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ANHANG
ZU
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ERLÄUTERUNGEN ZU GESANG IM.
ZWEITE BERICHTIGTE
UND NIT EINLEITUNGEN VERSEHENE AUFLAGE
BESORGT VON
Dr. C. HENTZE,
OREULEHNER AM GYMNARIUN ZU GÖTTINGEN.
&
LEIPZIG,
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER.
1977.
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Kritischer und exegetischer Anhang.
A.
Einleitung.
Literatur: Lachmann Betrachtungen über Homers Ilias.
2. Aufl. Berlin 1865 p. 4—7, 93 f., und dazu Haupts Zusätze
p. 9181, vgl. Benicken de Iliadis libro primo. Berolini 1868.
Die Lachmann’sche Kritik betreffen: C. 0. Müllers kleine deutsche
Schriften I p. 460 ff, Faerber disputatio Homerica, Brandenburg
1841 (mir nicht zugänglich), Blätter für literar. Unterhaltung 1844
No. 126—129, Gross vindieiarum Homeric. part. I, Marburg 1845,
Bergk in der Zeitschr. f. d. Alterthumswiss. IV, 1846, p. 492 ff,
Baeumlein in derselben Zeitschrift VI, 1848 p. 323 f., Hoff-
mann im Philol. III p. 194, Düntzer in der allgem. Monats-
schrift für Literatur 1850 II p. 273 ff. = Homer. Abhandlungen
Ρ. 28 ff., Friedlaender die homerische Kritik von Wolf bis Grote.
Berlin 1853, p. 78 ἢ. und dagegen Ribbeck im Philol. VII,
p. 472 ff., Hiecke über die Einheit des ersten Gesanges der Ilias,
Greifswald 1857, v. Hoermann Untersuchungen über die home-
rische Frage: I. die einheitlichen Elemente des ersten Gesanges
der Ilias, Innsbruck 1867, Nutzhorn die Entstehungsweise der
homerischen Gedichte, Leipz. 1869 p. 141ff,, 152, Gerlach im
Philol. XXX p. 3f. — Naoke Opuscula philologica I p. 263 ft,
vgl. Düntzer hom. Abhandl. p. 40f. — Lauer Geschichte der
homer. Poesie. Berlin 1851 p. 205. — Koechly de Iliadis
carmm. diss. II. Turiei 1857 p. 18 ἢ“, vgl. Ribbeck in den
Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 3f. und dagegen Friedlaender in
den Jahrbb. f. Phil. Bd. 79 p. 580ff. und Düntzer in der Z£
ἃ, G. W. XIV p. 329. — Homerische Abhandl. p- 180. —
Düntzer Aristarch. Das erste, achte und neunte Buch der Ilias
kritisch erörtert. 1862 p. 1fl. — Jacob über die Entstehung der
Ilias und Odyssee. Berlin 1856 p. 159 #., vgl. Hiecke über die
Einheit des ersten Gesanges der Ilias p. 8. — Nitzsch die
Sagenpoesie der Griechen. Braunschweig 1852 p. 89f., 178#,
190 δ΄, Beiträge zur Geschichte der epischen Poesie ἃ, Griech,
Leipz. 1862, p. 14 f. — Kiene die Komposition der Ilias des
Homer. Göttingen 1864 p. 75, 206, 214f., 230f., (darin die
τὸ
-,4 --
Chronologie der Ilias p. 67, vgl. dagegen den Anhang zu A 424
und Düntzer Aristarch p. 182). — Genz zur Ilias. Sorau
1870, p. 6ff. — Kritik einzelner Abschnitte des ersten Buches:
G. Curtius im Philol. III p. 8ff.: Thetis in 4 und &. von
Kittlitz die Fürbitte der Thetis. Mainz 1856. P. La Roche im
Philol. XVI p. 41 fl: über V. 245—304, vgl. dagegen Düntzer
Aristarch p. 27 ff., 33ff, Bischoff im Philolog. XXXII p. 568 ff.
über V. 188—222, vgl. dagegen Düntzer die homerischen Fragen.
Leipz. 1874 p. 198f. Bischoff im Philol. XXXIV p. 4f. —
Bernhardy Grundriss der griech. Literatur. ° II, 1, p. 1581.
Bergk griech. Literaturgesch. Berlin 1872. Ip. 540 u. 552 fl. —
Hoffmann quaestiones Homericae. Clausthal 1848. II p. 201f.
Giseke homerische Forschungen. Leipz. 1864. p. 156f. 160.
161. — Ueber die ἅπαξ εἰρημένα Friedlaender im Philol. VI
p- 228 ff, Benicken de Iliadis libro I p. 148, Düntzer homer.
Abhandlungen p. 200 ff. — Zahn Betrachtungen über den Bau
der homer. Reden. 1. Probe. Die Reden in Ilias 4 1—303.
Barmen 1868. — Bischoff über homer. Poesie. Erlangen 1875,
p- 11: Analyse von Il. I 1—348. — Ueber einen von Beloch
de Homeri carminum prima forma restituenda in Rivista di filo-
logia. 1875 p. 305 #. gemachten Versuch die μῆνις strophisch
nach Distichen zu gliedern vgl. Bursian’s Jahresbericht über die
Fortschritte der klassischen Alterthumswissenschaft 1874— 1875
p. 1408.
Nach dem Prooemium bildet den Hauptinhalt der Ilias der
Groll des Peliden Achilleus in seinen nach Zeus’ Ratlıschluss sich
vollziehenden furchtbaren Folgen und zwar anhebend von dem
Ausbruch des Streites zwischen Achill und Agamemnon. Dieser
Ankündigung entsprechend enthält der das Ganze einleitende erste
Gesang zunächst die Erzählung von jenem Streit der Könige nach
seinem Anlass, Verlauf und nächsten Folgen, aus dem Achill
grollend hervorgeht. Daran schliesst sich als zweites Hauptstück
die Erzählung von der Fürbitte der 'Thetis für den grollenden
Sohn bei Zeus und dessen feierlicher Zusage, demselben Genug-
thuung zu verschaffen. Indem beide Hauptstücke theils durch die
vorbereitenden Ereignisse eingeleitet, theils durch die sich daran
knüpfenden Folgen zum Abschluss gebracht werden, ergiebt sich
folgende Gruppierung des Inhalts:
I. Die den Streit der Könige vorbereitenden Ereignisse;
V. 12—53:
1. Chryses mit der Bitte um Rückgabe seiner gefangenen
Tochter von Agamemnon schmählich abgewiesen, 12—32.
2. Chryses bittet Apollo den Schimpf zu rächen, 33—483.
3. Apollo sendet die Pest, 44—53.
5 —
II. Der Streit der Könige und seine Folgen, V. 54—492,
1. Vorgeschichte des Streites, 54—100. In der am zehnten
Tage nach Beginn der Pest von Achill berufenen Heeres-
versammlung bezeichnet auf Achills Veranlassung Kalchas
die Beschimpfung des Chryses als den Grund von Apolls
Zorn.
2. Der Streit selbst, 101 —303.
a. Entwicklung desselben bis zum Höhepunkt der Leiden-
schaft in drei Stadien, 101—192:
«. erster Anlass Agamemnons Forderung augenblick-
lichen Ersatzes für die Zurückgabe der Chryseis,
von Achill als unausführbar zurückgewiesen, 101
—129.
ß. Verschärfung des Gegensatzes zu persönlicher Er-
bitterung. Agamemnon bei seiner Forderung ver-
harrend, macht das Uebergewicht seiner Stellung als
Oberkönig geltend und droht eigenmächtig einem der
Fürsten seine Ehrengabe zu nehmen; Achill kündigt
im lebhaften Bewusstsein seines persönlichen Werthes
und der den Atriden geleisteten Dienste das frei
übernommene Dienstverhältniss auf und droht heim-
zukehren, 130— 171.
y. Agamemnons Drohung gerade Achill zur Strafe für
seine Selbstüberhebung sein Ehrengeschenk zu neh-
men, entflammt diesen zum höchsten Zorn, er ist im
Begriff sich an Agamemnon zu vergreifen, 172—192.
Ὁ. Die Dazwischenkunft der Athene und deren Wirkung,
193— 247.
Athene, von Hera gesandt, mahnt Achill vom thätlichen
Angriff ab, gestattet ihm aber Agamemnon seine Hybris
und deren voraussichtliche Folgen vorzuhalten. Achill
gehorcht: er schliesst seine mit leidenschaftlichen Vor-
würfen gegen Agamemnon erfüllte Rede mit der feier-
lichen Verkündigung, dass die Achaeer insgesammt
dereinst, von Hektor aufs äusserste bedrängt, Achill
schmerzlich vermissen und Agamemnon bittere Reue
darüber empfinden werde, dass er den besten der
Achaeer für nichts geachtet.
Nestors vergeblicher Versuch die Könige zu versöhnen,
247—305.
Agamemnon soll abstehen von der angedrohten Weg-
nahme des Ehrengeschenkes und vor allem bedenken,
dass Achill der sichere Hort der Achaeer im Kriege
ist, Achill aber durch das Bewusstsein seines Werthes
sich nicht verleiten lassen die Stellung des Oberkönigs
zu verkennen. Die Streitenden wiederholen von neuem
>
6 —
die gegen einander erhobenen Vorwürfe, Achill erklärt
schliesslich zwar der Wegnahme der Briseis keinen
Widerstand entgegensetzen zu wollen, droht aber jedem
Versuch, ihm ein anderes Besitzthum zu nehmen, mit
offener Gewalt zu begegnen.
3, Die nächsten Folgen des Streites, 306—492.
a. Agamemnons Verhalten, 308—329.
Agamemnon sendet Odysseus ab, um Chryseis heim-
zuführen, ordnet die Entsühnung des Heeres an und
schiekt die Herolde in Achills Zelt, um Briseis zu
holen,
ὃ. Achills Verhalten, 330—430.
«a. Achill und die Herolde, 330—348.
Achill übergiebt ohne Streuben den Herolden die
Briseis, aber nicht ohne die Versicherung in feier-
licher Weise zu wiederholen, dass man dereinst seinen
rettenden Arm schmerzlich vermissen werde,
ß. Achill und Thetis, 348—430.
Achill klagt am Meeresstrande seiner Mutter sein
Leid und bittet sie den Zeus unter Berufung auf
einen ihrerseits demselben früher erwiesenen Dienst
anzugehen, dass er den Troern beistehe und die
Achaeer bei den Schiffen in grausamem Kampfe zu-
sammendränge. Thetis verspricht am zwölften Tage,
wo Zeus vom Opfermahl bei den Aethiopen heim-
kehre, seinen Wunsch zu erfüllen; bis dahin soll er
weiter grollen und vom Kampf ganz ablassen.
c. Odysseus in Chryse, 430—487.
Uebergabe der Chryseis und Versöhnung des Gottes
durch Opfer und Gebet. Opfermahl. Odysseus kehrt
am folgenden Morgen ins Lager zurück.
d. Achills μῆνις, 488—492.
Bild des grollenden, in Unmuth sich selbst verzeh-
renden Helden.
II. Die Fürbitte der Thetis, Zeus’ Zusage und der da-
durch erregte Götterstreit, 493—611.
a. Zeus und Thetis, 493—533.
Am zwölften Morgen nach dem Streit der Könige sucht
'Thetis den einsam auf der Höhe des Olymp sitzenden Zeus
auf und bittet ihn Achill Genugthuung zu verschaffen,
indem er den Troern solange das Uebergewicht
verleihe, bis die Achaeer ihrem Sohne genügende
Ehre erweisen. Zeus entschliesst sich aus Furcht vor
Hera nur widerstrebend, giebt dann aber in der feierlich-
sten Form die “unwiderrufliche, untrügliche, sicher
erfüllte’ Zusage.
— ὐἡ.-
b.
Zeus und Here, 533—570.
In der Götterversammlung spielt Here alsbald auf die
geheime Verabredung mit Thetis an, Zeus weicht aus;
als jene dann aber die der Thetis gegebene Zusage ihm
direkt vorrückt, verweist er mit einem Machtspruch und
barscher Drohung sie zur Ruhe,
. Hephaestos versöhnt die Streitenden, 571—600.
Unwillige Bewegung unter den Göttern. Hephaestos
mahnt den Genuss des Mahles nicht durch Streit um der
Sterblichen willen zu stören und räth der Mutter sich zu
fügen. Der humoristische Hinweis auf das, was er selbst
einmal um der Mutter willen von Zeus erlitten, entlockt
der Hera ein Lächeln, seine ergötzliche Figur aber, wie
er im Saale umherhumpelnd den Becher kredenzt, erregt
unauslöschliches Gelächter der Götter. -
Heiterer Schmaus bis zum “Abend, 601—611. Apollo's
Spiel und Gesang der Musen. Nachtruhe.
Die erzählten Ereignisse füllen einen Zeitraum von 21 Tagen,
vgl. den Anhang zu A 498.
Die Uebersicht des Inhalts ergiebt einen reichen Stoff mit
mannigfach wechselnder Scenierung, lebhaft bewegter Handlung,
grossartig wirkenden Momenten und Situationen. Wie viel davon
die Sage dem Dichter bot, wie viel er selbst erfand oder frei ge-
staltete, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Gab die Sage
ohne Zweifel die Hauptzüge der Handlung dem Dichter an die
Hand, wie die Pest, den Streit der Könige, auch wohl die Für-
bitte der Thetis und Zeus’ Zusage, so gehört dem Dichter doch
mit grosser Wahrscheinlichkeit die Erfindung der Dazwischenkunft
der Athene, der zwölftügigen Frist, der Götterscene am Schluss
des Buches, mancher andere bedeutsame Zug, sowie die Anord-
nung und Gruppierung des reichen Stoffes, die künstlerische Ent-
wickelung und Motivierung. Die in diesen Beziehungen hervor-
tretende Kunst des Dichters ist allseitig bewundert; auch die auf-
lösende Kritik hat dieselbe anerkannt.
Welche Bedeutung das vom Dichter erfundene Motiv der
zwölftägigen Frist für die Handlung hat, wird unten ausführlich
erörtert werden müssen. Die Schlussscene im Olymp, die zweifel-
los die freie Schöpfung der dichterischen Fantasie ist, zeigt die
auch sonst hervortretende geschickte Handhabung der Kunstmittel
des Parallelismus und des Kontrastes. “Ein gewisser Parallelis-
mus zwischen dem Männer- und Götterstreit scheint anzuerkennen
und beabsichtigt. Aber wie verschieden ist der Verlauf! Die
Versammlung der elenden Sterblichert, trotz Nestors vergeblichen
Versöhnungsversuchs, hat die unseligsten Folgen; der verdriess-
liche Zwist der seligen Götter, durch Hephaistos geschlichtet,
endet mit Heiterkeit. Apollon, der Urheber des Streites der
-
d.
-- 8 --
Helden, fördert am Schluss durch sein Citherspiel die Harmonie
und Fröhlichkeit des Götterlebens’ (Genz). Ein Parallelismus
anderer Art zeigt sich in der Fassung der beiden Gebete des
Chryses an Apollo, da er von Agamemnon schmählich zurückge
wiesen den Gott um Rache anfleht und wiederum nach Rückgabe
der Tochter, da er die Zurücknahme der Pest erbittet, mit der
gleichlautenden kurzen Andeutung des Erfolgs seines Gebetes
(87—43 — 451—457), und im Zusammenhang damit wiederum
der Kontrast, in welchem die Schilderung der furchtbar wirkenden
Pest und die Beschreibung des heiteren Opferschmauses in Chryse
mit einander stehen. Besonders wirksam durch die unmittelbare
Gegenüberstellung ist der Kontrast, in welchen die grossartige
Offenbarung der göttlichen Majestät bei der Zusage des Zous
524 — 537 zu den sie umgebenden Scenen tritt, welche den
höchsten Gott mit den gewöhnlichen Schwächen der Sterblichen
behaftet zeigen.
Gleiche Kunst zeigt der Dichter in der Anordnung seines
Stoffes. Die natürliche Folge der Begebenheiten ergiebt im Gan-
zen zugleich von selbst eine natürliche Folge der Erzählung. Von
dieser weicht der Dichter nur an einer Stelle ab, indem er die
Erzählung von der Heimführung der Chryseis so theilt, dass die
Abfahrt nach Chryse unmittelbar nach dem Streit der Könige be-
richtet wird, der Vorgang in Chryse selbst aber zwischen die
Scene, wo Achill seiner Mutter sein Leid klagt, und die Scene
im Olymp zwischen Thetis und Zeus sich einschiebt. Der Dichter
erreicht mit dieser “Verschiebung des Nachspiels vom Heldenstreit
und des Vorspiels vom Götterstreit” einen doppelten Zweck, indem
die Scene in Chryse einmal die zwölftägige Frist zwischen der
Klage Achills und der Fürbitte für die Vorstellung des Hörers
passend ausfüllt, sodann aber der wahrhaft künstlerischen Absicht
dient durch die Einfügung der anmuthigen Opferscene nach der
so leidenschaftlich bewegten Unterredung zwischen Achill und seiner
Mutter den Hörer auszuspannen und für die nun folgende gross-
artig erhabene Scene im Olymp empfänglich zu machen.
Je weniger Raum trotz, der Erstreckung über einen Zeit-
raum von 21 Tagen die äussere Handlung des Gesanges ein-
nimmt, um so grösseres Gewicht fällt auf die innere Entwicklung
und Motivierung der folgenschweren Ereignisse. Zeugniss dafür
ist schon das Verhältniss der Reden zur Erzählung, indem jene
nahezu zwei Drittel des Ganzen füllen. Den grössten Raum
nimmt naturgemäss die Darstellung des Streites der Könige und
die darauf beruhende Entwicklung der μῆνις des Achilles in An-
spruch. Wie der tiefere Grund jenes Streites auf dem Gegensatz
beruht, in welchen das auf seinen persönlichen Werth sich grün-
dende Selbstbewusstsein des ersten Helden, des Hortes der Achacer,
zu dem auf seine Machtstellung pochenden Stolz des Oberkönigs
tritt, und wie dieser Gegensatz durch die Stadien des Streites
hindurch sich immer mehr verschärft, ist schon in der Inhalts-
übersicht angedeutet. Wie jenem schon die Zusicherung Achills,
Kalchas gegen jeden Angriff, selbst gegen Agamemnon schützen
zu wollen, entspringt, so diesem Agamemnons Forderung augen-
blieklichen Ersatzes für Chryseis, wodurch das Signal zum
Kampf gegeben wird. Auf so vorbereitetem Grunde genügt der
abgesehen von dem Vorwurf der Habsucht (122) objective und
ruhige Widerspruch von Seiten Achills, um den Gegensatz zu
leidenschaftlicher persönlicher Erbitterung zu verschärfen, in wel-
cher Agamemnon nach der Drohung, eigenmächtig einem der
Fürsten sein Ehrengeschenk zu nehmen, speciell gegen Achil.
durch die Zumuthung, dass gerade er die Heimführung der Chry-
seis leiten solle, das Uebergewicht seiner Stellung geltend macht,
Achill aber im lebhaften Bewusstsein der den Atriden uneigen-
nützig geleisteten, aber in schmählicher Undankbarkeit missachteten
Dienste mit der Aufkündigung der Heeresfolge und dem Entschluss
heimzukehren antwortet. Es ist nur die natürliche Consequenz
dieses Gegensatzes in der Hitze der entflammten Leidenschaft,
dass Agamemnon jener Drohung mit der stolzen Erklärung be-
gegnet, dass Achill entbehrlich sei, und seinerseits nun gerade
ihm zur Strafe für seine Ueberhebung die Entziehung seines
Ehrengeschenkes androht, worauf Achill zum Schwert greift. Bei
dieser Entwicklung des Streites bis zum Aeussersten der Leiden-
schaft ist die Dazwischenkunft der Athene an sich nothwendig,
um die Handlung der Ilias tiberhaupt zu ermöglichen; es bietet
die Scene aber zugleich bedeutsame Momente für die Charakteristik
der beiden Streitenden und zur Beurtheilung des Streites, indem
Agamemnons Verfahren einerseits aus dem Munde der Göttin als
Hybris anerkannt wird, Achill andrerseits auf die Mahnung der
Göttin seine Leidenschaft bezwingt und damit im Gegensatz zu
Agamemnon, der sich nicht scheute den Apollopriester schmählich
zu behandeln, seinen tiefen religiösen Sinn und die Kraft sich
selbst zu beherrschen erweist. Der daran schliessende vergebliche
Versuch Nestors die Streitenden zu versöhnen ist schon dadurch
motiviert, dass Achill in der vorhergehenden heftigen Schmäh-
und Drohrede gegen Agamemnon die gesammten Achaser wegen
ihrer Zurückhaltung für Agamemnons Frevel mit verantwortlich
macht. Keiner ist geeigneter diesen Versuch zu machen, als der
erfahrene beredte Greis, der schon zwei Generationen an sich hat
vorübergehen sehen und dessen Rath schon tüchtigere Helden, als
die Streitenden, zugänglich gewesen sind. Was er sagt, giebt,
abgesehen von dem nächsten Zweck, dem Hörer -einen Massstab
an die Hand, das Verhältniss der Schuld zwischen den Streitenden
abzuwägen. Die Erfolglosigkeit des Versöhnungsversuchs aber
lässt den Hörer die Tiefe des zwischen den Streitenden bestehenden
—- 0 —
Gegensatzes ermessen und trägt, indem sie die Schuld des schul-
digeren Theils noch erhöht, wesentlich dazu bei. für Achill den
Uebergang des Zorns zu dauerndem Groll zu motivieren. Die
letzte Entscheidung in dieser Hinsicht giebt dann die wirkliche
Wegnahme der Briseis trotz der von Achill in Aussicht gestellten
verderblichen Folgen, trotz Nestors Mahnung, als ein Act schmäh-
licher Entehrung des Helden (vgl. 171. 244. 353 ff. 412. 505 ff.
559), als Ate (412), wobei noch als bedeutsame Motive hinzu-
kommen einerseits der Werth, welchen Briseis für Achill hat, wie
derselbe 348 durch die Bemerkung ἡ δ᾽ ἀέκουσ᾽ ἅμα τοῖσι γυνὴ
κίεν kurz angedeutet, 1343. Τ' 281 ff. 2 676 aber weiter illustriert
wird, andrerseits die in den Klagen Achills und der Thetis be-
tonte kurze Lebensdauer des Helden, die demselben um so mehr
Anspruch auf Anerkennung und Ehre geben sollte.
Der angedeuteten Entwicklung des Grolles entsprechend ge-
winnen die Rachegedanken in Achilles’ Seele mehr und mehr be-
stimmte Gestalö und festen Inhalt. Zuerst nach Agamemnons
Drohung ihm die Briseis zu nehmen schwebt ihm (240) allgemein
eine Situation vor, wo die Achaeer in Folge seiner Unthätigkeit
von Hektor heftig bedrängt, insgesammt schmerzliches Verlangen
nach seinem rettenden Arm ergreifen und Agamemnon unfähig
zu helfen bittere Reue über die Beschimpfung Achills empfinden
wird. Bestimmter gestaltet sich diese Vorstellung bei Wegführung
der Briseis in den an die Herolde gerichteten Worten ähnlichen
Inhalts, wo παρὰ νηυσίν 344 schon auf einen Kampf bei den
Schiffen deutet. In der von Thetis an Zeus zu richtenden Bitte
endlich (408) steht ihm als Ziel seiner Wünsche eine Situation
klar vor der Seele, wo die Troer die Achaeer in grausigem
Mordkampf bis zu den Schiffen und ans Meer gedrüngt haben:
Zeus selber soll durch directes Eingreifen diese äusserste Be-
drängniss der Achaeer herbeiführen, welche allein diese zur Er-
kenntniss ihrer Verschuldung bringen und ihm volle Genugthuung
geben kann.
Indem aber Thetis die Berechtigung seines weitgehenden Ver-
langens anerkennt und ihn bis zur Entscheidung durch Zeus auf-
fordert weiter zu grollen und vom Kampf ganz abzulassen, ge-
winnt dieser Groll in der zwölftägigen Frist Raum sich zu vertiefen
und festzusetzen, wie die die Entwicklung der μῆνις abschliessen-
den Verse 488—492 auf dem Uebergange vom ersten zum zweiten
Haupttheil der Erzählung schildern. Für die Auffassung der βουλή
des Zeus ist bedeutsam die Art, wie Achill und Thetis die an
Zeus gerichtete Bitte motivieren und das Verhalten des letzteren
Thetis gegenüber. Wie jene ihre Bitte vorzugsweise durch die
Berufung auf die von Thetis dem Zeus geleisteten Dienste stützen,
so gewährt Zeus der Thetis ihre Bitte aus persönlichen Grün-
den, weil er wegen der geleisteten Dienste ihr dieselbe nicht
- 1 --
abschlagen mag. Er gewährt sie nur ungern und widerstrebend,
weil er damit sich in Gegensatz stellt zu dem Willen der Mehr-
heit der Götter, Hera an der Spitze, und ‘es ist augenscheinlich,
dass er die dem Achill widerfahrene Kränkung ungerächt gelassen
haben würde, wenn nicht Thetis ihn gebeten hätte.’ (Schoemann.)
Es ist demnach nicht die Verletzung der sittlichen Weltordnung
durch Agamemnon, welche Zeus’ Rathschluss herbeiführt, vielmehr
bleibt Raum für die Möglichkeit, dass Achills Racheverlangen
über das Mass des Berechtigten hinausgeht. Zwar wird dies im
ersten Buche nirgends klar ausgesprochen, aber die von Athene
213 f. in Aussicht gestellte Sühne für die Hybris des Agamemnon
giebt doch einen Massstab, nach welchem das unter dem Eindruck
der vollzogenen Wegnahme der Briseis an Zeus gestellte Verlangen
als ein Uebermass der Leidenschaft erscheinen muss, und O 598
lässt, die Bezeichnung Θέτιδος ἐξαίσιον ἀρήν, aus den Gedanken
des Zeus gesprochen, deutlich erkennen, dass der Diehter Achills
Bitte als masslos verurtheilt. Auch sonst fehlt es nicht an An-
deutungen, dass Achill selbst bei dem Streit mit Agamemnon
nicht ohne Schuld ist. Zwar geht ohne Zweifel Agamemnon aus
dem Streit als der schuldigere Theil hervor. Athene erkennt
ohne Rückhalt Achills Auffassung von der Hybris des Agamemnon
als begründet an (214f.); in Folge ihrer Mahnung bezwingt Achill
seinen leidenschaftlichen Zorn, auch Nestors Mahnung, welche
Agamemnon nicht dazu vermag seine Drohung zurückzunehmen,
bewirkt doch bei Achill, dass er erklärt der Wegnahme der Briseis
keine Gewalt entgegensetzen zu wollen. Gleichwohl ist auch er
nicht ohne Schuld. Er reizt Agamemnon schon, als er Kalchas
unbedingt seinen Schutz verheisst und dabei geradezu Agamemnon
namhaft macht; er beleidigt denselben, noch ehe jener die ver-
letzende Drohung ausspricht, durch den Vorwurf der Habsucht
(122). Auch Nestors mahnende Worte, deren Schärfe sich be-
sonders gegen Agamemnon richtet, lassen doch erkennen, dass er
auch Achill nicht ganz von Schuld freispricht.
Hand in Hand mit der Entwicklung der Handlung geht die Zeich-
nung der Hauptcharaktere, indem dieselben in und an der Handlung
sich lebendig entwickeln. In der Darstellung ist die Kunst der Scenie-
rung, sowie der Gruppierung der handelnden Personen hervorzu-
heben. Es ist bewundernswerth, wie einfach die Mittel sind, mit wel-
chen der Dichter wirkt. Chryses, in seinem Schmerz über die schmäh-
liche Zurückweisung, fernab von seinen Feinden am Strande des
lautrauschenden Meeres still zu seinem Gott betend, — Achill, das
Herz voll des tiefsten Schmerzes über die erlittene Beschimpfung,
fern von seinen Gefährten am Strande der weissschäumenden Fluth,
über das unendliche Meer hinschauend und die Hände ausstreckend,
um seiner Mutter sein Leid zu klagen — welche Scenerie könnte
der Seelenstimmung der Personen angemessener sein! Ebenso
- ἀρ —
einfach und doch wahrhaft künstlerisch ist die Gruppierung der in
bedeutsamen Momenten der Handlung verbundenen Personen.
Wohl kein Gesang ist so reich an den verschiedenartigsten,
grösseren oder kleineren, mehr oder minder belebten Gruppen.
wie der erste. Bald sind es nur zwei Personen, welche in be-
deutsamem Moment in charakteristischer Stellung verbunden ge-
zeichnet werden, so Thetis vor dem schmerzlich klagenden Achill
sitzend und seine Wangen streichelnd, oder Thetis bittend vor
Zeus, mit der Linken seine Kniee berührend, mit der Rechten den-
selben unter dem Kinn fassend, und dazu das Gegenbild, wie Zeus
der bittenden Thetis mit den dunkeln Brauen Gewährung winkt.
Dann Gruppen von drei Personen: Chryses, in der Hand den
Priesterstab mit der daran befestigten Binde, flehend vor den
Atriden — Odysseus am Altar des Apollo, die Chryseis dem Vater
zuführend, mit den im weiteren Kreise den Altar umstehenden
Gefährten und der Hekatombe, — oder die lebhaft bewegte
Gruppe, wie Achill im Begriff sich mit dem Schwert auf Aga-
memnon zu stürzen, von der von hinten zu ihm tretenden Athene
an der Locke gefasst wird. Endlich die reicheren Gruppen: die
beiden Herolde Agamemnons vor Achilles, denen Patroklos die
Briseis zuführt — Zeus und Herc, welcher Hephaestos den
Becher reicht, inmitten der umgebenden Götterversammlung, —
in derselben Scene Apollon die Phorminx spielend, mit den singen-
den Musen. Kein Wunder, dass die darstellenden Künstler des
Alterthums, wie der Neuzeit, gerade im ersten Gesange zahlreiche
Stoffe für eine künstlerische Behandlung gefunden haben.
Die Erzählung zeigt entsprechend dem Inhalt einen lebhaft
bewegten Charakter und raschen Fortschritt. Abgesehen von der
Opferscene in Chryse, deren Ausführung dem angedeuteten be-
sonderen künstlerischen Zweck dient, findet sich keine ausgedehnte
Beschreibung oder Schilderung. Der Eintritt und die Wirkung
der Pest wird mit wenigen kurzen Strichen gezeichnet, ebenso die
Versöhnung Apollo’s nur durch die Angabe, dass derselbe das
Gebet seines Priesters erhörte, und das weitere Verhalten des-
selben gegen die Achaeer (474. 479) angedeutet. Achills Ver-
hältniss zur Briseis lässt zunächst nur die kurze Andeutung 348
errathen, der Schmerz über den Verlust derselben kommt erst in
der Klage an Thetis zum Ausdruck. Etwas ausgeführter ist nur
das Bild des grollenden Helden 488 ff, wie es die Bedeutung der
μῆνις für die epische Handlung erforderte. Auch für ausgeführte
Gleichnisse fand der Dichter bei dem raschen Fortschritt der
Handlung keinen Raum; die drei verwendeten (V. 47. 104. 359)
geben einen einzigen bedeutsamen Zug. Um so beredter ist die
Sprache in den Reden. Es ist eine mamnigfaltige Abstufung der
Empfindungen, von der ersten leisen Regung der erwachenden
Leidenschaft bis zum stürmischen Ausbruch, eine Fülle von
wechselnden Stimmungen, welche innerhalb des ersten Gesanges in
den mannigfultigsten Formen der Rede sich aussprechen. Auch im
Einzelnen zeigt: die Sprache eine reiche Fülle von Mitteln die Ge-
danken zum wirksamsten Ausdruck zu bringen.
Es ist ein starker Beweis für die künstlerische Vollendung
und den hohen Werth des ersten Gesanges, dass die Vorzüge
desselben nahezu einstimmig anerkannt worden sind. Gleichwohl
ist gerade dieser Gesang der Gegenstand lebhaftesten Streites
geworden. Lachmann fand in seinen Betrachtungen eine Reihe
von Widersprüchen und Unebenheiten in der Erzählung, welche
ihm zu genügen schienen, um daraus auf einen verschiedenen
Ursprung der Haupttheile desselben schliessen zu dürfen. Andere
stinnmten zu und glaubten durch neue Beobachtungen die von ihm
gefundenen Beweise gegen die ursprüngliche Einheit des Gesanges
noch verstärken zu können. Dagegen erhoben sich andrerseits
eine Reihe gewichtiger Stimmen, welche jene Widersprüche theils
durch höhere künstlerische Gesichtspunkte zu rechtfertigen — oder
wenigstens entschuldigen zu können glaubten, theils gar nicht an-
erkannten und durch Interpretation oder durch Annahme von Inter-
polation beseitigten, jedenfalls aber denselben nicht das entschei-
dende Gewicht gegen die Einheit des Gesanges einräumten. Es
ist begreiflich, dass in Folge der Lachmann’schen Kritik gerade
an dem ersten ‚Gesang der Streit sich mit besonderer Lebhaftig-
keit entzündete, weil die Entscheidung der hier aufgeworfenen
Frage von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung der home-
rischen Frage überhaupt ist. Man kann unbeschadet der Einheit
des Ganzen den Einzelursprung dieses oder jenes Stückes, selbst
einzelner Gesänge zugeben, wenn man im Uebrigen die Durch-
führung eines einheitlichen Planes festhält; erweist sich aber der
erste Gesang, dem die einleitende Exposition des Ganzen zufällt,
als Produkt der Thätigkeit verschiedener Dichter, so ist damit
ein wesentliches Stück des Fundaments für einen einheitlichen
Aufbau des Ganzen erschüttert.
Lachmann findet erstlich den Zusammenhang von 493 fl.
mit dem diese Partie vorbereitenden Stück 348—429 gestört durch
die dazwischen geschobene Scene in Chryse 430—492. Beweis
die Beziehungslosigkeit des ἐκ τοῖο 493, weil es in jener dazwischen
geschobenen Partie Nacht und wieder Morgen geworden ist (475.
417), ja 490 fl. sogar der Verlauf mehrerer Tage bezeichnet; ist.
Ein zweiter Widerspruch besteht ihm einerseits zwischen der
Angabe 423, dass die Götter seit gestern bei den Aethio-
pen sind, und andrerseits der doch gleichzeitigen Thätigkeit
Apollo’s bei dem Schiffslager (48), die nach Kalchas’ Worten 96.
97 eine dauernde ist, sowie der in 474 vorausgesetzten Anwesen-
heit desselben in Chryse, und ebenso dem Eingreifen Hera’s und
— 4 —
Athene’s in den Streit der Könige 195, wo Athene οὐρανόθεν kommt,
wie sie 221 in den Olymp zurückkehrt μετὰ δαίμονας ἄλλους. Aus
diesem zwiefachen Widerspruch ergiebt sich für Lachmann das
Resultat, dass wir innerhalb des ersten Gesanges drei Partien
zu unterscheiden haben: das ursprüngliche (erste) Lied V. 1—347
und zwei Fortsetzungen desselben, die erste 430—492, die andere
348—429 und 493—611: jene kann mit dem ersten Liede
ursprünglich zusammengehört haben, doch neigt sich Lachmann
schliesslich mehr zu der Vermuthung, dass sie nicht von dem
Verfasser des Liedes sei; diese ist ebenso wenig als mit der ersten
Fortsetzung mit den Haupttheilen der Erzählung zu vereinigen;
dem Dichter derselben ist es nicht ganz gelungen sich in den
Einzelheiten in die Anschauung des ersten Dichters zu versetzen.
Zur weitem Begründung der Vermuthung, dass die erste
Fortsetzung nicht von dem Verfasser des Liedes sei, fügt Haupt
noch folgende Beobachtungen hinzu: die kurze, knappe Behandlung
des wichtigsten Punktes, welcher bei einer Fortsetzung des Liedes
in Frage kam, der Versöhnung Apollo’s (457 und 474) neben der
weitläufigen Schilderung des Opfers und Opfermahls, sodann die
auffallende Menge von Versen, welche auch an andern Stellen der
homerischen Gedichte vorkommen, so dass die Hälfte derselben
aus Reminiscenzen und Formeln zusammengesetzt scheint. In der
zweiten Fortsetzung findet derselbe Kritiker manche Eigenheiten
des Stils, welche er zum Theil als neuere Ausdrucksweisen auf-
fassen zu dürfen glaubt.
Zum Theil von denselben Widersprüchen ausgehend, daneben
aber auch an den Versen 488 ff. in dem Zusammenhang, worin sie
stehen, Anstoss nehmend, zerlegt Naeke den ersten Gesang in
zwei selbständige Lieder, von denen das erste, das Lied vom
Zone (wivig), V. 1—348 und mit αὐτὰρ Ὀδυσσεύς daran ge-
schlossen V. 430—492, das zweite, als τιμή (ultio) bezeichnet,
etwa mit 488 f. anhebend 349 bis 429 und 493 bis zum Schluss
umfassen soll. Aehnlich lässt Bernhardy die “Romanze vom
Zwist der Könige’ mit der Zurückführung der Chryseis schliessen;
dagegen sieht er in den beiden Stücken 348—430. 493—530
das erste Glied eines zusammenhängenden Epos, welches vom
Motiv der βουλὴ “Διός bestimmt wird. In gleicher Weise nimmt
Lauer zwei selbständige Lieder an, nicht ohne Anerkennung des
Geschicks, mit welchem diese in dem uns vorliegenden ersten Gesange
mit einander verflochten sind, aber zugleich unter der Annahme, dass
eine von der erhaltenen verschiedene Beschreibung des “Streites’ den
Anfang des zweiten Liedes gebildet habe. Aehnlich construirt Köchly
in den Iliadis carmina XVI zwei Lieder: 1, μῆνις aus V. 1—348,
488. 490—492, und 2, λιταί aus 489. 349—429 und 493—611,
während er die Scene in Chryse 430—487 als ein werthloses
durchaus aus Reminiscenzen und Formeln zusammengesetztes Flick-
- 1.5 --
werk ganz beseitigt. Hinsichtlich des Verhältnisses beider Lieder zu
einander hebt derselbe den Parallelismus der Haupthandlungen
und den engen Anschluss des zweiten an das erste nicht nur in
der Zeichnung der Verhältnisse und Personen, sondern auch in
Einzelheiten der Darstellung und des Ausdrucks hervor.
Die gegen die Einheit des ersten Gesanges geltend gemachten
Widersprüche knüpfen sich im Wesentlichen an die V. 421—427,
wo Thetis die Aufforderung an Achill vor der Hand weiter zu
grollen mit der Angabe motiviert, dass Zeus im Geleit sämmtlicher
Götter am gestrigen Tage zu den Aethiopen gegangen sei und
am 12ten Tage wieder in den Olymp zurückkehren werde. Von
dieser Angabe aus ergeben sich im Rückblick auf die vorange-
gangene Erzählung die bezeichneten sachlichen Widersprüche in
Bezug auf die Thätigkeit Apollo's und der Here und Athene; die
andere Schwierigkeit, welche im weitern Verlauf der Erzählung
in der Rückbeziehung des ἐκ τοῖο 493 auf die 428 f. verlassene
Situation nach der dazwischen eingefügten Scene in Chryse liegt,
ist nur formeller Natur. Jene sachlichen Widersprüche nun
sind rückhaltlos anzuerkennen, alle Versuche, durch Interpretation,
chronologische Combinationen oder Veränderungen des Textes die-
selben zu beseitigen, entschieden abzuweisen. So ist die Annahme,
dass V. 424 ϑεοί nur von den männlichen Gottheiten oder πάντες
sylleptisch (nicht alle Götter ohne Ausnahme) zu verstehen sei,
ebenso verwerflich, wie die Auslegung der Worte μετὰ δαίμονας
ἄλλους V. 222 von dem ständigen Aufenthaltsort, aber nicht der
persönlichen Anwesenheit der Götter. Gleich seltsam ist in Bezug
auf Apollo der Ausweg, derselbe habe in Wirklichkeit am Abend
des neunten Tages, wo die Götter zu den Aethiopen gereist sein,
das Schiessen eingestellt, die Achaeer aber, die in der Frühe des
zehnten sich versammelt, unter dem furchtbaren Eindruck der
noch sichtbaren Wirkungen der Pest und mit der Versammlung
beschäftigt, dies nicht bemerkt (Gross). Durch eine andere Com-
bination (Kiene, O. Müller) soll wahrscheinlich gemacht werden,
dass zwischen dem Tage des Streites, dem zehnten der Pest, und
der Wegnahme der Briseis und der Unterredung Achills und
Thetis die Nacht dazwischen liegend zu denken sei, aber die Dar-
stellung des Dichters bietet dafür nicht den geringsten Anhalt.
Kiene verweist selbst auf T 88 ἢ, ohne indess darauf Gewicht
zu legen. Auch die von Bergk und Ameis in verschiedenem
Sinne empfohlene Lesart des Aristarch ἕπονται 424 an Stelle des
gewöhnlich gelesenen ἕποντο giebt keine befriedigende Lösung,
vgl. den Anhang zur Stelle. Sonach bleibt nur die Frage, ob
die vorhandenen Widersprüche auf Rechnung des Dichters selbst
gesetzt werden müssen oder, von ihm nicht verschuldet, der Ueber-
lieferung zur Last fallen. In dieser Beziehung sah Bernhardy
in der Zeitbestimmung χϑιξός 424 eine Spur des rhapsodischen
-- τὸ —
Vortrags, und ähnlich vermuthete Friedländer, dass ein Rhapsode,
der den zweiten Theil (von 348 ab) besonders vortrug, bei Er-
wähnung von Zeus’ Reise das Gefolge der Götter hinzufügen mochte,
ohne zu bedenken, dass einige von diesen im ersten Theil zu einer
Zeit erscheinen, wo sie nach dieser Angabe schon abwesend sein
müssten — eine Vermuthung, die, wie Ribbeck gezeigt hat, an
sich wenig innere Wahrscheinlichkeit hat und bei der A 495 ganz
unbeachtet geblieben ist. Weiter geht Ribbeck selbst, indem er
die Reise des Zeus und der Götter für eine schlechte Erfindung
des Diaskeuasten hält, dem es nicht gelungen sei seine Arbeit zu
verbergen, und mit der Scene in Chryse 423—427 und 498 -- 490
verwirft, so dass an 422 sich ursprünglich 428. 429 und dann
sofort 497 ff. geschlossen hätte. Dagegen will Gross, nachdem
er in der angedeuteten Weise die Schwierigkeit wegen Apollo ge-
hoben zu haben glaubt, das Eingreifen der Here und Athene durch
Streichung von V. 188—222 beseitigen, ebenso aus andern Gründen
Bischoff. Die letztere Annahme ist von Hiecke und Düntzer
mit wichtigen Gründen zurückgewiesen: vor allem würde damit
der innere Kampf Achills, die Bezwingung seines Zorns sammt
dem bedentungsschweren Motiv der Bezwingung (216 f.) hinweg-
geschnitten werden, und auf die herausfordernde Drohrede Agamem-
nons, auf die nur jenes Wogen innerlicher Erbitterung und die
Sendung der Athene folgen können, die nun völlig ungeschickten
und matten Verse 223 f. folgen. Aber auch Ribbecks Annahme,
dass die zwölftägige Frist und die um dieser willen gedichtete
Reise der Götter die schlechte Erfindung des Diaskeuasten sei,
kann nicht durch die Behauptung für erwiesen gelten, dass sie
nur dazu erfunden sei, um die Einschiebung der schlechten Scene
in Chryse zwischen den Besuch der Thetis bei Achill und ihr
Gespräch mit Zeus vorzubereiten, da über den Werth jener ein-
geschobenen Scene und die Bedeutung derselben im Zusammen-
hange des Ganzen die Urtheile so sehr auseinander gehen. Ueber-
haupt gebietet die Schwierigkeit einzelne Stücke auszuscheiden,
die grösste Vorsicht in der Annalıme von Interpolationen. So
wird bei der Ausscheidung von 423—427 in 421 schon die Be-
ziehung von μέν und ebenso die von νῦν erschwert, welche beide
doch nur durch die folgende Ausführung ihre natürliche Erklärung
finden, und wenn 497 fi. an 428. 429 geschlossen werden sollen,
so ist dieser Anschluss nur möglich unter der Annahme der doch
sehr zweifelhaften Bedeutung von ἠερίη = in Nebel. gehüllt,
welche jetzt allgemein verworfen wird. Als Zeitbestimmung =
in der Morgenfrühe würde der Uebergang ohne Analogie sein.
Stehen wir somit nicht an die bezeichneten Widersprüche auf
Rechnung des Dichters selbst zu setzen, so ist weiter zu fragen,
ob sie das entscheidende Gewicht gegen die Einheit des Gesanges
bilden, welches die auflösende Kritik denselben beilegt. Für die
- τ —
Entscheidung dieser Frage kommt zunächst in Betracht die Be-
deutung, welche die Dichtung der zwölftägigen Frist für den
ersten Gesang und die epische Handlung überhaupt hat, da durch
diese Dichtung jene Widersprüche eben verschuldet sind. Denn
das formelle Bedenken wegen der angeblichen Beziehungslosigkeit
des ἐκ τοῖο 493 macht wohl die geringste Schwierigkeit. Bergk
bemerkte sehr richtig, dass Lachmanns Auffassung auf dem Miss-
verständniss beruht, dass er die Ereignisse und Zustände, die der
Dichter als gleichzeitige darstellt, als auf einander folgend auf-
fasst und so das Nebeneinander mit dem Nacheinander ver-
wechselt. Läsen wir die Verse 488—492 nicht, oder ständen sie
etwa nach 429, so wäre ἐκ τοῖο natürlich auf die in der Erzählung
von der Heimführung der Chryseis gegebene Zeitbestimmung zu
beziehen und die chronologische Ordnung wäre gestört. Nun führt
aber αὐτὰρ ὁ μήνιε 488 über die Scene in Chryse hinweg wieder
zurück auf die 428 nur kurz angedeutete Situation, deren aus-
führliche Schilderung eben auf diese Stelle aufgespart ist, um nach
der um einen Tag vorgreifenden Scene in Chryse wieder den Blick
zurückzulenken auf die Situation, worin wir Achill verlassen haben:
die jene Verse 488—492 vorbereitende Aufforderung der Thetis
an Achill 422 lässt über die Absicht des Dichters bei dieser An-
ordnung keinen Zweifel; es ist dieselbe Absicht, welche ihn ver-
anlasste 311 die Erzählung von der Heimsendung der Chryseis
mit der Abfahrt des Odysseus abzubrechen, um die Wegnahme der
Briseis als gleichzeitig mit der Fahrt nach Chryse darzustellen,
dann aber wieder an die Scene zwischen Achill und Thetis den
nächsten Verlauf der Scene in Chryse als gleichzeitig anzuknüpfen.
Auf diese Gleichzeitigkeit weist ausdrücklich das Praesens πέμ-
πουσιν 390. Wie 430 αὐτὰρ Ὀδυσσεύς den Hörer zurückweist aur
311, so 488 αὐτὰρ ὁ μήνιε auf 428.429, um so deutlicher, als
dem Hörer sofort Thetis Aufforderung 422 in Verbindung 'mit der
Ankündigung der zwölftägigen Frist in die Erinnerung kommt.
Der einzige Unterschied ist, dass 488 eine Situation geschildert
wird, deren Anfangspunkt nicht unmittelbar bezeichnet wird, sodass
also eine unmittelbare Beziehung von ἐκ τοῖο nicht möglich ist.
Aber sollte nicht die Elastieität des demonstrativen Pronomens in
der Rückbeziehung, vor allem aber die deutliche Vorbereitung
der Schilderung 488—492 in 422, endlich auch die parallele
Verwendung von ἐκ τοῖο & 31 (worüber jetzt R. Peppmüller
Commentar des 24. Buches der Ilias. Berlin 1876 p. 25 ff. zu
vergleichen ist) genügen, um es wahrscheinlich zu finden, dass
kein Hörer des Alterthums je einen Zweifel hegen konnte, auf
welchen Zeitpunkt ἐκ τοῖο zu beziehen sei? Was die zwölftägige
Frist selbst aber betrifft, deren Dichtung die angedeuteten Wider-
sprüche der vorhergehenden Erzählung verschuldet, so hat Fried-
laender als den einzigen Zweck derselben erkannt die Episode
Anhang zu Ameis, Homers Ilias I. 2
-- 15 —
von Chryseis’ Heimführung zwischen den Besuch der Thetis bei
Achill und ihr Gespräch mit Zeus einzuschieben. “Scheidet man
die Episode aus, so hat man die einzige Veranlassung ausgeschieden,
um derentwillen er (der Umstand der zwölftägigen Frist) erfunden
sein kann: und die Reise der Götter zu den Aethiopen ist ganz
müssig.’ Allerdings stehen die Erfindung der zwölftägigen Frist
und die Einschiebung der Scene in Chryse in wesentlichem Bezug
zu einander, indem die letztere dazu dient die Vorstellung der
zwischen der Zusage der Thetis und der Verwirklichung derselben
verstreichenden Zeit zu erleichtern; aber da die Scene in Chryse
nur von untergeordneter Bedeutung ist, so kann sie auch die
Erfindung der zwölftägigen Frist nicht genügend motivieren.*) Da-
gegen darf für diese wohl Folgendes geltend gemacht werden.
Zunächst dass der Begriff der μῆνις an sich eine gewisse Dauer
der Entwicklung erfordert. Es bedarf einer gewissen Zeit, um
zu erkennen, dass es nicht bloss das erste Auflodern des Zorns
unmittelbar nach der Wegnahme der Briseis war, was in Achills
Seele jenes weitgehende Verlangen nach Rache entstehen liess;
jener zürnende Achill muss Zeit haben seinen Zorn in sich zu
nähren, sich in seine schmerzvolle Stimmung zu versenken, ehe wir in
ihm den grollenden Helden erkennen können, dessen Groll die
angekündigten furchtbaren Folgen herbeiführen sol. Man nehme
die zwölftägige Frist aus dem Zusammenhange der Erzählung, und
man hat damit die nothwendige Grundlage für die weitere Ent-
wicklung der epischen Handlung entfernt. Denn ohne diese Frist
kann zunächst von einer μῆνις Überhaupt nicht die Rede sein,
deren Folgen doch vom zweiten Gesange an den Hauptinhalt des
Epos bilden sollen, ohne diese Frist, in welcher der Groll erst
Raum gewinnt zu wirken und sich den Achaeern fühlbar zu
machen, ist vollends die vorausgesetzte Situation im zweiten Ge-
sange, Agamemnons Zweifel und Bedenken, die Versuchung des
Heeres, die Stimmung der Fürsten und des Heeres, unverständlich,
ohne diese Frist würde endlich der Groll Achills überhaupt kaum
sechs Tage dauern. (v. Hoermann). Andrerseits erhöht die uner-
wartete Verzögerung in wirksamer Weise die Spannung auf den
Erfolg der Fürbitte der Thetis; nur so treten die μῆνις des Achill
und die βουλή des Zeus in der Bedeutsamkeit hervor, welche sie
als die Hauptfactoren der epischen Handlung beanspruchen müssen.
Mit einem Wort, im Einzelliede, welches sich begnügt ein bedeut-
1) Nach v. Kittlitz wäre dieselbe vom Dichter erfunden, um zeigen
zu können, was die blosse Abwesenheit des tapfern Achill, auch ohne
die ofenbare Begünstigung von Seiten der den Sieg verleihenden Gottheit
(Zeus), schon bewirken konnte; wobei vorausgesetzt wird, dass die Bitte
der Thetis ursprünglich erst am Schluss des siebenten Gesanges ihren
Platz gehabt hätte, und der Dichter zunächst erzählte, was in jenen
zwölf Tagen vorfel.
-- 19 —
sames Ereigniss im nächsten Zusammenhange der vorbereitenden
Ursachen und der unmittelbaren Folgen zu entwickeln, wäre die
Erzählung ohne jene Frist denkbar, nicht aber im Zusammenhange
eines grösseren Epos.
Dem bedeutsamen Zweck, den die zwölftägige Frist hat, dient
nun die Einschaltung der Scene in Chryse in der schon oben an-
gedeuteten Weise, indem sie jene Zeit zum Theil ausfüllt; zugleich
dem nicht minder wichtigen Zweck, den Gerlach mit folgenden
Worten bezeichnet: “Auf eine so grosse Scene, wie der Streit der
Könige ist, sogleich eine zweite folgen zu lassen, die nicht minder
gross ist (man denke an die berühmte Stelle von Zeus, der durch
das Neigen seines Hauptes den Olymp erschüttert), dies wäre
ganz unkünstlerisch. Homer schickt deshalb die gemüthliche
Öpferscene in Chryse voraus, ein Bild von anmuthigem Charakter,
und nun tritt das Folgende in seiner ganzen Erhabenheit hervor”.
Wäre freilich jene Episode ein solches elendes Machwerk, für
welches Haupt und Köchly dieselbe erklären, so würde sie
jenen Zweck nicht erfüllen können. Aber es ist gegen jene Kritiker
mit Recht geltend gemacht, dass keiner der gebrauchten auch sonst
sich findenden Verse und Wendungen nicht am passenden Orte steht,
wie denn auch Lachmann gegen Inhalt und Darstellung der Scene
an sich keinerlei Bedenken hatte, und insbesondere hat Düntzer
(Homer. Abhandl. p. 191 8.) das Verfahren Köchly’s in dem
Nachweis von Entlehnungen ausführlich und erfolgreich bekämpft.
Ueberdies zeigt sich nirgends darin eine metrische Schwäche oder
Härte oder ein unerlaubter Hiatus (Hoffmann). Auch der andere
Vorwurf, der gegen die Scene in Chryse von Haupt erhoben ist,
dass das wichtigste Moment, wodurch eine Fortsetzung der früheren
Erzählung von der Fahrt nach Chryse motiviert wäre, Apollons
Versöhnung, mit ganz knappen Worten abgethan werde, während
Opfer und Opfermahl weitläufig geschildert werden, scheint wenig
berechtigt. Haupt verlangt nach der kurzen Bemerkung τοῦ δ᾽
ἔκλυε Φοῖβος ᾿ἀπόλλων (457) eine Ausführung der darin bezeichneten
Erhörung, in der Weise wie 44 ff. Aber es ist schwer zu sagen,
welche sinnlich anschaulichen Züge der Dichter dem innern Vor-
gang der Versöhnung, wie dem negativen Moment des Aufhörens
der Pest hätte entnehmen sollen, um der prächtigen Schilderung
des im Zorn zur Rache schreitenden Gottes eine entsprechende
Ausführung gegenüberzustellen.. Er hat sich weislich darauf be-
schränkt die erfolgte Versöhnung des Gottes in den weiter folgen-
den Wirkungen 474 und 479 zu veranschaulichen.
Wir kommen zu der Prüfung der durch die zwölftägige Frist
in die Erzählung gekommenen Widersprüche selbst.
Lachmann war geneigt allenfalls zuzugeben, dass Apollo
bei den Aethiopen das Sühnlied der Achaeer (474) hören konnte;
man kann dies Zugeständniss geradezu erzwingen durch die Worte
2*
- 20 —
des Glaukos an Apollo IT 515 δύνασαι δὲ σὺ πάντοσ᾽ ἀκούειν ἀνέρε
κηδομένῳ und darf allgemein sagen: das religiöse Gefühl findet
den Gott gegenwärtig, wo es seiner bedarf. Verschieden davon
ist die poetisch-plastische Auffassung der Gottheit. “Plastisch auf-
gefasst erscheinen die Götter als erhöhte Menschen, in der religi-
Ösen Auffassung sind sie weder an die menschliche Gestalt, noch
an Ort und Zeit nach menschlicher Weise gebunden; beide Auf-
fassungen aber sind in der homerischen Poesie unlösbar mit ein-
ander verwachsen” (Gerlach). Danach ist der Widerspruch,
dass wir Apollo gleichzeitig einerseits vor Troja und hei den Asthi-
open, andrerseits in Chryse und bei den Aethiopen denken müssten,
nichts weiter als “der unvermeidliche Gegensatz zwischen plastischer
und religiöser Empfindung, wie er sich nicht bloss bei Homer,
sondern überhaupt im griechischen Alterthume findet.” Diese
plastische Darstellung nun von dem Wirken der Gottheit bis in
ihre letzten Consequenzen zu verfolgen, heisst das Wesen der dichte-
rischen Fantasie und den Zweck ihrer Gebilde verkennen. Es ist
mit Recht bemerkt, wie anstössig die Vorstellung sein würde Apollo
zehn Tage lang auf demselben Fleck sitzend und ins Lager der
Achaeer seine Pfeile sendend zu denken, wie in dieser Konsequenz
das Erhabene sofort in das Komische umschlagen würde. Den
griechischen Hörer musste vor einer solchen Konsequenz schon die
religiöse Vorstellung vom ἑκηβόλος bewahren. Aber der Dichter
hat auch selbst das Seinige gethan, um auch in uns den Gedanken
an solche Konsequenzen nicht aufkommen zu lassen, indem er bei
der Schilderung der Pest die Anschauung des leibhaftigen Gottes
und seiner persönlichen Thätigkeit mehr und mehr erblassen und
in den Hintergrund treten lässt. Wir vernehmen den erschrecken-
den Klang des Bogens beim ersten Schuss, dann aber wird unsere
Fantasie hingelenkt auf die tödtlichen Wirkungen des Schiessenden
und die Objecte seiner Pfeile. Noch mehr erblasst jene Vorstellung
mit den immerflammenden Scheiterhaufen und mit der Angabe der
neuntägigen Dauer, und in der Rede des Kalchas hört die sinn-
liche Bezeichnung der Pest ganz auf (Hiecke). Endlich deutet
in dem Gebet des Chryses 451 fl. nichts mehr auf die im Eingang
des Gesanges gegebene Vorstellung des persönlich unmittelbar
wirkenden Gottes.
Anders steht es mit dem Widerspruch, in welchem die Reise
sämmtlicher Götter zu den Aethiopen mit der vorher dargestellten
Anwesenheit der Here und Athene auf dem Olymp tritt, weil hier
nicht die religiöse Empfindung mit der plastischen Darstellung des
Dichters coneurriert. Beide Momente der Erzählung sind von der
Fantasie des Dichters frei geschaffen und beide stehen in directem
Widerspruch; es liegt augenscheinlich ein Versehen des Dichters,
ein Vergessen der früheren Darstellung vor, und man wird schwer-
lich mit Gerlach behaupten dürfen, dass der Dichter diesen Fehler
mit Bewusstsein begangen habe, weil er dadurch einen grossen
künstlerischen Vortheil erkaufen konnte. War die Abwesenheit
des Zeus 423 nicht minder eine poetische Nothwendigkeit, wie
Athenes Gegenwart 195, so gab es doch Mittel beide gleichzeitig
zu ermöglichen und den Widerspruch zu vermeiden, es genügte
beispielsweise Zeus allein zu den Aethiopen gehen zu lassen, wie
Poseidon im Anfange der Odyssee. Es liegt also jedenfalls ein
Fehler der dichterischen Combination vor, — aber gewiss ein ver-
zeihlicher. Der lebhafte Fortschritt der Handlung von jenem Zeit-
punkt an, wo Athene in den Streit der Könige eingreift, bis zu
dem Gespräch zwischen Achill und Thetis, rückt die Thätigkeit
der Göttinnen bereits in eine ziemliche Ferne, welche es wohl er-
klärlich machen kann, dass dem Dichter jener Widerspruch entgieng.
Ueberdies betrifft derselbe nur einen unwesentlichen Punkt der
Erzählung, alteriert die Entwicklung der Handlung selbst in keiner
Weise und wiegt nicht schwerer als unzählige Vergesslichkeiten,
die man bei modernen Dichtern nachgewiesen hat. Man darf damit
die Widersprüche der homerischen Gedichte in der Zeichnung des
Localen vergleichen, worüber L. von Sybel (über Schliemanns
Troja p. 8) bemerkt: “Die Coulisse wird eingesetzt nach Bedarf
und nach dem Gebrauch zurückgezogen’.
Nach dem Stande der dargelegten Untersuchungen sind die
gegen die Einheit des ersten Gesanges geltend gemachten Gründe
schwerlich gewichtig genug, um einen verschiedenen Ursprung des-
selben nach zwei oder drei Haupttheilen zu erweisen. Von den
nachgewiesenen Widersprüchen erledigt sich der eine einfach, wenn
man nur die Berechtigung der neben einander hergehenden reli-
giösen und dichterisch-plastischen Auffassung der Gottheit und
ihres Wirkens anzuerkennen sich entschliesst, reduciert sich der
andere auf ein Versehen in Nebendingen, von dem die Entwicklung
der epischen Handlung und die poetische Wirkung unberührt bleibt;
die rein formelle Schwierigkeit des ἐκ τοῖο kann kaum in Betracht
kommen. Auch der indirecte Beweis, den eine allseitig befriedigende
Constituirung der einzelnen Abschnitte in selbständigen Liedern
geben würde, ist nicht erbracht, da die durch die Kritik gewonnenen
Einzellieder nicht den Anforderungen entsprechen, die an solche
zu stellen sind. So hat Düntzer es mit Recht als auffallend
bezeichnet, dass Lachmann und Naeke nicht bemerkt haben,
dass sie denselben Widerspruch, den sie scharf tadeln, in einem
und demselben von ihnen constituirten Liede beibehalten haben;
denn in demselben Stücke, in welchem die Götterreise erzählt wird,
schiesst Apollon noch bis zum Tage der Versammlung und der
Klage an Thetis, vgl. 382 ff. 423 ἢ’ Ist man ohne Zweifel be-
rechtigt von einem Einzelliede Einheit und Abgeschlossenheit der
Handlung zu verlangen, so kann schon Lachmanns erstes Lied
(1—347) nicht befriedigen. Angenommen, was uns freilich unan-
-- 2 —
nehmbar scheint, das Prooemium war nur für dieses Lied berechnet,
so kann dasselbe nur durch die volle Entwicklung der angekündigten
μῆνις seinen genügenden Abschluss gewinnen. Für diese ist nun
das letzte entscheidende Moment der leidenschaftliche Schmerz
Achills über die wirklich erfolgte Wegnahme der Briseis. Dieser
findet aber seinen Ausdruck nicht in Achills Worten an die Herolde
338 ff, denn Achill wiederholt hier im Wesentlichen nur, was er
in der Versammlung 234 ff. feierlicher und wirksamer ausge-
sprochen hatte. Erst wenn wir hören, dass Achill in Thränen
ausbricht und am einsamen Meeresstrande seiner Mutter sein Leid
klagt, wenn wir sein Racheverlangen über die früher ausgesprochene
Erwartung hinaus bis zu der Forderung eines directen Eingreifens
des Zeus sich steigern und ihn in dieser Stimmung auch nach
Verlauf einer längern Zeit unwandelbar verharren sehen, erst dann
können wir die Tiefe seines Schmerzes ermessen, und erst durch
diese Züge wird der zürnende Achill zum grollenden. Schlösse
das Lied mit der Wegnahme der Briseis, so würde dasselbe nur
als das Lied von der ἔρις bezeichnet werden können, denn die
Erzählung der ἔρις ist erst mit 348 zu Ende (vgl. 318 f. οὐδ᾽
᾿Δγαμέμνων Ay ἔριδορ), aber nicht von der μῆνις, welche beiden
doch im Prooemium auf das bestimmteste unterschieden werden
(διαστήτην ἐρίσαντε), Dass auch der Dichter selbst der Wegnahme
der Briseis eine ganz andere Bedeutung beilegt, als sie in der
ihr von Lachmann gegebenen Stellung am Schluss des.Liedes haben
würde, lässt sich nach v. Hoermanns treffender Beobachtung aus
der Verschiedenheit der Behandlung der an den Streit der Könige
sich anschliessenden Folgen von 305 an wohl erkennen. Die kürzere
Darstellung der Erfolge, welche Lachmann in der ganzen Partie
von 305—347 findet und worin er auch die Trefflichkeit seines
Liedes erkennt, trifft in Wahrheit nur bei 305—317 zu und wenn
die Kürze und Raschheit, mit der hier die durch den Streit der
Könige vorbereiteten Ereignisse abgewickelt werden, wohl geeignet
wäre das Lied seinem Abschluss zuzuführen, so tritt doch mit 318
wieder eine Ausführlichkeit der Darstellung und eine dramatische
Behandlungsweise ein, die von dem vorhergehenden Ton wesentlich
abstechend, nichts weniger als einen so plötzlichen Abbruch, wie
er mit 347 erfolgen würde, erwarten lässt, Eben ist die Erzählung
auf den Punkt geführt, wo das vorher zwischen Agamemnon und
Achill getheilte Interesse sich auf den letzteren concentriert, indem
die Erwartung des Hörers darauf gerichtet ist, welche Wirkung
die Wegnahme der Briseis auf Achill üben wird, da bricht das
Lied ab: “derselbe Achill, der auf die blosse Drohung Agamemnons,
ihm die Briseis wegzunehmen, das Schwert zieht, verhält sich der
vollendeten Thatsache gegenüber völlig gleichgültig’. So wird die
Charakteristik Achills eines wesentlichen Stückes beraubt, die Be-
deutung des Streites nicht ins Licht gestellt, ja das Lied ‘hat keinen
3 —
Haupthelden mehr und seine Einheit verloren.’ (Genz.) Es ist
bemerkenswerth, dass Lachmann wohl selbst das Unbefriedigende
im Abschluss seines ersten Liedes empfand, wenn er anfangs der
Möglichkeit, dass V. 1—348 und die erste Fortsetzung 431—492
ursprünglich zusammengehört hätten, sich nicht verschliessend,
bemerkt: ‘so passt alles genau zusammen, und der Ausgang wird
auf beiden Seiten völlig zu Ende gebracht, durch die Auslieferung
der Chryseis und das Grollen Achills. Die letzten Verse αὐτὰρ
ὃ μήνιε sind nothwendig hinzu zu fügen, damit die Erzählung
zuletzt wieder auf ihren Anfang, den Zorn des Achilles, zurück-
kehre” Unbegreiflich bleibt dabei nur, dass derselbe scharf-
sichtige Kritiker verkannte, dass die abschliessenden Verse 488
—492 die Scene zwischen Achill und Thetis zur nothwendigen
Voraussetzung haben, nicht nur äusserlich wegen der Aufforderung
421 ἢ, sondern auch innerlich, sofern in jener Scene erst der tiefe
Schmerz Achills zum Ausdruck kommt, der den andauernden Groll
desselben motiviert. Wenn aber andrerseits die breite Anlage in
der Darstellung des Streites zwischen Chryses und Agamemnon
und der Schilderung des zürnenden und strafenden Apollo (12—
52) es wahrscheinlich macht, dass es von vornherein in der Ab-
sicht des Dichters lag, das entsprechende Gegenbild, die Heim-
führung der Chryse und die Versöhnung Apollo’s, in entsprechender
Weise auszuführen, so erfüllt auch diese Scene ihren Hauptzweck,
einen beruhigenden Abschluss zu geben, wesentlich nur unter der
Voraussetzung, dass die leidenschaftliche Unterredung zwischen
Achill und Thetis vorausgeht. Gegen die Abgeschlossenheit des
ersten Lachmannschen Liedes ist ferner geltend gemacht, dass
der Hörer im Unklaren darüber bleibe, ob Achill bei dem 169
ausgesprochenen Entschluss nach Phthia zurückzukehren, verharre
oder nicht. Allerdings giebt darüber erst der Auftrag der Mutter
421 volle Klarheit; indes ist die Situation durch Agamemnons
Drohung ihm die Briseis zu nehmen, wie durch die Verkündigung
überreicher Sühngaben, welche Athene ausspricht 213 f., so wesent-
lich verändert, dass man schon 240 ff. den Eindruck hat, dass
Achill die Absicht aufgegeben, um persönlich Zeuge der erwarteten
Demüthigung Agamemnons zu sein. Beachtenswerth aber ist noch,
dass bei der Zerlegung des ersten Gesanges in mehrere selbst-
ständige Lieder auch die feine Ironie verwischt wird, welche in
der Berufung Agamemnons auf Zeus 174 f. liegt, wenn man
damit Zeus Entschluss in der zweiten Fortsetzung, vielmehr Achill
Ehre zu schaffen, vergleicht.
Dieselben Bedenken treffen mehr oder weniger auch die von
Naeke und Koechly constituirten wijwig-Lieder. Noch grössere
Bedenken erheben sich gegen das von denselben Gelehrten in
ziemlich gleicher Weise angenommene zweite Lied. Sie beruhen
vor allem auf dem Mangel eines passenden Eingangs, der noth-
_ 4 —
wendigen Voraussetzungen, welche die Klage Achills erst ver-
ständlich machen, sowie in dem Mangel eines einheitlichen Centrums
der Handlung, indem die Götterscene im Palast des Zeus 531—
611 über Zweck und Grenzen eines Einzelliedes hinausweist. Der
enge zeitliche Zusammenhang mit dem ersten Liede (vgl. 390
das Praesens πέμπουσιν, und 349 ἄφαρ), sowie der innere Zu-
sammenhang der Handlungen verbieten das zweite Lied von dem
ersten zu trennen. Alle diese Bedenken sind ausführlich ent-
wickelt von v. Hoermann p. 26 fl, auf welchen ich daher
verweise.
Nach diesen Erörterungen tragen wir kein Bedenken, das
von Friedlaender über den ersten Gesang ausgesprochene Ur-
theil zu dem unsrigen zu machen: ‘Der erste Gesang ist be-
wundernswürdig als ein Gedicht für sich, aber zehnmal bewunderns-
würdiger als Exposition einer grösseren Handlung.’ In letzterer
Beziehung ist schon auf die Bedeutung der zwölftägigen Frist für
die ganze epische Handlung hingewiesen; es mögen hier noch die
Hauptgesichtspunkte erörtert werden, unter denen der erste Ge-
sang als Exposition des ganzen Epos zu betrachten ist.
Zunächst die Handlung des ersten Gesanges als Grundlage
der epischen Handlung überhaupt. Nach dem Prooemium sind
für die Entwicklung der epischen Handlung, deren Inhalt die ver-
derblichen Folgen des Grolls des Achilleus bilden, zwei Factoren
vorzugsweise bestimmend: in erster Linie eben dieser Groll, so-
dann der Rathschluss des Zeus. Indem diese beiden nach ihrem
Ursprung und Inhalt im ersten Gesange entwickelt werden, ist
damit die Grundlage gegeben, auf der mit dem zweiten Gesange
die Darstellung der Folgen jenes Grolles beginnen kann. Ausser
diesen beiden Hauptmomenten kommt noch der an die Zusage des
Zeus sich schliessende Götterstreit in Betracht. In einem Einzel-
liede, dessen Mittelpunkt die Fürbitte der Thetis bildete, nicht
wohl motiviert, enthält derselbe im Epos von dem Groll des
Achill ein bedeutsames Stück der Exposition. Nicht nur, dass er
an der Schwelle der Erzählung im Allgemeinen ein Bild der
Götterfamilie giebt, welche nach dem dichterischen Plane fort und
fort in die menschliche Handlung eingreifen soll, er zeichnet auch
im Besondern die Gegensätze vor, welche innerhalb dieser Götter-
familie, durch Zeus’ Rathschluss verschärft, im Verlauf der Er-
zählung gegen einander wirken und in diesem Ringen gegen ein-
ander die Wechselfälle der Handlung wesentlich bestimmen. Ob
man darüber hinausgehen und in dieser Scene, verbunden mit dem
Verhalten des Zeus bei der Fürbitte der Thetis geradezu die
Motivierung für das eigenthümliche Vorgehen des Zeus in Buch
U-—VII erkennen darf, ist bei den mannigfachen Bedenken gegen
diese Bücher nicht so einfach zu entscheiden. Zeus’ Widerstreben
auf Thetis’ Bitte einzugehen, seine Scheu vor Hera, gein Bemühen,
_-. —
das der Thetis gegebene Versprechen geheim zu halten, sowie der
sofort von Hera gegen seine Absicht erhobene Widerspruch, sind
allerdings geeignet zu erklären, dass Zeus nicht sofort den direc-
ten Weg zur Ausführung seines Versprechens einschlägt, wenig-
stens “steht mit der Schwierigkeit und Bedenklichkeit der Sache
mehr die künstliche und langsame Einfädelung und Veranstaltung
in B—H in Einklang”. (Genz.)
Im Uebrigen sind die Hauptacte der epischen Handlung in
bedeutungsvollen Momenten des ersten Gesanges deutlich vorge-
zeichnet. Am Abend des zweiten Schlachttages (Buch VIII—X),
welcher durch Zeus’ directes Eingreifen die erste moralische
Niederlage der Achaeer herbeiführt, erfüllt sich Achills feierliche
Vorausverkündigung A 240 ff.: die Sehnsucht nach Achills retten-
dem Arm wird von den Fürsten offen ausgesprochen, Agamemnon,
ratblos und verzweifelt, empfindet bittere Reue über die Achill
zugefügte Beschimpfung und erkennt in der Niederlage Zeus’
Walten, der Achill ehren will (I 115#.); es erfüllt sich ferner,
was Athene 4 213f.*) vorausgesagt, das Anerbieten überreicher
Sühne für die Beschimpfung (I 120#.), welche Achill aber zurück-
weisen muss, da nach der Wegnahme der Briseis ihm jene mora-
lische Niederlage der Achaeer nicht mehr genügt. So führt denn
Zeus am dritten Schlachttage (Buch XI—XVIII) jene üusserste
Bedrängniss der Achaeer herbei, wie sie Achill A 408 f. vor-
schwebt, die aber, indem sie ihn zur Sendung des Patroklos ver-
anlasst, für ihn selbst die Quelle des bittersten Leides wird.
Auch für diese tragische Wendung seines Geschickes liegen die
grundlegenden Momente im ersten Gesange. Achills Antheil an
der Schuld beim Streit mit Agamemnon und das Uebermass seines
Racheverlangens sind die Keime der im Verlauf der Handlung
sich steigernden Schuld, die Sühne erheischt; die Unverbrüchlich-
keit der Zusage des Zeus (4 526 f.) macht sein Schicksal unab-
wendbar. Bemerkenswerth ist bei dieser Entwicklung, wenn man
auf den Streit der Könige zurückblickt, die Ironie des Schicksals,
von der die beiden Streitenden betroffen werden. Agamemnon,
der A 175 zuversichtlich auf Zeus’ Schutz rechnet, sieht sich
gerade durch ihn in die schwerste Bedrängniss gebracht und seinen
Gegner vielmehr geehrt (I 117 vgl. 608 £.), Achill, der durch
Hektor die Befriedigung seiner heissesten Wünsche hofft, erfährt
durch ihn zugleich das bitterste Leid, das ihn treffen kann, den
Tod des Patroklos.
Nächst den Thatsachen, welche die Grundlinien für die Ent-
wieklung der epischen Handlung vorzeichnen, kommt die plan-
ımässige Einführung und Charakterzeichnung der handelnden Per-
*) Verse, die freilich Düntzer Aristarch p. 21 und die homerischen
Fragen p. 198 beseitigen will.
_% —
sonen in Betracht, sowohl in der Menschen-, als in der Götter-
welt. Von den Helden wird zuerst Achill genannt, dann sein
Gegner Agamemnon: beider Charakter wird in der Handlung des
ersten Gesanges bestimmt und klar gezeichnet. Neben jenem wird
Patroklos als sein liebster Freund hervorgehoben (307. 337 f.),
neben diesem Menelaos wenigstens erwähnt. Ausführlich charak-
terisiert wird Nestor 247 8.: die Art, wie er beim Streit der
Könige der allgemeinen Stimmung Ausdruck giebt, wie er die
eigenen Erlebnisse aus der Vorzeit zur Motivierung seines Rathes
herbeizieht, zeichnet den Charakter seiner zahlreichen durch
die Ilias zerstreuten Reden vor. Neben ihm wird Odysseus be-
sonders ausgezeichnet, indem ihm die Heimführung der Chryseis
übertragen wird. Mit ihm werden noch Aias und Idomeneus als
hervorragende Helden genannt (138. 145). Auf troischer Seite
wird Hektor erwähnt in Hinblick auf die schweren Leiden, die
er über die Achaeer bringen soll (242). Von den Göttern wird
unmittelbar im Eingange mit besonderem Nachdruck Apollo ein-
geführt, der furchtbare Gegner der Achaeer. Ihm, der den Streit
der Könige erregt, tritt zunächst Here gegenüber, die griechen-
freundliche Göttin (55 £.), dann mit ihr verbunden Athene, be-
müht die Leidenschaftlichkeit des Streites zu mässigen. Auf mythi-
schem Hintergrunde wird sodann der Gegensatz dieser beiden,
Göttinnen, sowie des Poseidon zu Zeus vorgezeichnet (399 ff.), wie
er durch den ganzen Verlauf des Epos sich hindurchzieht. Un-
mittelbar wirksam. wird der Gegensatz zwischen Hera und Zeus
in der Schlussscene des Gesanges, Die durch das ganze Epos
gehende Auffassung des Zeus selbst endlich konnte keinen be-
stimmteren und wirksameren Ausdruck finden, als in der Scene
mit Thetis und sodann in der Schlussscene; seine Drohung 565—
567 ist beispielsweise das Vorspiel seiner Drohrede im Anfange
des achten Buches.
Fügen wir dazu noch die im ersten Gesange zerstreuten Züge,
welche der vor der Handlung der Ilias liegenden Geschichte des
Krieges angehören, V. 158 ἢ“, 162 f., 366 f., 520 £., oder dem
weiteren Kreis der Vorgeschichte, 260 ff., so ist damit das Wesent-
lichste zusammengestellt, was den ersten Gesang als einleitende
Exposition charakterisiert.
In der Ausführung ist vor allem die Weisheit zu bewundern,
“mit der Achill als Hauptheld eingeführt, das Interesse für ihn
erweckt und zur höchsten Theilnahme gesteigert wird’ Es ist
wohl nicht Zufall, dass derselbe gleich im Eingang (V. 7) mit
dem Epitheton δῖος eingeführt und damit dem ἄναξ ἀνδρῶν gegen-
übergestellt wird, denn dieser Gegensatz des persönlichen Werthes
und der äusseren Machtstellung, welcher in dem Streit eine so
grosse Rolle spielt, wird überall betont, indem Achill nur Epitheta
beigelegt werden, welche ihn als Helden zeichnen, den Adel seiner
- 1-—
Abkunft, die Liebe des Zeus zu ihm hervorheben, während Aga-
memnon nur nach seiner Machtstellung bezeichnet wird. Von
Hera vor allen Fürsten auserlesen, um die Versöhnung Apollo’s
herbeizuführen, tritt Achill sofort durch seine Fürsorge für das
Wohl der Achaeer, durch seine fromme Scheu: vor der Gottheit
in das glänzendste Licht gegen Agamemnon, der durch die Ver-
höhnung des Apollopriesters über sein Volk die Schrecken der
Pest gebracht hat. Es entbrennt zwischen Beiden der heftigste
Streit. Zwar nicht ohne Schuld Achills, aber die überzeugende
Kraft der Wahrheit, mit der sich seine tiefe Entrüstung ausspricht
über die undankbare Missachtung der von ihm uneigennützig ge-
leisteten grossen Dienste, die Anerkennung von Seiten Athenes,
dass Achills Zorn berechtigt sei, die glänzende Anerkennung seines
Werthes als des Hortes der Achaeer durch Nestor, endlich aber ἡ
die von ihm während des Streites zweimal bewiesene Selbst-
beherrschung, während Agamemnons Hybris sich unaufhaltsam
steigert, müssen nothwendig unsere ganze Theilnahme dem Achill
gewinnen. Diese steigert sich von selbst bei der wirklich er-
folgenden Wegnahme der Briseis, um so mehr, als die Haltung
der sie abholenden Herolde nicht nur das hohe Ansehen erkennen
lässt, in welchem Achill beim Heere steht, sondern auch zeigt,
dass die allgemeine Stimmung für ihn ist, Achill selbst aber in
der schonendsten und leutseligsten Weise ihnen entgegenkommt,
die in ἀέκουσα 348 gegebene Andeutung endlich ahnen lässt, dass
Briseis seinem Herzen näher steht, als eine gewöhnliche Kriegs-
gefangene. In der folgenden Scene zwischen Achill und Thetis
tritt dann aber ein Moment hinzu, welches gerade an dieser Stelle
vollends die Herzen der Hörer ergreifen muss: dem tiefgekränkten
Helden ist nur eine kurze Lebensdauer beschieden, die ihm vor
Andern Anspruch auf Glück und Ehre geben sollte. Und wenn
der göttlichen Mutter das Leid des Sohnes gross genug scheint,
um seine Klage vor Zeus’ Thron zu bringen, wenn Zeus auf die
Gefahr hin sich in Gegensatz zu der Mehrzahl der Götter zu
setzen, in der feierlichsten Weise die unverbrüchliche Zusage er-
theilt durch sein direetes Eingreifen dem Helden Genugthuung
zu verschaffen und in Folge davon selbst unter den Göttern ein
heftiger Streit entbrennt, so steigt mit unserer wachsenden Theil-
nahme die Bedeutung des Helden, und wir scheiden vom ersten
Gesange in der That mit dem Bewusstsein, dass Achill, wenn er
auch zunächst in Folge seines Grolles in den Hintergrund treten
wird, doch der Hauptheld des Epos und die bewegende Ursache
der folgenden Ereignisse ist.
-- 238. —
Anmerkungen.
1. [Ueber das Prooemium vgl. Jacob Entstehung der Dias
und Odyssee p. 159 ff. 235, Naeke Opuse. I p. 263 ἢ, Bekker
Hom. Blätt. I, 164 £., Düntzer in Ζ. f. GW. XI, 410 ff. = Hom.
Abhandl. p. 164 ff, und denselben Aristarch p. 180 ff, welcher
Υ. 3—5 verwirft, Köchly de Iliad. carmm. III p. 17, Bergk
griech. Literaturgesch. I p. 552. Das Verhältniss des Prooemiums
zur Entwicklung der epischen Handlung erörtert Kraut die epische
Prolepsis, Tübingen 1863. Eine Nachahmung dieses Prooemiums
in dem des Thukydides sucht v. Leutsch nachzuweisen im Philol.
ΧΧΧΠῚ p. 155 und 185, vgl. dagegen Düntzer die Homerischen
Fragen p. 206 5] Der Anfang μῆνιν ἄειδε ϑεά wird von den
Alten auch da eitiert, wo sie andeuten wollen, dass ihr Jugend-
Unterricht gewöhnlich mit dem Lesen des Homer begonnen habe:
Anthol. Pal. IX 168, 1; 169, 1; 173, 1 ff; XI 400, 2; 401, 3;
Append. Epigr. I 1 f. vol. II p. 747. Horat. Epist. Π 2, 42.
Theodoreti Graec. afl. cur. I 18 p. 16 Gaisf. Themistii or. XXII
p- 2644. Der letztere eitiert den ersten Vers auch or. XV p. 184,
den zweiten or. XIX p. 228°, den dritten or. XIII p. 172°. Zum
Worte μῆνις beachte man, dass auch im Skt. mänas den auf ge-
kränktem Ehrgefühl beruhenden Unmuth oder Groll bezeichnet.
[Vgl. Curtius Etym.* p. 101. 312.] — Vers 4. Zu ἑλώρια Leo
Meyer Vergl. Gram. II 476.
5. Ich glaube das sylleptische πᾶσι auf beide beziehen zu
müssen, theils wegen der Wortstellung, theils weil die κύνες und
οἰωνοί an Stellen, wo die Leichen der Unbegrabenen als Schreck-
bild dienen, gewöhnlich zusammen erwähnt sind: B 393. Θ 379.
N 831. P 241. X 335. 354. Q 411. y 259. ὦ 292. (Der Sache
nach gleich κύνες καὶ γῦπες ἔδονται Σ 271. X 42.) Ebenso bei
Spätern: Soph. Ai. 830. Antig. 205. Eurip. ΕἸ. 896 sq. Herod.
VI 10, 8. Plut. Artax. c. 18. Verg. Aen. IX 485 ἢ, mit der
Note von Carl Thiel. Horat. Epod. XVII 12. Valer. Fl. VI 647.
Andere Beispiele bei Garatoni zu Cie. Milon. 13. Hierher gehört
auch ferae et volucres bei Stat. Theb. XII 97. — Das zweite
Hemistichion Διὸς δ᾽ ἐτελείετο βουλή wird gewöhnlich als Paren-
these aufgefasst, und diese soll nachdrücklicher stehen als die
adverbiale Bestimmung Διὸς μεγάλου διὰ βουλάς (9 82), deren
Stelle sie vertrete. Aber “Parenthese” nnd “Nachdruck” wollen
homerisch nicht zusammenstimmen. Hierzu kommt als zweite
Schwierigkeit, dass man das folgende ἐξ οὗ über ganze Verse hin-
weg auf die früheren Aoriste ἔϑηκεν προΐαψεν τεῦχε zurückbeziehen
muss und dass dann der Sinn zur spätern Erzählung der Begeben-
heiten nicht vollkommen passt. Daher hat Aristarch nach Aristoni-
kos [ed. Friedlaender p. 39, zu A 5. 6.] (Lehrs de Arist. ? p. 191)
- 29 —
die Worte Διὸς δ᾽ ἐτελείετο βουλή mit Recht zum Folgenden ge-
zogen, und diese Verbindung empfiehlt Lehrs Ztschr. f. Alt. 1834
8. 139, vertheidigt Bekker Hom. Blätter S. 164. [Vgl. dagegen
die Ausführung von Düntzer hom. Abhandlungen p. 176 f., welche
für mich überzeugend ist. Die von Ameis bezeichnete Schwierig-
keit ἐξ οὗ über ganze Verse hinweg auf die früheren Aoriste
ἔθηκεν προΐαψεν τεῦχε zurüickzubeziehen ist in Wirklichkeit eine
Täuschung, da die Zeitbestimmung doch nur durch Διὸς δ᾽ ἐτελείετο
βουλή von den Relativsätzen getrennt ist. Diese sind aber in ihrem
ersten und zweiten Gliede durch die Anaphora μυρία und πολλάς,
im zweiten und dritten durch den Gegensatz so eng mit einander
und in ihrer Gesammtheit wiederum als epexegetische Ausführung
von οὐλομένην mit μῆνιν ἄειδε so eng verbunden, dass ich kein
Bedenken trage mit Düntzer ἐξ οὗ κτξ. sogar an den Hauptsatz
μῆνιν ἄειδε anzuschliessen, wofür die Zeitbestimmung den Aus-
gangspunkt angiebt (vgl. « 10). — Eine Anspielung auf V. 3
des Prooemiums scheint in A 55 enthalten zu sein; vgl. Bergk
griech. Literaturgesch. I p. 552 Anmerk. 3. — Uebrigens sucht
Nauck Melanges Gr&co-Romains. Tome III p. 9 fl. Zenodots Les-
art οἰωνοῖσί τε δαῖτα statt πᾶσι als die ursprüngliche, schon
dem Aeschylos in der Nachahmung Suppl. 801 vorliegende zu
erweisen, während er die herrschende πᾶσι für eine Conjeetur
Aristarchs hält] Köchly hat nach seinem Prineip in seinen
16 Liedern Vers 4 und 5 nach dem Vorgange des Zenodot ge-
tilgt [so Ribbeck in den Jahrbb. 1862, p. 4]. Angeführt wird
das Hemistichion von Plut. Stoic. repugn. ο. 34, 5 p. 1050",
7. ἄναξ ἀνδρῶν steht bei Homer 46 mal von Agamemnon,
ausserdem je- einmal von Anchises E 268, von Aineias Z 311,
von Augeias A 701, von Euphetes Ὁ 532, von Eumelos % 288.
Der Eigenname bildet dabei stets den Versschluss. Ueber Ge-
brauch und Bedeutung vgl. besonders Gladstone’'s Hom. Stud. von
Schuster 8. 87 fl. [Ueber ἄναξ, ἀνάσσω vgl. jetzt Angermann in
G. Curtius Stud. zur griech. und lat. Gramm. III p. 117—122.
Nach demselben sind die Worte auf die W. fav schützen zurück-
zuführen und ist die ursprüngliche Bedeutung von ἀνάσσειν Be-
schützer, Schirmherr sein noch in 4 38. M 239 zu erkennen.
In der Ilias wird ἄναξ ausschliesslich von Göttern und Heroen in
der allgemeinen Bedeutung Beschirmer, Herrscher gebraucht,
in der Odyssee, auch & 734, tritt die Bedeutung herus hinzu
und erst in der späteren poetischen Sprache die allgemeineren
Bedeutungen Vorsteher, Lenker, Führer.] Uebrigens beachte
man hier das blosse Patronymikum ’4rgelöng, während die voll-
ständige Nennung des Namens erst im 24. Verse nachfolgt: ein
Beweis, dass Homer bei seinen Zuhörern die Bekanntschaft mit
den Hauptpersonen aus der Sage und aus andern Liedern voraus-
setzen durfte. Vgl. auch zu 4 307. Ueber den Zweck solcher
— 0 --
Proömien aber vgl. Lehrs de Arist.? 8. 426 ἢ, — Vers 8. Diese
lebhafte Darstellung durch Frage und Antwort haben später be-
sonders auch die Redner gebraucht. Vgl. Dissen zu Demosth. de
cor. p. 186. Ausserdem findet sie sich bei den Dichtern aller
Völker und Zeiten. Bei uns denkt jeder sogleich an Bürgers
Lied vom braven Manne: ‘Was hielt des Grafen Hand empor?
Ein Beutel war es, voll und straff. — Wer ist der Brave? Ist’s
der Graf? Sag’ an, mein braver Sang, sag’ an!” Oder Arndts:
“Was ist des Deutschen Vaterland?” u.s.w. — Zum Dativ ἔριδι
vgl. auch Eurip. Androm, 122: οἱ σὲ καὶ Ἑρμιόναν ἔριδι στυγερῷ
συνεκλῇσαν. [Als Locative werden diese Dative gefasst von
Mommsen Entwicklung einiger Gesetze für den Gebrauch der
„griech. Praepositionen. Frankfurt 1874, p. 43.]
11. Die Aristarchische Lesart ἠτίμασεν (statt ἠτίμησ᾽) bie-
ten die besten Quellen: Venet. A und Ambros. pr. m., so wie
Apoll. Synt. p. 66, 26. Aristonikos zu A 340, das Scholion in
ΒΜ zu 2 315. Cram. An. Par. III p. 117. 309, Bekk. An.
Ρ. 505, 13. 934, 18. Sie wird auch durch den Rhythmus empfoh-
len nach Bekker Hom. Blätter 85, 114 δ΄, indem der Dichter vor
der bukolischen Cäsur bei der Wahl zwischen spondeischem und
daktylischem Ausdruck regelmässig den letztern vorzog. Vgl.
Th. Bergk in Zeitschr. f. ἃ. A. W. 1851 5. 525 f. und H. Rumpf
in Fleckeisens Jahrb. 1860 8. 579. W. C. Kayser im Phil. XXI
8. 312. — ἀρητῆρα. “Ursprünglich hatten wol Priester und Seher
nach einer speciellen Function (ἱερεύς, ἀρητήρ, ϑυτήρ usw.) eine
bestimmte Bezeichnung (wie im Altindischen), die aber dann auch
allgemeiner gebraucht wurde. Dieser Culturperiode geht diejenige
voraus, wo jeder König (oder jedes Familienhaupt) selbst zugleich
auch Priester und Dichter war: vgl. Max Müller Hist. of Anc.
Sanser. Liter. p. 484” G. Autenrieth. [Ueber den Nachdruck
der Stellung von ἀρητῆρα u. Aehnliches vgl. J. Bekker in den
Monatsberichten der Berlin. Acad. 1867 p. 433 — Hom. Blätter
Ip. 1641
13. Auf bildlichen Darstellungen unserer Scene wird das
Lösegeld dem Chryses auf einem Wagen nachgefahren. So in
Inghirami Galleria Omerica tav. XIX. Das Partieip φέρων “mit
sich führend’. bezeichnet nur eine vorübergehende Verbindung
des Suhjeets und Objects, ἔχων dagegen stellt ein Object zur
Person in das Verhältniss eines engen und dauernden Zusammen-
hangs. Vgl. Joh. Classen Beobachtungen (Frankfurt 1867) 8. 82.
14. Doederlein in seiner Ausgabe hat die schon von Stephanus
eingeführte und von Heyne und andern empfohlene aber schwach
gestützte [La Roche bemerkt nur: al fortasse στέμμά τ᾿ } Lesart
στέμμα τ᾽ ἔχων aufgenommen, um mit 28 στέμμα ϑεοῖο Concinnität
herzustellen. Aber dadurch wird zunächst der Gedanke abge-
schwächt, indem der Begriff στέμμα nunmehr mit ἄποινα auf ganz
gleiche Stufe tritt, was schon mit der Verschiedenheit der Parti-
eipien (zu 13) nicht recht harmoniert. Den Plural dagegen ge-
braucht Plato de rep. III p. 393°. Und diesen Plural begründet
handschriftlich und wegen des Zusammenhangs der Partieipien ἔχων
und φέρων auch E. R. Lange im Philol. IV p. 711. Sodann folgt
Doederlein der bedenklichen Erklärung: “Est στέμμα ramus lana
obvolutus, ἐριόστεπτος κλάδος, quale supplicantium insigne comme-
morat Aesch. Suppl. 22. Soph. Oed. T. 2; et laureus quidem, ut
Apollinis ab sacerdote gestatus’ Ebenso Hermann gottesd. Alt.
8 24, 14. Hiergegen folgende Bedenken. Erstens ist dann die
Beibehaltung des σκῆπτρον anstössig. Denn wenn Jemand ‘mit
umwundenem Lorbeerzweige’ als supplex naht, so pflegt er vorher,
um desto sicherer Gehör zu finden, jedes Insigne seiner Amtswürde
abzulegen. Zweitens sieht man nicht, was στέμματα ᾿Απόλλωνος
und στέμμα ϑεοῖο bedeuten solle, da Apollon sonst nirgends mit
den ἵκέται in nüherer Beziehung ‘steht; dazu erwartete man viel-
mehr den Ζεὺς ἵκετήσιος: vgl. zu ν 213. Drittens ist bei dieser
Deutung der Wechsel zwischen Plural und Singular auffällig. Alle
diese Schwierigkeiten schwinden bei der aufgenommenen Erklärung,
und der Gedanke gewinnt an Kraft und Nachdruck. Chryses ist
gleichsam als Besitzthum seines Gottes in vollem Schmucke mit
den Insignien seines Priesteramtes ins Lager gekommen, weil er
hoffte gerade durch diese Würde den gebührenden Eindruck zu
machen. [Die Bedeutung der ganzen symbolischen Handlung er-
örtert A. Steudener antiquarische Streifzüge: I. über das Symbol
des Zweiges, Halle 1868 p. 47 f., also: ‘es ist ein Vorzeigen
der priesterlichen Insignien, in dem Zeigen aber liegt die Anfrage,
ob Agamemnon genug φιλόϑεος, wie Eustathios sagt, sei, um des
Gottes wegen Gewährung zu verleihen.” Dagegen sieht Overbeck
Geschichte der griech. Plastik I p. 45 in den στέμματα nicht die
Priesterbinde, sondern die Hauptbinde des Gottes selbst d. i. seines
Bildes: “da der Priester seine eigene Binde, das Abzeichen seiner
Priesterwürde gewiss nicht in den Händen, sondern im Haar ge-
tragen haben würde’] — V. 15 und 374. καὶ λίσσετο ist die
Aristarchische Lesart, welche von Hoffmann Quaest. Hom. I p. 24;
Lange im Philol. IV p. 711; M. Schmidt im Philol. IX 5. 429
und andern vertheidigt wird, auch von Bekker aus dem Venetus
in den Text genommen ist. Doch hat Bekker Hom. Blätter 5. 322
seine Ansicht geändert, indem er jetzt meint, es werde “auch in
καὶ ἐλίσσετο festzuhalten sein an dem vor bukolischer Cäsur weit-
aus beliebtesten Wortfuss’ Vgl. zu 11. Auch Doederlein hat καὶ.
ἐλίσσετο im Texte. Aber mit dem Augment würde man die
Form ἐλλίσσετο erwarten, wie an den übrigen augmentierten home-
rischen Stellen Z 45. 1585. 4 35 [?]. M 49. Φ 71. x 264. v 273,
während sonst λίσσετο und λίσσοντο steht: ὃ. 344. ı 224. Δ 379.
1574. 591. Σ 448. X 240. Ebenso λιτάνευε ἡ 145. I 581.
- 895. —
Ψ 196 neben ἐλλιτάνευσα κ 481. — Vers 16. ᾿άτρεῖδα δὲ μάλιστα
δύω. “Merkwürdig, dass trotzdem Menelaos gar keinen Antheil
nimmt; aber das Brüderpaar gehörte schon bei Homer so eng
zusammen (vgl. I 340 f.), dass es als solches etwas formelhaft
schon hier, wie später z. B. bei Sophokles als δισσοί oder δικρατεῖς,
bezeichnet wurde.” G. Autenrieth.
17. Statt der Ueberlieferung ’Argeides (vgl. Z 437) hat
Bekker mit Heyne aus Conjectur den Dual ’Argeid« aufgenommen.
Aber hier liegt kein Grund vor, den Begriff des Atreidenpaares
besonders hervorzuheben, da neben den ᾿άτρεΐδαι auch die übrigen
Achaeer angerufen werden. Anders ist der Zusammenhang N 46.
47 und II 555. 556. Vgl. H. Rumpf in Fleckeisens Jahrbb. 1860
Ba. LXXXI 8. 585. W. C. Kayser im Philol. XXT 8. 311. —
V. 19. εὖ δ᾽ οἴκαδ᾽ ἱκέσθαι, ἃ. i. ohne auf der Rückkehr Unglück
zu erleiden, wie die ὃ 496. 497 ff. erwähnten. Bekker hat wegen
des Digamma mit Heyne Bentley’s Conjectur καὶ Foixud’ ἱκέσθαι
aufgenommen mit “ef. 1393’, wo aber der Begriff des εὖ in dem
vorhergehenden σύωσι ϑεοί enthalten ist. Bentley’s Conjectur wird
genauer begründet von E. R. Lange im Philol. IV p. 712 sq.
20. Ich bin zur frühern gut beglaubigten Lesart παῖδα δέ
μοι λύσαιτε zurückgekehrt, die F. A. Wolf aus untergeordneten
Quellen in παῖδα δ᾽ ἐμοὶ λῦσαί re gelindert hat. [δ᾽ ἐμοί haben
bei La Roche die besten Handschriften Venetus A, Laurentianus D
u. a.] Ueber die Enklisis von μοί vgl. Bekker Hom. Bl. 8. 221.
Den Optativ λύσαιτε geben der Venet., Apoll. Synt. p. 14, 25
und 121, 17 und andere gute Quellen. [Vgl. jetzt La Roche’s
krit. Ausgabe.] Vertheidigt wird derselbe von Lange im Philol.
IV p. 713 und Bergk in Zeitschr. f. d. A. W. 1851. 8. 527.
Der Infinitiv λῦσαί τε nemlich giebt"eine grosse Härte, weil von
der gewöhnlichen Bedeutung des Infinitivs im vorhergehenden Verse
(ἐκπέρσαι und ἐκέσϑαι) ein zu plötzlicher Uebergang zur impera-
tivischen Bedeutung stattfindet. Für diesen imperativischen Ge-
brauch hat Apoll. Synt. p. 78 und de pron. p. 361 (101) bloss
das zweite Hemistichion τὰ δ᾽ ἄποινα δέχεσϑαι angeführt. In die-
sem beruht das jetzt gewöhnlich gelesene τά τ᾽, statt des über-
lieferten τὰ δ᾽, nur auf Conjectur. Vgl. Lange im Philol. IV p. 714
und W. C. Kayser im Philol. XVII 8. 708. [Auch La Roche
schreibt τά τ᾽, ohne jede Notiz in der Annotat. critie.] — V. 22.
ἐπευφήμησαν hat Plato de rep. III p. 393° durch “ἐσέβοντο καὶ
συνήνουν᾽ ausgedrückt. [Zur Construction mit Inf. vgl. Bekker
hom. Blätt. I p. 226, welcher γουνοῦμαι = γουνούμενος λίσσομαι
vergleicht.]
24. Diese Erklärung von ϑυμῷ ist gegeben mit Bezug auf
die ausführliche Erörterung dieses Sprachgebrauchs durch Albert
Fulda: Untersuch. über die Spr. der Homer. Gedichte. Duisburg
1865, wo unsere Stelle 8. 182 nach dem Vorgange von Köppen
-- 88 --
behandelt ist. Aber bei den zahlreichen Schlussfolgerungen über
Aechtheit und Unächtheit oder früheres und spüteres Alter der
einzelnen Stellen wird der Verfasser selbst auf allgemeine Bei-
stimmung nicht gerechnet haben. Die locale Bedeutung der be-
züglichen Dative erläutert C. Capelle Dativi localis quae sit vis
atque usus in Homeri carminibus (Hannover 1864) p. 29—36.
Dazu Bekker Hom. Blätter 5: 208. Den ganzen Vers gebraucht
Lueian. Conviv. 8. Lapith. ὁ. 12. Den vorhergehenden Vers hat
nachgeahmt Lueian. Piscat. 8. Reviv. c. 3.
26. [Die seltene Verbindung des prohibitiven μή mit der
ersten Person Singularis erklärt sich leicht, da der Sinn der
Drohung ist: “Lass dich nicht von mir betreffen’ und somit eigent-
lich eine Handlung der zweiten Person zurückgewiesen wird. Vgl.
auch B. Delbrück der Gebrauch des Conjunctivs und Optativs
p- 114. Zu der Zusammenstellung des prohibitiven μή mit einem
zweiten (28) μή vgl. 0. 20. T 414. 2 568 δι @ 462. — Ueber
die völkerrechtliche Stellung der Priester spricht Sorgenfrey de
vestigüis juris gentium Hom. Lips. 1871 p. 19 81
31. ἐμὸν λέχος noch von ἐποιχομένην abhängig zu machen
und zu ἀντιόωσαν ein τούτου (λέχους) hinzuzudenken, wie ich und
Doederlein Hom. Gloss. $ 713 wollten, das stört die rhythmische
Gleichmässigkeit der Satzglieder und giebt ausserdem für λέχος
ein ungefülliges Zeugma. Ich urtheile daher jetzt wie G. Hermann
zu Soph. Ai. 491 und wie J. La Roche Hom. Stud. 8. 62,1. Nur
war des letztern einfacher Zusatz: “Die Verse 29—31 werden
angefochten” entbehrlich. Es hat zwar Aristarch [vgl. Aristonie.
ed. Friedlaender p. 40 und dazu Kayser im Philol. XXI p. 317]
diese Verse verworfen, weil sie ihren Zweck verfehlten, indem
Chryses dadurch über das Schicksal seiner Tochter beruhigt würde,
und weil sie der königlichen Person des Agamemnon unwürdig
wären: aber beide Gründe sind unhaltbar. Denn es folgt Aristarch
bei derartigen Urtheilen in der Regel der Cultur seiner Zeit und
den-Sitten seiner Alexandrinischen Fürsten, nicht denen des home-
rischen Heros, dessen Begriffe von Ehre ganz andere waren als
die späteren. [Eine Reihe von Fällen solcher Art, darunter auch
diese Stelle hat Cobet Miscellanea critica. Lugduni-Batav. 1876
p. 225 ff. unter der Ueherschrift AIIPEIIH apud Homerum pravo
Alexandrinorum judicio zusammengestellt und erörtert.] Vgl. A 114.
Nach W. C. Kayser im Philol. XXI 3, 316 soll indes von 31
der “unzweifelhafte Sinn mit dem ganzen Zusammenhange unver-
einbar’ sein. Auch Düntzer Aristarch 85, 6 urtheilt: “Durch den
Wegfall des Verses gewinnt die Stelle an Kraft und treffender
Bezeichnung.’ Uebrigens beachte man 30 bis 32 drei Verse hinter-
einander aus lauter Dactylen bestehend, welche die Aufregung
des Agamemnon bezeichnen. Vgl. den Anhang zu A 598. [Zur
Bedeutung von πρίν 29 vgl. jetzt Richter quaestiones Homericae.
Anhang zu Ameis, Homers Ilias I. 3
— 4 —
Chemnitz 1876 p. 6, welcher damit zusammenstellt: 2283. 2 551.
728. y 117. ν 427.] — 33. [Die Zweifel hinsichtlich des Anlauts
der W. δὲ sind jetzt durch eine in Korinth gefundene Inschrift ge-
löst, welche den Namen Asıvieg in der Form AFENIAZ bietet:
vgl. Curtius Stud. VIII p. 465. Daher stimmt Curtius jetzt der
Zusammenstellung mit zd. dvi fürchten bei Fick vergl. Wörterb.
1, 113 zu. Vgl. auch Cobet Miscellan. Crit. 1876 p. 267 fi]
— V. 36. τὸν ἠύκομος τέκε “Δητώ, wie T 413. λ 318, ein Zu-
satz der epischen Ausführlichkeit, um für den Namen des Gottes
einen ganzen Vers zu gewinnen. Vgl. Theogn. 5.
39. Unter dem Namen Σμινϑεύς wurde Apollon wahrschein-
lich auch an den erwähnten drei Orten verehrt. Denn der Smin-
theuscultus war weithin über das ägäische Meer verbreitet, daher
auch der Monatsname σμένϑιος und das Fest Σμίνϑια, das auf
Rhodos gefeiert wurde, weil Apollon die Mäuse von den Wei
pflanzungen vertrieben hatte. Ferner ist auf Münzen von Alexandria-
Troas und Tenedos eine Maus mit Apollon in Verbindung gesetzt.
[Anderes bei Schoemann Gr. Alterth. ? II p. 209.] Aehnlich heisst
Apollon παρνόπιος der ‘Vertreiber der Heuschrecken’. Vgl. Preller
Griech. Mythol. I 5. 195 der 2. Aufl. Welcker Gr. Götterl. Bd. 1
8. 482 ἢ Hierzu G. Autenrieth brieflich: “‘Beachtenswerth scheint
mir auch die Erinnerung Pictet's (Origines indo-europdennes II
476 f. not), dass in indischer Religion die Mäuse dem Rudra,
der dem Apollon entspreche, heilig seien.” Aristarch dagegen will
den Namen Σμινϑεύς von einer vermeintlichen Stadt Σμίνϑη im
troischen Gebiete abgeleitet wissen: aber eine Stadt dieses Namens
ist noch von Niemandem nachgewiesen worden: sie dürfte eine
blosse Erfindung sein. [Vgl. jetzt über den Namen G. Curtius in
Stud. IX, 112. — Die Veränderung der Interpunetion nach Zuv-
ϑεῦ (Komma statt Kolon) habe ich näher begründet: zur Perioden-
bildung bei Homer. Götting. 1868 p. 18 1] Wenn aber von Apollon.
im Lex. unter Σμινϑεῦ bemerkt wird: ”Agloragyog ἀπρεπὲς ἡγεῖται
ἀπὸ χαμαιπετοῦς ἕῴου τὸν ϑεὸν ἐπιϑέτῳ κεκοσμῆσϑαι ὑπὸ τοῦ ποιητοῦ,
so ist’dieses Aristarchische Urtheil wieder (wie vorher bei 31) aus
der Cultur des Alexandrinischen Zeitalters hervorgegangen. Man
kann vielmehr gegen diese Ableitung einen poetischen Grund
zur Geltung bringen. Es wird nemlich Apollon in Verbindung
mit drei Städten angerufen: darauf kann nicht in naturgemässer
Weise ein Beiname folgen, der noch von einer vierten Stadt ab-
geleitet is. Das würde nicht homerisch klingen. Uebrigens
macht die Verehrung des Apollon in den genannten Städten es
erklärlich, dass dieser Gott in der Ilias überall für die Troer
Partei ergreift. — Von ἐπὶ νηὸν ἔρεψα giebt Doederlein wie im
Hom. Gloss. $ 327, so auch in seiner Ausgabe nach Heyne’s
Vorgange folgende Erklärung: “ἔρεψα scil. frondibus vel floribus,
ornandi diebus festis templi causa, ut Verg. Aen. II 248. Nos
35 -- -
delubra deum ... festa velamus fronde. Pind. Pyth. 4, 240
στεφάνοισι τέ μιν ποίας ἔρεπτον. Eur. Bacch. 323. κισσῷ δ᾽
ἐρεψόμεσϑα᾽. Aber um es in der Bedeutung “bekränzen’ verstehen
zu können, muss wie in den Parallelen der Begriff στεφάνοις oder
κισσῷ ausdrücklich hinzugefügt sein. Vgl. ausserdem die von
Nägelsbach 5. 27 (der Ausg. von Autenrieth) erwähnten Ana-
logien und meine Erörterung in Mützells Zeitschr. f. ἃ. α. W. 1854
8. 634 ἢ, Da εἴ more stets auf Wiederholung der angeführten
Handlung deutet, [worauf Ameis diese Annahme gründet, ist mir
nicht ersichtlich], so hat man dabei an die älteste Zeit zu denken,
wo die Tempel im Freien aus Laubwerk geflochten wurden und
der Cultus noch bilderlos war. Vgl. Pausan. X, 5, 5: ποιηϑῆναι
δὲ τὸν ναὸν τῷ ’AmbAhavı τὸ ἀρχαιότατον δάφνης φασί, κομισϑῆναι
δὲ τοὺς κλάδους ἀπὸ τῆς δάφνης τῆς ἐν τοῖς Τέμπεσι" καλύβης δ᾽
ἂν σχῆμα οὗτός γε ἂν εἴη παρεσχηματισμένος δ' ναός. Feste Tem-
pel mit Götterbildern, wie Ζ 88. 92, sind erst Schöpfungen einer
späteren Zeit. Vgl. Hermann gottesd. Alt. $ 18, 1. Nägelsbach
hom. Theol. V 4 8. 198 der Ausg. von Autenrieth. Lobeck
Aglaoplı. I p. 257 sq. [Der Zusammenhang in & 10, das E
448 erwähnte ἄδυτον, und anderes weisen doch schon auf
eine fortgeschrittene Entwicklung des Tempelbaus, auch abge-
sehen vom Adivog οὐδός des Tempels in Delphi $ 80.] — Zu den
Schlussworten des Commentars erinnert G. Autenrieth: “Noch
naiver ist die Anschauung der Inder (im Rig-Veda), wonach nicht
nur die Götter das Opfer zu ihrer Stärkung zum Kampf wider
die Feinde geniessen, sondern ihnen gewissermassen guter Appetit,
oder Wohlbekomm’s gewünscht wird.”
47. Bekker hat mit Bentley und Payne-Knight den Vers
athetiert nach dem Vorgange des Zenodotos, der auch 46 hinzu-
nahm. [Vgl. Düntzer de Zenodoti stud. Hom. p. 129. 178.] Aber
ächt episch ist doch die Andeutung, dass der Zorn des Gottes
auch in der äusseren Bewegung sich kundgebe, indem der Aus-
druck seines zürnenden Antlitzes finster wie die Nacht erscheint.
So urtheilt auch Autenrieth bei Nägelsbach. Aehnlich Lehrs de
Arist. 8. 439 ed. I. Und das harmoniert mit der Vorstellung
gerade von diesem Gotte, der vermöge seiner Kunde von den ge-
heimen Naturkrüften sonst Unheil abwendet (vgl. zu Σμινϑεύρ),
hier aber Tod und Verderben bringend einherschreitet. Auch die
epexegetischen Genetive αὐτοῦ κινηϑέντος nach vorhergehendem
χωομένοιο haben ihre Analogien. [Eine andere Auffassung des
Vergleichs giebt Gerlach im Philol. XXX p. 55.]
52. Ueber die ganze Stelle spricht Lessing im Laokoon XIII,
und über die bedeutsame Stellung des βάλλ᾽ mit nachfolgender
Pause handelt Bernhard Giseke Hom. Forsch. $. 10. Sodann
haben Freytag und Bekker mit Pamphilus Tryphon und Charax
(denen andere beistimmen) ϑαμεῖαι accentuirt, dessen Richtigkeit
3*
—- 36 —
Lange im Philol. IV p. 717 sq. am gründlichsten zu erweisen
sucht. Aber die Aristarchische Accentuirung ϑαμειαί haben mit
den besseren und älteren Grammatikern begründet Lehrs de Arist.
Ρ. 259 ed. II; Spitzner in der Zeitschr. ἢ. ἃ. Alt. Wss. 1840
S. 458 ἢ; H. Rumpf in Fleckeisens Jahrbb. 1860 Bd. LXXXI
8. 666; J. La Roche Hom. Textkritik S. 279. — Vers 53. The-
misti or. XV p. 191°. — Vers 58. Stat. Achill. II 397. —
60. [Zur Auffassung des Bedingungssatzes εἴ κεν — φύγοιμεν vgl.
L. Lange der homer. Gebrauch der Partikel εἰ II p. 510 8] —
V.61. Ueber die Form δαμᾷ vgl. Lobeck Rhem. p. 158. — Vers 63
erwähnt Plinius Ep. 118, 1. [Diesen Vers verwarf Zenodot: Düntzer
de Zenod. stud. Hom. p. 178.] — Vers 64. ὅς κ᾽ εἴποι ist die
Aristarchische Lesart, wofür Bekker nur wegen des Digamma ὃς
Fein gegeben hat. Vgl. darüber H. Rumpf in Fleckeisens Jahrb.
1860 Bd. LXXXI S. 589 ἢ. — Vers 65. Ueber das doppelte εἶτε,
wofür Bekker ein doppeltes # re aufgenommen hat, vgl. Bium-
lein Griech. Part. 8. 133.
68 = 101. B 76. H 354. 365. β 224. Und das formel-
hafte κατ᾽ ἄρ᾽ ἕξετο noch T 149. 2 522. β 417. y 406. ἡ 153.
9 290. κ 378. π 46. 213. ρ 466. σ 110. 157. τ 544. φ 139.
166. y 164. Das formelhafte zeigt sich auch darin, dass in dem-
selben Satztheile noch ein anderes ἄρα vorausgeht, wie m 213.
9 466. σ 110. [An den letzten beiden Stellen ist jetzt mit La
Roche und Kayser δ᾽ ὅγε statt δ᾽ ἄρ geschrieben.] Das ἄρα in
der Formel κατ᾽ ἄρ᾽ ἕζετο steht nach einem Partieipium hier und
in den Parallelstellen 7 153. π 46. 213. ο 466. σ 110. τ 544.
Ueber die Bedeutung dieses ἄρα vgl. Büumlein Griech. Part. $. 32.
In ἕξετο wurde der Anlaut als Augment gefühlt; sonst auch öfters
καϑέξετο, nie ἐκαϑέξετο. Denn von einem doppelten Augment
findet sich bei Homer keine Spur, was schon Aristarch bemerkt,
Vgl. J. La Roche Hom. Textkritik 8. 246 £. — Vers 70 angeführt
auch bei Lucian de Saltat. c. 36. [Cobet Miscellanea critica
1876 p. 301 verlangt an Stelle von ἤδη durchweg ἤδεε, ἤδει und
vor Vocalen ἤδε᾽ oder — ἤδειν.] Vers 71 berücksichtigt Philostr.
Heroie. c. 2 $ 14 p. 687.
83. [Die handschriftliche Lesart ist εἴ μὲ σαώσεις, wofür
Bekker giebt: ἤ με σαώσεις. Vgl. über diese Frage Praetorius
der homer. Gebrauch von ἦ (ἦε) in Fragesätzen, Cassel 1873 p. 9.]
85. [Nauck im Bulletin de l’Academie Imperiale de St. Peters-
bourg 1861, T. III p. 305 ff. verlangt für ϑεοπρόπιον nach Ana-
logie von A 109. B 322. β 184 ϑεοπροπέων.]
95. 96. [Ueber die an diese Verse sich knüpfenden kritischen
Fragen findet man das Material zusammengestellt bei Benicken in
den Jahrbb. f. Phil. u. Päd. II. Abth. 1876 p. 303 8]
97. Die Aristarchische Lesart Δαναοῖσιν ἀεικέα λοιγὸν ἀπώσει
- 81 —
ist jetzt fast allgemein aufgenommen worden. Dieselbe ist deshalb
nothwendig, weil zum folgenden ἀπὸ .. δόμεναι und ἄγειν ein
bestimmtes Subject aus dem unmittelbar vorhergehenden zu
entlehnen ist: daher müssen hier die Geber und Führer mit
Δαναοῖσιν der Deutlichkeit des Epos gemäss genannt werden.
Ohne Noth will Bekker im Berliner Monatsbericht usw. 1864
S. 87 [= Hom. Blätt. II, 7] zu ἀποδόμεναι als Subject ἡμῶς ge-
dacht wissen. [Anders Richter quaestiones Hom. Chemnitz 1876
p. 19 4] Sonst las man mit Zenodot λοιμοῖο βαρείας χεῖρας ἀφέξει.
Aber erstens sendet Apollon selbst die Pest, so dass er nicht
dem λοιμός objectiv mit eigenen Händen gegenübertreten kann,
und zweitens ist λοιμός bei Homer noch kein personificierter Be-
griff, wie bei Späteren: vgl. Schneidewin zu Soph. Oed. R. 27.
