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Full text of "Anecdoton Holderi"

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c 626.83 



UBoner. Anecdoton holderl. 1877 




V Google 




HARVARD COLLEGE 
LIBRARY 




FROM THE FUND OF 

CHARLES MINOT 

CLASS OF 1828 




oogle 






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^- 



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FESTSCHRIFT 

ZUR BEGRÜSSÜNG 

DER XXXII VERSAMMLUNG 

DEUTSCHER 

PHILOLOGEN UND SCHULMÄNNER 

zu 

WIESBADEN 



DBÜCK DEB UNIVERSITÄTS-BUCHDRUCKEBEI VON CARL GEORGI IN BONN 

1877 



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ö 

. I • 

ANECDOTON HOLDERI 

EIN BEITRAG ZUR GESCHICHTE ROMS 
IN OSTGOTHISCHER ZEIT 

VON 

HERMANN ÜSBNER 






/: 



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Der liebenswürdigen aufmerksamkeit , mit der Alpeed 
Holder bei seinen handschriftlichen Studien die Interessen zahl- 
reicher freunde im äuge zu halten und in selbstlosester weise 
zu fördern pflegt, verdanke ich die mittheilung eines anek- 
doton, das, so kurz und unscheinbar es ist, doch nicht un- 
werth scheint einem weiteren kreis vorgelegt zu werden. Ein 
auszug aus einer bisher unbekannten schrift des Cassiojdorivs 
Senator bringt es uns nachrichten eines Zeitgenossen über die 
drei hervorragenden Römer, deren namen von der letzten 
uachblüthe Roms unzertrennbar sind, und hilft dadurch, die 
denkwürdige zeit von Theoderichs Italischer herrschaft uns 
anschaulicher zu machen. Dem Interesse, das die wenigen 
Zeilen mir sogleich erregten, gab ich mich vollauf hin. Aber 
pflicht und neigung zogen mich bald zu anderem fort. Jahre 
sind seitdem vergangen und die eigne arbeit mir fast fremd 
geworden. Das gefühl der mit der gäbe übernommenen Ver- 
pflichtung hat sich inzwischen nicht abgestumpft. Der auf- 
gäbe, die zum diesjährigen philologentage zusammen strö- 
menden fachgenossen schriftlich willkommen zu heissen, habe 
ich mich um so lieber unterzogen, als sie mir eine gelegen- 
heit ist an den freundlichen geber meine schuld der dank- 
barkeit abzutragen. Freilich bleibt, was ich heute zu bieten 
vermag, hinter dem zurück, was ich wollte. Ich muss mich 
auf skizzen und bruchstücke beschränken, wo ein ganzes hin- 
gestellt werden sollte. Wenn ich die alte Wahrheit , dass 
das bessere der grösste feind des guten ist, auf mich an- 
wende, so weiss ich recht wohl, dass auch dem wenigen 
guten mancher fleck anhaften wird , für den ich um nach- 
sieht zu bitten habe. 

1 



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Das neue fragment hat sich in einer Reichenauer, jetzt 
in der grossherzoglichen hof- und landesbihliothek zu Carls- 
ruhe befindlichen handschrift von Cassiodorius' institutiones 
humanarum verum aus dem zehnten Jährhundert (cod. Augiensis 
n. cvi) erhalten. Um es verständlich zu machen, wie das- 
selbe an diesem ort bewahrt blieb, • kann ich eine kurze an- 
deutung über die handschriftliche Überlieferung der Cassio- 
dorischen encyclopaedie mir nicht ersparen. Welche beglau- 
bigung der gangbare text der ausgaben hat, ist mir unbekannt ; 
die älteren exemplare des vni bis x jh. geben einen mehr 
noch im grossen, als in einzelnen lesarten verschiedenen 
text. Diese selbst aber spalten sich in zwei gruppen, durch 
welche so abweichende redactionen, dass man sie verschiedenß 
werke nennen darf, bezeugt werden. . Die ältere und kürzere 
redaction rührt offenbar von der eignen band des Cassio- 
dorius her, wie sich aus vor- und Schlusswort, mehrfachen be- 
ziehungen auf die bibliothek des klosters bei Squillace, und aus 
der bekannten subscription codeoj archetypiis ad cmm exem- 
plaria sunt reliqui corrigendi ergibt*: von ihrem hauptver- 
treter, einer Bamberger hs. des vui jh., hatte schon F. Haase 
künde gegeben, für den rhetorischen abschnitt machte C. Halm 
von ihr in seinen rhetores gebrauch ; ausserdem liegt sie vor 
in einer Würzburger hs. fast gleichen alters, einer SGaller 
(stiftsbibl. 855) des ix und einer Carlsruher (Augiensis n. 
ccxLi) des X jh. ** Die jüngere Umarbeitung, über deren in- 



*) s. F. Haase zu Gregorii Turon. Über ineditus de cursu 
Stellarum Bresl. 1853 p. 5 und de latinorum codd. ms. subscriptionilms 
(Bresl. progr. von 1860) p. 7 f., L. Spengel im Philol. 17, 555 ff. 
Seinen commentar zu Ciceros topik unterschrieb Boethius unter buch n 
in IV V conditor operis emendavi, nach cod. Vatic. lat. 567 saec. xi ; 
buch VII der hisi, trip, Cassiodorius ContuU (Reifferscheid, bibl. 
patr. 1,263), b. ixpercontuU (ders., sitzungsber. d. Wiener akad.7l2 32). 

**) von der Bamberger hs. gestattete mir C. Halm freundlichst 
nach einer im j. 1852 von hm A. Linsmayer angefertigten coUation 
kenntniss zu nehmen ; von der Reichenauer n. coxLi stellte mir Holder 



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halt nnd verhältniss zar älteren ich mir yorhehalte an an- 
derem ort zu reden, unterscheidet sich schon auf den ersten 
blick durch ihre zum theil umfangreichen Zusätze : mir be- 
gegnete sie zuerst in zwei Berner hss. des x jh. (n. 212 
und 234), ich fand sie dann wieder in einem exemplar der 
SGaller stiftsbibliothek (n. 199 5. x), und nun tritt jene 
Reichenauer hs. hinzu, aus welcher Holder das anekdoton 
hervorgezogen hat. Ein wesentliches erkennungszeichen dieser 
redaction bilden ausser den inneren erweiterungen mehrere 
anhänge. Die reihenfolge dieser anhänge ist unverändert 
die gleiche in den vier (genauer drei , da die Bemer hs. 
234 in diesem theil zu stark beschädigt ist um tnitzu- 
zählen) hss. die ich kenne : ein zeichen, dass dieselben zur 
ursprünglichen ausstattung der jüngeren redaction gehörten. 
Nur gegen ende ist der fleiss der Schreiber ein ungleicher 
gewesen : die SGtiller hs. bricht schon mit dem schluss der 
excerpta aus Augustinus ab ; drei weitere stücke bewahrt 
noch die 'Berner hs. 212 gemeinsam mit der Reichenauer ; 
dann mit dem letzten, dem werthvollsten, steht diese (falls 
nicht, wie vor allem von Paris zu hoffen ist, weitere exem- 
plare auftauchen) allein. Die ganze Sammlung mit allem 
Zubehör kann füglich schon im sechsten jahrh. entstanden sein. 
Das fragment steht auf der letzten seite der hs., f. 53^. 
Da es nicht vieler nachhilfe bedarf, so lasse ich es gleich 
in der gestalt folgen, die ich glaubte ihm geben zu müssen. 

Excerpta ex libello Cassiodori Semtoris monachi servi dei 
ex patridOy ex consule ordinario quaestore et magistro offi- 



eine coUation, von der andern eine sehr detaillierte beschreibung 
zur Verfügung. Die Berner und SGaller hss. sind mir durch eigne 
benutzung bekannt; von der Berner n. 212 ergänzte H. Hagen be- 
reitwilligst meine notizen, ehe es mir vergönnt war dieselbe noch- 
mals genauer zu prüfen. 

Die hs. bietet z. 1 Excepta \\ cafiodon'i || 2 o^ conf 



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ciorumy quem scripsit ad Mußum Petronium Nicomachum ex 
consüle ordinario patridum et magistrvm officiorum, ordo 
5 gen&i'is Cassiodoriorum: qui Script or es extiterint ex eorum 
progenie vel ex dvibtis eruditis, ^ 

Symmachus patricim et consul Ordinarius^ vir phUosophUs, 
qui antiqui Catonis fuit novellus imitator, sed virtutes vete- 
rum safwtissima religione tran^cendit. dixit sententiam pro 

10 allecticiis in senatu^ parentesque suos imitatus hisiofiafn quo- 
que Bomanam Septem libris edidit, 

Boethius dignitatihus summis excelluit, utraque lingua 
peritissimus oraior fuit. qui regem Theodorichum in senatu 
pro consulatu ßiorum luculenta oratione laudavit. scri- 

15 psit librum de sancta triniiate et capita quaedam dogmatica 
et librum contra Nestorium, condidit et Carmen bucolicum, 
sed in opere artis logicae id est dialecticae transferendo ac 
mathematicis disciplinis talis fuit ut antiquos auctores aut 
aequiperaret aut vinceret. 

20 Cassiodorus Senator vir eruditissimus et muUis dignitatihus 
pollens. iuvenis adeo, dum patris Cassiodori patricii et 
praefecti praetorii consiliarit^ fieret et laudcs Theodorichi 
regis Gothorum facundissime reciiasset , ab eo quaestor est 
f actus ^ patridus et consul Ordinarius ^ postmodum dehinc 

25 magister officiorum [et praefuisset formulas dictionum, quas 
in duodedm libris ordinavit et Variarum titulum superposuU], 
scripdt praecipiente Theodoricho rege historiam Gothicam, 
originem eorum et loca moresque XII libris annuntians. 



z. 3 Nicomachum & conf ordinarium über die lücke s. unten s. 6 
II offociorü II 5 cafiodorüg jj 6 exquibuf \\ 9 proalectidif || 12 Bo- 
tiufW 15 cap II 16 hochoUcum \\ 17 loicae \\ 18 nach taK/*ra8ur von 4—5 
buchstaben || auteq. perardt || 22 praecorii confüianuf fierS laudef 
II 25 offidorum aus offodorum corrigiert mit rasur || 25 c^ . . . 26 
fuperp. 80 die hs., ich habe nichts gebessert, aber die stelle als un- 
geschickten Zusatz ausgeschieden, s. abschn. vi || 28 dt loca moref 
in librif \\ der rest der seite (17 zeilen) ist ausradiert; schwerlich 
enthielt er eine Fortsetzung des excerpts. 



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I ADRESSAT UND TITEL DER VERLORENEN SCHRIFT * 

Einer soviel mir bekannt ist bis auf jede weitere spur 
verschollenen scbrift Cassiodors sind diese trotz ihrer kärglichen 
knappheit erwünschten nötizen über die drei berühmtesten 
Römer der zeit des Theoderich entlehnt. Die Originalität 
und Zuverlässigkeit der nachrichten wird gleich durch den 
titel ebenso streng auf die probe gestellt wie zuverlässig über 
jeden zweifei erhoben. Einem Bufius Petronius Nicomach/us 
war die schrift gewidmet ; unter seinen würdetiteln wird dem 
ex consule ordinario die erste stelle eingeräumt. Aber die 
consularfasten kennen diesen eponjmen nicht. Bekanntlich 
verzeichnen die fasten der späteren kaiserzeit, oft auch in 
der datierungsformel die jüngeren Inschriften die consuln nur 
nach ihrem haupt- oder 1|tichnamen, und entsprechend dieser 
gewohnheit haben sich denn die consularlisten des Ravenna- 
tischen und der Byzantinischen Chronographen, sowie dio fasti 
Idatiani auch in den älteren zeiten der Römischen geschichte 
fast ausnahmslos auf die nennnng 6ines namens beschränkt. 
Durch einen wunderbaren zufell ist die vollständige benen- 
nung unseres Rufius nur an Einern, ganz abgelegenen orte 
aufbewahrt. Ein Ravennatischer papyrus bei Marini, papiri 
diplomatici n. cxm wird datiert p. 172 Bufio Fetronio Ni- 
^omago Cethego üc consule stib die . nonarum fehruariarum. 
Schon Marini ao. p. 328, atti e monum. de* fratelli Arvali 
p. 471 und de Rossi, i/nscrr, Christ, i p. 415 f. haben er- 
kannt, dass mit jenen namen der in den fasten als CetJiegus 
KidTjyog G{a)eth{a)eus usw. aufgeführte consul des j. 504 
bezeichnet werde, ein name dessen klang durch F. Dahns 
kämpf um Rom jetzt auch dem grösseren publicum geläufig 
geworden ist. Das diakritische wort, das natürlich in Cas- 
siodors buchtitej^^ wenig fehlen konnte wie in diesem pa- 
pyrus, war veMpfwilich im original undeutlich geworden und 




*) Die anmerkungen, auf welche die ziffem hinweisen, habe 
ich ans ende eines jeden abschnitts gestellt. 



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so von dem excerptor übergangen. Wir dürfen das fehlen des 
namens Cethegus zuversichtlich auf rechnung eines solchen 
Zufalls setzen, da vor dem wort ex consüle noch etwas an- 
deres ausgefallen ist, was in einer so förmlichen titulatur 
nicht fehlen durfte, die angäbe des rangs v{irum) inl(tistrem) 
oder V. c(larissinmm) et inh Um die geschichtliche Stellung 
dieses mannes zu bestimmen, bildet eine stelle des Ennodius 
die grundlage. In seiner paraenesis didascalica an Ambrosius 
den söhn des Faustinus und an Beatus (opusc, vi) , welche 
Ennodius zu Mailand in der zeit von 505 bis 509^ ge- 
schrieben hat, werden zum schluss hervorragende männer und 
frauen des damaligen Borns charakterisiert, deren beredsam- 
keit und bildung den beiden hoffnungsvollen Jünglingen ein 
Vorbild sein soll; darunter auch Cethegus und sein vater 
Probinus, der consul des Jahres 489 : *Da* ist auch der 
patricier Probinus, die erprobte erlauchtheit eines Placidus- 
sprösslings^, den in den familien verband der gelehrten seine 
bis zum letzten strich vollkommnen sitten^ eingeführt haben, 
der an des vaters und an des Schwiegervaters born die saubre 
eleganz schöpfte, die ihn auszeichnet. Da ist sein söhn, der 
patricier Cethegus, ein consular, der noch jung ergraute 
Weisheit* überholt und unerachtet seines alters sowohl den 
reifen Wohlgeschmack vorgerückter jähre als die honigsüsse 
der knabenzeit in sich vereinigt*. In der correspondenz des 
Ennodius ündet sich nur* 6in brief an Probinus, eine empfeh- 
lung des jungen Ambrosius (ix 3); an Cethegus und seine 



*) ich führe Ennodius nach Jac. Sirmonds ausgäbe (Par. 1611. 
8) an, die sowohl im ersten band von Sirmonds opera (Venet. 1728 
fol.) als von MignePatrol. lat. t. Lxin wiederholt ist; die stelle lautet 
p. 445: est etiam Probinus patricittSy placidi germinis [s. amn. 2] 
examinata claritudo, quem eruditorum familiae mores ad unguem 
ducti contuUrunt ; qui de patris et de soceri hausit fönte, quod mun- 
dus est, est patricius Cethegus eius ßius, vir consutaris, qui canam 
prudentiam minor transgrediens sine aetatis praeiudicio habet et pro- 
vectorum saporem et meUa pueritiae. 



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Schwester Blaesilla wird durch Vermittlung des Beatus ein- 
mal ein gruss bestellt (vii 29). Und doch fällt die haupt- 
masse dieser briefe gerade in das Jahrzehnt, dem wir die 
paraenesis zuwiesen^. Je ferner Ennodius den beiden män- 
nern steht, die er in den obigen werten rühmt, um so deut- 
licher ist es, dass diese lobpreisung durch das persönliche 
verhältniss des Ambrosius und Beatus, der adressaten der 
paraenesis, zu dem hause des Probinus bedingt war; sehr 
möglich auch, dass Ennodius, der nicht zwecklos seine müh- 
selige feder in bewegung setzt, auf diesem wege Versöhnung 
und anknüpfung suchte : es wird durch das weitere klar werden, 
dass in den kämpfen der kurz vorher gegangenen jähre 
Ennodius sich offen zu der partei bekannte, welche gegen 
Probinus stritt. Als Cassiodor an Cethegu« schrieb , war 
dieser letztere, wie wir jetzt erfahren (s. anm. 13), magister 
officiorum. Der jüngste sicher zu bestimmende Zeitpunkt, dessen 
unsere excerpte gedenken , ist das consulat von Boethius söh- 
nen 522; unsere Schlussbetrachtungen werden als fernere 
grenze das j. 523 feststellen: das magisterium des Cethegus 
fiel wahrscheinlich in das jähr 52V2« Bis in sein greisen- 
alter vermögen wir das leben dieses freundes von Cassiodor 
zu verfolgen. In der zeit des Totila stand er an der spitze 
des Römischen Senats. Als während der harten belagerung 
durch das Gothische beer im j. 546 die noth Roms aufs 
höchste stieg, lenkte sich die Romanische sucht, im unglück 
verrath zu wittern, auf das caput senaü, gewiss mit noch 
weniger grund, als in der zeit des Yitiges auf das damalige 
haupt der Christenheit, Silverius. Cethegus verliess die stadt, 
aber widerlegte den verdacht, indem er nicht bei Totila 
schütz suchte, sondern sich nach Centumcellae begab ^. Dass 
er dann nach der Überrumpelung Roms sich den mit Bessas, 
dem kaiserlichen commandanten geflüchteten Senatoren^ an- 
schloss und sich nach CPel um hilfe wandte, erfahren wir 
zufällig durch das pabstbuch (Anastas. 60, 107): ingressus 
autem rex habitavit cum Romanis quasi pater cum filiis. tunc 



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quidam de senatoribus fugientes Cethegus et Älhinus Basilius 
patricii et exconsules^ ingressi sunt Constantinopolim et prae- 
sentes ante imperatorem afflicti et desolatL consolatus est autem 
eos Imperator et ditavit eos^ sicut digni erant eonsüles Bomani. 
Die freundliche aufnähme am Byzantinischen hofe war ihm 
gewiss. Als ein ergebener anhänger der Oströmischen po- 
litik wurde er willkommen geheissen, und dem entsprechend 
später auch seine kräfte in anspruch genommen. Die letzte 
spur, die ich kenne, ein für die grundsätze der kirchlichen 
Verwaltung interessanter brief des pabsts Pelagius (555 — 560), 
der frühestens aus dem j. 556 stammen kann^, zeigt ihn 
in Unterhandlung über die anerkennung und weihung zweier 
Sicilischer bischöfe; er wird also damals gemäss der Justi- 
nianischen geschäftsordnung praetor Siciliens, wenn nicht viel- 
mehr comes sacri patrimonii per Itäliam^^ gewesen sein, ge- 
wiss schon ein siebenzigj ähriger. 

Wenn wir auch die erörterung von Cassiodors würden 
einer späteren stelle vorbehalten müssen, vermögen wir doch 
schon jetzt zu erkennen, dass der titel der schrift uns in 
jgeiner originalen fassung nicht vorliegt. Hätte Cassiodor 
erst in der zurückgezogenheit seines klosters das buch ver- 
fasst, so hätte er unter den abgelegten ehren nicht die 
höchste würde, die er bekleidet, vergessen können, die prä- 
torische praefectur. Aber gerade die Schriften dieser zeit 
begnügen sich mit der einfachen bezeichnung Cassiodori(i) 
Senatoris: so die instittdiones, de orthographia^ der commen- 
tar zu den psalmen und die compleasiones^^. Von mönchischer 
demüthigung ist in den titeln derselben so wenig eine spur 
wie von eitlem behagen am abgestreiften flitterkram des hof- 
lebens; sie entsprechen Trithemius Worten über Cassiodor 
contemptis vanis honorihus saecüli pro amore dei monachus fac- 
tus est. Erst nach Cassiodors tod, als das andenken an seine 
öffentliche laufbahn erloschen war, konnte die Überschrift 
zurecht gemacht werden, welche uiiser epitomator beliebte. 
Dem Schreiber war Cassiodor nur als der vornehme und ge- 



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lehrte klosterherr bekannt; die würden, welche abgesehen 
von der Ordnung mit den folgenden auszügen genau über- 
einstimmen und von urkundlicher Zuverlässigkeit sind, las er 
in dem original; um die demuth und weltverachtung des 
'monachus servus def zu vollem ausdruck zu bringen, ent- 
kleidete er den Gassiodor auch seines lebenslänglichen rangs 
als pairicius und schuf die neue Stellung eines ex patricio. 

Noch deutlicher liegt in der angäbe des inhalts (z. 4—6) 
die band eines späteren Schreibers vor äugen. Die anwen- 
dung des nominativs ordo generis und die lose angefügten 
indirecten fragesätze lehren, dass der Verfasser seine schrift 
überhaupt . nicht anders bezeichnet hatte als durch seinen 
und des Cethegus namen. Den ursprünglichen titel dürfen 
wir nach analogie von Boethius kleinen theologischen Schrif- 
ten ^^ und gemäss den obigen bemerkungen so herstellen : 

CASSIODORI SENATORIS EX CONS • ORD • (EX) QVAEST- 
ET MAG • OFF • PATRICII AD RVFIVM PETRONIVM NI- 
COMACHVM (CETHEGVM V • C • ET INL) EX CONS • ORD- 
PATRICIVM ET MAGISTRVM OFFICIORVM " 
(DOMINO CETHEGO SENATOR). 

Die excerpierte schrift war also eine abhandlung in 
briefform. Ihren- massigen umfang deutet ea libello (z. 1) 
an. Als ihren eigentlichen inhalt bezeichnet der epitomator 
eine genealogische Übersicht über das Gassiodorische geschlecht, 
ordo generis (Jassiodoriorum: so habe ich geglaubt das über- 
lieferte casiodorü herstellen zu müssen, weil das folgende 
eorum (z. 5) auf einen vorhergegangenen plural weist, und 
weil der autor selbst, mochte er sich als einzelner nun Cassio- 
dorus nennen oder Cassiodoritts^^, sein geschlecht wohl nur 
unter dem namen Cassiodoni zusammenfassen konnte und nach 
ausweis der handschriftlichen Überlieferung es auch wirklich 
gethan hat^^. 

Es ist dankenswerth dass der epitomator sich mit dieser 
allgemeinen angäbe nicht begnügt, sondern in seiner stam- 
melnden rubrikensprache den inhalt noch etwas genauer be- 



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Btimrot. Der genealogische überblick war mehr der rahmeD 
des Sendschreibens gewesen : im einzelnen wurde der accent 
auf etwas anderes gelegt: gui scriptares ewtiterint ex eorum 
progenie vel ex civihus^^ eruditis. Der verwandtschaftliche 
Zusammenhang, in den die vornehmen familien des späteren 
Rom allmählich getreten waren ^^, machte es leicht auch bei 
jener genealogischen begrenzung der schrift die wenigen 
wirklich thätigen alle hereinzuziehen. Aber es lässt sich 
nicht beweisen , dass dies die massgebende absieht des Ver- 
fassers gewesen. Das wenige, was uns übrig geblieben, lässt 
uns noch sehen, dass Cassiodor in der that den genealogischen 
faden nicht aus der band verlor. Die Aurelii^ deren ge- 
schlechtsnamen auch Cassiodorius trägt, führten nothwendig 
auf Q. Aurelius Memmius Symmachus, und bei diesem konnte 
der hervorragendste schriftsteiler der zeit, Boethius als Sym- 
machus* Schwiegersohn nicht übergangen werden ; erst zuletzt 
wird er auf die eigne familie gekommen sein, und die am 
ende des auszugs stehenden notizen über ihn selbst haben 
wohl auch den schluss des Sendschreibens gebildet. In dem 
rectificierenden zusatz vel ex dvibus eruditis verräth sich, 
scheint mir, die art wie der epitomator gearbeitet hat. Er 
las nicht sondern blätterte, und hob aus, was sein interesse 
fesselte, unbekümmert um den genealogischen Zusammenhang. 
Hätte Cassiodor überhaupt den gelehrten und schriftstellem- 
den ^mitbürgerrf ein denkmal setzen wollen, so würden z. b. 
Ennodius und Alcimus Avitus weder von ihm noch von dem 
epitomator übergangen worden sein. 



Anmebküngen 1 (s. 6) Diese zeitgrenzen ergeben sich aus 
der bezeichnung des Cethegus als consular und aus den werten 
über Boethius p. 445 f. Jugend und gelehrsamkeit werden an ihm 
so hervorgehoben, dass das consulat nicht hätte verschwiegen wer- 
den können. Dazu kommt dass Ennodius mit Boethius sogar ver- 
wandt war und durch dessen fasces seinen eignen rühm gehoben 
glaubt, vgl. ep. vm 1 p. 222 f. dicatis forsitan: par fuit propinquum 



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laudare in commune augmentum Idborantem und venu ad me quidem 
portio de curtdi. Die Verwandtschaft war wenigstens so nahe, dass 
Ennodius, als er Boethius zu seinem consulat 510 beglückwünschte, 
darauf sein ansinnen gründen konnte, ihm ein haus, das Boethius 
zu Mailand besass, unter dem titel einer consularts sporttda (so ep. 
VIII 37 p. 250) abzutreten; eine ausdehnung des begriffs sportüla 
(s. über diesen Mommsen in den mittheil, der antiqu. gesellsch. zu 
Zürich XI p. 80, 7), welche begreiflicherweise den consul verstimmte 
und trotz anfänglicher zusage noch wiederholte mahnungen erfor- 
derte (ep. vm 1. 31. 37. 40). Bei der gratulation zum consulat hat 
denn Ennodius auch gebührend in die posaune geblasen; wie er bei 
dieser gelegenheit hervorhebt (p. 223) tibi utrumque in pectdio est, 
Latiaris scientia et vena purpurarum, so müssten wir eine andeutung 
in gleicher richtung auch in jener paraenesis erwarten, wenn sie 
510 oder später abgefasst wäre. 

