blätter) biographische Nachrichten über ihn
sammt Aufzählung seiner Schriften (bis zum Jahre 1743) : da er in der Vor-
rede auch dieses Zehends hervorhebt, daß „die Lebens-beschreibungen der '
Gelehrten theils aus den eingesandten, theils auch öffentlichen glaubwürdigen
Nachrichten seyen verfertiget worden", im Text aber „die schäzbare Freund-
schafft, welche ich von ihm zu geniessen habe" betont, so ist bei ihm ge-
wiß auch anzunehmen, daß seine Angaben auf einem eigenen Berichte
Gottsched's beruhen.
Daniel Heinrich A r n o 1 d t giebt in seiner , ,Historie der Königsbergischen
Universität" Königsberg in Pr. 1746 II. Theil S. 444 (in dem Abschnitt
„Das achtzehende Gapitel. Von den Schicksalen dieser Academie." § 3.
„Nachricht von einigen aas dem Brandenburgischen Prenssen gebürtigen
Gelehrten» so außer ihrem Vaterlande sich verdient gemacht, und zwar an-
noch leben": Nr. III.) nur kurze Notizen über Gottsched's Leben und
Schriften bis zum Jahre 1723; und in den „fortgesetzten Zusätzen" 1769
S. 20 trägt er zu dieser Stelle nur das Datum seines Todes nach.
Unter den „Vorreden zu Gottsched's bedeutenderen Schriften", die
M. Bernays so allgemein in der „Litteratur" zu seiner (unten auch anzu-
führenden) Biographie Gottsched's als Quellen bezeichnet, scheint eine be-
sonders interessante und benutzenswerthe bisher kaum beachtet worden zu
sein: sein Werk „Erste Gründe der gesammten Weltweisheit," [II.] „Prak-
tischer Theil." „Nebst einem Anhange verschiedener philosophischen Ab-
Von Johannes Reicke. 117
handlangen, und einer Vorrede von des Verfassers ersten Schriften."
„Sechste verbesserte Auflage." Leipzig 1756 hat eine ausführliche (19 Bl. 8.
starke) „Vorrede, darinn eine Nachricht von des Verfassers ersten Schriften,
bis zum 1734 sten Jahre enthalten ist" (datiert „Leipzig, den lsten des
Herbstm. [= September] 1755").
Johann August Ernesti's (seit 1742 Collegen Gottsched' s an der Uni-
versität Leipzig), des bekannten Philologen und Theologen, „Memoria Io.
Christophori Gottschedii" habe ich nicht nach dem Originaldruck*), sondern
nur nach dem Abdruck in seinem „Opusculorum Oratoriorum Novum Vo-
lumen" (herausgegeben nach seinem Tode von [seinem Vetter] Io. Christian.
Theoph. Ernesti) Lipsiae 1791 p. 105—122 benutzt: diese offizielle akade-
mische Denkschrift ist „ein Muster von Feinheit", bemerkt Danzel Gottsched
S. 146, in Lob und Tadel des kürzlich verstorbenen.
Bibliographisch werthvoll, mehr als die Angaben Johann Christoph
Adelung's im II. Bande der „Fortsetzung und Ergänzungen zu Christian
Gottlieb Jochen allgemeinen Gelehrten-Lexico" Leipzig 1787 Sp. 1543—1546
und die Johann Georg Meu sei's im „Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800
verstorbenen Teutschen Schriftsteller" IV. Band Leipzig 1804 S. 800-309,
sind bekanntlich die von Karl Heinrich Jördens in seinem „Lexikon
deutscher Dichter und Prosaisten" IL Band Leipzig 1807 S. 212—249, mit
Nachträgen im VI. Bande 1811 S. 242—246, „gesammelten Materialien"
(vgl. die „Vorrede" im I. Bande S. 7): an Nachrichten über sein Leben
haben alle drei Werke nichts neues gebracht.
Die „Blätter für literarische Unterhaltung" Jahrgang 1839 I. Band
(Leipzig F. A. Brockhaus: Verantwortlicher Herausgeber Heinrich Brock-
haus) enthalten in Nr. 3 S. 11 f. einen kleinen Beitrag betitelt „Ein Brief
des Professors Gottsched." unterzeichnet: 127. (d. i. nach gefalliger Aus-
kunft des Herrn Verlegers der damalige Stadtgerichtsdirector Paul Wigand
in Wetzlar gewesen) — dieser bringt in der Einleitung zu dem ganz abge-
druckten Briefe Gottsched's („Leipzig, den 6. Oct. 1743") an seinen Bruder
[Johann Heinrich] in Kassel einige Stellen aus dieses handschriftlich hinter-
lassener Selbstbiographie, die dem Einsender (dessen Großvater, nach vor-
ausgehenden Nachrichten über im Briefe berührte Familienverhältnisse, eine
*) Dessen Titel lautet nach gütiger Mittheilung des Herrn Ober-
bibliothekars an der Universitäts- Bibliothek zu Leipzig Dr. J. Förstemann:
Memoriam viri amplissimi atque celeberrimi Io. Christophori Gotschedii lo-
gices, metaphysices poeticesque professoris, alumnorum principalium ephori,
Collegii Princip. majoris collegiati decemviri convictu publ. collegioque
Paullino curando, collegii doctrinarum Berol. Bavar. Maguntini Augustani
sodalis etc. de literis et academia nostra praeclare meriti d. Xu. dec. a. C.
MDCCLXVI. rebus humanis exemti common dat Rector universitatis liter.
Ups. (a. E.: P. P. Dom. II. p. Epiph. [= 16. Jan.] a. C. MDCCLXVIII.
Lipsiae, ex officina Breitkopfia.) (XU pag. fol.), — sie ist also nicht „1767"
(wie Mensel, Jördens, Gräße angeben) erschienen.
1 lg Zu J. C. Gottsched' s Lehrjahren auf der Königsberger Universität
Verwandte der Gottsched's geheirathet hatte) auch „in Bezug auf die
Lebensgeschichte des berühmten Professors Gottsched" (bis zu seiner An-
kunft in Leipzig 1724) mittheilenswerth erschienen waren.
Theodor Wilhelm Danzel in seinem trefflichen Werke „Gottsched
und seine Zeit" Leipzig 1848 (die „Zweite wohlfeile Ausgabe" ebd. 1865 ist
nur Titelauflage) hat wesentlich, wie er schon auf dem Titelblatte angiebt,
„Auszüge aus seinem Briefwechsel zusammengestellt und erläutert", so
übrigens „aber Gottscheds Bedeutung noch lange nicht erschöpft", wie
auch Wilh. Scherer in den Anmerkungen der „Geschichte der Deutschen
Litteratur" (1. Auflage 1888 S. 766) hervorgehoben hat: D. hat eben durch-
aus keine fortlaufende Geschichte seines Lebens und seiner Schriften, die
er immer nur je bei Gelegenheit erwähnt und bespricht, geben wollen,
sondern, wie er selber sagt (S. 6), sein Buch zerfallt „in eine Anzahl Ab-
schnitte, die ungefähr in derselben Reihe aufeinander folgen, in welcher
sich die in ihnen behandelten Interessen in Gottscheds Lebensgange nach
einander ergeben, in denen dann aber, was zu diesen einzelnen Interessen
in Beziehung steht, bis zu Ende durchgeführt ist". —
Die „Allgemeine Deutsche Biographie . . . herausgegeben durch die
historische Commission bei der Königl. Akademie der Wissenschaften" (in
München) hat im IX. Bande Leipzig Duncker A Humblot 1879 S. 497—606
den Artikel „Gottsched" aus Michael Bernays* Feder gebracht: er ist,
dankenswerther Weise, mitabgedruckt in „J. W. von Goethe. J. C. Gott-
sched. Zwei Biographieen von Michael Bernays" ebd. 1880 („Vorbemerkung" :
„im October 1879") S. 117-144. -
Seitdem sind mir nur noch die beiden folgenden Darstellungen
bekannt:
Die „Deutsche National-Litteratur Historisch kritische Ausgabe Unter
Mitwirkung von .... herausgegeben von Joseph Kürschner" brachte [1883 1
als „42. Band" „Joh. Christoph Gottsched und die Schweizer J. J. Bodmer
und J. J. Breitinger Herausgegeben von Johannes Crüger" Berlin und
Stuttgart, Verlag von W. Spemann (= „Bandausgabe 83"): dessen „Einleitung"
(datiert: Dezember 1882) schildert S. XXII ff. Gottsched's Leben und Wirken.
Und Max Koch hat in einem Schriftchen „Gottsched und die Beform
der deutschen Literatur im achtzehnten Jahrhundert" (Sammlung gemein-
verständlicher wissenschaftlicher Vorträge, herausgegeben von Bud. Yirchow
und Fr. von Holtzendorff. Neue Folge. Erste Serie. Heft 21.) Hamburg
1886 (32 S. 8.) Gottsched nach Leben und Bedeutung kurz und treffend ge-
zeichnet. —
Solche Berichte und gelegentliche Angaben, die nur für einzelne Punkte
in Frage kommen, werde ich jedes Mal an ihrem Orte anführen.
8) Diese allgemein so überlieferten Daten bestätigt seine eigene An-
gabe bei der Ode im IL Theil der „Gedichte" 1751 S. 280—242: „Als der
Verfasser Sein Fünfzigstes Jahr zurücklegte. Den 2 Febr. des 1760 Jahres";
aus den mir selbst in Juditten von Herrn Pfarrer L. Tackmann — wofür
Von Johannes Beicke. 119
ich ihm auch hier besten Dank sage — freundlichst vorgelegten Kirchen-
büchern ist nnr der 5. Februar als Tauflug festzustellen: s. Anm. 7.
4) Er selber gebraucht schon die heute allein übliche Namensform in
der Ode „Auf den Qeburts- und Namenstag Seiner Aeltern" 7. Sept. 1782:
„Sey gegrüßt, beliebter Wald!
Grüner Berg, an dessen Grunde
Dieses Paar den Aufenthalt,
Ja sein andres Eden funde.
Sey gegrüßt, o mein Juditten!
Wo ich einst das Licht erblickt,
Wo in frommen Schäferhütten
Mich der Mutter Brust erqvickt"
u. s. w.
(„Gedichte, gesammlet und herausgegeben von Johann Joachim
Schwabe, M. A." Leipzig 1786 S. 269 = „Gedichte, Bey der itzigen zweyten
Auflage übersehen, und mit dem II. Theile vermehret, nebst einer Vorrede
ans Licht gestellet von M. Johann Joachim Schwaben" ebd. 1751 [I. Theil]
S. 197) ; in der 1726 für seines Bruders Johann Friedrich „Denk- und Grab-
maalu verfaßten Aufschrift (nicht in Versen) nennt er diesen „gebohren in
Jadithenkirch" („Gedichte" 1786 S. 343 =» 1, 641). (Der Bruder Johann Hein-
rieh übrigens in seiner hinterlassenen Selbstbiographie hat es „Juditten" ge-
nannt.) Goetten undBrucker schreiben „Judithen-Kirch" resp. „Judithen-kirch"
(und Ernesti: „Natus eft in villa haud proeul a Monte regio in Pruffis,
Iudithae templum loco nomen fecit"), und so wird denn Gottscheds Ge-
burtsort überall angegeben (nur daß in Goedeke's „Grundrisz" II. Band 1859
[= „Zweite Ausgabe" 1862] S. 540 = „Zweite ganz neu bearbeitete Auflage"
LH. Band 1887 S. 857 daraus „Judithenkirchen" geworden ist). Vergl.
übrigens über den Namen der Kirche, und dessen Herleitung, Ernst Ludwig
Storch (damals Pfarrer zu Juditten) „Die Kirche und das Kirchspiel
Juditten im Landkreise Königsberg" Königsberg 1861, S. 4 ff.
5) S. über ihn: Daniel Heinrich Arnoldt's „kurzgefaßte Nachrichten
von allen seit der Reformation an den Lutherischen Kirchen in Ostpreußen
gestandenen Predigern". Herausgegeben von Friedrich Wilhelm Benefeldt.
Königsberg 1777 (Vorrede S. XI als „Presbyterologie" bezeichnet) [IL Theil |
8. 25 u. 209; Storch a. a. 0. S. 48 f.; und Adolph Kogge „Die Kirchen des
ehemaligen Amtes Balga" Königsberg 1868 zu S. 25—80: „Die Kirche zu
Balga" die Anm. 57 (S. 80 ff.): Die (17) „zu ermittelnden evangel. Pfarrer
der Kirche" 11.
Christoph Gottsched, geb. 1668 am 7. September (so nach seines
Sohnes Gedichten; Arnoldt giebt an: 5. Sept. — doch wohl nicht richtig,
zumal auch das Anm. 11 bemerkte mitspricht) zu Königsberg, hatte hier (1685
25. Aug. immatriculiert) Theologie studiert, und war, nachdem er als „S. S.
TheoL Stud.u nach seiner eigenen Angabe (in der, noch zu nennenden, von ihm
angelegten Chronik der Kirche) „Anno 1697 Dnica Exaudi war der 19. Maji"
in Juditten „seine Prob-Predigt" gehalten hatte und darauf (Arnoldt: den
120 Zu J. C. Gottsched 's Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
Freitag vor Pfingsten) [24. Mai] ordiniert worden, (naoh seiner Angabe)
„Dnica II. p. TRIN:" [16. Juni] als Pfarrer bei dieser Kirche „introdu-
ciret". „Eodem Anno 1697u dann, hat er selbst in das — von mir auch
eingesehene — „Juditten Kirchen Hochzeit Buch" aus jener Zeit eingetragen,
„Domin : III p. TRIN : [28. Juni] sind zum erstenmahl auffgeboten der Pfar-
rer dieses Orts Christoff Gottsched mit deßen Jungfer Braut Anna Regina,
des Wol Ehrwürdigen Vorachtbahren v. Wolgelahrten Hrn. Johann Bieman-
nen, Woll verordneten Pfarrern v. Seelsorgern der Christi. Gemeine zu Grü-
nau v. Passarge eheleib). Jgfr. Tochter, v. sind alhie d. 4 Juhj copuliret" —
durch wen, und Trauzeugen sind nicht angegeben. Ihr ältester Sohn Johann
Christoph hat seine ganze Jugend bis zur Reife für die Universität (Ostern
1714) dort in Juditten verleben können ; aber im Jahre darauf, hat der Vater
in die Chronik eingetragen, „Anno 1715. ward ich von S. K. M. wieder alles
vermuhten nach Balga vociret, daher hielte ich, nach dem ich dnica XIX.
p. Trin. [27. October] daselbsten war introduciret worden, alhie dnica XX. p.
Trinit. [8. November] meine Valet-Predigt". Er hat dort in Juditten das
von seinem unmittelbaren Amtsvorgänger 1696 angelegte Urkundenbuch der
Kirche (in das nach einer Anordnung, giebt Storch S. 48 an, „alle alten und
neuen Recesse, Churfürstl. Edikte, Verabschiedungen und Amtsverordnungen,
jedwedes nach dem Datum in guter Ordnung reinlich eingeschrieben wer-
den" sollten, „damit, wenn ja durch irgend« einen Zufall die Originalia von
Henden kommen möchten, die Copien dennoch erhalten werden können")»
betitelt „Acta Judith ensia Darinnen alle Churfürstl iche Verabscheidungen
undt Kirchen Recesfen enthalten sehidt vermöge der Verordnung nach dem
Kirchen Recesf [hier ist Platz wohl für das Datum dieses Kirchenrecesses
gelassen] Anno 1696. angeschaffet" u. s. w., — es ist noch vorhanden (nach
Storch „unter dem Namen des grünen oder des Urkunden-Buches": es ist
nämlich ein in grüngefarbtes Schweinsleder gebundener Foliant) — dieses
hat er nicht blos weiter geführt, sondero auch gegen das Ende in den Band
eine kurze Chronik eingetragen (von seiner Hand sind 7 Blätter; Nachfolger
haben dann auch diese fortgesetzt), mit dem Titel „Extract, und Kurtzer
Inhalt, alles deßen, Was vorhin biß auff diese Zeit bey unser Juditen Kirch
Denckwürdiges pafsiret, So viel man auß den alten Recefsen und Kirchen-
Rechnungen hat abnehmen können, gesetzet von Christophoro Gottscheden
Pafbore h. 1. Anno 1698." (welche Chronik übrigens Storch in seiner Schrift
„vielfach benutzt" zu haben bekennt). Als Pfarrer in Balga ist er 1787 im
April gestorben (Arnoldt).
6) Die Mutter, AnnaRegina geb. Biemann (die Angabe der „Blätter
für literarische Unterhaltung" 1889 : „geb. Birmannin" wird wohl nur Lese-
fehler des Einsenders oder gar nur Druckfehler sein), ist nach Storch „als
Pfarrwittwe" zu ihrem jüngsten Sohne Johann Reinhold, der Hofgerichts-
advokat in Königsberg war — er war der einzige da zurückgebliebene
Sohn — gezogen und hat sich nach dessen Tode (1759: s. Anm. 7) „in
ihrem Alter eines Zuschubs ihres ältoren Sohnes" 'Johann Christoph zu er-
freuen gehabt, aber, berichtet der selbe, sie „lebte dennoch in großer Dürftig-
Von Johannes Reicke. 121
keit, hatte sich zuletzt zu einem Schneidermeister in Königsberg in die Kost
gegeben und erhielt bei ihrem Ableben 1763 eine freie Beerdigung in hiesi-
ger Kirche [Juditten], um welche sie bereits den 2. Febr. 1756 gebeten
hatte".
Ueber ihren Vater Johann Biemann (vgl. „Erleutertes Preußen"
„Tomus V." [= „Preußische Merkwürdigkeiten, . . . zur Fortsetzung des Erleu-
terten Preußens und der Actorum Borussicorum, herausgegeben von Einigen
Liebhabern der Geschichte des Vaterlandes"] Königsberg 1742 S. 727—804:
„Verbessertes Verzeichniß der Preußischen Bischöffe und Evangelischen Pre-
diger zu Königsberg in Preussen, seit der Reformation bis auf diese Zeit.
J. [acob] H. [enrich] L. [iedert]" S, 796 f. (Vestung Fridrichsburg) ; Arnoldt's
Prefibyterologie „Der erste Theil von Königsberg" : S. 80, und [IL Theil] : S. 214;
Adolph Rogge „Die Kirchen des ehemaligen Amtes Balga" 1868 zu S. 41 bis
43: „Die Kirche zu Grünau und Passarge" die Anm. 77 (S. 48 f.): „Die ev.
Pfarrer'1 11.) hat Adolf Rogge interessante Notizen gebracht in einem Auf-
satze der „Altpreußischen Monatsschrift" VII. Band 1870 8. Heft S. 288—246:
„Johann Biemann, der Grossvater Gottsched's". Er war 1640*) (so ver-
bessert Rogge 1868 Arnoldt's Angabe: 1639, — die dieser wohl nur aus
der Notiz im „Er! enterten Preußen" a. a. 0. S. 797, er sei „83t. 79." ge-
storben, erschlossen haben mag) 24. Juni zu Königsberg geboren, hatte hier
und auf auswärtigen Universitäten studiert, war 1671 „D. 21. p. Tr." als
der erste Prediger bei der neufundierten Kirche in der zu Königsberg ge-
hörenden Festung Friedrichsburg introduciert worden, hatte aber 1686 seine
Demission bekommen — Rogge: „weshalb, ist nicht zu ermitteln",- hatte
während einer sechs Wochen langen Vacanz in Wargen 1690 auf 91 (vgl.
Arnoldt [II. TheilJ: S. 85; Rogge giebt ungenauer nur das Jahr 1691 an)
mit großem Beifall vicariert und war dann 1691 (Rogge 1868: sein Anstel-
lnngsdekret ist vom 20.— 80. Oktober datiert) Pfarrer der Kirche in Grünau**)
und Passarge (im Kreise Heiligenbeil) geworden : da hat er sich „wie durch
Lehre und Leben, also auch durch Auf bauung" eines neuen „schönen Gottes-
hauses" in Grünau „um die Gemeine Gottes" „wohl verdient gemacht"
(Citat bei Rogge 1870: S. 285), und, nachdem er schon 1707 (laut Verf. d.
d. 13. Juni) an einem andern Schwiegersohne, Joh. Friedrich Sartorius, einen
(im Aug. 1707 eingeführten) Adjunkten (nach seinem Tode (12.) Pfarrer: vgl.
Rogge 1868 S. 44) erhalten, hat er seine letzten Jahre als „wohl emeritirter
Pfarrer und Senior" in Grünau gelebt: 1718 am 19. Dec. ist er gestorben.
Auf das ,, Wesen und Wirken" dieses Mannes, der allerdings „ein Geistlicher
von nicht gewöhnlichen Gaben gewesen" zu sein scheint, finde ich nicht
Grund mit Rogge hier näher einzugehen, da dessen Annahme (1870: S. 246)
„Die Muße, welche ihm in den letzten Lebensjahren verstattet war, mag
*) Das ,,1646" seines Aufsatzes in der Altpreußischen Monatsschrift
1870 S. 234 wird wohl ein Druckfehler sein.
**) Die „Blätter für literarische Unterhaltung" 1839 haben wieder un-
richtig überliefert: „Gronau",
122 Zu J. C. Gottsched^ Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
ihm die Beschäftigung mit seinem lernbegierigen Enkel erleichtert haben
und dieser mag im Umgange mit dem geistesfrischen Großvater das
Gegengewicht für die ernsten Studien gefunden haben, zu denen ihn sein
gelehrter Vater anhielt4' in allen Punkten auf sich beruhen muß: es findet
sich dafür kein Zeugnis, auch nicht einmal eine Andeutung in der, später
im Text noch von mir zu erwähnenden, Leichenrede Gottsched's auf den
Großvater (1719 2. Januar). Und auch die Vermuthung Rogge's, daß der
Sohn vom Vater „die Statur, des Lebens ernstes Führen41 gehabt, die Mutter
aber in ihm „manche Gabe geweckt, die dieser später zur Geltung brachte,
daß aber namentlich sein Großvater mütterlicherseits seine Vorliebe für
Poesie und Geschichte direct oder durch Vermittelung seiner Mutter auf
ihn vererbt habe" — die Rogge durch seinen Aufsatz zu begründen sucht —
thut wohl allen dreien zu viel Ehre an. Gottsched selbst, wie sogleich im
Text anzuführen, war sich bewußt bis zur Universität durchaus alles nur
seinem Vater zu verdanken.
7) Die „sechs Kinder, als zwei Schwestern und vier Brüder", wie die
Selbstbiographie Johann Heinrich Gottsched's angiebt, waren alle injuditten
geboren: nämlich — nach dem von mir eingesehenen „Juditten Kirchen
TaufF-Buch" aus jener Zeit — 1698 Dorothea Loysa (getauft „Dnica IV. p.
Trinit:" [=22. Juni] „von Hrn. Christoff Zeidlern Diacono Rosgarten fi" : unter
ihren Pathen erscheint auch die Großmutter „Catharina Biemannin Pfarrin
zu Grünau'1);
1700 Johann Christoph: getauft „D. 5. Februarij als Freitags
DnicsB IV p. Epiphan." „vom Hrn. M. Andrea Meyern Paftore Nev-Steind."
— vierzehn Pathen werden aufgeführt (da ich einige Namen nicht
sicher habe lesen können, theile ich sie hier nicht alle mit), unter ihnen
ein Herr von Köder bestimmt nicht, wohl aber „Hr. Licent. Johan Gott-
sched11: damit wird wohl der (nach Arnoldt Historie der Königsb. Univers.
1746 II, 330 f.) 1668 im Juli zu Königsberg geborene, seit 1694 (4./II.)
„Medicinae Licentiatus" Johann Gottsched gemeint sein, der allerdings
nach Arnoldt seit „demselben Jahre" 1694 auch schon Professor extraordinarius
Medicinae an der Universität Königsberg war, aber erst 1701 14./VII.
Medicinae Doctor und Professor Physices Ordinarius und 1702 10./I. Magister
daselbst wurde, bekannt als Verfasser einer „Flora Prussica, sive Plant»
in regno Prussise sponte nascentes" (1703), — zumal auch Stolle berichtet:
„Gottsched's Pathe" sei „sein Vetter, der in Pbysicis und Botanicis berühmte
Doctor und Prof. Gottsched" gewesen (Goetten meldet nur: „Auch das
Exempel seines berühmtes Vetters Hrn. D. Joh. Gottsched's, der Prof. Med.
& Phyf. Ord. zu Königsberg gewesen, hat ihm iederzeit zu einem Sporn
gedienet, etwas rechtes zu erlernen : obwohl ihm selbiger zu zeitig gestorben"
— nämlich schon 1704 am 10. April; Brucker erwähnt ihn überhaupt nicht) ;
1702 Anna Regina (getauft „d. 31. Januar: als Dienstag p. IV. Epiph:") ;
1704 Johann Friedrich: geboren Dach Joh. Christoph Gottsched's
Angabe in der Aufschrift für sein Epitaph (vgl. Anm. 4) „den 18 Merz",
getauft „Fer: III. Paschat. War der 25. Mart.lt;
Von Johannes Reicke. 128
1706 Johann Heinrich: gehören nach seiner eigenen Angabe in
der Selbstbiographie den 9. August, als „der Ordnung nach das fünfte"
Kind, getauft „d. 18. Augusti alß Freytags DNJCAE X p. TRIN:";
1710 Johann Reinhold: getauft „d. 16. Junij als Montags p. Fefb:
TRIN:".
(Uebrigens sind diese vier jüngeren Geschwister Gottsched's sämmt-
lich, wie die älteste Schwester, vom Diacon. Rosgart. Christoph Zeidler ge-
tauft worden.)
Ueber die Brüder wird im Texte seiner Zeit zu berichten sein; über
die beiden Schwestern weiß ich nichts weiter festzustellen: sie waren, als
Johann Heinrich seine Selbstbiographie aufsetzte, gleich dem Bruder Johann
Friedrich (f 1726) bereits „gestorben" und so schrieb er eben damals hin:
„es sind mit dem Professor in Leipzig und dem Hofgerichtsadvocaten in
Königsberg*), nur wir Drei noch am Leben".
8) So berichtet der Sohn Johann Heinrich in seiner Selbstbiographie.
9) Schon Goetten II, 77 citiert diesen Vers.
10) „Gedichte" 1736 S. 498-602: a 1751 I, 411-415.
11) „Gedichte" 1736 S. 267-272: * 1751 I, 195-200.
„Beydes fallt auf einmal ein,
Und verdoppelt mir die Freude"
singt er an einer Stelle dieser Ode: nämlich der 7. September, der Geburts-
tag seines Vaters, fuhrt im Kalender den Namen „Regina", war also zu-
gleich Namenstag seiner Mutter.
„Sonst besang ich eins allein,
Itzt verehr ich alle Beyde"
fahrt er fort: dazu möchte ich bemerken, daß Gedichte etwa auf seiner
Mutter Geburtstag ich nicht nachweisen kann, und ein Grund für sein dies-
mal anders handeln als „sonst" nicht ersichtlich ist — es müßte denn nur
der sein, daß er dies Zusammentreffen „sonst" nicht bemerkt hat.
12) 2. Auflage 1751 I, 198 ebenso (übrigens aber in der nächsten
Zeile hat sie „Markgraf1). (Dagegen das „Lobgedicht" im II. Theile 1751
S. 345—870: „Das erhöhte Preußen, oder, Friedrich der Weise. Seinem
werthen Vaterlande, zu dem den 18 Jäner 1751 eingefallenen fünfzig-
jährigen Andenken seiner Erhebung zur königlichen Würde, gewidmet."
singt (S. 359) von dem „Berg, dem Ottokar, (1) vor fünfthalb-hundert Jahren
Den Königsnamen gab", und zwar mit der gelehrten Anmerkung dazu: „(1)
Königsberg hat den Namen vom Könige Ottokar aus Böhmen, der im
1255 sten Jahre mit einem Heere von 60000 Mann, dem Orden in Preußen zu
Hülfe 'gezogen, und die Provinz Samland bezwungen: auf welcher er denn
*) Die hier im Abdruck der „Blätter für literarische Unterhaltung"
in Parenthese hinzugefügte Angabe „(Reinhold, gestorben 1759)" dürfte,
eben um der obigen Worte willen, wohl als Zusatz des (oben in Anm. 2
genannten) Einsenders anzusehen sein.
124 2fo J. C. Gottsched^ Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
den Grund zu einem Schlosse nah am Pregelstrome gelegt, um dadurch
das Land im Zaume zu halten. Ihm zu Ehren hat der Orden demselben,
und der dabey hernach erwachsenen Stadt, den Namen Königsberg ge-
geben. Siehe Hrn. M. Chrift. Bernh. Gotlfchedii*) Differt. de Ottocaro
Regiomonti Conditore. Lipf. 1722. 4.")-
13) „Gedichte" 17B1 IL Theil S. 230-242.
14) Dieses Datnm hat schon M. Bernays 1879 gebracht (gewiß auf
Grund der ihm, nach seiner Angabe in der „Litteratur" am Ende der Bio-
graphie Gottsched's, durch die Güte Hrn. Geheimraths Prof. Dr. L. Friedländer
hier gewordenen „Mittheilungen aus den Acten der Königsberger Uni-
versität"). Da ich das „Albvm Givivm Academiae Regiomontanae sive
Matricvla Academica" selbst habe einsehen dürfen, so führe ich die
(in dessen „Parte Secvnda" auf p. 370) Anno MDCCXTV. Mense Martio 19.
gemachte Eintragung hier genau an: „Johannes Christophorus Gottscheed
Juditta Prufs. fbipul." — das bedeutet „ftipulatus est manu" = ,er ist nur
durch Handschlag verpflichtet worden* (nach Arnoldt's Historie der Königsb.
Univers. I. Theil, „Beylagen" S. 149: nämlich die daselbst als Num. 47.
S. 136—165 abgedruckten „Statuta Acad. Regiomontanae de A. 1564." ent-
halten im Cap. XIV. nach dem „Sacramentum folenne, quod Rectori dari
folet" noch die Bestimmung „Cum autem Jurisjurandi Angularis religio
neque profananda effe videatur, cumque multi pueri 83 täte et animo
imbecilli atque imprudenti adduci ad hanc Prof ef (Tonern nominis foleant,
qui pueri adhuc fuerint, ftipulata manu eos promittere jubebit Rector reci-
tata Capita, monebitque Jurisjurandi hanc promiffionem loco accipi, ut me-
minerint fe juratos effe, cum primum qu» religio jurisjurandi fit intelligere
coeperint. Sed et aliis in promiffionibus folennis jurisjurandi fanctitas, niii
re flagitante, non ufurpabitur, at ftipulatione res peragetur.") ; „gratis"
übrigens, wie andere von dem selben Rector, ist Gottsched nicht immatri-
culiert worden (was, nach Arnoldt I, S. 286 und „Beylagen" S. 149, auf
Grund der eben angeführten „Statuta" Cap. XV. unter anderm auch dann
gestattet war wenn „quis in miniilerio verbi Divini publico verfetur, ac
Alis eam mercedem condonari precetur").
15) Wann er aber bei der Theologischen Facultät inscribiert worden,
ist nicht festzustellen: deren vorhandene Verzeichnisse reichen, nach gütiger
Mittheilung ihres vorigen Herrn Decans, nicht bis auf jene Zeit zurück.
16) Brucker durfte sich ja rühmen selber beides zu sein!
17) Ernesti sagt: „miffus in vicinam Academiam, vfus eft praece-
ptoribus, in humaniori quidem difciplina et Philofophia, Gerkio [sie!],
Rhodio, Meiero, Henrico Sandio, Kreufchnero, Fifchero, Bla-
fingero [sic!J, Strimefio, Raftio et Behmio, in literis hebraicis,
Hahnio et Wolfio, in Theologia denique, Quandio, Sandio, Lang-
*) Dieser war nach Arnoldt's „fortges. Zusätzen zu s. Historie der
Königsb. Universität" 1769 S. 138 ein Sohn des (in Anm. 7 erwähnten)
Professors Johann Gottsched.
Von Johannes Reicke. 126
hanfio, Lyfio, Mafecovio et Lilienthalio" — offenbar nach Brucker's
Angaben.
Gottsched selbst hat sie 1727, Übrigens nicht alle oben genannten,
in den folgenden Versen jenes Sendschreibens an seinen Vater zum 7. September
aufgeführt („Gedichte" 1736 S. 501 : 2 17B1 I, 413 f.) :
.,0 wie war ich hier geneigt, meine Lehrer zu erheben!
Doch dieß Blatt erlaubt mir kaum ihre Namen anzugeben;
Rohde, Gehrke, Bläsing, Meyer, Sanden, Fischer, Gregorov,
Kreu8chner, Liljenthal und Langhans, Hahn und Qvandt
und Masecov,
Pietsch und Rast, euch weis ichs Dank, daß mich euer kluges
Wissen
Aus des Unverstandes Nacht an der Weisheit Licht gerissen.
Hier erfüllet meine Feder mit Vergnügen ihre Pflicht,
Wollt ihr mich noch mehr verbinden ; schämt euch eures Schülers nicht !
Wird die späte Welt dieß Blatt unter meinen Liedern lesen,
Soll sie euch zum Ruhme sehn, wessen Lehrling ich gewesen."
Vielmehr ihm zum Ruhme ersieht die Nachwelt daraus, wie umfassend
seine hiesigen Studien gewesen sind. (Ueber Pietsch übrigens, der hier,
aber nicht in den obigen Angaben der andern vorkommt, wird an späterer
Stelle genauer zu berichten sein.)
18) Vermuthungs weise, auf seine eigenen und die fremden, doch so
allgemein gehaltenen, Zeugnisse hin, im einzelnen festzustellen, worüber etwa
in jedem Semester er bei all diesen seinen akademischen Lehrern Collegia
gehört haben mag, ein solcher Versuch dürfte wohl unausführbar sein : ein-
mal führen die gedruckten Vorlesungsverzeichnisse aus jenen Jahren nur die
„Profeesores Academiae Regiomontanae", die ordentlichen und die außer-
ordentlichen, auf, die Magistri legentes — zu ihnen gehörten aber von Gott-
scheds oben genannten Lehrern mehrere (unter denen nur drei während sei-
ner Studienzeit in Professuren aufrückten) : Rohde, Meyer, Kreuschner, Rast,
auch Behm, und Lilienthal — sind erst seit dem Wintersemester 1770/71
darin mitaufgenommen,' und zudem sind die Angaben in jenen Verzeichnissen
manchmal so allgemein gehalten oder auch andererseits der angekündigten
Vorlesungen so viele, daß es nachgerade unmöglich bleiben muß daraus nur
einigermaßen wahrscheinliche Ergebnisse erzielen zu wollen.
19) Doch lebte allerdings — offenbar auch schon während seiner hie-
sigen Universitätsjahre — in Königsberg ein Bruder des Vaters (s. P. Wigand
in den Vorbemerkungen zu dem Briefe Gottsched's : Blätter f. liter. Unterhaltg.
1889 I, S. 11 f.) als Buchbinder in der Altstädtischen Langgasse (nach dem
da mitgetheilten Briefe J. C. Gottsched's an seinen Bruder Johann Heinrich
aus dem Jahre 1743).
20) vgl. Arnoldt, Historie d. Königsberg. Universität I, 808 ff: „Von
dem communi Convictorio".
21) vergl. ebd. I, 824 ff: „Von denen, so auf dem academischen Collegio
logiren" n. II, 46 f.
126 Zu J- C- Gottsched's Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
32) vergl. ebd. I, 276 ff: „Von dem Alumnat". Ob übrigens den Alu-
mnen auch damals noch überdies „ein gewißes an Oelde gereichet ward", ist
aas seiner Darstellung nicht zu ersehen : Arnoldt sagt S. 908 nur, „ehemals"
sei es geschehen.
23) Arnoldt If 262 ff. (Das neunte Capitel).
24) Arnoldt I: „Beylagen" Num. 92. 8. 458—468.
25) Arnoldt I, 880 ff: „Von dem Oberinspector".
26) ebd. 387 ff: „Von dem Subinspector".
27) Nach der ursprünglichen Einrichtung (Lex III: De Ordinibus ac
Stipendiis Alumnorum) wurden „ehemals" die Alumnen „zu desto größerer
Aufmunterung in drei Classen getheilt : in der ersten waren die, so sich vor
andern hervorgethan, und es weiter als die übrigen gebracht hatten, in der
zweiten die, so denselben am nächsten kamen, und in der dritten die jüng-
sten und schwächsten" (Arnoldt I, 908).
28) Er hat in die, von ihm selbst herausgegebene, Zeitschrift „Acta
Borussica" „Des III. Bandes, Sechstes Stück" Königsberg u. Leipzig 1732
einen Aufsatz (mit seinem Bilde voraus) S. 787 — 857 : „M. Michael Lilienthals
Leben und Schriften" eingerückt, in dem er gemächlich Jahr für Jahr (bis
1732: einige aufgeführte Drucke tragen freilich auch schon die Datierung
„1739") über sich berichtet; daran schließt sich dann in der, auch von ihm
herausgegebenen, Zeitschrift „Erleutertes Preußen" „Tomus V." (= „Preußische
Merkwürdigkeiten" etc.) „Zwölftes Stück" Königsberg 1742 S. 857—871 [so
wäre zu lesen statt des durch irrthümliche Zählung dafür gedruckten „381"]
seine „Fortgesetzte Nachricht, vom Leben und den Schrifften M. Mich.
Lilienthals" und zwar zunächst S. 857 f : „Corrigenda & Addenda" „ad Tom.
III. Actor. Boruss." und dann S. 859 ff: Anno 1733. bis A. 1742.
29) Dies Diaconat bekleidete er von 1715 bis 1719 (er hat übrigens in
dieser Stellung 1716 eine „Historische Beschreibung des Thums, oder der
Cathedral-Kirchen der Stadt Kneiphoff Königsberg" veröffentlicht); zu Ende
des Jahres 1719 folgte er dann aber einem Rufe als Diaconus [nicht: Pfar-
rer] bei der Alt städtischen Gemeinde. 1727, giebt er an, wurde ihm daneben
von dem Magistrat der drei Städte Königsberg die Inspection der Raths-
Bibliothek [jetzt: Stadtbibliothek] aufgetragen, und auch sie hat er bis zu
seinem Tode verwaltet. Er starb am 23. Januar 1750. Neben seinen Amts-
geschäften hat er immer Zeit gefunden für eine überaus fleißig betriebene
Schriftstellerei auf theologischem Gebiete und dem der Geschichte unseres
engeren Vaterlandes.
30) Daß Gottsched in der angeführten Stelle der „Vorrede" vom Jahre
1755 eigenthümlicher Weise gerade ihn als „Prof. Lilienthalen" aufführt,
findet in folgenden Umständen seine Erklärung: als einfachen Magister mochte
er ihn damals, bereits nach seinem Tode, nicht bezeichnen wollen, der theo-
logische Doctortitel aber kam ihm nicht, wie den andern da genannten
Theologen, zu: er hatte 1717 bei Gelegenheit des Evangelischen Jubel-
festes „solchen Graduni" auch anzunehmen, wie er selbst erzählt, „nicht
resolviren mögen4',- wohl aber hatte ihm 1733 „die Bußisch - Kayserliche
Ton Johannes Beicke. 127
Academie der Wissenschaften zu Petersburg" „die Ehre gethan" ihn „als
ein Mitglied in ihre gelehrte Societät zu recipiren, und zu einem Profeßbre
Honorario zu declariren" — so durfte G. ihn wohl, da er ihn im Zusammen-
hange als Diaconus doch auch nicht wird haben bezeichnen wollen, durch
den Professortitel besonders auszeichnen. (Später war übrigens ein jünge-
rer, dieses älteren Lilienthal's Sohn, D. Theodor Christoph Lilienthal wirklich
an der hiesigen Universität Prof. Theologie e (1744 extraordinarius , 1751
Ordinarius) geworden: er ist aber erst 1717 geboren.)
31) Lilienthal berichtet nämlich folgendes über das Jahr 1722:
„Weilen nun, als letzter Diaconus, mit Ambts- Verrichtungen nicht eben viel
zu thun hatte, so entschlösse mich, der ftudirenden Jugend zu Nutz, Ao. 1722.
ein Prediger-Collegium zu halten, und ihnen darinn Oonßlia homiletica und
Monita Pafturalia zu ertheilen, auch die fontes und fubfidia, woraus andre
ohne Ursach Arcana machen, aufrichtig anzuzeigen. Dieses Collegium haben
nicht nur Studio/! Theologiee in grosser Anzahl, sondern auch Candidati
Minifterii frequentiret, von welchen viele itzo in Bedienungen stehen, und
durch ihre Zuschrift; bezeuget haben, das diese Arbeit an ihnen nicht un-
geseegnet gewesen sey". Dieses Collegium könnte ja vielleicht auch Gott-
sched noch besucht haben.
Ob aber M. Bernays mit Recht diesen Lilienthal so besonders als
Theologen auszeichnet, indem er sagt: Gottsched habe „mit der Gottes-
gelahrtheit sich nur oberflächlich befreunden" können „obgleich er einen
Mann wie den älteren Lilienthal unter seinen Lehrern fand", weiß ich nicht
zu sagen.
92) Sein Leben schildert ausführlich die akademische Denkschrift bei
seinem Tode im Jahre 1727 : „Viri, et natvrae, et solertiae, et fortvnae facvl-
tatibvs, nobilissimi, praecellentissimi, amplissimi, M. Ioannis Iacobi Rohdii,
Logic, et Metaphys. Profes. Ord. tarn mvneris bene gesti meritis, qvam
editis Ivcvlenter operibvs, domi forisqve clarissimi, Obitvm, qvo, IV. Non.
Ivl. An. MDCCXXVII. mortalis desiit esse doctor, discipvlvs factvs immor-
talis, ivsta lavdvm commemoratione hac pvblice proseqvvntvr, Rector et
Senatvs Regiae Academiae Regiomontanae. Regiomonti, Litteris Revsne-
rianis." (10 BL fol.) unterzeichnet „I. A." = Johann. Amsel, D. Prof. Jur.
Ord. Primär, h. t. Acad. Rector — sie enthält auch ein Verzeichnis seiner
Schriften; kürzer gefaßt, aber ganz nach dieser, ist der „Lebens-Lauff"
(S. 26—29) in: „Nehemiä demüthiges Memorial zu GOtt, um sein gnädi-
ges Andencken, Hat Aus Nehem. XIII, 31. Bey vornehmer Leich-Begäng-
niß Des Hoch-Edlen, Hoch-Achtbahren und Hoch-Gelahrten Herrn Johann
Jacob Rohde, Metaph. & Logices Professoris Ordin. auf hiesiger Königl.
Academie, Als Derselbe den 12. Julii des 1727. Jahres in hiesiger Pfarr-
Kirche beerdiget worden, folgenden Tages war der V. Sonntag nach Trini-
tatis, Bey Volckreicher Versammlung in einer Predigt vorgestellet Und auf
Verlangen herausgegeben Johann. Christoph. Netze, Diaconus bey der Löb-
nichtschen Pfarr-Kirche. Königsberg, gedruckt in der Königl. Hoff- und
Academischen Bnchdruckerey." (Titbl., 80 S. fol.)
128 Zu J. 0. Gottsched's Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
Auf jenem „Universitäts Programinate, so bey seinem Begräbnis an-
geschlagen worden'4 beruhen auch offenbar die Biographie und Schriften-
angabe in Alexander Nicolaus Tolckemit's „Elbingscher Lehrer Gedächtniß,
Das ist: Leben und Schriften aller Evangelischen Lehrer, die seit der Re-
formation an den sämmtlichen Kirchen, wie auch an dem Gymnasio in
Elbing gelehret," etc. Danzig 1758 S. 310—812.
83) Der Tag ist in dem Druck nicht angegeben.
34) In seinen Disputationen, wie sie die officielle lateinische
Biographie in einer Anmerkung — und nach ihr Tolckeinit — der Reihe
nach auffuhrt, werden sehr verschiedene Gegenstände behandelt, insbesondere
in einigen philosophische, in anderen rein historische Fragen, — übrigens
aber in keiner ein Thema aus der „Dichtkunst11 oder der „Redekunst".
(Berichtigend möchte ich hier noch erwähnen, daß er seine Rede auf
Friedrich I. 1713 in Jena nicht, wie ich oben S. 80 , den Biographen
folgend (Amsel: „Dominica Misericordias die, qua ejusdem regium funus
Berolini publice peragebaturu und Netze: „am Sonntage Mifericordias Domini"),
angegeben habe, den 30. April, sondern am darauffolgenden Montage, den
1. Mai gebalten hat: nur die Ankündigung des Traueractus durch den
„orator" der Universität, „Panegyricvm Fvnebrem . . . Friderici Regia
Borvssiae .... gloriosis manibvs sacrvm rite indicit loannes Caspar
Posner Eloqventiae Professor. Ienae, Literis Mvllerianis." (2 Bl. fol.) ist
datiert „P. P. in Academia Ienenfi, Dominica Mifericordias Domini, A. 0. R.
MDC0XIII.u, einlädt sie aber M. I. I. Rohde's („quem virtutum fuarum de-
cora, ac ftudiorum, me etiam duce & comite excultorum, elegantia, a vulgo
literatorum diftinguunt" sagt Posner) „orationem politam, craftino lunae die,
Regis Friderici exequiis facro, hora ante meridiem decima, ex promta, qua
pollet, memoria, & cum actione decora, in Academiae noftrae templo haben-
dam" zu hören; den Abdruck der Rede selber: „Panegyricvs Fvnebris . . .
Friderici Regis Borvssiae .... immortali virtvti ac gloriae in illvstri Ienen-
sivm Academia ipso exeqviarvm solemnivm die consecratvs a Ioanne
Iacobo Rohdio Regiomonte Borvsso. Ienae, Literis Mvllerianis.u (3 B1.T
17 S. fol.) hat er mit einer „A. O. R. MDCCXIII. die II. Mail" unter-
zeichneten Widmung an den regierenden König ausgehen lassen, in der er
sie als „Panegyricum" bezeichnet, „quem ... in Ienenfi Academia ipfo
exequiarum Regis maximi die, in Virorum illufbrium ac eruditorum Corona
recitaui". Es ist übrigens aber „das Leichenbegängniß selbst" in Berlin
„den 2ten Tag des Maymonatsu vor sich gegangen — nach Christian Hein-
rich Gütthers (Prof. an d. Univers. Königsberg) Angabe in „Leben und
Thaten Herrn Friederichs des Ersten, . . . Aus bewährten Urkunden, son-
derlich aus Münzen und Schaustücken, in einer chronologischen Ordnung
abgefassetu Breßlau 1750 S. 461 ff.: das selbe Datum hat auch die von ihm
S. 478 f. abgebildete und beschriebene „rechte Sterbens- und Begräbniß-
münze"; andere „Münzen" nennen freilich auch als Tag der Bestattung —
nach Gütther S. 480 Anm. (f) irrthümlich — den 1. Mai.)
Von Johannes fteicke. 129
35) in der Vorrede seiner „Critischen Dichtkunst" 1730 (1729).
36) in jener „Vorrede" vom Jahre 1755.
37) Danzel Gottsched S. 22 Anm.
38) Auf diesen Bericht Gottscheds hat Benno Erdmann „Martin
Knutzen und seine Zeit" Leipzig 1876 S. 18 hingewiesen.
39) Nur diesen Bericht Gottscheds gieht Danzel S. 11 wieder.
40) Danzel Gottsched S. 10.
41) „Ausführliche Bedekunst" S.629 [nicht: 529] („Das VIII. Hauptstücke.
Von den Beden der Studirenden auf Schulen und Universitäten": §. IX.).
42) G. C. Pisanski's (f 1790) „Entwurf einer preußischen Literär-
geschichte" hrsg. v. Bud. Philippi Königsberg 1886 S. 634.
43) Vermuthlich hatte Gottsched Ursache eben auch an ihn zu denken,
wenn er in der „Vorrede" vom Jahre 1755 über seinen 1728 erschienenen
„Grundriß Zu einer VernunfFtmäßigen Bedekunst" unter anderm schreibt:
„Um meinen Zuhörern die Begriffe von der Beredsamkeit der Alten, die
sich auf unsern Universitäten beynahe ganz verlohren hatten, recht zu er-
neuern, befand ichs für nöthig, ihnen den kleinen Tractat von den Ursachen
der verfallenen Beredsamkeit deutsch übersetzet, voran zu schicken, den
einige dem Tacitus; andere dem Jüngern Plinius zuschreiben. Hieraus lernet
man die großen Vorzüge der ciceronischen Beredsamkeit, und den darauf
erfolgten Verfall derselben, unter den Kaisern des ersten christl. Jahr-
hunderts, nebst den Ursachen desselben einsehen. An diese Dinge hatten alle
unsere deutschen Lehrer der Beredsamkeit vor mir nicht gedacht: folglich
hielt man auch den Cicero nur für einen Mann, der schön Latein geschrieben
hätte; und von dem man weiter nichts, als schöne Redensarten und lateinische
Blümchen lernen könnte. Wer aber deutsch reden wollte, der könnte ihn
zu nichts brauchen."
44) 1718 im Juni ist Gottsched unter dem Professor der Theologie
D. Bernhard vonSandenals Bespondens aufgetreten — dessen Buch „Bern-
hardi von Sanden Sen. S. Theol. D. & Prof. Primarii Concionatoris Aulici Pri-
marii & tandem S. B. M. in Prusfia Epifcopi Theologiam Positivam, Brevibus
lineis olim in XXIV. Difputationibus adornatam et A. 1701. editam auctiorem &
pleniorem Quoad Primam Partem, continentem Credenda vel Theologiam
Dogmaticam loco Exercitii Difputatorii Ab Anno MDCCXVI. usque ad Anno
[sie!] MDCCXX. ventilandam propofuit et nunc junetim edidit Filius Bern-
hard von Sanden, S. S. Theol. Doct. & Prof. Prim. S. B. M. in Pruffia Con-
cionat. Aul. Prim. & Confiliarius Confiftorialis. Begiomonti, Typis Zeencke-
rianis." (4°.) enthält p. 209—216 als „Partis Primffl Sectionis Posterioris Ar-
tic. III. De Sanctificatione & Glorificatione Fidelium per Spiritum Sanctum,
Caput I. De Sanctificatione & Glorificatione in genere." die damalige Di-
sputation, nach der Bemerkung am Bande .,Anno MDCCXVIII. D. Jun.
Befpond. Johanne Christophoro Gottsched, Juditta Pruff.": ob sie über-
haupt zuerst einzeln erschienen ist? (Stolle's Angabe, er habe „unter dem
Oberhofprediger D. Bernharden von Sanden de Angelis bonis atque malis"
disputiert, muß wohl auf einem Irrthum beruhen: in diesem selben Buche
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX. Hft. 1 u. 2. 9
130 Zu J. C. Gottsched's Lehrjahren auf der Königsherger Universität.
handelt „Partis Prima, Sectionis Posterioris Artic. I. De Creatione," „Caput. ITT .
De Angelis." p. 113—120 — als Disputation „Anno MDCCXVH. D. Junii
Refpond. Jacob. Meybanm, Dittkenh. PrufT." vertheidigt.)
Die 1719 am 14. Januar von ihm als Respondens vertheidigte Disser-
tation führt den Titel „Explicatio Leibnitiana mvtationis barometri in tem-
pestatibvs plwiis contra dvbitationes Io. Theophili Desagvlieri v. c. adserta
Praeside Ge. Henrico Rastio A. M. Regiomontano Respondente Io. Chri-
stoph. Ootschedio Ivditha Prvsso. Pvblico examini commissa h. 1. q. c.
A. MDCCXVIIII. XVIIII. Cal. Febr. Regiomonti Litteris Zaenkerianis."
(2 Bl., 14 S. 4.) (sie hat übrigens als Widmung: „Io. Theophilo Desagvliero
clarissimo viro Ge. Henricvs Rastivs S. D." etc.).
1720 zum 20. März erschien „Schediasma Historicam De Linda Ma-
riana, Rastenburgum inter et Resselium sita, cum amputatis misera super-
stitionis Romanensium ramis, pramissamque in pressen tiarum ("sie!] com-
mentationem präliminarem, De idololatria gentilium sylvestri, et lucis re-
ligiosis, Ex Auctoritate Amplissimi Philosophorum Ordinis, pro reeeptione
in eundem, p. p. M. Coelestinus Conradus Neufeldt, Reg. Bor. una
defendente Joanne Christoph: Gottsched, Judith. Bornes. Anno MDCCXX.
ad diem XX Martii, in auditorio philosophico. Regiomonti, Literis Reusne-
rianis." (8 Bl., 30 S. 4.) (den damaligen fünf — wie sie von Arnoldt in der Wid-
mung des I. Theils seiner „Historie der Königsbergischen Universität" 1746
bezeichnet werden: „zur Regierung des Königreichs Preußen Hoch verord-
neten Herren würklich geheimten Käthen" — „Sacra Regise Majestatis in
Borussia Consiliariis Status intimis" hat diese „Primitias Academicas Cathedra
fuperioris" Neufeldt gewidmet: 1724 ist er hier Prof. Hiflt. Litter. geworden).
1721 im Februar erscheint Gottsched wieder bei einer theologischen
Disputation als Respondens: Das Buch „Christiani Masecovii, S. TheoL
Doct. & Prof. Ord. Secundi, Confiftorii Samb. Regii Confiliarii, Ecclefise
Cathedr. Paftoris, Acad. h. t. Rectoris, Dispositio ex lumine natura ad
supernaturalia, qvee fucceffive hactenus Qvinqvaginta Difputationibus, publi-
cis in Lectionibus Academia in Patria Regiomontana Prußica, Adverfus
Naturalifltas ac diffolutos hu jus eevi infanientis homines, Doctis ventilatio-
nibus fubjeeta fuit, Nunc autem conjunetim Orbi literato exponitur, Chri-
ftiano commendatur. A. 1723. die 20. Martii. Regiomonti, Typis Johannis
Stelteri." (8P.) enthält p. 333—346 sie — die wohl allerdings zuerst einzeln aus-
gegeben sein wird? — mit dem folgenden Titelblatte: „De Disposition e ex lumine
natura ad supernaturalia Disputati o XXIII. in fpecie ad credendam Animse
Immortalitatem in Revelatione divina exhibitara, qvam Auxiliante aeterno
Amore, Veneranda Facultate Theologica Approbante, in Regiomontana Aca-
demia, publicis in Lectionibus, Amicee ventilationi fubmittunt Preeses,
Christianus Masecovius, S. Theol. Doct. et Prof. Ord. Tert. Regii
Sambienf. Confift. Confiliar., Paftor Ecclefi» Cathedral. p. t. Facult. TheoL
Decan. & Refpondens , Ioannes Christophorvs Gottsched , Ivdith. Bor.
A. MDCCXXI d. Februar. Regiomonti, Literis Johannis Stelteri." —
die Widmung auf der Rückseite dieses Titelblatts lautet so: „Viro gene-
Von Johannes Reicke. 131
roso atqve excellentissimo, Carolo de Bagge, E Sacri, Celsitvdinis Regiae,
Dvcis Saxo-Cobvrgensis et Meinvngensis , Cvbicvli Nobilibvs, fidelissimo;
nee non terrarvm eivs in Cvronia sitarvm, Grobin, Foccenhoff, Graentz-
hoff, Tadeiken, et rel. administratori prvdentissimo, patrono atqve favtori
maxime colendo, boc qvidqvid est speeiminis literariij devota svbmissave
mente, ob mvlta, gratiae singvlaris erga se, exbibita testimonia, sacrat
Respondens." (übrigens wird er 1723 in der Uebersicht der „Responden-
tium Nomina" als „XXIII. Joannes Chriftopboruß Gottfched, Juditb. Bor.
Phil. Candid." aufgeführt). Diese seine Widmung weiß ich sicher nicht
zu erklären: sie wird aber mit dem Umstände in Zusammenhang zu bringen
sein, daß er, wie Stolle berichtet, einen „jungen churländischen von Adelu
„auf der Academie als Hofmeister führete" — in welchen Jahren, sagt er
nicht — ; „mit" dem er auch „eine kurtze Reise nach Curland" „that" —
„um diese Zeit", giebt Stolle an, nachdem er vorher Gottsched's Disputationen,
und zuletzt die von ihm für Quandt's Präsidium ausgearbeitete aber nicht
vertheidigte (vgl. oben S. 88 f.) genannt hat. —
Uebrigens führt das von Borowski 1794 (s. Anm. 45) S. 83 f. gegebene,
nach ihm „vollständige", Verzeichnis von Joh. Jac. Quandt's „Differ-
tationes" keine auf bei der im Originaldruck Gottsched als Bespondent
genannt wäre.
45) Vgl. „Biographische Nachrichten von dem denkwürdigen preußi-
schen Theologen D. Johann Jacob Qvandt königlichem Oberhofprediger und
Generalsuperintendenten u. f. . . . Auf Veranlassung der königL deutschen
Gesellschaft zu Königsberg von Ludwig Ernst Borowski" Königsberg 1794
S. 1—64 (u. 120 f.).
(Die Aussprüche Friedrichs II. über ihn hat Dr. Gottlieb Krause (Oberlehrer
am Kneiphöfischen Stadt-Gymnasium zu Königsberg i. Pr.) in seinem Buche
„Friedrich der Große und die deutsche Poesie" Halle a. S. 1884 S. 96
(Anhang I: Anm. 23) zusammengestellt.)
46) Ueber ihn und seine gedruckten Schriften berichten die „Acta
Borussica14 etc. [Tom. I:] „Zweytes Stück" Königsberg und Leipzig 1730
S. 291—297 (in einem Artikel „Absterben einiger Preußischen Gelehrten" : HE.).
47) Gottsched's „Gesammlete Reden" Leipzig 1749 enthalten diese nicht.
48) Der Titel des Einzeldrucks lautet: „Ihro Magnificentz Dem Hoch-
Ehrwürdigen und Hochgelahrten Herrn, HERRN Christian MASECOVIO,
Der Heil. Schrifft Doct. und Prof. See., Königl. Preußis. Saml. Consistorial-
Raht, Pfarrern im Kneiphoff und der Schulen daselbst Infpectori, Wurde bey
der Im Jahr 1722. den 4. Octobr. zum erstenmahl erlangten Würde des
Academischen REOTORATS, eine öffentliche Abend-Mufique von vielen
hieselbst Studirenden In einer kurtzen Anrede, gehorsamst offeriret, Welche
Im Nahmen seiner Commilitonum gehalten Und gegen das zum Ende lauffende
RECTORAT Ihro Magnificentz, Zur Erinnerung der damahligen Freude
dem Druck übergeben I. C. Gottsched. Königsberg, gedruckt in der
9*
132 Zu J. C. Gottsched's Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
Königl. Hoff- und Academi sehen Buchdruckerey." (2 Bl. fol.) Gesprochen
hat er so für „einen grossen Theil derer allhie Studirenden", and zugleich
hatte er, wie er sagt, „einen kurtzen Auszug, ihrer glückwünschenden
Seuffzer in dieser Cantata gehorsamst zu über reichen, und anbey zu bitten,
daß Selbige einer gringen Musiqve ein geneigtes Gehör zu geben, gütigst ge-
ruhen mögen". Dies übergebene Gedicht wird das so betitelte: „Dem Hoch-Ehr-
würdigen, Hoch-Achtbaren, und Hoch-Gelehrten Herrn, HERRN Christian
MASECOVIO, . . . wurde MDCCXXTI. den 4. Octobr. als Rectori Academiae
Regiomontanae Magnifico, folgende SERENATA, unter höchst-verpflichteter
Gratvlation, gehorsamst gewidmet, von Ihro MAGNIFICENOE vollkommen-
ergebenen Civibvs Academicis. Königsberg, gedruckt in der Königl. Hof-
und Academischen Buchdruckerey ,a (2 Bl. fol.) gewesen sein.
49) Altpreußische Monatsschrift 1870 (s. oben Anm. 6): S. 246.
(„Ich habe diejenigen Begriffe, die ich seit mehr als dreyßig Jahren,
(denn so lange ist es, daß ich mich gut deutsch zu schreiben beflissen habe)
gesammlet, hier zuerst in einige Ordnung zu bringen gesucht" erklärt Gott-
sched in der „Vorrede" seiner „Grundlegung einer Deutschen Sprachkunst":
„Geschrieben an der Michaelsmesse." Leipzig 1748.)
50) Auch daß C. A. v. Röder sein „Pathe" gewesen, ist — wenigstens
bei der Taufe 1700 nicht aufgezeichnet (s. Anm. 7).
Bl) „LEIPZIG, bey Thomas Fritschen. 1708." S. 242-246; ebd. 1710
ebenso. (Das Gedicht trägt die Bezeichnung: B. N.) Es ist aufgenommen
von Gottsched in seine Sammlung: Benjamin Neukirchs „auserlesene Ge-
dichte" Regenspurg 1744 S. 179—182 (in der Abtheilung „Poetische Send-
schreiben").
52) Nach Gottsched's Angabe in der „Gritischen Dichtkunst" 1730
S. 8 f. steht sie „Hofm. W. Ged. VI. Th. 101. Bl." : Leipzig, bey Thomas
Fritsch, 1709. („Auf die Linck- und Regiußische Vermählung, den 8 Junii
anno 1700.") — später „Leipzig, Bey Joh. Michael Blockbergern. 1781'*: 8. 95 ff. ;
und in seiner Ausgabe der Gedichte Neukirch's 1744 S. 198—200. (In die
neuerdings [1884] erschienene Auswahl von Ludwig Fulda „Deutsche
National- Litterat ur Historisch kritische Ausgabe .... herausgegeben von
Joseph Kürschner 89. Band Die Gegner der zweiten schlesischen Schule II":
„Ch. Weise, B. H. Brockes, Fr. R. L. Freiherr von Canitz, B. Neukirch,
Gh. Wernike" („Bandausgabe 26") S. 445—504 ist auch sie nicht auf-
genommen, sondern nur in deren „Einleitung" S. 451 berührt.)
53) Gottsched berichtet da weiterhin über ihn: „Dieser war auch ein
Schlesier, und hatte sich, wie es zu gehen pflegt, durch Lohensteins Nach-
ahmung eine noch viel seltsamere und abgeschmacktere Schreibart zuwege
gebracht, als sein Held jemals gebraucht hatte". Johann George Neid-
hardt (Neidhardus), aus Bernstadt in Schlesien, wurde 1720 Capellmeister
bei der Schloßkirche in Königsberg, und ist hier 1789 gestorben. Seine zahl-
reichen Gedichte — Gelegenheitsgedichte — sind nicht gesammelt; außer
solchen erschienen von ihm „Die Sieben Büß -Psalmen" etc. Königsberg
Von Johannes Beicke. X33
1715 — und besonders hat er auch mehrere Schriften zur Theorie der Ton-
kunst veröffentlicht. (Arnoldt Zusätze zu s. Historie d. Königsberg. Univers.
1756 S. 171 f.; Pisanski preuß. Literärgeschichte (1790) hrsg. 1886 S. 665,
der auch S. 654 über ihn und Pietsch ganz im Sinne Gottscheds berichtet.)
54) Danzel Gottsched S. 7 ff.
55) Seine „Gedichte" enthalten aus den Königsberger Jahren — er
„gab auch in währender Zeit viele Proben seiner deutschen Poesie einzeln
ans licht" berichtet Goetten II, 78 — nur ein, wie es scheint, wirklich
nicht um anderer willen gemachtes: „Lehrgedichte. Daß der Mensch selbst
an seiner Verdammung Schuld ist. Bey Gelegenheit eines Donnerwetters. 1718."
(1736 S. 583 f. = 2 1751 I, 607 f.). (Seine Gedichte überhaupt charakteri-
siert „eingehender" Adalbert Schroeter, Der Entwickelungsgang der Deutschen
Lyrik in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Phil. I.-D. d. Univ. Leipzig.
Wolmirstedt W. Buechhardt's Buchdruckerei (J. Schmidt) 1879: S. 17—22.
Wenig günstig, aber nur gerecht, urtheilt über sie auch M. Bernays: 1879
S. 499 (1880 S. 124 f.) ab.)
56) 1722: Einen höchst-Ruhmwürdigen CANTZLER Hat An dem
hohen Exempel Des Erlauchten and Hoch- Wohlgebohi nen Herrn, HERRN
Ludewigs von Ostau, Sr. Königl. Majest. in Preussen zur Regierung Dero
Königreichs hochbetrauten wircklichen geheimten Staats-Rahts und Cantzlers,
des Ober- Appellations-Gerichts, Admiralitäts und Commercien-Collegii hoch-
ansehnlichen Präsidenten, wie auch hochverordneten Lehns-Directorn, etc.
Erb-Herrn der Lablackschen und Kiesitschen Güter etc. etc. Im Jahr 1722.
Den 6 Octobr. An einem abermahl beglückt einfallenden Geburts-Tage
Sr. Hoch-Wohlgebohrnen Excellentz Mit demühtiger und glückwünschender
Feder entworfen Ein unterthäniger Knecht Joh. Christ. Gottsched, S. T. E.
L. A. G. Königsberg, gedruckt in der KönigL Hoff- und Academischen
Buchdruckerey. (4 Bl. fol.)
„Wenn Preussens Königs-Thron sich auf den Grund gestützt/4
u. s. w. (160 Alexandriner).
1723: In der „I. N. J. Nachricht Von dem zweyten Reformations-Fest
Welches, Unter dem mächtigen Schutze Des Allerhöchsten, Und dem glor-
würdigsten Scepter Seiner Königlichen Majestät in Preussen Friedrich Wil-
helms, Unsere allertheursten Landes- Vaters Die Altstädtische Gemeine Zu
Königsberg in Preussen, Anno 1728. den 1. Sonntag des Advents, Zum An-
dencken der ersten Evangelischen Predigt, welche daselbst für 200. Jahren
ist gehalten worden, gefeyret hat. Königsberg, im Jahr, Da Die ALtstat
GOtt Vors zWelte IVbeL-Fest DanCkte. Gedruckt in der KönigL Preußis.
Hoff-Buchdruckerey." (4 BL 4.) ist enthalten die „CANTATA, auff das Alt-
städtische zweyte Reformations-Fest, verfasset von M. Joh. Christ. Gott-
sched, und in die Mufic gebracht von Georg. Riedel, Cantore." beginnend:
„Die Altstädtische Gemeine. ARIA. Willkomm zweytes Jubel-Jahr!".
1724: Unterthänige Gedancken, bey dem Im Jahr 1724. den 1. Jan.
zum neun und dreyßigsten mahl gefeyerten Hochzeit-Feste Des Durch-
134 Zu J. C. Gottscheds Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
lauchtigsten Fürsten und Herrn, HERRN Friedrich Ludewigs, Erben zu
Norwegen, Hertzogen zu Schieß wig, Hollstein, der Stormarn and der Ditt-
marsen, Grafen zu Oldenburg und Delmenhorst, Königl. Preußischen General-
Feld-Marsch allen, des Königl. Dähniechen Elephanten, und Königl. Preußi-
schen schwartzen Adlers Ordens-Rittern etc. etc. Mit der Durchlauchtigsten
Fürstin und Frauen, FRAUEN Louise Charlotte, Erbin zu Norwegen,
Hertzogin zu Schleßwig, Holstein etc. etc. welche Seiner Hoch-Fürstl. Durch-
lauchtigkeit in Demuth überreichet M. Joh. Chr. Gottsched. Königsberg,
gedruckt in der Königl. Hof- und Academischen Buchdruckerey. (2 Bl. fol )
„Held! dessen Scheitel kaum mit so viel Myrthen gläntzt,"
u. s. w. (76 Alexandriner).
Dieses Gedicht hat er übrigens sogleich 1725 in Leipzig mitaufgenommen
in die „Zugabe einiger Gedichte, von J. C. G." zu seiner Ausgabe: Herrn
D. Johann Valentin Pietschen Gesamiete Poetische Schrifften, S. 249—251.
57) Album P. H, p. 424: auch bei ihm ist bemerkt „ftip. ma".
58) in der 2. Auflage genauer: „unter mir gehaltenen" — Johann
Christoph Gottsched ist ihr Verfasser (vgl. oben S. 107 f.)
59) (Dan. Heinr. Großmann) „Gesammlete Nachrichten von der Ost-
Preußischen Stadt Schippenbeil" etc. Königsberg 1778 S. 99 nennt den Ort
„Weterkam" ; Gustav Liek „Die Stadt Schippenbeil" etc. Königsberg 1874 S. 227
„Wöterkeim" (nach S. 44 war Besitzer dieses Gutes 1716—1735 ein Major
v. d. Groben).
60) Vgl. „Zur Charakteristik der deutschen Gelegenheitsgedichte und
Reden in Königsberg um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderte." (Vortrag
in d. Alterthumsgesellschaft Prussia: Sitzung vom 17. Juni 1881) abgedr.
Altpreuß. Monatsschrift XIX. Band 7. u. 8. Heft 1882 S. 662-678; Sitzungs-
berichte der Alterthumsgesellschaft Prussia zu Königsberg in Pr. im 37. Ver-
einsjahre Nov. 1880—1881 S. 45—64: nach deren „Inhalt" ist Verf. „W. U."
[= Wilhelm Ungewitter (damals stud. phil.)?].
61) Vgl. außer den betreffenden, oben S. 71 und 72 mitangefuhrten,
Versen der Gedichte zum 7. September 1727 (Anm. 10) und 1732 (Anm. 11)
auch noch die folgenden aus eben diesem 1732 an seine Eltern gerichteten:
„Lehrt mich beyder zarten Sinn,
Musen! lehrt mich Gottscheds Liebe,
Gottscheds, und der Biemanninn,
Als ein Muster reiner Triebe.
Denn ich weis, ihr könnt es wissen,
Weil ihr selbst sein Rohr benetzt,
Wenn er sonst ans Pindus Flüssen
Oft ein deutsches Lied gesetzt.
Ja ihr wißt von seinen Tönen,
Auf den Jahrstag seiner Schönen."
Für die Oeffentlichkeit wird sein Vater solche Gedichte an seine Braut
und dann Frau ja wohl nicht geschrieben haben; mir sind als gedruckte,
Von Johannes Reicke. 135
außer dem noch mitzutheilenden (Anm. 71) an seinen Sohn 1723, nur zwei
von ihm an seinen Schwager Joachim Biemann gerichtete bekannt,
deren Titel ich hierher setzen will:
1707 (wie aus anderen Gedichten auf diesen Todesfall zu ersehen)
„Schuldige Klag- und Trost-Reime, Welche Bey dem Seeligen Hintritt Der
Edlen, mit aller Ehr und Tugend begabten FRAUEN Regina Elisabeth
geb. Kruhlin, Des Edlen, Woll-Ehrenvesten, Vornehmgeachten und Woll-
weisen Herren JOACHIMI Biemannen, Vornehmen und wolmeritirten Gerichte-
Verwandten, Wie auch Vornehmen KaufF und Handelsmann der löblichen
Stadt Kneiphoff Königsberg Hertzlich geliebten Ehe-Liebsten, Als Dieselbe
in dem 45. Jahr ihres rühmlich geführten Lebens den 30. Maji a. c. dieser
Sterbligkeit entnommen, und den 7. Junü bey ansehnlicher Leich-Begängniß
in der Thumb-Kirchen der Erden anvertrauet ward, Seinem Hochzuehrenden
Hn. Schwager Willigst mitleidend abgestattet Christoff Gottsched, Pafb. ad
S. Judith.1* [Text.] (28 Alexandriner) „Königsberg, Gedruckt in der Georgi-
schen Buchdruckerey." (1 Doppelblatt folio.)
1708 „Die auff das Trauren erfolgende Freude, Hat An dem Höchster-
freulichen Hochzeit -Tage, Des Edlen, Groß -Achtbahren und Wolweisen
Herrn JOACHIM Biemanns, Wolverordneten Gerichts- Verwandten, wie auch
Vornehmen Kauff- und Handelsmanns der Königlichen Stadt Kneiphoff,
Mit der Edlen, AUer-Ehr- und Tugend-begabten Jungfrauen GERTRUDA, Des
Weyland Wo] -Ehren vesten und Vornehmgeachten Herrn Johann Billin gs,
Vornehmen und berühmten Kauff- und Handelsmanns der Alten -Stadt
Königsberg, Nachgelassenen ältesten Jungfer Tochter, Den 28. Maji Anno
1708. In geringen Reimen wolmeynend vorstellen wollen Christoff Gott-
sched, Paflb. ad S. Judith." [Text.J (40 Alexandriner) „Königsberg, Ge-
druckt in der Reusnerischen Buchdruckerey." (1 Doppelblatt folio.)
62) 1728 dichtete Gottsched einen „Gesang Auf das Rohde- und
Roßische Hochzeitfest in Königsberg" („Gedichte" 1736 S. 323— 326: a 17511,
534—536): darin weisen nur hin auf seinen Unterricht die Zeilen gegen
das Ende
„Erlaube, daß mein Rohr sich solche Freyheit nimmt,
Du hast dasselbe ja am ersten eingestimmt". —
Daß auch von ihm so manche Gelegenheitsgedichte gedruckt worden, ist
selbstverständlich.
63) Nach dieser von Erdmann .Neumeister (1695) verfaßten, von
Christian Friedrich Hunold (Ps. :Menantes) überarbeiteten*) Poetik (Goedeke:
*) Vgl. Max Frhr. v. Waldberg „Die galante Lyrik. Beiträge zu ihrer
Geschichte und Charakteristik" (Quellen und Forschungen zur Sprach- und
Culturgeschichte der Germanischen Völker. Herausgegeben von Bernhard ten
Brink, Ernst Martin, Wilhelm Scherer: LVI.) Strassburg & London Trübner
1885 S. 20 Anm.; Karl Borinski „Die Poetik der Renaissance und die Anfange
der literarischen Kritik in Deutschland" Berlin 1886 S. 342 Anm. 2.: dieser
136 Zu J- C. Gottscheds Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
zuerst Hamburg 1707; er kennt übrigens nicht die hier zugängliche Aus-
gabe von 1712 noch eine [v. Waldberg:] „1722"), urtheilt M. Bernays, kann
sein Unterricht „kaum" „der Ausbildung des Schülers im höheren Sinne förder-
lich gewesen" sein — ähnlich scheint doch auch schon der junge Gottsched
selbst empfunden zu haben, nachdem er Pietsch kennen gelernt hatte.
64) Gleich der Titel (1780) hebt ja hervor, daß „Darinnen erstlich die
allgemeinen Regeln der Poesie, hernach alle besondere Gattungen der
Gedichte, abgehandelt und mit Exempeln erläutert werden: Überall aber
gezeiget wird Dafl das innere Wesen der Poesie in einer Nachahmung
der Natur bestehe"; und in der „Vorrede" betont er: ein „Einwurf, den
er auch „vorher sehe", werde „die Worte betreffen, darinn" er „sage, daß
das Wesen der Poesie überhaupt, und ihrer fürnehmsten Gattungen, in der
vernünftigen Nachahmung der Natur bestehe" — über welche denn doch
als „bezeichnend" auch „für die Zeit"*) aufzufassende Bemerkung Friedrich
Braitmaier in seinem an sich so verdienstvollen Buche „Geschichte der
Poetischen Theorie und Kritik von den Diskursen der Maler bis auf Lessing"
I. Teil Frauenfeld 1888 S. 87, der sie als ein Beispiel bezeichnet für Gottscheds,
wie er behauptet, „beliebte Wichtigthuerei, die Einführung allbekannter selbst
abgestandener Gedanken als eine originale That hinzustellen", sich, wie auch
sonst über ihn, ungerechter Weise ärgert (vgl. Bernhard Seuffert's Recension
„Göttingische gelehrte Anzeigen" 1890 Nr. 1 S. 28 ff.).
65) Album: P. II. p. 298 (auch mit der Bemerkung „ftipul.").
66) Nach: A eitere Uni versitäts -Matrikeln. I. Universität Frankfurt
a. 0. Aus der Originalhandschrift unter Mitwirkung von Georg Liebe und
Emil Theuner herausgegeben von Ernst Friedlaender II. Band (Publicationen
aus den K. Preußischen Staatsarchiven XXXVI. Band) 1888 S. 289.
67) Album: P. II. p. 884 (mit dem falschen Zusätze „infcript. A. 1707
d. 17 April.").
68) Dieser (geb. 1659 13. Mai zu Königsberg), 1685 26. April allhier
Magister, 1688 Subinspector Alumnorum und dann 1694 Prof. Ord. Poeseos,
soll auch schon „de arte imitandi poetica" disputiert haben (Arnoldt a. a. O. II,
403 f.): ich habe ein Exemplar dieser Dissertation leider bisher hier in
Königsberg nicht auffinden können.
69) Allerdings scheint J. B. Mencke sie nicht besessen zu haben:
in seinem Verzeichnis der „Bibliotheca Menckeniana, ... ab Ottone et Jo.
Burchardo Menckeniis, patre et filio, multorum annorum spatio studiose
collecta, nunc justo ordine disposita, et in publicos usus aperta a Jo.
giebt übrigens S. 878 Anm. 4 irrthümlich (beruft er sich dafür ja doch auf
die „Vorr. zur 1. A. der krit. Dichtkunst") an, „unter seinem poetischen Lehrer
Pietsch" habe Gottsched „Neumeisters Poetik" in die Dichtkunst eingeführt.
*) So urtheilt auch Franz Servaes „Die Poetik Gottscheds und der
Schweizer litte rarhistorisch untersucht" (Quellen und Forschungen zur Sprach -
und Culturgeschichte der Germanischen Völker: LX.) 1887 S. 7 ff. auf Grund
von Borinski's (s. Anm. 63) Darstellung.
Ton Johannes Reicke. 137
Burchardo Menckenio" Lipsiae 1723 werden sie nicht aufgeführt; auch nicht
in dem ,.Catalogvs Bihliothecae Menkenianae Pars Prima Libros Theologicos
Veteres Graecos et Latinos, Philologicos, Criticos Grammaticos, Rhetoricos,
Poetdcos, Antdqvarios et Nymarios complexa" 1755.
70) Schon im Wintersemester 1717/18 muß er Horazens Poetik zu
erklären angefangen haben: für den Sommer 1718 kündigt er an nin Horat.
Flacci, dicatum Pifonibns, de arte Poetica Librum, commentari perget";
Winter 1718/19: „Common tationibus , in Horat. Flacci, de arte Poetica
Librum, huc ufque debito ac indefeffo ardore inftitutis, mannm tandem
fupremam imponet, deque ulterius per reliqvum femeftre, publice fufcipiendo
labore, mentem fuam e Tabula publica aperiet". Somm. 1719: „fecundam
Pomeridianam horam in derivatorum ex Horatiana ad Pifones Epiftola prse-
ceptorum explicatione impendet, quorum vim celebrata per omnia fecula
Flacci Carmina & exempla teftantur, valet enim nobilis & fcientia & arte
Auetor. Coeterum Patria lingua Poefeos regulas tradere auditoribus con-
filium eeepit". Wint. 1719/20: „Publicis Horatii explicationibus, fecundam
dieavit horam. C&terum perfecto Auditorum numero Patriae Poefeos leges
tradere decrevit". Somm. 1720: „Solita hora, folitas continuabit lectiones".
Wint. 1720/21: „In lectionibus folitis fedul6 perget". Somm. 1721: „Nemini
operam fuam denegabit. Hör. DI. pomerid.". Wint. 1721/22: „in Horatii
Flacci Artem Poeticam commentabitur". Somm. 1722: „Quinti Horatii Flacci
Carminum libros ac Lyrici Poematis Majeftatem auditoribus explicaturus efl".
Wint. 1722/23: lautet die Ankündigung ebenso. Somm. 1723: „Prelectiones
Poematum Horatii Continuabit publice, privatim omnibus qui ad audienda
germanica Poefeos praeeepta animum adjicere [sie !] operam fuam offert". Wint.
1723/24: „in commentatione Horatiana perget". (Interessant ist die An-
kündigung des darauf folgenden Sommersemesters 1724: „Commentationes
in Horatii Flacci fermones fedulo continuabit nee ftudio fuo in Rhetorica
ac Poefi teutonica provehi cupientibus deerit". — Fernerhin erscheinen dann
an Schriftstellern außer Horatius („Herr Hof-Rath Pietsch liebet und lieset
keinen Lateinischen Poeten mehr, als den Horatius"*) berichtet Gottsched
in der Widmung seiner Ausgabe von Pietsch's Gedichten an Mencke) noch
Claudiani Poemata, Virgilii Georgica und Aeneis, Ovidii Metamorphoseon
libri, Lucani Pharsalia, Silius Italicus.)
71) Mir sind die folgenden Drucke bekannt:
„Novem Musas in Parnasso Regiomontano redivivas in viris clarissimis
atqve eruditissimis, Christiano Friderico Reusch, Regiom. Boruss. S. Minist.
Cand. Georgio Heinrico Nicolai, Cremitt. Boruss. S. Minist. Cand. Heinrico
Christophoro Wilhelm, Reg. Boruss. S. Min. Cand. Johanne Davide Kypke,
Labesens. Pom. S. Minist. Cand. Jobanne Christophoro Gottsched, Juditha-
*) Bemerkenswerth sind vielleicht auch die darauf folgenden Worte
Gottsched's: „Darinnen hat er andre große Männer, und darunter den be-
rühmten Boileau der Franzosen, zu Vorgängern gehabt." — da sie ja
wohl auf Pietsch selber zurückgehen könnten!
138 Zu J- G» Gottsched's Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
Bornas. Johanne Jungio, Regiom. Boruss. Johanne Daniele Schsermacher,
Reg. Boruss. Samuele Hoyer, Regiom. Boruss. Johanne Casparo Such Land.
Heiligen walda-Boruss. fautoribus et amicis suis honoratissimis, cum hos
Candidatos Philosophi® huc usque dignissimos ex decreto Amplissimae Facul-
tatis Philosophicae Regiomontanae in publica panegyri Anno MDCCXXIII.
die II. Aprilis Doctores et Magistros Philosophie renuntiaret, Studiosae
juventuti Regiomontanae commendare et fausta omnigenae prosperitatis
apprecatione comitari voluit eorum Brabeuta Heinricus von 8 an den,
D. et p. t. Decanus Facultatis Philosophicae.4'*) [11 latein. Distichen] „Regio-
monti, Litteris Reusnerianis." (1 Doppelbl. fol.)
„Bey der Im Jahr 1723. den 2. April. Nach Verdienst Erlangten
Würde eines Lehrers in der Weltr Weißheit, Haben Dem Wohl-Edlen und
Wohl-Gelahrten HERRN Johann Christoff Gottsched, Wohlmeynend Glück-
wünschen wollen Innen Benannte. Königsberg, Gedruckt in der KönigL
Hoff-Buchdruckerey." Er enthält fünf Gedichte: ein lateinisches (3 Distichen)
„Scripfit gratul. Chriftianus Mafecovius, D. Acad. h. t. Rector/'; und
außer dem angeführten von Pietsch mit der Unterschrift: „Diese wenige
Zeilen schrieb aus besonderer Hochachtung vor die bekandte Geschicklich-
keit des Herrn Magiftri J. V. Pietsch.41 auch deutsche noch: (4 sechs-
zeilige Alexandrinerstrophen) „Da Herr Candid nach mit grossem Ruhm
überstandenen Examinibus den längst verdienten Philosophischen Doctor-
Hutt erhielte, schrieb dieses zu seinem Ruhm mit williger so wohl als
freudiger Feder M. Jo. Jac. Rohde, Phil. Prim. ac Log. Prof. Ord.tl;
(6 Alexandriner) „M. Johann Heinrich Kreuschner."; und endlich —
von seinem Vater das folgende:
„Ich wünsche Dir, mein Sohn, zu der erlangten Ehre,
Viel Seegen, Gnad und Heyl und GOttes reiche Gunst.
Er gebe, daß dein Glück sich allezeit vermehre,
Und schmücke deinen Geist mit einer höhern Kunst.
Er hat Dich biß hieher gantz väterlich gefuhret,
Und mercklich dargethan, daß er Dir gnädig ist,
Drumb hofft mein Hertz zu Ihm, so wie es sich gebühret,
Daß seiner Gnaden-Strohm noch ferner auf Dich fließt.
Dieses schrieb in höchster Eyl
Christoff Gottsched, Paft. Balg.".
,,Dem Wohl-Edlen und Wohl-Gelahrten Herrn, Hn. Johann Christoff
Gottsched, Haben zu der Anno 1722. den 2. April, erlangten MAGISTER-
Würde ergebenst gratuliren wollen Inwendig Benandte. Königsberg, ge-
*) „Im 1723 sten Jahre lud mich D. Henr. von Sauden, Dechant der philo-
sophischen Facultät zu Königsberg, als einen neunjährigen Academicum
zur bevorstehenden Magisterpromotion ein" und „ich entschloß mich dazu",
hat Gottsched in der Vorrede von 1755 berichtet. (Arnoldt a. a. 0. II, 433
hebt Kypke und ihn unter den „IX" an dem Tage promovierten namentlich
hervor.)
Von Johannes Reicke. 139
druckt in der Xönigl. Hoff- und Academischen Buchdruokerey." Er enthält
vier deutsche Gedichte in Alexandrinern, unterzeichnet: „B.u [vielleicht
Johann George Bock?*)J; „Aus schuldiger Ohfervance gegen den Herrn
Magütrnm wolte dieses wenige eylfertig aufsetzen Desselben wohlbekandter
Freund A." [vielleicht Daniel Heinrich Arnoldt?*)]; (5 sechszeilige
Strophen) „Hiemit hat seine Mit -Freude aus eigenem Triebe bezeugen
wollen Joh. Henr. Gottsched, L. A. G." [sie!] (der Anm. 2 S. 117 f.,
Anm. 7 S. 123, und im Text S. 106 f. genannte Bruder): er betont die „un-
gewohnten" Reime selbst angefertigt zu haben; „Dieses schreib [1.: schrieb]
seine Mit-Freude zu bezeugen des Herrn Magiftri verbundener Diener Chrift.
Bern h.~ Thamm, R. P. Phil. Stud." (mir unbekannt).
72) Gewidmet ist sie „Viris de bono patriae pvblico optime meren-
tibvs generosissimo at qve excellentissimo GhristophoroArendaRoeder
Svmmi Tribvnalis qvod est in Prvssia Consiliario, Territorio Balgensi Prae-
fecto, nee non Consistorii Sambiensis Praesidi, Domino hereditario in Meth-
gehten, &c. Praenobilissimo , consvltissimo atqve doctissimo Theodoro
Christian o Pavli Vtrivsqve Ivris Doctori, Svmmiqve Tribvnalis, S. R. M. in
Prvssia Consiliario. Nee non praenobilissimis, amplissimis atqve prvden-
tissimis Ohr. Aegidio Negelein S. R. M. ab intimis et cominerciorvm con-
ßiliis, et Reipvbl. Cniph. Consvli. Atqve Iohanni Thamm Pro-Consvli
Reipvbl. Cniphof. Aedis Cath. Cvrat. Prim. ac Proto-Scholarchae. Patronis
ac Maecenatibvs mvlta pietate colendis" vom „Praeses". —
M. Bernays1 Angabe, er habe, nachdem er auf diese Disputation hin
als Docent in die Philosophische Facultät aufgenommen worden, „sich hierauf
am 27. September reimmatriculiren" lassen, beruht auf einem Versehen: an
diesem Tage (Album P. II, p. 454) ist unter „Ex Schola Pataopolitana
dimifsi octo" als vierter ein — vielleicht Vetter? — „Johannes Christo-
phorus Gottsched Regiom. Boruss. st. m." immatriculiert; er hatte das auch
nicht nöthig, da er ja nicht unterdessen die hiesige Universität verlassen
hatte (nur solche mußten es thun, ehe sie pro reeeptione disputieren konnten,
wie z. B. seine Lehrer: 1711 6. Juli (p. 346) „Dn: M. Michael Lilienthal
Lip: Pruff. jus Academicum repetiit(i; 1713 11. Dec. (p. 369) „Dn. Magister
Johannes Jacobus Rhode Regiom. Prufs. ex peregrinis Academ. redux jus
Academ. repetijt. Stip:"; und auch Pietsch, wie angeführt, 1715).
78) Vergl. dazu die in Anm. 44 aus Stolle gebrachte Nachricht.
74) Album etc. P. II, p. 429: auch mit der Angabe „ftip.u.
75) Die nach M. Bernays (1879) „noch jetzt unter den Acten der
Königsberger Universität erhaltene", und von ihm benutzte, „Specificatio
*) Diese beiden nennt Gottsched, nach Pietsch, neben einander in
der Elegie auf Kreuschner's Tod (vgl. oben S. 93):
„Folgt eurem Lehrer nach, ihr Meister schöner Lieder!
Mein Bock, mein. Arnold, stimmt die trüben Flöten an!" u. s. w.
(In seine „Gedichte11 Königsberg 1756 hat Bock dann dies allerdings nicht
aufgenommen; Arnoldt's Gedichte sind nicht gesammelt.)
140 Zu J- G Gottscheds Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
derjenigen Studiosorum, die aus Furcht vor der großen Werbung 1724 von
der hiesigen Akademie weggezogen" habe ich nicht gesehen; zu seinem
Bericht jedoch muß ich bemerken: einen „Bruder Ludwig" hatte unser
Johann Christoph Gottsched nicht; allerdings aber ist (Album P. II, p. 488)
1722 17. März immatriculiert ein „Johannes Ludovicus Gottfched,
Regiom. Prufs." (der übrigens „jurav.") — ob ein Vetter? —
Der jüngste Bruder Johann Reinhold Gottsched (geb. 1710) ist
erst 1725 23. März (Album P. II, p. 468) immatriculiert worden.
1726 in dem „Gesang" über den Tod seines Bruders Johann Friedrich
(vgl. oben S. 99 f.) erwähnt Johann Christoph Gottsched sie alle vier in
diesen Versen:
„Ihr A eitern, weint doch nicht! vermehrt nicht eure Noth;
Gott hat euch, wie es scheint, was hartes zugeschicket.
Zwey Söhne sind entfernt, den dritten raubt der Tod,
So gar der vierte wird nicht oft von euch erblicket" —
Johann Heinrich lebte zuletzt in Kassel als „Hess. Cass. Steuer-
rad": f 1771 10./VH. (Strieder II, 186 Anm. 1). — Johann Reinhold ist
als Hofgerichtsadvocat in Königsberg 1759 gestorben (vgl. Anm. 6 und 7).
76) Die „Blätter für literarische Unterhaltung" 1839 haben den —
doch gewiß nur Lese- oder Druckfehler „Frauenberg". (Die Stadt liegt im
damals noch nicht zum Königreiche Preußen gehörenden Ermlande.)
77) Critische Dichtkunst 1730 (1729) S. 407-410 — vgl. oben S. 71.
78) Vgl. auch das Urtheil Gottlieb Krause's (Königsberg): Zeitschrift
für Deutsche Philologie Bd. XXIV. Heft IL 1891 (S. 202—218: „Ein brief
Gottscheds an den Königsberger professor Flottwell" 1752 19. Jul.) S. 204.
79) „an welchen ich ein Empfehlungsschreiben [vielleicht von PietschPi
aus meinem Vaterlande mitbrachte" erwähnt Gottsched selbst: „Historische
Lobschrift des weiland . . . Herrn Christians, des H. B. R. Freyherrn
von Wolf" 1755 S. 73. (Vgl. über ihn: Burkhard Mencke, Professor der
Geschichte zu Leipzig und Herausgeber der Acta Eruditorum. Zur Ge-
schichte der Geschichtswissenschaft im Anfange des 18. Jahrhunderts von
Richard Treitschke, Dr. phil. Leipzig 1842.)
80) Dies Datum (das Danzel S. 79 noch „nicht genau anzugeben"
wußte) hat M. Bernays beigebracht.
Uebrigens hat Gottsched dann schon am 8. April 1724 im Namen
dieser Gesellschaft Mencke's fünfzigsten Geburtstag durch ein Gedicht zu
feiern gehabt, das er auch 1725 in die seiner Ausgabe von Pietsch's Ge-
dichten angehängte „Zugabe einiger Gedichte, von J. C. G.u mitaufnahm
(in seiner Vorrede aus dem Jahre 1755 rechnet er es später zu seinen „aller>
schlech testen"); und er widmete auch Mencke, „Seinem Hohen Gönner",
als „treuverbundenster Knecht" das ganze Buch.
81) „Gedichte" 1751 II. Theil S. 561—557.
Die Bedeutung eben Leipzigs für Gottsched's, wie wir Nachlebenden wohl
urt heilen müssen, eigentliche „Lebensaufgabe" hat Danzel S. 74 ff. ausgeführt.
Von Johannes Beicke. 141
Anhang.
i.
Poeticarum Thesium Duodecas, quam pro receptione in Facul-
tatem Amplissimo Philosophorum Ordine consentiente, in auditorio majori
Anno MDOOXYIII. D. public® exposuit disquisitioni Johannes
Valentinus Pietsch, Phil, et Med. Doct. Bespondente Melchiore Johanne
Oaschel. Regiomonti, Typis Beusnerianis.
[S. 2:] Omnibus, qui carmina amant et carmine digna gerunt.
[S. 8-12 :]
Thesis I. 9
Cum plerumque fuis de facultatibus plus, quam in illis eft, fperent
homines, inculta & ab ipfa natura neglecta ingenia ad condenda carmina
animum ad jicere, nemo mirabitur. Nunquam tarnen infelici fidere nati felicem
excludunt partum; monftra enim, ftupidis mutilatisque parentibus fimilia,
prodeunt. Nee exhaufta quanta quanta omnibus fuis cum partibus eft
Philofophia, nee literarise, nee civilis hiftorisB cognitio, nee prööcepta ulla
connattun emendabunt vitium. Ita enim omni fenfere tempore fapientes:
Po'etas non fieri, £ed natei. |
Thesis II. 4
Ingenio valere Poetas oportet. Hujus acutiffimi nifi contineant tefti-
monia carmina, aetatem non ferent. Heec ab illis legi & relegi meretur
fententia, qui fuam memoriam jaetare carminibus maleque digeftam erudi-
tionem intempeftive venditare, &, quiequid aut legerint, aut audiverint, &
ex quovis trivio hauferint, ligatee orationis vineulis coercere geftiunt. Quo
fit, ut, turpiter emeudicatis Doctorum fententiis teftimoniisque, Bealium titulo
compilatis, adlufionibus longe petitis, Heroum, Deorum Dearumque antiqui-
täte obliteratis nominibus adeo fua obfeura reddant poemata ut vafto, car-
minis longe magni- | tudinem excedente, opus habeant commentario. Sed hi 5
inter minorum gentium Deos referendi funt.
Thesis HI.
Nullus eft tarn conveniens Poefi, quam imitatricis naturae titulus. Pro-
fpiciat itaque fibi Poeta, ne per varios phantafiee anfractus abdüci fe patiatur:
oam hinc falfae, repugnante natura, fociat» ideee oriuntur, quee, quanquam
interdum fublimitatis fpecie deeipiant & apud incautos femidoctosque
PoSfeos tirones admirationem pariant, a fapientioribus tarnen exploduntur.
A Gallis faux brillans nuneupantur, in quibus dignofeendis praeipue Poet»
elucefcit Judicium. |
142 Zu J. C. Gottscheds Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
6 Thesis IV.
Qui nimium religiofe difpofitionem in Poematum feqai ftudent com-
pofitione, raro Poefeos fublime adfequuntur. Excitati enim ingenii quo im-
pellit impetus, non, quo imbecilles difpofitionis leges ducant, eo tendat Poeta.
Excedunt plerumque libera arctos limites ingenia, & non artificiofo tenuium
difpofitorum membrorum ordine, Ted libero dignoque carminis nobilitate
modo confpirantium fublimium idearum feries connectunt.
Thesis V.
Obligatur quidem folut® orationis legibus Poeta, ut ad dictionis quan-
7 dam Majeftatem adfpiret, maximum tarnen poeticae elocu- | tionis vitium eft,
fi fublime fectaturus, inflata utitur dictione. Extollant eminens hoc puerilibus
encomiis vitium imperiti; qui fanis Poefeos eft imbutus principiis, prqjidt
ampullas et £e£quipedalia verba.
Thesis VL
Plane autem infelici Minerva nata mihi effe videntur ingenia, quae ad
fordidum abjectumque delabuntur dictionis genus. Inflatum fi fanee rationis
legibus reprefferis ftilum, corriges, fed hos, quos natura non formavit, Poetas
nulla arte juvabis; nam longe eft facilius, magno detrahere, quam parvum
augere. Hie locum fibi vindicat feribendi genus, quod a Gallis Burlesque
g vocatur. Hoc fuo feculo omnes fuperavit Scarronius, | fecuturis autem ita
degeneravit temporibus, ut non tarn ainoenitate adficiat, quam obfcoena for-
ditie lectoris animum l»dat.
Thesis VII.
Quemadmodum poämata a profa diftineta Amt, ita & una carminis
fpecies, & ftili caractere, & inventionis legibus diferepat ab alia. Hinc ii
demum aliquid in Poefi profeeiffe mihi videntur, qui in illis, quee humilem
requirunt dictionem, thematibus, temperare fibi a grandi magnificoque ftilo
. poffunt. Hoc eft quod in Marone mirata funt fecula, cum in Eclogis humi-
lem, in Georgicis mediocrem, in Jäneidum libris fublimis heroieique carminis
caracterem ita exprefferit, ut naturam ipfam expreffiffe exiftimandus ßt. |
9 Thesis VIII.
Materiee perfonisque fimili traetandee funt EclogSB ftilo; Nymphas,
venatores, paftores, liluas, campos, flumina, armenta, amores rixasque fuas
elocutione, quee eft fimpliciffima, deferibunt. Sententiarum vibrare acumina,
abftrufa laudem adfeetare eruditione, ad illud, quo Heroes fuperbiunt, genus,
vocem extollere, Nymphas Paftoresq; non decet. Hos tibiis fiftulisque canere,
non bellicofam oportet inflare tubam.
Thesis IX.
Dramate qui laudem confequi ftudent, ab antiquitate pofteris com-
mendatis fanee rationis legibus omnem impendant operam; five enim exci-
tatos adfectus, live artificiofiffimam fimplicitatem, live dignam perfonis
10 materiaque elocutionem fpectes, | omnibus palmam praripiunt veteres. Quo
Von Johannes Reicke. 143
factum, ut, hanc qui tibi perfectiffimam proponunt nonnam Recentiores,
Bacine <fc Corneille, tantam fibi adquifiverint gloriam.
Thesis X.
TragoedifiB quanquam grandis Ut proprius ftilus, & leves effutire ver-
fus non deceat, Tragicus tarnen altoe interdum exuit cothurnos & dolore
fnblimis illa dictio deprimitur ; nam cum actionis imitatio drama fit, omnem
verüimilitudinis perdit fpeciem, fi adfectum calamitate an im um ad figuratam
acutamque dictionem advertere fpectamus.
Thesis XL
Inter prsecipua carminum genera Ode referenda. In hac omnes fuas
delicias, & quotquot ornamenta poffidet, Poefis effundit. Diftingui tarnen
Lyrtcorum | materiee carminum merentur, Quibus Bacchus, quibus amores n
cantantnr Od®, ab Ulis, quibus preelia & res graves celebrantur, & conceptu
& verbis differunt. Ulis Anacreon, his Pindarus eft fuperior; utrosque non
fine virtute de la Motte imitatus eft.
Thesis XII.
Satyra & utilitate & amoenitate omnes fere poömatum antecedit
fpecies, nam, cum rigidam averfentur veritatem homines, vanorum incufati
mendaciorum Poet®, ridendo verum dicere vitiaque digno fuis meritis ftilo
perftringere confilium cepere. Hunc ßbi fcopum fatyrarum fapientes preefi-
gunt fcriptores; famam enim gravium viteeque integritate commendatorum
virorom leedere, calnmniatorum eft. Stylus Sa- | tyr» ßt acutus quidem & 12
amcBnus, facilis tarnen & perfpicuus. Obfcura enim dictione vitiorum non
deteguntur latebrse. Requiritur ad concipiendam Satyram Ingenium poli-
tiiTimum. Mifantropi [sie!] enim huic non fufficiunt labori, fed tales, quibus
experientia feculi nofhi mores notos reddidit, reqviruntur Poötsa. Perfius in
hoc genere obfcurus nimis, Juvenalis & Horatius lectu digni. Inter Gallos
Boileau maxime floruit, qui, quicquid continet, Veterum imitationi debet,
quorum religiofo ftrictoque pede veftigia, femper eft fecutus.
II.
Solutee Ligateeque Orationis Limites, Annuente Divino Numine,
decreto Amplissimi Senatus, in Academia Regiomontana pro loco Professio-
nis in Poeai Ordinario, solenni disputatione exponit Johannes Valen-
tinus Pietfch, Phil. & Med. Doct. & Poef. Prof. Publ. Ord. Respondente
Jacobo Fridenco Danckmeyer, Regiomont. Pruff. horis ante et pomeridianis
Anno MDCCXVIU. Die XXII Februarii. In auditorio majori. Regiomonti,
Typiß Reusnerianis.
[Rucks, d. Titelblatts:]
Augustissimo, Serenissimo ac Potentissimo Principi ac Domino,
Dn. Fridenco Wühelmo, Regi Borussias, Marchioni Branden burgico, S. R. I.
144 Zu J. C. Gottsched's Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
Archi-Camerario et Electori, Supremo Arauaionensi, Neocomensi et Vallan-
ginensi Principi, Magdeburgi, Cliviae, Juliae, Montium, Stetini, Pomerano-
rum, Cassubiorum, Vandalorum et Megapolis, item in Silesia, Crosnae Duci,
Burggravio Norimbergensi, Principi Halberstadii, Mindae, Camini, Vandaliae,
Sverini, Raceburgi & Meursae, Oomiti Hohenzolleriae, Rupini, Marcae,
Ravensbergae, Hohensteinii, Tecklenburgi, Lingae, Sverini, Burae & Leer-
dami, Marchioni Vehrae & Vlissingae, Dynastae Ravenateinii, Rostochii,
Stargardiae, Lauenburgi, Butoviae, Arlaiae ac Bredae, <fcc. &c. &c. Regi ac
Domino sno clementissimo, Differtationem hanc humillime offert et confe-
crat fervus devinctiffimus Johannes Yalentinus Pietfch.
[S. 1-16:]
1 §• I.
Inexbaufta, ande tum plereeqve fcientiee, tarn Poe/is originem ducunt,
fcaturigo, delectatio eft. Haac non Poeii tantnm inveniendffi locum fecit,
Ted ad varia etiam Carminum genera conficienda fcriptores excitat. Finem
& initium hujus conftituit fcientiee delectatio, fic ad illum, ex quo emanavit,
fontem, tendit revertiturq; Poöfis.
§. IL
Anteceffit Poöfin Mufica, ab hominibus ad demalcendum auditus
fenfum, introducta. Verum, ne yanus aures feriret fonus, verba fonis
junxere, quibus vel excitare in obrutis calamitatibus animis laetitiam, vel
augere poffent excitatam.
§. in.
Sed cnm ipfa nos ad varietatis adpetitum natura ducat, eundem toni
gradum, tempusqve perpetuum, nanfeam parere, obfervatum eft. Hinc modo
fnftulere, modo depreffere, modo longa, modo celeri mora, edidere ibnum.
2 Quod vocibus etiam, productas brevesqve mifcendo fyllabas, imitati | funt,
quee certo compofitee modo, muficis quantitate gradibnsq ; , refponderent tonis.
§. IV.
Neglectior primus Poefeos fuit habitus, usqve dum fequenti 8bvo fylla-
barum numerum majori adtenderent cura, pedes adcnratins connecterent,
ftudiofiusqve menfuratos, certis fpatiis limitibusqve conftringerent, e quo mm
apta, numero modoqve finita, compofitione, fonora gratiffimaq; auribus orta
eft oratio, quam adlegatas ob rationes, ligatam, metricam & rythmicam ad-
pellavere. Haec adeo neceffaria carmini forma eft, ut, ea abfente, carminis
nomen poema vix fuftineat.
§. v.
Sunt quidem, qui, fictionibus nimium tribuentes, fabulis, nullo vinculo
ligatis, nullo rythmo fonoris, inter poemata locum concedant. Sed cum cani
non pofßnt, nee foni ameenitate delectent, nee metro ligatee (int, indignee
ligatse orationis carminisqve nomine, ad folutam profamqve ablegand® funt.
Von Johannes Reicke. 14B
§. VI.
Adcuratiffimo Greeci Romaniq; Poet» raetro ufi funt. Hos Germani
feqvnntur; Itali vero & | Gaili majori libertate peccant. Et non incultis folam, 3
ante Ronfardum temporibus Galliee Poetas, Ted & recentiffimos, imo rigo-
rofiffimum carminum cenforem DeFpreaux offendere animadvertimus.
§. VII.
Altera apud plerasque gentes caracteriftica carminis nota Rythmus
eft; non quidem, de quo jam antea egimus, Romanorum & Greecorum, fed,
queB hodie adhuc vigent, Gentium: Germanorum, Anglorum. Beigar ura,
Italorum & Gallorum rythmus, ab antiquo illo maxime diftinctus. Illorum
verfum, quam totua erat, horum vero exitum tan tum fonorum reddit rythmus.
Illorum unus rythmo fufficit verfus, horum autem duos in exitu eequalitate
toni confpirantes requirit. Quam ob caufam ä Germanis etiam Reim,
ä Gallis Rime adpellatur.
§. vin.
Hoc adeo delectamur rythmo, ut parum abfit, quin apud nos fere
folns a communi fermone diftinguere videatur Carmen. Nam etiam fi nee
metro, nee coneeptu, nee dictionis genere ä vulgari loquendi abeat modo
oratio, verfus tarnen & carminis Uli imponitur nomen, fi exitus auribus
oommendetur rythmo. Non dubito quidem, multos | aut plane abhorrentes, 4
aut parui facientes hoc rythmi genus, non omni deftitutos ratione, ita fentire,
nihilominus tarnen certo conftat ad gratum verfuum tonum multum conferre
rythmum.
§. IX.
Argumenta, quibus fnas, rythmi ofores, fuffulciunt hypothefes, heec
funt: Primo möllern nimis, quem rythmus inducit, fonum indignum virili
Carminis Majeftate cenfent. Verum non opus eft, Germani ut anxiam inolli-
tiem averfentur, pleraqve enim apud nos verba nimis mafculum edunt tonum,
cum non vocalibus tan tum referta ßnt grandibus, fed & crebrioribu« ftrideant
confonantibus, adeo, ut noftra ab exteris duritiei aceufetur lingva. [sie!]
hujus autem remedium eft optimum, verfus exitum aeeepto möllern reddere
rythmo.
§. X.
Nonnullos, ad eliminandum verfuum rythmum, eloquentiae defectus ob-
ligat. Nam cum nee libere animi coneeptus fufficientibus materiee verbis
indicare poffint, magnus fane moleftiffimusqve fit oportet labor, fi, certo
rythmo inclufa, fententia eft efferenda. |
§. XL 5
Accidit hoc plerumq; illis, qui, Eloquenti» praeeptis non fufficienter
imbuti, nee ftüo fatis exercitati, ad Poefeos adfpirant fublime; digni, qui
cum claudicantibus, tardo paffu incedere non valentibus, curfores tarnen fequi
geftientibus, rideantur. Nam nunquam illis, qui copiee eultuique fermonis
operam dedere, conciliandi cum rythmo fenfum, facultas deerit. Tantum
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX. Hft. U2. IQ
146 %* «f« C. Gottsched*s Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
enim abeft, ut verfus exaraturis offendiculo fit rythmus, nt Poötarum potius
promoveat conatus, illosqve ad rerum ideas verborumqve conceptus ducat
inexfpectati sfimoa.
§. xn.
Tandem, confvetudini per feculorum feries oonfirmatee aliquid tribuen-
dum effe, exiftimo. Adfvetse anres noftree funt rythmo, quo deficiente, ju-
cundiffimo Carmen ornamento fpoliatum effe videtur.
§. XIII.
Confilium quidem coeperam, in hac pro Loco Difputatione fententiam
propriam, aliorum non illuftratam exemplis, qu» alio dicata funt loco, pro-
ponere; non tarnen poffuni, quin ex latino idiomate, Seckendorffii ftudio,
6 Lucani de Bello Ciyili | verfus, obfervato quidem metro, Ted neglecto rythmo,
traductos recenfeam, quo notabilis amoenitatia defectus, & noftree fententiae
robur patefiant:
Den mehr als Bürger Krieg, im Feld Emathiens
Geführt, beschreiben wir, wie unrecht recht bekommen:
Des starcken Volckes Hand, voll Siegs, in sein Geweyde
Verkehrt und aufgestellt zwey Blutsverwante Heere:
Der Bund ums Reich getrennt, mit aller Krafft gekämpfft
Der aufgerührten Welt zur gleichen Ungebühr:
Da feindlich wider sich gestossen Römern Fahnen
Auf Romer-Fahnen loß: Auch Adler widerstunden
Den Adlern gleicher Art, und Bürger-Spieße drohten
Auch wider Bürger Spieß. O wie gerahtet ihr,
Ihr Bürger, in die Wuht? Wer last dem Schwerdt und Eisen
So frey und grosse Macht, und giebt Lateiner Blut
Verhaßten Völckern Preiß? |
7 Das unfruchtbahre Blut, so durch der Bürger Kriege
Ematien befleckt, der frechen Boßheit Siege.
Des starcken Volckes Hand, das sein entblöstes Schwerdt,
So sonst die Barbarn schlug, auf seine Brüste kehrt,
Des Reiches Band getrennt, zwey Bluts- Verwandte Freunde,
Zum Streit erhitzet hat, die als erboste Feinde
Mit aller Krafft gekämpfft, als die empöhrte Welt,
Zwey starcker Heere Macht zum Treffen aufgestellt,
Als Fahn auf Fahne sties, als Schild auf Schilde stiessen,
Und selbst der Römer Arm mit scharffen Bürger-Spiessen
Den Adlern droheten. Dieß, dieß beschreiben wir,
Rom! was umbnebelt dich, ach wie gerahtet ihr,
Ihr Bürger in die Wuht, den alten Ruhm zu schänden?
Der Römer edles Blut, so schimpfflich zu verschwenden,
Und gebt, was übrig bleibt, verhaßten Völckern Preiß. |
8 . §-*IV.
Credo, fufficienter, verfuum horum lectione, meam confirmatam iri
hypothefin. Nunc, de verbis ipfis ut aliquid dicamus, reftat.
Von Johannes Reicke. 147
§. XV.
Utuntar quidam [sie!: quidem?] iisdem, cum Oratoribus, Poet® verbis,
interdum tarnen, vel metri neceffitate, vel rerum vivacius pingendarum gra-
tia, ad fingularia rerum nomina fingenda adiguntur. Scatent talibus verbis
omnia Carminnin genera, nemo tarnen Comicos, rifum excitaturos, fingen di
andacia anteceffit. Verum cum oratoribus non nifi iis, qu® ä preeftantiflimis
anreee eetatis feriptoribus civitate donata A confvetudine reeepta, verbis uti
liceat, fuafor ego cafto nitidoqve ftilo ufuro non effem. ut ex ligata ad folu-
tam Orationem fieta Poetaruin verba transferat. Aliter a Quintiliano, Rhe-
torum Principe, edoctus, cui non folum, ex varia ratione lingvarum mifta,
oratio difplicet; Ted & iimile Vitium effe videtur, fi quis poetica vulgaribus
mifeeat. Hase fingendi confvetudo apud plerosqve praftantiffimos Romano-
rum Poetas adeo invaluit, ut Flaccus fua in arte poetica hanc commenda-
verit licentiam, prseeeptisque fingendi modum illuilraverit: |
In verbis etiam tenuis cautusq; ferendis 9
Dixeris egregie, notum Ci callida verbum
Reddiderit junetura novutn. Si forte necetfe eft
Indiciia monftrari recenübus abdita rerum &c.
8- xvi.
Non quidem bac libertate abdicandas [sie!] effe Poötas, fed male ab
oratoribus fibi exemplo proponi cenfeo. Quod quo facilius pereipiatur, aliqua
ex noftra place t adducere vernacula exempla:
Tyrann! dieß ist die Hand, die du entseeptert hast,
In ligata non adeo indecorum eft, fed in profa incongrua & adfeetata
effet imitatio, e. g. Aus Schweden läufft die Nachricht ein, daß sich die
Königin selbst entseeptert habe. Heec vanorum hominum ftilo relinquenda
Amt:
Ich sehe dich O Held entgeistert vor mir liegen.
Non, nifi ficto eliminato, verbo profse induit formam; ita enim dicen-
dnm eft: Ich sehe den Helden todt vor mir liegen. Adtendi etiam meretnr,
non proprium tan tum Poetis fictornm effe | ufum verborum, fed & ufitata alio 10
modo conffcrui verba, e. g. Opitius:
O Mars, ich singe dich, du stareker Gott der Kriege.
Aliena plane a communi loquendi forma eft, dictio, qu® non confundi
cum foluta oratione poteft.
§. XVII.
Diffemnt tandem ab Oratoribus Poetee coneeptibus, & ftyli caractere.
Brevi heec comprehenfa periodo preeeipua Poefeos capita funt, qu® tan tarn
explicandarum rerum ubertatem continent, ut, fingula fi diftinetius, enuclea-
tiusqve traetare velimus, fingulis propria decernenda effet differtatio. Verum
cum hujus non ßt loci, coneeptus quomodo formandi fint, quo ordine quo
ftyli genere proponi debeant, docere, contentus fum, R modo, fictionera fingu-
lare Poefeos ornamentum, per quod a foluta diftingvatur oratione, conftituere
indieavero.
10*
148 Zu J. C. Gottsched^ Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
§. xvni.
11 Si cnm Hiftoriis Orationibusqve Illuftrium | Poetarum conferamus car-
mina, h»c inprimis a communi fermone animi conceptibus fecernenda effe
fentiemus. Nam cum fimplici Orator modo res existentes exponat, quafi
divini cujufdem [sie !] numinis adflatu perculfus Poeta, res non existentes fignifi-
cativo producit figmento, quo latens lucem foBneretur veritas; & hie eft
dignus judicatus ab antiquis, magnificus Poefeos babitas, qui, qvam circum-
ambit veritatem, venuftate gratiofiorem, majeftate venerabiliorem efficit.
XIX.
Fieri itaqve vix poteft, quin congruus materiaa animi coneeptus, rari-
tate admirationem pariat, hypotypofi vivacius percellat, idea fublimi altius
extollat, amoBnitate capiat, removeatque multis intervallis folutam a Carmi-
nibus Orationem. E. g. Virgilii fimplex hoc fuit thema: JEneas Latium
tendens tempeUatem nactus eft adver Cam; hoc fterile foseundum reddidit ar-
gumentum Actione:
I. Cau£am, Junonem irä incenfam, interitumqve Trois machinantem,
fingit.
12 n. Mohim inducit, qui, Junoniß preeibua ex- | oratus, fubditos vineulis iblvit
ventos, atque, ut coelum mareque turbarent, jnffum dedit.
III. Tempehatis eircumftantias fingit, Eurum Notumque fiuetus volventes,
Anten narum ftridorem, hominum clamorem, tenebrieofas diem
fugientes [sie!: fugantes?] nubes, horridum atra nocte mare, cosli
tonantis fragorem, ruptum repetito fulgure SBtherem, inftantique
mortis periculo, perculfos defperatosque Troadee, tarn vivaciter
exprimit, ut non jEne® fata Ted ipfam naturam delineaffe cenfendus fit.
§• XX.
Abit tandem magnifico elocutionis ornatu a communi dicendi genere
poöma, & tot variis ac infinitis fere modis, ut, fingulos fi recenfere velimus,
non Differtatio, fed moleftus fua mole conicribendus effet liber. Obfervaffe
fufficit, omnes in id Studium conferre Poetas, ut fuis admirationem confe-
quantur carminibus; hinc non animi faltem ideis, Ted & dictione fublimi
ä vulgari fermone oportet Poetam fecedere. Ubique obvia, humiiia, com-
13 munia, rara | effe non poffunt, quod tarnen, cum admirationis mater fit
raritas, neceffario requiritur.
§. XXI.
Decet itaque, tum a communi loquendi modo deflectere, tum a communi
fignificatione in alienam transferre voces. Primum figuris, alterum tropis,
Poetis adeo neceffariis, effieimus. Aliquando rythmus, aliquando metrum,
carminum obligat feriptores, ut repugnantia, minusque apta, rejiciantur verba ;
inde vocum oritur penuria, cui legitimo troporum, ufu (verborum auetiorem
reddentium numerum,) fuecurrere neceffitas exigit.
§. XXII.
Omnibus etiam, quotquot funt, carminum fcopis, five ornatum five
majeftatem, five volnptatem fpectes, fatisfaciunt tropi; nam ä fimilitudine
Von Johannes Reicke. 149
apta profecti, carmini, ut pulchra conclavibus pictursB, ornamento funt.
Splendorem his orationis luminibus, dictioni adfundemus, majeftatemque,
deriuatis ä grandibus, gravibus nobilibusque rebus, conciliabimus, ac deducto
a gratis jucundisque tropo, lectorem | adficiemus. Neque folum eifere, fed 14
& deprimere orationem, non delectare tan tum, fed & dolorem excitare terrorem-
que inentere, & translatis, a communi ad fingularem fignificationem, verbis,
dictionem fimul a folutse orationis limitibus ad ligatam transferre poffumus.
§. xxni.
Solut» quidem orationi etiam fuo loco decens concedendus eft ornatus,
Ted non tarn magnificus ut carmini, cni illuitris Poetee foetus nomen tribuen-
dum eft. Figur» fint felectiores vehementioresqve, elatiores tropi, rariora
crebrioraqne epitheta, qa» ad diftinctam a communi fermone fublimitatem
ornatnmq; poema extolliint. Qui autem fit ille ornatus fublimitatisqve gradus,
quibus ä ligata profa fecernitur, inquirerent fortaffis Uli curiofius, qui non-
dum edocti experientia funt, talia, non tarn regulis, quam exemplis, Lectorum
oculis effe fujicienda.
§. XXIV.
Hinc Optimum eft confilium, ut ipfi cum Oratorum fcriptis confera-
mus carmina, & diligenti, in quo conveniant, in quo difcrepent, meditatione
inveftigare ftudeamus. Exemplum nobis fuppeditat Maronis, optimi Poet 89,
Ecloga: |
Fortunate tenex, hie inter flumina nota, 15
Et fvntts £acro8 frigus captabis opacum, &c.
Nee tarnen interea raueoe, tua cura, palumbes,
Nee gemere aerea cetfabit twrtwr ab tdrno.
Ante leve8 ergo pa£centvr in oBthere cervi,
Et freta dcUituent nudos in littore piiees: &c.
Aut Ararim Parthus bibet, aut Germania Tigrim
Quam no£tro illius labatur pectore vultus.
Haac ad verbum germanico, in foluta Oratione, idiomate reddita, rifum
excitare fine dubio experiemur.
Du beglückter Greiß, hier wirst du bey den bekannten Flüssen und
heiligen Brunnen eine schattigte Kälte geniessen. Unterdessen, wirst du doch
mit aller deiner Sorge nicht machen, daß weder die heisere Wald- noch die
Turtel- Taube auf einem biß in die Lufft reichendem Ulmen-Baume zu
seufftzen nachlasse, &c. Ehe werden die leichten Hirsche in der Lufft weyden,
ehe wird die See die nackten Fische auf dem Ufer lassen. Ehe wird der
Parther den Ararim, und Deutschland den Fluß Tyger trincken, ehe uns
sein Gesicht aus der Brust fallen soll.
Hoc Poetarum prineipis, quod mirati fumus antea, carmen, quia au-
dacius ligati fermonis ornatus in folutam translatus eil, ridemus. Alterum
fit. exemplum Canidii ad Auguftum Oratio, in Lohenfteinii Cleopatra repe-
riunda: |
Der Himmel, grosser Fürst, kämpft nunmehr selbst vor dich, 16
Der nie gebückte Nil beugt vor der Tyber sich;
160 Zu J. C. Gottscheds Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
Egypten weichet Rom, Cleopatra dem Käyser;
Der Götter Bäht verkehrt dir die Cypressen-Reiser
Des sterbenden Antons in einen Lorbeer-Krantz.
HfiBC ita in profa efferenda effe arbitror: Grosser Fürst, der Himmel
stehet dir selbst bey, denn weil da durch den Tod des Antons einen voll-
kommenen Sieg erhalten hast, muß sich Cleopatra dem Käyser, und Egypten
den Römern übergeben.
Hac methodo ß profam cum foluta oratione conferrent & Eloquentiee
& Poeli operam navantes, non tarn imprudenter, ut feepe animadvertimus,
folutee ligataeqve orationis, iniquo conatu, confunderentur limites.
§. XXV.
Verum, ne profee, ftili fublimitate ligatam eequantis aut antecedens
objiciantur nobis exempla, notandum effe exiftimo, quod, quemadmodum
alius epiftolas, alius hiftorias, alius panegyres deceat ftilus, ita etiam Ecloga,
Elegia, Comoedia, Tragoedia, Ode & heroücum Carmen inter fe differant.
Hinc non panegyri Ecloga, Ted Dialogo, heroücum autem, ut ejusdem claffis,
Carmen, panegyri efb comparandum.
*****
Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
Von
A. Trelchel.
In der Sprache zu und von Thieren wird es sich deshalb be-
sonders nur um die Hausthiere handeln, weil der Mensch oft genug
mit ihnen zusammen kommt, ihre Kraft oder ihren Verstand ge-
braucht und sich mit ihnen, wenn auch als unvernünftigen, so doch
im Einzelfelle durch die Länge der Zeit häufig lieb gewordenen
Geschöpfen in liebkosender oder abweisender Sprache einlässt.
Wird ein Thier domesticirt, so sieht man am Papagei oder
Eichhörnchen, daß es auch seine Buf- oder Kosenamen empfängt.
Die meisten, namentlich kosenden Zurufe entstehen aus den
natürlichen Tönen, ahmen sie mit Beduplication nach, sind
onomatopoetisch. Werden Lock- und Koserufe oftmals wieder-
holt, so werden Scheuchrufe sprachlich meist nur einmal gesetzt
und außerdem laut gesprochen. Soheuchrufe schließen meist
einen Zischlaut in sich und beginnen mit einem Vorschlage,
gleichwie beim Militair das Commando aus dem vorherigen
Avertissement und dann dem eigentlichen Commando besteht.
Lockrufe sind Koserufe und führen daher weichere Conso-
nanten in sich. Beizrufe bedingen edlere Thiergattungen,
wie Pferd und Hund. Außerdem bedingt der für Zuruf oder
Fortweisung gebräuchliche Tonfall ganz bedeutend, wenn nicht
ausschließlich das Verständnis bei fast allen Thieren, nament-
lich Säugethieren. Hervorzuheben wäre noch, daß aus den volks-
tümlichen, namentlich kosenden Namen, wenn sie zweisilbig
sind und doppelt gerufen werden, durch falsohe Abtheilung sehr
häufig, wie z. B. bei der Gans zu ersehen, ein metathesirtes
Wort entsteht.
Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es wieder her-
aus! So etwas Aehnliches, zumal wenn man noch den Nach-
ahmungstrieb dazu nimmt, hat es zu Wege gebracht, dass die
Menschen die Thiere häufig nach ihren Thierlauten bezeichnen,
dann aber noch mehr diesen pleonastisch davor setzen, besonders
152 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
wenn sie in den Kosenamen zu ihnen oder in (Kinder- und
Wiegen-) Liedern von ihnen sagen und singen ; so entstand der
Klapperstorch und der kajankende, kaschunkende Hund; so singt
man vom Bählämmchen, von der Kluckhenne und der Mecker-
ziege, von der Bukuh, vom Hieschfüllen und vom Piepmatz.
Den bei Scheuch- oder Spornrufen gebräuchlichen Vorton
a (aschoh! bei Hühnern) oder ha (hascha, beim Pferde) lassen
wir Menschen auch beim Niesen (hatschi! oder hapsi! polnisch
psik!) unwillkürlich aus der Brust steigen und wiederholt er
sich noch hörsamer beim Hailoh!
Den Jäger mit seinen Kunstausdrücken lasse ich meist bei
Seite, sowie auch, was etwa aus Beinecke Fuchs in seiner viel-
fachen Bearbeitung für das vorliegende Thema zu entnehmen
wäre. Weitere Anklänge an die Thierwelt mag späterhin das
in Vorbereitung begriffene Volksthümliche aus der Thierwelt
ergeben. Viel Einschlägiges giebt H. Frischbier (Fr.) in Preu-
ßische Volksreime und Volksspiele, worin namentlich zu ver-
gleichen wäre der Verkehr mit Vögeln (S. 60 bis 68), wie man
zu Hausthieren redet (S. 63), Thiersprachen (S. 64) und Ball der
Thiere (S. 71). Um Wiederholungen zu vermeiden, zog ich seine
köstliche Ausbeute nur heran, wo es einer Vergleichung galt. Viel-
leicht findet sich aber doch für sie anhangsweise ein Platz. Einiges
giebt auch Frl. E. Lemke in ihrem Volksth. aus der Thierwelt im
Volksth. in Ostpreußen (um Saalfeld) I. S. 81 ff. und H. S. 284 ff.
In gewissem Sinne gehören hierher auch K. Mühling's
Provinzialnamen der Thiere Preußens in Neue Preuß. Prov.-Bl.
a. F. VIII. S. 167—179. Ferner wäre zu vergleichen H. Frisch-
bier: Die Thierwelt in Volksrätseln aus der Provinz Preußen in
Z. S. f. deutsche Philologie Bd. XI. S. 344—369, (110 Nummern.)
Reichliche Notizen und Beiträge verdanke ich der Mit-
arbeiterlust meiner Tochter Anna Treichel.
Da ich das östliche Pommern überall, wo's angänglich,
mit berücksichtige, so konnte ich noch in eilfter Stunde einige
daher entstammende, einschlägige Punkte berücksichtigen, welche
Oberlehrer O. Knoop 1890 publicirte in den Oster-Programmen
Von A. Treichel. 153
von Posen (Plattdeutsches aus Hinterpommern: Spruch w. und
E. A.) und von Bogasen (Fremdsprachliches). (K.)
Bei der Namengebung bei Thieren kommen vorzugsweise
als von Wichtigkeit und Einfluß in Betracht sowohl die erste
Heimath, als auch die Gestalt, die Gewohnheiten und Eigen-
schaften derselben, ebenso für die Gattung, wie ich das beim
Pferde ausführen werde, da eine Verbreiterung dieses Themas zu
weit führen würde, wie auch für das einzelne Stück, wie ich darüber
hinsichtlich der Bindernamen bereits früher gesprochen hatte.
Ich werde von den Vögeln mit geringem Einschiebsel
anderer Thiergattungen zu den Säugethieren übergehen.
Meist habe ich mich an die Provinzen West- und Ost-
preußen gehalten. Falls ich aber sonst einschlägige Bufe erfuhr,
habe ich nicht unterlassen, selbige einzufügen, weil ihrer selten
Erwähnung geschieht.
Vogel.
Vogel im Allgemeinen heißt Matz. So heißen meist auch
die in Gefangenschaft gehaltenen, wenn sie auch nicht zum
Singen abgerichtet sind. Ein Canarienvogel heißt Arrestant
(Berent). Nach ihrem Naturtone, dem Piepen, heißen sie auch
Piepmatz. Im Singliede heißt's: Röschen hatte einen Piepmatz.
In einem Gesellschaftsspiele tanzt man um Jemanden herum, der
mit verbundenen Augen in der Mitte steht, bis dieser mit Auf-
schlag des Stockes Halt gebietet und den Stock auf Jemanden aus
der Gesellschaft richtet, welcher sein Piep! mit einem andern
Piep! beantworten muß. Schließlich gilt es, aus dieser Stimme
die Person des Antwortenden herauszuerkennen.
Ein Scheuchruf für Federvieh im Allgemeinen ist Sehe!
oder Scho! Wegen Sehe vergleiche das Schae beim Schafe.
Um Jerrentowitz in Ostpreußen heißt's auch Asch 6! nach
Fr. V. B. 64. 242 i. Sich plustern wird von Vögeln gesagt,
die sich in den Federn aufdaunen.
Eulenspiel.
Einige Vogelrufe kommen beim Eulenspiel vor, einem
Gesellschaftsspiele. Die Gesellschaft setzt sich in einen Kreis,
154 Provinzielle Sprache zu and von Thieren und ihre Namen.
nur daß eine Person, welche den Vogelsteller darstellt, in der
Mitte steht. Nachdem sich Jeder den Namen eines Vogels,
dessen Geschrei er nachahmen muss, gewählt hat, beginnt der
Vogelsteller eine kleine Erzählung, in welcher er die gewählten
Vogelnamen möglichst oft vorbringt. Geschieht das, so muss
der betreffende Vogel zur Antwort sein Geschrei ertönen lassen.
Wird in der Erzählung aber das Vogelhaus erwähnt, so ant-
worten Alle mit ihrer Vogelstimme gleichzeitig. Unter den
Vögeln muß stets die Eule vorhanden sein. Wenn deren Name
genannt wird, so antworten alle Vögel ebenfalls mit ihrem Ge-
schrei und bewegen dabei außerdem noch die Hände, die sonst
ruhig auf den Knieen liegen müssen, als wenn sie fortfliegen
wollten. In diesem Augenblicke muß der Vogelsteller die Hände
eines der Mitspieler (die Flügel eines Vogels) zu erhaschen
trachten. Wenn ihm das gelingt, so tauschen Beide ihre Bolle
und der Vogelfänger übernimmt Namen und Geschrei des ge-
fangenen Vogels. Die Eule kann rufen: Schuh, schuh!, der
Hahn: Kikiriki!, die Henne: Gluck, gluck!, die Gans: Schnatta-
tat, schnattatat!, die Ente: Schnack, schnack!, die Taube: Gucke-
ruh, guckeruh!, der Sperling: Pieps! oder Pietsch!, die Krähe:
Kräh, kräh! u. s. w. (Frl. Hedwig Dierfeld.)
Schleiereule.
Eine um Pillkallen Ostpr. 1891 gefangene und von einem
Besitzersohn vollständig gezähmte Schleiereule stolzirt in der
Stube frei umher, denkt nicht an's Fortfliegen, nimmt Futter
aus der Hand und hört auf den Namen Hans.
Pfau.
Ein Pfau in Obermalkau, Kr. Berent, heißt Hans.
Papagei.
Der domesticirte Papagei wird nach seiner naturgeschicht-
lichen Bezeichnung meist mit Päpchen genannt und gerufen.
Sonstige Rufnamen sind Jako, Koko, liebkosend Kokeheu.
Joko und Koko heißt er auch in A. Boeper's Sonnenschein und
Wetterstrahl (S. 67); dort stammt er von Guinea's fernem
Strande, ist Herrn Hevelke's Papagei und läßt sich vom Kater
Von A. Treichel. 155
Marnier zum Tode entführen mit den von seines Herrn abgebenden
Arbeitern eingelernten Worten: „Herr Hevelke, nu gähne wi!u
Aehnlich erzählt Frischbier (R. A.I., 1167.) von einem Königs-
berger Kaufmann Hevelke zu Anfang des 19. Jh. und dessen
Papagei. Vergl. auch N. Pr. Prov.-Bl. 1846. I. 150. Dasselbe
erzählt man auch aus der Stadt Putzig.
Der klügste Papagei eines ganzen Conservatoriums von ge-
lehrten Kakadu's, die in Berlin 1890 gezeigt wurden, heißt
Peter und soll die bedeutendste Leistung des kleinen Thieres
das Flaggenhissen sein, wie in der Zeitung stand.
Strauß.
Die in Straußenzüchtereien ausgebrüteten und rasch außer*
ordentlich zahm und zutraulich werdenden Strauße folgen dem
Bufe ihres Wärters, der sie meist durch ein sanftes „Kühl!
Kühl! Kühl!tf zu den Mahlzeiten herbeilockt. (Ernst Montanus:
Straußenzucht in Stein der Weisen. Wien 1890. H. 3. S. 67.)
Kranich.
Ein gezähmter, flügelbeschnittener Kranich in Lauen-
burg i. Pomm. heißt Hans. Er tanzt ungeschickt vor den
Menschen, beißt neckende Kinder und geht namentlich hinter
Hunden her, die sich vor seinen Schnabelhieben flüchten müssen.
Ich erinnere an einen gezähmten Kranich, vor welchem der alte
Blücher die Flucht ergreifen mußte.
Pute.
Der Puthahn und die Pute, ebenfalls eingewandert,
heißen Gulgul, von dem Geschrei dieser Thiere ebenso nach-
gebildet, als wenn Pisanski (Preuß. Sprüchwörternachtrag auf
KgL Bibl. in Königsberg) Gull für die kalkutische Henne
(dasselbe Thier) angiebt. Um Saalfeld (Frl. E. Lemke) heißt
die Pute Kurre.
In polnischer Gegend (Czengardlo, Kr. Berent) hörte ich
sie gua (gnla) nennen und rufen. Es ist das die Gegend der
sog. Tucheier Haide und auch des Kreises Berent, wo man meilen-
weit durch Sand und sog. Kusseln (verkrüppelte Kiefern) fähren
kann, wo besonders die Putenzucht herrscht, denen, wenn ihnen
156 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
auch jeder Boden Nahrung gewährt, doch die leckerste Speise,
die sie auch gut anfettet, ist, wenn die Heuschrecken, sog.
Sprengssel, erscheinen.
Um Bremen und Göttingen heißen die welschen Hühner
Pülpül.
Taube.
Die Taube ist ohne Lock- und Scheuchruf. Werden sie
zum gestreuten Futter gerufen, so pfeift man ihnen. Ebenso in
Prov. Sachsen. Selbst für ihren girrenden Naturton habe ich
keine andere Unterlage gefunden, als daß man diesen, wie ihre
schnäbelnde Bewegung auf das Gebahren von Liebenden in
bildlicher Sprache überträgt. Namen vermuthe ich erst recht
nicht bei ihnen.
Der girrende Täuber ruft: Trütste Fru! trütste Fru! (Fr.
No. 267. Simrock: D. K. Buch. 709.) Nach ihrem girrenden Tone
muß die Taube im Spiele rufen: Guckeruh, guckeruh! Es ist
dies namentlich der dumpfe Ton der Lachtauben.
Warum ruft die Turteltaube Kuh, Kuh? Als sie die Elster
ihr schönes Nest bauen sah, sprach sie: lehre mich auch diese
Kunst und ich gebe Dir dafür meine Kuh! Nach abgeschlossenem
Contracte geht die Elster an die Arbeit und kaum hat sie einige
Stäbe als Grundlage gelegt, da hüpft die Taube herbei und
spricht: nun kann ich's auch! Die Elster, mit diesem Geständ-
nisse zufrieden, erhält also die Kuh und schreitet fürbaß. Aber
siehe da, die Turteltaube kann nur einige Stäbe legen, aber
kein ganzes Nest bauen. Deshalb klagt sie immer schmerzlich
um den Verlust der Kuh, Kuh ! Aehnliches in Naturgeschichte von
Dagott. Vergl. auch Dr. A. Haas: Rügensche Sagen und Märchen.
Nachtigall.
Die Nachtigall, nach Dr. A. Haas (Rügensche Sagen,
S. 147) eine verwünschte Schäferin, singt ihr Klagelied in
folgenden Worten ; „Is tied, is tied, — to wiet, to wiet, — Trizy,
Trizy, Trizy (Name ihres Hundes) — to bucht, to bucht, to
bucht!" Der letztere ist der gewöhnliche Schäferruf, wenn der
Hund die Schafe im Bogen treiben soll.
Von A. Treichel. 157
Sperling.
Der Sperling ruft also im Spiele: Pieps! oder Pietsch!
Letzterer ist auch Familiennamen. Aehnlich scheint mir der
Familiennamen Zieske von Zeisig herzukommen.
In Pommern heißt er im Schlnmmerliede Lichting. (K. 27.
390. Mit Rücksicht auf seinen Ruf hat man in Wusseken, Kr.Bütow,
den Ausdruck Tschirke (auch von Rebhühnern gebraucht); in
Oarzin, Kr. Stolp, heißt's Schirpe, wie auch die Grille ihr
ßchirp, schirp ruft. Polnisch tönt es ebenso malend dwierkad,
auch cierkaö, auch swiärczeö.
Huhn (Henne, Hahn, Eeuchel.)
Im Allgemeinen ist für sie der Lockruf Tschip tschip!,
mehr polnisch Tipu tipu tip ! Es scheint zusammenzuhängen mit
dem polnischen Czub, Schopf, Haarbüschel, wie sie namentlich
die Hähne haben (czubac, raufen), sich an den Kamm fahren.
Deutsch nennt man Haarbüschel Ziperinchen; daran fassen =
ziepen.
Tschip! oder Tsib! sagt man auch (zugleich mit: Gieb's
weiter!), indem man den Nachbar an's Ohrläppchen faßt, bei
einem neuen Gericht vom Jahre.
Ein Scheuchruf für Hühner ist hutschhi! Pschi Kurr!
ist ein Schreckruf. Kura ist polnisch die Henne und Kur der
Hahn. Das Pschi soll sie als Vorstoß aufmerksam machen oder
einen Hund dahinter vermuthen lassen. Ebenso Schu! Schu!
(Alt-Paleschken.) Kikiriki! ist Ruf und Name des Hahnes. So
heißt auch provinziell eine Tabackssorte. Er heißt auch Gockel.
Für Henne und Küchlein führt Frischbier als Name und Lock-
jruf an: Put, Pütt, Putte, Deminutiv Puttchen, platt Putke.
Litauischer Lockruf für die Küchlein ist Putput, in Bayern Pul
pul. In Schlesien Pütt putt, ebenso in der Mark; in Pommern
püt püt ! In Provinz Sachsen ist ihr Lockruf ebenfalls Putt putt
oder nur ein Pfiff mit einem Tone. Putt ist im Allgemeinen das
Kleine. Liliput heißt das Land der kleinen Leute in Oliver
Swift's travels. Ein Puttker ist ein armseliger Mensch.
158 Provinzielle Sprache zu and von Thieren and ihre Namen.
Lockruf fittr's Huhn ist auch tuck tuck (Kr. Putzig). —
In Brünhausen (Kr. Putzig) heißen die Hennen „mit 'nem Schups"
Jenny, nach dem Namen einer ursprünglichen derartigen
Henne; davon abzuleiten ist für den Hahn oder verkleinernd
auch Jonnak, Jonnak; aber auch Schuppchen. Eine gewisse
Art graufarbiger Hühner ruft man dort mit Jarschumki, nach
ihrem ersten Verbreiter. Im Ganzen ruft man dort auch mit
Kokuschke (drittletztsilbig betont), da Kokosz-Huhn.
An anderer Stelle figuriren bei Frischbier als Lockrufe:
Pütt putt, Tipp tipp, Tschipp tschipp, um Drengfurt Tippa
tippa, Tschippa, tschippa, sowie als Scheuchrufe aus Littauen:
Sehe ! Husch ! Tisch ! Um Jerrentowitz heißt't Aschö ! Denselben
Buf kann ich aus Ereis Berent bestätigen. Um Saalfeld (Frl.
E. Lemke) lockt man die Hühner, wenn sie im Freien sind, mit
Kluckchen, Kluck, Kluck, Kluck! oder Tippchen, tipp, tipp,
tipp! In der Altmark ist Tiktik ein Lockruf für das Huhn
(nach Peker in Lenzen a. E. im Urdsbrunnen. 1887. No. 1).
Im Spiele ruft die Henne : Gluck ! Gluck ! Diesen Ruf lässt sie
ertönen, wenn sie auf Eiern sitzen will; daher ist sie die Gluckhenne.
Nach dem Eierlegen ruft sie: Schock, Schock hab' ich
gelegt!
Küken ist das Küchlein, wie junges Federvieh überhaupt.
In Schlesien heißt das Küchelchen das (Tsch) Gziperle
(Dr. Feyerabend).
Der Hahn heißt in T. E. 88. Mannke von Hökepöke,
also Männchen von Hökenpicken. Die Vorstellung ist: das
Küchlein hat ein Loch in die Schaale gehackt und gepickt, sie
aber noch nicht ganz durchbrochen.
Das Ei ist als Klangwort im Bätsei Idelpatidel; ihm
entgegen steht Adelpatadel, der das zerbrochene Ei nicht zu
recht machen kann. Vgl. Frischb. Thier E. 60. Ebenda in T.
E. 61. Hottepotete zu Hottpotete, in T. E. 58. Hucheldibuchel.
In einem Ostereier-Keime heißt's:
Geh, geh, du kleine Schutt,
Dies Ei legt' die Puttputt.
Von A. Treichel. 159
In Schlummerliedern aus Ostpommern (Culsow, Kr. Stolp,
K. 27.) wird das Hühnchen also angeredet: Titheinike, Tithei-
nike, Wat mekst up usem Hof? Du plickst us all de Blaimkes
af. Du mekst dat goar tau groff; Mamake ward di schüddre
(schütteln), Papake ward di schlähe (schlagen); Du armet Tithei-
neke, Wo ward di dat noch gähe ! Dasselbe Kinderlied aus der
Gegend von Neustettin beginnt mit Tithoeneken, Tithoeneken.
In einem andern Liede heißt's: Kluckhenn, fleig hier hen!
und nicht ohne Absicht ist kurz vorher der rufanklingende
Ortsnamen Piepershagen (falls er existirt!) gewählt. Als Scheuch-
ruf gilt dort (Lauenburg. K. 217.) ebenfalls Kurr, in Zezenow,
Kr. Stolp, Schkurr, iiwWusseken, Kr. Bütow, Schikurr, wozu
Seh und Schi als Scheuchlaut zu betrachten. Auch das bloße
Seh dient zum Verscheuchen. In W. heißt's auch: Hutschi de
Henn! in Culsow, Kr. Stolp: Schu oder Schuch de Heiner! In
Z. heißt der Hahn vulg. polnisch Kurrok ; dort auch eine Klatsch-
schwester Klappkurra, da klapad klappern, auch mit den Zähnen.
Die mandeläugige Hausfrau oder Dienerin bei den Chinesen
ruft ihre Hühner mit dem Rufe tschutschu, tschutschu zur Fütte-
rung herbei. Hierbei ähnelt der Consonant unserm Ausdrucke
gar sehr und nur der Vokal ist dunkeler geworden. Jener Ruf,
so erzählen sich die Eingeborenen, hat auf den Namen des Ur-
ahnen der Race Bezug, eines alten Herrn, welcher Tschu hieß
und in einen Hahn verwandelt wurde und dessen Andenken
auf diese Weise von Generation auf Generation fortlebt.
Ente.
Da sie polnisch kaezka (Enterich, kaezor) heißt, werden sie
in polnisch sprechenden Gegenden vom Wasser her gerufen mit
Kaczikaczikaczika!
Man ruft sie aber auch mit Pila pila!, Pile pile! In
Provinz Sachsen lockt man durch einen Pfiff. Ganz gewöhnlich
fi&r W.-Pr. ist Katsch, katsch!, sehr selten ist Schill schul!
In Alt-Paleschken (Kr. Berent): Hätsch hätsch, auch Katsch
katsch. Frischbier hat Pill pill! und Schill Schill! und be-
160 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
nennt die Ente auch als Schillersche. Ihr Scheuchruf ist:
H&h! Katsch!, in Provinz Sachsen Husch!
Um Saalfeld (Frl. E. Lemke) lockt man die Enten mit
dem Rufe: Wittchen! Witt, Witt, Witt! und treibt sie fort mit
Kaatsch, kaatsch! Wenn es im Märchen (E. Lemke: Volksth.
in Ost-Pr. II. 198.) Schuck Schuck, Entchen! heisst, so soll das
wohl nur ein Scheuchruf (schuch!) sein, damit sie fortgehen
(sich schocken).
Im Spiele ruft die Ente: Schnack schnack. In der Alt-
Mark (Urdsbrunnen 1887 No. 1) ist Fuit fuit! Lockruf für die
Ente; in der Lausitz: Quäk quäk!
In Schlesien ist ihr Ruf und Lockcpf Wakwak! und heißt
sie in der Kindersprache die Wakente. (Dr. Peyerabend.)
Sagt die deutsche Bauernregel, die Ente rufe: Dräck, Dreck,
d. h. es gebe Regen und schmutziges Wetter, so mag das wohl
richtig sein. Schreit sie viel und besonders sehr laut, so wird das
Schreien bei ihnen durch ein angenehmes Vorgefühl vom baldigen
Regen erregt, wie es auch in der Natur dieses Thieres gegründet
ist; da sie aber gezähmt das Wasser mehr entbehren und im
Trocknen leben muß, so macht auf sie die Regen verkündende
Luft einen angenehmen Eindruck, den sie durch lautes, fröh-
liches Schreien zu erkennen giebt.
In Ostpommern (Zezenow, Kr. Stolp; Wusseken, Kr. Bütow;
Kr. Lauenburg) ist nach Knoop auch sehr oft Katsch, Katscha,
Katschk Lockruf und Name für die Enten. Dafür hat Bernd auch
gatsch! und Gatsche, die Ente. Beides natürlich abzuleiten vom
poln. Kaczka (mit sonst mannigfachen Uebertragungen: 1. für See-
lilie; 2. für Wurf mit platten Steinen ins Wasser, 3. fttr Floß am
Netze: Wusseken. K.) — Um Rowe und Carzin, Kr. Stolp, heißt
nach Knoop sie und ihr Lockruf Ff t, sie selbst also in der Kinder-
sprache Fitke oder Fitaente. Ein Schlummerlied lautet dort:
Ruje de bruje, wat raschelt im Stroh?
Dat sind de kleine Fitkes, dei raschle doar so.
Dabei ist zu bemerken, daß dieser als Provinzialismus
vorkommende Lockruf pile für die Ente sich vollständig mit
Von A. Treichel. 161
dem altpreussischen Ausdruck für dasselbe Thier deckt. Der
nämliche Wortstamm findet sich auch wohl in dem lithauischen
p^le und in dem lettischen pihle wieder; beide bedeuten aber
die zahme Ente, wogegen die ungezähmte Ente lithauisch
äntis heißt. Diese Etymologie soll es nach O. Hein (Alt-
preuß. Wirtschaftsgeschichte bis zur Ordenszeit in Z.-S.
f. Ethnologie, Jg. XXII. S. 183.) wohl erlauben, die Zähmung
der Ente dem noch nicht difierencirten Volke der Letten,
Lithauer und Preußen zuzuschreiben. Nach Frischb. W. B.
findet sich zur Unterstützung auch noch bile in Hessen als ein
ähnlicher Rufnah me für die Ente. Ich selbst möchte bei solcher
Schlußfolgerung doch vorsichtiger gewesen sein, weil sich der
heutige Provinzialismus nicht gut als Stütze dafür gebrauchen
lässt, um so mehr, als ganz ähnliche Worte (pil, pila) bei uns
auch Lockruf für die Gans, ja sogar für das Schwein sind, wie
wir sehen werden.
Gans.
Von Polen wird sie gesch gerufen. Sie heisst im Pol-
nischen ges, sprich gensch. Nach ihnen ruft man: Helen, heleh!
(Wahlendorf, Kr. Carthaus.) Im Kreise Berent heisst's: Wile,
wile! oder Wule, wule! Um Schlochau (Pfr. Hasse) werden
sie Wulle, wulle, wull! gerufen. In Pommern Wire wire!
Simrock's Kinderbuch nennt beim Spiele Wolf und Gans die
letztere Hilegänschen. Sonst hörte ich vom Wilegänschen.
Das sind aber nicht wilde Gänschen. Frischbier verzeichnet die
Lockrufe: Gesse gesse! Will will! Wille wille! und giebt
als Gegend Dönhofstädt an. Mit Rir, rir! werden sie im Kreise
Dt. Crone gelockt; rir ist der Schrei des Gänserichs (Pred.
Freitag).
Irgas, hier hier hier! (Neu-Paleschken). Ob in diesem
Irgas nicht das: Hier, Gans! drinsteckt? oder: Irrende Gans?
Mehr polnisch: Lewü lewü! (Gr. Boschpol, Kr. Berent);
also das umgekehrte Wule, wule.
Im Samlande ist nach Fr. W. B. I. 301. Huck der Name
für die Gans und ihr Scheuchruf: Huck huck hahü! Nach
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX Hft. U2. H
162 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Kamen.
Fr. Volksr. 177, 691; 64, 242 g. ist Guss, Guse, f., Deminutiv
G us sehe, Name und Lockruf für die Gans; es heisst Guse,
Gu6e Gänskes, kämt nä Hüs!
Gespräch der Gänse unter sich in polnischer Mundart:
A) Agata! (Agathe!) B) Zo ta tarn? (Was denn da?) A) Jak ta
ty na wresc? B) Jak ta ty na zesz!
Ihr Schnattern bezeichnet im Deutschen der Ruf im Spiel:
Schnattatat! Schnattatat! Ihre Jungen sind die Gössel. Ihr
Lockruf ist Pila Pila! Pila pila pil! Sprachlich scheint das
Pila mit dem Wile zusammen zu hängen. Pilusch, Pilusch-
ken! sind kleine Gössel. In Burgsdorf, Kr. Neustadt, hörte ich
sie Bibischken nennen. In der Altmark (Urdsbrunnen 1. 1.)
sind Lockrufe für die Gans Ihle ihle! oder Ihlke ihlke!
In Wusseken, Kr. Bütow, (K. 27 ff.) ist der Lockruf
der Gänse ebenfallls Pil, pil! Daher werden sie auch Pilkes
im Schlummerliede genannt: Schusche patrusche, wat raschelt
im Stroh? Dat daune (thun) de leiwe Pilkes, Dei hebbe
kein Schau! De Schauster hett Ledder, Kein Listen doartau;
Dat meckt, dat uns* leiwe Pilkes Uk hebbe kein Schauh. Das-
selbe Lied wird hier in Westpreußen ebenfalls gesungen.
Ihr Lockruf ist im Kreise Bössei Gusi, wie zu ersehen
aus dem Anfang zu einem ländlichen Drama zwischen Hüte-
knaben (Dr. Stuhrmann), also lautend: Alle: Gusi, Gusigänschen,
kommt no heim! B. Wa t6rn nich. (Wagen, dürfen). A. Ver
wem? B. Verm Wulf. A. Was titta? (thut er?) B. Da let
Ega (legt Eier). A. Wie vel? B. Drei Tel (Theile). A. Wie
lang? B. Wie e Strang. A. Wie grot? B. Wie e Brod. Alle:
Gusigänsche, kommt no heim!
In Schlesien wird die Gans mit Hütsch, Hiltsch gerufen,
gelockt und gescheucht. (Dr. Feyerabend in Goerlitz.) Hutschi
sind die Gänse. Das ist czechisch, weil huö = Gans. Darauf
bezieht sich auch, was dem Reformator gleichen Namens Joh.
Huss (HuC), auf dem Scheiterhaufen sterbend, in den Mund ge-
legt wird:
Von A. Treichel. 163
Jetzt bratet ihr eine Gans!
In hundert Jahren kommt ein Schwan,
Den sollt ihr ungebraten län!
Krähe.
Krähen scheucht man vom jungen Federvieh mit Gapa
gapa, puh! Neben wrona heißt die Krähe polnisch auch gapa,
ich meine, vom plötzlichen, schnellen Stoßen; chap, hapsen. Das
puh! soll einen Schuß markiren.
Im Kirchenbuche zu Gorrenczin, Kr. Carthaus, fand ich
aus dem vorigen Jahrhunderte einen Fall verzeichnet, wo ein
stummes Mädchen, der etwas geschehen war, den Uebelthäter
doch noch durch die Rufe puh puh! (Knall des Gewehres) so
bezeichnen konnte, daß man daraus leicht einen Jäger erkennen
konnte, deren es früher in nicht so großer Anzahl gab.
Der deutsche Volksmund (Fr. I. 3060.) nennt sie „dem Racker
sine Düwe" (Tauben). Racker ist der Schinder, Henker, Ab-
decker, auch ein geriebener Bursche, Mensch. Racker heißen
sie selbst nach ihrem Rufe rackrack! Racker heißt auch die
Mandelkrähe, Coracias garrula. Im Spiele ruft die Krähe
kräh kräh!, metathesirt aus rack.
Rabe.
Der Rabe ist der Rekel. Ei, Rekel, spring' brav! säd
de Kreeg nu to dem Raw. Fr. Volksr. 113, 548.
Weihe.
Die Weihe ist de Wi, de Wige.
Hade, Wige witt,
Wis mi dine Titt.
Hade, weiße Weihe,
Weise mir deine Zitze.
Hade (vergl. Hadebar) ist wohl ansprechender (ha, du!) Vor-
schlag, wie die Zitze wohl nur des Reimes willen steht, da sie einem
Vogel nicht zukommt. Vielleicht sind aus halber Aehnlichkeit die
Spitzen der Flügel gemeint, die den Vogel von hinten, also fort-
fliegend zeigen soll. So singen die Hütejungen um Schlochau zum
11*
164 Provinzielle Sprache zu und von Tfaieren und ihre Namen.
Fortscheuchen, wenn sie sehen, dass eine Weihe oder ein Habicht
drohend über der Schaar ihrer kleinen und grossen Gänse
schwebt. (Pfr. Hasse.) Aehnlich Fr. 221. nebst einer Sage.
In Kr. Dt. Krone (Fred. H. Freitag) erheben die kleinen
Gänsehirten, sobald die Weihe sich als Gösselfeind zeigt, den
folgenden Gesang:
Uli Wig, ull Wig,
Uli Wokenblatt,
Sett di up de Stein,
Breck di Hals un Bein.
Wockenblatt ist eine Binde von Zeug oder auch von Aal-
haut, oft bunt bemalt an einem Ende; das Band wird um den
Flachs gewickelt, um diesen am Spinnrocken (Wocken) zu be-
festigen. Auch in Pommern war früher der Spinnrocken mit Zapfen
von Holz besetzt, um welche dann der Flachs (oder die Hede)
mittelst Bändern befestigt wurde, sowie auch sonst mit Bildern
behangen, die namentlich auf die See Bezug hatten. Auch In-
schriften hatten solche Wockenbänder, obschon ich keine an-
fahren kann. Unter dem Zuwachs der Sammlungen des Mu-
seums der Ges. f. Pomm. Gesch. u. A. K. in Stettin befindet
sich nach Monatsblätter 1890 No. 2 (S. 30) ein Sprögelwocken,
Wockenband und Wockenbild aus dem Weizacker.
Durch diesen Gesang soll sich der Vogel bestimmen lassen,
das Weite zu suchen, zumal wenn er die Hirten bei den Gäns-
chen mit einem Stecken erblickt. Sonst ist große Aehnlichkeit
mit Frischbier's Mittheilung über die Weihe (Preuß. Volksr. S. 57
No. 221.) Hiernach bezieht sich der Wunsch, sich Hals und
Bein zu brechen, auf eine Sage.
Storch.
Der Storch heißt Adebar, Hadebär, Odbör in Kreis
Stolp, Knacknowie um Neustettin. Aus Zezenow, Kr. Stolp,
meldet Knoop (165.) Klobischon als kassubische Bezeichnung
des Storches. Mrongovius giebt Klobocian als dessen kassu-
bische Benennung. Polnisch heißt er sonst bocian. Ersteres
Von A. Treichel. 165
wurde also kloStorch, unser Klapperstorch sein, da klobocQ,
glegoc$, klekocQ = klappern, wie ein Storch; bei Linde (Lexi-
con) klekce jak booian; es ercheint eine Silbe bo fortgefallen zu
sein, obgleich man sie bei seinem Rufen nicht hört. Klobischin
ist Dorf, Er. Carthaus.
Bö der, Buderer, ist der Beiname für den fliegenden Storch.
In Frischbier's Volks-E. (50, 191), sowie nach abergläubischem
Sprich worte heißt's:
Hadebär, de Roder,
Bring mi e junge Bröder.
Nester ist der Nestsitzende. Hier heißt der Beim:
Adebar, de Nester,
Bring' mir eine Schwester!
(Bring* mir 'ne lütte Swester!)
Steiner ist der Stehende.
Im Schlummerliede in Pommern (K. 27. v.) heißt er auch
Langbein. So auch sonst, wenn man von ihm zu Kindern spricht.
Adolf heißt der Storch z. B. in Oiesen, Kr. Dramburg,
in Pommern. Ebenso in Kr. Arnswalde in der Mark. Kommt
er an, so heißt's: Adolf ist wieder da! Sind die Mädchen beim
Heuharcken, so geht der Storch ihnen nach, um Frösche zu
fangen; auch dann werden mit dem Adolf allerlei niederträchtige
Redensarten gemacht, worüber ein anderes Mal.
Knaokawer in der Neumark. In der Mark ist er der
Knappenträger.
Der Storch klappert nach märkischer Auffassung (E. Handt-
mann: Was auf märkischer Erde sprießt. S. 176) höhnisch (?)
aus seiner Höhe herab: „Du hast Din Deel! Du hast Din Deel!u
Frosch,
Der Frosch ist der Quäker. Er ruft Quäk quäk! oder Quack
oder Quack corax. Gut malt seine Rufe auch die griechische
Sprache in der Batrachomyomachie. In Märchen ruft er: Ack ack!
Folgendes Froschquartett, das ich hörte, hat wohl seine
Provenienz nicht aus einer der beiden Provinzen Preußen:
166 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
1. Ruckuckuckuck koax koax. 3. Ainsi cria-t-il.
2. Le roi, le roi. 4. La reine, la reine.
Ihr Rufen bildet der Mensch auch nach durch Reckeckeckex!
Repetschke, m., heißt der Frosch in der Gegend von
Wehlau und Labiau. In ersterer scheint der Name auch ein
koboldartiges Wesen zu bezeichnen, indem es von einem Acker-
besitzer, dessen Land durchaus nichts tragen will, heißt: De
heft Repetschke op em Land, und Fr. WB. II. 224 fragt, ob für
die Herleitung des Wortes an das lateinische repere, reptare,
kriechen zu denken wäre?
In Bezug auf das Quarren der Frösche sagt man um Saal-
feld in Ostpr. (Frl. E. Lemke): Ein Frosch ruft: „Frau Naoh-
bar'n, Frau Nachbar7n! — morg'n woll'n wir back'n, back'n,
back'n!44 — Sofort wollen alle backen.
In den Rügen'schen Sagen und Märchen von Dr. A. Haas
rufen im Märchen vom Bauern, der die Frösche beim König
verklagt (S. 233), die Frösche: ack, ack, ack!
Weiterhin in Meklenburg (nach Wossidlo in Quartal-
bericht 1. S. 16. zu V. f. mekl. Gesch. u. Alt. K. J. G. 56. 1890)
zeugt es von sinnigem Humor des Volkes, wenn eine alte Frau
sagte: „Wenn de Poggen so racheln, denn striden se sick um
den Globen. De einen seggen ümmer: Pabst, Pabst, Pabst,
Pabst, un de andern: Luther, Luther, Luther, Luther."
Krebs und Floh.
Der Krebs heisst mit einem Klangworte Ickepicke (nach
Fr. V. R.— ) Der Floh ist als Springer der Hopsassa.
Hase.
Der Hase heisst in der Jägersprache der Krumme. Wird
hinter Hasen Treibjagd gemacht, so dienen dazu auch besondere
Klappern von Holz. Meist geschieht es aber, daß die Treiber
in gemessenen Abständen einhergehen, auch an vorhandene
Büsche und Bäume mit ihren Stöcken anklopfen und dabei
wiederholt ihr alliterirendes: He Haas'! He Haas'! oder Haas
Von A. Treichel. jß7
o p ! oder H e h h op ! ertönen lassen. Auch : H e e s ! Nur kurze Laute
scheuchen den Hasen auf, nicht ein langes, lautes Rufen oder Jodeln.
Nach Fr. Preuß. V. R. und V. 8p. 708 ist Has' hüpf! ein
Kinderspiel. Die Mädchen drehen sich im Kreise. Der Hase,
„das arme Mädchen", steht (sitzt) in der Mitte. Bei Has' hupp
ergreift es eine Genossin; alle übrigen paaren sich ebenfalls und
das zurückbleibende wird Hase (armes Mädchen). Gesungen wird
in Königsberg: „Armes Mädchen, bist Du krank, Daß Du nicht
mehr hüpfen kannst? Has' hüpp, Has' hüpp, Has' hüpp!tt oder
in Pommerellen: „Alte Mutter von hinten Saß auf den Corinthen,
Die kein Brod mehr beißen kann, Die keine Butter mehr
schmelzen kann. Has' hüpf! Has7 hüpf!u
An des Hasen Jäger- und Reinicke-Fuchs-Namen Lampe sei
eine etymologische Digression anzufügen erlaubt. Lampe ist
der kleine Springer, weil Springinsfeld, schwedisch Hoppe,
weil Hopser, im Sanskrit Sasa. Unser Hopsasa (vgl. Floh),
bezeichnet auch Hüpfer und Springer, wie das Ssassa ge-
schmauset ((^a 9a zu schreiben, als wenn's aus dem Französischen
stammt, ist nicht recht richtig!) der Studenten auf ein Hüpfen
und Schmausen deutet. Andererseits ist lam keltisch Quell,
Spring, Hupf. Daher ist der Name des Klosters Lamspringe
eigentlich tautologisch; es hatte den Springquell im Klostergarten
bei sich und erhielt erst später ein springendes Lamm im Wappen.
Nur die jungen Tiere, welche gleich nach der Geburt hüpfen und
springen, heißen Lämmer. Dasselbe Wort ist dann wieder lahm,
holl. lam. Denn jedes lebendige zwei- und vierbeinige Geschöpf,
das an einem Bein lahm wird, wird auch zum Springer.
Eichhörnchen.
Auch das hin und wieder gezähmte Eichhörnchen, sowie
es als Zimmerthier in Berührung mit dem Menschen kommt,
erhält seine Namen. So hörte ich in Berlin die Namen David,
Hans, für ein Pärchen Hans und Grethe.
Elefant.
Der Elefant weiblichen Geschlechts im Zoologischen Garten
in Berlin heißt Frau Venus.
168 Provinzielle Sprache zu und von Thieren and ihre Namen.
Fischotter.
Eine ebenso seltene, als schwierige Dressur ist, wie die
„K. A. Z." unterm 2. November 1891 mitteilt, zwei Fischer-
söhnen aus "Widnitten gelungen, nämlich eine Fischotter zu
zähmen und für die Fischerei abzurichten. Der gezähmte kleine
Räuber ist bereits fünf Monate alt, schläft in einem Heukorbe,
läuft seinen Erziehern wie ein Hündchen nach, läßt sich mit
großem Behagen das schöne, sanfte Fell streicheln und hat auch
bereits mit dem Hofhund und der Katze Freundschaft ge-
schlossen. Mit der Abrichtung bei der Fischerei hat man es
bereits so weit gebracht, daß die Fischotter, an einer Marieine
befestigt, ins Wasser springt und so lange jagt, bis sie mit
einem Fisch in der Schnauze, den sie stets in der Mitte erfaßt,
ans Ufer zurückkehrt. Ihr Gehör ist so scharf ausgebildet, daß
sie, wenn sie etwa 30 Fuß weit und mehrere Fuß tief im Wasser
jagt, sofort ihren Namen — „Tom-Tom" — , wenn sie gerufen
wird, hört. Sie legt dann den gefangenen Fisch lebend vor
ihren Herren nieder, ohne daß die Beute auch nur im geringsten
beschädigt wird.
Pferd.
Lockrufe sind Hiesch hiesch! Hietsch hietsch! In
der Altmark (Urdsbr. 1. 1.): Sih sih!
Besänftigender Ruf ist: Oi oi! oder: Oola!
Soll das Pferd zurückgehen (zoppen), so heißt's: Zuuuu-
rüok! Zurückhaltende Bufe, wenn das Pferd stehen soll, sind:
Prr! Pirr! Purr! Burr! Daher ist Burrhafer ein schlechter
Hafer, Avena strigosa L., Bauhhafer. Ferner bedeutet Colonne
Purr den Train, wo dieser Zuruf zum Anhalten der Pferde
vielfach gebraucht wird.
Anspornende Bufe beim Losziehen sollen sein: He! Jeh!
Hei! Hi! Hia! Ho! Hüh! Hüa! Heda! Hoa! Hoha! Haaajüb!
Hooojüb! Hott! Jü! Jüh! — Hans, hopp! Liese, Galopp!
Wenn die Pferde links gehen sollen, heißt's (K.) Tuidie in
Zezenow, Kr. Stolp.
Von A TreicheL 169
Scheuchruf ist im Samlande: höho! (Fr. W. B. I. 29B.)
Haschapischa ist (Fr. W. B. 1.274.) ein kleiner Acker-
wirt, der vorzugsweise als Fuhrhalter Dienste leistet, auch
Hotkepisoha(er) (Frauenburg), zusammengesetzt aus den an-
spornenden Rufen Ha, Hascha, Hot und Peitscher (von Peitsche).
Hottehü, Hottehü heißt das Pferd in der Sprache der Kin-
der. Zu Weihnachten bekommen sie ein Hott- oder Hüpferd-
chen, dazu einen Hottewagen. Yergl. den Spornruf Hott!
Wenn der Vater sein Kind auf den Knieen schaukelt,
singt er in Pommern (K.): Huttefoahre näre Stadt, Bring' mim
King' ne Stute (Kuchen) mit!
EU! mag mit ziehen verwandt sein. Es deutet die Auf-
forderung zur Thätigkeit an. Hier ist andererseits der Vampyr
unter den Pferden, mit verklatterter Mähne; heien ist dann
gleich necken, vexieren, schurigeln.
Beim Pferde in seiner Thätigkeit beim Fahren und Pflügen
heißt's, soll's rechts gehen: Hott!, soll's links gehen: Jehef
Tschud! Czuder! (zobie!?) Schodder! Schwodder! Tausch! (in
Pommern). Auch Schwoide!
Kitten im Fahren wird auch bloß ein durch Einziehen der
Lippen und der Luft entstehender und in der Nachschreibung
nicht darstellbarer Schnalzlaut gebracht.
Beim Fahren (reisend, spazierend) genügt ferner ein kleiner
Pfiff zu schnellerer Gangart. Es kommt aber auf die Einlernung
an. So kann ein Pfiff das Gegenteil besagen.
Beim Seiten, wo die Zügel aus nächster Nähe walten, ist
kein Kommando nötig, also nicht im Gebrauche, noch ausge-
sprochen zu hören.
Das Füllen lockt man (und heißt's auch so!) mit Hisch!
Hietsch! Hietscherchen ! Hietschfellchen! (d. h. platt: Füllchen,
und nicht etwa Deminutiv von Fell!) Es liegt darin der hellere
Ton seines Gewiehers.
Um Wusseken, Kr. Bütow, (K.) ist Hatschke ein junges
Füllen (auch von jungen Kindern gebraucht), vom Lockruf
Hatsch benannt. In Carzin, Kr. Stolp, lockt man mit Hans und
170 Provinzielle Sprache zu und von Thieren and ihre Namen.
nennt deshalb das Füllen Hanske. Mir erscheint dieser Lockruf
nur der dazu genommene häufigste Ruf- und Vorname.
Der Harosch ist ein Lied nach eigentümlicher Weise,
welches beim Ackern den Pferden vorgesungen wird; sie sollen
nach demselben nicht nur besser und munterer, sondern sogar
nach dem Takte gehen. Fr. Pr. W. B. I. 274. giebt es für
Marienburg und die Niederung an.
Hietsch! Hietsch! (Fr. I. 1611.) Zunächst Zuruf an junge
Pferde, Füllen und Namen für dieselben, sodann Spottnamen
für die Bewohner des Dorfes Wissowatten im Kreise Lötzen.
Vor langen Zeiten soll bei dem Dorfe ein grosser Wald gelegen
haben. Der Förster lud die Bauern zu einem Gastmahle, auf
welchem er sie mit dem Fleische eines Elenntieres, das er ge-
schossen, zu bewirten versprach. Das Fleisch mundete den
Bauern vortrefflich; allein nach der Mahlzeit offenbarte der
Förster ihnen, daß es einem Füllen angehört habe. Seit der
Zeit werden die Wissowatter verlacht. Nach einer alten Ur-
kunde soll derjenige, welcher durch Wissowatten reist und
Hietsch! Hietsch! ruft, zur Strafe eine Tonne Bier und eine
Leine Kringel zahlen.
Die Stute heißt bei uns in der Volkssprache Kobbel. Es
ist das polnische Kobyla, russisch Kobyla, oberwendisch Kobla,
niederwendisch Kobula, lateinisch caballus, wovon Kavallerie.
Litauisch ist Szebelka alte Stute; dazu lettisch Kewe (kewig ist
keck, munter, beherzt). Als deutsches Wort heißt's Kobele, so
daß Entlehnung von den Slaven nach Grimm WB. V. 1540.
keineswegs sicher und gültig. In Kobbelmarkt ist's gleich Pferd ;
vergl. altnordisch Kapall, Pferd. In Inventarienregistern kommen
häufig die Pluralformen Kobeln, Kobelen, Kobiln, Koblin vor.
In Ortsnamen erscheint das Wort in Kobbelbude, -grübe, -hals,
-kampe. Das slavische Kobyla ist wohl zu finden in Kobilla,
Kr. Berent, vielleicht ein Stutenhof der pommerellischen Herzöge.
Ein kleines, kräftiges Pferd, besonders Bauernpferd, nennt
man einen K unter, auch übertragen auf Menschen. Es heißt
lit. Künteris, poln, Kon, Pferd. Ursprünglich bezeichnet es nach
Von A, Treichel. 171
Grimm WB. Y. 2741. ein Ungetüm. Dann denke man an das
trojanische Pferd.
Ein schlechtes, altes, abgetriebenes Pferd, auch jedes Pferd
durch Verallgemeinerung, nennt man eine Kragge oder Kracke,
norwegisch Krakje, schwedisch Krake.
Nach Linde sind heciepecie unansehnliche Pferde, die den-
noch gut laufen; bei Mrongovius hetka eine elende Mähre, sonst
Szkapa; dies in der Provinz Posen (nach K.) auch von Deutschen
gebraucht. Die erste Silbe beider "Worte muß dann von dem
häufigen Gebrauche des Spornrufes (hetzen) herzuleiten sein.
Nach Hirsch (Danz. Handelsgesch. S. 2B9.) und sonst wird
erwähnt die Schweike als Pferd, vielleicht Stute, da sie neben
dem Hengste angeführt wird: 1401 eine Schweike 3 Mk., 1408
ein Hengst 16 Mk. Vielleicht ist Schweike ein schweifendes
Pferd, gebraucht zu Dienstreisen, Depeschen damaliger Zeit, also
besonders hartlich.
Der Name Pferd ist abzuleiten vom mittellateinischen para-
veradus und liegt diesem ein keltisches Wort zu Grunde. Die
Namen Hongre (Ungar), Wallach u. s. w. erinnern daran, daß
früher die Pferde vielfach aus den Donauländern bezogen wur-
den. Aus denselben Ländern entstammten demgemäß früher
auch die kundigen Kastratoren. Hier hat also die erste Heimat
der Gattung den Namen gegeben. Und weil Zelt früher den
Gang des Pferdes zwischen Paß und Trab bedeutete, gab diese
Gewohnheit in Deutschland früher einem schnellen Pferde den
Namen Zelter.
Nach der Farbe heißen die Pferde Fuchs, Rapp, Scheck,
Falber, Schimmel, Kastanie.
Trotz der Namensbezeichnung stimmt häufig das Geschlecht
nicht damit oder läßt sich nicht mit Bestimmtheit heraushören.
Patronymika deuten meist auf Wallache. Patronymisch nenne
ich in diesem Falle die Bezeichnungen nach Vorbesitzern. Der-
artig fähre ich, aus meinem Stalle an: Böttcher, Lehre, Schälke,
den alten Wrangel, Eronia (Stute von einem Bauer Eron),
Muchow (Wallach von Muchowski), Stiewsche (Stute von Stiewe),
172 Provinzielle Sprache zu and von Thieren and ihre Namen.
Englersche, Adamowa (Stute eines Vorbesitzers mit Vornamen
Adam).
Möglich wäre auch ein Name nach dem Vororte.
Auch der Stand des Vorbesitzers bringt hier, wie bei Ochsen,
häufig den Namen, so Major; auch katholischer und evange-
lischer Pfarrer.
Sehr vornehm klingen die Namen der in Gestüten ge-
züchteten Pferde, bei welchen hinsichtlich des Stammbaums voll-
ständige Druckwerke bestehen. Der Pferdestammbaum ist alte
arabische Sitte. Ihre Namen stehen auf Täfelchen neben dem
Stande oder Box. Ebenso ist's bei der Cavallerie. Hier soll
es Gesetz sein, die Pferde eines Jahrganges mit Namen von
gleichen Anfangsbuchstaben zu benennen. Dabei geriethe man
aber für Q, X und Y in einige Verlegenheit.
Pferdenamen, nach beliebiger Wahl getroffen, viele aus
Hoch-Paleschken, eingeklammerte aus Rombitten, Er. Saalfeld
(nach Frl E. Lemke), sind:
Abel, Achill, Agathe, Ali, Alina, Alma, Anton, Arpad.
Barba, Baribas, Bella, Bergart, Bessi, Betja, Biala (polru
die Blesse), Blasius, Blenker, Blumsbugy, Border, Bourbaki, Bri-
arcus, Briary, Bruiner, Brummer, Bruno, Bruns, Brunka, Brun-
hilde, Brutto, Brutus.
Carabus, Carus, Casperine, Christian, Christoph, Czapka
(poln. = Mütze).
Dicke, Dionys, Dora, Droll.
Else, Embel, Ernst, Eronia, Eva.
(Fauxpas), Pix, Fly.
Gamette, Ganymed, (Garibaldi), Gazelle, Geronim, Görka,
(Gräfin), Grethe.
Haber, Hangel, Hans, Harun, Hector, Hilar, Horsa, Hanke-
bunk, Hoppek, Hulper, (Husch).
Isabella, Isidor, Jane, Jochen, (Johnson), Julka.
Karline, Kascha, Easchlan, Kastanna, Kipnick, (Kluczek
= Schlüsselchen), Knopf, Krön, Kunter.
Von A. TreicheL 173
Lerpel, Lerse, Liese, Lizy, (Lincoln), Lorbas, Lord, Lotte,
Louise, Lupus.
Maline (die kleine), Marie, Maroska (die graue), Maura,
Mauschel, Max, (Mazzini), Mimi, Molly, Monder, Moses, Muohow,
Muscat, (Musch).
Nemo, Netto, Nina, Norchen, Norman, Novem.
Obotrit, Omar, Otto.
Pepi, Peter, (Pfeil), Philipp, Pontifex, (Prallus), Pulter.
Quintus.
Benomist, Böse, Bosenbusch, Byno.
Saturn, Saul, Sellerie, Solabella, Sophie, Stella, Stepke,
Stern, Stina, Sulla, die Schissen (in Brünhausen).
Tarkos, Thara, (Tinchen), Timone, Tingol, Tobi, Toni, Trüsch.
Wolkenschieber, Wolterse. (Bedeutung unklar!)
Zacharias, Zeno, Zeus, Zimbel, Zirke.
W. v. Schulenburg (Wend. Volksth. S. 6B.) hat folgende
Pferdenamen: carnawa, schwarze, syrka, graue, symlawa, Symel
Schimmel, sely symel, weißer Schimmel.
Sehr häufig trifft man natürlich auf Vornamen, besonders
für Stuten.
Aeußerst passend wäre die Entleihung der Namen von
historischen Pferden, von berühmten Reitern (Mazeppa), von
Circusbesitzern.
Historische Pferde wären: aus dem Alterthume: Alexanders
des Großen Bukephalos, der Eschkar (Fuchs) Mervan's, des letzten
Khalifen der Omajaden (Preis 300000 Dirhen), Hengst Dahis
des Königs Kais Ben Soheir, dessen Besitz Veranlassung war
zu einem 40jährigen Kriege der blutsverwandten Stämme Abs
und Dhobjam; aus dem Mittelalter: Don Quichote's Bosinante,
die Babiefa des Cid el Campeador; aus neuerer Zeit: Kaiser
Wilhelm's I. Stute Sadowa und Cond6, das Leibpferd Friedrich's
des Großen, gestorben am 17. April 1804, 40 Jahre alt geworden
und ausgestopft; aus Mythologie und Sage: das vom Meeres-
gott Poseidon mit der Medusa erzeugte Musenpferd Pegasus,
Wodan's weißes Pferd Sleipnir, Bollegaul, der Schimmel der
174 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
nordischen Göttin Holda, das bei den Muhamedanern berühmte
Silberpferd Alborak des Erzengels Gabriel, Siegfriede Pferd
Grani, der Hengst Wunsch aus Jul. "Wolfs wildem Jäger, das
schnelle, starke und muthige Pferd Beyart der vier Haimons-
kinder, auf dem sie alle zusammen ritten, eines Sarazenen-
Sultan's Pferd Pontifex mit goldenem Hörne, der alten Ungarn
weißes Zauberpferd Tatos mit Gelehrsamkeit und Verstand, das
dämonische Pferd Hrimfaxi, auf welchem nach nordischer Mytho-
logie die Nacht fährt, wie der indische Gott Wischnu von einem
todbringenden Pferde Kalighi gefahren wird, wenn er Menschen
vernichten will, die namenlosen, Menschenfleisch fressenden
Stuten des Diomedes, das fliegende, hölzerne Pferd Clavilenno
aus 1001 Nacht, das hinkende dreibeinige Pferd, Helhest, dem
hinkenden Teufel entsprechend, der todbringenden Göttin Hei
in der nordischen Mythologie, das Meerpferd Hippocampos mit
Fischschwanz (Symbol der Schnelligkeit und des Wassers) nach
griechischer Mythe, nach skandinavischer Mythe die Sonnen-
wagenpferde Allsvidur "(allversorgend) und Arvakur (früh wach),
das Pferd Svadilfur des die Götterburg erbauenden Biesen. Doch
sind dies nur die bekannteren und benannten Pferde, um welche
es sich hier handelt. Breilein heißt das Pferd des beglückten
Kitters im Märchen um Saalfeld her (Frl. E. Lemke).
Nach einem Pferde und seiner Spur hat die Roßtrappe den
Namen. Vielfach seine Trittspuren in Steinsagen.
Das Pferd im Aberglauben trifft man an Bauerhöfen in den
Pferdeköpfen an den Dachfirsten, welche vor Wetterschaden,
Krankheit und bösen Geistern schützen sollen.
In Sachsen warf man Pferdeköpfe in die Johannisfeuer.
Das Pferd war ein den Göttern besonders angenehmes Opfer.
Kömische Kaiser errichteten ihren Streitrossen Denkmäler.
Nach einem orientalischen Spruche darf der Edle dreierlei
Arbeit thun, ohne zu erröthen, nämlich für Vater, Gast und Pferd.
Bekannt ist nach Shakespeare der Ausspruch König
Richard's HI. in der Schlacht bei Bosworth: Ein Pferd! Ein
Pferd! Ein Königreich für ein Pferd!
Von A. Treichel. 175
Die angelsächsischen Eroberer Englands, Hengist und Horsa,
hatten Fferdenamen.
(N. W.-Pr. Z. 1889. No. 278.) Aus Nord -Amerika: In
Middletown, N.-Y., wurde ein 33 Jahre altes Schlachtroß mit
militärischen Ehrenbezeugungen begraben. Es war während des
Bürgerkrieges vom Obersten Fowler geritten worden und machte
unter seinem Reiter 30 Schlachten und Gefechte mit, in welchen
es mehrfach verwundet wurde; es erhielt nach Beendigung des
Krieges das Gnadenbrod und wurde bis an sein Ende mit der
größten Sorgfalt gewartet und gepflegt.
Die alte Rieke ist jenes historische Pferd des ersten
Garde-Dragoner-Regiments, was als das letzte von allen, welche
die große Attaque im Kriege gegen Frankreich mitgemacht
hatte, vom Officier-Corps des Regiments angekauft und in Pflege
gegeben wurde, bis es 1891 im September einging.
Aus Masins' Naturstudien (2. Samml. S. 101.) setze ich
hierher: „Wäre aus der Geschichte des Menschen das Pferd
weggenommen, wir würden in der That \ms dieselbe schwer zu
denken vermögen: ohne das Pferd weder ein Alexanderzug, noch
eine Völkerwanderung, weder ein islamitisches "Weltreich, noch
ein christliches Ritterthum; ohne das Pferd, mit einem "Worte,
wären alle jene großen Bewegungen, welche hochfluthartig die
"Welt erschütterten und in ihrem innersten Grunde aufregten,
nicht möglich gewesen und die Völker hätten, still und dumpf
auf ihrer Scholle sitzend, niemals die altgewohnten Grenzen ver-
lassen, um wandernd, kriegend, abenteuernd und kolonisirend
das Menschheitsband von Land zu Land zu schlingen."
Rind (Kuh, Bulle, Ochs, Kalb).
Kuh und Kalb. Lockruf und Schmeichelname: Musch!
Müsch! Maschinne! Musch! Musche! Nach Frischbier (W. B.
II. 80.) außerdem noch: Mosch! Mosche! Muschche! Moschche!
Muschke! Moschke! Muschkekohke ! Die Muschekuh! So ver-
stärkt sich die Zärtlichkeit in der Benennung namentlich im
Kindermunde. Mühling hat noch Muscher. Jim jim! (W.Pr.)
Außerdem ein anhaltender Zischlaut, ein langgezogenes S.
176 Provinzielle Sprache zu und von Thieren and ihre Namen.
Nach Knoop: Fremdsprachliches 201. ist in Pommern
Kr ü seh Lockruf für die Kuh, welche deshalb in der Kinder-
sprache Kruschkauh oder bloß Krusch genannt wird. Bei uns
hat dies Krusch eine verschlechternde Bedeutung. Manche Frauen
nennen dort ihre Kuh Ulsch (Alte). Ableitung von Krusch ist
selbstverständlich das polnische Krowa, Kuh.
Blinde Kuh ist ein beliebtes Kinderspiel, auch für Alte.
Jemandem werden die Augen verbunden und so greift er als
blinde Kuh nach einem der übrigen Genossen, der ihn ablöst.
Eiserne Kuh, gerichtlich dem Ausgedinger verschrieben,
muß beim Abgange (ihrem Sterbefall) wieder erneuert werden.
Der Vertrag ist der Eisernekuhvertrag, in Bayern Ewiggültbrief.
Die schwarze Kuh ist die schwarze Kunst, der Teufel.
„Die schwarze Kuh hat ihn gedrückt."
Bulle. Von ihm sagt man: Ein tüchtiger Bikus, da pol-
nisch byk = Bulle, Stier, nicht zu verwechseln mit psikus,
Schabernack. Schelmenstreich.
§
Gelingt es bei Kindern auch wohl gleich, ihnen den Begriff
von Kuh und Bulle klar zu machen, so bleibt für den Ochsen,
um im Geleise zu bleiben, ohne anzustoßen, doch nur einfach
der Onkel übrig, freilich ohne Tante.
Vom Ochsen, wenn er dumm anstiert, sagt man, er stürt,
glupt (poln. ghipi, dumm).
Ochs. Rufe beim Gebrauche (Fahren, Pflügen), anspor-
nend: mit der Intention nach rechts: Hott! Hodd! auch Hodder!
nebst Wenden dabei: Hottweng! (weng* = wenden!) Hottweh!
Hodd weh! Um Gumbinnen: Pülsch! Nach Frischbier W. B. I.
183. Heitsch! H3tsch!; mit der Intention nach links: Sseh! (West-
preußen), nach Frischbier Z&!, in Litthauen Seh eh!, aber meist
durchaus Tül!, polnisch zobie (zu oder gegen sich!), daraus ver-
dreht ksobie! ksub!, und dies verdeutscht entweder, länger zu
Schodder! (so auch in Elbinger Niederung!), czoder in Masuren,
Schwodder!, Schwodde! Schwod! Schwudde! (nach Hennig 251.),
auch Schwade! (Schwoide! in Niederlausitz, nach Anton: Alphab.
Verz. 12, 26.), oder kürzer zu Ksä! Z6! Sseh! Scheh! Ksä! Zä!
Von A. Treichel. 177
(Vocal kurz und scharf); um Elbing heißt es: Ksei! das Sche-
mionek 2. Xey! schreibt; nebst Wenden dabei: tülweh! oder tül-
weng! Mrongo vius giebt Kse, Ksobie, d. i. Kusobie, gegen sich.
Das Zö! ist wohl gleich zu, wie man zefrieden, statt zufrieden
sagt, platt te. — Das tül erscheint mir unableitbar; vielleicht
hängt es zusammen mit dem polnischen tulic, zärtlich an-
schmiegen, andrücken, oder tulaö, herumirren; beide Verba haben
den Begriff der Bewegung nach einer bestimmten Seite. — Hodder
kommt her von dem polnischen od siebie.
Meist wird dabei der Lenkochse, d. h. der auf der linken
Saite gehende, vorderste Ochse mit Namen angerufen, also Tül-
weh, Bunt! oder Hoddweb, Bliß!
Heifit es im Kreise Bereut stellenweise (z. B. Orle): Tül,
Krojanke!, so ist damit ebenfalls der Yorderochse gemeint, da
Kroj früher das ehemalige Vorzeug beim Pfluge hieß. Den
Namen der betr. Stadt kennt das hiesige Volk wohl kaum.
Mrongovius in seinem Lexicon hat die Interjectionen hec!
und hecia! = ecz! (vergl. Heitsch! und heciepecie unter Pferd!)
als Zuruf an die Ochsen, wenn sie rechts gehen sollen; dann
auch Het!, wie Hen!, wohl gleich: siehe da! schau! Sonst heißt's
im reinen Polnisch Ot! Oto! = siehe, wohlan!, klingt aber
Hot! im preußischen Polnisch. Damit ist dann die Herleitung
für das Hott gegeben.
Beim Anhalten heißt's Ooohlä! (hol' an = halte an?), in
Littauen: Hohä! (Fr. V. B. 63.), nach Frischbier: Bischke. —
Für das Zurückhalten gelten die gleichen Rufe, wie beim Pferde.
— Beim Zurückzoppen (wenn die Ochsen zu weit vorgingen)
heißt's: Trück! Trügg! (das plattdeutsche Zurück!) — Zopp! —
Stup! — Stakü! (wenn auf der Weide zu weit vor!), vielleicht
in Verbindung mit poln. staö, stehen. Aus jenen Spornlauten
entstand die Redensart: Der Eine will hodder, der Andere
schwodder! (auch Fr. R.-A. I. 1640.), d. h. es fehlt an einem
ordentlichen Commando, so daß der Eine dies, der Andere das will.
Dat ös nich hodder, nich schwodder! nicht rechts, nicht
links, also unentschieden.
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX. Hft U2, 12
178 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
Er weiß davon nich hot, nicht schwodde! ist der Sache fremd,
weiß sie nicht anzugreifen.
Hennig (Preuß. W. B. 1785.) führt folgenden hergehörigen,
„bekannten Vers" an: Hotte tenet dextram, retinet sibi Schwodde
sinistram.
Aehnlich heißt's in Hinterpommern (K.): Dei weit nich
von hott 6k nich von tül (weder rechts, noch links) und: De
eige (eine) geht hott, de angerd* (andere) tul (hierher, dorthin).