Drittens ist die Construction bedenklich, die “wol kaum einen
Sinn giebt”, wie Lehrs Zeitschr. f. d. A. W. 1834 $. 139 sagt,
oder die “kaum griechisch genannt werden kann’, wie Bergk
ebendas. 1846 85, 498 bemerkt. Mit Recht: denn nach homeri-
schem Sprachgebrauch könnten die Worte nur bedeuten: “er wird
seine feindlichen Hände von der Pest abhalten, damit nemlich
seine Hände der Pest nicht schaden’, was hier sinnlos wäre.
Wenn endlich Zenodotos, wie Düntzer de Zenod. stud. p. 143
vermuthet, an der Kakophonie von δώσει und ἀπώσει Anstoss
nahm, so lässt sich erwiedern, dass dieser Gleichklang gerade zu
dem feierlichen orakelhaften Tone der Rede besonders geeignet
erscheine. [Vgl. auch Bergk Griech, Literaturgesch. I p. 839 und
her die Lesarten Mayhoff de Rhiani Cretensis stud. Hom. p. 38 f.
und die von Benicken in den Jahrbb. f. Philol. und Paed. II. Abth.
1876 p. 305 zusammengestellte Literatur.] Und dabei beachte
man zugleich die Lebhaftigkeit, mit welcher der Seher in ver-
trauensvollem Muthe seine Wahrheit verkündet: daher 95 bis 99
fünf Verse hinter einander aus lauter Dactylen.
98. ἑλικῶπις mit ἑλίκωπες hat schon bei den Alten drei Er-
klärungen gefunden: 1) “schwarzäugig’: vgl. Meineke zu Theo-
krit XXV 127 ed. tert., der aus Kallimach. fr. 290 ἑλικώτατον
ὕδωρ anführt “de aqua nigra’ neben Hesych. ἕλιξ. μέλας. Es
leuchtet ein, dass Kallimachos das Wort nicht so gebraucht haben
würde, wenn er es nicht als Grammatiker in dieser Bedeutung
kennen gelernt hätte. Auch aus Hesych. ἑλικόν᾽ καὶ μέλαν und
ἑλίκωπες" μελανόφϑαλμοι und Ἑλικών —= Schwarzwald gehören
hierher. So Th. Bergk im Philol. XIV 8. 181, wo er ἕλικες von
βόες “dunkelfarbige” deutet. Der Begriff wäre bei den Kühen und
den Menschenaugen passend, wenn ihn nur jemand sprachlich
aus dem Wort entwickelt hätte. Sodann erklärt man das Wort
2) ‘rundäugig’, bei Apoll. lex. ἑλίκωπες ol ἑλικοὶ κατὰ τὴν
πρόσοψιν, vom der schön gewundenen (ἕλιξ, ἕλικ-) Rundung der
Augenhöhle. Dazu die interpolierten Glossen aus Homer bei
-- 8388 —
Hesych. ἑλίκωπας᾽ εὐοφϑάλμους und ἑλικώπιδα. εὐόφϑαλμον. εὐειδῆ,
auch das bei Hesych. sich findende ἑλικοβλέφαρος᾽ καλλιβλέφαρος.
So mehrere unter den Neuern, die in εὐῶπις ξ 113 und βοῶπις
sowie in der Identität der Namen Καλλιστώ und Ἑλίκη vom Stern-
bild des grossen Bären (vgl. H. Fritzsche zu Theoer. I 125) für
diese Erklärung eine Stütze finden. Vgl. G. Autenrieth bei Nägels-
bach zu unserer Stelle. Ein Bedenken dagegen hat Doederlein
Hom. Glossar $ 467 vorgebracht; ein anderes Bedenken dagegen
liegt in der Unmöglichkeit, die ἕλικας βοῦς hiermit in Ueberein-
stimmung zu bringen. Am häufigsten erklärt man das Wort
3) “mit rollenden Augen’, gleichsam ‘rolläugig’, von dem aus
&Alu-jo entstandenen ἑλίσσω. Aber schon an sich ist nicht denk-
bar, dass der ganze Stamm der Achäer vom Augenrollen” so be-
nannt worden sei, da dies nur ein Zeichen der Wildheit und
Leidenschaft sein könnte, wie in Aesch. Prom. 882 τροχοδινεῖται
δ᾽ ὄμμαϑ᾽ ἑλίγδην. Vgl. auch Κύκλωψ “Rollauge”. Und wie
sollen wir dann unsere ἑλικώπιδα κούρην nebst der ἑλικοβλέφαρον
᾿Ἀφροδίτην Hesiod. th. 16 uns denken? Diese klimen hiermit an
die Grenze der Emancipierten, verlören sicherlich ihre griechische
Anmuth. Wenn man nun aber, was lange Zeit die allgemeine
Annahme war, dieses “Augenrollen’ so umdeutet, dass es bezeichne
“mit beweglichem Auge, ein Bild der jugendlichen Munter-
keit und Lebhaftigkeit” (Doederlein Hom. Gloss. $ 467) oder
auch *“feurig blickend’: so ist dies ein salto mortale der Reflexion,
was nach Homers Geist und Sitte Anstrengung kostet. Daher
kann es nicht die ursprüngliche Bedeutung sein: als solche wird
ein einfach bezeichnendes sinnliches Element erfordert. Es ent-
steht nun die Frage nach der Ursprünglichkeit, aus welcher die
erwähnten drei Deutungen hervorgegangen sind. Denn dass jede
derselben in irgend einer Stelle der Spätern ihre specielle An-
wendung gefunden habe, wird sich nicht leugnen lassen. Den
ursprünglichen Begriff des Wortes aber scheint mir Hugo
Weber Etym, Unters. I $. 42 angedeutet zu haben. Er erwähnt
dort die Glosse des Hesych. ἑλικοί “die mit σέλ-ας Glanz, σελ-ἤνη
der hellglänzende Mond von demselben Stamme herkömmt, nur
dass in ἑλικοί wie auch in ὗς und σῦς, Ἕλλοί und Σελλοί für σ
die weitere Abschwächung desselben, der spir. asp. daneben ein-
getreten ist’ Wir haben also eine von σελ- in ofl-ug, σελτήνη
sich abzweigende Wurzel &- weitergebildet ἔλικ- anzunehmen in
der allgemeinen Bedeutung des Glanzes (eine Wurzel die von
der gleichlautenden Form ἔλεξ “gewunden’ zu trennen ist). Daraus
gewinnen wir den einfachen Begriff “mit glänzenden Augen’ glanz-
äugig. Aus diesem ursprünglichen Begriffe ist dann auch die
Farbenbezeichnung hervorgegangen. Bei solcher Untersuchung
nemlich kommen die Etymologen stets auf eine Wurzel, die nicht
“grün, blau, gelb, roth” und dergleichen bedeutet, sondern wo
-- 839 --
«ie Bedeutung zunächst als “glänzend, brennend, flimmernd,
schmutzig’ usw. bestimmt ist. Daher haben die Farben als
solche keine ursprünglichen Namen, sondern ihre sprachliche
Bezeichnungsweise ist entlehnt von dem Eindruck der Helle, des
Lichtes, des Glanzes, des Schmutzigen, des Blassen, des Matten,
kurz von der Wirkung ihrer Eigenschaften auf unser Auge, das
nicht chemischer Natur ist, und dadurch auf unsre Empfindung.
Denn eine Farbe lässt sich nicht definieren, die erwähnten Eigen-
schaften allein vermitteln ihre Bezeichnung. Einige Beispiele dieser
Art erläutert H. Weber Etym. Unters. I S. 94 δ. Nach diesen
Angaben kann es nicht auffallen, dass verschiedene in einander
übergehende Farben mit demselben Ausdruck bezeichnet werden:
man denke an μέλας οἶνος, μελάντερος ἠύτε πίσσα, νῆες μέλαιναι
und die andern Beziehungen. Es ist schwer zu bestimmen, wo
die schwarze Farbe aufhöre und die dunkelbraune anfange,
wenn beide in einander übergehen. Vgl. auch zu m 175. 176.
So ist auch ἕλιξ eine andere Farbe für die Kühe und eine andere
für die Augen der Achier gewesen, ja es kann {ix — auch eine
fette glänzende schwarze Farbe unter Umständen bezeichnet
haben, wie es oben in dieser Bedeutung aus Kallimachos nach-
gewiesen wurde. Was nun speciell die Augen der Achaeer betrifft,
so werden sie schwerlich allesammt einerlei Farbe gehabt
haben. In seiner Schilderung von der physischen Beschaffenheit
der Griechen bemerkt G. Bernhardy Gr. Litt. 1? 8. 18 auch die
“Organisation des griechischen Auges, die vortrefflich beschreibt
Adamantius Physiogn. Π 24 ὀφθαλμοὺς ὑγρούς, χαροπούς, γοργούς,
φῶς πολὺ ἔχοντας ἐν αὑτοῖ᾽ εὐοφϑαλμότατον γὰρ πάντων ἐϑνῶν
τὸ Ἑλληνικόν. Sie wird auch durch die anschauliche Fülle der
Farbenamen bestätigt, 8. Goethe nachgel. Werke 13, 61 8. Unter
den angeführten Wörtern gehört χαροπός nachweislich zu einem
Stamme, der “glänzen, leuchten, brennen’ bedeutet. [Nach Fick
vgl. Wörterb. ? p. 359 kein Kompositum, sondern von gharap
funkeln, einer Weiterbildung von ig. ghar glühen = funkelnd,
feurig.] Ob man in Bezug auf ὑγρούς vorzugsweise ein traditio-
nelles blaues Auge, das vor allen einen “feuchten Glanz’ hat,
den Griechen wie den Germanen zu geben habe, das finde ich
nirgends nachgewiesen, ist auch für unsern Zweck nicht noth-
wendig: denn das Blau der Augen kann wieder verschieden sein.
Es befriedigt vielmehr die Erklärung von ἑλίκωπες “mit glänzen-
den Augen’, da wir in Homers Gebilden überhaupt “mehr Um-
risg- als Farbenfreude’ geniessen (Anhang zu o 372). Hierher
werden auch die γναμπταὶ ἕλικες Σ 401 ‘gewundene Glanz-
sachen’ von Toilettenstücken gehören. [? Vgl. Gerlach im Philol.
XXX p. 490 4] Ganz dieselbe Erklärung passt nun für die
ἕλικες βόες, mögen es immerhin rothbraune oder (wie in Immer-
manns Münchhausen, Berlin 1864 Bd. 1 8. 5 und 8 gesagt wird)
- 40 —
‘pfirsichblütene” Stiere sein. Der Dichter nennt sie in seiner
sinnlichen Umrissfreude “glänzende Rinder’, so dass wir in ἕλικας
βόας εὐρυμετώπους A 289 ganz das Schillersche “breitgestirnte
glatte Schaaren” vor uns haben, da ‘glatt’ auch etymologisch
mit “glänzen’ zusammenhängt: Der Ausdruck erinnert an die
synonymen Bezeichnungen βόες αἴϑωνες 6 372, βύες ἀργοί Ψ' 80,
ταῦρος αἴϑων IT 488. Ganz ähnliche, ja noch bedeutendere Stützen
haben die glänzenden Augen im Dichter selbst. So die im
Commentar erwähnten φάεα zu πὶ 15 [Ameis übersetzte: Glanz-
augen], der stabile Versschluss ὄσσε φαεινώ N 3. 7. & 236.
I 645. P 679. ® 415 und einmal im Versanfang ϑέλξας ὄσσε
φαεινά N 435, ferner eine Anzahl von Ausdrucksweisen, die alle
auf den Glanz hinweisen, wie ὄσσε δέ οἵ πυρὶ λαμπετόωντι ἐΐκτην
A104, τὼ δέ οἵ ὄσσε λαμπέσϑην βλοσυρῇσιν ὑπ’ ὀφρύσιν O 608,
ἐν δέ οἵ ὄσσε δεινὸν ὑπὸ βλείράρων ὡς εἰ σέλας ἐξεφάανϑεν Τ΄ 11,
τὼ δέ οἱ ὄσσε λαμπέσϑην ὡς εἴ τε πυρὸς σέλας T 366, πυρὶ
δ᾽ ὄσσε δεδήειν M 466. Denn das Feuer wird in den homerischen
Gleichnissen vorzugsweise zur Versinnlichung des Glanzes ge-
braucht: vgl. B 458. 780 (wo manche an ein “Rauschen” denken,
wofür ich einen haltbaren Ankntipfungspunkt im Dichter nicht
entdecken kann). E 7. Θ 563. N 245. 474. O 623. T 379.
X 134. τ 39. Wo es sich anders verhält und jenes “furchtbar
wird die Himmelskraft, wenn sie der Fessel sich entrafft” in
einer bestimmten Richtung vor das Auge treten soll, da wird
dies jedesmal durch veranschaulichende Zusätze ausdrücklich be-
merkbar gemacht, wie A 157. # 396. O 605. P 737. T 490 fi.
Φ 12, am kürzesten in dem Formelverse A 596. Wie aber der
Glanz des menschlichen Auges als eine charakteristische Eigen-
schaft nicht selten hervorgehoben wird, so geschieht es auch mit
den Augen der Götter, wie in δεινὼ δέ ol ὄσσε φάανϑεν A 200
yon der Athene und ὄμματα μαρμαίροντα Τ' 397 von der Aphrodite.
Daher sind in γλαυκῶπις ᾿Αάϑήνη (τα α 44) und βοῶπις πότνια
Ἥρη (zu A 551) und Γυργὼ βλοσυρῶπις (A 36) und ἕλεκο-
βλέφαρος ᾿ἀφροδίτη (Hesiod. th. 16) nicht diametral entgegen-
gesetzte Eigenschaften gemeint, wie manche es aufgefasst haben,
sondern nur verschiedene Nüancierungen desselben Hauptbegriffs.
Auch Euripides fr. 1036 ed. Wagn. ist mit γλαυχῶπις μήνη ‘der
mild glänzende Mond’ ganz in der homerischen Anschauung
geblieben. Vgl. H. Weber Etym. Unters. I S. 96. Selbst im
Bereiche der Thiere hat die homerische Zeit die ihr aus der
Götter- und Menschenwelt geläufige Eigenschaft der Augen her-
vorgehoben. Um von dem eben erwähnten βοῶπις zu schwei-
gen, denke man nur an ἐν δέ οἵ ὄσσε δαίεται von dem Löwen
€ 132 und πῦρ δ᾽ ὀφθαλμοῖσι δεδορκώς τ 446 vom Eber, von
welchem es in gleicher Situation N 474 heisst: ὀφθαλμὼ δ᾽ ἄρα
οἱ πυρὶ λάμπετον. Aehnlich χαροποὶ λέοντες A 611. Sonst ist aus
- κα —
den Verbindungen von ὀφθαλμός etwas specielles für den vor-
liegenden Zweck nicht zu ersehen, da dieses Wort bei Homer,
ungeachtet es 116mal vorkommt, doch nirgends ein Epitheton
bei sich hat. Hiermit denke ich die obige in ihrem eigentlichen
Kerne von Hugo Weber herrührende Deutung von ἑλίκωπες mehr-
seitig begründet zu haben.
99. [Der Infin. Praes. nach πρέν findet sich ausser hier nur
noch Σ 245. τ 475: vgl. Cavallin de temporum Infinitivi usu
Homerico quaestiones. Lundae 1873 p. 12. Sonst überall Inf.
Aor. Vgl. darüber auch Richter quaestiones Hom. Chemnitz
1876 p. 15.]
103. In ἀμφιμέλαιναι wollten einige unter den Alten, wie in
den Scholien hier und zu P 573 bemerkt ist, die Präposition
trennen und zum Verbum ziehen; und dieses Verfahren wird ver-
theidigt von Schömann Opusc. II not. 32 und ‘genauer begründet
von Autenrieth in dem Excurs zu Nägelsbach 5. 203 f. Aber es
bleibt, wenn man auch trennen will, doch immerhin auffällig,
dass ἀμφί überall unmittelbar vor μέλαιναι steht. Für die
Synthesis geben wol ἀμφίδασυς O 309 und die im Anhang zu
y 95 erwähnten Adjective eine ausreichende Analogie. Die Be-
deutung des ἀμφί “auf beiden Seiten” ist mit Bezug auf die sinn-
lichen φρένες gesagt, die aber dann auf das geistige übertragen
sind, so dass man an das abwechselnde “Auf- und Abwogen’
eines im Affecte unruhigen Herzens zu denken hat: demnach
bezeichnet ἀμφιμέλαιναι nur einen temporären Zustand. Vgl. Doeder-
lein Hom. Gloss. $ 2153. Nur braucht man nicht mit Doederlein
an eine Prolepsis zu denken: denn es ist hier das einfachste,
den Begriff mit 5080]. ABC. ἀπὸ τῆς τῶν ὑδάτων μεταφορᾶς ab-
zuleiten: vgl. zu ὃ 359. Die Stellen der Spätern, welche μέλας:
allein oder mit anderen Begriffen componiert in dieser über-
tragenen Bedeutung gebrauchen, giebt Blomfield im Glossar zu
Aesch. Pers. 119; Lobeck zu Soph. Ai. 955; M. Lechner de
Aeschyli studio Hom. p. 14 sq., jetzt auch Autenrieth in seinem
Excurs 8. 205 ἢ Letzterer hat mich ausserdem brieflich erinnert
an Ovid. A. A. III 503: “ora tument ira, nigrescunt sanguine
venae.” Die homerischen Verse citiert auch Aretaeus de causis
et signis diuturn. morb. I 5 vol. I p. 75 ed. Kühn.; vgl. Herald.
zu Arnob. I 17 p. 17. Themist. or. XII p. 1724. [Eine pro-
leptische Auffassung des ἀμφιμέλαιναι, jedenfalls P 83, freilich in
anderm Sinn, als Doederlein Glossar Nr. 2153 wollte, scheint
durch folgende Betrachtungen empfohlen zu werden: zunlichst,
dass das Wort mit φρένες verbunden sich nur bei den Verben
πίμπλημι und πυκάξω findet, deren Begriff mit dem des Dunkeln
in naher Beziehung steht und dieser Auffassung im Allgemeinen
günstig ist, Vergleicht man ferner P 83 Ἕκτορα δ᾽ αἰνὸν ἄχος
πύκασε φρένας ἀμφιμελαίνας mit 3 294 μὲν ἔρως πυκινὰς φρένας
2 —
ἀμφεκάλυψεν (vgl. Γ 442), so scheinen beide Wendungen nur Varia-
tionen derselben Anschauung zu sein. Wie ist aber dies dupıza-
λύπτειν gedacht? Zunächst jedenfalls, wie der Gebrauch desselben
Verbums vom Schlaf und Tode zeigt, von der Einwirkung auf das
Auge, vgl. P 591 τὸν δ᾽ ἄχεος νεφέλη ἐκάλυψε μέλαινα mit IT 350
ϑανάτου δὲ μέλαν νέφος ἀμφεκάλυψεν und A356. Wie aber dieser
äusseren Wirkung auf das Auge eine innere auf die φρένες corre-
spondierend gedacht wird, zeigt X 165 τῷ δ᾽ ὕπνον--χεύῃ ἐπὶ βλε-
φάροισιν ἰδὲ φρεσὶ πευκαλίμῃσιν. Nimmt man hinzu, dass von ἔρως
# 316 gesagt wird περιπροχυϑείς, wie sonst vom Schlaf ἀμφιχυ-
ϑείς, so zeigen sich überall die entsprechenden Anschauungen: die
Leidenschaft ergiesst sich wie eine umhüllende Wolke um die
φρένες und die Wirkung davon wird in entsprechender Weise ge-
dacht, wie die auf den äusseren Sinn des Auges. Am vollständig-
sten entspricht dieser Anschauung unter den Stellen, wo φρένες
ἀμφιμέλαιναι vorkommt, P. 83, wo πυχάξειν verdichten, d. i.
eng umschliessen, umfangen (vgl. 516 mit σ 160) das ἀμφι-
μέλαιναι als Folge deutlich vorbereitet. Sind diese Zusammenstel-
lungen begründet, so wird man die Erklärung der Scholien ἀπὸ
τῆς τῶν ὑδάτων μεταφορᾶς und die Beziehung auf das unruhige
Auf- und Abwogen des Herzens im Affect, die Ameis darin suchte,
aufgeben, andrerseits aber die der unsrigen verwandte proleptische
Auffassung Doederleins danach so modifieieren müssen, dass die
specielle Beziehung auf das vor Grimm gleichsam umnachtete Herz,
die sich P 499 und 573 doch kaum rechtfertigen lässt, aufge-
geben und ἀμφιμέλας allgemein “von der Leidenschaft umdunkelt,
umhüllt, umfangen’ gefasst wird. Hoffmann Homer. Untersuch.
No. 1 ’4upf in der Ilias, p. 9 erklärt ἀμφί steigernd, — dunkel-
schwarzes Zwerchfell.]
108. [Zur Auffassung von 106—108 vgl. Zahn Betrachtungen
über den Bau der homer. Reden. Barmen 1868 p. 11. Ueber
κρήγυον Schmalfeld in Fleckeisens Jahrbb. Suppl. VII. 302.] Das
doppelte οὔτε ist die Lesart des Aristophanes und Aristarchos,
wie aus Didymos hier und zu 553 hervorgeht: vgl. A. Nauck de
Aristoph. p. 44 not. 46. Franz Spitzner, der irrthümlich den ge-
nannten zwei Alexandrinern οὐδέ zuschreibt, [so auch La Roche
in seiner krit. Ausgabe: die besten Handschriften haben οὐδέ τι
— οὐδ᾽ ἐτέλεσσας] hat das doppelte οὐδέ als “particulam fortiorem”
im Texte und sucht dafür in A 332 eine Stütze. Beides mit
Unrecht. Denn nach dem zusammenfassenden ἐσθλὸν δέ, das nach-
drücklich den Versanfang bildet, ist das doppelte οὔτε offenbar
besser und einfacher. In 332 aber dient das erste οὐδέ zur An-
reihung eines ganzen Satzes: bei anderer Gestaltung des Gedankens
würde dort Asyndeton stehen. Manche finden in dem Verse eine
Anspielung auf Iphigenie. Mit Unrecht: denn die Opferung der-
selben ist erst eine Dichtung der Späteren. Nach dem Verfasser
-- 4 —
«der Κύπρια hat Agamemnon seine Tochter auf Befehl des Kalchas
geopfert.
114. [Die Bedeutung κουρίδιος “ehlich’ erklärt jetzt G.
Curtius Studien I p. 253 ff, indem er von der W. χὲρ scheren
ausgeht, aus der nachgewiesenen Sitte, dass das Abscheren des
Haupthaars beim Mädchen unmittelbar vor der Hochzeit geschah,
indem dieser eine Hochzeitsgebrauch den Namen für die echte
feierliche Vermühlung überhaupt abgegeben habe. „Wie νύμφη
eine engere Bedeutung, Braut, und eine weitere, junge Frau, hat,
wie unser Braut bald von der verlobten, bald von der schon ver-
mählten, bald auch im Sinne von nurus gebraucht wurde, so ist
für κούρη wohl etwas Aehnliches vorauszusetzen. Die engere und
vollere, aus der erwähnten Sitte hervorgegangene, war Braut“.
Danach wäre κουρίδιος, dessen Bildung der von νυμφίδιος ent-
spricht, eigentlich = bräutlich, κουρίδιον λέχος == Brautbett, xov-
eldıov δῶμα — Brautgemach.] — Vers 115 gebraucht Lucian
Imagg. e. 22.
117. Dies hat schon Aristarch bemerkt. Denn was Aristo-
nikos von ihm überliefert: ἐν ἤϑει γὰρ λέγεται, kann doch nur be-
deuten, dass der Vers den Sinn und die Stimmung des Agamemnon
ausdrücke. Daher ist er an das vorige in causalem Sinne eng
angeschlossen. Vgl. Friedländer zu Ariston. Köchly hat den Vers
nach Zenodot unter den Text gesetzt. Die Nothwendigkeit des
Verses erweist auch Düntzer de Zenod. p. 179. — σόον findet sich
im Aceusativ überall bei Homer, nie σῶν, im Nominativ dagegen
σῶς, wenn nicht der Vers wie τ 300 σύος erfordert. [La Roche
schreibt mit Aristarch σῶν, während die handschriftliche Lesart
σόον ist.]
129. [Ueber die Lesarten ‚des Zenodot (Τροίην) und des
Aristarch (Toolnv) handelt Cobet; Miscellan. crit. 1876 p. 252 ἢ,
er selbst verwirft Τροΐην als ungriechisch und verlangt Towyv].
133. Bei ἦ ἐθέλεις, ὄφρ᾽ αὐτὸς ἔχῃς γέρας, αὐτὰρ ἔμ᾽ αὔτως
ἦσϑαι δευόμενον ist Doederlein trotz seiner Erörterung Oeffentl. Red.
5. 571 f. doch in seiner Ausgabe wieder zu der bei Nägelsbach
stehenden Erklärung zurückgekehrt: ὄφρα ut ex ἐθέλεις pendet ut
4 465 ex λελιημένος coll. Z 361; post αὐτὰρ in infinitivum ἦσϑαε
transit structura, quasi praecedat ἦ ἐϑέλεις αὐτὸς μὲν ἔχειν ylgag.
Aber dagegen hatte Joh. Classen Beobacht. I 8.26 (in der Samm-
lung Frankfurt 1867 8. 37 £.) mit Recht eingewendet: ‘die ange-
führten Beispiele eines ὄφρα nach ἐπέσσυται ϑυμός und λελιημένος
vermögen doch wahrlich nicht das Unerhörte nach ἐθέλω zu recht-
fertigen.” Hierzu kommt, dass nicht der geringste Grund erkennbar
ist, warum der Dichter für diesen Sinn nicht das trefflich passende
αὐτὸς μὲν ἔχειν γέρας gewählt haben sollte. Die von Bekker Hom.
Blätter 5. 272 erwähnten Beispiele von einer Abwechselung der
_- MM —
Construction sind anderer Natur und lassen sich aus dem jedes-
maligen Zusammenhange begründen. Vgl. zu jenen Stellen den
Commentar. In Erwägung dieser Sachlage nun haben Andere
(wie J. H. Voss, M. Axt Coniect. Homer. p. 3, Bäumlein Ueber
Griech. Part. "8, 51) das ὄφρα im Sinne von “dum, während,
so lange als’ verstanden, wozu man den Nebensatz in II 653
vergleichen könnte. Aber dieser Erklärung stehen zwei Gründe
entgegen: erstens was Bekker Hom. Bl. 5. 271 bemerkt: ‘soll es
für ἕως stehn, so ist ὄφρα — αὐτάρ, anstatt ὄφρα — τόφρα δέ,
unerhört,’ und zweitens die Erinnerung von Heyne, dass dann
der Conjunctiv ἔχῃς unerklärbar sei und dafür der Indicativ stehen
müste [?]. Ich halte es daher für das beste, ὄφρα mit Eusta-
thius nach dem Vorgang der Scholien als Absichtspartikel aufzu-
fassen: den Grund für diesen mit Nachdruck vorausgehenden Ab-
sichtssatz glaube ich im Commentar richtig angegeben zu haben.
Joh. Classen bemerkt mit Recht: “Nach dieser Auffassung be-
hält ἐθέλω seine einzig mögliche Structur; ὄφρα bleibt in seiner
constanten Bedeutung” Hierzu kommt, dass der Gedanke durch
die Voranstellung des Absichtssatzes und die dadurch bedingte An-
wendung des αὐτάρ, das den Gegensatz scharf hervorhebt, an Kraft
und Lebendigkeit gewinnt. Auch dies hat Joh. Classen schon an-
gedeutet. [In diesem Finalsatze fasste Ameis. αὐτός —= allein
und erklärte: ‘damit du allein eine Ehrengabe habest’; aber dies
allein entspricht doch den Verhältnissen nicht, da ja auch andere
Fürsten solche Ehrengaben haben: vgl. 138. Agamemnon sieht
in dem Versprechen, dass die Achaeer ihm bei der Einnahme Troja’s
reichen Ersatz geben würden, eine nichtssagende Vertröstung auf
eine unsichere Zukunft, andrerseits leitet er die Erklärung Achills,
dass es augenblicklich unmöglich sei Ersatz zu schaffen, aus dem
selbstschtigen Motive ab, Achilles fürchte, wenn Agam. sofort
entschädigt werden solle, sein γέρας zu verlieren. Nur wenn wir
demgemäss mit Franke-Faesi ὄφρ᾽ αὐτὸς ἔχῃς verstehen: damit du
selbst deine Ehrengabe behaltest, so dass darin die Replik auf
die Worte des Achill 124—26 enthalten ist, ergiebt sich ein für
den Zusammenhang befriedigender Sinn. Dann sagt Agam. im
Hauptsatze in Bezug auf die Zusage einer späteren reichlichen Ent-
schädigung: „Deine wirkliche Absicht, wenn du mich aufforderst
die Chryseis zurückzugeben ist, dass ich eben dauernd der Ehren-
gabe entbehren soll“, während der nachdrücklich vorangestellte
Finalsatz als Motiv dafür die Furcht, bei einer augenblicklichen
Entschädigung sein γέρας zu verlieren, angiebt. Den Nachdruck,
den die Voranstellung des Finalsatzes giebt, wird man in der Ueber-
setzung zum Ausdruck bringen können, wenn man vor der finalen
Conjunction ein nur einsetzt] Von Aristarch hat Aristonikos zu
133. 134 überliefert: ἀϑετοῦνται, ὅτι εὐτελεῖς τῇ συνϑέσει καὶ τῇ
διανοίᾳ καὶ μὴ ἁρμόξοντες ᾿Δγαμέμνονι. Dies “geringhaltig und für
- 45 —
die Person des Agamemnon nicht passend’ dürfte in die Kategorie
der zu 31 und 39 erwähnten Urtheile gehören. Indes sagt auch
Bekker am Schluss: 188 und 134 gestrichen, so dass ἀλλά 135
sich an die Negationen in 132 anschliesst, lassen sie den Zusammen-
hang deutlicher, die Rede runder’ Aber Agamemnon will eine
starke Replik geben und muss doch den Gedanken des Achilleus
127 hier wiederholen, um ihn widerlegen zu können. [αὔτως erör-
tert Funk auf Homer Bezügliches. Friedland 1851 p. 12 ἢ]
139. Bekker hat den Vers mit Aristarch, dem schon Bentley,
Heyne, Payne-Knight zugestimmt haben, athetiert, und Köchly ist
nachgefolgt. Aber der Anstoss schwindet, wie ich meine, wenn
man die Interpunction entfernt, nach welcher gewöhnlich mit ἢ
Ὀδυσῆος ein neuer Satztheil anfingt. Man hat vielmehr nach
ἕλωμαι 137 ein Kolon zu setzen nach dem Vorgange von J. H.
Voss (Krit. Blätter IS. 179) Freytag und Doederlein. Freytag sagt
bloss: “Post ἕλωμεν colon posuimus, ut suum utrique membro esset
verbum’, Doederlein aber bemerkt in seiner Ausgabe genauer: “Ita
et distinguitur medium ἐλέσϑαι, deligere iudicio, ab activo ἑλεῖν,
capere mamı, et tollitur tautologia, quae inest in ἑλών post ἕλωμαι,
et augehur imperiosus orationis color.” Vgl. auch denselben Oeffentl.
Red. p. 352. Man kann beifügen, dass nach der gewöhnlichen
Interpunction wie bei ἕλωμαι so auch bei ἄξω ein κέν stehen müste.
[Der von Doederlein angenommene Unterschied des Med. αἱρεῖσϑαι
und des Act. αἱρεῖν wird hinfällig durch die Vergleichung von
324, wo bei gleichem Gegensatz zu διδόναι, ἕλωμαι nach der Situation
nur gefasst werden kann: ich werde mir nehmen; gerade der
Gegensatz zu διδόναι lässt auch kaum jene Auffassung zu, das
Medium mit αὐτός dient eben zum Ausdruck des eigenmächtigen
Verfahrens, vgl. auch A 299—301. I 367—68. Durch diese ver-
änderte Auffassung wird auch die Frage der Interpunetion nach
ἕλωμαι beeinflusst. So wenig das Partieipum ἰών zu ἕλωμαι in
der Bedeutung wählen passen würde, so gut schliesst es sich
an dies Verbum an, wenn es gefasst wird: sich nehmen. Andrer-
seits von dem vorhergehenden Verbum gelöst und nun zu dem
folgenden ἄξω gezogen, welches überdies schon in ἑλών ein aus-
führendes Partieipium bei sich hat, steht es auffallend isoliert. Ferner
legt die Stellung von γέρας am Schluss des zweiten Gliedes von
97—n es nahe hier den vorläufigen Abschluss des Gedankens an-
zunehmen und mit dem dritten ἤ eine neue selbständige Aufnahme
des Gedankens beginnen zu lassen, wie ja häufig ein mit 7 sich
anschliessendes neues Gedankenglied sich selbständiger gestaltet.
— Zu der veränderten Auffassung des κέν beim Conjunctiv vgl.
ausser Philologus XXIX p. 137 ff. jetzt auch: Syntaktische Forsch-
ungen von B. Delbrück und E. Windisch: I. Bd. Der Gebrauch
des Conjunctivs und Optativs im Sanskrit und Griechischen von
B. Delbrück. Halle 1871, p. 84, auch 125.]
46 —
142. ἐν δ᾽ ἐρέτας, statt des handschriftlichen ἐς δ᾽ ἐρέτας,
ist die Lesart des Aristarch hier und 309, wodurch zugleich das
rhetorische Gesetz der Abwechselung zur Geltung kommt, nemlich
mit ἐν δέ ἐς δέ ἂν δέ. Ueber diesen Gebrauch des ἐν vgl. zu 441.
593. B 175. y 472, und den Anhang zu ı 159.
156. Statt des bei Homer isolierten μεταξύ hat Bekker aus
Conjectur μεσηγύς in den Text gesetzt und diese Neuerung in Hom.
Blätter $. 212 f. vertheidigt. Hiergegen spricht mit Recht W. C.
Kayser im Philol. XVIII 8. 669 ἢ, indem er μεταξύ als die all-
seitig gut bezeugte Lesart erweist, [auch Bergk griech. Literatur-
gesch. I p. 367, Mommsen Entwicklung einiger Gesetze p. 36,
Friedlaender Index lectt. Regimont. Hiem. 1859 p. 3.] Man kann
in Bezug auf Bekker beifügen, dass der Dichter statt der ‘poetischen
und alterthümlichen Form’ μεσηγύς hier absichtlich einmal die mehr
‘prosaische’ gewählt habe, weil er die Worte πολλὰ μεταξύ wahr-
scheinlich aus ‘dem alltäglichen Gebrauch seiner Zeit’ entlehnte,
wo sie bereits als Sprichwort im Munde des Volkes lebten. Das
kann wenigstens aus dem in späterer Zeit sprichwörtlichen Gebrauch
unserer Stelle, der sich namentlich in πολλὰ μεταξύ eoncentriert,
geschlossen werden. Auch das bekannte Sprichwort πολλὰ μεταξὺ
πέλει κύλικος καὶ χείλεος ἄκρου, das von dazwischen tretenden Hinder-
nissen gebraucht wird (vgl. Corp. Paroem. Gr. I p. 148 und
294, Il p. 84 und 617 ed. Leutsch et Schneidewin), hat seinen
Anfang sicherlich aus unserer Stelle entlehnt. Wird doch sogar
der ganze Vers von Michael Hamartolus in Boissonade's Anecd.
IV 455 dem Homer beigelegt: was wohl jeder als ein Zeugniss
für das Alter des Verses betrachtet. Sodann haben am Schlusse
des Verses einige Handschriften und die Baseler Ausgabe Komma.
Dies habe ich mit Voss Krit. Blätter I S. 179; Aulin de usw
epexegesis in Hom. carm p. 8 und Bekker Hom. Blätter 5. 229
ebenfalls gesetzt, so dass der folgende Vers als specielle und aus-
führliche Erklärung des ἦ μάλα πολλά zu betrachten ist. Zu dieser
Epexegese eines pronominalen oder adjectivischen Neutrum vgl.
man unter andern ἡ 264. 265 (bei manchen auch « 304) und
α 151. 152. β 306. 307. ὃ 745. 746. 9 544. 545. ı 109.
110. 238. 239. 511. 512. » 14. 15. A 381. 382. μ 424. 1 442.
443. 591. 592. A 244. 245. Σ 400. 401. 511. 512. T 332. 333.
Ueber das im Gedanken liegende ἐστί, das in Verbindung mit
μεταξύ nicht logische Copula sondern selbständiges Verbum von
realem Inhalt ist, vgl. zu 4 416 und O. Schneider zu Isokr. Panegyr.
5, 2. Dies zu Kr. Di. 62, 2. 3. 4.
157. σκιόωντα, statt des gewöhnlichen σκιόεντα, ist die Ari-
starchische Lesart, die J. La Roche Hom. Textkritik 5, 348 wie
mir scheint nicht gewürdigt hat. Es sprechen hier für σκιόωντα
zwei Gründe. Erstens wird dadurch die Schilderung lebhafter.
Man denkt nemlich bei der Vorstellung des weiten Raumes zwischen
-- 41 —
Phthiotis und Troia zugleich an die langdauernde Schiffahrt, wie
oft man auf der nördlichen Wasserstrasse an Inseln vorbeikommt,
deren Berge ihre wechselnden Schatten werfen, und wie oft
man auf dem ‘vielrauschenden Meere’ das δύσετο τ᾽ ἠέλιος
σκιόωντό τε πᾶσαι ἀγυιαί (m β 388) erleben muss. [Ὁ] Zweitens
bildet σκιόεντα sonst überall den Versschluss, nirgends steht es im
ersten Hemistichion. Vgl. die Stellen im Anhang zu « 365.
164. Nägelsbach ist geneigt, (mit Heyne und einigen andern
nach dem Vorgange des Zenodoi) unter Τρώων πτολίεϑρον Troia
selbst zu verstehen, indem er die Ergänzung οὐδ᾽ ἕξω für möglich
hält. Aber dieser Erklärung widerstreitet zunächst das doppelte
ποτέ (163 und 166) und ὁππότε (163): denn beide Partikeln können
nicht von einem einmaligen Factum gesagt werden. Daher war
es auch nicht nöthig 164 und 166 den iterativen Optativ zu setzen.
[Neben dem iterativen Praesens im Hauptsatze ist im Nebensatze
der Conjunetiv mit oder ohne ἄν Regel: vgl. H. Ὁ. Müller Syntax
der griech. Tempora. Gött. 1874 p. 47 Sodann lässt sich bei-
fügen, dass in der gleichmässigen Sprache Homers von Troia selbst
niemals Τρώων mit πτολίεθρον, sondern stets Τρώων mit πόλιες sich
findet, vgl. B13. 29. 44. 0 52. 1412. 482. & 88. 251. 1169.
708. 7 60. Φ 584. γ 85. ὃ 249; πτολίεϑρον dagegen von Troia
gesagt findet sich nur in Verbindung mit Ἰλίου, wie B 133. 4 88.
Θ 288. N 380. ® 433 und Ἴλιον mit appositivem πτολίεϑρον
I 402; sonst bleibt es als selbstverständlich wie 4 239 ohne
Zusatz, was B 367 auch von πόλις gilt. Einen dritten Grund
gegen Troia erwähnt Düntzer Aristarch 5, 17 not. 3, nemlich
“weil Agamemnon in Troia vielmehr Sühne (τιμή), als eine reiche
Beute für sich als Ehrengeschenk erwartete’ Endlich wider-
streitet fener Auffassung der ganze Zusammenhang. Denn Achil-
leus spricht von 152 an über seine früheren Erlebnisse, und
daran schliesst er 169, was er in der nächsten Zukunft thun wolle.
Von “einer Stadt der Troer” versteht die Stelle auch G. Auten-
rieth bei Nägelsbach. — Vers 167. Themist. or. XXII p. 270°.
— Vers 168. Zu ἐπεί κε κάμωσιν vgl. J. La Roche Hom. Text-
kritik 8. 294 ἢ — Vers 170. Die richtige Erklärung der
Stelle giebt schon F. A. Wolf. Verm. Schrift. (Halle 1802)
8. 368 ἢ
175. [Auf diese Ironie hat aufmerksam gemacht L. von
Hoermann Untersuchungen über die homer. Frage I. Innsbruck
1867 p. 46.]
177. So scheint der Vers erklärbar zu sein. Zenodot (vgl.
Bekker Schol. Iliad. p. III) und Aristarch (nach Aristonikos) haben
ihn athetiert mit Beistimmung von Payne-Knight, M. Haupt
Rhein. Mus. 1846. IV 8.270; Nitzsch. Sagenp. 8. 150 und Köchly,
der noch 175 und 178 hinzugenommen hat [auch Benicken de
Niadis libro primo Berlin. 1868 p. 9.]; Bekker aber und Doederlein
-- 48 —
haben den Vers unangetastet gelassen. — 179. [Nach Mommsens
Beobachtungen (Entwicklung einiger Gesetze etc. p. 37) gehen
bei Anknüpfung eines aus persönlichen und sachlichen Substantiven
gemischten Objects bei σύν immer die sachlichen voran: so ausser
hier 4183. E 641. Π 382. (4 162). α 182. ὃ 175. y 323. 369.
ı 1121 — Vers 185. Zu ὄφρ᾽ ἐὺ εἰδῇς vgl. Fritasche Quaest. Luc.
p. 71 sq. In diesem Verse kommen sämmtliche Redetheile vor,
wie in dem lat. Verse vae tibi ridenti, quia mox post gaudia
flebis. — 188. Plutarch. Coriolan. ὁ. 32. [Die folgende Scene
188—222 sucht als eine spätere Zudichtung zu erweisen Bischoff
im Phil. XXXII p. 568 fl. Vgl. dagegen Düntzer hom. Fragen
p. 198 6] — 189. Vgl. Galen. de Temperam. II 6 p. 624: εἰ
μὲν γάρ τις ἱκανῶς εἴη δασὺς τὰ στέρνα, ϑυμικὸν ἀποφαίνονται. —
197. Stat. Ach. I 162. — Vers 200 erwähnt auch Heliodor. ΠῚ 18.
212. [212—214 werden verworfen von Düntzer Aristarch
p- 21 ἢ, vgl. denselben homer. Fragen p. 198, wo auch 211 für
unecht erklärt wird] — 218. [Für αὐτοῦ vermuthet Doederlein
öffentl. Reden Frankf. 1860 p. 361 αὖ τοῦ — eine, wie ich
glaube, unnöthige Conjectur, vgl. jetzt die Anmerkung im Commentar.]
222. [Ueber die an die Worte μετὰ δαίμονας ἄλλους vgl. 424
sich knüpfenden Bedenken vgl. die Einleitung p.14f. 20. Die Be-
deutung von δαίμων ist neuerdings erörtert ‚von Kröcher der home-
rische Dämon. Stettin 1876.]
223. [Ueber ἀταρτηρός vgl. jetzt auch Clemm in Curtius
Stud VIII p. 86: zu ß 243.]
225. οἰνοβαρές erwähnen Plat. de rep. III 3 p. 389°; Lucian
Encom. Demosth. c. 5 und Fugit. c. 30. Die Stellen, wo Homer
die Trunkenheit tadelt, giebt gesammelt Athen. I p. 10 c. 18.
Zu ἔλαφος als Sinnbild der Feigheit und Schüchternheitevgl. die
von Freytag citierten Lobeck Aglaoph. II p. 895 not.; Lessings
Werke Bd. XVII $. 208 ff. Die allgemeine Anschauung vom
Hirsch giebt Oppian. Cyneg. II 182: ἀβληχρὸς κραδίη καὶ ϑυμὸς
ἔσωϑεν ἄναλκις. [Bergk griech. Literaturgesch. I p. 369. 371 ver-
weist auf die in uralter Volkssage sich findende Vorstellung, dass
der Hirsch kein Herz habe.]
231. [Nach Mangold in Curtius Stud, VI p. 403 ff. ist δῆμος,
von W. de —theilen, ursprünglich aufgetheiltes, unter die
Mitglieder einer Genossenschaft vertheiltes Land. Daraus er-
giebt sich die Bedeutung des Gemeindeguts überhaupt: τ 197,
4704. vgl. P250; damach ist δημοβύρος βασιλεύς nicht ein volk-
fressender König, sondern ein König, der das Gemeindegut ver-
zehrt: “und dies kommt ihm zu. Der Tadel liegt nur darin, dass
er weiter nichts thut; dass in δημοβόρος an sich kein Tadel liege,
beweist schlagend das davon abgeleitete καταδημοβορέω Σ 301,
er soll es dem Volke geben, damit es als Gemeindegut verzehrt
werde]
-- 9 —
234. Dass τὸ μέν nicht Relativ, sondern Demonstrativ sei
und dass man daher vor demselben eine stärkere Interpunction zu
setzen habe, darüber vgl. man Nägelsbach zu dieser Stelle und
Fr. Otto Zur Lehre vom Relativpronomen bei Homer. II (Wies-
baden 1864) 8.6. So B 101.145. E 893. Καὶ 440. O 40. Π 141.
284. 131, T 92. Ψ 828, 808. 4) 391. 435. ε 130. ı 320. χ 300.
388. 422 und anderwärts. Ebenso steht das Demonstrativ nach
einem Conjunctivsatze, worüber die Note zu ε 369 zu vergleichen
ist. .Die selbständige Kürze ναὶ μὰ τόδε σκῆπτρον [vgl. darüber
Autenrieth bei Nägelsbach hom. Theol. p. 234] ist gerade für den
Zorn bezeichnend, da dieser nicht selten die Worte kürzt und dann
anderswobin leitet, wie es hier geschehen ist.[?] In dieselbe Kate-
gorie einer zornvollen Sprache gehört 231, wo Doederlein einen
Anstoss nimmt, den hoffentlich die Note des Commentars beseitigt
haben wird. Ueber den Schwur vgl. zu $ 158. Zum Schwure
bei dem Scepter vgl. auch Valer. Flace. ΠῚ 707 ff. Stat. Theb.
VI 552.
245. [Einen spätern Ursprung von 245—304 sucht P.
La Roche im Philol. XVI p. 41 ἢ, zu erweisen, vgl. dagegen
Düntzer Aristarch p. 27 f. 33 81] — 249 berücksichtigen auch
Lucian Imagg. c. 13; Themist. or. XVI p. 2094, or. XXVII p. 3344,
Vgl. auch auet, ad Herenn. IV 33. Rhet. Gr. VII p. 5 ed. Walz,
Uebersetzt von Cic. de senect. 10. Zu 250 vgl. Juvenal. X 246 ἢ
Plutarch. Cat. mai. ὁ. 15. — 255. Vgl. auch Sopater in Rhet.
Gr. IV p. 744 ed. Wal. — Vers 259. ἀλλὰ πίθεσϑ᾽᾽ ἄμφω δὲ
ψεωτέρω ἐστὸν ἐμεῖο. “Achnlich sagt der Poet bei Shakespeare im
Jul. Caesar IV 3 zu den streitenden Brutus und Cassius: “Liebt
euch, wie sich’s für solche Männer schickt, fürwahr, ich hab’ mehr
Jahr’ als ihr erblickt”” G. Schimmelpfeng.
260. Wolf und Spitzner [jetzt auch La Roche] haben das
Aristarchische [in den besten Handschriften gelesene] ἡμῖν aufge-
nommen, das auch Düntzer de Zenod. p. 94 und in seinem Ari-
starch 8. 36 gebilligt hat; dagegen sind Bothe, Freytag, Bekker,
Doederlein zu Zenodots (schon von Voss Krit. Blätter I 8. 187
vertheidigter) Lesart ὑμῖν zurückgekehrt, [Diese vertheidigt auch
Cobet Miscellan. erit. 1876 p. 229 f.] Dieselbe ist wahrschein-
lich, wie Bergk in der Zeitschr. f. ἃ. A. W. 1851 5. 524 unter
Vergleichung von Dio Chrysost. Or. LVII p. 654 bemerkt, auch
“in die alten Vulgärtexte aufg@kommen gewesen.” Daher findet
sie sich auch bei Plutarch T. III p. 198 ed. Wyttenb.; Philemon
ed. Osann p. 136; Hesych. I p. 1603; Eustath. p. 99, 43; im
Paraphr. Bekkers, bei Maximus Planudes in Bachm. Anecd. II
p. 76. Und dies nicht mit Unrecht. Denn Nestor ist laudator
temporis acti, indem er die Vorzüglichkeit der früheren. Ge-
schlechter im Gegensatz zu dem gegenwärtigen hervorhebt und
dabei sich selbst zu jener Vergangenheit rechnet. MitRecht sagt
Anhang zu Ameis, Homers Ilias I, 4
-- 50 —
daher Bekker Homer. Blitter 8. 266* Folgendes: ὑμῖν mit Zeno-
dotos, weil es als das natürlichste zunächst liegt und weil der
ἐφύβριστος λόγος [bei Aristonikos], den ἡμῖν vermeiden soll, nicht
nur gemäss ist der gar nicht überbescheidenen Weise, wie Nestor
der Thaten seiner Jugend gedenkt, z. B. H 150. A 748. #632,
sondern auch gleich in Vers 262 ff. wiederkehrt. "Ueberdies ist
ἡμῖν soviel als ἐμαυτῷ καὶ ὑμῖν: aber dullnoe ἐμαυτῷ darf für
unerhört gelten zu einer Zeit, wo man nicht einmal spricht mit
sich selbst, sondern höchstens πρὸς &0v ϑυμὸν ἕκαστος. Stösst sich
doch auch Niemand an πίϑεσϑε καὶ ὕμμες 274 und verlangt das
communicative ἀλλ᾽ ἄγεϑ᾽ ὡς ἂν ἐγὼν εἴπω πειϑώμεϑα πάντες Die
beiden ersten Gründe hat auch Payne-Knight nachdrücklich geltend
gemacht. Den Zusammenhang der ganzen Stelle hat Freytag richtig
also angegeben: ‘Illi, etsi vobis fortiores erant, mihi obtemperabant;
quin vos quoque, illis deteriores, mihi obtemperate. Ebenso Nägels-
bach. Ueber die ganze Rede des Nestor, woran manche Anstoss
nehmen, giebt Düntzer Aristarch 8. 29 unter anderm folgende gute
Bemerkung: ‘Sowohl Achilleus als Agameınnon betrachten die Sache
von ihrem rein persönlichen Standpunkte; die vor Allen stark ins
Gewicht fallende Rücksicht auf das allgemeine Beste muste hier
den Streitenden von anderer Seite entgegengehalten werden, und
wer hätte das eher thun können und müssen als der weise Pylier,
den auch Agamemnon von allen Fürsten am höchsten ehrte (B 21),
dessen milde Weisheit am ersten auch auf Achilleus wirken konnte.
Hierbei gewann der Dichter zugleich den grossen Vortheil, dass
er diese so bedeutende Persönlichkeit gleich am Anfange seines
Gedichtes hervortreten lassen und für das ganze folgende Gedicht
in ihrer Eigenthümlichkeit lebendig hinstellen konnte” — Vers
261. Ueber die Ableitung von ἀϑερίξειν vgl. G. Cuxtius Etym.?
8. 232 Nr. 316. [*p. 257.]
262. [Ueber ein nach dieser Stelle und φ 295—302 anzu-
nehmendes vorhomerisches Lied vom Kampf der Lapithen gegen
die Kentauren vgl. Nitzsch Beiträge zur Gesch. d. ep. Poesie
p. 152 £]
265. Der Vers fehlt im Venetus und vier anderen Urkunden
[mehr bei La Roche krit. Ausg.]. Nach Wolf Proleg. p. XXVII und
in der praef. Iliad. p. XLVII soll er erst sehr spät aus Hesiod.
scut. 182 eingefügt sein. Vgl. die ähnlichen Beispiele bei Lehrs
de Arist.? p. 358 Nr. V. Die Athener nemlich treten bei Homer
noch sehr zurück, und Theseus wird nur noch ἃ 322 erwähnt.
Vielleicht haben wir auch hier wie A 631 ein patriotisches Ein-
schiebsel von einem Atheniensischen Rhapsoden. Vgl. Nitzsch
Beitr. zur Gesch. der ep. Poesie 5, 165. Indes vertheidigt den
Vers Voss Krit. Bl. 5. 188, indem er als Zeugen anführt Dio
Chrysost. or. LVII und Eustathios p. 75, 42 τόν τε Πειρίϑοον καὶ
τὸν Ἐξάδιδν παρεισοδιάξει καὶ τὸν Καινέα καί τινα Πολύφημον καὶ
-- δι —
ἄλλους mit dem Zusatze, dass hier unter ἄλλους nur Dryas und
'Theseus verstanden werden könnten. Voss hätte auch noch Pausan.
X 29, 4 hinzufügen können: vgl. Lehrs Epimetra zu Arist. ed. II
8. 449*. Auf die Stelle des Pausanias hat schon Naeke Opusc.
I p. 267 aufmerksam gemacht. — In 267 hat Bekker statt der
Veberlieferung καρτίστοις ἐμάχοντο aus einem rhythmischen Grunde
καρτίστοισι μάχοντο gegeben, wie schon K. Grashof Zur Kritik des
homerischen Textes (Düsseldorf 1852) 5. 28 wollte unter Ver-
gleichung von Ο 385. 711. Aber hiergegen bemerkt W. ©. Kayser
im Philol. XVII 5. 687 not. 44 mit Recht, dass es dem Sünger
erlaubt gewesen sei, “um die gleiche Stärke der Genossen, mit
denen Nestor verkehrte, und ihrer Gegner nachdrücklich hervor-
zuheben, dasselbe Wort nicht bloss zu wiederholen, sondern auch
mit einer gleichen Silbenzahl wiederkehren zu lassen. Καρτίστοις
bezeugt mit den Handschriften das Citat des-Dio Chrysost. LVII
T. ΠῚ p. 181 ed. Dind.” — 276. [ἐάω erörtert nach Etymologie und
Bedeutung Kraushaar in G. Curtius Stud. II p. 429—433.] —
Vers 278. Zu οὔ ποϑ᾽ ὁμοίης vergleiche man besonders denselben
Gebrauch in den Formeln οὐχ ὁμοῖος und οὐκ ἴσος bei Thukydides
135, 4. 1120, 4. 1 148, 2; auch od τῇ αὐτῇ ὀργῇ I 140,1. —
Vers 280 bis 284 hat, Bekker aus Conjectur athetiert.
282. Das αὐτὰρ ἐγώ γε wird in der Erklürung der Neuern
entweder unhomerisch gepresst oder das αὐτώρ wird im Sinne
eines erklärenden γάρ gefasst (wie auch B 599), was sprachlich
unmöglich. Daher bemerkte G. Autenrieth zu Nägelsbach: ‘Man
erwartet überhaupt etwas anderes als der folgende Vers besagt.
Die ganze Stelle scheint desperat.” Jetzt urtheilt derselbe anders, und
mit Benutzung seiner brieflichen Mittheilung habe ich Folgendes
zu bemerken. Das αὐτὰρ ἐγώ γε “doch ich wenigstens” oder
“ich dagegen’ bildet überall den Gegensatz zu einer andern Person
oder Sache: O 401. N 244. α 215. γ 182. ἡ 275. 8 310. ı 431.
» 49. 438. o 491. ρ 389. τ 409. So ist auch hier σὺ δέ und
αὐτὰρ ἐγώ γε mit epischer Unmittelbarkeit in einen naiven
Gegensatz gebracht. Der Zusammenhang des Ganzen, in dem man
den Charakter der mündlichen Rede treu wiedergegeben und
namentlich dem alten Nestor entsprechend findet, ist folgender.
Nach der Begründung seines Auftretens 260 bis 273 wendet sich
Nestor zunüchst wieder an Beide, wie 257 bis 259; dann mit μήτε
275 und μήτε 277 an Agamemnon und Achilleus einzeln. Jenen
erinnert er an das, was er seinem eigenen Charakter (ἀγαϑός weg
ἐών) und der Rücksicht auf die Achier (276) schuldig ist, appel-
liert also an dessen Billigkeitsgefühl; den Achilleus dagegen er-
innert er an seine Stellung gegenüber dem regierenden König und
Oberfeldherrn (278 bis 281). Hiermit darf aber Nestor nicht
schliessen, weil es sonst aussehen würde, als wolle er doch noch
am Ende mehr dem Agamemnon Recht geben. Darum muss er
4*
-- 2
sich nochmals an Agamemnon wenden 282 ff., und diess geschieht
zunächst mit der direeten und scharfen Mahnung zur Selbst-
beherrschung: ‘Du, Atreide, zähme deine leidenschaftliche
Erregtheit’ oder ‘zügele deine Hitze’. Nachdem er aber dem
Hitzkopf Agamemnon diess in allgemeinem und dadurch um
so wirksamerem Ausdruck vorgehalten hat, fühlt er selbst die
Stärke dieser Aufforderung, die den Agamemnon beschämen muste,
deshalb unterbricht er sich gegensätzlich und stellt ihm bittweise
als wichtigsten Factor, als Rücksicht der Klugheit, die Unentbehr-
lichkeit des Achilleus entgegen. In gewöhnlicher Prosa würde der
Gedanke lauten: ‘Doch ich meinerseits bitte dich nur, ruhig und
leidenschaftslos zu erwägen, dass der Held Achilleus als Schutz-
wehr für alle Achäer unentbehrlich sei, du musst dich demnach
mit ihm aussöhnen.’ In der epischen Unmittelbarkeit aber heisst
diese Rede: ‘doch ich meinerseits bitte dich nur um Aus-
söhnung mit dem Achilleus, da du, wenn gleich πλεόνεσσιν ἀνάσ-
σῶν, doch nichts ausrichten wirst ohne den, ὃς μέγα πᾶσιν ἕρκος
᾿Δχαιοῖσιν πέλεται. Diesen Gedankengang im Abschluss haben schon
die Schol. BL. leise angedeutet: πρὸς δυσώπησιν μὲν ἰδίαν ὁρίξεται
χάριν, ὡς ὑπερέχοντα δὲ παρακαλεῖ, ὑψοῖ δὲ καὶ "Ayıllla ὡς δίχα
αὐτοῦ οὐδὲν ὄντων τῶν ἄλλων ᾿Αχαιῶν. [Der von Ameis angenommene
doppelte Gegensatz von ἐγώ γε zu σύ und zugleich von λίσσομαι (bitte
nur) zu der im vorhergehenden Imperativ enthaltenen “directen
und scharfen Mahnung” zur Selbstbeherrschung ist logisch schwer
zu vereinigen. Ueberdies darf man in λίσσομαι, das doch ein starker
Ausdruck des Bittens ist, gewiss keine Abschwächung der vorher
im Imperativ ausgedrückten Aufforderung oder Bitte sehen, eher
eine Steigerung. Weiter kommt in Betracht, dass, während der
Inhalt der Bitte im Wesentlichen kein anderer ist, als der des
vorhergehenden Imperativs, aller Nachdruck auf dem in dem Re-
lativsatz enthaltenen Motiv liegt, wobei auch zu beachten ist, dass
Nestor nachdrücklich statt des Pronomens, welches er vorher 275.
281 gebraucht hat, hier den Namen selbst ᾿Δχιλλῆι setzt. Schwindet
damit die Möglichkeit das betonte ἐγώ γε mit Nägelsbach zu ver-
stehen: ich “Nestor (ἃ. i. kein schlechter Mann) bin es, der dich
bittet”, weil eine solche Hervorhebung des Subjects mit dem Nach-
druck, der auf’4yıAlajı und dem folgenden Relativsatz ruht, unver-
einbar ist, so bleibt nur die Möglichkeit eines Gedankenzusammen-
hangs der Art, wie ihn Zahn a. 0.p. 29, absehend von dem ihm
sehr störenden αὐτὰρ ἐγώ γε, verlangt: “Atride, gebiete deinem
Zorn, ja ich flehe dich an, dem Achill deinen Groll zu opfern,
der....’, d. i. (indem das Hauptmotiv in den Inhalt der Bitte
in lebhafter Weise verflochten ist), zu bedenken, dass es Achill,
der Hort der Achaeer ist, dem du deinen Groll opfern sollst. Was
aber die Schwierigkeit betrifft mit diesem Gedankengange die ver-
bindenden Worte αὐτὰρ ἐγώ γε in Einklang zu setzen, so muss
-- δ —
man vor allem die Meinung aufgeben, dass mit αὐτάρ nothwendig
ein Gegensatz eingeleitet werde, wenngleich bei der Zusammen-
stellung von αὐτὰρ ἐγώ yes in den von Ameis aufgezählten
Stellen ein Gegensatz vorliegt. Dieser beruht aber mehr in
der Markierung des Pronomens durch γέ, als auf der Partikel,
die an sich nicht adversativ ist (vgl. z. B. Γ' 18. 253. & 132.),
sondern gegenüberstellend, zu einem Neuen überleitend, und wenn
wir für unsere Stelle die Betonung des Pronomens ohne äussern
Gegensatz erklären können, so ist jedenfalls die Partikel uns nicht
hinderlich. Jene Möglichkeit bietet sich aber, wenn man sich nur
der zurückweisenden, epanaleptischen Bedeutung des durch γέ mar-
kierten Demonstrativs erinnert. So wie ὅγε einen vorhergehenden
Begriff epanaleptisch hervorheben kann, in der Weise, dass der
Hörer dadurch zugleich an das von diesem Subject im Vorher-
gehenden Ausgesagte lebhaft erinmert wird, vgl. ἃ. B. A 261, so
darf man ohne Zweifel eine gleiche zurückweisende Wirkung für
ἐγώ γε annehmen. Ich finde eine solche z. B. in einigen Stellen,
wo nach vorhergehendem Imperativ in einem folgenden adversativen
Satze ἐγώ durch γέ markiert sich findet, wo aber der Gegensatz
auf ganz anderen Begriffen ruht. So σ 409 ἀλλ᾿ εὖ δαισάμενοι
κατακείετε οἴκαδ᾽ ἰόντες, Onmore ϑυμὸς ἄνωγε' διώκω δ᾽ οὔ τιν᾽
ἐγώ γε: liegt hier der Nachdruck auf dem vorangestellten διώκω
und darin der Gegensatz zu freiwilligem Entschluss, so kann nicht
zugleich mit ἐγώ γε ein Gegensatz zu ϑυμός beabsichtigt sein, und
da kein anderer Gegensatz vorliegt, überdies eine allgemeine empha-
tische Hervorhebung des Subjects nicht am Platze ist, so scheint
die Markierung von ἐγώ durch γέ den Zweck zu haben, die Identität
der Person, welche die zweite Aeusserung macht, mit der, welche
die vorhergehende Aufforderung aussprach, hervorzuheben in dem
Sinne: ich, der ich euch eben aufforderte euch zur Ruhe zu be-
geben, ich will Niemanden vertreiben, d. i. aber mit dieser Auf-
forderung will ich Keinen vertreiben. Sehr ähnlich sind die Stellen
A 173. ε 140. In ähnlicher Weise verstehe ich I' 433 ἀλλ ἴθι
νῦν προχάλεσσαι — Μενέλαον -— ἀλλά σ᾽ ἐγώ γε παύεσϑαι κέλομαι:
ich, die ich dich eben aufforderte zum Kampf mit M., ich rathe
dir vielmehr im Ernst davon abzustehen. Wird in diesen Bei-
spielen die Identität des aussagenden Subjects bei Aussagen ent-
gegengesetzten Inhalts hervorgehoben, so haben wir in I’ 197—198
einen Fall, wo die Aussagen tbereinstimmen, die zweite eine be-
stätigende erklürende Ausführung der ersten ist: αὐτὸς δὲ ατίλος
ὡς ἐπιπωλεῖται στίχας ἀνδρῶν ἀρνειῷ mv ἐγώ γε ἐΐσκω πηγεσι-
μάλλῳ κτξ.» also: ja ich vergleiche ihn...... Fehlte nun an unserer
Stelle das αὐτάρ, so hätten wir jene einfache Steigerung der vor-
hergehenden Bitte, wie sie Zahn wünscht: ja ich bitte dich.
-Durch αὐτάρ wird die Sache so modificiert, dass die erneute Bitte
mit Rücksicht auf das darin enthaltene neue Motiv als eine weitere,
-- δ --
hinzukommende bezeichnet wird, also: weiter (ferner, andrer-
seits) bitte ich dich auch.]
291. Diese Erklärung von προϑέουσιν ["laufen deshalb
ihm Schmähworte im Reden voran?’ mit epischer Unmittel-
barkeit statt: darf er als muthiger Lanzenschwinger, statt das πολὺ
προϑέεσκε (1.515. X 459) zu üben, nur den schmähsüchtigen Wort-
helden spielen? Ueber μυϑήσασϑαι “im Reden’ d. i. Schmühworte
nicht bloss in Gedanken oder zum ἶφι μάχεσϑαι, zu eg 15 und
β 159] giebt schon Aristarch bei Aristonikos. Am genauesten ist
dieselbe begründet von H. Rumpf Quaest. Homerie. spec. (Giessen
1851) p. 22 sqq. und in Fleckeisens Jahrb. 1857 Bd. 75 8.
102 ft. [gebilligt von A. Philippi quaestionum Aristarchearum spec.
Gött. 1865 p. 33.] Gewöhnlich erklärt man προϑέουσιν gleich
προτιϑέασιν freistellen im Sinne von erlauben, gestatten.” Aber
es lässt sich weder diese Bedeutung aus der Begrifissphäre von
προτίϑημι erweisen noch die Form selbst durch schlagende Bei-
spiele begründen. Daher hat Bekker (und nach ihm Köchly) mit
Freytag aus Conjeetur den Conjunctiv des zweiten Aorist προϑέ-
woıv in den Text genommen, olıne indes zu erwähnen, wie hier
der Conjunctiv in den Zusammenhang passe, ob er das Futurum
vertreten solle und wie er dies in solcher Verbindung könne. Da-
gegen sucht H. Weber im Philol. XVI 5, 691 ff. die Form προ-
ϑέουσιν zu stützen, indem er damit theils βέῃ βῶσιν κτέωμεν theils
κτενέω τελέω κορέω καλέω vergleicht und schliesslich folgendes
Resultat erhält: ἱπροϑέουσιν ist demnach eine Ableitung auf &w
aus dem Stamme, wie er im zweiten Aorist erscheint, mit ge-
schwundenem echten Wurzelvocale, und die Bedeutung derselben
ist eine auf das Futurum deutlich hinweisende, aber in diesem
Falle nicht so entschieden ausgedrückte.” Sodann übersetzt er die
Stelle: “wenn die ewigen Götter ihn zum Lanzenschwinger setzten
(nicht als historisches Factum, sondern als logisches Moment ge-
fasst), setzen sie ihm deshalb vor oder wollen sie ihm des-
halb vorsetzen (eine nach der vorigen Handlung neu eintretende
Thätigkeit bezeichnend, die nicht rückwärts weist, sondern deren
Inhalt sich von da ab stetig erfüllt) Schmähungen auszuschütten?”
Hiergegen habe ich folgende Bedenken. Erstens existieren von
den verglichenen Formen bei Homer keine Präsentia der Con-
jugation auf w. Zweitens ist von einer gegenwärtigen Hand-
lung die Rede, nicht von einer erst in Zukunft “eintretenden Thätig-
keit, deren Inhalt sich von da ab stetig erfülle’: der Inhalt der
bezeichneten Thätigkeit hat sich vielmehr schon genügend erfüllt,
so dass nur die Folgen der Schmähworte fortdauern, nicht die
Schmähreden selbst. Drittens hat auch die Bedeutung “vorsetzen,
zur Aufgabe machen’ keine homerische Analogie. Einen andern
Weg schlägt Th. Bergk ein in einem Universitätsprogramm zu
Halle 1859, wo er προϑέουσιν als Participium fasst, τούνεκά οἵ
5 —
in ein τούνεκα καί verwandelt mit Hülfe der Glosse von Hesychius
καιροϑέουσιν᾽ κρατοῦσιν, προτρέχουσιν die er auf ungere Stelle be-
zieht (diese Vermuthung hat auch H. Rumpf Quaest. Hom. spec.
p- 22 unter Vergleichung von N 728 ausgesprochen) und die
Stelle deutet: ‘si dii immortales Achillem virum fortem fecerunt, num
propterea ei auctores sunt, ut potentioribus convicia dicat?” Mir will
diese ganze Deutung zu gelehrt erscheinen. Denn es dürfte theils
προϑέοντες “qui auctoritate potiores sunt’ durch das verglichene προ-
βέβηκα Ψ 890 [und Z 125. Π 54] noch nicht hinlänglich erwiesen
sein, theils die Wiederholung des ἔθεσαν in einem anderen Sinne
zu grossen Anstoss erregen, weil diese Form der Figur ἀπὸ κοι-
νοῦ zu künstlich ist, daher bei Homer noch nicht vorkommt. In
der Notiz des Nikanor οὐδὲν γὰρ ἐλλείπει, ὡς φήϑησάν τινες suche
ich im Hinblick auf 7 946 ἔστι γὰρ ἀμφοτέροισιν ὀνείδεα μυϑήσα-
σϑαι als Grundlage (mit τούνεκα καὶ) folgende Erklärung: τούνεκα
καὶ προϑέουσιν sc. ἔστι, so dass προϑέουσιν “Vorläufern, Vorkäm-
pfern’ sich auf Achilleus beziehe. Doederlein Oeffentl. Red. S. 372
und in der Ausgabe erklärt προϑέουσιν mit Rumpf, aber ὀνείδεα
als Adjectiv statt ὀνείδεια (mit Vergleichung von X 497 ὀνειδεί-
οισιν ἐνίσσων) und lässt von diesem μυϑήσασϑαι als Supinum ab-
hängen: “ideone ei procurrunt tam audacter verba dietu con-
tumeliosa, tamquam sua virtute suoque merito potior sit?’ Aber die
Verkürzung ὀνείδεα für ὀνείδεια ist ohne Beispiel und die ver-
meintliche Ellipse, richtiger die Substantivierung des Adjectivs,
findet sich nur im Dativ: vgl. zu : 474 und den Anhang. Ich
denke indes, dass der Infinitiv μυϑήσασϑαι, den fast alle für über-
Atissig und schleppend erklären, nach der im Commentar gegebenen
Deutung seine Berechtigung habe. Düntzer endlich in seinem
Aristarch 8, 40 meint, ‘dass προϑέω hier bezeichnete auftragen,
befehlen, eine Bedeutung, die der interpolierende Rhapsode wol
in andern uns verloren gegangenen Liedern fand.” Diese Bedeutung
hat auch G. Autenrieth bei Nügelsbach für die Stelle adoptiert:
‘quem si fecerunt pugnacem dii immortales, num ideirco (continuo)
iubent convicia dicere? mit Vergleichung von Soph. Ant. 1249.
216. Trach. 1049. [Derselbe erklärt jetat im Wörterbuch unter προ-
τίθημι: nach anderer Flexionselasse (wie δίδη, διδώσομεν, φορῆναι)
st. προτιϑέασι vorsetzen, eingeben, gestatten. Vgl. jetzt über
die Form auch G. Curtius das griech. Verbum I p. 213 und
Hinrichs de Homericae eloeutionis vestigiis Aeolieis. Jenae 1875
p. 126° Die von diesen angeführten Analogien dürfen wohl als
genügend angesehen werden, um die Existenz der Form προϑέουσε
= προτιϑέασι zu rechtfertigen. Alle Versuche der Erklärung, die
von einer anderen Voraussetzung ausgehen, leiden an schweren
Bedenken. Die von Ameis nach Rumpf gegebene insbesondere
scheitert an der Unmöglichkeit dem Infinitiv μυϑήσασϑαι eine befrie-
digende Beziehung zu geben; der dabei gewollte Gegensatz ist gesucht,
-- 56 —
wie die Verbindung des προϑέουσι mit dem προϑέεσκε des αἰχμητής..
Ungesucht dagegen ergiebt sich die Beziehung von προϑέουσιν =
προτιϑέασιν zu dem ἔϑεσαν des Vordersatzes, deren etymologische
Uebereinstimmung beabsichtigt scheint. Ich habe daher Ameis’
Erklärung aufgeben zu müssen geglaubt.]
296. Aristarch hat den Vers als überflüssig getilgt, Bekker
und Andere sind nachgefolgt, indem sie nach Weglassung des Verses
die Rede des Achilleus viel kräftiger und seiner leidenschaftlichen
Erregtheit entsprechender finden. Mir scheint der Vers als be-
stimmter Hinweis auf 289 nöthig zu sein, indem Achilleus den-
selben Gedanken, welchen Agamemnon mit τινά maskiert hat, mit
ἐγώ γ᾽ ἔτι σοί ganz gerade und offen aussprechen will. Vergl. auch
G. Autenrieth bei Nägelsbach. Ausserdem würde man beim Fehlen
des Verses, wenn das vorige Verbum ταῦτ᾽ ἐπιτέλλεο wiederholt
werden sollte, nicht μὴ γάρ (wofür ich kein zweites homerisches
Beispiel kenne), sondern μηδέ erwarten. [Aristarchs Athetese stimmt
jetzt auch L. Lange der homerische Gebrauch der Partikel εἰ I p. 468
zu. Der Vers, welcher die Kraft der vorhergehenden leidenschaft-
lichen Aufforderung nur lähmt, scheint in der That seine Existenz
der Verkennung der Thatsache zu verdanken, dass μή ohne Verbum
gebraucht werden konnte, ‘wenn der Zusammenhang es mit sich
bringt, dass die abwehrende Bedeutung von μή sich nicht gegen eine
Aussage an sich richtet, sondern gegen die Subsumtion einer Person
unter dieselbe’, wie bei εἰ μή ohne Verbum. Für γάρ verweist
Lange auf die Anwendung dieser Partikel in αἱ yde.] — 302. [Ueber
εἴ δ᾽ ἄγε vgl. L. Lange de formula Homerica εἰ δ᾽ ἄγε. Lips. 1873.
p. 1117 — 312. [Für ἀναβάντες sucht Kammer die Einheit der
Odyssee p. 171 fl. die Bedeutung “in See gegangen’ zu er-
weisen.] — 314. [Schoemann griech. Alterth.? p. 63 meint, dass
während der Seuche alle in Trauer sich weder gewaschen noch
die Kleider gewechselt, vielmehr das Haupt mit Staub und Asche
bestreut hätten, unter Hinweisung auf Z 23. ὦ 316. Zu εἰς ὅλα
vgl. Eurip. Iphig. Taur. 1198: ϑάλασσα κλύξει πάντα τὰ ἀνθρώπων
κακά] -- Vers 317. Vgl. Lucian de Sacrif. c. 9; Prometh. 5.
Caue. c. 19. Ovid. Met. XII 153.
320. Ueber die Ableitung des Namens Ταλθύβιος spricht auch
Bekker Hom. Blätter 5. 222, indem er schliesslich folgenden Weg
angiebt: ᾿ϑάλλειν ϑαλτύς ταλϑύς Ταλϑύβιος ἃ. i. βιοϑάλμιος oder
ξωϑαάλμιος᾽, also ein Mann in blühenden Lebensverhältnissen, Blüte-
leben, vgl. X 314. 315. — 322. Doederlein hat am Schlusse Komma
gesetzt und dann ἀγέμεν als Infinitiv von ἔρχεσϑον abhängig ge-
macht mit Vergleichung von © 223. So schon vor ihm J. F. Bois-
sonade. Aber dadurch wird, abgesehen von der zu weiten Tren-
nung der Worte, der Sinn der Stelle offenbar abgeschwächt: anders
ist es an der verglichenen Stelle mit στῆ δὲ... γεγωνέμεν. Vgl.
auch B8 bis 10.4770. 71. [Vgl. auch Nikanor ed. Friedländer p. 147.]
-- 537 —
327. [Madvig Adversaria critie. I. (1871) p. 186 vermuthet,
wie Bentley, ἀκέοντε statt d£xovre.] — Vers 334 gebraucht Athen.
16». 4".
340. Die überlieferte Lesart ist εἴ more δ᾽ αὖτε, was man
sonst für δὲ αὖτε nahm: gegen den Zusammenhang und gegen den
Sprachgebrauch. Denn die Partikeln δέ und μέν sind sonst über-
all unmittelbar nach εἰ gesetzt, ohne dass ein Wörtchen da-
zwischen tritt. Andere, wie Nägelsbach und Doederlein, erklären
δ᾽ αὖτε durch δὴ αὖτε. Aber das ist eine gezwungene und durch
kein anderes Beispiel erweisbare Elision. Daher hat man in solchen
Stellen entweder einen Aeolismus δαῦτε (mit Krasis aus δὴ αὖτε)
anzuerkennen: vgl. L. Ahrens im Philol. VII 85, 433; oder man
hat einfach mit Thiersch Gr. $ 329, 1 und Bekker δὴ αὖτε zu
schreiben hier und B 225. H 448. © 139. # 364. T 134. Φ 421.
1 311: #281. 4 165. [Vgl. auch La Roche homer. Untersuchungen
p- 281.] Vgl. zur Synizese A 138. 386. Ebenso δὴ αὖ mit Synizese
4540. H 24. u 116. ‘Ueber die Bedeutung von αὖτε Bäumlein
Gr. Part. 8, 47. — Vers 342. γάρ in der Arsis gedehnt steht
an Stellen, wo eine genauere Vergleichung mancher Handschriften
vielleicht noch ein beigefügtes 6’ giebt, wie dies anderwärts vor-
kommt: vgl. Nägelsbach Exe, ΠῚ 8 in der ersten Ausgabe.
344. Die überlieferte Lesart ist μαχέοιντο ᾿άχαιοί mit einem
unzulässigen Hiatus und einer unhomerischen Optativendung. Denn
die dritte Person des Plurals im Optativ lautet bei Homer nie
owro, sondern stets οἰατο. Eine andere Stelle mit diesem Irrthum,
ᾧ 444, ist bereits von @. Hermann verbessert. Auch hier haben
Porson und Schaefer μαχέωνται vorgeschlagen, was Voss Krit. Bl.
18. 195 und 229 billigt; Fr. Thiersch Gr. $ 347 15 dagegen
billigt das Futurum μαχέονται mit Beistimmung von Freytag, Nägels-
bach, Bekker, [auch Cobet Miscellan. crit. 1876 p. 808... Mir
aber scheint Beides wegen des Zusatzes σόοι nicht in den Zusammen-
hang zu passen. Denn Achilleus spricht von der Zeit, in welcher
er vom Kampfe fernbleibt, und will diesen Gedanken begründen,
indem er sagt, dass gerade das künftige Unglück der Achäer
ein Bedürfniss seiner selbst erwecken werde (341), während die
Lesart σόοι μαχέονται auch ohne Theilnahme des Achilleus
einen sichern und gefahrlosen Kampf voraussetzen würde; “wie
sie ihm ohne Gefährde kämpfen werden.” Diesen Gedanken
kann wenigstens Achilleus selbst nicht aussprechen. Deshalb bin
ich zur Conjeetur von Barnes uayeoler ’Aycuol zurückgekehrt, die
schon von Payne-Knight, Gent (mit Vergleichung von σ 191) und
neuerdings von Köchly aufgenommen wurde. Gebilligt ist dieselbe
auch von Ahrens Ueber die Conjugation auf μὲ im hom. Dialekte
8. 12* und von Hoffmann Quaest. Hom. I p. 92. Der Optativ
selbst ist für den vorliegenden Zusammenhang vorzüglich geeignet
[weil regelmässig im Relativsatze nach negativem Hauptsatze, vgl.
58 --
a 254. ὃ 167. 560. ı 126. 8 53.] Vgl. Hermann Opusc. IV p.
144. Bäumlein Ueber die Modi 8. 269 ff.
348. Statt der Ueberlieferung ἀέκουσ᾽ haben A. Nauck und
Düntzer Aristarch $. 47 hier ἀκέουσ᾽ vermuthet aus Gründen, die
auch G. Autenrieth bei Nägelsbach anerkennt. Aber innere Stim-
mungen werden wie 327 nur mit einem Worte bezeichnet. Vgl.
auch zu 457. [Ueber das Verhältniss des Achill zur Briseis vgl.
Gerlach im Philol. XXX. p. 25, und über die aesthetischen Ge-
sichtspunkte bei der Anordnung der Scenen die Einleitung p. 8.]
— Vers 349. Themist. or. XXIV p. 308%,
350. Ueber die Anastrophe ἔφ vgl. Lehrs Q. E. p. 76 844.
— Die gewöhnliche Lesart, welche Spitzner, Doederlein u. a. bei-
behalten haben, ist ἐπὶ οἴνοπα πόντον wie B 613. E 771. H 88.
B 421. y 286. ὃ 474. ε 349 [eis], ohne Präposition ξ 170, überall
als Versschluss, und « 183 im ersten Hemistichion. Aristarch
dagegen giebt ἐπὶ ἀπείρονα πόντον. Fr. Spitzmer bemerkt: ‘“Quid
Aristarchum impulerit, ut ἐπὶ ἀπείρονα π. anteferret, non video.
Ich denke drei Gründe: erstens die besseren Urkunden: zweitens
der Umstand, dass οἴνοπα zu dem vorhergehenden πολιῆς nicht
passt, wenn man nicht alle Farbenspiele verwischen oder mit Schol.
BL. und Voss Krit. Bl. 1 8. 195 in zu kleinlicher Weise distin-
guiren will; drittens weil ἀπείρονα gerade für die Situation des
niedergebeugten Achilleus am Geeignetsten erscheint: denn das
“unermessliche” Meer erweckt Grausen wie ein Ungethüm, steigert
mithin die Verzweiflung und Trostlosigkeit. [Vgl. dazu die jetzt
im Commentar gegebene Bemerkung]. — 352 ff. Aechnlich spricht
Aristaeus bei Verg. Georg. IV 317 fl. — 360. [Ueber αὐτός vgl.
auch Windisch in Curtius Stud. II p. 347 511 — Vers 363 gebraucht
Lueian. Jup. Trag. ce. 1.
365. Die Verse 366 bis 392 haben Aristarch und andere
athetiert. Aber schon die Schol. BL. bemerken hier: καὶ πρὸς
εἰδότας δὲ 290g λέγειν ἐπικουφίξειν τὴν ὀδύνην. Und zum folgenden
Verse sagen dieselben unter anderem οἵ δὲ ἀϑετοῦντες τοὺς στίχους
οὐκ ἐῶσι μαϑεῖν ἡμᾶς, ὅϑεν ἥλω Χρυσηίς, und urtheilen schliess-
lich über die ganze ἀνακεφαλαίωσις des Achilleus also: μεγαλοφυῶς
δὲ συντέμνει τὰ περισσὰ τῶν λόγων καὶ τῶν ἱστοριῶν. Den Homer
haben auch hierin die Tragiker nachgeahmt. Denn diese legen
ebenfalls ihren Personen in den Mund was unserm modernen Ge-
fühle auffällig oder entbehrlich erscheint, was aber nur im In-
teresse der Zuhörer vorgetragen wird. Vgl. einige Beispiele
in Naekii Opusc. I p. 96 sqq. Dass übrigens Homer nicht bloss
bei Botschaften, sondern auch an verwandten Stellen kürzere oder
längere Recapitulationen hat, ist bekannt. Hier wird die Erwar-
tung einer längeren Erzählung schon durch die Präposition ἐξ in
ἐξαύδα 363 angedeutet.[?] Mit Recht sagt Hiecke Ueber die Ein-
heit des ersten Gesanges der Ilias (Greifswald 1857) 8. 7: ‘Jede
- 59 --
Mutter wird in solchen Fällen sich erzählen lassen, und jeder Sohn
wird in solchen Fällen erzählen” Ferner lässt die rhetorische
Frage in unserm Verse mit ihrem πάντα eine ziemlich ausführ-
liche Schilderung erwarten. Auch die Redner und Historiker ge-
brauchen solche Formeln an Stellen, wo sie gleichwohl die Sache
in der Kürze berühren: vgl. die von Krüger zu Thuk. I 68, 3 zu
εἰδόσι erwähnten Stellen; Dionys. Hal. Antig. I 81. Endlich ist
beim Wegfall der ganzen Stelle ‘nicht einzusehen, warum dann
Achilleus seiner Mutter das Geschichtchen, wie sie den Zeus ge-
rettet hat (396 bis 406), noch ausführlich zu erzählen braucht,
das sie gewis selbst am besten weiss, und wobei eine Andeutung
genügt hätte, sintemal sie diesen Rath Achills, den Zeus an diese
Verpflichtung zu mahnen, gar nicht respectiert, sondern es beim
einfachen εἴ" ποτε... ὄνησα ἢ ἔπει ἢ ἔργῳ bewenden lässt.” So
mit Recht Ludwig v. Hoermann Untersuch. über die Hom. Frage
1. (Innsbruck 1867) 5. 36. Es werden uns hier “die vorher-
gehenden Ereignisse erzählt, und zwar, was das Beachtenswerthe
ist, in der Art, dass genau die epischen Stellen uns den Verlauf
der Handlung geben, die dramatischen hingegen ausgelassen
sind.’ Derselbe 8. 37.
393. [K. Brugman ein Problem der homerischen Textkritik
und der vergleichenden Sprachwissenschaft. Leipz. 1876 p. 53 ἢ
vermuthet hier, wie O 138. T 342. 2550. 2 422 an Stelle von
παιδὸς ξῆος als ursprüngliche Lesart die des Zenodot £oio, indem
er wahrscheinlich macht, dass Aristarch die freie Beziehung des
Reflexivum auch auf die erste und zweite Person als sprachwidrig
verwerfend, an Stelle desselben das fälschlich als Genetiv von &üg
angesehene ξῆος, welches & 505 und o 450 als Substantirvum
£evg—=Herr gebraucht sei, eingesetzt habe.]
395. Statt der handschriftlichen Lesart ἠὲ καὶ ἔργῳ hat Bekker,
um das Digamma zu wahren, die Conjectur ἠέ τὶ ἐέργῳ in den
Text genommen mit der Note: ἠέ τι Heynius of. E 879. y 99.
ö 163° Es ist vielmehr Bentley's Conjectur, die Payne-Knight
schon aufgenommen und Heyne mit Anführung der erwähnten drei
Stellen (wozu noch ὃ 329 und o 375 vermisst werden) gebilligt
hat. Ebenso hat Bekker Z 289. I 228. 2 354 mit Bentley ge-
ändert und A 474 mit μήσεαι «έργον in den fünften Fuss eine un-
gefällige Synizese gebracht. Dagegen hat er B 751. 4 470.
4A 7103. P 279. 4 550. & 228. 344. ρ 313. y 422 die Vernach-
lässigung des vermeintlich feststehenden Digamma in ἔργον nicht
zu entfernen gewagt, so dass mit seinem Verfahren nicht viel ge-
wonnen ist. In Bezug auf die Bedeutung bemerkt G. Autenrieth
bei Nägelsbach mit Recht: “Man braucht dieses ἠὲ καί so wenig
anzufechten als in 4 63. H 196. ὃ 712. O 137 und in dem öfteren
ἠὲ καὶ οὐκί Dazu unser ‘oder aber’ und ‘ou bien.” Ebenso in
ἦδὲ καὶ ἔργα 9 313. A 703. Beispiele von diesem καί im zweiten
- 0 --
Gliede eines disjunctiven Satzes aus den Rednern giebt E. Maetzner
zu Lycurg. in Leoerat. p. 99.
396. In Bezug auf das enklitische σέο hat Lehrs in der
Zeitschr. für die A. W. 1834 8. 142 Folgendes bemerkt: “Was in
dem Schol. steht ist folgendermassen zu verstehen. Es entsteht
in dem Verse die Frage, ob man verbinden solle πατρὸς σέο “in
dem Hause deines Vaters” oder ἤκουσά 00 εὐχομένης. Jenes,
sagt Aristarch, ist zu verwerfen, da Homer die Fabeln der Späteren,
dass Thetis nach der Geburt des Achilleus wieder in das Haus
ihres Vaters zurückgekehrt sei, nicht kennt; welche Fabel doch
diese Erklärung voraussetzen würde. In diesem Falle müste σέο
orthotoniert sein. [Es ist nemlich, als wenn man sagte εἶδον γὰρ
σοῦ υἱὸν τὰ κάλλιστα πράξαντα: in diesem Falle, sehen wir, kennt
Aristarch keine andere Accentuation — und auch wir werden dies
wohl natürlich finden.] Nach der andern Erklärung: ich hörte dich
rühmen, ist aber σέο zu inklinieren: denn Orthotonesis würde nur
eintreten, wenn es einen Nachdruck oder Gegensatz enthielte;
darum verlangt sie Herodian, weil er verstehen will: ich habe
dich selbst oft rühmen gehört, was pedantisch erscheint.” Die
Meinung derer, welche gegen Aristarch, Apollon. de synt. p. 106
und das durchgängige Gesetz der alten Grammatiker hier σέο or-
thotonieren (wie Fr. Spitzner, Thiersch Gr. 8 205, 15 und andere)
wird dann als Willkür erwiesen mit dem Zusatze: ‘Der Philo-
sophie dass ein Pronomen in Verbindung mit einem Partieip her-
ausgehoben werde, setzen wir eine andere entgegen, dass es dann
an Kraft wohl sehr verlieren müsse, da es dann sehr oft unbe-
schadet des Sinnes fortbleiben kann.” Es lässt sich hier auch noch
die Wortstellung erwähnen, insofern das Partieip εὐχομένης schon
durch den Vers zu weit getrennt ist, als dass es auf den Accent
des Pronomens σέο einen Einfluss üben könnte. — Was übrigens
sachlich den misglückten olympischen Staatsstreich betrifft, der
hier erzählt wird, so erläutert dieser das aufrührerische Benehmen
der genannten drei Gottheiten dem Zeus gegenüber, wie solches
Θ 198 δ΄ O 184 ff. und anderwärts berührt wird.
397. [In κελαινεφής nimmt Lehmann zur Lehre vom Locativ
bei Homer. Neustettin 1870 p. 7 einen Locativ xeAaı von einem
vorauszusetzenden κέλος (wie μέσαι zu μεσο---ς} an und erklärt:
im Dunkel der Wolke (wohnend), wie ἀργικέραυνος: im Glanze
des Blitzes.]
404. Alyalav wird von den Spätern als ein Meergott be-
trachtet. Nach Preller Gr. Myth. I 42 der 2. Aufl. ist er ‘der
personificierte Meeresschwall mit dem furchtbaren Andrange tosen-
der Fluthen, in welchem die Alten die Ursache der Erdbeben er-
kannten.’ Ueber αὖτε οὗ πατρὸς ἀμείνων vgl. auch Schömann Opuse,
II p. 40 mit not. 39. In der vorher erwähnten Fesselung des
Zeus sucht und findet man den Kern eines physikalischen Mythos:
—- 6 —
nach Preller Griech. Myth. I 8. 130 der 2. Aufl. ist es ‘das alle-
gorische Gemälde eines furchtbaren Aufruhrs der Natur, in welchem
Zeus durch die vereinigten Mächte des Himmels und des Meeres
Gewalt zu leiden scheint.” [Vgl. auch Welcker griech. Götterl.
Ip. 89. 288. II, 156 £.: Aigaion, Wogner, Beiwort des Poseidon.
“βίᾳ ἀμείνων als sein Vater (Poseidon), mit Unterscheidung der
physischen Stärke von der Gottheit des Poseidon überhaupt.’ Der-
selbe sieht in dem Zusatz κύδεϊ γαίων eine etymologische Deutung
des Namens Aigaion — ἀεὶ γαίων. Vgl. darüber den Anhang
zu Θ 51 und dagegen Fick die griechischen Personennamen p. 149.]
Dies sind natürlich Ausdeutungen späterer Zeit, von denen der
alte Homer auch nicht das geringste Bewusstsein verräth. Von
diesem wird der Auflehnungsversuch und die Vereitelung desselben
nur als Motiv für die Bitte der Thetis erwähnt,
412. Gewöhnlich wird ὅτ᾽ gelesen und dieses im Sinne von
ὅτι gefasst. So schon Aristarch nach Aristonikos zu II 274, und
mit ihm Bekkers Paraphrast, Wolf und Andere. Auch Krüger Di.
12, 2, 10 bemerkt: “In ὅτι wird ı bei Attikern nie, bei Homer
zuweilen elidiert.” Aber mit Recht hat dies schon Thiersch Gr.
8. 164, 9 verneint; ebenso bemerkt Bekker Hom. Blätter 8. 150:
‘Den Endvokal kann ὅτε so wenig elidieren wie τί: mit dem ı
gienge die Verständlichkeit verloren’ Daher haben Andere das
apostrophierte ὅτ᾽ in solchen Stellen für ὅτε genommen, wie hier
Nägelsbach: “Das ist ἄτην, 7 ἀάσϑη (T 136), Ore’, wozu er ausser-
dem Θ 237. ὃ 261. 263 und besonders 7’ 88. 89 hätte verglei
chen können; ferner K. A. J. Hoffmann in der Zeitschr. ἢ. d. östeı
Gymn. 1861 8. 537: “Seine Verschuldung (von damals), als er
den Helden entehrte.” Allein diese Deutung passt nicht in den
Zusammenhang. Denn es müste dann seit der Ehrenkränkung
” schon einige Zeit verflossen sein, wie es in den angeführten
Stellen der Fall ist: auf etwas dagegen, was so eben erst vor-
gekommen ist, kann man sich in solchem historischen Tone nicht
berufen. Man müste denn hier wie in andern Stellen dem tempo-
ralen ὅτε geradezu die expositive Bedeutung beilegen, in andern
dagegen wieder geradezu den causalen Sinn. Das thut unter
andern Hoffmann, indem er als Motivierung hinzufügt: ‘Nach
Homer scheidet sich die Sache bestimmter ab; ὅτε beschränkt
sich auf das Temporale, für das Causale und Expositive bleibt
ὅτι allein in Giltigkeit, d. h. die an sich unbestimmtere und des-
halb in früherer Zeit mögliche temporale Auffassung mancher Ver-
hältnisse tritt im Laufe der Zeit gegen andere bestimmtere Auf-
fassungen zurück.” Ich zweifle indes, dass man in der durchsich-
tigen Sprache des Homer gerade bei diesem Punkte eine “an sich
unbestimmtere Auffassung’ annehmen dürfe, weil andere Ausdrucks-
weisen für das causale und expositive Verhältniss schon bei Homer
in bestimmtester Fassung vorhanden sind. Ich sehe daher in den
— 92 —
von Bekker Hom. Blätter S. 151 und J. La Roche Hom. Stud.
5. 264 f. erwähnten Stellen kein anderes Auskunftsmittel, als das
einfache Verfahren von Aristophanes (nach Schol. H. P. zu ε 357, was
A. Nauck Aristoph. p. 53 bloss mit “nec place? berührt) und Bekker
anzuwenden, nemlich ὅ 7 zu trennen und im Sinne von ὅτι τὲ zu
fassen. Vgl, A 244. 4 32. E 331. Z 126. @ 251. Π 274. 433.
509. P 623. T 57. e 357. ὃ. 78. 299. ξ 90. 366. v 333. [Vgl.
auch La Roche homer. Untersuchungen p. 123 f., der hinzufügt
φ 254. — T 57 schreibt Bekker ὅτε. ε 357 ist zweifelhaft, vgl.
zu ὃ 262 und Friedlaender de conjunctionis ὅτε apud Homerum
vi et usu p. 57 f.] Ob die Aristarchische Schule dieses Hülfsmittel
verworfen oder angenommen habe, darüber fehlt uns in den Scholien
jede Nachricht. Denn aus den Notizen bei Aristonikos zu IT 274
und im Schol. Harlei. und bei Eustathius zu ξ 366 lässt sich
etwas Sicheres nicht entnehmen.
424. Die Aristarchische Lesart κατὰ δαῖτα ist hier ganz
richtig, da μετὰ δαῖτα nur nach dem zu « 184 berührten Sprach?
gebrauche gesagt sein könnte: vgl. Cobet, Var. Leett. p. 109. Was
Fr. Spitzner über κατὰ πρῆξιν ἀλάλησϑε y 72 und πλάξεσϑαι κατὰ
ληίδα γ 106 bemerkt “quod quidem ... . in latronem, nee vero in
deorum cadit regem’, das liegt nicht in der Präposition κατά, sondern
in den Wörtern πρῆξιν und ληίδα. Vgl. 4 479 ἦλθον Τειρεσίαο,
κατὰ χρέος, welche Stelle Spitzuer und andere übersehen haben.
— Die wirkliche oder vermeintliche Schwierigkeit dieser Stelle
mit 47 und 222 und die vierfache Lösung derselben, die wir in
den Scholien finden, ist schon von Nägelsbach ausführlich behandelt
worden. Hierzu kommt als fünfte Lösung unter den Neuern die
Ansicht von Voss (Krit. Bl. I S. 182), welcher meint: ‘Mit Ab-
sendung des Schiffs nach Chryse 308, und dann mit der Entsün-
digung des Heers 313 und dem Hekatombenopfer 315 vergiengen
einige Tage, nach welchen erst Achilleus, 318 von dem fort-
zürnenden Agamemnon seiner Briseis beraubt, die Mutter um Rache
anflehte und die gestrige Abreise der Götter zu den Aethiopen
vernahm.” Noch genauer sucht Adolf Kiene Die Komposition der
Ilias (Göttingen 1864) 8. 70 die chronologische Schwierigkeit durch
die Annahme zu heben ‘dass das Gespräch zwischen Mutter und
Sohn erst am Tage darauf, am Morgen nach der Volksver-
sammlung, stattfand und Agamemnon folglich erst an diesem Tage
des Achilleus Ehrengeschenk, die Briseis abholen liess’ Und in
Fleckeisens Jahrb, 1865 Bd. 91 8, 796 erklärt Kiene, “dass die
Erwähnung dieser Nacht vor der Entsendung der Herolde nach der
blossen Erwähnung der Reinigung des Lagers nicht nothwendig sei
und dass wir diese hier voraussetzen dürfen, weil der Dichter nur
die Unterbrechung in der Zeit durch Nacht und Tag erwähnen
muss, wo die Ereignisse wirklich in ihrem Verlaufe vorgeführt,
nicht bloss erwähnt werden.” Aber zur Annahme eines derartigen
- 9 —
κατὰ τὸ σιωπώμενον, wie hier die Nichterwähnung der dazwischen-
liegenden Nacht ‘vor 320 bei der blossen Inhaltsangabe’ (Kompos.
der Ilias $. 72) vermisse ich die homerischen Beweisstellen. Voll-
kommen begründet ist die Erörterung dieses Punktes von R, Franke
in Fleckeisens Jahrbb. 1866 Bd. 93 8. 798 ff. — Ich finde die
einfachste Lösung in der Annahme der Aristarchischen Lesart
ἕπονται, die auch der Aristophaneer Kallistratos, der Sidonier Dio-
nysios und Demetrios Ixion empfohlen haben, wie aus des Didymos
Angabe hervorgeht. Diese Lesart hat schon Th. Bergk in der
Zeitschr. f. d. Alt. Wss. 1846 S. 502 ff. vertheidigt, aber in einem
Sinne, für den wohl wie mir scheinen will ein ϑεοὶ δ᾽ ἕψονϑ᾽ ἅμα πάντες
oder κατὰ dar, ἐπὶ δ᾽ Eyovraı ϑεοὶ ἄλλοι (4 63) oder etwas Achn-
liches nothwendig wäre. Und auch dann würde ἔψονται in sol-
chem Sinne nicht ohne Anstoss sein. Vgl. G. Curtius Etym.?
8. 404 [ἡ 453.] Ausserdem bemerkt Moritz ‘Haupt Zusätze zu
Lachmanns Betrachtungen 8. 97: “Auf der andern Götter Ab-
wesenheit kommt es gar nicht an: miterfolgt kann sie mit er-
wähnt werden.” Aber dann weiss ich nicht, was 423 das γάρ
bedeuten solle. Mir scheint der Zusammenhang folgender zu sein:
Zürne den Achaeern: denn (jetzt wird nicht wieder eine Gott-
heit persönlich deinen Zorn hemmen wie es 207 geschah) die
Götter sind abwesend; ich aber kann jetzt noch nicht zu dem
von den Göttern augenblicklich verlassenen Olympos gehen,
um in deinem Interesse den Zeus zu bitten. Nach dieser Auf-
fassung ist der Commentar gestaltet. Wer indes an der gewöhn-
lichen Lesart ἕποντο festhält, der muss entweder mit Freytag und
Bäumlein Zeitschr. f. ἃ. A. W. 1848 8. 328 in der sylleptischen
Fassung des πάντες (vgl. zu 5) die Lösung suchen, oder wenn
er dies etwa wegen des ἅμα nicht annehmbar findet, kann er die
unwesentliche Disharmonie mit Nägelsbach Anmerk. $. 148 der
Ausg. von Autenrieth nicht ohne Grund zu entschuldigen suchen.
Nägelsbach nemlich erwähnt zur Erläuterung den Anachronismus
aus dem Gleichniss vom Blitzableiter in Buttlers Worten bei Schiller
Piccolomini I 2 (was auch schon B. Thiersch Ueber das Zeitalter
des Homer $. 212 angeführt hat). Und Hiecke Ueber die Einheit
des ersten Gesanges der Ilias 8. 7 fügt noch den- Widerspruch
über die Handschrift der Königin in Schillers Don Carlos Act 2
Scene 4 mit Act 4 Scene 5 hinzu. Man kann auch Kinkels ‘Otto
der Schütz’ vergleichen, wo im 2. Abenteuer g. E. der Jüngling
den Nachen fortstösst mit den Worten: ‘Dich brauch ich nicht!
so ruft er munter, Treib’ du mit Glück in’s Meer hinunter!” aber
im 5. Abenteuer $. 37 von ihm gesagt ist: ‘Es wiegte sich im
leichten Kahn Dort Otto auf der Spiegelbahn’, und 8. 38 ‘Es
wirft sie grimmig in den Nachen’ usw. Solche Nebendinge treten,
besonders bei einem mündlichen Epiker, in den Hintergrund, wenn
eine andere Hauptsache (wie hier bei Homer die Abwesenheit der
-- 6 —
Götter, um den Achilleus zur ungestörten Aeusserung seines Zornes
zu veranlassen) in den Vordergrund tritt. Denn die Motivierun-
gen im homerischen Epos dienen häufig nur der augen-
blicklichen Situation, ohne auf Früheres oder Späteres
Rücksicht zu nehmen, was nur erst der kritisierende Leser
bemerken kann. Mit Recht sagt hier Hiecke 5. 6: “Warum sollte
der Dichter, wenn er anders den kleinen chronologischen Verstoss
wahrgenommen hat, warum sollte er nicht auf seine Gewalt über
Herz und Phantasie des Hörers rechnen, die diesen nicht zur
Wahrnehmung des Widerspruchs werden gelangen lassen.’ Ebenso
richtig bemerkt O. Müller Kl. Schrift. I. 8. 463: ‘Die Hauptsache
wird wohl die sein, dass verschiedene Erfindungen, die der Dichter
an verschiedenen Stellen braucht, nicht haarscharf an einander
gepasst werden dürfen, wenn der Dichter nicht selbst sie in einer
Vorstellung verbindet. Sonst möchte leicht bei strenger Konse-
quenzenziehung und mit einiger Dialektik das ganze Gerüst der
Dias und jedes ähnlichen Epos, besonders in seinen auf die
Götter bezüglichen 'Theilen, über den Haufen zu werfen sein.’
Den Grund zur Dichtung einer mehrtägigen Abwesenheit des Zeus
und der Götter findet Friedländer die Homerische Kritik von Wolf
bis Grote (Berlin 1853) 5. 74 in der Absicht des Dichters, die
Einfügung der Episode von Chryseis’ Heimführung gerade zwischen
dem Besuche der Thetis bei Achilleus und ihrem Gespräche mit
Zeus passend zu motivieren. Das wird seine Richtigkeit haben,
aber als der nächstliegende Hauptgrund (wie oben gezeigt wurde)
wird wohl der Umstand gelten, dass Achilleus zu einer ungestörten
Aeusserung seines Zornes veranlasst werden soll. Daher heisst
auch der Schluss des Abschnitts τὸν δ᾽ Mm αὐτοῦ χωόμενον κατὰ
ϑυμὸν wre, Was aber die angeführten Entschuldigungsgründe an-
betrifft, so können wir dieselben bei der Aufnahme von Aristarchs
Lesart ἕπονται entbehren. [Nicht glücklich scheint mir Ameis in
dem Versuch gewesen, den Widerspruch dieser Stelle mit 222
durch die Aristarchische Lesart ἕπονται und durch Interpretation
zu beseitigen. Um dies Präsens von einem “am heutigen Tage
erfolgten Nachreisen’ der übrigen Götter verstehen zu können,
würde es jedenfalls eines deutlicheren Ausdrucks und dem χϑιξός
gegenüber einer genauen temporalen Angabe bedürfen. Ferner wird
ein gesondertes Voranreisen des Zeus weder durch den Vergleich
des allein zu den Aethiopen reisenden Poseidon α 22 oder Iris
“P 205, noch dadurch wahrscheinlich, dass es 495 bei der Rück-
kehr heisst: Ζεὺς δ᾽ ἦρχε, da diese Formel nicht von einem ge-
trennten Vorangehen, sondern nur vom unmittelbaren Voranschreiten
an der Spitze der andern gebraucht wird. Gegen die Auffassung
des ganzen Gedankenzusammenhangs aber: ‘Zürne den Achaeern:
denn (jetzt wird nicht wieder eine Gottheit persönlich deinen Zorn
hemmen, wie es 207 geschah) die Götter sind abwesend” ist
-- 5 —
zu bemerken, dass Athene 207 ja nur den drohenden Ausbruch
des Zorns in eine Gewaltthat hemmte, nicht aber ein Eingreifen
der Götter zu befürchten war, wenn Achilles still in seinem Zelte
fortgrollte. Uebersehen ist bei dieser Deutung, dass νῦν 421, im
Gegensatz zu der vorhergehenden futurischen Handlung betont ist
= für jetzt, und diese Bestimmung durch den folgenden Satz mit
γάρ erläutert wird. Ich kehre daher zu der gewöhnlichen Lesart
ἕποντο zurück; hinsichtlich des daraus sich ergebenden Wider-
spruchs mit 222 aber vgl. die Einleitung p. 15. 20f. Die reiche Lite-
ratur über die ganze Streitfrage findet man zusammengestellt bei
Benicken in Jahrbb. f. Philol. u. Paed. 1876 II. p. 305.] — Den
vorhergehenden Vers berührt Lucian Prometh. c. 17, berücksich-
tigt Themist. or. III p. 414,
432. Die gewöhnliche Lesart ist ἐντός, wie m 324. 352.
% 125. Aber Aristarch las hier nach seinen Urkunden ἐγγύς, mit
Recht. Denn das Einlaufen des Schiffes in den Hafen wird erst
435 mit εἰς ὅρμον προέρεσσαν bezeichnet, wie die Ersponition εἰς
(nicht ἐπέ oder πρός) beweist. Vgl. ν 279 σπουδῇ δ᾽ ἐς λιμένα
προερέσσαμεν mit v 101 ὅτ᾽ ἂν ὅρμου μέτρον ἵκωνται. Das Wort
ὅρμος nemlich ist in solchem Zusammenhange von dem sonst er-
wähnten λιμὴν εὔορμος (D 23. ὃ 358. ı 136) nicht wesentlich
verschieden. Dies sowie der Umstand, dass das Ablegen des Segel-
werks und das Niederlassen des Mastes nicht erst ‘innerhalb’ des
Hafens, sondern schon VOr dem Hafen zu geschehen pflegte, er-
hellt aus o 496. 497, wo die am Lande angekommenen
Τηλεμάχου ἕταροι λύον ἱστία, κὰδ δ᾽ ἕλον ἱστὸν
καρπαλίμως, τὴν δ᾽ εἰς ὕρμον προέρεσσαν ἐρετμοῖς.
An unserer Stelle konnte dies um so gefahrloser geschehen, je
mehr schon der Eingang des Hafens geschützt sein muste, weil
Chryse selbst nicht am offenen Meere, sondern im Adramyttischen
Meerbusen lag. Die Lesart ἐντός, statt des Aristarchischen ἐγγύς,
ist ohne Zweifel durch die oben erwähnten Parallelstellen ent-
standen. — Vers 433. Statt oreilevro hat schon Wakefield Silv.
erit. I. p. 127 στεῖλάν τε ϑέσαν τ vermuthet.
434. Ueber ἱστοδόκη und πρότονοι vgl. K. Grashof über das
Schiff bei Homer und Hesiod (Düsseldorf 1834) 8. 23. Vgl. auch
Bernhard Graser im Philol. 1865 Suppl. III S. 239. Im Vers-
schluss ist die gewöhnliche Lesart ὑφέντες. Aber ὑφίημι heisst
bei Homer überall “darunterlegen’ supponere und findet sich nur
in der Tmesis: vgl. 5 240. ı 245. 309. 342. τ 57. Daher war
hier die Aristarchische Lesart ἀφέντες aufzunehmen. So urtheilt
auch J. La Roche Ueber den Gebrauch von ὑπό bei Homer $. 38.
[In seiner krit. Ausgabe aber hat derselbe ὑφέντες geschrieben.]
Der Paraphrast übersetzt χαλάσαντες. Der ganze Vers mit ὑφέντες
findet sich bekanntlich auch hymn. in Apoll. 504 u 830) wo
Anhang zu Ameis, Homers Ilias I,
-- ρ6 --
A. Baumeister bemerkt “Aristarchum hunc hymnum aut cognitum
non habuisse aut nihil auctoritatis ei tribuisse” Um aber dies be-
urtheilen zu können, müste erst das Verhältniss des Aristarch zu
den Hymnen überhaupt genauer untersucht werden.
435. Die Nothwendigkeit von προέρεσσαν, statt des frühern
noch von F. A. Wolf’gebilligten προέρυσσαν, hat Fr. Spitzner gründ-
lich erwiesen. Dass aber προέρεσσαν die Lesart Aristarchs sei,
ergiebt sich aus der Note von Didymos. [Vgl. auch La Roche hom.
Textkritik p. 346.] — Vers 438. βῆσαν ἐκηβόλῳ ᾿Απόλλωνι ist
die einzige Stelle, wo man das Digamma nicht herzustellen gewagt
hat. Aber wäre es wirklich zu Homers Zeit in ἔκηβόλος noch so
fest gewesen, wie man annimmt, so würde man hier wol βῆσαν
᾿Απόλλωνι κλυτοτόξῳ gesagt haben, so gut als φ 267. O 55. —
Vers 446. ὁ δ᾽ ἐδέξατο χαίρων παῖδα φίλην: “wie ist doch das
homerische Epos so wunderbar einfach und doch so wunderbar
tief; wie schwer wiegen diese Worte “voll Freude nahm er sein
liebes Kind wieder in Empfang”, schwerer als wenn ein Roman-
schreiber ganze Bogen voll “Gefühle” losgelassen hätte’ G.-
Schimmelpfeng.
447. ἱερήν ist die Lesart des Zenodotos und Aristarch aus
den besten Urkunden; im cod. Lips. Bachmann. steht sogar: 'xAsı-
τήν᾽ πᾶσαι ἱερὴν εἶχον Diese Lesart verdient den Vorzug, weil
kein Grund vorliegt, warum der Dichter mit dem Attribute ge-
wechselt und statt ἱερήν das gewöhnliche κλειτήν gesagt haben
sollte. Für ἱερήν stimmen auch Lange Observ. crit. I p. 15 und
Düntzer de Zenod. p. 152 not. 21. — Vers 448. Das ἔστησαν
περὶ βωμόν ist ein Vorbild geworden für die attische Bühne, wo
die Chöre um die Thymele herumtraten. — 450. Für χεῖρας dva-
σχών hat an die “Stattie des betenden Knaben’, deren Original im
Berliner Museum ist, schon G. Autenrieth erinnert. — Vers 451 ff.
“Wir haben hier das erste Beispiel einer Palinodie; daher sind die
einzelnen Ausdrücke gewihlt mit Bezug auf die früher gebrauchten.”
W. Vitz.
454. Bekker im Berliner Monatsbericht 1864 8. 140 [=
Hom. Blätt. II p. 19] urtheilt, dass der Gebrauch das Partieipium
τιμήσας zu verlangen scheine, weil “überall wo das Subject in
ἔκλυεν im Fortgang der Erzählung Subject bleibt’, dieser Fortgang
mittelst einer Partikel angeschlossen werde, was er dann durch
zahlreiche Beispiele erhärtet. Vgl. den Anhang zu g 66. Aber
zwei Dinge dürften doch gegen die Aufnahme von τιμήσας Be-
denken erregen: 1) Nirgends bei Homer erscheint an ἔκλυε ein
unmittelbarer Anschluss durch ein Participium, sondern überall
geschieht der Fortgang der Erzühlung durch das tempus finitum.
2) Das mit dem Aorist verbundene aoristische Partieipium be-
zeichnet entweder eine vorhergegangene oder eine gleichzeitige
Handlung: keins von beiden ist hier anwendbar. Denn der Erfolg
-- 67 —
des Gebetes kann nicht unmittelbar mit der Erhörung zusammen-
fallen. Daher möchte auch hier in der Erzählung das tiberlieferte
tempus finitum vorzuziehen sein; sonst wäre zu τιμήσας wenigstens
“ein ἔπειτα oder ein ähnlicher Zusatz zu erwarten. [Beide Gründe
fallen gegen das Auffallende des Asyndeton nicht schwer ins Ge-
wicht. Da bei ἔκλυες nicht bloss der Act der Erhörung, sondern
auch die die Erhörung bethätigende Handlung gedacht werden
kann, wie gleich 457 offenbar die Beseitigung der Pest bei dem
ἔκλυε zugleich gedacht ist, so kann das Partieip τιμήσας wohl als
gleichzeitig mit ἔκλυες, oder genauer als coincidente Handlung mit
diesem Verbum verbunden werden. Uebrigens hält Düntzer homer.
Abhandlungen p. 196 ἢ den Vers an unserer Stelle für ‚nicht
ursprünglich, sondern aus IT 237 irrig übertragen: er passe viel
besser auf Achilleus (vgl. 4 558 f. B 3 £.), als auf Chryses
(vgl. A 42).)
457. Dass nach homerischer Sitte die Versöhnung des
Apollon nicht als ein Act der Aeusserlichkeit in sinnlicher
Vergegenwärtigung dargestellt werde, darüber vgl. die kurze An-
gabe zu 348. Ferner hat Hiecke Ueber die Einheit des ersten
Gesanges der Ilias 5, 3 trefiend bemerkt: “Fragen wir einmal,
wann hat denn Apollo zu schiessen aufgehört, so gerathen wir
offenbar in Verlegenheit, nicht etwa weil der Dichter unterlassen
hat, dies zu sagen, sondern weil unsre eigne Phantasie sich ver-
gebens bemüht, eine Antwort herauszubringen. Die Pest freilich
muss auch während der Versammlung noch fortdauern, ja sie
muss fortdauern bis zu dem Moment der Versöhnung, für welche
die früheste Bezeichnung in dem ersten der drei durch die Verse
457. 474. 479 bezeichneten Momente liegt: So flehte Chryses,
ihn aber erhörte Phöbos Apollon. Mithin muss er auch während
des Gebetes seines Priesters geschossen haben, also doch wohl
auch noch bei den Schiffen gewesen sein. Wessen Phantasie aber
würde sich nicht sträuben gegen die Zumuthung sich dies vorzu-
stellen? Es ist eine vollkommen logische Consequenz, nach wel-
cher diese Operation der Phantasie angenommen wird, aber die
Phantasie weigert sich zu folgen, sie bricht die Consequenz früher
ab als der Verstand, und zwar ist, gleich als hätte der alte
Homer sich im Voraus der selbstquälerischen Kritik des 19. Jahr-
hunderts erbarmen wollen, die Stufenfolge von Gestalten, welche
die Vorstellung der "Pest durchläuft, auf das Allerdeutlichste im
Gedichte selbst bezeichnet. Erst ist nicht bloss von fliegenden
Pfeilen des Gottes die Rede, die etwa man weiss nicht woher
gekommen, sondern der in furchtbarer Majestät herabgeschrittene
Gott schiesst leibhaftig..... Dann aber wird unsere Phantasie
hingelenkt auf die tödtlichen Wirkungen des Schiessenden und
seine Gegenstände. Mit dieser Erwähnung der getroffenen Thiere
und Menschen tritt schon die Anschauung des leibhaftig schiessen-
5*
-- 68 —
den Gottes etwas in den Hintergrund. Noch mehr ge-
schieht dies, indem die ewig flammenden Scheiterhaufen nun in
unsre Anschauung treten, und mit der Angabe der neuntägigen
Dauer erblasst jene Vorstellung noch mehr, denn das ᾧχετο
κῆλα ϑεοῖο ist zwar für den Verstand identisch mit dem voraus-
gegangenen βέλος ἐχεπευκὲς ἐφιεὶς βάλλ᾽, aber nicht für die Fan-
tasie. Weiterhin, in der Rede von Kalchas, hört die sinnliche
Bezeichnung der Pest ganz auf, indem auch nicht einmal mehr
von fliegenden Pfeilen die Rede ist, 96 und 97.’ So weit Hiecke.
[Vgl. auch Gerlach im Philol. XXXIII p. 20 £.] Folgerecht haben
auch weder Odysseus 444 noch Chryses 456 die Pfeile erwähnt.