2 (s. 6) Der gespreizte ausdruck examinata daritudo wird 
von Ennodius ebenso auf Theoderich angewandt panegyr. 4, 2 p. 296 
regum examinata claritttdo. Aber was könnte mit der *erlauchtheit 
eines gnädigen sprösslings' gemeint sein? Bei allem raffinement des 
Ennodius, das einfachste mit den denkbar geschraubtesten Wendungen 
auszudrücken, würden diese worte unerträglich sinnlos bleiben, wenn 
jede relation für germen fehlte. Diese kann nur in placidi enthalten 
sein, was ich durch vergleichung von Ennodius ep, vii 25 de ori- 
ginario Symmachi fontis lacte me pascere erkläre. Der vater des 
(Petronius) Probinus [über den geschlöchtsnamen vgl. de Rossi, inscrr. 
Chr, I p. 48. 416 und die compilation Aschbachs über die Anicier, 
sitzungsber. der Wiener akad. 1870 bd. 64, 391 ff.], des consuls von 
489 wird der consul des j. 481 gewesen sein, als dessen name jetzt 
Bufius Placidm inschriftlich feststeht, vgl. de Rossi ao. p. 606 
und über die seit Fea übliche und irrthümliche nomenclatur dieses 
consuls 'Flavius Placidus Severus' denselben annoLi 1849 p. 341 f. 
inscrr, i p. 387. Wir dürfen daher die geschlechtsnamen Rufius 
Petronius, die für Cethegus durch obiges gesichert sind, auch für 
Placidus und Probinus voraussetzen, üeber den Schwiegervater des 
Probinus würde sich aus den namen des enkels vielleicht genaueres 
ermitteln lassen,, wenn wir mehr Cethegi oder Nicomachi in jener 
zeit kennten, üebrigens kommt der name Nicomachus schon im 
anfang des vierten jahrh. bei Aniciern vor (s. Aschbach ao. s. 384), 
von welchem geschlecht die Petronii einen hervorragenden zweig 
bildeten (Aschbach s. 890 ff.). 



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12 

8 (s. 6) Mores ad ungern ducti: man erwartet fcicU nach der 
analogie des bekannten Horazischen ad unguem (actus homo {sat. i 
5, 82), vgl. Ennodius dictio iii p. 474 ad unguem fabricantur iUa 
quae volumus non tarn speciem recti habere quam similitudinem, 
apolog. p. 329 ad unguem poUta perfectio. Doch gestattete der 
ganz formelhafte gebrauch von ad unguem eine grössere freiheit in 
der wähl des verbums, als dass eine ander ung der überlieferten les- 
art berechtigt wäre. Uebrigens sieht man aus diesen werten, dass 
an Probinus eine besondere rednerische begabung oder gelehrte bil- 
dung nicht hervortrat: sein charakter ist es, der ihn in den kreis 
von männern wie Symmachus und Boethius einzureihen erlaubt. 

4 (s. 6) Canam prudentiam, eine in dieser zeit geläufige me- 
tapher, z. b. Cass. var, 8, 5 cani honoris infulis adultam cinge ca^e- 
sariem, 5, 22 morum cana maturitate, 8, 18 ab ore primasvo cana 
verha manaverunt und 9, 25 maiorum notitia cana, Ennodius apolog. 
p. 825 primogeniti canam dignitixtem, vüa Epiph. p. 360 cana con- 
süia in annis puerüibus meditabaiur usw. 

5 (s. 7) Die bemerkung Sirmonds (zu ep. iv 29 p. 22), dass 
alle oder doch weitaus die meisten briefe des Ennodius unter der 
regierung des pabsts Symmachus (498 bis 514) geschrieben seien, 
ist ganz richtig, aber steckt eher zu weite als zu enge grenzen. 
Aus Enn. eucharisticon p. 434 folgt, dass er 473 geboren und vor 
eintritt in den geistlichen stand verheirathet war. Alle briefe zeigen 
uns ihn als kleriker, die meisten sind aus Mailand, der hauptstadt 
der damaligen Liguria geschrieben. Es mag sein, dass einige über 
498 zurückreichen, doch kann Enn. nicht viel vor dieser zeit geist- 
licher geworden sein. Anderseits entsinne ich mich keiner anspie- 
lungen, die auf jüngere zeit als das j. 510 wiesen, das bereits 
M. Fertig (in dem progr. von Passau 1855 p. 5) als endpunkt der 
vorliegenden briefsammlung bezeichnet hat. In der bischofswürde 
von Ticinum soll Enn. dem Maximus im j. 511 gefolgt sein nach 
üghelli, Italia sacra 1, 1080 (Ven. 1717): sicher ist dass er bereits 
im anfang von Hormisda's pontificat, im j. 515 bischof war (vgl. 
auch acta sanctorum juli t. iv p. 278). Es scheint dass Ennodius, 
als sein ehrgeiz durch ein bisthum befriedigt war, seine früher so 
eifrig betriebenen stilübungen einstellte, deren erster zweck doch 
nur war einflussreiche Verbindungen kirchlicher und namentlich welt- 
licher art zu unterhalten: das wäre der natürliche Zeitpunkt ge- 
wesen, was von concepten in seinen bänden war, zusammenzustellen. 
Doch dürfen wir nicht vergessen, dass die heutige anordnung von 



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13 

Enn. scilriften erst Sirmonds werk ist. In der haupths. welche er 
zu grund legte , Vatic. lat. 3803 (s. Reifferscheids bihl patrutn 1, 
478 ff.), stehn briefe, reden, gedichte in buntem Wechsel durcheinander. 
Bei dieser läge der Überlieferung schliesst sich der gedanke von 
selbst aus, dass E. eigenhändig seine Schriften oder auch nur einen 
theil derselben zusammengestellt und herausgegeben habe; ander- 
seits aber wächst die möglichkeit, dass, wie es in einzelnen fällen 
nachweisbar ist, häufiger das gleichzeitige und zusammengehörige 
wenigstens theilweise zusammen blieb, als nach dem tod des verf. 
521 der ganze häufe hinterlassener papiere zu * gesammelten werken 
ohne jede Überlegung vereinigt wurde. Der wirrwarr der hs. ist 
also für das Studium des Ennodius und seiner zeit nicht gleichgiltig, 
und wenn auch, wie ich mich angesichts der hs. überzeugt habe, 
Sirmond in der abfolge der briefe und ebenso der kleineren Schriften 
sich treu der hs. angeschlossen hat, wird es doch nützlich sein ge- 
rade diese nachbarschaft des verschiedenartigen vor äugen zu führen: 
dfictio) 1 c(armen)6 d 7 epftst.) i 1 — 4 op(u8C.)7 ep i 5 — 9 op 9 
ep I 10—20 c 7— 8 ep i 21— ii 9 c 9 ep n 10—11 €p(%)g(ramm.) 1 
ep II 12—13 op 2 epg 2 ep ii 14— ra Z d ^ epg^ ep iii4— 12 op 3 
op 10 ep m 13—15 d 9 cp ni 16—23 d 10 ep ni 24 epg 4—9 d 2 
epg 10—16 ep m 25—30 (die beiden briefe n. 26 und 27 sind um- 
punktiert, also als ungiltig bezeichnet) epg 17 ep m 31 — iv 6 op 8 
d 11 ep IV 7 epg 18—28 ep iv 8 epg 29—31 ep rv 9—11 epg 32 ep 
IV 12—13 ep^f 33 ep iv 14—16 epg 34—35 ep iv 17—23 ep^f 36 ep 
IV 24—28 epg 37—49 ep iv 29—31 epg 50 ep iv 32— v5 ep^f 51—89 
d 24 ep^ 90—94 c 2 d Z epg 95—97 ep v 6—7 d 25. 14—16 ep v 
8—12 ep^f 98—104 ep v 13—14 epg 106—106 d 17 op 4 ep v 15—16 
d 18 ep V 17 c 1 ep V 18—27 epg 107—109 ep vi 1—2 ep^ 110 d 
19 c 3 op 1 ep^f 111—116 ep vi 3—11 d 4. 20 ep vi 12. v 25 
(wiederholt, hier f. 110^ und vorher 97»^). vi 13— vn 14 d 12 ep vii 
15—18 ep^f 117—128 ep vn 19 epg 129—130 ep vn 20—21 d 5 (p. 
478—481) ep vn 22 ep^ 131—133 d 21 epg 137—143 ep vn 30— vin 
1 ep^f 144—148 ep vin 2 — 4 epg 149 d 22 ep vm 5—11 c 4 ep vin 
12—36 d 2^ ep vm 37— ix 1 c 5 ep ix 2-13 d 27 ep ix 14 op 5 
ep IX 15—25 epg 150 d 13 op 6 ep ix 26-34 d 6. 28. 23 ep ix 35. Nur 
die briefe vn 23 — 29 fehlen in dieser hs., von den übrigen arbeiten 
die zwölf religiösen hymnen (c 10 — 21) und das letzte epigramm 
(n. 151). — Dass die familie des Ennodius, wie viele des späteren 
adels, aus Griechenland oder dem gräcisierten osten stammte, zeigt 
der name, der sich auf den cultus der ""EvoöCa bezieht. Die doppe- 



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14 

lung des n ist folge der fortwirkenden interaspiration ; schon ein 
nicht sehr später stein, den Heuzey (le mont Olympe p. 470 n. 8) 
westlich vom Olympos fand, enthält eine weihung an ^EvvodCa Ila- 
TQtoitt ; viel leichter konnte diese Wirkung bei vorausgehendem spirant 
hervortreten, wie Evoöog auf lat. inschr. öfter Svvodus Evvodius, 
und da iXnlg von lateinischer zunge später mit anlautendem h ge- 
sprochen wurde, auch Evvelpistm geschrieben wird. 

6 (s. 7) Prokop. b. Goth. 3, 13 t. ii p. 328 Bonn, tots roTg 
iv *P(6f4fi Tov ßaaiX^cjg argarov Kg^ovaiv vnoxjjla ngodoolug ti^qi 
iyivsTo ig Käd-riyov nargCxiov avöga xal ng^aiov Tr\g 'Ptofiaicjv ßovlrjg. 
^10 ^rj ig KevTovx^lXag anicjv 4^;f€Tü. 

7 (s. 7) Ebd. 3, 20 p. 363 raiv ^k noTQixliov Jixiog ts xal 
BaalXeiog ^vv h^goig naiv . . . fvv T(p Bioatf (pvyetv ta^voav. 

8 (s. 8) In der officiellen Römischen ausgäbe von Franc. 
Blanchini (1718) t. i p. 110 und dem Migne'schen abdruck (patrol. 
t. 128, 579) steht fugientes Techeus Älbinus et Basüius patricius 
exconsules. Dass der erstgenannte unser Cethegus ist, wäre evident, 
wenn auch nicht der ältere cod. Thuaneus diesen namen buchstäb- 
lich bezeugte und die übrigen hss. die üblichen corruptelen desselben 
widerholten. Den Basilius, cons. des j. 541, nennt auch Prokopius. 
Aber wer war Albinus? ein consul dieses namens kommt nur im 
j. 493 vor, und neben ihm hätte Cethegus nicht ng^arog rrjg ßovXrjg 
sein können, ebenso wenig wie er vor demselben genannt worden 
wäre: denn in diesen aufzählungen wird die etikette streng bewahrt, 
Prokop nennt als geflüchtete Decius cons. 529 und Basilius cons. 
541, als solche, die in der kirche des h. Peter schütz suchten, Maxi- 
mus cons. 523, Olybrius cons. 526 und Orestes cons. 580. Es muss 
sich also in das pabstbuch ein fehler eingeschlichen haben, den ich 
oben mit Sicherheit gehoben zu haben glaube. Der volle name des 
cons. 541 war laut einem diptychon, das längst auf diesen consul 
richtig bezogen ist (b. Gori, tlies. vet. diptychorum taf. xx, bd. n 
p, 127 ff.), Änidtis Faustus Älbinus Basilius , vgl. de Rossi, inscrr. 
I p. 492. Es musste ferner wie die bekleidung des consulats , so 
auch das patriciat von beiden ausgesagt sein; überdies ist der 
plural patridi durch den zweiten Thuaneus, den cod. Mazarinaeus 
und zwei hss. bei Fabrotti bezeugt (patridi et constäes liest der 
cod. Mazarin.). Die historia miscella, deren abhängigkeit von dem 
pabstbuch auf der band liegt, lässt in ihrem excerpt dieser stelle 
leider die namen aus xvra 18 p. 374, 26 Eyssenh. 

9 (s. 8) Der brief ist ediert bei L. Holstenius, CoUectio Ro' 



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15 

mana bipartüa i p. 282 f. und wiederholt bei Mansi conc, ix 733 f. 
(in dem exemplar der Bonner bibliothek von Mansi ist die coUation 
einer zwar epitomierten, aber guten hs. eingetragen). Die angegebne 
Zeitbestimmung beruht darauf, dass Pelagius die von Cethegus be- 
antragte bestätigung des Syracusanischen bischofs integro paene anno 
verzögert zu haben gesteht. 

10 (s. 8) Vgl. nov. 75 = 104, und Böcking zur not, dtgnit 
occid. p. 482 f. 

11 (s. 8) üeber die beiden letzten werke s. Reifferscheids 
bibl. patr. 1, 264 und 49 f. Das gleiche gilt auch von der historia 
tripartitaf vgl. die Überschrift der Neapolitaner hs. Cassiodori sena- 
toris iam dno piestante conversi (Reifferscheid, sitzungsber. der 
Wiener akad. 1872 bd. 71, 30) und unten anm. 14. 

1 2 (s. 9) Der schrift de trinitate hat der jüngste herausgeber 
den undenkbaren titel gegeben Anteil Manlii Severini Boetii ex 
consl ord. patricii de sancta trinitate. Domino patri Symmacho de 
trinitate Boetius. In den hss. sind hier mehrfach ganze zeilen der 
vorlagen an falsche stellen gerückt worden, am stärksten im Gothanus; 
etwas ähnliches ist die verkehrte Wiederholung von de trinitate in 
TE. Mit voller Sicherheit lässt sich der detaillierte originale titel 
aus den abweichungen der hss. herstellen: Änieii Manlii Severini 
Boethii v, c. et ihl. ex cons, ord. ac patricii ad Quintum Aurelium 
Memmium Symmachum v. c. et inl. ex cons, ord. ac patricium socerum. 
Domino patri Symmacho Boethitis. Die Inhaltsangabe de sancta trini- 
tate ist ebenso wenig ursprünglich wie quomodo trinitas unus deus 
ac non tres dii. 

13 (s. 9) Es ist in der Ordnung, dass die zur zeit von Cethe- 
gus bekleidete" würde zuletzt genannt und das sonst regelmässig 
schliessende patricius vorangestellt wird. In der subscription zu de 
diff. top. I führt Boethius den titel vc. et iUst. ex cons. ord. patricii 
mag. officr. (s. unten abschn. m): er war also damals magister offi- 
eiorum. Turcius Rufius Apronianus Asterius, der während des con- 
sulatsjahrs 494 den Vergilius emendierte, nennt sich am schluss 
seiner titulatur patricius et consul Ordinarius (0. Jahn, berichte der 
Leipz. ges. 1851 p. 348); die gedichte des Sedulius werden später 
von ihm gesammelt v. c. ex cons. ord. patricio. So wird auf den 
beim antritt des consulats verschenkten diptychen mit nur einer 
ausnähme (s. darüber abschn. n anm. 7) immer consul Ordinarius 
als gegenwärtiger amtstitel ans ende gestellt; auf dem dipty- 
chon des Felix (Gori 1, 129 ff. taf. n), des Clementinus cos. 513 (G. 



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16 

1, 229 ff. t. IX, 2) und auf demForentiner (G. 2, 136 f. t. xxi) geht 
patricius voraus. 

14 (s. 9) An sich hätte ja Senator sich Cassiodorus nennen 
können, da ältere cognomina in späterer zeit ohne adjectivische Um- 
formung zur bezeichnung des familienzusammenhangs dienen müssen. 
Eine überwiegende majorität der hss. scheint sich für diese form 
auszusprechen, allein sie verliert bei näherer betrachtung sehr an 
gewicht. Die alte Veroneser hs. der complexiones (saec. vn), welche 
in titel und subscription nur Cassiodorii bezeugt, gab schon Sc. 
Maffei den anstoss , im vorwort p. XLV ff. und in einer besonderen 
abhandlung der osserüazioni letterarie (Verona 1738) t. n p. 299 ff. 
die ausschliessliche berechtigung dieser letzteren namensform zu be- 
haupten, und Reifferscheid scheint die autorität dieser hs. allein 
schon ausreichend den alten streit zu entscheiden (bibl. patr. 1. 1, 49). 
Auch die alte hs. der historia tripartita auf Monte Cassino führt 
den titel Cassiodorii Senatoris (Reifferscheid, sitzungsber. der Wie- 
ner akad. 1872 bd. 71, 88). Ich füge hinzu, dass in der Bamberg«? 
hs. unter dem vorwort der instit. rerum humanarujn und am schluss 
des Werks in der subscription Cassiodorii Senatoris steht, während sie 
sonst immer cassiodori schreibt. Eben dasselbe stand wohl auch 
in der subscription der vorzüglichen Bemer hs. (n. 330) der Ortho- 
graphie, wo erst durch rasur nach i das übliche cassiodori senatoris 
hergestellt ist. Danach ist es höchst Wahrscheinlich, dass der 
genetiv Cassiodori für ebenso richtig als der nominativ Cassiodorus 
für falsch zu halten ist, d. h. dass dieser auf falscher deutung jenes 
genetivs beruht. In den eigennamen hat die alte schultheorie, dass 
die Worte auf ius den genetiv der analogie gemäss auf ii bilden 
müssten, niemals völlig durchdringen können. Bei vorausgehendem 
vocal ist die alte genetivbildung in guten hss. geradezu regel geblieben, 
z. b. Pompei, Aber auch bei vorausgehendem consonant ist diese 
bildung noch in dem Jahrhundert Cassiodors die weitaus üblichere ; 
auf inschriften dieser zeit kommt in der formel post consulatum 
z. b. Mavorti, Lampadi, Bilisari und Vilisari^ Basili (besonders 
häufig, von 542 — 565), sogar appellativisch pairtct vor ; übereinstim- 
mend in den 533 abschliessenden Ravennatischen fasten Maburti 
und zweimal Lampadi (abhandl. der Sachs, gete. n s. 668). Dass 
sie auch der tradition der Cass. Schriften nicht fremd war, verbür- 
gen spuren wie Caeli Äureli in der Bamberger hs. instit. i 31 p. 
526^ 3, oder Turasi {Curasi Fomerius 1588, Taräsii Garetius) ther- 
mas in der Leidener hs. d6r var* iv 24 (vgl. L. Tross symb. er* 



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17 

p. 17) und ebenda aspectus regt — promissor statt regii vi 6 (vgl. 
Tross p. 23). 

16 (s. 9) Var, i 4 p. 5^ 36 Cassiodorios si quidem praecc' 
dentes fama eonceUbrcU: so hatte schon Garetius, der die hs. des 
Cuiacius [das original der collation des Cui., von der Gar. nur eine 
absohrift vorlag, befindet sich in der Bemer stadtbibliothek am 
rande der zu Augsburg 1533 erschienenen folioausgabe , wie der 
Jurist A. W. Gramer bemerkt hat, vgl. jetzt Hagens catalog s. 
521] und coUationen von luretus benutztef, die frühere vulgate 
Cassiodoros geändert. Maffei oss. lett. ii p. 324 bezeugt, dass auch 
zwei hss. in Venedig Cassiodorios überliefern. 

16 (s. 10) Gegen diese Verbesserung des verderbten quibus wird 
sich wohl kein bedenken erheben. Es ist nicht nur bei uncialschrift 
sondern auch bei den alten cursivformen eine sehr gewöhnliche 
corruptel, dass ci und ti wie zu m so zu g zusammenfliesst; so hat 
A. Wilmanns bei Sergius in Keils gramm, iv p. 529, 26 ineithara 
aut quia und ebd. 23 in sono chordarum aut voce quarum treffend 
tibia und tibinrum hergestellt (de Varronis libris gramm. p. 188, 10. 7). 

17 (s. 10) Vgl. Cassiod. var. ix 22 an Paulinus cos. 534 curia 
Bomana completur paene vestra familia, ecce vere nunc unum dicen- 
dum est corpus, quando constat vicini sibi generis sodetate permixtum, 
und IX 23 an den senat nam licet nuncupemini omnibus generaliter 
patres, huic (dem Paulinus) etiam estis speciäliter et parentes. 



II SYMMACHVS (z. 7-11) 

Ueber die beiden ersten männer, von denen das Reichen- 
auer excerpt redet, hat ihr geschick den glänz des märtyrer- 
thams ausgegossen. Symmachus und Boetbius pflegen uns 
als die letzten wahren Römer zu gelten. Das beste was 
das Römische alterthnm an geistiger und sittlicher bildung 
besass, scheint in ihnen sich noch einmal gesammelt zu haben, 
um auch im unterliegen noch einen triumph zu feiern über 
rohe barbarenkraft. 

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18 



Es ist keine täuschung. Wir sind nicht blind vor den 
unausbleiblichen mangeln ihrer geistigen stufe. Aber grade 
je mehr wir sie als kinder ihrer zeit fassen, desto höher 
heben sich jene beiden über ihre Zeitgenossen, selbst Gassio- 
dorius nicht ganz ausgenommen. Die saat welche die grossen 
kirchenlehrer des iv jh. , vor allen Augustinus ausgestreut 
hatten, der keim den auf weltlichem gebiet ein zwar geringerer 
aber für die Römischen Studien hoch anzuschlagender mann, 
Marius Yictorinus eingesenkt hatte , ist in jenen männem 
herangereift. lo dem Jahrhundert, das seit der völligen auf- 
hebung des heidnischen cultus vergangen war, hat auch den 
heftigsten vorfechtern desselben, den Römischen adelsfamilien 
das christenthum sich tief eingeprägt, ohne dass sie darum 
die traditionelle forderung grammatischer, rhetorischer, philo- 
sophischer durchbildung ermässigt hätten. Harmonische mischung 
antiker und christlicher bildung und ihr schönster ertrag, 
adel und Unabhängigkeit der gesinnung sind die hervor- 
tretendsten charakterzüge dieser persönlichkeiten. 

Voran steht nach alter und ansehn Q. Avrelivs Memmivs 
Stmmachvs V • c . et inl . EX coNS • ORD . Ac pATBicivs ^ l douu dles 
ist der volle name und titel^ des manns, wie wir sie aas 
der hslichen Überschrift von Boethius* abhandlung über die 
dreieinigkeit kennen (oben s. 1 5 anm. 12). Es ist bekannt, 
dass er consul Ordinarius des j. 485, also in der zeit des 
Odoaker war. Aber weder hieraus noch aus den übrigen 
titeln lässt sich genaueres über seine ämterlaufbahn ermit- 
teln. Denn das consulat, das durch die erforderlichen spen- 
den und spiele sehr bedeutende geldopfer^ auferlegte, war 
in jener zeit eine praerogative der begütertsten Senatoren, 
und die würde konnte selbst knaben übertragen werden, 
wie schon 364 Yarronianus dem söhn des kaisers lovianus, 
395 den söhnen des Probus, 501 Avienus, 522 den söhnen 
des Boethius, wohl auch 530 dem Orestes ua.*. Vir cla- 
rissrnm wurde Symmachus durch sein consulat, aber er 
war es wohl schon vordem und blieb es trotz höherer wür- 



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id 

den auch ferner, nämlich als mitglied des Römischen 8enat4gi^. 
Der rang des ifdustris war das praedicat der höchsten hof- 
chargen, musste aber eine selbstverständliche folge des pa- 
triciats sein. Dieses letztere, eine rein titnläre würde, aber 
die höchste, welche sogar der väterlichen gewalt enthob®, 
sollte nach einer Verordnung Zenons (cod. lusti/n, xn 3, 37 
nicht vor dem consulat oder vor vollendeter amtsverwaltung 
einer der höchsten hofchargen ertheilt werden : Symmachns 
konnte bei antritt oder niederlegung des consulats zum por 
tricius ernannt worden sein''. Doch hat Symm. wohl auf 
den titel vir inl, noch ein besonderes anrocht. Jenen hof- 
chargen, auf die ich bezug nahm, d. h. den praefecti prae- 
torio und magistri militum, denen in Theoderichs zeit wohl 
auch die mag, officiorum beizuzählen sind, stand ein städti- 
scher beamter an rang gleich, der praefedus urU^. Und 
dass Symm. dieses amt unter Theoderich einmal verwaltet 
hat, wird zur gewissheit durch ein rescript des königs (Cass. 
var. u 1 4), wodurch er angewiesen wird den Romulus wegen 
misshandlung seines vaters vor 'sein gericht' ^ zu ziehen. 

Mancher wird geneigt sein noch einen zweiten erlass 
.{vor. IV 6), wonach S. den söhnen eines Yalerianus v. sp, 
aus Syrakus den aofenthalt in Rom behufs ihrer Studien ge- 
statten soll, auf dieselbe Stellung zu beziehen. Der stadt- 
praefect hat in der that die Oberaufsicht auch über die 
Universität, und speciell über die führung der matrikel^®. 
Aber die hochschule Roms ist zunächst dem senat unter- 
stellt: diesem lag so die wähl der lehrer wie die beauf- 
sichtigung der schäler ob". Festus erhält var. i 39 eine 
ganz gleiche Weisung betreffs der söhne des Filagrius, u 22 
wird an seine adresse ein Urlaub für die zu Rom studie- 
renden söhne des Ecdicius bewilligt um am begräbniss ihres 
vaters theilzunehmen. Festus aber stand seit den letzten 
Jahren des v jh. an der spitze des Senats, als consul des 
j. 472 und patricius. Durch ihn und unseren Symmachus 
wird in der zeit von Ennodius* paraenese (oben s. 6. 10 f.) 



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20 



nöbüis ctiriae principattis vertreten, an sie beide werden die 
jungen freunde des Ennodius als an die gegebenen leiter 
ihrer Studien gewiesen ; und sie werden denselben nicht blos 
muster des lebens, sondern auch instUtUores sein (p. 445), 
wie Symm. ja auch t;ar. iv 51 vom könig, angeredet wird 
antiquorum düigentissimus imitator, modernorvm nöbilissimus 
instUiUor, Dem ^haupt des Senats' *^, dem unter dem vorsitz 
des stadtpräfecten die leitung der Verhandlungen, aber natür- 
lich ebenso die führung der geschäfte oblag , standen für 
wichtigere stehende angelegenheiten einzelne coUegen, unter 
umständen vielleicht commissionen zur seite : die Überwachung 
der Universität theilte er, wie Ennodius zeigt, mit dem im 
rang nächsten Senator, so natürlich dass er selbst die Ver- 
antwortlichkeit trägt und die correspondenz durch seine band 
geht. Das schreiben an S., von dem wir ausgiengen, setzt 
daher voraus, dass durch Festus' tod Symm. an die erste 
stelle gerückt war. Bei dieser festen geschäftsordnung er- 
klärt sich der auffallende umstand, dass die correspondenz 
des königs nicht die Instanz des präfecten durchläuft. Denn 
an der thatsache selbst zweifle ich nicht. Wenn var, i 15 
Festus ersucht wird das haus eines in königlichem' auftrag 
an den hof der Yandalen abgereisten patriciers in seinen 
schütz zu nehmen, ist jeder gedanke an die städtische prae- 
fectur durch die andeutung ausgeschlossen, dass F. damals 
gar kein amt bekleidete: das ist ein sicherer fall einer 
immediatcorrespondenz an den ersten Senator. Ebenso schei- 
nen für die besorgung und Überwachung der spiele zwei 
Senatoren oder eine commission unter zwei geschäftsführem 
delegiert gewesen zu sein: auch über solche angelegenheiten 
correspondiert der könig unmittelbar mit den beauftragten 
Senatoren (var, i 20 vgl. 33). 