In Hinterpommern (K. 108.-206. 396. 413.) hat man als
Zuruf für die Ochsen, rechts zu gehen, nur den einen Ausdruck
hott; also, rechts zu wenden, hott weng* (wende!). Dagegen
gebraucht man als Zuruf, links zu gehen, diese vier Ausdrücke,
wovon die ersten drei sprachlich wohl zusammen gehören: 1. Ksoh.
(Zipkow, Kr. Stolp); 2. Czob (Zezenow, Kr. Stolp); 3. Zä (Wollin,
Kr. Stolp) und zä wäng, links wenden! 4. Tul und tul wäng;
auch tuje (Zipkow); auch tull (Kreis Lauen bürg); wovon Tulloss,
ein dummer Mensch, nicht geachtet, links liegen gelassen.
Um Leip, Kr. Osterode in Ostpreußen, wo die Ochsen noch
mit der Zoche pflügen, heißt's Atsch, wenn diese rechts, Sseh,
wenn sie links geheu sollen, und Frschoh, wenn zurück. (Dies
hängt deutlich zusammen mit dem poln. Wendung; Wrot, wrööic,
wracac, zurückkehren). Die Bevölkerung spricht dort meist
masurisch.
Schemionek (Ausdrücke u. s. w., 1881. 2.) giebt für die
Gegend um Elbing aitsch! als rechts weisenden Zuruf an, womit
heitsch! und andererseits atsch! zu vergleichen ist.
Ueber preußische Rindernamen vergl. meinen Vortrag in
Schlochau in Vers, des westpr. bot. zool. V. vom 15. Juni 1886,
aber abgedruckt durch Zuvorkommenheit des Hist. V. i. Marien-
werder in dessen Schriften H. 21. S. 36 ff. nebst Recapitulation
und Nachtrag. Dazu Brunek (Braunchen), Bunt, Bliß, Schwört,
Witt; ferner: Lieschen, Clärchen, Röschen, Kreek (Brün-
hausen). Es ist in Orle, Kr. Berent, eine sonderbare Vorliebe
der Leute, ihre Kühe Saturn zu nennen. Um Saalfeld (Frl.
E. Lemke) wird die Kuh mit Vorliebe Mschock genannt.
Von A. Treichel. 179
Prisch heißt ein junges Stück Vieh in Kr. Rössel, Ostpreußen.
(Dr. Stuhrmann). In der Provinz Sachsen heißt jeder Bulle
Michel.
W. v. Schulenburg (Wend. Volksth. S. 65.) nennt in Betreff
des Rindviehes folgende Namen aus der Lausitz:
Von Bullen: byk, Bulle (sumel, grauer, Dorf Schleife);
blasow, blässiger; smalow, schwarzer.
Von Kühen: zolta, gelbe; blasa und blasawa, blässige (Blässe
ist ein weißer Fleck auf der Stirne); cerwena, rothe; wosawa,
kleinblässige; bela, weiße; sumlawa, grauschwärzliche; syrawa,
pisana, buntfarbige (mehr fleckig); pasana, buntstreifig; carna-,
bela, cerwena pisana, schwarz-, weiß-, rothbunte ; ebenso pasana,
ebenso streifige; gwezdula, sternige (wohl mit sternförmiger
Zeichnung vor der Stirn); brunawa, bräunliche; carnawa, schwarze;
bruna, braune; malka, kleine; welika, große; malka oder welika
pisana oder pasana, klein- oder großfleckige oder streifige;
stwortula, Donnerstagskuh (wörtlich: vierte; stwortk, Donnerstag);
petala, Freitagskuh (petk, fünfter, seil. Tag, also Freitag).
Aus Dorf Schleife giebt derselbe: lysawa, mit einigen
weißen Sternchen, Streifen oder Flecken am Kopfe (ob nicht
von lys, Fuchs?); stryma, bunte; plowasa, plowsa, gelbe; belica,
weiße; hirsa, hirschige; pönzela, Montags-, woltora, Dienstags-,
sredula, Mittwochs-, stwortula, Donnerstags-, petula, Freitags-,
sobota, Sonnabends-, nezela, Sonntagskuh. Früher sollen die
Kühe dort, als sie noch in allgemeinen Heerden zur Hütung ge-
trieben wurden, überall sämmtlich ihre besonderen Namen gehabt
haben, jetzt aber weniger, weil Stallfütterung besteht.
Aus dem Rinderstalle eines Polen notirte ich mir folgende
Namen: für junge Bullen CymbaJ, Sob, Iwan, John, Busella;
dann für Kühe Holka, Helka (Helene), Olenka, Latarnia (Laterne:
mit breiter Blässe auf der Stirn), Jaskolka (Schwalbe), Kwiatocha
(Sternchen, Blümchen), Kruska (ein schwarzer Vogel; Kruk,
Rabe), Kricha (Christine), Dusia (Duchen), Lusia (Ludowika),
Pollusia (Apollonia), Maluda (Kleinchen), Myszia (Mauschen oder
mausefarben), Magda, Gwiazda (Stern), Isa (Elisabeth), Iwanka,
12*
1Ö0 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
Lychna (Kleinigkeit, Blässe). Kruscha, Kruscka ist Liebkosungs-
wort für eine Kuh.
Aus einem größeren Kuh stall eines pommerschen Gutes
(Wampen, Kr. Greifswald), wo es auch, wie öfters sonst und
namentlich auch bei Pferden, Mode ist, jede Kuh mit einem
Namen zu belehnen und diesen auf eine ihrem Stande an der
Decke oder sonst beigefügte Tafel zu schreiben, entnehme ich
die folgenden Namen, indem ich dazu bemerke, daß dasselbe
Ziel anderwärts auch durch Zahlen erreicht wird. Bei dem
Verzeichnisse fällt auf, daß die ersten Buchstaben des ABC so
gar wenig darin vertreten sind ; vielleicht ging es nach dem ABC
für die einzelnen Jahrgänge und gerade deren Träger waren
abgestellt oder eingegangen, so daß wir unter den ersten Buch-
staben auch die ältesten Stücke zu suchen haben. Manche Jahr-
gänge, wenn sie auf nicht häufige Anfangsbuchstaben, wie Q,
X, Y treffen, mögen dem Namengeber viel Kopfzerbrechen verur-
sachen. Gemeinhin wird dies Geschäft aber der gnädigen Frau
obliegen, welche meist die mythologischen Ueberreste ihres Pen-
sionates für höhere Töchter dabei zu verwerthen trachten wird;
einer "Wirthin würden Romannamen am nächsten liegen, wenn
sie nicht die alte, gute Zeit vorzieht. Wie der gemeine Mann
(Kuhhirt u. s. w.) aber die ihm ausländischen Namen sich zurecht-
legt und verunstalten wird, gleichsam zum Hohn für das un-
bekannte Mundgericht, das ist eine andere Sache.
Gerda, Hera, Hydra, Kleopatra, Leonore, Lilie, Libelle,
Lilli, Lorette, Mimosa, Magelone, Maba, Minca, Madame, Nelke,
Natalie, Nymphe, Nixe, Nelly, Olga, Odaliske, Oda, Orta, Olym-
pia, Ora, Olivia, Pandora, Philippine, Petronella, Psyche, Pepita,
Pales, Pythia, Procne, Portia, Pontia, Porta, Pasta, Polyxena,
Pappaea, Rhea, Rahel, Regina, Reinette, Remus, Reseda, Roma,
Raupe, Riecke, Ruth, Rebecca, Ruperta, Renata, Romana, Rosa,
Rosamunde, Rothkehlchen, Röschen, Raute, Rosenhain, Roxella,
Reh, Ranke, Rosine, Rezia, Salchen, Sappho, Sarah, Sardelle,
Sardine, Schatz, Schneewittchen, Schnecke, Schönmädchen,
Schöne, Schwalbe, Schwan, Schneerose, Semele, Selene, Semper,
Von A. Treichel. 181
Sirene, Sibylle, Sponsa, Susa, Zebu, Zeisig, Zenobia, Zygia,
Zuleika.
Interessant ist, was bezüglich der Ochsennamen aus Süd-
afrika hierher gehört, was ich einem Artikel des Specialbericht-
erstatters (Eugen Wolf) über die Frage des Transportes, der hier
fast durchgehends nur mit Ochsen geschieht, im Berliner Tage-
blatte Jg. XX. No. 526, vom 17. Oct. 1891 entnahm: „Ein
Kaffernboy, der dort einen Ochsenwagen führt, kommt überall
durch. Ist ihm der Fluß zu reißend, so läßt er seinen Wagen
stehen und sucht sich eine bequemere Fuhrt ober« oder unter-
halb aus. Ist ihm das Wasser nach heftigen Regengüssen zu
tief, so wartet er einen, zwei oder mehr Tage, bis es abläuft;
er holt die Zeit schon wieder ein. Für einen Baumstamm, der
ihm im Wege ist, hat er seine Säge und sein Handbeil mit;
allzu schroffe Wege ebnet er sich mit der Schaufel. Reparaturen
an seinem Wagen, die Dank der kräftigen Bauart derselben sehr
selten nöthig werden, macht er alle selbst. Er ist mit Nägeln,
mit Draht, Holz u. s. w. versehen. Seine Haupthilfsmittel sind
jedoch lange, naturgare Lederriemen, die er in großer Menge
bei sich führt, und mit welchen er selbst Achsenbrüche heilt.
Die Findigkeit solcher Kaffern ist eine ganz hervorragende.
Seine persönlichen Effecten sind ein oder zwei wollene Pferde-
decken, etwas Taback, ein eiserner Kessel, in welchem er täglich
seinen Maismehlbrei kocht, ein Wasserfäßchen, das unter dem
Wagen hängt, und — eine Ziehharmonika. Damit zieht er nun
los, von Kapstadt bis nach dem Zambesi, von Dalagoa Bay bis
nach Walfisch Bay; wohin, ist ihm ganz gleich; er fragt die
Route, findet sich zurecht und liefert seine Waarenladung, die
häufig einen Werth von vielen Tausenden von Pfund Sterling
repräsentirt, an die richtige Adresse ab. Er schläft unter seinem
Wagen, seine Ochsen lagern des Nachts um ihn herum. Seine
Säcke Maismehl, seinen Sack Salz und seinen eingeborenen Ta-
back hat er gut gegen Nässe gesichert; weitere Ansprüche hat
er nicht. Seine Ochsen kennen ihn und kommen in der Frühe,
nachdem sie etwas gegrast haben, von selbst zum Wagen und
182 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
melden sieh paarweise an der Stelle des Zuges, wo sie hinge-
hören. Er ruft sie alle nach Namen. In jedem Gespanne ist
stets ein Ochse, der „Englißmaq" heißt; dies haben die Boeren
eingeführt. „Englißman" ist das Stiefkind der Ochsenfamilie,
„Englißman" bekommt die meisten Peitschenhiebe; er muß Alles
„austunken", wenn im Laufe des Tages etwas schief geht. An-
dere beliebte Namen für seine Ochsen sind Stenbock, Sixpence,
Eedbock, Hansbuck, Bontes, Jellowbuck, Basjan, Rojan, Valentin,
Coalbuck und je nachdem er das "Wort Buck-baok, bück, bock,
boeck, book und bo-o-o-ok ausruft und ausdehnt, feilt auch der
Peitschenhieb mehr oder weniger kräftig auf den Bücken des
betreffenden Ochsen nieder. Und hier ist wieder einmal die
i
Klugheit des „dummen Ochsen" zu konstatiren. Er achtet ganz
genau auf den Tonfall des Ausrufes seines Treibers und weiß,
daß auf lange Ausrufe auch lange Hiebe fallen; schnell !
und ohne erst auf die Hiebe zu warten, legt er sich bei einem
ausgedehnteren Rufe fester ins Joch und vermeidet dadurch
häufig die Hiebe, die dem Rufe folgen sollen. Ich habe mich
vom Wagen aus selbst davon überzeugt; trotzdem arbeitet die
enorme Peitsche immerfort, einer Riesen-Klapperschlange ähnlich,
in der Luft herum. Sie ist eben das Musikwerk des Treibers !
während der Fahrt; sobald die Fahrt für den Tag eingestellt
ist, sobald die Ochsen weiden und er selbt seinen „Souff", wie
er den Mehlbrei nennt, verzehrt und sich eine Pfeife Boeren-
taback angezündet hat, greift er zu seiner Ziehharmonika und
entlockt derselben, wenn auch eintönige, so doch interessante
Kaffernweisen, bis die Sterne flimmern und er, in seine Decke
eingewickelt, von „ihr" 'träumt. Der Ochse sucht sich überall
sein Futter selbst — er ist sehr bescheiden — langes oder kurzes,
hartes oder feines Gras, junges Gebüsch; ja selbst ganz dürres,
gelbes Gras genügt ihm. Natürlich hängt von der dauernden
Beschaffenheit des Futters sein mehr oder weniger gutes Aus-
sehen und seine Leistungsfähigkeit ab ; aber er zieht vier Wochen
lang durch „Buschwald" und schlechtes, dürres Gras, ohne daß
man es ihm anmerkt. Auch in der Wasserfrage ist er nicht
Von A. Treichel. 183
heikel; er säuft jede Art von Wasser, brackiges, salziges, eisen-
haltiges, schwefeliges oder gar keine für mehrere Tage, ohne daß
er es besonders zu entbehren scheint. Der Ochse verläßt seinen
Wagen nie auf große Entfernung; auch sondert er sich nicht
von seinen Kameraden ab, sodaß ein Verlust durch Entlaufen
nicht zu befürchten ist.u
Schaf, Bock, Lamm.
Purr, Prrr! sagt der vorangehende Schäfer, entweder wenn
er die Heerde halten oder sie auffordern will, nachzukommen
oder zu laufen. Also dann gegentheilig wie beim Pferde!
Udz! wird das Schaf um Wahlendorf, Kr. Carthaus, an-
gerufen.
Nach Frischbier gilt für Schaf und Ziege der fast immer
in Wiederholung gegebene Zuruf Matz, Korr, Zamm; auch
(V. B. 64. 242 d.) für Litauen Burr, im Samland Hödd.
Als Lockruf gilt im östlichen Pommern Schik; daher ist
dort auch Schikske (mit eingeschobenem s als bei einem auf
ke ausgehenden Stamme) so viel als Schäfchen.
Der Schafbock heißt Kamm. Bammdösig wäre darnach:
dumm, wie ein Schafbock, wenn nicht so dumm, daß man
Wände einrennen, einrammen könnte. Bammeln ist das Sich-
begatten von Kaninchen, Hasen (mas Bammler), Katzen und
Schafen, auch übertragen von Menschen. „Bockchen, Bockchen,
schiele nicht !" ist ein beliebtes Kinderspiel. Mit dem „Bunten
Bock" wird in Pommern den Kindern gedroht, die er zu fressen
kommen wird.
Lamm. Es ist Matz, wenn man von ihm spricht. Im
Samland ist schuch sein Scheuchruf, sonst aber Schuchchen
sein Schmeichelwort.
W. v. Schulenburg (Wend. Volksth. S. 65.) fuhrt als Schaf-
namen um Dorf Burg an: Sepka, Schäfchen (vom Lockruf Söp, Söp).
Schaf und Lamm kommen vielfach in der Kindersprache
vor, also auch in den für deren Welt gemachten und gesungenen
Liedern und Wiegenliedern, deren für Hinterpommern Knoop
184 Provinzielle Sprache zu und von Thieren and ihre Namen.
etwa 35 angiebt, wovon manche auch bei uns bekannt sind.
Außer dem Schaf finden da aus der Thierwelt noch Platz, wie
wir sehen, Enten und Gänse, das Huhn, die Vögelein, Sperling,
Storch, Frosch, Laus, Fledermaus, Pferd, Hund, Maus, Katze,
Kuh. Außer dem bunten Bock als Scheuchmittel wird beim
Schaf genannt ein schwarzes und ein weißes; das schwarze
kommt aber die Kinder beißen. Unter Zusatz ihres Naturlautes
spricht man vom Bähschaf und vom Bählamm, meistens ver-
schlechternd (Dummheit). Ein Lied lautet dort: Lämmke leip
int Hultke, Stett sik dat Beinke Am kleine Steinke Un saed' bah!
Hier ist das bekannteste Wiegenlied : Schlaf, Kindchen, schlaf,
Draußen gehn die Schaf, Ein schwarzes und ein weißes. Und
wenn das Kind nicht schlafen will, Dann kommt das schwarze
und beißt es.
Schwein, Eber, Ferkel.
Schwein. Von und zu ihm wird buk, butsoh gesagt.
Um Schlochau heißt der Lockruf für das Schwein kusoeg,
kuku! (Pfr. Hasse.)
Kugut ist nach Fr. "W. B. I. 441. (beide u kurz) Lockruf
für Schweine im Kirchspiel Friedrichswalde, Kr. Pilkallen. In
der Kassubei wiederholt man den Zuruf und Ruf Pila Pila! zu
Sau und Ferkel. Auch Nita Nita!, aber mehr zu kleineren
Schweinen, wogegen zu größeren: Nitschanitscha! (geschrieben
wohl nicza!), woraus, da der Ton auf die Ultima gelegt wird,
für das Ohr Czani czani! entsteht. Eine solche Verstellung der
Silben läßt sich bei Wiederholungen häufiger beobachten. Auch
gilt Nuckel oder Nucke als Lockruf für Schweine, besonders
für Ferkel, da es sich um kleine Thiere dabei handelt und zu-
gleich ihr Geräusch onomatopoesirt wird.
Nurcksen, nörcksen ist das ruckweise Grunzen der
Schweine; ab und zu ein Knurren hören lassen.
Borg (polnisch wieprz) ist hauptsächlich der geschnittene
Eber. Auch Säue werden geschnitten (eine besonders von herum-
ziehenden Ungarn verstandene Kunst), damit sie nicht mehr
Junge kriegen und somit besser fett werden.
Von A. Treiehel. 185
Kuyel, Kuijel, Kuigel ist der zahme Eber, Stamm-Eber.
Ferkel. Von gleicher Bedeutung, wie oben Nuckel, ist
bei uns hierfür Nuttnutt! Ein anderer Lockruf ist für kleinere
Schweine Nutsch nutsch! Man spricht auch vom Nutsche-
Schwein. Ferner: Bosch böschke, auch Bosch bosch, auch
Osch osch! Frischbier kennt als Lockrufe Nuckel Nuckel!,
um Angerburg Nucke Nucke! oder Pochla Pochla, auch
Kusch Kusch, im Ermlande Eosch Kosch! oder Posch
Posch, ebenda Schäschä (wohl Scheuchruf), für die Ferkel im
Ermlande auch Pochlapochla!
Nach Fr. W. B. ist Poch, Pochel, Pocher, n., Lockruf
und Name für das Schwein, Pochel besonders für das Ferkel,
für dieses auch Pochla in Ermland, Angerburg, Samland (Volksr.
64, 242 c.) Posch, dem. Poschchen, platt Poschke, ebenfalls
Name und Lockruf für Schwein und Ferkel. Zu Kindern, die
sich besudelt haben, sagt man: Du bist ein kleines Poschchen!
Um Saalfeld (Frl. E. Lemke) lockt man die großen Schweine
mit dem Bufe: Eowmei Kowmei! (oder Kowneü), die
Ferkel aber mit: Nitschchen, Nitsch Nitsch Nitsch! oder:
Nitsch, Ferkelchen, Nitsch!
In der Altmark (Urdsbr. 1. 1.) ist Lockruf für das Schwein
Könn'n könön!
Porchel, n., ist ein kleines, dickes Schwein. Puskuijel,
m., eigentlich Halbkuijel, ist ein Eber mit einem Hoden, da
litauisch pus = halb, polnisch po. Es wird fälschlich zu Piss-
kuijel verdreht.
Besondere Bufnamen oder Bezeichnungen für Einzelthiere
beim Schweine fand ich bisher nirgend in der Provinz, noch sonst wo.
Auf Bügen ist Mudd mudd! ein Lockruf für die Schweine
und werden demnach die Bügianer selbst im übrigen Vor-
pommern Muddländer genannt. (Die Mönchguter aber Poken.)
Auch in Ostpommern (K.) ist Bütsch Lockruf für die
Schweine, die deshalb auch in der Sondersprache Butschkes
genannt werden; dort lockt man aber auch mit Buche 1. In
Wusseken, Kr. Bütow (Archut), ist Buchelke ein kleines Schwein.
186 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
Bei Polzin bezeichnet Polks ein kleines und fettes Schwein.
O. Knoop läßt den Lockruf butsch vielleicht zurückführen auf pol-
nisch pözdz, den Imperativ von isc kommen, wie man in Gnesen den
Hunden zuruft: pözdz tu, komm' her! Als polnischen Lockruf nennt
K. Niut niut! und Bernd hat nutsch nutsch! als Lockruf und
Nutschen, Nutschcken für die Schweine selbst, besonders junge.
Ebenso heißt's in Hinterpommern Nütschkes und Nutscheschwein-
chen. Wie buohel zu butsch, Buchelke zu Butschke, so stellt sich
nach Knoop sprachlich auch die Form Nuchelke zu Nutschke, und
alle diese Wörter bezeichnen etwas Kleines überhaupt. Um
Polzin in Pommern lockt man die Ferkel mit Liter liter!
Ziege, Ziegenbock.
Bei der Ziege ist Burr! ein Lockruf, sodann Meck meck!,
auch nach Frischbier Matz (so in Sagorz, Kr. Neustadt), wie
für's Schaf; auch Hödd (Samland). Sie heißt Zicke.
Die polnische Zunge ruft nach dem Namen Kos (Koza).
Die junge Ziege, das Ziokel, ist das Höken oder
Hippchen; ihr Lockruf ist Hipp Hipp! (Zippnow, Kr.
Dt. Krone).
Namen für Ziegen sind Billy, Jenny, Jlse, Irene, Nanny,
(Sagorsz). Frau Base heißt eine Zicke im Milchpeter in Danzig's
Vorzeit v. W. Domansky.
Der Ziegenbock wird oft Menter (Mentor?) genannt (ob
nicht mehr märkisch?); Ableitung außerdem unklar.
Namen für ihn sind Hans, Jacob, Peter.
Sein Lockruf Meck meck! ist auch der Neckruf für die
Mitglieder der ehrenwerthen Schneiderzunft.
Die Ziege, meist im männlichen Thiere, ist der Glücks-
stern in Viehställen gegen die Lungenseuche und in Pferde-
ställen gegen die Ratten.
Kaninchen.
Das Kaninchen hat zum Lockrufe ein Mocke Mocke!
Daneben giebt Frischbier noch an Trusch Trusch!
In der Altmark (Urdsbr. 1. 1.) ist Lockruf für das Kaninchen:
Muckel Muckel!
Von A. Treichel. 187
Auch das Kaninchen tritt jetzt als neueste Specialität zu
den gelehrten Pferden, Hunden, Wölfen, Schweinen, Katzen,
Bobben und Gänsen. Wenn auch nicht in Preußen, so zeigt es
doch in Paris (Boulevard des Alles du Calvaire) seine Kunst-
stücke, wohin das Publikum strömt, um gewiß nebenbei auch
die kurzgeschürzte Bändigerin, Mademoiselle Clara, in ihrem
Kaninchen-Kostüme gebührend zu bewundern, die es verstanden
hat, das angeborene Springtalent ihrer Künstler auszubilden und
zu verwerthen. In mächtigen Sätzen sausen sie durch die
Arme brennender Leuchter und haben keine Furcht vor
dem Bogen des flammenspeienden Laubenganges, wenn sie
sich auch beeilen, dem Feuer möglichst schnell zu entrinnen.
Als besondere Heldenstücke dürfen die Sprünge durch aufge-
spanntes Papier und das Abschießen eines Revolvers gelten.
Eine echt kaninchenhafte Leistung ist das Kriechen durch eine
Bohre. Wie gern blieben die Artisten in der sie anheimelnden
dunkelen Höhlung, wenn nicht das Zauberstäbchen der schönen
Bändigerin sie wieder an das Licht lockte. Die Arbeiten der
vierbeinigen Künstler sind von einem gewissen Humor getragen
und gründet sich dieser Vorzug auf ihren eigentümlichen Körper-
bau, die jede Erregung verrathenden Löffel und die ununter-
brochen zuckende Oberlippe. Natürlich werden diese Kaninchen
auch ihre "besonderen Namen haben, wie es deren in zoologischen
Gärten, Menagerien und Schaustellungen für jede und nament-
lich künstlerische Sorte von Thieren giebt.
Marder.
Ein in ausgewachsenem Zustande durch Güte und freund-
liches Zureden vom Vogelhändler Roßkopf in Berlin innerhalb
vier Wochen 1891 gezähmter Marder, der so zahm geworden,
daß er in einem Käfig mit vier Tauben in friedlicher Weise
haust und spielt, wie ein Pudel springt und tanzt, seinem Herrn,
der ihn frei aui der Schulter überall mitnehmen kann, aufs
Wort parkt, hört wie ein Hund auf den Namen Schurgel.
188 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
Seehund.
Andere Thiere, besonders fremdländische oder sonst nicht
dem Dienste von Menschen gewöhnte, wie man sie in Schau-
buden oder Menagerieen hat, haben ebenfalls in der Mehrzahl
der Fälle ihre Rufnamen, namentlich wenn sie irgend ein ihrem
Geschlecht ungewohntes Stück vorführen können. Dieser Name
prangt dann auch auf den Programmen oder Zetteln. So hieß
1890 in einer Schaubude auf der Dresdener Vogelwiese ein
producirender Seehund ßappo. Wenn die Thiere selbst auf
ihren Namen hören, so liegt das in der Gewöhnung an die
dunkelern oder hellen Vokale darin.
Katze, Kater.
Von und zu ihr sagt man: Mies! Miesekatze! Miez!
Mieze! (dies auch Abkürzung des Vornamens Marie) Miezchen!
Mießmieß! auch in der Altmark.
Ihr Herruf: Mies, komm' her! ist im Kinderrätsel der
Unterschied vom Commissär (Komm, Mies, her! auch englisch:
come miss here, komme, Fräulein, her!)
Ferner: Pui, Puika (polnisch), Puikatz, Pikatz, Pui-
chen, Puike, Puja, Puje, Pusoh, Puschekatze, auch Pi.
Frischbier kennt als Schmeichelnamen für die Katze: Pi,
Pusch und für den Kater: Puscher. £. Lemke hat Mickschen.
An anderer Stelle für die Katze: Pusch, Pusche, Püsohe,
Püse, Pise, Deminutiv Puschchen, platt Puschke.
Puschkatze ist die Schmeichelkatze, weil sie sich gern,
streichen läßt und streichend sich anschmiegt. Dies Liebkosen
ist puschen, puschaien, buschauen (Elbing), puschkatten, pusch-
katern; Alles dies auch mit dem weicheren b gesprochen, sowie
das Seh nach Art des französischen j. Zur Ableitung stelle ich
das polnische buzia, Kuß; bujac, lustig umherschwärmen; puch,
Flaumfeder; puchac, husten, stark hauchen. Pipikattke, host
ok e Zagelke? Wenn Jemand nach der Katze ruft. (Fr. R. A.
I. 2943.)
Fr. Volksr. 31, 119. giebt folgenden Kinderreim, wo der
Kater Puschpusch heißt:
Von A. Treichel. 189
Puschpusch, min K&terke, wo wärscht Du?
„ön Großmutters Kämerke."
Wat deedst du da?
„Eet seete Melk möt Pämelke."
Pämel (Paarsemmel) soll Brod aus Weizen in Semmel-
form sein.
In Provinz Sachsen ruft man ihr mit Mietzmietz! oder
einem Pfiffe in der Tonhöhe c und e.
Ihr Naturton ist das bekannte Miau!, das zur Brunstzeit
Stein' erweichen, Menschen rasend machen kann.
Im März, wenn der Kater balzt/ tönt sein Ruf mehr gedehnt wie
Fra-u, Fra-u, Fra-u!
Auch ist ein zischender Laut dabei zu hören. Mit Ks!
macht man den Hund auf sie aufmerksam oder hetzt ihn an.
Dem Feinde (Hund) gegenüber pfaucht sie.
Ihr Naschen oder langsames Fressen ist schm engen.
Namen von Katzen sind nach Vornamen: Frau Annchen,
Bella, Cilly, Liese, Lieschen, Lilly, Meta, Mietze, Mimi, nach
historischen Personen: Lucca, nach der Farbe: Grauohen, Grauda,
nach Eigenschaften, Gedichten, Geschichten, Märchen: Fange-
maus, Leiseschlich, Leisetritt, Plappchen (plappern, sprechen),
Sammetfell, Sammetpfbtchen (Gedicht von Beinick), Schlauchen,
Sekka, Töpfchenaus; sonst: Bebe, FuXssi, Mauchen, Pulssi, Tu'lssi.
Namen für Kater sind Droll, Fidel, Hans, Hinz („Der
Kater")? Hiddigeigei (im Trompeter von Säckingen), Kunz, Klax,
Miau, Mohr, Moldux, Murmel, Murner („Der Kater" und bei
A. Köper bei Herrn Hevelke's Papagei S. 67), Murrer, Netto,
Nuss, Peter, Pips, Puck, Pudel, Puff, Puss, Rodilard, Schmudel,
Schnurr, Schön, Schwips.
Um Saalfeld in Ostpr. (Frl. E. Lemke) sind die beliebtesten
Namen für die Katze: Schmigglien, Lieschen, Jettchen, Juste;
für den Kater: Peter, Schnurr, Fuchs; für beide: Mühsam.
Wenn man einer Katze den Namen Mühsam giebt, so soll das
beißen, sie greift fleißig Mäuse und giebt sich viel Mühe dabei.
"W. v. Schulenburg (W. Volksth. S. 65.) nennt als Katzen-
190 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
namen: Kot, Kater; Kotlar, Kesseliger, weil schwarz, wie ein
Kessel, Kotol; Peter; Kocka; Hajta, Ajta, Mieß (vom Lockruf
Ajt ajt! Ajtka auch die weibliche Scham); Peto; Kica, Kiczka;
Cygan, Zigeuner; Grozawka, Grozajka, stallige, weil diese viel in
den Stall, poln. groä, kommt.
Von den vielen Kunststücken, welche den Hunden gelehrt
werden, weiß die Katze meist nichts von ab. Bekannt ist, daß
man sie lehren kann, auf das Kommando: (Mohr) spring'! in
menschlicher Höhe durch die in Kreisform und in schräger Lage
gehaltenen Hände zu springen. Die Katze lernt dies Stück sehr
leicht, wenn man ihr zu Anfang erst niedrig, dann immer höher
die gekreisten Arme vorhält und sich vor sie hinstellt, indem
man ihr mit den Beinen Nachstoß oder Schnellung giebt. Meist
thut die ausgelernte Katze es doch nicht öfter, wie drei Male.
Aehnlich lernen sie auch, über'n Stock springen. Schläge und
zuletzt Hunger lehren sie auch sitzen, Pfote geben und tot sein.
Hund.
Er bellt, macht hauhau! wauwau!, ist also ein Wauwau
oder Deminutiv Wauwauchen.
Auch Baubau oder Baubauchen (schmeichelnd).
Er blafflb, bellt häufiger, macht Blaff blaff!
(Ein Ort ist einen Hundeblaff weit.)
Er haffb, macht Haffhaff, wenn mit Anstrengung oder in
einem fort. Polnisch ist der Hau- und Hafflaut chab. Bellen
heißt in Saalfeld, Ostpr., schallnachahmend schauken.
Der Fleischerhund bellt im Märchen: Was, was!
Er winselt: jankt, kajankt (poln. j^kac, ächzen; j^kac,
stammeln); kajint, kajinkt, kujiönt, kawint, kawinkt, mift (dies
auch gleich pulvern, ludern), walait (lauter, wenn plötzlich ge-
schlagen). — Es ist schwer zu sagen, wie die auffallige Vorschlags-
silbe ka- oder ku- in kajinen oder kawinken entstanden ist.
K. (128.) ist der Meinung, daß aus einer Yerschlagssilbe po, die
eine wiederholte Handlung bezeichnet. Mir ist das aus dem
Polnischen nicht bekannt, sonst auch die Wandlung von po zu
ko schwer denkbar. Eher ließe sich die Annahme einer vorge-
Von A. Treichel. 191
setzten Art von Reduplikation der zweiten Silbe hören. Am
besten mag passen, wenn man wie beim klo-bocian (Storch) ver-
fährt and das ka für den gutturierten Hundelaut hau, haff nimmt, so
daß also kajauken, kawinen = ächzen, winseln wie ein Hand, mit
seinem Laute. In der Niederlausitz sagt man (statt h — ) Kaffke
f&r sein Gebelle. Polnischer Hundelaut ist ja auch chab !
Auch ist Willen sein Wehklagen, wie überhaupt klagende
Tiere Laute ausstoßen, schwed. voja seg, engl. woe.
Er bettelt: günselt, jüngelt, jungelt.
Er ist ärgerlich: jauzt, gnauzt.
Er paßt auf und meldet den Fremden: gnurrt, knurrt.
Demgemäß benennt man den Hund auch nach seiner je-
weiligen Aeußerung, alliteriert aber dabei, z. B. Gnurrköter.
Liebkosend ist er immer der Bau bau. Dies wird aber auch
als Schreckgespenst verwandt, wohl aus Verwechselung mit Po-
panz oder polnisch bobo, bubo von gleicher Bedeutung.
Wenn er (auch das Schwein) frißt, so schlapst er.
Ruf- und Lockname ist auch Schuck! Schuck! Schuck-
chen! Vielleicht vom polnischen suka, Hündin?!
Ebenso Schupp! Es bezeichnet vielleicht etwas Kleines.
Polnisch heißt ein kleiner Hund dann Schuppe k.
Sonst auch Lulu, Lulak für Tolpatsche. Besonders für
ganz kleine Hunde gilt als Schmeichelname Tutu, Tito. Tu pol-
nisch = hier. Im Polnischen Du da. Tutam, Tuitam (hier [und] da)
finden wir später als Namen.
S6, S6, komm her; z. B. Wasser, Se; Kr. Berent, Carthaus.
Wasser, tu Se, komm' hier her!
Nach C. Gander: Sagen aus Kr. Guben (in Mitth. der
Niederl. Ges. f. Anthr. u. A. K. Bd. H. H. 1. 1891. S. 127. 129.)
machen (bellen) dort die Hunde: KiffkeKeflf ke! oder Kiffke Kaffke!
Schläcks ist in Hinterpommern (K. 331.) ein Schimpfwort,
auch für Hunde. Hund ist selbst ein Schimpfwort, wie viele
Beispiele erweisen würden. Daher wird der aus Polnisch ver-
deutschte Zuruf putsch (komm, gehe) tu (hierher; oder: Du, für
die Aussprache!), Hund! doppelsinnig gebraucht.
192 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
Der schnell laufende Hand kaschunkt (rührt die Schinken
und bellt [ka!]), neuzeitlich: kilometert.
Schu!, Schuch! ist aber sein Scheuchruf1. Tschüh! ist
Anfeuerung8ruf beim lautjagenden Jagdhunde. Ebenso:
Tschüh bün!
Auf Err! schickt man sie aus der Stube hinaus; jedenfalls
ist's das nicht weiter ausgesprochene Baus.
Kusch'!, Kusch' dich! heißt's, wenn er still sein oder
sich niederlegen (coucher) soll, also Zuruf an den zufahrenden
Hund. Zur Redensart ist geworden das Juno, kusch' dich!
Nerr!, Nercks! Ist Beiz- und Spornruf für bissige Hunde.
Mit Ks, Ks! macht man ihn aufmerksam. Daher die
alliterirende Redensart zum Stechen im Kartenspiel : Ks, Karl, es
kommt die KatzM Die Katze ist ja auch des Hundes liebster Feind.
Huss! ist ein Hetzruf, zunächst für Hunde.
Stachel- und Spornrufe sind: Hetz'l (er soll laufen!) und
Fass! oder Fasch! (er soll fangen!) Also: Fasch' die KatzM
Fasch' die Kurr'! (Hühner.) Dies Fasch scheint nur die durch
das Kassubische beeinflußte Aussprache des deutschen „Faß!", also
eine Quetschung des s zu seh, wie öfters auch in Hinterpommern.
"Wenn er das Gefaßte herbringen (apporter) soll, heißt's Apport!
und Fasch'! Apport!, wovon mehr in den Kunststücken.
Uebrigens sind die französischen Ausdrücke gerade bei Hunden
bemerkenswerth. Aus eingebildeter Vornehmheit und Präzision
sind sie dann wohl von Jägern ap- und importirt.
Aus Hinterpommern (K. 367. 350.) sind noch zwei Inter-
jeetionen für den Hund zu bemerken: 1. Stecke, beim Antreiben
und Anhetzen, wenn sie bellen (polnisch szczekac) sollen.
2. Schük, wenn sie etwas Eßbares, das man ihnen zuwirft, fangen
(Imperativ zu poln. szukac, suchen, sich bemühen^ trachten)
sollen. Auch ein davon gebildetes Verbum schüke kommt
dort vor.
Nach Bemerk, zum (littauischen) Vocabularium von Ziegler
vom Pfarrer Jacoby (Altpr. M. S. Bd. XVII. 1880. S. 641.) ruft
man (auf littauisch) te bun! dem Hunde zu, der sich aus seiner
Von A. Treichel. 193
kauernden Stellang wieder erheben will, und soll darin der dabei
übliche Zuruf: tibö! tibö! gefunden werden. Ob aber dies nicht
verderbt ist aus tu bo!? Vergl. auch das Tschubün!
Tu bo, tout beau, Alles gut! Wahr* Dich! wird dem Hühner-
hunde zugerufen, wenn er vorsichtig sein und seine Sache gut
machen soll. Tout beau! ist auch Commando zum Niederlegen,
den Kopf ruhend auf den ausgestreckten Vorderläufen, den Blick
auf das Wild gerichtet. Dieses Commando wird abgegeben,
11m dem Schützen Zeit gewinnen zu lassen, sich dem Wilde zum
Schusse zu nähern und ein Herausstoßen desselben durch den
suchenden Hund zu vermeiden.
Tir ho, tire haut, ziele hoch! rufen sich zwar die Jäger
zu, wenn Federwild gestrichen kommt; es gilt aber auch für den
Hund, daß er aufpasse und zur Stelle sei.
Wallo! Wahr' zu!
Pfui, HasM Zuruf, wenn in der Schonzeit der Hund einen
Hasen verfolgt. Aehnlich: Pfui, Lerch'! Pfui, Vogel! Pfui,
Huhn! Hasenrein ist ein Hund, welcher nur auf Commando
die Fährte eines Hasen verfolgt. (Aehnlich stubenrein, wenn
er durch Dressur [Hineinstucksen der Nase] von der Besude-
lung der Stube sich fern hält.)
Hetz' oder Hetz', allons! bei Hetzjagden Commando für
Windhunde zum Verfolgen des aufgehenden Wildes.
Setz' dich! Der Hund setzt sich auf die Hinterbeine.
Soll der Schäferhund die Schafe im Bogen treiben, wenn's
nach Hause geht, so ist für ihn ein Zeichen in Pommern der
gewöhnliche Schäferruf: To bucht, to bucht!
Hopp! Ahupla! heißt's, mit ermunterndem Zurufe, wenn
der Hund hoch springen soll. Im letzteren Worte steckt Etwas
vom Hoppen.
Kunststücke der Hunde.
Dien'! Mach' Männchen! Sich auf den Hinterpfoten
aufrichten oder auch zugleich sich hinsetzen, die Vorderpfoten
nieder oder bittend in die Höhe haltend.
Letzteres thut er auch, wenn's heißt: Mach' schön!
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX Hft 1 u. 2. 13
194 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Kamen.
Mach' dich fein! Auch geht der Hund auf den Vorderbeinen
und hält die hinteren hoch.
Tanz' mal! Wenn er dann umhergeht.
Gieb Pot(ohen)! Sag' dem Onkel guten Tag! Wenn
der Hund von der Erde aus oder dienend eine seiner Pfoten
geben soll. Die andere! heißt's beim Wechseln.
Spring'! oder Hopp! Wenn er über einen quer vorge-
haltenen Stock oder an dem Herrn in die Höhe oder sonst wo
hinauf springen soll.
Mir ist heiß! oder: Nimm die Mutz' ab! Der Hund
soll die Mütze des Herrn herabholen; beim Geradestehen thut
er das mit Aufspringen; meist bückt der Herr sich aber dabei.
Nimm's nicht! oder: ('s) ist vom Juden! Der Hund
soll von seinem Vorhaben, besonders aber von seinem Fressen
abgebracht werden und damit aufhören!
Mach' ab die Asch'! Der Hund streift mit der erhobenen
Pfote die stehende Asche von der brennenden Cigarre ab.
Kieck' durch die Brill'! Der Hund muß durch den in
die Seite gestemmten Arm hindurch sehen!
Wie legen sich die faulen Mädchen hin? Der Hund
legt sich auf die lange Seite.
Wie liegen die Mädchen im Mai? oder: Wie faul
sind die Mädchen? Der Hund legt sich auf den Bücken.
Wo ist mein Stock? Der Hund sucht, holt und bringt ihn.
Such' verloren! Aport! Der Hund muß Verlorenes
oder Verstecktes suchen, holen und hervor- und herbringen.
Fasch' aport! (mehr für's Wild) und Aport! Wenn der
Hund nach einem weggeworfenen Gegenstande laufen und ihn
holen und zum Herrn bringen soll. Am Schwierigsten zu appor-
tiren sind ganz kleine, glatte, mit den Lefzen kaum faßbare
Gegenstände, wie unter den Münzen die 20-Pf.-Stücke erster
Prägung.
Wie spricht der Hund? Er fängt zu bellen an.
Tot! Der Hund muß sich hinstrecken und still liegen.
Arge Verdrießlichkeiten hatte ein gelehriger Pudelhund,
Von A. Treichel. 195
der den schönen Namen Schnüffel führt, im Dezember 1890
seinem Herrn und Gebieter, einem stark verschuldeten Kom-
missionär M. in Berlin bereitet, der sich seinen Verbindlichkeiten
durch allerhand Kunstkniffe zu entziehen suchte und zu besagter
Zeit den bei ihm durchaus nicht ungewöhnlichen Besuch eines
Gerichtsvollziehers zu erwarten hatte. Als es vormittags an die
Thür heftig pochte, verbarg M. seine mit 300 Mk. beschwerte
Brieftasche nebst der etwa 20 Mk. enthaltenden Geldbörse
zwischen Sitz- und Lehnpolster des Sofas und öffnete sodann
unerschrocken dem Gerichtsvollzieher die Thüre. Dieser
muß aber wohl von seinen Auftraggebern über die Kniffe des
böswilligen Schuldners sehr gut instruirt gewesen sein; denn,
als sich nichts Pfändbares vorfinden wollte, kommandirte der
Vollstreckungsbeamte dem auf der Stubendiele liegenden Hunde:
„Schnüffel! Aufgepaßt, such'!" Der kluge Hund sprang sofort
auf das Schlafsofa und apportierte die versteckte Brieftasche
und die Börse. M. soll sehr verblüfft dreingeschaut haben. Was
aber nachher kam? Der Pudel kann's nicht erzählen.
Das Wesen des klügsten Huudes, des Pudels, hat Wagner
im Zwiegespräch auf dem Spaziergange in Göthe's Faust zu-
treffend geschildert, wenn er sagt:
Es ist ein pudelnärrisch Thier;
Du stehest still, er wartet auf,
Du sprichst ihn an, er strebt an dir hinauf;
Verliere was, er wird es bringen,
Nach Deinem Stock in's Wasser springen.
Eine alte Handschrift (Stephan Grau, um 1685), welche die
Landwirtschaft behandelt, sagt, Hundsnamen sollen wenig Silben
haben. Dasselbe möchte für viele Wirthschaftsthiere gelten,
besonders für Ochsen.
Namen der Hunde. Echt volksthümlich sind die ge-
sperrt gedruckten.
Affe (N.), Ajax, Ali, Alice, Aline, Alkmene, AUegro, Alt-
mann, Ami, Amie, Amies, Ammi, Amor, Amrett (Saalfeld,
Amorette?) Arau (?), Azor.
13*
196 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Kamen.
Baldina(N.), Baldine (N.), Bammel, Baron, Bary, Basser, Basta,
Bastei, Bauschan, Bello, Belli, Belline, Bell, Bellmann, Beller-
mann, Belotte, Bern, Ben, Benno, Beppo, Bergine (Saalfeld; N.),
Bergmann, Bernhardine (N.), Berry, Betty, Bianca, Bieder-
mann, Bill, Blandine, Blitz, Blum (B.), Bob, Bobby, Bobbeck,
Boncoeur, Bordeaux, Bosco, Box, Boxel, Boxer, Braun, Bravo,
Britan, Bruno, Brunek, Brutto, Brutus (N.), Bütow, Bulle, Bulli,
Bummel, Bursch (Saalfeld), Butzi.
Cäsar, Cätrina (N.; vergl. Citryna), Caro, Careau König,
Cartouche, Castor, Cerberus, Chasseur, Cibolo, Cito, Citryna,
Coeur, Cohn, Contessa, Cora, Czardas.
Dachs, Daus, Demant, Diana, Dick, Dickus, Dickens, Dido,
Dog, (Dolot), Donner, Dohle (N.), Droll, Drollig, Duda, Dunaj,
Duo, Dux (N.), Dyza.
Eidex, Eli, Elias, Emmi (N.), Ettchen (N.)
Faftier, Fanny, Fasch, Fatschke, Feitel (V?), Feld-
mann, Fidfel, Fidele, Fido, Fidol (polnisch), Fidu, Fifi, Figa,
Filo, Filou, Finette, Fingal, Fips, Fix, Flambo, Flanqueur,
Fleck, Flick, Flink, Flinkas, Flipp, Flock, Flocke, Fly, Forach,
Fortune, Fox, Fricha, Fripp, Frisch, Frische, Fuchs, Funk.
Gaston, Genuchna, Gerstel, Gockel, Gocky, Gräber (so auch
der Dachs), Graf, Graps, Graumann, Greif, Grisette, (Gypsch).
Hanna, Harry,Hartmann, Hector, Heldmann, Helka, Hero,
Herr Kules, Hertha, Heuochs (N.), Hexe (N.)7 Hinke (die Hin-
kende), Hirschmann, Hopf, Hübsch (N.), Hurtig.
Jako, Jely, Jocco, Jocca (N.), Joko, Joli (artig), Juczka,
(Jummy), Juncker, Juno, Jupiter.
Kaiser, Kanarek (N.), Kaneel (B. und N.), Kascha, Kan-
wan (B.), Kerl, Kerlchen, Klaff, Klaus, Kleff, Knirps, Kobold,
König, Kottel, Kr61.
Lachmann, Lady, Leddi, Lamour, Lango (N.), Leander,
Lecko, Lehmann, Leo, Leonhard, Leonberg, Lewin, Lidy, Liotta,
Lis, Lisi, Loddi (N.), Lorbas, Lola, Lord, Lucas, Luchs, Luft,
Lulatsch, Lulu, Lumps, Lustig.
Maczek, Manne, Männel, Manille, Maren, Marco (N.), Ma-
Von A. Treichel. 197
rinka, Mars, Mauschel, Mazur, Medor (russisch), Menni, Mentor,
Meyer, Mila (N.)7 Mina, Minca, Mineur, Miß, Mist, Mobby,
Mock (N.), Mohr, Moro, Molkus, Moll, Molli, Mollo, Mondri (N.),
Monjou, Mops, Morchel, Mordax, Morion (N.), Mörtel (N.),
Mostrich, Mröwka, Muff, Mumpitz, Munter, Murach, Murphy,
Murr (N.), Murrian, Murx, Muzel, Mylord.
Naucke, Neger, Nelly, Nero, Nettchen, Netti, Netto, Nickel,
Nietel, Nimrod, Nord (N.), Norma, Norman, Nudel, Nutte, Nygus.
Obal, Omei (Saalfeld: Ami), Opas, Oscar, Oso, Ossmann.
Pack, Packan, Paddy, Paloma, Pantalon, Pascha, Pedro,
Peg, Penny, Peppi (N.), Peppo, Perek, Perl (B. und N.), Perro (N.),
Persie, Peschinka, Petersüie, Pett(N.), Petz, Pfeffer, Pfiffig, Pfiffy,
Phips, Phylax, Pico, Piel (?), Pies, Pietsch, Piff, Pikas, Pilot,
Pinscher, Pips (N.), Pique, Pitt, Pitty, Pluto, Pog, Poll (R), Polio,
Polly, Pollux, Ponto, Poppel (?), Portier, Porto, Pretty, Prinz,
Puck, Pucke (N., wohl Deminutiv), Pudel, Purzel, Pussel, PutteL
Quark, Quasi.
Rasch, Remus, Rolf, Roland, Rollo, Romulus, Rosa, Rosette,
Bade, Ruß (N.), Rustan.
8achs (B. und N.), Samuellchen, Sancho, Saturn, Saul,
Scharf, Scheck (N.), Schelli (Saalfeld: joli), Schimmel, Schipsel
(B. und N.), Schlupfer, Schmul, Schmutzer, Schnaphahn, Schnapp,
Schnaps, Schnauz, Schnauz el, Schnauzer, Schnell, Schnelle,
Schnipp, Schnips (N.), Schnüffel, Schnurr, Schuft, Schufterle,
Schurk, Schüsch, Schute, Schütsch, Schwarz, Schweinchen,
Schweizer, Seemann, Sekt, Sherry, Simson, Sinedone, Smok,
Snob, Soliman, Solli (N. Joli?), Solo, Sorri (N.), Spadille,
Spitz, Spondehl, Springinsfeld, Ssussak, Stachel, Stepke,
Stichel, Stipke, Stopka, Strolch, Stroom, Ssuka, Sultan, Szarek,
Szekka, Szigai.
Tamlar(N.), Tammo, Tappel, Teckel, Teil, Tello, Terry (N.),
Tiger, Tipp, Tira (Thyra?), Tiras, Tito, Toddy, Totti, Tray, Treff,
Treffle, Triemlinchen (? N.), Trimm, TroU, Trulle, Trutschel (B.),
Tuck, Tudehl, Tuitam, Tullus, Turck, Ttirck, Turek, Turs,
Tüs, Tussel, Tutel, Tutti, Tuttmann (N.), Tycks.
198 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
XJlmer, Uncas, Unke, Urach.
Varna, Vedette, Venus, Viehchen, Viva, Vivat, Vixen.
Wachtel, Wackerlos, Wächter, Waldmann, Waldine,
Waldo, Wasser, Wassermann (B.), Weiland, Werra, Werre,
Wetter, Wiedu, Wieso, Wiwi, Wolf, Wolga, Wulf, Wups,
Wuptig,- Wurst, Wurstel.
Xanthippe.
Zänker (N.), Zambo, Ziesak (?), Zipsi, Zottel.
Jagd- oder Jägerzeitungen werden namentlich im Annoncen-
teile viele andere Hundenamen ergeben, die ich übergehe.
Das Hundegeschlecht wird wohl am meisten mit Namen
begabt sein. Ist er geboren und bleibt er am Leben (d. h. wird nicht
ersäuft), so muß er seinen Namen haben, dessen helle oder dunkle
Laute sich auch seinem Gehör einprägen und ihn zur Nachfolge
beeinflußen.
Hin und wieder besteht dabei einige Aehnlichkeit mit den
sog. Kneipnamen oder noms de guerre.
Einige Hundenamen erhielt ich durch die Herren Lehrer
Bensch (B.) aus Dorf Barkoczin und Ed. Neumann (N.) aus
Wiesenthal, Kreis Berent, beide aus deutscher Gegend.
Polnische Namen von Hunden.
Burek, Braunchen. — Citryna, Citrone. Ciucia, ein Kleines
Hündchen. — Contesa, Fineta, Tirassa. — Duda, kleiner Hund,
(Diesen Namen fand ich bei allen Hunden des Dorfes Cengardlo.),
Dudek, Wiedehopf. — Filuta, Kujonin. Piga, Feige. Figanka,
Feigchen; (Wilga, Goldamsel??) — Helka, Helenchen. — Kröl,
König. Kanarek, Kanarienvogel. Kruszina, Brosamen. — Los,
Fuchs. Luchna, Ljulu, Kleinigkeit. Jenuchna, noch größere
Kleinigkeit. — Mazur, Masure. Maczek, Matthias. M$dry
(vergl. Mondri), klug, weise. Muszka, kleine Fliege (Mucha).
Mröwka, Ameise. Maganka, (Maj, Laub, Mai? Mak, Mohn?) —
Nygus, Nichtsnutz [nequam], Faulpelz. — Obal, Um werf er
(obalid). — Psota, Neid, Schabernack (kl. Dachshunde = D. Berg-
mann). Purtek, Stänkerchen. Pies, Hund. Perek, Nichts,
Von A. TreicheL 199
Bischen. Perzynka, Flockchen, kleines Korn, Stäubchen, kleiner
Funke, ein Bisohen (p6rz, Flocke, Wolle, perzyna, Staub und Asche).
Seka, Hündin, Zag (suka). Manche Bauern nennen die Hün-
dinnen mit keinem andern Namen. Smok, theerschwarz, grau-
sam. Stopka, Füßchen. Szarek, Grauchen. Szigai, hetz' ihn.
(von szigaö; Kr. Strasburg.) — Tudöl. Tuitam, hier und da.
Turek, Türke. Tuska, richtiger kassubisoher Hundename.
Dem Französischen sind natürlich die folgenden Namen
entlehnt: Ami, Joli, Molly, Boncoeur, Chasseux, Filou, Flanqueur,
I/amour, Pique, Treffle, Coeur, Carreau, Finette, Lisette, Mi-
nette u. s. w., Manille, Spadille.
Es sind gewöhnliche Namen für:
Hühnerhunde: Venus, Flambo, FidÄl, Juno, Wolga, Cora.
Jagdhunde: Jocko, Aline, Waldine, Greif, Contessa, Diana,
Nimrod, Frische, Boncoeur, Flanqueur, Chasseur.
Windhunde (meist weiblich!): Finette, Minette, Manille,
Spadille, Schnelle, Sinedone, Helka, Figa, Szigai (diese drei im
Kreise Strasburg).
Windspiele (Stubenhunde): Azor, Fifi, Wiwi, Zipsi.
Wachtelhund: Joli.
Teckel: Flick, Flocke, Flipp, Bastei, Gerstel, Wurstel,
Embel, Hirschmann, TrUtschel, Männel, Wackerlos (Neuvorpom-
mern), Waldmann, Teckel, Gräber, Ettohen.
Hofhunde: Pluto, Gaston, Lord, Mars, Mylord, Pascha,
Stroom, Sancho, Saturn, Sultan, Sherry, Berry, Cäsar, Bravo,
Bauschan.
Schäferhunde: Schweizer, Graumann, Hurtig, Seemann,
Strom, Wasser, Spondehl, Schimmel, Luft, Klaus.
Kegel (pommersche): Ein Hirtenhund muß 'nen richtigen
Wassersnamen haben.
In Sohlesien ist Pümmer ein häufiger Name für Schäfer-
hunde.
Spitze: Spitz, Fips, Fix.
Dachshunde: Dachs.
Pudel: Caro, Pudel.
200 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
Es sei hierbei bemerkt, daß schon im Esopas (IV. 94. 62)
des Burkhard Waldis (1548) nach Bearbeitung von Heinr. Kurz
als Namen der Hunde eines Schäfers, der ihnen pfeifft, vor-
kommen Strom, Greiffe und dann Trostrein! Ein Jagdhund
heißt dort (II. 71) Stawber = ? Stauber, der also im Laufen
Staub macht.
Azor kommt viel auf Bilderbogen vor.
Um Saalfeld (Frl. E. Lemke) heißen junge oder kleine
Hunde im Ganzen Schutel oder Schutschel.
Kleine Hunde heißen meist Ammi, Joli, Moli, Pitti (viel-
leicht Petite), Pussel, Purzel, Puck, Puttel, Quark, Murx, Fips
(Schneider), aus Ironie: Kerl, Kerlchen.
Große Hunde: Bravo, Murphy, Pluto, Heldmann, Ponto,
Eüde, Hrolf, Obal, Teil, Simson, Tyras, Bulle, Cäsar, Türck,
Tiger, Sultan, Uncas, Urach, Wolf. "Wie Waldo und "Waldine
sprachlich mit Wald zusammenhängen, erinnern die häufigeren
Namen Bello, Belline, Bellermann, Bellmann (Otto B. !) im Klange
wohl nur aus Bellen.
Der volkstümlichen Scherzrichtung verdanken wir wohl
die Namen : Wieso, Wiedu, Wiesie, Wusi, Wups, Wuptig, Funk.
Arten: Dachs, Spitz, Teckel, Mops, Leonberg, Pinscher,
Ulmer, Dog, Pudel u. s. w.
Eigenschaft: Munter, Droll (ig), Pfiffig, Schnelle, Frische,
Greif, Scharf, Packan. Flink, Blitz, Klaff, Kleff, Treff, Eidex,
Forsch, Springinsfeld, Fix.
Farbe: Graumann, Schimmel; Neger, Mohr, Fuchs, Smok,
Wolf, Braun, Schwarz.
Zeichnung: Bergmann heißen zumeist die Hunde mit gelben
Flecken über den Augen; Boxer die mit breiter Lefze; Schnauzer,
Schnauzel die mit bartähnlichem Behang am Maule (die Pinscher).
Die Endung — as ist mehr polnisch, z. B. Flinkas, Lorbas (nicht
aber Tyras, Uncas, Pikas), ebenso — eta, uta, wie Fineta, Filuta.
Auf der Hand liegen die vielfachen Composita mit Mann,
wie Alt-, Berg-, Bell-, Beller-, Bieder-, Feld-, Grau-, Hart-,
Held-, Wald-, Hirsch- u. s. w. Mann.
Von A. Treichel. 201
Bezeichnend ist die Endung — el für Teckel, wohl weil
dies Artwort darauf endet. Abstracte Begriffe kommen zur Ver-
wunderung nicht selten vor. Sehr viele Namen entstammen den
Figuren aus Kartenspielen (wie die Farben und Werthe), wie
Ponto, Manille, Spadille, Basta, auch von Weinsorten; dann grie-
chische und römische Götternamen und solche von Helden.
Patronymika kommen gar nicht oder selten vor, dann vielleicht
ans Bache, um zu versinnbildlichen, Jemand sei auf den Hund
gekommen, wie es in gleichem Sinne ähnlich etwa heißt, er sei
gut genug, auf den Pfeifenkopf gemalt zu werden. Uebrigens
mag hier eine einschlägige, doppeldeutige Inschrift für den
Pfeifenkopf eine Stelle finden:
Die Jagd ist nun geschlossen,
Verrostet ist der Speer,
Das Pulver ist verschossen,
Der Hund, er steht nicht mehr!
Wenig erklärlich in der Ableitung sind folgende Namen.
Für Sinedone etwa eine Ableitung vom lateinischen sine
dono (ohne Geschenk) zu wollen, giebt keinen Sinn und scheint
zu gewagt. Viel eher könnte die Vorstellung Platz greifen, es
sei mit Volksgelehrsamkeit, ihr recht wohlklingend geschaffen,
dasselbe, wie der Vorname Sidonie. Aehnlich wird ja im Volks-
munde Ottilie zu Jozilge verderbt (Saalfeld: Frl. E. Lemke).
Ist dann Spondehl offenbar nach Analogie von Fidel,
Tudel u. s. w. gebildet, so wäre es vergebens, nach einem sinn-
gemäßen Stammwort zu suchen.
Mit Tudel steht die Sache eigentlich auch nicht viel
besser.
W. v. Schulenburg, der einzige, der (in Wendisches Volks-
tum. 1882. S. 65.) auch die Hundenamen in den Bereich seiner
Beobachtungen gezogen hat, bemerkt dafür folgendes: Syrava heißt
die Graue (syry, grau); also gleich dem weiblichen Graumann.
Unter den Niederwenden gebräuchlich sind: Wasser, Weite,
Friso, Munter, August, Bomker (Boncoeur), Pyta, Sedan, Sultan,
Napolium, Lustig, Feliks, Mor (Mohr), Wachtel, Waldmann,
202 Provinzielle Sprache 2a und von Thieren und ihre Namen.
Mica (Amica? Solche Ableitung wäre nicht nötig, da Mica auch
Mädchenname und = Strahlende!), Sweicar [Schweizer], Bowin,
Fid&l, Lota (Lotte), Rinow [Ryno?], Dancow(?), Flöhmich,
Sand, Hansko, M6ro, M6rko, Lulo, Moli, Ami, Typs, Teksel,
Peter, Tresur (Tresor), Admiral, Ducks, Berline, Kulej, Paris,
Moryc, Golkojska (weil die Hündin aus Kolkwitz war, also halbes
Patronymikon). Aus Schleife (Dorf) führt derselbe an: Fuchs,
Spie, Dachsei, Ringel.
Kurz bemerkt sei noch, daß über griechische Namen der
Hunde Elimar Bäcker 1884 in Königsberg disseriert hat, wie
1885 im allgemeinen de nominibus, quae Graeci peeudibus do-
mesticis indiderunt (meist Hunde und Pferde) 1886 ebenda
Friedrich Jeschonneck.
Wie der Hund zum Namen kommt. Weshalb heißt der
Hund Fung? Na, ich fung (fand, fing) ihm und da nannt* ich
ihm Fung!
Wo der Hund bei kinderlosen Eheleuten (Großgrundbesitzern
auf dem Lande) sehr hofiert wird, heißt man ihn scherzhaft
spöttisch Junger Herr.
Hundenamen finden wir in der Provinz auch gleichlautend
mit Familiennamen, so z. B. Nickel, Maren, Frisch, Remus (so
auch in Kreis Lauenburg), Weiland, Lehmann, Waldmann,
Gräber, Hartmann, Altmann, wie fast alle auf -mann u. s. w.
Nach dem Namen Ammi, den meist kleine Hunde führen,
weil diese als Spielzeug, ebenso wie die Möpse, öfters feinere
Halsbänder bekommen, heißen Ammi- (oder Mops-)Bändchen
auch die einfachen Bänder, mit Schleifen oder Ponpons versehen,
welche die Damen um den Hals zu tragen pflegen.
Auch auf den Inseln des Malayischen Archipels (Engano)
geben die Eingeborenen, wie die Europäer, ihren Hunden Namen;
ein Häuptling, den v. Rosenberg (Mal. Arch.) besuchte, hieß
nach seinem Lieblingshunde Pah; dort nehmen nämlich bei un-
fruchtbarer Ehe diejenigen, die sich Kinder wünschen, den Namen
eines Tieres, besonders eines Hundes, an.
Von A. TreicheL 203
Einiges vom Hund in Reimen und im Sprichwort.
Caro (Pikas) war ein Hühnerhund,
Auf dem Bücken war er bunt. —
Phylax, der so manche Nacht
Haus und Hof getreu bewacht. —
(Fix) Spitz, komm'; ich glaube, der Pastor stichelt; — der Kerl
lügt! —
Venus, Du verfluchter Köter! —
Wie heißt der Hund? — Wie Du! — Wie so? — Na,
Fidu. Ein beliebtes Scherzrätsel. — Dieser Name ist vielleicht
aus Vidocq verderbt, dem berühmten Pariser Polizeispion.
Leber öß vorn Weber; Plütz öß vorn Schütsch. (Hund.)
(Elbing. Fr. I. 2370.) Weitere der zahlreichen Beispiele aus
Fr. unterdrücke ich.
Du bist noch dummer, as oll Türk! (Ostpommern. K. 81.)
Hei is mit alle Hunge hitzt, blos mit Schulte Wassre
nich. (Culsow, Kr. Stolp. K. 22 S.). In Zezenow (Stolp) : blot
noch nich mit Schulte Demant.
Prr! seggt Gust, de Schimmel is los o heil de Zäg' am
Schwanz. (Gr. Gänsen, Kr. Stolp. K. 420.)
Hund in Geschichte und Dichtung.
Dominicanes, Hunde des Herrn, wurden spottend die Do-
minikaner genannt. — Hundsfott ist canis vulva.
Der nach langer Irrfahrt (von 20 Jahren) heimkehrende
Odysseus wird vom alten Haushunde Argos unter Schweif-
wedeln noch wiedererkannt.
Hyrkanus, Hund des Königs Lysimachus, läuft ebenfalls
in die Flammen, als sein Herr verbrannt wurde.
Der Hund Katmir bewacht die s. g. Siebenschläfer, sieben
junge Christen aus Ephesus z. Z. des Kaisers Decius. In der
muhamedanischen Legende ist er eins der wenigen Thiere, die
in den Himmel kommen; außer ihm noch der Widder, den
Abram statt des Isaac opferte, Bileam's Esel, der Esel, auf
welchem Christus ritt, und das Maulthier, auf dem Muhamed gen
Himmel ritt.
204 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
Bekannt ist die Treue vom Hunde des h. Rochus und das
französische Sprichwort spricht von St. Boche et son chien in
gleicher Beziehung.
Bezerillo war eine der Doggen, deren sich die Spanier
bei der Eroberung von Mexiko gegen die Indianer bedienten.
Hund Pantalon kommt in einem Gedichte vor.
Hektor ist der Hund des alten Bumpo aus Cooper's Er-
zählung: Der Windsteller.
Cibolo ist der Hund des Cibolero Carlos aus Mayne-Reid's
Erzählung: Der weiße Häuptling.
Bauschan ist Nüssler's Hund in Reuter's Ut mine Strom tied.
Schnips heißt der Pudel, der so gut apportiren konnte,
in A. F. E. Langbein's gleichnamigem Schwanke,
Asu ist der Hund des Juden Abdias aus Stifter's Studien.
Wille ist der Hund in Jul. Wolffs Wildem Jäger.
Wackerlos heißt das mausfarbene Windspiel in Rud. Baum-
bach's Märchen: Es war einmal. (S. 27. Der Würfel.)
Baby hieß das Wachtelhündchen des erschossenen Kaisers
Max von Mexiko. Der 1889 von einem verrückten Polizisten
förmlich abgeschlachtete General Corona, der mit Escobedo
namentlich auf der Erschießung des Kaisers bestanden hatte,
hatte sich das Thierchen angeeignet, rief es „Imperatrice",
traktierte es mit Fußtritten und bedauerte öffentlich, seiner
früheren Herrin nicht gleiche Liebenswürdigkeit erweisen zu
können.
Cäsar und Minca heißen die typischen Hunde der Inserate
der Hundezüchtungsanstalt in Zahna.
Jummy ist der Lieblingshund der Prinzessin von Wales,
der bei Winterskälte vom Schneider einen Ueberzieher ange-
messen bekommt und außerdem ein silbernes Halsband trägt mit
der Inschrift seines Namens und des seiner Besitzerin.
Boatswain hieß der Hund von Lord Byron.
Biche hieß eines der Windspiele, der Lieblingshunde
Friedriche des Großen, wofür er auch Lösegeld zahlen mußte,
als sie einmal im Kriege gefangen genommen wurden.
Von A. Treichel. 205
Barry hieß der berühmte Bernhardinerhund, der in dorti-
gen Schneemassen über 40 Menschen das Leben rettete; er soll
im Berliner Museum ausgestopft sein.
Tyras hieß der Hund Bismarck's, der s. g. Beichshund,
wie ebenso seine Nachfolger. Nach Mittheilung der Hamb. Nachr.
heißt Bebekka jetzt eine der Doggen des Herzogs von Lauenburg.
La Meule hieß ein Begimentehund der afrikanischen Jäger.
Regimenter, Bataillone, Compagnieen haben als Gesammtbesitz
ihre eigenen Hunde, die auch mit in den Krieg zogen und all-
seits gepflegt werden. — Ebenso kamen als Gesammtbesitz noch
vor Gans, Katze, Ziegenbock.
Aehnlich besitzen Studentenverbindungen häufig insgesammt
einen Hund, den Couleurhund.
Andererseits sind wiederum durch den häufigen Umgang
des Menschen mit dem Hunde wahrscheinlich alte deutsche Namen
entstanden, z. B. Budhart (Hundsherz), Budolf (Hundswolf),
Bupert, Rudpert, Buhprecht, Robert, Beppert (Prachthund).
So nach Yiehbeck, Namen der alten Deutschen. (Erlangen,
1818.) Das Bud in Budhart, Budolf u. s. w. hat aber mit rüde,
rüde (molossu8) garnichts zu thun, sondern ist nach Prof. K. Wein-
hold das alte ruod, hruod = Ruhm, Ehre.
Es wird schließlich keine Indiscretion sein, wenn ich ein
mir überkommenes Gedichtchen jenes kühnen und berühmten
Afrikaforschers und Beisenden Dr. Geo. S chweinfurth hier her-
setze, worin er selbst eine Thatsache mittheilt, wie der bellende
Hundelaut einem Flusse im Innern des schwarzen Erdtheiles den
geographischen Namen gab.
Erinnerung an den Wau in Oentral-Afrika.
(29. IV. 1869.)
Ich kenn' im fernen Mohrenland
Ein Flüßchen, das fast unbekannt,
Wau, Wau,
Es fließt, von grünem Laub umstellt,
Und überwölbt vom Himmelszelt,
Blau, blau.
206 Provinzielle Sprache xn und von Thieren und ihre Kamen.
Zu diesem kleinen Paradies
Ein weiter Weg mich kommen hieß
Eauh, rauh!
So zog auf Straßen krumm und g'rad
loh hin zu seinem Silberpfad,
Schlau, schlau.
Das Glück war meines Namens werth,
Es wird nicht jedem so bescheert!
Sau, Sau!
Da träumt' ich unter kühlem Dach
Uralter Bäume und sann nach —
Schau, schau!
Das Leben hinter mir verlieh
Nichts, als verkehrte Theorie!
Grau, grau.
Zwei Hunde, die ich mitgebracht,
Die haben mich bald wach gemacht,
Hau, hau!
Der Große bellt, der Kleine bellt,
Und hin durch alle Wälder gellt:
Wau, wau!
Des Waldes Echo nimmt es auf
Es hemmt des Flüßohens eig'nen Lauf,
Wau, wau.
In tausendfachem Wiederhall
Klingt nur des einen Wortes Schall,
Wau, wau.
Es hallt und schallt in einem fort
Das eine kleine Hundewort:
Wau, wau!
Und Wort und Flüßchen ewig sind
Nun meiner Seele Angebind',
Wau, wau!
Die Ufer grün, das Wasser blau,
Das war das kleine Flüßchen Wau.
Von A. Treichel. 207
Der Hund und sein Name in Märchen und Bätsel.
Anhang.
Im Märchen heißt der Hund öfters Petersilie, Wups, Wuptig,
wenigstens für Preußen.
Im Neckmärchen heißt's (Fr. Preuß. V. R. und V. Sp. 368):
Es war einmal ein großer Wald. Darin hauste vor vielen, vielen
Jahren ein Jäger. Der Jäger hatte zwei Hunde. Der eine
Hund war grau, häßlich und faul, der andere war geschwind
wie der Wind, hübsch und bunt. Der erste Hund hieß Erzäbl-
nicht, der zweite hieß Erzähl'. Wie hieß der erste Hund? Er-
zähl7 nicht. Siehst Da, mein Kind, so thu' ich's auch nicht.
Ach nein, bitte, bitte, Erzähl' hieß er. Bewahre, er hieß Er-
zähl' nicht. (Aus Pommerellen.)
In den Eügenschen Sagen und Märchen von Dr. A. Haas
(1891.) heißt der Hund der guten Hirten Seemann (S. 205.) und
Wassermann ein anderer (S. 208.), mit dem sich sein Herr ver-
tmwillte und den er mit einem Handstocke erschossen glaubt,
wie man sieht, ebenfalls Wassernamen, ein dritter (S. 219.) aber
Bobby. In den gleichen Märchen schreit (S. 233.) der Schäfer-
hund: wat, wat, wat, wat?
Dr. A. Haas giebt im Märchen von dem Vogel, der goldene
Eier legt (S. 241.), auch richtige Märchennamen für Hunde,
welche zugleich ihre Eigenschaft oder ihr Können bezeichnen,
nämlich Packan, Reißnieder und Bräkisenunstahl, d. h.
Brich Eisen und Stahl. Ferner heißt dort (S. 147.) Trizy der
beigegebene Hund der Nachtigall als einer verwünschten Schä-
ferin, obschon einer ihrer Naturlaute.
In einem Schlummerliede für Kinder, das Dörr für die
Werder angiebt, heißt der Hund Kunterbunt.
Hund im Volksrätsel ist Huffhaff, dem Klange des
Bellens nachgebildet. Frischb. Tier E. 36. Dort auch Grimm-
gram für den Wolf, dem grimmen, dem alles gram.
H. Frischbier (Menschenwelt in Volksr. aus den Prov.
Ost- und Westpr. Z. S. f. Deutsche Philologie. XXIH. S. 261.)
führt für Hundenamen nachfolgende Yexirrätsel an:
206 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
(202.) Es kam die frau von Thielen
Den rechten weg nach mühlen;
Sie hatte bei sich einen hund
und gab ihm den namen ans eignem mund:
Also. Wie hieß der hund?
(204.) Ich war einmal da
Bei meinem papa,
Da war ein klein hündchen,
Das spielt' mit mir.
Sein name war dreimal genannt.
Wie hieß der hund? (War.)
(205.) Paulus saß am Feuer und Pfiff;
Aber Paulus pfiff nicht,
Sondern Paulus saß am Feuer und Pfiff.
Der Hund hieß Pfiff. (Gerdauen.) Vergl. Simrook, Eätselb.
II. 68.
Als Halbrätsel giebt Archut-Freist (in Z. S. f. Volksk. Bd. IL
S. 353.) das folgende an, obschon nicht recht verständlich:
Ik Wasser mal in Pommerland,
in Pommerland Wasser ik bekannt.
Doar begegnde mi drei Herre,
die fraüge, wo't Hündke heite sull;
Hündke Name Wasser mi vergäte,
hef t dreimal seggt, sali S'noeh nich weite?
(Das Hündchen hieß Wasser.)
Nach 0. Schell, Volkswitz in Eätseln (Am Urquell. M. S.
f. V. K. 1890. No. 8. S. 132.) heißt's (No. 11.) im Bergischen:
Kaiser Karolus, der hatt' einen Hund.
Ich geb' dir den Namen in deinen Mund. 3
Also, wie heißt der Hund? (Also.)
Var. in Dithmarschen (S. 172) : Er nannte ihn nach seinem
eigenen Mund.
(H. Volksmann.)
Von A. Treichel. 209
Aehnlich lautet das gleiche Bätsei bei H. Frischbier a. a.
0. (203.) Zu vergl. Meier: D. Kinder-Reime. 286. Simrock:
Bätsel-B. I. 42. und Mone: Anz. VH. 26B, 245. 267, 279. 371,
287: Antwerpen. — In N. Pr. Prov. Bl. VIII. 378. heißt's:
Kaiser Karolus hatte einen Hund,
Er gab ihm den Namen mit (selbst) aus seinem Mund;
Wie hieß Kaiser Karolus sein Hund?
Die Lösung ist hier Wie, auch Mit (Selbst). — Das
Rätsel tritt nach Fr. auch ganz kurz auf: Kaiser Karolus hatte
einen Hund: Wie hieß der Hund?
Häufig genug kommt die ganz erklärliche Thatsache vor,
daß man das Fell todter Lieblingshunde namentlich zu Stiefeln
oder auch zu Bettvorlegern verarbeitet. Man hält das Hundefell
für gesundheitdienlich, ebenso wie das von Katzen zu Pelzen fftr
rheumatisch Leidende. Dsurauf begründet sich dann die Entstehung
eines Theiles der volksthümlichen sog. Yerbrecherrätsel oder bei
weniger criminalistischer Anhauchung von mir sog. Simson-
Rätsel, in denen dem Verbrecher die (meist Todes-)Strafe erlassen
wird, wenn er Rätsel aufgiebt, welche die Richter nicht raten
können. Als Simsonrätsel fähre ich beispielsweise ein weniger
bekanntes an, welches Dr. A. Haas im Märchen von Hans und seinem
Herrn (S. 239.) als ein von einer in Rätseln und Büchern kundigen
Prinzessin zu lösendes Rätsel in den Mund des Hans legt: „Ein
schlug ein und ein schlug drei unjd drei schlugen vierund-
zwanzig" und will als Auflösung: Wein (vergifteter) schlug ein
Pferd, das Pferd drei Raben und die 3 Raben 24 Räuber.
Mit dem Hunde beschäftigen sich aber folgende Verbrecher-
Rätsel.
(O. Knoop: Volkssagen . . . aus Hinterpommern S. 87):
Eine D.une hatte sich aus der Haut ihres Lieblingshundes, der
Pupen ellchen hieß, Schuhe machen lassen und legte nun, da
sie, zum Tode verurtheilt, hingerichtet werden sollte, doch das
Leben geschenkt bekommen sollte, wenn ihren Richtern ein
Räthsel aufgegeben würde, das sie nicht lösen könnten, folgendes
Räthsel vor:
210 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
Auf Pupenellchen geh' ich,
Auf Pupenellchen steh' ich,
Auf Pupenellchen bin ich hübsch und fein,
Meine lieben Herren, was mag das wohl sein?
So aus der Gegend um Bütow. Anderwärts in Pommern
heißt dann der Hund Finelle.
Nach Archut (Volksräthsel aus der Provinz Pommern:
Freist, Kr. Lauenburg, in Z. S. f. Volkskunde. H. 1890. S. 276.)
gilt dasselbe ßäthsel für Schuhe vom Leder des Hundes
Pumpanell.
Sie werden in der Literatur noch erwähnt in Urdsbrannen
1883. S. 37. (Müllenhof) und 1885. S. 172. (Frischbier). Nach
letzterem steht das Fräulein in einigen Gegenden Westpreußens
auf Pompinellen, in Ostpreußen vielfach Pompernellchen,
in Szillen, Kr. Kagnit, auf Bibernellchen, das Frischbier
fassen will als Schuhe aus Biberfell. Gewiß könnte dies mit
vollem Rechte die ursprüngliche Lesart sein, so daß es sich an-
fanglich um einen Biber gehandelt hätte, welche Thiere es vor
Zeiten ja auch in unserer Provinz gab, und müßten sich alsdann
alle übrigen Namen, soweit erwähnt, weil anklingend, auf dieses
Wort zurückbeziehen. Dagegen scheint mir aber der Umstand
zu sprechen, daß Schuhe aus Biberfell, wenn sie als Kernpunkt
eines Rätsels, als dessen Verhüllung auftreten sollen, dem nach-
denkenden Richter sowohl durch den offen gegebenen Namen, als
auch durch die äußere Erscheinung gar zu leicht in die Augen
fallen müßten. Gerade der Name soll aber mit zur hüllenden
Kapsel dienen und muß also einem Hunde als einem gewöhn-
lichen Thiere angehören. Weshalb mag er aber gerade gewählt
sein? Ich halte dafür, daß Bibernellchen wohl die ursprüngliche
Bezeichnung sei und daß dieser Name im Volksmunde bei dem
vom Tode erlösenden Ereignisse deshalb als Name des Hundes
genommen sei, weil er zugleich eine Pflanze bezeichnet, von
welcher ich in meinem Armetill, Bibernell und andere Pestpflanzen
auseinandergesetzt hatte, daß sie vom Volke ebenfalls mit
einer vom Tode durch die Pest erlösenden Kraft belehnt
Von A. Treichel. 211
worden sei. Auf S. 15. wies ich dort schon darauf hin, daß der
bloße Name der Pimpinella hier zur Erlösung von dem Tode
führen soll. Der Vers der Stimmen, welche ein Mittel gegen
die Pest verrathen, heifit ja in Varianten: „Torrn entill und Biber-
nell, Kommt der Tod nicht so schnell!" Heute konnte ich die
Gründe hinzufügen, welche gegen die Auffassung der Herstam-
mung aus Biberfell zu sprechen scheinen. Allerdings wäre es
von durchschlagender Begründung, wenn man in den Ländern
oder Provinzen, wo der Bibernellvers vorkommt, ebenfalls nach
dem etwa gleichartigen Vorkommen des Rätsels, wo Bibernelle
als Hundename gilt, Ausschau halten und Bestätigung finden
möchte!
In Pommerellen ist dann noch verbreitet ein ähnliches
Bätsei bei einem gräflichen Gastmahl („Wer das thut raten, Dem
geb' ich 'nen Braten Und zwei Stof Wein.")) wo der „hübsche"
Hund Perl hieß.
Nach Müllenhof (Sagen, Lieder und Märchen aus Schleswig-
Holstein und Lauenburg. S. 604.) und nach Urdbrunnen II. 37.
kommen auch dort gleichartige Bätsei vor: in Stapelholm, und
zwar in Kleinsee bei Bergenhusen, heifit der Hund Fiilaks, in
Fockbeck bei Rendsburg: Ilaks, in Blickstedt im Dänischen
Wohld und bei Kellinghusen II as (I stets gedehnt!), in
Süderdithmarschen (wahrscheinlich) II o (Müllenhof): alle diese
Varianten haben im Deutschen aus Phylax entstehen können!
Das Bätsei lautet bei Müllenhof: Op Ilo gah ik, Op Ho stah
ik, Op Ho kam ik hergerannt, Ilo is mi wohl bekannt, Op
Bö keer un wenn ik mi, Op Ilo heff ik Freud un Leid: Bathet,
ihr Herren, nun ist es Zeit." In der Gegend von Lunden heifit
dieser Hund Baawou.
Außer diesen Namen hörte oder las ioh, ohne daß ich Be-
legstellen angeben kann, noch die folgenden: Elias, Idel (viel-
leicht dasselbe!), Samuellchen, Wackerlos.
Im Corr. BL des V. £ n. d. Sprachf. VHL S. 23. giebt
H. Jellinghaus f&r Wallenbrück in der Grafschaft Ravensberg
in Westfalen ein ähnliches Yerbrecherräthsel, welcher Name
212 Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen.
übrigens von H. Frischbier herrührt, und darin den wahr-
scheinlich ebenfalls aus Phylax verderbten Hundenamen Uplack
an. Im Weiteren wäre noch nachzusehen Z. S. f. D. Philol.
V. "146. (für Pommern), H. Mier: 200 plattd. Eäthsel. (Weener.
1869.) und L. Strackerjan: Abergl. und Sagen in Oldenburg.
1867\ IL S. 89. No. 374. c.
In Schwienhusen (Dithmarschen) heißt dieser Hund Kla-
fier, um Schlichting und Lunden (Schleswig-Holstein) Klawier
oder Klafeer und Klafietgern (Lehrer H. Carstens); auch
Phylax kommt vor. Um Weddingstedt i. D. heißt er Ida, wozu
oben Idel und Elias zu vergleichen.
Berichtigung.
Seite 26 Anm. 2 and Seite 33 Anm. 1 lies: Thunert statt Thurau.
4)rao*> von iL Leupold, Königsberg in Pr.
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\
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vierte Folre«
Herausgegeben
von
Rudolf Reicke und Ernst Wiehert.
Der Monatsschrift XXIX. Band. Der Provinzialblätter LXXXXV. Band.
Drittes und viertes Heft.
April - Jtini 1892.
Ausgegeben im Juli 1892.
Mit 15 Tafeln.
Königsberg in Pr.
Verlag von Ferd. Beyer1 s Buchhandlung.
(Thomas & Opperraann.)
1892.
Inhalt.
I. Abhandlungen. Seite
Kant über den ewigen Frieden. Von Franz Bühl. . . 213—227
Die Schotten und Engländer in Ostpreußen, und die „Brüder-
schaft Groß-Britanischer Nation" zu Königsberg.
Von Johannes Sembrzycki 228—247
Die Wappen der Städte Alt-Preußens. Von C. Beckherrn.
Mit 15 Tafeln 248-313
II. Mlttheilnnffen und Anhang.
Universitäts-Chronik 1891 und 1892 (Nachtrag u. Fortsetzung) 314—316
Alle Rechte bleiben vorbehalten.
Herausgeber und Mitarbeiter.
SEP 9 1892
Kant über den ewigen Frieden.
Rede, gehalten in der Kant-Gesellschaft am 22. April 1892
von
Franz Rfihl.
Wenn die Völker Europas am Ende des 19. Jahrhunderts
unter der unerträglichen Last von sich immer steigernden Kriegs-
rüstungen seufzen, so ist das Ende des 18. von wirklichen
Kämpfen der furchtbarsten Art erfüllt, wie sie die voran-
gegangene Zeit in gleichem Umfange wenigstens seit den
Friedensschlüssen von Münster und Osnabrück nicht gekannt
hatte. Es ist daher nur natürlich, daß zu beiden Epochen über
die Möglichkeit eines dauernden, wirklich ewigen Friedens
und über die Mittel, dieses Ziel zu erreichen, philosophirt worden
ist. Kant's berühmte Schrift über diese Frage pflegt mit Recht
als Ausgangspunkt für solche Betrachtungen zu dienen, denn
wenn sie gleich in ihren empirischen Grundlagen vielfach die
Zeit ihrer Entstehung verräth, so machen doch die hier formu-
lirten Sätze auf Qemeingiltigkeit, auch unter ganz anders ge-
arteten Verhältnissen, Anspruch und bilden daher, wie eine feste
Basis zur Verteidigung, so ein bestimmtes und klar erkennbares
Object für den Angriff.
Es ist bekannt, wie insbesondere von militärischer Seite,
welcher man das freilich am wenigsten verdenken wird, in den
letzten Jahren die Stellung des Problems überhaupt für unberechtigt
erklärt worden ist, und namentlich hat der Graf Moltke, der
nicht bloß ein großer Feldherr, sondern auch ein guter Ge-
schichtskenner, ein scharfer Denker und ein ungewöhnlich ge-
Altpr. II onatMohrift Bd. TEXTE. Hit. 6 u. 4. 14
214 Kant über den ewigen Frieden.
bildeter Mann war, es am Abend seines Lebens für wenig
wünsch enswerth erklärt, daß der Krieg überhaupt aufhöre.
Diese Meinung ist nicht neu, und Kant hat ihrer ausdrücklich
gedacht. „Denn der Krieg", sagt er, „scheint auf die mensch-
liche Natur gepfropft zu sein und sogar als etwas Edles, wozu
der Mensch durch den Ehrtrieb, ohne eigennützige Triebfedern,
beseelt wird, zu gelten; so daß Kriegesmuth, nicht nur wenn
Krieg ist, sondern auch, daß Krieg sei, von unmittelbarem großem
Werthe zu sein geurtheilt wird, mithin in dem Kriege an sich
selbst eine innere Würde gesetzt wird". Er fügt hinzu, daß
ihm sogar Philosophen als einer gewissen Veredelung der
Menschheit eine Lobrede halten; diese Philosophen werden in-
dessen sofort mit dem alten Satze zurückgewiesen: „Der Krieg
ist darin schlimm, daß er mehr böse Leute macht, als er weg-
nimmt". Und in der That ist das menschliche Leben mannig-
faltig und unglücklich genug, um auch bei ununterbrochenem
Friedensstande der Staaten unter einander jene Eigenschaften
des Gemüths zur Entwickelung und Bethätigung gelangen zu
lassen, um derentwillen der Krieg für wünschenswerth gehalten
wird, und die Erfahrung spricht nicht dafür, daß in kriegerischen
Zeiten die Menschen auf eine höhere moralische Stufe gehoben
würden, sie lehrt vielmehr das G-egentheil, und es ist auch nur
zu natürlich, daß die Menschen, wenn im öffentlichen Leben Gewalt
und rücksichtslose Härte herrschen, geneigt sein werden, auch
im privaten die weicheren und zarteren Regungen des Gemüths
zurücktreten zu lassen und das eigene Interesse ohne Rück-
sicht auf die Rechte Anderer zur Geltung zu bringen.
Die so zu sagen historische Berechtigung des Krieges
dagegen leugnet Kant keineswegs. Er betrachtet ihn vielmehr
als eines der Mittel, deren sich die Natur bedient, um ihre
Zwecke mit dem Menschen zu erreichen. Man würde auch
seine Absicht völlig verkennen, wenn man, wie es wohl geschehen
ist, annehmen wollte, er sei auf eine Beseitigung des Krieges
in absehbarer Zeit ausgegangen oder habe wohl gar eine sofortige
definitive Beseitigung aller Kriege für möglich oder auch nur
Von Franz Rühl. 216
ftir wünschenswerth gehalten. Er erklärt den ewigen Frieden
in der Rechtslehre sogar geradezu für eine „unausführbare Idee".
Seine Ausfuhrungen gehören vielmehr zu derselben Gattung
des philosophischen Chiliasmus, wie jene neun Sätze zur Idee
einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, über
welche ich bei einer früheren Feier dieses Tages hier mich zu
äußern die Ehre hatte. Der ewige Friede ist allerdings eine
Forderung der praktischen Vernunft, aber eine derjenigen, welche
nur in den spätesten Zeiten ihre Realisirung finden können.
Die Aufgabe des Philosophen ist, festzustellen, unter welchen
Bedingungen ein solcher Friede möglich und unter welchen Be-
dingungen er gesichert sein würde; die Aufgabe der Menschheit be-
steht darin, freiwillig oder durch die List der Natur gezwungen diese
Bedingungen mehr und mehr zu erfüllen und dadurch dem Ziele
näher und näher zu rücken. Es versteht sich dabei von selbst, daß
jene Bedingungen ein untrennbares Ganzes bilden müssen, daß man
nicht eine einzelne beliebig herausgreifen oder fortlassen könne,
daß sie sich vielmehr gegenseitig stützen und ergänzen und die
Erfüllung der einen die der andern zur nothwendigen Voraus-
setzung und zur Gewähr habe.
Freilich könnte es am einfachsten zu sein scheinen, die
Möglichkeit eines Krieges dadurch zu beseitigen, daß alle Staaten,
welche doch die kriegführenden Subjecte darstellen, zu einem
einzigen vereinigt würden. Allein einer solchen Weltmonarchie
(oder "Weltrepublik) steht zweierlei entgegen. Einmal sind es
Gründe der Zweckmäßigkeit, welche dagegen sprechen, indem
die Gesetze mit dem vergrößerten Umfange des Reichs an Nach-
druck verlieren oder schablonenhaft durchgeführt zu einem
seelenlosen Despotismus führen, welcher die Keime des Guten
ausrottet und damit schließlich die Anarchie heraufbeschwört.
Zweitens aber würde die Herstellung eines einzigen Staates dem
klar vorliegenden Willen der Natur widersprechen, welche durch
die Verschiedenheit der Sprachen und der Religionen die Völker
Ton einander absondert. Beide Einwendungen gegen das Princip
der Weltmonarchie hat Kant nicht näher ausgeführt; sie würden
14*
216 Kant über den ewigen Frieden.
sich bei einer eingehenden Einzelbetrachtung noch erheblich ver-
stärken; es genügte für die Zwecke des Philosophen, die wichtig-
sten Momente hervorzuheben. Wenn man zweifelhaft sein kann,
ob nicht die praktische Geltung des ,cuius regio eius religio* im
18. Jahrhundert eine stärkere Betonung des Unterschieds der
Religionen bewirkt hat, als mit einer universalen geschichts-
philosophischen Betrachtung verträglich ist, so ist es heute viel-
leicht doppelt angemessen, die Wirksamkeit des Unterschiedes
der Sprachen zu betonen, wo der Gedanke einer künftigen Welt-
sprache Vielen als ein Postulat der geschichtlichen Entwicklung
erscheint. Die physische und geistige Natur des Menschen ist
nun einmal so beschaffen, daß der Zeitpunkt der allgemeinen
Annahme einer Weltsprache zugleich der des Ursprungs einer
neuen Reihe selbständiger Sprachen sein würde.
Ist aber die Herstellung eines Universalreichs unmöglich,
muß es nothwendig immer verschiedene Staatsindividuen geben,
so ist ihr Naturzustand nothwendig der Krieg oder, was auf
dasselbe hinausläuft, ein Zustand, in welchem die Gewalt das
größte Recht giebt. Das Problem besteht nun darin, auf welche
Weise die Staaten aus diesem Naturzustande herauskommen
können, in einen Zustand, in welchem das Recht die größte
Gewalt hat.
Kant hat seine Sätze in die Form eines Vertrags gekleidet,
wie er zwischen verschiedenen Staaten abgeschlossen zu werden
pflegt; er hat sich sogar den kleinen Scherz erlaubt, einen „ge-
heimen Artikel" einzufügen, wie deren die Staatskunst der
Gleichgewichtsepoche liebte. Er unterscheidet dabei Präliminarien
und Definitivartikel. Die ersteren sind Vorbedingungen, die vor
Allem, auch in der Zeit noch fortdauernder völkerrechtlicher
Kriegsmöglichkeit, erfüllt werden müssen; erst wenn diese Sätze
zur Anerkennung gelangt sind, können die andern aufgestellt
werden, auf welchen der wirkliche ewige Friede beruhen soll.
Die Präliminarartikel sind sämmtlich negativ, ver-
bietend, die Definitivartikel positiv, gebietend.
Von Franz Rühl. 217
Der erste Präliminarartikel lautet:
„Es soll kein Friedensschluß für einen solchen gelten,
der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem
künftigen Kriege gemacht worden".
Dieser Artikel ist die Grundlage aller übrigen; es sollen durch
ihn alle bisher bestandenen Ursachen zu Kriegen, auch die den
Paciscenten zur Zeit möglicherweise noch unbekannten, beseitigt,
mit der Vergangenheit soll ein für allemal abgeschlossen werden.
Das schließt also auch jeden Friedensschluß aus bloßer Er-
schöpfung eines oder beider Theile oder ein Zurückbleiben
irgend welcher Prätensionen, die nur für den Augenblick auf-
gegeben werden, aus. Nur wenn diese Vorbedingung erfüllt
wird, kann überhaupt der Gedanke an einen ewigen Frieden
auftauchen. Sie enthält aber auch zwei Voraussetzungen, von
denen es mir zweifelhaft ist, ob Kant sie erwogen hat; ausgeführt
hat er sie jedenfalls nicht. Die eine ist die, daß kein Volk
einer Religion anhängen darf, welche die Bekämpfung der An-
hänger einer andern Religion zur Pflicht macht, weil in solchem
Falle, wie der Islam z. B. ganz consequent lehrt, jeder Friede
mit einem andern Staate, in dem diese Religion nicht herrscht,
nur als ein Waffenstillstand zu betrachten wäre. Die zweite
geht dahin, daß die friedenschließenden Staaten keine lediglich
historisch, d. h. zufallig erwachsenen .Gebilde sind; sie müssen ihre
Wurzel in sich selbst haben, nicht in der Willkür vergangener
Zeiten, ihre Begrenzung muß auf Grundsätzen der Vernunft
ruhen, nicht auf dem historischen Recht oder, was dasselbe ist,
auf früherer Gewalt. Es muß also verlangt werden, daß die
einen ewigen Frieden abschließenden Staaten im Stande sind,
ohne Veränderung ihres Gebiets oder der Zusammensetzung
ihrer Bevölkerung das höchstmögliche Maß von Glück für ihre
Bürger zu erreichen und dasselbe durch eine Veränderung ihres
Territorialbestandes oder ihrer Bevölkerungsbestandtheile nicht
zu vermehren vermögen.
Ist der erste Artikel erfüllt, kann also aus Thatsachen der
Vergangenheit kein neuer Krieg entstehen, so handelt es sich
218 Kant über den ewigen Frieden.
darum, die Ursachen der Kriege für die Zukunft zu beseitigen.
Das ist die Aufgabe der folgenden Artikel.
Der zweite Artikel schreibt nun vor:
„Es soll kein für sich bestehender Staat von einem
andern Staate durch Erbung, Tausch, Kauf oder Schenkung
erworben werden können".
Dieser Satz ergiebt sich bereits aus dem Wesen des Staats, an
welchem kein Eigenthum erworben werden kann, da er keine Habe,
kein Patrimonium, ist, sondern eine Gesellschaft von Menschen, über
die Niemand anders, als er selbst, zu disponiren hat. Die Wichtig-
keit dieses Artikels lehrt nicht nur das Zeitalter der eigentlich
sogenannten Erbfolgekriege, sondern auch unsere eigene Epoche;
so ist z. B. der Conflict zwischen Deutschland und Dänemark
aus seiner Nichtbeachtung entsprungen und die gegenwärtigen
Differenzen zwischen Schweden und Norwegen beruhen im Wesent-
lichen darauf, daß man ihn im Jahre 1815 in Skandinavien nicht
streng durchgeführt hat.
Der dritte Artikel verlangt:
„Stehende Heere sollen mit der Zeit ganz auf-
hören" ,
was natürlich die periodisch vorgenommene freiwillige Uebung
der Staatsbürger in den Waffen, um sich und ihr Vaterland
vertheidigen zu können, nicht ausschließt. Die stehenden
Heere bedrohen nämlich die andern Staaten beständig mit
Krieg, indem man allezeit glaubt, dazu gerüstet zu sein,
also das Verlangen leicht entstehen kann, von dieser Eüstung
Gebrauch zu machen. Die Einrichtung der stehenden Heere
reizt ferner die Staaten dazu an, sich einander in der Menge
der Gerüsteten zu übertreffen, also ihre Zahl ins Unendliche
zu steigern und indem durch die darauf verwandten Kosten
der Friede endlich noch drückender wird (oder zu sein scheint),
als ein kurzer Krieg, werden sie zur Ursache von Angriffs-
kriegen, um diese Last los zu werden.
Uebrigens ist hiebei zu bemerken, daß Kant unter „stehen-
dem Heer (miles perpetuus)" etwas Anderes versteht, als was
Von Franz RühL 219
heute' in dem größten Theile von Europa so genannt wird. Er
versteht darunter die Soldtruppen, wie sie vor der französischen
Revolution allein üblich waren, oder, um den Begriff noch
schärfer zu fassen, Heere, welche aus lauter Berufssoldaten zu-
sammengesetzt sind. Hinsichtlich deren hebt Kant noch beson-
ders hervor, daß zum Tödten oder getödtet zu werden in Sold
genommen zu sein einen Gebrauch von Menschen als bloßen
Maschinen und Werkzeugen in der Hand eines Andern zu ent-
halten scheint, der sich nicht wohl mit dem Rechte der Mensch-
heit in unserer eigenen Person vereinigen läßt. Die heutigen
europäischen Heere beruhen der Mehrzahl nach theoretisch auf
anderen Grundlagen, obwohl die Praxis noch nicht alle Ueber-
bleibsel aus der Zeit der Soldheere ausgestoßen hat, und es ist
bekannt, um wieviel weniger leicht man sich grade auch um
der veränderten Zusammensetzung der Heere willen zum Kriege
entschließt. Aber insoweit mehr Truppen gehalten werden, als
zur kriegerischen Ausbildung der Bürger erforderlich ist (und
das ist offenbar der Fall, solange man den „Präsenzstand" z. B.
von dem der Heere der Nachbarn abhängig sein läßt), so lange
bilden auch die anderen Heere eine Gefahr für den Frieden,
wie die Soldheere des 18. Jahrhunderts.
Das nothwendige Complement der Soldaten für die Krieg-
führung sind die materiellen Mittel, praktisch ausgedrückt das
Geld. Die Sammlung eines Schatzes zu Kriegszwecken schließt
also analoge Gefahren für den Frieden in sich wie die Auf-
stellung stehender Heere. Kant hatte indessen die wirthschaft-
liche Entwicklung des Zeitalters zu genau verfolgt, um prak-
tisch darin eine große Gefahr zu sehen; das Verfahren Fried-
richs d. G. erkannte er offenbar als das, was es war, als einen
Anachronismus. Er formulirte seinen vierten Artikel dem-
nach anders, nämlich dahin:
„Es sollen keine Staatsschulden in Beziehung auf
äußere Staatshändel gemacht werden",
eine Forderung, die noch außerdem damit begründet wird, daß
220 Kant über den ewigen Frieden.
der endlich doch unvermeidliche Staatsbankerott auch andere
Staaten unverschuldet mit in den Schaden verwickeln müsse.
Eine sehr häufige Ursache der Kriege, grade die Ursache
der Kriege der Zeit, in welcher der Philosoph schrieb, triflt der
fünfte Artikel:
„Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung
eines andern Staats gewaltthätig einmischen".
Denn ein Recht dazu kann keinem Staate zugesprochen werden,
da jeder Staat ein sich selbst bestimmendes Individuum ist,
das keinen Richter über sich anzuerkennen braucht. Es kann
aber auch kein Staat sich durch die innern Zustände eines
andern verletzt fühlen, indem diese etwa seinen eigenen Unter-
thanen ein böses Beispiel geben könnten. Denn sind diese Zu-
stände wirklich schlecht, so werden sie den Unterthanen anderer
Staaten lediglich zur Warnung dienen.
Sind alle diese Bedingungen erfüllt, so ist damit zwar die
Möglichkeit und der Anreiz zum Kriege gemindert, aber der
ewige Friede noch nicht gesichert; die Möglichkeit des Krieges
an sich ist also noch immer gegeben, und er wird voraussicht-
lich noch immer, wenn auch selten, stattfinden. Es fehlt also
noch eine Bestimmung, welche den Krieg so gestaltet, daß er
zu einem Frieden, wie ihn der erste Artikel verlangt, führen
kann. Darum schreibt der sechste Artikel vor:
„Es soll sich kein Staat im Kriege mit einem andern
solche Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige
Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen:
als da sind Anstellung der Meuchelmörder, Giftmischer,
Brechung der Capitulation, Anstiftung des Verraths in
dem bekriegten Staat eibc".
Denn sonst könnte keinerlei Vertrauen in die Denkungsart des
Feindes zurückbleiben, es könnte also auch kein Friede abge-
schlössen werden und der Krieg müßte nothwendig zu einem
Ausrottungskriege werden, es läge also zwar die Möglichkeit vor,
| daß der ewige Friede erreicht werde, aber auf dem Kirchhof.
Von Franz RühL 221
Sind nun durch die Präliminarartikel die Hindernisse des
ewigen Friedens beseitigt, so entstellt die zweite Frage: welche
positive Voraussetzungen sind zu seiner Durchführung erforder-
lich, wie wird er verwirklicht? Das festzusetzen ist die Aufgabe
der Definitivartikel.
Der erste von ihnen stellt die notwendige Beschaffenheit
der einzelnen Staaten an und für sich auf. Er lautet:
„Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll
republikanisch sein".
Dabei ist zu bemerken, daß Kant hier in die üble Gewohn-
heit andrer Philosophen verfallen ist, einen philosophischen Ter-
minus zu prägen, der in der Sprache des gewöhnlichen Lebens
zwar eine verwandte, aber doch eine wesentlich andere Bedeu-
tung hat. Es ist bekannt, welche Schwierigkeiten Aristoteles
seinen Auslegern durch eine neue Definition der die Staats-
formen bezeichnenden Eigenschaftswörter gemacht hat, die er
dann doch wieder auf die bestehenden Staaten anwandte; ähn-
lich steht es mit der Bepublik bei Kant. Ich muß es mir ver-
sagen, auf die Kantische Staatslehre im Allgemeinen einzugehen,
welche an offenbaren Widersprüchen krankt, die dem Philosophen
nicht entgangen sein können und welche er doch aller Wahr-
scheinlichkeit nach auch gelöst hat, ohne daß er sich freilich
für verpflichtet gehalten hat, diese Lösung Anderen mitzutheilen.
Für den vorliegenden Fall genügt die Bemerkung, daß Kant
unter Republik eine Staatsverfassung oder — wie er sich aus-
drückt — eine Begierungsart versteht, die nach den Principien
der Freiheit der Glieder einer Gesellschaft (als Menschen), nach
dem Grundsatz dar Abhängigkeit Aller von einer gemeinsamen
Gesetzgebung (als Unterthanen) und nach dem Gesetz der Gleich-
heit (als Staatsbürger) gestiftet ist und in der die gesetzgebende
Gewalt bei den Repräsentanten des Volks ruht, die regierende
(ausübende) aber von ihr getrennt ist. Eine solche Verfassung
nun setzt die Zustimmung der Staatsbürger zu dem Beschlüsse,
daß Krieg sein solle, voraus und da diese nun alle Drangsale
des Krieges über sich selbst beschließen müßten, so werden sie
222 Kant über den ewigen Frieden.
sich sehr bedenken, ein so schlimmes Spiel anzufangen, während
in einer nichtrepublikanischen Verfassung, wo das Oberhaupt
(oder die Oberhäupter) nicht Staatsgenosse, sondern Staatseigen-
tümer ist, dieses durch den Krieg an seinen Genüssen Nichts ein-
büßt, also den Krieg, wie eine Lustpartie, einen Sport, aus unbedeu-
tenden Ursachen beschließen kann. Das gilt natürlich auch da,
wo sich das Staatsoberhaupt als erster Diener des Staats fühlt
oder sich wenigstens dafür ausgibt. Wie viel mehr es von der
Tyrannis und dem Caesarismus gilt, hat Kant nicht erörtert,
denn in Staaten, in welchen die oberste Gewalt usurpirt worden
ist, herrscht nach seiner Auffassung Anarchie.
Gegen diesen ersten Definitivartikel ist eingewandt worden,
daß die Leidenschaften der Völker nicht minder zum Kriege
fuhren, als die ihrer Begierer. Insofern dabei die auf den Eigen-
nutz gebauten Leidenschaften in Betracht kommen, erledigt sich
das im Wesentlichen durch die Betrachtung der Präliminar-
artikel. Es erledigen sich aber dadurch auch die mehrfaoh vor-
gebrachten Beispiele von rein idealen Antrieben der Völker zum
Kriege. Man hat angeführt, daß im Jahre 1794, also ein Jahr
vor dem Erscheinen von Kant's Schrift, das spanische Volk seine
"Regierung wider ihren Willen in den Krieg mit dem königs-
mörderischen Frankreich getrieben habe. Damit hat es aber
ohne Frage den fünften Präliminarartikel verletzt. Man könnte
den Krieg Frankreichs zu Gunsten Amerikas gegen England an-
führen; dieses Beispiel beweist nur die Unentbehrlichkeit des
zweiten Präliminarartikels, da der englische Staat ein Besitz-
recht auf den amerikanischen, der kein Theil des englischen war,
behauptete und kann höchstens dazu führen, diesem Artikel eine
etwas weitere Fassung zu geben; man könnte die Unterstützung
der Griechen durch die Nationen Europas anführen, aber die
Türkei war und ist keine Republik, es würde sonst der griechische
Aufstand nicht ausgebrochen sein. Vielleicht ist es nicht über-
flüssig, zu bemerken, daß Kant nicht geglaubt hat, irgend einen
der ihm bekannten Staaten als eine Bepublik anerkennen zu
müssen.
Von Franz Rühl. 223
Nun stehen aber die Staaten als solche einander immer
noch im Naturzustande gegenüber und auch ein in der Bepublik
lebendes Volk wird zum ewigen Frieden nur geneigt sein, ihn
sich nicht sichern können, da es nicht sicher vor einer Streitig-
keit mit einem andern Volke ist. Der Proceß der Staaten
unter einander aber ist der Krieg, da sie einen über ihnen
stehenden Richter mit Bücksicht auf ihre Souveränetät (oder,
wie Kant sagt, Majestät) nicht anerkennen können. Um aus
diesem Zustande herauszukommen, können sie nicht ebenso ver-
fahren wie die Einzelnen, welche den Staat gründen wollen, da
sie sonst ihre selbständige Existenz aufgeben müßten, was, wie
früher gezeigt, ebenso unzweckmäßig als unmöglich sein würde:
es muß also als Surrogat des unmöglichen Völkerstaates ein
Völkerbund, ein Friedensbund treten, der lediglich auf Erhal-
tung und Sicherung der Freiheit der verbündeten Staaten aus-
geht, ohne daß diese sich doch deßhalb öffentlichen Gesetzen
und einem Zwange unter denselben zu unterwerfen brauchen.
Also heißt der 2. Definitivartikel:
„Das Völkerrecht soll auf einen Föderalismus freier
Staaten gegründet sein",
und die Föderation entscheidet dann natürlich nach Grundsätzen
der Vernunft die zwischen ihren Gliedern entstehenden Streitig-
keiten.
Gegen diesen Artikel ist eingewandt worden, daß es doch
jedem Staate unbenommen bleibe (und bei der von Kant an-
genommenen Böswilligkeit der menschlichen Natur wäre der
Fall garnicht so unwahrscheinlich), einen der aufgestellten
Friedensartikel zu verletzen oder gar einen anderen Staat mit
Krieg zu überziehen; er könne dann nur mit Gewalt zur Beob-
achtung der Bedingungen des Friedensbundes gezwungen wer-
den, also nur durch Krieg, und damit habe dann der ewige
Friede ein Ende. Diesem Einwände ließe sich entgegensetzen,
daß ja auch der Staat denjenigen, welche seine Gesetze ver-
letzen, Uebel zufüge, zu deren Beseitigung grade der Staat ge-
stiftet sei, wodurch die Rechtsordnung doch nicht gestört, son-
224 Kant über den ewigen Frieden.
dem im Gegentheil aufrecht erhalten werde. Allein das würde
nicht im Sinne Kant's geurtheilt sein, da der Begriff des Staats
eben die Existenz von Gesetzen, die über demselben stehen und
einen Zwang zur Innehaltung derselben ausschließt. Vielmehr
ergibt sich, so weit ich sehe, die Lösung der Schwierigkeit auf
eine andere Weise. Der Staat, welcher die Grundlagen des
Friedensbundes verletzt, scheidet dadurch von selbst aus diesem
aus. Damit ist jede Verbindung mit den andern Staaten ab-
gebrochen, er ist vollkommen isolirt, und die andern Staaten
haben die Mittel in der Hand, ihre Unterthanen zu zwingen,
diese Isolirung in keinem einzelnen Punkte aufzuheben. Wenn
es aber schon gegenwärtig kaum für einen einzelnen Staat mög-
lieh ist, in solcher Isolirung weiter zu leben, so wird das bei
der Stufe der Cultur und des gegenseitigen Verkehrs, welche
der Friedensbund voraussetzt, vollends unmöglich sein und der
bundbrüchige Staat wird durch die Größe der Uebel, welchen
er sich aussetzt, ganz von selbst gezwungen sein, sich dem
Bunde wieder einzufügen.
Nun bleibt noch ein Einwand übrig, der neuerdings dahin
formulirt worden ist, daß der ewige Friede eine im Wesentlichen
gleichartige Cultur voraussetze, was mit den unzweifelhaftesten
Ergebnissen der Geschichte im Widerspruch stehe. Auch die
Völker erreichten, wenn sie überhaupt zu einer normalen Ent-
wicklung gelangten, in allmälich aufsteigender Linie die Höhe
ihrer Kraft, um nach deren Ueberschreitung zu altern und zu
verfallen, endlich zu sterben und in neuen Bildungen aufzugehn.
Verfallende Völker aber sänken zu einem Zustande herab, welcher
sie den noch kräftigen Völkern als leichte Beute überliefere, ja
diesen unter Umständen die Notwendigkeit der Eroberung auf-
zwinge, denn jeder Staat habe das Recht und die Pflicht, sich
vor den übeln Einflüssen eines in seiner unmittelbaren Nähe
verwesenden Organismus zu schützen. Die letztere Behauptung
gehört, wie ich fürchte, zu den Wendungen, mit welchen Diplo-
maten die Gewaltthaten ihrer Herren zu beschönigen pflegen;
Kant hat sie bereits durch die Erläuterungen zum fünften Präli-
Von Franz Rühl. 226
minarartikel abgewiesen. Was aber das angebliche geschichtliche
Gesetz betrifft, so wäre denn doch eine scharfe Definition des Be-
griffs „Verfall" in seiner Anwendung auf Völker und Staaten
und eine Untersuchung der Ursachen des Verfalls zu wünschen.
Daß dagegen beständig neue Bildungen auch von Völkern und
Staaten entstehen müssen, folgt allerdings aus der von Kant an-
genommenen unendlichen Perfectibilität des menschlichen Ge-
schlechts und daß ein Volk, das in der Krisis einer solchen Um-
bildung begriffen ist, Andere als eine leichte Beute zum Angriff
reizen kann, ist unleugbar.
Aber dem soll, so viel ich sehe, der 3. Definitivartikel
vorbeugen:
„Das Weltbürgerrecht soll auf Bedingungen der all-
gemeinen Hospitalität eingeschränkt sein".
Dadurch wird, nach der positiven Seite, das Recht eines
Fremdlings begründet, wegen seiner Ankunft auf dem Boden
eines fremden Staates von diesem nicht feindselig behandelt
zu werden, aber nach der negativen Seite wird ihm das
Gastrecht bestritten, also das Recht zum dauernden Auf-
enthalte in einem fremden Staate. Und in der That sind
die Eroberungen von Ländern niederer Cultur dadurch in
die Wege geleitet worden, daß die Mitglieder der Staaten
höherer oder kräftigerer Cultur ein Recht zur dauernden
Niederlassung daselbst in Anspruch nahmen oder bewilligt er-
hielten. Kant führt das an einigen Beispielen näher aus und
macht dabei allerlei Bemerkungen über die Ergebnisse der Co-
lonialpolitik, von denen ich mich wundere, daß sie in diesen
Zeiten, wo das Für und Wider der Colonialpolitik so eifrig er-
örtert wird, noch von keiner Seite verwerthet worden sind.
In der zweiten Auflage seiner Schrift hat Kant noch einen
Zusatzartikel hinzugefügt, dahin gehend, daß
„die Maximen der Philosophen über die Bedingungen
der Möglichkeit des öffentlichen Friedens von den zum
Kriege gerüsteten Staaten zu Rathe gezogen werden
sollen".
226 Kant über den ewigen Frieden.
Es ist weder zu erwarten noch zu wünschen, sagt Kant,
daß Könige philosophiren oder Philosophen Könige würden,
weil der Besitz der Gewalt das freie Urtheil der Vernunft un-
vermeidlich verdirbt, und eben deßhalb sollen die Könige die
Philosophen hören. Was von Königen gilt, gilt auch von könig-
lichen, d. h. sich selbst nach Gleichheitsgesetzen beherrschenden
Völkern. Da man aber, wie Kant mit der feinen Malice be-
merkt, welche ihm so wohl steht und manchen seiner Schriften
einen so eigenthümlichen Beiz verleiht, der gesetzgebenden
Autorität eines Staats natürlicherweise die größte Weisheit
beilegen muß, so scheint es dem Ansehen derselben nicht zu
entsprechen, von den Philosophen, die doch ihre Unterthanen
sind, ßathschläge entgegenzunehmen. Deßhalb soll der Staat
sie stillschweigend dazu auffordern und dieser Artikel ein
geheimer sein. Die stillschweigende Aufforderung an die
Philosophen aber läuft darauf hinaus, daß man sie über die
Maximen der Kriegsführung und Friedensstiftung frei und
öffentlich reden läßt; sie werden es dann schon von selbst nicht
an sich fehlen lassen. Der Artikel ist also im Grunde, wie mir
scheint, zugleich eine Abweisung derjenigen Ausartung der
Vaterlandsliebe, für welche sich in diesem Jahrhundert der Aus-
druck Chauvinismus ausgeprägt hat.
Die Idee des ewigen Friedens ist, wie wir gesehen haben,
chiliastisch, sie gehört zu den Zielen der Entwicklung des
Menschengeschlechts, es fehlen ihr gegenwärtig alle Vor-
bedingungen, vor Allem die der Existenz einer Weltgeschichte,
und ich fürchte, allzu sanguinisch gewesen zu sein, wenn ich
vor Jahren*) den Zeitraum, der uns von dem Beginn der Welt-
geschichte trennt, bloß auf mindestens ein Jahrtausend veran-
schlagt habe. Innerhalb der einzelnen Culturkreise aber, deren
Geschichte sich jetzt abspielt, ist eine immer weitergehende An-
näherung an den ewigen Frieden nicht nur erstrebenswerth,
sondern auch möglich, und er wird hier durch dieselben Mittel
*) Nord und Süd Band XIII. S. 363.
Von Franz Bühl. 227
zu Stande kommen, wie dereinst für die Menschheit. Als diese
Mittel aber betrachtet Kant zwei, die an sich mit der Gerechtig-
keit Nichts zu thun haben, die aus der menschlichen Selbstsucht
entspringen, deren sich aber die Natur bedient, um das von ihr
gewollte Ziel zu erreichen. Das ist einmal der Krieg selbst,
welcher die Menschen nicht nur zur Verbesserung ihrer Staats-
verfassungen zwingt, sondern auch den einzelnen Staaten in ihren
Beziehungen zu einander den Begriff des Rechts aufnöthigt,
gleichwie die Uebel, welche mit dem Zustande der Wildheit
verbunden sind, zur Begründung der bürgerlichen Gesellschaft
geführt haben. Das andere Mittel ist der Handelsgeist, der
früher oder später sich jedes Volkes bemächtigt und der mit
dem Kriege nicht auf die Dauer zusammen bestehen kann,
wenn es auch zuweilen der Krieg ist, welcher den ersten Ver-
kehr zwischen zwei Völkern anbahnt.
Es würde nun wohl nicht gegen den Sinn des großen
Weisen sein, wenn ich jetzt den Versuch machen wollte, zu
untersuchen, ob und inwiefern sich die Völker des europäischen
Culturkreises in dem abgelaufenen Jahrhundert dem Ideale des
ewigen Friedens genähert haben. Ich möchte glauben, daß
trotz aller Erscheinuugen, welche für das Gegentheil zu sprechen
scheinen könnten, das Ergebnis einer solchen Untersuchung
kein ungünstiges sein würde, und vielleicht würde sich aus der
geschichtlichen Betrachtung noch das eine oder andere Moment
ergeben, welches zu einer schärferen Bestimmung einzelner
Artikel des ewigen Friedens führen könnte. Allein solche Aus-
führungen würden nothwendig das Maß der Zeit überschreiten
müssen, welches bei dieser Gelegenheit dem Redner billig
verstattet werden kann.
Die Schotten und Engländer in Ostpreussen,
und die
„Brüderschaft Gross- Britannischer Nation44 eu Königsberg.
Von
Johannes Sembrzycki.
Bekanntlich ist die heutige deutsche Bevölkerung Ost-
preußens keine von Anbeginn einheitliche, sondern besteht aus
den Nachkommen von, den verschiedensten deutschen Stämmen
und Gegenden zugehörigen Colonisten und den germanisirten
Abkömmlingen von Polen, Litauern, Franzosen, Schweden,
Holländern und, nicht zum geringsten Bruchtheile, Schotten und
Engländern, deren es hier bereits im XVII. Jahrhundert eine
beträchtliche Anzahl gab. Sie gehörten fast ausschließlich dem
Kaufmanns- und Handels-, seltener dem gewerblichen Stande an
und waren namentlich in den Haupthandelsorten Königsberg,
Memel und Tilsit zahlreich, aber auch in allen kleineren Städten
der Provinz zu finden, wo sie öfters bald zu Ansehen und Ein-
fluß gelangten. So werden in Angerburg die Schotten Daniel
Wilson 1626 und George Wilson 1648, Thomas Hamilton
1647 und Wilhelm Anderson 1648 als Besitzer von Mälzen-
bräuergrundstücken erwähnt; der zuletzt Genannte wurde bald
Rathsverwandter (Mitglied des städtischen Rathscollegiums) und
sein Sohn Thomas Anderson (gest. 1710) sogar Bürgermeister,
welche Würde auch dessen Sohn Bernhard A. bekleidete
(H. Braun, Alte und neue Bilder aus Masuren, 1888; pag. 31).
In Barten befindet sich in der Kirche der Grabstein eines
Thomas Gordon aus Aberdeen, gestorben 1637 (Adolf Boetticher,
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Prov. Ostpreußen. Heft II.
Natangen. Kgsbg. 1892; pg. 25); in Marggrabowa lebte um
1670 ein schottischer Kaufmann Johann Bierell (Acten); der
reformirte Prediger Georg Douglas, 1758 bis 1772 in Jerichow,
Von Johannes Sembrzycki. 229
dann in Aschersleben, stammte aun einer schottischen Familie zu
Schippenbeil (Daniel Heinrich Hering, Neue Beiträge zur Gesch.
der Evangel. ßeformirten Kirche in den Preuß.- Brandenburg.
Ländern. I. Berlin 1786; pag. 166). Um nach "Westpreußen hinüber-
zugreifen, so lebte schon 1594 in Stuhm ein Schotte David
Trumb (nach Henneberger, Erklärung der preußischen größern
Landtafel oder Mappen. Kgsbg. 1595) und 1601 ein anderer,
Namens Steinson. Ferner finden wir 1640 in Christburg
einen Schotten Donalson (Schmitt, Geschichte des Stuhmer
Kreises, Thorn 1868; pag. 132—133) und in Strasburg 1635
einen Martin Donneelson, „civis Brodnicensis" (Zermann,
Chronik der Stadt Strasburg, Strasburg 1851; pag. 75).
Man ist geneigt gewesen, diese Einwanderung den politi-
schen und religiösen Verhältnissen in England und Schottland
nach Cromwells Tode und den Thronbesteigungen Karls II.
(1660) und Jacobs H. (löSö^ zuzuschreiben, und hat z. B. auf
die Cameronianer hingewiesen, die „schottischen Anhänger Crom-
well's, welche unter dem zurückgekehrten Könige Karl II. aus-
zuwandern besonders dringenden Anlaß hatten" (Max Büdinger,
Zeit und Baum bei dem indogerman. Volke; Sitzungsber. der
Philosoph.-histor. Classe der kaiserl. Akademie der Wissensch.
Wien 1881. Bd. 98, pag. 512 Anm.). Aus dem oben Angeführten
und den unten folgenden Notizen ist aber ersichtlich, daß die
Immigration von Schotten bereits weit früher stattgefunden hat.
Als ihre Ursachen sehe ich der Hauptsache nach das Bestreben
nach Erwerb durch den Handel an; für Westpreußen, im Be-
sonderen Danzig, verweise ich auch auf die Notiz bei M. Christoph
Hartknoch („Preußische Kirchen-Historia", 1686; pag. 721),
wonach in dem Kriege des Königs von Polen Stephan Batory
gegen die Danziger 1577 von den letztern ,,sieben hundert
Schotten angenommen, und ihnen, weil sie Eeformirt waren,
erlaubet worden, daß sie einen Prediger ihres Glaubens ge-
halten" etc. Viele von diesen werden gewiß im Lande geblieben
sein. — Daß in der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts auch
manche presbyterianisch gesinnte Engländer und wegen ihrer
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX. Hft 3 u. 4. 15
230 Die Schotten und Engländer in Ostpreußen etc.
politischen Ansichten verfolgte Schotten in Preußen, welches
ihnen durch ihre hier bereits befindlichen Landsleute bekannt
war, eine Zuflucht gesucht haben werden, läßt sich nicht be-
streiten; doch ist ihre Anzahl sicher eine im Yerhältniß zu den
durch ihren Handelsgeist hierher Verschlagenen nur kleine.
Es sind aber auch katholische Schotten, welche die Be-
drückungen um ihres Glaubens willen nicht ertragen konnten
und auswanderten, nach dem katholischen Theile Ostpreußens,
dem Ermlande, gekommen, und zwar weit früher als die der
gleichen Ursache wegen emigrirten Nonoonformisten (Presby-
terianer). Einen Beweis hierfür liefert die von Prof. Dr. Ditt-
rich in seinen „Beiträgen zur Baugeschichte der ermländischen
Kirchen" (Zschrft. f. d. Gesch. u. Alterthumskunde Ermlands,
Bd. VIII u. IX) mitgetheilte Gründungsgeschichte der Rochus-
kapelle zu Anisdorf (IX, pg. 432 — 434), die mit des Verfassers
eigenen Worten hier folgen möge: $,Als einst ein fremder Kauf-
mann, ein Schotte, des Weges von Guttstadt nach Wormditt,
wo damals viel Handel getrieben wurde, fuhr, hörte er, wie ein
am Wege in der Nähe von Arnsdorf pflügender Knecht ein
schottisches Lied sang. Verwundert hielt er an, rief den Pflüger
zu sich, und auf die Frage, wie derselbe denn in jene Gegend
verschlagen worden, erfuhr er von ihm, daß Meier, so hieß der
fremde Arbeiter, unter Königin Elisabeth (1558 — 1603; sie stellte
den protestantischen Ritus, unter Beibehaltung des bischöflichen
Systems, wieder her) wegen seines Glaubens aus der Heimath
geflohen und nun mit vielen andern nach Ermland gekommen
sei, wo er, aller Mittel bar, sich dazu habe verstehen müssen,
die ländlichen Arbeiten zu lernen, um als Knecht sein Brot zu
verdienen. Weil der Kaufmann aus der Art und Weise, wie
Meier seine Erlebnisse erzählte, sehr bald dessen hervorragende
Begabung erkannte, nahm er ihn mit sich und übergab ihn den
Jesuiten in Braunsberg zur weitern Ausbildung. Später wurde
der einstige Ackerer ein reicher Kaufmann. Aus Dankbarkeit
gegen Gott für die so glückliche Wendung seiner Lebens-
geschicke erbaute er im Jahre 1617 zu Arnsdorf (Kreis Heils-
Von Johannes Sembrzycki. 231
berg) eine dem hl. Rochus geweihte Kapelle, massiv mit acht
Fenstern und einem Dachthürmchen mit Glocke". — „Auf einem
schwarzen Marmorstein in der äußern Ostwand liest man die
Inschrift:
L M. I.
Famatus Ioannes Maier, natione
Scotus, Civis Brunsb., in pueris
Arensdorfii et Lauterwaldii serviens
ex voti causa hoc Sacellum
ad Dei omnipotentis gloriam
fundavit et exstruxit. Anno
salutis humanae 1617.u
Auch in der Matrikel des pästlichen Seminars oder Alumnats
zu Braunsberg finden sich Schotten und Irländer eingetragen
(Bibliotheca Warmiensis, I, pg. 170), welche dort zu Missionären
ausgebildet wurden. Dagegen hat die von einigen ermländischen
Adelsfamilien (z. B. v. Schau von v. Scheven, v. Hannemann
von Hammont) behauptete Abstammung von schottischem Adel
bisher noch durch nichts irgendwie belegt werden können; hi-
storisch steht nur das fest, daß es Mehlsacker, resp. Brauns-
berger Kaufherren und Stadtpatricier waren, die den polnischen
Adel erhielten und sich dann Güter kauften (Mittheilung des
Herrn Prof. Dr. Dittrich).
Im Allgemeinen waren diese Schotten und Engländer von
der eingeborenen Bevölkerung nicht gern gesehen und verschie-
denen Beschränkungen unterworfen. „Es ist bekandt", heißt
es in Bezug auf Königsberg in Acten aus dem Jahre 1819,
„daß zu damaliger Zeit (in der ersten Hälfte des XVIIL Jahrh.)
kein Britte sich hier possessionat machen, ja selbst nur unter
sehr beschränkten Verhältnissen des Handels wegen sich kurze
Zeit hier aufhalten konnte" und ebenda an anderer Stelle: „Es
ist be&andt, daß damals kein Ausländer, namentlich kein Britte
für eigne Rechnung hier Handel treiben konnte; und obgleich
viele dieser Nation des Handels wegen hieher kamen, so war
doch einem jeden die Zeit bestimmt wann derselbe wieder seine
15*
232 Die Schotten und Engländer in Ostpreußen etc.
Rückreise antreten musste". Nach der Landesordnung von 1640
durften die Schotten in den Städten nur auf Jahrmärkten ihre
"Waaren öffentlich und ungehindert feil halten, zu anderen Zeiten
nicht. In Rastenburg durfte kein Schotte das Bürgerrecht er-
werben ; über das daselbst von Joh. Starcovius gegen die Schotten
verbreitete Pasquill und den weiteren Verlauf dieser Sache ver-
gleiche man „Schaffens Chronik von Rastenburg. Mitgetheilt
von C. Beckherrn." Rastenburg 1889, pg. 10 sub annis 1611,
1612. In dem damals polnischen Westpreußen gebot das 1636
erneuerte Edict von 1552, „daß man nirgends, weder auf dem
Lande noch in den Städten die umlaufenden Schotten und an-
dere Paudelkrämer dulden oder leiden sollte", und auch in den
Ermländischen Landtagsabschieden werden die Schotten oft mit
Strafe bedroht.
Wer also von den Schotten und Engländern in Königsberg
und sonst in Ostpreußen ungehindert wohnen und seinen Ge-
schäften nachgehen wollte, mußte sich entschließen, hier das
Bürgerrecht zu erwerben und sein Vaterland gegen die neue
Heimath in Preußen zu vertauschen.
Die Ursachen dieses Verhaltens gegen die Schotten und
Engländer waren hauptsächlich : die fühlbare Concurrenz, die sie
den einheimischen Kauf leuten durch ihre durchschnittliche Wohl-
habenheit und Intelligenz machten, und ihre Zugehörigkeit zum
reformirten Glauben, der in dem streng lutherischen Ostpreußen
und dem ganz katholischen Polen damals völlig gleiche Be-
schränkungen und Zurückweisungen erfuhr.*) In der That
würde auch die reformirte Lehre ohne diese Ausländer in Ost-
preußen kaum für die Dauer haben Wurzel fassen können; die
ältesten, bereits im XVII. Jahrhundert entstandenen reformirten
*) Als Kurfürst Friedrich Wilhelm 1653 einen geschickten Schiffs-
zimmermann, Lubbert Harmens, aus Holland nach Königsberg berief,
wo derselbe Fregatten und Kriegsschiffe baute, wollte man ihn seiner Religion
wegen nicht dulden, „und kaum vermochte ihn ein höchstes Patent, so ihn
zum Churfurstl. Schiffszimmermann erklärete, zu schützen" (Bock, Versuch
e. wirthschaftl. Naturgesch., I, pg. 667).
Von Johannes Sembrzycki. 233
Gemeinden Ostpreußens verdanken sämmtlich ihr Ent- und Be-
stehen in erster Linie den Schotten, Engländern und Holländern,
welche sich an den betreffenden Orten aufhielten. Zu Memel
bestand schon vor 1640 eine kleine durch Wendelin von
Rodem eine Zeit lang pastorirte reformirte Gemeinde, unter
deren Mitgliedern die Namen Barclay, O'Gilvie oder Ogilvie,
Fenton vorkommen, und die 1685 in einer Bittschrift an den
Kurfürsten sagt „coetus noster evangelicus reformatus consistit
ex Hollandis et Scotis". — Aus Engländern und Schotten setzte
sich ferner die Gemeinde zu Tilsit zusammen, welche auf Be-
treiben des schottischen Kaufmanns Wilhelm Ritsch 1679 in
der Person des von schottischen Eltern zu Königsberg geborenen
Alexander Dennis ihren ersten Prediger erhielt und 1711
von dem schottischen Kaufmanne Johann Irwing mit einem
Legate von 42,000 Fl. bedacht wurde (Hering, Neue Beiträge etc.,
I, pg. 307—309; 319—322). — Die reformirte Gemeinde in
Inster bürg, welche 1702 ihren ersten Prediger erhielt, bildete
sich anfänglich durch Schotten, welche sich des Handels wegen
in Insterburg niederließen (Harnoch, Chronik und Statistik der
evang. Kirchen in den Prov. Ost- und Westpreußen, Neiden-
burg, 1890; pg. 561 nach Hennig, Beschreibung der Stadt Inster-
burg). — Die Gemeinde zu Pillau reicht in ihren ersten An-
fängen ebenso wie die Memeler bis über das Jahr 1640 zurück,
erhielt ihren ersten Prediger aber erst 1681. Derselbe hieß
Abraham Buets, stammte aus Amsterdam und predigte nur
holländisch; er starb 1712. Anfänglich war er bei den Holländern
der zu Pillau stationirten kurfürstlichen Marine „Sieckentröster"
gewesen, woraus, wie Hering anmerkt, bei Arnoldt (Kurzgefaßte
Kirchengesch. des Königreichs Preußen, Königsberg 1769; pg. 573)
durch einen Druckfehler „Steckentröster" geworden ist. —
In der schon in Westpreußen liegenden Stadt Elbing wurde
bereits 1680 durch die dortige Handelsgesellschaft der Eng-
länder*) eine reformirte Gemeinde gestiftet, unter deren Predigern
*) Werthvolle, wenn auch fast ausschließlich commercielle Nach-
richten über dieselbe giebt F. Neumann in seinem Aufsatze „Die englische
234 Die Schotten und Engländer in Ostpreußen etc.
Richard Pernham and der zu Edinburg geborene, berühmte
Johann Duräus (1628—1630) genannt werden (Rhesa's Presby-
terologie von Westpreußen, pg. 169, und Hering, Neue Bei-
träge etc. I, pg. 369 ff.), und die, nach der 1628 durch den Neid
der Danziger bewirkten Aufhebung der englischen Societät durch
Reichstagsbeschluß, 1661 — 1663, ebenso wie in dieser Zeit Memel,
von Königsberg aus durch Wendelin von Rodem vierteljährlich
versorgt wurde. Die unter den Elbinger Patriciern vorkommen-
den Namen Ramsey, Roule, Rupson (Altpreuß. Monats-
schrift, VI, pg. 337) gehören Mitgliedern der „englischen Ostsee-
Compagnie" an.
Daß in Königsberg bei Begründung der reformirten Ge-
meinde diese zum überwiegenden Theile aus Ausländern be-
standen habe, geht aus dem Umstände hervor, daß unter den am
28. October 1646 in ihr Amt eingeführten ersten Kirchenvor-
stehern sich drei Engländer, die Kaufleute Joseph Winde,
Johann Gordon und Johann Davisson, zwei Holländer, der
Kaufmann Siebrandt Ottson Born und der Seefahrer Peter
Andresson, und nur zwei Deutsche, der kurfürstliche Kanzlei-
verwandte Oswald Hesse und der kurfürstliche Münzmeister
Daniel Koch, befanden (Hering, Neue Beiträge I, 283). An-
fänglich theilte sich auch die Gemeinde in vier Nationen: die
schottische, englische, holländische und deutsche (Hering, 1. c.
pag. 285); später aber, wie es scheint, nach 1706, als die beiden
Reiche England und Schottland zu einem gleichförmigen Staats-
körper vereinigt worden waren, schlössen sich auch die beiden
ersten, wenn auch als Unterabtheilungen wohl noch bestehen
bleibend, zu einer „Brüderschaft Hochlöblicher Groß-
Britannischer Nation" zusammen, welche wie jene stets
zwei durch förmliche Vollmachten beglaubigte Vorsteher und
Geschäftsträger, sogenannte Aelterleute, hatte, die dauernd in
Königsberg wohnten und die Gerechtsame und Interessen der
Handels-Societät. Mittheilungen aus Elbing's Vorzeit." N. Pr. Prov. Bl.
1857. XII pg. 141-148.
Von Johannes Sembrzycki. 235
hier aufhaltsamen und zureisenden Engländer und Schotten
wahrzunehmen verpflichtet waren. Ein Ausfluß de» durch die
genannten Vereinigungen rege erhaltenen Zusammengehörigkeits-
und Nationalgefühls war der im XVII. Jahrhundert zweimal
geäußerte Wunsch, einen der englischen Sprache mächtigen
Prediger zu besitzen. Zum ersten Male thaten sie 1679 Schritte
deswegen, erhielten aber eine absohlägliche Antwort (Hering,
Neue Beiträge etc. I, 285); im Jahre 1685 erneuerten sie jedoch
ihre Bitten und drangen diesmal durch. Nach den Acten hier-
über, die noch erhalten sind, erging am 14. November 1685 ein
Schreiben der Ostpreußischen Regierung an die drei reformirten
Hofprediger Schlemüller, Blaspiel und Bergius, wonach der Kur-
fürst auf Ansuchen einiger in Königsberg lebenden englischen
Familien die Abhaltung des Gottesdienstes in ihrer Sprache
„und dessen völliges exercitium, sambt allen dazu gehöhrigen
actibus catechisationis, visitationis der Krancken, administra-
tionis des Heyligen Nachtmahls auch der Heyligen Tauffe und
andern dergleichen Geistlichen Uebungen" auf dem großen refor-
mirten Schul- oder Predigt-Saal im Schlosse durch Rescript de
dato Cöln an der Spree, 4. Septbr., gestattet habe, und sie daher
den präsentirten Prediger M. Jacob Brown examiniren möchten.
Einige Zeit darauf erfolgte die Antwort der Prediger und
Aeltesten der reformirten Gemeinde, wonach Brown schon vor
einigen Jahren von ihnen ein Zeugnifl über seine Orthodoxie
„in Sachen zur Seeligkeit gehörig" und seinen untadelhaften
Wandel ausgestellt worden sei; er sei jedoch „in Sachen, den
äußerlichen Gottesdienst und die Kirchenordnung angehend, un-
richtig befunden". Bald nach seiner ersten Ankunft 1658 oder
1659 habe er „conventicula angefangen" und, als ihm dies unter-
sagt worden, zwar die Stadt verlassen, aber nur, um von Zeit zu
Zeit besuchsweise wiederzukommen und seine Conventicula fort-
zusetzen. Es werden nun seine „nach quäkerey übel riechende
irrungen" angeführt, unter denen die hauptsächlichsten sind : Kinder
sollten nicht beten, weil sie es nicht verständen; man solle nicht
die in Büchern enthaltenen Gebetformeln gebrauchen, sondern
236 Die Schotten und Engländer in Ostpreußen etc.
aus dem Geist beten; die Fest- und Feiertage seien voller Aber-
glauben und Abgötterei und sollten nicht heilig genannt werden;
der Gesang in der Kirche dürfe nicht mit Orgel und Musik-
instrumenten begleitet werden. Zum Schlüsse wird noch gesagt,
es seien nur drei Personen englischer Nation, ein Mann und
zwei Frauen, der deutschen Sprache gar nicht kundig, jedoch
auch beflissen, sie zu lernen, und die Bitte um Aufhebung des
kurfürstlichen Rescripts ausgesprochen. Da jedoch eine von
Brown abgegebene schriftliche Erklärung, er wolle sich nicht
nur in der Lehre, sondern auch in den Ceremonien den in
Königsberg geltenden Vorschriften conform bezeigen, dem Kur-
fürsten eingereicht wurde, so erließ letzterer, de dato Potsdam
17. December 1685, den erneuten und gemessenen Befehl, Brown
ohne Widerrede zur Ausübung des Predigtamts in Königsberg
zuzulassen, was den reformirten Hofpredigern am 8. Januar 1686
durch die Ostpreußische Regierung mitgetheilt wurde. Ob nun
Brown, der, wie aus einem der Schriftstücke hervorgeht, damals
zu Danzig öffentlich und mit Beifall in englischer Sprache
predigte, wirklich nach Königsberg gekommen sei, oder nicht,
und wie seine späteren Schicksale sich gestaltet haben, darüber
findet sich merkwürdigerweise nicht die kleinste Notiz; es steigt«
unwillkürlich der Verdacht auf, als hätten die Hofprediger das
ihnen unbequeme Edict verheimlicht oder doch irgendwie hinter-
trieben. — Die Schotten und Engländer scheinen auch sonst zu-
weilen in kirchlicher Hinsicht etwas abweichende Meinungen
gehabt zu haben; als der Hofprediger Schlemüller am 3. Advents-
sonntage 1653 predigte, fiel ihm der schottische Major Wilhelm
Rowe ins Wort und widersprach. Schlemüller „wußte nicht,
was ihm geschah; und schwieg eine Weile stille. Als er aber
vernahm, daß es eines Menschen, und zwar des vorerwähnten
Mannes Stimme war, dessen Worte er doch nicht verstehen
konnte: so wieß er ihn mit Zach. 3, 2 ab, und fuhr darauf in
seiner Predigt fort. Rowe aber ward von der Obrigkeit be-
straft" (Hering, N. B. I, pag. 288—289). An allen Bestrebungen
jedoch, welche zum Wohle der Gemeinde unternommen wurden,
Von Johannes Sembrzycki. 237
nahmen Schotten und Engländer stets den regsten Antheil. So
haben sich drei Schotten: Thomas Herwie, Francis Hay und
Carl Ramsay, um den Bau der Burgkirche ganz besondere Ver-
dienste erworben. Der erste, geboren zu Aberdeen am 1. Mai 1621,
ließ sich in Königsberg, wo er die Kaufmannschaft erlernt hatte,
1656 häuslich nieder und starb am 24. Jan. 1710 als Vorsteher
der reformirten Gemeinde. Man that bei seinem Tode das Be-
kenntnis: „wer weiß, ob ohne seinen Eifer wir diesen Tempel
in dem Stande würden gesehen haben, in dem er jetzt ist". Er
förderte auch die Erbauung des Wittwenhauses durch beträcht-
liche Geldvorschüsse und soll den Leichenwagen der Gemeinde
beschafft haben. Auch literarisch war er thätig; er übersetzte
Sam. Rhetorfort's Briefe ins Deutsche und ließ sie auf seine
Kosten 1682 in 12° zu Königsberg drucken (D. Daniel Heinrich
Araoldt, Zusätze zu seiner Historie der Königsbg. Universität,
Kgsbg. 1756; pg. 148, und Hering, Neue Beiträge etc. I,
pg. 277 —278). Die beiden andern Männer brachten 1697 in
Schottland zu dem Bau der Kirche eine Collecte von über
4000 Thalern zusammen; um sich dafür den Schotten dankbar
zu erweisen, wurden ihnen nach Vollendung des Baues die 14 vor-
deren halben Bänke gegen Erstattung des Tischlerlohns im Be-
trage von 224 Fl. für sich und ihre Nachkommen zu völlig
freier Disposition übergeben, worauf sie von den Schotten mit
grünem Tuch ausgeschlagen und gepolstert wurden (das Tuch
kostete über 347 FL, und zum Polstern der Sitze wurden 3 Stein
40 Pfd. Elenshaar im Betrage von 10 Fl. verbraucht). Vorn an
der ersten der mit „S. B.u (Schottische Bänke) bezeichneten
Bänke wurde ein Wappenschild mit dem schottischen Löwen
angebracht, das erst in der Franzosenzeit, als die Kirche als
Lazareth dienen mußte, verschwand. Sechs Angehörige der eng-
lischen Nation (Barker, David Barclay, Bernadiston, Booth, Ed-
ward Collins, Nettelton) erkauften dann 1715 noch eine Bank,
die sogenannte englische, welche mit dem großen britischen
Wappen geziert wurde. Da die Schotten über ihre Bänke in-
dessen nichts Schriftliches besaßen, mußten sie 1739 zwei wieder
238 Die Schotten und Engländer in Ostpreußen etc.
abtreten, wogegen sie 1761 eine Verschreibung über die übrigen
zwölf erhielten, wonach sie dieselben für sich und ihre Nach-
kommen erblich und frei von Bankenzins zur beliebigen Be-
nutzung erhielten. Nach den Statuten der Brüderschaft wurde
von den Miethern der Bänke ein einmaliges Einkaufsgeld von
12, später meist nur 6 Fl. erhoben. Die hierdurch einkommen-
den Beträge bildeten seit 1766 mit den unter den Reformirten
englischer und schottischer Abkunft gesammelten Collecten und
milden Beiträgen und den Zinsen eines Capitals von 2000 Fl.
die Einkünfte der Armen-Kasse der Brüderschaft, aus welcher
verunglückte Schiffsleute und bedürftige Durchreisende, sowie
hier wohnhafte Arme ihrer Nation unterstützt und in zwei be-
sonderen Zimmern des königlichen Großen Hospitals unterhalten
und verpflegt wurden. Auch gehörten der Brüderschaft die
zwei sogenannten schottischen Gewölbe auf dem reformirten
Kirchhofe.
Die in Königsberg ansässigen Mitglieder der Brüderschaft
genossen vielfach sowohl in der reformirten Gemeinde, innerhalb
deren sie oft Aemter und Vertrauensstellungen bekleideten (Col-
lins war im XVIII. Jahrh. über 50 Jahre lang Kirchon Vorsteher),
als unter der Bürgerschaft großes Ansehen; der aus Schottland
eingewanderte Arzt Dr. George Motherby erwarb sich beson-
ders durch sein Impfverfahren einen solchen Ruf, daß der Con-
sistorialrath Friedr. Samuel Bock im Jahre 1770 ein besonderes
Schriftchen „Von der vorzüglichen Geschicklichkeit des Herrn
George Motherby Med. Doct. bey Einpfropfung der Pocken, er-
theilet aus eigener Erfahrung an seinem Kinde sichere Nach-
richt" etc. (Kgsbg. 1770, 4°, 8 pg., cf. Pisanski, Literärgesch.,
Kgsbg. 1886, pg. 626) herausgab, an dessen Schlüsse er „die
nahe Abreise des Herrn Dr. Motherby" erwähnt. Zwar meint
er, es sei „zu dessen Wiederkunft einige Hofnung vorhanden",
jedoch findet sich nichts darüber, daß dieselbe wirklich erfolgt
sei. — Unter den Kaufleuten ist besonders Green, der Freund
Kant* s, bemerkenswert!], welcher im vorgerückten Alter sich
mehr und mehr einem zurückgezogenen Leben und der Leetüre
Von Johannes Sembrzycki. 239
englischer Bücher über Erfindungen und Entdeckungsreisen hin-
gab und sich daher durch einen in seinem Geburtsorte Hüll
wohnenden Geschäftsfreund einen tüchtigen Gehülfen in der
Person von Robert Motherby kommen ließ, der als achtzehn-
jähriger Jüngling, ohne ein "Wort deutsch zu können, nach
Königsberg kam, das Geschäft Greens in die Höhe brachte,
Associe wurde und es endlich selbst übernahm. Aus seiner Ehe
mit der Französin Charlotte Toussaint entstammten elf Kinder;
alle redeten früh mit Geläufigkeit englisch, französisch und
deutsch, und jeder der Söhne mußte eine Zeit in England zu-
bringen. Der eine derselben, William Motherby, geboren
9. Decbr. 1776 zu Königsberg, studirte daselbst Medicin, pro-
movirte in Edinburg 1797 und wurde bald ein beliebter Arzt
in seiner Vaterstadt. Wie Dr. George M. die Impfung über-
haupt, so führte er die Kuhpockenimpfung in Königsberg ein
(die Lymphe dazu hatte er aus Edinburg mitgebracht) und gab
im Jahre 1801 zu deren Vertheidigung zwei in Königsberg bei
Degen gedruckte Schriftchen heraus: „Ueber Kuhpockenimpfung"
(8°, 16 pg.) und „Ehrenrettung der angeschuldigten Kuh-
pocken" etc. (8°, 15 pg.). Bei Einführung der neuen Städte-
ordnung wurde er Stadtverordneter, bewirthschaftete seit 1832
das Gut Arnsberg bei Creuzburg und starb 16. Januar 1847
(Gedächtnißrede auf ihn von A. Hagen, N. Pr. Prov. Bl. 1. c.
pg. 131 — 144). Von seinen litterarischen Arbeiten sind noch
erwähnenswerth eine Uebersetzung aus dem Englischen: „Ueber
die Vertiefung des Ackerbodens von Cuthbert William John-
son Esqu.", Kgsbg. 1841 (gr. 8°, 72 pg.) und „Ueber den Genuß
des Pferdefleisches", Kgsbg. 1841 (gr. 8°, 22 pg.). — Auch sein
Bruder Robert M., erst Kaufmann, dann Sprachlehrer, gest.
1832, war litterarisch thätig. Aus dem Englischen übersetzte
er „Die lustigen Weiber von Windsor" (Kgsbg. 1826; 8°, 184 pg.),
aus dem Italienischen „Geschichte der Liebe und des Todes von
Romeo und Julie" (Kgsbg. 1828; 8°, 71 pg.). Ferner gab er
heraus „Poket-Dictionary of the Scottish Idiom the signification
of the words in english and german chiefly calculated to pro-
240 Die Schotten und Engländer in Ostpreußen etc.
mote the unterstand of the works of Scott, Rob. Büros, Allan
Ramsay etc. with an appendix containing notes explicative
of Scottish customs, manners, traditions etc. (Kgsbg., Gebr.
Bornträger, Gr. 12°. Zwei Auflagen). Ein zweiter Bruder,
Joseph M., war Schiffsabrechner; bei ihm standen die
2000 Fl. der Großbritannischen Armenkasse. Er wurde 1819
fallit und erschoß sich am 2B. Februar 1820 (Acten). Der jüngste
Bruder John, geb. 16. Sept. 1784, wurde Regierangsrath in
Königsberg und starb als Laridwehrofficier beim Sturm auf Leipzig,
19. Octbr. 1813. — Was endlich den gewerblichen Stand
betrifft, so ist der englische Lohgerber Benjamin Dell
erwähnenswerth , welcher in Verbindung mit einem andern,
Namens Jean Jarvis, 1716 eine Fabrik englischen Leders in
Königsberg begründete, welche nach dem 1726 erfolgten Ver-
kaufe an die vier Schuhmachergewerke von den Engländern
John Sager (ging 1729 nach England zurück), Gabriel
Reith und Peter Breyerley (1737 bis 1742) geleitet wurde
(Bock, Versuch e. wirthschaftl. Naturgesch., V pg. 412 — 426).
Blieben nun auch die nach Ostpreußen, insbesondere Königs-
berg gekommenen Schotten und Engländer ihrer Nationalität
treu und in stetem Verkehr mit der alten Heimath (zahlreiche
Originalbriefe solcher Auswanderer des XVII. Jahrh. aus Memel,
Tilsit, Insterburg, Königsberg an die schottischen Behörden sind
in der großen Landesbibliothek zu Edinburg gesammelt; cfr.
Aufruf des Dr. Rieß in der ,,Königsb. Härtung. Ztg." 1884,
Nr. 234, Abend- Ausgabe), so germanisirten sich ihre Nachkommen,
wenn sie auch ihrer Abstammung eingedenk blieben, doch schnell,
da in der reformirten Schule, auf deren Besuch sie angewiesen
waren, die Unterrichtssprache die deutsche war. Hiergegen
scheinen die Schotten und Engländer nichts einzuwenden gehabt
zu haben; dagegen erhoben sie bei anderer Gelegenheit Be-
schwerde über die Schule. Im November 1699 nämlich klagten sie,
zum Theil wol auf Anregung ihrer Landsleute und Glaubens-
genossen im polnischen Litauen (über welche ich in einem
späteren Artikel ausführlichere Nachrichten bringen werde), die
Von Johannes Sembrzycki. 241
Schule, welche früher^einen solchen Ruf besessen habe, daß sie
sogar von Kindern aus Polen und Litauen besucht worden sei,
scheine desselben jetzt verlustig gegangen zu sein, da in ihr
keine auswärtigen Kinder mehr anzutreffen seien, ja sogar
Hiesige ihre Kinder aus derselben nähmen und nach anderen
Orten gäben; es möge daher außer andern geschickten Lehrern
besonders ein tüchtiger, in der polnischen Sprache wohl er-
fahrener Rector angestellt werden, dessen Stelle gerade vacant
sei. — Hiernach muß der bereits seit 1662 an dieser Schule an-
gestellte und seit 1668 als Rector amtirende Frensdorf 1699
gestorben sein; Hering (Neue Beitr. I, pag. 301, 303) theilt dar-
über nichts mit.
Wenn übrigens, wie oben gesagt, in der reformirten Schule
die Unterrichtssprache naturgemäß die deutsche war, so fehlte
es doch denen, welche englisch lernen wollten, nicht an Gelegen-
heit dazu. Der Professor Carl Heinrich Rappolt gab 1731
zu Königsberg ein Büchlein unter dem Titel „Joannis Wallis
tractatus de loquela seu sonorum formatione gramatico-physicus
et gramatica linguae Anglicanae per compendium edita, annexis
dictionis Anglicanae exemplis selectis" heraus, in dessen Vorrede
er die Methode angiebt „nach der er, mit Zuziehung dieses Büch-
leins den Unterricht in der engelländischen Sprache ertheilen wolle:
welches er auch nachher bis an seinen Tod gethan Die Wallissche
Grammatik selbst ist nachher in Königsberg einige mal nach
einander aus der Presse getreten" (Pisanski, 1. c, pg. 647).
Unter den wenigen reformirten Studenten der Königsberger
Universität (1744 waren es von 1032 Studenten nur 21; Pisanski,
1. c, pg. 472, Anm. 2) befanden sich auch öfters Söhne von
Angehörigen der Großbritannischen Nation. Samuel Kiuck, zu
Königsberg 1698 geboren, erwarb hier 1723 den mediciniscben
Doctorgrad, starb aber schon 1726 (D. Dan. Heinr. Arnoidts
Zusätze zu seiner Historie der Kgsbg. Univ., Kgsbg. 1756;
pg. 154). Wer von ihnen sich dem geistlichen Stande widmen
wollte, ging von Königsberg noch nach auswärtigen reformirten
Universitäten. Johann Wilhelm Thomson, geboren zu
242 Die Schotten und Engländer in Ostpreußen etc.
Königsberg 1704 als Sohn des damaligen Bectors der reformirten
Schule und späteren Hofpredigers Jakob Thomson, wurde
1732 Hofprediger in Königsberg und starb 21. Decbr. 1761;
seine Unterschrift in den Acten lautet übrigens „Thom Son".
David Herwie, geb. 1707 zu Königsberg, war erst reformirter
Prediger zu Wilhelmsberg, dann 1738—1775 zu Pillau. D. Wil-
helm Crichton, 1732 zu Königsberg als Bruderssohn des da-
maligen aus Insterburg gebürtigen Hofpredigers Wilhelm
Crichton geboren, studirte zu Königsberg und Frankfurt, wurde
später Hofprediger zu Königsberg und starb 1805.
Von den in Ostpreußen eingewanderten Engländern waren
übrigens einzelne nicht reformirt, sondern Anhänger der Hoch-
kirche und schlössen sich hier der lutherischen Kirche an, und
dasselbe geschah auch seitens einzelner schottischer Familien,
besonders in den kleinen Städten, wo jede Gelegenheit, refor-
mirtem Gottesdienste beizuwohnen, fehlte.
So war z. B. Georg Anderson, ein Sohn des zu Anfange
dieser Arbeit in Angerburg genannten Wilhelm A., lutherischer
Pfarrer zu Eosengarten bei Angerburg. M. Andreas Murray
aus Memel, der auch auf der Königsberger Universität einige
Zeit studirte, war in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
erster Pastor der deutschen Gemeinde zu Stockholm (Arnoidts
Historie der Kgsbg. Univ., Kgsbg. 1746, II, pg. 445 — 446).
David Sterling, geb. 21. Jan. 1712 zu Osterode in Ost-
preußen als Sohn eines Schotten, wurde 1740 zu Königsberg
als lutherischer Geistlicher ordinirt, war zuerst kurze Zeit Ad-
junct in Kruglanken und Diakonus in Hohenstein (Ostpr.), so-
dann Diaconus bei der ehemaligen protestantisch-polnischen
Kirche auf dem Steindamm zu Königsberg, als welcher er 1752
starb (Dr. R. Reicke, „Kantiana", S.-A., 1860; pg. 59, und Ar-
nolds Presbyterologie).
Vor Allem aber ist hier Kant zu erwähnen, dessen
schottische Abkunft durch seine eigene Aussage beglaubigt wird.
In dem Entwurf zur Antwort auf des schwedischen Bischofs
Jacob Lindblom (der Kant's Vater schwedischer Abkunft sein
Von Johannes Sembrzycki. 243
läßt) Brief heißt es: „Daß mein Großvater, der als Bürger in
der Preußisch -Littauischen Stadt Tilsit lebte, aus Schottland
abgestammt sei — ist mir gar wohl bekannt" (Schubert, XI, 1,
pg. 174). Ebenso schreibt Borowski (üb. Imm. Kant, Kgsbg.
1804, pg. 21): ,, Dieser {KanVs Vater) , wie sich Kant von ihm
gehört zu haben, oft erinnerte, stammte von Vorfahren her, die
in Schottland gelebt hatten. Er schrieb sich Cant: der Sohn
brauchte das K schon frühe in seinem Namen". Für die
Eichtigkeit dieser Angaben spricht die Thatsache, daß der Name
Cant im XVII. Jahrhundert in Schottland öfters vorkam und
noch heute dort vorkommt. Daß „von den drei Predigern,
welche am 20. Juli 1638 sich in der Begleitung Montrose's bei
dessen Einzug in Aberdeen befanden, einer Cant hieß", führt
Max Büdinger (,,Zeit und Schicksal bei Römern und Westariern",
Wien 1887; pg. 3 — 4, Anm. 2) nach „Rawson Gardiner, Fall
of the monarchy of Charles I; t. I, pg. 389, 161<l an; ein Brief
eines W. Cant, datirt ,,Lambeth, Nov. 15. 1639", findet sich
abgedruckt in „Macray, William Dünn, Annais of the Bodleian
Library" (1868; Appendix D, pg. 322); ein Andrew Cant junior
war 1673—1675 „minister of Trinity College Church, Edinb."
(H. Scott's Fasti Ecci. Scotianae, S. 32). „Daß noch gegen-
wärtig in der Umgegend von Aberdeen nicht wenige Familien
den Namen Cant führen", erzählt Friedrich Zöllner (Ueber
Wirkungen in die Ferne 288, Wissenschaftl. Abhandlungen I,
1878), wie Büdinger (1. c.) angiebt. — Kant's Großvater bereits
hatte sich in Memel, obwohl dort eine reformirte Gemeinde be-
stand, den Lutheranern angeschlossen, wie die Eintragungen in
den Kirchenbüchern der luther. Stadtkirche seit 1678 beweisen,
— so daß er oder sein Vater, wol kaum zu den Presbyterianern
oder Nonconformisten gehört haben wird. — Die vorstehenden
Mittheilungen über Kant verdanke ich Herrn Bibliothekar
Dr. R. Reicke.
Ob M. Matthias Friedrich Watson aus Königsberg,
welcher daselbst 1766 bis 1759 Professor der Poesie an der
Universität war und dann Schulrector zu Mitau wurde (Pisanski,
244
Die Schotten und Engländer in Ostpreußen etc.
1. c. 6B1, 708), lutherisch oder reformirt war, kann ich nicht ent-
scheiden, halte aber das letztere für wahrscheinlicher, da in
Mitau auch eine reformirte Gemeinde besteht, die 1701 fondirt
wurde, deren Anfinge aber bis 1642 zurückreichen, wo Herzog
Jacob, mit der Schwester des großen Kurfürsten vermählt, dieser
das Recht zugestand, einen reformirten Hofprediger halten zu
können, sowie daß an ihren Gottesdiensten auch sonst in Stadt
und Land vorhandene Reformirte Theil nehmen dürften (Dalton,
Urkundenbuch der evang.-reform. Kirche in Rußland, Gotha 1889;
pg. 116). Vielleicht war er ein Sohn oder Verwandter des
1708 vorkommenden Watson (siehe unten).
Schließlich will ich noch nach F. A. Meckelburg, „Ent-
wurf einer Matrikel des Adels in der Prov. Preußen", in den
N. Pr. Prov. BL, der v. Young, eines adligen Geschlechts eng-
lischen Ursprungs, auf Bartossen und Rogalicken (beide im
Kreise Lyck) Erwähnung thun (N. Pr. Prov. BL 1867. XI,
pg. 35). Erinnert sei hierbei an den reformirten Prediger
Wojciech de Young, Pole, 1717 zu Schwartow, Kreis Lauen-
burg in Pommern.
Ein Verzeichniß der aus den Acten mir bekannt gewordenen
reformirten Mitglieder der Brüderschaft Großbritannischer Nation
in den Jahren 1700 — 1740 lasse ich hier folgen (die oben schon
genannten ausgenommen) :
Ackerslot, Peter 1708.
Allan, George 1701.
Anderson, Fried. 1735.
Barclay, Wilhelm 1716.
Barnett, Joh.
Berendts, Jacob.
Birell, Lorenz 1701.
Coup er, Gilbert.
Craramond, David.
Craw, Francis.
Crayge, Gilbert.
Daniel, Nath.
Dogge.
Douglas, Joh. 1714; Daniel 1716.
Dunckam, Wilh. 1736, 1738.
Ferwahter, Carl.
Forbus.
Geren, Alex. (Green?) 1701, 1736.
G or d o n , George 1701 ; Wilhelm 1701 ;
Peter 1707.
Gray, Wilh. 1701; George 1701;
Alex. 1716.
Hunt er, Heinrich.
Innes, Peter.
Irwing, Joh. Albrecht 1701.
Earkettel, Alex. 1714.
Karr, Joh. 1726, 1735.
Kas.uh (?), David 1736.
Keliy, Joh. 1716.
Kieyth, Joh. 1716.
Von Johannes Sembrzycki.
245
Kiuck, Jacob u. 2 Söhne 1716.
Lamp.
Lessly, George 1701.
Leyel, Joh.
Liwingston, Robert 1701.
Loesekan.
Maclair, Robert.
Hill, Johann 1701; David 1701;
Andreas 1707.
Mitschell, Daniel 1701.
Mitschelhill, Jacob 1701.
Oufries.
Ouchterlounc, Hercules.
P an ton, Heinrich.
Payne, Daniel 1737.
Pekock, Martin.
Persode, Ludwig 1701.
Ramadye, Thomas 1701.
Renny, Jacob.
Rodet.
Ross, Joh. 1738.
Sarry (Sarcy?), Philipp.
Schluymer, Peter.
Spidman, Peter.
Stronoch, Rob. 1701.
Stuart, Thomas. 1716.
Thau, Joh.
Tewendeil, Wilh.
Trotter, Joh.
Turner, Carl 1735.
Watson 1708.
Watt, Wilh. 1708.
Walt, Alex.
Nachdem die Brüderschaft mit ihren Einrichtungen lange
Zeit bestanden, verfiel sie gegen Ende des vorigen und zu An-
fange des laufenden Jahrhunderts in Folge der veränderten
Zeitverhältnisse und der Kriege mit ihren Folgen. Im Jahre
1819 benutzten wirkliche britische Unterthanen die Bänke der
Kirche gar nicht mehr, ja unter den damaligen Sitzinhabern
führte nur der „Negotiantu Durham einen englischen Namen,
und als letzter Rest der Brüderschaft bestand nur noch die
Armen-Kasse unter der Verwaltung des alten Bankbuchhalters
Edward Collins (schon sein Vater hatte 1766 und noch länger
dies Amt bekleidet), welcher aus derselben sechs meist auch
schon sehr alten Personen groß -britannischer Abkunft (De-
moiselle Collins, Demoiselle Crichton, Jungfer Watson,
Wwe. Gessner, Wwe. Boltz, geb. Morrison, und Wwe. des
1806 zu Pillau verstorbenen reform. Predigers Schröder, geb.
Her wie) monatliche Unterstützungen im jährl. Gesammt-Betrage
von 288 Fl. zahlte. Das reformirte Kirchen- Collegium traf daher
mit ihm ein gütliches Abkommen, wonach Bänke und Kasse
mit 1. Januar 1820 in die Verwaltung desselben übergingen und
nur Collins die Benutzung seines Kirchensitzes in der englischen
Bank und die 6 von ihm unterstützten Personen ihre Beihülfen
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX. Hit 8 n. 4. 16
246 Die Schotten und Engländer in Ostpreußen etc.
ad dies vitae behielten. Schon vorher war 1819 das britische
Wappen von der engl. Bank entfernt und in die Sacristei ge-
stellt worden. So verschwanden die letzten Spuren der einst
zahlreichen „Brüderschaft Großbritannischer Nation".
Anhangsweise möchte ich noch folgender zwei fdr die Pro-
vinz wichtiger Männer Erwähnung thun:
John Prince-Smith, 1808 zu London geboren, kam wenig
über 20 Jahre alt als englischer Sprachlehrer nach Elbing, wo
er auch nach Aufgabe der Stelle nach 10 oder 12 Jahren blieb,
indem er sich mit nationalökonomischen Studien beschäftigte
und für den „Elbinger Anzeiger" eine Reihe von Artikeln über
die Quellen des „Pauperism" schrieb; später ging er nach Berlin,
wo er 1848 mit an der Spitze der radicalen „Abendpost" stand.
Nachher widmete er sich ganz volkswirtschaftlichen Studien
und starb zu Berlin am 3. Febr. 1874. („Altpr. Mschrfb.", XI,
1874, pg. 192.)
Alexander Jung, geboren zu Bastenburg am 28. März 1799,
sagt in seiner Selbstbiographie (N. Pr. Prov. Bl. 1857. XII,
pg. 94), daß sein Vater zwar ein Magdeburger war, seine Vor-
fahren väterlicher Seite jedoch aus England stammten.
Ebenso muß die „Pott-Cowle'sche Stiftung" zu Elbing
erwähnt werden, über welche die „Königsbg. Hartungsche Zeitung"
von 1892 in Nr. 11 das Folgende mittheilt: „Das Vermögen der
Stiftung beträgt nach dem heutigen Rechnungsabschluß 733566 Mk.
Die Kapitalien sind sämmtlich pupillarisch sicher untergebracht
und haften dafür 14 städtische Grundstücke und 27 Landgüter.
Die betheiligten Anstalten haben den vollen Betrag der ihnen
gebührenden Zinsen vom Stammkapital nach den Testaments-
bestimmungen erhalten und wurden die Unterstützungen an
Hausarme heute in gewohnter Weise verabreicht. Der Begründer
dieser Stiftung, Eichard Oowle, war ein früherer Kaufmann,
welcher in seiner kaufmännischen Thätigkeit in Libau, Memel
und London sehr vom Glück begünstigt wurde. Mit seinem
Schwager Pott zog er nach Aufgabe seiner geschäftlichen Thätig-
keit nach Danzig, doch verließen sie diese Stadt, als dieselbe
Von Jobannes Sembrzycki. 247
1807 durch französische Trappen in Besitz genommen wurde.
Jetzt sollte Königsberg (Ostpr.) zum Aufenthalte gewählt werden
nnd reiste Pott im Winter 1808/9 dorthin; jedoch konnte er
sich mit dem Magistrate von Königsberg nicht über die zu
leistenden Abgaben einigen, und es wurde deshalb Elbing zum
Wohnsitze gewählt. Das Testament wurde am 10. Januar 1821
geöffnet. Die Summe sämmtlicher Vermächtnisse betrug 17000Pfd.
Sterl. und 399850 Etl. preuß. Courant. Die Pott-Cowlesche
Stiftung in Elbing wurde mit 200000 Etl. begründet. Laut
Bestimmung des Begründers finden die Zinsen folgende Ver-
wendung: 1. die Zinsen von 50000 Etl. sollen jährlich ftir das
Industriehaus bestimmt bleiben. 2. Für das Krankenhaus die
Zinsen von 50000 EU. 3. Die Zinsen von 20000 Etl. wurden
an das Elisabeth-Hospital überwiesen und erhalten darin 10 alte
weibliche Dienstboten, welche wenigstens 10 Jahre bei ihrer
letzten Herrschaft treu und ordentlich gedient haben, unentgelt-
liche Aufnahme. 4. Die Zinsen von 10000 Etl. erhält das heil.
Leichnamshospital, von 5000 Etl. das George -Hospital, von
weiteren je 5000 Etl. das Pestbuden-, Konvent-, Pauperknaben-
und Kinderhausstift und eine neu zu errichtende Schule für
arme Mädchen. 5. Die Zinsen von 10000 Etl. sollen am 12. Januar
eines jeden Jahres (Geburtstag Pott's) in aller Stille an Haus-
anne vertheilt werden. 6. Die Zinsen von den übrigen 30000 Etl.
sollen zum Besten des Gymnasiums verwendet werden."
16*
Die Wappen der Städte Alt-Preussem
Von
C. Beckherr n.
(Mit 15 Tafein.)
Vorbemerkung. Zu dieser Arbeit sind betratst worden : Vossberg's Geschichte
der preussinchen Münzen und Siegel, desselben Siegel der Städte Danzig, Eibin g xl s. w.,
v. Werner's Poleographie, Hensohe's Wappen und Siegel Königsbergs, Weinreieh's
Dansiger Chronik, Wegner, ein pommersohes Hersogtham etc., Dlugoss's BanderU
Prutenorum und die von den Magistraten mehrerer Städte dem Verfasser eingesandten
Siegelabdrücke. Die Wappen der übrigen Städte, soweit sie nicht in den genannten
Werken enthalten, sind sowohl den Abbildungen als auoh den Beschreibungen nach
ans 8iebmacher's Wappenbuoh, Abtheilung Städtewappen, entnommen und ist dabei
zugleich auf einige Irrthümer hingewiesen worden, deren Vorkommen in einem po um*
fangreichen Werke kaum su vermeiden war. Vergleiche mit den alten Siegeln der
Urkunden konnten nur in einseinen Fällen vorgenommen werden.
Unter Alt -Preußen werden hier verstanden die jetzigen
Provinzen Ost- und Westpreußen unter Ausschließung der Städte
Kamin, Flatow, Zempelburg, Vandsburg, Jastrow, Krojanke,
Märkisch Friedland, Deutsch Krone, Schloppe, Tütz und Gurzno;
dagegen sind hinzuzuzählen die jetzt zu Pommern gehörenden
Städte Leba, Lauenburg und Bütow. Das so begrenzte Gebiet
ist das des alten Ordensstaates, dessen Städte in der überwiegend
größten Anzahl ihre Entstehung dem Deutschen Orden ver-
danken. Ein nicht unbeträchtlicher Theil ist von den unter
dem Schutze des Ordens stehenden preußischen Bischöfen ge-
gründet worden, ein kleiner Theil von den preußischen Herzögen
und ein ziemlich gleicher von den Königen. Es bleibt dann
noch eine kleine Anzahl von Städten, deren Gründung den
pommerellischen Herzögen, dem Adel, den Johannitern und den
Königen von Polen zuzuschreiben ist.
Diese Verschiedenheit des Ursprunges prägt sich auch in
den "Wappen der Städte aus, natürlich nur in denjenigen Gruppen,
Von C. Beckherrn. 249
welche eine größere Anzahl aufzuweisen haben. Die kenn-
zeichnenden Merkmale dieser Gruppen bestehen bei denen der
eigentlichen Ordensstädte in dem häufig vorkommenden Kreuze,
bald freistehend, bald in den Ordenswappenschild eingefügt, und
in der Figur der Jungfrau Maria oder derjenigen eines Heiligen,
bei denen der bischöflichen in der Mitra und dem Krummstabe.
Den Wappen der von den preußischen Herzögen gegründeten
Städte ist oft der hohenzollernsche Wappenschild oder der
brandenburgische Adler eingefügt, auch fällt bei einigen die auf
den oberen Schildesrand gesetzte Figur auf. Einige derjenigen
Städte, welche ihr Stadtrecht von den preußischen Königen er-
halten haben, führen in ihren Wappen neben andern Figuren
auch den nichtstilisirten (eigentlich nicht heraldischen) preußischen
Adler, ein Theil von ihnen besitzt aber noch kein Wappen,
denn der stilisirte preußische Adler, welchen sie allein in ihren
Siegeln führen, kann als solches nicht gelten.
Ein auffallender Umstand, welcher die Wapper des größten
Theiles der preußischen zum Hansabunde gehörenden Städte
betrifft, mag hier noch angeführt werden, nämlich das Vor-
kommen eines weißen Kreuzes in den Wappenschilden oder
Bannern Königsbergs, Elbings, Danzigs und Braunsbergs. Da
dieses Kreuz das Ordenskreuz nicht sein kann, welches schwarz
ist, liegt die Vermuthung nahe, daß dieses Zeichen zur Hansa
in Beziehung stehe; vielleicht hat es dieser Bund oder das Haupt
desselben, Lübeck, ehemals in der Flagge geführt. Das weiße
Kreuz haben auch Yegesack, entstanden im Gebiete der Hansa-
stadt Bremen, und Zwolle, ebenfalls zur Hansa gehörig.
Keine der vielen Hunderte älterer Urkunden, namentlich
die Gründungshan diäten der alten Städte, in denen man sie
am ersten zu finden erwarten sollte, enthält auch nur eine An-
deutung über die Verleihung eines Wappens an eine Stadt
seitens der Landesherrschaft; erst in den von den preußischen
Herzögen ertheilten Privilegien befinden sich zuweilen Wappen-
verleihungen an die von ihnen gegründeten Städte. Man darf
daher annehmen, daß die älteren Städte, als es bei ihnen Gebrauch
260 Di* Wappen der Städte Alt-Preußens.
wurde, wirkliche Wappen zu führen, in diese die von ihnen
selbst nach eigenem Belieben gewählten und als bleibende,
charakteristische Kennzeichen dienenden Figuren ihrer Siegel
aufgenommen haben. Diese Siegel enthielten bald« ein stilisirtes
Bild einer Stadt in Gestalt eines Thores oder einer Burg, bald
eine Anspielung auf den Namen - der Stadt, deren Lage, die
Beschaffenheit des Geländes, in dem der Ort entstand, oder die
Hauptbeschäftigung ihrer Bürger, bald ein nicht mehr zu deuten-
des Symbol, welches wohl meistens zu irgend einem Ereigniß
aus ihrer geschichtlichen Entwickelung in Beziehung stehen
dürfte. Auch die Bildnisse der Gründer der Städte oder Theile
von deren Familienwappen waren zuweilen in die Siegel auf-
genommen. Von einigen Städten findet man auch schon aus
früher Zeit stammende Siegel, in denen die Figuren nicht mehr
frei in dem runden Siegelfelde stehen, sondern in einen be-
sonderen Schild eingefügt sind, woraus ersichtlich ist, dati sie
schon als wirkliche Wappen gelten sollten.
Aus der angegebenen Entstehungsweise der Städtewappen
läßt es sich erklären, weshalb ihnen, mit Ausnahme einiger
neuerer, ein wesentlicher Theil eines vollständigen Wappens,
nämlich der Helm nebst Decke und Kleinod fehlt und bei sehr
vielen die jedem Wappen nothwendigen Farben des Schildes
und der Figuren nicht festgestellt sind. In den Siegeln hatten,
weil hier Farben oder die damals noch nicht gebräuchliche
Sohraffirung nicht angewendet werden konnten, Heroldsbilder1)
nicht leicht zur Darstellung kommen können, daher finden wir
diese auch nur selten, und zwar in ihren einfachsten Formen,
in den Wappen der Städte, wenigstens der preußischen; hier
zeigen sich fast nur die sogenannten gemeinen Figuren8), welche
1) Ein Heroldsbild wird durch die Theilnng des Schildes in mehrere
Farben, welche durch regelmäßige Linien begrenzt sind, hervorgebracht.
Die Theilungslinien, gerade oder krumme, reichen an die Schildränder und
bewirken eine Theilung des ganzen Feldes.
2) Unter gemeinen Figuren versteht man diejenigen, welche einen
Gegenstand der Natur oder ein Erzeugniß der menschlichen Hand darstellen,
Von 0. Beckherrn. 261
die Wappen nicht selten zu redenden machen, manchmal freilich
mit Unrecht.
Die Wappen der meisten alten Städte haben sich im Laufe
der Zeit verändert. Diese Veränderung besteht nicht nur darin,
daß die Figuren eine andere Stellung oder in einzelnen Theilen
eine von der früheren abweichende, oft unheraldisohe Form an-
genommen haben, vielmehr ist in nicht seltenen Fällen das
Wappen ein durchaus anderes geworden. Jene minder wichtigen
Veränderungen beruhen zumeist auf der Unkenntnis und Un-
geschicklichkeit der Stempelschneider oder Maler oder auf einem
dadurch veranlagten Mißverständnis, die gänzlichen Umgestal-
tungen aber zuweilen auf dem Umstände, daß die Städte in
alter Zeit neben ihrem großen Siegel auch noch ein kleines
(Signet, Secret) führten, dessen Bild ein von dem des großen
meistens ganz abweichendes war und hin und wieder in ein in
späterer Zeit angefertigtes Wappen aufgenommen worden ist.
Auch politische oder sonstige Vorgänge haben zuweilen Ver-
anlassung zur Abänderung des Wappens gegeben, in vielen
Fällen aber haben Unverstand und pietätlose Willkür die Ver-
unstaltung der Wappen herbeigeführt.
In unserer Zeit macht sich immer mehr das Bestreben
geltend, die willkürlichen Zuthaten und die Stillosigkeit sowohl
der Geschlechts- als auch der Amts- und Stadtwappen zu be-
seitigen und darin die einfachen, heraldischen Stilformen des
Mittelalters in künstlerischer Auffassung wieder herzustellen.
Eine solche Restitution würde zuvörderst die Wappenschilde zu
betreffen haben, denn die Wappen wurden ursprünglich auf den
wirklichen Kampfschilden angebracht, welche sehr einfache,
dabei aber doch gefällige Formen hatten, wie solche bei der
bildlichen Darstellung der Wappen auf den beigegebenen Tafeln
zur Anwendung gekommen sind.8) Es ist daher widersinnig,
also Menschen, Thiere, Pflanzen, Bauwerke, Waffen, Geräthe u. s. w. Sie
stehen entweder ganz oder wenigstens auf zwei Seiten frei im Felde.
3) Zu diesen Formen kann auch noch die bei den Turnieren ge-
252 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
den Wappenschilden, wie es im 16. Jahrhundert üblich wurde,
oft häßliche, verschnörkelte und unzweckmäßige Formen zu geben,
welche sie zum Gebrauche im Kampfe ganz untauglich gemacht
haben würden. Was nun die gemeinen Figuren anbetrifft, so
werden diese, besonders die Thiere, in den maßgebenden alten
Wappen nicht in ihrer natürlichen Gestalt, sondern stilisirt dar-
gestellt und meistens in einer von der natürlichen ganz ab-
weichenden oder dieser sich nur annähernden Farbe, z. B. der
braune Bär schwarz, die rosenrothe Rose zinoberroth u. s. w.
Der Boden, auf welchem in neueren Wappen die Figuren stehen,
fehlt sehr oft in den ältesten oder ist durch einen sogenannten
Dreiberg ersetzt. Einzelne Bäume sind häufig mit der Wurzel
und nur wenige Zweige mit sehr großen Blättern und Früchten
zeigend dargestellt. Diejenigen Wappen, welche Figuren ent-
halten, bei deren Darstellung auf die Perspective Werth gelegt
ist — man findet vollkommen perspectivisch gezeichnete Städte
und Landschaften — 7 sind nicht nach echt heraldischen Grund-
sätzen entworfen und gehören der neueren Zeit an.
Es wurde schon angeführt, daß für viele der hier be-
schriebenen Wappen die Farben noch nicht festgestellt sind.
In den in neuerer Zeit — etwa seit dem 16. Jahrhundert —
entstandenen wird mit wenigen Ausnahmen für die gemeinen
Figuren die natürliche Farbe angenommen werden können, für
die Figuren einiger der älteren Wappen werden hingegen in
Ermangelung besserer Anhaltspunkte diejenigen Farben am
angemessensten zu wählen sein, welche in den Bannern aus
der Tannenberger Schlacht vorkommen, selbst dann, wenn darin
nicht die Wappen der betreffenden Städte selbst, sondern nur
die der Komtureien oder der Bisthümer, denen die Städte an-
gehörten, enthalten sind. Die Farbe des Feldes läßt sich mit
einiger Sicherheit auch nach den Schnüren oder Bändern be-
stimmen, mittels welcher die Siegel an den Pergamenturkunden
brauchte Tarteche gerechnet werden, welche aber gewöhnlich nur für
Geschlechts wappen verwendet wird.
Von C. Beckherrn. 253
befestigt sind, denn zu diesem Zwecke wurden oft solche ver-
wendet, welche die Farben des Wappenfeldes zeigten.
Denjenigen Städten, welche einmal beabsichtigen sollten,
sich auf Grund ihrer alten Siegel ein neues richtiges und nach
den Regeln der Heraldik entworfenes Wappen unter Berück-
sichtigung der etwa in Folge historischer Ereignisse statt-
gefundenen Veränderungen anfertigen zu lassen, um ihre Bath-
häuser etc. mit einem solchen von den Vorfahren überkommenen
geschichtlichen Gedenkzeichen zu schmücken4), würde anzurathen
sein, sich in solcher Angelegenheit an den in Berlin bestehenden
Verein „Deutscher Herold" zu wenden, welcher in der Läge
ist und gewiß bereit sein würde, guten Rath zu ertheilen. Von
dort her würde besonders hinsichtlich der Stilisirung der Wappen-
figuren Gutes zu erwarten sein, denn die dieser Arbeit bei-
gegebenen Abbildungen lassen wegen geringer Fertigkeit des
Verfassers im Zeichnen noch oft den echt heraldischen Charakter
und Schwung vermissen.
Alienburg, im Jahre 1384 als Wildhaus erwähnt, erhält
1400 eine Handfeste vom HM. Konrad von Jungingen. Das
ursprüngliche Wappen nach dem Siegel von 1440 zeigt ein
Elen, welches über einen unebenen Boden (Moor, Bruch?)
schreitet (Taf. I), wahrscheinlich als Anspielung auf die Lage
der Stadt in der Nähe des großen Frischingwaldes, woselbst
sich dieses Wild noch bis in die neuere Zeit hinein aufhielt.
In jüngeren Siegeln hat sich das Elen aus Mißverständniß in einen
Hirschkopf mit Hals verwandelt, welcher aus einem Rohrgebüsch hervor-
ragt (Siebmacher S. 125.)
Allenstein. Die Burg erbaut 1334. Die Stadt gegründet
um 1348 vom Probst des ermländischen Domkapitels Hartmuth,
daneben 1378 eine Neustadt, welche nicht selbständig wurde,
4) Wie Soldau es jetzt zu thun beabsichtigt. Mit gutem Beispiel sind
bereit« früher vorangegangen Graudenz, Neidenburg und Rhein, die zuerst
genannte Stadt allerdings in wenig befriedigender Weise.
254 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
vom Probst Heinrich. Ein kleines Siegel von 1358 zeigt den
heiligen Jacobus, den Schutzpatron der Hauptkirche, rechts
schreitend, mit kurzem Bocke und kleinem Hute; am Gürtel
hat er eine Tasche, in der Hechten den Wanderstab, in der
Linken eine Kürbisflasohe oder auch eine Muschel. (Taf. I.)
In einem großen Siegel aus dem 16. Jahrhundert erblickt
man denselben Heiligen vorwärts stehend dargestellt. Ueber
dem Rocke trägt er noch einen kurzen Mantel, auf dem Haupte
einen großen Hut, am Gürtel Tasche und Trinkflasche und in
der Rechten den Wanderstab. (Yoßberg S. 48.)
Jetzt hat man den grau gekleideten Heiligen im rothen Felde auf
einen grünen Boden zwischen ein goldenes halbes Kreuz (Wegweiser?) und
eine gezinnte silberne Mauer oder einen Thurm gestellt und ihm einen
langen Pilgerstab in die Hand gegeben, an dem oben die Flasche hängt*
Angerburg. Die Burg erbaut 1335. Die Stadt, ehemals
ein Dorf mit Namen Neudorf oder Gerothwohl, soll 1572 ge-
gründet worden sein und das Gründungsprivilegiuni zugleich
die Verleihung des Wappens enthalten haben: Im blauen Felde
auf einem Grunde stehend ein viereckiger, gezinnter grauer
Thurm mit rothem kegelförmigem Dache, auf dessen Spitze eine
Wetterfahne. An der Mitte des Thurmes ein getheilter Schild,
worin oben in Silber ein stilisirter, wachsender rother Adler,
unten das von Silber und Schwarz quadrirte hohenzollernsche
Wappen die Gründung durch einen brandenburgischen Hohen-
zollern anzeigen. Im Felde die Zahl 1572. (Taf. I.)
Das Gerichtssiegel hat den hohenzollernschen Schild, über dem auf
einem Bogen (Regenbogen?) eine wachsende männliche Figur (Christas?)
mit einem Schwert in der Rechten and der Weltkugel in der Linken. Auf
der Brust hat sie ein kleines Kreuz, (v. Werner, Poleographie II, 29.)
Ary8. Als Dorf gegründet 1443 vom HM. Konrad von
Erlichshausen, zur Stadt erhoben 1726 vom Könige Friedrich
Wilhelm I. Wappen: Auf einem Postamente ruht ein Füllhorn
und auf diesem, übers Kreuz gelegt, Scepter und Schwert,
welche der nichtstilisirte königliche Adler in den Fängen hält.
(Taf. I.) Der durch das Füllhorn ausgedrückte Wunsch des
Verleihers des Wappens, die Stadt möge dereinst zu Beichthum
Von 0. Beckherrn. 266
gelangen, ist bisher durchaus nicht in Erfüllung gegangen;
vielleicht wird nun aber die Anlegung des großen Schießplatzes
der Truppen in der Nähe dieser kleinen, abseits vom Verkehr
gebliebenen und in unfruchtbarer Gegend gelegenen Stadt die
Veranlassung zur Hebung ihres Wohlstandes.
Baldenburg hat eine Handfeste von 1396 vom HM. Konrad
von Jungingen. Im Siegel aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts
steht zwischen zwei unten sich berührenden Hirschstangen eine
weibliche Figur, in der Rechten einen Ball haltend, die Linke
auf die Hüfte gestützt. (Taf. I.) Preuß (preuß. Landes- u.
Volkskunde S. 380) giebt an, die Stadt habe in älterer Zeit
Ball de Olde geheißen; die Form dieses Namens ist aber so
sonderbar und für unser Land so ungewöhnlich, daß hier ein
Irrthum oder eine Verunstaltung vorzuliegen scheint,5) dennoch
wird der Ball in der Hand des Frauenzimmers auf den ersten
Theil des Namens anspielen sollen, welcher aber wohl vom
slavischen bal oder bei — weiß — abzuleiten ist.
Jüngere Siegel stellen diese Figur ohne Ball mit beiden Händen auf
die Hüften gestützt dar zwischen zwei unten sich kreuzenden Eichenzweigen.
(Siebmacher S. 129.)
Barten. Die Burg erwähnt 1377, die daneben gelegene
Lischke 1419, wann sie zur Stadt erhoben, ist unbekannt. Das
Wappen ist ein redendes: Im rothen Felde des Schildes ein
kleinerer grüner Schild, worin eine aufgerichtete silberne Barte.6)
Daneben die Zahl 1359. (Taf. I.) Diese Jahreszahl beruht sicher-
lich auf einem Irrthum, wird also aus dem Wappen zu ent-
fernen sein.
5) Das Flüßchen Ball, welches bei der Stadt in den Belzigsee fließt,
soll früher Beale — weißer Fluß — geheißen haben. Könnte etwa Beale
in Baldeolde corrumpirt und diese Namensform dann auch auf die Stadt
übertragen worden sein? Der Ort Baldau bei Dirschau hieß ehemals eben-
falls Bale oder Beale.
6) Die Barte war eine Streitaxt mit kurzem Stiel und gehörte zur
Bewaffnung des Reiters. Die Hellebarde wurde vom Fußvolk geführt und
besaß einen langen Stiel.
256 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
Bartenstein. Die Burg erbaut ca. 1240, die Stadt gegründet
1326 vom Komtur zu Balga Dietrich von Altenburg. Handfeste
1332 vom HM. Luther von Braunschweig. Eine Neustadt, welche
aber nicht zur Selbständigkeit gelangte, wurde 1356 angelegt.
Das älteste, vielleicht aus dem Secretsiegel stammende Wappen
ist ein redendes: Zwei gekreuzte silberne Barten auf einem
stufenförmigen Postamente — von Stein — im schwarzen Felde
stehend. (Taf. I.)
In einem andern Wappen ist im silbernen Felde ein Ritter
in stahlgrauer Rüstung auf einem springenden schwarzen Rosse
dargestellt, welcher in der Rechten eine Barte aufrecht hält.
(Taf. I.)
