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Sacbactr Colltge ItttaTS
CHARLES MINOT
«naM of 18861
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ANATOMIEN
Wirtschaftsgeographie
von
Dr. Rudolf Fitzner .
-#-
Berlin
Hermann Paetel
1902.
S..r..
-- ."X.
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1 1
V
c/^.V
Inhalts -Verzeichnis.
Seite
I. Das Land i
Lage I
Bodenbau und Gewässer 2
Klima 6
Pflanzenwelt 9
Tierleben 11
IL Die Bewohner 15
Ortschaften 28
Volksdichte 29
IIL Das Wirtschaftsleben 3»
Viehzucht 32
Ackerbau 43
Kolonisation 63
Waldwirtschaft 65
Bergbau 70
agd und Fischfang 84
Industrie und Gewerbe 86
IV. Der Verkehr 97
Landverkehr 97
Transporttiere 97
Verkehrswege 97
Eisenbahnen 103
Seeverkehr 106
Häfen 108
Post und Telegraph 109
V. Die Verwaltung 1 1 1
Organisation der Verwaltung 1 1 1
Provinzeinteilung 112
Konsularvertretung . 114
Rechtspflege 115
Sachregister 117
I. Das Land.
Lage. Kleinasien zwischen dem 36. und 42. Parallelkreise
n. Br. und dem 26. und 41. Meridian östl. L. v. Greenw. ge-
legen, besitzt die Gestalt eines Rechtecks, das sich als eine
Landbrücke von dem mächtigen asiatischen Kontinent zu der
vielgegliederten Südosthalbinsel Europas westwärts vor-
schiebt. Im Norden vom Pontus, im Westen vom Ägäischen
Meere und im Süden vom östlichen Mittelländischen Meer
umrandet, besitzt Kleinasien im Osten keine deutlich aus-
gesprochene Grenzlinie gegen das Bergland von Armenien,
das ein Zwischengebiet zwischen Kleinasien und dem Iranischen
Hochlande darstellt. Die natürlichste Grenzscheide auf dieser
Seite bildet eine Linie vom Golf von Iskanderun (Alexandrette)
bis zur Mündung des Tschoruk, die zunächst dem Unterlauf
des Djihun, weiter über Sis dem Längsthal des Göksu, den
Längsfurchen des Balykly-tschai und des Kuru-tschai, dann
von Pingan bis Erzingian dem westlichen Euphrat und
schliesslich dem Lauf des Tschoruk von . seiner Quelle bis
zur Mündung in das Schwarze Meer folgt.
Das Anatolien in diesem engeren Sinne, d. h. unter Aus-
scheidung der das Bergland von Armenien und Kurdistan
bildenden Provinzen Erserum, Mamuret-ül-Asis, Diarbekir,
Bitlis und Wan, besitzt eine Oberfläche von 505 000 qkm,
ist also fast so gross wie Frankreich. Die Entfernung Kap
Baba— Halysquelle (West -Ost) beträgt 1050 km, diejenige
Sinope— Kap Anamur (Nord-Süd) 720 km.
Fitzner, Anatolien. 1
2 I. DAS LAND.
Bodenbau und Gewässer. In seinem Gebirgsbau, seiner
Pflanzen- und Tierwelt wie auch seinen ethnologischen und
geschichtlichen Verhältnissen besitzt Kleinasien innige Be-
ziehungen zur Balkan-Halbinsel, von der es erst in geologisch
junger Zeit durch den Einbruch der Ägäis abgetrennt
worden ist, während es vom Iranischen Hochlande, mit dem
es durch Landzusammenhang verbunden ist, besser ge-
schieden wird.
An dem Aufbau des Landes haben archäische Gesteine
einen bedeutenden Anteil. Während aber auf der Balkan-
Halbinsel Granite vorherrschen, treten hier vornehmlich Gneise
und Glimmerschiefer wie andere alte Schiefer, Chloritschiefer,
Talkschiefer usw. gebirgsbildend auf. Sie finden sich vor-
nehmlich am Westabfall der Halbinsel in den alten Land-
schaften Bithynien, Phrygien, Mysien, Lydien, Karien Und
am Südrand der Pontischen Gebirge. Ein Teil dieser Schiefer,
deren Alter schwer bestimmbar erscheint, gehört bereits dem
paläozoischen Zeitalter an; am Bosporus ist Devon sicher
nachgewiesen, und bei Eregli am Schwarzen Meer steht die
produktive Steinkohlenformation an, die dort im Tagebau
in ziemlich primitiver Weise ausgebeutet wird.
Das mesozoische Gebirge ist fast ausschliesslich auf den
Norden der Halbinsel beschränkt. Vereinzelten Trias- Vor-
kommen (bei Balia Maden und bei Gebse am Golf von
Ismid) gegenüber ist der Jura — ähnlich wie in den Alpen
die mittlere Stufe. — mehr entwickelt, am wichtigsten aber
ist das Auftreten der oberen Kreide mit Rudisten. Diese
in Gemeinschaft mit den Nummulitenkalken des Eocäns geben
den Gebirgen vornehmlich den Charakter.
Nach dem Eocän begann die Bildung der grossen Ge-
birgsfalten, die im Miocän zum Abschluss gelangte. Hierauf |
fanden Bruchbildungen statt, die dem Lande seine heutige j
Gestalt durch Ausprägung der äusseren Umrisse verliehen. l
Die pontische Küste wird von parallelen Faltenzügen in doppelt '
I
I
BODENBAU. 3
geschwungenem Bogen (dem bithynisch-paphlagonischen imd
dem pontischen Bogen) begleitet; den Süden beherrscht der
grosse Bogen des Taurus, der nach Süden konvex vor-
springt. In West-Anatolien (Mysien, Lydien) findet eine
Scharung, ein Zusammentreffen der aus verschiedenen
Richtungen aufgestauten Gebirgsfalten, statt, da hier der in
Virgation aufgelöste Pindus-Bogen in Nordost-Richtung über
den Archipel streicht.
An den Innenrändern der grossen Faltungsbögen sind
aus Bruchlinien zahlreiche Vulkane aufgestiegen, deren Ent-
stehung wohl zum grössten Teil im mittleren Tertiär erfolgt
ist. Bemerkenswert ist der mächtige Trachytwall des Ala-
Dagh am Südrande des paphlagonischen Gebirgszuges und
die gewaltige Eruptivmasse am Innenrande des ösdichen
Taurusflügels, aus welcher der Erdjias-Dagh (Mons Argäus)
mit 4059 m als höchste Bergspitze Kleinasiens aufragt.
Zahlreiche heisse Quellen, die in den Bruchspalten aufsteigen,
sind die Zeichen einer schlummernden, aber noch nicht er-
loschenen vulkanischen Thätigkeit, wie andererseits die Erd-
beben am Bosporus und im Wilayet Aidin darauf hinweisen,
dass die tektonischen Vorgänge, die der Halbinsel ihre gegen-
wärtige Gestalt gegeben haben, noch nicht völlig zur Ruhe
gekommen sind.
In der jüngeren Tertiärzeit fanden Meeresablagerungen
von teilweise bedeutender Mächtigkeit statt, die völlig
horizontal über gefalteten Gebirgsteilen ausgebreitet sind;
dann bildeten sich gewaltige Binnenseeen, deren Niederschläge
weite Strecken — nach TchihatchefF ein Drittel des ganzen
Landes — einnehmen, und als deren letzte Reste wir den
flachen Tüs TschöUü und die Seefetzen am West- und Süd-
rande der Lykaonischen Senke zu betrachten haben. In der
Gegenwart finden Neubildungen imd Landanreicherungen
vornehmlich im Mündungsgebiet der Flüsse statt, die viel-
fach emsig bestrebt sind, aus den dem Binnenlande entführten
1*
4 I. DAS LAND.
Schuttmassen ein Delta aufzubauen oder den Flachsaum
alluvialer Bildungen am Gebirgsrande durch Anschwemmungen
zu verbreitern.
Kleinasien ist seinen Wesenszügen nach ein mulden-
förmiges Hochland von 850 m mittlerer Meereshöhe, das
im Norden und Süden von hohen Gebirgsmauern umrandet
wird und sich allmählich nach Westen zum Agäischen Meere
abdacht. Die Nordküste ist überaus schwach gegliedert;
die pontischen Randgebirge, die in parallelen Zügen von
West nach Ost streichen und in den Lasischen Alpen über
3000 m aufsteigen, treten dicht an die Küste heran und geben
nur Raum für einen schmalen Saiun fruchtbaren Niederlandes.
Die Südküste ist dagegen bei weitem reicher gegliedert.
Zwei grosse flache Buchten mit einem breiten Gestade er-
giebigen Kidturbodens öffnen sich hier: im Osten die Bucht
von Tarsus, die nur durch einen kleinen Gebirgszug von der
Bai von Iskanderun getrennt wird. Die Stadt Tarsus, nach
der die Bucht benannt ist, lag im Altertum am Seihun,
dessen grosse Schwemmmassen zugleich mit denen des Djihan
ein weites Alluvialgebiet, die Küikische Ebene, aufgebaut
haben. Durch den breiten Landvorsprung Itsch-Ili, in dem
die Bergketten des Taurus, im Bulghur-Dagh 3500 m hoch,
mit steilem Absturz sich dem Meere nähern und das Kap
Anamur bilden, getrennt folgt im Westen die Bucht von
Adalia, deren westliche Umrandung von den wilden, schroffen
Gebirgmassen, die südlich das Kap Chelidonia in das Meer
vorschieben, gebüdet wird.
Die fruchtbare, von der Natur herrlich ausgestattete
Westküste, an der die Landschaften Karten, Lydien und
Mysien teilhaben, ist eine typische Riasküste, d. h. eine
Küste, die quer zur Streichrichtung der Gebirge steht, deren
Querenden in das Meer hinausragen, während die Hohlformen
zwischen den einzelnen Ketten infolge Senkung des Fest-
landes bezw. Hebung des Meeresspiegels (positive Strand-
FLÜSSE. 5
Verschiebung) zum Teil vom Wasser ausgefüllt werden. So
ist eine vielgestaltige, mannigfach gegliederte Küste ent-
standen mit vielen konkaven, oft tief in das Land ein-
schneidenden Buchten, denen eine dichte Inselflur — bei dem
Einbruch des Agäischen Meeres stehen gebliebene Land-
schollen oder Gebirgsglieder, deren Gipfel noch über den
Meeresspiegel aufragen — vorgelagert ist.
Hinter dieser Küste steigt das von einzelnen, im Durch-
schnitt 800 m hohen Bergreihen durchzogene Land allmählich
zur Hochebene empor, deren nordöstlicher Teil innerhalb
des grossen Halysbogens in ein Faltenland übergeht, das
im Südwesten mit einer Bruchlinie gegen die Lykaonische
Senke absetzt. Das abflusslose Binnenland ist eine baumlose,
sonnenverbrannte Steppe, deren tiefsten Teil der grosse,
seichte Salzsumpf Tüs Tschöllü (türk. Salzige Steppe oder
Wüste) einnimmt.
Die Flüsse im Süden der Halbinsel besitzen, da der
Taurus, dem sie entspringen, sich der Küste oft bis auf kurze
Entfernung nähert, einen kurzen Lauf; nur das Strompaar
Seihun und Djihan, die in einer Längsfurche zwischen Anti-
taurus und Amanus fliessen, gewinnt eine gewisse Bedeutung.
Grössere Flusssysteme treffen wir auf der Westabdachung:
den Menderes-tschai (Mäander), den kürzeren Kytschyk
Menderes (Cayster) und den Gedis-tschai (Hermus), dessen
Mündung eine künstliche Ablenkung nach Westen erfahren
hat, da seine Schwemmmassen den Hafen von Smyrna zu
verschliessen drohten. Die Landschaft Mysien ist vorwiegend
nach Norden abgedacht und wird durch den Susyghyrly-
tschai und Adranos-tschai (Macestus und Rhyndacus der
Alten) zum Marmara-Meer entwässert.
Die bedeutendste Entwicklung zeigen die Stromsysteme
der nördlichen Abdachimg, die sämtlich dem Schwarzen
Meer angehören. Der Sakaria (Sangarius) besitzt gleich
seinem bedeutendsten, ihm von links zuströmenden Tributär,
6 I. DAS LAND.
dem Pursak (Thymbres), einen merkwürdigen, durch zahl-
reiche rechtwinklige Umbiegungen gekennzeichneten Lauf,
der durch die Bodenplastik des durchflossenen Gebietes be-
dingt wird, indem die Flüsse den Lxjngitudinalrinnen zwischen
den West -Ost streichenden Bergketten zu folgen suchten,
falls sie nicht ein entgegenstehendes Hindernis während der
Gebirgsbildung gezwungen hat, den bequemen Thalweg zu
verlassen und in eine Bergkette ein enges Durchbruchsthal
einzusägen.
Ahnlich gestaltet sind der Filias-su (Billaeus) und der
lange Lauf des Halys oder Kysyl Irmak (roter Fluss), der
einen weit ausholenden Bogen nach Westen beschreibt, bevor
er in tief eingeschnittenen Schluchten die Kettenzüge des
paphlagonischen Küstengebirges durchbricht. Die gleichen
rechtwinkligen Umknickungen zeigt weiter östlich das Fluss-
system des Jeschil Irmak, des alten Iris, während der
Tschoruk in seinem ganzen Ober- und Mittellauf einer Längs-
furche, nahezu parallel zur Meerküste, folgt.
Kein Fluss Anatoliens ist auf weitere Strecken schiflfbar,
denn alle besitzen ein sehr starkes Gefalle, vor allem die
pontischen Ströme, die eine grosse Barre vor ihrem Unter-
lauf zu durchbrechen haben; erst dann können einige von
ihnen für eine allerdings verschwindend kürze Strecke dem
Verkehr dienstbar gemacht werden.
Klima. Die Westabdachung und das Tiefland der Süd-
küste, das „anatolische Hufeisen", haben ein reines Mittelmeer-
klima: heisse, trockene Sommer, deren hohe Temperatur an
der Westküste durch fast ständig wehende Nordwinde (Etesien
der Alten) gemildert wird, während die im Windschatten der-
selben liegenden südlichen Niederungen der vollen Sonnen-
glut ausgesetzt sind, welche aus Sümpfen und stehenden
Gewässern fiebererregende Miasmen aufsteigen lässt. Die
Regenzeit währt von November bis März oder April, ver-
KLIMA. 7
einzelte Niederschläge erfolgen im Frühjahr und Herbst. Das
Temperatur-Maximum wurde für Smyrna in 14 Beobachtungs-
jahren zu 43,6^, das Minimum zu — 9,1^ ermittelt.
Der Nordwesten und Norden stehen unter dem Einfluss
des Schwarzen Meeres und des nahen russischen und sibirischen
Gebietes. Auf einen kurzen Frühling, der erst spät, im April,
beginnt, folgt ein warmer, durch Nordwinde, die vom
Schwarzen Meer her wehen, in seiner Temperatur gemilderter
Sommer, dessen heissester Monat August ist, dann im Sep-
tember ein langer, schöner Herbst mit klarem, heiterem
Wetter, der erst um die Wintersonnenwende durch Regen-
falle oder bei sinkender Temperatur durch Schneefälle unter-
brochen wird. Der kurze Winter bringt oft empfindliche Kälte,
die aber selten lange anhält und oft durch feuchtes, warmes
Wetter, das die Südwinde herbeiführen, abgelöst wird. Der
Witterungsumschlag ist dabei oft sehr unvermittelt. Die
kalten Luftströme aus dem Inneren Russlands haben schon
wiederholt Teile des Schwarzen Meeres auch am Südrande
desselben zum Gefrieren gebracht, und selbst der Bosporus
ist wiederholt von einer Eisdecke geschlossen gewesen. An
der pontischen Küste macht sich der Windschutz, den der
hohe Gebirgswall des Kaukasus ausübt, dahin bemerkbar,
dass der Ostabschnitt sich eines milderen Winters und höherer
Niederschläge als Paphlagonien und Bithynien erfreut. Die
jährliche Regenmenge beträgt für Trapezunt 875 mm, für
Samsun dagegen 727 mm und für das mehr binnenwärts
gelegene Mersiwan sogar nur 411 mm.
Das innere Hochland hat trotz der grossen Küstennähe
und der Halbinselnatur des Landes ein rein kontinentales
Klima mit grossen Extremen. Heissen, trockenen Sommern,
in denen alle Vegetation in Schlaf versinkt, stehen harte,
kalte, trübe Winter gegenüber, in denen das Thermometer
zuweilen auf — is^oder selbst — 19O (in Amasia beobachtet)
sinkt. Die Niederschläge, Regen oder in den höher gelegenen
8 I. DAS LAND,
Strichen Schnee, fallen in den Frühjahrsmonaten; im April
und Mai, selten noch im Juni treten Gewitter mit kurzen
Regenschauern auf. Die Hochgebirge sind bis in den Sommer
hinein verschneit, und die Pässe werden oft erst im Juli für
einige Monate gangbar. Die untere Schneegrenze scheint
im allgemeinen etwas höher zu liegen als in Europa und
Amerika (Südhang des Argäus 3450 m, Lasische Alpen
3250 m), doch kann sie durch besondere örtliche Verhältnisse
tiefer gerückt werden.
Genauere Messungen der Niederschläge aus dem Binnen-
lande fehlen, immerhin wissen wir, dass diese nicht reichlich
sind; denn die mit Feuchtigkeit geladenen Wolken, die durch
Nord- und Südwinde herangeführt werden, werden bereits
durch die nördlichen bezw. südlichen Randgebirge zum Ab-
regnen gezwungen und erreichen das Binnenland nur noch
als relativ ziemlich trockene Luftströmungen, die bei ihrem
Abstieg von den Gebirgskämmen wahrscheinlich oft einen
Föhncharakter annehmen. Selbst die Westwinde, die freieren
Eintritt in das Land finden und in das Innere eindringen,
sind hier schon meist trocken imd bringen nur noch wenig
Regen. Ungeheure Waldverwüstungen haben überdies seit
dem Altertum das Gebiet noch trockener gemacht, als es
durch gegebene Naturverhältnisse bereits war.
Die hygienischen Verhältnisse sind im allgemeinen
recht günstig, vor allem auf dem Hochlande. Die Niederungen
an der Küste und in den Flussthälern sind in den heissen
Sommermonaten fieberreich. Besonders haben die Bewohner
der südlichen Landschaften darunter zu leiden und flüchten
wenn irgend möglich in das kühlere, gesunde Bergland, so
ist z. B. Tarsus, eine Stadt von 16 — 18000 Einwohnern, im
Sommer halb verlassen. Selbst auf dem Hochlande fehlen
in versumpften Landstrichen die Fieber während des Sommers
nicht und sollen auch auf trockenem, felsigem Boden vor-
kommen. Die Fieberkeime werden anscheinend durch den
PFLANZENWELT.
Westwind herbeigeführt, der wohl infizierte Mücken usw. in
das Binnenland hineinweht.
Mittlere Temperatur.
Ort
N.
Breite
0.
Höhe
Länge ;
Januar
April
Juli
Oktob.
Jahr
o
m
Konstantinopel .
40*^0'
28° 59', -
4.8
11,4
23.1
16.2
13.8
Brussa ....
40 5
29 I ; 305
4.0
12.4
26.5
16.3
15.8
Smyrna . . .
38 26
27 10' —
7-S
138
26.4
18.5
16.5
Samsun . . .
41 18
36 21
8
6-3
10.7
22.7
16.7
14.0
Trapezunt . .
41 I
39 45
30
6.0
11.4
32.8
17.2
14.5
Kaisarie . . .
38 43
37 43
109S
1.4
14.9
21. 1
16.7
12.6
Mersiwan . . .
40 51
35 32
ca.4cx>
3.3
12.6
23.6
13.0
12.5
Regenmessungen in mm.
Ort
I
II
III
IV
V
VI VII
VIII
IX
X
XI
XII
Jahr
Skutari .
78
' 63
104
31
26*
49 33
65
65
lOI
12»
71
814
Smyrna .
105
1 75
85
45
32
12
5
3*
23
45
108
ua
650
Samsun .
80
; 58
74
66
48
38
18*
27
54
70
iia
92
727
Trapezunt
73
! 48
72
70
50
67
44*
59
77
85
106
124
875
Mersiwan
24
27
H
56
91
71
3*
17
24
29
13
32
411
Pflanzenwelt. Von Bodenbau, Höhenlage und Klima
abhängig zeigt die Pflanzendecke Anatoliens ein wechselndes
Gepräge. Auf den Inseln des Archipels und in den Küsten-
niederungen der westlichen Abdachung und des südlichen
Vorlandes (Kilikische Ebene und Pamphylien) herrscht die
Mediterranflora, immergrüne Maquis mit Pistazien, Myrten,
Crataegus, Erdbeerbäumen, Eichen, Lorbeer und Lentiscus-
gebüsch, es ist der gesegnete Landstrich, in dem die
Agrumen, Oliven, Feigen, Granaten, Quitten, Maulbeeren
und die Weinrebe in. üppigster Fülle gedeihen. Das pontische
Küstengebiet östlich von Sinope zeigt ähnliche Wesenszüge,
10 I. DAS LAND.
während die Olive aus noch nicht näher geklärten Gründen
zwischen dem Bosporus und der Halysmündung nicht gedeiht.
Diese immergrüne Vegetation reicht am Südabhange
des lycischen Taurus bis zu einer Höhe von 450 m, im
pontischen Küstengebirge bis zu einer solchen von 300 m^
doch steigt sie in geschützten Thalzügen bis zu einer Höhen-
stufe von 600 m empor. Ihr folgt aufwärts bis 1700 m im
Norden die Region hochstämmigen Waldes, der sich aus
verschiedenen Eichenarten, Ulmen, Linden, prächtigen Rot-
buchen, in den höheren Lagen über 1350 m vornehmlich
aus Fichten, Kiefern (Pinus Laricio, P. silvestris), Zedern und
Tannen (Abies cilicica), in den tieferen Lagen aus Kastanien^
Platanen und Nussbäumen zusammensetzt und ein dichtes
Unterholz, besonders viel Haselnusssträucher, birgt. Die
Obstbäume, Äpfel, Birnen und Kirschen, steigen bis 1200 m
empor.
Über 1800 m folgt im pontischen Randgebirge die
alpine Vegetation, deren Charaktergewächse die kaukasische
Alpenrose, Seidelbast, Schwarzdorn, Rosensträucher imd
Wachholder sind, und die in der Sommerzeit den anwohnenden
Viehzüchtern eine reiche Weide bietet. Im kilikischen
Taurus reicht dieses Weideland am Südabhang bis 2400 m
aufwärts, am nördlichen Gehänge sogar bis 2700 m.
Ausserordentlich günstige klimatische Verhältnisse lassen
auf dem Südabhange des westlichen Taurus die obere Wald-
grenze mit Juniperus foetidissima sogar bis 2400 m aufsteigen.
Im kilikischen Taurus reicht die untere Waldregion mit
Eichen und Fichten auf dem Südabhange bis 1400 m, die
obere Waldregion, in der P. Laricio vorherrscht, bis 1500 m,
und der Zedernwald bis 1800 m; auf dem Nordabhange
nimmt, die Waldregion die Stufe 1400 — 2100 m ein.
Das innere Hochland birgt trotz einer scheinbaren Ein-
tönigkeit eine mannigfaltige Pflanzenwelt. Acantholimon und
Astragalus Tragacantha bilden neben den Gattungen Erysi-
TIERLEBEN. 1 1
mum, Dianthus, Gypsophila, Silene, Hypericum, Onobrychis,
Centaurea, Campanula, Convolvulus, Verbascum, Salvia u. a.
die Charakterpflanzen des zentralen Hochsteppengebietes.
Eine eigene Flora besitzen die Salzsteppen Lykaoniens und
Galatiens, aus denen 13 Salsolaceen-Gattungen mit 34 Arten
bekannt geworden sind.
Das Hochland erscheint öde und unfruchtbar, aber wo
befruchtendes Nass den anscheinend sterilen Boden durch-
dringt, da entfaltet sich reiches Pflanzenleben. In den Fluss-
thälern und leicht bewässerbaren Gebieten entstand ein
lohnender Ackerbau, während das unberieselbare Land und
die entwaldeten Berghänge den Wanderhirten mit ihren un-
gezählten Herden überlassen blieben.
Tierleben« Die kleinasiatische Fauna gehört der Mittel-
ländischen Subregion der paläarktischen Region Wallace*s an
und besitzt im wesentlichen, mit wenigen Ausnahmen oder
örtlichen Abwandlungen, die jener eigenen Gattungen und
Arten. Von den Säugetieren hat der Zoologe Danford
eine Liste von 46 Arten aufgestellt, unter denen aber die
Fledermäuse, Insektenfresser und Nager erst noch spärlich
vertreten sind.
Aus der Familie der Katzen kommt der Leopard noch
vereinzelt in den südlichen und südwestlichen Küstengebieten
vor, Löwe und Tiger, die im Altertum häufig waren, sind
durch die fortschreitende Entwaldung und Entvölkerung des
Landes weit nach Osten zurückgedrängt worden. In den
Küstenwaldungen ist die Wildkatze (F. catus) häufig, weiter
werden Luchs, Pardina und Caracal genannt. Unter den
wilden Hundearten nimmt der Wolf die erste Stelle ein, er
ist im Innern sehr zahlreich und im Winter eine Plage der
Herdenbesitzer; viele topographische Namen wie Kurt-Dagh,
Kurtköi usw. weisen auf sein Vorkommen hin. Nebea ihm
weitverbreitet ist der Schakal, auch der Fuchs ist nicht
12 I. DAS LAND.
selten, dagegen scheint die gestreifte Hyäne mehr auf das
Gebiet von Smyrna und die südlichen Landschaften beschränkt
zu sein, wenn sie auch vereinzelt an anderen Orten auftritt.
Von Mustelinen finden wir Dachs, Marder (M. vulgaris und
M. sarmatica) und Fischotter ziemlich häufig. In vielen Berg-
wäldern lebt der braune Bär, an dessen Stelle im Osten des
Landes die syrische Art tritt.
Von Nagern ist der Hase im Randgebiet und auf der
Hochlandsteppe, falls diese durch Buschbedeckung Schutz
gewährt, recht häufig. Der Boden der Hochlandsregion ist
vieler Orten durch die Bauten der für die Steppenfauna
charakteristischen Suslik (Spermophylus xanthoprymnus) und
der Hamster durchwühlt, und die öde Salzsteppe der
Lykaonischen Senke wird durch die gewandte, schnelle
Sandrennmaus (Psammomys obesus) belebt. In den Wäldern
des Taurus und des Antitaurus tummelt sich das syrische
Eichhörnchen (Sciurus syriacus), dagegen erscheint das Vor-
kommen des Bibers noch fraglich.
Das Rotwild ist durch Edelhirsch, Damhirsch und Reh
vertreten, kommt aber in den Wäldern der Randzone und
des Antitaurus nicht mehr gerade häufig vor. In den öst-
lichen Steppengebieten lebt die schöne Gazella dorcas, imd
die Hochgebirge beherbergen die interessante Wildziege
Capra ägagrus und den Mufflon (Ovis musimon), die Stamm-
väter unserer heutigen Hausziege und des Hausschafes. In
den Eichendickichten der Bergwaldungen haust das von den
Moslemin verabscheute Wildschwein, das hier an Eicheln,
Kastanien und Bucheneckern eine reichliche Mast findet,
aber dennoch oft die Kulturen der benachbarten Bauern
heimsucht und verwüstet.
Wo Waldungen ihr schirmendes Dach ausbreiten, findet
auch die lustige Schar gefiederter Sänger ihr trauliches
Heim. Die anatolischen Bergwälder beherbergen fast alle
unsere mitteleuropäischen Singvögel wie Nachtigal, Drossel,
TIERLEBEN. 13
Amsel, Grasmücke, Fink, Hänfling, Zeisig, Distelfink, Rot-
kelchen, Steinschmätzer, Meise, Rotschwänzchen, Pieper und
viele andere. Mit zierlichem Schwanzwippen hüpft die Bach-
stelze am steinigen Uferrand, der Specht hämmert dröhnend
an Baumstämmen, und der Kukuksrufs schallt laut durch
den Wald. Über der Steppe steigen im Frühjahr riesige
Scharen von Lerchen auf und baden unter hellem Jubel-
gesang die Brust in der reinen, klaren Luft.
Die Wasserbecken imd Sumpfniederungen sind durch
grosse Schwärme von Wat- und Schwimmvögeln belebt:
wilde Gänse und Enten, Pelikane, Kraniche, Silberreiher,
Purpiu-reiher und Nachtreiher, Wasserhühner, Kiebitze,
Schnepfen usw. Der wahre Charaktervogel des Landes aber
ist der Storch, der seit Alters in frommer Scheu geschont
wird. Das weite Steppenland durchmisst die scheue Trappe.
Von den Hühnervögeln finden sich neben unserem
heimischen Rebhuhn das im Mittelmeergebiet weit verbreitete
Steinhuhn in den Bergen und das Sandhuhn (Pterocles are-
narius) auf den Hochsteppen des Innern, beide in grossen
Völkern. Im Hochgebirge des Ostens steigt das Riesen- oder
Königshuhn (Megaloperdrix caspia) zu sehr bedeutenden
Höhen auf, nach Radde am Ararat bis 5000 m. Die Wachtel
besitzt augenscheinlich eine weite Verbreitung. Die Gebirgs-
waldungen bergen Haselhühner, Auerhühner, Fasanen. —
Tauben treten in grossen Schwärmen auf, werden aber überall
nach altüberlieferter religiöser Tradition geschont.
Sehr zahlreich ist das Raubzeug, das nirgendwo von
den Eingeborenen abgeschossen wird. Im Lande horsten
verschiedene Adlerarten: Königsadler, Goldadler, A.Mogilinik,
Schreiadler, A. pennata, Seeadler, von Geiern der Lämmer-
geier, der weissköpfige Geier und der ägyptische Aasgeier.
Weitverbreitet sind Falken, von denen Danford 6 Arten be-
obachtete, Habichte, Sperber, Weihen, Bussarde imd Eulen.
14 I. DAS LAND.
Die Reptilien und Amphibien sind noch wenig durch-
forscht; bemerkenswert ist das Vorkommen von Baum-
schlangen (Dipsadiden), die sonst nur auf den Raum innerhalb
der Wendekreise beschränkt sind, auf dem anatolischen
Hochlande.
Auch die Fischfauna ist erst wenig bekannt geworden.
Die Flüsse und Süsswasserseeen sind sehr fischreich. In
fast allen Hochlandflüssen kommt zahlreich eine schöne
Forelle (S. Ausonii), die bis 15 Pfund schwer wird, vor. Der
Halys ist reich an grossen Welsen. An der Küste wird der
Thunfischfang im grossen betrieben, und der Bosporus ist
wegen seines Fischreichtums berühmt.
Die Insekten sind durch einen grossen Artenreichtum,
besonders in den bereits eingehender durchforschten Ordnungen
der Käfer und Schmetterlinge, von denen eine grössere An-
zahl endemischer Spezies nachgewiesen wurde, ausgezeichnet.
IL Die Bewohner.
Dem Beobachter treten in Anatolien als Hauptbestand-
teile neben zahlreichen numerisch schwächeren ethnischen
Einschlägen die drei „Nationalitäten'' Türken, Griechen
und Armenier entgegen.
Die letzteren sind am leichtesten erkennbar; wenn auch
die Bewohner mancher Dörfer mosleminische Tracht und
Sitte und die türkische Sprache freiwillig oder gezwungen
angenommen haben, so bildet der weitaus grösste Teil der
Armenier ein homogenes Element als Glieder des grossen
armenischen Volkes, weicheis das armenische Hochland mit
den beiden Siedelungsbrennpunkten um den Wan-See und
am oberen Euphrat bewohnt und ein Eins in Körperbau,
Sprache und Religion bildet. Die Armenier haben einen
breiten und extrem hohen Schädel, der vielfach hinten ab-
geflacht ist, und meist schwarze Haare. Die grosse, fleischige
Nase giebt ihnen ein weiteres besonderes Kennzeichen. Sie
besitzen eine eigene Schriftsprache und Litteratur; eine grosse
Befähigung für das Erlernen fremder Sprachen verschafft
vielen die einflussreiche Stellung des Vermittlers zwischen
den verschiedenen Bevölkerungselementen im amtlichen und
geschäftlichen Verkehr. Die Mehrzahl gehört der armenisch-
gregorianischen Kirche an und untersteht in religiöser Hin-
sicht dem armenischen Patriarchen in Konstantinopel; ein
kleinerer Bruchteil dieser Bevölkerung hat sich den Lehren
16 11. DIE BEWOHNER.
der amerikanischeil evangelischen Missionare oder der fran-
zösischen Jesuiten angeschlossen.