Weder mit dem consulat noch der praefectur trat Symm. 
über den kreis der städtischen Interessen hinaus. Hofamter 
hat er sicher nie gesucht und wahrscheinlich nie angenommen. 
Es fehlte ihm nicht an thätigkeit als Senator; schon um 



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21 



500 ist er einer der yordersten , im lauf des folgenden 
Jahrzehnts rückt er an die zweite stelle in dem hohen col- 
legium. Wir sehen ihn var, iv 22 unter den fünf sena- 
torischen richte rn, welche üher ihre standesgenossen Basilius 
and Praetextatus zn artheilen hatten ^^ ; aach der process, 
den er gemeinsam mit Festas im j. 509 '^ gegen Paulinas 
anstrengte {var. i 23), muss im namen des Senats geführt 
worden sein, da nähere und persönliche beziehuagen zwischen 
beiden klägem schwerlich bestanden. Vollends als er (anm. 1 2) 
erster des Senats geworden war, was gewiss manches jähr 
vor 525 stattfand, wird seine ganze kraft in anspruch ge- 
nommen gewesen sein. Denn ausser communalen angelegen- 
heiten , ausser der sorge für Universität und festlichkeiten 
stand dem senat in Ostgothischer zeit, wie ich anderwärts 
ausgeführt habe, eine nicht unerhebliche betheiligung an 
kirchlichen dingen zu. Und hier lag das eigenste gebiet 
des Symmachus. 

'Er war eine philosophennatur , ein modemer nach- 
ahmer des alten Gato, aber über die tugenden der altvordern 
hat er sich durch die reinste religiosität erhoben , so charak- 
terisiert ihn jetzt Cassiodor, mit anderen werten: philo- 
sophische bildojig hatte in ihm jene unwandelbare festigkeit 
der lebensgrundsätze, jene hoheit und lauterkeit des Charak- 
ters geschaffen, wie sie einst Cato Vticensis '^ besass nach 
dem bilde, das die schullectüre des Lucanus seit dem iv jh. 
in Umlauf gebracht, nur waren diese eigenschaften noch ver- 
klärt durch sein christenthum. Zu diesem hohen lobe ver- 
einigen sich alle schriftsteiler, die überhaupt von Symm. 
reden**. Hätten sie nur, statt in phrasen Symmachus' fröm- 
migkeit zu preisen, über seine rolle in den kirchlichen be- 
wegungen mehr überliefert, mit der seine politische haltung 
eins ist.^ Um beide zu kennzeichnen muss hier statt einer 
zusammenhängenden darstellung eine kurze andeutung genügen. 

Die fragen über das wesen Christi, dh. über das ver- 
bältniss des sohns zum vater und zwischen der göttlichen 



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22 

und menschlichen natur in ihm hielten seit dem anfang des 
V jh. den Orient in fortdauernder erregung und wurden gleich- 
sehr mit den waffen der dialektik, der intrigue und der off- 
nen gewalt durchgekämpft. Durch die gemeinsame bemühung 
des kaisers Marcianus und pabsts Leo des grossen waren 
auf dem concil von Chalkedon die grundzüge der katholischen 
lehre festgestellt worden. Aber der monophysitischen an- 
sieht blieben im Orient zahlreiche anhänger treu. Sie feierte 
einen allgemeinen sieg, als im nov. 475 Basiliskos, auf 
. diese partei bauend , den katholisch gesinnten kaiser Zenon 
verdrängt hatte. Nach seiner Wiederherstellung Hess Zenon 
durch den metropoliten von CPel Akakios sich zu jener 
vermittelnden politik bestimmen, welche ihm 483 die berühmte 
einigungsformel (henotikon) dictierte. Schon vorher hatte, 
wie die briefe des pabsts Simplicius (468 — 483) zeigen, 
die halbheit Zenons Verstimmungen bei der Römischen curie 
erregt. Durch die gewaltthätigkeiten , welche die durch- 
führung des henotikon namentlich in Alexandria bfegleiteten, 
war bereits die Verwicklung vollkommen geworden, als Felix u 
das Steuer der kirche in die band nahm (6 märz 483). 
Die völkerrechtswidrige behandlung der päbstlichen gesandten 
in GPel und die unbotmässigkeit des Akakios beantwortete 
Felix und seine synode durch die Verfluchung des Byzanti- 
nischen Patriarchen, dieser durch die tilgung von Felix' 
namen in den kirchlichen diptychen. Das schisma war un- 
heilbar. Zäh hielt die Komische curie an den traditionen 
Leos und den bestimmungen des Ghalkedonischen concils, 
deren spitzen Zenons glaubenssymbol umgieng, und verlangte 
die durchführung ihres verdammungsurtheils gegen Akakios 
und dessen Parteigenossen : für den Byzantinischen hof blieb 
es ebenso ehrensache den patriarchen nicht fallen zu lassen. 
Auch der tod des Akakios anf. 489 und Zenons 491 -ver- 
mochten daran nichts zu ändern. 

So lagen die dinge, als Theoderich in Italien eingerückt 
war und sein reich zu gründen begann. Der wunderbare erfolg 



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23 

seiner inneren politik ist die wirkang dieser Verwicklung. D&s 
lockere band der abhängigkeit, das Italien noch an den kai- 
serthron im Osten knüpfte, war mit dem kirchlichen bruch 
zerrissen: Theoderich trat in eine leere stelle ein, und was 
wir nach erfahrungen unserer tage leicht verstehen, dem 
Arianer, der Ordnung brachte und der katholischen kirche 
schütz zusicherte, reichte der Römer freudig die band, die 
er von dem schismatischen Byzantiner zurückzog. Die mehr- 
zahl des Römischen patriciats und Senatorenstands hielt treu 
zu ihrer kirche: sie und der klerus waren die pf eiler, auf 
die Theoderichs staatsbau sich stützte. Aber es gab auch 
in denselben kreisen eine partei, die indifferent gegen die 
dogmatischen fragen den bruch mit CPel um. so mehr be- 
klagte, als sie in dem dortigen kaiser das eigentliche Ober- 
haupt Italiens sah und, wie ergeben sie Theoderich sein 
mochte, doch zur Sicherung der Verhältnisse einen ausgleich 
ebenso des königs wie des pabsts mit dem kaiser wünschen 
musste. Den könig selbst nöthigte die peinliche läge gegen- 
über Ostrom die guten dienste dieser partei in anspruch zu 
Qehmen, und Festus (s. anm. 12) der auf die Versöhnlich- 
keit des damaligen pabsts Anastasius (496 — 17 nov. 498) 
rechnen durfte, gelang rasch, was Faustus vergeblich erstrebt 
hatte, für die wünsche Theoderichs am kaiserhof geneigtes 
ohr zu finden: er brachte die anerkennung und die kron- 
insignien mit. Doch Anastasius fand er nicht mehr unter 
den lebenden. Die Versprechungen, deren gewährung bei 
der Römischen curie durchzusetzen Festus sich anheischig 
gemacht hatte, war der presbyter Laurentius bereit zu er- 
füllen. Die orthodoxe partei erwählte den Sarden Caelius 
Symmachns. So standen zwei gegenpäbste gegenüber: der 
klerus, der senat und die vom adel abhängige menge trennte 
sich in zwei feindliche lager. Mit allen mittein wurde ge- 
stritten, den Vertretern des Laurentius gelang es den gegen- 
pabst, den Theoderich offenbar schützte, in anklagezustand 
zu versetzen. Aber auch damit, dass die Italischen bischöfe 



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24 

in der synodus palmaris vom 23 oct. 501 es feierlich ab- 
lehnten über ihren obersten bischof zu richten, dass die 
bischöfe Galliens ihr gewicht für Symmachos in die wage 
legten and Ennodias seine beredte vertheidigang jener synode 
yeröfPentlichte, war ein streit noch nicht erledigt, der reiche 
nahrang in dem gegensatz der rechtgläabigen kirche zur 
haeretischen, des Römerthums gegen Byzanz fand* Gerade 
jetzt erst nahm Laarentias offen die kirchliche yerwaltang 
in die band, und jähre lang wnrde nun die stadt des h. Pe- 
tras darch mörderische strassenkämpfe in schrecken gehalten. 
Erst im j. 506, etwa im September", ist Rom wieder rahig 
and Symmachas in gesichertem besitz des stahls; ein ener- 
gisches edict Theoderichs an Festas hatte dem anerträg- 
lichen zustand ein ende gemacht und Laurentius bewogen 
zu entsi^en. 

Das pabstbuch gewährt nur eiiien dürftigen einblick 
in die parteiverhältnisse der damaligen patricier '*'. Das ge- 
gebne haupt derjenigen, die für Laurentius eintraten, war 
Festus cons. 472, damals an der spitze des Senats und 
darum von einem einflusse, der den zur gleichen partei ger 
hörigen Verfasser eines vor 518 abgeschlossenen pabstbuchs 
wohl berechtigte zu sagen**, dass von pabst Symmachus 
der ^erlesenere' theil des Senats sich fem gehalten habe *® ; 
an Festus' seite stand Probinus cons. 489, der vom anfang 
des kämpf s an alle officiellen schritte mit jenem gemeinsam 
that. Auf der gegnerischen seite wird nur Faustus ex cons. 
hervorgehoben, offenbar der uns bereits (anm. 12) be- 



*) Lib. pont. 62, 78 eodem tempore (nach der synode von 601) 
Festus Caput senatus ex cons. et Probinus eie cons. coeperunt pu- 
gnare cum aliis sentUoribus et maxime cum Fausto ex cons,, et cos- 

des et homiddiä in clero ex invidia ßebant solus autem 

Faustus ex cons, pro ecclesia pugnabat, tJber Festus und Probinus 
8. ebd. vorher 77. 

♦*) clerus ergo et senatus eleetior qui consortium vitaverat 
Symmachi usw. 



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25 

kannte cons. 483, nicht von 490 *®. Aber von anderer seite ler- 
nen wir noch einen gewichtigen freund und Schützer des pabsts 
Symmachus kennen. Das schreiben, das Alcimus Avitns von 
Yienne im namen der Gallischen bischöfe an den senat rich- 
tete , nm ihn zn beschwören, den beschlüssen der synodus 
palmaris sich zu fügen (cp. 3l), ist an die hervorragend- 
sten Parteigenossen, an die Senatoren Faustus und Sym- 
machus gerichtet. Damit hat Symm. gerühmte frömmig- 
keit und Charakterfestigkeit ihre bestimmte färbe gewonnen. 
Indem nun Cass. von dem charakter des Symm. zu 
seinen geistigen eigenthümlichkeiten und Verdiensten über- 
geht, fasst er ebenso wie in den folgenden abschnitten zuerst 
die beredsamkeit ins äuge, in der er, wie bekc^nnt, nicht 
müde wird die höchste blüthe der bildung zu preisen. Ein 
allgemeines prädicat hat der epitomator uns vorenthalten; 
wir dürfen (s. unten s. 27) diese lücke aus Priscian ergänzen, der 
statt eines höfischen cdsitudo oder magnificentia vestra für 
Symmachus die neue aber, wie ihm scheint, ehrenvollere an- 
rede sapiens eloquentia vestra ersonnen hat. Lehrreicher je- 
doch als ein solches prädicat uns sein könnte, ist die angäbe 
einer senatsrede, durch welche Symm. sich ausgezeichnet 
hatte, pro äl(l)ecticiis (z. 9). Obwohl ich dies wort sonsther 
nicht nachweisen kann, wird doch die Originalität desselben 
sich kaum beanstanden lassen; es ist richtig gebildet um die 
adlecti als stand zu bezeichnen. Die ertheilung von titular- 
würden, welche zum eintritt in den senat mit bestimmtem 
rang berechtigten, war ein kaiserliches vorrecht^^, dessen, 
wie die menschen nun einmal waren und sind, damals keine 
regierung sich begeben konnte. Als Theoderich im j. 493 
von den Gothen als könig von Italien proclamiert war, musste 
auch dieses recht des königs genauer festgestellt werden. 
Aber Symmachus' rede sprach nicht de sondern pro aUecticiis, 
Das weist uns in die zeit, wo mit der anerkennung Theo- 
derichs durch den senat (vielleicht schon um 490) auch die 
weitere consequenz gegeben war, die verfugungen Odoakers 



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26 



für ungiltig zu erklären. Da hatte Symmachus gelegenheit 
zum schütz der durch die willkür eines edicts in den senat 
versetzten coUegen aufzutreten. 

Cass. muss hiernach von den wissenschaftlichen Studien 
des Symm. geredet haben. Was er sagen konnte , klingt 
uns aus andrer mund reichlich entgegen. Gleichmässig be- 
herrschte er wie die heimische so die Griechische litteratur, 
auch die wissenschaftliche^^. Seine kirchlichkeit hinderte ihn 
offenbar ebensowenig als Cassiodorius, den weltlichen Studien 
rege und aufrichtige theilnahme entgegen zu bringen : anders 
als Ennodius, der seines bisthums einigermassen sicher plötz- 
lich nicht mehr zu weltlicher Wissenschaft zurückkehren 
mag "^. Wie geeignet gerade Symmachus war über der Rö- 
mischen Universität zu wachen, brauchen wir nicht erst von 
Ennodius uns sagen zu lassen ^^. Ein vollwichtigerer zeuge 
ist Boethius. Er hat ihm und einem andern, den unsre hss. 
nicht nennen ^^, vermuthlich dem diaconus lohann.es, den ersten 
theologischen tractat de trimtate gewidmet : es kommt vom 
herzen und wird durch anderweitige äusserungen des Boethius 
bestätigt, wenn er zu diesen sagt"" wohin immer ich meine 
äugen von euch weg wende, begegnet mir theils träge denk- 
faulheit theils verschlagner neid\ Auch die bearbeitung von 
Nikomachus' arithmetik hat er Symmachus gewidmet, der 
allein ihm dieser gäbe werth schien; seine hochachtung vor 
des Schwiegervaters gelehrsamkeit und urtheil ist so gross, 
dass er ihm nur innerlich und äusserlich vollendetes vorzu- 
legen wagt (p. 5 , 6 ff. Friedl.). Bereits als berühmter 
mann besuchte Symmachus CPel, also wohl gegen ende des 
ersten oder im zweiten Jahrzehnt des vi jh. und offenbar 
als gesandter seines königs, obwohl wir sonst davon nichts 
hören: auch bei dieser gelegenheit trat sein bedürfniss her- 



- *) p. 150 Peip. qmcimque igitwr a vohis deieei ocülos, partim 
ignava segnities partim edäidus livor occurrit vgl. de divis, p. 539, 
81 B. in top. p. 292. 333 Or. 



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27 



vor, mit wissenschaftlich thätigeü männern za verkehren, sich 
von ihnen belehren zu lassen nnd sie selbst zu arbeiten an- 
zuregen. Mit gutem blick fand er unter den Byzantinischen 
Professoren den mann heraus, in dem seit dem rv jh. zum 
ersten und letzten mal eine gewisse selbstthätigkeit wissen- 
schaftlicher arbeit hervortritt, den grammatiker Priscianus. 
Denn es kann kein zweifei sein, dass der Symmachus, dem 
Priscian die drei monographien de figuris ntimerorum, de me- 
tris Temntii und die praeexercUamenta widmet, kein andrer 
als der unsrige ist^*^. Zug für zug des bildes, das sich 
aus Priscians widmung ergibt, passt auf ihn, das gesammte 
nur auf ihn. Einer der hervorragendsten patricier Roms, durch 
gelehrte bildung, durch kirchlichen sinn und gerechtigkeit 
ausgezeichnet, ist er lange schon durch den ruf zu CPel be- 
kannt; da kommt er selbst und zeigt, dass der ruf nicht 
vergrössert hatte; die tiefe bescheidenheit die man an ihm 
wahrnahm, erhob ihn weit über das ganze Byzantinische 
patricierthum ^^. Von einem solchen mann gefragt zu wer- 
den ist für Priscian glück und ehre, auch aus der ferne 
wünscht er von ihm weitere fragen gestellt zu erhalten. Auf 
den wünsch desselben, der für ihn gebot war (sictU iussisti), 
verfasste er die schrift de figuris num,<, die beiden andern 
fügte er zur abrundung des bändchens bei; doch hätte zur 
dritten, einer bearbeitung von Hermogenes^ progymnasmata 
Priscian für sich keinen anlass gehabt; gespräche über die 
methode des rhetorischen Unterrichts werden ihn dazu be- 
stimmt haben den Italikem das handbuch zugänglich zu 
machen, das in Byzanz schon fast veraltet war und bald 
durch Aphthonios verdrängt worden sein muss. Die schluss- 
wendung Pricians ist ebenso charakteristisch für seine wie 
des gönners bestrebungen : 'mögen Sie* sagt er*^ %ei Ihren 



♦) in Keils gr, lat, m p. 405, 17 (petimus ut , . ,) Bomano- 
rum diligentiam vestrorum ad artes suorum äUusriorem reddatis 
auctorunif quibus sölis ceteras cum Grais gentes superässe noscuntur, 
quarum decus et mummen industria vestri nititur culminis. 



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28 



Römern lebhafteres Interesse für die kunst ihrer nationalen 
schriftsteiler wieder beleben : die pflege und Sicherung dieser 
litteratur beruht auf den bemühungen Ew. excellenz'. 

Das sind keine phrasen. Seit 0. Jahns lichtbringender 
abhandlung über die subscriptionen überschauen wir, wie 
seit dem ly jh. die ersten familien des Eömischen adeis im 
kämpf erst gegen das christenthum, dann gegen das deutsche 
element die erhaltung und Verbreitung der nationalen littera- 
tur als ihr eignes bollwerk behandelten. Der kreis unseres 
Symmachus hat dem mittelalter die Überlieferung classischer 
bildung gesichert. Ja wie Q. Aurelius Symmachus, der be- 
rühmte redner und vorfechter des heidnischen cultus,. mit 
seinen angehörigen und gelehrten gehilfen lesbare exemplare 
von Livius' ganzem geschichtswerk herzustellen bemüht war*^, 
so sehen wir den urenkel in gleichartiger thätigkeit. Zu 
Macrobius' schrift über das somnium Sdpionis ist die sub- 
scription überliefert Äurelius Memmius Symmachus v, e, emen- 
däbam vel disting(ueham) meum (näml. exemplum) Bavennae 
cum Macröbio Plotino Eudoxio v. c,^^ Auch dieser nach- 
komme des Macrobius Theodosius ist also einer der vor- 
nehmen emendatoren, deren wir aus dieser zeit so manche 
kennen ; die im lauf des iv jh. erwachten litterarischen Inter- 
essen waren in diesen familien treu fortgepflanzt worden. 
Wenn übrigens der grammatiker der guten alten zeit zu- 
gleich bekannte werke von classikem und noch unedierte 
versuche angehender dichter seiner feile unterwarf, so erwar- 
tet Boethius von Symmachus auch, dass er in seiner arith- 
metik ^überschüssiges tilgen, lücken ausfüllen, irrthümer 
tadeln, gelungenes durch beifall belohnen werde**: die bei- 
den letzteren wünsche beziehen sich auf kritische zeichen. 

Von dieser grammatischen thätigkeit, die sich weiter 
als auf Macrobius erstreckt haben wird, schweigt unser excerpt, 
obwohl sie sicher Cassiodorius nicht minder hochgestellt hat 
als die Zeitgenossen. Aber dass grade hier eilfertig zusam- 
mengedrängt worden ist, zeigt das gedankenlos stehen ge- 



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29 

lassene qtwqtie z. 10, das nicht auf die beredsamkeit allein 
zurückbezogen werden kann, so verhängnissyoU auch für den 
Stil dieser zeit das muster des älteren Symmachus gewesen 
ist: dem yorbild seiner ahnen ist S. auch darin gefolgt, 
dass er eine Eö mische ge schichte in sieben büchern 
herausgegeben hat\ Dies werk ist nicht spurlos verschollen. 
In lordanis^ buch über die Gothen kommt ein langes frag- 
ment vor c. 15 über die Vorgeschichte des kaisers Maxi- 
minus, eingeleitet durch die worte ut dicU Symmachus in 
quinto suae historiae libro. Die frage, welcher Symm. hier 
gemeint sei*®, wird durch unser excerpt entschieden. In 
einer summarischen geschichte Roms von dem angegebnen 
umfang musste die thronbesteigung Maximins (denn an diesem 
punkt angelangt holte der verf. aus) dem y buch zufallen. 
Man hat bemerkt, dass diese erzählung zum theil wörtlich 
auf lulius Capitolinus zurückgeht *^ : Cassiodor hatte sie wohl 
nur in der absieht eingeschaltet, dem angesehenen Verfasser 
eine huldigung darzubringen. 

Seinen ahnen soll S. mit dieser arbeit nachgeeifert haben. 
Von dem redner Symmachus sind historische Schriften nicht 
bekannt und kaum wahrscheinlich. Aber grade in der zeit 
dieses , des gefeiertsten ahnen desselben namens , schlössen 
sich die durch gleichen eifer für cultur und cultus des alter- 
thums verbundenen häuser der Symmachi und Nicomachi durch 
wechselheirath eng zusammen. Der jüngere Nicomachus Fla- 
vianus vermählte sich mit einer tochter des Symmachus, und 
des letzteren söhn Q. Fabius Memmius Symmachus heirathete 
eine enkelin des älteren Nicomachus Flavianus, also wohl 
eine nichte seines Schwagers*^. Vielleicht das zierlichste 
kunstwerk jener zeit, das diptychon der abtei Montier** ist 
ein denkmal dieses engen familienbunds. Seitdem steht an 
der spitze der familie neben dem redner Symmachus der 
ältere Vibivs Nicomachvs Flavianvs (cons. und gestorben 394), 
der vater von Symmachus' Schwiegersohn, der uns durch 
Giamb. de Eossi's meisterhafte behandlung der Inschrift vom 



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30 

j. 431 und durch das yon Delisle wieder entdeckte christ- 
liche Bchmähgedicht näher gerückt ist ^^. Es ist nicht nöthig 
hier auf die laufbahn und bestrebungen des manns einzugehn, 
die in neuerer zeit zur genüge erörtert worden sind ®^. Aber 
seine schriftstellerische thätigkeit geht uns an. Denn er ist 
derjenige ahne, der unserem Symm. das vorbild der gescliicht- 
Schreibung gab. In einer Inschrift, die schon 1617 in der 
villa Casali, der statte des Symmacherhauses gefunden ward, 
weiht der söhn des redners Symmachus seinem grossschwieger- 
vater historico disertissimo eine bildsäule^*, und der kaiser- 
liche erlass vom j. 431 , der den von Theodosius 394 ge- 
ächteten nachträglich wieder in seine ehren einsetzte, be- 
zeugt dass Theodosius von Flavianus die widmung von annales 
angenommen hatte*. 



Anmebeungen 1 (s. 18) lieber Symmachus s. Sirmond zu 
Ennod. ep, vn 25 p. 35 f. und A. Mai de Symmachorum gente n. 5 
in seiner ausgäbe von Iuris civilis Änteiustin, reliquiae ineditae (Rom 
1823) p. XLiii ff. Irrig nahm Sirmond den in briefen des pabsts 
Hormisda vom j. 519 und 520 (bei Thiel, epistojae Born, ponti^cum 
genuinae t. i p. 868. 926) erwähnten Symmachus für den unsrigen; 
er war als gesandter des Byzantinischen hofs zji Rom anwesend im 
j. 519 nach Cassiod. chron. p. 659 (ausg. Mommsens in den abhandl. 
der Leipz. gesellsch. viu); das richtige hat schon Mai p. Lni. 

2 (s. 18) In der Überschrift der arithmetik scheint S. nur als 
V, c. und patricius bezeichnet zu sein ; bei Cassiodorius in der adresse 
«. tnl. Patricias {var, iv 6) oder blos paAricius (n 14), sonst iUttstris 
magnificentia tua rv 6 oder magnificus vir atgue patricius 1 23, rv 22. 

3 (s. 18) Ausser den in Beckers alterthümem, bei Sirmond zu 
Sidonius Apoll, ep. vin 6 not. p. 83 f. und Manso, gesch. des 
Ostgoth. reiches s. 373 f. angeführten belegen vgl. Ennodius apolog. 



*) Z. 19 cuius (des Theod.) in cum (den Flavianus) effusa beni- 
voUntia et usque ad anncUium, quos consecrari sibi a quaestore et 
praefecto suo voluity (hier ist vom Steinmetzen ein wort vergessen, 
schwerlich Volumen wie de Rossi p. 348 meint, eher tiestimationem 
oder dignationem) provecta exdtavit livorem inprohorum. 



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31 

p. S56 und cod, lustin. xn S, 2 — 4 (aufläge von 100 pfund gold 
zur Unterhaltung der Wasserleitung). 

4 (s. 18) lustinian im cod, xn 3, 5 nemo mim faciU respexU 
fiUum familias in patriciatus honorem provectum, quemadmodum in 
consulibus haec res usitata est. Orestes wird auf dem Mailänder 
diptychon (Gori 2, 87 ff. taf. xvn) nur v. c. et inl. cons. ord. titu- 
liert, hatte also schwerlich schon ein andres amt verwaltet; vgl. 
auch den angenannten consulknaben eines anderen Mailänder di- 
ptychon (Gori 2, 105 ff. taf. xvra). 

5 (s. 19) Den titel vir clarissimus trägt regelmässig der consul 
ord. in den kaiserlichen erlassen und den inschriften späterer zeit; 
ebenso ist er dem Senator eigen (vgl. Gothofredus zum cod. Theod. 
t. n p. 4 Ritt, und E. Kuhn, städt. und bürgerl. verf. des Rom. 
reichs 1, 182). Die thatsache dass v. cl. häufig neben den höheren 
rangstufen des v. spect. und inl. festgehalten wird, hat schon Böcking 
zur notitia dign. mehrfach constatiert, zb. zu not. occ. p. 176 f., 
ohne eine erklärung zu versuchen; nicht ganz klar spricht sich Kuhn 
ao. 1, 187 darüber aus. Nie wird meines wissens «. spect. nach er- 
langtem inl. im titel fortgeführt. Das clarissimat muss also seine 
besondere bedeutung haben, und diese liegt darin, dass es die mit- 
gliedschaft des Römischen Senats auszudrücken bestimmt ist. 

