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c 626.83
UBoner. Anecdoton holderl. 1877
V Google
HARVARD COLLEGE
LIBRARY
FROM THE FUND OF
CHARLES MINOT
CLASS OF 1828
oogle
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^-
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FESTSCHRIFT
ZUR BEGRÜSSÜNG
DER XXXII VERSAMMLUNG
DEUTSCHER
PHILOLOGEN UND SCHULMÄNNER
zu
WIESBADEN
DBÜCK DEB UNIVERSITÄTS-BUCHDRUCKEBEI VON CARL GEORGI IN BONN
1877
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) > ,
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ö
. I •
ANECDOTON HOLDERI
EIN BEITRAG ZUR GESCHICHTE ROMS
IN OSTGOTHISCHER ZEIT
VON
HERMANN ÜSBNER
/:
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Der liebenswürdigen aufmerksamkeit , mit der Alpeed
Holder bei seinen handschriftlichen Studien die Interessen zahl-
reicher freunde im äuge zu halten und in selbstlosester weise
zu fördern pflegt, verdanke ich die mittheilung eines anek-
doton, das, so kurz und unscheinbar es ist, doch nicht un-
werth scheint einem weiteren kreis vorgelegt zu werden. Ein
auszug aus einer bisher unbekannten schrift des Cassiojdorivs
Senator bringt es uns nachrichten eines Zeitgenossen über die
drei hervorragenden Römer, deren namen von der letzten
uachblüthe Roms unzertrennbar sind, und hilft dadurch, die
denkwürdige zeit von Theoderichs Italischer herrschaft uns
anschaulicher zu machen. Dem Interesse, das die wenigen
Zeilen mir sogleich erregten, gab ich mich vollauf hin. Aber
pflicht und neigung zogen mich bald zu anderem fort. Jahre
sind seitdem vergangen und die eigne arbeit mir fast fremd
geworden. Das gefühl der mit der gäbe übernommenen Ver-
pflichtung hat sich inzwischen nicht abgestumpft. Der auf-
gäbe, die zum diesjährigen philologentage zusammen strö-
menden fachgenossen schriftlich willkommen zu heissen, habe
ich mich um so lieber unterzogen, als sie mir eine gelegen-
heit ist an den freundlichen geber meine schuld der dank-
barkeit abzutragen. Freilich bleibt, was ich heute zu bieten
vermag, hinter dem zurück, was ich wollte. Ich muss mich
auf skizzen und bruchstücke beschränken, wo ein ganzes hin-
gestellt werden sollte. Wenn ich die alte Wahrheit , dass
das bessere der grösste feind des guten ist, auf mich an-
wende, so weiss ich recht wohl, dass auch dem wenigen
guten mancher fleck anhaften wird , für den ich um nach-
sieht zu bitten habe.
1
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Das neue fragment hat sich in einer Reichenauer, jetzt
in der grossherzoglichen hof- und landesbihliothek zu Carls-
ruhe befindlichen handschrift von Cassiodorius' institutiones
humanarum verum aus dem zehnten Jährhundert (cod. Augiensis
n. cvi) erhalten. Um es verständlich zu machen, wie das-
selbe an diesem ort bewahrt blieb, • kann ich eine kurze an-
deutung über die handschriftliche Überlieferung der Cassio-
dorischen encyclopaedie mir nicht ersparen. Welche beglau-
bigung der gangbare text der ausgaben hat, ist mir unbekannt ;
die älteren exemplare des vni bis x jh. geben einen mehr
noch im grossen, als in einzelnen lesarten verschiedenen
text. Diese selbst aber spalten sich in zwei gruppen, durch
welche so abweichende redactionen, dass man sie verschiedenß
werke nennen darf, bezeugt werden. . Die ältere und kürzere
redaction rührt offenbar von der eignen band des Cassio-
dorius her, wie sich aus vor- und Schlusswort, mehrfachen be-
ziehungen auf die bibliothek des klosters bei Squillace, und aus
der bekannten subscription codeoj archetypiis ad cmm exem-
plaria sunt reliqui corrigendi ergibt*: von ihrem hauptver-
treter, einer Bamberger hs. des vui jh., hatte schon F. Haase
künde gegeben, für den rhetorischen abschnitt machte C. Halm
von ihr in seinen rhetores gebrauch ; ausserdem liegt sie vor
in einer Würzburger hs. fast gleichen alters, einer SGaller
(stiftsbibl. 855) des ix und einer Carlsruher (Augiensis n.
ccxLi) des X jh. ** Die jüngere Umarbeitung, über deren in-
*) s. F. Haase zu Gregorii Turon. Über ineditus de cursu
Stellarum Bresl. 1853 p. 5 und de latinorum codd. ms. subscriptionilms
(Bresl. progr. von 1860) p. 7 f., L. Spengel im Philol. 17, 555 ff.
Seinen commentar zu Ciceros topik unterschrieb Boethius unter buch n
in IV V conditor operis emendavi, nach cod. Vatic. lat. 567 saec. xi ;
buch VII der hisi, trip, Cassiodorius ContuU (Reifferscheid, bibl.
patr. 1,263), b. ixpercontuU (ders., sitzungsber. d. Wiener akad.7l2 32).
**) von der Bamberger hs. gestattete mir C. Halm freundlichst
nach einer im j. 1852 von hm A. Linsmayer angefertigten coUation
kenntniss zu nehmen ; von der Reichenauer n. coxLi stellte mir Holder
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halt nnd verhältniss zar älteren ich mir yorhehalte an an-
derem ort zu reden, unterscheidet sich schon auf den ersten
blick durch ihre zum theil umfangreichen Zusätze : mir be-
gegnete sie zuerst in zwei Berner hss. des x jh. (n. 212
und 234), ich fand sie dann wieder in einem exemplar der
SGaller stiftsbibliothek (n. 199 5. x), und nun tritt jene
Reichenauer hs. hinzu, aus welcher Holder das anekdoton
hervorgezogen hat. Ein wesentliches erkennungszeichen dieser
redaction bilden ausser den inneren erweiterungen mehrere
anhänge. Die reihenfolge dieser anhänge ist unverändert
die gleiche in den vier (genauer drei , da die Bemer hs.
234 in diesem theil zu stark beschädigt ist um tnitzu-
zählen) hss. die ich kenne : ein zeichen, dass dieselben zur
ursprünglichen ausstattung der jüngeren redaction gehörten.
Nur gegen ende ist der fleiss der Schreiber ein ungleicher
gewesen : die SGtiller hs. bricht schon mit dem schluss der
excerpta aus Augustinus ab ; drei weitere stücke bewahrt
noch die 'Berner hs. 212 gemeinsam mit der Reichenauer ;
dann mit dem letzten, dem werthvollsten, steht diese (falls
nicht, wie vor allem von Paris zu hoffen ist, weitere exem-
plare auftauchen) allein. Die ganze Sammlung mit allem
Zubehör kann füglich schon im sechsten jahrh. entstanden sein.
Das fragment steht auf der letzten seite der hs., f. 53^.
Da es nicht vieler nachhilfe bedarf, so lasse ich es gleich
in der gestalt folgen, die ich glaubte ihm geben zu müssen.
Excerpta ex libello Cassiodori Semtoris monachi servi dei
ex patridOy ex consule ordinario quaestore et magistro offi-
eine coUation, von der andern eine sehr detaillierte beschreibung
zur Verfügung. Die Berner und SGaller hss. sind mir durch eigne
benutzung bekannt; von der Berner n. 212 ergänzte H. Hagen be-
reitwilligst meine notizen, ehe es mir vergönnt war dieselbe noch-
mals genauer zu prüfen.
Die hs. bietet z. 1 Excepta \\ cafiodon'i || 2 o^ conf
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ciorumy quem scripsit ad Mußum Petronium Nicomachum ex
consüle ordinario patridum et magistrvm officiorum, ordo
5 gen&i'is Cassiodoriorum: qui Script or es extiterint ex eorum
progenie vel ex dvibtis eruditis, ^
Symmachus patricim et consul Ordinarius^ vir phUosophUs,
qui antiqui Catonis fuit novellus imitator, sed virtutes vete-
rum safwtissima religione tran^cendit. dixit sententiam pro
10 allecticiis in senatu^ parentesque suos imitatus hisiofiafn quo-
que Bomanam Septem libris edidit,
Boethius dignitatihus summis excelluit, utraque lingua
peritissimus oraior fuit. qui regem Theodorichum in senatu
pro consulatu ßiorum luculenta oratione laudavit. scri-
15 psit librum de sancta triniiate et capita quaedam dogmatica
et librum contra Nestorium, condidit et Carmen bucolicum,
sed in opere artis logicae id est dialecticae transferendo ac
mathematicis disciplinis talis fuit ut antiquos auctores aut
aequiperaret aut vinceret.
20 Cassiodorus Senator vir eruditissimus et muUis dignitatihus
pollens. iuvenis adeo, dum patris Cassiodori patricii et
praefecti praetorii consiliarit^ fieret et laudcs Theodorichi
regis Gothorum facundissime reciiasset , ab eo quaestor est
f actus ^ patridus et consul Ordinarius ^ postmodum dehinc
25 magister officiorum [et praefuisset formulas dictionum, quas
in duodedm libris ordinavit et Variarum titulum superposuU],
scripdt praecipiente Theodoricho rege historiam Gothicam,
originem eorum et loca moresque XII libris annuntians.
z. 3 Nicomachum & conf ordinarium über die lücke s. unten s. 6
II offociorü II 5 cafiodorüg jj 6 exquibuf \\ 9 proalectidif || 12 Bo-
tiufW 15 cap II 16 hochoUcum \\ 17 loicae \\ 18 nach taK/*ra8ur von 4—5
buchstaben || auteq. perardt || 22 praecorii confüianuf fierS laudef
II 25 offidorum aus offodorum corrigiert mit rasur || 25 c^ . . . 26
fuperp. 80 die hs., ich habe nichts gebessert, aber die stelle als un-
geschickten Zusatz ausgeschieden, s. abschn. vi || 28 dt loca moref
in librif \\ der rest der seite (17 zeilen) ist ausradiert; schwerlich
enthielt er eine Fortsetzung des excerpts.
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I ADRESSAT UND TITEL DER VERLORENEN SCHRIFT *
Einer soviel mir bekannt ist bis auf jede weitere spur
verschollenen scbrift Cassiodors sind diese trotz ihrer kärglichen
knappheit erwünschten nötizen über die drei berühmtesten
Römer der zeit des Theoderich entlehnt. Die Originalität
und Zuverlässigkeit der nachrichten wird gleich durch den
titel ebenso streng auf die probe gestellt wie zuverlässig über
jeden zweifei erhoben. Einem Bufius Petronius Nicomach/us
war die schrift gewidmet ; unter seinen würdetiteln wird dem
ex consule ordinario die erste stelle eingeräumt. Aber die
consularfasten kennen diesen eponjmen nicht. Bekanntlich
verzeichnen die fasten der späteren kaiserzeit, oft auch in
der datierungsformel die jüngeren Inschriften die consuln nur
nach ihrem haupt- oder 1|tichnamen, und entsprechend dieser
gewohnheit haben sich denn die consularlisten des Ravenna-
tischen und der Byzantinischen Chronographen, sowie dio fasti
Idatiani auch in den älteren zeiten der Römischen geschichte
fast ausnahmslos auf die nennnng 6ines namens beschränkt.
Durch einen wunderbaren zufell ist die vollständige benen-
nung unseres Rufius nur an Einern, ganz abgelegenen orte
aufbewahrt. Ein Ravennatischer papyrus bei Marini, papiri
diplomatici n. cxm wird datiert p. 172 Bufio Fetronio Ni-
^omago Cethego üc consule stib die . nonarum fehruariarum.
Schon Marini ao. p. 328, atti e monum. de* fratelli Arvali
p. 471 und de Rossi, i/nscrr, Christ, i p. 415 f. haben er-
kannt, dass mit jenen namen der in den fasten als CetJiegus
KidTjyog G{a)eth{a)eus usw. aufgeführte consul des j. 504
bezeichnet werde, ein name dessen klang durch F. Dahns
kämpf um Rom jetzt auch dem grösseren publicum geläufig
geworden ist. Das diakritische wort, das natürlich in Cas-
siodors buchtitej^^ wenig fehlen konnte wie in diesem pa-
pyrus, war veMpfwilich im original undeutlich geworden und
*) Die anmerkungen, auf welche die ziffem hinweisen, habe
ich ans ende eines jeden abschnitts gestellt.
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so von dem excerptor übergangen. Wir dürfen das fehlen des
namens Cethegus zuversichtlich auf rechnung eines solchen
Zufalls setzen, da vor dem wort ex consüle noch etwas an-
deres ausgefallen ist, was in einer so förmlichen titulatur
nicht fehlen durfte, die angäbe des rangs v{irum) inl(tistrem)
oder V. c(larissinmm) et inh Um die geschichtliche Stellung
dieses mannes zu bestimmen, bildet eine stelle des Ennodius
die grundlage. In seiner paraenesis didascalica an Ambrosius
den söhn des Faustinus und an Beatus (opusc, vi) , welche
Ennodius zu Mailand in der zeit von 505 bis 509^ ge-
schrieben hat, werden zum schluss hervorragende männer und
frauen des damaligen Borns charakterisiert, deren beredsam-
keit und bildung den beiden hoffnungsvollen Jünglingen ein
Vorbild sein soll; darunter auch Cethegus und sein vater
Probinus, der consul des Jahres 489 : *Da* ist auch der
patricier Probinus, die erprobte erlauchtheit eines Placidus-
sprösslings^, den in den familien verband der gelehrten seine
bis zum letzten strich vollkommnen sitten^ eingeführt haben,
der an des vaters und an des Schwiegervaters born die saubre
eleganz schöpfte, die ihn auszeichnet. Da ist sein söhn, der
patricier Cethegus, ein consular, der noch jung ergraute
Weisheit* überholt und unerachtet seines alters sowohl den
reifen Wohlgeschmack vorgerückter jähre als die honigsüsse
der knabenzeit in sich vereinigt*. In der correspondenz des
Ennodius ündet sich nur* 6in brief an Probinus, eine empfeh-
lung des jungen Ambrosius (ix 3); an Cethegus und seine
*) ich führe Ennodius nach Jac. Sirmonds ausgäbe (Par. 1611.
8) an, die sowohl im ersten band von Sirmonds opera (Venet. 1728
fol.) als von MignePatrol. lat. t. Lxin wiederholt ist; die stelle lautet
p. 445: est etiam Probinus patricittSy placidi germinis [s. amn. 2]
examinata claritudo, quem eruditorum familiae mores ad unguem
ducti contuUrunt ; qui de patris et de soceri hausit fönte, quod mun-
dus est, est patricius Cethegus eius ßius, vir consutaris, qui canam
prudentiam minor transgrediens sine aetatis praeiudicio habet et pro-
vectorum saporem et meUa pueritiae.
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Schwester Blaesilla wird durch Vermittlung des Beatus ein-
mal ein gruss bestellt (vii 29). Und doch fällt die haupt-
masse dieser briefe gerade in das Jahrzehnt, dem wir die
paraenesis zuwiesen^. Je ferner Ennodius den beiden män-
nern steht, die er in den obigen werten rühmt, um so deut-
licher ist es, dass diese lobpreisung durch das persönliche
verhältniss des Ambrosius und Beatus, der adressaten der
paraenesis, zu dem hause des Probinus bedingt war; sehr
möglich auch, dass Ennodius, der nicht zwecklos seine müh-
selige feder in bewegung setzt, auf diesem wege Versöhnung
und anknüpfung suchte : es wird durch das weitere klar werden,
dass in den kämpfen der kurz vorher gegangenen jähre
Ennodius sich offen zu der partei bekannte, welche gegen
Probinus stritt. Als Cassiodor an Cethegu« schrieb , war
dieser letztere, wie wir jetzt erfahren (s. anm. 13), magister
officiorum. Der jüngste sicher zu bestimmende Zeitpunkt, dessen
unsere excerpte gedenken , ist das consulat von Boethius söh-
nen 522; unsere Schlussbetrachtungen werden als fernere
grenze das j. 523 feststellen: das magisterium des Cethegus
fiel wahrscheinlich in das jähr 52V2« Bis in sein greisen-
alter vermögen wir das leben dieses freundes von Cassiodor
zu verfolgen. In der zeit des Totila stand er an der spitze
des Römischen Senats. Als während der harten belagerung
durch das Gothische beer im j. 546 die noth Roms aufs
höchste stieg, lenkte sich die Romanische sucht, im unglück
verrath zu wittern, auf das caput senaü, gewiss mit noch
weniger grund, als in der zeit des Yitiges auf das damalige
haupt der Christenheit, Silverius. Cethegus verliess die stadt,
aber widerlegte den verdacht, indem er nicht bei Totila
schütz suchte, sondern sich nach Centumcellae begab ^. Dass
er dann nach der Überrumpelung Roms sich den mit Bessas,
dem kaiserlichen commandanten geflüchteten Senatoren^ an-
schloss und sich nach CPel um hilfe wandte, erfahren wir
zufällig durch das pabstbuch (Anastas. 60, 107): ingressus
autem rex habitavit cum Romanis quasi pater cum filiis. tunc
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quidam de senatoribus fugientes Cethegus et Älhinus Basilius
patricii et exconsules^ ingressi sunt Constantinopolim et prae-
sentes ante imperatorem afflicti et desolatL consolatus est autem
eos Imperator et ditavit eos^ sicut digni erant eonsüles Bomani.
Die freundliche aufnähme am Byzantinischen hofe war ihm
gewiss. Als ein ergebener anhänger der Oströmischen po-
litik wurde er willkommen geheissen, und dem entsprechend
später auch seine kräfte in anspruch genommen. Die letzte
spur, die ich kenne, ein für die grundsätze der kirchlichen
Verwaltung interessanter brief des pabsts Pelagius (555 — 560),
der frühestens aus dem j. 556 stammen kann^, zeigt ihn
in Unterhandlung über die anerkennung und weihung zweier
Sicilischer bischöfe; er wird also damals gemäss der Justi-
nianischen geschäftsordnung praetor Siciliens, wenn nicht viel-
mehr comes sacri patrimonii per Itäliam^^ gewesen sein, ge-
wiss schon ein siebenzigj ähriger.
Wenn wir auch die erörterung von Cassiodors würden
einer späteren stelle vorbehalten müssen, vermögen wir doch
schon jetzt zu erkennen, dass der titel der schrift uns in
jgeiner originalen fassung nicht vorliegt. Hätte Cassiodor
erst in der zurückgezogenheit seines klosters das buch ver-
fasst, so hätte er unter den abgelegten ehren nicht die
höchste würde, die er bekleidet, vergessen können, die prä-
torische praefectur. Aber gerade die Schriften dieser zeit
begnügen sich mit der einfachen bezeichnung Cassiodori(i)
Senatoris: so die instittdiones, de orthographia^ der commen-
tar zu den psalmen und die compleasiones^^. Von mönchischer
demüthigung ist in den titeln derselben so wenig eine spur
wie von eitlem behagen am abgestreiften flitterkram des hof-
lebens; sie entsprechen Trithemius Worten über Cassiodor
contemptis vanis honorihus saecüli pro amore dei monachus fac-
tus est. Erst nach Cassiodors tod, als das andenken an seine
öffentliche laufbahn erloschen war, konnte die Überschrift
zurecht gemacht werden, welche uiiser epitomator beliebte.
Dem Schreiber war Cassiodor nur als der vornehme und ge-
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lehrte klosterherr bekannt; die würden, welche abgesehen
von der Ordnung mit den folgenden auszügen genau über-
einstimmen und von urkundlicher Zuverlässigkeit sind, las er
in dem original; um die demuth und weltverachtung des
'monachus servus def zu vollem ausdruck zu bringen, ent-
kleidete er den Gassiodor auch seines lebenslänglichen rangs
als pairicius und schuf die neue Stellung eines ex patricio.
Noch deutlicher liegt in der angäbe des inhalts (z. 4—6)
die band eines späteren Schreibers vor äugen. Die anwen-
dung des nominativs ordo generis und die lose angefügten
indirecten fragesätze lehren, dass der Verfasser seine schrift
überhaupt . nicht anders bezeichnet hatte als durch seinen
und des Cethegus namen. Den ursprünglichen titel dürfen
wir nach analogie von Boethius kleinen theologischen Schrif-
ten ^^ und gemäss den obigen bemerkungen so herstellen :
CASSIODORI SENATORIS EX CONS • ORD • (EX) QVAEST-
ET MAG • OFF • PATRICII AD RVFIVM PETRONIVM NI-
COMACHVM (CETHEGVM V • C • ET INL) EX CONS • ORD-
PATRICIVM ET MAGISTRVM OFFICIORVM "
(DOMINO CETHEGO SENATOR).
Die excerpierte schrift war also eine abhandlung in
briefform. Ihren- massigen umfang deutet ea libello (z. 1)
an. Als ihren eigentlichen inhalt bezeichnet der epitomator
eine genealogische Übersicht über das Gassiodorische geschlecht,
ordo generis (Jassiodoriorum: so habe ich geglaubt das über-
lieferte casiodorü herstellen zu müssen, weil das folgende
eorum (z. 5) auf einen vorhergegangenen plural weist, und
weil der autor selbst, mochte er sich als einzelner nun Cassio-
dorus nennen oder Cassiodoritts^^, sein geschlecht wohl nur
unter dem namen Cassiodoni zusammenfassen konnte und nach
ausweis der handschriftlichen Überlieferung es auch wirklich
gethan hat^^.
Es ist dankenswerth dass der epitomator sich mit dieser
allgemeinen angäbe nicht begnügt, sondern in seiner stam-
melnden rubrikensprache den inhalt noch etwas genauer be-
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Btimrot. Der genealogische überblick war mehr der rahmeD
des Sendschreibens gewesen : im einzelnen wurde der accent
auf etwas anderes gelegt: gui scriptares ewtiterint ex eorum
progenie vel ex civihus^^ eruditis. Der verwandtschaftliche
Zusammenhang, in den die vornehmen familien des späteren
Rom allmählich getreten waren ^^, machte es leicht auch bei
jener genealogischen begrenzung der schrift die wenigen
wirklich thätigen alle hereinzuziehen. Aber es lässt sich
nicht beweisen , dass dies die massgebende absieht des Ver-
fassers gewesen. Das wenige, was uns übrig geblieben, lässt
uns noch sehen, dass Cassiodor in der that den genealogischen
faden nicht aus der band verlor. Die Aurelii^ deren ge-
schlechtsnamen auch Cassiodorius trägt, führten nothwendig
auf Q. Aurelius Memmius Symmachus, und bei diesem konnte
der hervorragendste schriftsteiler der zeit, Boethius als Sym-
machus* Schwiegersohn nicht übergangen werden ; erst zuletzt
wird er auf die eigne familie gekommen sein, und die am
ende des auszugs stehenden notizen über ihn selbst haben
wohl auch den schluss des Sendschreibens gebildet. In dem
rectificierenden zusatz vel ex dvibus eruditis verräth sich,
scheint mir, die art wie der epitomator gearbeitet hat. Er
las nicht sondern blätterte, und hob aus, was sein interesse
fesselte, unbekümmert um den genealogischen Zusammenhang.
Hätte Cassiodor überhaupt den gelehrten und schriftstellem-
den ^mitbürgerrf ein denkmal setzen wollen, so würden z. b.
Ennodius und Alcimus Avitus weder von ihm noch von dem
epitomator übergangen worden sein.
Anmebküngen 1 (s. 6) Diese zeitgrenzen ergeben sich aus
der bezeichnung des Cethegus als consular und aus den werten
über Boethius p. 445 f. Jugend und gelehrsamkeit werden an ihm
so hervorgehoben, dass das consulat nicht hätte verschwiegen wer-
den können. Dazu kommt dass Ennodius mit Boethius sogar ver-
wandt war und durch dessen fasces seinen eignen rühm gehoben
glaubt, vgl. ep. vm 1 p. 222 f. dicatis forsitan: par fuit propinquum
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laudare in commune augmentum Idborantem und venu ad me quidem
portio de curtdi. Die Verwandtschaft war wenigstens so nahe, dass
Ennodius, als er Boethius zu seinem consulat 510 beglückwünschte,
darauf sein ansinnen gründen konnte, ihm ein haus, das Boethius
zu Mailand besass, unter dem titel einer consularts sporttda (so ep.
VIII 37 p. 250) abzutreten; eine ausdehnung des begriffs sportüla
(s. über diesen Mommsen in den mittheil, der antiqu. gesellsch. zu
Zürich XI p. 80, 7), welche begreiflicherweise den consul verstimmte
und trotz anfänglicher zusage noch wiederholte mahnungen erfor-
derte (ep. vm 1. 31. 37. 40). Bei der gratulation zum consulat hat
denn Ennodius auch gebührend in die posaune geblasen; wie er bei
dieser gelegenheit hervorhebt (p. 223) tibi utrumque in pectdio est,
Latiaris scientia et vena purpurarum, so müssten wir eine andeutung
in gleicher richtung auch in jener paraenesis erwarten, wenn sie
510 oder später abgefasst wäre.
2 (s. 6) Der gespreizte ausdruck examinata daritudo wird
von Ennodius ebenso auf Theoderich angewandt panegyr. 4, 2 p. 296
regum examinata claritttdo. Aber was könnte mit der *erlauchtheit
eines gnädigen sprösslings' gemeint sein? Bei allem raffinement des
Ennodius, das einfachste mit den denkbar geschraubtesten Wendungen
auszudrücken, würden diese worte unerträglich sinnlos bleiben, wenn
jede relation für germen fehlte. Diese kann nur in placidi enthalten
sein, was ich durch vergleichung von Ennodius ep, vii 25 de ori-
ginario Symmachi fontis lacte me pascere erkläre. Der vater des
(Petronius) Probinus [über den geschlöchtsnamen vgl. de Rossi, inscrr.