Ein lebhafter Wandertrieb und reger Geschäftssinn hat
nicht nur zahlreiche Gemeinden dieses Volkes über
das ganze türkische Reich verbreitet, sondern auch unter-
nehmende Leute bis nach Westeuropa und Amerika geführt.
Ein grosser Teil des armenischen Volkes widmet sich dem
Ackerbau, eine sehr beträchdiche Zahl aber dem Handels-
gewerbe, für das der Armenier eine hohe natürliche Bean-
lagung besitzt, und hat vor allem in der Finanzwelt des
Orients eine starke Stellung erworben. Der moralische
Charakter wird sehr verschieden beurteilt. Der Armenier
gilt als nüchtern, sehr bescheiden in seinen I^bensansprüchen
und sparsam, dagegen wird ihm der Hang zum Betrügen
und zu unlauterer, oft unsauberer Geschäftsführung zum Vor-
wurf gemacht. Das im Kern morsche Byzanz mit seiner
planlosen Korruptionswirtschaft hat von jeher ein dankens-
wertes Arbeitsfeld für armenische Geschäftsleute geboten,
aber auch in den anatolischen Landstädten und Dörfern haben
armenische Händler und Gastwirte festen Fuss gefasst und
vielfach das ehrliche, arbeitsame Landvolk durch Wucher-
zinsen und Betrug bis auf das Blut ausgesogen. Es wäre
irrig, die Armenierverfolgungen der letzten Jahre als
mosleminische Christenhetze aufzufassen; die vom menschlichen
Standpunkte aus tief bedauerlichen Vorgänge haben viel-
mehr einen sozialen und politischen Beigeschmack. Denn die
Armenierfrage bietet für England und Russland, deren
Emissäre eine ununterbrochene, verhängnisvolle Thätigkeit
im Lande entfalten, ein willkommenes Mittel zur ständigen
Beunruhigung der Hohen Pforte. Leider müssen aber ge-
rade vielfach die harmlosen und unschuldigen Landbewohner
mit ihrem Blut die Schuld ihrer verbrecherischen Stammes-
genossen und fremden Hetzagenten sühnen.
Das zweite Element, die Griechen, gewinnt inAnatolien
GRIECHEN. 1 7
eine von Jahr zu Jahr steigende Ausbreitung und Bedeutung.
Sie nehmen in dicht gescharter Masse die fruchtbaren Küsten-
länder des Südens und Westens, z. T. auch des Nordens
ein und dringen langsam, aber stetig weiter in das Innere
der Halbinsel vor. Die lange vernachlässigte eigene Sprache
wird jetzt sorgfaltig gepflegt, imd von den Gemeinden werden
oft grosse Opfer gebracht, um einen griechischen Lehrer
anstellen und so ihren Kindern einen guten Unterricht zuteil
werden lassen zu können. Während in vielen Dörfern die
ältere Generation nur des Türkischen mächtig ist, erwirbt
die Jugend wieder den Gebrauch der nationalen Sprache.
Diese ist dem Altgriechischen sehr ähnlich, aber in ihren
Formen verkümmert. Die Landleute sprechen vielfach nur
in Infinitiven und haben die Unsitte, fast allen Wörtern die
Deminutivform „aki" anzuhängen, was der Sprache ein sehr
kindUches Gepräge verleiht. Die grosse Mehrzahl gehört
der anatolisch- orthodoxen Kirche an, an deren Spitze der
ökumenische Patriarch in Konstantinopel, den eine ständige
Synode von 12 Metropoliten umgiebt, steht. Diesem unter-
stellt sind 75 Erzbischöfe mit 26 Bischöfen. Nur gering an
Zahl sind die Unierten Griechen, die den Papst in Rom als
ihr geistliches Haupt anerkennen.
Unter der griechischen Bevölkerung Anatoliens lassen
sich in somatischer Hinsicht in der Hauptsache zwei Typen
unterscheiden. Der eine stimmt überein mit dem Typus der
Griechen auf dem europäischen Festlande und dem Archipel,
wo er infolge insularer Abgeschlossenheit noch am reinsten
erhalten geblieben ist und Anklang an den antiken Typus
zeigt. Der andere Typus wird durch Vorwalten von extremen
Kiu'zschädeln gekennzeichnet und weist auf eine kleinasiatische
Urbevölkerung hin, die bereits vor der griechischen Koloni-
sation im Lande ansässig war.
Die heutige g^echische Bevölkerung in Anatolien wird
auf 1 300000 Seelen veranschlagt; diese Zahl dürfte aber bei
Fitrner, Anatolien. 2
18 n. DIE BEWOHNER.
der grossen Fruchtbarkeit der Familien bald weit über-
schritten sein. Die Griechen des Archipels sind durch die
Lage ihrer Heimaterde auf das Meer hinausgewiesen, sie
sind tüchtige Schiffer und Fischer geworden. Auf dem Fest-
lande ist die grosse Mehrzahl im Ackerbau, Gewerbe und
Handel beschäftigt. Der intelligente Grieche hat im Anbau
der ertragreichen Südfrüchte und Weinreben, die er mit
regem Eifer pflegt, eine ergiebige Erwerbsquelle gefunden,
ebenso liegt der Seidenbau und die Seidenspinnerei zu einem
grossen Teile in seinen Händen. Handwerke, die eine be-
sondere Geschicklichkeit erfordern, werden in den Städten
fast ausschliesslich von Griechen ausgeübt. Einen besonderen
Einfluss in wirtschaftlicher Beziehung haben sie dadurch ge-
wonnen, dass sie neben den Armeniern nicht nur den
Provinzhandel, sondern auch den Grosshandel in den Küsten-
städten beherrschen und in ihm grosse Vermögen ange-
sammelt haben.
Die Griechen sind betriebsam und sparsam, kommen
aber, in den grösseren Städten wenigstens, häufig mit den
Gesetzen in Konflikt; so waren die meisten der berüchtigten
smyrniotischen Briganten Griechen. Im Innern, wo sie sich
zumeist dem Ackerbau widmen, sind sie etwas schwerfalliger,
aber auch dafür von höherer Moralität als an der Küste.
Ihre Weiber sind gute Hausfrauen, jedoch eitel und putz-
süchtig. Ein reger Gemeindesinn hält die Griechen fest zu-
sammen und giebt ihnen dadurch eine besondere Stärke im
Wirtschaftsleben.
Als Türken werden im allgemeinen die Angehörigen
der sesshaften mosleminischen Bevölkerung auf dem flachen
Lande und in den Städten — unter Ausschluss der in jüngerer
Zeit aus denBalkanländem und dem Kaukasus Zugewanderten
— bezeichnet. Das Wort „Türk" ist im Orient ein Schmähwort,
die Leute selbst nennen sich „Osmanli'' und bringen in
diesem Namen den Anspruch auf die Descendenz von den
ANATOLISCHE LANDBEVÖLKERUNG. 19
Begründern des heutigen türkischen Staatswesens zum Aus-
druck. Diese Annahme ist jedoch unzutreffend; die sog.
Türken stellen vielmehr eine Mischbevölkerung dar, in der
nach den gründlichen anatomischen Untersuchungen v. Luschan's
die Merkmale einer alten vorgriechischen Bevölkerung deut-
lich zum Ausdruck kommen, während Hinweise auf eine
mongolische Abstammung weit seltener, gewöhnlich nur
individuell hervortreten. Wir wissen, dass im Altertum die
Bevölkerung Kleinasiens aus den drei Hauptgruppen:
Hethitern im Osten bis an das rechte Halysufer, Phryg^iern
im Quellgebiet von Sangarius, Macestus und Mäander und
Lydiem auf der westlichen Abdachung bis zur Küste bestand.
In Monumenten überlieferte bildliche Darstellungen dieser
Bevölkerung zeigen deutlich den Typus, der in der heutigen
anatolischen Landbevölkerung so häufig wiederkehrt und als
armenoid (mit breitem und extremhohem Schädel und grosser,
fleischiger Nase) bezeichnet wird.
Diese Urbevölkerung, deren in Hieroglyphen geschriebene
Schrift noch der Entzifferung harrt, besitzt nach Hommel
innige Beziehungen zu den. Pelaskern, Rhätiern, Ligurern,
Etruskern und Iberern und bildete mit diesen Völkern den
pelaskisch-alarodischen Sprachstamm. Die alte meso-
potamische Kultur fand auf ihrem Zuge nach Westen eine
Stätte der Pflege in Kleinasien, und von hier aus breiteten
sich Götterkult und Wissenschaft, Nutzpflanzen und Haustiere
in die Gestadeländer des Mittelmeeres aus.
Kleinasien hat seit dem Eintritt in das Licht der Ge-
schichte fast stets unter fremder Oberherrschaft gestanden,
aber die Spuren der Nationen, in deren Händen einst die
Macht lag, Assyrer, Perser, Römer und Byzantiner, sind
nahezu verwischt. Erst durch die Seldschuken und die
Osmanen, die jetzigen Herren, die im Jahre 1231 unter
Ertoghrul ihren Eroberungszug nach Anatolien antraten, ist
die alte, landeingesessene Bevölkerung nachhaltiger beein-
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Jy4.nv^*t/rvo;J;.*rrar;g imd nicht v^jo k^einaszaiiscbexi Türkoioder
0$^/äti1i^ 250 ^f^JjOL Auf dem flachen Lande wird nicht
'J'4i* fr/it aifaiJ/iv:}w-Ji und per«»iscfaen Worten und Floskeln ver-
'Sn%m\*' StätinböUner oder Pforten - Türkisch, sondern das
v.Mkhtefc Kaba Tiirkdje gesprodien- Lesen und Schreiben
im\ araW^^cbeti Schriftzeichen, die für das Türkische durch-
aus üttgeeignet &ind) können nur wenige Gebildete, meist
Oeij;t1kbe< in kleinen Orten nur der Lehrer (Chodscha).
Schriftlkhe Verträge sind daher imgewöhnlich, alle geschäft-
li*:hcri Abmachungen werden auf Treue und Glauben mündlich
K??öchlo&^efl und dann auch gehalten.
Die l^andbevölkerung beschäftigt sich auf dem Hoch-
lande hauptbächlich mit Viehzucht (Ziege, Angoraäege, Schaf,
Kmd)i dagegegen tritt der mit primitiven Gerätschaften be-
triebrne Ackerbau zurück; im Tieflande wird dagegen vor-
nehmlich Ackerbau, daneben in beschränkterem Masse Vieh-
zucht getrieben. In altüberlieferten Formen, Zeichnungen
und Farben haben sich Zweige der keramischen und Textil-
irtrlustrie im Lande erhalten; letztere, vor allem die Teppich-
knüpferei» wird fast ausschliesslich als Hausindustrie vcm den
Frauen geübt.
Der anatolische Bauer ist nüchtern, arbeitsam und ehrlich-
Diese guten Eigenschaften können ihn aber nicht davor be-
wahren» dass er langsam in seinem Besitz zurückgedrang:
wird» lune gnxvse Schuld daran trägt die weitverbreitete
Sitte der Vernichtung keimenden Lebens, da die Frauen es
nicht lieben, zahlreiche Kinder aufzuziehen, dann die starke
Rekrutenaushebung und der Hadj, die Pilgerfahrt nadiMckfcx
Anatt^lien hat seit Alters her den türk^chen Sultanen stets
die l>esten l>uppen geliefert, und anatolische
auch gewesen^ welche jüngst die türkischen S^e in
ANATOLISCHE LANDBEVÖLKERUNG. 21
erfochten haben. Selbst in Friedenszeit werden viele junge
Leute der Heimat entrissen, in die sie nach 6— 8 jährigem
Militärdienst aus Mangel an Mitteln nicht wieder zurück-
kehren können. Schreckliche Verheerungen aber richtet
der Hadj unter den Glaubenseifrigen an; allerlei Seuchen,
Cholera, Syphilis und Pest, lassen alljährlich in Mekka etwa
die Hälfte aller Pilgerer, der besten Elemente des Landes,
elend zu Grunde gehen. Erst die neuere Zuwanderung der
Muhadjir von der Balkan -Halbinsel und aus dem Kaukasus
führt den Anatoliern frisches Blut und neue Kraft zu.
Die Moslemin wohnen in geschlossenen Gemeinden und
haben auch in den Städten stets ein besonderes Stadtviertel
inne. In Kleinasien treffen wir zwei Haustypen an, die durch
ihre Dachform unterschieden sind : mit flachem Dach und mit
Giebeldach. Die erstere Form ist die ältere, sie findet sich
schon auf den assyrischen Denkmälern dargestellt und ist in
den lykischen und paphlagonischen Felsengräbern ausgeprägt.
Wo irgend Holz vorhanden, werden die Häuser aus Baum-
stämmen errichtet und mit einem flachen Dach versehen,
das mit Lehm belegt und festgestampft oder gewalzt wird.
Die andere Form, das Giebeldach, ist erst später eingeführt
worden und besonders im pontischen Randgebirge in Gebrauch.
Zu unterscheiden ist ferner in vielen Landstrichen des Hoch-
landes das einstöckige Sommerhaus auf der Bergalm (Yaila)
und das zweistöckige, fester gefügte Haus im Winterdorf
(Kyschlak), bei dem sich die Wohnräume im oberen Stock-
werk befinden, während das Erdgeschoss als Viehstall und
Vorratsraum dient. Die Fenster sind nur in den seltensten
Fällen durch Glasscheiben geschlossen ; das obere Stockwerk
ist ähnlich wie bei den Häusern unserer Alpendörfer auf
drei Seiten von einem offenen Holzbalkon umschlossen, auf
dem sich tagsüber das häusliche Leben abspielt. Wo Holz
zum Häuserbau fehlt, werden niedrige, kleine Kastenhäuser
aus Bruchsteinen und Lehm, die nur eine erbärmliche Unter-
22 n. DIE BEWOHNER.
kunft bieten, gebaut. Die hervorragendsten Bauwerke des
Landes, Moscheen, Medresen usw. mit gewaltigen Kuppel-
bauten in reicher Ornamentik und prächtiger Fayence-
bekleidung, sind in der Seldschukenzeit von persischen und
arabischen Baumeistern oder deren eingeborenen Schülern
errichtet worden.
Eine Sonderstellung unter der mosleminischen Land-
bevölkerungnehmen die S ektirer: die Tachtadschi, Ansaryeh
und Kysyl-Basch ein. Diese Sektirer zeigen, da sie ein ganz
abgeschlossenes Dasein führen, die archaistischen Formen,
die auf eine hethitische Abstammung hinweisen, in deutlicher
erhaltenem Gepräge. Die Tachtadschi im lykischen Wald-
gebirge sind uns durch v. Luschan's Forschungen näher
bekannt geworden. Ihr Name ist türkisch und bedeutet
Brettschneider nach ihrer Hauptthätigkeit in den grossen
Waldungen ihrer Heimat, die sie für die Ausfuhr nach Syrien
und Ägypten ausbeuten. Ausser in Lykien sind Tachtadschi
ferner in der Kibyratis, Pamphylien und Kilikien sesshaft.
Dem Namen nach sind sie Muhammedaner, stehen aber
bei den Rechtgläubigen in übelem Ruf als Ketzer und un-
moralische Menschen, ein Vorwurf, der sie zu unrecht trifft.
Die Frauen haben eine freiere Stellung als bei den übrigen
Moslemin, sie gehen unverschleiert und nehmen an den Mahl-
zeiten des Mannes teil, ferner sind Geschwisterheiraten ge-
stattet. Die Tachtadschi haben eine unüberwindliche Ab-
neigung gegen den Genuss des Fleisches von Hasen und
Truthühnern und entsetzen sich vor dem von den Türken
vielgebrauchten Worte „scheitan** (Teufel). Auffällig ist, dass
sie die Namen Omar, Bekir und Osman verabscheuen, dagegen
werden bevorzugt Ahmed, Ali, Mehmed oder Mohammed
und Hassan. In einer Art von Moschee verehren sie an-
scheinend ein pfauartiges Gebilde aus Messing, in dem sie
eine Darstellung des Teufels erblicken, und glauben an eine
Seelenwanderung, bei der die Dämonen nach Wanderung
j
SEKTIRER. 23
durch viele Tierleiber — besonders Hasen und Truthühner,
daher das Speiseverbot — zu guten Geistern werden. Die
vier grossen Propheten des Islam Moses, David, Jesus und
Mohammed betrachten sie nur als Inkarnation eines einzigen
Wesens.
Ihre geistlichen Führer sind die Baba und Dede, Zauberer,
denen besondere Rechte z. B. freie Wahl unter den Weibern
zustehen. Bei Begräbnissen treten eigene Sitten hervor, so
glauben die Tachtadschi, dass die Sünden in einen Stock
oder in einen Kleiderfetzen, die dann verbrannt werden,
übergehen können. Daneben zeigen sich im bürgerlichen
Leben zahlreiche kleine Eigentümlichkeiten, so führen die
Tachtadschi das Trinkgefass stets mit beiden Händen zum
Munde, rasieren oder schneiden niemals das Haupthaar oder
den Schnurrbart und lassen bei den Waschungen gleich den
Schiiten das Wasser vom Ellenbogen zu den Fingerspitzen
herabrieseln.
In ihrer Tracht unterscheiden sie sich nicht von der
umwohnenden anatolischen Landbevölkerung. Sie erbauen
nur sehr selten Häuser, sondern wohnen meist in Zelten, die
denen der Turkmenen (s. unten 55. 26) gleichen und aus
einem runden, reifrockartigen Gestell, das mit Filzplatten
gedeckt wird, bestehen. Die Filzplatten werden aus ab-
gesengten und ausgefallenen Rinderhaaren, die mit Erde
vermengt in einem grossen Sack geknetet werden, hergestellt;
feinere Filze, die als Teppiche und Schlafdecken dienen,
werden durch einen besonderen Fachprozess gewonnen. Die
Tachtadschi leben ganz abgeschlossen, sie fertigen alles, was
sie gebrauchen, selbst an und steigen nur zum Verkauf ihrer
Erzeugnisse in die Küstenstädte hernieder.
Eine ähnliche Sonderstellung wie die Tachtadschi nehmen
die Kysyl-Basch (d. h. Rotköpfe) in Anatolien ein, die
verstreut im ganzen Lande leben, dichter geschart aber in
den Wilayets Angora und Siwas wohnen. Auch in ihnen
24 H- DIE BEWOHNER.
haben wir die Glieder einer alten Sekte zu sehen, die
mancherlei Beziehungen mit den Tachtadschi besitzt. Die
Kysyl-Basch lassen ihre Frauen unverschleiert gehen, trinken
Wein und essen Schweinefleisch. Sie beten nach Taylor die
aufgehende und sinkende Sonne an, verehren das Feuer
und beten und opfern an den Quellen der Flüsse. Ihre
interessantesten Bräuche sind die christlichen Riten der Taufe
und des Abendmahls. Von den Türken werden die Kysyl-
Basch verachtet und gehasst, oft auch gefürchtet, in Wirk-
lichkeit sind es meist harmlose Leute, Hirten und Ackerbauer.
Ein dritte Sekte ist die der Ansarieh, von denen sich
eine Anzahl in der kilikischen Ebene befindet, während sie
sonst an der syrischen Küste eine grössere Verbreitung besitzen.
Alle diese Sekten scheinen auf einen früheren Zusammen-
hang hinzuweisen, vielleicht sind sie abgelöst von den grossen
persischen Sektirern oder Reste einer alten grossen religiösen
Gemeinschaft, die Erinnerungen einerseits an das Christen-
tum bewahrt, andererseits äusserlich die Lehre des Islam
angenommen hat. Jedenfalls zeigen alle diese Elemente eine
grosse Homogenität in ihrem Körperbau (sie sind alle Brachy-
cephalen) und weisen keine merklichen Unterschiede von der
übrigen anatolischen Landbevölkerung auf.
In jüngerer Zeit hat eine beträchtliche Zuwanderung
neuer ethnischer Elemente aus dem Kaukasus und der
Balkan-Halbinsel stattgefunden. Dieselbe begann mit dem
Vordringen Russlands, das von 1830 an die Unterwerfung der
bisher unabhängigen kriegerischen Kaukasus -Völker in An-
griflf genommen hatte. Besonders nach der Niederwerfung
des letzten grossen Aufstandes unter dem Tscherkessen-
Fürsten Schamyl im Jahre 1859 nahm die Auswanderung
der mohammedanischen Bergbewohner einen grossen Umfang
an. In ähnlicher Weise begann nach dem letzten russisch-
türkischen Kriege, der eine Anzahl türkischer Provinzen
unter christliche Herrschaft brachte, eine starke Abwanderung
JÜNGERE EINWANDERER. 25
mosleminischer Grundbesitzer nach Kleinasien, die die land-
eingesessene Bevölkerung verstärkten und die Entwickelung
des Ackerbaues nicht unwesentlich förderten.
Die Tscherkessen, die in der Heimat nach und nach
von der russischen Bevölkerung assimiliert werden, haben
ihre Eigentümlichkeiten in Kleinasien ziemlich rein erhalten.
Bemerkenswert ist ihre feudal -aristokratische Verfassung,
die Fürsten, Adlige und ferner richtige Sklaven, die zumeist
aus fremden Stämmen aufgenommen worden sind und stets
im Knechtsverhältnis bleiben, unterscheidet. Die Tscherkessen
vermischen sich nicht mit den übrigen Kleinasiaten und haben
auch ihre alte Tracht, lange, faltige Röcke mit Patronen-
taschen auf der Brust und Pelzmützen, beibehalten.
Die Tscherkessen sind den übrigen Anatoliern geistig
und kulturell überlegen, jedoch im Lande wenig gern
gesehen, da ihr Hang zu ritterlichem Reiten und Rauben
ihnen viele Feinde erweckt hat. Sie sind von vornehmem,
stolzem Charakter, gastlichem Wesen und haben die eigen-
tümliche Sitte erhalten, ihre Töchter in die Harems der
reichen Türken zu verkaufen, eine Sitte, die sich bereits seit
Jahrhunderten eingebürgert hat und vollständig in die National-
anschauung übergegangen ist.
Gleichfalls von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sind die
Muhadjir (Flüchtlinge) von der Balkan-Halbinsel, zumeist aus
Bulgarien, Rumelien, Bosnien und der Hercegovina stammend,
für Anatolien geworden, da diese Einwanderer eine reiche
Erfahrung in rationeller betriebenem Ackerbau und vervoll-
kommnetere landwirtschaftliche Geräte in das Land brachten.
Von der türkischen Regierung sind diese neuen Einwanderer
zwischen der älteren Bevölkerung angesiedelt worden und
werden im Laufe der Zeit von dieser, mit der sie soviel Be-
rührungspunkte haben, aufgesogen werden.
Dieser sesshaften Bevölkerung gegenüber stehen die
nomadisierenden Elemente: Turkmenen, Kurden und
26 II. DIE BEWOHNER.
Yürüken. Die Turkmenen sind den Osmanli nahe ver-
wandt und sprechen eine türkische Sprache. Sie treiben
ausschliesslich Viehzucht und durchziehen das Land mit ihren
Schafherden. Sie besitzen Zelte von runder Gestalt, die mit
Filzplatten belegt bezw. eingedeckt werden. Geistig scheinen
sie auf einer niedrigen Stufe zu stehen. Wichtiger als diese
sind die Kurden, die xapooü/oi des Altertums, die in
dichterer Masse das armenische Hochland bewohnen, dann aber
auch weiter westwärts nach Kleinasien vorgedrungen sind.
Die Kurden sind eine unruhige, oft leicht zu Raub und
Mord geneigte Bevölkerung, die bisher trotz aller Bemühungen
der türkischen Behörden noch nicht sesshaft gemacht werden
konnte. Ihnen ist zum grossen Teil die Schuld an der Ver-
folgung der Armenier, mit denen sie in beständigem Streit
liegen, zur Last zu legen. Unter sich sind die Kurden von grosser
Redlichkeit und Gerechtigkeit, und es ist für den Fremden^
der sich taktvoll zu benehmen weiss, nicht schwer, mit ihnen
in Frieden und Güte zu verkehren. Sie bekennen sich
äusserlich zum Islam, folgen aber dessen Geboten sehr nach-
lässig. Im Gegensatz zu den persischen Kurden, die durch-
weg kurzschädlig sind, sind die auf türkischem Gebiet
langschädlig, was auf einen verschiedenen Ursprung der
beiden nur durch Sprache und Sitte verbundenen Gruppen
schliessen lässt. Die dritte Gruppe der Yürüken besitzt Lykien
als eigentliche Heimat und hat sich von dort auf weiten Wander-
zügen durch die Halbinsel verbreitet. Die Yürüken haben
mittelgrosse Statur, brünetten Typus und sehr schmalen
Schädel; sie wohnen in grossen, viereckigen Zelten, deren
Decken aus dunklen Ziegenhaaren gewebt sind. Die Existenz
aller dieser Nomadenstämme beruht auf einer extensiven
Viehwirtschaft, welche den ehemaligen Waldreichtum in einer
ganz schonungslosen Weise verwüstet hat. Ihr Fortbestehen
kann nur eine Frage der Zeit sein, und sie werden nach dem
Ausbau der Verkehrswege durch die Ausbreitung einer
JUDEN — LEVANTINER. 27
intensiveren Kultur unfehlbar zurückgedrängt werden und
schliesslich ganz verschwinden müssen.
Als Bevölkerungsbestandteile untergeordneter Bedeutung
seien hier noch genannt die Zigeuner, die in grösserer An-
zahl auf ihren ruhelosen Fahrten auch Kleinasien durchziehen,
die Neger, die vielfach auch noch in der Gegenwart aus
Afrika als Sklaven eingeführt werden, und die Tataren
aus der Krim, die vereinzelte kleine Kolonieen in den
pontischen Küstenstädten bilden, wo sie zumeist als Fuhr-
leute Beschäftigung finden.
In fast allen grösseren Ortschaften, vor allem in den
Küstenplätzen sind Juden ansässig, die sich hier wie auch
in manchen anderen Teilen des Orientes neben dem Handels-
betrieb auch verschiedenen Handwerken und Gewerben zu-
gewendet haben. Ihrer Abstammung nach teilen sie sich in
die aus Russland eingewanderten deutschen Juden und die
aus Spanien und Portugal gekommenen Spaniolen. Beide
sind durch Sprache und Kleidung verschieden und bilden
besondere Gemeinden.
Ausser den Europäern sind im Lande die sog. Levan-
tin er, die aus einer Vermischung von Franken mit Asiaten
entstanden und vielfach auf genuesische und venetianische
Familien zurückzuführen sind, ansässig. Sie geniessen keinen
guten moralischen Ruf, sind leicht bestechlich und unzuverlässig.
Trotzdem nehmen viele infolge ihrer grossen Sprachgewandt-
heit mehr oder weniger einflussreiche Stellungen in der
türkischen Verwaltung ein.
Die Italienische Sprache, die in einer mit vielen Fremd-
worten verbrämten Abwandlung als lingua franca Jahrhunderte
hindurch das allgemein bräuchliche Verständigungsmittel in
der Levante gewesen, ist in der Gegenwart fast ganz durch
das Französische verdrängt worden. Seit der Erbauung der
anatolischen Eisenbahn hat nunmehr aber auch deutsches
Wesen und deutsche Sprache in Kleinasien Einzug gehalten.
28 II. I^IE: BEWOHNER.
Zahlreiche deutsche Beamte und Unternehmer sind an diesem
grossen Kulturwerke beschäftigt, und die Fortführung der
Bahn bis nach Bagdad und Basra lässt naturgemäss eine
weitere Verstärkung des deutschen Elementes erwarten.
Bemerkt sei noch, dass bereits seit den 50 er Jahren mitten
im Lande in Amasia eine kleine deutsche Kolonie besteht,
die sich um das angesehene Handelshaus Krug gruppiert
und in deren landwirtschaftlichen und industriellen Unter-
nehmungen beschäftigt wird.
Die Beweglichkeit der anatolischen Landbevölkerung ist
ausserordentlich gross. Im Frühjahr nach der Bestellung
der Äcker ziehen vielfach ganze Dorfgemeinden mit dem
Vieh hinauf in die Berge auf die kühlere Sommerweide, um
erst zur Ernte wieder gen Thal zu steigen. Der Hadj und
die Wallfahrten zu den Grabstätten berühmter Heiliger bringen
alljährlich viele Tausende auf die Landstrasse, und das Reisen
selbst der ärmsten Pilger wird durch eine gern geübte Gast-
lichkeit, denn auch das kleinste Dorf bietet in einem Mussafir
odasi dem Fremden ein Nachtlager, ganz wesentlich gefördert.
Die grösseren Ortschaften erheben sich fast durchweg
auf den Stadtstellen antiker Siedelungen, sie sind zumeist von
Westen nach Osten in longitudinaler Richtung angeordnet
und liegen an alten Heerstrassen, die in dieser durch den
orographischen Bau der Halbinsel bedingten Richtung den
leichtesten Eingang in das Land fanden.
Die volkreichste und wirtschaftlich bedeutendste Stadt
ist Smyrna an der hochwichtigen Stelle, wo die Kleinasien
von Ost nach West durchziehende alte Heerstrasse das
Meer erreicht, mit einer Einwohnerschaft, die auf 155000 bis
210000 Seelen geschätzt wird. Alle anderen Städte Klein-
asiens stehen dahinter weit zurück.
Nach den vorliegenden Schätzungen gruppieren sich die
anatolischen Städte wie folgt:
SIEDELUNGEN — VOLKSDICHTE. 29
50—82000 E.: Skutari (82), Brussa (76), Kaisarie (72).
30 — 50000 E,: Adana (45), Koma (44), Siwas (43)^
Ismid (40), Aidin (36), Maghnisa (35),
Trapezunt (35), Amasia (30).
20— 30000 E.: Tokad (30), Angora (28), Nigde (25)»
Adalia (25), Adabazar (24), Kassaba (23),
Isbarta (22), Kiutahia (22), Alaschehr (22)^
Nasilli (21), Aiwaly (20).
10 — 20000 E.: Kyrkaghatsch, Mersiwan, Sile (20)»
Eskischehr (19), Söjüd (18), Afiun Kara-
hissar, Denislü (17), Tarsus (16), Jüsgad/
Kastamuni, Mughla, Tscharschambe, Gü-
müsch-hadjiköi, Khangri (15), Berghama^
Kastron, Siwrihissar, Tire (14), Balikesser^
Mytilini ( 1 3), Akhissar,Bumabad,Hadschin^
Milas, Sokia, Tschorum (12), Boli,Eskilib^
Kaie Sultanie, Samsun (11), Baghtsche-
djik, Bigha, Biledjik, Buldur, Eregli
[Wil. Konia], Jerengüme, Menemen, Mer-
sina, Newschehr, Panderma, Safranboli,
Sinob, Ünie (10).
Insgesamt 66 Städte mit über 10 000 Einwohnern.
Unter Zugrundelegung der Arealmessungen von Her-
mann Wagner und der Bevölkerungsziffern von V. Cuinet
erhalten wir für Anatolien eine Volksdichte von 17,7 auf
I qkm. Die grösste Verdichtung der Bevölkerung zeigt der
Archipel mit 45,8, dabei Samos mit der hohen Ziffer 103,6^
dann folgt das pontische Küstengebiet von Trapezunt mit 34
und die Westabdachung im Wilayet Smyrna mit 25,7. Diesen
schliessen sich an Kastamuni mit 20,3, Ismid mit 20, Bigha
mit 19 und Khodawendikiar mit 17,6. Diesen peripherischen
Gebieten gegenüber stehen die Binnenlandschaften an Volks-
dichte nicht unerheblich zurück, da in ihnen die Steppen-
natur des Landes für einen engeren Zusammenschluss der
so
II. DIE bewohnp:r.
Bevölkerung ungünstig wirkt; so finden wir Siwas mit 15,8,
Angora mit 13 und Konia, das die ganze öde Lykaonische Senke
einschliesst, mit nur 10,5 auf i qkm. Die Küstenprovinz
Adana weist infolge der Ungastlichkeit des Taurus, der einen
grossen Teil seines Gebietes einnimmt, die auffallend niedrige
Dichte von 10,8 auf i qkm auf.
Areal, Bevölkerung, Volksdichte.
Wilayet bez. Mütessariflik
Bezirk von Konstantinopel ....
Ismid
Khodawendikiar
Bigha
Archipel
Samos . . •
Aldin oder Smyrna
Konia
Angora
Kastamuni
Trapezunt
Siwas
Adana
Anatolien ....