6 (s. 19) Nach einem decret lustinians cod. xii 3, 5: aber 
ebenso unter Theoderich nach Cassiod. vor. vi 2. 

7 (s. 19) Der fall, dass das patent des patriciats gleichzeitig 
mit der emennung zum consul eingehändigt wurde, mag bei Boethius' 
vater eingetreten sein. Denn wenn dessen titulatur auf dem con- 
sulardiptychon von Brescia (bei Gori 1, 132 ff. taf. iv. v) als ein- 
ziger ausnähme von der oben s. 16 anm. 13 besprochenen regel mit 
COHSOBDBTPATBIO schliesst, SO muss er, falls nicht blosse nachläs- 
sigkeit des graveurs die Ursache sein sollte, gleichzeitig consul und 
patricius geworden sein. 

8 (s. 19) Edict von 372 im cod. Theod. vi 7, 1 {lusU xn 4, 1) 
Praefectum urhis, praefectum praetorio, magistros equitum peditum 
indiscretae dwimus dignitatis. üeber die spätere Steigerung der 
würde des mag. off. s. Kuhn ao. 1, 187. 

9 (s. 19) Ueber den praef. urU als oberste städtische gerichts- 
behörde s. v. Bethmann-Hollweg, Rom. civilprocess 3, 59 ff. 

10 (8. 19) Cod. Theod. xrv 9, 1. 

11 (s. 19) Manso, verm. abhandlungen s. 78 f. Kuhn ao. 1, 
96. vgl. besonders Cass. vor. ix 21. 



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32 

12 (s. 20) Captd seruxH (so zweimal die exe, Vdles, p. 294, 15 und 
304, 8 in GardthauseiisAininianiis) würde in der Ostgothenzeit als alters- 
praesident genommen werden können, insofern derselbe regelmässig 
der älteste cons. ord. zu sein pflegt: so in den mir bekannten fällen 
Festus cons. 472 als *caput senatus' bezeugt für die zeit von 501 — 506 
(die begründung dieses zeitansatzes moss ich andrem Zusammenhang 
vorbehalten) durch das pabstbnch, ob. s. 24; unser Symmachus cons. 
485 für 524. 525 durch exe. Vai, 92; (Avienus cons. 501 steht an der 
spitze der Senatoren, an welche der brief lohannes' n vom j. 534 ge- 
richtet ist, bei Mansi conc- viii 803, aber er ist von Eom abwesend 
und kann daher hier nicht in betracht kommen) ; Cethegus cons. 504 
für das j. 546 durch Prokopius oben s. 14 anm. 6. Aber der anci- 
ennitätsrang ist ein product mehrfacher bedingungen, unter denen 
ausser dem consulat vornehmlich die patricierwürde (s. cod. Ittst, 
xn 3, 1), dann auch wohl die höheren hofchargen zählen. So sind 
die bei der bestimmung des Senatsvorstands befolgten normen, welche 
Mommsen Eöm. forsch, i 92 ff. und Rhein, mus. xix 455 f. für die 
republicanische zeit nachgewiesen hat, auch unter den ganz verän- 
derten Verhältnissen der nachconstantinischen zeit wesentlich die 
gleichen geblieben. 

Aber ein fall scheint dem hier aufgestellten entgegen zu stehn. 
Im j. 490 gieng als abgesandter des Theoderich ein hochgestellter 
Römer Faustus an den Byzantinischen hof nach exe, Val, 53. 57, 
nach der ersten stelle p. 294, 15 damals eaput sentxti. Auf Anicius 
Acilius Glabrio Faustus, den aus den Senatsverhandlungen über die 
reception des Theodosischen gesetzbuchs bekannten cons. von 438 
kann niemand verfallen, da dieser vor seinem consulat die städtische 
praefedtur schon dreimal verwaltet hatte. Jener gesandte kann also 
nur der consul des j. 483 sein. Wäre er wirklich senatsvorsteher 
gewesen, so würde der patricier Festus cons. 472 unter ihm gestan- 
den haben. Allein jener Faustus war, wie wir durch die briefe des 
Gelasius (n. 10 bei Thiel ep, pontif, i p. 341 ad Fatistum magistrum, 
genauer in dem citat bei Ivo xiv 61 vgl. Mansi eanc. YUi 132*^ 
Fausto magistro müitiae, und im text von n. 12 p. 349 Th. Fatistus 
magüter) erfahren, damals als er nach Byzanz abgesandt wurde, 
magister müttutn, also gar nicht in der läge die Senatsgeschäfte zu 
leiten. Erst seitdem die hsliche grundlage jener excerpte bekannt 
geworden ist, lässt sich das räthsel lösen: überliefert ist Festum 
captU senatif nicht Faustum, der anonymus hat also die zweite ge- 
«andtschaft des j. 497 bis 498, welcher wirklich 'Festus caput sen,' 



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vorstand (exe. Val. 64 Theophanes p. 220, 11 ff. Theod. lect. n 16 
p. 574 Keading vgl. Thiel ep. pont, i 628), mit der ersten von 490 ff. 
verwechselt; wer emendieren will, streiche auch caput senati, 

13 (s. 21) lieber den gerichtsstand der Senatoren s. Bethman- 
HoUweg ao. 3, 60 f. 187. 

14 (s. 21) Die zeit bestimmt sich dadurch, dass dieselben 
Senatoren Caelianus und Agapitus, denen dieser process zugewiesen 
wird, nach var. I 27 auch zu richtern über die ungebühr, welche 
sich der patricius Theodorus (cons. 505) und der damalige consul, 
d. h. der von 509, Importunus gegen eine circuspartei erlaubt 
hatten, bestellt werden: der stadtpraefect Speciosus hat dafür zu 
sorgen, dass letztere vor jene richter gezogen werden. 

15 (s. 21) Gleich dieser satz enthält sichtlich Cassiodorische 
denk- und ausdrucksweise, vgl. in den von C. Baudi di Vesme her- 
ausgegebenen panegyrischen fragmenten (memorie d. f. acad, di 
Torino ser. n t. vni) p. 183 Quid Catonem repetam disciplinarum 
libros moribus transeuntem? ebd. Sed tantum est praesentis boni 
pniblici decicst ut fdiciter maiores suos inumbret fortunata successio 
et posteritati libenter cedant qui suis saeculis omnia humana trän- 
scenderant und 184 die begründung dieses Vorzugs durch die religion, 
zum schluss veniat nunc vetiistas ad medium et si audet^ prudentiam 
sibi cum nostris vindicet [vincet diehs.], quaedivina nesdvit: unver- 
bessert hat der hg. noch manches gelassen, so sehr. 185 z. 5 audeant 
st. atMiianty z. 10 Bepetitio nisi explicabilis (vgl. Boethius consol. 
pMlos, I 4 ineacplicaMlis indicta coemptio) non tenet debitorem: im- 
mensa semper äbsölvunt, 187 z. 1 quando Hie inter virgines delicatas 
occuUa[tits et formo8]as, z. 5 sine magno dedecore pudoriSy 10 equum 
tibi gregarium eligis decenter aptare, 11 quia poterant ei (st. et) 
reperiri similes ua. Beliebt ist noveUus in jener zeit vgl. var. i 2 am 
ende, institt, p. 533», 535^ Ennodius p. 414 usf.; transcendere so 
auch ausser obigem fragm. var, i 26, n 2. Den alten Cato hört 
man oft nennen, Cass. var, ii 3 fuit quidam nostrorum temporum 
Cato, qui äbstinendo vitiis alios formaret exemplis, i 27 ad circum 
nescimit convenire CatoneSy und schon Prudentius c. Symm, i 545 
pefisteph. n 446. An welchen Cato dabei gedacht wird, ist nicht 
immer leicht zu sagen; aber Cass. schwebt in der vorliegenden so 
gut wie in den angeführten stellen nicht der censor sondern der 
Stoiker vor. Schon Salvianus de gubern, dei vn 23 p. 182 Bai. 
uxorem enim suam älteri viro tradidit (Sokrates), sdlicet sicut etiam 
Eomanus Cato id est älius Itäliae Socrates kennt die heirathen der 

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Marcia aiis seiner schnUectore des Lucanns n 826 ff., die im eingang 
eines epitaphs bei Ennodias epg. 13 lue fuü rigidi semper servcUor 
honesti (Luc. n 389) wörtlich widerklingt, vgL Boeth. cons. iv 6 p. 112. 

16 (s. 21) Boethius eons, phü. i 4 socer etiam sanctus et aeque 
ae tu (Philosophia) ipse reverendus und zur illustration des virphUo- 
8ophu8 z. 7 ebd. n 4 pretiosissimum generis humani deeus Symmachus 
soeer, ... vir totus ex sapientia virtutibusque f actus; ausserdem s. 
die oben s. 26 f. besprochnen Widmungen, Cass. var, lY 51 mores tuos 
fabricM (bauten) loquuntWy quia nemo in iüis düigens agnoscitur, 
nisi qui et in suis sensibus omatissimus invenitur, Ennod. ep. vn 25 
paraen, p. 445, Prokop. b. Groth. i 1 t. n p. 11, pabstbuch 54, 88. 

17 (s. 24) Der beweis dafür liegt in dem revers, den ein 
schismatischer, nun nach der vollen restitution des Symmachus in 
den schooss der kirche zurückkehrender diaoonus ausstellt suh die XIV 
Ml, oct. Fl, Messcda t?. c. consule (Thiel i 697). Im übrigemnag der 
leser auf F. Dahn, könige der Germanen m 208 ff. hingewiesen sein. 

18 (s. 24) Dies für die geschichte des schisma trotz seiner 
offnen Parteinahme wichtigste, weil zeitgenössische denkmal ist durch 
eine Veroneser hs. des vni jh. (s. Reifferscheid, bibl. patr. 1, 90) 
erhalten, und bis jetzt am zuverlässigsten in Blanchini's Anastasius 
IT p. Lxix ediert. Die von den hg. gelassenen lücken lassen sich 
mit Sicherheit ergänzen: ad comitatum convo[eavit] rationem [de 
sanctae] festivitatis dissonaniia redditurtim (von Dahn ao. in 214, 4 
unrichtig behandelt); ne [saecu]l[ariu]m Symmachus [papa] audientiae 
subderetufr (übel gedeutet von Hefele, concilieng. 2, 619); sed moros epir 
scopi n[ecte]ntes cum viderent; endlich, patricio F[esto] praecepta dirigit. 

19 (s. 25) Widerspruchslose Sicherheit des urtheils wird sich 
freilich erst gewinnen lassen^ wenn es gelingt die verschiednen Fausti 
der zeit auseinanderzuhalten; für solche ^Untersuchungen ist der man- 
gel einer kritischen ausgäbe bes. der variae ein peinliches hemmniss. 
Aber in unserem fall ist doch, wie mir scheint, jeder zweifei durch 
Avitus' adresse der ep. 31 Fausto et Symmacho senatoribus urbis 
ausgeschlossen: wie die etikette verlangt, ist die anciennität in der 
reihenfolge der cons. von 483 und 485 genau; in diesem Faustus 
aber einen andern zu suchen als den aus dem pabstbuch bekannten 
kämpen für pabst Symm. wäre widersinnig. 

20 (s. 25) Vgl. Kuhn ao. i 210 f. und besonders Mommsen, 
Rom. Staatsrecht n 877 ff. 

21 (s. 26) Vgl. Boethius' widmung der arithmetik, bes. p. 4, 
25 Friedlein tu utrarumque periUssimus litterarum. 



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22 (s. 26) Ennod. ejp. ix 9 properantes ad se de dimpUnis saecu- 
2art5ti5 saiutis opifex non refutat, sed ire ad iUas quemquam de 8uo 
nitore non patitwr vgl. ix 1 post Musarum castra et inanes aetate 
noatra cantüenas, 

23 (s. 26) Enn. in der paraenese p. 445 patricii Festtts et 
Symmaehus, omnium disciplinarum materia et constantes (l. comtantis) 
forma sapientiae usf. 

24 (s. 26) Das durchgeführte vo8 der anrede zeigt, verglichen 
mit der widmung der arithmetik, dass nicht Symmachus allein (s. 
oben 8. 15, 12) angeredet wird. Keinen werth kann ich auf die 
wenig genaue angäbe des Catal. des bibl. des departements i p. 107 
legen, dass in einer hs. zu Laon (n. 123 s. xrv) Boetii de trinitate 
ad lohannem papam et Symaeum stehe; ebensowenig auf den titel 
ad loannem diaconum (Aquüeiensem oder ecclesiae Bomanae), der in 
einigen hss. vorkommen soll (Schenkl in den abschn. iv anm. 1 ge- 
nannten verhandl. s. 79, 11). Die schrift de syU. hyp, ist von Rota 
ad Symmachum überschrieben, ohne hsliche gewähr und Wahrschein- 
lichkeit. 

25 (s. 27) So hat schon Mai p. XLiv und 0. Jahn ber. der 
Sachs, ges. 1851 p. 358 geurtheilt; nur dass Mai ins blaue hinein 
räth: in demselben athem trägt er den groben irrthum vor, Pr. 
könne vielleicht den Byzantinischen gesandten von 519 (s. anm. 1) 
anreden. Nur M. Hertz in der vorrede zu Prise, p. vii anm. 6 
zweifelt, aber ohne angäbe eines grundes. 

26 (s. 27) p. 405, 7 mediocritatis enim altissimae, qtm swper- 
biae calcas tumoreSt et pietatis ponderibus gravissimis superas omnia. 
Nach dem Zusammenhang erwartete man famam statt omnia: durch 
die wähl grade dieses worts erzielt Pr. eine pointe, deren verhüll- 
ter sinn nur der oben angedeutete sein kann. 

27 (s. 28) 0. Jahn ao. 335 ff. vgl. Symm. ep. ix 13 munus 
totius Liviani operis quod spopondi etiam ntmc diligentia emenda- 
tionis moratur, 

28 (s. 28) 0. Jahn 347 f. Es ist kein zufall, wenn Boethius 
schon früh eine aus eigner lectüre gewonnene kenntniss dieser schrift 
verräth in Porph, diäl. i p. 10, 35 (vgl. Macr. in somn. i 5, 4 ff.). 

29 (s. 28) arithm. p. 5, 13 non igitur ambigo quin pro tua 
in me henevolentia supervacua reseces, Mantia suppleas, errata repre- 
hendaSf commode dieta mvra animi älacritate smcipias; fast gleich- 
lautend in einer Zuschrift an Patricius in top, p. 333, 38 Or. quaeso 
igitur extremam nostro operi manum communis negotii Studiosus im- 



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ponas, äbundantia reseces, hiantia suppleas, errata r^ehendas, eis 
postremo nostri lahoris tuaeque adhortationis assertor. 

30 (s. 29) An den redner Symmachus denken zweifelnd Vos- 
sius hist, lat, p. 724 (Leiden 1651), A. Mai ao. p. LVin f. ua. 

31 (s. 29) V. Sybel, de fontibus lordanis (Berl. 1838) p. 17. 

32 (s. 29) Borghesi annali 1849 b. 21, 360 f. oeiwres 8, 197 f. 

33 (s. 29) Das diptychon ist erhalten als bekleidung eines 
reliquienkästchens, hsg. von Martene und Durand, Voyage litt, de 
deux religieux Benedictins 1, 98 und Gori 1, 203 ff. taf. vi. Die eine 
Seite mit Nieomachorum bezieht sich, wie die pinie mit den cymbala 
lehrt, auf den cult der mater Idaea (vgl. die anm. 34 angeführten 
invectiven v. 65. 76 f. 103 ff.), die andre mit Symmachorum stellt 
wahrscheinlich ein opfer an luppiter Capitolinus dar. Dass das 
diptychon für eine jener hochzeiten bestimmt war, ist auch Borghesi 
ao. nicht entgangen. 

34 (s. 30) de Kossi annali 1849 b. 21, 290 ff. üeber die gegen 
Flavianus gerichteten invectiven s. Ch. Morel revue a/rchkU. 1868 t. 
VI 451 ff. vn 44 ff., zuletzt Mommsen im Hermes rv 350 ff. Eine 
kleine nachlese von Verbesserungen möge hier platz finden: v. 13 
haec si (so die hs.) monstra placent, nüHast sacrata pudiea; 15 eeguis- 
nam supplex vener atur (viell. conjunctiv) templa tyranni-, der witz 
von 19 — 24 ist durch Verstellung von v. 23 vernichtet, sehr. Plan- 
gitur in templis iuvenis formonsus Ädonis: Nuda Ventis defletj gaudet 
Mavortim heros: Convenit his ducibus, proeeres, sperare sälutem? 
luppiter in medium nescit finire quereUas lurgantesque deos stimulat 
BeUona flageUo : Sacratis vestris liceat eonponerelites? S7 husti puten^ 
tihus wird richtig sein, es sind die faulenden fleischstücke aus dem 
grabe, verächtlich für exta; 47 qui hibernum docuit sub terra quae- 
rere solem mit sichtlicher beziehung auf den Mithrascult; 63 amhie- 
ras; 73 nothwendig cymbala quem iwibuerat quatere Berecyntia mater; 
96 quid, miserande (so die hs., vgl. v. 111), Ceres, sübrepta Proserpina 
matri; 120 inferiis, • 

35 (s. 30) Ygl. ausser den anm. 34 genannten arbeiten noch 
V. Jan zu Macr. i p. xxvi f. 0. Jahn ao. 336. 

36 (s. 30) de Bossi ann. 21, 291. 



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in BOETHIVS (z. 12 — 19) 

Die zweite persönlichkeit, von welcher das excerpt redet, 
erlaubt und nöthigt uns kürzer zu sein. Anioiys Manlivs 
Seveeuivs Boethivs * (dies ist die durch die hss. einstimmig 
bezeugte reihe ^ seiner namen) steht in hellem licht der ge- 
schichte; der dünne nebel der sage, der wohl früher diese 
gestalt yerschleierte , ist längst zerronnen. Unsere aufgäbe 
kann nur sein, zu dem bekannten beitrage und berichtigungen 
zu geben, obschon heutiges tags Boethius mehr genannt 
als gekannt ist. Indess sein trost der philosophie' wird so 
lange man noch lateinisch liest, stille freunde behalten, die 
darin herzstärkende erbauung finden. Die übrigen Schriften 
fallen fachstudien zu, doch ist ein theil, die theologischen 
und mathematischen nach langer Vernachlässigung jetzt zu- 
gänglicher geworden, und dem wichtigeren rest, den logischen 
wird hoffentlich die akademie unter den Aristotelescommen- 
taren eine stelle einräumen. 

Die familie der Boethu, eine linie des hohen und viel- 
verzweigten hauses der Anicu * tritt zuerst um die mitte des 
V jh. unter Valentinian iii hervor, um dann drei generatio- 
nen hindurch zu blühn. Unter Odoaker wurde Fl. Anicius 
Manlius Boethius*, nachdem er bereits praetorischer und 
zweimal städtischer praefect gewesen, zum j. 487 consul 
und patricius. Es war ihm selbst nicht vergönnt seinen 
söhn, unseren Boethius ins leben einzuführen. Aber das be- 
freundete haus des Symmachus nahm sich des verwaisten an, 
der bis zum ende mit tiefer Verehrung zu seinem Mentor 
hinaufsah; aus dem pflegebefohlenen wurde durch die Ver- 
mählung mit Rusticiana ein Schwiegersohn. 

Wann und mit welchem amt er seine öffentliche lauf- 
bahn begonnen, darüber belehrt uns die allgemeine phrase 
des excerpts (z. 12) nicht. Wir wissen dass er imj. 510 
ordentlicher consul, als solcher meist Boethius iunior zum 
unterschied vom vater genannt, und zwar ohne collegen war. 



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38 



Auch das steht fest, dass er im j. 523 beim beginn seines 
processes noch als magister officiorttm fungierte, dieses amt 
also während der ersten indiction, sept. 522 bis aug. 523 
zu verwalten hatte*. Aber von ihm selbst hören wir, dass 
er würden, um welche ergraute männer oft vergeblich wer- 
ben, schon in jungen jähren erlangt habe*. Yon diesen 
war unstreitig die höchste das patriciat, ein titel den Boe- 
thius, wie aus Ennodius (s. unten anm. 10) hervorgeht, 
schon vor dem consulat führte. Bei der Verleihung des 
patriciats wurde wohl patriciersöhnen gegenüber eine aus- 
nähme gemacht von der oben s. 19 berührten regel, und 
konnte es bei Boethius um so eher, als er vaterlos und erbe 
des ganzen familienbesitzes war. Aber ohne geleistete dienste, 
ohne dass B. vorher oder gleichzeitig ein höheres amt be- 
kleidet, wäre auch diese ausnähme undenkbar. So wurde 
Gassiodor patricius zwar vor dem consulat, aber nach Ver- 
waltung der quaestur. Die in Cassiodors variae erhaltenen 
schreiben Theoderichs an Boethius, die sämmtlich ihn patri- 
cius titulieren, lassen uns denn auch darüber nicht im un- 
klaren. Da soll B. I 10 den beschwerden der leibgarde 
(domestici) abhelfen, denen der Zahlmeister (arcarius) des 
' praetorischen praefects durch schlechte münze und abzüge 
den sold verkürzte. Weil Oass. nach seiner art, quoniam 
delectat nos secretiora huius discipUnae cum scientibus loqui, 
den auftrag nicht ohne einen gelehrten excurs abgehn lassen 
kann, so hat man aus dem brief die merkwürdige thatsache 
herausgelesen, dass der könig den B. mit der Ordnung des 
münzwesens und der regulierung von maass und gewicht' be- 
auftragt habe: ich lese nichts anderes als dass B. damals 
im hof dienst gestanden haben muss , vermuthlich als comes 



*) cons. phü. II 3 libet enim praetervre communia, sumptcts in 
adtUescentia negatas sembm dignitates, vgl. Claudian auf das consu- 
lat des Probinus und Olybrius 67 primordia vestra vix paud me- 
ruere senes. 



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sacrarum largitionvm^. Ob er diese laufbahn sclion damals 
weiter fortgesetzt, weiss icli nicht; an die Verwaltung des 
nächst höheren hofamts , der quaestur dürfte man denken, 
wenn Ennodius' werte weniger moUuskenhaft wären ^. In den 
beiden andern briefen appelliert Theoderich an Boethius' 
für damals ungewöhnliche Vertrautheit mit den exacten Wissen- 
schaften durch auftrage, die auch wenn sie an ihn als Privat- 
mann gerichtet sein sollten, doch ein im hofdienst angebahn- 
tes näheres verhältniss zum könig vorauszusetzen nöthigen. 
Der eine i 45 wird dadurch wichtig, dass seine zeit sich 
einigermaassen bestimmen lässt. Der Bnrgunderkönig Gundo- 
bad hat um eine wasser- und Sonnenuhr , zugleich um Zu- 
sendung sachverständiger meister gebeten, und B. wird be- 
auftragt dafür zu sorgen. Diese beziehungen zwischen dem 
Burgundischen hof und Ravenna mussten schon im laufe des 
j. 506 ihr ende erreichen, als Gundobad sich in jenen bund 
mit Chlodovech einliess, der durch die bekriegung der West- 
gothen (507) Theoderich selbst auf den kampfplatz rief^ 
Also spätestens 506 hatte sich B. bereits durch eine reihe 
von Schriften berühmt gemacht, in welchen er Griechische 
werke über philosophie und exacte Wissenschaften lateinisch 
bearbeitet hatte : das wird durch die lobrede des briefs 
ausser zweifei gesetzt, wenn man auch nicht grade jedes 
wort desselben pressen darf und neben vollendeten auch blos 
begonnene Schriften angedeutet sein können. Den letzten 
brief u 40 vermag ich leider chronologisch nicht zu fixieren: 
für Chlodovech, der bereits mtt Theoderich verschwägert ist 
und eben sich die Alemannen unterworfen hat, soll B. den 
besten kitharöden aussuchen; diese gäbe ist dazu bestimmt 
dem schreiben des königs (n 41) und den werten seiner ge- 
sandten, welche für den rest der unterlegenen um gnade 
bitten sollen, nachdruck zu geben. Mit verschwindenden 
ausnahmen sind unsere historiker darin einig, den anlass der 
gesand tschaft in dem vernichtenden schlag zu suchen, den 
Chlodovech 496 gegen die Alemannen geführt haben soll. 



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40 

Sie haben den zugehörigen brief an Boethius nicht erwogen ; 
wie sie ihn mit den lebensverhältniesen des B. vereinigen 
könnten, sehe ich nicht. 

Allerdings war B., wie wir saheh, schon vor 507 als 
Schriftsteller berühmt. Aber er hatte mit diesen arbeiten 
in ungewöhnlich frühen jähren begonnen : er war ein lehrer 
schon im alter des lernens , und dies alter hatte er nach 
dem j. 504 noch nicht überschritten^®. In der haft während 
des winters 523/4 beginnt ihm vor der zeit das haar zu 
— ergrauen ^^; seine söhne, obwohl schon 522 consnln, waren 
damals noch knaben.. B. kann frühestens 480 geboren sein, 
wahrscheinlicher ein oder zwei jähre später; und jene nie- 
derlage der Alemannen, die vielleicht durch einen aufstand 
gegen den zwingherm hervorgerufen war, ist in den ersten 
Jahren des vi jh. zu suchen (vgl. unten s. 70). 