Chr, I p. 48. 416 und die compilation Aschbachs über die Anicier,
sitzungsber. der Wiener akad. 1870 bd. 64, 391 ff.], des consuls von
489 wird der consul des j. 481 gewesen sein, als dessen name jetzt
Bufius Placidm inschriftlich feststeht, vgl. de Rossi ao. p. 606
und über die seit Fea übliche und irrthümliche nomenclatur dieses
consuls 'Flavius Placidus Severus' denselben annoLi 1849 p. 341 f.
inscrr, i p. 387. Wir dürfen daher die geschlechtsnamen Rufius
Petronius, die für Cethegus durch obiges gesichert sind, auch für
Placidus und Probinus voraussetzen, üeber den Schwiegervater des
Probinus würde sich aus den namen des enkels vielleicht genaueres
ermitteln lassen,, wenn wir mehr Cethegi oder Nicomachi in jener
zeit kennten, üebrigens kommt der name Nicomachus schon im
anfang des vierten jahrh. bei Aniciern vor (s. Aschbach ao. s. 384),
von welchem geschlecht die Petronii einen hervorragenden zweig
bildeten (Aschbach s. 890 ff.).
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8 (s. 6) Mores ad ungern ducti: man erwartet fcicU nach der
analogie des bekannten Horazischen ad unguem (actus homo {sat. i
5, 82), vgl. Ennodius dictio iii p. 474 ad unguem fabricantur iUa
quae volumus non tarn speciem recti habere quam similitudinem,
apolog. p. 329 ad unguem poUta perfectio. Doch gestattete der
ganz formelhafte gebrauch von ad unguem eine grössere freiheit in
der wähl des verbums, als dass eine ander ung der überlieferten les-
art berechtigt wäre. Uebrigens sieht man aus diesen werten, dass
an Probinus eine besondere rednerische begabung oder gelehrte bil-
dung nicht hervortrat: sein charakter ist es, der ihn in den kreis
von männern wie Symmachus und Boethius einzureihen erlaubt.
4 (s. 6) Canam prudentiam, eine in dieser zeit geläufige me-
tapher, z. b. Cass. var, 8, 5 cani honoris infulis adultam cinge ca^e-
sariem, 5, 22 morum cana maturitate, 8, 18 ab ore primasvo cana
verha manaverunt und 9, 25 maiorum notitia cana, Ennodius apolog.
p. 825 primogeniti canam dignitixtem, vüa Epiph. p. 360 cana con-
süia in annis puerüibus meditabaiur usw.
5 (s. 7) Die bemerkung Sirmonds (zu ep. iv 29 p. 22), dass
alle oder doch weitaus die meisten briefe des Ennodius unter der
regierung des pabsts Symmachus (498 bis 514) geschrieben seien,
ist ganz richtig, aber steckt eher zu weite als zu enge grenzen.
Aus Enn. eucharisticon p. 434 folgt, dass er 473 geboren und vor
eintritt in den geistlichen stand verheirathet war. Alle briefe zeigen
uns ihn als kleriker, die meisten sind aus Mailand, der hauptstadt
der damaligen Liguria geschrieben. Es mag sein, dass einige über
498 zurückreichen, doch kann Enn. nicht viel vor dieser zeit geist-
licher geworden sein. Anderseits entsinne ich mich keiner anspie-
lungen, die auf jüngere zeit als das j. 510 wiesen, das bereits
M. Fertig (in dem progr. von Passau 1855 p. 5) als endpunkt der
vorliegenden briefsammlung bezeichnet hat. In der bischofswürde
von Ticinum soll Enn. dem Maximus im j. 511 gefolgt sein nach
üghelli, Italia sacra 1, 1080 (Ven. 1717): sicher ist dass er bereits
im anfang von Hormisda's pontificat, im j. 515 bischof war (vgl.
auch acta sanctorum juli t. iv p. 278). Es scheint dass Ennodius,
als sein ehrgeiz durch ein bisthum befriedigt war, seine früher so
eifrig betriebenen stilübungen einstellte, deren erster zweck doch
nur war einflussreiche Verbindungen kirchlicher und namentlich welt-
licher art zu unterhalten: das wäre der natürliche Zeitpunkt ge-
wesen, was von concepten in seinen bänden war, zusammenzustellen.
Doch dürfen wir nicht vergessen, dass die heutige anordnung von
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13
Enn. scilriften erst Sirmonds werk ist. In der haupths. welche er
zu grund legte , Vatic. lat. 3803 (s. Reifferscheids bihl patrutn 1,
478 ff.), stehn briefe, reden, gedichte in buntem Wechsel durcheinander.
Bei dieser läge der Überlieferung schliesst sich der gedanke von
selbst aus, dass E. eigenhändig seine Schriften oder auch nur einen
theil derselben zusammengestellt und herausgegeben habe; ander-
seits aber wächst die möglichkeit, dass, wie es in einzelnen fällen
nachweisbar ist, häufiger das gleichzeitige und zusammengehörige
wenigstens theilweise zusammen blieb, als nach dem tod des verf.
521 der ganze häufe hinterlassener papiere zu * gesammelten werken
ohne jede Überlegung vereinigt wurde. Der wirrwarr der hs. ist
also für das Studium des Ennodius und seiner zeit nicht gleichgiltig,
und wenn auch, wie ich mich angesichts der hs. überzeugt habe,
Sirmond in der abfolge der briefe und ebenso der kleineren Schriften
sich treu der hs. angeschlossen hat, wird es doch nützlich sein ge-
rade diese nachbarschaft des verschiedenartigen vor äugen zu führen:
dfictio) 1 c(armen)6 d 7 epftst.) i 1 — 4 op(u8C.)7 ep i 5 — 9 op 9
ep I 10—20 c 7— 8 ep i 21— ii 9 c 9 ep n 10—11 €p(%)g(ramm.) 1
ep II 12—13 op 2 epg 2 ep ii 14— ra Z d ^ epg^ ep iii4— 12 op 3
op 10 ep m 13—15 d 9 cp ni 16—23 d 10 ep ni 24 epg 4—9 d 2
epg 10—16 ep m 25—30 (die beiden briefe n. 26 und 27 sind um-
punktiert, also als ungiltig bezeichnet) epg 17 ep m 31 — iv 6 op 8
d 11 ep IV 7 epg 18—28 ep iv 8 epg 29—31 ep rv 9—11 epg 32 ep
IV 12—13 ep^f 33 ep iv 14—16 epg 34—35 ep iv 17—23 ep^f 36 ep
IV 24—28 epg 37—49 ep iv 29—31 epg 50 ep iv 32— v5 ep^f 51—89
d 24 ep^ 90—94 c 2 d Z epg 95—97 ep v 6—7 d 25. 14—16 ep v
8—12 ep^f 98—104 ep v 13—14 epg 106—106 d 17 op 4 ep v 15—16
d 18 ep V 17 c 1 ep V 18—27 epg 107—109 ep vi 1—2 ep^ 110 d
19 c 3 op 1 ep^f 111—116 ep vi 3—11 d 4. 20 ep vi 12. v 25
(wiederholt, hier f. 110^ und vorher 97»^). vi 13— vn 14 d 12 ep vii
15—18 ep^f 117—128 ep vn 19 epg 129—130 ep vn 20—21 d 5 (p.
478—481) ep vn 22 ep^ 131—133 d 21 epg 137—143 ep vn 30— vin
1 ep^f 144—148 ep vin 2 — 4 epg 149 d 22 ep vm 5—11 c 4 ep vin
12—36 d 2^ ep vm 37— ix 1 c 5 ep ix 2-13 d 27 ep ix 14 op 5
ep IX 15—25 epg 150 d 13 op 6 ep ix 26-34 d 6. 28. 23 ep ix 35. Nur
die briefe vn 23 — 29 fehlen in dieser hs., von den übrigen arbeiten
die zwölf religiösen hymnen (c 10 — 21) und das letzte epigramm
(n. 151). — Dass die familie des Ennodius, wie viele des späteren
adels, aus Griechenland oder dem gräcisierten osten stammte, zeigt
der name, der sich auf den cultus der ""EvoöCa bezieht. Die doppe-
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14
lung des n ist folge der fortwirkenden interaspiration ; schon ein
nicht sehr später stein, den Heuzey (le mont Olympe p. 470 n. 8)
westlich vom Olympos fand, enthält eine weihung an ^EvvodCa Ila-
TQtoitt ; viel leichter konnte diese Wirkung bei vorausgehendem spirant
hervortreten, wie Evoöog auf lat. inschr. öfter Svvodus Evvodius,
und da iXnlg von lateinischer zunge später mit anlautendem h ge-
sprochen wurde, auch Evvelpistm geschrieben wird.
6 (s. 7) Prokop. b. Goth. 3, 13 t. ii p. 328 Bonn, tots roTg
iv *P(6f4fi Tov ßaaiX^cjg argarov Kg^ovaiv vnoxjjla ngodoolug ti^qi
iyivsTo ig Käd-riyov nargCxiov avöga xal ng^aiov Tr\g 'Ptofiaicjv ßovlrjg.
^10 ^rj ig KevTovx^lXag anicjv 4^;f€Tü.
7 (s. 7) Ebd. 3, 20 p. 363 raiv ^k noTQixliov Jixiog ts xal
BaalXeiog ^vv h^goig naiv . . . fvv T(p Bioatf (pvyetv ta^voav.
8 (s. 8) In der officiellen Römischen ausgäbe von Franc.
Blanchini (1718) t. i p. 110 und dem Migne'schen abdruck (patrol.
t. 128, 579) steht fugientes Techeus Älbinus et Basüius patricius
exconsules. Dass der erstgenannte unser Cethegus ist, wäre evident,
wenn auch nicht der ältere cod. Thuaneus diesen namen buchstäb-
lich bezeugte und die übrigen hss. die üblichen corruptelen desselben
widerholten. Den Basilius, cons. des j. 541, nennt auch Prokopius.
Aber wer war Albinus? ein consul dieses namens kommt nur im
j. 493 vor, und neben ihm hätte Cethegus nicht ng^arog rrjg ßovXrjg
sein können, ebenso wenig wie er vor demselben genannt worden
wäre: denn in diesen aufzählungen wird die etikette streng bewahrt,
Prokop nennt als geflüchtete Decius cons. 529 und Basilius cons.
541, als solche, die in der kirche des h. Peter schütz suchten, Maxi-
mus cons. 523, Olybrius cons. 526 und Orestes cons. 580. Es muss
sich also in das pabstbuch ein fehler eingeschlichen haben, den ich
oben mit Sicherheit gehoben zu haben glaube. Der volle name des
cons. 541 war laut einem diptychon, das längst auf diesen consul
richtig bezogen ist (b. Gori, tlies. vet. diptychorum taf. xx, bd. n
p, 127 ff.), Änidtis Faustus Älbinus Basilius , vgl. de Rossi, inscrr.
I p. 492. Es musste ferner wie die bekleidung des consulats , so
auch das patriciat von beiden ausgesagt sein; überdies ist der
plural patridi durch den zweiten Thuaneus, den cod. Mazarinaeus
und zwei hss. bei Fabrotti bezeugt (patridi et constäes liest der
cod. Mazarin.). Die historia miscella, deren abhängigkeit von dem
pabstbuch auf der band liegt, lässt in ihrem excerpt dieser stelle
leider die namen aus xvra 18 p. 374, 26 Eyssenh.
9 (s. 8) Der brief ist ediert bei L. Holstenius, CoUectio Ro'
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15
mana bipartüa i p. 282 f. und wiederholt bei Mansi conc, ix 733 f.
(in dem exemplar der Bonner bibliothek von Mansi ist die coUation
einer zwar epitomierten, aber guten hs. eingetragen). Die angegebne
Zeitbestimmung beruht darauf, dass Pelagius die von Cethegus be-
antragte bestätigung des Syracusanischen bischofs integro paene anno
verzögert zu haben gesteht.
10 (s. 8) Vgl. nov. 75 = 104, und Böcking zur not, dtgnit
occid. p. 482 f.
11 (s. 8) üeber die beiden letzten werke s. Reifferscheids
bibl. patr. 1, 264 und 49 f. Das gleiche gilt auch von der historia
tripartitaf vgl. die Überschrift der Neapolitaner hs. Cassiodori sena-
toris iam dno piestante conversi (Reifferscheid, sitzungsber. der
Wiener akad. 1872 bd. 71, 30) und unten anm. 14.
1 2 (s. 9) Der schrift de trinitate hat der jüngste herausgeber
den undenkbaren titel gegeben Anteil Manlii Severini Boetii ex
consl ord. patricii de sancta trinitate. Domino patri Symmacho de
trinitate Boetius. In den hss. sind hier mehrfach ganze zeilen der
vorlagen an falsche stellen gerückt worden, am stärksten im Gothanus;
etwas ähnliches ist die verkehrte Wiederholung von de trinitate in
TE. Mit voller Sicherheit lässt sich der detaillierte originale titel
aus den abweichungen der hss. herstellen: Änieii Manlii Severini
Boethii v, c. et ihl. ex cons, ord. ac patricii ad Quintum Aurelium
Memmium Symmachum v. c. et inl. ex cons, ord. ac patricium socerum.
Domino patri Symmacho Boethitis. Die Inhaltsangabe de sancta trini-
tate ist ebenso wenig ursprünglich wie quomodo trinitas unus deus
ac non tres dii.
13 (s. 9) Es ist in der Ordnung, dass die zur zeit von Cethe-
gus bekleidete" würde zuletzt genannt und das sonst regelmässig
schliessende patricius vorangestellt wird. In der subscription zu de
diff. top. I führt Boethius den titel vc. et iUst. ex cons. ord. patricii
mag. officr. (s. unten abschn. m): er war also damals magister offi-
eiorum. Turcius Rufius Apronianus Asterius, der während des con-
sulatsjahrs 494 den Vergilius emendierte, nennt sich am schluss
seiner titulatur patricius et consul Ordinarius (0. Jahn, berichte der
Leipz. ges. 1851 p. 348); die gedichte des Sedulius werden später
von ihm gesammelt v. c. ex cons. ord. patricio. So wird auf den
beim antritt des consulats verschenkten diptychen mit nur einer
ausnähme (s. darüber abschn. n anm. 7) immer consul Ordinarius
als gegenwärtiger amtstitel ans ende gestellt; auf dem dipty-
chon des Felix (Gori 1, 129 ff. taf. n), des Clementinus cos. 513 (G.
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1, 229 ff. t. IX, 2) und auf demForentiner (G. 2, 136 f. t. xxi) geht
patricius voraus.
14 (s. 9) An sich hätte ja Senator sich Cassiodorus nennen
können, da ältere cognomina in späterer zeit ohne adjectivische Um-
formung zur bezeichnung des familienzusammenhangs dienen müssen.
Eine überwiegende majorität der hss. scheint sich für diese form
auszusprechen, allein sie verliert bei näherer betrachtung sehr an
gewicht. Die alte Veroneser hs. der complexiones (saec. vn), welche
in titel und subscription nur Cassiodorii bezeugt, gab schon Sc.
Maffei den anstoss , im vorwort p. XLV ff. und in einer besonderen
abhandlung der osserüazioni letterarie (Verona 1738) t. n p. 299 ff.
die ausschliessliche berechtigung dieser letzteren namensform zu be-
haupten, und Reifferscheid scheint die autorität dieser hs. allein
schon ausreichend den alten streit zu entscheiden (bibl. patr. 1. 1, 49).
Auch die alte hs. der historia tripartita auf Monte Cassino führt
den titel Cassiodorii Senatoris (Reifferscheid, sitzungsber. der Wie-
ner akad. 1872 bd. 71, 88). Ich füge hinzu, dass in der Bamberg«?
hs. unter dem vorwort der instit. rerum humanarujn und am schluss
des Werks in der subscription Cassiodorii Senatoris steht, während sie
sonst immer cassiodori schreibt. Eben dasselbe stand wohl auch
in der subscription der vorzüglichen Bemer hs. (n. 330) der Ortho-
graphie, wo erst durch rasur nach i das übliche cassiodori senatoris
hergestellt ist. Danach ist es höchst Wahrscheinlich, dass der
genetiv Cassiodori für ebenso richtig als der nominativ Cassiodorus
für falsch zu halten ist, d. h. dass dieser auf falscher deutung jenes
genetivs beruht. In den eigennamen hat die alte schultheorie, dass
die Worte auf ius den genetiv der analogie gemäss auf ii bilden
müssten, niemals völlig durchdringen können. Bei vorausgehendem
vocal ist die alte genetivbildung in guten hss. geradezu regel geblieben,
z. b. Pompei, Aber auch bei vorausgehendem consonant ist diese
bildung noch in dem Jahrhundert Cassiodors die weitaus üblichere ;
auf inschriften dieser zeit kommt in der formel post consulatum
z. b. Mavorti, Lampadi, Bilisari und Vilisari^ Basili (besonders
häufig, von 542 — 565), sogar appellativisch pairtct vor ; übereinstim-
mend in den 533 abschliessenden Ravennatischen fasten Maburti
und zweimal Lampadi (abhandl. der Sachs, gete. n s. 668). Dass
sie auch der tradition der Cass. Schriften nicht fremd war, verbür-
gen spuren wie Caeli Äureli in der Bamberger hs. instit. i 31 p.
526^ 3, oder Turasi {Curasi Fomerius 1588, Taräsii Garetius) ther-
mas in der Leidener hs. d6r var* iv 24 (vgl. L. Tross symb. er*
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17
p. 17) und ebenda aspectus regt — promissor statt regii vi 6 (vgl.
Tross p. 23).
16 (s. 9) Var, i 4 p. 5^ 36 Cassiodorios si quidem praecc'
dentes fama eonceUbrcU: so hatte schon Garetius, der die hs. des
Cuiacius [das original der collation des Cui., von der Gar. nur eine
absohrift vorlag, befindet sich in der Bemer stadtbibliothek am
rande der zu Augsburg 1533 erschienenen folioausgabe , wie der
Jurist A. W. Gramer bemerkt hat, vgl. jetzt Hagens catalog s.
521] und coUationen von luretus benutztef, die frühere vulgate
Cassiodoros geändert. Maffei oss. lett. ii p. 324 bezeugt, dass auch
zwei hss. in Venedig Cassiodorios überliefern.
16 (s. 10) Gegen diese Verbesserung des verderbten quibus wird
sich wohl kein bedenken erheben. Es ist nicht nur bei uncialschrift
sondern auch bei den alten cursivformen eine sehr gewöhnliche
corruptel, dass ci und ti wie zu m so zu g zusammenfliesst; so hat
A. Wilmanns bei Sergius in Keils gramm, iv p. 529, 26 ineithara
aut quia und ebd. 23 in sono chordarum aut voce quarum treffend
tibia und tibinrum hergestellt (de Varronis libris gramm. p. 188, 10. 7).
17 (s. 10) Vgl. Cassiod. var. ix 22 an Paulinus cos. 534 curia
Bomana completur paene vestra familia, ecce vere nunc unum dicen-
dum est corpus, quando constat vicini sibi generis sodetate permixtum,
und IX 23 an den senat nam licet nuncupemini omnibus generaliter
patres, huic (dem Paulinus) etiam estis speciäliter et parentes.
II SYMMACHVS (z. 7-11)
Ueber die beiden ersten männer, von denen das Reichen-
auer excerpt redet, hat ihr geschick den glänz des märtyrer-
thams ausgegossen. Symmachus und Boetbius pflegen uns
als die letzten wahren Römer zu gelten. Das beste was
das Römische alterthnm an geistiger und sittlicher bildung
besass, scheint in ihnen sich noch einmal gesammelt zu haben,
um auch im unterliegen noch einen triumph zu feiern über
rohe barbarenkraft.
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18
Es ist keine täuschung. Wir sind nicht blind vor den
unausbleiblichen mangeln ihrer geistigen stufe. Aber grade
je mehr wir sie als kinder ihrer zeit fassen, desto höher
heben sich jene beiden über ihre Zeitgenossen, selbst Gassio-
dorius nicht ganz ausgenommen. Die saat welche die grossen
kirchenlehrer des iv jh. , vor allen Augustinus ausgestreut
hatten, der keim den auf weltlichem gebiet ein zwar geringerer
aber für die Römischen Studien hoch anzuschlagender mann,
Marius Yictorinus eingesenkt hatte , ist in jenen männem
herangereift. lo dem Jahrhundert, das seit der völligen auf-
hebung des heidnischen cultus vergangen war, hat auch den
heftigsten vorfechtern desselben, den Römischen adelsfamilien
das christenthum sich tief eingeprägt, ohne dass sie darum
die traditionelle forderung grammatischer, rhetorischer, philo-
sophischer durchbildung ermässigt hätten. Harmonische mischung
antiker und christlicher bildung und ihr schönster ertrag,
adel und Unabhängigkeit der gesinnung sind die hervor-
tretendsten charakterzüge dieser persönlichkeiten.
Voran steht nach alter und ansehn Q. Avrelivs Memmivs
Stmmachvs V • c . et inl . EX coNS • ORD . Ac pATBicivs ^ l douu dles
ist der volle name und titel^ des manns, wie wir sie aas
der hslichen Überschrift von Boethius* abhandlung über die
dreieinigkeit kennen (oben s. 1 5 anm. 12). Es ist bekannt,
dass er consul Ordinarius des j. 485, also in der zeit des
Odoaker war. Aber weder hieraus noch aus den übrigen
titeln lässt sich genaueres über seine ämterlaufbahn ermit-
teln. Denn das consulat, das durch die erforderlichen spen-
den und spiele sehr bedeutende geldopfer^ auferlegte, war
in jener zeit eine praerogative der begütertsten Senatoren,
und die würde konnte selbst knaben übertragen werden,
wie schon 364 Yarronianus dem söhn des kaisers lovianus,
395 den söhnen des Probus, 501 Avienus, 522 den söhnen
des Boethius, wohl auch 530 dem Orestes ua.*. Vir cla-
rissrnm wurde Symmachus durch sein consulat, aber er
war es wohl schon vordem und blieb es trotz höherer wür-
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id
den auch ferner, nämlich als mitglied des Römischen 8enat4gi^.
Der rang des ifdustris war das praedicat der höchsten hof-
chargen, musste aber eine selbstverständliche folge des pa-
triciats sein. Dieses letztere, eine rein titnläre würde, aber
die höchste, welche sogar der väterlichen gewalt enthob®,
sollte nach einer Verordnung Zenons (cod. lusti/n, xn 3, 37
nicht vor dem consulat oder vor vollendeter amtsverwaltung
einer der höchsten hofchargen ertheilt werden : Symmachns
konnte bei antritt oder niederlegung des consulats zum por
tricius ernannt worden sein''. Doch hat Symm. wohl auf
den titel vir inl, noch ein besonderes anrocht. Jenen hof-
chargen, auf die ich bezug nahm, d. h. den praefecti prae-
torio und magistri militum, denen in Theoderichs zeit wohl
auch die mag, officiorum beizuzählen sind, stand ein städti-
scher beamter an rang gleich, der praefedus urU^. Und
dass Symm. dieses amt unter Theoderich einmal verwaltet
hat, wird zur gewissheit durch ein rescript des königs (Cass.
var. u 1 4), wodurch er angewiesen wird den Romulus wegen
misshandlung seines vaters vor 'sein gericht' ^ zu ziehen.
Mancher wird geneigt sein noch einen zweiten erlass
.{vor. IV 6), wonach S. den söhnen eines Yalerianus v. sp,
aus Syrakus den aofenthalt in Rom behufs ihrer Studien ge-
statten soll, auf dieselbe Stellung zu beziehen. Der stadt-
praefect hat in der that die Oberaufsicht auch über die
Universität, und speciell über die führung der matrikel^®.
Aber die hochschule Roms ist zunächst dem senat unter-
stellt: diesem lag so die wähl der lehrer wie die beauf-
sichtigung der schäler ob". Festus erhält var. i 39 eine
ganz gleiche Weisung betreffs der söhne des Filagrius, u 22
wird an seine adresse ein Urlaub für die zu Rom studie-
renden söhne des Ecdicius bewilligt um am begräbniss ihres
vaters theilzunehmen. Festus aber stand seit den letzten
Jahren des v jh. an der spitze des Senats, als consul des
j. 472 und patricius. Durch ihn und unseren Symmachus
wird in der zeit von Ennodius* paraenese (oben s. 6. 10 f.)
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20
nöbüis ctiriae principattis vertreten, an sie beide werden die
jungen freunde des Ennodius als an die gegebenen leiter
ihrer Studien gewiesen ; und sie werden denselben nicht blos
muster des lebens, sondern auch instUtUores sein (p. 445),
wie Symm. ja auch t;ar. iv 51 vom könig, angeredet wird
antiquorum düigentissimus imitator, modernorvm nöbilissimus
instUiUor, Dem ^haupt des Senats' *^, dem unter dem vorsitz
des stadtpräfecten die leitung der Verhandlungen, aber natür-
lich ebenso die führung der geschäfte oblag , standen für
wichtigere stehende angelegenheiten einzelne coUegen, unter
umständen vielleicht commissionen zur seite : die Überwachung
der Universität theilte er, wie Ennodius zeigt, mit dem im
rang nächsten Senator, so natürlich dass er selbst die Ver-
antwortlichkeit trägt und die correspondenz durch seine band
geht. Das schreiben an S., von dem wir ausgiengen, setzt
daher voraus, dass durch Festus' tod Symm. an die erste
stelle gerückt war. Bei dieser festen geschäftsordnung er-
klärt sich der auffallende umstand, dass die correspondenz
des königs nicht die Instanz des präfecten durchläuft. Denn
an der thatsache selbst zweifle ich nicht. Wenn var, i 15
Festus ersucht wird das haus eines in königlichem' auftrag
an den hof der Yandalen abgereisten patriciers in seinen
schütz zu nehmen, ist jeder gedanke an die städtische prae-
fectur durch die andeutung ausgeschlossen, dass F. damals
gar kein amt bekleidete: das ist ein sicherer fall einer
immediatcorrespondenz an den ersten Senator. Ebenso schei-
nen für die besorgung und Überwachung der spiele zwei
Senatoren oder eine commission unter zwei geschäftsführem
delegiert gewesen zu sein: auch über solche angelegenheiten
correspondiert der könig unmittelbar mit den beauftragten
Senatoren (var, i 20 vgl. 33).