Areal
qkm
ca.
I 000
II 200
73800
6800
7 108
468
54000
102 800
67500
49700
30700
62 800
37200
Bevölkerung
ca. 100 000
246 824
I 300000
129047
325 866
48500
I 390 783
I 088 100
892 9CJI
I 009460
I 047 700
996 120
402 439
ca. 100
20
17)6
19
45,8
103,6
25,7
10,5
13
20,3
34
15,8
10,8
505 076 8 977 740
17)7
J
III. Das Wirtschaftsleben.
Der wirtschaftliche Schwerpunkt ruht in Anatolien in
der Bodennutzung durch den landwirtschaftlichen Betrieb;
gegen diesen treten alle anderen Erwerbszweige ganz wesent-
lich zurück. Manche Gewerbe haben auf alten Überlieferungen
weiterbauend lokal eine relativ hohe Ausbildung erfahren,
dagegen befindet sich die Industrie — von der Seidenspinnerei
im Wilayet Khodawendikiar (Brussa) und im Sandjak Ismid
abgesehen — im Anfangsstadium der Entwickelung, oder es
fehlen vielfach die ersten Ansätze dazu ganz.
Im landwirtschafdichen Betrieb überwiegt vielfach immer
noch die extensive Viehwirtschaft, wenn auch in neuerer Zeit
dank der Erschliessung ausgedehnter Landstriche durch ver-
voUkommnetere Verkehrsmittel und durch die Einwanderung
der tüchtigen bosnischen und bulgarischen Muhadjir, der Acker-
bau eine grössere Ausdehnung gewonnen und weite, bisher
unbebaute Flächen unter den Pflug gebracht hat. Wenn
man aber berüksichtigt, dass Kleinasien im Altertum eine
der reichsten Kornkammern des römischen Kaiserreichs ge-
wesen ist, so muss die Produktion der Gegenwart immer
noch als recht geringfügig bezeichnet und eine stete Steigerung
des Ernteertrages für die Zukunft erwartet und gefordert
werden. Das von der Natur mit einem fruchtbaren Boden
und einem für die Entfaltung der Vegetation günstigen Klima
ausgestattete Land vermöchte leicht eine vier- bis fünffache
Bevölkerung zu ernähren, wenn gewisse Vorbedingungen
32 in. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
durch eine durchgreifende Reorganisation der Verwaltung
— in erster Linie eine gerechte Verteilung und Erhebung der
an sich nicht zu hohen Steuern — geschaflfen würden.
Die Viehzucht ist besonders auf dem Hochlande zu
Hause, denn dort bieten sich ihr weite, fast unbegrenzte
Weideflächen dar, weniger im Tieflande, wo eine intensivere
Bodennutzung das Weideland ganz bedeutend eingeengt hat.
Der anatolische Hochlandbewohner hat von jeher eine starke
Neigung zur Viehzucht besessen, werden doch die heutigen
Hausformen von Schaf und Ziege auf kleinasiatische Wild-
rassen zurückgeführt, und diese Neigung hat unter der Herr-
schaft der Osmanen, die als echtes Nomadenvolk von Osten
in das Land gekommen sind, eine nachhaltige Förderung
erfahren. Das Vorwiegen der Viehwirtschaft ist aber dem
kulturellen Fortschreiten des Landes nicht förderlich gewesen,
sie hat den vorhandenen Hang zum ständigen oder zeit-
weiligen Nomadenleben gefördert und dadurch ein Boden-
ständigwerden der Bevölkerung mehr oder weniger hintan-
gehalten, sie hat nach und nach die bebaute Fläche verringert
und die grossen Waldbestände der Halbinsel in einer un-
glaublichen Verblendetheit vernichtet oder doch furchtbar
verwüstet.
Trotz des i. V. hohen Nutzens, den die Landbevölkerung
aus der Viehzucht zieht, wird doch der Haltung des Viehs
die denkbar geringste Sorgfalt und Aufmerksamkeit zu-
gewendet. Im Sommer findet das Vieh einen gut bestellten
Tisch auf den Gebirgsweiden, nach der Rückkehr in das
tiefer gelegene Winterdorf beginnt jedoch die Zeit der Not
und Entbehrung. Ställe sind in den allerseltensten Fällen
vorhanden, manchmal bieten grosse, im Kalkgestein aus-
gewaschene Höhlen einen willkommenen Schutz, der Regel
nach wird das Vieh gegen Abend in offene Hürden getrieben,
wo die Tiere dicht an einander gedrängt den Unbilden des
rauhen Hochlandswinters schutzlos preisgegeben sind. Bei
VIEHZUCHT — ZIEGE. 33
hohem Schnee wird dem Vieh etwas Strohhäcksel vorgeworfen,
sonst wird dasselbe ohne alle weitere kräftige Nahrung ge-
lassen. Die natürliche Folge davon ist, dass in harten
Wintern viele Tiere an Erschöpfung eingehen und die Herden
oft merklich gelichtet werden. Die Leistungen der Tiere
entsprechen ihrem Ernährungszustand: geringe Entfaltung
von Zugkraft mit wenig Ausdauer, fast keine Milch, Butter
und Fleisch usw., sondern meist nur Haut und Knochen.
Seiner Lage nach wäre Anatolien berufen, die Türkei
und in erster Linie Konstantinopel mit Fleisch zu versehen,
statt dessen aber muss der Bedarf aus anderen Ländern ge-
deckt werden. Die jährliche Einfuhr an Schlachtvieh und
Butter in die Türkei beziffert sich auf 60 Millionen Piaster.
Um die Viehwirtschaft Anatoliens zu heben und produktiver
zu gestalten, muss der Anbau perennierender Futterpflanzen
eingeführt werden, der den Tieren nach dem sommerlichen
Weidegang ein kräftiges Winterfutter sichert. Die Kultur-
abteilung der Anatolischen Eisenbahn-Gesellschaft ist durch
den Anbau von Luzerne und Rotklee in dieser Richtung auf
dem Hochlande bereits vorbildlich vorgegangen.
Die in Anatolien gehaltenen und gezüchteten Haustiere
sind: Ziege, Schaf, Rind, Büffel, Kamel, Pferd, Esel, Maul-
tier, Hund und Katze; als Nutzgeflügel werden gehalten:
Haushuhn, Truthahn, Pfau, Tauben, Enten und Gänse. Be-
sondere Wirtschaftszweige bilden die Bienenzucht und die
Pflege des wertvollen Seidenschmetterlings.
Die Ziege ist über die ganze Halbinsel verbreitet und
findet bei ihrer grossen Anspruchslosigkeit überall die er-
forderlichen Existenzbedingungen ; sie tritt in zwei Varietäten
auf: als die dem Lande seit Alters eigentümliche, meist
schwarz gefärbte Ziege und die wahrscheinlich durch die
Osmanen von den Ufern des Oxus eingeführte Angoraziege,
die meist weiss, seltener grau oder schwarz gefärbt ist und
durch ein seidenweiches, glänzendes Vliess, dessen Haare
Fitzn er, Anatolien. 3
34 in. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
12 — 30 cm Länge erreichen, ausgezeichnet wird. Während
die schwarze Ziege überall vorkommt, ist die Angoraziege
mehr auf die Mitte und den Osten des Landes beschränkt.
Im Westen bilden nach Kannenberg etwa Boli, Eskischehir,
Kiutahia, Afiun Karahissar die Grenze, im Osten ist sie
noch über Diarbekir hinaus und im Wilayet Wan zahlreich
verbreitet, nach Süden erstreckt sie sich über die Sandjaks
Afiun Karahissar, Konia und Kirschehir, im Norden bildet
das pontische Randgebirge dicht nördlich von Boli, Kastamuni,
Boyabad, Amasia, Siwas die Grenze; sie nimmt also den
trockensten Raum Kleinasiens ein. Die beste Wolle kommt
aus Beibazar, Tosia und Tschangri.
Die Ziegen, deren Zahl auf 9V2 Millionen, darunter
2Y2 Millionen Angoraziegen, geschätzt wird, werden nur ein-
mal im Jahre geschoren und liefern pro Kopf etwa 600 bis
1 200 gr Haare. Nur ein geringer Teil der Produktion wird
im Lande verarbeitet, die schwarzen Haare, die 4 — 5 Piaster
die Oka werten, zum Weben von Zeltbahnen, die Mohair-
oder Kämelwolle der Angoraziegen zur Herstellung feiner
Webearbeiten (Tiftik), eine Industrie, die sehr stark zurück-
gegangen ist, die Hauptmenge gelangt zur Ausfuhr. Der
Ertrag der Mohairschur pflegt zwischen 43000 und 50000 Ballen
zu schwanken. Im Jahre 1895 stellte er sich auf etwa 50000
und 1896 auf etwa 45000 Ballen. Da Mohair, abgesehen
von den gröberen Erzeugnissen des Kaplandes, nur in Klein-
asien produziert wird, und da die daraus gefertigten Artikel
sehr der Mode unterworfen sind, so sind die Preise ausser-
ordentlichen Schwankungen ausgesetz. Es wird angenommen,
dass die Produzenten bei einem Preise von 16 Piaster Gold
für I Oka, dem mittleren Werte früherer Jahre, gut bestehen
können. Im Jahre 1895 war der niedrigste Preis 16, der
höchste 37 Piaster Gold. Das Jahr 1896 begann mit 32 Piaster,
im August ging der Preis auf 16 Piaster herunter und be-
wegte sich dann zwischen 17 und 19 Piaster. Die Produktions-
ZIEGE — SCHAF. 35
*
kosten stellen sich etwa auf 6 Piaster für die Oka, dazu
kommen die Steuer von 3 Piaster (vor 1888 4V2 Piaster) für
jede Ziege und 1% Ausfuhrzoll. 1893/94 bezifferte sich der
Wert der Mohair- Ausfuhr auf 60421 112 Piaster. Daneben
gelangen auch Ziegenfelle in namhafter Menge zum Versand.
Das Schaf ist in Kleinasien durch das Fettschwanzschaf
vertreten und bildet neben der Ziege den Hauptbestandteil
der anatolischen Herden. Seine Zucht wird besonders auf
den grossen Hochflächen des Innern betrieben; sehr rege
Schafzüchter sind die Kurden, deren Erzeugnisse zumeist über
Trapezunt zur Ausfuhr gelangen. Der Preis eines Mutter-
schafes beträgt 40 — 50 Piaster, der eines Bockes 70-80 Piaster.
Das anatolische Schaf wird nicht auf die Fleischproduktion
gezüchtet, liefert aber in der Hauptsache die animalische Kost
für die türkische Küche. In Angora kostet i Oka Lamm-
fleisch 3 — 31/2 Piaster, Schöpsenfleisch 5 — 6 Piaster. Aus
der Milch — ein Schaf giebt nur Vs — V4 Oka, (0,16—0,96 1)
— wird ein sehr beliebter Käse bereitet.
Den Hauptnutzen der Schafzucht bietet die Woll-
produktion, wobei ein Schaf etwa 1,3 kg Wolle im Durch-
schnitt liefert. Die Schafe werden einmal oder zweimal im
Jahre geschoren; im ersteren Falle liefern sie auf einmal
I Oka, im zweiten Falle jedesmal eine halbe Oka Wolle.
Die zweimalige Schur ist aber deshalb vorteilhafter, weil die
Wolle der zweiten Schur mit dem doppelten Preise bezahlt
wird. Für anatolische Wollen, die von Eskischehir, Angora,
Konia, Josgat, Kaisarie auf den Markt in Konstantinopel
gebracht werden, wurde 1895/ 1896 durchschnittlich 5 bis
5^V4o Piaster Gold bezahlt. Ein nicht geringer Teil der
Wolle bleibt im Lande und wird in der einheimischen In-
dustrie zur Fabrikation grober Tuche und Feze und für die
Herstellung der sog. „Smyrna - Teppiche" verwendet. —
Recht bedeutend ist ferner die Ausfuhr von Schafleder, das
verschiedentlich zur Anfertigung von unechtem Saffian dient.
3*
36 ni. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
Auf der anatolischen Eisenbahn kamen von Mohair und
Schafwolle folgende Gewichtsmengen zur Verfrachtung:
1895: 5698839 kg
1896: 4438133 n
1897: 6855604
1898: 6730406
Gegen die Zucht von Ziege und Schaf tritt die des
Rindes erheblich zurück. Die anatolische Rasse ist klein
und verkümmert, sie liefert nur wenig Milch und besitzt eine
geringe Zugkraft. Als Fleischproduzent kommt das Rind
sehr wenig in Betracht, nur in Kirmer bei Kaisarie wird an
der Luft getrocknetes Rindfleisch (bastirma) zubereitet und
^veithin versandt. Eine Rinderkuh, die im Durchschnitt
350—400 Piaster kostet, giebt je nach der Fütterung i bis
3 Oka Milch, aber auch dieses Quantum nur für die kurze
Zeit von drei Monaten, Aus der Milch wird Butter in pri-
mitiver Weise gewonnen und auch Käse bereitet; die Milch
selbst wird in sauerem, gegohrenem Zustande (yogurt spr.
yaurt) genossen und bildet einen Hauptbestandteil der Nahrung
der anatolischen Landbevölkerung. Als Zugtiere werden die
Rinder vor dem Pfluge oder vor dem schwerfalligen Holz-
wagen, dessen Räder aus vollen Holzscheiben bestehen, ein-
gespannt, können aber keine grosse Lasten bewegen.
Kräftiger, leistungsfähiger und produktiver als das Rind
ist der Büffel, wiewohl auch sie unter den schlechten Er-
nährungsverhältnissen gelitten haben. Die Büffelkühe, die
700 — 800 Piaster werten, geben acht Monate hindurch Milch,,
anfangs 5 — 7, später noch 2V2 — 3 Oka. Ihr Fettgehalt soll
doppelt so gross sein, als der der Milch von einer Rinder-
kuh, dem entsprechend erhöht sich der Gewinn an Butter.
Gewicht, Nahrungsbedürfnis und Arbeitsleistung des Büffels
sind nach Kaerger ungefähr doppelt so gross als die des
Ochsen. Er hat vor diesem den weiteren Vorzug, dass er,
falls nur etwas Wasser vorhanden ist, in dem er sich baden.
RIXD — KAMEL — PFERD. 37
kann, Krankheiten weniger ausgesetzt ist als dieser und dass
er 20 — 25 Jahre lang, der Ochse aber nur etwa 10 Jahre
lang als Arbeitstier dienen kann. Der Preis des Büffels be-
trägt 1000 — 1200 Piaster.
Das Lasttier, das den Handelsverkehr zwischen den
einzelnen Gegenden Kleinasiens, die noch nicht durch moderne
Verkehrsmittel erschlossen worden sind, vermittelt, ist das
Kamel. Gewöhnlich trifft man das einhöckerige Dromedar
an, das in langen Karawanenzügen auf den alten Heerstrassen
durch das Land zieht und oft selbst noch mit den Tarifen
der Eisenbahnen in Wettbewerb tritt. Daneben findet sich
auch ein Bastard zwischen Dromedar und Trampeltier, Tulü
genannt, der nur einen Höcker hat, sonst aber dem Trampel-
tiere gleicht. Diese Kreuzung, die von Armeniern, Turkmenen
und Yürüken gezüchtet wird, erweist sich als sehr brauch-
bares Lasttier im Winter bei Reisen durch Schnee und
Schlamm, wo das Dromedar den Dienst versagt.
Das Kamel trägt 3 — 4V2 Zentner Last und legt damit
täglich 20 — 25 km zurück. Der Wert eines Kamels beträgt
300—600 Mark, Wolle und Milch werden sehr geschätzt,
auch das Fleisch wird gern gegessen.
Das Pferd ist in Anatolien Reit- und Lasttier. Der Typus
des heutigen türkischen Pferdes, wie er sich in Kleinasien
am ausgeprägtesten herausgebildet hat, ist nach Kannenberg
das Erzeugnis einer Mischung von türkisch-turkmenischem
mit persischem und arabischem Blut; von ersterem hat es
die unedlen, eckigen Formen und den grossen Kopf be-
halten, mit dem Perser hat es dfe hohen Beine und die
Neigung zum Hirschhals gemein, mit dem Araber die steilen
kleinen Hufe, den hohen Ansatz und die edle Haltung des
langen, seidenhaarigen Schweifes; von allen dreien aber ver-
vereinigt es in sich deren Haupttugenden: die Ausdauer und
Genügsamkeit des alttürkischen mit dem lebhaften Tempera-
ment des persischen und der Gelehrigkeit des arabischen Pferdes.
38 ni. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
Die Pferdezucht ist in Kleinasien 'sehr zurückgegangen,
ein Übelstand, den die türkische Kavallerie sehr empfindet.
In einigen Landstrichen sind wohl noch grössere Pferde-
bestände vorhanden, aber im allgemeinen herrscht Mangel
an brauchbarem Material. Hierzu trägt auch viel bei, dass
die Tiere zu jung in Gebrauch genommen, bei ungenügender
Ernährung sehr angestrengt und schnell verbraucht werden.
Der Preis für ein Reitpferd beträgt 120 — 200 Mark und
darüber, der eines Lastpferdes 80 — 1 20 Mark ; letztere tragen
bis 4V2 Zentner Gepäck oder Waren. Zur Bespannung von
Wagen wird das Pferd ausserhalb der grösseren Städte nur
überaus selten verwendet. Für Reisende ist es vorteilhaft,
Füchse oder Rappen zu kaufen, da diese im Preise niedriger
stehen als Schimmel und Braune.
Der Esel ist im ganzen Lande das Lasttier des Klein-
händlers, dessen Warenlasten es von Ort zu Ort trägt, und
der treue Gehülfe des Ackerbauers, der diesem die Acker-
geräte zu den vom Dorfe oft weit entfernten Feldern hinaus-
schleppt oder die Ernte heimbringen hilft. Sein geringer
Anschaffungspreis von 100—120 Piastern und seine grosse
Genügsamkeit im Lebensunterhalt ermöglichen es auch dem
geringen Manne, sich seiner Hülfe zu bedienen. Eine be-
sondere Rolle spielt der Esel als Führer der Kamelkarawanen,
an deren Spitze er einherschreitet, ein Zug, der durch den
ganzen Orient geht. Wie in Nordafrika findet sich auch in
Kleinasien neben der häufigeren grauen eine schwarze oder
dunkelbraune Varietät.
Neben dem Esel findet auch das Maultier, das aus
einer Kreuzung von Pferdestute und Eselhengst hervorgeht,
als Reit- und Lasttier Verwendung. Auch in Kleinasien ist
die Maultierzucht, wie dies Eduard Hahn als allgemeine
Regel aufstellt, lokalisiert und wird hauptsächlich in Paphla-
gonien an der pontischen Küste ausgeübt. Das Maultier ist
sehr ausdauernd und widerstandsfähig, gleich dem Kamel
HAUSHUND — GEFLÜGEL. 39
wird es zu Karawanen vereinigt, um den Handelsverkehren
gebirgigen Gebieten zu vermitteln. Die Maultierlast beträgt
durchschnittlich 3 Zentner.
Der Haushund kommt in Kleinasien in einer grossen,
starken Varietät von wolfsartigem Typus vor; er ist ein
treuer Wächter von Haus und Hof und beschirmt die seiner
Obhut anvertrauten Herden mit gutem Erfolg gegen die
Angriffe der Wölfe, Schakale und anderer Raubtiere. Seine
Färbung ist gelblich bis hellbraun, das Gebiss ist sehr stark
entwickelt. Besonders wild sind die riesigen Schäferhunde
der Kurden. Europäischen Reisenden ist bei der Begegnung
mit anatolischen Dorf- oder Schäferhunden die äusserste Vor-
sicht anzuraten. Die Tollwut soll unter den anatolischen
Hunden ungemein selten sein.
Hauskatzen werden in Anatolien selten gehalten; das
Verbreitungsgebiet der sog. Angorakatze mit seidenweichem,
langem Haar fällt in die Wilayets Wan und Erzerum.
Als Nutzgeflügel werden Haushuhn, Truthahn, Pfau,
Tauben, Enten und Gänse gezüchtet. Das Haushuhn bildet
wie im ganzen Mittelmeergiebt neben dem Schaf die haupt-
sächlichste Fleischnahrung und wird daher in jedem Haushalt
gezogen. Im Innern sind die Preise sehr gering, nach Kannen-
berg kostet I Huhn 1/2 — ^ Piaster (9 — 36 Pfg.), bis 20 Eier
für I Piaster; i Pute 2 — 5 Piaster. Pfauen werden auf
grösseren Wirtschaften mehr zum Luxus gehalten. Die Tauben
werden von Moslems und Christen in Kleinasien gehegt und
geschont und gemessen seit dem Altertum eine Art religiöser
Verehrung. Bei manchen Moscheen sind besondere Futter-
plätze für die Tauben vorhanden. Enten und Gänse werden
gewöhnlich von den Moslems als unrein zum Genuss ver-
schmäht, dagegen von den Griechen gern gegessen. In wasser-
reichen Gegenden sind sie häufig anzutreffen. — Die Eier-
ausfuhr auf der anatolischen Eisenbahn nach Konstantinopel
betrug 1894: 744767, 1895: 856072, 1896: 714562, 1897:
40 in. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
427970 und 1898: 430234 kg. Im Jahre 1897 wurde der
Versand infolge einer unter dem Geflügel ausgebrochenen
Epidemie erheblich verringert.
Die Bienenzucht wird, da der Honig in der orientalischen
Küche viel begehrt ist, recht lebhaft betrieben. Ausgezeichnet
ist der schneeweisse Honig von Angora, wo die Bienenstöcke
in langen und tiefen Zylindern von Weidengeflecht, die vorn
mit Lehm geschlossen sind, bestehen. Der Honig kostet
nach V. Flottwell im Innern: i Oka ohne Wachs 2V2 Piaster,
mit Wachs 4 — 12 Piaster. Im ostpontischen Gebirge kommt
giftiger Honig vor, dessen betäubende Wirkung schon die
Truppen Xenophons bei ihrem Marsch zur Küste kennen
lernten; nach Hamilton ist es der Honigseim aus den Blüten
der Azalea Pontica, der diese Eigenschaft in sich birgt.
Von sehr hoher wirtschaftlicher Bedeutung für Klein-
asien ist die Zucht des Seidenschmetterlings, die im
Wilayet Khodawendikiar (Brussa) und im Sandjak Ismid eine
Stätte intensivster Pflege gefunden hat. Sie bedingt einen
umfangreichen Anbau des Maulbeerbaumes, mit dessen Blättern
die Raupen bis zu ihrer Einspinnung in die Kokons, was
durchschnittlich 40 Tage währt, gefüttert werden müssen.
Die günstigsten klimatischen Bedingungen hierfür bietet das
Tiefland und die Abdachung zum Marmara-Meere, wo Brussa,
Mudania, Demirtasch, Mihalitsch, Panderma, Gemlek, Jeniköi,
Ismid, Biledjik, Söjüd, Göl-Basar, Lefke, Jenischehr und
Inegöl die Hauptorte für die Seidenzucht sind. In jüngerer
Zeit haben sich auch weiter im Innern des Landes mehrere
Orte der ertragreichen Seidenproduktion zugewendet; so
Tarakly, Nallühan, Hendek, Safranboli, Tosia, Tscharschembe,
Wesirköprü, Amasia u. a.
Die Zucht wird je nach den Vermögensverhältnissen in
den eigenen Wohnräumen oder in besonderen Gebäuden
veranstaltet. Neben französischem Samen kommt ganz über-
wiegend einheimischer, die sogenannte weisse Bagdadrasse,
SEIDENSCHMETTERLING. 41
zur Verwendung, welche sich für das anatolische Klima
weitaus am besten zu eignen scheint. Die Produktion von
gelben Kokons ist dagegen gering und beträgt nur etwa
lo V. H., die von englischen und französischen Spitzenfabriken
{Nottingham, Derby, Calais usw.) aufgekauft werden. Eine
Unze Raupeneier "(etwa 30 gr) ergiebt im Durchschnitt 35 kg
Kokons, in guten Jahren im Mittel 45 kg und unter besonders
günstigen Umständen in einzelnen Fällen bis 75 kg Kokons.
Für die Ernährung der Raupen aus i gr Eier werden 40 bis
50 Oka (50—64 kg) Maulbeerbaumblätter gerechnet, dabef
wrd gewöhnlich, um an Handarbeit zu sparen, der ganze
Zweig in den Zuchtraum gelegt. Die Aufzucht der Seiden-
raupen schliesst ein gewisses Risiko ein, da sie sehr von der
Witterung abhängig ist, dieses Risiko ist für den kleinen
Züchter bedeutender als für den kapitalkräftigen Gross-
xüchter, der durch geeignete Vorkehrungen wie Regulierung
der Temperatur und Luftzirkulation vielen Schäden vor-
beugen kann, denen der Kleinbesitzer völlig machtlos gegen-
übersteht. Aus diesem Grunde haben schon mehrfach
kapitalkräftigere Türken, Armenier und Griechen sich mit
gutem Erfolge der Zucht zugewendet; sicher würde auch
deutsches Kapital hier eine gute Anlage finden.
Die Kokons werden in den grösseren Zuchtanstalten
mittelst Dampf in besonderen Apparaten getötet und ge-
trocknet, der Kleinzüchter trocknet sie dagegen an der Sonne
oder am Ofen, wodurch die Qualität eine Einbusse erleidet
und das Produkt auch nur einen geringeren Preis erzielt.
Oft werden deshalb auch die frischen Kokons an die Besitzer
der mit Dämpfungsapparaten ausgerüsteten Anstalten ver-
kauft. Nach dem Trocknen werden die Kokons in weisse
und gelbe, harte und weiche, fehlerlose und schlechte sortiert
und dann in das Ausland (Frankreich, Italien) ausgeführt
oder in den eigenen Spinnereien weiter verarbeitet. Gewöhn-
lich geben 11 kg Kokons 1 kg Rohseide, in guten Jahren
42 ni. DAS wirtsc:haftslebe:n.
genügen für Erzeugung dieses Quantums 10V2» manchmal
9V4 — 9V2 u^d selbst 8V2 kg. Der Preis für das kg Kokons
schwankt zwischen 2 und 3 Franken, je nach Güte und
Jahrgang.
Die lange als streng gehütetes Geheimnis in China ge-
pflegte Zucht der Seidenraupe nahm kurz Vor Beginn unserer
Zeitrechnung ihren Weg nach Westen über die uralte Kultur-
oase Khotan in Zentralasien, wohin eine chinesische Prinzessin
heimlich einige Eier gebracht haben soll. Von Serinda über-
trugen dann im Jahre 536 syrische Mönche die ersten Seiden-
raupeneier und die Kenntnis der Zuchtpflege nach Byzanz,
wo Kaiser Justinian in schlauer Berechnung die Seiden-
produktion zu einem Staatsmonopol machte. Bis zur Ent-
wickelung der Seidenerzeugung in den europäischen
Ländern lieferte Vorderasien lange Zeit die Hauptmasse der
Rohseide, die bis in die Mitte unseres Jahrhunderts auf den
französischen und englischen Märkten wegen ihrer vorzüg-
lichen Qualität sehr begehrt war, trotzdem die Art der Zu-
bereitung ziemlich primitiv geblieben w^ar.
Erst im Jahre 1845 wurde in Brussa, dem Hauptsitze
der Seidenzucht, durch Tachdjian EfFendi und dem schweize-
rischen Fabrikanten E. Falkeisen die erste Seidenspinnerei,
mit Dampfbetrieb errichtet. Bald folgten weitere technische
Anlagen, und die Produktion nahm einen raschen Aufschwung.
Weite Landstriche wurden mit Maulbeerbäumen bepflanzt,
und das Wilayet Brussa lieferte einen Ertrag von 4 00 000 kg
Kokons, als im Jahre 1856 die Muscardine, eine durch einen
Pilz hervorgerufene Krankheit der Raupen, auch nach Klein-
asien verschleppt wurde und hier wie in Europa grosse Ver-
heerungen anrichtete, sodass die Seidenerzeugung in kurzer
Frist um zwei Drittel gegen den früheren Betrag zurückging.
Die verhängnisvollen Folgen dieser Seuche machten
sich zwei Jahrzehnte hindurch in empfindlicher Weise fühlbar,
bis schliesslich die Behandlung der Samen nach der Methode
seide:nschmetterling. 43
Pasteurs, bei der die kranken Eier von den gesunden ge-
schieden werden , eingeführt wurde , eine Massnahme,
um die sich besonders der langjährige deutsche Konsul in
Brussa Hermann Scholer ein grosses \^erdienst erworben
hat. Nachdem durch das sog. Muharrem-Dekret (8./20. De-
zember) 1881 zur Sanierung der türkischen Finanzen der
Conseil d'Administration de la Dette Publique Ottomane
eingesetzt und diesem u. a. auch die Einkünfte aus der Be-
steuerung der Seidenproduktion zugewiesen worden waren,
nahm die Zucht wieder eine lebhafte Entwickelung. Die ge-
nannte Verwaltung war fortan auf das Eifrigste bestrebt,
die Erträge zu steigern und diesen aussichtsvollen Erwerbs-
zweig zu heben. In Brussa und Ismid wurden Fachschulen
errichtet und ein jährlicher Wettbewerb für die Züchter ver-
anstaltet, zu welchem Zweck die Dette Publique jährlich
Preise im Betrag von 300 türk. Pfund (5600 Mark) aus-
geworfen hat.
Die anatolische Seidenproduktion bezifferte sich nach
dem Gewicht der frischen Konkons:
1894 auf 4580000 kg
1895 „ 3440000 „
1896 „ 6046000 „
1897 „ 4590000 „
1898 „ 4500000 „
1899 „ 8350000 „
Davon kamen auf der Anatolischen Eisenbahn zur Be-
förderung: 1894: 251 411 kg, 1895: 310 158 kg, 1896:
248076 kg, 1897: 352766 kg, 1898: 263930 kg, die zumeist
aus dem Produktionsgebiet von Biledjik und Lefke stammten.
Die Hauptmasse der Ausfuhr gelangt über Mudania, den
Hafen von Brussa, dann auch über Panderma und Gemlek
zur Verfrachtung.
Der Ackerbau hat im Laufe der Jahrtausende kaum
eine nennenswerte Wandlung erfahren, sondern ist in den
44 ni. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
alten Formen der Kultur erstarrt geblieben. Uralte Geräte
haben sich in ihrer ursprünglichen primitiven Gestalt erhalten,
die bei dem konservativen Sinne der anatolischen Land-
bevölkerung von den Errungenschaften der westeuropäischen
Technik bis in die Gegenwart gänzlich unberührt geblieben
sind. Die Bearbeitung des Ackers erfolgt noch mit einem
Pfluge, der von seinem antiken Vorbilde kaum merkliche
Abänderungen zeigt, bis vor kurzem durchweg aus Holz ge-
fertigt war und erst neuerdings mehrfach mit einer eisernen
Pflugschar ausgerüstet ist. Mit diesem Gerät vermag der
Landmann nicht, eine gerade, gleichmässig tiefe Furche her-
zustellen, den Acker daher auch nicht genügend für die
Saat vorzubereiten. Ebenso ursprünglich ist das Verfahren
beim Dreschen des Getreides, wozu noch die uralte Dresch-
tafel, die vom Persischen Meerbusen bis zur Atlantischen
Küste von Marokko durch alle mosleminischen Länder ver-
breitet ist, benutzt wird. Die Dreschtafel oder der Dresch-
schlitten besteht aus einer langen, schmalen, vorn schwach
aufgebogenen, dicken Holzplatte, deren Unterseite mit hervor-
ragenden Feuersteinsplittern oder Messern besetzt ist. Vor
dieses Gerät wird ein Rind oder Büffel gespannt, die eine
auf dem Schlitten stehende Person, die mit ihrer Körperlast
das Gewicht des Dreschgerätes vermehrt, über das auf-
geschichtete Getreide im Kreise lenkt. Die scharfen Stein-
splitter oder Messer zerschneiden das Stroh in Häcksel oder
lockern die Kornfrucht, die gleich auf der Tenne mit Wurf-
schaufeln von der Spreu geschieden wird.
Erst die Zuwanderung der Muhadjir, die in ihren alten
Wohnsitzen auf der Balkan-Halbinsel und am Kaukasus so
manche nützliche Neuerung bei ihren christlichen Nachbaren
kennen gelernt haben, hat eine Belebung des landwirtschaft-
lichen Betriebes gebracht, die sich in den Landstrichen, wo
neue Dörfer entstanden sind, deutlich zu erkennen giebt.