Man könnte in den zahlreichen Schriften des Boethius 
anhaltspunkte nicht nur für ihre eigne entstehungszeit und 
abfolge, sondern auch für seine öffentliche laufbahn zu finden 
hoffen. Aber B. ist mit andeutungen auf seine Verhältnisse 
sehr sparsam; ausser der consölaiio ist nur die abfassungs- 
zeit des commentars zu Aristoteles' kategorien bekannt, an 
dem er nach n praef, p. 141, 7. 17 im consulatsjahr 510 
arbeitete. Die angäbe der würden in den titeln und sub- 
scriptionen der älteren hss. beruht auf sorgfältiger Über- 
lieferung, doch auch diese quelle gibt wenig aus. In der 
überwiegenden mehrzahl seiner werke wird er v. c. et inl. 
ex cons, ord. patricms genannt, nämlich in der arithmetik, 
den theologischen und fast allen logisch-dialektischen Schrif- 
ten ^* ; in der consdatio tritt dazu natürlich (s. anm. 5) 
ex mag. off, ; nur der kürzere erste commentar zu Aristoteles 
ubqI SQfxfjveiag und die bücher de musica, deren Veröffentlichung 
in dem besprochnen brief des Theoderich {var. ii 40) zwar 
nicht bezeugt aber deutlich vorausgesetzt wird, scheinen 
Boethius blos als vir clarissimus also wohl noch ohne amt 
zu kennen ^^; bei der geometrie und den commentaren zu 



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41 



Porphyrios wird meines wissens nur der name des B. ohne 
titel überliefert. Kann denn aber B. alle jene Schriften, in 
deren titel er ex cons, ord, genannt wird, zwischen 510 
und 522 yerfasst haben? Das ist unmöglich angesichts der 
thatsache (oben s. 39), dass ein theil derselben schon vor 
507 bekannt war. Oder sollen wir den abschreiben! eine 
gedankenlose- Übertragung der volleren titulatur auf die 
einfachere zur last legen? Dann dürfte doch so wenig als 
das consulat das magisterium fehlen. Es gibt eine über- 
zeugendere antwort. Die angäbe der würden entspricht ge- 
nau der zeit, in welcher jedesmal die auf uns gekommene 
recension der einzelnen Schriften, genauer der verschiednen 
Codices, in denen jene zusammengefasst wurden, zu stände 
gekommen ist. Der charakter ex cons, und das fehlen des 
ex mag, off, beweist also nur, dass unsre hss. der betreffen- 
den werke aus exemplaren abgeleitet sind, die in der zeit 
510 — 522 geschrieben und sei es vom Verfasser selbst, wie 
arithmetik und commentar zur topik (anm. 14), sei es von an- 
deren revidiert waren. In einem falle können wir das noch 
verfolgen. Ein theil der logischen bücher ist uns, wie an- 
dere werke der lateinischen litteratur, auf dem umweg über 
CPel zugekommen. Dort trug der kalligraph und spätere 
kofkanzlist Theodorus, dem wir auch Priscians grammatik 
verdanken, die vier bücher de differentiis topicorum, das buch 
de divisione und die beiden de hypofheticis syllogismis (viel- 
leicht noch die drei b. über den kategorischen schluss) in 
eine hs. zusammen und Martins Novatus Renatus, ein v, c, 
et sp(ectabüis), der also comes gewesen sein mochte, revi- 
dierte dieselben**: alle jene werke tragen in den daraus 
abgeleiteten hss. den zu erwartenden titel, aber bei der 
ersten subscription des Renatus unter buch i de diff* top. war 
jener titulatur mag, officiorum zugefügt, und zwar so dass 
dadurch B. als zur zeit im amte bezeichnet wird (s. 15 
anm. 13). Es ist nicht denkbar, dass B. zu seinem ver- 
hältnissmässig selbstständigsten werk über philosophie als 



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42 

magister hätte zeit und Stimmung finden können; und wäre 
es so gewesen, so hätte er es noch eher als beim consnlat 
(s. oben s. 40) hervorgehoben. Renatus hat also jenen Zu- 
satz im j. 523 gemacht. Ob er es im folgenden darum 
unterliess, weil mittlerweile die künde von Boethius' process 
und verurtheilung nach CPel gedrungen war? 

Unser versuch, mit eignen mittein über die laufbahn 
des Boethius genaueres zu ermitteln, hat nicht so viel er- 
trag gehabt um uns die dürftigkeit der excerpte aus Cassio- 
dor verschmerzen zu lassen. Auch was wir dann von Boe- 
thius' beherrschung der lateinischen und griechischen rede 
hören (z. 12), was von seinem panegyricus auf Theoderich 
522 (z. 13) und was schliesslich zum lobe seiner wissen- 
schaftlichen arbeiten (z. 17 f.) gesagt wird, fördert uns 
nicht'^ 

Aber neu ist die nachricht (z. 16), dass B. ein buko- 
lisches gedieht verfasst habe. Sie überrascht uns nicht, da 
wir in der consölatio noch verse genug von seiner band be- 
sitzen, die zwar eine äusserst geringe begabung zur poesie 
und grosse Ungeschicklichkeit in dichterischer gestaltung des 
gedankens, aber doch auch eine für die zeit anerkennens- 
werthe Schulung und Vielseitigkeit der versification bekunden. 
Ja dies werk wird eröffnet mit dem selbstbewussten hinweis 
auf frühere dichtungen, die ihm die treue und bis in die 
zeit des leidens ausdauernde freundschaft der Musen erworben 
Garmina qui quondam studio florente peregi, 
flebüis heu maestos cogor inire modos usw. 
Diese verso erhalten durch die neue nachricht eine erwünschte 
illustration. Denn ich brauche hoffentlich nicht zu sagen, 
dass selbst ein mittelalterlicher Schreiber unter dem buko- 
lischen gedieht die consölatio nicht verstehen konnte. Aller- 
dings hat das spätere alterthum aus Vergilius' eclogen die 
kunsttheoretische forderung abgeleitet , dass das bukolisehe 
gedieht allegorisch sein müsse, und wie diese lehre fortwirkte, 
dafür ist ein bekanntes beispiel die bereits in leoninischen 



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43 

Versen abgefasste ecloga des Theodulus. Aber nach der tra- 
dition des alterthums wird eine gattung durch ihre form 
constituiert, und dass die consölatio eine satora' sei, wosste 
man noch in Earolingischer zeit^^. 



ANM. 1 (s. 37) Die Schreibung Boetius hat sich in neuerer 
zeit, die es liebt ohne wähl und urtheil handschriftlichen krims- 
krams zu unverdienten ehren zu bringen, fast allgemeiner gunst 
wenigstens bei uns zu erfreuen. Gewiss die hss. kennen fast nur 
Boetius oder gar Boecius, und selbst die Inschriften scheinen aus- 
nahmslos den cons. sowohl von 510 als 522 mit t zu schreiben, schon 
der cons. 487 kommt so bei de Rossi n. 888 f. vor. Aber dass der 
Bömische plebeier th nicht kennt, brauchen wir doch nicht erst 
hieraus zu lernen, und die hss. pflegen wir nicht mehr zu zählen, 
sondern zu wägen. Es könnte schon genügen, dass inschriften vom 
j. 487 datieren cons. Boethi vc, (de Rossi n. 887) und Boethi v. c. 
(Reland, fasti cons. zum j. nach Fletwood): entscheidend ist das 
diptychon dieses consuls (anm. 4). Auch Cassiodor hat doch wohl 
den namen seines freunds richtig schreiben können? Boethius gibt 
die Bamberger hs. der instt. noch zweimal, p. 555*> unt. (Garet) und 
in der abschn. v anm. 7 mitgetheilten stelle (nur p. 558*>13 hoefitis)'^ 
ebenso eine vorzügliche hs. der u redaction Bern. 212 bei Gar. p. 555*> 
und 558*^13, auch p. 552 f., wenn ich mich recht erinnere; in einem 
alten scholion zu p. 558 oben der SGall. 199 nicht anders. Natür- 
lich ist auch in den Boethiushss. die richtige Schreibung, je älter 
sie sind, desto eher zu finden. Die Bonner hs. der cons. pMl, in 
jener schrift gehalten, welcher unsere modernste palaeographie das 
XU oder xui jh. anweist, dh. in der Übergangsschrift des ix zum x, 
kennt nur tÄ, f. 8^ Boethii, ebenso f. 31^ und 52^; dasselbe bewahrt 
die Tegemseer in der subscr, des iii und iv buchs, in der Über- 
schrift des I ist das t durch übergesetztes hauchzeichen corrigiert. 
Der alte Vrbinas des tractats g. Eut. und Nest, hat beidemal boethii 
(Reiffersch. bibl. 1, 592); im Laurentianus der arithm. aus s. ix ist 
zwar nur t angewandt, aber in der subscription die f. 42^ ein Schrei- 
ber des X jh. neben die verderbte setzte, sicher nach älterer hs. (s. 
anm. 14), steht bobtrii mit der aus capitalschrift bekannten form 
des H. Muss man es denn aussprechen, dass die Boethii nachkom- 
men eines Bori^og sind? Aber, höre ich sagen, ein sichrer kanon 



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44 

lateinisdier ortbognphie ist die griediische truiscriptioii, und Pro- 
kopius sdireibt Bofitog, die Byzantinischen fasten in Leiden 3 mal 
Borjriov. Ich will das Bofi^lov der paschalchronik p. 605, 15 nnd 
613, 2 nicht dagegen stellen. Sollen wir Tielleicht ans der sonder- 
baren heilig^i des 8 oct. Tdiaia, welche die menaeen über Rom 
importiert haben, abnehmen wie die hetare Thais zu. schreiben ist? 

2 (s. 37) Gegenüber den hslidien Zeugnissen kommt eine in- 
sdiriftliche datierong MarHio Amdo Severino [BoeUo] ve cos (de 
Bossi I p. 443) nicht in betracht. 

3 (s. 37) üeber die Anicier s. Gibbon c 31 und Aschbachs 
oben 8. 11 genannte abhandlung. 

4 (s. 37) Die ao&chrift des diptydion von Brescia (Grori 1, 
132 ff. Hagenbach, de diptycho Brixiano epist. epigr. Zürich 1749 
nnd jetzt Mommsen CIL Y n. 8120) ist Ncar [Än(ieiu8) Aur(diu8)^ 
Gori na-] Mafü(tu8) Boähtus v(ir) c(lar.J H \fü(ustri8) \ ex p(raef€Cto) 
p(raetorio) p(raefecto) u(rbi) 8ee(undo) cons(til) ord(inariu8) et patri- 
e(ius); die beschlüsse der synode von 487 sind datiert Flavio Boetio 
viro darissimo consuU (Thiel ep, potU. i 259). Der name FlaviuSy wel- 
chen die spateren kaiser, Gothen wie Theoderich (zb. bei Thiel i 672. 
678. 695) nnd Entharich, nnd eine grosse anzahl vornehmer Römer 
wie ein praenomen führen, war wohl ein abzeichen und ansfloss des 
patriciats. 

5 (s. 38) Exe, VcA. 84 twfic Boetius poMciuSj qui magister 
officwrum erat vom anlass der klage, nnd diese darstellung wird 
bestätigt dnrch den Verfasser der cons. phil. i 4, der hier nnd noch- 
mals m 4 mit doppeldeutigem ansdmck sein letztes amt magistrcUum 
statt magisterium nennt. Demgemäss führt Boeth. in dieser während 
des winters 52^/4 verfassten schrift den titel ex mag. off. Die datie- 
nmg wird sich im Zusammenhang von s. 77 f. anm. 19 ergeben. Hier 
möge nur bemerkt werden, dass die hofämter, wohl sämmtlich, mit 
dem indictionsjahr vom 1 sept. liefen: vgl. zb. für die höheren comites 
Cass. vor, vi 7—9. 12. v 40. vin 16. x 11, quaestor vin 18. x 6. 7, 
mag, off. vi 6, praef, praet. ix 24. 25 ; dass dieser letztere bereits vor 
Weihnachten, wo die ihm unterstellten subaltembeamten zu wechseln 
pflegten, im amt war, sehn wir aus xi 17: das <ib ind. und per %7id, 
muss also bei den hofämtem in voUem wortsinn genommen werden. 
Zweifel habe ich beim praef, urbi, der ix 7 auch per indictionem iUam 
ernannt wird; denn die gleiche formel hören wir ix 22 sogar beinci 
consulat, dessen antrittstag unverändert Ical. ian. war. 

6 (s. 39) üeber den geschäftskreis des com, s, larg. s, Manso, 



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45 

gesch. d. Ostgotli. reichs 351 f. Das schreiben des Theod. ordnet 
nicht an, dass jener Zahlmeister durch B. vor gericht gezogen und 
bestraft, sondern nur dass der missbrauch abgestellt werden solle: 
das lässt nur an den Schatzmeister denken, der die gehaltzahlungen 
anwies. 

7 (s. 39) Enn. ep, vm 1 p. 222 noster ccmdidatus post mani- 
festam decertationem debitum triumphum, dum numqmm viderit heUa, 
sortüur, vudido exigit laureas et congredi non necessarium duxit 
armatis. Das entscheidende wort sollte ivdicio sein. 

8 (s. 39) C. Binding, gesch. des Burgundisch - Romanischen 
königsreichs 180 ff. 192 f. 

9 (s. 39) Die litteratur über diese frage gibt A. Thorbecke, 
Cassiod. Senator s. 60; hinzuzufügen ist noch Waitz, d. verfassungs- 
gesch. n2 66 f., G. Bomhak, geschichte der Franken 1, 209 f. und 
G. Richter, annalen der deutschen geschichte* im ma. 1, 35 f. 

10 (s. 40) Das ergibt sich aus Ennodius paraen, (deren zeit 
oben s. 6. 10 f. bestimmt ist) p. 445 est Boethius patriciuSj in quo 
vix discendi annos respicis et inteUegis peritiam sufficere iam docendi: 
de quo emendatorum iudicavit electio (dies letztere kann nicht bloss 
auf das verhältniss zu Symmachus — denn an Festus denke ich 
nicht wegen der s. 24 f. entwickelten parteiverhältnisse — sich beziehn, 
ich sehe darin eine bestätigung dafür, dass B. damals bereits zu 
hofämtem berufen gewesen war) ; vgl. ep. vn 13 (vor dem consulat 
des B. geschrieben) quem in annis puerilibus sine aetatis praeiudicio 
industria fecit antiquum, qui per düigentiam imples omne quod 
cogitur (?), cui inter vitae exordia ludus est lectionis assiduitas et 
deliciae sudor alienuSy in cuitis manibus duplicato igne rutüat, qua 
veteres face fulserunt. 

11 (s. 40) Cons. phil. i metr. 1, 9 Venit enim proper ata malis 
inopina senectus Et dolor aetatem iussit inesse suam. Intempestivi 
funduntur vertice cani Et tremit effeto corpore laxa cutis. Das alter 
seiner söhne gibt er n 4 an: Uberos consulares, quorum iam ut in 
id aetatis pueris vel paterni vel aviti speeimen elucet ingenii. 

12 (s. 40) Ohne anspruch auf Vollständigkeit erheben zu kön- 
nen, halte ich es doch für nützlich die hslichen Zeugnisse, so weit 
ich sie kenne, zusammenzustellen; ich nehme dabei weder rücksicht 
auf die hss., von denen die Verfasser der cataloge eine angäbe der 
titel unterlassen, noch auf die jüngeren, welche meist der titulatur 
entbehren. Den hm H. Hagen in Bern und E. Piccolomini zu Pisa 
bin ich dabei für ihre freundlichen mittheilungen sehr verpflichtet. 



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46 

I arithmetik: vc et itU. exest, ord patr. Cölner hs. 185 8, x (Jaff(§- 
Wattenbach p. 77), ähnlich Laurent. 29, 20 «. ix und Vindob. 364 
8. X (EndKcher 1, 254 f.), und die hss. bei Friedlein p. 72. n über 
die theologischen tractate s. oben s. 15 anm. 12, Peipers ausg. p. 
149. 164. XXI, und den nächsten abschnitt. IH in Porphyrium a 
Victorino translatum diaU, ii (vor n. v, also vor 510 verfasst, vgl. 
p. 110, 11 ff. Rota): eine titulierte hs. ist mir nicht bekannt. Ebenso 
wenig von FV in Porphyrium a se transUxtutn l. r, selbst Vat. Alexandr. 
1332 aus dem ai^ehenden x jh. überschreibt nur comentü Boedi 
in isagogoa, V in Ärist, categarias l iv (510 verfasst und nach n. m 
8. oben): v. c, ex constdum ordinibus hs. von Saint Mihiel 26 8. xi 
(catal. des depart. 3, 521). VI in Ar. perihermenias edit li h vi: 
verderbt viri ülustris ex constdum ordine patritii in subscr. die Salz- 
burger hs. in Wien 370 8, X (Endlicher 1, 263); viri iUustris ex 
consid. im titel, ex consül. viri iUustris patritii in subscr. Wiener 
hs. 371 8. xin (Endl. ao.), vvri darissimi et iüustris excanstdib. aurdii 
patricii Laurent. 71, 21 «. xn, v. c. et inlustris Florent. s. Marco 
124 s. XIV. Vn introductio ad categoricos syUogismos, in den hss. 
gewöhnlich antepraedicamentorum liber genannt: viri, c, et iU, ex- 
constdv. ord. patricii Bern. 300 8, xi, exe. ordinarii patricii Arras 
n. 862 8. XI (cat. d. dep. 4, 343). YIII de categ. syUogismis l. //: 
viri con8idari8. ordine pairicii Yat. Ottobon. 1406 8. x aus M. Cas- 
sino, VC et iU. excon. ord. Flor. s. Marco 166 s. xn, vf. c. et patr, 
ord. Vatic. 1722 8. xi. IX de hypoth. 8yll l. n (vor n. xi verfasst, 
vgl. in top. p. 352, 29 Or.): vc. et iXL ex com. ord. pairicii hs. 
P. Daniels (s. anm. 14), viri iUu8tri8 et patritii. excom ord. Bern 
300, V. c. et ilh excs. ord. Florent. s. Marco 166. X de divisione: 
VC. et ill8t. ex con8. ord. patricii hs. P. Daniels, viri, iUustris et 
pairicii ex cotmuI. ordine Bern. 300. XI in topica (Kceronis comm, 
l, VI (urspr. vii): vc et ül. ex cons. ord. im titel, uiri elari dt ülustris, 
excstäaris. ordinarii in subscr. Vatic. 567 s. xi, v. c. excsl. ord, patric. 
Vat. Alexandr. 1649 8. x — xi, mit auslassung von pcUric. und uner- 
heblicher corruptel Vat. Ottobon. 863, Flor. s. Annunziata 140 s. 
Marco 165 und 173. XII de differentiis topicorum l. iv (nach dem 
comm. in Cic. top. und dem verlornen zu Arist. topik verfasst): u, c. 
et in. l. exeons. ord. (patricii) hs. von Monte Cassino 191 vgl. anm. 14, 
uc. & rd. exeons ord patritii Vatic. 1722 s. xi in der subscr. des 
i b., viri c. et ülustris. ordine patricii Ottobon. 1406 s. x. 

13 (s. 40) Cod. Vatic. Ottobon. 1939 s. x—xi überschreibt in 
uncialen Anicii. Mafdii. Seuerini. Boetii. viri clarissimi. incipit editio 



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47 

prima p(er)aennenias Äristotelis, sonst kenne icli keine titulierte hs. 
Die b. de miisica haben in Friedleins hss., falls ich sein schweigen 
richtig deute, keine titulatur, auch mir ist eine solche nicht vor 
äugen gewesen, doch hat nach einer allem anschein nach zuverläs- 
sigen angäbe im cat. des depart. 4, 547 die hs. von Avranches n. 296 
8. XI die aufschrift Boetii Severiani v. c. de musica Ubri r. Hin- 
sichtlich der geometrie verweise ich auf die wichtige Bemer hs. 87 
(vgl. Hagens catal. s. 104 ff.) und Friedlein p. 373; im Vatic. 3128 
s. XI — xn fand ich f. 65^ die bemerkung EucUdes in greco hoetitts 
transtülit in latinum commentdtus in difficüiora capitulci, dirigit autem 
cid simachum socerum suum cum prologo, sicut in arithmetica imitatus 
nicomachum dirigit ad eundem. Videntur tarnen pocius excerpta a 
boetii libro. 

14 (s. 41) Aus einer noch nicht ermittelten hs. copierte P. 
Daniel auf einem blatt des Bemer sammelbands n. 141 (st. 290 vgl. 
Hagens cat. s. 201) die wichtigen subscriptionen, die 0. Jahn ao. 
354 veröffentlicht hat. Ein ferneres zeugniss für Renatus' textrevi- 
sion findet sich in einer hs. von Monte Cassino n. 191 «. X, wo f. 
84^ nach der subscription von <2*/f. top, iv der titel folgt Incipit 
eiusdem liier divisionis. Martius Novatus Benatus (Reifferscheid, 
ßitzungsber. d. Wiener akad. 1872 b. 71, 84). Dagegen war es ein 
versehn, wenn Jahn die im alten Laurent. 29, 20 8, ix am schluss 
der arithmetik von einem corrector des x jh., natürlich aus älterem 
exemplar beigesetzte subscription Setterinus boetitis uc et inh ex 
con8 ord patricius legi opi*8culum meum (Reiffersch. ao. 71, 14) als 
eine * halb verwischte spur von Renatus* subscription fasste: in Re- 
natus' hs. kann die arithmetik nicht gestanden haben; vielmehr hat 
der Verfasser selbst das in unserer Überlieferung fortgepflanzte 
exemplar nach 510 revidiert, so wie den comm. zur topik (oben 
8. 2 anm.); richtig hat schon Reifferscheid de lat, codd. subscr. 
(Bresl. 1872) p. 6 darüber geurtheilt. Die titulatur des Boethius 
am schluss des h l de diff. top, lautete in Daniels hs. vc, et ülst. 
ex cons, ord, patricii mag, ofßcr,; entsprechend in der hs. von 
Monte Cassino v, c. et inl, excons. ordo patritii, mag, offori (Reiffer- 
scheid ao. 71, 84), wo das mag, off, sonst weder in auf- noch Unter- 
schrift begegnet. 

15 (s. 42) Boethius* beherrschung beider sprachen ergibt sich 
aus seiner ganzen schriftstellerischen thätigkeit und wird auch in 
rhetorischer hinsieht von Ennodius ep. viii 1 p. 222 hervorgehoben. 
Der danksagungs- und lobrede, die Boethius beim amtsantritt seiner 



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söhne anf. 522 im senat auf Theoderich gehalten, gedenkt er selbst 
cons. II 3 eisdem in curia cttnUes insidentibus tu regiae laudis 
orator ingenii gloriam facundiaeque meruisti: sie war die jüngste 
leistung des B., die Cass. erwähnen konnte (s. unt. s. 73f.). Das lob, 
das den wissenschaftlichen leistungen des B. ertheilt wird, hat in 
var, I 45 ein gegenstück. 

16 (s. 43) Der späte verf. einer biographischen notiz über 
B. macht die richtige bemerkung (p. xxxi, 10 Peip.) hos libros per 
satiram edidit, imitatus videlicet Marcianum Felicem CapeUam, qui 
prius libros de nuptiis Philologiae et Mercvi^ii eadem specie poematis 
conscripserat, grade wie in der SGaller hs. Senecas apokol. apo- 
theosis Annei Senecas per saturam heisst. 



IV DIE THEOLOGISCHEN SCHRIFTEN DES BOETHIVS 

Die wichtigste nachricht über Boethius verlangt beson- 
dere besprechuDg. Sie bringt ans das zeugniss eines be- 
freundeten Zeitgenossen für die echtheit der ihm beigelegten 
theologischen Schriften. Denn zweifellos wird mit l, de s. 
trinitäte (z. 15) der an Symmachus (und lohannes?) gerich- 
tete erste tractat, mit l. contra Nestorium die ausführlichere 
Schrift über die naturen Christi contra Eutychen et Nestorium 
(tract. v) bezeugt und in kaum missverständlicher weise durch 
capita quaedam dogmatica auf die beiden kurzen dem diaco- 
nus lohannes gewidmeten abhandlangen (tr. ii m) hinge- 
wiesen. 

Seit der gelehrten erstlingsschrift meines freundes F. Nitzsch 
gilt die zuerst in Arnolds kirchen- und ketzerhistorie ange- 
regte Streitfrage über echtheit oder unechtheit jener abhand- 
lungen als erledigt: über ihre vollständige unechtheit kann, 
wie es in einem verbreiteten handbuch heisst, 'heutigen tags 
unter urtheilsfähigen nicht der leiseste zweifei mehr sein . 
Prantl erklärt sogar mit berufung auf seine umfassendere 



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49 



kenntniss der mittelalterlichen litteratur, dass dieselben vor 
dem IX jh. nicht entstanden sein könnten ^ Die von Nitzsch 
verfochtene ansieht ist längst in den breiten ström der öffent- 
lichen meinung aufgenommen, gegen den anzuschwimmen in 
jedem falle misslich ist und in unserem zum voraus als be- 
weis der urtheilsunfähigkeit erklärt wird. Ich will das auf 
mich nehmen. 

Einer wenigstens hat sich durch das ansehn der geg- 
nerischen stimmen nicht beirren lassen, und ich rechne ihm 
das hoch an, R. Peiper, dem wir die erste kritische aus- 
gäbe der fraglichen Schriften verdanken und unsern aufrich- 
tigen dank nicht durch den unmuth , den gelegentliche 
irrungen und eine folternde missinterpunction dem leser wohl 
erregen, vergällen wollen, hat mit recht vorerst das zeugniss 
der hss. sprechen lassen. Wenn er einen volleren überblick 
über diese gehabt hätte, würde er selbst den zusatz, den 
er mir übrig gelassen, seinem resultat zugefügt haben. Die 
Streitschrift über die naturen Christi (tr. v) hat das gleiche 
anrecht auf echtheit wie die drei ersten tractate , welche 
Peiper dem B. vindiciert hat. Diese vier abhandlungen waren 
offenbar vom Verfasser selbst zu einem kleinen bände ver- 
einigt worden, und wurden bis zum ix jh. als geschlossene 
Sammlung fortgepflanzt. Erst dann wurde in ein exemplar 
durch Zufall die schrift de fide Christiana verschlagen, welche 
vor dem buch gegen Eutyches und Nestorius (tr. v) ihre 
stelle fand. Auch in den hss. des x jh. welche ihn bereits 
haben, und in den meisten späteren ist dieser eindringling 
namenlos^ ein um so gewichtigerer umstand, je näher es 
lag die titulatur der übrigen Schriften, welche sie umgaben, 
auf diese zu übertragen. Ein commentar zu Boethius' arith- 
metik, den ich in einer Yaticanischen hs. des xi jh. fand, 
kennt sie nicht 8; selbst der hs. nach welcher Gislebert de 
la Porret, der bischof von Poitiers vor 1147 unsere Schriften 
commentierte, fehlte dieser bestandtheil *. In den ausgaben 
figuriert die schrift erst seit Renatus Yallinus (1656). Der 

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vermeintliche ly traetat geht also Boethius nichts an, wäh- 
rend die Schrift gegen Eutyches und Nestorius .mit den übri- 
gen steht und fällt. In der anerkennung dieses thathestands 
kann uns auch das entzifferungstalent eines Mailänder geist- 
lichen Luigi Biraghi nicht beirren, der auf dem diptychon 
von Monza an der rolle, welche der vermeintliche trauernde 
Boethius in der band hält, das bekenntniss in fid(e) Ihs(u) 
meneam (so) gelesen und darin natürlich ein urkundliches 
zeugniss für die echtheit der schrift de fide gefunden hat^. 