Sage: Ein von seinem Truppe abgeschnittener Ritter mit
Namen Johannes wurde von den Preußen verfolgt. Um sich
zu retten, sprang er, nachdem er das Gelübde gethan, dem
heiligen Johannes eine Kirche zu bauen, mit seinem Rosse vom
hohen Ufer in die Alle, welche er durchschwamm. So entkam
er glücklich den Feinden und erbaute später bei Bartenstein
die St. Johanniskirche. (N. Pr. Prov. Bl. H, 49.)
Die Nachricht Hennenberger's, daß die Stadt ursprünglich Rosenthal
geheißen und ein auf diesen Namen anspielendes Siegelbüd geführt habe,
ist durch nichts bestätigt, eben so wenig die Angabe, daß zu gewisser Zeit
die Figuren der oben beschriebenen beiden Wappen in einem vereinigt
gewesen seien. (Vergl. Behnisch, Gesch. d. Stadt Bartenstein S. 71.)
Das schwarz -weiße Banner des Pflegers von Bartenstein aus der
Tannenberger Schlacht zeigt in dem schwarzen Theile des Fahnentuches
eine weiße Barte.
Berent (Bern) wird unter dem Namen Costrina schon 1284
erwähnt, ausdrücklich als Stadt 1437. Wappen: Ein nach links
gewendeter Bär, unter einem Zweige mit fünf Blättern stehend.
Die Stadt ist wahrscheinlich nach den früheren Besitzern; den
Rittern von Beeren, benannt worden, auf deren Namen auch
das Wappen anspielt. (Taf. I.)
Bialla, zur Stadt erhoben 1722 vom Könige Friedrich
Wilhelm I., besitzt kein eigenthümliches Wappen und führt im
Siegel den stilisirten preußischen Adler.
Von C. Beckherrn. 257
Bischof8burg. Neben der schon vorhandenen Burg 1395
vom Bischof von Ermland Heinrich Sorenbohm gegründet.
"Wappen nach einem Siegel aus dem 17. Jahrhundert: Hinter
einer gezinnten Mauer erhebt sich ein hohes Haus mit Sattel-
dach, zwei in der Diagonale liegende Ecken des Hauses sind
mit viereckigen, gezinnten Thürmen besetzt. An der Mitte der
Mauer hängt ein rechts gelehnter Dreiecksschild, der ein Herolds-
bild in Form eines Stufengiebels zeigt, das Familienwappen des
Gründers. Ueber diesem kleinen Schilde schwebt als Würde-
zeichen eine Bischofsmütze mit Bändern. (Taf. II.)
Bi8Chof88t6inf früher Dorf Strowangen, wurde durch Hand-
feste von 1385 vom Bischof von Ermland Heinrich Sorenbohm
zur Stadt erhoben. Das älteste Wappen nach dem Siegel von
1440 zeigt im Felde des Schildes einen kleineren Dreiecksschild
mit dem Heroldsbilde eines Stufengiebels (vergl. Bischofsburg).
Hinter diesem kleinen Schilde ragt ein nach links geneigter
und mit einer Kirchenfahne versehener Bischofsstab hervor.
(Taf. IL)
Jüngere Siegel zeigen allein einen Bischofsstab, welcher aufrecht auf
einem Felsen — Stein — steht, ein halb redendes und auf den Namen an-
spielendes Wappen, wahrscheinlich aus dem Secret stammend.
Bischof8Werder. Gegründet 1325 vom Bischof Rudolph
von Pomesanien. Handfeste von demselben 1331. Wappen
nach dem Siegel aus dem 17. Jahrhundert: Ein die Zunge heraus-
streckender und sich zum Auffliegen anschickender, halb rechts
gewendeter Adler steht auf einem am Boden liegenden Bischofs-
stabe, eine abgeänderte Form des bischöflichen, im Banner aus
der Tannenberger Schlacht dargestellten Wappens: Im rothen
Fahnentuche der Adler des Evangelisten Johannes, zu dessen
beiden Seiten Bischofsstäbe schweben, sämmtliche Figuren golden
tingirt. Hiernach können dem Wappen der Stadt dieselben
Farben gegeben werden; der Boden wird besser fortgelassen.
(Taf. H.)
Braunsberg. Der Orden baute 1241 hier eine Burg, welche
schon im folgenden Jahre von den Preußen wieder zerstört
258 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
wurde. Ungefähr 1251 legte der Bischof Anselm von Ermland
hier abermals eine Burg und auch eine Stadt an. Diese wurden
1261 von den Preußen so bedrängt, daß sie von den Einwohnern
verlassen und verbrannt wurden. Erst die 1279 durch den
Bischof Heinrich Fleming von neuem begonnene Gründung von
Burg und Stadt hatte Bestand. Letztere erhielt von dem ge-
nannten Bischof 1284 die Handfeste. Die Neustadt wurde um 1338
vem Bischof Heinrich Sorenbohm gegründet.
Altstadt. Im ältesten Siegel aus dem 13. Jahrhundert
erblickt man einen Schild, in dessen Mitte eine Linde auf einem
Boden steht, rechts davon ein Drache, links ein Hirsch, beide
zur Krone des Baumes emporblickend. (Taf. H.) Diese Figuren
sind hier unzweifelhaft religiöse Symbole: Der Drache das des
Teufels oder des Heidenthumes, der Hirsch das Sinnbild Christi
oder der Apostel und der anderen Verbreiter des Christentbums.
(Munter, Sinnbilder der alten Christen.) Zu erklären bleibt noch,
welche Bedeutung die zwischen diesen beiden Symbolen stehende
Linde hat, um den Sinn des Ganzen verstehen zu können,
welcher sich auf die Verhältnisse zwischen Christenthum und
Heidenthum bei der Gründung der Stadt beziehen wird.7)
Das Banner aus der Tannenberger Schlacht ist weiß und
schwarz und hat im weißen Theile des Fahnentuches ein schwarzes,
im anderen ein weißes Kreuz.
Ein mit der Jahreszahl 1642 bezeichneter Stempel hat die
beiden Thiere und über dem Baume drei zusammengebundene
7) Die Linde galt den heidnischen Preußen als heiliger Baum, auch
bei den Christen genoß sie noch eine gewisse Verehrung, denn in ihrem
Schatten oder an ihrem Stamme stellte man besonders gern Heiligenbilder
auf. (Heilige Linde bei Rastenbarg.) Die Linde auf dem Barghofe und
auf dem Anger des Dorfes spielte im Leben des deutschen Volkes ebenfalls
eine Rolle. In dem unten beschriebenen Wappen vom Jahre 1642 gilt sie,
wie aus der dazu gehörigen Devise hervorgeht, als Sinnbild der Stadt
Braunsberg; vielleicht ist dasselbe auch schon in dem ältesten Wappen der
Fall gewesen und würden dann die drei Figuren desselben als Anspielung
auf die Zerstörung der jungen Stadt durch die Heiden und ihre nachherige
Wiederherstellung durch den Bischof anzusehen sein.
Von C. Beokherrn. 259
Kornähren, rechts und links neben diesen schwebt ein Halb-
mond. Schildhalter sind zwei Engel mit Lorbeerzweigen in den
Händen. Unter dem Schilde die Devise: Sub hoc sidere trun-
cata viresco — unter diesem Gestirne werde ich auch verstümmelt
wieder grünen. (Taf. H.) Sie bezieht sich auf die Drangsale,
welche die Stadt während des schwedisch -polnischen Krieges
erduldet hatte.
Durch Diplom des Königs Augast III. von Polen vom 18. Juli 1748
wurde das Wappen dahin geändert, daß die Thiere nebst Devise fortfallen,
die A ehren von einem rothen Bande umschlungen und die Halbmonde in
einen Über dem Baume schwebenden goldenen Ring verwandelt werden
sollten. Der Baum soll von natürlicher Farbe und das Feld silbern sein.
(Siebmacher S. 131.)
Neustadt. Das Wappen enthielt zwei gekreuzte Bischofsstäbe.
Briesen (Wambresia, Wredek, Frideck), Burg und Stadt
des Bisthums Kulmsee, als Ort erwähnt 1246, seit 1311 einige
Jahre hindurch Bischofssitz. Erneuerte Handfeste 1534 vom
Bischof Johannes von Höfen. Ein alter Siegelabdruck zeigt
einen halben Flug und einen Bischofsstab neben einander frei
im Felde schwebend, diesen als Attribut des bischöflichen Grün-
ders, jenen wohl als Figur aus dessen Familienwappen. (Taf. H.)
Bfltow. Die Burg erwarb 1329 der Orden von den Bittern
von Beeren und gründete wahrscheinlich bald darauf auch die
Stadt. Wappen: Hinter einer Mauer mit Thor zwei gezinnte
Thürme mit spitzen Dächern, zwischen beiden auf der Spitze
des Thores der Ordensschild. (Taf. II.)
Christburg. Die Burg erbaut 1247, die Stadt erwähnt 1288.
Handfeste 1290 vom Landmeister Meinhard von Querfurt. Wappen :
Die heilige Katharina in modernem Kleide mit Mauerkrone, in
der Rechten ein Schwert, in der Linken ein Bad haltend. (Sieb-
macher S. 133.) (Taf. II.)
Danzig (Gyddanyzc, Dantzike, Gdansk), schon 997 in der
Geschichte des heiligen Adalbert erwähnt, war die Hauptstadt
Pommerellens und wurde 1308 vom Deutschen Orden erobert.
260 I>ie Wappen der Städte Alt-Preußens.
Die alte Burg der pomnierellischen Herzöge wurde zwischen
1335 und 1341 vom Orden umgebaut und auch neben der alten
Stadt 1340 eine neue, die Rechte Stadt, gegründet, welcher
drei Jahre später HM. Ludolf König eine Handfeste gab, die
Winrich von Kniprode 1378 erneuerte. Neben diesen Städten
entwickelte sich bald eine Jungstadt, welche 1380 von "Winrich
von Kniprode die Handfeste erhielt, im Jahre 1455 aber von
den Bewohnern der Rechtstadt zerstört wurde. Außerdem ent-
stand 1393 noch eine Vorstadt.
Altstadt. Das älteste Siegel stammt aus dem Jahre 1299.
Es zeigt ein auf dem Meere schwimmendes, plumpes Schiff mit
großem Steuerruder und Vorder- und Hinterkastell. Diese Kastelle
sind mit Zinnen versehen und ragen, von offenen Balkengerüsten
getragen, sehr hoch über den Schiffsbord empor. Der, abgesehen
vom Bugspriet, einzige Mast wird vorn und hinten durch je
drei Taue gestützt und hat an seiner Spitze eine kleine vier-
eckige Flagge. Unter dieser ist am Mäste ein mit Zinnen ver-
sehener, ganz nach hinten hinausgerückter sogenannter Mast-
korb befestigt. Vor dem Mäste schwebt frei ein Stern. (Wein-
reichs Danziger Chronik Taf. II.)
In einem Siegel von 1414 erblickt man die heilige Katha-
rina, der eine der Kirchen geweiht war, mit der Krone auf dem
Haupte, in langem Gewände und Mantel, welcher die rechte
Schulter nebst Arm freiläßt. In der Linken hält sie ein Bad,
mit der Rechten stützt sie sich auf ein Schwert, den rechten
Fuß setzt sie auf eine vor ihr auf dem Bauche liegende ge-
krönte, männliche Figur, (a. a. O. Taf. II.)
Rechtstadt. Ein ungefähr aus dem Jahre 1400 stammen-
des großes Siegel enthält ein Schiff, welches bessere Formen
zeigt als das der Altstadt. Vorder- und Hinterkastell, beide
gezinnt, ragen nur mäßig über den Schiffsbord empor und sind
enger mit dem Rumpfe verbunden. Der Mast wird nicht nur
vorn und hinten durch Taue, sondern auch von den Seiten
durch sogenannte Strickleitern (Wanten) gestützt. Aus dem
seine Spitze umgebenden sogenannten Mastkorbe hängt ein
Von C. Beckherrn. 261
langer zweiendiger "Wimpel herab, in welchem zwei Kreuze
neben einander stehen. Vor der Spitze des Mastes schwebt
frei ein Stern. (Voßberg, Münzen und Siegel der Städte Danzig,
Elbing u. s. w. Taf. IL) (Taf. II.) In dem gleichzeitigen
Secretsiegel befindet sich ein ähnliches Schiff, an dessen Seite
ein kleiner getheilter Wappenschild befestigt ist, worin oben
zwei Kreuze neben einander, in der an der Mastspitze wehenden
zweispitzigen Flagge erblickt man dagegen zwei Kreuze, welche
über einander schweben.
Das Banner aus der Tannenberger Schlacht (1410) hat im
rothen Fahnentuche zwei über einander schwebende weiße Kreuze.
Jungstadt. Im Siegel von 1387 steht unter einem Bal-
dachin der heilige Bartholomäus. Er ist nur mit einer Art von
Schwimmhose bekleidet, sonst nackt und hält in der Rechten
ein sehr großes, fast beilartiges Messer, mit der Linken auf der
Schulter einen Stab, an dem die ihm abgezogene Haut hängt.
Zu jeder seiner beiden Seiten befindet sich ein gekrönter Adler,
sein Haupt ziert ein Nimbus.
Bald nach dem Abfalle der Städte vom Orden wurden sie
zu einer Gemeinde vereinigt, an deren Spitze der Rath der
Rechtstadt trat, welche schon seit langer Zeit die anderen an
Bedeutung überragte. In Folge dessen kam auch das "Wappen
der Altstadt nun außer Gebrauch, um dem der Rechtstadt Platz
zu machen, welches meistens in der Gestalt angewendet wurde,
die das Banner vom Jahre 1410 zeigt.
Der König Kasimir IV. von Polen, unter dessen Schutz
die Stadt sich begeben hatte, vermehrte, um diesen symbolisch
anzudeuten, im Jahre 1457 dieses Wappen durch eine goldene
Krone im „Obertheile" des Schildes, also über dem oberen
Kreuze. (Taf. IH.)
Dieses Wappen, dem man zwei Löwen als Schildhalter gegeben hatte,
wurde, wahrscheinlich während des kurzen Bestehens der Stadt als Freistaat
nach dem Tilsiter Frieden, willkürlich umgewandelt und verunstaltet, indem
man die als gemeine Figur verliehene, also in den Schild gehörige Krone
gleich einem Würdezeichen über denselben setzte.
Altpr. MonatSflohrift Bd. XXIX Hft. S n. 4. 17
262 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
Der Vollständigkeit wegen mag hier noch ein bei Siebmacher S. 19
beschriebenes, ganz willkürlich erfundenes Wappen mitgetheüt werden:
In G. ein gr. Balken, worin zwei tanzende Paare. Oben ein schw. Adler,
unten ein schw. Kreuz. Die tanzenden Paare sollen wohl als Anspielung
auf den Namen der Stadt gelten.
Darkehmen. Zur Stadt erhoben 1724 vom Könige Friedrich
Wilhelm I. Wappen: Im unteren Theile des Schildes eine
Rasenfläche, auf welcher ein zum Auffliegen sich anschickender
Adler steht. Den Hintergrund bilden drei Berge, über denen
eine strahlende Sonne schwebt. (Taf. III.)
Deutsch EMail. Handfesten der Stadt 1306 vom Komtur
zu Christburg Sieghard von Schwarzburg und 1317 von Luther
von Braunschweig. Wappen nach dem Siegel aus dem 14. Jahr-
hundert: Unter einem gothischen Portale sitzt auf einem Sessel
die gekrönte Maria mit dem Jesuskinde, in der Rechten einen
Apfel haltend. Zu beiden Seiten des Portales Ranken. (Taf. HI.)
Dirschau (Trsow, Dirssowe), ein sehr alter Ort, wurde 1198
vom Herzoge Grimislaw von Pommerellen an den Johanniter-
orden geschenkt. Herzog Sambor erbaute sich hier 12B2 eine
Burg und erhob 1260 den Ort zur Stadt. Diese wurde 1308
vom Deutschen Orden erobert. Sie führt schon in ihren alten
Siegeln einen rechts gewendeten aufrechten Greif, das Wappen
Pommerellens. Die Farben können nach dem Banner aus der
Tannenberger Schlacht bestimmt werden: Feld silbern, Greif
roth mit Augen, Schnabel und Krallen von Gold, Zunge und
Pupille schwarz. (Taf. HI.)
Domnau, ein alter Ort, bestand als Stadt im Jahre 1400.
Die verlorene ältere Handfeste wurde 1481 vom Komtur zu
Brandenburg Kunz von Egloffstein erneuert. Im ältesten Siegel
von 1440 befindet sich im gegitterten Felde eine vierzehige
Vogelkralle. (Taf. HI.)
Bei neueren Wappen hat man dem von Zweigen umgebenen Schild«
eine Krone aufgesetzt (Siehmacher S. 136), zu der Führung dieses Würde-
zeichens dürfte die Stadt aber wohl nicht berechtigt sein.
Von C. Beckham*. 263
Drengfurt wird 1419 als Stadt erwähnt. Im Siegel mit der
Jahreszahl 1781 erblickt man eine Justitia mit Schwert und
Waage, der aber die gewöhnliche Binde um die Angen fehlt.
(Taf. III.) Es muß dahingestellt bleiben, ob dieser Mangel auf
einem Versehen beruht, oder ob er etwa eine boshafte Anspielung
seitens des Verleihers des Wappens auf die vielleicht nicht immer
unparteiische Rechtsprechung E. E. Gerichtes der Stadt in früherer
Zeit sein soll. Dieses Wappen scheint überhaupt dem Gerichts-
siegel zu entstammen und ein eigentliches Stadtwappen nicht
zu existiren.
Elbing. Die Burg erbaut 1237. Die schon 1242 existirende
Stadt erhielt ihre Handfeste 1246 vom HM. Heinrich von Hohen-
lohe. Die Neustadt wurde vom HM. Dietrich von Altenburg
angelegt und erhielt ihre Handfeste 1347 vom HM. Heinrich
Tusmer.
Altstadt. Das älteste Siegel befindet sich unter einer
Urkunde von 1242. Es enthält einen auf dem Wasser schwim-
menden Kahn, welcher mit einem Mäste versehen ist, an dessen
Spitze anstatt eines Wimpels sich eine länglich viereckige Wetter-
fahne um Angeln bewegt. Unter dieser Fahne schwebt frei
ein großes Kreuz. Das Steuerruder wird von einem Schiffer
bedient, dessen Kopf mit einer spitzen Kaputze bedeckt ist.
In einem aus dem 14. Jahrhundert stammenden Siegel er-
scheint ein einmastiges, mit Vorder- und Hinterkastell versehenes
Schiff, auf deren jedem ein Matrose steht. Vom Hinterkastell
wehen zwei viereckige, quer getheilte Flaggen mit zwei Kreuzen
und vom Mäste ein dreiendiger Wimpel mit einem Kreuze.
Diesem Siegel ist das älteste Secret sehr ähnlich, es
weicht nur darin ab, daß die beiden Matrosen und die eine
Flagge des Hinterkastells fehlen, der zweiendige Wimpel am
Mäste zwei Kreuze zeigt und aus der Spitze des Mastes drei
Pfeile in wagerechter Stellung hervorragen. (Taf. III.) Die
Seeschiffe dieser jüngeren Siegel lassen gegenüber dem ursprüng-
lichen, nur der Fischerei oder der Haff- und Küstenschiffahrt
17*
264 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
dienenden Kahne den Fortschritt der anfänglich unbedeutenden
Stadt zur eigentlichen Handelsstadt und zum Mitgliede des wehr-
haften Hansabundes erkennen.
Das Banner aus der Tannenberger Schlacht ist von Roth
und Weiß quergetheilt, oben mit einem weißen, unten mit einem
rothen Balkenkreuze. In dieser Gestalt erscheint in neuerer
Zeit auch das eigentliche Wappen, in dem das rothe Feld zu-
weilen gegittert ist. Als Schildhalter dient ein Engel. (Taf. III.)
Die Gitterung des Feldes pflegt als Darstellung einer gemeinen
Wappenfigur, nämlich eines Fischernetzes, aufgefaßt zu werden,
welches auf die Lage der Stadt zwischen fischreichen Gewässern
anspielen soll; sie ist aber nur eine bedeutungslose und ziemlich
oft angewendete Verzierung der Wappenfelder.
Das Banner des Komturs war dem der Stadt gleich, jedoch standen
die Farben darin umgekehrt.
Neustadt. Wappen: Ein von Silber und Roth gespaltener
Schild, worin rechts drei über einander gestellte rothe Rosen
mit goldenen Staubfaden, links ein schwarzes Ordenskreuz.
Fl8ChhaU86n (Schonewik). Die Burg erwähnt 1268. Hand-
feste der Stadt 1299, erneuert 1305 vom Bischof Siegfried von
Samland. Wappen: Ein Bischofsstab und ein Schwert mit ein-
ander sich kreuzend; in dem unteren Winkel schwebt steigend
ein Fisch. (Taf. III.) Hierin liegt eine Anspielung auf die
Gründung durch einen Bischof und auf die durch die Lage am
Haff bedingte ehemalige Hauptbeschäftigung der Einwohner,
den Fischfang. Die Farben können diesem Wappen nach dem
ähnlichen des Bischofs von Samland gegeben werden, welches
uns das Banner aus der Tannenberger Schlacht vorführt, nämlich
das Feld silbern, Schwert und Stab roth. Für den Fisch, welcher
in letzterem Wappen fehlt, wäre die blaue Farbe passend.
Frauenburg, Stadt des ermländischen Domkapitals, wird er-
wähnt 1287. Handfesten von 1318 und 1320 von den Probaten
Heinrich und Jordan. Das älteste Siegel aus dem 14. Jahr-
hundert zeigt zwischen zwei Thürmen ein Thor, über welchem
Von C. Beckherrn. 265
Maria mit dem Jesuskinde, von Sternen umgeben, thront. Neben
den Thürmen Banken. (Voßberg.S. 37.) (Taf. IV.)
In einem wahrscheinlich jüngeren Wappen ragt hinter einer mit
Thor versehenen Mauer ein Burggebäude empor, welches mit drei gezinnten
Thürmen bewehrt ist. Aus dem mittelsten wächst ein Frauenzimmer mit
wallendem Haar und gefalteten Händen hervor. Zu diesem Wappen steht
die nachstehende Sage in Beziehung.
Die auf dem unweit der Stadt gelegenen Schloßberge bei Sonnen-
berg (Althof) wohnende Wittwe eines edlen Preußen wurde durch den
Bischof Anselm zum Christenthum bekehrt und schenkte dann dem Nach-
folger desselben» Bischof Heinrich, ihr ganzes Besitzthum, worin dieser
Frauenburg gründete. Daß diese Sage nicht auf historischem Grunde beruht,
geht daraus hervor, daß diese ganze Gegend schon 1251 im Besitz Anselms
war, wie urkundlich feststeht, (v. Winkler, Zeitschr. f. d. Gesch. Erm-
lands II, 390.)
Freistadt. Stadt des Bisthums Pomesanien, gegründet 1331
von zwei Edelleuten, Johann und Ludwig von Stangen. Das
älteste Wappen stellt sich folgendermaßen dar: In dem eigent-
lichen Wappenschilde befindet sich ein kleinerer, worin auf
einem Aste ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln steht. Ueber
seinem Kopfe schwebt eine mit den Hörnern nach unten ge-
kehrte Mondsichel. Auf dem oberen Bande des kleinen Schildes
liegt ein Ast mit abgehauenen Zweigen. (Taf. IV.) Der Ast
in und auf dem Schilde und theilweise auch der Adler erinnern
an das Familienwappen der preußischen Stangen: Im Schilde
ein auf jeder Seite mit drei rautenförmigen Auswüchsen besetzter
Schrägebalken, das stilisirte Bild eines Astes mit abgehauenen
Zweigen, auf dem Helm ein geschlossener Adlerflug.
Im neueren Wappen steht auf gepflastertem Grunde ein Portal, ge-
bildet durch zwei mit Sockeln und Knäufen versehene Pfeiler, welche durch
einen gegitterten Bogen verbunden sind. Auf diesem steht ein Adler mit
ausgebreiteten Flügeln. Neben einem der Pfeiler steckt ein Palmenzweig.
(Siebmacher S. 203.)
Friedland a. d. Alle wird 1312 erwähnt. Handfeste 1324
vom Komtur zu Brandenburg Heinrich Tusmer. Wappen nach
dem Siegel von 1440: Im goldenen Felde ein Geierfuß in natür-
licher Farbe mit rother Abschnittsfläche, welcher einen Karpfen
in den Krallen hält. (Taf. IV.)
266 Die Wappen der Städte Ali-Preußens.
Sage: In alter Zeit war einstmals ein Geier den Bewohnern
der Stadt eine Plage, weil er ihnen Geflügel und andere junge
Hausthiere raubte. So viel man ihm auch nachstellte, er ließ
sich nicht fangen. Eines Tages jedoch, da ein Bürger in der
Nähe des Mühlenteiches jagte, sah dieser den Geier von der
Wasserfläche aufsteigen, in einem der Fänge einen Karpfen
haltend. Er schoß nach ihm, traf aber nur ein Bein, welches,
vom Rumpfe getrennt, mitsammt dem Fische ins Wasser fiel,
während der Vogel entkam. Mehrere Jahre darauf, als man im
Mühlenteiche fischte, fing man jenen Karpfen, in dessen Bücken
noch das fest eingekrallte Bein des Geiers haftete. Das An-
denken an dieses merkwürdige Ereignifl sollte die Wappenfigur
aufbewahren. (Reiter, N. Pr. Prov. Bl. 3. F. IX, 263.) Dieser
Sage merkt man an, daß sie auf das bereits vorhandene Wappen
erdichtet worden ist.
Garn866y zuerst ein Cistercienserkloster, wird erwähnt 1285.
Die Stadt erhielt ihre Handfeste 1334 vom Bischof Berthold
von Pomesanien. Wappen: Ein nach rechts gewendeter zum
Grimmen geschickter Löwe. (Taf. IV.)
Gerdalien. Die Burg, ursprünglich Sitz eines altpreußischen
Edlen, wird als Ordenshaus erwähnt 1315. Die Stadt erhielt
1398 eine Handfeste vom HM. Konrad von Jungingen. Im
ältesten Siegel stehen unter einem gothischen Portale die Apostel
Paulus und Petrus, ersterer mit zu Boden gesenktem Schwerte,
letzterer mit dem Schlüssel in der Hand. (Taf. IV.)
Gilgenburg (Hgenburg). Neben der schon bestehenden Burg
1326 vom Komtur zu Christburg Luther von Braunschweig ge-
gründet. Erneuerte Handfeste 1534 vom Herzog Albrecht.
Wappen: Eine heraldische Lilie. (Taf. IV.) Diese soll eine
silberne Tinctur haben, die Farbe des Feldes kann nicht an-
gegeben werden. Zur Zeit der Entstehung dieses Wappens hat
man angenommen, daß der Name der Stadt aus Lilienburg
corrumpirt worden sei und, um dasselbe zu einem halbredenden
zu machen, die Lilie als Wappenfigur gewählt, denn nach Har-
Von 0. ßeckhorrn. 267
noch (Chronik d. evang. Kirchen S. 207) hat ein aus dem
17. Jahrhundert stammendes Siegel in der Umschrift Civitas
Liliopolensis.
Goldap. Gegründet 1567 vom Herzog Albrecht, Handfeste
1570 von Herzog Albrecht Friedrich, worin der Stadt folgendes
Wappen verliehen wird: Schräge links getheilter Schild, worin
oben in Silber wachsend ein rother stilisirter Adler mit goldenen
Kleestengeln auf den Flügeln und F auf der Brust, unten das
hohenzollernsche "Wappen. Beide weisen auf den branden-
burgischen Hohenzollern als Verleiher des Wappens hin. (Taf. IV.)
Von dem ehemals am Bathhause angebracht gewesenen
Wappen wird erzählt, daß der mit der Anfertigung desselben
beauftragte Maler, weil ein wohl weiser Rath von dem verlangten
Preise ein Beträchtliches heruntergehandelt hätte, auf dem Schilde
zuerst mit Oelfarben eine Sau mit Ferkeln und auf diesem
Untergrunde die richtigen Wappenfiguren mit Leimfarben gemalt
habe. Durch den Eegen seien diese bald abgewaschen und nun
die Sau nebst Ferkeln dauernd sichtbar geworden. Diese Boß-
heit des Malers habe den Goldapern den Spottnamen „Ferkel-
macker" eingetragen.
Gollttb (Golau). Die Burg erwähnt 1296, die Stadt um 1331.
Ihre Handfdste wird 1421 vom HM. Michael Küchmeister von
Sternberg erneuert. Wappen: Eine weibliche Figur mit einem
Vogel auf der rechten Hand. (Taf. IV.) Dieser Vogel scheint
eine Taube darstellen zu sollen, denn man hat den Namen der
Stadt wahrscheinlich von dem polnischen Worte golqJb — Taube —
hergeleitet, um das Wappen zu einem redenden zu machen, weil
fftr derartige Wappen ehemals eine große Vorliebe herrschte.
Graudenz wird zuerst 1222 als ehemalige Burg erwähnt,
welche Herzog Konrad von Masovien in diesem Jahre dem
Bischof Christian von Preußen schenkte. Sie ist wahrscheinlich
von diesem wieder hergestellt worden, wird aber erst 1250 als
Ordenshaus genannt. Die Stadt erhielt ihre Handfeste 1291
268 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
vom Landmeister Meinhard von Querfurt. Ein Siegelabdruck
aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts enthält einen Bischof
mit segnend erhobener Rechten und mit dem Krummstabe in
der Linken, auf einem mit gothischen Verzierungen versehenen
Sessel sitzend. (Taf. IV.) Nach Frölich (Gesch. d. Graudenzer
Kreises I, 139) soll diese Figur den heiligen Nicolaus als Patron
der Pfarrkirche darstellen. Das kann zwar richtig sein, aber
Bedenken erregt dabei der Umstand, daß der Figur des Bischofs
im Siegel das wesentlichste Attribut der Heiligen, der Nimbus,
fehlt, ein in alten Darstellungen seltenes Vorkommniß; außer-
dem ist zu beachten, daß die beiden heiligen Bischöfe mit dem
Namen Nicolaus gewöhnlich anders dargestellt werden. Nicolaus
von Bari, Bischof von Myra, der Beschützer der Seefahrer, er-
scheint zuweilen segnend im bischöflichen Gewände, seine Inful
wird von einem Engel gehalten. Oefter steht vor ihm ein Ge&ß,
worin sich drei Kinder befinden. Die gewöhnlichste Darstellungs-
weise ist diejenige, bei welcher er drei Kugeln (Brode) in der
Hand hält. Nicolaus Albergati, Bischof von Bologna, wird vor
einer Stadt — Bologna — stehend abgebildet, mit einem Reliquien-
kästchen in der Hand. (Wessely, Ikonographie der Heiligen
S. 313.) Demnach ist es also mindestens sehr gewagt, den
Bischof des Siegels für den Patron der Kirche und überhaupt
für einen der beiden heiligen Bischöfe des Namens Nicolaus zu
halten. Da nun Graudenz weder zu dem nach den Bestimmungen
von 1243 dem Bischöfe von Kulm zugefallenen Theile des Kulmer-
landes noch zu dem Gebiete eines andern Bischofs gehört hat,
so kann auch keiner von diesen oder von den späteren Bischöfen
von Kulm zu Graudenz in näheren Beziehungen gestanden haben;
solches läßt sich nur von dem Bischof Christian annehmen.
Diesem war schon im Jahre 1222 vom Herzoge Konrad von
Masovien ein Gebiet im Kulmerlande geschenkt worden, worin
•
auch die ehemalige Burg Grudenc lag. Die Schenkung war
erfolgt, weil der Bischof die verwüstete Burg Kulm wieder her-
gestellt hatte, man darf also wohl annehmen, daß er, nachdem
er in den Besitz der zerstörten Burg Grudenc gelangt war, auch
Von C. Beckherrn. 269
diese wieder aufgebaut und in deren Schutz auch eine Nieder-
lassung gegründet haben wird, welche später zur Stadt Graudenz
heranwuchs, und daß die Bürger derselben das Bild des Bischofs
Christian, des ersten Gründers des Ortes, in ihr Stadtsiegel auf-
genommen haben, um sein Andenken dadurch zu ehren. (Yergl.
Artikel Löbau.)
Ein Secretsiegel ans dem 15. Jahrhundert zeigt einen die Zunge
herausstreckenden Stierkopf, wohl entlehnt dem Wappen der Komturei,
welche in dem Banner aus der Tannenberger Schlacht im weißen Fahnen-
tuch e einen schwarzen Stierkopf mit gelben Augenlidern und Nasenlöchern
und eisernem Nasenringe führte.
Der Stierkopf kehrt auch auf einem Stempel vom Jahre 1809 wieder,
und zwar mit zwei unter dem Maule sich kreuzenden Schwertern. (Sieh-
macher S. 142.)
Seit 1840 fuhrt die Stadt im Wappen eine Mauer, auf welcher sich
rechts und links je zwei dicht neben einander gestellte Thürme mit spitzen
Dächern erheben. Die beiden inneren derselben sind durch einen Bogen
verbunden, der wieder drei kleine Thürme trägt. In dem so gebildeten
Portale steht ein Bischof mit Inful und Stab, in der Rechten einen Gegen-
stand haltend, welcher wie ein kleiner mit Stacheln besetzter Streitkolben
aussieht (Siebmacher S. 142.) 8)
Gumbinnen. Zur Stadt erhoben 1725 vom Könige Friedrich
Wilhelm L Sie fährt gegenwärtig, nach der dem Verfasser vom
Magistrat gefälligst gemachten Mittheilung, folgendes Wappen:
Schräge links getheilter Schild, dessen beide Plätze eine carmin-
rothe (!) Farbe haben, darin oben wachsend ein schwarzer stili-
sirter Adler mit goldener Krone, Scepter, Klaue und Schnabel
und schwarzer (?) Zunge, unten ein aufrechter, schwarzer Pfeil.
Auf dem Schilde ruht ein Spangenhelm ohne Decken und
Kleinod. Dieses Wappen ist offenbar ein verunstaltetes, denn
niemals dürfen zwei an einander grenzende Plätze des Schildes
eine gleiche Farbe haben, welche übrigens hier eine ganz un-
gebräuchliche ist; als Roth wird nur Zinober oder allenfalls auch
Mennige verwendet. Ferner ist der Adler ohne jeden Zweifel
8) Eine nicht ganz zuverlässige Quelle giebt folgende Farben an:
Feld roth, die Bauwerke von Silber, das Gewand des Bischofs violett mit
silbernen Borten.
270 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
der königliche preußische, welcher nur im silbernen Felde vor-
kommt. Dem Helme fehlt ein für einen Wappenhelm wesent-
licher Theil, nämlich das Kleinod. Dieses ist hier wahrschein-
lich fortgelassen, um das Wappen bequemer in dem beschrankten
Baume eines kleineren Siegels unterbringen zu können; ur-
sprünglich ist es aber auch, wie aus der bei Siebmacher (S. 248)
zu findenden Beschreibung nach dem im Jahre 1824 geschnittenen
Siegelstempel hervorgeht, vorhanden gewesen, und zwar in Gestalt
des preußischen Adlers.
Das richtige Wappen wird sich demnach folgendermaßen
darstellen; Schräge links getheilter Schild, oben in Silber
wachsend der schwarze preußische Adler, unten in Roth ein
aufrechter, schwarzer, heraldisch richtiger aber ein silberner
oder goldener Pfeil (vergl. Anmerk. 15). Auf dem Schilde ein
Stechhelm — Spangenhelme gehören zu adligen Familienwappen —
mit dem preußischen natürlichen Adler als Kleinod. Helmdecken
silbern und roth. (Taf. V.)
Guttstadt existirte 1310 und erhielt 1330 eine Handfeste
vom Bischof Heinrich von Ermland. Das Siegel von 1440 zeigt
auf einem Basengrunde hinter einem dünnen, ästigen Baum-
stumpfe einen nach links schreitenden Hirsch mit einem Zweige
im Maule. (Taf. V.) Dieses Wappen scheint auf die Anlegung
der Stadt auf einer dem Walde abgerungenen Bodenfläche hin-
zudeuten.
In einem Siegel von 1710 ist der Rasengrund nebst Baumstumpf fort-
gelassen und der Hirsch mit einem Blatte im Maule nach rechts springend
dargestellt. (Siebmacher S. 144.)
Hammerstein. Die Burg erbaut zwischen 1395 und 1443.
Die Stadt erhielt ihre Handfeste 1395 vom HM. Konrad von
Jungingen. Im Siegel aus dem 16. Jahrhundert schwebt über
drei Steinen ein Hammer, welche Figuren das Wappen zu
einem redenden machen, daneben rechts ein Halbmond, links
ein Stern. (Taf. V.)
Diese Figuren werden in wenig ansprechender Weise als
Gedenkzeichen an Vorkommnisse während des Hussiteneinfalles
Von 0. Beckherrn. 271
gedeutet. (Benwitz, Pr. Prov. Bl. III, 28.) Zu jener Zeit sollen
nämlich hussitische Eisenarbeiter in der Stadt gewohnt haben,
welche sich nur bei Mond- und Sternenlicht getrauten, auf dem
bei der Stadt gelegenen Eisenhammer zu arbeiten, weil sie den
Haß der über die Verwüstungen des Landes durch das hussitische
Heer erbitterten Einwohner zu fürchten hatten.
Heiligenbeil, ein uralter Ort, soll im Jahre 1301 zur Stadt
erhoben worden sein. Die verlorene Handfeste wurde 1522
vom HM. Albrecht von Brandenburg erneuert. Das große Siegel
unter dem Bundesbriefe von 1440, dessen Stempel nach der
Form seiner Buchstaben im 14. Jahrhundert geschnitten worden,
zeigt einen Baumstumpf mit wieder grünenden Zweigen, gegen
den ein Wolf über einen Strauch hinweg anspringt. (Taf. V. —
Voflberg, Taf. XV.)
Das kleine Siegel — wohl Secret — enthält zwei sich
kreuzende Beile, das Banner aus der Tannenberger Schlacht im
schwarzen, oben weiß eingefaßten Fahnentuche ein weißes Beil.
Das Wappen des kleinen Siegels scheint ein th eil weise
redendes zu sein, ist es aber eben nur scheinbar.9) Denn der
Name der Stadt hat mit einem Beile nichts zu thun, weil er
zu der Zeit, als der Siegelstempel geschnitten wurde, Heilige-
stadt — Sancta civitas hat die Umschrift beider Siegel —
lautete. Dieser Name weist aber auf einen schon zur Zeit des
Heidenthumes hier existirenden Ort hin, welcher ein Heiligthum
in sich barg, denn nach Simon Grünau hieß er bei den alten
Preußen swentemest d. i. Heilige Stadt.10) Nachdem durch
Ansiedelung deutscher Einzöglinge der Ort sich zu einer wirk-
lichen Stadt entwickelt hatte, wurde diese, wie alle Ordensstädte,
9) Um es ganz zu einem redenden zu machen, hat man in einer
jüngeren Darstellung die Beile auf einen Altar gestellt und sie auf diese
Weise als heilige bezeichnet.
10) In Nesselmann's deutsch-preußischem Vocabular lautet das eine
Stadt bezeichnende preußische Wort m es tan, vielleicht mit der ursprüng-
lichen Bedeutung von Statt, Stätte, weil wirkliche Städte im heidnischen
Preußen noch nicht existirten.
272 Di© Wappen der Städte Alt-Preußens.
sogleich befestigt. Einen befestigten Ort aber bezeichneten die
Preußen mit dem Worte pill oder pil (vergl. Artikel Schippen-
beil), sie gaben daher nunmehr der Stadt den Namen swentepil,
welcher bald auch halb ins Deutsche übertragen wurde und nun
Heiligepil lautete.11) (Lucas David I, 84 schreibt Hailpil und
giebt diesem Namen die unrichtige Bedeutung Haffburg.) Dieser
Name blieb im Volksmunde, also am häufigsten, neben dem
offiziellen Heiligestadt noch lange im Gebrauch. Im Laufe der
Zeit ging den deutschen Bewohnern die eigentliche Bedeutung
des Wortes pil verloren, und es lag ihnen sehr nahe, dieses
Wort, bei dem sie sich nichts denken konnten, in das nieder-
deutsche Biel und das hochdeutsche Beil zu verwandeln.12) So
wurde aus dem bedeutungsvollen Heiligepil — Heiligestadt —
ein sinnloses Heiligenbeil. Dafür, daß die Stadt auf der Stelle
eines heidnischen Kultusortes steht, spricht nicht allein ihr ur-
sprünglicher Name, diese Annahme findet vielmehr auch eine
Stütze an nachstehender, wie es scheint, auf Thatsachen be-
ruhender Sage.
Auf der Stelle, auf welcher sich jetzt die Stadt erhebt,
stand zur Zeit des Heidenthumes eine den Preußen heilige Eiche,
unter der sie ihre Götter verehrten. Als der Bischof Anselm
ins Land gekommen war, ließ er diesen Baum umhauen, wobei
die Klinge eines Beiles absprang und einen der Arbeiter ver-
11) Derartig gebildete Ortsnamen findet man in Ostpreußen noch
mehrere, z. B. Schöndamerau, Finsterdamerau, Grünlauken, Schwarzlauken,
Eichmedien; auch Schippenbeil = Schippen(Schiffen)pil gehörte dazu.
Außerdem giebt es noch Namen, bei denen, im Gegensatz zu den angefahrten,
der erste Theil preußisch und der zweite deutsch ist.
12) Den Uebergang von pil zu btl finden wir in einer aus dem Ende
des 14. Jahrhunderts stammenden Nachricht des Braunsberger Archivs,
Bd. 79, 3, über die im Jahre 1849 in Preußen auftretende Seuche des
schwarzen Todes. Darin wird unter den von ihr betroffenen Städten auch
Heiligenbil genannt. (N. Pr. Prov. Bl. I, 182.) Dlugoß nennt in seiner
Schrift Banderia Prutenorum, verfaßt vor 1448, die Stadt Elgebeyl (Heiligen-
beil) und polnisch in wörtlicher Uebersetzung Swiantha Siekierka.
Von C. Beckherrn. 273
wundete. (v. "Werner, wöchentliche königsbergische Prag- und
Anzeigungs-Nachrichten 1749 No. 48.)
Die besondere Erwähnung des Beiles in dieser Sage ist
nur als spätere Zuthat dem neueren, verunstalteten Namen der
Stadt oder auch dem Beile im kleinen Siegel zu Liebe geschehen,
denn man erkennt aus obigen Ausführungen, daß das Beil nicht
auf Grund der Sage in das Siegel aufgenommen worden ist.
Es ist eine nicht selten gebrauchte Wappenfigur, welche unter
andern auch in den Wappen von Barten, Bartenstein und Kro-
janke vorkommt. Die Beile des Heiligenbeiler Siegels sollen
eine Anspielung auf den im Mittelalter von der Stadt lebhaft
betriebenen Holzhandel sein. (v. Werner a. a. 0. No. 52.)
Wenn dieser Theil der Sage für uns nur nebensächliches
Interesse hat, so ist der andere um so wichtiger, denn die darin
enthaltene Nachricht von der Vernichtung des einst an diesem
Orte befindlich gewesenen heidnischen Heiligthumes findet in
dem Bilde des großen Siegels ihre Beglaubigung. Dasselbe läßt
sich zweifellos folgendermaßen deuten. Durch den wieder Zweige
und Blätter treibenden Baumstumpf sollen wir an den zuerst
durch den Bischof bald nach dem Friedensschlüsse vom Jahre 1249
hier unterdrückteil heidnischen Kultus erinnert werden, welcher
aber während des 1260 ausgebrochenen allgemeinen Aufstandes
der Preußen wieder aufgelebt war. Der mit voller Kraft gegen
den Baumstumpf über einen Strauch hinweg anspringende Wolf
soll die von der benachbarten Ordensburg Balga ausgehenden
Unternehmungen zur abermaligen und gänzlichen Zerstörung
des Heiligthumes und Unterdrückung des alten Glaubens an-
deuten, denn der Wolf nebst Strauch war das Wappenbild des
Komturs zu Balga als Vogt von Natangen. Das Siegel desselben
aus dem 14. und 15. Jahrhundert bei Voßberg (Taf. XIII) zeigt
nämlich vor einem Strauche einen laufenden Wolf, das Banner
aus der Tannenberger Schlacht im weißen Fahnentuche einen
aufgerichteten rothen Wolf mit schwarzer Zunge, Zähnen und
Krallen. Diese Farben werden demnach auch dem Wolfe im
274 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
Wappen Heiligenbeils zu geben, der Baumstumpf aber schwarz,
die Blätter grün und das Feld silbern zu tingiren sein.
In diesem Siegel besitzt die Stadt ein so interessantes
Wappen, wie es selten gefunden wird; es ist schon sehr lange
außer Gebrauch, die Stadt sollte aber nicht verabsäumen, es
wieder einzuführen.
Ein Gerichtssiegel von 1607 zeigt eine Justitia, welche anstatt eines
Schwertes ein Beil in der Rechten hält. (Siegelsammlung der „Prussia".)
Heilsberg. Die Burg existirte schon 1261, die Stadt wurde
1306 vom Bischof Eberhard von Ermland gegründet. Wappen
nach einem Siegel von 1440: Im rothen Felde ein silbernes
zurückschauendes Lamm mit goldenem Heiligenschein, welches
mit seinem rechten Vorderfuße einen golden Bischofsstab hält.
(Taf. V.) Es ist dem Wappen des Bischofs von Ermland im
Banner aus der Tannenberger Schlacht entnommen, woselbst
aber das Lamm eine Kreuzfahne hält und sein Blut in einen
Kelch rinnen läßt.
Heia (Heyle). Ursprünglich ein Fischerdorf, durch Hand-
feste von 1378 vom HM. Winrich von Kniprode zur Stadt er-
hoben. Nach dem Bundeskriege stand diese lange Zeit hindurch
unter dem Schutze und der Verwaltung Danzigs. Wappen
nach dem Siegel von 1440: Eine männliche Figur in falten-
reichem Gewände, die mit der Rechten einen Schlüssel, mit der
Linken eine Krone emporhält. (Taf. VI.) Trotz dieser Krone,
welche sich nicht deuten läßt, wird man die Figur för den
Apostel Petrus halten dürfen, dem die noch stehende Kirche
geweiht war.
Im Secretsiegel befindet sich nur ein aufrecht gestellter antiker
Schlüssel mit je einem Sterne zu beiden Seiten.
Hobenstein. Die Erbauungszeit der nach ihrem Erbauer,
dem Komtur zu Osterode Günther von Hohenstein, benannten
Burg ist nicht bekannt; die Stadt erhielt ihre Handfeste 1359
vom HM. Winrich von Kniprode. Das älteste Siegel, welches
schon aus dem Jahre 1353 stammen soll, hat den Apostel
Von C. Beckherrn. 275
Petrus mit dem Schlüssel in der Rechten und einem Stabe in
der Linken. (Taf. VI.) Als Farbe des Schildes könnte eine
aus dem Familienwappen des Gründers der Burg, nämlich
Silber oder Roth (vergl. Art. Soldau), für den Apostel die ge-
bräuchlichen Farben gewählt werden.
In späteren Siegeln hat sich der Stab zuerst in ein Schwert und
dann in eine Fahne verwandelt. (Siebmacher S. 251.) Das Gerichtssiegel
enthält eine Justitia.
Insterburg. Die Burg erbaut 1337, die Stadt wurde erst
1583 vom Markgrafen George Friedrich gegründet. Nach der
im Gründungsprivilegium enthaltenen Beschreibung des ihr ver-
liehenen Wappens besteht dieses aus einem silbernen Schilde,
worin auf grünem Boden ein schwarzer Bär steht, über diesem
die Buchstaben G. F. — George Friedrich. Auf dem oberen
Scilildesrande befindet sich wachsend ein Jäger mit dem Jagd-
horn. Da auf einem wirklichen Wappenschilde die Anbringung
einer Figur, wie hier geschehen, unheraldisch ist, hat man später
das Ganze als Wappenfigur in einem größeren Schild gesetzt
und diesem die blaue Farbe gegeben.18) Für die Kleidung des
Jägers werden Braun und Grau die angemessenen Farben sein,
für das Hörn Schwarz und Gold und die Feder am Hute Roth.
Auch ist noch zu bemerken, daß die Erallen des Bären ab-
stechend zu tingiren sind, entweder mit Gold oder Roth.
(Taf. VI.) Jäger und Bär weisen auf die damals aus großen
Waldungen bestehende Umgebung der Stadt hin, die Ueberreste
der ehemaligen großen Wildniß.
13) Um den im Privilegium vorgeschriebenen silbernen Schild als
eigentlichen Wappenschild gelten zu lassen und dabei zugleich den Jäger
in heraldisch richtiger Weise anbringen zu können, hätte der Verleiher des
Wappens dem Schilde einen Helm aufsetzen und diesem den Jäger als
Kleinod geben müssen. In derselben Weise wie hier ist auch bei der
Wappenverleihung für Labiau und wahrscheinlich auch für Stallupönen
gegen die Heraldik gesündigt worden. Auch bei dem Wappen von Marien-
werder mußte der in dieser Hinsicht begangene Fehler durch Hinzufügung
eines grösseren Schildes verbessert werden.
276 Die Wappen der Städte Ali-Preußens.
Bei neueren Darstellungen des Wappens hat man hin und wieder die
Geschmacklosigkeit begangen, eine einem Postiilon gleichende Figur auf
den kleinen Schild zu setzen.
Johannisburg. Die Burg erbaut 1345 vom HM. Heinrich
Tusmer. Die daneben entstandene Lischke wird zuerst er-
wähnt 1367. Sie wurde vom Kurfürsten Friedrich Wilhelm
durch Handfeste vom 8. November 164B zur Stadt erhoben. In
dieser Handfeste wird ihr folgendes, auf den Namen anspielende
Wappen verliehen: Ein getheilter Schild, dessen oberer Platz
von Silber und Schwarz gespalten, der untere roth ist. In der
Mitte, auf der Schildestheilung liegt eine Schale mit dem Haupte
Johannis des Täufers. (Taf. VI.) (von Werner, Poleographie
VI, 42.)
Das Gerichtssiegel zeigt St. Johannes, welcher in der Linken ein
Buch, in der Rechten einen Kelch hält, aus dem sich eine Schlange empor-
ringelt. Im Hintergrunde erblickt man eine Kirche, (von Werner a. a. 0.)
Kauernick (polnisch Kurz^tnik), Burg und Stadt des Bis-
thums Kulmsee, erwähnt 1330. Wappen: Ein nach links ge-
wendeter gekrönter Hahn. (Taf. VI.) Der Name der Stadt
lautete im 14. Jahrhundert Kurnik; diese Form war neben der
jetzigen aber auch noch im folgenden Jahrhundert gebräuchlich,
als Westpreußen unter die polnische Herrschaft kam. Die Polen
hielten diesen Namen für das in ihrer Sprache vorkommende
Wort kurnik, welches einen Hühnerstall oder überhaupt einen
Ort, wo Hühner gehegt werden, bedeutet; sie gaben daher der
Stadt auch den Namen Kurzantnik, später KurzQtnik geschrieben,
welcher in ihrer Sprache dieselbe Bedeutung hatte. Das auf
den Namen der Stadt anspielende Wappen stammt also sicher-
lich aus der Zeit der Polenherrschaft und ist ihr wahrscheinlich
von einem Könige Polens verliehen worden, worauf die Krone
auf dem Kopfe des Hahnes hindeutet.
Königsberg. Die Burg erbaut 1255. Die erste Stadt, er-
wähnt 1258, wurde 1264 zerstört. Handfeste der neugegründeten
Stadt — Altstadt — 1286 vom Landmeister Konrad von Thier-
Von C. Beckherrn. 277
berg, der Neustadt Löbenicht 1300 vom Komtur zu Königsberg
Berthold Brühaven, des Kneiphofs (Pregelmünde) 1327 vom
HM. Werner von Orseln.
Altstadt. Das große, älteste Siegel hängt unter einer
Urkunde von 1360. Es enthält einen gekrönten Ritter auf
schreitendem Rosse, welcher in der Rechten ein Scepter und
am linken Arme einen Dreiecksschild trägt, auf dem ein die
Schildesränder berührendes Balkenkreuz mit einem stilisirten
Adler in der Mitte zu sehen ist. (Taf. VII.) Dieser Ritter ist
unzweifelhaft König Ottokar von Böhmen, der Schild aber der
des deutschen Ordens mit dem hochmeisterlichen Wappen. Dieser
Schild am Arme des Böhmenkönigs soll an die von diesem und
dem Orden gemeinschaftlich ausgeführte Eroberung des Sam-
landes erinnern, welche die Gründung der Stadt zur Folge hatte.14)
Dieses Wappen blieb bis gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts
im Gebrauch.
Neben diesem tritt im 15. Jahrhundert im Secretsiegel
noch ein anderes auf und verdrängt allmählich das alte Wappen ;
vielleicht ist es sogar schon im vorhergehenden Jahrhundert
entstanden, denn wir erblicken es schon im Banner aus der
Tannenberger Schlacht, welches uns auch die richtigen Farben
überliefert hat. Es zeigt im von Silber und Roth getheilten,
zuweilen auch mit Damascirung versehenen Schilde oben eine
rothe Krone, unten ein silbernes Kreuz; im Anfange des
16. Jahrhunderts gab man ihm zwei Löwen als Schildhalter.
(Taf. VII). Die Krone erinnert an König Ottokar, welcher
durch Unterstützung des Ordens mit Geld beim Aufbau der
ersten Burg mitgeholfen hat, die Vorbedingungen für die Grün-
dung der Stadt zu erfüllen. Ueber die Bedeutung des silbernen
14) An die einstige Waffen genossenschaft erinnert auch ein von den
Polen in der Schlacht bei Tannenberg erbeutetes Banner, welches höchst
wahrscheinlich der Hauskomtur von Königeberg geführt hat; es zeigt oben
das schwarze Ordenskreuz im weißen Felde, unten den weißen böhmischen
Löwen im rothen Felde.
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX. Hft 8 u. 4. 18
278 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
Kreuzes wurde schon in der Einleitung eine Vermuthung aus-
gesprochen.
Eine Abbildung aus dem 17. Jahrhundert, mit welcher die „Prussia"
sonderbarerweise ihre Diplome verziert hat, setzt dem Schilde einen Helm
mit offenem Fluge auf, in welchem als weitere Helmzier ein Kreuz mit da-
rüber schwebender Krone steht. Als Schildhalter figuriren in dieser anf
TJnkenntniß oder willkürlicher Erfindung beruhenden Darstellung zwei wilde
Männer.
Auch gegenwärtig wird das Wappen oft noch unrichtig dargestellt
indem man ihm anstatt der rothen eine goldene Krone im silbernen Felde
giebt, wodurch gegen die heraldische Regel, daß nicht Metall auf Metall
zu setzen ist, verstoßen wird.15) Zu dieser Regelwidrigkeit ist man auch
erst allmählich gelangt, denn man hatte sich zuerst damit begnügt, die
Ecken der rothen Krone zu vergolden.
Das Gerichtssiegel der Altstadt zeigte Christus, auf einem Regea-
bogen sitzend und in der Linken ein Schwert, in der Rechten einen Oel-
baumzweig haltend. Zu beiden Seiten schwebte je ein Engel, zu seinen
Füssen das Stadtwappen. (Conrad, Altpr. Monatsschr. XXIV, 214.)
Löbenicht. Das Wappen dieser Stadt hat im blauen
Felde eine goldene Krone, darüber und darunter schwebt ein
sechsstrahliger goldener Stern. (Taf. VII).
In der erwähnten Darstellung aus dem 17. Jahrhundert halten zwei
bekleidete weibliche Gestalten den Schild. Lilienthal (Erläutertes Preussen
IV, 7) macht aus ihnen zwei braune Engel und setzt auf den Schild einen
offenen Helm mit Krone und schwarzen und grünen Decken. Der Schild
soll grau gefärbt und die darin schwebende Krone braun und vergoldet
sein. Es ist offenbar, daß dieser Beschreibung ein mit willkürlichen Zu-
thaten versehenes altes, verwittertes Wappen zu Grunde gelegen hat, in
dem das Blau des Schildes verblaßt und das Oold der Krone zum Tbeü
bis auf die rothbraune Unterlage, welche man den Vergoldungen zu geben
pflegte, bereits abgerieben war.
Das Gerichtssiegel des Löbenichts enthielt eine Justitia, an deren
rechte Hüfte sich das Stadtwappen lehnte. (Conrad a. a. 0. S. 215.)
15) Diese Regel gilt jedoch hauptsächlich nur für selbständige Wappen-
figuren, denn bei einzelnen Theilen von diesen wird auch in alten Wappen
zuweilen davon abgewichen. So findet man z. B. die goldenen Krallen nnd
Kronen der Adler und die goldene Krone der Jungfrau Maria auf metallenem
Grunde. Andererseits soll auch nicht Farbe auf Farbe zu stehen kommen,
jedoch sind einzelne Ausnahmen gestattet z. B. für die natürliche Farbe
der menschlichen Figuren, Thiere und Pflanzen.
Von C. Beokherrn. 279
Kneiphof (Knipabe) hat als Wappen im grünen Felde
einen aus Wellen emporragenden Arm, welcher mit blauem
Aermel bekleidet ist und in der Hand eine goldene Krone hält.
Zu beiden Seiten schwebt je ein Jagdhorn. (Taf. VII.)10) Die
Krone hat sowohl hier wie auch beim Löbenicht dieselbe Be-
deutung, welche beim Wappen der Altstadt angegeben wurde.
Die Wellen, aus denen der die Krone stützende Arm hervor-
ragt, weisen auf die Lage der Stadt auf einer Insel hin, welche
die Schifffahrt und somit auch den Handel begünstigte, auf dem
der Wohlstand der Stadt beruhte. In einem Siegel, welches die
Stadt vom Anfange des 16. Jahrhunderts bis zur Vereinigung
der drei Städte führte, kommt als Schildhalter ein Krieger vor,
welcher halb wie ein römischer Legionssoldat, halb wie ein Lands-
knecht aussieht und in der Rechten eine kleine Fahne hält.
Er wird auf den sagenhaften kneiphöfischen Schuhmachergesellen
Hans von Sagan gedeutet, welcher in der Schlacht bei ßudau
eine Rolle gespielt haben soll.
Die Beschreibung Lilienthals (a. a. 0. III, 472) hat wieder Unrichtiges,
indem hier der Schild von Silber und Grün getheilt ist. Die als Schildhalter
auftretenden Bären zeigt auch die erwähnte Darstellung aus dem 17. Jahr-
hundert. Ausserdem setzt diese in unheraldischer Weise noch eine doppelt
geschwänzte Melusine auf den oberen Schildesrand. Diese sowie auch die
Bären sind willkürliche Zuthateo.
Im Gerichtesiegel des Kneiphofs erblickte man Christus, auf einem
Regenbogen sitzend und mit Schwert und Oelbaumzweig in den Händen.
Seine Füsse ruhten auf der Weltkugel. Weiter unten zeigten sich zwei
durch das Stadtwappen von einander geschiedene Gruppen menschlicher
16) Kniepow, Kniephof, Kneibab kommt auch anderweitig als Orts-
name vor. Stadie (Altpr. Monatsschr. VI, 306) leitet ihn von knieja —
morastiger, lehmiger Ort — ab, was zur ehemaligen Beschaffenheit des
Bodens der Insel, auf welcher die Stadt angelegt wurde, sehr gut passen
würde. Knieja bedeutet aber auch Forst, woraus zu folgern wäre, daß die
Insel • ursprünglich auch mit Wald bedeckt gewesen sei. Sollten etwa auf
diesen Umstand die Jagdhörner des Wappens hinweisen, oder sind diese als
Anspielung auf den Namen der Stadt anzusehen, weil ein Jägerhorn polnisch
kniejowka heißt? Die polnische Sprache war gewiß schon im 14. Jahr-
hundert einem großen Theile der Einwohner Königsbergs durch den von
ihnen mit Polen betriebenen Handel mehr oder weniger geläufig.
18*
280 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
Figuren, die auf der rechten Seite die Guten, die auf der linken die Bösen
im jüngsten Gericht darstellend. (Conrad a. a. 0.)
Gleich nach der Krönung Friedrichs I. heantragten die Bewohner der
Burgfreiheit beim Könige die Erhebung ihres Stadttheiles zur selb-
ständigen Stadt, gelangten aber wegen des Widerspruchs der andern drei
Städte nicht zum Ziele. Sie hatten sich auch ein eigenes Wappen erbeten,
nämlich eine von oben aus Wolken hervorkommende Hand, welche eine
Königskrone hält „weil E. Majestät dieselbe vom Himmel empfangen", da-
runter auf der einen Seite ein Stern, auf der andern ein blaues Kreuz, beide
dem neugestifteten Orden vom schwarzen Adler entlehnt. (Conrad. Altpr.
Monatsschr. XXIII, 7.)17)
Den herzoglichen Vorstädten oder Freiheiten, mit Ausnahme der Barg-
freiheit, verliehen im Laufe des 16. Jahrhunderts die Landesherren in den
Gerichtssiegeln besondere Wappen.
Der Sackheim hatte im Schilde von wahrscheinlich blauer Farbe
das silberne Lamm Gottes mit goldenem Heiligenschein und rother Krenz-
fahne, auf einem grünen Boden stehend. Dieses Wappen stammte, nach der
im Siegelfelde befindlichen Zahl 78 zu schließen, wahrscheinlich aus dem
Jahre 1578.
Dem Tragheim wurde 1577 vom Herzog Albrecht Friedrich folgendes
Wappen verliehen: In einem größeren Schilde von blauer Farbe ein kleinerer,
wahrscheinlich von Silber, worin zwischen zwei Bäumen ein nach rechts
gewendeter Hirschkopf mit Hals schwebt. Diesen Figuren wird die natür-
liche Farbe zu geben sein. Den kleinen Schild umgeben in dem blatten
Felde vier wahrscheinlich silberne Rosetten. Dieses Wappen spielt offenbar
auf die Lage des Tragheims neben dem herzoglichen Hetzgarten an.
Der Vordere Roßgarten hat 1576 ebenfalls von Herzog Albreoht
Friedrich ein Wappen erhalten: Im wahrscheinlich blauen Felde ein anf
grüner Aue weidendes silbernes Roß.
Dem Hinteren Roßgarten verlieh 1596 Markgraf George Friedrieh
ein Wappen : Im blauen Felde eines größeren Schildes ein kleinerer silberner.
In diesem auf grüner Weide ein schwarzer nach rechts gewendeter Stier,
welcher den Kopf dem Beschauer zuwendet. Die Bedeutung der Wappen
beider Roßgärten liegt auf der Hand, denn beide Vorstädte waren auf den
ehemaligen Pferde- und Viehweiden entstanden.
Der Neuen Sorge, zwischen Sackheim und Roßgarten gelegen, gab
1662 der Große Kurfürst als Wappen eine von oben aus einer Wolke her-
vorkommende Hand, welche ein Winkelmaß hält. Zu beiden Seiten des-
selben befindet sich je ein offenes Auge, außerdem die Zahl 1662. Als
17) Das oberburggräf liehe Amt, unter dem die Burgfreiheit in allen Ver-
waltnngs-, Justiz- und andern Sachen stand, führte im Siegel das hohen -
zollernsche Wappen. (Conrad, Altpr. Monatsschr. XXIV, 226).
Von C. Beckherrn. 281
Farbe des Schildes wird die blaue, als die der Figuren die natürliche anzu-
nehmen sein. Die Umschrift des Siegels enthält die Devise: Rectum inter
et aequum.
Auch die städtischen Freiheiten mit Ausnahme der zum Löbenicht
gehörigen, den Anger und einen kleinen Theil des Sackheims umfassenden,
besaßen schon von altersher Wappen in ihren Gerichtssiegeln.
Der zur Altstadt gehörige Steindamm hatte eine Justitia mit der
Binde um die Augen, dem Schwerte in der Hechten und der Waage in der
Linken im rothen oder silbernen oder wahrscheinlicher im von beiden
Farben getheilten Felde.
Die zum Kneiphof gehörige „ Vorstadt" mit dem Haberberge hatte
im grünen Felde eine aus einer Wolke hervorkommende Hand, welche
zwischen zwei freischwebenden Jagdhörnern eine Waage hielt, eine An-
spielung auf den Umstand, daß die Vorstadt derjenige Ort war, welcher
die dem Handel des Kneiphofs dienenden Einrichtungen, die Speicher, die
Waage u. s. w. enthielt.
Nach der Vereinigung von Altstadt, Löbenicht, Kneiphof
nebst Vorstädten zu einer Gemeinde, der Stadt Königsberg,
im Jahre 1724 wurde das Wappen derselben in der Art formirt,
daß man den unteren Theil des gekrönten und mit Namenszug
nebst Krone auf der Brust versehenen, stilisirten preußischen
Adlers mit den in einer Beihe an einandergefügten Wappen-
schilden der drei alten Städte belegte, wobei der der Altstadt
die Mitte, der des Kneiphofs die rechte Seite, welche eigent-
lich dem Löbenicht hätte zukommen müssen, und der des Lobe-
nichts die linke Seite einnahm. Eine gegenwärtig am meisten
gebrauchte Form dieses Wappens, bei welcher der Adler in
Fortfall kommt, erblickt man am Thurme des Kneiphöfischen
Eathhauses: Oben rechts Altstadt, links Löbenicht, unten auf
der Mittellinie Kneiphof. Auf den beiden oberen Schilden ruht
eine goldene Königskrone. Diese darf aber nicht, wie man es
hier und auch anderwärts sieht, die mittelalterliche mit Blättern
und Zacken besetzte, oben offene sein, sondern die mit Bügeln
geschlossene, noch jetzt gebräuchliche; denn die Stadt führt
diese Königskrone in ihrer Eigenschaft als Krönungs- und
königliche Residenzstadt, zu welcher Würde sie doch erst in
neuerer Zeit gelangt ist. (Taf. VII.) Der diesem zusammen-
gesetzten Wappen zu gebende Schild wird die silberne Tinctur
282
Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
erhalten müssen. Daß dabei die große goldene Krone eine
metallene Unterlage erhält, hat nichts zu sagen, weil sie hier
nur als Theil eines Ganzen und nicht als selbständige Figur
auftritt. (Vergl. Anmerk. IB.) Hierbei muß bemerkt werden,
daß die auf Tafel VII dargestellte Art und Weise der Ver-
einigung der drei Wappen in einem Schilde nicht ganz den
Regeln der Heraldik entspricht. Will man diese genau befolgen,
so hat die Vereinigung entweder durch Verschränkung (Fig. 1)
Fig. L
Fig. Ä
Fig. 8.
a
a
b
c
d
e
f
\g
h
kj
i
oder durch Einpfropfung (Fig. 2) zu geschehen, wobei Altstadt
in a, Löbenicht in b, Kneiphof in c und die grosse Krone auf
den oberen Schildesrand zu stehen kommen. Bei diesem Ver-
fahren würden aber die schmalen Felder der Einzeichnung der
Figuren in der angemessenen Größe sehr hinderlich sein und
das Wappen kein gefälliges Aussehen haben. Diese Uebelstände
könnten vermieden werden, wenn man den Wappen der drei
Städte noch diejenigen der Vorstädte hinzufügen wollte. Dieses
Gesammtwappen würde sich dann so gestalten, wie Fig. 3 zeigt,
worin die Plätze der einzelnen Wappen folgendermaßen ange-
ordnet sind: a Altstadt, b Löbenicht, c Kneiphof, d Steindamm,
e Vorstadt, f Tragheim, g Sackheim, h Vorderer Roßgarten,
i Hinterer Roßgarten, k Neue Sorge.
Bemerkens werth ist noch, daß die Russen während der Occupation
im siebenjährigen Kriege der Stadt ein abgeändertes Wappen octroyirten,
in welchem der mit den Schilden belegte preußische in den doppelköpfigen
russischen Adler, über dem die Zarenkrone schwebte, verwandelt war.
Konitz, ein sehr alter Ort, wird schon 1205 erwähnt und
kommt 1309 unter die Herrschaft des deutschen Ordens. Wann
er zur Stadt erhoben, ist nicht bekannt, die Handfeste wurde
Von C. Beckherrn. 283
1360 vom HM. Winrieh von Kniprode erneuert. Das älteste
Wappen ist ein nach vorn gewendeter Stierkopf, zwischen
dessen Hörnern neun langgestielte Blumen aus dem Kopfe her-
vorwachsen; zu beiden Seiten desselben befinden sich ebenfalls
Stengel mit Blumen. (Taf. VI.) Der Ort soll von aus Mecklen-
burg vertriebenen Wenden gegründet worden sein, der Stier-
kopf könnte daher als Erinnerung an diesen Vorgang angesehen
werden, denn Mecklenburg führt ebenfalls einen Stierkopf im
Wappen.
Jüngere Siegel zeigen anstatt der Blumen vier Ordens-
kreuze zwischen den Hörnern und auf deren Spitzen, wahr-
scheinlich als Andenken an die Treue, welche die Stadt dem
Orden während des Bundeskrieges bewiesen hatte.
Kreuzburg. Die Burg erbaut um 1253. Handfeste der
Stadt 13 1B vom Großkomtur Heinrich von Plock. Wappen nach
dem Siegel von 1440: Eine gezinnte Mauer mit Thor, dessen
Flügel geöffnet sind. Hinter beiden Enden der Mauer erheben
sich viereckige, gezinnte Thürme, zwischen denen ein rechts
gelehnter Dreiecksschild schwebt. Dieser ist gespalten und
zeigt rechts einen halben stilisirten Adler, links die Hälfte
eines Kreuzes. (Taf. VI.)
Kulm (Colmen) wird zuerst 1222 als vor vielen Jahren von
den Preußen zerstörte Burg erwähnt. Die Stadt wurde 1232
gegründet und erhielt 1233 vom HM. Hermann von Salza ihre
Handfeste. Im ältesten, grossen Siegel von 1345 erblickt man,
auf drei an einander gereiheten Bogen ruhend, ein Thorhaus
und zu beiden Seiten desselben niedrige Thürme mit vortretenden
oberen Geschossen und Dächern. Darunter ohne Boden auf
nach rechts galoppirendem Bosse einen Bitter mit Eisenhut,
Ordensschild am linken Arme und Banner in der Rechten.
Dieses läuft in drei Enden aus und enthält in dem geschlossenen
Theile neben der Stange die Figuren des in der Tannenberger
Schlacht von der Stadt oder dem Komtur von Kulm geführten
Banners, nämlich im rothen, oben schwarz eingefaßten Fahnen-
284 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
tuche zwei weisse Ströme, in deren oberem das schwarze Ordens-
kreuz schwebt. (Taf. VI.)
In jüngeren Siegeln ist unter drei sich an einander schließendea
Wimpergen das Roß auf einem Boden schreitend dargestellt, der Schild des
Ritters zuerst unten abgerundet, später oval, das Banner dreieckig, und der
Eisenhut ist in einen Visirhelm verwandelt.
Im jüngsten Siegel ist im Banner de« Ritters ein Berg abgebildet
auf dessen Gipfel das Ordenskreuz steht. Dieses Bild des Bauners soll auch
für sich allein als Wappen der Stadt vorkommen. (Vergi. N. Pr. Prov. Bl.
a. F. X, 376.)
Kulmsee war Sitz des Bischofs Christian und wird unter
dem Namen Loza schon 1222 erwähnt. Bischof Heidenreich
erhob den Ort 1251 zur Stadt und wahrscheinlich zugleich auch
zu seinem Sitze. Das älteste Siegel aus dem 13. Jahrhundert
enthält die sehr ungeschickt ausgeführte Darstellung einer
Kirche, augenscheinlich der noch stehenden ehemaligen Kathe-
drale des Bisthums. Wir erblicken die Westfront des Gebäudes
mit den beiden Hauptthürmen, von denen der südliche aber als
vollendet dargestellt ist. Zwischen denselben zeigt sich der
niedrige Zwischenbau mit seinem an den dahinter emporrageDden
Giebel des Langhauses sich anlehnenden Pultdache, mit dem
Portal und der darüber befindlichen großen Fensterrose. Die
beiden kleinen Ostthürme kommen in dieser Darstellung nicht
zur Geltung, weil sie von den Haupthürmen verdeckt werden.
An jeden dieser letzteren lehnt sich ein Baumzweig an.
(Taf. VI.) Die alten Siegel pflegen sonst nur stilisirte oder der
Phantasie entsprungene Darstellungen von Bauwerken zu ent-
halten, das oben beschriebene wird daher durch die im All-
gemeinen richtige, wenn auch mangelhafte und ungeschickt
ausgeführte Abbildung besonders interessant, die es von der
alten Kathedrale giebt, deren Bau bereits um das Jahr 1254
begonnen, wegen wiederholter Unterbrechungen durch Brand
und andere Zwischenfalle aber erst um 1359 vollendet wurde.
Ein jüngeres Siegel hat ebenfalls eine Kirche, aber in sehr ver-
änderter, nüchterner Gestalt, ohne die entfernteste Aehnlichkeit nüt der
ehemaligen Kathedrale. (Siebmachor S. 134.)
Von C. Beckherrn. 285
Labiau (Labegowe). Die Burg existirte schon 1277. Di9
dabei gelegene Lischke, erwähnt zwischen 1392 und 1396, wurde
vom Kurfürsten Friedrich Wilhelm durch Handfeste von 1642
zur Stadt erhoben. Diese Handfeste enthält auch die Verleihung
des "Wappens, welches folgendermaßen beschrieben wird: „Ein
weißer Schild, darinnen aus einer blauen Wolke ein halb grüner
Arm, s.o in der Hand ein Jägerhorn hält, und unten ein grüner
Baum, über dem Schild aber ein Auer, inmaßen denn solches
allhie mit Farben scheinbarlichen vorgemalet und eingeleitet."
(Toppen, Altpr. Monatschr. IV, 521). (Taf. VIII.) Wegen der
nach dieser Beschreibung unheraldischen Stellung des Auers auf
dem oberen Schildesrande ist das Ganze als Wappenfigur in
einen größeren Schild einzufügen, für den die rothe Farbe die
passendste sein dürfte. (Vergl. Art. Insterburg). Der Baum,
das Jägerhorn und der Auer (Wisent) spielen auf die Lage der
Stadt in der Nähe des großen sogenannten Baumwaldes an, wo-
selbst wie auch in den nördlich von Labiau gelegenen Mooren
der Auer noch im 17. Jahrhundert sich aufhielt; der letzte
wurde 1755 im Baumwalde erlegt.
Das Wappen bei Siebmacher (S. 151), welches auf dem Schilde einen
Helm mit wachsendem Heiligen als Kleinod hat, ist nach Obigem zu ver-
werfen.
Landeck wird 1447 erwähnt, in welchem Jahre der HM.
Konrad von Erlichshausen Burg und Dorf an Siegfried von Malen
verlieh. Letzteres ist erst in neuerer, unbekannter Zeit zur
Stadt erhoben worden. Wappen: In einem größeren Schilde
ein kleinerer, worin eine Weintraube mit Stiel und Blättern.
Auf dem oberen Rande des kleinen Schildes, dessen Seiten mit
Zweigen geschmückt sind, steht der nichtstilisirte preußische
Adler mit ausgebreiteten Flügeln. (Taf. VIII.)
Nach Benwitz (Pr. Prov. Bl. III, 27) soll Landeck ein Lamm im
Wappen führen.
Landsberg (Landstraß). Handfeste 1335 vom Komtur zu
Balga Heinrich von Muro. Das älteste Siegel am Bundesbriefe
von 1440 zeigt einen auf einem Boden stehenden Wolf mit
286 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
einem Lamm im Bachen. (Voßberg Taf. XVII). Der Wolf ist
dem Wappen des Komturs zu Balga, des Gründers der Stadt,
entlehnt, die angemessensten Farben werden demnach sein:
Feld silbern, Wolf roth mit schwarzen Krallen, Lamm schwarz.
(Taf. VIII.)
Bei Siebmacher (S. 304) ist der Wolf laufend und eine Gans im
Rachen tragend dargestellt.
Lauenburg (Lewenburg) wurde vom HM. Dietrich von Alten-
burg durch Handfeste von 1341 zur Stadt erhoben. Wappen
nach dem Siegel von 1440: Eine Burg mit doppeltem, gestaffeltem
Parcham. Aus einem gewölbten Durchlaß der äußeren Parcham-
mauer strömt ein Fluß, die Leba, hervor. Oben links, neben
dem Hauptthurme der Burg sitzt ein Löwe. (Taf. VIH.) Dieser
Leu soll das "Wappen zu einem redenden machen: Leuenburg.
In einem Siegel von 1526 hat die auf ebenem Boden stehende Burg
nur einen einfachen Parcham und der Fluss fehlt. (Siebmacher S. 152.)
Lautenburg (Lutirberg), erwähnt im Anfange des 15. Jahr-
hunderts, erhielt eine Handfeste zwischen 1422 und 1441 vom
HM. Paul von Roßdorf. Wappen: Ein nach rechts springendes
Einhorn. (Taf. VIH.)
Voßberg (S. 38) giebt dem Wappen angeblich nach einem Siegel ans
dem 17. Jahrhundert nur den Kopf eines Einhorns.
Leba (Lebemunde). Handfeste 1357 vom Komtur zu Danzig.
Wappen nach dem Siegel von 1440. Ein Seehund (Seelöwe?),
hinter dem ein lateinisches Kreuz hervorragt. (Taf. VIH.)
L6886I1. Handfeste 1298 vom Landmeister Meinhard von
Querfurt und 1306 von Korad Sack. Im Siegel von 1665 be-
findet sich ein Kelch, aus dem ein von Strahlen umgebenes
Haupt, wohl das Johannis des Täufers, hervorragt. Neben jeder
Seite des Kelches schwebt ein Stern. (Taf. VHI.)
Liebemühl. Handfeste 1335 vom Komtur zu Christburg
Härtung von Sonnenborn. Wappen: Ein Mühlrad (Taf. VIII),
als Anspielung auf den Namen der Stadt.
Von 0. Beckherrn. 287
Liebstadt (Libinstadt). Gründung von Burg und Stadt
nicht bekannt, letztere wird 1315 zuerst erwähnt. Wappen
nach dem Siegel von 1332: Ein stehender, nach links gewendeter
Hirsch, unter und vor dem je eine Blume aus dem Schildes-
rande hervorwächst. Vor dem Kopfe des Thieres schwebt am
Schildesrande ein kleines. Kreuz. (Taf. VIII.)
LÖbau. Um das Jahr 1216 schenkte Survabuno, der
preußische Häuptling des Gebietes Löbau, seine Wohnburg dem
Bischof Christian. Dieser hat dann höchst wahrscheinlich neben
der Burg den 1260 urkundlich erwähnten Marktflecken (forum)
Löbau gegründet, woraus ca. 1269 die Stadt entstanden ist.
Ihre Gründungshandfeste ist verloren gegangen, eine zweite er-
hielt sie vom Bischof Hermann (1303 — 1311) und eine dritte
1326 vom Bischof Otto. In dem Siegel von 1440 steht ein
Bischof mit segnender Hechten und dem Krummstabe in der
Linken zwischen einem Laub- und einem Nadelbaume (Taf. IX),
welche beide die Entstehung des Ortes inmitten grosser Waldungen,
die noch bis in spätere Jahrhunderte hier existirten, andeuten.
Die Schutzheiligen der Stadt waren St. Joseph und St. Nicolaus,
Bischof von Myra. Diesen letzteren kann die Figur des Bischofs
im Siegel jedoch nicht darstellen, denn ihr fehlt jedes den
heiligen Nicolaus kennzeichnende Attribut. (Vergl. Art. Graudenz.)
In Löbau wurde er mit einer Warnie vor seinen Füßen, worin
drei Kinder sitzen, abgebildet. (Liek, die Stadt Löbau. Zeitsch.
d. hist. Vereins f. d. R. B. Marienwerder Heft 28, S. 400.)
Außerdem läßt der Bischof des Siegels das allen Heiligen ge-
meinsame Attribut, den Nimbus, vermissen. In dieser Figur
haben wir also den unbekannten bischöflichen Aussteller der
ersten Handfeste und Gründer der Stadt, wenn nicht etwa gar
den Bischof Christian als Gründer des Marktfleckens, aus dem
die Stadt sich entwickelte, vor uns. Da dieser auch der erste
Lehrer des Christentums in dieser Gegend gewesen war, von
dessen Thätigkeit in dem entstehenden Orte die Sage noch jetzt
zu berichten weiss (Liek a. a. O. S. 411), so ist es sehr wahr-
288 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
scheinlich, daß die Bürger der jungen Stadt durch die Auf-
nahme seines Bildes in das Stadtsiegel sein Andenken haben
ehren wollen. (Vergl. das Porträtsiegel Christians bei Voßberg
S. 17, worin die Figur des Bischofs der im Stadtsiegel sehr
ähnlich ist.)
Ein großes Siegel von 1541 zeigt einen Bischof, über dem der preußische
Adler schwebt. Das Secretsiegel von demselben Jahre enthält eine Bischofs-
mütze, dahinter gekreuzt Krummstab und Kreuz (Schwert?). (Liek a. a. 0.)
Lötzen. Die Burg erwähnt zwischen 1335 und 1341. Das
daneben schon 1475 bestehende Dorf Neuendorf wurde 1573
vom Herzog Albrecht Friedrich zur Stadt erhoben und als solche
1612 vom Kurfürsten Johann Siegismund bestätigt. Seitdem
führt die Stadt ein Wappen, in dessen Felde drei Fische —
Bressen — über einander schweben (Taf. IX), eine Hinweisung
auf den Fischfang, die frühere Hauptbeschäftigung der Ein-
wohner, zu welcher die Lage des Ortes zwischen zwei großen
Seen aufforderte. Die drei Bressen des hier nach Siebmacher
beschriebenen und gezeichneten Wappens sollen sich in dem
ältesten Siegel neben einander in steigender Stellung befunden
haben, und zwar so, daß der mittelste die beiden andern an
Größe überragte. Letzterer Umstand ist unwesentlich, denn die
bedeutendere Größe des mittelsten Fisches hat nur die bessere
Ausfüllung des kreisförmigen Siegelfeldes zum Zweck gehabt.
Lyck. Die schon 1390 bestehende Burg wurde 1398 und
1408 vom Komtur zu Balga umgebaut. Daneben wurde 1425
vom HM. Paul von Rußdorf ein Dorf angelegt; dieses sollte
schon 1445 zur Stadt erhoben werden, thatsächlich geschah die
Erhebung aber erst durch den Kurfürsten Friedrich Wilhelm
mittels des Privilegiums von 1669. In diesem wird der Stadt
als Wappen ein Januskopf verliehen. (Taf. IX.) v. Werner
fügt in seiner Poleographie (III, 40) die wohl kaum zu be-
gründende Anekdote hinzu, der Kurfürst habe diese Wappen-
figur gewählt, weil der damalige Bürgermeister Janus geheißen
habe. Es wird daher richtiger sein, diese Figur dahin zu deuten,
Von C. Beckherrn. 289
daß der Kurfürst durch sie die Wichtigkeit der Stadt mit ihrem
festen Schlosse, welche noch jüngst einem Anstürme der wilden
Tatarenhorden ausgesetzt gewesen waren, als Pforte gegen
Polen und Litauen habe hervorheben wollen, denn der römische
Gott Janus, welcher mit einem Schlüssel in der Hand dargestellt
wurde, galt nicht nur als Beschützer der Hausthüren, sondern
auch als Wächter der Pforten des Landes.
Nach der soeben citirten Quelle hat dieser Ort schon 1513 ein Gerichts-
siegel mit folgendem Wappen geführt: Ein. Hirsch, welcher ans einer am
linken Schildesrande stehenden Baumgruppe hervorspringt, eine Hindeutung
auf die Entstehung des Ortes inmitten der großenVWildniß und das ihm
schon als Dorf in der Handfeste von 1425 verliehene Jagdrecht.
Marggrabowa. Siehe Oletzko.
Marienburg. Die Erbauung der Burg begann 1274. Hand-
feste der Stadt 1276 vom Landmeister Konrad von Thierberg,
erneuert 1303 von Konrad Sack. Wappen: Ein geschlossenes, mit
Fallgatter versehenes Thor, flankirt von zwei viereckigen, ge-
zinnten Thürmen. Zwischen diesen über dem Thore schwebt
der Ordensschild. (Taf. IX.)
Das aus dem 13. Jahrhundert stammende, ajso älteste Siegel
ist das Secret. Es zeigt eine gezinnte Mauer mit einem etwas
höheren geschlossenen Thore, welches mit einem Fallgatter und
ebenfalls mit Zinnen versehen ist. Dahinter ragen drei acht-
eckige, gezinnte, spitze Dächer tragende Thürme hervor, von
denen der in der Mitte größer ist als die andern.
In einem jüngeren großen Siegel erblickt man eine gezinnte Mauer
mit geschlossenem Thore, worüber sich ein starker Thurra mit geschweiftem
Dache erhebt; an seiner Vorderseite ist der Ordensschild befestigt. Hinter
beiden Enden der Maner ragt je ein schlanker Thurm mit spitzem Dache
hervor. Neuerdings hat man den Ordensschild ins Thor versetzt und an
seiner Stelle einen Schild mit dem preußischen Adler angebracht. (Sieb-
macher S. 310.)
Marienwerder, Burg und Stadt des Bisthums Pomesanien.
Die Burg erbaut 1233, die Stadt gegründet 1234. Die vom
Landmeister Hermann Balk ausgestellte Handfeste wurde 1336
vom Bischof Berthold erneuert. Wappen: In einem größeren
290 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
Schilde, welcher silbern zu tingiren wäre, ein kleinerer blauer
Schild, in welchem rechts ein silberner Bischofsstab, links eine
rothe Bischofsmütze und unter dieser ein silbernes Kreuz schwebt.
Auf dem kleinen Schilde wachsend die Jungfrau Maria im
rothen Gewände. Diese soll die Stadt zum Andenken an die
tapfere Verteidigung des Domes durch die Bürger gegen die
Polen im Jahre 1414 (Voigt, Gesch. Preußens VII, 251) im
"Wappen führen. (Taf. IX.) Das silberne Kreuz könnte viel-
leicht, wenn die in der Einleitung über die Bedeutung dieses
Zeichens ausgesprochene Vermuthung richtig wäre, die Zuge-
hörigkeit dieser in der Nähe der Weichsel gelegenen Stadt zur
Hansa andeuten, trotzdem daß dieselbe unter den Hansastädten
nicht ausdrücklich genannt wird.
Die Jungfrau Maria hat sich in neueren Wappen in eine andere weib-
liche Figur verwandelt, welche eich zwischen zwei Hirschstangen befindet,
die sie mit den Händen anfaßt.
Mehfoack. Burg und Stadt des ermländischen Domkapitels,
ursprünglich ein altpreußischer Ort mit Namen Malcekuke.
Handfeste der Stadt 1312 vom Probst Heinrich; die Burg stand
wahrscheinlich schon früher. Im Siegel von 1440 befinden sich
Schwert und Schlüssel gekreuzt, im oberen Winkel und in denen
zu beiden Seiten je ein Mehlsack, das zugebundene Ende nach
außen gerichtet. (Taf. IX.) Die Absicht, durch diese das
Wappen zu einem redenden zu machen, ist eigentlich verfehlt,
weil die ursprüngliche Namensform mit einem Mehlsacke nichts
zu thun hat.
Memel. Die Burg 1252 vom Landmeister von Livland
Andreas von Steierland und vom Bischof Heinrich von Kurland
erbaut. Die Stadt, zuerst Neu-Dortmund, bald aber Memelburg
genannt, erhielt 1257 vom Landmeister Burchard von Hörn-
hausen eine Handfeste, welche 1258 der Bischof Heinrich be-
stätigte. Im ältesten Siegel befand sich eine gezinnte Mauer
mit einem Thore in Gestalt eines viereckigen, gezinnten Thurmes
von drei Geschossen. Zu beiden Seiten desselben stand auf der
Von C. Beckherrn. 291
Mauer je eine sonderbar gestaltete, aus Balken gezimmerte und
mit Zinnen versehene Seebake. Unter der Mauer lag auf dem
Wasser ein Kahn. (Taf. IX.)18) Seebaken und Kahn kenn-
zeichnen die Schifffahrt treibende Stadt.
Mewe. Der Ort erwähnt 1204, die Burg vom Deutschen
Orden erbaut 1283. Handfeste der Stadt 1297 vom Landmeister
Meinhard von Querfurt. In einem Siegel von 1450 zeigt sich
freistellend eine Möwe mit einem Fische im Schnabel. (Taf. XI.)
Der Name des Ortes lautete ursprünglich Gymew, das Wappen
kann daher als redendes nicht gelten.
Mohrungen. Neben der schon bestehenden Burg wurde
1327 die Stadt vom Komtur zu Elbing Hermann von Oettingen
gegründet, die Handfeste von seinen Nachfolgern Otto von Drei-
leben 1331 und Siegfried von Sicken 1333 verändert. Das
Siegel unter dem Bundesbriefe von 1440 hat freistehend eine
jugendliche männliche Figur in einem hemdeartigen, um die
Hüften gegürteten Gewände, welches die nackten Füsse frei-
läßt; der Kopf ist ebenfalls nicht bedeckt. Sie hält in der
Linken eine kleine Kugel und mit der Rechten auf der Schulter'
einen Stab, welcher am oberen Ende in eine grosse Kugel aus-
läuft, vielleicht eine Keule. (Taf. IX.) Voßberg (S. 45) hält
die Figur für einen Pilger, indem er den Stab für einen Pilger-
stab und die große Kugel desselben für eine Kürbisflasche an-
sieht; diese Erklärung ist aber keineswegs zutreffend, mit
größerem Rechte könnte man an' einen heidnischen Preußen
denken.
Bei Siebmacher (S. 313) wird der fragliche Gegenstand auf der
Schalter der Figur als Braupfanne angesprochen und in Form einer Schöpf-
kelle von einem mit Federn, Korallen und Spangen reich geschmückten
Mohren getragen, welcher die Linke auf die Hüfte stützt. Das Feld ist
blau und mit Sternen bestreut. Dieses Wappen ist ein dem Namen zu
Liebe willkührlich erfundenes Machwerk neuerer Zeit.
18) Die Farben sind nach einer nicht ganz zuverlässigen Quelle
folgende: Das Feld roth, das Mauerwerk silbern, das Wasser blau, Baken
und Kahn braun oder schwarz.
292 Die Wappen der Städte AltrPreußens.
MühlhaU86n. Gegründet vom Komtur zu Elbing Hermann
von Oettingen. Die Handfeste hat 1338 der Komtur Siegfried
von Sicken verändert. Im ältesten Siegel von 1440 befindet
sich als Anspielung auf den Namen ein Mühlrad, in dessen
Mitte auf den Speichen das Stammstück eines Lindenbaumes
mit Zweigen und Blättern liegt. (Taf. X.) Letzteres scheint
anzudeuten, daß die Stadt auf der Stelle eines ausgerodeten
Waldes angelegt worden sei.
In jüngeren Siegeln fehlt der Baumstamm.
Neidenburg. Wann die Burg erbaut, ist nicht bekannt.
Die Stadt, erwähnt 1376, erhielt ihre Handfeste 1381 vom HM.
Winrich von Kniprode. Das älteste, aus dem Ende des 14. Jahr-
hunderts stammende Siegel führt einen nur am Eumpfe mit
einem behaarten Felle bekleideten, sonst nackten Mann, dessen
Kopf mit einem Laubkranze geschmückt ist. In der Rechten
hält er mit ausgestrecktem Arme ein Schwert mit großem,
scheibenförmigem Knaufe, in der linken eine heraldische Lilie.
Zwischen seinen Füßen ragt aus dem Boden ein Gegenstand
auf, den man für einen Baumstumpf halten kann. Zu beiden
Seiten des Mannes wächst aus dem Boden eine rebenartige
Pflanze. (Taf. X.)
In dem 1883 neu angefertigten Wappen ist dem Manne anstatt des
Felles ein Laubkranz um die Hüften gegeben, und die Pflanzen zu beiden
Seiten sind als junge Eichenbäume dargestellt. Das Feld des Schildes hat
eine silberne, die heraldische Lilie eine goldene Tinctur erhalten, das Uebrige
erscheint in natürlicher Färb«. Dieses Wappen wird folgendermaßen ge-
deutet: „Der wilde Mann steht in einem der Kultur eröffneten Lande, was
der Baumstumpf zwischen seinen Füßen nebst den daneben grünenden
Pflanzen darstellen soll. Das Schwert in der Rechten bedeutet, daß das
Land erobert ist, wogegen die Lilie als Symbol der Kultur zu gelten hat."
(Conrad, Sitzungsber. d. Prussia 1886 S. 66 ff.) Diese Deutung trifft wohl
nicht das Richtige. Wie kann das Schwert in der Hand dieses durch seine
Bekleidung als im Urzustände befindlich gekennzeichneten Mannes auf die
Eroberung des Landes durch den deutschen Orden hinweisen, und wie paßt
dieser Mann in ein kultivirtes Land?
Das Wappen bei Siebmacher (S 160) ist ganz unrichtig dargestellt.
Neuenburg. Die Burg (Nove) erwähnt 1266, die Stadt 1301.
Letztere erhielt 1302 ihre Handfeste vom Palatin Peter Swenza,
Von C. Beckherrn. 293
dorn sie von Wenzel II. verliehen worden war. Wappen: Eine
Mauer, worin in der Mitte ein Thor mit aufgezogenem Fall-
gatter, daneben zwei Pforten, auf der Mauer drei gezinnte
Thürme deren mittelster die andern überragt. (Siebmacher
S. 160.) (Taf. X.)
In einem Siegelabdrucke vom Jahre 1502, wahrscheinlich
von einem Stempel des IB. Jahrhunderts stammend (Wegner,
ein pommersches Herzogthum etc. Thl. II, 142), erblickt man
eine Mauer mit zwei Pforten und dahinter das Haupt- und das
Wehrgangsgeschoß eines Burggebäudes in der Bauart des
Deutschen Ordens. Von den Thürmen der Burg zeigt sich einer
an der vorderen rechtsseitigen Ecke, zwei andere überragen das
Dach des Gebäudes an den beiden Enden, und zwischen diesen
in der Mitte erhebt sich ein vierter, welcher sich durch seine
Größe als Hauptthurm kennzeichnet. Die ungewöhnliche Stellung,
in welcher diese letzten Thürme erscheinen, ist zwar zum Theil
der Ungeschicklichkeit des Stempelschneiders zuzuschreiben,
zum Theil scheint die Unregelmäßigkeit in der Anordnung der
Thürme aber auch auf dem Umstände zu beruhen, daß wir hier
kein Phantasiegemälde sondern die Abbildung eines bestimmten
Ordenshauses, also Neuenbürgs, vor uns haben, bei dem Ab-
weichungen von der regelmäßigen Bauart anzunehmen sind, wie
solche hin und wieder auch bei andern Ordenshärusern vor-
kamen. (Taf. XV.)
Neumark. Gegründet 1325 vom Kulmer Landkomtur Otto
von Luterberg. Im Siegel von 1440 ein getheilter Schild, im
oberen Platze ein nach rechts schreitender Leopard, im unteren
eine fünfblätterige ßose. (Taf. X.)
Neustadt (Weyherowa, Weyhersfrei.) Gegründet 1643 von
dem "Woiwoden von Marienburg Jacob Weyher. Wappen nach
dem Siegel von 1774: Ein silbernes Johanniterkreuz, in der
Mitte mit einer fänfblätterigen, rothen Rose belegt. Als Farbe
des Feldes, welche nicht bekannt ist, könnte Schwarz, die Farbe
des Mantels der Johanniter, angenommen werden. (Taf. X.)
Alipr. Monatsschrift Bd. XXIX. Hft 3 u. 4. 19
294 Di« Wappen der Städte Alt-Preußens.
"Wenn etwa das Gebiet, in dem die Stadt entstand, ehemals
dem Johanniterorden angehört hätte, worüber jetzt keine Nach-
richten mehr vorliegen, würde das Kreuz als Erinnerungszeichen
an dieses Verhältnis gelten können ; die Rose ist dem Pamilien-
wappen des Gründers entlehnt.
Neuteich. Handfeste vom Jahre 1316, erneuert 1476 vom
Könige Kasimir IV. von Polen. Wappen im Siegel von 1809:
Ein Zweig mit drei herzförmigen Blättern. (Taf. X.)
Nikolayken, zur Stadt erhoben 1722 vom Könige Friedrich
Wilhelm I., besitzt kein eigenthümliohes Wappen und führt im
Siegel den stilisirten preussischen Adler.
Nordenburg. Die Burg war zuerst ein Wildhaus und wird
erwähnt 1365. Die Stadt soll 1405 gegründet worden sein.
Wappen: Ein nach rechts springendes Roß, darüber und da-
runter ein Stern. (Taf. X.)
Oletzko (Marggrabowa). Gegründet 1560 vom Herzog
Albrecht neben einem Schlosse. Das der Stadt im Gründungs-
privilegium verliehene Wappen zeigt im sibernen Felde, auf
einem Grunde stehend, einen grauen Thurm mit einer großen
und zwei kleinen rothen Spitzen. Am Thurme hängt ein ge-
spaltener Schild, worin rechts in Silber ein halber rother AdlerT
links das von Silber und Schwarz quadrirte hohenzollern9che
Wappen an die Gründung durch einen brandenburgischen
Hohenzollern erinnern. (Taf. X.) (v. Werner, Poleographie II. 30.)
Ob dieses Wappen Veränderungen erlitten, kann nicht angegeben
werden, da wiederholt an den Magistrat gerichtete Bitten am Mittheilung
keine Berücksichtigung gefanden haben.
Orteteburg. Die Burg wird 1360 erwähnt, die daneben
entstandene Lischke 1466. Diese wird zuerst 1673 amtlich
Stadt genannt. Wappen: Auf einem Boden ein nach links
springender Hirsch vor einem Tannenwalde, eine Hindeutung
auf die Entstehung des Ortes in der großen Wildniß. (Taf. X.)
Dieses Wappen hat Anlaß zur Entstehung der Sage ge-
geben, daß einstmals ein Jäger mit Namen Ortel, welcher einen
Von C. Beckherrn. 296
Hirsch verfolgte, in der Wildniß eine wüste, von den Ein-
wohnern verlassene Stadt entdeckt habe, welche nun wieder her-
gestellt worden und ihren Namen nach dem des Entdeckers er-
halten habe. Bekanntlich ist jedoch die Stadt nach dem Namen
des Erbauers der Burg, des Komturs zu Elbing Ortolf von
Trier, benannt worden.
Osterode. Die Burg wird 1333 erwähnt, zwischen 1349
und 1370 wurde sie vom Komtur Günther von Hohenstein um-
gebaut. Die Stadt erhielt ihre Handfeste 1348 vom Komtur zu
Osterode Albrecht Schoff. Wappen : Auf einem Boden ein nach
rechts sprengender Reiter in einem an die polnische Tracht er-
innernden Anzüge, mit Säbel und Lanze bewaffnet, welcher mit
letzterer zum Stoße ausholt. (Taf. XI.) (Siebmacher S. 164.)
Dem Reiter dürften die natürlichen Farben zu geben sein, dem
Schilde Silber oder Roth nach dem von diesen beiden Farben
quadrirten Banner des Komturs. Nach Voßberg S. 35 soll in
einem schlecht erhaltenen Siegel vom Jahre 1476 ein mit
Schwert und Lanze bewaffneter und gerüsteter Ritter des Deut-
schen Ordens zu erkennen gewesen sein.
Passenheim, ursprünglich ein Kirchdorf mit Namen Hein-
richswalde, wurde vom HM. Konrad Zöllner von Rothenstein
durch Handfeste von 1386 zur Stadt erhoben und erhielt seinen
neuen Namen zu Ehren des obersten Spittlers und Komturs zu
Elbing Siegfried Walpot von Bassenheim. Im ältesten Siegel
steht unter einem gothischen Portale die Mutter Maria mit dem
Jesuskinde auf dem Arme und einem Scepter in der Rechten.
An den Außenseiten des Portals stehen auf Konsolen kleine
mit Zweigen besteckte Kapellen. (Taf. XI.)
Pillau. Die Festung wurde 1626 vom Könige von Schweden
Gustav Adolph angelegt und nach 163B vom Grossen Kurfürsten
umgebaut. Der bald daneben entstandene Flecken erhielt 1725
vom Könige Friedrich Wilhelm I. das Stadtrecht. Wappen:
Ein im Meere schwimmender Stör mit einer Krone auf dem
19*
296 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
Kopfe, eine Hinweisung auf den ehemals hier betriebenen sehr
ergiebigen Störfang und die Verleihung des Wappens durch den
König. (Taf. XI.)
Pillkallen, zur Stadt erhoben 1724 vom Könige Friedrich
Wilhelm L, besitzt kein eigentümliches Wappen und führt
im Siegel den stilisirten preußischen Adler.
Podgorz entstand aus der im 15. Jahrhundert neben der
Burg Dibau gelegenen Stadt Alt-Nessau. Diese wurde nämlich
vom Könige Sigismund III. von Polen in Folge der Beschwerden
der Stadt Thorn mit einem Theile nach Polen, mit dem andern
stromabwärts in grössere Entfernung von Thorn verlegt. Dieser
Theil wurde nunmehr Podgorz genannt. Wappen: Zwischen
zwei niedrigen Säulen steht ein Bischof mit dem Krummstabe
in der Linken und einem nicht zu erklärenden Gegenstande in
der Rechten, welcher aus drei kleinen auf einander gestellten
Sechsecken zu bestehen scheint. Ueber dem Ganzen schwebt
der nicht stilisirte preußische Adler. (Taf. XI.)
Preuß. Eilau. Burg und Stadt gegründet um 1336. Wap-
pen: Getheilter Schild, oben ein wachsender, zum Angriff ge-
schickter Löwe, unten drei neben einander schwebende Kreuze.
(Taf. XL)
Preuß. Friedland. Handfeste 1354 vom HM. Winrich von
Kniprode. Im Siegel von 1668 befindet sich frei im gegitterten
Felde ein nach rechts springender Eber. (Taf. XL) Die Gitterung
des Feldes wird mitunter irrthümlicher weise als ein dem Eber
gestelltes Jagdnetz gedeutet. (Vergl. Art. Elbing.)
In jüngeren Siegeln ist der Eber auf einem Boden stehend dargestellt.
Preuß. Holland. Die Burg bestand wahrscheinlich unter
dem Namen Pazlock schon 1284. Die Stadt, aus einer
holländischen Niederlassung hervorgegangen, erhielt ihre Hand-
feste 1297 vom Landmeister Meinhard von Querfurt. Das
älteste Siegel von 1440 zeigt im gegitterten und mit Lilien
bestreuten Felde auf einem nach rechts springenden Bosse einen
Von C. Beckherrn. 297
Bitter im Haubert — Maschen-Panzerhemde — mit Kapuze
und Helm, welcher ein Schwert schwingt. Sein Dreieckschild
hat als Wappenfigur einen wagerechten Balken. (Taf. XI.) Dieser
Bitter soll den Begründer der Stadt, den Landmeister Meinhard
von Querfurt, darstellen. Man 'hat diesen dadurch kenntlich
gemacht, dass man auf seinen Schild nicht das Ordenskreuz
sondern sein Familienwappen setzte; einen solchen Verstoss
gegen die Ordensregel durfte eine Stadt sich wohl erlauben.
Das Wappen des alten Dynastengeschlechts der edlen Herren
von Querfurt kommt, wie es auch bei andern häufig der Fall
ist, in verschiedenen Formen vor: bald ist der Schild von Silber
und Roth siebenmal getheilt (vergl. Siebmacher, abgestorb. Adel
d. Prov. Sachsen S. 126), bald nur, wie bei den Burggrafen von
Magdeburg, sechsmal, liat hier also drei Balken. In verschiedener
Gestalt finden wir das Wappen der Herren von Querfurt auch
im Wappen der Stadt dieses Namens (Siebmacher, Städtewappen
Taf. 196), welche von ihnen neben ihrer Stammburg gegründet
worden ist. Darin schwebt nämlich zu beiden Seiten eines
Marienbildes je ein kleiner Schild mit dem Wappen des ge-
nannten Geschlechts. (Vergl. Wappen von Soldau, worin eben-
falls ein Familienwappen doppelt angebracht ist, das ßer Grafen
von Hohnstein.) Der zur linken Seite hat in Silber drei rothe
Balken, der zur Rechten aber nur einen. Diese einfachste Form
sehen wir auch in dem Schilde des Ritters im Wappen von
Preuß. Holland. Bei einer farbigen Darstellung dieses letzteren
müßte der Schild des Ritters also einen rothen Balken im sil-
bernen Felde erhalten.
Die Unwissenheit späterer Zeiten hat aus dem Begründer der Stadt,
dem verdienstvollen Landmeister von Preußen, einen St. Georg gemacht,
denn das soll doch wohl der in jüngeren Siegeln über einen Lindwurm
hinwegspringende Ritter sein, wenn er auch, abweichend von der gewöhn-
lichen Darstellungs weise, anstatt der Lanze ein Schwert führt. Diesem
Heiligen war eine der Kirchen geweiht.
Preuß. Stargard. Die Burg wurde 1174 vom Herzog
Grimislaw von Pommerellen den Johannitern abgetreten. Die
Stadt wurde 1310 vom Deutschen Orden gegründet und erhielt
298 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
1348 vom HM. Heinrich Tusmer eine Handfeste. Das Siegel
von 1339, welches noch als Abdruck am Bundesbriefe von 1440
hängt, zeigt ein lateinisches Kreuz, welches auf einer langen
und schmalen, etwas gekrümmten Basis steht. Zu seinen beiden
Seiten stehen auf dieser auch je zwei bedeutend kleinere heral-
dische Lilien. Darunter schwebt auf einer blattartigen Ver-
zierung ein kleines Kreuz. (Taf. XI.) (Voßberg, Taf. XVII.)
In jüngeren Wappen (Siebmacher S. 177) hat man obige Figur in
eine Krone umgeändert, welche zuerst anstatt des mittelsten Blattes ein
grosses Kreuz, später auf diesem Blatte ein kleines Kreuz hat. Diese Um-
gestaltung hat ihren Grund darin, daß man die neben dem Kreuze auf der
Basis stehenden Figuten als Zacken einer mittelalterlichen Krone angesehen
hat, während sie in der That heraldische Lilien darstellen sollen, welche
aus den Siegeln der alten pommer ellischen Herzöge stammen. (Yergl. Voß-
berg, Siegel der Städte Danzig, Elbing u. s. w. S. 3 u. Taf. I, A. u. D.)
Putzig. Ursprünglich ein Dorf, welches Herzog Sambor I.
von Pommerellen an das Kloster Oliva schenkte, dann aber
wieder eintauschte und zum Marktflecken machte, woselbst 1271
ein Kastellan residirte. Nach der Besitzergreifung durch den
Deutschen Orden erhielt der zur Stadt erhobene Ort im Jahre
1348 eine Handfeste vom HM. Heinrich Tusmer. Ein Siegel
des 15. Jahrhunderts zeigt einen Löwen in natürlicher Gestalt,
welcher einen Fisch anbeißt. (Taf. XL)
Ragnit. Die Burg, zuerst Landeshut genannt, wurde 1289
erbaut. Eine Lischke bestand bei derselben schon 1437, sie
wurde 1722 durch den König Friedrich Wilhelm I. zur Stadt
erhoben. Wappen nach dem Siegel von 1724: Im Schildesfuße
ein Fluss, auf dessen massig hohem Steilufer sich eine Stadt
ausdehnt, welche Ragnit vorstellen soll. Darüber schwebt der
nichtstilisirte preußische Adler und über diesem ein von Strahlen
umgebenes Auge, ein sogenanntes Auge Gottes. Dazu die De-
vise: Sub eis tuta Eagneta — unter ihnen, nämlich dem
preussischen Adler und dem Auge Gottes, ist Kagnit sicher.
(Taf. XII.)
Bei Siebmacher (S. 222) ist das Wappen der Stadt irrthümlicherweise
dem Banner des Komturs entnommen, welches derselbe nach Diagoß in der
Von C. Beckherrn. 299
Schlacht bei Tannenberg geführt haben soll: Im weissen Fahnentuche drei
rothe pkrygische Mützen über einander schwebend.
Ra8tenburg. Die Burg als Wildhaus erbaut ca. 1329.
Die Stadt, erwähnt 1345, erhielt ihre Handfeste 13B7 vom
Komtur zu Balga Hennig Schindekopf; sie wurde 1378 vom
HM. Winrich von Kniprode bestätigt. Eine fast gleichzeitig
entstandene Neustadt gelangte nicht zur Selbständigkeit. Ein
Siegelabdruck aus dem 16. Jahrhundert zeigt auf einem Boden
einen nach rechts gewendeten, vor sieben Laubbäumen stehenden
Bären. Diesem wird die schwarze, den Krallen desselben die
goldene, den Bäumen und dem Boden die grüne und dem Felde
die silberne Tinktur zu geben sein. (Taf. XH.) Einzelne
Bäume sollen in der Regel einen Wald vorstellen, wie solches
aus den redenden Wappen der Städte Grünhain, Haynichen,
Mittelwalde u. a. deutlich hervorgeht. Im Wappen Eastenburgs
erinnern sie nebst dem Bären an die Gründung der Stadt am
Bande der großen Wildniß.
Ungefähr um die Mitte des 17. Jahrhunderts haben sich die sieben
Laubbäume in drei Fichten (Tannen) verwandelt, zwischen denen der Bär
eingeklemmt erscheint. Zu dieser Umwandelung scheint eine Bärenjagd
Veranlassung gegeben zu haben, über welche die nachstehende Sage be-
richtet, deren Inhalt mit ziemlicher Sicherheit als Thatsache angesehen
werden kann, weil auch in der Wappensage der Nachbarstadt Sensburg
von dieser Bärenjagd erzählt wird. Ferner soll sich an das Wappen der be-
nachbarten Stadt Rössel eine Sage knüpfen, welcltf zu der Ra'stenburger
Bärenjagd ebenfalls in Beziehung zu stehen schein*
In der Umgegend Rastenburgs hauste vor Zeiten ein gewaltiger Bär,
welcher nicht nur den Heerden grossen Schaden that, sondern auch Menschen
anfiel, so daß es für die Einwohner gefahrlich war, die Mauern ihrer Stadt
zu überschreiten. Die Bürger sahen sich daher genöthigt, gemeinsam gegen
das Ungethüm zu Felde zu ziehen. Es gelang ihnen auch, demselben einen
Spiess in den Leib zu rennen; da die Verwundung aber nicht tötlich war,
konnte der Bär mit dem Spieße im Leibe noch die Flucht ergreifen. Erst
nachdem er sich zwischen drei dicht bei einander stehenden Fichten fest-
gerannt hatte, wurde er von den Jägern erreicht und hier vollends getötet.
Dieses soll auf dem eine Meile südlich von Rastenburg bei dem Gute
Hinzenhof sich erhebenden altpreußischen Schloßberge geschehen sein, auf
dem noch bis in die neuere Zeit drei mächtige, alte Fichten, weithin sicht-
bar, nahe beisammen standen, und welcher noch gegenwärtig das Rasten-
burger Stadtwappen genannt wird. Wie umwohnende Landleute zu erzählen
300 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
wissen, soll da, wo einst die Fichten standen, noch jetzt Blut hervorquellen,
wenn man ein tiefes Loch in den Boden gräbt.
Gegen die Annahme, daß man anstatt der sieben Laubbäume die drei
Fichten, das Wahrzeichen dieses den Bürgern durch die daselbst erfolgte
Befreiung von dem gefährlichen Thiere denkwürdigen Ortes, in das Wappen
aufgenommen hätte, würde kaum etwas einzuwenden sein.
Nach Voßberg soll in dem Siegel unter dem Bundesbriefe von 1440
anstatt des Bären ein Eber vor dem Walde stehen und darüber ein Kreuz
schweben. Dieses, das Symbol der Orden sherrschaft, ist nach dem Abfalle
der Stadt vom Orden verschwunden, denn das Siegel unter dem Bundes-
briefe von 1448 hat es nicht mehr. In der Abbildung dieses Siegels bei
Voßberg findet man auch wieder den Eber; dieser aber sowohl als auch
der von 1440 sollen doch wohl eigentlich Bären sein, was schon aus der
Form der Füße in der Abbildung hervorgeht. Diese beiden Thiere, von
ungeschickten Stempelschneidern dargestellt, können leicht mit einander
verwechselt werden, was z. B. auch der Stadt Wörlitz passirt ist, in deren
Wappen aus dem ursprünglichen wirklichen Eber in der That ein Bär ge-
worden ist, möglicherweise dadurch veranlaßt, daß in einigen Gegenden
Deutschlands, z. B. in Mecklenburg, Westfalen, Niedersachsen der Eber
auch Bär genannt wird, ohne Zweifel aber in Folge von Ungeschicklichkeit
und Mißverständniß. So wird auch Voßberg den Bären der wahrscheinlich
schlecht geschnittenen oder mangelhaft abgedrückten Stempel der Siegel
unter den beiden Bundesbriefen für einen Eber gehalten und letzteren in
seine Zeichnung aufgenommen haben. (Vergl. Beckherrn, Rastenb. ürk.
Altpr. Monatsschr. XXII., 553, 554.)
Die etwaige Annahme, der Bär könnte erst zusammen mit den drei
Fichten, in das Wappen gelangt sein, würde dadurch widerlegt sein, da£
er in dem oben beschriebenen Siegel aus dem 16. Jahrhundert schon vor
den sieben Laubbäumen steht. Ferner ist der Umstand zu beachten, daß
die Sage, .welche von der Entstehung des Wappens von Sensburg erzählt,
auch der Aufnahme des Bären in das Bastenburger Wappen aus der gleichen
Veranlassung erwähnt, und daß die im Wappen Sensburgs enthaltene Jahres-
zahl seine Entstehung in das Ende des 14. Jahrhunderts setzen läßt.
Reden (Radim, Redin, Radzin). Die Burg erbaut ca. 1233
vom Landmeister Hermann Balk, welcher 1234 auch die Stadt
gründete. Ihre Handfeste "wurde 1285 vom Landmeister Konrad
von Thierberg erneuert. Wappen nach dem Siegel von 1440:
Ein Rad mit acht Speichen, eine etwas gezwungene Anspielung
auf den Namen der Stadt in seinen früheren polnischen Formen.
(Vergl. Maronski, Altpr. Monatsschr. XVII. 4B3.) Frölich be-
hauptet dagegen in seiner Geschichte des Graudenzer Kreises
(I, 244), daß die Stadt Namen und Wappen von einem als
Von C. Beckherrn. 301
Kreuzfahrer nach Preußen gekommenen deutschen Edelmanne
angenommen habe, welcher der noch heute im Hannoverschen
blühenden Familie v. Beden angehörte, welche ebenfalls ein
Bad mit acht Speichen im Wappen führe.
Rhein. Die Burg erbaut 1377. Die Stadt wurde 1726
vom Könige Friedrich Wilhelm I. gegründet. Sie führt erst
seit 1880 ein Wappen, nämlich das der ehemaligen Komturei:
Im silbernen Felde ein schwarzer, auf grünem Boden ruhender
Hirsch, hinter dem sich ein grüner Baum erhebt. (Taf. Xn.)
Die Komturei Rhein erstreckte sich über einen Theil der großen
Wildniß.
Riesenburg (Besenburg). Burg und Stadt gegründet 1276
vom Bischof Albert von Pomesanien. Erneuerte Handfeste 1330
vom Bischof Rudolph. Im ältesten Siegel aus dem 15. Jahr-
hundert erblickt man, auf einem Boden stehend, ein von vier
Pfeilern gebildetes Portal, unter dem ein Mann — ein alter
Preuße — befindlich, welcher nach links schreitend und den Kopf
zurückwendend, sich mit geschwungener Keule zu vertheidigen
scheint. (Taf. XH.) Dieser im Verhältnis zum Portal sehr groß dar-
gestellte Mann, welcher als Riese das Wappen zu einem halb-
redenden machen soll, ist eine Anspielung auf die fabelhaften
Berichte der Chronisten, nach denen der Deutsche Orden bei
der Eroberung dieses, Reysen oder Resien genannten, Terri-
toriums mit den riesengroßen und tapfern Bewohnern harte
Kämpfe zu bestehen hatte. Daher geht auch die Sage, dass
die ersten Erbauer der Stadt Männer von fünf Ellen Höhe ge-
wesen sein.
In neueren Siegeln steht auf einer niedrigen Mauer ein von zwei
Säulen gebildetes Portal, über welchem sich noch ein kleines mit zwei
Fahnen geschmücktes Gebäude erhebt. Im Portale, mit diesem von gleicher
Höhe, steht ein Mann mit geschulterter Keule. (Siebmacher S. 169.)
RÖßel (Eesil). Die Burg um 1240 erbaut, die Stadt 1337
vom ermländischen Domkapitel gegründet. Das älteste Siegel
von 1472 hat im gegitterten und mit Kreuzen bestreuten Felde
302 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
einen auf einem Bischofsstabe nach rechts schreitenden Bären,
welcher mit der Schnauze den gekrümmten Theil des Stabes
berührt. (Taf. XII.) Es soll eine Sage existiren, welche diesen
Bären zu der Rastenburger Wappensage in Beziehung treten läßt.
Später wird der Bär sitzend und den Stab in den Tatzen haltend
dargestellt.
R086nb6rgf Stadt des Bisthums Pomesanien, erhielt 1315
eine Handfeste vom Probst Heinrich von Lüneburg. Im ältesten
Siegel steht hinter einem durch einen Steinhaufen angedeuteten
Berge eine weibliche Figur, welche in der Linken eine große
Kose hält. Kleine Kosen wachsen auch zwischen den Steinen
hervor, und das Siegelfeld ist mit solchen bestreut. (Taf. XIL)
Dieses Bild giebt ein redendes Wappen.
In jüngeren Siegeln steht auf einem Boden eine weibliche Figur,
welche mit der Rechten einen aus dem Boden wachsenden Rosenstock be-
rührt. Zwischen beiden liegt ein Stein, aus dem ein Rosenzweig hervor-
wächst. (Siebmacher S. 169.)
Saalfeld wurde gegründet 1305 und erhielt 1315 und 1320
Handfesten von den Komturen zu Christburg Siegfried von
Schwarzburg und Luther von Braunschweig. Im ältesten Siegel
ist St. Johannes der Apostel nackt und mit Heiligenschein dar-
gestellt, in einem über Flammen stehenden Oelkessel sitzend.
(Taf. XH.) Ihm war die Kirche geweiht.
In neueren Siegeln hat man aus Mißverständnis die Flammen in
Banken mit Blumen verwandelt.
Schippenbeil (Schiffenburg). Handfeste 1351 vom HM. Hein-
rich Tusmer. Im großen Siegel von 1440 erblickt man einen
auf dem Wasser schwimmenden Kahn (Schiff), in welchem, eine
Burg vorstellend, eine gezinnte Mauer mit Thor und links sich
anschließendem Thurme mit Zinnen und spitzem Dache steht.
(Taf. XII.) (Voßberg, Taf. XVII.) Dieses Wappen ist ein
redendes, denn die Stadt hieß ursprünglich und noch in einer
Urkunde von 1475 Schiffenburg. Dieser Name hat merk-
würdige Wandelungen erfahren, indem aus dem hochdeutschen
Schiff das plattdeutsche Schipp und aus dem hochdeutschen
Von 0. Beckherrn. 303
Burg das altpreußische pil geworden ist. (Vergl. Artikel Heiligen-
beil.) In dieser veränderten Form, Schippenpil, finden wir
den Namen schon im Jahre 1432 in einem Formelbuche des
15. Jahrhunderts, welches von Kolberg in der Zeitschrift
für die Geschichte Ermlands (Bd. IX, S. 285) mitgetheilt
worden ist. Aus dem pil hat dann der Hochdeutsche durch
Vermittejung des plattdeutschen Biel ein Beil gemacht. Auch
beim ersten Theile des Namens denkt jetzt niemand mehr an
ein Schiff, sondern an einen Spaten oder eine Schaufel — Schippe.
Im Secretoiegel ist aus der Mauer ein dreigeschossiges Gebäude ge-
worden, mit einem größeren gezinnten und mit spitzem Dache versehenen
Thurme links und einem kleineren rechts. Im Felde die Buchstaben S. B.
(Voßberg Taf. XVIL)
Die Abbildungen des großen Siegels in Großmann's gesammelten
Nachrichten von der Stadt Schippenbeil stellen das Burggebäude in einem
zopfigen Stil dar. Sie sind daher nach neueren Siegeln angefertigt und die
Gebäude wahrscheinlich vom Zeichner auch noch verunstaltet worden.
Das daselbst befindliche Gerichtssiegel zeigt unten das Stadtwappen,
darüber, auf einem Regenbogen sitzend, Christus.
Schirwindt, zur Stadt erhoben 1725 vom Könige Friedrich
Wilhelm I, besitzt kein eigentümliches Wappen und führt den
stilisirten preußischen Adler im Siegel.
Schlochau. Die Burg erwähnt 1312. Die Stadt erhielt ihre
Handfeste 1348 vom HM. Heinrich Tusmer. Wappen nach
einem Siegel aus dem 14. Jahrhundert: Ein nach links ge-
wendeter Stierkopf mit Hals und offenem Maule. (Taf. XIII.)
Der Stierkopf befindet sich in derselben Form schon auf einer
Münze der pommerellischen Herzöge. (Vergl. Voßberg, Siegel
der Städte Danzig u. 8. w. S. 3. Hier wird aber diese Figur
irrtümlicherweise für einen Ziegenkopf gehalten.) Das Banner
des Komturs aus der Tannenberger Schlacht ist von Roth und
Weiss getheilt. Im rothen Felde befindet sich das weisse Lamm
Gottes mit der Fahne und dem das Blut auffangenden Kelche.
Nach diesen Farben könnten auch die des Wappens der Stadt
bestimmt werden, nämlich das Feld silbern, der Stierkopf roth
und die Hörner desselben schwarz.
304 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
Das Wappen bei Siebmacher \S. 172) hat einen Ziegenkopf, aber ge-
wiss in Folge von Missverständniss, denn auch der Komtur führte im Siegel
einen Stier.
Schöneck. Burg und Stadt, von den Johannitern 1 180 ge-
gründet, kamen 1370 an den Deutschen Orden. Handfeste der
Stadt 1341 vom Komtur des Johanniterordens zu Schöneck
Adolph von Schwalenberge. Wappen: In einer Schale liegt
das Haupt Johannis des Täufers. Unter der Schale ragt der
Griff eines Schwertes hervor. (Taf. XIII.) Dieses Wappen be-
darf keiner weiteren Erklärung.
Schön866 (Kowalewo). Schon 1222 als quondam castrum
erwähnt, als Ordenshaus um das Jahr 1273. Die Stadt wurde
1275 gegründet, schied 1833 aus dem Stande der Städte aus und
stand unter einem königlichen Schulzenamte. Im Jahre 1868
wurde der Ort Marktflecken mit städtischer Verwaltung und
1871 dem Gemeindevorstande der Titel Magistrat zugestanden.
(Mittheilung des Bürgermeisters Herrn Rückert.) Trotz dieser
Wandlungen hat sich die Stadt ihr altes Wappen bewahrt: Die
vordere Hälfte eines Fisches, worüber ein Halbmond und zu
des letzteren beiden Seiten je ein Stern schwebt. Die Farben
können nach dem Banner des Komturs zu Schönsee, welches im
weißen Felde zwei rothe Fische hatte, bestimmt werden, näm-
lich so: Das Feld roth, der Fisch, die Sterne und der Halbmond
silbern, der innere Theil des letzteren, welcher als Gesicht dar-
gestellt wird, golden. (Taf. XIII.)
Schwätz. Die Burg bestand schon 1198, die Stadt wird
erst 1310 erwähnt. Sie erhielt 1338 eine Handfeste vom HM.
Dietrich von Altenburg. Das bei Wegner (Ein pommersches
Herzogthum etc. II, 130) abgebildete Siegel von 1540 enthält
in einem Schilde zwischen zwei mit den Hörnern nach außen
gekehrten Mondsicheln einen sogenannten Strichpfahl oder
Faden, welcher aber eigentlich eine brennende Kerze sein soll.
(Taf. XIII.) Dieses Wappen hat man wahrscheinlich für die
Stadt auf Grund nachstehender Sage angenommen.
Von C. Beckherrn. 305
Herzog Swantopolk von Pommerellen fuhr einstmals in
Begleitung mehrerer seiner Bitter in einem Kahne von Kulm
nach Sartowitz. Es war finstere Nacht geworden; da gerieth
er mit seinem Kahne in einen Strudel, den der hoch ange-
schwollene Weichselstrom an der Einmündung des Schwarz-
wassers bildete. Der Kahn schlug um, einige Kitter versanken
in die Tiefe und Swantopolk selbst schwebte in äußerster Todes-
gefahr; ein Licht aber bewahrte ihn vor dem Untergange. An
der Mündung des Schwarzwassers hatte sich nämlich ein Ein-
siedler eine Hütte erbaut in der Absicht, an dieser gefährlichen
Stelle etwa in Todesnoth gerathende Schiffer zu retten, um
seine Sünden dadurch zu büßen. Er war in dieser Nacht ge-
rade damit beschäftigt, einen Verunglückten wieder zu beleben,
als er Geschrei und Rufen von der Weichsel her vernimmt.
Er springt mit einer brennenden Kerze schnell ans Fenster
und wird dadurch der "Retter des Fürsten, denn bei dem
Scheine des Lichtes kann nun ein auf einem zweiten Kahne
seinen Herrn begleitender Ritter sehen, wo jener mit den Fluten
ringt; es gelingt ihm, ihn zu erfassen und in den Kahn zu
ziehen. Jetzt theilte sich auch plötzlich das dunkle Gewölk
und die hervortretende Mondsichel beleuchtete den Wasser-
spiegel, so daß der Ritter die gefährlichsten Stellen vermeiden
und den Kahn glücklich an das Ufer rudern konnte. Der
Herzog ließ nun hier eine Burg erbauen, auf deren Thurm ein
Feuer zum Nutzen der Schiffer unterhalten werden sollte. Auch
ein Kirchlein wurde auf der Stelle der Hütte erbaut, um welche
allmählich eine Stadt entstand, welche man zum Andenken an
Swantopolk's Errettung Swieciem — Licht — nannte; Kerze
und Mondsichel nahm man in ihr Wappen auf. Dieses würde
also ein redendes sein, wenn der Name der Stadt ursprünglich
so gelautet hätte; das ist aber nicht der Fall, denn die Burg,
nach welcher später auch die Stadt benannt worden ist, hiess
zuerst Zwece, die Form Swiecze, welche von swieca — Kerze,
Licht — abgeleitet werden könnte, kommt sicher erst im
15. Jahrhundert vor. (Wegner a. a. 0. S. 62—66.)
306 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
Seeburg. Die Stadt wurde 1338 neben der schon vor-
handenen Burg vom Magister Nicolaus, dem Stellvertreter des
Bischofs Hermann von Praga, gegründet. Wappen: Drei schmale,
zweigeschossige Gebäude mit Pyramidendächern und modernen
Tbüren und Fenstern stehen ohne Boden mit Zwischenräumen
neben einander; das mittelste überragt die beiden andern. Darüber
schwebt der nichtstilisirte preussische Adler. Unter den Ge-
bäuden liegt ein Zweig mit Blättern. (Taf. XIEE.)
Bei Voßberg (S. 47) ist irrthümlicherweise aus den drei profanen Gebäuden
eine Kirche gemacht.
Serreburg, (Seynsburg, Segensburg). Gegründet zwischen
1393 und 1407 vom HM. Konrad von Jungingen. Wappen:
Im silbernen Felde eine schwarze Bärentatze mit goldenen
Klauen. Daneben soll die Jahreszahl 1348 stehen, wofür aber
wohl 1398 zu lesen ist. (Taf. XIII.) Die Figur hat Bezug
auf die Gründung der Stadt an der grossen Wildniß.
Sage: Ein gewaltiger Bär machte einst die Gegend um
Bastenburg unsicher. Die Bürger Sensburgs zogen, mit Sensen
bewaffnet, den Bastenburgern zu einer von diesen veranstalteten
Jagd zu Hilfe und hieben im Kampfe mit dem Unthier diesem
eine Tatze ab. Da wegen der Stärke des ungewöhnlich großen
Thieres das Unternehmen ein gefährliches und der Kampf ein
ruhmvoller gewesen war, nahm man zum Andenken daran eine
Bärentatze in das Wappen der Stadt auf. Die Bastenburger
wurden mit dem Bären nun leicht fertig und setzten die Figur
dieses Thieres mit abgehauener Tatze in ihr Wappen. In die-
sem letzten Punkte irrt jedoch die Sage, denn das Wappen
Bastenburgs zeigt den unverstümmelten Bären. Durch die all-
gemeine Bewaffnung der Bürger mit Sensen will sie den Namen
der Stadt erklären, allerdings in wenig ansprechender Weise,
denn zu einer solchen Jagd hätten die Bürger doch mit ge-
eigneteren Waffen ausziehen müssen, welche ihnen meistens
auch zur Verfügung gestanden haben würden.
Soldau. Wann die Burg erbaut, ist nicht bekannt. Die
Stadt erhielt ihre Handfeste 1344 vom HM. Ludolf König.
Von C. Beckherrn. 307
Das älteste Siegel enthält ein zierliches gothisehes Portal; darin
steht in langen, faltenreichen Gewändern die heilige Katharina
mit der Krone auf dem Haupte, welche in der Linken ein zu
Boden gesenktes Schwert, in der Rechten einen Theil eines
Bades hält. An beiden äußeren Seiten des Portales sind
palmenartige Zweige befestigt, welche kleine Dreiecksschilde
halten, deren Felder von Silber und Eoth geschacht sind.
(Taf. XIII.) Diese Schilde sind das Familieuwappen des
Komturs zu Osterode Günther von Hohenstein (1349 — 1370),
welcher der jungen Stadt zu ihrer Entwickelung durch mancherlei
Unterstützungen förderlich gewesen zu sein scheint.
Diese Angaben verdankt der Verfasser einer Mittheilung
des Herrn Dr. Reicke aus einem demnächst in der Altpr.
Monatsschr. zu veröffentlichenden Aufsatze des Gerichts- Assessors
Herrn Conrad über das Wappen von Soldau. Dieselbe Quelle
giebt auch nach dem Gutachten des Herrn Professors Hilde-
brandt in Berlin die für das Wappen zu wählenden Farben an,
nämlich: Feld blau, Portal golden, Untergewand der Heiligen
roth, Mantel, Krone, Rad und Schwertgriff golden, Schwertklinge
stahlgrau. Bemerkenswerth ist noch, daß St. Katharina die-
jenige Heilige war, welche von Günther von Hohenstein ganz
besonders verehrt wurde, wie Wigand von Marburg berichtet:
Quam sibi eligerat in sponsam et amicam.
Stallupönen. Zur Stadt erhoben 1722 vom Könige Friedrich
Wilhelm I. Wappen: In einem größeren Schilde befindet sich
ein kleinerer, worin ein einfacher, viereckiger Tisch. Ueber
dem kleinen Schilde, dessen Seiten mit Eichenzweigen geschmückt
sind, steht der nichtstilisirte preußische Adler. (Taf. XIII.)
Sage: Der Landesherr hat einstmals, als er auf einer Reise
diesen Ort berührte, hier an einem Tische — stalas — im Freien
gerastet und sich auf diesem zur Erquickung Milch — pienas —
vorsetzen lassen. Mit Bezug hierauf hat der Ort seinen jetzigen
Namen und den Tisch ins Wappen erhalten.
308 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
Sage und Wappen sind jedoch schlecht erfunden, denn in
dem Namen steckt weder das Wort stalas noch pienas — un-
genießbare Milch, welche die Kuh giebt, unmittelbar nachdem
sie ein Kalb geworfen — sondern upe, Floß. (Vergl. Hoppe,
Altpr. Monatsschr. XV, 689 unten. Stolupiany.)
Stargard. Siehe Preuß. Stargard.
Straßburg. Die Burg wird erwähnt während des zweiten
Aufstandes der Preußen, die Stadt 1298. Wappen nach dem
Siegel von 1468: Im gegitterten und punktirten Felde eine auf-
gehobene rechte Hand mit ausgestreckten Fingern, die innere
Fläche zeigend. (Taf. XIII.) Das Banner des Komturs aus
der Tannenberger Schlacht hat im weißen Fahnentuche einen
springenden rothen Hirsch; das Wappen der Stadt könnte daher
so tingirt werden: das Feld roth, mit Gold gegittert, die Hand
silbern.
Stuhnt. Die Burg erwähnt 1333, die Stadt gegen Ende
des 14. Jahrhunderts. Im ältesten Siegel steht auf dem oberen
Bande eines kleinen ledigen Schildes Maria, mit dem Jesus-
knaben auf dem Arme, in der Linken ein Scepter haltend
(Taf. XIV).
In jüngeren Siegeln fallt das Scepter fort, und auf dem großen Schilde
ruht ein Helm mit dem preußischen Adler als Kleinod. (Siehmacher S. 179.)
Tapiau. Die Burg neben der Heidenburg Sugurbi 1265
erbaut. Die dabei entstandene Lischke wurde 1722 vom Könige
Friedrich Wilhelm I. zur Stadt erhoben. Wappen: Aus einer
Wolke am linken Schildesrande streckt sich ein geharnischter
Arm hervor, welcher aufrecht ein Schwert hält. Darüber eine
strahlende Sonne, worin in hebräischer Schrift „Jehova" steht.
(Taf. XIV.)
Thorfl. Die Burg erbaut 1231. Die fast gleichzeitig ge-
gründete Stadt erhielt 1233 ihre Handfeste vom HM. Hennann
von Salza. Die Neustadt wurde 1264 gegründet.
Ton C. Beckherrn. 309
Altstadt. Im ältesten Siegel aus dem 13. Jahrhundert
sitzt Maria mit dem Jesusknaben unter einem Portale, welches
von zwei runden, ornamentirten und durch einen Bogen mit
einander verbundenen Thürmen gebildet wird. (Taf. XIV.)
Das Banner aus der Tannenberger Schlacht hat im weißen
Fahnentuche ein rothes Thor, bestehend aus drei gezinnten
Thürmen, deren mittelster die andern überragt. Die Thor-
öffnung ist schwarz, das Fallgatter weiß, und die aufgeschlagenen
Thorflügel sind gelb. Dieses Thor führt später die Stadt auch
im Wappenschilde (Taf. XIV), welcher von einem knieenden
Engel gehalten wird. Das Thor soll das Wappen zu einem
redenden machen, thut es aber mit Unrecht, denn der Name
der Stadt hat mit dem deutschen Worte -Thor nichts zu thun,
weil nach Prutz (Altpr. Monatsschr. XV, 10) die hier zuerst
erbaute Ordensburg von den Rittern zur Erinnerung an ihre
Burg Toron im Heiligen Lande den gleichen morgenländischen
Namen erhielt. Das älteste Siegel der Stadt hat daher auch
in der Umschrift Thorun, eine etwas abgeänderte Form jenes
Namens.
Das jüngere Wappen mit dem Thore hat das alte mit dem
Marienbilde schon seit langer Zeit vollkommen verdrängt; weil
es aber nur aus einer unrichtigen Herleitung des Namens der
Stadt hervorgegangen ist, würde seine Beseitigung und die
Rückkehr zum Gebrauche des ursprünglichen Wappens durchaus
gerechtfertigt und zu empfehlen sein.
Ein altes Secretsiegel zeigt Johannes den Täufer zwischen zwei
Bäumen stehend; ihm war eine der Kirchen geweiht.
Neustadt. Sie führte in ihren Siegeln eine aus Balken
und Brettern gezimmerte Bake, ähnlich den Seebaken im Wappen
Memels, zwischen zwei Ordensschilden, über deren jedem ein
Stern schwebte. Ein solcher zeigte sich auch innerhalb der
Bake. Diese ist vielleicht eine Anspielung auf die auf der
Weichsel lebhaft betriebene Schifffahrt.
Tilsit. Die Burg 1408 auf der Stelle der alten Schalauer-
burg erbaut. Der daneben gelegene Ort wurde 1552 durch
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX. Hft 3 u. 4. 20
310 Die Wappen der Städte Alt-Preußens.
Herzog Albrecht zur Stadt erhoben. Das von diesem verliehene
Wappen zeigt im silbernen Felde eine Mauer mit zwei nach
vorn abgedachten Zinnen, zwischen denen sich ein runder, mit
zwei Scharten und Kegeldach versehener Thurm erhebt. Dieses
Mauerwerk ist roth. An der Mauer unterhalb des Thurmes ist,
mit Bezug auf den Verleiher des Wappens, der hohenzollernsche
von Silber und Schwarz cjuadrirte Wappenschild angebracht,
worin jedes der beiden schwarzen Felder eine kleine runde,
silberne Scheibe enthält, welche jedoch zuweilen fortgelassen
wird. Der Schildesfuß unter der Mauer ist durch einen blauen
Fluß ausgefüllt. (Taf. XIV.)
Tolkemit wird erwähnt 1326. Im ältesten, großen Siegel
aus dem 14. Jahrhundert ist im gegitterten und punktirten
Felde ein aufrecht stehender Baumast dargestellt, aus dessen
oberem Ende drei große eichenlaubähnliche Blätter hervorwachsen.
(Taf. XIV.)
Ein anderes, wahrscheinlich eben so altes und als Secret
anzusehendes Siegel hat in stilisirter Form einen Baum mit der
Wurzel und drei gestielten Blättern. Ueber dem mittelsten
derselben steht ein kleines Kreuz, welches die Gründung der
Stadt durch den Deutschen Orden andeutet. (Siebmacher S. 110. »
Tuchel. Die Burg erwähnt 1313. Die Stadt soll schon
unter Herzog Sambor von Pommerellen zwischen 1187 und 1207
gegründet worden sein. Handfeste 1346 vom HM. Heinrich
Tusmer. Im ältesten Siegel erblickt man, auf einem sich krüm-
menden Drachen stehend, die heilige Margaretha mit Krone und
Heiligenschein. Sie hält mit der Linken ihr Gewand und in
der Rechten ein lateinisches Kreuz. (Taf. XI V.)
In jüngeren Siegeln ist diese Heilige in halber Figur ohne Heiligen-
schein dargestellt. Sie hält das Kreuz in der Linken und erhebt segnend
die Rechte. An ihrer rechten Seite schwebt eine Taube. (Siebmacher S. 112.»
Wartenburg. Die Stadt, bald nach der 1326 erbauten Burg
in der Gegend des jetzigen Dorfes Alt-Wartenburg vom Bischof
Eberhard angelegt, wurde 1354 durch die Litauer zerstört und
Von C. Beckherrn. 311
darauf nebst der Burg auf die Stelle verlegt, welche sie heute
einnimmt. Sie erhielt ihre Handfeste 1364 vom Bischof Johann
Streifrock. Wappen nach dem Siegel von 1440: Im blauen
Felde ein grüner Hügel, auf dem zwei Engel in den gebräuch-
lichen Farben stehen und zwischen sich eine große grüne Bischofs-
mütze mit goldenem Besätze und Bändern emporhalten. (Taf. XIV.)
Dem Gerichtssiegel war eine unter der Inful stehende Justitia hin-
zugefügt.
Wehlau. Die Burg wurde 12B6 von den alten Preußen
angelegt und nach ihrer Eroberung durch den Deutschen Orden
von diesem als Ordenshaus im Jahre 1256 eingerichtet. Die
Stadt, gegründet 1335, erhielt 1339 ihre Handfeste. Ein Siegel
von* 1440 zeigt einen nach vorn schauenden Hirschkopf mit
Geweih von acht Enden, zwischen dessen Stangen ein Stern
schwebt. (Taf. XIV.) Der Hirschkopf steht wohl in Beziehung
zur Lage der Stadt in der Nähe des großen Baumwaldes und
des Frischingwaldes.
In neueren Siegeln ist der Hirschkopf in einen Ochsenkopf verunstaltet
worden, und auf den oberen Schildesrand hat man den nichtstilisirten
preußischen Adler gesetzt.
Willenberg. Die Burg erwähnt um 1361. Die daneben
entstandene Lischke wurde 1723 zur Stadt erhoben und erhielt
1747 vom Könige Friedrich II. ein Privilegium. Die Stadt be-
sitzt kein eigenthümliches Wappen und führt im Siegel den
preußischen Adler.
Wormditt. Die Burg existirte wahrscheinlich schon lange
vor 1308, in welchem Jahre die Stadt zuerst erwähnt wird.
Erneuerte Handfeste 1359 vom Bischof Johann von Ermland.
Wappen: Ein Lindwurm, welcher den Kopf gegen den Kücken
wendet und den langen Schwanz aufwärts bis über den Kopf
hinweg krümmt, eine Stellung, welche dem Ungeheuer gegeben
worden ist, um diese langgestreckte Figur dem kreisförmigen
Siegelfelde besser anpassen zu können. (Taf. XV.) In Folge
der ehemals herrschenden Vorliebe für redende Wappen hat
812 Di© Wappen der Städte AltrPreußens.
man in nichts weniger als ansprechender Weise versucht, auch
dieses zu einem solchen zu stempeln, nämlich so: Wormditt ist
gleich dit Worm — dieses Wurm! — womit der Lindwurm
gemeint wird. Dieser ist aber, wie die andern fabelhaften
Thiere, eine in den alten Wappen nicht selten vorkommende
Figur und auch, aus nicht mehr zu ermittelnder Veranlassung,
in das gewiß sehr alte Wappen der Stadt Wormditt gelangt.,
deren Name keineswegs zu dieser Wappenfigur, sondern zu der
altpreußischen Landschaft Warmien in Beziehung steht.
Bei Siebmacher (S. 343) ist der zusammengekrümmte Lindwurm
irrthümlich auf dem Rücken liegend dargestellt.
Ziflten existirte vor 1341 und erhielt 1352 die Handfeste
vom HM. Winrich von Kniprode. Wappen nach dem Siegel
von 1440: Hinter einer niedrigen, gezinnten Mauer ragen zwei
mit gezinntem Wehrgange gekrönte und mit spitzen Dächern
versehene Thürme hervor, welche schräge nach innen geneigt
sind und sich kreuzen. Der vordere Thurm hat in der Mitte
ein großes Spitzbogenfenster mit Maß- und Stabwerk und darüber
ein kleines Fenster mit flachem Bogen. Ein dem letzteren
ähnliches hat auch der hintere Thurm. In dem von den Thürmen
gebildeten oberen Winkel, zwischen den Dächern, schaut ein
Löwenkopf hervor. Das Feld des Schildes ist blau, das Mauer-
werk wahrscheinlich silbern, und der Löwenkopf golden. (Taf. XV.)
(Voßberg Taf. XVHL)
Bei Siebmacher (S. 844), woselbst dieses Wappen mit Unrecht als
unrichtig erklärt wird, haben die beiden Thürme sehr einfache, nüchterne
Formen, und der Löwenkopf ist in einen Ochsenkopf verwandelt.
Im Gerichtssiegel von 1582 erblickt man Christus nackt auf einem
Halbmonde stehend, in der Rechten eine Fahne, in der Linken die Welt-
kugel haltend.
In der Reihe der vorstehend aufgeführten Städte befinden
sich außer Königsberg noch vier andere, nämlich Braunsberg,
Danzig, Elbing und Thorn, welche aus der Vereinigung ver-
schiedener ehemals selbständiger Städte hervorgegangen sind,
Von C. Beckherrn. 313
als ihr Wappen, aber, mit Ausnahme Königsbergs, nur dasjenige
beibehalten haben, welches von der ältesten oder bedeutendsten
der letzteren geführt wurde. Es wäre aber richtiger gewesen,
wenn man die Wappen der weniger hervorragenden alten Schwester-
städte nicht der Vergessenheit anheimgegeben, sondern durch
Vereinigung der verschiedenen zu einander gehörigen Wappen
ein neues geschaffen hätte, welches für die betreffende neu-
organisirte Gemeinde zugleich auch bedeutungsvoller geworden
wäre, indem es einen Theil von deren geschichtlicher Entwicke-
lung gleichsam im Bilde dargestellt hätte, wie wir ein solches
im Wappen Königsbergs vor Augen haben. In diesem könnte
uns allerdings ein noch vollständigeres Bild der Entwickelung
unserer altehrwürdigen Stadt vorgeführt werden, wenn darin
mit den Wappen der drei alten selbständigen Städte diejenigen
aller Vorstädte oder Freiheiten vereinigt würden.19)
19) Das Wappen auf dem großen Plane von Valerian Muller v. J. 1815
enthält nicht die Wappen aller Vorstädte, dagegen überflüssigerweise das
der Altstadt zweimal. Von diesen beiden würde nur das jüngere, mit Krone
und Kreuz, aufzunehmen sein. Von den übrigen Wappen sind einige un-
richtig dargestellt.
Mitteilungen und Anhang.
. yN -.. - ^ —
Universitäts- Chronik 1891 u. 1892.
(Nachtrag: u. Fortsetzung.)
1891. 21. Dez. Med. I.-D. v. Arthur P leck (a. Königsberg^ prakt. Arzt:
Ein Fall von fieberhafter disseminirter Miliarcarcinose. Kgsbg. L Pr.
Druck v. M. Liedtke. (51 S. 8.)
1899.
30. März. Med. I.-D. v. Max Podack (a. Königsberg), prakt. Arzt: Beitrag
zur Histologie und Funktion der Schilddrüse, Kgsbg. i. Pr. Buch-
u. Steindruck. E Erlatis. (55 S. 8.)
30. März. Med. I.-D. v. Engen Ries» (a. Saalfeld), prakt. Arzt: Lieber den
Einfiuss des Bronchialkatarrhs auf die Aufnahme und Ausscheidung
inhalürten Kohlenstaubes. Kgsbg. i. Pr. Druck v. M. Liedtke. (2 BL,
27 S. 8.)
9. April. Med. I.-D. v. Alfred Noering (a. Nordenburg, Kr. Gerdauen):
Ueber einen Fall von Fibrosarkom des Nervus opticus. Kgsbg. i. Pr.
Druck v. M. Liedtke. (2 BL, 25 S. 8.)
9. April. Phil. I.-D. v. Johannes Reicke (a. Königsberg): No. 18. Zu
Johann Christoph Gottsched's Lehrjahren auf der Königsberger Uni-
versität. Erster Theil. Kgsbg. i. Pr. Druck v. R. Leupold. (36 S. 8.)
[Abgedr. a. „Altpreuß. Monatsschrift" XXIX. Band 1. u. 2. Heft:
S. 70 ff.]
13. April. . . . Ordo Medic. . . . Ferdinando Falkson Regimontano cum de
cura aegrotorum tum de eruditione civium et salute publica egregie
merito summos in med. chir. et arte obstetr. honores . . . ante hos
quinquaginta annos d. XIII. Apr. collatos instaurat atque confirmat —
in cuius rei fidem solemne hoc diploma ei datum . . . est ab Rud.
Dohrn Med. Dr. P. P. 0. h. t. Dec. Regim. Pr. Ex offic. Liedtkiana. (fol. •
27. April. Med. I.-D. v. Otto Rubsaiuen (a. Seh wetz), prakt. Arzt: Ein
Beitrag zur Kenntnis der Larvngitis hvpoglottica chronica hyper-
trophica. Kgsbg. i. Pr. Druck v. M. Liedtke. (2 Bl. 39 S. 8. in.
1 Tabelle.)
Chronik d. Kgl. Albertus-Universität zu Königsberg i. Pr. f. d. Studien-
u. Etatsj. 1891/92. Kgsbg. Hartungsche Buchdr. (32 S. 8.)
17. Mai. Lectiones cursorias quas venia et consensu ord. med. . . . PäuI
Ost mann Med. Dr. Ueber traumatische Verletzungen des Ohrs ad
docendi facult. rite impetr. . . . habebit indicit Rud. Dohrn Med. Dr.
P. P. O. Ord. Med. h. t. Dec. Regim. Bor. Typ. Liedtkianis.
Universitäts-Chronik 1891 und 1892. 315
21. Mai. Phil. I.-D. v. Panl Schneider a. Deutz: No. 19. Ueber Paratolenyl-
oxytetrazotsäure. Kgsbg. Ostpr. Ztgs- u. Verl -Dr. (2 Bl., 32 S. 8.)
27. Mai. Phil. I.-D. v. Wilhelm Brttnin? (a. Mariensee b. Seeburg Ostpr.):
No. 20. Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden im
dreizehnjährigen Städtekriege. Erster Theil. Kgsbg. in Pr. Druck
v. R. Leupold. (2 Bl., 71 S. 8.) [Abgedr. a. „Altpreuß. Monatsschrift1'
XXIX. Bd. 1. u. 2. Heft: S. 1-69.]
Ar ad. Alb.-Regim. 1892. II. Lectiones Pseudophocylideae. Quibus orationes
ad celebr. d. XXI et XXIII m. Maii XaIII m. Jnnii memoriam . . .
Iac. Prider. de Rhod Frider. de Groeben Abeli Frider. de Groeben
Ioann. Diter. de Tettau . . . d. XXVIII m. Maii . . . publ. habendas
indicit Arth. Lud wich P. P. 0. Regina, ex offic. Härtung. (8 S. 4.)
30. Mai. Lectiones cursorias quas venia et consensu ord. medic. . . .
Gustav Valentin! Med. Dr. Ueber den Stand der Therapie des
Diabetes mellitus ad docendi facult. rite impetr. . . . habebit indicit
Rud. Dohrn Med. Dr. P. P. 0. Ord. Med. h. t. Dec. Regim. Bor.
Typ. Liedtkianis.
30. Mai. Lectiones cursorias . . . ord. medic. . . . Paul Hubert Med. Dr.
Ueber die Grenze der physikalischen Diagnostik . . . indicit Rud.
Dohrn . . . ibd.
9?ro. 126. flmtl. 3Ser^etd)iüft b. ^evfonafö u. b. Stubircnben auf b. £g(. 9tt6ertu3=
ilniucrj. ju SönigSbcvfl in sJk. f. b. Somm.=£em. 1892. ägSba,. .Jmrtunajdje
«uc^br. (34 8. 8.) ' [97 (12 theol., 7 jur., 28 med., 50 phil.) Doc,
5 Sprach- u. Exercitienmstr., 692 (141 theol., 162 jur., 255 med.,
134 phil.) Stud. u. 9 nicht immatriculationsfäh. z. Hören d. Vorl.
Zugelassene.]
3. Juni. Med. I.-D. v. Joseph Qolntar (a. Rössel), prakt. Arzt: Operative
Behandlung der Carcinome des Dickdarmes mit besonderer Berück-
sichtigung der Darmresektion. Kgsbg. i. Pr. Druck v. M. Liedtke.
(2 Bl., 44 S. 8.)
3. Juni. Med. I.-D. v. Joseph Flack ta. Sanilack, Kr. Rössel), prakt. Arzt:
Ueber Sarkome der Augenlider/ Ebd. (2 BL, 32 S. 8.)
13, Juni. Lectiones cursorias quas venia et consensu ord. medic
Rudolph us Kafemann Med. Dr. Ueber die chirurgische Behandlung
der Larynxphthise ad docendi facult. rite impetr habebit indi-
cit Rud. Dohrn Med. Dr. P. P. 0. Ord. Med. h. t. Dec. Regim. Bor.
Typ. Liedtkianis.
15. Juni. ... Ex decreto Ord. Philos. . . . Carolo Frederico Gullelmo
Iordan Insterburgensi Phil. Dr. qui paene totuin facundiae et poeseos
campum permensus cum summorum poetarum peregrinorum trans-
latione in sermonem nostratium tum magna illa fabulae de Nibe-
lungis instauratione totque aliis operibus luculentis in diversissimis
orbis terrarum partibus auditorum lectorumque frequentissimorum
animos permulcens multum gloriae meruit summos in philos. honores
ante hos quinquaginta annos die XV m. Iunii in eum collatos gratu-
labundus renovavit Guilelmus Fleischmann Dr. Phil. P. P. 0. h. t.
Dec. Regim. Pr. ex offic. Härtung, (fol.)
30. Juni. Lectiones cursorias quas venia et consensu Ord. Medic
Casimir de Krzywicki Med. Dr. Ueber die Stellung, Bedeutung und
Vertretung des laryngologischen Unterrichts an den preussischen
Universitäten ad docendi facult. rite impetr habebit indicit
Rud. Dohrn Med. Dr. P. P. O. Ord. Med. h. t. Dec. Regim. Bor. Typ.
Liedtkianis.
30. Juni. Med. I.-D. v. Engen Krebs (a. Kgsbg.), prakt. Arzt: Aus der
inneren Abtheilung des Städtischen Krankenhauses zu Königsberg i. Pr.
316 Mittheilungen und Anhang.
Ein Fall von reinem Cocainismus. Kgsbg. i. Pr. Druck v. M. Liedtke.
(2 BL, 27 S. 8.)
30. Juni. Med. I.-D. v. Friedrich Herrmann (a. Halberstadt am Harz), approb.
Arzt: Ueber Tympania uteri nebst 4 einschlägigen Fällen aus der
Königsberger Üniversitäts- Frauenklinik. Kgsbg. i. Pr. Druck v.
M. Liedtke. (2 BL, 45 S. 8.)
1. Juli. Phil. I.-D. y. Arthur Hirsch a Kgsbg. i. Pr.: No. 21. Zur Theorie
der linearen Differentialgleichung mit rationalem Integral. Kgsbg. i. Pr.
Hartungsche Buchdr. (2 BL, 44 S 4.)
. . . Universitati Dublinensi Collegii sacrosanctae et individuae Trinitatis
incluto nomine ornatae omnigenae humanitatis Htterarumque univer-
sarum altrici moderatrici propagatrici W. R. Hamiltonis aliorumque
doctorum operibus immortalibus in toto orbe conspicuae sacra saecu-
laria tertia a V. ad VIII. d. m. Iulii a. MDCCCXCII . . . celebranti
. . . congratulamur Universit. Albert. Regimont. Rector et Senatus
et Professores omnium ordinum . . . Regim. Pr. ex offic. Härtung. (Dipl.)
6. Juli. Med. I.-D. v. Walther Bolck (a. Goldap, Ostpr.), approb. Arzt: Die
Alkoholbehandlung bei Erkrankungen des Ohres. Kgsog. i. Pr. Druck
v. M. Liedtke. (2 BL, 59 S. 8.)
9. Juli. Phil. I.-D. v. Paul Wiskirchen, Apotheker a. Kgsbg. i. Pr: No. 22.
Ueber Modifikationen alkylierter Dibenzhydroxamsäureester und
alkylierter Benzhydroxamsäuren. Kgsbg. Hartungsche Buchdr.
(2 BL, 66 S. 8.)
19. Juli. Lectiones cursorias quas venia et consensu Ord. Medic. . . .
Rudolphus Gohn Med. Dr. Ueber die experimentellen Grundlagen der
Eisen therapie. Ad docendi facult. rite iinpetr. . . . habebit indicit
Rud. Dohrn Med. Dr. P. P. 0. Ord. Med. h. t. Dec. Regim. Bor.
Typ. Liedtkianis.
21. Juli. Med. I.-D. v. Georg Seh ei de mann (a. Stettin), prakt. Arzt: Ueber
das Verhalten einiger Hydroxylamin Verbindungen im Thierkörper.
Kgsbg. i. Pr. Druck v. M. Liedtke. (2 BL, 51 S. 8.)
21. Juli. Med. I.-D. v. Richard Pfeiffer (a. Lyck), pract. Arzt: Zwei Fälle
von Tabes ineipiens. Kbg. i. Pr. Buchdr. v. R. Leupold. (43 S. 8.)
Lyceum Hosianum in Braunsberg 1891 u. 1892.
Index lectionum in Lyceo Regio Hosiano Brunsbergensi per hiemem a d.
XV. Oct. a. MDCCCLXXXXI usquead d. XV. Mart. a MDCCCLXXXXII
instituendarum [h. t. Rect. Dr. Wilh. Killing, P. P. O.J. Brunsbergae
S-p. Heyneanis (R. Siltmann). (12 p. 4.) [Praeced. Prof. Dr. Wfllu
eissbrodt commentatio: De codice Cremifanensi Millenario et de
fragmenti8 evangeliorum Vindobonensibus n. 383 (Salisb. 400) Norim-
bergensibus n. 27932 commentatio. Particula II. p. 8—10.]
Index lectionum . . . per aestatem a d. XV. Apr. a. MDCCCLXXXXI usque
ad d. XV. Augusti a. MDCCCLXXXXII instituendarum. ibd. (32 p. 4.)
[Praeced. Prof. Dr. Franc. IMttrlch commentatio: Miscellanea Ratis-
bonensia a. 1541. p. 3—29.]
Druck von B. Leopold, Königsberg in Pr.
Altpr. Monalsschr. XXIX.H.3-4. Taf. I.
AUenburg. Allenstein. Angerburg.
Arys. Baidonburg. Barten.
Bartenstein I. Bartenstein H. Berent.
[inull.S[liMr;liii|itef]>rr
Allpp.Mtnahsclir.XXIX.H.3-4. Taf. B.
Bischofsburg. Bischofstein. Bischofswerder.
Braunsborg I. Braunsberg n. Briesen.
Bütow. Christburg. Danzig I.
Lllh y H. Schwan Kömgsbefq/f
I
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I
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Allpn Monatsschr XXIX.H.3-*. TafM.
Danzig II. . Darkehmen. Deutsch Eüan.
Dirschau. Domnau. Drengfurt.
Elbing I. Elbing H. Fischhausen.
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Allpr Monalsschr XXIX «3-4. TafW.
Franenburj». Freistadt. Friedland a.d.A.
Garnsee. Gerdauen. Gilgenbur
Goidap.
Goliub. Graudenz.
Üb« H. Schwarz. Kc^igitt;-.-
Allpi\M»nslsschr.XXIX.H.3-4.
Guttstadt.
Gumbinnen.
Taf.V.
Hammers tein.
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Altpp.Monitsschr.MIX.H.3-4. Taf.VT.
Heia. Uohenslein. Insterburg.
Johannisburg Kauernick. Konitz.
Kreuzburg. Kulm. Kulmsee.
INI 1 1. Sclwin. MnijjMrq'fr
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lpp.MonalssrimMIX.H.3-4 Königsberg I. TafM.
Königsberg!!.
Lilh. K H iohul, Kbnijsbftrj-Pr.
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Altpr.Monalsschr. XXIX H. 3-4. Taf.VM.
Labiau. Landeck. Landsberg.
Lauenburg. Lautenburg. Leba.
Lessen. Liebemühl. Liebstadt.
lüh.v Ucbwau Kinitshr^Pr
AHpp.llonimchr.mX.IU-*.
Löbau Lötzcn
Maricnburg Marienwerder Mehlsack
Memel
Mewe Mohrungen
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Altpr.Monalsschr. MIX. H.3-4. Taf.X
Mühlhausen Neidenburg Neuenburg I.
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Neumark Neustadt Neuteich
Nordenburg Oletzko Orteisburg
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lillllH. Schwarz, KDIlijSlerj-Fr
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pr. Mnnatsscbr. XXIX. H.3-4. Taf.JT.
Osterode. Passenheini. Pillau.
Podgorz. PreussEilau. Preuss. Friedland
Prenss.Holland. Preuss.Stargari Pulzig.
H.Schwin.KSnigsbirfl vfr
Allpr.ltaalssdir.XXU. K.3-4.
Ragnit. Rastenburg.
Ta/M
Rehden.
1
Rhein. Riesenburg. Rössel.
Rosenberg. Saalfeld. Schippenbeil.
LilVv.H. SthwsPi. Königsberg yfr
I>
I
Aftpr. Monatsschr. XXIX. H.3-4.
Schlochau. Schöneck.
Schönsee.
Schweiz. Seeburg. Sensburg.
Soldau. Stallupönen. Strassburg.
I rllr ». H. Stdirirj, Kinipten'ff
Altpr.Monilssckr.XXIU.3-4.
Stuhm.
Tapiau.
TafM
Thorn I.
Thorn n.
Tilsit.
Tolkemit.
Tuchel. Wartenhurg. Wehlau.
litl-f. K.I(«w»n, Mitijaerij^r
AltppJonabschr.UIX.H.3-4.
Wormdttt.
TafM
Zinten.
Nenenburg H.
Erklärung der Schraffirung.
Silber. Gold. R*lh.
Mas fehlen der Schraffirung zeigt nur dann die silberne Tinctur an,
trenn diese auch in den Beschreibungen der Wappen angegeben ist, denn
diejenigen Wappen,deren Farben nicht bekannt sind, haben ebenfalls keine
Schraffirung erhatten.
Separat- Abdrücke ans der Altpreussischen Monatsschrift.
Geschichte
der
Befestigungen Königsbergs
von C. BeclLfcerrn.
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Samaiten und der deutsche Orden
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Günther -Denkmal zu Lyck
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Sein Freundeskreis nnd seine Königsberger Fingschriften ans dieser Zeit.
Ein Beitrag zur polnischen nnd ostpreußischen Reformationsgeschichte
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Westprenssisebe Schlösser im sechzehnten Jahrhundert
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Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
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Erster Band, von 1510-1517. — Preis geb. 8 Mark.
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Die Bau- und Kunst-Denkmäler
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Adolf Böttlcher.
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Heft 5 u. 6 erscheinen als Doppelheft Ende September. Die Herausgeber.
^ V'
DEC 13 1892
Altpreussische
Monatsschrift
neue Folre.
Der
Heuen Preussiscken Promdd-Blätter
¥lerte Folre.
Herausgegeben
von
Rudolf Reicke und Ernst Wiehert.
Der Monatsschrift XXIX. Band. Der"Provinzialblätter LXXXXV. Band.
Fünftes und sechstes Heft.
Juli — September 1892.
Königsberg in Pr.
Verlag von Ferd. Beyer' s Buchhandlung.
(Thomas & Oppermann.)
1892.
Inhalt.
I. Abhandlungen.
Ueber Ans Wanderungen lettischer Bauern aus Kurland nach
Ostpreussen im 17. Jahrhundert. VonA. Seraphim. 817—331
Preußische Volksreime u. Volksspiele. Von H. Frisch-
hier (Schluß) 332-363
Die Beziehungen des Deutschen Ordens zu dem Bischof
Christian von Preußen. Von A. Lentz. . . . 364—399
Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft
und Kant's Prolegomena. Anhang No. 4 u. No. 5.
Von Emil Arnoldt 400—446
II. KritiKen und Referate.
P. von Lind, „Kant's mystische Weltanschauung", ein
Wahn der modernen Mystik. Von Ernst Hallier. 447—450
Masuren. Ein Wegweiser durch das Seengebiet und
seine Nachbarschaft. Von B 450—451
Die landeskundliche Litteratur der Provinzen Ost- und
Westpreussen . . . Von J. Sembrzycki. . . . 451—453
Sitzungsberichte des Vereins für die Geschichte von
Ost- und Westpreußen. 1891/92. Mitgetheilt von
Dr. W. Tesdorpf. 453—462
III. Hittheilnnren und Anhanr.
Universitäts-Chronik 1892 468
Lyceum Hosianum in Braunsberg 1892 463
Notiz 464
Alle Rechte bleiben vorbehalten.
Herausgeber und Mitarbeiter.
kJ" — "?
DEC 13 1892
Uefoer Auswanderungen lettischer Bauern
aus Kurland nach Ostpreussen im 17. Jahrhundert.
Von
A. Seraphim.
Es ist bekannt, daß in Ostpreußen Letten noch heute sich
finden. Sie sind heimisch einerseits in der Vorstadt Memels
„Bommels Vittea und den nördlich davon gelegenen Ortschaften
Melneraggen und Karkelbeck, andererseits auf der kurischen
Nehrung in den Dörfern Schwarzort, Perwelk, Preil, Nidden,
Pilkoppen und Sarkau.1) Wie kommen diese Letten nach
Preußen? Die Frage ist noch nicht definitiv gelöst und diese
Mittheilungen sollen eine Lösung nicht versuchen. Große
Wahrscheinlichkeit scheint jedenfalls die Ansicht Dr. August
Bielensteins zu haben, die er in seinem Aufsatze2) „Welches
Volk hat an den Küsten des Bigaschen Meerbusens und in
Westkurland die historische Priorität etc.?u andeutet und in
seinem großen Werk über die Grenzen des lettischen Sprach-
stammes im 13. Jahrhundert und in der Gegenwart, — genauer
darzulegen und zu beweisen8) die Absicht hat. Wie die kurischen
Letten selbst durch von der See kommende Eroberer fin-
nischen Stammes angegriffen und zum Theil beherrscht wurden, —
1) A. Bezzenberger im Magazin der Lett. Litterär. Gesellschaft XVIII.
p. 1. ff.
2) Balt. Monatsschrift XXXVI. cfr. hes. p. 101 und 108.
8) Es wird demnächst von der Kaiserl. Academie der Wissenschaften
zu St. Petersburg herausgegeben.
Altpr. Monatuohrift Bd. XXIX. Hft 5 u. 6. 21
318 Ueber Auswanderungen lettischer Bauern aus Surland etc.
so zogen sie selbst auch über die See und ließen sich ver-
einzelt sogar bis nach Danzig hin, an den preußischen Küsten
nieder. Im Gegensatz dazu steht die ältere Auffassung, daß
die lettischen Bewohner der kurischen Nehrung ( — mit dieser
beschäftigen sich die früheren Arbeiten in erster Linie — ) erst
im 15. Jahrhundert aus Kurland nach Preußen gezogen seien«
Zum Belege dafür stellt V. Diederichs die urkundlichen Belege
für die Thatsache zusammen, daß über nach Preußen entwichene
Bauern die livländischen Ordensautoritäten häufig mit den
preußischen verhandelt haben.1) So hat sich auch im Wesent-
lichen Prof. Dr. A. Bezzenberger in seinem Werke über die
kurische Nehrung geäußert.2) Er meint an einer anderen Stelle,
die Letten der Nehrung seien aus Westkurland aus der Nieder-
bartau'schen Gegend nach Preußen gekommen, was sich ihm
aus Gründen des Dialects ergiebt.8) Nun würde, wenn die von
Bielenstein angedeutete Erklärung die richtige ist, es sich in den
von Diederichs angegebenen Fällen nur um eine Verstärkung
des lettischen Elements in Preußen, das dort schon vorhanden
war, handeln. Freilich dürfen wir das nicht unterschätzen,
erst der lebendige Contact mit dem eigentlichen Lettenlande,
der fortdauernde Zuzug aus demselben, ermöglichten es neben
der Abgeschlossenheit der Wohnsitze, daß sich die doch relativ
kleine Anzahl der in der Diaspora lebenden Letten in ihrem
Volksthume so lange erhielt. Auf der anderen Seite mochte
die Auswanderung gerade an die preußische Küste um so näher
liegen, um so ausführbarer erscheinen, als ja dort eben Lands-
leute schon von Altersher wohnten. Wir haben wohl einen
sehr allmählich fortschreitenden Proceß mit einzelnen, besonders
hervortretenden, Höhepunkten anzunehmen; die Einwanderungen
nach Preußen sind wohl gewiß kein einmaliges geschichtliches
Factum. Die Tendenz zu solchen Auswanderungen war von
1) Magazin der Lett. Litterär. Gesellschaft Bd. XVII. p. 49 p. 52.
2) Die kurische Nehrung und ihre Bewohner. Stuttgart, 1889 p. 262. 277 ff
3) Magazin der Lett. Litterär. Gesellschaft XVIII. p. 134 ff.
Von A. Seraphim. 319
Altersher vorhanden; bei gegebener Veranlassung machte sie
sich in besonders starker Weise geltend. Diederichs fügt seinen
Mittheilungen hinzu, es entziehe sich unserer Kenntniß, ob
solche Beschwerden und Anlässe dazu später ganz aufgehört
haben. Doch finde noch in neuester Zeit eine Verbindung
zwischen Kurland und der kurischen Nehrung, namentlich durch
nissische Ueberläufer, statt. Prof. Bezzepberger meint, eine
etwaige spätere Zuwanderang könne keine sehr große gewesen
sein. Daß in späterer Zeit eine Invasion der kurischen Nehrung
stattgefunden habe, erscheine undenkbar (p. 262). Weniger ist
bisher die Frage erörtert worden, was es mit den Letten der
nächsten Umgegend Memels auf sich habe.
Die folgenden Mittheilungen nun werden uns zeigen, daß
noch im 17. Jahrhundert zwei verhältnißmäßig größere Ein-
wanderungen von lettischen Bauern, gerade aus der Nieder-
bartauschen Gegend, nach Preußen, jedenfalls ins Memelsche,
vielleicht auch auf die kurische Nehrung stattgefunden haben.
Sie werden uns andererseits auch den Beweis erbringen, wie
nothwendig eine solche Zuwanderung war, wenn anders sich
das lettische Element erhalten sollte. Krieg und allerlei Elend
hatten die Bevölkerung jener Gegenden so decimirt, daß die
neuen Bewohner ein wichtiger Factor wurden, dem die Gegend
Wesentliches zu verdanken hatte. Es ist nicht unmöglich, daß,
wenn dieser Zuschub im 15. und 17. Jahrhundert unterblieben
wäre, die lettische Sprache in Preußen schon jetzt erloschen
wäre. So wird man denn auch einen gewissen Zusammenhang
der heutigen preußischen Letten mit jenen Zuwanderungen
a priori nicht von der Hand weisen können, auch wenn man,
wie Bielenstein, die ursprüngliche Einwanderung der Letten
in die prähistorische Zeit rückt. Gehen wir nun genauer auf
die Sache ein.1)
1) Die folgenden Mittheilungen stützen sich auf Actenstücke des
Herzogl. Archives zu Mitau (H. A.) sowie auf solche im Kgl. Geh. Staats-
archiv zu Königsberg (K. St. A.). Die letzteren befinden sich in zwei
großen Pappkasten, von denen der eine die (neue) Aufschrift: „Livland und
21*
320 Ueber Auswanderungen lettischer Bauern aus Karland etc.
Ueber die erste dieser Einwanderungen habe ich
Folgendes festzustellen vermocht.
In den Tagen des (ersten) schwedisch-polnischen Krieges
siedelten sich kurische (lettische) Bauern in Ostpreußen an.
Herzog Jacob von Kurland, welcher mehrere Jahrzehnte später
den Kammerjunker Joh. Casimir von Bothsheim (1676) nach
Berlin schickte, u. A. auch, um am dortigen Hofe die Rück-
lieferung der entwichenen Bauern zu erwirken, schreibt in der
für diesen Beamten bestimmten Instruction1) : „so sindt dieselben
und zwar die besten Leute, zu der Zeit, als die Rheingrafen
sothane Preußische Oerter außgehawen und Ihre Churfürstl.
Durchl. (d. h. wohl Georg Wilhelm von Brandenburg) ihnen
zehnjährige Freiheit (d. h. Abgabenfreiheit) versprochen, mit
zehn und zwanzig Pferden und anderm großen Antheil Vieh
von hier dahin gelaufen und haben dero Aembter sonderlich
den District Memel, Tilse, Ragnit, Insterburg und den
ganzen Strandt lengst dem Haffe (d. h. natürlich dem
kurischen) in Auffnahme gebracht". Die Angabe, es sei
diese Invasion zu der Zeit geschehen, als „die Rheingrafen
sothane Orte ausgehawen", fordert zur genaueren Datirung auf.
Wer sind die Rheingrafen und was hat es mit ihnen für eine
Bewandtniß? In Israel Hoppe's Geschichte des schwedisch-
polnischen Krieges in Preußen finden sich nun mehrere Angaben,
welche diese Frage zu beantworten wohl geeignet sind.
Als Gustav Adolf im Jahre 1628 sich in Preußen aufhielt,
landeten am 8. September in Pillau „der Rheingraf Otto Ludwig"
mit mehreren Brüdern und einem Regimente deutscher Reiter.
Sie hatten in dänischen Diensten gestanden und waren jetzt auf
Kurland 1649—1657" trägt, während der zweite durch „Kurland, Livland,
Pilten und Grobin 1639—1648" bezeichnet ist. Aus dem Inhalte des ersteren,
für unsere Frage wichtigeren Kastens sind 3 Acten mit der Aufschrift
„Grobin und Pilten" hervorzuheben, sowie mehrere einzelne Actenatöcke.
welche noch die alte Archivbezeichnung A. Z. 5. 15. 38, VI., VIT., XIII.,
XV. tragen.
1) H. A. Concept.
Von A. Seraphim. 321
Kosten des dänischen Königs nach Preußen übergesetzt, um
dort in des großen Schwedenkönigs Heer Dienste zu nehmen. —
Gustav Adolf nimmt sie auch an und läßt sich von ihnen hul-
digen (Hoppe p. 288). Wir haben es hier also mit einem jener
abenteuernden fürstlichen Söldnerführer zu thun, wie sie dem
30jährigen Kriege ja nicht fremd sind. Wir finden das Rhein-
grafische Regiment unmittelbar darauf bei Elbing (p. 285) wieder,
im September 1628 haben sie ein Scharmützel bei Rehden (p. 296),
am 14. October kommt Otto Ludwig selbst nach Elbing zu
seinem Regimente, „weil seine Reiter bei dem Könige sich
schon befanden" (p. 307). Gustav Adolf beschließt nun, trotz
seines Schwagers Bitten, seine Truppen im Herzogthum
Preußen Winterquartier beziehen zu lassen (p. 319). Dem-
entsprechend begiebt sich am 4. Novbr. „der Rheingraff mit seinen
deutschen Pferden in das Bisthum nach Wormut etc. — — —
und Zinten in das Herzogthumb" (p. 323). Ende December
desselben Jahres fangen „die Reingräffischen Reiter im Herzog-
thumb bei Domnau einen Boten der Städte Koenigsberg an
den polnischen Hof ab, welcher Schreiben mit sich führte, in
denen über den Muthwillen der schwedischen Reiterei
Klage geführt war. „Weßwegen dan sie — von den
Reingräffischen soviel mehr Verdrusses zuweilen erleiden musten"
(p. 336). Zu Ende des Jahres beklagen sich die ostpreußischen
Stände („die Churfürstlichen") „über den RheingrafFen und
dessen Reiterey, als welche sich weder mit der erforderlichen
Station, weder mit denen inhabenden Quartieren begnügen ließen,
sondern täglich je mehr und mehr Edele und Unedele auff dem
Lande plageten, die Straßen hin und wieder ganz unsicher und
anruhig macheten „in Summa ihrem Landesfürsten Land und
Leute verderbeten, auch ihr Quartier über Versprechen
zur großen Ungebür und merklichem Schaden des Landesfürsten
und dessen Unterthanen erweiterten" (p. 341). Erfolg haben
indessen diese Klagen nicht, denn im. Januar 1629 wiederholen
sich dieselben, da „die Rheingraffischen Reiter hin und
wieder umb Koenigsberg und anderen Orten im Herzog-
322 Ueber Auswanderungen lettischer Bauern aus Kurland etc.
thumb nach all ihrem Muthwillen gebahreten, die
Kaufleute beraubeten, den Bauern die Pferde aus-
spanneten, die Edelhöfe plünderten und was dergleichen
Kriegesfrüchtlein von ihnen mehr konten gebrochen
werden" (p. 355). Im April finden wir dieselben Ermahnungen
des Kurfürsten an den Canzler wieder (p. 381). Die Landstande
des Herzogthums senden im Mai desselben Jahres den Burg-
grafen zu Dohna nach Elbing abermal „inständigst wieder an-
haltende, daß doch endlich das hoch beschwerete Land der
Rheingräffischen unerträglichen Last möchte befreyet werden,
sintemal sie die inhabende Quartier biß auff die eußerste Grund-
suppen aussaugeten und noch über selbige den Adel verderbeten,
auch stets mehr und mehr Oerter sich impatronireten" (p. 394).
Dann begegnen wir dem Regimente bei den Kämpfen in West-
preußen. Erst am 13. Dec. 1630 ziehen die, mitunter auch
gegen den eigenen Obersten meuternden, Soldaten des Rhein-
graffen aus Preußen ab. „Welche dann eine überaus große
Fagagie, von Raub und Nahm gespicket, mitschleppeten und
solche zwar beynahe der Best von den deutschen Reitern waren,
aber auch den Rest des Gutes und Vermögens derer, bey
welchen sie logieret, mit tausend Seuffzern und Weheklagen mit
sich auß dem Lande nahmen" (p. 470).
Aus den angeführten Mittheilungen Hoppe's ersieht man,
daß um das Jahr 1630 die Reiter des Rheingrafen Otto Ludwig
und seiner Brüder (daher in der obigen Instruction der Plural
„die Rheingrafen") in Ostpreußen entsetzlich gehaust haben.
Zwar ist von einer Aushauung jener Gegenden durch die „Rhein-
grafen" Nichts überliefert, aber einmal würde ein derartiger
Vandalismus wohl zu dem stimmen, was sie sonst zu verüben
nicht Anstand nahmen und ferner könnte es sich sehr wohl
um einen bildlichen Ausdruck des Herzogs handeln. Jedenfalls
lag nach ihrem Abmärsche manche Gegend Ostpreußens ganz
verwüstet. Ergiebt sich somit schon bis zur höchsten Wahr-
scheinlichkeit, daß wir die „Rheingrafena der Instruction des
Jahres 1676 mit Otto Ludwig und seinem Regimente zu com-
Von A. Seraphim. 323
biniren das Becht haben, so wird der letzte Zweifel durch
zwei Actenstücke benommen, welche sich im Königsberger
Egl. Geh. Staatsarchive erhalten haben. Im Jahre 1639 schreibt
nämlich Adam Krohn, Voigt zu Memel an den Kurfürsten von
Brandenburg1) über die in Bede stehenden lettischen Bauern
und bemerkt, daß sie „mehrentheils über acht Jahr alhier
gewohnet" und in einem anderen an Friedrich "Wilhelm gerich-
teten Schreiben Krohns2) lesen wir, es „seindt — — — bey
der Schwedischen Begierung an wehrenden Sequestration von
den Schwedischen Beutern die Unterthanen so ver-
wüstet undt weil sie das Land wieder zu besetzen schuldig,
dieselbigen so auß Churlandt und anderswo überge-
lauffen, genommen und das wüste landt besetzet worden".
Ziehen wir die Summe, so ergiebt sich: Kurländische, lettische
Bauern sind nach einigen Kreisen des Herzogthums Preußen
gezogen worden, als es dort nach den Verwüstungen des Landes
durch die Schwedische Soldatesca an arbeitenden Einwohnern
gebrach.3) Was nun die Zahl der in jene Gegend aus Kurland
entwichenen Bauern anlangt, so giebt Krohn dieselbe in dem
ersteren dieser beiden Schreiben auf über 100 an und damit
würde stimmen, daß Herzog Jacob von Kurland von „160 Per-
sohnen" spricht.4) Aus einem Actenstücke späterer Zeit erfahren
wir, daß es sich hauptsächlich um Bauern aus den herzoglich
Kurländischen Aemtern Grobin, Durben, Butzau, Ober-
bartau und Nieder bar tau handelt5), welche sämmtlich im
1) d. d. Mümmel d. 15. August 1689 K. St. A. Cop.
2) d. d. Mümmel d. 14. April 1646 K. St. A. Cop.
3) Daß die Devastirung des Landes ausschließlich durch Rheingräfische
Reiter erfolgt sei, will Herzog Jacob gewiß nicht sagen. Sie sind ihm
wohl nur mehr Typen jener plündernden Schwedischen Kriegsvölker und
als solche zur annähernden Datirung geeignet erschienen.
4) Herzog Jacobs Instruction für Christoph Derschau d. d. Mitau
<L 29. März 1644 H. A. Concept.
5) Herzog Jacob an Joh. Goetze Hauptmann zu Memel d. d. Rutzau
d. 29. Juny 1639 und an Adam Krohn d. d. Rutzau d. 1. Juli 1639 K.St. A.Cop.
324 Ueber Auswanderungen lettischer Bauern aus Kurland etc.
südwestlichen Theile Kurlands, nicht weit der preußischen Grenze
belegen sind. — Man wird hier unwillkürlich an Prof. Bezzen-
bergers Dialect-Forschungen erinnert, welcher gerade zwischen
dem preußischen Lettisch und dem Niederbartauschen große
verwandtschaftliche Aehnlichkeiten nachweist (cfr. oben).
Diese Auswanderung wird dann später Gegenstand lebhafter
Verhandlungen zwischen dem herzoglich Kurländischen Hofe
und der brandenburgisch-preußischen Regierung. Zuerst geschieht
in der Sache Etwas im Jahre 1639. Herzog Jacob, damals noch
Mitregent seines Oheims, des Herzog Friedrich, nimmt sie in
die Hand. Der Herzog entsandte Lewin von Nolde (Nollen)
mit einem dringenden Schreiben an den Hausvoigt von Memel,
Adam Krohn, sowie den Hauptmann in derselben Stadt, Johann
Goetze, und forderte sie auf, seinem Bevollmächtigten (Nolde)
die in dem Memelschen Kreise angesessenen lettischen Bauern
auszuliefern. Die genannten preußischen Beamten konnten diese
Angelegenheit ihrerseits nicht entscheiden und berichteten des-
halb an den Kurfürsten Georg Wilhelm, wobei sie eine Rück-
gabe der Emigrirten durchaus widerriethen. „Sollten die-
selben, so mehrentheils über 8 Jahren alhier gewohnet
und hie bevor von dem Hertzoge in Churlandt niemalen
gesuchet, also außgegeben werden, würden viel öhrter
wreder wüste liegen bleiben."1) Man sieht, wie sehr man
in Memel die neu hinzugewanderten kurischen Bauern schätzte
und einen wie wesentlichen Bestandtheil der Bevölkerung sie
ausmachten. Konnte man sie nicht entbehren, so liegt der
Schluß nahe, daß die bisherigen Bewohner zum größten Theile
verschwunden waren, ehe der neue Zuzug kam. Der Kurfürst
schrieb nun dem Herzog Jacob am 15. Nov. 16398), es sei ihm
unbekannt, daß sich kurische Bauern im Memelschen angesiedelt
hätten, aber er habe deshalb an seinen Hauptmann in Memel
geschrieben. Wir wissen nun, welche Antwort der Kurfürst
1) Krohn an d. Kurfürsten d. d. Mümrael d. 15. August 1639 K.StA.Cop.
2) H. A. Orig.
Von A. Seraphim. 325
auf diese seine Anfrage von seinen Memelschen Beamten erhielt.
Thatsache sei es, daß kurische Bauern im Memelschen an-
gesiedelt seien, aber ihre Auslieferung empfehle sich nicht, denn
sie hätten „zum Theil weniger den nichts hierhergebracht undt
jetzo ein gut aufwachs", dieser müsse jedenfalls im Auslieferungs-
falle zurückbehalten werden. Auch sei die Auslieferungsbitte
ungerechtfertigt, denn Curland könne sich unmöglich, wie es
thue, „auf die Pacta, so die Litthauischen und Pollnischen
Stände zusammengebracht, beziehen, noch weniger auf eine
Constitutio Regni, welche wider die Pacten zwischen Littawen,
Polen und dem Herzogthum Preußen leufft".1) Diese Meinungs-
äußerung muß beim Kurfürsten Erfolg gehabt haben, denn in
den folgenden Jahren kommt der Herzog von Curland auf diese
Angelegenheit zurück. Es werden zwischen dem Mitauer Cabi-
nete und den Königsberger Regimentsräthen fruchtlose Verhand-
lungen geführt.2) Preußischerseits berief man sich hierbei auf
alte Pacta, laut welchen die Herzöge von Kurland und der
Kurfürst von Brandenburg die Auslieferung entwichener Bauern
gegenseitig einander erlassen hätten. Dagegen wurden diese
Abmachungen von Kurländischer Seite strict in Abrede gestellt8)
und dabei auf den großen Schaden aufmerksam gemacht, den
die Nichterfüllung der Kurländischen Anforderung für den Herzog
im Gefolge haben müsse. Wenn die Bauern nicht ausgeliefert
würden, stehe der vollkommene Ruin der kurländischen Grenz-
ämter zu erwarten.4) Schließlich erbot sich der Kurfürst, obwohl
1) Adam Krohn und Adam Zimmermann an den Kurfürsten d. d.
Mämmel d. 26. Novbr. 1639 Cop. K. 8t. A.
2) Herzog Jacob an Friedrich Wilhelm d. d. Mitau d. 29. Juli 1640
H. A. Die Preuß. Oberräthe an Herzog Jacob d. d. Königsberg d. 26. April 1640
K. St. A.
3) Herzog Jacob an Kurf Friedrich Wilhelm ohne Dat. Eingegangen
d. 12. Juni 1642 Orig. K. St. A. „Beantwortungsschreiben An Hertzogen
in Churlandt, die Piltensche und Jülichsche Anforderung, Item, die Auß-
folgung der ins Herzogthumb entlauifenen Bauern betrf. d. 27. Juny Anno 1642
Cop. K St. A.
4) Der Kurland. Agent Georg Vischer an Kurf, Friedrich Wilhelm.
Eingegangen d. 3./13. May Anno 1642 K. St. A,
326 Ueber Auswanderungen lettischer Bauern aus Kurland etc.
jenes Pactum sich durch noch lebende Zeugen nachweisen laße,
„nicht auß Pflicht, sondern zu Bezeugung freundvetterlicher
Zuneigung" die Bauern zu extradiren, welche innerhalb drey
Jahren entgangen, wann ihre Namen genannt würden." Kur-
ländischer Seits war man damit nicht zufrieden und so finden
wir noch 1644 die Sache unerledigt. In diesem Jahre schickte
der Herzog meinen ßath Christoph von Derschau aus Kurland
nach Königsberg, um von den Regierungsräthen die Auslieferung
der Bauern und einen festen Termin zu dieser Auslieferung zu
erlangen. Die für Derschau bestimmte, vom 29. März datirte,
Instruction ist uns erhalten1); in ihr wird die Anzahl der ent-
wichenen Bauern auf 150 Personen angegeben. Derschau über-
gab in Königsberg ein herzogliches Schreiben an die Regierungs-
räthe, welche ihrerseits dem Kurfürsten darüber Bericht er-
statteten, allein auch diese Mission ergab kein greifbares Be-
sultat.2) Was dabei besonders von preußischer Seite gegen die
curländischen Forderungen geltend gemacht wurde, zeigen die
Verhandlungen der Jahre 1646 bis 1648 ganz deutlich. Der
Kurfürst scheint genauere Mittheilungen über die vom kur-
ländischen Hofe geleugneten Abmachungen über gegenseitigen
Erlass der Auslieferung entwichener Bauern aus Memel ein-
gefordert zu haben. Jedenfalls berichtet der Hausvoigt Krohn8)
dem Kurfürsten, ein förmlicher Vergleich über diesen Gegen-
stand finde sich in den Amtsbüchern nicht, er entsinne sich
aber, daß 1628 (diese Jahreszahl beruht wohl auf einem Gedächtniß-
1) In Mitau im H. A. Copie und in Kgsbg. K. St. A. das Original.
2) Herzog Jacob an die preuß. Oberräthe Mitau d. 29. März 1642.
K. St. A. Orig. Die preuß. Oberräthe an den Kurfürsten d. d. 22. Juli 1642
K. St. A. Cop. Iin Königl. Staatsarchiv zu Königsberg findet sich auch ein
Acten&tück „Desideria Illustrissimi Curl. et Semg. Ducis ad Ser. et Pot.