Daher ist auch nicht ersichtlich, in welcher sinnlich anschau-
lichen Weise die “Erhörung’ oder ‘Versöhnung’ hätte anders
ausgeführt werden sollen, als mit der einfach bezeichnenden For-
mel, die an den übrigen Stellen zur Verwendung kommt.
459. αὐέρυσαν ist nicht mit den Alten durch αὖ zu erklären,
da ad nur temporal steht und mit keinem unverändert gebliebenen
Verbum vereinigt werden kann, sondern es ist aus ἀνά und Feguo
componiert. Denn aus ἀνιβερύω entstand indem das ν sich dem F
assimilierte ἀξβιβερύω, darauf wurde das doppelte Digamma vocali-
siert. Vgl. Doederlein Hom. Gloss. $ 2290; G. Curtius Etym. ?
8. 496 [* 552]; F. B. Klein Etymologiae Homericae specimen
(Münster 1863) p. 34 sq. Th. Ameis de Aeolismo Homerico
(Halle 1865) p. 19. [Hinrichs de Homericae elocutionis vestigiis
Aeolieis, Jena 1875 p. 27. Cobet Miscellan. erit. 1876 p. 266.]
Für den Sinn bemerkt auch der Grammatiker in Bekk. Anecd. I
p- 418 richtig: οἵ ἀρχαῖοι ἀνακλῶντες τὰ ἱερεῖα καὶ ἄνω ἀναρύοντες
ἔϑυον. διὸ καὶ Ὅμηρος, mit Anführung unserer Stelle, wie zu der-
selben der Schol. Apollon. I 587 sagt: τοῖς δὲ οὐρανίοις ἄνω dva-
στρέφοντες τὸν τράχηλον σφάξουσιν. Vgl. auch Orph. Arg. 316:
ταῦρον σφάξον, ἀνακλίνας κεφαλὴν εἰς αἰϑέρα δῖαν.
469. Da Essen und Trinken bei Homer sonst überall zwei
vollständig getrennte Dinge sind, hier aber das Trinken erst im
folgenden Verse erwähnt wird: so scheint es als wenn unser Vers
erst aus einer der verwandten Stellen B 432. H 323. Ψ 57.
480 mit Unrecht eingefügt wäre. Indes ist uns von den Alten
keine derartige Notiz überliefert. Daher wird man hier bei 470
nur den Zweck des Libierens anzunehmen haben, weshalb auch
sogleich der folgende Vers hinzugefügt ist. Vgl. auch Richard
Franke in Fleckeisens Jahrbb. 1858 Bd. LXXVII 5. 224. [Da-
gegen hält Bergk griech. Literaturgesch. I p. 548, 38 den Vers
für widersinnig, derselbe verberge aber eine Lücke, und Düntzer
hom. Abhandlungen p. 188 f., vgl. hom. Fragen p. 199 verwirft
469—474 unter Widerspruch von Benicken in den Jahrbb. f. Phil.
1872 p. 669 #.] Ueber den viermal gleichen Anfang mit αὐτὰρ
ἐπεί vgl. zu I’ 221 und den Anhang zu τ 444.
— 69 —
473. Bekker hat den Vers ohne den Vorgang der Alten athe-
tiert: aus welchen Gründen, darüber hat er sich, so viel ich weiss,
nirgends ausgesprochen. Aristarch (nach Aristonikos) athetierte
den folgenden Vers: ἀϑετεῖται, ὅτι νομίσας τις τὸν ᾿Αἀπόλλωνα
“Παιήονα εἰρῆσϑαι. προσέϑηκεν αὐτόν. καὶ γίνεται δισσολογία᾽ προ-
είρηται γάρ οἵ δὲ πανημέριοι μολπῇ ϑεὸν ἱλάσκοντο. Vgl.
Friedlaender Aristonic. p. 53, welcher hinzufügt, dass nach Ari-
starchs Ansicht auch μέλπειν durch die Bedeutung “singen” gegen
den homerischen Gebrauch (— ludere) verstosse. Ueber maıav
und ἑκάεργος vgl. Welcker kleine Schrift. ΠῚ 37. V 58 und den
Anhang zu H 34. Anders erklärt jetzt Goebel in der Zeitschr.
für Gymn. 1875 p. 641 ff. ἐκάεργος in Verbindung mit ἕκατος,
ἑκηβόλος, ἑκατηβόλος, ἑκατηβελέτης unter Annahme eines Neutral-
substantivs &xog (aus W. & von ἕημι, mit Erweiterung durch #
= lat. jacio) = Pfeil und einer aus W. var drehen erweiterten
Wurzelform varg — lat. verg-ere neigen, abwärts richten
— Pfeile niederwärts richtend, mit Bezug auf die Strahlen
des Sonnengottes.] — Das am Versschluss stehende κοῦροι ᾿ἡχαιῶν
will die zu der Sendung auserwählte Jugend (183) hervorheben.
Sonst würde der Dichter υἷες ᾿Αχαιῶν gesagt haben, das metrisch
betrachtet hier ebenfalls stehen könnte: vgl. zu « 60. — Vers 474.
Ueber μέλπειν vgl. Lehrs de Arist.? p. 138 sq.
481. [Zu πρῆσαι vgl. G. Curtius in seinen Stud. IV p. 228 £.]
486. [Ueber die ἕρματα handelt Brieger im Philol. XXIX, 201.]
488—492 [wurden von Zenodot verworfen: Düntzer de Zenod.
stud. Hom. p. 162. 180; vgl. über dieselben Schoemann de reti-
centia Homeri p. 3 £.]
493. Für ἐκ τοῖο ist zu beachten, dass der epische Dichter
bei Zeitangaben nicht mathematisch verfährt, sondern mit einer
aßgemeinen Angabe sich begnügt, wo die bestimmte Beziehung
für den Hörer im ganzen Zusammenhang liegt. Im Gedicht nun
vom ‘Zorn des Achilleus’ ist nach der obigen Darstellung
gerade der Tag, an welchem dieser Zorn seinen Anfang nahm,
dem Gedächtniss und der Fantasie der Hörer mit so mächtigen
Zügen eingeprägt, dass es nur einer Andeutung bedarf, um jenen
verhängnissvollen Tag in die Vorstellung zurückzurufen, Diese
Andeutung ist hier mit ἐκ τοῖο in der vollständigen Klarheit eines
mündlichen Epikers gegeben, was bereits Aristarch nach Aristoni-
kos "ἐκ τούτου λέγει τοῦ χρόνου τοῦ τῆς μήνιδος᾽ und viele andere
erkannt haben. Vgl. Nitzsch Beiträge zur Gesch. d. ep. Poesie
8. 72f. A. Kiene in Fleckeisens Jahrbb. Bd. 91 8. 794. [Nutz-
horn die Entstehungsweise der homer. Gedichte p. 146 f., Fried-
laender die hom. Kritik p. 73 f., v. Hoermann Untersuch. über
die hom. Frage 1 p. 70, auch Peppmüller Commentar des 24.
Buches der Ilias, Berlin 1876 p. 25f. Anders urtheilt Ribbeck
im Philol. VIII p. 473 £.u.a.] Sodann ist zu beachten, dass der
-- τὸ --
Epiker die einzelnen Ereignisse nur nacheinander erzählen kann,
wenn auch mehrere derselben in der Wirklichkeit nebeneinander
sich entwickeln. So hier. Nach der neuntägigen Pest nemlich
haben wir am zehnten Tage die Volksversammlung (53. 54),
darauf an demselben Tage gleichzeitig die Unterredung des
Achilleus mit seiner Mutter (348 — 429) und die Fahrt des
Odysseus nach Chryse. Die letztere aber als Abschluss von 312,
motiviert durch die Abwesenheit der Götter (424 Anhang z. E.)
ist nur als eine episodische Erzählung zu betrachten, deren Zeit-
dauer mit der Nebenangabe 477. 478 auf die Berechnung der
Haupthandlung keinen Einfluss ausüben kann. Am 21. Tage
kehren die Götter zurück. Die Handlung des ersten Gesanges
der Ilias umfasst daher, wie schon Aristarch annimmt, einen Zeit-
raum von 21 Tagen. Dies behandelt überzeugend Th. Bergk in
der Zeitschr. f. ἃ. A. W. 1846 85, 394 ff. — Vers 505 könnte
man zur Entfernung der isolierten Dehnung des οὐ an dieser
Versstelle wohl τέμησον σύ μοι υἱόν conjicieren, da 508 ἀλλὰ σύ
πέρ μιν τῖσον folgt. Denn dass τίμησον ἐμοί unmöglich sei, hat
C. A. J. Hoffmann Quaest. Hom. I p. 57 unter Vergleichung von
#236 bemerkt. —
510. [Ist ὀφέλλειν τιμῇ nicht vielleicht von einem materiellen
Ersatz für das entzogene γέρας zu verstehen? Durch Busse ihn grösser
machen, d.i. ihm reichen Ersatz für den Verlust geben, wie Athene
213 in Aussicht stell}? — Anders Aken die Grundzüge der Lehre von
Tempus und Modus p. 186.] — Vers 513. Themist. or. XVI p. 210°.
519. Der Nominativ Ἥρη ὅτ᾽ ἄν u ἐρέϑῃσιν, statt des ge-
wöhnlichen Dativs, ist die Lesart des Aristarch, die auch in der
ed. Flor. [und in 3 Handschriften, darunter dem Laurentianus 15
und 3, vgl. La Roche] steht und die meiner Ansicht nach aus
mehreren Gründen den Vorzug verdient. Erstens wird dadureh
Here mit ihrem harten und händelsüchtigen Charakter, wie sie
überall erscheint (vgl. 4 24. E 892. Θ 198. 350. 407 f. 421 δ᾽
444. & 249. O 14. T 133) und auch hier 539 den Zank be-
ginnt, mit Nachdruck hervorgehoben. Ueber die Wortstellung
vgl. zu n 242. $ 408. ρ 223. ὦ 507. Zweitens: Zeus vermeidet
dann ängstlich, die Here als den Gegenstand seiner Feindschaft
direct zu nennen, weil sie 80 schon’ ihm immerwährend Vor-
würfe macht, dass er es mit den Troern halte (520. 521) und
ihr als der Freundin der Achaeer gegenübertrete: er will daher
seine jetzige Feindseligkeit einzig und allein vom Handeln der
Here abhängig machen, daher das Futurum ἐφήσεις. Hierzu
kommt drittens, dass das allgemein gesagte ἐχϑοδοπῆσαι zugleich
mit auf alle Olympischen Götter Bezug hat, die von dem häus-
lichen Zwiste zu leiden haben und deshalb Partei ergreifen. Vgl.
566. 570. 575. 579. 589, und nach der Versöhnung 599. End-
lich hat auch Thetis in ihren Bitten an Zeus (503—510 und
_- 1 --
514—516) auf die Here gar keinen Bezug genommen. — 522 f.
[522. 523 werden von Düntzer hom. Abhandl. p. 175 f. verworfen.
Ueber die folgenden Verse vgl. Jacob über die Entstehung der
Ilias und Odyssee p. 1101] — Vers 527. Die Formel ὅτι ev
χεφαλῇ κατανεύσω gebraucht Einer bei Plutarch. Apophth. c. 2, 4
p. 2084. —
530. Wie Strabo VIII c. 3 p. 543*, Valer. Max. III 7,
Macrob. Sat. V 13 berichten, hat Pheidias nach dem Eindruck
dieser Stelle seinen Zeus im Tempel zu Olympia gebildet: er
wollte nemlich den Zeus in majestätischer Ruhe und solcher Macht-
fülle darstellen, wie er hier geschildert ist. Vgl. Lessing im
Laokoon XXI. Und dies ist ihm gelungen. Denn, um die Worte
von A. Stahr Torso I 8. 159 zu gebrauchen, “als Aemilius Paullus,
der Besieger Makedoniens, in den Tempel zu Olympia eintrat,
rief er, den Gott gleichsam in lebendiger Gegenwart erblickend,
die Worte aus: Fürwahr, dies ist der Zeus des Homer!’ Vgl.
auch Preller, Adam Gr. Mythol. I 8. 121 der zweiten Aufl. [Lauer
Geschichte der homer. Poesie p. 43 δ᾿, das Plastische im Homer,
München 1869 p. 47.] Die homerische Stelle ist mehrfach von
Späteren nachgeahmt worden (vgl. die Stellen und Citate bei
Freytag in dessen Ausgabe p. 204), aber alle vielgeschmückten
Nachahmungen sind hinter der einfachen Rede des Homer weit
zurückgeblieben. Vers 528 erwähnen auch Plin. Epist. I 7, 4.
Max. Tyr. XXV. [Cobet Miscellan. crit. 1876 p. 278 verwirft
. ἐλελίξειν und verlangt ἐβέλιξεν hier und Θ 199. Ρ 278. ε 314.]
534. ἐξ &ö&ov, hier und 581 die Ueberlieferung der meisten
und besten Hss., hat Bekker aus wenigen und untergeordneten
Urkunden in ἐξ ἐδρέων geändert. Vgl. gegen die Aenderung
H. Rumpf in Fleckeisens Jahrbb. 1860 8. 586. Ueber den Unter-
schied von ἔδος und ἕδρη vgl. K. Grashof Ueber das Hausgeräth
bei Homer und Hesiod (Düsseldorf 1858) 8. 2 not. 1, mit dem
Resultate: “Also ist durchaus &d&wv die rechte Lesart.” [Brugman
ein Problem der homer. Textkritik p. 46, Anm. 1, vermuthet,
dass hier σφοῦ unbefugt statt οὗ eingedrungen sei.] — Vers 537.
Stat. Ach. I 100.
553. [K. Mayhoff de Rhiani Üretensis stud. Hom. p. 45 f.
vermuthet als ursprüngliche Lesart: οὐκ εἴρομαι οὐδὲ μεταλλῶ,
wodurch die Antwort der Hera, der Form nach ganz entsprechend
den Worten des Zeus 550, an Schärfe gewinnen würde.]
555. [van Herwerden quaestiunculae epieae et elegiacae,
Utrecht 1876 p. 1 verlangt an Stelle von μή oe παρείπῃ nach
& 300 μή oe παρεῖπεν. Indes ist die Stelle e 300 wesentlich
von dieser verschieden, weil dort nicht die vergangene Handlung
selbst Gegenstand der Befürchtung ist, sondern dieser in νημερτέα
liegt und die ganze Construction aus einer Brachylogie zu erklären
ist. Danach dürfte jene Stelle für diese keine genügende Analogie
-- τ —
bieten, auf welche sich Herwerdens Vermuthung stützen könnte.
Vgl. die Note zu beiden Stellen.]
. 558. [Eine andere Auffassung dieses abhängigen Satzes im
Conj. mit ὡς giebt Delbrück der Gebrauch des Conj. u. Opt. p. 62.]
567. Die andere Erklärung ist, ὦσσον ἰόνϑ᾽ mit Zenodotos
als ἄσσον ἰόντε auf ϑεοί zu beziehen, und den Dual ἐόντε entweder
mit Eustathios durch den Gedanken an “Götter und Göttinnen’
erklärbar zu finden oder geradezu als pluralischen Dual aufzu-
fassen. So Krüger Di. 17, 3, 2 und die von G. Autenrieth bei
Nägelsbach 5. 191 genannten Gelehrten. Aber dieser Gebrauch
des Dual in pluralischem Sinne lässt sich aus Homer nicht er-
weisen. Sodann hat nach der gewichtvollen Periphrase ὅσοι ϑεοί
εἰσ᾽ ἐν Ὀλύμπῳ der Zusatz ἄσσον ἰόντε etwas Mattes und Schleppen-
des. Drittens ist auch der dann erforderliche Sinn ‘zu Hülfe
kommend’ für den allgemeinen mit keinem weiteren Zusatz ver-
sehenen Ausdruck durch keine homerische Parallele zu begründen.
Endlich bleibt räthselhaft, warum der Dichter einen derartigen
Gedanken nicht einfach mit ἄσσον ἰόντες 67 ἄν τοι bezeichnet haben
sollte. Aus diesen Gründen nun habe auch ich mich nach dem
Vorgang des Aristarch für die Auffassung ἰόντα entschieden. Die-
selbe hat einen doppelten Anstoss erregt: erstens den lästigen
Umstand, dass man μέ im Gedanken hinzunehmen müsse. Allein
das ist unrichtig. Denn Zeus spricht mit ἄσσον ἰόντα ganz ob-
jeetiv und nennt sich allgemein “den Angreifenden’: erst durch
den erklärenden Zusatz soll die persönliche Beziehung verdeutlicht
werden. Hiermit hebt sich wie ich meine auch der zweite An-
stoss, dass nemlich ᾿χραισμεῖν τιν! ἄσσον ἰόντα keine homerische
Struktur” sei Dies gilt nur, wenn man durchaus die streng
persönliche Beziehung festhält. Aber eine conerete Bezeichnung
statt eines allgemeinern Substantivbegriffes findet sich auch
sonst. So ist 535 μεῖναι ἐπερχόμενον (was J. La Roche Hom.
Stud. $ 80 8.142 beanstandet) nichts anderes als “seine Ankunft
erwarten.” Ebenso Θ 536. Μ 136. X 252. In O 164 μή w
οὐδὲ κρατερός πὲρ ἐὼν ἐπιόντα ταλάσσῃ μεῖναι können wir ohne
Weiteres deuten: “meinen Angriff zu erwarten.’ Aehnlich in
vielen andern Stellen. Auch das mit χραισμεῖν synonyme ἀλέξειν
wird man dann in Stellen wie 7 315 μή ποτ᾽ ἐπὶ Τρώεσσιν ἀλεξήσειν
κακὸν ἦμαρ und N 475 ἀλέξασϑαι μεμαὼς κύνας ἠδὲ καὶ ἄνδρας
als Analogie benutzen dürfen. Schliesslich erwähne ich, dass
Düntzer Aristarch 8. 61 behauptet, der Vers sei “ohne allen
Zweifel auszuscheiden’, weil das einfache χραίσμωσιν schon genüge,
wie 28 beweise. Aber der ‘Zweifel’ anderer wird sich auf die
dadurch entstehende Dunkelheit und Zweideutigkeit beziehen, als
wenn ‘alle Götter im Olymp’ der Here überhaupt und in jeder
Beziehung nutzlos wären. Ueber jeden Zweifel wäre man er-
hoben, wenn die Conjectur von Bentley und Clarke ἄσσον ἰὼν
" -- 18. --
ὅτε, die auch 7. E. Ellendt Drei hom. Abh. p. 15 billigt, auf
alter Ueberlieferung beruhte.
578. ["Fige φέρειν Erwünschtes darbringen: Homer. Die
Redensart väram bhar Fijg« φέρειν darf für indogermanisch gelten.”
Fick vergl. Wörterb. ἢ p. 188 unter 3 vära.]
590 fl. Aehnlich erzählt diese Sache Valer. Flacc. II
82 Β΄. — 598. [νέκταρ erklürt Fick in Bezzenbergers Beiträgen
zur Kunde der indogermanischen Sprachen. 1876. I p. 62 aus W.
snag vgl. nhd. schnökern — σνεγ -τὰρ was gut schmeckt, Leckerei.]
— 599 gebraucht auch Tatian, or. ad Gr. c. 9 p. 36 ed. Ott.
603 f. [Nach Welcker Ep. Cyel. p. 340 f. und 372 hat man
an epischen Gesung zu denken, dessen Stoff für Götter Theogonie
oder etwa Geburten und Hochzeiten der Götter sein würde “Es
ist Gesang zum Mahle, Apollo spielt die Phorminx, und das Lied
dazu singen die Musen, da ihrer mehrere sind, und da zum epi-
schen Liede ein Chor nicht gehörte, eine nach der andern theil-
weise, wie ein Grammatiker richtig erklärt”.]
611. [Lachmann Betrachtungen p. 2 knüpfte an den Schluss
des ersten und den Anfang des zweiten Gesanges zwei Beobach-
tungen, aus denen er schliessen zu dürfen glaubte, dass in zwei
auf einander folgenden Abschnitten der Ilias oft nach dem ersten
ein Aufhören des Gesanges und ein neues Anheben vorausgesetzt
werde: „Weder ist hier der Gegensatz durchgeführt, “alle giengen
zu Bett und schliefen, aber Zeus schlief nicht”, sondern es heisst
“die Götter giengen zu Bett, und auch Zeus schlief. Alle Götter
und Menschen schliefen, Zeus aber nicht’: noch war es zweck-
mässig, wenn doch dies folgen sollte, “Zeus schlief nicht, sondern
er rief den Traumgott”, vorher daran zu erinnern, dass neben ihm
die goldenthronende Here lag, die von der Berufung des Traumes
nichts wissen durfte.“ Die erste Differenz hatten auch schon die
Alten gefunden und aufzulösen gesucht: Πῶς ἐν τῇ A εἰπὼν τὸν
Δία καϑεύδειν νῦν φησὶ “Δία δ᾽ οὐκ ἔχε νήδυμος ὕπνος; λέγομεν
δὲ ἡμεῖς ὅτι ἐκάϑευδε μέν, ἀλλ᾽ ἐπ᾽ ὀλίγον ἐκαϑεύδησε, καὶ οὐ διὰ
πάσης τῆς νυκτός, ὡς ol ἄλλοι, μεριμνῶν: Scholia graeca in Homeri
Iliadem ed. G. Dindorf. Tom. I p. 70, und Schol. Β ἀνέβη καϑευ-
δήσων ἢ ἀντὶ τοῦ ἀνεκέκλιτο, ähnlich Eust. 163, 40 ἔστι καϑεύδειν
τὸ ἁπλῶς ἀναπίπτειν ὡς ἐπὶ ὕπνῳ. Beide Erklärungsversuche der
Alten sind von den Neueren aufgenommen, nur mehr oder weniger
modificiert. Die einen sprechen dem καϑεῦδε die Bedeutung “er
schlief’ ab und verstehen: Gross vindieise Hom. I p. 16 unter
Vergleich von ὃ 304. ξ 1. n 344. 8. 313. v 141 “er legte sich
schlafen’, Doederlein zu 4 611 “er schlief ein’, Ameis und
Düntzer homer. Abhandl. p. 33 “er ruhte auf dem Lager’,
vgl. Q 673 fi. γ 402. ὃ 302 ff. ἡ 344 8. 8. 313. τ 50, Düntzer
in seiner Ausgabe: gieng zur Ruhe. Andere welche für καϑεῦδε
die Bedeutung “schlief” anerkennen, betonen den Gegensatz von
-- πὰ --
εὗδον παννύχιοι und οὐκ ἔχε ὕπνος und fassen letztere Wen-
dung in dem prägnanten Sinne: hielt nicht umfangen, fesselte
nicht auf die Dauer, mit Berufung auf I 713. Καὶ 1—4. o 4—7.
So Naegelsbach und La Roche zur Stelle, Baeumlein in Zeitschr.
f. Alterthumswiss. 1848 p..325. Beide Interpretationen vereinigen
Doederlein zu B 2, Faesi, Nutzhorn die Entstehungsweise der
homerischen Gedichte p. 143 (οὐκ ἔχε Imperf.: ‘nur bei Zeus
wollte der Schlaf nicht bleiben’.) Ein drittes Auskunftsmittel den
Anstoss zu beseitigen ist die von Gross vorgeschlagene Athetese
von A 611, worin 2. B, Bergk griech, Literaturgesch. I p. 496,
Anmerk. 44 einen zum Behuf des Einzelvortrags gemachten Zusatz
erkennt, der einen schicklichen Abschluss geben sollte. Gegen
die prägnante Auffassung von ἔχε ist von Düntzer hom. Abhandl.
p. 33 geltend gemacht, dass ἔχειν in solchen Verbindungen sich
nur in der Bedeutung in Besitz haben finde, und von Herzog
in Jahrbb. f. Philol. 1873 p. 192 insbesondere ὃ. 343 ff. ange-
zogen, wo bei ähnlichem Gegensatz οὐδὲ Ποσειδάωνα γέλως ἔχε
nur heisst: aber Poseidon lachte nicht ἃ, i. überhaupt nicht.
Beide Interpretationsversuche sind mit Nachdruck bekämpft
von Bonitz über den Ursprung der homerischen Gedichte. 3. Aufl.
p. 60 #. Letzterer bemerkt mit Recht gegen Naegelsbach, dass
durch ἀλλ᾽ ὅγε μερμήριξε diese Angabe der vorherigen als in die-
selbe Zeitdauer fallend gleichgestellt werde; was Naegelsbach in
den Worten finde, erfordere nothwendig, dass dem οὐκ ἔχε νήδυμος
ὕπνος gegenübergestellt würde ἔγρετο δ᾽ ἐξ ὕπνου -- καὶ γὰρ ὃ
μερμήριξε. Aus diesem Grunde, wie wegen der gegen die prügnante
Auffassung von ἔχε angeführten Parallele $ 343 ff., ist die darauf
beruhende Erklärung ohne Zweifel aufzugeben. Eine neue Wen-
dung erhält diese Frage jetzt durch die von Goebel in der Zeitschr.
für das Gymnasialwes. 1875 p. 647 gegebene neue Erklärung des
Wortes νήδυμος aus νὴ + ἀδ sättigen = dessen man nicht satt
werden kann, d. i. unwiderstehlich oder unerschöpflich,
wonach die Stelle gedeutet wi Zeus war zwar eingeschlafen,
aber während alle übrigen Götter und Helden die ganze Nacht
schliefen, hielt den Zeus kein νήδυμος ὕπνος umfangen, sein
Schlaf war kein ἀκόρεστος, ἄπληστος, kein insatiabilis gewesen;
vielmehr war Zeus von wegen seiner Herrschersorgen desselben
alsbald satt geworden. So wird der vergebens in ἔχε gesuchte
Begriff des dauernden Schlafes, wie es scheint, durch das Epitheton
von selbst geboten. Allein auch wenn die übrigens ansprechende
Etymologie über allen Zweifel erhaben wäre, so würde doch die
von Bonitz gegen den Gedankenzusammenhang erhobene Aus-
stellung bleiben. Dieser Anstoss würde weniger fühlbar sein bei
der jetzt von Schmalfeld in Jahrbb. f. Philol. Suppl. VIII p. 300 ff.
versuchten Erklärung aus νὴ — und W. δὺ (in ὁ- δύ- νη und din)
= nicht beunruhigt von Sorgen. Auch bei καϑεῦδε muss
-- τὸ —
man, wie ich jetzt urtheile, von jedem Versuch dem Worte eine
andere Bedeutung als die gewöhnliche zu geben, abstehen: Q 675
und I 663 steht eöde an derselben Stelle und in demselben Paralle-
lismus zu κοιμήσαντο, κατέλεκτο, παρελέξατο, wo y 402. ὃ 304.
n 344 καϑεῦδε sich findet, auch ist, wie Bonitz richtig bemerkt,
das Gewicht nicht zu übersehen, welches die zweifellose über-
tragene Bedeutung von καϑεύδειν für die richtige Auffassung der
eigentlichen Bedeutung dieses Wortes hat. Gleichwohl ist der
Art gegenüber, wie Lachmann den Widerspruch zwischen dem
Schluss des ersten und dem Anfang des zweiten Gesanges formu-
liert hat, zu bemerken, dass bei dem Parallelismus der Glieder
A 606—608 und 609—611 das Hauptgewicht auf der Orts-
bestimmung liegt, wie in den oben angeführten Parallelen, und
bei dem Gewicht dieser der anzuerkennende Widerspruch ‚minder
schrof® empfunden wird, als nach Lachmanns Formulierung anzu-
nehmen wäre. Ganz bedeutungslos aber ist das an die Anwesen-
heit der Here geknüpfte Bedenken. Düntzer a. O. sagt: “Zeus
muss bei seiner Gattin schlafen, wie in der Odyssee Nestor und
Menelaos, wie im letzten Buch der Ilias Briseis bei Achilleus
schläft; dass Zeus dadurch bei der Berufung des Traumes ge-
hindert werde, konnte dem homerischen Dichter kaum in Gedanken
kommen’ und Nutzhorn p. 144: “Wenn Here schlief, konnte sie
ja nicht hören, was Zeus sagte, und ihre Gegenwart war unschäd-
lich, wenn es auch Geheimnisse waren, die Zeus aussprach’.
B.
Einleitung.
Literatur: 6. Hermann de interpolat. Hom. p. 7 (= Opuse.
V p. 57]. — Lachmann Betrachtungen über Homers Ilias. 2. Aufl.
Berlin 1865 p. 8—13 und dazu Haupts Zusätze p. 102—104,
Benicken das zweite Lied vom Zorne des Achilleus etc. heraus-
gegeben. Leipz. 1873, Benicken in Sachen H. Koechly und
H. Düntzer c/a Karl Lachmann betreffend Il. B 1—483. Salzwedel
1872. — Die Lachmannsche Kritik betreffen: C. Ὁ. Müllers
kleine deutsche Schriften I p. 464 f., Gross vindieiarum Homeric.
part, I. Marburg 1845 p. 30 ff, Baeumlein in der Zeitschr. für
die Alterthumswiss. VI, 1848 p. 331 ἔν, Hoffmann im Philol. III
p. 198 #., Düntzer in der allgemein. Monatsschrift für Literatur
1850, II = Homerische Abhandlungen p. 41 ff, Gerlach im
Philol. XXX p. 9 ff. — G. Grote Geschichte Griechenlands, über-
-- τὸ --
setzt von Meissner, Bd. I p. 530. 534 f., vgl. Baeumlein im
Philol. XI p. 405 ff. und Friedlaender die homerische Kritik
von Wolf bis Grote. Berlin 1853 p. 63 f. — Naeke Opuscula
philolog. I p. 270 £. — Koechly in den Verhandlungen der achten
Philologenversammlung zu Darmstadt. 1846 p. 73 fi. Koechly
de Iliadis B 1—483 disputatio. Turiei 1850, vgl. Düntzer
homerische Abhandlungen p. 102 ἢ“, Baeumlein über die Com-
position der zweiten Rhapsodie der Ilias mit Bezug auf Koechly's
disputatio de Iliadis B 1—483 im Philol. VII p. 225 ff., und Ribbeck
in den Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 7 fl. — Düntzer das 3. bis
7. Buch der Ilias als selbständiges Gedicht in den hom. Abhandl.
p. 234 ff. — Lange in der Zeitschr. f. ἃ. Gymnasialwes. 1875
Ρ. 156. — Goebel über den innern Zusammenhang des 1. u. 2. Buches
der Ilias, sowie über die Bedeutung der Thersitesscene in Zeitschr.
$. Gymnasialwes. 1854, VIII p. 373 #. — R. Franke zur Frage
über die Zusammensetzung von Il. B 1—483. Gera 1864 und
derselbe disputationis de Iliadis B 1—483 paıs altera, Leipzig
1870. — Abel die Agora des zweiten Gesanges der Ilias nach
ihrem Zweck und Zusammensetzung. Aschaffenburg 1858. — Kern
die beiden Erzählungen im 2. Buch der Nias. Ulm 1868. —
M. Vrzal. Ilias II V. 1—483 mit besonderer Rücksicht auf die
Bedenken Lachmanns untersucht. Nikolsburg 1875. — Fr. Suse-
mihl über Ilias B 1—483 im Philol. XXXII p. 193 ff. — Kam-
mer zur homerischen Frage. Königsberg 1870. I p. 1ff., dagegen
Düntzers homer. Abhandlungen p. 272 f., Susemihl im Philol.
XXXII p. 222, Anm. 143. — G. Curtius homerische Studien
im Philol. III p. 10 ff., betreffen: V. 75. 188—205. 278—332.
265—277. — Naegelsbach Exeurs IV und V (über B 188—205)
in den Anmerkungen zur Ilias. 3. Aufl. p. 440 ff. — Jacob über
die Entstehung der Ilias und Odyssee p. 176 f. — Nitzsch
Sagenpoesie p. 210 f. und Beiträge zur Gesch. der epischen Poesie
p- 465 ff., vgl. dazu Schoemann in den Jahrbb. f. Philol. 1854.
Ba. 69 p. 21 #. — Kiene die Komposition der Ilias, p. 76 ἢ,
215. 217, und derselbe: der Zusammenhang des zweiten Buches
der Ilias mit dem ersten in den Jahrbb. für Philol. 1869 p. 600 ff.
— Genz zur Ilias. Sorau 1870 p. 11 fl. — Bonitz über den
Ursprung der homerischen Gedichte. 3. Aufl. Wien 1872 p. 59 #.—
Bischoff im Philol. XXXIV p. 6 ἢ — Bernhardy Grundriss
der griech. Literat. ὃ IL, 1, p. 159 ἢ, — Bergk griech. Literatur-
gesch. I p. 554 ff. — Hoffmann quaestt. Hom. II p. 202 ff.
Giseke homerische Forschungen p. 167 ἢ 223 ἢ, — Ueber den
Schiffskatalog: Lauer quaestiones Hom. p. 84, A. Mommsen im
Philol. V p. 522 ff, Koechly de genuina catalogi Homeriei forma.
Turiei 1853, Gladstone homerische Studien p. 107 f#., Düntzer
in den Jahrbb. f. Philol. 1855 p. 415 ff. = Homer. Abhandl.
Ρ. 212 ff, Baeumlein in den Jahrbb. f. Philol. Bd. 75 p. 34
- τὸ —
—46, Kammer zur homerischen Frage. I p. 32 #., vgl. Benicken
das dritte und vierte Lied. ‘Halle 1874 p..146 fi, Raspe der
sogen. Schiffskatalog in der Ilias, Güstrow 1869, Schwartz über
die Boeotia des Homer, namentlich in ihrem Verhältniss zur Kom-
position der Ilias. Neu-Ruppin 1871, vgl. Susemihl im Philol.
XXXII p. 225 f. und Benicken das dritte und vierte Lied vom
Zorne des Achilleus. Halle 1874 p. 1—19. Niese der homerische
Schiffskatalog als historische Quelle betrachtet. Kiel 1873. Bischoff
Bemerkungen über homerische Topographie, Schweinfurt 1875 p.
22 #.: Die Ordnung des Schiffskatalogs, Bergk griech. Literat.
I p. 556 ff. Vgl. auch Nitzsch Sagenpoesie p. 127, Werck-
meister in den Festschriften zur 50jähr. Stiftungsfeier des Gymnas.
zu Ratibor 1869: ein Kunstprineip Homers p. 11, O. Keller die
Entdeckung Ilions in Hissarlik. Freiburg i. B. 1875 p. 8 ff.
Ueber die Thersitesscene: Lessing im Laokoon XXII—XXIV.
Herder in den kritischen Wäldern I, cap. 21. A. G. Lange
vermischte Schriften und Reden. Leipz. 1832 p. 106 ff. Fr. Jacobs
vermischte Schriften VI p. 81 f. Doederlein Reden und Auf-
sätze. 2. Sammlung p. 203 fl. Goebel in der Zeitschr. f. Gymn.
1854 p. 764 fl. — Versuch einer strophischen Gliederung von
B 1—483 nach Tetrasticha und des Katalogs nach Disticha bei
Beloch in Rivista di filologia. 1875 p. 305 ff., vgl. Bursians
Jahresbericht über die Fortschritte der classischen Alterthums-
wissenschaft. 1874—75 p. 140 f.
Die Erzählung des zweiten Gesanges beginnt, unmittelbar an
die im Schluss des ersten gegebene Situation anknüpfend, mit der
dem 21. Tage der Ilias folgenden Nacht und dehnt sich über die
ersten Morgenstunden des 22. aus, welcher die Bücher II—VII,
380 erfüllt. Wir unterscheiden in derselben folgende Haupttheile:
A. Die Sendung des Traumes zu Agamemnon, 1—47.
B. Boule und Agora der Achaeer; Vorbereitung und Auszug
zum Kampf, 48—483.
C. Der Schiffskatalog, 484— 785.
D. Sendung der Iris zu Priamos. Auszug der Troer zum Kampf,
786—811.
E. Troerkatalog, 811—877.
Der Gesang enthält demnach die einleitenden Ereignisse des
ersten Schlachttages auf Seiten der Achaeer und der Troer in
paralleler Anordnung und Behandlung: auf beiden Seiten wird die
Handlung vorbereitet und bestimmt durch Zeus’ Eingreifen, dort
durch Sendung des Traums, hier durch Sendung der Iris (786 ff.).
Im Einzelnen bedarf nur die Gliederung der ersten grossen Partie
1—483 einer genaueren Betrachtung. Sie umfasst folgende Stücke:
_ 1 --
1. Die Sendung des Traumes, 1—47. Zeus bedacht auf die
Ausführung der βουλή (ὡς ᾿Αχιλῆα τιμήσει᾽, ὀλέσαι δὲ πολέας
ἐπὶ νηυσὶν ᾿Αχαιῶν) sendet in der Nacht zu Agamemnon einen
verderblichen Traum mit der Weisung eiligst zum Kampf
zu rüsten und der Aussicht auf die Eroberung Trojas. Der
Traum vollzieht den Auftrag in der Gestalt des von Aga-
memnon vor Allen geehrten Nestor und ausdrücklich als Zeus’
Bote sich einführend. Agamemnon beruft am Morgen voll
stolzer Zuversicht die Heeresversammlung. Während das
Heer sich versammelt (vgl. 52 und 86), hält Agamemnon
2. die Boule der Geronten bei Nestors Schiff, 53—86. Ag.
fordert auf Grund des Traumes die Geronten zu dem Versuch
auf, das Heer zum Kampf zu rüsten: er selbst will, um die
Stimmung des Heeres auf die Probe zu stellen, dasselbe zur
Flucht in die Heimath auffordern, die Fürsten sollen dem
entgegentreten. Nestor berührt in einer auffallend kurzen
Erwiederung den Plan der Versuchung gar nicht, stimmt
zwar dem Vorschlag der Rüstung zu, lässt aber durchblicken,
dass er zu dem Traum kein besonderes Vertrauen hege.
3. Die Agora, 87—399, verläuft in 4 Acten:
a. Agamemnons versuchende Rede und deren Wirkung, 87
—154.
Das Zusammenströmen der Volksmenge und ihre leb-
hafte Erregung. Agamemnon tritt auf. Geschichte seines
Scepters. Agamemnons verstellte Rede, in welcher er zur
Flucht auffordert, enthält mit und neben den für diese
angeführten Gründen zugleich alle wesentlichen Momente,
welche ein lebhaftes Ehrgefühl für das Ausharren im
Kampf geltend machen würde, aber verdeckt und zurück-
tretend vor der leidenschaftlichen Sprache einer scheinbar
verzweifelten Stimmung und der geflissentlichen Hervor-
hebung der bisherigen Erfolglosigkeit und zukünftigen
Aussichtslosigkeit des Kampfes. Die Erinnerung an die
sehnsüchtig daheim harrenden Weiber und Kinder erregt
das Heimweh der Krieger und vereitelt so den beabsich-
tigten Erfolg. Stürmischer Aufbruch des Heeres zu den
Schiffen.
Ὁ. Athene’s Dazwischenkunft und Rückkehr des Heeres in die
Versammlung, 155— 210.
Athene, von Here gesendet, mahnt Odysseus der Flucht
Einhalt zu thun. Diesem gelingt es durch mahnenden Zu-
spruch an die Fürsten und strafenden Tadel des Volkes
das Heer zur Versammlung zurückzuführen.
ὦ. Thersitesscene, 211—277.
Thersites schmäht Agamemnon unter Anspielung auf
die Zurückhaltung der Chryseis und die Wegnahme der
- τὸ --
Briseis und fordert von Neuem die Heimkehr. Seine Zu-
rechtweisung und Züchtigung durch Odysseus erregt das
Gelächter der Achaeer. .
d. Reden des Odysseus, Nestor und Agamemnon, 278—399.
"Odysseus’ Rede verfolgt in engem Anschluss an Aga-
memnons versuchende Rede den Zweck, die Achaser zum
Ausharren zu vermögen. Er leitet daher nach der Er-
innerung an das dem Agamemnon gegebene Versprechen,
nur nach Troja’s Zerstörung heimzukehren, die Gedanken
sofort auf den entscheidenden Punkt, der den stürmischen
Aufbruch des Heeres verschuldet hat, das Heimweh. Er
erkennt dieses bis zu einem gewissen Grade als berech-
tigt an, um dann aber mit allem Nachdruck den Ehren-
punkt geltend zu machen, die Schmach nach so langer
Abwesenheit ohne Erfolg heimzukehren. Der von Aga-
memnon betonten Aussichtslosigkeit des Kampfes stellt er
in ausführlicher lebhafter Erzählung das von Zeus gesandte
Zeichen in Aulis gegenüber, welches nach Kalchas’ Deu-
tung die Eroberung Troja’s im zehnten Kriegsjahr in Aus-
sieht stellt. — Auf Grund der durch Odysseus’ Rede be-
wirkten Umstimmung ist Nestor bemüht, zwischen dem
Heer und Agamemnon das rechte Verhältniss herzustellen
und die sofortige Aufnahme des Kampfes herbeizuführen.
Er wendet sich zunächst mit scharfem Tadel gegen den
in der Versammlung hervorgetretenen unkriegerischen Sinn
und verweist auf die feierlichst eingegangenen Verpflich-
tungen, fordert sodann Agamemnon auf, festhaltend an
seinem früheren Entschluss und unbekümmert um die
wenigen Abtrünnigen, die Zügel des Oberbefehls wieder mit
Kraft zu ergreifen. Er betont aufs Neue das Thörichte
des Entschlusses der bestimmten Zusage des Zeus und der
in Aussicht stehenden Rache gegenüber an Heimkehr zu
denken und stellt denen, die sich vom Heere sondern
wollen, schmähliches Verderben in Aussicht. Zuletzt
empfiehlt er dem Agamemnon, das Heer nach Stämmen
und Geschlechtern zu ordnen. — Agamemnon belobt Nestor
wegen seines Rathes, gedenkt nicht ohne Reue seines
Streites mit Achill, ermahnt das Heer sorgfältig alle Vor-
bereitungen zum Kampfe zu treffen und bedroht endlich
alle, ‘die sich etwa vom Kampf fernhalten würden. —
Auflösung der Versammlung.
4. Opfer und Frühmahl im Lager, 400—441.
Agamemnon ladet die Geronten in sein Zelt. Feierliches
Opfer. Agamemnons Gebet zu Zeus, getragen von der stol-
zesten Siegeshoffnung. Beschreibung des Opfermahls. Nach
demselben mahnt Nestor sofort zum Aufbruch.
— 80 —
5. Sammlung und Ordnung des Heeres, Aufbruch und Auf-
stellung auf dem Schlachtfelde, 441—483.
Das Heer sammelt sich und wird von den Führern ge-
ordnet, unter ihnen Athene mit der Aegis die Achaeer mit
Kampfmuth erfüllend. Sechs Gleichnisse schildern den Ein-
‚marsch, die Aufstellung und Ordnung des Heeres in der Ebene.
Agamemnon wird unter den Fürsten von Zeus besonders aus-
gezeichnet.
Sehen wir von den jetzt ziemlich allgemein für später ein-
gefügt geltenden Katalogen ab, so haben wir im zweiten Gesange
eine einfache, wie es scheint, in regelmässiger Folge der Momente
fortschreitende, in sich zusammenhängende Handlung, welche an
das im ersten Gesange Gegebene anknüpfend den Ausgangspunkt
und die Grundlage für die im IIL.—VII. Gesange erzählten Er-
eignisse des ersten Schlachttages bildet. Im Vergleich zum ersten
Gesange ist die Handlung weniger reich und mannigfaltig, doch nicht
ohne Bewegung, spannende Situationen und überraschende Wen-
dungen. Die handelnden Personen der Götter- und Menschenwelt
entsprechen, abgesehen von den durch die besonderen Verhältnisse
gebotenen Aenderungen, denen des ersten Gesanges. Zeus leitet
die Action ein, in dieselbe greifen, ähnlich wie dort, Here und
Athene ein. Während Achills nur vorübergehend gedacht wird,
tritt Agamemnon in den Vordergrund, zum Theil mit besonderer
Auszeichnung (101 ff. 477 f.), neben ihm sind, wie dort, Nestor
und Odysseus thätig, letzterer tritt ganz besonders hervor und
zwar in enger Verbindung mit Athene, ausserdem werden als
Geronten nur erwähnt Idomeneus, beide Aias, Diomedes, Menelaos;
als eine vorübergehende, für die besondere Situation geschaffene
Figur tritt Thersites hinzu. In sachlicher Beziehung bietet der
zweite Gesang, noch mehr als der erste, eine Reihe von Zügen,
welche der Geschichte des Krieges vor der Handlung der Ilias
angehören und der Exposition dienen: 286 fl. 301 ff. 339. 350 ff,
auch 123 ff. 130 f. 134 und 295, 177 und 355 f.
Dass der Dichter nicht ohne schöpferisches Talent ist, zeigt die
Erfindung und treflliche Zeichnung der Figur des Thersites; auch
die einen grossen Raum füllenden Reden verrathen zum Theil nicht
geringes Geschick in der Erfindung, und in ihrer gegenseitigen Be-
ziehung auf einander eine planmässige, wohl berechnende Kunst. Zu
der Anwendung besonderer Kunstmittel in der Anordnung gab die
Einheit der Handlung keinen Anlass; auch dass der zweite Ge-
sang mit dem ersten nicht concurrieren kann in der Mannigfaltig-
keit der Gruppierung und der Anwendung der wirksamen Mittel
des Parallelismus und des Kontrastes, wird zum Theil auf Rech-
nung des Stoffes kommen; dagegen zeigt sich, davon unabhängig
- 31 —
ein durchgreifender Unterschied in der Darstellung: dem dort
überall herrschenden lebhaften Fortschritt der Handlung und
der im Ganzen gedrungenen Kürze der Erzählung steht hier
eine behagliche Breite, zum Theil eine glänzende Fülle gegen-
über. Dinge, die dort mit einem Zuge abgethan werden, wie
das Zusammenkommen des Heeres zur Versammlung, geben hier
Anlass zu ausführlicher Schilderung; der Dichter verweilt bei
der Geschichte des Scepters des Agamemnon, bei der Beschrei-
bung der Aegis der Athene, zeichnet Thersites’ Gestalt Zug
für Zug; an die Stelle der seltenen kurz andeutenden Ver-
gleiche des ersten Gesanges tritt hier eine Ueberfülle der glän-
zendsten ausgeführten Gleichnisse.
Die kritische Behandlung des zweiten Gesanges, auf deren
Schwierigkeit schon die überaus reiche Literatur weist, hat kaum
eine geringere Bedeutung für die homerische Frage, als die des
eısten. Da der zweite Gesang die Grundlage für die Handlung
der folgenden Gesänge bis zum siebenten inclusive bildet, so
sind auch diese in das Bereich der Untersuchung mit hinein-
zuziehen. Ehe wir aber diesen weitreichenden Fragen näher
treten, bedarf es zunächst einer kritischen Prüfung des Gesanges
selbst nach dem innern Zusammenhang seiner Theile und der Ent-
wicklung der Handlung.
Hier zeigt sich nun die entgegengesetzte Erscheinung von der
bei der Kritik des ersten Gesanges beobachteten: dort einzelne
Widersprüche und Incongruenzen in Nebenpunkten der Erzählung,
dagegen eine tadellose Motivierung und harmonische Entwicklung
der Handlung, hier mannigfache Bedenken gegen die Eıfindung,
die Motivierung, den innern Zusammenhang.
Die Hauptbedenken, welche sich gegen den inneren Zu-
sammenhang des Gesanges erheben, sind die folgenden. Zunächst
die, welche sich an das Verfahren des Zeus knüpfen. Um Achill
durch eine empfindliche Niederlage der Achaeer die verheissene
Genugthuung zu verschaffen, will Zeus eine grosse Schlacht herbei-
führen. Zu diesem Zweck sendet derselbe einerseits zu Agamem-
non den Traum, der ihn mit falscher Siegeshoffnung erfüllen und
zur Aufnahme des Kampfes veranlasssen soll, andrerseits zu
Priamos die Iris, welche durch die Meldung vom Anmarsch des
achaeischen Heeres die Troer zum Auszug bewegt. Von diesen
beiden Massregeln befremdet sofort die zweite durch die Art der
Ausführung in Vergleich zu Zeus’ Absicht: hat die Sendung der
Iris nur Sinn, wenn sie den Kampfmuth der Troer entflammen
soll, so ist doch die fast erschreckende Ankündigung eines hart-
näckigen Kampfes und das Staunen über die zahllose Menge des
Anhang zu Ameis, Homers Ilias I. 6
—_ 2 —
achaeischen Heeres in Iris’ Munde 796—801, welche 787 mit
Recht; als eine ἀλεγεινὴ ἀγγελίη bezeichnet wird, wahrlich nicht
geeignet, diesem Zweck zu dienen. Wie viel näher lag es durch
Iris den Troern die Nachricht von Achills Groll und Unthätigkeit
zukommen zu lassen, ein Motiv, welches durch Nestors Klage
4A 255 ff. bereits vorbereitet war, welches in Wirklichkeit aber
erst 4 512 verwendet wird. Ja neben diesem so naheliegenden
und so wirksamen Motive kann auch das Motiv des Traumes be-
fremden, zumal da schwer zu begreifen ist, dass Agamemnon sich
gerade jetzt so trügerischen Hoffnungen hingeben kann, wo der
Hauptheld sich des Kampfes enthält (G. Hermann, Schoemann.).
Indes lässt sich hier anknüpfen an die stolze Sicherheit, mit der
Agamemnon im Streit mit Achill im Bewusstsein seiner Stellung
und im Vertrauen auf Zeus’ Gunst die Drohung desselben heim-
zukehren zurückgewiesen (4 173 #.), um es begreiflich zu finden,
dass in Agamemnons Seele wohl der Gedanke Raum finden konnte,
auch ohne Achill zu siegen; innere Regungen aber gestalten sich,
wie Baeumlein bemerkt, auch sonst bei Homer zu gottgesendeten
Träumen. Begreiflich daher auch, dass dem Dichter die Täuschung
Agamemnons, der dort gerade sein unbedingtes Vertrauen in Zeus’
Gunst ausgesprochen hatte, die geeignetste Einleitung zu der tief-
sten Demüthigung desselben erscheinen mochte, ohne dass wir der
von Jacob gegebenen Erklärung bedürfen, dass so den Agamem-
non die Strafe seiner übermüthigen Beleidigung des Achill noch
stärker treffe, wenn nun wieder durch den Beschluss der Schlacht
er und kein anderer diese grosse Noth über das Heer brachte.
Obne Anstoss ist dabei nach der allgemeinen Auffassung der
Götter der von Zeus geübte Betrug. Im weiteren Verlauf der
Erzählung greift Zeus nur noch einmal ein, indem die hervor-
ragende glänzende Erscheinung des Agamemnon unter den Fürsten
und vor allem Volk der Einwirkung desselben zugeschrieben wird,
477—483: man kann fragen, wie diese Auszeichnung des Aga-
memnon mit Zeus’ Absicht vereinbar sei. Andrerseits hat man
die Passivität des Gottes gegenüber den seine Absichten durch-
kreuzenden Schritten Agamemnons und deren Wirkungen befrem-
dend gefunden. (Koechly.) Zeus thut nichts, um der durch
Agamemnons verstellte Rede herbeigeführten Flucht Einhalt zu
thun, er überlässt es Here und Athene einzugreifen. Man hat
dagegen geltend gemacht, dass Here und Athene ihrerseits alles
Interesse dabei hatten, die Flucht zu vereiteln, welche überdies
ὑπέρμορα geschehen sein würde (155), und Zeus dies vorhersehen
musste. (Genz.)
Eine weitere Frage ist, wie das im Eingang eingeführte
Motiv des Traumes im Verlauf des Gesanges wirkt und wie
namentlich Agamemnon sich demselben gegenüber verhält. Die
nächste Wirkung desselben ist, dass Agamemnon die feste Zuver-
-- 85 —
sieht gewinnt noch an demselben Tage Troja einzunehmen (36 f.).
Von V. 83 an dagegen, sagt man, verschwinde dasselbe spurlos
aus der Erzählung. Nicht ganz mit Recht: zwar wird der Traum
direct nicht weiter erwähnt, aber der Ton stolzer Siegeshoffnung,
den Agamemnon in dem Gebet an Zeus vor Aufnahme des Kampfes
412 ff. anstimmt, erweist sich doch wohl als Wirkung des Trau-
mes, und auch die entschiedene Sprache in dem vorhergehenden
Heeresbefehl 385—387 kann darauf zurückgeführt werden, wenn
auch die Befestigung seiner Stellung durch den glücklichen Aus-
gang der Agora daran ihren Antheil haben mag. Auch die Aeusse-
rung Nestors bald darauf ἔργον, ὃ δὴ ϑεὸς ἐγγυαλίξει 436, ist
ohne Zweifel auf die durch den Traum gegebene Veranlassung
zur Aufnahme des Kampfes zu beziehen. Aber abgesehen von
diesen Nachwirkungen ist nach der Boule der Geronten (83)
allerdings vom Traume nicht mehr die Rede. Odysseus so wenig,
als Nestor knüpfen an die siegesverheissenden Vorzeichen, an
welche sie erinnern, die Mittheilung des Traumes, der die un-
mittelbar bevorstehende Verwirklichung jener Verheissungen in
Aussicht stellt, und lassen sich so ein bedeutsames Moment ent-
gehen, die Hoffnungen des Heeres neu zu beleben, und Agamem-
non selbst denkt nicht daran, im Anschluss an jene Erinnerungen
dem Heer den Traum mitzutheilen. Es mag sein, dass jene bei-
den Fürsten, wie wenigstens Nestor in der Boule hatte durch-
blicken lassen, nach der Ansicht des Dichters wenig Vertrauen zu
dem Traume haben konnten (womit freilich wieder Nestors Aeusse-
rung 436 im Widerspruch steht) und auch bei dem Heere von
der Mittheilung desselben sich eine geringe Wirkung verprachen;
aber ganz unbegreiflich ist es, dass Agamemnon, der auf den
Traum sein ganzes Vertrauen setzt, vor dem Volk davon nicht
nur nichts erwähnt, sondern 371—374 und noch mehr 379. 380
Aeusserungen thut, welche dem völlig widersprechen, indem er
die Eroberung Troja’s zuerst von dem guten Rath von Männern,
wie Nestor, sodann von einer Aussöhnung mit Achill abhängig
denkt. Aber fast ebenso unbegreiflich, wie das Ignorieren des
Traumes in der Versammlung, ist das ganze vorhergehende Ver-
halten Agamemnons dem Traum gegenüber. Gegen des Gottes
Geheiss (πανσυδίῃ ϑωρῆξαι 29) und trotz des unbedingten Ver-
trauens auf den Traum beschliesst Agamemnon vor Aufnahme des
Kampfes die Stimmung des Heeres zu erproben — ein so über-
raschendes und, wie der Erfolg zeigt, gefährliches Experiment,
dass man billiger Weise eine nühere Motivierung desselben er-
warten darf. Eine solche soll nun offenbar die Boule der Geronten
geben und das Ueberraschende seines Benehmens in der Agora
mildern, aber diese Boule stellt uns nur von neuem vor eine
Reihe schwer zu beantwortender Fragen und Zweifel. Zunächst
sachlich. Zwar die dritte wörtliche Wiederholung des Traumes,
6*
_- 4 —
welche Lachmann unerträglich fand, ist das geringste Bedenken;
dass Agamemnon aber auch hier den Plan der Versuchung des
Heeres nicht weiter motiviert als durch das kaum verständliche
ἣ ϑέμις ἐστίν, ist zumal bei der auch in den Reden des Buches
herrschenden Breite im hohen Masse befremdend; noch befremd-
licher aber des redseligen Nestors Wortkargheit.*) Ist diese die
Folge einer Verstimmung gegen den Oberfeldhermn in Folge der
Missachtung des beim Streit mit Achill gegebenen Rathes, oder
ist dieselbe, wie nach den Worten näher liegt, der Ausdruck
einer ironischen Behandlung der in dem Traum gegebenen Ver-
heissung, zu dem er gerade in der damaligen Situation, wo Achill
fehlt, kein Vertrauen fassen kann? Dann ist damit wieder des-
selben Nestors Aeusserung 436 unvereinbar, wo er vertrauensvoll
von dem ἔργον redet, ὃ δὴ ϑεὸς ἐγγυαλίξει. Schwerlich kann die
Erklärung Baeumleins befriedigen, wenn er sagt: “Die Kürze,
mit der er den Zweifel nur andeutet, lässt uns eine Reihe von
Gedanken ahnen, die er zurückdrängt. Wie Nestor in sich selber
das Bedenken überwindet, zeigt uns das ἀλλ᾽ ἄγετ᾽. Sehen wir
auch von der Seltsamkeit des Gedankens ab, mit dem er seinem
Zweifel Ausdruck giebt, so bleibt doch vor Allem das Bedenken:
wie kommt es, dass Nestor kein Wort von der Absicht des Aga-
memnon, das Heer zu versuchen, sagt? Dazu kommen folgende
Bedenken hinsichtlich der Darstellung. Kontrastiert schon die
Kürze der ganzen Verhandlung mit der sonst herrschenden Breite
der Darstellung, so vermisst man insbesondere auch die Kunst,
welche der erste Gesang in der parallelen Darstellung gleichzeiti-
ger Handlungen zeigt. Die Boule ist eingeschoben zwischen die
Berufung des Heeres zur Versammlung und das Zusammenkommen
desselben. V. 52 heisst es τοὶ δ᾽ ἠγείροντο μάλ᾽ ὦκα, diese Be-
merkung wird 86 aufgenommen in den Worten ἐπεσσεύοντο δὲ
λαοί, dann aber folgt 87 ff. ein ausführliches Gleichniss, welches
zurückgreifend das Hervorströmen der Menge aus den Zelten schil-
dert, und erst 94 wird mit οἵ δ᾽ ἀγέροντο der Abschluss der gan-
zen Bewegung berichtet. Weniger bedeuten die von Haupt geltend
gemachten sprachlichen Bedenken, dagegen muss man Lachmann
zugeben, dass der Anschluss des nachträglichen τοὺς ὅ γε συγκαλέσας
55 unbeholfen ist. Noch ein Anstoss bleibt am Schluss der Boule.
Nach seiner Erwiederung, heisst es, “machte Nestor den Anfang
aus der Boule fortzugehen, die andern erhoben sich nach ihm und
gehorchten dem Hirten der Völker, die sceptertragenden Könige’.
Zunächst erwartet man die Schliessung der Sitzung vom Ober-
könig; nachdem hier aber von Nestor berichtet ist, dass er zuerst
aufgebrochen, befremden die Worte πείϑοντό re ποιμένι λαῶν
*) Dass Nestor überhaupt spricht, ist schon dadurch motiviert,
dass das Traumbild seine Gestalt hatte.
-- BB —
ebenso sehr wenn sie, was wegen πείϑοντο am natürlichsten ist,
auf Agamemnon bezogen werden, da vorher von Nestor die Rede
war, als wenn man sie auf Nestor bezieht, da dann πείϑοντο
keine rechte Beziehung hat. Viel natürlicher und ohne Anstoss
wäre der Zusammenhang, wenn V. 84 von Agamemnon gesagt
wäre, mithin unmittelbar im Anschluss an 76, wonach die ganze
Erwiederung Nestors als späterer Einschub erscheinen könnte. —
Yu diesen Bedenken gegen die Boule an sich kommen andere,
wenn man den Verlauf der Agora und die Haltung der Fürsten
in derselben damit vergleicht. “Wenn die Führer des obersten
Feldherrn Absicht wussten”, sagt Lachmann, ‘so brauchten Here
und Athene sich nicht zu bemühen.” Man hat dagegen eingewandt,
es sei selbstverständlich, dass die Fürsten durch den leidenschaft-
lichen stürmischen Aufbruch der Versammlung betäubt und wie
gelähmt, nicht die Möglichkeit hatten, dem Heer entgegenzutreten:
dass andrerseits aber dieselben in Agamemnons Plan eingeweiht
sein mussten, weil sie sonst nicht gewusst hätten, was sie nach dem
Misslingen desselben zu thun hatten. Allein man darf es immer-
hin auffallend finden, dass ein so wichtiges Moment der Erzählung,
wie jenes, mit Stillschweigen übergangen ist; und was den zweiten
Punkt betrifft, so lässt die Darstellung auch die Auffassung zu,
dass Odysseus in der 'That erst von Athene belehrt wurde, was
er zu thun hatte (179—181); keiner der anderen Fürsten ferner,
welche der Boule beigewohnt hatten, unterstützt Odysseus in
seinen Bemühungen der Flucht Einhalt zu thun, Odysseus selbst
erinnert keinen von ihnen am die dort getroffene Abrede, denn
192. 193 setzen nicht nothwendig die βουλή voraus, da πειρᾶται
als eigne Vermuthung des Odysseus oder als augenblicklicher für
seinen Zweck brauchbarer Einfall desselben denkbar ist. Jeden-
falls macht die Darstellung von 155 an mehr den Eindruck, als
ob lediglich Athene’s Einschreiten das entscheidende Moment sei,
und der von Lachmann und andern gegen V. 143 und 194, in
welchen auf die βουλή Bezug genommen wird, ausgesprochene Ver-
dacht einer nachträglichen Einfügung ist bei den zahlreichen Be-
denken gegen die βουλή selbst gewiss nicht unbegründet; die
Verse lassen sich ohne Störung des Zusammenhanges ausscheiden.
Finden wir demnach das Ueberraschende in Agamemnons
Verfahren durch die Boule keineswegs gemildert, ja eher noch
gesteigert, so stehen wir von neuem vor der Frage nach der
Motivierung dieses Verfahrens. Der Gedanke der πεῖρα setzt offen-
bar einen Zweifel in die Stimmung des Heeres voraus, einen
Zweifel, ob das Heer zu dem durch den Traum geheissenen
grossen, entscheidenden Kampfe bereit sein werde. Ist nun ein
solcher Zweifel durch die vorhergehenden Ereignisse genügend
vorbereitet? Die vorausgesetzte Unlust zum Kampf kann ver-
anlasst sein theils durch vorhergehende unglückliche Kämpfe, theils
86 —
durch Abneigung gegen den Oberfeldherrn. Dass seit dem Streit
zwischen Agamemnon und Achill überhaupt Kämpfe stattgefunden
haben, lässt sich aus 4 491—492 erschliessen, aber nicht mehr;
auf unglückliche Kämpfe könnten innerhalb des zweiten Gesanges
V. 115 ἐπεὶ πολὺν ὥλεσα λαόν, und 291 weisen, aber jene Aeusse-
rung wird, wie V. 177, auf das Resultat des ganzen Krieges
gehen, wie die Rede Agamemnons ja überhaupt die bisherige Er-
folglosigkeit des Kampfes ganz allgemein hervorhebt, und ebenso
wenig ist 291, dessen Erklärung überdies zweifelhaft bleibt, in
seiner Allgemeinheit beweisen. Mit mehr Sicherheit lässt sich
auf den Eintritt einer Verstimmung des Heeres gegen den Ober-
feldherrn schliessen. Die Verschuldung der Pest durch die gegen
die Meinung des Heeres (A 22) erfolgte Zurückweisung des
Chryses und die von Nestor vergebens widerrathene Beschimpfung
Achills, in Folge deren dieser Hort der Achaeer sich grollend
vom Kampf zurückzog, mussten das Heer ohne Zweifel dem Ober-
feldherrn entfremden, wie sich auch aus dem Verhalten der zur
Abholung der Briseis gesandten Herolde (A 327. 331) vermuthen
lässt; aber deutlichere Hinweisungen darauf fehlen, auch im zwei-
ten Gesange abgesehen von Thersites’ Rede; V. 222 f. scheinen in
Bezug auf die Täuschung des Heeres durch Agamemnons Rede
zu stehen. Aber auch wenn der Hinweis darauf, dass Achills
Unthätigkeit dem Heer bereits in schmerzlicher Weise durch un-
glückliche Kämpfe fühlbar geworden, nicht fehlte und bestimmtere
Hinweisungen auf die Verstimmung des Heeres gegen Agamemnon
vorligen, würden diese nicht genügen, Agamemnons Plan der
Versuchung des Heeres zu motivieren. Haben wir das Motiv des
Traumes richtig angeknüpft an die im ersten Gesange dargestellte
Stimmung Agamemnons, wo er Achills Drohung heimzukehren mit
dem stolzen Hinweis auf seine Stellung und auf Zeus’ Gunst be-
gegnet und Nestors Mahnung, zu bedenken, dass Achill der Hort
des Heeres sei, missachtet, und entspricht dem die nächste Wir-
kung des Traumes, dass er zuversichtlich auch ohne Achill die
Einnahme Troja’s noch an demselben Tage hofft, so bleibt zwischen
dieser Stimmung und dem Gedanken der Versuchung eine nicht
zu beseitigende Differenz. Auch die von Baeumlein versuchte
Erklärung kann nicht darüber hinwegführen, wenn er annimmt,
nach der Vorstellung des Dichters sei Agamemnons Verstand seit
dem Streit mit Achill verblendet zu denken, wie er denn selbst
mit unwillkürlicher Selbstironie V. 111 seine Bethörung durch
Zeus bekenne. Man hat dagegen mit Recht eingewandt, dass
dann doch seine Bethörung dem Zweck des Zeus entsprechen
müsse, d. i. nur in der festen Ueberzeugung bestehen könne, er
werde noch an demselben Tage Troja einnehmen. Ein anderer
Erklärungsversuch (unter Verwerfung der βουλή) von Gerlach,
wonach Agamemnon nicht sowohl Muthlosigkeit beim Heer, als
-- 81 —
bösen Willen und Unbotmässigkeit bei den Fürsten voraussetzend,
sich an das Volk wende und dieses zu gewinnen suche, damit
die Fürsten auch wider ihren Willen in den Kampf mit fort-
gerissen würden, ist als aus der Ilias unerweisbar und die Ver-
suchung des Heeres überdies nicht motivierend von Susemihl
mit Recht zurückgewiesen. Sonach bleiben, scheint es, nur die
zwei Möglichkeiten, entweder mit Franke die Versuchung als
schon in der Sage einmal gegeben zu betrachten und damit auf
eine weitere Motivierung zu verzichten oder geradezu mit Hoff-
mann zu sagen: da nur unter der Voraussetzung, dass eine
längere Zeit nach dem Streite der Könige verflossen sei und die
Achaeer bereits unter den schmerzlichen Folgen von Achills
Unthätigkeit murren, missmüthig und unlustig zum Kampfe
seien, die Versuchung eine befriedigende Erklärung finde, so
könne der zweite Gesang nicht die unmittelbare Fortsetzung des
ersten sein.
Vielbestritten ist auch die Auffassung der versuchenden Rede
Agamemnons selbst. Koechly fand dieselbe nicht einmal von der
Art, dass sie die Auffassung eines μῦϑος κερδαλέος gestatte, viel-
mehr enthalte sie einerseits Theile, die nur mit einem ernstlich
gemeinten Vorschlag zur Flucht zu vereinigen seien (V. 111—115.
134— 141), andrerseits solche (V. 116—129), die nur in eine
direct zum Kampfe auffordernde Rede passten; auch setzten
die weiter folgenden Reden des Thersites, Odysseus, Nestor viel-
mehr eine Aufforderung des Agamemnon zum Kampf voraus.
Dass Agamemnons Rede sich wohl als verstellte rechtfertigen
lasse, ist von Franke genügend dargethan; die weiteren Bedenken
werden 'bei der Betrachtung der folgenden Reden zur Sprache
kommen.
Zunächst erfordert eine besondere Prüfung das gegenseitige
Verhältniss der Reden des Odysseus, Nestor und Agamemnon
(284—393), gegen welche nach verschiedenen Richtungen hin Be-
deriken erhoben sind. So glaubte Lachmann bei der Entfernung
der Rede des Odysseus des Beifalls feinerer Leser gewiss zu sein,
da diese lange, von keinem weiter beachtete Rede, die nicht ein-
mal auf die zur Flucht treibenden zurückkomme, einer vernünftigen
Oekonomie des epischen Gedichts widerstreite; Haupt und Curtius
finden den Dichter dieser Rede in seiner Erfindung durchaus von
Nestors Rede abhängig und erheben mancherlei sprachliche Be-
denken; andere sagen geradezu, dass Nestor ganz dasselbe, wie
Odysseus, in derselben Weise noch einmal sage. Koechly ferner
sieht einen wesentlichen Mangel darin, dass Odysseus das Volk
nicht vor Allem darüber belehre, dass Agamemnons Aufforderung
zur Flucht nur eine verstellte gewesen sei. Jacob dagegen
meint, dass es dem Odysseus, der das Heer zur Ruhe gebracht,
auch am natürlichsten zukomme, ihm zu sagen, weshalb es blei-
-- 88 --
ben und den Kampf fortsetzen müsse, da derselbe bisher ja noch
gar nicht seine eigene Ansicht ausgesprochen hatte, findet dagegen
Nestors Rede theils überflüssig, theils im Eingange nicht gehörig
vermittelt und unverständlich, und Agamemnons abschliessende
Worte der Situation wenig angemessen, in Gedanken und Aus-
druck mangelhaft. Nun ist gegen Lachmann von Genz im
Allgemeinen mit Recht eingewendet worden, dass Odysseus’ und
Nestors Rede keineswegs müssig seien, sondern es vielmehr grosser
Anstrengung bedürfe, das corrumpierte und feige Heer zu Zucht
und Mutb zurück zu bringen. Was aber die in diesen beiden
Reden behandelten Gedanken betrifft, so ist jedenfalls zu viel be-
hauptet, dass beide wesentlich nur dasselbe sagten. Es ist wahr,
dass wie Odysseus die Achaeer auf das dem Agamemnon gegebene
Versprechen verweist (286 f.), so Nestor (339 #.), dass der Vor-
wurf des Odysseus 289 dem des Nestor 337 f. sehr ähnlich lautet,
dass beide ein günstiges Vorzeichen vor oder bei der Abfahrt
nach Troja in Erinnerung bringen: aber abgesehen davon, dass
ausser diesen gemeinsamen Gedanken jede Rede ihre eigenthüm-
lichen hat, so macht es doch auch einen wesentlichen Unterschied
aus, wie die gemeinsamen Gedanken in beiden Reden verwendet
werden. Nun liegt in Odysseus Rede der Schwerpunkt offenbar
zunächst, in der Hervorhebung der Schmach, trotz der langen Ab-
wesenheit erfolglos heimzukehren, während die Sehnsucht nach
der Heimath bis zu einem gewissen Grade als berechtigt aner-
kannt wird, sodann in dem Nachweis, dass die Achaeer nach dem
vor der Abfahrt erhaltenen Götterzeichen jetzt vor der Erfüllung
der gegebenen Zusage (der Eroberung Troja's) stehen, und es kann
nach der oben gegebenen Analyse der Reden kein Zweifel sein,
dass Odysseus’ Rede durchaus auf die Agamemnons zurückweist,
an diese anknüpft, welche wesentlich auf das Ehrgefühl der
Achaeer berechnet, aber an dem erwachenden Heimweh geschei-
tert war und neben der bisherigen Erfolglosigkeit des Kampfes die
völlige Aussichtslosigkeit desselben betont hatte. Danach nimmt
der Vorhalt der dem Agamemnon gegebenen Zusage hier nur als
begründendes Moment eine untergeordnete Stelle ein, bereitet die
Erwähnung des Heimwehs, in seiner Berechtigung anerkannt, nur
den folgenden Gegensatz vor, während die ausführliche Darstellung
des Zeichens in Aulis einen Haupttheil des Ganzen ausmacht, in-
dem sie dem bedeutsamen Zweck dient, die Stimmung bei der
Abfahrt lebhaft zu vergegenwärtigen und dem Heere einen be-
schämenden Spiegel vorzuhalten.*) “Hatte Odysseus mit aller
Schonung das Heer zu überzeugen gesucht, dass es Ehrensache
sei zu bleiben, und die gesunkene Hoffnung wieder zu beleben,
Ἢ Anders urtheilen Koechly und Düntzer, welche 386-- 388 und
299-330 verwerfen.
89 —
so verfolgt dagegen Nestor die Aufgabe das Heer zum Gehorsam
gegen den Oberfeldherrn zurückzuführen und das gelockerte Ver-
hältniss zwischen beiden wieder fest zu knüpfen; daher der scharfe
und strenge Ton seiner Rede, der schroffe Tadel gegen die Ab-
trünnigen. Unter diesem Gesichtspunkt treten die schon in Odysseus’
Rede vorkommenden Gedanken hier in ein ganz anderes Licht: die
Vorwürfe des Vertragsbruchs und schlaffer feiger Unthätigkeit
(überdies etwas wesentlich Anderes als die weichliche Sehnsucht
nach der Heimath 289 f.), in einer heftigen leidenschaftlichen
Weise ausgesprochen, treten in den Vordergrund, während das
berichtete Zeichen bei der Hinfahrt nach Troja nur zur Begrün-
dung des Gedankens verwendet wird, dass es Thorheit sei nach
Hause zurückzukehren, und man darf wohl mit Susemihl sagen:
‘Wenn Odysseus zu Anfang seiner Rede einen Gedanken anregt,
den Nestor zu seinem Hauptgesichtspunkt macht und mit grösse-
rer Energie weiter verfolgt, und wenn umgekehrt letzterer zum
Schluss noch einmal wieder auf den Hauptgedanken des ersteren
zurückkommt und noch ein anderes Zeichen als Grund der Sieges-
hoffnung hinzufügt, so zeigt das nur, wie sehr der Dichter von
vornherein beide Reden auf einander berechnet hat.” Auf Grund
der durch diese beiden Reden gewandelten Stimmung kann Aga-
memnon dann in seiner Rede die Anordnungen zur Aufnahme des
Kampfes treffen und die etwa Abtrünnigen mit energischen Wor-
ten bedrohen.
Somit ergeben die drei Reden eine wohlberechnete Steigerung,
deren Fortschritt: psychologisch wohl begründet ist. Auch dass
Odysseus und Nestor nicht direct auf Agamemnons verstellte Rede
zurückkommen und über die eigentliche Absicht Agamemnons keine
nähere Aufklärung geben, kann nicht sehr befremden: “jene war
ein lächerlich missglückter Versuch, über den man am besten
schwieg’ (Genz); dass Odysseus an den Inhalt derselben ankntipft
und sie indireot widerlegt, ist oben gezeigt.
Gleichwohl bleiben bei der Betrachtung dieser Reden folgende
Bedenken. Es lässt sich nicht leugnen, dass das von Nestor er-
wähnte Zeichen, an Bedeutung dem von: Odysseus berichteten
wesentlich nachstehend, nach jenem nur von geringer Wirkung
sein kann. Dies würde freilich nach der obigen Ausführung an
sich nicht entscheidend sein, wenn nicht in dem Zusammenhange,
worin die Erzählung des Zeichens sich findet, noch ein anderer
Punkt auffallend wäre. Bei der Wiederaufnahme des Gedankens
von 348 f. in 354 f. verlässt die Rede den vorher eingeschlagenen
strafenden Ton, mit welchem sie sich speciell gegen die Ab-
trünnigen wandte, und stellt allgemein, ohne Beziehung auf jene,
die Befriedigung der ersehnten Rache an den Troern in Aussicht,
wobei der Ausdruck dieser Vergeltung eigenthümlich, zum Theil
ungeschickt und schwer verständlich ist; erst mit dem Gegensatz
—_— 90 —
357 kehrt die Rede zu dem vorhergehenden Ton und der Be-
ziehung auf die Abtrünnigen zurück. Bei diesen Unebenheiten der
Gedankenentwicklung ist es nicht unwahrscheinlich, dass wir in
350—356 einen späteren Zusatz zu erkennen haben, der die
ὑπόσχεσις des Zeus (349) näher erläutern sollte und dann weiter
zur Herstellung der unterbrochenen Gedankenverbindung die V. 354
—356 nach sich zog.*) Ein zweites Bedenken betrifft den Schluss
von Nestors Rede, den taktischen Rath 360—368. Es ist von
Koechly mit Recht bemerkt, dass dieser Rath nichts Anderes
enthält, als was nicht nur bei den Griechen, sondern bei allen
Völkern in den heroischen Zeiten allgemeine Sitte war; es hat
derselbe daher auch weiter keine Folgen.**) Vergleichen wir
aber den parallelen Rath, den Iris 802 f. dem Hektor ertheilt,
so ist es kaum zweifelhaft, dass beide nur dem Bemühen ihren
Ursprung verdanken, die Einfügung der Kataloge vorzubereiten
und zu vermitteln. Mit der Beseitigung der Schlussworte in
Nestors Rede fallen aber auch im Eingang der Rede Agamemnons
die Verse 371—380, welche schon oben p. 83 in anderm Zu-
sammenhange beanstandet werden mussten. Das in dem Wunsch
371 #. enthaltene überschwängliche Lob Nestors bezieht sich, wie
die Folgerung 373. 374 in ihrer Beziehung auf 367 f. erkennen
lässt, auf den taktischen Rath. Die folgenden Verse aber 375
-——380, welche schon an und für sich wegen des zu frühen Ge-
ständnisses der Reue Anstoss erregen, sind unvereinbar mit der
stolzen Hoffnung, noch an demselben Tage Tlios einzunehmen, die
der Traum in Agamemnon erweckt hat (37) und die er gleich
412 ff. in dem Gebet an Zeus so unzweideutig ausspricht. 377
—380 verwerfen auch Koechly und Düntzer; noch andere Be-
denken gegen den ersten Theil von Agamemnons Rede sind von
Vrzal und Kern ausgesprochen.
Auch die Thersitesscene ist beanstandet. Koechly findet es
auffällig, dass Thersites, der sich mit seinen Lästerreden doch
sonst gegen Achill und Odysseus zu wenden pflege (220 £.), nicht
auch hier Odysseus angreife, der gerade der Flucht Einhalt ge-
than, sondern Agamemnon, der sie empfohlen; wollte man auch
zugeben, dass er aus Odysseus’ Aeusserungen entnommen hätte,
dass dieser in Agamemnons Auftrage gehandelt habe, und letzterer
selbst nicht die Flucht wolle, so wäre doch zu erwarten, dass er
dem Agamemnon die Täuschung des Heeres vorhalte. Richtig
verstanden giebt der Dichter auf das angeregte Hauptbedenken
selbst die Antwort 222. 223: ist das τῷ mit Gerlach richtig
auf Agamemnon bezogen, so richtet Thersites seine Angriffe eben
Ἢ) Verpl. Beicker homer. Blätt, II p. 7 £, welcher 354-359 aus-
scheiden will.
**) Ebenso urtheilt auch Kiene, der freilich auch 337343 verwirft.
_ 91 --
auf diesen, weil er bei der Agamemnon ungünstigen Stimmung
des Heeres bei seinen Lästerreden gegen diesen des Beifalls der
Hörer gewiss ist. Ueberdies bot Odysseus’ Thätigkeit den ge-
ringsten Anlass zum Angriff, da dieser sich über die von Thersites
aufgenommene Frage der Heimkehr gar nicht direkt ausgesprochen,
sondern in seinen Ansprachen an die einzelnen Schreier nur
das eigenmächtige Vorgehen der Versammlung, ohne eine Be-
rathung der Fürsten abzuwarten, getadelt hatte. Dass dieser
in Agamemnons Sinne gehandelt, Agamemnon aber entweder seine
Ansicht geändert oder sich in seiner Rede verstellt hatte, war
ausser Anderem schon daraus zu schliessen, dass derselbe dem
Odysseus nicht entgegengetreten war. Eine Hinweisung darauf,
ein Vorwurf der Täuschung oder des Wankelmuthes gegen Aga-
memnon lässt sich nun in der Rede des Thersites allerdings er-
warten, und es ist nicht zu leugnen, dass die Rede in ihrem Ein-
gange etwas Unvermitteltes hat; aber vielleicht mochte es dem
Dichter im Munde eines Demagogen wirksamer erscheinen, wenn
derselbe sofort dazu schritt die Absichten des Agamemnon bei
der vorausgesetzten Fortführung des Kampfes zu verdächtigen, um
so die Aufforderung an das Volk auch gegen des Oberfeldherrn
Willen heimzukehren vorzubereiten. Damit traf er, wie Düntzer
bemerkt, die Stimmung des Volkes: “nicht die Täuschung ist es,
welche das Volk aufregt, sondern es empfindet es schmerzlich,
dass es noch länger von der. holden Rückkehr ins Vaterland,
welcher es sich noch eben so nahe gewähnt hat, zurückgehalten
werden soll.’ Wie wesentlich übrigens die Thersitesscene (nicht
Episode) für den weiteren Fortschritt der Handlung ist, hat Ger-
lach gezeigt, indem er bemerkt: ‘Indem Odysseus den Schwätzer
in seiner ganzen Erbärmlichkeit und Lächerlichkeit hinstellt, erregt
er die Heiterkeit der Achaeer, und damit ist Alles gewonnen.
Seine Rede und die darauf folgende des Nestor fallen jetzt auf
empfünglichen Boden, und nun kann Agamemnon — wieder als
Herrscher auftreten: „wen ich fern vom Kampfe erblicke, der soll
nimmer den Hunden und Raubthieren entfliehen“
Von der troischen Partie 786 fl. ist schon oben geredet,
zuletzt bei Gelegenheit des taktischen Rathes des Nestor, dem
hier der von Iris an Hektor ertheilte entspricht: beide schienen
nur gedichtet, um die Einfügung der folgenden Kataloge vorzu-
bereiten. Ebenso ist früher ausgeführt, dass die Sendung der
Iris überhaupt in der Weise, wie sie hier ausgeführt ist, mit der
dabei. vorauszusetzenden Absicht des Zeus unvereinbar ist. Auch
ist getadelt worden, dass Iris in der Gestalt des Priamiden Polites,
aber nicht in dessen Sinn und Charakter spreche. Die Schilde-
rung der Rüstung und Ordnung des troischen Heeres endlich
sticht in ihrer Dürftigkeit gar zu sehr von der entsprechenden
Darstellung auf achaeischer Seite ab. Danach hat Lachmann
12 --
und mit ihm eine Reihe namhafter Kritiker diese Partie ver-
dächtigt.
Wir schliessen damit die Betrachtung des innern Zusammen-
hanges des Gesanges. Abgesehen von Störungen und Incongruenzen
im Einzelnen, die sich durch Annahme von Interpolationen be-
seitigen lassen, betreffen die Hauptanstösse die innere Motivierung
des Fortschritts der Handlung. Es scheinen mehrfach Zwischen-
glieder zu fehlen, welche für eine klare Entwicklung unentbehrlich
sind und deren Mangel um so auffallender ist, als die Darstellung
im Ganzen keineswegs knapp und gedrungen ist: theils kommen
die die handelnden Personen bestimmenden Gedanken und Ab-
siehten nicht zum klaren Ausdruck, theils macht die Erzählung
Voraussetzungen, deren Berechtigung nicht sofort einleuchtet. Daher
vielfach der Eindruck des Unvermittelten, Ueberraschenden, worin
Lachmann den Charakter alterthümlicher Darstellung begründet
fand. Andrerseits treten Motive, die der Dichter eingeführt, im
Verlauf der Erzählung so in den Hintergrund, dass es scheint,
als ob der Dichter sie ganz vergessen habe: so der Traum, der
im ganzen Verlauf der Verhandlungen der Agora nirgend erwähnt
wird und erst wieder in der Schlussrede Agamemnons und weiter-
hin in dem Gebet desselben (412 ff.) und in Nestors Worten 436
Spuren seiner Wirkung zeigt.
Sehr bestritten und höchst schwierig ist die Frage nach den
Beziehungen des zweiten Gesanges. auf den ersten. Lachmann
und seine Anhänger finden dieselben so schwach, dass der Inhalt
des ersten Gesanges dem Dichter des zweiten nicht sehr lebendig
vorzuschweben scheine. Anderen scheinen dieselben mindestens
ausreichend, um die Abhängigkeit des zweiten Gesanges vom ersten
mit Sicherheit voraussetzen zu dürfen; andere endlich finden sie
so unzweideutig und vollständig, dass an der Identität des Dichters
beider nicht zu zweifeln sei.
Dass im Allgemeinen die durch die Handlung des ersten Ge-
sanges entwickelte Situation im zweiten vorausgesetzt wird, ist
allgemein zugegeben. Sehen wir vom Schiffskatalog ab, so wird
auch sonst Achills Groll und Abwesenheit vorausgesetzt. Auch
entspricht der Gedanke das Heer durch den Vorschlag der Flucht
zu versuchen, im Ganzen wohl einer Stimmung, wie sie unter dem
Eindruck des unseligen Streites mit Achill, dessen Folgen sich
fühlbar zu machen anfingen, natürlich scheint. Aber es fehlt auch
nicht an direeten Beziehungen auf das erste Buch. Freilich kann
als solche nicht anerkannt werden die Klage Agamemnons über die
Ate, in welche ihn Zeus verstrickt habe (111), welche Manche darauf
deuten wollen, dass er sich bethören liess Chryses und Achill zu
beleidigen; ebensowenig enthalten 346 f. eine solche, da die dort
erwähnten Abtrünnigen mit Sicherheit auf Thersites und die ihm
folgen möchten, zu deuten sind, nicht etwa auf Achill und Patro-
-- 95. --
klos. Dagegen erscheint die Einleitung der Handlung des zweiten
Gesanges durch Zeus ohne Zweifel als die unmittelbare Folge des
dort gefassten Rathschlusses (3 f.), Thersites spielt in seiner Rede
unzweideutig auf die Zurückhaltung der Chryseis an 232 f. (der Aus-
druck κατίσχεαι macht diese Beziehung am Wahrscheinlichsten), er-
wähnt bestimmt die Wegnahme der Briseis 240, wie diese Rede
überhaupt als karrikierte Nachahmung der von Achill im Streit
gegen Agamemnon geführten Reden direct auf den ersten Gesang
zurückweist. Endlich gedenkt Agamemnon selbst 375 ff. seines
Streites mit Achill.
Allein gegen die Sicherheit dieser Beziehungen sind zum Theil
gewichtige Bedenken geltend gemächt. Zwar dass, wie Haupt
will, V. 4 nicht auf das erste Lied anspiele, sondern nur auf Be-
gebenheiten, die dieses Lied und gewiss auch andere erzählten,
ist bei der wörtlichen Uebereinstimmung mit A 559 schwer glaub-
lich”*) Dagegen ist die Ursprünglichkeit der Verse 239—242 mit
guten Gründen bestritten: Naeke, Köchly, Düntzer, Suse-
mihl, Franke u. a. haben sie als den Zusammenhang störend
verworfen und namentlich ist der Anstoss bedeutsam, den der aus
Achills Rede A 232 übertragene Vers 242 bietet, indem vöv und
der Optativ von dem zwölf Tage vorher stattgefundenen Streite
schwerlich richtig gebraucht werden kann. Die Bedenken ferner,
welche von zwei Seiten her bei 371—380 zusammentreffen, sind
oben p. 83. 90 erwähnt: 377 f. sind auch von Köchly, Bern-
hardy, Franke verworfen, 375—380 von Düntzer. Andrer-
seits glaubt man unter der Annahme einer ursprünglichen Zu-
sammengehörigkeit beider Gesänge Beziehungen erwarten zu dürfen,
wo sie fehlen. “Nichts von der Pest’, sagt Lachmann, und Haupt
fügt speciell in Bezug auf die Rede des Thersites hinzu: ‘die
Schmähsucht desselben hätte gerade daran den erwünschtesten
Anlass zu Vorwürfen gegen Agamemnon gehabt.’ Wie aber, wenn
eine Beziehung darauf in Thersites Rede doch wirklich vorhanden
wäre? Haben wir 233 κατίσχεαι richtig auf die Zurückhaltung
der Chryseis bezogen (vgl. auch A 113 οἴκοι ἔχειν), so zwingt
fast der Zusammenhang dazu in dem folgenden κακῶν ἐπιβασκέμεν
eine Anspielung auf die durch jene herbeigeführte Pest zu sehen.
Aber wenn auch diese Auffassung unbegründet wäre, es lässt sich
jedenfalls nicht die Nothwendigkeit erweisen, dass ein Motiv, wel-
ches zu Anfang eingeführt war, um ‘die Entwieklung der Begeben-
heiten in Fluss zu bringen’, nachdem es diese Aufgabe erfüllt,
hätte wieder aufgenommen werden müssen. Hienach bleiben als
unbestrittene directe Hinweisungen auf den ersten Gesang nur die
*) Es handelt sich hier, sagt Baeumlein, um ein Motiv der den
grössten Theil unserer Ilias füllenden Begebenheiten, welches man der
Sage nicht zuschreiben kann.
_- 4 —
Anknüpfung der Action an die βουλὴ Διός V. 4 und die Rede
des Thersites mit ihren unverkennbaren Anspielungen auf die
Zurückhaltung der Chryseis und die Wegnahme der Briseis — Be-
ziehungen, welche bei den mannigfachen Bedenken gegen den Fort-
schritt der Handlung an sich nicht stark genug sind, um eine
direete Entwicklung des einen Gesanges aus dem andern und einen
genügenden ursichlichen Zusammenhang beider zu erweisen. Wäre
die 377 f. sich findende Beziehung auf den Streit mit Achill ur-
sprünglich, so würde, wie Susemihl bemerkt, die Handlung sich
nicht einmal der Zeit nach unmittelbar an die im ersten Buch
dargestellte anschliessen, sondern in eine spätere Zeit fallen, in
welcher sich jener Rathschluss des Zeus bereits durch schwere
Niederlagen der Achaeer fühlbar gemacht hatte.
Dass Rückbeziehungen auf den zweiten Gesang im Verlauf
der weiteren Erzählung fehlen (so auf den Traum, über dessen
Trüglichkeit allerdings Agamemnon wohl mehrfach Anlass gehabt
hätte zu klagen), könnte nach dem Inhalt unseres Gesanges, der
nur die Einleitung zu einer umfassenden Action enthält, weniger
befremden, wenn die weitere Entwicklung der Handlung, deren
Abschluss erst im 7ten Gesange erfolgt, in einem innen orga-
nischen Zusammenhange mit dieser einleitenden Handlung des
zweiten Gesanges stände. Nun folgt aber zunächst im dritten
Gesange statt der nach Zeus’ Rathschluss zu erwartenden Schlacht,
in der Achills Abwesenheit den Achaeern fühlbar ‘werden sollte,
der Zweikampf zwischen Paris und Menelaos zum Zweck der Bei-
legung des ganzen Krieges, der doch weit davon entfernt ist dem
Achill die verheissene Genugthuung zu verschaflen. Erst nach
einer Berathung der Götter über die Fortsetzung des Krieges zu
Anfang des vierten Gesanges, deren Resultat ist, dass Zeus der
Here die Zerstörung Troja’s nachgiebt und Athene auf das Schlacht-
feld herabsendet, um die Troer zum Vertragsbruch und zu der
Wiederaufnahme des Kampfes zu bestimmen, beginnt die erwartete
Schlacht. Der Verlauf derselben entspricht aber auch nicht der
nach der Sendung des Traumes bei Zeus vorauszusetzenden Ab-
sicht: zwei Mal sind die Achaeer den Troern entschieden über-
legen, das zweite Mal (Z 73 8.) bis zu dem Masse, dass die Troer
in der grössten Gefahr schweben in die Mauern der Stadt zurück-
geworfen zu werden. Endlich stellt Hektor den Kampf her, und
es tritt eine Wendung zu Gunsten der Troer ein, aber die Schlacht
läuft alsbald in einen neuen durch Athene herbeigeführten Zwei-
kampf zwischen Hektor und Aias aus, der, nur um den Preis der
Tapferkeit geführt, unentschieden bleibt. Wie so der als οὖλος
angekündigte Traum (B 4) sich als solcher erwiesen, ist nicht zu
sehen. Es scheint vielmehr, dass Zeus trotz der Sendung des
Traumes das der Thetis gegebene Versprechen ganz aus den Augen
verloren hat; er hindert die griechenfreundlichen Götter nicht zu
-- οἢ —
Gunsten der Achaeer einzugreifen, thut nichts seine Absicht durch-
zusetzen, Apollon ist es hier vielmehr, der den Troern die Ab-
wesenheit Achills verkündigt, um sie zu ermuthigen, 4 512; die
Achaeer erleiden keine entschiedene Niederlage, die dem Achill
die verheissene Genugthuung gewähren könnte; der weiter folgende
Mauerbau endlich, der wenigstens als Beweis einer grossen Nieder-
geschlagenheit der Achaeer gelten könnte, leidet an so vielen und
gewichtigen Bedenken (siehe die Einleitung zu H), dass er nicht
für ursprünglich gelten kann. Kurz es bedarf sehr künstlicher
Kombinationen um den Gang der Ereignisse in Buch II—VII als
organische Entwicklung aus den im II. Buch gegebenen Momenten
zu rechtfertigen. Es wird hier überall zwar Achills Zorn, aber
nicht Thetis’ Bitte und Zeus’ Versprechen vorausgesetzt (Fried-
laender). Die ganze Folge der Begebenheiten ‘zeigt eine retar-
dierende Tendenz; sie durchkreuzen die Haupthandlung geradezu
und halten sie auf.” (Hoffmann).
Die kritische Behandlung der angedeuteten Schwierigkeiten
hat nun zu sehr verschiedenen Resultaten geführt, welche eine
merkwürdige Stufenfolge vom zähesten Festhalten an dem einmal
gegebenen Zusammenhange bis zur verwegensten Auflösung des-
selben zeigen. Fast unberührt davon bleiben die unbedingten Ver-
treter der Einheit: durchaus Kiene, welcher den Inhalt des zweiten
Gesanges (Buch II—VII) mit den Worten bezeichnet: ‘Der ver-
misste Achilleus. Das durch die Entfernung des Achilleus ver-
änderte Machtverhältniss zwischen Troern und Achaeern.’, und
über die Entwicklung der Handlung bemerkt: ‘Dem Agamemnon,
der im Gefühle seiner Schuld den Achaeern misstrauend alle Zu-
versicht verloren hat, wird stufenweise durch den Traum die Hofl-
nung auf die Eroberung der Stadt, durch den Vertragsbruch die
Zuversicht auf Beendigung des Kriegs auch ohne Achilleus zurück-
gegeben, etc.” und ‘den widerstrebenden Göttern wird Zeit gewährt
den Groll wegen der vom Zeus der Thetis gewährten Zusage ab-
zukühlen.” ᾿
Nach Naegelsbach wird in den Ereignissen des zweiten
Buches das Verhältniss des Heeres zu den Fürsten und über-
haupt zum Krieg klar, während sich im ersten Buche mit der
Grundlage des Ganzen erstlich die Stellung der Fürsten zu ein-
ander, sodann Zeus’ Stellung zu den Fürsten fixiert. Durch das
Missglücken der Versuchung des Heeres erreicht der Dichter einer-
seits den Ueberdruss des Heeres am Kriege, andrerseits aber den
selbst der Meuterei gewachsenen Einfluss der Fürsten und ihre
Beharrlichkeit, sowie in Odysseus’ und Nestors Reden theils den
‘Trost und die Hoffnung, theils die den ganzen Krieg bedingenden
Verpflichtungen des Heeres uns lebhaft vor Augen zu stellen.
Auch Nitzsch weist den Gesängen II—VII die Aufgabe der Ex-
position im weiteren Umfange zu und motiviert die darin enthaltene
-- 96 —
Retardation durch die Rücksicht auf den Stand der Sage und auf
die Befriedigung des nationalen Glaubens und Bewusstseins sowohl
von dem Olympischen Regiment mit seinem Verhältniss des höch-
sten Zeus zu dem Parteisinn der Schutzgötter, als von dem Sagen-
ruhm der andern ersten Helden nach Achill.
Nach Genz hatte der erste Haupttheil in B—H schon im
Mythos diesen Platz, wie Achills Abwesenheit vom Kampf beweise,
und fand ihn mit Recht im homerischen Plan, motiviert: 1) äusser-
lich in der Absicht des Dichters seiner Haupthandlung den weiten
Hintergrund des ganzen Krieges zu geben, 2) innerlich im Plan
der Dichtung und in der βουλὴ Διός selbst, indem hier zuerst der
Krieg jenen grossartigen Charakter gewinnen soll, den die folgen-
den tragischen Ereignisse voraussetzen, indem ferner Göttern und
Menschen bewiesen werden soll, dass beide Völker, auch mit Hülfe
ihrer Schutzgötter nichts vermögen, so lange Achilleus am Kampfe
nicht theilnimmt und Zeus nicht eingreift. Nach Bergk gehört
nur die erste Hälfte des Gesanges der alten Ilias an, aber auch
diese ist nicht unversehrt überliefert: namentlich ist die ganze
Partie, worin die Verhandlungen des Kriegsraths offenbar ziemlich
ausführlich geschildert waren, frühzeitig in Folge nachlässiger
Ueberlieferung ausgefallen und durch einen jüngern Rhapsoden
mit seinen unzulänglichen Mitteln diese Lücke ausgefüllt.
Schon C. O. Müller zweifelte, indem er im zweiten Gesange
‘Stoff für eine ganze mythische Komödie’ fand und den launigen
'Ton der Darstellung hervorhob, dass derselbe zu dem ursprüng-
lichen Plan der Ilias gehöre. Auf Grund des oben beleuchteten Miss-
verhältnisses der Gesänge II— VII zu dem im ersten gegebenen Grund-
motiv der epischen Handlung (der Bitte der Thetis und Zeus’ Zusage)
hat dann Grote und mit ihm Friedlaender in diesen Gesängen
eine nachträgliche Erweiterung des ursprünglichen Planes erkennen
zu müssen geglaubt, wodurch das auf eine Achilleis berechnete
Gedicht erst zu einer Ilias wurde. Zu einer ähnlichen Ansicht
war Düntzer gekommen, welcher im dritten bis siebenten Buche
mit Ausschluss einiger Eindichtungen ein selbständiges Gedicht,
dagegen im zweiten ein für sich bestehendes Lied zu erkennen
glaubte, welches B 48—52. 87—454. 484—785 mit Ausschluss
einiger kleineren Interpolationen umfasste und worin Agamemnons
Absicht nach Hause zurückzukehren nicht bloss vorgegeben ward,
sondern ernstlich gemeint war. Hinsichtlich des zweiten Gesanges
berührt sich mit Düntzer einerseits Schwartz, welcher 1—52.
87—98. 211—264. 333—785 zu einem besondern Liede zusammen-
fasst als “eine poetische Darstellung einer grossen Volksversamm-
lung mit allen vorkommenden Einzelheiten, einer Panegyrie’, andrer-
seits Susemihl, der sein Lied bestehen lässt aus: 48—52.
87—115. 119— 123. 125—142. 147—159. 163. 165— 184. 188—
193. 198—202. 207—238. 243—359. 367—376. 381 fl. “in ge-
-- οἵ --
wissem Sinne eine Aristie des Odysseus — durch Hinzufügung des
Kriegsraths seines ursprünglichen Charakters entkleidet und nament-
lich auf Grund von 192 ἢ, in eine Versuchungsgeschichte umgewan-
delt” Anders Lachmann, der die Versuchung für ursprünglich
hält und sein Lied zusammensetzt "Aus: 1—52. 87—142. 147—
163. 165—179. 181—193. 198—202. 207—264. 333—483.
780— 785.
Am Weitesten in der Auflösung geht Köchly, welcher aus
dem zweiten Gesange abgesehen vom Schiffskatalog zwei selbstän-
dige Lieder entnimmt: das erste, "Oveıgog überschrieben, bestehend
aus: 1—47. T 41. B 87—94. 99—110. 56. 59. 60—71. 116—
129. 139. 382—386. 332. 142 + 144—146. 211— 238. 243— 253.
257—279 + 283—285. 289—298. 331—359. 369—376. 379
381. 388—404. 410—452. 455 —458. 469 —473. 480—483, das
zweite, "Ayog« betitelt, aus: B 48. 49. I 9. B 50—52. 95—98.
113 + B 100. B 101 + 109. 110—116. 134—142. 147—163.
165—180. 182—193. 196205. 207—210. 211 + 278—283.
299-320. 322—330. 333—335. 453. 454. 474—479. Auch
Bernhardy sieht in V. 1—483 zwei im Plan verschiedene Massen:
‘Die grössere blickt nicht auf die μῆνις zurück, sondern setzt ein
im längeren Epos vom trojanischen Kriege begründetes Motiv,
Agamemnon der einmal bewogen war ernstlich zur Rückkehr auf-
zufordern; die kleinere begreift nur den Anfang des Gesangs und
erinnert entfernt an den Grundgedanken des ersten Buches im
Traum und in der ungenügenden — βουλὴ γερόντων. Eine dritte
Hand liess die beiderseitigen Elemente zusammenlaufen und brachte
sie mittelst wenig feiner Praxis in Fluss.
Es bleibt noch übrig über den Stand der die beiden Kataloge
betreffenden kritischen Untersuchungen zu berichten.
So passend eine Aufzählung der Stämme, zunächst des grie-
chischen Heeres, und ihrer Führer an der Stelle erscheinen mag,
wo die erste grosse Schlacht bevorsteht, so zahlreich sind die
Bedenken, welche die vorliegende Art der Ausführung ergiebt.
Zunächst hinsichtlich der Einfügung derselben in den Zusammen-
hang der Erzählung. Nach der Angabe, dass die Führer beschäf-
tigt waren das Heer zu ordnen, wird V. 487 eine Aufzählung der
Heerführer angekündigt, 493 dagegen tritt nach einer seltsamen,
fast unverständlichen Bemerkung über die grosse Masse des Heeres
überraschend die Ankündigung ein, dass eine Aufzählung der Schiffs-
führer und sümmtlicher Schiffe folgen werde. Beim Abschluss
dieser hinwiederum 760 wird nur auf jene erste Ankündigung
zurückgewiesen. Sodann zeigen V. 780—785 das achaeische Heer
bereits in voller Bewegung, die Ebene durchmessend, aber nach
der Erzählung von der Sendung der Iris, der Rüstung und Ord
nung des troischen Heeres, sowie dem Troerkatalog finden wir zu
Anhang zu Ameis, Honers Ilias I. Τ
-- 9 --
Anfang des dritten Gesanges (8—14) die Achaeer noch auf dem-
selben Standpunkt. Der griechische Katalog selbst sodann lässt
durchaus einen einheitlichen Standpunkt des Berichterstatters ver-
missen. Stellen, wie 525 f. 558. 704. 727, sprechen von der Auf-
stellung und Ordnung der betreffenden Stimme, 578. 587 von der
Rüstung zum Kampf, sodass der in der vorhergehenden Erzählung
gegebene Standpunkt gewahrt scheint, andere weisen in ihren An-
gaben bestimmt auf Zeit und Verhältnisse des zehnten Kriegs-
jahres wie 699— 709. 721—728, und die im ersten Gesange er-
zählten Ereignisse, wie 686--694. 768—779, aber die Haupt-
masse des Katalogs scheint vielmehr die Zeit der Abfahrt der Schiffe
von Aulis oder auch die Landung in Troja im Auge zu haben.
Dazu kommen eine Reihe offenbarer Widersprüche zwischen den An-
gaben des Katalogs und der Erzählung der Ilias, historische Bedenken
gegen einzelne Partien, Eigenthümlichkeiten, ja schwere Mängel der
Darstellung. Die Beobachtung aller dieser Erscheinungen hatnun längst
dahin geführt die Ursprünglichkeit des Schiffskatalogs in Zweifel
zu ziehen. Nur wenige Kritiker glauben heutzutage noch denselben
in der vorliegenden Form aus dem dichterischen Plane rechtfer-
tigen zu können. So Kiene, der denselben, ohne irgend ein Be-
denken auszusprechen, dem aufgestellten architektonischen Plan
der Ilias eingereiht hat, und Werckmeister, welcher die Anstoss
erregende Art der Ausführung gar aus einem besonderen Kunst-
prineip Homers zu rechtfertigen weiss und in dem Katalog ein
Surrogat für die dem Dichter versagte Darstellung der Ausfahrt
der grossen Armada sieht: “Als ob dies Ausrücken (des Heeres
gegen Troja) eine Ausfahrt wäre, lässt er die ganze Flotte an
uns vorbeidefilieren. Denn nicht todte Aufzählung, nicht Beschrei-
bung der ruhig am Strande liegenden, ihrer Mannschaft entleerten
Schiffsrumpfe ist dieser Schiffskatalog, sondern in Bewegung ge-
setzt, mit voller Bemannung ziehen sie an uns vorüber, das Ad-
miralschiff eines jeden Volkes voran, die übrigen folgend.” Aehn-
lich auch Düntzer: ‘Der Dichter hat angekündigt, er wolle die
Hoerführer der Achaeer (und alle Schiffe) nennen; er lässt aber
in gangbarer epischer Belebung die Achaeer aus ihrer Heimath
nach Troja kommen, wobei er die Folge der geographischen Lage
innehält.” Aber schon Baeumlein wagt nicht miehr die Echt-
heit des Schiffskatalogs zu behaupten, wenn er auch nach der
ganzen einleitenden Disposition der Ilias die künstlerische Noth-
wendigkeit desselben behauptet und annimmt, dass derselbe für
die Ilias gedichtet und zwar auf die bestimmte Situation, worin
er sich findet, berechnet sei. Ohne alles Bedenken aber bezeichnet
selbst Nitzsch den Katalog als Interpolation, indem er in dem-
selben homerische Darstellungsweise ganz und gar vermisst.
Nachdem so die Frage der Echtheit im Wesentlichen erledigt
ist, hat sich die Kritik neuerdings vorzugsweise theils mit der
- 9 --
Frage beschäftigt, ob der Schiffskatalog ursprünglich als ein selbst-
ständiges Lied oder im Anschluss an die Ilias oder ein anderes
Epos des troischen Krieges gedichtet sei, theils mit der Frage
nach dem örtlichen und zeitlichen Ursprung desselben, der ur-
sprünglichen Gestalt, so wie dem historischen Werthe. Als selbst-
ständiges Lied betrachtet den Katalog Lachmann und zwar als
ein Lied, “dessen Stelle willkürlich ist, ob es gleich zu den Liedern
vom Zorn des Achilles ausdrücklich gehört”. So Köchly. Andere,
wie Düntzer und Schwartz, fassen, wie oben gezeigt ist, den
Katalog mit diesen oder jenen Haupttheilen des zweiten Gesanges
zu einem besondern Liede zusammen. Andern, wie Kammer,
Niese, Bergk, ist es unverständlich, wie ein solches besonderes
Lied ohne Anlehnung an ein Epos habe Interesse finden können.
Daher nimmt Bergk an, dass der Katalog nur ein Bruchstück
entweder eines grösseren Epos sei, welches denselben Stoff be-
handelte, wie später Stasinos in dem cyprischen Gedichte, oder
doch eines kürzeren Gedichtes, welches die Versammlung des
achaeischen Heeres in Aulis und seinen Auszug darstellte; dies
wurde dann in ziemlich mechanischer Weise später in die Ilias
eingefügt. Aehnlich urtheilt Kammer: “Ein vorhandenes Verzeich-
niss der griechischen Streitkräfte, das etwa für die Abfahrt von
Aulis entworfen war, wurde für diese Stelle in B benutzt, dazu
wurden gute und weniger gute Zusätze gemacht, um den Katalog
mit der gegenwärtigen Situation in Uebereinstimmung zu bringen’.
Die Abfahrt von Aulis sieht auch Niese als die eigentliche Stelle
des Katalogs an, meint aber, dass derselbe für die Ilias bestimmt
sei und zwar für die Stelle, welche er heute einnimmt.
Auch die Frage nach dem örtlichen Ursprung desselben ist sehr
verschieden beantwortet. Nach Lauer hat besonders A. Mommsen
in demselben das Werk eines böotischen Sängers hesiodischer
Schule vermuthet: darauf scheint ihm einerseits die Anordnung
zu führen, welche concentrische Kreise um Böotien als Mittelpunkt
beschreibend auf dieses Land als Standpunkt des Berichtenden
weise, sowie die Hervorhebung Böotiens durch die Zahl der Städte
und der Heerführer, andererseits die Aehnlichkeit des Stoffes und
der Darstellung mit der hesiodischen Dichtung, die Hervorhebung
der Musen im Eingang, die Thamyrisepisode. Böotischen Ursprung
nimmt wenigstens für die alte geographische Grundlage des Kata-
logs auch Niese an. Dagegen bestreiten denselben theils auf
V. 535 und 626 sich stützend, theils die Hervorhebung Böotiens
daraus erklürend, dass der Auszug von Aulis ausgehe, Bergk,
Raspe, Düntzer, Schwartz, welche einen kleinasiatischen Sänger
als Dichter annehmen. Keller vermuthet, dass das zweite Buch,
speciell der Schiffskatalog, rhodischen Ursprungs sei.
Im Anschluss an die Annahme des böotischen Ursprungs hat
dann Köchly versucht eine strophische Gliederung und zwar nach
ΤῈ
—- 10 —
der bei Hesiod angenommenen Fünfzahl von Versen durchzuführen;
dieser Versuch ist aber von Baeumlein, Düntzer, Bergk, Niese
zurückgewiesen. Beloch nimmt Disticha an. Die Quellen, den histo-
rischen Werth und die Abfassungszeit des Katalogs hat besonders
Niese genauer untersucht. Nach ihm gab es in alter Zeit eine Art
Periegese von Hellas, ein Verzeichniss hellenischer Stämme, Land-
schaften und Städte, auf dessen Grundlage ein späterer Dichter unsern
heutigen Schiffskatalog erbaute. Dieser arbeitete für die Ilias und
fügte zu dem Behufe mit Benutzung des kyklischen Epos die Namen
der achaeischen Helden, die Schiffszahl, kleinere Episoden in jenes
geographische Verzeichniss hinein. Jenes ältere Verzeichniss setzt
er an zwischen 770 und 740 a. Chr., die Bearbeitung desselben
zum Schifiskatalog etwa zwischen 630 und 600 a. Chr. Zu einem
ganz andern Resultat kommt Bergk, welcher die Entstehung des
Katalogs vor 900 ansetzt.
Der troische Katalog, welcher durch seine Dürftigkeit hinter
dem achaeischen sehr zurücktritt, verfolgt, wie Schwartz fand,
bei Aufzählung der Hülfsvölker eine strahlenförmige Anordnung
mit Troja als Ausgangspunkt. Lachmann, Kammer und Köchly
erblicken in demselben eine Nachahmung des griechischen Kata-
logs; Niese sucht wahrscheinlich zu machen, dass beide Kata-
loge von demselben Bearbeiter herrühren, und zwar von einem
Milesier.
Anmerkungen.
4. {τιμήσῃ und ὀλέσῃ habe ich mit La Roche aus den Hand-
schriften statt der bisher mit Bekker gelesenen, nur auf Conjectur be-
ruhenden Optative hergestellt: vgl. auch La Roche homer. Unter-
such. p. 242 £] ᾿
12. πανσυδίῃ ist hier und 29. 66. A 708. 724 die Lesart
des Aristarch, der die Assimilation verschmähte im Hinblick auf
ἄνστησον ἀνστήσεσϑαι ἀνστήτην. Vgl. J. La Roche Hom. Text-
kritik 5. 394 f. Da aber vor or eine Assimilation überhaupt nicht
stattfindet, hier aber die ältesten und besten Quellen πασσυδίῃ
bieten, so habe ich diese Form mit Lange Observ. critic. II (Oels
1843) p. 6 und mit Bekker aufgenommen. Auch Eustathius
p. 166, 14 bemerkt: τὸ πανσυδίῃ καὶ διὰ τῶν δύο σ γράφουσιν
οἵ παλαιοί, ὡς τὸ σύσσιτος σύσσωμος καὶ τὰ ὅμοια. Der Form
πασσυδίῃ geben daher den Vorzug Thiersch Gr. $ 172, 2; Butt-
mann Ausf. Sprachl. $ 120 Anm. 12; Lobeck zu Soph. Ai. 836
p. 369 und Paral. p. 364. 365; Bekker Hom. Blätter 8. 159, 9.
[La Roche dagegen πανσυδίῃ]. Ueber den zweiten Theil des Wortes
— 11 —
vgl. G. Curtius Etym.? 8. 557. 571. [* 617. 631.] — Vers 24. Vgl
auch Stat. Theb. II 102 f. — 25 erwähnt Themist. or. I 6%; II
p. 34°; VII p. 102%; XI p. 1418.
27. Gewöhnlich wird hier und 64 das σεῦ mit den Schol.
ABL. orthotoniert, indem man einen Gegensatz entweder zu Achil-
leus oder zwischen Zeus und Agamemnon annimmt, wozu Fr.
Spitzner Z 409. 277. T 185 verglichen hat. Aber diese Stellen
sind anderer Natur, und der vermeintliche Gegensatz ist hier ein
künstlich geschaffener, kein natürlicher. Vgl. Lehrs Q. E. p. 121
sq. Mit Recht hat Lange Observ. crit. II p. 7 die enklitische
Form vertheidigt, die auch durch Eustath. p. 168, 24 und den
Paraphrasten bei Bekker geschützt ist; daher hat Bekker dieselbe
wieder eingeführt, [Uebrigens verwarf Aristarch den Vers hier und
64: ἐπεὶ καὶ τίνος χάριν ἐλεεῖν αὐτὸν μέλλει; Aristonic. ed. Fried-
laender p. 57; zustimmt Cobet Miscellan. erit. 1876 p. 4111 —
Vers 28 wie 65 liest man gewöhnlich oe κέλευε oder oe κέλευσε.
Aber die Accusative μέ und σέ treten an dieser Versstelle ihren
Vocal dem Augmente ab. Daher haben Freytag, Lange, Bekker,
[La Roche] mit Recht auch hier nach guter Autorität (auch der
Venetus hat σ᾽ ἐκέλευσε) das Augment eingeführt. Vgl. K. Gras-
hof Zur Kritik des Hom. Textes (Düsseldorf 1852) 8. 12. —
Vers 41. Vgl. Heliodor. II 26. — 43. [Eine neue Erklärung
von νηγάτεος giebt jetzt Schmalfeld in Fleckeisens Jahrbb. für
class. Phil. Suppl. VIII p. 293 ff.: aus Sanscer. W. snih, eigent-
lich mit Oel gesalbt und darum glänzend, nitens, nitidus,
und davon glänzend überhaupt.]
45. ἀργυρόηλον heisst hier das Schwert des Agamemnon, da-
gegen wird A 29 gesagt: ἐν δέ οἵ ἧλοι χρύσειοι πάμφαινον.
Aristarch bei Aristonikos vergleicht dazu den vermeintlichen Wider-
spruch bei Eurip. Phoen. 26 und 812, den Θ΄ Hermann zu 26 be-
handelt, und bemerkt dann: τὰ τοιαῦτα δὲ κυρίως οὐ λέγεται, ἀλλὰ
κατ᾽ ἐπιφοράν ἐστι ποιητικῆς ἀρεσκείας. ὥσπερ δὲ τὰ περὶ
τὸν ϑώρακα καὶ τὴν ἀσπίδα διαφορώτερον φράξει (vgl. zu A 30),
οὕτω καὶ τὸ ξίφος κοσμεῖ. Hierzu sagt Lehrs de Arist.? p. 347
“Hine discant Wolfiani’ und L. Friedländer fügt bei “et Lach-
manniani’. Wiewohl nun solche unwesentliche Abweichungen
auch aus altdeutschen Dichtern wie aus Wolfram von Eschenbach
nachgewiesen werden: so scheint doch fürs homerische Epos,
das sich an sinnlichen Schilderungen erfreut, die einfachste Lösung
in der Annahme zu liegen, dass Agamemnon zwei Schwerter be-
sessen habe, eins mit silbernen, das andere mit goldenen Nägeln,
und dass er an seinem Ehrentage A 29 das bessere gebrauchte.
Wer dies nicht annehmbar findet, der kann im Anschluss an Ari-
starch das ἀργυρόηλον als stabiles Epitheton betrachten, durch
welches nicht ausgeschlossen sei, dass sich am Sch wertgriff auch
goldene Nägel befunden haben. [Vgl. über ἀργυρόηλος auch Gerlach
-- 112 —
im Philol. XXX p. 502.] Ausserdem bemerke man, wie hier 41
bis 47 zur Anreihung der Sätze achtmal hinter einander das an-
knüpfende δέ gebraucht ist, was in dieser Häufung ohne Unterbrechung
durch eine andere Verbindungsweise sonst nirgends stattfindet.
53. Der Nominativ βουλή, den Fr. Spitzner mit Heyne wieder
eingeführt hat, ist die Lesart des Aristophanes, Aristarch und der
bessern Autoritäten [Venetus A und die besten Handschr. haben
βουλήν, wie La Roche schreibt], er bildet hier einen einfachern
und objectivern Uebergang, als der von andern [Zenodot] gebilligte
Aceusativ βουλήν. Wenn Voss Krit. Bl. I 5. 235 (mit Beistim-
mung Anderer) den Accusativ vorzieht, weil 55 πυκινὴν ἠρτύνετο
βουλήν ‘nach Homers "Weise den vorigen Gedanken wieder auf-
nehmen soll”: so bleibt unberücksichtigt, dass hier βουλήν in an-
derer Bedeutung stehe. Denn πυκινήν konnte nicht von der “Ver-
sammlung’ der wenigen Geronten gesagt werden. Also bleibt
βουλή auch von dieser Seite unangefochten. [Vgl. übrigens die
Einleitung p. 83 f.]