Und was hat man gegen diese vier Schriften vorge- 
bracht? Das radicalste war jedenfalls zu behaupten, dass 
B. überhaupt kein Christ gewesen. Nachdem es Schenkl^ 
übernommen hat diese aus geschichtlicher unkenntniss ent- 
sprungene meinung in aller form zu widerlegen, wäre ein 
weitres wort Verschwendung. Es versteht sich dass B., auch 
wenn er nicht Symmachus' Schwiegersohn wäre, nicht offner 
und nicht einmal verkappter beide sein konnte. 

Allein es ist wahr, wir stehn vor einem schwer lös- 
baren Widerspruch. Der verurtheilte der, den tod vor angen, 
diese fünf bücher vom trost der philosophie schreibt um 
sich aufzurichten, weiss nichts vom tröste des christenthums. 
War B. Christ und gar dogmatischer Schriftsteller, dann kann 
der trost der philosophie nicht sein werk, nicht der geistige 
Inhalt seiner letzten tage sein; hat er dies werk verfasst, 
dann ist die unechtheit der theologischen Schriften sicher. 
Mit dem ersten schluss ist Glareanus allein geblieben. Es 
kann keine schrift die bewährung der echtheit so in sich 
selbst tragen wie die consdatio. Dürfen wir die zweite folge- 
rung gut heissen? 

Zweierlei scheint man sich nicht klar zu machen, die 
menschliche und die litterärgeschichtliche persönlichkeit des 
Boethius. Wie vielartig ist doch die natur der vielen die 
sich zu Christus bekennen. Dem einen ist^ der kirchliche 
glaube eine form , dem andern der Inhalt seines lebens. 
Für Boethius war die Griechische philosophie die quelle 



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51 



seiner weit- und lebensaneicht : konnte er, wenn er doch 
ein aus einem stück gehauener Charakter war, der stunde 
der noth das zngeständniss machen, den kern seines selbst 
zu zerbrechen? Und doch hat er, ohne andre als ausser- 
liebe theilnahme am christeuthum , über dogmatische dinge 
gegrübelt und geschrieben? Fragt nicht nach beispielen. 

Ich habe im widerstreit das seil straffer angezogen als 
nöthig war. Ganz so scharf ist der gegensatz nicht zwischen 
der consölatio und dem christeuthum. Ich will nicht reden 
von den spuren christlicher reminiscenzen, die selbst in dieser 
Schrift ein aufmerksamer leser findet'', sondern komme zu 
dem zweiten punkt den man übersehn. Dem geschieh ts- 
schreiber der philosophie und dem kritischen kirchenhistoriker 
ist die consölatio das wichtigste, fast einzige hilfsmittel um 
die weltansicht des B. zu construieren. Ein philologe, 
wenn er heutzutage das werk liest, wirft unwillkürlich die 
frage auf: woher hat B. diese ergreifenden, oft überwältigen- 
den gedankenreihen? Tragen sie den Charakter eines Zeit- 
alters , dem längst Selbstständigkeit des wissenschaftlichen 
denkens abhanden gekommen war? Konnten sie in einem 
köpfe wachsen, dessen rühm Übersetzung und reproduction 
Griechischer werke ist? zu einer zeit vollends, wo enttäuschung- 
und gram die Schwungfedern dieses geists gebrochen hatte? 
Man vergleiche die versificierten einlagen, in denen die ge- 
danken der prosaischen darstellung variiert, oft nur wieder- 
holt werden, mit der prosa: und man wird fühlen, dass 
man verschiedene menschen reden hört : dort ein kind des 
VI Jh., hier einen denker grösserer zeit. Ingram Bywater 
hat zuerst darauf hingewiesen, dass die consölatio reflexe des 
Aristotelischen protreptikos zeige 8. In Wahrheit ist der 
schönste theil des buchs nichts als die wahrscheinlich jüngste 
Umarbeitung jenes unzerstörbaren dialogs des Stagiriten. Die 
stelle, wo die benutzung beginnt, hebt sich von den ein- 
leitenden und vorbereitenden abschnitten leicht ab, n 4 z. 
38 P. Quis est enim tarn conpositae felicitatis — , und der 



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52 

pnnkt wo er eine neue quelle Tomalmi, ist Ton dem ver- 
fasse* selbst dentÜch durch die werte bezeichnet Tum veliU 
ab alio orsa principio iia disseruU (ir 6 z. 20): es war ein 
Kenplatoniker , wie schon zn anfsBoig der mystische orakel- 
sprach (p. 112) zeigt. Natürlich hat B. weder den Ari- 
stotelischen protreptikos noch Ciceros Hortensios als vorläge 
benutzt, denn beide citiert er: sondern in seinen banden 
war ein jüngerer auszog, wie ein solcher, auch gewiss nicht 
aus erster band, dem protreptikos des lambÜchos einverleibt 
ist. Eben darom wäre es vorwitzig entscheiden za wollen, 
ob erst Boethios oder bereits ein Platoniker, den er benutzte, 
den Aristotelischen antheil mit dem jüngeren in Verbindung 
gesetzt habe. Bass B. gerade solche Schriften in jenem 
momente zur bearbeitung Yomahm um sich zu zerstreuen 
und zu erheben, wird immer ein wichtiges merkmal seiner 
denkart sein, aber man wird aufhören müssen, aus den Pla- 
tonismen der consokUio einen inneren Widerspruch ihres Ver- 
fassers gegen das christenthum herauszulesen. Wie frei B. 
inmier bei der bearbeitung schalten mochte, er konnte nicht 
aus dem bilde fallen. Und die zeit- und standesgenossen, 
an die er denken mochte, waren immer noch gebildet genug 
um das nicht misszuverstehn. 

Doch auch die streitigen Schriften selbst haben stoff 
zu bedenken gegeben. Sie sind scholastisch und ein erzeug- 
niss der beginnenden Scholastik, sagt Prantl, zum theil auch 
Nitzsch. Wenn das charakteristische der Scholastik die an- 
wendung der schulmässigen logik und metaphysik auf die 
dogmatik ist, so sind diese Schriften scholastisch. Man be- 
greift es, dass dieselben so wichtig und einflussreich für das 
mittelalter wurden. Aber wann begann dieser einfluss? So 
weit wir die Studien des angehenden mittelalters zurückver- 
folgen können, nehmen wir die bekanntschaft mit Boethius' 
theologischen tractaten wahr. Der bis jetzt noch nicht 
sicher fixierte grammatiker Sedulius citiert tr. y, im vni jh. 
benutzt sie Alcuin': und seit spätestens dem anfang des ix 



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63* 



Jh., das den ersten eigentlichen Scholastiker Scotos Erigena 
erzeagt hat, sind ^sie stehender gegenständ des Studiums 
und schulmässiger interpretation, wie Hinkmar, seit 844 
bischof von Bheims beweist (er citiert tr. i n v) ^®. Die 
mittelalterliche Scholastik ist nicht die mutter dieser Schrif- 
ten, sondern sie hat sich an ihnen herangebildet , wie alle 
wissenschaftliche thätigkeit des ma. von der interpretation 
des überlieferten ausgegangen ist. Die bibliotheken bezeugen 
das. Noch heute gibt es eine anzahl von exemplaren des 
IX bis ZI Jh., die mit rand- und interlinearschoHien bedeckt 
sind ^K Was noch mehr sagt, in der gleichen zeit war ein 
geschlossener commentar zu den vier echten tractaten in 
Umlauf, der wohl nicht vor ende des ix jh. auch auf die 
Schrift de fide ausgedehnt wurde ^^; -aus der Verbreitung 
dieses commentars in hss. von Metz, Fleury sur Loire und 
Einsideln schliesse ich dass er in Frankreich entstanden ist, 
gewiss vor der zeit des Scotus Erigena. Kurz, die hslicben 
thatsachen drehen das urtheil Prantls einfach um. 

Auf den dogmatischen inhalt ist nur Nitzsch gründ- 
licher eingegangen. Ich wage nicht meinem freund auf dies 
gebiet zu folgen, halte es aber auch für überflüssig. Es 
mag subjective empfindung sein , doch kann ich nicht ver- 
hehlen, dass seine gegengründe wesentlich dazu heige.tragen 
haben, mein noch an sich selbst zweifelndes urtheil 2u be- 
festigen. Er scheidet zunächst die abhandlung über die 
inhärenz des guten in der Substanz (tr. lu) als 'nicht dog- 
matisch aus, und doch zur 'theologie' des Boethius gehört 
sie gar sehr. Die beiden abhandlungen über dreieinigkeit 
(tr. I n) sollen jünger als B. sein, obwohl anerkannt wird, 
dass das darin behandelte problem in die zeit des B. allen- 
falls passe. Endlich die letzte für uns in betracht kommende 
Schrift gegen Eutyches und Nestorius (tr. v) lägst Nitzsch 
älter als B. und bald nach dem concil von Chalkedon (45l) 
verfasst sein. Doch brauche ich ihn am wenigsten daran 
zu erinnern, dass die beiden gegensätze in der auffassung 



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54 



der nataren Cbristi während der galnzen zeit von 4 83 — 518* 
den Römern und nicht blos dem klerus fortwährend lebendig 
erhalten wurden ; hat doch pabst Gelasius selbst unter dem 
gleichen titel ein werk von fünf büchem verfasst ^' ; die be- 
kannten Worte des eingangs cum in concilio legeretur epistöla 
auf einen bestimmten bischöflichen brief jener zeit zu be- 
ziehen wäre daher blosses rathen, die theilnahme des Boethius 
an einer solchen Versammlung passt völlig zu seiner zeit. 
Grundsätzlich will ich nicht mehr sagen. Denn es hiesse, 
eine günstige position leichtsinnig aufgeben. "Wir dürfen 
ruhig abwarten, bis einmal nachgewiesen werden wird, dass 
diese Schriften zur autorisation einzelner erst nach Boethius 
aufgekommener dogmen geschrieben und untergeschoben seien. 
Der gewiegteste dogmengeschichtliche gegner hat für einen 
solchen angriff nicht die geringste handhabe gefunden, und 
einem ausgezeichneten kenner des angehenden mittelalters 
Charles Jourdain schien inhalt und form dieser Schriften so 
sehr der zeit des B. zu entsprechen, dass er zur lösung 
des räthsels auf den ausweg kam, einen homonymen Africa- 
nischen bischof, der durch Trasamund 507 verbannt mit 
seinen leidensgefahrten nach Sardinien flüchtete, als Verfasser 
in anspruch zu nehmen. 

Kehren wir zurück zum kern der sache. Man lese 
irgend eine dialektische schrift des B. und trete dann an 
diese theologischen heran mit den fragen : ist eine wesent- 
liche Verschiedenheit der denk- und sprachform wahrzuneh- 
men ? macht sich hier wo dogmen des christenthums erörtert 
werden, ein herzensantheil an diesen lehren geltend? Es ist 
ein rein dialektisches Interesse, das den jungen schülphilo- 
sophen dazu reizt jene dogmatischen Schwierigkeiten in seiner 
weise zu bearbeiten. Daher jener völlige mangel theologischer 
gelehrsamkeit bis auf reminiscenzen aus Augustinus, daher 
das ausbleiben fördernder und neuer gedanken. Wie Peiper, 



♦) vgl. oben 8.22 ; der kirchliche zwist mit CPel ward 518 beigelegt 



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werden auch andere in diesen versnchen die merkmale eines 
noch jugendlichen Verfassers finden, der von den interessen 
die Symmachus bewegten, nicht ganz unberührt bleiben konnte. 
Es ist , um schliesslich auch das zu erwähnen , immer 
betont worden, dass ein befreundeter, gelehrter und theo- 
logischer Zeitgenosse wie Cassiodor von diesen Schriften schweige. 
Wir haben nun sein zeugniss. Man wird den unterschied 
würdigen, der in dieser hinsieht zwischen unserer zeit der 
bibliotheken und bibliographischen hilfsmittel und dem Ita- 
lien des VI jh. ^* besteht. Wer aber noch ein analogen be- 
gehrt, der vergleiche die Übersicht der logischen litteratur 
bei dem echten Cassiodor (unten s. 66 anm. 7) und dem 
überarbeiteten in Garets ausg. u p. 552 f. 



ANM. 1 (s. 49) C. Prantl, gesch. der logik im abendlande n 
20. 108 f. (anm. 35). Die frühere litteratur findet man bei F. Nitzsch, 
Das System des Boethius und die ihm zugeschriebenen theologischen 
Schriften, Berl. 1860. Dazu kommt Schenkl in den Verhandlungen 
der xvni Versammlung d. ^hilol., schulm. und Orient, in Wien 1858 
p. 78 f. und Charles Jourdain, De Torigine des traditions sur le 
christianisme de Bo^ce, in den Mem. pres. par divers savans k Pacad. 
des inscrr. Ser. i t. vi, 1 p. 330 ff., vgl. comptes rendu^ 1860 t. rv 
p. 17 ff. 

2 (s. 49) Auf die tractate i ii in v beschränken sich Vatic. 
Alexandrin. 208 a. x, ebd. 1855 s. xi, SGall. 134 a. xi (s. Scherers 
catal. s. 49), Florent. s. Croce 22, 10 s. xi (Bandini 4, 615), Valen- 
ciennes n. 169 8. xn (s. Mangeart cat. s. 156), Laon n. 123 s. xiv 
(cat. des dep. 1, 107); unter den jüngeren ist hervorzuheben Vatic. 
4251 ». xra— XIV, weil die hs., wie die starke verderbniss und im 
tract. v zahlreiche lücken zeigen, aus einem alten und verwitterten 
exemplar abgeschrieben ist. Die schrift de ßde Christ, steht ohne 
aufschrift an iv stelle in Bern. 510 s. ix— x (Hagen, cat. s. 431), 
Vat. Alexandr. 592 aus dem ende des x oder anf . des xi jh. (die hs. 
ist stark verbunden, aber der titellose anfang von tr. rv findet sich 
f. 891^, der schluss dagegen von p. 178, 95 iusam an, also auch tr. 
V ist verloren), Florent. s. Croce 23, 12 ». x (Bandini 4, 677 f.), 



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56 

Ambros s, x (vgl. Reiflferscheid, Wiener sitzungsb. 1871 b. 67, 484 
f. und zur controle Biraghi in der anm. 5 angeführten schrift s. 31) 
Laurent. 14, 15 s. xi, SGall. 768 u. Flor. s. Marco 167 8. xn, Vatic. 
567 8. XI und 4250 s. xiii, Vat. Alexandr. 1975 (vgl. zusatz 8. 59) und 
Ottobon. 99 s. xiii. Die Tegernseer hs. (x jh.), welche die hauptstütze 
für Peipers Verdächtigung des tr. v war, hat durch blossen zufall 
die Schlussschrift des corpus nicht, auch sie gibt tr. iv ohne auf • 
schrift. In der Einsidler hs. 235 s. x — xi ist die Ordnung gestört; 
sie ist die einzige ältere, in welcher Schreiberwillkür einen regulären 
titel vorgesetzt hat. Über Bern. 618 s. xi, worin tr. rv am üblichen 
ort steht, bin ich ungewiss ; der Gothanus 8. xn hat statt eines titeis 
die bemerkung ista epi8tola in aUi8 libris non invenitur, — Ausser- 
halb des kleinen corpus kommt nur die umfangreichste schrift, tr. v 
als monobiblos vor in einer prachths. aus dem anfang des X jh., 
Vat. Vrbin. 532 (Reiffersch. bibl. patr. 1, 592) und Alex. 166 ». xi; 
irrelevant ist, dass in jüngeren hss. wie den von Montpellier n. 294 
und 440 (cat. des dep. 1, 405. 458) nur tr. I n vereinigt sind. 

3 (s. 49) Cod. Vatic. Alexandr. 1424, ein sammelband aus 
P. Daniels besitz, in dem betr. abschnitt aus dem xi jh., bringt f. 
95r folgendes: Definitio A. M. 8. Boetii. pauca in arithmetiea. In 
quibusdam hoetii libri8 capitülum hoc continetur ^domino meo 
patricio summa fide hoetius. QiMeritur quare ^ summa fide [der vf. 
las so verderbt st. Symmacho] addidity cum fides nee augeri nee 
väleat minui usw. bis 98^, wo dieser commentar zur arithmetik un- 
vollständig mit dem schluss der hs. abbricht. Am schluss der ein- 
leitung findet sich f. 96' folgende stelle: Videns quidem multos de arte 
grammatica a grecis in latinum transferri libros et neminem huius 
artis lihrum, exorsus est hanc de greco translatare in IcUinum depre- 
cante Simmacho, et uhi quodlibet prolixius repperit, arcere studuü^ 
et tibi strictum loqui, ampUficavit locus autem ^esenptionis urbis 
Borne fertur, hinc etiam Boetius composuit Itbrum contra Euticen et 
Nestorium hereticos de fide illorumy in quo commemorat se concüü 
fuisse Calcedonensis, quod tempore extitit Martiani imperatoris [vgl. 
vita IV bei Peiper p. xxxin]. Composuit etiam v de musica et vi 
perhiermeniarum, hisagogarum id est introductionum speties f, de 
trinitate libros iii, (dann folgt abithmetiga. Bithmos grece. Latine 
numerus usf.). 

4 (s. 49) C. Oudin, scrr, eccl. u 1287, vgl. cod. Vatic. 4264. 
560. 561, aus denen ich anderwärts mittheilungen machen werde. 

5 (s. 50) Biraghi's schrift 'Boezio filosofo, teologo, martire 



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57 

a Calvenzano' (Milano 1866, 87 ss. mit 8 lithograpliierten tafeln) 
ist mir durch die freundlichkeit Giamb. de Rossi's bekamit und zu- 
gänglich geworden; brauchbares für die biographie und litterar- 
geschichte des B. enthält sie kaum etwas. Auch auf der rolle, die 
links, und auf dem diptychon, das rechts von den füssen des togatus 
(8. die abbildung bei Gori taf. vni zu 2, 243 ff.) liegt, hat B. wun- 
derbare inschriften herausgelesen, aus lateinischen und griechischen 
buchstaben gemischt: man sehe sie bei ihm selbst s. 37 nach. 

6 (s. 50) In den anm. 1 angef. Verhandlungen s. 81 ff. 

7 (s. 51) Vgl. Schenkl s. 89 f. Wenn ich zh, i 4t de hutnana- 
rum divinarumque rerum scientia disserebas lese, kann ich die res 
div. nicht in anderem sinne nehmen als im titel von Cass. institt., 
und ebd. cum mores nöstros totiusque vitae rationem ad caelestis 
ordinis exempla formares muss ich an Augustinus denken; man er- 
wäge ebd. z. 94 inspectante deo und namentlich z. 131 die mlissimi 
Spiritus im gegensatz zu deus^ dessen ebenbild der mensch sein soll. 

8 (s. 51) Bywater im Journal of philology ii (1869) s. 59, 
vgl. Rhein, mus. 28, 400 f. 

9 (s. 52) Sedul. bei Hagen, anecd. Helv. p. 13, 7 (B. tr. v c. 
4, 6 p. 197 P.); über Alcuin s. Nitzsch s. 24, Peiper z. Boeth. p.XLVi. 

10 (s. 53) Vgl. Peiper p. xix f. 

11 (s. 53) Eine der ältesten ist Bern. 610 4- 517» (Hagen cat. 
431 , bei Peiper B) mit scholien, die zum theil in Tironischen noten 
geschrieben sind (mit tr. iv). Vatic. 567 ist zwar eine hs. des xi jh., 
aber wichtig, im comm. zur topik durch die oben s. 2 mitgetheilte 
snbsCTiption, in den theol. schrr. durch den umstand, dass sie zwar 
den autorlosen iv tr. de fide bereits enthält, aber zu ihm keine 
scholien beischreibt, die in den 4 andern reichlich vorhanden sind. 
Bern. 265 s. x— xi gibt den oben erwähnten commentar für sich, in 
zusammenhängender schrift, aber nur zu tr. i ii ni v (Hagen cat. 
8. 299); nur diese Schriften stehen in dem am rand und zwischen 
den Zeilen commentierten cod. SGall. 134 s. xi (Scherer s. 49). In 
den hss. Florent. s. Croce 23, 12 s. x (Bandini 4, 677 f.) und Vatic. 
Alexandr. 592 (s. anm. 12) sind alle fünf Schriften, einschliesslich 
des tr. IV, commentiert. 

12 (s. 53) Ob dieser commentar auch in anderen der anm. 11 
genannten hss. enthalten ist, vermag ich nicht zu sagen; sicher bin 
ich nur bei drei hss., der Einsidler 235 s. x — xi, welche aber, wenn 
ich Peiper p. xix richtig verstehe, nur den comm. zu tr. i und zwar 
geschlossen und für sich überliefert, der erwähnten Berner 265, 



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58 

welche ehemals samcti ÄrmUphi Met(e)n(8i8) war, and der von mir 
benutzten Yatic. Alexandr. 592. Diese letzte ist aus zweien zusam- 
mengesetzt, f. 2 — 76 enthält eine geschichte des h. Benedictus und 
des klosters Fleury sur Loire (nach dem gleichzeitigen vermerk auf 
einem Vorsatzblatt Ändreaf compofuit hunc libeMum bernard' fcripftt), 
die bis 1025 geht; f. 77 — 99 etwas älter, vielleicht ende des x jh., 
ist ein übel verbundenes und am schluss verstümmeltes exemplar 
der fünf tractate (s. 55 anm. 2) : die seite ist in zwei columnen getheilt, 
links steht der grösser geschriebene text, rechts der zur selben zeit 
von einem etwas älteren Schreiber übernommene commentar. — Eine 
probe dieses comm. (zum anfang von tr. i) hat Peiper aus der Ein- 
sidler hs. nach Hagens abschrift gegeben s. XLvn f. Einiges wenige 
will ich aus dem weiteren ausheben nach der Vat. hs. : zu tr. in z. 
46 f. p. 169 P., f. 85^ Ex hac autem novisstma conceptume sumü 
exordium argumentaiionis. Satis provide et cum magna cautela legenda 
8imt ea quae hie aecwvtwt, quia falsa argumenta veria permixta swnt, 
quae ad invicem prudenti iudicio sunt segreganda. ebd. z. 64 p. 170 P., 
f. 86 Suhstantiae bona sunt in eo quod sunt, sed non sunt substan- 
tiälia nee substantidliter bona, Omnia quae sunt, ex esse dei descen- 
derunt. Ergo quia a bona esse defluxerunt ut essent, bona sunt in 
eo quod sunt, nontamen suibstantialiter, quia aliud est ipsum esse et 
aliud bonitas seeundum substantiam. ebd. z. 82 p. 171, f. 86 Cum vide- 
mus triangülumt qualiter eum materia corporaliter iUud inspicimus, 
taliter sine ea mente eogitare possumus. Hoc ad iUud respicit quod 
praemisitf scüieet multa posse separari mente, non etiam eorpore, 
ebd. z. 88 f. 86^ Quia et barbarae nationes deum eolunt etquanquam 
diversis rittbus, ipse tarnen cultus ostendit deum esse, cui honor et 
reverentia est exhibenda, etiamsi perverso ordine fiat, ut pagani fade- 
bant. Beligio dicitwr eo quod mentes rdiget et obnoxios faciat suis 
institutis. Idem est et superstitio, Sed hoc nomen dupplieem recipit 
ethimologiam, älterum quidem seeundum illos didtur qui nuUum re- 
ligionis eültum in eo inteUigunt [intelligi hs.] ita : superstitio dieitur 
a superstitibus id est ab anicülis diu viventibus, quae diu vivendo 
delerant et quaeque superflua faeiunt. alter (so) vero est seeundum 
religionis significationem ita: superstitio est superstantium id est 
eaelestium rerum eultus. Schon das wird manchem zu viel sein. 

13 (s. 54) Lib. pont, 50, 74 nennt unter Gelasius' Schriften 
libros quinque adversus Eutyehen et Nestorium, qui hodie in biblio- 
theea et eeelesiae arehivo reconditi tenentur, 

14 (s. 55) Vgl. zb. Cassiod. inst. p. 557^ Gar. apud Latinos auiem 



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vir magnifie«^ Albinus Itbrum de hoc re (musik) eampendiosa hre- 
vitate conscripstt: quem in biUiotheca Bomae no8 habuis$e atque 
studiose legisse retinemus, qui si forte gentüi incitrsione sublatiM 
fuerit, hcfhetis hie Gaudentium usw. 
Zusatz zu 8. 56 anm. 2 

Einen für die geschichte des tr. iv belehrenden fall bespreche 
ich nachträglich. Vatic. Alex. 1975 s, xm enthält nach der zu an- 
fang defecten consol. f. 42 Incipit prologus annitii usw. tr. i, f. 45^ 
Incipit Über seeundtis ad iohannem dyaconem ecclesie romane, utrutn 
pater usf. tr. ii bis f. 45^ intuere (p. 167, 66 Peip.); f. 46' beginnt 
alba sunt (p. 173, 145 P.) . . . . taifien bona dh. schluss des tr. in: 
zwischen f. 45 und 46 sind also 2 blätter ausgefallen und damit 
der anfang des tr. in. Auf derselben seite f. 46^ beginnt tr. iv 
ohne allen titel (am rand steht von der wenig jüngeren band des 
scholiasten de nomine et adventu Christi) und wird f. 49^ zu ende 
gebracht. Und was folgt nun? f. 50' beginnt (wie f. 46') aXba sunt . . . 
bona, fährt aber dann fort Incipit Über contra euticen et nestorium 
eiusdem ad eundem iohannem, Anxie usf. (zweimal, nach f. 50 und 
64 ist ein blatt verloren gegangen) bis 58^ Explicit Über boetii de 
8ca trinitate deo gratias. Den rückschluss auf die vorläge wird 
jeder machen. 



V EINE UNECHTE SCHRIFT DES BOETHIVS 

Zweifeln ist des philologen element. Vier von aller 
weit preisgegebne Schriften dem überlieferten Verfasser wie- 
der zuzustellen ist ein act edler selbstverlängnung, der durch 
ein neues opfer an den heiligen Thomas belohnt zn werden 
yerdient. Den ehrensitz, den sich Boethius' tbeplogie wieder 
erkämpft hat, mag ein unbefugter eindringling räumen. 