Mit regstem Eifer ist ferner die Verwaltung der Anatolischen
ACKERBAU. 45
Eisenbahn bestrebt, die Landwirtschaft in den der Bahn-
strecke benachbarten Gebieten zu heben und zu fördern, und
hat zu diesem Zweck eine eigene Kulturabteilung, an deren
Spitze ein für diese Aufgabe besonders befähigter Fachmann
steht, errichtet. Mit wachsendem Erfolge ist diese Abteilung
bereits seit mehreren Jahren bemüht, den anatolischen Bauern
mit Rat und That an die Hand zu gehen. In erster Linie
sucht sie die Schäden, die Missernten hervorrufen, kennen
zu lernen und durch Belehrung der Bauern zu beseitigen^
ferner wirkt sie vorbildlich, indem sie Musterkulturen von
solchen Gewächsen, deren Anbau für Klima und Boden ge-
eignet ist und einen höheren Bodenertrag als der Körnerbau
erzielt, anlegt imd den Bauern Saatgut auf Kredit zur Ver-
fugung stellt. Schliesslich ist sie bestrebt, die landwirtschaft-
lichen Geräte zu vervollkommnen und die Landleute zu einer
rationelleren Bodenbearbeitung hinüberzuleiten. Hierzu ist
seitens der Direktion mit der Firma H. F. Eckert in Berlin
ein Vertrag abgeschlossen worden, nach welchem die Ver-
waltung der anatolischen Bahn die Ackerbaugeräte gen. Firma
in eine Art Kommission nimmt. Mit einer Mustersendung
sind in den verschiedenen Gegenden des Hochlandes eine
grössere Anzahl Pflugproben abgehalten worden, um den
anatolischen Bauern die Leistungsfähigkeit dieser Geräte»
welche die hie und da vorhandenen englischen Fabrikate
weit übertreffen, vor Augen zu führen. Die Bahnverwaltung
ist übrigens noch einen Schritt weiter gegangen und hat
beschlossen, den Bauern gleich dem Saatgetreide auch geeignete
landwirtschaftliche Geräte*) zum Selbstkostenpreise auf Kredit
zu überlassen, um so deren Einführung zu erleichtern. Auf
*) Nach dem Urteil des Kulturinspektors Scheiblich eignen sich für
die anatolischen Verhähnisse vorläufig die Marken SRW und CBL am
besten, welche die einfachsten und billigsten sind, sich dem bisher ge-
bräuchlichen Ackergerät in der Handhabung zunächst anschliessen und den
Kräften der Gespanntiere entsprechen.
46 I". DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
diese Weise wird hier in dem so lange vernachlässigten
Lande ein grosses Kulturwerk geschaffen, das bald reiche
Früchte tragen und der deutschen Unternehmung zur Ehre
gereichen wird!
Die verschiedene Höhenlage des Landes bedingt eine
Differenzierung der Wärmeverteilung, vor allem in den
Wintermonaten, und übt dadurch gleichwie auf die natürliche
Vegetationsdecke einen grossen Einfluss auf den Anbau der
einzelnen Nutzpflanzen aus. Der Kultur des Hochlandes steht
die des Tieflandes im mittelmeerischen und pontischen
Küstengebiet gegenüber. Während jene durch alle jene
Feldfrüchte, Gemüse und Obstarten, die allgemein auch in
Mitteleuropa angebaut werden, z. T. dorthin erst von Klein-
asien eingeführt worden sind, gekennzeichnet wird, umfasst
diese die ertragreichen Kulturgewächse, die in der Gegenwart
für das Mediterrangebiet typisch geworden sind und diesem
vielfach ein besonderes landschaftliches Gepräge verliehen
haben, das ihm vor dem bewussten schaffenden Eingriff des
Menschen fremd war. An der Meeresküste ziehen sich
melancholische, düster gefärbte Olivenhaine viele Meilen weit
ununterbrochen dahin; ihre knorrigen, grotesk gestalteten,
oft hundertjährigen Stämme sind so weit von einander ge-
pflanzt, dass Raum für manche Feldkultur bleibt, die mit
jugendlichem Grün den Fuss des ehrwürdigen Schatten-
spenders umdrängt. Wo menschliche Siedelungen sich er-
heben, wird das Laubdach dichter, das Grün lichter, zwischen
den Blättern leuchten goldgelbe Orangen und Zitronen her-
vor, Reben mit schweren, saftstrotzenden Trauben schlingen
sich von Baum zu Baum, und im Frühjahr entzückt eine
schneeige Blütenpracht das Auge, wenn Milliarden weisser
oder rosa angehauchter Knospen den duftenden Kelch öffnen.
Unter den Getreidearten, die in Anatolien angebaut
werden, nimmt der Weizen die erste Stelle ein, denn er ist
neben der Milch das Hauptnahrungsmittel der anatolischen
GETREIDE. 47
Landbevölkerung und das wirtschaftlich bedeutsamste Er-
zeugnis der weiten Hochlandsteppen. Im Tieflande erfolgt
die Bestellung der Wintersaat im November, manchmal auch
noch später, die der Sommersaat, die aber nur geringere
Erträge liefert, im Februar. Auch auf dem Hochlande säumen
die Bauern oft mit der Wintersaat bis tief in den Oktober
hinein, was bei den gegen das Tiefland ungünstigeren kh'ma-
tischen Verhältnissen einen nachteiligen Einfluss auf die
Pflanzen ausübt und oft zu Fehlernten führt. Die späten,
erst im Winter oder Frühjahr keimenden und zum Aufgang
kommenden Herbstsaaten sind nach dem Bericht des Kultur-
inspektors Scheiblich gegen die im Frühjahr regelmässig
eintretenden langen Trockenzeiten weit weniger widerstands-
fähig als die zeitig bestellten, die sich schon im Herbst zu
normalen, kräftigen Pflanzen entwickelt haben und in ihrer
Ausbildung w^eniger gefährdet sind, weil sie beim Eintritt der
Dürre in ihrem Wachstum und der Samenbildung der Reife
schon weit näher gerückt sind, als die der späteren Saaten.
Ausserdem sind sie infolge ihres verhältnismässig grösseren
und günstiger plazierten Wurzelvermögens im stände, der
Trockenheit viel besser widerstehen zu können.
Weit weniger abhängig von diesen Bedingungen sind
die Saaten auf bewässerbarem Boden, der sich in der Nähe
der Flussläufe findet und im Preise ganz wesentlich höher
steht. Die Bewässerung wird, falls im Frühjahr der Regen
ausbleibt, zweimal, etwa zu Anfang und gegen Mitte März,
ausgeführt. Zu diesem Zweck dienen grosse Schöpfräder,
die das Wasser aus dem durch niedrige Dämme aufgestauten
Fluss heben und in die durch die Felder gezogenen Gräben
leiten.
Steht die Wintersaat im Frühjahr infolge grosser Trocken-
heit sehr schlecht, so wird gewöhnlich im März noch eine
Sommersaat bestellt. Die Ernte erfolgt im Tiefland im Mai
und Juni, auf dem Hochland im Juli und August. Das
48
III. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
Sommergetreide wird nur zwei Wochen später reif als das
Wintergetreide. Nach den Berechnungen Kärgers giebt ein
mit Weizen bestellter Donum im Mittel einen Reinertrag von
I20 Piaster (22,20 Mark).
Von allen Getreidearten kommt Weizen fast ausschliess-
lich zur Ausfuhr, wenigstens bildet er die Hauptmasse des
Getreides, das auf der Anatolischen Eisenbahn zur Ver-
frachtung gelangt. Auf der Strecke Haidar Pascha— Angora
wurden verladen Getreide aller Art:
1891
1892
1893
1894
1895
1896
1897
1898
Die Zahlen
37 389 728 kg
29972609 „
5 1 389 866
23 844 078
27538818
105 840 378
243 567 506
1529^5367
«
n
n
n
dazu auf der Strecke
Eskischehir-Konia :
12 240464 kg
50099636 „
106 773 471 „
45370812 „
deutliches Bild der überaus
geben ein
wechselnden Ernteerträge. Erfreulich bleibt die Thatsache,
dass die unter den Pflug genommenen Flächen sich in den
letzten 10 Jahren ständig vergrössert haben, nachdem den
Bauern durch die Eisenbahn ein Mittel in die Hand gegeben
worden ist, den Ertrag ihrer Felder auf den Markt zu bringen.
Während Weizen für die eigene Ernährung und für die
Ausfuhr gebaut wird, dient die Gerste vorwiegend zur
Viehfutterung und ersetzt in der Levante wie in Nordafrika
den Hafer. Da sie in grosser Menge für den Lokalkonsum
verbraucht wird, so gelangt vor der Hand verhältnismässig
weniger Gerste als Weizen zur Ausfuhr. Auf der Anatolischen
Eisenbahn wurden immerhin 1896: 44027 und 1897:
72 808 Tonnen verfrachtet, wovon ein erheblicher Teil als
Lieferung für die türkische Militärverwaltung diente. Da die
anatolische Gerste aber auch in Europa sehr gesucht ist und
insbesondere in England leichten und gesicherten Absatz für
GETREIDE ^ FUTTERPFLANZEN. 49
die Herstellung von Malz zur Bierbrauerei findet, so gewinnt'
ihre Kultur immer mehr an Ausdehnung.
Roggen und Hafer werden meist von den Muhadjir,
aber nur in geringer Ausdehnung, angebaut, wichtiger da-
gegen ist die Kultur des Maises, die besonders in den nörd-
lichen und westlichen Küstenlandschaften wie in den Fluss-
thälem die ihr zusagenden natürlichen Bedingungen findete
Der Mais dient frisch und getrocknet zur Ernährung von
Mensch und Vieh. Die Türken geniessen ihn nur in ersterem*
Zustande, die Griechen, Muhadjir und Lasen mahlen ihn auch
zu Mehl und backen Brot daraus. Gelegentlich wird auch
ein leichtes, erfrischendes Bier aus Mais gebraut. Bei starker
Düngung und Bewässerung soll im Tieflande der Ertrag des
Maises ein erstaunlich hoher sein.
Von untergeordneter Bedeutung ist der Anbau von
Hirse, Sorghum und Buchweizen, den die Türken
„albanesische Hirse" nennen, grösseren Umfang besitzen da-
gegen die Reiskulturen in den Küstenebenen und den Fluss-
thälem des Hochlandes, doch macht sich allgemein das
Bestreben geltend, den Anbau wegen der damit verbundenen
Fiebergefahr nach Möglichkeit einzuschränken. Der Reis
wird fast ausschliesslich für den Konsum im Lande ver-
wendet; ein sehr beliebtes Essen ist der Pilaf, aber auch in
anderer Zubereitung findet der Reis eine vielfaltige Ver-
wendung.
Von Futterpflanzen kommen in Kleinasien Luzerne,
Lupine, Esparsette und Klee vor, werden aber leider nicht
entfernt in dem Masse gebaut, wie es eine rationelle Vieh-
wirtschaft fordern müsste. Wo Futterpflanzen auf geeignetem
Boden als Pferdefutter gebaut werden, wie z. B. in der Um-
gebung von Eskischehir, geben sie meist reichlichen Ertrag.
Die Luzerne soll dort 7 Jahre lang hintereinander tragen und
jährlich 5—7 Schnitte liefern.
Eine grosse Zukunft besitzt in Anatolien die Kartoffel,
Fttzner, Anatolien. 4
50 IW DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
die gute Erträge liefert und in neuerer Zeit in steigendem
Umfange angebaut wird. Die Marktpreise in Konstantinopel
ermöglichen eine Rentabilität des Anbaus dieser Frucht selbst
bei langem Transportwege auf der Eisenbahn. Aus diesem
Grunde sind von der Kulturabteilung der Anatolischen Bahnen
SaatkartofFeln auf der Strecke von Akschehir nach Konia
verteilt worden, wo sich günstiger Boden für den KartoflFel-
bau findet. Ein Probefeld bei Eskischehir ergab, trotzdem
die Saatkartoffeln erst ziemlich spät (20. Mai) gesteckt werden
konnten, doch noch eine Ernte von 1800 kg auf V4 Hektar,
wobei die Qualität der geernteten Kartoffeln eine ganz vor-
zügliche war.
Als Gespinnstpflanzen werden Baumwolle, Lein und
Hanf gezogen. Baumwolle wird vornehmlich in den heissen,
leicht bewässerbaren Küstenlandschaften der Wilayets Adana
und Smyrna, dann auch vereinzelt auf der Hochebene im
Wilayet Angora und im Gebiet des Kysyl Irmak gebaut.
Die Kilikische Ebene und die Flussthäler des Menderes,
Gedis und Bakyr in den Kasas von Ba'indir, Kassaba,
Akhissar und Kyrkaghatsch sind die Hauptprodukticms-
gebiete. Die Kultur der Baumwolle, die besonders seit dem
amerikanischen Sezessionskriege Eingang gefunden hat, er-
fordert eine sorgfaltigere Bearbeitung der Felder als der
Getreidebau, liefert aber auch höhere Erträge. Die Saat
erfolgt im März, die Ernte im Wilayet Adana im September,
an der Westküste erst im Oktober. Ein Teil der Produktion
wird im Lande selbst, in A'idin, Manissa, Kassaba, Kyrka-
ghatsch u. a. O., wo sich Spinnereien befinden, verarbeitet.
Hauptausfuhrhafen ist Smyrna. Die Ausfuhr richtet sich
vornehmlich nach England und Frankreich. Da die anatolische
Baumwolle der amerikanischen z. T. qualitativ überlegen ist,
so dürfte ihre Nutzbarmachung unserer heimischen Textil-
industrie nachdrücklich empfohlen werden können. Der
anatolische Baumwollenbau ist einer erheblichen Ausdehnung
\
GESPINNST- UND FARBPFLANZEN. 5I
fähig und würde, in geeigneter Weise unterstützt und ge-
fördert, für Deutschland von einer grossen wirtschaftlichen
Bedeutung und ein achtenswerter Faktor in den Tarifs-
Verhandlungen eines neuen deutsch-amerikanischen Handels-
vertrages werden können.
Der Anbau von Lein und Hanf besitzt mehr örtliche
Bedeutung, doch gelangt auch Lein- und Hanfsaat ebenso
wie Baumwollensamen (über Smyrna jährlich etwa 7000 Tonnen)
zur Ausfuhr.
Die seit dem Altertum geübte Textilindustrie hat zum
Anbau mehrerer Farbpflanzen gefuhrt; am meisten werden
Krapp, Safran und Kreuz- oder Gelbbeere kultiviert, doch
ist deren Anbau zurückgegangen, seitdem die billigen, leicht
löslichen Anilinfarben von Europa her Eingang gefunden
haben.
Die Ernte in Kreuzbeeren betrug im Jahre 1898 rund
5500 Sack, davon gingen über Konstantinopel 500 Sack, über
Samsun 2500 Sack, über Smyrna 900 Sack und über Mersina
1600 Sack. Die Verfrachtung erfolgte meist direkt nach
europäischen Häfen. Da von den Färbereien und Kattun-
druckereien mehr und mehr andere Farbstoffe verwendet
werden, so hat die Nachfrage nach Kreuzbeeren sehr nach-
gelassen und die Preise sind auf ein Drittel des Betrages
herabgegangen, der erst bezahlt wurde; jetzt 1V4 — 3 Piaster
für I Oka.
Eine grössere Wichtigkeit hat der Anbau der Narko-
tica bewahrt, denn Tabak und Mohn, daneben auch indischer
Hanf, werden an vielen Orten in beträchtlicher Ausdehnung
gebaut. Nachdem die Mode des Tabakrauchens trotz aller
anfänglichen Verbote auch im Orient Verbreitung gefunden
hatte, begann man schliesslich das erst verpönte, dann all-
gemein beliebte Gewächs für den eigenen Bedarf anzubauen.
Das anatolische Tiefland erwies sich für diese Kultur als durch-
aus geeignet, und sie entwickelte sich derart, dass Tabak in der
4*
52
III. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
Gegenwart ein nennenswerter Ausfuhrartikel ist. Die Aus-
saat erfolgt im Februar auf Mistbeete, von denen die Pflanzen
^n Abständen von 80 bezw. 30 cm ausgepflanzt werden. Die
Ernte erfolgt durch drei- bis viermalige Abblätterungen.
Die auf Fäden gezogenen Blätter werden auf Gestellen etwa
vier Wochen an der Sonne getrocknet. Der Ertrag eines
Donum ist 100—150 Oka, unter günstigen Verhältnissen
200 — 250 Oka trockene Blätter.
Der Gesamtertrag des Landes beläuft sich auf 10 000000
bis 12000000 kg jährlich, mag aber sehr wohl in günstigen
Jahren auf 15000000 kg steigen. Um einen Überblick über
die Verteilung der Produktion auf die einzelnen Bezirke zu
geben, habe ich die in dem grossen Werke Cuinets verstreuten
Angaben über die Ernteerträge in den Jahren 1888 und 1889
ausgezogen und in nachstehender Tabelle vereinigt:
Wilayet Trapezunt
Smyrna .
Siwas
Brussa .
Sandjak Ismid . .
Wilayet Kastamuni
Archipel
Adana .
Sandjak Bigha
Wilayet Angora .
„ Konia
Insgesamt
Weit voran steht das Wilayet Trapezunt. Die Kultur
ist aber seit Errichtung der Regie zurückgegangen, und die
Ausfuhr hat sich dem entsprechend vermindert; erst neuer-
dings zeigt sich wieder eine Hebung des Ertrages. Das
Hauptproduktionsgebiet ist das Sandjak Samsun, in dem im
Jahre 1889 gegen 650000 batman (ä 6 Oka = "j^*] kg)
«
«
«
r>
. 5 150000 kg
. I 384 000 „
. I 365 000 „
862 000 „
610000 „
240 000 „
162 000 „
150000 „
88 000 „
53000 «
16000 „
• •
«
10080000 kg.
TABAK. 53
<i. h. rund 5 000 000 kg Tabak geerntet wurden. Von dfen
9 Sorten, in die der Tabak gewöhnlich eingeteilt wird, dienen
die 3 ersten mit 220 000 batman (35 % der Gesamternte) für
den russischen und europäischen Bedarf, die 4. ist Ottomanisches
Monopol mit 130000 b. (20 %), die 5. gelangt mit 65 000 b.
(10 %) nach Marseille zur Ausfuhr, die 6. mit 45 000 b.
(7 0/0) nach Ägypten, die 7. mit 65000 b. (10 %) nach
London, die 8. mit 45 000 b. (7 %) nach Bremen, die 9. end-
lich mit 80000 b. (13 %) wird in der Türkei selbst ver-
arbeitet.
Einer Mitteilung des Herrn Hauptmann Maercker ver-
danke ich folgende Angaben: Die jährliche Produktion im
Kaimakamlik Bafra beträgt 2000000 bis 3 500000 kg; die
Regie kauft davon i 000000 — i 500000 kg, die griechischen
Kaufleute, in deren Händen der Tabakhandel vornehmlich
liegt, exportieren nach Alexandrien 200— 250000 kg, nach
Marseille (Französische Regie) 250 — 300000 kg mittlerer
Ware, nach Hamburg und Bremen 40 — 50 000 kg geringster
Ware, nach Wien 40 000 kg bester Ware. Die Tabakpreise
richten sich nach der Ernte. Für i batman wurden 1892
nur 27 Piaster, 1893 dagegen 54 — 55 Piaster gezahlt. Der
beste Tabak Kleinasiens wird in Orendjik am Kysyl Irmak
gebaut.
Jeder Tabakballen wiegt 9 batman = 70 kg. Die Un-
kosten vom Erzeugungsort bis an Bord des Schiffes betragen
im Durchschnitt 10,60 Mk. für den Ballen.
In dem Trapezunt benachbarten Wilayet Siwas wird
gleichfalls eine erhebliche Menge Tabak produziert, die
Hauptmasse liefert hier das Sandjak Tokat mit i 284000 kg,
dann Amasia 77 000 kg, der Anbau in den Sandjaks Siwas
und Karahissar ist dagegen nur sehr unbedeutend.
Das dritte Produktionsgebiet ist das Wilayet Smyrna,
in dem bis zu 2000000 kg geerntet werden; angebaut werden
drei Sorten: Ayasoluk (Ephesus), Smyrna und Magnesia.
54 in. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
Ersterer ist sehr nikotinreich und kann deshalb nicht un-
vermischt geraucht werden, er dient meist zum Verschneiden
der übrigen beiden Sorten, denen er mehr Aroma verleiht.
Da diese Qualität stark für die Ausfuhr begehrt wird, so
vergrössert sich ihr Anbau von Jahr zu Jahr. Die sog. Smyrna-
Sorte wird nur um Pergamon, die Magnesia-Sorte im Sandjak
Sarukhan angebaut. Im Inlande wird der Tabak von Sarai-
Alti, der salpeterhaltig ist und deshalb ein eigenartiges Aroma
besitzt, ganz besonders geschätzt.
In dem benachbarten Sandjak Bigha werden jährlich
200—240 ha mit Tabak bestellt, das Zentrum der Tabaks-
produktion ist Tschan am Granicus. Im Wilayet Brussa
findet die Hauptproduktion im Sandjak Karassi statt, wo in
den Nahies von Ivrindi, Fret, Balia und Gebsun gegen
1000 ha mit Tabak bestellt werden. Der Ertrag erreicht
oft I 500000 kg. In der Qualität steht diesem der Tabak
des Sandjaks Ismid nahe, wo um Ismid selbst, dann in der
fruchtbaren Akova um Adabasar und bei Geiwe Tabak-
kultur getrieben wird. Im Süden, im Wilayet Adana, treten
Bulanik und Selinti als Brennpunkte der Tabaksproduktion
hervor.
In der Türkei sind seit 1883 die Einkünfte aus dem
Tabakbau der „Regie cointeressee des tabacs de TEmpire
Ottoman" übertragen. Nach den bestehenden Bestimmungen
darf Jedermann Tabak bauen, darf ihn aber nicht freihändig
verkaufen oder selbst verbrauchen, sondern muss seinen
Ernteertrag an die Regie zu einem von dieser bestimmten
Preise überlassen. Da diese die Preise denkbar niedrig fest-
setzt, so ist infolge dessen nicht nur der Tabakbau gegen
früher zurückgegangen, sondern es hat sich in anbetracht
des hohen Verkaufspreises der Regie ein Schmugglerwesen
von einem ganz ungewöhnlichen Umfange herausgebildet^
dem die Überwachungsorgane machtlos gegenüberstehen.
Die Gelegenheit, besseren und billigeren Tabak, als es der
TABAK — MOHN 55
d^r Regie ist, vom Schmuggler zu kaufen, bietet sich leicht
und wird stets gern benutzt.
Auf der Anatolischen Eisenbahn werden erhebliche
Mengen Tabak — jährlich i V2 bis 2 Millionen kg — befördert.
Während der Tabak vorwiegend Tieflandskultur ist,
wird dort wie auf dem Hochlande eine andere wirtschaftlich
wichtige narkotische Pflanze, der Mohn, gezogen. Der An-
bau erfordert eine sehr sorgfaltige Bereitung des Ackers, ist
aber, zumal er ein zweifaches Produkt, Opium und Mohnsaat,
liefert, gewinnbringend. Die Aussaat erfolgt im Oktober
oder spätestens Anfang November. Zur Gewinnung des
Opiums werden die Mohnköpfe vor ihrer völligen Reife mit
einem besonderen Instrument „djisghi" ringsherum einge-
schnitten und der am nächsten Tage hervorquellende Milch-
saft gesammelt. Dieser wird zusammengeknetet und in Mohn-
blätter gehüllt in den Handel gebracht. In Smyrna, dem
Hauptmarkte und Ausfuhrhafen für Opium, wird dieses in
neuerer Zeit mehrfach durch Zusatz eines bedeutenden Prozent-
satzes von Stärkemehl zum Schaden der europäischen Käufer
verfälscht.
Die Opiumernte betrug in der Türkei:
1895: 7500 KufFen a 50 — 60 kg
1896: 4 — 5000 Kuffen
1897: -7500 — 8500 Kuffen
1898: 3 — 3500 Kuffen
1899: 700a Kuffen.
Davon wird V4 ^^ Rumelien, V4 in Anatolien erzeugt. Haupt-
produktionsgebiete sind die Wilayets Smyrna und Brussa, in
zweiter Linie Siwas und Konia. Im Wilayet Smyrna wird
die beste Qualität in der weiteren Umgebung Smyrnas selbst
hervorgebracht, eine zweite Qualität liefert das Sandjak
Sarukhan, wo die Kasas Kirkaghatsch und Akhissar die
besten Sorten erzeugen. Im Wilayet Brussa ist Afiun
Karahissar (Opium-Schwarzburg) das Zentrum des Mohnbaus;
56 ni. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
von 350 OCK) kg mittlerer Ernte in diesem Sandjak werden
nahezu 145000 kg in der unmittelbaren Umgebung der
Hauptstadt gebaut. Auch die Sandjaks Brussa, Kiutahia und
Karassi liefern nennenswerte Erträge, das Wilayet insgesamt
im Mittel 750000 kg Opium und Mohnsaät. Im Wilayet
Siwas produzieren das Sandjak Siwas 3000 Oka, Tokat
^500 Oka, Amasia 2500 Oka, zusammen 8000 Oka gleich
10 270 kg Opium und 200000 Oka = 256000 kg Mohnsaat.
In der Provinz Angora wurden nach SchäfFer im Jahre 1893
^twa 22 200 Kile geerntet.
Vor der Erbauung der Anatolischen Eisenbahn floss die
gesamte Opiumernte Anatoliens nach Smyrna ab und gelangte
von dort zur Verschiffung. In diesen Verhältnissen ist bereits
eine Verschiebung dadurch eingetreten, dass die Produktion
eines grossen Teils der Wilayets Brussa, Siwas, Angora und
Konia direkt nach Konstantinopel geführt wird. Es gelangten
dorthin auf der genannten Bahn zur Verladung:
102 782 kg
79531 «
96545 «
50132 „
1891: 72068 kg 1895:
1892: 161 077 „ 1896:
1893: 80772 „ ! 1897
1894: 58445 „ I 1898
Davon führte die Strecke Konia — Eskischehir der Stamm-
linie zu:
1895: 68 793 kg
1896: 33462 „
1897: 66462 „
1898: 46616 „
Die Mohnsaat wird teils im Lande selbst zur Olgewinnung
benutzt, teils zur Ausfuhr gebracht, besonders nach Frank-
reich. Ein Donum liefert liach Kaerger 3 Oka Opium und
5 Kile Mohnsaat, aus einem Kile Saat werden 5 — 6 Oka Ol
geschlagen, die Rückstände an die Kühe verfüttert. Die
Preise für die letzte Erqte (1899) waren bedeutend niedriger
als im Vorjahr. Drogisten-Opium wurde mit 116 — 125 Gold-
OPIUM — GEMÜSE. 57
piaster (gegen 150 bis 160 Piaster im Jahre 1898), Tokat-
Sile-Opium mit 125 bis 135 Goldpiaster für die Oka bezahlt-
Gemüse wird, da die Orientalen grosse Liebhaber
vegetabilischer Nahrung sind, aller Orten, wo es die natür-
lichen Verhältnisse gestatten, in sehr bedeutendem Umfange
angebaut. In Anatdien gedeihen alle jetzt in Mitteleuropa
heimischen Gemüse; u. a. werden gezogen: verschiedene
Kohlarten, Rüben, Radieschen, Zichorie, Spargel, Sellerie,
Lattich, Endivie, Borretsch, Rauke, Chondrille, Zwiebel,
Knoblauch, Erbse, Kichererbse, Bohne, Saubohne, Linse,
Gurke, Kürbis, Artischocke, Bamia, Eierpflanze, Tomate,
Spinat, Sauerampfer, Rhabarber, Petersilie, Estragon, Saturei,
roter Pfeffer, Kümmel, Safran, Anis, Wermut.
Fun die Verpflegung der Hauptstadt sind die intensiven
Kulturen an der Riviera des Golfes von Ismid, um den
Sabandja-See und in der Akova von grosser Wichtigkeit.
Die Produktion dieser Gegenden an Gemüse ist infolge der
starken Nachfrage und dank der günstigen geographischen
Lage ausserordentlich gross. Die Anatolische Eisenbahn
giebt dazu das Mittel an die Hand, die Erzeugnisse der Gärten
und Felder schnell und damit frisch auf den Lebensmittel-
markt von Konstantinopel zu bringen. Zu diesem Zweck
lässt die Verwaltung nachts besondere Gemüse- und Obst-
züge fahren, welche die Güter in eigens für die Auf-
nahme der grossen Körbe konstruierten Wagen sammeln und
früh morgens nach Haidar Paschar bringen. Diese Züge
halten vielfach an bestimmten Punkten der freien Strecke,
wo die Gärtner ihre Früchte unmittelbar in den Zug laden
dürfen.
Auf der Stammlinie wurdennachKonstantinopel verfrachtet:
1891: 2662 299 kg
1892: I 885040 „
1893: I 905717 „
1895: 2 104008 kg
1896: 2528959 „
1897: 1915 164 „
1894: I 912 469 „ I 1898: I 217 841 „
58 ni. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
Weitverbreitet ist ferner der Obstbau, doch ist die
Pflege, die den Fruchtbaumen zuteil wird, nicht sorg^tig
genug, um durchweg gute Sorten zu erzielen. Höhenlage
und Klima bedingen, dass das Tiefland vorwiegend Agrumen^
Datteln (nur an der Südküste), Oliven, Pfirsiche, Aprikosen,
Melonen, Mandeln, Pistazien, Feigen und Wein hervorbringt»
während die übrigen Obstarten: Apfel, Birne, Quitte, Kirsche»
Schlehe, Pflaume, Komelkirsche, Hasel- und Walnuss dagegen
mehr auf das Hochland beschränkt sind, wiewohl auch manche
der letzteren in den tieferen Regionen kultiviert werden.
Wirtschaftlich am wichtigsten ist der Anbau der Agrumen»
des Olivenbaumes, der Feige und der Weinrebe.
Die Kultur der Agrumen ist auf die Westabdachung,
den Archipel und die Südküste beschränkt, gezogen werden
Orangen, Zitronen, Pommeranzen und ihre Abarten. Neuer-
dings sind infolge des Auf tretens einer derPhylloxera ähnlichen
Krankheit die Erträge ganz ausserordentlich zurückgegangen ;
nur die Mandarinen blieben verschont. Bei weiterer Aus-
breitung dieser verhängnisvollen Epidemie, gegen die bisher
ein Mittel noch nicht gefunden worden ist, erscheint die
ganze Kultur dieser Frucht in Anatolien gefährdet.
Das gleiche Verbreitungsgebiet hält der Olivenbaum
inne, der hier vorzüglich gedeiht und in grossen waldartigen
Beständen die Küstenlandschaften und die Inseln bedeckt.
Der Ertrag der Olivenpflanzungen ist relativ hoch; ein Baum
liefert lo bis 15 Oka, bei reichlicher Düngung und sorg-
faltiger Pflege selbst bis 40 Oka Oliven im Jahr, die durch-
schnittlich einen Preis von i Piaster für die Oka erzielen»
Die Oliven, deren Ernte in die Monate Oktober und November
fallt, werden teils durch Einsalzen zum Genuss konserviert»
teils zur Olgewinnung ausgepresst. Das hierbei angewendete
Verfahren mit Hülfe von Handpressen ist ziemlich primitiv
und nicht geeignet, die Ölfrucht in ergiebiger Weise auszu-
nutzen. Europäischen Unternehmungen bietet sich hier durch
OLIVE — FEIGE. 59
Einfuhrung vollendeter technischer Einrichtungen und Anwen-
dung des chemischen Extraktionsverfahrens ein weiter Spiel-
raum. Die grossen Erfolge, welche die französischen Kapi-
talisten und Industrielle auf diesem Gebiete in Algerien und
Tunesien erzielt haben, sollte eine Anregung für deutsche
Unternehmer bilden. Gegenwärtig beträgt die Olivenöl-
produktion 30—40000000 kg, die zum grössten Teil über
Smyrna, Mudania und die Inselhäfen zur Ausfuhr gelangen.
Fabrikation und Handel liegen fast ausschliesslich in griechi-
schen Händen.
In gleicher Weise besitzt die Feige eine grosse Wichtig-
keit für die Ausfuhr der kleinasiatischen Westküste. Ihre
Kultur erfordert geringe Mühe und Aufwendungen, ist aber
dabei sehr gewinnbringend. Man unterscheidet die beiden
Hauptsorten Bardadschik und Lopia; die ersteren, sehr süss,
dienen dem örtlichen Verbrauch, die letzteren gelangen zur
Ausfuhr nach Europa. Unter ihnen werden der Qualität
nach wieder die Sorten Erbeyli, Ai'din und Tschaili benannt.