73. Andere wie Heyne und Freytag zu dieser Stelle und
C. A. J. Hoffmann im Philol. 1848 8. 200 verbinden ἣ ϑέμις
ἐστί mit πρῶτα δ᾽ ἐγών und finden darin die Beziehung auf die
dem Oberkönig zukommende und mit ἐγών hervorgehobene Initiative.
Aber hiergegen streitet erstens die Wortstellung, wonach die
Formel überall zum ganzen Gedanken gehört, also hier an ἔπεσιν
πειρήσομαι sich anschliesst; sodann der Zusatz φεύγειν κελεύσω,
wodurch das ἔπεσιν πειρήσομαι näher bestimmt werden soll, drittens
der Umstand, dass ἐγών nur im folgenden ὑμεῖς seinen Gegensatz
hat, wo zugleich das ἄλλοϑεν ἄλλος ein significanterer Stell-
vertreter des Begriffes ἔπειτα ist als Gegensatz zu πρῶτα. [Ὁ] Ueber
die Bedeutung der Formel ἣ ϑέμις ἐστίν, der manche hier einen
unrichtigen Sinn unterschieben, vgl. den Anhang zu y 45 [und
dagegen die Einleitung p. 84.] Ueber das Wesen und die
Berechtigung des πειρήσασϑαι vgl. auch Gladstone σαι. Studien
von Alb. Schuster 5. 320. Dass dieses πειρήσασϑαι auch in anderer
Hinsicht ein “Herkommen’ der homerischen Menschen war, darüber
vgl. den Anhang zu ὁ 304.
75.. Dass man zu ἐρητύειν nicht geradezu ‘die Fliehenden’
ergänzen könne, da Agamemnon den Gedanken einer wirklichen
Flucht nicht ändeutet, das haben die Schol. B. und BL. zu 73
und 75 wiederholt bemerkt. Dieselben erklären ᾿ἀντιλέγετέ μοι
πρὸς τοῦτο᾽ oder “ἐμὲ ταῦτα λέγοντα᾽ οὐ γὰρ ᾧετο τοσοῦτον ταχέως
ἀναπτερωϑῆναι πρὸς φυγὴν αὐτού. Ἐδοῦβο G. Curtius im
Philol. III $. 11 und Anton Göbel in Mützells Zeitschr. für das
G. W. 1854 S. 744 not. 1. Aber der grammatische Zusammen-
hang der Sätze lässt diese persönliche Ergänzung von ἐμέ nicht
recht natürlich erscheinen. Auch würde dadurch (wie Köchly de
Tliadis B 1—483 disputatio p. 9 mit Recht bemerkt) die Heeres-
-- 18 —
versammlung mehr zu einem Privatgespriche mit Agamemnon
herabsinken. Einfacher und kräftiger wird dieser Schlussgedanke,
wenn wir ἐρητύειν sachlich verstehen: ihr aber sollt dies (was
ich vorschlage) abhalten oder verhindern. [Vgl. dagegen Düntzer
homer. Abhandl. p. 44: ἐρητύω wird abgesehen von ϑυμός nur mit
persönlichem Object verbunden, vgl. das Lexic. Hom. s. v. Nichts
hindert das Object so allgemein zu denken, wie es zu den vorher-
gehenden Verben gedacht werden muss, die Achaeer.] Der aller-
dings nothwendige Gedanke eines Widerspruchs gegen Agamemnon
und einer Zurückweisung seines Fluchtvorschlages ergiebt sich von
selbst aus dem mit Nachdruck am Versschluss stehenden ἐπέεσσιν,
weil dieses ‘mit Worten’ keine andere Beziehung als die eben er-
wähnte zulässt.
81. [Zur Erklärung von καὶ νοσφιξοίμεϑα μᾶλλον vgl. Happe
der homer. Hektor, Koblenz 1863 p. 20.)
97. [Die Auffassung von εἴ more — σχοίατ᾽ als Wunschsatz
nach L. Lange der homer. Gebrauch der Partikel εἰ I p. 399 81]
102. Bekker hat (nach dem Vorgang von Lange Observ.
exit. II p. 11) aus Conjectur μὲν ἔδωκε gegeben, weil er (wie
andere schon vor ihm vereinzelt) den dritten Fuss mit dem zweiten
durch eine Cäsur im zweiten vermittelst Augmentierung eines
Verbum zu verbinden sucht. Vgl. den Anhang zu ı 228. Aber
hier ist wegen der noch dreimaligen Wiederholung derselben Ver-
balform δῶκε in 103. 104. 105 eine Ausnahme zu statuiren, die
W. C. Kayser im Philol. XVIII $. 679 also begründet: ‘Die hand-
schriftliche Lesart μὲν δῶκε ist durch die Citate der Rhetoren,
Herodian. de Fig. p. 604 ed. Walz. Tiberius de Fig. p. 558.
Alexander de Fig. p. 467 hinreichend beglaubigt. Und nicht ohne
Absicht scheint der Dichter den Effect der Figur durch die
Anwendung derselben Verbalform vollständig gegeben zu haben.
Die Kraft der Stelle wird durch Bekkers Conjectur μὲν ἔδωκε un-
leugbar beeinträchtigt.” Ueber den Sinn der ganzen homerischen
Stelle in Bezug auf das Scepter bemerkt J. H. Voss Antisymb.
II 8. 435 mit Recht: ‘Dem Unbefangenen erscheint Agamemnons
Grossvater Pelops ein kriegerischer Fürst der Halbinsel, dessen
erworbene Macht, von Zeus befestigt, auf Söhne und Enkel sich
vererbt.” Dies hat Homer 108 klar angedeutet. Vgl. Nägelsbach
Hom. Theol. 8. 6 der Ausg. von Autenrieth. Und über die Be-
deutung der drei hier vereinigten Gottheiten bemerkt L. Preller
in Ausgewählte Aufsätze herausg. von R. Köhler (Berlin 1864)
8. 148 ἢ [= Philol. I 513 £.]: “Hephästos deutet in dieser alle-
gorisierenden Genealogie auf den kunstreichen Schmuck, Zeus auf
die königliche Herrscherwürde des Pelopidenscepters, Hermes auf
das hirtenartig Weidende und Hütende, oder auch auf den Herden-
reichthum des Pelopidenhauses.” Uebrigens wurde noch zur Zeit
des Pausanias dieses Scepter von den Bewohnern Chäronea’s als
— 104 —
heilige Reliquie verehrt: vgl. Pausan. IX 40, 6. |Ueber die Be-
deutung des Seepters im Allgemeinen handelt C. F. Hermann de
sceptri regii antiquitate et origine. Gott. 1851.]
107. Dies bemerkt schon Aristarch nach Aristonikos: ἡ
διπλῆ ὅτι οὐ γινώσκει τὴν ἔχϑραν ᾿Αἀτρέως καὶ Θυέστου, ἀλλὰ συμ-
φωνοῦντας αὐτοὺς συνίστησιν. αὐτῷ γοῦν παραδίδωσι τὸ σκῆπτρον
οὐ τοῖς υἱοῖς 6 ᾿Ατρεύς, καὶ ὁ Θυέστης οὐ τῷ αὑτοῦ υἱῷ Αἰγισϑεῖ
καταλείπει τὸ σκῆπτρον, GAR ᾿Αγαμέμνονι. Bei Thukyd. I 9 wird
diese ganze Stelle mit ἐν τοῦ σκήπτρου τῇ παραδόσει eitiert. Vgl.
Nitzsch Beitr. zur Gesch. der ep. Poesie 8.396 Anm. 110. Thu-
kydides beweist mit diesem Verse die Macht des Atreidenhauses.
[Bergk griech. Literaturgesch. I p. 548 vermuthet, dass 108 von
einem argivischen Rhapsoden wahrscheinlich zur Zeit des Königs
Pheidon hinzugefügt sei.] Zu πολύαρνι Θυέστῃ vgl. Varro R. R.
I 1, 6. Friedrich Günther Die Viehzucht bei Homer (Bernburg
1867) 8. AM.
111. [Cobet Miscellan. erit. 1876 p. 412 verwirft μέγα und
verlangt weyag.]
116—118. [Vgl. J. Bekker in den Monatsberichten der Berlin.
Acad. 1866 p. 465 — Hom, Blätt. ITp. 111 und Franke a. Ὁ. p. 13.]
123 £. [Die Erklärung des folgenden Satzes ist gegeben nach
L. Lange der homer. Gebrauch der Partikel εἰ II p. 501 f. —
124 wurde von Aristarch verworfen: ἀϑετεῖται " οὐ γὰρ ἐπὶ ἀλη-
ϑείας λέγεται, ἀλλ᾿ ὑπερβολικῶς τὰ τῶν δεκάδων᾽ πρὸς τί οὖν ὅρκια:
Friedlaender Ariston. p. 60.]
125. Τρῶες μέν, statt des gewöhnlichen Τρῶας μέν, las Ari-
starch in einer seiner Ausgaben. Vgl. L. Friedländer zu Aristo-
nikos p. 61. Der Nominativ ist wegen der Symmetrie mit dem
folgenden ἡμεῖς δ᾽ ἐς δεκάδας διακοσμηϑεῖμεν ’Ayuıol vorzuziehen,
da, der Hauptbegriff ἀριϑμηϑήμεναι ἄμφω (d. 1. zwei einzelne Massen)
nachher durch zwei speciellere Verba detailliert wird. Die von den
Schol. BL. (nicht A wie Spitzer mit Beistimmung sagt) ver-
glichene Stelle A 133 ist anderer Natur. Uebrigens sind hier
die Dekaden wahrscheinlich von der Eintheilung beim Mahle her-
genommen. [Bergk griech. Literat. I p. 354 erinnert mit Bezug
auf diese und andere Stellen (Θ 362 fi. x 82. μ 127) an die alte
volksthümliche Räthseldichtung.]
127. ἕκαστοι, wofür die übrigen [alle Handschriften] ἕκαστον
haben, ist die Lesart des Ixion, [nach Didymos las Ixion vielmehr
ἕκαστον, vgl. La Roche Annot. crit.] die von Voss Krit. Bl. IS. 244,
Freytag und jetzt auch von Bekker mit Recht gebilligt wird.
Denn nach dem Sinne des Dichters kommt es nicht darauf an,
dass jeder der Troer Mundschenk werde, sondern dass jede
Dekade ihren Mundschenk sich von den Troern nehme. Hierzu
kommt zweitens, dass neben ἕκαστον homerisch vielmehr Τρῶας
δ᾽ ἄνδρα gesagt sein würde, wie H 215. 744. #173. 547. u 207.
— 105 —
ὦ 418. Fr. Spitzner sagt zwar vom Dichter hyperbolisch ‘sexcen-
ties ἄνδρα ct φῶτα ἕκαστον consociavit,’ allein mit beigefügtem
Genetiv findet sich ἕκαστος nur viermal: A 428, E 37. K 215.
P 252, wo jedesmal die Apposition unmöglich war. Hier dagegen
ist das appositive ἕκαστοι ganz an seinem Platze: vgl. die ähn-
lichen Beispiele im Anhange zu ν 76. — Vers 119 bis 128.
‘Der Gedankengang ist: ihr dürft nicht verzagen — es wäre eine
Schande; ihr braucht auch nicht zu verzagen — es wäre eine
Thorheit.” G. Autenrieth.
131. ἔνεισιν geben Aristarch in der zweiten Ausgabe und
Kallistratos. Mit Recht, da die Deutlichkeit des Gedankens den
Begriff des sich Darinbefindens in der Stadt oder des Vorhan-
denseins nothwendig macht. Denn ohne die Präposition ἐν wäre
der Gedanke wegen des ἐκ πολίων zweideutig. Die Vulgata ἔασι
[so La Roche] ist wahrscheinlich aus 125 entstanden. Fr. Spitzner
bemerkt: “coneinnius videri potest ἔνεισιν, μοί spectet ad. ipsos
Troianos, at dubito, num hacc forma sit Homerica.’ Aber dieser
Zweifel löst sich bei Vergleichung der analogen Fälle wie ec
v 130. Daher bin ich bei ἔνεισιν Bekkern gefolgt. — Vers 132.
πλάξουσι erklärt schon Eustathius ἀντὲ τοῦ ἀποπλανῶσι τοῦ σκοποῦ,
was Bäumlein im Philol. VII 5, 233 mit Recht zur Geltung bringt.
-— Vers 133. Ἴλιον ist hier und © 288. Φ 433, statt des ge-
wöhnlichen [in allen Handschriften gelesenen; so La Roche] Ἰλίου,
die Lesart Aristarchs, die von Voss Krit. Bl. 8. 245 und zur
Hymne an Demet. $. 150 durch die Bemerkung vertheidigt wird,
dass der Stadtname nur bei unmittelbarer Verbindung mit
dem Appellativum im Genetiv stehe. Dann haben Freytag und
Bekker den Accusativ aufgenommen. Dieser Casus wird durch
die im Commentar erwähnten Parallelen gestützt. — 135. [Ueber
σπάρτα vgl. Hehn Kulturpflanzen und Hausthiere p. 431.]
141. Die Rede des Agamemnon von 110 bis 141 ist ein
μὖϑος κερδαλέος (£ 148) oder ein λόγος ἐσχηματισμένος, ἃ. i. eine
verstellte Rede, welche einen dem Wortlaut entgegengesetzten
Zweck verfolgt oder (wie Nägelsbach sagt) welche “berechnet
ist auf eine der vorgespiegelten Absicht entgegenge-
setzte Wirkung.” Daher sind. in dieser Rede die zur Heimkehr
mahnenden und die zum Kampfe ermunternden Momente auf ganz
eigenthümliche Weise mit einander verschmolzen, wie schon die
Scholiasten mehrfach bemerkt haben. So gleich in der unge-
wöhnlichen Anrede 110, wozu die Schol. BLV. sagen: "ngoenei-
ρει τοῖς ἐγκωμίοις, ὅπως αἰδοῖντο φεύγειν. οὐ λέγει δὲ αὐτοῖς τὸ
ὄναρ, ὅπως μὴ δοκῇ σκευώρημα εἶναι, ἢ ἑτέρως ἀποβῇ καὶ ϑεομι-
σὴς εἶναι δόξῃς. Wo er das Versprechen des Zeus erwähnt 112,
erinnern BL.: ἱπροτρεπτικὸν τοῦτο πρὸς τὸ μένειν τοὺς "Aymoüs‘ οὐ
γὰρ ἀτελεύτητον ὃ τί κεν κεφαλῇ κατανεύσει (A 621). ἀνάγει δὲ
ἐπὶ τοὺς νεοσσοὺς καὶ τὰς διοσημίας, was sich auf die 806 f.
— 106 —
erzählten Vorzeichen bezieht. Mit besonderem Nachdruck hebt
dann Agamemnon 115 im Versanfange das δυσκλέα hervor: “rodro
δὲ εἶπεν οἰόμενος ὡς οὐ πείσονται οἱ Ἕλληνες δυσκλεῖς ὑποστρέψαι
BL. Wenn er dann weiter 117. 118 der unwiderstehlichen Macht
des Zeus im Zerstören der Städte gedenkt, so konnte dem Hörer
sehr leicht der Gedanke sich aufdrängen,. dass Zeus auch bei Ilios
als ‘Städtezerstörer” sich zeigen werde, oder wie BLV. sagen “ünd-
ψοιαν δὲ δίδωσι καὶ περὶ Ἰλίου [Vgl. dagegen Bekker in den
Monatsberichten der Berliner Acad. 1866 p. 465 — Hom. Bl. II
p- 111 und Franke disputationis de Iliadis B 1—483 pars altera,
Leipz. 1870 p. 13.] In einem stark gewählten Ausdruck erscheint
120 die Bezeichnung: denn “διὰ τῶν ἐγκωμίων μείξων ἡ κατηγορία"
καὶ ὅτι ἀΐδιος ἔσται αὐτοῖς ἡ ὕβρις, τὸν πόλεμον ἀτελῆ καταλιποῦ-
cw’ BL. Dazu wird 122 mit ἀνδράσι παυροτέροισι die geringere
Anzahl der Feinde hervorgehoben, was Schol. B erläutert: “rayeie
οὖν ἡ ἐλπὶς τῆς νίκης, εἴ γε καὶ πλείους καὶ ἰσχυρότεροι καὶ Δία
ἔχοντες σύμμαχον, καὶ τῆς ἥττης πολλὴ ἡ αἰσχύνη. Und schliess-
lich sagt noch der versuchende Oberfeldherr ebendaselbst nicht
etwa τέλος δ᾽ οὔ πώς τι πέφανται (welcher Gedanke nebenbei
nicht als ein αἰσχρόν ἐστι für die Achaeer bezeichnet werden konnte),
sondern er sagt mit selbständigem Nachdruck τέλος δ᾽ οὔ πώ τι
πέφανται “das Ziel ist noch keineswegs erschienen’, worin offen-
bar liegt, dass sie auf Sieg noch hoffen können. Richtig BL.:
κρίσις γὰρ νίκης ἢ ἥττης οὐ πεφανέρωται. πῶς οὖν πρὸ τέλους
ὑποχωρήσουσιν:; ἐκδεκτέον οὖν τὸ τῆς μάχης πέρας. Weil nun aber
das Argument von der kleineren Anzahl der Feinde für den Zweck
der Prüfung (73) ein wesentliches war, so hat der fein ironi-
sierende Agamemnon dasselbe 123 bis 130 zu einer witzigen
Darstellung benutzt. Diese konnte und sollte auf die ehrliebenden
Helden des Danaerstammes (110) den Eindruck machen, dass sie
es für schimpflich hielten (119), im Bewusstsein ihrer Ueberzahl
und Macht zu fliehen. Und wenn nach dieser witzigen Begrün-
dung noch 130 bis 133 mit dem Anfange “aber es sind Hülfs-
völker darin’ (in der Stadt) auf diese Hülfstruppen ein so starkes
Gewicht gelegt wird, wie sonst nirgends beim Dichter geschieht
(vgl. M 88 bis 90. P220 bis 222 [und Aristonic. ed. Friedlaender
p- 61 zu 130—133)): so dient gerade dieser Umstand zu einem
neuen Beweise, dass Agamemnon nicht im Ernst und nicht
nach seiner wirklichen Kenntniss spricht, sondern nur in
Verstellung und mit der Absicht die Stimmung des Heeres zu
prüfen. Auch die lange Zeitdauer des erfolglosen Krieges, die er
134 erwähnt, konnte tapfere Krieger eher zum Ausharren als zur
Heimkehr bestimmen, um den nach einer anderweiten Prophezeiung
in kurzem bevorstehenden Erfolg (328 f.) nicht preiszugeben, was
schon BL. bemerken: ἔστι δὲ πρὸς μὲν τὸ ἀπιέναι διεγερτικὸν ὡς
ἐκεῖ καϑημένων ἀπράκτων χρόνον τοσοῦτον, πρὸς δὲ τὸ μένειν ὡς
τὸ τοῦ --
τοῦ τῆς ἁλώσεως χρόνου πληρωϑέντος᾽ τῷ γὰρ δεκάτῳ ἔτει τὸ Ἴλιον
ἔφη Κάλχας ἁλώσεσθαι. ἐλπίδα δὲ τοῦ τέλους ὑπογράφων αὐτοῖς οὐκ
ἐνεστηκέναι τὸν ἔνατον ἐνιαυτὸν εἶπε (καίτοι τοῦτο ἦν τὸ ἀληϑές,
ὥσπερ καὶ Ὀδυσσεύς φησιν «ἡμῖν δ᾽ εἴνατός ἐστι περιτροπέων ἐνι-
αὐτός» 295), ἀλλὰ παρεληλύϑασι, φησίν, οἵ ἐννέα ἐνιαυτοί. Und
die 135 gewählten Ausdrücke veranlassen dieselben Scholl. zu der
richtigen Bemerkung: “ταῦτα δὲ ἀμφοτέροις συνάδει, τῷ μὲν ἀπιέ-
ver, πρὶν διαφϑαρῆναι τέλεον τὰς νῆας, καὶ τῷ μένειν δὲ ὡς διὰ
τὸ σεσηπέναι τὰς ναῦς τέως πλεῖν οὐ δυναμένων" Selbst das wich-
tige Motiv 136. 137, das am Stärksten zur Heimkehr anregen
konnte, bringt hinterher 138 doch wieder die schmerzliche Klage
über die seitherige Erfolglosigkeit, weil sie eben nicht unverrich-
teter Sache zu Weib und Kind zurückkehren sollen. Nun folgt
139 der formelhafte Vorschlag (nicht “ein Befehl”) und schliess-
lich 140 die Aufmunterung, aber mit dem absichtlich gewählten
Ausdruck φεύγωμεν, worüber BLV.: “ἐνῆν εἰπεῖν στείχωμεν" ἀλλὰ
τῷ αἰσχρῷ ὀνόματι ἀποτρέπει τοῦ ἀπόπλου. Vgl. den ähnlichen
Gebrauch von φεῦγε A 173 mit der Note zu A 177. So sind
in der Rede des Agamemnon die Motive der Mahnung zur Heim-
kehr und der Ermunterung zum Kampf auf eigenthümliche Weise
in einander verschlungen. Aber Agamemnon, der auf das Ehr-
gefühl und die Kampfliebe seines Heeres rechnete, hat sich in
seiner Erwartung gänzlich getäuscht, was auch den Feldherren
späterer Zeit bisweilen begegnet ist. Wenn übrigens Agamemnon
theilweise mit denselben Worten I 17 bis 28 zu einer ernst
gemeinten Flucht auffordert, so kann dies im mündlichen
Epos nicht auffällig sein, weil in diesem viel auf Ton und Stimme
ankommt, womit man dieselben Gedanken bei verschiedener
Sachlage vorträgt. [Vgl. darüber den Anhang zu I 17—28 und
über die rhetorische Kunst in der Rede des Agam. Gerlach im
Philol. XXX p. 12. Franke a. Ὁ. p. 11 ff]
144. Nach verschiedenen Quellen las Zenodotos φή, aber
Aristarch das gewöhnliche ὡς [welches die besten Handschriften
haben]. Der letztere strebte bekanntlich in der Gestaltung des
Textes nach zu grosser Konsequenz, weshalb er bisweilen dem Ge-
wöhnlichen vor dem Ungewöhnlichen den Vorzug gab. Die An-
sichten der Gelehrten tiber Wesen und Ableitung von φή erörtern
eingehend Fr. Spitzner in Excurs. XXV zur Ilias und Nägelsbach
zu unserer Stelle, beide mit Billigung von ὡς [so auch Passow
de comparationibus Hom. Berlin 1852 p. 20], dagegen Lange
Observ. erit. II p. 13 und Franz Kratz De versu Iliadis II 144.
Köln 1854 p. 18 844. und Uhlemann de φή particula (Lippstadt
1856) mit Beistimmung zur Lesart Zenodots. Mit Recht. Denn
dieses φή hat zwei innere Stützen für sich: 1) Die Beschaffenheit
der Stelle # 499, wovon dort die Rede sein wird; 2) den Um-
stand, dass in Vergleichungen bei Homer ὡς einem einzelnen
— 108 —
Nomen ohne Verbum nie voransteht, sondern stets nachfolgt: vgl.
den Anhang zu $ 441. Ueber die Ableitung von φή, das Pott
mit dem Set. vd = sicuti in Verbindung bringt, bemerkt G. Cur-
tius Etym. ? 5. 352 No. 601 (auch 8. 386 f. 630) [* p. 396.
435. 690. Fick vergl. Wört. ? p. 138 unt. bhd.], dass dieses
‘Adverb φή wie (vgl. lakon. φίν - σφίν) für σφή und auf einer
Linie mit dem goth. vd wie stehe.” Dagegen sucht J. Savelsberg
in Kuhns Zeitschr. VIII 5. 407 die Anwendung von p statt F in
andern Beispielen nachzuweisen und giebt als Resultat: ‘So ist
denn auch φή eine mit @ statt des alten F geschriebene Form
und dieses fj nicht minder als fag ein vom Relativ Fög gebildetes
Adverb’, indem er sich wegen des Adverbium ἢ auf die Zeugnisse
bei Lehrs Ὁ. E. p. 44. 45 beruft, [Vgl. dagegen Windisch in
G. Curtius Stud. II p. 210.] Die letztere Ansicht dürfte die ein-
fachste sein, vorausgesetzt, dass p statt F sich erweisen lässt.
Genau und übersichtlich behandelt den ganzen Gegenstand G. Auten-
rieth bei Nägelsbach.
147. [Statt der von Ameis angenommenen, doch sehr zweifel-
haften Conjunctivform κινήσει habe ich hier und 395 mit La Roche
κινήσῃ hergestellt. Vgl. La Roche hom. Untersuch. p. 239 f.]
149. Bekker hat indes diesen Vers gleich an 146 ange-
schlossen, indem er 147 und 148 aus Conjeetur athetiert. Schon
G. Hermann de iteratis apud Homerum p. 9 fand beide Gleich-
nisse wegen ihrer zu grossen Aehnlichkeit neben einander an-
stössig, mit Beistimmung von M. Haupt zu Lachmanns Betrach-
tungen $. 102, der da meint: “Das erste gewaltigere Gleichniss
(das aber 207 ff. ähnlich wiederkehrt) wird das später hinzu-
gethane und statt des zweiten gesungene sein.’ [Auch Ahrens im
Philol. Suppl. I p. 623, Passow de compar. Hom. p. 21.] Meine
Ansicht habe ich im Commentar angedeutet. Es liesse sich auch
denken, dass der Dichter je nach dem Orte, wo er dieses Lied
vortrug, abwechselnd bald die eine bald die andere Vergleichung
gebraucht habe. Zu dem erstern Gleichniss vgl. Ovid. Met. V 5 ff,
der ausdrücklich “repentinos tumultus’ hervorhebt. — Vers 153.
Vgl. Lucan. I 388.
155. Dies hat im Wesentlichen schon Aristoteles bemerkt,
von dem der Schol. B. zu 73 Folgendes berichtet: προληφϑέντες
γὰρ ταῖς πρὸς αὐτὸν ὁμολογίαις, ἄτοποι εὑρίσκονται μὴ κωλυταὶ
γινόμενοι. ὥσπερ συνέϑεντο, συμπράκτορες δὲ τῶν φευγόντων. ὅϑεν
καὶ τῷ Ὀδυσσεῖ εὐλόγως λείπεται ἡ πρὸς τοιούτους ἐπίπληξις. ἐπὰν
λέγῃ «ἐν βουλῇ δ᾽ οὐ πάντες ἀκούσαμεν οἷον ἔειπεν» (194).
μὲν οὖν αὐτὸν παρακαλεῖν οὕτως ἔχοντας πολεμεῖν ἐπίφϑονον ἦν"
ἐκέλευσε δ᾽ αὐτοῦ λέγοντος ὡς δεῖ ἀπιέναι, τοὺς ἄλλους κωλύειν"
«ὑμεῖς, δ᾽ ἄλλοϑεν ἄλλος ἐφητύειν ἐπέεσσιν» (75). συνέβη δὲ ἃ
εἰκὸς ἦν, διά τε τὸ ὀργᾶν καὶ τὸ μὴ εἰδέναι εἰ ἀπεπειρᾶτο, ἀσμένως
ἀκοῦσαι καὶ φϑάσαι ἀναστάντας πρίν τινα τῷ ᾿Αγαμέμνονι ἀντειπεῖν.᾽
— 19 —
Zur Verdeutlichung braucht man nur an manche stürmische Scene
zu denken, wie sie im parlamentarischen Leben der neueren Zeit
sich ereignet hat. H. Köchly de Iliadis B 1—483 disputatio
Ρ. 15 bemerkt zwar unter anderm dagegen: “Agamemno orationem
ita claudit, ut omnen deliberandi aut obloquendi conatum reprimere
videatur.’ Aber die bestimmte Sprache Agamemnons 141 ist doch
auf vorhergehende Gründe gestützt, durch welche, wie er hoffte,
kein Tapferer bestimmt werden könnte H. Köchly führt fort:
“nee concio tamen audita oratione statim dissipatur, sed per aliquod
tempus — quod ipsum wel duobus, si düs placet, similibus illu-
stratur — movetur et turbatur, tum demum, cum nemo alius prodit,
dissolvitur’ Davon kann ich im Texte keine Andeutung finden,
sondern ich glaube vielmehr, dass Aristoteles die Worte richtig
erklärt habe, wenn er im Folgenden bemerkt, Agamemnon habe
nicht erwartet ὅτι τὸ πλῆϑος καὶ ἅμα τῷ φάναι αὐτὸν ἀΐξει
ἐπὶ τὸ ῥηϑέν᾽ Auch zu 142 ϑυμὸν ἐνὶ στήϑεσσιν ὄρινεν haben
die Schol. BL. angemerkt: τὸ αἰφνίδιον τῆς τῶν ἀνθρώπων
ὁρμῆς ἐσήμανε. Wenn endlich Köchly p. 16 im Bewusstsein
seiner Kraft und mit seiner reichen Lebenserfahrung hinzufügt:
“quanto facilius mine, quam posten fuisset Ulixi silentium sibi
facere!” so möchte er hier wie bei der ganzen Auffassung der
Scene die ausgebildete Taktik der Neuzeit den homerischen Helden
beigelegt haben. [Vgl. übrigens die Einleitung p. 85.] — Was
das Erscheinen der Athene betrifft, so wird dasselbe schon von
den Schol. BLV. zu 156 also motiviert: “eig τοσοῦτον προάγει τὰς
περιπετείας, ὡς μὴ δύνασθαι αὐτὰς ἄλλον εἰ μὴ μόνον ueradelvar
τὸ ϑεῖον. πρῶτος δὲ τοῖς τραγικοῖς εἰσηγήσατο μηχανάς. Aehnlich
spricht Eustathius. Ueber die Schlussworte des Commentars vgl.
auch den Anhang zu g 360. Denn auch hier findet sich der von
Horaz verlangte dignus vindice nodus. [Ueber ὑπέρμορον vgl.
Welcker griech. Götterl. I p. 192: “ὑπὲρ Διὸς αἷσαν (17, 327),
ὑπὲρ μοῖραν (20, 336), ὑπέρμορον ist nichts Anderes als ein hyper-
bolischer Ausdruck, wie zuweilen unmenschlich, unnatürlich, un-
mässig, mehr als zufällig, und wird daher auch nicht von Ge-
thanem oder Geschehenem gesagt, sondern bedingt von Thaten
oder Gewalten, denen durch einen Gott Einhalt geschieht, mit
dem Uebergang εἰ μή, ἀλλ᾽ αὐτὸς ᾿Απόλλων oder durch eine Wen-
dung der Sache.’]
165. Statt der Ueberlieferung μηδὲ ἔα im Versanfange hat
Bekker hier und 181 Heyne’s Conjectur μηδέ τ᾽ ἔα aufgenommen,
die an οὐδέ τ᾽ ἔασεν A 437. D 596, τοὺς δέ τ᾽ ἐᾶν II 96, τὸν
δέ τ᾽ ἔασκεν Q 17 erinnert. Aber doch hat Bekker denselben
Hiatus in der handschriftlichen Lesart der andern Stellen unver-
ändert gelassen: τῷ μὲ ἔα Ρ 16, μή μὲ ἔα X 339, οὐδὲ ἐῶσι
ὃ 805, μηδὲ ἐᾶν » 536. Nur σ 420 hat er εἰῶμεν statt des be-
glaubigten δὲ ἐῶμεν gegeben. Vgl. G. Hermann Opusc. I p. 227.
— 10 —
Und C. A. J. Hoffmann zu ® 596 bemerkt wohl mit Recht: “Dass
ἐάω einst consonantischen Anlaut hatte, ist aus der Augmentation
in εἰ- abzunehmen. Dadurch sind einige Dictionen der älteren
Poesie bei Homer in Gebrauch geblieben, welche Hiatus haben.”
(Vgl. über ἐάω jetzt Kraushaar in Curtius Stud. II p. 429 ἢ,
zur Construction desselben Albrecht in Curtius Stud. IV, 33,
Hentze in Zeitschr. f. Gymn. Bd. XX p. 728 f., auch Forssmann
in Curtius Stud. VI p. 29 £.]
168. In der alten Vulgata fehlte dieser Vers, da ihn die
codd. Venet. [Laurentian. 15 u. 3 vgl. La Roche]. Vindob. Townl.
Mosc. 2. Eton. nicht haben, auch Nikanor las ihn nicht in seinem
Exemplar: vgl. Friedlaender zu Nican. p. 49. Daher ist er bei
F. A. Wolf nach Proleg. p. XXVII und bei Fr. Spitzuer als unächt
in Klammern eingeschlossen, wiewohl ihn der letztere in der Note
ebenso vertheidigt wie Voss Krit. Bl. I 5. 250 und Düntzer de
Zenod. p. 162. Ich glaube mit Recht. Denn durch die Tilgung
des Verses wird das dichterische Gemälde beeinträchtigt und
zu einem blossen historischen Berichte zusammengezogen.
Hierzu kommt, dass bei Homer nach dem Weggang vom Olympos
die Ankunft an einem bestimmten Orte ausdrücklich hinzu-
gefügt wird. Vgl: die schon von Voss und Düntzer erwähnten
Stellen: 4 44. 48. B 16. 17. 4 74. 78. H 19. 20. # 225 bis
230. T 114. 115. X 187. 214. Q 121. 122. « 102. 103. Hier-
her gehören auch ὦ 488. 502. A 196. O 150. 151. Aus diesem
innern Grunde, wie es scheint, hat auch Bekker den Vers bei-
behalten. Uebrigens hätte wer den Vers tilgte dann auch aus
untergeordneten Quellen εὗρε δ᾽ ἔπειτα aufnehmen müssen, weil
bei Homer der Anschluss an den formelhaften Vers 167 sonst
überall mit δέ geschieht: vgl. die zu ὦ 488 angeführten Stellen.
171. ἅπτετ᾽ ist die gewöhnliche Lesart. Da aber sonst überall
nur ἥπτετο (Θ 67. 4 85. O 319. Π 778. T 468) und ἥψατο
(4 512. E 799. O 76. 704. Ψ 666) sich findet und hier ausser-
dem die im Anhang zu ı 419 erwähnte Rücksicht gilt: so habe
ich mit Lange Oberserv. orit. IT p. 14 und Bekker ἥπτετ᾽ auf-
genommen. Nur O 127 wird noch καϑάπτετο gefunden. Vgl.
auch den Anhang zu β 20. Die Bemerkung von Buttmann Ausf.
Sprachl. $ 84 Anm. 7 hat schon durch die neuere Kritik manche
Einschränkung erhalten. — Der Begriff ἄχος wird von Köchly
de Tiadis Β 1—483 disputatio p. 17 richtig gedeutet durch:
“moeror de turpi fuga conceptus, quo ipso eum prae ceteris idoneum
fuisse ewequendis Minervae mandatis indicatur.?
188. [G. Curtius im Philol. ΠῚ p. 11 f: B 188—205, Ver-
muthungen über die ursprüngliche Gestalt dieser Partie.]
196. [A. Nauck im Bulletin de l’Academie de St. Peters-
bourg 1861, Tom. III p. 305 fl. empfiehlt die Zenodotische Les-
art διοτρεφέων βασιλήων, wobei er das ξἕ des folgenden Verses
— 11 —
pluralisch fasst, wie Hymn. in Ven. 267. Vgl. auch Brugman ein
Problem der homer. Textkritik p. 21 ἢ, der keine Entscheidung
wagt. La Roche hat nach DGHL. Aristot. Rhet. II, 2 u. a.
διοτρεφέων βασιλήων geschrieben, bezieht aber ἕ auf Agamemnon
(Schulausgabe, Anhang p. 153). Uebrigens wurden 193—197
von Aristarch verworfen: ὅτι ἀπεοίκοτες οἵ λόγοι καὶ μὴ προτρεπτικοὶ
εἰς καταστολήν: Friedlaender Aristonic. p. 63, vgl. Lachmann Be-
trachtungen p. 12, Düntzer Homer. Abh. p. 44. 109, Curtius im
Philol. III p. 11 17
198. F. A. Wolf, Fr. Spitzuer, W. Dindorf und Andere haben
δήμου τ᾽ ἄνδρα mit eingesetztem τέ beibehalten. Aber der Venetus
und andere Handschriften haben die Partikel mit Recht weg-
gelassen. Denn die Länge des ov vor vocalischem Anlaut wird
durch andere Beispiele hinlänglich gestützt. Vgl. C. A. J. Hofl-
mann Quaest. Hom. I p. ὅθ. Bemhard Giseke Hom. Forsch.
8. 168 f. und anderwärts. Hierzu kommt, dass’ ein doppeltes τέ
in solchem Zusammenhange nur einzelne Begriffe verbindet, nicht
aber wie τὲ καί ganze Sätze oder Satzglieder. Vgl. Krüger Di,
8 69, 70, 1 und 3. Endlich ist zu sagen, dass das doppelte τέ
einen unpassenden Gedanken gäbe, wie ihn Grote Gesch. Griech.
1 8. 445 der deutsch. Uebers. wirklich ausgesponnen hat. Denn
nicht jeden Mann aus dem Volke, sondern nur den tumul-
tuirenden Schreier schlug Odysseus mit dem Scepter. Anders
indes urtheilt Bekker im Berliner Monatsbericht usw. 1867 8. 433 f.
[= Hom. Blätt. IT p. 164 6], wo er Folgendes bemerkt: “Der
Dichter hat den Vers in zwei Glieder gedehnt und zerlegt, wahr-
scheinlich weil ihm daran lag die zwei Momente, welche den Stock
auf schuldige Rücken hernieder führen, den Stand (rd δημοτεύειν)
und das Benehmen (τὸ βοᾶν) in ihrer Verschiedenheit und ihrer
nothwendigen Zusammenwirkung recht klar zu machen.” Aber
man sieht nicht, was den Odysseus bewegen solle, auch noch
“den Stand (rd δημοτεύειν)᾽ als solchen zu züchtigen. Ich fürchte,
dass dieser Gedanke so wenig altgriechisch sei als die active
Form δημοτεύειν. Es dürfte vielmehr diese nothwendige Zu-
sammenwirkung” beider Momente grossen Bedenken unterliegen,
wenn man nicht den Odysseus als blinden und delatorischen Partei-
gänger der Aristokratie sich vorstellen will, wozu es im Homer
keine Stützen giebt. Bekker bemerkt weiter: “Also wird δήμου
τ᾽ ἄνδρα zu lesen sein, nicht aber an δήμου ἄνδρα ein Hiatus
nach der zweiten Thesis fortzupflanzen, der so selten ist dass ich
in 24 Rhapsodien (II bis δὰ und x bis ©) nur 7 Beispiele davon
-finde, T 94. Φ 362. X 199. Ψ 431. A 252. ο 326. φ 211.
Aber da ist 2 578 übersehen und aus den übrigen 24 Rhapso-
dien hat man ziemlich die gleiche Anzahl nachgewiesen, so dass
der Ausdruck ‘selten’ nicht gerade streng zu nehmen ist. [So
urtheilt auch La Roche krit. Ausg] Nach dem Allem finde ich
--ξ 12 —
die vermeintliche “Dehnung und Zerlegung des Verses in zwei
Glieder” auffällig. Mir scheint nur ein einziges Satzglied noth-
wendig zu sein, aber dieses mit zwei significanten Verbalbegriffen,
nemlich ido: sah, nicht etwa nur aus weiter Ferne hörte und
nicht etwa solche, die ihm durch die Anzeige Anderer als Haupt-
schreier bekannt geworden und zur Bestrafung zugeführt wären;
hierzu βοόωντά τ᾽ ἐφεύροι (mithin nicht bloss ἀκούσαι) und
schreiend antraf, ἃ, 1, und auf der frischen That des Schreiens
ertappte, also nicht solche, die zwar vorher einmal mitgeschrien,
aber bald sich gebessert hütten. So allein finde ich Ueberein-
stimmung mit dem Charakter des Odysseus und mit dem Auftrag
der Athene. — Was sodann das σκήπτρῳ ἐλάσασκεν betrifft, so
erinnert dasselbe an die scherzhaften Worte des “ Wachtmeister”
in “Wallensteins Lager’ 7. Auftr.:
“Alles Weltregiment, muss Er wissen,
Von dem Stock hat ausgehen müssen;
Und das Scepter in Königs Hand
Ist ein Stock nur, das ist bekannt.”
Hierbei hat Schiller sicherlich wie anderwärts an bestimmte
Fürsten seiner Zeit gedacht: kurz vorher und nachher hat wie
es scheint vor seiner schildernden Seele Bonaparte gestanden. Zur
Homerischen Stelle bemerkt Voss Krit. Bl. I 8. 254 mit Recht:
‘Der Königsstab war, wie noch jetzt unter Völkern ohne neuere
Verfeinerung, ein nicht müssiges Zeichen der Obmacht.’ Zu Vers
199 fügt G. Autenrieth bei Nügelsbach hinzu: ‘Wie Sokrates
diesen Vers richtig, seine Ankläger aber verkehrt verstanden,
s. bei Xenoph. Mem. I 2, 58.” [Ueber δήμου ἄνδρες und ver-
wandte politische Begriffe vgl. Riedenauer Handwerk und Hand-
werker in den homer. Zeiten, Erlangen 1873, p. 26 und Note
156 auf p. 175 £]
204. 205. Diese zwei Verse werden bekanntlich von den
Zeiten des Plato an bis auf unsere Tage häufig citiert, oder es
wird wenigstens theils leiser theils stärker darauf angespielt; kurz
der Ausspruch gehört zu den gefeiertsten Sprüchen aus dem gan-
zen Homer. Vgl. Duport. gnomol. Homer. p. 10. Friedemann
Paränesen I 8. 69. J. A. Hartung Themata zu deutschen Ausarb.
8. 200. Man kann noch Boethius Consol. philos. I pr. 5 und
andere Spätlinge hinzufügen. Dass übrigens solche Gemeinsprüche
immer dramatisch im Munde homerischer Personen und an Stellen
erscheinen, die für den Sprecher charakteristisch, für die Hand-
lung bedeutungsvoll sind, darüber vgl. Nitzsch Beitr. zur Gesch.
der ep. Poesie 8. 275. [Zur Komposition von πολυκοιρανίη (von
πολυκοίρανος viele Herrscher habend, = Zustand, wo man viele
Herrscher hat) und ἀγκυλομήτης (= in Krümmungen sinnend)
vgl. Meyer in Curtius Stud. VI p. 255. 257, über die mytho-
-- τ —
logische Bedeutung des letzteren Epithetons aber H. D. Müller
Mythologie der griech. Stämme II p. 133.]
206. Der Vers fehlt bei Eustathius, in den Schol. und in
den ceodd. Venet. Lips. Townl. Mosq. I. Eton. Vindobb. [Laurent.
15 u. 3, u. and. bei La Roche.] In der ed. princeps und in den
Aldinen steht στίχος νόϑος dabei. Wegen der auffälligen Beziehung
von σφίσι und des metrischen Fehlers in der gewöhnlichen Lesart
des Schlussworts βασιλεύῃ wird er jetzt allgemein als ein altes
Einschiebsel aus I 99 betrachtet, wie schon Heyne erörtert hat.
Indes wollen Voss Krit. Bl. II S. 119 und Hymne an Dem. $. 39,
Lange Observ. erit. II p. 16 und J. Minckwitz den Vers erhalten
wissen, weil ohne denselben die Rede gegen homerische Sitte nach
ἔδωκε zu “abgerissen” dastände, der “Gedanke zu lahm ausgienge”
und keinen würdigen Abschluss erhielte. Aber dies dürfte eine
subjective Ansicht sein. Ich habe mit Bergk Zeitschr. f. A. W.
1851 8. 529 statt des unmetrischen βασιλεύῃ das im Citat von
Dio Chrysost. or. I p. 3 gebotene βουλεύῃσιν in den Text ge-
nommen, nach dem Vorgange von Boissonade, der ausserdem als
Autorität “cod. Reg. 2958” hinzugefügt hat. Vor Wolf gab man
aus Conjectur im cod. Cant. von zweiter Hand ἐμβασιλεύῃ, was
Doederlein von Neuem mit einem ‘suspicor” und Vergleichung von
ὁ 413 vorbringt. Ueber σκῆπτρον ἠδὲ ϑέμιστας vgl. C. F. Hermann
Staatsalterth. $ 8, 5.
209. [ἠχή bezeichnet nach Mayer Studien zu Homer, Sopho-
kles οἷοι, Gera 1874, p. 45 den hohlen und sausenden Ton,
brausenden Schall, βοή den dumpfen und brüllenden, ἰαχή den
lauten und hellen. — Ansprechend ist die Vermuthung van
Herwerdens quaestiunculae epicae et eleg. p. 2, dass μεγάλα zu
schreiben sei statt μεγάλῳ, vgl. 4 424.]
212. Θερσίτης bei Homer gehört keiner Heroenfamilie mit
mythischer Ueberlieferung an, sondern ist ein vom Dichter zu
poetischem Zwecke geschaffener Charakter. Er heisst der “Un-
verschämte’, der “Freche”, der Frechling (von ϑρασιύ-ς, dem
äolischen 29605 statt ϑάρσος, ϑράσος) und erinnert in der Namens-
form an ᾿Αλιϑέρσης β 157, an Θερσίλοχος Ρ 216, Πολυϑερσεΐδης
φιλοκέρτομος χ 287 sowie an die bei Späteren vorkommenden
Namen Ἐπιϑέρσης und Ἐπιϑερσίδης. [Mehr bei Fick die griech.
Personennamen p. 115: Ἱππο-ϑέρσης, “υκο-ϑέρσης, Φιλο - ϑέρσης,
Θέρσιιππος, Ἐφι- ϑάρσης.) Vgl. Th. Ameis de Acolismo Homerico
(Halle 1865) p. 20. [Hinrichs de Hom, elocutionis vestigiis Aeol.
p. 62.] Die Thersites-Scene hat den Zweck, einen Umschlag in
der Stimmung des Heeres zu vermitteln, ἃ, i. durch diesen Zwischen-
act sollen die Gemüther beruhigt und zur Besonnenheit zurück-
geführt werden, so dass die Griechen von dem erregten Verlangen
nach der Heimkehr abkommen und mit Beschwichtigung des Un-
muths sich dem Agamemnon wieder zuwenden sollen. In dieser
Anhang zu Ameis, Homers Dias I. 8
--Ῥ 114 —
Absicht repräsentiert Thersites das zungenfertige Lästern des ge-
meinen Demagogen, indem er als ein ins Lächerliche und Verächt-
liche gesteigertes Spiegelbild von der Stimmung des Heeres vor-
geführt wird. Und die Folge davon ist, dass die leicht beweg-
liche Menge sich zu schämen beginnt in dem Bewusstsein, mit
dem an Gestalt hässlichsten und an Gesinnung verächtlichsten
Manne im ganzen Heere einerlei Meinung und Stimmung gehegt
zu haben. So ist Alles hinlänglich vorbereitet, um den folgenden
Reden des Odysseus und Nestor ihren Eindruck zu sichern. Vgl.
über Thersites die Hauptabhandlung von Fr. Jacobs Verm. Schrift.
VI 8. 81 bis 106. Der Cardinalpunkt lautet $. 89 also: ‘Die
Persönlichkeit des Redners und das, was Jeder von ihm weiss und
denkt, entzieht seinen Worten die Kraft, und was ausserdem Auf-
ruhr erzeugt’ hätte, fällt, weil es Wort und That des Thersites
ist, kraftlos zu Boden. Mit diesem Manne will Keiner gemeine
Sache machen. Aber nicht bloss ohne Wirkung bleibt sein Rath;
er bringt sogar das Gegentheil von dem hervor, was er beab-
sichtigte.’° Mit Jacobs stimmt Lange Verm. Schrift. von Jacob
p- 107: “Thersites bonae sententiae turpis auetor’, unter An-
führung von Parallelen aus’ späterer Zeit, wo man auch noch aus
Justin. XXXI c. 6 das “Antiocho non tam consilium gquam auctor
displicebat” hinzufügen könnte; sodann stimmt mit Jacobs im
Wesentlichen Doederlein Reden und Aufs. II 85, 203 bis 210 in
dem interessanten Aufsatze “Ueber das Bild des Homerischen Ther-
sites’, woraus Nägelsbach zu B 277 die Hauptsache im Wort-
laute angeführt hat. Ausserdem hat Doederlein von φοξός und
ψεδνός (219) eine neue Erklärung versucht, die er auch im Homer.
Gloss. $ 2477. 2478 und in seiner Ausgabe verficht, die aber
mehr genialen Humor als sprachliche Begründung enthält. Ferner
schliesst sich an Fr. Jacobs an mit einer selbständigen Erörterung
des ganzen Zusammenhangs Anton Göbel in Mützells Zeitschr. f.
ἃ. G. W. 1854 8. 764 ff,, wo Anmerk. 2 auch die frühere Lite-
ratur angeführt wird. Hier heisst es unter Anderm $. 768 mit
Recht: “Bei der leidenschaftlichen Aufwallung, worin damals nach
der vereitelten Flucht die Griechen sich befanden, worin sie gleich-
sam nichts als Gefühl, als wildaufgeregtes Gefühl waren, konnte
aller Seelenerfahrung zufolge zunächst nur mittelst entgegen-
gesetzter Gefühle auf sie eingewirkt werden; nur dadurch konn-
ten die ursprünglichen Gefühle niedergekämpft oder zurückgedrängt,
nur dadurch Gleichmuth und Ruhe in die Seele zurückgerufen wer-
den, die der Reflexion und den Vernunftgründen einsichtsvoller
Männer zugänglich seien. Die Reihenfolge dieser neuen Gefühle
ist: Abscheu und Widerwillen gegen die Person des Thersites;
damit zugleich Abscheu vor der von ihm vertretenen Sache; darauf
Scham, mit dieser Creatur gleichsam Hand in Hand gegangen zu
sein; Unwillen über sich selbst, vorhin so gefühlt und gedacht
-- 15 —
zu haben; hiermit Lossagung von seiner Sache, und zwar von
dem Zwiefachen, was Thersites geltend zu machen sucht’: nem-
lich von dem Gedanken an die Heimkehr und von der Misstim-
mung gegen Agamemnon. Aus dem Gesichtspunkte der homeri-
schen Agora betrachtet den Thersites Gladstone Hom. Studien von
Alb. Schuster 5, 336 fi. Die dichterische Idee für sein Auftreten
ist hier theilweise unrichtig aufgefasst, aber gut wird unter
Anderm bemerkt 85. 338: ‘In der kurzen Rede des Thersites hat
Homer sich bemüht schlagende Beispiele von Bosheit (226. 234),
Grobheit (232), Eitelkeit (228. 231. 238) und Feigheit (236)
niederzulegen, während sie durchweg ein Gewebe grösster Unver-
schämtheit ist’ usw. Und $. 340: “Uebrigens beweist der Fall
des Thersites nicht nur, dass die Agora keineswegs eine blosse
Illusion war, sondern er zeigt auch, dass Freiheit der Debatte
etwas Bekanntes und Gewöhnliches war. Vgl. I 33 und 100, wo
die Redefreiheit in der Agora als Grundsatz ausgesprochen war”.
In Bezug auf das politische Leben jener Zeit überhaupt will
E. Curtius Gr. Gesch. I 8. 124 in dieser Scene Folgendes finden:
‘Schon ist die öffentliche Stimme eine Macht, welche der König
nicht ungestraft verachten darf, und schon finden sich auch im
Troischen Lager Leute wie Thersites. Er wird mit Hohn in
seine Schranken zurückgewiesen, aber gerade sein Zerrbild giebt
den Beweis, dass die Parteien sich mit Bewusstsein gegenüber
standen und dass der aristokratische Witz sich schon geübt
hatte, die Sprecher des Haufens mit Spott zu geisseln.” Wie
aber in dieser Auffassung der Begriff einer ganzen ‘Partei’ mit
μοῦνος 212 und ‘der aristokratische Witz” mit οἵ δέ und τίς
270. 271, was bekanntlich auf die eigenen Genossen des Thersites,
auf den ‘Haufen’ geht, sich vereinigen lasse, ist mir wenigstens
unklar. Das ganze Benehmen des Thersites ist nicht das eines
vornehmen Adligen, wie diese Adligen sonst vom Dichter, selbst
bei Hervorhebung ihrer wirksamsten Schattenseiten, dargestellt
werden. Auch ist schwer zu glauben, dass der aristokratisch ge-
sinnte Homer die Misgestalt eines Aristokraten so umständlich
und absichtlich geschildert haben würde. Und nicht bloss hier
214, sondern auch 247. 250. 277 wird Thersites in ausdrück-
lichen Gegensatz mit den Königen gestellt. Was aber die
niedrige Abkunft am Meisten zu beweisen scheint, sind die Schläge,
die er 264 f. von Odysseus erhält. Denn Odysseus schlägt nur
gemeine Leute, Könige und Adlige behandelt er sanfter. Das
haben schon die Schol. BL. zu 212 bemerkt: εἰ δέ γε συγγενὴς
ἦν “Τιομήδους, οὐκ ἂν αὐτὸν ἔπληξεν Ὀδυσσεύς" τοὺς γὰρ ἰδιώτας
μόνον ἔτυπτεν. εὖ δὲ καὶ οὐκ ἀπὸ πατρὸς αὐτὸν συνέστησεν [se. 6
ποιητής], οὐδ᾽ ἀπὸ πατρίδος, ἀλλ᾽ ἀπὸ τοῦ τρόπου μόνου καὶ τῆς
μορφῆς, ὧν νῦν χρεία. — In dem Worte ἀμετροεπής finden Nägels-
bach und Andere schon den Begriff des “ὁ ἄκοσμά re καὶ πολλὰ
g*
— 16 —
ἔπη εἰδώς und Doederlein “inverecundus, impudens, procaz.”
Aber μέτρον kann von κόσμος kein Synonym sein, und ὅς ῥὰ giebt
keine blosse Exegese, sondern eine weitere Bestimmung über den
Charakter. Vgl. Philipp Mayer Beitr. zu einer homer. Synonymik
(Gera 1842) $. 8 Anmerk, 7. [= Studien zu Homer, Sopho-
kles ete. p. 10 f] Daher kann man nur an die Vielheit oder
Fülle der Worte denken, wie schon Sophokles Philoct. 444 die
Stelle verstanden hat. So erklärt auch G. Autenrieth bei Nägels-
bach. [In Bezug auf die Schilderung des Thersites vgl. die Be-
merkungen über die Beschränkung des beschreibenden Elements
bei Bergk griech. Literaturgesch. I p. 828 f. Einzelne Bedenken
gegen die Thersitesscene bei demselben p. 541.] — Vers 214 ge-
braucht Lucan. Fugit. c. 30. — 218. [Die Form συνοχωκότε ver-
wirft Cobet Miscell. eritic. 1876 p. 304 und verlangt, was schon
Valckenaer ad Ammonium p. 24 wollte, nach Hesych. συνοκωχότε:
ἐπισυμπεπτωκότες. συνοχωχὴ γὰρ ἡ σύμπτωσις die Herstellung dieser
Form. Vgl. auch 6. Curtius das Verbum der griech. Sprache II
p- 142.] — 219. Eine Anspielung darauf bei Lucian. D. Mort,
XXV 1. — 222. [Wohl mit Recht hat Gerlach im Philolog. XXX
p. 13 bemerkt und gut begründet, dass τῷ sich nur auf Agamem-
non beziehen könne. Zwar ist nicht entscheidend, dass Agamem-
non unmittelbar vorher genannt ist, wohl aber, dass nach 215
das Volk ja des Thersites Reden mit Vergnügen anzuhören pflegt.
Ein Possenreisser, der darauf ausgeht durch seine Witze Gelächter
zu erregen, wird auch nicht leicht Gegenstand nachhaltigen Grolls
von Seiten der grossen Menge; dagegen haben die Achaeer Grund
genug dem Agamemnon zu grollen wegen des Streits mit Achill
und speciell Anlass zum Unwillen, da Agamemnon sie noch eben
durch seine Rede getäuscht hat. Ueberdies erklärt sich des
Odysseus so energisches Einschreiten auch nur dann, wenn Ther-
sites durch seine Reden wirklich gefährlich war und zahlreiche
Lacher auf seiner Seite hatte. Dass die Achaeer nachher aber
über Odysseus’ Vorgehen gegen ihn in Entzücken gerathen, wider-
spricht dem nicht, sondern ist, wie Gerlach mit Recht sagt, ein
neuer Beweis, dass Homer die Wirklichkeit gut beobachtet hat.]
— Vers 226 bis 228 citiert Athen. XIII 3 p. 556%. — 231.
Themist. or. XXI p. 261%. — 234. ]Zu ἐπιβασκέμεν vgl. das ver-
wandte ἐπιβατεύειν bei Herodot: Stein zu Herod. III, 63, 16.]
235. κάκ᾽ ἐλέγχεα steht ebenso E 787. Θ 228, auch 2 260.
Wir können dafür auch “arge Taugenichtse’ sagen [Schand-
buben, Memmen]. Dergleichen Abstracta werden öfters in con-
cretem Sinne gebraucht besonders bei Schimpfworten: hierdurch
gewinnt die jedesmalige Rede an Stärke und Nachdruck. Vgl.
hauptsächlich Bernhardy Synt. 8. 46 und 56. 80 πῆμα zu g 446.
λώβη zu Γ' 42. μῖσος Soph. Phil. 991. μίσημα Elect. 289. στύγημα
Babr. fab. 92, 62. περίτριμμα ἀγορᾶς Demosth. de cor. $ 127,
- 17 —
und viele Andere. Bei den Lateinern finden sich so scelus malum
pestis opprobrium labes. Und wir sagen. ähnlich “Scheusal”
oder “Auswurf” oder in gemeiner Sprache “du Laster”. Cicero de
Or. III 42, 167 (wo er vom Schmuck der Rede durch Metonymie
und Personification handelt) bemerkt: “quo item in genere et virtutes
et vitia pro ipsis, in quibus illa sunt, appellantur’ Ueber den
Charakter dieser Rede giebt G. Autenrieth bei Nägelsbach eine
beachtenswerthe Bemerkung. Thersites affectiert hier einen edlen
Unwillen über den Knechtssinn der Achaeer, die da nicht wagen,
den Fürsten zum Trotz nach Hause zurückzukehren. — Diesen
Vers berücksichtigt Lucian. Encom. Demosth. ὁ. 7.
238. [La Roche homer. Untersuch. p. 284 findet in χἠμεῖς
auch wir eine Beziehung auf Achill.]
239. Bekker hat 239 bis 242 aus Conjectur stillschweigend
athetiert, wahrscheinlich weil er dem Bedenken von Lachmann
Betrachtungen 5. 9 und den Bemerkungen von M. Haupt 5. 102,
dass die “Rede mit 238 lebendig und kräftig schliesse’ und dass
“Thersites kein Wort von der Pest sage” und so dessen “Schmäh-
sucht den erwünschtesten Anlass zu Vorwürfen gegen Agamemnon’
übergangen habe, seinen unbedingten Beifall gab. Auch Koechly
in der kleinen Ilias hat diese Verse weggelassen. Aber mit ἦε
καὶ οὐκέ 238 ist schwerlich ein passender Schluss gegeben, der
sich durch ähnliche Stellen rechtfertigen liesse; die namentliche
Erwähnung der Pest aber ist nicht nöthig, wo dessen unmittel-
bare Folge, der Zwist des Achilleus und Agamemnon in kräftigster
und feinster Beziehung vorgeführt wird. Vgl. Anton Göbel in
Mützells Zeitschr. f. ἃ, G. W. 1854 5. 754 f. Mit Recht bemerkt
auch Hess Ueber die komischen Elemente im Homer (Bunzlau
1866) 8. 30 f. Folgendes: “Thersites begeht sogar schliesslich,
unverschämt auf Agamemnon schimpfend, ein Plagiat an Achilleus
(240 und 242), durch das er seine ganze Erbärmlichkeit nur um
so schneidender herauskehrt, indem er vielleicht in niedriger
Denkungsart darin eine schlaue Speculation erblickt, wenn er seine
Sache mit der des ersten Helden identificiert, und entblödet sich
sogar schliesslich nicht, dem Achilleus vorzuwerfen, er sei zu
schlaff und habe keine Galle.’ [Vgl. indes die Einleitung p. 93.]
245. [ὑπόδρα steht zweifellos für ὑπόδρακ, wie ἄνα Voc.
für ἄνακ, γύναι für γύναικ᾽. A. Fick vergl. Wörterb. ? p. 1062.)
254—256. Nach dem Vorgange des Aristarch (bei Aristoni-
kos) haben Wolf, Spitzner, Bekker u. A. diese drei Verse aus dem
Texte entfernt. Denn da sie mit den vier vorhergehenden Versen
im Wesentlichen denselben Gedanken enthalten, nur in speciellem
Bezug auf Thersites: so hat Nägelsbach mit Recht bemerkt, dass
hierin “eine sehr alte andere Recension der ganzen Stelle von
250 an’ zu erkennen sei. Die Redactoren des Peisistratos nem-
lich wussten nicht, welche Fassung sie vorziehen sollten, daher
— 18 —
stellten sie beide neben einander. Es ist möglich, dass der alte
Dichter selbst: diese doppelte Fassung geschaffen und bei seinen
Vorträgen bald die eine bald die andere gebraucht habe. Karl
Lehrs de Arist. 5, 438 f. ed. II will hier 254 bis 256 beibehalten,
dagegen 250 bis 253 ans Ende von Odysseus’ Rede 264 gesetzt
wissen. Dieser Ansicht hat auch Doederlein in seiner Ausgabe
beigestimmt. Das Fragezeichen am Schluss von 256 ist nach dem
Sinne des Eustathius gesetzt.
255. Zu ἦσϑαι in der allgemeinen Bedeutung weilen oder
warten vgl. ß 255. y 186. 263. ὃ 101. ὃ. 506. κ 260. 536.
λ 82. 142. ν 407. & 41. σ 224. v 221. p 100. 425. A 134. 565.
T 134. 4 412. O 10. 740. Σ 509. 2 542. [β 255 ist der
Nebenbegriff der Unthätigkeit zu betonen; y 263, wie Z 509
steht vom Lagern eines Heeres vor einer Stadt.] Ueber die Be-
deutung von ἦσϑαι überhaupt vgl. G. Autenrieih zu Nägelsbach
4A 134. [Genauere Untersuchung verdient die Verbindung des
Verbums mit Partieipium: vgl. den Anhang zu 4 412.] Derselbe
bemerkt mir brieflich: ‘769%«ı gehört nicht zur Wurzel ἐδ (sad,
sidämi, sedeo); für obige Erklärung spricht auch, dass im δέ,
äs, äste (sedet, sidit) doch wohl von as (asti ἐστί) kommt; indes
auch dieses äs bezeichnet ebensowohl “die Unthätigkeit, als die
Ausdauer oder ruhige Würde.”
261. [Zum Satzgefüge vgl. L. Lange der homer. Gebrauch
der Partikel εἰ I p. 459 £.]
262. Die Worte τά τ᾽ αἰδῶ ἀμφικαλύπτει werden von den
Neuern allgemein erklärt: “und was die Scham dir umhüllet,
und man versteht darunter die μίτρη A 137 oder ξῶμα 4 187.
Ψ 683. ξ 482, die auch beim Ringen getragen wurde. Aber da-
gegen hat Hagena im Philol. VII 8. 390 wie ich glaube mit
Recht erinnert: “Mir scheint die μίτρη nicht ein allgemein ge-
bräuchliches Stück des Anzuges oder der Rüstung gewesen zu
sein, also vollends nicht ohne Weiteres bei einem gemeinen Krie-
ger vorausgesetzt werden zu können.” Hierzu kommt, dass τά τὲ
oder & re im Sinne ‘und was’ aus Homer schwer nachweisbar
ist. Daher verstehe ich die Stelle wie Hagena und wie schon
der Paraphr. bei Bekker sie verstanden hat: ἱτήν ze χλανίδα καὶ
τὸν χιτῶνα, ἅτινά σοι τὰ αἰδοῖα περικαλύπτουσι’᾽ Ueber den
Accent in αἰδῶ vgl. J. La Roche Hom. Textkritik 5. 181.
267. ἐξυπανέστη wird schon von den Schol. BL. und von
Eustathius richtig erklärt: δηλοῖ γάρ φασιν ἐνταῦϑα ἡ μὲν ὑπὸ
πρύϑεσις τὸ κάτωϑεν (ἃ. i. drunter hervor), ἡ δὲ ἐξ τὸ εἰς εὐθύ,
ἡ δὲ ἀνὰ τὸ ὕψος. Bei den alten Grammatikern wird ein solches
Compositum ῥῆμα τετραπλοῦν oder auch σύνϑετον ἐκ τεττάρων λέξεων
genannt. In diese Kategorie gehören bei Homer παρεκπροφυγεῖν
ἂν 314 (wo indes jetzt richtiger παρὲκ προφύγῃσιν gelesen wird),
ὑπεκπροϑέειν zu © 125, ὑπεκπρολύειν zu ξ 88, ὑπεκπρορέειν zu
— 119 —
€ 87, ὑπεκπροφυγεῖν zu u 118, ὑπεξαναδῦναι N 352. Ueber alle
diese Composita hat Eustathius zu unserer Stelle p. 217 mit
Recht bemerkt: οὐδαμοῦ στοιβὴν προϑέσεων μάτην οὕτω τίϑησιν ὃ
ποιητής, ἀλλ᾽ ἑκάστη τῶν συγχειμένων προϑέσεων σημαίνει τι. Dies
ist gegen diejenigen Interpreten gerichtet, die der Ansicht waren,
dass dergleichen Composita ‘nur aus metrischer Noth’ ent-
standen seien. — 265 ff. [Vgl. Lachmann Betrachtungen p. 13,
6. Curtius im Philol. III p. 16 £.]
269. ἀχρεῖον ἰδών wird jetzt, seitdem es alte Schol. und
Eustathius als ἀκαίρως ὑποβλέψας fasten, von den Neuern fast
allgemein gedeutet durch ‘mit entstelltem Gesicht” oder “mit
einem albernen Gesichte’ oder ‘mit verlegnem Gesicht” und
durch ähnliche Ausdrücke oder durch ‘bestürzt vor sich hin-
starrend’ oder “einfältig dreinsehend’ (J. La Roche hom. Stud.
8 36 V.) oder ‘schofel blickend’ (F. A. Wolf und Bernhardy
Synt. 8. 128) oder “imbellum vel debilem vultu repraesen-
tans? (Doederlein in der Ausg. und im Hom. Gloss. $ 782). Aber
gegen alle diese Deutungen machen sich drei Bedenken geltend:
1) die Bedeutung von ἀχρεῖος. Das Wort heisst nutzlos und
steht von dem was unnütz geschieht, sei es dass es überhaupt
keinen Zweck hat oder dass der vorgesetzte Zweck verfehlt wird.
Wie nun hieraus eine der oben gegebenen Sinnesbestimmungen
sich entwickeln könne, das ist noch von Niemand gezeigt worden.
Bei Späteren heisst es bekanntlich kraftlos: vgl. Blomfield Gloss.
ad Aesch. Prom. 371. Hierzu kommt 2) der Sinn des transi-
tiven ἰδεῖν ‘sehen’ oder “erblicken’, das mit δέρχεσϑαι und
βλέπειν so wie mit den intransitiven Verben γελᾶν (6 168) oder
κλάξειν und ähnlichen nicht als identisch betrachtet werden kann.
Noch lässt sich dagegen 3) das Asyndeton erwähnen. Bei den
obigen Deutungen nemlich würde man zu ἀχρεῖον ἰδών den An-
schluss durch τέ erwarten (wie 273 und anderwärts), weil dann
ein neues Moment gegeben wäre, das sich weder dem ἀλγήσας
noch dem ἀπομόρξατο passend unterordnen liesse. Denn das
Asyndeton mehrfacher Participien bezweckt, wie Bernhardy Synt.
8. 473 es trefiend bezeichnet, “eine Mannigfaltigkeit von Momen-
ten, welche den Hauptgedanken mittelbar vereinigen, wie wenn
in einer Auflösung der Wechsel verschiedener Conjunctionen ein-
träte’ Ausserdem muss man eingedenk bleiben, dass Thersites
weder ein ‘Dummkopf” noch ein “Feigling” ist, sondern ein ge-
meiner raffinierter Demagog. Daher finden wir ihn hier in
einer Reflexion begriffen, an deren Stelle man sonst ein anschau-
lich wirksames Bild erwarten könnte. Aus allen diesen Gründen
bin ich der Erklärung von Moschopulus gefolgt, der auch Damm
und Freytag ihren Beifall geben. [Gegen diese Erklärung: ‘da
er sie (die Thräne) unnütz sah’ und die damit verbundene
Voraussetzung einer raffinierten Reflexion spricht entschieden 266
— 120 —
der Ausdruck ἔκφυγε δάκρυ: sie entschlüpfte ihm, stahl sich heraus
wider seinen Willen, wie Ameis richtig erklärt. Nimmt man hinzu,
dass die angenommene Construction von ἰδεῖν, zumal δάκρυ erst
am Ende des Verses folgt, doch auch ihre grossen Bedenken hat,
so scheint es gerathen zu der gewöhnlichen Erklärung zurück-
zukehren, in Bezug auf welche ich die von Ameis geltend ge-
machten Bedenken in dem Mass nicht theile.] — Vers 273 be-
rticksichtigt Plutarch. Consol. ad Apoll. e. 33 p. 118“
276 f. [Nitzsch Beitr. z. Gesch. d. ep. Poes. p. 327, Anm. 37
sieht wegen πάλιν αὖτις in diesen beiden Versen einen, allerdings
geschiekten, Zusatz eines Rhapsoden.]
278. [Zu der folgenden Partie 278—332 vgl. die verwer-
fende Kritik von G. Curtius im Philol. III p. 13 f.]
281. [A. Nauck im Bulletin de l’Academie Imperiale des
sciences de St. Petersbourg. Tome IX (1866) p. 332 urtheilt, dass
τέ nach ἅμα von einem ungeschickten Grammatiker zur Beseiti-
gung eines vermeintlichen Hiatus eingeschaltet sei. Er streicht
daher re und fasst das folgende οἵ als Dativ.]
284. γάρ σε, statt des gewöhnlichen δή σε, ist mach der
Bemerkung des Aristonikos die Aristarchische Lesart, die hier
trefilich passt, weil dadurch die an den Herrscher Agamemnon
gerichtete Anrede gleich direct begründet wird, was leben-
diger in mediam rem führt. Aechnlich H 328. [Vgl. dagegen
Pfudel Beiträge zur Syntax der Causalsätze bei Homer p. 11.
Für γάρ sprieht sich aus Cobet Miscellan. crit. 1876 p. 319 f.]
Und dabei beachte man zugleich die psychologische Stufenfolge,
in welcher die Umstimmung des Heeres herbeigeführt wird. Nach-
dem nemlich die Gemüther durch den Zwischenact mit Thersites
hinlänglich vorbereitet sind, folgt nun die förmlich eröffnete und
durch Athene zum Schweigen gebrachte Versammlung und hier
die Rede des Odysseus, die folgenden Gedankengang hat: zuerst
rügt er die Wortbrüchigkeit der Achaser gegen Agamemnon und
ihre weichliche Sehnsucht nach der Heimath (284 bis 290); zwei-
tens aber entschuldigt er ihren Heimathsdrang, indem er ihn er-
klärbar findet (291 bis 298), drittens endlich erinnert er sie
an das Götterzeichen in Aulis und an die Weissagung des Kalchas
299 bis 330). Hierzu die kurze Schlussmahnung zum Bleiben
331. 332). Dies ist sicherlich ein in hellenischem Geiste von
Seelenkunde getragener Fortschritt. [Ueber das Verhältniss der
Reden des Odysseus, Nestor, Agamemnon zu einander vgl. die
Einleitung p. 87 411.
289. ὥς τε γὰρ ἢ παῖδες νεαροὶ χῆραί re γυναῖκες ist die
überlieferte Lesart. Dass hier das Anakoluth zwischen 7 und τέ
nicht gebilligt werden könne, scheint mir Doederlein in seiner
Ausgabe richtig bewiesen zu haben. Doederlein selbst hat, wie
vor ihm schon Bentley und Heyne, die Conjeetur εἰ statt ἤ vor-
— 121. —
gebracht, mit Beistimmung Anderer. Aber das heisst den Teufel
durch Beelzebub vertreiben, indem man ein ἅπαξ εἰρημένον durch
ein οὐδέποτε εἰρημένον ersetzen will. Während nemlich ἤ und τέ
bei Homer nur isoliert stände, gäbe dagegen εἰ eine völlig un-
homerische Verbindungsweise. Denn ὡς εἰ wird nirgends durch
dazwischen gesetzte Wörtchen getrennt: vgl. die im Anhang zu
ἢ 36 und ı 314 gesammelten Beispiele. Ich halte 7 für noth-
wendig und habe gewagt dies in den Text zu setzen theils aus
Erinnerung an y 348. τ 109, theils wegen eines ühnlichen Ge-
brauchs der Versicherungspartikel in den Vergleichen B 337.
Ὑ 1518 [?] @ 208. w 237. [9] Fast möchte ich vermuthen,
dass hier eine Notiz des Herodian verloren gegangen sei, so dass
der zu 291 gegebene Anfang ὁμοίως sich auf unsern Vers, nicht
auf 272 bezogen habe. Uebrigens ist das kürzere Gleichniss unse-
rer Stelle von C. Friedlaender in Fleckeisens Jahrbb. Suppl. III
S. 787 übersehen worden. Dies war längst niedergeschrieben, als
mir G. Autenrieth mittheilte, dass Rieckher im Stuttgarter Corre-
spondenz-Blatt 1862 8. 163 gegen den Vorschlag von M. Axt ὡς
γὰρ δή Folgendes bemerkte: “Wenn ja geändert werden soll, so
wäre uns ὥς re γὰρ ἦ denn wahrlich wie noch weit lieber.”
Vielleicht gewinnt die obige Begründung jetzt Rieckhers Beifall.
291. ἦ μὴν καὶ πόνος ἐστὶ ἀνιηϑέντα νέεσϑαι. Nach erneuter
Erwägung aller einzelnen Momente, wie sie auch von Nägelsbach
und Autenrieth dargelegt werden, habe ich mich im Wesent-
lichen an Lehrs de Arist.? p. 74 angeschlossen. “A. Spengel im
Philol. XXIII 5. 548 will die Ueberlieferung aus Conjeetur in
ἀνιηϑέντ᾽ ἀνέχεσϑαι “als ein der Sache überdrüssig gewordener
auszuhalten” geändert wissen mit Vergleichung von ὃ 595.
#277. Aber mir scheint der Begriff νέεσθαι hier tadellos zu sein,
da sowohl 293 ἀσχαλάᾳ die Sehnsucht nach der Heimath implicite
andeutet als auch der Vers 298 mit δηρόν re μένειν κενεόν τε
νέεσθαι beide Begriffe ausdrücklich hervorhebt. Die Ueberliefe-
rung νέεσϑαι beibehaltend und sich ebenfalls an Lehrs anschliessend
erklärt unsre Stelle Leo Meyer in Kuhns Zeitschr. XVI 8. 6 also:
“Freilich ringt ja wohl, wer belästigt ist (Beschwerden zu ertragen
hat), darnach nach Hause zu kehren. — Vers 302. μάρτυροι tritt
hier recht in seiner Urbedeutung hervor reminiscentes, von der
Wurzel smar meminisse, die sich so reich entwickelt hat. Vgl.
Leo Meyer Vergl. Gramm. I 355. G. Curtius Etym. ? 8. 296
Nr. 466 [* p. 331.).
303. Die Erklärung der Worte χϑιξά re καὶ πρωιξά «τέ. haben
Nügelsbach und Autenrieth allseitig begründet. Das Sprichwört-
liche der Formel ersieht man aus Herod. II 53 πρώην re καὶ
χϑὲς ὡς εἰπεῖν λόγῳ und aus den anderen Stellen, die in den
von Nägelsbach citierten Werken gesammelt sind. Vgl. auch Stat.
Ach. I 447. Cicero de divinat. II 30, wo er unsere Stelle von
—.122 —
290 bis 330 übersetzt giebt, hat den Sinn der Formel in dem
Verse: ‘'Namque omnes memori portentum mente retentant’
durch das memori mente wiedergegeben. Vgl. auch Aulin de
usu epexegesis p. 26. Den Accent von πρώιξα habe ich mit Bekker
in πρωιξά geändert, weil nach alter Lehre alle Adjeetiva auf £og
oxytona sind: vgl. Göttling Allg. Lehre vom Accent 8. 306. 80.
dann aber beachte man, dass es dem Charakter der homerischen
Sprache entsprechender ist, wenn man ἔνϑα 308 nicht als Nach-
satz zu ὅτε betrachtet, sondern als die eigentliche Fortsetzung zu
χϑιξά τε καὶ πρωιξά. Dies Sprichwort nemlich steht mit Nach-
druck zu Anfang (theilweise vergleichbar mit « 337 [Ὁ]. ξ 103. [Ὁ]
4231. N 68. & 255). Nun drängt sich in lebendiger Erinne-
rung sofort die allgemeine Schilderung der Zeit und des Ortes
hervor, ganz im Charakter mündlicher Erzählung, und dann erst
folgt mit ἔνϑα 308 zu dem anfänglichen χϑιξά re καὶ πρωιξά die
bestimmte Angabe der Thatsache. Die Stellen, wo etwa ἦν
oder ἦσαν im Gedanken liegt (auch noch μ 235) sind anderer
Natur. Wo dagegen ἔνϑα nach der Zeitpartikel ὅτε den eigentlichen
Nachsatz einführt, da ist dieser Nachsatz niemals durch eine
längere Parenthese von seinem Vordersatz getrennt, weil dies die
Leichtigkeit des Verständnisses stören würde: vgl. ß 151. y 279.
ε ὅθ, ξ 19. [?] 88. 112. ı 182. κ 277. λ 526. © 173. Ε 335.
775. 784. Καὶ 527. & 435. Φ 3. Ψ 774. Ebenso nach vorher-
gehendem ἐπεί oder ἐπήν » 91. [Ὁ] 527. 1 56. 4 384, und nach
εὖτε Z 394. Aus diesen Stellen erhellt zugleich, dass Doederlein
(in der Ausgabe) und Andere gegen den homerischen Sprach-
gebrauch handeln, indem sie den Vordersatz mit ὅτε beginnen
und die Formel χϑιξά τε καὶ πρωΐξ᾽ zu dem vorhergehenden ziehen.
Denn nirgends bei Homer wird ein neuer Vordersatz durch das
blosse ὅτε asyndetisch eingeführt. Auch widerstrebt hier
durchaus der Gedanke. Denn wenn zu dem Ausspruch “ihr alle
seid Zeugen’ der naive Zusatz “ausser denen die gestorben sind’
noch die im Versanfange emphatisch bezeichnete Beschränkung
χϑιξά τε καὶ πρωιξά erhalten sollte: so könnte sich diese nach-
drucksvolle Beschränkung nur auf eine bestimmte Classe von Ge-
storbenen beziehen. Und dies gäbe einen komischen Gedanken,
wie Bekker Hom. Blätter 5, 21, 36 längst bemerkt hat. Die
von Doederlein aber ersonnene Deutung der Worte “vel heri vel
mature post adventum h. 6. vel pridem’ bringt in den ächt
naiven Gedanken theils eine Trivialität theils eine Verletzung der
Sprache, indem dann wenigstens ἢ χϑίζ᾽ ἢ πρωΐ gesagt sein
müsste. So viel habe ich für nothwendig gehalten, um eine ein-
zige Zeile von K. Lehrs de Arist. ? p. 367 als homerisch zu er-
weisen. [Noch eine andere Auffassung giebt Hagena im Philol.
von p. 391, indem er den Satz mit ὅτε an das vorhergehende
εὖ ἴδμεν anschliessen will, wie nach μεμνῆσϑαι.]
-- 13 —
305. ἀμφί und περί sind gebraucht, um den Begriff des
rings und herum vollständig zu bezeichnen. Beide Präpositionen
in demselben Satze vereinigt finden sich noch Θ 348. A 559. [?]
0 647. 648. P 760. ® 10. # 191. 560. 561. ὃ 175. λ 609.
Vgl. in Bürgers Leonore:
“Nun tanzten wohl bei Mondenglanz
Rund um herum im Kreise
Die Geister einen Kettentanz.’
Bekker hat beide Präpositionen, sowohl wo sie allein stehen als
wo sie in Compositis erscheinen, synthetisch ἀμφιπερί geschrieben.
Vgl. Lobeck Elem. I p. 177 not. 44 und den Anhang zu ϑ 175.
Wegen der Quelle bei Aulis vgl. Pausan. IX 19 und L. Ross
Griech. Königsreisen IT 5. 106 f. Pausanias erwähnt auch die
Platane als eine Reliquie, die das Fortleben der epischen Sage
im Volke ebenso bezeugt, wie bei uns die ‘Lutherbuche’ das
volksthümliche Fortleben der Geschichte. [Ueber die Platane vgl.
Hehn Kulturpflanzen und Hausthiere p. 198 ἢ. Bei Homer er-
scheint die Platane nur hier. “Griechenland hatte den Baum und
die Freude an ihm (sie drückt sich in dem Adjeetiv καλῇ aus)
aus Asien überkommen, wo die Platane, wie die Cypresse, von
Alters her bei den baumliebenden Iraniern und den vorderirani-
schen Stämmen Kleinasiens in religiöser Verehrung stand”. Vgl.
Herod. VII, 31. “Die Sage brachte diesen Baum gern mit den
Pelopiden in Verbindung’: Pausan. VIII, 23, 3. Theophrast. h.
pl. 4, 13, 2. Theocrit. 18, 43 #] Bei der Wahrsagung des
Kalchas über die neun Sperlinge erinnert F. A. Wolf in den
Vorles. von Usteri zu B 308 an Josephs Traumdeutung wegen
der sieben fetten und magern Kühe.
315. Zur Entfernung des in ἀμφεποτᾶτο ὀδυρομένη vermeint-
lich auffälligen Hiatus hat zuerst Bentley bei Heyne ἀμφεποτᾶτ᾽
ὀλοφυρομένη conjieiert, sodann hat Th. Briggs zu Mosch. VI 21
unter Vergleichung von τ 522 dieselbe Conjectur vorgebracht, und
Doederlein im Hom. Gloss. $ 2426 und hier in der Ausgabe hat
dieselbe empfohlen. Allein der Hiatus an dieser Versstelle ist
bei Homer ein regelmässiger: vgl. die zahlreichen Beispiele, welche
von den im Anhang zu $ 215 genannten Gewährsmännern gegeben
werden. Auch der Anstoss, den Doederlein hier an ὀδύρεσϑαι
nimmt, ist unbegründet. Zum Gedanken vgl. auch Oppian. Hal.
Υ 579 δ᾽, Verg. Georg. IV 511 ff. — V. 316. Statt des augment-
losen ἀμφιαχυῖαν giebt der Ambrosianus von erster Hand ἀμφια-
χοῦσαν, was I. Soutendam Observatt. in Homerum et Scenicos p. 6,
nach einer Erörterung über das Digamma, in dupey&fovsav ver-
bessert wissen will. Dagegen erklärt W. Christ Griech. Lautl.
8. 181 ᾿ἀμφιαχυῖαν für du—Fiayvier’ [Vgl. dagegen Fritzsche
in Curtius Stud. VI p. 325. 327: ᾿ἰάχω = Fı-Füy-w; praesentis
-- 124 —
Auplicatio in ejusmodi perfecto intensivo valuit.’] Jede Aenderung
aber ist unnöthig: das ἀμφιαχυῖαν fasst die beiden vorhergehenden
Begriffe ἀμφεποτᾶτο ὀδυρομένη prägnant in einen zusammen. [Für
τὴν δ᾽ ἐλελιξάμενος verlangt Cobet Miscellan. erit. 1876 p. 278
τὴν δὲ Felibduevog, vgl. zu A 530.]
318. ἀΐξηλον, was der Ambrosianus pr. m. bietet während
die übrigen Handschriften ἀρίζηλον haben, ist höchst wahrschein-
lich die Aristarchische Lesart: vgl. Lehrs zu Herodian. p. 457
und L. Friedländer hier zu Aristonikos. [Dagegen bezeichnet La
Roche in seiner krit. Ausg. ἀρέζηλον als Aristarchs Lesart.] Zeno-
dotos las hier das dem Sinne nach (nicht. lautlich) mit di&nAov
identische aber nachhomerische ἀρίδηλον, welche Lesart von W.
Ribbeck im Philol. IX S. 58 behandelt wird. Vgl. auch J. La
Roche Hom. Textkritik 8. 204. Für das Uebrige genügt es auf
den gründlichen Exeurs von @. Autenrieth zu Nägelsbachs Anmerk.
8. 328 ff. zu verweisen. Hiergegen bemerkt G. Curtius Etym.? 8.584
[* p. 644]: “Durch die Erörterung von Savelsberg und Autenrieth
scheint mir die Sache nicht gefördert zu sein. Die Silben &i mit
dem häufigen dgı und ἀϊΐ- ξηλος mit dem 8. 545 besprochenen dgl-
InAog zu identificieren ist lautlich unmöglich” Nun lautlich hat
es wohl Niemand identificiert, sondern nur dem Sinne nach. Wenn
aber G. Curtius vorher das von ihm gleichfalls gebilligte ἀΐξηλον
nach Cicero de divin, IT 30 ‘Qui Iuci ediderat genitor Saturnius
idem Abdidit’ erklärt: “Das Adjectiv hiess also unsichtbar und
unterscheidet sich von ἀ-βίδ-ελος nur durch das statt ὃ erschei-
nende & wie durch die Quantität des ε᾿, so wünschte man einen
kurzen Beweis, dass im Charakter der Homerischen Sinnenwelt
der Begriff “unsichtbar” mit dem folgenden λᾶαν γάρ μὲν ἔθηκε
wirklich zusammenstimme. [Vgl. dagegen jetzt Clemm in Curtius
Stud. VII p. 74 #: deus qui hoc augurium miserat (ἔφηνεν)
draconem abdidit, lapide enim eum mutavit, h. e. post novem
annos frustra praeterlapsos deus laborum finem feeit decimo.] —
Vers 321 hat Bekker stillschweigend unter den Text wie in den
Tartarus gebracht, wahrscheinlich wegen der Isoliertheit der
Sprache. Aber eine isolierte Sache dürfte auch isolierte Ausdrücke
entschuldigen. Ich werde an einer andern Stelle die in Sache
und Sprache harmonierenden Isoliertheiten aus Homer
zusammenstellen: vielleicht kann die Mannschaft beisammen ein-
zelnen ihrer Gefährten, die schon zum Opfer ausersehen sind,
noch eine Rettung verschaffen. — Vers 341. Vgl. den Schol. zu
Aristoph. Acham. 307. — Vers 344. ‘Das Wort ἀστεμφής stellt
Pott Et. F.? II 370 nebst στέμβω ebenfalls zu Skt. sthäp-ayati,
dem Causativ von sthd; ich glaube mit Recht, und ebenso scheint
mir ἀτέμβω das Causativ zu ἀτέω (ἀξατάω) zu sein. Das causa-
tive Element p ist nemlich hier durch Nasalierung (zu I’ 376)
afficiert wie in ἴαμβος (aus dam, Causativ von γα), ϑάμβος (von
-- 15 —
zen), κύμβαχος (κύπ-τω), δόμβος (von der wohl = arpayati,
Causativ von ar), κρέμβαλον (von crepare), κομβακεύεται (von
#07-); ebenso »ögvußog zu κορυφή, βρέμβος zu βρέφος, vielleicht
ϑύμβρα zu τυφ-, ϑρόμβος zu τρεφ- und in anderer Weise afficiert
ῥίμφα zu dip. Ohne obige Bildungen alle für eausativ erklären
zu wollen, ist es mir nur um Anerkennung jener Lautaffeetion
zu thun, welche theilweise auch von Anderen, besonders von
Θ. Curtius Etym. ? 8. 51 ἢ 461 ἢ, und 472 f. angedeutet ist.
Somit ist aus Wurzel στὰ Skt. εἰμ Causativ sthäpayati =
στέμβε: στέμφει und in ἀστεμφής (firm-atus, firmus) nicht ein
« privativum, sondern dasselbe prothetische wie in ἄσταχυς, ἀστήρ
zu erkennen. — Formen wie £geuvdg sind vielleicht durch die
Mittelstufe 'Egsußol hindurchgegangen, so wie auch umgekehrt
durch Aufgeben der Nasalierung (zu I’ 367) daun Formen wie
ἔρεβος, στοβέω sich erklären.” G. Autenrieth.
340. 341. [A. Nauck im Bulletin de U’Acad. de St. Peters-
bourg IX p. 334 verlangt die Umstellung von 340 und 341 und
vermuthet 339 ὑμῖν statt ἡμῖν. — Madvig Adversaria eritica
Hauniae 1871. Vol. I p. 186 vermuthet 340 κε statt ze, so dass
Nestor seine vorhergehende Frage selbst beantworte. — 344. πρίν
nach ὡς (statt des gewöhnlichen τὸ πάρος oder πάρος) ohne Verbum
findet sich nur hier: Richter quaestiones Homericae. Chemnitz 1876
p. 10, über die Bedeutung “bisher” vgl. denselben p. 4.]
347. In den Wörterbüchern von Damm, Passow, Pape, Seiler,
sowie in Commentaren wird νόσφιν mit ‘4yauöv verbunden und
bildlich “von der Gesinnung’ erklärt, “anders als die Achaeer
denken.” Allein νόσφι steht sonst überall bei Homer in seiner
eigentlichen Bedeutung local: so auch hier. Sodann ist es für
die Construction des Gedankens einfacher, ’4ycısv partitiv zu
fassen und νόσφι βουλεύωσι für sich zu nehmen. Hierzu kommt
drittens: νόσφιν ᾿Αχαιῶν würde andeuten, dass die Unzufriedenen
nicht Achaeer wären; dagegen enthält νόσφιν hier offenbar den
Sinn von ‘geheim’, wie P 408. 2 583. — Das am Versende
stehende αὐτῶν erklären Nägelsbach und Andere als Masculinum.
Aber zur Hervorhebung der Person, wozu hier kein Grund vor-
liegt, würde der Dichter ohne Zweifel den Dativ αὐτοῖς gebraucht
haben: ipsis, ihnen wenn sie ‘allein’ sind. Diesen Dativ
bieten allerdings ein Paar Handschriften [Lips. suprascript. Vrat.
e: La Roche] und alte Ausgaben; indes scheint er, wie Auten-
rieth mit Recht bemerkt, “eine spätere Correctur zu ‚sein. Ich
verstehe daher αὐτῶν mit Freytag und Doederlein als Neutrum.
In Bezug auf das ganze Hemistichion ἄνυσις δ᾽ οὐκ ἔσσεται αὐτῶν
ist nemlich Folgendes zu beachten. Es sollte hinter βουλεύωσ᾽
eigentlich gleich "άργοσδ᾽ ἰέναι folgen; da aber mit ἄνυσις bis
αὐτῶν noch ein Zwischengedanke hinzugefügt wird, so knüpft nun
Nestor den noch übrigen Theil des Gedankens an den Zwischen-
- 126 —
satz an und wählt die Construction von πρὶν... πρίν, um noch
einen Tadel über die Widerspenstigen auszusprechen.
Denn die Sätze mit πρὶν "Agyood’ ἰέναι, πρίν bis οὐκέ können
grammatisch nicht mit βουλεύωσι verbunden werden, weil der Satz
πρὶν καὶ Διός bis οὐκέ nicht zur Absicht oder Vorstellung des
Subjects von βουλεύωσι gehört, sondern eine Behauptung des
Nestor enthält. Daher habe ich die Worte ἄνυσις bis αὐτῶν
weder durch Gedankenstriche noch durch runde Klammern ein-
geschlossen. — Wer übrigens bei ἕνα καὶ δύο im vorigen Verse
‘an Thersites und Leute seines Gelichters’ denken will, der hat
erst zu erweisen, wie auf diese das νόσφιν βουλεύειν eine passende
Anwendung erleide. Auf Achilleus und seine Genossen dagegen
passt auch der Gedanke der Heimkehr nach Griechenland (348
"Αργοσδ᾽ ἰέναι): vgl. A 169. 179. [Die Worte τοί κεν "Ayaudv
νόσφιν βουλεύωσ᾽ mit Ameis zu verstehen: gesondert von
uns (in localem Sinne) berathen und dabei vorzugsweise an
Achilles mit den Seinigen zu denken, verbietet schon das Pro-
nomen τούσδε 346, das doch nicht als einfaches Demonstrativ
das folgende Relativpronomen vorbereitet, sondern deiktisch nur
von in der Versammlung Anwesenden verstanden werden kann;
es ist also nur an Thersites und Genossen zu denken, auf
welche auch nur die verächtliche Behandlung aus Nestors Munde
hier und die Drohung 357—359 passt. — πρὶν ”Aoyood’ ἰέναι
ferner wird durchaus passend von βουλεύωσ᾽ abhängig gemacht,
weil der in dem folgenden Infinitivsatz mit πρίν enthaltene Tadel
die Begründung für τούσδε δ᾽ ἔα φϑινύϑειν enthält. Wären die
Infinitive von ἄνυσις δ᾽ οὐκ ἔσσεται αὐτῶν abhängig, so wäre über-
dies nicht ἰέναι gehen (Ameis übersetzte unrichtig kommen),
sondern ἰκέσϑαι zu erwarten.]
349. [εἴ τε — εἴ τε statt des von Bekker gegebenen ἤ re
— ἦε habe ich nach den besten Handschriften mit La Roche her-
gestellt, vgl. dazu die Erörterung von L. Lange der homer. Ge-
brauch der Partikel εἰ II p. 533 8]
351. νηυσὶν ἐν, statt des gewöhnlichen von W. Dindorf und
Andern beibehaltenen ἐπ᾽, ist die Lesart des Venetus [auch Lau-
rentianus D], die Bekker mit Recht aufgenommen hat. G. Auten-
rieth bei Nägelsbach meint zwar: “Diese Lesart passt schon darum
nicht, weil sonst Nestor sagen würde: quo die vehebamur navibus.
Nach dem ganzen Zusammenhang ist aber entschieden der Tag
der Abfahrt, an dem man ja die σήματα besonders beachtet, hier
gemeint und darum die Autorität des Ven. hier nicht massgebend.’
Allein gerade das verlangte, der “Tag der Abfahrt”, wird nur
mit ἐν νηυσὶν ἔβαινον bezeichnet, weil dies hier mit der stehen-
den Formel Auer τῷ ὅτε verbunden ist, während dw) νηυσίν nicht
die Abfahrt selbst, sondern bloss eine Vorbereitung dazu, das
Hineilen zu den Schiffen ausdrücken würde, wie bekanntlich aus
- 27 —
E 327. A 274. X 392 und aus den analogen Beispielen 4 460.
N 332. Π 751. P 706 erkennbar wird. Hierzu kommt, dass dv
νηυσὶν βαίνειν überall unserm “in den Schiffen abziehen’ ent-
spricht: B 509. 610. 619. 720. M 16. « 211. β΄ 18. 27. y 131.
ὃ 656. v 317. σ 181. [Indes leugnet Skerlo im Philolog. XXXV
p- 560 diese Bedeutung für B 351. 510. 611. 619, wo die Wen-
dung im Imperfect steht, und erklärt: einsteigen.] — Vers 353.
Vgl. Stallbaum zu Plat. Phaedr. c. 19 p. 241°. Ueberhaupt
herrscht in den alten Satz- und Wortgefügen weit weniger das
logische Element vor als es in den modernen Sprachen der Fall
ist. — 355. [An der Wiederaufnahme von τὶς 354 in τινά als
Subject des Infinitivs κατακοιμηϑῆναι nahm Doederlein Oeffentliche
Reden p. 359 Anstoss und vermuthete rıvi statt τινά: vgl. auch
Bekker hom. Blätt. II p. 7 und dagegen R. Foerster in Miscella-
neorum philol. libellus p. 18 und den Anhang zu ῃ 196.] — Vers
356. In Ἑλένης ὁρμήματά τε στοναχάς τε wird von den meisten
Interpreten der Genetiv mit Aristarch objectiv aufgefasst. Aber,
von den übrigen Schwierigkeiten abgesehen, die 120000 Mann
Griechen (zu 129) werden wohl schwerlich nach der Helena alle
geseufzt haben. Buttmann im Lex. Nr. 65 wird sicherlich dem
Wesentlichen nach sein Recht behalten. Natürlich darf man die
Worte nicht als eine sentimentale Regung des Nestor betrachten,
sondern sie bezeichnen einen einfachen Rachegedanken, der den
Zweck des Krieges vorführt. [Vgl. auch Gerlach im Philol. XXXIII
p. 197, Nitzsch Beiträge z. Gesch. ἃ, ep. Poesie p. 311, Lehis
populäre Aufsätze p. 11.]
359. Sämmtliche Interpreten, die ich einsehen konnte, ver-
stehen diese Stelle von der Schiffahrt selbst und bemerken
nun entweder “Solchen Rebellen fehlt das Geleite der Götter zur
gefährlichen Fahrt” oder “den allein Zurückkehrenden weissagt er
Verderben, wohl des Eidbruches wegen; anders 252 f.” oder Aehn-
liches. Aber von einer wirklichen Fahrt oder wirklichen
Rückkehr kann ich eine Andeutung im Texte nicht finden. Nestor
sagt zuerst 357: wenn einer ἐκπάγλως ἐθέλει οἰκόνδε νέεσϑαι “den
erschrecklichen Entschluss hat,’ weil dieser Entschluss
(nicht die Ausführung desselben) zum Tode führen soll. Der
Hauptbegriff ἐκπάγλως erinnert an ἐκπάγλως ἀπόλεσσαν A 268,
sonst wird dies Adverb mit den Begriffen des Hassens und Zür-
nens verbunden. [ἐκπάγλως ἐθέλει ist zu fassen wie ἕεται αἰνῶς
ß 327, erschrecklich verlangt d. i. über die Massen.] Nestor
fährt fort 358: ἁπτέσϑω ἧς νηός, was ebenfalls nicht eine schon
unternommene ‘Fahrt bezeichnet, sondern die blosse Vorbe-
reitung dazu, die Anstalten zur Abreise: vgl. B 152. 171.
Dann an der vierten Stelle O 704 im Kampfe bei den Schiffen
steht die Formel in eigentlicher Bedeutung. Ebenso wird der
Theilbegriff ὅπλων ἅπτεσθαι gebraucht: vgl. zu β 423. Endlich
— 128 —
heisst es 359: ὄφρα πρόσϑ᾽ ἄλλων ϑάνατον καὶ πότμον ἐπίσπῃ,
und da haben wir wiederum weder “Fahrt“ noch “Rückkehr”,
sondern eine kraftvolle Bezeichnung des Todes, die theils in dem
sarkastisch gebrauchten ὄφρα theils in 0069’ ἄλλων liegt. Denn
das letztere bedeutet nach Homerischem Sprachgebrauche ‘vor den
Andern’, so dass diese übrigen Gefährten bei der Todesvollstreckung
dahinter stehend und zusehend gedacht werden: er soll (ins Moderne
übersetzt) vor der ganzen Compagnie den Tod erleiden. Nun
haben zwar alle Commentatoren und die Lexikographen (Passow,
Pape, Damm, auch der sorgfältige Εν, E. Seiler) unsere Stelle
temporal aufgefasst und haben ihr noch zwei Colleginnen gegeben,
nemlich N 66 und δὰ 698, aber beides mit Unrecht. Denn N 66
τοῖιν δ᾽ ἔγνω πρόσϑεν Ὀιλῆος ταχὺς Αἴας kommt durch diese Er-
klärung in den guten Homer ein ungehöriger Witz, indem ἀἴας
zu den mit roiıv bezeichneten Zweien selbst gehört: es ist viel-
mehr πρόσϑεν Adverbium, und os ist der partitive Genetiv beim
Eigennamen: vgl. Krüger Di. $ 47, 9, 1. Und 2 698 ist πρόσϑε
ebenfalls Adverbium und der Genetiv gehört zu οὐδέ τις ἄλλος, wie
das folgende ἀλλ᾽ ἄρα Κασσάνδρη beweist. Es bliebe also nur
unsere Stelle übrig, doch diese wurde vorher beleuchtet. Das
Resultat ist: bei Homer steht πρόσϑεν als Adverbium auch tem-
poral, aber als Präposition wird es bloss in localer Bedeu-
tung gebraucht, selbst wo ein persönlicher Genetiv hinzutritt:
vgl. 4 304. E 56. 80. 170. 595. I 193. O 307. Π 220. 321.
833. T 13. T 402. ἡ 21. ὦ 540. Auch die Verbindung mit
μάχεσϑαι (M 145) πολεμίξειν (II 220) ἐρύεσϑαι (Φ 587) πίπτειν
(#524) ist von derselben Anschauung des räumlichen Vortretens
ausgegangen, wie wir den Begriff 4 54 τάων οὔ τοι ἐγὼ πρόσϑ᾽
ἵσταμαι und A 129 ἥ τοι πρόσϑε στᾶσα βέλος ἐχεπευκὲς ἄμυνεν in
ausdrücklicher Bezeichnung vor uns haben. Aus der richtigen
Auffassung des πρόσθ᾽ ἄλλων nun ergiebt sich zugleich die rich-
tige Beziehung des ϑάνατον καὶ πότμον ἐπίσπῃ, das nur den Tod
an Ort und Stelle, nicht auf der Meeresfahrt bezeichnen kann.
Nestor nemlich, der 346 bis 349 noch an die Möglichkeit dachte,
ein Paar Unzufriedene ziehen zu lassen, hat sich gleich darauf
beim Gedanken an die untrüglichen Götterzeichen (ein ächt psycho-
logischer Zug!) so in Eifer und Zorn hineingeredet, dass er jetzt
jedem, der auch nur Anstalten zur Abreise macht, Tod und
Verderben droht. Eine ähnliche Steigerung der Leidenschaft be-
merkten wir oben 264 f., wo Odysseus von der Drohung sofort
zur Ausführung schreitet. Eine ähnliche Drohung haben wir 393.
Dass aber Nestor mit der allgemeinen Formel sich begnügt und
nicht bestimmter redet, hat wie ich meine einen doppelten Grund:
erstens weil Nestor selbst in der höchsten Leidenschaft das
elassische Mass des Ausdrucks nie überschreitet, und zweitens
weil er dem Oberfeldherın und dessen βουλή in der Festsetzung
1299 —
einer bestimmten Strafe nicht vorgreifen will. Uebrigens ist
die von mir begründete Erklärung der ganzen Stelle bei den Alten
wenigstens mit drei Worten angedeutet, insofern die Schol. AD.
ihre Definition mit εὐθὺς πρὸ πάντων beginnen und auch BL. in
den Worten ἀπειλῇ κολάσεων eine leise Ahnung verrathen, alle
aber von “Schiffahrt” und “Rückkehr” nichts bemerken. Ich bin
so ausführlich gewesen, weil unsere Stelle nach der herkömm-
lichen Auffassung ein berechtigter Zielpunkt bei der Liederjagd
war. [Ameis fasste den Finalsatz als die Absicht des Schicksals
enthaltend: aber abgesehen davon, dass die dafür angeführten
Parallelen anderer Art sind, so verliert die darin enthaltene
Drohung dadurch bedeutend an Kraft. Ich kann darin nur die
hypotaktische Form für parataktische Verbindungen wie A 302—3
sehen, wo im ersten Gliede in gleicher Bedeutung der Imperativ
steht und mit αἶψα und dem Futurum die unmittelbare Folge der
im Imperativ enthaltenen Handlung angedroht wird. — Die Be-
denken gegen die temporale Auffassung von πρόσϑε theile ich
nicht, da sie für das Adverbium feststeht. Kann man nicht auch
hier πρόσϑε als Adverbium fassen, zu dem wegen seiner compara-
tivischen Bedeutung (= prius) der Genetiv, wie nach dem Com-
parativ tritt? Was aber den Gedanken anlangt, so erhalten wir
den in der Anmerkung angedeuteten treffenden Gegensatz. — Im
Uebrigen theile ich vollständig die von Ameis begründete Auf-
fassung. Vgl. aber die gegen die V. 354—359 von Bekker hom.
Blätt. IT p. 7—9 erhobenen Ausstellungen, sowie die Einleitung
Ρ. 89.]
362. Ueber die Bedeutung von φῦλα und φρῆτραι vgl. auch
Tacit. Germ. 7; Hist. IV 23. Schömann Griech. Alterth. I 8. 39 f.
In Bezug auf unsere Stelle haben H. Köchly und W. Rüstow
Griech. Kriegsschr. II 1 (Leipzig 1855) Einleitung 8. 2 Folgen-
des bemerkt: “Es darf uns nicht Wunder nehmen, dass einzelne
Führer in der Ilias als vorzugsweise mit der Taktik, der Kunst
Mannen und Rosse zum Streite zu ordnen, vertraut gerühmt wer-
den. So vor Allem Nestor ‘“der Gerenische Reisige”’, der wie
in allen andern Herrscherkünsten, so auch in dieser billig sich
auszeichnen mag. Ihm legt der eine Dichter (B 362 #.) jenes
unveränderliche Grundprincip in den Mund, welches wir in den
kriegerischen Anfängen aller Naturvölker wieder finden, die Männer
nach den Stimmen, nach den Sippschaften und Geschlechtern zu
stellen.” [Vgl. aber wegen dieses taktischen Rathes die Einleitung
p. 901 Dort werden ausserdem zu mehrern Homerischen Stellen
in Bezug auf die Taktik Erklärungen gegeben, die ich im Com-
mentare dankbar benutzt habe. In späterer Zeit wurde bekannt-
lich die hier geschilderte Stellung getadelt: Plutarch. Pelop. c. 18.
Vor Augen hat unsern Vers Plutarch. Amator. e. 17. Eine Parodie
der Stelle bei Lucian. Piscat. 8. Reviv. c. 1. [φρήτρηφιν als Ver-
Anhang zu Ameis, Homers Ilias I. 9
— 180 —
treter des eigentlichen Dativs gefasst, wie Delbrück Ablativ Localis
Instrumentalis thut, würde eine ganz vereinzelte Erscheinung er-
geben. Daher fasst Moller über den Instrumentalis im Heliand
und das homer. Sufix gı p. 20 f. die Form als ablativischen
Genetiv oder ablativischen Instrumentalis unter Vergleichung von
N 109 ἀμυνέμεν νηῶν von den Schiffen abwehren. Vgl. über die
Bedeutung des Sufüxes im Allgemeinen auch Philol. XXVIII p.
527 5]
367. Statt der Ueberlieferung ἀλαπάξεις hat Bekker im
Monatsbericht 1864 8. 192 [= Hom. Blätt. II p. 27] ἀλαπάξεις
für nothwendig erklärt mit folgender Deutung des Futurs: “In
beiden Fällen also, der göttlichen Fügung wie der menschlichen
Schuld, nimmt Nestor an, dass Troia nicht werde erobert werden,
entschieden verneinend woran er so eben noch (348) höchstens
gezweifelt.” Sollte dieser Sinn mit engster Begrenzung des Futurs
der nothwendige sein, so müsste der Satz wie ich meine also
lauten: du wirst die Stadt niemals vernichten, ob durch mensch-
liche Schuld oder auch durch göttliche Figung, wirst du bei der
getroffenen Anordnung erkennen. So aber hat der Dichter Nega-
tion und Futur mit dem Fragewort ἤ, worauf der Nacbdruck
ruht, in unmittelbare Verbindung gebracht. Daher wird die Sache
meiner Meinung nach ebenso wie 349 in Zweifel gelassen. Nach-
her bemerkt Bekker, es handle sich hier nicht, die Zukunft auf-
zuklären, “die durch Zeichen und Wunder klare, sondern die
Gegenwart, warum diese so ungenügend hervorgegangen aus den
schweren Wehen der Vergangenheit.’ Aber da ist noch die Frage
offen, ob die ‘so ungenügend hervorgegangene Gegenwart” auch
in Zukunft so bleiben werde, und auf diese Frage richtet Nestor
seine Antwort. Ausserdem wäre mir das Präsens ἀλαπάξεις auch
deshalb bedenklich, weil es eine Umstimmung des Nestor gegen
349 bezeichnete, und weil Homer sonst für diesen Gebrauch der
Gegenwart, so viel mir erinnerlich ist, im tempus finitum nur die
präsentischen Perfecte verwendet. Eher würde ich mich dazu ent-
schliessen, ἀλαπάξεις für eine Conjunctivform des ersten Aorists
anzusehen nach der im Anhang zu o 265 erwähnten Theorie.
Dazu liesse sich anführen, dass ausser unsrer Stelle alle andern
Formen mit & bei Homer nur Aoriste sind. Doch es scheint die-
ser Ausweg nicht nothwendig zu sein. — Ueber die Abstammung
des Wortes ἀλαπάξειν urtheilt G. Autenrieth also: “Die Ableitung
von Skt. στὰ (taedere, decrescere) befriedigt mich so wenig als eine
der andern mir bekannten; am wenigsten ist ἃ la Athenaeus mit
λαπάξω zu operieren. Dagegen bietet sich Skt. älpas exiguus,
rarus, paulum. Wenn nun auch die Wurzel im Skt. nicht
weiter erscheinen sollte, so ist doch, abgesehen von dem Quantitäts-
wechsel im Stamm, dienddjio — ἀλαπάξω (vgl. ἀλαπαδνός) eine
ganz formell wie der Bedeutung nach passende Causativbildung
— 181 —
davon: infirmare cet.’” [Vgl. jetzt auch Clemm in G. Curtius
Stud. VIII p. 50, welcher λάπτω und λαφύσσω vergleicht und
ausschöpfen als Grundbedeutung annimmt.] — Vers 371 be-
rücksichtigt Themist. auch or. XXIV p. 308°. Vgl. Demosth.
Mid. ce. 54 ed. Buttm.
391. Das Verbum νοέω in der Bedeutung wahrnehmen
oder sehen hat bei Homer überall, wo zu dem Object noch ein
Verbalbegriff hinzutritt, diesen niemals im Infinitiv sondern im
Participium bei sich: T’ 21. 31. 4 200. E 95. 711. Z 470. H 17.
Θ΄ 10. A 284. 521. 575. 581. M 143. O 395. 422. II 789.
P 116. 486. 682. T 419. Φ 563. X 463. « 58. 257. ὃ 653.
ξ 163. n 39. 290. $ 271. » 375. ν 318. ® 5. o 301. τ 552.
v 367. ὦ 232. Vgl. Joh. Classen Beobacht. 8. 147 f. In ande-
ren nicht zahlreichen Stellen, wo νοέω daran denken oder be-
absichtigen heisst, ist es mit dem Infinitiv: des Aorists ver-
bunden. Die Uebersetzer haben diese beiden Constructionen an
einigen Stellen mit einander verwechselt. Mit unserer Stelle haben
wir übrigens gleichen Redeton ® 10. O 48. — 400. [Zur Sache
vgl. Welcker griech. Götterlehre I p. 16.]
401. [A. Meineke im Hermes III p. 260 vermuthet ϑάνατόν
γε φυγεῖν κατὰ μῶλον ”Agnog, weil der Wunsch dem Getümmel
der Schlacht zu entgehen der Heroen unwürdig sei.]
408. [Ueber Plato’s (Symp. 174 B) Bezugnahme auf diese
Stelle und den Spruch αὐτόματοι δ᾽ ἀγαϑοὶ ἀγαθῶν ἐπὶ δαῖτας
ἴασιν vgl. A. Hug disputatio de Graecorum proverbio αὐτόματοι οἷο.
Turie. 1872 und Philol. Anzeiger V p. 602 #., auch Bergk griech.
Literaturgesch. I p. 368, Note 172.] — 413. Nügelsbach möchte
das ἐπ᾽ in ὑπ᾽ geändert wissen: dann dürfte aber ἔτ᾽ näher liegen.
[van Herwerden quaestiuneulae epic. et eleg. p. 2 ἢ, vermuthet un
πρίν γ᾽ ἠέλιον δῦναι
415. [Ueber die Bedeutung von πρῆσαι vgl. G. Curtius Stud.
IV p. 228 f. und über die Verwandtschaft mit πίπλημι Fick vergl.
Wörterb. ? p. 372 unter par, prä wehen, über die Genetiv-
construction Philol. XXVIII p. 514.]
420. ἀλίαστον ist die Lesart des Aristarch, wie hier Didymos
angiebt, der sie als eine λέξις ἐμφατικωτέρα bezeichnet. Ich habe
sie mit Bekker aufgenommen, weil sie zu der höchst naiven Auf-
fassung des Zeus, die in diesem Verse liegt, geeigneter erscheint,
als das gewöhnliche ἀμέγαρτον. Denn wihrend dieses “unglück-
lich, unselig” bedeutet (vgl. Buttmann Lex. I Nr. 61, 5) ist
ἀλίαστος nach Buttmann Lex. I Nr. 21, 3 und Benfey Gr. Wurz.
II 8. 307 “der welcher nicht zu krümmen ist’, woraus sich die
Bedeutungen 'unbeugsam, unaufhaltsam, hartnäckig, un-
aufhörlich’ entwickeln. Und dies passt treffend für den vor-
liegenden Zusammenhang, was schon Fr. Spitzner in den Worten
"ἀλίαστον πόνον idonea de causa Aristarchus praetulit alteri’ be-
9:
— 12 —
merkt hat. Sonst nemlich pflegen die Götter, wenn sie ein Opfer
annehmen, auch das Gebet des Opfernden zu erhören, oder wenn
sie letzteres nicht wollen, so verschmähen sie das Opfer: A 457.
Θ 550. y 62. ı 553. Da keins von beiden hier geschieht, so
leuchtet ein, dass Zeus in der Täuschung des Agamemnon fortfährt.
435. μηκέτι νῦν δήϑ᾽ αὖϑι λεγώμεϑα ist die Aristarchische
Lesart, die sicherlich auf guten Handschriften beruhen wird,
Botbe und Freytag und Bekker dagegen haben das von Buttmann
Lex. II Nr. 78, 2. 3 aus den Lesarten des Kallistratos [δὴ νῦν
αὖϑι] und Zenodotos [δὴ ταῦτα] zusammengesetzte und empfohlene
μηκέτι δὴ νῦν ταῦτα λεγώμεϑα in den Text genommen, indem
sie ταῦτα mit Buttmann auf das bei der Mahlzeit vorauszusetzende
sorglose Gespräch beziehen. H. Düntzer de Zenodot. p. 120 da-
gegen hat mit Heyne zunächst dem Zenodotos die Lesart μηκέτι
νῦν δὴ ταῦτα zugeschrieben, muss also glauben, Zenodotos habe
nicht gewusst, dass νῦν δή bei Homer stets zu Anfang der Sätze
stehe, sodann hat H. Düntzer p. 121 Folgendes bemerkt: ταῦτα
refertur ad ea, quae animo agitant, atque explicatur illo ἔργον, ὃ
δὴ ϑεὸς ἐγγυαλίξει Aber ταῦτα ist ein so nachdrückliches Pro-
nomen, dass es nicht auf etwas stillschweigend Voraus-
gesetztes oder auf blosse Gedanken, sondern nur auf etwas
bestimmt Ausgesagtes sich beziehen kann, wie es an allen
übrigen Stellen der Fall ist. Auch in den Parallelen N 292.
T 244. y 240. v 296 geht überall ein bestimmtes Gespräch
voraus, das mit jenen Worten abgebrochen werden soll. Daher
ermangelt hier ταῦτα seiner nothwendigen Beziehung. Das Verbum
λέγεσθαι aber kann in dem von Buttmann Lex. 78, 6 erwähnten
und von Doederlein zu N 275 adoptierten Sinne ebenso gut, wie
ähnliche Verba, hier intransitiv stehen, indem es sein Object in
sich selbst enthält. Denn die blosse “Unterredung’ oder “Berath-
schlagung” bildet hier zu ἔργον den nachdrücklichen Gegensatz.
Demnach habe ich mit Fr. Spitzner, W. Dindorf [Ta Roche] u. A.
die Aristarchische Lesart beibehalten. — μηδέ τι aus dem Venetus
und andern guten Quellen, was Lange Observ. erit. (Oels 1844)
p- 4 sq. vertheidigt mit Beistimmung Autenrieths bei Nägelsbach.
Seit F. A. Wolf hat man dafür nach andern Autoritäten μηδ᾽ ἔτι
aufgenommen. — Vers 452. Ueber καρδίη und κραδίη und ähn-
liche Versetzungen des R-Lautes vgl. G. Autenrieth zu Nägels-
bach Anmerk. Γ' 441 8. 426*, ‘wo Z.4 Vocal statt Consonanten
zu lesen und hinzuzufügen ist Corssen Ausspr. I 92 f. und Krit.
Beitr. 8. 209 f” G. Autenrieth.
450. [Ueber παιφάσσω vgl. Fritzsche in Curtius Stud. VI
Ρ. 308: Ἕ παι-φὰ determinatum prodiit παι-φα-κ (παιφακ-)}-ὦ)
conf. μαιμα-κ, ποι-φυ-κ.