Unter den logischen werken des Boethius befindet sich 
eine schrift de definitione. Sie wird in der that gemeinsam 
mit jeneh in den handschriften überliefert : aber höchstens 
ganz junge hss. , keine unter denen, die mir bekannt ge- 
worden sind^, nennen Boethius als den Verfasser. In engem 



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anschlnss an Ciceros topik c. 5 erörtert das buch die lehre 
von der definition und ihren arten ebensosehr in dialekti- 
scher wie in rhetorischer hinsieht. Aber es überwiegt der 
rhetorische gesichtspunkt, und selbst der mangel logischen 
und systematischen denkens, der in den fünfzehn formen, 
welche das tu capitel für die definition der Wesenheit auf- 
zählt, zu tag tritt, findet seinen zureichenden grund allein 
in den rhetorischen Studien des Verfassers. Noch weniger 
als die aufiPassung des stoffs im ganzen, kann die weise der 
einzelerörterung den leser im glauben an Boethius befestigen. 
Sie zeigt uns einen mann, dem sein beruf die exegese der 
Ciceronischen reden zur aufgäbe gemacht hat, einen rhetor 
der seinen Cicero sehr genau kennt und aus ihm passende 
beispiele zu entnehmen weiss, die er mit einer gewissen dia- 
lektischen gewandtheit analysiert. Ausser der Ciceronischen 
topik, der schrift de inventione (hier immer in rhetorids an- 
geführt, wie bei Victorinus p. 156, 4 vgl. 26 Halm) und den 
partitiones werden die reden pro S, BosciOy in Verrem, pro 
CltienUOy p, Fundanio, p, Cornelio, de domo sua , p, Caelio, in 
IHsonem, (p, MarceMo wird c. 4 p. 554, 45 Rota ohne angäbe 
des orts benutzt) und Philippicae herangezogen ; einmal wird 
eine stelle des Terentius {addph, 57 f. 76) angeführt. Auch 
auf die terminologie der scriptores artium dh. der Verfasser 
rhetorischer handbücher nimmt der verf. rücksicht (c. 7 n. 
vi). Dieser gesichtskreis passt wenig zu Boethius, aber es 
bedarf bei einem Schriftsteller, der wesentlich Übersetzer und 
compilator ist, stärkerer gründe. 

Glücklicher weise hebt schon die erhaltene schrift selbst 
den Schleier von dem wahren Verfasser. Im vierten capitel 
wird gelehrt dass die definifio substantialis auf den bekann- 
ten fünf kategorien des Porphyrios beruhe. Ein genaueres 
eingehn auf die letzteren wird abgewiesen (p. 554, 11 
Mart. Rota, 652 med der Basler ausg.): verum et Aristoteles 
in libris qms Topica appeUavit docuit, quid genus sit, quid 
species, quid differentia, quid proprium et quid acddens, et 



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pkmmi praeterea pMosophi libris suis conplexi hartim vim 
rerttm et poientiam declararunt: nos, quia iam %mo Ubro de 
his qui/nque refms plenissime disputavimus, ne res rei inter- 
posita öbscuritatem pariat avt dicta repetamuSy lectorem ad 
librum^ qui iam scriptum est, si adest ei indigentia, ire völü- 
mus. Bekanntlich hatte Boethius zu der eisagoge des Por- 
phyrios zuerst einen commentar in zwei dicdogi geschrieben, 
der sich an des Yictorinus Übersetzung anscbloss^; erst später 
yerfasste er eine eigne Übersetzung und dazu einen ausführ- 
licheren commentar in fünf büchern: er hatte, wie die ein- 
gangswort'e zeigen, eine wortgetreue Übersetzung zu grund 
legen wollen. Das wort iam umo libro oder ad librum in 
der obigen stelle passt auf keine dieser beiden arbeiten. 
"Wohl aber auf die Übersetzung des Victorinus. Wie wir 
aus dem bei Boethius p. 5, 45 R.. erhaltenen eingang derselben 
sehen, hatte Victorinus an stelle des von Porphyrios ange- 
redeten Chrysaorios einen Menantius gesetzt : ihm hatte er 
also sein buch gewidmet, das heisst, er gerierte sich nicht 
als Übersetzer sondern als Verfasser, mochte er nun dem 
titel ein sectmdum Porphyritim hinzugefügt haben oder nicht*. 
Dazu stimmt die ausdrucksweise der schrift * de definitione, 
deren verf. das 6me buch über die V voces als sein eigen- 
thum in anspruch nimmt. 

Die persönlichkeit des Marius Victorinus erfüllt alle 
anforderungen, die an den Verfasser der schrift über die 
definition zu stellen waren. Der orator urbis Bomae, der 
für seine Verdienste als lehrer durch die ehre einer bild- 
saule auf dem Traiansforum belohnt wurde, der commentator 
von Giceros rhetorik, topik und einer anzahl der diälogi*, 
durch den umfang seiner kenntnisse und allgemeinen bildung 
über seine Zeitgenossen weit hervorragend, war zugleich der 
bahnbrechende vermittler der neuplatonischen litteratur'^ und 
begründer der schulphilosophie ® für die Römer : er ist der 
ausgangspunkt jener abendländischen entwicklungsreihe, die 
in einer fast stetigen folge zur Scholastik hinführte ; sein im 



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62 



greisenalter vollzogener übertritt zum christenthum ist vor- 
bildlich für die Verbindung von dogmatik und philosophie, 
und schon auf Augustinus haben seine arbeiten eingewirkt. 
Commentare zu Giceronischen reden sind uns von Yictorinus 
nicht bekannt : dass er sie in der schule interpretierte, na- 
türlich vorwiegend in technischer hinsieht, für die sprach- 
liche und sachliche erklärung nach der weise der zeit von 
den altem, Asconius und Volcatius abhängig, das brachte 
sein amt als rhetor mit sich. Jene aus fortgesetzter be- 
schäftigung mit diesen reden erwachsene bereitschaft von 
. beispielen, die in der schrift de defin. entgegentritt, war den 
selbstständigeren arbeiten des Yictorinus auf dialektischem 
und rhetorischem gebiet eigenthümlich. Das dritte und vierte 
buch seines commentars zu Oiceros topik war nach Boethius 
p. 271, 4 Or. so angelegt, id tertius quidem TvMiana sibi 
de iure proponat exempla, quarius vero eosdem locos per alias 
rursus simMtudines monstret ex Vergüio vel Terentio poetis, 
oraioriMs Cicerone et Colone, 

Auch durch äussere Zeugnisse wird dieser Ursprung un- 
serer schrift bestätigt. Angelo Mai gibt class. auct xii 315 
f. die kurze beschreibung einer hs., aus welcher er abschnitte 
der differentiae topicorum als zwei unedierte tractate des Boe- 
thius herausgab ; es ist eine hs. des xi jh., welche die lo- 
gischen Schriften des Boethius zum grösseren theil enthält. 
In ihr folgt auf den Über divisionum p. 431 liber definüiO' 
num Victorini, Wie gewöhnlich unterdrückt Mai die genauere 
bezeichnung der hs. , auch seinem handexemplar, auf das 
Giamb. de Bossi so freundlich war mich aufmerksam zu 
machen, war nichts beigeschrieben. ' Unter den ungefähr neun- 
zig Boethiushss. der Yaticana befindet sie sich nicht, wie 
ich bezeugen kann; auch zeigen Mais eigne worte p. 315, 
dass er sie unter diesen nicht gefunden. Ebenso vergeblich 
habe ich in der bibliothek der Barberini danach gesucht , sie 
muss in einer anderen Römischen privatsammlung versteckt 
sein. Doch haben wir, auch ohne die hs. nachweisen zu 



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63 

kömien, ihrem zeugniss volles gewicht beizumessen: weder 
ein mittelalterlicher Schreiber noch auch Mai konnten darauf 
verfallen, die schrift dem Victorinus zuzutheilen. 

Wenn wir weiter in der Überlieferung zurückgehn, wird 
auch der letzte zweifei schwinden. Das capitel der Isidori- 
schen origmes (ii 29), worin die lehre von der definition 
gegeben wird, führt den titel de diviaione deßnitionvm ex Marii 
Victorini libro abhreviata. Dass dies capitel nichts ist als 
ein ungeschickter auszug aus eben dem buch, das uns be- 
schäftigt, ist leicht zu zeigen ; ich unterlasse es hier, weil 
ich diesen nachweis ungern aus dem Zusammenhang einer 
Untersuchung über die spätere Römische encyclopädie löse, 
die nicht dieses orts ist. Das muss ich aber schon hier 
bemerken, dass nicht Isidorus der Verfasser dieses auszugs 
war, sondern ein um mindestens ein Jahrhundert älterer re- 
dactor eines von Isidorus abgeschriebenen, gelegentlich er- 
weiterten compendiums der vn artes liberales^. Schon Oassio- 
dorius Senator hat nichts anders als ein exemplar desselben 
compendiums überarbeitet, als er das zweite buch seiner in- 
stitidiones divinarum et saecidarium litterarum zu verfassen 
schien: auch hier fehlt nicht das aus Victorinus ausgezogene 
capitel (bei Garetius bd. u p. Ö 39 f.), nur stand seine hand- 
schrift dem original noch etwas näher als die von Isidorus 
benutzte. Und wenn bei Cass. die angäbe der quelle in 
der Überschrift fehlt, in den Schlussworten seiner dialektik 
holt er sie nach?. 

Und was sagt Boethius selbst ? Er ist ein unbescholtener 
mann, wir dürfen ihm das entscheidende wort über die echt- 
heit des ihm untergeschobenen kindes überlassen. In seinem 
commentar zu Ciceros topik kommt Boethius auch zu der stelle, 
wo Gic. nach besprechung des wesens der definition und 
ihrer hauptarten es abweist auf die anderen noch denkbaren 
Spielarten der definition näher einzugehn (6, 28). Die auf- 
gäbe des erklärers musste es hier sein, solche weitere arten 
nachzuweisen, und Both. thut dies, indem er eben das hier in 



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64 

frage stehende bucb durchläuft und zunächst kritisiert p. 3 24, 
46 Or. : ämwc locum Viciorinus ünitis völuminis serie aggres- 
sus exponere et omnes definitionum differentias enumerare muh 
tas interserit, quae definitiones esse paene ob omnibus recla- 
mantur. Dies urtheil bezieht sich lediglich auf das siebente 
capitel des Victorinus (vgl. oben s. 60), und wird nun von 
B. eingehender an der fünften, anhangsweise an der zehnten art 
begründet (p. 325, 1—42). Darauf zählt B. die übrigen 
definitionsformen aus jenem capitel auf (2 — 4. 6 — 9. 11 — 15, 
p. 326, 1 — 327, 3 Or.), nicht nur mit denselben beispielen 
wie dort®, sondern auch mit wiederholter nennung seiner quelle 
(p. 326, 2. 28. 32). Zum schluss folgt noch die bemer- 
kung (327, 4): hae sunt definitionum differentiae, quas in eo 
libro quem de definitionihus Victorinus edidit, annumeravit : quas 
M, Tuüius praetermittit eo nomine, quod eas minims necessarias 
aestimarit nos vero, ne quid perfecto deesset operi, etiam qu<xe 
stmt a Cicerone praetermissa subiecimus. 

So hat sich unsere unechtheitserklärung glücklicher weise 
zuletzt doch wieder zu einer rettung gestaltet. Sie hat uns 
zu dem sicheren besitz der einzigen selbstständigen schrift 
des Victorinus aus dem gebiet der dialektik verholfen, die 
erhalten ist. Ihre erhaltung verdanken wir aber, wie die 
anm. 7 mitgetheilte stelle zeigt, offenbar der fürsorg e des 
Cassiodorius, der sich nic&t damit begnügte den schülern des 
mittelalters den dürren abriss einer encyclopädie zu über- 
mitteln, sondern bestrebt war auch die quellen derselben den 
lehrern zugänglich zu erhalten. 

ANM. 1 (s. 59) Eine Bemer hs. des xi jh., die sonst in den 
Überschriften sogar die titulatur des Boethius mit Sorgfalt wieder- 
gibt, lässt auf B. diff. top., de divisione, introd, in syUog, categ, und 
de syUog. categ, n, de hypoth. syU. u, Apuleius perthermenias und 
Augustinus' categoriae zum schluss unsere schrift, aber ohne titel 
folgen (n. 300 f. 43, vgl. Hagens catal. p. 319). In der Florentiner 
hs. von S. Marco n. 166 s. xn — xin, einer von denen über welche 
mir mein freund E. Piccolomini nähere auskunft gegeben, steht 



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65 

zwischen Boeth. liber dmsionvm und introductio in cathegoricos siUo- 
gismos das fragliche buch f. 40' mit der aufschrift Incvpfit) lib(er) 
diffiniUonum. Ebensowenig haben die beiden Laurentiani 50, 10 
8. xn und 71, 1 s, xiv eine aufschrift (s. Bandini 2, 507. 3, 1). 

2 (s. 61) Boethiua p. 1, 36 Rot. id quod Victorinus orator sm 
temporis ferme doctissimus a Porphyrio per iiaaytoyriVj id est per 
introducHonem in Aristotdis categorias dicitur transttdisse, vgl. anm. 7. 
In einer Cölner hs. des xi jh. n. 187 (Jaffe u. Wattenbach s. 78) 
soll erhalten sein Isagogae Porphyrii translatae de greco in latinum 
a Victorino orator e (es folgen darauf Boethius' beide commentare), 
aber es ist offenbar die Übersetzung des Boethius. 

3 (s. 61) Der seltsame einfall F. Osanns (beitr. z.- litteraturg. 
2, 876), Menantius sei der wirkliche, Chrysaorios nur der fingierte 
name von Porphyrios' freund gewesen, bedarf keiner Widerlegung. 
Vergleichen lässt sich Priscians Übersetzung der progymnasmata des 
Hermogenes, die den titel praeexercitamenta Prisciani gramniatid 
führt und in einigen hss. die subscription Prisciani sophistae ars 
praeexercitaminum secundum Hermogenen vd Libanium. 

4 (s. 61) An der echtheit des comm. zu de in/oentione zu zwei- 
feln gestattet nicht Cassiocjorius rhet, 10 (bei Halm, rhett. lat. p. 498, 
9). Den commentar zur topik bezeugt ßoethius in top. p. 270 f. 
US. Or., solche zu philosophischen Schriften Hieronymus contra Buf. 
I 16 t. n p. 472» Vall. Viücatii in orationes Ciceronis, Victorini in 
diaJogos eiiis: Osann ao. 376 f. geht wieder in die irre, auch die 
Schrift de defin. p. 553, 10 bezeichnet mit dicdogis ommbus Ciceros 
philosophische Schriften. 

5 (s. 61) s. Augustinus conf.Yin 2 Lommemoravi [ebd. vn 9] legisse 
me quosdam libros Platonicorum, quos Victorinus qwyndam rhetor 
urbis Bomae, quem Christianum defunctum esse audieram, in latinam 
Ivnguam transtülisset, und gleich darauf die Charakteristik iUe doc- 
iissmus senex et omnium Uberälium doctrinarum peritissimus quique 
philosophorum tarn multa legerat et diiudicaoerat et dilucidaverat, 
doctor tot nohüium senatorum, qui etiam ob insigne praeclari magisterii, 
quod cives huius mundi eximium putant, statuam in foro meruerat et 
acceperat, Hieronymus chron. zu ol. 283, 2 (354 n. Chr.) ua. 

6 (s. 61) Es ist ein irrthum, wenn man meint, Isidorus habe 
die encyclopaedie Cassiodors benutzt; durch sorgfältige vergleichung 
kann sich jeder leicht vom gegentheil überzeugen, selbst bei der 
rhetorik. 

7 (s. 63) Die echten Schlussworte finden sich nur in der kür- 

5 



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66 

zeren redaction der Bamberger hs. Da sie gerade für die pliiloso- 
phische schulschriftstellerei des Victorinus besonders wichtig tind 
meines wisscns noch nicht bekannt gemacht sind, setze ich die ganze 
stelle her: Isagogen transMit Victorinus orcUor, commentum eius 
quinque libris vir magnificm Boethius edidit categoruns idem trans- 
tuUt VictorinuSy cuius commentum oeto libris ipse quoque formavit. 
Peri Tiermenias supra niemoratus Victorinus transtuiit in latimtm, 
cuius commentum sex libris patridus Boethius minutissima disputatione 
tractavit Äpuleius vero Madawrensis [die in den hss. nicht bezeich- 
nete lücke ist mit benutzung der anderen redaction so zu ergänzen: 
sf/Rogismos categoricos breviter enodcmt. Victorinus de] syUogismis 
hypothetids' dixit quindecim quoque species esse definitionum (vgl. 
Cass. p. 540 und Victorin. c. 7, oben s. 60) idem Marius Victorinus 
düigenter edocuit, topica AristoteUs Cicero transtuiit in latinum, cuius 
commenta prospector atque amator Latinorum Victorint^ quattuor Ubris 
exposuit. Was folgt, betrifift die dialektischen hss. in Cassiodorius' 
klosterbibliothek: auctoritatem vero eorum librorum in unum codieem 
non incompäenter f<yrtasse coüegi, ut quidquid ad dialecticam perti- 
nety in una congestione codicis dauderetur. expositiones itaque dtoer- 
sorum librorum, quoniam erant mvHtiplices, sequestratim in codicibus 
fecimus scribi, quos in una vobis Ubliotheca domino praestante de- 
reliqui. Also hatte C. in einer hs. Porphyrios' V voces, Aristoteles' 
kategorien und n . kqfiriv,, Apuleius perihermenias (de dogm, Plat. b. 
in), Victorinus de syUog. hypoth. und defin.^ endlich Ciceros topik 
zusammenstellen lassen. 

' 8 (s. 64) Dass Victorinus' erste form, die deßmtio substanticdis 
von B. nicht erwähnt wird, versteht sich von selbst. Eine Variation 
des beispiels hat B. nur bei der zweiten form p. 826, 4 vgl. Victo- 
rinus p. 558, 27 beliebt. 



VI Cassiodorivs Senator (z. 20—28) 

Wäre das Reichenauer bruchstück früher bekannt gewesen, 
so hätte über das leben des Cassiodorius Senator nicht jene Un- 
sicherheit walten können, welche durch die Schwierigkeit, in un- 
seren nachrichten vater und söhn zu unterscheiden, lange unter- 



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67 

halten wurde. Mittlerweile sind durch schärfere Untersuchung 
die wesentlichsten irrthümer beseitigt l, aber auch so ist diese 
erweiterung unserer Zeugnisse höchst erwünscht um das gefun- 
dene theils zu bestätigen theils zu berichtigen. 

Die familie der CAssioDORn stammt aus dem Orient. Le- 
tronne bereits hat in seiner ausgezeichneten abhandlungi über 
Grriechische eigennamen richtig bemerkt, dass der name Kaoaio- 
iwQog auf den cultus des Zeus Kas(s)ios hinweise, der auf den 
gleichnamigen bergen bei Seleukeia und bei Pelusion verehrt 
wurde ^. Die familie hatte unter dem Oströmischen adel hoch- 
stehende verwandte, wie Heliodorus, einen vieljährigen Verwalter 
der praetorischen praefectur. Noch heute zeigt ein grabdenkmal 
von Antiocheia, dass dort in den höheren ständen der name 
Kassiodoros vorkam ^. Auch jener Cassiodorus, der zuerst nach 
Italien übersiedelte und durch güterankauf auf der Bruttischen 
halbinsel den reichthum der nachkommen begründet haben mag, 
wird aus dem Antiochenischen adel hervorgegangen sein. 

Den stanunbaum, den Cassiodor in dem schrifbchen an Ce- 
thegus vorführte, können wir nach den var. i 4 gegebenen an- 
deutungen jetzt nur drei generationen über den Verfasser zurück 
verfolgen. Wir sehen die bedeutung der familie stetig zuneh- 
men, bis sie in unserem scbriftsteller ihren höhepunkt erreicht. 
Der vater desselben, in spätrer zeit gewöhnlich Casbiodokiys 
FATBI0IV8, von hauso aus also einfach Cassiodobivs genannt, hatte 
seine öffentliche lauf bahn unter Odoaker (seit 476) als comes 
privatarum begonnen, war dann zum comes sacrarum largiUonum 
aufgerückt und zuletzt mit provinzialverwaltung betraut worden. 
So war er consülaris Siciliae^ als das ringen zwischen Tbeo- 
derich und Odoaker begann^; einer der ersten, welche Theo- 
derichs Sache ergrifiPen, verstand er es die gährenden und un- 
entschiedenen gemüther der provincialen für den Ostgothen zu 
gewinnen und diesem so die wichtige insel zu retten, die sonst 
unfehlbar bald eine beute der Yandalen geworden wäre. Nach- 
dem der kämpf entschieden war, bewies ihm Theoderich sein 
besonderes vertrauen, indem er ganz gegen die herrschenden 



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66 

verwaltangsgrundsätze^ ihm als Lucaniae et Brfdtiorum cor- 
rector die Verwaltung der heimathlichen provinz übertrug (zwi- 
schen 493 und 496)^. Auf den höchsten Vertrauensposten der 
praetorischen praefectur hatte, als Theod. den gleichfalls von 
Odoaker übernommenen Liberius aus diesem amte entliess« kaum 
ein andrer so hohes anrecht wie Cassiodorius. Da Th, einen 
Wechsel in der praefectur erst nach der Römischen empfangs- 
feierlichkeit im j. 500 stattfinden HeBs"^, so kann Cassiodorius 
frühestens für ind, ix 500/1 zum praef, praet, ernannt worden 
sein. Erst beim rücktritt von diesem amt erhielt er die pa- 
tricierwürde (var, i 3 f.)^; eine öfiPentliche Stellung scheint er 
seitdem nicht mehr eingenommen zu haben, aber aus seiner 
ländlichen zurückgezogenheit berief ihn der könig als rathgeber 
in seine persönliche Umgebung, ad comiiatum {var, m 28). 

Sein söhn Magnvb Aybelivb Casbiodorivs Sbnatob, zu seiner 
zeit kurzweg mit dem rufnamen Senator genannt ^ hatte das 
glück an der band dieses vaters in die öffentliche laufbahn einzu- 
treten. Wie andere beamte^^, umgab sich auch der praefect 
mit selbstgewählten beiräthen und gehilfen; niemand konnte ihm 
dazu erwünschter sein als der nach abschluss der Studien eben 
zum eintritt in den Staatsdienst fertige söhn. Cassiodor (denn 
so dürfen wir fortfahren den berühmtesten mann der familie zu 
nennen) sollte nicht lange in dieser halb privaten Stellung eines 
consiliarms bleiben. Eine lobrede auf Theoderich, die er vor 
demselben hielt, machte den könig auf den jungen mann auf- 
merksam, der ausser gewandter, prickelnder rede verständniss 
und hingebung für die ziele der Ostgothischen regierung verrieth. 
Cassiodor hat seitdem noch manche lobrede auf Theoderich, auf 
Eutharich, auf die nachfolger gehaltenes Schönrednereien die 
uns vielleicht diese und jene brauchbare notiz überliefern wür- 
den, an denen aber die zeit im gründe gerechtes gericht ge- 
halten hat, indem sie bis auf wenige proben sie untergehn liess. 
Bleibenden und wichtigen* erfolg hat nur die erste gehabt. Sie 
überzeugte den könig, dass er in Cassiodor den dolmetsch seiner 
entschlüsse gefunden, dessen er far Rom und Italien bedurfte. Er 



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verlangte dass die rede aufgezeichnet und veröfiPentlicht werde 
(anm. 13), und ernannte den jungen redner, ohne ihm vorher 
eine comitiva übertragen zu haben, sogleich zu seinem qtiaestor. 
Die wichtigste aufgäbe dieser hofcharge, die anordnungen und 
richterlichen entscheidungen hpchster stelle stilistisch auszuarbei- 
ten, ist von Cassiodor selbst in der ernennungsformel var, vi 5 
gebührend hervorgehoben. Und es ist bekannt, wie unentbehr- 
lich er sich gerade nach dieser seite machte. Wiederholt be* 
kleidete er die quaestur und auch ohne amt, ja in der höheren 
Stellung als magister ofßciorum führte er thatsächlich ihre ge- 
schäfte'^. Diese thätigkeit wurde ihm gleichsam zur andern 
natur, dem behagen daran verdanken wir seine variae\ was 
wüssten wir ohne diese von der Organisation des Ostgothenreichs? 
Wir finden es begreiflich, dass Cass. gerne dieses ersten und 
entscheidenden erfolgs seiner eloquenz gedenkt. Ausser unserem 
excerpt redet er davon auch in dem ft'agment eines panegyricus ^^. 
Dieser einblick in den beginn von Cassiodors öfiPentlicher 
laufbahn ist erst durch unser fragment eröffnet worden. Beim 
ersten ansehn erscheint es, als sei damit ein zufälliger, unwesent- 
licher umstand mehr aus dem leben Cassiodors gewonnen. Aber 
bei der lückenhaftigkeit unseres wissens kann auch eine gering- 
fügige thatsache grössere tragweite erlangen. Wir haben fest- 
gestellt^ dass Cassiodorius der vater frühestens am 1. September 
500 praefect geworden sein kann. Wer annehmen wollte, dass 
jene lobrede als danksagung für diese beförderung des vaters 
gehalten wurde, könnte die quaestur des sohnes gleichzeitig mit 
der praefectur des vaters beginnen lassen. Gewiss ist nur dass 
Senator bereits quaestor war, als der vater die prjfcefectur nie- 
derlegte: von seiner band sind die beiden briefe geschrieben,* 
welche die erhebung des vaters zum patriciat betreffen {var, i 
3. 4). Ob der letztere mehr als ein jähr praefect gewesen war, 
wissen wir nicht. Aber die grosse geschäftskenntniss, welche 
der söhn als quaestor zu bewähren hatte und bewährte, setzt 
vorangegangene praxis voraus, wie sie Cass. nur erwerben konnte, 
wenn er consiUarius des vaters nicht bloss werden sollte, son- 



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70 

derD auch thatsächlich war. Damit wäre als frühestes datum 
für Cass. eintritt in die geschäfte herbst 500, für die quaestur 
501 gewonnen; und wenn Thorbecke mit seiner methodischen 
deutung des unbestimmten primaeviis ^^ recht hat, wofür wir 
jetzt das noch viel unbestimmtere iuvenis (z. 21) hören, so ist 
Cass. beim antritt der quaestur etwa 17, als höchstes darf man 
zugeben, 20 jähre alt gewesen, also frühestens 481 geboren, 
ein sehr naher altersgenosse des Boethius. Dies sind freilich 
keine festen daten, aber sie haben ihren werth durch die nega- 
tive gewissheit, dass vor 501 kein schreiben der variae abge- 
fasst sein kann. Bisher gewann man den frühesten Zeitpunkt 
für Gassiodors quaestur aus den, wie man meinte, durch die 
niederlage der Alemannen chronologisch sicher fixierten schreiben 
an Boethius und Chlodovech (var. u 40. 41), die man demztf- 
folge ins j. 496 oder anf. 497 setzte: schon Boethius* lebens- 
verhältnisse gaben uns gegen diese deutung der briefe einen 
zwingenden gegengrund (s. 39 f.), jetzt haben unsere bedenken 
eine gleichsam urkundliche bestätigung erhalten. 