Weder mit dem consulat noch der praefectur trat Symm.
über den kreis der städtischen Interessen hinaus. Hofamter
hat er sicher nie gesucht und wahrscheinlich nie angenommen.
Es fehlte ihm nicht an thätigkeit als Senator; schon um
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500 ist er einer der yordersten , im lauf des folgenden
Jahrzehnts rückt er an die zweite stelle in dem hohen col-
legium. Wir sehen ihn var, iv 22 unter den fünf sena-
torischen richte rn, welche üher ihre standesgenossen Basilius
and Praetextatus zn artheilen hatten ^^ ; aach der process,
den er gemeinsam mit Festas im j. 509 '^ gegen Paulinas
anstrengte {var. i 23), muss im namen des Senats geführt
worden sein, da nähere und persönliche beziehuagen zwischen
beiden klägem schwerlich bestanden. Vollends als er (anm. 1 2)
erster des Senats geworden war, was gewiss manches jähr
vor 525 stattfand, wird seine ganze kraft in anspruch ge-
nommen gewesen sein. Denn ausser communalen angelegen-
heiten , ausser der sorge für Universität und festlichkeiten
stand dem senat in Ostgothischer zeit, wie ich anderwärts
ausgeführt habe, eine nicht unerhebliche betheiligung an
kirchlichen dingen zu. Und hier lag das eigenste gebiet
des Symmachus.
'Er war eine philosophennatur , ein modemer nach-
ahmer des alten Gato, aber über die tugenden der altvordern
hat er sich durch die reinste religiosität erhoben , so charak-
terisiert ihn jetzt Cassiodor, mit anderen werten: philo-
sophische bildojig hatte in ihm jene unwandelbare festigkeit
der lebensgrundsätze, jene hoheit und lauterkeit des Charak-
ters geschaffen, wie sie einst Cato Vticensis '^ besass nach
dem bilde, das die schullectüre des Lucanus seit dem iv jh.
in Umlauf gebracht, nur waren diese eigenschaften noch ver-
klärt durch sein christenthum. Zu diesem hohen lobe ver-
einigen sich alle schriftsteiler, die überhaupt von Symm.
reden**. Hätten sie nur, statt in phrasen Symmachus' fröm-
migkeit zu preisen, über seine rolle in den kirchlichen be-
wegungen mehr überliefert, mit der seine politische haltung
eins ist.^ Um beide zu kennzeichnen muss hier statt einer
zusammenhängenden darstellung eine kurze andeutung genügen.
Die fragen über das wesen Christi, dh. über das ver-
bältniss des sohns zum vater und zwischen der göttlichen
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22
und menschlichen natur in ihm hielten seit dem anfang des
V jh. den Orient in fortdauernder erregung und wurden gleich-
sehr mit den waffen der dialektik, der intrigue und der off-
nen gewalt durchgekämpft. Durch die gemeinsame bemühung
des kaisers Marcianus und pabsts Leo des grossen waren
auf dem concil von Chalkedon die grundzüge der katholischen
lehre festgestellt worden. Aber der monophysitischen an-
sieht blieben im Orient zahlreiche anhänger treu. Sie feierte
einen allgemeinen sieg, als im nov. 475 Basiliskos, auf
. diese partei bauend , den katholisch gesinnten kaiser Zenon
verdrängt hatte. Nach seiner Wiederherstellung Hess Zenon
durch den metropoliten von CPel Akakios sich zu jener
vermittelnden politik bestimmen, welche ihm 483 die berühmte
einigungsformel (henotikon) dictierte. Schon vorher hatte,
wie die briefe des pabsts Simplicius (468 — 483) zeigen,
die halbheit Zenons Verstimmungen bei der Römischen curie
erregt. Durch die gewaltthätigkeiten , welche die durch-
führung des henotikon namentlich in Alexandria bfegleiteten,
war bereits die Verwicklung vollkommen geworden, als Felix u
das Steuer der kirche in die band nahm (6 märz 483).
Die völkerrechtswidrige behandlung der päbstlichen gesandten
in GPel und die unbotmässigkeit des Akakios beantwortete
Felix und seine synode durch die Verfluchung des Byzanti-
nischen Patriarchen, dieser durch die tilgung von Felix'
namen in den kirchlichen diptychen. Das schisma war un-
heilbar. Zäh hielt die Komische curie an den traditionen
Leos und den bestimmungen des Ghalkedonischen concils,
deren spitzen Zenons glaubenssymbol umgieng, und verlangte
die durchführung ihres verdammungsurtheils gegen Akakios
und dessen Parteigenossen : für den Byzantinischen hof blieb
es ebenso ehrensache den patriarchen nicht fallen zu lassen.
Auch der tod des Akakios anf. 489 und Zenons 491 -ver-
mochten daran nichts zu ändern.
So lagen die dinge, als Theoderich in Italien eingerückt
war und sein reich zu gründen begann. Der wunderbare erfolg
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seiner inneren politik ist die wirkang dieser Verwicklung. D&s
lockere band der abhängigkeit, das Italien noch an den kai-
serthron im Osten knüpfte, war mit dem kirchlichen bruch
zerrissen: Theoderich trat in eine leere stelle ein, und was
wir nach erfahrungen unserer tage leicht verstehen, dem
Arianer, der Ordnung brachte und der katholischen kirche
schütz zusicherte, reichte der Römer freudig die band, die
er von dem schismatischen Byzantiner zurückzog. Die mehr-
zahl des Römischen patriciats und Senatorenstands hielt treu
zu ihrer kirche: sie und der klerus waren die pf eiler, auf
die Theoderichs staatsbau sich stützte. Aber es gab auch
in denselben kreisen eine partei, die indifferent gegen die
dogmatischen fragen den bruch mit CPel um. so mehr be-
klagte, als sie in dem dortigen kaiser das eigentliche Ober-
haupt Italiens sah und, wie ergeben sie Theoderich sein
mochte, doch zur Sicherung der Verhältnisse einen ausgleich
ebenso des königs wie des pabsts mit dem kaiser wünschen
musste. Den könig selbst nöthigte die peinliche läge gegen-
über Ostrom die guten dienste dieser partei in anspruch zu
Qehmen, und Festus (s. anm. 12) der auf die Versöhnlich-
keit des damaligen pabsts Anastasius (496 — 17 nov. 498)
rechnen durfte, gelang rasch, was Faustus vergeblich erstrebt
hatte, für die wünsche Theoderichs am kaiserhof geneigtes
ohr zu finden: er brachte die anerkennung und die kron-
insignien mit. Doch Anastasius fand er nicht mehr unter
den lebenden. Die Versprechungen, deren gewährung bei
der Römischen curie durchzusetzen Festus sich anheischig
gemacht hatte, war der presbyter Laurentius bereit zu er-
füllen. Die orthodoxe partei erwählte den Sarden Caelius
Symmachns. So standen zwei gegenpäbste gegenüber: der
klerus, der senat und die vom adel abhängige menge trennte
sich in zwei feindliche lager. Mit allen mittein wurde ge-
stritten, den Vertretern des Laurentius gelang es den gegen-
pabst, den Theoderich offenbar schützte, in anklagezustand
zu versetzen. Aber auch damit, dass die Italischen bischöfe
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in der synodus palmaris vom 23 oct. 501 es feierlich ab-
lehnten über ihren obersten bischof zu richten, dass die
bischöfe Galliens ihr gewicht für Symmachos in die wage
legten and Ennodias seine beredte vertheidigang jener synode
yeröfPentlichte, war ein streit noch nicht erledigt, der reiche
nahrang in dem gegensatz der rechtgläabigen kirche zur
haeretischen, des Römerthums gegen Byzanz fand* Gerade
jetzt erst nahm Laarentias offen die kirchliche yerwaltang
in die band, und jähre lang wnrde nun die stadt des h. Pe-
tras darch mörderische strassenkämpfe in schrecken gehalten.
Erst im j. 506, etwa im September", ist Rom wieder rahig
and Symmachas in gesichertem besitz des stahls; ein ener-
gisches edict Theoderichs an Festas hatte dem anerträg-
lichen zustand ein ende gemacht und Laurentius bewogen
zu entsi^en.
Das pabstbuch gewährt nur eiiien dürftigen einblick
in die parteiverhältnisse der damaligen patricier '*'. Das ge-
gebne haupt derjenigen, die für Laurentius eintraten, war
Festus cons. 472, damals an der spitze des Senats und
darum von einem einflusse, der den zur gleichen partei ger
hörigen Verfasser eines vor 518 abgeschlossenen pabstbuchs
wohl berechtigte zu sagen**, dass von pabst Symmachus
der ^erlesenere' theil des Senats sich fem gehalten habe *® ;
an Festus' seite stand Probinus cons. 489, der vom anfang
des kämpf s an alle officiellen schritte mit jenem gemeinsam
that. Auf der gegnerischen seite wird nur Faustus ex cons.
hervorgehoben, offenbar der uns bereits (anm. 12) be-
*) Lib. pont. 62, 78 eodem tempore (nach der synode von 601)
Festus Caput senatus ex cons. et Probinus eie cons. coeperunt pu-
gnare cum aliis sentUoribus et maxime cum Fausto ex cons,, et cos-
des et homiddiä in clero ex invidia ßebant solus autem
Faustus ex cons, pro ecclesia pugnabat, tJber Festus und Probinus
8. ebd. vorher 77.
♦*) clerus ergo et senatus eleetior qui consortium vitaverat
Symmachi usw.
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kannte cons. 483, nicht von 490 *®. Aber von anderer seite ler-
nen wir noch einen gewichtigen freund und Schützer des pabsts
Symmachus kennen. Das schreiben, das Alcimus Avitns von
Yienne im namen der Gallischen bischöfe an den senat rich-
tete , nm ihn zn beschwören, den beschlüssen der synodus
palmaris sich zu fügen (cp. 3l), ist an die hervorragend-
sten Parteigenossen, an die Senatoren Faustus und Sym-
machus gerichtet. Damit hat Symm. gerühmte frömmig-
keit und Charakterfestigkeit ihre bestimmte färbe gewonnen.
Indem nun Cass. von dem charakter des Symm. zu
seinen geistigen eigenthümlichkeiten und Verdiensten über-
geht, fasst er ebenso wie in den folgenden abschnitten zuerst
die beredsamkeit ins äuge, in der er, wie bekc^nnt, nicht
müde wird die höchste blüthe der bildung zu preisen. Ein
allgemeines prädicat hat der epitomator uns vorenthalten;
wir dürfen (s. unten s. 27) diese lücke aus Priscian ergänzen, der
statt eines höfischen cdsitudo oder magnificentia vestra für
Symmachus die neue aber, wie ihm scheint, ehrenvollere an-
rede sapiens eloquentia vestra ersonnen hat. Lehrreicher je-
doch als ein solches prädicat uns sein könnte, ist die angäbe
einer senatsrede, durch welche Symm. sich ausgezeichnet
hatte, pro äl(l)ecticiis (z. 9). Obwohl ich dies wort sonsther
nicht nachweisen kann, wird doch die Originalität desselben
sich kaum beanstanden lassen; es ist richtig gebildet um die
adlecti als stand zu bezeichnen. Die ertheilung von titular-
würden, welche zum eintritt in den senat mit bestimmtem
rang berechtigten, war ein kaiserliches vorrecht^^, dessen,
wie die menschen nun einmal waren und sind, damals keine
regierung sich begeben konnte. Als Theoderich im j. 493
von den Gothen als könig von Italien proclamiert war, musste
auch dieses recht des königs genauer festgestellt werden.
Aber Symmachus' rede sprach nicht de sondern pro aUecticiis,
Das weist uns in die zeit, wo mit der anerkennung Theo-
derichs durch den senat (vielleicht schon um 490) auch die
weitere consequenz gegeben war, die verfugungen Odoakers
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für ungiltig zu erklären. Da hatte Symmachus gelegenheit
zum schütz der durch die willkür eines edicts in den senat
versetzten coUegen aufzutreten.
Cass. muss hiernach von den wissenschaftlichen Studien
des Symm. geredet haben. Was er sagen konnte , klingt
uns aus andrer mund reichlich entgegen. Gleichmässig be-
herrschte er wie die heimische so die Griechische litteratur,
auch die wissenschaftliche^^. Seine kirchlichkeit hinderte ihn
offenbar ebensowenig als Cassiodorius, den weltlichen Studien
rege und aufrichtige theilnahme entgegen zu bringen : anders
als Ennodius, der seines bisthums einigermassen sicher plötz-
lich nicht mehr zu weltlicher Wissenschaft zurückkehren
mag "^. Wie geeignet gerade Symmachus war über der Rö-
mischen Universität zu wachen, brauchen wir nicht erst von
Ennodius uns sagen zu lassen ^^. Ein vollwichtigerer zeuge
ist Boethius. Er hat ihm und einem andern, den unsre hss.
nicht nennen ^^, vermuthlich dem diaconus lohann.es, den ersten
theologischen tractat de trimtate gewidmet : es kommt vom
herzen und wird durch anderweitige äusserungen des Boethius
bestätigt, wenn er zu diesen sagt"" wohin immer ich meine
äugen von euch weg wende, begegnet mir theils träge denk-
faulheit theils verschlagner neid\ Auch die bearbeitung von
Nikomachus' arithmetik hat er Symmachus gewidmet, der
allein ihm dieser gäbe werth schien; seine hochachtung vor
des Schwiegervaters gelehrsamkeit und urtheil ist so gross,
dass er ihm nur innerlich und äusserlich vollendetes vorzu-
legen wagt (p. 5 , 6 ff. Friedl.). Bereits als berühmter
mann besuchte Symmachus CPel, also wohl gegen ende des
ersten oder im zweiten Jahrzehnt des vi jh. und offenbar
als gesandter seines königs, obwohl wir sonst davon nichts
hören: auch bei dieser gelegenheit trat sein bedürfniss her-
- *) p. 150 Peip. qmcimque igitwr a vohis deieei ocülos, partim
ignava segnities partim edäidus livor occurrit vgl. de divis, p. 539,
81 B. in top. p. 292. 333 Or.
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vor, mit wissenschaftlich thätigeü männern za verkehren, sich
von ihnen belehren zu lassen nnd sie selbst zu arbeiten an-
zuregen. Mit gutem blick fand er unter den Byzantinischen
Professoren den mann heraus, in dem seit dem rv jh. zum
ersten und letzten mal eine gewisse selbstthätigkeit wissen-
schaftlicher arbeit hervortritt, den grammatiker Priscianus.
Denn es kann kein zweifei sein, dass der Symmachus, dem
Priscian die drei monographien de figuris ntimerorum, de me-
tris Temntii und die praeexercUamenta widmet, kein andrer
als der unsrige ist^*^. Zug für zug des bildes, das sich
aus Priscians widmung ergibt, passt auf ihn, das gesammte
nur auf ihn. Einer der hervorragendsten patricier Roms, durch
gelehrte bildung, durch kirchlichen sinn und gerechtigkeit
ausgezeichnet, ist er lange schon durch den ruf zu CPel be-
kannt; da kommt er selbst und zeigt, dass der ruf nicht
vergrössert hatte; die tiefe bescheidenheit die man an ihm
wahrnahm, erhob ihn weit über das ganze Byzantinische
patricierthum ^^. Von einem solchen mann gefragt zu wer-
den ist für Priscian glück und ehre, auch aus der ferne
wünscht er von ihm weitere fragen gestellt zu erhalten. Auf
den wünsch desselben, der für ihn gebot war (sictU iussisti),
verfasste er die schrift de figuris num,<, die beiden andern
fügte er zur abrundung des bändchens bei; doch hätte zur
dritten, einer bearbeitung von Hermogenes^ progymnasmata
Priscian für sich keinen anlass gehabt; gespräche über die
methode des rhetorischen Unterrichts werden ihn dazu be-
stimmt haben den Italikem das handbuch zugänglich zu
machen, das in Byzanz schon fast veraltet war und bald
durch Aphthonios verdrängt worden sein muss. Die schluss-
wendung Pricians ist ebenso charakteristisch für seine wie
des gönners bestrebungen : 'mögen Sie* sagt er*^ %ei Ihren
♦) in Keils gr, lat, m p. 405, 17 (petimus ut , . ,) Bomano-
rum diligentiam vestrorum ad artes suorum äUusriorem reddatis
auctorunif quibus sölis ceteras cum Grais gentes superässe noscuntur,
quarum decus et mummen industria vestri nititur culminis.
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Römern lebhafteres Interesse für die kunst ihrer nationalen
schriftsteiler wieder beleben : die pflege und Sicherung dieser
litteratur beruht auf den bemühungen Ew. excellenz'.
Das sind keine phrasen. Seit 0. Jahns lichtbringender
abhandlung über die subscriptionen überschauen wir, wie
seit dem ly jh. die ersten familien des Eömischen adeis im
kämpf erst gegen das christenthum, dann gegen das deutsche
element die erhaltung und Verbreitung der nationalen littera-
tur als ihr eignes bollwerk behandelten. Der kreis unseres
Symmachus hat dem mittelalter die Überlieferung classischer
bildung gesichert. Ja wie Q. Aurelius Symmachus, der be-
rühmte redner und vorfechter des heidnischen cultus,. mit
seinen angehörigen und gelehrten gehilfen lesbare exemplare
von Livius' ganzem geschichtswerk herzustellen bemüht war*^,
so sehen wir den urenkel in gleichartiger thätigkeit. Zu
Macrobius' schrift über das somnium Sdpionis ist die sub-
scription überliefert Äurelius Memmius Symmachus v, e, emen-
däbam vel disting(ueham) meum (näml. exemplum) Bavennae
cum Macröbio Plotino Eudoxio v. c,^^ Auch dieser nach-
komme des Macrobius Theodosius ist also einer der vor-
nehmen emendatoren, deren wir aus dieser zeit so manche
kennen ; die im lauf des iv jh. erwachten litterarischen Inter-
essen waren in diesen familien treu fortgepflanzt worden.
Wenn übrigens der grammatiker der guten alten zeit zu-
gleich bekannte werke von classikem und noch unedierte
versuche angehender dichter seiner feile unterwarf, so erwar-
tet Boethius von Symmachus auch, dass er in seiner arith-
metik ^überschüssiges tilgen, lücken ausfüllen, irrthümer
tadeln, gelungenes durch beifall belohnen werde**: die bei-
den letzteren wünsche beziehen sich auf kritische zeichen.
Von dieser grammatischen thätigkeit, die sich weiter
als auf Macrobius erstreckt haben wird, schweigt unser excerpt,
obwohl sie sicher Cassiodorius nicht minder hochgestellt hat
als die Zeitgenossen. Aber dass grade hier eilfertig zusam-
mengedrängt worden ist, zeigt das gedankenlos stehen ge-
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lassene qtwqtie z. 10, das nicht auf die beredsamkeit allein
zurückbezogen werden kann, so verhängnissyoU auch für den
Stil dieser zeit das muster des älteren Symmachus gewesen
ist: dem yorbild seiner ahnen ist S. auch darin gefolgt,
dass er eine Eö mische ge schichte in sieben büchern
herausgegeben hat\ Dies werk ist nicht spurlos verschollen.
In lordanis^ buch über die Gothen kommt ein langes frag-
ment vor c. 15 über die Vorgeschichte des kaisers Maxi-
minus, eingeleitet durch die worte ut dicU Symmachus in
quinto suae historiae libro. Die frage, welcher Symm. hier
gemeint sei*®, wird durch unser excerpt entschieden. In
einer summarischen geschichte Roms von dem angegebnen
umfang musste die thronbesteigung Maximins (denn an diesem
punkt angelangt holte der verf. aus) dem y buch zufallen.
Man hat bemerkt, dass diese erzählung zum theil wörtlich
auf lulius Capitolinus zurückgeht *^ : Cassiodor hatte sie wohl
nur in der absieht eingeschaltet, dem angesehenen Verfasser
eine huldigung darzubringen.
Seinen ahnen soll S. mit dieser arbeit nachgeeifert haben.
Von dem redner Symmachus sind historische Schriften nicht
bekannt und kaum wahrscheinlich. Aber grade in der zeit
dieses , des gefeiertsten ahnen desselben namens , schlössen
sich die durch gleichen eifer für cultur und cultus des alter-
thums verbundenen häuser der Symmachi und Nicomachi durch
wechselheirath eng zusammen. Der jüngere Nicomachus Fla-
vianus vermählte sich mit einer tochter des Symmachus, und
des letzteren söhn Q. Fabius Memmius Symmachus heirathete
eine enkelin des älteren Nicomachus Flavianus, also wohl
eine nichte seines Schwagers*^. Vielleicht das zierlichste
kunstwerk jener zeit, das diptychon der abtei Montier** ist
ein denkmal dieses engen familienbunds. Seitdem steht an
der spitze der familie neben dem redner Symmachus der
ältere Vibivs Nicomachvs Flavianvs (cons. und gestorben 394),
der vater von Symmachus' Schwiegersohn, der uns durch
Giamb. de Eossi's meisterhafte behandlung der Inschrift vom
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j. 431 und durch das yon Delisle wieder entdeckte christ-
liche Bchmähgedicht näher gerückt ist ^^. Es ist nicht nöthig
hier auf die laufbahn und bestrebungen des manns einzugehn,
die in neuerer zeit zur genüge erörtert worden sind ®^. Aber
seine schriftstellerische thätigkeit geht uns an. Denn er ist
derjenige ahne, der unserem Symm. das vorbild der gescliicht-
Schreibung gab. In einer Inschrift, die schon 1617 in der
villa Casali, der statte des Symmacherhauses gefunden ward,
weiht der söhn des redners Symmachus seinem grossschwieger-
vater historico disertissimo eine bildsäule^*, und der kaiser-
liche erlass vom j. 431 , der den von Theodosius 394 ge-
ächteten nachträglich wieder in seine ehren einsetzte, be-
zeugt dass Theodosius von Flavianus die widmung von annales
angenommen hatte*.
Anmebeungen 1 (s. 18) lieber Symmachus s. Sirmond zu
Ennod. ep, vn 25 p. 35 f. und A. Mai de Symmachorum gente n. 5
in seiner ausgäbe von Iuris civilis Änteiustin, reliquiae ineditae (Rom
1823) p. XLiii ff. Irrig nahm Sirmond den in briefen des pabsts
Hormisda vom j. 519 und 520 (bei Thiel, epistojae Born, ponti^cum
genuinae t. i p. 868. 926) erwähnten Symmachus für den unsrigen;
er war als gesandter des Byzantinischen hofs zji Rom anwesend im
j. 519 nach Cassiod. chron. p. 659 (ausg. Mommsens in den abhandl.
der Leipz. gesellsch. viu); das richtige hat schon Mai p. Lni.
2 (s. 18) In der Überschrift der arithmetik scheint S. nur als
V, c. und patricius bezeichnet zu sein ; bei Cassiodorius in der adresse
«. tnl. Patricias {var, iv 6) oder blos paAricius (n 14), sonst iUttstris
magnificentia tua rv 6 oder magnificus vir atgue patricius 1 23, rv 22.
3 (s. 18) Ausser den in Beckers alterthümem, bei Sirmond zu
Sidonius Apoll, ep. vin 6 not. p. 83 f. und Manso, gesch. des
Ostgoth. reiches s. 373 f. angeführten belegen vgl. Ennodius apolog.
*) Z. 19 cuius (des Theod.) in cum (den Flavianus) effusa beni-
voUntia et usque ad anncUium, quos consecrari sibi a quaestore et
praefecto suo voluity (hier ist vom Steinmetzen ein wort vergessen,
schwerlich Volumen wie de Rossi p. 348 meint, eher tiestimationem
oder dignationem) provecta exdtavit livorem inprohorum.
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p. S56 und cod, lustin. xn S, 2 — 4 (aufläge von 100 pfund gold
zur Unterhaltung der Wasserleitung).
4 (s. 18) lustinian im cod, xn 3, 5 nemo mim faciU respexU
fiUum familias in patriciatus honorem provectum, quemadmodum in
consulibus haec res usitata est. Orestes wird auf dem Mailänder
diptychon (Gori 2, 87 ff. taf. xvn) nur v. c. et inl. cons. ord. titu-
liert, hatte also schwerlich schon ein andres amt verwaltet; vgl.
auch den angenannten consulknaben eines anderen Mailänder di-
ptychon (Gori 2, 105 ff. taf. xvra).
5 (s. 19) Den titel vir clarissimus trägt regelmässig der consul
ord. in den kaiserlichen erlassen und den inschriften späterer zeit;
ebenso ist er dem Senator eigen (vgl. Gothofredus zum cod. Theod.
t. n p. 4 Ritt, und E. Kuhn, städt. und bürgerl. verf. des Rom.
reichs 1, 182). Die thatsache dass v. cl. häufig neben den höheren
rangstufen des v. spect. und inl. festgehalten wird, hat schon Böcking
zur notitia dign. mehrfach constatiert, zb. zu not. occ. p. 176 f.,
ohne eine erklärung zu versuchen; nicht ganz klar spricht sich Kuhn
ao. 1, 187 darüber aus. Nie wird meines wissens «. spect. nach er-
langtem inl. im titel fortgeführt. Das clarissimat muss also seine
besondere bedeutung haben, und diese liegt darin, dass es die mit-
gliedschaft des Römischen Senats auszudrücken bestimmt ist.