463. [Zur Erklärung des Gleichnisses vgl. Friedlaender Bei-
träge zur Kenntniss der hom. Gleichnisse II p. 20 ff. und Düntzer
-- 13 —
homer. Abhandl. p. 486 f. — An singende Schwäne dachte an
dieser Stelle Müllenhoff deutsche Alterthumskunde I p. 1 ff., vgl.
dagegen Lehrs bei Kammer Einheit der Odyssee p. 793 f. und
über die ganze Frage v. Baer was ist von den Nachrichten der
Griechen über den Schwanengesang zu halten? in: Historische
Fragen mit Hülfe der Naturwissenschaften beantwortet. St. Peters-
burg 1873 p. 7 8.1] Gewöhnlich erklärt man προκαϑέξειν mit den
Alten “sich aus der Höhe herablassen.” Aber dann bleibt erstens
die Präposition πρό bedeutungslos. G. Autenrieth bei Nägelsbach
deutet, “vorwärtsfliegend sich niederlassen,” was indes mit ἔνϑα
καὶ ἔνϑα nicht recht zusammenstimmt, da beide Gedanken weder
durch ein ἔπειτα getrennt sind, noch der zweite mit einem metrisch
möglichen καὶ προκαϑίξουσιν κλαγγῇ beginnt. Doch es stört zwei-
tens der Genetiv, wofür in diesem Sinne die mit ἀγαλλόμενα gleiche
Structur προκαϑίξοντα erwartet würde. Daher haben Heyne und
Schäfer zu Lamb. Bos Ellips. p. 855 den Genetiv προκαϑιξόντων
mit Ergänzung von αὐτῶν als absoluten erklärt, worauf auch
J. Kvicala in der Zeitschr. f. ἃ. österr. Gymn. 1864 8. 413 als
Auskunftsmittel gekommen ist. Aber dieser Auffassung wider-
streitet durchaus die Stellung der Partikeln δέ re, die dann gleich
nach χκλαγγηδόν stehen müssten, so dass der Vers κλαγγηδὸν δὲ
χαϑιξόντων σμαραγεῖ τότε λειμών oder ähnlich lauten würde. Bei
diesen Schwierigkeiten nun habe ich προχαϑέξειν erklärt wie theil-
weise C. H. Eickholt Quaestionum Homericarım specimen (Wesel
1850) p. 26. Wenn aber ebenderselbe χλαγγηδόν zum vorher-
gehenden Verse zieht und προκαϑιξόντων für sich allein mit
‘sedibus quas modo tenuerant relictis’ deutet: so stehen diesem Ver-
fahren zwei Gründe entgegen, erstens die Stellung von προκαϑι-
ξόντων, indem solche nachträgliche Participien stets im Vers-
anfang stehen, und zweitens das Tempus, indem für den ange-
gebenen Sinn das Partieipium des Aorists erforderlich wäre. [Die
von Ameis gegebene Erklärung des Vergleichs ist mit Recht be-
kämpft von Raspe der sogenannte Schiffscatalog in der Ilias.
Progr. Güstrow 1869 p. 17. Derselbe schlägt vor zu ändern:
κλαγγηδὸν δὲ καϑίξονται oder κλαγγῇ δὲ προκαϑίξονται —= lassen
sich vorwärtsfliegend nieder, entsprechend dem προχέοντο 465.
Ohne Zweifel enthält der scheinbar untergeordnete Zusatz xAayy.
προκαϑιξόντων das Hauptmoment des Vergleichs, wie auch der
parataktisch hinzugefügte Folgesatz σμαραγεῖ δὲ κτέ. deutlich dem
αὐτὰρ ὑπὸ χϑὼν etc. entspricht, während ἔνϑα καὶ ἔνϑα ποτῶνται.
nur die fortgesetzte Unruhe der Bewegung im Allgemeinen ohne
Angabe einer bestimmten Richtung andeutet. Freilich enthält das
προκαϑιξόντων, wenn wir mit Autenrieth verstehen: vorwärts
fliegend sich niederlassen, mehr als das entsprechende προ-
χέοντο, allein diesem folgt ja weiter: ἔσταν δ᾽ ἐν λειμῶνι — es
fasst also jenes Partieipium des Vergleichs kurz zwei Handlungen
-- 134 —
zusammen, die dann in προχέοντο und ἔσταν in ihre Momente zer-
legt werden. Hiernach habe ich theilweise im Anschluss an
die Erklärung von Faesi-Franke die Auffassung zu berichtigen
gesucht.]
468. [Diesen Vers verwirft van Herwerden quaestiunculae
epicae et elegiacae. Trajecti ad Rhenum 1876 im Vorwort, als
aus ı 52 entnommen.] — 469 fi. [Raspe a. Ὁ. p. 17: ‘Das
Fliegengleichniss muss schon vor der einfachen Frage fallen: wo
kommen denn die Troer her? Allem Anscheine nach verstehen
die Erklärer 472 und 473 bloss von der Intention die Troer
zu zermalmen; ich behaupte aber, ein Dichter, der da sagte
ἵσταντο ἐπὶ Τρώεσσι, der hat gedacht, dass die Troer den Achaeern
leibhaftig gegenüberstanden” — Uebrigens findet Peppmüller
(Biblisches und Homerisches in Schillers Jungfrau von Orleans)
in R. Gosche’s Archiv für Literaturgesch. II p. 182 in Schillers
Jungfrau von Orleans Anklänge an dies Gleichniss, wie an das
459 8]
475. [Die Modi in Vergleichssätzen sind neuerdings behandelt
von Friedlaender Beiträge zur Kenntniss der homerischen Gleich-
nisse. Berlin 1870; eine neue eigenthümliche Auffassung des
Conjunctivs giebt Delbrück der Gebrauch des Conjunctivs und
Optativs p. 44.]
480. ‘Die alten Ausleger wundern sich, dass Agamemnon
erst mit den Göttern und dann sogleich mit einem Stier ver-
glichen wird. Aber der naturtreue Dichter Homer hat nicht
unsere conventionellen Begriffe von Schicklichkeit, sondern er
sieht einzig auf die Anschaulichkeit der Vergleichung. Auch sonst
ist die Vergleichung ausgezeichneter Heroen mit Thieren häufig:
T 196. 4 253. E 782. 4A 558. N 471. P 281 und anderwärts.”
E. R. Lange in Ms.*) Die orientalische Poesie hat bekanntlich
Ἢ Zur Erklärung dieser Sigle Folgendes. Vor einigen Jahren
schenkte mir Herr Dr. Anton Viertel aus eigenem Antrieb ohne mein
Zuthun ein Paar Bände Manuscript zu A bis E und ganz Vereinzeltes
zu Z und H, theils lateinisch theils deutsch die Vorbereitungen ent-
haltend, welche der ehemalige Gymnasial-Director in Oels Dr. E. R.
Lange für einen kritisch-exegetischen Commentar zur Ilias unternom-
men hat. Nur zu 4 und Β ist die Bearbeitung vollständig ausgeführt.
Und das Wesentlichste daraus hat der Verfasser selbst in drei Schul-
Programmen zu Oels 1839, 1843 und 1844, sowie später in Schneide-
wins Philol. IV_p. 703, bis 718 veröffentlicht. Man hat den Mann da-
mals schr hart beurtheilt, weil er das allerdings aus Irrthum entstandene
Streben verfolgt, den Zenodotos über Aristarch erheben zu wollen. In-
des hat doch Lange gar Manches von dem, was I. Bekker aus Ana-
logie in seiner Ausgabe von 1858 durchgeführt hat, aus demselben
Principe auseinandergesetzt, ohne dass er im letzten Jahrzehnt einer
namentlichen Berücksichtigung gewürdigt worden ist, wenn ich die
richtige Werthbestimmung von G. Bernhardy Griech. Litt. Th. II® 8. 192
und die Benutzung jener Arbeiten bei dem ebenso humanın als ein-
-- 15 —
dieselbe Bildersprache und geht darin so weit, dass sie sogar
einen grossen Gelehrten mit einem Kameelhengst vergleicht. —
Zu den zwei vorhergehenden Versen vgl. C. F. Hermann zu
Lueian. de conserib. hist. p. 57. Themist. or. XIII p. 172; or.
VIII p. 1114,
483. Aus dem Commentar erhellt, welcher der beiden von
Nägelsbach und Autenrieth behandelten Erklärungen ich gefolgt
bin. Autenrieth hätte auch noch die von O. Schneider im Philol.
XIII p. 56 verglichenen Beispiele berücksichtigen können. Wer
dagegen ἐν πολλοῖσι ἡρώεσσιν verbindet, der hat erst diese Wort-
stellung aus Homer zu begründen. Anderer Natur sind Stellen
wie p 364. 372. Der Gedanke aber bei C. E. Geppert Ueber
den Urspr. der Hom. Gesänge II 5. 171, dass diese Wortstellung
von der “Neuerungssucht der Rhapsoden’ herrühre, ist ein dürf-
tiges Auskunftsmittel. Dies führt uns zugleich auf die pracht-
volle Bilderfülle von 455 an, wo wir gleichsam eine kleine epische
Milchstrasse vor uns haben. Von den Alexandrinern ist keine
Athetese überliefert. Erst die Neueren, wie G. Hermann De ieratis
apud Homerum p. 10, K. Lachmann Betrachtungen und Andere
haben dergleichen aufgespürt. Aber gerade die Gleichnisse, welche
M. Haupt in den Zusätzen zu Lachmann 5. 103 für die “ursprüng-
lichen’ hält (469—473 und 480—483, wie auch Köchly in seiner
Ausgabe), deren “schlichte Einfalt” durch “ein glänzendes” oder
“durch das zierlichere 459 ff. überboten” worden sei, gerade diese
beiden Gleichnisse nebst einem dritten (455—458) hat Bekker in
seiner Ausgabe athetiert, so dass nur die zwei Vergleiche 459—
468 und 474—479 in dessen Texte bleiben. Man sieht hieraus,
wie schwierig und wie subjectiv solche Urtheile sind. Anders
dagegen Adolf Kiene Die Komposition der Ilias $. 82, welcher
bemerkt: “Die 5 Gleichnisse 455—483 vom ausrückenden Heere
correspondieren mit den 5 Gleichnissen P 725—759 von den
fliehenden Achaeern und umschliessen das ganze Schlachtengebiet
der Ilias während der Abwesenheit des Achilleus.” Indes sind
doch an der erwähnten Stelle die Vergleichungen mehr in die
sichtsvollen G. Autenrieth zu Nügelsbachs Anmerkungen ausnehme. Ich
habe ebenfalls in diesem Anhange einzelnes hierauf Bezügliche ange-
führt. Das übrige Manuseript, soweit es in dem mir Geschenkten reicht,
enthält die in gleichem Geiste mehr oder weniger bearbeiteten Materia-
lien. Wiewohl nun die Abfassung des deutsch und lateinisch Geschrie-
benen ein Vierteljahrhundert und weiter zurückliegt, daher vieles jetzt
Veraltete enthält, was der Verfasser selbst, wenn er die Forschungen
der letzten zwei Jahrzehnte erlebt hätte, ganz anders gestaltet haben
würde: so war es mir doch interessant, den Studiengang eines Mannes,
der sich viel mit Homer beschäftigt hat, verfolgen zu können. Ich habe
daher, wo ich etwas Beachtenswerthes, Lange Eigenthümliches und für
meinen Zweck Brauchbares fand, dies jedesmal mit der obigen Sigle im
Anhange getreulich angeführt.
-- 186 —
Erzählung hineinverflochten, als es an der unsrigen der Fall ist.
Daher wird hier, wenn auch nicht die Wahrscheinlichkeit der Athe-
tese, da jeder Vergleich untadelhaft ist und zu dem vorhergehen-
den einen Fortschritt bildet, doch die Möglichkeit übrig bleiben,
dass der alte Dichter bei wiederholten Vorträgen dieses Abschnitts
je nach Beschaffenheit des Zuhörerkreises mit seinen Gleichnissen
abgewechselt, dass aber die Commission des Peisistratos alle vor-
gefundenen Vergleiche in ihrer Sammlung hier vereinigt habe.
J. L. Hoffmann ‘Die Bildersprache Homers’ im Album des Litterar.
Vereins in Nürnberg 1866 3, 24 urtheilt: “Wenn diese Muster-
karte von Gleichnissen keine Geschmacklosigkeit ist, so kenne ich
keine mehr’, und erklärt dann das Ungeheuerliche einfach dadurch,
dass die Ordner unter Peisistratos “eine Anzahl heimathloser Gleich-
nisse vorfanden, welche sie hier als Kolonisten neben einander an-
siedeln zu können glaubten.’ Aber vergessen darf man doch
nicht, dass wir die ausführlichsten und prachtvollsten Gleichnisse
bei Homer stets da haben, wo die Handlung still steht oder vor-
bereitet wird. Die bedeutsamste Stelle dieser Art ist die vor-
liegende. Nicht unbegründet ist was E. R. Lange in Ms. bemerkt:
‘Die Grossartigkeit des Gegenstandes entzündet die Phantasie des
Dichters und befruchtet sie zur Hervorbringung von fünf, eigent-
lich sechs Gleichnissen, die in ihrer Mannichfaltigkeit dazu dienen,
das imposante Schauspiel des in vollem Waffenglanye einherschrei-
tenden Heeres in allen seinen Theilen auszumalen.” Es lässt sich
hinzufügen, dass diese sechs Bilder in zwei Hauptmassen zerfallen:
I. die ersten vier beziehen sich auf das Heer als Ganzes a) her-
anrückend, Ὁ) ins Schlachtfeld einrückend, 6) nach seiner Grösse,
sobald es steht, 4) nach seiner Kampfbegier. II. Die zweite Hälfte
bezieht sich auf die Heerführer a) die Schaaren ordnend; b) Aga-
memnon für sich und in seinem Verhältniss zu den andern. [Vgl.
auch Nitzsch Beiträge zur Gesch. d. ep. Poesie p. 330 f. Nutz-
horn die Entstehungsweise der homer. Gedichte p. 134. £.]
484. ‘Mit der Aufzählung der einzelnen Theile beider Heere,
wozu der Dichter sich jetzt anschickt, beabsichtigte er seinen Zu-
hörern einen anschaulichen Begriff von der Grösse der bevor-
stehenden Kämpfe zu geben. Aber ein so gewaltiger Gegenstand
imponiert dem Dichter selbst so sehr, dass er die Musen von
Neuem um Beistand anruft. Daher schickt er dem Ganzen ein
prooemium voraus’ E. R. Lange in Ms. — Ueber die Bildung
von ἔσπετε handelt Theodor Ameis De Acolismo Homerico (Halle
1865) p. 49 sq. [Anders Curt. Etym. *p.461: ἔσπετε ist redupl. Aor.
für oe—ome—re] Was die Anrufung der Musen betrifft, so be-
merkt Nitzsch Beiträge zur Gesch. der ep. Poesie $. 383 mit Recht
Folgendes: ‘Der Dichter ruft die Musen an, weil es besonders
treuen Gedächtnisses bedarf, um etwas ganz Bestimmtes genau
anzugeben.” Dazu giebt er Anmerk. 95 die feine Erläuterung, dass
— 181 —
4A 218. # 508. Π 112. B 761 die Treue der Grund der An-
rufung sei, anderwärts aber, wo es eine grosse Vielheit gilt wie
B 484 bis 493, die Stärke des Gedächtnisses. Aehnlich urtheilt
Gladstone Hom. Stud. von Alb. Schuster 8. 108. Der in μοῦσαι
und ἔχουσαι liegende Gleichklang scheint aus der feierlichen Priester-
poesie entlehnt zu sein, wie bei Sappho Fr. 86 ed. Bergk Δεῦρο
δηὖτε Μοῖσαι, χρύσιον λίποισαι. Ebenso in der feierlichen Weis-
sagung a 40: ἐκ γὰρ Ὀρέσταο τίσις ἔσσεται ”Argeldao. [Vgl. auch ,
zu A 96 und im Allgemeinen Holzapfel über den Gleichklang bei
Homer (Zeitschr. f. Gymn.) Berlin 1851 und 1854.] Nur mehr-
silbige Endungen können als Reime auf einander bezogen werden.
Es finden sich dieselben entweder am Ende zweier Verse oder
am Ende von Vershälften. Dieser Gleichklang ist in der classi-
schen Poesie meistens unabsichtlich, jedoch nicht immer. Zur Ab-
stammung von μοῦσαι bemerkt; G. Autenrieth Folgendes: “Wenn-
gleich Mnemosyne erst in den Hymnen und bei Hesiod als Mutter
der Musen erscheint, so zeigt doch schon der blosse Name der
letzten (μοῦσα aus μοντία: G. Curtis Etym. Nr. 429, abgesehen
vom Eingang der beiden homerischen Epopöen), dass sie es ist,
welche κλέα ἀνδρῶν καὶ ἐσσομένοισι πυϑέσϑαι überliefert.” — Zu
Vers 486 hat Bekker Hom. Blätter 5. 289* wegen des Gedankens,
dass das Wissen eigentlich nur den Göttern zuständig sei, die
Worte ἀκοήν γ᾽ ἔχω λέγειν τῶν προτέρων, τὸ δ᾽ ἀληϑὲς αὐτοὶ (οἵ
ϑεοῖ) ἴσασιν Plato Phaedr. p. 96, 5 verglichen. Eine bekannte
Nachahmung ist Soph. Ai. 23 ἔσμεν γὰρ οὐδὲν τρανές, ἀλλ᾿ ἀλώ-
μεϑα. Und die letzten verblassten Ausläufer dieses gefeierten Verses
haben wir in ‘nikil enim habeo praeter auditum’ (Cie. de
Off. 1 10) und ähnlichen Wendungen bei den Römern. — Vers
489. Diese Stelle hat auch der Dichter Hostius wiedergegeben
nach Macrob. Sat. VI 3. Vgl. Weichert in poetarum Lat. Hostü
cet. relig. p. 15. Sodann Claudian. I ὅδ; XXVIII 436. Aeschin,
Epist. X 1 p. 680. — 490. [Ueber φωνή vgl. Mayer Studien zu
Homer, Sophokles etc. p. 22 f.] — Vers 491 bis 493 hat Bekker
mit Heyne athetiert: ohne zwingenden Grund. [Raspe a. O.p. 14 f.
verwirft nicht bloss mit Bekker 491--493, sondern auch schon
die vorhergehenden Verse 488—490 wegen des abenteuerlichen
und foreierten Charakters, den die Stelle trägt. Man wird ihm
ausserdem zugeben müssen, dass der Uebergang von 490 zu 494
nach Streichung der dazwischen liegenden Verse etwas Schroffes
hat, während an 487 sich die Aufzählung selbst in 494 ohne
Anstoss anreihen kann. Ja es ist dies gerade die echt homerische
Weise, wie die entsprechenden zu 484 angeführten Stellen zeigen,
unmittelbar nach Anruf der Musen und Stellung der Frage ohne
weitere Reflexion die Antwort zu geben. Vgl. dagegen L. Lange
der homerische Gebrauch der Partikel εἰ Ip. 158 und 172, welcher
keinen Grund zur Athetese sieht und meint, der Dichter rufe die
-- 188. —
Musen zwar nicht direct, aber indirect auch für die Aufzählung
der πληϑύς an].
494. Nach Ottfried Müller und J. F. Lauer Quaest. Hom.
I p. 84 soll dieser Katalog böotischen Ursprungs sein theils wegen
des Anfangs, da die Böoter sonst in der Ilias keine hervorragende
Rolle spielen, theils wegen des Umstandes, dass die katalogisie-
rende Methode zum Wesen der Hesiodeischen Poesie gehöre. Diesem
Urtheil haben C. A. J. Hoffmann im Philol. III S. 203, A. Mommsen
im Philol. V S. 526 und Andere beigestimmt. Aber hier-
gegen haben H. Düntzer in den N. Jahrb. für Philol. 1852 Bd.
64 8, 125 und W. Bäumlein in Fleckeisens Jahrbb. 1857 Bd. 75
$. 40 begründeten Einwand erhoben. H. Köchly De genuina cata-
logi Hom. forma (Zürich 1853) hat im Anschluss an den ver-
meintlich böotischen Ursprung eine strophische Gliederung des
Schiffskatalogs, und zwar die für Hesiodos angenommene Fünf-
zahl von Versen mit Scharfsinn nachzuweisen versucht, und
diese in seiner Ausgabe p. 53 844. vor Augen gestellt, mit Bei-
stimmung von Ὁ. Ribbeck in “Neues Schweiz. Museum’ 1861 8.
218 fl. und von Andern. Nach dem überlieferten Texte ergeben
sich von selbst folgende zehnzeilige Strophen: 484- 498; 517—
526; 536—545; 559—568; 581—590; 615—624; 738— 747;
und fünfzeilige: 671—675; 676—680; 711—715; 729—733;
756—760. Aber an den übrigen Stellen hat H. Köchly diese
Fünfzahl nur auf mehr oder weniger gewaltsame Weise herstellen
können: mehrere Fälle dieser Art behandelt W. Baeumlein a. a. Ὁ,
8. 42 ἢ. Th. Bergk in der Griech. Litt. (Allg. Encykl. der
Wssten und Künste Erste Section LXXXT) 8. 326 urtheilt nach
Erwähnung von Köchlys ‘scharfsinnigen’ Abhandlungen und dessen
Ausgabe der Ilias also: ‘Dabei wird zugleich der Versuch gemacht,
die moderne Strophentheorie, die freilich dem griechischen Epos
durchaus fremd ist, durchzuführen.” [Vgl. denselben griech. Lite-
raturgesch. I p. 559, Anm. 16 und H. Lutze de Homericorum
carminum ratione strophica, Sorau 1871 und dazu Giseke im Philol.
Anzeiger IV p. 551.] Aber die Anfünge dazu in vereinzelten
Stellen wird man wohl nach dem überlieferten Texte anerkennen
müssen. Namentlich dürfte auf allgemeinere Beachtung und Bei-
stimmung Anspruch haben was H. Köchly De Iliadis carminibus
diss. IV p. 15 sq. in folgender Beschränkung erörtert hat: “Poetas
Homericos, qui carmina non legentibus scriberent sed audientibus
recitanda et mente tantum linguaque componerent et solius memoriae
ope sibi retinerent aliisque traderent, ipsius instinctu naturae ad id
artificium adduci necesse erat, quo non solum canentium memoria
sublevaretur et auscultantium audientia adiuvaretur, sed etiam ipsum
carminis corpus quasi membris quibusdam integris artioulisgue con-
gruentibus distingueretur. hinc inventum, ut fere et narratarum rerum
series δὲ orationum tenor sermonumque altercatio in particulas quas-
— 19 —
‚dam divideretur, quae commode stropharum vel ternariarum vel qua-
ternariarum vel etiam quinguenariarum — nam his quoque genealogiei
carminis proprüs locus est apud Homerum — finibus includi pos-
sent. ei legi vero et ad cantoris audientiumque commoditatem et ad
ipsius carminis gratiam augendam inventae minime in servilem mo-
dum ita se addixerunt, ut etiam contra ipsam illam legis causam
versuum strophicorum numerum atque cohaerentiam retinuerinf. imo
nec, ubicungue aut brevior sententia vel succincta notitia inserenda
esset, ibi singulos binosve versus interponere dubitaverunt, quod ple-
rumque in solemnibus illis de loquendo de edendo ceteraque vita quo-
tidiana formulis usu venit, et ubi sententiae ambitus atque copia
maior videretur, quam quae arctis strophae cancellis commode cir-
cumscribi posset, in longiorem etiam plurium versuum seriem exspa-
tiati sunt, id quod inprimis et in similibus accuratissime ad veri-
tatem depictis et in concitati animi multum fluenti oratione obser-
vare licet.” Nicht minder beachtenswerth ist, was H. Köchly ebendas.
p. 18 über die Art des Vortrags in Bezug auf die absoluten
Gegner der Strophentheorie also bemerkt hat: “Quibus hominibus
libentissime hoc ego concedo ea ratione, qua ipsi fortasse certe per-
multi alii non solum Homerum, sed omnes omnino poetas etiam ver-
naculos legere soleant sive secum mussitantes sive coram alüs debla-
terantes, nec strophicam Homeri nec ullam ullius poetae artem
audientium auribus percipi posse. verum enim vero longe alia res
erat non solum in ipsis illis antiquis poetis, quos citharae non con-
tinuo cantu certos modos edidisse sed intercidentibus per intervalla
quaedam pulsibus recitati carminis partes particulasque distinxisse
satis constat, sed etiam in recentioribus rhapsodis, quos etiam abiecta
cithara ex tradito declamandi more vocis intermissiones morasque re-
tinuisse ad singula orationis membra articulosque distinguenda tam
apertum est atque necessarium, ut id nemo, qui rite deelamare didi-
cerit, negare ullo modo possit. ita igitur si iam Homerum clara
voce certaque arte recitare studeas, stropharum, quae quidem vere
sunt, ambitum consensumque sua sponte ad audientium aures mentes-
que permeare facile senties’ — Was nun die materiale Seite dieses
Namenregisters anbetrifft, so darf ein heutiger Leser nicht ver-
gessen, dass die alten Hellenen an solchen Aufzählungen ein be-
sonderes Wohlgefallen hatten: vgl. den Anhang zu o 254. Dieser
Schiffskatalog aber stand bei den Griechen in so hohem Ansehn,
dass sogar Streitigkeiten nach den Angaben dieses Kataloges ge-
schlichtet wurden: nach der Bemerkung des Eustathius οὕτω δέ,
φασίν, ἡδὺς καὶ μεγαλοπρεπὴς ὃ κατάλογος, ὥστε καὶ πόλεις ἀμφισ-
βητοῦσαι Ὁμηρικοῖς ἔπεσιν ἐχρήσαντο πρὸς λύσιν ἔριδος. Wurden
doch die griechischen Knaben nach diesem Katalog in der Geo-
graphie unterrichtet und galt doch bei einigen die gesetzliche Vor-
schrift, diesen Katalog im Gedächtniss zu haben: vgl. Lehrs de
Arist.? p. 237. Unter den Alten haben Strabo VIII—X und
— 140 —
Andere über diesen Schiffskatalog besondere Commentare ge-
schrieben. Eine eigenthümliche Ansicht über die jetzige Anord-
nung desselben entwickelt Gladstone Hom, Stud. von Alb. Schuster
8. 107 #. [Vgl. jetzt auch die Einleitung p. 97 #.] — Vers 506.
ἄλσος wird noch immer von Manchem mit dem Schol. zu Pind,
ΟἹ. III. 31 als χωρίον ἀφιερωμένον ϑεῷ gedeutet (die vollständige
Angabe steht auch bei Wunder zu Soph. El. 5): aber dagegen
vgl. Lobeck’s Briefe, herausg. von L. Friedländer 8. 212 ἢ,
514. Andere wie G. Hermann in der Leipziger Literatur-
Zeitung 1803 8. 56 (Recens. der Heynischen Ausgabe) und Freytag
wollen die Worte ὑπερώιον εἰσαναβᾶσα eng mit ”4enı verbinden.
Aber dann würde der persönliche Dativ in dieser Verbindung
höchst auffällig sein und durch keine Parallele aus Homer sich
begründen lassen. J. U. Faesi hat bemerkt: “In τέκεν .---εἰσανα-
βᾶσα ἤάφηι sind die Bestimmungen mehrerer Sätze durch ein-
ander gemengt; ὑπερώιον eisavaßdcıı würde eigentlich zum folgen-
den παρελέξατο (εἰσαναβάσῃ) gehören, vgl. IT 184 f” Bei diesem Ur-
theil nun möchte nur noch der Zusatz nothwendig sein, dass
solche Fehler ganz unbestreitbar eine Interpolation verriethen, wie
Köchly De genuina catalogi Hom. forma p. 23 diese Stelle vom
Lachmann’schen Standpunkte aus sehr sinnreich behandelt hat.
Ich zweifle indes, ob man den vor Peisistratos lebenden Dichtern
solche Unkenntniss des Griechischen zuschreiben dürfe. Mit Recht
giebt W. Baeumlein in Fleckeisens Jahrbb. 1857 Bd. 75 8. 45
dagegen die Bemerkung ‘dass wenn τίκτειν vom Vater gebraucht
wird, es bei der Mutter auch das coneipere in sich begreifen
muss, worauf auch die Construction mit ὑπό und Dativ führt: vgl.
B 128. E 313, namentlich B 742 f., wo ἤματι τῷ ὅτε are. jeden
Zweifel beseitigt” Auch B 714. 820. H 469. # 492. Daher
bleibe ich bei dem einfachen Sinne, den die überlieferten Worte
darbieten. [Vgl. dagegen Raspe der sogenannte Schiffskatalog
p. X, der 513—515 als Interpolation verwirft.] — “Die παρϑένος
wird αἰδοίη genannt, weil es für eine Auszeichnung galt, vom
Stammgotte des Volkes Kinder zu gebären: vgl. IT 175 bis 192.
E. R. Lange in Ms. — V. 519. Stat. Theb. VII 344. [Die Be-
nennung der Stadt nach der Cypresse verräth phönizischen Einfluss,
da die Phönizier den Baum schon in ältester Zeit überall ver-
breiteten, wo sie sich niederliessen und wo das Klima es erlaubte:
vgl. Hehn Kulturpflanzen und Hausthiere p. 194 £.]
522. Dass ὅς τέ da ungriechisch sei, hat schon G. Hermann
zu hymn. in Apoll. 390 bemerkt und dann Folgendes hinzugefügt:
‘Semper ὅς δά re dicitur: apud Homerum quidem his loeis: T 61.
4 483. E 137. I 504. N 63. 796. O 411. 631. II 590. P 134.
549. 674. 2 319. T 31. Φ 283. 494. X 23. W 517. 2 415.
ı 187. A 414. u 39. ο 319. x 403. Sic etiam ἐπεὶ ἄρ τε, ὅτε
‚ πέρ τε, τὸν μέν te εἰ quac sunt huius generis alia; numquam ἐπεί
— 141 —
τέ δα, ὅτε τέ περ, τόν τε μέν Aber die nicht enklitische Form
ἄρα ist dort unerwähnt geblieben: ὅς τ᾽ ἄρα findet sich schon bei
Homer so gut wieris τ᾽ ἄρα, τίπτε τ᾽ ἄρα, πῶς τ΄ ἄρα, πῇ τ᾽ ἄρα,
vgl. die Stellen im Anhang zu « 346 und bei Baeumlein über
Griech. Part. 5, 232. — Ueber die verschiedenen Flüsse, die den
Namen Κηφισός führten, vgl. Pauly Real-Eneyelopädie unter Ce-
phissus. — Vers. 526. ‘Dieses ἔμπλην (selten und verschieden
von dem spätern ἔμπλην) scheint von der Wurzel πεῖ in πέλας
πλησίον (G. Curtius Etym.? zu Nr. 367) zu stammen und wie
ἔμπαλιν ein Locativ zu sein, nur mit der alten (im Skt. dunkeln:
Schleicher Compend. $ 254) Endung —dm = —av, —yv, also
wörtlich in der Nähe, und deshalb mit dem Genetiv, genau wie
Skt. sannidhau, samipe, antike (in der Nähe)” G. Autenrieth.
[Anders Schaper quae genera compositorum ap. Hom. distinguenda
sint p. 9 und in Kuhn’s Zeitschr. XXII p. 528: πλὴν adverbieller
Aceus. eines Nomens πλὴ aus πολή, wie ὁμοκλή aus ὁμοκαλή, von
W. πελ--- in πέλομαι, = prope oder in eodem loco versantes.]
530. 6. F. Unger im Philol. Suppl. II 5. 674 bemerkt
hierzu: “Gerade für einen lokrischen Helden war diese Bezeichnung
seines Waffenruhmes angemessen, da er ja auf der Grenze von
Hellas und μέσον ”Agyog wohnte, Auch dieser Vers wird auf die
Autorität Aristarchs hin verworfen, und auch für ihn hatte dieser
Kritiker keinen andern Verdachtgrund, als den irrigen, dass der
Name Hellenen hier in modernem Sinn von den Griechen über-
haupt gebraucht sei. Heutzutage darf man billig den Katalog
als ein in die Iliade eingeschobenes Stück nach seinem eigenen
Sprachgebrauch beurtheilt verlangen’ usw. [Vgl. dagegen die
Kritik der Verse von Pappenheim im Philol. Suppl. II. p. 52 ff.
— Ueber die linnenen Panzer spricht Hehn Kulturpflanzen und
Hausthiere p. 101. 104.] — Vers 531. Die Stadt Καλλίαρος war
schon im Alterthum verschwunden, dagegen führte noch die Ebene
diesen Namen, ἃ. i. nach G. Autenrieth ἱκαλλ-ίαρος schönsaftig:
äolisch ἰαρός = ἱερός in seiner Urbedeutung.’ Vgl. G. Curtius
Etym. Nr. 614. Ueber die Lage sagt Conrad Bursian Geogr.
von Griech. I 5. 190 Folgendes: “Von Küvog zieht sich südwärts
bis zu den Hügeln, welche die Grenze gegen Boiotien bilden, eine
3 Stunden lange, fruchtbare, von mehreren Bächen bewässerte
Ebene, von den Alten Καλλίαρος genannt, an deren südlichem Ende,
3 Stunden von Kynos, Y, Stunde von der Küste des tief ins Land
eingreifenden Opuntischen Meerbusens Ὀποῦς, die Metropole der
Lokrer, gelegen war.’ Und hierzu bemerkt mir G. Autenrieth:
‘Kein Wunder, dass dann Ὀπόεις = dmb—Fevr—g in der Nähe an
deren Ende lag, mag man es nun als saftreich (von ὁπός: G.
Curtius Etym. Nr. 628) oder der Bedeutung nach passender als
wasserreich deuten, ganz das Skt. apavant; das a dieses Stammes
hat sich im Griechischen nur im Inlaut gehalten: G. Curtius Etym.?
_— 12 —
8. 412’ — Vers 532. Ueber Βῆσσα, Σκάρφη und die andern hier
erwähnten Ortschaften vgl. Conrad Bursian Geogr. von Griech. I
8. 189 ἢ — 535. [Ueber die an πέρην sich knüpfenden Fragen
hinsichtlich des Standpunktes des Verfassers des Katalogs vgl.
Benicken das dritte und vierte Lied vom Zorme des Achilleus,
Halle 1874 p. 5 und die Einleitung 99.] — Vers 538. Statt der
Ueberlieferung hat Bekker aus Conjectur Aiov gegeben mit Ver-
gleichung von 501. 505. 546. 569. 584. — Vers 542. Zu”4ßev- .
τες ὄπιϑεν κομόωντες vgl. ausser Strab. X p. 713° und Plutarch.
Thes. c. 5 auch Dio Chrysost. or. II p. 76 f.; VII p. 221, sowie
Herod. IV 180: of μὲν Μάχλυες τὰ ὀπίσω κομέουσι τῆς κεφαλῆς,
οἵ δὲ Αὐσέες τὰ ἔμπροσθε. Und Stat. Theb. VII 369: in terga
comantes. — 547. Plutarch. Thes. c. 25. Ammian. Marc. XVI
15. — Vers 550. Der Athene werden als einer weiblichen Gott-
heit Kühe und Schafe, nicht aber Stiere und Widder geopfert:
Z 93. 274. 308. A 729. y 382 fi. 418 fl. δ 764. Daher be-
zieht sich, wie schon die Alten bemerken, μέν auf Ereehtheus.
[Ueber die Verbindung der Athene mit Erechtheus vgl. Welcker
griech. Götter]. II p. 284, auch Preller im Philol. VIL p. 15.]
553—555. Was die Athetese dieser drei Verse betrifft, so
erwähne ich die Sachlage mit den Worten von M. Sengebusch Ho-
merica diss. I p. 149: “Zenodotum eos versus pro spurüs habuisse
(ἀϑετῆσαι) narrat Aristonicus, Aristarchum contra pro genwinis;
Herodotum eos ita respicere vidisti libri 7 capite 161, ut non modo
Herodotum ipsum sed et illius et belli Persici temporibus universam
Graeciam eos pro genuinis habuisse pateat. Accedit hac in re Hero-
doti testimonio epigramma memoratum illud apud Aeschinem Ctesi-
phont. 8 185.’ Ueber dieses hat er ebendas. p. 108 Folgendes
bemerkt: “Ibi narrat Aeschines tempore belli Medici qui Medos
vieissent ad Strymonem fluvium Aihenienses a populo Atheniensium
inscriptionibus tribus esse laudatos, e quibus tertia haec fuerit:
"Ex more τῆσδε πολῆος ἅμ᾽ ᾿Ατρείδῃσι Μενεσϑεὺς
ἡγεῖτο ξάϑεον Τρωικὸν ἂμ πεδίον,
ὅν ποϑ᾽ Ὅμηρος ἔφη “4Ἕαναῶν πύκα χαλκοχιτώνων
κοσμητῆρα μάχης ἔξοχον ἄνδρα μολεῖν.
οὕτως οὐδὲν ἀεικὲς ᾿4ϑηναίοισι καλεῖσϑαι
κοσμητὰς πολέμου τ᾽ ἀμφὶ καὶ ἠνορέης.᾽
Und hierzu hat er in der dissert. II p. 110 noch hinzugefügt:
“quocum loco conferas Plutarchi Cimon. 1. Denselben Stoff be-
handelt von Neuem Lehrs Epimetra zu Arist.? 8. 445 f. — Vers
554 erwähnen auch Plutarch. Sympos. I 2, 2 p. 615°. Themist.
or. VII p. 116"; eine Anspielung bei Aelian. N. A. X.8 2. E.
Den Menestheus in dieser Eigenschaft berühren Xenoph. de Venat.
ce. 1, 12. Philostr. Heroic. ο. 2, 16 p. 689.
558. Die Nachrichten der Alten über die Interpolation dieses
Verses hat Max Sengebusch Hom. dissert. posterior p. 109 am
-- 14 —
übersichtlichsten also zusammengefasst: “De Salamine insula inter
Athenas et Megara sita inde ab eo tempore, quo Dorienses Megara
occupaverunt, Megarenses et Athenienses videntur litigasse. Solon effecit,
ut ab Atheniensibus Megarenses vi armorum expellerentur ex insula,
quam ut ad Athenienses olim pertinwisse demonstraret, in catalogo
navium Iliaco post versum B 557 insinuavisse ferebatur versum
558 στῆσε δ᾽ ἄγων, ἵν᾽’ ᾿Αϑηναίων ἵσταντο φάλαγγες. Alii tamen
hanc quoque interpolationem ad Pisistratum referebant; alii Athe-
nienses auclores dixisse satis habebant. Vide Strabon. IX 394.
Eustath. B 557 p. 285, 3 et 38. Scholl. Bekk. Bachm. B 557.
Plutarch. Solon. 10. Aristotel. Rhet. 115. Diog. Laert. I 48. Scholl.
Demosth. De falsa legat. $ 251. Quinetil. V 11. Conf. vit. Pseudo-
herod. 28. [Man könnte auch Pausan. I 40 und 45. Polyaen.
strateg. I 20 hinzufügen.] Alexandrini grammatici Aristarchus-
que versum ambiguum 558 reiecerunt, non quod fama quaedam eum
damnaret, sed quod adversaretur aliis Iliadis locis, quos genwinos
esse constat. Vide Strabon. 1. ὁ. Eustath. B 557 p. 285, 3. scholl.
A ad T 230. 4 251. Lehrs Arist. p. 230. 349.’ Freytag zu
unserer Stelle hat noch folgende Vermuthung ausgesprochen: “Veri-
similius autem, si quid mutatum est a Solone, hunc versum ab
ipso pro alio vel pro aliis substitutum, quam uno {lo praeter
consuetudinem totam Salaminiorum Aiacisgue mentionem a poela
fuisse absolutam’ Doch darüber ist uns von den Alten keine
Notiz überliefert. Vgl. auch Lehrs Epimetra zu Arist.? 8. 447
[und Bergk griech. Literaturgesch. I p. 562].
559. Der Nominativ Tiguvg, den noch Göttling zu Hesiod.
seut. 81 für eine Fiction der Grammatiker erklärt und Lobeck
Paral. I p. 167 unerwähnt gelassen hat, findet sich bekanntlich
in einem dichterischen Fragmente bei Hephaest. p. 4 ed. Lips.
Auch wissen wir jetzt, dass von v& vor o das ν zurückbleibt in
ἕλμιν-ς und Tigww-s. Vgl. G. Curtius Schulgr. $ 50. Anm. 2.
Ueber das Beiwort τειχιύεις vgl. wegen der Bildung zu τ 33 und
wegen der Bedeutung Hugo Weber im Philol. XVI 8. 700 ἢ und
Overbeck Gesch. der griech. Plast. I S. 33. — Vers 569. Seneca
Epist. 66, 26 sagt ‘Mycenarum mobiles muros. — Vers 573.
Wegen Γονόεσσα vgl. G. Curtius Etym. Nr. 137.
570. [Ueber das hohe Alter des korinthischen Handels vgl.
'Thukyd. I, 18 und mehr bei Büchsenschütz Besitz und Erwerb
im griech. Alterth. p. 367 fi.
580. Bekker hat nur diesen Vers athetiert, während Zeno-
dotos nach dem Berichte des Aristonikos auch 579 hinzunahm,
was dann nothwendig sein dürfte. Denn wenn 580 allein fehlte,
80 würde man geneigt sein, die Worte πᾶσιν δὲ μετέπρεπεν ἡρώ-
2001» wegen des unmittelbar vorhergehenden nur auf den Vorzug
und Glanz der Waffenrüstung zu beziehen. Vgl. auch Düntzer de
—_ 14 —
Zenod. p. 183. Ueber ὅτι (nach der gewöhnlichen Lesart ὅτι πᾶσι
statt πᾶσιν δέ) und οὕνεκα bemerkt Schömann Opuse. II p. 455
not. 20 Folgendes: “in hoc duas causales enuntiationes habemus, alte-
ram, quoniam alterius causam affert, huic per solam causalem con-
Junctionem sine copula connexam, quae addenda fuisset, si utraque
'pariter ad unum κυδιόων pertinere> Aber diese Verbindung wäre
im Homer vereinzelt, klänge auch nicht recht poetisch. — Vers
583 hat Meineke zu Callimach. p. 303 Βρυσσειώς mit verdoppeltem
Sibilanten vermuthet. — 592. Ueber den Accent in Amy vgl.
Lehrs de Arist.? p. 292 sqq. — Vers 595. Θάμυριν. Vgl. Jaco-
bitz zu Lueian. Pisc. 8. Reviv. c. 6.
597. [Zur Auffassung des Concessivsatzes εἴ περ ἄν vgl. L.
Lange der hom. Gebrauch der Partikel εἰ II p. 514 f.]
599. Das Wort πηρός, ein ἅπαξ εἰρημένον, erklürt Doederlein
Hom. Gloss. $ 812 (nach dem Vorgange des Aristarch: vgl. Lehrs
de Arist.? p. 190) von der Stimme: ‘Das Allernatürlichste war es,
dass die Musen den anmasslichen Sänger stumm machten, πηφὸν
τῆς φωνῆς; diese nähere Bestimmung durfte der Dichter darum
hinweglassen, weil sie aus 595 παῦσαν ἀοιδῆς leicht sich errathen
liess” Ebenso nur etwas erweitert deutet Gladstone Hom. Stud.
von Alb. Schuster $. 153 das ‘verstümmelt’, indem er (wie schon
Aristonikos) bemerkt dass Blindheit ‘für den Sänger keine Strafe
war’ und nun fortfährt: “Wohl aber war die Beraubung der
Stimme oder der Hand als der für die Ausübung seiner Pro-
fession erforderlichen Organe eine Strafe für den Sänger, und auf
eine solche Beraubung dürfte der Ausdruck πηρός weit richtiger
bezogen werden.’ Aber beide übergehen eine Hauptsache, nemlich
wie zu dieser Auffassung das folgende αὐτάρ passe. Denn diese
Partikel wird bekanntlich nie bei der Erklärung gebraucht, wie
es dann hier der Fall sein würde, sondern stets nur bei entgegen-
gestellten Sätzen oder bei der Einleitung einer neuen Scene: vgl.
Baeumlein über Griech. Part. 5, 51 f. [Diese Auffassung der Par-
tikel ist zu eng, vgl. Lexicon Hom. 5. v. αὐτάρ. Dass dieselbe
auch zwei in einem gewissen Kausalzusammenhang stehende An-
gaben verbinden kann, ist wegen des darin enthaltenen ἄρα an
sich begreiflich und durch Stellen, wie B 465 zu erweisen. Andrer-
seits lässt sich nach παῦσαν ἀοιδῆς 595 schwerlich erwarten, dass
die von den Musen verhängte Strafe in Blindheit bestand, welche
gerade mit der Gesangesgabe vielfach verbunden erscheint. Hätte
der Dichter die in den Sagen von Teiresias, Daphnis, Stesichoros
und Homer selbst vorliegende Verbindung der Blindheit mit der
Gesangesgabe vor Augen gehabt, wie Ameis wollte, so würde er
darauf deutlicher hingewiesen haben, wenigstens durch ein vorbe-
reitendes μέν bei πηρόν. Zur Etymologie dieses Wortes vgl.
Curtius Etym. p. 273 und dagegen Brugman in Curtius Stud.
IV. p. 154, 37.] — Vers 605. Stat. Theb. IV 295. — Vers 614
— 14 —
berücksichtigen auch Philostr. Heroic. p. 688 f. ed. Olear. Themist.
or. XXIV p. 3054.
616. In ὅσσον ἐφ᾽ will C. A. J. Hoffmann Homerische Unter-
such. Nr. 2 (Lüneburg 1858) nur ‘die Tmesis von ἐπεέργει er-
kennen. Denn nur mit hinzugefügtem τέ scheint bei Homer ἐφ᾽
ὅσον nachweisbar zu sein (man denke an das bekannte οἷός τέ
εἰμι), während ἐπὶ τόσσον ohne τέ nicht angezweifelt werden kann.”
Ebenso sagt Fr. Otto Beitr. zur Lehre vom Relativum bei Homer.
Th. IS. 6 dass ‘B 616. Ψ 251 in ὅσσον ἐπί Tmesis stattfindet.’
So hat auch schon Damm unter ἐπεέργω geurtheilt. Aber mir
scheinen drei Gründe dagegen zu sprechen: Erstens ist das Com-
positum ἐπεέργω aus Homer nicht weiter nachweisbar, und die
Präposition hätte auch hier keine passende Beziehung, so dass sie
als bedeutungslos erscheinen müsste. Anders in der von Otto er-
wähnten Parallele # 251 ὅσσον ἐπὶ φλὸξ ἦλϑε, ‚wo der Sinn von
ἐπῆλθε “hinkam, dazukam, ἃ, i. einnahm’ nicht die geringste
Schwierigkeit bietet. Zweitens ist mir keine Stelle bekannt, wo
die Präposition im Anfange des ersten und das dazu gehörige
Verbum am Schlusse des folgenden Verses stände. Hierzu kommt
drittens, dass ὅσος als Object, wie es in den Parallelstellen der
Fall ist, sich im Genus jedesmal nach dem Nomen richtet, zu
dem es die Erklärung bildet: so ὕσσους B 845. ὅσα I 404. ὅσην
Σ 512. X 121. ὅσον 2 544. Daher würde die homerische Ana-
logie hier als Object ὅσσην Ὑρμένη verlangen. Aus diesen drei
Gründen bin ich bei der Erklärung der Alten geblieben, indem
die Schol, AD. erläutern: ἐφ᾽ ὅσον ἐντὸς συνεῖχον und der Para-
phrast bei Bekker: ἐφ᾽ ὅσον ἐμπεριέχει (ἢ ὁρίξει). Dieser Ansicht
folgen auch Heyne, Spitzner und Andere. Da man nemlich τόσσον
ἔπι ohne τέ sagt, so kann auch ὅσσον ἔπι im Vergleich zu dem
sonstigen ὅσον τ᾽ ἐπί (vgl. den Anhang zu ν 114) einen begrün-
deten Anstoss nicht erregen. Das Object aber, welches zu ἐντὸς
ἐέργει notlwendig ist, ergänzt sich aus dem unmittelbar voraus-
gehenden Ἤλιδα δῖαν mit einem “es” von selbst, wofür es im
Homer zahlreiche Parallelen giebt. Was sodann die erwähnten
vier Orte betrifft, so begrenzen dieselben jenes Thal, das später
sogenannte κοίλη Ἦλις, nach allen vier Himmelsgegenden. Zu den
folgenden Versen hat Ὁ, Müller im Rhein. Mus. 1834. II S. 176
bemerkt, was vielleicht schon die Scholl. BL. mit ἔδειξε τὴν διαί-
φεσιν τῆς ἀρχῆς andeuten wollen, nemlich dass “bei Homer selbst
in den vier Anführern und vierzig Schiffen, welche den Eleern,
den alten Bewohnern der Κοίλη Ἦλις, im Schiffsverzeichniss zu-
getheilt werden (B 618. 619), eine Anspielung zu liegen scheint
auf die vier Phylen des alt-eleischen Landes.’ Bei dieser An-
nahme erklärt sich zugleich die Erscheinung, dass in der Ilias
noch andere Anführer der Epeier ohne Anstoss genannt werden
können, wie O 518. 519 Ὦτος und N 691. 692 Μέγης, ᾿Αμφίων,
Anhang zu Ameis, Homers Ilias I. 10
— 16 —
Aganlog. Andere erklären solche Differenzen aus der Annahme
verschiedener Verfasser oder verschiedener Lieder, wie Spohn de
agro Troiano p. 24.
633. Die Verse 632 und 633 enthalten eine Angabe der
Haupttheile von der Insel Ithaka, als dem Stammsitze des
Kephallenenfürsten. Mit Recht sagt Heyne: ‘Si Homerum ipsum
sine interprete legeris, υἱῷ aliter statuas, quam versus 632. 633 ad
Ithacam spectare, et esse Ithacam urbem, tum Neritum montem, ergo
et Crocylea et Aegilipem in ea insula fuisse” Zuerst wird die
Stadt Ithaka genannt. Dass nemlich mit den Worten or 6
᾿Ιδθάκην εἶχον nicht die ganze Insel gemeint sein kann, geht aus
den folgenden Worten καὶ Νήριτον εἰνοσίφυλλον hervor, man müsste
denn Neriton mit den Späteren (Ovid. Met. XIII 712; Verg. Aen.
ΠῚ 271; Plin. N. H. IV 12) ebenfalls für eine Insel ansehen, was
heut zu Tage Niemandem mehr einfallen kann. Auch die bekannte
Verbindung des Ganzen mit dem Theile, wie in Φοινικέην —
Σιδονίους (ὃ 83), Ἴδην — Γάργαρον (Θ 47), Τρῶάς τε καὶ Ἕκτορα
(N 1), Πριάμῳ καὶ Τρωσί (Β 160) und speciell in B 615 und
625, ist hier nicht anwendbar, weil das Ganze bereits mit Κεφαλ-
λῆνας 631 vorhergeht, gerade wie 581 die Landschaft Δακεδαί-
μονα in Bezug auf die folgenden vier Verse. Es wird daher
nichts übrig bleiben, als ᾿Ιϑάχην von der Stadt zu verstehen. Auf
die Stadt Ithaka folgt das Hauptgebirge der Insel Neriton, von
Hirten bewohnt, wovon der Neion einen nach der Stadt sich senken-
den Ausläufer bildet; vgl. Völcker Hom, Geogr. $ 37. Hierauf
folgen zwei Gaue Krokyleia und Aegilips. (In Lübkers Reallexikon
unter Ithaka wird αἰγίλυψ irrthümlich als homerisches Beiwort
von Ithaka betrachtet, wofür τρηχεῖα zu nennen war.) Lehrreich
ist Stephanos Byz. unter ᾿ Κροκύλειον. Ἡρακλέων ὃ Γλαύκου τετρα-
μερῆ φησι τὴν ᾿Ιθάκην, ἧς τὸ μὲν πρῶτον ἐπὶ μεσημβρίαν καὶ ϑά-
λατταν [τὴν πόλιν ᾿Ιθάκην], καὶ τὸ δεύτερον Νήιον, καὶ τὸ τρίτον
'Κροκύλειον, τὸ τέταρτον Αϊγιρῆα᾽ Aus den Abweichungen in den
Namen ersieht man, dass Herakleon seine Eintheilung nicht aus
Homer geschöpft hat, wodurch eben sein Zeugniss für unsere
Stelle wichtig wird. Hiezu ist noch der Artikel δῆμος bei Stephanos
zu vergleichen, wo es heisst Arjuog bedeute καὶ τόπον ἐν ᾿Ιθάκῃ,
ὃν καὶ Κροκύλειον. Hiermit stimmen zusammen die Schol. AD. zu
T 201 καὶ τόπος δέ ἐστιν ἐν ᾿Ιϑάκῃ Δῆμος καλούμενος. Andere
Nachrichten, richtig verstanden, bestätigen diese Erklärung. So
sagt der sogenannte Didymos in den Schol. min., Krokyleia und
Aegilips seien Ortschaften ‘auf der Insel Kephallenia.” Aber das
ist nur ein bei diesen Spätern gewöhnlicher allgemeiner und un-
genauer Ausdruck statt ‘der Kephallenen auf Ithaka’, wie bei-
spielsweise auch die Schol. AD. zu ἐν δήμῳ Ἰθάκης I’ 201 be-
merken: περιφραστικῶς ἐν τῇ Ἰθάκῃ. ἔστι δὲ νῆσος τῆς Κεφαλ-
Amviag’ Strabo VIII 6, 17 und X 2, 8 nennt Krokyleia und
— 14 —
Aegilips Städte in Akarnanien oder auf der Halbinsel Leukas,
Stephanos Byz. unter AlylAıy in Epirus, und Thukyd. III 96 hat
eine Stadt Krokyleion in Aetolien. Diese Angaben lassen sich in-
sofern vereinigen, als die Grenzen dieser Länder in verschiedenen
Zeiten sehr schwankend waren. Es sind aber diese Angaben für
die Erklärung unserer Stelle deshalb wichtig, weil die Kephal-
lenen unter Kephalos von Osten her nach den Inseln hinüberge-
zogen sind: Hes. Theog. 986. Seut, zu Anfang; Apollod, I 9, 4.
II 4,5 und 7. 11,5. III 5, 1; Strab. X 2, 15. 21. 25; Paus.
127; Tzetz. zu Lycoph. 932; Et. M. unter Κεφαλληνία. Es ist aber
nichts gewöhnlicher, als dass Namen aus der alten Heimath in die
neue übertragen werden: vgl. Palmerii Antiqg. Graec. IV c. 22
und 23. Manche dieser Beispiele erinnern recht lebhaft an das
heutige Amerika, wo die deutschen Kolonisten die Namen für Ort-
schaften nicht selten aus ihrer frühern Heimath .entlehnt haben.
Das Resultat ist also folgendes, Während Krokyleia und Aegilips
als Inseln [wie auch Buchholz homer. Kosmographie und Geo-
graphie p. 146 annimmt], mag man darunter mit Kruse (Hellas
8. 418 ff.) die winzigen Felseilande “Kalamata’ und “Nisiri‘ oder
mit Rühle von Lilienstern (Ueber das Hom. Ithaka 8. 51*) die
taphischen Inseln ‘Kalamo’ und ‘Meganisi’ verstehen, auf blosser
Hypothese beruhen, haben wir dagegen über diese Namen als
Gaue von Ithaka wenigstens dunkle Nachrichten aus der Sagen-
welt, die eine Combination gestatten, wie sie oben versucht worden
ıst. Die Sprachvergleichung wird noch zu untersuchen haben, ob
etwa die Namen Κροκύλεια und Αἰγίλιψ mit den in der Odyssee
erwähnten Localitäten, wie mit dem Koraxfelsen, einen identischen
Sinn offenbaren. Wenn übrigens beide Namen von den Geographen
und Historikern der spätern Zeit nicht mehr als Localititen von
Ithaka aufgeführt werden, so hat dies für die Erklärung Homers
keine wesentliche Bedeutung. Denn das homerische Ithaka ist
wie nach seiner Lage (vgl. den Anhang zu ı 25) so nach der
Schilderung seiner innern Beschaffenheit vorzugsweise ein Gebilde
der Dichtung. Vgl. R. Hercher “Homer und das Ithaka der Wirk-
lichkeit’ in Hübners Hermes I $. 263 f. Ueber die Frage, wes-
halb gerade Ithaka ausersehen wurde, das Vaterland des Odysseus
zu werden, wird 5, 268 mit Recht Folgendes bemerkt: “Wenn die
unbewusste Sagenbildung aufhört, so fällt die Sage entweder der
rationalistischen Auflösung anheim, oder sie wird localisiert und
heftet sich an bekannte Gegenden. Als die Abenteuer des viel-
gewanderten Odysseus, welche die Sage auf den Inseln des mythi-
schen Westmeeres spielen lässt, ihren Ausgangspunkt und ihr
Ziel finden sollten, da bedurfte es eines Landes, welches an der
Grenze eben jenes Schauplatzes, des Westmeeres, lag. Und hiezu
eignete sich nur Ithaka, das für den Glauben jener Zeit unter
den westlichsten Ländern der bekannten Erde das westlichste war.’
10*
-- 148 —
Und hierzu die allgemeine unbestreitbare Wahrheit über Homer
5. 269: “Denselben Glauben, mit dem er selber die Sagen der
Odyssee empfieng und gestaltete, fand er auch bei seinen Zuhörern
wieder, die seinen Liedern unbefangen und bewundernd lauschten,
im äussersten Falle über das Unerhörte staunten, aber nie von
den Zweifeln der Kritik beschlichen wurden. Und wie wäre es
anders möglich gewesen in einer Zeit, wo aus dem Munde des
Dichters der Gott selbst redete, und der gewöhnliche Verkehr
mit der Götterwelt so wenig als aufgehoben angesehen wurde,
als man etwa im heutigen Irland die Beziehung lebender Personen
zu den Feen zu leugnen wagt?” Und 8. 273: “Dabei ist festzu-
halten, dass Homer bei dem improvisatorischen Charakter seiner
Poesie nicht eben ängstlich rückwärts oder vorwärts schaut, dass
er nicht einen wohldurchdachten, detaillierten Plan der Insel und
des Könighauses im Kopfe trägt, sondern dass seine localen Ein-
zelnheiten lediglich aus der Situation erfünden sind” Aber trotz-
dem wird es eine berechtigte Forderung bleiben, dass auch das
Phantasiebild seine poetische Einheit haben müsse. Diesen
letztern Umstand scheint mir R. Hercher mit Unrecht bei Seite
zu lassen.
639. Ὥλενος war wohl der Hauptsitz des Zeuscultus, den die
Kureten mitgebracht hatten; die Stadt lag am Fusse des Arakyn-
thos, wahrscheinlich am Acheloos. Vgl. Conrad Bursian Geogr.
von Griech. I 8, 131. Mit Bezug hierauf bemerkt mir G. Auten-
rieth: “Olenos konnte von einer ὠλένη des Arakynthos seinen
Namen haben, ganz unabhüngig von der πέτρη Ὠλενίη. So ist
nach der Aehnlichkeit mit dem Körpertheil das böhm. Elbogen
(loket), Malmon von den Holländern ebenso, wohl auch der Berg
an der Fuldaquelle benannt; desgleichen nach der Nase die in
Schweizerseen vorspringenden Berge Nasen und Niesen, wie in
den skandinavischen Reichen die Vorgebirge — naes heissen und
in Norwegen sogar ein Nasa-fjord vorhanden ist.” — Vers 648,
‘“Daisrog die Glänzendste, eine Superlativbildung wie es scheint
von dem in φαιδρός erweiterten Stamm. Dies als Nachtrag zu
220, zur Bildung von ἔχϑιστος, αἴσχιστος, ἐλέγχιστος (zu B 285).
Auch Whitney im Journal of the Amer. Orient. Soc. V p. 210
hat dieselbe Ansicht über diese Formen nachdrücklich ausgesprochen
und noch unterstüzt durch den Hinweis darauf, dass im vedischen
Skt. von jedem beliebigen einfachen oder eomponierten Stamm,
mittels-tyans und ishfha die beiden oberen Steigerungsgrade ge-
bildet werden können, wie mit anderen der Positiv.’ G. Auten-
rieth. [Aristarch’s Schreibung ναιετοώσας statt ναιεταώσας ist ge-
geben nach La Roche hom. Textkritik p. 310.]
653. [Zu den folgenden Versen vgl. Bergk griech. Literatur-
gesch. I p. 559 f. und p. 472.]
661. Gewöhnlich liest man jetzt τράφη ἐν: eine blosse Con-
-- 19 —
jeetur von Barnes, der man Beifall schenkte in Erinnerung an
T 201. 4 222. Die handschriftliche Lesart ist τρώφ᾽ ἐνί [vgl.
übrigens La Roche krit. Ausg.], die Bothe und Freytag zurück-
geführt haben, nachdem schon Buttmann Ausf. Spr. II 8. 307*
dieselbe vertheidigt hatte. — ἐυπήκτῳ. Da εὖ in diesem Compo-
situm wie in den übrigen Compositis stets in der Thesis steht,
so hat Bekker mit Beistimmung der besten Autoritäten die Diä-
resis durchgängig eingeführt. Das Wort ist ja ohnedies aus
80-0-9=Skt. su entstanden.
670. Die Worte ϑεσπέσιον πλοῦτον κατέχευε Κρονίων gaben
Spätern Veranlassung zur Erdichtung der Fabel von einem goldenen
Regen, den Zeus auf Rhodus fallen liess. Diese Sage wird von
vielen erwähnt: vgl. die Stellensammlung bei R. Unger Theb.
Parad. I p. 364 sqq. Man nahm nemlich bei dieser Erdichtung
das Verbum κατέχευε in wörtlichem Sinne, da es doch offenbar
metaphorisch gesagt ist, wie % 408. ß 12. 2 433. & 38. χ 463.
Man übersah dabei auch das vorhergehende φίληϑεν ἐκ Aıög. Denn
gottgeliebt und glücklich ist Eins, bestehe dieses Glück auch nur
in Reichthum und Wohlstand, Ausserdem ist unsre Stelle mehr-
fach von den Alten nachgeahmt worden. Das Zeugniss des Pindar
benutzte Aristarch, um die Aechtheit des Verses zu erweisen. Vgl.
Lehrs de Arist. p. 188; M. Sengebusch Hom. diss. I p. 168. Da-
gegen haben Wolf und Bekker den Vers athetiert, während Ari-
starch den vorhergehenden athetierte. — 671 ff. [Vgl. zu diesen
Versen Gladstone homer. Studien bearbeitet von Schuster p. 441 £.]
Vers 673 f. Vgl. auch Lucian. Ὁ. Mort. XXV 1; Amor. c. 24.
Ovid. A. A. IT 109. — 678. Φείδιππος: Vellei. Pat. I 1.— Vers
682. Ueber das Aristarchische Τρηχῖνα νέμοντο, statt des gewöhn-
lichen Τρηχῖν᾽ ἐνέμοντο, vgl. M. Schmidt Philol. IX 85. 429. —
V. 684. Das δ᾽ ἐκαλεῦντο, statt δὲ καλεῦντο, hat urkundliche
Stützen und ist mit Recht aufgenommen, weil δέ an dieser Vers-
stelle regelmässig vor dem Augment apostrophiert wird. Vgl. K.
Grashof Zur Kritik des Homerischen Textes in Bezug auf die Ab-
werfung des Augments (Düsseldorf 1852) 8. 12. — Vers 697.
Zu Πτελεὸν λεχεποίην. Da die Wurzel Asy nie transitiv steht, so
muss, wenn man mit Edmund Weissenborn De adiectivis compo-
sitis Homericis (Halle 1865) p. 13 in Asye- das Verbum sucht,
das Adjeetivum λεχεποίην intransitiv gefasst werden: “in Gras
lagernd.’ [Dagegen erklärt Meyer in Curtius Stud. V. p. 109:
‘Gras hinbreitend (zum Lager), wogegen Schaper in Kuhn’s
Zeitschr. XXII p. 519 bemerkt, dass das Wort häufiger Beiwort
von Städten, als von Flüssen sei, und erklärt: Gras als Lager
(zum Lager) habend.] Pteleon aber konnte das Epitheton darum
führen, weil sonst an den Ausläufern des Othrys im Osten an der
Küste sich kaum eine kleine Ebene zur Anlage einer Stadt vor-
fand, dieses Pteleon selbst aber zwischen fruchtbaren Berghängen
— 10 —
lag: Conrad Bursian Geogr. von Griech. I 5, 81. So mit 6.
Autenrieth.
699. [Dass die Formel γαῖα κατέχει, wie Ameis mit Doberenz
Interpretationes Homericae, Hildburghausen 1862 p. 8 annahm, im
Gegensatz zu einem Verbum der Bewegung stehe und daher zu
interpretiren sei: die Erde hält zurück, wird vor einer unbe-
fangenen Prüfung der Beispiele nicht bestehen können. Ich meine,
dass schon das ἤδη hier, wie Γ' 348 von einer solchen Auffassung ab-
mahnen muss, da dies doch nur zu dem einfachen Begriff todt
sein passt. Was Ameis in χατέχειν ausgedrückt findet, wird viel-
mehr mit ἐρύκειν bezeichnet, vgl. Φ 62, dessen Voraussetzung ist,
dass sich die Erde der Person bemächtigt hat (κατέσχεν) A 549.]
— V. 701. Vgl. auch Valer. Flacc. VI 689.
703. In der überlieferten Lesart πόϑεόν γε μέν hier und
709. 726 findet M. Axt Coniect. Hom. (Kreuznach 1860) p. 4
ein unerträgliches Asyndeton des parenthetischen Satzes und con-
jiciert deshalb πόϑεον δέ μιν, wobei er zu 709 alte Vorgänger
und zu allen drei Stellen Nachfolger hat. Aber derselbe Gedanke,
den man durch diese Conjectur hineinbringen will, wird durch das
überlieferte γὲ μέν viel gewählter und kräftiger ausgedrückt. Dies
findet wer den homerischen Gebrauch von diesem gegensätz-
lichen Asyndeton in sämmtlichen Stellen untersucht. Es ist ebenso
stabil wie οὐκ οἷος, ἅμα τῷ γε und Aehnliches im Dichter. Man
wolle daher nicht durch Aufnahme solcher vorzeitiger Conjecturen
die Frühlingsblüthen des homerischen Textes abstreifen, sondern
suche erst alle Wendungen und Wandlungen in der freien Be-
weglichkeit der homerischen Sprache genau zu erforschen. Mit
Recht hebt schon Nägelsbach zu I’ 143 die Entgegensetzung her-
vor ‘vermöge der durchgreifenden Neigung der Sprache, jeden
Gegensatz, den irgend ein dualistisches Verhältniss in sich
schliesst, mittelst der Partikel γέ besonders am Pronomen
anschaulich zu machen.
708. F. A. Wolf und Köppen fanden die Verse 708 und
709 unerträglich, Bekker hat sie stillschweigend athetiert und
Friedländer in Fleckeisens Jahrb. Suppl. ΠῚ p. 473 hat eine dop-
pelte Recension von 703 angenommen. Aber Andere werden diese
Verse aus drei Gründen nothwendig finden: 1) Es würde beim
Wegfall das ὃ δέ 707 doppelsinnig werden, da sich dasselbe nun
ebenso gut auf Ποδάρκης beziehen könnte: vgl. zu v 219 und τ
184. Man müsste daher mit H. Köchly auch 707 dazu nehmen.
2) Der Gedanke ist nicht ganz derselbe, insofern 709 das ἐσθλὸν
ἐόντα mit Emphase hinzutritt. 3) Die Wiederaufnahme des Haupt-
gedankens hat einen poetischen Grund. Da nemlich Protesilaos
ein ganz besonderes Schicksal erfahren hat, so sollte gerade
die Sehnsucht der Seinigen, die er nach Troia geführt hat, schliess-
lich noch einmal mit Nachdruck hervorgehoben werden. Das
— 161 —
scheinen auch die Schol. BL. mit τῇ δὲ ἐπαναλήψει οἰκτρότερον τὸ
πάϑος ἐποίησεν bezeichnet zu haben. Und solche Wiederholungen
giebt es überall im Homer: man vgl. aus dem Kataloge 688 und
684, 721 und 724, 781 und 784. Vgl. über diese Palindromie
6. W. Nitzsch Anmerk. zu ı 124 8.31. [Ameis’ Gründe die Verse
zu rechtfertigen, können schwerlich befriedigen. Vgl. über diese
ganze Stelle Kammer zur hom. Frage I p. 34 f. und Raspe a.
Ὁ. p. 41 — Vers 711. Zur Locativendung in παραί, ὑπαί, χαμαί
vgl. Edmund Weissenborn De adiectivis compositis Homericis p. 20,
der dort ᾿Ιϑαι-γένης und Πυλαι-μένης anführt, auch μεσαι- πόλιος,
πραται-γύαλος, dazu noch μεσαί:τερος (vgl. μυχοί-τατος) [auch Lehmann
zur Lehre vom Locativ bei Homer, Neustettin 1870.) — Vers 717.
Vgl. Plut. Themistocl. c. 8.
729. κλωμακχόεσσα erklärt Lobeck Elem. I. p. 75 durch:
‘clivosa et confragosa νεῖ, ut Polybii verbis μίαν, πόλις περικε-
κλασμένη εἰ βουνώδης IX 21, 7, id est montium anfractibus incisa
So mit Beistimmung von Anton Göbel De epithetis Hom. in εἰς
desin. p. 14. Conrad Bursian Geogr. von Griech. I 8. 54 erwähnt
‘den alten auf steiler Felshöhe gelegenen Ort Ithome, von
welchem noch geringe Spuren... sich erhalten haben: alterthüm-
liche Mauerreste, aus grossen, an der Aussenseite rauhgelassenen
Werkstücken gefügt’ Hierzu bemerkt G. Autenrieth Folgendes:
“Es scheint als ob mit κλωμακόεις erinnert würde an solche Fels-
stufen, die man im Süden (Schweiz) les Echelles nennt (viel-
leicht Terrassen): wie drei verschiedene Gebirgspartien geradezu
den Namen κλῖμαξ führen. Darum würde ich das Wort κλώμακες
zu G. Curtis Etym. Nr. 60 am Ende stellen. Dass Ithome, Trikka,
Oechalia auch in Messenien wiederkehren, wo ebenfalls die Phle-
gyer den Asklepioseult begründet hatten, bemerkt auch Bursian
142.
734. [Das Sachliche in den folgenden Versen erörtert G. F.
Unger in Philol. Suppl. IL p. 641 81]
739. [Wegen des Attributs λευκήν vgl. Bergk griech. Lite-
raturgesch. I p. 790.]
741 [wird verworfen von Hercher über die homerische Ebene
von Troja (aus den Abhandl. der Berlin. Acad. 1875), Berlin 1876
p. 107 £]
753 ἔν, eine vielgedeutete Stelle, erklärt Conrad Bursian Geogr.
von Griech. 1 8. 58 Anm. 3 mit Andern rein physikalisch nach
der Aufnahme des “Europos, dessen klares und durchsich-
tiges Wasser noch auf eine ziemliche Strecke hin deutlich von
dem schmutzig gelblichen Wasser des Peneios zu unterscheiden
ist. Aber dann muss erst gezeigt werden, wie ἀργυροδίνης überhaupt
nur. von “schmutzig gelblichem Wasser” gesagt werden könne
und wie der Vergleich mit „ur ἔλαιον auf bloss “klares und
durchsichtiges’ Wasser sich beziehen lasse. Ich fürchte, dass durch
-- 12 —
diese physikalische Erklärung die dichterische Darstellung des
Homer zu Wasser werde. [Bergk im Philol. XXXII p. 130 ver-
muthet dyugodivng statt ἀργυροδίνῃ. Derselbe bezieht die Relativ-
sätze 750 und 751 beide auf Περαιβοί und bemerkt dazu: ‘Die
Perrhaeber, welche Gouneus anführt, haben sich wie manche an-
dere Völkerschaften gespalten, ein Theil wohnt im nördlichen Thes-
salien, am Flusse Titaresios (Europus), ein anderer in Epirus am
westlichen Abhange des Pindos, also in der unmittelbaren Nähe
von Dodona’.]
758. ᾿Πρόϑοος 800g sieht fast aus wie ein Wortspiel, etwa
wie 419 ἐπεχραίαινε Κρονίων und τ 563. Es ist überhaupt be-
merkenswerth, wie solche theils euphonische und rhythmische,
theils architektonische Mittel, als Stütze des Gedächtnisses für die
Rhapsoden gerade in einem Stücke wie der Katalogos nothwendig,
auch hier öfter wiederkehren. Was die Paronomasie betrifft, so hat
dasselbe auch für die Vedenlieder (die ja bekanntlich aufs Ge-
naueste memoriert und in peinlich geregelter Weise recitiert werden
inussten) schon Növe Efudes sur les Hymnes du Rig-Veda p. 43
bemerkt. Für die architektonische Gliederung und Abwechselung
dagegen ist es der Mühe werth in dem Katalogos zu vergleichen,
welche Ausdrücke 1) für die mitfahrenden Schiffe, 2) für das
Commandieren der Abtheilungen gebraucht sind, ferner in
welcher Anordnung die Städte und Führer gegenseitig stehen,
wie 2. B. Odysseus (631. 636), Thoas (638. 643), Idomeneus (645.
650), Tlepolemos (653. 657) doppelt erwähnt, dann die Epana-
lepsis von Nireus 671 ff. vgl. 837 f. angewandt ist; wie das τῶν
αὖθ᾽, τῶν αὖ, τῶν μέν, τῶν δέ (neben den Ausdrücken für deyof)
wechselt: vgl. 509. 540. 552. 563. 576. 586. 601. 609. 618.
627. 636. 650. 657. 678. 685. 698. 718. 731. 736. 740 usw.
Manches der Art würde uns vielleicht mehr bemerklich sein, wenn
wir unter den Zuhörern des Sängers sässen, statt die stummen
Buchstaben vor Augen zu haben: vgl. 809 f” Θ΄. Autenrieth.
Vgl. auch die lat. Erörterung im Anhang zu 494 und den Com-
mentar zu 876 [und zu Πρόϑοος ϑοός die Abhandl. von Lehrs
de Aristarch. ®p. 454 f.: Wiederholung derselben Worte und Wort-
wurzeln.]
780 δ. [Ueber ὡς εἰ mit dem Optativ vgl. L. Lange der
homer. Gebr. ἃ. Part. εἰ I p. 438 und über den Optativ im Ver-
gleich Friedländer Beiträge zur Kenntniss d. hom. Gleichnisse I
p. 20 f. und Delbrück Gebrauch des Conjunetivs und Optat. p. 66.]
781. In den Worten γαῖα ὑπεστενάχιξε Διὶ ὥς fassen Manche das
Διί als ‘Dativ der Begleitung, beim Zorne des Zeus‘ unter Ver-
gleichung von & 253. Aber diese Stellen sind nicht von gleicher
Beschaffenheit, insofern hier nicht der sachliche Begriff ‘Zorn’ wie
dort ἀνέμῳ vorliegt, sondern mit Διί die Person selbst gegeben
ist, eine persönliche Begleitung aber bei Homer über den von
— 13 —
Krüger Di. 48, 15, 15 erwähnten Fall nicht hinausreicht: vgl.
die Note zu ἃ 161. Hierzu kommt, dass die Präposition im vor-
hergehenden ὑπεστενάχιξε ihre Beziehung verlangt. Zu ὑπό mit
dem persönlichen Dativ vgl. die Beispiele bei J. La Roche Ueber
den Gebrauch von ὑπό bei Homer 8. 16 f. Den Namen Τυφωεύς
bezieht man jetzt gewöhnlich auf “böse Dünste” oder “alle gas-
artigen Dämpfe im Innern der Erde.” Aber das sind spätere Aus-
deutungen, die mit Homer nichts gemein haben. Denn sie passen
hier nicht zum Erdröhnen der Erde, man müsste denn scherz-
hafter Weise eine Gasexplosion sich vorstellen wollen. Anderer-
seits meint man: “An jenem Orte, wo Typhoeus noch immer in
der Erde raucht, erregt Zeus oft Sturm’ oder man denkt hier an
ein blosses Gewitter. Aber Sturm, Blitz und Donner hatte man
genug im eigenen Lande; dazu brauchte man nicht erst das
Arimerland und den Typhoeus herbeizuholen. Die Erwähnung
dieser führt vielmehr zu folgendem Gedanken. Da Typhoeus in
den Mythen als Symbol des Vulcanismus erscheint und die schreck-
lichste aller vuleanischen Erscheinungen das Erdbeben ist, so
wird man dieses hier anzunehmen haben. Dadurch gewinnen wir
den Sinn: “die Erde aber erdröhnte (Activ ὑπεστενάχιξε) wie unter
einem Erdbeben: so laut seufzte bei sich (Medium στεναχίξετο) die
Erde unter den Füssen der einherschreitenden Achaeer” Und
dies giebt ein majestätisches Bild, wodurch das Gleichniss 459
bis 466 überboten wird, gerade wie unmittelbar vorher zur Be-
zeichnung des gewaltigen Waffenglanzes das Inflammenstehen der
ganzen Erde (780) den Waldbrand (455) überbietet. [Eine scharfe
Kritik des Gleichnisses giebt Raspe a. Ὁ. p. 15 δ, wo er mit
Recht Ameis’ Erklärung V. 782 von einem Erdbeben mit den
Worten zurückweist: “Nicht Zeus ist Erderschütterer, und wenn
Typhoeus allerdings Personification vulkanischer Ausbrüche ist, so
indieiert nichts, dass der Dichter ihn thätig gedacht, er erscheint
lediglich als Gegenstand der Rache des Zeus.’ Uebrigens ist zu
vergleichen die Schilderung von dem Kampfe des Zeus mit Typhoeus
Hesiod. theog. 820 8, wo sich auch für das Gleichniss V. 780
entsprechende Züge finden in 847 Zee δὲ χϑὼν πᾶσα und 861
πολλὴ δὲ πελώρη καίετο γαῖα.]
794. [Statt δέγμενος verlangt Cobet Miscell. erit. 1876
p. 359 f. hier und 1 191. Σ 524. υ 385 δέχμενος als syu-
kopiertes Partieip. Praes., wie es der Gedanke der Stellen ver-
lange. So ποτιδέχμενος Η 415. 1 628. K 123, ὑποδέχμενος v 310
und m 189.]
795. Das gewöhnliche μετέφη ist aus zwei Gründen unrichtig:
1) μετέφη und μετέειπε wird nirgends mit dem Accusativ verbun-
den. 2) Es ist stehender Sprachgebrauch, dass bei derartigen
Wiederholungen wie hier aus 790, stets dieselbe Präposition
zurückkehrt: vgl. I’ 386 und 389. A 765 und 785. β 157 und
— 154 —
160. 241 und 244. ξ 21 und 24. ἡ 155 und 158. π 394 und
399. ὦ 422 und 425, 451 und 453. Daher ist hier μετέφη mit
Recht zurückgewiesen worden von E. R. Lange Obs. erit. III
p- 22; Doederlein Hom. Gloss. $ 2196; J. La Roche Hom. Stud.
8 97; und das nothwendige προσέφη, das im Venetus und ande-
ren [vgl. La Roche] Quellen steht und schon von J. H. Voss
Randgl. $. 43 als richtig erkannt wurde, hat zuerst Freytag auf-
genommen. [Anders Cauer in Curtius Stud. VIT p. 157.) — Was
dann ἐεισαμένη betrifft, so wird dies allgemein von einer Ver-
wandlung in die Gestalt erklärt, So sagt auch Nitzsch Beitr.
zur Gesch. der ep. Poesie 3, 467 von dem Späher: “Dessen Ge-
stalt nimmt die Botin des Zeus, Iris, jetzt an’? Aber das
scheint mir mit der homerischen Deutlichkeit nicht vereinbar zu
sein. Wo nemlich dies Medium von einer vollständigen Ver-
wandlung steht, wird stets die bezügliche Person im Vorher-
gehenden mit Namen genannt und zwar im Dativ mit ἐοικώς
(ἐοικυῖα) oder εἰδομένη (εἰσάμενος): vgl. die im Anhang zu & 24
erwähnten Stellen. Wo dagegen nur eine einzige charakteristische
Eigenschaft wie die ‘Stimme’ verstanden werden soll, so ist auch
nur diese genannt: vgl. N 216. 7 81. Denn wenn beispielsweise
zu dieser ‘Stimme’ noch die ganze Gestalt als verwandelt hinzu-
kommt, so wird dies mit δέμας ausdrücklich angeführt: vgl. N 45.
P 555. X 227. β 268 mit den im Commentar gegebenen Parallelen.
Da nun 7 81 die Worte “υκάονι εἴσατο φωνήν den Versschluss
bilden und unmittelbar darauf 82 ein τῷ μὲν ἐεισάμενος folgt, so
kann man das letztere nach 'den Regeln der Auslegung nur auf
die Stimme beziehen, wenn man nichts unterlegen will. Den-
selben Fall zeigt unsere Stelle, wo 791 εἴσατο δὲ φϑογγην aus-
drücklich vorhergeht. Zu dieser Auffassung allein passt erstens
807 Ἕκτωρ δ᾽ οὔ τι ϑεᾶς ἔπος ἠγνοίησεν, wo die Iris ohne Weite-
res ϑεά heisst. Sollten nemlich diese Worte den Sinn haben, den
man gewöhnlich darin findet, so müsste zugleich erwähnt sein,
woran Hektor die Göttin erkannt hätte. Denn es ist homerischer
Brauch, dass die verwandelten Götter beim Weggehen ein
Zeichen der Erkennung hinterlassen. Vgl. 1396 f. N ΤΙ f. P 334.
α 323. [Ὁ] γ 372 £. Nägelsbach Hom. Theol. IV 11. 12. 13 mit
den Zusätzen von G. Autenrieth. Dies bemerkt hier nach Aristo-
nikos bereits Aristarch (freilich in Bezug auf vermeintliche Noth-
wendigkeit der Athetese) in den Worten ἔθος τέ ἐστι τοῖς μετα-
μορφουμένοις ϑεοῖς κατὰ τὴν ἄφοδον ἀπολιπεῖν τεκμήριον εἰς ἐπίγνωσιν.
Ein zweiter Grund für die blosse Verwandlung der Stimme liegt,
in dem Umstande, dass Iris als unverwandelte Gottheit nur dem
Priamos und Hektor sichtbar erscheint: darum ist 790 ἀγχοῦ
δ᾽ ἱσταμένη gesagt, wie in den Parallelen (und 172. E 123. K 508.
Ο 173. 2 169. X 215. 228), darum richtet sie ihre Worte nur
an diese beiden mit ὦ γέρον 796 und Ἕχτορ 802. Die Stimme
-- 15 —
des Polites aber hat sie angenommen des übrigen Volkes wegen,
wenn etwa einige dem Priamos und Hektor zunächst befindlichen
ihre Rede vernehmen sollten. Hierzu kommt drittens der Inhalt
ihrer Worte selbst, die nur für die Iris, nicht für Polites passen.
Auch dies hat schon Aristarch bemerkt: of ze λόγοι οὐχ οὕτως
ἐσχηματισμένοι τοῦ Πολίτου ὡς (H. Köchly will ὡς τοῦ Πολίτου]
πρὸς πατέρα, ἀλλ᾽ εἰσὶν ἐπιτεταμένοι καὶ ἐπιπληκτικοί. καὶ τὸ Ἕκτορ»
σοὶ δὲ μάλιστ᾽ ἐπιτέλλομαι Πολίτῃ ἀνοίκειον" μᾶλλον δὲ ἼἼριδι
ἁρμόξει ἐπιτάσσειν. Diese “zormerregten und vorwurfsvollen” Worte
also sind für Polites ein Ding der Unmöglichkeit. Wir finden
demnach bei richtigem Verständniss der ganzen Stelle durchaus
das Erforderniss, das Aristarch für die Iris mit Recht beansprucht:
εἰ δὲ ἕνεκα τοῦ προτρέψασϑαι μὴ τολμῶντας προελϑεῖν, ἔδει αὐτο-
πρόσωπον παρεῖναι. Iris will eben den Priamos und Hektor, die
vorher zu gehen nicht den Muth gehabt haben, dazu
anregen und ermuthigen. Nur den Groll und Entschluss des
Achilleus konnte sie als einen Ermuthigungsgrund nicht aussprechen,
weil sie mit der Stimme des Polites für die andern etwaigen
Hörer auch dessen Gesichtskreis (792. 799) festhalten musste.
Sonst hätte sie ihr Wissen davon durch irgend eine Erdichtung
begründen und so in ein störendes Detail hier eingehen müssen.
[Vorstehende Ausführung hat mich nicht überzeugt. Bei der an-
gezogenen Parallele 7 81 ist es doch undenkbar, dass, wenn
Apollo nur die Stimme und nicht auch die Gestalt des Lykaon
angenommen hätte, Aineias ihn als solchen erkennen und mit
Πριαμίδη anreden konnte. Wie seltsam ferner, wenn Iris als un-
verwandelte Gottheit nur dem Priamos und Hektor sichtbar
erscheinen soll, die Stimme des Polites aber nur des übrigen
Volkes wegen angenommen hätte? Dann wäre ebensowenig als
4 198 fi. eine Verwandlung der Stimme zu erwarten. Hinzu
kommt, dass die mit dieser Auffassung zusammenhängende Er-
klärung von οὔτι ϑεᾶς ἔπος ἠγνοίησεν 807: beachtete sehr wohl
die Rede der Göttin, indem er sie sogleich befolgte, mit dem
sonstigen Gebrauch des Verbums nicht vereinbar ist. Aus diesen
Gründen bin ich zu der gewöhnlichen Auffassung zurückgekehrt.
Ueber die ganze Scene aber vgl. die Einleitung p. 81. 91.) —
Wegen des 793 erwähnten τύμβος Αἰσυήταο vgl. L. W. Hasper
Beiträge zur Topographie der Hom. Ilias (Brandenburg 1867)
8. 37 f£. [und über die localen Fragen Welcker kl. Schriften II
p. LXXI, v. Eckenbrecher die Lage des homer. Troja, Düsseldorf
1875 p. 53 ff., Steitz in den Jahrbb. f. Philol. 1875 p. 230, Gelzer
eine Wanderung nach Troja, Basel 1873 p. 13 ἢ, Christ in den
Sitzungsberichten d. k. bayerisch. Acad. der Wissensch. Bd. II, 1874
p. 198.) In Bezug auf die ganze Stelle 786—815 hat H. Köchly
De Iliadis carminibus diss. ΠῚ (Zürich 1857) p. 23 richtig ge-
urtheilt: “qui versus el rerum alioguin ignotarum copia et sermonis
-- 16 —
verborumque proprietate prorsus abhorrent a solita centonariorum
ieiunitate” — 803. [Ueber dies den folgenden Hauptgedanken ein-
leitende und vorbereitende γάρ vgl. E. Pfudel Beiträge zur Syntax
der Causalsätze bei Homer. Liegnitz 1871 p. 7 f.] — Vers 804.
‘Dieser allgemeine Zusatz πολυσπερέων ἀνθρώπων (gleichsam: in
der Welt) stört hier, wo von bestimmten Völkerschaften die Rede
ist; der Vers könnte recht gut fehlen und man könnte Einschie-
bung desselben nach 4 437. τ 175 vermuthen.” G. Autenrieth.
Mir scheint er nothwendig zu sein, um das emphatische πολλοὺ
γάρ weiter auszuführen. Der Vers ist nemlich parataktisch ge-
baut im Sinne eines Folgesatzes mit “so dass’, und durch den
Begriff πολυσπερέων, der homerisch beschränkter ist als der moderne
Ausdruck, sollen die Troer mit angedeutet werden: er umfasst
also die gesammte Troische Mannschaft mit ihren Hülfsvölkern.
[Diese Erklärung scheint unmöglich! — Ueber den Begriff von
πολιῆται 806 vgl. Riedenauer Handwerk und Handwerker p. 174.]
809. Ueber πᾶσαι vgl. Lehrs de Arist. ? p. 126, wo man
hinzufügen kann Etym. M. p. 657, 22 πᾶσαι] .... ἐπὶ τοῦ ὅλαι,
πᾶσαι δ᾽ ὠϊγνυντο πύλαι: — οὐ γὰρ πολλαὶ ὑπέκειντο πύλαι κατὰ
τὸν ᾿Αρίσταρχον. καὶ, — πᾶσαι γὰρ ἐπῴχατο; --- ἀντὶ τοῦ κεκλει-
σμέναι ἦσαν. — Ueber den ganzen Katalogos der Troer bemerkt
E. R. Lange in Ms. Folgendes: ‘Die Darstellung des Troischen
Heeres ist deshalb um vieles kürzer als die des achäischen
Heeres, weil erstens das Troische Heer kaum halbmal so gross
ist als das achäische, und zweitens der Dichter nicht durch zu
grosse Breite ermüden wollte” Hierzu kommt vor Allem das
lebhaftere Interesse der Griechen an griechischen Verhältnissen.
In 809 und 810 beachte man zugleich die onomatopoietische Ver-
wendung der Buchstaben 6, πὶ und g. — Vers 810. Ueber dgv-
μαγδός (aus ὀρυγμαδός) vgl. Benfey Wurz. Lex. IL 6; G. Curtius
Etym. ? Nr. 523. [ἢ p. 351. 358.) Dagegen freilich Pott Etym.
Forsch. II ? 8. 1262 ἢ, — 811. [Ueber das Locale vgl. Hasper
Beiträge zur Topographie der homer. Ilias p. 34 f., Steitz in den
Jahrbb. f. Phil. 1875 p. 238, Hercher über die homerische Ebene
von Troja (aus d. Abhandl. d. Berlin. Acad. 1875), Berlin 1876
. 124, Christ in ἃ, Sitzungsbericht. d. k. bayerisch. Acad. II.
1874 p. 219.] — Vers 816. Wegen κορυϑαίολος vgl. G. Auten-
rieth zu Nägelsbach Γ' 83 8. 360, ‘wo übrigens eine Dittograpbie
des Setzers in Z. 7 zu berichtigen und wegen des Accentes hin-
zuweisen ist auf ἐγχέσπαλος πτολίπορϑος ἰόμωρος ἱππόδαμος αἰγίοχος
γαιήοχος bei Edmund Weissenborn De adi. compositis Homericis
p. 31.’ Derselbe.
839. Unter ἵπποι αἴϑωνες können immerhin glatte “Brand-
füchse’ verstanden werden, wenn auch das Wort seinem Ur-
sprunge nach nur “brennend” oder “glänzend” bedeutet. Denn
unsere abstracten Namen der Farben sind den Griechen ganz
-- 7 —
unbekannt: sie vermitteln die Bezeichnung nur durch den Ein-
druck, den jede Farbe auf unser Auge macht. Vgl. den Anhang
zu A 98. Hierdurch ergänzt sich zugleich die σ 372 gegebene
Erörterung. Dieselbe nemlich bleibt in ihrem wesentlichsten
Theile unangetastet, wenn auch Jemand © 185 (wozu ich jetzt
selbst hinneige) unter 4i00v den Brandfuchs versteht, der mit
dem Schimmel zusammengeht, wie vorher Isabelle und Weiss-
fuss (letzterer auf schwarzem Grunde). Dann haben wir dort die
vier Hauptarten der Pferde zusammen. — Zu unserer ganzen
Stelle giebt E. R. Lange in Ms. folgende Bemerkung: “Die bis-
her aufgeführten Völkerstämme sind sämmtlich Unterthanen
des Priamos, und wenn sie auch, mit Ausnahme der Ilier, ihre
besondern Fürsten haben, so erkennen doch diese den Ilischen
König als ihren Lehnsherrn an. Denn des Priamos Herschaft er-
streckte sich laut δὲ 543 ff. vom Hellespont bis’ Lesbos und bis
nach Phrygien, d. h. bis zum Vorgebirge Lekton südlich und bis
über den Aesopos hinaus östlich” [Scholl AB. zu Z 1: ἡ Τροία
τὰ μὲν ϑαλάσσια πρὸς Ἑλλήσποντον ἔχει, τὰ δὲ βύρεια πρὸς Ζέλειαν,
τὰ δὲ ὑποκείμενα πρὸς Φρυγίαν, τὰ δὲ μεσήμβρινα πρὸς Δυδίαν.]
“Und hierbei ist es wahrscheinlich, dass alle diese Völkerstämme
Troischen Ursprungs waren, ausgegangen von den Urbewohnern
des Idagebirges, die sich allmählich in die Ebene und bis an die
Küste ausgebreitet hatten. Von den Dardaniern (819) ist erwiesen,
dass sie mit den Iliern stammverwandt waren und Troer genannt
wurden (E 180. 217. T 83). Von den Bewohnern des nörd-
lichen Lykiens (826) ist aus Z 200. 211 (Eustath. zu 4 206)
ersichtlich, dass sie den Namen Troer führten, und wir können
jetzt nicht zweifeln, dass sie auch ihrer Abkunft nach Troer
waren. Dasselbe folgern wir rücksichtlich der Unterthanen des
Asios, da dieser M 88 ff, unter den Anführern der Troer, ἃ, h.
der Bewohner von Troas genannt wird, während Sarpedon, Glau-
kos und Asteropios die Bundesgenossen anführen: M 101 f. Mit-
hin werden auch die Unterthanen des Adrastos und Amphios,
sowie die von Homer nicht mit aufgezühlten Leleger und Kiliker,
da sie innerhalb der Grenzen von Troas gewohnt haben, ebenfalls
troischen Ursprungs gewesen sein’ [Rücksichtlich der Leleger
und Kiliker enthält auch die Stelle I 328 f. einen Beweis, wo
Achilleus sich rühmt drei und zwanzig Städte zerstört zu haben
κατὰ Τροίην ἐρίβωλον. Zu diesen Städten gehören aber von den
Lelegern Lyınessos und Pedasos 7° 92, doch nehmen Leleger noch
weiter am Kriege Theil Z 33. Καὶ 429. & 443; von den Kilikern
Thebe A 366. Z 397. 415, doch wird von kilikischen Theil-
nehmern am Kriege nur Podes genannt P 575. 590]. “Ebendies
haben schon Strabo XIII 1 $ 7; Heyne zu B 815 und L. Usteri
zu Wolfs Vorles. 5. 185 zu beweisen gesucht. Es geht aus dem
Gesagten und auch speciell aus M 88 ff. hervor, dass die Be-
— 168. —
wohner von Troas die Hauptmasse des gesammten Heeres bildeten.”
— 844. [Die Bemerkung über die strahlenförmige Anordnung
der Hülfsvölker ist gegeben nach Schwartz a. O. p. 6. Bei dieser
unverkennbaren Anordnung wird die an sich unwahrscheinliche
Ansicht, dass unter dem pelasgischen Larissa 841 das thessalische
gemeint sei, zur Unmöglichkeit. Buchholz hom. Realien I, 1,
p- 357 entscheidet sich, doch ohne Angabe der Gründe, für das
Larissa in der Nühe von Kyme.] — 857. [Vgl. Riedenauer Hand-
werk p. 101, Büchsenschütz Besitz und Erwerb p. 232.] —
Vers 859. Vgl. auch Ovid. Met. V 146 f. Sil. Ital. V 405 ff. —
Vers 863. ὑσμῖνε ist von ὑσμένῃ unterschieden. Der griech.
Dativ der sog. dritten Declination nemlich ist Repräsentant des
alten Locativ, der eben auch die Dativfunetion übernahm, wäh-
rend bei Stämmen auf -« und -o eine Scheidung eintrat. Näheres
bei Schleicher Compend. der Vergl. Gramm. 8 254 und 255. So
mit G. Autenrieth.
865. [Die an den Gygaeischen See sich knüpfenden religiösen
Vorstellungen und Gebräuche erörtert E. Müller im Philol. VII
Ρ. 239 8]
867. βαρβαρόφωνοι hat J. Η. Voss übersetzt: ‘ein Volk bar-
barischer Mundart’, sowie Joh. Minckwitz und Donner “fremd-
züngige Karer. Aber über den Ausspruch des Thukydides I 3
werden wir Spätgeborenen nimmer hinausgehen dürfen. Mit Recht
hat hier Freytag nach dem Vorgange von Heyne bemerkt: *Zhu-
cydides non dieit, vocabulum esse posthomericum, sed poetam illa
nondum uti communi omnium populorum non Graecorum appellatione”
Und M. Sengebusch Hom. diss. I p. 141: “Thucydides nimirum
lud βαρβαροφώνων non testari statuit τὴν βαρβάρων ὀνομασίαν sed
asperam significare vel agrestem pronuntiationem. Ebenso deuten
unsere Stelle Nitzsch Anmerk. zur Od. I 5, 35; K. F. Hermann
Staatsalt. $ 6, 1; L. Friedlaender in Fleckeisens Jahrbb. Suppl.
II 8. 781: Schömann Griech. Alterth. I 5. 86 und Andere. [Vgl.
auch Welcker griech. Götterl. I p. 13.] Es sollten daher die
“fremdzüngigen’ oder “in barbarischer Sprache redenden’ Karer
aus Uebersetzungen und homerischen Jugendschriften endlich ein-
mal verschwinden. Der einzige bedeutsame Vertheidiger der home-
rischen Barbarensprache ist, so viel mir bekannt, G. Bernhardy
Gr. Litt. 1? 8. 22 in den Worten: “Das Bewusstsein einer natio-
nalen Rede, die den Fremden unerreichbar sei, beginnt schon mit
dem Homerischen Gesange, denn das bekannte Merkmal Κᾶρες
βαρβαρόφωνοι hat Strabo XIV p. 662 am einfachsten in diesem
Sinne gefasst.” Aber wenn man Strabo's Worte wirklich so streng
fassen muss und seine Aussprüche nicht vielmehr auf ein späteres
Zeitalter beziehen darf, so giebt es am Ende zwischen Thukydides
und Strabo nur einen Competenzeonflict, bei dem Strabo wohl
unterliegen wird. Odysseus nemlich versteht auf seinen vielfachen
— 19 —
Irrfahrten, wohin er nur kommt, ohne Weiteres mit den Ein-
heimischen zu sprechen, ja der Dichter vermeidet & 276 fl. den
König der Aegypter redend einzuführen (vgl. den Anhang zu
& 279), ferner unterreden sich die Griechen mit den Troern und
die Troer mit ihren Bundesgenossen wie mit ihren eigenen Lands-
leuten. Und nun sollte der Dichter in diesem einzigen Beiwort
und noch dazu bei einem Volke, das den Troern nicht allzu fern
wohnt, eine besondere Barbaren - Sprache bezeichnet haben?
Das ist nicht wahrscheinlich. — Vers 872. Νάστης, der wie ein
eitles Mädchen mit seinem Goldschmuck prangend in das Kriegs-
getümmel zog, erinnert recht lebhaft an Murat unter den Feld-
herrn Napoleons I. [Als Interpolation sucht 870 und 871 zu er-
weisen L. Mütler im Philol. XI p. 175 £.]
1.
Einleitung.
Literatur: Lachmann, Betrachtungen über Homers Dias.
2. Aufl. Berlin 1865 p. 14 #. und Haupts Zusätze p. 105;
vgl. Benicken das dritte und vierte Lied vom Zorne des Achilleus
nach K. Lachmann aus I’ und 4 der Ilias herausgegeben, Halle
1874. Zu Lachmanns Kritik: Faerber disputatio Homerica,
Brandenburg 1841 (mir nicht zugänglich), Gross Vindieiarum
Homeriearum part. I, Marburg 1845, p. 44 f., Baeumlein in
Zeitschr. f. Alterthumswiss. VI, 1848 p. 333 f., Hoffmann im
Philol. ΠῚ p. 205 ff, Düntzer in der allgemeinen Monatsschrift für
Literatur 1850, II = Homerisch, Abhandlungen p. 46 fl, Ad.
Holm ad Car. Lachmanni exemplar de aliquot Iliadis carminum
compositione quaeritur, Lübeck 1853 p. 1 ἢ, Gerlach im Philo-
10g. XXX p. 18 δ. — Köchly de Niadis carmm. dissert. IV,
Turiei 1857, p. 1 ὅν, vgl. Ribbeck in den Jahrbb. f. Philol.
Bd. 85 p. 11 f. und Düntzer homer. Abhandl. p. 281 fl. —
Düntzer das 3. bis 7. Buch der Ilias als selbständiges Gedicht
in den Homerischen Abhandlungen p. 234 ἢ, und 272 fl, vgl.
Benicken das dritte und vierte Lied p. 90 #. und p. 116 8. —
Kammer zur homerischen Frage. Königsberg 1870. I, vgl.
Düntzer homer. Abhandl. p. 272 fl. mit Benicken das dritte
und vierte Lied p. 116 f., Susemihl im Philol. XXXIL p. 222
Anmerk. 143. — Jacob über die Entstehung der Ilias und
Odyssee p. 185 8. — Nitzsch Sagenpoesie p. 171, p. 212. —
— 10 —
Kiene die Komposition der Ilias p. 78. 83. 210 ἢ. 215 ἢ —
Naegelsbach Anmerkungen zur Ilias, 3. Aufl. p. 427 £. 447. —
Genz zur Ilias p. 17 ff. — Kritik einzelner Abschnitte: G. Curtius
im Philol. II p. 17 fi: über V. 43—45 und die Teichoskopie;
Woerckmeister ein Kunstprineip Homers in den Festschriften
zur Stiftungsfeier des Gymnas. zu Ratibor, 1869, p. 4 f.: über
den Schluss des Gesanges von 380 an; Bischoff im Philol.
XXXIV, p. 7 f. — Ueber die Helena im 3. Gesange vgl. Nitzsch
Beiträge p. 310 fi, Steudener antiquarische Streifzüge, Halle
1868 p. 71 f. 90%, Gerlach im Philol. XXXIIT, p. 196 ff,
Lehrs populäre Aufsitze aus dem Alterthum. Leipz. 1856 p. 9 ff.
— Bernhardy Grundriss der griech. Literatur, ® IT, 1, p. 162 £.
Bergk, griech. Literaturgesch. I p. 566 f. — Hoffmann quae-
stiones Hom. II p. 205 f. Giseke homer. Forschungen p. 161.
169 ἢ 176. — Bischoff über homer. Poesie p. 60 8: Analyse
von V. 1—76. — Beloch in Rivista di filologia 1875 p. 305 ft.:
Versuch Γ' 16—120. 245—460 in Tetrastichen, die Teichoskopie
in Distichen zu gliedern: vgl. Bursians Jahresbericht 1874—1875
p. 140 f. — Die ἅπαξ εἰρημένα bei Benicken das dritte und
vierte Lied p. 162.
Den Hauptinhalt des dritten Gesanges bildet die Erzählung von
dem zwischen den Achaeern und Troern zum Zweck der Beilegung
des Krieges geschlossenen Vertrage und dem dadurch vereinbarten
Zweikampf zwischen Paris und Menelaos. Zwischen die Verabredung
des Vertrags und den Abschluss desselben schiebt sich episodisch
die Teichoskopie, zwischen den Zweikampf und den Abschluss des
Gesanges die Scene zwischen Aphrodite und Helena, und Helena
und Paris. Danach ergiebt sich die folgende Gliederung des
Ganzen:
A. Veranlassung und Einleitung des Vertrages, 1—120.
1. Troer und Achaeer im Anmarsch gegen einander, 1—14.
2. Paris und Menelaos: jener in herausfordernder Haltung vor
der Linie der Troer, weicht vor dem rachedürstenden
Menelaos erschrocken zurück, 15—37.
3. Hektor und Paris: Hektors höhnende Vorwürfe veranlassen
Paris zu dem Anerbieten eines Zweikampfs mit Menelaos
um Helena und die mit ihr geraubten Schätze, 38— 75.
4. Hektor und Menelaos: das von jenem den Achaeern mit-
getheilte Anerbieten wird von diesem angenommen, aber
gefordert, dass Priamos selbst den Vertrag abschliesse,
76—110.
5. Waffenruhe auf beiden Seiten, Entsendung der Herolde,
um Opferthiere und Priamos herbeizuholen, 111—120.
— 161 —
. Teichoskopie, 121— 244:
Iris und Helena: jene theilt aus eignem Antrieb, in Ge-
stalt der Laodike, dieser die Waffenruhe und den bevor
stehenden Zweikampf mit und veranlasst sie auf den Thurm
des Skäischen Thores zu steigen, 121—145.
2. Stimmung der auf dem Thurm sitzenden troischen Geronten
beim Anblick der Helena, 146—160.
3. Priamos und Helena: Unterredung zwischen beiden (auch
Antenor) über die hervorragenden Führer der Achaeer:
Agamemnon, Odysseus, Menelaos, Aias, Idomeneus, 161
—244.
Abschluss des Vertrags, 245—313:
1. Priamos fährt, vom Herold Idaios benachrichtigt, mit
Antenor auf das Schlachtfeld, 245—263.
Vertragsopfer; Gruppierung: Priamos und Antenor, Aga-
memnon und Odysseus, die beiderseitigen Herolde. Aga-
memnon vollzieht Opfer und Gebet. Betheiligung des
Volkes auf beiden Seiten, 264—302.
3. Priamos kehrt, da er es nicht über sich gewinnen kann
dem Kampf zuzuschauen, in die Stadt zurück, 303—313.
Der Zweikampf, 314—382.
. Vorbereitungen zum Zweikampf: Hektor und Odysseus
messen den Kampfplatz ab und ermitteln durchs Loos, wer
beginnen soll. Das Loos trifft Paris; dieser waffnet sich,
ebenso Menelaos, 314— 339.
2. Der Zweikampf selbst: Paris in Gefahr zu erliegen, wird
durch Aphrodite errettet und in Nebel gehüllt in seinen
Palast entrückt, 340— 382.
Scene zwischen Aphrodite und Helena, Helena und Paris,
383 —448.
1. Aphrodite und Helena: die Göttin fordert in Gestalt einer
alten Dienerin die noch auf dem Thurm des Skäischen
Thores weilende Helena auf zu Paris zurückzukehren;
Helena weist, die Göttin erkennend, sie zuerst mit Hohn
zurück, lässt sich dann aber durch Aphrodite’'s Drohungen
bestimmen ihr zu folgen: 383—420.
2. Helena und Paris: Helena verhöhnt den Paris wegen seines
Kampfes mit Menelaos, widersteht aber seiner Aufforde-
rung zum Liebesgenuss nicht, 421—448.
Abschluss, 449—461. Menelaos sucht den Paris vergebens,
Agamemnon beansprucht für Menelaos den Sieg und verlangt
von den Troern die Herausgabe der Helena und der mit ihr
geraubten Schätze und ein Bussgeld.
2.
Die soeben skizzierte Handlung des dritten Gesanges hat ihre
Stelle zwischen den im zweiten Gesange geschilderten Vorbereitungen
Anlıang zu Ameis, Homers Ilias I. 1
— 12 —
zur ersten grossen Schlacht und dieser selbst, nachdem im An-
fange des vierten durch Götterberathung die durch den Vertrag
und Zweikampf in Frage gestellte Fortsetzung des Kampfes be-
schlossen und durch den Schuss des Pandaros eingeleitet ist. Die
Erzählung beginnt im unmittelbaren Anschluss an die am Ende
des zweiten Gesanges erzählte Aufstellung und Ordnung beider
Heere, in V. 14 zurückgreifend auf B 785, verläuft im Uebrigen
aber ohne alle Beziehung auf die vorhergehenden Ereignisse;
Achills Groll und Abwesenheit wird zwar vorausgesetzt, aber es
fehlen alle directen, wie indirecten Beziehungen auf die grund-
legenden Motive des ersten Gesanges. Auf den Vertrag und den
zu Anfang des vierten Gesanges sich daranschliessenden Vertrags-
bruch wird im weiteren Verlauf der Erzählung zurückgewiesen:
4155 8, 235 f., Η 69 fi, 351, E 206 fi., auf die Niederlage
des Paris Z 339 vgl. T 439 ἢ
Innerhalb der Handlung treten hier zuerst die Hauptpersonen auf
troischer Seite hervor: zuerst Paris, dem die Hauptrolle zufällt,
dann Hektor; Priamos und neben ihm Antenor, der Vertreter der
Friedenspartei; vor allen auch Helena; unter den Göttern Aphro-
dite, die besondere Schutzgöttin des Paris und der Helena. Auf
griechischer Seite füllt hier Menelaos zuerst eine Hauptrolle zu;
neben Agamemnon tritt, wie in den zwei ersten Gesängen, Odysseus
hervor, diese drei ausführlich charakterisiert in der Teichoskopie.
Von den übrigen griechischen Helden wird Aias in der Teicho-
skopie auffallend kurz abgethan, dagegen Idomeneus geflissentlich
hervorgehoben; Diomedes wird ganz übergangen, obwohl gerade
diesem in der folgenden Schlacht eine Hauptrolle zufällt; ebenso
Nestor. Als eigenthümliche Sagenelemente dieses Gesanges sind
zu erwähnen die Aufführung der Aethra, der Mutter des Theseus
als Dienerin der Helena (144) und die Berührung der Amazonen-
sage (189). Eine Reihe von Ereignissen vor der Handlung der
Ilias, 46 f., 173 f., 205 f., 232 f., 351 fi, 442 ff, exponieren
den Raub der Helena und die Veranlassung des Krieges.
So lose die Handlung mit den vorhergehenden Büchern ver-
knüpft ist, so unerwartet dieselbe nach den darin gegebenen
Motiven eintritt, so wohl zusammenhängend scheint dieselbe in
sich selbst, harmonisch in der Uebereinstimmung ihrer Theile
und der Beziehung auf einen gemeinsamen Mittelpunkt. Es ist
möglich, dass den Stoff in seinen Grundzügen schon die Sage bot,
jedenfalls lag es nahe, die bei dem ganzen Kampfe am nächsten
betheiligten Personen, den Beleidiger Paris und den Beleidigten
Menelaos unmittelbar im Zweikampf einander gegenüber zu stellen
und von dem Ausgang dieses Zweikampfes die Entscheidung des
ganzen Krieges abhängen zu lassen. Das sittliche Gefühl ver-
langte als Ausgang solches Gottesurtheils das Unterliegen des
irevelhaften Beleidigers; seine für den Fortgang des Epos noth-
-- 18 —
wendige Rettung fiel am natürlichsten seiner besonderen Schutz-
göttin Aphrodite zu, mit deren Hilfe er auch Helena gewonnen
hatte. Diese wahrscheinlich schon von der Sage gebotenen Grund-
züge der Handlung werden erweitert durch die Einführung der
Helena, des Priamos und die an die Rettung sich schliessende
weitere Thätigkeit der Aphrodite. Helena wird passend eingeführt
als der Preis, der bei dem Zweikampf in Frage steht: es wird
ihre eigne Stimmung gezeichnet, ihr Verhältnis zu Priamos, zu
den troischen Geronten als den Vertretern des Volkes, zu Paris
zur Anschauung gebracht. Priamos’ Auftreten wird motiviert
durch die Forderung des Menelaos, dass er persönlich den Bun-
desvertrag abschliesse (105 ff.). Indem Priamos und Helena auf dem
Thurm zusammengeführt werden, ergiebt sich eine Gelegenheit zur
Charakterisierung der hervorragendsten achaeischen Helden. Indem
endlich Aphrodite nach der Rettung des Paris diesem die Helena
zuführt, wird das Verhältniss der letzteren zur Göttin wie zu
Paris zur Anschauung gebracht, ihre eigne Charakteristik vervoll-
ständigt. Diese Erweiterungen der einfachen Handlung, die be-
sonders in episodenartigen Scenen ihren Platz finden, geben der
Handlung einen umfassenden Hintergrund, eröffnen einen weiten
Gesichtskreis, welcher die Erzählung über die Bedeutung einer
einzelnen Episode des Kampfes erhebt. Von dem Mittelpunkte
der Handlung aus, dem um den Preis des ganzen Krieges ge-
führten Zweikampf, wird der Blick durch zahlreiche Züge aus
der Vorgeschichte der Ilias, die in die Erzählung verwebt sind,
zurückgelenkt auf den Anlass und Beginn des Krieges; die drei
Unheilstifter Aphrodite, Paris, Helena treten in lebendiger Charak-
terisierung als solche unmittelbar hervor, begehen vor unseren
Augen den Frevel von neuem, der den Krieg entzündete. Wie
der Zusammenstellung dieser drei Anstifter des Krieges ohne
Zweifel ein bewusster Zweck des Dichters zu Grunde liegt, so
scheint auch in den beiden Episoden die Gegenüberstellung der
Iris und Aphrodite in ihrer Einwirkung auf Helena nicht unbeab-
sichtigt: jene erweckt in ihr, indem sie dieselbe zum Thurme
beruft, die Sehnsucht nach dem früheren Gemahl und der Heimath,
diese führt sie vom Thurme zurück zu neuem Ehebruch.
Nächst der Erfindung ist die lebensvolle Charakterisierung
und die geschickte Gruppierung der auftretenden Personen hervor-
zuheben. Beide gehen Hand in Hand. So konnte Paris nicht
treffender eingeführt werden, als in der Zusammenstellung mit
Menelaos, nicht besser charakterisiert werden, als in der Unter-
redung mit Hector. Durch Hectors strengen Tadel aus seiner
feigen Schwäche aufgerüttelt und zu münnlichem Entschluss ge-
trieben, sinkt er nach dem Zweikampf wieder in seine Sinneslust
zurück und begeht von neuem den Frevel, dem er eben hatte
ein Ziel setzen wollen. Als sein Gegenbild erscheint Helena in
11*
-- 164 —
paralleler Zeichnung. Welch wirksamen Ausdruck der dämonische
Zauber ihrer Schönheit in der Bewunderung der troischen Greise
gefunden hat, ist viel gerühmt. Bei der Ankündigung des be-
vorstehenden Zweikampfes, dessen Preis sie selbst ist, an ihre
Schuld gemahnt und von Sehnsucht nach dem früheren Gemahl
und der Heimath ergriffen, zeigt sie in der Scene mit Priamus
eine tiefe Reue über ihr Vergehen; auch Aphrodite’s verlockender
Aufforderung setzt sie anfangs den bittersten Hohn entgegen und
lässt sich nur durch die starken Drohungen der Göttin bewegen
ihr zu folgen; aber dieselbe Helena ergiebt sich zuletzt ohne
Widerstreben dem Paris, begeht denselben Frevel von neuem,
den sie eben aufs tiefste beklagt und bereut hat. Helena gegen-
über wird Priamos in seiner schonenden Milde gezeichnet; beim
Abschluss des Vertrags tritt seine Schwäche, aber auch sein
frommer, gottergebener Sinn hervor. Auch sonst steht der Dichter
unsres (esanges dem des ersten an Geschick in der Gruppierung
und Sinn für plastische Gestaltung kaum nach. Wir erinnern an
das reiche Gruppenbild auf dem Thurm des Skäischen Thores:
Priamos umgeben von den troischen Geronten, zu ihm Helena
tretend, von zwei Dienerinnen begleitet; sodann die Gruppe bei
dem Vertragsopfer: Priamos und Antenor, gegenüber Agamemnon
und Odysseus, auf beiden Seiten die Herolde, im weiteren Kreise
die Fürsten und die Heere; dann wieder die andere Gruppe auf
dem Thurm des Skäischen Thores: Helena umgeben von jtroischen
Frauen, zu ihr Aphrodite tretend in Gestalt der alten Dienerin,
aber als Göttin erkennbar an dem sehr schönen Nacken, den
lieblichen Brüsten, den glänzenden Augen; endlich die Gruppe in
Paris’ Gemach: Paris, Helena, Aphrodite. Daneben verdient der
geniale Gedanke, die Gestalten der hervorragendsten achaeischen
Helden reflectiert in der Unterredung zwischen Priamos und Helena
zur Anschauung zu bringen, besonders hervorgehoben zu werden.
Auch die Erzählung trägt durchweg das Gepräge lebendiger
Anschaulichkeit; leicht und anmuthig fortschreitend hält sie die
Mitte zwischen der gedrungenen Kürze des ersten und der Breite,
zum Theil Ueberfülle des zweiten Gesanges. Gleichnisse finden
sich gleich im Eingange mehrere in rascher Folge, im weiteren’
Verlauf noch eins. In den Reden, die der Ausdruck einer leiden-
schaftlichen Erregung sind, erhebt sich die Sprache zum Theil
zu grosser Kraft und einer gewissen Kühnheit des Ausdruckes,
welche der in den Reden des ersten Gesanges herrschenden kaum
nachsteht.
Für die Kritik des dritten Gesanges ist der natürliche Aus-
gangspunkt der schon oben berührte lose Zusammenhang, in wel-
chem die Handlung desselben mit der vorhergehenden Entwicklung
steht, vor allem der Mangel jeder näheren Beziehung auf die im
-- 168 —
ersten Gesange entwickelten grundlegenden Motive. Von diesem
Gesichtspunkte aus verbunden mit einer Reihe von Beobachtungen,
welche zu ergeben scheinen, dass die für die Handlung des
dritten Gesanges zu Grunde gelegte Situation eine ganz andere
ist, als die in den ersten Gesängen entwickelte, wird die Stelle
unseres Gesanges innerhalb des dichterischen Planes ernstlich in
Frage gestellt. Aber auch der innere Zusammenhang des Ge-
sanges selbst scheint vor einer genauen Analyse nicht bestehen
zu können: nicht nur, dass die in die Haupthandlung eingefügten
Episoden die Kritik herausfordern, auch der Zusammenhang der
Haupthandlung selbst hat mehrfach Anstoss und Zweifel hervor-
gerufen.