Elect. Brandenburgi um etc.". in welchem Desiderium III. hier in Frage
kommt. Es scheint, zumal da es sich in einem Kasten befindet, welcher
nach der allgemeinen Aufschrift Acten aus den Jahren 1639 — 48 enthält,
wohl naheliegend, diese Desideria mit der von Derschau überreichten herzogl.
Meinungsäußerung zu combiniren.
3) Krohn an den Kurfürst d. d. Memel d, 14. April 1646 Cop. K. St A.
Von A. Seraphim. 327
fehler) Kurfürst Georg Wilhelm und Herzog Friedrich von Kur-
land in Memel zusammen gewesen seien. Herzog Friedrich
habe bei der Tafel zum Hauptmann von Memel bemerkt, daß
im Amte M. kurländische Bauern sich befanden. Als ihm der
Angeredete zur Antwort gegeben, preußische Bauern befanden
sich auch in Kurland, habe der Herzog gelacht und gemeint,
„er begehre keinen zu suchen." Der Amtmann von Rutzau,
Bechelt, habe das gehört. Demgemäß sei auch niemals zu
Herzog Friedrichs Zeiten eine Nachfrage nach diesen Bauern
kurländischer Seits erfolgt. In diesem Sinne äußerten sich auch
die preußischen Oberräthe, indem sie ihren Landesherrn be-
sonders auf das letzterwähnte Schreiben Krohns hinwiesen.1)
Herzog Jacob erkannte aber keineswegs diese, wie ihm schien,
nicht genügend beglaubigte, Ueberlieferung an, sondern ließ
sich von einer Reihe älterer Landesbeamten seines Herzogthums
die schriftliche Versicherung ausstellen, daß ihnen von solch
einem Abkommen Nichts bekannt sei, daß sie sich vielmehr aus
ihrer amtlichen Praxis genau erinnerten, daß Herzog Friedrich
häufig der übergelaufenen Bauern wegen reclamirt habe.8) Viel-
leicht in Folge dieser energischen Haltung kommt man in
Königsberg entgegen. Nachdem der Kurfürst seine Zustimmung
gegeben, daß von den nach einem bestimmten Jahre Entwichenen
eine bestimmte Anzahl ausgeliefert werden solle (mit Ausschluß
des „Vieh, Fahrnus und der in Preußen geborenen jungen Mann-
schaft"), wandten sich die preußischen Oberräthe an die kur-
landischen8) und schlugen vor, als terminus a quo für die Aus-
lieferung solle das Jahr des Regierungsantrittes des Kurfürsten
1) Die Oberräthe des Herzogthums Preußen an den Kurfürst Friedrich
Wilhelm d. d. Königsberg d. 22. August 1646 Cop. K. St. A.
2) Ich hebe hervor die Erklärung des Christoph von Fircks, der
Candauscher Hauptmann, dann Oberburggraf und Kant zier gewesen war.
Sie ist datirt vom 5. Sept. 1646 Orig. H. A.
3) Der Kurfürst an die preuß. Oberräthe d. d. Haag d. 16. Mai 1647
Orig. K. St. A. Die Oberräthe Preußens an die kur ländischen Oberräthe
i & Königsberg d. 2. Octob. 1647 Cop. K. St. A., Orig. in Mitau im H. A,
328 Ueber Auswanderungen lettischer Bauern aus Kurland etc.
gewählt werden (1640) und dieselbe solle sich nur auf die in
den Kreisen Memel, Tilsit und Ragnit angesiedelten Bauern und
zwar nur auf eine bestimmte Anzahl beziehen. Bei „so nahe
verwandten und befreundeten Potentaten" sei* doch auf gute
Lösung zu hoffen. Wir hingegen brauchen uns nur zu entsinnen,
daß die Hauptauswanderung kurländischer Bauern bald nach 1630
stattgefunden hatte, um zu verstehen, daß man in Kurland sich
dem Vorschlage der Oberräthe gegenüber durchaus ablehnend
verhielt, während der Große Kurfürst mit dem Verhalten seiner
preußischen Räthe durchaus einverstanden war.1) Bei dieser
Verschiedenheit der Auffassungen des Mitauer und des branden-
burgischen Hofes begreift man, daß wir dieser Angelegenheit
noch in den Acten der folgenden Jahre (1649, 1653, 1667) be-
gegnen.2) Dann tritt eine Pause ein, der große polnisch-schwedische
Krieg bricht 1655 aus und zieht Kurland gleich Preußen in* seine
Kreise. Im September 1658 nahmen die Schweden den neutralen
Herzog Jacob von Kurland gefangen, erst der Friede zu Oliva
giebt ihm Thron und Freiheit wieder.8)
In diese Zeit nun, in die Tage dieses schwedischen Krieges
ist eine zweite Bauernemigration aus Curland nach
Preußen zu datiren.
Eine größere Anzahl von Bauern Verließ Curland und
wanderte in die Aemter Memel, Tilsit, Ragnit und Insterburg,
zu deren Cultivirung sie erheblich beitrugen, wahrscheinlich
180 Familien.4) Die Gründe dieser Auswanderung entziehen
sich unserer Kenntniß, doch darf es als nicht unwahrscheinlich
1) Schreiben des Kurfürsten an die preuß. Oberräthe d. d. Cleve
d. 29. May 1648 und d. d. Cleve d. 20. Martis 1648 Orig. K. St A.
2) Friedrich Wilhelm von Brandenburg d. d. 8. Sept. 1649 an Herzog
Jacob. Vidimirte Copie H. A. Herzog Jacob an Karfürst Friedrich Wilhelm
d. d. Mitau d. 10. Dec. 1658 und den 20. Dec. 1653 Cop. H. A. Friedrich
von Goetzen an Kurfürst Friedrich Wilhelm d. d. Memel d. 22. Juli 1657
Orig. K. St. A.
3) cfr. Cruse: Kurland unter den Herzögen I. p. 166. Actenstücke
z. Geschichte d. Groß. Kurfürsten V. 294, 569, 651, 728.
4) Mittheilung des Kgl. Geh. Staatsarchivs zu Berlin an Herrn
Prof. Dr. C. Lohmeyer in Königsberg, der so gütig war, mir dieselbe «ur
Von A. Seraphim. 329
gelten, daß die Verhältnisse des zwar neutralen, thatsächlich
aber von Polen und Schweden in gleicher Weise mißhandelten
Herzogthums Kurland den Anlaß zu diesem Ereigniß geboten
haben. Seitdem begegnen wir dieser Angelegenheit häufig in
den Acten der dem Kriege folgenden Jahre, sie ist ein stets
wiederkehrender Punkt in der Reihe der von Kurland an Preußen
gestellten Prätensionen. Schon 1660 muß sich Herzog Jacob
an seinen Schwager, den Großen Kurfürsten, mit dem Verlangen
der Bückgabe der Ausgewanderten gewandt haben, denn im
November1) dieses Jahres schreibt Friedrich Wilhelm an seinen
Statthalter und die Oberräthe in Preußen, da ihm aus Kurland
berichtet sei, „daß wehrendem diesem letzten Kriege die
Unterthanen aus Churlandt entlauffen und sich in
Unserem Herzogthumb befinden sollen, So haben Wir
versprochen, daß solche wieder abgefordert, dagegen aber auch
Unß die Unserige so in selbiger Zeit dahin gegangen, abgefolget
werden mögen*'. Ein Schreiben desselben Inhalts sandte der
Kurlurst2) nach Mitau. Dementsprechend erhielt der Herzog
zu Beginn des folgenden Jahres aus Königsberg die Mittheilung,
die Regierungsräthe hätten an die Grenzämter geschrieben und
Anordnungen im Hinblick auf die Auslieferung der Bauern ge-
troffen.8) Es wird wohl an unserem lückenhaften Material liegen,
Disposition zu stellen. Ich bitte ihn, dafür an dieser Stelle meinen ver-
bindlichsten Dank entgegen zu nehmen. Auf 180 Familien giebt die
Anzahl der Entwichenen auch eine undatirte Berechnung des durch diese
Auswanderung verursachten Schadens an (H. A.). Ob die erste Auswande-
rung darin einbegriffen ist, 'muß dabei uuentschieden bleiben. In der
Instruction für Bothsheim behauptet der Herzog sogar, „die Leute (d. h.
doch wohl die um 1630 und während der Jahre 1655—66 nach Preußen
Gewanderten zusammen) hätten sich inzwischen in etlich tausendt
Familien vermehrt". Das wird wohl auf einer kleinen Uebertreibung
beruhen.
1) d. d. Cöln d. 19. Nov. 1660 Cop. H. A.
2) Der Kurfürst an Herzog Jacob d. d. Cöln d. 14. Nov. 1660 H. A. Orig.
3) Der Statthalter Boguslaw Radziwill und die Regierungsräthe an
Herzog Jacob d. d. Königsberg d. 24. Januar 1661 H. A. Siehe auch den
Beschluss des Kurland. Landtages v. 5. August 1662 Funct 14 bei Rummel:
„Die Curländischen Landtags und Conferentialschlüße 1618— 1759" p. 194.
330 Ueber Aaswanderangen lettischer Bauern aus Karland etc.
wenn wir dieser Angelegenheit über ein Jahrzehnt nicht be-
gegnen, um sie dann 1676 noch unerledigt wieder zu finden.
In diesem Jahre schickte der Herzog Jacob den Kammerjunker
Joh. Casimir von Bothsheim nach Berlin, um dort den Prinzen
Alexander, den jüngsten Sohn des herzoglichen Hauses am kur-
fürstlichen Hofe einzuführen, und außerdem u. A. auch die
Auslieferung sowohl der nach der Zeit „der Rheingrafen", als
auch der während des schwedisch-polnischen Krieges, entwichenen
kurländischen Bauern zu erwirken oder eine Entschädigung für
dieselben zu erlangen. Die vom Herzoge für Bothsheim be-
stimmte Instruction giebt uns über diese Frage Auskunft. Er
hoffe, schreibt der Herzog in diesem Schriftstücke, „daß Ihre
Churfürstl. Durchl. Unß endlich deshalb gebürliche Satisfaction
geben werden, den es ob zwar Ihre Churfürstl. Durchl. die Aus-
antwortung derselben dero Beamten befohlen, so ist es doch
nie mahlen zum effect gekommen."1) Der Herzog schlägt eine
Geldentschädigung oder die Schadloshaltung durch Abtretung
einiger in den kurfürstlichen Landen gelegenen Aemter vor.
Aber auch diese Mission hat so wenig Erfolg gehabt, wie die,
welche im Jahre 1680 Dieterich von Alten Bockum, 1681
wieder Bothsheim auszuführen ersehen wurden.
Weiter habe ich diese Verhandlungen nicht zu verfolgen
vermocht; daß aber eine Auslieferung der entlaufenen Bauern
auch in der Folge nicht stattgefunden hat, ist nach den im
Obigen gemachten Mittheilungen gewiß vorauszusetzen.2)
1) Diese Instruction muß nach dem 6. Aug. 1676 verfaßt sein, da der
Herzog Reine Gemahlin Louise Charlotte schon als todt bezeichnet, und daß
sie in der That in diesem Jahre verfaßt sein wird, zeigt der Umstand, daß
der Herzog am 26. Aug. 1676 an seine Schwägerin, Hedwig Sophie, Land-
gräfin von Cassel (geborene Prinzessin von Brandanburg) schreibt, er habe
Joh. Casimir von Bothsheim nach Cassel abdelegirt, um ihr den Tod seiner
Gemahlin zu notificiren. (Copie des im Egl. St. A. in Marburg befind].
Originals in meinem Besitze d. d. Mitau d. 26. Aug. 1676). Siehe auch
„Aus Kurlands herzoglicher Zeit11 p. 188 (Mitau £. Behres Verlag 1891).
2) Das bestätigt auch die von Prof. Dr. Lohmeyer in Königsberg mir
zur Disposition gestellte Mittheilung des Kgl. Geh. St. A. in Berlin an ihn:
Von A. Seraphim. 331
So spricht, irre ich nicht, Alles dafür, einen Zusammenhang
dieser Emigranten mit den heutigen Rudera der Letten in
Preußen, besonders den bei Memel Lebenden, anzunehmen. Was
die kurische Nehrung anlangt, so kann sie einerseits schon aus
dem Grunde gleichfalls in diese Annahme eingeschlossen werden,
weil der Memelsche Kreis1), von dem in der Bothsheimschen
Instruction die Bede ist, auch die nördliche Hälfte der kurischen
Nehrung umfaßt. Wenn ferner an demselben Orte gesagt ist,
die Leute hätten auch „den ganzen Strand lengst dem
Haff in Aufnahme gebracht", so können wir unter diesem
„Strande" sehr gut die Küste der kurischen Nehrung ver-
stehen, die ja auf der einen Seite von der See, auf der anderen
vom Haff bespült wird. Der Ostseestrand, der sich längst
dem Haff hinzieht, scheint die Nehrung zu sein, nicht das
Binnenland, welches an das Haff grenzt.2)
Sollten die hier verlautbarten Anschauungen sich im
Allgemeinen nicht als richtige bewähren, so dürften die oben
mitgetheilten Thatsachen doch kleine Bausteine für berufenere
Kräfte sein.
Mi tau in Kurland, den 5./17. März 1892. A. Seraphim.
„die Leute blieben dauernd ansässig in den Aemtern Memel, Tilsit,
Ragint und Insterburg, zu deren Cultivirung sie erheblich
beitrugen. Was aus den nach Tilsit, Ragnit und Insterburg gewanderten
Letten geworden ist, ob sie etwa von den Litthauern aufgesogen worden
sind etc. muß eine offene Frage bleiben.
1) In der Instruction Bothsheims steht allerdings ein Memelscher
Bist riet, aber darauf ist wohl kein Gewicht zu legen, da des Herzogs
Angaben überhaupt etwas allgemein gehaltene sind.
2) Diese Annahme wird wohl auch darin eine Stütze finden, daß
die das kurische Haff im Osten begrenzende Küste stets wenig bewohnt
gewesen ist. Ferner macht mich Dr. August Bielenstein darauf aufmerksam,
daß im 15. Jahrhundert die Nehrung schlechthin „der Strand"
genannt worden ist, so jedenfalls in der Reisebeschreibung Ghillebert's
von Lannoy, der 1413 und 1414 jene Gegenden passirte. Scriptores rer.
Prnsaicarum III. Beil. V. p. 445 „et costie on la raer a main senestre en
cbeminant de Keuniczeberghe et a la main dextre une autre grosse reviere,
et nomme l'on ce chemin le sträng.'4 G. v. L. reiste von Königsberg
nach Memel — offenbar über die Nehrung. Die Uebersetzung der betr
Stelle in Banges Archiv för die Geschichte Liv-Est-Kurlands V. p. 168, 1G9.
Preussische Yolksreime und Volksspiele,
Von
H. Frischbier.
(Fortsetzung.)
IX. Aus dem Volksleben.
Festliches.
278. Lied der heiligen drei Könige.
1. Wir kommen herein ohn' allen Spott,
Einen schönen guten Abend, den geh* uns Gott!
2. Einen schönen guten Abend, eine fröhliche Zeit,
Die unser Herr Christus hat bereift!
3. Drei Weisen die zogen von Haus zu Haus,
Herodes gucket zum Fenster hinaus:
4. Ihr heil'gen drei Weisen, wo wollt' ihr hin?
„Nach Bethlehem steht unser Sinn.
5. Da liegt ein kleines Kind geboren,
Von einer Jungfrau auserkoren."
6. Sie zogen die Goldschnur wohl über das Haus,
Da sprang ein schwarzbraunes Mädchen heraus.
7. Wir müssen das Mädchen lieben und ehren,
Daß sie uns thut eine Gabe bescheren.
8. Eine Gabe bescheren, viel Geld spendiren,
Wir müssen heute noch weiter marschiren.
(Nach Etnpfatig der Gabe:)
9. Wir wünschen dem Herrn einen gold'nen Tisch,
Auf allen vier Ecken Braten, Hühner und Fisch',
Von H. Frischbier. 333
10. Und in der Mitte eine Kanne mit Wein,
Daß er kann trinken nnd lastig sein!
11. Wir wünschen der Frau eine gold'ne Krön,
Aufs and're Jahr einen jungen Sohn!
12. Wir wünschen dem Mädchen den Besen in die Hand,
Daß sie kann fegen das Haus so blank!
13. Wir wünschen dem Jungen eine Schrape in die Hand,
Daß er kann schrapen den Schimmel blank!
14. Wir wünschen dem Knecht eine Häcksellad1,
Daß er kann schneiden früh und spat!
15. Wir stehen zusammen auf einem Platz
Und wünschen allen eine gute Nacht!
(Samland.)
In Königsberg singen die Knaben auch: Wir kommen herein mit Sang
und Spott; nach 11: Wir wünschen der Jungfer einen rothen Rock, Daß
sie kann stehn wie ein Ziegenbock! — Wir wünschen dem Sohn einen
weißen Schimmel, Daß er kann reiten bis in den Himmel! (Ebenso in Dön-
hoffstädt.) — Wir wünschen dem Knecht den Besen in die Hand, Daß er
kann kehren den Stall recht blank! — Wir hören die Madam (die Frau)
mit den Schlüsseln klingen, Sie wird uns wohl eine Gabe bringen! (Ebenso
in Dönhoffstädt.) — Doch muss sie dies thun nur ja recht bald, Denn uns
werden Hand' und Füße kalt! In Dönhoffstädt lautet Strophe 8: Eine
Gabe verehren, eine Bratwurst spendiren, Wir müssen noch heute können
weiter marschiren.
Vergl. Volksr. 785 ff.
Ostern.
279. Schmackoster,
Grün' Oster,
Sechs Eier,
Sieben Schilling,
Ein Stück Speck,
Dann geh ich weg;
Ein Stof Bier,
Dann bleib1 ich hier.
(Königsberg.) Vergl. Volksr. 797.
280. Zum Schmackostern komm' ich her,
Ich wünsch' Ihnen guten Morgen!
Gott gebe, daß Sie dieses Jahr
Vollbringen ohne Sorgen!
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX. Hft. 5 n. 6. 22
334 Preußische Volksreime und Volksspiele.
Die Feitsche*) tappt, fallira!
Daß Sie die Floh nicht beißt!
Gebt alle bunten Eier her,
Wie sie sein, schwarz und weiß,
Ich nehm sie alle mit Dank und Fleiß. ( Dönhoff städt)
Osterei er-Beime.
281. a) Hier schenk' ich dir ein Ei
Aus meiner Lieb und Treu.
Und brichst du dieses Ei entzwei,
So ist uns're Lieb vorbei. (Königsberg.)
b) Ich bin gerührt wie Aepfelmus,
Geschmolzen wie Pomade,
Mein Herz schlägt wie ein Pferdefuß
In meiner linken Wade.
(Danzig.) Vergl. Volksr. 798.
c) Drei Hosen roth, drei Lilien weiß,
Ich liebe dich, daß niemand weiß.
d) Die Myrthen sprießen schon hervor
In deinem Hochzeitskränzchen,
Die Füßchen wollen nicht mehr gehn,
Sie schweben stets zum Tänzchen.
e) Ich bin eine junge Braut,
Bin noch keinem anvertraut,
Ich sitz' im Rosengarten
Und thu' meiu's Liebchens warten.
f) Nimmer will ich dich vergessen,
Theures Liebchen, denk' an mich!
Bis man einst mein Grab wird messen,
Schlägt mein Herze nur für dich. (Dönhoff Stadt.)
Zur Ernte.
Bei Ueberreichung des Erntekranzes.
282. Wir bringen die Krone, von Aehren gebunden,
Zur Ehre dem Herrn, mit Blumen umwunden,
Freude sei uns gegeben, Freude sei uns gegeben!
Gott seg'ne die Arbeit, die wir jetzt thaten,
Gott fülle die Scheunen, bewahre die Saaten
Und steh' uns gnädig bei, und steh' uns gnädig bei!
*) Klingerstock des Hirten.
Von H. Frischbier. 335
Gott gebe uns Friede, Gesundheit und Kräfte
Zu unserer Arbeit und Amtsgeschäfte,
Und geh' uns Speis' und Trank, und geb' uns Speis und Trank.
Von einem Dienstmädchen aus Szillen im Kreise Ragnit mitgetheilt.
Volkstümlich?
Bei Ueberreichung des Erntekranzes.
288. Zu der Herrschaft bin ich getreten,
Weil ich darum bin gebeten.
Heut1 ist mein schöner Ehrentag,
Da ich das Aehrenkränzlein bringen mag.
Ich bring's so gut, wie ich es kann,
Die Herrschaft (der gnäd'ge Herr etc.) nehme es mit Vergnügen an.
Ich bring' einen Kranz von reinem Korn,
Es ist gewachsen zwischen Distel und Dorn,
Es ist gewachsen bei Schnee, Hagel und Regen.
Ich wünsch' der Herrschaft aufs Jahr einen bessern Segen,
Ich wünsch' der Herrschaft ein langes Leben,
Der liebe Gott möge ihr die Gesundheit geben.
(Wehlack, Kr. Rastenburg.) Vergl. Volksr. 799 ff.
Spruch beim Binden.
284. Ich habe mich überwunden,
(Ich wül mich unterwinden),
Den Herrn N. zu binden
Mit einem gelben Strohband
Um seine schneeweiße Hand.
Das Bändlein soll gelöset sein
Nicht mit Bier oder Branntewein,
Sondern was dem Herrn wird gefallig sein.
Die Ehr' ist nicht für mich und die Gemein',
Sondern für den Herrn ganz allein.
285. Ich hab' mir das nicht vorgenommen,
Daß der Herr (die Dame) möchte zu uns kommen.
Ich will mich überwinden,
Den schönen Herrn (die schöne Dame) zu binden.
Ich binde mit einem Kornband
Dem Herrn seine (der Dame ihre) schneeweiße Hand.
Ich bitte, sie möchten es nicht übel nehmen,
Sondern ein kleines Geschenk mir dafür geben.
(WeMack, Kr. Rastenburg.) Vergl. Volksr. 811.
22*
336 Preußische Volksreime und Volksspiele.
286. Ich bind* dich mit einem Band oder Bändelein
Auf dein schneeweißes Hemdelein!
Du wirst schon wissen, zu was es sei, zu was ich's mein'.
Zu einer Kanne Bier oder einer Flasche Wein,
Damit ich mit meinen Kameraden kann lustig sein.
287. Ich thue den Herren binden
Nicht mit Dornen, auch nicht mit Disteln,
Sondern mit einem Kornbandelein.
Das Bändelein hat weder Haken noch Oesen:
Der Herr wird sich wohl wissen auszulösen,
Nicht mit Bier, auch nicht mit Wein,
Sondern was dem gnädigen Herrn gefallig wird sein.
Das thu' ich nicht für mich allein,
Sondern für die ganze Gemein1.
Ncu-BoliUcn bei Liebstadt.
Liebe und Freitschaft.
288. Ein Kttßchen in Ehren
Ist jederzeit erlaubt,
Und wer kann's dem wehren,
Der mir ein Küßchen raubt?
(DönholTstädL)
289. De B16m, wo blau bleegt,
Süll keiner breite —
Oeck seech mfn Schatzke dorch de Tun,
Oeck wull mi möt em sprdke.
Schatzke, Schatzke, lewet Kind,
Lange rnch gesene,
War et man mtn Wöll gewese,
War et lang gesehene!
(Rauschen — Samland.)
290. Ja Koppsalat, ja Koppsalat,
On greene Peterzölge,
Greene Peterzölge
On Koppsalat!
In meines Vaters Garten,
Da wächst ein Blümelein:
Wie lang' muss ich noch warten,
Dann ist der Freier (auch: das Blümelein) mein!
(Königsberg. Rastenimrg.)
Von H. Frischbier. 337
Die vier letzten Zeilen lauten auch:
In meines Vaters Garten,
Da liegt ein großer Stein,
Und darauf steht geschrieben:
Der Freier (auch: der Abschied) der ist mein!
291. Lieben ist nicht wider Gott,
Sonst hätt' er's nicht erschaffen;
Sünde kann es auch nicht sein,
Es lieben ja die Pfaffen;
War* es etwa ungesund,
Würden es die Aerzte meiden,
Und wahrhaftig, thät' es weh,
Wtird' es keine Jungfrau leiden.
(Königsberg.) Auch mit dem Anfange: Wenn Lieben etwas Böses war',
So war* es nicht erschaffen, Und wenn es eine Sünde war', So thäten's
nicht die Pfaffen.
292. Mädchen, willst du heirathen,
Heirath' einen Pfaffen,
Der kann dir die Sund' vergeben
Und auch bei dir schlafen.
(Königsberg.)
298. Ein Bauernmädchen mag ich nicht,
Sie ist mir viel zu schlecht,
Sie hat ein kurzes Röckchfen an
Und ihre Bein' voll Dreck.
(Friedland t. Ostpr.)
294. Mein Herz und Dein Herz,
Die sehen sich gerne —
Leck' mir hei Tag' im A.,
Brauchst kein1 Laterne. (Königsberg.)
295. Lieber Vater, sei so gut,
«Mach* mir eine Freude,
Kauf mir einen Federhut
Und Kattun zum Kleide.
(Königsberg.) Vergl. Volksr. 837.
296. Allemal kann man nicht lustig sein,
Allemal hat man kein Geld,
Allemal liebt mich mein Mädchen nicht,
'Weil es nicht immer gefällt.
338 Preußische Volksreime und Volksspiele.
Liebesklage.
297. :,: Ist alles dunkel, ist alles trübe,
Dieweil mein Schatz ein' andern liebt. :,:
Ich hab' geglaubt, sie liebet mich,
Ich hab' geglaubt, sie liebet mich;
Aber nein, ach neine, aber nein, ach neine.
Aber nein, ach nein, sie hasset mich.
Was nützet mir ein schöner Garten,
Wenn and're d'rin spazieren geh'n
Und pflücken alle Blumen ab,
Und pfl. etc.
Daran ich meine, daran ich meine,
Daran ich meine Freude hab'.
Was nützet mir mein schönes Madchen,
Wenn an'dre mit ihr spazieren geh'n,
Und küssen ihre Schönheit ab,
Und küssen etc.
Daran ich meine, daran ich meine,
Daran ich meine Freude hab'.
Kirsch mit Kümmel hab1 ich getrunken,
Von nun an trink' ich ßranntewein
(Schluß leider unbekannt.) Smb.
Bei der Hochzeit.
Platzmeister sprüc he.
298. Einladung zur Hochzeit.
Günstige Herren und gute Freund'! Ihr mögt es mir nicht übel
nehmen, daß ich zu Euch so dreist hereinkomm', weil ich ein ausgesandter
Bote bin von Gott und zwei Perschon'n, von Braut und Bräutigam.
Von Braut und Bräutigam nicht allein, sondern von der ganzen
Freundschaft insgemein! Nämlich von dem wohlehrbaren und geachteten
N. N. mit seiner Jungfren Braut N. N.
Diese beiden Perschonen gedenken sich in den Ehestand zu begeben
und lassen bitten, künft'gen Donnerstag in dem Bräutigam seine (in der
Braut ihre) Behausung zur Hochzeit zu kommen.
Da soll euch alle Ehre erzeigt werden nebst Essen und Trinken and
was Gott durch seinen Segen verliehen hat.
Von H. Frischbier. 339
Von der Mahlzeit zum Trunk,
Fröhlich zum Sprung!
Mit Tanzen und Springen
Wollen wir die Hochzeit anfangen und zu Ende bringen.
Ich hab' noch eine kleine Bitt':
Bringt eure Jungfern und Gesellen mit,
Den Herzvater mit den Söhnen,
Die Frau Mutter mit den Töchtern,
So viel das ganze Haus vermag!
Verschmäht ihr mich und meine Bitt',
So verschmäht ihr die Brautleute daneben mit.
Wenn der Herr einen Sohn oder eine Tochter ausgeben soll oder
sonst ein Gastmahl anstellen wird, und diese beiden Perschonen dazu ein-
geladen werden, so werden sie es euch wiedervergelten!
Ich bin noch jung von Jahren,
Ich hab' noch wenig erfahren,
Ich bin noch jung von Ehren,
Was ich nicht kann, will ich noch lehren!
Ich bitte noch für meine Perschon: Hab' ich was nicht recht gemacht,
desto besser werdet ihr es verstehn. Nun adje!
Nu, Peerdke, mottet du springen,
On öck wa schoten, dat et wa't klingen!
Min Peerdke, du mottet wöppen,
Dat mm Kranz deit (thut) nöppen!
Hier awer wöll wi ons sachtke dröcken —
De Balken heft sick nich, dröm mot öck mi bocken!
Nu hilft alle gesund, bet wt ons öm Hochtidshus weddesene!
(ERringer Höhe.) — Der ganze Spruch wird in singendem Tone her-
gesagt, wobei die letzte oder auch schon vorletzte Silbe jedes Satzes auf die
Quarte abwärts fallt Vergl. Volksr. 856.
299. Ehrbare, günstige Herren und gute Freunde! Ich bitte sie ganz
freundlich, sie wollen mir nicht übel nehmen, daß ich so dreist zu Ihnen
herein komme, denn ich habe eine christliche Bitte und Werbung
an sie. Ich hoffe, sie werden meine christliche Werbung willig auf- und
annehmen, dieweil ich ein ausgesandter Bote bin von Braut und Bräutigam
und von der ganzen Freundschaft, als nämlich von der ehrbaren und wohl-
geachteten (Namen der Braut und des Bräutigams). — Diese beiden Per-
sonen haben sich durch Schickung Gottes, des Allmächtigen, wie auch mit
Rath und Wissen der Anverwandten und Freundschaft, in ein christliches
340 Preußische Volksreime und Volksspiele.
Eheverlöbniß eingelassen und sind nun willens mit göttlicher Hilfe
solch Eheverlöbniß auf künftigen Freitag ins Werk zu richten und alsdann
ihren Hochzeitlichen Ehrentag zu halten. Weil aber solches Vor-
nehmen nicht ohne guter Freunde Beistand geschehen noch vollzogen werden
kann, so bittet der Herr Bräutigam, wie auch seine herzgeliebte, ehr- und
tugendsame Jungfer Braut samt der ganzen Freundschaft, — und ist such
mein dienstfreundliches Bitten, eure Lieben wollen sich künftigen Freitag
10 Uhr in der Behausung des ehrbareu und wohl geachteten Gastgebers N. N.
(Namen und Ort) einstellen. — Ferner bitte ich: ihr Lieben wollen helfen
das Geleit geben sammt mir nach — (Kirchort) in die christliche Kiiche
und allda der priesterlichen Copulation mit herzlicher Andacht beiwohnen
und Gott den Allmächtigen, um eine glückliche Ehe helfen anrufen, damit
ihr (des Brautpaars) christliches Vornehmen einen glücklichen Anfang nnd
ein gottseliges Ende nehmen möge. Gott gebe, daß es in einer glücklichen
Stunde geschehe. — Nach geschehener Trauung wolle der Herr mit den
lieben Seinigen nebst allen geladenen Gasten wieder zurückkehren in des
ehrbaren und wohlgeachteten N. N. Behausung und sich zur Mahlzeit
verfügen. Allda werden eure Lieben sehen, was der überreiche Speisemeister,
Gott der Allmächtige, an Essen und Trinken bescheret hat und vor der
Mahlzeit vorlieb nehmen mit Trunk und fröhlichem Sprung; — und wollen
allerseits mit Singen und Springen die Hochzeit helfen zu Ende bringen,
nicht allein Freitag und Sonnabend, sondern die ganze Woche hindurch,
so lange die Hochzeit dauern wird.
Ferner bittet der Herr Bräutigam, wie auch seine herzgeliebte, ehr-
und tugendsame Jungfer Braut, und ist auch mein dienstfreundliches Bitten:
Eure Lieben wollen keine Entschuldigungen machen, denn sie (die Gast-
geber) haben sich Ihres Ausbleibens nicht versehen. Darum thun sie ihnen
die Liebe und stellen sich ein, verschmähen sie Braut und Bräutigam nicht
und daneben mich ausgesandten Boten auch nicht. Sollten sie dagegen
einmal einen Sohn oder Tochter ausgeben oder sonst eine andere Copulation
anstellen, so will ich auch wiederum Beistand leisten, wofern ich dazu ge-
laden werden sollte. (Dies Folgende in platter Sprache:) ,,Hebb eck nich
recht gebede, so mott jü ml beter verstahne, desto eher käme und desto
länger bliewe."
Ich bleibe also bei der Hoffnung.
Ich bin noch jung von Jahren,
Hab' in der Sache noch wenig erfahren,
Ich bin noch jung an Ehren,
Was ich nicht kann, hoff* ich noch besser zu lehren (lernen).
Thun sie also wohl und stellen sie sich ein, verschmähen sie
Von H. Frischbier. 341
Braut und Bräutigam nicht und mich ausgesandten Boten daneben
auch nicht. ( Wehlack, Kr. Rastenburg.)
Vgl. den „Nathang. Hochzeitsbitterspritch" aus Weissemtdn, Kr. Königs-
berg, in N. Pr. Prov. Bl. 1857 XII, pg. 105-106. Smb.
Ausbitte zur Trauung.
300. Die Platzmeister kommen zu Pferde oder treten auch zu Fuß
in das Zimmer, um zur Abfahrt nach der Kirche aufzufordern:
Großgünstige Herren und gute Freunde, wie auch Frauen und Jung-
frauen alle sämmtlich ! Es wird ihnen doch wohl allen wissend und bekannt
sein, wie diese beiden Personen mit einander verlobt und versprochen sind
and nun gewartet haben auf die priesterliche Copulation, welche auch
heutiges Tages soll vollzogen werden.
Darum (zur Braut), herzgeliebte, ehr- und tugendsame Jungfer Braut,
laßt ihr herzgeliebter Herr Bräutigam ihnen einen guten Tag vermelden
and sie ganz freundlich bitten um ein kleines Ehrengeschenk, ein Tüchlein
oder Ringlein, oder was sie sonst ihrem herzgeliebten Bräutigam verehren
mögen, welches Geschenk er von ihnen willig auf- und annehmen will.
Darum, liebe Jungfer Braut, übergeben sie uns dieses kleine Geschenk, das
ich sodann dem Herrn Bräutigam in seine treue Hand überantworten werde.
(Eine ähnliche Ansprache hält der zweite Platzmeister an den Bräutigam.
Das erhaltene Geschenk wird mit folgenden Worten überreicht:)
Herzgeliebte, ehr- und tugendsame Jungfer Braut (etc. Bräutigam)!
Es übersendet ihnen ihr Herr Bräutigam dieses kleine Ehrengeschenk,
nämlich ein Ringlein (Tüchlein). Da sie aber sehen, daß das Ringlein fein
rund ist und kein Ende hat, so hoffet und wünschet ihr Herr Bräutigam,
daß sie (die einzugehende Ehe) künftig auch kein Ende haben und nehmen
wird, nicht in guten Tagen, auch nicht in Kreuz, Jammer und Noth. Er
will ihnen treu sein bis in den Tod. Ferner bittet der Herr Bräutigam die
herzgeliebte etc. Jungfer Braut, sie möge dieses kleine Ehrengeschenk von
ihm willig an- und aufnehmen und für diesesmal vergnügt sein!
(Der Platzmeister steckt der Braut den Ring an den Finger und
wendet sich alsdann an die Hochzeitsgäste:)
Groß günstige Herren und gute Freunde, wie auch Frauen und Jung-
frauen! Der Herr Bräutigam und seine vielgeliebte etc. Jungfer Braut lassen
sich höflich bedanken, und wir Boten bedanken uns auch, daß sie sich auf
unsere geringe Einladung günstig haben eingestellt!
{Folgt Abfahrt zur furche.)
( Weklack.)
342 Preußische Volksreime und Volksspiele.
Platzmeisterspruch im Kruge.
301. Der Hochzeitszug hält zunächst vor dem Kruge, der Schenke.
Der Platzmeister ist im Galopp voraufgeeilt und hat in der Krugstube sich
einen „Kruß" Bier geben lassen:
Herr Wirth und Frau Wirthin, ich bin ein Heiter, ausgesandt
Von dem Herrn Bräutigam und auch von seiner herzliebsten etc.
Braut, ganz wohl bekannt!
Sie haben sich versammelt auf einem grünen Plan
Und thun ihnen eine große Ehre an
Und lassen fragen, ob sie nicht können beherbergen ein hundert Mann,
Theils zu Boß, theils zu Fuß,
Wie ich hier vermelden muß.
Für die Pferde einen warmen Stall,
Heu und Haber haben wir allzumal,
Dabei möchten sie sich nicht lange bedenken
Und einen Kruß Bier mir einschenken,
Es mag sein Bier oder Wein,
Damit Braut und Bräutigam nebst den andern Gästen mögen
fröhlich sein!
Der Platzmeister reitet jetzt hinaus vor den Krug dem inzwischen
angekommenen Hochzeitszuge entgegen und überreicht den Kruß Bier mit
folgender Ansprache:
Geehrter Herr Bräutigam und herzgeliebte etc. Braut!
Ihnen bring1 ich dieses Krügelein,
Der Herr Wirth hat es mir geschenket ein,
Es mag enthalten Bier oder Wein,
Ich weiß nicht, was darin mag sein,
Sie sollen daraus trinken Gesundheit und Leben
Und ihre herzgeliebte etc. Braut und Gäste auch daneben!
Auch kann ich ihnen dabei noch sagen,
Es wird da drinnen ihnen wohl behagen:
Stub' und Stall sind gerichtet ein,
Und sie sollen alle willkommen sein! (Wehlack.)
Platzmeisterspruch beim Sammeln von Geld für die Musi-
kanten.
802. Ihr Herren Musikanten, laßt eure Saiten stille schweigen,
Ich will mich als euer gehorsamer Diener erzeigen!
Ihr Herren und Gesellen fein,
Und ihr alle, Groß und Klein,
Von H. Frischbier. 343
Alle, die ihr hier zu diesem hochzeitlichen Ehrentage
Seid eingeschlossen, vernehmt, was ich sage!
Vormals war ich zu Pferd vorhanden,
Jetzt aber auf freiem Fuß gestanden.
Ich komme nicht aus Haß und Neid,
Sondern aus Lieb und Freundlichkeit,
Dabei mögt ihr euch nicht lange bedenken,
Sondern mir einen Reichsthaler auf diesen Teller schenken.
Es ist nicht für mich, auch nicht für meinen Kamrad', auch nicht
für den Herrn Bräutigam, auch nicht für die herzgeliebte, ehr- und tugend-
same Jungfer Braut, sondern für die Herren Musikanten, die wollen ihren
Verdienst und Lohn davon haben und werden sich dafür auch freundlich
bedanken.
Die Musikanten blasen Tusch, und die Sammlung beginnt, indem der
Platzmeister seinen Thaler klingend auf den Teller geworfen. ( Wehlack.)
Einladung zur Hochzeit.
803. Hans Quast,
Braut und Bräut'gam läßt aich bitten zu Gast,
Durch einen eichnen Ast,
Durch ein linden Brett!
Kain Messer und kain Gabel derft ihr bringe,
Keinen Braten werd't ihr finge,
Was der Storch auf die Brache seh.,
Das ist für aich zu Grütz. (Ermland.)
304. Kern de Olsche angerennt,
Onse seTge Tante,
Möt e Sack voll Lewerworscht
Fer de Musekante. (Giggarn.)
305. Vor der Hochzeit sind sie Brautleut',
Nach der Hochzeit sind sie Eh'leut;
Vor der Hochzeit giebt es Küsse,
Nach der Hochzeit giebt es Schmisse.
{Dönhojfstädt) Vergl. Frischbier, Preuß. Sprichivörtcr, I., 1638; IL, 1219.
Aus Freundschaft.
Zum Geburtstage.
306. Oeck wönsch di öle Dü'tsche vel
Gesundheit, Glöck on Segen,
Dem Kummer schleit min Pitschestel
Qn d| min Hart entgegen.
{Sarnland.) Vergl. Volksr. 867.
344 Preußische Volksreime und Volksspiele.
Für die letzte Seite des Stammbuches.
807. Wer dich lieber hat als ich
Der schreibe sich hinter mich!
(Königsberg.) Oder: Ein bess'rer Freund, als ich, Der etc. — Oft liest
man nun dahinter geklemmt:
Ich hab' dich lieber als der,
Drum schreib' ich mich hinterher.
808. Ich muß in dieses Buch hinein,
Und soll't es auch per Quere sein!
Ist im Stammbuche Raummangel, so schreibt man diesen Vers an
den Rand. Smb.
Vermischtes.
809. Kaechubke et Kirschke,
Let Steenke fallen,
Ut Steenke was (wasst) Boomke,
Op Boomke wedder Kirschke.
(Bommereüen.)
810. Oal, greene Oal!
Madam, komm doch moal doal:
De Käksche (Köchin) sott öm Kellerloch
On flockt de Kreoline (Krinoline) noch.
(Samland.)
811. Kruschkenmus mit Melch (Milch),
So singt die Lerch'.
Hätt' die Lerch nicht so gesungen,
War1 die Kruschkenmus nicht so gelungen.
Kruschkenmus mit Melch.
(Dönhoffstädt.)
812. Kreuzbub* gehöret nicht zum Spiel,
Den acht* ich zu geringe,
Weil er verkauft hat Jesum Christ
Für dreißig Silberlinge.
(Friedland t. Ostpr.)
813. Bombeli Potente,
De Meiler schöt drei Ente,
Hadd hei nich drei Ente geschoate,
War hei nich öm Woater versoape.
(Natangen.)
Von H. Frischbier. 345
314. Hei, hei, Soldaten!
Der Borger giebt den Braten,
Der Gärtner giebt das Moos,
Er ist die Soldaten los.
(Königsberg.)
815. Onse ole Großke,
Der drömd' emoal en Dröm,
Det jnst ver 6rem Bedde stund
Ein grot' gebroadner Hoan.
Und als sie nun vom Schlaf erwacht1
Und dies nicht wahr befand,
Stieß sie vor Aerger mit dem A.
Drei Bohlen aus der Wand.
(Samland.)
316. Beim Niesen.
A. Gott stärk' deine Schönheit!
B. Habe Dank für deine Höflichkeit.
A. Das ist nicht meine Höflichkeit, das ist meine Schuldigkeit.
(Dönhoffstädt)
317. Wir leben ohne Sorgen,
Wir leben ohne Noth,
Wir brauchen nicht zu borgen,
Wir haben Geld und Brot!
(Königsberg.)
818. E R6V an de Motz
On e Knöppel ön de Hand,
Möt Gott, fer König on Vaterland!
(Königsberg.)
819. Ach Brannte wein, ach Brannte wein,
Du bist 'ne edle Salbe,
Machst manchen Menschen zum Kalbe,
Und aus dem Kalbe wird ein Schwein,
Das macht der edle Branntewein! —
Ach Branntewein, ach Branntewein,
Du stärkest meine Glieder,
Und wo der Dreck am tiefsten ist,
Da reißest du mich nieder.
(DönhofiTstädt.) Vergl. Volksr. 903.
346 Preußische Volksreime und Volksspiele.
320. Meine Matter hat die Gans1 abgerupft,
Sind nackend in der Stab1 'rumgehuppt.
Ohne Federn und ohne Schwanz
Haben sie Polonais' getanzt.
(Mühlhausen a. d. Ostbahn.)
321. Es saß ein Meeeke an jenem Sprink,
Es war kein Meeske, es war ein Fink.
Sieh, wie er singt, sieh, wie er springt,
Sieh1 wie der Jud' um's Dittchen dingt.
(Mühlhausen a. d. Ostbahn.)
822. Eaffeeche, Kaffeeche, du edler Trank,
Wenn ich dich nicht habe, so bin ich krank,
Wenn ich dich kriegen und haben soll,
So bin ich gesund, so ist mir wohl.
(Dönho/fstädt.)
328. Mädchen, höre diesen Zweck:
Ich sag* dir, laß* den Kaffee weg!
Wirst du's dir nicht lassen sagen,
Wirst du es noch oft beklagen,
Daß ich dir auf deine Haub*
Keinen Silberband erlaub*.
Was frag* ich nach dem Silberband,
Bleibt der Kaffee nur im Land!
Kaffee, Kaffee, mein Vergnügen,
Kaffee kann mein Herz besiegen,
Was frag' ich nach dem Silberband,
Bleibt der Kaffee nur im Land!
Hat der Kaffee noch nicht Ruh',
Ei, so weiß ich, was ich thu'.
Da du den Kaffee immer liebest
Und die Mutter oft betrübest,
Sollst du haben keinen Mann,
Du versoffne Kaffeekann' !
Ach Mamachen, einen Mann,
Ich bitte, was ich bitten kann!
Kaffee, Kaffee, weich' von mir,
Liebes Mannchen, komm' zu mir!
(Dönhofstädt)
Von H. Frischbier. 347
Parodien.
324. Ach, bewahre mich vor Möhren,
Schütze mich vor saurem Kamst!
Laß mich nicht die Bruken zehren,
Noch der Keilchen blauen Dunst!
Auch die Krebse mag ich nicht,
Weil man fanget sie bei Licht;
Lieber Pflaumenmus mit Keilchen,
Das ist für mein süßes Mäulchen.
Melodie: Werde munter, mein Gemüthe.
Vergl. Frischbier, Preuß. Sprichwörter IL S. 240.
326. Hunger leidet mein Gemüthe,
Ach, wann geht das Essen an?
326. De Bröll ös fett, öck kann nich sene! —
Nei, Junges, neu Dat geit nich recht!
Oeck wa jü alle .äwertene,
Jü wäd't noch hfde goane schlecht!
O je, o je, öck oarmor Mann,
Wat fang öck möt de Junges an!
Melodie: Wer nur den lieben Gott läßt walten. Der Kantor einer Dorf-
Mrche sagte seinen Chorknaben den Text der Lieder, die gesungen wurden,
zeilenweise vor. Die vor sich hergesagte Bemerkung über den Zustand seiner
Brille wird von den Knaben irrthümlich oder boshaft als erste Zeile der Strophe
gesungen, und ohne Halt stürmt der Gesang bis zum Schlüsse fort. — Wie
oben in Königsberg; es folgen noch Varianten: a) aus Schippenbeil, b) aus dem
Ermlande und c) aus Jarantowice.
a) De Bröll ös fett, öck kann nich sene.
Jungens, sid stöll, et ös nicht recht!
Jü wäre de Lud' ön de Andacht störe!
Nu hörT öck all, et geit ml schlecht.
Oeck oarmer Mann, öck oarmer Mann,
Wat fang' öck möt de Jungens an!
b) Kantor. De Bröll ös fett, öck kann nich sene
Lud9, singt nich so, et ös nich recht!
Pfarrer. Seid ihr denn alle toll geworden?
Ich werd' gleich schicken nach der Wach'!
Glöckner. Wat fang' öck armer Glöckner an,
De Pfarr dat ös en schlömmer Mann?
348 Preußische Volksreime nnd Volksspiele.
c) "Wat es dat denn met mfne Brelle,
Se es jo ganz met Fett beschmert!
Um Himmels welle seid doch stelle!
Herjee, wenn dat de Pastor hart!
Ihr bringt mich um mein Stückchen Brot,
Halft 's Maul, euch holt die Schockschwernoth !
327. Ach Gott, nun ist es wieder Morgen,
Nun geht das Branntweinsaufen los.
Der Knapphans will uns nichts mehr borgen,
Er schreit aus aller Angst und Noth:
Bringt Gelder her, bringt Gelder her,
Der Schnaps kommt nicht von ungefähr!
(Samland )
328. Mein Gott, nun* ist es wieder Morgen,
Das Saufen fangt schon wieder an;
Kein Gastwirth will mir mehr was borgen,
Was fang' ich armer Teufel an?
Die Kisten sind leer, die Kasten sind leer,
Harum ditscharum,
Ach, wenn ich doch erst besoffen schon war*,
Harum, ditschei.
Melodie aus „Stradetta". Smb.
329. Reich' mir die Hand, mein Leben,
Komm' in mein Schloß mit mir,
Ich will dir Bratwurst geben
Und Löb'nichtsch (saures) Tafelbier.
(Königsberg.) Löbenicht, m., Stadttheil in früheren Jahrh. eine der drei
Städte Königsbergs, mit zahlreichen Brauereien.
Aus dem Jahre 1813.
Melodie: Valet will ich dir geben.
330. Als wir von Rußland kamen
In einem zerrissenen Bock,
Da huckten in jeder Seite
Wohl mehr denn dausend Schock.
Da fung öck an to knacke
| Min' Knä welkes wurde r6t,
; Doa sunge de oarme Lü'skes:
Wi bötter ös de D6t! (Samland: Ält-PiUau)
Von H. Frischbier. 349
331. Alle meine Entchen
Schwimmen auf dem See,
Köpfchen in's Wasser,
Schwänzchen in die Höh!
(Danzig.)
332. Ich bin liederlich,
Du bist liederlich,
Wir sind liederliche Leute,
Trinken Bier und Brannte wein,
Schlagen dem Bauern die Fenster ein —
Ich bin liederlich,
Du bist liederlich,
Wir sind liederliche Leute!
(Königsberg. Danzig.)
333. Klein bin ich,
Das weiß ich,
Drum werd' ich veracht't,
Warum hat mich mein Vater nicht größer gemacht!
(Königsberg.)
334. Et kern e kleener Jung geröde,
Dat war e StafÖtt,
Hadd e grote ledd're Sack,
He brocht ök wat möt.
(Friedland i. Ostpr.)
335. Ein Vergnügen eig'ner Art
Ist doch eine Wasserfahrt,
Wenn man auf das Wasser fahrt
Und so hin und wieder fahrt,
Ein Vergnügen eig'ner Art etc.
(Königsberg.) In schaukelnder Bewegung zu singen; beim Gelage. *)
*) Diesen Reim betreffend, findet sich in dem „Echo am Memelnfer"
einer in den vierziger Jahren bei Reyländer in Tilsit erschienenen Zeitung,
im Jahrgange 1846, nr. 65, pag. 515, folgendes : Ein Korrespondent „Q. U. J.a
aus Königsberg berichtet über eine ziemlich mißglückte Gondelfahrt der
dortigen Concordia und schließt mit den Worten:
„Ein Vergnügen eig'ner Art
Ist doch so'ne Gondelfahrt! —
Schenket ein,
Immer ein,
Dort und hier
Das Braunebier! —
Diese Verse sind von mir. Sie gefallen Ihnen nicht? Ich bitte um
Alipr. Monatesohrift Bd. XXIX Hft. 5 u. 6. 23
350 Preußische Volksreime und Volksspiele.
386. Trau're nicht, zage nicht,
Sei nicht ungeduldig,
Was du nicht bezahlen kannst,
Bleib' den Leuten schuldig.
337. Ei was sagst du, ei was sagst du,
Ei was sagst dn nun dazu?
Zweimal dreimal, zweimal dreimal,
Zweimal ich und einmal du.
(Dönhoptädt)
Schwerhörig.
338. Gutte Morge, Ala!
Es schlagsche warm.
Ala, bring' ji dene Osse ta vakepe?
Na freilich kann he stete.
Wi alt es he?
Vörtien Thäla.
De Kerdel es ja doli!
Na freilich wea he en Boll,
ech liß em schneide.
Möt dem Ala es je nuscht zu mache!
De Mutta säd, minger soll ech ihn nich lasse.
(Ermland.) Vgl. Yolksr. 917
339. Mädchen, guten Tag!
Herr Pfarr', ich wasch' den Sack.
Mädchen, was mag die Uhr wohl sein?
Herr Pfarr', es gehen drei Scheffel hinein.
Mädchen, du bist ein Narr!
Ich dank', Herr Pfarr', ich dank', Herr Pfarr'!
(Memel.) Lehrer-Ztg. f. Ost- u. Westpr. 1888* S. 378.
Städter und Bauer.
340. Heda, Bauer, wo geht der Weg hinaus?
Der Weg, der geht, wohl seine Straße,
Fallen fallera faller um!
Vergebung, sie sind eigentlich zu einer Oper bestimmt, dazu sind alle Verse
gut und nur hier bei einer sich j-o darbietenden Gelegenheit gebe ich ein
Pröbchen zum Besten." —
Es sind also offenbar diese Verse aus dem Blatte in's Publikum
übergegangen. &mb.
Von H. Frischbier. 351
Das weiß ich, daß der Weg seine Straße geht. Sage mir, wie komme
ich aber das Wasser?
Es giebt wohl Enten, die d'rüber schwimmen,
Fallen etc.
Das weiß ich, daß Enten hinüberschwimmen. Sage mir, wie tief ist
das Wasser?
Die Steine, die liegen wohl auf dem Grand,
Fallen etc.
Das weiß ich, daß die Steine auf dem Grande liegen. Sage mir, wem
gehört dieses Haus?
Das Haas gehört wohl seinem Herrn,
Fallen etc.
Das weiß ich, daß das Haus seinem Herrn gehört. Sage mir, haben
sie auch Wein, thun sie auch schenken?
Sie schenken nicht, man muß bezahlen,
Fallen etc.
Kutscher, fahr zu! (Ermland.)
Bäthsel-Lied.
841. Mädchen, ich will dir ein Räthsel verkünden,
Und kannst du es ergründen,
So heirath' ich dich!
Sage: Welcher Müller ist ohne Mühle,
Sage: Welcher Löffel ist ohne Stiel?
„Der abgebrannte Müller ist ohne Müble,
„Der abgebroch'ne Löffel ist ohne Stiel."
Mädchen, ich will dir (etc. wie oben)
Sage: Welcher König ist ohne Land,
Sage: Welches Wasser ist ohne Sand?
„Der König von Hannover ist ohne Land,
„Das Wasser in den Augen ist ohne Sand."
( Tilsit.) Smb.
Masurische Reime (Gegend von Passenheim).
342. Wyazla na poleczko,
R<5bi6 jej sie, niechce,
Spojrzy na sloneczko,
Czy daleko jesce.
(Auf das Feldchen ging sie, Hat nicht Lust zur Arbeit, Schauet hin
aufs Sonnchen, ob es lang* noch währe.)
23*
352 Preußische Volksreime und Volksspiele.
843. Maryanno wstan!
Przyjdzie Micha!,
Bedzie kichal.
Bedzie chcial gorzalki.
(Marianne, auf! Michel kommet und wird niesen und wird Brannt-
wein wollen.)
344. Siedzi dudek we stodole.
Co omlöci, to opole,
Co opole, to osiece,
Co oaiece, to przepiece.
(In der Scheune sitzt der Pinsel, Was er abdrischt, weht auch ab er,
Was er ab weht, siebt er ab auch, Was er absiebt, das verbackt er.)
345. Przyjacielstwo bliskie,
Wesel my sie,,
Kluski na misce,
Radujmy sie,.
(Die Freundschaft ist nahe, frohlocken wir; Keilchen in der Schüssel,
freuen wir uns.)
346. Kiedy ja byl mlody,
Wyskoczyl ja z klody,
Alem teraz stary dziaka,
Nie wyskoczQ i z przetaka.
(In meinen Jugendjahren Sprang ich aus einer Tonne, Doch jetzt als
armer alter Wicht, Spring' ich selbst aus 'nem Siebe nicht.)
347. Bieda na biedq idzie;
Wlej piwo, iydzie!
(Noth kommt auf Noth; gieß Bier ein, Jude!)
348. Pijta, chlopcy, pijta,
Nie böjta si'q pana,
Bo go podziöbala
Na padole kania! !
(Trinket, Jungens, trinket. Fürchtet nicht den Herren! Diesen hat !
zerhackt ja In dem Thal die Weihe.)
349. Siwe konie, siwe,
Malowane sanki,
Wsiad$ i pojadQ |
Do mojej kochanki.
(Graue Pferdchen, graue, Ein gemaltes Schlittchen; Setz9 mich ein
und fahre Hin zu meinem Liebchen.)
Von H. Frischbier. 353
350. Z kamienia na kamien,
Skowroneczek skacze,
Tak tez moje serce,
Zawsze we mnie ptacze.
(Auf den Stein vom Steine Hüpfet hin das Lerchlein ; Ebenso mein
Herze In mir stetig weinet.)
Wohl nur der erste Vers eines längeren Liedes.
351. Hojsza, do lasa!
Ktöra pi$kna, to nasza,
Ktöra czarna, kowalowa,
Ktöra biala, mlynarzowa,
Ktöra cienka, panowa,
Ktöra gruba, gburowa.
(Heißa, zum Walde! Welche schön ist, ist unser; Welche schwarz,
ist für den Dorfschmied, Welche weiß ist, für den Müller, Welche zart ist,
für den Herrn, die derbe für den Bauern.) Smb.
Signale und Klänge.
Galopp:
952. Schenkel 'ran, Schenkel 'ran,
Laßt ihn laufen, was er kann!
(Königsberg.)
Trab:
853. Zieh' mir das Ding aus dem Leib, oder ich schrei!
(Königsberg.)
Zapfenstreich:
354. a) Wo kommen denn alle Kaschuben her
Es sind ja ihrer wie Sand am Meer?
Von Stolp, von Stolp, von Stolp!
(Danzig.)
b) Was haben wir heut' zu Abendbrot?
Kartoffeln, Salz und trocken Brot.
Hurrah, Hurrah, Hurrah!
c) Was hab'n die Jäger zu Abendbrot?
Kartoffeln mit Schälen und Schempersupp.
Quarrö, Quarrö, Quarre!
(Dönhoffstädt.)
354 Preußische Volksreime und Volksspiele.
d) Kopp und Schnabel sind schon weg,
Die pol'sche Gaß die hat keine Eck.
0 weh, o weh, o weh!
e) De Schnoawel ös toerscht verbrennt,
De Kopp dei ös em noagerennt!
(Königsberg.) Beide Reime beziehen sich auf zwei Brände von Eck-
häusern der polnischen Gasse zu Königsberg vor circa 40 Jahren; die Besitzer
der Häuser hießen Kopp und Schnabel.
f) Der Bäcker backt uns das Brot zu klein,
Da mag der Teufel Soldate sein.
O je, o je, o je!
Quarrä formiren:
355. Schützen, Schützen, rüstet euch zum Streite!
Infanterie - Signale.
356. I. Benennungs-Signale.
1. Compagnie:
Die erste sagt, sie ist die beste.
2. Compagnie:
Das ist nicht wahr, das ist nicht wahr.
3. Compagnie:
Streit 't euch nicht, streift euch nicht, streift euch nicht!
4.. Compagnie:
Der Teufel ist los, der Teufel ist allwieder los!
Signal für „das Ganze":
Kommt ete, kommt ete, sönd Fösch!
II. Ausführungs-Signale.
Halt:
Nun halt!
Avanciren :
Nun marsch man fort, nun marsch man fort, nun marsch,
nun marsch, nun marsch man fort! Marsch, marsch,
marsch !
Langsam zurück:
Schützen, Schützen, kommt zurück!
Von H. Frischbier. 355
Rechts schwenken:
Nehmt euch die linke Schulter vor!
Links schwenken:
Rechte Schulter vor, rechte Schulter vor!
Chargiren, Feuern:
Schießt ihn todt, schießt ihn todt!
Stopfen:
Aufhören mit Feuern!
857. Varianten.
3. Compagnie:
Katholiken, Katholiken, Katholiken!
Oder:
Portoriko, Portoriko, Portoriko!
Avanciren:
Geht weiter vor, geht weiter vor, geht immer, immer weiter
vor! Vor, vor, vor!
Oder:
Kartoffelsupp, Kartoffelsupp, die ganze Woch' Kartoffelsuppe
Supp, Supp, Supp! (Dönhoffstädt.)
358. Putzt das Gewehr mit Hammerschlag
Und niemals nicht mit Sand,
Mit Kreide, mit Kreide,
Es leb1 der Herr Sergeant!
Wer sich mit Sand statt Hammerschlag
Beim Putzen treffen läßt,
Drei Tage, drei Tage,
Die geht er in Arrest! Smb.
m
Gebet vor der Wache, Gewehr bei Fuß.
859. Oeck wöll nich mer bi Gretke goan,
Se heft e schewe Föt.
„Ach Nimmerjoan, Hans Nimmerjoan,
Dat ward schon wedder got.'4 (Danzig.)
860. Klang der Instrumente.
a) bei der Brautfahrt zur Kirche:
Wi foare möt der Brut, wi färe möt der Brut
Tom Dör herut, tom Dör herüt,
Oen 't Elend herön, ön 't Elend herön!
(Dönho/fstädt)
356 Preußische Volksreime und Volksspiele.
b) beim Brauttanz:
Baß: De Brut ob noch Jungfer, de Brut ös etc.
Violine: Oeck weet bi miner Seel' nich, op de Brut noch Jungfer
ös, öck weet etc.
(Samland.)
Der Postillon bläst:
361. Uns're Fru Häkere,
Hefft e ganz knäkere,
Hefft e ganz knäkere
Schnupftabaksdos*, Schnupftabaksdos1 !
362. Glockensprache.
a) Das Glöcklein der Bartener Mühle:
De Meiler, de Meiler, de Metzkedeew,
De hefb dem Bure sine Sack so leew.
Nömm nich alltovel, nömm nich alltovel!
b) Die kleine Kirch englocke in Barten ruft zur Decemszahluog:
Bring' Düttkes, bring' Düttkes etc.!
c) Die Arbeitsglocke in Dönhoffstädt:
Tie Doaler, tie Doaler
Fer de öle Spetoaler!
Anmerkung: Die genannte Glocke war bis vor 40 Jahren im Dienste der
Dönhoffstädter reformirten Schloßkapelle, die, wie das Hospital in dem Dönhoff-
städt ganz nahe gelegenen Gr. Wolfsdorf, eine Stiftung des Grafen Bogislaus
von Dönhoff" ist; beide Stiftungen hatten finanzielle Beziehungen zu einander.
Jetzt ist die Glocke ausschließlich Arbeitsglocke, was sie früher nur nebenbei war.
Die Mühle spricht:
363. Ein Scheffel drei Viertel!
Hinweis auf den diebischen Müller. Der Scheffel = 4 Viertel.
Straßen-Echo.
364. Landfrauen riefen sonst im Frühjahr durch die Straßen von Königs-
berg, die Maiblume, Convallaria majalis L., feilbietend:
Frü's, Löllgeconfallge (Lilien-Convallie) !
Die Straßenjungen riefen zurück:
Du Rackerkanallge (Racker-Canaille)!
Sylvester.
365. Kinder, vorzugsweise Knaben, bieten aus Thon geformte und mit
Farben und Bauscligold geschmückte 9 Figuren: das sternartige Glück, das
Geld, 1 Leiter, 1 Bing, 1 Mann resp. 1 Frau, 1 Kind in der Wiege, 1 Brot,
Von H. Frischbier. 357
1 Schlüssel, 1 Todtenkopf, alles kurzweg das Glück genannt, unter folgendem
gesangartigen Rufe zum Kaufe an:
Glöck on Segen, Glöck on Segen,
Glöck, Glöck!
Hin und wieder hört man noch den Zusatz: Wer keft, dei heft (Wer
kauft, der hat — das Glück)! — Am Sylvesterabende, gegen oder um die
Mitternachtsstunde, wird in Familienkreisen „Glück gegriffen^, d. h. die
oben genannten Figuren werden je mit einem Teller bedeckt, und jedes Familien-
glied deckt drei Teller auf: die gewählten Figuren künden das Schicksal für
das nächste Jahr. Vergl. Neue Preuß. Prov.-Bl. Band VI, S. 215.
Tanzreime.
Vergl. auch die von Sembrzycki in der Zeitschrift „Am Ur~ Quell"
(Band IL und III.) in seiner Arbeit „OstpreußiscJie Sprichwörter, Volksreime
und Provinzialismen'1, mitgetheilten Tanzreime.
366. Op eenem Strömp on eenem Schau
Geit et ömmer lostig tau.
367. Mein Schatz ist ein Reiter,
Ein Heiter muß 's sein,
Das Pferd ist des Königs,
Der Reiter ist mein.
368. Mein Schatz ist kreideweiß,
Hat krumme Glieder,
Geht krumm zum Thor hinaus,
Kommt pucklig wieder.
469. E Knoppe op e Kni,
De goa öck verbi,
E Flock om em Loch,
De nem öck mi doch! {Dönhoffstädt.)
370. Hei, Karschewski Rüger
Schott ver onse Dar,
Kömmt hei morge wedder,
Kröcht hei dichtig Schmer.
(Samland.) Vergl. Frischbier, Sprichwörter IL, No. 162. — Zu den
dort angeführten Tanz- Bezeichnungen nenne ich ergänzend noch folgende:
Schwat (schwarte) Kohbel, witte Sü! — Hol fest, sott op de Hinderdär! —
Säd öck nich, sad öck nich, Gewt dem Bür de Kobbel nich! Sämmtlich im
Samlande üblich; in der Gegend von Rastenburg: Der Bauer tanzt uui's
Dittche 'nun! — Schwartet Fleesch möt witte Täne!)
358 Preußische Volksreime und Volksspiele.
871. Ach herrje, wi geit et mi,
Wat sönd dat fer Tide?
Kein Mönsch lett mer Schlorre inoake,
Wat heft dat tö bedide?
Kern emoal e ölet Wiw
Möt terretne Schlorre,
On als öck dat tö er säd,
Fung se an to gnorre.
(Dönhoffstädt.)
872. Wie ich ein Wirth war, hatt' alles ich, hei!
Vier Katzen zur Arbeit und die fünfte frei.
Masurisch (Passenheim): Kiedy ja byl gospodarzem mi alein wszystko,
hej! Cztery koty do roboty a piatego frej.)
378. Schwarze Rappen reit* ich gern,
Füchse noch viel lieber,
Junge Mädchen hab' ich gern,
Küss' sie noch viel lieber.
Oder: Junge Mädchen küss' ich gern, Die alten schlag' ich nieder.
(Dönhoffstädt.) Vergl. Volksr. 648.
874. Schwef llicht, Schwefllicht, Wockeseide!
Schwefllicht, Schwefllicht, Hüsgerath!
Hadd öck nich e Mann genoame,
i
Brükt öck nich möt Schwefllicht goane — ,
Schwefllicht, Schwefllicht, Wockeseide! '
(Königsberg.) Aus Dönhoffstädt mit der gegensätzlichen Variante:
Hadd öck doch e Mann genoame,
Mußt öck nich möt Schwefllicht goane.
375. Hans heft e lange,
Hans heft e lange Geißelstock.
Trin heft e rüge,
Trin heft e rüge Motz op e Kopp.
(Königsberg.) Auch: Hans heft e gröte Pipekopp. Trin* heft e rode
Motz etc.
876. Oeck sott on denk'
Hier op de Bank,
Wenn hei so kern,
On mi so nein!
(Danzig.)
Von H. Frischbier. 359
377. Ach wenn hei doch kern,
Ach wenn hei ml nem,
Dat öck doch endlich von de Gaß 'runder kern!
Hei öS schon gekoame,
Hei heft mf genoame,
Nu si öck doch endlich von de Gaß 'runder gekoame!
(Königsberg.) Vergl. Volksr. 948.
378. So lang' de Rock on de West noch hält,
' Lew öck lostig ön er (froh ön dieser) Welt,
So lang' noch de preußsche Dittke gölt.
Ward noch Ömmer Schott'sch bestellt!
(Königsberg.) Vergl. Volksr. 952.
379. Goden Dag, Herr KopperschmÖd !
Schönen Dank, Herr Keßler.
Wolle se min Schwoager sönd,
Denn heirathe s' mine Schwester! (Königsberg.)
880. On wenn min Mann nich Bohne frett,
Wat Diwel frett hei dann?
Denn schnid öck em den Hoarzopp af
On broad em ön de Pann.
(Samland.) Vergl. Volksr. 954.
381. Mich hungert, mich durst't,
Mich lockert nach Wurst,
Mir schlackert der Magen,
Wem soll ich es klagen!
882. Du Mädchen vom Lande,
Wie bist du so schön,
Ich hab' ja mein Lebtag'
Kein schön'res gesehn! (Königsberg.)
888. Bruder, steh' auf und sattel den Schimmel,
Prügel dein Weib, so kommst in den Himmel.
(Dönhoffstädt.)
384. Husaren sind Narren,
Sie trinken keinen Wein,
Sie lieben kein Mädchen
Und schlafen allein. (Dönhoffstädt.)
Ist der letzte Vers eines Soldatenliedes^ welches lautet:
Ach Tochter, liebe Tochter, was hast du gemacht,
Denn du hast dich an die (Regimentsname) Grenadiere gemacht.
360 Preußische Volksreime und Volksspiele.
Ach Mutter, liehe Mutter, das ist ja meine Freud',
Denn die (Regimentsname) Grenadiere sind kreuzbrave Leut'.
Sie gehen spät schlafen und stehen früh auf,
Und dann trinken sie ihren Kaffee und ein Schnäpschen darauf.
Husaren sind Narren etc. Smb.
886. Lott1 ös dodt, Lott' ös dodt,
Liske liggt öm Starwe.
Blau Marike freut söck dodt,
Sie meent, se ward bald arwe.
(Königsberg.) Vers 3 u. 4: Dat ös göt, dat ös göt, Loat se man ver-
darwe. Vergl. Volksr. 955. Aus Dönhoffstadt wird mir noch folgende in den
ersten dreißiger Jahren in Königsberg gehörte Fortsetzung des Reimes mit-
getheilt :
Wer da sagt, die Lott' ist todt,
Der muß Strafe geben,
Denn es ist Polizeigebot,
Daß die Lott soll leben.
886. Hopsa, Marianchen, dreh* dich mal um!
Dreh' dich mal um und um,
Daß ich bald zu dir komm,
Hopsa, Marianchen, dreh* dich mal um!
887. In Königsberg ist der Deiwel los,
Da tragen die Mädchen Hosen,
Zieh'n sich weiße Handschuh1 an
Und tanzen mit Matrosen. (Königsberg.) Smb.
888. Wenn öck man erseht dat Gold von jü hadd,
Denn spei öck nich mehr, denn schit öck jü wat.
(Dönhoffstadt.) Einer Tanzmelodie unter- und dem Musikanten in den
Mund gelegte Worte. Smb.
889. Stiefel, du mußt sterben,
Bist noch so jung, jung, jung!
Stiefel, du mußt sterben,
Bist noch so jung!
Wenn das der Absatz wüßt',
Daß Stiefel sterben müßt1,
Würd1 er sich grämen
Bis in den Tod.
(Königsberg.) Auch: Soll ich schon sterben, Bin noch so jung etc.!
Wenn das meine Mutter wüßt', Daß ich etc. — Dem Mythmus folgend,
Von H. Frischbier. 361
werden beim Gesänge die flachen Hände gegen die eines andern wechselweise
angeschlagen. VergL Volksr. 963.
390. Warum sind deine Stiefel geschwollen?
Hurrah !
Weil sie nicht in die Hosen 'reinwollen!
Hurrah!
So nimm und schmier deine Stiefel mit Speck,
Dann fallen die Hosen herunter wie Dreck!
Hurrah, Hurrah, hurrah! Smb.
391. Komm, halbier7 mich,
Komm, halbier' mich,
Komm, halbier mich heute;
Bald von vorne,
Bald von hinten,
Bald auf beide Seite.
Komm, halbier' mich hübsch und fein;
Morgen soll die Hochzeit sein. Smb.
392. Holdes Liebchen in der Ferne
Kirsch mit Kümmel trink' ich so gerne,
In der Laterne brennt kein Licht,
Holdes Liebchen, vorgiß mein nicht. Smb.
Vermischtes (Nachtrag).
393. Gedanken sind frei!
Kein Mensch kann sie wissen,
Kein Jäger sie schießen
Mit Pulver und Blei;
Gedanken sind frei. Smb.
394. Oeck war die lehre Flinse backe
Von dat schene Weitemehl,
Nömm nich vel,
Back' man vel
Von dat schene Weitemehl.
Vergl Volksr. 500. Smb.
395. Muttersch Vaderbrödersch Sahn
Huckt op jennsit K&merdär,
Plpt on danzt
On flecht e Kranz
Von de geie Blomes.
362 Preußische Volksreime und Volksspiele.
Gele Biomo läte göt,
Blaue noch vel schener;
Wie de Brut tom Trüe fohr, war se blank geflochte,
Wie de Brut vom Trüe kam, hadd se klene Dochter.
Smb.
396. Unter mein1 Bettchen liegt Haferstroh, Haferstroh,
Unter mein' Bettchen liegt Heu,
Wenn mich mein Liebchen nicht küssen will, küssen will,
Jag1 ich sie fort eins, zwei, drei.
Variante zu Volksr. 512. Smb.
897. Veizage nicht, o lieber Ohrist,
Wenn deine Mutter Funsen frißt;
Sie wird auch für dich backen. Smb.
Zum Schloß.
(Am Ende des „Singsangs" an einem Spinnabende.)
398. Aus ist das Liedlein,
Aus ist der Tanz;
Mädchen, hol' Blumen
Und flicht mir 'en Kranz.
399. All wieder ist ein Lied gesungen,
Ein Dittchen ist verdient,
Und wer mir noch ein Dittchen giebt,
Dem sing' ich noch ein Lied.
399a. Wieder ist ein Lied gesungen;
Folgt, ein Schnäpschen drauf!
In Polen und in Ungarn
Da ist es also Brauch. Smb.
400. Das Lied ist ausgesungen
Mit einem frohen Muth;
Die Jungfern, die uns kennen,
Die sind uns alle gut!
Von H. Frischtrier.
363
Ein Verzeichnis der polnischen Reime
füge ich hier bei, da dieselben, hin und her unter den deutschen zerstreut,
anders nicht leicht aufzufinden sein wurden. Sembrzycki.
Ach möj Boze wszecbmogacy No. 92.
A szo kania 43.
Bieda na bied$ idzie 347.
Dera, dera, deska 35.
Deszyczku, nie padaj 38.
Epel, pepel, birom 221.
Gdzie jest wilk? 252.
Hojsza do lasa 351.
liedy ja byl mlody 346.
Eiedy ja byl gospodarzem 372.
Ele, kle, bocianie 41. 42.
Kukaweczko, panieneczko 44.
Kukaweczka kuku 45.
Kckarykn gda gda 47.
Kulik w lesie 46.
Lezala za plotem 91.
Lezal zajac pod miedzq 37.
Haryanno wstan 343.
Maju, maju 49.
Otta hija! Pojedziemy 9.
Pijta chlopcy 348.
Przyjacielstwo bliskie 345.
Siedzi dudek we stodole 344.
Siwe konie, siwe 349.
Ta ksi$ga Rektorowa 193.
W$ drowali szewcy 93.
Wyszla na poleczko 342.
Z kamienia na kamien 350.
Zuzaj, dzieciQ, io wieczora 10.
Äydzie, iydzie 106. 107.
Die Beziehungen des Deutsehen Ordens zu dem
Bischof Christian von Preussen.
Ein Beitrag zur Geschichte der Gründung des Deutschen Ordensstaates
von
Alfred Leiti
aus Insterburg.
Abkürzungen: Voigt = Johannes Voigt: „Geschichte Pretusens von den
ältesten Zeiten bis zum Untergange des Deutschen Ordens" 9 Bände, Königsberg, 1827 bU
1889. SS. r er. Prnss. = Scripte res rerum Prussicarum, adt. Hirsch, Toeppen, Strehlke.
Leipzig 1861 ff. A. M. — Altpreussisohe Monatsschrift P. U. B. = Preamisohes Ur-
kunden-Buch. Politische Abteilung. Band I. Die Bildung des Ordensstaatea, 1. Hälfte,
herausgegeben von Pbilippi und Woelky, Königsberg 1882/83. Q. GK A. == Gtoettinger Oe*
lehrte Anzeigen. S. U. B. = Siebenbürgisches Urkunden - Buoh in den Fontes rerom
Austriaoarum, Abteilung 2, Band 18, edt Teutsoh und Firnhaber. P. P. St. = Perlbacb:
„Preussisoh-polnische Studien zur Geschichte des Mittelalters". Halle 1888. D. O. =
Deutscher Orden. D. O.staat. => Deutscher Ordensstaat. Stronosyn'ski = Kasimir
Stronozyiiski: „Wzory pism dawnych". 1839.
In dem Vorworte zu seiner Schrift „Die Gründung des
Deutschen Ordensstaates in Preußen", Leipzig 1857, hat Watterich
mit Recht darauf hingewiesen, wie gerade ein Zeitraum in der
Geschichte des D. 0. auch nach Voigts großer Arbeit in seiner
wesentlichsten Beziehung, in der politischen nämlich, noch immer
der befriedigenden Klarheit entbehre; es sei dies der wichtigste
von allen, die Gründung des D. O.staates.
Daß Watterich uns diese befriedigende Klarheit nicht ver-
schafft hat, darüber giebt es heute wohl nur eine Stimme. Aber
auch die Versuche seiner zahlreichen Nachfolger, die schwierige
Frage nach der Gründung des D. O.-staates zu beantworten,
müssen als verfehlt erscheinen, nachdem das einschlägige Ur-
kundenmaterial neu ediert und von neuem kritisch beleuchtet
worden ist. Auf Grund dieser neuen Arbeiten soll hier der
Versuch gemacht werden, die Beziehungen zwischen dem D.O.
und Bischof Christian von Preußen klarzulegen, die für die
richtige Auffassung der Gründung des D. O.staates ent-
scheidend sind.
Von Alfred tentz. 3g5
Diese Beziehungen sind weder von den Ordenschronisten, noch
von der polnischen Ueberlieferung berücksichtigt worden; beide
beachten nur diejenigen zwischen dem D. O. und dem Herzog
Konrad von Masovien. Nach der Auffassung der Ordenschronisten,
an deren Spitze Peter von Dusburg steht — 100 Jahre nach des Ordens
Ankunft in Preußen vollendete er seine Chronica Terrae Prussiae —
hatte Herzog Konrad von Masovien dem D. 0. bei seiner An-
kunft in Preußen das Kulmerland für alle Zeiten geschenkt;
nach den polnischen Schriftstellern war Konrads Schenkung
nur eine bedingte gewesen; nur so lange sollte das Kulmerland
dem D. O. gehören, bis die heidnischen Preußen bekehrt wären.1)
Erst bei Lucas David, der auf Anregung "Albrechts von
Brandenburg seine „Preußische Chronik"2) schrieb, gestalten sich
die Verhältnisse, unter denen der D. O.staat gegründet wurde,
wesentlich anders. David hatte die Archive fleißig durchsucht
und aus den aufgefundenen Urkunden erkannt, daß Bischof
Christian bei Ankunft des D. 0. die ausgedehntesten Besitzungen
im Kulmerlande hatte, und daher Konrad nicht ohne weiteres
dem D. 0. das Kulmerland abtreten konnte, vielmehr wenn eine
solche Schenkung stattfand, Christian in erster Linie als
Schenkender in Betracht kommen mußte. Bei seiner großen
Kritiklosigkeit war es ihm jedoch unmöglich, das Verhältnis
zwischen Orden und Bischof klar zu erfassen.
Daß Bischof Christian für den D. 0. ein Hindernis war,
das aus dem Wege geschafft werden mußte, erkennt unter den
neueren Historikern sehr richtig August von Kotzebue in
seiner „Aelteren Geschichte Preußens". Riga 1808. Er tadelt
scharf die „zügellosen Brüder", die diesen Bischof unschädlich
machen wollten, und protestiert gegen alle Versuche, „diese Ver-
brechen zu beschönigen". Bald nach Kotzebue giebt uns Voigt
die Kehrseite dieses Bildes. Die Begeisterung für den D. 0.
hat bei Voigt höchst nachteilig auf die Darstellung der politischen
1) SS. rer. Pruss. I, S. 37, Anm. 1.
2) edt. Dr. Ernst Hennig, 1812, vgl. Band 2, S. 13 ff.
Altpr. Monateschrift Bd. XXIX Hft. 5 u. 6. 24
366 Die Beziehungen des Deutschen Ordens z. d. Bischof Christian etc.
Verhältnisse zur Zeit der Ankunft des D. 0. gewirkt. Um zu
einem dem D. 0. günstigen Resultate zu gelangen, beschuldigt
Voigt Bischof Christian hierarchischer Herrsch- und Selbstsucht
und des böswilligen Strebens, auch das Heilsame und anerkannt
Gute zu hindern, sobald sein Eigennutz dadurch vom beab-
sichtigten Ziele zurückgehalten wurde.1)
Watterich erkennt nun a. a. 0. richtig, daß die Widersprüche
in den erhaltenen Urkunden darauf hinweisen, es sei von einer
Seite ein falsches Spiel gespielt worden. Er stempelt deshalb
Herzog Konrad zu einem gemeinen Betrüger. „Phantasievolle
Einbildungen" nennt Waitz in seiner scharfen Kritik2) der
Watterich'schen Schrift dessen Art und Weise, Geschichte zu
schreiben. Aber, hat Watterich Christians Stellung im Kuliner-
lande überschätzt, so unterschätzt Waitz dieselbe, und das thut
auch Ewald, der, auf Waitzs Resultaten fußend, unseren Zeit-
raum zum Gegenstande zweier Dissertationen8) gemacht und
später die Ergebnisse derselben in seiner „Eroberung Preußens
durch den D. O.", Halle 1872, Band H 1875, verwertet hat. -
Von einem so schroffen Gegensatze zwischen dem D. 0. und
Christian, wie Watterich und auch Herrmann (Rationis, quae
ordini militari Teutonico cum ordine ecclesiastico saec. XIH in-
eunte in Prussia intercesserit, explicatio, Berolini 1837) ihn dar-
stellen, will Waitz nichts wissen, obgleich er nicht hezweifelt,
daß die Absichten des D. 0. und des Bischofs mehr als einmal
feindlich auf einander stießen.
Einen Schritt vorwärts that die Forschung durch Rethwisch's
Dissertation: „Die Berufung des D. 0. gegen die Preußen",
Berlin 1868. Rethwisch ging zuerst kritisch zu Werke und
brachte für einige Urkunden den Beweis der Unechtheit; aber
wie Waitz ließ auch er das Verhältnis Christians zum D. 0. auf
1) B. IL, S. 459.
2) G. G. A. 1858, Band 2, S. 1761 ff.
3) De Christiani Olivensis ante ordinera tentonicum in Prussiam ad-
vocatum condicione. Diss. Bon. 1863 and Qaali reram condicione ordo
teutonicus Prussiam occupare inceperit. Diss. Hall. 1866.
Von Alfred Lentz. 367
einer rechtlich anerkannten Grundlage beruhen. Gegen ihn
wandte sich 1870 Didolff in der Bonner Dissertation: „De re-
publica ordinis teutonici borussica", indem er die Echtheit der
von Bethwisch angegriffenen Urkunden zu erweisen versuchte.
1871 faßte Lohmeyer in seiner Abhandlung: „Die Berufung des
D. 0. nach Preußen"1) die politischen Verhältnisse, unter denen
der D. O.staat gegründet wurde, noch einmal zusammen. Nach
ihm liegt die Sache so, daß, „wenn nicht zufallig neues Quellen-
material gefunden wird, in keinem irgend erheblichen Punkte
eine wesentliche Aenderung, für keine noch unentschiedene
Frage nähere Aufklärung zu erwarten ist.'*2)
Erhebliche Aufklärungen haben indeß schon die Arbeiten
Perlbachs gebracht.
Es sind hier zu erwähnen:
1) 1872 „Zur Geschichte der ältesten preußischen Bischöfe" (A. M.
IX. S. 550-565 und S. 628-638).
2) 1873 „Die ältesten preußischen Urkunden" (A. M. X. S. 639-649).
3) 1874 „Preußische Regesten bis zum Ausgang des 13. Jahr-
hunderts" (A. M. XI. u. XII. a. versch. St.).
4) 1884. G. G. A. S. 91—96 seine einschneidende Kritik des im
J. 1883 von Woelky und Philippi edierten P. U. B.
5) Endlich hat Perlbach 1886 in seinen P. P. St. noch einmal ebenso
gründlich wie scharfsinnig die einschlägigen Urkunden behandelt
und die durch sie gestellten kritischen Fragen zu lösen versucht.8)
An der Hand der überlieferten, seit 1882/3 im P. TT. B.
neu gedruckten Urkunden wollen wir nun darzustellen versuchen,
wie sich nach unsrer Auffassung die Beziehungen zwischen dem
D. O. und Bischof Christian gestaltet haben müssen.
Für das Verständnis der späteren Ereignisse ist es not-
wendig, daß wir den Bischof Christian von Anfang seiner
Missionsthätigkeit bis zur Ankunft des D. 0. kurz ins Auge fassen.
1) Zeitschrift für preuß. Geschichte und Landeskunde. Berlin 1871.
Band 8. S. 579 ff.
2) Vergl. auch Lohmeyer: „Geschichte von Ost- und Westpreußen".
Gotha 1881. S. 45-88.
3) Vergl. sein Vorwort zu den P. P. St.
24*
368 Die Beziehungen des Deutschen Ordens z. d. Bischof Christian etc.
Christian war schon vor 12 101) mit einem gewissen Philipp
und einigen andern Mönchen nach Preußen gegangen, um mit
päpstlicher Erlaubnis den Heiden das Evangelium zu predigen.
Der Samen der göttlichen Lehre fiel auf ein gutes Land; mit
Freuden nahm sich der Papst2) der jungen Pflanze an, die fröh-
lich gedieh.
Zwischen dem 4. September 1210 und dem 18. Februar 1216
wurde Christian zum Bischof von Preußen geweiht8). Bald
wurde der Grund zur Dotation des neuen Bistums gelegt. Aus
zwei päpstlichen Konfirmationen vom 18. Februar 12 16*) er-
sehen wir, daß zwei neubekekrte Preußen Warpoda und Survabuno
dem Bischöfe von Preußen die terra Lubovie und die terra de
Lansania geschenkt hatten.6)
Je größer aber die Zahl der Getauften wurde, desto heftiger
wurden die Angriffe der übrigen Heiden, desto energischer ihre
Versuche, die Abgefallenen wieder zum alten Glauben zurück-
zuführen. Deshalb erlaubte Papst Honorius III. Christian, den
Gläubigen in den benachbarten Ländern, welche den Bedrängten
Hilfe leisten wollten, das Zeichen des Kreuzes zu erteilen.6;
Christian erhielt in der Folgezeit die Obergewalt über alle
Kreuzfahrer und das Recht, gegen jene, die ohne seinen Willen
das Land der Getauften betreten oder durch ihre Eroberungs-
lust das Bekehrungswerk hindern würden, mit Kirchenstrafen
vorzugehen. Vor versammeltem Kreuzheere erhielt Christian
durch die Schenkung von Lonyz am 5. August 1222 einen
hochbedeutenden Zuwachs seiner weltlichen Macht. Herzog
1) P. ü. B. 5.
2) P. ü. B. 6.
3) P. P. St. S. 21.
4) P. ü. B. 9. u. 10.
5) Das P. U. B. identifiziert die beiden Gebiete mit dem Lande Loeban
und mit dem Kirchdorf Gr. Lensk s. ö. von Löbau (so nach Lohmeyer 6. v.
O. n. W., S. 48). Für die 5 polnischen Schenkungen von 1223—1*224 an
Christian vgl. P. P. St. S. 39 ff.
6) P. U. B. 15.
Von Alfred Lentz. 369
Konrad von Masovien urkundet an jenem Tage also:1) "Weil
Bischof Christian erlaubt hat, daß Heinrich, der Herzog von
Schlesien, der Breslauer und der Lebuser Bischof, deren Barone
und die übrigen nach Preuiien ziehenden Kreuzfahrer die Burg
Kulm, welche die Preußen viele Jahre hindurch bestürmt und
völlig zerstört haben, wieder aufbauen, schenkt er Christian
einen Teil des Kulmischen Territoriums — 23 ehemalige Burgen —
mit allen Einkünften und mit herrschaftlichen Rechten, außer-
dem 100 Dörfer, — von denen 32 namentlich aufgeführt werden —
ferner alles das, was zwischen ihm (Konrad) und den Preußen
an Gebiet streitig ist. Damit aber des preußischen Bischofs
Wille der Wiedererbauung Colmens geneigt und zugethan sei,
haben der ehrwürdige Gethko, Bischof von Plock, und sein
Kapitel noch 2 Dörfer und ihre sämtlichen geistlichen und
weltlichen Rechte im Kulmerlande hinzugefügt.
Christian soll außerdem in der Burg Colmen einen eigenen
Hof und Konvent haben, und im ganzen Kulmerlande (ausgenom-
men sind die Güter, welche der Bischof dort besitzt oder in
Zukunft durch Kauf oder Schenkungen besitzen wird) soll der
jedesmalige Regent des Landes mit dem Bischof von Preußen
die Einkünfte teilen und dazu ihm den Zehnten von seinem
Teile im Kulmerlande abtreten . . .
Am 18. April 1223 2) bestätigte Honorius III. diese Schen-
kung. Er erklärt: „idem dux terram eandem (sc. Culmensem)
cum quibusdam villis consistentibus in eadem .... tibi et per
te ecclesie ac tuis successoribus contulit" und fahrt dann fort:
„nos terram, castra et alia supradicta . . . tibi et tuis successo-
ribus .... confirmamus." Perlbach8) bemerkt hierzu: „Diese
Bestätigung giebt offenbar nur einen knappen Auszug der Schen-
1) P.U.B. 41 u. Perlbach: P.P. St. S. 26 ff. Wir geben mit dem
P. U. B. der Leseart des Vidimus A. den Vorzug. Die Perlbachsche An-
nahme, daß A. vom Bischof Christian um 1239 interpoliert sei, erscheint
uns nicht begründet.
2) P. U. B. U.
3) A. M. X. S. 633.
370 Die Beziehungen des Deutschen Ordens z. d. Bischof Christian etc.
kurig .... wie ungenau die Kurie den Inhalt wiedergiebt, zeigt
der Umstand, daß sie den Herzog das ganze Kulmerland dem
Bischof verleihen lässt."
Dem gegenüber lesen wir aus der päpstlichen Bestätigungs-
bulle heraus, daß Christian durch die Lonyzer Schenkung in der
That in den Besitz des ganzen Kulmerlandes gelangt sei.1)
Berücksichtigen wir nun die Worte der Lonyzer Schenkung
„quicquic ad dominium Culmensis territorii pertinet
quicunque Colmensem terram habuerit, omnes proventus ipsius
terre cum episcopo Pruzie dimidiabit", so werden wir wohl der
Wahrheit am nächsten kommen, wenn wir den Bischof von
Preußen als den Souverain, den polnischen Herzog aber als den
Suzerain im Kulmerlande auffassen.
Bis an sein Lebensende hatte Honorius III. der preußischen
Sache sein regstes Interesse gewahrt.2) Sein Nachfolger,
Gregor IX., unterstützte gleichfalls Christian in seinem Missions-
werke.8) Die Wut der heidnischen Preußen aber wurde so groß,
daß Christian sich entschloß, nach dem Vorbilde der Schwert-
ritter in Livland den Orden der Ritterbrüder von Dobrin zu
stiften, den der Papst am 28. Okt. 1228 bestätigte.4) Von der
Thätigkeit dieses Ordens können wir leider nichts berichten.5)
Vielleicht ward dieser Ritterorden gerade deshalb gestiftet, weil
er bereit war, unter billigeren Bedingungen als der D. 0. den
Kampf gegen die heidnischen Preußen zu unternehmen. Aut-
fallend bleibt jedenfalls die Thatsache, daß der neugestiftete
1) Vgl. Herrmann a. a. 0. Exkurs III, „de terra Colmensi Christ irdo
episcopo a Conrado Masoviae duce et Gunthero Masoviae episcopo dorn»
data", wo H. aus der päpstlichen Bestätigungsbulle, feiner aus der Leslauer
Urkunde (s. unten S. 20 ff.) und dem Schreiben Gregore IX. vom 11. Apr. 1240
(s. unten S. 27 ff.) den Schluß zieht, daß Christian seit dem 5. Aug. 1222
das ganze Kulmerland besessen habe. Vgl. unsern Exkurs I.
2) P. TL B. 57.
3) P. U. B. 61.
4) P. U. B. 68 u. 69.
5) Vgl. für die Entstehung dieses Ordens den Exkurs IL bei Reth-
wisch a. a. O. S. 52 ff. u. P P. St. S. 61 ff.
Von Alfred Lentz. 371
Orden im Juli 1228 von Herzog Konrad von Masovien und dem
Bischof von Plock mit Schenkungen bedacht wurde, nachdem
schon vorher (bis Mai 1228) zwischen dem D. O., Christian und
Herzog Konrad Unterhandlungen gepflogen waren (vgl. P.U. B. 65).
Ohne Zweifel trat der D. 0. von vorneherein mit der Absicht auf,
im Preußenlande das zu erreichen, was ihm im Burzenlande miß-
langen war, nämlich einen selbständigen, nur dem Papste unter-
worfenen Ordensstaat zu gründen.
Für das Verhalten des D. 0. in Preußen ist sein Verhalten
im Burzenlande äußerst charakteristisch. Die Ereignisse, die sich
hier zugetragen haben, sind nichts anders als das Vorspiel des
welthistorischen Dramas, das in Preußen zu Ende gespielt wurde.1)
1211 erhielt der D. 0. vom König Andreas von Ungarn
die terra Borza im Siebenbürgischen zum ewigen Besitz, aber
die königlichen Hoheitsrechte bestanden fort, und die Bitter
wurden Lehnsleute der ungarischen Krone.2) Nur hölzerne
Burgen und Städte durften sie bauen, wohl, damit sie nicht
zu übermütig würden und sich dorn Willen des Königs wider-
setzten (Philippi). Aus einer Urkunde v. J. 1222 8) erfahren
wir plötzlich, daß der König seine Schenkung widerrufen habe,
weil sein Zorn über den D. 0. entbrannt gewesen sei. Die
Brüder wurden aber wieder in das Burzenland eingesetzt und
mit neuen Rechten ausgestattet. Bald jedoch geriet Bischof
Baynald von Siebenbürgen mit dem D. 0. in heftigen Konflikt,
als der D. O. das Burzenland der geistlichen Oberhoheit des
Bischofs entziehen wollte. Der Papst untersagte auf die Bitten
der Brüder hin dem Bischof die Ausübung seiner Rechte über
das Burzenland4), da dasselbe unmittelbar unter Rom stehe. Bald
darauf nahm der Papst das Burzenland unter den Schutz des
1) Vgl. hierfür Alexis, Graf von Bethlon : Gesch. Darstellung des D. O.
in Siebenbürgen, Wien, 1831 und Philippi: „Die Deutschritter im Burzen-
lande", Kronstadt 1862. Die Urkunden hierzu finden sich im 8. U. B.
2) S. U. B. 12.
B) S. U. B. 18.
4) S. ü. B. 21.
372 Die Beziehungen des Deutschen Ordens z. d. Bischof Christian etc.
apostolischen Stuhles.1) Dadurch löste er aber das Band, welches
den D. 0. mit der ungarischen Krone verknüpfte. Energisch
setzte da Andreas IL den Bestrebungen des D. O. ein Ziel;
122B wurden die Brüder des D. 0. aus dem Burzenlande ver-
trieben, weil sie „wie die Maus in der Kornkammer, wie die
Schlange im Schöße"2) Gutes mit Schlechtem vergolten hatten.
Alle Versuche päpstlicherseits, die Bitter wieder zu restituieren,
scheiterten an der Energie des ungarischen Königs.
Der D. 0. mußte also suchen, ein neues Feld der Thätig-
keit zu gewinnen. Wohl mit Recht drängt sich da die Ver-
mutung auf, daß die Vertreibung der Brüder aus dem Burzen-
lande und ihr Erscheinen in Preußen in einem nahen Zu-
sammenhange stehen.
Man hat bis dahin den Winter 1225—26 für die Zeit
gehalten, in welcher eine polnische Gesandtschaft mit dem
Hochmeister des D. 0. Verhandlungen anknüpfte. Man stützte
sich hierbei auf die im März 1226 in Bimini ausgestellte Gold-
bulle Friedrichs II., durch welche Hermann von Salza die Er-
laubnis erhielt, das ihm vom Herzog Konrad angebotene
Kulmerland anzunehmen unter der Bedingung des Kampfes
gegen die Preußen, sowie alles dort zu erobernde Land für sich
und den D. 0. in Besitz zu nehmen und mit der Machtvoll-
kommenheit eines Beichsfürsten zu besitzen.
Perlbachs8) Scharfsinn ist es gelungen, festzustellen, daß
in dieser Bulle Spuren einer älteren Ausfertigung oder auch
nur eines älteren Konzeptes vom Jahre 1224 vorhanden sind.
Für ihn ergeben sich daraus nur zwei Möglichkeiten: entweder
ist das Anerbieten Konrads erbeblich früher anzusetzen, etwa
in den Herbst 1223 — oder der Hochmeister hat ohne polnische
Anregung Preußen als neue Heimstätte seines Ordens ins Auge
gefaßt. Wenn wir uns mit Perlbach für die erstere Alternative
1) S. U. B. 25 u. 26.
2) S. U. B. 30, 32, 34.
3) P. P. St. S. 45 ff.
Von Alfred Lentz. 373
entscheiden, so müssen wir Konrads Anerbieten noch früher,
nämlich vor die Lonyzer Schenkung vom August 1222 ansetzen ;
denn nur vor diesem Termin konnte Konrad frei über das
Kulmerland verfügen.
Auch wann der D. O. seinen Einzug in Preußen gehalten
hat, ist nicht sicher festzustellen. 1228 sehen wir ihn in Unter-
handlungen mit Bischof Christian von Preußen1). Am 3. Mai
urkundet der Bischof zu Mogila bei Krakau, daß er den Kittern
des D. O. den Zehnten aus denjenigen Gütern im Kulmerlande
übertragen habe, welche Herzog Konrad unbeschadet der bischöf-
lichen Rechte (salvo jure nostro) demselben hier übertragen
konnte. Diese Urkunde setzt also eine Schenkung Konrads an
den D. O. voraus: Konrad hat, so hören wir, dem D. O. bona
in territorio Cholmense übertragen. Näheres über diese bona
erfahren wir aus zwei päpstlichen Bullen des Jahres 1230. Am
12. Januar 1230 fordert Gregor IX2) die Brüder des D. O. auf,
mannhaft zum Kample gegen die Preußen vorzugehen. Der
Hochmeister habe dem Papste berichtet, daß Herzog Konrad
dein D. 0. das castrum Colme et quaedam alia castra in Pru-
tenorum confinio übertragen habe, „adiciens, quicquid de terra
illorum poteritis obtinere".
Und am 12. September 12303) bestätigt Gregor IX dem
D. 0. die Schenkung des Herzogs Konrad über die Burg Culm
und die etwaigen Eroberungen in Preußen. Der Inhalt der
Schenkung wird hier ebenso wie in der vorerwähnten Urkunde
angegeben mit Ausnahme der castra in Prutenorum confinio.
Der Papst erwähnt auch hier wieder nur das castrum, quod
Colinen dicitur . . . insuper, quicquid fratres in terra paganorum
poterint obtinere. Der Zwischensatz „dum tarnen talis sit pa-
ganorum terra, in qua nondum cultus Christiane religionis f uerit
introductus" erscheint uns nur verständlich, wenn wir ihn als
1) P. U. B. 65.
2) P. ü. B. 72.
3) P. U. B. 80.
374 Die Beziehungen des Deutschen Ordens z. d. Bischof Christian etc.
einen Satz aus dem Privileg Konrads auffassen. Konrads
Schenkungen sollten nur für so lange gelten, als das Land der
Preußen noch nicht christianisiert sei. Dadurch würde die
Richtigkeit der polnischen Tradition, welche nur von einer be-
dingten Schenkung Konrads etwas wissen will, erwiesen sein.
Wir müssen also feststellen, daß bis Mitte 1230 Herzog
Konrad dem D. O. nur die Burg Kulm, einige Güter an der
Grenze der Preußen1) und außerdem alles das überlassen hatte,
was der D. 0. in Preußen erobern würde.
Dem steht nun die Thatsache gegenüber, daß wir aus den
Jahren 1228 — 1230 drei Urkunden - wir nennen sie A, B
und C — besitzen, in welchen Herzog Konrad dem D. 0. das
ganze Kulmerland abtritt:
1. 1228, April 23, Beze (P. U. B. 64). Herzog Konrad ver-
leiht dem D. 0. das Land Kulm und das Dorf Orlow in
Cujavien (A).
2. 1230 ohne Tag und Ortsangabe (P. U. B. 75). Herzog
Konrad übergiebt dem D. 0. das Land Kulm unter dem Ver-
sprechen gegenseitiger Hilfe (B).
3. 1230, Juni, bei Kruschwitz. Herzog Konrad tritt dem
D. O. das Kulmerland in bestimmten Grenzen und mit allen
landesherrlichen Rechten zu freiem Besitze ab, desgleichen alle
weiteren Eroberungen im Lande der Heiden (C).
Daß C, die umfangreichste, mit allen möglichen Kautelen
ausgestattete Urkunde eine Fälschung des D. O. sei, wird heute
sowohl von deutscher (Lohmeyer, Woelky), als auch von pol-
nischer Seite (KQtrzynski) allgemein anerkannt.2) Mit großem
Scharfsinn hat Perlbach in den P. P. St. S. 78 ff. eine Fülle
schwerwiegender äußerer und innerer Gründe für ihre Unecht-
heit vorgebracht.
1) Die Schenkung des Dorfes Orlow von 1229 (P. U. B. 71) wird von
Perlbach (P.P. St. S. 87) angezweifelt; P. U. B. 76 die Schenkung von Nessau
muß in die zweite Hälfte d. J. 1230 gesetzt werden.
2) P. P. St. S. 78.
Von Alfred Lentz. 375
Obgleich Perlbach1) auch für A. und B. eine Reihe von
Verdachtsmomenten angiebt, läßt er ihre Echtheit und somit die
Schenkung des ganzen Kulmerlandes an den D. 0. unange-
fochten. In diesem Punkte erscheint uns Perlbach nicht kon-
sequent. P. P. St. S. 68 tibersetzt er das in P. U. B. 72 erwähnte
castrum Colmen richtig mit Burg Colme; aber er sagt, daß den
Ausführungen des Hochmeisters A. vorgelegen habe, und hier ist
die Bede von der terra Chelmen. Sodann zeigt er (S. 86), daß
der Papst am 12. Sept. 1230 dem D.O. die Burg Culm und „quicquid
fratres in terra paganorum poterint obtinere", bestätigt habe. Er
meint, daß von unsern drei Urkunden am 12. September 1230
weder A. noch C. — B. erscheint ihm wegen des Fehlens des
herzoglichen Siegels nur als Präliminarvertrag, der nicht voll-
zogen wurde — dem Papste zur Bestätigung vorgelegen hätten.
Er schließt daraus, es müsse noch eine andere Schenkung Kon-
rads existiert haben2), die nicht mehr erhalten sei. Auch giebt
P. zu bedenken, ob der Herzog im Juni 1230 wirklich das
Kulmerland ohne jeden Staats- und privatrechtlichen Vorbehalt
dem Orden abtreten und auch Dritten gegenüber in Schutz
nehmen konnte; hören wir doch noch nach fünf Jahren von
Ansprüchen Dritter auf einzelne Güter im Kulmerlande, die der
Herzog jetzt erst innerhalb eines Monates ablösen wollte.
Und trotz dieser zutreffenden Erwägungen, die wir Wort
für Wort unterschreiben, hält Perlbach an der Schenkung des
Kulmerlandes fest, wie seine Worte auf Seite 96 beweisen:
„Während der Vertrag über das Kulmerland und Nessau
zwischen Konrad und dem D. O. im Jahre 1230 zu einem end-
1) Vgl. P. P. St. S. 56 ff. und S. 73 ff.
2) Für die Existenz einer solchen Urkunde spricht ihm die Erwähnung
der preußischen Erwerbungen in der päpstlichen Bestätigungsbulle, von der
A. nichts enthält. C. kann dem Papste nicht vorgelegen haben; wäre diese
vom Herzog Konrad wirklich vollzogen worden, so hätte der D. O. keinen
Grund gehabt, dieselbe ängstlich zu bewahren, so lange Konrad am Leben
war. Erst zehn Jahre nach Konrads Tod ließ der Orden C. vom Papste
Alexander IV. transsxunieren. (P. P. St. S 56).
376 Die Beziehungen des Deutschen Ordens z. d. Bischof Christian etc.
gültigen Abkommen geführt hatte, scheinen die von Christian
gegebenen Zusagen den Hochmeister noch nicht befriedigt
zu haben."
Unmöglich können aber castrum Colme und Kulmerland
dasselbe sein. Wenn Perlbach C. als Fälschung, B. als nicht
vollzogene Präliminarurkunde bezeichnet, so bleibt uns nur übrig,
auch A. für eine Fälschung zu erklären und somit zu ßethwischs
Resultaten zurückzukehren1). Freilich wird das letzte Wort
in dieser Angelegenheit erst dann gesprochen werden können,
wenn A. und B. endlich einmal nach den im Warschauer Haupt-
archiv befindlichen Originalen gedruckt sein werden2).
Daß dem D. O. Konrads Schenkungen nicht genügt haben,
beweisen seine Verhandlungen mit dem Bischof Christian von
Preußen. Hatte der D. O. sich das Kulmerland als Operations-
basis für den Kampf gegen die Preußen ausersehen, so mußte
als Schenkender vor allen Christian in Betracht kommen.
Für die Darstellung der nun folgenden Beziehungen zwischen
Christian und dem D. 0. lassen wir eine Zusammenstellung von
solchen Stellen folgen, in denen von einer Auseinandersetzung
zwischen dem Bischof und dem D. O. die Rede ist. Nachdem
wir uns hieraus ein Bild über das Verhältnis beider Parteien ver-
schafft haben, wollen wir sehen, wie wir uns zu den auf uns
gekommenen Urkunden zu verhalten haben, in denen Bischof
und Orden sich vergleichen.
1) Rethwisch a. a. 0. Exkurs VI und VII.
2) Vom 6. Januar 1233 haben wir eine Urkunde (P. ü. B. 94), in der
Kasimir, Herzog von Cujavien und Leszyo dem D.O. die Schenkung des
Kulmerlandes bestätigt. Perlbach (P.P. St. S. 101 ff.) hat überzeugend dar-
getban, daß diese Konsenserklärung erst für das Jahr 1247 anzusetzen sei,
da Titel und Siegel nicht zu 1233 passen. Erst nach dem Tode Boleslavs,
(1247) des ältesten Sohnes Konrads, konnte die Zustimmung Kasimirs fin-
den D. 0. von Bedeutung sein.
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Von Alfred Lentz. 3?9
Ans den angeführten Stellen erfahren wir, daß zwischen
dem D. 0. und Christian hinsichtlich des Kulmerlandes und
der Teilung eroberten und zu erobernden Gebietes durch Ver-
mittelung des päpstlichen Gesandten Wilhelm von Modena Ver-
einbarungen getroffen sind.
Unserer Meinung nach bildet gerade die zeitlich richtige
Absetzung dieser vom päpstlichen Gesandten getroffenen Aus-
einandersetzungen den Brennpunkt in der Frage nach den
Beziehungen zwischen Christian und dem Orden.
Da Wilhelm von Modena 12291) — bezw. in der zweiten
Hälfte des Jahres 1228 — als päpstlicher Gesandter in Preußen
weilte, so müssen wir notwendig in diese Zeit Wilhelms
vermittelnde Thätigkeit verlegen.2)
Der Grund zu Wilhelms Eingreifen in die politischen Ver-
hältnisse Preußens waren Streitigkeiten, die zwischen Christian
und dem D. 0. wegen Teilung von Ländern und Einkünften aus-
gebrochen waren (vgl. VIEL).
Was zunächst die Ordnung der Verhältnisse im Kulmer-
lande betraf, so wurde durch den Legaten festgesetzt, daß der
D. 0. dem Bischöfe 600 Hufen im Kulmerlande überlassen sollte
(vgl. IV und V).
Bruder Heinrich Sturluz erhielt den Auftrag, diese 600 Hufen
zu vermessen; dieselben kamen zu liegen in Loza,8) in Wambrez,4)
1) Vgl. den Exkurs II.
2) Daß zwischen Orden und Bischof durch Wilhelm von Modena ein
Abkommen geschlossen wurde, wird seit Watterich allgemein angenommen.
Aber hinsichtlich der Bestimmung von Zeit und Inhalt eines solchen Ab-
kommens irren wie Watterich unseres Erachtens auch Toeppen (Historisch-
comparative Geographie von Preussen S. 113), Ewald (a. a. 0.) und Perl-
bach (A. M. IX, S. 636 u. P. P. St. a. versch. 0.), indem sie Wilhelms
ordnende Thätigkeit kurz vor die durch Wilhelm 1243 bewerkstelligte
Teilung Preußens ansetzen und zwar zwischen 1239 und 1242. Rethwisch
(a. a. 0.) kommt hinsichtlich der Regelung der Kulmischen Frage der
Wahrheit am nächsten (1230, spätestens Juni). Inwieweit wir ihn ergänzen
und berichtigen, mag eine Vergleichung mit S. 44 seiner Schrift ergeben.
3) Wo die Kathedrale Kulmsee errichtet wurde.
4) D. i. Briesen.
380 Die Beziehungen des Deutschen Ordens t. d. Bischof Christian etc.
in Boberow1) und an der Drewenz (vgl. VI). Außerdem sollte
der Bischof von jedem deutschen Pfluge einen Scheffel Weizen
und einen Scheffel Roggen, von jedem Haken einen Scheffel
Weizen erhalten. Mit dieser Bestimmung erklärten sich die
Leute, welche im Kulmerlande blieben, einverstanden (vgl. IV
und VII).
Unter der Bedingung also, daß ihm im Kulmerlande
600 Hufen ausgemessen und der Bischofsscheffel gezahlt würde,
hatte Christian das Kulmerland dem D. 0. überlassen. Den
Grund der Schenkung erfahren wir aus I. Zur Erweiterung
des preußischen Bistums, zur Bekämpfung der Heiden und zum
Schutze der Predigt des Evangelii hatten die Brüder das Kulmer-
land vom Bischof empfangen. Außerdem hören wir hier,
daß die Brüder dem Bischof das „servitium" zugeschworen
haben. Du Cange: „Glossarium mediae et infimae latinitatis", edt.
Favre 1886 Tom. VII S. 449, sagt zum Worte Servitium:
„regulariter accipitur pro quolibet obsequio, quod a vasallis
et tenentibus debetur ratione feodi vel tenurae" und ferner:
„observandum omnino est voce servitium, ubi nude occurrit in
chartis clientelarum, ut plurimum significari servitium mili-
tare, quo vasallus dominum suum in exercitum per-
gentem sequi tenebatur." Unter diesen Umständen können
wir nicht mehr daran zweifeln, daß der D. O. für den Empfang
des Kulmerlandes zum Bischof Christian in das Verhältnis
der Vasallität trat.2)
Wie wurde nun die preußische Frage durch den päpst-
lichen Gesandten geregelt?
1) Bobrowo, Dorf Va Ml. von Straßburg (vgl. P. U. B. S. 133.
Aura. 2, 3, 4).
2) Waitz (a. a. O.) las für servitium nach den alten Drucken von
P. U. B. 134 „sermonem". „Sermo", sagt er, „heißt Schatz, und zwar zu-
nächst der, welchen der Höhere dem unter ihm Stehenden gewährt, kann
also jedenfalls nicht auf die Dienstpflicht eines Vasallen bezogen werden".
So kommt er zu dem falschen Resultat, daß die Ordensbrüder Christian
gegenüber als die Lehnsherrn in Kulm erscheinen.
Von Alfred Lentz. 381
Wilhelm von Modena1) entsohied dahin: Da die Brüder
des D. 0. des Tages Last und Hitze tragen, so sollen sie in
allen eroberten und zu erobernden Gebieten zwei Drittel mit
allem zeitlichen Einkommen, der Bischof dagegen nur ein Drittel
erhalten. In den beiden Dritteln des Ordens soll jedoch der
Bischof das geistliche Becht ausüben, das überhaupt nur durch
einen Bischof ausgeübt werden kann. Wie es mit dem Zehnten
in den zwei Dritteln sein sollte, wurde nicht sogleich entschieden.
Erst später (1251) gab Wilhelm von Modena die Erklärung, ab,
daß die Bitter in ihren Teilen auch den Zehnten genießen
sollten. Auf diesem Vertrage beruhte die vorgenommene Drei-
teilung in der Loebau, und auf dem hier aufgestellten Prinzipe
die in III erwähnte Teilung des Samlandes.
Wir gelangen also zu dem Schlüsse, daß das Prinzip der
Dreiteilung zwischen Orden und Bischof sogleich bei den ersten
Anfangen der ordensritterlichen Thätigkeit in Preußen aufge-
stellt wurde.
Da die unter Wilhelm von Modenas Vermittelung abge-
schlossenen Anordnungen auch nach dem Jahre 1230 von Seiten
der leitenden Persönlichkeiten des D. O. ausdrücklich als rechts-
gültig anerkannt werden, so müssen wir alle Urkunden, nach
denen sich das Verhältnis zwischen Christian und dem D. 0.
anders, als oben gezeigt ist, gestaltet, als Fälschungen ansehen.
1) Uns bestimmen folgende Punkte dazu, die Regelung der preußischen
Angelegenheit in die Zeit des Anfanges der ordensritterlichen Thätigkeit
anzusetzen: 1. Das in II bisher übersehene Wort olim. Es wäre doch
zu auffallend, wenn ein Vertrag, der nach den früheren Annahmen JL242,
frühestens aber 1239 abgeschlossen sein soll, am 20. September 1242 bereits
als eine ordinatio olim celebrata erwähnt würde. — 2. In Stelle VIII,
1251, spricht Wilhelm von Modena davon, daß es seit lang hergebrachten
Zeiten so beobachtet sei in Livland und Preußen, daß die Brüder ihre beiden
Teile mit dem Zehnten besäßen: „Et ita observatum est a longis retro
temporibus ..." — 3. Der Zweck der von uns auf Seite 387 als
Fälschung bezeichneten Urkunde Christians vom Jahre 1231 kann lediglich
richtig verstanden werden, wenn wir in Betracht ziehen, daß dieselbe auf
eine vor 1231 vollzogene Regelung der preußischen Angelegenheit Bezug
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX. Hft. 5 n. 6. 25
382 Die Beziehungen des Deutschen Ordens z. d. Bischof Christian etc.
In einer der uns erhaltenen Urkunden jedoch, nämlich in
der Leslauer (Januar 1230)1) finden wir hinsichtlich der Be-
stimmungen über die Dotation des Bischofs im Kulmerlande und
der für den Orden höchst unangenehmen Verpflichtungen, die
ihn in drückende Abhängigkeit vom Bischof brachten, eine
glänzende Bestätigung des oben rekonstruierten Ueber-
einkommens.
Woelky, der letzte Herausgeber dieser Urkunde, bemerkt
im „Kulmer Urkundenbuche I" (Danzig 1884) zu No. 3, seinem
Hegest des Leslauer „Vertrages": „Da das Original nicht mehr
vorhanden ist, läßt es sich nicht in betreff seiner Echtheit prüfen;
der Inhalt aber, verglichen mit No. 2,2) spricht für eine
Fälschung, die etwa gefertigt sein mag, als Bischof Christian
seine Rechte gegen den D. O. wieder geltend machen wollte". Dem-
gegenüber erklärt Perlbach (P. P. St. S. 72, Anm. 5) „als Fälschung
möchte ich das Dokument nicht bezeichnen. Die Aebte haben
sicherlich eine diplomatisch echte, mit echten Siegeln versehene
Urkunde ausgestellt, nicht etwa der Bischof eine solche an-
fertigen lassen — aber was in der Urkunde stand, das hat
ihnen ihr Ordensbruder an die Hand gegeben".
P. . kommt zu dem Resultat, daß das Todesjahr Gregors 1241
das Entstehungsjahr unseres Zeugnisses bezeichne. Er stellt
die Vermutung auf, daß diese Urkunde im Zusammenhange
stehe mit der großen Klageschrift des Bischofs8) : (vgl. I) „damals
ließ er sich von den Vermittlern seines Abkommens mit dem
D. 0. die Versprechungen der Ritter bezeugen."
nimmt (P. U. B. 83). — 4. Die Leslauer Urkunde vom Januar 1230 spricht
auch von Urkunden, die die preußische Angelegenheit berühren : „instrumenta,
negotium Prussie tangentia . . . ." (P. U. B. 74.)
1) P. U. B. 74.
2) P. U. B. 73, d. i. die Urkunde von 1-230 o. T. u. O. (B.)
3) P. U. B. 134.
Von Alfred Lentz. ä8ä
Mit vollem Bechte hebt Perlbach (P. P. St., S. 71)1) hervor,
daß wir hier keinen Vertrag vor uns haben, sondern ein Zeugnis
der beiden Aebte Heinrich von Lekno und Johannes von L$d
über die Versprechungen des D. 0. an den Bischof, als dieser
ihm seinen Anteil am Kulmerlande abtrat. Dieses Zeugnis sei
aber kein gleichzeitiges, das ergäben die Ausdrücke terris tunc
arabilibus, proventibus, qui tunc fuerunt. Aber die Ausstellung
der Urkunde erst ins Jahr 1241 zu setzen, dafür können wir
keine Notwendigkeit erblicken. Wir sind der Ueberzeugung,
daß dieses im Januar 1230 ausgestellte Protokoll über die Ver-
sprechungen des D. 0. an den Bischof Bezug nimmt auf das
1228 bezw. 1229 durch Wilhelm von Modena zwischen dem
Bischof und dem D. O. abgeschlossene Uebereinkommen.
Unsrer Meinung nach ist die Ausstellung der Leslauer
Urkunde in Zusammenhang zu bringen mit Wilhelms Abreise
aus Preußen.2) Im Januar 1230 ist Wilhelm bereits auf der
Rückreise begriffen. Sogleich werden die Ritter ihre Verpflich-
tungen, die sie für den Empfang des Kulmerlandes einge-
gangen waren, mißachtet haben. Der Bischof wird sich des-
halb an die Männer gewandt haben, die bei den Auseinander-
setzungen zugegen gewesen waren. Im Januar 1230 brachten
die beiden Cistercienseräbte die ordensritterlichen Verpflichtungen
zu Protokoll. Sie urkundeten also: Ich, Bruder Heinrich, Abt
von Lekno und ich, Bruder Johannes, Abt von Lq.d, thuen allen
jetzt und später lebenden Gläubigen kund zu wissen: Als der
ehrwürdige Vater Christian, durch Gottes Gnade Bischof von
Preußen, sich alle Mühe gegeben, daß die Heiden, welche allzu
sehr an Macht zugenommen, in Preußen ausgerottet würden, hat
er, bewogen durch den Eifer für den Glauben und für die heilige
Kirche, das Gebiet, welches er im Kulmer Territorium sowohl
1) Vergl. die Zusammenstellung der verschiedenen Ansichten über
diese Urkunde, Perlbach, A. M. IX. S. 632 ff. Hier erklärt P., „es bleibt
nur übrig, sie für gefälscht resp. interpoliert zu halten . . oder mit Didolff
in ihr einen vorläufigen Entwurf zu erblicken".
2) Vgl. Exkurs II.
25*
384 Die Beziehungen des Deutschen Ordens z. d. Bischof Christian etc.
auf dem "Wege des Kaufes als auch durch die Schenkung
Konrads, des Herzogs von Cujavien, Lescyz und Masovien, sowie
auch nach der Zustimmung des ehrwürdigen Vaters, des Bischofs
von Plock und seines Kapitels mit vollem Recht, sowohl in
geistlicher wie weltlicher Beziehung, rechtskräftig erworben hatte,
den frommen Männern, den Brüdern des D. O. unter unserer1)
eifrigster Mitwirkung übertragen, so jedoch, daß diese ihm und
seinen Nachfolgern von dem besagten Gebiete in jedem Jahre
ein Maaß Weizen und ein Maaß Roggen von jedem deutschen
Pfluge und von jedem slavischen Pfluge ein Maaß Weizen, nach
Breslauer Maaß, im ganzen Kulmerlande für ewig zu zahlen ge-
halten sein sollen. Und diese Leistung versprachen die Brüder
sowohl von den damals beackerten Gebieten, als auch von all
den Gebieten, die in dem Kulmerlande von neuem in Kultur
gebracht werden sollten. Außerdem versprachen sie von dem
besagten Gebiete 200 2) deutsche Pflüge mit allem dahin Zu-
gehörigem Christians Leuten anzuweisen oder ihm zum Anweisen
zu überlassen. Dazu versprachen sie ihm und seinen Nachfolgern
fünf Höfe, jeden von fünf deutschen Pflügen, im Kulmerlande
zu überlassen, wo es ihm belieben würde und zwar so, daß er
in diesen und den 200 deutschen Pflügen mit all ihrem Zubehör,
Wiesen, Weiden, Flüssen, Seen, Fischereien, Mühlen, Wäldern,
Jagden, Salz-, Gold- und Silberbergwerken, kurz, mit allem
1) nobis median tibua et pro posse nostro cooperantihus.
2) Der Bischof erhält im Ganzen 225 aratra Theutonicalia. Daß
diese Flächenbestimmung gleich kommt den oben angeführten
COOmansi (1 aratrum theutonicale = 22/8 mansi), hat überzeugend
nachgewiesen der ostpreußische Rittergutsbesitzer Lothar
Weber in seinem Werke: „Preußen vor 500 Jahren", Danzig 1878,
S. 154.
Watterich liest ganz willkürlich mit Bezug auf unsre Stelle IV
600 für 200 Pflüge und richtet so eine heillose Verwirrung an. Rethwisch
übersieht, daß hier nicht von mansi, sondern von deutschen Pflügen die
Rede ist. Er meint, der Bischof hätte hier nur 200 Hufen (!) erhalten. Dies
ist ihm ein Hauptgrund, die Vereinbarung des Legaten später anzusetzen,
als die Leslauer Urkunde, (a. a. 0. S. 44, 45.)
Von Alfred Lentz. 385
Nutzen und allen Einkünften, die damals vorhanden waren und
später noch kommen konnten, gleich wie ein Herr in seiner
Herrschaft im Besitze der geistlichen und weltlichen Gerichts-
barkeit, ganz nach seinem Willen, ohne Bücksicht auf die Brü-
der, schalten und walten könnte.
Sie versprachen ferner, alles das, was im besagtem Terri-
torium der Bischof als Lehen ausgegeben hatte, ruhig im Besitze
seiner Vasallen zu lassen, so daß diese dem Bischöfe und seinen
Nachfolgern wie Vasallen ihrem Herrn verpflichtet sein müßten,
auch versprachen sie, daß sie nichts im besagten Gebiete etwa
unter dem Namen „Lehen" ausgeben sollten ohne Zustimmung des
besagten Bischofs, auch daß sie alle Bewohner dieses Landes1),
sowohl die belehnten als auch die übrigen Preußen, auf eigne
Kosten bekämpfen und seinem Bistum unterordnen müßten und
daß auf den Kriegszügen das Banner des Bischofs sowohl bei
Hin- als Rückmarsch vor dem Banner der Brüder einhergehn sollte.
Eben so versprachen sie, die Mannen des Bistums, sowohl
die Lehnsleute als auch die übrigen mit all ihnen Zugehörigem,
alles, was der Bischof besitzt und besitzen wird, und die ganze
Gerichtsbarkeit des Bischofs und seiner Nachfolger gegen jeder-
mann in Treue, mit Rat und That, ohne Hinterlist, gleichsam
wie ihre eigenen Güter zu hegen und nach ihrem Können zu
verteidigen, und wohin auch immer der Bischof zu ihren Gütern
1) Es muß durchaus in dieser Weise übersetzt werden. Im Texte
steht „et omnes eandem terram inhabitantes, tarn feodales quam alios Pru-
tenos, expugnare in propriis expensis episcopatui ipsius subicere deberent".
Man hat bisher einfach alios in alii verbessert (vgl. P. U. B. 74 unter g:
„alii richtig"). Dann würde die Stelle zu übersetzen sein „und alle Bewohner
des Kulmerlandes, die Lehnsleute sowohl als die übrigen, müßten auf eigene
Kosten die Preußen bekämpfen und dem Bistum desselben unterwerfen". Nun
enthält aber unsre Urkunde gerade ein Protokoll über die Versprechungen der
Ordensbrüder, und deshalb kann kein Zweifel darüber sein, daß in deberent
das Subject fratres steckt. Unsre Urkunde behandelt nur „das negotium
Colmense", wenn wir uns so ausdrücken dürfen. Für das „negotium Prusie"
wird auf besondere Urkunden verwiesen,
386 Die Beziehungen des Deutschen Ordens z. d. Bischof Christian etc.
käme, ihn mit der schuldigen Ehrenbezeugung als ihren
Bischof und Herrn zu empfangen und ihm das Notwendige
zu leisten. Ebenso versprachen sie, alle Urkunden und Voll-
machten, welche der Bischof über die Kreuzfahrer von den
seligen Päpsten Innocenz und Honorius erhalten hat, außerdem
alle Urkunden über die preußische Angelegenheit1) mit eigenen
Kosten und eigener Mühe durch eine Bulle des heiligen Vaters
und Herrn Gregors IX., des höchsten Pontifex des römischen
Stuhles, erneuern zu lassen. Das war noch ausdrücklich unter
ihnen ausgemacht, daß, wenn die Brüder dem erwähnten Bischöfe
die Zahlungen und versprochenen Festsetzungen zur rechten
Zeit nicht leisten sollten, daß dann der Bischof von neuem die
oft erwähnten Besitzungen an sich nehmen dürfe. Dies ist
verhandelt zu Leslau im Jahre des Herrn 1230 im Monat Jannar
unter Gegenwart der unterzeichneten Zeugen2): Prior Johannes,
Herrmann, Mönch von Lekno; die Brüder von Thimau: Gerhard
und Konrad; die Streiter Christi in Preußen: Andreas, Werner,
Johannes, Albrand, Konrad. Glück auf. Amen.
Als Fälschungen des Ordens müssen wir hingegen er-
klären:
1) P. U. B. 73 (1230 0. T. u. 0.) Christian tritt dem D. 0.
alles von Herzog Konrad und der Kirche von Plozk ihm gegebene
oder von ihm angekaufte Land im Kulmerlande ab, sich nur
den „Bischofsscheffel", 200 Pflüge und 5 Höfe vorbehaltend.
Diese Urkunde erscheint uns als ein Auszug aus der
Leslauer Urkunde, in dem die demütigenden Verpflichtungen
des Ordens ausgelassen wurden.
1) Omnia instrumenta, negotium Prusie tangentia. Unserer Meinung
nach können diese Worte sich nur auf die oben angeführte Regulierung
der preußischen Verhältnisse durch Wilhelm von Modena beziehen.
2) Perlbach (P. P. St. S. 73) muß doch zugeben, daß die Worte: ,.AcU
sunt hec in Wladisslavia a. d. 1230 mense Januario" auf die Verhandlung
selbst zu beziehen seien, da die Dobriner Andreas etc. nur auf das Jahr 1230
passen. „Die Zeugen,11 sagt er, „sind also Handlungzeugen, deren Namen
1230 schriftlich fixiert wurden.4'
Von Alfred Lentz. 387
Im P. U. B. ist diese Urkunde nach StronczyAski gedruckt.
Von Siegeln fehlt jede Spur; die untere Ecke ist links ab-
gerissen. Die Schrift in dieser Urkunde stimmt nicht mit der
bischöflichen Urkunde von Clara Tumba (P. U. B. 65), sondern
auffälliger Weise mit der Schenkung von Nessau (Konrad an
den D. 0.) von demselben Jahre überein. Datum- und Orts-
angabe fehlen bei unserer Urkunde. Der Ort ist nicht zu er-
mitteln, da wir nicht wissen, welcher Stadt die drei erwähnten
Bürger (cives) Albert der Schulze, Menricus und Hildebrand
angehören.1)
Als Fälschungen müssen wir auch P. U. B. 82 und 83 vom
Jahre 1231 bezeichnen. In der ersteren tritt Christian dem
D. 0. bedingungslos — nur die geistliche Jurisdiktion ausge-
nommen — alle ihm vom Plocker Bistum eingeräumten Rechte
und Einkünfte, ferner alles, was Herzog Konrad ihm geschenkt
hat, auch das von den Erben Christians gekaufte Gut Bezin ab.
Zusammen mit Nro. 82 ist Nro. 83 zu betrachten: Christian
tritt dem D. 0. in den Ländern Preußens, welche ihm nach
huldvoller Rechtsentscheidung des päpstlichen Stuhles gehören
oder gehören werden, zum vollen Eigentume mit Vorbehalt der
geistlichen Jurisdiktion sein Drittel ab.
Nro. 83 ist uns nur in einer Abschrift im Staats-Archiv
zu Königsberg erhalten. „Völlig ohne Beglaubigung" sagt der
Herausgeber des P. U. B.
Beide Urkunden sind nach einer Formel,2) wahrscheinlich
an einem Orte und demselben Tage ausgefertigt. Perlbach hebt
kundig hervor, daß in der Zeugenreihe8) die beiden Kloster-
geistlichen Abt Albert von Velegrad (in 82 und 83) und Unter-
prior Dietmar von Heiligenkreuz (82) nach Maehren und Nieder-
östreich verweisen. In dem in 83 auftretenden Werner von Prag
vermutet er eineu Begleiter des mährischen Abtes. Die nicht
1) Vgl. P. P. St. S. 69 ff. und Tafel III daselbst.
2) Vgl. P. P. St. S. 96 ff.
3) Von 12 Zeugen in 82 und 83 sind 7 beiden Urkunden gemeinsam.
388 Die Beziehungen des Deutschen Ordens z. d. Bischof Christian etc.
zu häufigen Namen Gerold und Gebolf hat Perlbach für Oester-
reich aus den für diese Landschaft zahlreich erhaltenen Toter-
büchern ermittelt. Nach Oesterreich deutet auch der Ausstellungs-
ort apud ßubenichit hin (S. 98). Rubenicha heißt ein B*ch,
welcher wenige Kilometer unterhalb Steyer auf dem rechten
Ufer in die Enns fließt; eine ecclesia de Rubinich wird 1200
erwähnt. P. weist darauf hin, daß die Datierung nach den
Jahren des Papstes mit gleichzeitiger Erwähnung des kaiser-
lichen Namens an den gleichen in Oberösterreich und in Salz-
burg herrschenden Gebrauch erinnert.
Wie paßt nun der Bischof Christian zu der Ausstellung
dieser nach Oberösterreich hinweisenden Urkunden?
Was Perlbach S. 99 und 100 anfuhrt, um diesen auf-
fallenden Umstand zu erklären, erscheint trotz der geistreichen
Vermutungen nicht stichhaltig. Nach unserer Ansicht wurde
qei Anfertigung dieser beiden Fälschungen eine Urkunde aus
dem Oesterrei einsehen zu Grunde gelegt. Der Zweck der
Fälschungen konnte nur der sein: der D. 0. wollte Urkunden
besitzen, nach denen der Bischof auf all seinen weltlichen Be-
sitz unter dem alleinigen Vorbehalt der geistlichen Jurisdiktion
zu Gunsten des Ordens verzichtet hatte; denn unserer Meinung
nach setzt P. U. B. 83 die bedingungslose Abtretung des dem
Bischöfe nach dem von uns oben rekonstruierten Ueberein-
kommen1) gehörenden Drittels alles eroberten und zu erobern-
den Landes in Preußen an den Orden fest.
Wir müssen daher die bisher vertretene Ansicht, als hätte
der Orden vom Bischöfe nur ein Drittel Preußens oder seiner
Besitzungen in Preußen (P. P. St. S. 100 Note . 4) empfangen,
wohingegen der Bischof sich die übrigen zwei Drittel zurück-
behalten hätte, verwerfen2).
1) Vgl. S. 381.
2) Vgl. Perlbach a. a. O, S. 96.
Von Alfred Lentz. 389
Als Fälschung1) ist auch P. U. B. 77 anzusehen: 1230,
März 18. (nach Perlbach nicht 17). Bischof Guenther und das
Domkapitel zu Plock treten dem D. 0. ihre Besitzungen im
Kulmerlande zu freiem Eigentume ab, sich nur die Ausübung
der Pontifikalakte vorbehaltend.
Ein Original scheint nie existiert zu haben.2)
Rethwisch und Perlbach haben ihre Unechtheit mit
zwingenden Gründen dargelegt. Der Zweck der Fälschung war
der, daß der Orden für alle Besitzungen Christians im Kulmer-
lande, die dieser vom Plocker Bistum erhalten hatte, eine recht-
liche Abtretungsurkunde auch vom Plocker Bischof und Kapitel
in Händen haben wollte, wie er eine solche vorher vom Bischof
Christian gefälscht hatte.
Wann sind nun die oben angeführten Fälschungen aller
Wahrscheinlichkeit nach entstanden?
Christian war mittlerweile in die Gefangenschaft der
Preußen geraten.8) Jetzt ging der D. O. rücksichtslos gegen
seine Besitzungen vor und verfertigte unseres Erachtens eine
Reihe von Fälschungen, durch die er die Rechtmäßigkeit seiner
Usurpationen zu erweisen gedachte. Die Kulmer Handfeste4)
vom Dezember 1233 spiegelt trefflich den gänzlich veränderten
Standpunkt wieder, den der D. 0. im Kulmerlande seit Christians
Gefangenschaft eingenommen hatte. Erst nach Christians Ent-
fernung finden Verhandlungen mit Herzog Konrad hinsichtlich
des Kulmerlandes statt. Am 3. August 12346) nimmt Gregor IX.
das dem D. 0. von Konrad geschenkte Land Kulm und was
den Preußen weiter abgerungen werden wird, als Eigentum des
1) Vgl. Rethwisch a. a. 0. S. 65 Exkurs VIII. Perlbach: A. M. X.
S. 644 ff. Ders. P. P. St. S. 88 ff.
2) P. U. B. S. 57.
3) Zwischen dem 29. Juni 1232 und dem 7. Oktober 1233, vgl. Perl-
bach A. M. IX. S. 633.
4) P. ü. B. 105.
5) P. ü. B. 108. Vgl. auch P. U. B. 119, wo Wilhelm von Modena am
19. Oktober 1235 die Schenkung des Kulmerlandes bezeugt.
390 Die Beziehungen des Deutschen Ordens z. d. Bischof Christian etc.
h. Petrus in den Schutz des apostolischen Stuhles. Unmittelbar
vor dieser Bulle findet sich in dem Register Gregors die
Kruschwitzer Fälschung, die für alle Eventualitäten damals
hineingeschmuggelt sein mag, eingetragen.
Als Christian nach langjähriger Gefangenschaft zurück-
kehrte, wie fand er da die Lage der Dinge so ganz ver-
ändert! Auf seine Beschwerden beim apostolischen Stuhle er-
ließ Gregor IX. ein Schreiben an den Bischof von Meißen,
den Dompropst und den Propst bei S. Afra daselbst, in
dem er ihnen die Klagepunkte mitteilt, welche der Bischof
von Preußen gegen den D. 0. erhoben, und ihnen aufträgt, den
Kläger in Schutz zu nehmen und ihm Recht zu schaffen, oder
beide Teile vor den päpstlichen Stuhl zu weisen. Der Brief ist
zu charakteristisch für das Vorgehen des Ordens, als daß wir
ihn nicht seinem wesentlichen Inhalte nach hier anführen sollten:
Aus den Klagen unseres ehrwürdigen Bruders, des Bischofs von
Preußen haben wir erfahren, daß die Brüder des D. O. nicht er-
laubten, daß solche Preußen, die sich zur Annahme des Christen-
tums bereit erklären, zum Empfange der heiligen Taufe zuge-
lassen werden. Die Neugetauften aber, die ihm, dem Bischof,
durch den Eid der Treue verbunden sind, und welche diesen
Eid halten wollen, scheuen sich die Bitter nicht, falls sie ihnen
nicht gehorchen, mit verschiedenen Plagen zu quälen, weshalb
einige von diesen aus Furcht vor derartigen Quälereien dazu ge-
trieben sind, wieder zu den Irrtümern des Unglaubens zurück-
zukehren. Die Kreuzfahrer hindern sie daran, Kirchen zu bauen;
sind solche bereits erbaut, so haben sie dafür gesorgt, daß sie
der Vernichtung der Heiden preisgegeben werden. Obwohl der
Bischof das Kulmerlandt welches er teils durch die Mildthätig-
keit christlicher Fürsten und anderer Getreuen durch Kauf er-
standen, teils durch die Schenkung des edlen Konrad von Ma-
sovien und des ehrwürdigen Bruders, des Bischofs von Ploczk,
und seines Kapitels zum Besten seines Bistums erhalten, aber
unter Vorbehalt von bischöflichen Rechten, Dienstleistungen und
gewissen Ländereien unter bestimmten Bedingungen den Ordens-
Von Alfred Lentz. 391
rittern behufs Vergrößerung des preußischen Bistums, zur Unter-
jochung des Heidentums, zur Verteidigung christlicher Lehre
und christlichen Glaubens abgetreten hatte, so haben die
Bitter weder seine Verteidigung, als ihn die Preußen gefangen
nahmen, übernommen, noch haben sie, obgleich sie vom
apostolischen Stuhle die Aufforderung dazu erhalten, sich um
seinen Loskauf aus der Gefangenschaft bekümmert. Ja, sie
haben sogar einige vornehme Preußen, welche sie in Fesseln
geworfen, für Geld in Freiheit gesetzt, anstatt die hierdurch
ermöglichte Gelegenheit zur Auslösung des Bischofs zu benutzen
und einen edlen Neophyten, welcher dem Bischof für sein Be-
harren im Glauben seinen Sohn als Geisel gegeben hatte, ge-
tötet, weil sie von ihm kein Geld erpressen konnten. Ferner haben
sie während des Bischofs Gefangenschaft die bischöfliche Kirche
und das ganze Gebiet seines Bistums, die Stadt und die Burg
Sanctir mit den Neubekehrten feindlich überfallen; sie haben
ihn all seines Eigen turas schändlich beraubt; die bischöflichen
Rechte, die Zehnten und andere Einkünfte, die sonst in die
Kasse des Bistums flössen, halten sie gewaltsam fest und miß-
brauchen ganz ungebührlicher Weise die bischöflichen Funktionen,
die sie sich angemaßt haben. Das Kulmerland aber haben sie trotz
aller Verträge, die sie mit ihrem Eide bekräftigt haben, voll-
ständig in Besitz genommen, indem sie sich zum Nachteil der
preußischen Kirche der bischöflichen Rechte bemächtigt haben.
Und obgleich die Ritter die größten Benefizien im Kulmer-
lande vom Bischof empfangen hatten, damit sie die Ehre und
die Rechte des preußischen Bistums mit allen Mitteln verteidigten,
so haben sie sich doch so große Undankbarkeit zu Schulden
kommen lassen, daß sie ihm nicht nur das schuldige, eidlich
beschworene servitium1) gebrochen haben, sondern daß sie auch
die Kreuzfahrer, deren Retter und Helfer der Bischof gewesen,
daran hindern, die gewohnte Zuflucht zu ihrem Bischof zu
nehmen. Deshalb, so fährt Gregor fort, hat uns Christian
/
1) Vergl. hierzu oben Seite 380.
392 Die Beziehungen des Deutschen Ordens z. d. Bischof Christian etc.
demütigst gebeten, daß wir mit seiner bedrängten Lage Mitleid
hätten und unser Augenmerk richteten auf die traurige Lage
seiner Kirche, welche durch den Beistand der Brüder gehoben
und unterstützt werden sollte.
Bald starb Gregor IX., und mit ihm verlor der hinter-
gangene Bischof seine letzte Stütze. Gregors Nachfolger war
ein ausgesprochener Freund der ordensritterlichen Interessen.
Am 29. Juli 12431) bevollmächtigte Innocenz IV. den Legaten
"Wilhelm von Modena, Preußen und das mit ihm verbundene
Kulmerland in Diözesen zu teilen. Am selben Tage entledigte
sich Wilhelm zu Anagni dieses Auftrages. Er teilte das Land
der Preußen in vier Diözesen. Im Kulmerland, der ersten Diözese,
sollte dem Bischof das zustehn, was er bereits früher festgesetzt
hatte (vgl. IV.). In den übrigen drei Diözesen sollte das
Prinzip" der Dreiteilung zwischen dem D. O. und den einzu-
setzenden Bischöfen zur Geltung kommen.
Seine Stellung zu Bischof Christian gab Innocenz deutlich
durch ein Schreiben an ihn vom 30. Juli 12432) zu erkennen.
Nachdem er ihn von der durch Wilhelm von Modena getroffenen
Diözesenteilung Preußens in Kenntnis gesetzt hat, fordert er
ihn auf, eine dieser Diözesen für sich zu wählen und mit dem
dritten Teil derselben sich zu begnügen; er solle sich nicht
unterstehn, Ländereien oder Rechte, die zu der auszuwählenden
Diözese gehören werden, zu verleihen, zu entfremden oder zu
verschenken, ohne besonders dazu vom apostolischen Stuhle
bevollmächtigt zu sein; er möge wissen, daß er, der Papst,
alles für null und nichtig erkläre, was er vom Lande
Preußen, vom Kulmerlande oder seinen Einkünften entfremdet
habe oder in Zukunft entfremden werde. Falls er sich die
Kulmer Diözese auswählte, dann sollte ihm hier genügen,
was in dem Vertrag zwischen ihm (Christian), dem Legaten
1) P. ü. B. 142.
2) P. U. B. 144.
Von Alfred Leute. 393
dem Orden und den Einwohnern des Kulmerlandes näher fest«
gesetzt worden sei.
Die Temporalien übrigens, welche ihm nach bischöflichem
Rechte zustehen, solle er im Namen des Papstes und der
römischen Kirche aus der Hand des Legaten selbst empfangen
und sich überhaupt so benehmen, wie es seine bischöfliche
Würde und seine geistliche Ehre erfordere, wie es Gott und
der Kirche zum Ruhm, ihm zum Verdienste und den Gläubigen
in Preußen zur Förderung gereiche.
Am 1. Oktober 1248 *) beauftragt der Papst den Dominikaner-
prior zu Magdeburg, den Bischof von Preußen davor zu warnen,
daß er ferner den D. 0. in Preußen mit Worten und Werken an-
feinde und namentlich durch unbefugte Erteilung von Ablässen
ihm die Almosen schmälere.
Christian wandte sich an das Generalcapitel der Cistercienser,
um durch seine Brüder am apostolischen Stuhle sein gutes Recht
durchzusetzen. Im September oder Oktober 12432) wenden sich
die Cistercienseräbte von Morimond, Altenbergen, Heisterbach,
Hardenhausen, Marienstadt, L$d, Lekno, Dargun, Zinna, Obra
und Paradies an Innocenz IV. Sie erklären, sie hätten die
Urkunden gelesen, welche von Innocenz' Vorgängern, den Päpsten
Innocenz HL, Honorius III. und Gregor IX., dem ehrwürdigen
Bischof von Preußen ausgestellt und nicht im geringsten
verletzt wären oder Grund zum Zweifel an ihrer Echt-
heit böten. ,,Wie sehr sich Bischof Christian angestrengt hat",
heißt es in dieser Bittschrift, „in Preußen Seelen zu gewinnen,
davon sprechen, wenn Menschen schweigen, seine Werke, die
ihm ein lobenswertes Zeugnis ausstellen: Dem Tode hat er sich
um Christi Namen willen ausgesetzt, Gefangenschaft, Fesseln und
Kerker und harte Mißhandlungen geduldig ertragen. Jetzt aber
versuchen gewisse Nebenbuhler, ihm die ihm vom apostolischen
1) P. ü. B. 149.
2) P. U. B. 153.
394 l)ie Beziehungen des Deutschen Ordens z. d. ßischof Christian etc.
Stuhle erwiesenen Gunstbezeugungen auf Grund von Schrift-
stücken, in denen von den früheren Privilegien kein Wort ent-
halten ist, zu entziehen und seine Arbeiten zu entkräften.
Daher fallen wir Eurer Heiligkeit zu Füßen und flehen demütig
für den Bischof und mit ihm, daß Ihr die von Euch und Euren
Vorgängern dem Bischof überwiesenen Privilegien bestätigen
möget, trotz aller Schriftstücke, die zum Nachteil des Bischofs
von seinen Gegnern erlangt sein sollten."
'Auch diese Bitte blieb unerhört.
Am 16. Januar 12451) schreibt Innocenz IV an Christian:
„Wir erinnern uns, daß wir Dir aufgetragen haben, eine von den
durch päpstliche Autorität begrenzten Diözesen nach freier Wahl
auszuwählen. Deshalb befehlen wir Dir, daß Du innerhalb zweier
Monate nach Empfang dieses Schreibens eine von den Diözesen
auswählest, in der Du wie ein Bischof herrschest und Dir wie
einem Diözesanen und loci ordinario gehorcht werde."
Der Dominikanerprior Heinrich erhielt am 6. Februar 1245
den Auftrag,2) den Bischof zur Befolgung des päpstlichen Be-
fehls anzuhalten, und, falls er nicht gehorche, ihn des Amtes
zu entsetzen.
Ob dieses harte Wort noch zu Christians Ohren gekommen
ist, wissen wir nicht.
Christians letzte Tage sind in ein tiefes Dunkel gehüllt;
von dem Ausgange des großen Kampfes, den er mit dem D.O.
auszukämpfen hatte, haben wir keine Kenntnis. Der Catalogus
Episcoporum Culmensium (s. Kulmer Urkundenbuch I., S. 624)
bringt die Nachricht, daß Christian in Marburg begraben sei.
Der Cistercienserorden feierte sein Gedächtnis am 4. Dezember.
„Mit Sicherheit,44 sagt Woelky, „ist jedoch hieraus nicht auf
1) P. U. B. 159.
1) P. ü. B. 166.
Von Alfred Lentz. g9g
den Todestag zu schließen, da in Martyrologien häufig auch
Transpositionen auf andere Tage vorkommen."
Wer wollte Christian seine Teilnahme versagen?
Mögen obige Blätter dazu beitragen, Altpreußens großem
Apostel ein würdiges Gedächtnis im Herzen der Nachwelt zu
sichern !
Exkurs L
Christian* Stellung im Kuimerlande seit der Lonyzer Schenkung.
Die Frage, welche Stellung Christian im Kuimerlande
z. Z. der Ankunft des D. 0. eingenommen hat, ist für die
richtige Auffassung der Beziehungen zwischen dem Bischof und
dem D. 0. von der größten Tragweite.
Wir meinen nun annehmen zu müssen, daß Christian seit
der Lonyzer Schenkung im Besitze des ganzen Kulmerlandes
gewesen sei. Mit dieser Annahme kommen wir zurück auf die
Resultate Hermanns (a. a. 0. S. 46), der noch frei von den
Einflüssen "Watterichs und Waitzs das Verhältnis zwischen
Bischof und Orden ganz objektiv betrachten konnte. In seinem
Exkurs III. bringt er eine Reihe von Beweisen für unsere Annahme
herbei. "Wenn Konrad in der Lonyzer Schenkung erklärt:
„se partem praedicti Colmensis territorii donare Christiano", so
versteht H. darunter den Teil, den Konrad selbst besaß, nämlich
die Güter und Besitzungen ausgenommen, welche Bischof und
Kapitel von Plock Christian übertrugen. H. weist ferner auf
die päpstliche Bestätigungsbulle vom 18. April 1223 hin, wo
Honorius erklärt: ,,idem dux terram eandem (sc. Colmensem)
tibi . . . contulit. . . Nos ergo terram, castra . . . confirmamus.
Auch in dem päpstlichen Schreiben vom 11. April 1240
(P. U. B. 134) ist wieder die Rede davon, daß Christian dem
D. O. das ganze Kulmerland abgetreten habe: „cum terram
396 Die Beziehungen des Deutschen Ordens z. d. Bischof Christian etc.
Colmensem" heißt es daselbst, „idem (episcopus) dictis fratribas
concessisset".
Endlich läßt die Leslauer Urkunde, welche wir in das
richtige Licht gestellt zu haben glauben, keinen Zweifel an der
Richtigkeit unsrer Annahme aufkommen.
Treffend bemerkt Hermann bei Erwähnung dieser Urkunde:
„ceterae conditiones, quae in eadem pactione ad eandem terram
spectant, totam terram Colmensem intelligendam esse, aperte
docent."
Unsere Beweisführung würde aber nicht ausschließen, daß
Herzog Konrad als der Suzerain außer der Burg Kulm auch
noch andere Burgen im Kulmerlande sich zurückbehalten hätte
(castrum Colme et quaedam alia castra in confinio Prutenorum
P. U. B. 72).
Exkurs II.
Zur Chronologie Wilhelms von Modena, des päpstlichen Gesandten
in Preußen.
Vgl. hierfür die Regesten "Wilhelms bei Watterich a. a. 0.
S. 241 und die von Ernst Strehlke bearbeiteten Eegesten Wil-
helms SS. rer. Pruss. S. 116 ff".
Ferner: Krosta: „Wilhelm von Modena als Legat in Preußen".
Ein Beitrag zur ältesten preußischen Kirchengeschichte. Pro-
gramm der städtischen Realschule zu Königsberg in Pr. 1867.
Die Frage, wann Wilhelm von Modena als päpstlicher
Gesandter in PreuJßen geweilt hat, ist für die Darstellung der
Gründungsgeschichte des D. O.-staates von der allergrößten
Wichtigkeit. Auf diese Frage muß hier des Nähern eingegangen
werden, da Perlbach (P. P. St. S. 60) die Ansicht ausgesprochen
hat, daß Wilhelm beim Beginn der ordensritterlichen Thätig-
keit nicht in Preußen anwesend gewesen sei.
„Wilhelm", sagt er, „ist seit Juli 1226 und bis Januar 1230
nicht im Norden, sondern in Italien und gerade 1228 an seinem
Bischofssitz/4
Von Alfred L&ätsL 39?
P. stützt sich für seine Behauptung auf die Strehlkeschen
Regesten (S. 122 und 123). Das Chronicon sive Annales prio-
ratus de Dunstaple berichtet nämlich zum Jahre 1229: „episcopi
Bononiensis et Mutinensis . . ceperunt treugas . . . maxime metu
Federici imperatoris de transmarinis partibus redeuntis". Daß
aber diese Stelle für Wilhelms Chronologie nicht zu verwerten
sei, hebt Strehlke selbst mit den Worten hervor: „Indeß schon
im Juni 1229 kehrte Friederich aus dem heiligen Lande nach
Apulien zurück und der Stillstand wurde am 22. Dezember 1229
durch den Bischof von Reggio abgeschlossen."
In seinen früheren Arbeiten hat übrigens Perlbach Wilhelms
Anwesenheit in Preußen in das Jahr 1229 verlegt. A. M. IX.
S. 559 u. XI. S. 29.
Für dieses Jahr, bezw. die zweite Hälfte des Jahres 1228
Wilhelm als päpstlichen Gesandten in Preußen anzusetzen, zwingen
uns mit Notwendigkeit folgende Gründe:
1. Albericus, Mönch zu Neuf Montier bei Huy an der Maas
berichtet in seiner Weltchronik (SS. rer. Pruss. I., S. 241)
zum Jahre 1228, daß Wilhelm in Preußen viele Heiden bekehrt
ihre Sprache gelernt und den Donat in dieselbe übersetzt habe.
Perlbach hebt kundig hervor, daß man in Huy wohl in der
Lage war, über die Reise Wilhelms genau unterrichtet zu sein
(A. M. IX., S. 559 ff.).
Wir möchten daher nicht daran zweifeln, daß Wilhelm
schon im Jahre 1228 und nicht erst 1229, wie P. will, in
Preußen gewirkt hat. Nur für den 12. Juni 1228 wird Wilhelms
Anwesenheit in Modena au3 Urkunden des Kapitelarchivs daselbst
bezeugt. Wie viel Glaubwürdigkeit diesen Urkunden
zukommt, bleibt indessen noch zu untersuchen (vgl.
SS. rer. Pruss. S. 119 zum Jahre 1225, wo betont wird, daß
die Angaben aus dem Kapitelsarchive sich schwer mit den
sonstigen Nachrichten über Wilhelm vereinbaren lassen).
2. Am 18. Januar 1230 fordert Gregor IX. den D. O. auf,
mannhaft zum Kampfe gegen die Preußen vorzugehen „proviso
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX. Hit 6 u. 6. 26
Ö98 Die Beziehungen des Deutschen Ordens z. d. Bischof Öhristian etc.
ne contra terram illam, que ven. fratrem nostrum Mutinensem
episcopüm dinoscitur recepisse".
"Watterich (a. a. O. S. 212), Toeppen (Hist. comp. Geog. Pr.
S. 36) und Krosta (a. a. O. S. 6) sind der Ansicht, daß mit
jener terra Livland gemeint sei. In Livland war aber bereits
ein selbständiges Staatswesen entstanden; schon 1225 and 122ß
hatte Wilhelm die zwischen dem Bischof und dem Schwertorden
bestehenden Streitpunkte auszugleichen unternommen.
Sollte der Papst da wirklich dem D. O. Absichten unter-
schieben wollen, die auf eine Unterwerfung Livlands hinzielten?
Nur Preußen oder genauer ein Land in Preußen kann unseres
Erachtens mit jener terra gemeint sein.
3. Am 5. Januar 1230 heißt Wilhelm zum erstenmale ur-
kundlich „legatus Prusciae".
An jenem Tage urkundet Herzog Heinrich von Schlesien
mit dem Bischöfe Laurentius von Breslau über den Blutbann
im Neißeschen. (SS. rer. Pruss. S. 123). Vermittelt wird dieser
Vertrag durch den päpstlichen Gesandten Wilhelm von Modena.
Am 6. Februar 1230 treffen wir Wilhelm in Merseburg.
Er unterzeichnet an diesem Tage eine Urkunde mit den Worten:
„Wilhelm, Bischof von Modena, der Gesandte von Preußen, der
damals durch Zufall nach jener Gegend gelangt war."
Dann hatte Wilhelm eine längere Gefangenschaft in Aachen
zu erleiden; am 28. August 1230 unterzeichnet er bereits zu
Ceperano den Frieden zwischen Kaiser und Papst (SS. rer.
Pruss. ebendas.).
Unsere Ansicht ist nun die, daß Wilhelm sich am 5. Januar
1230 bereits auf der Rückreise befand, daß er also vorher als
Gesandter in Preußen gewirkt haben muß.
4. In unserer Stelle IV. heißt es: „Dem Bischof soll im
Kulmerlande das zustehen, was nach gemeinsamer Uebereinkunft
und nach dem Willen des Bischofs von Preußen, der Brüder
des D. 0. und der Leute, die in demselben Lande blieben, fest-
gesetzt war, als zuerst zur Ansiedlung jener verwüsteten
Gegend Leute hinzogen/1
Von Alfred Lentz. 399
Daß auch der Legat bei AbschlieJBung dieses Ueberein-
kommens zugegen war, geht aus Stelle V. hervor. Die Leslauer
Urkunde vom Januar 1230 spricht nun bereits von terrae
arabiles im Kulmerlande und von Leuten, welchen der Bischof
hier Land als Lehen verliehen hat.
Es kann somit kein Zweifel sein, daß die von uns re-
konstruierten Auseinandersetzungen vor den Januar 1230 zu
setzen sind.
« »«■»♦ ■
26*
Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen
Vernunft und Kant's Prolegomena.
Von
Emil Arnoldl.
Anhang* zu der Abhandlung*:
Die äussere Entstehung und die Aifassvnpzeit der Kritik
der reinen Venranfl.
No. 4 und No. 5.
Characteristik von Kant's Vorlesungen über Metaphysik und möglichst
vollständiges Verzeichniss aller von ihm gehaltener oder auch nur
angekündigter Vorlesungen.
Ich habe mich anheischig gemacht, unter der No. 4 und 5
dieses Anhangs Verzeichnisse von Kant's Vorlesungen über
philosophische Encyklopädie und über Metaphysik zu liefern.
Dem Zwecke dieses Anhangs aber, von den Nebenfragen, die
sich bei der Untersuchung über die äußere Entstehung der Krit.
d. r. V. erheben, wenigstens einige ausführlicher zu beantworten,
kann die Einlösung meines Wortes nur dann recht dienen, wenn
sie nach der vorangegangenen Behandlung von Kant's Collegien
über Anthropologie und physische Geographie nun neben seinen
Collegien über philosophische Encyklopädie und über Metaphysik
auch alle seine übrigen Collegien während der Jahre 1770—1780
mindestens äußerlich berücksichtigt, d. h. neben den Gegen-
ständen, denen sie galten, ihre wöchentliche Stundenzahl und
wo möglich ihre Dauer für jedes Semester angiebt. Denn nur
aus der wöchentlichen Gesammtzahl der Stunden, die Kant
seiner akademischen Lehrthätigkeit widmete, läßt sich die Zeit
bemessen, die er außer den Universitätsferien neben den ihm
nöthigen Erholungen zu Meditationen für die Krit. d. r. V. und
zur Abfassung derselben übrig behielt. Noch ersprießlicher aber
Von Emil Arnoldt. 401
wird die Ausführung meines Vorhabens jedenfalls dann, wenn
sie sich über Kant's gesaramte akademische Lehrthätigkeit vom
Jahre 1755 an bis zum Jahre 1796 hin in der angegebenen
Weise erstreckt. Denn damit liefert sie, wenn auch kein Bild,
doch einige umrisse zu einem Bilde von seiner akademischen
Lehrthätigkeit, die einen Haupttheil seiner Gesammtwirksamkeit
ausmachte, ob sie sich gleich, wenigstens extensiv, nahezu in
demselben Grade einschränkte, in welchem sich der Kreis seiner
schriftstellerischen Thätigkeit mehr und mehr erweiterte. Selbst-
verständlich braucht die Uebersicht, die ich geben werde, Kant's
früher behandelte Vorlesungen über Anthropologie und über
physische Geographie jetzt kaum mehr, als mit einfacher Notirung
in den Semestern, in denen sie Statt fanden, zu berück-
sichtigen.
Wenn es aber vorhin nahe lag, Kant's Collegia über
physische Geographie und über Anthropologie nicht blos der
Reihe nach anzuführen, sondern beide nach ihrer theils gemein-
schaftlichen, theils verschiedenen Tendenz einigermaßen zu
characterisiren, so liegt der Versuch zu einer ähnlichen Charac-
teristik, was seine übrigen Collegia anlangt, bei zwei von ihnen
ebenso nahe: der Logik und der praktischen Philosophie oder
Moral, und bei einem noch näher und am nächsten: der Meta-
physik. Denn die fünf Collegia über Logik, Metaphysik, Moral,
physische Geographie, und Anthropologie waren seine Principal-
Collegia. In ihnen trat die Originalität seiner Lehrmethode
und seiner Lehrmeinungen am deutlichsten hervor. Er las sie
am häufigsten, die Studenten besuchten sie am zahlreichsten,
auch Männer besuchten sie, die ihr akademisches Triennium
längst absolvirt, und, wie es scheint, mitunter auch solche, die
keiner Universität je als deren Bürger angehört hatten. So
waren sie es, die Kant's Bedeutung und Ruhm als akademischen
Lehrers begründeten und aufrechthielten. Unter diesen fünf
Vorlesungen aber nimmt sich — um anderer Gründe nicht zu
gedenken — die Metaphysik schon deshalb von den übrigen
aus, weil sie in jeder ihrer vier Abtheilungen mit je einer der
402 Zur Beurtheilung von Eant's Kritik der reinen Vernunft etc.
übrigen Vorlesungen mehr oder weniger in Berührung kommt:
in der Ontologie mit der Logik, in der Kosmologie — wenn
auch nur anstreifend — mit der physischen Geographie, in der
Psychologie mit der Anthropologie, und in der rationalen Theo-
logie mit der Moral.
Niedrigeren Banges als die fünf eben genannten Collegia
sind vier andere: über philosophische Encyklopädie, Naturrecht,
Pädagogik, und natürliche Theologie, unter welchen sich die
beiden ersteren in sehr weitem, die beiden letzteren in noch
viel weiterem Abstände von den fünf vorher genannten befinden.
Doch verdienen die Vorlesungen über natürliche Theologie, von
denen Pölitz eine Nachschrift veröffentlicht hat, neben der
Pölitz'schen Ausgabe und anderen ungedruckten Nachschriften
von Kant's Vorlesungen über Metaphysik eine genauere Beachtung,
weil sie neben diesen allerdings wichtigeren Quellen doch immer-
hin zur Erkenntnis der Differenz zwischen Kant dem akademi-
schen Lehrer und Kant dem Schriftsteller beitragen. Die Vor-
lesungen über Naturrecht, von denen ich nie eine Nachschrift
gesehen habe, könnten wohl noch einige Beleuchtung erhalten,
wenn aus Kant's Handexemplar des dabei von ihm zu Grunde
gelegten AchenwalFschen Compendiums seine darin aufgezeich-
neten Anmerkungen veröffentlicht würden. Auch von seinen
Vorlesungen über philosophische Encyklopädie weiß ich nichts
mehr, als was darüber das unten folgende Verzeichnis seiner
Collegien enthält. Mit Hilfe des Feder'schen Compendiums,
von dem er dabei ausging, lassen sich über die Behandlung
seines Themas eben so wenig irgend wie fruchtbare Vermuthungen
aufstellen, als mit Hilfe der kurzen Notiz in seinem Briefe an
Herz vom 15. Decbr. 1778, daß aus der Nachschrift, die er ihm
damals von jenem Collegium überschickte, etwas zu entnehmen
wäre, das einen systematischen Begriff der reinen Verstandes-
erkenntnisse, so fern sie wirklich aus einem Princip in uns
entspringen, erleichtern könnte.
Ebenso ist nicht viel Bestimmtes anzugeben von den
Collegien, welche die dritte und letzte Gruppe ausmachen, von
Von Emil Arnoldt. 403
den Collegien über: Physik, Mathematik, die mechanischen
Wissenschafben (Mechanik, Hydrostatik, Hydraulik, Aerometrie),
und Mineralogie. Unter diesen steht das Colleg über Physik
den drei anderen weit voran. Kant las es fast so oft als die
Anthropologie und bis in die spätere Zeit seiner Lehrthätigkeit
hin (zum letzten Male 1787/88), während er Mathematik und
die mechanischen Wissenschaften nur als Privatdocent vortrug,
die Mineralogie allerdings in dem zweiten Semester seiner Pro-
fessur (1770/71), jedoch nur ein einziges Mal. Wenn noch aus-
führliche Nachschriften von seinem Colleg über Physik vor-
handen wären, so würde die Durchforschung derselben gewiß
Ergebnisse liefern, welche die Einsicht in sein originales Denken,
sein vorsichtiges Hypothesen-Bilden, sein weit ausgreifendes
Wissen nicht um ein Geringes bereicherten.
Hiernach bin ich allein schon durch das mir zugängliche
Material genöthigt, meine Bemerkungen über Kant's Collegia
auf die der ersten Gruppe einzuschränken und aus der zweiten
höchstens das Colleg über natürliche Theologie zu berücksichti-
gen. Doch sehe ich mich zu einer noch engeren Einschränkung
veranlaßt. Denn, um eine größere Weitläufigkeit zu vermeiden,
als mir ohnehin blos die Besprechung seines Hauptcollegs an
der Hand der mir zugänglichen Nachschriften desselben auferlegt,
werde ich im Folgenden seine Collegia über Logik und über
Moral gar nicht berücksichtigen, sondern wie ich unter der
vorigen Nummer dieses Anhangs sein Colleg über physische
Geographie behandelt habe, so jetzt nur sein Colleg über Meta-
physik einer Beurtheilung unterziehen. Ehe ich aber dazu
übergehe, möchte ich die mit Recht gepriesene Tendenz, welche
Kant in seinen Collegien durchweg verfolgte, aus dem Gesichts-
puncte betrachten, daß sich in Folge derselben seine Vorträge
unmöglich zu einem unmittelbaren, reinen und vollgiltigen Aus-
druck seiner Lehrmeinungen und Ueberzeugungen gestalten
konnten.
Demnach wird die folgende Abhandlung zwei Abtheilungen
enthalten. Die erste derselben soll zunächst die Tendenz,
I
404 Zur BeurtheihiDg von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
Methode und Vortragsform von Kant's Collegien aus dem ange-
zeigten Gesichtspuncte erwägen, sodann im Besonderen sein
metaphysisches Colleg characterisiren und die mir zugänglichen
Nachschriften desselben namhaft sowie über deren Ursprungs-
periode und äussere Beschaffenheit Mittheilung machen, endlich,
was den Inhalt derselben anlangt, den einen und den anderen
der darin erörterten Begriffe herausheben und vom Standpuncte
des in Kant's Druckschriften entwickelten Kriticismus mehr
oder weniger angelegentlich prüfen. Darauf soll die zweite Ab-
theilung ein möglichst vollständiges Yerzeichniß von allen
Collegien Kant's mit den darüber mir etwa zu Gebote stehen-
den näheren Notizen entwerfen.
I. Abtheilung.
Allgemeiner Character der Kanf sehen Collegia und sein
metaphysisches Colleg im Besonderen.
1. Tendenz, Methode und Vortragsform seiner Collegia.
a) Tendenz.
Kant hat bereits in der „Nachricht von der Einrichtung
seiner Vorlesungen in dem Winterhalbjahre von 1765— 1766"
ausführlich die Tendenz seiner Collegia bezeichnet. Der
Lehrer solle an seinem Zuhörer erstlich den verständigen,
dann den vernünftigen Mann, endlich den Gelehrten
bilden, — den ersten, indem er ihn auf dem Wege der Er-
fahrung zu Urtheilen, die aus der Anschauung gewonnen werden,
und durch diese Urtheile zu Begriffen führe, den zweiten, indem
er das Verhältniß der Begriffe zu ihren Gründen und Folgen
aufweise, den dritten, indem er die Begriffe in einem nach
Principien der Wissenschaft geordneten Ganzen erkennen lasse.
Er solle nicht tragen, sondern leiten, und sein Zuhörer nicht
Gedanken, sondern denken lernen, nicht Philosophie, son-
dern philosophiren lernen. Lernen ließen sich nur die hi-
storischen und die mathematischen Wissenschafben, aber die
Philosophie schon deshalb nicht, weil noch keine wirklich vor-
Von Emil Arnoldt. 405
banden sei. Man könne nicht, wie etwa den Polyb, um einen
Umstand der Geschichte, oder den Euklid, um einen Satz der
Größenlehre zu erläutern, eben so ein Buch der Weltweisheit
vorzeigen und sagen: Hier ist zuverlässige Einsicht, lernet es
verstehen, bauet darauf, so seid ihr Philosophen. In jenen
Wissenschaften sei ein gemeinschaftlicher Maßstab da, in dieser
aber habe jeder seinen eigenen. Daher gebe es in keiner Art
der Gelehrsamkeit vom Handwerke so viele Meister, als in der
Philosophie. Auch schicke es sich für die Philosophie nicht,
eine Brotkunst zu sein. Denn es widerstreite ihrer wesentlichen
Beschaffenheit, sich dem Wahne der Nachfrage und dem Gesetze
der Mode zu bequemen, und nur die Nothdurft, die noch über
die Philosophie ist, könne sie nöthigen, sich in die Formen des
gemeinen Beifalls zu schmiegen. Daher mißbrauche man das
Zutrauen des gemeinen Wesens, wenn man die der Universität
anvertraute Jugend mit einer vorgeblich schon fertigen Welt-
weisheit hintergehe, die ihr zu gute von anderen wäre ausge-
dacht worden, anstatt daß man ihre Verstandesf&higkeit erweitere,
damit sie künftig selbst ihre eigene Einsicht reifer ausbilde.
So durfte er kurzweg erklären: „Die Methode, selbst nachzu-
denken und zu schließen, ist es, deren Fertigkeit der Lehrling
eigentlich sucht, — — wovon die etwa zugleich erworbenen
entschiedenen" (dogmatischen) „Einsichten als zufällige Folgen
angesehen werden müssen, zu deren reichem Ueberflusse er nur
die fruchtbare Wurzel in sich zu pflanzen hattf (R I, 292. —
H. 1867. n, 315).
Hiernach war Erweiterung der Verstandesfahigkeit, An-
leitung zum Selbstdenken, Erweckung des Entschlusses und
Entwickelung des Vermögens, zu philosophiren, die Tendenz
fast aller Kant'schen Collegia, zumal aber seiner rein philosophi-
schen; wobei der akademische Lehrer selbst in der Bethätigung
jenes Entschlusses und der Ausübung jenes Vermögens natürlich
der akademischen Jugend Beispiel und Muster werden sollte.
Diese Tendenz hat Kant durch die ganze Zeit seiner fol-
genden akademischen Lebrthätigkeit festgehalten. In der Krit.
406 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
d. r. V. äußert er sich da, wo er von dem Unterschiede der
historischen und rationalen Erkenntniß handelt, freilich so, als
hätte er die trübe Erfahrung gemacht, daß die objectiv philo-
sophische Erkenntniß ,,bei den meisten Lehrlingen" subjectiv
doch nur historisch bleibe. Trotzdem aber und zum Theil viel-
leicht gerade deshalb schärft er wieder ein: „Man kann —
„unter allen Vernunftwissenschaften (a priori) nur allein Mathe-
„matik, niemals aber Philosophie (es sey denn historisch), sondern,
„was die Vernunft betrifft, höchstens nur philosophiren lernen".
Und obschon er am Ende überzeugt war, den einzigen, sehr
durch Sinnlichkeit verwachsenen Fußsteig entdeokt zu haben,
auf welchem es gelingen dürfte, dem Urbilde der «objectiven
Philosophie, einer bloßen „Idee von einer möglichen "Wissen-
schaft" als dem System aller philosophischen Erkenntniß, einer
Idee, „die nirgend in concreto gegeben ist", -das bisher verfehlte
Nachbild einer subjectiven Philosophie, so weit als es Menschen
vergönnt ist, gleich zu machen — was, wenn es gelänge, aller-
dings in gewissem Grade die Unmöglichkeit, Philosophie zu
lernen, aufhöbe — so gab er doch das an seine Erklärung vom
Jahre 1765 anklingende Urtheil ab: „Bis dahin kann man keine
„Philosophie lernen; denn, wo ist sie, wer hat sie im Besitze
„und woran läßt sie sich erkennen? Man kann nur philosophiren
„lernen, d. i. das Talent der Vernunft in der Befolgung ihrer
„allgemeinen Principien an gewissen vorhandenen Versuchen
„üben, doch immer mit Vorbehalt des Rechts der Vernunft, jene
„selbst in ihren Quellen zu untersuchen und zu bestätigen, oder
„zu verwerfen". (R. II. 645. 646. — H. III, 551 u. 562.)
Damit wird nun der Begriff des Philosophiren-Lernens in
seiner Anwendung auf jedermann, dem Philosophie angelegen
ist, mithin nicht blos auf Lehrlinge und Lehrer der Philosophie
näher etwa so bestimmt: Alles Philosophiren ergiebt vorläufig
höchstens eine subjective Philosophie und ist immer noch ein
bloßes Philosophiren-Lernen in der Art, daß die jedem Menschen
eigentümliche Naturanlage, a priori zu erkennen, geübt werde
mittelst der Prüfung, vor allem zufolge welcher Methode die vor-
Von Emil Arnoldt. 407
handenen subjectiven Philosophien Erkenntniß haben gründen,
weiter durch welche Kategorien sie die gegebenen Erscheinungen
haben verstehen und, nach Auffindung allgemeiner Gesetze für
alles Bedingte, durch welche Ideen das Bedingte aus dem Un-
bedingten begreifen wollen. Bei dieser Prüfung, die allerdings
ein autoritätsfreies Denken, aber vom Standpunct der zu prüfen-
den subjectiven Philosophie vollzieht, um die Methode derselben
in ihrer Tragweite und consequenten Anwendung zu beurtheilen,
bleibt das Recht der aus allen subjectiven Philosophien zur ob-
jectiven Philosophie hinstrebenden allgemeinen Menschenvernunft
vorbehalten, in einer fort und fort zu erneuenden Kritik ihrer
selbst jene Methode, jene Kategorien und Ideen zu bestätigen,
oder zu verwerfen auf Grund einer Untersuchung über die
Quellen, den Umfang und Gebrauch wie die Grenzen alles
menschlichen Wissens.
Daß diese Auslegung der oben citirten Stelle aus der
Krit. d. r. V. richtig und unter „Befolgung ihrer allgemeinen
Principien" nicht etwa Anwendung der Maximen der Vernunft
zur Vermeidung des Irrthums und zur Annäherung an das
Urbild der "Weisheit zu verstehen ist, nämlich: Selbstdenken,
sich in die Stelle jedes anderen denken, jederzeit mit sich selbst
einstimmig denken, erhellt schon aus der Erwägung: es bedarf
keiner Untersuchung überhaupt und zumal keiner Untersuchung
ihrer Quellen, um jene Maximen zu bestätigen; sie verwerfen
hieße: alles Philosophiren in seinen Lebenskeimen ertödten.
Mit dieser Auslegung harmonirt auch eine Auseinander-
setzung in der Einleitung zu Kant's Logik, ob sie gleich übrigens
die in der Krit. d. r. V. einigermaßen statuirte Möglichkeit,
Philosophie zu lernen, schlechthin negirt:
„Es kann sich überhaupt Keiner einen Philosophen nennen,
„der nicht philosophiren kann. Philosophiren läßt sich aber nur
„durch Uebung und selbsteigenen Gebrauch der Vernunft lernen.
„Wie sollte sich auch Philosophie eigentlich lernen lassen? —
„Jeder philosophische Denker baut, so zu sagen, auf den Trüm-
„meru eines andern sein eigenes Werk; nie aber ist eines zu
408 Zur Beurth eilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
„Stande gekommen, das in allen seinen Theilen beständig ge-
,,wesen wäre. Man kann daher schon aus dem Grunde Philo-
sophie nicht lernen, weil sie noch nicht gegeben ist. Ge-
setzt aber auch, es wäre eine wirklich vorhanden: so würde
„doch Keiner, der sie auch lernte, von sich sagen können, daß
„er ein Philosoph sey; denn seine Kenntniß davon wäre doch
„immer nur subjectiv-historisch.
„In der Mathematik verhält sich die Sache anders. —
„Die Beweise sind hier so evident, daß ein Jeder davon über-
zeugt werden kann; auch kann sie ihrer Evidenz wegen, als
„eine gewisse und beständige Lehre, gleichsam aufbehalten
„werden.
„Der philosophiren lernen will, darf dagegen alle Systeme
„der Philosophie nur als Geschichte des Gebrauchs der
„Vernunft ansehen und als Objecte der Uebung seines philo-
sophischen Talents.
„Der wahre Philosoph muß also als Selbstdenker einen
„freien und selbsteigenen, keinen sklavisch nachahmenden Ge-
brauch von seiner Vernunft machen. Aber auch keinen dialek-
tischen, d. i. keinen solchen Gebrauch, der nur darauf ab-
„zweckt, den Erkenntnissen einen Schein von Wahrheit und
„Weisheit zu geben. Dieses ist das Geschäft des bloßen
„Sophisten — — — — — — — — — — — —
■
„Philosophie — — — schließt gleichsam den wissenschaft-
lichen Cirkel und durch sie erhalten sodann erst die Wissen-
schaften Ordnung und Zusammenhang.
„Wir werden also zum Behuf der Uebung im Selbst-
„denken oder Philosophiren mehr auf die Methode unsers Ver-
„nunftgebrauchs zu sehen haben, als auf die Sätze selbst, zu
„denen wir durch dieselbe gekommen sind." (ß. JH, 187 — 189.—
H. VIII, 26 u. 27.)
Hier wird ausdrücklich gesagt: 1. Wer philosophiren lernen
will, hat vor allem auf die Methode des Vernunftgebrauchs in
subjectiven Philosophien und erst hinterher auf die mit Hilfe
Von Emil Arnoldt. 409
der Methode gewonnenen Sätze zu achten. 2. Er hat demnach
alle bisherigen Systeme der Philosophie nur als Uebungsobjecte
für sein philosophisches Talent zu behandeln, d. h. die vorhan-
denen subjectiven Philosophien zunächst kennen zu lernen, dann
aber dahin zu prüfen, ob ihre Methoden consequent angewendet
und die damit angeblich gewonnenen Resultate wirklich da-
durch ermöglicht worden, - worauf im Falle entdeckter In-
consequenzen die Forschung nach einer neuen Methode mit dem
Ausblick auf das Ziel einer objectiven Philosophie einzutreten
hätte. 3. Er soll eingedenk bleiben, daß die Philosophie nie
und nimmer könne gelernt werden.
In den beiden ersten dieser Sätze ist die Uebereinstimmung
mit den oben aus der Krit. d. r. V. behandelten Citaten offen-
bar, und eben so scheint es die Abweichung davon in dem
dritten. Aber die Differenz ist auf hebbar. Denn allerdings
kann niemand ein Philosoph werden dadurch, daß er die ob-
jective Philosophie, wenn sie gegeben wäre oder einst gegeben
würde, historisch erlernte, wie auch niemand ein Mathematiker
dadurch, daß er den Euklid und andere mathematische Werke
auswendig lernt. Wie jedoch die Mathematik rational kann er-
lernt werden, indem sich der Intellect im Verein mit der An-
schauung von der Richtigkeit der mathematischen Sätze und
Beweise, Formeln und Operationen überführt und bei dieser
Ueberfiihrung sich so cultivirt, daß er auf dem Gebiete der
Mathematik zu eigener Productivität gelangt, so könnte auch
die Philosophie rational erlernt werden, wenn sie als „eine ge-
wisse und beständige Lehre" ins Dasein träte. Auch würde die
Vernunft desjenigen, der die einst etwa vorhandene objective
Philosophie rational erlernte, ihre Productionsfähigkeit sicher
durch dieses rationale Lernen so gesteigert erhalten, daß sie auf
philosophischem oder anderem Gebiete neue Einsichten zu er-
zeugen vermöchte.
IndeJß ist der Streit um diese Frage müßig, da die objective
Philosophie nicht existirt und vielleicht nie existiren kann, in sofern
sie als Idee, obgleich wirksam, dennoch nicht zu verwirklichen ist.
410 Zur BeurtheiluDg von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
Also bleibt es dabei: Man kann nicht Philosophie lernen,
sondern nur philosophiren. Zu diesem Zwecke aber muß man
der Methoden Herr werden, — der falschen Methoden, um sie
zu vermeiden, der richtigen Methode, um sie anzuwenden.
Darauf läuft schließlich alles Philosophiren- Lernen hinaus.
In den auf der Königsberger Kgl. und Universitäts-Biblio-
thek vorhandenen Nachschriften von Kant's Vorlesungen über
,,die Vernunftlehreu im Sommersemester 1782 und im Sommer-
semester 1793 finden sich fast genau dieselben Gedanken, als
die eben besprochenen aus der Krit. d. r. V. und der Einleitung
in die Logik. Um diese Uebereinstimmung zu constatiren, hebe
ich zunächst aus der Nachschrift der 1782 er Vorlesung folgende
Sätze heraus: S. 5. „Eine Erkentniß kan aus der Vernunft ent-
standen seyn, allein die Art wie ich sie erkenne, ist doch
„historisch, wenn ich sie nämlich mir erwerbe, wie sie mir
„gegeben war, z. B. der Polyhistor, der die Philosophie der
„Alten studirt. Hier ist die Erkentniß objective eine Vernunft-
„Erkentniß, subjective aber historisch. Es ist zweyerley Philo-
sophie lernen and philosophiren lernen. Es ist einer der
„größten Fehler in der Unterweisung, wenn man Systeme der
„Philosophie eines Autors auswendig lernen läßt, ohne über den
„Autor urtheilen zu laßen. Es ist daher nöthig in der Methode
„der Vernunft mehr Vernunft zu gebrauchen". — S. 6. „Die
„Philosophie kann nicht erlernt werden, weil ein jeder Philosoph
„auf den Trümmern eines anderen sein eigenes Gebäude auf*
„richtet, und wenn mir würklich ein System gegeben würde,
„welches so klar wäre, daß es auf immer unwidersprechliehe
„Säzze enthielte, so würde ich dennoch kein Philosoph seyn,
„wenn ich alle Säzze desselben auswendig lernte. Ich würde
„dann nicht philosophiren lernen, sondern ein historisches Er-
„kentniß besizzen, ohne die Quellen, woraus es geschöpft wäre,
„zu wißen." — — — . „Philosophie schließt den Cirkel"
[sc. aller Wissenschaften]. — — „Indem wir die Philosophie
„als Geschicklichkeit betrachten, so werden wir" [mehr] „auf
„die Methode derselben, als auf die Absicht, worauf sie gerichtet
Von Emil Arnoldt. 411
„ist sehen. Auf die obersten Maximen werden wir freylich
„auch unsre Blicke richten, allein da wir durch die Methode
„angefuhret werden, wie wir philosophiren lernen sollen, und
„folglich die Philosophie den menschlichen Geist in die gröfte
„Freiheit sezt, so verdient sie" [die Methode] „die gröfte Auf-
merksamkeit".
Aus der 1793er Vorlesung citire ich: S. 11 und 12. „Eine
„Erkenntniß kann subjectiv historisch zugleich aber auch ob-
„jectiv rationell seyn z. B. Religionswahrheiten, die blos durch
„die Vernunft erkannt werden, sind für den, der den Catechismum
„lernt, oder insoweit sie blos auf OfFenbahrung beruhen, subjectiv
„historisch: ebenso mit der Moral. — Darin liegt der Unter-
schied zwischen lernen zu philosophiren, und Philosophie
„lernen. Der letztere lernt die theoretischen Begriffe die ihm
„sein Meister z. E. Baumgarten in den über" [??] „notionibus
„philosophiae, gesammelten WolFschen Definitionen vorträgt;
„er erlangt eine bloß historische Kenntniß, ohne sich zum Denken
„zu gewöhnen. Der erstere lernt die Methode zu denken, er ist
„freilich auch im Zustande der Receptivität, er ist sogar bey
„communication der materiellen Kenntniße blos empfänglich:
„aber er lernt zugleich die Methode, woran er die ihm vorge-
tragene Theorie prüft, und sich selbst von ihrer Consequenz
„Ueberzeugung schaft. Indeß liegt an der vom Lehrer ge-
wählten Methode und der richtigen Fassung sehr viel."
Man sieht hieraus: Kant ließ sich nicht verdrießen, immer
von neuem die Mahnung zu wiederholen, daß die Fruchtbarkeit
des philosophischen Studiums dem Philosophiren -lernen und
nicht dem Lernen einer Philosophie entquelle, und ferner: er
ließ sich trotz seiner mehr und mehr gefesteten Ueberzeugung
von der dauerhaften Unerschütterlichkeit seines Systems nie die
Prätension jener absoluten und autoritativen Wahrheitserkennt-
niß beikommen, durch deren Besitz das philosophirende Subject
der Philosoph und das System desselben die Philosophie
würde geworden sein.
Freilich wäre für Kant durch einen solchen Wahrheits-
412 Zur Beurth eilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
besitz allein das philosophirende Subject doch nicht schon der
Philosoph gewesen! Dies bestätigt eine Bemerkung in der
Nachschrift der 1793er Vorlesung, welche hier auch einen Platz
finden mag.
Kant hat nämlich, wie notorisch ist, wiederhol entlich er-
klärt, daß sich niemand selbst einen Philosophen zu nennen an-
maßen dürfe (R. II, 646), wenn darunter, nach der Forderung
der Alten, ein Weisheitslehrer verstanden werde als Meister
in Kenntniß der Weisheit, „der auch die unfehlbare Wirkung
derselben (in Beherrschung seiner selbst und dem ungezweifelten
Interesse, das er vorzüglich am allgemeinen Guten nimmt) an
seiner Person, als Beispiele, aufstellen kann" (R. VIII, 243 u.
244. — Vgl. IX, 217 und 218 Anm. — VII, 2 A., 207 Anm. -
III, 185 unt. — ). Auch nach der 1793er Nachschrift wird die
Philosophie eingetheilt in: a) eine Kunstlehre und b) eine Weis-
hfeitslebre „als System philosophischer Erkenntniß, insofern sie
„auf den höchsten möglichen, nothwendigen Zweck der Mensch-
„heit, nämlich das höchste Gut gerichtet wird, Erkenntniß unserer
„Pflichten und active Ausübung unserer Pflichten". Dann heißt
es weiter: „In dieser Rücksicht ist es schwer, zu bestimmen, ob
„ein Mensch den Nahmen eines Philosophen erreichen wird.
„Herr Kant würde den Herrn Sulzer dafür bestirnt haben,
„wenn man ihn mit der ausgebreiteten materiellen Kenntniß
„eines Leibnitz und mit dem unpartheyischen Urtheil eines Hume
„hätte verbinden können". Das soll wohl ohne Zweifel den
Sinn haben: Kant würde Sulzer für einen Philosophen in der
antiken Bedeutung des Wortes genommen haben, wenn derselbe
neben seinen anderen Eigenschaften zugleich die ausgebreitete
sachliche Kenntniß eines Leibniz und das vorsichtig abwägende
Urtheil eines Hume besessen hätte.
Abgesehen von der hohen Achtung, die hier Sulzern ge-
zollt, und die für Kant's Schätzung von Menschen werth
characteristisch ist, hat jene Bemerkung auch Wichtigkeit als
Zeugniß dafür, daß Kant den wahren Philosophen, welcher mit
Sulzer's besonnener Lebensführung und thätigem Interesse an
Von Emil Arnoldt. 413
dem allgemeinen Weltbesten das unbefangene und vorsichtige
Urtheil Hume's und den versatilen, reichen und durch Wissen
bereicherten Geist eines Leibniz vereinige, auf solche Art ge-
wissermaßen als den vernünftigen, verständigen und ge-
lehrten Mann dachte, den er nach der „Nachricht von der Ein-
richtung seiner Vorlesungen in dem Winterhalbjahre von
1765 — 1766" in den Bürgern der Akademie heranzubilden den
Vorsatz hatte.
b) Methode und Vortragsform.
Um nun philosophiren lernen zu lehren, — welche Methode
und welche Vortragsform mußte Kant für seine Collegia wählen,
wenn unter Methode die nothwendige, durch die Natur eines
wissenschaftlichen Objects , eines wissenschaftlichen Strebens
bestimmte Ordnung des Denkens, und unter Vortragsform die
Art der Gedankenmittheilung verstanden wird, um sich anderen
verständlich zu machen? (vgl. R. III, 180. - H. VIII, 20.).
„An der vom Lehrer gewählten Methode und der richtigen
Faßung liegt sehr viel", wie das aus der 1793 er Vorlesung
so eben gegebene Excerpt besagt.
Ueber die Methode, die er als Lehrer befolgte, hat er sich
schon in der „Nachricht" u. s. w. vom Jahre 1765 hinlänglich
klar mit den wenigen Worten ausgesprochen: „Die eigentüm-
liche Methode des Unterrichts in der Weltweisheit istzetetisch,
„wie sie einige Alte nannten (von tr\veiv)^ d. i. forschend,
„und wird nur bei schon geübterer Vernunft in verschiedenen
„Stücken dogmatisch, d. i. entschieden" (R. I, 292. — H. II,
315.). Diese Methode scheint er auch für die späteren Jahre
seiner Lehrthätigkeit, und zumal in seinen Collegien über Logik
und über Metaphysik, beibehalten zu haben, obgleich die mir
bekannten Nachschriften derselben nicht das Recht geben, es zu
behaupten. Doch hat Jachmann es bezeugt, indem er sagt:
„Nie war es Kants Absicht, eine Logik seinen Zuhörern bei-
zubringen, sondern sie denken zu lehren", und ferner: „Eine
„besondere Kunst bewies er bei der Aufstellung und Definition
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX. Hft. 5 u. 6. 27
4 14 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
„metaphysischer Begriffe dadurch, daß er vor seinen Zuhörern
„gleichsam Versuche anstellte, als wenn er selbst anfinge, über
„den Gegenstand nachzudenken, allmählig neue bestimmende
„Bögriffe hinzufügte, schon versuchte Erklärungen nach und
„nach verbesserte, endlich zum völligen Abschluß des vollkommen
„erschöpften und von allen Seiten beleuchteten Begriffes über-
„ging, und so den strenge aufmerksamen Zuhörer nicht allein
„mit dem Gegenstände bekannt machte, sondern ihn auch zum
„methodischen Denken anleitete" (I. Kant geschildert in
Briefen etc. S. 29.).