6 (s. 19) Nach einem decret lustinians cod. xii 3, 5: aber
ebenso unter Theoderich nach Cassiod. vor. vi 2.
7 (s. 19) Der fall, dass das patent des patriciats gleichzeitig
mit der emennung zum consul eingehändigt wurde, mag bei Boethius'
vater eingetreten sein. Denn wenn dessen titulatur auf dem con-
sulardiptychon von Brescia (bei Gori 1, 132 ff. taf. iv. v) als ein-
ziger ausnähme von der oben s. 16 anm. 13 besprochenen regel mit
COHSOBDBTPATBIO schliesst, SO muss er, falls nicht blosse nachläs-
sigkeit des graveurs die Ursache sein sollte, gleichzeitig consul und
patricius geworden sein.
8 (s. 19) Edict von 372 im cod. Theod. vi 7, 1 {lusU xn 4, 1)
Praefectum urhis, praefectum praetorio, magistros equitum peditum
indiscretae dwimus dignitatis. üeber die spätere Steigerung der
würde des mag. off. s. Kuhn ao. 1, 187.
9 (s. 19) Ueber den praef. urU als oberste städtische gerichts-
behörde s. v. Bethmann-Hollweg, Rom. civilprocess 3, 59 ff.
10 (8. 19) Cod. Theod. xrv 9, 1.
11 (s. 19) Manso, verm. abhandlungen s. 78 f. Kuhn ao. 1,
96. vgl. besonders Cass. vor. ix 21.
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12 (s. 20) Captd seruxH (so zweimal die exe, Vdles, p. 294, 15 und
304, 8 in GardthauseiisAininianiis) würde in der Ostgothenzeit als alters-
praesident genommen werden können, insofern derselbe regelmässig
der älteste cons. ord. zu sein pflegt: so in den mir bekannten fällen
Festus cons. 472 als *caput senatus' bezeugt für die zeit von 501 — 506
(die begründung dieses zeitansatzes moss ich andrem Zusammenhang
vorbehalten) durch das pabstbnch, ob. s. 24; unser Symmachus cons.
485 für 524. 525 durch exe. Vai, 92; (Avienus cons. 501 steht an der
spitze der Senatoren, an welche der brief lohannes' n vom j. 534 ge-
richtet ist, bei Mansi conc- viii 803, aber er ist von Eom abwesend
und kann daher hier nicht in betracht kommen) ; Cethegus cons. 504
für das j. 546 durch Prokopius oben s. 14 anm. 6. Aber der anci-
ennitätsrang ist ein product mehrfacher bedingungen, unter denen
ausser dem consulat vornehmlich die patricierwürde (s. cod. Ittst,
xn 3, 1), dann auch wohl die höheren hofchargen zählen. So sind
die bei der bestimmung des Senatsvorstands befolgten normen, welche
Mommsen Eöm. forsch, i 92 ff. und Rhein, mus. xix 455 f. für die
republicanische zeit nachgewiesen hat, auch unter den ganz verän-
derten Verhältnissen der nachconstantinischen zeit wesentlich die
gleichen geblieben.
Aber ein fall scheint dem hier aufgestellten entgegen zu stehn.
Im j. 490 gieng als abgesandter des Theoderich ein hochgestellter
Römer Faustus an den Byzantinischen hof nach exe, Val, 53. 57,
nach der ersten stelle p. 294, 15 damals eaput sentxti. Auf Anicius
Acilius Glabrio Faustus, den aus den Senatsverhandlungen über die
reception des Theodosischen gesetzbuchs bekannten cons. von 438
kann niemand verfallen, da dieser vor seinem consulat die städtische
praefedtur schon dreimal verwaltet hatte. Jener gesandte kann also
nur der consul des j. 483 sein. Wäre er wirklich senatsvorsteher
gewesen, so würde der patricier Festus cons. 472 unter ihm gestan-
den haben. Allein jener Faustus war, wie wir durch die briefe des
Gelasius (n. 10 bei Thiel ep, pontif, i p. 341 ad Fatistum magistrum,
genauer in dem citat bei Ivo xiv 61 vgl. Mansi eanc. YUi 132*^
Fausto magistro müitiae, und im text von n. 12 p. 349 Th. Fatistus
magüter) erfahren, damals als er nach Byzanz abgesandt wurde,
magister müttutn, also gar nicht in der läge die Senatsgeschäfte zu
leiten. Erst seitdem die hsliche grundlage jener excerpte bekannt
geworden ist, lässt sich das räthsel lösen: überliefert ist Festum
captU senatif nicht Faustum, der anonymus hat also die zweite ge-
«andtschaft des j. 497 bis 498, welcher wirklich 'Festus caput sen,'
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vorstand (exe. Val. 64 Theophanes p. 220, 11 ff. Theod. lect. n 16
p. 574 Keading vgl. Thiel ep. pont, i 628), mit der ersten von 490 ff.
verwechselt; wer emendieren will, streiche auch caput senati,
13 (s. 21) lieber den gerichtsstand der Senatoren s. Bethman-
HoUweg ao. 3, 60 f. 187.
14 (s. 21) Die zeit bestimmt sich dadurch, dass dieselben
Senatoren Caelianus und Agapitus, denen dieser process zugewiesen
wird, nach var. I 27 auch zu richtern über die ungebühr, welche
sich der patricius Theodorus (cons. 505) und der damalige consul,
d. h. der von 509, Importunus gegen eine circuspartei erlaubt
hatten, bestellt werden: der stadtpraefect Speciosus hat dafür zu
sorgen, dass letztere vor jene richter gezogen werden.
15 (s. 21) Gleich dieser satz enthält sichtlich Cassiodorische
denk- und ausdrucksweise, vgl. in den von C. Baudi di Vesme her-
ausgegebenen panegyrischen fragmenten (memorie d. f. acad, di
Torino ser. n t. vni) p. 183 Quid Catonem repetam disciplinarum
libros moribus transeuntem? ebd. Sed tantum est praesentis boni
pniblici decicst ut fdiciter maiores suos inumbret fortunata successio
et posteritati libenter cedant qui suis saeculis omnia humana trän-
scenderant und 184 die begründung dieses Vorzugs durch die religion,
zum schluss veniat nunc vetiistas ad medium et si audet^ prudentiam
sibi cum nostris vindicet [vincet diehs.], quaedivina nesdvit: unver-
bessert hat der hg. noch manches gelassen, so sehr. 185 z. 5 audeant
st. atMiianty z. 10 Bepetitio nisi explicabilis (vgl. Boethius consol.
pMlos, I 4 ineacplicaMlis indicta coemptio) non tenet debitorem: im-
mensa semper äbsölvunt, 187 z. 1 quando Hie inter virgines delicatas
occuUa[tits et formo8]as, z. 5 sine magno dedecore pudoriSy 10 equum
tibi gregarium eligis decenter aptare, 11 quia poterant ei (st. et)
reperiri similes ua. Beliebt ist noveUus in jener zeit vgl. var. i 2 am
ende, institt, p. 533», 535^ Ennodius p. 414 usf.; transcendere so
auch ausser obigem fragm. var, i 26, n 2. Den alten Cato hört
man oft nennen, Cass. var, ii 3 fuit quidam nostrorum temporum
Cato, qui äbstinendo vitiis alios formaret exemplis, i 27 ad circum
nescimit convenire CatoneSy und schon Prudentius c. Symm, i 545
pefisteph. n 446. An welchen Cato dabei gedacht wird, ist nicht
immer leicht zu sagen; aber Cass. schwebt in der vorliegenden so
gut wie in den angeführten stellen nicht der censor sondern der
Stoiker vor. Schon Salvianus de gubern, dei vn 23 p. 182 Bai.
uxorem enim suam älteri viro tradidit (Sokrates), sdlicet sicut etiam
Eomanus Cato id est älius Itäliae Socrates kennt die heirathen der
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Marcia aiis seiner schnUectore des Lucanns n 826 ff., die im eingang
eines epitaphs bei Ennodias epg. 13 lue fuü rigidi semper servcUor
honesti (Luc. n 389) wörtlich widerklingt, vgL Boeth. cons. iv 6 p. 112.
16 (s. 21) Boethius eons, phü. i 4 socer etiam sanctus et aeque
ae tu (Philosophia) ipse reverendus und zur illustration des virphUo-
8ophu8 z. 7 ebd. n 4 pretiosissimum generis humani deeus Symmachus
soeer, ... vir totus ex sapientia virtutibusque f actus; ausserdem s.
die oben s. 26 f. besprochnen Widmungen, Cass. var, lY 51 mores tuos
fabricM (bauten) loquuntWy quia nemo in iüis düigens agnoscitur,
nisi qui et in suis sensibus omatissimus invenitur, Ennod. ep. vn 25
paraen, p. 445, Prokop. b. Groth. i 1 t. n p. 11, pabstbuch 54, 88.
17 (s. 24) Der beweis dafür liegt in dem revers, den ein
schismatischer, nun nach der vollen restitution des Symmachus in
den schooss der kirche zurückkehrender diaoonus ausstellt suh die XIV
Ml, oct. Fl, Messcda t?. c. consule (Thiel i 697). Im übrigemnag der
leser auf F. Dahn, könige der Germanen m 208 ff. hingewiesen sein.
18 (s. 24) Dies für die geschichte des schisma trotz seiner
offnen Parteinahme wichtigste, weil zeitgenössische denkmal ist durch
eine Veroneser hs. des vni jh. (s. Reifferscheid, bibl. patr. 1, 90)
erhalten, und bis jetzt am zuverlässigsten in Blanchini's Anastasius
IT p. Lxix ediert. Die von den hg. gelassenen lücken lassen sich
mit Sicherheit ergänzen: ad comitatum convo[eavit] rationem [de
sanctae] festivitatis dissonaniia redditurtim (von Dahn ao. in 214, 4
unrichtig behandelt); ne [saecu]l[ariu]m Symmachus [papa] audientiae
subderetufr (übel gedeutet von Hefele, concilieng. 2, 619); sed moros epir
scopi n[ecte]ntes cum viderent; endlich, patricio F[esto] praecepta dirigit.
19 (s. 25) Widerspruchslose Sicherheit des urtheils wird sich
freilich erst gewinnen lassen^ wenn es gelingt die verschiednen Fausti
der zeit auseinanderzuhalten; für solche ^Untersuchungen ist der man-
gel einer kritischen ausgäbe bes. der variae ein peinliches hemmniss.
Aber in unserem fall ist doch, wie mir scheint, jeder zweifei durch
Avitus' adresse der ep. 31 Fausto et Symmacho senatoribus urbis
ausgeschlossen: wie die etikette verlangt, ist die anciennität in der
reihenfolge der cons. von 483 und 485 genau; in diesem Faustus
aber einen andern zu suchen als den aus dem pabstbuch bekannten
kämpen für pabst Symm. wäre widersinnig.
20 (s. 25) Vgl. Kuhn ao. i 210 f. und besonders Mommsen,
Rom. Staatsrecht n 877 ff.
21 (s. 26) Vgl. Boethius' widmung der arithmetik, bes. p. 4,
25 Friedlein tu utrarumque periUssimus litterarum.
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35
22 (s. 26) Ennod. ejp. ix 9 properantes ad se de dimpUnis saecu-
2art5ti5 saiutis opifex non refutat, sed ire ad iUas quemquam de 8uo
nitore non patitwr vgl. ix 1 post Musarum castra et inanes aetate
noatra cantüenas,
23 (s. 26) Enn. in der paraenese p. 445 patricii Festtts et
Symmaehus, omnium disciplinarum materia et constantes (l. comtantis)
forma sapientiae usf.
24 (s. 26) Das durchgeführte vo8 der anrede zeigt, verglichen
mit der widmung der arithmetik, dass nicht Symmachus allein (s.
oben 8. 15, 12) angeredet wird. Keinen werth kann ich auf die
wenig genaue angäbe des Catal. des bibl. des departements i p. 107
legen, dass in einer hs. zu Laon (n. 123 s. xrv) Boetii de trinitate
ad lohannem papam et Symaeum stehe; ebensowenig auf den titel
ad loannem diaconum (Aquüeiensem oder ecclesiae Bomanae), der in
einigen hss. vorkommen soll (Schenkl in den abschn. iv anm. 1 ge-
nannten verhandl. s. 79, 11). Die schrift de syU. hyp, ist von Rota
ad Symmachum überschrieben, ohne hsliche gewähr und Wahrschein-
lichkeit.
25 (s. 27) So hat schon Mai p. XLiv und 0. Jahn ber. der
Sachs, ges. 1851 p. 358 geurtheilt; nur dass Mai ins blaue hinein
räth: in demselben athem trägt er den groben irrthum vor, Pr.
könne vielleicht den Byzantinischen gesandten von 519 (s. anm. 1)
anreden. Nur M. Hertz in der vorrede zu Prise, p. vii anm. 6
zweifelt, aber ohne angäbe eines grundes.
26 (s. 27) p. 405, 7 mediocritatis enim altissimae, qtm swper-
biae calcas tumoreSt et pietatis ponderibus gravissimis superas omnia.
Nach dem Zusammenhang erwartete man famam statt omnia: durch
die wähl grade dieses worts erzielt Pr. eine pointe, deren verhüll-
ter sinn nur der oben angedeutete sein kann.
27 (s. 28) 0. Jahn ao. 335 ff. vgl. Symm. ep. ix 13 munus
totius Liviani operis quod spopondi etiam ntmc diligentia emenda-
tionis moratur,
28 (s. 28) 0. Jahn 347 f. Es ist kein zufall, wenn Boethius
schon früh eine aus eigner lectüre gewonnene kenntniss dieser schrift
verräth in Porph, diäl. i p. 10, 35 (vgl. Macr. in somn. i 5, 4 ff.).
29 (s. 28) arithm. p. 5, 13 non igitur ambigo quin pro tua
in me henevolentia supervacua reseces, Mantia suppleas, errata repre-
hendaSf commode dieta mvra animi älacritate smcipias; fast gleich-
lautend in einer Zuschrift an Patricius in top, p. 333, 38 Or. quaeso
igitur extremam nostro operi manum communis negotii Studiosus im-
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36
ponas, äbundantia reseces, hiantia suppleas, errata r^ehendas, eis
postremo nostri lahoris tuaeque adhortationis assertor.
30 (s. 29) An den redner Symmachus denken zweifelnd Vos-
sius hist, lat, p. 724 (Leiden 1651), A. Mai ao. p. LVin f. ua.
31 (s. 29) V. Sybel, de fontibus lordanis (Berl. 1838) p. 17.
32 (s. 29) Borghesi annali 1849 b. 21, 360 f. oeiwres 8, 197 f.
33 (s. 29) Das diptychon ist erhalten als bekleidung eines
reliquienkästchens, hsg. von Martene und Durand, Voyage litt, de
deux religieux Benedictins 1, 98 und Gori 1, 203 ff. taf. vi. Die eine
Seite mit Nieomachorum bezieht sich, wie die pinie mit den cymbala
lehrt, auf den cult der mater Idaea (vgl. die anm. 34 angeführten
invectiven v. 65. 76 f. 103 ff.), die andre mit Symmachorum stellt
wahrscheinlich ein opfer an luppiter Capitolinus dar. Dass das
diptychon für eine jener hochzeiten bestimmt war, ist auch Borghesi
ao. nicht entgangen.
34 (s. 30) de Kossi annali 1849 b. 21, 290 ff. üeber die gegen
Flavianus gerichteten invectiven s. Ch. Morel revue a/rchkU. 1868 t.
VI 451 ff. vn 44 ff., zuletzt Mommsen im Hermes rv 350 ff. Eine
kleine nachlese von Verbesserungen möge hier platz finden: v. 13
haec si (so die hs.) monstra placent, nüHast sacrata pudiea; 15 eeguis-
nam supplex vener atur (viell. conjunctiv) templa tyranni-, der witz
von 19 — 24 ist durch Verstellung von v. 23 vernichtet, sehr. Plan-
gitur in templis iuvenis formonsus Ädonis: Nuda Ventis defletj gaudet
Mavortim heros: Convenit his ducibus, proeeres, sperare sälutem?
luppiter in medium nescit finire quereUas lurgantesque deos stimulat
BeUona flageUo : Sacratis vestris liceat eonponerelites? S7 husti puten^
tihus wird richtig sein, es sind die faulenden fleischstücke aus dem
grabe, verächtlich für exta; 47 qui hibernum docuit sub terra quae-
rere solem mit sichtlicher beziehung auf den Mithrascult; 63 amhie-
ras; 73 nothwendig cymbala quem iwibuerat quatere Berecyntia mater;
96 quid, miserande (so die hs., vgl. v. 111), Ceres, sübrepta Proserpina
matri; 120 inferiis, •
35 (s. 30) Ygl. ausser den anm. 34 genannten arbeiten noch
V. Jan zu Macr. i p. xxvi f. 0. Jahn ao. 336.
36 (s. 30) de Bossi ann. 21, 291.
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37
in BOETHIVS (z. 12 — 19)
Die zweite persönlichkeit, von welcher das excerpt redet,
erlaubt und nöthigt uns kürzer zu sein. Anioiys Manlivs
Seveeuivs Boethivs * (dies ist die durch die hss. einstimmig
bezeugte reihe ^ seiner namen) steht in hellem licht der ge-
schichte; der dünne nebel der sage, der wohl früher diese
gestalt yerschleierte , ist längst zerronnen. Unsere aufgäbe
kann nur sein, zu dem bekannten beitrage und berichtigungen
zu geben, obschon heutiges tags Boethius mehr genannt
als gekannt ist. Indess sein trost der philosophie' wird so
lange man noch lateinisch liest, stille freunde behalten, die
darin herzstärkende erbauung finden. Die übrigen Schriften
fallen fachstudien zu, doch ist ein theil, die theologischen
und mathematischen nach langer Vernachlässigung jetzt zu-
gänglicher geworden, und dem wichtigeren rest, den logischen
wird hoffentlich die akademie unter den Aristotelescommen-
taren eine stelle einräumen.
Die familie der Boethu, eine linie des hohen und viel-
verzweigten hauses der Anicu * tritt zuerst um die mitte des
V jh. unter Valentinian iii hervor, um dann drei generatio-
nen hindurch zu blühn. Unter Odoaker wurde Fl. Anicius
Manlius Boethius*, nachdem er bereits praetorischer und
zweimal städtischer praefect gewesen, zum j. 487 consul
und patricius. Es war ihm selbst nicht vergönnt seinen
söhn, unseren Boethius ins leben einzuführen. Aber das be-
freundete haus des Symmachus nahm sich des verwaisten an,
der bis zum ende mit tiefer Verehrung zu seinem Mentor
hinaufsah; aus dem pflegebefohlenen wurde durch die Ver-
mählung mit Rusticiana ein Schwiegersohn.
Wann und mit welchem amt er seine öffentliche lauf-
bahn begonnen, darüber belehrt uns die allgemeine phrase
des excerpts (z. 12) nicht. Wir wissen dass er imj. 510
ordentlicher consul, als solcher meist Boethius iunior zum
unterschied vom vater genannt, und zwar ohne collegen war.
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38
Auch das steht fest, dass er im j. 523 beim beginn seines
processes noch als magister officiorttm fungierte, dieses amt
also während der ersten indiction, sept. 522 bis aug. 523
zu verwalten hatte*. Aber von ihm selbst hören wir, dass
er würden, um welche ergraute männer oft vergeblich wer-
ben, schon in jungen jähren erlangt habe*. Yon diesen
war unstreitig die höchste das patriciat, ein titel den Boe-
thius, wie aus Ennodius (s. unten anm. 10) hervorgeht,
schon vor dem consulat führte. Bei der Verleihung des
patriciats wurde wohl patriciersöhnen gegenüber eine aus-
nähme gemacht von der oben s. 19 berührten regel, und
konnte es bei Boethius um so eher, als er vaterlos und erbe
des ganzen familienbesitzes war. Aber ohne geleistete dienste,
ohne dass B. vorher oder gleichzeitig ein höheres amt be-
kleidet, wäre auch diese ausnähme undenkbar. So wurde
Gassiodor patricius zwar vor dem consulat, aber nach Ver-
waltung der quaestur. Die in Cassiodors variae erhaltenen
schreiben Theoderichs an Boethius, die sämmtlich ihn patri-
cius titulieren, lassen uns denn auch darüber nicht im un-
klaren. Da soll B. I 10 den beschwerden der leibgarde
(domestici) abhelfen, denen der Zahlmeister (arcarius) des
' praetorischen praefects durch schlechte münze und abzüge
den sold verkürzte. Weil Oass. nach seiner art, quoniam
delectat nos secretiora huius discipUnae cum scientibus loqui,
den auftrag nicht ohne einen gelehrten excurs abgehn lassen
kann, so hat man aus dem brief die merkwürdige thatsache
herausgelesen, dass der könig den B. mit der Ordnung des
münzwesens und der regulierung von maass und gewicht' be-
auftragt habe: ich lese nichts anderes als dass B. damals
im hof dienst gestanden haben muss , vermuthlich als comes
*) cons. phü. II 3 libet enim praetervre communia, sumptcts in
adtUescentia negatas sembm dignitates, vgl. Claudian auf das consu-
lat des Probinus und Olybrius 67 primordia vestra vix paud me-
ruere senes.
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39
sacrarum largitionvm^. Ob er diese laufbahn sclion damals
weiter fortgesetzt, weiss icli nicht; an die Verwaltung des
nächst höheren hofamts , der quaestur dürfte man denken,
wenn Ennodius' werte weniger moUuskenhaft wären ^. In den
beiden andern briefen appelliert Theoderich an Boethius'
für damals ungewöhnliche Vertrautheit mit den exacten Wissen-
schaften durch auftrage, die auch wenn sie an ihn als Privat-
mann gerichtet sein sollten, doch ein im hofdienst angebahn-
tes näheres verhältniss zum könig vorauszusetzen nöthigen.
Der eine i 45 wird dadurch wichtig, dass seine zeit sich
einigermaassen bestimmen lässt. Der Bnrgunderkönig Gundo-
bad hat um eine wasser- und Sonnenuhr , zugleich um Zu-
sendung sachverständiger meister gebeten, und B. wird be-
auftragt dafür zu sorgen. Diese beziehungen zwischen dem
Burgundischen hof und Ravenna mussten schon im laufe des
j. 506 ihr ende erreichen, als Gundobad sich in jenen bund
mit Chlodovech einliess, der durch die bekriegung der West-
gothen (507) Theoderich selbst auf den kampfplatz rief^
Also spätestens 506 hatte sich B. bereits durch eine reihe
von Schriften berühmt gemacht, in welchen er Griechische
werke über philosophie und exacte Wissenschaften lateinisch
bearbeitet hatte : das wird durch die lobrede des briefs
ausser zweifei gesetzt, wenn man auch nicht grade jedes
wort desselben pressen darf und neben vollendeten auch blos
begonnene Schriften angedeutet sein können. Den letzten
brief u 40 vermag ich leider chronologisch nicht zu fixieren:
für Chlodovech, der bereits mtt Theoderich verschwägert ist
und eben sich die Alemannen unterworfen hat, soll B. den
besten kitharöden aussuchen; diese gäbe ist dazu bestimmt
dem schreiben des königs (n 41) und den werten seiner ge-
sandten, welche für den rest der unterlegenen um gnade
bitten sollen, nachdruck zu geben. Mit verschwindenden
ausnahmen sind unsere historiker darin einig, den anlass der
gesand tschaft in dem vernichtenden schlag zu suchen, den
Chlodovech 496 gegen die Alemannen geführt haben soll.
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40
Sie haben den zugehörigen brief an Boethius nicht erwogen ;
wie sie ihn mit den lebensverhältniesen des B. vereinigen
könnten, sehe ich nicht.
Allerdings war B., wie wir saheh, schon vor 507 als
Schriftsteller berühmt. Aber er hatte mit diesen arbeiten
in ungewöhnlich frühen jähren begonnen : er war ein lehrer
schon im alter des lernens , und dies alter hatte er nach
dem j. 504 noch nicht überschritten^®. In der haft während
des winters 523/4 beginnt ihm vor der zeit das haar zu
— ergrauen ^^; seine söhne, obwohl schon 522 consnln, waren
damals noch knaben.. B. kann frühestens 480 geboren sein,
wahrscheinlicher ein oder zwei jähre später; und jene nie-
derlage der Alemannen, die vielleicht durch einen aufstand
gegen den zwingherm hervorgerufen war, ist in den ersten
Jahren des vi jh. zu suchen (vgl. unten s. 70).