Der Zweikampf zwischen Paris und Menelaos tritt ganz un-
vermittelt ein. Wührend die vorhergegangenen Ereignisse die
Erwartung auf einen allgemeinen Kampf gespannt haben, in dem
durch Zeus’ Veranstaltung die Achaeer zuerst die verderblichen
Folgen von Achills Groll und Unthätigkeit empfinden sollen, wird
durch den um den Preis des ganzen Krieges verabredeten Zwei-
kampf nicht nur die Ausführung des von Zeus gefassten Be-
schlusses verzögert, sondern auch mit dem Fortgang des Krieges
die Möglichkeit dieser Ausführung überhaupt in Frage gestellt.
Es ist als ob wir mit einem Mal in eine ganz andere Situation
versetzt würden, als die durch die vorhergehenden Ereignisse vor-
bereitete war. Dieser Eindruck verstärkt sich mehr und mehr
im Verlauf des Gesanges selbst. Eine Reihe von Zügen scheint
darauf zu deuten, dass die erzählte Handlung nicht dem zehnten
Kriegsjahre, sondern dem Anfang des Krieges angehört. “Paris
begegnet hier zum ersten Male dem Menelaos im Gefecht und ver-
liert deshalb völlig die Besinnung. Dann urtheilen auch über ihn
die Achaeer noch nicht nach seinen Thaten, sondern nur nach
seiner schönen Gestalt. Ausserdem aber passt sein Zweikampf
mit Menelaos unter solchen Bestimmungen über Helena mehr in
den Anfang des Krieges, als in die spätere Zeit, wo dieser mit
allen aus ihm hervorgegangenen Verhältnissen schon aus einem
Streite zwischen Menelaos und Paris zu einem erbitterten Kampfe
der Achaeer und Troer geworden war’. (Jacob.) Noch deutlicher
weist die Teichoskopie auf eine frühere Zeit des Krieges. Der
bewundernde Ausruf der troischen Greise über die Schönheit der
Helena (155 ff.) “passt mehr in die Zeit nicht zu lange nach
ihrer Ankunft, als in eine spätere, wo der Anblick ihrer Schön-
heit schon nicht mehr so neu war.’ (Jacob) Die Fragen des
Priamos nach den Hauptführern der Achaeer, sein bewundernder
Ausruf über die zahllose Menge des achaeischen Heeres scheinen
unerklärlich im zehnten Kriegsjahr, ebenso dass Helena noch nicht
weiss, ob ihre Brüder mit gegen Troja gezogen seien.
Gegen die Episoden wird im Allgemeinen der Vorwurf er-
-- 16 —
hoben, dass sie den raschen Gang der Haupthandlung in unpassen-
der Weise unterbrechen und ohne Bedeutung für diese das Eben-
mass der Darstellung stören. Im Besondern macht Lachmann
gegen die Teichoskopie ausser der schon berührten Unschicklich-
keit der Fragen an Helena im zehnten Jahre des Krieges den
ungeschickten Uebergang von Aias auf Idomeneus, nach dem gar
nicht gefragt war (230), und die ‘kindische Abwechslung in den
Versen 171. 199. 228° geltend. Hoffmann verwirft dieselbe
unter Billigung der von Lachmann gefundenen Anstösse auch
aus metrischen Gründen (ohne jedoch auch Helena’s Gang zum
Thurme 120—145 zu beanstanden), Curtius aus sprachlichen
Gründen, da dieselbe an Wörtern und Formen gar viel Besonderes
biete, auch unter Hervorhebung der darin sich findenden mytho-
logisch -historischen Gelehrsamkeit (187 fl. 205 ff). Bergk weist
zwar Lachmanns Tadel zurück und erkennt die Vorzüglichkeit der
Mauersehau an, schliesst aber aus den darin enthaltenen eigen-
thümlichen, von jüngeren Epikern mit Vorliebe behandelten Sagen-
elementen (Aethra — Amazonen), aus einer gewissen charakte-
ristischen Naivetät (140. 243 f.) und einem eigenthümlichen
weichen Ton, durch welchen sie sich sehr entschieden von dem
Charakter des sie umgebenden Liedes unterscheide, dass sie nicht
von dem Verfasser des Gesanges herrühre, in den sie eingefügt
sei. Uebrigens scheint ihm die Episode eben für diese Stelle ge-
dichtet, aber nicht unversehrt überliefert, woraus die kurze Ab-
fertigung des Aias, das Fehlen des Diomedes, die überraschende
Einführung des Idomeneus sich erkläre. Auch Düntzer verwirft
die von Lachmann gegen die Teichoskopie vorgebrachten Gründe,
hat aber eine Reihe anderer Bedenken: zuerst, dass Iris 121 die
Helena abrufe, da dieselbe nur im Auftrage anderer Götter, nie aus
eignem Antrieb handle; sodann sei der Zweck dieser Berufung
nicht abzusehen: in Helena das Verlangen nach dem früheren
Gemahl, der Stadt und den Eltern zu erwecken (140), sei hier
ganz zwecklos und diene auch nur dazu, die Helena zu bestimmen
der Iris zu folgen. Weiter findet er es seltsam, dass Priamos
die Gattin seines Sohnes ihren früheren Gatten und dessen Ver-
wandte sehen lassen will, dass von dem so wichtigen Ereigniss,
dass alle die Waffen niedergelegt und sich niedergelassen haben,
mit keinem Wort die Rede ist, dass des Menelaos, der sich so
sehr hervorgethan, nach der Hindeutung 163 gar nicht gedacht
wird etc. Hinsichtlich der Berufung der Helena durch Iris sprechen
Bischoff und Holm ähnliche Bedenken aus; letzterer findet über-
dies einen auffallenden Widerspruch zwischen V. 134 und 326:
dort werde vorausgesetzt, dass die Krieger bereits sitzen, während
erst hier erzählt werde, dass sich dieselben gesetzt hätten. Köchly
endlich fügt als ein entscheidendes Moment gegen die Mauerschau
folgende Differenz zwischen 143 ff. und 383 ἢ (vgl. 411 u. 420)
-- 11
hinzu: dort eilt Helena von zwei Dienerinnen begleitet auf den
Thurm des Sküischen Thores, der von den troischen Greisen be-
setzt ist, hier findet Aphrodite dieselbe auf einem nicht nüher
bezeichneten Thurm sitzend unter troischen Frauen, während von
den Greisen bei ihrem Weggange nicht die Rede ist.
Ueber die zweite Episode (383-—448) bemerkt Lachmann,
dass es ganz das Gefühl der Symmetrie verletze, wenn nach der
Erzählung vom Verschwinden des Paris (382) noch in 66 Versen
von Paris erzählt werde. Aehnlich urtheilt Bergk, welcher darin
die eigenthümliche Manier des Diaskeuasten erkennt, welche nicht
nur von dem Geiste des echten Homerischen Epos sich weit ent-
ferne, sondern auch zu dem Tone des ganzen Liedes nicht recht
passe. Auch Bernhardy sieht darin ein zweckloses Episodium,
welches durch weichen Ton und Glätte den Eindruck einer jünge-
ven Arbeit mache. Andern erregt besonders der Inhalt Anstoss.
So findet Gross das Verhalten der Helena in dieser Episode in
offenbarem Widerspruch mit der sonst bei Homer gegebenen Dar-
stellung derselben, wie mit sich selbst. In der Teichoskopie, wie
überhaupt bei Homer, zeigt dieselbe tiefe Reue über ihre That;
hier eifert sie zuerst in einer das Mass überschreitenden Heftig-
keit (406—409) gegen die Zumuthung der Aphrodite, zu Paris
zu kommen, fährt auch Paris selbst auf das Heftigste an, leistet
dann aber seiner Aufforderung zum Liebesgenuss ohne Wider-
streben sofort Folge, ohne dass man diesen plötzlichen Umschlag
etwa der Einwirkung der Göttin zuschreiben kann, da diese nach
425 verschwunden ist, man weiss nicht wohin. Helena, wie
Aphrodite erscheinen in dieser Episode in dem unwürdigsten
Lichte. Diese Bedenken theilt auch Düntzer, welcher überdies
an den Reden der Helena im Einzelnen mannigfachen Anstoss
nimmt. Die Partie 396—418 wurde schon von den Alten ver-
worfen, und dieser Ausscheidung stimmen Bernhardy und Nitzsch
zu, letzterer freilich nicht mit völliger Entschiedenheit.
Ausser diesen Episoden ist nach Lachmann auch das Auf-
treten des Priamos dem ursprünglichen Plane des Liedes fremd
gewesen; er findet die ganze Erzählung davon abscheulich un-
zusammenhängend. Dies Urtheil gründet sich zunächst auf die
Unklarheit der Darstellung bei der Abfahrt des Priamos 259 fi,
sodann auf den Widerspruch zwischen 105 f., wonach Priamos
selbst die Eidopfer schneiden soll, und 273. 292, wo vielmehr
Agamemnon die Lämmer schlachtet, endlich, dass Agamemnon
mehrere Lämmer schlachtet, während doch für die Achaeer nur
ein Lamm geholt war, Priamos aber die für die Troer ge-
holten zwei Lämmer wieder mitnimmt, man weiss nicht ob
geschlachtet oder lebend. Beseitigt man alles auf Priamos Be-
zügliche, so wird dem ursprünglichen Plan gemäss das Bundes-
opfer nicht vor dem Zweikampfe dargebracht, sondern dies soll
— 168 -
erst geschehen, nachdem einer von beiden gesiegt hat (71.
94. 320.)
Auch das Eingreifen der Aphrodite zu Gunsten des Paris im
Zweikampf ist nicht unbeanstandet geblieben. Bischoff stellt
die Alternative: “Wollte der Dichter den Zweikampf durch Aphro-
dite abbrechen lassen, wozu das Zerbrechen des Schwertes? wenn
aber durch dieses, wofür dann noch, wenn nicht zum Uebermass,
das Eingreifen Aphrodites?”
Abgesehen von den gegen die ὅρκια geltend gemachten Be-
denken, welche überzeugend widerlegt sind, ist es schwer über
die angeregten Fragen überall über ein Mehr oder Minder der
Wahrscheinlichkeit hinaus zu völliger Sicherheit zu gelangen.
Est ist wahr, dass eine Reihe von Zügen innerhalb des Ge-
sanges den Eindruck machen, als ob wir nicht in das zehnte Jahr,
sondern in den Anfang des Kriegs versetzt würden. Gleichwohl
wäre die Folgerung übereilt, dass der Gesang in der That über-
haupt auf eine frühere Periode des Krieges sich beziehe. Zunächst
gehören die Züge, welche für jene Annahme am meisten Gewicht
haben, doch fast nur der Teichoskopie an, die immerhin nicht ur-
sprünglich zu sein braucht; was aus der übrigen Erzählung von
Jacob dafür geltend gemacht ist, kann an sich entscheidendesBe-
weiskraft nicht beanspruchen; andere Stellen, wie 99 χακὰ πολλὰ
πέποσϑε, 112 ἐλπόμενοι παύσασϑαι ὀϊξυροῦ πολέμοιο weisen auf
längere Dauer des Krieges. Auch innerhalb der Teichoskopie selb:
treten jenen für eine frühere Periode des Krieges sprechenden
Zügen wiederum andere entgegen, welche jenen Eindruck paraly-
sieren. Will man auch kein Gewicht darauf legen, dass Achill
unter den achaeischen Helden nicht genannt, also seine Abwesen-
heit und damit die durch das erste Buch geschaffene Situation
vorausgesetzt wird, — weil die auf Achill bezügliche Stelle bei
Einfügung der Episode getilgt sein kann —, so ‘beweist doch die
Erwähnung der zahlreichen Kämpfe der Achaeer und Troer um
Helena, welche das kunstreiche Gewebe darstellte, sowie die Weise,
in welcher der Gesandtschaft des Odysseus und Menelaos gedacht
wird, dass die Partie von Anfang an für dieses Stadium des Krieges
bestimmt war’ (Bergk). Freilich glaubt Overbeck in jener Stelle
von dem Gewebe der Helena eine spätere Interpolation zu er-
kennen, aber diese Ansicht ist von Brunn lebhaft bestritten, die
Sache jedenfalls zweifelhaft (vgl. den Anhang zu I’ 126); die Ge-
sandtschaft des Menelaos und Odysseus aber wird durch ἤδη--- ποτέ
205 ohne*Zweifel in eine fernere Vergangenheit gerückt vgl. A 260,
auch I’ 184, dazu kommt auch V. 157 die Aeusserung der troi-
schen Greise οὐ νέμεσις — πολὺν χρόνον ἄλγεα πάσχειν. Es er-
giebt sich somit vor der Hand nur eine immerhin auffallende
Differenz innerhalb der Teichoskopie zwischen der im Allgemeinen
festgehaltenen Zeit der epischen Handlung und einer Reihe von
— 19 —
Anachronismen im Einzelnen, welche bei der genaueren Unter-
suchung über die Ursprünglichkeit dieser Episode mit erörtert
werden muss.
Die Frage, ob die Episoden das Ebenmass der Erzählung
stören oder nicht, wird von den verschiedenen Standpunkten aus
immer verschieden beantwortet werden. Vertreter der Einheit,
wie Baeumlein, antworten auf Lachmanns Bedenken von ihrem
Standpunkt aus mit Recht: mögen diese Episoden in einem Einzel-
liede vom Zweikampf des Paris und Menelaos das Ebenmass ver-
fehlen, in dem Zusammenhang eines grösseren Epos ist für dieselben
Raum und namentlich nahe dem Anfang, wo es gilt die Verhält-
nisse zu exponieren und die Personen zu charakterisieren, finden
dieselben eine passende Stelle. In Bezug auf die zweite Episode
bemerkt auch Hoffmann, indem er den Abschluss des Lachmann-
schen Liedes mit dem Ende von I’ tadelt: “Wenn für Paris die
Verse 120—145 und 383—448, also neunzig Verse, und für
Menelaus in 4 die Verse 85—220, also hundertunddreissig Verse
verwendet werden, so hat man keinen Grund über Verletzung der
Symmetrie zu klagen.”
Bei der Beurtheilung der Teichoskopie im Besonderen kommen,
wenn wir von unwesentlichen Einzelheiten absehen, hauptsächlich
folgende Momente in Frage: zunlichst die Eigenthümlichkeiten des
Inhalts und der Form, sodann das Verhältniss der Episode zur
Handlung des dritten Gesanges, sowie zur zweiten Episode. Unter
den Eigenthümlichkeiten des Inhalts nehmen die erste Stelle ein
die berührten Anachronismen, die von Priamos an Helena gerich-
teten Fragen über die achaeischen Heerführer, sein bewundernder
Ausruf über das zahllose Heer der Achaeer, die Unkenntniss der
Helena, ob ihre Brüder mit vor Troja gezogen seien. Man wird
diesen Anachronismen kein besonderes Gewicht beimessen dürfen.
Es ist mit Recht bemerkt, dass der unbefangene Hörer daran
keinen Anstoss genommen habe, der Dichter aber, der nur den
letzten Theil des Krieges behandelte, gewiss keinen Vorwurf ver-
diene, wenn er, um einen bedeutsamen Zweck zu erreichen, ebenso
unbefangen über die zeitliche Differenz sich hinwegsetzte. Ueber-
dies giebt es Analogien genug, welche zeigen, welch freier Spiel-
raum dem Dichter in solchen Dingen gestattet war: so bei Homer
sebst die Begegnung des Glaukos und Diomedes, welche sich noch
nicht kennen, obwohl der Krieg schon zehn Jahre währt, der Ab-
schied des Hektor und der Andromache, die beide so gerührt sind,
obwohl solcher Absthied ihnen nichts Neues ist, die Gefahr für
Hektor aber geringer ist als vorher, wo Achill noch kämpfte, so
bei Sophokles die Fragen des Oedipus nach Laios, obwohl der-
selbe mit Jokaste schon lange Jahre vermählt ist, und es bedarf kaum
noch der Annahme Gerlachs, dass zum ersten Male während
des ganzen Kriegs beide Heere ruhig im Angesicht der Stadt
-- 10 —
lagerten, für 'Priamos also wirklich die erste Gelegenheit zur ge-
naueren Betrachtung der griechischen Heerführer sich darbot. Noch
mit grösserem Recht sind die beiden andern von Lachmann gegen
die Teichoskopie geltend gemachten Bedenken zurückgewiesen. Von
den übrigen Eigenthümlichkeiten des Inhalts verdient die Ein-
führung der Iris besondere Erwägung. Es ist nicht ganz richtig,
wenn Düntzer behauptet, dass Iris sonst nur im Auftrage anderer
Götter, nie aus eignem Antrieb handele Noch zwei Mal greift
dieselbe ebenso wie hier aus eignem Antrieb ein, E 353 wo sie
die von Diomedes verwundete Aphrodite ohne Auftrag aus dem
Schlachtgetümmel führt und Ψ 198, wo sie Achills Gebet an die
Winde als μετώγγελος diesen überbringt. Sonst handelt sie meist
im Auftrage des Zeus. Um nun hier Helena auf den Schauplatz
der Handlung zu bringen, hätte es der Götterbotin an sich nicht
bedurft, es muss der Dichter daher bei der Einführung derselben
seine besondere Absicht gehabt haben. Es scheint, wie wir schon
oben andeuteten, ein nicht zufälliger Parallelismus in den beiden
Episoden, dass hier Iris die Helena zum Thurm beruft und in ihr
die Sehnsucht nach dem früheren Gemahl und der Heimath erweckt,
dort Aphrodite sie vom Thurme zurück zu Paris führt und zu neuem
Ehebruch verlockt. Anders erklärt Genz das Auftreten der Iris,
indem er in derselben die Vermittlerin des höchsten, gerechten
Götterwillens erkennend, in ihrem selbständigen Vorgehen die An-
deutung findet, dass die Anwesenheit der Helena bei dem Zwei-
kampf durchaus die Absicht der göttlichen Gerechtigkeit sei. Auch
die übrigen Besonderheiten im Inhalt, wie im sprachlichen Aus-
druck und Ton der Darstellung können an sich kein entscheidendes
Gewicht für die Verwerfung der Teichoskopie abgeben, wenn
nicht sonst durch überzeugende Gründe die Unverträglichkeit der-
selben mit der Handlung des dritten Gesanges nachgewiesen werden
kann. Nun steht die Episode allerdings abgesehen von der Ein-
leitung 121—139 nur in sehr loser Beziehung zur Handlung.
Zwar wird die Waffenniederlegung 195 vorausgesetzt, aber das
Auffallende derselben vollständig ignoriert; gerade von Menelaos,
dessen Verhandlung mit Hektor 95 ff. nicht unbemerkt bleiben konnte,
auf den überdies Priamos 163 besonders hingewiesen hatte, ist
hernach abgesehen von der beiläufigen Vergleichung mit Odysseus
gar nicht die Rede. Aber direete Widersprüche zwischen der
Episode und der Haupthandlung sind doch nicht nachweisbar. Die
von Holm gefundene Differenz zwischen 134 und 326 wird hin-
fällig durch die von demselben verkannte, oft genug vorkommende
Bedeutung von ἦσϑαι = verweilen’in einer bestimmten Situ-
ation, mit dem Nebenbegriff der Unthätigkeit, welche 134 auch
wegen des Zusatzes ἀσπίσι κεκλιμένοι nothwendig ist, und auch
der von Köchly zwischen 143 ff. und 383 f. (vgl. 411 und
420) gefundene Widerspruch ist nicht unlösbar, wir dürfen mit
-- 11 --
Genz darauf erwidern: “Aber Helena wollte ja nicht zu Priamos
gehen; ist nur von den alten Herren aufgehalten worden, und
geht, sobald der Schwiegervater fort ist, natürlich zu den Frauen.”
Aber ein Punkt bleibt immer auffällig. Wir lesen unter dem Ein-
druck der vorhergehenden Vertrags-Verhandlungen ohne Anstoss
über die Aeusserung der troischen Greise 159. 160 hinweg, indem
wir die dort ausgesprochene Möglichkeit der Rückkehr der Helena
in Beziehung zu der entsprechenden Vertragsbestimmung setzen.
Aber die troischen Greise können von diesem Vertrage ebenso
wenig etwas wissen, als Priamos, wie 259 δίγησεν zeigt, in Wirk-
lichkeit davon weiss. Müssen wir aber diese Unkenntniss vor-
aussetzen, so ist diese Aeusserung im zehnten Jahre des Krieges
noch viel befremdender, als alle übrigen nachgewiesenen Anachro-
nismen, und auch die Wendung πολὺν χρόνον ἄλγεα πάσχειν 157
kann uns an dieser Auffassung nicht hindern, da sie von den
noch bevorstehenden Leiden des Kriegs verstanden werden kann.
Hier scheint in der That ein innerer Widerspruch zwischen dem
innerhalb der Episode eingenommenen Standpunkt und der in der
Haupthandlung gegebenen Situation zu Tage zu treten, der in
Verbindung mit den übrigen Bedenken die Ursprünglichkeit der
Episode ernstlich in Frage stellt. Uebrigens würde davon die
Einleitung der Episode 121—145 nicht mit betroffen werden und
der erwähnte Parallelismus zwischen der Einwirkung der Iris und
der Aphrodite auf Helena als ursprünglich erhalten bleiben können.
Weit enger ist die Beziehung, in welcher die zweite Episode
zur Haupthandlung steht. V. 382 bereitet eine solche häusliche
Seene vor (Bäumlein.) Die Berechtigung aber zu solchem aus-
führlichen Bericht über Paris’ Verhalten nach dem Zweikampf liegt
zum Theil schon in der hervorragenden Rolle, welche Paris über-
haupt in dem Gesange hat, wenn wir auch ‚nicht so weit gehen
mit Köchly demselben die Hauptrolle zuzuweisen, wofür die Vor-
anstellung des Paris in der alten Bezeichung des Liedes Πάριδος
καὶ Μενελάου μονομαχία, wie Benicken gezeigt hat, als Be-
weis ‚nicht angeführt werden darf. Bedeutsamer aber ist der
Parallelismus, in welchem diese Scene mit der am Schlusse des
dritten und im Anfang des vierten Gesanges folgenden Erzählung
von Menelaos steht. “Die Verse von Helena und Paris (888 ---448)
waren bei dem durchgängigen Muthwillen dieses Gesanges [Ὁ] noth-
wendig, indem die Darstellung des Zweikampfes erst durch die
Schilderung 468 Paris und der Helena in ihrem duftenden Ge-
mache gegenüber dem getäuschten, jetzt auf dem leeren Kampf-
platz umhertobenden Menelaos ihren völligen Schluss erhält.’ (Jacob.)
“Der Gegensatz zwischen dem von Helena selbst seiner Unmänn-
lichkeit wegen gescholtenen Paris, der sich nach dem Zweikampf,
dem er entronnen ist, des Liebesgenusses freut, und dem durch
Verrath auf dem Schlachtfelde verwundeten Menelaos scheint beab-
-- 112 --
sichtigt.’ (Düntzer). ‘Bevor dies (der Vertragsbruch) durch den
Schuss des Pandaros auf Anstiften der: den Troern feindlichen
Gottheiten, um Troja zu verderben, geschieht, bewirkt die den
Troern befreundete Göttin dasselbe in ihrem Bereich. Durch
Aphrodite's Vermittlung wird Helena von neuem die Gattin des
Paris zu derselben Zeit, wo sie vertragsmässig wieder Eigenthum
des Menelaos geworden war. — Besiegt im Zweikampf ist Paris
Sieger ih Reich Aphroditens.” (Naegelsbach).
Aber es ist nicht allein der Parallelismus, in welchem diese
Scene zu den folgenden steht, welcher derselben ihre Stelle in
dem Gesange sichert. Die ganze Anlage des Gesanges abgesehen
von den Episoden ist, wie schon oben ausgeführt, von der Art,
dass der Blick von dem Mittelpunkt der Handlung aus fort und
fort zurückgelenkt wird auf den Anlass und Beginn des Krieges.
Bei dieser Anlage wäre es in der That unbegreiflich, wenn der
Dichter die passendste Stelle die Helena persönlich vorzuführen
unbenutzt gelassen hätte; selbst in einem Einzelliede vom Zwei-
kampf des Paris und Menelaos würde Helena als der Preis des
Kampfes eine passende Stelle finden. Aphrodite, Paris und Helena
als die drei Unheilstifter gehören so eng’zusammen, dass erst die
dringendsten Gründe nachgewiesen werden müssten, um Helena
aus dieser Zusammenstellung auszuscheiden. Wie wichtig die Scene
danach für das Epos in Bezug auf die Exposition der Verhältnisse
ist, liegt auf der Hand. Zwar ist die von Werckmeister auf-
gestellte Ansicht nicht von allen Zweifeln frei, wonach der Dichter
vermöge eines besondern Kunstprineips in der Scene eine zusam-
mengedrängte Wiederholung nicht bloss des Verhältnisses von
Paris und Helena im Grossen und Ganzen, sondern speciell der
Entführungs- und Verführungsgeschichte d. h. des sogenannten
Raubes der Helena geben wollte, aber wohl darf man mit Genz
besonders in Bezug auf diese Scene sagen, dass die dritte Rhapsodie
uns die Ursachen des Krieges darstelle, indem sie dieselben
gleichsam von neuem werden lasse. Damit hängt auf das engste
ein anderer nicht minder wichtiger Punkt zusammen. ‘Dass Paris
und Helena ihren Frevel jetzt von neuem begehen, während der
Sieger sein Recht fordert, stellt in volles Licht die ganze Un-
gerechtigkeit der troischen, die Gerechtigkeit der achaeischen
Sache.’ (Genz.)
Ob man so weit gehen darf, mit Werckmeister darin die
Motivierung für den in der Götterversammlung des: vierten Ge-
sanges erfolgenden Rathschluss des Zeus vom Untergange Trojas
zu erkennen, bleibt freilich zweifelhaft. Alle diese Gesichtspunkte
aber gebieten zugleich Vorsicht bei Beurtheilung der verschiedenen
gegen die Scene geltend gemachten Bedenken. Zunächst wird
nach dem Gesagten wohl nicht leicht Jemand gegen den Dichter den
Vorwurf der Frivolität erheben wollen, weiler, wie es scheinen könnte,
— 113 —
das Laster triumphieren lasse; die ernste, tief sittliche Auffassung
desselben steht ausser Zweifel. Mögen uns Aphrodite und Helena
in einem unwürdigen Lichte erscheinen, jedenfalls sind wir nicht
berechtigt unsern Massstab der Sittlichkeit an die Gebilde der
griechischen Sage und Dichtung anzulegen. Auch Helena ist
wohl ursprünglich eine Göttin, Zeus’, Tochter, daraus erklärt sich
die Art, wie sie zuerst Aphrodite entgegentritt, Aber sie ist auch
trotz ihres daemonischen Wesens ein sterbliches Weib, immer wieder
in Aphrodite’s Banden. Die Art, wie sie trotz der vorher gezeigten
tiefen Reue über ihr Vergehen, trotz der sittlichen Entrüstung, der
selbstbewussten trotzigen Heftigkeit, mit der sie Aphrodite zuerst
entgegentritt, sich dieser dann doch fügt und dem Paris sich hin-
giebt, mag uns überraschen und befremden, aber es ist schwer
zu sagen, was sich Erhebliches gegen eine solche Charakterzeich-
nung einwenden lässt. “Es ist eben Helena das weibliche Gegen-
bild des Paris. Wie dieser zwischen Heroismus und Feigheit,
zwischen Kraft und Sinnlichkeit hin- und hergetrieben wird, so
schwankt sie zwischen Tugend und Schwäche, zwischen Hass und
Liebe; sie vermag dem Reiz des Verführers so wenig zu wider-
stehen, als sie ihrem bessern Selbst gänzlich entsagen kann.”
(Naegelsbach). Wer aber, wie Gross, es unbegreiflich findet,
dass sie nach der heftigsten Schmährede gegen Paris durch dessen
prahlerische und Leidenschaft athmende Worte, ohne die Ein-
wirkung der Aphrodite sich bestimmen lässt, ohne ein Wort des
Widerspruchs sich dem Paris hinzugeben, der übersieht, dass ihre
Willenskraft bereits auf dem Thurm durch die Drohung der Göttin
gebrochen ist und danach von einem ernstlichen Widerstande über-
haupt nicht mehr die Rede sein kann.
Welche Bedeutung die ausführlich beschriebene feierliche Ver-
tragsschliessung für die dem Gesange gesteckte Aufgabe hat, leuchtet
nach den obigen Ausführungen ein. Es haben denn auch die Mehrzahl
der Kritiker, wie Faerber, Gross, Hoffmann, Baeumlein, Nae-
gelsbach, Jacob, Düntzer sich gegen die von Lachmann erhobe-
nen Bedenken ausgesprochen, nur Holm und Benicken theilen die-
selben. Es beruhen dieselben zum Theil auf Missverständnissen. So
erledigt sich das Bedenken wegen 105 ὄφρ᾽ ὅρκια τάμνῃ αὐτός im
Vergleich zu 292 einfach dadurch, dass die Wendung ὅρκια τά-
νειν in übertragenem Sinne vom Schliessen des Vertrags steht,
wie 94 und 252 beweisen, und daher αὐτός nur auf Priamos’ per-
sönliche Anwesenheit geht. Wenn uns ferner bei dem Abschluss
des Vertrags manches auffallend und unerklärlich ist, wie dass
Agamemnon auch die von den Troern gestellten Opferthiere
schlachtet, dass Priamos die geschlachteten Opferthiere mit sich
nach Troja nimmt, so müssen wir uns solchen alten Gebräuchen
gegenüber in unserm Urtheil bescheiden. Auch dass nach dem
ursprünglichen Plan des Gesanges das Bundesopfer nicht vor dem
-- 114 —
Zweikampf dargebracht werden sollte, sondern erst nach der Ent-
scheidung desselben, kann nicht für erwiesen gelten. Es werden
deutlich zwei Verträge unterschieden, am unzweideutigsten in un-
mittelbarer Folge 252 und 256, dort der Vertrag vor dem Zwei-
kampf, zum Behuf der feierlichen Festsetzung der den Zweikampf
betreffenden Bestimmungen, und hier ein nach der Erledigung des
Zweikampfes zu schliessender Freundschaftsvertrag zwischen beiden
‘Völkern. Jener erstere ist gemeint 105. 280. 299, der letztere
. 73. 94. 323, immer in der stehenden Verbindung φιλότητα καὶ
ὅρκια πιστά. Der erstere wird wirklich abgeschlossen 267 fl, der
letztere durch die Nichterfüllung der Bestimmungen des ersteren
dagegen vereitelt. — Zuzugeben ist, dass die Partie von der Be-
rufung des Priamos durch die Herolde und seiner Abfahrt an
einer auffallenden Kürze und einer gewissen Unklarheit leidet.
Die vorstehende Erörterung der gegen den dritten Gesang
erhobenen Bedenken ergiebt einerseits einen sehr lockeren Zu-
sammenhang des Gesanges mit dem Vorhergehenden, sofern die
grundlegenden Motive des ersten und zweiten Gesanges hier ohne
alle Wirkung bleiben, andrerseits eine sehr enge Beziehung zum
Anfang des vierten Gesanges, wofür die hier erzählten Ereignisse
die grundlegende Voraussetzung bilden. Die Haupthandlung zeigt
sich abgesehen von einzelnen nicht schwer ins Gewicht fallenden und
keineswegs unlösbaren Differenzen im besten Zusammenhange; auch
die episodisch eingefüigten Erzühlungen lassen sich, namentlich so-
weit Helena, um deren Besitz der Zweikampf sich dreht, deren
Mittelpunkt bildet, aus dem Plan des Dichters die Ursachen des
Krieges lebendig zu vergegenwärtigen, die Anstifter desselben zu
charakterisieren und die troischen Verhältnisse zu exponieren, sehr
wohl begreifen. Indem nun nach Massgabe der verschiedenen
Standpunkte der eine oder andere dieser Gesichtspunkte betont
wird, gruppieren sich die Ansichten der bedeutendsten Kritiker in
folgender Weise. Die unbedingten Vertreter der Einheit nehmen
unter der Voraussetzung, dass in dem Plane eines grossen Epos
behufs breitester Grundlegung nicht unbedeutende Retardationen
der Handlung berechtigt seien, an dem losen Zusammenhang unseres
Gesanges mit den vorhergehenden keinen Anstoss und sehen in
der Erzählung vom Zweikampf ein bedeutsames weiteres Sttick
der Exposition: wie im zweiten Gesange die Zustände im griechi-
schen Lager, das Verhältniss des Heeres zu den Fürsten und zum
Kriege, dargelegt werden, so im dritten die troischen Verhältnisse.
Auch Genz findet den dritten Gesang noch an angemessener Stelle
im homerischen Plan, sofern er die Ursachen des Krieges gleich-
sam von neuem werden lasse, schreibt denselben aber einem andern
Verfasser, als dem des zweiten zu; nicht unwahrscheinlich sei,
— 15 —
dass wir in ihm wieder den Dichter des ersten Gesanges haben.
Eine andere Reihe von Kritikern, welche ebenfalls einen einheit-
lichen Plan des Gedichtes festhalten, finden übereinstimmend die
planmässige Entwicklung der epischen Handlung durch den dritten
Gesang unterbrochen und unterscheiden sich nur durch die Aus-
dehnung, in welcher sie eine solche Unterbrechung annehmen, so-
wie durch die Art der Beziehung, in welche sie die ausgeschiedene
Partie zum ursprünglichen Kern des Gedichtes setzen. Von diesen
sieht Bergk in dem dritten und dem grösseren Theil des vierten
Gesanges die Arbeiten verschiedener Nachdichter, welche der Dar-
stellung der griechischen Verhältnisse ein Bild der troischen Zu-
stände gegenüberzustellen bemüht waren. Im Besonderen bemerkt
er: “Der Gesang vom Zweikampfe und Vertragsbruch war wohl
einer der ersten Versuche die Ilias fortzusetzen. Ein talentvoller
jüngerer Diehter fügte dann die Episode von der Mauerschau hinzu,
und später hat der Diaskeuast nicht nur jenen Gesang fortgesetzt,
sondern auch beide Partien in sehr freier Weise überarbeitet. Es
sind nicht selbständige Lieder, auch schildern sie nicht etwa eine
frühere Periode des Krieges, sondern diese Stücke sind in unmittel-
barem Anschluss an die Ilias oder deren Fortsetzungen gedichtet.”
Dagegen will Kammer den Zweikampf mit dem, was dazu ge-
hört, als ein selbständiges Lied ausgeschieden wissen, das eine
Episode aus dem sagenreichen Kriege vor Troja behandelte, welche
mit der eigentlichen uns vorliegenden Iliade nichts zu thun hat:
und zwar soll dies Lied aus Γ᾽, 4 1—220 und H 315 ff. bestehen,
der Schluss desselben aber dadurch umgestaltet sein, dass bei der
Einfügung in die Ilias der Abschluss, die Sendung des Idaios be-
hufs Ueberbringung der Anträge des Paris enthaltend, mit der
zweiten Sendung des Idaios wegen des Waffenstillstands verschmolzen
wurde. Weiter gehen Grote und Düntzer, indem sie die Ge-
sänge 2—7 als mit dem ursprünglichen Plan des Gedichts und
den grundlegenden Motiven des ersten Gesanges unvereinbar aus-
scheiden, jener, indem er diese Bücher als eine nachträgliche Er-
weiterung in die ursprüngliche Achilleis eingefügt sein lüsst, dieser,
indem er im zweiten Gesange ein selbständiges Lied, in den Ge-
sängen 3—7 unter Ausschluss einzelner Eindichtungen ein eignes
Gedicht zu erkennen glaubt. Von den Vertretern der Liedertheorie
stimmen Hoffmann und Köchly, wenn auch sonst weit aus ein-
ander gehend, darin überein, dass sie noch den Zusammenhang
des 3ten Gesanges mit dem Anfang des vierten festhalten. Auf
Grund seiner metrischen Untersuchungen fasst Hoffmann Γ΄ 9—
145, 245—461, 4 1—222 und vielleicht 422—456, E 1—448
als ein Ganzes zusammen, welches nicht zu dem Gebange von der
Bitte der Thetis passt, zum Gange der Haupthandlung in keinerlei
Beziehung steht und nicht zur Epopoie gehört; Köchly dagegen
constituirt sein Ὅρκια ἤτοι Πάριδος καὶ Μενελάου μονομαχία be-
.
. -- τὸ --
zeichnetes Lied aus I’ 1—107. 111---120. 245—461. 4 1—54.
57—125. 127—158. 160—162. 166—170. 183—195. 198— 222
und verbindet die Teichoskopie mit der Epipolesis des vierten Ge-
sanges wiederum zu einem besondern Liede, welches besteht aus: I’
121—135. 139—143. 145—196. 198—219. 221—223. 225
244. 4 223—243. 247—268. 272—332. 336—421. Lachmann
endlich löst den dritten Gesang völlig aus dem Zusammenhang
mit dem folgenden und scheidet aus demselben nicht nur die
Teichoskopie und die Scenen zwischen Aphrodite, Helena, Paris
aus, sondern auch alles auf Priamos Bezügliche. Danach umfasst
sein drittes Lied nur etwa 170 Verse: 16—102. 111—115.
314—382. 449- 461. Nach Lachmanns Vorgange löst Holm
den dritten Gesang in drei einzelne Lieder, respective Liederpar-
tikeln auf. _Eigenthümlich ist die Ansicht Jacobs. Nach ihm
gehört der Inhalt des Gesanges ohne Zweifel in den Anfang des
Krieges. Aus dem innerhalb desselben zwölfmal wiederkehrenden
Beiwort des Menelaos ἀρηΐφιλος aber schliesst er, dass der Gesang
sich einer besonderen Ueberlieferung angeschlossen habe und mit
Menelaos ein muthwilliges Spiel treibe, da man am wenigsten in
ihm auch nur die Spur einer Vorliebe des Ares für den Helden
bemerke. Aber auch ausser diesem Gesange findet sich ἀρηίφιλος
nicht selten als Beiwort des Menelaos und noch öfter ἀρήϊος, welches
mit besonderer Vorliebe demselben beigelegt wird. Höchstens
kann man mit Preller griech. Myth. I 225 in diesen Beiworten
die Andeutung finden, dass Menelaos damit dem Liebling der
Aphrodite, Paris gegenübergestellt werde.
Anmerkungen.
4. Zu χειμῶνα καὶ ὄμβρον vgl. auch Horat. Epod. IT 29: ‘at
cum tonantis annus hibernus Iovis imbres nivesque comparat.”
Ueber die Kraniche als Zugvögel vgl. Herod. Π 22. Aristot. H. A.
VIII 14. Aelian. H. A. II 1; III 13. Auch Pompon. Mel. III 8.
Schiller in “Kraniche des Ibycus’:
‘Nichts regt sich um ihn her, nur Schwärme
Von Kranichen begleiten ihn,
Die fernhin nach des Südens Wärme
In graulichem Geschwader ziehn.”
Oder G. Kinkel in “Otto der Schütz’ 9. Abenteuer:
‘Und über mir in lautem Flug
Strebt in die Fern’ ein Kranichzug.”
Mit der homerischen Stelle vergleiche man auch Claudian. XV
-- 1 --
474 f. Juvenal. XIII 167 f. — 7. [Raspe a. O. p. 17 versteht
προφέρονται tragen vor sich her (=intendiren). Dagegen spricht:
1) der Gebrauch derselben Wendung im Medium $ 210, wo bei
dem Fehlen aller Andeutung einer Bewegung näher liegt zu ver-
stehen: Streit zum Vorschein bringen, zeigen, beginnen, worauf
auch ξ 92 führt, 2) dass bei dieser Auffassung V. 7 abgesehen
von ἠέριαι nur den Gedanken φόνον καὶ κῆρα φέρουσαι, der von
der drohenden Absicht zu verstehen ist, wiederholen würde. Haben
wir in V. 7 eine jener häufigen Ausführungen eines Vergleichs,
die nicht unmittelbar mehr zur Erläuterung der verglichenen Hand-
lung dienen, zu erkennen, so lässt sich nur eine Andeutung dessen
erwarten, was nach der Ankunft der Vögel am Okeanos folgt d. h.
des Kampfes selbst und dann steht προφέρονται in einem passenden
Verhältniss zu dem vorhergehenden φέρουσαι. Bei der von Nitzsch
gegebenen und von Ameis angenommenen Erklärung: ‘Sie beginnen
mit einander den bösen Wettstreit, indem ein Kranich immer
heftiger schreit als der andere’, bleibt überdies κακήν auffallend,
da das Geschrei an sich doch den Gegnern nicht verderblich wird,
ferner ist die reciproke Bedeutung des Medium nach ὃ. 210 nicht
wahrscheinlich, näher liegt aus dem vorhergehenden Verse den
Dativ Πυγμαίοισι zu denken, wie ϑ 210 der Dativ folgt.] — Vers
8. ἴσαν σιγῇ berücksichtigt Philostr. Heroie. c. p. 16; p. 689. —
10. [Eigenthümliches in der Sprache bei diesem Vergleich bemerkt
Friedländer Beiträge zur Konntniss der hom. Gleichnisse II p. 6.] —
Vers 13. ἀελλής haben Andere von ἄελλα getrennt und mit ἀολλής
für synonym erklärt: eine diehte Staubwolke. Vgl. G. Curtius
Etym.? Nr. 656 8.484. [*p. 540, Nr. 660. So Clemm in Curtius
Stud. VIII p. 93 vgl. auch Brugman in Curtius Stud. IV. p. 128:
ἀελλής pro d-ei-vig. — κονίσσαλος steht nach Fick vgl. Wörter-
buch p. 417 für xovi-ofalo-g (von sval schwellen), und ist
Staubschwall, Staubwirbel. Auch wegen dieser Bedeutung und
neben ὥρνυτο ist ἀελλής, welches Ameis erklürte aufgewirbelt,
nach der gewöhnlichen Annahme zu fassen — dicht.]
15 = E 14. 630. 850. Z 121. A 232. N 604. IT 462.
T 176. Φ 148. X 248. Ψ 816. In der Odyssee findet sich nur
der erste Theil des Verses mit anderer Verbindung: vgl. zu κ 156.
Die Ilias hat den Vers jedesmal, wo der Einzelkampf zweier
Streiter im offenen Felde beginnt. Nach geschehener Annäherung
“folgt entweder der Lanzenwurf unmittelbar oder nach vorange-
gangener Ansprache’ (M. Schmidt im Rhein. Mus. 1865 Bd. XX
8.463). Mit den letzteren Stellen (E 630. Ζ 121. 7 176. Φ 148.
X 248) ist unsere verwandt, insofern auch hier eine längere Vor-
bereitung stattfindet, ehe es zwischen Paris und Menelaos zum
Zweikampf kommt. Nur unterscheidet sich unsere Stelle von
allen übrigen dadurch, dass das οἵ δέ sonst stets auf die bezüg-
lichen zwei Streiter geht, hier dagegen auf die Mannen der beiden
Anhang zu Ameis, Homers Ilias I. 12
-- 118 —
Gesammtheere. Aber diese kleine Differenz kann einen weitrei-
chenden Anstoss nicht erregen: ein begründeter Anstoss würde
bloss dann gegeben sein, wenn der formelhafte Vers mit τὼ δ᾽
ὅτε δή begänne. Hierzu kommt, dass sich auch # 816 in dem
Anfange ἀλλ᾽ ὅτε δή eine Abweichung zeigt. Endlich finden sich
bei ähnlichen formelhaften Redeweisen analoge Differenzen in
Nebendingen selbst an Stellen, die man bis jetzt noch nicht an-
gefochten hat. Die Hauptsache ist gewahrt, die Einleitung zum
Zweikampf zwischen Menelaos und Paris. Ein anderer Vers dieser
Art ist οἱ δ᾽ ὅτε δή 6" ἐς χῶρον ἕνα ξυνιόντες ἵκοντο 4 448. Θ 60,
aber er steht an beiden Stellen nur vor dem Anfang des Massen-
kampfes: vgl. auch & 393. 7 66. Φ 390; daher war er an
unserer Stelle nicht anwendbar. — In Bezug auf die sprachliche
Verbindung ist zu beachten, dass σχεδὸν ἦσαν für sich allein steht,
wie in andern Formen von σχεδὸν εἶναι N 268. O 737. σ 146.
ὦ 491, und ebenso mit σχεδὸν ἐλθεῖν A 247. N 810. P 600.
Ψ 499. v 161. m 157. Eine nähere Bestimmung dazu erscheint
gewöhnlich im Genetiv, bisweilen im Dativ, aber nirgends mit
einer Präposition. Daher ist das zweite Hemistichion ἐπ᾽ ἀλλή-
λοισιν ἰόντες als besonderer Zusatz zu fassen. Das ἐπέ betrachtet
K. A. J. Hoffmann Die Tmesis in der Ilias I (Lüneburg 1858)
8. 15 als selbständige nur vom Verbum ἰόντες beeinflusste Präpo-
sition, indem er dann hinzufügt ᾿ἐπιέναι hat den Accusativ bei
sich.’ Aber da sind N 482 und P 740 übersehen, wo ἐπιέναι
mit dem persönlichen Dativ ein Herangehen oder Losgehen in
feindlicher Absicht bezeichnet. Da hingegen das einfache ἰέναι
ἐπί τινι sonst nirgends bei Homer in diesem Sinne sich findet, so
wird man auch hier mit J. La Roche Hom, Stud. $ 68, 6 &m-
ὄντες zu verbinden haben. Denn die einzige scheinbare Analogie,
die man für die unmittelbare Präpositionrection hier anführen
könnte, das ἐπὶ ἀλλήλοισιν "άρηα φέρειν T 132. Θ 516 gewinnt
durch den bestimmten Begriff ”4gon« eine andere Beziehung.
18. Gewöhnlich wird αὐτὰρ ὁ [nach den besten Handschriften,
vgl. La Roche] gelesen, aber das Pronomen haben Zenodotos, Aristo-
phanes, Aristarch, Kallistratos, Ixion in ihren Urkunden nicht ge-
funden; und es fehlt mit Recht, da hier eine nachdrucksvolle Her-
vorhebung des Subjects nicht so am Platze ist, wie in den zu ν
219 und A 191 bezeichneten Fällen. Denn beide Sätze bilden
einen einzigen eng zusammengehörigen Gedanken, in welchem die
Participia ἔχων und πάλλων sowie die Verba imitativa προμάχιξεν
und πρσκαλίξετο einander entsprechen. Das vermeintliche Misver-
ständniss, das Bekker Hom. Blätter S. 165, 37 noch immer wie
schon 5, 80, 21 dem Aristarch zuschreibt, hat W. C. Kayser im
Philol. XXII S. 509 £. beleuchtet. Es ist überhaupt interessant
und lehrreich, den Zeitraum zu. beachten, der verflossen ist, bevor
sich die Werthschätzung Aristarchs Bahn gebrochen hat. Den
- 19 --
ersten entschiedenen Ausspruch hat G. Hermann Opuse. II p. 49
gethan, wo er im J. 1813 über Aristarch also urtheilt: ‘Tam
enim οἷν ille admirabili fwit ingenio, ut viw putem ad iülustrandam
Homeri dictionem, quod recte acuteque animadversum sit, afferri
posse, quin illi cognitum perspectumque fuerit: ul haud sciam, an
perinde habendum sit, Homerum atque Aristarchum intelligere Dieser
Ausspruch hatte lange wie eine Stimme βοῶντος ἐν τῇ ἐρήμῳ ge-
klungen. Und selbst nach dem Hauptwerke von Karl Lehrs, das
6. Hermann im J. 1833 seinen Zuhörern als ‘epochemachend”
charakterisierte, sind noch Jahrzehnte vergangen, ehe diese Er-
kenntniss einen weitern Umfang gewann und eine Charakteristik
herbeiführte, wie die bei G. Bernhardy Gr. Litt. IP 8. 185 ἢ ge-
gebene. Jetzt gilt die Aufgabe, durch Erörterung der einzelnen
Fälle an den bezüglichen Stellen die gewonnene Erkenntniss ver-
breiten zu helfen. Mit dem Zuschlagen allein ist's nicht abgethan,
mit dem Vorwurf der ‘Verwässerung” für solche Bemühungen wird
nichts ausgerichtet. Nur ruhig geredet, gezeugt und gezeigt muss
immer werden. So lange der Irrthum sich wiederholt, sagt Goethe,
muss sich auch die Wahrheit wiederholen. [V.19 und 20 wurden
übrigens von Aristarch verworfen: ὃ γὰρ παρδαλέην ἀνειληφὼς καὶ
τοξικὴν στολὴν ἔχων οὐκ ἂν προκαλοῖτο εἰς μονομαχίαν, ἀλλ᾽ ὕστερον
ἐπὶ τοῦτο ἔρχεται ὀνειδισϑεὶς ὑφ᾽ Ἕκτορος. ἄτοπον δὲ καὶ τὸ ἅμα
πάντας προκαλεῖσϑαι, Friedlaender Aristonie. p. 81; Köchly ver-
wirft 18 und 19 vgl. de Iliad. carmm. diss. IV. p. 5 ἢ, Düntzer
homer. Abhandlungen p. 246 und Benicken das dritte und vierte Lied
vom Zorne ete. p. 156 V. 18—20.] — 22. [βιβάντα “omni caret libro-
rum auctoritate’ I‚a Roche, über das Schwanken zwischen βιβάντα und
βιβῶντα vgl. denselben homer. Textkritik p. 215.] Vers 23 ff. Mit
Recht bemerkt hier Nägelsbach: “Die Situation ist einer noch
andauernden Jagd entlehnt. So löst sich das alte Bedenken,
dass der Löwe kein Aas fresse’” Das todte Wild nemlich, auf
das der Löwe stösst, ist eben erst von nahen Jägern erlegt
worden: der Löwe lässt es aber darauf ankommen, ob dieselben
mit ihren Hunden den Versuch machen werden ihm ihre Jagd-
beute zu entreissen, weil ihn gerade hungert. Der Vergleichungs-
punkt ist also: Wie der hungerige Löwe in seiner freudigen
Begier der Gefahr nicht achtet, die ihm die Jäger bereiten, so
achtet Menelaos, in seiner freudigen Begier sich an Paris zu
rächen, nicht der Gefahr, die ihm von den übrigen Troern drohte.
Diesen Zusatz mit W. Vitz.
28. τίσεσϑαι, wie bereits Stephanus conjicierte, hat F. A.
Wolf [so La Roche] aus dem Venetus aufgenommen; vor diesem
las man allgemein den Aorist τίσασϑαι, der von Bekker wieder
eingesetzt ist. Ich glaube mit Recht. Da nemlich die Dichtung
schon von Vers 15 den Zweikampf einleitet, so ist hier der Ge-
danke an die Zukunft weniger passend, als die Hervorhebung
125
— 180 —
der That als einer rasch eintretenden, wie dieselbe That-
sache in gleicher Verbindung 366 (wo auch der Venetus τίσασϑαν
bietet) und im Gebete 351 hervorgehoben wird. Dazu aber dient
bekanntlich nach φάναι und ähnlichen Verben der Infinitiv des
Aorists. Denn derselbe wird dem Futurum vorgezogen, wie Bern-
hardy Synt. 5. 384 bemerkt, “wo die That und nicht die Zeit-
bestimmung überwiegt”, oder nach dem Ausdruck von Krüger
Spr. $ 53, 6, 9: der Infinitiv des Aorists “kann auch zeit-
und dauerlos überhaupt das Eintreten einer Handlung,
selbst einer zukünftigen, bezeichnen; ohne ἄν besonders da,
wo Zuversicht anzudeuten ist.” Das Letztere eignet sich ganz
für unsere Stelle, wo Menelaos auf den Sieg seiner gerechten
Sache (im Gegensatz zum ἀλείτης) “mit Zuversicht” hoffen konnte.
Unter den drei Beispielen aber, die Krüger Di. 53, 6, 4 aus
Homer für diesen Gebrauch erwähnt, sind die zwei letzten ὃ 504
und β 171 offenbar von der Vergangenheit zu deuten (die von
mir im Commentar erwähnten Parallelen haben melir Beweiskraft).
Man könnte auch unsere Stelle so erklären: “er dachte den Frevler
schon gestraft zu haben’, weil die Freude des Menelaos beim
Anblick des Paris in einem so starken Vergleiche bezeichnet wird.
Dann hätten wir zugleich Uebereinstimmung mit v 121, wo τίσασϑαι
auf allseitiger Ueberlieferung beruht. [Ich habe diese Auffassung
» 121 aufgeben zu müssen geglaubt. — Uebrigens will Cavallin
de temporum Infinitivi usu Homer. p. 35 f. mit Madvig an allen
Stellen den Inf. fut. hergestellt wissen, so Cobet Miscellan. crit.
1876 p. 328 f.] Anders dagegen ist der Zusammenhang ὦ 470
und in den von Heyne und Spitzner erwähnten Beispielen, in
denen mit Recht das Futurum steht. — 29. [Ueber ὄχος vgl.
Fick vergl. Wörterb. ? p. 187 unter vägha.] — Vers 35. Hippoer.
De Humor. ο. 4 T. Ip. 128: ὄφις ἐξαίφνης ὀφϑεὶς χλωρότητα ἐποίησεν.
Vgl. auch Ovid. Fast. II 341 f. Juvenal. I 43. Epit. Iliad. 254.
40. [van Herwerden quaestiuneulae epieae et eleg. p. 3 will
schreiben: ἤ σ᾽ οὕτω statt ἢ odrq.]
42. ὑπόψιος, eigentlich “von unten angesehen’, daher ein
Verachteter der Anden: vgl. J. La Roche über den Gebrauch
von ὑπό bei Homer 85. 36. “Schon im Skt. upa-iksh 1) be-
achten, 2) misachten; upekshyas 1) respiciendus, 2) negli-
gendus; upekshä Verachtung. Vgl. das lat. suspicere 1) hoch-
achten, und mit etwas anderer Nüangierung des Gegensatzes:
2) beargwöhnen, vgl. das nachhomerische ὑποψία, ὑφορᾶσϑαι. Die
Differenzierung der Bedeutung liegt schon in der Präposition:
vgl. 6. Curtius Etym. Nr. 393. Also ist der Sinn von ὑπόψιος
ἄλλων qui ceteris contemptui est.’ G. Autenrieth. — 44. [Lehrs
Aristarch. ? p. 451 versteht wegen der Stellung des Adjectivs καλόν
die Worte in dem Sinne von: οὕνεκα τὸ εἶδος ἔπεστι καλόν τι ὄν.]
45. [van Herwerden ἃ. Ὁ. p.4 vermuthet wegen des Hiatus
— 18 —
in τοιόσδε ἐών --- τοιοῦτος ἐών oder τοιόσδ᾽ ἄρ᾽ ἐών.] Hektor hat
seinen Vorwurf εἶδος ἄριστε (39), um desto stärker zu wirken,
den Feinden in den Mund gelegt. Die schwache Interpunction
nach ἔπ᾽ ist Aristarchisch, wie aus Nikanor hervorgeht, und sie
ist nothwendig. Denn die blosse Meinung, dass ein Fürst oder
Held von hervorragender Schönheit Vorkämpfer sei, kann doch
kein Gegenstand des Spottes oder des Jubels sein, wohl aber der
Umstand, dass ein solcher Held als Vorkämpfer zwar äussere
Schönheit und prahlerische Haltung zeige, doch in Wahrheit ein
Feigling sei. Daher stimme ich wie W. Dindorf mit G. Curtius
Philol. III 8. 17 f. und Joh. Classen Beobachtungen (Frankfurt
1867) 8. 22 f. [Vgl. auch Doederlein öffentl. Reden, Frankfurt
1860, p. 353. — Eine abweichende Erklärung des Folgenden giebt
Bischoff über homerische Poesie, Erlangen 1875 p. 63.] — Vers 51.
κατηφείη. Vgl. Plutarch. Tib. Gracch. c. 17. — 52. [Die auffor-
dernden Fragen mit οὐκ ἄν im Optativ sind besprochen im Philol.
XXIX p. 140 £]
54. Statt der Ueberlieferung χραίσμῃ hat Bekker, dem Doeder-
lein in seiner Ausgabe gefolgt ist, die Conjectur χραίσμοι auf-
genommen, eine bei Homer isolierte Optativform. Aber dadurch
wird wie mir scheint der Vorwurf des Hektor zu stark und zu
einseitig betont, als wenn es nur darauf ankäme, den Paris mit
Worten zu züchtigen. Es hat vielmehr Hektor die Schlaffheit
und Weichlichkeit des Paris deshalb in spöttischem Tone ge-
tadelt, weil er ihn anreizen will, den Kampf mit Menelaos auf-
zunehmen. Dies erhellt aus Vers 52. Und so hat es auch Paris
verstanden, wie 67 beweist. Aehnlich wie hier der Conjunetiv,
steht das Futurum μωμήσονται Γ 412. Ich habe daher χραίσμῃ
unangetastet gelassen. — Die deiktische Kraft des Pronomens in
τὰ δῶρα, 7 re κόμη τό τε εἶδος hat Payne-Knight Proleg. LIX
gut auseinandergesetzt mit dem Zusatz: “dum κίϑαριν, quam Paris
secum in proelis non habebat, sic indicare haud licwit. [Die Kithar
in so enger Verbindung mit den Gaben der Aphrodite scheint auf
Liebeslieder zu deuten, oder Paris ist Kitharist, wie Apollon:
vgl. Welcker ep. Cycl. ! p. 340.] — Vers 57. Anspielung auch
bei Synes. de Regno c. 16 p. 16". [Der Vers wird verworfen
von Soutendam observationes in Hom. et Scenicos 1855 p. 19.]
— Vers 65 erwähnt auch Dio Chrysost. or. XXX p. 549. Vgl.
Soph. Fragm. 749. Heliodor. V 15. — Vers 70. Diese χτήματα
im griechischen Epos erinnern an den Nibelungen-Hort im deut-
schen Epos.
100. Bekker hat aus Analogie mit Z 356 und 42 28 des
Zenodotos Lesart ἕνεκ᾽ ἄτης aufgenommen. Aber der Zusammen-
hang dürfte doch wohl ein anderer sein. Denn Z 356 εἵνεκ᾽
ἐμεῖο κυνὸς καὶ ᾿Αλεξάνδρου ἕνεκ᾽ ἄτης wird das Vergehen der
-- 12 —
Helena und die Schuld des Alexander als gemeinsame Ursache
für das böse Geschick mit einander verbunden, und 2 28 wird
erzählt, dass Ilios wegen der Schuld des Paris den erwähnten
drei Gottheiten verhasst sei. Anders ist hier die Sachlage, in
welcher Menelaos spricht. Es könnte zwar Jemand auf den ersten
Blick die Meinung hegen, dass die Worte εἵνεκ᾽ ἐμῆς ἔριδος die
Gegenüberstellung eines Begriffes verlangten, welcher ebenso das
gegenwärtige Verhältniss des Paris bezeichnete, wie ἔρις das des
Menelaos: Menelaos sei der wegen angethaner Beleidigung Strei-
tende, Paris sei der Schuldige. Doch es machen sich bald
zwei entscheidende Bedenken geltend: 1) Menelaos kann und will
hier nicht stärker reden als Hektor 87, was wohl auch Fr. Spit:
ner mit den Worten “At Menelaus Hectori potius gratifi-
catur v. 87 de Paride dicenti τοῦ εἵνεκα νεῖκος ὄρωρεν᾽ hat
bezeichnen wollen; 2) wer auf einen Vorschlag zur Versöhnung
eingeht, wie hier Menelaos, der pflegt dem Gegner den begange-
nen Frevel nicht mehr im nacktesten Ausdruck vorzuwerfen, son-
dern gebraucht dafür eine mildere Bezeichnung, ohne deshalb die
Wahrheit zu verleugnen. Diese Seelenkunde ist bei Homer überall
gewahrt. Zur Unterstützung der Lesart ἀρχῆς können auch X 116.
E 63. A 604 dienen, sachlich auch B 377 ἔ. In solchem Zu-
sammenhange nun war es möglich, dass Aristarch bei der Lesart
ἄτης hier und 2 28 an die andere Bedeutung des Wortes, an
eine “göttliche Verblendung’ des Paris denken und so in diesen
Stellen eine Apologie finden konnte. Indes findet sich sonst bei
Homer für diese Bedeutung kein Beispiel mit dem blossen persön-
lichen Genetiv. Denn selbst o 233, woran man hier allenfalls
denken könnte, ist anderer Natur. [Ueber die Auffassung des
Kampfes als Gottesurtheil vgl. Funkhänel im Philol. IT p. 389 #f.]
103. Statt der Ueberlieferung δ᾽ &gv’ hat Bekker (nach dem
Vorgange von Payne-Knight) aus Conjeetur Fdgv’ gegeben, hat
aber vergessen “Heynius” hinzuzusetzen, den er sonst zu erwähnen
pflegt und auch 119 bei ἰδέ statt ἠδ᾽ erwähnt hat. Das Asyn-
deton wäre wie O 718. — Ueber den chthonischen Charakter
der γῆ vgl. die Nachweisungen von G. Autenrieth bei Nägelsbach.
[Vgl. auch Schoemann griech. Alterth. I p. 62. — V. 103—110
werden gegen Lachmann gerechtfertigt von v. Leutsch im Philol.
XXX p. 59, vgl. Benicken das dritte und vierte Lied p. 158:
108— 110 werden auch von Düntzer hom. Abh. p. 249 und
Köchly de Iiad. carmm. IV p. 6 verworfen.]
112. [παύσασϑαι ist mit La Roche aus den besten Hand-
schriften hergestellt statt des sonst gelesenen παύσεσθαι. Vgl.
La Roche annotat. critica zur Stelle. Dagegen verwirft Cobet
Miscellan. cerit. 1876 p. 328 ff. an allen Stellen, wo das regie-
rende Verbum auf die Zukunft weist, den Inf. Aor., vgl. auch
zu Γ΄ 28.]
-- 13 —
115. Buttmann im Lex. Nr. 100, 9 hat zuerst die Worte
ὀλίγη δ᾽ ἦν ἀμφὶς ἄρουρα in der Hauptsache aufgeklärt. Nur
seine Beziehung des ἀμφίς “wenig Raum um eine jede Rüstung”
scheint mir für die Sprache zu gesucht und zu künstlich zu sein
und ausserdem einen matten und kleinlichen Gedanken zu geben.
Denn nach dem allgemeinen und beide Parteien zusammen-
fassenden Gedanken ‘die beiderseitigen Helden (Achaeer neben
Achaeer und Troer neben Troer) legten ihre Waffen auf der
Erde nahe an einander’ muss auch das dupis, da es ohne
näheren Zusatz steht, dieselbe allgemeine Bedeutung behalten:
wir sind nicht berechtigt die Specialität von ‘zwischen’ und “eine
jede’ oder “der Einzelnen” unterzulegen, zumal da auch ἄρουρα
nicht speciell einen ‘Zwischenraum’, sondern allgemein das “Erd-
reich” bezeichnet. Kurz wir dürfen das ὀλίγη δ᾽ ἦν ἀμφὶς ἄρουρα
nicht mit einem etwaigen ὀλίγη δὲ μεσηγὺς ἄρουρα für identisch
erklären. Hierzu kommt zweitens: es handelt sich nicht speciell
um das dichte Nebeneinanderliegen der Rüstungen, das noch
eine nähere Ausführung verlangte, sondern es soll nur die Menge
der Waffen veranschaulicht werden. Mit Recht sagt Könighoff
Critiea et exegetica, (Münstereifel 1850) p. Υ sq. Folgendes:
“Nescio an aliis idem quod mihi accidat, ut paullulum offendantur
60, quod ewigua fuisse circum arma terra seu ager dicatur ;
languidius certe hoc quidem loco id ipsum dietum esse, quo quum
satis declaratum sit verbis τὰ μὲν κατέϑεντ᾽ ἐπὶ γαίῃ πλησίον ἀλλή-
λῶν facile carere possimus, spero neminem fore quin sentiat.’ Drittens
beweisen die vier Parallelstellen, die eine ähnliche Färbung der
Rede haben, $ 476. Θ 481. #123. Ψ 330, dass mit einem der-
artigen Zusatze zu den unmittelbar vorhergehenden Worten nicht
eine Exegese, sondern ein neuer auf das Ganze bezüglicher
Gedanke gegeben sei. Daher scheint mir hier in den Worten der
einfache und natürliche Sinn zu liegen: “gering aber war auf
beiden Seiten das Erdreich: so sehr war Alles bei den Achaeern
und Troern mit Waffen bedeckt.’ [Wird πλησίον ἀλλήλων auf das Object,
die Rüstungen bezogen, so ist damit die Beziehung auf die beiden
Parteien schon im Wesentlichen vergessen, da ἀλλήλων — ἄλλος
ἄλλου doch auf die einzelnen Helden führt. Daher scheint bei
der engen Beziehung zwischen πλησίον ἀλλ. und ὀλίγη, welche dem
Zusatz zweifellos die Bedeutung eines parataktischen Folgesatzes
giebt, es natürlicher bei ἀμφίς an die einzelnen Rüstungen zu
denken, als an die beiden Parteien. Vgl. auch Autenrieth bei
Nägelsbach Anmerk. zur Stelle.]
121. ‘Der Gegenstand des bevorstehenden Zweikampfs, der
Preis des Sieges ist die bewunderte Helena. Sie seinen Hörern
vorzuführen, bevor der Zweikampf selbst dargestellt wird, war
dem Dichter ein Bedürfniss. Denn da Helena die Hauptperson ist,
-- 184 —
auf die alle Thätigkeit der übrigen Personen sich bezieht, so
würde dem nun folgenden Gemälde sein Mittelpunkt fehlen, und
der Zweikampf kein höheres Interesse in uns erwecken können,
wäre Helena nicht in unmittelbarere Verbindung mit ihm gebracht
und in die Kriegsscene gleichsam mit aufgenommen’ [d. i. nicht
als stumme Person, sondern in dramatischer Handlung vorgeführt].
“Auch ist die Art, wie Homer die Helena vorführt, ebenso natür-
lich als geschickt motiviert.” E. R. Lange in Ms. Vgl. über die
Teichoskopie auch Nitzsch Beitr. zur Gesch. der ep. Poesie 8. 96 f.;
Adolf Kiene Die Komposition der Ilias 5. 17. Dass übrigens
Priamos, wie nachher erzählt wird, erst im zehnten Jahre des
Krieges nach den Helden der Griechen fragt, das hängt theils
mit der Oekonomie der Ilias aufs Engste zusammen, da diese nur
einen Abschnitt aus dem zehnten Jahre schildert, theils gehört es
zu den märchenhaften Zügen des naiven Epos, das man nicht mit
der Wahrscheinlichkeitsrechnung eines modern reflectierenden Ver-
standes heimsuchen darf. In den blühendsten Zeiten des Hellenen-
thums hat kein Hörer des Homer an Beantwortung derartiger
Fragen gedacht. Und dem Erklärer Homers gilt ebenfalls cum
grano salis das Wort des Livius: vetustas res scribenti nescio
quo pacto antiquus fit animus’ Vollkommen begründet ist
das Urtheil von G. Bernhardy Griech. Litt. II? 8. 162 über die
Mauerschau: ‘Sie hat den Reiz einer schönen Erfindung und ge-
fällt durch feine Züge der Charakteristik, wenngleich Manches in
diesem Gespräch verspätet erscheint; doch erregen die Fragen
an Helena im zehnten Jahre des Krieges kein stärkeres
Bedenken als die des Oedipus nach Laios beim Sopho-
kles. Sonst hat eine Bedeutung und den Werth eines argu-
mentum e silentio, dass Achilleus in der Musterung der Helden
nicht vermisst wird’ [Vgl. auch die Einleitung p. 169.] — 126.
[Ueber die Buntwirkerei vgl. Blümner Technologie und Termino-
logie der Gewerbe und Künste bei Griechen und Römern. Leipz.
1875, I p. 153 fl. — Die zweite Hälfte von V. 126, sowie die
beiden folgenden hält Overbeck antike Schriftquellen zur Geschichte
der bildenden Künste p. 34 Nr. 219 für eine Interpolation einer
späteren Periode, welche erst in realen Kunstwerken homerische
Stoffe, heroische Kämpfe kannte. Vgl. auch denselben in den Be-
richten der Kön. Sächs. Gesellsch. ἃ. Wissensch. 1868 p. 66 ff.,
wo er diese Ansicht gegen Brunn die Kunst bei Homer, Münch.
1868 p. 11 vertheidigt. Besondere Folgerungen für das Wesen
der Helena zieht aus dieser Weberei Steudener a. Ὁ. p. 94.]
— 141. [Ueber ὀθόνη vgl. Hehn Kulturpflanzen und Haus-
thiere p. 101 fi] — 144. [Zu diesem Verse vgl. Aristonic. ed.
Friedlaender p. 84 und Bergk griech. Literaturgesch. I p. 568.]
— Vers 145. “Aber schon im Namen Σκαιαὶ πύλαια liegt
angedeutet, was sich eigentlich von selbst versteht, dass
-- 15 —
Troia wenigstens noch &in anderes Thor gehabt habe’ G.
Autenrieth.
152. J. L. Hoffmann im Album des Litt. Vereins in Nürn-
berg für 1866 $. 49 giebt mit Recht folgende Erklärung: ‘Die
Alten, die auf dem Skäischen Thore sassen, waren gute Redner,
den Cicaden gleich, welche im Wald auf einem Baume sitzend
ihre lilienhafte, d.h. zarte, Stimme ertönen lassen. Man bedenke,
es waren Greise, denen keine eherne, unverwüstliche Stimme mehr
zur Verfügung stand; sie sprachen leise, aber lieblich, wie die
Grille zirpt. Man braucht sich nicht zu wundern, dass die Griechen
an dem eintönigen Schrillen, welches die Cicaden mit ihren Flügel-
decken hervorbringen, Geschmack fanden. Wenn in der Mittags-
hitze des Sommers alle Sänger des Feldes oder Forstes schweigen,
und tiefe Stille brütend über der Flur lagert, so erregt der mono-
tone, geschäftige, leise Ton einer Grille dasselbe friedliche Wohl-
behagen wie das Rieseln eines Baches, das ferne Klappern einer
Mühle, das Summen eines vorüberfliegenden Käfers” Den Stoff
zu dieser Erklärung geben Heyne Vol. IV p. 479 und G. Auten-
rieth zu Nägelsbach. Mit J. L. Hoffmann stimmt im Wesentlichen
überein Milde Die Sing-Cicaden (Breslau 1866) $. 20. [Ueber
die Lilie vgl. Hehn Kulturpflanzen und Hausthiere p. 163 8.1 —
153 [wird verworfen von van Herwerden quaestiunculae epicae et
eleg. im Vorwort.] — 154 ff. [Vgl. Nitzsch Beiträge zur Gesch.
ἃ. ep. Poesie p. 313. Gerlach im Philol. XXX p. 56.] — Vers 156 f.
Vgl. Philostr. Heroic. c. 2 8 18 p. 691. Rhet. Gr. VIII p.7 ed.
Walz. Lucian Ὁ. Mort. XVIII 2. — 158. [ϑεῇς statt ϑεαῖς ist
nach den besten Handschr. mit La Roche geschrieben, vgl. des-
selben hom. Textkrit. 279.] — 160. jNauck Melanges Greco-
Romains, Tom. III p. 14 ἢ verlangt γένοιτο statt λέποιτο.] —
162. [Ueber δεῦρο, δεῦτε vgl. Clemm in G. Curtius Stud. ΠῚ
p. 308 #.] — V. 164 erwähnt Hermogenes in Rhet. Gr. ΠῚ p. 438
ed. Walz und vergleicht Herod. I 45. — 167. [Ueber das Ver-
hältniss der Pronomina ὅδε und οὗτος vgl. ausser Philol. XXVII
p. 509 Windisch in G. Curtius Stud. II p. 256 f.]
179. Diesen Vers führte Alexander der Grosse als einen
seiner Lieblingsverse häufig im Munde: Plutarch. de fortitud. Alex.
p. 309. Er wird auch sonst oft eitiert wie bei Xenoph. Comment.
1Π 2; Sympos. 4, 6. Diod, Sie. XXIV 3. Max. Tyr. XXIX 1 p. ΤῸ ἢ
Themist. or. XIII p. 176°; XV p. 187° und Andern. Die Nach-
ahmungen dieses Verses erwähnt Peerlkamp zu Horat. carm. I 6
p. 28 ed. II. — Vers 182. Wegen der Begriffe μοιρηγενής und
ὀλβιοδαίμων vgl. K. Lehrs Popul. Aufs. 5. 166*, und zur Steige-
rung der Rede, in welcher ‘Priamos mit immer vollerem Munde
das Glück des Agamemnon preist’, giebt C. W. Nauck zu Cie.
Lael. XVI 59 lateinische Beispiele. In Versen, wie dieser und
178 ist, wird man die Diäresis in ’Argeiön sicherlich nicht gehört
-- 186 —
haben. [?] Jede Regel hat ihre Ausnahmen. Man vgl. einen
ähnlichen Fall im Anhang zu A 267 καρτίστοις ἐμάχοντο und zu
B 102 die Form δῶκε statt ἔδωκε. — 183. [Barnes vermuthete
statt δεδμήατο κοῦροι ᾿4χαιῶν — δεδμήαται υἷες ᾿Αχαιῶν, dem
G. Curtius im Philol. III p. 20 zustimmt.] — Vers 184. Doeder-
lein zu 2 249 und Andere wollen καί auf das vorhergehende ἤδη
bezogen wissen. Dass aber χαί “auch’ dem Worte, zu dem es
gehört, nicht nachgesetzt werden könne, das ist wie ich meine
in M. Hauptii Observat. orit. Lipsiae 1841 gründlich erwiesen
worden.
185. Bei einer Interpunction nach Φρύγας nemlich würde der
Vers in zwei gleiche Hälften auseinander fallen: vgl. darüber den
Anhang zu y 34. Aber zur Wortstellung des zusammengehörigen
Φρύγας ἀνέρας vgl. die von Bekker im Monatsbericht 1864 8. 135
[= Hom. Blstt. II p. 15] gegebenen Beispiele: Κα 464. 470.
® 155. ἕ 3. δ. 114. 202. ἡ 156. 8 567. λ 14. 343. ξ 263.
o 473. m 65. g 432. 526. τ 271. ψ 311. Eine Ausnahme macht
H 13. P 140 und P 154. ‘Die umgekehrte Ordnung’, wie I’ 6.
ı 91. 96. ξ 335. τ 292, “herrscht bei den Appellativen vor, so
lange nicht der Vers oder ein Gegensatz anders verfügt.’ Bekker
8. 136, wo die zahlreichen Beispiele angeführt werden.
192. Der zur Partikel erstarrte Imperativ ἄγε hat im home-
rischen Verse folgende Stellung. Bei Weitem in den meisten
Fällen, so dass man von regelmässig sprechen kann, bildet ἄγε
die zwei Kürzen des ersten Fusses und das apostrophierte ἄγ᾽
eine dieser Kürzen, am häufigsten in dem stabilen Versanfange
ἀλλ᾽ ἄγε oder ἀλλ᾽ ἄγ᾽, sodann in εἰ δ᾽ ἄγε. [Ueber die letztere
Formel vgl. jetzt L. Lange de formula Homerica εἰ δ᾽ ἄγε. Lips.
1873.] Die noch übrigen Stellen, wo ἄγε im ersten Versfusse
steht, haben das mit einander gemein, dass der Satz ebenfalls
mit dem Versanfang beginnt, wie in nei’, ἄγε δή β 349. τ 16
und in δεῦρ᾽ ἄγε 9 145. 205. μ 184 oder δεῦτ᾽ ἄγε & 11 (welche
letztere Verbindung unserer Stelle und ihren Parallelen am näch-
sten kommt); endlich mit Vorsetzung der betonten Worte in δῶρα
δ᾽ ἄγ᾽... δώομεν H 299. νῶι δ᾽ ἄγ᾽... τραπείομεν E 814. νῦν
δ᾽ ἄγε A141. Χ 391. Einmal steht das blosse ἄγε zur Einleitung
des Nachsatzes: εἴς, ἄγε δή N 407 (wie εἰ δ᾽ ἄγε den Nachsatz
einleitet ὃ 832 und εἰ δ᾽ ἄγετ᾽ X 381 und δεῦρ᾽ ἄγε © 906).
Sodann ist ein längerer Vocativ die Veranlassung, dass ἄγε in den
zweiten Versfuss tritt, wie in ᾿Αντίλοχ᾽, εἰ δ᾽ ἄγε P685. #581,
in ὦ γέρον, εἰ δ᾽ ἄγε ß 178 und παῖδες ἐμοί, ἄγε γ 475. Aber
auch den sonst formelhaften Versanfang finden wir zweimal an
dieser Versstelle mit vorhergehender stärkster Interpunction, nem-
lich in Αἴολος. ἀλλ᾽ ἄγε κ 44 und κήδεσιν. ἀλλ᾽ ἄγε τ 378. End-
lich haben wir dieselbe Formelverbindung zweimal im fünften
Fusse in dem Versschluss ἀλλ᾽ ἄγε ϑᾶσσον T 68. T 257. Was
-- 18 —
den Plural anlangt, so ist dieser nur im ersten Fusse gebraucht
und zwar stets in den stabilen Versanfängen ἀλλ᾽ ἄγετε, ἀλλ᾽ äyer,
ἀλλ᾿ ἄγεϑ᾽. Bloss δεῦτ᾽ ἄγετ᾽ H 350 und νῦν δ᾽ ἄγεϑ᾽ 1 213
bilden eine Ausnahme. — Vers 197. Ueber πηγεσίμαλλος vgl.
Doederlein Hom. Gloss. Bd. II S. 381 Zusätze zu I 31. [Meyer
in Curtius Stud. V_p. 93, wegen ἐγώ γε den Anhang zu A 282.]
206. Ob man in den hierher gehörigen Stellen ἀγγελίη fest-
zuhalten oder ein Masculinum &yyeAlng anzuehmen habe, darüber
hat mit Anführung der Gewährsmänner G. Autenrieth zu Nägels-
bach eine gründliche Erörterung gegeben. Mir schreibt er darüber
noch Folgendes: “Zu ἀγγελίην ἐλθεῖν als abstr. stimmt zwar ἐξεσίην
ἐλθεῖν Krüger Di. 46, 1, 2, vergleichbar mit Rig-Veda I 12, 4:
yadi agne yäsi dütyam — ὅταν ὦ "Ayvı ἴῃς ἀγγελίην, aber dem
Masculinum ἀγγελίης (neben ταμίης, νεηνίης Leo Meyer II 407.
466) steht nichts im Wege, die grammatische Tradition aber zur
Seite; vergleichbar Rig-Veda VII 3, 3: sam düto iyase hi devan
und Anderes, woneben auch Instr. dautyena ägatya - ἐπ᾽
ἀγγελέῃ ἐπελϑών Ναὶ. IV 15. Die von mir vermuthete Etymologie
fand ich inzwischen auch bei Corssen Krit. Beitr. $. 405 und Leo
Meyer I 351, während Bopp Accent.-System 8. 166 die Schwei-
zer'sche angenommen hat. Vgl. jedoch H. Weber Etym. Unters.
1 47, der eine neue Ableitung aufstellt, die besser scheint.’
207. [Unter Vergleich von 2 17. E 238. 0 575 verlangt
Cobet Miscell. erit. 1876 p. 421 hier τούσδε δ᾽ ἐγὼ ξείνισσα statt
τοὺς δ᾽ ἐγὼ ἐξείνισσα.
211. In Vers 208 heisst es φυὴν ἐδάην καὶ μήδεα. Darauf
wird 209 bis 211 die φυή geschildert, während die μήδεα 212
bis 224 erläutert sind. Daher kann γεραρώτερος nur auf die
äusserliche Würde, auf die stattliche Statur bezogen werden,
wie auch die Verse 169 und 170 nur andere Wendungen ent-
halten für den Begriff, der 167 mit ug re μέγας τε bezeichnet
vorhergeht. Zu dieser parallelen Charakteristik des Menelaos und
Odysseus vgl. Lessing Laokoon XXII. — Vers 212. Zu μύϑους
ὕφαινον vgl. sermones texere wie bei Plaut. Trin. ΠῚ 3, 69.
Bekker hat die Conjectur des Casaubonus ἔφαινον in den Text
genommen.
215. Bäumlein hat mit vorhergehender stärkerer Interpunction
ἦ καί aufgenommen, was auch Nügelsbach und Fr. Thiersch de
analogiae Gr. capit. I p. 435 (‘et erat sane pro quamquam,
quod ipsum asseverantis est’) für das Richtige halten. Dass schon
Nikanor sich für ἦ bestimmt entschieden habe, wie G. Autenrieth
bemerkt, finde ich bei Friedländer nicht angegeben: in Nikanors
Note ist nur die einfache Relation über beide Schreibarten ent-
halten. Wohl aber sagb noch Schol. A πιϑανώτερον βαρύνειν τὸν
ἢ καὶ ἀντὶ τοῦ εἰ παραλαμβάνειν, welche Worte nach der Ver-
muthung von Lehrs Q. E. p. 61 vielleicht dem Herodian ange-
-- 188 —
hören. Ich habe dieses allseitig überlieferte ἤ unverändert ge-
lassen und als indirecte Frage gefasst, so dass die Stelle unter
die im Anhang zu v 415 erwähnten Fälle gehört. Hierdurch ge-
winnt ἀφαμαρτοεπής, das absolut gesagt nicht ohne Anstoss wäre,
die nöthige Beziehung. Denn in N 824 ist ἁμαρτοεπές durch das
nachfolgende ποῖον ἔειπες gestützt. Ein betheuerndes 7 dagegen
als Begründung des ἐπιτροχάδην klingt mir hier nicht homerisch,
theils weil schon ἦ os 213 vorhergeht, theils weil solche Be-
theuerungssätze im Versanfang einen neuen Gedanken einleiten,
aber nicht als blosse Anhängsel hinzutreten. Es bliebe noch die
Möglichkeit der Auffassung, welcher 8. L. Povelsen Emend. p. 75 sq.
und Füsi folgen: “Oder auch er war jlinger an Jahren und darum
weniger geübt und kunstfertig im öffentlichen Sprechen.” Doch
es findet sich weder eine zweite Stelle dieser Art nach ἐπεί, noch
lässt sich der Gedanke als homerisch erweisen. [Wenn Ameis
als den Sinn dieser Worte bezeichnete: von den Eigenschaften
eines Redners besass er nicht die des Vielsprechens, sondern die
einer sehr hellen Stimme, auch sprach er nur zur Sache Gehöriges
und nichts Nutzloses — so bliebe abgesehen von der hellen Stimme
kaum eine nennenswerthe Eigenschaft, denn bei wenig Worten
nicht abzuschweifen ist doch ein sehr zweifelhaftes Lob. Diese
Erklärung ist verschuldet durch die Auffassung von ἀφαμαρτοεπής:
dass dies nicht bedeutet: zur Sache Ungehöriges redend, oder wie
Fäsi-Franke erklären: in der Rede abschweifend, von der Sache
alirrend, zeigt ἁμαρτοεπής N 824, das dort nur bedeuten kann:
verfehlt, unangemessen redend, auch A 511 οὐχ ἡμάρτανε μύϑων
= er traf das Richtige, vgl. auch A 344. I 56. Die Präposition
ἀπό ändert hier ebensowenig an der Bedeutung von ἁμαρτοεπής,
wie in dem Kompositum ἀφαμαρτάνειν, sie verstärkt nur den Be-
griff des Verbums. Bedeutet das Wort aber mit der Negation,
wie auch Nägelsbach es fasst: nicht Verfehltes redend, das Rich-
tige treffend, so fällt damit die an sich seltsame Erklärung, die
Ameis für die folgenden Worte ἢ καὶ γένει ὕστερος ἦεν gab, aber
auch zugleich die engere Verbindung von οὐδ᾽ ἀφαμαρτοεπής mit
dem vorhergehenden ἐπεὶ οὐ πολύμυϑος: vielmehr bildet οὐδ᾽ ἀφα-
μαρτοεπής dann den Gegensatz zu παῦρα μέν: zwar wenig, aber
treffend. Dass nemlich παῦρα μέν nicht in den nächstfolgenden
Worten ἀλλὰ μάλα λιγέως seinen Haupt-Gegensatz hat, zeigt die
Begründung ἐπεὶ οὐ πολύμυϑος: jene Worte sind also parenthetisch
eingeschoben und der eigentliche Gegensatz folgt in οὐδ᾽ ἀφαμαρ-
τοεπής. Bei dieser Auffassung ist es aber unmöglich den Worten
ἢ καὶ γένει ὕστερος ἦεν einen dem Zusammenhang angemessenen
Sinn abzugewinnen. Da aber die von Nägelsbach vorgeschlagene
Schreibung von ἦ und die Annahme einer parataktischen Aus-
drucksweise statt eines concessiven Nebensatzes durch die dafür
beigebrachten Analogien mir nicht hinreichend gestützt scheint,
-- 19 —
so habe ich mit La Roche die in einer Reihe von Handschr. sich
findende Lesart εἰ καί aufgenommen. — Auch 221 bin ich La
Roche gefolgt, der nach Strabo εἴη statt: Zt hergestellt hat, wor-
auf auch die Schreibweise der zwei besten Handschr. führt.] —
Vers 220. Statt der Ueberlieferung xe ξάκοτον will A. Spengel
im Philol. XXIII 8. 549 aus Conjectur κὲν &zorov “ein guter
dummer Kerl’ hergestellt wissen. Mir scheint die überlieferte Les-
art durch das beigefügte τινά “eine Art von mürrischem Burschen’
und durch αὔτως hinlänglich gestützt zu sein.
221. Gewöhnlich wird jetzt δή δ᾽ ὄπα gelesen, aber δ᾽ fehlt
in Venet. Tonwl. Eustath. Cant. Vind. 49; Strabo I 2, 5; Choer.
Can. 392, 8. Schol. BL. zu 4 462. H. Q. zu ı 491, [La Roche
hat in den von ihm verglichenen Handschriften dy 6° ὅπα über-
haupt nicht gefunden] und mit Recht bemerkt W. C. Kayser im
Philol. XXI 5. 312, dass dieses δ᾽ “unrichtigen - Voraussetzungen
über eine Unerträglichkeit des Hiatus seine Aufnahme zu ver-
danken scheine’ Das Digamma allein würde nichts entscheiden,
denn dies ist bei ὄπα auch A 137. Φ 98. ε 61 nicht gewahrt.
Der ganze Gedanke des Satzes enthält den Sinn: die Gewalt seiner
Rede wirkte um so mächtiger, je weniger sein äusseres Auftreten
versprochen hatte. So erzählt man auch von Lord Brougham, dass er
beim Auftreten gebückt gestanden und langsam gesprochen habe;
im Fortgang der Rede aber habe er sich immer mehr aufgerichtet ;
habe nach und nach feuriger gesprochen und am Ende die ganze
Gewalt seiner glänzenden Beredtsamkeit entfaltet. Aehnliches wird
von andern berühmten Parlamentsrednern berichtet. — Vers 222.
Die Worte ἔπεα νιφάδεσσιν ἐοικότα berücksichtigt auch Lucian.
Encom. Demosth. c. 5 und Bacch. 6. 7.
224. Auf diese einfache Weise haben schon die alten Er-
klärer die einzelnen Worte des Verses verbunden. Die Neuern
geben dem τότε ye eine andere Beziehung, so dass es ein Syno-
nymum des vorhergehenden ἔπειτα wird. Aber dadurch gewinnen
auch die übrigen Worte einen Sinn, der die Ansicht erzeugt, der
ganze Vers sei nur das Product einer andern Recension, die den
vorhergehenden Vers nicht enthalten habe. So urtheilen wirklich
H. Köchly De Iliadis carm. diss. IV p. 11 und L. Friedländer
anal. Hom. in Fleckeisens. Jahrb. Suppl. III p. 474, und Bekker
hat den Vers athetiert, nach dem Vorgange von Bentley, Heyne,
Payne-Knight. Da aber in der “Mauerschau’ die Helden nur in
Folge des Anblicks aus der Ferne beurtheilt werden, so ist es
naturgemäss, dass der Dichter beim Uebergang zu einem andern
Helden auf die äussere Erscheinung des vorhergehenden
noch einmal zurückkommt: ohne diesen Vers würde der Uebergang
von 223 zu 225 nach meinem Gefühl zu schroff erscheinen. Ich
folge daher in Erklärung und Verbindung der Worte von 224
— 100 —
den Andeutungen, die in den Notizen der Scholiasten enthalten sind.
[Zu den bekannten Erklärungen kommt jetzt die, soviel ich sche,
neue von Giseke im Lexicon Homericum ed. H. Ebeling. Berolin.
1871 p. 5 unter ἄγαμαι: tunc quidem non eodem modo obstipuimus
Ulixi speciem intuentes, quo nunc obstupescimus videntes eum rebus
gerendis occupatum ; nam verba facturus stulti hominis speciem prae
se ferebat. Non enim suo loco videtur legi hic versus et certe melius
legeretur post v. 220. — Ich habe die Ameis’sche Erklärung im
Wesentlichen festgehalten und nur so modificiert, dass ich das
gegensätzliche Gedankenverhältniss von 224 und 223 betone und
in 224 eine Recapitulation des im Vorhergehenden ausgeführten
Contrastes zwischen der äusseren Erscheinung und der rednerischen
Wirkung des Od. erkenne.] — Vers 227 τὲ καί mit trochäischer
Cäsur im vierten Fusse (Hoffmann Quaest. Hom. IT p. 207) ist
die Lesart des Aristophanes und Aristarch statt ἠδ᾽, das Spitzner
und Andere beibehalten haben.
228. τανύπεπλος kann nicht mit tavafdg zusammengesetzt
sein, weil dies in Compositis sein F entweder verliert (rava-Fnung,
τανηλεγής wofern dies nicht aus der Wurzel selbst componiert ist)
oder vocalisiert (ταναύποδα, wie καλαῦροψ); Edmund Weissenborn
De adjectivis comp. Hom. p. 14 will daher eine Imperativform in
τανυ erkennen. Nun hat zwar τανύω ravüraı auch ὕ, aber wenn
man die Composita mit τανυ- überschaut, so passt der Verbal-
begriff (zumal imperativisch) fast nirgends und, was wichtiger ist,
die Verba mit dem Classencharakter -vu werfen diesen in der Compo-
sition regelmässig ab. Die vorkommenden Composita sind (in
Homer): tevü-nang, τπεπλος, -φυλλος, -τανῦ-: γλωσσος, -γλώχινας, -πτέ-
φῦγι, “φλοιον. Wenn wir danebenstellen: πολύαινος (und Com-
posita bis -ωπός), βαϑύδίνης, ἡδυξεπής, τανὐυπτέρυγι λιγυφώνῳ
T 350, und die nachhomerischen aber alten Bildungen βαρύκοτος,
βραχυσίδαρος, ϑηλύνοος, πλατύρροος, παχύνοος, πραὔμητις,. so werden
wir keinen Augenblick anstehen, in τανῦ ((denn τανῦ nur aus
Position) ein altes Adjectiv zu erkennen (mit Leo Meyer Vergl.
Gram. II 251) und obige Composita für possessive zu erklären.
Für die Verwandten dieser Adjectiva in andern Sprachen und für
die Wurzel genügt es auf G. Curtius Etym.? 8. 63 δ, und 196 £.
[p. 67 und 217] zu verweisen; nur möchte noch hinzuzufügen
sein 1) dass τῇ (λαβέ) der Imperativ der einfachen Wurzel τὰ
mit abgefallener Imperativendung (im Sanskrit eine häufige Er-
scheinung) und Ersatzdehnung ist wie ἵστη, δίδου, δείκνυ, ἵει
und nicht tene heisst, sondern strecke die Hand aus (d. i.
halte die Hand auf oder her); 2) dass davon das einfachste Ad-
jectivum vorliegt in ταὔγετος (gestreckt geworden) für das lang-
gestreckte Gebirge (vgl. “Haarstrang’); 3) dass Composita wie die
obigen auch vorliegen im Skt. tanumadhyas mit schlanker Taille,
tanuväta tenuis ventus, tanugiras tenui capite, tanutala Arm-
—- 1 —
spange und andere.” Θ΄, Autenrieth. — Vers 229. “Man möchte
fast glauben, dass hier οὗτος δὴ Alug einmal gesprochen wurde
[mit Synizese: vgl. 4 131 Anhang]; vielleicht überhaupt δέ aus δή
(δαί), τέ aus τῇ, κέ aus Ἐκῇ (κά, κάν), γέ Skt. gha aus Ἐγή (γα)
vedisch ghä entstanden, wie μέν aus μήν (nv). G. Autenrieth.
— Vers 237 mit dem Schlusswort Πολυδεύκεα ist ein sogenannter
στίχος δολιχόουρος: vgl. Fleckeisens Jahrb. Bd. 95 8. 619. Das
Ausschauen der Helena nach ihren Brüdern bringt W. Sonne in
Kuhn’s Zeitschrift XV 8. 114 mit einer Scene bei Perrault Contes
des Ftes, la Barbebleu, in Parallele.
238. Seit F. A. Wolf wird μοὶ μία eng verbunden und die
Stelle erklärt: “hos eadem mihi (i. e. eadem quac me) peperit
mater.’ Aber von einer solchen Verbindung findet sich im Homer
keine zweite Spur: die Construction ist für den Dichter zu mate-
riell und zu künstlich, daher gehört sie erst ins Bereich der Späteren.
Man könnte hier statt dieser Erklärung eher nach αὐτοκασιγνήτω
das Komma tilgen und das Nomen unmittelbar mit τῶ verbinden,
so dass nur der betonte Begriff dem Relativum vorgesetzt wäre,
wie v 47 und anderwärts. Vielleicht haben, nach der trümmer-
haften Notiz des Nikanor zu schliessen, schon alte Grammatiker
diese Vereinigung für nöthig gehalten. Indes empfiehlt die Parallel-
stelle Τ' 293 den interpungierten Gedanken, so dass die Worte
den einfachen Sinn enthalten: “welche mir (leiblichen Brüder)
eine Mutter gebar.’ Es gehört zur Einfachheit der homerischen
Sprache, dass sowohl ein Verhältniss wie E 896 ἐμοὶ δέ σε γεί-
voro μήτηρ als auch der hier erforderliche Sinn durch den blossen
Dativ bezeichnet wird. Denn die richtige Beziehung dieses Dativs
zur Satzsubstanz ist aus dem Gedanken ersichtlich, darf aber nicht
durch künstliche Verbindung der Worte gewonnen werden. —
Vers 239. Ueber die direete Doppelfrage mit ἤ und 7 vgl. die
Angaben von G. Autenrieth bei Nägelsbach [und Praetorius der
homerische Gebrauch von ἡ (ἠε) in Fragesätzen p. 10 8] —
Vers 244 behandelt in Bezug auf die Lesart &j und Apollonios
Synt. p. 157, 14 A. F. Naeke Opuse. I p. 216 584. [Vgl. jetzt
Brugmann ein Problem der homer. Tertkritik p. 30, welcher Zenodot’s
Lesart ξῇ statt φίλῃ als die richtige Lesart zu rechtfertigen sucht.
&7 ist auf τούς zu beziehen.) — 249. [Ueber die hier und noch
mehr 259 ff. fehlenden Momente der Erzählung vgl. Bonitz über
den Ursprung der hom. Gedichte, ὃρ. 63, Anm. 86.] 250, Viel-
leicht καλέουσι σ᾽ ἄριστοι. Vgl. & 55: ἵνα μὲν κάλεον.
274. Die Gebräuche bei den feuerlosen Opfern sind nach
unserer Stelle folgende. Die Opferthiere werden in die Mıtte der
Opfernden gebracht. Letztere waschen sich die Hände. Hierauf
schneidet derjenige, der die Haupthandlung zu verrichten hat, mit
einem Messer dem Opferthiere die Kopfhaare ab, und diese werden
durch die Herolde an die andern Opfernden vertheilt. Dann spricht
- 192 —
die Hauptperson ein Gebet und schneidet den Thieren die Kehlen
ab. Die Nebenpersonen schöpfen sich darauf mit einer Kanne
den Wein aus dem Mischkruge in die Becher, libieren damit und
beten zu den Göttern. Einfacher ist das Opfer, welches Aga-
memnon, um sich mit dem Achilleus zu versöhnen, den Göttern
darbringt: T 250 f. Dort opfert Agamemnon allein. Nicht
Lümmer, sondern ein Eber wird geopfert, und es findet keine
Libation statt. Wenn nun manche im Verlaufe der Erzählung
daran Anstoss nehmen, dass Priamos (310) die Limmer wieder
mitnimmt, “geschlachtet wie die Ausleger annehmen” (Lach-
mann Betrachtungen $. 16, der die Erzählung des Dichters 292
bis 294 übersehen hat), und dass dann nicht angegeben ist, was
mit diesen Lämmern geschehen solle: so lässt sich auf diesen An-
stoss mit Η, Köchly De Iliadis carmin. diss. IV p. 4 Folgendes
erwiedern: “Desideramus hic sane nos posteri, quod poelae aequa-
libus aut notum erat aut supervacaneum videbatur, quoniam agebatur
de sacrificio certis ritibus patrando. Ad quod illustrandum si ad-
hibere licet simile illud quod T 250 sgg. describitur, auditores scie-
bant vel tacente poeta agnas illas non crematas sed aut in mare
aut in terrae voraginem praecipitatas esse’ — 276. [Eine andere
Auffassung der angerufenen Götter bei Preller griech. Mythol.
Ip. 71 Anmerk.] — Vers 277. ἠέλιος. Ueber diesen Nominativ
neben dem Vocativ vgl. Pfuhl in Fleckeisens Jahrb. Bd. 91
S. 719 f. mit den dort gegebenen Citaten; “ausserdem ebenso
im Rig-Veda I 2,5 Väyav-Indrag-ca (gleichsam ὦ Faiv Ἴνδρος
ze), wozu Rosen unsre Stelle vergleicht.” G. Autenrieth. — Vers 278.
Statt des überlieferten καὶ of hat Bekker in der annotatio καὶ ol
92 coll. T 259° vorgeschlagen. Aber das gäbe für Homer eine
isolierte Sprechweise. Denn an allen übrigen Stellen ist ὅς ze auf
ein bestimmtes ausdrücklich genanntes Nomen bezogen, wird
nirgends in solcher Allgemeinheit gesetzt, wie es hier der Fall
ist, wo man die Worte am Besten mit dem Paraphrasten bei
Bekker erklärt: καὶ οἱ καταχϑόνιοι δαίμονες τοὺς τελευτήσαντας
ἀνθρώπους τιμωρεῖσθε. Denn mit dem allgemeinen of’ und dem
Dual τίνυσϑον werden zusammengefasst einerseits Hades und Per-
sephone, andererseits die Erinyen. [? Vgl. zu I 457.]
285. [van Herwerden quaestiunculae epicae et eleg. p. 4 ver-
muthet als ursprüngliche Lesart ὅσσα (έξβοικεν statt ἥν τιν᾽
ἔοικεν.)
295. ἀφυσσόμενοι ist hier und K 579. # 220 die Ari-
starchische Lesart, wie die Notiz des Didymos besagt. Die ge-
wöhnliche Lesart war ἀφυσσάμενοι,, die noch in manchen neueren
Ausgaben steht und den Nebenzug des Schöpfens als bloss vor-
angegangenes Factum erzählt, während das Imperfect ἀφυσσόμενοι
ein anschauliches Bild giebt, das den Vorgang des immer wieder
erneuten Schöpfens vor Augen stellt, bis alle der Reihe nach libiert
- 198 —
haben. Ueber den Kanon überhaupt, der sich aus den derartigen
Lesarten Aristarchs ergiebt, vgl. Moritz Schmidt in Fleckeisens
Jahrbb. 1856 Bd. 73 8. 90.
301. [Für den Satz, dass die Sünde der Väter auch an den
Kindern geahndet werden müsse, giebt Belege aus der späteren
Literatur Frohberger zu Lysias or. XII $ 36. — 297—302 werden
von Düntzer hom. Abhandl. p. 250 verworfen.)
315. “Weil der bevorstehende Kampf nicht bloss über die
beiden Kämpfenden entscheiden soll, wie der Zweikampf in H,
sondern über den Ausgang des ganzen Krieges, so hat jedes der
beiden Völker noch seinen besondern Bevollmächtigten dabei, welche
jetzt die nühern Vorkehrungen treffen. Hektor und Odysseus
messen den Raum für die Kämpfer ab, legen dann zwei Loose in
einen Helm, um zu bestimmen, wer den Kampf beginnen soll, und
Hektor schüttelt den Helm, bis denn des Paris Loos herausspringt.
Unterdessen beten die Völker noch einmal zum Zeus. Andere
Beispiele des Loosens sind H 171. O 190. % 352. 861. ε 331.
κ 206. Das Verfahren ist immer das nemliche. Ueber den Ge-
brauch des Helmes hierbei vgl. Valcken. ad, Herod. III 128 p. 262.’
E. R. Lange in Msc. — Vers 316. ‘Da Ψ' 861. κ 206, wo unser
Vers wiederkehrt, πάλλειν unentbehrlich ist, so muss man es auch
hier beibehalten.” Derselbe. Wer nemlich hier βάλλον schreiben
will, muss denselben Begriff auch in die Parallelstellen einführen.
Denn an allen drei Stellen ist in dem nächsten Verse der Erfolg
des Loosens, als das Resultat des Ganzen erwähnt. Dieser Er-
folg aber wird naturgemäss an den Abschluss der Handlung
(an das Schütteln der Loose) angeschlossen. Mithin konnte in
kürzerer Darstellung der Abschluss als die Hauptsache den
Umfang der ganzen Handlung vertreten. Vgl. etwas Aehnliches bei
ἐπέρεψα zu A 39.
318. ἠρήσαντο, ϑεοῖσι δὲ χεῖρας ἀνέσχον ist die gewöhnliche
Lesart, aber Nikanor und Ptolemäos von Askalon lasen das (auch
in mehreren guten Handschriften [Laurentian. 3 und Stuttg.: La
Roche] enthaltene) ἠφήσαντο ϑεοῖς ἰδὲ χεῖρας ἀνέσχον. Und dies
letztere hat Heyne (und Bekker in ed. II) mit Recht in den Text
genommen. Denn es sprechen dafür wie ich meine drei Gründe:
1) Es schwindet dadurch der starke Gegensatz, der zwischen den
beiden Satzgliedern bei diesem Gedanken auffällig ist; 2) es ge-
winnt durch diese Lesart der Rhythmus des Verses; 3) wir er-
halten nun Analogie in der Sprache. Denn χεῖρας ἀνασχεῖν wird
nur da mit dem Dativ des Gottes verbunden, wo kein Verbum
des Flehens dabeisteht, sondern wo die Formel prägnant gesetzt
den Begriff des Gebetes mit einschliesst, wie E 174. Z 257. 301.
2 301. ı 294. Vgl. H 130 f. Wenn dagegen ein Verbum des
Betens (εὔχεσϑαι und ἀρᾶσθαι) ausdrücklich hinzutritt, so gehört
der im Satze stehende Dativ zu diesem Verbum finitum, wie © 347
Anhang zu Ameis, Homers Ilias I 13
_— 14 —
= 0 369 (wo εὐχετόωντο mit dem vorhergehenden πᾶσι ϑεοῖσιν
zu verbinden ist) T 254 (wo Διί mit εὔχετο zusammengehört).
v 355. v 97; ähnlich A 351. ı 527. Die Sache wird nicht ge-
ändert, wenn der Dativ des Gottes ganz fehlt, weil er aus dem
Zusammenhange selbstverständlich ist, wie 4 450. I’ 275. Σ 75.
e 239; ähnlich O 371. Denn auch das blosse Verbum des Betens
ohne den veranschaulichenden Zusatz χεῖρας ἀνασχών wird in be-
züglichem Zusammenhange absolut gesetzt, wie ἠρᾶτο vor einem un-
mittelbar folgenden Gebete E 114. K 283, oder gleich nach dem
Schluss des Gebetes mit vorangehendem ὡς # 149. y 62. 64.
ἢ 1. Hiermit denke ich Fr. Spitzuers Note genügend beleuchtet
zu haben. — Vers 329. Dass Homer am Paris nichts Anderes
zu loben gehabt habe, als dass er Ἑλένης πόσις ἠυκόμοιο gewesen
sei, wird bei Plut. Galb. c. 19 bemerkt.
335. Wegen dieses χάλκεον wird der Dichter mit Unrecht
getadelt von B. Giseke Hom. Forschungen 8. 38 $ 49. Ganz
ähnlich steht dieser Begriff & 371. Giseke hat überhaupt bei
seinen gründlichen Untersuchungen die Bemerkungen der Alten
zu wenig beachtet und ist zu vorherrschend geneigt, allgemeine
Gesetze auch da aufzustellen, wo die individuelle Darstellung der
Situation ihr Recht behauptet. Daher werden viele seiner Aus-
sprüche über Interpolation, über Ursprüngliches und Nachgeahmtes
usw. schwerlich einen weiteren Einfluss gewinnen. [334. 335 ver-
warf Zenodot: Düntzer de Zenod. p. 184 11
346. Manche wollen δολιχόσκιον von ὄσχος abgeleitet wissen:
aber diese mögen zusehen, ob ein “langzweigiger’ oder “lang-
astiger” Speer (denn etwas Anderes könnte es nicht heissen)
vielen gefallen werde. Die früher gewöhnliche Deutung, die noch
bei Damm steht, war bekanntlich weitfliegend. Aber weder
wird χιών jemals im Sinne von “fliegend’ gebraucht, noch hat
δολιχός in den andern Compositis die Beziehung auf die Weite,
noch lässt sich das o dann sprachlich vertheidigen. Denn die
damit verglichenen Worte sind nach der neuern Sprachwissenschaft
ganz anders zu erklären.
348. οὐδ᾽ ἔρρηξεν χαλκός die Aristarchische Lesart [welche
auch der Venet., Laurentian. 15 u. a. bei La Roche haben], statt
des gewöhnlichen χαλκόν, haben seit Heyne auch Andere aufge-
nommen. Mit Recht bemerkt J. La Roche Hom. Textkritik 8. 377:
‘Da sich of nur auf das Subject des Verbums ἔρρηξεν beziehen
kann, so ist die Schreibweise Aristarchs die allein richtige’ Ein
zweiter Grund dafür wird schon von Didymos berührt: die Sym-
metrie mit χαλκᾷ im folgenden Verse. Vgl.auch zu 524. Einen
dritten Grund giebt G. Autenrieth bei Nägelsbach an, nemlich dass
χαλκός allein gesetzt nirgends bei Homer den Schild bedeute. Als
vierter Grund endlich kann angeführt werden der Parallelismus
-- 19
A
der Verse 346. 347. 348 mit den Versen 355. 356. 357. In
den beiden ersten nemlich ist jedesmal der Kämpfer das Subject,
im dritten dagegen die Lanze. Derselbe Parallelismus findet sich
auch H 258. 259 mit 260. 261. — 349. [ἀσπίδι ἐν ist die Les-
art der besten Handschriften, vgl. darüber La Roche hom. Unter-
such. p. 127] — 351. [Statt ὅ we πρότερος κύκ᾽ ἔοργε will Cobet
Miscellan. crit. 1876 p. 404 lesen: ὅ we πρότερος κάκ᾽ ἔρεξε. Das-
selbe vermuthet van Herwerden quaestiuneulae epicae et eleg.
p. 4, hält indessen nach dem Homerischen Gebrauch noch für
passender: ὅ μὲ πρότερος χαλέπηνεν, vgl. T 183. 0 369. Β 378.
τ 83. = 131
352. δαμῆναι.» statt des gewöhnlichen δάμασσον, ist die Ari
starchische Lesart. Dieselbe giebt dem hier vorherrschenden Rache-
gedanken des Menelaos einen grösseren Nachdruck als der Impe-
rativ δάμασσον. Denn dieser lässt den Menelaos nur als Werk-
zeug des Zeus erscheinen, während er bei der Lesart δαμῆναι von
der eigenen Thatkraft erfüllt ist, wozu er nur den Beistand
des Zeus erbittet. Anders dagegen ist der Zusammenhang. bei
der Erzählung oder einer Anrede in Stellen wie Z 368. N 434.
IT 438. 543. 849. X 176. 271. 379. 446 und ähnlichen. Dass aber
hier im Gebete vor Allem der Begriff der Selbstrache vor-
herrscht, zeigt auch der Aceusativ δῖον ᾿Αλέξανδρον, wofür nieht
der sonst gebräuchliche Nominativ steht: vgl. die zu β 119
erwähnten Beispiele. Mit Recht bemerkt L. Dissen zu Demosth.
de corona p. 351 bei Erwähnung unserer Stelle: “cum prae-
valeat ultionis notio, vedeundum fwit ad aceusativum,’ mit Ver-
gleichung von & 174. Tweitens würde man bei einem Ueber-
gange zum Imperativ (da nach dem Gedanken die Begriffe τίσα-
σϑαι und δάμασσον zusammengehören) nicht die Partikel καί sondern
δέ erwarten, wie P 646 f. & 310. Drittens wird δαμῆναι durch
die Symmetrie mit dem Gebete 322 f. empfohlen: denn dort wird
die Strafe bloss als Vergeltung erwähnt, hier soll sie auch andere
abschrecken, beides aber hüngt eng zusammen: vgl. y 373 f. und
die bekannte Gerichtsformel unserer Vorfahren: “ihm selbst zur
Strafe und Andern zum Exempel.’ Aus diesen drei Gründen habe
ich die Aristarchische Schreibweise aufgenommen. Eine Fort-
setzung der Construction nach δός haben wir auch I’ 323 und
E 118, wo ebenso wie hier der Accusativ ἄνδρα im ersten Satze
als Object erscheint und beim zweiten als Subject im Gedanken
hinzuzunehmen ist. [Uebrigens verwarf Aristarch V. 352: Fried-
laender Aristonie. p. 88.] — Vers 354 gebraucht Imeian, Fugit.
©. 30. Vgl. auch Themist. or. XV p. 199. — Vers 357. Früher
hatte ich im Anhange zu « 101 die Schreibweise ὄμβριμον adop-
tiert, aber ich bin seitdem durch die Erörterung von W. C. Kayser
im Philol. XVIII 8. 655 ἢ. und C. A. J. Hoffmann Prolegom.
zu ® und Xp. 121 f. eines Bessern belehrt worden. — Vers 359.
13*
- 16 —
In der Schreibweise ἀντικρύς hier und an allen bezüglichen Stellen,
statt des gewöhnlichen ἀντικρύ, bin ich Bekker gefolgt, der hierbei
Bentley, Payne-Knight, Bothe zu Vorgängern hat.
362. ἀμφὶ δ᾽ ἄρ αὐτῷ ist die gewöhnliche Lesart. Aber
dieselbe ist doppelsinnig, da man αὐτῷ sowohl auf φάλον als auch
auf "Argelöng beziehen kann. Ja die letztere Beziehung giebt erst
den nach homerischem Sprachgebrauch erforderlichen Gegensatz.
Denn die casus obligui von αὐτός sind in der bei den Attikern
gewöhnlichen Bedeutung eius eieum an keiner homerischen Stelle
mit Sicherheit anzutreffen. Vgl. Doederlein Oeffentl. Red. p. 361
84. Eine dieser Stellen ist auch die vorliegende. Aber Aristarch
fand hier in seinen Urkunden αὐτῇ, wodurch jede Schwierigkeit
schwindet. Diese Aristarchische Lesart habe ich daher nach dem
Vorgange Heyne’s aufgenommen. Nun ist uns in dem Gedanken,
dass die Stücke des zersplitterten Schwertes um den Helm selbst
herumflogen, ein der Sache entsprechendes anschauliches Bild ge-
geben. Das scheint auch Heyne mit den Worten 'notio rei pi-
maria ad galcam nom ad comım (φάλον) pertine bezeichnet zu
haben. — Ueber φάλος und die damit zusammenhängenden Wörter
vgl. Buttmann Lex. Nr. 104 und Anton Göbel im Philol. ΧΥ͂ ΠῚ
8. 213. — Vers 363 ist ein στίχος τραχύς: vgl. in Fleckeisens
Jahrbb. Bd. 95 8. 618. [Dass das Erz des Schwertes von Bronze
zu verstehen sei, begründet Riedenauer Handwerk p. 103.] —
366. [Statt τίσασϑαι verlangt Cobet Miscellan. crit. 1876 p. 328
τίσεσϑαι, vgl. zu T’ 28 und 112.] — Vers 367. Zum χείρεσσιν ἄγη
macht mir G. Autenrieth folgende beachtenswerthe Bemerkung:
“Ursprünglich natürlich χείρεσσι Fdyn ohne Augment. Die Länge
in ἐβάγη könnte man als eine Dehnung ansehen, wie sie so häufig
auch im Vedischen gegenüber dem classischen Sanskrit sich zeigt;
indessen wäre doch möglich, dass in A 559 ursprünglich ἀμφὲ
F£Faye [oder Fefdye?] gesprochen worden sei; sonst müsste man
etwa eine Nachwirkung der ursprünglichen Position annehmen,
indem die Wurzel nach verwandten Sprachen zu schliessen (G.
Curtius Etym. 8. 475 [*p. 530]) ehemals Fayy gelautet haben
mag. Es giebt schon im Sanskrit eine Anzahl von Wurzeln, die
sowohl einfach als nasaliert vorkommen, und im letzten Grund
ist dies dieselbe Erscheinung, wie diejenige, dass dort (wie auch
im Griechischen) manche Verba die Eigenheiten verschiedener Con-
jugations-Classen aufweisen, eine Freiheit, die im Vedischen noch
grösser ist als im späteren Sanskrit’ In ἐάγη A 559 könnte
man vielleicht die Spur eines doppelten Augments finden, wie es
im nachhomerischen ἑάλων erscheint.
368. οὐδ᾽ ἔβαλόν μιν ist die gewöhnliche Lesart, die aber
folgende Bedenken erweckt. 1) Es handelt sich hier nicht bloss
um ‘Verwundung’, sondern um Vernichtung, da er 352 ausdrück-
lich zum Zeus betet δὸς... ἐμῇς ὑπὸ χερσὶ δαμῆναι. 2) Die Worte
— 1170 —
οὐδ᾽ ἔβαλον stehen mit καὶ βάλε 356 in Widerspruch: denn es ist
nicht homerische Sitte, dasselbe Wort in demselben Zusammen-
hange in verschiedener Bedeutung zu setzen. Sollte aber nur
der 360 gegebene Gedanke ὁ δ᾽ ἐκλίνθη καὶ ἀλεύατο κῆρα μέλαι-
vav hier mit οὐδ᾽ ἔβαλον hervorgehoben werden im Gegensatz zu
356, so erwartete man durchaus οὐδ᾽ ἔβαλ᾽ αὐτόν, nemlich ἔγχος
wie E 17. Π 479, nicht das tonlose μέν. 3) Mit ἔβαλον kommt
nur die Lanze in Betracht. Aber der Zusammenhang des Gebetes
verlangt, dass auch das Zersplittern des Schwertes, das ἄγη ξίφος,
als ein vergebliches berücksichtigt werde. Aus diesen (Gründen
habe ich die Lesart des Ammonius οὐδ᾽ ἐδώμασσα (mit Bekker
οὐδὲ δάμασσα geschrieben) für nothwendig gehalten. Eine Stütze
dafür ist E 191. Dieselbe Lesart hat Bekkers Paraphrast befolgt,
der die Worte οὐδὲ ἀπέκτεινα αὐτόν gebraucht, während er an der
ähnlichen Stelle 4 473 nur ἔτρωσε setzt. Nebenbei vermuthe ich,
dass das οὐδ᾽ ἐδάμασσα schon in der Aristarchischen Recension
gestanden habe. Denn Didymos hat die betreffende Notiz mit
den Worten gegeben: ᾿Δμμώνιος ἐν τῷ πρὸς ᾿Α4ϑηνοκλέα συγγράμ-
ματι ὁμοίως εἶχεν. Nun aber pflegt Didymos das Wörtchen ὁμοέως,
da zu gebrauchen, wo er zu Aristarchischen Lesarten noch den
Namen eines Andern hinzuftigt, der gleicher Weise geurtheilt
hat. Vgl. die schon von J. La Roche Didymus $. 16 erwähnten
Stellen zu ‘A 91. 169. 304. 423. 585. B 435. 579. 801. Γ 18
u.a” Jazu B 435 ist von V. statt ὁμοίως ebenso af πᾶσαι über-
liefert, wie an vorliegender Stelle πᾶσαι οὐδὲ δάμασα. γρά-
φεται καὶ ἔβαλόν μιν. V.’ angeführt wird. Daher scheint der An-
fang von des Didymos Note uns nicht erhalten zu sein. — 373. [Den
Aorist ἠράμην verwirft Cobet Miscellan. erit. 1876 p. 400 ἢ, als
unhomerisch und will nur ἠρόμην gelten lassen.) — Vers 396 f.
Vgl. Nägelsbach Hom. Theol. IV 10 bis 14. Uebrigens erhellt
zugleich aus dieser homerischen Stelle, dass das Frauengewand
den Hals und die Brust frei liess, und dass auch der vom Kopf herab-
hängende Schleier (zu « 334 und I’ 141) beides nicht unkennt-
lich machte. Vgl. hymn. in Ven. 181 ff.