Dagegen hat Kant über die Vortragsform seiner Collegia
keine ausdrückliche Angabe gemacht, abgesehen davon, daß er
in der „Nachricht" u. s. w. die bei seiner Tendenz und seiner
Methode fast selbstverständliche Bemerkung einschaltete: „Auch
„soll der philosophische Verfasser, den man etwa bei der Unter-
,, Weisung zum Grunde legt, nicht wie das Urbild des Urtheila,
„sondern nur als eine Veranlassung selbst über ihn, ja wider
„ihn zu urtheilen, angesehen werden" (R. I, 292. — H. II, 315.).
Denn was er dort noch über die Behandlung der Wissenschaften,
die er vortragen wollte, specieller notificirt, betrifft einerseits
den Inhalt derselben, den er im Umrisse beschreibt und nach
Haupttheilen gliedert, andererseits den Lehrgang, den er einzu-
schlagen, das methodische Verfahren, das er zu befolgen ge-
dachte. Späterhin hat er in seinen Werken allerdings gelegent-
lich über den Vortrag der drei philosophischen Grundwissen-
schaften Anmerkungen gemacht, — über den scholastischen und
den populären Vortrag der Logik (R. III, 179 u. 180. —
H. Vin, 19 u. 20.), ferner daß keine formelle Metaphysik
könne populär werden (R. IX, 4. — H. VII, 4.), vorzüglich je-
doch über die Sittenlehre. Die Lehre der Sitten sei auf
Metaphysik zu gründen, und ihr, wenn sie fest stehe, durch
Popularität Eingang zu verschaffen, mithin eine erste Unter-
suchung ihrer Grundsätze nothwendig ohne Anspruch auf das
höchst seltene Verdienst einer wahren philosophischen Popularität
(R. VIII, 32. — H. IV, 257. — Vgl. R. VII, 2. A., 26. -
Von Emil Arnoldt. 415
H. Vll, 450.). Freilich dürfe der Vortrag des moralischen
Princips eben nicht allemal metaphysisch und scholastisch sein,
wenn der Lehrer nicht etwa den Lehrling zum Philosophen
bilden wolle; aber ob auch Metaphysik die Orakel- oder genie-
mäßig über Pflichtenlehre absprechenden Weisheitslehrer noch
so sehr anekele: „auf ihren Bänken selbst erst die Schule zu
machen", sei für diejenigen, die sich zu solchen Lehrern auf-
werfen, unerläßliche Pflicht (R. IX, 219 u. 220. — H. VII, 178
u. 179.). Denn in der Unterscheidung der Glückseligkeitslehre
von der Sittenlehre müsse man so pünctlich, ja, wenn es auch
hieße, peinlich, so scholastisch verfahren, als je der Geometer
in seinem Geschäfte (E. VIII, 221 u. 222. IX, 5. — H. V, 97.
VII, 4). Ob nun gleich diese Bemerkungen an und für sich
von Bedeutung und dazu keineswegs blos für die schrift-
stellerische Behandlung der genannten Wissenschaften giltig
sind, so führen sie doch in Bezug auf die Vortragsform seiner
Collegia zu keiner weiteren Einsicht, als daß er sich in ihnen
im Allgemeinen mehr des scholastischen, als des populären, im
Besonderen in der Logik vorzugsweise des scholastischen, in der
Metaphysik nur des scholastischen, in der Ethik bei der Grund-
legung der Principien des scholastischen, bei der Durchführung
derselben, wo und wie immer er konnte, des populären Vor-
trages wird befleißigt haben.
Also verbreitet sich diese Einsicht nicht über die Vortrags-
form seiner Collegia als ein Resultat aus der Tendenz und der
Methode derselben. Gleichwohl liegt zu Tage: wenn er wollte
philosophiren lehren und daher, wie sich gebührte, bei seinen
Erörterungen die zetetische Methode anwenden, so mußte dieser
Tendenz und Methode gemäß auch sein Vortrag eine bestimmte
Form erhalten. Welche Form war dies? Sie ist allerdings nur
a priori durch einen Schluß zu ermitteln. Aber den Schluß be-
stätigt das eine und das andere Factum.
Tendenz und Methode mußten die Vortragsform in drei-
facher Hinsicht beeinflussen und bestimmen:
1. Zunächst hatte die Tendenz, philosophiren zu lehren,
27*
416 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
die Folge, daß Kant nicht in dogmatischem Lehrvortrage
ein neues System überlieferte, auch als er es ausgebildet hatte.
Er mußte die Lehrlinge darauf vorbereiten, sie mit den philo-
sophischen Problemen, den bisherigen Lösungsversuchen der-
selben und den Methoden dieser Lösungsversuche bekannt
machen. Um diese Kenntniß anzubauen, die er unter allen
anderen Kenntnissen, welche ein Philosoph nöthig hat (vergl.
R. III, 187. — H. VIII, 25.), für die ersprießlichste halten mußte,
bot sich ihm als fügliches Mittel das Initiiren der Lehrlinge in
die herrschende Philosophie und das Discipliniren ihres Denkens
an der Systematik derselben. Hieraus erklärt sich, daß er die
von der Regierung den Docenten gegebene Vorschrift, nach
Compendien zu lesen, in allen seinen Collegien, mit Ausnahme
der physischen Geographie, auch dann noch strict befolgte, als der
Inhalt seiner Vorträge von dem Inhalt der Lehrbücher, die noch
am meisten seiner Absicht entsprachen, mit den Jahren, zumal
in der Metaphysik und Ethik, so abweichend wurde, daß die
Beziehung- auf das Lehrbuch dem Gang seiner eigenen Aus-
einandersetzungen eher zum Hemmniß, als Förderniß hätte ge-
reichen können. Auch entsprang daraus seine Gewohnheit, in
den Einleitungen zu seinen Vorlesungen historische Excurse
und in den Vorlesungen selbst bei Behandlung einzelner Probleme
Rückblicke auf die Doctrinen seiner Vorgänger zu thun. Mochten
solche Excurse und Rückblicke an den überkommenen Systemen
auch nur einzelne, — nur die grundsätzlichen, die eigenthüm-
lichsten Philosopheme streifen, so waren sie doch immer eine
Mahnung, jene Kenntnisse zu erwerben, ohne die „man nie ein
Philosoph werden wird", wenngleich schon jene „Kenntnisse allein
nie den Philosophen ausmachen werden" (R. III, 187. —
H. VIII, 25.).
2. Die zetetische Methode forderte, daß er die herrschende
Philosophie an der Hand der Compendien in ihrer eigenen
Methode und ihren einzelnen Doctrinen untersuchte, als un-
unzulänglich und mehr oder weniger haltlos erwiese und über
die in seinen Excursen und Rückblicken berührten Systeme eine
Von Emil Arnoldt. 417
ähnliche Orientirung gäbe. Diese Orientirung konnte nur an
einer neuen Methode und an neuen Principien geschehen, die
er aber bei Festhaltang der zetetischen Vortragsmethode nicht
einfach zu überliefern, sondern auffinden zu lassen, nach An-
tastung der alten Systeme als einzig brauchbare Instrumente
zur Errichtung eines neuen aufzuweisen, auch wohl als solche
zu erproben hatte. Aus solcher Vortragsart erklärt sich leicht,
daß er, wie mehrfach bezeugt worden, denkenden Köpfen unter
seinen Zuhörern die mannigfachsten und nachhaltigsten An-
regungen zu selbstständiger Entwickelung ihrer Fähigkeiten
darbot, ferner daß er die vorgefundenen philosophischen Ge-
bäude, ob er gleich wenig von ihnen nutzen konnte, doch mit
vorsichtiger Schonung ihrer Bestandstücke abtrug, statt sie mit
Ungestüm zu zerstören, endlich daß er — unähnlich manchem
seiner philosophischen Nachfahren — seine Vorgänger mit maß-
voller Polemik bekämpfte, ohne Eifersüchtelei, ohne Herabsetzung
der fremden bei prätensiöser Herausstreichung der eigenen
Leistungen, vielmehr mit bereitwilliger Anerkennung jedes Ver-
dienstes, das er vorfand.
3. Tendenz und Methode zusammen verboten den Vortrag
eines neuen Systems als eines fertigen Ganzen. Dagegen forderte
die aus der Kritik der bisherigen Philosophie entspringende
Einsicht in die Unzulänglichkeit ihrer Methoden und in die Un-
sicherheit ihrer Principien wie die zu fester Ueberzeugung ge-
steigerte Gewißheit von der Probehaltigkeit des eigenen, sich
allmälig entwickelnden Systems mit innerer Notwendigkeit,
daß der Vortrag das neue Lehrgebäude irgend wie herrichte,
wenn er auch das alte nicht stürmisch in lauter Trümmer schlüge.
Die Folge davon war: Indem Kant bei fortdauernder Anknüpfung
seiner Vorträge an die alten Lehrbücher, von deren Doctrinen
er kaum eine einzige bestehen, und von deren Begriffsbe-
stimmungen er äußerst wenige gelten ließ, demungeachtet sein
neues System den Umrissen des alten einfügte, so brachte er
auch nach Ausbildung seines Systems gleichwohl dieses selbst
niemals in seineu Collegien zu einer ihm völlig adäquaten Dar~
418 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft et«.
Stellung. Die Darstellung war inadäquat im Einzelnen und im
Ganzen: im Einzelnen, denn sie gab öfters ziemlich weitläufige
Erörterungen von solchen Begriffen, die für sein System eine
nur untergeordnete Bedeutung hatten, z. B. vom unum, verum,
et perfectum, während sie mitunter die Explication von Be-
griffen, die für sein System ein Ausschlag gebendes Moment
enthielten, z. B. die von der objectiven Giltigkeit der Kategorien
und damit die Deduction der letzteren über Gebühr einschränkte;
im Ganzen, denn sie ließ — wobei allerdings noch andere in
dem nächsten Abschnitt zu erwähnende Gründe mitwirkten —
eine Discrepanz aufkommen zwischen den philosophischen An-
sichten, die er als Autor in seinen Werken, und denen, die er
als akademischer Lehrer in seinen Collegien entwickelte. Dies
gilt allerdings eigentlich nur von seinem metaphysischen Colleg,
obschon er auch hier mit der Zeit dazu überging, sein neues
System, freilich immer mit Anlehnung an das alte, mehr und
mehr seinen Vorträgen einzuverleiben. Dagegen trat er in seinem
Colleg über Ethik viel entschiedener, obwohl auch nicht ganz
frei von jeder Rücksicht auf seine Zuhörer mit seinen neuen
Principien hervor. Desgleichen überlieferte er in seinem anthro-
pologischen Colleg durchweg seine eigenen originalen Be-
obachtungen, Reflexionen, Combinationen und Einfalle. Mit der
Logik aber hat er, ausschließlich der Einleitung, deren Ex-
positionen in ihrem Bereich allerdings seinen philosophischen
Neuerungen gerecht wurden, nie, weder als Schriftsteller, noch
als akademischer Lehrer die Umgestaltung vorgenommen, welche
sein System in seiner vollkommenen Ausbildung würde gefordert
haben, so daß schon dieser Unterlassung halber die erwähnte
Discrepanz nicht zum Vorschein kommen konnte.
2. Bestimmung des allgemeinen Characters von Kant's
metaphysischem Colleg und Bericht über einige Nach-
schriften des letzteren.
a) Allgemeiner Character von Kant's metaphysischem Colleg.
Mit den bisher angegebenen, inneren, sachlichen oder ob-
Von Emil Arnoldt. 419
jectiven Gründen, welche verhinderten, daß Kant's Collegia
seine philosophischen Ansichten rein und völlig zum Ausdruck
brachten, verband sich in seinem metaphysischen Colleg ein an-
derer Grund halb objectiver, halb subjectiver Natur, der hier
jene Folge in erhöhtem Grade nach sich ziehen mußte.
Kant hatte seit dem Beginn seines Philosophirens in den
Fragen nach den Vernunftbeweisen von dem Dasein Gottes,
wie von der Freiheit des "Willens und von der Unsterblichkeit
der Seele Hauptprobleme der Metaphysik erblickt, und er er-
klärte in der Methodenlehre der Krit. d. r. V. die Lösung dieser
drei Probleme für den Endzweck der Metaphysik, der dann
wiederum moralischen Zwecken untergeordnet sei. „Die End-
„absicht", sagt er, „worauf die Speculation der Vernunft im
„transcendentalen Gebrauche zuletzt hinausläuft, betrifft drei
„Gegenstände: die Freiheit des Willens, die Unsterblichkeit der
„Seele und das Daseyn Gottes. In Ansehung aller drei ist das
„Mos speculative Interesse der Vernunft nur sehr gering, — —
„ weil man von allen Entdeckungen, die hierüber zu machen
„seyn möchten, doch keinen Gebrauch machen kann, der in con-
creto, d. i. in der Naturforschung, seinen Nutzen bewieseu
(R. II, 615 u. 616. — H. III, 528.); und weiterhin: „Die ganze
„Zurüstung also der Vernunft, in der Bearbeitung, die man reine
„Philosophie nennen kann, ist in der That nur auf die drei ge-
dachten Probleme gerichtet. Diese selber aber haben wiederum
„ihre entferntere Absicht, nämlich, was zu thunsey, wenn
„der Wille frei, wenn ein Gott und eine künftige Welt ist."
So sei „die letzte Absicht der weislich uns versorgenden
„Natur, bei der Einrichtung unserer Vernunft, eigentlich nur
„auf's Moralische gestellt" (R. II, 617 u. 618. — H. III, 529.). —
Auch in den „Prolegomena" setzt er der Metaphysik das gleiche
Endziel, indem er ihren im Unterschiede von Naturbegriffen
reine Vernunftbegriffe behandelnden Theil als ,,den wesentlichen
Zweck derselben" bezeichnet, „wozu alles andere nur Mittel ist"
(R. III, 94 u. 95. — H. IV, 75.); denn auch ohne die in der
Analytik des Verstandes gelieferte Deductiou verrichte die Ver-
420 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
nunft in der Mathematik wie Naturwissenschaft ihr Geschäft
„ganz sicher und gut", während die Vernunftideen „wohl gar
„den Maximen des Vernunfterkenntnisses*) der Natur entgegen
„und hinderlich" seien (R. III, 99. — H. IV, 79.); gleichwohl
dienen die transscendentalen Ideen, entsprungen aus jener „Natur-
„anlage unserer Vernunft, welche Metaphysik als ihr Lieblings-
„kind ausgeboren hat" (R. III, 127. — H. IV. 101.), dazu,
„die frechen und das Feld der Vernunft verengenden Be-
hauptungen des Materialismus, Naturalismus und Fatalis-
„inus aufzuheben, und dadurch den moralischen Ideen außer dem
„Felde der Speculation Raum zu verschaffen" (R. III, 139 u.
140. — H. IV, 110 u. 111.). Die transscendentalen Ideen aber,
welche zu Gunsten einer Lebensführung nach der Norm morali-
scher Ideen, d. h. der Idee vom höchsten Gut, den Materialis-
mus, Naturalismus und Fatalismus stürzen, sind keine anderen,
als die Ideen von der Unsterblichkeit, von der Freiheit und
von Gott, wie Kant an den citirten Stellen der Prolegomena
theils von fern andeutet, theils mit einigem Umschweif, aber
unverkennbar ausführt. — Desgleichen äußerte er in der Vor-
rede zu den „Metaphys. Anfangsgr. der Naturwissensch.", „daß
„Metaphysik so viel Köpfe bisher nicht darum beschäftigt hat
„und sie ferner beschäftigen wird, um Naturkenntnisse dadnreh
„zu erweitern (welches viel leichter und sicherer durch Beob-
„achtung, Experiment und Anwendung der Mathematik auf
„äußere Erscheinungen geschieht), sondern um zur Erkenntniß
„dessen, was gänzlich über alle Grenzen der Erfahrung hinaus-
„liegt, von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit zu gelangen''
*) Hartenstein hat hier abweichend von der Or.-Ausg. irrthümlif-h
„Verstandeserkenntnisses" drucken lassen (Bd. IV, S. 79 u. Vorrede 8. IVJ.
B. Erdmann's (S. 88) und K. Schulz' (S. 114) Ausgaben der „Prolegomena"
bringen die richtige Lesart. Hartenstein^ Mißverständnis rührt wohl da-
her^ daß Kant sich ein wenig kurz gefaßt hat beim Anspielen auf den Ge-
danken: Es ist eine Maxime der Vernunft, in der Naturerkenntniß
des Verstandes keinen Erklärungsgrund aus der übersinnlichen Welt zu-
zulassen.
Von Emil Arnold t 421
(R. V, 317 u. 318. — H. IV, 367.). — Ebenso hebt er in der
Methodenlehre der teleologischen Urtheilskraft nachdrücklich
hervor: „Gott Freiheit und Seelenunsterblichkeit sind diejenigen
„Aufgaben, zu deren Auflösung alle Zurüstungen der Metaphysik,
„als ihrem letzten und alleinigen Zwecke, abzielen" (R. IV,
381. — H. V, 487.). — Und in der Abhandlung über die Fort-
schritte der Metaphys. seit Leibnitz* und Wolfs Zeiten weist er
unablässig Freiheit, Gott, Unsterblichkeit — das Uebersinnliche
in uns, über uns, nach uns — als die Objecto auf, deren Er-
kenntniß den Endzweck der Metaphysik ausmacht, und deren
freies, aber nach objectiven Grundsätzen der Moral nothwendiges
Annehmen wiederum auf die subjectiven Principien der Moralität
zur Bestärkung in denselben, mithin auf das Thun und Lassen
des Menschen zurückwirkt (R. I, 529 u. B30. B33 u. 534.
537 u. 538. 540—542. 546—553. — H. VIII, 553 u. 554.
556 u. 557. 660 u. 561. 562 u. 563. 567—572.).
Es war daher ein sachlicher Grund, welcher ihn bestimmte,
seine metaphysischen Vorträge auf die Behandlung der drei
genannten Probleme anzulegen und durch die ontologischen
Untersuchungen, die er darin anstellte, die Lösung derselben
vorzubereiten. So wurde die Ontologie ein bloßes Mittel zur
Erreichung der Zwecke, welche sich in den übrigen Theilen der
Metaphysik hervorthaten. Diese Subordination der Ontologie
bedingte freilich noch nicht deren Herab- oder auch nur Hintan-
setzung. Aber die Erweiterungen der Vernunfterkenntniß in
praktischer Absicht, zu denen die transscen dentalen Ideen Aus-
sicht eröffneten, konnten leicht ein unwillkürliches Bestreben
erzeugen, den mühsamen Gang, welchen die Ontologie mit ihrer
Analytik des Verstandes zurückzulegen hatte, abzukürzen, um
bald zu den Zwecken zu gelangen, denen jene ontologisohe Zu-
rüstung diente. Dann hätte die Beschäftigung mit den Resul-
taten, zu denen der Gang führte, vor der Beschäftigung mit
den Mühseligkeiten des Ganges selbst den Vorzug erhalten,
während doch die Anleitung, gerade diese Mühseligkeiten auf-
zusuchen und zu überwinden, durch die zetetische Methode für
422 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
die Instruction der Zuhörer in der Metaphysik dringend ge-
boten war.
Ein solches unwillkürliches Bestreben mochte factisch in
Kant zu Zeiten emporkommen, da der Grund, welcher ihn ob-
jectiverseits zur Subordination der Ontologie unter die übrigen
Theile der Metaphysik veranlaßte, in ihm subjectiverseits ein
verstärktes Gewicht erhielt durch den Trieb, in der akademischen
Jugend eine lautere und durch den Vernunftglauben gefestete
Moralität anzubauen. Dies war in ihm keine vorsätzliche Be-
mühung, sondern eine spontane Regung, mit innerer Notwendig-
keit aus dem Gefühl der Verpflichtung entspringend, nach Kraft
und Gelegenheit „zum Weltbesten" hinzuwirken. Es war daher
ein theils objectiver, theils subjectiver Grund, welcher ihn ge-
neigt machte, in seinen Vorlesungen über Metaphysik die Theile
der Disciplin, in denen er von der Freiheit, von der Unsterb-
lichkeit, und von Gott zu handeln hatte, vor demjenigen zu be-
vorzugen, der die eigentliche Wissenslehre oder die Theorie der
Erfahrungserkenntniß enthielt. Freilich ließ er sicher nie außer
Acht, daß die Resultate der kritischen Philosophie zu verstehen
seien, nur wenn ,,die Schritte, die dahin führen, mit sorgfältigem
Fleiße durchgegangen" werden, und daß „die Wissenslehre
schlechterdings nicht" könne „vorbeigegangen werden, ob sie
zwar größtenteils auf Beschränkung der Anmaßungen im theo-
retischen Erkenntnis gerichtet'* sei (ß. I, 658 u. 659. — H. VI,
496 u. 497.). Aber der Vortrag der Wissenslehre mußte ohne
Frage wesentlich ein anderer sein, wenn er gleichentheils auf
Erklärung der Möglichkeit des Wissens wie auf Einschränkung
der Anmaßungen in der theoretischen Erkenntniß, und ein
anderer, wenn er „größtenteils" auf Erklärung der Möglichkeit
des Wissens, und wiederum ein anderer, wenn er „größtenteils"
auf Einschränkung der Anmaßungen in der theoretischen Er-
kenntniß gerichtet ward. Und das letzte dieser drei Ziele hat
Kant, meine ich, bei seinen Vorlesungen über Metaphysik nach
dem J. 1781 vorzugsweise und mit den Jahren mehr und mehr
im Auge gehabt.
Von Emil Arnoldt. 423
Gewiß war ihm die Ertheilung „eines gründlichen Unter-
richts in der Kritik der reinen Vernunft" an die akademische
Jugend sehr angelegen. Aber er wußte, daß sie „der Modeton
des Zeitalters" und „die" im „eigenen Busen verborgene Dia-
lektik" zur Leetüre von Schriften zöge, in denen „ein nicht ge-
meiner Kopf die Freiheit des menschlichen Willens, die Hoff-
nung eines künftigen Lebens und das Daseyn Gottes weg-
demonstrirt haben solle". Daher zweckte er wohl sein meta-
physisches Colleg hauptsächlich darauf ab, mit jenen Principien
vertraut zu machen, deren „Ausübung" die grundlosen Be-
hauptungen eines solchen Gegners „in lauter Dunst aufzulösen"
vermöchte, und zu zeigen, daß allerdings dieselben Streiche, die
das Gebäude des Feindes niederschlügen, auch einem etwa zu
errichtenden eigenen speculativen Bauwerke müßten verderblich
sein, daß aber immer „noch eine Aussicht in das praktische
Feld" zur Gründung eines vernünftigen und heilsamen Systems
auf festerem Boden übrig bliebe (R. II, 581— 584. — H. III,
501 u. 602.).
Die Verfolgung dieses Zweckes als Hauptzweckes benach-
teiligte direct den Vortrag der Wissenslehre in der Ontologie.
Aber es trat noch ein Umstand hinzu, welcher fernerhin die
Wissenslehre in Nachtheil setzte auf indirecte Art. Indirect
beeinträchtigte der Vortrag der übrigen Theile der Metaphysik
die Wissenslehre dadurch, daß er bei Behandlung der Beweise
von der Unsterblichkeit der Seele und von dem Dasein Gottes
nicht immer die Grenzen hütete, welche die Wissenslehre dem
Wissen abgesteckt hatte oder hätte abstecken sollen, und so bei
mangelhafter Scheidung der Gebiete des Wissens und des Ver-
nunftglaubens einer Klärung der Erkenntniß über das Wißbare
und Nicht- Wißbare wenig förderlich oder gar hinderlich war.
Denn Kant hegte auf Grund der Erkenntniß, die er
aus der praktischen Philosophie schöpfte, die innige Ueber-
zeugung von der Unsterblichkeit der menschlichen Seele im
Sinne eines ewigen Bestehens derselben als mit sich iden-
tischen Selbstbewußtseins und von dem Dasein Gottes als
424 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
eines lebendigen Gottes im Sinne eines strengen Theismus.
Indeß konnte er sich nicht verhehlen: Dieser praktische oder
moralische Vernunftglaube, ob er gleich „oft fester ist, als
alles Wissen", giebt doch, weil er sogar für das Subject, das
ihn in sich erzeugt hat, „nur die Stelle eines Erkenntnisses
vertritt, ohne selbst ein Erkenntniß zn seyn", keine Ueber-
zeugung, „die sich mittheilen läßt und allgemeine Beistimmung
gebietet, wie die Ueberzeugung, die aus dem Wissen kommt"
(R. III, 243. 246. I. 384. — H. VIII, 70. 73. IV, 347.). Und
doch wollte er so gern in der akademischen Jugend jene Ueber-
zeugung anpflanzen, oder vielmehr das Streben zu eigener Er-
weckung und Ausbildung jener Ueberzeugung anregen. Nun
wußte er freilich sehr gut, daß man zum Behuf des nothwendigen
praktischen Gebrauchs der Vernunft Gott und Unsterblichkeit
nicht annehmen könne, ohne zugleich der speculativen Ver-
nunft ihre Anmaßung überschwänglicher Einsichten zu be-
nehmen, und daß jeder Versuch, die Einsichten der speculativen
Vernunft über die Grenzen des Sinnlichen hinaus zu erweitern,
den praktischen Vernunftglauben gefährde (E. II, 679. I, 393 u.
394. — H. III, 24 u. 25. IV, 465.). Andererseits wiederum
konnte ihm nicht entgehen: obzwar ,,zu dem, was jedem Men-
schen zur Pflicht gemacht werden kann", nämlich die Be-
förderung des höchsten Gutes in der Welt, schon „das Minimum
der Erkenntniß" — es ist möglich, daß ein Gott, daß Unsterb-
lichkeit sei — subjectiv hinreiche, so ist doch dieses Minimum
unerläßlich, und als „Hypothese gehört" es „für die theoretische
Vernunft" (R. X, 184, Anm — I, 383. VIII,266. — H. VI, 252,
Anm. — IV, 347. V, 132.). Dieses Minimum theoretischer Er-
kenntniß in seinen Zuhörern zu cultiviren, war daher zweifellos
seine Aufgabe. Aber indem er sich ihrer entledigte, geschah
es wohl, daß er die theoretischen Beweise für die Unsterblich-
keit der Seele und für das Dasein Gottes so vortrugt als ob sie
nicht nur die Denkbarkeit dieses Uebersinnlichen, sondern etwas
mehr als die bloße Möglichkeit zu garantiren vermöchten. Daß
er so die Grenzen des Wißbaren und des Nicht-Wißbaren einiger-
Von Emil Arnoldt. 426
maßen in einander laufen ließ, verrathen seine von Pölitz heraus-
gegebenen Vorlesungen über Metaphysik aus — späterhin näher
zu bestimmenden — Semestern des 1780er Decenniums unwider-
sprechlich, dagegen von ungedruckten Nachschriften seiner Vor-
lesungen über Metaphysik die beiden mir bekannten aus dem
folgenden Decennium weniger deutlich, doch immerhin wahr-
nehmbar. Freilich unterließ er nie, an irgend einer Stelle seiner
Vorlesungen oder auch an mehreren Stellen zu erklären, daß
jene Beweise nicht die Kraft hätten, die Wirklichkeit ihrer
Objecte darzuthun. Aber indem er sie vortrug, scheint er in
dogmatischerem Tone davon geredet zu haben, als billig war,
— so, als ob sie jener Kraft nicht völlig entbehrten.
Demnach veranlaßte die gleiche Richtung auf dasselbe
Ziel: Sicherung des Vernunftglaubens an die Realität der drei
Ideen, unwillkürlich in den verschiedenen Theilen der Meta-
physik ungleiche Bestrebungen, welche die Behandlung der
ganzen Wissenschaft benachtheiligten : in der Ontologie Ein-
engung der Wissenslehre, in den übrigen Theilen der Meta-
physik Erweiterung des Wissens, und es scheint fast, als ob die
Einschränkung der Wissenslehre eine Ausschreitung des Wissens
hätte zur Folge gehabt.
Diese Eigenheiten waren, meine ich, dem Kant'schen Colleg
über Metaphysik wirklich zugehörig. Von zwei anderen aber,
die man ihm beizulegen geneigt sein könnte, halte ich es für
zweifelhaft, ob sie ihm in der That anhafteten Allerdings
finden sie sich in den mir bekannten Nachschriften. Aber viel-
leicht kamen sie in die Nächschriften nicht unmittelbar auf
Grund des Kant'schen Vortrags, sondern auf Grund der Auf-
fassung dieses Vortrags durch die Nachschreiber. Eine besteht
in dem bisweilen vorhandenen Mangel an genügender Klarheit
darüber, ob die Ansichten, die Kant entwickelte, von ihm ge-
billigt, oder verworfen, und zumal bei nicht völliger Billigung
und nicht völliger Verwerfung in wie weit gebilligt, und in
wie weit verworfen wurden. Dies gilt sowohl von einzelnen
herkömmlichen philosophischen Lehrmeinungen, einzelnen An-
426 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
sichten, die er aus den Systemen früherer Denker beibrachte,
als auch von eigenen kühnen Gedanken und Aperes, die er
aus der Masse der ihm zuströmenden Ideen aufgriff und ver-
suchsweise manchmal wohl weiter verfolgte, als nach seinen
kritischen Principien zulässig war. — Die andere — ebenfalls
nicht mit gänzlichem Stillschweigen zu übergehende — Singu-
larität betrifft die den Nachschriften zufolge gelieferten Begriffs-
bestimmungen und Explicationen derselben. Sie sind durchweg
präcis und treffend, aber die Begriffsbestimmungen doch mit-
unter wenig genau und die Explicationen recht dogmatisch.
Es ist möglich, daß hier das Meiste, das Ausstellungen zuläßt,
den Nachschreibern zur Last fallt. Indeß kann ich mich des
Eindrucks nicht erwehren, daß Manches davon auf Kant's eigene
Rechnung kommt.
Für beide Besonderheiten wird ein nachfolgender Abschnitt
meiner Auseinandersetzung mehrfache Belege darbieten. An
dieser Stelle habe ich nur noch darauf hinzuweisen, daß Jach-
mann's Mittheilungen über Kant's metaphysischen Vortrag, von
denen ich schon oben eine citirte, das Vorkommen jener Singu-
laritäten in den Nachschriften erklärlich machen.
In Betreff der zuerst erwähnten ist auf die Aeußerung
Jachmann's zurückzugehen: „Wer" den „Gang seines" meta-
physischen „Vortrages Kant nicht abgelernt hatte, seine erste
„Erklärung gleich für die richtige und völlig erschöpfende an-
„nahm, ihm nicht angestrengt weiter folgte, der sammelte blos
„halbe Wahrheiten ein, wie mich davon mehrere Nachschriften
„seiner Zuhörer überzeugt haben. Bei diesen metaphysischen
„Speculationen ereignete es sich aber öfters, daß Kant von
„seiner Geisteskraft hingerissen, einzelne Begriffe zu weit ver-
folgte und in dieser Digression den Gegenstand aus dem Auge
„verlor, wo er denn gewöhnlich mit dem Ausdrucke: in summa,
„meine Herren! plötzlich abbrach und auf das Hauptmoment
„wieder eiligst zurückkehrte." (Jachmann, I. Kant geschildert etc.
S. 29 u. 30.) Diese Aeußerung bezeugt direct, daß in Kant's
metaphysischem Vortrage die abschließenden und endgiltigen
Von Emil Arnoldt. 427
Erörterungen von den einleitenden und vorläufigen nicht streng
gesondert und daher nicht leicht zu unterscheiden waren, und
daß in Folge dessen die Nachschreiber öfters „halbe Wahrheiten"
einsammelten, also Ansichten, die Kant nur zur Hälfte gebilligt
hatte, voll und ganz als seine Ansichten hinnahmen. Welchen
Inhalt die Excurse hatten, in die der Vortrag bisweilen aus-
schweifte, erfahren wir nicht. Doch läßt sich vermuthen, daß
die gewagten Behauptungen, die frappanten Gedankenconcep-
tionen, welche die eine und die andere Nachschrift mitunter
bringt, in solchen Excursen hingeworfen, und daß diese Ge-
dankenexperimente von den Nach Schreibern als erprobte Ge-
danken betrachtet wurden.
Daß Kant selbst hin und wieder ungenaue Begriffsbe-
stimmungen gab, bezeugt Jachmann nicht. Vielmehr behauptet
er direct das Gegentheil. Aber seine Behauptung wird indirect
durch einige seiner Angaben über Kant's Vortragsweise wider-
legt. Er sagt nämlich: „Seine Vorträge waren ganz frei. In
„vielen Stunden bediente er sich nicht einmal eines Heftes,
„sondern er hatte sich auf dem Rande seiner Lehrbücher Einiges
„notirt, das ihm zum Leitfaden diente. Oft brachte er nur ein
„ganz kleines Blättchen in die Stunde mit, worauf er seine
„Gedanken in kleiner abgekürzter Schrift verzeichnet hatte* *
(I. K. geschild. in Br. S. 27 u. 28). Dies ist als Factum zu
betrachten. Wenn Jachmann indeß weiterhin angiebt: „Sein
„Vortrag war immer dem Gegenstande vollkommen angemessen,
„aber er war nicht ein memorirter, sondern ein stets neu ge-
dachter Erguß des Geistes" (S. 28), so ist freilich ebenfalls als
Pactum zu betrachten, daß er ,, nicht ein memorirter" war, und
auch „ein stets neu gedachter*', wenn „neu gedachter" soviel
heißen soll, als immer von neuem gedachter, was nicht aus-
schließt, daß die Gedanken, die er enthielt, in verschiedenen
Semestern großentheils wiederholt, wenn auch anderentheils
durch neue ersetzt und vermehrt wurden. Daß er aber immer
dem Gegenstande vollkommen angemessen war, ist ein Ur-
theil, das, beim Worte genommen, nicht für wahr gelten darf.
428 Zur Beurtheilung von Kantus Kritik der reinen Vernunft etc.
Ein ganz freier Vortrag über philosophische Themata und speciell
über Metaphysik kann unmöglich immer d. h. Stunde für Stunde
in allen seinen Begriffsbestimmungen, Expirationen und Aus-
führungen dem Gegenstande vollkommen angemessen sein.
Es ist vielmehr unausbleiblich, daß allein schon von seinen Be-
griffsbestimmungen oft einige zu weit, andere zu enge, mithin
keineswegs alle von solcher Präcision sein werden, als ihre voll-
kommene Angemessenheit zur Sache verlangt. Eant's Vortrag,
so weit er aus den mir zugänglichen, gedruckten wie ungedruckten
Nachschriften zu beurtheilen ist, läßt hinsichtlich seiner Form,
in wie fern sie auf den Inhalt einwirkte, zwei Ausstellungen zu:
Er war in seinen Begriffsbestimmungen bisweilen nicht exact
genug und in seinen Ausführungen öfters viel zu dogmatisch.
In beiden Fällen mangelte ihm scharfe Begrenzung. Eant hätte
sie natürlich geben können; auch gab er sie meistens, aber,
wenn er sie gab, dann nachträglich, beiläufig, mitunter nur in
Winken, wie der Gang seines freien Vortrags es gerade mit sich
brachte. "Wurde aber auch jener Mangel nachträglich durch wog auf-
gehoben, so besaß doch der ganze Vortrag in allen seinen Bestand-
teilen nicht eben die Vollkommenheit, die Jachmann ihm zuschrieb.
Der Uebersicht halber fasse ich die an Kant's metaphy-
sischem Colleg bemerklich gemachten Eigentümlichkeiten in
numerirter Reihenfolge zusammen:
1. Indem Kant immer ein seinem System nicht conformes
Lehrbuch benutzte, war er zu einer Einfügung und Anpassung
seiner Ansichten genöthigt, aus der manche Unzuträglichkeit
erwuchs. So kam es nie zu einer gehörigen Scheidung der
Analytik und der Dialektik und nie zu einem Vortrage der
Metaphysik nach der Eintheilung, die er als die richtige hin-
stellte, wobei allerdings auffallt, daß er als solche — wie ich
später darlegen werde — in verschiedenen Semestern eine mehr
oder weniger verschiedene angab.
Sodann führte sein pädagogisches Bemühen, die Moralität
seiner Zuhörer zu heben durch Festigung des Glaubens derselben
an Freiheit, Gott und Unsterblickkeit
Von Emil Arnoldi 429
2. in der Ontologie eine verengte Entwickelung der Wissens-
lehre, speciell der Theorie der Erfahrung und
3. in den übrigen Theilen der Metaphysik eine den Prin-
cipien des Kriticismus nicht ganz homogene, mitunter an Dog-
matismus streifende Behandlung der theoretischen Beweise für
die Realität jener übersinnlichen Objecte herbei.
4. Bei seinen Analysen und Determinationen von Begriffen
war die Distinction zwischen seinen vorläufigen und seinen end-
giltigen Feststellungen, so wie bei seinen Darlegungen und
Beurtheilungen überkommener metaphysischer Doctrinen die
Gradbemessung seines Beifalls und seiner Mißbilligung öfters
für seine Zuhörer nicht leicht auszuführen.
5. Die Definitionen, die er gab, waren durchweg äußerst
präcis und treffend, gleichwohl solcher Art nicht sämmtlich und
nicht an jeder Stelle seines Vortrages, und die Verbesserungen,
die er nachträglich meistens beibrachte, seinen Zuhörern nicht
immer merklich.
6. Sein Ideenreichthum verleitete ihn gelegentlich zum
Aufwerfen, und seine intellectuelle Versatilität zum Verfolgen
transscendenter Gedanken. Dies mag in den früheren Jahren
seiner Lehrthätigkeit häufiger vorgekommen sein, als in den
späteren und spätesten. Aber es fehlte daran auch in den
letzteren nicht.
Wenn diese Characteristik von Kant's metaphysichem
Colleg die Eigenartigkeit desselben richtig dargestellt hat, ob-
gleich sie nur theils auf Schlüssen aus Kant's Angaben über
den Endzweck der Metaphysik, theils auf Vermuthungen aus
Inhalt und Form einiger Nachschriften seiner metaphysischen
Vorlesungen beruht, so ist die Annahme begründet: Hätte Kant
zu gehöriger Zeit sein System der Metaphysik, wie er zu thun
beabsichtigte, selbst zur Veröffentlichung durch den Druck ge-
bracht, so würde es sich nicht blos in der Form, sondern auch in
wesentlichen Stücken seines Inhalts bedeutend von dem System
der Metaphysik abheben, welches irgend eine — auch die beste —
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX. Hft. 5 u. 6. 28
430 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
der noch vorhandenen Nachschriften seines metaphysischen
Collegs aufweist. Daher sind alle diese Nachschriften zur
Eruirung von Kant's metaphysischen Ansichten nur mit Vor-
sicht zu gebrauchen.
b) Nachschriften von Kant's metaphysischem Colleg.
Ich kenne deren vier: 1. „Kant's Vorlesungen über die
Metaphysik. Zum Druck befördert von dem Herausgeber der
Kantischen Vorlesungen über die philosophische Beligionslehre.
Erfurt, 1821, in der Keyserschen Buchhandlung". Als Heraus-
geber von diesen in erster Auflage zu Leipzig 1817 bei Franz
erschienenen Vorlesungen über die philosophische Religionslehre
hat sich bekanntlich in der zu Leipzig 1830 bei Taubert er-
schienenen zweiten Auflage derselben (Vorr. S. X.) Karl Heinr.
Ludw. Pölitz, Prof. an der Univ. zu Leipzig, genannt und
damit zugleich als Herausgeber jener im Jahre 1817 zum
Druck beförderten Kant'schen Vorlesungen über die Meta-
physik. — 2. Ein auf der Königsberger Kgl. und Univ. Biblioth.
befindliches und zur Gotthold'schen Biblioth. gehöriges Manu-
script, das auf dem Schilde des alten Papp-Einbandes den
gedruckten Titel: ,,P. Kants Metaphysik" und auf der ersten
Seite des Vorsetzeblattes unten rechts die deutsch geschriebenen
"Worte: „kostet: 3 rthl." und darunter, wie mir scheint von
derselben Hand, wenigstens in jetzt gleich verblichener Dint*
den lateinisch geschriebenen Namen: „C. C. v. Korff" trägt.
Die Handschrift in diesem Vermerk und die in dem Vorlesungs-
Manuscript selbst ist meines Erachtens nicht ein und dieselbe.
Es umfaßt 443 Quartseiten in ziemlich großer, leicht lesbarer,
von allen Abbreviaturen freier Schrift.*) — 3. Ein der Königs-
berger Kgl. u. Univ. Biblioth. gehöriges Manuscript, das
auf dem Schilde des alten Papp-Einbandes den gedruckten Titel:
*) In der „Matricula Pars IL4' der Königsberger Universität habe ich
zwischen dem J. 1755 und dem J. 1788 keinen C. C. v. Kor ff aufgefunden,
sondern bei denen dieses Zunamens folgende Vornamen: Christian Wil-
helm, Equ. Cur. immatriculirt d. 15. Octbr. 1766, Adolph, Equ. Bornas.
Von Emil Araoldt. 431
Kants Metaphysik, und auf der ersten Seite des Vorsetzeblattes
den geschriebenen Titel trägt: „Immanuel Kants Vorlesungen
über die Metaphysic", darunter rechts in der Ecke: „im Win-
ter 1794." Es umfaßt 294 Quartseiten in gedrängter, vielfach
abgekürzter, aber wohl lesbarer Schrift, welche augenscheinlich
Keinschrift ist. — 4. Die etwa 650 Quartseiten enthaltende,
sorgf<ig angefertigte und collationirte, mir zur Benutzung über-
gebene Copie eines Manuscripts, über welches der Besitzer der-
selben bei der — beabsichtigten — Herausgabe von ihr seiner
Zeit das Nöthige bekannt machen will. Sie ist überschrieben:
„Bemerkungen über Metaphysic nach Baumgarthen, aus dem
Vortrage des HE. Prof. Kant pro 1794/95", und nennt als An-
fangstag des Collegs „d. 13t. Octbr.", als Schlußtag desselben
d. „20t. Febr.".
Die erste Nachschrift werde ich im Folgenden die Pölitz-
sche Ausgabe oder die Metaphysik bei Pölitz, die zweite das
KorfFsche Manuscript, die dritte die Nachschrift oder die Vor-
lesungen vom „Winter 1794" oder vom Semester 1793/94, die
vierte die Nachschrift oder die Vorlesungen vom Semester 1794/95
nennen.
«) Rosenkranz' unzulängliches Urtheil über Kant's metaphysische Vorlesung
auf Grund der Pölitz'schen Ausgabe.
Auf die Pölitz'scbe Ausgabe hat bereits Rosenkranz in
seiner „Geschichte der Kant'schen Philosophie" (K.'s S. W. Xu.,
148—150) hingewiesen und aus der rationalen Psychologie bei
Pölitz etwa zwei Seiten abdrucken lassen, um von Kant's
„Deutschlateinischem Kathederjargon" ein Beispiel zu geben.
Zuvor bemerkt er: Kant's Kathedervortrag blieb sich seit dem
Wintersem. 1766/66 durch sein ganzes Leben ziemlich gleich,
und Kant unterschied von dem, was er darin gab, sorgfältig
d. 30. Octbr. 1767, Friedrich Carl Wilhelm, Lib. Baro Curon. d.
18. Mai 1775, Friedrich Gotthard, L. B. Equ. Curon. d. 12. Octbr. 1781.
— In dem Akademischen Erinnerungsbild^ Königsberg 1825, welches die
Namen aller von 1787/88 bis 1817 bei der Königsb. Univers. Immatriculirten
aufzuführen bestimmt ist, kommt der Name : v. Korff gar nicht vor.
28*
432 Zur Beurtheilung von Kant'a Kritik der reinen Vernunft etc.
seine Schriftstellerei. In der Metaphysik legte er Baumgarten's
Lehrbuch zu Grunde. „Sein Vortrag folgte demselben im All-
gemeinen, erging sich aber frei, erklärte, bestätigte, verwarf,
„schweifte ab, kam zurück. Er ging auch stets von den alten
„Lateinischen Definitionen aus und knüpfte an sie seine Begriffs-
„bestimmungen." Noch deutlicher als die Vorlesungen über die
Logik, welche Jäsche herausgab, „veranschaulichen diese Manier
„die von Pölitz 1821 zu Erfurt edirten Vorlesungen Kant's über
„die Metaphysik, worin die Frische des Vortrags, des münd-
lichen Denkens, ihm oft die treffendsten Wendungen und
„Vergleichungen entlockt hat, z. B. wenn er den Baum das
„Phänomen der göttlichen Gegenwart nennt."
Diesen Rosenkranz'schen Bemerkungen habe ich entgegen-
zusetzen: Ob sich Kant's Kathedervortrag in der Metaphysik
seit dem Sem. 1765/66 bis zur Schöpfung der Krit. d. r. V.
„ziemlich gleich" blieb, kann auf Grund gedruckten Materials
niemand wissen. Seit der Schöpfung der Krit. d. r. V. erfuhr
er hinsichtlich seines Inhalts mannigfache Aenderungen, brachte
aber schwerlich jemals die Lehrmeinungen des Kriticismus völlig
zur Geltung. Nachweisbar that er es auch im Sem. 1794/95
nicht. Im Allgemeinen ist es richtig, dass Kant von dem,
was er in seinen akademischen Vorträgen darlegte, das abschied,
was er als Schriftsteller lehrte. Ob er es aber „sorgf<ig" schied,
ist aus den mir bekannten Nachschriften eben so wenig zu er-
sehen, als nach welchen Maximen er es schied. Wer jedoch
sorgfältig nicht ganz wenige Nachschriften seiner Collegien
gelesen hat, muß, glaube ich, den Eindruck erhalten, daß Kant
bei seinen akademischen Vorträgen meistens bald durch päda-
gogische, bald durch didaktische Rücksichten in der Aeußerung
seiner endgiltigen Ueberzeugungen gehemmt wurde. Ferner ging
Kant nicht „stets" von den alten Lateinischen Definitionen aus,
sondern nur öfters, und endlich nannte er den Kaum nicht
schlechthin das Phänomen der göttlichen Gegenwart, sondern
nur bedingter "Weise.
Demnach hat Rosenkranz auf Grund der Pölitz'schen Aus-
Von Emil Arnoldt. 433
gäbe hinsichtlich des Inhalts und der Form von Kant's meta-
physischen Vorlesungen seit 1765/66 Generalisationen gemacht,
die keineswegs in ihrem ganzen Umfange giltig sind.
ß) B. Erdinann's Irrthum über die Ursprungszeit von Kant's metaphysischer
Vorlesung im grössten Theil der Pölitz'schen Ausgabe und in dem
KorfPschen Heft.
In schwereren Irrthum über die Pölitz'sche Ausgabe ist
Benno Erdmann verfallen. Er kündigte sie als „eine unbeachtet
gebliebene Quelle zur Entwickelungsgeschiohte Kant's" an, die
„aber bisher nur wenig, und so weit" er „gesehen habe, stets
unkritisch" benutzt worden (Philos. Monatshefte, herausg. von
Schaarschmidt, Bd. XIX, 129 — 144. vgl. „Mittheilungen über
Kant's metaphys. Standpunkt in der Zeit um 1774", ibid. Bd. XX,
65 — 97). Er selbst aber hat sie ebenfalls unkritisch benutzt.
Denn es ist durchaus unkritisch, das, was bei Pölitz oder in
irgend einer anderen Nachschrift steht, sobald nicht ein Ver-
sehen der Nachschreiber offenbar vorliegt, ohne Weiteres als
stricte Ansicht Kant's hinzunehmen und gleich baarer Münze
weiter zu geben, wie wenn sie Kant selbst als seine eigene
Ansicht gestempelt hätte.
Dies darf nur bei Ansichten geschehen, welche mit den
Lehrmeinungen übereinstimmen, die Kant seit dem Jahre 1781
veröffentlicht hat. Dagegen müssen Ansichten, die eine solche
Uebereinstimmung nicht haben, in verschiedener Art behandelt
werden. Finden sie sich in Nachschriften, die notorisch aus
einem Jahre nach 1781 herstammen, und sind sie nicht als Be-
richtigungen oder Ergänzungen der veröffentlichten Lehr-
meinungen, sondern als mehr oder weniger bedenkliche Ab-
weichungen von den letzteren, dabei nicht als irrthümliche Auf-
fassungen der Nachschreiber, sondern als von Kant herrührend
zu erweisen oder zu vermuthen, so müssen sie, je nachdem ihr
Inhalt ist, entweder betrachtet werden als Accommodationen,
welche pädagogische oder didaktische Rücksicht, oder als Ein-
fälle, welche der mündliche, freie Vortrag, oder als Aus-
schweifungen, wejclje eine Lieblingsmeinung, oder als Versehen,
434 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
welche ein momentanes Fehlgehen des Denkens herbeiführte.
Finden sie sich aber in Nachschriften, die notorisch aus einem
Jahre vor 1781 herstammen, und unter ähnlichen Bedingungen
als den vorhin angeführten, so müssen sie, wiederum je nachdem
ihr Inhalt ist, entweder betrachtet werden als Zeugnisse dafür,
daß spätere Lehrmeinungen noch nicht ausgebildet waren,
oder wiederum als Accommodationen, als Einfalle, als Aus-
schweifungen — eines von den drei letzteren immer, wenn sich
parallele oder conforme Aeußerungen anführen lassen, die notorisch
einer Nachschrift aus der Zeit nach 1781 entstammen. Endlich:
finden sie sich in Nachschriften, deren Ursprungszeit nicht
notorisch ist, so können sie — um der unbestimmten Möglich-
keiten, denen dann ihre Erklärung unterliegt, hier nicht zu ge-
denken — zur Feststellung des Ursprungs jener Nachschriften
vor dem Jahre 1781 nur in selten günstigen Fällen, und gar
nicht in dem Falle verwerthet werden, daß sie in Nachschriften
aus der Zeit nach 1781 mit ganz oder beinahe gleichem Inhalte
wiederkehren. Diesen Fall aber hat B. Erdmann bei seiner
Datirung des größeren Theils der Pölitz'schen Ausgabe auf die
Zeit um 1774 völlig außer Acht gelassen.
Er hat bekannt gemacht, daß die Kosmologie, die Psycho-
logie, und die rationale Theologie in der Pölitz'schen Ausgabe
mit den entsprechenden Theilen des KorfFschen Manuscripts
auf der Königsberger Kgl. u. Univers.-Biblioth. „im Wesentlichen
wörtlich übereinstimmen" und die „Abweichungen" in den dort
vorhandenen Ausführungen jener drei Disciplinen „von Kant's
späteren kritischen Lehren" als „so charakteristische" in An-
spruch genommen, daß er zu erkennen im Stande sei, ihr Ge-
dankengehalt habe „sicher nicht vor dem Winter 1773/74 und
kaum viel später" in Kant's Denken vorhanden sein können.
Darnach hat er auch Belege dafür zu geben gesucht, daß „den
gleichen Zusammenhang wie die kosmologischen, psychologischen,
und rational -theologischen Ausführungen bei Pölitz die onto-
logischen Darlegungen in der Königsberger Nachschrift der
Kantischen Vorlesungen" [d. h. in dem KorfTschen Heft] „be-
Von Emil Arnoldt. 435
künden", und schließlich sich das Ansehen gegeben, als habe
er das alles sicher festgestellt und erwiesen. Auch hat A dickes
in seiner Schrift: „Kant's Systematik als systembildender Factor"
es ihm ohne viele Untersuchung geglaubt.
Eine ausführliche Widerlegung von B. Erdmann's Be-
hauptungen würde mich von dem Gange meiner gegenwärtigen
Darstellung zu weit ablenken. Daher werde ich von ihnen nur
diejenigen berücksichtigen, welche die in der Pölitz'schen Aus-
gabe und in dem EbrfTschen Manuscript nahezu tiberein-
stimmenden Theile der Kant'schen Vorlesung über Metaphysik
betreffen. Diese Berücksichtigung wird dahin auslaufen, B. Erd-
mann's falsche Datirung der Vorlesung in dem KorfTschen Heft
und in dem entsprechenden Theile der Pölitz'schen Ausgabe
durch eine richtigere zu ersetzen.
Fast alles, was dorther B. Erdmann auf S. 131 — 134 seiner
Abhandlung: „Eine unbeachtet gebliebene Quelle" u. s. w. als
Kennzeichen entnimmt, daß jene Vorlesung „kaum viel später'*
als im Winter 1773/74 nachgeschrieben sei, läßt sich als vor-
handen auch in späteren und sehr viel späteren Vorlesungen
Kant's nachweisen, theils in den von Pölitz herausgegebenen
Vorlesungen über die philosophische Religionslehre, welche
vielleicht im Winter 1785/86 nachgeschrieben wurden, theils und
zumeist in den von mir oben aufgeführten Vorlesungen über
Metaphysik „im Winter 1794" und „pro 1794/95". Dahin ge-
hört zunächst der Satz: die Welt sei ein totum substantiale,
bei dessen Behandlung sich B. Erdmann eine hier nicht weiter
zu erörternde Verdrehung der bei Pölitz gelieferten — in der
Vorlesung von 1794/96 dem Inhalt nach genau wiederkehrenden —
Determinationen hat zu Schulden kommen lassen. Ferner ge-
hören dahin die Sätze: die constitutiven Theile des Universums
seien einfache Theile oder Substanzen; die Materie sei keine
Substanz, sondern ein Phänomenon der Substanz, etwas, das
wir nur per analogiam Substanz nennen; die Substanzen der
Welt stehen in einem Commercium, welches nur dadurch mög-
lich sei, daß sie alle durch Einen sind und von Einem ab-
436 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
hängen. Ja, selbst der Satz: dies sei ,,der einzige Grund, die
Verknüpfung der Substanzen durch den Verstand einzusehen,
sofern wir die Substanzen anschauen, als lägen sie allgemein in
der Gottheit", läßt sich aus Aeußerungen in Kant's späteren
Vorträgen herauslesen. Die Sätze aber, daß unsere Erkennt-
niß jener Verknüpfung eine symbolische, und daß der Baum
das Phänomenon der göttlichen Allgegenwart sei, sind in den
mir bekannten beiden Vorlesungen aus der ersten Hälfte der
1790 er Jahre ihrem Inhalte nach wieder deutlich ausgesprochen.
Der Belege für meine Angaben darf ich mich hier überheben,
weil sie sich in dem folgenden Abschnitte meiner Darstellung
bei der Beurtheilung von Kant's Auslassungen vor seinen Zu-
hörern über die Substanzen der Welt von selbst darbieten
werden.
Hier habe ich nur noch drei Bemerkungen hervorzuheben,
mit denen außer den angeführten B. Erdmann die Zeit um 1774
als die Ursprungszeit der in Rede stehenden Kant'schen Vor-
lesung constatiren will.
Er behauptet nämlich: „Wir treffen in den Ausführungen
über die Verstandeserkenntniß" bei Pölitz „den gleichen Stand-
punkt", als in der Dissertation von 1770, indem „wir" dort
„S. 158 f. erfahren: „„Allein wenn wir den Verstand negativ
definiren, im Gegensatze mit der Sinnlichkeit, so ist der Ver-
stand ein Vermögen, Dinge unabhängig von der Art, wie sie
uns erscheinen, zu erkennen. Der Verstand ist aber das Ver-
mögen, Dinge zu erkennen, so wie sie sind"", und zwar
„„Dinge zu erkennen, so wie sie sind, durch Begriffe und
Reflexion, also bloß discursiv.""
Auf diese Behauptung habe ich zu entgegnen: Mein kritischer
Bericht: „Kant nach Kuno Fischer's neuer Darstellung" ent-
hält auf S. 21—25 die Exposition, daß aus der Dissertation von
1770 Kant's damalige Ansicht über die Verstandeserkenntniß
nicht sicher zu bestimmen ist. Niemand weiß genau, welche
Form und welchen Inhalt Kant damals der Verstandeserkennt-
Von Emil Amoldt. 437
niß vindicirte. Daher ist es vorweg verfehlt, jene unbestimmte
Ansicht als bestimmten Kanon zur Beurtheilung einer späteren
Ansicht Kant's über die Verstandeserkenntniß gebrauchen zu
wollen. Ein solcher Gebrauch wird aber um so verfehlter, wenn
man weiter berücksichtigt, daß die spätere Ansicht, welche ver-
glichen wird, nicht weniger unbestimmt ist, als die frühere, mit
der sie in Vergleich kommt. Wie unbestimmt sie indeß auch
ist, so läßt sich doch nachweisen, daß sie von B. Erdmann
falsch aufgefaßt und falsch dargestellt wird.
Denn B. Erdmann übersieht, daß von den beiden Stellen,
die er aus der Psychologie in der Pölitz'schen Ausgabe und
dem Korff'schen Manuscript der Metaphysik citirt und mit einem
„und zwar" in Eins nimmt, die erste von der Verstandeser-
kenntniß überhaupt und im Allgemeinen d. h. der göttlichen
und der menschlichen zugleich, mithin nicht blos und nicht
speciell von der menschlichen, die zweite dagegen allein von
der menschlichen handelt, welche, ob sie zwar Dinge er-
kennt, wie sie sind, doch von der göttlichen, welche ebenfalls
Dinge erkennt, wie sie sind, aber anders und in gewissem
Sinne andere, himmelweit unterschieden ist. Und gerade
diesen himmelweiten Unterschied bemerklich zu machen, ist die
Tendenz jener ganzen psychologischen Auseinandersetzung auf
den angezogenen Seiten 158 und 159, aus der B. Erdmann jene
Stellen so herausgerissen hat, daß er sie dem Gedankenzusammen-
hange; in dem sie dort auftreten, völlig entfremdete.
In diesem Zusammenhange ist vom Standpunct des Kriti-
cismus der Satz zulässig: der menschliche Verstand erkennt
durch Begriffe und Reflexion, also blos discursiv die Dinge, so
wie sie sind, im Unterschiede von einem anderen Verstände, den
„wir uns denken können" als einen solchen, „der die Dinge er-
kennt, so wie sie sind, aber durch Anschauung". Denn aller-
dings erkennt der menschliche Verstand die Dinge, so wie sie
sind, aber die Erfahrungsdinge als solche, während er die
Noumene derselben, wenn es deren giebt, nicht erkennt, weil
er nur discursiv ist. Dagegen „können wir uns" in unbestimm-
438 Zur Beurtheilung von Kant'4 Kritik der reinen Vernunft etc.
ter Art „einen Verstand" als möglich „denken0, welcher die
Dinge, so wie sie sind, erkennt als Noumene, weil er intuitiv
ist. Indem der menschliche Verstand die Dinge erkennt, so wie
sie sind, erkennt er, daß sie für ihn Phänomene sind, und unter
welchen Bedingungen sie für ihn als Phänomene zu Stande kommen.
Indem der göttliche Verstand die Dinge erkennt, so wie sie
sind, schafft und erhält er sie als Dinge an sich, und hat sie,
da der Schöpftrags- und der Erhaltungsact sich zugleich als
Erkenntnißacte vollziehen, erkennend in seiner intellectuellen
Anschauung als Noumene vor sieb. Der menschliche Verstand
und der göttliche Verstand erkennt eben dieselben Dinge, so
wie sie sind, aber jeder eben dieselben Dinge von einer anderen
Seite, oder vielmehr: eben dieselben Dinge sind, obschon sie
eben dieselben sind, dennoch, da mit der Erkenntniß des Gegen-
standes immer der Gegenstand der Erkenntniß sich ändert, für
den menschlichen Verstand andere, als für den göttlichen Ver-
stand, und zwar andere nicht nur in ihrem Wesen und ihrer
Beschaffenheit, sondern auch in ihrem Sein. Demnach durfte Kant,
ohne eine Erkenntniß von Dingen an sich im Sinne zu haben,
sehr wohl sagen, also auch nach dem J. 1781 sagen: Der Verstand
erkennt die Dinge, so wie sie sind. Sagt er doch nach einer
mir vorliegenden Nachschrift seiner „Vernunftlehre pro 1793":
„Durch die Erfahrung erkennen wir nur wirkliche Gegenstände,
mithin was sie sind, durch die logica pura aber erkennen wir
sie a priori, oder wie sie seyn müßen." Wenn er dies im
J. 1793 sagen konnte, warum sollte er jenes nicht um das Jahr
1780 oder später sagen? Es kommt eben alles auf den Zusam-
menhang an, in dem er dergleichen sagte. Aus hingeworfenen
Gedankenfragmenten, aufgelesenen Brocken, zusammengewürfeltem
Stückwerk läßt sich darthun, was man will.
Eine andere Bemerkung B. Erdmann's verweist darauf,
daß in der Pölitz'schen Ausgabe und in dem Korff'schen Manu-
script „„die Erkenntniß von Gott das Ziel und die Endabsicht
der Metaphysik" u genannt wird, „daß die letztere also als eine
Wissenschaft bestimmt werden könnte", „„in der wir unter-
Von Emil Arnoldt. 439
suchen, ob wir eine Ursache der Welt einzusehen im Stande
sind"". Dies soll nach B. Erdmann's Meinung ebenfalls ein
Zeichen sein, daß die Vorlesung in der Zeit um 1774 gehalten
worden.
Dagegen ist zu urgiren, daß die „Einleitenden Begriffe"
zur rationalen Theologie, denen das obige Citat entnommen ist,
wenn man auf die unmittelbar vorhergehenden Sätze hinblickt,
eben so wie der Schluß der Psychologie nicht blos die Erkennt-
nis von Gott als Zweck der Metaphysik hinstellen, sondern auch
die Erkenntniß der anderen Welt, d. h. der Seelenunsterblich-
keit: „Alle Speculationen der Philosophie haben ihre Beziehung
auf diese zwei Grenzbegriffe" (Poel. S. 262), „Gott und die
andere Welt ist das einzige Ziel aller unserer philosophischen
Untersuchungen" (Poel. S. 261. vgl. S. 157. 17 u. 18.). Wird
ferner erwogen, wie sehr die rationale Psychologie sich an-
gelegen sein läßt, die Annahme der transscendentalen Freiheit
zu rechtfertigen, und wie die rationale Psychologie so wohl als
die rationale Theologie einschärft: „wenn die Begriffe von Gott
und von der andern Welt nicht mit der Moralität zusammen-
hingen, so wären sie nichts nütze"; — „wenn diese Grenzen
nicht wären, dann wären alle metaphysischen Speculationen ver-
gebens, und nicht von dem geringsten Nutzen": dann darf
wohl die Uebergehung der Freiheit als des dritten Problems,
dessen Behandlung außer der des Problems von Gott und des
Problems der Unsterblichkeit den Endzweck der Metaphysik
ausmacht, für eine Ungenauigkeit der Darstellung, nicht für
eine vorsätzliche Beschränkung des systematischen Inhalts an-
gesehen werden. Die Auflösung der Probleme: Freiheit, Gott,
und Unsterblichkeit hat Kant aber, wie meine Auseinandersetzung
über die Tendenz seines metaphysischen Collegs zeigte, zu den
verschiedensten Zeiten und in den 1790 er Jahren eben so wie
in den 1780er für den Endzweck der Metaphysik erklärt.
Demgemäß heißt es auch in der Nachschrift der Vorlesung
über Metaphysik aus dem „Winter 1794" : „Metaphysik als eine
„Philosophie der reinen Vernunft führt kein gnugsames specu-
440 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
„latives Interesse mit sich, um eine so schwer zu erreichende
„Kenntniß zu unternehmen/* — — — — „Gott, Freiheit, Un-
sterblichkeit sind die drei Objecto, die ein practisches Interesse
„mit sich führen, und um deren willen Metaphysik unter-
nommen ist.**
Ausführlicher ist dies in der Nachschrift des Vortrags „pro
1794/95" dargelegt: „Meta-physic ist Physic über die empirische
„Erkenntniß der Natur hinaus — — — . Man traf hier drey
„Objecto, die über die Grenzen der Natur-Erkenntniß lagen,
„und blos a priori, oder durch die menschliche Vernunft allein
„erfunden und erkannt wurden. Dies sind 1) Gott, d. i. der
„erste Anfang aller Dinge, 2) Freiheit, d. i. ein von allem
„Natur-Einfluß unabhängiges Vermögen des Menschen, mit Wider-
„strebung gegen alle sinnliche Antriebe und Kräfte der Natur,
„der Vernunft gemäß zu handeln, 3) Unsterblichkeit, d. i. der
„Gegenstand der Untersuchung des Verstandes, inwiefern die
„Seele, als ein eigenes Wesen, den physischen Menschen über-
leben werde. Alle drey sind reine Vernunft-Begriife, die sich
„in der Erscheinung schlechthin nicht darstellen lassen, die mit-
„hin blos gedacht werden können. Sie kann man daher über-
„sinnliche Gegenstände, Noumena d. i. Gegenstände des Ver-
standes nennen und sie den Phaenomenis opponiren. Der Ver-
„such nun, diese Gegenstände näher zu untersuchen, war die Ent-
stehung der Metaphysic.'* „Es lag wohl in der Natur der
„Dinge selbst, daß man um nähere Entwicklung dieser über-
sinnlichen Gegenstände sich bemühte. Nur auffallend ist es,
„daß der Mensch (und jedem Menschen ist dies angebohren) ein
„Interesse daran fand, und noch findet. Denn zur Erweiterung
„der empirischen principia, der Wissenschaft der empirischen
„Physic trägt die Metaphysic nichts bey: die Kenntniß ist in
„Ansehung der Physic ganz unnöthig." — — — — »Dagegen
„ist es gewiß, daß alle unsere sinnliche Erkenntniße auch nur
„sinnlich bedingt sind, mithin so wie die Dinge selbst veränder-
lich und zufällig -gewiß. Darin liegt der Grund, daß der
„Mensch insofern keine Befriedigung für seine Vernunft dabei
Von Emil Arnoldt. 441
„findet, als er sein summum bonum, d. i. den höchsten End-
zweck aller seiner Zwecke, den höchsten Grad der Würdigkeit
„glücklich zu seyn, mit der größten Sittlichkeit" [sollte heißen:
Glückseligkeit] „verbunden, zu erkennen und zu erreichen
„sich bemüht. Dieser Gegenstand seiner Bemühung liegt über
„die Natur hinaus; er kann alle seine empirische Kenntniß nicht
„für hinlänglich dazu finden, er muß blos durch die Vernunft
„in den Gesetzen derselben es finden: er füÖt es als nothwendig,
„daß dies für die Vernunft allein der höchste Zweck und Be-
stimmung sey: er mag z. E. seine Untersuchung auf Bestimmung
„von Pflicht und Recht, auf Belohnung seiner Handlungen in
, jenem Leben, auf Bestimmung seiner selbst etc. richten; und
„hierin liegt der Grund, daß Metaphysic schlechthin cultivirt
„werden muß, weil sonst der ganze Zweck aller theoretischen und
„practischen Vernunft -Erkenntniße nicht erfüllt werden kann."
Man sieht: Kant hat in verschiedener Form immer wieder
die dem Inhalt nach gleiche Erklärung abgegeben : der Antrieb,
die Veranlassung, der Beweggrund zur Gründung der Metaphysik,
das Ziel, der Zweck und Endzweck derselben ist die Be-
schäftigung mit den Fragen nach Gott, Freiheit und Unsterb-
lichkeit unter Anleitung moralischer Interessen und zum Behuf
der Befriedigung derselben. Daher ist es durchaus irrig, eine
solche Erklärung, sie mag vollständig, oder unvollständig sein,
als ein Kriterium zur Feststellung der Ursprungszeit eines
Kant'schen Collegs über Metaphysik und zumal gerade als der
Zeit um 1774 benutzen zu wollen.
Eine dritte Bemerkung B. Erdmann's, die ich hier noch
berücksichtige, schließt sich unmittelbar an die vorige an: „In
diesem Sinne ist die Metaphysik denn auch (wie andrerseits
die Moral) eine analytische Disciplin (J36), und zwar nicht blos
in der rationalen Theologie, sondern ebenso auch in der rationalen
Kosmologie und Psychologie, wie dies besonders für die letztere
Disciplin aus jeder Seite der Ausführungen S. 196 f. erhellt." Diese
Bemerkung rührt daher, daß B. Erdmann die Auseinandersetzung
auf S. 136 u. 137 der Pölitz'schen Ausgabe mißverstanden hat.
442 Zur Beurtheilung von Kant*s Kritik der reinen Vernunft etc.
Es ist dort mit keinem Worte gesagt und auch nicht von
ferne angedeutet, daß die Metaphysik eine analytische Disciplin
sei. Es ist dort — fast genau so, wie in der Anthropologie
(R. VII, 2 A. 21 u. 22. — H. VII, 446.) — von den dunkelen
Vorstellungen die Rede: Könnten wir uns aller unserer dunkelen
Vorstellungen auf einmal bewußt werden, so würden wir über
den Schatz in unserer Seele erstaunen. Das Telescop, auf die
entferntesten Himmelskörper gerichtet, „thut nichts weiter, als
„daß es nur in uns das Bewußtseyn von unzähligen Himmels-
„körpern erweckt, die mit bloßen Augen nicht können gesehen
„werden, welches aber schon dunkel in unserer Seele lag". —
— — „Ferner alles, was in der Metaphysik und Moral gelehrt
„wird, das weiß schon ein jeder Mensch; nur war er sich dessen
„nicht bewußt; und der uns solches erklärt und vorträgt, sagt
„uns eigentlich nichts Neues, was wir noch nicht gewußt hätten,
„sondern er macht nur, daß ich mir dessen, was schon in mir
„war, bewußt werde.** — — — „Wenn demnach im künftigen
„Leben unsere Seele sich aller ihrer dunkeln Vorstellungen be-
„wußt seyn wird; so wird der Gelehrteste nicht weiter kommen,
„als der Ungelehrteste; nur daß sich der Gelehrte schon hier
„etwas mehreren bewußt ist. Wenn aber in beider Seelen ein
„Licht aufgehen wird, so sind sie beide gleich klar und
„deutlich."
Aus diesen Anführungen ergiebt sich sofort, daß hier die
Rede ist von dem psychologischen Unterschiede zwischen
dunkelen und deutlichen Vorstellungen, nicht von dem logi-
schen zwischen analytischen und synthetischen Urtheilen, von
einem Unterschiede im subjectiven, nicht im objectiven Bewußt-
sein. Nach diesem Unterschiede sind alle nur möglichen ana-
lytischen Urtheile zunächst eben so dunkel als die synthetischen,
und die dunkelen synthetischen werden nicht dadurch analytische,
daß sie deutlich werden, sondern vielmehr je deutlicher sie
werden, desto mehr heben sie sich als synthetische von den
analytischen als solchen ab, wie denn auch selbst der Unter-
schied zwischen analytischen und synthetischen Urtheilen über-
Von Emil Arnoldt. 443
haupt von jeher in allen Seelen geruht hat, aber in dem sub-
jectiven Bewußtsein einer jeden dunkel geblieben ist, bis er als
Unterschied des objectiven Bewußtseins durch die Kantische
Philosophie aus der psychologischen Dunkelheit, die ihn jeder
Seele verbarg, in psychologische Deutlichkeit für jedes subjective
Bewußtsein versetzt ward, das sich mit jener Philosophie ver-
traut machte.
Wenn auf Grund der citirten Aeußerung anzunehmen wäre,
daß Kant damals, als er sie that, die Metaphysik und Moral für
eine analytische Disciplin gehalten hätte, so würde auch anzu-
nehmen sein, daß er damals die Mathematik, die Astronomie,
die Botanik und jede beliebige andere Wissenschaft als ana-
lytische Disciplinen hätte betrachten wollen. Denn „alles, was"
in jenen Wissenschaften „gelehrt wird, das weiß schon ein jeder
Mensch" in dem Sinne, daß es in seiner Seele ruht als Conglo-
merat völlig dunkeler Vorstellungen, von denen er nicht das
geringste Bewußtsein hat. Wenn B. Erdmann aber behauptet:
besonders für die rationale Psychologie „erhellt aus jeder Seite"
ihrer Ausführungen, daß sie in der Pölitz'schen Ausgabe als
analytische Disciplin abgehandelt worden, so ist diese Behaup-
tung nicht wahr. Wahr ist nur, daß die zum großen Theil
analytische Erkenntniß, die dort vorgetragen wird, nicht immer
als bloß analytische hinlänglich characterisirt ist, — worauf ich
in dem folgenden Abschnitt meiner Darstellung beiläufig noch
werde zu sprechen kommen.
Doch möchte ich hier hervorzuheben nicht unterlassen, daß
in der Ontologie des Korff'schen Manuscripts, welche zu der-
selben Vorlesung gehört, aus der Pölitz die Kosmologie, Psycho-
logie, und Theologie entnahm, bei der Unterscheidung zwischen
analytischen und synthetischen Urtheilen allerdings der auffallige
Satz vorkommt (S. 24.): „die gantze Moral besteht in analytischen
Urtheilen", — ein Satz, der übrigens den anderen in der Psycho-
logie der Pölitz'schen Ausgabe (S. 14B.) wie des KorfTschen
Manuscripts (S. 216.) nicht ausschloß: „Den Begriff der Tugend
würde kein Mensch haben, wenn er immer" [im KorfTschen
444 Zur Benrtheilnng von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
Manuscript fehlt: immer] „unter lauter Spitzbuben wäre". Hier-
nach hätte also Kant, als er die in dem Korff'schen Manuscript
überlieferte Vorlesung hielt, wirklich gelehrt, daß die Moral
eine analytische Disciplin sei.
Aber ist das so sicher? Der Nachschreiber oder Abschreiber,
von welchem das Korff'sche Manuscript herrührt, hat sich so
viele Nachlässigkeiten, Schreibfehler, sinnwidrige Auslassungen
zu Schulden kommen lassen, daß ich vermuthe, er habe auch in
dem oben citirten Satze das Wort: „fast" überhört oder über-
sehen. Wenigstens findet sich in der Ontologie der Pölitz'schen
Ausgabe und zwar ebenfalls bei Darlegung des Unterschiedes
zwischen analytischen und synthetischen Urtheilen der nahezu
gleichlautende Satz mit der nöthigen Beschränkung des „fast":
„Die ganze Moral bestehet fast aus lauter analytischen Urtheilen"
(S. 25.). Nun ist freilich das Heft, aus welchem Pölitz „die Ein-
leitung und die Ontologie" entnahm, „im Jahre 1788 nach-
geschrieben, und von einer zweiten Hand im Jahre 1789 oder
1790 theilweise berichtigt, mehr aber noch erweitert und er-
gänzt worden" (Vorr. S. V.).*) Daher ist es wohl möglich, daß
jenem Satze erst im Jahre 1788 oder später das beschränkende
„fast" einverleibt worden.
*) Diese Zeitbestimmung hat B. Erdmann bemängelt. Im Text seiner
Abhandl.: „Eine unbeachtet gebliebene Quelle" u. s. w. auf S. 130 bezeich-
net er die Pölitz'schen Bemerkungen über das gegenseitige innere Verhältniß
jener beiden der Pölitz'schen Ausgabe zu Grunde gelegten Manuscripte als
„unzutreffend auch in der Hauptsache", wobei er aber eine angeblich Politi-
sche Meinung bestreitet, die Pölitz gar nicht verlautbart hat. Doch das mag
unbeachtet bleiben. Zu „Hauptsache" merkt er dann unter dem Text an:
„Ungenau ist die Zeitbestimmung des kürzeren Manuscripts" d. h. des im
J. 1789 oder 1790 ergänzten Manuscripts vom J. 1788, aus dem Pölitz die
Ontologie hernahm. „Kant hat über Metaphysik in den Wintern 1788,89,
„1789/90 und nach aller Analogie auch 1790/91 gelesen (das Vorlesungs-
„Verzeichniß dieses Semesters fehlte in den von mir durchgesehenen Exem-
plaren)**), während nach Pölitz' Worten an die Sommer - Semester 1788,
„1789 oder 1790 zu denken wäre, in denen Kant Logik vortrug." Aber diese
**) Was für Exemplare mag doch B. Erdmann durchgesehen haben? —
Exemplare wovon?
Von Emil Arnoldt. 445
Bereits vor jenen Jahren, nämlich bei der Beschäftigung mit
der „Grundleg. z. Metaph. der Sitt.u, also vor 1786 war Kant zu
der Einsicht gelangt, daß zwar die Imperativen der Geschicklich-
keit analytisch-praktische Sätze seien, und die Imperativen der
Klugheit — eher Anrathungen, als Gebote — es sein würden,
wenn es einen bestimmten Begriff der Glückseligkeit gäbe, daß
aber der kategorische Imperativ oder das Gesetz der Sittlichkeit
nur ein synthetisch-praktischer Satz a priori sein könne. Ob er
jedoch schon damals überlegt hatte, daß zwar alle Rechtspflichten
und die Begriffe von ihnen analytisch aus dem Begriffe der
äußeren Freiheit, alle Tugendpflichten aber, d. h. diejenigen, die
eine Verbindlichkeit, sich gewisse Zwecke zu setzen, enthalten,
nur synthetisch aus der Bestimmung der inneren Willkür können
abgeleitet werden, — das mag dahingestellt bleiben. Hatte er es
überlegt, so war die Behauptung der Ontologie von 1788 in der
Pölitz'schen Ausgabe: die ganze Moral besteht fast aus lauter
analytischen Urtheilen, trotz des beschränkenden „fast" noch
Bemängelung wegen Ungenauigkeit ist selbst ungenau in dreifacher Hin-
sicht: 1. Sie läßt unbestimmt, gegen wen der Vorwurf der Ungenauigkeit
gerichtet ist, ob gegen den Herausgeber, oder gegen die Urheber, oder gegen
den Herausgeber sowohl als auch gegen die Urheber des Manuscripts. Nur
wenn und in so weit er den Herausgeber träfe, wäre er von irgend welcher
Bedeutung. Daß er ihn aber wirklich und mit Recht trifft, ist nicht aus-
zumachen. 2. Nicht blos das Verzeichniß der an der Königsb. Univers, in
dem Semester 1790/91 zu haltenden Vorlesungen fehlt auf der Königsb. Kgl.
u. Univ.-Biblioth. und bei den Acten des Königsberger Univ. -Senats, sondern
auch das Verzeichniß der in jenem Semester an der Königsb. Univ. wirklich
gehaltenen Vorlesungen bei den Acten des Königsberger Univ. - Senats.
3. Trotzdem ist nicht blos „nach aller Analogie" zu schließen, daß Kant im
Wintersem. 1790/91 Metaphysik gelesen habe, sondern es steht fest, daß er
sie wirklich gelesen hat, nach dem in Berlin vorhandenen Königsberger
Senatsbericht über die damals an der Königsberger Universität abgehaltenen
(Kollegien, — wie sich weiter unten zeigen wird. Diese Kleinmeisterei ist
selbstverständlich nur einer solchen Kleinmeisterei gegenüber berechtigt, als
B. Erdmann sie continuirlich ausübt. Hier hat er sie wohl zu dem speciellen
Zweck ausgeübt, um durch Unsichermachung aller vorliegenden Pölitz'schen
Angaben überhaupt seiner eigenen Datirung des undatirten, von Pölitz be-
nutzten früheren und des undatirten Korffschen Mannscripts die Wege zu
bereiten.
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX. Hft 5 u. 8. 29
446 Zur Beurtheiiung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
immer zu weit. Kurz, nachdrücklich bestreiten und entscheidend
widerlegen läßt sich die Annahme nicht, daß er damals, als er
die in dem KorfPschen Manuscript enthaltene Vorlesung über
Metaphysik oder die in der Pölitz'schen Ausgabe enthaltene
Kosmologie, Psychologie, und Theologie tradirte, in der That
die Moral für eine analytische Disciplin angesehen habe.
Daraus aber folgt noch lange nicht, daß er jene Vorlesung
in der Zeit um 1774, sondern es folgt nur, daß er sie vor 1785
gehalten habe. Da entsteht nun die Frage, ob sich nicht un-
gefähr, wenn auch nicht das Semester, in welches jene Vor-
lesung, doch der Zeitraum, in welchen jenes Semester fiel,
ziemlich sicher bestimmen lasse. Und dieser Zeitraum läßt sich*
allerdings einigermaßen sicher bestimmen. Doch schließt er das
Wintersemester 1773/74 oder eine „kaum viel spätere" d. i. also
eine wenig spätere Zeit nicht in sich ein.
Hier erhebe ich meinen Haupteinwand gegen B. Erd-
mann's Datirung. Statt seinem eingebildeten Wissen von Kant's
subjecti ver Gedanken - Entwickelungs - Geschichte zu vertrauen,
durch welches er seiner Prätension nach befähigt wird, aus dem
Inhalt Kant'scher Aeußerungen die Ursprungszeit derselben zu be-
stimmen, hätte er zum Zweck eines Versuchs, jenes undatirte
Manuscript zu datiren, nach mehr äußerlichen Merkmalen in ihm
spüren sollen, — Merkmalen, welche, wo sie vorhanden sind, für
Zeitbestimmungen immer viel zuverläßigere Kriterien darbieten,
als alle rein inneren Merkmale.
(Fortsetzung folgt.)
Kritiken and Referate.
P. von Lind, „Kant's mystische Weltanschauung", ein Wahn der moder-
nen Mystik. Eine Widerlegung der Dr. C. du Prel'schen Ein-
leitung zu Kant's Psychologie. München (M. Pössl). 8°. VIII
u. 144 S.
Eino exakte und werthvolle Widerlegung der Uebergriffe der modernen
Mystik in die gesunde Philosophie. Sehr richtig betont der Verfasser im
ersten Abschnitt, daß die Spiritisten an der thatsächlichen Grundlage ihrer
Lehre nach gerade irre werden und deshalb den Versuch machen, die theore-
tische Spekulation als Stütze derselben in's Feld zu rufen. Da eine Berufung
auf lebende Philosophen raschen Widerspruch von Seiten derselben zur Folge
haben würde, so mußte man an die Hülfe verstorbener denken, denn diese
können nicht widersprechen. Keiner konnte dazu geeigneter scheinen, als
der größte und klarste von ihnen, nämlich Immanuel Kant. Da nun Kant
sich nicht selbst gegen solche Insinuationen zur Wehre setzen kann, so ist
es tun so werthvoller, daß Herr v. Lind die Widerlegung der spiritistischen
Mißdeutungen übernommen hat.
Mit Recht tadelt der Verfasser, daß Herr du Prel außer Kant's Ein-
leitung zur Psychologie noch eine eigene geschrieben hat, die ja den Leser
über Kant nicht belehren, sondern nur irre fuhren kann. Nicht ohne Humor
zeigt der Verfasser, daß der materialistische Zeitgeist die Spiritisten antreibt,
die abgeschiedenen Geister photographiren zu wollen und daß die „empirische
Experimentalpsychologie" ein Unding ist und Kant's Auffassung geradezu
widerspricht.
Im zweiten Abschnitt weist der Verfasser nach, daß Kant in seinen
,,Träumen eines Geistersehers" nicht selbst den Träumen Swedenborg's zu-
stimmte, sondern dieselben ganz objektiv dem Leser vorführte und Sweden-
borg sogar den „Erzphantasten unter allen Phantasten" nannte, daß also
du Prel keineswegs ein Recht hat, Kant auf Grund dieser Schrift mystische
Ansichten zuzuschreiben. Die gänzliche Verschiedenheit der Anschauungen
von Kant und Swedenborg wird im dritten Abschnitt durch literarische
29*
448 Kritiken und Referate.
Parallel8tellen bewiesen und im folgenden eine unparteiische Charakteristik
von Kant's „Träumen eines Geistersehers" geliefert. Da die Swedenborgianer,
und namentlich Tafel in Tübingen, auch Kant's Brief über Swedenborg an
Fräulein Charlotte von Knobloch heranziehen, um zu beweisen, daß Kant
nach der Herausgabe der „Träume eines Geistersehers" seine Ansichten über
Swedenborg zu Gunsten des Mysticismus geändert habe, so galt es nicht
nur eine sachliche Widerlegung dieses Irrthums, sondern besonders auch den
Nachweis, daß Kant nicht erst 1768, wie die Swedenborgianer wollen, son-
dern vor 1764 jenen *Brief geschrieben hat. Der Beweis liegt einfach darin,
daß Fräulein von Knobloch sich schon 1763,64 verheirathet hat, während
die „Träume" erst 1766 erschienen sind. In den folgenden Abschnitten
richtet der Verfasser kritische Blicke auf Kant's Psychologie, auf die Identität
von Kant's psychologischen Anschauungen mit denjenigen in den „Träumen
eines Geistersehers" und in der „Anthropologie". Es folgt darauf im 9. Ab-
schnitt „die unvereinbare Verschiedenheit des Kantischen und des mystischen
trän sscen dentalen Subjekts/'*) Im 10. und 11. Abschnitt wird die völlige
Unmöglichkeit einer mystischen Weltanschauung bei Kant auf Grund seines
ganzen Wesens, seines ganzen Entwickelungsganges und seiner Sittenlehre
bewiesen.
Zum Schlüsse folgt im letzten Abschnitt eine treffende Kritik des
modernen Spiritismus. Fast zu milde bezeichnet der Verfasser den gegen-
wärtigen Zeitgeist als materialistisch und realistisch. Man könnte ihn wohl
mit mehr Recht nihilistisch nennen. So sind z. B. die Landschaften mancher
unserer modernen Maler nicht bloß mit gänzlicher Unkenntniß aller Gesetze
der Kunst, sondern auch mit cynischer Verachtung aller Naturwahrheit auf
die Leinwand gestrichen.
Das Schlusswort der sehr empfehlenswerthen Schrift lautet: „Nicht
nur an seiner ethischen Verwerflichkeit, sondern auch an dem von ihm
aufgestellten prinzipiellen, elementaren Widerspruch zwischen Sinnlichem
und Geistigem, an beiden wird der Spiritismus zerschellen und die gesunde
Vernunft auf diese Weise den Sieg davontragen. Dazu ist es aber not-
wendig, daß das Andenken und die lebendige Erinnerung an solche Männer
erneuert wird, welche der Wissenschaft unsterbliche Verdienste geleistet
haben. Und zu solchen Männern gehört Immanuel Kant. Ans dem ein-
fachen, gesunden, natürlichen und wahren Empfinden, aus einem festen,
treuen und schlichten Glauben an die idealen Güter des Lebens und an Gott,
hierau 8 kann die der Gegenwart so nothwendige geistige Wiedergeburt und
geistige Gesundheit zu Theil werden, eine Denkweise, wie sie in Kant's
Schriften und in seiner verehrungswürdigen Persönlichkeit ausgesprochen
*) s. Ergänzung am Ende. Anm. d. Red.
P. von Lind, „Kant's mystische Weltanschauung" etc. 449
liegt; aber eine geistige Wiedergeburt ist nicht durch einen complicirten,
annatürlichen, ungesunden, bedauernswerthen Mysticismus möglich, welcher
erwiesenermaßen keine ethische Kraft besitzt, und über dessen Wesen und
Zwecklosigkeit unser großer Kant längst das letzte Wort gesprochen hat."
Ernst Hallier.
Ergänzung.
Für den Mystiker ist dieser Abschnitt zweifellos der schwerwiegendste,
weil das transscendentale Subject der Grundpfeiler und die logische
Voraussetzung aller Mystik ist, wie du Prel richtig bemerkt. (Kant, Psycho-
logie, Einleitung S. XLII; Ausg. du Prel.) Auch Kant nimmt ein trans-
scendentales Subject und eine intelligibele Welt an. Es könnte demnach
scheinen, als wenn Kant doch Mystiker wäre. Beide Ausdrücke bedeuten
indessen bei Kant etwas ganz anderes wie bei der Mystik. Betrachtet die
Mystik nämlich den trän sscen dentalen Zustand als Regel und das menschliche
Leben nur als Ausnahme von dieser Kegel, ja, sieht die Mystik das trans-
scendentale Subject als den Schöpfer der irdisch-menschlichen Erscheinungs-
form an, so beweist der Verfasser an vier Stellen aus Kant*), daß dem
transscendentalen Subject eine außer aller Erfahrung liegende persönliche
Function garnicht zukommt. Damit sinken die persönlichen* Befugnisse des
mystisch - transscendentalen Subjects zu Boden. Den Grund nun aber vor
allen dafür, weshalb wir von immateriellen Naturen und den Gesetzen, nach
welchen sie wirken, nichts Positives wissen können — und eine Incar-
nationsfahigkeit würde doch etwas Positives im hohen Grade enthalten —
sondern daß die Noumena für uns nur negative Bedeutung haben können,
diesen erläutert Kant an einer bedeutsamen Stelle der Vernunftkritik**),
welche der Verfasser schon in Abschnitt VIII (S. 91, 92) Anm. citirt. Ein
mystisch-tran88cendentales Subject, nämlich ein mit positiven und individuellen
Anlagen, mit Wille und Incarnationsfahigkeit ausgestattetes Noumenon
existirt also nach Kant mit Recht durchaus nicht, welcher in der intelligi-
belen Welt nur einen rein ethischen Schlußstandpunkt allgemeiner und nie
individuell besonderer Natur erblickt. Für Kant ist die intelligibele Welt
*) 1. Kant, Vernunftkritik (Kehrbach) S. 122.
2. Kant, Psychologie (du Prel) S. 68.
3. Kant, Vorlesungen üb. d. Metaphysik (Pölitz) S. 112 u. 113.
4. Kant, Prolegomena (Kehrbach) § 47 u. 48.
**) Vernunftkritik (A-; B 307-8 u. 9. Kehrbach S. 684-68(5.)
450 Kritiken und Referate.
eben nur und ganz allein die moralische (cf. Kant, Vernunftkritik, Kehr-
bach S. 612 u. 613). —
Mit diesem von dem Verfasser auf's Klarste geführten Nachweise ist
im Grunde jede Möglichkeit von Kant's mystischer Weltanschauung oder
Kant' s Antecipation einer solchen zertrümmert, und es besteht facti seh eine
unvereinbare Verschiedenheit zwischen dem Kantischen und mystischen
trän sscen dentalen Subject.
Der Verf. m. ausdrückl. Einverständniß des Hrn. Ref.
SRafitrett. Gilt SBeatoeifet butd) bat fceengebict uttb feine 9U4barfd)aft.
SperauSaegeben uon 91. $enfel. 9J?it 12 ^Huftrationcn nact) fcMo-
grapf)ijd)en Wufnafjmen uon 8. TOin^toff in Slönigdberg. ^a^n (eparat
eine SBcge sparte. föhtigdberg. §artungjd)e $er(ag$brucferet. 1892.
(134 6. tl 8.) 1 SRf., tefp. 1,50 2Rf.
Die im vorigen Jahre in Lötzen gegründete Gesellschaft zur Er-
leichterung des Personenverkehrs auf den masurischen Seen hat einen neuen
Dampfer bauen lassen, welcher seine Fahrten bereits begonnen hat. Es ist
vorauszusehen, daß dadurch das an landschaftlichen Reizen so reiche, bis
jetzt aber noch wenig bekannte Masuren bei den Touristen in Aufnahme
kommen wird. Diesen wird das kleine unlängst erschienene Buch sehr will-
kommen sein. Es enthält als Einleitung eine kurz gefaßte Beschreibung
der Landschaft im Allgemeinen, ihrer Berge, Seen, Wälder und Bewohner
und ferner eine gedrängte Uebersicht ihrer Geschichte. Dieser Abschnitt
beschäftigt sich auch mit den zahlreichen Ueberresten alter Befestigungen,
den sogenannten Schloßbergen und Burg wällen und schreibt deren Ursprung
ausnahmslos den heidnischen Preußen zu. Das ist nicht richtig, denn ein
sehr großer Theil dieser Befestigungen ist vom Deutschen Orden oder auch
von den deutschen Ansiedlern angelegt worden. Als einzelne Beispiele
mögen hier nur Eckersberg, Tirklo und die Insel Gilm genannt werden.
Nun folgen unter Vermeidung der bei solchen Gelegenheiten oft verwendeten
überschwänglichen Phrasen, anschauliche Schilderungen der sehenswertesten
Orte und Gegenden mit der Anweisung, sie auf dem besten und angenehm-
sten Wege zu erreichen, wobei für den Reisenden wichtige Angaben über
Gasthäuser, Fuhrwerk und Preise nicht fehlen. Diesem Abschnitte schließen
sich einige Reisepläne an, welche nach Maßgabe der dem Reisenden zur
Vertilgung stehenden längeren oder kürzeren Zeit entworfen worden sind.
Den Schluß bilden Dampfschiffs- und Omnibusfahrpläne nebst Angabe der
Erleichterungen, welche die Südbahn den Reisenden gewährt. Zweckmäßig
wäre die Zugabe eines Registers gewesen.
Masuren. Ein Wegweiser durch das Seengebiet etc. 451
Wenn auch einige sehr schöne Theile Masurens in dem Bache nicht
berücksichtigt worden sind, so ist es doch sehr brauchbar, handlich und
auch angenehm zu le?en, nicht zu rühmen sind aber seine Illustrationen,
diese sind größten theils mißrathen. Hierdurch wird allerdings der Werth
des Buches wenig beeinträchtigt, es ist aber doch zu bedauern, daß die an
und für sich hübschen Ansichten die landschaftlichen Schönheiten Masurens
so wenig zur Geltung bringen. Die Karte hätte ohne Schaden fortgelassen
werden können, denn dem Wanderer ist nur eine solche Karte von Nutzen,
auf welcher alle Wege, auch die unbedeutendsten Feldwege, sowie auch die
wesentlichsten Orientirungspunkte, z. B. Windmühlen, alleinstehende Ge-
bäude, ausgezeichnete große Bäume, Gebüsche, kleine Bäche mit ihren
Brücken, Hügel u. s. w. verzeichnet sind. Dazu würde aber ein ziemlich
großer Maßstab erforderlich und die Herstellungskosten sehr bedeutend sein.
B.
Die landeskundliche Litteratur der ProTinzen Ost- und Westpreussen . . .
Gesammelt und herausgegeben von der Königsberger Geographischen
Gesellschaft Heft I. Allgemeine Darstellungen und allgemeine
Karten. Königsberg 1892. (8°, 8 Bl. 71 pag.). In Kommission
bei Hübner & Matz, baar 2 Mk.
Das mit dem vorliegenden Heftchen begonnene Unternehmen, eine
vollständige Bibliographie aller irgend auf die Landes- und Volks-Kunde
von Ost- und Westpreußen sich beziehenden Arbeiten zu liefern, ist als ein
sehr verdienstliches mit Freude zu begrüßen, und da wir hier einen ersten
Versuch auf diesem Gebiete vor uns haben, so werden wir es natürlich
finden, daß derselbe manche Auslassungen und Irrthümer aufweist, welche
letztere allerdings theilweise einer gewissen Flüchtigkeit in der Bearbeitung
ihren Ursprung zu verdanken scheinen.
Um näher auf dieselben einzugehen, so ist das Werk „Notizen von
Preußen" zweimal aufgeführt, das einemal richtig pg. 11, No. 87, das
zweitemal irrig unter den „Zeit- und Gesellschafts-Schriften", pg. 2, No. 15.
Hier hätte auch der Name des Verf. in Klammern gesetzt werden müssen,
da das Werk anonym erschienen ist; ebenso dürfte nicht stehen „1795 f.u,
sondern 1795/^6, und, da Titel genau zu copiren sind, müßte es nicht
„Litthauen u, sondern „Littauen" heißen. Dasselbe gilt für pg. 3, No. 30,
wo statt „litthauisch" — litauisch stehen müßte. Auf pg. 3 ist die
Ermländ. Ztschrft. unter den Namen der Herausgeber angeführt, die gleich
darauf folgende Altpreuß. Monatsschrift nicht. Der zweite Band der
Goldbeck'schen Topographie erschien nicht 1788 (pg. 11, No. 84), sondern 1789.
452 Kritiken und Referate.
Die Arbeit von Alfred Thomas „Litauen (nicht: Littauen) nach den Wege-
berichten" befindet sich bedeutend erweitert im Programm des Real-
gymnasiums zu Tilsit 1885; hiernach ist pg. 17, No. 154 zu ergänzen. Nach
der Notiz auf pg. 59, No. 591 könnte es scheinen, als wenn die v. Sucho
doletz'sche Karte 1733 wirklich erschienen sei; sie wurde aber nur (Bock,
Naturgesch. I, 12) seit 1732 angefertigt und erschien erst 1763 (No. 597).
Von Auslassungen sind zu erwähnen:
(Assessor Quermann, Memel) Bruchstücke aus dem Tage buche
eines Reisenden von Königsberg nach Memel, Preußens Gränz-
stadt (Hallisches Wochenblatt 1820 und Tilsiter „Gemeinnütziges Wochen-
blatt fftr die Provinz Litthauen" 1^21, No. 10 und 11).
Aus Litauen und Masuren (Königsbg. Härtung. Ztg. 1888, No. 176.
194, 212).
Yerzeichniss sämmtlicher Ortschaften in den Provinzen
Ost- und Westpreußen. Zum Dienstgebrauch der Postanstalten von
Zeit zu Zeit neu herausgegeben, z. B. Berlin 1887.
Karte von Preußen aus dem XV. Jahrh., reproducirt nach dem
Manuscript in der ftirstl. Czartoryski'schen Bibliothek zu Krakau von
K^trzynski in seinem Werke „0 ludnosci polskiej" (Lemberg 1882).
Tabula mcderna Prussie, Livonie, Norvegie etGothie. Arn.
Buckinck sc. (Ptolemaeus, Cosmographia, Rom 1478).
M. Seutter lieferte ca. 1720 eine ausführliche Karte von Preußen
in Quer royal Folio, mit dem Porträt Friedrich Wilhelms.
Christ. Kilian, Die Preußischen und Brandenburg. Reiche, Lander
und Herrschaften, 7 kleine Landkarten. Augsburg 1757, Kl.-Fol.
T. C. Lotter, Karte von Preußen, preuß. Polen, Pommern 1759.
Franz Ludwig Guessefeld, Tabula regni Borussiae, Borussiain
oriental. exhib. 1775.
Tabula geogr. totam Borussiam ut et district. Notecensem
exhib. ed. ab Homannian. hered. (ca. 1782).
Guessefeld, Karte 1798. Gr.-Folio.
Guessefeld', Karte, Nürnberg, H omann's Erben 1805. Qu. Imp. Fol.
Das Königreich Preußen mit den freien Städten Danzig
und Thorn. (ca. 1806.)
Güssefeld, Karte v. Königreich Preußen nebst dem Herzog-
thum Warschau, entworfen von — . Nürnberg 1810, Folio.
Prima parte della descrittione dei regno di Polonia; Jl
vero disegno della seconda parte del regno di Polonia. Große
Karte v. Polen und den anliegenden Ländern. Venedig 1568.
Nova descriptio Sarmatiae EJuropaeae quae Sigismundo
Die landeskundliche Litteratur der Provinzen Ost- u. Westpreußen. 453
Augnsto regi Poloniae subjacet. Andreas Pograbias Pilsnensis fec.
Venet. Nie. Nelli aeris formis 1B69/70.
Poloniae, Lithuaniae, Voliniae, Podoliae, Ucraniae,
Prussiae, Livoniae, Curlandiae descriptio. Friedr. de Witt exe.
Amsterdam ca. 1660.
Hieron. Gol^biewski, Obrazki Rybackie. Pelplin 1888. 8°,
81 pg. Sehr interessante Monographie der Halbinsel Heia.
C. F. Weiland, Charte von dem Königreiche Polen, Ost-
u. Westpreussen und Posen, Weimar 1829. Gr-Fol.
Zn No. 601 (pg. 60). Der Titel lautet: „Kanter, J. J, regni Poloniae,
magni ducatus Lituaniae, provinc. . . . junetarnm, et regionam vicin., nova
mappa geographica. Regiom. 1770."
Edward Rastawleckl, Mappografla dawnej Polski. Warschau 1346.
Ein sehr wichtiger raisonn. Katalog von über 400 Karten aus dem 16.— 18.
Jahrh. von Polen, Litauen, Preußen etc.
Ghrzanowski, Karta dawnej Polski z przyleglemi okolicami
krajöw sasiednich, wedlug nowszych materyalöw. Paris 1859. 1 : 800,000.
(Ein Atlas von 60 Bl. Gross-Folio )
Atlas de l'ancienne Pologne pour servir a l'ätude de la
Geographie naturelle et historique des pays compris entre la
mer Baltique et la mer Noire per A. H. Dufour et Felix Wrot-
nowski. Paris 1850. 12 Blatt.
Die Nichtberücksichtigung der polnischen Litteratur ist sehr zu
bedauern. J. Sembrzycki.
Sitzungsberichte
des
Vereins für die Geschichte von Ost- und Westpreussen. 1891/92.
Mitgeteilt vom Schriftführer des Vereins Oberlehrer Dr. W. Tesdorpf.
Sitzung vom 12. October 1891. Am Montag dem 12. October eröffnete
der Verein für die Geschichte von Ost- und Westpreußen seine diesjährige
Winterthätigkeit mit einer Sitzung im H6tel Königlicher Hof. Herr Archivar
Dr. H. Ehrenberg hielt zunächst einen Vortrag: „Joachim Ludwig Schult-
heiß von Unfried und der angeblich von Schlüter erbaute Theil des Königs-
berger Schlosses". Derselbe ist bereits abgedruckt im „Centralblatt der
Bauverwaltung vom 3. und 10. October 1891. Der Herr Verfasser kommt
bei dieser Untersuchung zu dem höchst interessanten Ergebniß, daß der be-
rühmte Schlüter mit dem unter Friedrich I. ausgeführten Neubau des Südost-
454 Kritiken und Referate.
flügels unseres Schlosses nichts zu thun hat. Sein Name wird in den uns
erhaltenen einschlägigen Akten niemals genannt. Vielmehr stammen Pläne
und Ausführung her von Joachim Ludwig Schultheiß von Unfried, einem
Sohne des brandenburgischen Geheimen Kammerraths Joachim Schultheiß
von Unfried. Joachim Ludwig von Unfried machte auf Kosten Kurfürst
Friedrichs III. eine große Studienreise nach Frankreich und Italien, von
welcher er 1700 zurückkehrte, und wurde dann als Ingenieur und Baumeister
in Preußen angestellt. 1705 erhielt er auf seinen Wunsch zur Unterscheidung
von den gewöhnlichen Maurer- und Zimmermeistern den Charakter als Ober-
ingenieur und Baudirektor und leitete als solcher den Schloßbau. Aus den
offenbar von ihm herrührenden Plänen und Zeichnungen können wir er-
kennen, daß anfanglich eine große monumentale Anlage des ganzen Ost-
flügels beabsichtigt wurde, die unserer Stadt zu großer Zierde gereicht hätte,
leider wurde nur die Südostecke fertig, da der weitere Bau unter dem spar-
samen Friedrich Wilhelm I. eingestellt wurde. Jener Eckpavillon aber wurde
völlig durch Unfried aufgeführt; die bisherige Annahme, daß der oberste
Stock und das Dach unter russischer Herrschaft 1758—60 aufgesetzt seien,
ist unrichtig; damals wurden nur Renovirungsarbeiten gemacht, um die
Kriegsschäden auszubessern. Von 1713—21 fehlen uns Nachrichten über
Leben und Stellung Unfrieds. 1721 wird er von Friedrich Wilhelm I. zum
preußischen Kammerrat h und Oberlandbaudirektor ernannt mit einem Gehalt
von 500 Thalern und ist in dieser Stellung bis zu seinem Tode verblieben,
welcher im Hochsommer 1753 erfolgte. Er gehört unstreitig zu den be-
deutenderen Baumeistern seiner Zeit. — Sodann hielt Herr Staatsarchivar
Dr. Joachim einen kurzen Vortrag über eine von ihm in diesem Sommer
unternommene Dienstreise in Litauen, auf welcher es dem Herrn Vortragen-
den gelungen ist, einige recht interessante, meist aus dem vorigen Jahr-
hundert stammende Archivalien in den Städten Insterburg, Tilsit, Pillkallen,
Schirwindt u. a. m. aufzufinden; sie werden jetzt auf Veranlassung von
Herrn Dr. Joachim größtenteils als Depositum in das hiesige Staatsarchiv
übergeführt. Als besonders werthvoll und musterhaft verwaltet erwähnt
der Herr Vortragende noch das Archiv des Hauptgestüts zu Trakehnen.
Herr Professor Prutz macht darauf noch einige interessante Mittheilungen
aus zwei neu erschienenen Büchern : aus dem zweiten Bande von Ulmanns
Geschichte Kaiser Maximilians I. und aus den Memoiren Leopolds von Ger-
lach. Für die Geschichte unserer Provinz sind aus Ulmanns Maximilian
besonders die Stellen wichtig, welche das Verhältniß Maximilians zum
Deutschen Orden behandeln. Es geht daraus hervor, daß Maximilian ur-
sprünglich die redlichste Absicht hatte, den Deutschen Orden gegen die
Uebergriffe Polens zu schützen, seine abenteuerliche und schwankende Politik
aber auch in dieser Hinsicht keinerlei Erfolge aufzuweisen hatte. Die
Verein für die Geschichte von Ost- und Westpreußen. 455
Memoiren Leopolds von Gerlach sind nach dem Herrn Vortragenden für die
Geschichte unseres Jahrhunderts von hervorragender Bedeutung. Trotzdem
sie neue Thatsachen kaum enthalten, bieten sie doch eine Fülle interessan-
tester Details über historische Persönlichkeiten und Verhältnisse aus der
Mitte des Jahrhunderts.
Sitzung Tom 9. NoTember 1891. Zuerst sprach der Bibliotheks-
kustos Herr Dr. Mendthal über ein nur im Manuskript vorhandenes Buch
der von Wallenrodt'schen Bibliothek. Dasselbe ist verfaßt von John
von Collas. Dr. aller Fakultäten, und führt den etwas weitläufigen
Titel: „Wahre Beschreibung des Königreichs Preußen und dessen Interesse,
sowohl in Oekonomicis, fremden und einheimischen Commerciis, als Poli-
ticis zu Krieg- und Friedenszeiten; allwo des Climatis und Situation
Gelegenheit, Landes Fruchtbarkeit, Reich th um, die Genie und Foible der
Einwohner und angränzenden Nachbaren, ihre Lebensart, Gewohnheiten und
Staats-Maximen, wie auch des Auctoris unmaßgebliche Gedanken, wie solches
am füglichsten durch Verbesserung der Königlichen Intraden und der Unter-
thanen Conservation in Flor gebracht werden könne, in 12 Teilen verfasset."
Von diesem ca. 1713 geschriebenen Buche ist nur dieser eine Teil bekannt,
der vor einigen Jahren der von Wallenrodt'schen Bibliothek aus Privatbesitz
geschenkt worden ist; er enthält eine genaue Beschreibung des Samläri-
dischen Kreises und dürfte bei näherer Durchforschung vieles Interessante
über das Samland enthalten. Ob die im Titel erwähnten 11 andern Theile
je vorhanden gewesen und vielleicht noch verstreut in privaten Bücher-
sammlungen sich befinden, ist zur Zeit unbekannt. Etwaige Mittheilungen
darüber würde der Verein für die Geschichte von Ost- und Westpreußen
dankbar entgegennehmen, da besonders der Teil über den litauischen Kreis
interessante Vergleiche über Litauen vor der Regierung Friedrich Wil-
helm L mit den durch diesen König daselbst geschaffenen Zuständen gestatten
würde.
Sodan referirte Herr Dr. Stettiner über die wissenschaftliche Abhand-
lung des Osterprogramms 1890 des Gymnasiums zu Elbing betitelt: „Die
preußischen Landtage während der Regentschaft der branden burgischen Kur-
fürsten Joachim Friedrich und Johann Sigismund 1603—19, nach den Land-
tagsakten dargestellt von Direktor M. Toeppen." Das Programm behandelt
die Jahre 1603—5, in welchen die wichtigen Verhandlungen über die Ueber-
nahme der Vormundschaft über Herzog Albrecht Friedrich durch Joachim
Friedrich von Brandenburg geführt wurden. In jeder Beziehung tritt das
Streben der preußischen Stände und besonders des preußischen Adels hervor,
für sich eine möglichst große Unabhängigkeit von Brandenburg sicher zu stellen.
Endlich berichtete Herr Professor Dr. Franz Rühl über einen soeben
erschienenen Band der Aufzeichnungen des Staatsministers Theodor v. Schön,
456 Kritiken nnd Referate.
Derselbe ist eine Fortsetzung des früher erschienenen Bandes: „Stadien-
reisen eines jungen Staatsmannes in Deutschland4' und fährt den Titel:
„Studienreisen eines jungen Staatsmannes in England." Er enthält die Auf-
zeichnungen Schöns über seine 1798—1800 unternommene Reise nach Eng-
land, welche als eine sehr wichtige Entwickelungsperiode im Leben dieses
berühmten Sohnes unserer Provinz anzusehen ist. Schön hatte diese Reise
auf Anregung des Staatsministers von Schroetter gemacht, welcher auf den
Lebensgang Schöns vielfach entscheidend und fördernd eingewirkt hat.
Der Vergleich der Verhältnisse im konstitutionellen England mit den
Zuständen im absolutistischen Preußen hat den Horizont Schöns selbst-
verständlich unendlich erweitert und seine Befähigung zu den hohen
Verwaltungsämtern, welche er später in Ostpreußen einnahm, sehr ver-
mehrt. Von seiner englischen Reise zurückgekehrt, wurde Schön von
Schroetter zunächst auf ein Jahr der Regierung von Südpreußen in
Bialystock zugewiesen. Es ist sehr natürlich, wenn er dieser Berufung
anfangs widerwillig folgte, der Abstand zwischen der Weltstadt London
und dem kleinen polnischen Landstädtchen Bialystock mußte ihm sehr
fühlbar sein ; doch hat er später selbst ausgesagt, daß das Arbeiten in diesem
Districte, in dem die preußische Regierung damals gerade bedeutende und
segensreiche Reformen aller Art durchführte, äußerst anregend und instruktiv
für ihn gewesen wäre.
Sitzung vom 14. Dezember 1891 im Artushofe. Herr Realgymnasiallehrer
Dr. P. Stettiner hielt einen Vortrag über ,, Diplomatische Verhandlungen über
die Souveränität Preußens während der Jahre 1655— 60.4< Während des nordi-
schen Krieges (1655—1660) haben die diplomatischen Verhandlungen über
den Besitz des Herzogthums Preußen und seiner Hafenplätze wiederholt
einen entscheidenden Einfluß geübt. Schon im September 1654, kurz nach
dem Regierungsantritt des jungen Schwedenkönigs Karl X. Gustav, äußerte
der schwedische Gesandte in Berlin in einer Audienz dem großen Kurfürsten
gegenüber, daß Schweden die Hafen platze Pillau und Memel während des
Krieges mit Polen besetzen müsse. Wenn auch diese Eröffnung, wie wir
jetzt durch die Arbeit einer schwedischen Gelehrtin Ellen Fries (Biographische
Studie über Erich Oxenstierna) wissen, nicht dem Gesandten aufgetragen
war, so entsprach sie doch den Plänen des Königs und seines Kanzlers
Erich Oxenstierna. Man hatte dort nicht vergessen, daß der Hafenzoll Pillaas
allein Gustav Adolf 500000 Rthlr. gebracht hatte. Man sah den Besitz der
preußischen Hafenplätze, „der Augen der Ostsee", als die unentbehrliche
Grundlage für Schwedens Wohlstand im Innern und Frieden nach außen an.
So ging Schweden bei allen Verhandlungen bis zum Königsberger Vertrage
vom Jahre 1656 darauf aus, die kurfürstlichen Rechte über die Hafenplatze
möglichst zu beschränken. Es ließ aber mit diplomatischem Geschick die
Verein für die Geschichte von Ost- und Westpreußen. 467
Geheimen Rät he des Kurfürsten über diesen Zielpunkt im Umklaren, bis
die glänzenden Waffenerfolge des Schwedenkönigs gegenüber Polen diesen
Forderungen den noth wendigen Nachdruck gewährten. Es ist zweifelhaft,
ob der große Kurfürst oder sein genialer Rathgeber, der Graf von Waldeck,
zuerst daran gedacht hat, die polnisch-schwedische Verwickelung zur Ab-
schüttelung des drückenden Lehnsjoches, das er von Polen trag, zu benützen.
Bekannt ist, daß die Einschließung des Kurfürsten und seiner Armee durch
Schweden im Dezember 1665 diesen nöthigte, die schwedische Lehnshoheit
über das Herzogthum Preußen anzuerkennen. Es nahm ihm zugleich der
Königsberger Vertrag die freie Verfügung über die Höhe der Hafenzölle
in Pillau und Memel. Es hat sogar den Anschein, als ob der Kurfürst
kurze Zeit bereit war, das Herzogthum Preußen bei der beabsichtigten
Theilung Polens an Schweden abzutreten. Dann aber zwang die kurfürst-
liche Politik durch gewandte Benutzung der Waffenerfolge den Schweden-
könig trotz seines heftigen Widerstrebens, den Kurfürsten als souveränen
Herzog Preußens anzuerkennen. Während noch die Verhandlungen schwebten,
erschien ein russischer Gesandter in Königsberg mit der dreist und über-
müthig ausgesprochenen Forderung, das Herzogthum Preußen in ein russisches
Lehen zu verwandeln. Während diese erschreckende Forderung des Mos-
kowiters, wie man damals den Zaren schlechtweg nannte, durch einen Neu-
tralitätsvertrag beseitigt wurde, traten die hochmögenden Staaten der Nieder-
lande bald mit versteckten Intriguen, bald mit verblüffender Offenheit mit
der Forderung auf, Pillau besetzen zu dürfen. Der einsichtige Vertreter
des großen Kurfürsten, der Geheime Rath Daniel Weimann, wußte die
Herren mit diesem Köder dann längere Zeit vortrefflich bei Laune zu er-
halten, während er natürlich nie den Gedanken an eine Abtretung hegte.
In den verschiedensten Hauptstädten Europas tauchte ziemlich gleichzeitig
das Gerücht auf, daß der Bruder des Kaisers, der damals Hoch- und Deutsch-
meister des deutschen Ordens war, das ehemalige Ordensland, das Herzog-
thum Preußen, für sich in Ansprach nehmen wolle. Der kaiserliche Gesandte
in Polen, Franz v. Lisola, benutzte dies phantastische Gerücht, das ver-
muthlich polnische Ofßciöse in die Welt gesetzt hatten, um die Führer der
preußischen Opposition, Albrecht v. Kalkstein und den Obermarschall v. Kreutzen,
zum Widerstände gegen den Kurfürsten zu ermuthigen. Von geheimen Ver-
handlungen dieser erbitterten Gegner des Kurfürsten haben wir erst durch
Wiener Archivpublikationen erfahren. Franz v. Lisola wurde der Vermittler
zwischen Brandenburg und Polen. Mit Mühe hatte er dem Polenkönig die
Instruktion abgerungen, im äußersten Falle dem Kurfürsten die unbedingte
Souveränetät seines Herzogthums zuzugestehen. Mit allen denkbaren Kunst-
griffen und Verstellungskünsten suchte der vielgewandte Diplomat, der die
Kurfurstin, die Schwester, ja sogar die Schwiegermutter des Kurfürsten
468 Kritiken und Referate.
dazu alarmirt hatte, dies Zugeständniß von Polen abzuwenden. Die un-
erschütterliche Festigkeit des Kurfürsten und seiner Räthe führte schließlich
Polen zur Anerkennung der Unabhängigkeit Preußens im Wehlauer Ver-
trage 1657. Sie ist dann von keiner Macht im Verlaufe des Krieges an-
gefochten und im Frieden zu Oliva von den Machten garantirt worden.
Das Herzogthum Preußen, unser Ostpreußen, hatte damit die Bestimmung
erhalten, die ein weitblickender Diplomat jener Tage noch vor dem Kriege
ihm vorgezeichnet und die es bis zum heutigen Tage erfüllt hat. Seine
Aufgabe ward, „Europa vor den Barbaren des Ostens, den Tartaren, Mosko-
witern, Kosacken zu schützen. Die Bedeutung der Marken mußte jenseits
der Weichsel erneuert werden."
Sitzung vom 11. Janaar 1892. Herr Professor Dr. Lohmeyer berichtete
über die Zusammenstellung der livländischen Geschieht slitteratur des
Jahres 1890 durch Dr. Pölchau und über die im Band VI der Monumenta
Poloniae historica von Dr. Ketrzynski in Lemberg besorgte neue HerauB-
gabe der gesammten Chronik von Oliva. Eingehend besprach der Herr
Vortragende die Streitfrage, ob der im Anfange des ersten Theiles des
Werkes, der um 1360 verfaßten sogenannten altern Chronik von Oliva, ent-
haltene Abschnitt über die Anfänge der Ordensherrschaft in Preußen, der
bis 1256 reicht, schon vor 1260 entstanden, oder ob er erst ein Jahrhundert
später von dem Autor der älteren Olivaer Chronik selbst verfaßt ist Die
Meinung des Herausgebers, daß als Verfasser der altern Chronik von Oliva
der Abt Stanislaus zu betrachten, und daß dieser ein Pole gewesen sei, fand
nicht allgemeinen Anklang. Einer Anregung des Herrn Archivar Dr. Ehren-
berg zufolge debattirte man darauf über die Notwendigkeit einer Biblio-
graphie der altpreußischen Geschichte. An die von Herrn Professor Dr. Pruts
vorgelegten neuen Leitfaden für den historischen Unterricht in den Kadetten-
anstalten knüpfte sich eine Debatte über die Aufgabe des historischen Unter-
richts, speciell des Unterrichts in der vaterländischen Geschichte, an welcher
sich neben Herrn Professor Prutz selbst besonders die Herren Oberlehrer
Dr. Krause und Realgymnasiallehrer Dr. Stettiner betheiligten.
Sitzung vom 8. Februar 1892. Herr Staatsarchivar Dr. Joachim
brachte die kultur-his torisch nicht unwichtige, aber gewiß wenig bekannte
Erscheinung zur Sprache, daß am Anfange unseres Jahrhunderts, im Jahre
1801, für kurze Zeit ein Vertrag zwischen Preußen und Rußland bestanden
hat, nach welchem Preußen Verbrecher an Rußland zur Deportation nach
Sibirien überweisen konnte, practisch ist diese Sache nur vereinzelt aus-
geführt worden, weil die Kosten für Preußen allzu große waren. Näheres
darüber findet sich bei Stölzel: Brandenburg-Preußische Rechtsgeschichte. —
Herr Professor Dr. Lohmeyer macht darauf, jedoch ohne sich auf kritische
Erörterungen einzulassen, auf ein soeben mit Subvention der Gesellschaft
Verein für die Geschichte von Ost- und Westpreußen. 459
Air Geschichte der Ostseeprovinzen Rußlands zu Riga neu erschienenes Buch
aufmerksam. Es betitelt sich: Neumann: Das mittelalterliche Riga (Berlin,
Springer 1891), ist ganz nach Art der Steinbrech tischen Arbeiten angelegt
und zeichnet sich gleichfalls durch eine Fülle werth voller Illustrationen
aus. Endlich kritisirt Herr Professor Dr. Prutz den soeben herausgekom-
menen 3. Band der Staatsschriften zur Geschichte Friedrichs des Großen,
welche unter Redaction von Sybel und Schmoller stehen. Dieser Band ist
bearbeitet von Kranske und behandelt den Anfang des siebenjährigen Krieges.
Herr Professor Dr. Prutz giebt sein Urtheil dahin ab, daß dieser Band
manche interessante Einzelheit, aber nur wenig wirklich Wichtiges enthalte.
Das Werk leide an einem Fehler, der bedauerlicherweise in der historischen
Forschung immer mehr überhand nehme, daß man nämlich allzu kritiklos
Wichtiges und Unwichtiges bei dergleichen Publikationen heranziehe. Man
sei versucht, dabei von planlosem Abdruck ganzer Archive zu sprechen, und
könne nur die Geld- und Zeitverschwendung aufs bitterste beklagen. In
der sich über diesen Punkt entspinnenden Debatte fand diese Ansicht leb-
hafte Unterstützung; namentlich wurde auch festgestellt, daß eine sehr große
Anzahl der dort abgedruckten Stücke garnicht einmal als wirklich unter
den Begriff von Staatsschriften fallend zu betrachten sei.
Sitzung Tom 4. April 1892. In dieser Sitzung gab Herr Oberlehrer
Dr. W. Tesdorpf im Anschluß an seine im diesjährigen Oster programm der
hiesigen Stadt. Höh. Töchterschule veröffentlichte größere Abhandlung ein
Lebensbild des Königlich preußischen Oberingenieurs, Kammerraths und
Landmesserdirektors John von Collas, über dessen Werk, eine geographisch-
statistisch-volkswirtschaftliche Beschreibung des Samlandes, bereits in einer
frühern Monatssitzung des Vereins von anderer Seite Bericht erstattet wor-
den war. Einer alten lothringischen, im 17. Jahrhundert nach England
übergesiedelten Adelsfamilie angehörig, war John Collas 1678 in London
geboren und hatte seine erste Erziehung als Page in einigen dem Hofe
Wilhelms III. nahestehenden Edelhäusern erhalten. Seine weitere Ausbil-
dung muß, obwohl über sie nichts überliefert ist, eine ganz ausgezeichnete
gewesen sein, das beweisen nicht bloß seine späteren Arbeiten, sondern auch
der Umstand, daß er im Jahre 1701, wo er in Königsberg auftauchte, um
als Begleiter des Grafen Heinrich XXIV. Reuß zu Plauen eine Reise nach
Persien anzutreten, sicher schon Mitglied der Akademie der Wissenschaften
zu London war. Da aber Graf Reuß, zum kaiserlichen Heere ein-
berufen, die Reise aufgeben mußte, so blieb Collas selbst in Preußen. Wenn
er hier sofort in die engsten Beziehungen zu den ersten Familien des
Landes (Waldburg, Dönhoff, Lehndorff, Dohna u. s. w.) treten konnte,
so dürfen wir annehmen, daß dazu neben seiner adligen Abstammung ohne
Frage auch seine persönliche Bedeutung die Veranlassung gewesen ist. Ob-
460 Kritiken and Referate.
gleich er 1703 das Gut Dommelkeim bei Wargen kaufte und dort zunächst
seinen Wohnsitz nahm, hat er sich doch weniger der Landwirthschaft als
den Wissenschaften und mit großer Vorliebe baulicher Thätigkeit zugewandt.
Bald nach 1708 wird er Mitglied der jungen Berliner Akademie — auf Grund
welcher Arbeiten und aus welcher Wissenschaft, wissen wir freilich nicht.
Zweimal hat er jenen großen Plan in Anregung gebracht, der wie vor ihm,
so auch nach ihm öfter ins Auge gefaßt, aber immer noch nicht zur Aus-
führung gekommen ist, eine Kanalverbindung zwischen den masurischen
Gewässern und dem Pregel; mehrere preußische Herrenhäuser Friedrichstein,
Dönhofstedt, später auch das alte Joachimsthal'sche Gymnasium in Berlin
sind nach seinen Rissen gebaut. Zu Ende 1712 wurde Collas, der schon seit
kurzer Zeit (man weiß nicht, seit wann) Landmesserdirektor war, zum König-
lichen Oberingenieur ernannt und in die Kammer (Regierung) berufen. In
dieser Stellung, welche er vielleicht nur bis 1721, jedenfalls nicht bis 1734
innegehabt hat, scheint er sich hauptsächlich mit der Herstellung einer
Generalkarte des Königreichs Preußen beschäftigt zu haben, von welcher
leider nur ein unvollständiger Entwurf erhalten ist. Gestorben ist Collas
erst im Jahre 1753. Von seiner Gattin, einer Tochter des Königsberger
Hofkaufmanns Pierre Pellet, dessen Familie mit den Pelet-Narbonne in Zu-
sammenhang steht, hinterließ er fünf Söhne und eine Tochter. Außer jenem
einen, wahrscheinlich dem einzigen Bande der „Wahren Beschaffenheit des
Königreichs Preußen" und dem Entwurf der Generalkarte ist von allen
schriftstellerischen Werken, welche Collas verfaßt oder wenigstens entworfen
hat, nichts erhalten; sie gehörten den Gebieten der Naturwissenschaften, der
Oekonomie, der Geschichte, besonders aber der Baukunst an. Zum Beweise
der hohen Anerkennung, welche man der wissenschaftlichen Thätigkeit
Johns v. Collas entgegenbrachte, dient ein höchst schmeichelhafter Brief,
welchen Leibniz Oktober 1712 an den verhältnißmäßig noch jungen Mann
gerichtet hat. — Die Autotypien der samländischen Ordensburgen lagen den
Anwesenden vor.
Sitzung vom 10. Mai 1892. [Generalversammlung.] Der Vor-
sitzende, Herr Professor Dr. Prutz, eröffnete die Sitzung und berichtete über
Thätigkeit und Lage des Vereins im abgelaufenen 19. Jahre seines Bestehens.
Der Verein zählt mit Ausschluß der ihm angehörenden Korporationen etwa
70 ordentliche Mitglieder und verfügt über ein Vereinsvermögen von
12253 Mark. Als Vereinsschrift ist den Mitgliedern zugegangen das erste
Heft des Samländischen Urkundenbuches, herausgegeben von Bibliothekar
Dr. Mendthal und dem inzwischen verstorbenen Domvikar Dr. Wölky. Für
das neu beginnende Vereinsjahr 6ind in Vorbereitung und werden zur Aus-
gabe gelangen ein neues Heft und vielleicht auch das Schlußheft der Chronik
des Simon Grünau, bearbeitet von Staatsarchivar Dr. Wagner in Aurich,
Verein für die Geschichte von Ost- und Westpreußen. 461
sowie das Haushaltungsbuch des Fürstenthums Preußen des Caspar von
Nostitz, herausgegeben durch Professor Dr. Lohmeyer. Die Versammlung
wählte darauf durch Akklamation zu Kassenrevisoren die Herren Bürger-
meister Hoffmann und Stadtrath Warkentien. Für das aus dem Vorstande
wegen seiner Berufung nach Straßbarg i. £. ausgetretene Mitglied Herrn
Professor Dr. Dehio wurde neu gewählt Herr Oberstaatsanwalt v. Plehwe;
die statutenmäßig ausscheidenden Mitglieder des Vorstandes, Herr Professor
Dr. Lohmeyer und Herr Stadtrath Michelly, wurden wiedergewählt So-
dann hielt Herr Professor Dr. Prutz den Vortrag des Abends : „Eine Fürsten-
reise nach Preußen vor 500 Jahren". Das Material zu dieser farbenreichen
kulturhistorischen Schilderung hatte der Herr Vortragende aus Studien ge-
nommen, denen er augenblicklich obliegt zum Zwecke einer Herausgabe der
„Treasnres accounts of the Earl of Derbys expeditions", der Rechnungs-
bücher des Earl of Derby, späteren Königs Heinrichs IV. von England, welche
seinerzeit als Vereinspublikation des Vereins für die Geschichte von Osfc-
und Westpreußen erscheinen werden. Nach einer kurzen Einleitung Über
den Werth und die Bedeutung derjenigen Quellen, welche durch spezielle
Behandlung kulturhistorischen Materials uns einen Einblick in das Leben
und Treiben früherer, fern zurückliegender Kulturepochen gestatten, besprach
der Herr Vortragende den Inhalt der vorliegenden Rechnungsbücher, welche
im Auftrage Heinrichs v. Derby auf seiner Reise nach dem Ordenslande
Preußen und auf seinem mit dem Orden unternommenen Litauerzuge 1390/91
geführt worden sind. Diese Aufzeichnungen wurden 1866 von dem 1881 in
Göttingen verstorbenen Professor Reinhold Pauli im Londoner Staatsarchive
aufgefunden. Eine von Pauli beabsichtigte Herausgabe hinderte dessen
frühzeitiger Tod. Nunmehr erfolgt die Herausgabe durch die Camden Society
in London und den Verein für die Geschichte von Ost- und Westpreußen
gemeinsam, und es ist mit Freude zu berichten, daß dadurch endlich dieses
für die Kulturgeschichte des 14. Jahrhunderts hervorragend wichtige Quellen-
material allgemeiner Benutzung und Verwerthung zugänglich gemacht wird.
Gestatten doch diese Rechnungsbücher eingehende und zum Theil über-
raschende Einblicke sowohl in die hochstehende englisch - normannische
Lebensführung damaliger Zeit, wie in die noch etwas ursprüngliche Kultur
des Ordenslandes Preußen. Auch sprachlich ist diese Geschichtsquelle von
großer Bedeutung, da sie in einem seltsamen Mischmasch von mittelalter-
lichem Latein, normannischem Englisch und zum Theil mißverstandenem
Deutsch abgefaßt ist. An der Hand dieser Rechnungsbücher kann man nun
die Reise und Littauerfahrt des englischen Fürsten, über die sich sonst nur
vereinzelte Notizen in einigen Chroniken erhalten haben, auf das Genaueste
verfolgen und aus den Kosten derselben, 4800 Pfd. Sterl. damaligen Geldes,
die einen Werth von nahezu 800000 Mk. darstellen, einen Vergleich ziehen
462 Kritiken und Referate.
mit den Kosten heutiger fürstlicher Reisen. Nach sehr sorgfältigen Vor-
bereitungen und Zurüstungen trat der Earl of Derby, da politische Verhält-
nisse seine zeitweilige Entfernung erforderlich machten, seine Reise nach
Preußen im Juli 1890 an und landete nach etwa drei Wochen an der Küste
westlich von Danzig. Nach kurzem Aufenthalte daselbst wurde die Weiter-
reise nach Königsberg und von donjb mit dem Ordensheim zusammen die
eigentliche Littauerreise unternommen, die den englischen Prinzen durch
die preußische Wildniß tief nach Littauen und zur Belagerung von Wilna
führte. Das Herbstwetter zwang dann zur Rückkehr, Heinrich IV. ver-
brachte den Winter in Königsberg und Danzig und kehrte im April 1391
nach England zurück. Die Rechnungsbücher lassen die ganze Lebensführung
auf der Reise und im Kriege durch die in ihnen aufs Genaueste gebuchten
Ausgaben deutlich erkennen und zeigen die ren<ht verschwenderische, aus dem
Vollen lebende Hofhaltung bis in die kleinsten Züge.
Mittheitangen und Anhang.
UniversitSts- Chronik 1892.
Acad. Alb. Regim. 1892. III. Index lectionum . . . p. hiem. a. MDCCCLXXXXII/
LXXXXIII a d. XV m. Octobr. habendarum. . . . Regim. ex offic.
Hartungiana. (48 S. 4.) [Insunt Arthur! Lud wich Adnotationum
criticarum ad scholia in Homeri Iliadein Genavensia Pars II et Com-
mentatio Qualitätszeichen in den ältesten Hiashandschriften inscripta.
S. 3-31.]
Verzeichniß d. . . . im Wint.-Halbj. vom 15. Oct. 1892 an zu haltenden
Vorlesungen u. d. öffentlichen akademischen Anstalten. Kgsbg. Har-
tungsche finchdr. (11 S. 4.)
1. Aug. Med. I.-D. v. Albert Bereut (a. Carthaus i. Westpr.): Ueber die
Heilung von Herzwunden, mit besonderer Berücksichtigung derGrawitz'-
schen Schlummerzellen theorie, nach Versuchen am Kaninchen. Kgsbg.
i. Pr. Druck v. M. Liedtke. (2 BL, 43 S. 8.)
3. Aug. Phil. I.-D. (No. 23.) v. Alfred Lemcke (a. Königsberg in Pr.) :
Beiträge zur Kenntniß der Gattung Carex Mich. Kgsbg. in Pr. Buchdr.
v. R. Leupold. (1 BL, 130 S. 8.)
4. Aug. Med. I.-D. v. Max Hertzfeld (a. Oletzko), prakt. Arzt: Ein Fall
von Nabelschnurbrucb. Kgsbg. i. Pr. Druck v. M. Liedtke. (2 BL,
29 S. 2 Taf. 8.)
4. Aug. Med. I.-D. v. Hugo Poddey (a. Insterburg), approb. Arzt: Drei
Fälle von idiopathischer acuter gelber Leberatrophie. Kgsbg. i. Pr.
Druck v. M. Liedtke. (1 BL, 55 S. 8.)
4. Aug. Med. I.-D. v. Victor Schwarz (a. Königsberg i. Pr.): Ueber die
Verletzungen der Arteria mammaria interna. Kgsbg. i. Pr. Druck
v. M. Liedtke. (1 BL, 55 S. 8.)
18. Aug. Phil. L-D. (No. 24.) von Friedrich Fuchs a. Neuheide (Kr. Elbing) :
Ueber Benzenyloxytetrazotsäure. Kgsbg. in Pr. Buchdr. v. R. Leu-
pold. (31 S. 8.)
20. Aug. Phil. L-D. (No. 25.) v. Adolf Schachten Der Commentar zu Esra
und Nehemia von Jesaja di Trani nach Handschriften der Angelica
in Rom und der Bodlejana in Oxford herausgegeben und kritisch
bearbeitet nebst Einleitung über die Anfänge der jüd. Exegese in
Italien. I. Theil. Kgsbg. i. Pr. Buch- u. Steindr. E. Erlatis. (69 S. 8.)
Lyceum Hosianum in Braunsberg 1892.
Index lection. in Lyceo regio Hosiano Brunsbergensi per hiemem a die
XV. Oct. a. 1892 usque ad diem XV. Martii a. 1893 instituendarum.
[h. t. Prorector Dr. Hugo Weiß, P. P. 0.] Brunsb. Typis Heyneanis
(R. Siltmann) 1892. (18 S. 4°.) Praecedit Prof. Dr. Hugonis Weiss
commentatio exegetica: de octo quae dicuntur beatitudinibus. (S. 3— 16.)
464 Mittheilungen und Anhang.
Notiz.
Die Königl. dänische Akademie der Wissenschaften stellt folgende
soeben philosophiegeschichtliche Preisfrage :
Question de Philosophie.
(Prix: la Medaille d'or de l'Aoademie.)
Tandis que les oeuvres de Kant et son rang dans l'histoire de la
pensee philosophique ont ätö, durant ce dernier quart de siecle, le theme de
travaux dont le nombre est meme colossol, Harne, dont la philosophie
a discute les plus importants des problemes <jui ont occupe Kant, n'a point,
a beaucoup pres, &t& au tan t eludiö, ni en ci qui concerne Pintelligence de
sa doctrine m6me, ni pour son classement dans l'histoire. Or, il faut ad-
mettre comme l'un des plus importants parmi les resultats des investi-
gations qui ont &t& faites sur Kant, le fait que Hume, soit comme precur=
seur de Kant, soit comme lui faisant pendant, a une importance positive
beaucoup plus considerable qu'on ne lui en a generalement reconnu autre-
fois; car l'element- dogmatique de Kant est aujourd'hui defini d'une
maniere plus nette et plus saillante qu'auparavant. Le desir de FAcademie
est donc de voir entreprendre
une ötude approfondie de la philosophie de Hume et de son impor-
tance pour Involution de la theorie de la connaissance, celle de la
Psychologie et de l'ethique, et l'on desire que l'attention soit speciale-
ment appelee sur les rapports entre Hume et l'äcole anglaise qui
refleurit dans notre siecle.
Les reponses aux question s peuvent etre en langue danoise, suedoise,
anglaise, allemande, francaise ou latine. Les memoires doivent etre ecrits
lisiblement et marques, non point du nom de l'auteur, mais d'une Epigraphe,
et aecompagnes d'un billet cachetö, contenant le nom, profession et adresse
de l'auteur avec la p~oduction de l'epigraphe a Fexte>ieur. Aucun membre
danois de l'Academie ne peut concourir pour un des prix proposes. A de faut
d'autre prix designö, c'est la m&laille d'or de l'Academie (valeur: 320 cou-
ronnes) qui sert de recompense pour la Solution satisfaisantedes questions posees.
Excepte les Solutions des questions de paleontolugie et des questions
pour les prix Thott et Olassen, dont le terme expire le 31 octobre 1884, les
coneurrents doivent faire parvenir leur reponses avant la fin d'oetobre 1893
au secretaire de l'Academie, M. H.-G. Zeuthen, professeur a 1' Universite
de Copenhugue. Le jugement est portö durant le mois de feVrier suivant,
apres quoi les auteurs peuvent retirer leurs reponses.
[Archiv f. Gesch. d. Philosophie. Bd. V. Hft. 3. 1892. S. 439—440.]
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des
Kurfürsten Friedrieh Wilhelm von Brandenburg.
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Die Dichtung hat zum Hintergrand den Untergang des Deutschen Ritterordens,
mit dessen letzten Geschicken der Gang der Handlang eng verbanden ist. Tragisch nnd
düster wie die Grandstimmung, ist der Ausgang der Helden dieses Liedes vou „verrathener
Liebe nnd gebrochener Treue1*, die auf der blutigen Wahlstatt von Tannenberg, in der
des Ordens Blüthe für immer vernichtet wurde, ihren Untergang finden. Wunderbare
Naturschilderungen und farbenprächtige Bilder aus dem Leben der Marienburg heben
sich von dem düsteren Hintergrunde wirksam ab.
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Romeo und Julie am IPregel.
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: geh. 5 Mk., eleg. geb. 6 Mit
Dls jiulitisi'he Gfthrung der ersten viertiger Jahre, welche In Königsberg ein so
reges öffentliches Leben hervorbrachte, dm die Augen ff&Q* Deutschlands in jener Zeit
Huf die alte Beeidenastadt am "regel gerichtet waren, dient der in ihrer Einfachheit
tief ergreifenden Kr»ahlnog als Hintergrund. Ein durch glaniende Gat — J- "■'---
und Hersens eusgeseirlineter, an d»V"~ '- "<- — <- — = - —
Literat gewinnt die Liebe der Tochter <
' " ' '■■ ' ■L-Uwieriirklntcn ihr,! II«ü_. _ „
d politischen Gegner*.
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Preis: i,M n. *on *■ Tletsen, Cueto, genannten Archivs. rnu. ^ „.
Die deutsche Qrdensfaarg Thora vor dar Zerstörung 1454 c. st^tn**.
hörn. Ernst Lambeok Verlag.
Soeben erscheint:
Heft 7 u. 8 erscheinen als Doppelheft Ende Deoembei.
Die Herausgeber.
« ■ 1 ') 1 .
1 v --
Zur Beurtheilung von Kant' s Kritik der reinen
Yernunft und Kant's Prolegomena.
Von
Emil Arnoldt.
Characteristik von Kanf s Vorlesungen Ober Metaphysik und möglichst
vollständiges Verzeichniss aller von ihm gehaltener oder auch nur
angekündigter Vorlesungen.
Anhang No. 4 nnd No. 5.
(Fortsetzung.)
Auf Grund zweier solcher mehr äußerlichen Merkmale in
der Politischen Ausgabe und in dem KorfFschen Heft läßt
sich der Zeitraum ziemlich sicher feststellen, in den jenes
Colleg muß gefallen sein.
Die Grenze für den Anfang des Zeitraums ergiebt sich
folgendermaßen :
Die Methodenlehre der Krit. d. r. V. enthält in dem Ab-
schnitte über „die Disciplin der reinen Vernunft in Ansehung
ihres polemischen Gebrauchs4* bekanntlich den Satz: „Ich bin
„zwar nicht der Meinung, welche vortreffliche und nachdenkende
„Männer (z. B. Sulzer) so oft geäußert hahen, da" [bei H. III,
494 „dassu für „da"] „sie die Schwäche der bisherigen Beweise
„fühlten: daß man hoffen könne, man werde dereinst noch
„evidente Demonstrationen der zween Cardinalsätze unserer reinen
„Vernunft: es ist ein Gott, es ist ein künftiges Leben, erfinden.
„Vielmehr bin ich gewiß, daß dieses niemals geschehen werde."
(1. Orig.-Ausg. S. 741 u. 742. — 2. Orig.-Ausg. S. 769 u. 770.
— E. H, 573. — )
Hier ist nicht angedeutet, ob Sulzer, als dieser Satz ge-
schrieben und gedruckt und wieder gedruckt wurde, noch am
Leben, oder bereits verstorben war, während die „Grundl. z.
Altpr. MonatMohrift Bd. XXIX. Hft. 7n.& 80
466 2ar Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
Metaph. d. Sitt." in der Anmerkung, in der sie eines Briefes
„vom sei. vortrefflichen Sulzer" an ihren Autor erwähnt (R. VIII,
34. — H. IV, 2B9) Sulzer direct und ausdrücklich, die Anthro-
pologie aber in der Anmerkung, in der sie einer Unterredung
Friedriche II mit dem „vortrefflichen Sulzer" über das Gedeihen
der Schulanstalten in Schlesien und über Rousseau's Grundsatz,
daß der Mensch von Natur gut sei, gedenkt (R. VII, 2 A., 275. —
H. VII, 657.), Sulzer allenfalls indirect als schon verstorben be-
zeichnet. Dagegen ist Sulzer indirect, aber unverkennbar als
schon verstorben bezeichnet bei Pölitz in der transscendentalen
Theologie, wo es, dem eben citirten Satze aus der Methoden-
lehre der Krit. d. r. V. so ziemlich parallel, wörtlich also heißt:
„Damit aber die ganze Sache erschöpft sey; so müssen
,,noch die übrigen Beweise, als: der kosmologische, der
„physiko - theologische und der moralische angeführt
„werden; damit alle vier Beweise können übersehen werden,
„und man nicht, wie Sulzer glaubte: es werde sich noch einer
„finden, der eine recht ächte Demonstration vom Daseyn Gottes
„erfinden könnte" (S. 283).
Hier fehlt das Verbum zum Subject: „man". Aber es
steht in dem Korff'schen Manuscript, und zwar übergeschrieben,
aber von derselben Hand, von der das ganze Manuscript, und
mit derselben Dinte, mit der der ganze Satz geschrieben ist:
„Damit aber die gantze Sache erschöpft sey, so müßen noch die
„übrigen Beweise: der Cosmologische, Physico-theologische und
„der moralische angeführet werden, damit alle 4 Beweise können
„übersehen werden; und man nicht wie Sultzer glaubte? an-
,, nehme," [dies Wort sammt dem Komma übergeschrieben] „es
„werde sich noch einer finden, der eine recht ächte Demonstration
„vom Daseyn Gottes geben könnte" (S. 369).
Also war Sulzer todt, als Kant die von Pölitz und die im
Korff'schen Heft überlieferte Vorlesung hielt. Denn von einem
Lebenden sagt man nicht: „er glaubte", wenn man nicht an-
deuten will, daß er seinen Glauben geändert habe, wovon hier
nicht die Rede sein kann. Sulzer starb aber im J. 1779 d.
Von Emil Arnoldt. 467
oder 27. Februar*), demnach hat Kant jene Vorlesung frühestens
im J. 1779 gehalten. Ob er sie aber frühestens im Wintersem.
1778/79 oder frühestens im Wintersem. 1779/80 hielt, ist nicht
bestimmt auszumachen. Denn da er im Wintersem. 1778/79
Metaphysik bis zum 26. März las und erst in der rationalen
Theologie jene Meinung Sulzer's vorbrachte, so ist es nicht
gerade unmöglich, daJß er sie am Ende der ersten oder am An-
fang der zweiten Woche des März erwähnte, wo bereits die
Nachricht von Sulzer's Tode nach Königsberg gelangt sein
konnte« Sieht man aber auf die Stelle der rationalen Theologie,
an der jene Erwähnung Statt findet, so dürfte man zu der An-
nahme geneigt sein, daß sie während des Semesters 1778/79
schon im Februar hätte Statt haben müssen, und demnach als
frühesten Termin für das Abhalten der Vorlesung das Semester
1779/80 wahrscheinlicher finden, als das Semester 1778/79.**)
*) Den 25. Februar giebt als Todestag an Foriney's „Eloge de
Mr. Salzer. La dans l'aasembläe publique de l'Academie Boyale des
Sciences et Belles-Lettres du Jeudi 3 Juki, par le secretaire perpetuel."
A Berlin 1779. S. 46. In den Nouveaux Memoires de l'Acad. etc. Annöe
MDCCLXXIX etc. S. 60. In der Uebersetzung: Lobrede auf Herrn Sulzer etc.
Berlin 1779. S. 42. — Dies Datum bringt auch Blanckenburg (s. unt.) S. 134,
und Jördens, Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten, IV. Bd. 1809. S. 758. —
Dagegen giebt d. 27. Februar als Todestag an Nicolai in „Joh. George Sulzers
Lebensbeschreibung, von ihm selbst aufgesetzt. Aus der Handschrift abgedruckt,
mit Anmerkungen von J. B. Merian und Fr. Nicolai. BerL u. Stettin 1809."
S. 68 Anm. — Vielleicht darnach auch Meusel, Lexikon der vom J. 1760
bis 1800 verstorbenen Teutschen Schriftsteller. XIII Bd. 1813. S. 555.
**) Die Sulzer'sche Ansicht, der Kant widersprach, stand in den „Ge-
danken über einige Eigenschafben der Seele, in sofern sie mit den Eigen-
schaften der Materie eine Aehnlichkeit haben, zur Prüfung des Systems des
Materialismus." In der Einleitung dazu wies Sulzer zunächst darauf hin,
daß es in allen Wissenschaften Wahrheiten giebt, welche durch ein an-
schauendes Gefühl empfunden, von Cicero Urtheile der Natur genannt, von
den alten Weltweisen erkannt, bis auf unsere Zeiten erhalten, durch Ent-
deckungen der Neueren immer mehr bestätigt wurden, und fuhr dann fort:
„Zwo der allerwichtigsten Wahrheiten sind Beyspiele dieser Dauerhaftigkeit:
„das Daseyn Gottes und die Unsterblichkeit der Seele. Es ist ausgemacht,
„daß der gesunde Verstand hinreicht, diese beyden Wahrheiten zuerkennen;
„denn alle Völker haben sie angenommen, welche nur einen gewissen Grad
30»
468 Zur Beurtheilung von Kantus Kritik der reinen Vernunft etc.
Eben so läßt sich der späteste Termin für das Halten der
Vorlesung zwar nicht mit völliger, doch einiger Zuverläßigkeit
bestimmen.
In der Kosmologie S. 105 bei Pölitz heißt es nämlich:
„Die physischen Elemente können zweifaoh seyn: als Elemente
„der Species nach, und als Elemente der Einheit nach. So ist
„der Theil" [im KorfPschen Heft S. 168: „der geistige Theil"]
„des Biers ein Element der Species nach, indem er aus vielen
„Arten zusammengesetzt ist; aber Wasser läßt sich nicht in
„verschiedene Materien von verschiedener Species scheiden."
Dazu hat Pölitz am Ende des Bandes unter den wenigen da-
selbst gegebenen Berichtigungen des Textes auch angemerkt:
„Wahrscheinlich fallen diese Vorlesungen noch in die Zeit, bevor
, jene neue Entdeckung" — daß das Wasser in zwei Gasarten
kann aufgelöst werden — „zu Eants KenntniB gekommen war."
Dies ist aber nicht nur wahrscheinlich, sondern ganz ge-
wiß. Denn sonst hätte Kant unmöglich das Wasser für eine
nicht scheidbare Materie ausgeben können. Und es fragt sieb
nun, wann er frühestens zur Kenntniß jener Entdeckung gelangt
„der Vernunft erreicht hatten. Dessen ungeachtet aber kann man dennoch
„nicht sagen, daß auch die größten Philosophen des Alterthums zureichende
„Beweise davon gegeben hätten. Aber doch ist die Glaubwürdigkeit dieser
„Wahrheiten durch den Fortgang der Philosophie unter den neuem nicht
„nur nicht vermindert, sondern vielmehr bestätigt worden. Und man kann
„hoffen, die Philosophie dereinst auf einer höhern Stufe der Vollkommen-
heit zu sehen, wo sie uns dann für diese Wahrheiten eben so einleuchtende
„Beweise geben wird, als die Geometrie in ihrer vollkommensten Evidenz.1* —
Diese Abhandlung vom Jahre 1771 hatte Sulzer neben anderen seiner
ebenfalls ursprünglich Französisch geschriebenen und in den Jahrbüchern
der KgL Akademie der Wissenschaften veröffentlichten Schriften nach deren
Uebertragung ins Deutsche in die von ihm veranstaltete Sammlung:
„J. G. Sulzers vermischte philosophische Schriften," Leipz. 1773 als vor-
letzte derselben S. 848—376 aufgenommen, worauf dann Blanckenburg „eine
Fortsetzung der vermischten philos. Schrift. Sulzers" nebst einigen Nach-
richten von dessen Leben und sämmtlichen Werken als zweyten Theil im
J. 1781 ebenfalls zu Leipz. bey Weidmanns Erben und Reich folgen ließ.
Wahrscheinlich hatte Kant jene Abhandlung nicht aus den Jahrbüchern
der Akademie, sondern erst aus Sulzer's Sammlung, also frühestens im
J. 1773, vielleicht aber auch erst später kennen gelernt.
Von Emil Arnoldt 469
ist, oder wenigstens kann gelangt sein. Denn der früheste
Termin für seinen Gewinn jener Kenntniß ist selbstverständlich
zugleich derjenige, über den hinaus die Ursprungszeit der zu
datirenden Vorlesung nicht darf verlegt werden. Nach Arago
in dessen Gedächtnißrede auf James Watt und nach der ihr
angehängten geschichtlichen Note Lord Brougham's über die
Entdeckung der Zusammensetzung des Wassers (Oeuvres Compl.
de F. Arago, I, 467. 498 u. 499. 500. 507. — Deutsche Ausg. I,
366. 399. 400. 406.) wäre es sehr möglich, daß Watt, Cavendish,
und Lavoisier, ohne von ihren gegenseitigen Arbeiten etwas zu
wissen, beinahe gleichzeitig d. h. im J. 1783 den Schluß ge-
zogen hätten, das Wasser sei Product der Verbindung von Sauer-
stoff und Wasserstoff. Der wissenschaftlichen Welt bekannt
wurde die neue Entdeckung durch Lavoisier's Abhandlung:
„sur la combinaison du principe oxygine avec l'esprit de vin" etc.
und Cavendish' Abhandlung: , .Experiments on Air", welche
beide im J. 1784 — jene in der Histoire de l'Acad. etc., diese
in den Philosophical Transactions — erschienen und bald nach
ihrem Erscheinen — das steht so gut wie ausser Zweifel —
auch an die Königsberger Schloßbibliothek gelangten. Daher
ist mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, daß Kant spätestens
im J. 1785, wenn nicht bereits im J. 1784 von der neuen Ent-
deckung Kenntniß gewann, und demnach als spätester Termin
fär die fragliche Vorlesung das Wintersemester 1784/85, wenn
nicht 1783/84 anzusetzen.
Also feilt in den Zeitraum: 1778/79, wahrscheinlicher
1779/80 bis 1784/85, vielleicht 1783/84, aber nicht, wie B. Erd-
mann behauptet, in die Zeit um 1774 das Semester, in welchem
Kant die Kosmologie, Psychologie und Theologie der Pölitz'schen
Ausgabe so wie die in dem Korffschen Heft überlieferte ganze
Metaphysik vortrug.
y) B. Erdmann's unhaltbare Meinung über das Verhältniß und die
Ursprungsart des von Pölitz benutzten, größeren metaphysischen Manuscripts
und des Korffschen Manuscripts.
Unberücksichtigt lassen möchte ich auch nicht B. Erd*
470 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
mann's Darstellung des Verhältnisses zwischen der Nachschrift,
aus der Pölitz die Kosmologie, Psychologie, und Theologie ent-
nahm, und der damit durchweg übereinstimmenden, auf der
Königsberger Kgl. u. Univers.- Bibliothek befindlichen Nach-
schrift, die ich als das Korff 'sehe Heft bezeichnet habe. B. Erd-
mann sagt darüber in seiner Abhandlung: „Eine unbeachtet
gebliebene Quelle" etc. auf S. 135:
Es „finden sich im Einzelnen so zahlreiche kleine Variationen
„des Ausdrucks, so viele Auslassungen, endlich auch einzelne
„Zusätze bei Pölitz, daß der nächstliegende Gedanke, die Königs-
,, berger Handschrift biete das ausführlichere Manuscript, durch-
haue unzulässig wird. Es bleibt vielmehr, wie mir scheint, nur
„die Annahme übrig, daß beide Nachschriften derselben Vor-
lesung Kant's entstammen. Vorausgesetzt muß dabei werden,
„daß Kant hinreichend langsam gesprochen habe, um einem ge-
„übten Zuhörer ein nahezu vollständiges Mitschreiben zu er-
möglichen, daß ferner beide Zuhörer dem Gedankengange un-
gefähr gleich gut haben folgen können" u. s. w. Dazu giebt
B. Erdmann unter dem Text die Note: „Die zahlreichen einzelnen
„kleineren Versehen u. s. w. sind nahezu gleich zwischen beiden
„vertheilt."
Aus dieser etwas unklaren Darstellung geht doch klar her-
vor: B. Erdmann nimmt an, die Verfasser jener Nachsohriften
seien beide in einem und demselben Semester Zuhörer von Kant's
metaphysischem Oolleg gewesen, und zwar geübte, die dem Ge-
dankengange des Lehrers ungefähr gleich gut folgten und den
Vortrag desselben nahezu vollständig nachschrieben, wobei sich
„die zahlreichen einzelnen kleineren Versehen u. s. w.", die sie
begingen, „nahezu gleich zwischen beiden" vertheilten. Die An-
nahme jedoch, daß zwei Zuhörer Kant's völlig selbstständig,
mithin unabhängig von einander sowohl, als von dem Manu-
script eines Dritten jene — angeblichen — Nachschriften auf-
setzten, beruht auf einer oberflächlichen Vergleichung des Textes
der letzteren. B. Erdmann hat kurz vor seiner oben citirten
Darstellung die Korff'sche Handschrift „unzweifelhaft eine Bein-
Von Emil Arnoldt. 471
schrift" genannt. Eine Reinschrift ist sie wohl auch, aber viel-
leicht nur eine reine Absohrift, verfertigt von jemand, der Kant's
Vorlesung niemals gehört hatte. Und von der Urschrift, die
Pölitz vorgelegen hat, ist gar nichts mehr zu wissen, und daher
auch nicht die leiseste Vermuthung zu wagen, ob sie originale
oder mundirte Nachschrift oder eine Abschrift gewesen sei. Doch
das ist unerheblich. Aber erheblich ist. daß B. Erdmann hier
zweierlei unbeachtet gelassen hat.
1. Er redet von „zahlreichen einzelnen kleineren Ver-
sehen u. s. w.", die „nahezu gleich zwischen beiden" Nachschriften
oder Nachschreibern „vertheilt sind". Ob sie „nahezu gleich
vertheilt sind", kann er kaum wissen, da er sie schwerlich ge-
zählt hat. Doch das ist gleichfalls Nebensache. Hauptsache
aber ist: „wenn er nur kleinere Versehen u. s. w." bemerkt hat,
so hat er die großen Versehen unbemerkt gelassen. Denn große -
Versehen eines Nach- oder Abschreibers sind unzweifelhaft solche,
welche den Sinn der niedergeschriebenen Sätze gröblich ent-
stellt oder gar in sein Gegentheil verkehrt haben, und solche
Versehen enthält die Pölitz'sche Ausgabe wie das Korff'sche
Heft in nicht geringer Zahl.
2. B. Erdmann hat allerdings die Abweichungen, die zwischen
dem Texte der Pölitz'schen Ausgabe und dem der „Königsberger
Handschrift" d. h. des Korff'schen Hefts an vielen Orten vor-
handen sind, beachtet und durch mancherlei Anführungen hin-
länglich markirt. Aber er hat unter den Uebereinstimmungen,
welche zwischen den beiden Texten durchgängig sind, diejenigen
nicht beachtet, die seine Annahme von den zwei selbstständigen
Nachschreibern unhaltbar machen. Indem er nämlich die großen
Versehen, von denen ich sprach, nicht bemerkte, hat er auch
nicht beachtet, daß ziemlich viele jener sinnwidrigen Sätze, die
in Folge jener Versehen zu Stande kamen, theils ganz, theils fast
ganz übereinstimmen in der Pölitz'schen Ausgabe und in dem
Korff'schen Heft. Er hat ferner nicht beachtet, daß und wie
an mehreren Orten die Parenthesen übereinstimmen, nämlich
so, daß sie in der Pölitz'schen Ausgabe genau da anfangen und
472 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
genau da schließen, wo sie in dem KorfFsehen Heft anfangen
und schließen.
Auch scheint mir an manchen Stellen ursprünglich Ueber-
einstimmung geherrscht zu haben, wo jetzt Abweichungen vor-
handen sind, weil dort Pölitz oder ein anderer vor ihm un-
geschickte Ausdrücke und Redewendungen durch bessere zu er-
setzen versuchte. Doch dies ist blos meine Vermuthung, und ich
lege kein Gewicht darauf. Dagegen sind die beiden vorigen
Arten der Uebereinstimmung — die Uebereinstimmung sinn-
widriger Sätze und die von Parenthesen — unstreitig vorhanden.
Die ausführliche Begründung dieser Behauptung würde
hier zu weitläuftig sein. Zum Belege derselben muß ich mich
auf kurze Angaben beschränken.*)
Uebereinstimmung sinnwidriger Sätze findet sich
*
in der Kosmologie
bei P. S. 103, Z. 6 von ob. „die Materie besteht aus ein-
fachen Theileu"; bei K. S. 166 ob. eben so; für: die Materie be-
steht nicht aus einfachen Theilen.
bei P. S. 104 Z. 6 v. ob. : „Wir können absolut erste Theile,
sowohl in der Materie, als auch in der materiellen Welt an-
nehmen"; bei K. S. 167 Mitte eben so; für: wir können keine
absolut erste Theile u. s. w. annehmen.
bei P. S. 107 Z. 4 v. ob. „metaphysisch"; bei K S. 171
eben so; für mechanisch.
bei P. S. 108 Z. 3 v. ob. „Impossibilität", was Pölitz unter
den Berichtigungen in Impassibilität verbessert hat; bei K. S. 172
Mitte deutlich ebenfalls „Impossibitität".
bei P. S. 108 Z. 9 von ob. „nicht" ftr noch; bei K. S. 172
Mitte „nichts" für noch.
bei P. S. 118 Z. 14 von ob. „daß aber aus diesen Kräften
der Natur die Begebenheit nach der Ordnung der Dinge
*) Bei diesen Angaben werde ich die Politische Ausgabe mit P., das
Korff'ache Manuscript mit K. bezeichnen.
Von Emil Arnoldt. 473
fließet, das ist die Form des Wunders"; bei K. S. 183 unt. u.
184 ob. „daß aber ans dieser Kraft der Natur die Begebenheit
nach der Ordnung der Dinge fließe" u. s. w.; für: nicht nach
der Ordnung der Dinge.
In der Psychologie
bei P. S. 154 Z. 8 von ob. ,,die Verstandeserkenntniß ist
logisch, wenn sie indirecte intellectual ist" u. s. w.; bei K.
S. 225 unt. eben so; „logisch" für symbolisch. Die ganze
Stelle für die Uebereinstimmung von P. u. K. characteristisch ;
bei beiden indirecte, nicht indirect.
bei P. S. 182 Z. 16 von ob. fehlt liberum hinter arbitrium
sensitivum, bei K. S. 255 unt. ebenfalls.
bei P. S. 213 Z. 2 von unt. und eben so bei K. S. 290
Mitte „Materialität" für Immaterialität.
bei P. S. 220 Z. 8 von ob. und eben so bei K. S. 297 unt.
„physikalische Persönlichkeit" für psychologische.
bei P. S. 234 Z. 7 bis Z. 4 von unt. zwei Sätze, die in
Folge falscher Interpunction und in Folge eines falschen Genus
des Belativ-Pronomens keinen rechten Sinn, und bei K. S. 313
ob. dieselben Sätze, die in Folge der fast gleichen falschen
Interpunction und in Folge eines ganz gleichen falschen Genus
des Relativ-Pronomens keinen viel besseren Sinn geben: „Nun
liegt es schon im allgemeinen (bei K. gemeinen) Begriff der
Seele, daß sie ein Subject sey. (bei K. ; statt des Puncts.) Die
(bei K. die) Spontaneität in sich enthält, sich selbst aus dem
innern Princip zu determiniren." Das Punctum und das Semi-
kolon sind durch ein Komma, und „die" durch das zu ersetzen.
bei P. S. 245 Z. 5 von unt. u. ff. und bei K S. 325 unt.
die sinnlose Begriffsbestimmung von Analogie wörtlich gleich:
„Analogie ist die Proportion der Begriffe, wo ich aus dem Ver-
hältnisse zweier Glieder, die ich kenne, zum" [„zum" für: das]
„Verhältnis des dritten Gliedes, das ich kenne, das Verhältnis
des vierten Gliedes" [die letzten fünf Worte für: zum vierten
Gliede] „das ich nicht kenne, herausbringe".
474 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
bei P. S. 251 Z. 10 von unt.: „das geistige Leben könnte
doch fortdauern und ausgeübt werden, wenn es gleich auch"
[für: nicht, wie P. unter den Berichtigungen angegeben hat]
„mit dem Körper zufällig vereinigt wäre"; bei K. S. 332 Mitte:
,,wenn es auch zufällig mit dem Körper" [hier ist ebenfalls ein-
zuschalten: nicht] „vereinigt wäre".*)
In der rationalen Theologie
bei P. S. 266, Z. 7 v. unt. und bei K. S. 349 unt. „sie not-
wendig voraussetzen muß, wenn er nicht wie ein Thier oder
wie ein Bösewicht handeln will": — „Thier" für Thor; „sie"
ist bezogen auf „Erkenntniß G-ottes", was weit voransteht, aber
*) „I. Kant's Vorlesungen über Psychologie. Mit einer Einleitung:
„„Kant's mystische Weltanschauung" u herausgegeben von Dr. Carl duPrel.
Leipzig. Günthers Verlag. 1839.", welche aus der Politischen Ausgabe von
»Kaufs Vorlesungen über die Metaphysik" den dritten Abschnitt: „Psycho-
logie" enthalten, sind nicht, obschon Du Prel in der Vorrede ankündigt,
daß er diese Psychologie .,hier neu herausgebe", eine wirklich neue Aus-
gabe, sondern ein bloßer Ab druck* derselben. Sie bringen ohne Anstoß
nicht allein das Sinnwidrige, das ich oben aus jener Psychologie notirt,
sondern auch alles übrige darin enthaltene nicht wenige und nicht wenig
Sinnwidrige, das ich daraus oben nicht notirt habe, weil es in dem
KorfPschen Manuscript an den betreffenden Stellen nicht seines Gleichen hat.
Sogar jener einzige von allen sinnentstellenden Fehlern in der Psychologie,
welchen Pölitz am Ende seines Buches berichtigt hat, kehrt un berichtigt
in dem Du Prel'schen Abdruck wieder, während darin (S. 4 Z. 4 von ob.) nur
ein einziger einfacher Druckfehler der Pölitz'schen Ausgabe auf S. 126
Z. 13 von unten — „aus einer Vernunft" für: aus reiner Vernunft — ver-
bessert ist. Ob aber darin neue Fehler und wie viele etwa hinzugethan
worden, kann ich nicht angeben. Unter die Augen gekommen ist mir nur
Ein neuer auf S. 79, Z. 6 von unt. : „vorliegen" für „vorbringen" bei Pölitz
auf S. 236, Z. 4 von unt., welches letztere sich dem Zusammenhange der
Gedanken auch ni^.ht sehr passend einfügt. Ueber Du Prel's Versuch, die
aberwitzige Behauptung zu erhärten, daß ,,Eant heute Spiritist sein würde'1
(S. LIII der Einleit.), verliere ich kein Wort. Warum erkundigen sich
Spiritisten nicht bei Kant selbst direct oder indirect, ob er jener Behauptung
beipflichte? Um dies zu thun, ist Du Prel trotz seiner Bekanntschaft mit
der „Thatsache photographierbarer Phantome" (S. XLV der Einleit) und
trotz seines intimen Verkehrs mit Geistern von dem Geiste des gesnnden
Menschenverstandes wohl noch nicht verlassen genug.
Von Emil Arnoldt. 475
zu beziehen auf Existenz Gottes, was gar nicht dasteht. Die
wörtliche Uebereinstimmung der ganzen, den citirten Passus
enthaltenden zwei Sätze bei P. und bei K. befremdet ungemein.
bei P. S. 276, Z. 11 von unt.: „ohne diese höchste Realität
ist die Möglichkeit aller Dinge nicht deutlich"; bei K. S. 360
Mitte genau eben so; — „deutlich" für denklioh.
bei P. S. 277, Z. 5 von ob.: „die Bedingung, durch deren
Aufhebung das Deutliche aller Möglichkeit der Dinge aufgehoben
wird, muß nothwendig seyn"; bei K. S. 361 Mitte genau
eben so; — „das Deutliche" für das Denkliche.
bei P. S. 321, Z. 8 von ob.: „eines heiligsten Wesens";
bei K. S. 415 ob. eben so; — „heiligsten" für heiligen. Der
Ausdruck ist zwar nicht durchaus sinnwidrig, aber immerhin verfehlt.
bei P. S. 326 Z. 2 u. 1 von unt. und S. 327 Z. 1 u. 2 von ob. :
„Der Zustand der Welt, der in der Eeihe der Dinge von Gründen
und Folgen, Ursachen und Wirkungen keinen andern vor sich
hat, ist der Anfang" ; bei K. S. 422 ob. eben dieselbe Definition
von Anfang, nicht nur in gleich lautenden Worten und mit derselben
Interpunction, sondern auch — worauf es hier mehr ankommt —
mit der gleichen sinnwidrigen Verstellung der Worte: „in der
Eeihe der Dinge von Gründen und Folgen, Ursachen und
Wirkungen" ftbr: in der Eeihe von Gründen und Folgen, Ur-
sachen und Wirkungen der Dinge.
Die Uebereinstimmung der Parenthesen bei P. und
bei K. ist eine durchgängige, — durch alle jene drei Theile
der Metaphysik, die hier in Betracht kommen, die Kosmologie,
Psychologie, rationale Theologie:
bei P. S. 95 unt. (K. 157 ob.) — P. S. 101, 1. Absch.
(K. 163 unt.). — P. S. 112 unt. (K. 177 unt.). — P. S. 114,
1 Hälfte (K. 179 ob.). — P. S. 155 ob. (K 226 unt.). —
P. S. 164, 3 Absch. (K. 236 Mitte). — P. S. 189 unt. (K. 265
Mitte.). — P. S. 213, 2 Absch. (K. 289 unt.) — P. S. 214,
1 Absch. (K. 291 ob.) — P. S. 216, 3 Absch. (K. 293 unt.). —
P. 224, 1 H. (K. 301 unt.) — P. S. 239 ob. (K. 318 ob.). —
P. S. 242 Mitte (K. 322, 1 H.). — S. 246, 1 H. (K. 326, 1 H.). —
476 Zur Beurth eilung von Kant'e Kritik der reinen Vernunft etc.
P. S. 298, 2 Absch. (K. 386, 1 H.) — P. S. 305 ob. (K. 394 ob.). -
P. S. 307, 1 H. (K. 396 Mitte). —
Unter diesen siebzehn übereinstimmenden Parenthesen
giebt es nur drei, bei denen die Uebereinstimmung durch den
Inhalt — die Einsetzung des lateinischen Terminus für den
deutschen oder umgekehrt — und daher durch eine sachliche
Notwendigkeit kann herbeigeführt sein, nämlich die bei P.
auf S. 216: „Alle Materie als Materie (materia, qua talis) ist
leblos"; — S. 298: „die omnisufficientia ( Allgenugsamkeit)" ; —
S. 307: „der höchste Verstand (intellectus originarius)1*. Bei
allen übrigen Parenthesen kann von einer sachlichen Noth-
wendigkeit entweder gar nicht, oder kaum die Bede sein.
Die Parenthese bei P. auf S. 274, 1 Absch.: „Dieser Be-
griff ist der Grenzbegriff (Conceptus terminatus)" findet sich,
obschon sie zu erwarten wäre, bei K. nicht, wo die Worte:
„Conceptus terminatus" uneingeklammert blos durch ein Komma
von den "Worten: „der G-rentzbegrif l getrennt sind. Ferner:
die Parenthese bei P. auf S. 163 unt. fehlt bei K. auf S. 226,
weil der Satz, in dem sie bei P. vorkommt, bei K. eine andere
Fassung erhalten hat. Sodann: zwei Parenthesen bei P. anf
S. 320 fehlen bei K. auf S. 414, weil die bei P. in den Paren-
thesen stehenden Worte bei K. ausgefallen sind. Dabei ist
höchst auffallig, daß der eine der hier in Betracht kommenden
Sätze bei P. wie bei K. genau auf dieselbe Art gegen die gram-
matische Construction verstößt. Bei P. lautet er: „der Zustand
aber des höchsten Wohlgefallens an sich aus innern Principien
und der Selbstzufriedenheit nennen wir Seligkeit (beatitudo)".
Bei K. lautet er: „Der Zustand aber des höchsten Wohlgefallens
an sich" [es fehlt: „aus innern Principien"] und der Selbstzufrieden-
heit nennen wir Seeligkeit". Also bei P. wie bei K. steht „der
Zustand" für: den Zustand.
Auch sei der Vollständigkeit wegen noch angefahrt,
daß bei P. auf S. 334, 2 Absch. hinter dem Satze: „dem-
nach kommt hier der Satz de mundo optimo vor", der bei
K. auf S. 431 darauf folgende ziemlich sinnlose Satz: „der
Von Emil Amol dt 477
Optimismus ist (: wenn man die Welt im Ganzen nimmt:) das
höchste erschaffene Gut", wahrscheinlich mit Absicht unterdrückt
und so mit dem Satze auch die Parenthese desselben fortgelassen
worden.
Duroh den Nachweis solcher Uebereinstimmung von sinn-
widrigen Sätzen, von Parenthesen, von Verstößen gegen die
grammatische Construction fällt B. Erdmann's Annahme von
den zwei Zuhörern, die in einem und demselben Semester Kant's
Vortrag selbstständig nachschrieben. Sie könnte auch durch die
weiteren Annahmen nicht gestützt werden, daß Kant jene auf-
gewiesenen Fehler selbst begangen, daß er seinen Vortrag mit
Angabe der Parenthesen in die Feder dictirt, und daß jene
beiden Zuhörer ihn ohne viel Ueberlegung nachgeschrieben
hätten. Denn der Annahme, daß Kant solche Fehler, als die
aufgewiesenen, in seinen Vorträgen jemals begangen, entspricht
kein Zeugniß, und der Annahme, daß er seinen Vortrag jemals
dictirt habe, widerspricht jedes Zeugnis, das uns über seine
Vortragsweise aufbehalten ist, und dieser zweiten Annahme
widerspricht obendrein die Menge von Varianten in den beiden
Manuscripten, welche ganz und gar wäre unmöglich gewesen,
wenn zwei Zuhörer einen und denselben Vortrag, wie sie ihn
dictirt erhielten, zu Papier gebracht hätten.
Ueber die Ursprungsart der Manuscripte und das Verhältniß
derselben zu einander hege ich die Vermuthung, daß beiden —
dem von Pölitz benutzten und dem KorfPschen — ein drittes
habe zu Grunde gelegen, welches verschiedentlich abgeschrieben,
vielleicht auch hier und dort überarbeitet worden, und dessen
Text bei diesem Abschreiben und Ueberarbeiten unter mancherlei
Umständen mancherlei Veränderungen erlitten hat. Doch diesen
„Quark" weiter zu behandeln, nehme ich Abstand, weil er wohl
breit getreten, aber nicht „stark" werden könnte, d. h. im vor-
liegenden Falle ergiebig an einer sicheren Thatsache.
<f) Die Nachschrift vom „Winter 1794" und die Nachschrift vom Winter-
semester 1794/95.
An welches Semester ist zu denken, wenn man liest:
478 Zar Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
„Kants Vorlesungen über die Metaphysic im Winter 1794"?
Ich sollte meinen: an das Wintersemester 1794/95. Demnach
würde diese Nachschrift, die ich im Original, und die andere
„aus dem Vortrage des Herrn Prof. Kant pro 1794/95", die ich
nur in der Copie kenne, demselben Semester entstammen. Ich
habe es ursprünglich angenommen, diese Annahme aber nach
genauerem Vergleich beider Nachschriften aufgegeben.
Im Allgemeinen ist freilich der Inhalt beider den Gedanken
nach gleich, aber im Einzelnen mannigfach variirt, und der
Ausdruck durchweg verschieden. Solche Abweichungen — von
denen Proben im nächsten Abschnitt dieser Abhandlung folgen
werden — konnten schwerlich einem und demselben Vortrag
gegenüber eintreten, auch wenn — was kaum einem Zweifel
unterliegt — die eine Nachschrift, nämlich die „im Winter 1794",
an der Hand von Aufzeichnungen aus dem Colleg zu Hanse
mit dem Streben nach conciser Fassung des Gehörten ausgearbeitet
und ins Reine gebracht, die andere, nämlich die „pro 1794/95",
gleich im Colleg in unmittelbarem Anschloß an den fortlaufenden
Vortrag niedergeschrieben und dann ohne spätere Ueberarbeitnng
und Aenderung aufbehalten ward.
Entscheidend jedoch für den Ursprung jener zwei Nach-
schriften aus zwei verschiedenen Semestern sind die verschiedenen
Eintheilungen der Metaphysik, von denen die eine Nachschrift
die eine Eintheilung, die andere Nachschrift eine davon ab-
weichende als normale Eintheilung überliefert. Es ist ganz
unmöglich, daß diese Verschiedenheit blos aus einer verschiedenen
Auffassung einer und derselben Eintheilung von Seiten der zwei
Nachschreiber entsprang, und eben so unmöglich, daß Kant in
einem und demselben Semester beide Eintheilungen als normale
aufstellte. Das wird gleich unter der ersten Nummer des
folgenden Abschnitts ersichtlich sein, wo ich von beiden Ein-
theilungen Schemata entwerfen will. Ist aber mit dem „Winter
1794" nicht das Semester 1794/95 gemeint, so kann darunter
nur das Semester 1793/94 verstanden werden.
Von Emil Arnoldt. 479
3. Prüfung einiger aus Kant's metaphysischen
Collegien überlieferten metaphysischen Ansichten vom
Standpunct des in Kant's Druckschriften entwickelten
Kriticismus.
Diese Prüfung soll zunächst Kant's Einteilungen der
Philosophie, speciell der Metaphysik exponiren und in einigen
Puncten beleuchten, sodann einige wenige seiner Definitionen
herausgreifen und als Beispiele ungenauer Begriffsbestimmungen
in seinem mündlichen Vortrage aufweisen, endlich seine Aeuße-
rungen über die Substanzen der Welt vorlegen und eingehender
beurtheilen.
a) Eintheilungen der Philosophie, speciell der Metaphysik.
Es kommen hier wesentlich nur drei Eintheilungen in
Betracht: a) diejenige, die in dem KorfPschen Heft (zwischen
1778/79 oder 1779/80 und 1783/84 oder 1784/85), ß) diejenige,
die in dem Heft vom „Winter 1794" (1793/94), y) diejenige,
die in dem Heft „pro 1794/95" als normale hingestellt ist, denn
die vierte, die ich allenfalls noch zu berücksichtigen hätte, näm-
lich die, welche die Prolegomena zur Metaphysik in der Pölitz'-
schen Ausgabe enthalten, welche also ein entweder aus dem
Semester 1787/88 oder 1788/89 herrührendes Heft überliefert
hat, ist unvollständig und von untergeordneter Bedeutung. Sie
wird, meine ich, durch folgende kurze Angabe hinreichend ge-
schildert:
Nachdem dort die „Einleitung" von der Philosophie über-
haupt in ähnlicher, zum Theil gleicher, aber weniger ausführ-
licher Axt, als die „Einleitung" in die Logik unter No. HI
(R. HI, 182—189. — H. VHI, 22—27.) gehandelt und daran
eine mit dem „Abriß" in der Einleitung zur Logik unter No. IV
ebenfalls nahezu übereinstimmende „Geschichte der Philosophie"
geknüpft hat, bringen die „Prolegomena" nach Unterscheidung
der Philosophie in die reine und die angewandte und nach der
Erklärung, die Metaphysik sei das System der reinen Philosophie,
indem sie beiläufig der Moral, nachdrücklich der Kritik der
480 Zur Beurtheilnng von Kant's Kritik der reinen Vernunft ete.
reinen Vernunft, aber der angewandten Philosophie weiter gar
nicht erwähnen, eine Eintheilung der Metaphysik, welche
schematisirt sich so ausnimmt:
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Von Emu Arnoldt. 481
Diese Eintheilung ist unvollständig, weil bei der Kosmologie
die transscendenten, und bei der rationalen Theologie alle Unter-
abtheilungen fehlen. Ohne Zweifel wurden sie bei der Be-
handlung dieser Theile auch im Semester 1787/88 oder 1788/89
angegeben, wie dies in den drei anderen Semestern geschah,
aus denen ich Eintheilungen der Metaphysik anzuführen habe.
Zu beachten ist an dieser Eintheilung, daß Kant hier ab-
weichend von der Eintheilung der Metaphysik in der Krit. d.
r. V., statt vier Haupttheile: 1. Ontologie, 2. rationale Physio-
logie, 3. rationale Kosmologie, 4. rationale Theologie anzunehmen
(R. II, 652. — H. HI, 556.), nur drei annahm, die Bezeichnungen:
Physiologie und Kosmologie als gleichwerthig setzend, daß er
aber die Bezeichnung: Physiologie für einen Haupttheil der
Metaphysik in Uebereinstimmung mit der Krit. d. r. V. noch
festhielt, was später nicht der Fall war. Ueber die Nothwendig-
keit, die empirische Psychologie principiell von der Metaphysik
auszuschließen und sie doch aus Nützlichkeitsgründen darin vor-
zutragen, hat er seit der Abfassung der Krit. d. r. V. immer
gleich entschieden gedacht, aber sich nicht immer gleich
nachdrücklich geäußert. In der „Nachricht von der Ein-
richtung seiner Vorlesungen in dem Winterhalbjahre von 1765
bis 1766" hatte er der empirischen Psychologie, mit welcher er
damals den Vortrag der Metaphysik begann, zum Behuf didak-
tischer Zwecke große Wichtigkeit beigelegt. Aber auch später-
hin widmete er ihrer Darstellung, die er aus ganz anderem
Gesichtspuncte lieferte, als seine Anthropologie, in seinen meta-
physischen Vorträgen eine, wie es scheint, nicht gerade kurze Zeit.
«) Eintheilung der reinen Philosophie, speciell der Metaphysik
nach dem KorfFschen Heft und der Pölitz'schen Ausgabe der Metaphysik
in der Kosmologie, Psychologie und Theologie.
Die Eintheilung, die ich hier folgen lasse, findet sich in
der Vollständigkeit und übersichtlichen Ordnung, in der ich sie
gebe, an keiner einzelnen Stelle des Korfi'schen Heftes oder
der Pölitz'schen Ausgabe. Die Ontologie des KorfFschen Heftes
bringt die Haupteintheilung, die Pölitz'sche Ausgabe diese also
Altpr. MonAtMohrift Bd. XXIX. Hit. 7 u. 8. 31
482 Zur Beurtheilung von Kantus Kritik der reinen Vernunft etc.
gar nicht. Die Benennung der Unterabtheilungen und die näheren
Bestimmungen der letzteren sind in dem Korffschen Heft und
in der Pölitz'schen Ausgabe zerstreut vorhanden, theils zu Anfang
der Kosmologie, theils zu Anfang der Psychologie, theils durch
die Theologie hin. Bei Zusammenstellung der zerstreuten Angaben
bin ich so wenig als möglich von den überlieferten Worten ab-
gewichen und habe mir nur hier und dort stylistische Aenderungen,
und zwar kaum eingreifendere, als Kürzungen erlaubt.
Reine Philosophie
ist
Logik Metaphyisk *
I. Heine Metaphysik (Metaphysica II. Angewandte Metaphysik (Metaphysik
pura) applicata)
a) Ontologie b) Kosmologie c) Theologia a) Somatologia pura b) Psychologia
naturalis (rationalis) rationalis
Sachgemäße Eintheilung:
I. Transscendentale Metaphysik II. Metaphysica applicata
a) Ontologie h) Kosmologie c) Archeologie a) Physiologia b) Psychologia c) Theologia
rationalis rationalis naturalis
Physica generalis Psychologia
generalis
Physica specialis Psychologia
specialis
Beine Philosophie ist Logik,
behandelt den formalen Gebrauch, die Regel des Gebrauchs
des Verstandes und der Vernunft überhaupt.
Beine Philosophie ist Metaphysik,
studirt das Subject, giebt als eine Logik vom Gebrauch des
reinen Verstandes und der reinen Vernunft Anweisung, mit
reinen Vernunftbegriffen umzugehen, untersucht die Gesetze,
nach denen man zu solchen Begriffen gelangt, liegt jenseits der
Physik, indem sie auf die Erfahrungs- und Vernunftbegriffe,
Von Emil Arnoldt. 483
die in jener gemischt sind, reine Vernunftbegriffe folgen läßt,
ist aber nicht Hyperphysik, worunter eine theologische Natur-
lehre zu verstehen wäre.
Sie kann eingetheilt werden in:
I. Beine Metaphysik (Metaphysica pura).
a) Ontologie untersucht, wie der Verstand zu reinen Be-
griffen gelangt, welche die allgemeinsten Eigenschaften der
Dinge betreffen, erwägt die Dinge gleichsam distributiv darauf
hin, was einem jeden von ihnen insbesondere zukommt.
b) Kosmologie erwägt die Dinge collectiv als Theile
im Verhältnis eines gemeinschaftlichen Ganzen, welches die
Welt heiJBt.
c) Theologia naturalis erwägt die Dinge ebenfalls collectiv,
subordinirt sie aber alle zusammengenommen einer obersten Ur-
sache, welche Gott genannt wird.
II. Angewandte Metaphysik (Metaphysica applicata).
a) Somatologia pura (rationalis) enthält Erklärungs-
grunde von dem, was wir durch die [äußeren] Sinne erfahren.
b) Psychologia rationalis enthält Erklärungsgründe von
dem, was wir durch den inneren Sinn erfahren.
Aber der Sache angemessen wird die Metaphysik folgender-
maßen eingetheilt:
Die Metaphysik ist ein Organon der reinen Vernunft.
I. Transscendentale Metaphysik
handelt, indem in ihr sowohl die Form als das Object ein reiner
Vernunftbegriff ist, von einem Etwas oder von einem Dinge
überhaupt.
a) Ontologie sagt allgemeine Prädicate von einem Dinge
aus, die ihm allein und besonders zukommen, erwägt die Regeln
unseres Denkens über den Gegenstand überhaupt, handelt als
transscendentale Logik von den Regeln und dem Gebrauch
31*
484 Zur Beurtheilung von Kant'« Kritik der reinen Vernunft etc.
des reinen Verstandes und der reinen Vernunft, gehört zur
transscendentalen Philosophie, welche die Principien der reinen
Anschauung (in der transscendentalen Aesthetik) und der reinen
Begriffe (eben in dieser transscendentalen Logik) untersucht.
Sie ist Analytik. Diese aber theils Analytik der Be-
griffe. Dieser analytische Theil untersucht die Begriffe des
reinen Verstandes z. B. vom Endlichen, Unendlichen, Ursache
und Wirkung, giebt das System der aus den Functionen der
Urtheile abgeleiteten Kategorien.
Sie ist theils Analytik der Grundsätze. Dieser syn-
thetische Theil betrachtet die Grundsätze, die aus den Be-
griffen des reinen Verstandes entspringen: alles, was da ist [d. h.
in der Zeit ist], ist entweder Substanz oder Accidenz; alles, was
geschieht, ist eine Wirkung, Folge einer Ursache, oder: alles
was in der Zeit auf einander folgt, ist bestimmt in einer Reihe;
alles was zugleich ist, ist bestimmt in einem Ganzen. Er zeigt:
„Weil die synthetischen Principia die Bedingung der Möglich-
keit der Erfahrung enthalten, so sind sie auch die Bedingung
der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung"; sie sind im-
manent, d. h. von einem Gebrauch für Gegenstände der Sinne,
nicht transscendent, d. h. von keinem Gebrauch außerhalb aller
möglichen Erfahrung.
Sie ist Dialektik, sie zeigt: ,,alle synthetischen Principia
„sollen nicht von Dingen überhaupt urtheilen, sondern vom
„Gegenstande der Sinne, denn sonst sind sie transscendent und
„dialektisch; z. E. die Erkenntnis von Gott dient nicht zur
Speculation, sondern zum praktischen Gebrauch.
b) Kosmologie coordinirt alle Dinge und sieht, was ihnen
conjunctiv zukommt. Sie heißt Cosmologia transscenden-
talis, weil ihr Gegenstand selbst ein Gegenstand der reinen
Vernunft ist, nämlich der Grenzbegriff der Welt als desjenigen
Ganzen, das kein Theil mehr von anderen ist. Selbstverständ-
lich ist sie rational, weil sie ihre Principien aus der reinen
Vernunft nimmt, aber nicht blos rational, sondern eben um
ihres Vernunft- Gegenstandes willen transscendental. Sie handelt
Von Emil Arnoldt. 435
„von der Natur jedes Dinges überhaupt, von der Natur der
„Welt, oder der Natur im allgemeinen Verstände, wo es den
„Inbegriff aller Naturen bedeutet."
c) Archeologie subordinirt die Dinge einer obersten
Ursache. Diese Lehre von der Anfangs-Ursache — der erste
Theil der Theologia rationalis — ist Theologia trans-
sc enden talis, welche nachweist, daß unsere Vernunft ein Ur-
wesen, ein erstes und höchstes Wesen, ein Wesen aller Wesen
voraussetzen muß; sie beruht ganz und gar auf rein transscen-
dentalen Begriffen.
II. Metaphysica applicata
hat empirische Gegenstände zum Object, leitet sie aber aus
allgemeinen Gründen der reinen Vernunft ab.
a) „Diejenige Wissenschaft, die von der Nützlichkeit [!!]
„des Sinnlichen, und von den Gesetzen, nach welchen wir von
„den Sinnen afficirt werden, oder die von dem Geschmack [!!]
„handelt. Dieses wäre der Haupt-Theil der Metaphysices appli-
,,catae".*) Diese corrumpirte Stelle hat im Original wahrschein-
lich etwa so gelautet: Diejenige Wissenschaft, die von der
Möglichkeit des Sinnlichen und von den Gesetzen, nach
welchen wir von dem Sinnlichen afficirt werden, oder von
dessen Genesis [d. h. von der Genesis der äußeren Natur-
PhänomeneJ handelt. Dieser Theil ist also nichts anderes, als
die vorhin genannte Somatologia pura (rationalis) oder, wie
sie weiterhin [bei Korff S. 194, bei Poelitz S. 126] bezeichnet
wird, die Physiologia rationalis des äußeren Sinnes.