Die Erbeyli stammen aus dem Sandjak Smyrna selbst
von Ayasluk, Baladjik, Deirmendjik, Karabunar, Ornerbeyli
u. a. O., die Aidin aus dem Sandjak Ai'din von Omurlu»
Köschk, Sultan-Hissar, Nasilli, Aktsche, Bosdoghan usw.
und die Tschaili von Bademie, Baliambol, Ödemisch, Birghi
im Sandjak Smyrna. Die Ernte findet gegen Mitte August
statt. Die Feigen werden nach mehrmaliger sorgfaltiger
Auslese in Kisten verpackt und kommen in vier verschiedenen
Verpackungen als Makaroni, Yemekji, Lokum und Layers
in den Handel. Der ausgeschiedene Rest liefert die Hordas
(Fabrikfeigen), die in Europa hauptsächlich zur Fabrikation
des Feigenkaffees benutzt und vornehmlich nach Österreich
exportiert werden.
In guten Jahren beträgt die Feigenernte 60—65 000 Kamel?
lasten (die Last etwa 200 kg). Die Ernte des Jahres 1898
war nur gering infolge ungünstiger Witterung und brachte
60 in. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
nicht mehr als 12 500 Lasten, die letzte Ernte stellte sich
dagegen wieder auf 45 — 50 cx)0 Lasten. Die Preise betrugen
für niedere Sorten 80 — 100 Piaster, fiir mittlere Sorten 100
T>is tio Piaster, für gute Sorten iio — 150 Piaster für das dz.;
Hordas erzielten 45 — 46 Piaster.
Wenn auch dem Moslem der Weingenuss durch die
Satzungen des Koran verboten ist, so wird doch die Wein-
rebe in ziemlich umfangreichem Masse in Anatolien angebaut.
Sie liefert prächtige Trauben für den Landeskonsum, an der
Westküste die vom europäischen Handel lebhaft begehrten
•Rosinen und in den Gebieten mit griechischer und armenischer
Bevölkerung einen guten Landwein oder auch sog. Südwein,
(Samos usw.) wie auch aus den Trebern gewonnenen Brannt-
wein, den Raky. Kleinasien, die Heimat der Weinrebe,
ist eines der produktivsten Weinländer trotz mosleminischer
Herrschaft geblieben. Das Hauptproduktionsgebiet bilden
die Wilayets Smyrna und Khodawendikiar (Brussa) und die
Inseln des Archipels, dann weiter die Randlandschaften des
Golfes von Ismid und des Bosporus, grosse Weinkulturen
finden sich femer im Stromgebiet des Kysyl Irmak östlich
und nordwestlich von Angora und schliesslich auf dem für
Weinbau so vorzüglich geeigneten vulkanischen Boden der
Hänge des Erdjias Dagh. Auch Amasia, Tokat und Trapezunt
produzieren einen geschätzten Wein.
Von den Türken wird am meisten die sog. Tschausch-
Rebe angebaut, die zwar vorzügliche Tafeltrauben liefert,
aber für die Weinfabrikation nicht geeignet ist. Von den
Armeniern werden daher meist andere Sorten angepflanzt.
Von der Dette Publique, die von der Weinproduktion eine
Abgabe von 15 % geniesst, hat der Weinbau eine lebhafte
Förderung erfahren, so ist in Erenköi, unweit von Skutari,
unter der Leitung des Deutschen Eckerlin eine Rebschule
errichtet worden, die geeignete amerikanische Reben anschult
und unentgeltlich Schnittlinge zum Pfropfen an die anatolischen
WEINBAU. 61
Weinbauern abgiebt. Auch in Smyrna hat die Weingewinnung
durch eine deutsche Handelsgesellschaft eine wesentliche
Vervollkommnung erfahren. Der dort gewonnene Wein geht
zum Teil nach Ungarn und dient daselbst zum Verschnitt des
Tokayers usw.
Ein sehr erheblicher Teil der Weinernte des Wilayets
I Smyrna wird für die Herstellung der Rosinen verwendet»
die eine bevorzugte Stellung im Ausfuhrhandel Smyrnas
einnehmen. Die Trauben werden, um etwaige Fäulnis zu
verhindern, durch eine dünne Alkalilauge gezogen, getrocknet
und dann in Bastkörben oder Säcken nach Smyrna gebracht.
Die drei Hauptsorten des Handels sind die roten Eleme-
Rosinen, die schwarzen Rosinen und die Sultaninen.
Der Ernteertrag der roten Eleme-Rosinen ergab:
1899
Tschesme . . 60000 Kantar 52 000 Kantar ä 100 kg
Karaburun . . 40000 „ 32000
Vurla .... 38 000 „ 45 000
Die Preise für Vurla- Rosinen stellten sich im Jahre 1899
! auf 130 Piaster, die für Tschesme -Rosinen auf 165 Piaster.
Die Ernte der schwarzen Rosinen, die nicht besonders
gut ausgefallen war, wird auf 35 000 dz geschätzt. Die Preise
für diese Sorte, die hauptsächlich nach Frankreich und
Deutschland ausgeführt wird, betrugen 24 bis 34 Piaster
für I dz.
Von Sultaninen wurden 600000— 630000 Kantar bei der
letzten Ernte eingebracht gegen 450000 K. im Jahre 1898
und 580000 K. im Jahre 1897. Gute Sorten erzielten 80 bis
100 Franken, niedere Sorten 50—60 Franken für 100 kg
fob Smyrna. Die Ausfuhr richtet sich in erster Linie nach
j England und dem europäischen Kontinent, an zweiter Stelle
I stehen die Vereinigten Staaten und Australien.
i Im Anschluss an die Weinproduktion sei noch die Ge-
winnung des Mastix, des Harzes von Pistacia lentiscus^
n
62 in. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
erwähnt, das für die Insel Chios eine gewisse Bedeutung
besitzt. Das Harz wird in der Levante gern dem Wein und
vor allem dem Rakyschnaps zugesetzt, daneben wird es von
den orientalischen Frauen zur Erhaltung der Zähne viel ge-
kaut. Die Ausfuhr ist sehr zurückgegangen, seitdem der
Mastix in der europäischen Lackfabrikatic«! keine Verwendung
mehr findet, sie bezifferte sich 1895 auf 2400, 1896 auf 1900,
1897 auf 1600 und 1898 auf 1700 dz. Die Preise sind gegep
früher auf V3 gesunken,
Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die
Bodennutzung in Anatolien in den verschiedenen Zweigen
des Betriebes fast durchweg reiche Erträge erzielt trotz un-
zulänglicher Ackergeräte, trotz mangelhafter Kultur und
unrationellen Wirtschaftsbetriebes. Es ersteht unwillkürlich
die Frage: welche Entwickelung vermag dieses Land zu
nehmen, wenn es sich die technischen und wirtschaftlichen
Errungenschaften der westeuropäischen Zivilisation zu eigen
gemacht haben wird!
Der Weg ist lang, ein dereinst hochkultiviertes Land
nach jahrtausendjähriger Stagnation und Vernachlässigung
wieder auf die gleiche Höhe zu heben; er ist aber nicht un-
gangbar, das haben die überraschenden Erfolge gezeigt,
welche die Franzosen unter ganz analogen Verhältnissen in
einer kurzen Zeitspanne in der Regentschaft Tunis und die
Österreicher in Bosnien und in der Hercegovina erzielt haben.
Die Erschliessung Kleinasiens durch das vollendetste Verkehrs-
mittel der Gegenwart, die Eisenbahn, macht schnelle Fort-
schritte, und schon greift der anatolische Bauer nach dem
vervollkommneten Ackergerät, das ihm eine fremde Hand
wohlwollend darreicht. Noch gilt es, den Gegensatz zwischen
Orient und Qccident, wie er lange in schroffer Form bestanden
hat, zu überbrücken und die im Volke schlummernden guten
Kräfte zu wecken. Dieses Vorhaben wird und muss gelingen,
denn im anatolischen Landvolke steckt ein gesunder Kern,
KOLONISATION. 63
und die alte hohe Mauer, die der Islam gegen Westen er-
richtet hat, wird der alles nivellierende und in seinen Bann-
kreis ziehende Verkehr langsam aber sicher niederlegen.
Für Deutschland erwächst die Aufgabe, den bisher ge-
wonnenen Vorsprung zu benutzen und Kleinasien in fried-
lichem Wettbewerb, der wechselseitig die deutschen wie
die türkischen Interessen fördert, immer enger und enger
an sich zu gliedern, denn die Entwickelung unserer heimischen
Verhältnisse weist uns mit zwingender Notwendigkeit darauf
hin, uns nicht nur aufnahmefähige Absatzgebiete für unsere
Industrieerzeugnisse, sondern auch solche Gebiete in greif-
barer Nähe zu sichern, die dank ihrer klimatischen Differen-
zierung in der Lage sind, wichtige Bedarfsartikel zu liefern^
die wir in der eigenen Heimat nicht zu erzeugen vermögen.
Im letzten Jahrzehnt ist die Frage einer deutschen
Kolonisation in Anatolien wiederholt zum Gegenstande
öflfentlicher Erörterungen gemacht worden, aber trotz der
immer und immer wieder von verschiedenen Seiten gegebenen
Anregungen nicht aus dem papierenen Zustande der Vor-
schläge und Erwägungen herausgetreten.
Die Gründe dafür sind sowohl in den heimischen wie
in den orientalischen Verhältnissen zu suchen. Einflussreiche
Kreise unseres Grossgrundbesitzes, die schon in der Gegenwart
empfindlich unter dem Mangel an Arbeitskräften leiden, be-
fürchten von einem grossen Kolonisationsunternehmen in Ana-
tolien einen fühlbaren Abfluss der Arbeiterbevölkerung vom
flachen Lande und treten daher energisch gegen jede in
dieser Richtung zielende Bestrebung auf. Das durch seine
einflussreiche Stellung und grosse Erfahrung berufenste Orga»
für die erfolgreiche Durchführung eines umfangreichen
Kolonisationsplanes, die Anatolische Eisenbahn - Gesellschaft^
schreckt andererseits — und das ja nicht c^ne Grund —
vor der grossen moralischen und politischen Verantwortlich-
keit, die ein solches Werk in sich einschliesst, zurück und
(54 ni. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
zieht es vor, auf dem eingeschlagenen Wege unbeirrtweiter
zu schreiten und die Kräfte dem Ausbau des vorderasiatischen
Eisenbahnnetzes zu widmen.
Und das mit Recht! Denn wer nur einigermassen einen
Einblick in die rechtlichen und politischen Zustände der
Türkei, vor allen Dingen aber in die eigentümlichen ver-
wickelten Verhältnisse des Grundbesitzes gewonnen hat,
der wird den Gedanken einer deutschen Kolonisation in
Anatolien weit von sich weisen. In der Gegenwart zumal
hat die Türkei die deutlich ausgesprochene Tendenz, sich
in ihrem Volkstum auf der Grundlage des Islam in Asien
innerlich zu konsolidieren. Zu diesem Zwecke werden die
im Auslande lebenden Glaubensgenossen mit allen Mitteln
herangezogen und in den Provinzen der asiatischen Türkei
angesiedelt. Unter diesen Umständen muss der Gedanke an
eine fremdländische, nicht mosleminische Kolonisation in Klein-
asien, die in Gegensatz zu jener nationalen Kolonisation treten
und ein imperium in imperio bilden würde, als Utopie be-
zeichnet werden.
Für den Fortschritt Deutschlands im Orient würde es
einen grossen Gewinn bedeuten, wenn endlich einmal die
Propaganda für eine solche aussichtslose Kolonisation end-
gültig zum Schweigen gebracht würde; denn die Herren, die
in wohlgemeintem patriotischen Gefühl mit grossem Eifer, aber
leider eben so geringer Sachkenntnis für die Kolonisations-
ideen eintreten, ahnen nicht im entferntesten, wie schwer sie
dadurch gerade die deutschen Interessen in der Türkei
schädigen. Sie spielen unseren lieben politischen Nachbarn,
die schon lange mit scheelen Augen auf unsere bisher er-
rungenen Erfolge blicken, leichtfertig scharfe Waffen in die
Handf die dazu dienen, das freundliche Einvernehmen Deutsch-
lands mit der Türkei zu trüben. Sobald ein derartiges Press-
erzeugnis erschienen ist, wird es eben von dieser freund-
nachbarlichen Seite schnellstens in türkischer Übersetzung
WALDWIRTSCHAFT. 65
dem Palais übermittelt. Hierbei wird natürlich der traduttore
gern zum traditore und — was sich textlich nicht hinein-
schmuggeln lässt, wird dann durch einen mündlichen Kom-
mentar ersetzt. — Eine Einkehr und Umkehr unserer
kolonialen' Kreise an dieser Stelle würde den Dank aller
derer finden, die wirklich deutsche Interessen in Kleinasien
vertreten.
Mannigfache Beziehungen zum landwirtschaftlichen Be-
triebe besitzt die Waldwirtschaft. Wenn auch Anatolien
das Opfer einer verständnislosen Waldverwüstung geworden
ist, so kommt der Waldnutzung doch immer noch eine ge-
wisse, nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Bedeutung zu.
Beträchtliche Flächen, vor allem in den gebirgigen Teilen
an der Peripherie der Halbinsel, sind noch mit hochstämmi-
gen Wäldern bestanden, während allerdings die Binnenland-
schaften ziemlich gründlich ihres Waldschmuckes entkleidet
worden sind.
Von Laubhölzern nehmen an der Waldbildung Anteil:
Platanen und Edelkastanien, die vorwiegend auf das Tiefland,
die unteren Berghänge und die Flussthäler beschränkt bleiben,
verschiedene Eichenarten, Linden, Ulmen, Buchen, meist
Rotbuchen, Eschen, Rosskastanien * und Birken; Pappel
und Weide sind die Charakterbäume des sonst waldlosen
Hochlandes im Innern. Die höheren Lagen sind bestanden
mit Tannen, Fichten, Kiefern — Föhre (Pinus silvestris)
und Schwarzkiefer (Pinus laricio), die meist in dem mageren
Nährboden verwitterten Serpentins wurzelt — Zedern und
Wacholder. Im Küstengebiet treten Pinien und Zypressen
mehr hervor. Eingesprengt in die Waldungen finden sich
grosse Bestände von Walnussbäumen, Lorbeer, Buchsbaum,
Myrte, Knoppereichen (Quercus Aegilops); Haselnussstauden
und Rhododendren bilden ein fast undurchdringliches Unter-
holz. Auf den Inseln finden sich die Kolophon liefernde
Pistacia terebinthus und im Südwesten und Süden der Halb-
Fitzner, Anatolien. 5
66 ni. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
iüsel der wichtige Storaxbaum (Liquidambar orientalis). Auf
dem Hochlande und in den Gebirgen gedeiht die wertvolle
Traganthstaude.
Durch besonderen Waldreichtum ist das Pontische Rand-
gebirge ausgezeichnet. Im Wilayet Trapezunt stehen die
waldreichen Kasas Trapezunt, Kerassunt und Samsun an erster
Stelle. Die Wälder der beiden erster en Kasas bedecken
eine Fläche von rund 4500 qkm und bestehen aus Eichen,
Ulmen, Kastanien, Buchen, Fichten, Tannen, Birken, Kornel-
kirschen und Buchsbaum. Im Gebiet von Samsun herrschen
Eiche, Ulme, Ahorn, Platane, Esche, Buche, Birke, Kastanie,
Fichte und Kornelkirsche.
Im Wilayet Siwas finden wir grössere Bestände, haupt-
sächlich im Norden, Nordosten und Nordwesten in den San-
djaks Tokad, Amasia und Karahissar-Scharki; in den tieferen
Lagen haben sehr starke Verwüstungen stattgefunden, sodass
sich geschlossene Wälder eigentlich nur noch im Hochgebirge
erhalten haben. In den Gebirgen des Sandjaks Amasia sind
die Südhänge mit allen Arten von Nadelhölzern — mit Aus-
nahme der Zeder — bedeckt, besonders steigen die Fichten
bis zu den höchsten Spitzen empor; auf den von Nieder-
schlägen mehr begünstigten Nordhängen herrschen Eiche und
Buche vor. Ähnlich zusammengesetzt sind die Waldungen
im Sandjak Tokad; in den Hochthälern treten hier an Stelle
der Koniferen Eichen und Buchen, wilde Kirsch-, Apfel- und
Birnbäume, tiefer folgen Nussbaumbestände, dann Kastanien,
Platanen und Zypressen.
Einen erfreulich grossen Waldbestand besitzt das Wilayet
Kastamuni, das alte Paphlagonien, in dem schätzungsweise
18000 qkm Waldungen vorhanden sind, die ihre Erhaltung
allerdings zumeist nur den ungünstigen Verkehrsverhältnissen
dieses Gebietes verdanken. Fast alle Gebirge sind noch be-
waldet, vor allem deckt den grossen Bergstock des Ala-Dagh
ein riesiger, kaum berührter Forst. In den einzelnen San-
J
WALDWIRTSCHAFT. 67
djaks setzen sich die Bestände etwa folgender massen zu-
sammen :
Kiangri: im Westen Eichen, Buchen, Kastanien, Ulmen,
Linden, Tannen; im Osten um die Stadt Kiangri fast
ausschliesslich Fichten, Tannen und andere Nadel-
hölzer, besonders Pinus silvestris.
Kastamuni: Eichen, Buchen, Linden, Föhren und Schwarz-
kiefern.
Boli: Eichen, Ulmen, Kastanien, Buchen, Linden und
Nadelhölzer.
»
Sinope: Eichen, Buchen, Kastanien, Linden, Tannen,
Föhren und Schwarzkiefern.
Die günstige Verkehrslage dieses Sandjaks ermöglicht einen
sehr lebhaften Holzhandel nach Konstantinopel, Smyrna,
Ägypten und Russland.
Das Wilayet Angora besitzt nur geringere Waldbcstände,
der grösste Teil seines Areals ist völlig holzarm, dagegen
ist das sich im Nordwesten anschliessende Sandjak Ismid
wieder reich an schönen grossen Beständen von Eichen,
Buchen, Fichten, Tannen und Nussbäumen, die eine ganz be-
trächtliche Holzausfuhr ermöglichen. Die türkische Marine-
Verwaltung beutet die grossen Wälder um Hendek für
SchifFsbauzwecke aus und hat in dem nahen Ismid ein See-
arsenal angelegt.
Auch das Wilayet Khodawendikiar verfügt noch über
ausgedehnte Waldungen; die Bestände der 5 Sandjaks sind:
Brussa: 7171 qkm, im Osten Eichen, Weissbuchen, Ka-
stanien, Ulmen, Fichten, Pistazien; im Westen Eichen,
Kastanien, Ulmen, Weissbuchen, Fichten, Föhren,
Schwarzkiefern, Tannen.
Ertogrul: 4148 qkm Eichen, Buchen, Kastanien, Weiss-
buchen, Fichten und Tannen.
Kjutahia: 5004qkm Eichen, Kastanien, Fichten und Tannen.
5*
G8 in. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
Afiun Karahissar: 3751 qkm Eichen, Fichten und Schwarz-
kiefern.
Karassi: 3371 qkm Eichen, Buchen, Weissbuchen, Fichten
und Tannen.
Für Bauzwecke dienen Eichen, Buchen, Fichten und
Tannen, als Brennholz werden die Nadelhölzer geschlagen,
die zahlreichen Köhlereien verwenden Buchen, Eschen und
Zweige des Nussbaums Als Gerbstoffe werden Fichten-
und Eichenrinden geschält und ferner grosse Mengen von
Haselnüssen, Kastanien, Bucheneckern und Eichenknoppern
«
(Vallonea) eingesammelt.
Die Walddecke des Sandjaks Bigha wird auf 1969 qkm
angegeben, die grosse Küstennähe gestattet eine leichte Aus-
beute. Die Eiche ist das herrschende Element, dann Fichten
und Tannen, weiterhin Buchen, Linden, Ulmen und Platanen.
Der grösste Wald ist der des Eschelik-Dagh mit 576 qkm.
Die Wälder des Wilayets Smyrna sind vielfach schon
recht gelichtet; die Bestände der 5 Sandjaks sind:
Smyrna: 1162 qkm Eichen, Pistazien, Aleppo - Kiefern.
Sarukhan: 703 qkm Eichen, Aleppo-Kiefern.
Aidin: 524 qkm Eichen, Aleppo-Kiefern.
Denislü: 1037 qkm Eichen, Aleppo-Kiefern, Schwarz-
kiefern, Wacholder.
Mentesche: 29 11 qkm Aleppo-Kiefern, Eichen, Pistazien,
Schwarzkiefern, Zedern, Storaxbäume.
Auf den Inseln des Archipels ist der Waldschmuck
meist längst geschwunden. Rhodos besitzt noch einen Nadel-
wald von 507 qkm, der aus Fichten und Zypressen gebildet
wird: er ist aber ohne alle Pflege und wird fortgesetzt durch
die Feuer der Hirten zerstört. Auf den übrigen Inseln findet
sich gewöhnlich nur niedriges, von den Ziegen zernagtes
Gebüsch von Lentiscus, Terebinthen, Myrten, Lorbeer, Erd-
beerbäumen usw., nur Mytilene besitzt noch einen kleinen
Wald von 22 qkm.
WALDWIRTSCHAFT. — HASELNÜSSE. 69
Im Wilayet Konia haben sich nur in den südlichen Rand-
gebirgen grössere Bestände von Eichen, Nussbäumen, Fichten
und Tannen, die im Gebiet von Adalia in starkem Raubbau
abgetrieben werden, erhalten; der grösste Teil der Provinz
ist dagegen sehr holzarm. Schliesslich sind im Süden die
schwer zugänglichen Teile des hohen Taurus im Wilayet
Adana noch mit ausgedehnten Waldungen bedeckt. Ihr
Areal beträgt etwa 4900 qkm, sie haben einen reichen Be-
stand an Fichten, Tannen, verschiedenen Eichenarten, Zy-
pressen, Birken, Nussbäumen, Zedern u. s. w., werden aber,
wo die Verkehrsverhältnisse es nur irgend gestatten, rück-
sichtslos ausgebeutet.
Die Waldnutzung ist im türkischen Reiche* noch durchaus
ungeordnet, nur wenige Forsten stehen unter staatlicher
Aufsicht, der ganze grosse Rest ist der verständnislosen
Willkür der Landbevölkerung preisgegeben. Jedermann
kann so viel Holz schlagen, wie ihm beliebt, wo und wann
er will; nur von dem zur Ausfuhr gelangenden Nutzholz
wird eine ziemlich hohe Abgabe erhoben. Der Holzkonsum
Anatoliens ist recht bedeutend; denn die meisten Wohn-
häuser sind in waldigen Distrikten ausschliesslich aus Holz
erbaut, dann dient Holz zur Feuerung und zur Herstellung
der meisten Geräte für Haushalt und Ackerbestellung. Den
gjössten Schaden aber richten die Hirten an, die alljährlich
viele Geviertmeilen prächtigsten Waldbestandes nieder-
brennen, um im kommenden Frühjahr eine fette Weide für
ihre Herden zu gewinnen.
Ein wichtiges Nebenprodukt liefern die pontischen
Wälder in den dort sehr zahlreichen Haselnüssen, die über
Trapezunt nach Triest, Marseille und Russland zur Ausfuhr
gelangen. Man unterscheidet zwei Gattungen, die länglichen
(Sivri) und die runden Früchte (Tumbul), die aber nur im
Hauptproduktionsbezirk Kerassunt geschieden werden, im
übrigen Gebiet kommt die erstere Gattung seltener vor.
70 ni. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
Die Haselnüsse werden meist von den Produzenten getrocknet,
hingegen von den Händlern ausgeschält und geschwefelt,
um ihnen das im Handel übliche safranähnliche Gelb zu ver-
leihen. In den Handel kommen nur geschwefelte Nüsse.
Die Trapezunter Handelshäuser befassen sich nur mit dem
Einkauf, der Verkauf erfolgt gewöhnlich in den Triester
Depots, seltener in Marseille. Der Ernteertrag bezifferte
sich 1898 auf 21840000 kg und 1899 ^^^ 14952000 kg;
Kerassunt allein lieferte in beiden Jahren je 6 720 000 kg.
Ein anderes Produkt, der Gummitraganth, wurde
früher viel in Deutschland und Frankreich in den Apfpretur-
anstalten verwendet, ist dort aber jetzt meist durch das
billigere Dextrin verdrängt worden. Ausgeführt wurden im
Jahre 1898 4713 Sack (der Sack durchschnittlich 70 bis 80
Oka netto), davon über Konstantinopel 3313 Sack, über
Smyrna 800 Sack und über Mersina 600 Sack.
Das Sammeln und Zubereiten der K noppern (Vallonea)
beschäftigt gleichfalls zahlreiche Hände. Die Ernte findet
in den Monaten Juli und August statt, die Hauptmasse der-
selben fliesst in Smyrna zusammen und wird von dort ex-
portiert. Im Wilayet Smyrna selbst werden im Durchschnitt
565 000 000 kg im Werte von 16 Millionen Franken ein-
gebracht.
Bergbau. Die Kenntnis des geologischen Aufbaues der
Halbinsel ist in der Gegenwart bei weitem noch nicht ge-
nügend, um ein begründetes Urteil über die Mineralschätze
des Landes aussprechen zu können, doch stellt nach Nau-
mann *) die allgemeine geologische Beschaffenheit der Auf-
*) Die wichtigste Quelle ist: Dr. E. Weiss, Über Bergbaubetrieb und
Mineralvorkommnisse in der Türkei. Bern 1889. Ferner hat Prof. Edm.
Naumann in seinem grossen Reise werke „Vom goldenen Hörn zu den
Quellen des Euphrat" S. 441 — 448 eine sehr übersichtliche Darstellung der
Mineralschätze Anatoliens gegeben. Ich folge hier im wesentlichen diesen
Darlegungen.
BERGBAU. — MEERSCHAUM. 71
findung neuer Lagerstätten ein keineswegs ungünstiges Pro-
gnostiken. Wenn auch weite Landstriche von Decken jüngerer
sedimentärer Gesteine verhüllt werden, so steht das Urge-
birge an vielen Orten, besonders in den peripherischen
Landesteilen an, und an den Innenrändern der grossen Fal*
tungsbögen ist, wie wir oben gesehen haben, vulkanisches-
Gestein in gewaltiger Menge emporgequollen; eine ein-
gehende geologische Untersuchung dieser Gebiete hätte wahr-
scheinlich Aussicht, wichtigere Erzlager nachweisen zu können.
Eine besondere Eigenart der kleinasiatischen Halbinsel
bietet das Vorkommen von Meerschaum, Pandermit und
Chromeisen, die in aussergewöhnlich grofsen Lagern auf-
treten, wobei sich Meerschaum und Chromeisen an den weit
verbreiteten Serpentin gebunden zeigen; ihre Entstehung
kann mit grosser Wahrscheinlichkeit auf die gleichen geolo-
gischen Vorgänge zurückgeführt werden.
Der Meerschaum, kieselsaure Magnesia als Umbildungs-
produkt aus Serpentin (kohlensaurer M.), besitzt in Anatolien
ein grosses Verbreitungsgebiet, dessen Mittelpunkt die Stadt
Eskischehir ist, in der sich der ganze Handel mit diesem
Mineral konzentriert. Am Südrande des Pursak-Thales wird
schon seit dem Altertum Meerschaum in einfachem Gruben-
bau gewonnen, seitdem hat die Art der Förderung, keine
Verbesserung erfahren. Die Schächte sind bis 70 m tief,
zur Einfahrt dienen in die Wände gehauene schmale Stufen.
Unglücksfalle durch Absturz in die Tiefe oder durch
Einbruch der nicht gestützten Gesteinsmassen sind unter der
aus Abenteurern und Verbrechern bestehenden Arbeiter-
schaft sehr häufig.
Die Gruben sind Eigentum der Regierung, welche deren
Betrieb an Unternehmer überlassen hat; die Einnahmen
sollen sich auf die Summe von 2500 Pfund im Jahre be-
schränken. Das rohe Material wird nach Eskischehir ge-
bracht-, dort in besonderen Werkstätten gereinigt, für
72 in. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
den Versand bearbeitet und von den Händlern nach der
Grösse sortiert. Die vier üblichen Sorten sind: Seralamy
oder Lager, von denen 25 bis 40 Stück in eine Kiste von
15 kg Nettogewicht gehen, Biribirtik oder Grossbaumwolle
(100 bis 150 Stück), Pembeli oder Kleinbaumwolle (200 bis
250 Stück) und Dokme oder Kasten (450 bis 1500 Stück
auf eine Kiste). Sodann wird das Mineral getrocknet, was
grosse Vorsicht erfordert, geschnitten und poliert.
Die einst sehr gewinnbringende Produktion hat viel ver-
loren, seitdem der Gebrauch von Pfeifen und Zigarrenspitzen
aus Meerschaum in Europa ausser Mode gekommen ist und
Nordamerika, das früher ein grosser Abnehmer war, nicht
nur die Einfuhr durch hohen Zoll erschwert hat, sondern
auch in einer australischen Holzart ein dem Meerschaum
ähnliches Surrogat gefunden hat. Die feineren Sorten werden
gegenwärtig nach Frankreich und zum Teil nach Nord-
amerika, die mitttleren nach Oesterreich-Ungarn und die ge-
ringste Ware nach Deutschland ausgeführt, wo das kleine
Dörfchen Ruhla im Thüringer Wald seit der Mitte des
18. Jahrhunderts eine blühende Industrie in Rauchutensilien
aus Meerschaum betreibt.
Auf der Anatolischen Eisenbahn gelangt jetzt die ganze
Produktion, die früher durch Kamelkarawanen nach Ismid
transportiert wurde, zur Verfrachtung; dieselbe betrug:
1892: 104632 kg 1896: 205273 kg
1893: 224498 „ 1897: 193 130 „
1894: 256989 „ 1898: 183 148 „
1895: 186 512 „
An Bedeutung hinter dem Meerschaum zurück steht das
Pandermit genannte Bormineral, das vor etwa 20 Jahren
in den Provinzen Brussa und Bigha durch einen Zufall entdeckt
wurde. Die wichtigste Fundstelle befindet sich bei Sultan-
tschair im Sandjak Karassi und wird von der 1887 ge-
gründeten „Compagnie du borax", welche gegen 200 Ar-
PANDERMIT. — STEINKOHLEN. Tg
beiter beschäftigt, ausgebeutet. Für ein anderes, bei Demir
Kapu gelegenes Lager ist eine Konzession an Fuad Pascha
•erteilt worden. Die Grube von Sultantschair arbeitete an-
fanglich mit sehr hohem Verdienst, da der europäische
Konsum aber nur sehr gering ist (etwa 6000 Tonnen jährlich),
so musste die Förderung bald eingeschränkt werden.
In Begleitung seines Muttergesteins, des Serpentins, tritt
der Chromeisenstein an zahlreichen Punkten Kleinasiens
auf. Das wichtigste Lager ist wohl das von Prof. Naumann
näher untersuchte Vorkommen von Däghardi im Süden des
Bithynischen Olymps. Der gesamte Erzvorrat lässt sich
auf rund 10 Millionen Tonnen veranschlagen, doch ist die
Verkehrslage sehr ungünstig. Neuerdings ist der Transport
•durch Benutzung der Anatolischen Eisenbahn nicht im-
ivesentlich erleichtert worden, auf der im Jahre 1898
15874836 kg zur Verladung gelangten. Das Erz enthält
50 — 55 % Chromoxyd und wird vorwiegend nach England
Terschifft.
Im Wilayet A'idin wird bei Makri an der Südküste
durch die Firma J. B. Paterson u. Cie. in Smyrna ein Lager
ausgebeutet; die jährliche Produktion beträgt gegen 20000
Tonnen Chromerz und 350 Tonnen Mangan. Weitere Lager
befinden sich im Sandjak Isbarta, ferner im Gebirge bei
Adalia, dann im Sandjak Bigha bei Bunarbaschi, Kemali,
Demrek und Hissardschi, wie an vielen anderen Orten der
Halbinsel.