Man könnte in den zahlreichen Schriften des Boethius
anhaltspunkte nicht nur für ihre eigne entstehungszeit und
abfolge, sondern auch für seine öffentliche laufbahn zu finden
hoffen. Aber B. ist mit andeutungen auf seine Verhältnisse
sehr sparsam; ausser der consölaiio ist nur die abfassungs-
zeit des commentars zu Aristoteles' kategorien bekannt, an
dem er nach n praef, p. 141, 7. 17 im consulatsjahr 510
arbeitete. Die angäbe der würden in den titeln und sub-
scriptionen der älteren hss. beruht auf sorgfältiger Über-
lieferung, doch auch diese quelle gibt wenig aus. In der
überwiegenden mehrzahl seiner werke wird er v. c. et inl.
ex cons, ord. patricms genannt, nämlich in der arithmetik,
den theologischen und fast allen logisch-dialektischen Schrif-
ten ^* ; in der consdatio tritt dazu natürlich (s. anm. 5)
ex mag. off, ; nur der kürzere erste commentar zu Aristoteles
ubqI SQfxfjveiag und die bücher de musica, deren Veröffentlichung
in dem besprochnen brief des Theoderich {var. ii 40) zwar
nicht bezeugt aber deutlich vorausgesetzt wird, scheinen
Boethius blos als vir clarissimus also wohl noch ohne amt
zu kennen ^^; bei der geometrie und den commentaren zu
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41
Porphyrios wird meines wissens nur der name des B. ohne
titel überliefert. Kann denn aber B. alle jene Schriften, in
deren titel er ex cons, ord, genannt wird, zwischen 510
und 522 yerfasst haben? Das ist unmöglich angesichts der
thatsache (oben s. 39), dass ein theil derselben schon vor
507 bekannt war. Oder sollen wir den abschreiben! eine
gedankenlose- Übertragung der volleren titulatur auf die
einfachere zur last legen? Dann dürfte doch so wenig als
das consulat das magisterium fehlen. Es gibt eine über-
zeugendere antwort. Die angäbe der würden entspricht ge-
nau der zeit, in welcher jedesmal die auf uns gekommene
recension der einzelnen Schriften, genauer der verschiednen
Codices, in denen jene zusammengefasst wurden, zu stände
gekommen ist. Der charakter ex cons, und das fehlen des
ex mag, off, beweist also nur, dass unsre hss. der betreffen-
den werke aus exemplaren abgeleitet sind, die in der zeit
510 — 522 geschrieben und sei es vom Verfasser selbst, wie
arithmetik und commentar zur topik (anm. 14), sei es von an-
deren revidiert waren. In einem falle können wir das noch
verfolgen. Ein theil der logischen bücher ist uns, wie an-
dere werke der lateinischen litteratur, auf dem umweg über
CPel zugekommen. Dort trug der kalligraph und spätere
kofkanzlist Theodorus, dem wir auch Priscians grammatik
verdanken, die vier bücher de differentiis topicorum, das buch
de divisione und die beiden de hypofheticis syllogismis (viel-
leicht noch die drei b. über den kategorischen schluss) in
eine hs. zusammen und Martins Novatus Renatus, ein v, c,
et sp(ectabüis), der also comes gewesen sein mochte, revi-
dierte dieselben**: alle jene werke tragen in den daraus
abgeleiteten hss. den zu erwartenden titel, aber bei der
ersten subscription des Renatus unter buch i de diff* top. war
jener titulatur mag, officiorum zugefügt, und zwar so dass
dadurch B. als zur zeit im amte bezeichnet wird (s. 15
anm. 13). Es ist nicht denkbar, dass B. zu seinem ver-
hältnissmässig selbstständigsten werk über philosophie als
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magister hätte zeit und Stimmung finden können; und wäre
es so gewesen, so hätte er es noch eher als beim consnlat
(s. oben s. 40) hervorgehoben. Renatus hat also jenen Zu-
satz im j. 523 gemacht. Ob er es im folgenden darum
unterliess, weil mittlerweile die künde von Boethius' process
und verurtheilung nach CPel gedrungen war?
Unser versuch, mit eignen mittein über die laufbahn
des Boethius genaueres zu ermitteln, hat nicht so viel er-
trag gehabt um uns die dürftigkeit der excerpte aus Cassio-
dor verschmerzen zu lassen. Auch was wir dann von Boe-
thius' beherrschung der lateinischen und griechischen rede
hören (z. 12), was von seinem panegyricus auf Theoderich
522 (z. 13) und was schliesslich zum lobe seiner wissen-
schaftlichen arbeiten (z. 17 f.) gesagt wird, fördert uns
nicht'^
Aber neu ist die nachricht (z. 16), dass B. ein buko-
lisches gedieht verfasst habe. Sie überrascht uns nicht, da
wir in der consölatio noch verse genug von seiner band be-
sitzen, die zwar eine äusserst geringe begabung zur poesie
und grosse Ungeschicklichkeit in dichterischer gestaltung des
gedankens, aber doch auch eine für die zeit anerkennens-
werthe Schulung und Vielseitigkeit der versification bekunden.
Ja dies werk wird eröffnet mit dem selbstbewussten hinweis
auf frühere dichtungen, die ihm die treue und bis in die
zeit des leidens ausdauernde freundschaft der Musen erworben
Garmina qui quondam studio florente peregi,
flebüis heu maestos cogor inire modos usw.
Diese verso erhalten durch die neue nachricht eine erwünschte
illustration. Denn ich brauche hoffentlich nicht zu sagen,
dass selbst ein mittelalterlicher Schreiber unter dem buko-
lischen gedieht die consölatio nicht verstehen konnte. Aller-
dings hat das spätere alterthum aus Vergilius' eclogen die
kunsttheoretische forderung abgeleitet , dass das bukolisehe
gedieht allegorisch sein müsse, und wie diese lehre fortwirkte,
dafür ist ein bekanntes beispiel die bereits in leoninischen
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43
Versen abgefasste ecloga des Theodulus. Aber nach der tra-
dition des alterthums wird eine gattung durch ihre form
constituiert, und dass die consölatio eine satora' sei, wosste
man noch in Earolingischer zeit^^.
ANM. 1 (s. 37) Die Schreibung Boetius hat sich in neuerer
zeit, die es liebt ohne wähl und urtheil handschriftlichen krims-
krams zu unverdienten ehren zu bringen, fast allgemeiner gunst
wenigstens bei uns zu erfreuen. Gewiss die hss. kennen fast nur
Boetius oder gar Boecius, und selbst die Inschriften scheinen aus-
nahmslos den cons. sowohl von 510 als 522 mit t zu schreiben, schon
der cons. 487 kommt so bei de Rossi n. 888 f. vor. Aber dass der
Bömische plebeier th nicht kennt, brauchen wir doch nicht erst
hieraus zu lernen, und die hss. pflegen wir nicht mehr zu zählen,
sondern zu wägen. Es könnte schon genügen, dass inschriften vom
j. 487 datieren cons. Boethi vc, (de Rossi n. 887) und Boethi v. c.
(Reland, fasti cons. zum j. nach Fletwood): entscheidend ist das
diptychon dieses consuls (anm. 4). Auch Cassiodor hat doch wohl
den namen seines freunds richtig schreiben können? Boethius gibt
die Bamberger hs. der instt. noch zweimal, p. 555*> unt. (Garet) und
in der abschn. v anm. 7 mitgetheilten stelle (nur p. 558*>13 hoefitis)'^
ebenso eine vorzügliche hs. der u redaction Bern. 212 bei Gar. p. 555*>
und 558*^13, auch p. 552 f., wenn ich mich recht erinnere; in einem
alten scholion zu p. 558 oben der SGall. 199 nicht anders. Natür-
lich ist auch in den Boethiushss. die richtige Schreibung, je älter
sie sind, desto eher zu finden. Die Bonner hs. der cons. pMl, in
jener schrift gehalten, welcher unsere modernste palaeographie das
XU oder xui jh. anweist, dh. in der Übergangsschrift des ix zum x,
kennt nur tÄ, f. 8^ Boethii, ebenso f. 31^ und 52^; dasselbe bewahrt
die Tegemseer in der subscr, des iii und iv buchs, in der Über-
schrift des I ist das t durch übergesetztes hauchzeichen corrigiert.
Der alte Vrbinas des tractats g. Eut. und Nest, hat beidemal boethii
(Reiffersch. bibl. 1, 592); im Laurentianus der arithm. aus s. ix ist
zwar nur t angewandt, aber in der subscription die f. 42^ ein Schrei-
ber des X jh. neben die verderbte setzte, sicher nach älterer hs. (s.
anm. 14), steht bobtrii mit der aus capitalschrift bekannten form
des H. Muss man es denn aussprechen, dass die Boethii nachkom-
men eines Bori^og sind? Aber, höre ich sagen, ein sichrer kanon
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lateinisdier ortbognphie ist die griediische truiscriptioii, und Pro-
kopius sdireibt Bofitog, die Byzantinischen fasten in Leiden 3 mal
Borjriov. Ich will das Bofi^lov der paschalchronik p. 605, 15 nnd
613, 2 nicht dagegen stellen. Sollen wir Tielleicht ans der sonder-
baren heilig^i des 8 oct. Tdiaia, welche die menaeen über Rom
importiert haben, abnehmen wie die hetare Thais zu. schreiben ist?
2 (s. 37) Gegenüber den hslidien Zeugnissen kommt eine in-
sdiriftliche datierong MarHio Amdo Severino [BoeUo] ve cos (de
Bossi I p. 443) nicht in betracht.
3 (s. 37) üeber die Anicier s. Gibbon c 31 und Aschbachs
oben 8. 11 genannte abhandlung.
4 (s. 37) Die ao&chrift des diptydion von Brescia (Grori 1,
132 ff. Hagenbach, de diptycho Brixiano epist. epigr. Zürich 1749
nnd jetzt Mommsen CIL Y n. 8120) ist Ncar [Än(ieiu8) Aur(diu8)^
Gori na-] Mafü(tu8) Boähtus v(ir) c(lar.J H \fü(ustri8) \ ex p(raef€Cto)
p(raetorio) p(raefecto) u(rbi) 8ee(undo) cons(til) ord(inariu8) et patri-
e(ius); die beschlüsse der synode von 487 sind datiert Flavio Boetio
viro darissimo consuU (Thiel ep, potU. i 259). Der name FlaviuSy wel-
chen die spateren kaiser, Gothen wie Theoderich (zb. bei Thiel i 672.
678. 695) nnd Entharich, nnd eine grosse anzahl vornehmer Römer
wie ein praenomen führen, war wohl ein abzeichen und ansfloss des
patriciats.
5 (s. 38) Exe, VcA. 84 twfic Boetius poMciuSj qui magister
officwrum erat vom anlass der klage, nnd diese darstellung wird
bestätigt dnrch den Verfasser der cons. phil. i 4, der hier nnd noch-
mals m 4 mit doppeldeutigem ansdmck sein letztes amt magistrcUum
statt magisterium nennt. Demgemäss führt Boeth. in dieser während
des winters 52^/4 verfassten schrift den titel ex mag. off. Die datie-
nmg wird sich im Zusammenhang von s. 77 f. anm. 19 ergeben. Hier
möge nur bemerkt werden, dass die hofämter, wohl sämmtlich, mit
dem indictionsjahr vom 1 sept. liefen: vgl. zb. für die höheren comites
Cass. vor, vi 7—9. 12. v 40. vin 16. x 11, quaestor vin 18. x 6. 7,
mag, off. vi 6, praef, praet. ix 24. 25 ; dass dieser letztere bereits vor
Weihnachten, wo die ihm unterstellten subaltembeamten zu wechseln
pflegten, im amt war, sehn wir aus xi 17: das <ib ind. und per %7id,
muss also bei den hofämtem in voUem wortsinn genommen werden.
Zweifel habe ich beim praef, urbi, der ix 7 auch per indictionem iUam
ernannt wird; denn die gleiche formel hören wir ix 22 sogar beinci
consulat, dessen antrittstag unverändert Ical. ian. war.
6 (s. 39) üeber den geschäftskreis des com, s, larg. s, Manso,
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gesch. d. Ostgotli. reichs 351 f. Das schreiben des Theod. ordnet
nicht an, dass jener Zahlmeister durch B. vor gericht gezogen und
bestraft, sondern nur dass der missbrauch abgestellt werden solle:
das lässt nur an den Schatzmeister denken, der die gehaltzahlungen
anwies.
7 (s. 39) Enn. ep, vm 1 p. 222 noster ccmdidatus post mani-
festam decertationem debitum triumphum, dum numqmm viderit heUa,
sortüur, vudido exigit laureas et congredi non necessarium duxit
armatis. Das entscheidende wort sollte ivdicio sein.
8 (s. 39) C. Binding, gesch. des Burgundisch - Romanischen
königsreichs 180 ff. 192 f.
9 (s. 39) Die litteratur über diese frage gibt A. Thorbecke,
Cassiod. Senator s. 60; hinzuzufügen ist noch Waitz, d. verfassungs-
gesch. n2 66 f., G. Bomhak, geschichte der Franken 1, 209 f. und
G. Richter, annalen der deutschen geschichte* im ma. 1, 35 f.
10 (s. 40) Das ergibt sich aus Ennodius paraen, (deren zeit
oben s. 6. 10 f. bestimmt ist) p. 445 est Boethius patriciuSj in quo
vix discendi annos respicis et inteUegis peritiam sufficere iam docendi:
de quo emendatorum iudicavit electio (dies letztere kann nicht bloss
auf das verhältniss zu Symmachus — denn an Festus denke ich
nicht wegen der s. 24 f. entwickelten parteiverhältnisse — sich beziehn,
ich sehe darin eine bestätigung dafür, dass B. damals bereits zu
hofämtem berufen gewesen war) ; vgl. ep. vn 13 (vor dem consulat
des B. geschrieben) quem in annis puerilibus sine aetatis praeiudicio
industria fecit antiquum, qui per düigentiam imples omne quod
cogitur (?), cui inter vitae exordia ludus est lectionis assiduitas et
deliciae sudor alienuSy in cuitis manibus duplicato igne rutüat, qua
veteres face fulserunt.
11 (s. 40) Cons. phil. i metr. 1, 9 Venit enim proper ata malis
inopina senectus Et dolor aetatem iussit inesse suam. Intempestivi
funduntur vertice cani Et tremit effeto corpore laxa cutis. Das alter
seiner söhne gibt er n 4 an: Uberos consulares, quorum iam ut in
id aetatis pueris vel paterni vel aviti speeimen elucet ingenii.
12 (s. 40) Ohne anspruch auf Vollständigkeit erheben zu kön-
nen, halte ich es doch für nützlich die hslichen Zeugnisse, so weit
ich sie kenne, zusammenzustellen; ich nehme dabei weder rücksicht
auf die hss., von denen die Verfasser der cataloge eine angäbe der
titel unterlassen, noch auf die jüngeren, welche meist der titulatur
entbehren. Den hm H. Hagen in Bern und E. Piccolomini zu Pisa
bin ich dabei für ihre freundlichen mittheilungen sehr verpflichtet.
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46
I arithmetik: vc et itU. exest, ord patr. Cölner hs. 185 8, x (Jaff(§-
Wattenbach p. 77), ähnlich Laurent. 29, 20 «. ix und Vindob. 364
8. X (EndKcher 1, 254 f.), und die hss. bei Friedlein p. 72. n über
die theologischen tractate s. oben s. 15 anm. 12, Peipers ausg. p.
149. 164. XXI, und den nächsten abschnitt. IH in Porphyrium a
Victorino translatum diaU, ii (vor n. v, also vor 510 verfasst, vgl.
p. 110, 11 ff. Rota): eine titulierte hs. ist mir nicht bekannt. Ebenso
wenig von FV in Porphyrium a se transUxtutn l. r, selbst Vat. Alexandr.
1332 aus dem ai^ehenden x jh. überschreibt nur comentü Boedi
in isagogoa, V in Ärist, categarias l iv (510 verfasst und nach n. m
8. oben): v. c, ex constdum ordinibus hs. von Saint Mihiel 26 8. xi
(catal. des depart. 3, 521). VI in Ar. perihermenias edit li h vi:
verderbt viri ülustris ex constdum ordine patritii in subscr. die Salz-
burger hs. in Wien 370 8, X (Endlicher 1, 263); viri iUustris ex
consid. im titel, ex consül. viri iUustris patritii in subscr. Wiener
hs. 371 8. xin (Endl. ao.), vvri darissimi et iüustris excanstdib. aurdii
patricii Laurent. 71, 21 «. xn, v. c. et inlustris Florent. s. Marco
124 s. XIV. Vn introductio ad categoricos syUogismos, in den hss.
gewöhnlich antepraedicamentorum liber genannt: viri, c, et iU, ex-
constdv. ord. patricii Bern. 300 8, xi, exe. ordinarii patricii Arras
n. 862 8. XI (cat. d. dep. 4, 343). YIII de categ. syUogismis l. //:
viri con8idari8. ordine pairicii Yat. Ottobon. 1406 8. x aus M. Cas-
sino, VC et iU. excon. ord. Flor. s. Marco 166 s. xn, vf. c. et patr,
ord. Vatic. 1722 8. xi. IX de hypoth. 8yll l. n (vor n. xi verfasst,
vgl. in top. p. 352, 29 Or.): vc. et iXL ex com. ord. pairicii hs.
P. Daniels (s. anm. 14), viri iUu8tri8 et patritii. excom ord. Bern
300, V. c. et ilh excs. ord. Florent. s. Marco 166. X de divisione:
VC. et ill8t. ex con8. ord. patricii hs. P. Daniels, viri, iUustris et
pairicii ex cotmuI. ordine Bern. 300. XI in topica (Kceronis comm,
l, VI (urspr. vii): vc et ül. ex cons. ord. im titel, uiri elari dt ülustris,
excstäaris. ordinarii in subscr. Vatic. 567 s. xi, v. c. excsl. ord, patric.
Vat. Alexandr. 1649 8. x — xi, mit auslassung von pcUric. und uner-
heblicher corruptel Vat. Ottobon. 863, Flor. s. Annunziata 140 s.
Marco 165 und 173. XII de differentiis topicorum l. iv (nach dem
comm. in Cic. top. und dem verlornen zu Arist. topik verfasst): u, c.
et in. l. exeons. ord. (patricii) hs. von Monte Cassino 191 vgl. anm. 14,
uc. & rd. exeons ord patritii Vatic. 1722 s. xi in der subscr. des
i b., viri c. et ülustris. ordine patricii Ottobon. 1406 s. x.
13 (s. 40) Cod. Vatic. Ottobon. 1939 s. x—xi überschreibt in
uncialen Anicii. Mafdii. Seuerini. Boetii. viri clarissimi. incipit editio
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prima p(er)aennenias Äristotelis, sonst kenne icli keine titulierte hs.
Die b. de miisica haben in Friedleins hss., falls ich sein schweigen
richtig deute, keine titulatur, auch mir ist eine solche nicht vor
äugen gewesen, doch hat nach einer allem anschein nach zuverläs-
sigen angäbe im cat. des depart. 4, 547 die hs. von Avranches n. 296
8. XI die aufschrift Boetii Severiani v. c. de musica Ubri r. Hin-
sichtlich der geometrie verweise ich auf die wichtige Bemer hs. 87
(vgl. Hagens catal. s. 104 ff.) und Friedlein p. 373; im Vatic. 3128
s. XI — xn fand ich f. 65^ die bemerkung EucUdes in greco hoetitts
transtülit in latinum commentdtus in difficüiora capitulci, dirigit autem
cid simachum socerum suum cum prologo, sicut in arithmetica imitatus
nicomachum dirigit ad eundem. Videntur tarnen pocius excerpta a
boetii libro.
14 (s. 41) Aus einer noch nicht ermittelten hs. copierte P.
Daniel auf einem blatt des Bemer sammelbands n. 141 (st. 290 vgl.
Hagens cat. s. 201) die wichtigen subscriptionen, die 0. Jahn ao.
354 veröffentlicht hat. Ein ferneres zeugniss für Renatus' textrevi-
sion findet sich in einer hs. von Monte Cassino n. 191 «. X, wo f.
84^ nach der subscription von <2*/f. top, iv der titel folgt Incipit
eiusdem liier divisionis. Martius Novatus Benatus (Reifferscheid,
ßitzungsber. d. Wiener akad. 1872 b. 71, 84). Dagegen war es ein
versehn, wenn Jahn die im alten Laurent. 29, 20 8, ix am schluss
der arithmetik von einem corrector des x jh., natürlich aus älterem
exemplar beigesetzte subscription Setterinus boetitis uc et inh ex
con8 ord patricius legi opi*8culum meum (Reiffersch. ao. 71, 14) als
eine * halb verwischte spur von Renatus* subscription fasste: in Re-
natus' hs. kann die arithmetik nicht gestanden haben; vielmehr hat
der Verfasser selbst das in unserer Überlieferung fortgepflanzte
exemplar nach 510 revidiert, so wie den comm. zur topik (oben
8. 2 anm.); richtig hat schon Reifferscheid de lat, codd. subscr.
(Bresl. 1872) p. 6 darüber geurtheilt. Die titulatur des Boethius
am schluss des h l de diff. top, lautete in Daniels hs. vc, et ülst.
ex cons, ord, patricii mag, ofßcr,; entsprechend in der hs. von
Monte Cassino v, c. et inl, excons. ordo patritii, mag, offori (Reiffer-
scheid ao. 71, 84), wo das mag, off, sonst weder in auf- noch Unter-
schrift begegnet.
15 (s. 42) Boethius* beherrschung beider sprachen ergibt sich
aus seiner ganzen schriftstellerischen thätigkeit und wird auch in
rhetorischer hinsieht von Ennodius ep. viii 1 p. 222 hervorgehoben.
Der danksagungs- und lobrede, die Boethius beim amtsantritt seiner
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söhne anf. 522 im senat auf Theoderich gehalten, gedenkt er selbst
cons. II 3 eisdem in curia cttnUes insidentibus tu regiae laudis
orator ingenii gloriam facundiaeque meruisti: sie war die jüngste
leistung des B., die Cass. erwähnen konnte (s. unt. s. 73f.). Das lob,
das den wissenschaftlichen leistungen des B. ertheilt wird, hat in
var, I 45 ein gegenstück.
16 (s. 43) Der späte verf. einer biographischen notiz über
B. macht die richtige bemerkung (p. xxxi, 10 Peip.) hos libros per
satiram edidit, imitatus videlicet Marcianum Felicem CapeUam, qui
prius libros de nuptiis Philologiae et Mercvi^ii eadem specie poematis
conscripserat, grade wie in der SGaller hs. Senecas apokol. apo-
theosis Annei Senecas per saturam heisst.
IV DIE THEOLOGISCHEN SCHRIFTEN DES BOETHIVS
Die wichtigste nachricht über Boethius verlangt beson-
dere besprechuDg. Sie bringt ans das zeugniss eines be-
freundeten Zeitgenossen für die echtheit der ihm beigelegten
theologischen Schriften. Denn zweifellos wird mit l, de s.
trinitäte (z. 15) der an Symmachus (und lohannes?) gerich-
tete erste tractat, mit l. contra Nestorium die ausführlichere
Schrift über die naturen Christi contra Eutychen et Nestorium
(tract. v) bezeugt und in kaum missverständlicher weise durch
capita quaedam dogmatica auf die beiden kurzen dem diaco-
nus lohannes gewidmeten abhandlangen (tr. ii m) hinge-
wiesen.
Seit der gelehrten erstlingsschrift meines freundes F. Nitzsch
gilt die zuerst in Arnolds kirchen- und ketzerhistorie ange-
regte Streitfrage über echtheit oder unechtheit jener abhand-
lungen als erledigt: über ihre vollständige unechtheit kann,
wie es in einem verbreiteten handbuch heisst, 'heutigen tags
unter urtheilsfähigen nicht der leiseste zweifei mehr sein .
Prantl erklärt sogar mit berufung auf seine umfassendere
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kenntniss der mittelalterlichen litteratur, dass dieselben vor
dem IX jh. nicht entstanden sein könnten ^ Die von Nitzsch
verfochtene ansieht ist längst in den breiten ström der öffent-
lichen meinung aufgenommen, gegen den anzuschwimmen in
jedem falle misslich ist und in unserem zum voraus als be-
weis der urtheilsunfähigkeit erklärt wird. Ich will das auf
mich nehmen.
Einer wenigstens hat sich durch das ansehn der geg-
nerischen stimmen nicht beirren lassen, und ich rechne ihm
das hoch an, R. Peiper, dem wir die erste kritische aus-
gäbe der fraglichen Schriften verdanken und unsern aufrich-
tigen dank nicht durch den unmuth , den gelegentliche
irrungen und eine folternde missinterpunction dem leser wohl
erregen, vergällen wollen, hat mit recht vorerst das zeugniss
der hss. sprechen lassen. Wenn er einen volleren überblick
über diese gehabt hätte, würde er selbst den zusatz, den
er mir übrig gelassen, seinem resultat zugefügt haben. Die
Streitschrift über die naturen Christi (tr. v) hat das gleiche
anrecht auf echtheit wie die drei ersten tractate , welche
Peiper dem B. vindiciert hat. Diese vier abhandlungen waren
offenbar vom Verfasser selbst zu einem kleinen bände ver-
einigt worden, und wurden bis zum ix jh. als geschlossene
Sammlung fortgepflanzt. Erst dann wurde in ein exemplar
durch Zufall die schrift de fide Christiana verschlagen, welche
vor dem buch gegen Eutyches und Nestorius (tr. v) ihre
stelle fand. Auch in den hss. des x jh. welche ihn bereits
haben, und in den meisten späteren ist dieser eindringling
namenlos^ ein um so gewichtigerer umstand, je näher es
lag die titulatur der übrigen Schriften, welche sie umgaben,
auf diese zu übertragen. Ein commentar zu Boethius' arith-
metik, den ich in einer Yaticanischen hs. des xi jh. fand,
kennt sie nicht 8; selbst der hs. nach welcher Gislebert de
la Porret, der bischof von Poitiers vor 1147 unsere Schriften
commentierte, fehlte dieser bestandtheil *. In den ausgaben
figuriert die schrift erst seit Renatus Yallinus (1656). Der
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vermeintliche ly traetat geht also Boethius nichts an, wäh-
rend die Schrift gegen Eutyches und Nestorius .mit den übri-
gen steht und fällt. In der anerkennung dieses thathestands
kann uns auch das entzifferungstalent eines Mailänder geist-
lichen Luigi Biraghi nicht beirren, der auf dem diptychon
von Monza an der rolle, welche der vermeintliche trauernde
Boethius in der band hält, das bekenntniss in fid(e) Ihs(u)
meneam (so) gelesen und darin natürlich ein urkundliches
zeugniss für die echtheit der schrift de fide gefunden hat^.