*) Hier hat der Abschreiber das Original nicht recht lesen können,
wie die von ihm gesetzten vier kräftigen Puncto — einer neben jeder der
betreffenden Reihen — wahrscheinlich andeuten sollen. Er hat wohl meistens
ohne Verständnis des Inhalts abgeschrieben. Auch besaß er keine Kenntniß
des Griechischen. Für Somatologia hat er zweimal „Somothologia", für
Physiologie mindestens neunmal „Psychologie", für Hyperphysic einmal
„hyber Physic" u. s. w. geschrieben und, statt (pvavg in griechischen Buch-
staben zu schreiben} falsch nachgemalt: „(piois".
486 Ziir Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
Die Pbysiologia rationalis des äußeren Sinnes betrachtet
die Natur als den Inbegriff aller Gegenstände der [äußeren]
Sinne und giebt eine Erkenntniß dieser Gegenstände, so fern sie
durch reine Vernunftbegriffe kann erlangt werden, und zwar:
als Physica generalis von den Gegenständen des äußeren
Sinnes oder den Körpern überhaupt und
als Physica specialis von den Körpern, die wir kennen;
sie behandelt die unendliche Theilbarkeit eines Körpers, die
Leblosigkeit (vis inertiae) der Materie, und die ganze Bewegungs-
lehre, da diese aus dem Begriff des Körpers kann eingesehen
werden, während die Lehren von der Anziehung, der Schwere,
der Flüßigkeit etc. der Körper in die Physica empirica
gehören.
b) „Wenn wir uns durch unseren Sinn beobachten, so be-
kommen wir Gelegenheit Erfahrungen zu sammeln, dieses würde
„die Psychologia rationalis seyn. Hier ist hinter: „Er-
fahrungen zu sammlen" ein Satz ausgefallen, welcher ungefähr
so gelautet hat: "Wir untersuchen aber auch, wie viel wir von
der menschlichen Seele durch die Vernunft erkennen können
[oder genauer: was wir über die menschliche Seele durch reine
Vernunftbegriffe denken], dieses würde die Psychologia ratio-
nalis sein.
Die Psychologia rationalis ist eine Physiologie von
Gegenständen des inneren Sinnes. Die allgemeine Be-
stimmung der Handlung, oder der allgemeine Character des
Gegenstandes des inneren Sinnes ist Denken. So zerfällt die
Psychologia rationalis in:
Psychologia generalis oder Pneumatologie, welohe von
denkenden Wesen überhaupt handelt, und in:
Psychologia specialis, welche von dem denkenden
Subject handelt, das wir kennen, und das ist unsere Seele.
Die empirische Psychologie gehört eben so wenig in
die Metaphysik, als die empirische Physik.
Von Emil Amoldt. 437
c) „"Wenn wir von den Dingen in der Welt als einer Wir-
kung auf die Ursach ad Analogiam schließen, dann entsteht
„die Theologia naturalis. Sie ist der zweite Theil der
Theologia rationalis, entlehnt den Begriff von Gott aus
empirischen Principien und ist:
Kosmotheologie, indem sie ihre Begriffe aus empirischen
allgemeinen Principien des Daseins der Natur überhaupt ent-
lehnt, und
Physikotheologie, indem sie ihre empirischen Begriffe
aus der bestimmten Beschaffenheit z. E. aus der Ordnung dieser
Welt entlehnt.
Die Moraltheologie ist für sich zu behandeln als dritter
Theil der Theologia rationalis; sie hat den Begriff Gottes
als des summi boni zum Gegenstand.
Hier ist nicht Eine Eintheilung der Metaphysik, sondern
es sind den Haupttheilen nach zwei Einteilungen der Meta-
physik gegeben, — eine „der Sache" nicht gerade unangemessene,
und eine ihr gahz angemessene.
B. Erdmann hat in seinem Aufsatze: „Mittheilungen über
Kant's metaphysischen Standpunkt in der Zeit um 1774" (a. a. 0.
S. 71 u. 72.) diese Eintheilungen flüchtig gestreift, aber die
zweite hinsichtlich des ersten Haupttheils der angewandten
Metaphysik, „der Geschmackslehre" [!!] „nicht zu deuten" ge-
wußt. Man hat jedoch diesen ersten Haupttheil der angewandten
Metaphysik nimmermehr als „Geschmackslehre zu deuten11. Denn
Kant konnte unmöglich in einer und derselben Vorlesung den
Geschmack nebenher (bei Korff S. 242-263; bei Pölitz
S. 170 — 179.) in der empirischen Psychologie abhandeln, „welche
eben so wenig in die Metaphysik gehört, als die empirische
Physik", und doch zugleich die Geschmackslehre für einen
Haupttheil der angewandten Metaphysik neben der rationalen
Psychologie erklären, man mag sich auch die Discrepanz, die
488 Zur Beurtheilung von Kant'e Kritik der reinen Vernunft etc.
ich zwischen seinen normativen Einteilungen der Metaphysik
und seinen wirklichen, an das Baumgarten'sche Lehrbuch an-
gelehnten, metaphysischen Ausführungen als vorhanden behaupte,
noch so groß denken.
Mit meiner Conjectur ist die Schwierigkeit gehoben. Die
sogenannte angemessene Eintheilung unterscheidet sich von der
weniger angemessenen nur dadurch, daß die Theologie, welche bei
der letzteren insgesammt und hier als Theologia naturalis in
die reine Metaphysik zu stehen kommt, getrennt, und der eine
Theil als Archäologie oder transscendentale Theologie in die
reine Metaphysik, der andere als natürliche Theologie mit den
Unterabtheilungen der Kosmotheologie und der Physikotheologie
in die angewandte Metaphysik verlegt wird. Diese Trennung
empfiehlt sich allerdings in so fern, als die Transscendental-
Theologie auf reinen, die Kosmotheologie und die Physiko-
theologie dagegen auf empirischen Begriffen basiren; sie hat
aber den Mangel, daß nun die Theologia rationaKs, welche sowohl
die Transscendental-Theologie wie die natürliche Theologie als
auch die Moraltheologie umfaßt, durch Zerreißung in drei völlig
gesonderte Stücke gar nicht als deren übergeordnete Einheit
bemerkbar wird.
Andere Mängel übergehe ich, um nicht zu weitläufig zu
werden. Doch möchte ich noch in Kürze auf dreierlei hinweisen:
Die Eintheilung macht eine Physiologie des äußeren und
eine Physiologie des inneren Sinnes namhaft und coordinirt beide
als zwei Haupttheile von der angewandten Metaphysik. Sollte
sie aber „angemessen" sein, so hätte sie diese zwei coordinirten
Theile auch subordiniren müssen der beide umfassenden höheren
Einheit einer Physiologia rationalis überhaupt, die sie indeß als
sich gliedernden Oberbegriff nicht aufführt.
Sodann: die Physiologia rationalis des äußeren Sinnes
gliedert sich in die Physica generalis, welche von den Gegen-
ständen des äußeren Sinnes oder den Körpern überhaupt, und
in die Physica specialis, die von den Körpern handelt, die wir
kennen. Was nun Physica specialis im Unterschiede von der
Von Emil Arnoldt. 489
•
Physica empirica näher zu erörtern hat, ist angegeben. Welche
„Körper überhaupt" aber es sind, mit denen sich die Physica
generalis beschäftigen soll, ist in dem KorfPschen Heft eben so
wenig als in der Pölitz'schen Ausgabe irgendwo gesagt. Doch
ist zu vermuthen: Im Gegensatze zu den Körpern, die wir
kennen, sind Körper gemeint, die wir nicht kennen, und als
Gegenstück zur Psychologia generalis oder Pneumatologie ist
die Physica generalis als übersinnliche Körperlehre oder hyper-
physische Somatologie beabsichtigt. Diese Vermuthung findet
Bestätigung dadurch, daß nach der Eintheilung der Metaphysik
im Wintersemester 1793/94, wie sich alsbald zeigen wird, die
„rationale Somatologie" in „Transscendonte" und in „Immanente
Körperlehre" zerfällt, von denen die erstere den mundus intelli-
gibilis oder pneumaticus reiner Intelligenzen behandeln soll.
Nun kann man sich allerdings ungefähr denken, daß die Welt
von Gegenständen, zu welcher reine Intelligenzen, wenn es
deren giebt, in irgend einem uns unbekannten Verhältniß stehen
mögen, eine andere Welt sein müsse, als die unserige. Wie
man aber berechtigt sein soll, die etwaigen Gegenstände einer
solchen etwaigen Welt als Körper zu denken, und gar jene
Gegenstände mit den Körpern unserer Welt zu Einer „Natur"
zusammenzufassen, ist nicht abzusehen. Auch dürfte eine über-
sinnliche Körperlehre keinen anderen Inhalt haben, als die Dar-
legung der Möglichkeit, einen solchen Gedanken, wie den oben
angegebenen, zu fassen, zugleich aber die Warnung vor dem
Versuch, ihn auszubilden, da er nichts als ein leeres Hirngespinnst
sei. Eine angebliche Wissenschaft jedoch, die in den Nachweis
ausläuft, daß sie keine wirkliche Wissenschaft ist, darf nicht
Wissenschaft genannt werden, sei der Nachweis ihrer Unmöglich-
keit auch noch so wissenschaftlich.
Drittens. Die Metaphysik wird ein Organon der reinen
Vernunft genannt. Diese Bezeichnung ist nicht, wie B. Erdmann
(a. a. 0. S. 66.) zu behaupten scheint, geradezu abweichend von
der Erklärung, welche die Krit. d. r. V. über „ein Organon der
reinen Vernunft" aufstellt (E. H, 25. 63. 65. — H. III, 49.
490 Zur Beurtheilung von Kant'e Kritik der reinen Vernunft etc.
88. 89.). Denn da nach der vorliegenden Eintheilung die Meta-
physik als eine Logik vom Gebrauch des reinen Verstandes und
der reinen Vernunft Anweisung giebt, mit reinen Vernunft-
begriffen umzugehen, d. h. Anweisung giebt, von welchen Gegen-
ständen reine Vernunftbegriffe und in welchen Beziehungen sie
von ihnen dürfen und nicht dürfen gebraucht werden, so enthält
sie allerdings „Regeln, über eine gewisse Art von Gegenständen
richtig zu denken", und kann in diesem Sinne mit Recht ein
Organon genannt werden (R. II, 57. — H. HE, 82.). Auch
durfte Kant, wenn er den Unterschied zwischen Kanon und
Organon nicht ausführlich darlegen wollte, für die Metaphysik
die Benennung Organon um so eher anwenden, als er sogar für
die allgemeine Logik diese Benennung in bestimmtem Sinne
gelten ließ (R. III, 172. — H. VIII, 13,).
ß) Eintheilung der Philosophie, speciell der Metaphysik nach der
Nachschrift der letzteren ,,im Winter 1794" (1793/94).
Philosophie.
Reine Philosophie Angewandte Philosophie
1. Logik Metaphysica specialis
2. Krit.d.r.V. Welt Gott
8. Transscen- 1. Beine Kosmologie 2. Rational- oder Vernunft-Theologie
dental-Philo- angewandte Ontologie Specul. Theol. Prakt od. ration.
sophie rationale Soma- rationale Psycho- Glaubenstheotogie
tologie logie Transsc. Physiko-
Imma- Trans- Imma- Trans- Theologie theologie
nente scendente nente scendente
Körperlehre Seelenlehre
Philosophie.
Reine Philosophie:
1. Logik behandelt die Form der Erkenntniß.
2. Kr it. d. r. V. untersucht das Subject, nämlich die Ver-
nunft nach ihren Vermögen, ihrem Umfang, ihren Grenzen;
Von Emil Arnoldt. 491
sie ist eine Propädeutik aller Metaphysik, die Philosophie der
Möglichkeit der Erkenntnisse a priori.
3. Transscendental-Philosophie oder Ontologie, oder,
wenn man sie Metaphysik nennen will, Metaphysica generalis.
Sie ist ein Inbegriff der elementaren Erkenntnisse [a priori],
aller Principien des reinen Denkens, oder aller Vorstellungen,
so fern sie Gründe ausmachen, der Principien zum immanenten
Gebrauch der Vernunft, reine philosophische Vernunft- Wissen-
schaft auf Gegenstände unserer Erkenntnis bezogen; sie enthält
Begriffe a priori überhaupt zur Erkenntniß der Dinge, aber nur
solche, „die von sich Gegenstände der Erfahrung haben können,"
„deren Gegenstand in der Erfahrung Statt finden kann", notiones;
sie hat eigentlich nicht Objecte a priori, sondern Gegenstände
der Erfahrung; sie löst eigentlich die metaphysische Sprache
auf und entwirft, so zu sagen, eine metaphysische Grammatik;
sie urtheilt nicht, wie die Mathematik, durch reine Anschauung,
sondern über reine Anschauung, welches wieder Erkenntniß aus
Begriffen ist. In der Ontologie hat man nichts Wirkliches vor
sich; man sieht nur, ob ein Etwas möglich sei.
Angewandte Philosophie.
Metaphysica specialis oder applicata, eigentliche
Metaphysik, die zu einer Doctrin gemacht worden, aber recht-
mäßig mehr nur Disciplin ist, wird angewandt auf Gegenstände,
die gar nicht Gegenstände der Erfahrung werden können, blos
intelligibilia sind, „enthält die Kegeln des Uebersinnlichen", geht
aufs Unbedingte und Transscendente in einer Erkenntniß,
deren Objecte zwiefach sind:
Welt.
1. Seine Kosmologie hat, wie die Ontologie nichts
Wirkliches vor sich, sieht nur, ob eine Welt möglich sei,
behandelt die Dinge der Natur als Ganzes und das Ganze der
coordinirten Begriffe derselben als Aggregat, denkt die Substanzen
der Welt durch reine Vernunftbegriffe.
492 Zur Beurtheilung von Kant'» Kritik der reinen Vernunft etc.
Beine Kosmologie ist angewandte Ontologie auf
Gegenstände des äußeren Sinnes;
Rationale Somatologie, besser rationale Physik; diese
lehrt von den Körpern, was aus bloßen Begriffen von ihnen
kann vorgetragen werden; sie zerfallt in:
Immanente Körperlehre handelt von Raum and Zeit
als Formen a priori der Gegenstände der Sinne;
Transscendente Körperlehre handelt vom mundus in-
telligibilis, pneumaticus reiner Intelligenzen, von der Freiheit.
Reine Kosmologie ist angewandte Ontologie auf den
Gegenstand des inneren Sinnes;
Rationale Psychologie; diese lehrt von der Seele, was
aus bloßen Begriffen von ihr kann vorgetragen werden; sie zer-
fällt in:
Immanente Seelenlehre, ihre Principien sind alle nur
negativ ;
Transscendente Seelenlehre handelt als dogmatische
Seelenlehre oder Pneumatologie von der Unsterblichkeit, ob diese
nothwendig aus unserer Naturbeschaffenheit folge.
Gott.
2. Rational- oder Vernunft -Theologie [im Unter-
schiede von derjenigen Glaubenstheologie, die auf Offenbarung
gegründet ist], nicht: natürliche Theologie, als welche nur
die Physikotheologie zu bezeichnen wäre; sie ist die Kritik
unserer Vernunft in Ansehung der Begriffe, die wir uns von
Gott machen. Sie ist Speculative Theologie und Praktische Theologie.
Speculative Theologie. Sie beruht auf dem Ganzen
subordinirter Weltbegriffe in einer Reihe, welche auf ein erstes
Wesen als Urgrund von allem führt, auf ein ens necessarium,
originarium, ens entium, ens realissimum, summum. Sie ist
a) Transscendentelle Theologie oder eigentliche me-
■
taphysische Theologie, die, dogmatisch genommen, Theosophie
sein würde, als Untersuchung, was Gottes Natur sei, aber als
Ontotheologie zu behandeln ist, wovon die Kosmotheologie
Von Emil Arnoldt 493
nur einen Theil und eine Folgerung ausmacht. Sie betrachtet
das ens entium als Substanz, Ursache der Dinge nach dem
Begriffe der Realität.
b) Physikotheologie. Sie betrachtet Gott als summa in-
telligentia, auf welche die Zwecke in der Welt zurückzu-
führen sind.
Praktische oder rationale Grlaubenstheologie oder
Moraltheologie. Sie betrachtet Gott, das ens summum, die
summa intelligentia als summum bonum.
Empirische Kosmologie von Gegenständen der äußeren
Sinne oder empirische Physik betrachtet die Welt als In-
begriff der Erscheinungen; sie ist von der Metaphysik aus-
zuschließen und ausgeschlossen.
Empirische Kosmologie vom Gegenstande des inneren
Sinnes oder empirische Psychologie (Anthropologie); sie ist
scientia Metaphysicae preregrina, nicht domestica.
Diese empirischen Disciplinen der Kosmologie machen
einen Theil der Physiologie aus.
Ich lasse auf Kant's Eintheilung der Metaphysik aus
dem Wintersemester 1793/94 hier unmittelbar seine Eintheilung
derselben aus dem nächsten Wintersemester folgen und werde
dann, beide mit einander vergleichend, auf ihre gegenseitigen
Uebereinstimmungen und Abweichungen hinweisen.
y) Eintheilung der Philosophie, speciell der Metaphysik nach der Nach-
schrift der letzteren „pro 1794/95".
Philosophie.
Logik Krit. d. r. V. Metaphysik
Metaphysik der Natur Metaphysik
I. Immanenter II. Transscendenter Theil der Sitten
Thöil 1. Metaphysische 2. Theologia
Kosmologie rationalis
a) Phys. Kosmol. a) Ontotheologie
«) Körperlehre b) Physikotheologie
ß) Seelenlehre c) Moraltheologie
b) Metaph. Kosmol.
494 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
Philosophie.
Logik, formeller Theil der Philosophie, abstrahirt von den
Objecten, trägt die Gesetze des Denkens vor.
Kritik der reinen Vernunft,
die Propädeutik zur Transscendental-Philosophie, geht auf die
Möglichkeit, ein Erkenntnis a priori einzusehen, dies mag mathe-
matische oder philosophische Gegenstände betreffen, prüft die
erkennende Vernunft in Ansehung ihres Vermögens, sich mit der-
gleichen Erkenntnissen zu beschäftigen, giebt als eine höhere
Logik der Vernunft Regeln, wie sie Objecto a priori erkennen
soll, beißt Kritik, weil sie nicht dogmatisch verfährt, sondern
Irrthümer untersucht und unsere angemaßten Urtheile prüft.
Metaphysik,
das System der reinen Philosophie, der reinen Vernunfterkennt-
nisse durch Begriffe, hat blos Principia a priori, die gegeben
sind, die durch Vernunft erkannt, aber nicht gemacht werden
und solche Beschaffenheit haben, daß man mit der ErkenntnüJ
selbst die Notwendigkeit dessen verbindet, was man erkennt;
sie begreift den materiellen Theil der Philosophie unter sich.
Metaphysik der Natur
enthält Principien (Erkenntnißgründe) und Gesetze a priori
dessen und über dasjenige, was zum Dasein der Dinge gehört.
I. Immanenter Theil, Elementar- oder Transscendental-
Metaphysik, Ontologie, das Product der Kritik d. r. V., ent-
hält die Elementarbegriffe, die elementa oder erste Principien,
um Objecto a priori zu erkennen, die gegeben werden können;
beschäftigt sich blos mit der Möglichkeit der Dinge überhaupt
und ihren Eigenschaften, ohne die Wirklichkeit derselben voraus-
zusetzen, z. B. Substanzen, Accidenzen, Commercium durch
Wechselwirkung.
II. Transscendenter Theil, Architektonische Metaphysik,
Metaphysica propria, ist auf Objecte angewandt, — theils auf
sinnliche Objecte, die von der Erfahrung d. i. durch die Sinne
Von Emil Arnoldt. 496
als wirklich gegeben sind, theils auf Objecte der bloßen Ver-
nunft d. i. ideae oder Begriffe der bloßen Vernunft, deren
Objecte durch die Objecte [der Erfahrung] nicht gegeben werden
können und Gegenstände der übersinnlichen Erkenntniß sind.
Die auf Objecte der bloßen Vernunft angewandte Meta-
physik ist
1. Metaphysische Kosmologie. Die Kosmologie aber ist
genauer einzutheilen in:
a) Physische, in der Begründung empirische, in der
Ausbildung rationale Kosmologie, Cosmologia rationalis oder
specialis; sie setzt Wahrnehmung d. i. Bewußtsein und Empfin-
dung des Objects voraus, welches und in so fern es davon die
Ursache ist, und beschäftigt sich allein mit Vernunfterkennt-
nissen von wirklichen, durch die Sinne und zwar entweder durch
den äußeren, oder durch den inneren Sinn allein, oder durch
beide zusammen als gegenwärtig = actuell gegebenen Objecten.
Daher ist sie
a) Körperlehre, Physica rationalis, welche Objecte der
äußeren Sinne d. i. Körper zum Gegenstand hat;
ß) Seelenlehre, Psychologia rationalis, welche das Object
des inneren Sinnes d. i. die Seele zum Gegenstand hat.
b) Metaphysische Kosmologie, Cosmologia trausscen-
dentalis oder Cosmologia generalis ; sie handelt von der Möglich-
keit eines absoluten Weltganzen, von Natur, Uebernatürlichem etc. ;
hier werden die Objecte nur durch Begriffe gedacht, durch die
Einbildungskraft erschaffen; mithin ist es nicht nothwendig,
daß sie auch in der vorausgesetzten Art Gegenstände möglicher
Erfahrung sind, d. i. daß sie wirklich existiren.
2. Theologia rationalis — von Kant bei der Abhand-
lung selbst Theologia naturalis genannt — führt zu dem Begriff
eines nothwendigen, ursprünglichen, einigen Wesens und gliedert
sich in
a) Ontotheologie, welche mit der Kosmotheologie —
einer bloßen Folgerung aus ihr — zusammen Transscenden-
tale Theologie kann genannt werden und den Begriff des
496 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
Welturhebers aus reinen, nicht von den Erscheinungen der
Welt hergenommenen, sondern ontologischen Bestimmungen, z. E.
Substanzen, Realität etc. ableitet;
b) Physikotheologie; sie betrachtet das ens entium als
summ am intelligentiam, aus der Zweckmäßigkeit und Ordnung
in der Welt auf ein verständiges Wesen als Weltursache
schließend ;
c) Moraltheologie; sie betrachtet Gott — die summa
intelligentia — als summum bonum.
Metaphysik der Sitten
enthält Erkenntniß der Regeln oder der Bestimmungsgründe
unserer Handlungen ex principiis a priori.
Die Eintheilung unter ß) und die Eintheilung unter y) sind
in eben derselben Art erlangt, als die unter «). Sie finden sich
an keiner einzelnen Stelle der von mir benutzten Manuscripte
in der Vollständigkeit und Ordnung, welche ihnen in der
Schematisirung die Bezugnahme auf alle dahin gehörigen Stellen
in den bei Rant's Vortrage unablässig nach Baumgarten's
Lehrbuch festgehaltenen vier Haupttheilen der Metaphysik ver-
schafft hat.
Sie können nicht einer und derselben Darlegung entstammen.
Um aus einem und demselben Semester herzurühren, sind sie
zu verschieden trotz ihrer Aehnlichkeit.
Beide zerlegen die Metaphysik in zwei Haupttheile, wie
die vorige Eintheilung und die Eintheilung in der Krit. d. r. V.
es ebenfalls thuen, aber beide rechnen, von diesen abweichend,
nur die Ontologie oder Transscendental-Philosophie (1793/94),
die Ontologie oder Elementar- oder Transscendental-Metaphysik
(1794/95) zur reinen Philosophie, während sie den zweiten
Haupttheil allerdings beide, aber jede von ihnen in etwas anderer
Art als angewandte Metaphysik hinstellen. Denn die Eintheilung
von 1793/94 hebt den Unterschied zwischen reiner und an-
gewandter Metaphysik nachdrücklicher hervor, als die Eintheilung
von 1794/95, und zwar zugleich als Unterschied zwischen Meta-
Von Emil Arnoldt. 497
physica generalis und specialis, welchen die letztere (1794/95)
dem Worte nach nicht kennt, indem sie nur bei der Kosmologie
einen Unterschied zwischen Cosmologia generalis oder trans-
scendentalis und Cosmologia specialis oder rationalis setzt, welchen
hinwiederum die erstere (1793/94) gar nicht kennt. Dagegen
betont die Eintheilung von 1794/95 statt des Unterschiedes
zwischen reiner und angewandter Metaphysik den Unterschied
zwischen dem immanenten Theil (Ontologie, Elementar- oder
Transscendental- Metaphysik) und dem transscendenten Theil
(Architektonische Metaphysik) stärker, als die Eintheilung von
1793/94, welche diesen Unterschied mehr implicite, als explicite
enthält, während beide Eintheilungen den zweiten Haupttheil
in gleicher Weise zugleich als eigentliche Metaphysik, als Meta-
physica propria kennzeichnen.
Den allgemeinen Inhalt des ersten Haupttheils bestimmen
beide, obschon in der Fassung anders, doch dem Gedanken nach
gleich, mit Ausnahme der einen Bemerkung, welche, wenn ich
nicht irre, nur in dem Vortrage von 1793/94, nicht in dem
von 1794/95 erscheint, nämlich daß die Ontologie „eigentlich
die metaphysische Sprache auflöst und, so zu sagen, eine meta-
physische Grammatik entwirft". Diese Bemerkung hat ihre
Parallele an der Bemerkung in der Ontologie des KorfPschen
Heftes (S. 132) und der Pölitz'schen Ausgabe (S. 78), daß die
Zergliederung der transscendentalen Begriffe — der Kategorien —
eine transscendentale Grammatik ergeben würde, welche den
Grund der menschlichen Sprache enthielte.*;
*) Darüber, daß auf B. Erdmann „die Ausführung über die trans-
scendentale Grammatik S. 132 f." [nicht „f.", sondern blos S. 182.] „fremd-
artiger wirkt" [sie!], „als" die — von ihm angenommene — „bevorzugte Stellung
der Kategorien der Relation'* in der Ontologie des KorfFschen Heftes'* ver-
breite ich mich nicht, obschon fast alles, was B. Erdmann über jene „Aus-
führung" und „diese bevorzugte Stellung** sagt (a. a 0. S. 79 u. 80.), auf
mich befremdend wirkt. Ich erwähne nur im Vorübergehen: Der Ausdruck
in B. Erdmann's Satze, dem die in Redezeichen stehenden Worte angehören|
ist confus; B. Erdmann wollte nicht sagen, was er gesagt hat: Der Ab-
schnitt „„Von der Materie und der Form"" in dem Korff sehen
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX. Hft 7 u. 8. 32
498 Zar Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
Dagegen weichen die beiden Einteilungen in der all-
gemeinen Inhaltsbestimmung des zweiten Haupttheils der Meta-
physik, — in der Inhaltsbestimmung der eigentlichen, der an-
gewandten, der transscendenten oder architektonischen Meta-
physik nicht unerheblich ab. Denn die Eintheilung von 1793/94
nimmt für die transscendenten Gebiete eine ausgedehntere und
umfänglichere Betrachtung in Anspruch, als die Eintheilung
von 1794/95. Jene statuirt die Behandlung des mundus intelli-
gibilis in einer transscendenten Körperlehre und, wenigstens
wie es den Anschein hat, eine Art von Pneumatologie in einer
transscendenten Seelenlehre. Diese führt in ihrer Classification
weder eine transscendente Körperlehre, noch eine transscendente
Seelenlehre auf, sondern nur eine Physica rationalis und Psycho-
logia rationalis als Theile einer Physischen Kosmologie, welche
eine immanente Wissenschaft ist. Gewiß sollten die transscen-
dente Körperlehre und die transscendente Seelenlehre, wie ich
schon oben andeutete, schließlich zu negativen Resultaten hin-
lieft e „sei dem undatierten unter Pölitz1 Manu Scripten entnommen*,
sondern er wollte sagen: die drei letzten Abschnitte der Ontologie
in der Pölitz'schen Ausgabe seien „dem undatierten unter Pölitz1
Manuscripten entnommen". — Es ist richtig, daß dies letztere wenn auch
nicht, wie ß. Erdmann meint, „keinem Zweifel", doch kaum einem Zweifbi
unterliegt. — Falsch ist, was B. Erdmann weiterhin angiebt, daß nach
Angabe des KorfFschen Heftes „eine transscendentale Grammatik anf die
transscendentale Logik oder Ontologie folgen sollte". Sie sollte nicht so-
gleich auf die transscendentale Logik folgen, sondern anf die transscenden-
tale Logik sollte die transscendentale Aesthetik, und auf die transscendentale
Aesthetik die transscendentale Grammatik folgen. Eine solche Ordnung
wäre nicht anders als nothwendig gewesen , wenn „es sich hier", wie
B. Erdmann nicht unrichtig meint (a. a. 0. 8. 80), „um eine Consequenz
aus der Lehre von den Prädicabilien des reinen Verstandes handelt". Denn
„die Prädicabilia entstehen aus zwei Prädicamenten und einer Form der
„Sinnlichkeit, entweder Raum oder Zeit", wie es in der Nachschrift vom
„Winter 1794" heißt (vgl. R. I, 604. - H. VIII, 583). - Leer und werthlos
ist die Vermuthung, daß die transscendentale Grammatik, wenn Kant eine
Metaphysik für den Druck ausgearbeitet hätte, darin „ein ihm vielleicht als
solches bewußtes Gegenstück gegen Lamberts Semiotik würde abgegeben
haben".
"Von Emil Arnoldt. 499
leiten. Aber sind zum Gewinn solcher Resultate zwei besondere
Abtheilungen zweier besonderen Theile in einer Wissenschaft —
der rationalen Somatologie oder „besser": rationalen Physik und
der rationalen Psychologie in der reinen Kosmologie — er-
forderlich ?
Beide Einteilungen sind nicht consequent in der Ein-
theilung der Kosmologie. Die Eintheilung von 1793/94 trägt
diesen Mangel der Consequenz unverhüllter an sich, als die Ein-
theilung von 1794/95. Jene ordnet die immanenten Theile der
Kosmologie geradezu der reinen Kosmologie unter, welche, wie
die Ration al-Theologie, aufs Unbedingte und Transscendente
geht. Diese bringt die physische d. i. immanente Kosmologie
mit deren Unterabtheilungen, der Physica rationalis und der
Psychologia rationalis, allerdings auch in den transscendenten
Theil, bezieht denselben aber sofort theils auf sinnliche Objecte,
theils auf Ideen, macht die Idee des Weltganzen zum Gegen-
stand der metaphysischen Kosmologie, die Idee Gottes zum
Gegenstand der rationalen Theologie, und hebt dann mit einer
neuen, einer genaueren Eintheilung der Kosmologie, also der
Kosmologie überhaupt wieder an in physische und in meta-
physische Kosmologie oder umgekehrt; denn die Voransetzung
der metaphysischen Kosmologie vor der physischen ist, wie bei
der Eintheilung von 1793/94 die Voransetzung der transscendenten
Körperlehre vor der immanenten und die Voransetzung der
transscendenten Seelenlehre vor der immanenten, den benutzten
Manuscripten zufolge eben so, wenn nicht noch mehr gerecht-
fertigt, als die Nachsetzung, und bei beiden Eintheilungen nimmt
es sich so aus, als ob in der eigentlichen Metaphysik vom Trans-
scendenten durch das Immanente solle hinabgestiegen werden zum
außer ihr liegenden Empirischen. Aber die Kosmologie, welche
theils metaphysische, theils physische, mithin theils transscen-
dente, theils immanente ist, gehört nicht ganz und gar in den
transscendenten Theil der Metaphysik der Natur.
Beide Eintheilungen differiren auch in der Eintheilung
der rationalen Theologie. Die von 1793/94 zerlegt die rationale
ß2*
500 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
Theologie in zwei. Theile, — die speculative Theologie und die
Moraltheologie, und dann die speculative Theologie in die beiden
Unterabtheilungen, — die transscendentelle [sie] Theologie und
die Physikotheologie, deren allgemeinen Inhalt sie angiebt in
Uebereinstiramung mit der Eintheilung von 1794/95. Diese
zerlegt die rationale Theologie sogleich in drei Theile, — die
transscendentale Theologie (Ontotheologie und Kosmotheologie
zusammen), die Physikotheologie, und die Moraltheologie, ohne
die Moraltheologie ausdrücklich der speculativen Theologie
gegenüberzustellen. Nach meinem Dafürhalten empfiehlt sich
in dieser Beziehung die Eintheilung von 1793/94 mehr, als
die von 1794/95, eben weil jene strenger, als diese, und, wie
es sich gebührt, augenfällig die Moraltheologie von der specu-
lativen abscheidet.
In beiden Eintheilungen ist die Bezeichnung: Physiologie
welche in der Eintheilung von 1793/94 ausgesprochenermaßen
der empirischen Physik und der empirischen Psycho-
logie (Anthropologie) vorbehalten bleibt, aus der Metaphysik
verbannt. In den Eintheilungen der Metaphysik, welche die
Krit. d. r. V., das KorfFsche Heft und das von Pölitz benutzte
Manuscript aus dem Semester 1787/88 oder 1788/89 gebracht
haben, war sie für wesentliche Theile der Metaphysik gebraucht
worden, — und zwar in allen jenen drei Eintheüungen mit
ziemlich gleichwertiger Bedeutung.
Eine eigentümliche Wandelung erfährt bis zum Semester
1794/95 der Begriff der reinen und der angewandten Philosophie.
In der Krit. d. r. V. wird nur die empirische Psychologie
wie die empirische Naturlehre auf die Seite der angewandten
Philosophie gestellt, und die angewandte Philosophie von der
Metaphysik ausgeschlossen (R. II, 653. — H. III, 557 u. 668.).
Dagegen werden dort die vier Haupttheile der Metaphysik
der speculativen Vernunft: 1. die Ontologie, 2. die rationale
Physiologie mit den zwei Abtheilungen der Physica rationalis
und der Psychologia rationalis, 3. die rationale Kosmologie, 4. die
rationale Theologie sammt und sonders der reinen Philosophie
Von Emil Arnoldt. 601
und zwar der Metaphysik der Natur zugerechnet. Die Ein-
teilungen, welche das KorfFsche Heft überliefert, nehmen den
Begriff der reinen Philosophie wie für die Logik und die Moral,
so auch für die Metaphysik und zwar die ganze Metaphysik in
Beschlag, setzen aber innerhalb der. Metaphysik einen Unter-
schied zwischen reiner und angewandter Metaphysik. Diejenige
von jenen beiden Eintheilungen, die „der Sache angemessen"
sein soll, legt die ganze rationale Physiologie des äußeren und
des inneren Sinnes d. i. die Physica generalis und die Physica
specialis, die Psychologia generalis und Psychologia specialis
so wie den zweiten Theil der rationalen Theologie, nämlich die
natürliche Theologie, d. i. die Kosmotheologie und die Physiko-
theologie in die angewandte Metaphysik, während sie den dritten
Theil der rationalen Theologie, nämlich die Moraltheologie für
sich will behandelt wissen. Demgemäß zählt sie zur reinen
oder transscendentalen Metaphysik die Ontologie, die Kosmologie
und den ersten Theil der rationalen Theologie, d. i. die trans-
scendentale Theologie. Die Eintheilung von 1787/88 oder 1788/89
läßt bei ihrer Un Vollständigkeit nicht erkennen, ob sie und wie
sie etwa die Begriffe der reinen und der angewandten Philosophie,
der reinen und der angewandten Metaphysik gebraucht habe.
Dagegen scheidet die Eintheilung von 1793/94 die Philosophie
streng in reine und in angewandte Philosophie, nimmt als reine
Philosophie die Logik, die Kritik der reinen Vernunft, und die
Transscendental-Philosophie oder Ontologie oder, wenn man diese
Metaphysik nennen will, Metaphysica generalis, als angewandte
Philosophie aber die Metaphysica specialis oder angewandte oder
eigentliche Metaphysik, ohne jedoch anzudeuten, ob sie, wie die
Eintheilung in der Krit. d. r V. es that, die empirische Physik
und die empirische Psychologie auch in die angewandte Philo-
sophie hineinziehen will. Gleichwohl enthält die Eintheilung
von 1794/95 die Scheidung von reiner und angewandter Philo-
sophie nicht, sondern sie setzt ohne Weiteres die Metaphysik
als das System der reinen Philosophie an, dem sie dann in der
Metaphysik der Natur neben dem immanenten Theil den trans-
502 Zur Beurtheilung von Eant'a Kritik der reinen Vernunft etc.
soendenten als eigentliche, als auf Objecto angewandte Philo-
sophie einordnet. Es ist daher unwidersprechlich, daß in jenen
Einteilungen der Begriff der reinen und der angewandten
Philosophie, der reinen und der angewandten Erkenntniß variirt
ohne feste Bestimmtheit.
Zum Schlüsse meiner Auseinandersetzung über die Ein-
teilungen der Metaphysik in den mir bekannten Nachschriften
aus Kant's metaphysischen Collegien ist die Frage zu be-
antworten: Hat Kant jene Eintheilungen in dem Tenor seiner
Vorträge beobachtet und durchgeführt? Sie läßt sich weder
rund bejahen, noch rund verneinen. Kant bequemte seine meta-
physischen Vorträge dem Baumgarten'schen Lehrbuche an und
brachte sie der von ihm verworfenen Eintheilung desselben
gemäß unter die vier Haupttheile: Ontologie, Kosmologie, Psycho-
logie, Theologie. Aber bei der Behandlung derselben, wie auch
schon in der Einleitung brachte er sein verwerfendes Urtheil
über jene Eintheilung bald nur in abstracto, bald auch in con-
creto zur Geltung. Er tadelte nicht nur, sondern bildete um,
erfüllte nicht allein die alten Theile mit neuem Inhalt, sondern
fügte auch neue Theile mit neuem Inhalt in die überkommenen
ein. Dies that er in den 1790iger Jahren bei allen vier Tlieilen
der Metaphysik, am wenigsten, wenn ich nicht irre, bei der
Psychologie. Aber auch schon früher hat er aller Wahrscheinlich-
keit nach dergleichen Umformungen vorgenommen. Und obgleich
er um die Zeit, als er die Krit. d. r. V. druckfertig machte
und sogar einige Jahre lang nach der Veröffentlichung derselben
mit seinen Neuerungen — was seinem Character durchaus ent-
sprach — sehr behutsam, dünkt mich, im Colleg hervortrat, so
hat er sie doch auch schon damals nicht gescheut bei der Onto-
logie und der Theologie. Daß aber trotz aller solcher Um-
formungen in früherer und späterer Zeit niemals eine Darstellung
konnte zu Stande kommen, welche seinem metaphysischen System
völlig gerecht ward, liegt auf der Hand.
Von Emil Arnoldt. 508
b) Drei Beispiele ungenauer Begriffsbestimmung aus Kant's
metaphysischen Coliegien.
Die drei Beispiele ungenauer Begriffsbestimmung, die ich
den Nachschriften von Kant's metaphysischem Vortrage ent-
nehme, aber dem Vortrage selbst glaube zuschreiben zu müssen,
betreffen den Begriff der Empfindung, den Begriff eines ewigen
Nichts, und den Begriff der Welt. Hier wie späterhin bei der
Prüfung von Kant's Aeußerungen über die Substanzen der Welt
werde ich das Korff'sche Heft außer Acht lassen und daher von
den Nachschriften aus Kant's metaphysischen Coliegien die
Pölitz'sche Ausgabe der Metaphysik ohne Rücksicht auf die
verschiedene Ursprungszeit des für sie benutzten handschrift-
lichen Materials und ferner die Nachschriften aus den Semestern
1793/94 und 1794/95 so in Betracht ziehen, daß ich für die
Aufeinanderfolge der Citate, die ich daraus gebe, nicht immer
die Folge der Ursprungszeit, sondern mitunter auch den Gedanken-
inhalt derselben maßgebend sein lasse.
«) Begriff der Empfindung.
Im zweiten Abschnitte der Ontologie bei Pölitz: „Von den
synthetischen und analytischen Urtheilen" steht auf S. 29: „Eine
Vorstellung, die nicht aufs Object, sondern blos aufs Subject
bezogen wird, heißt Empfindung." Diese Definition gilt aber
mehr für das Gefühl, als die Empfindung. Denn „alle Beziehung
der Vorstellungen, selbst die der Empfindungen kann objectiv
sein", während nur das Gefühl die Vorstellung ist, „wodurch
gar nichts im Objecte bezeichnet wird" (R. IV, 46. — H. V,
207 u. 208.). Freilich wird auch in der Krit. d. r. V. gelegent-
lich die unvollständige Erklärung gegeben: „Eine Perception"
(Vorstellung mit Bewußtsein), „die sich lediglich auf das Subject,
als die Modification seines Zustandes bezieht, ist Empfindung",
aber nur in jener Stufenleiter der Vorstellungsarten, deren
wesentlicher Zweck kein anderer ist, als die Idee von den Be-
griffen und den übrigen Vorstellungsarten abzuscheiden. Denn
sonst wird dort Empfindung, „die die wirkliche Gegenwart des
504 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
Gegenstandes voraussetzt", ausdrücklich als „die Materie der
sinnlichen Erkenntniß" und damit als auf Gegenstände zu be-
ziehen und bezogen characterisirt (z. B. E. II, 55. — H. m, 81.).
Ingleichen tragen nach der Anthropologie die Empfindungen aller
Organsinne, wenn auch die einen mehr, als die anderen „zur
Erkenntniß des äußeren Gegenstandes" bei (B. VII, 2 A. 45
d. 46. — H. VII, 466.). Auch mußte natürlich in eben jener
Vorlesung, in welcher der Empfindung die Beziehung aufs
Object abgesprochen ward, hernach ihr eine solche Beziehung
zugesprochen werden. Denn obschon es gleich nach der oben
citirten Definition -heißt: „Durch Empfindungen können wir gar
nichts erkennen" — was richtig ist, wenn man hinter „Empfin-
dungen" allein einschiebt, — heißt es bald darauf (bei Pölitz
S. 33): „Alle Vorstellungen der Sinne haben eine Beziehung
aufs Object" — was aber wiederum zu viel gesagt und von der
subjectiven Empfindung d. h. dem Gefühl (E. IV, 49 u. 50. —
H. V, 210 u. 211.) nicht giltig ist — , und weiter: „Die Er-
fahrung ist nichts anders, als eine Erkenntniß vom Object durch
sinnliche Vorstellungen" — welche letztern außer den apriori-
schen Vorstellungen der Sinnlichkeit nichts als die Empfindungen
sind. Wenn dann aber weiter hinzugefügt wird: „Durch Sinne
können wir nur die Eigenschaften oder Prädikate des Objects
erkennen, das Object selber liegt im Verstände", so ist es frei-
lich im Allgemeinen richtig, daß im Verstände das Object liege,
sodann aber zu bemerken, daß die Sätze: „Durch Empfindungen
können wir gar nichts erkennen", und: „Durch Sinne können
wir die Eigenschaften oder Prädicate des Objects erkennen",
einander widersprechen, endlich aber anstatt dieser beiden Be-
hauptungen, die erst giltig wären, wenn die ihnen fehlenden
Clausein hinzugethan würden, der Satz aufzustellen: Der Ver-
stand ist es, welcher die in der Sinnlichkeit durch einen nicht
sinnlichen und nicht weiter erforschlichen Factor veranlaßten
Modificationen, das empirische Mannigfaltige der Sinnlichkeit oder
die Empfindungen vereint mit dem apriorischen Mannigfaltigen
der Sinnlichkeit oder den Eaum- und Zeit- Vorstellungen in
Ton Emil Arnoldt 505
einer Succession von Erkenntniß- Acten dem aus der Einheit des
Selbstbewußtseins hervorgegangenen Objecte als Eigenschafben
oder Prädicate beilegt.
Auch die Nachschrift vom Wintersemester 1793/94 mächt
in der Einleitung (S. 6) folgende Angaben: „Denken und An-
„schauen sind Erkenntnißstücke, sie beziehen sich aufs Object,
„hingegen Empfinden ist kein Erkenntnißstück, denn es bezieht
„sich blos auf unser Subject, daher kann es kein Wahrheits-
„gefuhl geben — Alle unsre Erfahrungs-Erkenntnisse beziehen
„sich doch auf etwas, was Gegenstand der Empfindung ist.
„Unsere Principien (Grundvorstellungen) sind Denken und An-
„schauen. Diese zwei Vorstellungsarten müssen in einem Actus
„zusammenkommen, um ein Erkenntniß hervorzubringen, denn
, jede abgesondert für sich giebt kein Erkenntniß." Hier ist
wahrscheinlich eine längere Auseinandersetzung mit Verkürzungen
wiedergegeben, in Folge deren sie nur dann nicht widerspruchs-
voll erscheinen dürfte, wenn man mehrere Ergänzungen hinzu-
thäte. Denn nach dem, was da steht, sollte man meinen: Wenn
unsere Erfahrungserkenntnisse sich auf etwas beziehen, das Gegen-
stand der Empfindung ist, so kann sich auch unser Empfinden
nicht „blos auf unser Subject" beziehen.
Die Nachschrift aus dem Wintersemester 1794/95 bringt
in der Einleitung nichts, was der eben angeführten Bestimmung
entspräche. Dagegen weiterhin bei der Exposition der synthe-
tischen Erkenntnißart und des Unterschiedes zwischen sinnlicher
und intellectueller Anschauung bringt sie Erklärungen über
Empfindung, Anschauung und Erscheinung, die wiederum in der
vorigen Nachschrift nicht zu finden sind, und die im Ganzen
richtig an die Hand geben, wie die Empfindung einerseits blos
auf das Subject, andererseits zugleich auf das Object zu beziehen
sei: „Das Vermögen des Gemüths, dadurch, daß letzteres von
„den Gegenständen afficirt wird, eine Vorstellung erhalten zu
„können, ist die Sinnlichkeit. Entsteht nun vom Gegenstande
„eine Wirkung auf diese receptivität (d. i. das bemerkte Ver-
„mögen der Sinnlichkeit), so entsteht die Empfindung vom
506 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
„Gegenstande, und bewirkt diese eine Beziehung auf den Gegen-
stand, oder Vorstellung, so entsteht die Anschauung des Gegen-
standes, der nun ohne weitere nähere Bestimmung Erscheinung
„heißt." Hiernach ist die Empfindung immer nur als Wirkung
des Gegenstandes auf die Sinnlichkeit durch Affection derselben
vorhanden und zunächst als bloße Modification im Gemüths-
zustande des Subjects auch nur dem Subject zugehörig und nur
auf das Subject zu beziehen. Aber die Empfindung kann eine
Beziehung auf den Gegenstand, eine objective Vorstellung be-
wirken, nämlich — darf man hinzusetzen — durch ihren Inhalt,
ihre Tonlosigkeit, ihre Complication mit anderen Empfindungen,
z. B. die Gesichtsempfindung durch Complication mit Tast- und
Muskelempfindungen. Dann entsteht die Anschauung des Gegen-
standes, aber nicht ohne Verschmelzung der Empfindung mit
der reinen Raumvorstellung der Sinnlichkeit und nicht ohne
intellectuelle Function. Damit wird die Empfindung auf ein
Empfundenes, ein Gegenständliches, allenfalls einen Gegenstand
bezogen, „der nun ohne weitere nähere Bestimmung", d. h. ohne
Bestimmung durch die Kategorien, mithin als „unbestimmter
Gegenstand" solcher Anschauung, wie schon aus dem Eingange
der transscendentalen Aesthetik bekannt ist, „Erscheinung heißt".
ß) Begriff eines ewigen Nicht«.
In dem von „Ursache und Wirkung" handelnden Abschnitte
der Ontologie bei Pölitz liest man auf S. 69:
„Ob etwas an sich zufällig ist, kann man a priori aus
„bloßen Begriffen nicht erkennen; denn ich kann mir alles weg-
„denken; das Gegentheil von allen Dingen ist möglich, denkbar
„(so zu sagen: ein ewiges Nichts); es widerspricht sich in
„meinem Begriffe darin nichts/4
Aber hier läßt die Einschaltung: „so zu sagen, ein ewiges
Nichts ist denkbar", Einspruch zu. Denn niemand kann ein
ewiges Nichts denken, weder schlechthin, noch einigermaßen.
Schon in der „Nova dilucidatio" hat Kant im Beweise zur
Prop. VII diese Unmöglichkeit berührt (ß. I, 14. — H. I, 376.)
Von Emil Arnoldt. 607
und sie im „Einzig möglichen Beweisgrund" u. s. w. in der
zweiten Betrachtang der ersten Abtheilung (K. I, 178 — 183. —
H. II, 121 — 125.) so hinlänglich dargethan, daß er noch in
seinen — ebenfalls von Pölitz herausgegebenen, vielleicht
aus dem Wintersemester 1785/86 herrührenden — Vorlesungen
über die philosophische Religionslehre jene Abhandlung als in
diesem Puncte beweiskräftig anzog.*) Aber jene fehlgreifende
Einschaltung in der Ontologie ist selbst in der Pölitz'schen
Ausgabe der metaphysischen Vorlesungen durch eine Auseinander-
setzung in der rationalen Theologie widerlegt, wonach man sich
nicht denken könne, daß gar nichts existire. „Denn wenn gar
„nichts existirte; so wäre auch gar nichts gegeben, und dann
„könnte auch nichts genannt werden, daß es nicht existiren soll.
„Folglich könnte auch nichts gedacht werden" (S. 277.). Oder
eben so gut, dünkt mich, ließe sich erklären: wenn ein ewiges
Nichts soll gedacht werden, so wäre das Nichts als ein Etwas
zu denken, und dazu als ein reales Etwas, das eben nicht Nichts
ist. Selbstverständlich schließt diese Erklärung nicht aus, daß
ich logisch alles aufheben kann, ohne daß ein Widerspruch
entsteht, wie auch eben dort gesagt wird: „wenn ich alles setze,
und das Gegentheil davon, wenn ich alles wegnehme; so bleibt
nichts übrig, was sich widersprechen sollte" (S. 280.). Denn,
setze ich hinzu, in Gedanken kann ich von allem abstrahiren,
und indem ich dann nichts übrig behalte, denke ich nichts in
abstracto, d. h. ein Nichts, welches nur als Aufhebung eines
Concreten nichts ist, folglich an dem Concreten ist, das immer
mit und bei ihm ist; aber ich kann kein — so zu sagen —
concretes Nichts denken, kein Nichts an und für sich, kein
„ewiges Nichts".
y) Der Begriff der Welt ein reiner Verstandesbegriff.
Ich erwähne dieser ungenauen Bezeichnung nur als eines
Beispiels dafür, daß in Kant's mündlichem Vortrage bei durch-
*) I. Kants Vorlesungen über die philosophische Religionslehre Leipzig.
1817. Bei Carl Friedrich Franz. s. S. 67. — 2. Aufl. mit Nennung des
Hausgebers, Leipzig, 1830. Verlag der Taubert'schen Buchhandlung. 8. 8. 72.
608 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
weg präcisen Begriffserörterungen nicht selten Ausdrücke da-
zwischen liefen, welche als ungenaue durch eben jene Erörterungen
selbst documentirt wurden. So wird zu Anfang der Kosmologie
bei Pölitz der „Begriff der Weltu durchweg richtig als einer
von den Grenzbegriffen explicirt. Aber daselbst heißt es
mittendrin: „Dieser Begriff ist ein reiner Verstandesbegriff"
(S. 81). Als solcher jedoch darf er nicht bezeichnet werden.
Denn er ist ein Vernunftbegriff, eine Idee, und als Vernunft-
begriff, als Idee wird er in eben jener Explication dargestellt.
Auch zwei andere mit dem Begriff der "Welt zusammen-
hängende Angaben in der rationalen Theologie bei Pölitz: „Ich
kann mir durch die Sinne die Dinge dieser Welt vorstellen4*
(S. 270), „die Welt ist der Gegenstand der Sinnlichkeit" (S. 32«)
sind zwar da, wo es auf nähere Bestimmung des Weltbegriffs
nicht ankommt, einigermaßen zulässig, aber immer der Miß-
deutung ausgesetzt, daß die Dinge, deren Inbegriff die Welt
ausmacht, dem Menschen durch die Sinne ohne jede Function
des Denkens gegeben seien, was keineswegs der Fall ist.
c) Vorlegung von Erörterungen über die Substanzen der Welt
aus Kant's metaphysischen Collegien und Beurtheilung jener
Erörterungen.
Bei den vorzulegenden und zu beurtheilenden Erörterungen
handelt es sich zunächst um die substantia phaenomenon und
substantia noumenon, sodann um die Welt als Ganzes von Sub-
stanzen. Weiter kommt in Betracht die Seele als immaterielle
und einfache Substanz, endlich Gott sowohl selbst als Substanz
wie als Schöpfer und Erhalter der von ihm abhängigen Substanz
oder Substanzen. Diese Erörterungen sind von einander äußer-
lich leicht zu sondern, schon als kosmologische, als psychologische,
als theologische, aber innerlich nicht recht zu scheiden. Des-
wegen ist öfters die spätere Erörterung auf die frühere zurück,
und die frühere auf die spätere voraus zu beziehen, und die
Beurtheilung derselben kann sich eines solchen Zurück- und
Vorausgreifens auch nicht entschlagen. Diese wird hauptsachlich
Von Emil Arnoldt. 509
die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit jener Expositionen mit
dem strengen Kriticismus erwägen, dagegen, abgesehen von
Hinweisen auf die wahrscheinliche Mißdeutung derselben durch
Kant's Zuhörer, nicht besonders darthun, daß sie die oben ge-
lieferten Angaben über die Eigenthümlichkeiten und Mängel
von Kant's mündlichem Vortrage bestätigen. Dies wird sich
meines Erachtens eben so ohne ausführlichen Nachweis ergeben,
als die von * mir oben erwähnte, größere oder geringere Ueber-
einstimmung metaphysischer Ansichten Kant's aus späterer Zeit
mit manchen in der Pölitz'schen Ausgabe vorkommenden, welche
B. Erdmann für eine frühere Zeit allein und als characteristisch
für diese in Anspruch genommen hat.
«) Die substantia pbaenomenon und die substantia noumenon.
In der Kosmologie bei Pölitz 8. 99 und 100 heißt es:
„Wir wissen von den Dingen nichts weiter, als nur die
„Art, wie wir von ihnen afficirt werden; aber nicht,
„was in den Dingen ist. — Derjenige, der sich vorstellt,
„daß die Körper keine Realitäten haben, sondern nur Er-
scheinungen sind, daß es keine wahren Gegenstände der Sinne
„gebe, bei welchen wirkliche Wesen zum Grunde liegen, der also
„bloß Geister, und keine dem Körper zum Grunde liegende Sub-
stanzen annimmt, der ist ein Idealist."
Dagegen ist zu fragen: Sind denn die Körper nicht „nur
Erscheinungen" ? und haben sie nicht eben deswegen Realitäten
und Realität, weil sie nur Erscheinungen sind, die durch die
Kategorien gedacht werden? und werden sie nicht durch solches
Denken eben wahre Gegenstände der Sinne? bei denen, so fern
sie bloße sinnliche Erscheinungen sind, allerdings ein Unbekanntes
mag zu Grunde liegen, aber ein Unbekanntes, das wir nimmer-
mehr ein Wirkliches nennen dürfen, weil alles Wirkliche, von
dem wir wissen, die uns bekannten Gegenstände der Erfahrung,
d. h. die zu Phänomenen umgedachten Erscheinungen sind; —
und welche Substanzen sind gemeint, die man als dem Körper
zu Grunde liegend anzunehmen hat, um den dogmatischen
Idealismus zu vermeiden?
510 Zar Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
Selbstverständlich nicht physische Substanzen, nicht phy-
sische Elemente, die „wir in den Körpern finden", und „die
wir nur per analogiam Substanzen", nur „vergleichungsweise
Elemente" nennen (Poel. S. 104 u. 105)! Auch nicht die sub-
stantia phaenomenon, das leblose, ausgedehnte, anziehende und
zurückstoßende Bewegliche im Baume, — der auf Veranlassung
eines unbekannten Factors im Denken und Anschauen erzeugte
Inbegriff von lauter Relationen! Diese „Materie im physischen
Verstände" als „das Substratum der ausgedehnten Gegenstände,
die Möglichkeit der Körper" (Poel. S. 76) setzt die Ontologie
einmal ganz richtig als „die Substanz14 an, als phänomenale
Substanz, wie der Zusammenhang zeigt (Poel. S. 60 u. 61), während
die Kosmologie ausdrücklich erklärt: „Materie ist auch keine Sub-
stanz, sondern nur ein Phänomenon der Substanz" (Poel. S. 104),
und damit zu der physischen oder phänomenalen Substanz eine
metaphysische oder an sich seiende Substanz hinzudenkt. Aber
was ist diese an sich seiende Substanz? Wohl jene „Materie
aller Dinge", von der die rationale Theologie den göttlichen
Verstand als Princip angiebt (Poel. S. 308), jene Substanz, von
der auch die Krit. d. r. V. und die Krit. d. prakt. V. gelegent-
lich Notiz nehmen, indem die erstere dagegen Verwahrung ein-
legt, daß der Satz der Alten: gigni de nihil o nihil Dinge an
sich selbst angehe und „der Abhängigkeit der Welt von einer
obersten Ursache (auch sogar ihrer Substanz nach)" entgegen-
stehe (R. II, 159. — H. III, 172), die letztere aber betont, daß
der Satz: „Gott, als allgemeines Urwesen, sey die Ursache
auch der Existenz der Substanz", niemals dürfe aufgegeben
werden, ohne den Begriff von Gott als Wesen aller Wesen und
hiermit seine Allgenugsamkeit zugleich mit aufzugeben (ft. VIEL,
232 — H. V, 105).
Es sind wohl jene „Substanzen", welche nach der Kos-
mologie „kein Wesen, als der Schöpfer allein wahrnehmen*)
kann" (Poel. S. 97), jenes „Substantiale", das wir, nach der
*) Bei Pölitz Druckfehler: „vernehmen".
Von Emil Arnoldt. 6ll
Ontologie, „nicht kennen, nicht einsehen können, weil wir gar
zu kurzsichtig sind, und weil der Verstand nur durch Begriffe
denken kann, und Begriffe nichts weiter sind als Prädicatea
(Poel. S. 55). Also ist hier „das transscendentale Object" ge-
meint, „welches der Grund dieser Erscheinung seyn mag,
die wir Materie nennen", „ein bloßes Etwas, wovon wir nicht
einmal verstehen würden, was es sey, wenn es uns auch
Jemand sagen könnte4' (R. II, 227. — H. III, 235.). Denn
„es ist weder Materie, noch ein denkend Wesen an sich selbst,
sondern ein uns unbekannter Grund der Erscheinungen, die
den empirischen Begriff von der ersten sowohl als zweiten
Art an die Hand geben" (R. II, 303. — H. III, 604.).
Es ist „dasjenige, was nicht Erscheinung ist, aber doch zum
obersten Erklärungsgrunde der Erscheinungen dienen kann"
(R. III, 127. — H. IV, 100.), vor allem zur Erklärung der That-
sache, daß wir überhaupt Erscheinungen haben, weiterhin aber
auch z. B. zur Erklärung, weshalb wir gemäß den Analogien
der Erfahrung gewisse Erscheinungen zu der einen Substanz
und andere Erscheinungen zu einer zweiten, und wieder andere
zu einer dritten Substanz u. s. w. als verschiedenen Phäno-
menen der Natur zusammenzuschließen gehalten sind. Nun ist
das Substantiale d. h. „das Subject, welches existirt, nach Ab-
sonderung aller Accidentia", wie die Ontologie lehrt, „das
Etwas überhaupt" (S. 55.). Daher darf das transscendentale
Object oder Subject allenfalls auch als Substantiale bezeichnet
werden. Das thut gelegentlich und an passender Stelle auch
die Krit. d. r. V. (R. II, 329. — H. III, 297.). Wenn Kant
aber in seinem Vortrage der Kosmologie das Substantiale, das
transscendentale Object, das Intelligible als Substrat der Materie,
d. h. die uns unerkennbare substantia noumenon mit der sub-
stantia phaenomenon, der einzigen, die wir erkennen können,
d. h. der Materie, und mit den Substanzen, den Körpern der
Natur in Eins nahm, ohne die phänomenalen Substanzen von
den noumenalen, die substantia phaenomenon von der substantia
noumenon abzugrenzen, und den Körpern Substanzen „zum
512 Zur Beurtbeilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
Grunde" legte, ohne näher anzugeben, welcherlei Art von Sub-
stanzen er meinte, so mußte diese Ungenauigkeit, meine ich, in
seinen Zuhörern fast unausbleiblich die beiden Mißverständnisse
erzeugen, daß die Dinge an sich nicht blos als Substanzen
müßten gedacht und als solche dürften bezeichnet, sondern auch
als Substanzen könnten gewußt werden — welches letztere dem
Wesen menschlichen Wissens geradezu widerspricht — , und
ferner, daß die Körper halb Erscheinungen, halb Dinge an sich,
daß in den Körpern Dinge an sich enthalten seien.
Gleich ungenau unterscheiden zwischen der substantia phae-
nomenon und noumenon auch die von Pölitz herausgegebenen Vor-
lesungen Kant's über die philosophische Religionslehre, welche
vielleicht im Wintersemester 1786/86 gehalten worden.
Hier wird mit Rücksicht auf die Weltschöpfung ausgeführt:
„In der Welt selbst entstehen und vergehen nur die Formen
der Dinge; die Substanzen selbst sind permanent". In dem
Apfel bleibt ein und dieselbe „Materie", als in den Säften, die
der Baum aus Luft, Erde, Wasser u. s. w. an sich zog, aber in
anderer Zusammensetzung, anderer Form. Bei Wegschaffhng
des Phlogistons aus dem Eisen zerfällt es in Staub. „Aber
doch bleibt die Substanz des Eisens ungestört." Die veränder-
liche, mithin zufällige Form muß einen Urheber haben, der sie
zuerst einrichtete. Aber auch „die Substanzen in der Welt, ob
wir gleich keine Veränderungen an ihnen wahrnehmen", sind
ebenfalls zufallig, wie aus ihrem wechselseitigen Commercium
als Theile eines Weltganzen erbellt. Der Widerspruch, „daß die
Substanzen ewig und nothwendig", wie die Alten annahmen,
und dennoch in einem influxus mutuus seien, — die Ungereimt-
heit, „daß also das Weltganze aus vielen nothwendigen Dingen
bestehen sollte", brachte zuletzt die menschliche Vernunft auf
die Spur der Schöpfung aus nichts. „Nunmehr sah man die
Materie selbst als ein Produkt des göttlichen freien Willens an."
„Die Materie von Gott unabhängig" wurde „wie ein koordinirtes
Princip" gedacht. Haben hingegen „auch die Substanzen ihren
Ursprung von Gott erhalten", „so ist die Materie Gott sub-
Von Emil Arnoldt. 5J3
ordinirt, und alle ihre Gesetze haben zuletzt in ihm selbst ihren
Ursprung. Diese Schöpfung aus Nichts scheinet aber dem meta-
physischen Satze zu widersprechen: Ex nihilo nihil fit. Allein
dieses kann nur vom Höchsten in der Welt selbst wahr seyn.
Hier kann man mit Recht sagen, daß keine Substanz, die nicht
auch schon vorher da war, entstehe. Und das will auch der
obige Satz nur sagen."
Freilich „macht die Frage: wie eine Substanz von der
andern" [d. h. wie die "Welt-Substanzen von Gott], „es sey
durch Emanation oder durch Freiheit hervorgebracht, und doch
eine für sich selbst subsistirende Substanz seyn könne, viele
Schwierigkeiten, die zum Theil wohl gar unauflöslich bleiben
dürften". „In Gott läßt sich nur ein einziger unendlicher Akt
denken, eine einzige fortdauernde Kraft, die in einem Augen-
blicke" — wobei aber nicht an eine Begebenheit in der Zeit
darf gedacht werden — „eine ganze Welt schuf, und sie in
Ewigkeit erhält. In diesem Weltganzen wurden durch sie viele
Naturkräfte gleichsam ausgegossen, die, nach allgemeinen Ge-
setzen, dasselbe nach und nach ausbildeten." Also geht die
Creation blos auf die Substanzen. Nur von diesen Substanzen
gilt es, daß die Weltschöpfung mit einem Male geschehen sei,
und ,, diese Substanzen bleiben nun auch immer beharrlich, und
ihre Anzahl wird weder vermehrt, noch vermindert". (1. Aufl.
S. 163—168; 2. Aufl. S. 178—183.).
Dieser Ausführung gegenüber erhebt sich die Frage: Was
hat denn nun Gott geschaffen? Und darauf ist — aber nicht
auf Grund jener Ausführung — zu antworten: Weder die Dinge
der Welt, noch die Materie, das Bewegliche im Räume, die
Substanz in ihm, und eben so wenig die Theile derselben,
welche wiederum Substanzen heißen, wenn sie für sich beweglich
und also auch außer der Verbindung mit anderen Nebentheilen
etwas im Baum Existirendes sind. Denn diese Substanzen und
die Materie und die Dinge der Welt sind durch und durch
Phänomene und Erscheinungen. Gott aber ist kein Schöpfer
von Erscheinungen (ß. VIII, 234. — H. V, 107.). Er schafft
Altpr. KonatMohrift Bd. XXIX Hit. 7 iL & 33
514 Zur Beurtheilung von Kaut's Kritik der reinen Vernunft etc.
also nur Intelligibles, sowohl das Intelligible, das der Materie
als dem Gegenstande des äußeren, wie das Intelligible, das der
Seele als dem Gegenstande des inneren Sinnes zu Grunde liegt,
nur Noumena, von denen wir gar nichts, sondern deren Phä-
nomene wir blos erkennen. Diese Phänomene sind die einzigen
Gegenstände, an denen die Kategorie der Substanz für uns eine
mehr als logische Bedeutung gewinnt, während sie, auf Ueber-
sinnliches angewendet, nichts weiter als ein Etwas bedeutet, das
als Subject, ohne Prädicat von anderem zu sein, kann gedacht
werden, aber gar nicht bedeutet, daß einem solchen Etwas die
sinnliche Bestimmung der Beharrlichkeit zukomme (ß. II, 129. —
H. III, 146.). Wenn nun Kant aber schlechtweg von perma-
nenten Substanzen, von der Materie als einem Product des
göttlichen Willens, von Substanzen, die ihren Ursprung durch
Gott erhalten hätten, und von einer Schöpfung aus Nichts redete —
wodurch sollten seine Zuhörer die Information gewinnen, daß
er den Begriff: Substanz bald im Sinne der schematisirten, bald
im Sinne der reinen Kategorie, und den Begriff: Schöpfung
aus Nichts gar nicht auf die Substanzen der Sinnenwelt wolle
angewendet wissen?
Gewiß dadurch nicht, daß er, weiterhin über die Welt-
erhaltung sich auslassend, erklärte: „Gott erhält das Substantiale,
das Innere der Substanzen selbst; — — und ohne daß dieses
Innere und wesentliche Substantiale der Dinge in der Welt
selbst von Gott unaufhörlich actuirt würde, müßten die Dinge
aufhören zu seyn" (ibid. S. 185 ; 2 Aufl. S. 202 ). Vielmehr leistete
diese Aeußerung dem Irrthum Vorschub, daß das Substantiale
als das Innere der Substanzen, der Dinge — welches Innere
bekanntlich „eine bloße Grille" ist (ß. II, 226. — H. III, 235.) —
in den Substanzen, in den Dingen unserer Welt enthalten sei. Aber
das Substantiale d. h. ein Etwas überhaupt als An-sich der Dinge,
das als transscendentales Object oder Subject, als Noumenon ist
weder in, noch an, noch unter, noch über den Dingen.
Sondern ein und derselbe Gegenstand ist ganz und gar und
durch und durch Ding an sich und Erscheinung, Noumen und
Von Emil Arnoldt. 515
Phänomen zugleich. Jedoch läßt er sich als Ding an sich durch
keinen bestimmten Begriff, sondern nur durch reine Kategorien
vorstellen, die als solche blos logische Denkeinheiten sind. Denn
jedes Merkmal, jedes Prädicat, durch das man den unbestimmten
Begriff des Gegenstandes als Dinges an sich bestimmen möchte,
bestimmt ihn als den eines Phänomens, so daß von dem Gegen-
stände als Noumen nur eine Vorstellung übrig bleibt, „aus der
ich nichts machen kann", weil sie eine bloße logische Form ohne
Inhalt ist (E. H, 129. 235. — H. LEI, 146. 242.).
Im Vergleich mit den eben erwogenen Expositionen bringt
von den Begriffen, die dort mangelhaft behandelt sind, eine
klarere, hier und dort bündigere, aber dem Wesen derselben
immer nicht adäquate Erörterung die Nachschrift von Kant's
metaphysischen Vorlesungen aus dem Wintersemester 1794/95.
In der Ontologie bei Behandlung der Kategorie der Substanz
findet sich in jener Nachschrift die Erklärung: „Die Substanz
„mit Hinweglaßung aller inhaerirenden accidenzien (d. i. die
„Bestimmung derselben) gedacht, heißt substantiale. Es ist
„dieser Ueberrest ein bloßer Begriff, der keine Bestimmung hat.
,Es ist ein Etwas, so blos gedacht, oder vorstellbar ist, denn
„erkennen läßt sich das substantiale nicht. Man kann nichts
„erkennen, wenn man nicht vom Objecto praedicate hat, woran
„man etwas erkennt, indem alle Erkenntnisse nur durch Urtheüe
„geschehen. Bier bleibt aber nur das subject absque praedicato
„übrig, mithin kein Verhältniß zwischen Beyden. Es bleibt
„also nur eine Vorstellung von einem Etwas übrig, von dem
„man aber nicht erkennt, was es ist." Als Beispiel dazu wird
dann nach flüchtigem Hinweis auf den Begriff des Körpers an-
geführt: „So sind das Denken, Wollen, Gefühl der Lust und
„Unlust praedicate der menschlichen Seele. Läßt man diese
„weg, und denkt sich die Seele ohne diese inhaerentia, so bleibt
„ein Etwas übrig, von dem man keinen Begriff hat, ein Gedanke
„ohne denkende Subjecte, und dies ist das substantiale. Man
„nennt es auch das substratum aller accidenzien. Hieran Objecto
„zu erkennen ist dem menschlichen Verstände, wie gedacht,
83*
5 16 Zur Beurtheilnng von Kaut's Kritik der reinen Vernunft etc.
„unmöglich, und man führt eine unnütze Klage über seine Ein-
„geschränktheit, vermöge deßen" [in Folge deren] ,,der Verstand
„nur durch die Wirkungen, nicht aber die Objecto an sich und
„in ihrer Substanz erkennen könne. Es liegt in der Qualität
„des Verstandes- Vermögens, daß wir nur durch praedicate, die
„aber hier w eggelaßen werden, erkennen können, und also ist
„alle ErkenntniB ohne Verbindung der accidentien mit der Substanz
„unmöglich."
Diese Erklärung stimmt mit jener in der Ontologie bei
Pölitz auf S. 55 dem Sinne nach durchaus überein und hat vor
ihr keinen Vorzug, außer daß sie hier durch das Beispiel von
der Seele erläutert ist. Hiernach dürfte nun kaum eine rationale
Psychologie, gewiß aber in ihr keine Erkenntniß von der Seele
als einer immateriellen Substanz möglich scheinen. Trotzdem
wird in der rationalen Psychologie, ähnlich wie bei Pölitz, diese
Erkenntniß zu begründen gesucht, wie sich zeigen wird.
Nach Berichtigung eines Irrthums der Wolf sehen Schule
hinsichtlich des Begriffs der Kraft folgt dann weiter: „phaeno-
„mena substantiata , ein Ausdruck des Leibnitz (ad autorem
„P. 193)*), heißt überhaupt nichts mehr, als die Substanz als
„phaenomen betrachtet, oder Realität als Bestimmung im Baum
„und in der Zeit. Alle Substanzen werden von uns erkannt,
„und betrachtet, als sie sich in Baum und Zeit bestimmen laßen;
„wir können ihre praedicate nicht an sich erkennen, sondern
„nur in so fern, als sie im Verhältniß mit der Form unserer
„Sinnlichkeit stehen. Daher lassen sich substantiae noumenon
„nicht erkennen, weil dem Begriff der correspondirende Gegen-
stand in der Anschauung fehlt. Daher, da die substantialia
„an sich nicht existiren, so können wir die Substanzen nicht
„an ihnen selbst, sondern nur durch ihre inhaerirende aeeidenzien
„erkennen; z. E. durch die Vorstellung von Ich läßt sich vom
*) Metaphysica Alex. Gottl. Baumgarten. Edit. VII, Halae. 1779.
§ 193: „Accidentia, si videntur per se subsistentia , sunt Phaenomena
Substantiata". (Anmerk. „das vor sich zu beatehn acheinende").
Von Emil Arnoldt. 517
„subject, ohne ihm ein praedicat beizulegen, nichts erkennen.
„Es dient nur als eine Bezeichnung der Vorstellung über ein
„Wesen, so sich selbst zum Object macht. Durch Beobachtung
„meiner selbst erkenne ich mich nur, wenn ich meine Aufmerksam-
keit auf den innern Sinn richte, als welcher sich eben so, als
„der äußere Sinn, als phaenomenon vorstellig machen läßt. Wenn
„man daher die Substanzen nach ihren Bestimmungen im Baum
„und in der Zeit erkennt, und hält diese Bestimmungen für die
„Sache selbst, so vermischt man bey diesem Schein den Begriff
„der Substanzen mit dem: phaenomenis substantiatis".
Diese Bestimmung der phaenomena substantiata enthält
sowohl die ausdrückliche Forderung, daß, als auch die einiger-
maßen deutliche Anweisung, wie die Substanzen als noumena
und als phaenomena zu unterscheiden seien. Sie können als
noumena nur gedacht, aber nicht erkannt werden, weil der
Begriff derselben als noumena ohne correspondirenden Gegenstand
in der Anschauung, mithin ohne objective Realität bleibt. Als
solche sind sie bloße substantialia, entia rationis oder leere Be-
griffe ohne Gegenstand, mithin für uns ein Etwas überhaupt,
das an sich Nichts ist. Denn substantialia existiren an sich
nicht, weil keine Substanz ohne Accidenzen, ohne Prädicate
sein kann. Daher müssen außer den Substantialien noch Prädi-
cate, Accidenzen angenommen werden, die den an sich seienden
Substanzen inhäriren, wenn überhaupt Substanzen als noumena
sollen gedacht werden. Aber mit den an sich seienden Substanzen
sind selbstverständlich auch ihre an sich seienden Prädicate,
„ihre Prädicate an sich" für uns unerkennbar.
Erkennbar werden nur ihre Erscheinungen, die in unserer
Sinnlichkeit entstehen, wenn zu ihr jene Substanzen und deren
Prädicate in Verhältnis treten. Diese Erscheinungen sind phae-
nomena substantiata oder Substanzen als Phänomene, wenn sie
mittelst der Kategorien: Realität und Substanz] alität in Raum
und Zeit bestimmt worden, und die in Raum und Zeit prä-
senten Substanzen als Phänomene sind uns Repräsentanten ihrer
Noumeue oder ihres Noumenens, — Repräsentanten des Noumenon.
518 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
So bleiben die Begriffe: substantia noumenon und substantia
phaenomenon oder phaenomenon substantiatum unvermischt, ob
sie gleich, wie ihre Unterscheidung implicite andeutet, einer
und derselben Substanz gelten, die sie aus verschiedenen G-esichts-
puncten vorstellen. Aus dem Oesichtspuncte des Phänomens
erscheint sie in durchleuchteter, deutlicher Anschauung. Aus
dem Oesichtspunct des Noumens ist sie in Dunkel gehüllt, und
so sehr, daß sie als leerer Begriff ohne Gegenstand für unsere
Erkenntniß Nichts ist. Aber dieses Nichts der Erkenntniß muß
an und für sich als ein Etwas gedacht werden, doch nicht als
Abstractum, sondern, unter vorausgesetzter Anschauung, als die
concreteste Fülle, von der wir indeß nicht nur nichts wissen,
sondern auch dann" keine" Ahnung hätten, wenn jemand uns
sagen könnte, was sie sei.
Dies ist jetzt aus Kant's obiger Aeußerung herauszulesen.
Ward es herausgehört, als er sie that? Schwerlich. Auch wußten
seine Zuhörer wahrscheinlich nicht, daß er hier wie in anderen
Theilen seines metaphysischen Collegs vom Wintersem. 1794/95
— übrigens selbst in seinen diesem Colleg nicht weit voranliegen-
den und ihm folgenden Druckschriften, z. B. der Metaphysik
der Sitten — mit dem Begriff: noumenon freier schaltete, als
es nach der Krit. d. r. V. zulässig war. Und „die Vorstellung
von Ich", als Beispiel angeführt, sollte zum Beispiel dienen
wofür? Daß eine Substanz ohne Prädicate nicht erkennbar sei? —
Also das Ich Substanz, zwar nicht anschaubare Substanz, wie
nach der Psychologie bei PoeL S. 133, doch immerhin Substanz,
wie dort! — Freilich wird gesagt: „es dient nur als eine Be-
zeichnung der Vorstellung über ein Wesen, so sich selbst zum
Object macht". Dann ist dies Wesen wohl Substanz, oder,
ohne Prädicate gedacht, ein Substantiale. Aber ist das Ich, das
die Vorstellung von dem Substantiale bezeichnet, unterschieden
von dem Ich, das nach Poel. S. 133 „das Substantiale aus-
drückt"? — Und was mögen Kant's Zuhörer dabei gedacht
haben, daß „sich der innere Sinn, wie der äußere, als phaeno-
menon vorstellig machen läßt"?
Von Emü Arnoldt. 519
Rechte Klarheit über die substantia phaenomenon bringt
in der Nachschrift von 1794/95 auch nicht die Begründung des
Satzes, daß bei allen Veränderungen eines Dinges die Substanz
beharrlich sei und weder entstehe, noch vergehe. Zwar wird
dabei eingeschärft: „Das Beharrliche der Dinge in der Natur"
müsse „nicht als etwas an sich selbst beharrlich subsistirendes
reales des Dinges angesehen werden/4 „das Beharrliche in den
Dingen oder das Substantiale" beruhe „nur auf der Form der
Dinge, unter welcher sie gedacht werden". Hieraus scheint mit
Sicherheit zu entnehmen : beharrlich ist nur die substantia phae-
nomenon. Aber es wird fortgefahren: „Hieraus folgt nun, daß
„in allen Bestimmungen aller in der Zeit gegebenen Dinge etwas
„Beharrliches sey: dies kann aber a priori nicht angesehen [sie]
„werden, als gelte es von Dingen an sich selbst, sondern nur
„das sieht man a priori ein, daß die Möglichkeit, von Dingen
„eine Erfahrung zu machen, — — — auf die Bedingung ein-
„geschränkt sey, daß die Substanz selbst Beharrlichkeit habe".
Diese Fortsetzung macht zweifelhaft, was vorher sicher schien.
Die Substanz selbst soll Beharrlichkeit haben. Welche Sub-
stanz? Doch nicht die substantia noumenon? Denn auf diese
findet der Begriff der Beharrlichkeit keine Anwendung. Aber
warum dann nicht einfach sagen : die Möglichkeit der Erfahrung
ist auf die Bedingung eingeschränkt, daß die Substanz in der
Erscheinung Beharrlichkeit habe? Ohne diese einfache Aus-
sage lag das Mißverständniß nahe, daß die Beharrlichkeit der
substantia noumenon allerdings nicht a priori direct könne er-
wiesen, aber zum Behuf der Möglichkeit der Erfahrung a priori
müsse angenommen werden. Die Sorglosigkeit in der Verhütung
dieses Mißverständnisses ist um so auffalliger, als die Krit. d. r. V.
äußerste Sorge getragen hat, darzulegen: bei dem Grundsatz
der Beharrlichkeit wie dem der Erzeugung und dem der Gemein-
schaft kommt nur die substantia phaenomenon in Betracht (ß. II,
168. 173. 174. 178. 179. 180. 185. 186. 190. 318. — H. m,
170. 184 (zweimal). 189 (zweimal). 190. 194 195. 201. 616.);
das, was in der Erscheinung Substanz heißt, ist ein bloßes be-
520 Zur Benrtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
harriiches Bild der Sinnlichkeit (R. II, 413 u. 414. — EL IE,
367); nnd das einzige Beharrliche, das als Anschauung wir dem
Begriffe einer Substanz unterlegen können, ist die Materie
(R. H, 775. — H. HI, 199.).
ß) Die Welt ein Ganzeö von Substanzen; das Commercium der Substanzen
im Baume und außer dem Baume; der Raum das Ph&nomenon der gött-
lichen Allgegenwart.
Mit der Kosmologie der von Pölitz herausgegebenen Meta-
physik im Wesentlichen übereinstimmend lehrt über die Welt
die Kosmologie vom Winter 1794/95: Die Welt erfordert 1. so-
wohl ein Materiale, d. i. einen complexum substantiarum, als
auch ein Formale, d. i. einen nexum substantiarum [vgl. Poel.
S. 81.]. Eine bloße multitudo macht nicht eine wirkliche Welt
aus [vgl. Poel. 83.]. Nun entsteht die Hauptfrage: Ist die Welt
nur als ein mundus unicus denkbar oder sind mehrere mundi
denkbar? Im mundus noumenon als totum ideale ist „ein mehreres
Ganze" denkbar, wovon jedes ein totum plane diversum wäre.
Da aber die Welt „ein Aggregat von vielen unter sich ver-
knüpften Substanzen, d. i. ein reales Ganze ist, sobald man es
in Verhältnis auf die Sinne in Baum und Zeit betrachtet, so
kann es der Welten, als mundus phaenomenon, wegen der Ein-
heit des unbegrenzten Baumes nur Eine Welt geben." „Der
Form nach ist also die Welt ein totum substantiale quod non
est pars alterius" [vgl. Poel. 82.]. Dann fragt es sich: Wäre
statt der gegenwärtigen Welt eine andere möglich, d. i. ein
anderes absolute totum, worin die Substanzen ganz anders ver-
knüpft worden, also ein totum plane diversum? Dies muß, so
fern man sich durch den Verstand einen mundus noumenon
als möglich denkt, allerdings bejaht, von einem mundus phae-
nomenon aber, wenn man die Dinge in der Welt oder die Welt
selbst als ein ens contingens annimmt, schlechthin verneint
werden. Denn als contingens muß die Welt eine causa simpli-
citer talis haben, und beim Vorhandensein einer einigen obersten
Ursache „läßt sich actu eine andere Welt als die gegenwärtige
nicht als möglich annehmen". [Auch bei Pölitz S. 83 u. 84 —
Von Emil Arnoldt. 521
in dem ersten Abschnitt der Kosmologie, welcher von dem „Be-
griff der "Welt" handelt — ist die erste der beiden obigen Fragen
von der zweiten ausdrücklich unterschieden, aber schon die erste,
ohne Unterscheidung eines mundus noumenon und mundus phae-
nomenon, auf Grund der Notwendigkeit . einer gemeinschaft-
lichen und obersten Ursache für alle in der Welt existirenden
Substanzen verneint, die zweite dagegen nicht weiter berührt,
vielleicht weil sie mit der Beantwortung der ersten als eben-
falls erledigt betrachtet ward]. „Denkt man sich nun die Welt
„als Noumenon, so ist sie nichts weiter als ein absolutes Ganze
„von Substanzen; aber man ist auch weiter nicht a priori zu
„bestimmen im Stande, was es für Eigenschaften oder Deter-
„minationen habe. Denkt man sich aber die Welt als Phäno-
„menon, mithin die Dinge in Kaum und Zeit als ihren reellen
„Verhältnissen, worin sie gegen einander stehen müßen, so laßen
„sich folgende vier Principien festsetzen, unter welchen man
„sich die Bestimmungen der Welt denken muß": In mundo non
„datur 1. abyssus, 2. saltus, 3. casus (blindes Ungefähr),
,4. fatum (blinde Notwendigkeit).
Ueber diese vier Principien habe ich im Vorbeigehen zu
bemerken: Die drei letzten derselben finden sich in der Baum-
garten'schen Metaphysik §§ 382—387, bei Pölitz S. 88—98, sind
aber in dem früheren Colleg Kant's großentheils anders behandelt
worden, als in dem späteren vom Winter 1794/95. In der Krit.
d. r. V. sind sie bei Darlegung der Postulate des empirischen
Denkens neben dem Grundsatze: In mundo non datur hiatus,
berücksichtigt worden (E. II, 190 u. 191. — H. HI, 201 u. 202.),
an dessen Stelle in der Kosmologie das Princip: In mundo non
datur abyssus trat.
An die Besprechung jener vier Principien hat Kant in dem
Colleg vom Winter 1794/96 die in einigen Beziehungen eigen-
tümliche Behandlung der bei Pölitz nur andeutungsweise zum
Vorschein kommenden vier Antinomien geknüpft, aus der ich
zwei Stellen ausziehe, welche die Substanzen der Welt betreffen.
Die minder wichtige steht in der Widerlegung der Antithesis
522 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
der zweiten Antinomie, wo der Vorhaltung, die dem Gegner
des Einfachen gemacht wird, daß nämlich nach Abstraction von
aller Zusammensetzung als bloßer Verbindungsform der zur Materie
vereinigten Substanzen doch das Substantiale, d. i. das innerliche
Beharrliche derselben übrig bleibe und als einfach zu denken
sei, der Zusatz folgt:
„Dies war auch die Meinung des Wolf und Leibnitz. Man
„sieht wohl, daß diese Idee, durch den bloßen Verstand gedacht,
„an sich als richtig gelten kann, und [daß] insofern sich denken
„läßt: compositum substantiale consistit ex simplicibus. Als
„Phänomen aber ist hier eine ausgedehnte Substanz, ein Be-
harrliches im Baum, das sich, ohne Theile und ohne Zertheilang
„ins Unendliche nicht gedenken läßt. Die Monaden können
„aber im "Raum keine Theile vom Körper ausmachen, sondern
„maßen blos Punkte seyn, weil sie sonst Theile eines Baumes
„seyn würden."
Dieser Stelle entspricht bei Pölitz S. 102 in dem Abschnitt
der Kosmologie, welcher „von den Theilen des Universums"
handelt, eine die Leibniz'sche Monadologie betreffende Aus-
einandersetzung, von welcher ich nur den Schluß anführe: „Dem-
„nach sagt also Leibnitz: Alle Substanzen sind Monaden oder
„einfache Theile, die vim repraesentativam haben und unter
„allen Phänomenis erscheinen. Allein eben ist schon gesagt:
„Alle Erscheinung ist continuirlich, und kein Theü der Er-
scheinung ist einfach; also bestehen Körper nicht aus einfachen
„Theilen oder Monaden. Die Composita substantialia bestehen
„aber aus einfachen Theilen, wenn sie durch den Verstand ge-
„dacht werden". Damit ist wieder aus der Ontologie bei Pölitz
in dem Abschnitt: „Vom Einfachen und Zusammengesetzten'*
die Stelle zu vergleichen, wo es heißt: „Ich kann mir in jedem
Comp, subst. einfache Theile denken" (S. 60. J, und aus der Krit.
d. r. V. in der „Anmerkung zur Amphibolie der Reflexions-
begriffe" die Ausführung, daß die Leibniz'sche Monadologie auf
einer Vergleichung der Gegenstände der Sinne als Dinge über-
haupt blos im Verstände, auf Vorstellung derselben blos im
Von Emil Arnoldt. 523
Verhältnis auf den Verstand beruhte, wo denn „dieses alles
auch seine Richtigkeit haben würde", wenn „nicht etwas mehr,
als der Begriff von einem Dinge überhaupt, zu den Bedingungen
gehörte, unter denen allein uns Gegenstände der äußeren An-
schauung gegeben werden können" (B. II, 224 u. 225. 231. —
s. auch I, 479. — H. m, 233 u. 234. 238. — s. auch VI, 66.).
An allen diesen Stellen hat also Eant in gleicher Weise
ausgesprochen, daß Dinge überhaupt, d. h. Dinge durch den
bloßen Verstand mit Abstraction von ihrer Anschauung gedacht
oder an sich selbst durch die Vernunft erwogen, wenn auch
nicht als Monaden, d. h. zugleich mit Vorstellungskraft begabt,
doch als einfache Substanzen müssen gedacht werden.
Beachtenswerther ist in der Nachschrift von 1794/95 die
Stelle, an welcher bei Behandlung der vierten Antinomie das
Commercium der Substanzen d. i, die „Form der Welt" in
Betracht gezogen wird: „Die Substanzen in der Welt müßen
„auf einander einen wechselseitigen Einfluß haben, d. i. in nexu
„reali stehen, als welcher nur durch Wechselwirkung auf ein-
ander statt finden kann. Dieser nexus realis per commercium
„würde unter den Dingen nicht möglich anzunehmen seyn,
„wenn man sie sich durch den Verstand an sich selbst existirend
„denkt. Die Substanzen würden jede für sich ohne alles Ver-
„hältniß und Verbindung unter einander existiren. Daher läßt
,.stch ein Totum reale von nothwendigen Substanzen gar nicht
„denken. Denn alsdann ist keine von der andern in Ansehung
„ihres Daseyns abhängig, jede existirt für sich, weil jede ihren
„nothwendigen hinreichenden Grund ihrer Existenz in sich selbst
„hat: viele nothwendige Substanzen hätten also unter sich keine
„Verbindung, jede kann für sich nur Welt und die Grund-
„ursache einer Welt seyn, aber mit einer andern Welt und den
„Dingen in derselben könnten sie nicht in der geringsten Ver-
bindung stehen z. E. viele Götter. Alle dergleichen Substanzen
„wären also unbedingt und durch sich selbst bestimmt, aber
„jede isolirt durch ihre absolute Nothwendigkeit. Da sich also
„hiernach, geradezu, und ohne ihrer Nothwendigkeit hinderlich
524 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
„zu seyn, ihre Verknüpfung unter einander nicht annehmen läßt,
„so kann man, um diese sich zu denken, nicht anders, als ihr
„Daseyn von einer allgemeinen gemeinschaftlichen Urquelle ab-
leiten, welche die allgemeine Kraft zu der allgemeinen Wirkung
„aller Dinge ist. Hiedurch aber werden letztere von ihr ab-
hängig, und an sich zufällig, sie werden durch diese allgemeine
„Ursache unter einander verbunden, und entsteht daher eine
„wechselseitige Verknüpfung und Gemeinschaft durch die ge-
meinschaftliche Ursache unter einander, da eine Handlung eines
„einigen Wesens nöthig war, um sie alle zu produciren, und
„in der Art entsteht der nexus realis.
„Newton nennt den ßaum das organon der göttlichen
„Allgegenwart. Diese idee ist aber unrichtig, da der Baum
„an sich nichts ist, und als etwas an sich selbst wirklich
„existirendes durch die Verknüpfung der Dinge nicht gedacht
„werden kann. Dagegen, wenn man den Kaum als Symbolum
„sich denkt, d. i. an die Stelle aller Verhältniße und Wechsel-
wirkung selbst, so denkt man sich darunter den Inbegriff aller
„Phaenomena, und zwar als compraesentia, d. i. als einander
„gegenwärtig, und wechselseitig auf einander wirkend, und das
„Wesen, so sie enthält, als Symbol".
Die Nachschrift aus dem Wintersemester 1793/94 enthält
in der Kosmologie durchweg dieselben Bestimmungen, als die
Nachschrift aus dem Wintersemester 1794/95, nur in kürzerer
Fassung, doch hier und dort auch Angaben und einzelne Aus-
führungen, die ihr allein eigenthümlich sind.
So heißt es gleich bei der Erörterung des Begrifls der
Welt: „Welt ist Totum substantiarum quod non est pars alterius.
„Eine Monas war ein Theil, das kein Ganzes ist. Welt ist ein
„Ganzes, das nicht als Theil von einem andern kann gedacht
„werden. Es ist ein Totum absolutum substantiarum, ein Ganzes
„schlechthin, ein unbedingtes Ganzes, d. h. das' in keiner Be-
ziehung wieder ein Theil eines andern seyn kann. — Das
„Materiale einer Welt sind Substanzen. Der Autor spricht nach-
„her von einem mundo egoistico, d. i. wo der Mensch denkt,
i
Von ßmü Arnoldt. 5^5
„er sey die einzige Substanz (das einzige existirende Wesen).
„Aber ein solcher leugnet die Welt, denn Welt ist nicht eine
„Substanz, sondern ein Ganzes von Substanzen. — Das Formale
„in der Welt ist der nexus realis der Substanzen die die Welt
„ausmachen. Daher werden wir sagen: Welt ist ein reales
„Ganze von Substanzen und nicht blos eine Vielheit von Sub-
„stanzen, die nicht in nexu reali sind d. h. nicht wechselseitig
„auf einander einfließen, denn Substanzen, die nicht in nexu
„reali sind, können keine Welt ausmachen. Diese Einheit vieler
„Substanzen in nexu reali (als reales Ganzes) macht die Welt
„aus. — Wenn ich auch von vielen Substanzen mir in meinem
„Kopfe einen ganzen Begriff mache, so ist deshalb noch nicht
„in den Dingen selbst eine reale Verbindung, oder die Dinge
„selbst machen deshalb noch nicht ein Ganzes aus. — Das
„absolute Ganze der in realer Verbindung stehenden Substanzen
„(die Totalität) gehört ferner zum Begriffe der Welt. Aber das
„absolute Ganze, das kein Theil von einem anderen ist, wird
„eben die größte Schwierigkeit machen; denn der größte Baum
„ist immer noch ein Theil von einem noch größeren. Die ab-
solute Totalität kann nicht als gegeben gedacht werden,
„obgleich sie gedacht werden kann".
Diese Erörterung des Begriffs der Welt vom Winter 1793/94
ist conciser, als die vom Winter 1794/95. Auch weist sie —
von einzelnen Differenzen abgesehen — eine größere Ueberein-
stimmung, als die andere, und eine weit größere Uebereinstimmung,
als die bei Pölitz S. 81—83 mit jener Erörterung auf, welche
im § 2 der Dissertation vom Jahre 1770 enthalten ist.
Nach Bemängelung der Definition des Autors: „mundus
est series (multitudo) actualium finitorum", weil ein Ganzes
von Substanzen jederzeit ein Ganzes von endlichen Substanzen,
mithin die Bestimmung: „finitorum" überflüssig sei, werden die
beiden Fragen: „Ist nur Eine Welt? und keine neben ihr oder
keine statt ihr [sie]?" in dieser Nachschrift vom Winter 1793/94
folgendermaßen beantwortet: „Letztere Frage ist jetzt gar nicht
526 Zur ßeurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
„zu beantworten, weil sie die feinste Specolation erfordert. Sie
„kommt in der Theologia rationalis noch einmal vor. Das
„Gegentheil ist wohl von keiner Würklichkeit möglich; wenn
„ich alle Connexionen in der Welt einsehen könnte, würde ich
„wohl einsehen, daß keine andere Welt statt dieser seyn könnte. —
„Kann eine andere Welt noch neben dieser seyn? Hier muß
„man wieder Phänomena und Noumena unterscheiden. Mundus
„phaenomenon kann nur als eine einzige gedacht werden; denn
„sie kann nicht anders als im Baum existiren, und nun giebts
„nur einen Baum und eine Zeit. Alle Dinge, die im Baum
„sind, sind in respetu der action in nexu reali, daher kann nur
„eine Welt im Baum seyn; denn alle Substanzen zusammen
„machen erst eine Welt aus. — Es giebt keine zwey All des
„Baums. Die Welt, durch einen reinen Vernunftbegriff gedacht,
„wo Baum und Zeit nicht einfließen, kann vielfach seyn. Als
„Noumenon kann ich mir mehrere Welten denken. Hat die
„Welt eine Ursache, so steht sie mit dieser (mit Gott) in nexu,
„nicht aber in nexu der aggregation (composition), sondern der
„Dependenz. Jede Substanz kann existiren, ohne in aggregation
„mit andern zu seyn, daher kann eine Welt von Substanzen,
„als Noumenon gedacht, neben einer anderen, oder vielmehr
„als völlig isolirt existiren, ohne Bücksicht, ob noch eine andere
„Welt da ist. Jede Welt existirt subsistendo und nicht inhae-
„rendo. — Substanzen werden durch ihre Notwendigkeit so
„isolirt, daß sie nicht allein mit anderen nicht in Verbindung
„stehen, sondern durchaus nicht von anderer Daseyn abhängen
„können. Ein Ganzes von schlechthin nothwendigen Substanzen
„ist also ein Unding; aber eine Menge von Substanzen, die in
„keiner Verbindung stehen, läßt sich wohl denken; daher werde
„ich mir zwey absolute Ganze von Substanzen denken (als
„Noumena), die auf einander gar nicht einen Einfluß haben,
„obgleich ich sie mir in Gedanken zusammen denken kann.
„Auch die Urheber zweyer solchen Welten wurden weder auf
„einander, noch einer auf des andern Welt den mindesten
„Einfluß haben; denn jeder dieser Urheber ist ein absolut noth-
Von Emil Arnoldt. 52?
„wendiges Wesen, das also mit den andern nicht in der geringsten
„Verbindung stehen kann".
Hiernach werden die Antinomien und zwar ohne Erwähnung
der Leibniz'schen Monadalogie bei der zweiten Antinomie,
ferner jene „vier kosmologische Sätze, welche determiniren":
1. in mundo non datur abyssus etc., und unter einem besonderen
Abschnitt die „Lex continui" behandelt. Dann folgt unter dem
Titel: „Von der Materie der Welt" eine Erörterung der Haupt-
begriffe aus den §§ 392 — 447 (incl.) des Baumgarten'schen Lehr-
buchs [bei Pölitz S. 98 — 109, wo auch die Titel der einzelnen
Abtheilungen mit denen des Lehrbuchs übereinkommen]. Dieser
Erörterung entnehme ich folgende Bestimmungen: „Monas ist
„eine einfache Substanz, Monadatum ist ein Ganzes von ein-
fachen Substanzen. Kann man die Welt als monadatum an-
sehen? Da die Materie den Kaum erfüllt und also nicht aus
„einfachen Theilen besteht, so ist die materielle Welt kein
„monadatum; denn da der Baum immer theilbar ist, so ist auch
„alles in ihm theilbar. — Element ist derjenige Theil eines
„substantiellen Ganzen, der selbst wieder keine Theile hat. Dies
„ist eine monas. Die Welt, als Noumenon betrachtet, besteht
„allerdings aus einfachen Theilen. Die Erscheinung der Welt
„(die Welt als phaenomenon) ist kein monadatum. Die Welt
„als Noumenon erkennen wir gar nicht. Die Welt als mona-
„datum ist die intelligibile Welt. Die Welt nicht als monada-
„tum ist die sensibile. Gränzen der Dinge kann man nicht als
„Substanzen (Monaden) annehmen".
Auch citire ich den gleich hernach gegen § 414 des Lehr-
buchs erhobenen Einwand: „Der Autor nimmt an, alle Substanzen
„würcken gegen einander und cohäriren; aber so müßten die
„Geister die Körper bewohnen, und dann müßten Geister in
„der Körperwelt seyn. — Einfache Substanzen können sich auch
„einander" [sie] „nicht berühren, d. h. Geister können nicht
_ o _
„Geister berühren; z. E. ( a Y b \ a und b als einfache Sub-
„stanzen, die sich berühren" [sollen], „sind doch außer einander
528 Zur Beurtheilnng von Rant's Kritik der reinen Vernunft etc.
„und von dem Berührungspunkt c unterschieden, denn zwischen
„zwey Puncten ist immer ein Kaum. Die Gemeinschaft der
„Qränzen von zwey ausgedehnten Wesen ist die Berührung;
„aber einfache Wesen können sich nicht berühren, denn sie
„fallen immer in einen Punctu.
Endlich gebe ich aus dem vorletzten Abschnitt der Kos-
mologie: „Vom Commercio der Substanzen" eine längere Aus-
einandersetzung wieder, welche, abgesehen von einzelnen, auch
hier hervortretenden Mängeln, die in ihr enthaltene Ansicht
über diesen Gegenstand im Allgemeinen klarer und bestimmter
zum Ausdruck bringt, als die bei Pölitz auf S. 109 — 116 „vom
Commercio der Substanzen" vorhandene, und welche ihren Haupt-
gedanken nach mit der oben angeführten Erörterung über den-
selben Gegenstand zusammentrifft, die in der vorhin berück-
sichtigten Nachschrift aus dem Semester 1794/95 bei Behand-
lung der vierten Antinomie vorkommt:
„Der Influxus physicus ist a) originarius, d. h. durch ihr
„Dasein sind die Substanzen schon in commercio ohne einen
„Grund anzunehmen, b) derivativus (rationalis) fvgl. Poel. S. 111].
„Aller influxus physicus setzt ein derivativum voraus; denn
„dieser ist nur der wahre. — Es versteht sich nicht schon von
„selbst, daß Substanzen in commercio sind; denn Substanzen
„sind gerade das, was allein für sich existirt, ohne von einem
„andern abzuhängen. Bei dem mundo phaenomeno (der in
„Baum und Zeit ist) ist es eben der Baum, der die Substanzen
„verbindet, wodurch sie in commercio sind. Aber wie sind die
„Substanzen in mundo noumeno in commercio? — Die Harmonie
„der Substanzen soll darin bestehen, daß ihr Zustand auf ein-
. „ander, d. i. nach allgemeinen Gesetzen übereinstimmt. Die
„Welt wird entweder als totum ideale betrachtet und hier ist
„dann eine harmonia absque commercio; oder die Welt ist
„totum reale und hier ist eine harmonia substantiarum in com-
„mercio. Dieses letztere Systema heißt das System influxus
„physici. Das Systema aber harmonia substantiarum absque
„commercio ist das Systema influxus hyperphysici, d. i. von
i
Von Emil Arnoldt. 529
„einer caussa extramundana schreibt sich die Welt her; d. h.
„von Gott.
„Dies letztere kann nun seyn: 1. Systema adsistentiae
„2. Systema harmoniae praestabilitae. Leibnitz wollte dadurch
,nicht das commercium der Substanzen, sondern nur das com-
mercium zwischen Seele und Körper erklären, weil dies ein
„Paar so heterogene Substanzen sind. Ursache und Würkung
„können aber realiter verschieden seyn ; also kann ich annehmen,
„daß etwas von etwas ganz ungleichartigem z. E. Bewegung
„des Körpers von der Vorstellung der Seele, wie Würkung von
„der Ursache von einander abhängen. Dies läßt sich aber nicht
„weiter erklären, sondern wir nehmen solche Sätze an, weil
„durch sie die Erfahrung möglich wird. Das systema influxus
„physici hat wieder eine zwiefache Vorstellungsart, sich dasselbe
„als möglich zu denken: 1. commercii originarii, wenn Sub-
stanzen dadurch, daß sie existiren in commercio sind; 2. deri-
„vativi, wenn noch etwas hinzukommen muß, um dies com-
„mercium zu bewürken. Das commercium originarium ist qualitas
„occulta; es wird zu seinem eigenen Erklärungsgrund an-
genommen. Es bleibt also nichts als das systema influxus
„physici und zwar in commercio derivativo übrig, wo ich an-
„nehme, daß alle Substanzen durch eine Caussalität existiren,
„wodurch sie alle in commercio sind [vgl. Poel. S. 112.]. Diese
„Idee hat etwas erhabenes. Wenn ich alle Substanzen als
„absolut nothwendig annehme, so können sie nicht in der ge-
„ringsten Gemeinschaft stehen. Nehme ich aber die Substanzen
„an als existirend in Gemeinschaft, so nehme ich an, daß sie
„alle durch eine Caussalität existieren, denn dadurch läßt sich
„nur ihre Gemeinschaft erklären. — Baum selbst ist die Form
„der göttlichen Allgegenwart, d. h. die Allgegenwart Gottes
„ist in Form eines Phänomens ausgedrückt, und durch diese
„Allgegenwart Gottes sind alle Substanzen in Harmonie [vgl. Poel.
S. 113.]. Aber hier kann unsere Vernunft nichts weiter einsehn. —
„Diejenigen, welche den Baum für eine Sache an sich
„selbst oder für eine Beschaffenheit der Dinge an sich an-
AXipr. Monatuohrift Bd. XXIX. Hft 7 u. 8. 84
&30 Zur Beartheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
„nehmen, werden genöthigt, Spinozisten zu seyn, d. i. sie nehmen
„die Welt als einen Inbegriff der Bestimmungen von einer
„einigen notwendigen Substanz, also nur Eine Substanz an.
„Raum als etwas nothwendiges wäre alsdann auch eine Eigen-
schaft Gottes, und alle Dinge existiren im Raum also in Gott."
An diesen Stellen aus den Collegienheften der Semester
1794/95 und 1793/94 sind der mundus phaenomenon und der
mundus noumenon ausdrücklich von einander unterschieden, und
eben so die Substanzen, so fern sie zum mundus phaenomenon
gehören, und so fern sie als dem mundus noumenon zugehörig
gedacht werden. Ein solcher Unterschied soll gemacht werden.
Darüber konnten Kant's damalige Zuhörer nicht im Zweifel bleiben.
Die klare Aussprache dieser Forderung giebt dem Vortrage aus
der ersten Hälfte der 1790iger Jahre vor dem früheren, den Pölitz
aufbehalten hat, einen Vorzug. Aber der Unterschied selbst,
der klar gefordert war, — ist er an den oben citirten Stellen
auch klar gegeben? und gegeben einstimmig mit dem reinen
und strengen Kriticismus ? nicht versetzt mit transscendenten
Begriffen?
Zur Beantwortung dieser Fragen bemerke ich:
1.
Der Unterschied ist nicht klar gegeben. Denn er spricht
nicht aus, daß unsere Gedanken über die sogenannten Noumena
durchweg leer sind. Allerdings können transscendentale Subjecte
oder Objecto bei dem Versuch, sie durch reine Kategorien als Dinge
an sich zu denken, als einfache Substanzen gedacht werden, d. h.
als Etwas überhaupt, das schlechthin Subject für sich, nicht Prädicat
von anderem ist, mithin irgend wie unabhängig besteht, zu seinen
Prädicaten irgend welche uns unbekannte Realitäten beschränkter
Art hat und in der Mannigfaltigkeit derselben vor allem als
qualitative Einheit d. h. als Princip der Einigung sich geltend
macht, neben der quantitativen Einheit, als welche jedes der
Etwas Eins, nicht Viele ist. Aber diese Gedanken sind ohne
Bedeutung. Denn sie können auf keine Weise als wahr belegt
Von Emil Arnoldt. 531
werden. Und sie sind nicht denknothwendig. Denn sie ver-
wickeln, wenn sie weiter verfolgt werden, in Antinomien, wie
es alle Vorstellungen thuen, welche das Uebersinnliche, das als
Substrat des mündus phaenomenon muß angenommen werden, in
bestimmten Begriffen erfassen wollen.
2.
Der Unterschied ist nicht einstimmig mit dem reinen Kri-
ticismus. Er erklärt die Welt als Noumenon, die intelligible
Welt fär ein absolutes Ganze einfacher Substanzen, für ein Mo-
nadatum, in welchem das reale Commercium derselben zufolge
der Dependenz aller von Einer gemeinschaftlichen obersten
Ursache Statt findet, und zwar so, daß ihre Wechselwirkungen
innerhalb der intelligiblen Welt sich in den örtlichen Ver-
hältnissen ibrer Phänomene innerhalb der sensiblen des
Baumes symbolisch darstellen. Hier ist die Eintheilung der
Gegenstände in Phänomena und Noumena und der Welt in
eine Sinnen- und Verstandeswelt nicht streng in blos negativer
Bedeutung festgehalten, wie die Krit. d. r. V. es verlangt (R. II,
211. — H. DI, 221.). Freilich heißt es auch in jenen Nach-
schriften: „Die Welt als Noumenon erkennen wir gar nicht".
Aber es werden so mancherlei Gedanken über die Noumena so be-
stimmt vorgetragen, als wären sie Dingen an sich nothwendig ad-
äquat. Indeß formen sie nur die intelligible Welt nach dem Bilde
oder Schema der sensiblen. Das Commercium der Substanzen
innerhalb der intelligiblen Welt ist der Wechselwirkung inner-
halb der sensiblen ohne zwingenden Grund, ohne alle Gewähr,
also willkürlich conform gesetzt. — „Die Welt als Noumenon
betrachtet" — hören wir — „besteht aus einfachen Theilen"!
Dann dürfte wohl auch die zweite Antinomie der Krit. d. r. V.
nach Art der dritten und vierten aufgelöst werden? — Und die
intelligible Welt soll ein Monadatum sein! Natürlich forderte
Kant, daß die einfachen Substanzen des intelligiblen Mona-
datums außer dem Baume und ohne alle Raum Vorstellung, aber
in Verhältnissen zu einander gedacht würden, denen zufolge die
B4*
632 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
Phänomene jener Substanzen innerhalb der sensiblen Welt —
wie er schon im §. 16 und in der Anmerkung zum §. 22 der
Dissertation vom J. 1770 auseinandergesetzt hatte — mittelst
unserer Baumes - Anschauung in bestimmten Orten, Lagen und
Gestalten erblickt würden. Dann aber ist die Anwendung des
Begriffs: Monadatum auf die intelligible Welt irreführend.
Denn ein Monadatum ist ein zusammengesetztes, mithin ausge-
dehntes Ganzes unausgedehnter Monaden. — Dazu noch der
Versuch, in dem Monadatum, in der Welt als Noumenon, der
intelligiblen Welt das für sie fragliche Commercium der Sub-
stanzen durch die eben so fragliche Dependenz derselben von
Einer obersten gemeinschaftlichen Ursache, von Gott, wenn nicht
zu erklären, doch plausibel zu machen! Das Commercium soll
als wechselseitiger Einfluß gedacht werden, mithin als influxus
physicus, aber als der berichtigte („emendatior"), d. i. als ab-
geleiteter („derivativus") Einfluß wechselseitigen Wirkens
zwischen den Weltsubstanzen, als ursprünglicher und inniger
Einfluß einseitigen, doch allseitigen göttlichen Wirkens in den
Weltsubstanzen, so daß der letzteren Commercium auf ihrem
Nexus mit einer obersten Ursache beruht, die außer dem Com-
mercium steht. Diesen berichtigten Influxus hatte bereits die
Nova Dilucidatio vorgetragen in der Propos. XIII und dem,
was dazu gehört, aber in Bezug auf die Weltsubstanzen über-
haupt, ohne Unterscheidung eines mundus sensibilis und intelli-
gibilis, auch die Dissertation vom Jahre 1770 in den §§. 17 — 20
mit dieser Unterscheidung, jedoch ohne ausdrückliche Unter-
scheidung des derivativen und des originären Einflusses, sodann
ebenfalls die Kosmologie in der Pölitz'schen Ausgabe der Meta-
physik S. 111 u. 112 und beiläufig die Moraltheologie in der
Pölitz'schen Ausgabe der philosophischen Beligionslehre, S. 167.
186. (2. Aufl. S. 183. 202.), beide ohne Eingehen auf die erste,
aber mit mehr und minder ausführlichem Eingehen auf die
zweite Unterscheidung. Diese Gedanken also erhielten auch
Ausdruck in Kant's Colleg Über Metaphysik während der
1790 iger Jahre — trotz der Krit. d. r. V. Daß sie nach
Von Emil Arnoldt. 533
dieser nicht zulässig sind, liegt auf der Hand. Die Krit.
d. r. Y. kennt nur ein Commercium der Substanzen als
Phänomene und Substanzen selbst nur als Phänomene. Substanz
ist, so viel man davon wissen kann, nur ein reiner Begriff,
eine bloße Denkform, die vielleicht nichts ihr Entsprechendes
hat im Nirgend der absoluten Realität. — Wechselseitiger Ein-
fluß von Substanzen als wirklich gedacht ist Veränderung ihrer
Bestimmungen, Veränderung aber nur in der Zeit, nicht im An-
sich-seienden. — Die Veränderung der Substanzen als Phäno-
mene wird durch die Annahme eines Einfließens göttlicher Kraft
in die Substanzen als Noumene nicht von ferne ausdenkbar.
„Denn daß 'eine Ursache möglich sei, welche den Zustand der
„Dinge verändere, d. i. sie zum Gegentheil eines gewissen ge-
„gebenen Zustandes bestimme, davon giebt uns der Verstand
„a priori gar keine Eröffnung" (E. II, 148. — H. III, 162.), und
„wie es nun möglich ist, daß aus einem gegebenen Zustande
„ein ihm entgegengesetzter desselben Dinges folge, kann nicht
„allein keine Vernunft sich ohne Beispiel begreiflich, sondern
„nicht einmal ohne Anschauung verständlich machen11 (E. II,
779. — H. HI, 207.). — Um in der Kosmologie den Einfluß
Gottes auf die Substanzen als Noumena anzunehmen, müßte die
Metaphysik erst das Dasein Gottes theoretisch beweisen. Aber
die Krit. d. r. V. beweist die Unmöglichkeit eines solchen Be-
weises und nur die Notwendigkeit des Begriffs von Gott als
des höchsten Begriffs, welcher ein blos regulatives Princip dar-
bietet zur Systematisirung unserer Erkenntniß. *)
*) Der Versuch, über das Commercium der Substanzen als Noumene
Rechenschaft zu geben, führt in seinem weiteren Fortgange allerdings noch
lange nicht zu Hegel's theosophischen BegrifFsmengereien ; wohl aber kann
er philosophische Constructionen der absoluten Realität aus bloßen Begriffen
veranlassen, wie Herbart eine mit musterhafter Praecision geliefert hat,
natürlich ohne sie vor der Antithetik hüten zu können, deren Keim sie
selbst in sich trägt. Ein Zeugniß für die Wahrheit der Kant'schen Anti-
nomienlehre liefern die einander diametral entgegengesetzten Uf theile, welche
über das Recht von deren Thesen und Antithesen Herbart und Schopen-
hauer fallen, jeder von beiden in Conseauenz seiner dogmatischen Ansichten
534 Zur Beurtheilung von ELant's Kritik der reinen Vernunft etc.
Einnehmend, aber darum noch nicht durchaus anzunehmen
scheint mir die Ansicht, daß der Baum für ein Phänomenon
der göttlichen Allgegenwart und die räumlichen Bestimmungen,
so fern sie in unserer Erfahrungserkenntniß gegeben sind, für
ein Symbol der Verhältnisse zwischen Elementen im An-sich-
seienden, zwischen Dingen an sich dürfen angesehen werden.
Kant hat von Anbeginn seines Philosophirens, wenn er
über den unendlichen Raum oder über die Vorstellung des
Baumes zu sprechen hatte, dabei fort und fort die Beziehung
desselben zum göttlichen Wesen und wiederholentlich speciell
zur göttlichen Allgegenwart in Erwägung gezogen, seine Ansicht
davon modificirend gemäß der Abwandelung seiner Baumtheorie.
Schon in der „Naturgeschichte des Himmels" erklärte er
den — als absolut real gesetzten — Baum für den „unendlichen
Umfang der göttlichen Gegenwart", der als „das unendliche Feld
der Allmacht" in dem Fortgange der Ewigkeit mit Welten und
Ordnungen erfüllt werde (B. VI, 151. 158 u. 169. — H. I, 289.
295.). Hier ließ er also, wie es scheint, den später von ihm
als in sich widersprechend erkannten Begriff zu, daß Gott in
der Welt local gegenwärtig sei. Aber in der Dissertation vom
J. 1770 erklärte er den — als ideal gesetzten — Baum für die
göttliche Allgegenwart in der Erscheinung (omnipraesentia
phaenomenon B. I, 330. — H. II, 416.) eben so, wie er es
nachmals in seinen metaphysischen Collegien der 1790 iger
Jahre that. Und zwischeninne hatte er sich wiederholentlich
über den Urgrund der Dinge. Herbart behauptete: „Die Thesis hat ent-
schiedenes Recht, und die Anti thesis entschiedenes Unrecht, sobald beide
gehörig gefaßt werden" (S. W. hersg. von Hartenstein, VI, 335. vgl. 336-343. -
IV, 258-263. — I, 178-185.), Schopenhauer dagegen: „Der Beweis für die
Thesis in allen vier Widerstreiten ist überall nur ein Sophisma; statt daß
der für die Antithesis eine unvermeidliche Folgerung der Vernunft aus den
uns a priori bewußten Gesetzen der Welt als Vorstellung ist" (Die Welt
als Wille und Vorstell. 3. Aufl. I, 586. vgl. den ganzen Abschnitt von
S. 583-602.).
Von Emil Arnoldt. 535
eben so geäußert, wie die von Pölitz herausgegebenen Collegien-
hefte bezeugen, so in seinem Colleg über Metaphysik, wo
er in der Kosmologie wiederum aussprach: „Der Baum ist
das Phaenomenon der göttlichen Gegenwart" (S. 113. vgl. 303.
339.), und in seinem Colleg über die philosophische Beligions-
lehre, wo er, Newton's Vorstellung: „Der Kaum sey das
Sensorium*) der Allgegenwart Gottes", als „höchst unschick-
lich" bezeichnend, dagegen ausführte: „Besser sagt man:
„der Baum sey ein Phänomenon der Allgegenwart Gottes,
„wiewohl auch dieser Ausdruck nicht durchaus passend ist,
„welches aber wegen Mangel der Wörter in der Sprache, um
„dergleichen Gedanken nur zu bezeichnen, geschweige denn
„deutlich auszudrücken, nicht vermieden werden kann. In sofern
„der Baum aber nur eine Erscheinung unserer Sinne, und eine
„Relation der Dinge unter sich ist; in sofern die Belation der Dinge
„selbst nur dadurch möglich gemacht wird, daß Gott sie erhält,
„ihnen unmittelbar und innigst gegenwärtig ist, und also den
„Ort derselben durch seine Allgegenwart bestimmt; in sofern ist
„er selbst die Ursache des Baums, und der Baum ein Phäno-
„menon seiner Allgegenwart. Die Allgegenwart Gottes ist folg-
lich nicht local, sondern Virtual; d. h. Gott wirkt beständig
„und allenthalben mit seiner Kraft in alle Dinge" (1. Aufl. S. 187.
— 2. Aufl. 205.).
Die Erwägung, daß Gott durch virtuale, nicht locale Gegen-
wart den Dingen ihren Ort bestimme (vgl. auch Pölitz, K.'s
Vorles. über d. Metaph. S. 303. 339.), stimmt mit der in der
Dissert. vom Jahre 1770 überein, welche für die Behauptung,
daß der Baum omnipraesentia phaenomenon dürfe genannt werden,
*) In der rationalen Theologie von Kant's metaphysischen Vorlesungen
bei Pölitz ist diese Vorstellung nur mit indirecter, nicht ausdrücklicher Er-
wähnung Newton's abgelehnt. „Dadurch, daß die Dinge alle da sind durch
„Einen, machen sie eine Einheit aus. Wenn diese Einheit sinnlich vor-
bestellt wird; so ist es der Raum. Der Raum ist also ein Phänomenon
„der göttlichen Allgegenwart, obgleich nicht ein Organon, wie Einige
„meinten, die es mehr mathematisch als metaphysisch nahmen" (S. 339.).
536 Zur Benrtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
den Grand angiebt: „Causa enim universi non est omnibus atque
singulis propterea praesens, quia est in ipsorum locis, sed sunt
loca, h. e. relationes substantiarum possibiles, quia omnibus
intime praesens est" (B. I, 330. — H. II, 416.). Beide Stellen
sind wohl dahin zu verstehen: Gott ist Ursache des Baums
und der räumlichen Bestimmungen unserer Erfahrungsgegenstande,
weil er Schöpfer des Menschen wie aller menschlichen Anlagen,
mithin auch unserer Anlage zu ursprünglicher Erwerbung der
Baumesanschauung und, den Substanzen als Noumenen innigst
gegenwärtig, beständiger Urheber ihrer übersinnlichen Verhält-
nisse zu einander ist, unter deren Einfloß wir' jene Substanzen
als Phänomene an gegebenen Orten in der Sinnenwelt an-
zuschauen genöthigt sind. Mit dieser Auslegung harmonirt die
in der Krit. der prakt. Vern. bei Behandlung des Freiheits-
problems entwickelte Ansicht, daß die Annahme, Gott sei Ursache
des Baumes und der Zeit „selbst", d. h. unmittelbarer Urheber
derselben als zum Dasein von Dingen an sich gehöriger Be-
stimmungen, consequenterweise zum Spinozismus führe (B. V1H,
233. — H. V, 106.). Den Spinozismus hat Kant stets bekämpft.
Dagegen hätte er sowohl in seinem Colleg über philosophische
Beligionslehre während des Semesters 1786/86 als auch in dem
über Metaphysik während des Semesters 1794/95 genau wie in
der Dissertation vom Jahre 1770 sagen können: Malebranche's
Ansicht sei von derjenigen, die er selbst über die göttliche
Allgegenwart entwickele, nicht allzu weit entfernt (proxime abest),
daß wir nämlich alles in Gott schauen (E. I, 330. — H. 11,417.).
Ich füge hier noch bei: In einer Anmerkung der „Belig.
innerh. der Gr. d. bloß. Vern." ließ er Newton's Vorstellung,
die allgemeine Schwere sei „gleichsam wie die göttliche All-
gegenwart in der Erscheinung (omnipraesentia phaenomenon)",
als „eine erhabene Analogie" gelten, aber für keinen Versuch,
die allgemeine Schwere durch die göttliche Allgegenwart zu
erklären — „denn das Daseyn Gottes im Baum enthält einen
Widerspruch" — (E. X, 167 Anm. — H. VI, 237. Anm.),
während er in der Nova dilucidatio, wo die Newton'sche Attraction
Von Emil Arnoldt. 537
oder allgemeine Schwere für die äußere Erscheinung der Actionen
und Eeactionen der Substanzen auf einander war angesehen
worden, seine Meinung über das Verhältniß der göttlichen All-
gegenwart zu jener lex naturae nicht klar ausgesprochen hatte,
wenn er von der letzteren gesagt: „quae non nisi Deo immediato
statore jugiter durat" (R. I, 43. — H. I, 398.).
Die so oft wiederholte Bestimmung: Der Kaum ist das
Phänomenon der göttlichen Allgegenwart, ergänzt den aus Unter-
suchungen der transscendentalen Aesthetik resultirenden Ge-
danken: Der Baum als Form unserer äußeren Anschauung ist
Nichts in Ansehung der Dinge, wenn sie durch die Vernunft
an sich selbst erwogen werden. Denn die Dinge, die unter
unsere sinnliche Anschauung fallen als Phänomene, mögen in
der göttlichen Anschauung Noumene sein, die, als solche von
Gott erschaffen und erhalten, auch ihre — freilich für uns un-
ausdenkbaren — nicht-sinnlichen Verhältnisse zu einander durch
die göttliche allgegenwärtige Wirksamkeit determinirt empfan-
gen. Dann würde die Möglichkeit eintreten, daß sich die nicht-
sinnlichen Verhältnisse der Noumene in unserer sinnlichen
äußeren Anschauung als räumliche Bestimmungen der Phänomene
darstellen. Denn zu den gegebenen räumlichen Bestimmungen
innerhalb unserer Erfahrungserkenntniß muß ,,im Objecto, das
an sich unbekannt ist, ein Grund" sein (R. V, 366 u. 367. —
H. IV, 398.). Als solchen Grund im An-sich-seienden irgend
welche nicht -sinnliche Verhältnisse anzunehmen, ist allenfalls
statthaft, wenn man sich bewußt bleibt, nur die logische Mög-
lichkeit derselben zu setzen, aber weder ihre absolute Realität,
noch auch blos ihre reale Möglichkeit erkennen zu können.
Und so wäre es wohl denkbar, daß unsere Erkenntniß von den
Phänomenen in allen ihren gegebenen räumlichen Bestimmungen
eine symbolische Erkenntniß von Verhältnissen im An-sich-
seienden enthielte. Dieses Denken würde freilich auf transscen-
dente Gedanken führen. Aber dergleichen hat Kant in seinen
Collegien über Metaphysik, auch 'während der 1790iger Jahre,
xächt vermieden.
538 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
4.
Von solchen transscendenten Gedanken bei jener Unter-
scheidung zwischen dem mundus noumenon und dem mundus
phaenomenon und zwischen den Substanzen als Noumenen und
Phänomenen an den oben citirten Stellen aus den Heften der
Semester 1793/94 und 1794/95 weise ich nur folgende auf:
Im mundus noumenon sollen alle Substanzen einfach sein
und jede von ihnen in einen Punct fallen. Dann fallen aber
alle zusammen in einen und denselben Punct. Denn der mundus
noumenon ist raumlos, und schon der Begriff: Punct, auf ihn
angewandt, hat nur Sinn als Bezeichnung der Abstraction vom
Baume, die man vollzogon hat, — der Abstraction vom Baume,
wenn man den mundus noumenon zu denken versucht. Dem-
nach sind auch Gott, die einzige nothwendige Substanz, und
alle mit jener zu einem und demselben mundus noumenon ge-
hörigen zufälligen Substanzen in Eins zu nehmen. Von welcher
Art aber soll diese Einheit gedacht werden? Nicht als Einheit
der Inhärenz und Subsistenz! Denn der Gedanke einer solchen
Einheit kommt einer Spinozistischen Denkweise allzu nahe.
Also als Einheit der Dependenz, bei welcher die nothwendige
Substanz originarie in oder auf die zufälligen Substanzen ein-
fließt, und diese zufolge jenes Einflusses derivative ein reales
Commercium influxus physici mit einander unterhalten. Dieser
wechselseitige Einfluß der zufalligen Substanzen auf einander,
und der einseitige Einfluß der nothwendigen Substanz auf die
zufälligen erfordert nun, daß alle Substanzen nicht blos von ein-
ander unterschieden sind als Wesen differenter — übrigens uns
unbekannter — Qualitäten oder Bealitäten, sondern daß sie auch
von einander geschieden sind in einer Art, welche den Substan-
zen ermöglicht, selbständig oder für sich zu sein, der nothwen-
digen absolut, den zufälligen relativ für sich. Aber eine solche
Geschiedenheit der Substanzen im mundus noumenon ist, da sie
nicht als räumliche Trennung, als Entfernung darf gedacht
werden, ein leerer Begriff, ein Begriff ohne Sinn und Bedeutung,
da er durch keine Anschauung kann belegt werden, und ein
Von Emil Arnoldt. 539
überschwenglicher, d. h. ein Begriff, dessen Gebrauch trotz der
Leerheit desselben jenseits des Erfahrungsgebietes für dieses
Jenseits gefordert und versucht wird, als ob er theoretische
Erkenntniß verschaffen könnte, während er wirklich keine ver-
schafft. Dergleichen Begriffe können wir vorstellen als denkbar
unter Abwehr jeder Anschauung, aber die Forderung, sie so zu
denken, nur unvollkommen vollziehen. So denken wir die Sub-
stanzen im mundus noumenon zwar als verschieden mit völliger
Klarheit gleich verschiedenen Begriffen in einem systematischen
Zusammenhange, deren etwaige Schematisirung mittelst der
Raum- und Zeitform wir als ihnen selbst und ihrer logischen
Ordnung fremd wissen. Wenn wir sie aber nicht blos als ver-
schieden zu denken versuchen, sondern als geschieden, für sich
seiend, und wechselseitig Bestimmungen in einander setzend
oder aufhebend, so sind wir uns allerdings klar bewußt, daß
wir dabei die Raum- und Zeit-Anschauung nicht einmischen
dürfen und sollen, können aber doch nicht ^vermeiden, entweder
die Geschiedenheit nur als Unterschiedenheit, das Fürsichsein
nur als abstractes Subject-sein, und das reale Commercium nur
als wechselseitige Bedingtheit zu denken, oder, sobald wir uns
der Unzulänglichkeit dieser blos logischen Formen bewußt wer-
den, zur Ergänzung unseres Gedankens unwillkürlich das Raum-
und Zeit-Schema hinzuzunehmen.*)
Diesen überschwänglichen Gedanken übertrifft noch an
Ueber8chwänglichkeit der andere, welchen Kant nach den obigen
Citaten vorgebracht hat, daß mehrere noumenale Welten, jede
von einem verschiedenen Urheber herrührend und diese Welten
*) Dies gilt auch von dem „Zusammen'1 der realen Wesen, welches
Herbart ohne Raumvorstellung denken zu können vermeinte, aber wirklich
ohne sie zu denken nicht vermochte. Die Einheit des absoluten Geistes
dagegen, in welcher Hegel das Universum des reinen Gedankens, der Natur
und des endlichen Geistes als in sich unterschiedene und ihre Unterschiede
als aufgehoben in sich enthaltende Totalität zusammenfaßte, ist ihrer Ab-
kunft nach nichts als die Kantische ursprünglich synthetische Einheit der
transscendentalen Apperception, übertragen auf das Urwesen, als dessen
angebliche Entfaltung sie vom Standpunct des herkömmlichen transscenden-
540 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
wie ihre Urheber ohne den geringsten Einfluß auf einander,
können gedacht werden. Was nun vorhin über die vielen Sub-
stanzen der Einen noumenalen Welt in ihrem Verhältniß zu
einander und über das Verhältniß des Urhebers derselben zu
ihnen gesagt worden, — das ist über die vielen noumenalen
Welten und die vielen Urheber derselben, von denen jeder im
Verhältniß zu seiner Welt als extramundan müßte gedacht wer-
den, erst recht zu bemerken. Dieser transscendente Gedanke
ist in seiner Transscendenz kaum zu transscendiren und dient
in seiner Leerheit höchstens zur Bestätigung des Satzes: „Den-
ken kann ich, was ich will, wenn ich mir nur nicht selbst
widerspreche, d. i. wenn mein Begriff nur ein möglicher Ge-
danke ist" (R. II, 676. — H. DI, 23.). Denn ein möglicher
Gedanke ist er allerdings, aber auch nichts weiter, nur „ein
Gedanke der Form nach, aber ohne allen Gegenstand" (R II,
742. — H. III, 124.) und nicht nur ohne allen theoretischen,
sondern auch ohne allen praktischen Erkenntnißwerth.
y) Die Seele eine einfache, immaterielle Substanz; das Commercium
zwischen Seele nnd Körper.
In der rationalen Psychologie bringen die beiden Nach-
schriften aus Kant's metaphysischen Collegien während der ersten
Hälfte der 1790iger Jahre vier den Substanzbegriff anwen-
dende Auseinandersetzungen, von denen je zwei mit einander
parallel sind. Das erste Paar gebraucht bei der Frage nach
der Natur der Seele den Begriff einer immateriellen, einfachen
Substanz zur Abweisung vulgär materialistischer Antworten, das
talen Realismus halb rationalistisch, halb empiristisch durch das logische
Denken, die äußere Welt und das Leben des Menschen und der Menschheit
gebreitet ward. Diese Einheit, wenn sie in ihrer Unbegreiflichkeit als
Constitution des Menschengeistes einmal hingenommen ist, hat nichts Un-
begreiflicheres in der Gottheit, als im Menschen. Unbegreiflich ist nur die
Billigung, welche der Einfall erhielt, durch diesen Anthropomorphismns,
auch wenn er mit weiteren Bestimmungen ausgeschmückt ward, das Weaen
der Gottheit, wie es an sich selbst sei, für begriffen zu erachten,
Von Emil Arnöldt. 64l
zweite den Begriff der noumenalen Substanz zur Aufhellung
des Commerciums zwischen Seele und Körper.
In der Nachschrift vom Wintersemester 1793/94 heißt es
bei Beantwortung der Frage: „was ist die Seele im Leben?",
wie folgt:
„Eine negative Eigenschaft der Seele ist: sie ist ein im-
materielles unkörperliches (einfaches) Wesen. Dieses behauptet
„man gegen die Materialisten. Materiell ist nicht blos was
„Materie ist, sondern auch was Theil einer Materie seyn kann.
„Was Einfaches kann unmöglich Theil einer Materie seyn.
„Jede Materie ist im Kaum; ein Theil derselben ist also wieder
„im Baum, was aber im Baum ist, ist stets theilbar und nie
„einfach. Die Seele ist nicht materiell. Die Materie hat kein
„Vorstellungsvermögen, mithin kann sie nicht zugleich ihr eignes
„Lebensprincip seyn. (Der Autor sagt: Die Materie kann nicht
„denken; wir sagen: sie hat kein Vorstellungsvermögen, und
„dann paßt der Beweis auch auf Thiere.) Materia non est sub-
„stratum repraesentationum. Alle Vorstellungen sind entweder ein-
„fach, oder zusammengesetzt. Zwei Vorstellungen müssen in Einem
„Subject vereinigt seyn, um eine Vorstellung auszumachen.
„Alle Vorstellungen beziehen sich auf ein Object d. i. eine Ein-
„heit, in dessen [deren] Vorstellung was mannigfaches vereinigt
„ist. Vorstellungen können also nicht unter mehrere Subjecte
„vertheilt werden und dann Eine Vorstellung ausmachen, son-
„dern die vereinigte Vorstellung kann nur in einem Subject als
„eine Einheit stattfinden. Ein Wesen kann daher keine Vor-
stellungen haben ohne diese absolute Einheit des Subjects.
„Wenn einzelne Vorstellungen unter mehrere Subjecte vertheilt
„werden, so können diese isolirt zusammen genommen nicht
„eine Einheit ausmachen; denn diese besteht aus dem Mannig-
fachen der Vorstellung. — Jede Materie ist aber ein Aggregat
„von Substanzen außer einander, also kann die Materie keine
„Vorstellungen haben. Materie ist keine Einheit des Subjects,
„sondern eine Vielheit der Substanzen. Wenn ein Aggregat
„von Substanzen denken sollte, so müßte ein partieller Theil
642 Zur Beurtheilimg von iCant's Kritik der reinen Vernunft etc.
„der Vorstellungen in den einzelnen Theilen liegen; diese aber
„zusammen machen keine Einheit der Vorstellungen aus. Eine
„Menge von Substanzen kann nie eine Vorstellung in Gesell-
schaft haben. Das Princip des Lebens ist das Vermögen,
„durch seine Vorstellungen Ursache von der Wirklichkeit der
„Gegenstände [dieser Vorstellungen] zu seyn. Zum Denken wird
„etwas einfaches erfordert; aber alle Materie ist zusammengesetzt,
„folglich kann sie nicht denken. — — —
„Der Ungrund des Materialismus ist also wohl jetzt erwiesen,
„aber darum nicht die Pneumatologie. Denn daß diese [als]
„einfach anerkannte Substanz auch ohne Verbindung mit dem
„Körper denken könne, läßt sich daraus nicht folgern. Die
„Wirkungen aus dem Vermögen eines Wesens kann man nur
„aus der Erfahrung erkennen. Ob die Seele auch außer dem
„Körper zu denken continuire, das läßt sich nicht a priori ent-
scheiden. Man müßte hierüber Erfahrungen anstellen. Er-
fahrungen können wir nur im Leben anstellen. Hier aber
„erfahren wir nur, wie die Seele in commercio mit dem Körper
„denkt. Es bleibt daher unausgemacht, ob die Seele nach dem
„Leben auch ohne commercium fortfahre zu denken.
„Die Spiritualität der menschlichen Seele gehört zu den
„transcendenten Begriffen, d. h. wir können von ihr keine Er-
kenntnis bekommen, weil wir diesen Begriffen keine objective
„Realität, d. i. keinen correspondirenden Gegenstand in irgend
„einer möglichen Erfahrung geben können. Es ist nicht aus-
zumachen, ob der Körper nicht ein unentbehrliches admini-
„culum zum Denken der Seele sey. Denn wir können uns nicht
„aus dem Körper heraussetzen um dies zu erfahren."
In der Nachschrift vom Wintersemester 1794/95 lautet die
der obigen entsprechende Auseinandersetzung über die Seele als
immaterielle, einfache Substanz folgendermaßen:
„Zuförderst muß a) wider die Materialisten behauptet werden:
„daß die Seele so wenig an und vor sich materiell seyn, noch
„ein einfacher Theil der Materie seyn könne. Die Seele ist viel-
,,mehr ein einfaches Wesen (im negativen Begriff); daher auch:
Von Emil Araoldt. 543
„die Seele ist immateriell und unkörperlich. Materie heißt hier
„nemlich nicht nur was selbst durchweg Materie ist, sondern
„was auch nur ein Theil einer Materie seyn kann, also ein aus-
gedehntes undurchdringliches Wesen.
,, Zuförderst kann sie aber nicht einfach und dennoch ein
„Theil der Materie seyn. Denn als (auch einfacher) Theil der
„Materie muß sie mit der letztern einen Baum einnehmen; der
„Raum aber besteht wieder aus Bäumen, mithin hätte dies ein-
„fache wieder Theile; jeder Theil der Materie ist aber wieder
„Materie, mithin muß die Seele vel materiell (ganz), oder im-
materiell (für sich) seyn. Eine Materie cogitans aber anzu-
nehmen ist etwas unmögliches; vielmehr ist die Seele einfach
„und in keinem Theil zusammengesetzt. — Diese Einfachheit
„beruht auf der Einheit des Bewußtseyns im Denken, oder der
„Einheit des Mannigfaltigen in der Vorstellung überhaupt. Alle
„Vorstellungen beziehen sich auf ein Object vermöge der Be-
stimmung im Gemüth, vermöge deren wir überhaupt uns nur
„etwas vorzustellen fähig sind". Der Gegenstand muß aber
„schlechthin eine Einheit seyn, wozu das Bewußtseyn des mannig-
faltigen verbunden ist; denn sonst müßte der Satz z. E.
„a) didicisse b) fideliter c) artes d) mollit f) mores etc. so in
„seinem Ganzen gedacht werden können, daß verschiedene Kräfte
„a. b. c. d. e. f. etc. sich jede einen Begriff dächte, und den-
„noch sie sich gemeinschaftlich des ganzen Satzes bewußt seyn
„könnten. Es kann also, da dies unmöglich, keine Vorstellung
„eines Objects entstehen, ohne daß eine absolute Einheit des
„sich vorstellenden Subjects vorhanden sey, und es ist unmöglich,
„durch eine körperliche Theilbarkeit das Bewußtsein der Vor-
stellung entstehen zu lassen, gleichsam als wenn verschiedene
„außerhalb vorhandene Subjecte da wären, die die Vorstellung
„unter sich vertheilten, weil es dann unmöglich wäre, daß diese
„Theile, die nur jedem Subject für sich bekannt wären, ohne ein
„Zwischenmittel zu einem Ganzen d. i. zur Einheit verbunden
„werden könnten. Nimmt man nun an, daß die Materia cogi-
„tans ein Aggregat von Substanzen sey, so müßte auch die ihm
544 Zur Beurth eilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
„beygelegte Vorstellung ein Aggregat von Vorstellungen, nemlich
„ihrer Theile enthalten, die von einander abgesondert, wobei
„von einem Theil dieser eine Theil begriffen, von dem andern
„ein anderer gedacht würde, und wobei eine Einheit nicht
„zu erreichen wäre. Damit sie doch aber zu einem Ganzen
,, gebracht würde, so bleibt immer nöthig, ein vereinigen-
des Subject anzunehmen, welches alle diese Theile wieder unter
„sich und mit einander verbindet. Es kann also dem denkenden
„Subject nicht eine zusammengesetzte Vorstellung, sondern nur
„eine einfache Vorstellung beygelegt werden, d. i. es verbindet
die Vorstellung zu einem einfachen Princip oder ist einfache
„Hiedurch ist nun zwar wohl bewiesen, daß das Subject
,denken könne, ohne daß sein Princip körperlich sey; es folgt
,aber daraus b) noch nicht, daß die Seele denken könne, ohne
,mit dem Körper verbunden zu seyn, und dies ist es, was die
,Pneumatologie lehrt, dessen Möglichkeit aber nie bewiesen
,werden kann." — — — —
„Es ist unmöglich, je zu erkennen, ob es irgend einen
,Geist, selbst einen Gott im Universo gebe. Wir wissen nichts
, weiter, als daß die Seele eine immaterielle Substanz sey, und
,daß sie nicht als das Prädicat eines anderen Wesens erkannt
, werden kann; — — — ob aber die Seele ein Geist (spiiitus)
,sey, als ein denkendes Wesen, wie der Autor § 247 meint,
,folgt aus dem letzteren Begriff — [der Seele] nicht. Die Thiere
,haben auch Seelen, die deshalb nicht Geister sind. Geister
,sind specifice denkende, immaterielle Substanzen, so auch ohne
, Verbindung mit dem Materiellen denken können. Im Fall nun
,der Körper ein unentbehrliches adminiculum und eine Be-
dingung zum Denken der Seele wäre, so würde sie als Seele,
,nicht aber als Geist existiren, da erstere, aber nicht letzterer
,in einer notwendigen Verknüpfung mit dem Körper steht, um
,actus der Substanz zu bewirken."
Diese Antworten auf die Frage: was ist die Seele? stimmen '
mit einander ihrem allgemeinen Inhalte nach durchweg überein.
Aber der Form nach und im Einzelnen unterscheidet sich die
Von Emü Arnoldt. 545
letztere (1794/95) von der ersteren (1793/94) durch größere Aus-
führlichkeit und hier und dort auch durch größere Bestimmtheit,
indeß nicht so sehr, daß der anfängliche Eindruck, den die eine
wie die andere macht, nicht derselbe wäre, — der nämlich, daß
sie so gegeben worden, als ob die Krit. d. r. V. niemals Para-
logismen der rationalen Psychologie behandelt hätte. Er ist
nicht viel weniger befremdend, als der, welchen in der Politischen
Ausgabe der Vorlesungen Kant's über die Metaphysik der erste
Abschnitt der rationalen Psychologie auf S. 200 bis S. 204 und
das dort in der Einleitung zur Psychologie unternommene Auf-
weisen des bloßen Begriffs vom Ich als des Fundaments von vielen
anderen Begriffen, nämlich der Substanzialität, der Simplicität,
und der Immaterialität des Ich (S. 133 u. 134.) hervorbringen.
Bei Pölitz wird geschlossen: Weil das Ich kein Prädioat
von einem anderen Dinge ist, sondern das allgemeine
Subject aller Prädicäte, alles Denkens, aller Handlungen, aller
möglichen Urtheile, die wir von uns als einem denkenden
"Wesen fällen können, darum „ist das Ich, oder die Seele, die
durch das Ich ausgedrückt wird, eine Substanz" (S. 201 und
202.) — Weil nicht viele Wesen zusammen Eine ganze Vor-
stellung haben können, z. B. wenn der Ausspruch: Quidquid
agis etc. unter viele Wesen vertheilt wäre, so daß jedes einen
Theil davon hätte, dann der Gedanke gar nicht vorhanden
wäre, sondern in jedem Wesen nur der Gedanke von einem
Worte, in keinem aber der ganze Gedanke, darum „muß die
Seele eine einfache Substanz seyn" (S. 202 u. 203.). — Weil
die Seele einfach ist, aber kein Theil der Materie einfach, son-
dern jeder ins Unendliche theilbar, wie der Raum, in dem er
sich befindet, so „ist die Seele nicht materiell, sondern im-
materiell" (S. 214.).
Hier sind die beiden ersten Paralogismen der rationalen
Psychologie, der der Substanzialität und der der Simplicität,
welche die Krit. d. r. V. als fehlerhaft aufweist, ohne Hinweis
auf ihre Fehlerhaftigkeit vorgetragen. Das beständige logische
Subject des Denkens ist fälschlich für das reale Subject der
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIX. Hft. 7 u. 8. 35
546 Zur Beurtheilung von Kaufs Kritik der reinen Vernunft etc.
Inhärenz, die logische Einheit des Subjects fälschlich für die
wirkliche Einfachheit desselben, im Allgemeinen die Analysis
des Selbstbewußtseins im Denken, die logische Erörterung des
Denkens überhaupt fälschlich für eine metaphysische Bestim-
mung des Objects genommen.
Aber auch an den oben citirten Stellen der Nachschriften
aus der ersten Hälfte der 1790er Jahre wird geschlossen:
Weil zum Entstehen der Vorstellung von einem Object eine
absolute Einheit des Subjects erforderlich ist, das sich jener
Vorstellung bewußt wird, so muß die Seele ein immaterielles
einfaches Wesen sein. Hier ist der psychologische Paralogisnms
in nicht so entwickelter Form vorhanden, als bei Pölitz, aber
vorhanden ist er auch. Denn aus der blos logischen qualitativen
Einheit des Selbstbewußtseins wird die reale Einfachheit des
Subjects des Selbstbewußtseins gefolgert.
Dies ist wenigstens der Eindruck, den die erste Lesung
der ausgehobenen Stellen hervorbringt. Und er bleibt in so fem
gerechtfertigt, als es Wunder nehmen muß, daß Kant mit
keinem Wort erwähnte, der transscendente Theil der Meta-
physik habe, wie in der Cosmologia transscendentalis Anti-
nomien, so in der Psychologia rationalis Paralogismen zu be-
handeln, und daß er zwar in der Kosmologie die Antinomien
ausführlich vortrug, dagegen in der Psychologie die Paralogismen
mit völligem Stillschweigen überging.
Doch hiervon abgesehen, so ist bei genauerer Erwägung
keine Discrepanz zwischen den Ausführungen an den citirten
Stellen und denen in der Krit. d. r. V. über den psycho-
logischen Paralogismus zu urgiren. Denn in jenen Ausfah-
rungen wird ausdrücklich hervorgehoben, und geltend gemacht:
1. die Seele soll als einfaches Wesen erwiesen und anerkannt
werden nur „im negativen Begriff", d. h. nur zur Abweisung
von Irrthümern, nicht doctrinal, sondern nur disciplinarisch;
2. der Erweis der Einfachheit und Immaterialität der Seele
reicht blos zu, den Materialismus — im vulgären Sinne — zu
widerlegen, reicht aber nicht weiter; 3. er kann daher weder
Von Emil Arnoldt. 647
die Unsterblichkeit der Seele darthun, noch irgend wie eine
Pneumatologie begründen. Daher beabsichtigte Kant, ob er
dies gleich nicht kräftig genug bekundete, hier nur darzuthun,
was er in der Krit. d. r. V. an der rationalen Psychologie dar-
gethan hatte: Sie ist nicht Doctrin, sondern Disciplin, „welche
der speculativen Vernunft in diesem Felde unüberschreitbare
Grenzen setzt, einerseits um sich nicht dem seelenlosen Ma-
terialism in den Schooß zu werfen, andererseits sich nicht in
dem tf&r uns im Leben grundlosen Spiritualism herumschwärmend
zu verlieren" (ß. II, 797. — H. HI, 285 u. 286.).
"Wenn dieses Urtheil den oben citirten Darlegungen aus
der ersten Hälfte der 1790er Jahre recht ist, so ist ein ähn-
liches billig gegenüber denjenigen, die ich aus der Psychologie
in der Pölitz'schen Ausgabe von Kant's metaphysischen Vor-
lesungen berührte. Diese früheren hatten wesentlich denselben
Zweck, den jene späteren verfolgten, — nur den Materialismus
zu widerlegen, nicht aber eine Pneumatologie zu errichten.
Freilich verbietet eine Ueberschau der ganzen rationalen Psycho-
logie bei Pölitz, in Abrede zu stellen, daß dort Kant's Gedanken
wenn auch nicht sich im Spiritualismus herumschwärmend ver-
loren, doch ziemlich weit in den Spiritualismus ausschwärmten.
IndeJß ist dabei zweierlei zu beachten: 1) Was die psychologi-
schen Paralogismen anlangt, um die es sich hier allein oder vor-
nehmlich handelt, so hat Kant seine Tendenz, eine blos ana-
lytische Begriffszergliederung des Selbstbewußtseins zu geben,
stark accentuirt, indem er in der Einleitung zur Psychologie
die bestimmte Angabe machte: In der Psychologia rationalis
„betrachte ich die denkenden Wesen blos aus Begriffen" (S. 130.),
und nicht ohne Emphase erklärte: „Der bloße Begriff vom Ich",
— ,, dieser Begriff drückt aus": Substanzialität, Simplicität, Im-
materialität (S. 133), weiterhin aber — in dem ersten Abschnitt
der rationalen Psychologie — eben so emphatisch hervorhob:
„Wenn" wir nun von der Seele a priori reden, so werden wir
von ihr nichts mehr sagen, als sofern wir alles von dem Begriffe
vom Ich herleiten können, und auf dieses Ich die transscenden-
35*
548 ^ur Öeurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
talen Begriffe anwenden" können (S. 201.). Damit deutete er
zur Genüge an, daß diese ganze Betrachtung als ein bloßes
Forschen unter Begriffen blos eine analytische, keine synthetische,
keine die Seele selbst als wirkliches Object und als Substrat des
Ich determinirende Erkenntniß liefere. 2. Er hat vorweg gegen
den objectiven Gebrauch dieser analytischen Erkenntniß, als ob
sie zu dogmatischen Behauptungen über die Natur und die
Schicksale der Seele berechtige, mithin gerade für diejenigen
Discussionen, bei denen sie von Werth sein könnte, die Seele
von „der Hinfälligkeit aller Materie14 auszunehmen, strenge Ver-
wahrung eingelegt. Denn in der „Uebersicht der rationalen
Psychologie" bei Pölitz heißt es in Bezug auf den zweiten Theil
derselben, welcher die Immaterialität der Seele beweisen soll:
„Dieser Theil kann nur hypothetice abgehandelt werden; d. h.
es wird gezeigt, was sich wohl durch die Vernunft hievon
denken und erkennen läßt". Und in Bezug auf den dritten
Theil, welcher den Zustand der Seele vor der Geburt und nach
dem Tode des Menschen erwägen soll: „ob wir davon aus Be-
griffen durch die Vernunft etwas erkennen können," heißt es
weiter: „Hieraus werden wir aber ersehen, daß unsere transscen-
„dentalen Begriffe nicht weiter gehen, als uns die Erfahrung
„leitet, und daß sie nur die Erkenntniß a posteriori dirigiren.
„Bis an die Grenzen der Erfahrung können wir zwar kommen,
,,80 wohl a parte ante als post, aber nicht bis über die
„Grenzen der Erfahrung. Allein hier werden wir mit Nutzen
„philosophiren, indem wir dadurch die falsche Vernünftelei in
„Schranken halten, die die wahre Erkenntniß nur untergräbt.
„Wir werden hier nicht dogmatisch von dem Zustande der
„Seele vor der Geburt und nach dem Tode reden; obgleich
„man davon, wovon man nichts weiß, weit mehr reden
„kann, als davon, wovon man etwas weiß. Demnach
„werden wir die Schranken der menschlichen Vernunft hier
„bestimmen, damit nicht falsche Vernünftelei unter dem Scheine
„der Vernunfterkenntniß unsere wahren Principien in Ansehung
„des Practischen untergraben könne" (S. 199 u. 200.).
Von Emil Arnoldt. 549
Diese Verwahrung besagt eben so viel, als die Erklärung
besagen würde: die in der Einleitung zur Psychologie als denk-
barer Theil der letzteren aufgeführte Pneumatologie oder Psy-
chologia rationalis generalis (S. 127) ist ein leerer Titel, dessen
Forderung einer ErkenntniJB „von den denkenden Wesen über-
haupt" unerfüllbar ist, weil wir solche "Wesen nicht kennen, und
nur die Psychologia rationalis specialis ausführbar, denn diese
handelt „von dem denkenden Subjecte, welches wir kennen, und
das ist unsere Seele". Demnach hatte Kant auch hier bedacht,
was er in seinen metaphysischen Vorträgen der 1790 er Jahre
aussprach: „Zur Pneumatologie können wir nicht gelangen",
und: „Die Principien der Psychologia rationalis sind alle negativ*'.
Das aber scheint mir ebenfalls unleugbar: die Schranken,
die er in der „Uebersicht" der rationalen Psychologie jedem
Vortrage der letzteren als nicht zu überschreitende setzte, hat
er bei seinem wirklichen Vortrage derselben — in der Pölitz-
schen Ausgabe — nicht überall streng eingehalten, sondern hier
und dort mehr oder weniger überschritten.
Die beiden anderen, auf Substanzen bezüglichen parallelen
Auseinandersetzungen, die ich der rationalen Psychologie in den
Nachschriften von Kant's metaphysischen Vorlesungen aus der
ersten Hälfte der 1790 er Jahre entnehme, behandeln das Com-
mercium zwischen Seele und Körper.
Ich gebe zuerst die Auseinandersetzung in der Nachschrift
vom Wintersemester 1793/94:
„Die Gemeinschaft der Seele mit dem Körper im Leben
„zu erklären ist jetzt unser Zweck. Seit Cartesius hat dieser
„Punct die Philosophen beschäftigt.
„Es giebt eine harmonia zwischen Substanzen in commercio
„und absque commercio, letzteres giebt nur einen nexum ideale.
„Soll aber zwischen Seele und Körper eine harmonia in commercio
„seyn, so ist hier ein influxus physicus. Hier entsteht also ein
„System des idealen und des realen Einflusses zwischen Seele und
„Körper. Substanzen harmoniren, wenn der Zustand der einen Sub-
, ,8tanz mit dem Zustand der anderen correspondirt . Die Heterogenei-
550 Zur Beurtheilung von Kant'« Kritik der reinen Vernunft etc.
„tat der Wirkungen mit den Ursachen in dem commeroio zwischen
„Seele und Körper, da körperliche Bewegungen Vorstellungen
„hervorbringen, hat gemacht, daß man statt eines influxus physici
„(realis) einen influxum idealem angenommen hat, der aber eigent-
lich kein influxus ist. Denn hier müßte Gott unmittelbar
„assistiren (d. i. das Systema assistentiae oder der Occasionalis-
,,mus), oder Gott hätte schon im Anfange der Welt bestimmt;
„daß Vorstellungen sich grade in der Seele entwickeln sollten,
„wenn gewisse körperliche Bewegungen vorgehen würden, und
„dies wäre das Systema harmoniae praestabilitae. Aber die
„Heterogeneität der Wirkung mit der Ursache macht nicht die
„mindeste Schwierigkeit; sondern wie Substanzen überhaupt auf
„einander wirken können, macht die Schwierigkeit, sie mögen
„homogen oder heterogen sein. Nehmen wir einmal die Existenz
„der Seele an, so macht das weiter keine Schwierigkeit, wie sie
„nun in dem Körper wirke.
„Die Körper als Körper können auf die Seele nicht wirken
„und umgekehrt, weil Körper gar nicht Relationen auf ein den-
„kendes Wesen haben können. Die äußere Relation, in der ein
„Körper mit einer Substanz steht, ist nur im Raum, also muß
„diese Substanz auch im Raum, mithin ein Körper seyn. Oerter
„sind pure Relationen. Veränderung der Oerter ist Veränderung
„der Relationen. Die Erfüllung des Raumes, die Figur des
„Körpers d. i. die Veränderung der Grenzen sind lauter Rela-
tionen. Bei der Seele können wir benennen, was innerlich
„verändert wird; dies sind aber nicht Relationen, sondern nur
„Accidentia z. E. Vorstellungen etc. Da die Relation des Körpers
„nur im Raum besteht, so kann er [der Körper] nicht Grand
„der inneren Bestimmungen z. E. der Vorstellungen seyn. Der
„Körper als Phänomenon ist nicht mit der Seele in Gemein-
schaft, sondern die von der Seele verschiedene Substanz, deren
„Erscheinung Körper heißt. Dies Substrat des Körpers ist ein
„äußerer Bestimmungsgrund der Seele; wie aber dieses commer-
„cium beschaffen ist, wissen wir nicht. Am Körper kennen wir
„bloße Relationen, aber das Innere (das Substrat der Materie)
Von Emil Arnoldt. 551
„kennen wir nicht. Nicht das Ausgedehnte qua extensum wirkt
„auf die Seele; sonst müßten beide Correlata im Baum, mithin
„die Seele ein Körper seyn. Wenn wir sagen: Das Intelligible
„des Körpers wirkt auf die Seele, so heißt dies: dieses äußern
„Körpers Noumenon bestimmt die Seele; es heißt aber nicht:
„Ein Theil des Körpers (als Noumenon) gehe als Bestimmungs-
„grund in die Seele über; er ergießt sich nicht als Kraft in die
„Seele, sondern er bestimmt blos die Kraft, die in der Seele ist,
„wo also die Seele activ ist. Diese Bestimmung nennt der Autor
„influxum idealem, aber dies ist ein influxus realis; denn ich
„kann mir unter Körper auch nur einen solchen Einfluß denken.
„Der Körper enthält also einen Grund, die Kraft, die in der
„Seele ist, zu determiniren, und so wieder enthält die Seele
„einen Grund, die Kraft des unbekannten Etwas (Noumenon des
,, Körpers) zu determiniren, daß eine äußere Bewegung entsteht.
„Ohne daß aber beide Substanzen schon Kräfte haben, kann kein
„influxus realis zwischen ihnen seyn. Cartesius sagt: Gott bringt
„Vorstellungen unmittelbar hervor, wenn z. E. mein Auge sich
„bewegt. Das Dritte, nämlich das Auge etc. ist dann ganz ent-
behrlich [in der Nachschrift falsch: unentbehrlich], weil Gott
„auch ohne Auge die Vorstellungen hervorbringen könnte. Leib-
„niz nimmt diese Vorstellungen praestabilirt von Gott an; dies
„ist nicht viel besser.
„Wenn die Seele nicht Materie ist und als solche nicht
„denken kann, so ist sie vielleicht ein Substratum der Materie,
,,d. h. das Noumenon, wovon die Materie blos das Phaenomenon
„ist, und dann entsteht der Materialismus virtualis. Phaenomenon
„substantiatum ist eine zur Substanz gemachte Erscheinung, die
„an sich keine Substanz ist. Materie ist das letzte Subjeot der
„äußeren Sinne, sie beharrt, wenn auch ihre Form verändert
„wird, und daher heißt Materie auch eine Substanz. Weil Materie
„nur möglich ist durch den Baum, so ist sie nicht an sich Sub-
stanz, sondern als Erscheinung. Nehme ich sie als Substanz
„an sich an, so ist sie ein Phaenomenon substantiatum, wie Leibniz
„sagt Das Substrat des Phaenomens der Materie ist uns gänzlich
552 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
„unbekannt, und wir wissen nicht, ob es nicht sogar ein ein-
faches Wesen sey. Wir können nicht wissen, wie das Substrat
„innerlich beschaffen sein mag, ob es denken und Vorstellungen
„haben könne. Also läßt sich wenigstens denken, daß der Ma-
terie ein Substrat zum Grunde liege, welches denken könne.
„Dies wäre der transcendentelle Materialism. — Das Lebens-
„vermögen wird vielleicht in aller Materie angetroffen, aber die
„Materie hat an sich kein Lebensvermögen, sondern es liegt ihr
„als ein Substrat zum Grunde. — Zwischen Bewegungen und
„Vorstellungen ist nicht der mindeste Zusammenhang, also kann
„die Materie weder positiv, noch negativ [für Vorstellungen von
„Einfluß] angenommen werden.
„Alle Vorstellungen sind etwas in uns, und wir können
„nicht sagen, daß sie Objecte der äußeren Sinne sind. Aber
„alle Materie ist Object der äußeren Sinne, und wir können
„von ihren inneren Vorstellungen nichts annehmen. Bei der
„Materie haben wir nichts anders, als äußere Relationen und
„Veränderungen äußerer Relationen. Da Körper keine Sub-
stanzen an sich sind, so können wir ihnen keine Vorstellungen
„geben, sondern wir kennen an ihnen bloß äußere Relationen.
„(Vorstellungen sind aber innere Bestimmungen). — Wie Materie
„könne Vorstellungen haben, ist uns gänzlich unfaßlich und
„unbegreiflich; also ist es ganz umsonst, so etwas anzunehmen. —
„Wer behauptet, daß das Substrat der Materie und das Substrat
„unseres eigenen Denkens gleiche Wesen sind, dem können wir
„das wohl zugeben, aber er sagt dadurch doch nichts, denn wir
„können davon nichts herleiten, weil wir davon nichts kennen
„und einsehen."
Diese Darstellung der Gemeinschaft zwischen Seele und
Körper ist trotz ihrer Ausführlichkeit darin mangelhaft, daß sie
zwar ausdrücklich und richtig statt des Körpers, der nur Sub-
stanz in der Erscheinung ist, das Noumenon desselben als eine der
beiden Grundbedingungen des Commerciums ansetzt, dagegen
als zweite Grundbedingung durchweg die Seele nennt, während
statt der Seele ebenfalls das Noumenon derselben wäre anzugeben
Von Emil Arnoldt. 553
gewesen. Diesen Mangel ergänzt die kürzere parallele Dar-
stellung in der Nachschrift aus dem Wintersem. 1794/95. Freilich
ist auch sie hier und dort von eben derselben Ungenauigkeit
nicht frei. Daneben aber bringt sie die sachgemäße Ansioht
zum unzweideutigen Ausdruck:
„Die Gemeinschaft der Seele mit dem Körper läßt sich
„gar nicht denken, sobald bey beyden das, was phaenomenon
„ist, genommen wird. Wie läßt sich auch z. £. in Ansehung
„der Lust und Unlust, in Ansehung der Einbildungskraft etwas
„körperliches bemerkbar machen. Soll der Mensch Vorstellungen
„von äußern Gegenständen haben, so bilden sie sich doch nicht
„in ihm, gleichsam als im Baum eingeschlossen ab; er erkennt
„die Objecte nicht in materieller Figur, d. i. es fließt nicht die
„äußere Materie in die Seele über; aber ein etwas unbekanntes,
„so nicht Erscheinung ist, ist es, was auf die Seele einfließt,
„und so erhalten wir eine homogeneität in uns mit den Dingen.
„Hierin liegt die Vorstellung, die nicht das Phänomen selbst
„des Körpers, sondern das Substratum der Materie, das Noumenon
„in uns erzeugt; sie" [die SeeleJ „sondert dies vom Object ab,
„das Noumenon im Körper steht mit jenem Noumenon der Seele
„in Uebereinstimmung, und diese Einheit ist der Bestimmungs-
„grund von beyden, sich das Object vorzustellen, und hierauf
„beruht das commercium corporis et animae. So muß man sich
„auch den angenommenen influxum physicum erklären. Zuförderst
„muß man ihn sich leal denken, d. i. daß die Substanzen außer
„einander bloß durch ihre Existenz (mithin außerhalb dem Baume,
„denn im Baume hat der influxus kein Bedenken) auf einander
„im Einfluß sein können. Indeß materiell diesen Influxus zwischen
„Seele und Körper von [auf] einander gedacht, und doch
„so, daß beyde außer sich und jede für sich wären, ist etwas
„an sich unmögliches; und nimmt man ihn ideal an, so wäre
„dies nichts als die harmonia praestabilita und würde nicht
„mehr influxus seyn. Er muß also als immaterielle Wirkung
„des Noumenon von beyden gedacht werden, wornach denn dies
„nichts weiter heißt, als daß etwas auf die Seele einfließt, und
554 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
„dann bleibt keine Heterogeneitaet übrig, die hier Zweifel machen
„könnte, indem sich über die Beschaffenheit dieser Einwirkung
„nichts weiter sagen läßt."
Diese Darstellungen sind in mehrfacher Hinsicht wichtig.
Sie sprechen klar und deutlich den Unterschied zwischen phäno-
menalen und noumenalen Substanzen aus. Sie bestätigen, daß
in der Krit. d. r. V. bei dem Grundsatz der Beharrlichkeit unter
„Substanz in der Erscheinung" nichts anderes gemeint ist, als
die Materie. Sie deuten an, daß bei dem Commercium der
phänomenalen Substanzen in der Körperwelt, bei dem influxus
physicus der Materien Noumena activ sind, von deren innerer
Beschaffenheit, Verhaltungs- und Thätigkeitsweise niemand eine
Ahnung hat, daß den Körpern und den Seelen möglicherweise
ein und dasselbe Substrat gemeinsam, und daher eine streng
monistische Weltansicht möglicherweise richtig, obschon durch-
aus unerweislich, übrigens jedoch von allem Spinozismus für
immer in so fern geschieden sei, als sie jenes letzte Substrat
dem göttlichen Urwesen nicht inhärent, sondern von ihm dependent
zu denken hätte. Diese Darstellungen endlich sind wichtig in
so fern, als sie Kant's Ansicht von der Affection unserer
Receptivität durch Gegenstände — wie sie von mir stets ge-
deutet ist — zu dem klaren Ausdruck bringen: die Affection
unserer leiblichen Organe durch bewegte Materien ist ein bloßes
Phänomen, dem ein uns unbekannter und für uns unfaßbarer
nicht-sinnlicher Vorgang zu Grunde liegt, welcher zwischen dem
an sich seienden Substrat unserer Seele und dem an sich seienden
Substrat der Körperwelt zum Vollzug kommt; das an sich seiende
Substrat unserer Seele ist das unbekannte Wesen, dem wir das
uns bekannte Denken und Anschauen zuschreiben, hingegen
das an sich seiende Substrat der Körperwelt ist das unbekannte
Wesen, dem wir die uns bekannten, Materie genannten Er-
scheinungen eines Ausgedehnten, Beweglichen, Anziehenden
und Zurückstoßenden, Undurchdringlichen und Theil baren zu-
schreiben; ob aber jene Wesen wirklich zwei sind, oder Ein
und Dasselbe, und wenn Eines, dann ein Eins, welches die
Von Emil Arnoldt. 555
Mehrheit nicht ausschließt, d. h. ein solches Eines, auf das der
Zahlbegriff keine Anwendung findet, — davon kann niemand
etwas wissen.
Zum Abschluß dieser Ausführungen aus der rationalen
Psychologie will ich hier noch eine in dem Hefte vom
"Wintersemester 1793/94 vorkommende Stelle über das Ende
des Commerciums zwischen Seele und Körper wiedergeben, deren
Gedanke wegen seiner Uebereinstimmung mit einem bei Pölitz
über dasselbe Thema entwickelten Gedanken merkwürdig ist:
„Es fragt sich, ob das Leben der Seele ein bloß thierisches,
„oder ein spirituelles Leben sey, ob sie auch nach dem Tode
„des Menschen zu denken vermöge. Jede Materie ist leblos
„(denn Materie seyn heißt: zusammengesetzt seyn). Leben heißt:
„durch eigene Vorstellungen Ursache von Handlungen seyn.
„Vorstellungen können aber in einem Compositum nicht statt-
„finden, denn hier sind sie unter mehreren Subjecten vertheilt.
„Man kann daher annehmen, daß die Absonderung eines Subjects von
„der Materie kein Verlust ihres [seines] Lebens, vielmehr Beforde-
„rung desselben sey. Ist daher Materie mit einem Princip des
„Lebens verbunden, so muß die Leblosigkeit von jener diesem
„Hindernisse in den Weg legen. Diesem scheint zu wider-
„ sprechen, daß der Körper das Denken nicht immer hindert,
„sondern ihm auch zuweilen nützlich ist. Da beide in commercio
„sind, daß keines von beiden sich aus dem andern herauszusetzen
„im Stande ist, so verhält es sich mit ihnen ebenso, als mit
„einem Menschen, der an eine Karre geschmiedet ist. Es ist
„gewiß, daß der Mensch ohne dieselbe weit besser geht, als mit
„ihr, da er aber angeschlossen ist, so ist ein adminiculum seines
„Gehens, wenn das Bad sich gut dreht und keine Beibung ist.
„So lange also Körper und Seele noch in Commercio sind, so
„muß die Seele ein subsidium des Lebens haben; darum scheint
„aber das Princip des Lebens doch nicht von der leblosen
„Materie abzuhängen.
„Ein Aufhören des ganzen Lebens ist Tod der Seele. Es
„ist nicht blos die Frage, ob die Seele aufhören wird, als
566 Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
„Substanz zu seyn, sondern ob sie nach dem Tode des Menschen
„gänzlich aufhören wird, zu leben? Ferner fragt sich's, ob wir
„blos Ursache haben anzunehmen, daß die Seele künftig leben
„werde, oder ob sie nothwendig leben müsse. Die Fortdauer
„des Lebens nach dem Tode ist nicht Unsterblichkeit der Seele,
„d. h. nicht die Unmöglichkeit der Sterblichkeit. Spes vitae
„futurae nach einem decreto divino ist nicht Unsterblichkeit.
„Vita futura als nothwendig aus der Natur der Seele ist Immor-
„talität. Ersteres nimmt das System der Eesurrection an, daß
„die Seele aus dem Zustand ihres Todes, wenn sie gleich als
„Substanz bleibe, blos durch Gottes Willen erweckt werde.
„Unsterblichkeit ist die Nothwendigkeit der künftigen Dauer
„aus der Natur der Seele."
Ein Vergleich dieser Auseinandersetzung mit der bei Pölitz
von S. 233 — 238 ergiebt die völlige Uebereinstimmung der all-
gemeinen Gedanken, die in beiden entwickelt werden. Doch
ist im Einzelnen die spätere (aus dem Wintersemester 1793/94),
abgesehen von ihrer größeren Kürze, von dem decidirten Tone
positiven Behauptens frei, durch welchen sich die frühere (bei
Pölitz) unvortheilhaft ausnimmt, z. B. indem sie versichert:
„Wenn der Körper gleich aufhört, so bleibt doch noch das
„Princip des Lebens übrig, welches unabhängig vom Körper
„die Actus des Lebens ausgeübet hat, und also auch jetzt nach
„der Trennung vom Körper, dieselben Actus des Lebens un-
behindert ausüben muß" (S. 236.), oder: „Wenn der Körper
„gänzlich aufhört; so ist die Seele von ihrem Hindernisse befreiet,
„und nun fangt sie erst an recht zu leben" (S. 237.). Dagegen
findet das wohl erwogene Urtheil des Kriticismus seinen kürzesten
Ausdruck in den Sätzen: „Es ist schlechterdings unmöglich zu
„wissen, ob nach dem Tode des Menschen, wo seine Materie
„zerstreut wird, die Seele — — zu denken und zu wollen fort-
fahren könne — — . Die Leibnitz- Wolf sehe Philosophie hat
„uns zwar hierüber theoretisch- dogmatisch viel vordemonstrirt,
„ — — — aber Niemanden überzeugen können; — — .
„In moralischer Bücksicht aber haben wir hinreichenden Grand,
Von Emil Arnoldt. 56?
„ — — Unsterblichkeit der Seele anzunehmen" (Fortschritte der
Metaph. seit Leibn. u. Wolf, E. I, 651 u. 662; vgl. S. 522. —
H. Vm, 571 u. 572; vgl. S. 647 u. 548.). Auch ist es auf-
fällig, daß Kant's späterer Vortrag übereinstimmend mit seinem
früheren die Ausübung der durch den Leib beeinflußten Seelen-
thätigkeit drastisch durch die Bewegung eines an eine Karre
geschmiedeten Menschen verbildlichte.
J) Gott Substanz und Schöpfer wie Erhalter der Substanz.
In der rationalen Theologie liefern über den Substanz-
begriff die mir vorliegenden Nachschriften der Metaphysik nichts,
was erhebliche Bedeutung hätte. Nach den Bestimmungen und
Anwendungen dieses Begriffs in den vorangehenden Theilen ist
es folgerecht, daß Gott hier — übrigens in beiden Nachschriften
ohne wesentliche Differenz — erklärt wird für eine substantia
extra- und supramundana, eine monas im unterschiede von einem
compositum substantiale, eine substantia necessaria und substantia
infinita, welcher letztere Ausdruck freilich erhaben, aber nur
der ästhetischen Einbildungskraft genügend und besser durch:
All der Vollkommenheit, mithin nicht immensitas, infinitudo,
sondern omnitudo der Vollkommenheit zu ersetzen sei. Es sind
nicht nur dem Sinne, sondern größtenteils auch dem Ausdruck
nach dieselben Prädicate, die in den Pölitz'schen Ausgaben der
Metaphysik (S. 298 u. ff.) und der philosophischen ßeligionslehre
(1. Aufl. S. 72 u. ff.; 2. A. S. 78 u. ff.) Gott beigelegt werden,
aber die Explicationen derselben in den späteren Nachschriften
obschon weniger ausführlich, doch präciser, als in den früheren.
Näher zu erwähnen wären höchstens einige auf die Substanz
der "Welt bezüglichen Bemerkungen bei Erörterung der Frage
von der Weltschöpfung und der Welterhaltung.
In Bezug hierauf heißt es in der Nachschrift aus dem
Wintersemester 1793/94: „Weltschöpfer ist der Urheber der
„Substanz. Wenn ich creare aus nichts hervorbringen definire,
„so giebt dies keinen Begriff. Die Hervorbringung der Substanz
„ist die Schöpfung. Wenn die Substanz nicht da ist, so ist
568 Zur Beurtheiltmg von Kant's Kritik der reinen Venranft ete.
„nichts da; also die Schöpf q£g aus nichts ist eine Folge von
„der Hervorbringung der Substanz" [sollte heißen: ein Folge-
begriff von dem Begriff der Hervorbringung der Substanz].
„Ob Gott die Welt in der Zeit geschaffen? ist eine absurde
„Frage; denn wir können weder Gott, noch die ganze Welt
„in die Zeit setzen. Gott ist der Schöpfer der Welt, nicht
„sofern sie eine Sinnenwelt ist, sondern der Welt an sich. Die
„Sinnenwelt ist ein Geschöpf unsrer eigenen Sinnlichkeit. Die
„Dinge in der Zeit betrachtet können wir nie als ein gegebenes
„Ganze ansehen. Wenn etwas in Succession gegeben ist, so ist
„dies in sofern Object der Sinnlichkeit Durch unsre Zusammen-
setzung per regressum ist uns nur die Welt gegeben, und an
„sich ist uns nichts gegeben. Hätte Gott die Welt in der Zeit
„geschaffen, so entstünde die Frage: was hat Gott vorher gethan?
„Und wie lange ging er mit der Welt schwanger?"
Abgesehen von der unzulänglichen Erklärung: Die Sinnen-
welt ist ein Geschöpf unserer eigenen Sinnlichkeit, sind hier
alle Explicationen treffend: Die leere Vorstellung einer Schöpfung
aus Nichts wird Gedanke erst durch den Begriff einer Hervor-
bringung der Substanz, die Substanz aber, die Gott geschaffen
hat, ist noumenale Substanz, und die Frage, ob Gott die Welt
in der Zeit geschaffen habe, absurd, da Gott wie das von ihm
geschaffene Noumen außerzeitlich muß gedacht werden.
Zu dieser kurzen und bündigen Auseinandersetzung in
dem Hefte vom Wintersemester 1793/94 findet sich eine ihr
entsprechende, aber weitläuftigere und höchst befremdende in
der Nachschrift von 1794/95, welche folgendermaßen lautet:
„Der Begriff* einer Schöpfung und eines Schöpfers involvirt
„schlechthin a) Causalität einer Substanz zu seyn. Substanz
„zeigt das Substratum aller Accidenzen, den Stoff zu aller körper-
lichen, unkörperlichen oder denkenden Materie und daraus ent-
stehenden möglichen Wesen an. Daher auoh statt Substanz
„nicht causa der Welt gesetzt werden kann. Ein oreator ist
„allemal derjenige, der Ursache einer Substanz ist, und diffe-
„rirt vom Architect, der die Ursache einer der vorher vorhandenen
Von Emil Arnoldt. 559
„Substanz gegebenen Form ist. Die Alten nahmen Gott für
„das letztere an, da sie voraussetzten, daß die Materie ewig sey,
„und Gott nur die Form gegeben habe; b) der Schöpfer muß
„causa libera des Products seyn; c) eine Substanz muß und kann
„nicht anders als aus nichts entstanden- seyn. Daher ist ein
„Autor einer Substanz durch freien "Willen ein Creator oder
„Schöpfer und kann nicht selbst ein erschaffenes Wesen seyn".
Nach Unterscheidung des systema emanationis und des systema
creationis — welche in dem Hefte aus dem „Winter 1794"
schon vorher gegeben — , und nach Besprechung der Annahme,
daß diese Welt die beste Welt sei, heißt es weiter: „Insofern
„die Schöpfung auf die Wirklichkeit der Dinge bezogen wird,
„gehört zu ihr der Begriff der Actuation eines Dinges (Bewirkung).
„In dieser Bücksicht ist creatio = die actuatio existentiae sub-
„stantiae und distinguirt sich von der Conservation eines Dinges
„= gleich actuatio durationis substantiae; mithin die Bewirkung
„des Anfangs oder der Fortdauer der Substanz. Hiebei wirft
„sich die Frage auf: hat die Welt einen Anfang oder ist sie
„von Ewigkeit her? — Anfang, Dauer sind Begriffe, die auf
„Gesetzen der Zeit beruhen, wenn sie determinirt werden sollen ;
„insofern ist aber auch gewiß, daß wir uns weder vom Anfang
„der Welt, noch von ihrer Dauer, da wir das Maaß der Zeit
„von beyden nicht wissen, keine Begriffe machen können. Denn,
„um den Anfang der Welt zu bestimmen, müßte eine leere Zeit
„vorhergegangen seyn, worin sie nicht war, und auf welche erst
„die Welt anfangen soll. Nun müßte man ein Nichtseyn in
„der einen Zeit haben wahrnehman können, auf welches ein
„Daseyn in der andern gefolgt wäre; inmaßen der vorhergehende
„so wie der nachfolgende Zustand der Welt doch in der Zeit
„und ohne Zeit gar nicht wahrgenommen werden kann; nun
„ist es aber unmöglich, ein Nichtseyn eines Dinges wahr-
zunehmen; die Zeit läßt sich überhaupt nicht als etwas Existiren-
f,des denken, sondern nur als Form der Dinge, insofern sie erst
„existiren. Ebenso wenig läßt sich denken, wie die Welt von
„Ewigkeit her seyn soll, d. i. daß eine unendliche Zeit der
560 Zur Beurtheüung von Kant's Kritik der reinen Vernunft etc.
„Dauer der Welt verflossen seyn soll. Eine unendliche Zeit ist
,. gerade diejenige, die niemals verfließen kann, sie kann also
„nie ganz gedacht Werden; mithin sich eine Ewigkeit, d. i. un-
endliche Dauer der Welt vorzustellen ist unmöglich. Um diese
„zu erkennen, müßten wir die absolute Totalität der Dinge und
„die Dinge an sich erkennen; wir erkennen aber die Dinge nur
„durch unsere Vorstellungsart in den Formen von Baum und
„Zeit; die Vorstellungen sind nur die Abdrücke, die Formen
„der Erscheinungen der Dinge, nicht die Formen der Dinge an
„sich. In diesen Vorstellungen treffen wir auf einen regressum
„von der gegenwärtigen zur vorigen Zeit in infinitum, ohne je
„auf das absolute Ganze, ohne je auf den Anfang der Welt zu
„stoßen, der auch ohne Kenntniß des Nichtseyns und dessen
„Grenze zum Daseyn nie ein Gegenstand der Erfahrung werden
„kann, da wir eine leere Zeit, wie gedacht, wahrzunehmen außer
„Stande sind. Man widerspricht sich daher immer selbst bey
„den Ideen von dem Anfange oder dem Ursprünge der Welt
„(gleich genommen) sowie bei der Annahme einer Ewigkeit der
„Welt. Der Ursprung der Welt kann nur in der Zeit betrachtet
„werden, die Zeit inhärirt aber nur der Vorstellung, nicht den
„Dingen selbst, mithin hat die Welt keinen Anfang, und, da
„sie als göttliches Product angesehen werden muß, hat sie keinen
„Ursprung in der Zeit; die Frage vom Weltursprunge kann
„also nie auf einen Anfang der Welt, sondern muß nur auf die
„Ursache der Welt zurückgebracht werden, die außer ihr liegt.
„Nach unsern Vorstellungen von den Erscheinungen der Dinge
„finden wir schlechthin überall einen bedingten nexum, kommen
„nie auf das Unbedingte, sondern können bei dem Unvermögen,
„die Totalität der Dinge selbst einzusehen, nur einen progressum
„derselben in infinitum annehmen, mithin über die Dauer und
„den Anfang nichts entscheiden."
Wer mit „dem geschärften Blick", den sich Benno Erd-
mann beilegt (Reflex. II, XLL), die Zeit, wenn sie unbekannt
wäre, bestimmen wollte, in welcher Kant diese als Kantisch
überlieferte Darlegung dürfte gegeben haben, würde gewiß nicht
Von Emil Arnoldt. 561
auf das Semester 1794/95 verfallen, und um so weniger, wenn
er wüßte, daß die vorhin citirte parallele Auseinandersetzung
unwidersprechlich einem Collegienhefte aus dem „Winter 1794"
angehört. Denn die vorhin citirte giebt, wie ich schon bemerkte,
zu keiner der Bede werthen Ausstellung Anlaß, die gegen-
wärtige aber zu mehrfacher, so daß bei ausgeschlossenem Zweifel
über die Zeit, in der sie niedergeschrieben, doch Zweifel ent-
stehen könnte über die Treue, mit der sie nachgeschrieben
worden. Nicht zu gedenken nämlich, daß hier keine ausdrück-
liche Beziehung der Schöpferthätigkeit auf die Welt als Noumen
allein Statt findet, auch nicht zu gedenken, daß hier die Be-
zeichnung der von Gott geschaffenen Substanz als „Stoffes zu
aller körperlichen, unkörperlichen oder denkenden Materie und
daraus entstehenden möglichen Wesen" die gemeinten Begriffe:
Substrat der substantia phaenomenon oder der Materie und Sub-
strat der psychischen Functionen oder der Seele oberflächlich,
ungeschickt, fehlerhaft ausdrückt; — aber die Beantwortung der
Frage: hat die Welt einen Anfang, oder ist sie von Ewigkeit
her? — die Welt als Schöpfung Gottes! — warum wiederholt
sie das eine Dilemma der ersten Antinomie, auf das sie einzu-
gehen gar nicht nöthig hat? und warum geht sie darauf ein,
ohne es aufzulösen? und warum löst sie es nicht auf, da doch
die Auflösung längst gefanden und in der Kosmologie, wie die
Nachschrift von 1794/95 ausweist, obzwar nicht recht bündig,
doch wirklich vorgetragen war? Freilich giebt auch die vor-
liegende Beantwortung gegen den Schluß nebenher die Lösung:
„die Welt als göttliches Product hat keinen Ursprung in der
Zeit". Aber wozu alles übrige, was genau genommen gar nicht
dahin gehört? Wahrscheinlich, um allerlei ebenso wenig dahin
gehörigen Gedanken in den Zuhörern zu begegnen, — wahr-
scheinlich um zu verhüten, daß bei dem Begriff der göttlichen
Schöpferthätigkeit unbehutsames Denken wieder in die erste
Antinomie verfalle. Doch trat leider dabei ein, was verhütet
werden sollte, nämlich der Kückfall in einen Theil der ersten
Antinomie, während schon der Hinweis genügt hätte, daß die
Altpr. MonatMohrift Bd. XXIX Hft 7 n. & 86
562 Zur Beurth eilung von Kaut's Kritik der reinen Vernunft etc.
göttliche Schöpferthätigkeit außerzeitlich zu denken, in näherer
Bestimmtheit aber und an sich selbst unausdenkbar und mibe-
greiflich sei. Diese Unbegreiflichkeit, die mehrfach an anderen
Orten mit dem wiederholten Bemerken eingeschärft wird, daß
kein Mensch einsehen könne, wie eine Substanz eine andere,
wie die Gottessubstanz die noumenale Weltsubstanz hervorbringe,
ist auch hier gemeint und indirect ausgesprochen als Unfähig-
keit des Menschen, die absolute Totalität der Dinge und die
Dinge an sich, das Unbedingte zu erkennen, und als die Not-
wendigkeit, die Frage vom Weltursprunge nicht auf einen An-
fang, sondern auf die Ursache der Welt zurückzubringen.
Dabei laufen aber zwei wenigstens im Ausdruck verfehlte
Behauptungen mit unter. Denn es ist nicht richtig, daß „wir
über die Dauer und den Anfang nichts entscheiden können".
Vielmehr können wir entscheiden: der Zeit wie dem Räume nach
„sind nur Erscheinungen in der Welt bedingterweise, die
Welt aber selbst weder bedingt, noch auf unbedingte Art be-
grenzt" (R. II, 411. — H. III, 365.), d. h. die Welt als Phänomen
hat da ihren Anfang, wo der im Regressus der Welterscheinungen
aufsteigende Intellect diesen Regressus fortzusetzen aufhört, und
dem entsprechend ist über die Dauer zu entscheiden; die Welt
als Noumen hingegen hat weder Anfang, noch Dauer, weü kein
Zeitbegriff auf sie Anwendung hat. — Ferner: Es ist nicht
richtig, daß unsere Vorstellungen schlechtweg „die Abdrücke",
sammt und sonders „die Formen der Erscheinungen der Dinge"
sind. Keine Anschauung, kein Begriff ist Abdruck oder Copie.
Abdrücke oder Copien, wenn dieser Ausdruck zugelassen wird,
sind höchstens die reproducirten Erinnerungsbilder von An-
schauungen. Was aber die Erscheinungsformen anlangt, so sind
diese entweder innerhalb der reinen Raumesanschauung ab-
gegrenzte Figuren und Gestalten, oder Zeitreihen, sei es an
und für sich, oder in räumlicher Auffassung. Dagegen sind die
Anschauungen, die unsere Erfahrung enthält, nicht blos die
Formen der Erscheinungen, sondern auch der Inhalt derselben,
die Erscheinungen, die Phänomene selbst als Getfäge nicht blos
Von Emil Arnoldt. 563
apriorischer, sondern auch empirischer Vorstellungen. Dies ist
eine von den Lehren, die Kant sehr gründlich entwickelt hat,
und eine Lehre, die er bei Gelegenheit seiner Erörterungen über
die Gemeinschaft zwischen Seele und Leib, wie die früherhin
citirten Stellen aus seinen nachgeschriebenen Vorträgen darthuen,
bis in ihre letzte Folge zum Abschluß brachte. Jene davon ab-
weichende unrichtige Behauptung ist ein Zeugniß dafür, daß
Kant in seinen Vorträgen — vielleicht aus allzu willfahriger
Bücksichtsnahme auf die Fassungskraft seiner Zuhörer — mit-
unter Aeußerungen fallen ließ, bei denen seine wirkliche Ansicht
zu Schaden kam.
Beachtenswerth ist auch, daß die Auseinandersetzung über
die Frage nach der Weltschöpfung in der Nachschrift von
1794/95 eine auffällige Uebereinstimmung mit derjenigen hat,
die auf S. 326 — 330 der Pölitz'schen Ausgabe der Metaphysik
in der „angewandten rationalen Theologie4' zu lesen ist. Ja viel-
leicht wird hier einfacher und klarer, als in der Nachschrift von
1794/95 einem mit den Antinomien nicht vertrauten Bewußtsein
die Lösung der Frage durch die Sätze geboten: „Wir können
„unsere Begriffe nicht aus dem Baum und aus der Zeit
„herausbringen" (S. 329.)." Wenn wir uns vorstellen, der Urheber
„habe nicht angefangen zu handeln; dann wäre die Welt von
„Ewigkeit eine Wirkung von ihm. Hat er aber angefangen zu
„bandeln; so muß die Ursache, warum Gott angefangen hat zu
„handeln, von etwas bestimmt worden seyn. Wir können also
„hier nichts Bestimmtes sagen, und auf beiden Seiten nichts
„Positives ausmachen, sondern nur negativ verfahren, und sagen:
„Die Welt hat eine Ursache, und mehr brauchen wir
„auch nicht zu der rationalen Theologie und zu der
„natürlichen Eeligion" (S. 328.).