Die ernennung unseres Gassiodors zum patridtts fiel, da 
in der aufzählung der würden strenge Zeitfolge innegehalten 
sein muss, wie bei Boethius vor das consulat, eine aoerkennnng 
für die in der quaestur geleisteten dienste. Erst nach dem con- 
sulat 514 kehrte er mit der höheren würde eines magister 
offidorum an den hof zurück. Es war das letzte amt, das er 
in dem schreiben an Cethegus angeben konnte, und muss daher 
zwischen 1. sept. 515 und 521 in der mitte liegen. Die titu- 
latur der im j. 519 herausgegebenen chronik fördert uns hier 
nicht: sie enthält zwar ein ex mag, off., das richtig sein 
könnte, aber auch die für das j. 519 unmögliche angäbe 
p(raefecti) p(raetori)o. Wer vergnügen an müssigen conjectu- 
ren hat, mag dies magisterium auf 518/9 setzen, wo G. die 
chronik Theoderichs Schwiegersohn Eutharich widmete. Uebri- 
gens hat Cass. dies amt Öfter, mindestens noch einmal verwal- 
tet. Beim tod des königs ^d Amalasuntha ihn als nuig, off. 
vor, und wie er in diesem kritischen momente erat 8olf4S ad 



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71 

universa suffidensy so bediente sie sich seiner beihilfe auch für 
die geschäfte der quaestur^'^; da Tb., wie sich nach earc.FoZ. 94 
leicht berechnen lässt, am 30 aug., also nur zwei tage vor dem 
neuen indictionsjahre starb, so kann das nur heissen, dass Cass. 
för ind. v (526/7) noch vom könige selbst ernannt war. 

Zum praefectm praetorio ist Cassiodor erst unter Atha- 
larich und dies spät genug, auch nicht ohne kämpf aufgerückt. 
Das schreiben {var, ix 24 vgl. 25), welches ihm für ind, xu 
533/4 diese würde überträgt, gibt zu erkennen, dass der enkel 
damit eine schuld des grossvaters abtrage. Auch ohne diese 
werte würde die fassung dieses und des an den senat gerich- 
teten Schreibens es nicht im dunkel lassen, dass C. bis dahin 
diese höchste stelle noch nicht eingenommen hatte. Seitdem 
stieg er nicht mehr zu den untergeordneteren dienstleistungen 
herab ; seine lieblingsthätigkeit, amtliche schönschreiborei konnte 
er jetzt im eigenen namen ausüben {var. xi xu). Es ist wesent- 
lich dass das Sendschreiben an. Gethegus der praefectur noch 
nicht gedachte, und es zeugt für die gute Überlieferung unseres 
excerpts, dass auch in den titel desselben das praef, praet 
nicht, wie bei der chronik, aus späteren Schriften einge- 
schwärzt ist. 

Um so mehr stutzen wir, wenn wir die variae erwähnt 
sehn (z. 25 f.). Diese Sammlung der von ihm ausgearbeiteten 
erlasse hat Cass. bekanntlich am ende seiner öfiPentlichen lauf- 
bahn, aber ohne bereits von der praefectur, die er seit sept. 
533, wie es scheint, ununterbrochen verwaltete, zurückgetreten 
zu sein veranstaltet. Also nicht früher als 538, bis wohin die 
letzten sicheren beziehungen reichen, und nicht später als 540, 
wo mit der eroberung Bavennas durch Belisar Cassiodors amt 
von selbst erloschen wäre. Die Unmöglichkeit, die erwähnung 
der variae auf eine schrift zurückzuführen, die in allen sonsti- 
gen resten auf eine weit frühere zeit weist, ist einleuchtend. 
Glücklicher weise ist auch die sprachliche form des satzes so 
unverkennbar die einer randglosse, und die einfügung dessel- 
ben so unmöglich, dass über den Ursprung kein zweifei be* 



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72 

stehen kann. Ich habe aus diesem gründe auch praefuisset 
formulas unangetastet gelassen. 

So bleibt denn nur die erwähnung einer schriftstellerischen 
leistung Cassiodors, derjenigen freilich, auf welche ihr Verfasser 
mit grund den höchsten wertti legte. Auch für uns würde die 
Gothengeschichte das wichtigste aller seiner werke sein: aus 
dem mageren und eilfertigen auszug des lordanis müssen wir 
jezt, statt an der quelle unsern Wissensdurst stillen. Die viel- 
besprochenen äusserungen Cassiodors var, ix 25 und im Vor- 
wort reichten völlig aus, uns über die tendenz dieser xn bücher 
aufzuklären. Jetzt hören wir es aus dem munde des Schrift- 
stellers, dass er ^auf anordnung' '® des Theoderich selbst sich 
einer arbeit unterzogen, wie sie in jenem jh. längst niemand 
mehr unternahm. War es auch keine forschung in unserm 
sinne sondern nur eine compilation, die compilation selbst er- 
forderte so ausgedehntes umhersuchen und lesen, dass man sie 
im sinne jener zeit füglich eine wissenschaftliche leistung nennen 
darf. Von selbst, das dürfen wir dreist sagen, wäre der ge- 
danke dem vielbeschäftigten beamten nicht gekommen. Auch 
hier bewährt sich wieder die regierungskunst des königs, der 
eine nation von alter geschichte und bildung, einen adel mit 
kaisern im Stammbaum mit seinem Gothenvolk verschmelzen 
wollte. 

Die buchzahl, die wir verderbter lesart abgewannen, ist 
uns durch Cassiodor selbst und seinen nachtreter bekannt; sie 
entsprang der im Schlusswort zur Orthographie begründeten 
Vorliebe des Verfassers für die zwölfzahl. Besonders hervorge- 
hoben wird dann an dem werk das eingehn auf die anfange 
und die entwicklung des volks, originem, ein wort das sich 
durch den einklang mit Athalarichs Sendschreiben originem Go- 
ihicam histariam fecit esse Bomanam als Cassiodorisch erweist,- 
und auf die Schilderung von örtlichkeiten und sitten. Den Ver- 
lust der nachrichten über Gothische sitte beklagen hilft zu 
nichts. Die Ortsbeschreibungen, nach der Schablone der sx(pQdosigj 
galten nicht bloss den fernen älteren Wohnsitzen des volks : 



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73 

grade das ihm and seinen lesem aus eigner anschanung be- 
kannte muss er mit verliebe dargestellt haben, wie wir aas 
der von Köpke s. 69 f. überzeagend nachgewiesenen schilde- 
rang Ravennas entnehmen. 

Eine der brennendsten fragen ist die, wie weit Cassiodor 
seine geschichte herabgeführt habe. Man hat damit die ganz 
verschiedene frage identificiert, bis zu welchem punkt in lorda- 
nis' buche Cassiodor zu gründe liege. Mir scheint diese letztere 
frage durch Waitz' nachweis *"' erledigt, dass schon in der er- 
zählung der kämpfe zwischen Odoaker und Theoderich lordanis 
die Ravennatische chronik vor sich gehabt habe. Nur kann ich 
diese thatsache nicht so deuten wie Waitz. Auf die Installie- 
rung Theoderichs, auf die hauptmomentä seiner bisherigen re- 
gierang und auf seine tendenz musste Cass. eingehn, wollte er 
nicht sein werk ohne die pointe lassen, welche der zweck des 
ganzen war. Die dreitägige frist, die lordanis zur benutzung der 
12 bücher gehabt haben will, ist natürlich Schwindel: das wahre 
daran mag sein, dass er durch beschränkung der zeit verhin- 
dert wurde das werk bis zu ende auszunutzen ; es ist auch möglich, 
dass Cass. darstellung in einen panegyricus seiner zeit auslief, 
der es dem epitomator zu sauer machte die thatsachen heraus- 
zufischen. Genug, aus lordanis kann die zeitgrenze für Cassio- 
dors erzählung nicht ermittelt werden. Approximativ wenigstens 
lässt diese sich anderweitig gewinnen. Das werk der Gothen- 
geschichte war vor Theoderichs tod veröfiFentlicht : einem acht- 
samen leser von var, ix 25 braucht das nicht gezeigt zu wer- 
den. Noch genauer begrenzt sich die zeit der herausgäbe durch 
anser fragment. Wir dürfen jetzt, wo wir den letzten satz des- 
selben durchsprochen haben, das einzelne zu einem schluss über 
die abfassungszeit des verlornen Sendschreibens zusammenfassen. 
Das jüngste ereigniss dessen es gedenkt, ist Boethius^ lobrede 
auf Theoderich aus dem anfang des j. 522 (z. 13 vgl. s. 48, 15). 
Von der katastrophe des Boethius und Symmachus ist keine spur 
wahrzunehmen, daher auch die consolatio unerwähnt. Wäre die 
Schrift an Cethegus nach Theoderichs tod verfasst, so lag selbst 



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74 

för den höfischsteD hofmanh nicht der geringste grund vor, das 
ende jener beiden männer schweigend zu übergehn. Die guter 
derselben, welche zufolge des urtheils confisciert waren, wurden 
den erben durch Amalasuntha restituiert; und selbst Rusticiana, 
obwohl am Umsturz von Theoderichs bildsäulen in Born bethei- 
Kgt, fand in Totila einen beschützer *®. Seit der regierung der 
Amalasuntha konnte es ohne die leiseste gefahr einer Verstim- 
mung gesagt werden, dass die hinrichtung jener patricier eine 
ungerechte Übereilung des königs war. Und wenn das gesagt 
werden durfte, wie konnte in einer Schilderung der männer ihr 
tod verschwiegen werden ? Nun hat aber Cass. an Cethegus ge- 
schrieben, während dieser mag, off. war; Boethius selbst ver- 
waltete dies amt unmittelbar vor seinem process, dh. nach den 
zuverlässigsten berichten, die seinen tod ins j. 524 setzen '^ 
522/3 : das magisterium des Cethegus kann also nur in das in- 
dictionsjahr 521/2 fallen. Damit sind für die abfassung des Send- 
schreibens die zeitgrenzen nahe zusammengerückt, sie fallt in 
den kurzen Zeitraum von Januar bis august 522. Die darin er- 
wähnte Oothengeschichte also, in welcher der Stammbaum der 
Amaler bis auf Athalarich herabgeführt war, schloss frühestens 
mit 518, spätestens mit 521 ab. 

Das geschick der drei Römer, deren leben wir an der band 
des Reichenauer excerpts verfolgt haben, ist verschiedene wege 
gegangen. Boethius und Symmachus, bis in den grund des her- 
zens Romer, den politischen und kirchlichen traditionen ihrer 
Vaterstadt treu, bezeugten die männlichkeit ihres Charakters mit 
ihrem blnt. Ihr ende ist eine tragoedie, und doch nur eine scene 
der ergreifenden peripetie, in welcher der grosse könig, dessen 
zeit sie geschmückt hatten, handelnd leidet. Cassiodor, ein be- 
weglicher Südländer, nicht tief eingewachsen in Römische In- 
teressen, beherrscht von naivem behagen am eignen geist und 
mund, ein charakter nur in der hingebung an das königshaus 
und dessen aufgäbe, die Verschmelzung der Oothen und Italiker, 
blieb unberührt vom Schicksal seiner freunde. Es war ihm vor* 
behalten, den bau den er fast vierzig jähre lang gestützt hatte, 



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75 

zusammenbrechen zu sehn. Damit hatte seine weltliche thätig- 
keit ihr ende erreicht. Mit dem rücktritt des letzten Römers 
schliesst das alterthum selbst ab. Was von der dagewesenen 
weit unvergänglich war, hat sich mitCassiodor im schütze klö- 
sterlicher mauern geborgen. 



Anm. 1 (s. 67) Von früheren arbeiten nenne ich ausser (larets 
vita Ca88, Manso, gesch. d. Ostgoth. reichs s. 382 ff. Besseres hat 
Baudi di Yesme in der s. 38, 15 genannten arbeit s. 172 ff., R. Eöpke, 
deutsche forschungen (Berl. 1859) s. 85 ff. und besonders Aug. Thor- 
becke in der sorgfältigen abhandlung 'Cassiodorus Senator, ein bei- 
trag zur geschichte der Völkerwanderung* (beigäbe zum Heidelberger 
lycealprogramm von 1867) gegeben. Das Buch von Ad. Franz *M. 
Aurelius Cass. Senator, ein beitrag zur gesch. der theologischen 
literatur* (Bresl. 1872) hat seinen werth in den Zusammenstellungen, 
welche Cassiodors Verdienste um die Überlieferung der älteren litte- 
ratur ins licht setzen. 

2 (s. 67) Letronne, sur Futilite qu'on peut retirer de Tetude 
des noms propres Grecs pour l'histoire et Parcheologie, in den m6m. 
de l'acad. des inscrr. t. xix 1 s. 63. Ueber den Zeus Easios vgl. 
Jacobs, animadv. in epigr. anthol. 6r. t. ii 2 p. 322 f. Movers, Phoe- 
nizier i 668 f. Auch der einem zweig der Anicier eigenthümliche 
name Olybrius (s. Aschbach ao. 888 ff.) gehört einem orientalischen 
Zeuscultus an: zu Anazarba in Kilikien wurde ein Zevc ''OXvßQig oder 
'OlvßQioc verehrt, wie die neuen ausgrabungen auf demEsquilin ge- 
lehrt haben (buUett. della comm. municip. 1875 t. ra p. 98). 

8 (s. 67) ClOr. 4466 t ra p. 218. Über Heliodorus s. Cass. 
f>ar, 1 4. 

4 (s. 67) Cass. vor. i 4 fährt nach den beiden ersten würden 
fort quid provineiis redditam discipUnam .... referamuSt und geht 
dann von dem lobe der bei der provincialverwaltung bewiesenen 
Unbestechlichkeit auf die zeit des Theoderich über mit den werten his 
itaque süb prcieeederUi rege gymnasiis exercitatua emeritis laudibus 
ad pakaia nostra pervenü. Nach i 3, der quelle für' das weitere, 
verwaltete G. Sicilien in ipso imperii nostri exordiOi cum cidhue flue- 
iuantibu8 rebus provinciarum [sehr, provineiaiium] eorda vagarentur. 

5 (s. 68) Vgl. Gothofredus zu cod. Theod. i 12, 1 t. i p. 73 
f. Ritter. * 



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6 (s. 68) In diese zeit (zwischen 493 und 600) fällt ein brief, 
den pabst Gelasius (492 — nov. 496) in der angelegenheit des Cae- 
lestinus, eines geistlichen von Scylaceum, Phüippo et Cassiodoro 
schrieb, bei Thiel i 462. Die fragmentarische Überlieferung (erst 
Mansi hat ihn aus Ivo X 12 hervorgeholt, conc. vni 131*) entschul- 
digt den irrthum Coustants bei Thiel p. 43, der in den adressaten 
zwei presbyter von Squillace sah. Der erste adressat Filippo beruht 
wohl nur auf missverstandenem fil(io). 

7 (s. 68) Mitten in der erzählung von Theoderichs anwesen- 
heit in Rom berichten die in chronologischer hinsieht sehr genauen 
Valesianischen excerpte 68 Liberium praefectum praetorii quem fecerat 
in initio regni sui (dh. nach dem toddes Odoaker, vgl. var. n 16, 
Pallmann, gesch. der Völkerwanderung n 332 f.), fecit patridum et 
dedit ei sttccessorem in admintstratione praefeeturae. Die anwendung 
von diesem i^ichtigen zeugniss hat schon Thorbecke ao. s. 38 anm. 
16 gemacht. 

8 (s. 68) Es ist eine ungenauigkeit, wenn es in unserem exe. 
z. 21 heisst patricti et praefecti praetorii. Die nach der praefectur 
übliche bezeichnung Cassiodorius patricius musste auch in dem Send- 
schreiben an Cethegus angewandt werden; aber dass daran praef. 
praet, durch et angereiht wird, kann erst durch den zusammendrän- 
genden epitomator veranlasst sein. 

9 (s. 68) Über Cassiodors namen s. Sc. Maffei in den OBsefD. 
lett, n 299 ff. Die namen Mcigni Äurelii scheinen auf den hss. der 
vaHae und vielleicht des buchs de anima zu beruhen, deren Über- 
lieferung ich nicht kenne; doch konmit auch der titel Liber magni 
aurelii cassiodori aenatoria de institutianibus divinarum litterarum 
vor in einer hs. des xn jh. zu Cambridge (vgl. den catalog ni s. 646 
n. 17). Die gründe welche Maffei ao. 306 ff. gegen Magnus und für 
Marcus vorbringt, scheinen mir nicht stichhaltig. Richtig hat er 
dagegen Senator als den eigentlichen rufnamen erwiesen 310 ff. nach 
Sirmonds (zu Enn. ep. m 1 p. 14 f.) Vorgang. 'Cassiodorius* ist s. 16 
festgestellt. Wenn zu obigen namen noch Flavivs zu treten scheint 
in der subscription von Symm. ep. 16 bei Thiel i 729 Fl. Senatore 
V. c. cons., so ist das mehr titel als name, s. oben s. 44 anm. 4. 

10 (s. 68) Bei allen behörden mit richterlicher befugniss fin- 
den wir eonsHarii; aus dieser zeit vgl. zb. Ennodius dict, m p. 474 
te sacrarum iudex (von Sirmond p. 76 irrig auf den comes sacr. larg. 
bezogen, vgl. Bethmann-Hollweg ao. in 88 f.) et consüii comitem 



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meruit et laboris^ Gass. vor, vi 5 äliae qw^^ dignitates assessorum 
sölada quaerant usw. 

11 (s. 68) Var, praef, p. 2 diadsti etiam ad commendationem 
unwersitatis frequenter reginia ac regibus laudes, ix 25 aures do- 
fntfMntium luctdenta saepius praedicatione complevit-, ebd. wird eine 
rede auf Eutharich erwähnt patrem qiwque clementiae nostrae in 
ipaa curia Ubertatis qua disertitudine devotus assendt? Einer rede 
auf Eutharich und Amalasuntha gehört von den oben s. 33, 15 be- 
sprochenen panegyrischen resten fr. v p. 189 f. vgl. di Vesme p. 177, 
an Amalasuntha wendet sich fr. vi. vil, an Theodahat ist das von 
Jubainville entdeckte bruchstück (M. Haupt im Hermes 7, 378 f.) 
gerichtet. 

12 (s. 69) Var, ix 24 veniamm ad magisteriam dignitatem .... 
quo loco positus semper quaestorihus affuisti und ebd. non enim pro- 
prios fines süb te uUa dignitas custodivit, anm. 15, vgl. Thorbecke 
8. 14 ff. 39 f. 

13 (s. 69) Faneg. fr. iv p. 189 cum laudes tuas, clemeniissime 
regum, ingenio quidem destituttM, sed magna fultus alacritate red- 
tarem, in ordinem me dicta redigere # # . 

14 (s. 70) Vao', IX 2i ex te , . . quem primaevum recipiens ad 
quaestoris officium mox repperit consdentia praeditum et legum eru- 
ditione matwum, vgl. Thorbecke s. 9. 

15 (s. 71) Var. ix 25 repperimus eum quidem magistrum^ sed 
implevit nobis quaestoris officium. 

16 (s. 72) Praecipere praeceptum praeceptio sind nicht bloss 
in den variae, sondern überhaupt in der spräche der zeit technische 
ausdrücke für königliche oder bischöfliche anordnungen. 

17 (s. 73) Waitz in den nachr. v. d. Göttinger gesellsch. 
der wissensch. 1865 s. 97 ff. 

18 (s. 74) Prokop. b. Goth. I 2 p. 12, 20 tots 2vfifiaxov t€ xal 
BotiCov naial triv ovaiav a7tid(ox€v, und über Busticiana ebd. m 20 
p. 365. 

19 (s. 74) Unsere quelle sind hier die Ravennatischen fasten; 
ihre zeitliche disposition der ereignisse hat am getreusten Marius 
von Avenches bewahrt (bei W. Arndt, Bischof Marius von Aventicum, 
Leipz. 1875 s. 81 f. Boncalli, vet, chron, 2, 406): 

624 c. lustino II et Opüione, ind, II , , , , eo (mno inter- 
fectua est Boetius patridus in territorio Mediolanense. 
525 c. Proho iwniore et Füoxeno, ind. IIL his consulibus 
oocisus est Simacus patridus Mavennae (unter 526 nur 
Theoderichs tod). 



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Diese vertheilung wird bestätigt durch den genauesten bericht, 
exe, V(ü. 86—87. 92. Boethius war, als der referendarius Cyprianus 
die hochverrathsklage gegen den patricier Albinus einreichte, noch 
mag. off. und daher, wie überdies aus dem lauf der sache hervor- 
geht (vgl. auch cofw. I 4), persönlich am königlichen hof zu Verona 
anwesend; sein freimüthi^es auftreten für den senat führte die aus- 
dehnung der klage auf ihn herbei, wozu sich Cyprians bruder Opilio 
(vgl. Sirmond zu Enn. ep. v 3 p. 25 f.) und dessen schwager Basilius, 
ein durch eine bedenkliche ehegeschichte {f>ar. n 11. 10. iv 40) und 
durch einen process wegen Zauberei (var. vi 22 f. vgl. Boeth. cona. 
I 4 z. 52) übel beleumundeter Senator, ausserdem ein Gaudentius 
bereit finden Hessen. Die eröffhung der anklage bis zum urtheils- 
spruch des Eusebius, die einholung des bestätigenden urtheils des 
feigen Senats erforderten zeit; B. wurde dann zu Calvenzano in haft 
gehalten (nicht eingekerkert: das schliesst Biraghi ao. s. 25 richtig 
aus eons. H 4 hie ipse locus quem tu eanlium voeM, ineolentibua por 
tria est vgl. i 8), zuletzt nach langer tortur, die ich nur aus seiner 
Verweigerung einer aussage (vgl. eons. i 4 z. 09 ff. 88 f.) mir erklä- 
ren kann, hingerichtet; der winter 528/4 muss darüber hingegangen 
sein. Der hauptdelator Cyprianus wurde durch die emennung zum 
eomes sacr. hrg. für ind, in 524/5 (va/r. v 40) belohnt. Process und hin- 
richtung des Symmachus erfolgten erst, als die gesandtschaft nach 
CPel 525/6 schon abgegangen war. In den übrigen nachrichten 
wird Boethius' und seines Schwiegervaters tod zusammengefasst: 
nicht bloss von dem unwillkürlichen Pragmatismus des halbwissens, 
sondern sogar in exemplaren der fasten selbst, indem die notizen zu 
verschiednen jähren gedankenlos vereinigt wurden, so in der Wiener 
redaction (Mommsen, abh. der Sachs, gesellsch. ll 668) und dem 
SGraller excerptum ex ehroniea Horosii (de Eossi, bull, di arch. Christ. 
1867 s. 21 oder giomale delle bibliotheche 1867 n. 15 p. 117), auch 
bei Agnellus (Muratori, rer, ItnU. scrr. n 1 p. 67"). Zur feststellung 
der Chronologie kann diese getrübte Überlieferung nicht herangezo- 
gen werden. Wir dürfen es nach den obigen daten als gesichert 
betrachten, dass B., der nach seinem berichte eons. i 4 den grössten 
theil seines amtsjahres hinter sich haben musste, als der process 
gegen Albinus spielte, bereits 528 in Untersuchung gezogen wurde. 

Aber man hat über das ende des Boethius und Symmachus 
noch genauere daten ermittelt, imd ich halte es für meine pflicht 
das nicht zu übergehn. In einer verdienstlichen Untersuchung über 
die Ravennatischen fasten (Neues archiv der gesellschaft f. altere d. 



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geschichtskunde i 215 ff.) hat 0. Holder-Egger s. 347 ff. auch den 
versuch gemacht, diese wichtige quelle aus ihren zahlreichen reflexen 
wieder herzustellen ; in beschränkterer ausdehnung hatte schon Hille 
(Prosperi continuator Havn, p. 15 ff.) gleiches versucht. Eine solche 
arbeit, mit dem nöthigen tact durchgeführt, würde äusserst zeitge- 
mäss und dankenswerth sein: ohne diese eigenschaft muss sie scha- 
den bringen. Holder-Egger hat mich durch zwei ganz neue nach- 
richten überrascht (s. 364 f.j: 

524 Opilione v. c. constUe, Hoc cons. occisus est Boetiits 
patriciiLS in territorio Mediolanense VII idus iunias. 

525 Proho iuniore v. c. cona. Hoc cons, occisus est ^ym- 
machus patricim Bavennae XV hol, iunias. 

Den anhaltspunkt für das erste datum wurde mir zu ermitteln 
unmöglich gewesen sein. Glücklicher weise gibt H. selbst s. 336 
licht. Der chronist von 641 (Hilles Prosperi contin,) hat zum j. 514 
p. 32 die notiz Senatore v. c. consule. Theudoricus rex Mediolanum 
veniens Petiam comitem interfecit VII id, itm. Ich hatte, da ich 
nur {^ilologe bin, dabei an den bekannten Gothen comes Fetza (vgl. 
Cassiod. var. v 29 Jordan. Get, 58 Ennod. paneg. 12 p. 308) denken 
müssen. Jetzt höre ich: *Der comes Petia kann niemand anders sein 
als Boetius, welcher in Calvenzano bei Mailand getödtet wurde. 
Das geschah aber wiederum nicht im j. 514, sondern im j. 524', 
und: 'der umstand, dass die chronik von 641 den Boetius comes 
statt patricius nennt, ist zu geringfügig, um gegen unsere annähme 
zu zeugen*. Noch wunderbarer ist der Ursprung des zweiten datums: 
*nach lib. pont. mta s, Iohannis\ wie wir s. 365 anm. belehrt wer- 
den. Vergeblich habe ich zu der stelle des pabstbuchs über Sym- 
machus' tod 54, 88 die Varianten bei Blanchini durchsucht, und ich 
freute mich schon der gewissheit, dass dies genaue datum besseren 
hss. bei Vignolius (der mir nicht zugänglich ist) oder im apparat 
der Mon. Germ, entnommen sein müsse, als ich im folgenden ab- 
schnitt der V, loh. zu meiner enttäuschung die worte fand (lohannes 
papa) qui defunctus est Bavennae in custodia XV hol. iun. martyr. 
Gott bewahre uns vor solcher geschichtsmacherei. Aber dergleichen 
ist unausbleibliche folge der vorherrschenden Strömung unserer hi- 
storischen Studien, die sich zu einseitig einer meist ganz formalistisch 
und als wäre sie selbst zweck betriebenen quellenanalyse zugewandt 
haben. 



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Inhalt 

Seite 

Vorwort 1 

Cassiodors instituUones 2 

Anekdoton 3 

I Adressat und titel der verlorenen schrift 5 

n Symmachus 17 

in Boethiua 37 

IV Die theologischen Schriften des Boethius 48 

V Eine unechte schrift des Boethius 59 

VI Cassiodorius Senator 66 



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