403. Gewöhnlich wird mit Nikanor hier und 405 am Vers-
schluss Fragezeichen gesetzt. Aber dagegen streiten mehrere
Gründe: 1) der Gebrauch von οὕνεκα bei Homer, worüber Lehrs
de Arist.? p. 57 bemerkt hat: “Is partieula οὕνεκα ubique sic usus
est, ut enuntiationi, cuius rationem continet, post ponatur.’ Nach
der Trennung von οὕνεκα und τούνεκα in zwei verschiedene Sätze
schwindet auch das was Nägelsbach als “eine unlogische Bildung
des Relativums nach dem Wortlaute des Demonstrativs’ bezeich-
net. Es streitet dagegen 2) der innere Zusammenhang der Ge-
danken. Das καὶ κεῖθι φίλος nemlich sinkt zur bedeutungslosen
Phrase herab, wenn nicht mit οὕνεκα der Grund dafür [?] un-
mittelbar hinzugefügt wird. Nägelsbach erläutert zwar: “Oder
-- 198 --
willst du mich, nachdem Menelaos mich wieder erkämpft hat,
zurück zu Paris führen?” Aber weder von dem “oder” noch von
dem “nachdem’ ist im Texte eine Andeutung gegeben. Auch die
Worte ἧσο παρ᾽ αὐτὸν ἰοῦσα werden von den Commentatoren mit
“pleibe du selbst bei ihm’ oder ‘gehe doch selbst zu Alexan-
dros’ oder ähnlich erläutert, als wenn αὐτί und nicht αὐτόν im
Texte stände. Hierzu kommt 3) das Auffällige eines solchen
hypothetischen Satzes mit dem Indicativ (εἴ τίς τοὶ nemlich ἐστί)
in der Frage. Denn das blosse εἰ mit dem Indicativ findet
sich sonst nirgends bei Homer in einem Fragesatze. Vgl. εἰ
mit dem Indicativ a) des Präsens: A 178. T' 67. E 645. © 466.
K 176. 239. & 331. [?] Π 494. Υ 102. 372. ® 192. 372. Ψ 882.
« 275. ε 80. 139. κ 443. 473. x 256. σ 61; d) des Imperfects:
4 321. v 98; c) des Perfeets: 4 173. 4 362; d) des Plusquam-
perfeets: ψ 220; e) des Futurums: E 717. & 62. O 186. P 154.
418; f) des Aorists: E 104. N 153. O 460. ® 216. X 285.
a 237. y 256. ὃ 172. A 317. ξ 67. v 332. ὦ 352. Ans diesen
Gründen nun habe ich die Interpunction geändert mit Tilgung
der Fragezeichen, “quibus deletis mullo acerbior evadit ironia, wie
Lehrs de Arist.? p. 57 bemerkt. — Was sodann den Zusammen-
hang des ganzen Abschnitts betrifft, so hat Aristonikos hier (vgl.
denselben auch zu 4 208 sowie den Schol. Q zu ὃ 12) zu den
Versen 396 bis 418 von Aristarch ein ἀϑετοῦνται überliefert,
hauptsüchlich aus folgenden Gründen: πῶς γὰρ ἡ γραίᾳ παλαιγενεῖ
εἰκασμένη περικαλλέα δειρὴν εἶχε καὶ ὄμματα μαρμαίροντα καὶ στήϑεα
ἱμερόεντα; καὶ βλάσφημα παρὰ τὸ πρόσωπόν ἐστι τὰ λεγόμενα ἦσο
παρ᾽ αὐτὸν ἰοῦσα, ϑεῶν δ᾽ ἀπόεικε κελεύϑου, μηδ᾽ ἔτι
σοῖσι πόδεσσιν. καὶ εὐτελὴς κατὰ τὴν διάνοιαν μή μ᾽ ἔρεϑε
σχετλίη. Aber auf den ersten Einwwf ist zu erwiedern, dass
Gottheiten nie so vollständig die Gestalt bestimmter Menschen
annehmen, dass sie nicht noch Manches von ihrer göttlichen Ge
stalt und ihrem ursprünglichen Wesen beibehielten. Hieran wer-
den sie zuweilen erkannt: vgl. die im Anhang zu B 795 erwühn-
ten Stellen. Was zweitens die angebliche “Blasphemie gegen die
Person” betrifft, so werden auch sonst die Götter nicht selten von
den Menschen gescholten: B 112. T 365. I 19. M 164. X 15.
y 161. v 201. Vgl. Nägelsbach Hom. Theol. V 18. Der Zusatz
endlich wegen des Gedankens gehört zu den sogenannten Zopf-
urtheilen über Anstand, in denen Aristarch als ein Kind seiner
Zeit erscheint: vgl. den Anhang zu A 31. 39. 133. ξ 245. Der
Dichter hat den ganzen Abschnitt hinzugefügt, um die aufrich-
tige Reue der Helena, selbst der Verführerin Aphrodite gegen-
über, recht lebendig zu veranschaulichen. Denn Helena leistet
der Aphrodite erst Folge, als die Göttin die härteste Drohung
gegen sie ausgesprochen hat. So lassen sich denn die Verse 396
bis 418 nicht ausscheiden, ohne den Charakter des Ganzen zu
19 —
beeinträchtigen. — Auch die folgende drastische Scene bis 448
hat vielfachen Anstoss und Tadel erregt. Aber auch sie dient
mit Nothwendigkeit dem poetischen Zwecke. Der Dichter nemlich
musste zur Vollständigkeit des Charakterbildes den Paris
nicht bloss als Prahler und Feigling im Kampfe, sondern auch
als verweichlichten und wollüstigen Menschen drama-
tisch darstellen. Hierzu war bereits oben 54. 55 und 64 bis
66 eine Andeutung gegeben, und diese war dramatisch auszu-
führen, um auch von dieser Seite theils den lächerlichen Contrast
zwischen dem eigenen prahlerischen Wort (65. 66) und klüglicher
That, theils den komischen Contrast mit Menelaos zur Anschauung
zu bringen. Daher hüngt der Schluss 449 ff. mit 448 aufs Engste
zusammen. Während nemlich Menelaos als ächter Krieger den
Paris auf dem Schlachtfelde sucht, sitzt dieser bereits gesichert
und sorglos im Schosse der Wollust. Auch die neueste geheime
Detailgeschichte seit 1848 weiss aus den Kriegen solche parties
honteuses zu erzählen, die sich ein Homer der Gegenwart schwer-
lich entgehen lassen würde, ohne sie als verderbliche Confliete
zwischen Ares und Aphrodite darzustellen. Den Contrast zwischen
Paris und Menelaos zugleich in seiner Bedeutung für den Zu-
sammenhang mit dem folgenden Gesange hat schon Nägelsbach
8. 428 der Ausg. von Autenrieth also hervorgehoben: “ Während
Menelaos den Besiegten auf dem ganzen Schlachtfelde sucht, wäh-
rend Agamemnon bei den Troern auf Vollzug des Vertrages dringt,
ist Paris schon wieder im Besitze des Weibes, den er doch durch
seine Niederlage beschworenermassen verwirkt hat. Besiegt im
Zweikampf ist er Sieger im Reich Aphroditens. Die Leidenschaft
hat schon triumphiert über das Recht, der Vertrag ist schon ins-
geheim gebrochen, ehe er es durch Pandarus auch vor Aller
Augen wird’ Dass übrigens Aphrodite die kuppelnde Verführerin
ist und dadurch eine etwas komische Rolle spielt (392 ἢ. 423.
425), das harmoniert mit ähnlichen Situationen: E 335 ff. Φ 416 ff.
9 266 ff. Wenn sich aber der ganze Abschnitt von Paris und
Helena (383—448) durch weichen Ton und Glätte bemerkbar
macht, so gehört dies wohl unter die Zeugnisse für die Kunst-
fertigkeit des homerischen Genius, der für jede Situation die ge-
eignete Tonart und Farbengebung zu treffen wusste.
411. [πορσανέουσα: so schrieb wahrscheinlich Aristarch nach
La Roche hom. Textkritik p. 344.] — 414. [Die Drohung der
Aphrodite bezieht Steudener antiquarische Streifzüge p. 80 auf den
Verlust der Schönheit.] — 417. [Diesen Vers möchte Doederlein
Gloss. $ 2462 ausgeschieden sehen, so dass sich ἀμφοτέρων auf
Helena und Paris bezöge] — 422. [Ueber den Anstoss, den
Zenodot hier daran nahm, dass Aphrodite der Helena einen Sessel
bringt, vgl. Cobet Miscellan. erit. 1876 p. 227 f., auch Düntzer
de Zenod. stud. Hom. p. 174.]
450. [Zur Auffassung von εἴ ποὺ xr&. als Wunschsatz vgl.
L. Lange der hom. Gebrauch der Partikel εἰ I p. 404 £.]
453. M. Schmidt im N. Rhein. Mus. XX 8. 463 frägt: "Kann
es wirklich ἐκεύϑανον heissen, oder muss man ἐκύνϑανον herstellen?”
Das ist eine Frage, die sich schwerlich mit sicherer Evidenz be-
antworten lüsst. Aber bevor dieses geschehen ist, wird man an
der einstimmigen Ueberlieferung ἐκεύϑανον festzuhalten haben.
Sodann sind Andere, nach deren Meinung “&v oder κέν nicht feh-
len kann”, so kühn gewesen, die von Heyne erwähnte und ge-
billigte Conjectur ἔκευϑον ἄν sogar in den Text zu setzen. Aber
dabei wird angenommen, dass εἴ τις Zorro bloss “wenn ihn nur
einer gesehen hätte” bedeuten und nur auf den vorliegenden
Fall sich beziehen könne. Hiergegen aber sprechen wie ich meine
drei Gründe: 1) das vorhergehende τότε, das kein müssiger Zusatz
sein kann, sondern das den speciellen Fall dem allgemeinen
Handeln gegenüberstellt; 2) die Verbindung des Plural ἐκεύϑανον
mit dem Singular in εἴ τις Zoo. Ein Zwang, die Stelle nach
der herkömmlichen Deutung zu verstehen, wäre nur dann vor-
handen, wenn εἴ μὲν oder mit Wahrung des Digamma εἶ" ἴδοιεν
im Texte stände. Hierzu kommt 3) die nachfolgende neue Be-
gründung mit opiv πᾶσιν ἀπήχϑετο, die für einen vorher-
gehenden allgemeinen Gedanken passender erscheint, als für
den einzelnen Fall in seiner Beschränktheit. Auf diesen Erwägungen
nun beruht die gegebene Erklärung [: pflegten ihn zu ver-
bergen, wenn ihn einer nur sah, in iterativem Sinne], bei wel-
cher der ganze Gedanke an Nachdruck gewinnt. So scheint auch
Aristarch diese Stelle erklärt zu haben, da Aristonikos ganz all-
gemein bemerkt ὅτι ἀπηλλοτρίωντο τῷ ᾿Αλεξάνδρῳ ol Τρῶες. Der-
selben Erklärung folgt der Paraphrast bei Bekker: οὐ γὰρ διὰ
φιλίαν αὐτὸν ἔκρυπτον, εἴ τις αὐτὸν ἐθεάσατο. Zu diesem Gebrauche
des Optativs vgl. die Beispiele bei Biumlein Ueber die Gr. Μοᾶϊ.
S. 286 δ΄ [Der Verallgemeinerung des Gedankens in der Weise,
dass das ἐκεύϑανον verstanden werden sollte: pflegten zu ver-
bergen, und εἴ τις ἴδοιτο iterativen Sinn hätte, widerstrebt doch
die Situation, da den durch Aphrodite unsichtbar entrückten Paris
ja factisch Keiner gesehen hat und sonst sich schwer denken lüsst,
wie die Trojaner wiederholt in die Lage gekommen wären, die
Anwesenheit desselben zu verheimlichen. An ähnlichen Bedenken
leiden die übrigen Erklärungsversuche. Alle Schwierigkeiten
schwinden bei der jetzt nach L. Lange der hom. Gebrauch der
Partikel εἰ I p. 399 gegebenen Auffassung. Dagegen vermuthet
van Herwerden quaestiunculae ep. et eleg. p. 5: ἔκευϑον ἄν, εἴ
FeFlöovro: ‘non enim sane propter amicitiam Paridem
Trojani abscondissent, si eum vidissent.’]
456. “Τρῶες καὶ Δάρδανοι. Dieselbe Verbindung kehrt H 348.
368. © 497 wieder. Τρῶες καὶ Δαρδανίωνες steht H 414. Θ 154.
-- 01 —
Die Frauen werden Τρωιάδες oder Τρωαὶ καὶ Aagdavidss genann
Σ 122. 339. Die alten Ausleger meinen, der Name Adgdavor sei
synonym mit Δαρδάνιοε und bedeute die Bewohner der Stadt
Dardania, welche Meinung auch Strabo XIV p. 977® hegt. Aber
Homer widerlegt dieselbe durch IT 807 Δάρδανος ἀνήρ, Πανϑοΐδης
Εὔφορβος, denn Panthoos und seine Söhne sind Ilier: vgl. Γ 146.
N 756. & 450. 454. O 446, 522. II 535. Ρ 9. 24. 40. 59. 70,
81. Mithin sind Δάρδανοι und Τρῶες gleichbedeutende Namen,
sowie die Griechen ᾿Αργεῖοι, ᾿άχαιοί und Δαναοί heissen, welche
Namen auch auf ähnliche Weise zusammengestellt werden. Vgl.
4A 79. T 82. Drei Namen haben ferner die Unterthanen des
Achilleus: B 684 Μυρμιδόνες δ᾽ ἐκαλεῦντο καὶ Ἕλληνες καὶ ᾿ἡχαιοί.
Auch wolle man nicht unter Ζαρδανίωνες Nachkommen des Dar-
danos, etwa die herrschende Adelskaste verstehen, sondern das
Patronymikon steht als Volksname, und Homer sagt “Δάρδανοι,
“Δαρδανίωνες wie Καδμεῖοι, Καδμείωνες: A 385. 388. 391. E 804.
807. K 288. # 680. A 276. Vgl. auch Οὐρανίωνες [zu ἡ 242].
Sonderbar ist es nun aber freilich, dass in dem Verse Τρῶες καὶ
Δάρδανοι ἀγχιμαχηταί die gleichbedeutenden Namen durch einen
dritten getrennt sind, welcher, wie schon die Vergleichung mit
unserm Verse zeigt, die ἐπικούρους bezeichnet. Vgl. B 876. Wir
würden diesen Namen an der dritten Stelle erwarten, aber das
Metrum nöthigte zu einer andern Stellung, die, wie der Dichter
bei Dingen die ihm sehr geläufig waren glaubte, zu keinem Mis-
verständniss Veranlassung geben konnte.” So E. R. Lange in Ms.
Ueber das berührte Verhältniss der Namen Τρῶες und Δάρδανοι
hat Gladstone Hom. Studien von Schuster $. 404 Folgendes be-
merkt: “Uebrigens verblieb der Name Τρῶες auch noch den Dar-
danern; denn Homer gebraucht nicht nur den Namen Τρῶες (a
potiori) für die ganze den Griechen entgegengestellte Streitmacht,
sondern er bezeichnet auch mit dem Worte Τρῶες den Theil des
Heeres, der unter beiden Linien des dardanischen Königshauses
stand, und unterscheidet diesen Theil von dem Reste des Heeres,
für den er den Namen ἐπίκουροι gebraucht B 815 (vgl. Z 111.
N 755. P 14. Σ 229)” Die damit verglichenen drei Namen für
die Griechen bei Homer hat jetzt Albert Schuster in der Zeitschr.
ἢ ἃ. G.W. 1867 5, 741 ff, genauer behandelt. Was endlich den
stabilen Vers betrifft Τρῶες καὶ Adzıoı καὶ Δάρδανοι ἀγχιμαχηταί
(vgl. zu Θ᾽ 173), so hat man nicht nöthig an metrischen Zwang
zu denken, sondern den Τρῶες in engerer Bedeutung sind die
«Αύκιοι καὶ Δάρδανοι als zwei Hauptvertreter der ἐπίκουροι formel-
haft beigefügt. [455—461 werden übrigens von Düntzer homer.
Abh. p. 250 verworfen.]
Anhang zu Ameis, Homers Ilias I. 13**
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ANHANG
ZU
HOMERSILIAS.
SCHULAUSGABE
von
K. F. AMEIS.
II. HEFT.
ERLÄUTERUNGEN ZU GESANG V—VL.
ZWEITE UMGEARBEITETE UND MIT EINLEITUNGEN VERSEHENE AUFLAGE,
BESORGT
vox
Dr. C. HENTZE,
OBERLEHRER AM GYMNASIUM ZU GÖTTINGEN.
᾿ &
LEIPZIG,
DRUCK UND VERLAG VON Β. G. TEUBNER.
1882.
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Δ.
Einleitung.
Litteratur: Lachmann Betrachtungen p. 19—20 und darin
Haupts Zusätze p. 105f.; Benicken das dritte und vierte Lied
vom Zorne des Achilleus nach K. Lachmann aus IT’ und 4 der
Ilias herausgegeben, Halle 1874 p. 40ff., Benicken das fünfte
Lied vom Zorne des Achilleus ete,, Halle 1873 p.1ff. Zu Lach-
manns Kritik: Fürber disputatio Homerica, Brandenburg 1841
p. 29#, Grofs vindiciarum Homericarum part. I, Marburg 1845
Ρ. ὅ8 δ΄, Bäumlein in Zeitschr. f. Altertumswiss. VI, 1848 p. 335,
Blätter für litterarische Unterhaltung 1844 p. 503 ἢ, Hoffmann
im Philol. III p. 207 ff, Düntzer in ἃ. allgemeinen Monatsschrift
für Litterat. 1850, II—= Homerische Abhandlungen p. 46. 53f.,
Friedlaender die homerische Kritik von Wolf bis Grote p. 67,
Holm ad Car. Lachmanni evemplar de aliquot Iliadis carminum
compositione quaeritur, Lübeck 1853 p. 4, Gerlach im Philol. XXX
p. 208. — Köchly de Iliadis carmm. dissertat. IV, Turiei 1857
Ρ. 5fl., desselben Tliadis carmm. XVI p. 78—85, 93—99, 103£.,
vgl. dazu Ribbeck in Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 13f. 16 ἢ,
Düntzer hom. Abhandl. p. 281 ff, Benicken ἃ, dritte und vierte
Lied p. 488 — Düntzer das 3. bis 7. Buch der Ilias als selb-
ständiges Gedicht, in den hom. Abhandl. p. 250 ff. und 272f. —
Kammer zur homerischen Frage. Königsberg 1870. I p. 15,
vgl. Düntzer homer. Abhandl. p. 272 ff. — Jacob über die Ent-
stehung ἃ, Ilias und Odyssee p. 195. — Nitzsch Sagenpoesie
Ρ. 199 fl. 210 ff. — Kiene die Komposition ἃ. Ilias p. 78. 83. —
Genz zur Ilias p. 19. — Naber quaestiones Homericae, Amstelo-
dami 1877 p.160f. — La Roche in Zeitschr. f. oesterr. Gymn. 1863
p. 168. — K. Τῷ Kayser homer. Abhandlungen herausgegeben
von Usener, Leipz. 1881 p. 99. — Kraut die epische Prolepsis
nachgewiesen in der Ilias, Tübingen 1863 p. 18f. — Bischoff
im Philol. XXXIV p. 9£. — Bernhardy Grundrifs ἃ. griech. Lit-
terat. SIL, 1, p. 163. Bergk griech. Litteraturgesch. I p. 569 ff.
— Hoffmann quaestt. Hom. II p. 121f. 168. 171. 204—207.
Giseke homer. Forschungen p. 143f. 158. 169. — Beloch in
Rivista di filologia, 1875 p. 305 f.: Versuch 4 1—219 in Te-
trastichen zu gliedern, vgl. Bursians Jahresbericht 1874—1875
p. 140f.
1*
4 4. Einleitung.
Den Hauptinhalt des vierten Gesanges bilden der Vertrags-
bruch (ὁρκίων σύγχυσις) und die dadurch veranlafste Aufnahme
der Schlacht. Zwischen beide Teile ist eine gröfsere Episode ein-
gefügt, ’Ayaufuvovog ἐπιπώλησις Agamemnons Rundgang und An-
sprache an die hervorragendsten Heerführer. Im einzelnen ent-
wickelt sich die Handlung in folgender Weise:
4A. Der Vertragsbruch V. 1—219.
1) Götterrrat, in welchem die Fortsetzung des Kampfes und
die Zerstörung Trojas beschlossen wird; Sendung der Athene,
um die Troer zum Bruch des Vertrages zu veranlassen,
1-73,
2) Athene bestimmt Pandaros auf Menelaos zu schielsen,
74— 104.
3) Pandaros verwundet Menelaos durch einen Pfeilschufs,
105— 147.
4) Agamemnons Sorge um den Bruder, 148—191.
5) Der von Talthybios berufene Arzt Machaon besorgt Mene-
laos’ Wunde, 192—219.
B. Die Vorbereitungen zur Schlacht, 220—421.
Agamemnons Rundgang und Ansprache an Idomeneus und
Meriones, die beiden Aias, Nestor, Menestheus und Odysseus,
Diomedes und Sthenelos.
€. Der Beginn der Schlacht, 422—544.
1) Das Anrücken beider Heere und der Zusammenstols, 422
—456.
2) Einzelkimpfe, in denen Antilochos, Aias und Odysseus
sich hervorthun; die Troer weichen, 457—505.
3) Apollo ermuntert von Pergamos aus die Troer, Athene
die Achäer, 506—516.
4) Weitere Einzelkämpfe bis zur vollen Entwicklung der
Schlacht, 517—544.
Der dritte Gesang schlo[s mit einer ungelösten Frage. Nach-
dem Paris durch Aphrodite der Gefahr des Zweikampfes entrückt
und von Menelaos vergeblich gesucht war, hatte Agamemnon den
Sieg für Menelaos in Anspruch genommen und auf Grund des
Vertrages an die Troer die Forderung gestellt, die Helena samt
den Schützen herauszugeben. Ohne dals nun auf diese Forderung
von Seiten der Troer eine Antwort erteilt ist, folgt sofort im Ein-
gang des vierten Gesanges eine Beratung der im Saale des Zeus
versammelten Götter, welche den Zweikampf mit angesehen haben,
über die vorliegende Situation, welche zu dem Beschlufs führt
4. Einleitung. 5
Athene auf das Schlachtfeld hinabzusenden und durch sie die Troer
zum Bruch des Vertrages zu veranlassen. Von hier aus entwickelt
sich die Handlung des Gesanges bis zu dem Punkte, wo die Schlacht
auf allen Seiten entbrannt ist, was die Schlufsverse 539—544
besonders markieren.
Danach bildet der erste Abschnitt des Gesanges (1—220)
das notwendige Mittelglied, um die Erzählung von dem Zweikampfe
in T zu der in B vorbereiteten, aber durch diesen Zweikampf
verzögerten allgemeinen Schlacht überzuleiten. Die sodann zwi-
schen den Vertragsbruch und die Schlacht selbst episodisch ein-
gefügte Epipolesis, welche da einsetzt, wo das Anrücken der Troer
angekündigt ist und die Achäer sich zur Aufnahme des Kampfes
bereit machen, bereitet nicht blols die am Schlufs folgenden
Kampfscenen vor, sondern weist als Einleitung zu einem um-
fassenden Schlachtgemälde den breitesten Raum einnehmend über
die Grenzen des vierten Gesanges hinaus. Dem entsprechend
bildet die am Schlufs folgende Schlachtschilderung, obwohl die
beiden letzten Verse des Gesanges einen äufseren Abschlufs geben,
doch nur das Vorspiel für den folgenden Gesang, die Aristie des
Diomedes.
Eigentümlich ist in der Anlage des Gesanges die Art, wie
die Lösung der am Schlufs von I’ entstandenen Frage so aus-
schliefslich in die Hand der Götter gelegt wird, dafs die zunächst
beteiligten Troer, ohne sich über ihre Stellung zu dieser Frage
auch nur zu äufsern, lediglich als die Vollstrecker des göttlichen
Willens erscheinen. Noch mehr befremden die Verhandlungen des
Götterrats selbst. Es wird hier nicht nur die vorliegende Frage,
sondern zugleich das Schicksal Trojas überhaupt entschieden, eine
Art von Anachronismus, der sich den ähnlichen in I’ bemerkten
anreiht. Diese Entscheidung aber ist das Resultat eines zwischen
Zeus und Here geschlossenen Paktes, bei dessen Abschlufs nicht
sowohl die Rücksichten göttlicher Gerechtigkeit, als vielmehr die
persönlichen Interessen dieser beiden Götter den Ausschlag geben.
Und was unserer Anschauung am meisten widerstrebt, Zeus selbst,
unter dessen Schutz zumal der in I’ abgeschlossene Vertrag ge-
stellt ist, trägt kein Bedenken durch Sendung der Athene die
Troer zum Bruch eben dieses Vertrages zu veranlassen.
Auffallend ist ferner das gänzliche Zurücktreten Hektors in die-
sem Gesange, obwohl derselbe als der, welcher den Vertrag in I’ ab-
geschlossen hat, in erster Linie auch hier beim Vertragsbruch eine
Rolle zu spielen berufen scheint. Es ist dies offenbar eine Folge
der besprochenen eigentümlichen Anlage des Gesanges. Im übrigen
‘werden in dem ersten Abschnitt des Gesanges neu eingeführt auf
troischer Seite Pandaros, auf griechischer Machaon. In der Epi-
polesis tritt Eurymedon als Wagenlenker des Agamemnon auf, der
sonst nicht vorkommt. Von den Helden, an die Agamemnon An-
6 4. Einleitung.
sprachen richtet, werden Idomeneus, Diomedes und Sthenelos hier
zum ersten Mal redend eingeführt, Menestheus und Meriones
überhaupt zum ersten Mal genannt. Unter den im Kampf auf-
tretenden Helden wird Antilochos hier zuerst eingeführt, sonst
treten Aias, Odysseus und Thoas hervor. Als besondere Eigen-
tümlichkeiten des Gesanges sind zu bemerken, dafs Athene nur hier
und, E 908 den Beinamen ᾿Δλαλκομενηΐς führt, sowie dafs die sonst
ebenfalls nur in E auftretende Hebe nur hier als Weinschenkin
bei den Göttern fungiert.
Die Darstellung steht der des dritten Gesanges kaum nach.
Die auch hier klar und leicht fortschreitende Erzählung ist durch
eine Reihe von ausgeführten, zum Teil prächtigen Gleichnissen be-
lebt. Beschreibungen, wie die des Bogens des Pandaros und seines
Schusses, Schilderungen wie die von dem Anrücken und Zusammen-
stols beider Heere gehören zu den gelungensten Darstellungen ihrer
Art. Die einen breiten Raum einnehmenden Reden tragen ein
ungleiches Gepräge. Während die in dem ersten Abschnitt nach
ihrem Inhalt der Situation angemessen und im Ausdruck nicht un-
geschickt sind, geben die in der Epipolesis teils durch ihre Weit-
schweifigkeit, teils durch den Inhalt, an einigen Stellen auch durch
Unklarheit des Ausdrucks begründeten Anstols.
Die Hapaxlegomena des Gesanges sind zusammengestellt von
Benicken das dritte und vierte Lied p. 64.
Der kritischen Untersuchung des Gesanges bietet sich als
nächste Aufgabe das Verhältnis desselben zu dem vorhergehenden
zu prüfen. Bei dieser Prüfung ergab sich Lachmann das Re-
sultat, dafs die Erzählung von 41 an sich zwar genau an die
Geschichte des Zweikampfes und an die Entführung des Paris an-
knüpfe, aber gleichwohl keine Fortsetzung des dritten Liedes sei,
vielmehr sich an ein anderes Lied anschliefse, welches verloren
sei. Die Gründe dafür sind, dafs einmal nach der im dritten Liede
(nach Lachmann) notwendigen Athetese der ὅρκεα dem vierten, der
ὁρκίων σύγχυσις, die nötige Voraussetzung fehle, sodann, dafs auch
bei der Aufgabe jener Athetese zwischen beiden Stücken nicht
genug Übereinstimmung sei. Letzteres aber wird dadurch be-
gründet, dals nach 4 159 sie bei dem Bündnis sich auch die
Hände reichten, wovon in IT’ nichts vorkomme, sodann dadurch,
dafs der von dem Bruch der ὅρκια in 4 gebrauchte Ausdruck (67.
72. 236. 271) von denen in Γ (107. 299) differiere, endlich dafs
bei 4 1 ein Liedesanfang sei, wie B 1, da hier an den Schlufs
von I’ durchaus nicht wieder angeknüpft werde, namentlich nicht
an Agamemnons Worte 458f., worin er die Herausgabe der Helena
samt den Schätzen und die Zahlung einer geziemenden Bulse for-
dert. Diese Ansicht Lachmanns ist von Haupt gebilligt und
4. Einleitung. 7
neuerdings von Benicken ausführlicher dargelegt und durch wei-
tere Gründe unterstützt. Für die Trennung beider Gesänge führt
letzterer namentlich noch an, dafs im Beginn des vierten Buches wohl
etwas vom Siege des Menelaos stehe, nichts aber von dessen Bedin-
gung und Preis, wie solches in I’ festgestellt war: ‘die Rückgabe der
Helena an Menelaos wird von Zeus nur als Folge der Möglich-
keit angegeben, dals die Götter etwa Lust hätten Frieden zwi-
scheh beiden kämpfenden Parteien herbeizuführen’. Eine weitere
schwer wiegende Differenz ist ihm ‘dafs in 4 Athene den Pan-
daros dadurch zum Bruche des in 4 als geschlossen vorausgesetzten
Bundes vermittelst eines Schusses auf Menelaos veranlalst, dafs
sie ihm sagt, die Troer wünschten des Menelaos Tod, während
doch nach T 468 f. die Troer dem Alexandros abgeneigt sind’.
Ferner ‘ist nach 4 98 (αἴ κε Fön) Paris Augenzeuge des Schusses
des Pandaros, nach Γ' 380 ff. ist er durch Aphrodite vom Kampf-
platz entführt und in seine Wohnung versetzt’. Endlich scheint
ihm die verzweiflungsvolle Sprache, welche Agamemnon 4 155 ff.
nach der Verwundung des Bruders führt, unvereinbar mit der
selbstbewulsten, fast übermütigen Rede desselben I’ 456 ff.
In ähnlicher Weise wie Lachmann hat auch Bernhardy
die Unvereinbarkeit von 4 mit T’ behauptet: “Ohne Beziehung auf
T tritt 4 ein. Jacob und Genz erkennen zwar die unzweifel-
hafte Rückbeziehung von 4 auf I’ an, finden aber zwischen beiden
Gesängen so wenig inneren Zusammenhang und teils in dem die-
selben durchwehenden Geist teils in Einzelheiten soviel Wider-
spruch, dafs sie in 4 nur eine von einem andern Dichter gedichtete
(schwache) Fortsetzung von I’ erkennen. Auch Ribbeck sieht in
4 nur eine Fortsetzung des interpolierten Liedes vom Zwei-
kampf, welche namentlich mit I’ 453 im Widerspruch stehe. Da-
gegen haben gegen Lachmanns Ansicht Hoffmann, Düntzer,
Grofs, Köchly, Gerlach den entschiedensten Widerspruch er-
hoben und die ursprüngliche Zusammengehörigkeit von 4 (in
gröfserem oder geringerem Umfange) mit I’ angenommen. Auch
Bergk teilt diese Ansicht insoweit, als er von I’ 1—4 221 ein
Lied annimmt, schreibt jedoch den Götterrat im Eingang von 4
sowie die Einführung des Machaon dem Diaskeuasten zu.
Nach der bereits in der Einleitung zu Γ' p. 173. begrün-
deten Zurückweisung der Athetese der ὅρκια in I’ enthält für uns
der dritte Gesang jedenfalls die notwendige Voraussetzung für die
ὁρκίων σύγχυσις in 4, und haben wir demnach nur die von Lach-
mann sonst für die Trennung von 4 und I’ geltend gemachten
Gründe zu prüfen.
Der zwischen 4159 und I’ wegen der dort erwähnten, hier
nicht vorkommenden δεξιαί bestehenden Differenz hat Lachmann
selbst kein grolses Gewicht beigelegt, da er auf die Möglichkeit
hinweist, dafs der Vers 4159 aus B 341 eingeschaltet sei, und
8 4. Einleitung.
Benicken hat denselben mit Köchly geradezu aus dem Texte
entfernt. Aber auch wenn derselbe an dieser Stelle, wie wir an-
nehmen, ursprünglich ist, so ist doch die dann mit 4 bestehende
Differenz von keinem entscheidenden Gewicht. Ist δεξιαί mit Lach-
mann in dem Sinne von Handschlag, und nicht mit Düntzer in
dem übertragenen Sinne von Zusage, Vertrag zu verstehen, so ist
eben in der Beschreibung der ὅρκια in I’ ein Einzelzug übergangen,
der bei Vertragsabschlüssen wohl stehend und auch ohne beson-
dere Erwähnung für den mit den Gebräuchen bekannten Hörer
selbstverständlich war. Hoffmann verweist passend auf den Ab-
schlufs des Vertrags in 7, indem er bemerkt: “Hat der Dichter
in T 250 ff. nicht für nötig gehalten das Ausgiefsen des Weins
zu erwähnen, so brauchte er auch in I’ den Handschlag nicht zu
besingen’. Anders sieht die Sache in 4 158f., wo es dem Redenden
gilt die Treulosigkeit der Troer in ein helles Licht zu stellen
und es daher von wesentlichem Belang ist alle einzelnen Momente
aufzuzählen, welche die Troer hätten binden sollen (Grofs). Ebenso
wenig Gewicht kann die Differenz in den Ausdrücken für den Bruch
des Vertrags in beiden Gesängen beanspruchen. Zunächst ist Lach-
manns Angabe in Bezug auf 4 dahin zu berichtigen, dafs dieser
Gesang aulser der von Lachmann angeführten Wendung ὑπὲρ ὅρκια
δηλήσασϑαι noch die Wendungen κατὰ δ᾽ ὅρκια πιστὰ πάτησαν 157
und σύν γ᾽ ὅρκι᾽ ἔχευαν 269 enthält. Sodann ist die Differenz in
den von Lachmann verglichenen Wendungen in 4 und Γ' selbst
nur eine geringe und unwesentliche, da auch die Wendungen in
T 107. 299 das ὑπέρ, welches die in 4 hat, dort in ὑπερβασίῃ
und hier in derselben Form der Präposition enthalten. Dafs ferner
der Zusatz Διὸς zu ὅρκια T107 durch den Zweck die Heiligkeit
des zu schliefsenden Vertrags hervorzuheben im Zusammenhange
genügend gerechtfertigt werde, ist von Grofs mit Recht bemerkt
und dagegen durfte von Benicken doch nicht geltend gemacht
werden, dafs bei Abschliefsung des Vertrages aufser dem Zeus
auch Helios und der Erde Opfer gebracht werden sollen und Aga-
memnon nicht nur Zeus, sondern auch Helios, die Flüsse, die Erde
und die Erinyen anruft. Nun gehören aber die Stellen Γ' 107
und 299, welche jene Wendungen enthalten, zu den von Lach-
mann athetierten und diese Interpolationen in I’ sind nach Haupt
und Benicken gerade durch die Beziehungen des vierten Liedes
auf das verlorene, die sich aus dem vorhandenen dritten nicht er-
klärten, veranlafst. Danach sollte man doch, schliefst Gerlach,
meinen, ein Interpolator würde die im vierten Buche enthaltenen
Andeutungen sorgfältig benutzt haben, und in den Kleinigkeiten
um so genauer sein, je weniger er seinem Vorbilde im grofsen
gleichkommen konnte, während dies gerade nicht der Fall ist.
Jedenfalls wird der Schlufs, den Benicken zieht: ‘Für Interpola-
tion in T’ spricht der Wechsel in den Ausdrücken in der formelhaften
4. Einleitung. 9
epischen Poesie’ dadurch hinfällig, dafs 4 nicht nur eine Aus-
drucksweise zur Bezeichnung des Vertragsbruchs zeigt, sondern
selbst mit der formelhaft gebrauchten Wendung ὑπὲρ ὅρκια δηλήσα-
σϑαι zwei andere wechseln läfst, die sich ihrem Inhalt nach von
jener weit mehr entfernen, als die beiden in I, welchen dieselbe
Anschauung zu Grunde liegt.
Nach Lachmann ist ferner bei 41 ein Liedesanfang be-
sonders darin erkennbar, dafs an den Schlufs von I’ durchaus nicht
wieder angeknüpft werde, namentlich nicht an Agamemnons Worte
468, was Benicken genauer dahin erläutert, dafs die Rückgabe
der Helena an Menelaos von Zeus nur als Folge der Möglichkeit
angegeben werde, dafs die Götter etwa Lust hätten Frieden zwi-
schen beiden kimpfenden Parteien herbeizuführen, nicht aber als
notwendige Folge seines Sieges, was doch in I’ der Angelpunkt
des ganzen Zweikampfes sei: “Dann, sagt Zeus, d. i. wenn dieses
allen angenehm und lieb wäre, würde des Priamos Stadt ruhig
fortbewohnt, Helena aber von Menelaos nach Hause zurückgeführt
werden”. Diese Angabe ist insofern ungenau, als im Text die Opta-
tive des Nachsatzes οἰκέοιτο und ἄγοιτο ohne κέν stehen, also
vielmehr potential zu fassen sind oder in koncessivem Sinne ein
Zugeständnis des Zeus an die troerfreundlichen Götter enthalten.
Die Sache selbst liegt aber doch so. Die auch nach Lachmanns
drittem Liede gegebene Voraussetzung ist die, dals der Sieger im
Zweikampf die Helena samt den Schätzen empfangen und dann
beide Völker Freundschaft und einen festen Bund schliefsen sollen
(T 92—94). Nachdem nun die Aufforderung Agamemnons (am
Schlufs von I‘) die Helena samt den Schätzen herauszugeben von
Seiten der Troer ohne Antwort geblieben und die Lösung der
Frage vom Dichter in die Hand der Götter gelegt ist, werden in
der Fragestellung des Zeus die für die Götter wesentlichsten Ge-
sichtspunkte: Erneuerung des Krieges oder Abschlufs des im dritten
Gesange vorgesehenen Freundschaftsbundes unter göttlicher Ein-
wirkung, in den’ Vordergrund gestellt. Dafs bei dieser Formulie-
rung der Frage das Detail der Ausführung bei Seite gelassen
wird, ist ohne allen Anstofs, da nach allem vorhergehenden die
Bedingungen für den Abschlufs des Friedens bekannt sind. Nach
dem ganzen Zusammenhange aber konnte die Rückgabe der Helena
hier gar nicht als notwendige Folge des Sieges des Menelaos ge-
nannt werden, weil Zeus trotz der Anerkennung, dafs der Sieg
dem Menelaos gehöre (13), gleichwohl für die Götter eine davon
unabhängige, völlig freie Entscheidung in der Weise in Anspruch
nimmt, dafs durch die Einwirkung der Götter selbst jene Folge
des Sieges verhindert werden kann. In der Ausführung 17—19
aber, an der Benicken Anstofs nimmt, weil hier die Rückgabe
der Helena nur als Folge der Möglichkeit angegeben werde, dafs
die Götter Lust hätten den Frieden herbeizuführen, sind die Ver-
10 4. Einleitung.
tragsbestimmungen, wie sie Paris I 71—75 aufgestellt hat, so
weit sie hier in Betracht kommen, kurz zusammengefalst und der
Sinn des Ganzen ist: sollten die Götter aber den Frieden herbei-
führen wollen, so können (mögen immerhin) die zwischen beiden
Völkern verabredeten Vertragsbestimmungen ausgeführt werden,
wobei die Erhaltung Trojas mit Nachdruck vorangestellt ist, um
Here zum Widerspruch zu reizen. Die Worte selbst aber schliefsen
sich an T 71—75 so eng an, dafs man nicht zweifeln kann, dafs
der Dichter das dort Gesagte vor Augen hatte.
Ob ferner die Worte 4 98f. αἴ κεν ἴδῃ Μενέλαον — σῷ
βέλει δμηϑέντα πυρῆς ἐπιβάντ᾽ ἀλεγεινῆς so zu verstehen sind,
dafs Paris notwendig als Augenzeuge des Schusses gedacht sein
mufs, ist mir deswegen zweifelhaft, weil das Objekt nicht sowohl
in M. ὃδμηϑέντα, als in ἐπιβάντα enthalten ist und dies nicht in
eigentlichem Sinne, sondern etwa in der Bedeutung unserer Wen-
dung “in das Grab steigen’ gemeint ist. Setzen diese Worte aber
auch die Anwesenheit des Paris auf dem Schlachtfelde wirklich voraus,
so kann der Dichter sehr wohl Athene diese Voraussetzung für
ihren Zweck machen lassen, da im Heer unbekannt ist, wo er
sich befindet. Wie endlich -die Verschiedenheit der Sprache, die
Agamemnon am Schlufs von IT’ und nach der Verwundung des
Bruders in 4 führt, für eine Trennung beider Gesänge geltend
gemacht werden kann, ist nicht zu ersehen. I’ 457 ff. stellt Aga-
memnon einfach auf Grund des Sieges des Menelaos die nach dem
Vertrag berechtigte Forderung der Zurückgabe der Helena samt
den Schätzen und der Zahlung einer Bufse; von einem an Über-
mut streifenden Selbstbewulstsein vermag ich in diesen Worten
nichts zu entdecken. Die tiefe Niedergeschlagenheit desselben nach
Menelaos’ Verwundung aber ist doch sachlich genügend motiviert
und entspricht auch der sonstigen Zeichnung seines Charakters.
Von allen von Benicken für die Trennung von I’ und 4
geltend gemachten Differenzen ist nur eine, auch von Ribbeck
hervorgehobene, von Gewicht. Wenn T’453f. gesagt war, dafs
Paris den Troern und Hülfsvölkern in den Tod verhalst sei, so
scheint es allerdings nicht aus dem Geiste desselben Dichters, dafs
Athene dem Pandaros zumutet, “Paris zu Liebe einen solchen Frevel
zu begehen, für den gehafsten, eben schmählich besiegten Paris
das zu thun, was ihm das allererwünschteste war, und dann noch
sagt, damit werde er sich bei allen Troern Dank und Ruhm er-
werben’ (Ribbeck). Allein es ist doch zu beachten, dafs das
letztere Motiv, der Dank der Troer vorangestellt ist, für diese
aber hier ihr Verhältnis zu Paris gar nicht in Betracht kommt,
sondern doch lediglich ihr eignes mit dem des Paris zusammen-
fallendes Interesse, dafs sie des Krieges herzlich satt (I’ 111f.)
durch Menelaos’ Tod desselben entledigt zu werden hoffen dürfen
vgl. 170—174. Ferner ist wesentlich, dafs zu der Aussicht auf
4. Einleitung. 11
Dank und Anerkennung von Seiten des Paris die ἀγλαὰ δῶρα als
Verführungsmittel nachdrücklich hinzugefügt werden. Danach finde
ich auch diese Motivierung nicht in dem Mafse mit Γ' 458 ἔ, un-
vereinbar, dafs beide Gesänge notwendig als auf verschiedenen
Voraussetzungen beruhend von einander zu trennen wären.
Solange also nicht ein unwiderleglicher Beweis dafür erbracht
wird, dafs die ὅρκια im dritten Gesange interpoliert sind, ist uns
die ὁρκίων σύγχυσις von diesem Gesange unzertrennlich und es
kann nur die Frage sein, ob dieselbe ursprünglich im Zusammen-
hange mit Γ' von demselben Dichter verfalst oder von einem andern
Dichter im engen Anschlufs an I’gedichtet ist, um diesen Gesang fort-
zusetzen. Angenommen nun, dafs der dritte Gesang ursprünglich ein
Einzellied bildete, welches nachträglich in die Ilias eingefügt wurde,
so können wir uns doch schwer mit Ribbeck davon überzeugen,
dals mit dem Schlufs deg Gesanges das Thema, welches sich der
Dichter vorgesetzt, erschöpft sei. Denn dafs die Troer, nachdem
Paris durch göttliche Macht der Gefahr entrückt ist, infolge dessen
die Sache diesmal für abgemacht nehmen und ihrerseits nichts
thun das Recht des Siegers in Vollzug zu setzen, vielmehr auf
weitere göttliche Einwirkung warten sollen, das sind Voraus-
setzungen, die man doch nicht obne weiteres machen darf und die
im Gedicht selbst keinen Anhalt haben. Ist Paris den Troern in
den Tod verhalst, so dafs sie, wenn sie seinen Aufenthaltsort
wüfsten, ihn dem Menelaos mitteilen würden (456) und haben sie
andrerseits den Wunsch des drückenden Krieges entledigt zu werden
(111£.), so scheint vielmehr die Erwartung berechtigt, dals sie
auf Agamemnons Forderung die Berechtigung derselben anerkennen
und dazu thun sie in Vollzug zu setzen. Zum mindesten aber
darf der Hörer doch erwarten, dafs Hektor, welcher den Zwei-
kampf vorgeschlagen und die Übereinkunft abgeschlossen hat, sich
über Agamemnons Forderung äufsere. Oder sollten wir in dieser
nur eine formelle Rechtsverwahrung erkennen müssen, bei der
Agamemnon stillschweigend voraussetze, dals gegenwärtig von den
Troern die Erfüllung des Vertrags nicht zu erwarten sei, und auf
welche er auch gar keine Antwort erwarte? Und sollten griechi-
sche Hörer durch solchen Abschlufs in der That befriedigt ge-
wesen sein und keine Frage mehr an den Sünger gehabt haben?
Ein positiver Hinweis auf den folgenden Vertragsbruch ist uns
überdies I’ 302 gegeben in den freilich von Lachmann verwor-
fenen Worten οὐδ᾽ ἄρα πώ σφιν ἐπεκραίαινε Κρονίων in Verbin-
dung mit dem Gebete der Troer und Achäer, in welchem sie
Zeus’ Strafgericht auf die den Vertrag zuerst brechende Partei
herabrufen, vgl. 4 160 f., — ein Hinweis, der freilich nicht
in dem Sinne, wie Köchly wollte, zu verstehen ist, dafs Zeus
damals bereits entschlossen gewesen sei den Vertragsbruch herbei-
zuführen.
12 4. Einleitung.
Dafs der dritte Gesang auch als Einzellied mit der von Seiten
der Troer unbeantwortet gelassenen Forderung Agamemnons die
Helena samt den Schätzen herauszugeben keinen genügenden Ab-
schlufs habe, sondern eine Fortsetzung verlange, in welcher jene
Frage zur Entscheidung komme, erkennt auch Jacob an, indem
er bemerkt, dafs der Götterrat die Entscheidung gebe, auf welche
Agamemnon vorher vergebens wartete. Gleichwohl scheint ihm
der Zusammenhang zwischen beiden Gesängen nur ein äufserlicher
und es ergeben sich ihm und andern Kritikern namentlich aus
dem Götterrat und der Zeichnung der Götter Indicien, welche die
Annahme desselben Dichters zu verbieten scheinen. “Die Götter
erscheinen hier beinahe wie Kinder, welche Weltregierung spielen”
(Jacob). Genz vermifst in der Darstellung der Götter die tiefe
sittliche Auffassung von Γ: “die Feindschaft und Freundschaft der
Götter ist launischer Hafs und launische Zuneigung’. Auch Bergk
läfst sich namentlich durch die Behandlung der Götterwelt dazu
bestimmen den Götterrat dem Diaskeuasten zuzuweisen, indem er
annimmt, dafs durch die Einschaltung desselben ein Teil des alten
Liedes beseitigt sei, in welchem wohl Hera durch Athene den
Pandaros zum Bruch des Vertrages habe verlocken lassen.
So sehr wir geneigt sind an der Art, wie hier die Götter
gezeichnet sind, Anstofs zu nehmen, so ist doch solcher Anstofs
vom Standpunkt des Einzelliedes aus kaum berechtigt. Ist unser
Blick lediglich auf den dritten Gesang gerichtet, so glauben wir
dem Dichter, der kein Bedenken trug dort 383—425 der Aphro-
dite jene uns so befremdende Rolle zuzuteilen, auch zutrauen zu
dürfen, dafs er hier die Götter so zeichnete, wie sie im Götterrat
geschildert sind. Richten wir unsern Blick aber auf den inneren
Zusammenhang des Vertragsbruchs mit Γ, so befremdet allerdings
die Art, wie vom Dichter die Lösung der am Schlufs von IT’ ent-
standenen Frage über die zunächst beteiligten Troer hinweg in
die Hand der Götter gelegt wird. Nirgend eine Äufserung von
Seiten der Troer darüber, wie sie sich zu der Forderung Aga-
memnons stellen; Hektor zumal, welcher in I’ den Vertrag ab-
geschlossen hat und danach an erster Stelle berufen wäre dem
Agamemnon Rede zu stehen, ist nicht nur am Schlufs von TI,
sondern während des Vertragsbruchs gänzlich verschwunden und
tritt erst bei der Aufnahme der Schlacht wieder hervor. Dieser
plötzliche und unvermittelte Übergang wird zwar einigermalsen
verdeckt durch ‘den äulserlich engen Anschlufs von 4 an Γ᾽, indem
durch die Imperfecta im Eingang die Götterversammlung als gleich-
zeitig mit dem Zweikampf in I’ eingeführt wird und da αὐτίκα
(5) auf den Moment zurückweist, wo Aphrodite Paris eben aus
dem Kampf entführt hat, die Götterberatung den letzten Vor-
güngen auf dem Schlachtfelde parallel gedacht ist. Allein es ist
doch der Gedanke unabweisbar, dafs die Entwicklung der Hand-
4. Einleitung. 13
lung mit dem Eingang von 4 eine Richtung nimmt, für welche
in der vorhergehenden Erzählung in T’ genügende Motive nicht
gegeben sind, während die dort gegebenen nicht weiter verwendet
werden, Dafs namentlich Zeus, unter dessen Schutz der in Γ
abgeschlossene Vertrag gestellt ist, es nicht nur geschehen lälst,
dafs die Troer den Vertrag brechen, sondern selbst durch Athene
dieselben zum Vertragsbruch verleiten läfst, ist doch ein schwerer
Anstofs.
Freilich galt es hier durch göttliche Einwirkung einer Ent-
wicklung der Dinge Einhalt zu tbun, welche den Plan des Zeus
zu vereiteln drohte und so könnte das, was im Hinblick auf die
unmittelbar vorhergehende Erzählung befremdend und anstöfsig
erscheint, in dem dichterischen Plane des Ganzen seine Erklärung
finden. Ohne Zweifel ist der Vertragsbruch das Mittel, um nach
der retardierenden Erzählung vom Zweikampf di6 Aufnahme des
allgemeinen Kampfes vorzubereiten und so den dichterischen Plan
aufzunehmen. Auch könnte man geneigt sein in dem Götterrat
im Eingang von 4 ein Seitenstek zu der in A zwischen Here
und Zeus spielenden Scene zu finden. Allein es ist doch nicht
zu verkennen, dafs dem Dichter des Götterrats die grundlegenden
Motive in 4 nicht recht gegenwärtig gewesen sein können.
Ist schon der hier zwischen Zeus und Here geschlossene Pakt
über die Zerstörung Trojas im zehnten Kriegsjahr überhaupt be-
fremdend, so besonders Zeus’ Zugeständnis, dals Troja erhalten
bleiben möge (4 19 8). Bergk findet dasselbe schlechterdings
unverträglich mit dem Plane des homerischen Zeus, und ähnlich
urteilt Friedlaender: “Als ob er nie der Thetis ein Versprechen
gegeben die Griechen unterliegen zu lassen, will er nur die Frage
verhandeln, ob der Krieg fortgesetzt oder beendigt werden soll,
zeigt nur Interesse für die Rettung Trojas und gerät nur so in
Widerspruch mit den Troja feindlich gesinnten Göttern’. Freilich
wird dieser Ansto[s dadurch gemildert, dafs Zeus’ Vorschlag Freund-
schaft zwischen beiden Völkern eintreten zu lassen nur ein ver-
stellter ist, zu dem Zweck Here zu reizen. Aber die Verstellung
scheint doch übel angebracht, da die Götter aus der Verhandlung
des vorhergehenden Tages wulsten, was Zeus der Thetis Yer-
sprochen hatte (Naber). Entweder hätte Here den Vorschlag
des Zeus sofort als nicht ernstlich gemeint erkennen oder, zumal
gereizt durch Zeus’ Spott, demselben seinen Wankelmut mit bit-
term Hohn vorwerfen und um so mehr haben auf den Krieg be-
stehen müssen (Jacob). Diesen Anstölsen gegenüber hat Bergk
angenommen, dafs es ursprünglich Here gewesen wäre, welche auf
eigne Hand durch die Sendung der Athene den Vertragsbruch herbei-
geführt hätte, Indels nimmt Bischoff auch an der Verführung des
Pandaros durch Athene an sich Anstofs und glaubt nachweisen zu
können, dafs diese Erzählung, wie der Götterrat, der ältesten Dich-
14 4. Einleitung.
tung fremd gewesen sei. Seine Gründe sind einmal, dafs Pandaros
selbst weiterhin in seinen Reden im fünften Gesange kein Bewulst-
sein einer so frevelhaften That zeige und ebensowenig Äneas und
Diomedes ebendort von dem Frevel wissen; sodann dafs Agamemnon
nur im Eingang seiner Rede 4 155—159 der ὕρκια und ihres
Bruches gedenke, weiterhin aber nicht mehr, und das von ihm
bei der Sendung des Talthybios an Machaon über Menelaos’ Ver-
wundung gesprochene Wort τῷ μὲν κλέος, ἄμμι δὲ πένθος 197
unbegreiflich sei, wenn die That ein so ungeheuerer Frevel. End-
lich scheint ihm in der Epipolesis abgesehen von der kurzen Er-
wähnung des Vertragsbruchs 271 alles im Widerspruch mit einem
solchen Ereignis zu stehen.
Wir werden auf diese Fragen in der weiteren Untersuchung
zurückkommen; zunächst sind noch einige Stellen innerhalb des
ersten Abschnittes des Gesanges zu prüfen, welche zu Athetesen
Anlafs gegeben haben. So sind die V. 81—85 von Jacob,
Düntzer, Naber als absurd beanstandet und Benicken hat die-
selben in dem Texte des vierten Liedes in Klammern gesetzt.
Der Hauptanstofs ist, dafs die dort angenommenen zwei Möglich-
keiten, Erneuerung des Krieges oder Frieden, mit einem einfachen
7 neben einander gestellt seien, während sie sich doch ausschliefsen
und das wunderbare Feuerzeichen vielmehr nur auf etwas Schreck-
liches hindeuten könne, nicht aber auf die gewünschte friedliche
Lösung. Als Kennzeichen der Interpolation aber werden geltend
gemacht, dafs V. 84 — T 220, 82f. aber nach 15. gebildet sein,
infolge dessen ἀμφοτέροισι hier unpassend sei, weil es sich auf die
Sprechenden selbst mit beziehe, sowie dafs die Rede mit gleichem
Verse eingeleitet und abgeschlossen sei. Ich kann diesen Gründen
keine genügende Beweiskraft beimessen. Dafs das Herabstürmen
der Athene vom Himmel wie ein feuriges Meteor notwendig nur
auf etwas Schreckliches zu deuten sei, wäre erst zu erweisen. In
der vorliegenden Situation aber, wo die Frage der Entscheidung
harrt, ob die Troer die Forderung Agamemnons anerkennen und
Helena herausgeben werden oder nicht, ist doch die Deutung der
aufserordentlichen Erscheinung in dem Sinne, dafs von den Göt-
terf, speziell von Zeus, eine Entscheidung nach der einen oder
andern Seite bevorstehe, ganz natürlich. Nun wird als das wahr-
scheinlichere — dafs die Troer die Wiederaufnahme des Kampfes
von Seiten der Achäer erwarten, zeigt 1141, — die Erneuerung
des Kampfes vorangestellt; aber auch die entgegengesetzte Mög-
lichkeit, wenn sie auch nach menschlichem Ermessen die unwahr-
scheinlichere ist, hat ihr Recht, zumal da hier ausdrücklich das un-
mittelbare Eingreifen des Zeus als ταμέης πολέμοιο betont ist. Über-
dies ist es gewifs nicht homerische oder überhaupt epische Art
bei so aufserordentlichen Erscheinungen, wie die vorliegende, zumal
die Gemüter auf eine Entscheidung gespannt sind, die beteiligten
4. Einleitung. 15
Personen in stummes Staunen versinken zu lassen, ohne ihren Ge-
danken Ausdruck zu geben.
In der Rede des Agamemnon nach Verwundung des Menelaos
155—182 fand Friedlaender einen unerträglichen Anstofs in der
jühen völlig unvermittelten Aufeinanderfolge gläubiger Zuversicht
und mutloser allen Trostes und aller Hoffnung barer Verzweif-
lung und glaubte daher zwei von einander unabhängige Recen-
sionen annehmen zu müssen, deren eine 155—170, die andere
155—157 und 169 (oder 171)—182 enthielt. Ferner fand Nitzsch
die “in reiner Übertreibung sanguinisch ausgesprochenen sorglichen
Fantasien” Agamemnons 171—182 so anstölsig, dafs er darin eine
rhapsodische Übertreibung zu erkennen glaubte. Ebenso sieht
Franke in 171—182 einen späteren Zusatz, indem er besonders
betont, dafs, wenn diese Verse ursprünglich wären, 163—165
(= Z 447—449) hier von einer späteren Zerstörung Trojas durch
irgend einen andern verstanden sein mülsten, während doch die-
selben in Z entschieden nur von dem endlichen Siege der Griechen
verstanden sein, der Nachahmer aber, sei es nun in Z oder in 4,
sie unmöglich in einem so ganz andern Sinne gebrauchen konnte,
als er sie in dem Liede, aus welchem er sie entlehnte, gebraucht
fand. Der Ansicht Friedländers stimmte Köchly so weit zu, dafs
er 158—170 für die ältere Fassung hielt, glaubte aber in 163—
165 eine Interpolation aus Z annehmen zu müssen. Letztere findet
Naber wenigstens passender in Z als in 4 und verwirft mit
Nitzsch und Franke 171—182. Dagegen sieht Düntzer in
156—168 einen späteren Zusatz, der sich durch den vereinzelten Sin-
gular ὅρκιον und die sonderbare Einführung der Ägis verrate. Fulda
endlich verwirft 163—168 und 176—182. Gegen die Annahme
einer doppelten Recension und irgend welcher Interpolation hat
sich namentlich Bekker ausgesprochen, indem er den Zusammen-
hang mit den Worten erörtert: ‘Der Meineid, sagt Agamemnon,
wird an den Troeın gerächt werden, nicht sofort durch uns Achiier,
deren Feldzug mit dem Tode des Menelaos ein schmähliches Ende
nimmt, aber durch Zeus und spät, in unbestimmbarer, vielleicht
weit entlegener Zukunft (vgl. B324—5). Der fromme König also
vertraut auf die göttliche Gerechtigkeit, deren Walten nicht aus-
bleiben kann, aber sich keine Zeit vorschreiben läfst: der klein-
mütige verzweifelt für den Augenblick an sich und seinen mensch-
lichen Helfern. Das wäre Widerspruch?’ "Auch Benicken be-
kämpft die Annahme einer doppelten Recension, indem er zeigt,
dafs 171 an 157 gefügt einen ganz unpassenden Gedankenanschlufs
ergeben würde und dafs 184 in der Antwort des Menelaos die
Verse 171 ff. zur Voraussetzung habe. Er selbst scheidet 163—
165 aus und erläutert so den Zusammenhang: ‘Im ersten Teil
spricht Agamemnon die bestimmte Erwartung aus, Zeus werde
den geschehenen Frevel rächen, wenn er im Kampfe fortfahre, im
16 4. Einleitung.
zweiten Teile verzweifelt er nicht um des Zeus willen, sondern
der Achäer wegen, von denen er fürchtet, sie würden, wenn Mene-
laos an seiner Wunde sterbe, nach Hause zu kehren begehren’.
Auch Genz hat sich gegen die Annahme von Interpolationen aus-
gesprochen: ‘Den Reden in 4 ist die Weitschweifigkeit eigen”.
Wie verfehlt die meisten der vorgeschlagenen Athetesen schon
darum sind, weil die durch dieselben zusammengerückten Stücke
keinen passenden Gedankenanschlufs haben, ist bereits von Benicken
gezeigt. Was insbesondere die von den meisten angenommene Athe-
tese von 171—182 betrifft, so ist unbegreiflich, dafs die Vertreter
derselben nicht das Mifsverhältnis bemerkt haben, welches dadurch
in die Entwieklung der Hauptgedanken kommt. Agamemnon be-
ginnt mit der Selbstanklage, dafs er Menelaos’ Tod verschuldet
habe, der dabei erwähnte Vertragsbruch führt ihn aber zunächst
zu der Ausführung über die sicher zu erwartende Bestrafung des-
selben 158—168 und erst mit 169 kommt er wieder auf das
eigentliche Thema, den drohenden Tod des Menelaos zurück. Und
da soll seine Rede mit 170 schliefsen? Vielmehr folgt eine Be-
trachtung über den etwaigen Tod des Bruders, wie sie der natür-
lichen Naivetät des homerischen Menschen entspricht: es wird nicht
der Verlust des geliebten Bruders in sentimentalen Reden beklagt,
sondern es werden die Folgen seines Todes und zwar in erster
Linie für Agamemnon selbst, dann in Bezug auf Menelaos’ Nach-
ruhm ausgemalt und beklagt. Einen wirklichen Anstols in dem
Zusammenhange der Rede bieten nur die mit 2 447—449 iden-
tischen Verse 163—165. Können dieselben nur, wie wir Franke
zugeben müssen, von der Zerstörung Trojas durch die Achäer
verstanden werden, so würde denselben allerdings die Voraussetzung,
dafs der Kampf durch Menelaos’ Tod nicht beendigt würde, zu
Grunde liegen, während 171 ἢ, das Gegenteil vorausgesetzt wird.
Hätte ferner Agamemnon die Zerstörung Trojas durch die Griechen
im Sinne, so würde auch das καὶ ὀψὲ τελεῖ 161 wenig begreiflich
sein, da nach dem Zeichen in Aulis die Zerstörung Trojas auf
das zehnte Jahr, in welchem man bereits stand, verkündet war.
Da aber die Verse in Z ihre fest begründete unerschütterliche
Stellung haben, so ist es danach in hohem Grade wahrscheinlich,
dafs sie hier auf Nachahmung beruhen und nachträglich eingefügt
sind. Ist das der Fall, so werden aber auch die drei folgenden
Verse 166—168 demselben Interpolator angehören. Denn, dals
wie Köchly und mit ihm Benicken annehmen, der selbständige
futurische Gebrauch des Konjunktivs ἐπισσείῃσι mit Anlals zur
Interpolation der vorhergehenden Verse gegeben habe, ist wenig
wahrscheinlich; und im Anschlufs an den vorhergehenden Aorist
ἀπέτισαν scheint der an sich seltene und meist im Anschlufs an
Futurum gebräuchliche selbständige Konjunktiv doch bedenklich.
Ist ferner, wie Köchly sagt, der ganze Gedanke 166 f. im Anschlufs
4. Einleitung. 17
an 163—165 matt, so wäre andrerseits das neue Hervorheben des
Zeus in einem ganzen Verse nach 161 f. einigermafsen befremdend.
Wohl aber konnte nach Einfügung von 163—165, welche ganz
allgemein von Trojas Untergange reden, es dem Interpolator nötig
scheinen, die Thätigkeit des Zeus und die Beziehung auf den Ver-\
tragsbruch (ἀπάτης 168) im Zusammenhang damit hervorzuheben,
worauf er mit den Worten τὰ μὲν ἔσσεται οὐκ ἀτέλεστα zu 161
zurückk-hrend sich den Übergang zum Folgenden bahnte.
Bei. Übergange zur Epipolesis stolsen wir sofort auf eine
viel bestrittene Stelle, jene drei Verse 220—222, in welchen kurz
die Vorbereitungen beider Parteien zur Wiederaufnahme des Kampfes
berichtet werden. “Unser Dichter, sagt Genz, hat die Wieder-
erregung des Streites schildern wollen und hat es nicht vermocht. —
Nicht wird weiter erzählt, wie es dazu (dem Anrücken der Troer)
hat kommen können, kein Lärm und Wortstreit, kein Wort aus
dem Munde eines der troischen Anführer, was man über den Schuls
denken und was nun werden soll.’ Ähnlich findet es Kammer
“unmotiviert, dafs alle Troer nach der Verletzung des Bundes durch
einen aus ihrer Mitte sogleich auch ihrerseits die Schuld des Treu-
bruchs auf sich nehmen; man würde doch eher erwarten, dafs die
Griechen, von Zorn über diesen schmählichen Verrat erfüllt, auf
die Troer sich werfen werden”. Auch Naber scheint es nicht
klar, warum die Troer die Achäer angreifen. Düntzer endlich
vermifst eine weitere Beschreibung des Auffahrens zu den Waffen.
Dazu kommen folgende Einzelheiten in Betracht: Γ 115 liegen die
Troer dicht bei den Achern, hier rücken sie an (Genz); I'326f.
sitzen beide Heere, dafs sie sich erhoben hätten, ist nirgends ge-
sagt; T'114 haben beide Heere die Waffen abgelegt, dafs die
Troer sie wieder angelegt, ist nirgends berichtet.
Diesen Schwierigkeiten gegenüber hat man von verschiedenen
Standpunkten aus verschieden Stellung genommen. Während Bergk
das mit Γ 1 beginnende Lied hier mit V. 221, Köchly mit 222
schliefst, weist Genz die Epipolesis, wie die ὁρκέων σύγχυσις dem-
selben Dichter zu und erklärt die mangelhaften Übergangsverse
aus dem Unvermögen des Dichter. Düntzer wiederum nimmt
an, dafs die Stelle bei der Zusammenordnung der Ilias gelitten
habe: ursprünglich habe mit 220 eine Rhapsodie geschlossen, die
neue mit einer weiten Beschreibung des Auffahrens der Heere zu
den Waffen begonnen, letztere sei aber von den Anordnern der
Ilias durch die zwei ungenügenden Verse 221. ersetzt. Kammer
findet die Stelle alteriert durch die Einfügung des Liedes vom
Zweikampf. Benicken endlich findet keine Schwierigkeiten: er
setzt die Rüstung der Troer und Achäer vor die mit 41 begin-
nende Fortsetzung des verlorenen Liedes und sieht beide Völker
als während des ganzen Umfangs des Liedes gerüstet an, indem
er 222, welcher die Neurüstung der Achüer berichtet, als unechten
Hextzr, Anhang zu Homers Ilias. II. 2
18 4. Einleitung.
Zusatz entfernt; ja er meint sogar, dafs wir uns die Troer viel-
leicht mit der Fabel, der dieser Dichter folgte, in der Stadt auf
der Mauer stehend und von der Mauer dem auch für dies Lied
vorauszusetzenden Zweikampfe zusehend denken dürften, sodals das
Anrücken der Troer nicht so eilig sei und ftir die folgende Runde
Agamemnons Zeit lasse.
Blicken wir von den Übergangsversen aus zurück auf das in
T und 4 Erzählte, so ergeben sich unzweifelhafte Lücken in der
Erzählung. So ist übergangen, dafs Troer und Achüer sich wieder
erhoben haben, nachdem sie Γ 326 sich niedergesetzt hatten, ebenso
dafs die Troer die Waffen wieder angelegt, welche sie, wie die
Achäer Γ 114 abgelegt hatten. Nun findet Athene den Pandaros
mit seinen Scharen stehend, 4 90. Sind ferner 4 114 die Achier
noch sitzend gedacht (μὴ πρὶν ἀναΐξειαν ἀρήϊοι υἷες ᾿Αχαιῶν), so
findet doch Talthybios 201 den Machaon mit seinen Scharen eben-
falls bereits stehend. Die Scharen des Machaon aber sowohl wie
die des Pandaros werden ἀσπισταί genannt, Ist daraus mit Benicken
zu schliefsen, dals sie die Waffen bereits wieder angelegt haben
— und das Epitheton wäre in der That unbegreiflich, wenn die
Schilde noch neben ihnen auf der Erde gelegen hätten, vgl. 221 —,
so haben während der Vorgänge am Schluls von I’ und im Ver-
lauf des ersten Abschnitts von 4 beide Heere sich wieder erhoben
und beide auch bereits sich wieder gewaffnet und zwar die Troer
früher, die Achäer später und zwar nach dem Schufs des Pan-
daros, womit aber im offnen Widerspruch steht, dafs erst 222
von den Achäern ausdrücklich berichtet wird, dals sie die Waffen
wieder angelegt hätten. Zweifelhaft bleibt die weitere von Genz
hervorgehobene Differenz mit I, dafs die Troer dort (115) dicht
bei den Achäern liegen, während sie hier heranrticken, — weil
die Auffassung der Worte πλησίον ἀλλήλων, ὀλίγη δ᾽ ἦν ἀμφὶς
ἄρουρα bestritten ist und dieselben vielleicht richtiger von dem
Zwischenraum zwischen den einzelnen Rüstungen verstanden werden.
Eine weitere Frage ist, ob das Anrücken der Troer durch die
vorhergehende Erzählung hinreichend motiviert is. Benicken
nimmt dies an, indem er bemerkt: ‘Nachdem der Bund einmal
gebrochen war, liels sich weiter nichts thun, als den Kampf wieder
aufnehmen; und das hatten ja auch die Götter beabsichtigt”. Dafs
es aber die Troer sind, welche zuerst zum Kampfe vorgehen, wäh-
rend Kammer es natürlicher finde, dafs die Griechen von Zorn
über den schmählichen Verrat erfüllt, auf die Troer sich würfen,
mag dadurch motiviert scheinen, dafs sie zunächst mit der Für-
sorge für Menelaos beschäftigt waren. Allein wie wir nach dem
Schlufs von Γ᾽ es befremdend finden, dafs auf die Forderung Aga-
memnons, die Helena herauszugeben, keiner der troischen Führer
sich vernehmen läfst, überhaupt davon, wie die Troer diese Forde-
rung aufnehmen, nicht die Rede ist, so scheint doch auch hier
4. Einleitung. 19
die Frage berechtigt, wie die troischen Führer, zumal Hektor, sich
zu dem Vorgehen des Pandaros stellen, man erwartet doch min-
destens eine Andeutung, welch einen Eindruck dasselbe auf troi-
scher Seite hervorrief. Dafs wir von alledem nichts hören, erklärt
sich vielleicht bis zu einem gewissen Grade aus der eigentümlichen
Anlage des ganzen Gesanges, welche die Entscheidung der nach
dem Abbruch des Zweikampfes zu lösenden Frage ganz in die Hand
der Götter legt. Nachdem Achier, wie Troer durch die aufser-
ordentliche Erscheinung der vom Himmel herabfahrenden Athene
auf eine bevorstehende göttliche Entscheidung gespannt waren,
dann aber der Bundesbruch durch Pandaros erfolgte, konnte darin
allerdings eine Bestätigung der (82) von beiden Seiten ausgespro-
chenen Vermutung, dafs der Kampf von neuem beginnen solle,
gesehen werden. Danach mochte die Wiederaufnahme des Kampfes
beiderseits selbstverständlich scheinen. Gleichwohl bleibt es be-
fremdend, dals darüber kein Wort gesagt ist, und jedenfalls ver-
missen wir die Klarheit der Motivierung, welche die homerischen
Gedichte sonst auszeichnet. Überdies bleibt der nicht zu besei-
tigende Anstols in den Übergangsversen 222, die Neurüstung der
Achüer, befremdend, weil Machaon und seine Scharen bereits 201f.
bewaffnet dastehen, aber auch an sich, weil es natürlich und selbst-
verständlich scheint, dafs wenn die Troer sich wieder erhoben und
die Waffen wieder angelegt haben, auch die Achäer, mindestens
nach dem Vertragsbruch, das Gleiche gethan haben. Dieser An-
stols kann auch nicht durch die von Benicken vorgenommene
Athetese von 222 beseitigt werden, denn dieselbe Voraussetzung
liegt auch der folgenden Darstellung der Epipolesis zu Grunde,
wie ϑωρήσσοντο 252 und κορυσσέσϑην 274 zeigen.
Wenden wit uns nun zu der Epipolesis selbst (223—421),
so ist das Verhältnis derselben zu der vorhergehenden Erzählung
sehr verschieden beurteilt. Hoffmann hält nach seinen metri-
schen Untersuchungen die Epipolesis für jünger; Bergk erkemnt
zwar den unmittelbaren Anschlufs derselben an die vorhergehende
Erzählung an, weist dieselbe aber dem Diaskeuasten zu, welcher
darin ein Seitenstück zur Teichoskopie liefern wollte; Köchly ver-
bindet dieselbe gar mit der Teichoskopie zu einem Liede, indem
er eine Reihe von Beziehungen, Parallelen und Anspielungen zwi-
schen beiden nachzuweisen sucht; Kammer glaubt, dafs die Epi-
polesis ihren ursprünglichen Anschlufs an B 815 gehabt habe, wo-
gegen Ribbeck dieselbe wegen der Vorwürfe, die hier Agamemnon
dem Odysseus macht, der noch eben in B sich so grolse Ver-
dienste erworben, unvereinbar mit der vorhergehenden Erzählung
findet. Eine eigentümliche Ansicht ist die von Schöll (Sophoel.
Aias p. 62), dafs in der Epipolesis ein umgedichtetes Bruchstück
eines älteren und poetischer gestalteten Helden- und Scharenver-
zeichnisses, als der Katalog ist, zu erkennen sei. Dagegen lassen
q*
20 4. Einleitung.
Lachmann und Benicken, sowie Düntzer und Genz dieselbe
im Zusammenhang mit dem Vertragsbruch gedichtet sein.
Die zahlreichen Bedenken, welche gegen die Epipolesis an
dieser Stelle ausgesprochen sind, betreffen teils den Zusammen-
hang mit der Erzählung vom Vertragsbruch, teils die Ausdehnung
der zwischen Agamemnon und den übrigen Fürsten gewechselten
Reden und deren Inhalt, teils Einzelheiten. Was die Beziehung
auf den Vertragsbruch betrifft, so findet Bischoff abgesehen von
der kurzen Erwähnung desselben 271 alles mit einem solchen
Ereignis in Widerspruch: “Wie kommen die beiden Aias, wie Nestor
dazu, sich zu rüsten? Wissen sie aber von der Sache, wie ist
es möglich, dafs weder Agamemnon gegen sie, noch auch sie gegen
ihn des aufserordentlichen Vorfalls, der alle Gemüter bewegen mulste,
Erwähnung thun? Und wie kann Agamemnon den Menestheus,
Odysseus, Diomedes schelten? Sie wissen ja offenbar nichts vom
Bruch der ὅρκια. Aber warum sagt er ihnen dann nichts davon?”
Kammer aber begreift nicht, wozu die Aufstellung wiederholt
werde, da beide Heere schon in I’ auf einander losgerückt sind,
zumal alles auf einen erbitterten Angriff hindränge. Allein diese
Bedenken sind nur zum Teil begründet. Bischoff hat übersehen,
dafs 211 berichtet ist, dafs nach dem Schuls des Pandaros alle
die edelsten um Menelaos sich gesammelt hatten, und eine wieder-
holte Erwähnung des Vertragsbruchs bei den einzelnen Ansprachen
Agamemnons zu verlangen ist doch unberechtigt. Kammer aber
hat vergessen, dafs beide Heere vor Beginn des Zweikampfes die
Waffen abgelegt und sich auf den Boden gesetzt hatten. Es war
also bis zu einem gewissen Grade eine neue Aufstellung und Ord-
nung der Scharen erforderlich, während die 252 und 274 erwähnte
Rüstung nach dem oben Bemerkten allerdings nicht mehr an der
Stelle ist. Aber es ist doch Kammer zuzugeben, dafs die takti-
schen Anordnungen und Weisungen Nestors 297 #. den Eindruck
machen, als ob jetzt überhaupt die erste Aufstellung und Ordnung
der Scharen vor sich gehe, welche doch bereits am Morgen dieses
Tages in B erfolgt war. Begrüindet scheint auch das Bedenken,
wie Agamemnon, da die Troer schon 221 und jedenfalls aus nicht
grofser Entfernung anrücken, die Zeit gewinnen könne bei den
einzelnen Führern die Runde zu machen und mit ihnen lange Reden
zu wechseln. Beobachtet man indessen, dafs während die näher
stehenden Scharen des Idomeneus und der Aias bereits zur Auf-
nahme des Kampfes vorzugehen im Begriff sind oder schon sich
in Bewegung setzen, Nestor wenigstens bei der Aufstellung be-
schäftigt ist, die fernerstehenden Odysseus und Menestheus, Dio-
medes und Sthenelos dagegen noch unthätig dastehen und dies
dadurch motiviert wird, dafs eben erst die Scharen der Troer und
der Achäer sich gegeneinander bewegten, so ist doch anzuer-
kennen, dafs der Dichter einigermalsen in den Grenzen der Wahr-
4. Einleitung. 21
scheinlichkeit sich gehalten hat. Aber die geschwätzige Breite der
Reden ist der Situation, die zum Handeln drängt, allerdings wenig
angemessen und der Inhalt und Ton der Ansprachen hat manches
Befremdende: so die zweimalige Beziehung auf die Gerontenmahl-
zeiten 259 ff. 343 ff,, der schnöde Vorwurf gegen Odysseus, zumal
nach den grofsen Verdiensten dieses Helden in der Heeresver-
sammlung in B, was Ribbeck mit Recht hervorhebt, um die Un-
vereinbarkeit der Epipolesis mit der vorhergehenden Erzählung zu
erweisen, endlich der gehässige Angriff auf Diomedes. Diese ‘un-
wirsche und unbesonnene Art, mit der er einzelne Heerführer
anfährt”, schickt sich, wie wir Kammer zugeben, allerdings nicht
recht zu der Situation, da wir bei Agamemnon nach dem von ihm
158 #. ausgesprochenen sichern Vertrauen auf das Walten der
göttlichen Gerechtigkeit, zumal da Menelaos aufser Gefahr ist, eher
eine feste, gehobene Stimmung zu erwarten berechtigt wären. Im
einzelnen sind als Eigentümlichkeiten dieser Partie bemerkt, dafs
Eurymedon nur hier als Wagenlenker des Agamemnon erscheint,
sodann dafs Odysseus sich 354 als Vater des Telemach bezeichnet,
wie B 260, was die Bekanntschaft des Dichters mit der Odyssee
voraussetzen läfst, und die Verwandtschaft von 288—291 mit
B 371—374, wo nach Nabers Urteil der Gedanke angemessener
scheint.
Innerhalb der Epipolesis selbst hat Düntzer drei bedeutendere
rhapsodische Eindichtungen angenommen: 226—250, 251—272,
327—364, die Ansprachen Agamemnons an die Krieger, die Wechsel-
reden zwischen ihm und Idomeneus, sowie die zwischen ihm und
Odysseus. In dem Verdacht gegen die erste Partie begegnet sich
mit Düntzer Kammer, welcher 232—250 für iuterpoliert hält.
In der zweiten beschränken sich Kammer und Köchly auf die
Athetese von 268 oder 269—271. Die beiden letzteren Kritiker,
welche die Epipolesis aus dem Zusammenhange mit der vorher-
gehenden Erzählung lösen, beseitigen damit eben die Beziehungen
auf den Vertragsbruch. Die von Düntzer gegen die ganze Partie
226—272 geltend gemachten Bedenken sind von Benicken mit
Recht zurückgewiesen; sie genügen jedenfalls nicht um die Not-
wendigkeit oder auch nur Wahrscheinlichkeit der Athetese zu
erweisen. Überdies wäre ein Anschlufs von 273 (ἦλθε δέ) an 225
ganz unverständlich, höchstens gestatteten, wie Kammer richtig
sah, die Worte ἐπεπωλεῖτο στίχας ἀνδρῶν 231 denselben. Dafs aber
auch die an 327—364 von Düntzer gemachten Ausstellungen
zum grolsen Teil unbegründet sind und die Unechtheit dieser Partie
nicht erweisen können, hat bereits Benicken dargethan, auf welchen
wir verweisen. — Endlich haben Köchly und Benicken die aus-
führliche Erzählung von Tydeus in Agamemnons Rede 370 ff. von
den Worten οὐ γὰρ ἔγωγε 374 bis zu «Αἰτώλιος 399 in Klammern
geschlossen. Diese Ausscheidung ist auch von la Roche, Düntzer
22 4. Einleitung.
und W. Jordan angenommen und da die übermäfsige Ausdehnung
der Rede zu der Situation sich übel schickt, die Ausscheidung
aber, welche sich ohne alle Schwierigkeit vollziehen läfst, eine
sechszeilige Rede ergiebt, wie sie den vorhergehenden und folgen-
den entspricht, so hat die Annahme der Interpolation Wahrschein-
lichkeit,
Mit 421 schliefst Lachmann sein viertes Lied, denn ‘die
Vorbereitung zur Schlacht schliefst hier ohne Übergang, ohne dals
man erfährt, wohin sich Agamemnon begiebt: nnd erst E 38 kommt
er wieder vor’ und ‘gleich, wo das fünfte Lied anfängt, 4 422
zeigt sich ein ganz anderer, uns aber bereits wohlbekannter Charakter
der Darstellung, nämlich der des zweiten Liedes; ja wenn man es
recht bedenkt, auf B483 oder 780—785 kann man, ohne eine
Störung zu bemerken, 4422 unmittelbar folgen lassen’. Damit
sind für die weitere Erörterung die Fragen gestellt: scheidet sich
in der That die folgende Schlachtschilderung in 4 und E äufser-
lich und innerlich so vollständig von der vorhergehenden Erzählung
in T und 4, dafs hier 421 der Abschluls der einen und 422 das
Anheben einer ganz neuen, auf andern Voraussetzungen beruhen-
den Entwicklung erkennbar ist oder bestehen zwischen beiden
Erzählungen derartige Beziehungen, dafs ein Zusammenhang irgend
welcher Art anzunehmen ist?
Der von Lachmann für die Sonderung geltend gemachte
äulsere Grund, dafs die Vorbereitung zur Schlacht ohne Übergang
schliefse, ohne dafs man erfahre, wohin sich Agamemnon begebe,
ist von Gross und Düntzer bestritten. Jener führt dagegen an,
dafs aus 428 sich genügend ergebe, dafs sich Agamemnon wieder
zu den Seinigen begeben habe, dieser sagt: der Dichter mufste
Agamemnon im Heere verschwinden lassen, um die Epipolesis nicht
ins Unendliche zu verlängern. Beide Gegengründe widerlegen nicht
die Thatsache, dals die Epipolesis gegen allen epischen Brauch
ohne rechten Abschlufs ist und ein Übergang zum folgenden fehlt.
Denn, wie Jordan mit Recht bemerkt, ‘ohne dafs man aus dem
eben Gesagten wenigstens ungefähr weils, was mit einander ver-
glichen werden soll, kommt sonst niemals ein Vergleich so herein-
geschneit, wie 422—427’.
Prüfen wir die weiter für die Scheidung beider Abschnitte
beigebrachten inneren Gründe, so führt Lachmann nur an, dafs
gleich mit 4 422 sich ein ganz anderer Charakter der Darstellung
zeige, was auch Bergk anerkennt, indem er hier den lebendigen
Atem kriegerischen Geistes findet, der überall in den echten
Teilen der Ilias wahrnehmbar sei. Man wird dem kein grofses
Gewicht beilegen können, weil das Hervortreten dieses Charakters
durch den veränderten Stoff bedingt ist. Wie unsicher derartige
Urteile überhaupt sind, geht daraus hervor, dafs Hoffmann in
dem Schlufs von 4 (mit Ausnahme von 467—544) und E in
4. Einleitung. 23
Bezug auf den Charakter der Darstellung viel mehr Verwandtschaft
mit den älteren Teilen von I’ und 4, als mit B 1—483 findet.
Mehr Gewicht haben die weiter von Bergk und Kammer für die
Scheidung geltend gemachten Gründe. Sie heben hervor, dals sich
in dem folgenden Kampfe bei den Achäern keine Spur einer leiden-
schaftlichen Erregung, einer Erbitterung zeige, wie sie doch der
vorhergehende Vertragsbruch erwarten lasse, und ebensowenig die
Götter, denen doch die Strafe des Meineids oblag, um jenen Ver-
tragsbruch sich weiter kümmern, obwohl dieser Gesichtspunkt in
4158 gebührend hervorgehoben sei. Wenn Pandaros aber im
fünften Gesange durch Diomedes’ Hand fällt, ‘so lag doch gewils
nichts näher, als den Tod mit jener That in Verbindung zu bringen,
aber nirgends, so oft sich auch Gelegenheit darbot, wird auf den
Verrat angespielt; man sieht deutlich, dafs dem Dichter der Aristie
des Diomedes dieses Lied unbekannt war’ (Bergk). Dabei wird
vorausgesetzt, dals E 206 ἢ,, wo Pandaros seines Schusses auf
Menelaos gedenkt, von dem Diaskeuasten eingefügt seien, während
Bischoff aus dem Wortlaut dieser Verse schlielst, dafs Pandaros
nur eine gewöhnliche Kampfscene vor Augen habe, weil er dabei
in keiner Weise das Bewulstsein eines Unrechts verrate, daher die
Verführungsgeschichte in 4 dem Dichter von E nicht könne bekannt
gewesen sein. Von bedeutendem Gewicht ist hier, dafs allerdings
nach der Athetese von E 206—8, welche, wie wir in der Ein-
leitung zu E nachweisen werden, unwiderleglich geboten ist, in E
jeder Hinweis und jede Beziehung auf den Vertragsbruch fehlt.
Zu einer solchen war aber an mehr als einer Stelle Anlals und
vor allem war sie da geboten und zu erwarten, wo die Erlegung
des Pandaros durch Diomedes mit Hilfe der Athene, derselben
Athene, welche jenen zum Vertragsbruch verleitete, berichtet wird.
Die Bedeutung dieser Thatsache sucht Düntzer mit Unrecht da-
durch abzuschwächen, dals er die Auffassung des Schusses des
Pandaros als eines eigentlichen Vertragsbruchs darum bestreitet,
weil durch die Rettung des Paris durch Aphrodite die im Ver-
trag vorgesehene Bedingung für die Auslieferung der Helena uner-
füllt geblieben sei, und in jenem Schufs nichts als ein episches
Mittel zur Fortsetzung der Handlung sieht, worauf der Dichter,
nachdem es seine Dienste gethan, dann auch später gar keine
Rücksicht mehr nehme. Diese Ansicht ist bereits von Benicken
mit guten Gründen zurückgewiesen und es bedarf nur des Hin-
weises darauf, dafs Düntzer alle Stellen, die seiner Auffassung
widerstreben, ausgeschieden hat. Steht aber die Auffassung des
Schusses des Pandaros als eines wirklichen Vertragsbruchs und
schweren Frevels aufser Frage und ist dieser der Ausgangspunkt
und das treibende Motiv für den im Schlufs von 4 beginnenden
allgemeinen Kampf, so ist es wahrlich unbegreiflich, dafs von
solchem Zusammenhange nirgends eine Spur zu entdecken ist und
24 4. Einleitung.
selbst bei dem Tode des Pandaros keine Beziehung darauf genom-
men wird.
Dem gegenüber ist andrerseits zu konstatieren, dafs zwischen
der Diomedeia und der Epipolesis sich eine Reihe von Beziehungen
ungesucht ergiebt. Die Epipolesis schliefst mit der Vorführung
des Helden, dem in der folgenden Schlacht die Aristie zugeteilt
ist, des Diomedes: seine von Agamemnon 4 370 f., wenn auch
nicht ernstlich bezweifelte Tapferkeit wird dort glänzend bewährt.
Die Art aber, wie Diomedes eingeführt wird, ist mit Recht als
besonders gelungen anerkannt. “Gerade sein bescheidenes Auf-
treten ist die passendste Einleitung zu seinen glänzenden Thaten’
(Gerlach). “Diomedes wird zuletzt bei der Musterung, aber am
glänzendsten und mit völlig richtiger und glücklicher Charakteristik
geschildert. Es ist dies ein gelungener Wurf unseres Dichters;
wir fühlen sogleich die ganze Bedeutung des Helden’ (Genz).
Vergleichen wir aber, wie in E 241 ff. Sthenelos im Verhältnis zu
Diomedes geschildert wird mit der Art, wie beide in der Epipo-
lesis auftreten, so erkennen wir dann erst, wie es sich in Wirk-
lichkeit mit beiden verhält: “Hier, wo es wirklichen Kampf gilt,
ermuntert Sthenelos zur Flucht, und abermals mufs ihn Diomedes
zurechtweisen. Offenbar ist dies ein beabsichtigter Gegensatz zu
der Stelle im vierten Buche. Wir erkennen jetzt, dals jene Be-
scheidenheit des Diomedes in seiner Tüchtigkeit, im Bewulstsein
seines Heldenwertes wurzelt’ (Gerlach). Diese Beziehungen, wie
sie in den Thatsachen und in der Charakteristik der Personen
hervortreten, sind so augenfällig und bedeutsam, dafs wir unmög-
lich mit Benicken hier eine bewulste und planmäfsige dichterische
'Thätigkeit leugnen können, so dafs wir mit ihm die Unterredung
des Agamemnon mit Diomedes an letzter Stelle nur daraus erklären
sollten, dafs dieser am weitesten von dem Mittelpunkte der Schlacht-
ordnung entfernt gestanden habe. Dazu können uns auch nicht
die Bedenken desselben Gelehrten bestimmen, dafs, wenn derselbe
Dichter, welcher Diomedes von Agamemnon ausschelten läfst, ihn
im Gegensatz dazu nur um so höher zu heben beabsichtigt hätte,
er nicht bis Ε 1 mit seiner Einführung würde gewartet haben,
noch weniger aber ihn dort so, wie das geschieht, eingeführt haben
würde, ohne auch nur die Schelte zu erwähnen. Welche Bedenken
erheben sich dagegen andrerseits gegen die Annahme, dafs mit
4421 das Lied vom Vertragsbruch schliefse. Mit Recht haben
Hoffmann und Gerlach eingewandt, dafs ein solches Lied ohne
Abschlufs, ohne künstlerische Abrundung sein würde, “nichts als
ein abgebrochenes Stück einer Statue, unverständlich und unbe-
friedigend in seiner Isoliertheit, so schön und bedeutend es auch
als Teil des Ganzen gewesen war”. — “Diomedes springt kampf-
bereit vom Wagen und mit diesem kühnen Sprunge schlielst das
Lied’ (Gerlach).
4. Einleitung. 25
Die von Lachmann zuerst aufgestellte Möglichkeit des An-
schlusses von 4422 an B hat mehrfach Beifall gefunden. Der
Recensent der Lachmannschen Betrachtungen in den Blättern für
litterarische Unterhaltung sah in dem letzten Abschnitt von 4
geradezu einen ursprünglichen Bestandteil des zweiten Buches,
welcher direkt an B 785 anzuschlielsen sei, während er jedoch den
ganzen fünften Gesang nicht zu den echten und ursprünglichen
Bestandteilen der Ilias, sondern zu den wertlosen Zuthaten rechnete.
Bergk ferner, welcher in dem Gesange vom Zweikampf und Ver-
tragsbruch eine von dem Diaskeuasten überarbeitete und erweiterte
Fortsetzung der Ilias sieht und erst in 4422 die ursprüngliche
Dichtung wieder anzutreffen glaubt, will dieses Stück unmittelbar
an Β 488 anschliefsen, wenn gleich B455—483 problematisch
seien. Auch Kammer erkennt in dem Zweikampf mit seinen
Folgen ein selbständiges, die ursprüngliche Ilias erweiterndes Lied,
unterscheidet sich aber von Bergk dadurch, dafs er die Epipo-
lesis für einen ursprünglichen Bestandteil der Ilias hält und diese
mit dem folgenden Schluls von 4 sofort auf die Vorbereitungen
zur Schlacht in B (483) folgen lassen will.
Die letztere Ansicht unterliegt jedenfalls grofsen Bedenken.
Freilich hat Köchly eine Reihe von Ähnlichkeiten und Beziehun-
gen zwischen der Epipolesis und B 1—484 aufgezählt, aber mit
Recht hat Benicken dieselben teils aus der Natur der Sache
oder der Ähnlichkeit der Situation erklärt, teils überhaupt als
unbegründet zurückgewiesen. Köchly selbst aber hat andrerseits
wieder hervorgehoben, wie wenig im übrigen der Inhalt in beiden
Partieen zusammenstimme, vor allem ist der gehässige Tadel, den
Agamemnon gegen Odysseus ausspricht, wie auch Ribbeck es
betont hat, nicht vereinbar mit dem grofsen Dienst, welchen
dieser an demselben Morgen in der Heeresversammlung in B jenem
erwiesen hat. Auch das verdient wohl Beachtung, wie noch weit
unpassender Agamemnons zweimalige Beziehung auf die Geronten-
mahlzeiten ist, wenn die Fürsten soeben von einer solchen Mahl-
zeit bei Agamemnon (B 404 ff.) kommen.
Von den übrigen Gelehrten, welche eine selbständige Ansicht
geäufsert haben, sind noch Hoffmann und Genz zu nennen.
Jener wahrt den Zusammenhang des Zweikampfes, des Vertrags-
bruchs und der Aristie des Diomedes und stellt ['’9—145. 245—461.
41—222 und (vielleicht) 422—456. E 1—448 zusammen als
“einen eignen Abschnitt der Iliade, der jedoch zum Gange der
Haupthandlung (dem Unterliegen der Achlier zu Ehren des Achil-
les) in keinerlei Beziehung steht, sondern sie im Gegenteil völlig
aufhält”. Genz sieht in 4 1—421 eine Zwischendichtung mit der
Bestimmung I’ und die Aristie des Diomedes mit einander zu verbinden.
Von den in dem letzten Abschnitt von A vorgeschlagenen
Athetesen betrifft die erste V.446—451. Düntzer findet die in
26 4. Einleitung.
diesen Versen enthaltene Schilderung des beginnenden Kampfes
unvereinbar mit dem 452 ff. folgenden Gleichnis und nimmt an,
dafs dieselben aus © 60—65 irrig in diese Stelle gekommen seien.
Benicken, welcher mit Lachmann in @1—252 eine späte Inter-
polation sieht und die Verse in 4 für ursprünglich hält, giebt allen-
falls zu, dafs 451 im Verhältnis zum folgenden Gleichnis Anstofs
gebe und hat diesen Vers in seinem fünften Liede in Klammern
gesetzt, doch nicht ohne ein Fragezeichen beizufügen. Allein die
Athetese von 451 genügt doch nicht, um den in der That anzu-
erkennenden Anstols zu beseitigen. Wenn das Gleichnis 452—456
das Getöse beim Zusammenstols zum Gegenstande hat und in den
Worten γένετο ἰαχή re πόνος τε deutlich der Beginn des Kampfes
bezeichnet wird, so ist der Anschluls dieses Gleichnisses zwar an
449 als Ausführung der Worte πολὺς δ᾽ ὀρύμαγδος ὀρώρει mög-
lich und passend, aber nicht an 450, da die hier erwähnten οἰμωγή
und εὐχωλή bereits über den ersten Zusammenstols hinaus auf die
Entwicklung des Kampfes im einzelnen weisen, während das Gleich-
nis wieder auf den ersten Zusammenstofs zurückführt. Überdies
stehen 450 und 451, da ὀλλύντων und ὀλλυμένων die erklärende
Ausführung zu οἰμωγή und εὐχωλή geben, in so enger Beziehung
zu einander, dals es nicht möglich ist sie zu trennen. Wohl aber
genügt die Athetese von 450 und 451, um den Anstofs zu beseitigen.
Eine weitere Athetese hat Köchly unter Zustimmung von
Ribbeck ausgesprochen gegen die ganze Partie 457—538, welche
er zu der Klasse der nach seiner Meinung von den Rhapsoden
nach Belieben verwerteten “Mordgeschichten’ rechnet und mit andern
Stücken aus E in Verbindung bringt, die sich ihm als Bruchstlicke
eines andern Liedes ergeben. Welchen grofsen Bedenken diese
Annahmen unterliegen, hat Benicken erörtert: warum die Aristie
des Diomedes durch die hier geschilderten Einzelkämpfe nicht pas-
send eingeleitet werden sollte, ist in der That nicht zu sehen;
ohne diese sind überdies die Schlufsverse 539—544, die einen
Höhepunkt in der Entwicklung der Schlacht bezeichnen, ohne Be-
ziehung und geradezu unverständlich, so dafs man, fehlten die vor-
hergehenden Einzelkimpfe, ohne Zweifel eine Lücke annehmen
würde. Freilich begegnen sich in der Beanstandung dieser Partie
mit Köchly zum Teil auch Hoffmann und Düntzer, indem
jener auf Grund seiner metrischen Untersuchungen zu dem Resultat
kommt, dafs 467 —544 nicht mit der ersten Hälfte von E zusammen-
gehört haben können, dieser aber 507—544 beanstandet. Allein
die ästhetischen Bedenken Düntzers sind zu wenig begründet, die
Resultate der Hoffmannschen Untersuchungen aber, die in diesem
Falle auch von Kayser bestritten sind, für sich nicht ausreichend,
um die Athetese zu rechtfertigen. Für die Schlufsverse 539—544
giebt Benicken die Möglichkeit zu, dafs sie unecht seien, und
hat dieselben in dem Text seines fünften Liedes unter Hinzufügung
4. Einleitung. 27
eines Fragezeichens in Klammern gesetzt. Die beiden letzten Verse
543. 544 hatten schon Bentley und Heyne verworfen, und neuer-
dings bat auch Nauck dieselben als spurü? bezeichnet. Da diese
beiden Verse mit dem Plusquamperf. τέταντο in Verbindung mit
der Zeitbestimmung ἤματι κείνῳ offenbar das abschliefsende Resul-
tat des Tageskampfes geben, so können sie in der That nicht an
einer Stelle bestehen, wo innerhalb desselben Tages und desselben
Kampfes mit ἔνϑ᾽ αὖ der Anschlufs der Aristie. des Diomedes
folgen soll. Diese beiden Verse verraten sich als ein rhapsodischer
Zusatz, welcher den Zweck hatte bei Abbruch des Vortrages an
dieser Stelle einen vorläufigen Abschlufs zu geben. Aber es ist
wohl nicht unwahrscheinlich, dafs auch die damit in engem Zu-
sammenhang stehenden vorhergehenden Verse 539—542, wenn sie
auch an sich dem folgenden Anschlufs der Diomedeia nicht wider-
streben, doch dem gleichen Zweck gedient haben. Denn dafs, wenn
543 £. nicht ursprünglich waren, die Erwähnung der Athene 541.
zu der unmittelbar folgenden Einführung derselben Göttin E1 sich
nicht wohl schickt, mufs man Düntzer zugeben.
Die vorstehenden Erörterungen ergeben eine Reihe von schweren
Bedenken gegen den einheitlichen Zusammenhang der im vierten Ge-
sange enthaltenen Abschnitte teils mit dem vorhergehenden Gesange,
teils unter sich. Der erste Abschnitt, der Vertragsbruch, ist zwar
zweifellos im Anschlufs an Γ' gedichtet, allein die eigentümliche Art,
wie die Handlung weitergeführt wird, ist durch die vorhergehende Er-
zählung so wenig vermittelt und entfernt sich so sehr von den dort
gegebenen Voraussetzungen und Motiven, dafs man zweifeln mufs,
ob hier noch die Hand desselben Dichters zu erkennen ist, welcher
T' dichtete. Die Epipolesis wiederum zeigt zwar mehrfache Be-
ziehungen auf den Vertragsbruch, schlielst aber in den äufseren
Voraussetzungen sich so ungenau an die vorhergehende Erzählung
an und scheint in ihrer Ausdehnung und namentlich in den dem
Agamemnon in den Mund gelegten Ansprachen der durch den Ver-
tragsbruch geschaffenen Situation so wenig angemessen, dafs es
fraglich ist, ob sie ursprünglich im Anschlufs an den Vertrags-
bruch gedichtet ist. Dagegen bestehen zwischen ihr und der folgen-
den Diomedie die engsten Beziehungen, indem die geflissentliche
Hervorhebung des Diomedes am Schlufs darauf berechnet ist auf
die glänzenden Thaten dieses Helden in E hinzuweisen. Aber auch
der Übergang von der Epipolesis zu der daran schliefsenden Kampf-
beschreibung ist nicht nach epischer Weise vermittelt. Gegen die
Kampfbeschreibung selbst liegen abgesehen von Einzelheiten wesent-
liche Bedenken nicht vor; die Frage nach dem Verhältnis derselben
zum Vertragsbruch wird im Zusammenhange mit der Diomedie in
der Einleitung zu E erörtert werden.
28 4. Anmerkungen.
Anmerkungen.
«18. Über das Verhältnis des Gesanges zum dritten vgl. die
Einleitung p. 6 ff. und dazu Lachmanns Betracht. p. 19, Benicken
das dritte und vierte Lied p. 40—46, 61 f., 69, 90 δ΄, 152, Grofs
Vindic. Hom. I p. 53 ff, Hoffmann im Philol. III p. 207, Düntzer
hom. Abh. p. 46 ἢ, Gerlach im Philol. XXX p. 20 ἢ, Köchly de
Iliadis carmm. dissertat. IV p. 5, Jacob Entstehung ἃ. Ilias u.
Od. p. 195, Genz zur Ilias p. 19 ἢ, Bernhardy Grundrifs der
griech. Literat.® II, 1, p. 163, Bergk griech. Literaturgesch. I
p. 569. — Zur Kritik des Götterrates vgl. die Einleitung p. 12 δ᾽,
dazu Friedländer die homer. Kritik p. 67, Bergk griech. Literatur-
gesch. I p. 571, Benicken das dritte und vierte Lied p. 79 ff,
Naber quaestt. Hom. p. 160, Genz zur Ilias p. 20, Bischoff im
Philol. XXXIV p. 9, Jacob Entstehung d. Il. u. Od. p. 197, Kraut
die epische Prolepsis p. 18, Nitzsch Sagenpoesie p. 200 ἢ,
3f. Statt des handschriftlich allein überlieferten ἐῳνοχόει,
welches Bekker hier und v 255 unverändert gelassen hat, während
er A598 und o 141 Fowoyosı herstellte, verlangt Cobet Miscell.
exit. p. 295 2Fowoydes und Nauck hat Zowoyde geschrieben. —
4. Δειδέχαται, δεικανάομαι und δειδίσκομαι sind nach Ursprung und
Gebrauch von L. Meyer in Bezzenbergers Beiträgen II p. 260 ff.
erörtert mit dem Resultat, dafs diese Formen unter sich zusammen-
gehörig von δείκνυμι zu trennen und auf eine Wurzelform dex
zurückzuführen seien, welche ihr getreues Abbild im altindischen
däg finde: wie dieses in ganz besonders ausgebildeter Weise die
den Göttern dargebrachte Huldigung bezeichnet, so tritt auch im
Homer bei den angegebenen Verben die nahe Beziehung zur Götter-
welt noch mehrfach deutlich hervor.
8. ᾿Αλαλκομενηίς wird noch mehrfach als eine Erweiterung
von ἀλαλκομένη ‘die Abwehrende’ betrachtet. Vgl. Seiler-Capelle’'s
Hom. Wörterbuch und das Lexicon Homer. Aber gegen diese
Deutung spricht zuerst die Zusammenstellung mit ’4gyein, sodann
die Form selbst, weil an ein Partieip. Femin. nicht noch die Endung
ig gehängt wird. G. Autenrieth bemerkt darüber: “Von einem
Partieip. würde man nicht eine Ableitung mit -ıg bilden, sondern
man würde eben das Partieipium selbst nehmen, wie in der βρῇς
tern Notiz des Et. M. eine Ἥρα ἀλαλκομένη, aber freilich daselbst
auch ein Ζεὺς ᾿ἡλαλκομενεύς vorkommt. Es war überhaupt in alter
Zeit ‚nicht Sitte, Participia den Gottheiten als Beinamen zu geben,
die das Wesen derselben bezeichnen sollten, ausgenommen Ζεὺς
αἰϑέρι ναίων, Ποσειδάων εὐρυκρείων und εὐρυμέδων (die man als
Partieipia nicht mehr empfand). Denn Ζεὺς βροντῶν gehört einer
spätern Zeit und den Phrygern an, ”4mdiAov ist trotz Welckers
4. Anmerkungen. 29
Annahme nicht evident ein Particip; der Ἡρακλῆς μαινόμενος be-
zeichnet nur einen vorübergehenden Zustand; die 4ημήτηρ κατ-
ἄγουσα und Ἡρακλῆς ὡπλισμένος sind nur Bilder in bestimmter kon-
kreter Fassung (jene des Praxiteles), so wohl auch ᾿Αφροδίτη
ἁὡπλισμένη, die “Ἥρα νυμφευομένη ist durch den Gegensatz χήρα
und τελεία erklärt; Δημήτηρ ἐπιλυσαμένη ist gewils nur eine kon-
krete Auffassung des Moments. Die Göttin ist wohl von ’Alal-
κομεναί benannt (vgl. Βοιβηίς von Boißn); der Ort lag am Triton-
Aüfschen südlich vom Kopaissee, woselbst auch das "AAurxoukveron,
als Geburtsstätte der Athene (Τριτογένεια) gefeiert. Sulla raubte
das Elfenbeinbild der Göttin, und der Tempel zerfiel, der Ort
᾿Δλαλκομεναί, südlich davon am Fufs des Gebirgs, bestand noch im
2. Jahrh. nach Christo. Wie ausgebreitet der Dienst dieser Göttin
war, beweist auch der böot. Monatsname "AAakxouevuog (-ειος) — att.
Maimakterion. Dafs der böot. Heros Alalkomeneus oder Alalkomenes
Gemahl der Athenais und Autochthon ist und zugleich Sohn der
Niobe, also Morgenländer (wie Kadmos), ist bemerkenswert; ebenso
dafs der Tempel der ᾿4ϑηνᾶ ᾿Ιτωνία westwärts in der Nühe lag,
wo die Παμβοιώτια gefeiert wurden, wieder ein Beweis der cen-
tralen Bedeutung dieser Göttin für Böotien, deren πάρεδρος Hades
oder Zeus genannt wird (cf. Bursian I 234 ἢ). In uralter Zeit
soll es am Tritonbach auch ein Eleusis und Athenae gegeben haben,
welche Orte durch den See verschlungen sein sollten (Burs. I 198).
— Für ’Alakrouevnig als gentilicium entscheiden sich auch Welcker
Griech. Götterl. I, 316 und Eduard Krah De fixis gquae dicuntur
deorum et heroum epithetis (Königsberg 1852) p. 22.
17. πέλοιτο ist die Aristarchische Lesart, γένοιτο, welche
die Handschriften allein bieten, die des Aristophanes, entsprechend
H 387 vgl. 435. Ein entscheidender Grund mit Ameis der
Lesart des Aristarch den Vorzug zu geben ist nicht beigebracht;
die Beziehung unserer Stelle zu H 387, wo über Aristarchs Schrei-
bung nichts vorliegt, spricht für γένοιτο, Zweifel bleiben wegen
der Schreibung im Eingang des Vertes, wo nach Aristarch ge-
wöhnlich εἰ δ᾽ αὖ πὼς gelesen wird, während Aristophanes αὖ
τὼς oder αὔτως schrieb, wonach die Handschriften zwischen αὔτως,
αὔτως und αὕτως schwanken. Beide Lesarten entbehren der Ana-
logie. Auch die am meisten ansprechende und von den neueren
Herausgebern (mit Ausnahme von Nauck, welcher αὔτως schreibt)
vorgezogene αὖ wg macht Schwierigkeiten wegen des αὖ, welches
nach gewöhnlichem Gebrauch einen Gegensatz zum vorhergehenden
andeuten müfste, vgl. m 105. σ 371. 376. Andrerseits würde das
πῶς nach Stellen, wie ὃ 388 und m 148, wie Lange der homerische
Gebrauch der Partikel εἰ I p. 371 bemerkt, die Auffassung des εἰ-
Satzes als Wunschsatz nahe legen — eine Auffassung, die nicht
allein, wie Lange anerkennt, möglich, sondern vortrefflich passend
sein würde, weil der geradezu ausgesprochene Wunsch der Bei-
80 4. Anmerkungen.
legung des Kampfes den aufserordentlichen Zorn der Here 24 ff.
sowie die weiter folgende Erklärung des Zeus, wo er die Zeı
störung Trojas als ein ihm schwer abgerungenes Zugeständnis hin-
stellt 43 δ΄͵, besser motivieren würde, als die blofse Fallsetzung.
Um dieselbe zu ermöglichen, bedürfte es einer Änderung der Les-
art, wie εἰ δή πως, wie Axt Coniectan. Hom. p. 5 vermutet hat
(neben εἰ δ᾽ οὖν πως), oder etwa εἰ δὴ οὕτως oder αἴϑ᾽ οὕτως
(4178).
27. ἰδρόα statt des handschriftlichen ide& schreibt Nauck,
auch Ahrens Beiträge zur griech. und lat. Etymologie I p. 133 f.
empfiehlt für dieses Wort die unkontrahierten Formen. — 31. Die
Fragen mit τί sind zusammengestellt von Jordan de pronomina-
lium quae dieuntur interrogationum usu Hom. Halle 1879 p. 18 ff,
welcher τί hier erklärt: inwiefern. — 34. Der ei-Satz wird von
Lange der hom. Gebrauch der Partikel εἰ I p. 369 zu den bedin-
genden Fallsetzungssätzen gerechnet, wobei er den Optativ kon-
zessiv (den Fall zugestehend, dafs dieses geschehe) fafst. Diese
Auffassung scheint der Stelle nicht gerecht zu werden. Gewils
giebt Franke bei Faesi den Sinn richtig wieder: ja, wenn du
verzehren könntest, quid si etc., womit der Satz, wenn ich recht
verstehe, als ein Wunsch aus den Gedanken der angeredeten Here
verstanden wird. Die Möglichkeit dieser Auffassung aber ergiebt
sich, wenn man bedenkt, dafs auch in den postpositiven ei-Sätzen
der Redende einen Wunsch aus der ψυχικὴ διάϑεσις des Angerede-
ten ausspricht, wie 8351. &132, vgl. Lange a. Ὁ. 1 p. 890 ἔ,
indem der Sprechende die ψυχικὴ διάϑεσις dessen, mit dem er
spricht, naiv zu der seinigen macht. — 35. An Stelle der nur
hier vorkommenden Form βεβρώϑοις vermutet Nauck in den M6-
langes Greco-Romains IV p. 35 nach βεβρωκώς X 94. χ 408: βε-
βρώκοις, woneben p. 299 die andere Möglichkeit statuiert wird,
dafs umgekehrt an den angeführten Stellen nach der vorliegenden
βεβρωϑώς zu korrigieren sei. Zur Beurteilung der ganzen Wen-
dung aber vgl. Bergk griech. Litteraturgesch. I p. 806. — 43 ist
auffällig, dafs I. Bekker nach.seinen metrischen Grundsätzen
das überlieferte δῶκα nicht in die Form ἔδωκα verwandelt hat.
Vgl. den Anhang zu B 102. — 52. Nach dieser Stelle werden
auch bei Späteren die erwähnten drei Städte oft zusammen genannt,
wie bei Ovid. Met. VI, 414; Fast. VI, 47.
55. I. Bekker, Franke, Nauck haben Vers 55 und 56
athetiert nach dem Vorgange des Aristarch, von dem Aristonikos
berichtet: ἀϑετοῦνται ἀμφότεροι, ὅτι τὴν χάριν ἀναλύουσιν, εἰ καὶ
μὴ προδεηϑεὶς δύναται τοῦτ᾽ ἔχειν, was L. Friedlaender erklärt:
“quia nulla gratia Iunoni a Iove deberetur, si Iupiter etiam nullis
‚precibus adhibitis optatum impetrare posse’. Dagegen bemerkte Ameis:
1) ‘Nach Athetierung der Verse scheint mir der Einwand 57 ἀλλὰ
χρὴ καὶ ἐμὸν ϑέμεναι πόνον οὐκ ἀτέλεστον seine einfache Beziehung
4. Anmerkungen. 81
zu verlieren. Oder man mülste mit dem Schol. Viet. ἀντὶ τοῦ un
ἀτέλεστον die Negation unrichtig zum Infinitiv ϑέμεναι ziehen.
2) Es ist psychologisch begründet, dafs wenn jemand von einem
andern ein erwünschtes Zugeständnis erhält, er sofort sich gedrun-
gen fühlt, den wirklichen Vorzug dieses andern lobend und demütig
auszusprechen. In diesem Sinne hat Here nach den 37 und 43
vernommenen Äufserungen die Übermacht des Zeus bereitwillig
anerkannt. 3) Man sieht nicht den Zweck, warum gerade hier
Here 58 bis 61, wie sonst nirgends, ihre Hoheit und Würde so
emphatisch hervorheben ‚sollte, wenn nicht vorher als gegensätz-
liche Veranlassung die Übermacht des Zeus ausdrücklich erwähnt
ist. Die Wiederholung von φϑονέουσα giebt dem Gedanken einen
besondern Nachdruck: vgl. τ᾿ 205 bis 208 und den Anhang zu τ 444.
Was I. Bekker in der Annotatio beifügt: ‘cf. A 515. M 450.
#213. P 172°, das sind Stellen von verschiedenartiger Beschaffen-
heit, die an ihrem Platze behandelt werden sollen. Selbst der
Erzathetesenschaffner Payne Knight hat hier zu 55. 56 ein ‘obelo
notati ob causam minus validam’ angemerkt”. Von den geltend
gemachten Gründen würde der an erster Stelle erwähnte, dem
Zusammenhang der Gedanken entnommene von entscheidendem
Gewicht sein, wenn Ameis’ Auffassung begründet wäre. Dieser
setzte nämlich eine enge Beziehung von 57 auf die beiden vor-
ergebenden Verse in der Weise voraus, dafs der Zusammenhang
wäre: ‘aber es frommt dir deine Übermacht auch für mich zu
gebrauchen”. Allein wo die Beziehung des durch ἀλλὰ χρή 57
eingeleiteten Gegensatzes zu suchen ist, zeigt deutlich die ab-
schliefsende Zusammenfassung der ganzen vorhergehenden Gedanken-
reihe in 62. 63. Danach tritt einfach dem in 51—54 gemachten
Zugeständnis mit ἀλλὰ χρή 57 die Gegenforderung gegenüber, was
Here ihrerseits beansprucht; und durch eine Beziehung auf 55 u.
56 würde gerade diese klare Anordnung der Gedanken verwischt
werden. In der Litotes οὐκ ἀτέλεστον statt des erwarteten μὴ
ϑέμεναι ἀτέλεστον sehe ich keine Nötigung zu einer anderen Auf-
fassung: es findet dieselbe ihre Erklärung in der nach den gewühl-
ten Ausdrücken unverkennbaren Beziehung auf 26 πῶς ἐϑέλεις ἅλιον
Yeivaı πόνον ἠδ᾽ ἀτέλεστον; und scheint mit ihrer Kraft besonders
geeignet für. den Ton einer kategorischen Gegenforderung, wie sie
Here nach einem bedeutenden Zugeständnis im Bewulstsein ihrer
Stellung (58—61) zu machen sich berechtigt glaubt. Damit scheinen
auch alle sonstigen Bedenken erledigt zu sein, welche gegen die
Ausscheidung der beiden Verse erhoben werden, welche in der
That sehr störend in den Zusammenhang eingreifen. Vgl. auch
Köchly de Il. carmm. diss. IV p. 6, Benicken das dritte und
vierte Lied p. 51 f., welche ebenfalls die Athetese annehmen, während
Düntzer hom. Abh. p. 250 Anmerk.'und Grofs Vindic. Hom. I
Ρ. 55 f. dieselbe ablehnen. — 58. Zur Rechtfertigung der enkli-
32 4. Anmerkungen.
tischen Form des Pronomens δέ μοι vgl. Bekker Hom. Blätt. I
p. 221. — 59. “Das Wort πρεσβυτάτην wird durch den folgen-
den Vers ausdrücklich erklärt und ist daher nicht in wörtlichem
Sinne zu verstehen als ““frühergeboren” wie y 452 Eurydike. Das
lat. pris-cus aus prius-* πρεὶς (vgl. πλεῖν) hat auch teil an dieser
qualitativen Begriffsteigerung zum Ehrwürdigen: vgl. seigneur,
senior und Senior als Titel, dazu den Anhang zu ß 14° G. Auten-
rieth. — 62. Zweifelbaft ist, ob ὑποείξομεν als Konj. Aor. oder
als Ind. Fut. zu fassen sei. Capelle im Philol. XXXVI p. 679
unterscheidet mit Recht für solche mit ἀλλ᾽ ἤτοι vorkommende
Beispiele der ersten Person Pluralis zwei Fälle: “Entweder ver-
spricht einer etwas im Namen anderer und dann mufs das Futurum
stehen, so Θ 35, oder es richtet einer an andere eine Aufforderung,
wie #291—93, und dann steht der Konjunktiv’ und rechnet zu
dem letzteren Fall auch die vorliegende Stelle. Da indes Here
hier nur die ihrerseits, wie die von seiten des Zeus bereits vor-
her gegebene Zusage zusammenfassend wiederholt und überdies
der ganze Gedanke das Vorhergehende abschlielsend nur zur Vor-
bereitung der 64 folgenden Aufforderung dient, so scheint das
Futurum der Stelle angemessener,
18 ἢ. Zur Kritik der folgenden Erzählung von der Ver-
führung des Pandaros durch Athene vgl. die Einleitung p. 13 f. und
dazu Nitzsch Sagenpoesie p. 201 und andrerseits Bischoff in
Philol. XXXIV, 9. — 75. Statt der Überlieferung ἀστέρα ἧκε
haben Barnes Bentley Heyne Payne Knight Bekker? aus
Konjektur ἀστέρ᾽ ἕηκε gegeben. Vgl. dagegen Fr. Spitzner. Auch
‚die übrigen Beispiele des Hiatus an dieser Versstelle hat Bekker
nicht entfernt: vgl. die Stellen bei C. A. 7. Hoffmann Quaest.