Und was hat man gegen diese vier Schriften vorge-
bracht? Das radicalste war jedenfalls zu behaupten, dass
B. überhaupt kein Christ gewesen. Nachdem es Schenkl^
übernommen hat diese aus geschichtlicher unkenntniss ent-
sprungene meinung in aller form zu widerlegen, wäre ein
weitres wort Verschwendung. Es versteht sich dass B., auch
wenn er nicht Symmachus' Schwiegersohn wäre, nicht offner
und nicht einmal verkappter beide sein konnte.
Allein es ist wahr, wir stehn vor einem schwer lös-
baren Widerspruch. Der verurtheilte der, den tod vor angen,
diese fünf bücher vom trost der philosophie schreibt um
sich aufzurichten, weiss nichts vom tröste des christenthums.
War B. Christ und gar dogmatischer Schriftsteller, dann kann
der trost der philosophie nicht sein werk, nicht der geistige
Inhalt seiner letzten tage sein; hat er dies werk verfasst,
dann ist die unechtheit der theologischen Schriften sicher.
Mit dem ersten schluss ist Glareanus allein geblieben. Es
kann keine schrift die bewährung der echtheit so in sich
selbst tragen wie die consdatio. Dürfen wir die zweite folge-
rung gut heissen?
Zweierlei scheint man sich nicht klar zu machen, die
menschliche und die litterärgeschichtliche persönlichkeit des
Boethius. Wie vielartig ist doch die natur der vielen die
sich zu Christus bekennen. Dem einen ist^ der kirchliche
glaube eine form , dem andern der Inhalt seines lebens.
Für Boethius war die Griechische philosophie die quelle
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seiner weit- und lebensaneicht : konnte er, wenn er doch
ein aus einem stück gehauener Charakter war, der stunde
der noth das zngeständniss machen, den kern seines selbst
zu zerbrechen? Und doch hat er, ohne andre als ausser-
liebe theilnahme am christeuthum , über dogmatische dinge
gegrübelt und geschrieben? Fragt nicht nach beispielen.
Ich habe im widerstreit das seil straffer angezogen als
nöthig war. Ganz so scharf ist der gegensatz nicht zwischen
der consölatio und dem christeuthum. Ich will nicht reden
von den spuren christlicher reminiscenzen, die selbst in dieser
Schrift ein aufmerksamer leser findet'', sondern komme zu
dem zweiten punkt den man übersehn. Dem geschieh ts-
schreiber der philosophie und dem kritischen kirchenhistoriker
ist die consölatio das wichtigste, fast einzige hilfsmittel um
die weltansicht des B. zu construieren. Ein philologe,
wenn er heutzutage das werk liest, wirft unwillkürlich die
frage auf: woher hat B. diese ergreifenden, oft überwältigen-
den gedankenreihen? Tragen sie den Charakter eines Zeit-
alters , dem längst Selbstständigkeit des wissenschaftlichen
denkens abhanden gekommen war? Konnten sie in einem
köpfe wachsen, dessen rühm Übersetzung und reproduction
Griechischer werke ist? zu einer zeit vollends, wo enttäuschung-
und gram die Schwungfedern dieses geists gebrochen hatte?
Man vergleiche die versificierten einlagen, in denen die ge-
danken der prosaischen darstellung variiert, oft nur wieder-
holt werden, mit der prosa: und man wird fühlen, dass
man verschiedene menschen reden hört : dort ein kind des
VI Jh., hier einen denker grösserer zeit. Ingram Bywater
hat zuerst darauf hingewiesen, dass die consölatio reflexe des
Aristotelischen protreptikos zeige 8. In Wahrheit ist der
schönste theil des buchs nichts als die wahrscheinlich jüngste
Umarbeitung jenes unzerstörbaren dialogs des Stagiriten. Die
stelle, wo die benutzung beginnt, hebt sich von den ein-
leitenden und vorbereitenden abschnitten leicht ab, n 4 z.
38 P. Quis est enim tarn conpositae felicitatis — , und der
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pnnkt wo er eine neue quelle Tomalmi, ist Ton dem ver-
fasse* selbst dentÜch durch die werte bezeichnet Tum veliU
ab alio orsa principio iia disseruU (ir 6 z. 20): es war ein
Kenplatoniker , wie schon zn anfsBoig der mystische orakel-
sprach (p. 112) zeigt. Natürlich hat B. weder den Ari-
stotelischen protreptikos noch Ciceros Hortensios als vorläge
benutzt, denn beide citiert er: sondern in seinen banden
war ein jüngerer auszog, wie ein solcher, auch gewiss nicht
aus erster band, dem protreptikos des lambÜchos einverleibt
ist. Eben darom wäre es vorwitzig entscheiden za wollen,
ob erst Boethios oder bereits ein Platoniker, den er benutzte,
den Aristotelischen antheil mit dem jüngeren in Verbindung
gesetzt habe. Bass B. gerade solche Schriften in jenem
momente zur bearbeitung Yomahm um sich zu zerstreuen
und zu erheben, wird immer ein wichtiges merkmal seiner
denkart sein, aber man wird aufhören müssen, aus den Pla-
tonismen der consokUio einen inneren Widerspruch ihres Ver-
fassers gegen das christenthum herauszulesen. Wie frei B.
inmier bei der bearbeitung schalten mochte, er konnte nicht
aus dem bilde fallen. Und die zeit- und standesgenossen,
an die er denken mochte, waren immer noch gebildet genug
um das nicht misszuverstehn.
Doch auch die streitigen Schriften selbst haben stoff
zu bedenken gegeben. Sie sind scholastisch und ein erzeug-
niss der beginnenden Scholastik, sagt Prantl, zum theil auch
Nitzsch. Wenn das charakteristische der Scholastik die an-
wendung der schulmässigen logik und metaphysik auf die
dogmatik ist, so sind diese Schriften scholastisch. Man be-
greift es, dass dieselben so wichtig und einflussreich für das
mittelalter wurden. Aber wann begann dieser einfluss? So
weit wir die Studien des angehenden mittelalters zurückver-
folgen können, nehmen wir die bekanntschaft mit Boethius'
theologischen tractaten wahr. Der bis jetzt noch nicht
sicher fixierte grammatiker Sedulius citiert tr. y, im vni jh.
benutzt sie Alcuin': und seit spätestens dem anfang des ix
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63*
Jh., das den ersten eigentlichen Scholastiker Scotos Erigena
erzeagt hat, sind ^sie stehender gegenständ des Studiums
und schulmässiger interpretation, wie Hinkmar, seit 844
bischof von Bheims beweist (er citiert tr. i n v) ^®. Die
mittelalterliche Scholastik ist nicht die mutter dieser Schrif-
ten, sondern sie hat sich an ihnen herangebildet , wie alle
wissenschaftliche thätigkeit des ma. von der interpretation
des überlieferten ausgegangen ist. Die bibliotheken bezeugen
das. Noch heute gibt es eine anzahl von exemplaren des
IX bis ZI Jh., die mit rand- und interlinearschoHien bedeckt
sind ^K Was noch mehr sagt, in der gleichen zeit war ein
geschlossener commentar zu den vier echten tractaten in
Umlauf, der wohl nicht vor ende des ix jh. auch auf die
Schrift de fide ausgedehnt wurde ^^; -aus der Verbreitung
dieses commentars in hss. von Metz, Fleury sur Loire und
Einsideln schliesse ich dass er in Frankreich entstanden ist,
gewiss vor der zeit des Scotus Erigena. Kurz, die hslicben
thatsachen drehen das urtheil Prantls einfach um.
Auf den dogmatischen inhalt ist nur Nitzsch gründ-
licher eingegangen. Ich wage nicht meinem freund auf dies
gebiet zu folgen, halte es aber auch für überflüssig. Es
mag subjective empfindung sein , doch kann ich nicht ver-
hehlen, dass seine gegengründe wesentlich dazu heige.tragen
haben, mein noch an sich selbst zweifelndes urtheil 2u be-
festigen. Er scheidet zunächst die abhandlung über die
inhärenz des guten in der Substanz (tr. lu) als 'nicht dog-
matisch aus, und doch zur 'theologie' des Boethius gehört
sie gar sehr. Die beiden abhandlungen über dreieinigkeit
(tr. I n) sollen jünger als B. sein, obwohl anerkannt wird,
dass das darin behandelte problem in die zeit des B. allen-
falls passe. Endlich die letzte für uns in betracht kommende
Schrift gegen Eutyches und Nestorius (tr. v) lägst Nitzsch
älter als B. und bald nach dem concil von Chalkedon (45l)
verfasst sein. Doch brauche ich ihn am wenigsten daran
zu erinnern, dass die beiden gegensätze in der auffassung
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54
der nataren Cbristi während der galnzen zeit von 4 83 — 518*
den Römern und nicht blos dem klerus fortwährend lebendig
erhalten wurden ; hat doch pabst Gelasius selbst unter dem
gleichen titel ein werk von fünf büchem verfasst ^' ; die be-
kannten Worte des eingangs cum in concilio legeretur epistöla
auf einen bestimmten bischöflichen brief jener zeit zu be-
ziehen wäre daher blosses rathen, die theilnahme des Boethius
an einer solchen Versammlung passt völlig zu seiner zeit.
Grundsätzlich will ich nicht mehr sagen. Denn es hiesse,
eine günstige position leichtsinnig aufgeben. "Wir dürfen
ruhig abwarten, bis einmal nachgewiesen werden wird, dass
diese Schriften zur autorisation einzelner erst nach Boethius
aufgekommener dogmen geschrieben und untergeschoben seien.
Der gewiegteste dogmengeschichtliche gegner hat für einen
solchen angriff nicht die geringste handhabe gefunden, und
einem ausgezeichneten kenner des angehenden mittelalters
Charles Jourdain schien inhalt und form dieser Schriften so
sehr der zeit des B. zu entsprechen, dass er zur lösung
des räthsels auf den ausweg kam, einen homonymen Africa-
nischen bischof, der durch Trasamund 507 verbannt mit
seinen leidensgefahrten nach Sardinien flüchtete, als Verfasser
in anspruch zu nehmen.
Kehren wir zurück zum kern der sache. Man lese
irgend eine dialektische schrift des B. und trete dann an
diese theologischen heran mit den fragen : ist eine wesent-
liche Verschiedenheit der denk- und sprachform wahrzuneh-
men ? macht sich hier wo dogmen des christenthums erörtert
werden, ein herzensantheil an diesen lehren geltend? Es ist
ein rein dialektisches Interesse, das den jungen schülphilo-
sophen dazu reizt jene dogmatischen Schwierigkeiten in seiner
weise zu bearbeiten. Daher jener völlige mangel theologischer
gelehrsamkeit bis auf reminiscenzen aus Augustinus, daher
das ausbleiben fördernder und neuer gedanken. Wie Peiper,
♦) vgl. oben 8.22 ; der kirchliche zwist mit CPel ward 518 beigelegt
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55
werden auch andere in diesen versnchen die merkmale eines
noch jugendlichen Verfassers finden, der von den interessen
die Symmachus bewegten, nicht ganz unberührt bleiben konnte.
Es ist , um schliesslich auch das zu erwähnen , immer
betont worden, dass ein befreundeter, gelehrter und theo-
logischer Zeitgenosse wie Cassiodor von diesen Schriften schweige.
Wir haben nun sein zeugniss. Man wird den unterschied
würdigen, der in dieser hinsieht zwischen unserer zeit der
bibliotheken und bibliographischen hilfsmittel und dem Ita-
lien des VI jh. ^* besteht. Wer aber noch ein analogen be-
gehrt, der vergleiche die Übersicht der logischen litteratur
bei dem echten Cassiodor (unten s. 66 anm. 7) und dem
überarbeiteten in Garets ausg. u p. 552 f.
ANM. 1 (s. 49) C. Prantl, gesch. der logik im abendlande n
20. 108 f. (anm. 35). Die frühere litteratur findet man bei F. Nitzsch,
Das System des Boethius und die ihm zugeschriebenen theologischen
Schriften, Berl. 1860. Dazu kommt Schenkl in den Verhandlungen
der xvni Versammlung d. ^hilol., schulm. und Orient, in Wien 1858
p. 78 f. und Charles Jourdain, De Torigine des traditions sur le
christianisme de Bo^ce, in den Mem. pres. par divers savans k Pacad.
des inscrr. Ser. i t. vi, 1 p. 330 ff., vgl. comptes rendu^ 1860 t. rv
p. 17 ff.
2 (s. 49) Auf die tractate i ii in v beschränken sich Vatic.
Alexandrin. 208 a. x, ebd. 1855 s. xi, SGall. 134 a. xi (s. Scherers
catal. s. 49), Florent. s. Croce 22, 10 s. xi (Bandini 4, 615), Valen-
ciennes n. 169 8. xn (s. Mangeart cat. s. 156), Laon n. 123 s. xiv
(cat. des dep. 1, 107); unter den jüngeren ist hervorzuheben Vatic.
4251 ». xra— XIV, weil die hs., wie die starke verderbniss und im
tract. v zahlreiche lücken zeigen, aus einem alten und verwitterten
exemplar abgeschrieben ist. Die schrift de ßde Christ, steht ohne
aufschrift an iv stelle in Bern. 510 s. ix— x (Hagen, cat. s. 431),
Vat. Alexandr. 592 aus dem ende des x oder anf . des xi jh. (die hs.
ist stark verbunden, aber der titellose anfang von tr. rv findet sich
f. 891^, der schluss dagegen von p. 178, 95 iusam an, also auch tr.
V ist verloren), Florent. s. Croce 23, 12 ». x (Bandini 4, 677 f.),
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Ambros s, x (vgl. Reiflferscheid, Wiener sitzungsb. 1871 b. 67, 484
f. und zur controle Biraghi in der anm. 5 angeführten schrift s. 31)
Laurent. 14, 15 s. xi, SGall. 768 u. Flor. s. Marco 167 8. xn, Vatic.
567 8. XI und 4250 s. xiii, Vat. Alexandr. 1975 (vgl. zusatz 8. 59) und
Ottobon. 99 s. xiii. Die Tegernseer hs. (x jh.), welche die hauptstütze
für Peipers Verdächtigung des tr. v war, hat durch blossen zufall
die Schlussschrift des corpus nicht, auch sie gibt tr. iv ohne auf •
schrift. In der Einsidler hs. 235 s. x — xi ist die Ordnung gestört;
sie ist die einzige ältere, in welcher Schreiberwillkür einen regulären
titel vorgesetzt hat. Über Bern. 618 s. xi, worin tr. rv am üblichen
ort steht, bin ich ungewiss ; der Gothanus 8. xn hat statt eines titeis
die bemerkung ista epi8tola in aUi8 libris non invenitur, — Ausser-
halb des kleinen corpus kommt nur die umfangreichste schrift, tr. v
als monobiblos vor in einer prachths. aus dem anfang des X jh.,
Vat. Vrbin. 532 (Reiffersch. bibl. patr. 1, 592) und Alex. 166 ». xi;
irrelevant ist, dass in jüngeren hss. wie den von Montpellier n. 294
und 440 (cat. des dep. 1, 405. 458) nur tr. I n vereinigt sind.
3 (s. 49) Cod. Vatic. Alexandr. 1424, ein sammelband aus
P. Daniels besitz, in dem betr. abschnitt aus dem xi jh., bringt f.
95r folgendes: Definitio A. M. 8. Boetii. pauca in arithmetiea. In
quibusdam hoetii libri8 capitülum hoc continetur ^domino meo
patricio summa fide hoetius. QiMeritur quare ^ summa fide [der vf.
las so verderbt st. Symmacho] addidity cum fides nee augeri nee
väleat minui usw. bis 98^, wo dieser commentar zur arithmetik un-
vollständig mit dem schluss der hs. abbricht. Am schluss der ein-
leitung findet sich f. 96' folgende stelle: Videns quidem multos de arte
grammatica a grecis in latinum transferri libros et neminem huius
artis lihrum, exorsus est hanc de greco translatare in IcUinum depre-
cante Simmacho, et uhi quodlibet prolixius repperit, arcere studuü^
et tibi strictum loqui, ampUficavit locus autem ^esenptionis urbis
Borne fertur, hinc etiam Boetius composuit Itbrum contra Euticen et
Nestorium hereticos de fide illorumy in quo commemorat se concüü
fuisse Calcedonensis, quod tempore extitit Martiani imperatoris [vgl.
vita IV bei Peiper p. xxxin]. Composuit etiam v de musica et vi
perhiermeniarum, hisagogarum id est introductionum speties f, de
trinitate libros iii, (dann folgt abithmetiga. Bithmos grece. Latine
numerus usf.).
4 (s. 49) C. Oudin, scrr, eccl. u 1287, vgl. cod. Vatic. 4264.
560. 561, aus denen ich anderwärts mittheilungen machen werde.
5 (s. 50) Biraghi's schrift 'Boezio filosofo, teologo, martire
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a Calvenzano' (Milano 1866, 87 ss. mit 8 lithograpliierten tafeln)
ist mir durch die freundlichkeit Giamb. de Rossi's bekamit und zu-
gänglich geworden; brauchbares für die biographie und litterar-
geschichte des B. enthält sie kaum etwas. Auch auf der rolle, die
links, und auf dem diptychon, das rechts von den füssen des togatus
(8. die abbildung bei Gori taf. vni zu 2, 243 ff.) liegt, hat B. wun-
derbare inschriften herausgelesen, aus lateinischen und griechischen
buchstaben gemischt: man sehe sie bei ihm selbst s. 37 nach.
6 (s. 50) In den anm. 1 angef. Verhandlungen s. 81 ff.
7 (s. 51) Vgl. Schenkl s. 89 f. Wenn ich zh, i 4t de hutnana-
rum divinarumque rerum scientia disserebas lese, kann ich die res
div. nicht in anderem sinne nehmen als im titel von Cass. institt.,
und ebd. cum mores nöstros totiusque vitae rationem ad caelestis
ordinis exempla formares muss ich an Augustinus denken; man er-
wäge ebd. z. 94 inspectante deo und namentlich z. 131 die mlissimi
Spiritus im gegensatz zu deus^ dessen ebenbild der mensch sein soll.
8 (s. 51) Bywater im Journal of philology ii (1869) s. 59,
vgl. Rhein, mus. 28, 400 f.
9 (s. 52) Sedul. bei Hagen, anecd. Helv. p. 13, 7 (B. tr. v c.
4, 6 p. 197 P.); über Alcuin s. Nitzsch s. 24, Peiper z. Boeth. p.XLVi.
10 (s. 53) Vgl. Peiper p. xix f.
11 (s. 53) Eine der ältesten ist Bern. 610 4- 517» (Hagen cat.
431 , bei Peiper B) mit scholien, die zum theil in Tironischen noten
geschrieben sind (mit tr. iv). Vatic. 567 ist zwar eine hs. des xi jh.,
aber wichtig, im comm. zur topik durch die oben s. 2 mitgetheilte
snbsCTiption, in den theol. schrr. durch den umstand, dass sie zwar
den autorlosen iv tr. de fide bereits enthält, aber zu ihm keine
scholien beischreibt, die in den 4 andern reichlich vorhanden sind.
Bern. 265 s. x— xi gibt den oben erwähnten commentar für sich, in
zusammenhängender schrift, aber nur zu tr. i ii ni v (Hagen cat.
8. 299); nur diese Schriften stehen in dem am rand und zwischen
den Zeilen commentierten cod. SGall. 134 s. xi (Scherer s. 49). In
den hss. Florent. s. Croce 23, 12 s. x (Bandini 4, 677 f.) und Vatic.
Alexandr. 592 (s. anm. 12) sind alle fünf Schriften, einschliesslich
des tr. IV, commentiert.
12 (s. 53) Ob dieser commentar auch in anderen der anm. 11
genannten hss. enthalten ist, vermag ich nicht zu sagen; sicher bin
ich nur bei drei hss., der Einsidler 235 s. x — xi, welche aber, wenn
ich Peiper p. xix richtig verstehe, nur den comm. zu tr. i und zwar
geschlossen und für sich überliefert, der erwähnten Berner 265,
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58
welche ehemals samcti ÄrmUphi Met(e)n(8i8) war, and der von mir
benutzten Yatic. Alexandr. 592. Diese letzte ist aus zweien zusam-
mengesetzt, f. 2 — 76 enthält eine geschichte des h. Benedictus und
des klosters Fleury sur Loire (nach dem gleichzeitigen vermerk auf
einem Vorsatzblatt Ändreaf compofuit hunc libeMum bernard' fcripftt),
die bis 1025 geht; f. 77 — 99 etwas älter, vielleicht ende des x jh.,
ist ein übel verbundenes und am schluss verstümmeltes exemplar
der fünf tractate (s. 55 anm. 2) : die seite ist in zwei columnen getheilt,
links steht der grösser geschriebene text, rechts der zur selben zeit
von einem etwas älteren Schreiber übernommene commentar. — Eine
probe dieses comm. (zum anfang von tr. i) hat Peiper aus der Ein-
sidler hs. nach Hagens abschrift gegeben s. XLvn f. Einiges wenige
will ich aus dem weiteren ausheben nach der Vat. hs. : zu tr. in z.
46 f. p. 169 P., f. 85^ Ex hac autem novisstma conceptume sumü
exordium argumentaiionis. Satis provide et cum magna cautela legenda
8imt ea quae hie aecwvtwt, quia falsa argumenta veria permixta swnt,
quae ad invicem prudenti iudicio sunt segreganda. ebd. z. 64 p. 170 P.,
f. 86 Suhstantiae bona sunt in eo quod sunt, sed non sunt substan-
tiälia nee substantidliter bona, Omnia quae sunt, ex esse dei descen-
derunt. Ergo quia a bona esse defluxerunt ut essent, bona sunt in
eo quod sunt, nontamen suibstantialiter, quia aliud est ipsum esse et
aliud bonitas seeundum substantiam. ebd. z. 82 p. 171, f. 86 Cum vide-
mus triangülumt qualiter eum materia corporaliter iUud inspicimus,
taliter sine ea mente eogitare possumus. Hoc ad iUud respicit quod
praemisitf scüieet multa posse separari mente, non etiam eorpore,
ebd. z. 88 f. 86^ Quia et barbarae nationes deum eolunt etquanquam
diversis rittbus, ipse tarnen cultus ostendit deum esse, cui honor et
reverentia est exhibenda, etiamsi perverso ordine fiat, ut pagani fade-
bant. Beligio dicitwr eo quod mentes rdiget et obnoxios faciat suis
institutis. Idem est et superstitio, Sed hoc nomen dupplieem recipit
ethimologiam, älterum quidem seeundum illos didtur qui nuUum re-
ligionis eültum in eo inteUigunt [intelligi hs.] ita : superstitio dieitur
a superstitibus id est ab anicülis diu viventibus, quae diu vivendo
delerant et quaeque superflua faeiunt. alter (so) vero est seeundum
religionis significationem ita: superstitio est superstantium id est
eaelestium rerum eultus. Schon das wird manchem zu viel sein.
13 (s. 54) Lib. pont, 50, 74 nennt unter Gelasius' Schriften
libros quinque adversus Eutyehen et Nestorium, qui hodie in biblio-
theea et eeelesiae arehivo reconditi tenentur,
14 (s. 55) Vgl. zb. Cassiod. inst. p. 557^ Gar. apud Latinos auiem
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vir magnifie«^ Albinus Itbrum de hoc re (musik) eampendiosa hre-
vitate conscripstt: quem in biUiotheca Bomae no8 habuis$e atque
studiose legisse retinemus, qui si forte gentüi incitrsione sublatiM
fuerit, hcfhetis hie Gaudentium usw.
Zusatz zu 8. 56 anm. 2
Einen für die geschichte des tr. iv belehrenden fall bespreche
ich nachträglich. Vatic. Alex. 1975 s, xm enthält nach der zu an-
fang defecten consol. f. 42 Incipit prologus annitii usw. tr. i, f. 45^
Incipit Über seeundtis ad iohannem dyaconem ecclesie romane, utrutn
pater usf. tr. ii bis f. 45^ intuere (p. 167, 66 Peip.); f. 46' beginnt
alba sunt (p. 173, 145 P.) . . . . taifien bona dh. schluss des tr. in:
zwischen f. 45 und 46 sind also 2 blätter ausgefallen und damit
der anfang des tr. in. Auf derselben seite f. 46^ beginnt tr. iv
ohne allen titel (am rand steht von der wenig jüngeren band des
scholiasten de nomine et adventu Christi) und wird f. 49^ zu ende
gebracht. Und was folgt nun? f. 50' beginnt (wie f. 46') aXba sunt . . .
bona, fährt aber dann fort Incipit Über contra euticen et nestorium
eiusdem ad eundem iohannem, Anxie usf. (zweimal, nach f. 50 und
64 ist ein blatt verloren gegangen) bis 58^ Explicit Über boetii de
8ca trinitate deo gratias. Den rückschluss auf die vorläge wird
jeder machen.
V EINE UNECHTE SCHRIFT DES BOETHIVS
Zweifeln ist des philologen element. Vier von aller
weit preisgegebne Schriften dem überlieferten Verfasser wie-
der zuzustellen ist ein act edler selbstverlängnung, der durch
ein neues opfer an den heiligen Thomas belohnt zn werden
yerdient. Den ehrensitz, den sich Boethius' tbeplogie wieder
erkämpft hat, mag ein unbefugter eindringling räumen.
Unter den logischen werken des Boethius befindet sich
eine schrift de definitione. Sie wird in der that gemeinsam
mit jeneh in den handschriften überliefert : aber höchstens
ganz junge hss. , keine unter denen, die mir bekannt ge-
worden sind^, nennen Boethius als den Verfasser. In engem
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anschlnss an Ciceros topik c. 5 erörtert das buch die lehre
von der definition und ihren arten ebensosehr in dialekti-
scher wie in rhetorischer hinsieht. Aber es überwiegt der
rhetorische gesichtspunkt, und selbst der mangel logischen
und systematischen denkens, der in den fünfzehn formen,
welche das tu capitel für die definition der Wesenheit auf-
zählt, zu tag tritt, findet seinen zureichenden grund allein
in den rhetorischen Studien des Verfassers. Noch weniger
als die aufiPassung des stoffs im ganzen, kann die weise der
einzelerörterung den leser im glauben an Boethius befestigen.