Von g^össter Wichtigkeit für das Land wie überhaupt
für die Türkei ist das Vorkommen von Steinkohlen an
der pontischen Küste. Die produktive Steinkohlenformation
tritt im Gebiet von Erekli zu Tage und begleitet die Küste
in einem etwa 10 km breiten Streifen, dessen Ostgrenze
noch nicht sicher bekannt ist. Die Gruben, welche etwa
120000 Tonnen im Jahre liefern, unterstehen dem türkischen
Marineministerium. Der Abbau erfolgt in primitivster Weise
74 ni. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
durch Kroaten, denen die Regierung für den Kantar ge-
förderter Kohle 37-2 Piaster zahlt. Die meisten Gruben be-
finden sich bei den Dörfern Koslu und Sungul-Dagh; der
oberflächliche, unrationelle Betrieb hat gewöhnlich zur Folge^
dass die Gruben bald ersaufen, worauf die Arbeit an einer
anderen bequemeren Stelle wieder in Angriff genommen
wird. Seit einigen Jahren sind mehrere kleinere Konzessionen
an französische Unternehmer vergeben worden.
Eine sorgfältige Bewirtschaftung dieser reichen Natur^
schätze, deren örtliche Ausdehnung zur Zeit noch nicht
einmal festgestellt ist, würde zu einer grossen, sicheren Ein-
nahmequelle für den türkischen Staatssäckel werden. Die
Erweiterung des Eisenbahnnetzes und der sich steigernde
Schiffsverkehr drängen mit zwingender Notwendigkeit darauf
hin, dass hier gründlicher Wandel geschaffen wird. Diese
grossen Kohlenflöze von Erekli haben einen um so höheren
Wert, als die dort geförderte Kohle von guter Beschaffen-
heit ist und der englischen Kohle an Heizkraft wenig
nachsteht.
Auch an anderen Stellen Anatoliens sind noch Kohlen-
lager erschürft worden, doch handelt es sich dabei aus-
schliesslich um tertiäre Braun kohlenflöze. Bei Soma werden
für den Lokalbedarf der Fabriken von Soma, Kirkaghatsch,.
Kenik und Bergama jährlich etwa looo Tonnen Kohle ge-
wonnen, im Kasa Milas ist eine weitere Konzession ver-
liehen, und eine Grube des Kasa Sögüd liefert das Brenn-
material für die Seidenspinnereien von Biledjik, Sögüd und
Köplü. Ferner ist das Vorkommen von Kohle im Wilayet
Siwas etwa 60 km südwestlich von Tokad nachgewiesen
worden.
Von Erzen finden sich ausser dem vorerwähnten Chrom-
eisen namentlich Blei, das durch einen gewissen Silber-
gehalt veredelt ist, Kupfer und Mangan, daneben Arsen^
Antimon, Wismut, Zink.
BLEI. 75
Silberhaltiges Blei wird an vielen Orten abgebaut,
ein grosser Teil der Minen ist aber nach unregelmässigem
Betriebe wieder aufgelassen worden. Im Wilayet Brussa
wird die reiche Mine Hodscha Gümüsch seit 1882 von der
„Societe Hellene des Usines de Laurium" ausgebeutet; die
Gesellschaft, welche 400 Arbeiter beschäftigt, produziert
jährlich etwa 4000 Tonnen Erze, die 40 — 50 % Blei und
1800 — 2500 g Silber auf die Tonne enthalten. Im Sandjak
Bigha ist für das Vorkommen von Derindere, etwa 16 km
von Lampsaki, einem englischen Syndikat eine Konzession
erteilt worden.
Die reichsten Ergebnisse lieferte bisher die staatliche
Mine von Bulghar Dagh (im Wilayet Konia), die jährlich
10 Oka Gold und 1500 Oka Silber brachte, und das be-
nachbarte Bergwerk Bereketli Maaden. Diese beiden Minen
hatten bisher erheblich unter der Ungunst der Verkehrs-
verhältnisse zu leiden, sie werden nach dem erfolgten Ausbau
der Anatolischen Eisenbahn sicher eine wesentliche Steigerung
ihrer Produktion, die dann billig an die Küste gelangen
kann, erfahren.
Ein weiteres wichtiges Vorkommen wird im Wilayet
Siwas bei Lidjessi durch die englische „Asia Minor Mining
Company" abgebaut. Die jährliche Produktion beträgt
1500 Tonnen Erze, die über Kerassunt nach England zur Ver-
schiffung gelangen. Ausser Betrieb sind in diesem Wilayet
die Minen von Gümüsch-Beli, Subah, Gümüsch-Hadjikiöi und
Tavschan Dagh, die beiden letzteren im Sandjak Amasia.
Auch die im Wilayet Angora belegenen staatlichen Minen
von Ak-Dagh-Maaden, Denek-Maaden und Elma-Dagh sind
nach kürzerem Betrieb wieder aufgelassen worden. Die
Minengänge des ehemaligen grossen Staatsbergwerkes von
Gümüschfaane („Silberstadt") sind zum grössten Teil ersoffen;
eine Privatgesellschaft hat zwar den Betrieb wieder aufge-
nommen, jedoch keine nennenswerten Erfolge erzielt.
76 in. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
Kupferbergbau wird in Kleinasien bereits seit dem
Altertum getrieben; berühmt ist das grosse Lager von
Arghana Maaden nahe den Tigrisquellen, das dort gewonnene
Schwarzkupfer wird durch mühseligen Kameltransport nach
dem über 400 km entfernten Tokad gebracht und dort
raffiniert. In der Nähe dieser Stadt selbst ist ein reiches
Lager von Kupferglanz erschürft worden, wird aber, soweit
bis jetzt bekannt, noch nicht abgebaut Ferner finden sich
zahlreiche alte Minen im Küstengebiet von Trapezunt, deren
Betrieb aber meist wieder eingestellt worden ist; ebenso ist
die staatliche Mine von Mualitsch im Wilayet Angora auf-
gelassen worden. Vielversprechend scheinen die Minen von
Kalabak bei Balikesri zu sein, doch ist über deren Betrieb
z. Zt. nichts Näheres bekannt.
Manganerze finden sich besonders im pontischen
Küstengebiet. Im Wilayet Trapezunt ist einer russischen
Gesellschaft die Konzession für die Mine von Sürmeneh ver-
liehen, dagegen sind die Mine von Aptal westlich von Ke-
rassunt und die von einem Griechen Kyriako Mavrides aus-
gebeuteten Minen von Küdje, Kulpar, Ilit, Tschefuikiöi, Kara-
dere und Ada Piki infolge ungünstiger Konjunktur aufge-
lassen worden.
Im Sandjak Ismid ist 1 1 km von Kurt Belen eine kleine
Mine in Betrieb, und im Sandjak Bigha wurde das Vor-
kommen von Mangan bei Ischiklar, Osman Tepe, Tschamli,
Köprü Baschi und Ras Burnu nachgewiesen. Im Wilayet
Smyrna findet sich ein Vorkommen bei Makri, weitere Fund-
orte sind im Wilayet Konia bei Adalia im Gebirge und im
Sandjak Isbarta erschürft worden.
Antimon wird in der Mine von Ödemisch (Wilayet
Smyrna), die jährlich gegen 1000 'f'onnen fördert, imd in
Irvindi bei Balikesri gewonnen. Die Inseln Samos, Chios
und Imbros produzieren gleichfalls geringere Mengen.
SCHWEFEL. — SALZ. 77
Schwefel ist bei Kaie Sultanie (Bigha) und bei Allakten
(Wilayet Smyrna) nachgewiesen worden, sein Vorkommen
ist wie auch das von Arsen und Wismut aber nur von
untergeordneter Bedeutung.
Ein Kleinasien eigentümliches Mineral ist Schmirgel,
von dem jährlich 8 — loooo Tonnen zur Ausfuhr gebracht
werden. Die bedeutendvSten Lager befinden sich in der Um-
gebung von Smyrna: Karasu, Tyra, Ayassoluk, Sokia,
Kuluk, Milasso und Kusch Adassi, daneben auch auf den Inseln
Nikaria, Chios und dem griechischen Naxos.
Das Land besitzt einen erfreulichen Reichtum an Salz,
das auf verschiedene Art gewonnen wird: durch Abbau von
Steinsalzlagern, durch Einsammeln der Ausscheidungen aus
Solquellen und abflusslosen Seebecken und durch Anlage
von Meeressalinen, letztere nur an der Küste des Ägäischen
und des Mittelmeeres.
Die wichtigsten bekannten Steinsalzvorkommen liegen
im Becken des Kysyl Irmak zu beiden Seiten des Stromes,
der seinen antiken Namen Halys den ihm zufliessenden Aus-
laugungen aus jenen Lagern verdankt. Auf seinem linken
Ufer finden wir im Kasa Kotsch-Hissar des Wilayets Siwas
das erst seit 1889 erschlossene Bergwerk von Tuz-Hissar
(Salzburg), das anscheinend ziemlich reich ist, dann etwa
35 km nordöstlich von Newschehir die ausserordentlich be-
deutenden und ergiebigen Lager von Tuz-Kiöi (Salzdorf)
oder Hadji Bektasch, deren Bänke bis zu 40 Fuss mächtig
sind, die aber unregelmässig abgebaut werden. Die jähr-
liche Produktion beträgt rund i 850000 kg. Im Norden folgt
das etwa 2 Stunden südöstlich von Tschangry gelegene
grosse Salzbergwerk Maragasch oder Maghara bei dem Dorf
Balibagh, das bereits seit dem frühen Mittelalter ausgebeutet
wird und jährlich gegen 2500000 kg Salz liefert. Der Preis
des Kilos ist 23 Para. Das Hangende des Salzlagers, das
sich von Maragasch aus je 6 Stunden in nördlicher, west-
78 IIL DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
Msher und ösdicfaer Richtung erstrecken soll, ist an der Auf-
schlossstelle roter Sandstein. Der Bergwerksbetrieb ist nach
europäischem Muster eingerichtet.
Die bedeutenderen Sakbergwerke auf der rechten Halys-
seite sind Tepessi-delik, etwa 2 Stunden östlich von Kirsche-
bir, wo die Lager in 40 bis 45 m Tiefe erschlossen sind, mit
einer Jahresproduktion von 700000 kg, femer Sekilo, halb*
wegs zwischen Angora und Yusgad am Delidje Irmak, ein
sehr reiches Lager, das erst oberflächlich abgebaut wird und
jährlich über 1 000000 kg liefert, und schliesslich das Berg-
werk von Tschayankiöi, etwa 30 km nördlich von Sungurlu,
das mit 250000 kg nur eine geringe Ausbeute giebt.
In ursächlichem Zusammenhang mit diesen Steinsalz-
lagern steht jedenfalls das Vorkommen einer Reihe von
Solquellen, von denen ein grosser Teil zur Salzgewinnung
ausgebeutet wird. Im Wilayet Siwas liefern die Solquellen
von Tschakri, Djedid, Stargon, Stamo, Djirit, Djelleli, Fad-
lum, Ischhane, Bingöl, Mardabasch, Jenidje, Tuz-Hissar (im
Süden), Pilidj, Bederli und Finese jährlich 8 bis 10 Millionen
Kilogramm Salz. Aus dem Wilayet Angora sind zu nennen
die Solquellen von Aktsche Kuyulu (mit 600000 kg jähr-
licher Produktion), Sarikaya (500000 kg), Djogul (500000 kg),
AH Baba (300000 kg) und Budjuk (250000 kg). Im Wilayet
Kastamuni produzieren zwei Solquellen in der Umgebung
von Iskelib 3 Millionen Kilogramm, die Quelle von Burga,
etwa 25 km von Iskelib, i Million Kilogramm, die von Taitah
150000 kg und die drei Borne von Yalu gegen 230000 kg.
Daneben liefern auch die abflusslosen Binnenseeen in ihren
sommerlichen Ausscheidungen am Rande der Becken eine
reiche Salzernte. So werden aus dem grossen Tuz TschöUü
in der Nordostecke der Lykaonischen Senke, der vom Mai
ab auszutroknen beginnt und gegen den Herbst hin eine 40
bis 60 mm starke Salzdecke auskr y stall isiert hat, über
20 Millionen Kilogramm Salz mühelos gewonnen. In ahn-
SOLQUELLEN. — SALINEN. 79
licher Weise werden die Salzsümpfe Suldan Saz und Tschibuk
Saz am Fuss des Erdjias Dagh wie auch andere abflusslose
Binnenbecken in beschränkterer Weise ausgebeutet.
Im gleichen Verfahren, wie dies im ganzen Mittelmeer-
becken geschieht, wird auch an der Küste Kleinasiens Salz
unmittelbar aus dem Meeres wasser gewonnen. Dies ist jedoch
nur im Bereich des Mittelmeeres und der Agäis möglich,
nicht dagegen im Schwarzen Meer, dessen Wasser durch die
in das Becken sich ergiessenden grossen Ströme wie Donau,
Dniepr, Don u. a. und durch reichliche Niederschläge wie
auch zufolge einer geringeren Verdunstung zu stark ausge-
süsst wird. An der Westküste der Halbinsel sind solche
Salinen eingerichtet worden am Golf von Adramiti zu
Behramkiöi, auf der Stadtstelle des antiken Assos, südlich
von Aivadjik, mit einer Jahresproduktion von 1V2 Millionen
Kilogramm, und zu Aivali in dem durch die vorgelagerten
Moskonisi geschützten Südwestwinkel des Golfs mit 2V2 Mil-
lionen Kilogramm; ferner auf der Halbinsel Phokia und um
den Golf von Tschandarli an 6 Punkten: Tschamalty mit
45 Millionen Kilogramm, Adatepe mit 18 Millionen Kilogramm,
Panaya Burun und Ali-Agha mit je 3 Millionen Kilogramm,
Tschandarli mit 5 Millionen Kilogramm und Kusch Adassi
mit 200000 kg jährlicher Erzeugung; schliesslich am Golf
von Mendelia beif Mentesche mit 2 Millionen Kilogramm. —
Mytilene besitzt zwei Salinen bei Poliknitos und im Golf von
Kalloni, in denen 2 Millioq[en Kilogramm Salz gewonnen
werden; auch auf Lemnos befindet sich eine Einrichtung für
Salzgewinnung. Die felsige Küste des anatolischen Süd-
randes ist für die Anlage von Salinen wenig günstig,
nur in den Strandlagunen, die dem durch die vereinte
Thätigkeit des Strompaares Seihun und Djihan aufge-
schütteten Schwemmlande Kilikiens eingebettet sind, wird
eine Jahresausbeute von 2 bis 2 V2 Millionen Kilogramm See-
salz erzielt.
80 in. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
Das Vorkommen des für den menschlichen Haushalt
minder wichtigen Alaun ist von Bedeutung nur in der näheren
Umgebung der Stadt Karahissar-Scharki im Wilayet Siwas^
die danach auch den Namen Schabio Karahissar (Alaun-
Schwarzburg) führt. Das anscheinend ausgedehnte Lager
wird wenig abgebaut.
Gyps findet sich an vielen Orten und ist besonders im
Norden des Hochlandes verbreitet, auch Kaolin tritt hier
und da auf. Die zum Entfetten der Schafwolle viel be-
nutzte Walk er de steht im Wiläyet Angora in mächtigen
Ablagerungen an; ähnlich wie diese Erde wird der Seifen-
stein zur Reinigung der Wäsche und im Bade allgemein
benutzt und weithin verhandelt. Die im Altertum und Mittel-
alter wegen ihrer angeblichen Heilkraft berühmte lemnische
Siegelerde (Terra sigillata) wird heute nur noch zur Her-
stellung von gelbroten Farben und zum Schnitzen von kleinen
Vasen benutzt. Die Produktion auf Lemnos ist nur gering.
Baumaterialien liefern die Gebirge Kleinasiens in
reichster Fülle. Der bevorzugte Baustein ist Kalk, der an
dem geologischen Aufbau der Halbinsel vom Devon bis zum
Tertiär den weitaus grössten Anteil hat, daneben Sandstein,
an manchen Orten auch Granit und Basalt. Auch der edelste
Baustein, der Marmor, der schon für die Bauten und Skulp-
turen des Altertums das Material geliefert hat, ist an vielen
Orten in grossen Lagern vorhanden. Geradezu unerschöpf-
liche Marmorbrüche besitzt die Insel Marmara, der das Ge-
stein den Namen gegeben hat; sie werden in der Haupt-
sache für Kpnstantinopel ausgebeutet, wo man den schönen
weissen Baustein überall antrifft. Die phrygischen Marmor-
brüche des alten Synnada in der Umgebung des heutigen
Afiun-Karahissar sind in neuerer Zeit wieder in Betrieb ge-
nommen worden; sie liefern einen weissen, buntgeaderten
Marmor, der im Altertum sehr geschätzt war. Nennenswerte
Marmorbrüche' befinden sich ferner auf den Inseln Chios
MARMOR. — THERMEN. gl
(farbig), Leros (weiss), Karpathos und Imbros. Bei Nigde im
Wilayet Konia wird ein bunter Marmor (blau, schwarz und
weiss) gebrochen, im Sandjak Tokad finden sich 'Lager von
Cipolin; zahlreiche andere Fundstellen haben wegen der un-
günstigen Transportverhältnisse eine nur rein lokale Be-
deutung.
Wie schon an früherer Stelle (S. 3) ausgeführt, ist die
kleinasiatische Halbinsel im geologischen Werdegang von
zahlreichen Bruchlinien durchsetzt worden; in diesen tief
niedersetzenden Spalten sind zahllose heisse Quellen
emporgestiegen, die, dem Verlauf der grossen tektonischeh
Leitlinien folgend, in der Hauptsache longitudinal von Westen
nach Osten angeordnet sind. Auf seinem Wege in die Tiefe
hat das Wasser seine Temperatur erhöht und dann beim
Aufstieg mit verstärkter Lösungskraft zahlreiche mineralische
Beimengungen in sich aufgenommen. So sehen wir viele mit
Eisen, Kochsalz, Schwefel oder Kohlensäure gesättigte Quellen
emporsprudeln.
Auf der Bithynischen Halbinsel geniessen die Mineral-
quellen von Tavschandjil und . Daridja einen Ruf als heil-
kräftige Wasser, und auf der anderen Seite des Golfes von
Ismid steigen die bereits im Altertum benutzten, sehr stick-
stoffreichen Schwefelthermen von Yalowa (+ 60^ C)
auf. Ahnliche Thermen finden sich im Sandjak Ismid bei
Kusilik, Tharakiy, im Ilidjathal und in der Umgebung von
Geiwe.
Ausserordentlich reich an Thermen ist die von zahllosen
Spalten durchsetzte westliche Abdachung der Halbinsel, vor
allem der Norden. Am berühmtesten sind die heissen Schwefel-
quellen von Brussa, welche die herrlich am Fuss des Mysischen
Olymps . gelegene Stadt zu einem viel besuchten Badeort
gemacht haben. Die Kükürdli-Thermen haben eine Tempe-
ratur von 83,30, Bademli Baghtsche 84,4 0, Kara Mustafa
Pitzner, Anatolien. g
g2 in. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
52,80, Tschekirje 45 und Giöz-Ayasma 45 0.*) Die Quelle
von Tschitli, etwa 60 km südöstlich von Brussa, zeigt einen
namhaften Gehalt von doppeltkohlensaurem Natron (4,506 g
auf I Liter), ihr Wasser (14^) wird weithin verschickt. Ihr
nahe steht die etwas wärmere (26 o) Quelle von Bakmadja,
während die am Fuss des Olymp entspringende Quelle von
Terdje eisenhaltig ist.
Aus dem im Südwesten sich anschliessenden Sandjak
Karassi seien hier kurz genannt die Quellen von Yilanlar
(Eisensulphat, Temperatur 60 0), Eftelet (40O), Hozludja {80%
Sultantschai'r (60^), Omerkiöi (38"), Scheikhler, Günan (40®),
Singherli, Seitun- adassi, kleine Insel vor der Stadt Erdek,
Ludja (40 0), Frenk (20 bis 30 0;, Aktsche (60 o), Yürük (45O),
Hissar und Osmanlar. — Im Bezirk Bigha haben wir die aus
Trachytfelsen hervorbrechenden, 38 bis 47,5 ^ warmen Quellen
des Ilidjathals und die mit einem starken Strahl aus dem
Felsen schiessende Salzquelle bei dem Orte Tuzla; ihre
Temperatur ist ausserordentlich hoch, sie beträgt schon an
der Oberfläche 85 bis loo^ demnach mehr als die des
grossen Geysirs auf Island.
Auch im Wilayet Ai'din steigen zahlreiche Thermen zur
Oberfläche, so nördlich von Bergama, dem alten Pergamon,
zwischen Kirkagatsch und Gelembe, bei Tscheschme (Schwefel
und Salz 57 o), Ilidja, Kenik, Ayasmend, bei Sardes, Alaschehir,
Aidin, zwischen Scala Nuova und Sokia, bei Ortaksche,
De'irmendjik, Khonas, Derekiöi, Pambuk Kalessi und Mugla.
— Besonders merkwürdig sind die Thermen von Pambuk-
(auch Tambuk-)Kalessi, nördlich von Denislü auf der rechten
*) Analysen dieser Quellen finden sich in Sillimans American Journal
of Science 1851 Bd. XII (durch Lawrence Smith); bei Grisebach, Reise
durch Rumelien und nach Brussa, Göttingen 1841; Rigler, Die Türkei
und ihre Bewohner, Wien 1852; v. Tschichatscheff, Asie mineure.
Phys. terr. Cap. VII; v. Fritsch, Acht Tage in Kleinasien. Mitt. Ver. f.
Brdk. Halle 1882.
THERMEN. — BERGGESETZ. 83
Uferhöhe des Mäander über den Ruinen des alten Hiera-
polis, deren starke Sinterbildungen die Berghänge in den
bizarrsten Formen überkrustet haben.
Im Innern des anatolischen Hochlandes sehen wir die
Punkte, an denen Thermen aufquellen, vorzugsweise randlich
in Linien angeordnet, während sie in der Mitte seltener auf-
treten. Die wichtigeren sind im Wilayet Kastamuni die
Quellen von Boli, Düsdje, Tschitak und Parli, im Wilayet
Angora die Schwefelthermen von Tschorba Segh-Hanimam
<460) und Kisildjilar (42,5 o), Beybasar, Japan- Hammam und
Servili, im Wilayet Siwas Soguk Thermik, Sidjak-Th., Uyuk-
Th., Yilanli-Th., Khavza, Khawsna und Sulu-Serai beim alten
Nikopolis. Nähere Untersuchungen aller dieser Quellen
liegen noch nicht vor.
Nachteilig wirkt auf die Entwickelung des Bergbaues
in Kleinasien neben den ungünstigen Transportverhältnissen
auch der Mangel an unternehmungslustigem Kapital, vor
allen Dingen aber die Gesetzgebung, welche den Erwerb
einer Minenkonzession namentlich für Europäer schwierig
macht und in der Praxis gewöhnlich einen erheblichen Auf-
wand von Bakschisch erfordert. Die Schürferlaubnis wird
auf ein Jahr erteilt und kann auf ein weiteres Jahr verlängert
werden, doch muss der Antragsteller sich zum vollen Ersatz
für allen durch die Schürfarbeiten entstehenden Schaden
verpflichten und einen zahlungsfähigen Bürgen stellen. Für
die Ausfertigung einer Minenkonzession selbst ist ein Jrade
des Sultans erforderlich. Die Konzession für die meisten
Erzbergwerke hat für 99 Jahre, für Pandermit und ähnliche
Vorkommen für 60 Jahre Gültigkeit. — Sämtliche Bergwerke
zahlen eine feste Grundsteuer von 10 Piaster für ein Hektar;
ausserdem gelangen bei Verschiffung von Blei, Antimon,
Kupfer u. s. w. 5 Prozent des Wertes als Abgabe an die
Regierung und i Prozent Ausfuhrzoll zur Erhebung; Chrom-
und Manganerze sowie Schmirgel zahlen 10 bis 20 Prozent
6*
84 ni. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
Abgaben und i Prozent Ausfuhrzoll. — Die meisten der
in Betrieb befindlichen Bergwerke werden, soweit sie nicht
im Besitz türkischer Unterthanen sich befinden, von englischen
Unternehmern und Gesellschaften betrieben. Deutsches
Kapital ist diesem Arbeitsfelde bisher leider noch gänzlich
fern geblieben.
Jagd und Fischerei. Die Jagd ist ein in Kleinasien
vernachlässigter Erwerbszweig. Die anatolische Landbevölke-
rung übt nicht häufig das Waidwerk aus, meist sind es
Tscherkessen und Muhadjir, welche die Büchse führen, in
den Küstenstrichen auch Griechen, die das besonders in den
pontischen Randgebirgen häufige Wildschwein erlegen, das
von den Moslemin aus rituellen Gründen verschmäht wird.
Von den Hirten wird mancher Wolf zur Strecke gebracht,
aber dies geschieht mehr in der Verteidigung der Schaf-
herden gegen den gefürchteten Räuber als aus Jagdlust.
Hier und da findet man noch bei reichen Grundbesitzern den
alten vornehmen Brauch, Jagdfalken zu halten, die man auf
Hasen, Gazellen oder Federwild stossen lässt. Die beste
Jagdzeit ist der Winter, der mit seinem Schneereichtum
das Hochwild aus den schwer zugänglichen Bergwäldern in
die Thäler und Niederungen ziehen lässt.
Zu verwundern bleibt, dass das Hochwild Kleinasiens:
Bären in fast allen Waldgebirgen und Leoparden, Mufflons
und Wildziegen in den Bergschluchten und auf den Fels-
schroffen des Taurus, noch nicht eine grössere Anziehungs-
kraft auf europäische Nimrode ausgeübt hat.
Die Jagd ist in der Türkei überall frei, doch wird ei«
auf ein Jahr gültiger Waffenschein gefordert, für. den ein
geringer Betrag (13 Piaster = 2 V2 Mark) zu erlegen ist.
Dagegen macht die Einführung von guten Waffen und
Munition auf den Zollämtern oft grosse Schwierigkeiten. Eine
offizielle Schonzeit besteht vom i. März bis 30. August.
JAGD UND FISCHEREI. 85
Auch die Fischerei in Flüssen und Seeen wird wenig
betrieben, obwohl die anatolischen Gewässer schmackhafte
Fische wie Karpfen, Hecht, Schleihe, Barbe, Barsch und
Aale, meist in reicher Fülle beherbergen. In denGebirgsbächen
finden sich schöne Forellen, in den grossen Hochlandsströmen
Wels und Stör. Aus dem Rogen des letzteren wird ein
rötlicher, stark gesalzener Kaviar hergestellt, der in ge-
presstem Zustande sich in der Hitze leichter hält als der
empfindliche Astrachan-Kaviar, diesem aber auch an Wohl-
geschmack nicht im entferntesten gleichkommt.
Die Gewässer des Westens werden namentlich von
Griechen abgefischt, und zwar oft in einer unverantwortlichen
Raubfischerei, die schliesslich zu einer Vernichtung des ganzen
Fischbestandes führen muss. Diese Aasfischer bedienen sich
der Samen von Anamirta Cocculus Wight, der sogenannten
Kokkelskörner, mit denen sie die Fische eines ganzen Bezirkes
vergiften, so dass ihnen reiche Beute mühelos in die Hände
fallt. Die Fischerei im Binnenlande ist frei, Abgaben werden
nicht erhoben, auch sind die Süsswasserfische durch keine
Schonzeit geschützt.
Weit reger als im Binnenlande wird die Fischerei in den
Küstengewässern betrieben; hier ist es fast ausschliess-
lich die griechische, an den Küstenrändern ansässige Be-
völkerung, die sich diesem Gewerbe widmet. In erster
Linie werden neben zahlreichen Arten der für den täglichen
Konsum bestimmten Fische kleine Sardellen (tsyri) in grossen
Mengen gefangen, die, auf Hürden in der Sonne getrocknet,
einen namhaften Handelsartikel darstellen und als Fasten-
speise auch vielfach nach Griechenland ausgeführt werden.
Daneben spielt auch der Thunfischfang im Sommer, wenn
dieser grosse Fisch in stattlichen Scharen an den' Küsten
des Schwarzen und Ägäischen Meeres entlang zieht, eine
wichtige Rolle. Seit dem Altertum berühmte Fangplätze
sind Kerassunt, Sinope und der Bosporus. — Gross ist ferner
86 ni. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
der Reichtum des Meeres an Krustentieren (Hummern,
Krabben) und Muscheln (Austern, Miesmuscheln u. a.).
Verschiedene Seefischarten gemessen bestimmte, nach
den Monaten wechselnde Schonzeiten; auch wird die See-
fischerei zur Besteuerung herangezogen, neben geringeren
persönlichen Abgaben der Fischer werden von den zu Markt
gebrachten Seefischen 21 pCt. vom Verkaufswert erhoben.
Einen besonderen Erwerbszweig bildet die Schwamm-
fischerei, die von den Bewohnern einiger Inseln, wie Symi,
Kalymnos, Halki, Kastellorizo, Rhodos, und des festländischen
Hafens Budrum geradezu monopolisiert worden ist. Sie er-
fordert eine ganz besondere Ausrüstung der Fangfahrzeuge und
eine spezielle Schulung der Mannschaft, die nur in langer Übung
erreicht werden kann. Die kleinen, mit 4 bis 20 Mann be-
setzten Boote werden von Patronen ausgerüstet, die ihrerseits
wieder durch Beanspruchung von Vorschüssen in der Ab-
hängigkeit der Schwammhändler stehen. Die meisten Fahr-
zeuge arbeiten jetzt mit Hülfe von Taucherapparaten (Ska-
phander), doch beschäftigen viele kleinere Unternehmer aber
immer noch nackte Taucher, die sich mit einem Stein be-
schwert in die Tiefe hinablassen und auf dem Meeresgrunde
bis zu 2 Minuten verweilen. Unglücksfalle, wobei der Tod
durch Ersticken oder durch Haifische herbeigeführt wird,
sind in dem harten Gewerbe häufig. Die Raubfischerei mit
dem Scharrnetz, durch das die Schwammgründe schwer ge-
schädigt werden, ist jetzt von der Regierung verboten worden.
Die Schwammfischerei wird in der Kleinen und Grossen
Syrte, an den Küsten von Syrien, Karamanien, Kreta und
Cypern sowie zwischen den Inseln des Archipels betrieben.
Im Jahre 1899 wurden über Smyrna 213393 kg Schwämme
im Werte von 748 290 Mark zum Versand gebracht.
Industrie und Gewerbe. Wie schon eingangs ausgeführt,
befindet sich die industrielle Bethätigung Kleinasiens noch in
den ersten Stadien der Entwickelung, und nur wenige Zweige
INDUSTRIE UND GEWERBE. — MÜLLEREI. 87
haben eine über die primitivsten Anfange hinausreichende
Förderung erfahren. Die Gründe hierfür sind darin zu
suchen, dass einerseits die anatolische Bevölkerung fast aus-
schliesslich sich dem landwirtschaftlichen Betriebe zuwendet
und dass andererseits die Zollschranken zwischen den einzelnen
Provinzen ganz ausserordentlich erschwerend auf die Ent"
faltung und Lebensfähigkeit der einheimischen Industrie ein*
wirken. Alle in einer türkischen Provinz hergestellten Waren
imterliegen bei der Überführung in eine andere Provinz einem
Binnenzoll von 8 pCt., während die aus dem Auslande in das
türkische Reich eingeführten Waren gleichfalls nur einen
einmaligen Eingangszoll von 8 pCt. zu erlegen haben und bei
der Weiterversendung in die Provinz von allen weiteren
Lasten befreit sind. Manchen industriellen Unternehmungen
ist es gelungen, auf dem Wege einer Konzession völlige
Abgabenfreiheit für ihre Fabrikate zu erlangen; aber diese
Konzessionen werden gewöhnlich nur für wenige Jahre er-
teilt, und ihre Erneuerung ist mit sehr erheblichen Unkosten
(Bakschisch) verknüpft. So finden denn alle derartige An-
lagen nur ein beschränktes Absatzgebiet und haben sich
einer mächtigen Auslandskonkurrenz zu erwehren, der gegen-
über sie nur schwer stand zu halten vermögen.
Weitverbreitet sind dagegen die kleinen gewerblichen
Betriebe, die mit der Landwirtschaft auf das Engste ver-
knüpft sind und für den allernächsten Lokalkonsum arbeiten.