Wenigstens deutet diese Lösung die Schwierigkeiten der
vierten Antinomie bestimmter an, als die in der Nachschrift von
1794/95, welche jene Schwierigkeiten nur sehr unbestimmt mit
den Worten berührt: „Nach unseren Vorstellungen von den Er-
scheinungen der Dinge finden wir schlechthin überall einen
86*
564 Zur Beurtheilung von Kant's Ej-itik der reinen Vernunft etc.
bedingten nexum, kommen nie auf das unbedingte, sondern
können nur einen progressum der Dinge in infinitum" -
und selbstverständlich einen eben solchen regressum — „an-
nehmen". Beide Auseinandersetzungen, im Ganzen genommen,
fehlen darin, daß sie Schwierigkeiten der ersten Antinomie vor-
bringen und die der vierten blos streifen, während bei der Frage
nach der Weltschöpfung gerade auf die der vierten zu recur-
riren war — , wenn überhaupt ein hierbei gar nicht nöthiger
Eecurs auf die in der Kosmologie abgehandelten Antinomien
Statt fand. Denn das nothwendige Wesen, nach dessen Dasein
die vierte Antinomie fragt, ist der unbedingte Grund für die
in ihrem gesammten Bestände durchgängig bedingte Sinnenwelt.
Als was dieser unbedingte Grund zu denken sei, läßt die vierte
Antinomie zunächst unbestimmt. Aber die Auflösung derselben
zeigt, daß als jener, von allen Bedingungen der Sinnenwelt
freie Grund das Intelligible, die noumenale Welt zu denken sei,
und die Welt als Noumen muß als unmittelbares Product der
göttlichen Schöpferthätigkeit, aber eben nur als Noumen, nicht
Phänomen, wie denn alles Noumenale — was immer es sei —
neben Gott als unmittelbares Product seiner Schöpferthätigkeit
gedacht werden, — vorausgesetzt, daß „die leichte Taube" der
Speculation solche Höhe zu erschwingen den Versuch macht
Postalisches aus Preussen.
Von
A. Treichel.
1. Postwesen in älterer Zeit. (Nach K. Pawlowski: Die
Prov. W.-Pr. S. 168.)
Das Postwesen wurde seit 1649 in Polnisch -Preußen be-
kannt.. Namentlich richtete der große Kurfürst ordentliche Hof-
posten zwischen Berlin über Marienwerder nach Königsberg und
seit 1653 auch über Danzig, Marienburg und Elbing ein. Die
erste Post in West- und Ostpreußen war eine Eeitpost von
Danzig über Königsberg nach Memel. 1654 wurde in Danzig
eine Post-Station zur Annahme von Briefen errichtet. Die Post
ging wöchentlich zweimal. Außer den Routen zwischen Danzig
und Elbing längs der Küste und zwischen Danzig und Thorn
gab es bis zum Jahre 1772 keine Post in ganz Westpreußen.
Bis zu diesem Jahre soll es auch in ganz Westpreußen keine
Apotheke gegeben haben.
Die Ordensritter hatten ihre Ordenscorrespondenz durch
angestellte „Bryffjongen" befördern lassen. Für diese standen
Tag und Nacht die „Bryffschwoyken" (Postpferde) im Stall ge-
sattelt zur Benutzung. „Sweykisa, ein altpreußisches Wort,
bedeutet Pferd. Weiter gehende Briefe wurden in einem
linnenen „Bryffsack" von einem Ordenshause zum andern durch
„Bryffjong©iia naifc frischen „Bryffschwoykenu weiter expediert.
Als Postmeister führte der „Wything" die Aufsicht über die
Briefsendungen und ritt als Ordens-Stallmeister bei Feierlich-
keiten dem Hochmeister und den Gebietigern vor. Jeder
„Wything" hatte einen „Bryffstall" (Briefstube). Amtsbriefe
wurden bei Beförderungen durch „Bryffjongen" auf den Zwischen-
stationen mit der Abgangsstunde notiert. Z. B. Aeußere Adresse:
„Dem Erwirdigen homeister mit großer wirdikeit czu bedienen
566 Postalisches aus Preußen.
ane alles Sumen — große macht lyt doran (sehr dringlich). —
1. Gegangen von Schwetz am Tage petri vnd pauli ap zwischen
achte vnd nunen nochmittags. 2. Gegangen vom Olden hasse
als de seyger (Uhr) itzung Xu hatte geschlagen nach mitter-
nacht von dem toge petri vnd pauli uff den montag. 3. Gegangen
von Birgelau als d' seiger III slug von mittage. (Geh. Archiv
Kgsbg. LIX. No. 32.)
Die großen Städte ließen ihre amtlichen Mittheilungen
durch „Läufer" oder „Landreuter", theils zu Fuß, theils zu
Wagen reisend, befördern. Für einzelne Strecken nahmen diese
auch Privatbriefe mit. Zu ihrer Beglaubigung führten sie ihre
Bestallung mit sich und dazu ein Felleisen und ein besonderes
Zeichen. In einem Beglaubigungsschreiben för die öffentlichen
„Läufer" der Stadt Danzig heißt es (1449): „Wy begere juw
weten, wo wy den Beschedenen Mattis Merkell diessen bewiser
to vnsem dener vpgenomen vnd em vnßer Stat Busse (Felleisen
zu Briefen) mit dem teken, dat he vnse vnd vnses Copman
vnd ok des gemeynen dwtschen Gopmans mit vns vorkerende
Breue möge dregen vnd bringen" u. s. w. (Danz. Stadt-Archiv.)
2. Die Post vor 50 Jahren in Bereut.
Vor etwa 60 Jahren war in der Kreisstadt Berent die
einzige Post für den ganzen Kreis und diese hatte nur einen
Briefträger, behangen mit vielen Orden aus den Freiheitskriegen,
Namens Lindemann. Das war ein kleines, verwachsenes Männ-
chen, ein Israelit, dem es oblag, die wenigen und wegen des
theuren Botenlohnes noch theureren Briefe für den ganzen Kreis
auszutragen. "Wohl weil er nicht gern weit gehen mochte,
wartete er auf einen Wochenmarktstag und lauerte dann den
ihm meist bekannten Dörflern auf, mit denen er nach seiner
Art dann um das Botenlohn handelte, durch Schrauben und
Ablassen. Bist Du nicht aus P.? Ja. Kennst Du dem [sie!]
T. dort? Ja. Der hat 'nen Brief; willst Du dem ihm nicht mit-
nehmen? Ja. Aber er kostet 5 Groschen. Die wird er wohl
nicht geben wollen. Na, dann gieb 4 Groschen. Das* wird ihm
Von A. Treichel. 667
noch zu theuer sein. Na, dann gieb 3 Groschen oder ich zer-
reiße ihn gleich auf der Stelle und werfe ihn fort. Schließlich
wurde man handelseins. Ebenso entwickelte er sein Handels-
talent, wenn er auf Reisen war. Briefe waren damals ein seltener
Artikel und der baare Groschen wohl noch mehr. Aber durch
seine Drohungen (Entzweireißen und Fortwerfen) erreichte er
seinen Zweck, wenn ihm auch die menschliche Neugierde dabei
half. Nach ihm kam dann eine Zeit von zwei Postboten, die
sich in den Kreis theilten und die eine hochbegehrte feste An-
stellung mit monatlich acht Thalern erhielten, natürlich aus-
gediente Unteroffiziere (Klatt und Engler?). Diese nahmen die
eingelaufenen Briefe am Montage in Empfang und mußten sie
bis zum künftigen Sonnabende ausgetragen haben, so daß am
Sonntage ihr Buhetag war. (ßef. Gutsbes. Sietz.). — Und wie
bequem und rührig und zur Stunde ist's heute auf diesem
Gebiete?! —
3. Die Post in Neuteich.
Vor 50 Jahren wurde die hiesige Postanstalt nebenamtlich
durch den Bürgermeister, oder vielmehr durch dessen Tochter
besorgt. Als städtischer Briefträger fungirte ein halbblinder
ehemaliger Handwerker und die Briefe, welche für die Besitzer
in der Umgegend ankamen, trug die Waschfrau des Bürger-
meisters aus, jedoch nur, wenn die Frau Bürgermeister nicht
eben große "Wäsche oder andere wirthschaftliche Verrichtungen
vorzunehmen hatte. In diesem Falle mußten die Landbewohner
warten, bis die Waschfrau Zeit hatte. Jetzt ist das anders ge-
worden. Wie der für das Jahr 1889 aufgestellte Postbericht
angiebt, hat der Orts- und Landbestellbezirk des Postamts Neu-
teich nach der letzten Volkszählung vom Jahre 1885 5211 Ein-
wohner. Neuteich ist Abrechnungsort der vier Postagenturen
Gr. Mausdorf, Ladekopp, Schöneberg, Neu-Münsterberg und der
Posthilfstellen Brodsack, Eichwalde, Tannsee und Tralau. Mit
der Postanstalt ist die Telegraphenanstalt vereinigt. Im Post-
bezirk befinden sich, wie man der „K. H. Z.u von hier schreibt,
12 Briefkasten, davon 3 im Orte. Die Postverwaltung hat
568 Postalisches ans Preußen.
7 Diensträume inne und das Postpersonal bestellt ans drei
Beamten und neun Unterbeamten.
4. Kurische Nehrung.
Auf der Kurischen Nehrung werden postalische Sendungen
jetzt theils von dem Memel-Cranz'er Dampfer mit Kahn, theils
durch Botenpost befördert. Auch hat man Anlegestellen in alier-
neuester Zeit gebaut, um den Dampfern die Verbindung mit der
Nehrung zu erleichtern. Hinsichtlich früherer Zeit hatte die
Handfeste für den Krug im Dorfe Nidden z. B. im Jahre 1529
Bestimmungen gesetzt für die Behandlung Fremder („Den fremden
ab- und zureisenden soll der Krüger gute Ausrichtung um ihr
Geld thun.") und die Beförderung von Briefen und anderen
Sachen „nach bestem Vermögen".
In Rossitten war um 1670 ein Postreiter angestellt. Nach
A. Bezzenberger (Kurische Nehrung S. 201) heißt's: „Noch
wohnet ein Post Beuther alldar hat 7* Huebe Ackers Davon
Zinszet Er 30 Mark". Auch wird 1667 eine „Post Beuthersche"
erwähnt. Wie es zur Zeit des D. O. dort aussah, erhellt ans
einem Briefe des Michel von Swoben, Komtur in Memel, an
den Hochmeister, vom (6. Mai) 1515, freilich zur Zeit der Pest,
„wo kein Aeltester im Dorfe ist, wo sie die Besorgung als kein
Gewohnheitsrecht von Anbeginn an behaupten und wo die
Dörfler, wenn Briefe kommen, statt sie Einer dem Anderen
zu bringen, in die Berge laufen aus „vorferannus" (Schrecken;
vgl. sich verfiren). So giebt A. Bezzenberger S. 291 an und
zeichnet auch die alte Poststraße auf einer Karte ein. Die Post
hielt aber die Straße nicht immer ein, sondern fuhr bei hohem
Wasser im Haff von Sarkau aus längs dem Seestrande. Die
Straße ist nicht etwa eine Chaussee, sondern ein Weg in theils
losem Sande. In ihrer Nähe befanden sich einige Strandbuden,
in welchen Beisende einen Unterschlupf fanden, jetzt aber auch
längst verschwunden. Jetzt sind von diesem alten und seinerzeit
so wichtigen Verkehrswege nur noch einige alte Weidenbäume übrig,
die aus dem Sande hervorragen. — Ein weiteres vgl. L. Passarge:
Aus balt. Landen. S. 105—300. und Altpr. Mon. VIEL 20 ff.
Berichtigung und Zusatz
zu dem Aufsatze „Die Wappen der Städte Alt- Preußens".
(Altpr. Monatsschr. Bd. XXIX. Heft 3 u. 4.)
Von
C. Beckherrn.
Labiau. Das Wappen dieser Stadt ist nach der im Grün-
dungsprivilegium enthaltenen Beschreibung gezeichnet worden.
Nach einer Mittheilung des Pfarrers zu Labiau, Herrn Dr. Leh-
mann, ist diese Beschreibung aber leider ungenau und weicht
von der dem genannten Privileg beigegebenen Abbildung in
sofern ab, als auf dem silbernen, die Hand mit dem Jägerhorn
and den Baum enthaltenden Schilde anstatt des Auers in ganzer
Figur ein Helm mit Decke und einem halb rechts ge-
wendeten, wachsenden Auer als Kleinod ruht. Die ge-
krümmten Vorderbeine des Auers sind gekreuzt. Der von mir
dem Wappen gegebene größere Schild muß demnach fortfallen.
(Vergl. Art. Insterburg u. Anmerk. 13).
Der Beschreiber des Wappens bei Siebmacher hat also hin-
sichtlich des Helmes Recht, leider hat er aber den Auerochsen
für einen Heiligen angesehen.
Neuteich. Das jetzige Wappen hat im von Zweigen um-
gebenen Schilde ein Kleeblatt mit Stiel. Auf dem Schilde ruht
der gekrönte, natürliche preußische Adler.'
Kritiken und Referate.
»öttidfrer, gfcolf« $ie Bau* ttttb ffttufroettfmäler- fcet 9***i»j £fyrcette«.
I. $a3 Samlanb. ÄönigSberg 189]. 141 Seiten. — II. Baiaitflen.
ÄönigSberg 1892. 195 ©etten. »etbe $efte mit ^Ireicf)en Hbbtlbungen.
8°. $vet* je 3 2Rf.
-Es ist kein bloßer Zufall, daß eine der ersten Betätigungen staatlicher
Fürsorge für die Erhaltung öffentlicher Bau- und Kunstdenkmaler in Preußen
von Paris aus erfolgte. In der Noth der Napoleonischen Zeit und in der
glorreichen Erhebung der Freiheitskriege hatten erleuchtete und weit-
blickende Männer erkannt, einen wie köstlichen Besitz unser Vaterland in
seinen älteren Bauwerken und Kunstschätzen besitze und wie stark die
Wurzeln seien, die sich hier für eine lebensvolle Neuentwickelung so
mancher Zweige und Theile unseres Volkslebens böten. Freilich haben
weder die Verfasser jenes am 4. October 1815 in der Hauptstadt des Erb-
feindes erlassenen Königlichen Kabinetsbefehls, noch Schinkel, der ihn
mittelbar veranlaßt hatte, geahnt, wie bedeutend der Besitz sei und wie
werthvoll er sich für den Neuaufschwung unserer Baukunst und unseres
Kunstgewerbes erweisen würde. Es mußten Jahrzehnte vergehen, ehe die
damals geweckte Erkenntniß weitere Schichten der Bevölkerung ergriff und
ehe sie behördlicherseits mit dem erforderlichen Nachdruck behandelt wurde.
An mannigfachen Anläufen, an Versuchen aller Art, an hocherfreulichen
Einzelergebnissen *) fehlte es nicht, aber erst die durch den Krieg von
1870/1 und die Gründung des Deutschen Reiches neubelebte nationale Be-
geisterung vermochte eine planmäßigere, systematischere, durchgreifendere
Regelung der einschlägigen Fragen zu bringen, freilich nicht so gut, wie
wir es gewünscht hätten, aber doch gut genug, um uns ihrer zu freuen.
Vor allem galt es den überhaupt vorhandenen Bestand zu ermitteln und fest-
zulegen. Zu arg hatten Unverstand und Geldgier unsere alten herrlichen
*) Ich erinnere hier nur an die Arbeiten von Adler, v. Dehn-Roth-
felser, Essenwein, Lotz, v. Quast u. a.
Bötticher, Adolf. Die Bau- nnd Kunstdenkmäler etc. 571
Kirchen nnd Rathhäuser verwüßtet, zu viel an beweglichen Alterthümern
war nach dem Ausland, besonders England verschleppt worden, als daß
nicht der namentlich auf den Generalversammlungen der deutschen Archi-
tekten und Ingenieure wiederholt und dringlichst laut gewordene Wunsch
nach einer möglichst umfassenden „Inventarisirung" die ernsteste Beachtung
in den leitenden Kreisen gefunden hätte. Es galt geradezu, einer Schädi-
gung des Nationalvermögens vorzubeugen. Zwar erwies sich die Hoffnung,
die Arbeit einheitlich von Reichswegen vorzunehmen, nach Lage der Dinge
unerfüllbar; die Aufgabe mußte verfassungsgemäß den Einzelstaaten über-
lassen bleiben, von denen der größte Theil nunmehr aber auch nicht länger
zögerte, ihr gerecht zu werden, und in Preußen wiederum wurde sie durch
das Provinzialdotationsgesetz vom 8. Juli 1875 den einzelnen Provinzial-
verbänden überwiesen.
Es ist nicht die Aufgabe dieser Zeilen, im Einzelnen zu verfolgen,
wie sich die Ausführung der Arbeit in den einzelnen Gauen des Vaterlandes
vollzogen hat. Doch muß ich darauf hinweisen, daß man in unserer Provinz
Preußen bereits kurz vor Erlaß des Gesetzes an's Werk gegangen war.
Allerdings fand die Aufnahme, welche Herr Archivassistent Wittich 1874
begann, in Folge äußerer Umstände keinen Abschluss; die von ihm ge-
fertigten, überaus sorgfältigen Beschreibungen gothischer Kirchen in mehre-
ren Kreisen Ostpreußens liegen noch heute unveröffentlicht im Landeshause.
Dagegen wurde die Arbeit im Jahre 1887 neu in Angriff genommen und
diesmal sind wir in der glücklichen Lage, von einem umfangreichen litera-
rischen Ergebniß berichten zu können.
Es hatte freilich nicht an solchen gefehlt, die über die neugetroffene
Wahl der leitenden Persönlichkeit den Kopf schüttelten; es war Herr
Architekt Adolf Bötticher, der durch die ihm vom Deutschen Reich über-
tragene Mitwirkung an den Ausgrabungen in Olympia in weiteren Kreisen
bekannt geworden war nnd durch seine Veröffentlichungen über Griechen-
land sich als ein feinsinniger Kenner von Kunst und Alterthum erwiesen
hatte, mit der Inventarisirung betraut worden, und vielen erschien der
Sprung von Athen nach Domnau und von Olympia nach Kraxtepellen als
gar zu gewagt. Wir wollen hierüber nicht rechten, doch muß nachdrück-
lichst hervorgehoben werden, daß durch diese Wahl eine Gefahr sicher ver-
mieden ist, nämlich die einer einseitigen Beurtheilung und gelegentlichen
Ueberschätzung der heimathlichen Alterthümer. Wir dürfen sicher sein,
daß, wenn jemand ein ostpreußisches Baudenkmal rühmt, der so von dem
griechischen Schönheitsideal erfüllt ist, wie Herr Bötticher, dasselbe auch
wirklich rühmenswerth ist. Und so begrüßen wir die ersten Veröffent-
lichungen, die seiner hiesigen Thätigkeit entsprungen sind, mit lebhafter
Freude und können nur wünschen, daß die weiteren Hefte, wie es dem Ver-
672 Kritiken und Referate.
nehmen nach in sicherer Aussicht steht, in der That in kürzester Frist
folgen werden.*)
Herr Bötticher ist in der Weise vorgegangen, daß er von Ort zu Ort
zog und dabei von allen vorgeschichtlichen Bargwallen und Grabstätten
und allen Denkmälern der Baukunst und des Kunstgewerbes „von der
gothischen Stilepoche durch die Renaissance einschließlich des Barocks und
Rococos bis zum Beginn der klassicirenden Reaktion'1 Kenntniß und Ver-
merk nahm. Was er an Vorarbeiten hierbei benutzt hat, davon giebt er in
der Einleitung des ersten Heftes Aufschluß; hervorheben will ich hier neben
der schon erwähnten Inventarisirung Wittichs die trefflichen, 1826—1828
angefertigten Aufnahmen des Lieutenants Giese, der übrigens, wie ich bei-
läufig bemerken möchte, in den Akten jener. Zeit und in den damaligen
Rang- und Quartierlisten Guise, und nicht Giese genannt wird. Auf ihn
gehen die meisten der mitgetheilten Grundrisse zurück, während die zahl-
reichen andern Abbildungen entweder auf Photographien Böttichers oder
auf den meisterhaften, verständnißvollen Zeichnungen des Architekten Heit-
mann beruhen. Die Anordnung des Stoffs ist in der Weise getroffen, daß
die einzelnen Kirchspiele nacheinander in alphabetischer Folge zur Schilde-
rung gelangen; wenngleich ich die Vortheile hiervon nicht leugnen will, so
würde ich es doch für zweckmäßiger gehalten haben, wenn sämmtliche Ort-
schaften ohne Rücksicht auf die Kirchspiele streng alphabetisch einander
folgten; so aber ist die Beigabe eines genauen Registers zum Schluß des
Werkes unerläßlich geworden, da man unmöglich erwarten kann, daß jeder
Mensch weiß, daß beispielsweise Friedriebstein unter Löwenhagen und
Ziegenberg unter Medenau zu suchen ist. Es wird nun ferner bei jeder
Ortschaft ein kurzer Ueberblick über ihre Lage und ihre Geschichte gegeben
und sodann über die dort gemachten Funde und die dort erhaltenen Alter-
thümer in knapper, aber übersichtlicher Form berichtet. Auf das Freudigste
zu begrüßen ist es, daß der Verfasser sich nicht auf die Beschreibung des
Mauerwerks von Schlössern und Kirchen beschränkt, sondern sein Augen-
merk ganz wesentlich auch auf die Kleinkunst im weitesten Sinne des Wortes
gerichtet hat; und als einen besondern Vorzug seiner Inventarisirung be-
zeichne ich es, daß er auch einfache Bauernhäuser, soweit sie noch alte
Merkmale aufweisen, nicht übergangen hat (vgl. z. B. die Abbildung IL S. 77).
Das Bild, das sich aus dieser Beschreibung unserer Provinz ergibt,
ist, soweit man es nach den bis jetzt vorliegenden Heften beurtheilen kann,
*) Für Anfang 1893 steht das Heft „Oberland", für Ende 1893 das
Heft „Ermland" zu erwarten, während die Stadt Königsberg und der Osten
der Provinz 1894 den Abschluß bilden sollen.
feotticher, Adolf. Die fiau- und Kunstdenkmäler etc. 573
ein überraschend günstiges. Der Bestand an älteren Kunstwerken ist weit
größer, als man vorher anzunehmen geneigt war, und den spottsüchtigen
Neidlingen drinnen „im Reich", die sich Ostpreußen nur als ein großes, grau
in grau gefärbtes Landgebiet für Veranstaltung von Wolfsjagden vorstellen
können, wird durch die nüchterne, urkundliche Form des Bötticher'schen
Werkes das Auge endgiltig darüber geöffnet werden, daß Ostpreußen in
kultureller Hinsicht ein vollberechtigtes Glied in der Reihe der deutschen
Provinzen bildet. Zwar steht es weit zurück hinter dem Reichthum der
Rheinprovinz oder Bayerns, aber ich meine, daß die herrlichen Schlösser zu
Lochstadt, Balga und Barten, die schönen gothischen Kirchen in Barten-
stein, Friedland, Gerdauen, Rastenburg, Deutsch-Tierau u. s. w., die pracht-
volle Barockkirche in Heilige:Linde, die Stadtbefestigungen in Bartenstein
und Wehlau, und die kirchlichen Ausstattungsgeräthe in Fischhausen,
Medenau, Pobethen, Schönwalde, Allenburg, Bl&diau, Cremitten, Gallingen,
Heilige-Linde, Waltersdorf u. s. w. auch im übrigen Deutschland sich recht
gut sehen lassen könnten. Ich vermag mich unmöglich auf Einzelheiten
einzulassen; der von Bötticher zusammengetragene Stoff ist zu gewaltig,
als daß er sich mit wenig Worten, wie sie mir nur zur Verfügung stehen,
abmachen ließe. Es bewahrheitet sich hier eben abermals das Wort: „wer
vieles bringt, wird manchem etwas bringen"; ich bin fest überzeugt, daß
zum Mindesten jeder Ostpreuße in den beiden Heften genug finden wird,
was ihn, sei es nach dieser, sei es nach jener Richtung hin anregt und
fesselt. Aus eben demselben Grunde wird auch nur zu leicht der eine dies,
der andere jenes zu tadeln haben ; über die Geschichte und die Baulichkeiten
der engsten Heimath weiß jeder etwas mitzusprechen, wenn es auch noch
so wenig ist, und oft kann der Fall eintreten, daß gerade das, was er weiß
und was ihn interessirt, übergangen oder anders dargestellt worden ist.
In manchen Fällen wird der Tadel unbegründet, in anderen wird er be-
gründet sein; häufig aber wird der Fehler erklärbar dadurch sein, daß der
Verfasser lediglich auf sich selbst angewiesen war und in die umfangreiche
Einzel-Literatur sich allein einzuarbeiten hatte, deren Zuverlässigkeit zu
prüfen er nach seiner ganzen Vorbildung nicht immer im Stande war.
„Unvollendet Material zum Weiterarbeiten", so bezeichnet der Ver-
fasser selbst seine Arbeit. Er hat Recht; hätte er sie so angefaßt, daß
späteren überhaupt nichts mehr zu leisten übrig geblieben wäre, so wäre
die Fertigstellung auf viele, viele Jahre hinausgeschoben worden, während
wir jetzt in erstaunlich kurzer Frist, jedenfalls in kürzerer, als in den übri-
gen Provinzen, einen Gesammtüberblick erhalten haben, der im Großen und
Ganzen eine sichere Grundlage „zum Weiterarbeiten" bietet. Das „Weiter-
arbeiten" ist aber unbedingt nothig und wenn auch ich im Folgenden einige
Ausstellungen erhebe, so möge man sie nicht als den Ausfluß von Tadel-
574 Kritiken und Referate.
sucht deuten, sondern als den Ausdruck des Wunsches, zu weiterer Ver-
vollkommnung des Werkes beizutragen und anzuregen.
Im Hefte Samland erscheinen mir die Schlösser Neuhausen (S. 96),
Holstein (58) und Friedrichstein (80) zu wenig berücksichtigt; ich vermisse
eine nähere Beschreibung der in Neuhausen noch vorhandenen alten Ge-
wölbe, sowie eine Schilderung der Architektur von Holstein und Friedrich-
stein. Auch weiß ich nicht, ob die Sammlungen des Grafen Dönhoff über-
gangen werden durften, die nach allem, was ich höre, sehr werthvoll sein
müssen. Bedauerlich ist es, daß über den italienischen Baumeister, der an-
geblich in Metgethen thätig gewesen ist (I. 58), sowie über den Italiener,
der die Stuckverzierung im Keller des Schlosses Gerdauen ausgeführt haben
soll (Heft II. S. 93), sich nichts Näheres ermitteln ließ. Die Bezeichnung
„Nürnberger Arbeit", die sich öfters findet (II. 46: „Nürnberger oder Braun-
schweiger Arbeit"), halte ich in dieser Form für bedenklich, da sie leicht
zu der irrthümlichen Annahme führt, daß es sich nachgewiesener Maßen und
völlig zuverlässiger Weise um „Nürnberger Arbeit" handele. Wenn man
auch mit Nürnberg den Begriff einer Blüthezeit der deutschen Kunst zu
verbinden gewöhnt ist, so war es doch damals keineswegs die einzige deutsche
Stadt, in welcher bessere Kunsterzeugnisse hergestellt wurden. Schon Alwin
Schultz hat beispielsweise in seiner Dissertation de Iodoci Tauchen vita
atque operibus (Breslau 1864) die Ehre Breslaus auf dem Gebiete mittel-
alterlichen Bronzegusses wiederhergestellt und jedes Jahr fast lernen wir
eine neue Pflegstätte alter deutscher Kunst kennen. Ich betrachte es geradezu
als die Aufgabe der Inventarisirungen, auf dieser Bahn fortzuschreiten und
unsere Kenntnisse in dieser Richtung zu erweitern. Für die Erzeugnisse
der Goldschmiede- und Zinngießer-Kunst wird das durch die Stempel er-
leichtert, welche die Meister ihren Werken, häufig allerdings an recht ver-
steckter Stelle, aufzudrücken pflegten. So habe ich schon vor mehr als
drei Jahren feststellen können, daß das schöne silberne Altargeräth, welches
der hiesige Dom besitzt, von einem in Königsberg selbst ansässigen Gold-
schmied gefertigt worden ist. Ich möchte deshalb den Wunsch aussprechen,
daß die künftigen Hefte weiteren derartigen Ertrag bringen ; das neuerdings
erschienene umfangreiche Werk von Marc Rosenberg, der Goldschmiede
Merkzeichen, Frankfurt a. M. 1890, das übrigens (S. 191—194) auch einige
Königsberger Stempel bringt (die von ihm benutzten Königsberger Gold-
schmiedearbeiten befinden sich in Petersburg, Frankfurt a. M., Ungarn und
Berlin), bietet ja eine vortreffliche Grundlage für derartige Feststellungen.
Auf andern Gebieten hat Bötticher verschiedene tüchtige einheimische
Künstler nachgewiesen, z. B. den Melchior Breuer.
Die Beichtstühle in Bartenbtein (IL S. 36) werden in das Ende des
17. Jahrhunderts gesetzt; da aber die chronogrammatische Inschrift des
Bötticher, Adolf. Die Bau- und Kunstdenkmäler etc. 575
einen die Zahl 1785 ergiebt, so würde die Angabe danach wohl zu berich-
tigen sein. Um 1735 herrscht freilich anderwärts bereits das Rococo, aber
wenn in abgelegenen Orten, wie Bartenstein, sich ältere Formen länger
halten, als in den Hauptsitzen der Kultur, so ist das gar nichts seltenes
und ist nicht weiter verwunderlich (vgl. auch den Altaraufsatz in der
Bartensteiner Johanniskirche von 1785, II. S. 87).
Weshalb die eine Heiligenfigur auf dem Fischhausener Kelch (I. 44)
die heilige Margarethe sein soll, ist nicht recht ersichtlich ; soweit die nicht
ganz klare Abbildung es erkennen läßt, kann nur die heilige Agnes ge-
meint sein.
Bei dem Ordensschloß von Barten (II. 28) vermisse ich die Angabe
von Maßen.
Der für Heilige-Linde thätig gewesene Maler Almonti (II. 116) dürfte
richtiger Altamonti zu schreiben sein. Es unterliegt keinem Zweifel, daß
es derselbe 1657 in Neapel geborene Künstler ist, der 1682 nach Warschau
kam, von König Johann Sobieski beschäftigt wurde, angeblich auch in
Königsberg war und später in Lemberg und Wien arbeitete (vgl. Ciampi,
bibliografia critica delle antiche corrispondenze etc., Florenz 1839. II. 284 f.
Sprawozdania Komisyi do badania historyi sztuki w Polsce. IY. 3. Krakau,
1889. S. L ff. und Rastawiecki, slownik malarzow polskich. Warschau,
1850. I. S. 6 ff.).
Wohl nur auf Druckfehlern beruhen die Jahreszahlen 1803 (I. 10),
1560 (I. 96) und 1729 (IL 120), sowie der Name von Debski (IL 118).
Im Uebrigen aber muß hervorgehoben werden, daß der Druck von
einer Sorgfalt zeugt, wie sie heute selten ist, und daß die Ausstattung
durchweg eine ungewöhnlich gediegene und vornehme ist.
Ich schließe hiermit, wennschon die Verführung, weitere Anmerkungen
an das Buch zu knüpfen, nahe genug liegt. Ich kann aber nur noch ein-
mal der Freude Ausdruck geben, daß wir es endlich besitzen. Wenn es so
häufig gekauft wird, wie es der Gegenstand gebietet und wie es der über-
aus niedrige Preis gestattet, so darf man hoffen, daß es weithin frucht-
bringend und anregend wirken wird. Es wird allen geschichtlichen, beson-
ders aber allen kultur- und kunstgeschichtlichen Forschungen über unsere
Provinz als ein unumgängliches Quellenwerk dienen, ihnen erst häufig die
rechte Grundlage gewähren. Es wird den Eifer und das Interesse für die
Erhaltung der älteren Bau- und Kunst - Denkmäler mehren, die uns die
pietätvolle Erinnerung an unsere Vorfahren, aber auch schon das eigene
nüchternste Interesse zu erhalten befiehlt. Ohne sie wären wir starker
Wurzeln unseres Daseins beraubt, mit ihnen wird die Liebe zur Heimath
gesteigert, werden Vorbilder für Neuschöpfungen gegeben. Der Provinzial-
576 Kritiken and Referate.
landtag, wie der Herr Landeshauptmann nnd der Provinzialausschuß haben
ßich daher ein hohes Verdienst um die Provinz erworben, daß sie so opfer-
willig und feinfühlig das Werk in jeder Weise gefördert haben.
Hermann Ehrenberg.
Ernst Halller, „Die socialen Probleme und das Erbrecht. Eine rechts-
philosophische Studie. u — Manchen 1892. 3° 45 8. — Verlag der
Münchener Kunst- und Verlagsanstalt von Dr. E. Albert & Co.
Nicht immer i6t die Länge eines Werkes dem Inhalte angemessen,
wenn nämlich die lange Form einen kurzen Inhalt bietet. Die in Rede
stehende Schrift bietet, umgekehrt, kurze Form aber langen, inhaltsschweren
Inhalt. Der wohlbekannte Herr Verfasser hätte seine Schrift neben dem
Erbrecht wühl mit Recht einen Beitrag zur Lösung der socialen Frage
nennen können, wie wir sehen werden. Einer rechts philosophischen
Betrachtung werden sich zwar, wie man glauben könnte, rechtswissen-
schaftliche Bedenken in den Weg stellen müssen, aber in diesem Falle
ist ein solcher „Streit der Facultäten" nicht zu befürchten, Dank der ge-
schickten Art und Weise, auf welche das Erbrecht von vorneherein gekenn-
zeichnet wird. Hierher gehören die noth wendige Unterscheidung zwischen
Besitz und Eigenthum, welche in dem Resultat gipfelt, daß nur der-
jenige Besitz als Eigenthum bezeichnet werden kann, welcher durch
Arbeit erworben wird, und zwar einer Arbeit, welche durch den Einzelnen
der Gesammtheit wieder zu Gute kommt. Wohlverstanden, der Verfasser
wünscht durchaus nicht — und zwar mit vollstem Recht — eine Verstaat-
lichung der gesammten Arbeit, im Gegen theil, er fordert freieste Ent-
faltung der Individualität, da nur, wie sehr richtig bemerkt wird, die
Arbeitstheilung allein einen Staat erhalten kann. Aber mit Recht wird
auf Grund bereits geschehener Verstaatlichungen, unter Anderen der Eisen-
bahnen, des Telegraphen- und Postwesens, der Forste u. s. w. die Forde-
rung nach Verstaatlichung des Großgrundbesitzes zunächst aufrecht
erhalten, und soweit es das Erbrecht angeht, des Kapitals. Hier glaubt
man zuerst eine Kollision mit dem Privateigenthum vorhanden. Glänzend
widerlegt der Verfasser diese Muthmaßung, indem uns die Geschichte Roms
die entsetzlichen Folgen des ausgebreitetsten Großgrundbesitzes und des
Kapitals zur Zeit der Gracchischen Unruhen veranschaulicht. Eine große
Aehnlichkeit — wird weiter gesagt — bestünde zwischen dem damaligen
Rom und der Gegenwart, wo jetzt der schroffe Gegensatz von Kapital
und Arbeit ein solch scharfes Gepräge erhalten habe, indem auf der einen
Seite der Arbeitgeber Millionen erntete, an welchen der Arbeiter keinen
Ernst Hallier, Die socialen Probleme und das Erbrecht. 57?
Antheil habe, und andererseits diese oder ähnliche Reichthümer nicht nur
eine große Erbschaft, sondern auch einen Großgrundbesitz eröffneten.
Die Erben solchen Reichthums müßten Müßiggänger werden, während es
doch nichts Schimpflicheres gäbe als Müßiggang.
Die entsittlichenden Folgen eines solchen Erbrechts, welches den Erben
mühelosen und ehrlosen Lebensgenuß sichert, diese will der Verfasser im
Interesse des Gesammtwohles paralysiren, indem er von dem kerngesunden
Grundgedanken ausgeht, daß nur der durch Arbeit erworbene Besitz auch
Eigenthum ist. Es erscheint demnach nur als eine logische Consequenz,
wenn nicht nur eine Verstaatlichung des Großgrundbesitzes, welcher ja
z. B. in Irland die traurigsten Früchte gezeitigt hat, und eine Beseitigung
des bestehenden Erbschaftsrechtes damit gefordert wird. Der Begriff des
Privateigenthums würde hiermit nicht lädirt, denn in Bezug auf allzu
mächtig ausgedehntes Grundeigentum unterliegt dasselbe selbstverständlich
im Interesse des Ganzen staatlichem Eingriff. Wenn somit das Erbschafts-
recht sich einen staatlichen Eingriff gefallen lassen müßte, so geschieht dies
in weiterer Erwägung dessen, daß Legate und testamentarische Verfügungen
sehr häufig den Stempel größter Willkür tragen, so daß durch ungerechte
testamentarische Bestimmungen nicht nur die unmittelbaren Erben, sondern
auch die weiteren Generationen getroffen werden, und zwar nicht allein
durch das ungerecht bemessene Erbe, sondern durch den hiermit nothwendig
verbundenen tiefen Zwist und Hader. Wer hätte diese traurige Wahrheit
nicht einmal in seinem 'Leben an sich selbst oder an andern erfahren?
Diesem Zustande kann, so meint der Verfasser, nur abgeholfen werden,
wenn der Staat die Erbschaft antritt, aber nicht ohne weiteres die Nach-
kommen; außerdem wären nur die Kinder auch die Erben, und notge-
drungen die Seitenverwandte. „Dann ist", bemerkt der Verfasser mit
Hecht, rjeglicher Willkür einzelner Menschen in dieser Beziehung ein Riegel
„vorgeschoben und unsägliches Unheil von den Familien abgewendet/4 (S. 38.)
Der Staat träfe sodann eine gerechte und gleichmäßige Vertheilung,
jedoch so, daß Niemand reich würde, sondern ein Jeder redlich arbeiten
müßte, um zu leben. Ein etwaiger Ueberschuß würde vom Staate zum
Gemeindewohl und der von ihm verstaatlichten Anstalten z. B. unentgelt-
lichem Schulbesuche verwendet, wie ja in Bayern der Besuch von der Volks-
schule sowohl wie des Gymnasiums unentgeltlich zufolge der Verstaatlichung
geworden ist. Die Consequenzen seien folgende: „Niemals könnte es in
„solchem Staate sich ereignen, daß ein Stand den andern beneidete, denn
„es hätte im Grunde genommen keiner einen wesentlichen Vorzug vor dem
„andern. Man bedenke nur, welcher unermeßliche Vortheil für den Staat
„dadurch errungen wäre, daß es keine Geldheirathen mehr gäbe." (S. 41.)
Es bedarf kaum des Hinweises, daß eine Verstaatlichung des Groß-
Altpr. Monatssohrift Bd. XXIX Hft» 7 u. 8. 37
578 Kritiken und Referate.
grundbesitzes und des eng hiermit zusammenhangenden Erbrechtes
und letzteres in Form eines staatlichen Erbschaftsamtes nicht allein
eine kraftige, gesunde Idee ist, da sie auf tiefem ethischen und Gerechtig-
keitsgefühl wurzelt, sondern es ist einleuchtend, daß die praktische Ver-
wirklichung geeignet ist, die so noth wendige Gesundung für die leider
augenblicklich krankhaften socialistischen Utopien herbeizuführen. Kapital
und Arbeit würden sich unter solcher Verwirklichung nicht mehr als Feinde,
sondern als Freunde gegenüberstehen) und das öffentliche Lehen würde eine
gewaltige sittliche Hebung erfahren. — Diese in jeder Beziehung beher-
zigenswerthen Vorschläge des Verfassers, welche von dem tiefen Pflicht-
begriff des £ajov noUxtxov dictirt sind, würden also, wie wir es zu Anfang
aussprachen, thatsächlich einen großen Theil der socialen Frage lösen
können. P. von Lind.
Dr. Ant. Mierzvnskt, Mythologiae Lltnanicae Monomen ta. &rödla do
Mytologti LltewskieJ od Tacyta do konca XUI wieku" (Quellen
zur litauischen Mythologie seit Tacitus bis Binde des XIII. Jahrh.).
Warschau, 1892. — 8°, 2 Bl., 155 pag.
— , Co znaczy Sicco, studyum archeologiczno-literackie (Was be-
deutet Sicco? — Archäologisch-literarische Studie). Sonderabdrack
aus dem Lemberger „Przewodnik Naukowy i Literackiu 1891. —
8°. 1 BL, 12 pag.
In der ersten der oben erwähnten Arbeiten, einer Frucht umfang-
reicher und mühsamer Studien, bietet uns der Verfasser, Professor a. D. der
"Warschauer Universität, ein Werk von bleibendem Werthe und von größter
Wichtigkeit für jeden Forscher auf dem Gebiete litauischer Volkskunde.
Er hat sich die Aufgabe gestellt, ein Urkundenhuch der litauischen Mytho-
logie, eine (auf absolute Vollständigkeit keinen Anspruch erhebende) Samm-
lung aller auf die letztere bezüglichen Notizen und Nachrichten in den auf
uns gekommenen Chronisten und anderen Literaturdenkmälern, zu schaffen und
damit (wie er selbst in der Einleitung ausspricht) für eine wissenschaftliche
Bearbeitung der litauischen Mythologie das Fundament zu legen, — und es
ist ihm gelungen, aus den ältesten Zeiten bis zum Ausgange des XTTT. Jahrb.,
wo er vorläufig Halt macht, 17 solcher Quellen aneinanderzureihen, die er
mit kritischen Erläuterungen und Commentaren von großer Ausführlichkeit
versehen hat. Die Methode, die er dabei verfolgt, ist, aus der späteren
Litteratur (Johannes und Hieronymus Maletius, Praetorium, Juazkiewicz,
Brivzemniaks, Wolter etc.) sorgfaltig alles hervorzusuchen und beizubringen,
Dr. Ant. Mierzynski, Mythologiae Lituanicae Monumenta etc. 579
was zur Bestätigung der in den alten Quellen enthaltenen Angaben dienen
kann, und er verräth hierbei ebensogroßes Geschick als Belesenheit.
Die ersten Nachrichten zur litauischen Mythologie giebt uns Tacitus
in seiner ca. 98 n. Chr. geschriebenen „Germania" (XLV), da wo er über
die Ae stier (Aestiorum gentes) berichtet. Professor Mierzynski unternimmt
es nämlich, aus dem mythologischen Gebiet in das archäologisch -historische
übertretend, zu beweisen, daß unter diesem Namen die längs der Ostküste
der Ofltsee wohnenden litauischen Volksstämme allein gemeint sein können.
„Aestier", d. i. die östlich wohnenden, ist eine lediglich geographische Be-
zeichnung, welche von den Germanen gebraucht und von diesen durch die
Römer übernommen wurde, während die Griechen, deren Handelswege zur
Ostsee nicht durch Deutschland führten, diesen Namen nicht kennen, wogegen
aber Ptolemäus im II. Jahrh. n. Chr. die einzelnen gentes, und darunter
die Galinder und Sudauer, aufzählt. Tacitus sagt von den Aestiern, sie
wohnten am östlichen Ufer der Ostsee, und es werde bei ihnen der
Bernstein gefunden. Dasselbe erzählt von ihnen im VI. Jahrhundert
Cassiodor, dersie fiaesti nennt, und um eben dieselbe Zeit sagt Jörn an des
(Jordanes), vom rechten Weichselufer an wohnten längs des Meeres die
Aesti. Dieselben Wohnsitze geben im IX. Jahrh. den Aesten, Esten Ein-
hard und Wulfstan, und so läßt sich nur annehmen, daß immer dieselben,
seit Jahrhunderten also ruhig dort wohnenden Volksstämme gemeint sind,
nämlich die litauischen, deren besondere Einzelnamen: Preußen, Litauer,
Letten, seit dem IX. Jahrh. mehr und mehr in den Vordergrund treten,
während schließlich die Bezeichnung Esten nur dem nördlichsten Stamme
verblieb, der sich selbst nicht so, sondern „Maarahvas" nennt. Um nun
zur Mythologie zurückzukehren, erzählt Tacitus von den Aestiern, sie ver-
ehrten eine mater deorum und trügen Eberbilder zum Schutze gegen Feinde
und alles Unheil. Bei Untersuchung dieser Angaben kommt M. zu dem
Schlüsse, daß mit jener mater deorum die Zeminele habe bezeichnet werden
sollen, deren Kultus bei den alten Preußen und Litauern ja sehr verbreitet
war, und daß unter den Eberbildern Amulete zu verstehen sind, deren Ge-
brauch noch zu Praetorius' Zeiten sehr gewöhnlich war; die Schweine
waren der Zeminele geheiligt, und beim Pflügefest durfte unter den Speisen
nicht der Schweinerüssel fehlen. Nach Tacitus tritt dann eine jahrhunderte-
lange Unterbrechung ein, indem erst wieder im IX. Jahrh. Wulfstan, ein
anglosächsischer Seefahrer, über die Begräbnißgebräuche der Esten und daß
sie künstlich Kälte zu erzeugen im Stande seien, berichtet (das letztere thut
auch Praetorius, der Wulfstan's Reisebericht nicht kannte). In den beiden
Vitae Sti. Adalberti des Gaudentius und des Erzbischofs Bruno wird
dann der Sicco, Sikko, eine Priesterart, erwähnt. Professor Mierzynski
hat dieses Wort zum Thema einer besondern Abhandlung, deren Titel oben
a
87*
580 Kritiken und Heferate.
an zweiter Stelle citirt ist, gemacht und führt aus, es solle eigentlich Zigo
(spr. Schigo; seh weich, wie das g in Rage) lauten und sei dasselbe wie das
spätere Zigonutas; es bedeute „Schreitender, Wandelnder" und habe da-
mals zur Bezeichnung eines Priesters, der den Gefangenen die ersten Todes-
stöße versetzte, später eines solchen gedient, der von Ort zu Ort wanderte
und den religiösen Bedürfnissen des Volkes in den einzelnen Dörfern, die
er antraf, Genüge leistete. Verf. stützt sich hierbei vornehmlich auf die
Maletier und die Vorrede der Agenda Ecclesiastica von 1590 (die Quelle
Hartknochs), wobei er auch die polnischen Masuren hereinzieht, meines Er-
achtens ohne Grund. Dasselbe gilt für pg. 94 seines Werkes.
Von den weiteren Quellenangaben seien als besonders wichtig erwähnt :
die Notiz des Vincenz Kadlubek (seit 1208 Bischof von Krakau, dann
Mönch), die Sudauer hätten den Glauben, daß die Seelen der ehrenhaft Ge-
storbenen in die Leiber neu zur Welt Kommender übergingen, so daß der
Tod ihnen nichts Furchtbares sei; der Bericht des ChroniconLivonicum,
die litauischen Weiber hätten sich auf die Nachricht vom Tode ihrer Manner
erhängt, in der Hoffnung, auf diese Weise mit ihnen wieder vereinigt zn
werden; die Nachrichten aus der Livländischen Reimchronik, der
Chronik des Albrecht von Bardewyk und päpstlichen Bullen, wonach
die litauischen Stämme die Kriegsgefangenen ihren Göttern zum Opfer er-
schlugen und verbrannten u. s. w. Sehr interessant sind die detaillirten
Ausführungen des Verf. auf pg. 52—88 über den bei den litauischen Volks-
stämmen verbreiteten Cultus von Bäumen, Hainen, Bergen, Steinen, Flüssen,
Quellen und Thieren, besonders Schlangen. Er erklärt hierbei, trotz des in
den Quellen vorkommenden Ausdrucks „idolum" hätten die litauischen
Volksstämme keine Götzenbilder, z. B. von Stein, besessen; idolutn bedeute
hier nur einen verehrten Gegenstand, also z. B. Baum oder dergl
Aus der im 10. Jahrh. bewerkstelligten russischen Uebersetzung der Chronik
des Griechen Johannes Malali giebt Verf. einige erst 1261 gemachte
Einschaltungen über Sovii und litauische Gottheiten, und aus der wolhy-
nischen Chronik (Latopis Ipatijewski) Notizen über den Hasengott, die Gott-
heiten Diwiriks, Andaj (nach Brückner = Gondu) und Medeine.
Wenn man vielleicht auch nicht allen Ansichten und Ausführungen
des Verf. unbedingt wird beipflichten können, so bleiben doch die „Mytho-
logiae Lithuanicae Monumentau eine außerordentlich reichhaltige und zuver-
lässige Quelle, der eine möglichst allgemeine Beachtung und Benutzung nur
gewünscht werden kann. In der Einleitung bedauert der Verf., trotz seiner
Bemühungen die „Neuen Preußischen Provinzialblätter" 1846, Bd. I. u. II.
nicht haben erlangen zu können. Das klingt seltsam.
J. Sembrzycki.
Dr. W. Ketrzyiiski, Biblioteka Wiktora Hr. Baworowskiego etc. 581
Dr. W. Ketrzyriski, Biblioteka Wiktora Hr. Baworowskiego we Lwowie
(Die Bibliothek des Grafen Victor Baworowslci in Lemberg). Lem-
berg, 1892. Sonderabdruck aus der „Teka Konserwatorska".
11 pg. Fol.
Nach den Bibliotheken der Universität und des Ossolineum zu Lem-
berg ist diejenige des Grafen Baworowski die reichste genannter Stadt,
nicht nur an Büchern, sondern auch an Handschriften, deren sie ungefähr
1000 Bände zählt. Herr Dr. Ketrzynski giebt in sehr dankenswerther Weise
in obiger Arbeit ein Verzeichniß der wichtigsten Handschriften; ich führe
daraus die für Ost- und Westpreußen werth vollen hier an.
I. Historische.
No. 25. Von der Materie, Würde, Gewichten und Proportion der
Müntzen insgemein, besonders in Polen und Preußen. Folio; Ende des
XV IL. Jahrh.
No. 34. Verschiedene auf die Geschichte der Reformation in Polen
bezügliche Schriften und Acten aus den Jahren 1535—1576. Folio, 141 Bl.
No. 42. Olivaer und Pelpliner Chroniken und Dokument«. Aus dem
Anfange dieses Jahrh.
No. 45. Kuricke, Gedanographia oder Beschreibung der Stadt Dantzig.
1643. Folio.
No. 46. Annales civitatis Gedanensis a M. Casp. Schützio concinnati,
libri HI (bis 1424). Folio.
No. 47. Dantiscana 1526—1627. Folio.
No. 70. Kurtze Erläuterung über den Abriß der polnischen Reichs-
historie in die Feder dictirt vom Verfasser Herrn D. Gottfried Lenguich
anno 1717, revidirt anno 1725. Folio.
No. 77. Briefe und Schriften von Christoph Hartknoch. 4°.
No. 92. Danziger Recesse von anno 1667—1676. Folio; 924 pg.
No. 93. Wappenbuch des preußischen Adels. Folio, 772 pg. ; X VII. Jahrh.
II. Juristische.
No. 7. Statuta ecclesiae Varmiensis (Mauritii, Joannis Dantisci, Hosii,
Cromeri, Commendoni, Theodori Potocki etc.) Inscriptiones sepulchrales
epißcoporum, praelatoram, canonicorum .... et aliorum quorundam iuxta
seriem annorum in ecclesia cathedrali Varmiensi collecta exceptis octo, quas
.edax attrivit tempus, ut legi nequeant (bis 1705). Papierhandschr. des XV IL
u. XVIIL Jahrh.; Folio. (Die „Inscriptiones41 gehörten wohl mehr in den
histor. Theil.)
No. 30. Statuta und löbliche Ordnunge von königl. Majestät Sigis-
mundo der Stadt Dantzig gegeben anno 1526. Pg. 121.
Das alte kölmische Recht. 1584.
682 Kritiken und Referate.
Kurzer und grandlicher Bericht von Erbfallen, wie es im Lande
Preußen nach Magdeburgischera, Sächsischem and Colinischem Rechte frei nnd
Gewohnheit gehalten wird nnd sonderlich, was diesfals der königl. Stadt
Dantzig Recht und Gebrauch ist, durch M. Ca*parum Schützen secretarium
daselbst zusammengetragen anno salutis 1589. Pg. 20.
No. 47. Informatio in negotio societatis Anglicanae. Folio; XVII. Jht.
J. Sembrzycki.
Dr. Nadmorskl, Kaszuby i Kociewie. Jezyk, zwyczaje, przesady, podania,
zagadki i piesni ludowe w pölnocnej cze^ci Prus Zachodnich (Ka-
8chuben und Kociewien. Sprache, Sitten, Aberglauben, Sagen, Bäthsel
und Volkslieder im nördlichen Theile Westpreußens). Posen, Cy-
bulski, 1892. 8°, 168 pg.
Der Verfasser (Nadmorski ist ein Pseudonym) verbreitet sich im ersten
Theile des Buches (pg. 6—26) über die Sprache der Kassuben; hier sind
seine philologisch-historischen Untersuchungen nicht gründlich genug. Er
hat A. Schleicher* s wichtiges Werk „Laut- und Formenlehre der Pola-
bischen Sprache'* (Petersburg 1871; 8°, XIX, 353 pg.) nicht benutzt und
scheint auch R. Cramer's „Geschichte der Lande Lauenburg und Bütowu
(Königsberg 1858, 2 Bde.) nicht zu kennen, sonst würde er aus den dort
mitgetheilten Gründungsurkunden ersehen haben, daß der Flußnamen Leba
nicht gleichbedeutend ist mit „Laba" (Elbe), und daß der Name Lauen-
burg nicht „augenscheinlich" aus Labenburg" entstanden ist, — wie er
pg. 20 (oben) behauptet u. dgl. mehr. — Der Hauptwerth des Buches be-
ruht in dem weiterhin mitgetheilten ethnographischen Material; bei den
Volksliedern wäre eine Yergleichung und Berücksichtigung von Sammlungen
aus andern polnischen Gegenden wohl zu verlangen gewesen. So kommt das
Lied No. 13 (pg. 167) „Z tarnte j strony jeziora stoi lipka zielona" nicht nur
in Kociewien vor, sondern ist z. B. im ganzen ostpreußischen Masuren sehr
beliebt, ebenso in Masovien. J. Sembrzycki.
Mittiieiliinpii und Anhang.
Zu Simon Dachs „Anke van Tharau".
V. 11. Eck wöll di falgen dörch Wöler, dörch Mär,
Dörch Is, dörch Isen, dörch fendlöcket Här.
In der* hochdeutschen Uebersetzung in des Knaben Wunderhorn, der
Form, in welcher das Gedicht jetzt allgemein verbreitet ist, ist dieser Vers
folgendermaßen wiedergegeben :
Ich will dir folgen durch Wälder, durch Meer,
Durch Eis, durch Eisen, durch feindliches Heer.
Mär ist aber nicht = Meer, sondern mnd. mär (maer) 'Sumpf, palus'. Ich
darf wohl voraussetzen, daß dies nicht allgemein bekannt ist, da z. B. auch
Georg Ellin ger in seiner Sammlung Kirchenlied und Volkslied. Stutt-
gart 1892, S. 29 keine Erklärung gibt.
Falsch ist in derselben Sammlung in V. 12 f.
Wat heffc de Löwe doch ver een Bestand,
Wor nich een Hart ös, een Mund, eene Hand,
Wer öm söck hartaget, kabbelt on schleit,
En glik den Hungen on Katten begeit?
hartaget durch „ärgert" wiedergegeben. Ebenso von H. Oesterley in seiner
Ausgabe von S. Dachs Gedichten. Wir haben hier offenbar das im Mnd.
Wb. II, 211 verzeichnete härtogen, — tagen, bei den Haaren ziehen oder
reißen. Vgl. die dort angeführte Stelle aus Joachim Burmeisters Xgtarog
7i€(faO[i£vos: ick wol mick noch wol beth haartagen Vnd streuen
als stmuende katten.
North eim. R, Sprenger.
584 Jiitth eilungen und Anfang.
Universitäts- Chronik 1892.
15. Oct. Philos. I.-D. (No. 26) von Hugo Erdmann ans Bielkenfeld in Ostpr.:
Molieres Psycho, Tragödie- Ballet, im Vergleich zu den ihr vorangehenden
Bearbeitungen der Psyche-Sage. Ein Versuch, die Quellen des fran-
zösischen Werkes festzustellen. Insterburg. Druck von J. G. Driest.
(44 S. 8.)
IB. Oct. Philos. I.-D. (No. 27) von Alfred Lentz aus Insterburg: Die Be-
ziehungen des Deutschen Ordens zu dem Bischof Christian von Preußen.
Ein Beitrag zur Geschichte der Gründung des Deutschen Ordens-
staates. Kgsbg. i. Pr. Druck v. R. Leupold. (39 S. 8.)
21. Oct. Medic. I.-D. von Emil Romey, prakt. Arzt (aus Pr. Holland): Ein
Epignathus mit cyclopoider Gesichtsbildung. Kgsbg. Druck von
M. Liedtke. (27 S. 8. m. 2 Taf.)
22. Oct. Phil. I.-D. (No. 28) v. FriU Schäfer aus Kl. Warkau: üeber d.
Einwirkung von Hydroxylamin auf Oxaläther. Ebd. (87 S. 8.)
Phil. I.-D. (No. 20) v. Bruno Thierbach aus Königsb.: üeber die
Verwendbarkeit der Thermoelemente zur Bestimmung von Erdtem-
peraturen. Kgsbg. Hartungsche Bchdr. (42 S. 8 m. I Taf.)
Wo. 127. «mtfidjea sFeräeicfyttf? beS ^erfondS u. bcr ©tubirenben bcr Ägl. Slfberm^
UntDcrfität . . . f. b. ©internem. 1892/93. ÄgSba. fcartungfcöe södjbr.
(34 <5. 8.) [104 (11 tfjeol., 7 jur., 30 meb., 51 p§U.) $oc, 5 (Srwitiem
meiftcr; 676 (126 tfjcoL, 160 jur., 232 meb., 142 pi)\l) 6tub. u. 16 311m
£öven ber $orl. ©er.]
8. Dec. Lectiones cursorias quas venia et consensu ord. medic. . . . Bern-
hardus Rosinski med. Dr. über das carcinom des uterus ad doc.
facult. rite impetr. . . . indicit Kud. Dohrn med. Dr. P. P. 0. ord.
med. h. t. Decanus
30. Dec. Med. I.-D. v. Walter Reich, approb. Arzt (aus Wehlau): Die
Laparotomie bei inneren Einklemmungen durch Ligamente. Kbg.
Druck v. M. Liedtke. (84 S. 8.)
Autoren -Register. 585
Autoren -Register.
Arnoldt, Dr. Emil, Zur Beurtheilung von Kant's Kritik der reinen Vernunft
und Kant's Prolegomena. Anhang No. 4 u. No. 5. S. 400 -446, 46B— 664.
Beckherrn. Carl, Major a. D. in Königsberg, Die Wappen der Städte Alt-
preußens. Mit 16 Taf. 248-313 Berichtigung und Zusatz 669.
Brfinlng, Dr. Wilhelm, Die Stellung des Bistums Ermland zum deutschen Orden
im dreizehnjährigen Städtekriege. I. 1—69 (Berichtigung) 212.
Ehrenberg, Dr. Hermann, Archivar in Königsberg, Recension. 670—576.
Frischbier, Hermann, weiland Rector in Königsberg, Preußische Volksreime
und Volksspiele (Schluß). 332-363.
Halller, Dr. Ernst. Professor in München, Recension. 447—450.
Lentz, Dr. Alfred, Oberlehrer in Insterburg, Die Beziehungen des Deutschen
Ordens zu dem Bischof Christian von Preußen. 364—399.
Lind, Dr. Paul von, in München, Recension. 676—578.
Reiche, Dr. Johannes, Bibliotheks - Assistent in Königsberg, Zu Johann
Christoph Gottsched's Lehrjahren auf der Königsberger Universität.
70-150.
KÄhl, Dr. Franz, Universitäts-Professor in Königsberg, Kant über den
ewigen Frieden. 213-227.
Sembraycki, Johannes, Apotheker in Tilsit, Die Schotten und Engländer in
Ostpreußen, und die „Brüderschaft Groß-Britannischer Nation" zu
Königsberg. 228- 247.
Recensionen. 451-453. 578-580. 581-582.
Seraphim, August, Oberlehrer in Mitau, Ueber Auswanderungen lettischer
Bauern aus Kurland nach Ostpreußen im 17. Jahrhundert. 317—331.
Sprenger, Dr. Robert, Oberlehrer am städtischen Realprogymnasium iu
Northeim, Zu Simon Dachs „Anke van Tharau". 683.
Tesdorpf, Dr. Willy, Oberlehrer der städtischen höheren Töchterschule in
Königsberg, Sitzungsberichte des Vereins für die Geschichte von Ost-
und Westpreußen 1891/92. 453-462.
Treichel, Alexander, Rittergutsbesitzer auf Hoch -Paleschken bei Alt-Kisehau,
Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen. 151—212.
— — Postalisches aus Preußen. 565 — 568.
586 Sach-Register.
Sach- Register.
Altprenssen — Die Wappen der Städte A.'s. Mit 15 Tafeln. 248—3(3.
Auswanderungen — lieber A lettischer Bauern aus Kurland nach Ost-
preußen im 17. Jahrhundert. 317—331.
Brannsberg — Lyreum Hosianum in B. 316. 463.
Brüderschaft — Die Schotten und Engländer in Ostpreußen, und die
„B- Groß - Britannischer Nation" zu Königsberg. 228—247.
Christian — Die Beziehungen des Deutschen Ordens zu dem Bischof C.
von Preußen. 364—399.
Dach — Zu Simon D.'s „Anke van Tharau". 583.
Deutsch-Orden s. Orden.
Engländer — Die Schotten und E. in Ostpreußen, und die „Brüderschaft
Groß -Britannischer Nation4* zu Königsberg. 228—247.
Ermland — Die Stellung des Bistums E. zum deutschen Orden im dreizehn-
jährigen Städtekriege. 1 — 69.
Frieden — Kant über den ewigen F. 213—227.
Gottsched — Zu Johann Christoph G.'s Lehrjahren auf der Königsberger
Universität. 70— 150.
Hosianum — Lyceum H. in Braunsberg. 316. 463.
Kant über den ewigen Frieden 213—227 — Zur Beurtheilung von K.'s
Kritik der reinen Vernunft und K.'s Prolegomena. Anhang No. 4
und No. 5. 400-446. 465-564.
Königsberg — Zu Johann Christoph Gottsched's Lehrjahren auf der K.'er
Universität. 70—150. Die Schotten und Engländer in Ostpreußen,
und die „Brüderschaft Groß-Britannischer Nation" zu K. 228—247.
Universitäts-Chronik. 314—316. 463. 584. — Verein für die Ge-
schichte von Ost- und Westpreußen 1891/92. 453—462.
Kurland s. Lettisch*
Lettisch — Ueber Auswanderungen l.er Bauern aus Kurland nach Ostpreußen
im 17. Jahrhundert. 317—331.
Lyceum Hosianum iu Braunsberg. 316. 463.
Sach-Begister. 587
Orden — Die Beziehungen des Deutschen 0. zu dem Bischof Christian von
Preußen 864*399. — Die Stellung des Bistums Ermland zum
deutschen O. im dreizehnjährigen Städtekriege. 1—69.
Ostprenssen — Ueber Auswanderungen lettischer Bauern aus Kurland nach
0. im 17. Jahrhundert. 317-331. — Die Schotten und Engländer
in 0. und die „Brüderschaft Groß-Britannischer Nation'' zu Königs-
berg. 228-247.
Postalisches aus Preußen. 565-568.
Preiigsische Volksreime und Voiksspiele. 332—363.
Provinzielle Sprache zu und von Thieren und ihre Namen. 151—212.
Recenslonen — Bött icher, Adolf, die Bau- und Kunstdenkmäler der Pro-
vinz Ostpreußen I. II. 570—576. — Hallier, Ernst, die socialen
Probleme u. das Erbrecht. 576—578. — Hensel, A, Masuren. Ein
Wegweiser durch das Seengebiet und seine Nachbarschaft. 450—451.
KQtrzynski, W., Bibliotheka Wiktora Hr. Baworo wskiego. 581 —682. —
P. von Lind, „Kant's mystische Weltanschauung", ein Wahn der
modernen Mystik. 447—450. — Die landeskundliche Litte ratur der
Provinzen Ost- und Westpreußen. 451—453. — Mierzynski, Ant., My-
thologiae Lituanicao Monumenta. und Co znaczy Sicco. 578 -580. —
Nadmorski, Kaszuby i Kociewie. 582.
Schotten — Die S. und Engländer in Ostpreußen, und die „Brüderschaft
Groß-Britannischer Nation" zu Königsberg. 228—247.
Sitzungsberichte des Vereins für die Geschichte von Ost- und Westpreußen.
1891/92. 453-462.
Sprache — Provinzielle S. zu und von Thieren und ihre Namen. 151—212.
Städte — Die Wappen der S. Alt-Preußens. Mit 15 Tafeln. 248-313.
Thiere — Provinzielle Sprache zu und von T. und ihre Namen. 151—212.
Universitäts-Chronik, 314-316. 463. 581.
Verein — Sitzungsberichte des V. für die Geschichte von Ost- und West-
preußen. 1891/92. 453-462.
Yolksreime — Preußische V. und Volksspiele. 832—363.
Wappen der Städte Alt-Preußens. Mit 15 Tafeln. 248—313.
-*♦♦-
588 Selbttanaeige.
Yalhingrer, H., Commentar zu Kant's Kritik der reinen Vernunft. IL Bd.
Stuttgart, Berlin, Leipzig. Union, Deutsche Verlagsgesellschaft
1892. (Vin, B68 8. gr. S)
Selbßtanzeige.
Bezüglich der allgemeinen Tendenz dieses Werkes sei auf die Selbst-
anzeige des J. Bandes desselben in dieser Zeitschr. Bd. V, S. 505 hingewiesen.
Die Aufgabe, welche sich der Verf. damals gestellt hat — erschöpfende
Analyse der Kr. d. r. V. unter Hereinarbeitung der gesammten exegetischen
und kritischen Literatur — , sucht auch dieser II. Bd. zu lösen. Die
Methode der Behandlung ist dieselbe geblieben, nur daß — entsprechend
den kundgegebenen Wünschen — mehrere größere zusammenhängende Ex-
curse eingeschoben worden sind, sowie in der Berücksichtigung der Lite-
ratur eine strengere Beschränkung auf das Wesentliche »ingetreten ist. Der
Gegenstand dieses II. Bandes ist die Transse. Aesthetik. Unter den speziellen
Besultaten glaubt der Verf. folgende besonders hervorheben zu sollen: der
Excurs über ,,die afficirenden Gegenstände" (35 —55) zeigt, daß Kant in der
That solche als ungeprüfte, aber fundamentale Voraussetzung seiner ganzen
kritischen Untersuchung annimmt; die Eliminationsversuche von Maimon,
Beck, Fichte, Cohen u. A. werden zurückgewiesen, und zugleich gezeigt,
daß Kant als solche afficirenden Gegenstände bald die Dinge an sich, bald
die Gegenstände im Baume, bald beides zugleich ansetzt, so daß Kant in
ein unlösbares Trilemma verfallt. Sechs weitere unbewiesene Prämissen
Kant's bezüglich der Unterscheidung von Form und Stoff werden S. 69 — 79
aufgedeckt. Der enge Zusammenhang des Kantischen A priori mit dem
Angeborenen wird S. 89— 101 gegen Cohen und Riehl vertheidigt. Daß Kant
bei seiner Fragestellung über das Wesen von Raum und Zeit nicht alle
möglichen Fälle berücksichtigt habe, wird, unter Berichtigung und Erweite-
rung der Trendelenburg'schen Einwände gegen Kant ausführlich S. 134—151
gezeigt. In der Erklärung der Transsc. Erläuterung (263—286) wird der
Nachweis geliefert, daß Kant in seiner berühmten Frage nach der „Möglich-
keit der Mathematik11 zwei ganz verschiedene Probleme vermischt hat, das
der reinen und das der angewandten Mathematik: es sind dies die Fragen:
1. Wie ist reine Mathematik als solche möglich? und 2. Wie ist die gültige
Anwendung der reinen Mathematik auf die empirischen Objecte möglich?
Hand in Hand damit geht ein unklarer Doppelbegriff des Apriori — Ver-
wechselungen, deren verhängniß volle Folgen für die Tr. Aesthetik und ihr
Verständniß aufgezeigt werden. Ein großer Excurs (290—326) ist dem be-
kannten Streite Fischer-Trendelenburg gewidmet; derselbe wird im Großen
und Ganzen zu Gunsten Trendelenburg's entschieden, dessen Behauptung
einer „Lücke" in Kants Beweis von der exclusiven Subjektivität des Raumes
u. der Zeit bestätigt wird. Die methodologische Analyse der Tr. Aesthetik
(329—342) hatte besonders die methodische Rolle der Mathematik in der-
selben festzustellen. Die historische Entstehung der Kantischen Raum- und
Zeitlehre ist Gegenstand eines eigenen Excurses (422 bis 436), in welchem
besonders der Einfluß des Leibniz-Clarke'schen Streites auf die Ausbildung
des Kantischen Idealismus wahrscheinlich gemacht wird; derselbe Einfluß
liegt auch dem Problem der symmetrischen Gegenstände (518—532) zu
Grunde. Die angehängte Speciallitteratur ist durch eine Uebersicht Über
die Eberhard'schen Streitigkeiten erweitert (535—540).
VierU'ljahrrachrlft f. wisst'nsclmftl. Philosophie. XVII. Jahrg. 1. Hft. 1863, S. 134—135.
Druck toxi B. Leupold, Königsberg in Pr.
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APR 4 1893
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1 1 ',
O ( APR 4 1893 ) :<s<-X,^-nj.
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Altpreussisehe Bibliographie
für 1891
nebst
Ergänzungen zu früheren Jahren.
Beilagehefb zur Altpreussischsu. Monatsschrift
"* ^Jahrgang XXIX. 1892.
Königsberg in Pr.
Verlag von Ferd. Beyer's Buchhandlung.
(Thomas & Oppermann.)
1898.
Altprenssisehe Bibliographie für 1891
nebst Ergänzungen zu früheren Jahren.
Abegg, Rieh., (aas Danzig), Üb. das Chrysen u. seine Derivate. I.-D. Berlin.
(40 S. 8.)
Abhandlungen zur Landeskunde der Prov. Westpr. Hrsg. von d. Provinzial- 0
Kommission zur Verwaltung d. Westpreuß. Provinzial-Museen. Heft II.
Alterthümer der Bronzezeit in der Prov. Westpr. u. den angrenzenden
Gebieten v. Dr. A. Lissauer. I. Die Bronzen. Danzig. Th. Bertling
in Komm. (30 S. gr. 4. u. 14 Lichtdr.-Taf. [zugleich als Festschrift
zur Begrüßung der XXII. allg. Versammig. d. deutsch, anthropol.
Gesellsch. ausgegeb.]) Baar 6.—
Hbrantottrifi, *ßfr., (Solbau, *ur ©efef}. u. xum SBefen ber ©romabfi. [$u. ©mbbf.
9?r. 6 (SBeibtatt).]
Ackermann, Friedr., Referendar am Landgericht Danzig, üb. Stockwerks-
eigen tum, insbes. nach preuß. Recht. I.-D. Götting. (53 8. 8.)
Slbolf, Jiarf ßßfeubom. f. Äarl ©elf c], bk ©djmuggferStodjter uon 9?orbernet).
5>tftor. föom. 2 53bc. flönigäberq. Wartung. (267 u. 245 ©. 8.) 6.—
flbreiHSud), tfönigSberger, f. 1891. vlaä) amtf. u. prfoatem [bireftem] Material
afgeftellt. u. contylettirt [9Ser«f Wb= u. 8ujüge] bfö «Kitte 9toü. 1890. «Reb.:
©eo. 5hirrecf. 2Rit harten ber ©tabt, ©tabtt^eater^fan u. ©amlanb. ßgSbg.
§aafenftem u. Sßogfer. (VHI, IV, 96; 371, 207 u. 10 @. gr. 8.) ©eb.
n. n. 4.50; ofjne Äarten n. n. 4. —
Ilsen, Victor, cand. med. aus Drewshof (Westpr.), ein Beitrag zur Casuistik
der primären epibulbären Oarcinome. I.-D. München. (27 S. 8.)
ftttberfrn, $räaentor (Ib., bret Xage au3 b. gugenbjeit fjriebr. II. 17. j*an. —
25. 3an. — 6. gebr. 1728. [©frgäber. b. TO.«©ef. ?ruffia im 46. $erein3j.
@. 170-188.]
Andersons, Rad., der deutsche Orden in Hessen bis 1300. Diss. Königsb.
Koch. (67 8. gr. 8.) baar 1.20.
Anheim, Alb., aus Kgsbg., Beiträge zur Keuntniß des Phenylakridins. I.-D.
Freiburg i. Br. (47 S. 8.)
Anspach, Ed., ein Fall von Atresia ani urethralis. Diss. Kgsbg. (Koch.)
(28 S. gr. 8. mit e. Taf.) baar 1.—
Htttifcmiten^iegeL $ie Wntifemiten im fiid)tc be§ (Ujriftentl)., beä ftedjteä u. ber
2Rord 1. Sfg. 3. «ufl. SXmjig. Äafemcmn. (56 S. 8.) 2. Sfg. <S6b.
(56 ©.) a -.20.
Appel, Carl, zur Entwickelung italien. Dichtgn. Petrarcas. Abdr. des Cod.
Vat. lat. 3196 u. Mitteilung aus den Handschriften Casanat. A HI 31
u. Laurenz. Plut. XLI N. 14. Halle a. S., Verl. v. Max Niemeyer.
(VHI, 196 S. gr. 8.) 6.-
— — i proverbi di öharzo in appendice alle Laudi Cortonesi. IH Propu-
gnatore Nuova Serie Vol. III. Fase. 13. 14. 1890. S. 49- 74.] Rec.
[Archiv f. d. Stud. d. neueren Sprachen u. Litt. 86. Bd. 4. Hft.
S 459-462.]
HtnW, g.r ^arabieägärtteht. WuSg. in poüt. ©pradje toon 3£. @. 2. 8ajabt)u8.
föeubr. Ägöbg. ßartung. (268 ©. 8.) 1.— geb. n. n. 1.50.
Arndt, W., Rec. [fcifc 3tfrfjr. M. $. 31. 93b. 2. §ft. ©. 378-379.]
1
2 Altpreußische Bibliographie für 1891.
•
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SUmitf , SRartfa (auS Einfallen) SRonbftrjem. flobelle. [Unfere geit. 1. £>ft.
6. 1-14. 2. fcft. S. 97-107.] Höfen, SRotoette. [&bb. 12. £ft. IL 8b.
@. 481-497.]
Kitt SüfitS Sergangenljeit. Sterter X&eil. Süfiter fieben (eit ben gret&eüsfriegen in.
(feit 1858) 2. 9(u*a. Stint. 8erf. t>. SBiöj. fiotjauft. (IV, 165 6.) 1,50.
(1-4.: 6.50.)
Babucke, H. (Kgsbg. i. Pr.)t Ostpreuß. Sprachproben aus d. Mitte d. 18. Jhdta.
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5. 66— 78.J
Badt, Georg, aas Loebau i. Wpr., kritische u. klinische Beiträge zur Lehre
vom Stoffwechsel bei Phosphorvergiftung. I.-D. Berlin. (54 S. 8.^
Baenitz, Dr. C, Leitfad. f. d. ünterr. in der Physik .... Mit 800 Abbili
auf 250 in d. Text gedr. Holzschn. u. 1 Farbentaf. 4. vb. A. Biele-
feld. Velhagen & Klasing. (IV, 154 S. gr. 8.) geb. 1.50.
t&atinfä, ©l)mn.=$rüf. Dr. 3fr., b. 3ufunft be$ gried). SpradjunterridjtS auf b. ®tpiu
naften. Vortrag, gel), üi b. XVII. Gteneratofatnlg. b. SBereinS n Se^rent fytytr.
Untrd)tSanftalten b. $roo. Oft- u. SBeftpr. &u Gängig am 19. 9Rai 1891.
ffonifr. (S. 5J. ©otteborf. (28 <3. gr. 8.) —.60.
SatI, Oberl. $rof. Dr., ©runbrifj b. Haturgef4 aller brei SReic^e ... 2., »erb. «.
geizig. O. ffi. ffiefclanb. (VIII, 312 6. gr. 8. m. $o(*|djn. u. 2 £af.)
2.— geb. 2.20.
Wissenschaftliche Mittheügn. [Schriften d. naturf. Ges. i. Danzig.
N. F. Bd. VII, Hft. 3.] Verschiedene Mittheilgn. [Ebd. Hft, 4.]
Baltzer, M., Gymn.-I^ehr. in Danzig. Reo. [DLZ No. 89.]
flauet, tveft- u. oftpreufe. Organ b. tueft* u. oftpr. ©aucnttoereinS. Heb.: fiapl.
Bug. ©$>ad)t. 9. 3g. 6 9frn. (©.) gr. 8.) Sättig. ©elbfröert. baar 1.20—
»aumbad), Äari ($anaia.), $er neuefte foflialpolit. ©efefrentnmrf. [Die Nation. 9h. 42.]
©emerfgn. j. b. jüngften ©engten ber ftabrifinfpeftoren. [ebb. 9fr. 10.]
Becker, H. (Kgsbg.), zur Alexandersage. [Ztschr. für deutsche PhiloL
23. Bd. Hft. IV. S 424-425.]
Sedf^crrn, SWajor a. 3). (ßöniafb.), ©in Stammbud) be3 Pfarrer« <£$riftopfj «IL
f$er 3>eutfd>e fcerolb. ' XXII. Kr. 3. 6. 34-87. 4° 1 ©enealogtfd>e3 unb
©iograpljifdiea in ben SReuen preufjifdjen ^roüin^al=93IättenL [tbb. 9fr. 6.
6. 82-88.]
Behrend, Martin E. Th. ans Dom. Maternhof bei Eönigsb. i. Pr. Die Ver-
staatlichung von Grund u. Boden. Entstehung der einschlägig. Lehren;
heutiger Stand der Bestrebungen u. Kritik d. Haupt-Ideen. Heidel-
berger I.-D. (Weimar) (109 S. 8°)
Seftreubt, Dr., (SmtgeS über b. Jijdjeret^erfrütmfje be* hirifcr). ftaffed. [53erid>te
b. giföerei=SBerein3 ber $romna Oft* u. SBeftpr. 1890/91. Kr. 4.] Unter-
suchungen üb. die Hornzähne von Myxine glutinosa. [Zoolog. Ana.
XIV. Jg. No. 368.]
Below, G. v., Rec. [Gott. gel. Anz. No. 8. fciftor. 3tfd|T. K. g. 30. 8b.
3. §ft. S. 543. DLZ. No. 8.]
Bender, G , ®efd). b. ftäbt. 28atfen=9lnfta(tcn fotüie Seftamcnt* unb ^(mofen^alttin^
in £ljorn. ^orn. S6d)br. „Corner Oftbtfdje 8tg." (29, VII u 12 6. 4°,
Benratb, (Kgsbg.) Rec. [DLZ. No. 29. 45. fciftor. Seitfdjr. K. %. 31. 9b.
2. oft. ©. 365 - 67.]
Berenstein, Dr. M., neue Versuche zur Bestimmung d. Residualluft wo
lebenden Menschen. Aus d. physiol. Inst, zu Kbg.) [Pflüger's Archiv
f. d. ges. Physiol. 60. Bd. 7. u. 8. Hft. S. 863-374.]
Bericht üb. d. vierzehnte Wander- Versammig. d. westpr. botan. zoolog.
Vereins zu Neustadt Westpr. am 19. Mai 1891. (114 S. gr. 8.)
— — üb. d. wissensch. Verhdlgn. d. 29. Jahresversammlg. d. Preuß. Botan.
Vereins zu Elbing am 7. Okt. 1890, sowie üb. die Thäthigk. desselben
Ältpreußische Bibliographie für 1891. 3
für 1889/90. Erstattet von Dr. Abromeit [Aus Schriften d. phys.-
ökon. Ges. 82. Jg. Kgsbg. 8. 60-96.] (87 S.gr. 4.) (W. Koch.) 1.20.
Bericht d. Vorsteheramtes d. itaufmannschaft zu Königsberg i. Pr. üb. d.
Handel n. die Schifffahrt von Königsberg i. J. 1890. Königsberg.
Härtung. (VIII,166 S. gr. 8.)
— — üb. d. Znstand der Landeskultur im Gemeindebezirk Gr.-Konarczyn,
Kreis Schlochau. [Landwirtschaft!. Jahrbb. XIX. Bd. (1890) Er-
gänzungsband IV. Berl. S. 1—20.]
be« 3fifäerei*2*erem3 b. ^rotrinjen Oft* u. Söeftyr. IRebfgirt bon Dr. 8e$*
renbS . . . 1891/92 . . . Königsberg, gebt, bei tt. ßeupolb. Kr. 1—4. 4°.
Bertllng, Archidiakonus Aug., West- u. Ostpr. Dtscher Orden. [Jahresber.
d. Geschichtswissenschaft im Auftr. d. Histor. Ges. zu Berlin. Hrsg.
v. J. Jastrow. XI. Jg. 1888. Berl. II, 240-248. XII. Jg. II, 882-390.]
Bezxenberger. Benfey, Thdr., kleinere Schriften. Ausgewählt u. hrsg.
v. Adb. Bezzen berger. Gedruckt m. Untstütz. Sr. Exe. d. königl.
preuß. Herrn Cultusministers u. d. königl. Gesellsch. d. Wissenschaltn
zu Göttingen. II. Bd. 8. u. 4. Abth. Mit Registern zu beiden Bdn.
v. Dr. Geo. Meyer u. e. Verzeichn. d. Schrftn Benfey 's. Berlin
1892 (91). (287 u. 166 S.) 20.- cplt. 42.-
— — Beiträge zur künde der in dogerman. sprachen, hrsg. v. Dr. Adb.Bezzen-
berger. 17. Bd. 4 hfte (IV, 360 s. gr. 8.) baar n. 10.—
— — Orientalische Bibliographie unter Mitwirkg. der Herren Dr. A. Bezzen-
berger, Prof, in Kgsbg. . . . hrsg. v. Prof. Dr. A. Müller. • Berl.
H. Reuther's Verlgsbchh. IV. Bd. (für 1890) (IV, 297 S.) V. Bd.
(1. Hft, 63 S.) Subscr.-Pr. a baar n. 8.—
— — Zum baltischen vocalismus. [Beiträge zur künde d. indogerm. sprachen.
XVII. Bd., 8. u. 4. Hft. s. 213-227.] Rec. [DLZ No. 35.]
Bldder, Frdr., e. Fall v. Inversio vesicae urinariae congenita. Diss. Kgsb.
(Koch.) (24 S. m. 1 Taf.) baar 1.—
SHeticit'äeirititg, ¥reu&ifd)e. Orqan b. SBieneit*üd)ter ^Brcufeen«. §r8g. ö. 3- ®. ßantfc,
fiefjrer au |>emrtd}3borf bei gfrieblanb, Ojtyt. Qaljrgang 1891. Äönigaberg.
Of^t. fltgS.* u. Sertaö.sSHucferei (IV, 200 ©. gr. 8)
Bierfreund, Max, üb. d. Verhalten d. Endometriums bei Carcinoma portionis
et cervicis uteri. Diss. Kgsbg. (Koch.) (25 S. gr. 8.) baar —.60.
Birnbacber, Gustav, drei Beobachtungen üb. Verkümmerung der obern Ex-
tremitäten. I.-D. Kgsb. (Koch.) (30 S. 8. m. 2 Taf.) baar 1.—.
ßlitfitein, Dr. M, pract. Arzt, u. Dr. W. Ehren thal, Assistent am physiol.
Instit. z. Kgsbg. i. Pr., neue Versuche z. Physiol. d. Darmkanals.
Mitgeth. v. Dr. W. Ehrenthal. [Pflüger's Archiv f. d. ges. Physiol.
des Menschen u. der Thiere. 48. Bd. S. 74— 99.J
Block, J. C , Stadtrath a. D., das Kupferstich-Werk des Wilh. Hondius. Mit
aiphabet, u. chronolog. Register sowie mit Reproduktionen nach des
Künstlers besten Stichen hrsg. Danzig, Kafemann. (III, 80. S.
Lex. 8.) 10.—.
Bludan, Augustinus. Presb. Dioec. Warm., De Alexandrinae interpretationis
libri Danielis indole critica et hermeneutica. P. I. Diss. theol.
Monasterii Guestf. (2 Bl. 79 S. 8.)
Blumenthal, Max, (approb. Arzt aus Czarlin bei Dir schau, Westpr.) e. Fall
von Porro Operation bei Osteomalacie. I.-D. Würzburg. (20. S. 8.)
Bftrnstein, Prof. Dr. B., d. Flathbewegung des Meeres und der Luft.
[Himmel u. Erde. Illustr. naturw. Monatsschr. hrsg. v. d. Gesellsch.
Urania. IL Jahrg. 1890 Hft. 5. S. 207-217. Hft. 6. S. 262-267] üb.
e. Beziehung zwischen dem Luftdruck u. dem Stundenwinkel d. Mondes
fVerhdlgn. d. Physikal. Ges. zu Berlin Jahrg. 10. S. B— 13. Meteorolog.
Ztschr. 8. Jahrg. S. 161— 170.J
Boettcher, Realgymn.-Dir. Dr. Carl, geschichtl.-geograph. Wegweiser f. d.
Mittelalter u. d. neuere Zeit. Für die mittleren u. ob. Klass. höher.
1*
4 Altpreußische Bibliographie für 1891.
Lehranstalten jeder Art, f. Seminaristen o. Studirende sowie f. Lehrer
u. f. d. Privatgebrauch. Lpzg. Teubner (XII, 372 8. gr. 8.) geb. 4.—.
©oettiiftet, «boif, 3>ie 33au= u. Äunftbenfmäier ber Vromna Dftyreufeen. §m «uftr.
b. Oftpreufj. ^roöinaiaU SanbtageS bearb. $ft. I. 3>a3 Samlanb. ÄflSbg.
Stommiffion8t»erl. b. 93 e ruf). Seifert. 2>nuf D. SRautenberg. a. u. b. X." Sic
©au* unb Äunftbenfmäler be* @am(anbe*. äfttt aa&tr. «bblbgn. (5 ©L,
143 @. gr. 8 m. £af. 1—4) 8-
Bohm, Herrn. (Graudenz), üb. cerebellare Ataxie nebst e. casnistischen Bei-
trag zur Lehre von den Kleinhirngeschwülsten. I.-D. Strassbg. (59 S. 8.)
Book, Hugo, de Davide, Israelitarum rege. Pars. I. Quaestiones criticae
et historicae in fontes habitae I. Diss. Regimonti (Lpzg., Fock) (78 S.
gr. 8 m. 1 Tab.) baar 2.— (Kgsbg., Koch) baar 1.—
üb. Die Verwendbarkeit der doppel formigen mit njlT nnd y\ anlauten-
den Namen im A. T. für die hist. Quellenkritik [Ztechr. £ d. alt-
testamenü. Wissensch. XI. Jahrg. S. 125—156].
Stawit, fjr., SMjriman. 3u3 bem 9?ad)Ia& e. SBaljnftnnigen. Stanjig, §mfh>rif.
(58 6. 8.) 1.-
Braun, Prof. H. (Königsb.), seltenere Fracturen des Oberschenkels. [Archiv
f. klin. Chir. 42. Bd. S. 107-111. m. Taf. III, Fig. 1-5.1 zur
Technik der Naht bei verschied. Operationen am Magen u. Darm.
[Dtsche. medic. Wochenschrift No. 1. S. 8—4.] üb. d. Koch'sche
Heilverfahren gegen Tuberculose. [Ebd. No. 11. S. 412—415.]
Braun. M., Ueber d. freischwimmenden Sporocysten [Zoologischer Anzeiger
XIV. Jahrg. S. 368—369] d. Schwammthiere. [Vom Fels zum Meer
1891/92. Heft 2. S. 119-124.]
$raufe*etter, ©rnft (in 8uri$, geb. j. ÄönigSberg i. $r. 2. Sunt 1863), 3bfcn,
ßenrif. bic SBübente. ©dWfpiei in 5 Äufe. ÄuS b. 9?orroegifd). übertraqen.
(108 S. gr. 16.) [Dtectam'ä Uniüerfaköibliot&ef. 9?r.2317. fieipa. 1887.] -\0.
$erf., Äaifer u. ©alitäer; tueftfjiftor. ©djaufp. *u3 b. Vorweg, übtrag.
(274 ©.) [ebb. «Rr. 2368-69. 1888.] ä —.20.
©arberg, 9(rne, SBauernftubenten. ©r^lung. 9?adj b. 2. Aufl. au* ber
„fianbSmaar, bem normeg. SSolföbialcft übtrag. ftutorif. btfdje Hu£g. $uba=
peft, 1888. Mm (378 6. 8.) 3.-
3) er f., au« ber SRännertoelt. Wuä ber „2anb8maar . . . übtrag. ©in$Kj
autorif. btfä)c HitSg. <Bbb. 1888. (271 6. 8.) 2.-
©trinbberg. Wug., ber SBater. Srauerftriei in 8 Hufe, «u« b. Scfciuebndi.
übtrag. einige autorif btfd)e. Huäg. (61 ©. gr. 16) [ffieclam'S llnio.«$ibl.
ftr. 2489. Spj. 1888.J —.20.
$erf , gräulein Sulie. föaturafiftifd>e8 Srauerft. &u« b. ©äjroeb. (Sinnige
autorif. btf«e 9tu*g. (63 ®. gr. 16) l£bb. Er. 2666. 1890.] —20.
(Stjriftianfen, (Sinar, Sötte. $ie ©efdHdjte e. jung. 9Räbd)en$. (Seutfcfc
ü @. »raufewetter ) »er(. 1890. ©a>rer. (382 6. 8.) 4 —
Sbfen, $enrif, SRoSmerSfalm. ©in 6djauftrie( in 4 Elften. £)eutfd) u ©rnfi
^raufetoetter. (111 ©. 16.) [9Ret)er'8 Eolföbüdjer. 9fr. 852. 853. Seift. 1891.
bibüogr 3nftitut.] a —.10.
Städtebilder u. Landschaften ans aller Welt. Monats -Zeitschrift.
Red. v. Ernst Brausewetter, f. den polit. Theil : Arth. Waldeck. Jahrg.
1891. 12 Hfte gr. 4. (1. Hft. 48 S. m. Illustr. u. Taf.) Zürich 1891.
Helvetia, Verl.- u. Kunstanstalt, a Heft —.80.
grauen, ftopentjagener Stubte in 1 9Ht. $on Äarl fiarfen. ©injig autorif.,
D. SBerf. buvdjgefefjene btfet). Ueberf. oon (£. ©raufemetter. [$ad SRaga^in f.
fittt. 60. Sa^rg. 9^r. 30-32.] ©mit 8ofo als bramat. fcidjter. [©efefl^
ftfaft. 5ebr.]
Brennecke, Rektor Dr. Paul, Urkunden d. Stadt Pr. Friedland, veröffentlicht.
(Progr. d. Kgl. Progymn.) Pr. Friedland. (S. 8-20. 4°.]
Brisen ke, C. G. A. (Hauptlehrer z. Danz.), Lebensgesch. zweier Rüsselkäfer
[Schriften d. naturf. Ges. in Danz. N. F. VII. Bd. 3. Hft. 1890.
I
Altpreußische Bibliographie für 1891. 5
S. 8—9.] Insekten auf Farnkräutern febd. S. 9—13.] Nachtrag zu
Bachmann's Beiträgen zur Dipteren-Fauna der Provinzen West- u. Ostpr.
fS. 94—101] einige für Westpr. od. überhaupt neue Ichneumoniden u.
Blattwespen [S. 102—1 07 J Dipterenlarven-Gänge im Erlenholz [ebd. N. F.
VII. Bd. 4. Hft. 1891. S. 27-29.] zur Kenntniß der Parthenogenesis
[Ebd. S. 29—30.] Bericht üb. e. 2te Excursion nach Steegen im J. 1889.
[ebd. S. 50-74.]
»t»fü», Dr. «., 9Ba3 fömt. ttrir au3 3orbane3 üb. Me Urfifee ber (ätottjen ent*
nehmen? [<5fä$htx. b. 3U®. «Prutfia im 46. Vereins}. 6- 41-52.]
Srftmtfcf, Dr. i'ur. 2BiHj. Don, <ßrof. in $afle, ftur ©efdj. beä @runbetoent§um3 in
£fc unb SBeftyreufeen. I. $>ie fö(mifd)en ©ttter. «erKn. »crl. t>. gr*. SBafjfen.
(VIII, 138 ©. 9r. 8.). 3.-
Brunneniann, Dir. Dr. C. (Elbing\ Jeremias Ferner. Excurs zu H. Th. Buckle:
History of Civilisation in England. Ohapter 8 Programm- Beilage
d. Realgymn. Elbing. (7 S. 8 )
»ütttter, Dr. (£. ®., Sefjrer am oriental. Seminar in »erfin, #iUf36üdjletn f. b.
erften Unterricht in b. 6ua^elts®prad)e. Sfod) für ben Selbftuntertidjt. 9?adj
ben „Swahili exercises" öon ©teere bear6. 2.r öielf. öerb. u. öerm. Slufl.
Seidig. %. D. SBeigel ftadrfolg. (VIII, 103 6. 8) fort. 2.-
Rec. [Verhdlgn. d. Ges. f. Erdkde z. Berlin. Bd. XVIII. S. 287-88.1
©ujadf, $rof. Dr., b. Limitationen b. 3lrd)to8 b. «Prob 486anbe8 im Sanbe^aufe ju
ftgäbg. [Sfcgäber. b. SUtertägef. ^ruffia im 46. SBereinSj. 6. 91-101]
e. SBeitxag f. e. SMogr. b. ©ttSminift Werte, jju 2)of)nas©d)lobitten [e6b.
@ 102—117.] bie Stosuen m. ©laäflufe im «ßruff.sSKuf. m e. «nfj. üb.
®fo3fht& to. «Prof. £ei)becf (m. £af. I. II. V.) [e6b. @. 189—193.] ein ßanb*
meljr in b. Oberförfterei «Puppen ftr. OrtelSburg (Xaf. VII) [tbb. @. 194-196.]
b. ffiefte e. SanbmefjrS bei 3oGanni3burg. [ebb. ®. 197—198.]
Stantjatt, 3o^.f be3 Triften ^itgerreife jur eitrigen (Seligfeit. (3n poln. Ueberfefcung.).
Neue «uf(. tföntgäb. fcartung (X, 245 @. 12. m. 10 Silbern) 1.—
Burdach, Prof. Dr. Konr., z. Kenntn. altd Hss. u. z. Gesch. altd. Litt. u. Kunst.
[Centralbl. f. Bibliotheksw. 8. Jg. S. 1-21. 145-76. 824-44. 433-88.]
Busolt, G.} Kallias, des Kalliades Sohn. [Philologus Bd. 50. Hft. 1. N. F.
Bd. IV. S. 86—92] zur Gesetzgebung Drakons. [ebd. Bd. 50. Hft. 8.
S. 593-400]
Capeller, Gust. (ord. Lehrer), die wichtigsten aus dem Griech. gebild. Wörter
(mots savants) der französ. u. englisch. Sprache, zsgestellt u. etymol.
erklärt. Teil III. (Progr. d. Realprogymn.) Gumbinnen. (S. 45—64 4°)
Cappeller, Prof. Carl, a Sanskrit-English dictionary, based upon the St. Peters-
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2. Ordng. od. Klasse u. der lineare Complex. (VIII, 650 S. m. Fig.)
12- (I. u. IL, 1:36.-)
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Bartsch, Prof. Dr. J., Philipp Clüver der Begründer der histor. Länder-
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b. alt. SReibenburg. SRat^aufe« (u. 1670.) (ebb. 15.] b. ©etoerterofle ber
©rob* u «leinfämiebe, Stiemer u. Xifa^ler in 6olbau (Oftpr.) ü. 19. $ej. lfiiS.
[59. 60.J b. ^rtoilegmm b. «tyot&efc $u ©olbau. [62.J b. Safjrbud) b. eMitg.
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fotttoent, $rof. Dr., Sorgef<f}idjtf. 3ft|cfieret in »eftyr. [geftgabe f. b. fcfjeifoe&mer
be« III. beutfd). Rifdjereitage« *u 2>aiqig. 3)anjig 1890. ®. 75-85. Su«*
*ug in: SRttfjlgn. b. tueftpr. fttfcbereUSSerem* 8b. III. 9fr. 5/6. 6. 81-86.]
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Taf. V) [ebd. S. 165—176.1 zwei im Aussterben begriffne Pflanzen.'
febd. Bd. VII, Hft. 4. S. 86—37.] Geschäftsber. cL westpr. botan.-
zoolog. Vereins pro 1889/90 |ebd. S. 88—41.]
[€opernicasj Favaro, Antonio, Sopra una scrittura inedita di Giovanni Keplero
intorno al sistema copernicano. Nota di A. Favaro, presentata dal
Socio Cerruti. [Atti della r. Accad. dei Lincei Serie lV. Rendiconti
Vol. VII Semestre I. Fase. 12. p. 615. — Semestre II fasc. I p. 18—24
Cordt, Benj., Johannes v. Müller's Briefe an Karl Morgenstern [Aus: Alt-
preuß. Monatsschr.j Königsb. Beyer (35 S. gr. 8.) —.80.
Cornill, Prof. Dr. Carl Heinr., Einleitung in d. Alte Testament. (XII.
325 S. gr. 8.) [Grundriß der theol. Wissenschaften bearb. v. Achelis,
Cornill, Ficker u. A. 2. Thl. 1. Bd. Freib. i. Br. Mohr.] 5.-
— — Beiträge zur Pentateuchkritik [Ztschr. f. d. alttestam. Wissensch. hrsg.
v. Bernh. Stade XI. Jahrg. S. 1—84].
Correns, Paul (Mewe in OstprA die dem Boethius falschlich zugeschrieb.
Abhdlg. des Dominicas Gundisalvi de unitate. I. Teil. Breslauer
I.-D. Münster i. W. (37 S. 8.)
CorsepIvSj Dr., Max (Königsb. i. Pr.), theoret. u. prakt Untersuchungen z.
Konstruktion magnet. Maschinen. Berlin. Springer. (VIII, 92 S.
gr. 4 m. 13 Textfig. u. 2 lith. Taf.) 6 —
Cafarf, SBiUjelm, Materialien ju (Stottfalb @t>(jramt Sefftng« §amburgtfcfcer $rama*
turgie. 9Iudfür)rl. Kommentar nebft Einleitung, intyang u. SRegiftern aigefteflt.
2. toerm. u. Derb. Aufl. $aberborn. ©d^ömnglj. (V, 485 S. gr. 8.) 4,80.
Curtze, Maximil. (Thorn) Commentar zu dem „Tractatus de Numeris Datis*
des Jordanus Nemorarius. [Ztschr. f. Mathem. u. Physik. 36. Jahrg.
Histor.-literar. Abth. S. 1-23. 41—63. 81—95. 121-138.]
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Czaplewskl, Dr. £ug.t d. Untersuchung d. Auswurfe auf Tuberkel bacillen.
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Holzsohn.) 8.—, geb. 4. —
$alcfe, Ober«@taat3antü. in (Stettin, bie Sage her ftec&tfyredjung ü6. b. Sfrage, ob u.
inwieweit b. SBorfrfjriftcn be« S>. ©SB®, üb. ©emetyrung ber SRed»tS^üUe u. bie
SBeftinummgen ber 3). ©t?£). üb. bett 3eugnifyn)ang auf &• Serfaljren in
$töcU)linarunterfu(f)ungen 9tnroenbung finben [Slrdjto f. (Strafredjt. 89. 3&fcö-
6. 248-260] b. SSegfcftaffung ber «fferuate in ©traffad)en [ebb. @. 405—409.]
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$iet<f$, Dr. ©uft., &elgolcmb. (33 <8. gr. 8.) [(Sammlung gemeinuerftbl. wtffenfdjftl.
Vorträge, begrünb. t>. SRub. 9Sird)on> u. grj. to. fcolfcenborff, IjrSg. ö. Sfhib.
»trdjohj u. mit}. SBattenbad). 90. &. 12 1. #ft. Hamburg. SJerlagSanft. u.
3)rucferei, SU©.] —60.
ft>amfd}e fiiteratur. [Blatter f. literar. Unterhaltung. förSg. to. gr. Wienemann.
9*r. 46] e. feanilaV Alma «Kater [#om ftete jum SReer. £ft. 7] jur fcolit.
Sage in Portugal [Unfere 3eit 1. $ft. 6. 68-79] b. tmrtr)fcf»aftr. Sage
3R*aroffoS [®bb. 11. $ft. @. 398-418J b. Sefuiten. [ftorb u. Süb. SBb. 58.
@. 856-375.]
Dittrlch, Prof. Dr. (Braunsberg Ostpr.), ein neu entdecktes Bild von Lucas
Cranach dem A eitern [Ztschr. i. christi. Kunst, hrsg. v. Alex. Schnütgen
1890. III. Jahrg. Sp. 825—326] spätgothische Beliquienkreuze.
(Mit Abbldg.) (in den kathol. Kirchen Ost- u. Westpr.) [ebd. IV. Jahrg.
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Doering, Walter, (pract Arzt aus Neuteich in Westpr.), e. Fall von amyo-
trophischer Lateralst erose. I.-D. Berlin. (82 S. 8.)
Dobrn, Prof. Dr. R., Geburtshilfe. [Jahresber. üb. d. Leistgn. u. Fortschr.
in d. gesammt. Medicin . . . XXV. Jahrg. Ber. f. d. J. 1890. II. Bd.
3. Abth. S. 681-695.]
%oman*t\), 2Ba(tf>er, and 3>anatg3 Sorbett $ret ©r^hmgen für 3ung u. Wt
2Jiit gttuftrat. D. 8rtQ. Senbrat. Gängig, ©ertling. (100 @. 8) fort. 1.25.
— — SRoru} fterberS ©rauttuerbung. ftiftor. (Srjä&iung aus 3)anjigö alt. Stagen
(1—24). [$ans Seitung 1890 18. ftoü. — 14. 3)ej. 9?r. 18606—18652.]
Domarus, Max von, (Schlochau) d. Beziehungen d. deutschen Könige von
Rudolf von Habsburg bis Ludwig dem Baiern zu Dänemark. I.-D.
Halle. (60 S. 8.)
Donalies, Walter, z. Lehre v. d. Hyperplasieen des lymphatisch. Rachen-
ringes. I.-D Kgsbg. (Koch.) (33 S. 8.) —.80.
Sotfaeitiitig, fanbroiru)fd)aft(td)e. §r3g.: <8en.s@etr. ©. «reif«. 28. 3g. (52 SRrn.)
9fr. 1. (4 ©. gr. 4) fjalbj. n. n. 2.
Dorner, D. Aug., Prof. in Kgsbg., Dogmatik (Litteraturbericht). [Theol.
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(21 8. 8.) Thorn gedr. bei Dombrowski.
$f*fte, $reb., D$c.f Äinbertaufe ober laufe ber ©laubigen? SBonn. ©djcrgeiiÄ.
(52 @. 8.) -.30.
$rt)gai*rf, «Ibert u. (geb. *u ÄtfnigSberg 7. ftob. 1836) in ©aalfelb a. ©., ©chatten*
biiber au$ SRufelanb Gfjarafter* u. ©itten|d)ifberungen. 9?ad) rujfifdj. Criqi-
nafen afgeftetlt. Stuttgart 1877. «ucrbaa). (VII, 196 ©. 8.) 1.80.
baSfetbe. Ecue frolge! &hb. 1877. (III, 186 ©.) lr80.
©cenen oud b. jihtgji. Crientfrtege, er^lt uon rufftfc^. ©olbaten. $ortr.
»erlht 1878. 3Kitt(er u. ©o$n. (44 ©. gr. 8.) 1.-
©über au8 b. rujfifdjen ©ofbatenleben. 9?ad) b. ©fi^en $. 3HMnontf. ©tutt*
gart, Huerbadf 1878. (VIII, 167 ©. 8.) 1.80.
baSfelbe. 9*. fr <Sbb. 1878. (136 ©.) 1.80.
$ie neusruffiföe fcattif in tfjr. gegenro. ©nttmdelung m. befonb. 93erü<ffid)L ber
fjerrfdjenb. ^uSbilbungSprincuMen nadj 3)ragomiron>, fieer, £ctt)u>fi u. anb.
neueren üueffen. ©erf. 1880. SRittfer u. ©ofnt. (XV, 266 ©. gr. 8 m.
31 eingebr. ©oljfdjn.) 5.—
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Staats -Archiven. Ein Beitrag zu d. Gesch. des russ.-türk. Krieges
von 1877—78. Deutsch bearb. Berl. Luckhardt 1880. (V, 152 S.
gr. 8.) 3.—
ie russische Armee in Krieg u. Frieden, nach den neuesten Reor-
ganisations-Bestimmungen u. and. Quellen dargestellt. Berl. Eisen-
schmidt 1882. (223 S. gr. 8.) 4.-
— — Das strateg. Kavalleriemanöver unter General Gurko im südl. Buss-
land, Herbst 1882, u. die Reformbestrebungen in der russisch. Kavallerie.
Ebd. 1883. (47 S. 8 m. 1 lithogr. Detailskizze.) 1.30.
— — Die russischen Sommerlager 1884 mit besond. Berücksicht. des Lagers
von Krasnoe-Selo. Vortr. Ebd. 1885. (98 S. gr. 8 m. 1 Plan.) 2.50.
— — SRufftfcfye Klaubereien, ©fjarafter« it. ©ittenfdjüberungen. 91adj ruft. Crig.
afgefteat. S^g. 1885. Unffab. (IV, 250 ©. 8.) 3.-
— — Masslowski (Oberst im russisch. Generalstabe), Der siebenjährige
Krieg nach russischer Darstellung. 1. Theil d. Feldzug Apraxin's in
Ostpr. 1756—57. Mit Autorisation d. Verf. übs. u. m. Anmerkgn.
verseh. v. A. v. Drjgalski. Berlin. Eisenschmidt 1888. (XVI, 359 S.
fr. 8 m. 5 Beil.) 12.— 2. Theil Der Feldzug des Grafen Fermor in
. östl. Gebieten v. Preußen. 1757—1759. Mit 4 Plänen u. 1 Schema.
Ebd. 1891. (XV, 391 S.) 12.-
ÄaleiboSfop au§ b. mthtär. Söett. ©etradjtungen u. (Srinnerungen. (Sbb. 1891.
(192 ©. 8.) 2.-
Drygalski, Dr. Erich v., Fridtjof Nansen, Auf Schneeschuhen durch Grön-
land. [Das Ausland. 64. Jahrg. No. 13 14.] üb. Bewegungen der
Kontinente zur Eiszeit. Entgegnung. [Petermann's Mittheilungen
87. Bd. S. 77-78]
$ufto, ©ufr, S3olf^mirt^fd)aftö(e^re In gemeinuerftönbl. Starftettg. 2. öerm. u. Derb.
Slufl. SBerl. §eineä SSerl. (VI, 134 ©. 12.) 1.25.
$te preuft. SSenualrungSgcfejje. (Srgän^ungdbanb : $)ie fianbgemembeorbmwg
f. b. 7 öft(. Sßrou. b 3flouard)ie tu. Ginl., erttär. Vnmerfgit. u. ©adjregifter.
Gbb. (133 ©. 16) fort. 1.25. (§ptrorf u. ©rgänagäbanb : 3.75.)
©ro&ftäbtifdje SMierfaretje [«Preufe. Satjrbb. 68. 93b. ©. 726-731. «Kit 9?a*(d)r.
b. ftebaitton. £elbrücf 8. 731-734.1
Dumcke, Julius (Königsberg), d. deutschen Faustbücher nebst e. Anhange
zum Widmannschen Faustbuche. I.-D. Leipzig-Reudnitz (103 S. £r.)
I
Altpreußische Bibliographie für 1891. 9
$«itffer, $reb. SBoIb., ber Mtarbienft in $e$ug auf bie (Sommunio, HRatutm u. $Be3=
ptx alt=reformatorifrf)en Äircfic. $rebigern u. ©emeinben et».4utlj. Stefenntniffe*
bargeboten. $ebft c. 3ußaoe &• Vafftonale. Stetig. (Öeity. Slfab. Shtdtöbfg.
[38. Araber.]) (VI, 26 ©.' gr. 8.) -.50.
Eberhard, Privatdoc. Dr. V., zur Morphologie der Polyeder. Leipzig, Teubner.
(IV, 245 S. gr. 8. m. Fig u. 2 Taf.) 8.—.
Eckerlein, Dr., Assistenzarzt d. Universitäts-Frauenklin. zu Kgsbg., z. Kennt-
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hilfe u. Gynäkolog. XIX. Bd. 1. Hft 1890. 8. 120 ff.)
Ehrenberg, Dr. Herrn , Joachim Lndw. Schultheiß von Unfried u. d. angebl.
y. Schlüter erbaute Theil des Kgsb. Schlosses (m. Abbildgn.) [Centralbl.
d. Bauverwaltg. 11. Jahrg. fto. 40. 41.]
Rec. [St)bcl§ (jiftor. 8tfcf)r. W. fr 31. ©b. ©. 128-29.]
(HdKttborff, 3o|e#j ü., $uä b. fiebcii c. £augenid)t8. ftouefle. ÄbniqSberg. 3*ert. u.
£einr. SRafc. (148 3. 16.) 3n feinem Sinbanb 1.50.
Eicfahorst, Prof. Dr. Herrn., Handb. d. spec. Pathol. u. Therapie f. prakt. Aerzte
u. Studirende. 4. Bd. Krkhtn. d. Blutes u. Stoffwechsels u. Infections-
krankhtn. 4. Aufl. Wien. Urban u. Schwarzenberg. (VIII, 750 S.
gr. 8 m. 105 Holzschn ) (a) 12.— geb. (a) 14.
— — Beiträge zur Pathol. d. Nerven u. Muskeln. Zweiter Beitr. Das
■ Verhalt, d. Patellarsehnenreflexes bei Tabes dorsualis cervicalis.
(Hierzu Taf. I ) [Virchow's Archiv f. pathol. Anat. etc. Bd. 125.
Folge XII. Bd. V. S. 25-34.1 erworbene Trichterbrust (Mit 3 Ab-
bildgn. im Text.) [Deutsch. Aren. f. klin. Medicin. 48. Bd. S. 618-618.]
Wahrnehmungen üb. d. Patellarsehnenreflex bei Tabes dorsualis.
[Wiener med. Presse. No. 20. Dt. medic. Wochenschr. No. 23.
Verhdlgn. des X. Congresses f. innere Medicin. Wiesbad. S. 872— 876.)
£ittfomi!ttnfictter*©efe$. $om 24. 3uni 1891. ÄönigSberg. Wartung. (25 S.
gr. 8.) baar —.20.
tKentt, (Staatsanwalt in Bartenftein) &ur 2lu$(egitng be« § 482 ©t.«<ß.«D. im
galle boJ>J>e(ter Unterfud)img3$aft. ISlr*. f. ©trafredjt. 39. 3g. ©. 272—275.]
Endemann, Prof. Dr. Fr. (Kgsbg.). Rec. [DLZ. No. 49.] $ie ©egner beS
$runffuc&t$gefefre3. [Ägäbg. Mg. 8tg. t». 31. 3)e^. Wr. 610]
ettgel, (Sautenburg SBeftpr.) mittelafterl. «Siegel uon dfjriftburg u. ©djoeneef in SBeftpr.
(m. 2 Hbbifbgn.) [$er $eutfd)e fcerofb XXII. SRv. 1. ©. 9-10.1
Erdmann, Osk., zu den kleineren ahd. denkmälern. [Ztschr. f. deutsche
Ehilol. hrsg. v. H. Gering und Osk. Erdmann. 24. bd. 8. 315—317.]
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Arbeiten, in b. ©Triften b. naturf. ©ef. &. 3)anjig.) [Qtoea, töatur unb fieben.
(Sentralorg. 5. SBbreitg. natuno. u. geogr. Äenntmfje . . . &räg. u. Dr. fterm.
3. Äiein. 27. 3g. IV. fcft. S. 230-238.1
Familien * Aalen ber, aagem. SRtt bem 3af)rmar!t3 * SSeraeidni. f. ©c&lef , $o(er.r
»ranbenburg, Sommern u. £ft= u. SSeftpreufecn. £r3g t>. 2Raj ©rin^ef. 1891.
4. 3g ©djiDeibnifr. $eege. (82 6. 2er. 8 m. «bbiibgn.) -.50. . . . 1892
5. 3g. (88 ©. m. 2er>Nbbübgn., 1 garbenbr. u. 1 SBanbfalenb.) —.50.
Feuerwehrmann, d. norddtsche. Oi'ficielles Organ d. preuß. Landesfeuer-
wehrverbandes etc. hrsg. u. red. v. Brandmeister Fr dr. Lenz. 9. Jg.
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gieba«, $ir. Otto, b. ?f>t)fiotogte ber Sontuiif». Seidig, &. SRcrjeburger. (106 ©.
gr. 8.) 2.40 —
Fischer, Gerh., d. persönl. Stellung u. polit. Lage König Ferdinands I. vor
u. während der Passauer Verhdlgn. d. J. 1552. Dias. Kgsbg. (Koch.
(71 S. gr. 8) baar n. 1.20.-
10 Altpreußische Bibliographie für 1891.
Flach, Johs., der Hellenismus der Zukunft, Ein Mahnwort. 2. (Titel)-Aufl.
Leipz. (1888) 1891. Friedrich. (VT, Bl S. gr. 8.) L-
Flelschmann, Prof. Dir. Dr. Wilh., le psychrometre. Tables pour calcaler
l'humidite relative de l'air des caves a fromages dressees. Bremen.
M. Heinsius Nachf. (13 S. gr. 16.) —.80.
— — Untersuchung d. Milch von 16 Kühen d. in Ostpr. rein gezüchteten
holländ. Schlages während der Dauer einer Lactation. Mitgeth. aas
d. Versuchsmolkerei zu Kleinhof-Tapiau v. Prot. Dir. Dr. W. Fleisch-
mann. Mit 1 graph. Taf. (VIII, 368 S. Lex. 8.) 10.— [Landwirth-
schaftl. Jahrhb. 20. Bd. Ergänzungsband II]
Florkowskl, C, Cons. des Stadt -Mus. in Graudenz, Ausgrabungen auf d.
Burg- u. Lorenzberg zu Kaldus, fereis Kulm, Westpr. [Nachricht üb.
dtsche. Alterthumsfunde hrsg. v. d. Berl. Ges. f. Anthrop. etc. 2. Jg.
Hft. 3. S. 37-40 m. Zeichnungen.] Gräberfeld bei Kulm, Westpr.
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Förgtemann, E , zur Entzifferung der Mayahandschriften. I. u. II. Dresden.
(R. Bertling.) (14 u. 19 S. gr. 8.) "haar a n. 1.—.
— — Zur Mava-Chronologie (mit 13 Zinkogr.) [Ztschr. f. Ethnol. 23. Jg.
Hft. IVr S 141-155.1
ftolj, £vei*frf)ii(mft). %\ii., Unleitg. u. ©toffuertcifg. f. ben WnfdjauimgSunterridjt in
ftiradjig-gemifditen (spulen. [1. u. 2. Satyr.] ^an^ig. Äafemann. (28 £.
gr. 8.) '—50
[Forster, Georg,] Beiträge z. Kenntniß Georg Forsters aus ungedr. Quellen.
Von Alb. Leitzmann. [Arch. f. d. Stud. d neueren Sprachen n.
Litteraturen. 84. Bd. S. 369-404. 86. Bd. S. »29—226. 87. Bd.
S. 120-216. 88. Bd. S. 1-46.]
Fraenkel, Dr. Carl, Prof. d. Hygiene a. d. Univ. i. Königsb., Hygienische
Rundschau hrsg. v. Fraenkel u. Dr. Erwin v. Esmarch. I. Jahrg.
Berl. Hirschwald (monatl 2 mal ca. 3 Bg 8) halbj. 10.—
— — Filteranlagen f. städt. Wasserleitungen Referat in d. 16. Versig. d.
Dtsch. Vereins f. öffitl. Gesundheitspflege zu Braunschweig v. 11. bis
14. Spt 1890. [Dtsche. Vierteljahrsschr. f. öffentl. Gesundheitspflege.
23. Bd. 1. Hft. S. 38-59.]
Frankenstein, Isid , aus Soldan (Ostpr.), Beitr. z. normal, u. pathol. Anat.
d. Praeputium penis. I.-D. Freibg i. Baden (29 S. 8.)
Franz, J., die jährl. Parallaxe d. Sterns Oeltzen 11677 bestimmt mit d.
Königsbg. Heliometer. (Sonderdr.) Köuigsbg. Gräfe & Unzer. (15 S.
fol. m. 1 Taf.) Kart, 2.50.
ftredj, ®i)mii.=£e(jr.r Integration einiger beftimmten integrale auf complerem SBegc.
(*rogr. b. Tg( (Vtymn. 5. $tfd). Ärone.) $tfd) Ärone. (5. 3—16. 4° m. 1 Saf.)
Freymuth, Dr., die Influenza in Danzig 1889/90. [Schriften d. naturf. Ges.
1. Danzig. N. F. Bd. VII. Hft. 4.]
Friedender, Ludw., Petronii cena Trimalchionis. Mit dtsch. Ueberstzg. u-
erkl. Anmerkgn. Leipzig Hirzel. (VII, 327 S. gr. 8.) 6. —
— — Rec. [Berl. philol. Wochenschr. 11. Jg. Nr. 46.]
Frischbier, H., d. Eid im Volksleben. (Sine ©nquete. [Am Ur-Quell. Mo-
natssohr. f. Volksk. hrsg. v. Frdr. S. Krauss. 2. Bd. S. 58— 59.;
Xotengebräucfc. [ebd. S. 80.] Sitte u. Brauch, [ebd. S. 11*.] Räthsel-
Geschichten. [ebd. 2. Bd. S. 151—152. 166—168. Preußische Rätsel-
Fragen, [ebd. 3. Bd. S. 34- 7]
Sa*, ©b., ftermann 5rifd)bier f. [Öet)r.=3tg. für Oft- u. SBeftyr. 22. 39. 9to. 51.]
3acobt) (3ränt.). $erm. grifd)bter f. [ebb. 23. 3g. Er. 1.]
groelid), X.f Cltjvonit b. ©tabt ©rauben*. 3rcftfd)r. 3. (Srimterg. an bie t>or 600 galjren
erfolgte Sßerleiljimg b. ©tabtredjte. ©raubenj. SRötye'jdje Sambia,. (92 3.
gr. 8.) 1.—
Froelich, Lehr. G. (Thorn), Euphorbia linariaefolia. [Schrift, d. naturf. Ges.
in Danzig. N. F. Bd. VH. Hft. 4. S. 30.J
Altpreußische Bibliographie für 1891. H
Frommer, Dr. jur., Otto, Anfange u. Entwickelg. der Handelsgerichtsbarkeit
in der St*dt Königsberg i. Pr. |Unterschgn. z. dtsch. Staats- u.
Rechtsgesch. hrsg. v. Dr. Otto Gierte. 38. Hft.] Breslau. Koebner.
(82 S. gr. 8.) 1.-.
3)ic $rbitrage*8faufel im Gtetreibeljanbel. f8tfär. f. b. gefmte. .f>MSredjt.
89. 93b. (9*. g. 24. 39b.) 3. u. 4. $ft. @. 325-374.] 2). »efe^unq be*
Wagtftratä bcr ©tabt tfönigäbcrg im 3. 1724. [SonntagSbfott 9?v. 21 bcr
tfgfcbg. ©ort. Bettung, u. 24. 9Rai 1891.]
Frühling, A., Der Masarische Schifffahrtskanal. Vortrag Mit 1 Taf.
Königsbg.
Führer durch Danzig u. seine Umgebung. Zur 38. General- Versmlg. der
Katholiken Deutschlds. [Ans: „Danzig, Festschr."] Danzig. Leh-
mann. (54 S. 12.) — Jb'\
Garbe, Richard. Aniruddha's Commentary and the original parts of Vedantin
Mahädeva's Commentary to .the Sämkhya Sütras translated by
Dr. Richard Garbe. Fase. I. II. Calcutta Asiatic Society [Biblio-
theca Indica New Series No. 782. 812. S. 1-192 gr. 8.]
(Sin bunfleS ©fatt ou§ bcr ßulturgefdjidjte 3n&tal& [SBeftermann'ö tfluftr.
btfd)e «Wonot^. 1890. 34. 3g. $b. 69. ©. 408-414.]
Qattii, $r. &axi ($rof. in ßönig$b.), b. augem. beutjdje 2Bed)fe(orbng nebft b.
©ed)felfteinj)elfteuerge|efc u. ben Nürnberger 9Jor»enen. Serlniräg. tri. e. (Sinttg.
üb. b. Sßedtfeiredjt jamt Sormularien, erlä'ut furjen 9?oten unt. ^Berürffic^tigung
ber ©nrfrfjeibgen b. SReidjSoberljbtöger. unb b. föeic&Sger. u. e. @atf)regifter
f>r$g. 2Künd>en <Bccf. (VIII, 143 ©. 16.) farton. 1.2<>.
— — die patentamtl. u. gerichtl. Entscheidgn in Patentsachen, nach d.
Reihenfolge d. Bestimmungen d. Patentgesetzes System, zsgest. u.
hrsg. 8. Bd. Berl. Heymann. ^X, 458 S. 12.) geb. 5.— (1—8:38.—)
3)eutfcf>e SRetdjSgefefre in einaefobbrüdfen. ftr. 106-142. ©iefien. G. 9?oU).
a -.20.
$ic $rüffcfers9lntU©ttauerei<ßonferena. [$tfrf). ÄofomaljeUung. 9i. fr 4. 3g.
6. 1-4.] «Rec. rSHcör. f. b. gefamte £b(*rcd)t. 39. 95b. ©. 309-313.
322-323. Centralblatt f. Rechtsw. X. Bd. S. 336. 340—42.345-46.]
6e*atte*'$, Dr. Gavl (£mü, »egweifet burd) ©amlanb. (Sin sBanberbud) für $e-
fud)er b. SamlanbcS. 8. üerm. u. uerb. 9lufl W\t Äartc. ÄönigSb. Wartung.
(VII, 103 S. 12.) 1.-
Gehrke, Paul, (Dt. Crone), das Ebert Ferber-Buch und seine Bedeutung für
d. Danziger Tradition d. Ordensgesch. I.-D. Danzig. (40 S. 8.)
ftenjmer, St. (fianbratfj, 2Harienrocrber), (Sntftefjg. u. 9ftedjt3üer$ä(tniffe b. ®ut3;
bewirte in b. 7 öftf. ^roumtaen b. ?rcuj$. Staate^, bargeft. unt. SSerücff. b. Sanb-
gemeinbeorbnnng Dom 3. 3uli 1891. Jöerlin, ©/». Buffer (VII. 102 @.
gr. 8.) 2.50.
Georgine, Sanbtuirtfyfdjaftlirfie Scitung .... 59. 3o- 3«f^rburg. (©umbinnen.
Sterbet) baar n. 5.—
©erbet, $au( .ftenrt), ©nmbflüge e. naturgemäß. 3llgcnbbi(bumj. Xübingen. ftueä.
(X, 106 @. gr. 8.) 2.— S. Besprechung u. d. T. : „e. neuer Pestalozzi"
von Dr P. Stettiner in: Kgsbg. Hartungsche Ztg vom 2. Juli 1H91.
Abd.-Ausg. — Entgegnung d. Vfs. Nr. 155 ibd.-Ausg — e. letzt. Wort
v. Dr. P. Stettiner. Nr. 159. Abd.-Ausg. — e. letzt. Wort vom Vf.
Nr. 161. Abd.-A.
Gerdeck, Walter (pract. Arzt, Rosenberg), üb. d. Bruch des Olecranon.
I -D. Berlin (32 S. 8.)
fceffc (Su^erintenbent in ©cnSburg), 9lu3 ÜRafuren. 3U* flbroefjr gegen Dr. 3afr~
aeroäti'S 9luffa&: „jur länblidjen Arbeiterfrage im Often $eutfd)lanb§".
MStoang. «emeinbebtatt 9?r. 20, ©. 115—117.]
6er&, m.t Äafenbarj Ärölero3fo*$rufefi eüang. na rof 1892. ffgäbg. Wartung. —.76.
Qerrais, Hans, pract. Arzt aus Drengfurt (Ostpr.), e. Fall von Torsion des
Samenstranges. I.-D. Breslau. (20 S. o.)
12 Altpreußische Bibliographie für 1891.
Geschichtsschreiber, Die preußischen, des XVI. u. XVII. Jahrb., hrsg. v.
d. Verein f. d. Gesch. v. Ost- u. Westpr. 2. Bd. 4. Lfg. u. 3. Bd.
I. Lfg. Leipzig, Duncker u. Hurablot. 10.60. Inh. : II, 4. Simon
Grunau's preuß. Chronik, hrsg. v. Dr. M. Perlbach, R. Philippi u.
Dr. Paul Wagner. 6. Lfg 1889. (XXIV, S. 49 *— 786.) 7.- IÜ, 1.
Dasselbe. 7. Lfg., Hrsg. v. Dr. P. Wagner. 1891. (160 S.) 3.60.
©etocrbeblatt f. b. $rou. Oft= u. SBeftpr 3g. 1891. 12 §efte (a 1*/, bi§
2 B. 4.) (ÄgSbg., flocfc.) baar 4.—
©itenaS, ffaifer ftriebrid) u. bie fiittauer; c. Beitrag &ur ©ftarafterifttf be$ (odtfef.
Ütaifer« .... tfgäbg. Gkäfe u. Un$er. (21 8. gr. 8.) baar n. -.40.
Äifffc, fceinr £bio. Wob., Dr. phil., geb. 15. 3au. 1827 $u Warienwerber, t im
$ec. 1890 *u ScubuS in 8d)fef. im 3rrenfjaufe)
— — baS SBartburgfeft ber beutjd) Stubenten in b $ftngftroodje b. 3« l8^ (&on
War, Srieblänber u. SR ob. QHfefe) Seift. 1848. BertagSbureau. (IV, 63 8.
gv. 8.) 1.—
( j gfloberne Titanen, Heine Seute in gvofc. Seit. 3 Xtyt. Seift. 1850. Srod:
f)au3. (VI, 298; VI, 214 n. VI, 348 8. 8.) 12.— 2. bur*gejc§. (%\U)
«uff. (Sbb. 1853. 10.50.
$farr=!Rö*c&en: e. 3bt)ü aus unf. Seit. 2 SBbd). Bremen 1851. S4jIobt=
mann. (171 u. 138 8. 16.) 3.—
$farrs$Rü«<d}en; e. $>eräen3gefd)id)te auä unf. Qt\t. 2., burdjgefelj. Hufl. Scipj.
1854 (»rodöautf (8 B( , 171; l 531., 143 6. 16.) 2.40.
(Saniere; e. 9Riniaturbiib au3 b. ©egenroart. 2 Bbe. Sft. 1863. Söienbrad.
(219; 242 8. 8.) 6.—
kleine 28e(t u. gro&e SBelt; e. SebenSbüb. 3 £f)le. Sp*. 1853. Broctyaua.
(VI, 231; VI, 183; VI, 160 @. 8.) 10.50.
— — 3°&A»ittö SRatfyenoro; e. Bürgermeister oon Berlin: tjiftor. Srauerfp. in 5 Hften.
(Ebb. 1855. (4 Bf.f 92 8. 8.) 1.60. - aufgenommen u. b. %.: @in Bürger*
metfter oon Berlin, ©efdjidftf. $rama in 5 Hufe. (70 8. 16.) in: ?f).
SReelanT* Unio.=Bibl. 480 33b. -.20.
— — l£f)rentempel be3 19. 3aM J m Biographien berühmter 3tgenoff. 3. 8b.
a. u. b X.: $einr. ftrbr. dar! grfjr. oom u. num Stein; ein SebenSbilb f.
alle ftreunbe ber uaterf. ©e[d). nad) b. oorfjanb. Quell, bearb. ()r3g. ü. SR. Öi[efe.
sJWit Sßortr. in $o(ftfd)ii u. Xonbrucf. ßeip*. 1855. Spamer. (IX, 127 8. 8.) 3.-
$ic beiben (Saglioftro. S5rama in 5 Slcten. £p* 1858. BroctyauS. (18SS.8.)
2.40. — aufgenommen u. b. 2 : $te beib. (Sagüofrro ob. Gin SBertffreit ber
SHaqie. $rama in 5 Mufeüg. (68 8. 16.) in: $1). ftecfam'3 Untoerfafe
Bibliotfjef. 408. 93b. -.20.
OTorty von 8arf)fen. Batcrlänb. Xrauerjpiet in 5 Sitten. Sp*. 1860. JfeiL
(IV, 140 8. 16.) 1.80.
— — Suäfcr ob. bie Demagogen. $rama in 5 Veten. Seipa. 1861. Bro<n)au*.
(VI, 130 8. 8.) 2.-
Ctto fiubiuig Brocf. Gqitylung. 2 £&(e. ®bb. 1862. (VI, 239; VI,
243 8. 8.) ' 6.-
.ftätt)d)en;c. Vornan. 4Bbe. Breslau 1864. £reroenbt (XIV, 943 ©. 8.) 12.-
$rama!ifd)e Silber auS beutfd). ©ejdjirf>te. Seipg. 1865. 93rod^au§. (VIII
402 8. 8.) 6.— (3n^.: 2^er ^o^meifter ü. gWarieuburg (1410) 9tomantifdjc#
Xrama in 4 ^ufj. — $er Burggraf o. Nürnberg (1411 — 1440.) ©efdii^tl.
3)rama in 5 2lufe. - Gin ^8ürgermeifter Don Berlin (1442—1445.) ©efdjidjtf.
Urania in 5 9lufe.)
Taffelbe. 2. 9litf{. (Srfte üoüftänb. «u«g.: 4 Dramen in 2 93bn. Seipj.187«
SRufre. (270 u. 256 8. gr. 16.) 8.—
iturfürft SRorifr ü. 8ad)fen. ©ejcftidjtl. Xragöbie. 2. ?lufl. «»eue Bearbeitung.
»retflau 1872. Xremenbt. (110 8. gr. 8.) 3.—
öifetiiu«, (£., Saqen (au.8 fiitauenj |8&g§ber. b. SUtdgef. ^ßruffia im 46. Serem#j.
8. 76-90* m. Xaf. X, XI.J
Altpreußische Bibliographie für 1891. 13
$1*6*11, (Ruft., b. gbealc b. ©ocialbemofratie u. b. Aufgabe be3 Seitaft. fticl.
fitpfiuö u. Sifdjer (40 ©. gr. 8.) 1.- W. u. b. 5:.: $cutfd)e ©dnnften für
nationales Sehen. 1. fteifje. 5. ipeft.
Rec. fD. L. Z. 2. 10.]
Goldbeck, Otto (Danzig), e. Beitrag zur Kenntnis stickstoffhaltig. Abkömm-
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Goldberg, Georg (Königsberg), z. Kenntnis der Abkömmlinge des Benzenylami-
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©*lbf*tttibt, 2., franbbud) beS £anbel$recf}t$. S. umgearb. Slufl. I. 99b. ükjd)id)t(.
liter. (Sinleitg. u. bic ©runbtefren. 1. Wbtf).: llntoerfalgefd). b. ftbl8red>t§.
1. Sfg. Stuttgart. ©nfe. (XVIII, 468 S. gr. 8.) 12.-
ßeitfärift f. b. gefamte fcanbelSredjt, f)rSg. D. ©ef>. 3uft.*SR. $rof. Dr. fi ©olb =
fdjmibt, ... 39. 93b. 9? g. 24. 93b. 4 ^>ftc. (Sbb. (VIII, 660 ©.).
— — fßefrologe: g. SWittermaier; SeroiS; S'fcifcöaucr [8tjd)r. f. b gef. ftbtSredjt.
39. 93b. 9*. g 24. 93b. ©. 261-264.] ftufafc *u bcr Slb&anbluug b. fcrn.
SRegierungSr. Dr. 9tffolter . ^Bcd^felctgcntrjum u. 28ed)felforberung [ebb* ©.481 — 434 1.
Gottberg, Benno (pr. Arzt in Lyck), üb. Augenerkrankungen bei Influenza.
I.-D. Berlin. Ebbmeyer. (2 BL, 28 S., 1 Bl. 8.)
[©ottfafb.]
$eitmüller, 5)r. gerb., ^amburgifdje 3)ramatifer $ur 8eit (SottfdjebS u. i^re
93ejiefjungen au iljm; e. Seitrag &. ©efd). b. Xljeat. u. 3>rama3 im 18. Safjrt).
3)re$ben. $ierfon. (VI, 101 ©. gr. 8.) 2.40. Erschien zuerst als Jenaer
I.-D. 1890,
Grabe, Oberstlieut. z. D. A., General-Lieut. Freiherr v. Günther u. das
Günther-Denkmal zu Lyck [aus: „Altpr. Monatsschr."] Kgsb. Beyer.
(51 S. gr. 8. m. 5 Taf. Abbldg.) 1.60.
— — milit. 3cirtritöcr au3 b. 93ergangenl). ßftpreufe. 1. bie preufi. 93o£niafen.
2. bie SotuarMft tm altpr. $eer. [9?euc militär. Slätter. #r3g. u. ©. o. ©la=
fenapp. 93b. 38. ©. 521-529. 93b. 39. ©. 37-53; 191-197; 377-391;
456—466.] $ie Xonjar^S im altpr. £eere. f©£g3ber. b. 8llt.=©ef. «ßruffia
im 46. EereinSj. @. 130-153 m. £af. XI1-XVL]
8rau, SReft. SR. g., 3efu§ u. b. Slrmut. geftrebe. . . . [9lu8: 93en)etdbe3 ©laubenS.
9*. g. XII. 93b ©. 49—66. ®üter3lo&. ^Bertelsmann. (20 @. gr. 8.) —.30.
Öut&erS $atedji3mu8 erflärt aus biblifd). Stjeologie; e. furje (Glaubenslehre.
®bb. ©. 289-304. (VIII, 112 ©. gr. 8.) 1.40. geb. 1.80.
9SBa3 bleibt t». Sllten SCeftament? «ortrag. [$. SBen>ci§ b. ©laubenS. 9?. g.
XH. 93b. ©. 138-157.] (Srfläruna. [(*6b. ©. 401-403.] $ie $emut u.
b. §errli*fcit b. Ijeit. ©djrtft. [Gbb. 6. 441-453.] Unfere 93erpfli$tuug
geg. b. lutr). Äirdje b. «er. Staaten, in 93cuig auf b. ^aftoralfyilfdüerem für
b. lutljcrifdjen ©emeinben in SRorbamerifa. [<So. ßird)en=3tg- 126. 33b. 9?o. 42.
©p. 713-717.]
fttegorobiis*, gerb., (Supljorion. (Sine 3)irf)tung aus Pompeji in 4 ©efäng. 6. 9luff.
fieipg. g. Ä. 93rorfl)au§. (151 ©. 12.) 2.40. cart. 3.-
— ' — ©ebidjte IjrSg. u. 91. g. ©raf ü. 8*acf. ®6b. 1892 (91). (XXXI, 192©. 12.)
4.— geb. 5.—
9ttf|enai'3. ©efdj. e. bt^antinifd). .ftaijerin. 3. bura^gearb. Aufl. fjr^g. u. gr,^.
SRüt)l. ®bb. 1892 (91). (XII, 279 ©. 8.) 5.-
— — le grandi monarchie ossia gl' imperi universali nella storia. [Nuova
Antologia. Anno XXVI. 3. ser. Vol. 31. Fase. 1 ]
2)re*btter, 9ltb., gerb, ©regoroüiuä' lejjte ©eftrift. ■ I3)ie ©egemr»art. 93b. 39. 92r. 22.]
Ferri, Annuncia la morte del socio straniero Ferdinando Gregorovius, e
comunica un „Cenno necrologico" del defunto Accademico. [Atti della
reale Accad. dei Lincei. Ser. IV. Rendiconti. Seduta del 17. Maggio.
Vol. VII. p. 481—484.]
Gnoli, D., F. g! [Nuova Antologia. Anno XXVI. 3. ser. Vol. 33. Fase. 12.]
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Grentzenberg, Max (Danzig), d. Spongienfauna der Ostsee. I.-D. Kiel.
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Gronau, Arthur (Schwetz a. W.), d. reifeprüfung an den progymnasien.
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Grossmann, Adolf (Berent i. Wpr.), üb. d. Behandlung der altklass. Lektüre
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Grote, Geo., über die glandulae anales d. Kaninchens. Diss. Königsb. (Koch.)
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Gruchot, Gymn. -Dir., zur Gesch. des Gymnas. während der letzten 25 Jahre.
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Grnenhagcn, Prot. Dr. (Königsb.), Physiologie. Theil I. IL [Jahresbericht
üb. d. Leistungen u. Fortschritte in d. gesammten Medicin.
XXV. Jahrg. Ber. f. d. J. 1890. I. Bd. 1. Abth. S. 194-231.]
Qtlftat>*9lb*lf»£ote, ber, für b. $rot>. s©eftpreufeeuf t>r$o. im Kuftrage b. fraityt:
bereinS b. euang. ©uft.=9lbolfs®tiftung f. b. $rou. feeftyreu&en b. Äonfifkäl
9W. «od). Sandig, Äafemann. (III,' 100 S. 8.) —.60.
Gattstadt, A. Klinisches Jahrb. Hrsg. v. A. Guttstadt. Ergänzungsband.
Berlin. Springer. 8 Mk. Inh.: Die Wirksamkeit d. Koch'sch Heil-
mittels geg Tuberkulose. Amtl. Berichte der Elliniken, Polikliniken
u. pathol. anatom. Institute d. pr. Universitäten. Mit e. Zsstellang
der Berichtsergebnisse v. Prof. Dr. Alb. Guttstadt. (X, 905 S. gr. 8.)
— 8. Bd. ebd. (VIII, 648 S. m. Bildern.) 20.— (l.-3.u.Ergänzgsbd: 63-
[ttiitijeit] $er „9kturprebiger" 3of>anne3 ©utt*eit (geb. j. ÄönigSb. 6. Äug. 1853 )
[£p*. iltuftr. 8*8- »• 25- *t>n( 1891- ^° 2495- @- 445-446 m. $ortr.J
Haase, Dr. Erich (Kgsbg. i. Pr.), z. Entwickig. d. Flügelrippen d. Schmetter-
linge. [Zoolog. Anz No. 860. S. 116—117.] Ber. üb. d. wissensch.
Leistgn. in d. Naturgesch. d. Echinodermen im J. J887. [Arch. f.
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Hamagid. Ztschr. in hebr. Spr.) Red.: Sam. Fuchs. 35. Jg. 50 Nrn.
(ca. 2 B.) F. 1. Lyck (Wiebe). baar 12.—
#ttttbbud) für b. $roo. Oftyr. 9fodjroei3 b. Staate, Vnnrinft.« u. ftommunal-
93ef)örben, beren SKttgl. .u. Beamten .... Auf ©runb amtl. Witt^igtu
5Jgefteat. 9lbgefd)(ofjen im 3uni 1891. ÄgSbg. i. ?r., Gattung. (X, 906 3.
gr. 8.) 3,50: geb. 3.75.
garber, 9lgne3, Silber aus 9Hafuren L (Sin einleitend ©ort. [$eutfc&e Stoma*
Seitmig 9?r. 37.] II. SDer berioren gegangene 9lmtSriä)ter [ebb. 9h. 38.]
Harwardt, Gymn. L. Dr. Emil Max, de Ari&tophanis irrisionibus earumque
fide et usu. Part. I. (Jahresber. d. Kgl. Gymn.) Alienstein. Harich.
(S. l-XVI. 40.)
Altpreußische Bibliographie für 1891. 15
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fieipjiflr $uncfer & $>umbfot. {X, 440 ©. gr. 8.) 9.—.
Hasse, Ernst (Bartenstein), üb. d. Dual bei den attisch Dramatikern. Beil.
z. Gymn. Progr. Bartenstein. (25 S. 4°.)
— — artikel and pronomen des dnalis beim femininum im attischen dialect.
[Neue jahrbb. f. philol. u. pädag. 148. bd. 6. hft. 8. 416-418.] z. griech.
Schulgramm. [ztschr. f. d. Gymn.- Wesen. 45. Jg. d. n. F. 25. Jg.
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m. «bbtlb.) 99raun8bcrg. $M)e —.50.
Hecht, Benno (Kgsbg) Berechnung d. Axenelemente e. triklinen Kryetalles
aus d. sechs Winkeln, welche von vier Flächen gebild. werd., von
denen nicht drei in einer Zone liegen. [Neues «Jahrb. f. Mineral.,
Geol. u. Palaen otol. VII. Beil. -Bd. 4. Hft. S. 488-496.J
$eibfelb, Marianne, SReife=@rinnerungen au8 Wegtjpten unb $a(aftina. 2 Vorträge.
Stotiflig, ßafemann. —.50.
Heimat, Westpr. Beiträge z. Gesch. u. Landeskunde Westpreussens. 1. Gesch.
d. Stadt Danzig. Von Hans Wistulanus (pseud. f. Dr. B. Leh-
mann). Dan zig, Dr. B. Lehmann'sche Buchhdlg. (98. S. kl. 8.) 1.—
Heinemann, Oberl. Emil, üb. thermische Nachwirkgn. von Zinkstäben. Beil.
z. Gymn.-Progr Lyck. (26 S. 4.)
Helnicke, Guilelm. de Ciceronis doctrina cmae pertinet ad materiam artis
rhetoricae et ad inventionem. Diss. Königsbg. (Koch.) (106 S. gr. 8.)
baar n. 1.20.
Heisralh, Stabsarzt Dr. (Kgsbg.), z. operativen Behandig. d. Ptosis. [Berl.
klin. Wochenschr. 28. Jg No. 8. S. 58-59.]
Helm, Otto, diverse Mitthlgn. [Schriften d. naturf. Ges. i. Danzig. N. F.
Bd. VII. Hft. 4. S. 34-35.] Mittheilgn. üb. Bernstein. XIV. üb. Ru-
mänit. XV. üb. d. Succinit u. die ihm verwandten fossilen Harze.
[Ebd. S. 186-203.]
Hennig, Dr. Arth. (Kgsbg.), üb. d. Wirkung des Salipvrins bei d. Influenza.
[Allg. medic. Centralztg. Oftpr. 3tg. ü. 27. ftou. 93eil. ju sJ*r. 278.J
z. Heilung rheumat. Krankhtn., mit bes. Berücks. des Salipyrin.
[Dtsche. medic. Wochenschr. No. 85—38.]
Herbart's Joh. Friedr., sämmtl. Werke. In chrono^og. Reihenfolge hrsg. von
Karl Kehrbach. (In ca. 12 Bdn.) 4. Bd. Langensalza. Beyer & Söhne.
(XVII, 622 S. gr. 8.) 5.—.
— — sämmtl. Werke hrsg. v. G. Hartenstein. 2. Abdr. 10. Bd. Schriften
zur Pädagogik. 1. Thl. Hamburg. Voss. (XX, 503 S. gr. 8.) a 4.50.
— — päbagogijdje 6d)viftcn; m. .fterbartö 93iograpfjie f)r§g u Dr. gr. SBart&ofomät.
5. %luf£.r neu bcarb. u. in. erläut. Wnm. üjefj. ü Dr. (S. o. Saflroüvf. 2. $ib.
(VIr 462 e. gr. 8. m. 2 Sab. u. 1 £af.) [SBibliottyef päbagog. ftlaffifer . . .
§r$g. d. grbr. Sftann. 9. 93b. Sangenj al\a. Setjer & Söfjne.] 3. — geb. n. n. 4.— .
— — päbagogtfdje (Sdjriften; m. e. $arfteHg. u. 5Jeurtf)etlg. b. etfjifd). «• mctap^.=
pftcfyoloa. ©runblagen ber ?äbagogit fterbartS ucrjef). ü. £tytfel)r. 3 3°f- ^öolff.
(1. SBb. VIII, 474 @. 8.) [Sammlung b bebcutbft. päbagog. vSdjrift. au« alt.
u. neu. 3t., m. 93iogra})fjv Grläutergn. u. erflär 9Inm. l)r*q. ü. DD. Weg.* u.
©d}ulrätf)en 93. 8d)ul^ g. ©anfen u. Stabttf r. ©ciftl. SR. 91. Äetter. Üfg. 38-47.
«ßaberborn. %. Sdjöning. a —.24.) 1. 93b. cplt. 2.80.
allgem. prakt. Philosophie. 3. Ausg. Hamb. Voss. [VJII, 212S.gr. 8.) 2.— .
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richts; e. Beitr. z. Kritik d. formal. Stufen Zillers u. z. Verständigung
üb. dieselben. 2. erw. Aufl. Langensalza. Bever & Söhne. (VII,
120 S. gr. 8.) 1.60.
Haeger, Aug., Lotzes Kritik d. Herbartisch. Metaph. u. Psychol. I.-D.
Greifswald. (88. S. 8.)
16 Altpreußische Bibliographie für 1891.
Hostlnsky, Prof. 0., Herbarts Aesthetik, in ihr grundlegend. Teilen quellen -
mäss, dargest. u. erl. Hamb. Voss.' (XXV, 136 S. gr. 8.) 2.40.
miiütx, $., b pji)d)ol. (Srtfefjg.; j. öOjci^r. $obe8tage fcerbartS. [$>a§ SRagaj. f.
fiitt. 60. 3g. SRr. 88. '©. 526-528.]
Thilo, Chr. A., üb. d. zweite Buch der allg. prakt. Philosophie Herbart's.
[Ztechr. f exakte Philos. Bd. XVIU. S. 1-30. XIX S. 241-272 |
Velovan, Stefan, d. psychol. Begründg. d. elementar. Denkthätigkeiten im
Rahmen der Herbart'sch. Wechsel wirkg. d. Vorstellgn. [ebd. Bd. XVIII.
S. 272-296.]
©otßt, ©em.-$ir. 06., bte «ebeutg. b. ©erbortfd). ^äbagogif f. b. 33olf3fd)ule ©djöne*
bccf. föeumetfter. (82 S. gr. 8.) 1.20.
Wiget, Theod., Pestalozzi u. Herbart. 1. Teil. [Jahrbach d. Vereins f.
wissensch. Pädagogik 23. Jg. S. 196—302] auch als Leipziger I.-D.
Dresden. Bleyl & Kaemmerer. (141 S. 8.)
Herdbuch, westpr. ; im Anftr. d. Herd buch gesellsch. f. Züchtung v. Hollän-
der Rindvieh in Westpr. hrsg. v. P. Wolff. 1. Bd. Berlin. Parey.
(366 S. gr. 8 . m. 1 färb. Karte.) 3.—
$cr*et,$ ©ämmtl. Söerfe. £r«g. r.. »ernf>. ©upfjan. (3n 82 $bn.) 5. ©b. $crl.
SSetbmann. (XXXI, 732 ®.) 9.- «u% auf ©djreibpap. 14 —
Serfe, fjrög. ü. Dr. @ug. Äütjnemann. (5. »b. 1. Hbtl). LI, 265 S. m.
1 »üb u. 2. H6tlg. ©. 267-575 m. 1 ®tlb.) [$eutfäe 9?attona(.fiitterot.
ftiftor. frit. «u$g .... fn*3g. ü. 3oj. ßürfdjner. fifg. 687. 688. 693. 691.
699. 700. ©tuttg. Union, baar a — 50. J
— — 3)cr Gib $arf) fpan. SRomanften bejungen. SBeforgt ü. Ä. ftotbermamt. Berlin.
ffleut&er. (116 ©. 12°. m. SBitbntä) [ÜWeifterroerfe b- btfc^. fiitt. in neu. «ufc
roafjl u. 93earb. f. f)ityere Sefjranftatten 12. Stodj.] -50
2)er Gib . . . IjrSg. ü. ?rof. Dr SUb. fcamann. (XV, 136 ©. 12.) [Seubner'S
©ammlg. btfd). 2)id)t.5 u. ©djriftrofe. f. l)öfj. Södjterfäul. . . . ijräg. ü. ?rof.
Dr. ©. S3ornt)of. 10. SBbdj. fietyjig. Xeubner.] cart. -80.
— — $almb(ätter. (Srtcfene morgenlänb. 3Rärd)en u. (tr$älj(gn. f. b. 3"8^- $on
— — u. Ä. 3. SiebeSfinb. ftrSg. m. (Sinleitg. u. (Srlä'utergn. u. ätealgtmm.*
Ober!. Dr. 0. §ellingf)au3. 9Rit 7 SBoUbtCb. in ftarbenbr. (VIH, 248 3.
gr. 8.) [SlWenborff'ä $ra$tau3gb. niertljboller Sugenbjcfjriften. 3. »b. SKünftcr
i. 9B. ttftfjenborff.] fart. 3.75.—
— — et Liebeskind. — Contes et paraboles tires des Feuilles de palmier,
de Herder et Liebeskind. Annotes par M. B. Levy. 4e e"d. Par. h'br.
Delagrave. (XII, 148 S. 12.)
©riefe an Saooter. I. II. mitgeteilt ü. £einr. JJuncf. [©eil. *. ?lflg. 3*9*
»etl.s9h. 264. 265.J
$ütt(et fteinr., $ur ©oetljeforfdjung. 9?eue JBettr. Stuttgart. 3)t[dje. SkrfagSanjtolt.
(VII, 436 ©. 8.) 6 — (4. Herder und der junge Goethe in Straßburg.)
Ellas, Jul. (München), e. Schreiben Herders an J. P. Fr. Richter. [Viertel-
jahrsschr. f. Litteraturgesch. IV. Bd. S. 167. 168.]
Statt}, $Rcalgt)mn.s$)ir. Dr. 9t., §erber3 Seben u. SBerte [SSeHjagen
n. ßlafing'S ©ammlg. btfdjer. ©d)ulau§g.f f>r$g. ö. ßberl. Dr. 3. 2Bi)d}arain.
48. Sfg. Siefefelb. fcetyagen it.* Älafing J
£erbcrf)au* in 9flol)rungen. [S3om gel« aum 3Keer. 1891/92. ber ©ammler
©. 48. m. Slbbübg.]
Äiefcr, §. (©tfenaa^), üb. .^erberS nationale ©ebeutung. Sortr. [$)tfd^.'eoang.
«Blätter. XVI. 3g. 12. $ft. ©. 789-810.]
Äöfc, ©eminaroberl. Dr. ph. ii}., bie päbagogifdje Sebeutung §erberä. 2eipj.
3.=$. 3Salbenburg. (99 ©. 8.)
Äronenbcrö, ÜKor.f ^erber« ^ilojo^. ©ebi^te. [3)ie Nation. 8- 3g. 9h. 21.
©. 327-330.J
LSngin, Thdr . die Sprache d. jung. Herder in ihrem Verhältn. z. Schrift-
sprache. Beitr. z. Gesch. d. neuhochdeutsch. Schriftsprache. Diss
Tauberbischofsheim. Leipzig. (G. Fock.) (109 S. gr. 8.) baar n. 1.50*
Altpreußische Bibliographie für 1891. 17
Pawel, J. (Währing bei Wien), ungedruckte Briefe Herders u. seiner
Gattin an Gleim. [Ztschr. f. dtsche. philol. 24. bd. hft. III. s. 342-068.
25. bd. hft. I. s. 36-70.]
gering, ©efunben. ©emcübe o. Bbolf gering. Eon 2. $. [Scipj. itt. 8tg. 93b. 97.
Sßr. 2523. ©. 496-497 mit «Hb.]
Hermann, Prof. Dr. L., Beraerkgn. z. Vocalfrage. (Au» d. physiol. Inst,
zu Kgsbg. i. Pr.) [Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 48. Bd. 8. 181-194.]
d. Uebertragung d. Vocale durch d. Telephon u. d. Microphon. [Ebd:
S. 543— 5737] üb. d. Prüfung v. Vocalcurven mittels d. König'schen
Wellensirene. (Vorlauf. Bericht.) [ebd. S. 574—577.] zur Theorie
d. Combinationstöne [ebd. 49. Bd. S. 499-518.] Beiträge z. Kenntniß
d. elektrisch. Geschmackes. Nach Versuchen v. S. Laßerstein, cand.
med., mitgetheilt .... [ebd. S. 519—538.] üb. Rheo-Tachygraphie.
Ein Verfahren zur graphisch. Registrirung schneller elektrischer Vor-
gänge [ebd. S 539— 548.] Referat üb. Physiol. d. Bewegung, d. Wärme-
bildung u. der Sinne. [Jahresber. üb. d. Fortschr. d. Anat. u. Physiol.
XIX. Bd. Lit. 1890 2. Abth. S. 12—141.]
Hermenau, Leop., Beitr. z. Kenntnis d. akuten Encephalitis. Diss. Kgsbg.
(Koch) (39 S. gr. 8.) baar —80
Herweg, Otto, Gymn -Oberl., Kleinigkeiten aus d. math. Unterricht. II. Teil.
Konstruieren. (2. Hälfte.) [Beil. z. Oster-Progr. d. Gymn.] Neustadt,
Vi pr. Brandenburg & Co. (14 S. 4. m. Taf. IV.)
Heubach, Hans (Dt. Eylau W. Pr.)2 Beiträge z. Kenntnis d. Haloidverbindgn.
d. zweiwertigen Zinns u. ihrer Doppelverbindgn. Erlangen. I.-D.
Konitz. Wpr. (19 S. 8°.)
$et)betf, $rof., b. GHaSflufe u. leine ©nttmcfelimg biö jum 12. 3af)rl). |©&g8bev. b.
Süt.s®e|. ?rutftn im 46. Skremäj. <S. 192- 193.]
Hubert, D , u. Hurifitz, A., üb. d. diophant. Gleichungen vom Geschlecht
Null. [Acta mathematica. 14:3. S. 217—224] üb. d. reellen Züge
algebraischer Curven. [Mathem. Annalen. 38. Bd. S. 115—138.] üb.
d. stetige Abbildg. einer Linie auf ein Flächenstück, [ebd. 38. Bd.
S. 459—460.] Vortr. üb. d. stetige Abbildg. einer Linie auf e. Flächen-
stück (Referat) [Verhdlgn. d. Ges. dtsch. Naturforscher u. Aerzte.
63. Vslg. zu Bremen. IL Thl. Leipz. S. 11-12.] üb. d. Theorie d.
algebraischen Invarianten. [Nachr. v. d. Kgl. Ges. d. W. u. d. Georg-
Auz.-Univ. zu Göttingen. No. 7. S. 232-242.1
Hilbert, Dr. Paul, Assistenzarzt, Aus d. Kgl. med. Univ.-Poliklinik zu
Kgsbg. i. Pr. Ueber traumatische Meningitis tuberculosa, Vortr
[Berl. klin. Wochenschr. 28. Jg. No. 31 S. 765-767.]
Hubert, Dr. Rieh, (in Sensburg), e. seltener Fall von Brücken-Colobom der
Iris. (Mit 1 Zinkogr.) [Arch f. pathol. Anat. u. Physiol. Bd. 123.
Hft. 2. S. 371—372!] e. Fall von reeidivirender Skleridis. [Memora-
bilien hrsg. v. Fr. Betz. N. F. 10. Jg. 3. Hft.] zwei Fälle von Ery -
thropie bei intacten brechenden Medien. [Klin. Monatsblätter f. Augen-
heilkde. hrsg. v. W. Zehender. 29. Jg. Novbr.]
Himstedt, Dr. A., ord. Lehr., üb. Singularitäten algebraischer Kurven. (Beil.
z. Progymn.-Progr.) Löbau Wpr. Hoffmann. (24 S. 8. m. 2 Taf.)
Qipptl u. b. ^rauenfrage. [3JMmd). Mg. Qtg. Beil. 511 $r. 26.]
Hippel, Prof. Dr. A. v. (Kgsbg.), e. Fall von erfolgreicher Transplantation
d. Hornhaut [Berliner klin. Wochenschr. 28. Jg. No. 19. S. 466—467.
Referat im Centralbl. f. med. Wissen seh. No. 25.]
Qipptl, &arl &., $cr 9?irentönig. Gtne Stvcmbgefd)id)te. Bresben u. fieipjtg.
1892 (91.) (S. $ier|on. (86 S. 8.) 1.-
fyipptl Dr. jur.. <ßnucttboc. fRob. b., (geb. $u ftöntgftb. 8. ^uli 1866) die kor-
rektioneile Nachhaft. (124 S. gr. 8.) [Abhdgn. d. kriminalist. Semi-
nars zu Marburg, hrsg. v. Frz. v. Liszt. 1. Bd. 3. Hft. Freiburg i. Br.
1888. Mohr.] Subscr. Pr. 2.40. Einzelpr. 3.-.
18 Altpreußische Bibliographie für 1891.
Hippel, Dr. jur., Privatdoc, Roh. v., die Thierqualerei in d. Strafgesetzgebung
d. In- u. Auslandes, histor., dogmat. u. krit. dargestellt, nebst Vor-
schlägen zur Abänderung des Reichsrechte. Berlin. Liebmann. (VIII,
198 S. gr. 8.) 6.—.
Hirsch, Prof. Dr. Aug., Jahresber. üb. d. Leistgn. u. Fortschr. i. d. ges.
Medicin. 25. Jg. Ber. f. d. J. 1890. Berlin. Hirschwald. 37.—.
— — Jahresber. üb. d. Leistgn. u. Fortschr. in d Anatom, u. Phvsiol . . .
Unt. Special-Red. v. Aug. Hirsch. Ber. f. d. J. 1890. Ebd. (III,
231 S.) 9.5s».
— — Vierteljahrsschrift, deutsche, f. öffentl. Gesundheitspflege ... 28. Bd.
Braunschweig. Vieweg & Sohn. (X, 830 S. gr. 8. m. 2 Taf.) 9.70.
c. SBcitr. £. Äulturgejd)id)te b. SfötttelafterS. (9Rit ©cj. auf Äoteimann, bic
©efunbfjeitäpflege im Mittelalter. Hamburg u. Spj. 1890.) [3Me Nation. 8. 3g.
9h\ 30. S. 469—470.]
Hirsch« Ferd., II ducato di Benevento sino alla caduta del Regno Longo-
bardo per Ferdinando Hirsch. Traduzione di M. Schipa. Roma,
Torino, Napoli 1890. L. Roux e C.
— — Mittheilungen aus d. hist. Litt., hrsg. v. d. hist. Gesellsch. in Berlin
u. in deren Auftr. red. v. Dr. Ferd. Hirsch. XIX. Jg. 4 Hfte. Berlin.
Gärtner. (VII, 376 S.) 6.—
3>er große Äurfürft u. bie SUtftabt Wagbebnrg bid $um 3- 1666. [gorfdumgn.
$. $rbbg. u. ^reufe. @efö. 5R. ft. b. „SRärtiid). 3t>rfd)ungen bed «erein* für
@eftf>. b. Watt «ranbenburg". IV. 93b. 2. §ä(fte. Seingtg. 6. 491-527.]
Rec. |Mitthlgn. a. d. hist. Litt. XIX. Jg. S. 47. 58-59. 70-71.
1C8-110. S. 124-25 138-40. 172-73. 173-79. 201-7. 250-261.
803—306. 326—827. — Wochenschr. f. klass. Philol. 8. Jg. Nr. 5. -
fctftor. 8eitid)r. 31. $b. 867-369.]
$t*M)» grana, Scfjorer'ö ftamilienbtatt. (Sine ifluftr. 8citfcör. Sieb.: Dr. grj. §iridj.
12. ©b. 3g. 1891. SBerlin. Scftorer. Viertel jä^rl. 2.- in 18 §ftn a n. -.50
$afje(be Saton=9lu3g 6. 3g. 1890/91. 14 fcefte gr. 8. (1. §eft = 116 S. a -.75.)
Hirsch, J. (aus Gollub, Westpr.), e. Beitr. z. Chirurgie des Occipitalhirns.
I.-D. Würzburg. (45 S. 8.)
Hirsch ber g, Leop., e. Frucht m. angeborenem Hydrocephalus u. Mißbild gu.
d. Gesichts u. äußeren Ohres. Diss. Königsb. i. Pr. (Koch.) (19 S.
gr. 8. m. 1 Taf.) baar n. —.80.
Hirsch fei d, Prof. Dr. Gust, e. neues Symptom für d. geistige Bewegung
der Neugriechen. [Berl. philolog. Wochenschr. 11. Jg. No. 22.
Sp. 675-76 u. 701.J Qur ferinnerung an Otto XifcWer [flget^.
9111g 8*9- 92r 295. vgl.Correspondenz-Rl. d deutsch. Gesellsch. f. An throp..
Ethnol. u Urgesch. XXII. Jg. No. . S. 57 — 60.] Nfxtj tov ätivo;.
Ein epigraphisch-theolog Exkurs. [Phiiologus Bd. 50. S 430— 4S5.J
tlntife öttibtebilber im £üben ÄfeinaftenS. [^albmona tiefte ber beutfdj 3hmfc
Jdjau. 9fr. 17 6. 395—399.] 3ur praft. ©eftaltung bed geogt. Unterr. an
Gtymnafien. [8eitjdn\ f. @4uU©eograpf»'e ijr&g. d. «. @. Seibert. 12. 3$.
9. u. 10. jpft 6. 287-241.] nodj einmal ber erbfunblidje Unterricht [ebb
©. 241-246.] Rec. [Gott. gel. Anz. No. 6. $tfae. Shmbfd). 17. Jfo.
93b. 6». S. 474-476. Berl. philol. Wochenschr. XI. Jg No. 13. 31 dt
42-44. DLZ. No. 21.]
Hirschfeld, Prof. Dr. Otto (Charlottenburg), inscriptiones Orientis et Dlyrici
latini. [Corpus inscriptionum latinar., consilio et autoritate Acad.
litt. reg. boruss. editum Vol. III, suppl. II. Fase. II. Pars III.
Dalmatia. 8 1472-1667.] die Flamines perpetui in Africa. (Hermes.
26. Bd. S. 150- 152.J die Sicherheitspolizei im röm. Kaiserreich.
[Sitzgsber. d. kgi. pr. Ak. d. W. z. Berlin 39. 40. S. 845-877.J
$obred)t, 3)?ar, $Bit(anb*ort 1275. [Sa&eim. §r$g. x>. 3$. $. ^anteniu«. 27. 39.
9fr. 42-49.]
Altpreußische Bibliographie für 1891. 19
gtyfitet, STjercfe (aus Stetig, lebt in 9*om), 3Rr. 3faac3. (Sine (Sr^ä^ff]. 9(u§ b.
heutigen Snbien Don ft. SWarion ßrafoforb. Shitortf. llcberf aud b. öugl.
b. £fj. Döpfner. [<pr. 3a£)rbb. 68. $b. 2-6. $ft.] i Castelli Romani
I— III m. BbbUbgn. [SBeftermann'a tttüftr. beutle 9Ronatai)efte. 35. So^rg.
70. $b. $ft. 416-418.1
$offfjeiit|, 3forftmeift. .$., e. UMerjagb in SRafuren. [93om ftete gum 3flcer. 1891/92.
$ft. 2. @. 171 - 172.1 d. Sammig. v. Vogelflügeln als ornithol. Lehr-
mittel. [Journal f. Ornithol. 39. Jg. Hft. 4. S 106—110.]
Hoffheinz, üb. d. Behandig. v. Uterusrupturen nebst Beobachtung. Vortr. . . .
[Dt. medic. Wochenschr. 17. Jg. No. 22. S. 738-740.]
£offtnann, ©. $f>. «., 25a3 Majorat, Gvääfjfg. (80 @. 8°.) [»ibliotfjef b. ©efamt«
«ttt. b. 3n* u. SluSl. 9fr. 487. (m. SMlbn. b. 8erf.) fcafle a. 6. $enbel.] -25.
Profile, ©. gut e^renrettung ©rnft Xf). SBittj. $offmannft. ßDie ©renkten.
,50. 3g. 9fr. 3. I. S. 12 i- 128.]
Hoffmann, ord Lehr. Dr. Friedr., üb. d. Entwicklung d. Begriffs der Gram-
matik bei den Alten. [Progr. d. Kgl. Friedr.-Kollegiums] Königsberg.
Härtung. (S. 1—18. 4°.) (Gräfe & ünzer.) -80.
Hoffmann, Dr. Otto, Privatdoc. (Königsbg.) Die Griechischen Dialekte in
ihr. histor. Zusammenhange mit d. wichtigst, ihrer Quellen dargest.
1. Bd. Der süd-achäische Dialekt. Göttingen. Vandenhoeck u.
Rnprecht's Verl. (XVI, 344 S. gr. 8.) 8.—
Holder -Kgfrer, 0., üb. d. histor. Werke des Johannes Codagnellus von
Piacenza. II. [Neues Arch. d. Gesellsch f. ältere dtsche. Geschichtskde.
16. Bd. 3. Hft. S. 473— 5H9.] zu den Gesta Abbat um Fontanellensium.
[ebd. 3. Hft S. 602—606.] zu den gefälschten Livin-Versen. [ebd.
S. 623.] üb. d. Braunschweiger u. sächs. Fürstenchronik u. verwandte
Quellen, [ebd. 17. Bd. 1. Hft. S. 159-184.]
$ol$, flrno (in ©erfin, geb &. ftaftenburg 26. 9tyr. 1863),
Älingtn^cr^. 1882 (?) [cf. Äürjd)ner3 beutfaVfiitt.'Äalenb. 1892.]
u. CScar 3erjd)fe, beutle SBcifen. SBerf. 1884. $arriftu§ (VI, 208 ©. 8.)
cart. 3.—.
(Smanuel ©cibcl; e. ©ebenfbud). &bb. 1884. (XII, 356 ©. 8.) geb. nt.
©oibfdjn. 4.—.
3)a« ©ud) ber 3eit. fiieber eines SRobernen. ^iirtd) 1886. 93ert. = 9Ragaa.
XVr 430 6. 8.) 5.-.
— — SJjarne ?. ©ohnfen. (?) [nad) Ätirfrfjner.J
$apa ^amlct, 9?oocöe (mit go$«. ©d)(af) 1889 (?) [nad) Äürfdjner.]
— — u. Johs. Schlaf, die Familie Selicke, Drama in 3 Aufz. 1. u. 2. Aufl.
Berl. 1890. (XVI, 94 S. 8.) 2.— 3. Ausg. 1891.
$aj>irene $affion, SRoüetle (m 3of)3. Schlaf) 1890 (?) [nad) Äiirftfjner.]
— — Die Kunst, ihr Wesen u. ihre Gesetze. Berl. 1891 (90). Issleib (V,
156 S. 8.) 3.50.
Holz -Zeitung, preussische. Fachbl. f. Holzhandel, Holz-Industrie u. Holz-
kultur. Red.: Louis Beerwald. Jahrg. 1891. ca. 52 Nrn. (a 1— l1^ B.)
Fol. Königsberg. Expedition, baar 1.25.
Hossenf eider, Oberl. Emil, üb. d. Reihenfolge gewisser Grenzoperationen
in d. Intregalrechnung. Wissensch. Beil. zum XVII. Jahresber. d.
kgl. Gymn. zu Straßburg i. Wpr. Leipzig. Teubner. (27 S. 4.)
$isfcti4), Dr jur. Gb., b. SRedjt ber C££)efd)eibung in $>eutfd)(cmb. W\t e. $onu. ü.
$rof. Dr. $QU. 3orn Berlin. Otto fiiebmann. (288 8. gr. 8.) 8 9K.
Huebner, Oberl. Ed., üb. d. Umformung unendlicher Reihen u. Producte
m. Beziehung auf elliptische Funktionen. (Ber. d. Krieiph. Stadt-
Gymn.) Königsberg. (S. 1—41. 4.)
Hurwitz, A., üb. beständig convergirende Potenzreihen mit rationalen Zahlen-
coefßcienten n. vorgeschrieb. Nullstellen. [Acta mathematica. 14 : 3.
S. 211—216.] üb. d. Nullstellen der hypergeometrisohen Reihe. [Ma-
themat. Annalen. 38. Bd. 3. Hft. S. 452— 458.J üb. Riemannsche
2*
20 AltpreuAische Bibliographie für 1891.
Flächen mit gegeb. Verzweigungspunkten, [ebd. 39. Bd. 1. Hft. S. 1—61/
üb. die angenäherte Darstellung d. Irrationalzahlen durch rationale
Brüche, [ebd. 2. Hft. S. 279—284.] üb. d. Vergleich des arithmet. u.
d. geometr. Mittels. [Journal f. d. reine u. angew. Mathem. Bd. 108.
Hft. III. S. 266-268.J
3ae*bi, Margarete (Ucbcrf efrerin t>. ital., engl. u. franj. Sterten, lebt in eannjtatt,
geb. $u ßönigöb. i. ^r.),
( ) 3tnmer(|riin; dafftfäe 3>enfjprüdje in $oefie u. Sßrofa f. olle Jage b. gaijrc*.
Ganftatt *1884. ©oStjeuner'ö Sud^. (397 S. 16.) geb. m. ©olbfan. 2.-
@ternbanner=8erie. 9imerifanijd)e #umoriften u. 9?ooeQiften 1—4. 6. 9. Bb.
(Stuttg. Sufr. a 2.50.
JBb. 1. ©todton, grant tt., ffluberfjeim; f>äu3i. Srtebniffe e. jung. (5&cl>aarc*.
«utorij. ttuSg. btfä. 0. SR. gacobi. 1886. (VI, 278 ©. 8.)
= 2. Sroain, SKarf, UnterroegS u. 5>aljeim; neue 6amm(g. fjumorift. 8fiftcn.
bif*. ö. Ubo »radjooget, SR. gacobi, ©. Shi&r u. tt. 1Ö86. (VII, 312 3)
s 8. Eoüenetten u. ©fiföen amerifan. Stteifter ber ©fart ©torft: fllbrid), Bifeoö,
Renting, 3Ratrt>en>3, Gerten, ©torfton u. $. Bürgern, u. übirf. o. SR. gacobi
1887. (VII, 807 ©.)
s 4. ©torfton, granf »., furioje ©efrfjid)ten; auSgeto. Sammtg. übf. t». SRarg.
gacobi. flutorifiert. 1887. (VIII, 286 ©.)
= 6. fcoroarb, SBtancbe 2Bifli3, ©uenn; e. $BeUe am ©tranbe bec Bretagne.
Wutorif. Uebj. o. $el. ©tern u. 9Rarg. gacobi. 1889. (VI, 326 6.)
= 9. ©reen, 9C. $., §anb u. SRing; autorif Uebtragg. o. 3Rarg. gacobi.
1890. (VIII, 347 ©.)
unfere SJeftgeiten in Siebern u. ©ebidjten: gefamm. u. &r3g. Sanftatt 1886.
©oätjeunerS »ct)(j. (VI, 176 ©. 8 ) geb. m. ©olbfdjn. 8.—
©Ijaro, 2Üb., gfaria; e. ®eitr. &. ©efd). b. ffommuniämuS ; autortf. SfoSa..
btjrf). o. SR. gacobi. ©tuttg 1886. fiufc. (VII, 189 ©. 8.) 1.75.
— — beä %tbzn$ fiauf in Siebern u. ©ebidjten ; gefamm. u. §r$g. ©anftatt 1887 (VI.
166 ©. 8.) geb. m. ©olb^n. 3 —
Satylor, SBatyarb, Sar8; nonoeg. gbtytt. btfd). o. IRargaretlje gacobe
©tuttg. 1887. Sufr. (110 8. 8. m. $ortr.) 2.50.
— — ©umner, SBifliam ©ratyam, feciale ^flidjtcn ob. luaS bie Waffen ber ©c=
Jeflfd). einanb. fdmlbig finb. Wutorif. Uebf&g. o. SR. gacobi. ffltit e. Storro.
o. £f). SBartf). ©erl. 1887. ©taube. (VII, 96 ©. 8.) 1.50.
foäte »tüten, ©ebidjte. ©tuttg. 1888. fjin!. (VIII, 176 ©. 12.) geb. m.
©olbfä% n. n. 2.50.
ßnfet Xoinä $ütte; e. drj. f. b. gugenb. *Rad) §arriet Seed)er*©to»e frei
bearb. ©tuttg. 18*8. £f)ienemann;3 IBeri. (172 ©. gr 8. m. 4 garbenbr.*
SBilb. nad) «quareH. b. ©. &ranj.) geb. 2.— 2. «uff. 1891. 2.—
bie weite, loeite Söelt; e. @r$äf)lg. f. b. »eibt. gugenb. 9?adj ©üjobctö
SSet^ered frei bearb. 9Rit 4 gavbenbr.*^Bt(b na$ Aquarellen t>on &. Äodj.
@bb. 1890. (224 ©. gr. 8.) geb. 4 -
Jacobson, John, prakt. Arzt a. Bartenstein in Ostpr., üb. angeformte Fer-
mente. I.-D. Berlin. (81 S. 8.)
Jacoby, Prof. D. Herrn., d. erste Brief d. Apostels Johannes in Predigten
ausgelegt. Leipz. Fr. Richter. (IV, 179 S. gr. 8.) 2.80.
Jaffa, M. (Kgsbg.) Zur Erinnerung an Heinrich Jacobson. (Mit Vera, seiner
Schritten.) [Berl. klin. Wochenschr. 28. Jahrg. Nr. 2.]
Janz, Hob., a. Graudenz, z. Casuistik d. Perforations - Peritonitis. I.-D-
Berlin. (31 S. 8.)
Jentz8ch} Dir. Prof. Dr. Alfr., Bericht üb. d. Geolog. Abteilung d. Provin-
zial -Museums d. physik.-ökon. Ges., bei Gelegen h. d. Feier d. lOOj.
Bestehens d. Gesellsch. 1890 erstattet. [Aus: „Schriften d. phys.-okon.
Ges. z Kgsbg.uJ Kgsbg. W. Koch i. Komm. (S. 105-145. 4°.; 1.50.
— — u. G. Vogel, Höhenschichten-Karte Ostr u. Westpr. . . . Hrsg. v. <t
Altpreußische Bibliographie für 1891. 21
Ebysik.-öcon. Gesellsch. zu Königsberg i. Pr. 1 : 300,000. Bl. 2. Sect.
►anzig. 36,5 X 43 cm. Kgsbg. (Koch.) 2.—
3ona9, SRidjarb, $rof. Dr. phil., ®mnn.s$ir. in $rotofd)iu (geb. ju ÖKfgenburg
i. Oftpr. 31. $>ec. 1845.),
— — zum Gebrauch der verba frequentiva u. intensiva in d. alt. latein. Prosa.
[Cato, Varro, Sallust| Posen 1879 (Jolowicz) (16 S. 4.) 1.—
üb. d. Gebrauch der verba frequentiva u. intensiva bei Livius. Ebd.
1884. (24 S. gr. 4.) 1.20.
— — Grundzüge d. philos. Propädeutik; f. d. Gebranch an hob. Lehranstalt.
zsgestellt. 1-8. Aufl Berlin 1881 82.86. Gaertner. (27S.gr. 8.) —.40.
4. A. 18*8. (28 S.) 5 A. 1891 (28 S.)
SWufterftüde btfc&r $rofa; c. Sefebud) f. b. ob. tfaff. &ölj. fiefjranftaft ©Ob. 1882.
(VIII, 225 ©. gr. 8.) geb. 2.80. — 2. burdjgejei u. eroeit. 2(uff. 1891.
(VIII, 285 8 ) 2 60. geb. n. n. 3.—
— — groben aftbeutfdj. 3>iä)tg. im Original u. in Uebertragungen, f. ftreunbe b.
mittefoltt. btfa). fittt. auSgett). Übb 1883 (VII, 123 @. gr. 8.) cart. 1.50.
— — e. Söiirf auf b. ftegreid). ßampf b. djriftl. Metern, in. pantfjeiftifd). Slnfdjauuugen.
SSortr. ?ofen 1*88. (Werabad).) (16 ©. gr 8.) —.40.
— — e. beutfdj jmnbroerfer^Spiel, nadj e. fjbjrfjr.* Heberlieferg. aus. b. fgl. ©taat$*
aräito j. ?ofen &r8g. ?ofen 1885 goloroicj (53 ©. gr 8.) 1.50. (Eu§ 3eit«
fdjrift b ^ifior. ©ef. ut $ofen befonb abgebe) 9?ad)trag. [thb 5. 3g. 1. £ft.
1889. ©. 68 75.]
üb. b. neueft. SBeftrebgn. um Oteinerljaftg. b. btfdj. Spraye. Sßortr. $ofen 1886.
SRerabatf (24 ©. gr. 8.) .50.
au* ßrotofcfjinä Vergangenheit [8tjcf>r. b. §tft. ©ef. f. b. $roo. <ßof. 5. 3g.
4. $ft. 1890. 8. 4-'l -23. J
Sotban, TOHj , (Spiftefn u. Vorträge. granffurt a. 3R. Sorban'S (Selbftoerl. (V,
480 ©. 8.) 4.- geb. 5-
3)eutfd)e #tebe. @bb. (31 ©. gr. 16.) —60.
Samt, ftieronnmuS, 3Bü% 3orban u. b. Optimismus. [$ie ©egentoart. 89. 93b.
Mr. 12.]
Sorban, 3Bo(fg. Slrt&.f ?faimen. ©oSlar. fi. Äodj. (144 ©. 8.) 2.40.
3*fupeir, ©nmn.'Dberl. Otto, &ranjöf. Itnterriajtäroert f. ©nmnaf. u. SRealgtjmn.
3 2#e. Verl. 1885. ©. ®rote. geb. 3.80. 3nl).: 1. %tax\$\. ©effutgrammatif.
(XII, 84 8.) 1.— 2. (S(ementarbud) b franjöf. Sprache f. b. Quinta unb
üuarta. (VIII, 97 8.) 1.20. 3. ßefebutf) f. Untertertia u. UebungSbud) f.
Xertia u. ©efunba. (VII, 132©.) 1.60. [Im Buchhdl. angez. Aug. 1891.]
Rec. [Ztschr. f. d. Gymnasialwes. Bd. 44 S. 119—121.]
Jung, Arth., (f) in Meseritz, Rec. [Neue jahrbb. f. philol. u. paedag. 2. abth.
bd. 144. 8. 246—253.1
ftäftler, D. SRart., ?rof. b £f)eol., $. Uniuerfitäten u. b. offen«, ütbtn. Ueb. b.
Aufgabe b afabem. Unterrichtes u. f. aroecfmäfjigere ©eftaltung. Erlang, u.
«eipj. 9(nbr. 3)eia)ert'fa^e SBlgäbd^Mg. ftaäif. (IV, 129 ©. gr. 8.) 2.40.
3). jogen. t)iftorijd)e 3efuS u. b. gefdjiäVlidje, bibfijdje ßfjriftuä. SSortr. . . .
zbb. 1892 (91). (48 ©. gr. 8.) —.75.
Kafemann, Dr. R., üb. d. Behandlung d. chronisch. Otorrhoe m. einig, neuer.
Borverbindungen. Aus d. Poliklinik f. Ohren-, Nasen- u. Halskrankhtn.
d. Hrn. Prof; Dr. E. Berthold. Dem . . . Prof. Dr. Virchow z. sm.
70. Geburtstage gewidm. Danzig. A. W. Kafemann. (58 S. gr. 8.) 1.60.
— — üb. d. Beziehgn. gewiss. Nasen- u. Rachenleiden z. Stottern auf Grund
v. Schuluntersuchgn. ebd. (39 S. gr. 8.) 2.—
Äalau turnt $ofe, (£., Oberft *. $., ©efdjtdjte u. ©enealogie b. fjamilie Ra(aro,
Äalau, (Saloto, Satoo u. (Sa(o, u. b. gamilie ^alau oom $>ofe. 3n 2 Xfyn.
^ad) officiett. Urfunben u. gamüiennacöri^ten. SBerL 1890. «tö 2Rfc. gebr.
3. 2(. ©targarbt in @omm. (VIII, 2 9; VII, 437 ®. gr. 8. m. 8 ?ortr. u.
2 color. SSapp.) 15.—
22 Altpreußische Bibliographie für 1891.
Äaltfftetn, Äarf r», Nationale it. f)umanifrifd)e ©niebung! 93on Äarf ». fiaftfjtein,
SRinna Gauer u. 911b. Sufenbnrg. JlieL Sipftufi u. Tifdjler. (48 6. gr. 8.)
[$eutfdje Srijriften f. nationale« Seben. fträg. u. (Sug. äBolff. 1. SReiöe.
1. fceft.] 1.-
— — Nordamerika. Entdeckgn. u. Kolonieen bis 1762. [Jahresberichte
d. Geschichtswissenschaft XI. Jahrg.- 1888. Berlin. III, 295-300.1
Rec. [Mittlgn. a d. bist. Litt. 19. Jg. S. 61-63. 67-68. 72-74
347-348.]
Äalenber, oft* u. roeftpr., a. b. 3. 1892. flgäbg. Wartung. (34 u. 74 6. 16.)
—.25; durch seh. —.30.
— , neuer u. alter oft* u. roeftpreufe., auf b. 3. 1892 9Rit e. Xitelbilbc (in $ol#din.'>
u. *af)[r. (eingebr. ^oljf^n.O 3üuftrationen. (152 6. 8. SRebft Seil.: giluür.
Gkfd). b. jüngft. SBergangenljt. $om 80mm. 1890 bis ftum Somm. 1891.
gr. 4. (12 ©.) «erlin. ' Xroimfefd) & Sofni. —.50; fart. u burdrfaY -.75.
Kalepky, Theod., a. Neusorge (b. Kaukehnen) in Ostpr., v. d Negation im
Provenzalischen. I.-D. Berlin. (28 S. 4.)
Kalmuss, Hptlehr. in Elbing, neue Pflanzen d. Kreises Elbing. [Schriften
d. naturf. Ges. in Danzig. N. F. B. VII. Hft. 4. S. 25-26.]
Kalnza, Max (Kbg.) Rec. [Literaturbl. f. geiman. u. roman. Philologie
XII. Jahrg. No. 1. 3.1 Referate. [Engl. Studien XV. Bd. S. 427-429.]
Kammer, Ed. (Schleswig), Kec. (Wochenschr. f. klass. Philol. VIII. Jahrg.
No. 1.]
Kammler, Wilh. (Ferdin.), [prakt. Arzt a. Westpr.], die in d. chirurg. Uni-
versit. -Klinik zu Greif swald vom 1. Oktob 1885 bis 1. Apr. 1§91 zur
Behandig. gelangt. Fälle v. ungünstig geheilten Frakturen. I.-D.
Greifswald. (38 S. 8.)
Äattf$«¥obangen, SRitgl. b. 9teitf>3tagä u. b. Wbgeorbnet.sfcaufe« Öraf u., b. flogen
SBerfaufSüereine u. ifjre nrirtljfdjaftl. ^Berechtigung. 2. Sfuff. SJerl. $utt=
fammer & 9Hüfjlbred)t. (24 @. gr. 8.) —.60.
Karplnski, Paul (Aug. Alb.) [a. Zoppotj, Casuist. Beiträge z. Erläuterg. d.
Beziehgn. zw. Lupus u. Garcinom. I.-D. Greifswald. (29 S. 8.)
Kaufmann, F. Real gyn>n. -Lehrer i. Elbing: Pilze d. El binger Umgegend. [Schrift.
d. naturf. Ges. in Danzig. N. F. Bd. VII. Hft. 4. S. 75—171.]
Kersting, Herrn , d. Pachydermia laryngis. I.-D. Kgsbg. i. Pr. (W. Koch.)
(50 S. gr. 8.) baar n. 1.—
Ketraynski, W., Fontes Olivenses wydal Dr. W. Ketayäski. (Odbitka 2
VI. tomu ,,Monument6w" S. 25*7 -382) (126 S. Lex. 8.).
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758-6\ 842-48.J
äiettmittfl, $an3, ftjg. «Ibredjt D. ?reu&en u. 3Jtorfgr 3of)ann to. Äüfrrin al* Untere
fyä'nbkr ättriid) b. beutjd). gürftenbunbe u. (Snglanb. [JVorfdjgn $. $ranben*
bürg. u. ^reufj. ©efd). 4. ob. 1. fcälfte. S. 137—175.1 Hec. [Mitteilgn.
a. d. hist. Litt. 19. Jg. S. 68-70. 154-160. 186-187. 229-232.
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reine u. angew. Mathematik. Bd. 109. Hft. 2. S. 121— 176. Hft 3.
S. 177— 186. j üb. die Clifford-Klein'schen Raumformen. [Mathem. Au-
nalen. 39. Bd. 2. Hft. S. 257-278.]
Kirchhoff, Gust., Vorlesgn. üb. mathemat. Physik. 2. Bd. Mathemat. Optik.
Hrsg. v. Privatdoc. Dr. Kurt Hensel. Leipz. Teubner. (VIII, 272 S.
gr. 8. m. Fig. u. Lichtdr.-Portr.) 10.— 8. Bd Vorlesgn. üb. Electri-
cität u. Magnetismus. Hrsg. v. Prof. Dr. Max Planck, ebd. (X,
228 S. m. Fic.) 8.- (1.-3.: 31.-)
— — Gesamm. Abndlgn. Nachtrag hrsg. v. Dr. Ludw. Boltzmann. Mit
e. Taf. Leipz. Joh. Ambros. Barth. (VII, 137 S. gr. 8.) 3.60.
Altpreußische Bibliographie für 1891. 23
Äitföfiettt, <&H)mn.=fi. fioutS, ©rammat. SRepetitorium b. franjöf. ©Jrcadje f. ©6er*
fefunbaner, . . . (SBiffenfcö. Seil. g. $rogr. b. fgl. Gtymn.) 2Bel)lau. (31 ©. 8.)
Klabnnd, Herrn., üb. d. physikal. Isomerie einig. Hydroxylaminderviate m.
d. Radical d. Paratoluylsäure. I.-D. Kgsbg. i. Pr. ( W. Koch.) (77 S.
gr. 8.) baar n. 1.—
Klebs, Prof. Edwin, Beitrag z. Lehre v. d. thrombotisch. Processen. (Mit
2 Taf.) (44 S. gr. 4.) [Aus: Festschrift Rud. Virchow zu sm. 71. Ge-
burtstage gewidm. v. d. früher, u. jetzig. Assistent, d. Berlin, patholog.
Instituts. Berl. Reimer. 36 M.]
— — Zur vergleichdn. Anatomie d. Placenta. [Archiv f. mikroskop. Ana-
tomie. 37. Bd. S. 335-856 u. Taf. XVII] üb. d. Wirkung d. Koch'schen
Mittels auf d. Tuberkulose d. Thiere, nebst Vorschlägen z. Herstellg.
e. unschädlichen Tuberkulines. [Vhdlgn. d. 10. Congr. f. innere Me-
dicin. Wiesbad. S. 191—198. (Vorläufige Mittheilung: Wiener med.
Wochenschr. No. 15.)] üb. Landry'sche Paralyse. [Dtsche. medic.
Wochenschr. 17. Jahrg. No. 3.J Patholog. Anatomie u. Bacteriologie.