Sie zeigt uns einen mann, dem sein beruf die exegese der
Ciceronischen reden zur aufgäbe gemacht hat, einen rhetor
der seinen Cicero sehr genau kennt und aus ihm passende
beispiele zu entnehmen weiss, die er mit einer gewissen dia-
lektischen gewandtheit analysiert. Ausser der Ciceronischen
topik, der schrift de inventione (hier immer in rhetorids an-
geführt, wie bei Victorinus p. 156, 4 vgl. 26 Halm) und den
partitiones werden die reden pro S, BosciOy in Verrem, pro
CltienUOy p, Fundanio, p, Cornelio, de domo sua , p, Caelio, in
IHsonem, (p, MarceMo wird c. 4 p. 554, 45 Rota ohne angäbe
des orts benutzt) und Philippicae herangezogen ; einmal wird
eine stelle des Terentius {addph, 57 f. 76) angeführt. Auch
auf die terminologie der scriptores artium dh. der Verfasser
rhetorischer handbücher nimmt der verf. rücksicht (c. 7 n.
vi). Dieser gesichtskreis passt wenig zu Boethius, aber es
bedarf bei einem Schriftsteller, der wesentlich Übersetzer und
compilator ist, stärkerer gründe.
Glücklicher weise hebt schon die erhaltene schrift selbst
den Schleier von dem wahren Verfasser. Im vierten capitel
wird gelehrt dass die definifio substantialis auf den bekann-
ten fünf kategorien des Porphyrios beruhe. Ein genaueres
eingehn auf die letzteren wird abgewiesen (p. 554, 11
Mart. Rota, 652 med der Basler ausg.): verum et Aristoteles
in libris qms Topica appeUavit docuit, quid genus sit, quid
species, quid differentia, quid proprium et quid acddens, et
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pkmmi praeterea pMosophi libris suis conplexi hartim vim
rerttm et poientiam declararunt: nos, quia iam %mo Ubro de
his qui/nque refms plenissime disputavimus, ne res rei inter-
posita öbscuritatem pariat avt dicta repetamuSy lectorem ad
librum^ qui iam scriptum est, si adest ei indigentia, ire völü-
mus. Bekanntlich hatte Boethius zu der eisagoge des Por-
phyrios zuerst einen commentar in zwei dicdogi geschrieben,
der sich an des Yictorinus Übersetzung anscbloss^; erst später
yerfasste er eine eigne Übersetzung und dazu einen ausführ-
licheren commentar in fünf büchern: er hatte, wie die ein-
gangswort'e zeigen, eine wortgetreue Übersetzung zu grund
legen wollen. Das wort iam umo libro oder ad librum in
der obigen stelle passt auf keine dieser beiden arbeiten.
"Wohl aber auf die Übersetzung des Victorinus. Wie wir
aus dem bei Boethius p. 5, 45 R.. erhaltenen eingang derselben
sehen, hatte Victorinus an stelle des von Porphyrios ange-
redeten Chrysaorios einen Menantius gesetzt : ihm hatte er
also sein buch gewidmet, das heisst, er gerierte sich nicht
als Übersetzer sondern als Verfasser, mochte er nun dem
titel ein sectmdum Porphyritim hinzugefügt haben oder nicht*.
Dazu stimmt die ausdrucksweise der schrift * de definitione,
deren verf. das 6me buch über die V voces als sein eigen-
thum in anspruch nimmt.
Die persönlichkeit des Marius Victorinus erfüllt alle
anforderungen, die an den Verfasser der schrift über die
definition zu stellen waren. Der orator urbis Bomae, der
für seine Verdienste als lehrer durch die ehre einer bild-
saule auf dem Traiansforum belohnt wurde, der commentator
von Giceros rhetorik, topik und einer anzahl der diälogi*,
durch den umfang seiner kenntnisse und allgemeinen bildung
über seine Zeitgenossen weit hervorragend, war zugleich der
bahnbrechende vermittler der neuplatonischen litteratur'^ und
begründer der schulphilosophie ® für die Römer : er ist der
ausgangspunkt jener abendländischen entwicklungsreihe, die
in einer fast stetigen folge zur Scholastik hinführte ; sein im
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greisenalter vollzogener übertritt zum christenthum ist vor-
bildlich für die Verbindung von dogmatik und philosophie,
und schon auf Augustinus haben seine arbeiten eingewirkt.
Commentare zu Giceronischen reden sind uns von Yictorinus
nicht bekannt : dass er sie in der schule interpretierte, na-
türlich vorwiegend in technischer hinsieht, für die sprach-
liche und sachliche erklärung nach der weise der zeit von
den altem, Asconius und Volcatius abhängig, das brachte
sein amt als rhetor mit sich. Jene aus fortgesetzter be-
schäftigung mit diesen reden erwachsene bereitschaft von
. beispielen, die in der schrift de defin. entgegentritt, war den
selbstständigeren arbeiten des Yictorinus auf dialektischem
und rhetorischem gebiet eigenthümlich. Das dritte und vierte
buch seines commentars zu Oiceros topik war nach Boethius
p. 271, 4 Or. so angelegt, id tertius quidem TvMiana sibi
de iure proponat exempla, quarius vero eosdem locos per alias
rursus simMtudines monstret ex Vergüio vel Terentio poetis,
oraioriMs Cicerone et Colone,
Auch durch äussere Zeugnisse wird dieser Ursprung un-
serer schrift bestätigt. Angelo Mai gibt class. auct xii 315
f. die kurze beschreibung einer hs., aus welcher er abschnitte
der differentiae topicorum als zwei unedierte tractate des Boe-
thius herausgab ; es ist eine hs. des xi jh., welche die lo-
gischen Schriften des Boethius zum grösseren theil enthält.
In ihr folgt auf den Über divisionum p. 431 liber definüiO'
num Victorini, Wie gewöhnlich unterdrückt Mai die genauere
bezeichnung der hs. , auch seinem handexemplar, auf das
Giamb. de Bossi so freundlich war mich aufmerksam zu
machen, war nichts beigeschrieben. ' Unter den ungefähr neun-
zig Boethiushss. der Yaticana befindet sie sich nicht, wie
ich bezeugen kann; auch zeigen Mais eigne worte p. 315,
dass er sie unter diesen nicht gefunden. Ebenso vergeblich
habe ich in der bibliothek der Barberini danach gesucht , sie
muss in einer anderen Römischen privatsammlung versteckt
sein. Doch haben wir, auch ohne die hs. nachweisen zu
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kömien, ihrem zeugniss volles gewicht beizumessen: weder
ein mittelalterlicher Schreiber noch auch Mai konnten darauf
verfallen, die schrift dem Victorinus zuzutheilen.
Wenn wir weiter in der Überlieferung zurückgehn, wird
auch der letzte zweifei schwinden. Das capitel der Isidori-
schen origmes (ii 29), worin die lehre von der definition
gegeben wird, führt den titel de diviaione deßnitionvm ex Marii
Victorini libro abhreviata. Dass dies capitel nichts ist als
ein ungeschickter auszug aus eben dem buch, das uns be-
schäftigt, ist leicht zu zeigen ; ich unterlasse es hier, weil
ich diesen nachweis ungern aus dem Zusammenhang einer
Untersuchung über die spätere Römische encyclopädie löse,
die nicht dieses orts ist. Das muss ich aber schon hier
bemerken, dass nicht Isidorus der Verfasser dieses auszugs
war, sondern ein um mindestens ein Jahrhundert älterer re-
dactor eines von Isidorus abgeschriebenen, gelegentlich er-
weiterten compendiums der vn artes liberales^. Schon Oassio-
dorius Senator hat nichts anders als ein exemplar desselben
compendiums überarbeitet, als er das zweite buch seiner in-
stitidiones divinarum et saecidarium litterarum zu verfassen
schien: auch hier fehlt nicht das aus Victorinus ausgezogene
capitel (bei Garetius bd. u p. Ö 39 f.), nur stand seine hand-
schrift dem original noch etwas näher als die von Isidorus
benutzte. Und wenn bei Cass. die angäbe der quelle in
der Überschrift fehlt, in den Schlussworten seiner dialektik
holt er sie nach?.
Und was sagt Boethius selbst ? Er ist ein unbescholtener
mann, wir dürfen ihm das entscheidende wort über die echt-
heit des ihm untergeschobenen kindes überlassen. In seinem
commentar zu Ciceros topik kommt Boethius auch zu der stelle,
wo Gic. nach besprechung des wesens der definition und
ihrer hauptarten es abweist auf die anderen noch denkbaren
Spielarten der definition näher einzugehn (6, 28). Die auf-
gäbe des erklärers musste es hier sein, solche weitere arten
nachzuweisen, und Both. thut dies, indem er eben das hier in
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frage stehende bucb durchläuft und zunächst kritisiert p. 3 24,
46 Or. : ämwc locum Viciorinus ünitis völuminis serie aggres-
sus exponere et omnes definitionum differentias enumerare muh
tas interserit, quae definitiones esse paene ob omnibus recla-
mantur. Dies urtheil bezieht sich lediglich auf das siebente
capitel des Victorinus (vgl. oben s. 60), und wird nun von
B. eingehender an der fünften, anhangsweise an der zehnten art
begründet (p. 325, 1—42). Darauf zählt B. die übrigen
definitionsformen aus jenem capitel auf (2 — 4. 6 — 9. 11 — 15,
p. 326, 1 — 327, 3 Or.), nicht nur mit denselben beispielen
wie dort®, sondern auch mit wiederholter nennung seiner quelle
(p. 326, 2. 28. 32). Zum schluss folgt noch die bemer-
kung (327, 4): hae sunt definitionum differentiae, quas in eo
libro quem de definitionihus Victorinus edidit, annumeravit : quas
M, Tuüius praetermittit eo nomine, quod eas minims necessarias
aestimarit nos vero, ne quid perfecto deesset operi, etiam qu<xe
stmt a Cicerone praetermissa subiecimus.
So hat sich unsere unechtheitserklärung glücklicher weise
zuletzt doch wieder zu einer rettung gestaltet. Sie hat uns
zu dem sicheren besitz der einzigen selbstständigen schrift
des Victorinus aus dem gebiet der dialektik verholfen, die
erhalten ist. Ihre erhaltung verdanken wir aber, wie die
anm. 7 mitgetheilte stelle zeigt, offenbar der fürsorg e des
Cassiodorius, der sich nic&t damit begnügte den schülern des
mittelalters den dürren abriss einer encyclopädie zu über-
mitteln, sondern bestrebt war auch die quellen derselben den
lehrern zugänglich zu erhalten.
ANM. 1 (s. 59) Eine Bemer hs. des xi jh., die sonst in den
Überschriften sogar die titulatur des Boethius mit Sorgfalt wieder-
gibt, lässt auf B. diff. top., de divisione, introd, in syUog, categ, und
de syUog. categ, n, de hypoth. syU. u, Apuleius perthermenias und
Augustinus' categoriae zum schluss unsere schrift, aber ohne titel
folgen (n. 300 f. 43, vgl. Hagens catal. p. 319). In der Florentiner
hs. von S. Marco n. 166 s. xn — xin, einer von denen über welche
mir mein freund E. Piccolomini nähere auskunft gegeben, steht
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zwischen Boeth. liber dmsionvm und introductio in cathegoricos siUo-
gismos das fragliche buch f. 40' mit der aufschrift Incvpfit) lib(er)
diffiniUonum. Ebensowenig haben die beiden Laurentiani 50, 10
8. xn und 71, 1 s, xiv eine aufschrift (s. Bandini 2, 507. 3, 1).
2 (s. 61) Boethiua p. 1, 36 Rot. id quod Victorinus orator sm
temporis ferme doctissimus a Porphyrio per iiaaytoyriVj id est per
introducHonem in Aristotdis categorias dicitur transttdisse, vgl. anm. 7.
In einer Cölner hs. des xi jh. n. 187 (Jaffe u. Wattenbach s. 78)
soll erhalten sein Isagogae Porphyrii translatae de greco in latinum
a Victorino orator e (es folgen darauf Boethius' beide commentare),
aber es ist offenbar die Übersetzung des Boethius.
3 (s. 61) Der seltsame einfall F. Osanns (beitr. z.- litteraturg.
2, 876), Menantius sei der wirkliche, Chrysaorios nur der fingierte
name von Porphyrios' freund gewesen, bedarf keiner Widerlegung.
Vergleichen lässt sich Priscians Übersetzung der progymnasmata des
Hermogenes, die den titel praeexercitamenta Prisciani gramniatid
führt und in einigen hss. die subscription Prisciani sophistae ars
praeexercitaminum secundum Hermogenen vd Libanium.
4 (s. 61) An der echtheit des comm. zu de in/oentione zu zwei-
feln gestattet nicht Cassiocjorius rhet, 10 (bei Halm, rhett. lat. p. 498,
9). Den commentar zur topik bezeugt ßoethius in top. p. 270 f.
US. Or., solche zu philosophischen Schriften Hieronymus contra Buf.
I 16 t. n p. 472» Vall. Viücatii in orationes Ciceronis, Victorini in
diaJogos eiiis: Osann ao. 376 f. geht wieder in die irre, auch die
Schrift de defin. p. 553, 10 bezeichnet mit dicdogis ommbus Ciceros
philosophische Schriften.
5 (s. 61) s. Augustinus conf.Yin 2 Lommemoravi [ebd. vn 9] legisse
me quosdam libros Platonicorum, quos Victorinus qwyndam rhetor
urbis Bomae, quem Christianum defunctum esse audieram, in latinam
Ivnguam transtülisset, und gleich darauf die Charakteristik iUe doc-
iissmus senex et omnium Uberälium doctrinarum peritissimus quique
philosophorum tarn multa legerat et diiudicaoerat et dilucidaverat,
doctor tot nohüium senatorum, qui etiam ob insigne praeclari magisterii,
quod cives huius mundi eximium putant, statuam in foro meruerat et
acceperat, Hieronymus chron. zu ol. 283, 2 (354 n. Chr.) ua.
6 (s. 61) Es ist ein irrthum, wenn man meint, Isidorus habe
die encyclopaedie Cassiodors benutzt; durch sorgfältige vergleichung
kann sich jeder leicht vom gegentheil überzeugen, selbst bei der
rhetorik.
7 (s. 63) Die echten Schlussworte finden sich nur in der kür-
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zeren redaction der Bamberger hs. Da sie gerade für die pliiloso-
phische schulschriftstellerei des Victorinus besonders wichtig tind
meines wisscns noch nicht bekannt gemacht sind, setze ich die ganze
stelle her: Isagogen transMit Victorinus orcUor, commentum eius
quinque libris vir magnificm Boethius edidit categoruns idem trans-
tuUt VictorinuSy cuius commentum oeto libris ipse quoque formavit.
Peri Tiermenias supra niemoratus Victorinus transtuiit in latimtm,
cuius commentum sex libris patridus Boethius minutissima disputatione
tractavit Äpuleius vero Madawrensis [die in den hss. nicht bezeich-
nete lücke ist mit benutzung der anderen redaction so zu ergänzen:
sf/Rogismos categoricos breviter enodcmt. Victorinus de] syUogismis
hypothetids' dixit quindecim quoque species esse definitionum (vgl.
Cass. p. 540 und Victorin. c. 7, oben s. 60) idem Marius Victorinus
düigenter edocuit, topica AristoteUs Cicero transtuiit in latinum, cuius
commenta prospector atque amator Latinorum Victorint^ quattuor Ubris
exposuit. Was folgt, betrifift die dialektischen hss. in Cassiodorius'
klosterbibliothek: auctoritatem vero eorum librorum in unum codieem
non incompäenter f<yrtasse coüegi, ut quidquid ad dialecticam perti-
nety in una congestione codicis dauderetur. expositiones itaque dtoer-
sorum librorum, quoniam erant mvHtiplices, sequestratim in codicibus
fecimus scribi, quos in una vobis Ubliotheca domino praestante de-
reliqui. Also hatte C. in einer hs. Porphyrios' V voces, Aristoteles'
kategorien und n . kqfiriv,, Apuleius perihermenias (de dogm, Plat. b.
in), Victorinus de syUog. hypoth. und defin.^ endlich Ciceros topik
zusammenstellen lassen.
' 8 (s. 64) Dass Victorinus' erste form, die deßmtio substanticdis
von B. nicht erwähnt wird, versteht sich von selbst. Eine Variation
des beispiels hat B. nur bei der zweiten form p. 826, 4 vgl. Victo-
rinus p. 558, 27 beliebt.
VI Cassiodorivs Senator (z. 20—28)
Wäre das Reichenauer bruchstück früher bekannt gewesen,
so hätte über das leben des Cassiodorius Senator nicht jene Un-
sicherheit walten können, welche durch die Schwierigkeit, in un-
seren nachrichten vater und söhn zu unterscheiden, lange unter-
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halten wurde. Mittlerweile sind durch schärfere Untersuchung
die wesentlichsten irrthümer beseitigt l, aber auch so ist diese
erweiterung unserer Zeugnisse höchst erwünscht um das gefun-
dene theils zu bestätigen theils zu berichtigen.
Die familie der CAssioDORn stammt aus dem Orient. Le-
tronne bereits hat in seiner ausgezeichneten abhandlungi über
Grriechische eigennamen richtig bemerkt, dass der name Kaoaio-
iwQog auf den cultus des Zeus Kas(s)ios hinweise, der auf den
gleichnamigen bergen bei Seleukeia und bei Pelusion verehrt
wurde ^. Die familie hatte unter dem Oströmischen adel hoch-
stehende verwandte, wie Heliodorus, einen vieljährigen Verwalter
der praetorischen praefectur. Noch heute zeigt ein grabdenkmal
von Antiocheia, dass dort in den höheren ständen der name
Kassiodoros vorkam ^. Auch jener Cassiodorus, der zuerst nach
Italien übersiedelte und durch güterankauf auf der Bruttischen
halbinsel den reichthum der nachkommen begründet haben mag,
wird aus dem Antiochenischen adel hervorgegangen sein.
Den stanunbaum, den Cassiodor in dem schrifbchen an Ce-
thegus vorführte, können wir nach den var. i 4 gegebenen an-
deutungen jetzt nur drei generationen über den Verfasser zurück
verfolgen. Wir sehen die bedeutung der familie stetig zuneh-
men, bis sie in unserem scbriftsteller ihren höhepunkt erreicht.
Der vater desselben, in spätrer zeit gewöhnlich Casbiodokiys
FATBI0IV8, von hauso aus also einfach Cassiodobivs genannt, hatte
seine öffentliche lauf bahn unter Odoaker (seit 476) als comes
privatarum begonnen, war dann zum comes sacrarum largiUonum
aufgerückt und zuletzt mit provinzialverwaltung betraut worden.
So war er consülaris Siciliae^ als das ringen zwischen Tbeo-
derich und Odoaker begann^; einer der ersten, welche Theo-
derichs Sache ergrifiPen, verstand er es die gährenden und un-
entschiedenen gemüther der provincialen für den Ostgothen zu
gewinnen und diesem so die wichtige insel zu retten, die sonst
unfehlbar bald eine beute der Yandalen geworden wäre. Nach-
dem der kämpf entschieden war, bewies ihm Theoderich sein
besonderes vertrauen, indem er ganz gegen die herrschenden
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verwaltangsgrundsätze^ ihm als Lucaniae et Brfdtiorum cor-
rector die Verwaltung der heimathlichen provinz übertrug (zwi-
schen 493 und 496)^. Auf den höchsten Vertrauensposten der
praetorischen praefectur hatte, als Theod. den gleichfalls von
Odoaker übernommenen Liberius aus diesem amte entliess« kaum
ein andrer so hohes anrecht wie Cassiodorius. Da Th, einen
Wechsel in der praefectur erst nach der Römischen empfangs-
feierlichkeit im j. 500 stattfinden HeBs"^, so kann Cassiodorius
frühestens für ind, ix 500/1 zum praef, praet, ernannt worden
sein. Erst beim rücktritt von diesem amt erhielt er die pa-
tricierwürde (var, i 3 f.)^; eine öfiPentliche Stellung scheint er
seitdem nicht mehr eingenommen zu haben, aber aus seiner
ländlichen zurückgezogenheit berief ihn der könig als rathgeber
in seine persönliche Umgebung, ad comiiatum {var, m 28).
Sein söhn Magnvb Aybelivb Casbiodorivs Sbnatob, zu seiner
zeit kurzweg mit dem rufnamen Senator genannt ^ hatte das
glück an der band dieses vaters in die öffentliche laufbahn einzu-
treten. Wie andere beamte^^, umgab sich auch der praefect
mit selbstgewählten beiräthen und gehilfen; niemand konnte ihm
dazu erwünschter sein als der nach abschluss der Studien eben
zum eintritt in den Staatsdienst fertige söhn. Cassiodor (denn
so dürfen wir fortfahren den berühmtesten mann der familie zu
nennen) sollte nicht lange in dieser halb privaten Stellung eines
consiliarms bleiben. Eine lobrede auf Theoderich, die er vor
demselben hielt, machte den könig auf den jungen mann auf-
merksam, der ausser gewandter, prickelnder rede verständniss
und hingebung für die ziele der Ostgothischen regierung verrieth.
Cassiodor hat seitdem noch manche lobrede auf Theoderich, auf
Eutharich, auf die nachfolger gehaltenes Schönrednereien die
uns vielleicht diese und jene brauchbare notiz überliefern wür-
den, an denen aber die zeit im gründe gerechtes gericht ge-
halten hat, indem sie bis auf wenige proben sie untergehn liess.
Bleibenden und wichtigen* erfolg hat nur die erste gehabt. Sie
überzeugte den könig, dass er in Cassiodor den dolmetsch seiner
entschlüsse gefunden, dessen er far Rom und Italien bedurfte. Er
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verlangte dass die rede aufgezeichnet und veröfiPentlicht werde
(anm. 13), und ernannte den jungen redner, ohne ihm vorher
eine comitiva übertragen zu haben, sogleich zu seinem qtiaestor.
Die wichtigste aufgäbe dieser hofcharge, die anordnungen und
richterlichen entscheidungen hpchster stelle stilistisch auszuarbei-
ten, ist von Cassiodor selbst in der ernennungsformel var, vi 5
gebührend hervorgehoben. Und es ist bekannt, wie unentbehr-
lich er sich gerade nach dieser seite machte. Wiederholt be*
kleidete er die quaestur und auch ohne amt, ja in der höheren
Stellung als magister ofßciorum führte er thatsächlich ihre ge-
schäfte'^. Diese thätigkeit wurde ihm gleichsam zur andern
natur, dem behagen daran verdanken wir seine variae\ was
wüssten wir ohne diese von der Organisation des Ostgothenreichs?
Wir finden es begreiflich, dass Cass. gerne dieses ersten und
entscheidenden erfolgs seiner eloquenz gedenkt. Ausser unserem
excerpt redet er davon auch in dem ft'agment eines panegyricus ^^.
Dieser einblick in den beginn von Cassiodors öfiPentlicher
laufbahn ist erst durch unser fragment eröffnet worden. Beim
ersten ansehn erscheint es, als sei damit ein zufälliger, unwesent-
licher umstand mehr aus dem leben Cassiodors gewonnen. Aber
bei der lückenhaftigkeit unseres wissens kann auch eine gering-
fügige thatsache grössere tragweite erlangen. Wir haben fest-
gestellt^ dass Cassiodorius der vater frühestens am 1. September
500 praefect geworden sein kann. Wer annehmen wollte, dass
jene lobrede als danksagung für diese beförderung des vaters
gehalten wurde, könnte die quaestur des sohnes gleichzeitig mit
der praefectur des vaters beginnen lassen. Gewiss ist nur dass
Senator bereits quaestor war, als der vater die prjfcefectur nie-
derlegte: von seiner band sind die beiden briefe geschrieben,*
welche die erhebung des vaters zum patriciat betreffen {var, i
3. 4). Ob der letztere mehr als ein jähr praefect gewesen war,
wissen wir nicht. Aber die grosse geschäftskenntniss, welche
der söhn als quaestor zu bewähren hatte und bewährte, setzt
vorangegangene praxis voraus, wie sie Cass. nur erwerben konnte,
wenn er consiUarius des vaters nicht bloss werden sollte, son-
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derD auch thatsächlich war. Damit wäre als frühestes datum
für Cass. eintritt in die geschäfte herbst 500, für die quaestur
501 gewonnen; und wenn Thorbecke mit seiner methodischen
deutung des unbestimmten primaeviis ^^ recht hat, wofür wir
jetzt das noch viel unbestimmtere iuvenis (z. 21) hören, so ist
Cass. beim antritt der quaestur etwa 17, als höchstes darf man
zugeben, 20 jähre alt gewesen, also frühestens 481 geboren,
ein sehr naher altersgenosse des Boethius. Dies sind freilich
keine festen daten, aber sie haben ihren werth durch die nega-
tive gewissheit, dass vor 501 kein schreiben der variae abge-
fasst sein kann. Bisher gewann man den frühesten Zeitpunkt
für Gassiodors quaestur aus den, wie man meinte, durch die
niederlage der Alemannen chronologisch sicher fixierten schreiben
an Boethius und Chlodovech (var. u 40. 41), die man demztf-
folge ins j. 496 oder anf. 497 setzte: schon Boethius* lebens-
verhältnisse gaben uns gegen diese deutung der briefe einen
zwingenden gegengrund (s. 39 f.), jetzt haben unsere bedenken
eine gleichsam urkundliche bestätigung erhalten.