In erster Linie ist hier die Müllerei zu nennen. Wo ein
Gewässer von den Bergen niederrauscht, da findet man
sicher in der näheren oder weiteren Umgebung eines Dorfes
ein oder mehrere niedere, kastenförmige Häuschen, aus
Bruchsteinen roh erbaut, in der Thalrinne liegen. Gewöhnlich
sind es oberschlächtige Wassermühlen, die gelegentlich auch
durch ein einfaches Stauwerk die im Sommer leicht ver-
siegenden Wassermassen aufspeichern. Wo die Triebkraft
des Wassers fehlt, so an der Küste und auf den Hochflächen
88 III. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
des Binnenlandes, wo jedoch fast stets eine lebhaftere Luft-'
Zirkulation stattfindet, werden Windmühlen benutzt. Auf
Chios, Rhodos und anderen Inseln sind die Uferhöhen mit
zahlreichen Bauten bedeckt, die aus der Ferne Wachttürmen
ähneln, aber einem ungleich friedlicheren Zwecke dienen.
Sie recken nicht wie die holländischen Windmühlen ein ge-
waltiges, weithin sichtbares Holzkreuz in die Luft, sondern
die Triebwelle ist mit einem Strahlenbündel von Holzstäben
versehen, zwischen denen als Windfänger Segelleinewand
ausgespannt wird. Nur in der Nähe grosser Städte finden
sich schon Mühleneinrichtungen mit Dampfbetrieb, wie auf
Prinkipo bei Konstantinopel, in Ismid, Smyrna, Konia und
Adana.
Manche andere mit der Landwirtschaft in naher Be-
ziehung stehende Gewerbezweige sind bereits vorstehend an
anderer Stelle genannt worden, so die Bereitung von ge-
trocknetem Rindfleisch (Bastirma), die Seidengewinnung, die
Weinkelterei und Schnapsbrennerei, die Ölbereitung aus
Oliven u. a. — Die Verarbeitung von frischen Gemüsen zu
Konserven findet fabrikmässig in Kartal am Golf von Ismid
statt, wobei die nahe Hauptstadt ein gutes Absatzgebiet für
die Produktion bildet.
i Die Holzindustrie steht in enger Abhängigkeit von
dem grösseren oder geringeren Waldreichtum eines Ge*
bietes. Manche Gegenden Kleinasiens verharren noch in der
Gegenwart nahezu in einem eisenlosen Zeitalter; fast aller
Hausrat ist aus Holz gefertigt, alle Bauten aus Holz auf-
geführt, nur an wenigen Werkzeugen blinkt der wehrhafte
Stahl. Ganz aus Holz sind auch die schwerfälligen, aber
dauerhaften Wagen, deren aus einer vollen Holzscheibe ge-
schnittenen Räder sich quieckend und schreiend um eine
hölzerne Achse drehen. Die weiten Hochflächen des Innern
sind schon seit dem Altertum holzarm; die Holzindustrie
konnte sich daher nur in den waldreichen Küstengebirgen,
HOLZINDUSTRIE. — LEDERINDUSTRIE. 89
die vom Meere her leichter zugänglich sind, entwickeln. In
den lykischen Bergen finden wir den eine eigenartige Sonder-
stellung einnehmenden Stamm der Tachtadschi; sie sind, wie
ihr Name sagt, „ Brettschneider "*. Zahlreiche Sägemühlen
an der Süd- wie an der Nordküste der Halbinsel zerteilen
die auf den Berghöhen gefällten und zu Thal geschleiften
oder gelegendich auch geflössten Stämme. Hier werden
auch die Möbel, Eimer, Schüsseln, Becher und Löffel für
den Hausbedarf geschnitzt.
In allen Hafenplätzen wohnen einheimische Schiffsbau-
meister, die irgendwo am Strande unter den einfachsten
Verhältnissen eine Werft improvisieren, auf der sie brauch-
bare Ruderboote (Kai'ks) und seetüchtige Barken erbauen
oder selbst gar für ein gedecktes Fahrzeug den Kiel strecken.
Mit den gleichen Mitteln arbeitet die kaiserliche Werft in
Ismid, die für ihre Zwecke die herrlichen Waldungen um
Hendek und Boli ausbeutet.
Weitverbreitet über das ganze Bergland ist das Köhler-
gewerbe, überall sieht man feine Rauchsäulen aus den
Wäldern aufsteigen oder man trifft auf die kreisrunden
Schwarzen Flecke am Erdboden, die auf dort errichtet ge-
wesene Meiler hindeuten ; denn der Verbrauch an Holzkohle,
die auf Büffelwagen verfrachtet wird, ist in der Türkei
ausserordentlich gross.
Neben den fertig geschnittenen Brettern und Latten von
Nadelhölzern sind namentlich die Nussbaumstämme und
-Stubben aus den pontischen Wäldern für den Export be-
gehrt.
Für die Lederindustrie bietet das Land mehrfache
Vorbedingungen; denn die grossen Viehherden liefern an-
sehnliche Mengen von Häuten, und die Wälder bieten als
Gerbstoffe Eichen- und Tannenlohe wie auch die sehr gerb-
stoffreichen Valloneen. Gefertigt werden aus den ver-
schiedensten Ledersorten — darunter auch bunt gefärbtem
90
III. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
Saffian — alle Arten von Schuhwaren, von einfachen San-
dalen und niederen weichen Pantoffeln bis zum hohen Reiter-
stiefel, ferner Riemenzeug, Geschirr, Sättel, Taschen, Säbel-
scheiden und andere Lederwaren. Zahlreiche Gerbereiea
befinden sich auf den Inseln Chios und Mytilene, in Smyrna^
Aidin, Bergama, Uschak, Kjutahia, Siwas, Trapezunt und
anderen Orten, während die türkische Heeresverwaltung eine
staatliche Lederindustrie in Beikos am Bosporus ins Leben
gerufen hat, die ausschliesslich für den Heeresbedarf arbeitet.
An Leder und Häuten gelangten aus den nach-
stehenden Häfen und Provinzen zur Ausfuhr:
Mark
Jahr
Mark
Jahr
Chios . . .
. 20400CX>
1899
Siwas -WIlayet
. 385 200 .
1899
Aivali . . .
836800
1899
Angora . . .
. 324300
1898
Smyrna
818500
1899
Mersina . . .
. 316600
1899
Trapezunt
691 300
1899
Skala Nuova .
122400
1899
Mytilene . .
607 600
1897
Rhodos . . . .
36000
1898
Die Metallindustrie besitzt nur geringe Bedeutung.
In Smyrna und Trapezunt bestehen Eisengiessereien, die
Handelseisen herstellen. Einen grossen Ruf im Lande ge-
messen die Messerschmiede und Schwertfeger von Siwas;
auch werden dort und in Trapezunt wie in anderen kleinerei»
Städten dieser beiden Wilayets zierliche Arbeiten in Gold-
und Silberfiligran ausgeführt. Kleine Werkstätten von
Klempnern und Schlossern finden sich in allen grösseren
Städten, von Grobschmieden auch auf dem Lande; die Huf-
schmiede sind vielfach Zigeuner. Die kleinen geschlossenen^
tellerartigen Hufeisen werden in neuerer Zeit mehrfach auch
aus England und Belgien importiert.
Die keramische Industrie hat ihr einstiges hohes
Ansehen nahezu vollständig eingebüsst; die klassischen Formen
der Thongefasse sind fast ganz verloren gegangen, und eine
der Hauptwerkstätten der Töpferei an den Dardanellen, von
der Tschanak Kaie (Töpferschloss), die Hauptstadt des San*
KERAMISCHE INDUSTRIE. — TEXTILINDUSTRIE. 91
djaks Bigha, ihren Namen führt, ist stark im Verfall, so dass
bessere Stücke dort kaum noch hergestellt, sondern nur
noch ordinäre Waren gefertigt werden. Für den lokalen
Konsum in den einzelnen Provinzen sorgen kleine Töpfereien
und Ziegeleien, die über das Land zerstreut sind. In Indjir-
kiöi am Bosporus ist eine grosse Ziegelei nach europäischem
Muster eingerichtet worden, die täglich 30000 Stück so-
genannte Marseiller Ziegelsteine liefern kann.
Manche Moscheen und Profanbauten besitzen noch einen
kostbaren Schatz in den herrlichen Fayencen an ihren
Wänden; diese sind meist in Kjutahia hergestellt worden,
und „die alten Kjutahia - Fayencen werden heute von
Sammlern und Museen fast mit Gold aufgewogen" (A. Körte).
Die Kunst ist durch persische Meister aus dem Osten
nach Kleinasien verpflanzt worden und hat in Kjutahia in
alter Tradition sich bis zur Gegenwart im Schosse einiger
weniger FamiUen erhalten. Von diesen werden im Klein-
betriebe Krüge, Flaschen, Teller und Kacheln für Zier-
tischchen hergestellt, die sich zwar durch orientalischen
Formenreichtum auszeichnen, jedoch gegen die alten Ar-
beiten an Güte der Glasur etwas zurückstehen.
Eine staatliche Porzellanfabrik besteht in Hereke, und
in Pascha Bagtsche bei Konstantinopel ist eine Glasfabrik
eingerichtet worden, die aber mit wechselndem Erfolg arbeitet.
Die Meerschaumlager von Eskischehir haben eine be-
scheidene Industrie ins Leben gerufen, die einfache Cigaretten-
spitzen und Pfeifenköpfe ausschliesslich für den einheimischen
Bedarf fertigt.
Unter allen Industriezweigen nimmt im Orient seit alters
her die Textilindustrie eine bevorzugte Stellung ein, und
wenn auch billige europäische Fabrikate in Mengen auf den
Markt gebracht werden, so können sie bei dem konser-
vativen Sinn des Orientalen doch nicht die heimische Pro-
duktion erdrücken. Diese liegt in den Händen der Frauen
92 ni. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
und Mädchen, die mit unendlicher Geduld und Hingabe für
ihr Werk die von der eigenen Herde, vom eigenen Felde
gewonnene Gespinstfaser in altüberlieferter Tradition, doch
in einem steten Wechsel der Formen und Muster als Aus-
druck persönlicher Empfindung und persönlichen Geschmacks
zu schönen, kunstvollen und dabei dauerhaften Stücken
zusammenfügen. Weberei, Wirkerei, Knüpfarbeit und Stickerei
sind die wichtigsten Elemente dieser Industrie.
Voran steht die Teppicherzeugung, die in neuerer
Zeit, wenn auch ausschliesslich als Hausindustrie betrieben,
zu einem wichtigen Erwerbszweige geworden ist, der in der
Ausfuhrstatistik verschiedener Provinzen eine hervorragende
Stellung einnimmt. Auch hier ist ein gewisser Rückschritt
gegen frühere Leistungen nicht zu verkennen, aber dieser
ist zum nicht geringen Teil veranlasst durch die rasch ge-
steigerte Bedarfsfrage der Gegenwart, die den Arbeiterinnen
nicht gestattet, eine so feine, gleichmässige, aber deshalb
eben ausserordentlich zeitraubende Arbeit zu verrichten und
Leistungen hervorzubringen, die heute unerreicht dastehen.
Durch die Wiener Weltausstellung im Jahre 1873 wurde die
Aufmerksamkeit Europas nach langer Zeit wieder auf die
farbenprächtigen Teppiche des Orients gelenkt, und seitdem
hat die Teppichfabrikation für den Export eine rasche Aus-
dehnung gewonnen, eine Bewegung, die heute noch keines-
wegs zum Abschluss gekommen ist, zumal gerade in der
Gegenwart die technische Fertigkeit der Knüpfarbeit in
manchen Landschaften erst eingeführt wird, um der armen
Landbevölkerung einen lohnenden Nebenerwerb zu schaflfen.
Aber auch noch in einer anderen Richtung, nicht nur
hinsichtlich der Vergröberung der Arbeit, drohte der euro-
päische Einfluss eine verhängnisvolle Wirkung auszuüben.
Man hatte die billigen, leicht zu handhabenden Anilinfarben
kennen gelernt und sie schnell eingeführt. Glücklicherweise
ist hier eine kräftige Reaktion nicht allzu lange ausgeblieben
TEPPICHERZEUGUNG. 93
und hat die Färber veranlasst, wieder zu den alten^ be-
währten vegetabilischen Farbstoffen zurückzukehren, die in
gewissen, unvergleichlich schönen Abtönungen streng ge-
hütetes Geheimnis einzelner Färberfamilien geblieben sind.
Wenn auch die Teppichfabrikation fast über die ganze
Halbinsel verbreitet ist, so bilden doch Gördis, Kula und
Demirdji im Sandjak Sarukhan (Wilayet Smyrna) und Uschak
im Sandjak Kjutahia (Wilayet Brussa) einen westlichen,
Kirschehir und Kaisarie im Wilayet Angora einen östlichen
Brennpunkt dieser Industrie. Keine der Städte macht äusser-
lich den Eindruck eines Fabrikortes, und doch sind dort fast
Haus bei Haus emsige Hände an der Arbeit, um den be-
gehrten Artikel zu fertigen. Bei der anatolischen Teppich-
erzeugung ist eine zweifache Technik zu unterscheiden:
Knüpfarbeit und Wirkarbeit. Letztere liefert die Kilim und
Sumakh genannten Arten; die weitaus meisten kleinasiatischen
Teppiche, darunter auch die sogenannten Smyrna-Teppiche,
sind durch Knüpfarbeit hergestellt.
In Uschak, das unter den westlichen Plätzen die stärkste
Produktion aufweist, werden die sogenannten Sofrali gefertigt,
grössere Stücke, deren Kette und Schuss aus der Wolle der
Fettschwanzschafe besteht; sie sind gewöhnlich in fünf Farben:
blau, grün, gelb, orange auf dunkel getöntem Grunde gehalten
und haben ihren Namen von der Rosette in der Mitte, die den
Platz für den Tisch (sofra) bezeichnen sollte. Die Sirali ge-
nannten Teppiche sind dagegen gestreift, wobei die Farben vio-
lett, schwarz, grün, rot, gelb und weiss mit einander wechseln.
Gördis ist berühmt wegen seiner herrlichen alten Gebet-
teppiche, aber auch die modernen Sedjades, die eine Grösse
von 1,50 bis 2 m X ii^o m besitzen, zeichnen sich durch ein
sehr dichtes Gewebe aus und sind den persischen Teppichen
ähnlich. Die Kette ist aus Baumwolle, der Schuss aus ge-
wählter Schafwolle ; die Zeichnung weist einen reichen Wechsel
des Musters auf. Ähnlich sind die Teppiche von Demirdji
94 ni. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
hergestellt, während Kula neben Sedjades auch Teppiche in
den grössten Ausmassen liefert; die Kette ist hier aus Hanf
gefertigt. Im allgemeinen gelten die Erzeugnisse der Provinz
Sarukhan als besser und dauerhafter und sind daher auch
teuerer als die Uschak- Fabrikate.
Von den Turkmenen im Wilayet Brussa und im Sandjak
Bigha werden geschorene Teppiche, die Düscheme und
Yürük, aus mit Ziegenhaaren vermischter Schafwolle herge-
stellt; sie sind äusserst dauerhaft und von glänzendem Aussem.
Die Produktion des Ostens lässt sich in vier Hauptgruppen
teilen:
1. Die Kirschehir-Teppiche, die in dieser Stadt und
im Nachbarorte Mandjur erzeugt werden. Die Industrie soll
hier dijrch persische Gefangene eingeführt worden sein, jeden-
falls lehnen sich diese Teppiche in Technik und Zeichnung
eng an die persischen an, sind aber dicker im Gewebe. Zu
ihrer Herstellung wird gewöhnlich reine Wolle benutzt, seltener
wird dieser Baumwolle oder Angorawolle (Mohair) beigemischt;
im letzteren Falle erhöht sich ihr Preis um etwa das Doppelte.
Gefertigt werden Gebetteppiche (Sedjades oder N a m a s 1 i k) ,
etwa I X 2 m gross, Yanhali, gegen 4V2 ni lang und 1V4 ni
breit, die als Divandecken dienen, Yastik, kleinere Stücke
zum Beziehen von Polsterkissen, und Hebe oder Satteltaschen,
die in Europa auch unter dem Namen „Kameltaschen" gehen
und zum Beziehen von Sophas benutzt werden.
2. Die Kurden -Teppiche, die von den auf den
Hochflächen der Haimaneh und des Sandjaks Kaisarie
nomadisierenden Kurdenstämmen gefertigt werden. Ihre
Oberfläche ist uneben und unregelmässig; das gleiche Muster
ist selten öfter als drei- oder viermal wiederholt, aus-
genommen im Rande, der viel breiter und wirkungsvoller
als bei den Kirschehir-Teppichen ist.
3. Die Kilims werden gleichfalls von den Kurden her-
gestellt. Die Zeichnung entsteht beim Wirken dadurch, dass
n « r»
TEPPICHERZEUGUNG. — WEBEREI. 95
«ine Reihe ausgelassen wird, während die Farbe wechselt.
Die Art der Wirkarbeit verursacht, dass das Muster dieser
Teppiche aus geraden Linien besteht, die häufig im rechten
Winkel gebrochen sind; dabei ordnet sich die Zeichnung
symmetrisch um die Mittellinie.
4. Die Djidjims unterscheiden sich von den vorigen
dadurch, dass ihre Fläche mit teils einfarbigen, teils in der
Farbe wechselnden Mustern bestickt ist ; häufig sind auch im
Zickzack verlaufende Längslinien als Ornament angebracht.
Die Stücke sind 2^/4 bis 3V2 "i lang und etwa V3 °i breit.
Sie finden als Fenster- oder Thürvorhänge Verwendung.
Im Jahre 1899 gelangten Teppiche zur Ausfuhr
über Smyrna für 6 141 400 Mark
aus dem Wilayet Angora (1898) . „ 2448000 „
Siwas .... „ 261 600 „
Adana .... „ 115 000 „
Die Gesamtausfuhr dürfte 9 Millionen Mark reichlich über-
steigen. Die Hauptausfuhrländer sind England, Frankreich,
die Vereinigten Staaten von Nordamerika, Österreich-Ungarn
und Deutschland.
Ganz allgemein verbreitet ist die Weberei, welche die
verschiedenartigsten Stoffe für die Bekleidung und den Haus-
halt anfertigt, nur die Faser wechselt je nach der Produktion
der einzelnen Landstriche; Baumwolle, Schafwolle, Ziegenhaar,
Mohair, Seide, Hanf oder Flachs gelangen zur Verarbeitung.
Das Spinnen des Garns ist gewöhnlich Sache der Frauen,
der einfache Webstuhl wird dagegen stets von Männern
bedient, denen auch das Färben des Garnes obliegt.
Die Leinenindustrie ist besonders im Norden verbreitet,
so im Sandjak Ismid und um Rise im Wilayet Trapezunt, das
im Jahre 1900 für etwa i Million Mark Leinwand zur Aus-
fuhr brachte.
Die Seidenweberei hat ihren Mittelpunkt in Brussa,
dessen Fabrikate einen grossen Ruf geniessen; hier werden
96 in. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN.
reinseidene Stoffe (sogenannte Brussaseide), Bänder, Schnüre,
Troddeln uöd Litzen in verschiedenen Farben hergestellt,
aber auch in geschmackvoller Weise die Seide mit anderen
Gespinstfasern, mit Baumwolle und Flachs, oder auch mit
Gold- oder Silberfaden verwoben. Biledjik liefert namentlich
Seidensammete, in anderen Orten dieser Gegend werden ganz
feine, durchsichtige Seidenstoffe erzeugt. Die kaiserliche
Manufaktur inHereke fertigt prächtige seidene Möbelstoffe, die
aber um etwa 20 Prozent teurer als die gleichen europäischen
Fabrikate verkauft werden. Die Jahresproduktion beträgt
über eine halbe Million Mark; davon kommt nur gegen ein
Fünftel in den öffendichen Handel, der Rest dient privaten
Zwecken des Grossherrn.
In den Binnenprovinzen wird vorwiegend Wolle zu dauer-
haften Geweben verarbeitet, während in den randlichen Land-
schaften mehr die Baumwollweberei vorherrscht, die be-
sonders buntgestreifte Gewebe erzeugt Das Garn wird im
Hausbetrieb gesponnen oder auch — vorzugsweise aus Eng-
land — eingeführt; in Smyrna, Adana und Tarsus bestehen
europäisch eingerichtete Spinnereien mit je 5000 bis 6000
Spindeln, deren jede 500 bis 600 Arbeiter, Männer und
Frauen, beschäftigt und die gröberen Garnnummern herstellt
Die beiden ersteren sind mit Dampfbetrieb, die letztere wird
durch die Wasserkraft des Tarsus Tschai betrieben.
Die Verarbeitung von Mohair ist sehr zurückgegangen;
jetzt bestehen nur noch einige Webereien in Istanos und Tosia.
Dagegen werden in manchen Gegenden stärkere und dünnere
Filze hergestellt, die oft mit schönen Goldstickereien geziert
werden. Die Strumpfwirkerei wird namentlich in den
Wilayets Siwas und Angora rege betrieben. In Karamursal
am Südrande des Golfes von Ismid ist eine von Engländern
geleitete Tuch- und Fezfabrik errichtet worden, die sich
eines guten Absatzes bei der türkischen Bevölkerung erfreut
IV. Der Verkehr.
Landverkehr. In einem Lande, dessen Bewohner den
Wert der Zeit noch nicht einzuschätzen gelernt hatten, konnte
der Verkehr sich lange Zeit der einfachsten Mittel bedienen,
Jahrhunderte hindurch begnügte man sich, die Erzeugnisse
des Bodens und des heimischen Gewerbefleisses in mühe-
vollem, zeitraubendem Transport auf dem Rücken von Last-
tieren zur Küste zu verfrachten und in gleicher Weise von
dort die über See gekommenen Bedarfsartikel, die Kleinasien
nicht selbst hervorzubringen vermochte, in das Land hinein-
zuführen. Erst die jüngste Zeit bahnte eine tiefgreifende
Umwälzung an.
Die bevorzugten Transporttiere sind seit Ahers Maul-
tiere und Kamele, die, zu grösseren oder kleineren Karawanen-
zügen vereinigt, den Frachtverkehr auf weite Strecken hin
vermitteln, während Pferd und Esel vorwiegend dem Nah-
verkehr dienen.*) Weniger allgemein blieb die Benutzung
von Wagen, plumpen, aber dauerhaften Fahrzeugen, die mit
Rindern oder Büffeln bespannt und namentlich zum Trans-
port von Getreide, Holz und Holzkohlen benutzt werden,
aber in Rücksicht auf die schlechten Wege nur eine be-
schränkte Verwendung finden können.
Den Verkehrswegen ist in Kleinasien mit grösserer
Deutlichkeit als in vielen anderen Ländern die Richtung
*) Näheres über die Transporttiere und deren Leistungen s. S. 36 — 39.
Fitzner, Anatolien. 7
98 IV. DER VERKEHR.
durch die Bodenplastik gewiesen. Alle grossen Strassen-
züge sind in longitudinaler Richtung von West nach Ost ge-
richtet, und nur selten zwängt sich ein — in den seltensten
Fällen fahrbarer — Weg in meridionalem Sinne durch die
hoch aufgerichteten Faltenzüge, die den Kern des Landes vom
Küstensaum scheiden. Steil steigen am Pontus die Gebirge
über dem Meeresstrande auf, und am Südrande zieht der
gewaltige Wall des Taurus verkehrsfeindlich dicht am Meere
hin. Nur wenige Passübergänge ermöglichen eine Verbin-
dung der Küste mit dem Innern, und auch diese werden all-
jährlich Monate hindurch durch hohe Schneemassen gesperrt.
Nur die westliche Abdachung der Halbinsel öffnet in den
breiten, zur Agäis niedersteigenden Flussthälern des Mäander,
Cayster und Hermus dem Verkehr gastliche Pforten. Ohne
grosse Mühe ersteigen hier die Strassen von der hafenreichen
Küste her die binnenländische Hochtafel.
Die alte Poststrasse der persischen Grosskönige, welche
die Brennpunkte ihres Machtbereiches im Westen und Osten,
Sardes mit Susa, verknüpfte und durch zahlreiche Relais-
stationen eine ausserordentlich schnelle Beförderung ermög-
lichte, stieg im Hermusthale aufwärts, erreichte das Binnen-
hochland zu Synnada und zog von hier in einem nach Nor-
den ausholenden Bogen über Pessinus, Gordium und Ancyra,
dem heutigen Angora, nach Comana Pontica, wo sie sich
nach Südosten wendete, um in der Nähe der Halysquellen
die Bergketten des Antitaurus zu überschreiten. Die öde,
von räuberischen Nomadenstämmen bewohnte Lykaonische
Senke wurde vom Verkehr gemieden, die Strassen führten
entweder im Norden, wie die Perserstrasse, oder im Süden
über Iconium um dieses Gebiet herum; bei Benutzung der
letzteren, die besonders dem Verkehr mit Syrien diente,
musste aber der Taurus in dem schwierigen Passübergange
der Pylae Ciliciae überschritten werden.
Unter den römischen Kaisern wurde das Land mit einem
VERKEHRSWEGE. 99
<üchten Netz gepflasterter Fahrstrassen überspannt, deren
Spuren noch in der Gegenwart an vielen Stellen nachgewiesen
werden können, und die Flussübergänge wurden durch Brücken
aus wuchtigen Quadersteinen gesichert. Als die Zügel der
Macht den Händen der entarteten Byzantiner zu entgleiten
begannen, da wuchs die Unsicherheit im Lande, und die nicht
geschützten und nicht gebesserten Strassen waren allmäh-
lichem Verfall ausgesetzt, dem erst die kräftige Herrschaft
der Seldschukenkaiser entgegentreten konnte. In dieser
glanzreichen Zeit erwachte das von schweren Kriegsnöten
heimgesuchte Land zu neuem Leben, Handel und Wandel
regten sich, eine eigene Kunst konnte sich entfalten. Fer-
sische Baumeister wurden in das Land gerufen, sie schufen
nicht nur prächtige Sultanspaläste, sondern erbauten breite
Strassen, hochgewölbte Brücken und geräumige Karawan-
sereien als Stützpunkte des Verkehrs.
Die folgenden Jahrhunderte zehrten vom kulturellen
Erbe der Seldschuken, doch die lebende Generation darf
sich rühmen, einen keineswegs gering zu veranschlagenden
Anteil an dem Wiederausbau des kleinasiatischen Strassen-
netzes genommen zu haben. Ist dieses auch nicht nach einem
einheitlichen grossen Plane entworfen, und weisen seine ein-
zelnen Teile erhebliche Unterschiede in dem Geschick der
Anlage und der Sorgfalt der Ausführung auf, so muss doch
anerkannt werden, dass hier in den letzten Jahrzehnten an
vielen Punkten ein ansehnlich Stück Kulturarbeit geleistet
worden ist. Es giebt unter den türkischen Verwaltungs-
beamten in den Provinzen nicht wenige, die von einem ehr-
lichen Eifer beseelt sind, Wohlfahrt und Bildung in ihrem
Bezirk mit allen verfügbaren Mitteln zu heben. Sie bauen
Schulen und Strassen, graben Brunnen, legen Pflanzungen an
und wachen streng über die Sicherheit für Gut und Leben;
sie sind der Typus des unverdorbenen, ehrlichen Türken,
der frei von religiösem Fanatismus ist, aber ernst den Satzungen
7*
100 IV. DER VERKEHR.
des Koran folgt und den Weg des Rechtes geht, unbeirrt,
ob seine Thaten vor dem Throne laut gepriesen werden,
oder ob tückische Intrigue ihn von seinem Posten drängt.
Solche Männer sind nicht gar so selten in der Türkei, aber
leider verwischt oft ein unwürdiger Nachfolger die Spuren
seines Vorgängers im Amte; er lässt das begonnene Werk
liegen und giebt es dem Verfall preis. So wird manchmal
die Wohlthat zum Unsegen für das Land; die Schmelzwasser
des Frühjahrs, die über den alten Naturweg machtlos hin-
weg geglitten waren, zernagen jetzt die aufgeschüttete Kunst-
strasse und zerteilen sie in zusammenhanglose Bruchstücke,
die nun zu einem schwer zu überwindenden Verkehrshindernis
werden, statt dem Verkehr zu dienen.
Neben den Strassen, die von den Häfen am Agäischen
Meer, besonders von Smyrna aus, zum anatolischen Hoch-
lande aufsteigen, haben namentlich zwei grosse Landstrassen,
die am Bosporus zusammenliefen, lange Zeit hindurch eine
besondere Wichtigkeit besessen: die Strassen nach Bagdad
und Damaskus. Die erstere lief am Südrande der Bithyni-
schen Halbinsel über Ismid, trat dann in die Senke von Boli-
Gerede ein und führte über Tossia, Amasia und Tokad nach.
Siwas, von wo sie über den Antitaurus nach Malatia und
schliesslich nach Mesopotamien niederstieg; eine südlichere
Variante dieser Strasse ging über Taraklü-Beibasar-Angora-
Yüsgad-Siwas. Die Strasse nach Damaskus zweigte sich von
der ersteren schon wenige Meilen von Skutari ab, überschritt
den Golf von Ismid an seiner schmälsten Stelle bei Dil
Iskelessi und führte über Isnik (Nicaea), Biledjik, Jnönü»
Kjutahia, Afiun Karahissar, Konia durch die Kilikischen Thore
über den Taurus nach Tarsus und von Iskanderun auf dem
Beilanpass über den Amanus in das Orontesthal. Diesem
Strassenzuge folgt heute auf eine lange Strecke der Südarm
der Anatolischen Eisenbahn. Eine dritte grosse Verkehrs-
ader führt von Trapezunt über Baiburt — Erserum — Bayasid
H
VERKEHRSWEGE. — FAHRBARE VERBINDUNGEN. 101
zur persischen Grenze (594 km), sie soll als Chaussee fahrbar
sein und wird im Jahre von etwa 50000 Reisenden begangen.
Von den für den Verkehr wichtigen, meist fahrbaren
Verbindungen seien noch folgende genannt:
Im Wilayet Brussa:
1. Brussa -Mudania.
2. „ — Gemlik.
3. „ — Mihalitsch — Panderma — Balikesri —
Edremid.
4. Brussa -Adranos.
5. „ — Biledjik.
6. „ — Amegöl — Basardjik — Bosüyük —Jnönü —
Kjutahia — Gedis — Uschak.
7. Afiun Karahissar — Sandykly — Diner.
Im Wilayet Smy.rna:
1. Smyrna — Burnabad — Magnesia.
2. „ — Nif — Kassaba.
3. „ — Tscheschme.
4. Dikili — Magnesia.
5. Menemen — Bergama.
6. Salihli — Demirdji.
7. Alaschehir — Eschme.
Im Wilayet Konia:
1. Konia — Afiun Karahissar.
2. „ — Eregli — Gülek Boghas (Kilikische
Thore) — Tarsus.
3. Konia — Karaman — Selefke.
4. „ — Beischehir — Adalia.
5. „ — Akserai* — Newschehir — Kaisarie.
Im Wilayet Angora:
1 . Angora — Beibasar — Nallühan — Torbaly .
2. „ — Kirschehir — Kaisarie.
3. „ — Yüsgad — Siwas.
4. „ — Sungurlu — Tschorum. •
J02 IV. DER VERKEHR.
5, Yüsgad — Kaisarie.
6. Kaisarie — Nigde.
Im Wilayet Kastamuni:
1 . Kastamuni — Taschköprü.
2. „ — Ineboli.
3. „ — Tossia.
4. )) — Djidde.
5. „ — Kiangri.
6. „ — Dadai — Aflani — Bartin.
7. Boli — Düsdje — Akdje.
8. Safranboli — Bartin — Amasra.
9. Sinope — Boyabad.
10. Boyabad— Amasia.
Im Wilayet Siwas:
1 . Siwas — Tokad — Amasia -r- Samsun.
2. „ — Kharput.
3. „ —Kaisarie.
4. „ — Ordu.
5. Tokad — Niksar — Unie.
6. Karahissar — Kerassunt.
Im Wilayet Trapezunt:
1 . Trapezunt — Baiburt — Erserum — Bayasid.
2. bis 5. Die Schlussstrecken der bei Siwas ge-
nannten Strassen i, 4 bis 6,
6. Samsun — Bafra.
Im Wilayet Adana:
1 . Mersina — Tarsus — Adana.
2 . Adana — Missis — Sis — Hadschin — Kaisarie.
3. Mersina — Selefke (längs der Küste).
4. Tarsus — Gülek Boghas, von wo die Strassen nach
Kaisarie, Nigde und Konia ausstrahlen.