Zuschr. an d. Redaction. [ebd. 14]
Klebs, Dr. Elimar, Privatdoc. in Berlin. Rec. [£tftor. 8eitfdjr. SR. fr 30. 93b.
©. 281-82, 289-80. DLZ. No. 47. 50.]
Klebs, Georg, üb. d. Bildung d. Fortpflanzungszellen bei Hydrodictyon utri-
culatum Roth. [Botan. Zeitg. 48-51 m. (Taf. XI.)] Rec. [ebd. 19. 25.1
Klebs, Rieh., Blatt Heilsberg nebst Bohrkarte u. Bohrregister . . . Geognost.
u. agronom. bearbeitet. Hierzu 2 Zinkdrucke im Text. [Erläuterungen
zur geolog. Specialkarte v. Preussen u. d. Thüring. Staaten. 47. Lfg.
Gradabth. 18, No. 50.] Berlin. Parey. (71 S. u. 48 S. gr. 8.) — Blatt
Wernegitten (Süssenberg) .... bearb. dnreh G. Behrendt u. Rieh.
Klebs. Hierzu 2 Zinkdrucke im Text. [Erläuterungen ... 47. Lfg.
Gradabth. 18. No. 56.] (45 u. 49 S. gr. 8.)
Kleinwächter, F. (Bauinspector in Gumbinnen) d. Museum f. Naturkunde
d. Univers. Berlin, m. Zeichnung, auf Blatt 1 bis 6 im Atlas, entworf.
v. Baurath u. Prof. Tiede in Berlin. [Ztschr. f. Bauwesen. Jahrg. 41.
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Älitufotoftröttt, STgneje Gräfin (in ÄönigSb., geb. au $of)enfe(be 21. ©ept. 1850),
3§r einziger ©ofjn. Sftoman. 2 »be. SBerl. 1884. 3anfe. (282; 248 ©. 8.) 9.—.
bic SeurrmgenS. föom. 2 39be. ©tuttg. 1888. $eut[d)e S3lg3anft. (268; 240 6. 8.)
6.- geb. m 1 93b. 7.- Billige 2lu3g. 1890. (507 S.) 1.50.
SDer Softer. Vornan. ©bb. 1889. (868 ©. 8.) 4.—
$ie grembe. SRoman. ©bb. 1891 (90) (352 @. 8.) 4.—
gloru« »rüggematmS ^adjlafe. SRomcm. (56b. 1891. (375 @. 8.) 4.—
groeierlei ©ijre SKoman. [$om ftete aum 9tteer. 1891/92 ]
KllnggTaeff, Dr H. v., Schmetterlingstang d. Drosera anglica Huds. [Schrift.
d. natf. Ges. i. Danz. N. F. VII. Bd. 3. Hft. 1890. S. 21—24.] bot;in.
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Klöpper, Prof. Dr Albert, d. Brief an d. Epheser erläutert. Göttingen,
Vandenhoeck & Ruprecht. (2 Bd., 201 S. er. &.) 4.40
Kloerekorn, Heinr., de proscriptionibus a. a. Chr. n. 13 a M. Antonio,
M Aemilio Lepid«», C. Iuho Caesare Octaviann triumviris factis. I.-D.
Kgsbg. i. Pr. (K-.rh.) (129 S. gr. * ) baar 2. -
Knebel, R. J. W. (a Kgsbg i. Pr.) üb. Abkömmlinge d. „Saiols." I.-D.
Le'i'Z. J« h Ambr<»s Barth. (15 S. gr. S.\
Knopf, föub., 2Beftyreu& SBolfSfagen 1-4. $ft. ©rauben*. 3- ©aebet 12° an. n. -.15.
Stil).: I. 3)ie Seufelstanjel *u Sartonrifc. (9 3.) 2 $ie ^fingftglorfen 00m
Siofterfee. (6 8) 3 £er ©d)tDebenjtf)immcl Don ©tuftm. (8 ©.) 4. 35er
Kaplan uom #ageläberge. (10 ©.; 5. 2>aä SeftungSgefpenft tjom £agel3s
berge. (10 ©.;
Knoth, Mmx (Fr. Aug.) [a. Danzig], üb. d. Methoden zum Ersatz von
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ÄobUfc, «mtöridjt. in Xiifit, n>eld)e 9?ec^tc &at b. (Srftefjer ehteö im fficge b. 3nrana*-
fcollftrccfg. ucrftcigcrt. (SJnmbftücfä beaügl. betucglic^er Beüa&fiücfe? [$eitiäg<
$. Grtäuterg. b. Ttfön. 3?ed)t$. 4. ftolge. 5. 3a(jrg. (b. g$. <H. 35. 3af>rg.)
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Koehne, C, z. Ursprung d. deutsch. Stadtverfassung. Entgegnung, (geg.
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ftoettig, Dr. 9*ob, «brife c. beutjcrj. äittcratuvgef^idjte ; c. £iif*bud| f. ediulc u.
ftauS. 2Rit 10 Seil. u. 50 «bbilbgn. im Xcrk. 2. oerb. Slufl. »iciefelb
SBeltjagen & Klafing. (IX, 202 ©. gr. 8.) 2.50. geb. 3.—
$cut[d). ftrauenleben im beutfdj. Siebe. 3. bte 4. Xaufenb. Olbenburg.
®. Stauuig'* »erl. (VII, 461 ©. 8.) geb. in fiemtu. m. ©ofbfän 6.-
ßnfel Ißtper u. ¥ty«vöberg. (£. auftrai. Vornan ö. fcaSma. SCutoriJ. Uebjfcg.
[$af)eim.$ibnot$cf, 12. $b.] «iclcfelb SSetyagen & Kfafing. (479 6. 8.)
geb. in üeimo. 3.—
Wuf b. Sangen ÜWarfte in $an$ig. 2Rit e. Slnfidjt nadj b. Habierung t>-
SB. SRannfelb u. 9(bbilbung b. Steffcnfcrjen #auje$. [Dafjeim. 27. 3aprg.
9h*. 25.J jum bunbertjä'ör. Geburtstage Xfjeob. Körner'3. [50.] tnaä {offen mir
uou ber Öibel galten? [52.] e. Eenfmul f. SSity. SWüfler, b. ^ic^tcr b. <9riedjcn=
lieber. [52.] ttuguft ^elftageit t [ebb. 28. 3a$rg. 1891/92. Er 3.]
Koenigsbeck, Johs. (Brunsbergensis), De septem contra Thebas exitu. Diss.
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[Königsberg.] $. ftcrjog 9(ibrec^t $cnftna( in Königsberg. 3Rit Slbbübung. ßllufh.
3tg. Zcxpm. Eo. 2499.]
3ur ftanbeläpoittif b. Ghofe. Kurfürften (in Königsberg u. Ofnpr.) [Kg*bg. §artgfö.
#tg. (SonntagSblatt Er. 24.]
9lu3 b. alten Königsberg. 9tu8 alt. Schriften u. papieren, [ebb. 8onntagäblatt Er. 31.]
6in IhinnerungSblatt an b. 18. October 186 lf Krönungätag Kön. ©U&dmS I in
Königsberg. 93on c. „alten KömgSbergerm". [$ai()eim. 28. 3a§r9- 9fr- 8.J
Koken, E., neue Untersuchgn. an tertiär. Fischotolithen. II. (Ztschr. d. dtsch.
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Rec. [ebd. No. 43. 45. 48. 49.]
ÄonfdKl, % 2., ^rebig. in Kgsbg., $. grauenfrage. ©ot§a 1890. $ertfje§. [3immef §
£anbbibliotf)c! b. praft. 3:^eologic. 9lbtf). 22.] (61 @. gr 8.) 1.—
Kopetsch, Emil, 40 Fälle v. Eclampsia puerperalis a. d. Kgi. gynäkol. Klinik
zu Kgsbg. I.-D. Kbg. (Koch.) (35 S. gr. 8.) baar n. —.80.
ÄotaKul, Dr. 3o^S. «ßaul, 6iona. »erl. (9Rot§cr). (III, 352 @. 12.) geb. in Scirnt».
n. 3.-
Kossinna, Dr. G., Kust. an d. Universitätsbibl. in Bonn, German. Vorzeit.
(bis 500.) [Jahresberichte d. Geschieh tswissensch. hrsg. v. J. Jastrow.
XI. Jahrg. 1888. Berl. J891. 11,261— 270. | d. herkunft der „Heriman"
(Zu ZS. 35, 172 f.) [Ztschr. f. dtsch alterth. u. dtsche. litter. 35. bd.
s. 264.] German. dativ aus d. Römer zeit. [ebd. Anzeiger s. 78.] Noch-
mals d. Sweben. [West dtsche. Zeitschr. f. Gesch. u. Kunst. Jahrg. X.
S. 104-10.]
Straf), G. (Snfterburg), 9tec. Pßäbagog. Hrcrjiü 33. 93b. Er. 3. N. jahrbb. f. philol.
u. pädag. 144. bd. s. 206-208. 366-68..1
Erahn, E., üb. Zwillingsgeburten. I.-D. Kgsbg. (W. Koch.) (85 S. gr. 8.)
baar 1.—
Kraufc, (Bottlieb, 9teid)Sfrf)r. griebrid) 2eo*>olb ü. Schroetter u. Karl 3Bifl)tlmf &rbr.
ü. Schroetter. (?(ud b. Zögern, beutjeft. ©togra^ie [32. »b. ©. 579-585]
abgebr.) (7 S. gr. 8.)
Altpreußische Bibliographie für 1891. 25
ttrattfe, ©ottlieb, ÄcmtS Sefcve toom (Staat, [töorb u. Süb. 52. 99b. $ft. 154. 3an. 1890.
8. 77—88.] e. Brief Gottscheds an d. Königsbgr. Profess. Flottweli.
[Ztschr. f. dtsche. philol. 24. bd. s. 202-213.]
Strafe, SRedjtSanro., 9?otar Dr. $au(, (SmfommenfteuergefetJ u. 24. 3uni 1891, nebft
9tu3füf)rung8antt)eifg. i>. 5. 9lug 1891, b. amtl. SRuftern b. 8teuererftärg. u.
®eje|5, betr. Slenberung b. ©aöfoerfafjrenS ü. 24. 3um 1891. Xertauäg. m.
Sinltg., ftimueijen u. *8ad)regift. 99erlin. fr $af)(en. (IV, 155 8. 16.)
fart. 1.20.
— — b. $reu& (Sinfommenfteuergefefc t). 24. 3uni 1891 nebft 9(u$ftt$rimc)danwetjg.
d. 5. ?lug. 1891, crft. u. aroeit. Xfjeit. (Srtäutevt ebb. 1892 (91.) (IX,
285 8. gr. 8.) 5.60.
Kretschmann, Dir. Dr. H , latein. Musteraufsätze; e. Beitr. z. Ehrenrettg.
d. latein. Aufsatzes. (Wissensch. Beil. z. Progr. d. Kgl. Gymn') Danzig.
(32 S. 4.)
Krieg, Ob.-Reg.-R Prof. Heinr., Lehrb. d. Stenograph. Korrespondenz- u
Debattenschrift [Stenograph. Nationalschrift u. Parlamentsstenographie]
nach F. X. Gabelsbergers System. Für Volks- u. höh. Schulen sowie
f. d. Selbstunterr. bearb. 19-21. Aufl. Dresden. 1890/91. G. Dietze.
(VIII, 80 S. 16.) 1.50.
— — Lehrb. d. Stenograph. Korrespondenz- u. Debattenschrift. Schlüssel.
Uebertragg d. sämtl. im Lehrbuche enthalt. Aufgaben. 8. Aufl. ebd.
1890. (35 S. gr. 8.) -60.
fiettfab. f b. crft. ftenograpf). 8d>reib= Unterricht [@l)ft. (Babelsberger]. 2. Muff.
tbb. 1891. (32 8. gr. 8.) -80.
— — Stenograph. Schreibeheft m. Vorschriften. Hilfsmittel z. leicht, u.
schnell. Erlern g. d. dtsch. Stenographie nach F. X. Gabelsberger's
System. Ebd. 1. Hft 15-16. Aufl. 1890. 91. (48 S.) -60. 2. Hft.
10 A. 1891. (S. 49-113.) —90.
— — Correspond enzblatt d. kgl. stenogr. Instituts zu Dresden. 37 bis
38. Jahrg. ebd. 1890. 91. (12 Nrn. ä 1— Vl2 B. gr. 4.) baar n. 4 —
— — Echo. Uebungsblatt z. Einführg. in d. Stenograph. Praxis. Beiblatt
z. Correspondenz blatte . . . Jahrg. 1890. 91. (12 Nrn. a */« B- gr- 8 )
ebd. baar n. 2.—
— — Lesebibliothek, stenographische. Beiblatt z. Oorrespondenzblatte . . .
Jahrg. 1890. 91. 12 Nrn. (l/a B. gr. 8.) ebd. baar 2.—
Krieg, Mart., üb. Extrauteringravidität. L-D. Kgsbg. (W. Koch). (35 S. gr. 8.)
baar n. —80.
Stritt, ©rief) u., a. SSeftpr. (öut 93a(bau), b. fird)(. SBaulaft b. $frttnbncr$ naef)
gemein, fatljol. äird)enrecf)t. 3.=$ Berlin. (83 8. 8.)
Krieg, Wolfg. v., Referendar, üb. d. Anspruch d. Pfandgläubigers auf d.
Früchte d. verpfändet. Sache nach röm. Recht. I.-D. Kgsbg. (44 S. 8.)
Ebd. (Koch.) (41 S. gr. 8.) baar 1.—
Kroemer, Dr. Dir. d. Provmz.-Irrenanstalt in Neustadt W. Pr , zur patholog.
Anatomie d. Chorea. [Arch f. Psychiatrie u. Nervenkrank htn 33. Bd.
S. 538 --57.]
Krage, Carl, Geh. Reg.-R. Dr. (Danzig) Rec. [Zeitschr. f. d. Gymnasial-
Wesen 45. Jahrg. S. 45-51.]
Kuckuck, Paul, a. Petricken i. Ostpr., Beiträge z. Kenntnis iaig. Ectocarpus-
Arten d. Kieler Föhrde. I.-D. d Univ. Kiel. (Sep -Abdr. d. Botan.
Centralblattes. Bd. 48. Hft. 40-44.) Cassel. (40 S 8.)
Kohnert, Ernst, Rec. [Götting. gel. Anzeigen No 2.]
Kummer, Gnst., a Elbing, üb Erschütterungsströme. I.-D. Greifswald. (44S 8.)
Lakowltz, Dr. (Danzig), Betuloxylon Geinitzii nov. sp. und die fossilen
Birkenhölzer. Mit Tabelle u. Taf. I. [Schritten d. naturf. Ges. i.
Danz. N. F. VII. Bd 3. Hft. 1890. S. 25-32.] Dr. Franz Carl Hellwig.
febd. S. 177-185.]
26 Altpreußische Bibliographie für 1891.
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Lange, Julias (Neumark i. Westpr \ zu Caesars bellum gallicum. (Neue
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Weck (Motzt S. 209.) zu Caesars bellum ciyile [ebd. s. 507—508.]
Lange, Reinhold, e. Fall v. Hernia funiculi umbilicalis m. Hydrocephalus
u. Gaumenspalte. Dies. Kgsbg. Koch. (19 8. gr. 8. m. 1 Taf.)
baar 1.—
Langend or AT, Prof. Dr. O., physiol. Graphik; e. Leitfad. der in d. Physio-
logie gebräuchl. Registrirmethoden. Wien. Deuticke. (XIV, 316 S.
gr. 8. m. 249 Fig.) 9.—
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Nach Versuchen von S. Laserstein . . . mitgeth. v. L. Hermann.
[Pflüger's Archiv f. d. gesammte Physiol. 49. Bd. S. 519— 538. |
Lassar-Cohn, Privatdoc. Dr., moderne Chemie. 12 Vorträge, vor Aerzten,
Hamburg. Voss. (VII, 166 S. gr. 8.) 8.50.
— — das Spermin. Zur Richtigstellung. [Dtsche medic. Wochenschr.
17. Jahrg. Nr. 41. S. 1151.]
gaittfner, (S(ara, ftreifjeit, bic idj meine. [$ie ©egenroart. 39. ob 9?r. 21. 22.1 b.
erften 38 cibenf öftren, ©ft^c [b. SRagaain f. Sitt. 60. gafjrg. «t. 40. ©. 626-627.]
Landon, Dr. (Elbing), einige Bemerkungen üb. d. Processionsraupen u. die
Aetiologie der Urticaria endemica. [Virchow's Archiv f. pathol. Anat.
u. Physiol. Bd. 125. Folge XII. Bd. V. S. 220-238 ]
Laves, Knrt (Lyck), Beiträge z. Bestimmung u. Verwertung d. Bewegung
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geftmantt, Dr. phil. Bern&arb [pjeub.: $an3 SBiftulanu*] (®nmn.sfief)r. a. $.,
©udifjänbf. in ^anfltg, geb. &n Sanjig 24. 3)ec. 1851).
ba$ Wu&i SBiboä u. Serrara „üb. baS 3rf)i3ma beS fcilbebranbt" ?c. 1878. <V>
(nadj üiürfdmer)
ftepetitorium b. alt. ©efd) im «nfaVufj an SBelterS fieijib. b. SBeltgefd). 2u
Grone. 1880. 3te6artlj (16 5. gr. 8.) —25.
— — Gregor VII u. Heinr IV; krit. Beleuchtg. d. Schrift: Heinr IV. u.
Gregor VII. v. Wilh. Marrens, Von Hans Wistulanus. Danzig
iaS8. Dr. B. Lehmann'sche Bchh (63 S. 8) l.—
Gesch. d. Stadt Danzig. Ehd 1891. (98 S 12.) 1- wird nachträgt.
(IM' 2) der Sammig: „Wesfpreuß Heimat etc" ah Nr. 1 eingereiht
?ef)mann, 9fr Dr. (5 . b. (Vfötterbämmerung in b norbtfcften fltytyotogie. 2 Hujl.
Äo*6g. »on. (43 3. 8) -8(>; geb 1*80.
Lehiierdt, M. (Königs*« ), Rec. [Berli er philol Wochenschr. P. Jahrg. Nu 22.j
9el)rer*3ctttinß f. Cft= u. 2öeftöreufcen. JReb ü fieftv. einer SBeSfe. 22. 3aW
\ ftaebg. Greife & Urtier. (52 Wrn. 08.) gr. 4) merteij. n. n. 1.60.
i Weimer, ftavi, £ir. b. fionjeroat., fur^cr üeitfab f. D erft. Älamer-Unterridit f £laoier=
i 2tl)\zx u Öetirerinnen .... iieipfltg. 9tter|eburger. (46 58) —.75
j Lemke, Frl. E., berichtet aus Rombit ten üb. die ostpr. Lippowaner (Philip-
i ponenj (entnommen der Mohrunger Kreis-Ztg. No. 48) [Verhalgn. d.
<
: i
Altpreußische Bibliographie für 1891. 27
Berlin. Ges. f. Anthrop., Ethnol. u ürgesch. Stzg. v. 30. Mai. S. 434— 435.]
üb. Bandweben in Ostpr. febd. S. 4S5] üb. Wohnhaus, ohne Schorn-
stein in Pommern u. Westpr [ebd. Stzg. v. 17. Oct. S. 725] berichtet
aus New-York üb. durchlochte Nadein ans Kalifornien, [ebd. Stzg.
v. 19. Dec. S. 881-883.]
8eti>e<!, 9*. (®erid)t^9lfjefjor in %36g\ Sie 9Ubeiter»£ranfenüeifid)crung nad) $eutftf)em
9*eid)Ärecf)t [flnnalen b. keiUjd). Meic&S f. ©efc^gbfj., ^ertoaltg. u. Statiftif.
23. gafjrg. @. 101-172.J
Leyden, Verhandlungen des Congresses f. inn. Medicin. Hrsg. v. DD. Geh.
• Med. R. Prof E. Leyden u. E. Pfeiffer. Wiesbaden. Bergmann.
(XLIII, 527 S. gr. 8. m. 48 Abbildgn.) 10.-
— — Eröffnungsrede [Verhdlgn. d. 10. Congr. f. inn. Med. S. 1—14.] kli-
nische Erfahrgn. üb. d. diagnostische Bedeutg der Kochschen Lymphe.
Vortr. [Berl. klinische Wochenschr. 28. Jahrg. No. 12. 13.] üb. d.
Koch'sche Heilverfahren. [Dtsch. medic. Wochenschr. No. 11. S. 478
bis 479.] üb. eosinophile Zellen aus dem Sputum von Bronchialasthma;
[ebd. No. 38. S. 1085-1086.] üb. acute Ataxie. [Ztschr. f. klin Medicin
XVII. Bd. S. 576-687.] Heinrich Jacobson f lebd. XVIII. Bd.
5 u. 6. HftJ
Lieh th ei m f Med.-K. Prof. Dr., d. Koch'sche Heilverfahren. Vortr. [Dtsche
medic. Wochenschr. 17. Jahrg. No. 7. S. 273—278.]
Liebert, Martin (Marien wer der), Beiträge zur Kenntniss der sogen. Vanadin-
Molybdansäure. I.-D. Halle. (55 S. 8. m. 1 Tabelle.)
Liebreich, Ose. u. Alex., Langgaard, DD., Compendium der Arzneiverordnung;
nach d. Arzneibuch f. d. Deutsche Reich u. d. neuest, fremd. Pharma-
copoeen. 3. vollstg. umgearb. Aufl. Berlin. Fischer. (1. Hälfte.
288 S. gr. 8.) 10.-
— — Ueber Fette. (7 S. gr. 4.) [Festschrift zu Virchov/s 71. Geburtstage
gewidm [Berlin. Reimer.]
— — Therapeut. Monatshefte, hrsg. 5. Jahrg. 12 Hfte. hoch 4. Berlin.
Springer. 12.—
— — d. Möglichkeit der Tuberculosen fection durch Tättowierung. (Therapeut.
Monatshfte. Sonderheft.] d. Wirkg. der cantharidinsauren Salze,
[ebd. März auch Naturwissenschaf tl. Wochenschrift. 6. Bd. No. 12.]
Einfluß der Cantharidin säure auf den Lupus erkannt durch e. neue
Beleuchtungsmethode [ebd. Juni ] Betrachtungen üb. d. physikal.
Eigenschaft der Schwimmblase der Fische. [Naturwissenschaft! Rund-
schau 6. Jahrg. No 16.J üb. hydraulische Versuche zur Erklärung
d. todten Raumes bei chemisch. Reactioneu [Verhdlgn. d. physikal.
Gesellsch. zu Berlin. Jahrg. 10. S. 1—4.] Demonstration d therapeutischen
Beeinflussung d. Lupus durch Cantharidinsäure. [Berl. klinische
Wochenschritt. 28. Jahrg. S 457—459] dritte Abhandlung über den
toten Raum bei chemischen Reaktionen (Mit 21 Textfiguren) [Ztschrft
f. physikal. Chemie VIII. Bd. S. 83— IÖ4.] d. therapeut. Einwirkung
des cantharidinsauren Kali auf d. Lupus. [Allgem. Wiener medic.
Ztg. No. 24 j
„$q3 Öiebreidjfdje §eifoerfaf)ien" (mit ßiebreidja ?ortr.). [üeity;. ifluftr.
3tg. flr. 2488.]
Liek, Gust., b. Stabt fiöbau m. 93erücf|. b Sanbeö 2öbau. 3. £ft. (27. fcft. b.
Rtftf>. b. tyft Vereins f. b. 9?cfl.=33c(v SKavtenng. SHariemu. ©öfjnfc. (3. 257
bi* 384.) 1.20.
Liepmann, Moritz (aus Danzig") : d. Entstehung d. Schuldbegriffs. Jenaer
I.-D. Danzig. Kafemanu. (32 S. 8.)
Lindemann, F., Rede, geh. am Sarge Tischler's in dessen Garten am 21. Juni.
(Sonderdr.) Königsb. Koch. (II, 14 S. gr. 4.) —60.
Link, Adolf (Kgsbg.) Rec. [Theol. Litteraturztg. No. 9.]
28 Altpreußische Bibliographie für 1891.
Lippert, Jul. (Stannaitschen), de epistula pseudaristotelica ntQi ßaaü.ti'as
commentatio. I.-D. Halis Saxon. (40 S. gr. 8.)
Llssauer, Dr., Gesichtsurnen von Liebschau, Kr. Dirschau, Westpr. [Nach-
richten üb. deutsche Alterthumsfunde. Erg.-Bll. z. Ztscbr. f. EthnoL
2. Jg. S. 79—80.] Heinrich Schliemann. Gedächtnißrede (Schriften
d. naturf. Ge8 in Danz. N. F. VII. Bd. Hft. 4. S. 210-222.]
Ltthr, Dr. Max, d. Klagelieder d. Jeremias, erklärt. Götting. Vandenhoeck
n. Ruprecht. (101 8. Lex. 8.) 8.—
Lölir, P., Beitrag z. Bändig, d. Otitis media purulenta. Diss. Königab.
Koch (27 S. gr. 8.) baar n. —60.
Löwenberg. Alex . Beitrag z. Behdlng. der eitrigen Mittelohr-Entzündung
m. Berücksicht. der Bakteriologie des Ohreiters Diss. Königsb. Koch.
(46 8. gr. 8 -) baar n. 1.—
8*etti, 93abcttc (pfeubon. 18 frenui \ Äafdifa. rSonntagSbl. %c. 12.]
am toodueitStage Mooette [ebb. ftr. 27—32.]
glieberbitfr. fianj. 8tg. »eil. *. Wx 18902 |
8ol)meUer, $rof Dr. Gart, Litauen, ®efäid)te [Igrfdi u. ©ruber, ©ncnffoDabie b.
©iffenfrf) u. fünfte 2. Sect. 44. X$l. 8. 100—105; roieb abgebr. in: SRigaföe
Stabtblätt ftr. 25. 26.1
3eitfd)rijtenfdjau u. ^ücberrecenftonen au3 b. 3- 1890 (9Utpr. betr.) [gtrcfdjunaen
* branbenb. u. preuft. ©efd). IV. $b. 2. |>älfte. 8 309-328] c. ©eridjt
üb. SRefte lettifd) .fieibentumfc, [Mitteilungen d. Litauischen litter Gesellsch.
Bd. III. (16. Hft.) S. «84-896] Rec [Lit. Centralbl. No. 17. 18. 19.
48. 49. 51. Altpr. Mon. 8. 149—151. 3tf(f>r. b. fjtft. ®ej- f- b. $roto. $ofen.
6. 3g. 8. 234-248. fctftor. 3tf«r. % g. 31. $b. 8 813-318.]
Loren x, Dr. Rud., Lnther's Einfluß auf d. Entwickelung d. evangel. Kirchen-
regimentes in Deutschland. (Gymn.-Progr.) Gumbinnen (27 S 4.)
Lossen, W. u. Dr. A. Köhler, üb. d. Verseifung von Estern mehrbasischer
Säuren. [Liebig's Annalen d. Chemie Bd. 262. 8. 196—219.] Mit-
theilungen aus d. chemischen Institut d. Univers. Königsberg: über
Tetrazoteäuren, Oxy- u. Dioxytetrazot säuren [ebd. 263. Bd S 78 — 1081.
Zur Kenntniß d. Amidine [ebd. 265. Bd. S. 129—178]. Aus dem chemi-
schen Laboratorium d. Univers. Königsb. Krystallographisch-chemiscbe
Beobachtungen, [ebd. 2 6. Bd. S. 30—52.] üb. d. Zersetzung d. Brenz-
weinsäure beim Erhitzen auf höhere Temperatur, [ebd. 266. Bd.
S. 264-266.]
Lüdwich, Arth., Homeri Carmina rec. et selecta lectionis varietate instruxit.
Vol. prius. Pars. IL Odyssea Vol. 2. Lipsiae. Teubner. (X, 860 S.
gr. 8.) 8.—
— — Hymnus homericus Mercurii ab A. Lud wich germanice versus prae-
missis lectionibus ex codice Leidensi excerptis. Kgsb. Schubert u.
Seidel. [Index lertion. in aest. a. 1891.] (38 S. gr. 4.) baar n. n. —.20.
— — Moschopuli in Batrachomvomachiam commentarii pars II [Index lect
p. hiem. a. 1891/92 ] eb<J ('26 S. gr. 4 ) baar (a) n. —.20.
— — Zu Aeschylos Eumeniden j Rheinisches Museum f. Philol. 46. Bd.
S. 139-144] Moschopulos' Commentar zur Batrachomyomachia. [Ber-
liner philol. Wochenschr. 11. Jahrg. No. 24. Sp. 740.1 Antwort. [ebd.
No. 25 1 Berichtigung [ebd. No. 25J. Entgegnung [eod. No. 34J. Kec
[ebd. No. 7. 10. 26. 45. 46. 47.]
Luke, Gvmn.-Lehr. Heinr., d. Aussprache des Englischen in tabellarisch.
Uebei sieht. II. Teil. iGymn.-Prog.) Conitz. ^8. 3-28. 4°.)
Luerssen, Rec. [Sit. Gcntrolbl. 26. 28-33. 43. 46. 47. 49.]
Liitzow, botanische Excursionen im J. 1889. [Schriften d. naturf. Ges. i.
Danzig N. F. Bd. VII. Hft. 4. S. 81-33.1
gitUtc$, (>Mmui =Üetjr. Dr. £>., Sanbeefunbe uon £ft= u. Söeftpreujjen. «Breslau. §trt.
\fiö 8. gr. 8. m. 2 Äart. u. 9lbbilbgn.) fart. —.50.
Altpreußische Bibliographie für 18dl. 2d
Mallteon, G., e. Fall von traumatischer Reflexpsychoae. I.-D. Kbg. (Koch).
(25 S. gr. 8.) baar n —.80.
SWantraajja, frof. $ou(r bie §ngiene b. fcaut. ÄgSbg. SWafr. (114 9. 8.) 1.—
— — S)ic fcttgiene bcr ©inne. ®bb. (124 ©. 8.) L—
— — 3)ic ©ügiene bcr inneren Organe. @bb. (1 7 @. 8.) 1.—
SRarau», SBürgerm. a. 2). 2B., u>a8 muft id) nrifien, um mid) uor ju fjoljer (Sin*
fdjäfcung ^ur (Smtommenfteuer u. uor (Strafe &u bewahren? 53erl. Hamburg.
Sruer & CSo (56 S. «. 8.) fart. -.60.
Marold, K. Rec. [Anzeiger f. dtsch. alterth. u. dt. litt. XVII, 2. s. 116—121.
DLZ. Nr. 28.1
Martens, Regens a. D. Dr. Wilh., war Gregor VII. Mönch? Beleuchtung
der diese Frage bejahend, herrschend. Meinung. (Als Msc. gedr.)
Danzig. Homann. (52 S. gr. 8.) —.65.
Martltz, Rec. [Arch. f. öffentl. Recht, VI. Bd. S. 474-478.]
SHafuren, Wu3. [SWg. @t>ang.*£utf)erif#e ftirdjen^ettg. 9?r. 15. ©p. 361.J $ur
fflbioefjr üon ©uperint. $er& in Sendburg i. Oftpr u. Antwort beö Referenten
in Er. .5. \tbb. 9hr. 19. 6p. 454-57. 457-58]
Masurke, Ä., vier Falle von Ischias scoliotica. Diss. Kbg. i. Pr. (Koch)
(47 S. gr. 8.) baar n. -80.
Matthias, F., ab. graphische Darstellung d. Actionsströme des Muskels, bes.
am lebenden Menschen. Diss. . Kgb. i. Pr. (Koch.) (34 S. gr. 8. m.
2 Tai.) baar n. 1.—
Matzat, H., (Weilburg), Entwurf e. neu. Schulordnung für d. preuß. Land-
wirthschaftsschulen. [Landwirthschaftl. Jahrbb. XX. Bd. Hft. 1.
8. 209—234.] Auch sep.: Berlin, Parey. (28 S. Lex. 8) 1.—
Rec. [DLZ. 20 33. 38.J
Meifert, Carolus Aug. (Boruss. Occid .), de Sophoclis codieibus. I.-D. Halis
Saxonum. (74 S 1 Bl. 8.)
SWelobiecn ju ben 00 Äird)en«ebern u. 12 geiftf. Solfäüebern f. b. Sd)ule. (40 ©.
Äönigebg. i. $r. Wartung.) —25.
Meschede, Prof. Franz (Kgsbg.), üb. d. den paralyt. Anfallen zu Grunde
liegend, pathol.-anatom. Verändergn. [Virchow's Arch. f. patholog.
Anat. u. Physiol. Bd. 124. Hft. 2. S. 377-382.] üb. hysteriforme An-
fälle im Verlaufe d. paralyt. Geistesstörung. [Vhdlgn. d. Ges. dtsch.
Natforsch. u. Aerzte. 63. Vslg. zu Bremen. 2. Thl. Leipzig. S. 342
bis 345.J Simulation von Geistesstörung seitens e. Strafgefangenen.
Entmündigung desselben. Motivirtes Gutachten behufs Wiederauf-
hebung d. Entmündigung. [Vierteljhrsschr. f. gerichtl. Med. 3. F.
IL Bd. I. Hft. S. 74-96.] (mit Hoettmann u. A.) üb. d. Koch'sche
Heilverfahren geg Tuberculose. (A. d. Verein f. wies. Heilkde. z.
Kbg. i. Pr.) [Dtsche. medic. Wochenschr. Nr. 10. S. 383—385. No. 11.
S. 422-423.|
SRetyey, CberlanbeSger. 3?. §. (9Rarienrocrber) üb. b. benj $inbtfanten obüegenben
Beweis. [9lrd|. f. b. ctmlift. ?™ri3. 77. SBb (SR. ft. 27. 53b.) 2. u. 3. §ft.
©. 364- 373. J b. 3ufrf)iebung u. ßnrücffrfjicbung e. (Sibeä an c. Tritten.
[Seitr. *. (Srläutrg. b. btjd). 5Re«t$. 4. ft. 5. 3g. 4. u. 5. ftft S. 006-616.]
Zwangsvollstreckg. zur Erwirkg. von Unterlassungen. [Ztschr. f.
dtsch. Civilprozess. Bd. XV. S. 477— 4(*2.J üb. d. Reihenfolge für d.
Meinungsäusserung d. Richter bei d Berathung. [ebd. Bd. XVI.
S. 130-138.]
Michelson, P., u. J. Mikulicz, Atlas der Krankhtn. der Mund- u. Rachen-
höhle. 1. Hälfte. Berlin. Hirschwald. (VIII, 76 S. Lex. 8. m. 22 färb.
Taf.) 40.-
— — üb. d. Vorhandensein von Geschmacksempfindg. im Kehlkopf. (Vir-
chow's Archiv f. pathol. Anat. u. Physiol. Bd. 123 S. 389-401.] üb.
drei nach Koch's Methode erfolgreich behandelte Fälle von Tuber-
30 Altpreußische Bibliographie für 1891.
culose d. Schleimhäute d. oberen Luftwege. Vortr. [Dtsche. medic.
Wochenschr. 17. Jg. No. 21. S. 717-720.]
Mtehlkc, Lehr. Ad. (Graudenz), d. Gesch. unserer Sprachlaute u. Orthographie
in kurz. Abriss dargest. (III. Jahresber. d. höh. Bürgersch. zu Grau-
denz.) Graudenz. Röthe. (S. 1—39. 4°.)
Miclke, Geo., (aus Stargardt i. Pr.), anatom. u. physiolog. Beobachtgn. an
d. Blättern einiger Eucalyptus- Arien. Mit 1 Taf. Abbildgo. Jen. I.-D.
(Aus dem Jahrb. d. Haiti burgischen Wissenschaftl. Anstalten IX. i
Hamburg. (27 S. gr. 8.)
Migge, Max, üb. Nasen rächen polypen u. ihre Behdlg. ohne Präliminar-
Operation. I.-D Kgsbg. Koch. (32 S. 8.) —.80.
9Ri(Sr*$rr*b0rff' $.. ftammer u $f(ug, e. öficrveicf). 3>orfgefd)i<fcte. Stangig. &xn
ftorff. (226 S. ar. 8) 8.— geb. 4.—
Minkowski, H., The*orenies arithmetiques. Extrait d'une lettre a M. Hermite.
[Comptes rendus hebdomadaires ä s^ances de PAcad. des sciences.
T. CXII. No. 4. S. 209-212.J üb. d. positiv, quadratisch. Formen
u. üb kettenbruchähnl. Algorithmen. [Journ. f. d. reine u. angew.
Mathem. Bd. 107. S. 278 — 297.] Beweis, dass jede Discriminante
eine von Eins verschied. Zahl ist. [Vhdlgn. d. Ges. deutsch. Natforsch.
u. Aerzte. 63. Välg. zu Bremen II. Theil. Leipzig. S. 13.]
Minnich, Walt., üb. e. Fall perniciöser progressiver Anämie m. leichten
Spinal - Symptomen u. anatom. Verändergn. im Rückenmark. Diss.
Kgsbg. Pr. (Koch.) (44 S. gr. 8.) 1.—
äRirbad) * Sorqmtten, 3ttitgf. b. SReidjSt , ($raf u.f roäfjnmgäpofitifdje SBetradjtungen.
Berlin. SBalt&er & Wpolant'3 »erl ( 6 ©. gr. 8.)* - 50.
9Rittftetliuiftttt b. lüeftpr. &if*erci herein«. SReb. Dr. Seügo 3. ob. 1890-91.
ca. 12. Mnt. 2er. 8. («r. 1—10. 168 u. 47 <5. m. %ah., «bbilbgn. u.
1 Äart.) $an$ig. Saunier in ©omni. 8.—
Mittheilongen der litauisch. - litterarisch. Gesellschaft. 16. Hft. (III, 4.)
(S. 311— 424.) Heidelberg. Winter, baar 2 40
Moniber, A., Daniel Gabriel Fahrenheit, sein Leb. u. Wirken. Mit Taf. III.
[Schriften d. naturf. Ges. i. Danzig. N. F. Bd. VII. HfL 3.
5. 108-139. Gaea 27. Jg. 4. Hit. S 230-238.]
Monatsschrift, altpreußische, 28. Bd. [Der pr. Prov.-Bl. 94. Bd.] Kgsbg.
Beyer. (IV, 696 S. gr. 8) baar n. 10.—
Mosse, Oberlande <gerichtsrath Dr. (Kgsbg.) Rec [DLZ. No. 44]
Müller, Paul (aus Legitten Ost-Pr.) üb. Stickstonaufuahme u. Stickstoff-
ausscheidung bei chronischer Nephritis. I.-D. Berlin (32 S. 8.)
Müller, Dr. P. A. (aus Ostpr.), üb. die Variationen des Erdmagnetismus in
St. Petersburg u. Pawiowsk 1873—1885. St. Petersburg 1889. (67 S.4.
m. 3 Curven-Taf.) [Repertorium f. Meteorologie hrsg. v. d. ksl. Akad.
d. Wiss Bd. XII. No. 8.J die Beobachtungen der Inclination im
Observatorium zu Katari nen bürg von 1837—1885. St Petersburg 1889.
(28 S. 4.) [ebd. No. 12.]
SRitlfcerftcbt ©. 91. u., StaatSorc&toar u. ©et). *lrc$torat{) ju Waabeburg, c. atueite*
05efd)led)t nou S3ünau u. (£troa§ über S&appen Sariirungen. |3)cr btfeftc. §erotb
XXII. ftr. 7 u. 8. 3. 98-104 m 1. Saf.] c. berfäott. Abetögcjdjletft b.
Cberfaufifc in Vreufeen fr. ßolbifo): nebft einig, ©ebanf. üb. b. Nationalität alter
oberlaufifr. Abel3gefd)(ed)ter. [ÜHeueS Saufifr. Magazin. 67. »b. ©. 147 bis 152.)
Münsterberg, Dr. Emil (Bärgermeist. in Iserlohn, geb. zu Danzig 13. Juli 1855 1,
— — die deutsche Armengesetzgebung u. das Material zu ihr. Reform.
(XXVI, 570 S. gr. 8.) [Staats- u. socialw. Forschgn. hrsg. v. G. Schmoller.
6. Bd. 4. Hft. Leipz. 1886.] 12.-
$a3 Sanbarmenroefen; im Auftr. b. btjd). Vereins f. Armenpflege u. S8o^
tl)ätigf . . . bearb. ». ?tmt$ritf)ter Dr. GmU SRünfterberg. [Stritten b.
btfd). «erein« f. Armenpflege u. 3öot)ltt)äHgf. 10. $ft ] Spj 1890. Wunder &
§umbiot. (XIU, 250 ©. gr. 8 ) 6.-
Altpreußische Bibliographie für 1891. 3l
Mfinsterberg, Hugo, Dr. phil. et med., Privatdoz. in Freiburg i. B., seit
Sommer 1892 auf 3 Jahre beurl. als Prof. d. experimentellen Psychol.
an d. Harvard - Uni versit. in Cambridge (Mass.), geb. zu Danzig
1. Juni 1863)
— — Studentenpflicht u. Studentenrecht; e. Wort an d. deutsche Studenten-
schaft. Leipz. 1883 (Kössling'sche Bchh.) G. Wolf. (23 S. gr. 8.) - 50.
[Zeitbewegende Fragen III.] . . . 2. (Titel-) Aufl. Leipz. 1890. Levien —.25.
— — d. Lehre v. d. natürl. Anpassung in ihr. Entwickelung, Anwendg. u.
Bedeutg. Leipz. 1887. Fock. (114 S. gr. 8.) 1.80.
die Willenshandlung. Habilitationsschrift. Freiburg i. B. 1888. (2 Bl.
65 S. gr. 8.)
— — die Wülenshdlg. ; e. Beitrag z. physiolog. Psychologie. Ebd. 1888.
Mohr. (VII, 163 S. gr. 8.) 4.-
— — Beiträge zur experimentellen Psychologie. 1. Hft. Ebd. 1889. (XU,
188 S. gr. 8.) 4.- 2. Hft. 1889. (III, 224 S.) 4.- 3. Hft. 1890.
Neue Grundlegung der Psychophysik. (III, 122 S.) 3.—
der Ursprung der Sittlichkeit. Ebd. 1889. (III, 120 S. gr. 8.) 3.-
— — Gedankenübertragung. Vortrag. (Aus: „Beichte d. naturf. Ges. zu
Freib. i. B.] ebd. 1889. (IV, 23 S. gr. 8.) -.80.
— — üb. Aufgaben u. Methoden der Psychologie. (182 S. gr. 8.) [Schriften
d. Ges. f. psychol. Forschg. 2. Hft. Leipz. 1891. A. Abel.J 6.—
Mttttrich, Prof. Dr. A., üb. d. Einfluss des Waldes auf d. period. Verände-
rungn. d. Lufttemperatur. [Meteorol. Zeitschr. 8. Jg. Hft. 2. S. 41 — 61.]
#a$cetitee*3tcfe, (Sfara (ÄönigSb.) Sftaä) bem fernen Often. 2Weine erfte Seereife.
(9Rtt Slbbilbgn.) [9(u3 allen ^öeittrjcüen. 22. 3qE)vcj. §ft. 1. 2. 3. 6.J 2ebtn
in 3aj>an |ebb. $ft. 8. 9. 11 m. Slbbübcut.]
»atf|, föeg.s u. 2Rebic=SR. $r. 9i., werter ©eneraUSSer. üb. b. öffentl. ©efunbfjeitS--
luejen im sJ?eg.=58ej. ÄönigSberg f. b. Sa^re 1886-88 erftattet. ßönigSb.
®räfe u Unser. (V, 236 @. gr. 8.) 3.-
Naanyn. Archiv f. experimentelle Pathol. u. Pharmakol. . . Red. v. Proff.
DD. B. Naunyn u. O. Sohmiedeberg. 28. u. 29. Bd. a 6 Hfte gr. 8.
Lpz. Vogel, ä 15.—
— — Referat üb. d. Gallensteinkrankheiten. [Vhdlgn. d. 10. Congress. f.
innere Medic. Wiesbad. S. 17—38.] Bericht üb. d mit d. Koch'schen
Heilverfahren auf d. medic. Klinik zu Strassburg erzielten Erfolge.
Vortrag. [Dtsche. medic. Wochenschr. 17. Jahrg. No 9.J
Nauirerck, Prot. Dr. Goelest., Sectionstechnik f. Studireude u. Aerzte. Jena.
Fischer (V, 127 S. Lex 8. m. 41 Abbildgn.) 2 50.
üb. d. Koch'sche Heilverf. geg. Tu bereu lose. Vortr. [Dtsche. medic.
Wochenschr. No. 13.]
Neigger, Dr. Ernst, casuistische Mittheilungen [ebd. No. 21.]
Neuenborn, Rob., Beiträge z. Histologie der Larynxpolypen. Diss. Königsb.
Koch. 32 S. gr. 8) baar n. —.80.
Neuhans, Oberl. Otto, d. Quellen des Trogus Pompeius in der persisch.
Gesch IV Teil. (Progr. des Hohensteiner Gymn.) Osterode. (25 S. 4.)
Nenmann, C., üb. e. eigenthüml. Fall elektrodynamischer Induction. Leipz.
Hirzel. (84 S. Lex. 8. m. 1 Holzschn.) 3.—
— — Bemerkungen z. mechan. Theorie der Wärme. Mit 5 Holzschn. [Ber.
üb. d. Vhdlgn. d. k. sächs. Ges. d. W. zu Leipz. Mathem.-phys. Cl.
I. S. 75-156.)
Neuiuann, Josef (Barkenfelde W.-Pr), d. Salicylsulfonsäure in bezug auf
ihren Wert als Eiweissreagens, ihre physiolog. u. antisept. Eigen-
schaften I.D. Berlin. (17 S. 8.)
Neumark, Philipp (Loebau), üb. tubaren Abort. I.-D. Berlin. (32 S. 8)
Nickel, Paul (Elbing), zur Pathogenese d. sogen, syphilit. Mastdarm-Geschwüre.
I.-D. Greilsw. (32 S. 8)
Nieteki, Prof. Dr., Rec. [DLZ. No. 37.]
32 Altpreuflische Bibliographie für 1891.
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Ohlert, K., Rec. [Berliner philol Wochen-chr. 11. Jahrg. No. 28.]
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Oppenheim, Berth., die syrische Uebersetzung des 5. Baches der Psalmen
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den älte8t. Uebersetzungen . . . Diss. Leipz. (Königsb. Koch.) (70 S.
fr. 8.) baar n. 1.—
, Prof Dr. Henr., de gennino spiritalis animarum cibi eucharistici
sensu commentatio. Brunsbergae. (14 S. gr. 4°.)
Panzer, fflec. [3t)bci'd &ift. Stfcftr. 9?. ft. 31. »b @. 139-140.]
Passarge, L., Eenrik Ibsen; e. Beitrag zur neuest. Gesch. d. norweg. National-
litteratur. MitPortr. u. Facsim. Lpz. Elischer. (4 BL, 310 S. gr. 8.) 3.—
$id)timgen bon Oäroalb u. SBolfenftein [ 367— 1 445] überf. etngelett. li. erfl.
(168 ©. gr. 16). [Unn>erfai«93ibliotf)et Wx. 2839-2840. Seip^ig. Kecfam.]
geb. — AO.
Passarge, Dr. Siegfr. (Jena), das Roth im östl. Thüringen. [Jenaische
Ztschr. f. Naturwissensch ... 26. Bd. N. F. 19. Bd. S. 1-88J zu-
gleich als I.-D. Jena. Gust. Fischer.
Pawlowski, Hauptlehr. J. N., Schul- Wand karte v. Westpreussen, nach der
Generalstabs-Karte entworf. u. gez. 2. verb. Aufl. m. d. neuen Kreis-
einteilung 1:200,000. 6 Bl. Farbendr. 63,5 X 48 cm. Danzig-Kafe-
mann. 7.50, auf Leinw. 12.50.
Perlbach, Dr M., Rec. [Centralbi. f. Bibliothekswesen 8. Jahrg. S. 52-53.
127—130. 502-504. Kwartalnik historyczny. V. S. 876-881. DLZ. 10/
Peters, C. F. W., e. Bemerkung zum Keplerschen Problem [Astronom.
Nachr. No. 3018. Bd 126. Sp. 291-292.]
$etoti0, $r. SHtd)., üb. $ott$raolj(fatjvt3einricf)tungen in fremben Staaten, ütäbefonb.
in 3)änemarf. I. £ei(. (SSovtr.) [Slügem. 3)tfcfj. UmuerfttätSsßeitung IV- 3a^r9-
1890. 9?r. 13-18. 20.] II. Seil, «aterieüe Eo(f3n>o$lfaf)rt. [tbb. 9?r. 21.
23. 24. V. 3a£)rg. Er. 3-6. 8-12. 16. 18.]
Gaffel be. 9?ad) gejammelt. Sßorträgen. SBerl. $8tbiiograJ>()ifd)e3 SBureau. {Sß S.
gr 8.) —.40.
Petruschky, Dr., üb. d. Koch'sche Heilverfahren geg. Tuberculose. [Dtsch.
medicin. Wochenschr. 17. Jahrg. No. 13. S. 485—487. üb. d. Ein-
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d. Körpersäfte, [ebd. S. 669—670.] Rec. [Hygienische Rundschau
hrsg. v. Fraenkel u. Esmarch. I. Jahrg. No. 1.]
Pfeiffer, R. (Cand. med.), Zwei Fälle v. Lähmung der unteren Wurzeln
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Plckert, Max (pract. Arzt aus Kulmsee Westpr.) üb. e. Fall von Hernia
obturatoria. F.-D. Berlin. (32 S. 8.)
#tctfd), 2ubmig (SBerltn, geb. gu Stetig 25. $ec. 1824), STuä SBelt u. Äimfc ©tubien
u. Silber. 2 3Jbe 3ena 1867'. Softeuoble (VI, 664 S. 8.) 9.-
Oricntfafjrten e Serüncr 8eidmer3. I. SB. a. u. b. X.: 9?ad) Sitten u. Stföaru;
e. Srtttymgftaudflug (Wpril u. TOai 1869.) ©er(. 1871. 3anfe. (XI, 288 8.
gr. 8.) 3.—
Eon Berlin bift $arid. ßriegäbilber. [1870-1871.] thb. (519 @. gr. 8.) 4.50.
SRaroffo. »riefe u. b. beutid). ©efanbfdjaftSreife nadi ge* im grüft. 1877.
8ft. 1878. SBrocttjauS. (III, 370 @. gr. 8) 7.—
Wallfahrt nach Olympia im erst. Frühling der Ausgrabgn. [Apr. u.
Mai 1876.] nebst e. Her. üb. d. Resultate der beid. folg. Ausgrabungs-
Campagnen. Reisebriefe. Berl. 1879. F. Luckhardt. (LV,251S.8.) 4.-
— — €fteria. Sommerwohnung b. $creinä berliner tfünftler. iejt u 8. %
2JJit 28 Slbbilbgn. naä) Orig. Qeicbngn. b. Äünftler u. p^otogr. aufnahmen.
AltpreuJtische Bibliographie. 33
»erl. 1886. ©erlitt. SBlg«-(£omtoh\ &.*<& (47 S. gr. 8.) —.80. 2. Wuff.
»erlitt 1887. $ominif. (47 6. gr. 8.) —.76.
Fletsch, Ludwig. Fabricius, E., u. L. Pietsch, Führer durch das Pergamon-
Panorama, sowie durch d. Kaiser- Diorama der centralafrikan. Er-
forschungs-Expeditionen. Mit 6 Illustr. u. 1 Plan. 1—3. Aufl. Berl. 1887.
Dominik. (41 S. 8 ) —.70.
(Siinnerung an bie $lau{e. [Äünftferijetm im ^Berlin, ßanbe3au8fteflg3£alaft.]
Wx 80 flbbübg. na* b. in b. „«laufe" befinM. ®emälb., (Sfittyhtren k.
»erlitt 1889. fcong. (47 6. gr. 8.) 1.-
— — die Malerei auf d. Münchener Jubiläums -Kunst -Ausstellung 1888.
Photogravüre- Ausg.; m. begleitd. Text v. L. Pietsch. 14 Lfg. Imp. 4.
(182 S. m. eingedr. Illustr. u. 66 Taf.) Münch. 1889. Hanfstaengl.
a n. 6.— (cplt. in Kalblederband: 110.-)
SBie man aum 6d)riftftefler roerben fann. [3). 9ttaga$. f. Sitteratur. 60. Saljrg.
Hr. 1. 2. 4—11. 25.1 ©rfebniffe au3 b. fündiger gafjren. [tbb. ttr. 24.]
Mtfjen. (mit 11 Hbbilbgn.) [©eftermann'S iflufh\ btfdj. 3&onat3fjfte. 34.3al)rg.
69. 8b. 1890. ©. 24-40. 181-197.]
Pineas, Dr. Ose, 1. Jahresbericht üb. d. Wirksamk. d. Augen-Heil- Anstalt
in Posen. Posen. (Jolowicz) (10 S. gr. 8.) baar n. —.60.)
Wattn, (£. t).r geb. to. SJurgSborf, 9lu*jüge aus b. $agebud)e ber ©räfin ©erttja
fcrudjfejj'S&afbburg, ftofbame ber Königin Stufe to. $reu&en. [S&gäber. b. Alt =
©ef. $ruffia im 46. 8erem3j. ©. 118-129.]
Plew, Oberl. Dr. J., Rec. [DLZ. No. 44.]
Poelchau, Gust., e. Fall von Perodaktyhe. Diss. Königsb. (Koch.) (33 S.
gr. 8. m. 1 Taf.) baar n. 1.—
Postleitkarte, bearb. im Kursbureau d. Reichs-Postamts. 1 : 450000. Berl.
Lith. Instit. Farbendr. 70X56, 5 cm. a -.60 Bl. 1: Königsberg i. Pr.
Gumbinnen. Bl. 2: Cöslin, Danzig, Bromberg.
Prell wltz, W. (Königsb.), Delphisch TQixttvav xfjvav und xn(ta [Beiträge z.
künde d. indogermanischen sprachen hrsg. v. Bezzenberger. 17. Bd.
s. 166—169.] Miscellen zu den griech. dialecten [ebd. s. 169— 171J.
Jft zu pv. [ebd. S. 171 — 172.] Kyprisch xag „und" [s. 172—174.]
Nhd. fratze [ebd. s. 174] register zu bd. XVII. [ebd. s. 850-360 ]
Rec. [DLZ. No. 5 Wochenschr. f. klass. Philol. 8. Jahrg. No. 21.]
tßrtttgel, 7t) , b. griebenSfongrejj u. b. interparlamentar. Jftmferenä in Stauen u. ifjr
SSfjäftnife JU Jtant'3 pljilof. (Sntamrf j. ewig, grieben. [9lu3: „Äeformblätter
ä. fjörberg. freiljeitl. Örnttmcflg. b. relig. Öeben§.] ßönigäb, SBraun u. SBeber.
(16 @. gr. 8.) -.50.
— — 3)ie t>. dgibt)=93erfammfung in SBerlin nadj (Sftarafter, Verlauf u. föefuttat.
SBon einem Sfjeüneljmer ber SBerfammlung. Qtbb. (Sep.s^lbjug auä 9?r. 10—12
b. SRefomtblättcr) (82 ©. gr. 8.) baar —.60.
üb. b. S3ebeutung beS Sorte« „9ltf)ei3mu3" narf) SBolföuorfteÜungen u. 2Biffen=
fd)aft. [ffieformbtötter XII. 3af)rg. <Kr. 13/14. 8. 107-119.]
Preussen, Polen, Litauen etc.
Ackermann, Dr. Carl, Beiträge z. physisch. Geogr. d. Ostsee; m. 1 Tiefen-
karte u. 5 lithogr. Taf. 2. (Tit.-) Ausg. Hamb. (1883). Otto Meissner.
(X, 399 S. gr. 8.) 4.—
Anzeiger f. d. kathol. Geistlichk. d. Diöcesen Posen-Gnesen, Kulm u. Ermld.
8. Jahrg. 12 Nrn. (B. gr. 4.) Breslau. Goerlich. 1.20.
Anzeiger der Akad. d. Wissen ach. in Krakau. Bulletin international de
l'Acad. des sciences de Cracovie. 1891. 10 Hfte. Krakau. (Buchh. d.
poln. Verlags-Gesellsch.) (8, 879 S. gr. 8.) 6.— einzelne Hfte. —.80.
Archl? f. slav. Philol. . . hrsg. v. V. Jagiö. 13. Bd. (4 Hfte. 1890-91.)
Berlin. Weidmann. (VI, 640 S. gr. 8.) 20.—
SUtnWfe, bie fcreufitfdjen. in iljr. S8r>ltnift. 51t b. Xafeirunben b. »HUelalt. [SBodjenbl.
b. 3o^annit.=Orbenö-»a(let) SBranbenburg. Saljrg. 32. 9fr. 37— 41.J
34 Altpreußische Bibliographie für 1891.
Ateneum pismo naukowe i literackie, pod redak. P. Chmielow9kiego.
. . .r. 1891. (4 Bde.) Warschau.
Bain, R., Nisbet, the second partition of Poland (1793) [The English
histor. Review No. 22. Vol. VI. p. 331-840.]
Behrendt, G., u. H. Schröder, Blatt Gallingen nebst Bohrkarte u. Bohr-
register. Gradabth. 18. No. 51. Geognostisch u. agronomisch bearb.
Hierzu 1 Taf. u. 8 Zinkdrucke im Text. [Erläutergn. z. geol. Special-
karte v. Preuß. u. d. Thüringisch. Staaten. 47. Lfg. Gradabth. 1*\
No. 51. Berlin. (29 u. 58 S. gr 8.)
Bible. Morfill, W. R., the London Lithuanian Bible. [The Academv
April 18. No. 989. p. 370—371.] H. Krebs, the Lord's Prayer in
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the Lithuanian Bible of 1600 (the so-called Chylinsky Bible)
[The Academy. May 16. No. 993. p. 467. May 30. No. 995 p. 514.:
T. B. R., the Lithuan Bible of 1660. [June 13. No. 997. p. 564.]
Blblioteka pisarzy polskich (Bibliotheque des ecrivains polonais du XVI.
siecle) Livr. 9. JanaSeklucyana Oeconomia albo Gospodarstwo,
1546, wydal Dr. Zjgmunt Celichowski.) Jean Seclucianus,
Oeconomia, 1546, &lite par M. Sigismond Celichowski. Cracovie 1S*0
in 8° p. VI et 78.) RZsume in: Anzeiger d. Akad. d. W. in Krakau
1891. Jan. S. 3—4.
Livr. 10: Krysztofa Pussmana Historya barzo cudua o stworzeniu
nieba i ziemi, 1551, wydal Dr. Zygm. Celichowski (Christ. Puss-
man, tres merveilleuse histoire de la creation du riel et de la terre.
1551 6d. p. M. Sigism. Celichowski. Cracovie 1890. (p. 34.) Resume
in: Anz. d. Ak. d. W. in Krakau 1891, Jan. S. 4—5.
Livr. 11: Rozmowa Polaka z Litwinem. 1564. (Conversation entre
un Polonais et un Lithuanien, 1473, ödite" par M. J. Korzeniowski.
Crac. 1890. in 8 p. VIII et 91. Resume ebd. p. 5-8.
Blelensteln, Pastor Dr. Aug., ref. üb. sein im Ms. so gut wie vollendet
Werk: „üb. d. Grenzen d. lettisch. Volkes und der lett. Sprache heute
u. bei Ankunft der Deutschen." [Sitzungsber. d. Ges. für Geschichte
u. Altthskde. d. Ostseeprovinzen Kußl. a. d. J. 1890. Riga. S. 3—7.]
Bilbaflsoff, Prof. B. v., Gesch. Kathar. II., autoris. Uebstzg. a. d. Russ. v.
M. v. Bezold. I. Bd. 1. u. 2. Abth. Berl. Norddtsch. Verl.-Institut.
(X, 543; 185 S. gr. 8.) 12.-
$itt}e*, (S. Sf. 8. ü., Dom £odjmeifterjd)fofje 9Karienburg q. b. töogat. [SBodjenbl.
b. 3o^anmt.=Orb.s5BaUcl) »ranbenbg. 32. 3g. Ar. 28-31.]
»Uitfcett, Victor, c. fiaunc be3 GHüctS. [SraueiuBta.. b £cip^. SOufh?. 3tg.
Wt. 2600. 2501.] (Die Novelle spielt in Ostpr.)
Bobowski, M., Polska poezya religijna od najdawniejszych czasow ai do
konca XVI. wieku. (Die poin. religiöse Dichtg. v. ihr. Anfang, bis
z. Ende d. 16. Jahrh.) Resume in: Anz. d. Ak. d. W. in Krakau.
März. S. 89—96.
XtuntU, 3B., ©übet au3 brci 3ct1jrf)brtn. branbenb-^reuß. @efd). 1. 93b. b. ga&rlj.
b. ©rofe. £urf. 93er(. 93d)ö. b. btfcf). £cf>r.*8tg. (X, 253 6. gr. 8.) 2.40.
Brandenburg, Dr. phil. Erich, König Sigmund u. Kurf. Friedrich L v.
Brandenburg; e. Beitr. z. Gesch. d. deutsch. Reiches im 15. Jahrh.
Berl. Mayer & Müller. (4 BL, 220 S. gr. 8.) 4.—
Breza, A., Literatura polska. Cze&c* I. Warszawa. (XX, 572 S. 8.) 2.—
Brock, Dr. Leop., das brandenburgische Heer in den Kriegen von 1688
bis 1697. III. (Beil. z. 14. Jahresber. d. k. Gymn. zu Königshütte
O.-S.) Beuthen. (40 S. 4.)
Brückner, A., d. litau.-poln. Catechismus v. J. 1598. [Archiv f. slav.
Phüol. 13. Bd. S. 557—690.] Rec. üb. Biblioteka Pisarzöw Polskich
No. 6—10. [Kwartalnik historyczny. IV, 889—893.]
Altpreußische Bibliographie für 1891. $5
Bruinfngk, H. Baron, d. Hans d. Schiffer geselle eh. in Lübeck. [Stzgsber.
d. Ges. f. Gesch. n. AK. d. Ostseeprov. itußl. a. d. J. 1890. S. 104— 108. J
Buck, Woldem. (aus St. Petersb.), d. deutsche Kaufmann in Nowgorod
bis z. Mitte d. XIV. Jahrh. I.-D. Berlin. Mayer & Müller. (46 S. 8.)
Calczynskle, J. K., Polska poganska. Skic antykwaryczny. (Progr. d.
Gymn. in Rzeszow) (20 S. 8.) rec. v. Dr. R. F. Kaindl in: Ztsch.
f. d. österr. Gymn. 1892. S. 1140—41.
eana*>aritt$, 3of)anne3, b. £eb. b. SBifc^of^ 9lbal6. b. ?rag; nad) b. 2(u3g. b.
Monum. Germ. übffct. to. Dr. §erm. fttiffer. 2. 51. neu beerb, u. bc§. b.
SeibenSgefd). ömefjrt ö. 2B. SBattcnbatf). ßety*. 2»)f'fd}e SBd)f). [b. ©efcfrdjts
Treiber b. btfd). Sorst. 2. ©efmtauäg. 10. 3a^rq. VII. SBb.l (XIV.
52 ©. 8^ 1.-
Cavaign&c, Godefroy, la formation de la Prusse contemporaine, ses origines ;
le rainistere Stein (1806-1808). Par. Hachette & Ce. (VIII, BIO S.
gr. 8) 7 fr. 50 c.
Codex epistolaris saeculi XV. Vol. IL ed. Anatol. Lewicki (1382— 1445)
f Monum. med. aevi, res gest. Polon. illustr. vol. XII.] (LXXX, 532 S.
Lex. 8.)- Rösume' in: Anzeig. d. Akad. d. W. in Krakau 1891.
Mai. S. 163—181. rec. v. B. Ulanowski in: Kwartalnik histor.
VI, 632-37.
Cnnerth, O., Handkarte d. Prov. Westpr. m. Berücks. d. neu. Kreiseinteilg
u. d. Nebenbahnnetzes; f. d. Schulgebr. 1 : 800,000 Farbendr. 28X34 cm.
Lpz. Ed. Heinr. Mayer, baar —.30.
Cwiklinski, L., o zyciu i poezyjach Kiemensa Janickiego. (1516 — 1543.)
Czesc" I. Rösuinö: Anz. d. Akad. d. W. in Krakau Jan. 1891.
S. 8-17.
Czolowskl, Aleks., Sprawy woloskie w Polsce do r. 1412. [Kwartalnik
histor. V, 569-598.J
Druffel, v., „der Bairische Minorit der Observanz Kaspar Schatzger
n. seine Schriften". Vortr. [Stzgsber. d. philos.-philol. u. hist. Cl. d.
k. b. Akad. d. W. zu Müncheu. 1890. Bd. IL Hft. 3. S. 397—433.]
Eckstein, Dr. K. (Eberswalde), thierische Haareinschlüsse im baltisch.
Bernstein m. Taf. III. [Schriften d. natf. Ges. in Danzig. N. F.
Bd. VII. Hft 3. S. 90-93.J
Ermittel nn gen üb. d. allg. Lage d. Landwirtschaft in Preußen; aufgenomm.
i. J. 1888/89, bearb. im k. pr. Minist, f. Ldw., Domän. u. Forst.
IL Theil. Berlin. Parey. (3 Bl., 579 S. gr. 8.) [Ldwirthsch. Jahrbb.
19. Bd. Ergänzbd. IV.] Westpr. betr. 1-20. 21-38. 535-658. 559-579.
Estreicher, Bibliothekar Dr. Karl, poln. Bibliographie [III. Abth. Bd. L]
Jahrh. XV— XVIII. aiphabet, geord. [Der ganz. Sammlung Bd. XII.]
Krakau. (Buchh. d. poln. Verl.-Ges.) (XIX, 424 S. gr. 8.) n. n. 15.—
Finkel, L., Bibliografia historyi polskiej. Bibliographie de Fhistoire de
Pologne par M. L. Finkel, en collaboration avec M. H. Sawczynski,
et avec le concours des membres du cercle historique des e^udiants de
Tüniversite de Leopol. l«re partie.) Leopol. 8. p. XVI. 527. Publi-
cation de l'Acad. des sc. de Cracovie. Bes. in: Anz. d. Ak. d. W. t.
Krakau. Nov. S. 292—301.
gorfdjungen $ux 33rcmbenb. u. $reug. ©efdjid) §räg. b. föeinljotb ßojer.
4. 93b. 1. fccilfte. 2pg. $uncfer & fcumblot. (III, 822 ©. gr. 8.)
2. £älfte (IV, III, 328 ©.) a 6.-
©e$re, Dr., b. ©ermanifirung ber Sitauer in Dftyr. [<8(obit3, 93b. 59. 9fr. 7.]
b. neue bcutjdjc flolonifatton in ?ofen u. SSeftpr. in b. g. 1886—90. [tbt.
Er. 18.1
Geschieh tsblätter^ Hansische, hrsg. vom Verein f. Hansische Gesch.
(18.) Jahrg. 1889. Leip. 1891. Duncker & Humblot. (3 Bl. 234 u.
XLVHl S. gr. 8.)
3*
36 Altpreußische Bibliographie für 18Ö1.
Ueschichtsqnellen, Hansische; hrsg. v. V. f. hans. Gesch. VI. Bd. Halle.
Buchh. d. Waisenh. (XIV, XLVTII, 404 8. gr. 8.) 8.— Inh : Hanse-
akten ans Engld. 1275—1412, bearb. v. Karl Kunze.
Gindely, Dr. Ant., d. maritimen Pläne der Habsburger n. d. Antheilnahme
Ks. Ferdinand H. am poln.-schwed. Kriege währd. d. J. 1627—29;
e. Beitr. z. Gesch. d. 30 j. Krieges. [Denkschriften d. Ksl. Akad. d.
W. in Wien. Philos.-hist. Cl. 39. B<LJ (54 S. 4.)
GloYannlni, P. Aem., Relazione di Polonia 1565 ed. J. KorzeniowskL
[Aus: „Scriptor. rer. Polon."] Krakau. Bchh. d. poln. Vlgsges. (33 S.
gr. 8.) 1.50.
Granbner, L., d. Wasserwerk der Stadt Tilsit. [Centralbl. f. allg. Gesund-
heitspflege. 10. Jg. 4. u. 5. Hft.]
Handtke, F., General-Karte v. West-Pr. 1:472000. 28. Auf. Glogau.
C. Flemming. Farbendr. 57,5 X 72 cm. 1. — auf Leinw. in Karton. 2.50
Schul- Wandkarte d. pr. Prov. Westpr. 1 : 250000. 2. A. 6 Bl. Farbendr.
45,5 X 45 cm. Ebd. §,60., auf Leinw. in Mappe. 7.20.
Hansen, Dr. J. H., Hanse. [Jahresber. d. Geschieh tsw. 11. Jg. 1888.
Berl. 1891. II, 212-215.1
Hanserecesse v. 1431—1476, bearb. v. Goswin Frhr. v. d Ropp. VI. Bd.
Leipz. 1890. Duncker & Humblot. (XIII, 634 S. gr. 8.) 22.— [Hanse-
recesse. IL Abth. 6. Bd.l
$<mut<!, Otto, ßtofonb als ©lieb b. btfdj. ffieidjS b. 13. 6t3 16. Safjrtj. «ortr.
[?Jreu&. 3o§rb. 67. ©b. <S. 364-78.] audj 6ep.s»bbr. 93erl. »eratcr.
(28 ©. gr. 8.) —.50.
Hermann, Geh. Ob.-Baur. H., n. G. Reichert, Reg.-Baur., Schloß u. Dom-
kirche zu Marien werder. Fol. m. 3 Kpf. Berl. Ernst & Sohn.
cart. 8. —
Jacob, Dr. Geo., welche Hdlsartikel bezog, d. Araber d. Mittelalt. aus d.
nord.-balt. Landern? 2., gänzl. umgearb. u. vielf. verm. Aufl. Berlin.
Mayer & Müller. [III, 88 S. gr. 8.) 2.50.
— — die Waaren beim arab.-nord. Verkehr im Mittelalt. Suppl.-Hft. zur
2. Aufl. von „Welche Hdlsartikel. . ."? ebd. (81 S. m. 1 Abbild.) 1.20.
— — Kannten d. Arab. wirkl. sicilisch. Bernstein? [Ztschr. d. dtsch. morgld.
Ges. 45. Bd. S. 691 -93. J
Jahrbuch d. Vereins f. niederdtsche Sprachfbrschg. Jahrg. 1890. XVL
Norden. (2 Bl , 164 S. gr. 8.) 4.—
Solotpic), 93rf)t)bl. Sofetf), 5Bortg. üb. b beib. &utferftedjer Daniel e&oboroiecfi
u. Scremia« %aid. [Stjdjr. b. Ijift. ©ef. f. b. $vod. tyfen. VI. 3g. 3,4. §ft.
®. 483-492.]
Kallenbachj Jos., commentatio cui inscribitur: Les humanistes polonais.
lind. lect. in Universit. Friburg. per mens. hiem. a. 1891/92.] Frib.
Helvetior. (VI, 72 S. gr. 4.)
Kareler, Nicol., Causes de la chute de la Pologne. [Revue histor. T. 45.
p. 241-289.]
Karte d. dtsch. Reichs im Maßat. v. 1 : 500000 unt. Redact. v. Dr. C. Vogel
ausgef. in Just. Perthes' geogr. Anst. iu Gotha. Sekt 5. Königsberg.
Sekt. 4. Danzig. gr. fol. 44Va X 33 cm. ä 2.-
Äat), 53., «u« ber Äaffubei. [SWonatSblätt. §rSg. 0. b. ©ef. f. pornm. Gkfö. u.
m. 9fr. 12. @. 183— 185.J
Kellhack, Dr. K., üb. d. Lage d. Wasserscheide auf d. halt. Seenplatte.
(m. Karte auf Taf. 4.) [Petermann's Mitte ilgn. aus Just. Perthes1
geogr. Anstalt. 37. Bd. II. S. 38— 41. |
ÄirdKttJwlttif beö ®ro&. «urfürft. [©rcnjbotcn. 60. 3g. 9ir. 5. @. 199-216.]
ÄttmiS, ©tjnm.sS. Dr. 9Rar, ©iiüeitg in b. |)oln. SRünafbe. V. [Stfär. b. ffit.
©e|. f. b. «prou. ^oien. VI. 3g. 1. $ft. @. 35-68. 2. $ft. S. 175—214.]
Altpreußische Bibliographie für 1891. 37
ftnapp, <§feo. grbr., b. fianbarbetter in ftnedjtfd). u. greif). 4 Vorträge. 8^.
3)unrfct & fcumbtot. (IV, 93 S. gr. 8.)
Schließt sich an d. bekannte voreügl Werk des Vf.: die- „Bauernbefreiung
u. d. TJrspr. d. Landarbeiter in d. alt Theil. Preuß." (Lpz. 1889) an,
üb. w. z. vgl. die Grenzboten 1891. No. 3. S. 112—121.
b. ©rbunttftämgT. u. b. totftriift. SBtrtfdjaft [©cf>molIer'8 3af|rb. f. ©efefrgebg.,
SBipdtg. it. SSolfSimrtyfä. im btfd^. SRetdj. 16. 3a$rg. 2. £ft. ©. 19—34.]
2eibetgenfd)aft im öftl. Sttfälb. SBortr. Rauft, gafjrbb. 67. »b. 3. $ft.
6. 233-249.]
Knoop, Oberl. Otto, Plattdeutsches aus Hinterpomm. (Osterprogr. d. K.
Gymn. z. Gnesen) Posen 1890. (8. 8—25. 4.) 2. Sammig: Fremd-
sprachl. im hinterpumm. Platt, nebst e. Anzahl v. Fischer-Ausdruck.
u. Ekelnam. (Beil. z. Progr. d. k Gymn. zu Rogasen.) Rogasen 1890.
(26 S. 4.) Forts, (als 3. Sammig.) ebd. 1891. (IS S. 4.) 4. ©ammf.
A. @pridjro u. JRebenSart. [SRonatdolätt. f)r$g. D. b. ©e|. f. t>omm. ©efdj.
u. 9tä. 1891 Er. 8-6. 8.]
Htterljanb ©djerfl, Redereien, SRehne u. (Stääfjlan. üb. pomm. Orte u. ifjre
©eigner, [»aüifdje ©tubien. 41. 3g. ©. 99-203.]
Kolberg, 0., Lud, jego zwyczaje, sposöb zycia, mowa, podania, przyalowia,
obrzedy, gusla, zabawy, piesni, muzyka, tance. Serja XXITL llaliskie,
czes6 1. Krakau. (271 8. 8. m. Abbildgn.) 7.50.
— — Chelmskie, obraz etnograficzny, wydany z materjalow posmiertnych
przez Kopernickiego. Krakow. (VI, 265 8. 8.) 6.50.
Konecznj, F., Walter v. Plettenberg, Landmistrz Inflancki, wobec Zakonu
niemieckiego, Litwy i Moskwy 1500 — 1525 Resume: Anzeig. d. Akad.
d. W. in Krakau. 1891 März. S. 96—100.
Korrespondenzblatt d. Vereins f. nieddtsche Sprachforschg. Jahrg. 1891.
Hft. XV. (2 BL, 106 S. 8.) 2.—
Korzenlowskl, Dr. Jos., Catalogus codicum manu scriptorum Musei Prin-
cipnm Czartoryski Cracoviensis. Fase. 1—8. öracoviae 1887—91.
(Buchh. d. poln Verl.-Ges.) S. 1—272. gr. 8.) a 3.-
Orichoviana. Opera inedita et epistulae Stanislai Orzecho wski
1543—1566. Vol. I. Editiones Acad. litt. Oracov. Biblioth. auetor.
Polonorum. Cracov. (Bchh. d. poln. Vlgsges.) (XXVIII, 740 S. 8.)
7.20. cf. Anz. d. Ak. d. W. z. Krakau. Dec. 1891. 8. 323—336.
— — Polonici regni cum adiunetis provineiis descriptio. [Aus: „Scriptor.
rer. PoIon.u] Ebd. (13 S. gr. 8.) T.60.
Kranshar, Aleks., Poselstwo Jak6ba Smiarowskiego do Bohdana Ohmiel-
nickiego pod oblQzony Zamoäö w r. 1648. [Kwartalnik histor. Rocz-
nik V. 8. 813-824.]
Kunze, Karl, Hanseakten aus England 1275—1412. Halle. Bchh. d. Waisenh.
(XIV, XLVIII, 404 S. gr. 8.) 8.— [Hans. Geschichtsquellen. Bd. VI.)
Kwartalnik historyczny. Organ towarzystwa historycznego zaiozony przez
Xaw. Liskego, pod redakeya Osw. Balzera. Rocznik V. We Lwowie.
(XXIV, 9iS 8. gr. 8.)
Sanbfhtmt* Sßotoefle \>. §an3 ftoffmann. (fpicü in Oftyr. »äfjrb. b. gran^ofenjett.)
[Uiitoerfum 8. 3a$rg. 1891/92. 9?r. 14.]
grijmantt, 9Raj, 33ot)en;3 $)ennDÜrbigftn. (m. 93e$. auf 3fr. Wtypoib (Srinncrgn. au§
b. fieb. b. ®en.*Se(bmarfd). #erm. b. »ogen. 8 £l)le. (£ft. 1889—90.)
r6t)beP3 tyft. 8tfdjr. 9*. $• 31. ©b. ©. 40-54.] »otjen'ä Sarfteflg. b.
preuft. Äriegäüfaffg. [tbb. S. 55—80.]
Leronx, V., Wallenrod, tragedie en 5 actes. Paris, libr. 0. Levy. (84 S. 16.)
Leskien, Aug., d. Bildg. der Nomina im Litauisch. Des XII. Bds. der
Abhdlgn. d. pbilol.-nist. Cl. d. k. sächs. Ges. d. W. No. III. Leipz.
Hirzel. S. 151-618. (468 S. Lex. 8.) 16.-
Lewlcki, Prof. Dr. A., Polityka polska wzgledem paristw sasiednich i ziem
ruskich w r. 1432. (üb. d. Politik Polens geg. d. Nachbarstaaten u.
38 Altpreußische Bibliographie für 1891.
gg. d. Ruthenen i. J. 1482.) Bemme in: Anz. d. Ak. d. W. Krakau. Apr.
1891. S. 126—136.
Lewlckl, Prof.. Dr. A., Sprawozdanie z podrözy archiwalnej do Drezna,
Gdariska i Kr61ewca [Anz. d. Ak. d. W. z. Krakau. Dec. 1891.
S 364-369.]
Lindner, Rieh, (aus Leipz.), Zur alt. Livländ. Reimchronik. I.-D. Leipz.
(76 S. K)
Zippotoantt, oftpr. (güi^onen) (nad) b. SRofjrung. ßreifytg. u. 23. 9tyr. 1891 au3
b. 93er. t>. grf. (5. fiemfe in b. Bfcblgn. b. Berlin. @e{. f. «nt^rop. k.
@. 434 ff.) |©lobu&. »b. 60. SRr. 21. (S. 334 J
Lislewicz, Z., 0 obsadzaniu biskupstw w Polsce I. Epoka Piastowska. [üb.
d. Besetzg. d. Bisthüm. in Polen I. Das Ztalt. d. Piasten.) Besume
in: Anzeig. d. Akad. d. W. z. Krakau. Apr. S. 120—126.
Lftwis of Menar, C. von, d. Deutsch-Ordensburg Trikaten in Li vi and
(m. 2 lithogr. Taf.) fStzgsber. d. Ges. f. Gesch. u. AK. d. Ostseeprov.
Ksslds. a. d. J. 1890. S. 37—50.] üb. d. DOkomturei Dünamünde.
[ebd. S. 118-119.]
Stufe, (Sari, b. beutfd). flnftebelungen ht Söeftyr. u. $ofen. SReifebeobadjtgn
Berlin. $arei). (48 ©. gr. 8.) 1.—
jftattittt», Benno, Aberglaube im SRolfereimef.: e. Beirr, j. Bftanbniä b. «bglaub.
u. *. ©efrf). b. SRolfereitoef. ©rem. #emftu3 ttadif. (42 ©. gr. 8.) 1.50.
SWaitttfc, Dberftlieut. a. 2). ttffr. D., ftacftridjt. üb. b. ftamüle 0. Waran) gefamm.
©örlife. (1891) 3)ni(f 0. (£. «. ©tarfe. (8 831., 72 <S. gr. 8. mit 1 gemalt.
Söajtyentaf. u. 1 Stammtafel.)
Steinatbu*, £)., Beiträge 5. ®eftf). b fcbtöpolitif b. ©ro&. Äurf. [8tobel?ä tjift.
8tfcr)r. 9?. 3. 30. Bb. 6. 444-495.]
Mettig, Oberl. G, Liv-, Est- u. Kurland. [Jahresber. d. Gesch. wissensch.
11. Jg. 1888. II, 249—259.] Materialien z. e. Gesch. d. reformator.
Bewegung in Riga] [Stzgsber. d. Ges. f. Gesch. u. AK. d. Ostseeprov.
Rssl. a. d. J. 1890. S. 65—71.]
Meyer, Archivar Dr. Christian, Gesch. d. Prov. Pos. Gotha. Perthes.
(XI, 371 S. gr. 8.) 6.— rec. v. C. Lohmeyer in Ztschr. ä\ hist. Ges.
f. d. Prov. Pos. VI, 234—248. Dagegen Chr. Meyer, d. Posener
Ztschr. u. meine Gesch. d. Prov. Pos.; e. Abwehr. Gotha 1892. Hier-
geg. Lohmeyer, Erklärung in Ztschr. d. hist. Ges. f. d. P. Posen VII.
112 f. u. BLZ. 1892. Nr. 11. Dageg.: Chr. Meyer, Erklärung.
Monatsschrift, baltische. Hrsg.: R. Weiss. Red.: N. Carlberg, 38. Bd.
9 Hfte. (a 5—6 B. gr. 8.) Reval. Kluge's Verl. in Comm. 18.—
Monnmenta med. aevi hist. res gest. Polon. illustrantia Editio collegii
hist. acad. liter. Cracoviensis. T. XII. Codex epistolaris saeculi Xv.
Tom. II. Collectus opera Prof. Dr. Anatoli Lewicki. Cracov. (Buch-
hdlg. d. poln. Verl.-Ges.) (LXXVII, 531 S. Lex. 8.) 12.—
Morawski, Prof. Dr. K., Zycie i pisma Jaköba Görskiego (Leb. u. Werke
des Humanist. Jac. Gorski) 1525 — 1585. (Vorgeles. in d. Stzg. d.
Shilol. Cl. d. Akad. z. Krakau.) [Resumö : Anz. d. Ak. d. W. in Krakau.
[ai. S. 158—160.]
— — Andrzej Patrycy Nidecki. Jego iycie dziela. (Andr. Patricius Nidecki,
sein Leb. u. seine Werke.) Krakau 1892. (X, 402 S.) Besume: ebd.
Beehr. 1891. S. 337—344.
Morflll, W. R., the Ethnography of the Letts in Vitebsk. (Materiali dlia
etnografii Latishkago Plemeni Vitebskoi Gubernii. Sobrali snabdil
obiasneniami F. A. Wolter. Chast I. (St. Petersburg.) [The Academy.
Dec. 12. No. 1023. p. 639-540.]
Münster, Theod., Konrad v. Querfurt, ksl. Hof kanzl., Bischof v. Hildesheim
u. Würzburg. Leipz. I.-D. 1890. Wernigerode (63 S. 8.)
Napiersbl, Leonh., Vortr. üb. d. unt. d. Nam. d. Bodeckersch. Chronik
bekannt, den Ztr. v. 1593—1638 behandelnd, zeitgesch. Aufzeichngn.
Altpreußische Bibliographie für 1891. 39
[Stzgsber. d. Ges. f. Gesch. u. Ak. d. Ostseeprov. Rssl. a. d. J. 1890.
S. 33-86.)
N eh ring, A., zu Otto Hein's Abhdlg. „altpr. Wirthschftsgesch. bis z. Ordens-
zeit.11 Theil II. abgedr. im 5. Hft. d. Ztechr. f. Ethnol. 1890.
5. 173 ff. fVerhdlgn. d. Berl. Ges. f. Anthrop. Ethnol. u. ürgesch.
Außerord. Stzg. v. 10. Jan. S. 23—24. Nehrtng verweist hinsichtl. d.
Jagd, Fischerei u. Viehzucht auf s. Aufsatz Üb. „die Fauna* eines masur.
Pfahlbaus" in d. „Naturw. Wochenschrift (hrsg. v. ß. Potonii) v.
7. Oct. 1888, ferner auf s. Bemerkgn. in dies. Vhdlgn. 1888, S. 342 f. u.
auf 8. Artikel üb „die Jagdthiere e. masur. Pfahlbaus aus d. alt Bronce-
zeit'i in d. Neu. dtsch. Jagd-Ztg. (Berl.) v. 22. Dec. 1888; hinsichtl. d.
wild. Pferde auf s. ausführt. Arbeit üb. „Fossile Pferde aus deutsch.
Diluvial- Ablagergn. u. ihre Beziehgn. z. d. lebend. Pferden" (Berl. 1884),
hinsichtl. d. Bos primigenius aufs. Mitthlgn. in dies. Vhdlgn. 1888. 8. 222 ff.
Nehring, Wl., d. ethnogr. Arbeiten der Slaven, vornehml. Oskar Kolbergs.
[Ztschr. d. Vereins f. Volkskde. N. F. der Ztsch. f. Völkerpsychol. u.
Sprachw. 1. Jahrg. Hft. 3. S. 250—279. Hft. 4. S. 431—443.]
Olshausen, üb. d. im Küstengebiet d. Ostsee gefand. Münzen aus d. Zeit
vor Ks. Augustus. [Vhdlgn. d. Berlin. Ges. f. Anthrop. etc., außer-
ord. Sitze, v. 4. Febr. S. 228—28.] 2t« Mitthlg. üb. d. alten Bern-
steinhandel u. d. Goldfunde, [ebd. Stzg. 21. Febr. S. 286—819.]
Orsi, Dr. Paoli, üb. prähist. Bernstein aus Sicilien als Nachtrag z. Ols-
hausen [ebd. Stzg. 17. Oct. S. 690—91.]
Orzechowski s. Korzenlowskl.
$apptni)eim, grijr. ©uft. t>., W\txfyc\. üb. b. SRefiauration b. 3>tfdjorben8gebäube
bct ßanbfommcnbc Harburg o. 3. 1776—1799. [ÄorrejponbcngblQtt be« ©e*
fmnicrcin» b. btf*. ©eid).* '"• Mttf>3üereme. 89. 3fl. 9fr. 5. <S. 51—52.]
furje SebenSbejdjretbg b. etyem. SanbeSfomtyurä b. $tfd).sOrb.*93aflet Reffen
,,$fji(ipt) 2eo£. &on u. $u SReuljof", u. SWadjr. üb. feine (Sftern u. Eorfaljren
(nebfi e. ©tammtaf.) [$er beutfd»e fcerolb. XXII. @. 106—106.]
Pawinskf, Prof. Dr. A. in Warschau, Polen 1795 (Litt. d. J. 1883-87.)
[Jahresber. d. Geschichtsw. 11. Jg. 1888. III, 214—225.]
9*eld>ais, Oberl. Dr. «rtfj., bie Itotänb. ©ejdjiAtäliteratur im & 1890. SRiga.
Sfymmel. (108 @. 12.) 1.-
f ölen, bie preufctfäen. [SDtfcöc ffiebue. 16. gafjrg. <5tpt 8b. IH. <3. 309-318.]
Polens Könige u. Herrscher. Portraitgallerie, dargest. in 40—50 Helio-
grav. nach Orig.-Zeichngn. v. Dir. Jan Matejko: m. hist. Einbe-
gleitung v. Prof. Dr. Stanisl. Smolka. (In 20—26 Lfgn. Lfg. 1—16.
Wien. Perles. 1890—91. a 2 Bl. m. Text: S. 1—62. Fol. baar. a 2.—
9*letta mit). \>., ^reugtf^e 9Ränner. ©djaufoiel in 4 fcufe. SBert. 2)rucf D.
$. ©. ©ermann. (2 581., 59 @. gr. 8.) {Spielt zuerst in Tawoggen, dann
in Königsberg; d. preuß. Männer sind York, Clausewitz, Stein, Arndt,
Auerswald, Dohna, Schön, Schrötter u. Heidemann.
Potonlä, H., der balt. Bernstein (m. Abbildg.) [Naturw. Wochenschrift.
6. Bd. No. 3.]
Przeglad, palski pod redakczya. dra J. Mycielskiego 1891. Krakow.
— — powszechny pod red. Ks. M. Morawskiego. 1891. Krak. (12Hfte. 8.)
Przewodnik naukowy i literacki, pod redakeya, A. Krechowskiego. Lwöw
1891 (12 Hfte. 8.)
Ranke, Prof. Dr. Jobs., Ber. üb. d. 22. allg. Vsmlg. d. dtsch. anthropol.
Ges. z. Danzig, m. d. Ausflug, nach Marienbg., Elbing u. Kgsbg. i. Pr.
vom 3 —5., bezw. bis 14. Aug. 1891. [CorrespondenzBlatt d. dtsch.
Ges. f. Anthrop. etc. 22. Jg. Nr. 10—12.]
Reiche, Berth., d. polit. Litt. unt. Fr. Wilh. II ; e. Ueberblick. I.-D. Halle.
(35 S. 8.)
Rum ml er, Oberl. Dr. Emil, die Schulzen d. deutscbrechtl. Dörfer Grosspol.
im 13. u. 14. Jahrh. (Progr. d. K. Fr. Wilh.-Gymn.) Posen. (S. 8— 16.4°)
40 Altpreußische Bibliographie für 1891.
ftttntmUr, Cberf. Dr. ©mit, tt6. b. <gerid)t8ftanb u. b. rid)ter(. Sefugniftc ber groBpoln.
Stfufocn im 13. u. 14. 3a$rfj. [Stför. b. l)ift. ®ef. f. b. $roo. $ofen. VI. 3g.
3/4. fcft. @. 343-386.]
Schikowsky, Paul, die Mahre im Yolksglaub. d. Masuren [Das Ausland.
No. 15. S. 294-96.]
£4mit, Dr. (Grefe(b), b. Äatfjofifenüimfg. in 3)anaig. [3>er $at§oüf. 71. 3g. IL
6. 289-301.]
Schneider, Prof. Dr. Osk., Nochmals zur Bernsteinfrage ; einige Bemerken.
gg. Hrn. Dr. E. G. Jacob. [Ztsch. d. dtsch. morgenl. Ges. 45. Bd.
S. 239-244.J
e<f)*n, Dr. $aul, b. Organifation b. fiäbt SSerwaftg. in $reu&. I. b. tjift. SnrwidMg.
[«nnaten b. btfaV 9iei43. 24. 3g. 9ir. 9. 10. ®. 707—800.) II. b. geltenbe
<Re*t. [9fr. 10. 11. @. 801-846.1
egttlt, ©uft., ber SBernftein, 1. #erfunft u. (£iqenfd)aften. [$rometf>euö 2. 3afrg.
Wr. 40.1 2. SSortommcn u. ©enrinnung. fttr. 50.) 3. 3)er »ernfteinfjanbel.
[8 3g. Wr. 3. 4 ] 4. $. »cmftcin in b. Äunft u. Snbufrric [Wt. 13. 14.]
ed&fccbel, OSfar, ^eutfcf) = Crbenöbenhitä(er in b. »erüner Äiofterfir^c. [S&ocfanbl.
b. 3o§annit.5Crb. SBaHet) »ranbenburg. 32. 3g. Er. 13.]
Selbt, Prof. Dr. Wilh., Pracisions-Nivellement der Weichsel; im Auftrage
d. Hrn. Minist, d. öfftl. Arb. ausgef. und bearb. Mit 1 lithogr. Taf.
Berl. Druck u. Verl. v. P. Stankiewicz1 Buchdr. (74 S. gr. 4.)
Vttaptym, 91. f bie Anfänge ber refomtirt. Äirdje in tfudanb 1645—1701. &&.*
Slbbr. au« b. $üna*3tg. 1890.
eitmtfttbetidjte b. gel. eftaifä. ©ef. *, $orJ>at 1890. $orpat (IVf 168 6. 8.)
Sitzungs-Berichte d. Kurland. Ges. f. Lit u. Kunst ... a. d. J. 1890. Mit
2 Zeichnen. Mi tau. (3 Bl. 92 S. 8.)
Sitzungsberichte d. Ges. f. Gesch. u. Alterthumskde. d. Ostseeprovinzen
Russl. a. d. J. 1890. Riga. (2 BL, 192 8. gr. 8. m. 2 Taf.)
Smolka, Prof. Dr. St., Rapport sur les recherches faites dans les archives
de Rome. [Anz. d. Ak. d. W. in Krakau. Apr. S. 136—142.)
— — StanowiskomocarstwwobecKonstytucyiSMaja. Die Stelig. der Mächte
ggüb. d. poln Staatsverfssg. v. J. 1791. (Festvortr.) [ebd. Juni S. 200—219.]
„Geneza Konstitucyi 3 Maja" [Resume: ebd. Dec. S. 350—854.]
Sommerfeld, Theod., Matthaeus v. Krakau. L-D. Halle. (103 S. 8.)
Spitta, Phil., Rec. üb. Christ n. Bartsch, Dainu BalsaiMelodieen litau.
Volkslieder. 2 Thle. Heidelb. 1886. 1889. [Tierteljahrsschrift f.
Musikwissensch. 7. Jg. S. 668—676.]
Sprawozdanie z czynno&ci zakladn narodowego imienia Ossolinskich za
rok 1891. (46 S. gr. 8.)
8 teilt» Anilin |pjeub. f. $. 9Hetfcf)mann], beutfdje ®cfc^ic^t§= unb £eben£bifber
IX. Königin fiuif c ; e. 2eben*büb. 3. 91. (m. 1 SBtlbntö) fcaUe. 1892 (91).
Scft. b. ©dient). (X, 404 <S. 8.) 3.60.
Strebel, §enn., Erinnerungen an Dr. Äarl $ertn. ©er enbt (geb. 12. %>b. 1817
*u $an$ig. f 12. 9Rai 1878 in Guatemala) m. $ortr. fQMobuS. »b. 59. »o. 22.]t
Tilsit and Erfurt. — a Russo-French alliance. (1. Vandal, Alb.
Napoleon et Alexandre I. De Tilsit a Erfurt. L'alliance Russe sous
le premier empire. . Par. 1891. 2. Tatischeff, Serge, Alexandre I
et Napoleon, d'apres leur correspondance inedite 1801—1812. Par. 1891.)
TThe Edinburgh Review. No. 354. Vol. 173. p. 563—591.]
Truchsess t. Waldburg, Otto. Iiteras a Truchsesso ad Hosium annis 1560
et 1561 datas ex Codice Augustano primum edidit atque annotationibus
illustravit et prooemio indiceque exornavit Antonius Weber. Ratisbonae.
Manz. 1892 (91.) (123 S. gr. 8.) 1.50.
Tschack ert, Paul, Selbstanzeige von : Tschackert,P., Urkundenbuch zur
Reformationsgesch. d. Herzogth. Preussen. i.— 3. Bd. Lpz. 1890.
fGötting. gel. Anzeigen. No. 3. S. 101—112.] Kawerau, Rec. üb.
Tschackerts ürkdnbuch in DLZ. 1891. No. 14
Altpreußische Bibliographie für 1891. 41
Xfäa&ttt, %aul, $onf 6|>eratu8 1>. ^Rotten, ebang. SBiJdjof ü. Sßomefanien in $Rarien=
tuerber. (V, 101 S. gr. 8.) [Sdjriften b. Vereins f. SReformationSgefd).
9?r. 33.1 (8. Safjrg. 4. Stiul.) fcafle. 3Raj Wemeljer in (Somm. 1.20.
Urkunden-Bach der Stadt Lübeck, hrsg. v. d. Vereine f. Lübeck. Gesch.
u. AK. 9. Thl. 1. u. 2. Lfg. Lübeck, Schmersahl. (S. 1—160, 4.) 6.—
tttfttttfcettftiid), $ommerfcfje8. III. 93b. 9Rit $erfon.*, Orts* it. Sacforeqtft. f. b.
II. u. IU. »b. fjrSg. t>. «gl. Staat$=Brd)to &. Stettin. Stettin 1888-1891.
ftrbr. ftagef. (IV, 728 8. gr. 4.) 1. »bt§. 1287—1295, bearb. ü. Dr. Bobgero
?rümer8. 1888. (S. 1-258.) 6.- 2. «bt§. 1296-1800. zbb. 1891.
(S. 259-728.) 12.- ctft. 45.-
Yanaal, A., Napoleon I. et la reine Louise de Prusse ; l'entrevue de Tilsitt
(extrait du recent ouvrage de l'auteur sur Nap. I. et le tsar Alexandre)
[Revue politique et litteraire. (Revue bleue) 1891. 1. sem. T. 47. no. 4.]
YapoYÜ, B., de bello a Sigism. I rege Polon. contra Moscos gesto a 1508.
ed. J. Korzeniows&i. [Aus: „Scriptores rer. Polon. UJ Krakau.
Bchh. d. poln. Vlgsges. (11 S. gr. 8.) —.60.
SerftanMititeett b. gelefjrt. (Sftntfd). @ef. $u $otyat. 15. 93b. $orpat 1891. (Scipa-
Ä. $. Äöftfer in Gomm.) a. u. b. £.: 39 (Sftnifaje $rebigten t>. ©eo. gRfiller
a. b. 3. 1600-1606. m. e. $orm. b. SBiff). SReimann. (LIV, 841 S. gr. 8.
m. 1 Sdjrifttaf.) 16. »b. 1. #ft. ®bb. 1891. (72 S.)
Virchow, Rud., üb. d. diesj. Generalvsammlg. d. dtsch. anthrop. Ges. u. d.
Stand d. archäol. Forschg. in West- u. Ostpr. [Vhdlgn. der Berl. Ges.
f. Anthrop. etc. v. 17. Oct. S. 746—67.] üb. d. altpr. Bevölkere., namentl.
Letten u. Litauer, sowie deren Häuser (m. 11 Zinkogr.) [ebd. 17. Oct.
S. 767-805.]
Wahnschaffe, Dr. Felix, d. Ursachen d. Oberflächengestaltg. des Nord-
deutsch. Flachlandes; m. 5 Lichtdr.-Taf. u. 25 Textillustr. Stuttg.
Engelhorn (166 S. gr. 8.) [Forschungen z. deutsch. Landes- u. Volkskde.
hrsg. v. A. KirchhofP. VI. Bd. 1. Hft.] 7.20.
SBalbntann, (£., galten u. Abenteuer im btfdj. (5td)(anbe: m. 32 $fjotograü. nadj
Orig.=8ei4ngn. o. «16. 9Kä)ter. 8ty, o. 3. (1891) O. Spanier. (VII, 214 S. gr. 8.)
4.— geb. in Seinro. 5.—
S&ebet, Xfjeob., b. ©eneralsSöfmlg. ber Ultramontanen in 3)anjig u. bie b. e&ang.
»unbeä in Gaffel. SBortr. ©äffe. (S. Strien. (28 6. gr. 8.) —.30
Werner, Rieh. Maria (Lemberg), Aus e. Stammbuch d. 17. Jahrh. (des
„Simon Franck Rastenb. Prussus phil. et theol. Stud. Regii-Borussor.-
Montis M. DC.XLIIX" m.Eintragungen u. a. von Alb. a Galnein, Consil.
Ducat. Bor. et Gapit. Rastenb , Joh. Löselius, Simon Dachius.) [Viertel-
iabrschrift f. Littgesch. IV. Bd 1. Hft. S. 156—156.]
Wiedemann, Osk., zu d. litau. auslautgesetzen. [Ztschr. f. vgl. sprachf.
auf d. geb. d. indogerm. sprachen., bd. 32. N. F. bd. 12. hft. 1.
s. 109-122.]
Wislocki, WL, Przewodnik bibliograficzny . . . Rok XIII 1890. Krakow.
Gebethner. (XXIV, 236 S. gr. 8.)
Wisla. Miesiecznik geograficzno-etnograficzny. Tom V. Rok 1891. (5 Bl.
1029 S. gr. 8.)
WoerPs Reisehandbücher. Führer durch Königsberg i. Ostpr. u. Umgebg.
3. Aufl. Würzburg. L. WoerPs Sep=-Conto. (20 S. gr. 16. m. Plan.
u. 2 Kart.) —.50.
— — ... Führer durch Insterburg u. Umgebung. Ebd. —.50.
— — . . . Führer durch Marienburg u. Umgebg. Ebd. —.50.
— — . . . Führer durch Thorn u. Umgebung. (20 S. m. Plan u. 2 Kart.) —.50.
Wolff, Landw.-Lehr. Paul, westpr. Herdbuch ; i. Auftr. d. Herdbuch gesellsch.
f. Zchtg. v. Holländer Rindvieh in Westpr. hrsg. 1. Bd. Berlin.
(336 S. gr. 8. m. e. färb. Karte) 3.—
3cfrfd)ttft b. »erein« f. ©efä. u BUtfj. Sd)(efien8. . . . fjrSg. t>. Dr. G. ©rim*
fagen. Job. 25. SBreSlau. 3Äaj & (So. (388 S. gr. 8.) *4.—
42 Altpreußische Bibliographie für 1891.
Jtett*, $rof. Dr. ©an«, ®efd>. b. aRittefofterö. XI. n. HL (655; 696 6. gr. 8.)
[flflgem. Söeltgeftf. in einjelbarftellgn. $b. 5. 6. Berlin. 1890/91. ©rote.
. . . 2ief. 148 ff. ©ubfcr. a Sfg. 1.'-]
$a8 Mittelalter. (VIII, 174 ©. gr. 8.) [fc. $rufc u. $. ©c&iUcr, Seit-
faben f. b. gefdjidjtl. Unterridit in 6. ob. Älaffen Ijötj. 2e$ranftaften. 2. 33)eti.
Berlin, ©rote. 1.60. ge6. 2.—
$ie Weufteit (168 ©. gr. 8.) [ßeitfaben 3. 3$eU.] 1.40 geb. 1.80.
8ur eurotfiifdjen ©taatengefäitfte. [Blätter f. literar. Untfjaltg. 9hr. 3.]
gerbinanb ©regorooiuä I. IL [9totiona(=8ta. 304. 806.f
Qnedenfeld, Carl, üb. e. Fall v. Osteoidchondrom m. multiplen Metastasen.
I.-D. Kgsbg. (Koch). (26 S. gr. 8.) baar n. -.80.
Baczklewicz, Vi ct., Führer durch Danzig u. s Umgebung. M. e. Plan d.
Stadt. Danzig. Dr. B. Lehmann'sche Buchhdlg. (54 S.) 0,50.
Iladde, Dr. Gust., kurze Gesch. d. Entwicklung d. Kaukasisch. Museums
während d. ersten 25 Jahre sein. Bestehens v. 1. Januar 1867 bis
1. Januar 1892. Tiflis 1891.
Circularbriefe I— III. [Das Ausland 64. Jahrg. No. 38. 39.]
Bahnen ftthrer, C, über d. Zusammensetzg. u. Kry stallform d. isophtalsaur.
Barvums. JTiebig's Annalen d. Chemie. Bd. 266. S. 30—33.]
Ranlsch, Wilh. (Kgsbg. i. Ostpr.) Rec. [DLZ. 3.]
Batkowaki, Leop., a. Gollub (Westpr.), Beitrag z. Kenntnis d. physiolog.
Wirkg. d. Phenocollum hydrochloricum. I.-D. Berlin. (82 S. 8.)
&öt), 9Recf)töpraft. (£mi(, b. (Sinflufe b. bebingt. SRooation auf b. urfprüngl. Obligation.
<panbeftenftubie. 9Rof)rungen i. Dftpr. (SRündjen, «. 93udtöota.) (*33 ©.
gr. 8.) 1-
Beck, Paul, Untersuchgn. d. Harns auf Mikroorganismen bei acuter Nephritis.
I.-D. Würzburg. (24 S. 8J
ftcformblätter &. ftörberg. freifjeitl. ©ntwirfefg. religtöf. Sehend. &räg. o. £&. $rengeL
12. 3g. 24 Htn. (l/s 93. gr. 8.) ÄgSbg r Sroun & SBeber in Gomm.
fjalbj. baar n. lr50.
Behdans, Oberl. Dr., Aufgaben a. d. Statik u. Dynamik m. Beispielen, welche
an preuß. Anstalten in d. Entlassungsprüfg. bearbeitet word. sind.
Beil. z. Progr. d. kgl. Gymn. Graudenz. (24 S. 8.)
9tei$el, @ug., Wec. [$. SRagajin f. Sitterotur. . 60. 3a§rg. 89.]
»eidte, Victor (a. $iflau). iöuffafo «itt. ©eine ©rfebniffe u. Abenteuer im teritben
Söeften. TOit 4 ©übern in garbenbr. ü. gfrife SBergen. ©tuttg. 8dnnibt
u. ©pring. (176 ©. 8) fart. 3.—
Beimann, Dr. P., d. altniederdtscfi. Präpositionen. Progr. d. Real-Gvmn, zu
St. Petri u. Pauli.) Danzig. (S. 8-26. 4°.)
fteufd), $>ernnann, 9lmt3geridjt8r. a. $., b. Serfafjren in ©runbbudnadjen nadj b.
$reufj. ©runbbudjgefefcen u. 5. Wai 1872 m. Serücffidjtigg. b. einfdjfäg.
materiell. 9?cd)t§normen u. b. in b. 93efd)n>erbeinftana ergangen, enbgültig.
(Sntfdjeibgn. fijftemat. bargeft. u. m. Formularen ju Urfunben it. Verfügungen
oerfefjen. ©erfin. Verl. o. .fr. SB. SRüfler. (2 »1., VII, 380 ©. gr. 8.; 7.—
Bheindorff, Ose, üb. Kehlkopftuberculose im Kindesalter, im Anschluß an
e. Fall v. Pseudoparalyse u. Tuberculose. I.-D. Kgsb. i. Pr. (W. Koch.)
(36 S. gr. 8.) baar n. 1.—)
Bhode, Paul., Thynnorum captura quanti fuerit apud veteres momenti exa-
minavit. [Jahrbuch, f. class philologie. XVIII. supplemtbd. s. 1—79.]
Blchter, W., 15 Fälle v. vaginal. Totalexstirpation d. Uterus a. d. Kgl.
Uni versit. -Frauen-Klinik zu Königsberg. Kbg. Koch. (44 S. gr. 8.)
baar n. 1. —
Bieder, Adf. (Gumbinnen), Lebens- u. Glaubensansichten des Reise-
beschreib er s Pausanias. [Neue Jahrbuch, f. philol. u. paedag. 2. abt
144. bd. s. 465-475.1
Bittberg, Karl H. G. B. Graf v-, e. Beitrag zu 1813. D. Belagerg. d. Fstg.
Spandau u. damit in Zusammhg. steh, krieger. Ereignisse im Kgr.
Altpreußische Bibliographie für 1891. 43
Preuß., vomehral. in d. Karmark bis geg. Ende 1813. Mit Plänen
u. Beilagen verseh. u. nach Archiven u. geschichtl. Belegen bearb.
Graudenz. J Gaebel. (VIII, 843 S. gr. 8.) 9.50.
ffiofänet, 9trno(b, b. ©elb u. Sofftot. [2>ie ©egennmvt ©b. 39. Mr. 18-1 b. ^oettfcfic
©eredjtigfeit (m. ©cj. auf Älfr. ftrfyr. o. 93erger bvamaturg. SSorträge. SBien
1890. [SHüntf). «flg. 8tg. »etI.*Er. 268.]
Stoecfttet, fteinr., ^ur Erinnerung an SRenerbeer. [Sie ©egemoart. 93b. 40. 9?r. 36.1
ftoepett, ©efj. 9teg.=9t $rof. Dr. SRidj., jur ©enefiä b. fcfaffg. $o(cn« to. 3. 9Kai
1791. (W. Kalinka, Seym czteroletni. Tom III w Lwowce 1888
(b. öierj%. Sfteitfätag).) [£iftor. 8eitftfr. ft. fr 30. (2). g*. 31. 66.) 93b.
@. 1—52.) ba8 Sntcrrcgnnm. 28af>[ u. Ärönung oon ©tani8(ato Wuguft
$oniatott)8ft. 6. Oft. 1763 big 7. $)ea. 1764. IStfc^r. b. fjift. ©ef. f. b. *roo.
?ofen. VI. Safcg. 3/4. <pft. ©. 255-342.]
Roethe, G. Notiz zu: Wappen, helmzierden u. Standarten d. groß. Heidel-
berg, minnesängerhs. [Anzeiger dtsch. alterth. u. dtsch. litt. XVII.
s. 77—78.] Noch einmal d. indogerman. genns. [ebd. s. 181—184.]
ttec. [DLZ. 11. 41. 46. 52. £iftor. flettfär. 9*. g. 30. 93b. @. 95-100.
Ztschr. f. dt. philol. 24. bd. s. 273—275.1
Rosenfeld, Kurt (a. Thorn\ e. Fall v. Pseudoleukaemie. I.-D. Halle a. S.
(82 S. 8.)
Rogenthal, Rob., a. Kgsbg. i. Pr., üb. congenital. Hydrocephalus. I.-D.
Berlin. (49 8. 8.)
Rosikat, ord. Lehr. Aug., Ueb. d Wesen d. Schicksalstragödie I. Teil. (Progr.
d. städt. Realgymn.) Kgsbg. Hartungsche Bchdr. (S. 1—26. 4.)
fftofftt ©uperint, b. ©onntagSfrage. ©otfja. $ertl)e3. [Shnmer'S ^anbbibliotljef
b. £raft. Geologie. Slbtl). 15.] (V, 66 @. gr. 8.) 1.—
fflüffl, Srvanj, grerbindnb ©regorooiuS. ©ebädjtntörebe, gefj. in b. Sifcung b. fgl.
beutfd). ©efeflfdj. in #g«bg. am 28. 3Rai 1891. tgäbg. i. $r. Wartung.
(16 ©. gr. 8.) baar n. —.20.
— — d. Überlieferg. v. Xenophons Hipparchikos. [Neue jahrbb. f. philol.
143. bd. S. 53—65.] wann schrieb Zosimos? [Rhein. Museum f. Philol.
46. Bd. S. 146-147.] üb. d. v. Mr. Kenyon veröffentl. Schrift vom
Staate d. Athener, [ebd. S. 426—464.] Rec. [Berlin, philol. Wochenschr.
XI. Jahrg. No. 7. 8. 16. 44.]
9htttbf4)ait, eüangettfdje. Beitg. f. b. ©emeinben u. bie ßNeigfcereine b. eo. SitnbeS. . .
$r3g. u. reb. o. Nrtfibiaf. 33 er Hing. Safjrg. 1891. (52 Sßrn. a Vs— 1 8.
gr. 4.) ©anjig. ßafemann. SBiertelj. —.75.
8titW* litterar. 9tod)ia& nebft $ac$ri<f)ten üb. f. Sieben. 3m Sluftr. o. grennben
b. $erftorb. &r$g. o. P. Schultzky-^nfterburg. 3,oc^er 3%«I. Rönigöb.
SBerl. o. fctibner <fc 9Kafr. (2 »[., 388 ©. 8.) '
S. <l. Erinnerungen (aus b. Sauren 1840—70 in flünigäberg.) [©onntagäbl.
b. ÄönigSb. fcartungfd). 8tg. $r. 40-46.]
Saalschutz, Prof. Dr. Louis, üb. e. Specialfall der hypergeometr. Reihe
dritter Ordnung. [Ztschr. f. Mathem. u. Phys. 36. Jg. 5. Hft. S. 278-295.
6. Hft. S. 321-327.]
&altoto$ti, $rof. Dr. Sari, nur fiefjre oom ©flaoenerroerb; e. SBcttr. ,v 3)ogmatit
b. röm. $rtoatredit$. Seidig. Saudjnifr. (XI, 256 ©. gt. 8.) 8 —
Salkowski, Prof. E., zur Kenntniß d. Fett wach sbildung. (23 S. gr. 4.)
[Festschr. zu Virchow's 71. Geburtstage gewidm Berlin. Reimer.]
— — Physiologische Chemie. [Jahresber. üb. d. Leistgn. u. Fortschritte
in d. gesammt. Medic. XXV. Jg. f. d. J. 1890. I. Bd. 1. Abth.
S. 131-193.]
— — üb. das Peptotoxin Briegers. [Virchow's Archiv f. pathol. Anat. u.
Physiol. Bd. 124. Hft. 3. S. 409—454. Ref.: „Dtsche medic. Wochen-
schrift No. 29 vgl. No. 31. J üb. d. Einwirkung des Chloroforms auf
gelöste Fermente. [Fortschr. d. Medicin. Bd. 9. No. 5. Ref. in:
ientralbl. f. medic. Wiss. No. 25.] üb. Vorkomm. u. Nachweis des
44 Altpreußische Bibliographie für 1891.
Hämatoporphyrins im Harn. [Ztschr. f. physiol. Chemie. XV. Bd.
S. 286-309.1
SalkowskI, Paul (Memel), erläuternde Bemerkgn. zu Cicero de officiis
cap. 82. 83. 42. [Neue jahrbb. f. philo!, u. paedag. 2. abt. 144. bd.
hft. 10. b. 484-491.]
Samter, Dr. E. 0., üb. Lymphangiome d. Mundhöhle. (Aus d. kgl. chir.
Universitatsklin. zu Königsog.) [Arch. f. klin. Chirurgie. 41. Bd.
S. 829-841 m. Taf. XI, Fig. 8.] üb. d. plast. Ersatz bei vollständig.
Defect d. Unterlippe u. d. Kinnhaut. [ebd. S. 842—849 hl Taf. XI,
Fig. 4. 5.|
Samuel, Prof. Dr. S., d. Selbstheilung d. Entzündungen u. ihre Grenzen.
[Virchow's Archiv f. pathol. Anat. etc. Bd. 126. S. 81—108.]
Schaede, Dr. M. (Assistent), Aus dem Ambulatorium d. Privatdoc.
Dr. P. Michelson in Kbg-j d. Hypertrophie d. Zungentonsille u. ihre
Behandlung. [Berl. klin. Wochenschrift. 28. Jg. No. 13. S. 324—328.]
ZQatoaütt, fjrifr, ßöntgin öuife; e. $rama f. b. $ott*büfne. ©tuttg. ©reiner unb
Pfeiffer. (71 6.' 12.) 1.-
Schellong, Dr. 0., d. Klimatologie der Tropen (1. Bericht.), nach d. Ergeb-
nissen d. Fragebogenmaterials im Auftr. d. dtsch. Kolonialgesellscnaft
bearb. Berlin. Heymann. (48 S. gr. 8.) 1.50.
— — Beiträge z. Anthropol. der Papua, (m. 5 Zinkogr. u. Taf. III — VI.)
[Ztschr. f. Ethnol. 23. Jg. Hfl. IV, S. 156-280. |
[Schenkendorf.] Jonas, Fritz, Briefe Max von Schenkendorfs. [Vierteljahr-
schrift f. Litteraturgesch. IV. Bd. 4. Hft. S. 609— 621.J
Scnlefferdecker, Prof. Dr. Paul in Bonn, mit W. Behrens, u. A. Kossei,
die Gewebe d. mensch 1. Körpers u. ihre mikroskop. Untsuchg. 2. Bd.
Gewebelehre mit besond. Berücksichtigung d. menschl. Körpers
v. P. Schieferdecker u. A. Kossei. 1. Abth. Braunschweig. Bruhn.
(XIV, 420 S. gr. 8. m. 214 Abbildgn.) 12.60. (I u. II, 1.: 21. 20.)
— — Nachtrag zu meiner Mitth. üb. d. Koch-Wolz'sche Mikroskopirlampe.
[Ztschr. f. wissensch. Mikroskopie. Bd. VEI. S. 53.]
@4)iinittclffmtift, ftedjtäanto. x>., uaterläno. ©rinnenmfl8=93änber (§ierp Xaf. VTH
u. IX mit Sl66übgn.) [SfegSber. b. $lttf)«gej. $ruffia im 46. »crcinSj. 6.53—55.]
$. einfüljrg. b. '«ßapiergelbeS in ^reu&en. [ebb. 8. 56—68.1
3d)itma<ber, <Reg.=$aum., e. Söaumeifter. 3Md)tung. Berlin. <£. Xoedje. (242 6.
gr. 8.) 2.40. geb. baat 3.40.
Schirmer, Dr. Otto, Privatdoc. u. poliklin. Assistent an d. Univ.-Augen-
klinik zu Königsb., ab. Adenome der Karunkelgegend; nebst e. neuen
Fall. Mit Taf. VII, Fig. 1 u. 2. [Graefe's Archiv f. Ophthalmologie.
37. Bd. Abth. 1. S. 216—229.) zur patholog. Anat. u. Pathogenese
des Centralstaars. (m. Taf. I. u. II. Fig. 1—6) [ebd. 37. Bd. Abth. IV.
S. 1— 25J üb. d. We^en der Hemeralopie; Vorlauf. Mittheilg. [ Dtsch e.
medic. Wochenschr. No. 8. S. 87—89. vgl. Central bl. f. d. media
Wiss. No. 17.]
edjtracr, ©e^etmr. ?rof. Dr. Xlj., Beiträge &. 3nter^rctotton t>on ©cetoofa« 9?cfponfen I.
[«r*to. f. b. ctoilift. <ßrartö. tt. ft. 28. ©b. 1. fcft. 6. 30-47 ] Beitrage
zur Interpretation von Scävola9 Digesten II. [Ztschr. d. Savigny-
Stiftg. f. Rechtsgesch. XII. 1. (Rom. Abth. 1.) S. 15-83.]
edjtntter, $fr. 2B., 9(&a3uer; c. Warnruf in ber 3ubenfrage. $an$tg. tfafetnann.
(15 S. 12.) -.20.
Schleimer, Alex, Danzig (aus Mewe), d. Positivismus; e. krit. Studie. Leipz.
I.-D. Danzig. (32 S. 8.)
Schmid. Shakespeare - Schulausgabe. Sammlung Shakespearischer Stücke;
f. Schulen hrsg. v. Dir. E. Schmid. Danzig. L. Saunier. I. Julius
Caesar. 6. verb. A. (92 S. 12.) II. The merchant of Venice. 4. vb. A.
(88 S.) III. Macbeth. 3. vb. A. (88 S.) a -.80.
Altpreuftische Bibliographie für 1891. 45
egmifet, Dr. Ä. ®., Sofabefa u. trafen $u Cäsars bellum Gallicum nebft. htr^.
Sfameifgn. jum Ueberf. 9. #ft. VI. ©ud). ßa»>. 1—20. (23 S.) ÄönigSbg.
gerb, »etyer'a SBcr£. —.80.
Sofabein u. trafen gu fiomerö Obtoffee. (1. ©efang.) (Stot^a. »ertljeS.
(IV, 28 @. 8.) -.40.
bon 5Rafuren§ 8eeen; fn'ft. u. fonbfdjafu'. ©djifberungen. [Wiiä: „SRunbfdjau
f. ©eograpfjie u. ©tatiftif."] SBien. Söfeen, m. &ifd)er in Äomm. (16 6.
gr. 8. m. 4 ®ilb. u. 1 $arte.) baar n. n. —.80.
Schnaase, Leop., Alhazen; e. Beitr. zur Gesch. der Physik; m. Taf. IV.
[Schriften d. naturf. Ges. i. Danzig. N. F. Bd. VII. Hft. 3. 1890.
8. 140—164.]
Schnebel, Reg- u. Baurath, d. Gründung der Festungsgraben- Brücke der
Königsberg-Labiauer Eisenbahn auf gusseisernen Schraubenpfählen.
[Centralbl. d. Bauverwaltg. XL Jg. Nr. 5. S. 45—47. m. Zeichngn.J
Schneider, Oberl. Dr. Otto, Lehrbuch d. mathem. Geographie zum Gebrauche
für d. Prima höherer Schulen. 2 Figurentaf. m. 34 Zeichngn. Beil.
zum Realgymn. -Programm Elbing. (40 S. 8.)
€$0», £I)eöb. t»., ©tubienreifen e. jung. ©taatSmanntS in (Sngtcinb am (Scftluffe
b. üorig. 3a^r§. ©etrr. u. 9tadjtr. j. b. papieren b. SRinift. u. ^Burggrafen
0. 9tfarienburg Xfjeob t». ©djön, m. ftacfjtr»ort ü. c. Oftpreufjen u. l fiitfj.
Berlin. @imion. (XIV, 5.4 6. gr 8.) 10.—
Schöne, Alfr. Prof. Dr. (Königsbg.) Rec. [DLZ. 40. 43. 47. 49.]
Siftopetitaitet'*, ?lrtt)ur, fämmtl. SBerfe in 6 »bn. fjrSg. t>. @buarb©rifebac$. I.
a. u. b. £.: b. 2Belt a(3 SBifle u. «orftettg. 1. »b. Eier ©üdjer, nebft e.
ftnijange, ber bie ßrit. bei Äantifdjen ^fjitofopfjie enthält, fieipj., 3)ru<f u.
SBerl. d. $f}ü. föeclam jun. f Untuerf al « SBibliot^eL 9?r. 2761-65.] (4 991 r
677 S. gr. 16.) IL a. u. b. £.: b. SBelt. ... 2. »b., tu. b. ©rgänjgn. ju
ben 4 ©üd). be8 erft. 93b3. entfj. [Er. 2781-85.] (762 <S.) III. a. u. b. £.:
3)er ©a& Dom ^ureidjenb. ©runbc. Ueb. b. ^Bitten in b. 9?atur. $ie beiben
©runbprobleme ber (SUnt. [Wr. 2801-6] (656 ©.) IV. V. a. u. b. £.:
Sßarerga u. ^aralipomena : Meine fcf)ifofop. 8ä}rifteu. 1. 83b. [9fr. *821— 25.]
(554 ©.) 2. SBb. [9fr. 2841-45] (696 ©.) VI. a. u. b. £.: garbenie^re:
1. Ueber ba3 @e§n unb bie Sfarben. 2. Theoria colorum physiologi'-a.
9Rit *ßortr., biogr = bibüogr. Wnljang, 9?amen* u. ©adjregift. [9fr. 2861—65.]
(450 6 ) geb. a 1,50.
— — $anbfdjrift(. 9fruf)to&. 2Iu8 ben auf b. Äönigf. 93ibfiotfj. in SBerltn t»ern>af)rten
SRfcr =©üä)ern (jrSg. d. ©b. ©rifebad). I. 58b. 99alt§afar ©racian'8 §anb*
Orafel u. flunft ber SBeltftugljeit, aus beffen SBerfen gebogen r*on $>■. Sßincencio
Quan be fiaftanofa, u. aus b. fpan. Orig. treu u. forgf. überf. t>. Ä. Sdj.
@bb. 9fr. 2771. 72.] (178 ©. gr. 16.) a -.20.
ämmtt. SBerfe fjrSg. ü. 3u(. grauenftäbt. 2. SlufL 9frue (Stitet=) 9tu«g.
6 93be. gr. 8. fieipg. (1888) 1891. ©rocffauS (VIII, 203; XIV, 160;
XVI, 93; 68; XXXVI, 633; VI, 743; XXXI, 147; XLII, 276; XV, 532
u. VI, 696 S. m. 1. £af.) 18.— geb. 24.- aud) in 45 fifgn. a —.40.
Daraus einzeln:
— — üb. b. üierfadje SBuraei b. @afeS Dom ^«i^enben (Srunbe; e. p^itof. Wh*
banblung m. e. fitfj. &ig.^af. 5. ($it.=) «ufl. ©rag. ü. Sul. grauen ft ab t.
kbb. (1876) 1891. (XV, 160 ©. gr. 8.) 1.50.
bie SBett aß SBitte u. SBorfteHung. 8. (Sit.*) «ufl. ... 2 93be. ®b\>.
(1888) 1891. (XXXVI, 633 u. VI, 743 ©.) 6.- geb. 8.-
üb. b. SBiflen in b. Statur; e. (Erörterung ber 33eft(itigungen, tuelaie bie
$l)ifofol>ljie b. SBcrf. feit i^r. «uftret. burd^ bie em^ir. SOÖi'ffenfa^aften erhalten
t)at. 5. (%\U) «ufl. . . . ®bb. (1878) 1891. (XXXII, 147 @.) 1.50.
— — b. beiben ®runbJ)robleme ber @tfjifr befjblt. in 2 afabem. $rei§f djriften.
4. (Üit.) ?(ufL (£bb. (1881) 1891. (XLII, 276 ©.) 2.- geb. 3.-
46 AltpreuBische Bibliographie für 1891.
5d)0pe üftattet, flarerga it. $ara(tVomcna. kleine jrfjtfofopf). ©Triften. 7. (Xit=) 9tufL
2 93be. ebb. (1888) 1891. (XV, B32 u. VI, 696 @.) 6.- geb. 8.-
ftimmtf. SBerfe. ®enaue XertauSg. m. b. legten ßufäfeen. 6 35be. Serftn.
»ibliogr. »nftalt 91. SBarfäaiier. (V, V, 26ö; V, XXI, 351: IV, 635:
VI, 451; VI, 569 u. VII, XVIII, 377 S. 12. m. 1 $ortr. u. 2 £af.) baar
7,50; in 3 8b. 6.—
Daraus einzeln:
Varerga u. Sßaralipomena. kleine Schriften. 2 Jfjle in 1 Sb. &bb. (VI,
451 u. VI, 569 S. 12. m. $ortr.) 1.60; geb. in Seinto. 2.— in 2 8be.
geb. 2.75.
Sic «3c(t a(ö SMe u. «orfteüung. 2 £&(e in 1 »b. ebb. (XXI, 531 u.
IV, 635 <S. 12. m. $ortr.) 1.60. geb. in Seinro. 2.— ; in 2 »be. geb. 2.75.
Heinere Schriften, ©enaue £ertauäg. in. ©djopenlj.'ö fefet. Sujäfc. 2 Sty*
in 1 93b. ebb. (V, 265 u. XVIII, 378 6. 12. m. *ortr. u. 1 Jaf.) 1-60; geb 2.—
3Retaj)Wif ber C*cfd)(ed)t*[iebc. — iteb. b. SBeiber. ebb. (8. 518—540.)
—.50; geb. in Seinw. —.75.
9Berfe. SRit Ginltqn, erläut. Vmn. u. e. biogr.=fjiftor. ^^arafterifttf Sdjofrcn-
flauer« in Kuttoaty l)räg. u. Dr. SRorüj ®rajd). 2 93be. SRit b. $ortr.
Sdjopen&auerS. 1. u. 2. 91ufl. fieipj., SBerl. ö. ®uft. Socf. (^XXXII, 740
u. VI, 781 6. gr. 8.) 10-
3ur Weftfjetif ber v$oefte, TOufif u. ber bilbenben fünfte. 9?eu fjrdg. u. cr=
laut, üon Dr. 9Nori& JBraf^. 1. u. 2. 9lufl. (£bb. (1891). <2 »1., 43 3.
gr. 8.) —.50.
fleinere 9luffäfre uermifrfjt. 3ntyattö; &r% u. m. <5int. »fei), ü. Dr. 9Ror.
ErajaV 1. u. 2. 91. CSbb. (IV, 107 gr. 8.) 1.—
— — ÖJenie u. SBainifinn; neu Ijrög. u. erl. x>. Dr. 9Hor. ©rafdj. 1. u. 2. 91.
Gbb. (30 S. gr. 8.) —.50.
$ur SebenäroeUljett. 9lbf)bfgn; fjrög. u. m. e. (5ml. t»fe^. u. Dr. 9Wor.
93rafd). 1. u. 2. 91. <5bb. (IV, 96 S. gr. 8.) 1.-
9Hetatfj. b. ©efd)(e#td(iebe. . Ueb. b. Leiber. 3n>ei «bt)bfgn. m. criaut.
&nm. ^rSg. x>. Dr. 9Kor. »rafaV 1.-3. 91. ebb. (III, 52 6. gr. a) —.75
über Religion; e. Dialog. 9ieu burdjgefefj. u. f)r*g. ü. Dr. 3R. ©rafdb.
1.-2. 91. Gbb. (35 @. gr. 8.) —.50.
2)ie SBeft als SöiOe unb i&orftcflung. 9?acft b. 3. Dom SSerf. felbft beforgt.
9tuft. 1. »b. SSicr »ürfjer, nebft e. 9lnf)ang, ber bie Äritif ber flantiidj. Jtyilof.
enthält. (XXVII, 446 u. 134 @. 8. m" 1 2af.) 2. 93b., meufjer bie Gr=
gan^gn. J. b. 4 SBü$. be3 1. 93b3. enty. (VI, 667 S.) [93tbüotf>ef ber Qk
fammt'Sitt b. 3n* u. 9(u8lanbefc. $>alle. O. $cnbef. 9h. 491—502. a— .25;
(Smbänbe a n. n. — .25J
— — Parerga u. Paralipomena. Kleine philos. Schriften. Hrsg. sowie
mit Einleitg. u. Anm. versehen von R. v. Koeber. (In etwa lOLfgn. <
Lfg. 1-12. Berlin. Boas. (1. Bd.: VIII, 568 S. gr. 8. 2. Bd.:
VI, 664 S.) a - .60. cplt. : 7 20. geb. in Halbfr. baar 8.60.
fiict)tftrat)len aus feinen Serfen; m. e. SBiogr. u. (S^arafteriftif S(6tH>cn^auer*
ü. 3ul. Srauenftnbt. 7. 91. fift, 93roc!()au5. (XXIII, 232 S. 12.)
3.— geb. m. Ö3oIbfct)n. 4.—
^t)iCofopt)ic ber Äunft. f9lu8: „ffielt olö 9Bi(le u. Sorfteöung" u. w?arerga
u. faralipomena"] 2 SBbd). ($bb. (VI, 168 u. V, 253 S. 12.) a 2.—
geb. a 3.—
üb. b. ©cifterfcfyen u. roaS bamit ^ufnmmen^ängt. [91u* „^Qrerga u. $arü«
lipomcna".J i&bb. (VII, 127 6. 12.) 2.- geb. 8.-
üb. Religion u. edjirfjal. [9tu§ „parerga u. ¥aralu>omena".] <56b.
(Vn, i71 ©. 12.) 2.- geb. 3.-
üb. ©enie, große Qteifter u. irjrc 3citgenoffen: e. Sammlung i>. ©teilen au*
leinen ©erfen. (£bb. (VII, 151 6. 12.) 2.— geb. 3.-
üb. Urtljcü, tfritif, ©eifaK, JRu^m, SBa^r^eit u. grrt^um; e. Sammig. \>.
eteflen aud f. «Berten, ©bb. (VII, 151 ©. 12.) 2.— geb. 3.—
Altpreußische Bibliographie für 1891. 47
&d)fiptnfiautt, 3fybori3men jur 2e6en8toetefjett; fjr«g. D. 9. £. g . 8t ein. §atte (VI,
162 ©. 8.) f$ibüotf)ef b. ©cfamt=fiitt. b. 3n* it. ftuäl. SRr. 469-470. a -.25.]
baffefbe. fSKc^cr'ö SBoffäbüdjer. 9fr. 845-848. Seift, «ibüogr. 3nftitut.
a -.10.J (254 8. 16.)
gur Wttctyf). ber <8efif>(ed)t3Hebe; üb. ben Sob, baä fieb. b. Gattung, foluie
bie SrMidff. ber ©igenfäaften. «ert. JJrieb & (So. (157 ©. 8.) 1.50.
— — selected Essays, with a biographical introduetion and sketch of his
philosophy by Ernest Beifort Bax. Lond. George Bell & Sons.
(416 S. gr. 8.) 5 sh.
— — the Art of Literature: a Series of Essays, selected and transl. With
a Preface by T. Bailey Saunders. Lond. Swan Sonnenschein. (XIV,
149 S. gr. 8.) 2 sh. 6 d.
— — Studies in Pessimism: a Series of Essays, select. and edit. by
T. Bailey Saunders. 2. edit. Ebd. (130 S. gr. 8.) 2 sh. 6 d.
— — The Wisdom of Life ; transl., with a preface by T. Bailey Saunders.
2. ed. Ebd. (156 S. gr. 8.) 2 sh. 6 d.
— — Counsels and maxims; being the second part of „Aphorismen zur
Lebensweisheit", translat. by T. Bailey Saunders. 2. 3. edit. Ebd.
(162 S. gr. 8 ) 2 sh. 6 d.
— — le Fondement de la morale; traduit de l'allemand par A. Burdean.
4. edit. Paris. F. Alcan (VIII, 196 S. 16.) 2 fr. 60 c.
la Volonte. Paris. Gautier. (36 S. 8.)
Leonhard, Heinr. (aus Grünberg i. Schles), Beitr. z. Kritik der Schopen-
hauer'sch. Erkenntnistheorie, insbes. in ihr. Anwendg. auf d. Eukli-
dische Beweis verfahren. I.-D. Bonn. (73 S. 8.)
Maunius, Vincent, les philosophes contemporains. T. I. [Vacherot, Taine,
P. Jan et, Caro, Schopenhauer.) Paris. Lecoffre. (VII, 528 S. 16.)
Schopenhauer. [The Athenaeum. No. 3313.]
®(Üoptnl)antt redivivus. [$>ie ©ren^boten. 9fr. 14. II, 8. 22—31.]
Stamm, Slbolf, ©agner u. edjopenfjauer. [$ie ©egemuart. ftr. 48.]
Schreiber, Prof. Dr., üb. das Koch'sche Keilverfahren. (Aus d. medic.
Universitäts-Poliklinik in Königsberg.) [Dtsche medic. Wochenschr.
17. Jg. No. 8. S. 306-309.]
Schriften der naturf. Ges. in Danzig. N. F. VII. Bd. 4. Hft. (IV, LIV,
222 S. gr. 8.) 5.— (1-4: 25.-)
— — der physikal. -Ökonom. Ges. zu Königsberg. 31. Jg. 1890. Kgsbg.
Koch & Reimer in Comm. (IV, VI, 154; 58 u. 68 S. m. 2 lith. TafV)
baar n 6.—
Schröder, H., Blatt Siegfriedswalde nebst Bohrkarte u. Bohrregister. Grad-
abth. 18. No. 57. Geognostisch u. agronomisch bearb. u. erläut. durch
H. Schröder. Mit e. allgem. Vorw. von G. Berendt. Hiezu 2 Zinkdr.
im Text. [Erläaterungn. z. geolog. Specialkarte v. Preuss. u. d.
Thüring. Staaten. XL VII. Lfg. Gradabth. 18. No. 57. Berlin. Parey.
(26 u. 20 S. gr. 8.)
Schröter, H. (Breslau), üb. d. acht Schnittpunkte dreier Oberflächen zweiter
Ordnung. [Acta mathematica. 14 : 8. S. 207—209. 4.]
edjtäüec, £anbgerid)täbir. in ficmbSberg o. 3B.f 3ft üb. b. ©rftattung ber «uSfagen
bei SRücfnafjme be8 SRedjtSmittetö befonb. (£ntfd)eibung $u treffen . . . ? [9lrd)ü)
f. ©trafredjt. 39. 3g. 4. u. 5. &ft. <S. 260-265.]
Schobert, Prof. Dr. R., Entgegnung (auf Adolf Bauer's (Graz) Rec. von
Schubert's Buch üb. d. Cyrussage im Febr. dies. Ztschr.) [Ztschr.
f. d. österr. Gymnasien 42. Jg. S. 574—576. u. Erwiderung^ v. Ad.
Bauer. S. 576.J
Schttlke, Dr. A., Electricität u. Magnetismus nach d. neueren Anschauungen
f. höh. Schul, dargest. JI. Tl. Electrische Ströme. (Beil. z. Realgymn.-
Progr.) Osterode. Ostpr. (16 S. 4. m. 1 Taf.)
48 Altpreußische Bibliographie für 1891.
Schtltxe, Arth., üb. Facialislähmungen bei Neugeborenen nnt. Mittheilung
dreier beobacht. Fälle. Dies. Kgsbg. (Koch.) (26 S. gr. 8. m. 2 Taf.J
baar n. 1.—
e^ulblatt, ^reiiftiföeg. Organ b. SBeftyr. ^roomAial'ßefjrer* fomie b. ©eftyr.
2e^rcrretcrbcfaffcn=9Screm«. 18. 3g. (52 Hrn. a 1—lVa »• 4.) $<"$$. flyt.
Schulz, Dr. Fritz, ord. Lehr., d. für die Schule wichtigen Englischen Synonyma
zsgestit. Beil. zum Realgymn.-Progr. auf d. Burg zu Königsberg.
Kbg. (45 S. 8 )
Schule, Paul, e. Fall von Spina bifida u. Myelomeningocele. Diss. Kbg. i. Pr.
(Koch.) (39 S. gr. 8. m. 2 Taf.) baar n. 1.20.
fcd&umatttt, (£., au3 b. ©tubienreife be8 §rn. 9?at§. 3ac. Qerfacfc. 1727—1781.
«uf bem 9Hjein u. burd) bie ©d^wet*. [San*. Atg. 9to. 18740.]
Schwarz, Paul Theod. (aus Ostpr.), üb. Ovaria! -Tumoren bei schwangerem
Uterus m. Berücks. e. Falles von Sarkoma ovarii. I.-D. Greifswald. (27 S. 8.)
edjftefce, 91., jur ©efd). ber (item, ®efangbüd)er. [Mittlgn. d. Lit litt. G«s.
16. Hft. (III, 4 ) S. 396-406.1
e<f)t9eid)t(, Hob , $er Xeufefämaler u. anbete ftoueflen. ©eil. Otto 3anfe.
(III, 136 5. 8 ) 1.-
Huf bem Äramoetfjof; e. ©ejdn'dite au3 ben Hlpen. ©bb. (136 @. 8.) 1.—
Serloren; e. fieibenSgefd). au8 b. «olfe. (£bb. (138 ©. 8.) 1.—
9?o$mal3 ber beutfdje ©eftriftftefleroerbanb. [$ie Gegenwart. 39. $b. 9fr. 21.
©. 334-335.]
$. C, Robert ©d)n>ei{fcel. (ÜRit SBilb: »tob. ©ä^weidjel in fm. «r&ettfyiimner.
Crigmalaetcöng uon ®. $(}iel. [lieber £anb u. Weer. 66. 9b. 9h. 41. ©. 855 ]
««toftdjlcr, 0„ fcenog «lbred)t o. $reufeen; e ©ebenftlatt ftum 17. 3»ai 189].
[®onntag«bl. 9<fr 20 b. GgSbg. $art. 3tg.J
©dufte*)«, Sofe^ine ©rafin, $flidjt, Vornan.' Berlin. 1892 (91). O. 3anfe.
(324 @. 8.) 5.—
fcebba. SRoman. 2)auo3. fc. SRi^ter. (404 @. 8.) 4.—
Slriabne. [©onntag3=Sl. <Rr. 14—21.]
Seelig, Max (aus Königsbg. i. Pr.), d. dichterische Sprache in Heines „Buch
der Lieder." I-D. Halle a. S. (XVI, 112 S. 8.) (Leipzig. G. Fock.) 2.—
eeljrittg, 28ill). £f). in ßarl8ruf>e, geb. $u tönigSberg i. $r. 12. ?lpr. 1816.
( ) ©ebid>te eine« Ofipreu&en. 1. $ft. ©traftfurg 1843. Sigentl). b. Serf. (281.,
80 © 8 )
(Jenforiabe. fjünf $üd>er (Jenforenlieber. £6b. 1843. $rutt t». ©. 2. ©djulcr.
(IV, 176 ©. 12.)
BlterSftufen. ©ebid)te. (1863 (?).
9hir ein SWenfdjenleben. (Sebttfte. SraunSberg. 1863. ©elbftoerl. (Seidig.
©inrid)3.) (XVI, 525 ©. 16.) cart. 3.50.
$urd) ^ad)t jum £itft. Gfjriftlicfa ©ebidtfe. ©efonb. «bbr. o. b. 3. *bü).
b. #ud)e3: „Wut ein »enfdjenleben*. ebb. J863. (VIII, 85 6. 16.)
— — $aä SBud) ber 33allaben. Qugenbalbum erjäljlenber 3)idjtungen. Berlin 1865.
Söinrfelmann u. ©ityne. (XVI, 851 © 8. m. 8 ltt$ogr. u. ifl. Silbern o. £ofe=
mann.) cart. 4.—
Suft u. ©d}era. Sugenbolbum erjäljl. 3>idjtgn. $umorifti[d>. 3n$alt3. ®bb. 1867.
(XIV, 365 ©. gr. 8. m. 8 litljogr. u. ifl. Silbern ö. ^ojemann.) cart. 4.—
greiljeit u. Saterlanb. ©efammelte ©Triften. 1. 83ba^. SBor t>em ©efretung»^
friege. Saterlänbifrf>e ©ebia^te. «arlSruije 1871. ©elbftoerl. (XII, 172 S.
gr. 16.) 1.75.
&om Äonsil gu Wcäa biö *. meftfäl. ^rieben. 325 — 1648. (Epigramme,
Sieber u. Samben j. ©e|*. b. 9Renfdtäeit. «u* e. öeitr. j. geftliteratur
b. Sut^etiubiläumd. ^. 1883. fiidjt & 9)tet)er. (XXIV, 432 6. gr. a)
5.— geb. 6.—
$>ie 5Bel(! fjie Soflern! ©ebanfen u. ©cbtd)te 5. neueft. ®efä^. S)tf4lb«. 3Rit
flbbr. ber in b. iRorbbeutW. 9lflg. 3tg. üeröffentl. »riefe b. «önigS ®eorg
0. ^annou. u. [eines Agenten, ^eibelb. 1885. ©eift. (VIII, 104 6. a) 1.—
Altpreußische Bibliographie für 1891. 49
ecJpittft, m% %f)., Äatfer fBUgefa L, ber ©icgreitfe, u. gürft SBtömarcf, fein ftetrfjfr:
langer. 2. (Sit.*) Sluff. Berlin 1889. 8rad)t. (VI, 54 @. 8) —.60.
3)eutftf)e Kationa(*93tbfiotf)e? Kr. 1. SBabenia als £odjter ©ermanienS. . .
«ertfn 1890. $frad)t. (XVI, 44 ©. gr. 8.) 1.60 Kr. 2. 1814-1816. £>a8
betrogene $eutfd)lanb ob. Don SötenS fTongrefe $u granffurts SBunbeätag. ©ebenf=
bfätter beutfäer ®efd)id)te. 1891. (XVI, 160 @. gr. 8.) baar 1.50.
Seidlitz, Geo., Fauna Transsylvanica. Die Käfer [Coleoptera] Siebenbürgens.
V. u. VI. Lfg. (XII. Familien S. XLIX— LVI, Gattungen S. 129-192.
a. Arten 8. 545—914.) Königsberg. Härtung, a 3.— (cplt. : 12.—)
— — Fauna Baltica. Die Kater (Coleoptera) der Ostseeprovinzen Buss-
lands. . . 6. Lfg. (XII. Familien S. XLIX— LV, Gattungen S. 161—192
u. Arten S. 609— 818.) Ebd. 8— (cplt. 10.50.)
Sellgo, Dr. in Heiligenbrunn -Danzig, hydrobiologische Unterscbgn. I. Zur
Kenntniss d. Lebensverhältnisse in einig, westpr. Seeen. [Schriften
d. naturf. Ges. in Danzig. N. F. Bd. VII, Hft. 3. 1890. S. 43-99.]
Selke, Walter, üb. e. epitheliales Papillom d. Gehirns. Diss. Kgsbg. (Koch.)
(22 S. gr. 8. m. 2 Taf.) baar n. 1.20.
Sembrzycki, Johs., westpreuss. Schlösser im 16. Jhdt. Nach archival.
Quellen. Königsbg. i. Pr. Beyer. (37 S. gr. 8.) -.80.
— — o8tpreuss. Haus- und Zauber-Mittel. [Am Urquell. Monatschr. f.
Volkskde. hrsg. v. Friedr. S. Krauss. III. Bd. 1. Hft] 1892 (91.)
S. 13—16.] ostpr. Sprichwörter, Volksreime u. Provinzialismen. |ebd.
HI. Bd. 1. Hft. S. 37- 38 ] Rec. [Kwartalnik histor. V. S. 633-636.892—894.]
Settegaft, £., GrlebtcS u. (SrftrebteS. Serün. 1892 (91). $uttfammer & 3Rth)f*
brecht. (XII, 323 8. 8.) 5.- geb. in fieinto. 6.—
Seydel, Dr. C, Stadtwundarzt zu Kgsbg, die Typhus abdominalis-Epidemie
in Königsberg i. Pr. im J. 1888. fVierteljahrsschr. f. gerichtl. Medic.
8. F. I. Bd. S. 155— 162. J üb. d. Todesursache nach ausgedehnt.
Verbrenngn. u. Verbrühgn. [ebd. S. 253—263.] üb. acquirirte Lungen-
atelektase Neugeborener u. deren Ursachen, [ebd. V. Bd. S. 5— 17.]
üb. d. Ursachen der vitalen, reactionslosen Verletzgn. [Vhdlgn. d. Ges.
dtsch. Naturf. u. Aerzte. 63. Vslg. in Bremen. 2. Thl. Lpz. S. 470— 475. J
Demonstration interessanter Schädel Verletzungen, [ebd. S. 475.] üb.
acquirite Lungen atelektase Neugeborener u. deren Ursachen. |ebd.
487—490.1 Bec. [Hygienische Rundschau hrsg. v. C. Fränkel u. Es-
march. No. 1.]
Seydler, Fr., Verzeichn. d. in d. Kreisen Brautisberg u. Heiligenbeil d. Prov.
Ostpr. wild wachs. Phanerogamen u. Gefasskry ptogamen. [Aus : „Schriften
d. pnys.-ökon. Ges. z. Kgsbg.] Kbg. i. Pr. (Koch.) (45S.gr. 4. baar 1.40.
Sieffert, Prof. Dr. E. (Bonn), Rec. [DLZ. No. 9.]
Slegl, Paul (approb. Arzt aus Liebstadt), Beitr. z. Kenntnis d. Wirkg. des
Pikrotoxin. I.-D. Kiel. (16 S. 8.)
Slemerlng, Dr. Franz, d. Behdlg. d. Mythen u. d. Götterglaubens bei Lukrez.
Programm d. Realgymn. Tilsit. (S. 3—18. 4.)
Sieroka, Dir. Dr. Otto, d. Vaterländisch-Erziehliche in Heinrich v. Kleists
„Prinzen Friedrich von Homburg4'. Rede. (Gymn.-Bericht.) Allenstein.
Harich. (S. 3-8. 4.)
Simson, Paul (Elbing), Danzig im 13jähr. Kriege von 1454—1466. Berliner
I.-D. Danzig. Kafemann. (138 S. gr. 8.) (Sep.-Abdr. a. d. Ztschr.
d. westpr. Geschichtsvereins.)
Simtfott, Styotf). SRub., Anleitung j. DoUftänb. (Sntbitterung ber blauen Smrine;
c. neue KaljrungSquelle f/ SWenfrfjen u. Xfjiere. Stto^rungeii. 9tautenbcrg.
(15 ©. 8.) baar n. 2.—
Singer, §., auö Sitauen u. 9Äa|uren. I. aus b. tttau. ©renjgebiet. [SonntagSbl.
Kr. 22 b. Äg3bg. .fcartgtd). 8*9-] U. bon SoljanniSburg narf) 33ibminnen.
[tbb. Kr. 23.1 III. e. Spaziergang um b. SHauerjee. [ebb. Kr. 24.] IV. a\\Z
b. norböftf. Sitauen. — 3)ie 3Nemel üon Xrappbnen bid Silfit. |ebb. Kr. 25.]
50 Altpreußische Bibliographie für 1891.
Ginge*, $., bie SRafurifdje SBafferfrtage bon fiöfren bid $um SRieberfee. [ebb. Sonntac^bl.
ftr. 30.]
Si*ttttg*berid)ie b. *tttf>*gef. $ru[fia i. 46. «ercinSj. (XVin, 204 @. 8. u. 16 Inf.)
Gtlbat, 3. g.r Sarefa. fcefbengebirfjt in 12 (gefangen, tfönigSb. Säubert u. Seibel.
(XII, 189 6. 8.) 3.— geb. 4.-
Sommerfeld, Arnold, d. willkürl. Funktionen i. d. mathemat. Physik. Diss.
Kgsbg. Koch. (76 S. 8.) baar 1.20.
Sommerfeldt, G., zur Lebensgesch. d. Johannes de Cermenate. [Dtsche.
Ztschr. f. Geschwissensch. V. Bd. S. 159—164.]
Stütttaglfrusttb, b. oftpr., $r3g. D. @uperint. © raun u. $aft. (Srnft ©Der*.
3- 3a^rg. 52 Arn. (8.) 4. Berlin. Sicrtelj. baar —.40.
Stadelniann, Ernst, Dr. med., Hofrath in Dorpat (geb. zu Insterburg 8. Der.
1855.): der Icterus u. seine verschied. Formen; nebst Beitrag, z.
Physiol. u. Pathol. d. Gallensecretion. Stuttgart. Enke. (III, 287 S.
gr. 8. m. 18 Abbldgn.) 9 —
— — Wie wirkt das per os oder clysma in den Körper eingeführte Wasser
auf Secretion u. Zusammensetzung der Galle .... [Therap. Monats-
hefte S. 512 ff 562 ff.]
@teffettl)aftcit, Oberbibfiotf). Dr. Gfrnif, bie Verbreitung b. ©adjfenfpiegefä in $olfiein.
[#tfär. b. ©ejellid). f. ©tfjlcarotg=$olft.=Sauenburg. ©efdj. 21. 8b. S. 365
bid 371.] die Pflichtexemplare in Schlesw. - Holstein. 2. Artikel
[Centralbl. f. Bibliotheksw. 8. Jg. S. 275-78] Rec. [Sit. Sentralbl.
Er. 20.]
Stein, H., Drogen-Karte nebst übersieh tl. Text u. pharmakognost. Daten für
Pharmazeuten, Aerzte u. Drogisten. Kgsbg. Beyer. (20 S. gr. 8. m.
1 Karte.) 2.25.
Steinbrecht, C., Schloß Marienburg in Preußen. Führer durch seine
Gesch. u. Bauwerke . . . Mit 6 Abbldgn. Berlin. Springer. (19 S.
gr. 8.) —.60.
etettittet, Dr. $aul, EerfjnMgn. üb. ßuratei u. ©ucceffton b. Äurfürften 3o§. ®igt*m.
in ©arfdjau i. g. 1609. [©frgSber. &• WtWflcf. $nrffia im 46. Serein*j.
©. 157—169.]
Stleda, Alfr., üb. d. Kloake a. d. Receptaculum seminis d. weiblichen
Tritonen. Diss. Königsbg. Koch. (86 S. gr. 8. in. 1 Taf) baar
n. —.80.
Stleda, Prof. Dr. Ludw. Pansch, weil. Prof. Adif., Grundriß der Anato-
mie d. Menschen. 3. veränd. u. verm. Aufl. Mit 401 Holzschn. im
Text u. 55 Holzschn. auf 10 Taf. Berlin. Oppenheim. (VII, 579 S.
gr. 8.) 14.— geb. 16.-
— — d. Gaumen wulst (torus palatinus) [Aus: Internationale Beiträge z.
wissenschaftl. Medic. Festschrift Rud. Virchow gewidm. . . . Bd. I.]
Berlin. (32 S. Lex. 8. m. 2 Taf.)
— — üb. d. Sulcus ethmoidalis der Lamina cribrosa des Siebbeins, (ni. Abbldg.)
[Anatomischer Anzeiger. Centralbl. f. d. gesmte. wissensch. Anatomie.
6. Jahrg. S. 232—237.] e. neu. Verfahren z. Herstellg. trockener
Hirnpräparate, [ebd. S. 450—456.] VIII. Congress russisch. Natur-
forscher u. Aerzte in St. Petersburg 1890. [Archiv f. Anthropol.
19. Bd. S. 380-383] Biographie des Thoraas Joh. Seebeck, [«agemeine
$|dje. SBiograJ>f)ie. JBb. 33. 6. 564—665.] B«c. [Archiv f. Anthropol.
XX. Bd. S. 263-272. Biol. Centralblatt. No. 9 u. 10.]
Stoeckel, Gen.-Sekr. C. M., Deutschlands Pferde im J. 1890. Ber. üb. d.
1. all gem. dtsche. Pferde-Ausstellg. i. Berlin . . . Berlin. Parey.
(XI, 590 S. gr. 4. m. 15 Pferde-Bildniss. u. Ausstellungsplan.) 20.—
$ie Sollbfuttftucftt im fgf. preufe. ftnutotgeftüt ©rabu); e. ftüefbfirf am b.
^eiftungen biejer 3mf)t hn 1. Sierteljaljrlj. ifjreä &eftef)en3. ©bb. (65S.gr. 8.)
fort. 2.50.
Altpreußische Bibliographie für 1891. 51
Stoewer, Dr. Rad., d. Ziel des e van gel. Religionsunterrichtes am Gymnas.
u. Realg. m. besond. Eingehen auf d. bibl. Lektüre besprochen.
(Progymn.-Progr.) Berent. Schueler. (S. 1 — 25. 4.)
— - — üb. gymnastische, musikalische u. deklamatorische Schulfeierlichkeiten.
[Neue jahrbb. f. philol. u. paedag. 144. bd. S. 50—60.]
Stosch, Friedr. (Dan zig), üb. diejeni^. Unicursalcurven, deren Bogen e. algebr.
Funktion d. recht winkl. Koordinaten ist. Erlanger I.-D. Guben. (52 S. 8.)
Strecker, Arth. (Zinten), Franz von Meinders. I.-D. Berlin. (34 S. 8.)
&tttt)\te, $r., SBörterbuttj *u ©oeuya gauft $tfd)e. VerlaggsHnft. ©tuttg. ficü>j.
Verl. SB&ien. [Vm, 160 6. gr. 8.) 8.-
Sßaralipomena ju ©oetye'8 Sauft, ©ntroürfe, ©fi^en, Vorarbeiten u. Fragmente
georbn. u. ertäut. ®bb. (XV, 151 ®. gr. 8.) 3.—
etretifcetft, Gräfin (Mifela u. («ßfeubon. f. ©ertr. Gräfin Vüloto ü. 2)ennetmfc, geb.
j. ÄönigSberg 22. <3ept. 1844), b. faffd)e 2Roral im Beben be3 SBeibeS. Ver=
Hit. 2frieb u. Somp (VIII, 96 ©. 8.)
bie berefjelidjten u b. eftelofen fjrauen. ®bb. (86 ©.) 1.50.
b. (Sratefjimg b. SCörfjtcr. ®raufamfeiten im fJamUien* u. gefellfdjaftlidjen
fieben. ®bb. (74 ©.) 1.60.
b. Enterbten, ®efaHenen u. Verlorenen ©n Veitrag jur Äufturgefd). b.
SJeibeS. (Sbb. (90 @.) 1.50.
3)aS SBeib am @nbe beS 3afjrf)unbert3. 2. Hüft. 4 Stye. fönfjaft bie eben«
genannten ©djriften) in 1 Vb. 8. @bb. 4.— geb. in fieimo. oaar 5.—
^ubermann, ©erm., bie dfne. ©djaufpiel in 4 Elften. 8. $uft. Verlin. Seemann.
(III, 156 <S. 8.) 2.— geb. 3.—
©obomä ©nbe. Srauerfe. in 6 SKten. 1.-7. STuff. (Sbb. (III, 152 ©. 8.)
2.— geb. 8.— [Suerft erfdjienen in „SWagajin f. Sitterat." 59. 3af)rg.
Er. 46-62 u. 60. 3a$rg. Wr. 1-5.]
©eftfluifter. 8wet ftotteflen. 7. ^ufl. (Sbb. (V, 386 ©. 8.) 8.50. geb. 4.50.
im 3»ieHd}t. 3toang(ofe ©efd}id)ten. 9. ttufL ®bb. (189 6. 8.) 2.- geb. 8.—
baS Sterbelieb, ftooefle. [Vom gelä jum SKeer. 1891/92. #ft. 3—9. be=
ferod}. in 3tfd)r. b. affg. beutfdt). ©pradioereinS. 7. 3afjrg. Er. 1.1 „erxeHena
Onfet". fcumoreäfe. [£>. 3Waga^n f. fiitt. 60. Safjrg. ftr. 13-15.] gm Volte*
garten (®ebid>t). [9?orb u. ©üb. 15. 3af)rg. Vb. 57. ©. 244-247.]
8ittf, 9lubolfv #erm. ©ubermann u. ©erfjart Hauptmann, e. üergfeidjenbe Ve«
tradjtung. [$. SRagag. f. Sttter. 60. 3abra. Er. 18.1
*fii#c*®rotten)i&, Äurt, $erm. ©ubermann als 9tomanfd)riftfteuer. [<Sbb. ©. 99-102.]
$e«tt. Gttbetmattit (m. $ortr.) [©. 12 be8 ©ammlerS, Veit, j. 3tfd}r. „Vom
8fe(ä juim SReer." 1891/92. ftft. 2.1
Sultan, Geo., üb. Lymphangiome Diss. feönigsb. Koch. (19S.gr. 8.) baarn.— .p0.
laufet, Dr. theol., (5mür ©eneralfuper., praft. SfoSlegung ber Jahnen j. Anregung
u. görberung ber ©ttyriftertenntnifc ben $trten wxt ber fteerbe (Sfjrifti bar-
geboten. 4. burdjgefefjene »uff. Verlitt 1892 (91). ©aertner. (4 Vt.f
906 ©. gr. 8.) 10.—
Tessmann, Alfred (Elbing), Aelfrics altenglische Bearbeitung der inter-
rogationes Sigewnlfi Presbyteri in Genesin des Alcuin. I.-D. Berlin.
(40 S. gr. 8.)
Tettan. ^ufuratoSfi, ©en.*9Kaj. 91., b. raff. Slrmee bei Wuäbrud) beö tJelb^ugeö
1877—78. «utorif. Ueberffcg. au8 b. SRuff. o. $rem.=£ieutn. gr^r. D. Xettau.
©rauberu. ®atbtL (III, 56 ©. gr. 8.) —.90.
Tieffenbach, Gymn.-Prof. Rieh., üb. d.' Oertlichkeit d. Varus-Schlacht. Berlin.
Gaertner. (31 S. gr. 8.) —.80.
^teuften in entföeibenb. (S^ocften fr. (Sntiüidlung unt. b. (örofeen Äurf. JJncbr.
9Bi^.r unt. flönig grbrd). b. ©r. u. unt. Sfaifer ©ilt)dm b. ©rften. 3)rei
geftrebeu. ®bb. (102 ©. gr. 8.) 2.-
— — wie ist an d. humanist. Gymnasien der geschichtl. Lehrstoff auf d.
einzelnen Klassen der Oberstufe zu verteilen? [Ztschr. f. d. Gymnasial-
Wesen. 45. Bd. S. 321-330.]
52 Altpreußische Biblographie für 1891.
Tischler, Dr. Otto, üb. Plastilin. [Correspondenz-Blatt d. deutsch. Ge». f.
Anthropol., Ethnol. u. Urgesch. XXII. Jahr«. No. 2. S. 12—13.]
Krause, Ed., Dr. Otto Tischler f. Ein Blatt d. Erinnerung, dem allzufrüh
verstorb. Freunde gewidmet, (m. Porträt) [Das Ausland. 64. Jahrg.
No. 81. S. 601-607.]
Toeppen, Dir. Dr. Max, d. preuß. Landtage während der Regentschaft
d. brandenburg. Kurfürsten Joachim Friedrich u. Job. Sigismund.
(Gymn.-Progr.) Elbing. Kühn. (Beil. 36 S. 4.)
— — kurze Lebensübersicht zsgestellt rür den Jahresber. d. kgl. Gymn.
zu Marien werder f. d. Schuljahr 1890/91. Marienwerder. (S. 19—20.4.
Stec. [ftiftor. 3tfd)r. E. ft. 31. »b. ©. 312-313.]
Irfidjel, 91., primitiv* ftifctjcrei. [Gorrigirt. Sonberabbr. auä: „SRittljlgn. b. meityr.
fjifdierei-Skreind.''] — Heb. b. an b. feoinmerfd). Äüfte bei 2eba $u Utenfilie«
bei b. S!acf)ä= u. 99rcitlingdftfd)erei A- SStvenbg. fommb. £>oijarten. [(Smeuertei
Sonberabbr. au$: „(5ircu(ar b. btjdj. 3rifd)erei=$erein3."] 3>anjig. ('S. §in-
ftorff.) (10 ©. gr. 8.) baar 1.—
— — we8tpr. Schloßberge n. Burgwälle. [Aus: „Verhdlgn. d. Berlin, anthrop.
Ges.'r] Berlin. Ebd. (S. 178-189. gr. 8. m. Abbildgn.) baar 1.50.
Enthält auch: üb. ornamentirte Urnen von Hochstüblau (in. 3 Zeichngn.!
[Verhdlgn. d. Berl. Ges. f. Anthrop. S. 186—187.] u. üb. westpr.
Häuser u. Giebelverzierungen, (m. 42 Zinkogr.) [ebd. S. 187 — 189. |
— — üb. Blitzschläge an Bäumen. Üeb. starke Bäume. [Aus „Schriften d.
naturf. Ges. z. Danzig.u] Ebd. (5 u. 1 S. gr. 8.) baar —.50.
( ) Seft=©abc 5. fteier b. 250j. »efte^cnS b. tgl. prfHn*§ebimg=©l)mn. ju Ecu-
ftettin am 14.-16. Dct. 1890. (2 ©1. 8.)
— — das Alphabet in preuß. Redensarten. [Aus: „Altpr. Mon.''] i'Danzig.
C. Hinstorff.) (S. 331-337 gr. 8) baar n. n. -.50.
— — prähistor. Fundstellen aus Westpr. u. d. östl. Pommern. [Nachr. üb.
dtsche Altthsfunde. Jahrg. IL Hft. 4. S. 57-60.] Burg wälle in d.
Kreisen Berent, Stargardt u. Neustadt, Westpr. [ebd. Hft. 6. S. 81 — 8S.J
Lied der Arbeiter um Callies in Pommern, f Am Ur-Quell. Monatsschr.
f. Volkskunde. 2. Bd. 12. Hft. S. 207-208.] 14t« ^jammlfl. b. botan.
aoolog. Vereins in ^cuftabt i. Söpr. [3)ai^. 3. 0. 21. 9Kat. »eil. *u "9fr. 18907.]
Treitel, Dr. Th., Privatdoc. in Kgsbg., weitere Beiträge z. Lehre v. d.
Functionsstörungen des Gesichtssinnes. [Graefe's Archiv f. Ophthaimol.
37. Bd. H. Abth. S. 151—198.]
%üt&, Dr. §erm f ftr. Sfteftjdje u. feine pfjUofopl). Srrtnege. 1. u. 2. guß. 3>reäben.
©lö&. (72 6. gr. 8.) 1.50.
Uecker, Arth., Beiträge z. Kenntniss der physikal. Isomerie einiger anisy-
lirter Hydroxylaminderivate. Diss. Kgsbg. (Koch) (38 S. gr. 8) baar
n. —.80.
Ungeteilter, 5Rea(gt)mn.*2efjr., Stammbud) n. Sari §einr. SRappolt, $n>f. b. $ljtjfif
in tfgäbg. 1702—53. [Sfeg§berid>te b. Wttägef. ^ruffta im 46. »ereinsj.
©. 69-75.]
Unruh, Gymn .-Lehr. Ferd., d. patriot. Drama im heutig. Frankreich. (Progr.
d. Altstadt. Gymn.) Königsb. Gräfe & ünzer. (S. 1-20. 4°) baar
n. n. 1. — .
Urkundenbuch, neues preussisches, Ostpreuss. Theil. 2. Abth.: Urkunden
der Bisthümer, Kirchen u. Klöster. 2. Bd. Urkundenbuch d. Bisth.
Samland. Hrsg. v. DD. t Domvic. C. P. Woelky u. Cust. H. Mend-
thal. 1. Hft. Lpzg. Duncker & Humblot. (131 S. gr. 4,) 5.-
Yalentini, Dr. G., üb. d. Methode u. Wirksamk. grosser Wasserzufuhr bei
Infectionskrankheiten, vorzügl. bei Unterleibstyphus. Vortr. [Dtscbe.
medic. Wochenschrift. No. 30.]
Yanhöffen, Dr. Ernst, Jahresber. für 1884—1887 üb. d. Coelenteraten mit
Ausschluss d. Spongien u. Anthozoen. [Archiv f. Naturgesch. 54. Jahrg.
IL Bd. S. 82-148.] üb. d. Ceratodusflosse. [Vhdlgn. d. Ges. dtsch.
Altpreußische Bibliographie für 1891. 53
Natf. u. Aerzte. 63. Vsmlg. zu Bremen. IL Thl. Lpz. S. 134—135.]
Periphvlla und Nausithoe. [Zool. Anzeiger. XIV. Jahrg. No. 355.
S. 38-42.] z. Systematik d. Scyphomedusen. [ebd. No. 368. S. 244 b.
248.] Versuch e. natürl. Gruppirung der Anthomedusen. [ebd. No. 379.
S. 439-446.1
Venske, Oswald (Danzig), Behdlg. einiger Aufgab, der Variationsrechnung
welche sich auf Raumcurven cons tanter erster Krümmung beziehen.
I.-D. Götting. (61 S. 8.)
$erfttttiMitit<teit b. 15. <ßrot).=Scmbtage3 b. $rob. Dftpr. t>. 13—19. $lär£. flgäbg.
(2 «l.f 166 ©. u. Skucffcttt). Wr. 1—81 m. 1 Saf. it. 3 Start.)
Sefftanblttitgen b. 14, tveftpr. $roü.4!anbtcige3 ü. 11—14 ftebv. Danaig. Äafemann.
Verzeich niss der auf d. kgl. Alb.-Universit. zu Königsb. im Winterhalbj. zu
haltend. Vorlesungen u. d. öffentl. akadem. Anstalten. Kgsbg. Schubert
u. Seidel. (10 S. gr. 4.) baar n. — .20.
Voerkel, kgl. Kreisbauinsp., Beschreibg. d. neu. städt. Progymnasial-Ge-
bäudes zu Lötzen. Hierzu 2 Taf. m. Grundrisszeichnungen u. 1 Lage-
plan. (XII. Jahresber. üb. d. städt. Progymn.) Lötzen. (S. III— VIII. 4.).
Yolkmann, Prof. P., Vorlesungen üb. d. Theorie d. Lichtes. Unter Rück-
sicht auf d. elast. u. d. elektromagnetische Anschauung. Leipz. Teubner.
(XV, 432 S. gr. 8. m. Fig.) 11,20.
$j>If*f4»tlfteimfc, ber . . f>rög. »• 1- ©em.*2efu\ ($. Äranfc. 55. 3af>rg. ÄgSbg.
Son'S »erlog. (52 9irn. (53.) gr. 4.) SMertelj. baar 1,25.
Voss, G., üb. einige ameisensaure Salze. [Liebig's Annalen der Chemie,
Bd. 266. S. 33-52.]
W. cl. neue Friedrich s-Collegium in Königsberg i. Pr. (m. 2 Grundrissen)
[Centralbl. d. Bauverwaltung XL Jg. No. 6. S. 59—60.]
W. ©fi#en cmS bem ftänb. fieben Wtpr. [$anft. 3tg. 9?r. 19046. 19056. 19068.
19080, audj ©onntagäblatt bei Ägäbg. $artimgfd). 3^9 1
Wagner, Kurt (Kgsbg. i. Pr.), üb. d. Beziehgn. d. Bewegungsempfindung
zur Ataxie bei Tabikern. I.-D. Beilin (34 S. 8.)
»alter, gul.), ©ifc&of Dr. gerb. SBafter, roeil. ©encra^Supermtenbent to. Stofonb.
Seine SanbtagSprebigten u. fein SebenStauf. 9?ad) ©riefen u. Slufeeidjmmgen.
ßpä- Wunder u. .fmmblot. (VI, 408 u. 101 ©. gr. 8.) 10.—
SStaftatg, Srrau (Sniilie »., geb. ftreiin b. b. ©olfc (Vfeubon. (SmiUe ©rljarb,
geb. *u $anflig 2. 9lpr. 1833). ©väfin Hutf). Kommt. 2 SBbe. ©tuttg. 1879
fcaflberger. (243: 249 6. 8.) 8.- geb. 9.— 2. u. 3. Stuft. 2 93be. ©tuttg.
1882 u. 1891. $tfd)e 2&erfoga=«nftaft. 8.—
im (Spiegel, föoman. 1. u. 2. (Sit.*) Muff. ©bb. 1881. 83. (240 ©. 8.) 4.—
$ie 9to|e üom ftaff. föoman. 3 93be. (Ebb. 1884. (290, 264, 307 3. 8.)
12.- 2. 8ufl. 1887.
Xurf unb $arfet. 3n?ci föoueüen. (£bb. 1884. (191 ©. 8.) 5.-
3)a3 SReeriPeibd)en. Eoüelle. ebb. 1886 (296 ©. 8.) 5.— , geb. 6.—
önfel Hermann. Zottelte. Berlin 1886. (171 ©. 8.) 3.- [SRomanbibüotfjef
b. btfd). gifuftrirten 8eitung. SBb. 4. SBedin.) 2. 9tufL ©tuttg. 1889. $tfd)e.
33(g3s?Cnft. (173 ©. 8.) 3.-
3>ie 8efjn3jungfer. Vornan. 5 Bbe. &bb. 1887. (341; 326; 318; 296;
300 ©. 8.) 20.- geb. 25.-
3roif«en fcauel unb ©pree. Motetten. ®bb. 1887. (279 ©. 8.) 5.— geb. 6.—
©onne. fein SHärrfjen nad) ©fi^en toon fcertfca o. SBarburg. Berlin 1891.
3Uer. Sünder. (68 ©. gr. 8. m. 11 «otlbUbern.) 5.-
©in grageaeicfjen. Woüeffe. ©tuttg. 1891. $tfrf)e. BtgSanftalt. (132 ©. 12.)
2.— geb. n. n. 3.—
Wasner, Geo, üb. Siedelungen der Neger. Diss. Königsb. Koch. (55 S. gr. 8.)
baar n. 1.20.
Weidmann, Ose, üb. Psychosen bei Typhus abdominalis nach Beobachtgn.
in d. städt. Krankenanstalt zu Kgsbg. i. Pr. während d. Typhusepidemie
i. J. 1888. Diss. Kgsbg. (Koch.) (35 S. gr. 8.) baar n. 1.—
54 Altpreußische Bibliographie für 1891.
Welgel, M., d. Gräberfeld von Kossewen, Kr. Sensburg (Ostpr.). [Nachr. üb.
dtsche. Alterthumsfunde. 2. Jahrg. Hft. 2. S. 20—28 m. Zeichnungen.]
Weiss. Meyer' s, H.A. W., krit.-exeget. Kommentar üb. d. N. T. 4 Abth.
d. Bnef a d. Römer. 8. Aufl., neu bearb. v. Oberconsist-B. Prof.
Dr. Bernh. Weiss. Götting. Vandenhoeck. (III, 617 S. gr. 8.) 8.-
— — d. Johannes-Apocalypse. Textkrit. Untersuchungen u. Texthersteilung
Lpz. Hinrichs. (VI, 225 S. gr. 8.) 7.— [Texte u. Untersuchungen
z. Gesch. d. altchristl. Literatur v. Oscar v. Gebhardt u. Adolf Har-
nack. VII. Bd. Hft. LI
Wetssblum, Dr., (Dan zig) zur Aristolfrage [Archiv f. Dermatologie u. Syphilis
XXIII. Jahre. S. 29-81 ]
Weissbrodt, Prof. Dr. W., üb. 2 altchristl. Inschriften bei Schnitze, die
Katakomben. S. 88 u. 249. [Rom, Quartalschrift f. christl. Alter-
tnmsk. u. f. Kirchengesch. 5. Jg. S. 351 ff.]
Weisselberg, Karl (Arzt aus Liebstadt), üb. die Diuretische Wirkung des
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fßtüntt, Otto, b. $erftoa,:W6red)ts$enfmaf in Äömg«6erg (m. ttbttbg.) igHuftr.
8tg. 96. »b. Er 2499]
Wendland, Wilhelm (pract. Arzt. a. Liebwalde, O.-Pr.), zur Kenntnis d.
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Wendt, Gustav (Danzig), von d. beid. isomeren Methylnaphtalinen. L-D.
Berlin. (38 S. 8 )
Wentecher, Emil (cand. med. a. Rosenberg, W. -Pr.), zur Diagnose der
Mediastinaltumoren. L-D. Würzburg. (31 S. #>. m. 2 TaL)
»erttetr, 3ad>ariaä, bcr 24. 3februar. Sxauerftriel. (48 @. 16.) [SRrtjer'S 8o(fe
bücket Er. 894. geifcv öibfiogr. ^nftitut.] —.10.
SBerttiift, 9*eg.= u. 3Heb.=$R. Dr., 2ef>rbud) *ur HuSbübung uon fceügeljttffen [prüften
$>ettbteneml, unt. SRUeinfdjfaft bcr ßranfenpffeae, $e3mfcctton u. Srfeijdrtdjau.
8. neuburrfigefelj. u. ucrm. flufl. ©crün 1892 \$1.) fctrfdjnmtb. (XU
162 S. gr. 8. mit 37 #ol$f(fyt.) 2.40.
Medic. Öe' graphie u Statistik. Endemische Krankheiten. [ Jahresbar.
üb. d. Leistgn. u. Fortschritte in d. gesammt. Medicin. XXV. Jahrg.,
Ber. f. d. J. 1890. I. Bd. IL Abth. S. 343-380].
— — Viertel jahrsschrift f. gerichtl. Medicin u. offen tl. Sanitätswesen. Unter
Mitwirkung d. kgl. wissensch. Deputation f. d. Medicinalwesen . . ,
hrsg. 8. Folge. 1. u. 2. Bd. od. Jahrg. 1891, 4 Hfte. gr. 8. (1. Hft:
206 S. m. 2 Taf.) Berl. Hirschwald. 14.—
— — üb. Ausbildung u. Lebenslage d. niedern Heilpersonals. IV. Vortrag
aus d. Cyklus: Der Entwicklungsgang im preuss. Medicinalw. [Viertel-
iahrsschrift f. gerichtl. Medic. 3. Folge. IL Bd. S. 331— 354 ] Rec.
[Hygienische Rundschau. 1. Jg. No. 1. Dt. Vierteljahrsschrift f.
öffentl. Gesundheitspflege. 23. Bd. S. 318—320. 322. 326. 501-503.]
Wegsei, Paul, e. Fall v. Oesophago scarcinom m. Uebergreifen auf den linken
Vorhof Metastase in der Dura mater. Diss. Kbg. (Koch.) 24 S.
gr. 8.) baar n. —.60.
»icftert, Graft, ©tfjiüe u. ßeben. ^oüe«cn. Seift. Hei&ner. (311 6. 8.) 4.50.
geb. 5.50.
bev jüngftc »ruber. (Solider Vornan. 2 »bc. ®bb. 1892 (91) (177 \i
207 ©. 8.) 6.— in 1 93b. geb. n. 7.—.
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„Kannidau. Chicago. Laird u. L. 12. (Library of choiee fiction, n. 17.)
50 c . . cf. the Literarv News. Vol. XII. No. 4. New York. p. 120.
frliffttfen. [$om gete guin Weer. 6pemamt'3 itluftr. 3tf$r. f. b. btfdje. $>ou*
1890/91. IB. ftft.j SRarienburg u. b. beutle Orben^loft. [<Sbb. 1891/92.
Oft. 2. ©. 179-187 m. 5 Hbbübgn.] (Sine »eid^te. Wobctte. [Gtortenlaubc
Er. 25. 26.1 töwboff Öömenftetn. (Wcbäd)tmfercbe.) [b. ©egeiüoart 8b. 39.
9?r. 10 ] ÜKationalbanf f. b. bilbenben ffünfte. [b. 9Rogajm f. 2itt. 60. 3a$rg.
AltpreuUische Bibliographie für 1891. &5
9fr. 26.) 5)a« ©nmbftürf. eine litau. ©ef*id)te. [ffieftermann'ä iltuftr.
btfdje. anonat^ftc. 36. gafcrg. 93b. 70. ©. 799—835.] bic STaubc auf bem
$ac$e. Vornan. [fctfäe. Vornan * »ibKotfjef 1891/92 9?r. 1. 2. u. ff. 3u
Er. 2 c. ȟb 2Bidjert3.]
Saftittt, ©uftaü, ein SBefud) bei ©rnft SBi^ert. (TOt SBilb i). dmalb £f)ief.
6. 605. [lieber Sanb u. SReer. 65. 5Bb. sJ?r. 24.1
äofteltifc, fjebor ü., Grnft SBidjert. 8u feinem 60. ©eburtätage. [35. ^RoQa^in f.
Sttt 60. 3afjvg. 9?r. ll.J @rnft Söidjert aß SfjeaterbtcQter. [$tfrf>e ©ü&nen=
genoffenfdiaft Wr. 19.] ©rnft EHdjert [b. Sunftroart. 9hmbtö<m üb. alle
©ebiete be3 ©c&önen. $r3g. ü. &. Sl&enariuS. 4. Safjrg. 13. ©tücf.J
Wiehert, Paul von, üb. d. Canalis ethmoidalis. I.-D. Kgsbg. (Koch.)
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SBiebematttt, Sljeob., fedj^c^n Safjre in b. SBertftatt 2top. t>. Nantes. (Sin SBeitr.
j. ©efä- fr. iefct. SebenSjafjre. L— II. f$tfd)e SRemie. 16. 3a^rg. IV. ©b.
@. 164-179. 322-839.]
SÄtttettbüdjet, b. Äoftenfeftfefcung3üerfaf)ren u. b. btfdt>e ©ebüfjrenorbmtng f. $Red)t3=
arnuäUe m. ©riäutergn. u. SöeifpieL 3. 91. «Berlin. §. 30. SRiWer. (VJII,
216 @. gr. 8) tart. 4.20.
b. aUgem. btfdje $M3gcf&b. m. 2(u3fälu& b. ©eerecf)t3. fttir bie ?raji3 ertöut.
@bb. (VIII, 596 6. gr. 8.) 8.— geb. in fieinto. 9.—
Willutzki, Ed., üb. e. primäres Sarkom d. Ureters. Diss. Kgsbg. Koch.
(23 S. gr. 8. m. 8 Taf.) baar n. i.50.
Wlnckler, Ernst (Arzt aus Alienstein), Corpus alienum in fundo oculi.
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Wlnckler, Paul (Thorn), üb. Blutuntersuchungen bei Geisteskranken. I.-D.
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Sittfelmattis, (Ib., b. 3afjrbtid)er U. Üueblinburg. ftadj b. 9lu$g. b. Monnmenta
Germaniae überfefct u ©b. SB. 2. flu ff. 9?eu bearb. t>. ©. SBattenba*.
fity. $nf. (VIII, 74 S. 8.) 1.— f@efd)id)tfd)reiber b. beutfdjeu Eorjeit.
2. ©efammtauSg. ©b. XXXIV.]
Rec. [Götting. gel. Anzeigen. No. 2. §iftor. 8tfd)r. 30. S8b. 6. 116—117.
368-366.1
Wisbar, Dr. G.. üb. d. Destillation der sauren Kaliumsalze einiger Säuren
der Oxalsäurereihe. [Liebig's Annalen der Chemie. Bd. 262. S. 219—232.]
Zerlegung von Brenzweinsäure u. von Buttersäure durch d. Sonnen-
licht bei Gegenwart von Uransalz. [Ebd. S. 232—236.]
Witte, Oberl., Fr., Vorlagen zu latein. Stilübungen im Anschluss an die
Lektüre. Gymn.-Progr.-Beil. Marienburg. Giesow. (30 S. 8.)
Wodtke, Dr. (Dirschau), Rec. [Dtsche. Viertel jahr^chrift f. öffentl. Gesund-
heitspflege. 23. Bd. S. 317—318.]
Wogan, Gymn. -Lehrer, Theod., Bewegung zweier materieller Punkte, welche
durch e. gewichtslosen Faden mit einander verbunden sind, im Räume
u. in d. Ebene unt. Einwirkung d. Schwerkraft u. beliebig gegebner
Anfangsgeschwindigkeiten. (Gym.-Prog.) Memel. Siebert. (S. 3 b.
28. 4, m. 2 Zeichnungen auf 1 Taf.)
35tofMttmg$s$er&eid)ttiti| ber Offiziere u. Beamten ber ©arnifon Königsberg in $r.
®ommer«9uidg. SBearb. nad) amtl. SRaterialien. Königsberg, 93raun u. 28eber.
(26 6. gr. 8.) n. -.40.
Woithe, G., Schablonen f. Zimmermaler, einschlägig, in Originalgrösse : Ro-
setten, Ecken, Mitten, Friese, Wand-, Decken- u. Fliesenmuster etc.
(In 4 Lfgn.) (Bog. 1—48.) Fol. Leipz. Jüstel & Göttel. a n. n. 2.50.
Wolff, Dr. E., z. Z. prakt. Arzt in Tilsit, Zur Casuistik d. arteriell-venösen
Aneurysmen . . . [Arch. f. klin. Chir. 41. Bd. 4. Hit. S. 824—828.
m. Taf. XI, Fig. 1, 2.]
56 Altpreußische Bibliographie für 1891.
Start, ttud) ein, ü6. fanbnrirtftfd). @djm)aöfle toon einem „Keinen" ©ro&grunbbeftkcr.
$>. St. (9fo« Söeftyreufren). [§iftor.*poHt. »tätter f. b. fatfyri. Eeutfd^lanb.
108. Job. 6. 601-608.]
3a*ei, Gug., Äonvnb ftcrbinanb SRetjer; e. iittcrar. Porträt, (m. $ortr.) pBeftcrr
mann'3 ittuftr. btfäic. ^Wonat^efte. 35. 3g. »b. 70. 6. 632—646.)
3<utbrr, ftrbr., ßitaig ftafi. $td)tung nadj altnorb. ©agen. Königsberg i. $r. Äod|.
(101 ©. 12.) geb. m. ©olbfäin. 2.-
Zander, Dr. R., allg. Anatomie [Jahresher. üh. d. Fortschr. d. Anat. u.
Physiol. 19. Bd. Lit. 1890. Abth. I. S. 3—65. 75— 148.1 Systemat.
Anatomie. Nervensystem. [Ebd. S. 248—320.] Ist die Polydactylie
als theromorphe Varietät od. als Missbildg. anzusehen? Beitr. z. Kennt-
niss des Wesens u. Entstehens der Polydactylie. [Virchow's Arch.
f. path. Anat. etc. 12. F. 5. Bd. 3. Hft. S. 453—487.] Beitr. z.
Kenntnis d. Schiandkopfes d. Wiederkäuer. [Schriften d. physik.-ökon.
Ges. 31. Jg. Jubiläumsbd. 1890. Kbg. S. 6—7.]
äeitfcfrttft b. tyftor. Eereinä f. b. ?Reg.*$ea. äÄariemüerber. 27. $ft. 9Rarienro.
($ö§nfe.) (S. 257-384. 8.) n. n. 1.26.
— — des westpr. Geschichtsvereins. 29. Hft. Danzig. Bertling in Komm.
(3 B1M 132 S. gr. 8.) baar n. n. 2.—
Leitung, ÄönigSberger lanb= u. forftiDivtfjfdjaftL f. b. norbofti. $eutfd)lanb. £>r#g.:
©en. = Secr ©. Ä^rctfö. 27. 3g. 52 tönt. (ll/a »• fol.) &a(bj. n. n. 6.—
Zelaslnskl, v., zur Kenntniss d. Vergiftung durch chlorsaure Salze. Disa.
Kgsbg. i. Pr. (Koch.) (58 S. gr. 8.) baar n. 1.—
Zeusen n er, Reg.- u. Geh. Med.-R. Dr., Generalbericht üb. d. Medicinal- u.
San itats- Wesen d. Reg. -Bez. Danzig in d. J. 1886—88. Danzig. Kaie-
mann. (III, 82 S. gr. 8.) 2.—
Ziem, Dr. (Danzig), üb. das Schwellgjewebe des Auges. [Virchow's Archiv
f. path. Anatomie. Bd. 126. S. 467— 484.J Extraction einer abge-
broch. Irrigationscanüle ans d. Kieferhöhle. [Berl. klin. Wochenschr.
28. Jg. Nr. 17.] Durchleuchtung od. Probedurchspülung d. Kiefer- u. Stirn-
höhle? [ebd. No. 24.J Notiz üb. Lufthaltigkeit der Parotis, [ebd. No. 38.[
Zimmermann, Aemilius, De epistulari temporum usu Ciceroniano qnaestiones
grammaticae. IV. (Beil. z. Gyinn.-Progr.) Rastenburg. Kowalski.
(23 S. 4.) I-IV. (Leipzig. Fock.) 8.60.
Rec. [Neue philol. Rundschau. No. 12. S. 177—186.]
Zimmermann, Franz (ans Elbing), d. Datirungsformel in Urkunden Kaiser
Karls IV. I.Theil. (Jahresangaben.) Berlin. I.-D. Helmstedt. 1889. (68S.8.)
— — Acta Karoli IV. imperatoris inedita. Ein Beitrag z. d. Urkdn. Kaiser
Karls IV, Aus Italien. Archiv, ges. u. hrsg. v. Dr. Franz Zimmer-
mann. Innsbruck. Wagner. (IX, 278 S. gr. 8.) 10.—
Ziolkowski, Dir. J. v., Handbuch d. Grundbesitzes in Westpr. Mit Angabe
sämmtl. Güter, ihrer Qualität etc Nach amü. Quellen bearb.
Danzig^ Kafemann. (XXIV, 284 S. Lex. 8.) 8.—
ftotn, ?rof. Dr. $$(., Sßormort *u Dr. jur. <5b. fcubrid), baä 9te<$t ber (£^e^
(Reibung in 3)eutfcf)lanb. ^Berlin.
Rec. [DLZ. 21. 25. 33. 38. 43. 48.]
Zühlke, Dr. Frz. (ord. Lehr, am Gymn. z. Insterburg) Mommsen und Willems
in ihrer Auffassung d. Sonderstellung d. Patricier in dem Senat, resp.
— einem engeren, ausschließlich patricisch. Senat zur Zeit d. röm.
Republ. Insterburg. (Progr.-Beil. z. klg. Gymn. u. Realgymn.) (43 S. 8.)
Zwerg, Gymn. -Lehr. G., Uebersichten z. Chronik d. kgl. Gymn. zu Marien-
werder. 3. Forts. Von 1863 bis 1890. (Jahresber. d. k. Gymn.)
Marien werder. (S. 1—20. 4. m. 2 Tabellen.)
ättm ®e*äd)tni6 b. D. Dr. 9116. Ataxie, meil. Äonftftorialrat u. $farr. a. b. £öbem$tfct>.
Äirdje in äömgSbevg i. $r. SReben an feinem ©arge iL QJrabe .... Stgöbg.
©räfe & Unser. (30 @. gr. 8.) baar n. n. —.80.
Druek ron R. Leupold, Königsberg in Pr.
OCI 84 !
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