Die ernennung unseres Gassiodors zum patridtts fiel, da
in der aufzählung der würden strenge Zeitfolge innegehalten
sein muss, wie bei Boethius vor das consulat, eine aoerkennnng
für die in der quaestur geleisteten dienste. Erst nach dem con-
sulat 514 kehrte er mit der höheren würde eines magister
offidorum an den hof zurück. Es war das letzte amt, das er
in dem schreiben an Cethegus angeben konnte, und muss daher
zwischen 1. sept. 515 und 521 in der mitte liegen. Die titu-
latur der im j. 519 herausgegebenen chronik fördert uns hier
nicht: sie enthält zwar ein ex mag, off., das richtig sein
könnte, aber auch die für das j. 519 unmögliche angäbe
p(raefecti) p(raetori)o. Wer vergnügen an müssigen conjectu-
ren hat, mag dies magisterium auf 518/9 setzen, wo G. die
chronik Theoderichs Schwiegersohn Eutharich widmete. Uebri-
gens hat Cass. dies amt Öfter, mindestens noch einmal verwal-
tet. Beim tod des königs ^d Amalasuntha ihn als nuig, off.
vor, und wie er in diesem kritischen momente erat 8olf4S ad
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universa suffidensy so bediente sie sich seiner beihilfe auch für
die geschäfte der quaestur^'^; da Tb., wie sich nach earc.FoZ. 94
leicht berechnen lässt, am 30 aug., also nur zwei tage vor dem
neuen indictionsjahre starb, so kann das nur heissen, dass Cass.
för ind. v (526/7) noch vom könige selbst ernannt war.
Zum praefectm praetorio ist Cassiodor erst unter Atha-
larich und dies spät genug, auch nicht ohne kämpf aufgerückt.
Das schreiben {var, ix 24 vgl. 25), welches ihm für ind, xu
533/4 diese würde überträgt, gibt zu erkennen, dass der enkel
damit eine schuld des grossvaters abtrage. Auch ohne diese
werte würde die fassung dieses und des an den senat gerich-
teten Schreibens es nicht im dunkel lassen, dass C. bis dahin
diese höchste stelle noch nicht eingenommen hatte. Seitdem
stieg er nicht mehr zu den untergeordneteren dienstleistungen
herab ; seine lieblingsthätigkeit, amtliche schönschreiborei konnte
er jetzt im eigenen namen ausüben {var. xi xu). Es ist wesent-
lich dass das Sendschreiben an. Gethegus der praefectur noch
nicht gedachte, und es zeugt für die gute Überlieferung unseres
excerpts, dass auch in den titel desselben das praef, praet
nicht, wie bei der chronik, aus späteren Schriften einge-
schwärzt ist.
Um so mehr stutzen wir, wenn wir die variae erwähnt
sehn (z. 25 f.). Diese Sammlung der von ihm ausgearbeiteten
erlasse hat Cass. bekanntlich am ende seiner öfiPentlichen lauf-
bahn, aber ohne bereits von der praefectur, die er seit sept.
533, wie es scheint, ununterbrochen verwaltete, zurückgetreten
zu sein veranstaltet. Also nicht früher als 538, bis wohin die
letzten sicheren beziehungen reichen, und nicht später als 540,
wo mit der eroberung Bavennas durch Belisar Cassiodors amt
von selbst erloschen wäre. Die Unmöglichkeit, die erwähnung
der variae auf eine schrift zurückzuführen, die in allen sonsti-
gen resten auf eine weit frühere zeit weist, ist einleuchtend.
Glücklicher weise ist auch die sprachliche form des satzes so
unverkennbar die einer randglosse, und die einfügung dessel-
ben so unmöglich, dass über den Ursprung kein zweifei be*
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stehen kann. Ich habe aus diesem gründe auch praefuisset
formulas unangetastet gelassen.
So bleibt denn nur die erwähnung einer schriftstellerischen
leistung Cassiodors, derjenigen freilich, auf welche ihr Verfasser
mit grund den höchsten wertti legte. Auch für uns würde die
Gothengeschichte das wichtigste aller seiner werke sein: aus
dem mageren und eilfertigen auszug des lordanis müssen wir
jezt, statt an der quelle unsern Wissensdurst stillen. Die viel-
besprochenen äusserungen Cassiodors var, ix 25 und im Vor-
wort reichten völlig aus, uns über die tendenz dieser xn bücher
aufzuklären. Jetzt hören wir es aus dem munde des Schrift-
stellers, dass er ^auf anordnung' '® des Theoderich selbst sich
einer arbeit unterzogen, wie sie in jenem jh. längst niemand
mehr unternahm. War es auch keine forschung in unserm
sinne sondern nur eine compilation, die compilation selbst er-
forderte so ausgedehntes umhersuchen und lesen, dass man sie
im sinne jener zeit füglich eine wissenschaftliche leistung nennen
darf. Von selbst, das dürfen wir dreist sagen, wäre der ge-
danke dem vielbeschäftigten beamten nicht gekommen. Auch
hier bewährt sich wieder die regierungskunst des königs, der
eine nation von alter geschichte und bildung, einen adel mit
kaisern im Stammbaum mit seinem Gothenvolk verschmelzen
wollte.
Die buchzahl, die wir verderbter lesart abgewannen, ist
uns durch Cassiodor selbst und seinen nachtreter bekannt; sie
entsprang der im Schlusswort zur Orthographie begründeten
Vorliebe des Verfassers für die zwölfzahl. Besonders hervorge-
hoben wird dann an dem werk das eingehn auf die anfange
und die entwicklung des volks, originem, ein wort das sich
durch den einklang mit Athalarichs Sendschreiben originem Go-
ihicam histariam fecit esse Bomanam als Cassiodorisch erweist,-
und auf die Schilderung von örtlichkeiten und sitten. Den Ver-
lust der nachrichten über Gothische sitte beklagen hilft zu
nichts. Die Ortsbeschreibungen, nach der Schablone der sx(pQdosigj
galten nicht bloss den fernen älteren Wohnsitzen des volks :
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grade das ihm and seinen lesem aus eigner anschanung be-
kannte muss er mit verliebe dargestellt haben, wie wir aas
der von Köpke s. 69 f. überzeagend nachgewiesenen schilde-
rang Ravennas entnehmen.
Eine der brennendsten fragen ist die, wie weit Cassiodor
seine geschichte herabgeführt habe. Man hat damit die ganz
verschiedene frage identificiert, bis zu welchem punkt in lorda-
nis' buche Cassiodor zu gründe liege. Mir scheint diese letztere
frage durch Waitz' nachweis *"' erledigt, dass schon in der er-
zählung der kämpfe zwischen Odoaker und Theoderich lordanis
die Ravennatische chronik vor sich gehabt habe. Nur kann ich
diese thatsache nicht so deuten wie Waitz. Auf die Installie-
rung Theoderichs, auf die hauptmomentä seiner bisherigen re-
gierang und auf seine tendenz musste Cass. eingehn, wollte er
nicht sein werk ohne die pointe lassen, welche der zweck des
ganzen war. Die dreitägige frist, die lordanis zur benutzung der
12 bücher gehabt haben will, ist natürlich Schwindel: das wahre
daran mag sein, dass er durch beschränkung der zeit verhin-
dert wurde das werk bis zu ende auszunutzen ; es ist auch möglich,
dass Cass. darstellung in einen panegyricus seiner zeit auslief,
der es dem epitomator zu sauer machte die thatsachen heraus-
zufischen. Genug, aus lordanis kann die zeitgrenze für Cassio-
dors erzählung nicht ermittelt werden. Approximativ wenigstens
lässt diese sich anderweitig gewinnen. Das werk der Gothen-
geschichte war vor Theoderichs tod veröfiFentlicht : einem acht-
samen leser von var, ix 25 braucht das nicht gezeigt zu wer-
den. Noch genauer begrenzt sich die zeit der herausgäbe durch
anser fragment. Wir dürfen jetzt, wo wir den letzten satz des-
selben durchsprochen haben, das einzelne zu einem schluss über
die abfassungszeit des verlornen Sendschreibens zusammenfassen.
Das jüngste ereigniss dessen es gedenkt, ist Boethius^ lobrede
auf Theoderich aus dem anfang des j. 522 (z. 13 vgl. s. 48, 15).
Von der katastrophe des Boethius und Symmachus ist keine spur
wahrzunehmen, daher auch die consolatio unerwähnt. Wäre die
Schrift an Cethegus nach Theoderichs tod verfasst, so lag selbst
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för den höfischsteD hofmanh nicht der geringste grund vor, das
ende jener beiden männer schweigend zu übergehn. Die guter
derselben, welche zufolge des urtheils confisciert waren, wurden
den erben durch Amalasuntha restituiert; und selbst Rusticiana,
obwohl am Umsturz von Theoderichs bildsäulen in Born bethei-
Kgt, fand in Totila einen beschützer *®. Seit der regierung der
Amalasuntha konnte es ohne die leiseste gefahr einer Verstim-
mung gesagt werden, dass die hinrichtung jener patricier eine
ungerechte Übereilung des königs war. Und wenn das gesagt
werden durfte, wie konnte in einer Schilderung der männer ihr
tod verschwiegen werden ? Nun hat aber Cass. an Cethegus ge-
schrieben, während dieser mag, off. war; Boethius selbst ver-
waltete dies amt unmittelbar vor seinem process, dh. nach den
zuverlässigsten berichten, die seinen tod ins j. 524 setzen '^
522/3 : das magisterium des Cethegus kann also nur in das in-
dictionsjahr 521/2 fallen. Damit sind für die abfassung des Send-
schreibens die zeitgrenzen nahe zusammengerückt, sie fallt in
den kurzen Zeitraum von Januar bis august 522. Die darin er-
wähnte Oothengeschichte also, in welcher der Stammbaum der
Amaler bis auf Athalarich herabgeführt war, schloss frühestens
mit 518, spätestens mit 521 ab.
Das geschick der drei Römer, deren leben wir an der band
des Reichenauer excerpts verfolgt haben, ist verschiedene wege
gegangen. Boethius und Symmachus, bis in den grund des her-
zens Romer, den politischen und kirchlichen traditionen ihrer
Vaterstadt treu, bezeugten die männlichkeit ihres Charakters mit
ihrem blnt. Ihr ende ist eine tragoedie, und doch nur eine scene
der ergreifenden peripetie, in welcher der grosse könig, dessen
zeit sie geschmückt hatten, handelnd leidet. Cassiodor, ein be-
weglicher Südländer, nicht tief eingewachsen in Römische In-
teressen, beherrscht von naivem behagen am eignen geist und
mund, ein charakter nur in der hingebung an das königshaus
und dessen aufgäbe, die Verschmelzung der Oothen und Italiker,
blieb unberührt vom Schicksal seiner freunde. Es war ihm vor*
behalten, den bau den er fast vierzig jähre lang gestützt hatte,
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zusammenbrechen zu sehn. Damit hatte seine weltliche thätig-
keit ihr ende erreicht. Mit dem rücktritt des letzten Römers
schliesst das alterthum selbst ab. Was von der dagewesenen
weit unvergänglich war, hat sich mitCassiodor im schütze klö-
sterlicher mauern geborgen.
Anm. 1 (s. 67) Von früheren arbeiten nenne ich ausser (larets
vita Ca88, Manso, gesch. d. Ostgoth. reichs s. 382 ff. Besseres hat
Baudi di Yesme in der s. 38, 15 genannten arbeit s. 172 ff., R. Eöpke,
deutsche forschungen (Berl. 1859) s. 85 ff. und besonders Aug. Thor-
becke in der sorgfältigen abhandlung 'Cassiodorus Senator, ein bei-
trag zur geschichte der Völkerwanderung* (beigäbe zum Heidelberger
lycealprogramm von 1867) gegeben. Das Buch von Ad. Franz *M.
Aurelius Cass. Senator, ein beitrag zur gesch. der theologischen
literatur* (Bresl. 1872) hat seinen werth in den Zusammenstellungen,
welche Cassiodors Verdienste um die Überlieferung der älteren litte-
ratur ins licht setzen.
2 (s. 67) Letronne, sur Futilite qu'on peut retirer de Tetude
des noms propres Grecs pour l'histoire et Parcheologie, in den m6m.
de l'acad. des inscrr. t. xix 1 s. 63. Ueber den Zeus Easios vgl.
Jacobs, animadv. in epigr. anthol. 6r. t. ii 2 p. 322 f. Movers, Phoe-
nizier i 668 f. Auch der einem zweig der Anicier eigenthümliche
name Olybrius (s. Aschbach ao. 888 ff.) gehört einem orientalischen
Zeuscultus an: zu Anazarba in Kilikien wurde ein Zevc ''OXvßQig oder
'OlvßQioc verehrt, wie die neuen ausgrabungen auf demEsquilin ge-
lehrt haben (buUett. della comm. municip. 1875 t. ra p. 98).
8 (s. 67) ClOr. 4466 t ra p. 218. Über Heliodorus s. Cass.
f>ar, 1 4.
4 (s. 67) Cass. vor. i 4 fährt nach den beiden ersten würden
fort quid provineiis redditam discipUnam .... referamuSt und geht
dann von dem lobe der bei der provincialverwaltung bewiesenen
Unbestechlichkeit auf die zeit des Theoderich über mit den werten his
itaque süb prcieeederUi rege gymnasiis exercitatua emeritis laudibus
ad pakaia nostra pervenü. Nach i 3, der quelle für' das weitere,
verwaltete G. Sicilien in ipso imperii nostri exordiOi cum cidhue flue-
iuantibu8 rebus provinciarum [sehr, provineiaiium] eorda vagarentur.
5 (s. 68) Vgl. Gothofredus zu cod. Theod. i 12, 1 t. i p. 73
f. Ritter. *
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6 (s. 68) In diese zeit (zwischen 493 und 600) fällt ein brief,
den pabst Gelasius (492 — nov. 496) in der angelegenheit des Cae-
lestinus, eines geistlichen von Scylaceum, Phüippo et Cassiodoro
schrieb, bei Thiel i 462. Die fragmentarische Überlieferung (erst
Mansi hat ihn aus Ivo X 12 hervorgeholt, conc. vni 131*) entschul-
digt den irrthum Coustants bei Thiel p. 43, der in den adressaten
zwei presbyter von Squillace sah. Der erste adressat Filippo beruht
wohl nur auf missverstandenem fil(io).
7 (s. 68) Mitten in der erzählung von Theoderichs anwesen-
heit in Rom berichten die in chronologischer hinsieht sehr genauen
Valesianischen excerpte 68 Liberium praefectum praetorii quem fecerat
in initio regni sui (dh. nach dem toddes Odoaker, vgl. var. n 16,
Pallmann, gesch. der Völkerwanderung n 332 f.), fecit patridum et
dedit ei sttccessorem in admintstratione praefeeturae. Die anwendung
von diesem i^ichtigen zeugniss hat schon Thorbecke ao. s. 38 anm.
16 gemacht.
8 (s. 68) Es ist eine ungenauigkeit, wenn es in unserem exe.
z. 21 heisst patricti et praefecti praetorii. Die nach der praefectur
übliche bezeichnung Cassiodorius patricius musste auch in dem Send-
schreiben an Cethegus angewandt werden; aber dass daran praef.
praet, durch et angereiht wird, kann erst durch den zusammendrän-
genden epitomator veranlasst sein.
9 (s. 68) Über Cassiodors namen s. Sc. Maffei in den OBsefD.
lett, n 299 ff. Die namen Mcigni Äurelii scheinen auf den hss. der
vaHae und vielleicht des buchs de anima zu beruhen, deren Über-
lieferung ich nicht kenne; doch konmit auch der titel Liber magni
aurelii cassiodori aenatoria de institutianibus divinarum litterarum
vor in einer hs. des xn jh. zu Cambridge (vgl. den catalog ni s. 646
n. 17). Die gründe welche Maffei ao. 306 ff. gegen Magnus und für
Marcus vorbringt, scheinen mir nicht stichhaltig. Richtig hat er
dagegen Senator als den eigentlichen rufnamen erwiesen 310 ff. nach
Sirmonds (zu Enn. ep. m 1 p. 14 f.) Vorgang. 'Cassiodorius* ist s. 16
festgestellt. Wenn zu obigen namen noch Flavivs zu treten scheint
in der subscription von Symm. ep. 16 bei Thiel i 729 Fl. Senatore
V. c. cons., so ist das mehr titel als name, s. oben s. 44 anm. 4.
10 (s. 68) Bei allen behörden mit richterlicher befugniss fin-
den wir eonsHarii; aus dieser zeit vgl. zb. Ennodius dict, m p. 474
te sacrarum iudex (von Sirmond p. 76 irrig auf den comes sacr. larg.
bezogen, vgl. Bethmann-Hollweg ao. in 88 f.) et consüii comitem
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meruit et laboris^ Gass. vor, vi 5 äliae qw^^ dignitates assessorum
sölada quaerant usw.
11 (s. 68) Var, praef, p. 2 diadsti etiam ad commendationem
unwersitatis frequenter reginia ac regibus laudes, ix 25 aures do-
fntfMntium luctdenta saepius praedicatione complevit-, ebd. wird eine
rede auf Eutharich erwähnt patrem qiwque clementiae nostrae in
ipaa curia Ubertatis qua disertitudine devotus assendt? Einer rede
auf Eutharich und Amalasuntha gehört von den oben s. 33, 15 be-
sprochenen panegyrischen resten fr. v p. 189 f. vgl. di Vesme p. 177,
an Amalasuntha wendet sich fr. vi. vil, an Theodahat ist das von
Jubainville entdeckte bruchstück (M. Haupt im Hermes 7, 378 f.)
gerichtet.
12 (s. 69) Var, ix 24 veniamm ad magisteriam dignitatem ....
quo loco positus semper quaestorihus affuisti und ebd. non enim pro-
prios fines süb te uUa dignitas custodivit, anm. 15, vgl. Thorbecke
8. 14 ff. 39 f.
13 (s. 69) Faneg. fr. iv p. 189 cum laudes tuas, clemeniissime
regum, ingenio quidem destituttM, sed magna fultus alacritate red-
tarem, in ordinem me dicta redigere # # .
14 (s. 70) Vao', IX 2i ex te , . . quem primaevum recipiens ad
quaestoris officium mox repperit consdentia praeditum et legum eru-
ditione matwum, vgl. Thorbecke s. 9.
15 (s. 71) Var. ix 25 repperimus eum quidem magistrum^ sed
implevit nobis quaestoris officium.
16 (s. 72) Praecipere praeceptum praeceptio sind nicht bloss
in den variae, sondern überhaupt in der spräche der zeit technische
ausdrücke für königliche oder bischöfliche anordnungen.
17 (s. 73) Waitz in den nachr. v. d. Göttinger gesellsch.
der wissensch. 1865 s. 97 ff.
18 (s. 74) Prokop. b. Goth. I 2 p. 12, 20 tots 2vfifiaxov t€ xal
BotiCov naial triv ovaiav a7tid(ox€v, und über Busticiana ebd. m 20
p. 365.
19 (s. 74) Unsere quelle sind hier die Ravennatischen fasten;
ihre zeitliche disposition der ereignisse hat am getreusten Marius
von Avenches bewahrt (bei W. Arndt, Bischof Marius von Aventicum,
Leipz. 1875 s. 81 f. Boncalli, vet, chron, 2, 406):
624 c. lustino II et Opüione, ind, II , , , , eo (mno inter-
fectua est Boetius patridus in territorio Mediolanense.
525 c. Proho iwniore et Füoxeno, ind. IIL his consulibus
oocisus est Simacus patridus Mavennae (unter 526 nur
Theoderichs tod).
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Diese vertheilung wird bestätigt durch den genauesten bericht,
exe, V(ü. 86—87. 92. Boethius war, als der referendarius Cyprianus
die hochverrathsklage gegen den patricier Albinus einreichte, noch
mag. off. und daher, wie überdies aus dem lauf der sache hervor-
geht (vgl. auch cofw. I 4), persönlich am königlichen hof zu Verona
anwesend; sein freimüthi^es auftreten für den senat führte die aus-
dehnung der klage auf ihn herbei, wozu sich Cyprians bruder Opilio
(vgl. Sirmond zu Enn. ep. v 3 p. 25 f.) und dessen schwager Basilius,
ein durch eine bedenkliche ehegeschichte {f>ar. n 11. 10. iv 40) und
durch einen process wegen Zauberei (var. vi 22 f. vgl. Boeth. cona.
I 4 z. 52) übel beleumundeter Senator, ausserdem ein Gaudentius
bereit finden Hessen. Die eröffhung der anklage bis zum urtheils-
spruch des Eusebius, die einholung des bestätigenden urtheils des
feigen Senats erforderten zeit; B. wurde dann zu Calvenzano in haft
gehalten (nicht eingekerkert: das schliesst Biraghi ao. s. 25 richtig
aus eons. H 4 hie ipse locus quem tu eanlium voeM, ineolentibua por
tria est vgl. i 8), zuletzt nach langer tortur, die ich nur aus seiner
Verweigerung einer aussage (vgl. eons. i 4 z. 09 ff. 88 f.) mir erklä-
ren kann, hingerichtet; der winter 528/4 muss darüber hingegangen
sein. Der hauptdelator Cyprianus wurde durch die emennung zum
eomes sacr. hrg. für ind, in 524/5 (va/r. v 40) belohnt. Process und hin-
richtung des Symmachus erfolgten erst, als die gesandtschaft nach
CPel 525/6 schon abgegangen war. In den übrigen nachrichten
wird Boethius' und seines Schwiegervaters tod zusammengefasst:
nicht bloss von dem unwillkürlichen Pragmatismus des halbwissens,
sondern sogar in exemplaren der fasten selbst, indem die notizen zu
verschiednen jähren gedankenlos vereinigt wurden, so in der Wiener
redaction (Mommsen, abh. der Sachs, gesellsch. ll 668) und dem
SGraller excerptum ex ehroniea Horosii (de Eossi, bull, di arch. Christ.
1867 s. 21 oder giomale delle bibliotheche 1867 n. 15 p. 117), auch
bei Agnellus (Muratori, rer, ItnU. scrr. n 1 p. 67"). Zur feststellung
der Chronologie kann diese getrübte Überlieferung nicht herangezo-
gen werden. Wir dürfen es nach den obigen daten als gesichert
betrachten, dass B., der nach seinem berichte eons. i 4 den grössten
theil seines amtsjahres hinter sich haben musste, als der process
gegen Albinus spielte, bereits 528 in Untersuchung gezogen wurde.
Aber man hat über das ende des Boethius und Symmachus
noch genauere daten ermittelt, imd ich halte es für meine pflicht
das nicht zu übergehn. In einer verdienstlichen Untersuchung über
die Ravennatischen fasten (Neues archiv der gesellschaft f. altere d.
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geschichtskunde i 215 ff.) hat 0. Holder-Egger s. 347 ff. auch den
versuch gemacht, diese wichtige quelle aus ihren zahlreichen reflexen
wieder herzustellen ; in beschränkterer ausdehnung hatte schon Hille
(Prosperi continuator Havn, p. 15 ff.) gleiches versucht. Eine solche
arbeit, mit dem nöthigen tact durchgeführt, würde äusserst zeitge-
mäss und dankenswerth sein: ohne diese eigenschaft muss sie scha-
den bringen. Holder-Egger hat mich durch zwei ganz neue nach-
richten überrascht (s. 364 f.j:
524 Opilione v. c. constUe, Hoc cons. occisus est Boetiits
patriciiLS in territorio Mediolanense VII idus iunias.
525 Proho iuniore v. c. cona. Hoc cons, occisus est ^ym-
machus patricim Bavennae XV hol, iunias.
Den anhaltspunkt für das erste datum wurde mir zu ermitteln
unmöglich gewesen sein. Glücklicher weise gibt H. selbst s. 336
licht. Der chronist von 641 (Hilles Prosperi contin,) hat zum j. 514
p. 32 die notiz Senatore v. c. consule. Theudoricus rex Mediolanum
veniens Petiam comitem interfecit VII id, itm. Ich hatte, da ich
nur {^ilologe bin, dabei an den bekannten Gothen comes Fetza (vgl.
Cassiod. var. v 29 Jordan. Get, 58 Ennod. paneg. 12 p. 308) denken
müssen. Jetzt höre ich: *Der comes Petia kann niemand anders sein
als Boetius, welcher in Calvenzano bei Mailand getödtet wurde.
Das geschah aber wiederum nicht im j. 514, sondern im j. 524',
und: 'der umstand, dass die chronik von 641 den Boetius comes
statt patricius nennt, ist zu geringfügig, um gegen unsere annähme
zu zeugen*. Noch wunderbarer ist der Ursprung des zweiten datums:
*nach lib. pont. mta s, Iohannis\ wie wir s. 365 anm. belehrt wer-
den. Vergeblich habe ich zu der stelle des pabstbuchs über Sym-
machus' tod 54, 88 die Varianten bei Blanchini durchsucht, und ich
freute mich schon der gewissheit, dass dies genaue datum besseren
hss. bei Vignolius (der mir nicht zugänglich ist) oder im apparat
der Mon. Germ, entnommen sein müsse, als ich im folgenden ab-
schnitt der V, loh. zu meiner enttäuschung die worte fand (lohannes
papa) qui defunctus est Bavennae in custodia XV hol. iun. martyr.
Gott bewahre uns vor solcher geschichtsmacherei. Aber dergleichen
ist unausbleibliche folge der vorherrschenden Strömung unserer hi-
storischen Studien, die sich zu einseitig einer meist ganz formalistisch
und als wäre sie selbst zweck betriebenen quellenanalyse zugewandt
haben.
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Inhalt
Seite
Vorwort 1
Cassiodors instituUones 2
Anekdoton 3
I Adressat und titel der verlorenen schrift 5
n Symmachus 17
in Boethiua 37
IV Die theologischen Schriften des Boethius 48
V Eine unechte schrift des Boethius 59
VI Cassiodorius Senator 66
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