Wie in vielen erst in jüngerer Zeit dem Verkehr er-
schlossenen Ländern hat die Entwickelung der Verkehrs-
verhältnisse sich nicht stetig entvtrickeln können, sondern be-
EISENBAHNEN. 103
vor das Gebiet sich mit einem gut ausgebildeten Netz von
fahrbaren Strassen überziehen konnte, wurde schon ein
neues, vervollkommnetes Verkehrsmittel eingeführt: die
Eisenbahn. Die ersten Anfänge des Eisenbahnbaues rei-
chen bis in das Jahr 1856 zurück, die Zeit des Krimkrieges,
durch den England grossen politischen wie wirtschaftlichen
Einfluss in der Türkei gewann. So waren es denn zunächst
englische Gesellschaften, die den Bau von drei Eisenbahn-
linien auf der Halbinsel in Angrijßf nahmen, erst später trat
französisches Kapital auf den Plan, und schliesslich war es
dem deutschen Unternehmungsgeist vorbehalten, den Bau
der wichtigsten Bahnlinien auszuführen.
Das anatolische Eisenbahnnetz umfasst gegenwärtig fol-
gende Linien:
I. Ottoman Smyrna and Ai'din Railway Company.
Die Gesellschaft erhielt am 23. September 1856 die Kon-
zession für den Bau der Linie Smyrna— Ai'din, 130 km, die
aber erst im Jahre 1866 dem Verkehr übergeben werden
konnte; 1879 wurde die Weiterführung der Linie bis Sarai-
kiöi, 232 km, und die Seitenlinie Torbaly — Tire, 48 km, und
1888 der Ausbau der Bahn bis Diner, 376,5 km, sowie ver-
schiedene Zweiglinien konzessioniert. Der Bau war im Sep-
tember 1890 vollendet. Die Konzession läuft bis zum Jahre
^935» 2U welchem Termin dem türkischen Staate das Rück-
kaufsrecht zusteht. — Das Schienennetz besitzt jetzt folgende
Ausdehnung:
Hauptlinie Smyrna — Aidin — Diner .
Zweiglinie Paradis — Budja ....
„ Kasamir — Seidykiöi . .
„ Torbalü — Tire — Ödemisch
„ Baladjik — Sokia ....
„ Gondjeli — Denislü ...
„ Sütledj— -Tschiyril . • .
insgesamt . . 504,2 km.
376,5
km
2,4
"ii
1,6
n
61,0
>♦
22,5
rt
9,6
71
30,6
n
104 IV. DER VERKEHR.
Die Hauptlinie wird von den Personenzügen in lo Stun-
den befahren.
2. Societe du Chemin de fer Ottoraän Smyrne-
Cassaba et Prolongements. Die Konzession für den Bau
einer Eisenbahn von Smyrna nach Kassaba im Hermusthal
wurde am 4. Juli 1863 einer englischen Gesellschaft erteilt
und bald darauf bis Alaschehir erweitert. Ferner wurden
1887 die Anschlusslinien Magnesia — Soma und Alaschehir —
Uschak konzessioniert. Nachdem die Aktien und die Lei-
tung dieser Bahn in französische Hände übergegangen waren,
wurde die Hauptlinie zufolge der Konzession vom 22. Fe-
bruar 1893 im Jahre 1896 über Uschak hinaus bis Afiun
Kärahissar ausgebaut. — Die Linien dieser Gesellschaft um-
fassen hiernach:
Hauptlinie Smyrna — Kassaba — Uschak —
Afiun Kärahissar .... 420 km
'Zweiglinie Smyrna — Burnabad .... 8 „
„ Magnesia — Soma 92 «
insgesamt . . 520 km.
Personenzüge brauchen für die Strecke Smyrna — Uschak
(287 km) 1 2 3/4 Stunden, für die Strecke Uschak — Afiun Kära-
hissar (133 km) 5V2 Stunden, die Reisenden müssen daher
«tets in Uschak übernachten; in Afiun Kärahissar finden sie
Anschluss an die Züge der Anatolischen Eisenbahn.
2a. Die Linie Mudania — Brussa befindet sich jetzt im
Besitz der gleichen Gesellschaft; sie wurde im Jahre 1881
durch die türkische Regierung als Schmalspurbahn (1,1 m)
von 42 km Länge gebaut. Die Bahn blieb unbenutzt liegen
und ging 1891 in den Besitz der genannten Finanzgruppe
über, die jetzt die Konzession zur Weiterfuhrung der Linie
von Brussa über Ainegöl nach Tschitli erstrebt. — Fahrzeit
I Y2 Stunden.
.— H
EISENBAHNEN. 105
3. Compagnie du Chemin de ferMersina— Tarsus—
Ada na. Die Konzession dieser Linie wurde 1883 einer
vorwiegend englischen Gesellschaft erteilt, die den Be-
trieb auf der nur 67 km langen, vollspurigen Eisenbahn
im August 1886 eröflfnete. — Die Fahrzeit beträgt etwa
2V2 Stunden.
4. Anatolische Eisenbahn - Gesellschaft (Societe
<iu Chemin de fer Ottoman d'Anatolie). In der Absicht, ein
grosses, die asiatische Türkei umspannendes Eisenbahnnetz
zu schaffen, hatte die ottomanische Regierung im Jahre 1871
-den Bau der Linie Haidar Pascha — Ismid (91,3 km) begonnen
und diese Strecke am i. August 1873 dem Verkehr über-
;geben. Zuerst vom Staate verwaltet, wurde die Bahn am
27. März 1880 an eine Betriebsgesellschaft vermietet. In-
awischen war das deutsche Kapital auf die Eisenbahnunter-
nehmungen aufmerksam geworden, und durch Kaiserlichen
Firman vom i. Oktober 1888 wurde der Deutschen Bank
-der Betrieb der bestehenden Eisenbahn übertragen und die
Konzession zur Weiterfuhrung dieser Linie über Eskischehir
bis Angora (486 km) erteilt. Der Bau wurde am 11. Januar
1889 begonnen und bis zum 31. Dezember 1892 voUendet.
I^ach diesem glänzenden Erfolg wurde der Gesellschaft am
15» Februar 1893 die Konzession zum Bau der Anschluss-
linien Angora-Kaisarie (410 km) und Eskischehir - Konia
{434 km) erteilt und von dieser die letztere Strecke ausge-
baut, die am 29. Juli 1896 dem Betrieb übergeben wurde.
Schliesslich wurde das deutsche Werk gekrönt durch den
Firman des Grossherrn vom 18. Januar 1902, welcher der
deutschen Finanzgruppe die Konzession zur Weiterführung
•der Bahnlinie von Konia über Adana — Biredjik — Urfa —
Mossul — Bagdad zum Persischen Meerbusen, eine Strecke voo-
mnd 2100 km, erteilte. Wenn auch der Ausführung des Baues
vor der Hand noch mancherlei Schwierigkeiten finanzieller
Natur entgegenstehen, so kann doch die bestimmte Erwartung
106 IV. DER VERKEHR.
ausgesprochen werden, dass dieses grosse Kulturwerk ia
absehbarer Zeit zur Vollendung gelangen wird.
Der Bau der bereits vorhandenen Linien der deutschen
Gesellschaft ist durch die Gewährung einer Kilometer-
Garantie durch den türkischen Staat ermöglicht worden;
diese Garantie beträgt für die Strecke Haidar Pascha —
Ismid 10300 Fr., für die übrigen Strecken 15000 Fr. Brutto-
Einnahme pro Jahr und Kilometer. Sie wurde für die pro-
jektierte Bagdad-Eisenbahn auf 15600 Fr. festgesetzt.
In Betrieb befinden sich gegenwärtig folgende Strecken:
Hauptlinie Haidar Pascha — Eskischehir 323,4 km
„ Eskischehir — Angora . . . 264,0 „
„ „ — Konia
Zweiglinie Hamidie — Adabasar
„ Alayund — Kjutahia
433,7 «
8,5 «
10,1 „
1039,7 km.
msgesamt
Die Fahrzeit beträgt auf der Strecke Haidar Pascha —
Eskischehir 13V4 Stunden, Eskischehir — Angora 9 Stunden
und Eskischehir — Konia 15 Stunden.
Fassen wir die seitens der verschiedenen Gesellschaftea
in Betrieb gesetzten Eisenbahnlinien zusammen, so erhalten
wir für Anatolien die nachstehende Summe:
1. Smyrna — A'idin- Eisenbahn . . . 504,2 km
2. Smyrna — Kassaba- Eisenbahn . . 520,0 „
2 a. Mudania — Brussa- Eisenbahn . . 42,0 „
3. Mersina — Tarsus — Adana-Eisenbahn 67,0 „
4. Anatolische Eisenbahn i039i7 «
insgesamt . . 2172,9 km.
Seeverkehr. Seit dem Altertum ist die Westküste der
Halbinsel die vom Verkehr begünstigte gewesen, während
•das pon tische Gestade und der Südrand unter der Ungunst
'der natürlichen Verhältnisse zu leiden hatten. Dort im Ägai-
SEEVERKEHR. — KÜSTEN3CHIFFAHRT. 107
sehen und im Marmara-Meer eine Querküste mit zahlreichen
Inseln und tief in das Land hineingreifenden Buchten, zu
denen breite Flussthäler bequeme Zugangsstrassen bieten,
hier zwei ausgedehnte Längsküsten, von schwer gangbaren
Gebirgen begleitet, und beide nahezu hafenlos; diese Bedin-
gungen geben leicht eine Erklärung, weshalb Smyrna und
Konstantinopel zu den Brennpunkten des kleinasiatischen
Verkehrs werden mussten, denen gegenüber Trapezunt an
der Stelle, wo die grosse persische Karawanenstrasse das
Meer erreicht, und Mersina am Fusse der Taurus-Ubergänge
nur einen bescheidenen Rang einnehmen.
Die Küstenschiffahrt konnte sich am frühesten in
der Agäis entfalten und hier die grösste Ausdehnung ge-
winnen. Stets behielt der Schiffer Landmarken in Sicht, und
die den ganzen Sommer hindurch wehenden Nordwinde
sicherten einen regelmässigen Verkehr, während die hoch-
bordigen Felsinseln einen sicheren Unterschlupf vor den ge-
fürchteten Südstürmen boten. In altüberlieferter Tradition
ist der Seeverkehr an den Küsten Kleinasiens nahezu aus-
schliesslich in den Händen der griechischen Bevölkerung
geblieben, deren Sitze sich um das ganze anatolische Ge-
stade ziehen und begreiflicherweise am Westrande die
grösste Verdichtung finden. Dem Türken wird das Meer
stets wesensfremd bleiben, dem Sohne der Steppe flösst es
weder Furcht noch Liebe ein, während der Armenier da-
gegen nur mit Zagen sein Leben dem schwanken Kiel an-
vertraut.
Neben den oft winzig kleinen Segelfahrzeugen, die unter
türkischer oder griechischer Flagge den Frachtverkehr zwi-
schen den einzelnen Küstenplätzen vermitteln, fahren auch
einheimische Dampfer regelmässige Linien oder fremde
Dampfer laufen hier und dort einen Platz an, um Getreide,
Holz, Kohlen oder Erz zu laden. Von den grossen Post-
dampfem werden nur einige wichtige Punkte berührt.
,108 IV. DER VERKEHR.
Häfen. Nur Smyrna besitzt einen vollständig ausgebauten
Hafen, Trapezunt und der Kohlenhafen Songuldagh sind
gleichfalls durch Wellenbrecher geschützt, alle übrigen
Küstenplätze haben mehr oder weniger offene Reeden und
sind nur mit einfachen Ladebrücken, an denen die Lichter-
fahrzeuge anlegen können, ausgestattet. Die wichtigeren
Küstenplätze*) sind:
Häfen am Schwarzen Meer.
Rise, Sürmene, Trapezunt^ Platana, Tireboli, Kerassunt,
Ordu, Fatisa, Unie, Terme, Santsun^ Sinope, IneboH, Djidde,
Amasra, Bartin, Songuldagh, Eregli, Indjirli, Kefken,
Kirpe, Schile.
Häfen am Marmara-Meer.
Skutari, Kartal, Pendik, Ismid, Karamursal,
Yalowa, Gemlik, Mudania, Panderma, Perama, Artaki,
Marmara, Kara Bigha, Lampsaki, Tschanak Kaie (Darda-
nellen).
Häfen am Agäischen Meer.
Aktschai (Hafen für Edremid), Aiwalük, Dikili, Phokia,
Smyrna^ Klazomenä (Hafen für Vurla), Tscheschme, Sigadjik,
Scala Nuova, Kuluk (Hafen für Milas), Budrum, Mar-
maras, Makri.
Inselhäfen des Archipels.
Lemnos, Tenedos, Myiilene^ Chios^ Samos, Pathmos,
Leros, Kalymnos, Kos, Rhodos.
Häfen an der karamanischen Küste.
Kastellorizo, Kekova, Fineka-Bai, Adrasan, Adalia,
Alaya, Selinti, Chaladran, Anamur Kalessi, Kilindria, Tasch-
Udja (Hafen für Selefke), Mersina^ Yumurtalik, Castobal.
*) Die von den Postdampfern angelaufenen Häfen sind in Kursto-
Schrift, die von lokalen Dampferlinien regelmässig angelaufenen Plätze
sind gesperrt gedruckt.
DAMPFERLINIEN. — POST UND TELEGRAPH. 109
Der Hafen von Smyrna hat nächst dem von Kon-
stantinopel den regsten Schiffsverkehr in der Levante; er
wird von folgenden Dampferlinien regelmässig angelaufen:
Deutsche: Deutsche Levante-Linie : A. C. de Frei-
tas & Co.
Englische: Khedivial Mail Steamship & Graving Dock
Co.; Cunard-Line; Leyland-Line, Moss-Line; Papayanni-Line;
Adam-Line; Talbot-Line; Cuppa Lambro Steamship Co.
Französische: Messageries Maritimes; Paquet & Co.
Griechische: Panellinion; P. Pantaleon & Co.
Italienische: Navigazione Generale Italiana.
Niederländische: Königlich Niederländische Dampf-
schiffahrtS' Gesellschaft.
Osterreichische: Österreichisch-Ungarischer Lloyd.
Ottomanische: Mahsuse-Co. ; P. M. Kurdji; Hamidie-
Co.; Hadji Daud Farku.
Russische: Russische Dampfschiffahrts- und Handels-
Gesellschaft.
Das Schwarze Meer befahren folgende Dampferlinien^
die regelmässig Trapezunt und zum Teil auch Kerassunt»
Samsun und Ineboli anlaufen:
Deutsche: Deutsche Levante-Linie.
Französische: Messageries Maritimes; Paquet & Co.
Griechische: Panellinion.
Italienische: Navigazione Generale Italiana.
Österreichische: Österreichisch-Ungarischer Lloyd.
Ottomanische: Mahsuse-Co.; P. M. Kurdji.
Russische: Gagarin; Russische Dampfschiffahrts- und
Handels-Gesellschaft.
Post und Telegraph. In sämtlichen Verwaltungssitzen
befinden sich Post- und Telegraphenämter, deren Organisation
in der letzten Zeit grosse Fortschritte gemacht hat. Die
Postsendungen werden durch Dampfer oder Eisenbahn oder
durch reitende Postillone, denen eine Bedeckung beigegeben»
110 IV. DER VERKEHR.
wird, befördert. Für die Benutzung des Telegraphen ist die
türkische Sprache obligatorisch; nur eine beschränkte An-
zahl von Ämtern, meist in grossen Städten, nimmt auch Tele-
gramme, die in einer fremden Schrift mit lateinischen Buch-
staben geschrieben sind, zur Beförderung entgegen. Die
Telegrammgebühr von Deutschland nach der Türkei beträgt
45 Pfennig für das Wort von lo Buchstaben.
In einzelnen Küstenplätzen sind ferner fremdstaatliche
Postanstalten errichtet worden; Smyrna besitzt ein deutsches,
ein englisches, ein französisches, ein österreichisches und ein
russisches Postamt.
V. Die Verwaltung,
Das hier betrachtete Gebiet umschliesst folgende Pro-
vinzen und Bezirke: i. Die asiatischen Kasas des Wilayets
der Hauptstadt Konstantinopel^ 2. das Sandjak Ismid^ 3. das
Wilayet Khodawendikiar^ 4. das Sandjak Bigha^ 5. das
Wilayet der Inseln des asiatischen Archipels^ 6. das
Wilayet Aidin^ 7. das Wilayet Konia^ 8. das Wilayet Angora^
9. das Wilayet Kastainuni,, 10. das Wilayet Tirabson
(Trapezunt)^ 11. das Wilayet »S^ee^^w, 12. das Wilayet -^4^^«^.
Organisation der Verwaltung: Die Wilayets oder
Provinzen sind in mehrere Sandjaks oder Regierungsbezirke
geteilt, diese zerfallen in eine Anzahl von Kasas oder
Kreisen, und von diesen letzteren sind häufig weitere be-
sondere Unterbezirke (Nahies) abgegliedert.
An der Spitze der Provinz Verwaltung steht ein Wali, der
unmittelbar dem Ministerium des Innern unterstellt ist. Der
erste Verwaltungsbeamte eines Sandjaks ist ein Mütessarif,
der einer Kasa ein Kaimakam und der einer Nahie ein
Mudir, die einander im Rang untergeordnet sind. Dem
Wali zur Seite gestellt ist ein Verwaltungsrat, dem der
Mektubdji (Generalsekretär), der Defterdar (Finanzdirektor),
der Mohassebedji (Chef des Rechnungshofes), der Mufti, der
Präsident des weltlichen Gerichts und eine Anzahl von den
Gemeinden gewählte und durch den Wali bestätigte, an-
gesehene Männer der Provinz als Mitglieder angehören.
112 - V. DIE VERWALTUNG.
Ähnliche Ratskörper bestehen in den Hauptstädten der San*
djaks, Kasas und Nahies.
Provinzeinteilung :
I. Wilayet Konstantinopel: 6 Kasas: Skutari, Prinzen-
Inseln, Gebse, Kartal, Beikos, Schile.
IL Sandjak Ismid: 5 Kasas: Ismid, Kandra, Adabasar,
Kara-Mursal, Geiwe.
m. Wilayet Khodawendikiar: 5 Sandjaks, 28 Kasas.
1. Brussa (Sitz des Wali): Brussa, Gemlik, Mihalitsch,
Mudania, Kermasti, Adranos.
2. Erthogrul (Hauptstadt Biledjik): Biledjik, Sögüd»
AYnegöl, Jenischehir.
3. Kjutahia: Kjutahia, Eskischehir, Uschak, Gedis,
Simaw.
4. Kara-Hissar-Sakib: Afiun-Kara-Hissar, Bolawadin^
Sanduchi, Asisie (Hauptort Muslidje).
5. Karassi (Hauptstadt Balikesri): Balikesri, Aiwalük,
Kemer, Edremid, Artaki, Günen, Panderma, Bigha-
ditsch, Sindirghi.
IV. Sandjak Bigha: 5 Kasas: Kale-Sultanie, Bigha,
Esine, Lampsaki, Aiwadjik.
V. Wilayet der Inseln des Archipels: 4 Sandjaks,
18 Kasas.
I. Rhodos: Rhodos, Symi, Kasos, Karpathos, Kastellorizo.
2.Chio: Chio, Ipsara, Nikaria, Leros, Kalymnos, Kos.
3. Mytilene: Mytilene,Molivo,Plomari, Yunda(Moskonisi).
4. Lemnos: Lembros, Imbros, Tenedos.
ferner angegliedert: Samos und Thasos.
VI. Wilayet Ai'din: 5 Sandjaks, 39 Kasas.
1. Smyma: Smyrna (Sitz des Wali), Kusch -Adassi,
Tscheschme, Odemisch, Wurla, Phokäa, Baindir, Me-
nemen, Bergama, Siwri-Hissar, Tireh.
PROVINZEINTEILUNG. 113
«• Saruchan: Maghnisa, Alaschehir, Kula, Ak-Hissar,
Salihli, Gördis, Demirdji, Eschme, Kirk-Agatsch,
Soma, Kassaba.
3, AUin: A'idin, Nasili, Bosdoghan, Söke, Tschina.
4, Mentesche: Mughla, Milas, Makri, Budrum, Köidjigis,
Marmaris.
5, Denisiü: Denislü, Dawas, Tschai, Bulwadin, Saraiköi,
Kara-Agatsch.
VIL Wilayet Konia: 5 S^ndjaks, 30 Kasas.
1. Konia: Konia, Akschehir, Beischehir, Seidischehir,.
Ilgun, Boskir, Karaman, Chadem, Eregli, Karabunar,,
Kotsch-Hissar.
2. Nigde: Nigde, Newschehir, Ürgüb, Akserai, Bor»
Maaden, Arabissu.
3. Burdur: Burdur, Tefeni.
4. Hamid' Abad (Hauptort Isbarta): Hamid -Abad,
Uluburla, Eghirdir, Karägatsch, Yalowatsch.
5. Adaita: Adalia, Elmalü, Alaya, Akseki, Kasch.
VIII. Wilayet Angora: 5 Sandjaks, 26Käsas. .
1. Angora: Angora, Tschibuk-Abad, Ayasch, Beybasar,
Nallühan, Siwri-Hissar, Michallidjik (Hauptort Kapu-
dak), Haimaneh (Hauptort Yapan), Yaban-Abad
(Hauptort Tschorba) , Kassaba - i - Bala (Hauptort
Karaly), Sir-Kasassi (Hauptort Istanos), Kaledjik.
2. Yüsgad: Yüsgad, Ak-Dagh Maaden, Bogaslajan.
3, Kaisarie: Kaisarie, Indjesu, Dewellü (HauptortEwerek).
4, Kirschehir: Kirschehir, Keskin (Hauptort Maaden),
Medjidie (Hauptort Boyalük), Awanös.
• 5. Tschorum: Tschorum, Sungurlu, Iskdib, Osxtiandjik.
IX. Wilayet Kastatnuni: 4 Sandjaks, 21 Kasas.
1. Kasia^nuni: Kastamuni, Ineboli, Safranboli, Tossia,
Aratsch, Taschköprü, Dada!,. Djidde.
2. Boli: Boli, Benderegli (Heraklea) , Bartift, Gönik;
Gerede, Düsdje, Mudreni, Hainidie (Dewrek).
Fitzncr, Anatolien. 3
1 14 V. DIE VERWALTUNG.
3. Kiangri: Kiatlgri, Tscherkesch.
4. Sinob: Sinob (Sinope), Boyabad, Istifan.
X. Wilayet Tirabson (Trapezunt): 4 Sandjaks, 22 Kasas.
1. Tirabson: Tirabson, Sürmene, Aksche-Abad, Wakfi-
Kebir, Gerele, Tripoli, Krreson (Kerassunt), Ordu.
2. Samsun: Samsun, Fatisa, Unie, Terme, Tschar-
schembe, Bafira.
3. Lasistan: Rise, Of, Atina, Hoppa (Kisse).
4. Gümüschhane: Gümuschhane, Torul, Scheiran, Kelkit.
XL Wilayet Siwas: 4 Sandjaks, 25 Kasas.
1. Siwas: Siwas, Kotschkiri, Diwrigi, Tunus, Görün,
Derende, Hafik, Yildis, Asisie.
2. Tokad: Tokad, Erbaa, Siile, Niksar.
3. Amasia: Amasia, Mersifun, Wesirköprü, Gümüsch-
Hadjikiöi, Ladik, Chausa, Medjid-ösü.
4. Karahtssar- Scharki : Karahissar - Scharki, Hamidie,
Kofluhissar, Suschehir, Aludjera.
XII. Wilayet Adana: 5 Sandjaks, 19 Kasas.
1. Adafia: Adana, Kara- Issalu.
2. Mersina: Mersina, Tarsus.
3. Itsch-Iä: Selefke, Gülnar, Anamur, Ermenek, Mut.
4. Kasan: Sis, Feke, Hadjin, Kars-Sulkadrie.
5. Djebel'i- Bereket: Yarput, Osmanie, Islahie, Bulanik,
Chassa, Payas.
•
Deutsche Konsularvertretung. Die deutschen Interessen
in der nordlichen Hälfte der Halbinsel werden durch das
Kaiserlich deutsche General -Konsulat in Konstantinopel
wahrgenommen; der Amts- und Jurisdiktionsbezirk desselben
umifasst in der asiatischen Türkei die Provinzen Khodawen-
dikiar, Angora, Kastamuni, Siwas und Trapezunt sowie die
zum Verwaltungsbezirk des Präfekten von- Konstantinopel
gehörigen Distrikte in Kleinasien und die Insel Tenedos.
Innerhalb dieses Amtsbezirkes befinden sich deutsche Vice-
KONSULARVERTRETUNG. — RECHTSPFLEGE. 115
konsulate in Amasia und Brussa, von letzterem, dessen
Bezirk die Provinz Khodawendikiar bildet, ressorticrt ferner
ein Konsularagent in Balikesri.
Der Amts- und Jurisdiktionsbezirk des Konsulats von
Smyrna umschliesst den Westen und Süden Kleinasiens:
die Wilayets Aidin, Konia und die Inseln des Archipels.
Vicekonsulate auf Chios und Samos.
Das Wilayet Adana mit einem Konsulat in Mersina ist
dem Konsulat in Beirut zugeteilt.
Nur die Konsulate zu Konstantinopel, Smyrna und Beirut
sind mit Berufskonsuln besetzt, die übrigen werden von Wahl-
konsuln verwaltet. Bei dem Wachstum der deutschen wirt-
schaftlichen Interessen in Anatolien erscheint die Errichtung
von Konsulaten in Eskischehir, dem Knotenpunkt des
anatolischen Eisenbahnnetzes, und in Trapezunt, der Ein-
gangspforte für ein grosses wichtiges Hinterland (Armenien
und Persien), durchaus wünschenswert.
Die Rechtspflege wird von geistlichen und weltlichen
Gerichten [Scheriye und Bedayet] ausgeübt, erstere unter-
stehen dem Scheikh-ül-Islam, letztere dem Justizminister. Das
geistliche Gericht, das von einem Mufti oder Kadi präsidiert
wird, ist für alle Fragen des mosleminischen Familien- und
Erbrechtes sowie für Religionsangelegenheiten der Moham-
medaner zuständig. Dagegen gehören Sachen des Straf-
rechtes und Zivilrechtes wie auch des Handelsrechtes vor
die bezüglichen weltlichen Gerichte, die gleich den geist-
lichen Gerichten an den Hauptorten der Verwaltungsbezirke
(Wilayets, Sandjaks und Kasas) errichtet sind. Ausser diesen
Gerichten I. Instanz bestehen in den Wilayet -Hauptstädten
Appellations- und Schwurgerichte, die von einem Gerichts-
präsidenten geleitet werden. Handelsgerichte sind an
grösseren Verkehrsmittelpunkten vorhanden; dem Handels-
richter stehen vier gewählte angesehene Kaufleute des betr.
Bezirkes als Beisitzer zur Seite.
8*
116 V. DIE VERWALTUNG.
In allen Streitsachen zwischen fremden und türkischen
Staatsangehörigen sind die ottomanischen Gerichte zuständigr,
doch kann nach den Kapitulationen die gerichtliche Verhand*
long nur unter dem Beisitz eines Delegierten (Dragomans)
desjenigen Konsulats stattfinden, dem der fremde Staats-
angehörige untersteht
In Streitfallen, bei denen beide Parteien Ausländer
sind, treten die Konsulargerichte in Konstantinopel in
Wirksamkeit; dieselben bestehen aus dem Konsul als Vor-
sitzenden und zwei bez. vier aus den Gerichtseingesessenen
des Konsulats erwählten Beisitzern. Die Kompetenz richtet
sich nach der Staatsangehörigkeit des Beklagten. Berufungs-
instanz für die Entscheidungen des deutschen Konsulargerichtes
ist das Reichsgericht in Leipzig. Verbrechen werden von
den Schwurgerichten des betr. Staates, denen der Inkulpat
angehört, abgeurteilt.
Sachregister.
Seite
Ackerbau . . 43
Agrumen 58
Alaun 80
Angoraziege ......... 34
Ansarieh 24
Antimon 76
Armenier 15
Arsen 77
Bastirma 36
Baumaterialien 80
Baumwolle 50
Baumwollweberei ........ 96
Bergbau ............. 70
Berggesetz 81
Bewohner 15
Bienenzucht 40
Binnenzoll 87
Blei 75
Bodenbau 2
Bodennutzung 62
Braunkohle 74
Buchweizen 49
Büffel 36
Chromeisenstein 73
Deutsche 28
Djidjims 95
Dreschtafel .....•;.•.. 44
Düscheme ; . . . . 94
Seite
Eierausfuhr 39
Eisenbahnen 103
Eisengiessereien . . 90
Ente 39
Erze 74
Esel .38
Farbpflanzen 51
Fayencen .91
Feige 59
Fezfabrik 96
Filzfabrikation 96
Fische 14
Fischerei 82
Flüsse 5
Futterpflanzen . 49
Gans ....-..•.,..-.. 39
Gebetteppiche 93
Gebirgsbau 2
Gelbbeere 51
Gemüse 57
Geologischer Auf bau^ 2
Gerste 48
Gespinstpflanzen .■ 50
Gewerbe 86
Glasfabrik 91
Grenzscheide • . . . . i
Griechen 16
Gummi traganth ......... 70
Gyps 80
118
SACHREGISTER.
Seite
Häfen io8
Hafer 49
Handelsgerichte 115
Hanf 51
Haselnüsse 69
Haushuhn 39
Haushund 39
Hauskatze 39
Haustypen 21
Hebe 94
Hirse 49
Holzindustrie 88
Holzkohle 89
Honig 40
Hygienische Verhältnisse ... 8
J^d 84
Industrie 86
Insekten 14
Juden 27
Kamel 37
Kaolin 80
Kartoffel 49
Keramische Industrie 90
Kilims , 94
Kirsch ehir-Teppiche 94
Klima 6
Knoppem 70
Köhler 89
Kokons (Seide) 41
Kolonisation 63
Konsulargerichte n6
Konsularvertretung 114
Krapp 51
Kreuzbeere 51
Kupferbergbau 76
Kurden 26
Kurden-Teppiche 94
Seitr
Küstengliederung 4
Küstenschiffahrt 107
Kyschlak «i
Kysyl-Basch 25
Lage I
Landbevölkerung 20
Landverkehr 97
Lederausfuhr ........ 90
Lederindustrie 89
Lein 51
Leinenindustrie 95
Levantiner 27
Lingua franca 2j
Mais 49"
Manganerz 76
Marmor So-
Mastix 61
Maultier 38-
Meerschaum 71
Metallindustrie 90
Mohair 34, 96
Mohn SS'
Muhadjir 25
Müllerei 87
Namaslik 94-
Narkotica 51
Neger 27
Nomaden 25
Oberfläche r
Obstbau 5*
Olivenbaum 5&
Opium 55
Ortschaften 28
SACHREGISTER.
119
Seite
Pandermit 72
Pelaskisch — alarodischerSprach-
stamm 19
Pferd 37
Pflanzenwelt 9
Pflug ... 44
Porzellan 91
Post 109
Provinzeinteilung 112
Quellen, heisse 81
Regenmessungen 9
Reis 49
Riaskuste 4
Rind 36
Roggen 49
Kosinen 61
Sägemühlen 89
Salinen 79
Salz 77
Säugetiere 11
^haf 35
Schiffsbau 89
Schmirgel 77
Schwammfischerei 86
Schwefel 77
Sedjade 93
Seeverkehr 106
Seidenproduktion 43
Seidenraupenzucht 40
Seidenschmetterling 40
Seidenweberei 95
Seifenstein 80
Sektierer 22
Siedelungen 28
Siegelerde 80
Silberhaltiges Blei 75
Seite
Siwali 93
Sofwali 93
Soolquellen 78
Sorghum , . 49
Steinkohlen 73
Steinsalz 77
Strumpfwirkerei .96
Tabak 51
Tachtadschi 22
Tataren . 27
Taube 39
Telegraph 109
Temperatur, mittlere 9
Teppichfabrikation 92
j Textilindustrie 91
Thermen 81
Tierleben 11
Töpferei 90
Transporttiere 97
Tscherkessen 25
Tuchfabrikation 96
Tulü 37
Türken 18
Turkmenen 26
Urbevölkerung 19
Vallonea 70
Verkehr 97
Verkehrswege 97
Verwaltung iii
Viehzucht 32
Vögel 12
Volksdichte 29
Vulkane 3
Waldnutzung 69
Waldwirtschaft 65
120
SACHREGISTER.
Seite
Walkerde 80
Wassermühlen 87
Weberei 95
Weinrebe 60
Weizen 46
Windmühlen 88
Wismuth 77
YaYla 21
Seite
Yanhali 94
Yastik . . „ . . . , . . ... 94
Yogurt 36
Yürüken 26
Yürük-Teppiche 94
Ziege 27
Zigeuner 33
Wühehn Gronau*s Buchdrücke rei, Schöneber'g- Berlin.
3 2044 022 682 223