Hom. 1, 92 sq. Hierzu kommt, dafs die Aoriste ἧκα und ἕηκα
ursprünglich nach Fick Vergl. Wörterb.? I, 225 mit Sigma an-
lauten (G. Curtius Griech. Etym.* p. 403 nimmt j an). —
Was die Erklärung der Stelle betrifft, so herrscht hier die all-
gemeine Annahme, dafs das Bild mit der Wirklichkeit sich ver-
wirrt habe, oder dafs das Gleichnis dem Dichter unter der Hand
in eine thatsächliche Erscheinung umgeschlagen sei. So bemerkt
G. W. Nitzsch Beitr. zur Gesch. der ep. Poesie 8. 343 schliefslich:
“ein göttliches Vorzeichen, eine aufserordentliche Erscheinung ist
demnach jedenfalls gemeint und zu verstehn, und zwar ein bei
Tage gesehenes Meteor. Sagt nun unsere Naturkunde nur
Feuerkugeln oder 8. g. Meteorsteine kämen bei Tage vor, so ist
das Problem dieses: entweder der Dichter hat verschiedene Mete-
ore verwechselt, oder wir haben seinen Ausdruck Stern, welcher
Funken sprüht, da er im weiteren Sinne gebraucht, zu eng gefalst.
Die letztere Erklärung wird durch die schon viel verglichenen
mehren Stellen der Alten, in denen eine solche Erscheinung bei
Tage stattfindet, unterstützt. Dabei ist wahrzunehmen, dafs das
4. Anmerkungen. 33
Volk nicht die Athene, sondern das niederfallende Meteor
sieht”. Aber von einer solchen Vermischung des Gleichnisses mit
der Wirklichkeit ist ein zweites Beispiel im Dichter nicht zu ent-
decken. Sodann ist auch von einem wirklichen ‘bei Tage ge-
sehenen Meteor’ nicht die leiseste Spur zu finden. Diesen Zusatz
hat erst der Nachahmer dieser Stelle im hymn. in Apoll. Pyth. 263
(441) mit μέσῳ ἤματι hinzugebracht. Andere erklären nach der-
selben Auffassung: “Pallas fliegt als Sternschnuppe zur Erde’,
oder ‘als Feuerkugel und zwar als platzende nach 77°. Die
Worte des Textes geben einfach ein ausgeführtes von einer
Nachterscheinung (wie E5. Z 295. 401. 462. T 381. X 26.
317. 0 108) entlehntes Gleichnis. Wie Athene hier mit einem
fallenden Sterne, so wird sie gleichfalls beim Herabsteigen P547 ff.
mit einem Regenbogen verglichen, den Zeus vom Himmel her aus-
spannt. Und umgekehrt wird der aufsteigende Ares E 864f.
mit einer aufschwebenden Wolke verglichen. — 77. Zur Unter-
scheidung mehrerer wurzelhaft verschiedener Verba iso: vgl. Leo
Meyer in Bezzenbergers Beiträgen I p. 306. u. Ahrens Bei-
träge zur griech. und latein. Etymologie I p. 118f. — 80 wird
von Nauck als spurius? bezeichnet. — 81—85 werden ver-
worfen von Benicken das dritte und vierte Lied p. 64 ff. 110 ff.,
Düntzer hom. Abh. p. 250, vgl. auch Naber quaestt, Hom. p. 160
und Jacob Entstehung ἃ. Il.u. Od. p. 199, und dagegen die Ein-
leitung p. 14. — 90. Über die Verteilung der zusammengehö-
rigen Worte ἀσπιστάων λαῶν an den Schlufs des ersten und den
Anfang des folgenden Verses vgl. Lehrs de Arist.? p. 452 und
dazu Benicken das dritte u. vierte Lied p. 166, welcher vor-
schlägt nach ἀσπιστάων zu interpungieren mit Komma und λαῶν
als Apposition zu fassen, vgl. B 625.
94. Aristarch hat nach seinen Quellen mit Trennung Meve-
Ada ἔπι προέμεν gegeben, wie Herodian berichtet, unter Ver-
gleichung von 48 ἦ καὶ ἐπ᾽ ᾿Αντινόῳ ἔϑυνε [wo also ἔθυνεν, statt
des gewöhnlichen ἐϑύνετο, die Aristarchische Lesart zu sein scheint
wie 4132. E 290. #871]. Diese Trennung ist der Schreibweise
ὑφ᾽ ἕν vorzuziehen. Denn an den übrigen Stellen, wo dies ῥῆμα
τριπλοῦν erscheint, finden wir nur eine malerische Vollständigkeit
des Begriffs, um einfach und ausführlich die Richtung zu
bezeichnen “dahin entsenden’: 1 520 ἄνδρας δὲ λίσσεσθαι ἐπι-
προέηκεν ἀρίστους. P 708 κεῖνον μὲν δὴ νηυσὶν ἐπιπροέηκα ϑοῇσιν.
Σ 58 -- 489 τὸν μὲν ἐγὼ... «νηυσὶν ἐπιπροέηκα κορωνίσι Ἴλιον εἴσω.
0299 ἔνϑεν δ᾽ αὖ νήσοισιν ἐπιπροέηκε ϑοῇσιν. An unserer Stelle
dagegen soll der Begriff der Feindseligkeit bei einem persön-
lichen Dativ hervorgehoben werden. Und dies geschieht deut-
licher und nachdrücklicher bei der Aristarchischen Trennung und
Anastrophierung der Präposition. — Τλαίης κεν ist mit Lange a. O.
p. 381f. als Nachsatz zu der vorhergehenden wünschenden Frage
Hexrze, Anhang zu Homers Ilias. II. 3
34 4. Anmerkungen.
gefafst. Als Ausdruck einer höflichen Aufforderung, wie Ameis
wollte, ist der Optativ mit κέ bei Homer wohl nicht nachzuweisen.
Dagegen ist die chiastische Stellung der Verba am Schlufs des
ersten und im Anfang des zweiten Satzes, welche eine eigentüm-
liche leicht ins Gehör fallende rhythmische Bewegung zwischen
beiden Gedanken bezeichnet, unserer Stelle entsprechend mehrfach
zu beobachten, namentlich bei Aufforderungen oder Wunschsätzen,
die einen parataktischen Nachsatz haben, wie E 228. Z 284. 285.
6254. 255. Übrigens zeigt V. 95, der die Verwirklichung der in 94
enthaltenen Annahme zur Voraussetzung hat, seinerseits wiederum
eine chiastische Wortstellung zum vorhergehenden Satze. — 97.
Vgl. K. Lehrs Quaest. Ep. p. 77 sq.: “hoc 1oco παραφέρειν aplissi-
mum est: significat enim auferre ab illo dona, accedente etiam no-
tione dolosi consilii’ cet. Wer dagegen τοῦ unmittelbar von πάρ᾽
abhängig machen will, der läfst den Vers in zwei gleiche Hälften
zerfallen, indem er das zu β 80 erläuterte Gesetz verletzt. — 99.
Über das Verhältnis der Partieipia dun®&vr« und Zmßavra zu ein-
ander vgl. lassen Beobachtungen p. 127. 132. — 100—103 hat
Köchly in Iliad, carm. XVI in Klammern gesetzt, unter Zustim-
mung von Düntzer hom. Abh. p. 282, vgl. dagegen Benicken
das dritte und vierte Lied p. 153.
117. “ἕρμα ist eine alte erux interpretum, an der auch die
Neuern sich abmühen. Buttmann Lex. Nr. 28, 3 erklärt: “Die
schwarzen, grausamen Schmerzen setzen alle ihre Zuversicht auf
einen so scharfen Pfeil’: eine Erklärung, worüber L. Döderlein
Hom. Gloss. $ 2483 mit Recht das Urteil fällt: “Selten läfst sich
der feinsinnige Mann eine so gezwungene Erklärung zu Schulden
kommen’. Döderlein selbst hält ἕρμα “für eine leichtere Aus-
sprache von ἔργμα Werkzeug’, was sich sprachlich nicht nach-
weisen lüfst. Die meisten deuten mit gröfserer oder geringerer
Bestimmtheit nach vermeintlichem Vorgange des Eustathius das
Wort wie Fr. Spitzner “Ursache und Anfang der Schmerzen’
(intelligo dolorum causam et principium’). Die neuesten Inter-
preten endlich wollen darin den Begriff “Halter oder Fessel” oder
“das Fesselnde” finden mit dem Zusatze: ‘der Pfeil fesselt die
Schmerzen bei der Verwundung, er schlägt sie gleichsam fest”,
Aber die Vorstellung ist um kein Haar besser als die obige Butt-
mannsche Ausdeutung, ja sie würde sogar nach homerischen Be-
griffen viel eher das Gegenteil bezeichnen, weil “gefesselte” oder
“festgeschlagene’ Schmerzen ihre Gewalt nicht ausüben könnten
(ἔσχ᾽ ὀδύνας A848), so dals wir im Grunde auf das vermeint-
lich Aristarchische ὀδυνῶν κώλυμα τὸ βέλος zurückkämen. Was
ist nun das Gemeinsame in allen diesen Erklärungen? Nichts an-
deres als das Streben, aus dem Worte durchaus einen aktiven
Sinn herauszuquälen und mit Schillers Ausdruck im Tell „Komm
du hervor, du Bringer bittrer Schmerzen’ irgend eine Ähnlich-
4. Anmerkungen. 35
keit aufzufinden. Aber Sprache und homerische Anschaulichkeit
zusammen müssen dabei Schiffbruch leiden. Es ist daher ein an-
derer Weg einzuschlagen. Die Ableitung des Wortes von der
Wurzel eg, £g, ἐρ kann nicht zweifelhaft sein, da die analogen
Bildungen im Homer uns vorliegen (G. Curtius Etym.? 8. 330
Nr. 518, 4865), darunter der Plural ἕρματα von ‘Ohrgehängen”
#182. 6 297. Der Begriff ‘Ohr? liegt natürlich nicht in dem
Worte, sondern ist erst durch den Zusatz Aoßoisıw (#182) und
durch die stehende Sitte im Gebrauch hinzugekommen. Hier nun
haben wir den Singular in einer isolierten Verbindung, es mufs
also auch eine isolierte Situation versinnlicht werden. Wenn
jemand nach der Entfernung des Köcherdeckels einen Pfeil aus
der dichtgedrängten Menge herausnahm (ἐκ δ᾽ ἕλετ᾽ ἰόν, was Θ 323
φαρέτρης ἐξείλετο πικρὸν ὀιστόν heilst), so mulste er ihn mit dem
Daumen und Zeigefinger angefalst haben, sodafs der herausgezogene
Pfeil zunächst von diesen Fingern herabhieng. Was ist nun na-
türlicher, als einen neuen noch ungebrauchten Pfeil in der Hand
eines guten Schützen während dieser kurzen Situation “ein Gereihe
(Gebinde) schwarzer Schmerzen’ zu nennen? Die Schmerzen
sind in dem herabhängenden Pfeile an einander gereiht oder mit
einander zu einem Ganzen verbunden zu denken. Wem aber
der Ausdruck “Gereihe’ oder “Gebinde” nicht gefallen sollte, der
möge dafür “Kette” sagen oder ‘Schnur’ oder ‘Gehänge”. Doch
welchen Ausdruck man wählen möge, eins mufs als wirkliche “Fes-
sel” der Erklärung festgehalten werden, nimlich die Beziehung der
Endung -ua aufs passive Perfekt im Sinne eines τὸ ἐερμένον.
Mithin darf man nur denken an die dem Pfeile noch passiv in-
härierende Eigenschaft, die bei Homer auch anderwärts deutlich
ausgeprägt ist: vgl. den Anhang zu ὃ 622, wo ἄχολος “zornlos”
(ὃ 221, das in den Lexicis ganz wunderlich erklärt wird) und
vieles andere hinzugefügt werden konnte’. Dies ist die Erklärung
von Ameis. Dazu bemerkt Autenrieth: “Es ist merkwürdig,
dafs der immerhin auffällige Ausdruck in einem Verse steht, der
nicht nur leicht entbehrlich, sondern schon von Aristarch für un-
echt erklärt worden ist; offenbar ist in dem Ausdruck eine Um-
schreibung des πικρόν beabsichtigt, das als bitter aufgefafst ist’.
G. Curtius griech. Etymol.* p. 350 hat unser ἕρμα mit ὁρμή zu-
sammengestellt und in dem Sinne des spätern ἀφορμή erklärt.
Über die Ansicht Aristarchs vgl. K. Lehrs de Arist.? p. 68 f.
Aristarchs Athetese ist angenommen von Benicken das dritte und
vierte Lied p. 59. — Vers 122. Themist. or. 22 p. 171°. — 123,
Themist. or. 9 p. 121°. Gegen die Ursprünglichkeit dieses Verses
erhebt Naber quaestt. Hom. p. 60 aus dem Grunde Zweifel, weil
wie die Waffen überhaupt, so die Pfeile bei Homer nicht von
Eisen, sondern überall von Erz sein. Folge dieser Interpolation
scheint ihm auch, dafs 139 die ursprüngliche Lesart χαλκός, welche
3*
36 4. Anmerkungen.
Zenodot vertrat, durch ὀιστός verdrängt sei. — 126 ist von
Köchly in Iliad. carmm. XVI unter den Text gesetzt.
130. Die allgemein angenommene Beziehung von ὡς auf τόσον
liefse sich (richtiger, als durch πὶ 208) durch Stellen, wie ὃ 104.
9402. X425 an sich rechtfertigen, wenn nur zwischen dem Gleichnis
und dem quantitativen τόσον irgend eine engere Beziehung ersicht-
lich wäre. Allein schon die Verbindung der Vergleichspartikel
mit ὅτε oder ὁτὲ deutet vom vornherein auf eine viel losere Be-
ziehung zum Vorhergehenden, als in den angeführten Beispielen
zwischen dem Relativsatze und der hinweisenden Grad- oder Mafs-
bestimmung besteht. Sollte das Gleichnis, wie Franke in der
Faesischen Ausgabe will, nur für die Raumangabe dienen, so müfste
doch in demselben irgend eine dahin zielende Andeutung gegeben
sein, etwa der Art, dafs die Mutter die Fliege bis in die Nähe
des Kindes herankommen lasse und dann erst fortscheuche: ohne
eine solche Angabe, die doch keineswegs selbstverständlich ist,
würde das Gleichnis seinen Zweck, zu veranschaulichen, nicht er-
füllen. Ebensowenig befriedigt Düntzers Erklärung: “Die Mutter
treibt die Fliege nur soweit als nötig mit einer kurzen Hand-
bewegung weg, da sie beim Kinde sitzen bleibt.” Die Worte des
Gleichnisses führen weder zu dieser, noch zu jener Auffassung.
Dagegen nötigt die doch jedenfalls nicht abzuweisende, durch μέν
angedeutete Beziehung von τόσον auf den in 132 folgenden Gegen-
satz, in τόσον die Angabe des Malses oder des Grades für ἔεργεν
zu sehen. Der Pfeil wurde nicht völlig von der Haut abgehalten,
sondern die Thätigkeit der Göttin beschränkte sich darauf, dem-
selben die Richtung auf eine tötliche Stelle zu nehmen und eine
solche zu geben, dafs die schützenden Waffenstücke nur ein leichtes
Streifen der Haut gestatteten. Dafs die Beziehung von τόσον μέν
aber in diesem Sinne lediglich in dem folgenden Gegensatz zu
suchen ist, zeigen die folgenden Stellen: Σ 378. X 322. W454.
An diesen ist die Beziehung von τόσον μέν auf den folgenden
Gegensatz aufser allem Zweifel, und zwar ist das dadurch an-
gedeutete Gedankenverhältnis derart, dafs der zweite Gedanke den
Punkt enthält, wodurch die absolute Geltung des ersten eingeschränkt
wird. Auf diesen beschränkenden Punkt nun hinzuweisen ist die
Aufgabe des τόσον μέν soweit zwar, daher an zweien der an-
geführten Stellen überdies noch zur Verdeutlichung dieses Verhält-
nisses ein ἄλλο (sonst) hinzugefügt ist. Ganz entsprechend ist
die Aufgabe von τέως μέν, ἕως μέν bei nachfolgender adversativer
Zeitbestimmung, worüber im Anhang zu β 148 (3. Auflage) Näheres
bemerkt ist. Danach erhalten wir für unsere Stelle den Gedanken:
sie aber hielt zwar soweit den Pfeil vom Leibe ab, doch richtete
sie ihn ihrerseits dahin, wo.....So schlicht und einfach wie in
den Parallelstellen ist der hier gefundene Gegensatz allerdings
nicht; verständlicher wäre derselbe, wenn das zweite Glied etwa
4. Anmerkungen. 87
lautete wie 139 ἀκρότατον δ᾽ ἄρ᾽ ὀιστὸς ἐπέγραψε χρία φωτός: sie
hielt zwar soweit den Pfeil vom Leibe ab, doch streifte er die
Oberfläche desselben. Dieser einfache Gegensatz ist aber, wie es
scheint, dadurch alteriert, dafs einmal der Vergleich sich dazwi-
schen schob und sodann dem negativen ἕεργεν gegenüber die posi-
tive Thätigkeit der Göttin hervorgehoben wurde, was auch die
Voranstellung von αὐτή veranlafste. Vgl. übrigens jetzt auch die
abweichende Auffassung von W. Jordan Homers Ilias übersetzt
und erklärt p. 562. — 139. “leviterque e corpore summo degustat
cuspis generosum extrema cruorem’ Sil. Ital. V 273 und daselbst
Ruperti; Stat. Silv. 12, 79 84. — 140. Dieser Vers, sowie 149
wurde wegen des abweichenden Gebrauchs von ὠτειλή von Aristarch
verworfen, vgl. Aristonic. ed. Friedl. p. 94 und dazu Lehrs de
Arist.? p. 58, auch Benicken das dritte und vierte Lied p. 59,
Naber quaestt. Hom. p. 160. — 141 berücksichtigen Lucian. Imag.
e. 8; Achill, Tat. 1 8. p. 8, 26 und daselbst Jacobs. Vgl. Stat.
Achill. I, 307 sq.
142. Zur sachlichen Erklärung vgl. K. Grashof Über das
Fuhrwerk bei Homer und Hesiod 85, 39; 6. Wustmann im N.
Rhein. Mus. XXIII 8. 237. Statt des durch alle Handschriften über-
lieferten ἵππων, das auch Aristarchs Lesart war, hat I. Bekker
ἵππῳ wegen 145 in den Text genommen: es ist dies die Lesart
des Aristophanes. Vgl. A. Nauck Arist. Byz. p. 58 not. 58. Ganz
so urteilt K. Grashof. Aber der Dativ wäre nur dann notwendig,
wenn man egrıov als Adjektiv verstehen mülste und wenn man
bei ἵππῳ an einen Reiter denken dürfte. Da beide Gedanken
nicht statthaft sind, so ist mit ἵππων die allgemeine Angabe
des Rossegespanns vorzuziehen. Nachdem aber inmav voraus-
gegangen war, konnte ἵππῳ 145 nicht mehr mifsverständlich sein.
Denn der Singular ist dort nur aus Symmetrie mit ἐλατῆρε gesagt,
ἐλατῆρσι aber konnte nicht gebraucht werden, weil jedes Rosse-
gespann beim Wettrennen nur einen Lenker hatte. Übrigens be-
zweifelt Nauck die Ursprünglichkeit von 145. — 146. Über die
Form μιάνϑην vgl. J. La Roche Hom. Untersuch. (Leipzig 1869)
8. 2907, und 6. Curtius das Verbum d. griech. Spr. II p. 322,
welcher mit Ahrens Konjug. auf μὲ p. 36 μίανϑεν zu schreiben
empfiehlt, wogegen sich Nauck in den Melanges Gr&co-Romains
IV p. 26 und v. Christ in Sitzungsber. d. philos. phil. u. histor. Kl.
d. bayer. Acad. 1879 p. 200 aussprechen.
155—182. Die an dieser Rede geübte Kritik ist erörtert in der
Einleitung p. 15ff. Litteratur: Friedlaender im Philol. IV p. 578f.,
Nitzsch Sagenpoesie p. 146, R. Franke in ἃ, Jahrbb. f. Philol.
Bd. ΤΊ p.225 £, Köchly de Iliadis carımm. dissert. IV p. 6£., Naber
quaestt. Hom. p. 161, Fulda Untersuchungen p. 106 ἢ, Düntzer
hom. Abh. p. 251, Benicken ἃ. dritte und vierte Lied p. 53 ff,
62. 111. 130. 168, Bekker hom. Blätter I p. 212, Kiene Kom-
38 4. Anmerkungen.
position d. Ilias p. 83, Genz zur Ilias p. 20. — 157. Die Worte
ὥς σ᾽ ἔβαλον Τρῶες haben manche als Ausruf verstanden, was
schon bei Heyne aus Hesychius bemerkt und von Boissonade
und andern adoptiert worden ist mit der Deutung “wie schmäh-
lich!” Wenn dies aber möglich sein sollte, so müfste ein ὦ πόποι
vorhergehen, wie # 38. x 364. σ 26. Andere erklären wie schon
Bekkers Paraphrast ὃν τρόπον oder wie L. Döderlein und V.
H. Koch mit K. Lehrs de Arist.? p. 159: ‘0 373 ὡς est ὅτι οὕτως
ut 4157’, was doch zwei verschiedenartige Stellen sein dürften.
Hier wird ein ὡς wegen des unmittelbar vorhergehenden Verses
immer etwas Erzwungenes und nicht recht Natürliches haben. Ameis
erklärte: “Das natürlichste und einfachste scheint ὥς (ὧς) zu sein
nach folgender Auffassung. Homer hat bekanntlich noch keine
eigentlichen Folgesätze mit ὥστε gebildet, sondern er ersetzt die-
selben durch einfach parataktische Rede unter anderm dadurch,
dals er den Gedanken des Folgesatzes direkt voranschickt,
die Begründung aber oder die Veranlassung, wodurch jener Ge-
danke herbeigeführt wird, mit ὡς nachfolgen läfst. Daher ist der
Sinn unsrer Stelle: οὕτως σ᾽ ἔβαλον Τρῶες, ὥστε ϑάνατόν νύ τοι
ὅρκια τάμνειν. Und von dieser Art ist der Zusammenhang in Ζ 109.
N 133. #60. 0 698. 2422. ε 480. ı 34. v 88. τ 285. Indes ist
es eine begründete Bemerkung, die K. Lehrs mit den Worten
giebt: “Hoc nunguam fieri poterit ut ommibus locis affirmari possit
sine ὡς an ὥς scribendum. Dals aber I. Bekker für ὡς eine
gewisse Vorliebe habe, wurde schon im Anhang zu ὃ 93 bemerkt’.
— 159. Dieser Vers ist von Köchly de Iliad. carmm. dissertat.
IVp.5, Benicken das dritte und vierte Lied p. 40. 53. 91. 168,
Naber quaestt. Hom.p. 161 nach der Andeutung von Lachmann
Betracht. p. 19 verworfen. Vgl. dagegen die Einleitung p. 7 f. und
dazu Gro[s Vindic. Hom. Ip. 53, Baeumlein in Zeitschr. f. Alter-
tumswiss. 1848 p. 335, Hoffmann im Philol. III p. 208, Düntzer
hom. Abhandl. p. 46 und 273. — Zum Gedanken von 160 bis 162
beachte man, dafs auf diese späte Bestrafung der Gottlosen sich im
wesentlichen die Theodicee des Altertums reduziert: vgl. Hesiod.
Op. 325 bis 332. Ps. 37, 38 und 73, 17, wo auf ΓΙ der Ton ruht.
— 161. ἐκ δέ statt des handschriftlichen ἔκ re ist nach Bekker’s
Vermutung geschrieben. — Abstrakta bei σύν, wie hier σὺν με-
γάλῳ, finden sich bei Homer nur sehr sparsam: Mommsen Ent-
wicklung einiger Gesetze für den Gebrauch der griech, Präposi-
tionen, p. 39 führt noch an ὦ 193 und B 787. & 151. λ 349. —
163—165. Über die an diese Verse sich knüpfenden kritischen
Fragen vgl. die Einleitung p. 15f. Über das Emphatische, das in
der Stellung von ἔσσεται liegt, vgl. A. Th. H. Fritzsche zu Theo-
erit. XVI 73. — 175. ἀτελευτήτῳ ἐπὶ ἔργῳ gebraucht Plutarch.
Ages. XV 4. — 176. Zu der Überlieferung ὧδ᾽ ἐρέει hat I. Bekker
hinzugefügt: “ὥς ἐερέει Hoffmannus”. Aber vor diesem hat es
4. Anmerkungen. 39
schon K. Grashof in der Allg. Schulztg. II 1831 8. 515 vor-
geschlagen. — 182. τότε μοι χάνοι εὐρεῖα χϑών ist eine von den
Späteren öfters gebrauchte oder nachgeahmte Stelle: vgl. Xenoph.
Anab. VII 1, 30. Julian. or. VI p. 198°. Lueian. dial. meretr. IX 3;
eonviv. 8. Lapith. c. 28; piscat. c. 38. Heliodor. I 26. Ovid. Fast. III
609. Petron. 81, 3.
184. μηδέ τί πω, und nicht πῶς, war die von Didymos berich-
tete Lesart des Aristarch, wie La Roche in der kritischen Ausgabe
„zur Stelle einen Irrtum Bekkers berichtigend bemerkt. — 190 scheint
Nikanor, der ἀσύνδετος γὰρ ὁ λόγος anmerkt, ἕλκος δ᾽ ἐητήρ oder, wie
Friedlaender zu der Stelle und p. 49 vermutet, ἕλκος γ᾽ ἰητήρ ge-
lesen zu haben. — 191. An Stelle von παύσῃσι empfiehlt van Her-
werden in der Revue de philol. N. 8. ILp. 195 ff. zu schreiben: παύσῃ
σε, was der Vindob. 39 bietet. — 193. ὅττι τάχιστα steht hier im
zweiten Versfulse wie noch #71; sonst bildet es überall den Vers-
schlufs: ε 112. ὃ. 434. m 152. 1659. O 146. X 292. #403. 414.
Vgl. auch den Anhang zu 269. — 196. ᾽ἀτρέος υἱόν ist hier und 205
für einen Zusammenhang, wo von der Bruderliebe die Rede ist,
besser geeignet als die allgemeine Bezeichnung ἀρχὸν ᾿Αχαιῶν.
Übrigens sind die von Aristarch vgl. Aristonic. ed. Friedl. p. 96
verworfenen Verse 195 bis 197 auch hier in der Ordnung, weil
der Herold den Dienst eines Boten verrichtet, die Aufträge an
Boten aber nach homerischer Sitte ausdrücklich mit Angabe des
Zweckes bezeichnet werden, So urteilt auch Benicken das dritte
und vierte Lied p. 66, dagegen billigt Aristarchs Athetese Köchly
de Il. carmm diss. IV p. 17, hat aber in ZZ. carmm. XVI nur 196
und 197 ausgeschieden und ebenso urteilt Lentz de versibus apud
Homerum perperam iteratis, Bartenstein 1881 p. 18. — 205 ist
ἔδῃ die Aristarchische Lesart, wofür andere das von I. Bekker
zurückgeführte ἔδῃς haben. Das giebt allerdings eine äufserliche
Analogie mit den übrigen Stellen; aber einem Herolde darf man
das Medium zutrauen. Vgl. zu β 38.
212. κυκλόσ᾽ ist die gewöhnliche Lesart, wofür Aristarchos
κύκλος bietet, das sich auch in Ὁ (Laurent. 15) prim. man. findet.
Dies tadelt Herodian: od γὰρ δύναται ἐντελὴς εἶναι ἡ σύνταξις.
τοῦ ᾿Δριστάρχου, ἀγηγέρατο κύκλος" λείπει γάρ τι. διὸ 6 ᾿Αρίσταρχος
ἔξωϑεν προστίϑησι τὸ γενόμενο. Aber Aristarch hat hiermit
offenbar nur die Apposition des κύκλος zu ὅσσοι ἄριστοι im kür-
zesten Ausdruck erklären wollen. Vgl. auch J. La Roche Hom.
Stud. 8. 49, 8. 5. 91*. Ameis gab dieser Lesart den Vorzug: 1)
weil περέ vorhergeht, wozu ein κυκλόσε, mit Nachdruck in den
Versanfang gestellt, einen ungewöhnlichen Überschufs des Aus-
drucks giebt. Der Begriff wäre nur dann am Platze, wenn man
annehmen dürfte, dafs die Helden gleich in der Absicht sich
versammelt hätten, um den Menelaos im Kreise einzuschlielsen:
dies ist aber erst eine Folge der Situation, nachdem sie dorthin
40 4. Anmerkungen.
gekommen waren. Hierzu kommt 2) der Umstand, dafs nur bei
der Lesart κύκλος der Gegensatz des Menelaos mit 6 δέ scharf
und deutlich hervortritt, während mit κυκλόσε die Begriffe ὅσσοι
ἄριστοι und ἰσόϑεος φώς einander als Gegensatz schwächen und
paralysieren. Denn der Gegensatz liefe dann im wesentlichen auf
den Gedanken hinaus: “alle Tapfern, er aber der Tapfere’: zu 6
δέ mit dem appositiven ἰσόϑεος φώς ist nur ein einfacher Begriff
wie κύκλος der entsprechende Gegensatz’. Danach erklärte A meis
das Ganze: “Als sie dahin kamen, wo sich Menelaos als. Verwun-
deter befand, waren um dessen Person schon alle Tapfern ver-
sammelt, ein ganzer Kreis, er aber der gottgleiche Mann
stand aufrecht in ihrer Mitte’, was offenbar den Mut und die
Ausdauer des Menelaos hervorhebt.” Dagegen ist zu bemerken:
Wenn Nicanor die Worte περί bis κυκλόσ᾽ als Parenthese falste
und mit ὁ δέ den Nachsatz beginnen liefs, so konnte er unter
diesem ὁ δέ folgerecht nur den Machaon verstehen. Diese Auf-
fassung scheint mir aber aus folgenden Gründen vor der Ameis-
schen Anordnung des Satzes entschieden den Vorzug zu verdienen:
1) das Versammeltsein der Helden um Menelaos ist an sich kein
für den Zusammenhang so wichtiges Moment, dafs es die Haupt-
stelle im Satze beanspruchen könnte, Allerdings würde es we-
sentlich sein, wenn die von Ameis daran geschlossenen Worte: er
aber, der gottgleiche Mann stand aufrecht in ihrer Mitte, den Zweck
hätten den Mut und die Ausdauer des Menelaos hervorzuheben —;
allein davon finde ich in den Worten nichts enthalten, da weder
ein “aufrecht” in παρίστατο zu finden ist, noch die formelhafte
Apposition ἰσόϑεος φώς speziell Mut und Ausdauer hervorheben
kann. 2) Entscheidend aber ist, dafs παρίστατο nach gewöhnlichem
Gebrauch doch nur heifst: stellte sich zur Seite, trat zu, aber
nicht: stand da; 3) Gesetzt auch, das Imperfekt hätte die gewollte
Bedeutung: er stand da, so würde nach βλήμενος ἦν᾽ περὶ δ᾽
auröv. „dieser Zusatz eine überflüssige Wiederholung des schon Ge-
sagten sein, während bei unserer Auffassung durch das an be-
tonter Stelle stehende κύκλος wohl vorbereitet ὁ δ᾽ ἐν μέσσοισι
ein neues, für den Zusammenhang bedeutsames Moment anschliefst.
Zur Periodenbildung vgl. ı 543 fl. und T4—6, über βιλήμενος 211
Classen Beobacht. p. 12. — 214. Die von Ameis gegebene Er-
klärung von πάλιν ἄγεν ist lebhaft bestritten von W. Jordan Ho-
mers Ilias übersetzt und erklärt p. 563: da nämlich 151 gesagt
sei, dafs Menelaos gesehen habe, dafs die Widerhaken draufsen
geblieben seien, so können sie nicht an dem Widerstande des Gür-
tels und Panzers abgebrochen sein, die sie nach dieser Erklärung
durchärungen haben müfsten, Er selbst erklärt: “Die ὄγκοι, Barben,
sind biegsame Widerhaken, die sich beim Eindringen an den Me-
tallschaft des Bolzens anlegen, um innert der Bekleidung und Haut
in der Wunde wieder auseinander zu federn. Hier aber hat sie
4. Anmerkungen. 41
das enge und unnachgiebige Loch, das die Bolzenspitze in den
metallbeschlagenen Gurt gebohrt, eben niobt durchgelassen, wuhl
aber dicht angedrückt. Herausgezogen schnellen sie natürlich aus
der geklemmten Lage in die freie zurück”. Danach versteht er
πάλιν ἄγεν “sprangen (federten) wieder zurück”. Diese Erklärung
scheitert an dem sprachlichen Ausdruck ἄγεν. Dagegen ist die
von Ameis u. a. von ἐκτός 151 gegebene Erklärung: aufser-
halb der Wunde mit Grund bestritten und richtig verstanden:
aulserhalb des Gurts und Panzers: dazu nötigt wohl ent-
schieden, dafs das ἐκτός nicht blofs von den Widerhaken, sondern
auch von der die Pfeilspitze an das Rohr befestigenden Schnur
gesagt ist. Danach müssen wir mit K. Frey Homer. Bern 1881
Ρ. 25 und von Christ in d. Sitzungsberichten der philos. -philol.
Kl. d. k. bayer. Akad. d. Wiss. 1881 Bd. II p. 128 einen Wider-
spruch zwischen 214 und 151 konstatieren.
220—222. Die an diese Übergangsverse sich knüpfenden kri-
tischen Fragen sind erörtert in der Einleitung p. 17 #., Litteratur:
Düntzer hom. Abhandl. p. 251. 273, Genz zur Ilias p. 20, Naber
quaestt. Hom. p. 161, Kammer zur homer. Frage I p. 18, Hoff-
mann Quaestt. Hom.II p. 168.171, Benicken das dritte und vierte
Lied p. 112 δ. 133. 170. — 223 ff. Über die kritische Behand-
lung der Epipolesis vgl. die Einleitung p. 19 #., Literatur: Hoff-
mann in Philol. III p. 208 und Quaestt. Hom. II p. 206, Düntzer
homer. Abhandl. p. 53. 273 δ΄, Jacob Entstehung ἃ. Il. und Od,
p- 200, Genz zur Ilias p. 20, Naber quaestt. Hom. p. 160 ἢ,
Köchly de Il. carmm. diss. IV p. 9 vgl. Benicken das dritte u.
vierte Lied p. 75f. und Ribbeck in den Jahrbb. f. klass. Philol.
Bd. 85 p.16, Bergk griech. Litt. Ip. 572, Kayser homer. Abhandl.
Ρ. 99, Bischoff im Philol. XXXIV p. 9, Benicken das dritte und
vierte Lied p. 131—134, Kammer zur homer. Frage I p. 18f.,
auch W. Jordan Homers Ilias übersetzt und erklärt p. 564f. —
Über 226—250 im besonderen vgl. Düntzer hom. Abhandl. p. 252,
Kammer zur hom, Fr. Ip. 26 und dagegen Benicken das dritte
und vierte Lied p. 113. 145. 170f. — über 251—272 Düntzer
hom. Abh. p. 252f. und Benicken ἃ, dritte u. vierte Lied p. 114,
— über 269—271 Köchly de Iliad. carmm. diss. IV p. 12, Kam-
mer z. hom. Frage I p. 26f,, Düntzer hom. Abh. p. 284, Benicken
d. dritte u. vierte Lied p. 86f. 146. 155, — über 327— 364
Düntzer hom. Abh. p. 253 und dagegen Benicken d. dritte u.
vierte Lied p. 115f. —, zu 374—399 Köchly Il. carınm. XVI
p. 98, Benicken d. dritte u. vierte Lied p. 74. 175, La Roche
in Zeitschr. f. ἃ, österr. Gymn. 1863 p. 168, Düntzer hom.-Abh.
p- 253, W. Jordan Homers Ilias übersetzt und erklärt p. 564. —
223. ἔνϑ᾽ οὐκ ἂν βρίξοντα ἴδοις gebraucht Plutarch reip. ger.
praecept. ce. 19 p. 8154. — 228. Friedlaender in Jahns Jahrbb.
1855 p. 821 sieht in dem Verse einen späteren Zusatz. Vgl. da-
42 4. Anmerkungen.
gegen Lehrs de Arist.? p. 465 und dazu Benicken ἃ, dritte und
vierte Lied p. 171. — 235. ψευδέσσι ist die Aristarchische Lesart,
die auch in allen Handschriften steht. Andere dagegen lesen ψεύ-
δεσσι, indem sie einwenden: “eudrjg kennt Homer nicht’, als wenn
ein &ma& εἰρημένον entscheidend sein könnte. Und es ist selbst
dieses nur halbwahr. Genauer sagt Herodian: ὁ μέντοι Ἕρμαπ-
πίας προσηγορικὸν ἀναγινώσκει ψεύδεσιν ὡς τείχεσιν, ἐπεὶ οὐδέποτε,
φησίν, οἶδεν ὁ ποιητὴς ἁπλοῦν τὸ ψευδής, ἐν δὲ συνθέτῳ φιλοψευ-
δής (Π. 12, 164), ἀψευδής (1. 18,46). Aber wenn eine Bildung
in einem Kompositum vorliegt, so hat dieselbe auch als Simplex
nicht die geringste Schwierigkeit. Andere wenden ein, dafs über-
haupt niemand ψευδής substantivisch anstatt ψεύστης gesagt
habe. Aber dieser Anstofs schwindet, wenn man die zahlreichen
Analogieen beachtet, die im Anhang zu o 373 angeführt sind. Für
ψευδέσσι spricht Folgendes: 1) das Pathos unserer Stelle wird durch
den abstrakten Begriff nicht gehoben, wie es anderwärts bei dem
Gebrauche solcher Abstrakta der Fall ist. 2) Das Wort ἀρωγός
und die ähnlichen Begriffe sind bei Homer stets mit persön-
lichen Dativen verbunden: Θ 205. Σ 502. Φ 371. 428. σ 232;
ebenso ἑταῖρος 4 266. E 695. P 577. Σ 251. #556. P 286. 8407;
ἐπίρροϑος 4 390. ΨΎΤΤΟ; ἐπιτάρροϑος E 808. 828. 4 866. 7 468.
Φ 289. ὦ 182; ἀρηγών 4 1. ET11, wie auch das Particip ἀρήγων
E 507. 4 242. #391. II 701. Nirgends erscheint der Dativ eines
abstrakten Begriffs. — 237. χρώς ist nach Bedeutung und Ursprung
eingehend erörtert von Ahrens Beiträge zur griech. u. lat. Ety-
mologie I p. 95 ἢ. — Über die von Köchly de Il. carmım. diss.
IVp. 11f. an 235—237 geübte Kritik vgl. Benicken d. dritte u.
vierte Lied p. 84. — 242. ἐλεγχέες ist die Lesart Aristarchs.
Als ursprüngliche Lesart vermutet Nauck in den Melanges Greco-
Rom. IV p. 595 ἐλέγχεα wie B 235. δ) 260. Auch La Roche
hom. Textkritik p. 250 giebt dieser den Vorzug. — 243. ἕστητε
ist die gewöhnliche Lesart, worüber Krüger Di. $ 36, 3, 3 bemerkt:
“Mit Unrecht zum Perfekt rechnet man ἕστητε A 243. 246, was
als Aorist ἔστητε zu schreiben ist’. So nach der Angabe des Hero-
dian schon Ptolemaeos von Askalon, dem mehrere nachgefolgt
sind (dieses ἔστητε auch in CDGLN), während Aristarch (nach
Aristonikos) urteilt ὅτε μετείληπται τὸ ἃ εἰς τὸ ἢ ἀντὶ τοῦ ἕστατε.
Und dies mit Recht. Denn das Perfekt wird durch den ganzen
Zusammenhang gefordert. Über die Form vgl. I. Bekker Hom.
Blätter S. 95, 11 und 134, 22. Anders ist der Zusammenhang
in Stellen wie 2360 στῆ δὲ ταφών. --- 244—246 hat Köchly
aus dem Text seines Liedes ausgeschieden. — 257. Zur Gedanken-
entwicklung und Interpunktion in der folgenden Ansprache vgl.
Classen Beobachtungen p. 10. Derselbe empfahl p. 31 nach A81f.
und 4160 ἢ hier 262 σόν re statt σὸν δὲς Aufserdem hat
Bentley statt der Überlieferung σόν: σοί vermutet. — 263. Den hier
4. Anmerkungen. 43
notwendigen Konjunktiv ἀνώγῃ, statt des gewöhnlichen ἀνώγοι,
hat zuerst I. Bekker wieder eingeführt. Mit Recht. Denn der
Optativ würde die Wiederholung für die Vergangenheit bezeichnen.
— 266. Über ἐρίηρος vgl. Ahrens Beiträge zur griech. und lat.
Etymologie I p. 93, welcher das Wort in seinem zweiten Bestand-
teil auf ἤρ in ἦρα φέρειν zurückführt. — 269. ὄρφα τάχιστα im
Versanfange nur hier; im zweiten Fulse © 9. Ψ 197. γ 175;
sonst stets im Versschlusse: @ 85. y 421. ὃ 473. 737. ξ 32. 289.
0293. 4465. E 690. 7621. N 326. 2344. Vgl. auch den An-
hang zu 193.
277. Die Aristarchische Lesart ἐόντι ist allgemein aufgenom-
men: mit Recht. Denn Zenodots ἰόντι würde uns den Hirten
in der Bewegung zeigen, wie er seine Herde weidend zu ihrer
Beaufsichtigung hin und hergienge, dies aber störte die plastische
Ruhe des Bildes und wäre aulserdem mit dem folgenden ἰόν nicht
gut zusammengebracht, insofern die Partieipien eine verschiedene
Bedeutung hätten. — Die Partikel ἠύτε will man hier vielfach im
Sinne von ἤ quam nach dem Komparativ auffassen: so auch I. Bek-
ker Hom. Blätter 8.313. — 280. Über die Einkleidung des Ver-
gleiches bemerkt treffend L. Gerlach im Philol. XXXIII p. 19:
„Hier wie in dem vorigen Beispiele (Θ 559) war ursprünglich ein
Naturbild beabsichtigt; unter den Händen des Dichters aber, dem
das Plastische noch höher steht, als das eigentlich Malerische, wird
daraus ein Bild aus dem Menschenleben und es kümmert ihn wenig,
ob die eigentliche Absicht des Vergleichens dadurch gefördert wird
oder nicht. Denn weder das γέγηϑε der vorigen, noch das ῥίγησεν
der letzten Stelle palst in die wirkliche Vergleichung hinein; in
beiden Füllen würde das Gegenteil weit angemessener sein, da die
Griechen über den Anblick der zahllosen trojanischen Wachtfeuer
Schrecken empfinden und Agamemnon tber den Anblick der Scharen
des Aias sich freuet“. — 286. An Stelle der handschriftlichen Über-
lieferung οὐ γὰρ ἔοικ᾽ ὀτρυνέμεν, οὔ τι κελεύω vermutet Nauck:
οὔ τι ἔοικ᾽ ὀτρυνέμεν οὐδὲ κελεύω. Halten wir uns an die Über-
lieferung, so sondert die im Anschluls an Nicanor übliche Inter-
punktion die Worte οὐ γὰρ ἔοικ᾽ ὀτρυνέμεν entweder durch Ge-
dankenstriche oder durch Kommata aus dem Zusammenhange aus.
Ich glaube, ohne Grund. Diese Anordnung beruht offenbar auf
der Vorstellung, dafs die mit γάρ gegebene Begründung nach dem
Beginn der Rede mit σφῶι μέν dem Redenden sich gleichsam plötz-
lich aufdränge und so den Hauptgedanken unterbreche. Dies trifft
allerdings in vielen Fällen zu, ist aber hier unwahrscheinlich, weil
die Voranstellung des Acc. σφῶι, der zugleich von ὀτρυνέμεν wie
von κελεύω abhängen kann, die enge Zusammenfassung beider Glieder
gestattet. Ein ähnlicher Fall liegt vor 2223. νῦν δ᾽ αὐτὸς γὰρ
ἄκουσα ϑεοῦ καὶ ἐσέδρακον ἄντην, εἶμι, wo der durch νῦν δέ ein-
geleitete Gegensatz zunächst auf dem Inhalt des ydg-Satzes beruht
44 4. Anmerkungen.
und man daher nicht gut thut mit Capelle im Philol. XXXVI
p. 704 den yag-Satz parenthetisch auszusondern, namentlich wenn
man B 82 vergleicht. Dieses Beispiel, sowie das ähnliche M 326 ff.
zeigen den gleichen asyndetischen Anschlufs des Hauptsatzes, wie
die vorliegende Stelle, wo zugleich die anaphorische Stellung der
Negation in dem parataktisch vorbereitenden ydg-Satze und im
Hauptsatze für unsere Auffassung zu sprechen scheint. — 295 f.
Die Ursprünglichkeit dieser beiden Verse wird von W. Jordan
Homers Ilias übersetzt und erklärt, p. 564 bezweifelt. — 297 ff.
Zu den bei Heyne citierten noch Sext. Empir. adv. math. III, 6, 26
p. 19 und 20 Bkk. — 302. Zur Erklärung der folgenden Verse
vgl. auch Grashof das Fuhrwerk bei Homer p. 24. — 320, an-
geführt bei Dionys. Hal. de vi Demosth. c. 54. p. 1122, wurde von
Aristarch verworfen, vgl. Aristonie. ed. Friedlaender p. 98: ὅτι εἰ
ἀμφότερα αἱρετὰ ἔχρινεν ὃ Νέστωρ, καὶ τὸ γῆρας καὶ τὴν νεότητα,
εὐλόγως ἂν ἔλεγεν ἅμα πάντα. μετενήνεκται δὲ ἐξ ἄλλου τόπου,
ὕπου φησίν ἀλλ᾽ οὔπως ἅμα πάντα ϑεοὶ δόσαν ἀνθρώποισιν
(vielmehr: δυνήσεαι αὐτὸς ἐλέσϑαι) ἄλλῳ μὲν γὰρ ἔδωκε ϑεὸς
πολεμήια ἔργα ἄλλῳ δ᾽ ἐν στήϑεσσιν (N 729). Von den
Neueren hat auch Franke in den Jahrbb. f. Philol. 1858 p. 226 £.
und bei Faesi anerkannt, “dafs der Vers hier weniger klar sei,
wo es sich nicht um zwei Vorzüge, wie sie sich gewöhnlich nicht
vereint in der Person eines Menschen, sondern verteilt auf Ver-
schiedene finden, handelt, sondern um den Gegensatz von Jugend
und Alter’, in Bezug auf Aristarchs Athetese aber mit Recht
bemerkt, dafs mit 320 auch 321 ausgeschieden werden müsse.
Köchly de Il. carmm. diss. IV p. 17 und Benicken das dritte
und vierte Lied p. 66 erkennen Aristarchs Bedenken überhaupt
nicht an. — 323. Über die Verbindung βουλῇ καὶ μύϑοισι vgl.
Mayer Studien zu Homer, Sophokles etc. p. 11. — 333—335 hat
Köchly aus dem Texte seines Liedes ausgeschieden.
338. Über die Dehnung des Vokals e im Vokativ und über
das Vorkommen desselben im Hiatus vgl. Oskar Meyer Quaest.
Hom. p. 130 und ΨΥ, Hartel homer. Studien I p. 44.
343 Ὁ, Unsere Stelle hat bei alten und neuern Erklärern grolsen
Anstols erregt. Zunächst ist es auffallend gewesen, dafs Menestheus
hier als Teilnehmer an diesen Gastmählern genannt wird, da er
doch nicht zur βουλὴ γερόντων gehört. Aristarch erklärt (nach
Aristonikos ed. Friedl. p. 99) ὅτι συλληπτικῶς τὸ τῷ Ὀδυσσεῖ
συμβεβηκὸς καὶ ἐπὶ τοῦ Μενεσϑέως κεκοινοποίηκεν᾽ οὐ γὰρ ὃ Meve-
σϑεύς ἐστι τῶν ἑπτὰ γερόντων (cf. B 55: der zürnende Achilleus und
Agamemnon der Wirt sind nicht mitgerechnet), [ἀλλ᾽ Ὀδυσσεύς,
“ιομήδης,] οὐδὲ σὺν τῷ ᾿Αγαμέμνονι εὐωχεῖται. Man kann zur He-
bung dieser Schwierigkeit anführen: 1) Agamemnons Rede ist haupt-
sächlich an Odysseus als an den weit bedeutenderen Helden gerichtet,
und auch nur diesen bittet später (359 ff.) Agamemnon um Ver-
4. Anmerkungen. 45
zeihung: rüicksichtlich des Menestheus hält er es nicht für nötig.
2) Bei besonderen Fällen geschah es, dafs der König oder Ober-
anführer aufser den Mitgliedern der βουλή auch andere einlud,
die sich gerade durch hervorragende Thaten Gunst und Ruhm er-
worben hatten. Dies läfst sich aus X 217 schliefsen. — Grölsere
Schwierigkeiten macht die Erklärung der Konstruktion δαιτὸς ἀκουάξε-
σϑον ἐμεῖο. Lälst man mit Aristarch beide Genetive unmittelbar
vom Verbum abhängen, und erklärt, wie Franke: ihr vernehmt
von mir von der Mahlzeit, d. h. ihr erhaltet die Einladung zur
Mahlzeit von mir, so kommt die intensive Bedeutung von ἀκούαξε-
σϑαι aufmerksam hören auf, lauschen auf, nieht zu ihrem Recht.
Fafst man andrerseits mit Bekker hom. Blätt. I p. 293 die Gene-
tive nach dem Schema des Ganzen und des Teils und erklärt:
ihr hört auf mich auf das Mahl d. i. ihr folgt meiner Einladung
zum Mahl, so ist dagegen mit Recht bemerkt, dafs bei diesem
Schema die umgekehrte Stellung (ἐμεῖο δαιτός) Regel sei. Wollte
man endlich mit Düntzer ἐμεῖο mit δαιτός in possessivem Sinne
fassen, so steht abgesehen von dem Befremdenden des Gedankens
auch die ausdrückliche Erklärung des Apollonius Dyskol. Synt.
p- 160, 24 im Wege, der bestreitet, dafs die orthotonierten For-
men des Pronomens in possessivem Sinne gebraucht werden. In
Erwägung aller dieser Schwierigkeiten vermutete Nauck im Her-
mes XII p. 393 f,, dafs die Worte fehlerhaft seien und schlug vor
statt καὶ δαιτός zu lesen καλέοντος, Diese Vermutung ist von
Kammer in Bursians Jahresber. 1877 p. 96 lebhaft bestritten,
von Nauck aber wieder ausführlich gerechtfertigt in den Melanges
Gr&co-Romains IV p. 444 ff. Ein anderer Vorschlag von L. Schmidt
im Philol. Anzeiger Bd. X p. 321 lautet: καὶ dair’ ἐς.
351. L. Döderlein (Öffentl. Reden p. 354 sowie in der Aus-
gabe) hat nach dem Vorgange des Eustathius und mit Beistim-
mung anderer die Worte önmor’ ᾿4χαιοὶ Τρωσὶν ἐφ᾽ ἱπποδάμοισιν
ἐγείρομεν ὀξὺν "Agnu zur vorhergehenden Frage gezogen, daher das
Fragezeichen nach "Agy« gesetzt und nach μεϑιέμεν blofs Komma,
mit folgender Erklärung: 'quoniam tu iure nos, quando pugnam
instauramus ordinando et exhortando militem, ignaviae in-
cusas, quasi praeparatio proelii, wiei instructio, cohor-
tatio militis non sit et ipsa pars bellicae industriae?’
Aber diese Auffassung palst nicht zur vorliegenden Situation. Denn
das ‘Ordnen’ und “Ermahnen’ war bei der Ankunft Agamemnons
vorüber: die Mannen des Menestheus und Odysseus befanden sich
im Zustande eines passiven Abwartens (328. 333 bis 335),
und hiergegen ist der Tadel Agamemnons gerichtet. Sodann kann
ἐγείρειν ὀξὺν "άρηα hier nicht von der blofsen Vorbereitung zu
erneuertem Kampfe verstanden werden, weil Odysseus 354 den
Ausdruck προμάχοισι μιγέντα gebraucht, dies aber das Verweilen
in einem wirklichen Kampfe voraussetzt. Endlich würde ὄψεαι xzE.
46 4. Anmerkungen.
353 ohne den vorausgehenden Vordersatz zu abgebrochen und
unmotiviert erscheinen, auch mit der Parallelstelle I 359 nicht
zusammenstimmen. Von der gewöhnlichen Interpunktion bemerkt
Nikanor p. 179 Friedl.: ὃ καὶ βέλτιον, ἵνα λέγῃ τότε φανήσεσϑαι
ἀνδρεῖος, ὁπόταν πόλεμος ἧ. Was die Wortstellung des ὁππότε
anbetrifft, so wird diese Konjunktion zur Einführung eines neuen
Vordersatzes allerdings gewöhnlich im Versanfang gefunden: 4 40.
P 98. x 293. A 127. = 282. 4216. 9274. 345; aber doch nicht
ohne Ausnahme, wie & 217 beweist und die Analogie der ähn-
lichen Partikeln. Zum Gedanken ist N 270 f. zu vergleichen. —
357. Nauck bemerkt: spurius? — 362 f. Über den Zusammen-
hang dieser Stelle vgl. K. W. Piderit in den N. Jahrb. für
Philol. 1854 Bd. 70 8. 77, und andrerseits die künstliche An-
ordnung und gesuchte Erklärung von Olassen Beobacht, p.
35 £. Übrigens vermutet Nauck ἀκεσσόμεϑ᾽ statt ἀρεσσόμεϑ᾽. ---
372. Heyne bemerkt zur Form πτωσκαξέμεν: “Vulgata lectio erat
πτωκαξέμεν quasi a πτώξ lepus’. Vgl. Lobek Rhem. p. 217. Aber
der Hase ist bei Homer kein Sinnbild der Furcht und Feigheit:
vgl. den Kommentar zu 4225. Das Urteil I. Bekkers nrone-
ξέμεν, rectius’ dürfte daher Bedenken unterliegen. Bei der Form
πτωσκάξω dagegen liegt in 0x der iterative und in ἄξω der inten-
sive Begrifl. Über das Verhältnis dieses Verbums zu πτωχός
handelt G. Curtius Etym. 38. 654,18. 692; vgl. auch διδάσκω
und διδαχή.
374. Die gewöhnliche Lesart ist ὡς φάσαν. Aber nirgends
bei Homer wird eine Form von φημί mit ὡς verbunden, sondern
es findet sich in solcher Verbindung nur ὡς (ὥς), teils als Über-
gangsformel teils als Rekapitulation teils zur Angabe eines Urhebers
oder Gewährsmanns. Vgl. die Stellen im Anhang zu v 54. Bekkers
Paraphrast hat ausdrücklich οὕτως εἶπον οἴτινες αὐτὸν ἐθεάσαντο
und ὥς bietet Eustathios und Venetus M (No. 456). — Statt des
überlieferten οἷ μὲν idovro hat Bekker mit Bentley wegen des
Digamma οἵ ὃ iovro gegeben, wie auch Nauck und K. Grashof
zur Kritik des Hom. Textes 8. 6. 13 vermuten. Vgl. Anhang zu
ὃ 484.
884. La Roche in 4er kritischen Ausgabe führt als hand-
schriftliche Lesart ἐπὶ, nicht ἔπι auf und zeigt Hom. Textkritik p.176,
dafs hier wie an andern Stellen Aristarch das Maseul. ἀγγελίης =
ἄγγελος annahın. Vgl. auch Hagena im Philol. VIILp.387. Übrigens
schreibt Nauck Τυδῆ᾽ ἔστειλαν statt ἐπὶ Τυδῆ στεῖλαν, vgl. Wacker-
nagel in Kuhns Zeitschr. XXV p. 279,
390. E.R. Lange bemerkt: “Das Verdienst des Tydeus wird
durch den Beistand der Göttin Athene nicht blofs nicht vermindert,
wie F. A. Wolf meint, sondern vielmehr erhöht. Nur den Tapfersten
stehen die Götter bei, und es ist an sich schon ein grolser Beweis
von kriegerischer Tugend eines Helden, wenn ein Gott ihm bei-
4. Anmerkungen. 47
zustehen sich herabläfst”. Vgl. E 608 = 798. Φ 215 αἰεὶ γάρ
τοι ἀμύνουσιν ϑεοὶ αὐτοί und besonders Nägelsbach Hom. Theol.
v1, 9.
392. ἂψ ἀναερχομένῳ ist die am besten beglaubigte Lesart.
Die Vulgata lautete ἂψ ἀνερχομένῳ, die man nicht verteidigen
kann. Daher hat Bentley ἂψ ἂρ ἀνερχομένῳ konjiciert mit Rick-
sicht auf Z 187, und dies haben Bekker und Nauck in den
Text genommen (letzterer daneben vermutend: αὖτις ἀνερχομένῳ).
Aber dadurch erhalten wir eine im Homer isolierte Wortstellung.
Denn wo ἄρα sonst einem Participium nachfolgt, ist die Partikel
stets mit dem Verbum finitum in Verbindung gebracht, nicht mit
einem zweiten Partieip, wie es hier der Fall wäre: vgl. die Bei-
spiele zu 9 458 und im Anhang zu 468. Will man aber eine
Art von Hyperbaton annehmen statt οἱ δ᾽ ἄρα χολωσάμενοι, wozu
A. Rhode Über ἄρα bei Homer 8. 32 f. geneigt ist, so läfst sich
auch diese Annahme durch kein homerisches Beispiel stützen.
Heyne hat nach Barnes’ Konjektur & οἵ ἀνερχομένῳ gegeben,
wodurch äy auf willkürliche Weise von dem bezüglichen Worte
getrennt wird; Fr. Spitzner endlich, der die Vulgata im Texte
behält, konjieiert in der Note αὖτις dvegyoutvo nach α 317, mit
Beistimmung von Hoffmann Quaest. Hom. I, p. 101 und II, p. 207.
Es bliebe mun nur noch übrig (mit F. A. Wolf praef. in Kleine
Schrift. von G. Bernhardy I, p. 255) ἂψ ἐπανερχομένῳ zu erwähnen,
was Brunck bei Apoll. Rh. I, 821 aus fünf Handschriften auf-
genommen hat. — muxivög λόχος hier und 2 779 kann man un-
möglich von den Verbindungen des πυκινός mit φάλαγγες und στέχες
lostrennen, zumal da λόχοι v 49 auch in weiterem Sinne ‘Scharen’
überhaupt bedeutet. Man hat an das dicht oder fest geschlos-
sen und dadurch auch starke in Bezug auf die Anzahl zu denken.
Dieser Gedanke wird hier durch die folgende Apposition κούρους
πεντήκοντα und δὰ 779 durch δεῖσαι bestätigt, da sich die Furcht
hauptsächlich auf Feinde in der Majorität bezieht. Nur der Inter-
polator A 525 mufs πυκινὸν λόχον abweichend so gebraucht haben,
wie πυκινός sonst bei δόμος und ϑύρη steht. — 394. Μαίων
«Αϊμονίδης. Vgl. Apollod. III, 6, 5. Nach Statius Theb. II, 690.
IV, 598 war er ein Augur und Priester des Apollon; andere wie
die Schol. A. D. vermuteten, er sei ein Herold gewesen: διὰ τὸ
μόνον αὐτὸν σωθῆναι. ἱερὸν γὰρ ἦν τὸ γένος τῶν κηρύκων. Nach
Pausan. IX, 18, 2 begrub er später den Tydeus. — 398. Nauck
vermutet statt des handschriftlichen πιϑήσας: πεποιϑώς. --- 399.
Brugman ein Problem der homer. Textkritik p. 50 vermutet als
ursprüngliche Lesart ὁν υἱὸν statt τὸν υἱόν.
400. Statt χέρηα ist mit La Roche das handschriftlich am
besten beglaubigte χέρεια aufgenommen, vgl. desselben Homer.
Textkritik p. 379 und Hom. Untersuch. 8. 57. — Sodann wird hier
gewöhnlich ἀγορῇ δέ τ᾽ ἀμείνω gelesen, aber ἀμείνων ist die Ari-
48 4. Anmerkungen,
starchische Lesart, die wegen der Partikelverbindung δέ re den
Vorzug verdient, da diese Verbindung im Dichter nur paratak-
tische Sätze einführt. Hierzu kommt zweitens, dafs die Worte in
anderem -Sinne gesagt sind, als die unmittelbar vorausgehenden.
Gestützt wird Aristarchs Lesart auch durch das vor viov stehende
Pronomen τόν und durch die sprachliche Wendung mit γείνατο:
beide Punkte hat schon F. A. Wolf in der praef. zur Ilias 1785
Kleine Schrift. herausg. von G. Bernhardy I 193 richtig behandelt.
Für den sprachlichen Ausdruck der Stelle vgl. 2106 ἐν πολέμῳ.
ἀγορῇ δέ τ᾽ ἀμείνονές εἶσι καὶ ἄλλοι. — 401. Außer Heynes
Citaten vgl. auch Themist. or. 22 p. 271®. — 407. Zu der jetzt
von τεῖχος ἄρειον gegebenen Erklärung vgl. W. Jordan Homers
Ilias übersetzt und erklärt p. 565. — 407—409 wurden von Ari-
starch athetiert: vgl. Aristonic. ed. Friedl. p. 100, aber diese
Athetese ist mit guten Gründen zurückgewiesen von Köchly de
I. carmm. diss. IV p. 16 und Benicken das dritte und vierte
Lied p. 67.
412. E.R. Lange bemerkt: ‘Den Hiatus zu tilgen schreibt
Bentley τέτλαϑι, σιγῇ 9° 00... Ich schlage σιωπῶν ἧσο zu lesen
vor. Dies ἦσϑαι mit einem Particip verbunden dient oft zur Um-
schreibung des im Particip liegenden Begriffs: 4 134 ἦσϑαι δευό-
μένον für δεύεσϑαι. B 255 ἦσαι ὀνειδίξων für Övediteis. I 628
ἕαται ποτιδέγμενοι. 2 542 ἧμαι κήδων. γ 262 τελέοντες ἀέϑλους
ἥμεθα. ξ 40 ὀδυρόμενος καὶ ἀχεύων ἧμαι. mw 145 ἧσται ὀδυρόμενος".
Vgl. auch W. Ο. Kayser zu Faesi 541. Man könnte zur Begrün-
dung einer notwendigen Änderung auch noch den Umstand anführen,
dafs σιωπῇ hier eine ganz isolierte Wortstellung habe. Denn sonst
steht σιωπῇ bei Homer überall im Versschlufs, am häufigsten in
dem formelhaften Verse = 393. Indes wird man mit Recht Be-
denken tragen, den von Hoffmann Quaest. Hom. I p. 56 berühr-
ten Hiatus durch eine blofse Konjektur zu entfernen.
422. Über den folgenden letzten Abschnitt des Buches im
Verhältnis zur Epipolesis und andern Fragen vgl. die Einleitung
p-22#., Litteratur: Lachmanns Betracht. p. 19, Benicken das
dritte und vierte Lied p. 61. 75 f. 101. 138, das fünfte Lied p.
51 #., Grofs Vindie. Hom. p. 56 f., Blätt. f. litterar. Unterhalt.
1844 p. 503, Hoffmann im Philol. III p. 209, Düntzer hom.
Abh. 270. 272.286, Gerlach im Philol. XXX p. 21 ff, Bischoff
im Philol. XXXIV p. 10, Kammer zur homer. Frage I p. 18 ἢ
Bergk griech. Litterat. Ip. 570.573, Naber quaestt. Hom. p. 160 f.,
Genz zur Ilias p. 19. 21, Köchly de Il. carmm. diss. IV p. 19,
auch W. Jordan Homers Ilias übersetzt und erklürt p. 566.
426. ἰόν ist die Aristarchische Lesart, wofür andere wie Fr.
Spitzner, W. Dindorf, Nauck, La Roche das gewöhnliche κυρ-
τὸν ἐόν aus den Handschriften beibehalten haben. Aber dann
mülste sich die Welle im Zustande der Ruhe, nicht der Bewegung
4. Anmerkungen. 49
befinden, wie sie allein dem Beobachter am Ufer wahrnehmbar
wird. Denn über das Gleichnis selbst bemerkt J. L. Hoffmann
im Album des Lit. Vereins in Nürnberg für 1866 $. 21 f. mit
Recht folgendes: “Wir haben hier die kurze Lebensgeschichte, 80
zu sagen, einer grolsen breit herziehenden Woge, wie sie dem
Beobachter der von einem Wind erregten See, welcher am Lande
steht, zu Hunderten nach einander entgegenkommen, nebenbei
gesagt, mit unübertrefflicher Naturtreue geschildert. Die lange
‘Woge kommt, schon von weitem sichtbar, mit majestätischer Ruhe
daher; der ihr nachziehende, Wind hat ihren Kamm vorn über-
gebogen; nun rauscht sie ans Land unter furchtbarem Brausen;
wo sich ihr aber ein Fels auf ihrem Zug entgegengestellt hat, da
türmt sich der Kamm empor und spritzt dann als Gischt aus-
einander”. Ähnliche Gleichnisse sind B 144. 209. 394. H 63.
N 798. #16 und die Nachahmung bei Verg. Aen. VII, 528. Georg.
II, 237. Catull. Epith. 270. Über den Indikativ nach den Ver-
gleichungspartikeln ὡς ὅτε vgl. G. Hermann Opuse. II, p. 48. —
433. Die Lesart πολυπάμονος mit Hinrichs de Homericae elo-
eutionis vestigiis Aeolieis p. 53 f. als Dorismus zu verwerfen, ist
mit Recht zurückgewiesen von Capelle im Philol. Anzeiger VII
p. 267, vgl. auch Cobet Miscell. crit. p. 413. — 434. γάλα
λευκόν. Über den Charakter dieses naturtreuen Epitheton vgl.
aufser Heyne zu d. St. besonders Lobeck Elem. II, p. 361, wo
unter anderm bemerkt ist: “Veteres hoc ad schema referunt, quod
χαριεντισμόν vocant, neque negari potest, hanc adiectionem attributi
omnium oculis occurrentis nativam prisci sermonis simplicitatem prae
se ferre’ cet. Aus dem Homer haben das Epitheton dann spätere
beibehalten, wie Theoerit. I, 58. Eurip. Baech. 700. Longi Past. I, 17
(daselbst Passow). II, 3.7. Vgl. Aristot. Rhet. III, 3, 3. — 437. Zur
Unterscheidung der Worte ϑρόος und γῆρυς vgl. Schmidt Syno-
nymik der griech. Spr. Ip. 68 f. — 440—445 werden von v.Duhn
de Menelai itinere Aegyptio, Bonn 1874 p. 47 verworfen. —
442. “haec non formae, quam dea Eris habeat, descriptio, sed
hyperbolica comparatio est, qua natura declaratur numinis ficti, de
quo numinum genere egregie disseruit Nitzschius in praefatione com-
mentarü in Odysseam: ul, si mentem poetae simplicius enuncies, hoc
le dicat: contentionem incitasse exercitus, quae a parvo initio in
immensum soleat augeri, ut, si humanam speciem habeat, ea sensim
accrescens mox capite sit caelum tactura.’ 6. Hermann Opuse. IV,
pP. 297 sg. — 446—451 sind von Düntzer hom. Abhandl. p. 253
athetiert, vgl. dagegen Benicken das fünfte Lied p. 53 und 77,
welcher nur 451 eingeklammert hat, und dazu die Einleitung
p. 25£. — 447. Man beachte hier die mit σύν ῥ᾽ ἔβαλον be-
wirkte Verbindung des physischen und ethischen, die aber für
den griechischen Geist nicht kühner und auffälliger ist, als wenn
wir im Deutschen sagen: “Schild traf auf Schild, Speer auf Speer,
Hewtze, Anhang zu Homers Ilias. IT. 4
50 4. Anmerkungen.
Kraft auf Kraft. Wir haben also im wesentlichen dieselbe
Verbindung wie in ἀσπὶς ἄρ᾽ ἀσπίδ᾽ ἔρειδε, κόρυς κόρυν, ἀνέρα
δ᾽ ἀνήρ N 131. Π 215. --- 461. ὀλλύντων τε καὶ ὀλλυμένων
gebraucht Heliodor. I, 22 und 30. — 454. Nach L. Döderlein
Hom. Gloss. $ 1063 soll μισγάγκεια sein ᾿ἄγκος ἐν ᾧ μίσγονται δύο
ποταμοί, eine unbestreitbare aber beispiellose Komposition”. Aber
es sind dabei die Flüsse in die Erklärung hineingeschmuggelt.
Auch W. Clemm De compositis Graecis quae a verbis incipiunt
(Giefsen 1867) p. 150 hat an Damms Erklärung “locus depressus,
in quem e montibus circumpositis aquae confluunt” sich genügen lassen
und nur noch bemerklich gemacht, ‘guantam componendi licentiam
Homericum illud μισγάγκεια prae se ferat, quasi nos diceremus Misch-
schlucht, quod nemo credo intelligere’. Aber das müfste grie-
chisch μέξαγκος heilsen nach Analogie von μιξάνϑρωπος μιξέλλην
und andern, für μισγάγκεια dagegen wäre ein Wort wie ‘Misch-
thalung’ zu bilden, um mit &inem Ausdruck den Sinn des Kom-
positums wörtlich bezeichnen zu können. Denn das Wort heifst
einfach “das Vermischen von Thälern’ oder ‘die Vereinigung von
Thälern’, d. i. der Ort, welcher Thäler in einen Zusammenhang
mit einander vereinigt: dies geschieht aber naturgemäfs in einem
mehr oder weniger gerundeten Thalkessel mit mehreren Aus-
gängen, daher ist μισγάγκεια für diesen Begriff eine sinnlich an-
schauliche Bezeichnung. Vgl. εὐάγκεια bei Callim. in Cer. 82. “Reich-
tum an schönen Thälern,” und das prosaische συνάγκεια. Was
dagegen das Wort χαράδρη betrifft, so ist uns hierin nur der Begriff
“Einschnitte des Bodens’ (al ἐγχαράξεις τοῦ ἐδάφους Apoll.
Lex.) gegeben, also der Begriff einer Erdtiefe oder eines furchen-
artigen Grabens. Der Dichter will hier bezeichnen, dafs die Wasser-
masse ‘aus den mächtigen Quellen’ auf der Hochebene des Gebirges
nicht auseinanderflielse, in welchem Falle sie überall hin zerstreut
den Berg herunterströmen und nur ein Plätschern erzeugen würde.
Nein! die Wassermasse wird gleich anfangs innerhalb eines
tiefen Bettes zusammengehalten, so dals sie nachher am steilen
Abhange mit der ganzen Wucht ihrer Fülle hinabstürzen und das
laute Tosen erzeugen kann. So verlangt es der Zusammenhang
dieser Stelle, wo das Tosen der Schlacht mit dem Tosen
zweier einander gegenüber befindlicher Wasserfälle ver-
glichen wird. Denn es soll hier die Scene nach dem Zusammen-
stols beider Heere veranschaulicht werden. An den übrigen drei
Stellen aber, wo bei Homer Wasserfälle erwähnt werden, geschieht
es in anderer Beziehung, nämlich g 209 f. in einfacher Beschreibung,
und 115. Π 4 zur Veranschaulichung der Thränenfülle. Aufser-
dem ist noch N 138 ff. ein zeitweise eintretender Wassersturz in
seiner zerstörenden Wirkung vorgeführt. Nebenbei beachte man,
dals 0 209. und 115. Π 4 die Quelle unmittelbar über dem steilen
Felsen, von welchem das Wasser herabflielst, befindlich gedacht
4. Anmerkungen. 51
wird, während an unserer Stelle die ποταμοὶ vorher als ῥέοντες
erwähnt sind, weil dem Dichter bereits das Flufsbett vorschwebt.
Übrigens würde die ganze Anordnung eine viel natürlicbere sein,
wenn 454 vor 453 seine Stelle hätte, so dafs die Bestimmungen
κρούνων ἐκ μεγάλων κοίλης ἔντοσϑε χαράδρης sich an κατ᾽ ὄρεσφι
δέοντες anschlössen, während bei der überlieferten Anordnung jene
Bestimmungen wenig passend an ὕδωρ geschlossen werden müssen.
— Über die Bedeutung von χαράδρα vgl. jetzt auch Ahrens Bei-
träge zur griech. und latein. Etymol. I p. 181. — 455. Der
tiefe Ton ov, der in δοῦπον liegt (vgl. u 449), hat in dem danehen
stehenden οὔρεσιν gleichsam sein Echo gefunden. — 456. Über
τῶν μισγομένων vgl. Joh. Classen Beobachtungen 8. 170 f. und
über die Aristarchische Lesart πόνος re statt des gewöhnlichen
(aus M 144. 0 396. II 366 entstandenen) φόβος re vgl. R. Lehrs
de Arist.? p. 76.
457 δ. Über die in dem folgenden Abschnitt vorgeschlagenen
Athetesen vgl.die Einleitung p. 26f., dazu: Düntzer homer. Abhandl.
Ρ. 254, Köchly de Il. carmm. ΕΝ IV p. 21, Ribbeck in den
Jahrbb. f. klass. Philol. Bd. 85 p. 17, Benicken das fünfte Lied
p. 32 ff. und 53 f., Hoffmann quaestt. Hom. II p. 121 f. 207,
Kayser hom. Abhandl. p. 93. 99. — 461. Das Hemistichion τὸν
δὲ σκότος ὄσσε κάλυψεν finden wir noch 503. 526. Z 11. N 575.
#519. 0 578. IT316 (325 κατά statt τόν vgl. ὃ. 92). 7393. 471.
® 181. Dasselbe Substantiv in στυγερὸς δ᾽ ἄρα μιν σκότος εἷλεν
E47. N 672. II 607. Dasselbe Bild haben wir in ἐρεβεννῇ νυκτὶ
καλύψαι N 425 und in τὸν δὲ κατ᾿ ὀφθαλμῶν ἐρεβεννὴ νὺξ ἐκά-
λυψεν E 659. N 580, aber der letztere Vers steht auch von der
blofsen Ohnmacht X 466, in welchem Sinne νύξ aufser dieser
Stelle noch dreimal vorkommt: in ἀμφὶ δὲ 0008 κελαινὴ νὺξ ἐκά-
λυψεν E 310. A356 und in τὼ δέ οἵ ὄσσε νὺξ ἐκάλυψε μέλαινα
#439. Denselben Wechsel des Sinnes finden wir in dem Vers-
schlufs κατὰ δ᾽ ὀφθαλμῶν κέχυτ᾽ ἀχλύς, von wirklichem Tode Π 344.
488, von der Ohnmacht E 696 und in noch abgeschwächterer
Bedeutung 7421 als Versanfang κάρ ῥά οἵ ὀφθαλμῶν κέχυτ᾽ ἀχλύς
zur Bezeichnung der höchsten Trauer (vgl. der Analogie wegen
das häufige γούνατ᾽ ἔλυσεν mit dem zu ὃ 703 erwähnten Gebrauche).
Sodann erscheint der Begriff des Todes selbst, aber so, dafs
das Bild der ‘Finsternis’ oder der ‘Umdunkelung’ durch Beiwörter
oder andere Zusätze bezeichnet ist, wie in dem Formelverse τὸν
δὲ κατ᾽ ὕσσε ἔλλαβε πορφύρεος ϑάνατος καὶ μοῖρα κραταιή E 88.
11334. Ὑ 411 (ühnlich πρόσϑεν γάρ μὲν μοῖρα δυσώνυμος ἀμφεκά-
λυψεν M 116), oder in ϑανάτου δὲ μέλαν νέφος ἀμφεκάλυψεν
11350. ὃ 180, in νεφέλη δέ μιν ἀμφεκάλυψεν κυανέη Ὁ 417. Hier-
her gehört auch der Versschluls μέλανος ϑανάτοιο, worüber zu
μ 92. B 834. Endlich ist das Bildliche nur noch im Verbum übrig
geblieben, wie in ϑάνατος δέ μὲν ἀμφεκάλυψεν E68, vgl. auch
4*
52 4. Anmerkungen.
M 116, oder in τέλος $avaroıo κάλυψεν E 553. II 502. 855. X 361,
sowie in ἀμφὶ δέ ol ϑάνατος χύτο ϑυμοραϊστής N 544. Π 414. 580.
Was man sonst noch hierher ziehen könnte, greift zugleich in
andere Metaphern hinüber. Dafs übrigens in den eben behandel-
ten Formeln eine gewisse Gemütsbeteiligung des Dichters
an dem Schicksal seiner Helden enthalten sei, erörtert A. Doberenz
Interpretationes Homericae (Hildburghausen 1862) p. 10 sq. Vgl.
auch zu v 427. Von Späteren vgl. Plutarch. Alex. c. 45: λέϑῳ δὲ
πληγεὶς πάλιν εἰς τὸν τράχηλον, ὥστε καὶ ταῖς ὄψεσιν ἀχλὺν
ὑποδραμεῖν παραμείνασαν οὐκ ὀλίγον χρόνον. Plut. Pyrrh. ο, 84:
αἴ τε ὄψεις συνεχύϑησαν αὐτοῦ καὶ προήκαντο τὰς ἡνίας αἵ
χεῖρες. — Α14. Bedenken gegen die Ursprünglichkeit dieser Stelle
erhebt Hercher über die homer. Ebene von Troja. Berl. 1876
Ρ. 129. — 508. An Stelle von ἐκκατιδών vermutet Nauck: ἐκκαϑ-
ορῶν. --- 524. ϑυμὸν ἀποπνείων hat aus dieser Stelle entnommen
Tyrt. 7,24 ed. Bergk. — 527. ἀπεσσύμενον war nach Didymos
Aristarchs Lesart, welche einige Handschriften bieten. Die besten
Handschriften haben ἐπεσσύμενον; Nauck schreibt ἐπεσσυμένος, indem
er aufser ἀπεσσύμενον auch ἐπεσσύμενος als Aristarchische Lesart an-
giebt. — 528 schreibt Nauck nach Phot. Lex. p. 433, 18 πλεύμονι
statt des handschriftlichen πνεύμονι. --- Georg Fischer “Über die
Wunden des Herzens und des Herzblutes’ in v. Langenbeck’s
Archiv für Klinische Chirurgie (Berlin 1868) Bd. IX 8. 574 hat
folgendes bemerkt: “Im übrigen sind die meisten Wunden bei Homer,
die nach echter Heldenart häufig vorn ein- und hinten ausdringen,
zumal die Wunden der Eingeweide, Blase (E 67), Leber, Lunge,
sofort tödlich. Eine gröfsere Gefahr der Herzwunden kennt Homer
nicht, und wenn er bei Verletzungen den Ort der Wunde häufig
neben die Warze verlegt, so mag er als Dichter eine nähere
Bezeichnung für wünschenswert gehalten haben, es beweist indes
nicht, dafs er dabei eine gröfsere Gefahr des Herzens im Auge
gehabt hat, da er an diesem Ort sowohl die Lunge (4 528), als
auch die Leber (x 82) usw. verwunden läfst”. Nur darf man dabei
den Unterschied der Präpositionen in στέρνον ὑπὲρ μαξοῖο (4 528)
und στῆθος παρὰ μαξόν (782) nicht übersehen, und aufserdem
ist noch zu beachten, dafs eine Verwundung der Lunge T 486
infolge eines τὸν βάλε μέσσον ἄκοντι erwähnt wird. — 539—544. Zur
Kritik dieser Schlufsverse vgl. die Einleitung p. 26f, dazu Düntzer
hom. Abhandl. p. 254, Benicken das fünfte Lied p. 53.
541. Bemerkungen, wie die hier zu ἄγοι δέ ὃ gegebene: “Über-
gang in die demonstrative Konstruktion’, veranlassen ohne eine
genügende Erläuterung leicht die verkehrte Auffassung, als ob die
Sprache nach Willkür und Laune das zweite Glied eines Relativ-
satzes aus dem relativen Verbande löse und selbständig hinstelle.
Gerade an diesem Beispiele läfst sich in Verbindung mit ähnlichen
Erscheinungen deutlich zeigen, welche Auffassung der sprachlichen
4. Anmerkungen. 53
Anschauung entspricht. Dals dies scheinbare zweite Glied des
Relativsatzes in einem ganz anderen Verhältnis zum Gedanken des
Hauptsatzes steht, als das erste, liegt auf der Hand: einen innern
Zusammenhang hat dasselbe nur mit dem voraufgehenden relativ
angeknüpften Gedanken und zwar enthält es die notwendige Voraus-
setzung für die in jenem enthaltene Vorstellung. Ausdruck dieses
Verhältnisses ist die zu divevor chiastische Voranstellung des
Verbums, wie sie in gleicher Weise bei ähnlichem Gedankenver-
hältnis in Bedingungssätzen und indirekten Fragesätzen beobachtet
werden kann: im Konjunktiv z. B. Η 81. IIT725. P230. 7317.
Φ 376, im Optativ N 826. Ein iihnliches Gedankenverhältnis finde
ich in einigen Stellen, wo an einen Wunschsatz im Optativ andere
Optative in freierer Weise sich anschliefsen, die nicht mehr von
dem Affekt des Wunsches getragen, nur die durch denselben an-
geregte Vorstellung weiter verfolgen: ohne Zweifel 6 368, wo
Ameis den Satz δρέπανον μὲν κτλ. als die weitere Ausführung
des Wunsches bezeichnet, die genauere Auffassung aber in der
gegebenen Übersetzung: “eine gute Sichel mülste ich haben’, ge-
boten wird, da darin die notwendige Voraussetzung liegt, unter
der die Erfüllung des Wunsches überhaupt nur gedacht werden
kann. Ähnliches ist zu ἡ 314 bemerkt. Ebenso verstehe ich Ζ 480
die Optative φέροι δέ — χαρείη δέ nicht mehr als eigentliche Wunsch-
sätze, die auf gleicher Linie ständen mit dem vorhergehenden καί
ποτέ τις εἴποι. Es schliefsen sich dieselben offenbar auf das engste
an das vorhergehende Partieipium ἐκ πολέμου ἀνιόντα an, welches
im allgemeinen die Situation bezeichnet, auf welche der Wunsch
berechnet ist, indem sie diese Situation im einzelnen ausführem,
und die dem ausgesprochenen Wunsch entsprechenden Voraus-
setzungen geben. Ähnliches Gedankenverhältnis wird sich auch in
mehrgliedrigen Relativsätzen noch weiter beobachten lassen. —
542. ἑλοῦσ᾽, αὐτάρ ist die gewöhnliche Lesart, die den gröfsten
Bedenken deshalb unterliegt, weil αὐτάρ sonst überall mit der ersten
Silbe in der Arsis steht: vgl. den Anhang zu ı 83. Nun aber
ᾳ νυ
finden sich auch hier folgende Varianten: ἑλοῦσ᾽ drag A, das v
ᾳ
‚von zweiter darüber geschrieben; ἐλοῦσ᾽ ἀτὰρ 6; ἑλοῦσα αὐτὰρ O;
“ἀτὰρ F; ἑλοῦσα ἀτάρ E. Es ist daher ἑλοῦσα ἀτὰρ von Busta-
thius angenommen. $o verlangte auch L. Ahrens im Philol.
VI, p. 16. Wahrscheinlich hat der vermeintlich unentschuldbare
Hiatus die gewöhnliche Schreibweise herbeigeführt.
54 E. Einleitung.
E.
Einleitung.
Literatur: Lachmann Betrachtungen p. 20 f. und darin
Haupt Zusätze p. 106—109; Benicken das fünfte Lied vom
Zorne des Achilleus, Halle 1873. Zu Lachmanns Kritik: Grofs
vindieiaram Homeric. part. I, Marburg 1845 p. 58 fl, Baeum-
lein in Zeitschr. f. d. Altertumswissensch. VI, 1848 p. 335, Blätter
f. literar. Unterhaltung 1844 p. 503 ἢ, Hoffmann im Philolog.
II p. 209 δι, Düntzer in der allgemeinen Monatsschrift für
Litterat. 1850, II = Homer. Abhandl. p. 54 ff, Friedlaender die
homer. Kritik von Wolf bis Grote p. 67, Holm ad Car. Lach-
manni exemplar de aliquot Iliadis carminum eompositione, Lübeck
1853 p. 3f., Gerlach im Philol. XXX p. 26 f., Nutzhorn die
Entstehungsweise der Hom. Gedichte p. 196 ἢ. — Köchly de
Dliadis carmm. dissertat. IV; Turici 1857 p. 18 ff, desselben Iliadis
carmm. XVI p. 104 ff, vgl. Ribbeck in Jahrbb. f. Philologie Bd.
85 p. 17 ff. und Düntzer Homer. Abhandl. p. 284 ff. — Düntzer
das 3. bis 7. Buch der Ilias als selbständiges Gedicht, in den
Homer. Abhandl. p. 254 ff. — Geist disquisitiones Homericae,
Giefsen 1832 p. 10 ff. (= Jahns Archiv für Philol. Bd. I). —
Kammer zur Homer. Frage, Königsberg 1870. I p. 28 f. 31. —
Jacob über die Entstehung d. Ilias u. Od. p. 201 ff. — Nitzsch
Sagenpoesie p. 203 ff. 210 ff., Beiträge p. 384 f. — Kiene die
Komposition ἃ. Ilias p. 78f. 84 f. — Genz zur Ilias p. 21 fl. —
Naber quaestiones Hom. p. 158 ff. — La Roche in Zeitschr. f.
d. österr. Gymn, 1863 p. 166—168. — Kayser homer. Abhand-
lungen, herausgeg. v. Usener p. 8. 23. 99f£ — Bischoff im
Philol. XXXIV p. 10 ff. — Giseke quaeritur num quas belli Troiani
partes Homerus non ad veritatem narrasse videatur, Progr. von
Rofsleben 1854 p. 5 ff. — v. Christ die sachlichen Widersprüche
der Ilias in Sitzungsberichten d. philos. philol. Klasse der königl.
bayer. Akad. 1881, II p. 161. 167 ff, und in den Jahrbb. f. klass.
Philol. 1881 p. 152—156. — M. Schmidt Meletematum Homer.
part. II, Jena 1879 p. 13 f. — Bernhardy Grundrifs d. griech.
Litterat.? II, 1, p. 163. Bergk griech. Litteraturgesch. I p. 573 #. — *
Hoffmann quaestt. Hom. II p. 168 ἢ, 204. 209. — Giseke
homer. Forschungen p. 162. 171 fl. 175. 234 f. — Über 576—589
Benicken in Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 1877 p. 881 ff.
Die in dem letzten Abschnitt von A begonnene, aber noch zu
keiner entschiedenen Wendung gelangte Schlacht erhält hier einen
besonderen Charakter durch die in-dieselbe verwebte Aristie des
Diomedes und die damit verbundene mannigfache Beteiligung fast
E. Einleitung. 55
aller Götter mit Ausnahme des Zeus selbst. Die Handlung gelangt
dadurch zu einem gewissen Abschlufs, dafs mit dem Ende des
Gesanges die Götter sämtlich das Schlachtfeld verlassen haben,
doch greift dieselbe insofern in den folgenden Gesang über, als
nicht nur die Schlacht fortgeht, sondern auch die Aristie des
Diomedes wenigstens in ihren Wirkungen noch in diesen hinein
reicht. Unter dem abwechselnden Eingreifen der Athene und des
Ares aber, wodurch Diomedes’ Erfolge bestimmt werden, entwickelt
sich die Schlacht in drei Akten, von denen der erste die Achaeer
in voller Überlegenheit zeigt, der zweite den Troern ein ent-
schiedenes Übergewicht giebt, während der dritte von neuem den
Sieg der Achäer vorbereitet. Im einzelnen gliedert sich die Hand-
lung in folgenden Abschnitten:
A. Übergewicht der Achäer durch Athenes Einwir-
kung, welche Ares fern hält und Diomedes Ruhm
verleiht, 1—453.
1. Diomedes’ Thaten bis zu seiner Verwundung durch Pan-
daros, 1—113.
a. Diomedes, von Atbene mit Mut erfüllt, tötet den
Phegeus, 1—29.
b. Athene entfernt Ares aus der Schlacht, worauf die
Troer zurückgetrieben und viele von den Führern
der Achäer erlegt werden, 29—84.
6. Diomedes wirft mit unwiderstehlichem Ungestüm die
Reihen der Troer zurück, 85—94.
Pandaros verwundet Diomedes durch einen Pfeil-
schuls, 95—113.
2. Diomedes’ Rampf gegen Aineias und Pandaros und die
Verwundung der Aphrodite, 114-- 468,
a. Auf Diomedes’ Gebet stärkt Athene denselben, ver-
leiht ihm die Gabe die Götter zu erkennen und
fordert ihn auf Aphrodite anzugreifen, 114—133.
b. Diomedes erlegt vier Paare Troer, 134—165.
c. Aineias ermuntert Pandaros auf Diomedes zu schiefsen
und führt mit ihm gegen denselben, 166—240.
d. Unterredung zwischen Diomedes und Sthenelos, 241
— 274.
e. Diomedes tötet unter Athenes Beistand Pandaros
und verwundet Aineias, welcher dann von Aphrodite
gerettet wird, 275—318.
Sthenelos bemüchtigt sich des Gespanns des Aineias,
319—330.
g. Aphrodite wird, während sie Aineias aus dem Kampf
bringt, von Diomedes verwundet und führt auf Ares’
Wagen in den Olymp zurück, 331—370,
ἃ.
»
56 E. Einleitung.
b. Aphrodite wird von ihrer Mutter Dione getröstet,
von Athene verspottet, 371—430.
i. Aineias wird von Apollo gegen Diomedes geschützt,
nach Pergamos versetzt und dort im Heiligtum des
Apollo von Leto und Artemis geheilt, 431—453.
B. Übergewicht der Troer unter Ares’ Führung während
Athenes Abwesenheit, 454— 710.
1. Herstellung der Schlacht durch Ares und Hektor, vor
denen Diomedes weicht, 454— 626.
a. Auf Apollos Antrieb ermuntert Ares die Söhne des
Priamos, Sarpedon schilt Hektor. Hektor ermuntert
die Troer und stellt mit Ares’ Hülfe die Schlacht
her. Apollo sendet Aineias neugestärkt zurück in
die Schlacht, 454— 518.
b. Die achaeischen Führer ermuntern die Ihrigen, 519
—532.
e. Einzelkämpfe, in denen sich Agamemnon, Menelaos,
Antilochos und Aineias hervorthun, 533— 589.
d. Diomedes weicht vor Hektor und Ares, weitere Einzel-
kämpfe, in deneh Hektor und Aias hervortreten,
590—626.
2. Kampf zwischen Sarpedon und Tlepolemos und die weiteren
'Thaten Hektors, 627— 710.
a. Sarpedon erlegt Tlepolemos, wird aber von diesem selbst,
verwundet und aus dem Kampf gebracht, 627—669.
b. Odysseus erlegt viele Lykier, bis Hektor diesen zu
Hülfe kommt, 670—698.
ce. Die Achäer weichen vor Hektor und Ares. Hektors
Thaten, 699— 710.
C. Eingreifen der Here und Athene zu Gunsten der
Achaeer und Ares’ Verwundung durch Diomedes,
711— 908.
a. Here und Athene entschliefsen sich den Achäern
beizustehen und fahren auf dem Wagen der Here
aus dem Himmel, 711—752.
b. Nachdem sie von Zeus die Erlaubnis zur Züchtigung
des Ares erhalten haben, fahren sie auf das Schlacht-
feld, 753— 777.
e. Here ermuntert mit Stentorstimme die Achäer,
Athene treibt Diomedes an und fährt mit ihm gegen
Ares. Diomedes verwundet mit ihrem Beistande den
Ares, 778—863.
Ares kehrt in den Olymp zurück und beschwert
sich bei Zeus, wird von diesem gescholten, aber von
Paieon geheilt. Athene und Here kehren ebenfalls
in den Olymp zurück, 864—909.
m
E. Einleitung. 57
Nach der gegebenen Inhaltsübersicht ist unter der alten Über-
schrift “Aristie des Diomedes’ eine überaus reiche und mannig-
faltige Handlung zusammengefaßst, welche zwar den Diomödes
genügend hervortreten läfst, um diese Überschrift zu rechtfertigen,
doch nicht in dem Mafse, dafs der ganze Gesang wirklich in der
Person dieses Helden seinen einheitlichen Mittelpunkt hätte. Während
dies von dem ersten Hauptabschnitt (1—453) mit vollem Recht
gesagt werden kann, tritt Diomedes im zweiten Abschnitt fast ganz
zurück, und wenn er im dritten wieder in den Vordergrund gerückt
wird, so ist es hier doch nur der Kampf gegen Ares, ein Kampf
der lediglich Athenes Werk ist, durch welchen der Held noch
einmal ausgezeichnet wird, ohne dafs weder im unmittelbaren
Anschlufs daran, noch im Anfang des folgenden Gesanges, in
welchen die Handlung übergreift, irgend welche nennenswerte That
demselben zugeteilt wird. Bei dieser Gestaltung der Handlung
waren für den Dichter offenbar zwei Gesichtspunkte mafsgebend.
Einmal galt es ihm seinen Helden dadurch auf eine übermensch-
liche Höhe zu heben, dafs er ihn selbst gegen Götter kümpfen
liefs, wie dies mehrfach besonders hervorgehoben wird (362. 380.
457#f.), und von diesem Gesichtspunkt aus war ihm der Kampf gegen
Ares der glänzende Abschlufs seiner Aristie, eine berechnete Steige-
rung nach dem Kampf gegen Aphrodite und dem Ansturm gegen
Apollo. Diese von Athene veraulafsten Kämpfe hat der Dichter aber
zugleich benutzt, um den feindseligen Beziehungen der griechen-
und troerfreundlichen Götter zu einander eine erheiternde, komische
Wirkung abzugewinnen. Denn an den ersten und den letzten
dieser Kümpfe schliefsen sich jene Scenen im Olymp, deren erste
mit einer schalkhaften Verspottung der Aphrodite durch Athene
schliefst, während in der andern Ares der Gegenstand einer halb
unwilligen Verspottung durch Zeus wird. Andrerseits aber ist das
Gegeneinanderwirken von Athene und Ares zur Grundlage gemacht,
um das Hervortreten und Zurücktreten des Diomedes und damit
im Zusammenhange die Wendungen der Schlacht zu motivieren.
In dieser Beziehung sind die entscheidenden Punkte: die Ent-
fernung des Ares aus der Schlacht durch Athene 29 f., worauf
die eigentliche Aristie des Diomedes und das entschiedene Über-
gewicht der Achäer folgt, sodann die Wiedereinführung des Ares
in die Schlacht durch Apollo 454 ff., welche das günzliche Zurück-
treten des Diomedes und die volle Überlegenheit der Troer zur
Folge hat, endlich die Verwundung des Ares durch Diomedes
unter Athenes Hülfe, worauf die Achäer von neuem das Über-
gewicht gewinnen.
Verfolgen wir die Art, wie diese die Handlung bestimmenden
Momente im einzelnen motiviert sind, so ist das Gegeneinander-
wirken von Athene und Ares vorbereitet durch 4439, wo bei
Beginn der Schlacht Ares die Troer, Athene die Achäer zum Kampf
58 E. Einleitung.
erregt. Eigentümlich ist nun aber zunächst die Art, wie Ares
aus dem Kampfe entfernt wird und der Zusammenhang, in welchem
dies geschieht. Diomedes hat, von Athene zu seinem Heldenlauf
ausgerüstet, soeben durch die Tötung des Phegeus unter den
Troern Bestürzung hervorgerufen, da tritt Athene zu Ares, über-
redet ihn durch Hinweisung auf den zu fürchtenden Zorn des Zeus
die kämpfenden Völker sich selbst zu überlassen und führt ihn
aus der Schlacht an den Skamandros; und sofort bringen die
Achier die Troer zum Weichen. Mag nun auch die Art, wie
Ares von Athene durch den in keiner Weise motivierten Hinweis
auf Zeus’ Zorn sich übertölpeln läfst, zu der ganzen Zeichnung
des Gottes in diesem Gesange stimmen, so ist doch die Entfer-
mung des Ares nicht genügend motiviert und gerade hier am we-
nigsten an der Stelle, da nun das, was nach der vorhergehenden
Erzählung die Wirkung von Diomedes’ Tapferkeit sein sollte, viel-
mehr als Folge der Entfernung des Ares erscheint. Ebenso unver-
mittelt tritt das Motiv ein, welches den Kampf des Diomedes
gegen Aphrodite vorbereitet. Als Diomedes von Pandaros ver-
wundet die Hülfe Athenes anfleht, damit er den erlegen könne,
der ihn verwundet, stärkt dieselbe nicht nur ihren Schützling,
sondern verleiht ihm auch die Gabe die Götter im Kampfe zu
erkennen und giebt ihm die Weisung, zwar den Kampf mit den
andern Göttern zu meiden, aber gegen Aphrodite seine Wafie zu
gebrauchen. Durch diese an sich befremdende und durch nichts
vermittelte Weisung ist nun dem Diomedes sein weiteres Verhalten
vorgezeichnet, Wir begreifen danach, dafs er der Aphrodite, als
sie ihren von demselben verwundeten Sohn zu retten sucht, nach-
eilt und sie obne Scheu verwundet, obwohl es auffallen mufs, dafs
dies nicht durch den Hinweis auf die Weisung der Athene, son-
dern dadurch motiviert wird, dafs er in ihr eine unkriegerische
Göttin erkannt babe; dafs er aber derselben noch eine höhnende
Schmührede nachsendet und dann trotz Athenes Verbot es wagt
auf Apollo, der den Aineias in einer Wolke geborgen hat, ohne
Scheu wiederholt anzustürmen, bis er durch eine nachdrückliche
Warnung des Gottes zurückgewiesen wird, ist nicht nur wegen
der sonstigen Besonnenheit des Helden, sondern besonders deshalb
befremdend, weil derselbe Diomedes weiterhin vor Ares ohne wei-
teres zurückweicht und dies Athene gegenüber ausdrücklich durch
deren Verbot motiviert. _
Indes diente diese Überhebung des Diomedes dem Dichter
als Motiv, um die Wendung, welche mit dem zweiten Abschnitt
des Gesanges eintritt, herbeizuführen. Denn Apollos Zorn über
Diomedes’ Überhebung ist es, welcher denselben 454 ff. veranlafst
Ares, welcher bis dahin unthätig am Skamandros gesessen, ob-
wohl er von Diomedes’ Thaten durch Aphrodite Kunde hat, aus
seiner Ruhe aufzurütteln und gegen Diomedes in den Kampf zu
E. Einleitung. 59
treiben. Aber auch hier wird das eben verwendete Motiv nicht
festgehalten. Denn schon 510 heifst es, dafs Apollo sich durch die
Beobachtung, dafs Athene das Schlachtfeld verlassen, habe be-
stimmen lassen Ares in den Kampf zurückzuführen. Mit dieser
Entfernung Athenes vom Schlachtfelde aber verhält es sich so,
Nachdem dieselbe 121 ff. Diomedes nach seiner Verwundung durch
Pandaros gestärkt und ihm die Weisung in betreff der Aphrodite
gegeben hat, heifst es 133, dafs sie nach diesen Worten sich ent-
fernt habe, ohne dafs gesagt wird wohin. Bei dem folgenden
Kampfe des Diomedes mit Pandaros (290) wird dann weiter er-
zählt, dafs sie den Speer des Diomedes gelenkt habe, 418 aber
finden wir dieselbe im Olymp, wo sie mit Here durch Verspot-
tung der Aphrodite den Zeus neckt. Abgesehen von dem Mangel
an Klarheit, der dieser Darstellung anhaftet, vermifst man auch
hier die rechte Motivierung. Denn es bleibt völlig unerklärt, was
Athene bestimmt das Schlachtfeld zu verlassen, zumal sie dadurch
den errungenen Erfolg wieder auf das Spiel setzt, da sie doch
schwerlich erwarten kann, dafs Ares dauernd am Skamandros sitzen
bleiben und Apollo unthätig zuschen werde. Der Dichter brauchte
Athene eben in Olymp, zunächst, um sie hier den über Aphrodite
errungenen Triumph feiern zu lassen, sodann aber, um gerade
durch ihre Entfernung vom Schlachtfelde dort die Wendung herbei-
zuführen, welche dann die zuletzt in Scene gesetzte Ausfahrt der
Here und Athene auf das Schlachtfeld und den Kampf gegen Ares
ermöglichte. So zeigt auch schon eine oberflächliche Betrachtung,
dafs die vielfach verschlungene Handlung und das Ineinandergreifen
der olympischen Vorgänge und der menschlichen Handlung der
Einheit des dichterischen Pianes nachteilig gewesen und es dem
Dichter nicht gelungen ist dep Fortschritt der Handlung überall
genügend zu motivieren.
Gehen wir den Beziehungen des fünften Gesanges zu dem
vorhergehenden nach, so tritt hier sofort der Held, der am Schlufs
der Epipolesis so bedeutsam hervorgehoben wurde, so ganz in den
Vordergrund, dafs der ganze erste Abschnitt des Gesanges sich
wesentlich um ihn dreht. Die ikm hier zugeteilte Aristie aber
bewegt sich vorzugsweise im Kampfe mit Pandaros, dem im vierten
Gesange durch den verräterischen Schufs auf Menelaos eine so be-
deutende Rolle zugeteilt war. So bedeutsam diese Beziehungen in
den Personen und den Thatsachen sind, sodals wir geneigt sind
in Pandaros’ Erlegung durch Diomedes die Strafe für den Ver-
tragsbruch zu sehen, so wenig werden diese Beziehungen vom
Dichter hervorgehoben. Nicht nur, dals nirgend eine Andeutung
vorliegt, dafs hier die Gottheit durch Diomedes die Strafe für den
Vertragsbruch vollziehen lasse, es wird der Schufs des Pandaros
auf Menelaos nur an einer Stelle erwähnt und zwar ohne dafs
des Vertragsbruches dabei gedacht wird, ja in einem Zusammen-
60 E. Einleitung.
hange, dafs man gezweifelt hat, ob überhaupt jener Schuls beim
Vertragsbruch gemeint sei, 206—208. Ebensowenig ist von den
Folgen der Verwundung, die Menelaos durch Pandaros erlitten,
die Rede, Menelaos kämpft, wie jeder andere Held. Im übrigen
haben wir vielleicht folgende Beziehungen auf den vierten Gesang
anzunehmen. Wenn 418f. Here und Athene im Hinblick auf die
verwundete Aphrodite Zeus mit spottenden Worten necken, so
scheint dies das Gegenstück zu der Eingangsscene des vierten Ge-
sanges (vgl. 4 5f.), wo Zeus Here und Athene verspottete; ja es
war vielleicht auch die dort von Zeus gemachte Gegenüberstel-
lung der Aphrodite mit Here und Athene dem Dichter der Anlafs,
Aphrodite auf Antrieb der Athene durch Diomedes im Kampfe
verwunden zu lassen. Auch scheint V. 908 aus 48 entnommen,
da nur in diesen beiden Stellen Athene ᾿Δλαλκομενηίς heilst.
Eine Beziehung auf den zweiten Gesang fand Lachmann
in der Äufserung Athenes 832f., dafs Ares ihr und Here ver-
sprochen habe gegen die Troer zu streiten und den Achiern bei-
zustehen, welche mit der des Zeus B 14 übereinstimme, Here habe
alle Götter durch Flehen bewegt zur Gunst für die Achäer. Allein
diese Beziehung ist unwahrscheinlich, weil die letzte Äufserung
des Zeus in der Botschaft des dem Agamemnon gesendeten täu-
schenden Traumes enthalten und nur eine Fiktion zu augenblick-
lichem Zweck ist, wie es auch die erstere zu sein scheint, da
Athene 31fl., wo sie Ares aus der Schlacht zu entfernen sucht,
von jenem angeblichen Versprechen des Ares keinen Gebrauch
macht. Der dem Zeus zu Anfang von B beigelegten Absicht Achill
Genugthuung zu verschaffen und viele Achäer zu vernichten wider-
spricht insbesondere die Klage der Here ΤΌΤ ἢ, vor Zeus über
Ares’ Kampfwut gegen die Achäer und die infolge dieser von Zeus
erteilte Erlaubnis durch Athene den Ares züchtigen zu lassen. Nur
eine Stelle könnte auf diese Absicht des Zeus bezogen werden,
32—35, wo Athene Ares auffordert die kämpfenden Heere sich
selbst zu überlassen, damit Zeus nach seinem Willen zwischen ihnen
entscheide, und dies mit der Warnung vor Zeus’ Zorn motiviert,
allein bei dem sonstigen Mangel solcher Beziehungen ist diese An-
nahme kaum wahrscheinlich.
Sonst ist der fünfte Gesang ausgezeichnet durch eine Reihe
von eigentümlichen Sagenelementen und Göttermythen. Dahin ge-
‚hören aufser den in der Trostrede der Dione an Aphrodite 381 —
415 enthaltenen die Beziehung auf das Urteil des Paris in 715f.,
wenn Bergks Deutung richtig ist, und folgende Einzelheiten: die
Bezeichnung der Aphrodite als Kypris, Dione als Mutter der Aphro-
dite, Enyo als Gefährtin des Ares, der Götterarzt Paieon, die Be-
zeichnung der Titanen als Οὐρανίωνες, des Herakles als Sohn des
Amphitryon u. a.
Zahlreiche Eigentümlichkeiten zeigt der sprachliche Ausdruck,
E. Einleitung. 61
worüber Geist eine eingehende Untersuchung angestellt hat und
Zusammenstellungen auch von Benicken gegeben sind.
Bei der kritischen Erörterung des Gesanges gehen wir aus von der
Prüfung der Athetesen, welche auf Grund von Bedenken gegen den
einheitlichen Zusammenhang oder die Darstellung ausgesprochen sind.
Als Lachmann sein fünftes Lied von 4422 —Z1 konsti-
tuierte, verzichtete er darauf die ursprünglichen und die etwa
später eingefügten Bestandteile des Liedes zu unterscheiden, jedoch
nicht ohne einige Winke in dieser Beziehung zu geben. Diesen
folgend unternahm es dann Haupt die späteren Zuthaten auszu-
scheiden. Als solche erkannte er die Abschnitte 418—431, 508—
511, 711—792 und 907—909. Z 1. Durch die erste dieser Athe-
tesen wird jene olympische Scene ausgeschieden, in welcher Athene
. mit Here,im Zwiegespräch mit Zeus die von Diomedes verwundete
Aphrodite verspottet. Ein Hauptgrund für diese Ausscheidung ist,
dafs während Athene bis 290 auf dem Schlachtfelde thätig ist,
sie mit einem Mal 418 auf dem Olymp sich befindet, ohne dafs
gesagt ist, wie sie dahin komme, Weiter wird besonders geltend
gemacht die ungeschiekte Darstellung in dieser Scene (418—420.
424), der “ziemlich frostige Spott” der Athene über Kypris, sowie
die Ungeschicklichkeit, dafs dieser Spott der Erzählung der Kypris
von ihrer Verwundung 376—380 und ihrer Heilung nachfolge, wäh-
rend er nur vor derselben angemessen sein würde. Diese Athetese
ist gebilligt von Hoffmann, Benicken, La Roche und Naber,
bestritten von Jacob, Düntzer*), Köchly und von Christ.
Köchly sieht die Scene aus dem dichterischen Plane dadurch
gerechtfertigt, dafs in den Worten des Zeus an Aphrodite 428—
430 eine Billigung des Vorgehens des Diomedes gegen die Kypris
liege, wie in 765f. und 889 ff. eine solche für den Kampf des-
selben gegen Ares, ohne welche, zumal nach der Drohung der
Dione 406—415, Diomedes’ Kampf gegen die Götter als eine nicht
zu vechtfertigende Überhebung erscheinen mülste. Von den von
Haupt gefundenen Anstöfsen aber wird nur der in 418 ff. aner-
kannt, dafs, nachdem gesagt ist, dals Athene und Here den Zeus
reizten, dann doch nur Athene spricht, zumal ihre Rede mit der For-
mel τοῖσι δὲ μύϑων ἦρχε eingeleitet wird; dieser Anstols dann aber
durch die Vermutung beseitigt, dafs die ursprüngliche Fassung der
Verse gelautet habe:
ἡ δ᾽ αὖτ᾽ εἰσορόωσα ϑεὰ γλαυκῶπις ᾿Αϑήνη
κερτομίοις ἐπέεσσι Δία Κρονίδην ἐρέϑιξεν,
welcher ein Diaskeuast mit Rücksicht auf 4 7f,, um auch die Here
hineinzubringen, die jetzt vorliegende substituiert habe. Jene Diffe-
renz wegen des Aufenthaltsortes der Athene leugnet Köchly und
*) Welcher übrigens an einer andern Stelle 330—460 verwirft.
62 E. Einleitung.
ebenso Düntzer, indem beide annehmen, dafs Athene 290 das Ge-
schofs des Diomedes aus der Ferne lenke, der Abgang derselben
133 aber nur auf die Rückkehr in den Olymp gehen könne, ‘da
der Dichter sonst eine nähere Bestimmung hätte hinzufügen müssen’
(Düntzer). Die Ungeschicklichkeit der Darstellung in 418 ἢ, aber
sucht Düntzer durch die Erklärung zu beseitigen, dafs beide
Göttinnen als eine Partei gedacht seien, für welche Athene dies-
mal das Wort ergreife. Die ganze Scene aber von dem Schmerze
der verwundeten Aphrodite scheint ihm auf den am Schlusse stehen-
den Spott der Athene berechnet und “mülste diese, wenn irgend
ein Zweifel Raum haben sollte, ganz in Wegfall kommen, wo denn
auch 353 zu ündern wäre”. Die Verlegung der Scene nach der
Heilung der Aphrodite endlich rechtfertigt Jacob durch die Be-
merkung, dafs die Diehtung, welche die Vorgänge nicht neben
einander darstellen konnte, wie es die Bildhauerkunst oder Malerei
kann, sondern nur nach einander, zunächst die klagende Aphrodite
von ihrer Mutter heilen und beruhigen lassen mufste und dann
erst die Göttinnen spotten lassen konnte, weil nur in dieser Folge
zuerst Dione ihre Tochter mit dieser mütterlichen Ausführlichkeit
trösten und nachher Zeus ihr seinen, zwar ernst gemeinten aber
freundlich ausgesprochenen väterlichen Rat erteilen konnte.
Verfolgen wir die von Haupt geltend gemachten und von
Benicken gegen die Gegner mit Nachdruck verteidigten Gründe
für die Ausscheidung der Partie im einzelnen, so ist unleugbar,
dafs 290 ein Wirken der Athene aus der Ferne angenommen werden
kann, wie es 28 von Hephaistos angenommen werden mufs, was
doch auch Benicken eigentlich zugiebt, wenn er sagt, dafs man
allenfalls Hephaistos als persönlich anwesend denken und einen
Vers, in welchem sein plötzliches Kommen erzählt ward, als aus-
gefallen annehmen könne. Dals der Dichter aber, der Athene 133
fortgehen läfst, so wenig er das auch ausspricht, sie in den Olymp
gehen lassen wollte, ist darum wahrscheinlich, weil dieselbe eben
vorher ihrem Schützling für den bevorstehenden Kampf, der mit
der Verwundung der Aphrodite endigen soll, alle nötigen Verhal-
tungsmalsregeln gegeben hat; hütte der Dichter sie weiter auf
dem Schlachtfelde und in der Nähe des Diomedes verweilen lassen
wollen, so würde es weder der Verleihung der Gabe, die Götter
zu erkennen, noch der Weisung Aphrodite anzugreifen bedurft
haben, beide sind augenscheinlich auf die Abwesenheit der Göttin
vom Schlachtfelde berechnet. Mithin ist in dieser Beziehung der
Vorwurf berechtigt, dafs der Dichter, wenn er 133 Athene auf
den Olymp zurückkehren lassen wollte, sich zu unbestimmt aus-
gedrückt hat*), sowie dals mit dieser Absicht es sich nicht gut
*) Die von Düntzer citierten Stellen B 35. 4 210. #212. 2 188,
& 148 geben insofern keine genügende Analogie, wie Benicken richtig
Ἑ. Einleitung. 63
verträgt, dafs Athene dann noch einmal (290) eingreift, während
sie doch 120ff. alles gethan hat, um Diomedes ohne Gefahr für
sich handeln zu lassen. Ebenso ist die Ungeschicklichkeit der Dar-
stellung in 418—420 anzuerkennen, welche durch die von Be-
nicken wie Ribbeck mit Recht zurückgewiesene unwahrschein-
liche Vermutung Köchlys ebenso wenig, als durch Düntzers
Interpretation gehoben werden kann. Vielmehr erscheint dieselbe
noch gröfser nach der richtigen Bemerkung Ribbecks über κερ-
τομίοις, dafs in Athenes Worten gar nichts Höhnendes und kein
Angriff auf Zeus, sondern nur Ironie gegen Aphrodite liege, Zeus
vernünftiger Weise auch gar nicht damit geneckt werden könne,
dafs es der Aphrodite übel ergangen sei, die nicht auf seinen An-
trieb gehandelt habe. Jedenfalls ist es sehr ungeschickt, dafs
der Dichter bei κερτομίοις an Aphrodite als Objekt denkt, während
das Objekt des ἐρεϑίξειν Zeus ist. .
Dagegen sind die übrigen gegen den Inhalt der Scene selbst,
sowie deren Stelle von Haupt und Benicken gerichteten Be-
denken mit Recht zurückgewiesen. Scheinen nun die für die Athe-
tese der Scene beigebrachten Gründe an sich nicht ausreichend,
so ist doch andrerseits auch die Notwendigkeit derselben aus dem
dichterischen Plane von Köchly nicht erwiesen, und da die wei-
teren von Haupt ausgesprochenen Athetesen Abschnitte betreffen,
welche auf derselben Voraussetzung, wie der eben behandelte, der
Abwesenheit der Athene vom Schlachtfelde beruhen, so wird die
Frage nur im Zusammenhange mit diesen erledigt werden können.
In den Versen 508—511 wird ausdrücklich die Abwesenheit
Athenes erwähnt, aber diese Stelle steht mit 455—459, auf welche
sie Beziehung nimmt, im Widerspruch. Während dort nämlich
Apollo Ares auffordert Diomedes aus der Schlacht zu entfernen
und dies durch den Kampf desselben gegen Aphrodite und Apollo
selbst motiviert, wird hier gesagt, Apollo habe Ares aufgefordert
den Troern den Mut zu erregen, weil er gesehen, dafs sich Athene
entfernt habe. Ferner hat Ares bereits nach jener Aufforderung
Apollos die Troer 461—470 ermutigt, hat also bereits gethan,
was er hier noch einmal thun soll, und zwar nachdem auch Hektor
schon das Gleiche gethan, er selbst aber die Troer wunderbar in
Nacht gehüllt hat, der Angriff überdies bereits erfolgt und zur
Ermutigung keine Zeit ist. Diese Anstöfse sowie die unschöne
Wiederholung von ἀρήγων 511 aus 507 und das epischer Klar-
heit entbehrende αὐτός 512, bestimmten Haupt zu der Verwer-
fung von 508—511, wonach im echten Liede 512 Φοῖβος, nicht
αὐτός gestanden haben werde. Die Gründe für diese Athetese
sind so schlagend und zwingend, dals dieselbe fast allgemein an-
sah, als es in allen diesen Stellen Götter sind, die eine Botschaft aus-
richten, deren Rückkehr in den Olymp nach Erledigung ihres Auftrags
mithin selbstverständlich ist.
64 E. Einleitung.
genommen ist, so von Benicken, Hoffmann, Köchly, Ribbeck,
Bernhardy, Bergk, Naber und von Christ, der auch zu er-
klären versucht, wie die Interpolation entstanden sei; dagegen ist
sie von Düntzer zurückgewiesen, doch ohne dafs er überzeugende
Gegengründe beigebracht hätte, und er selbst hat später die Verse
mit dem ganzen Abschnitt 497—513 verworfen.
Die dritte Athetese Haupts trifft die Abschnitte 711—792
und 907—Z1, also die Rüstung Heres und. Athenes und ihre Fahrt
zum Heer und Rückkehr. Schon Lachmann hatte die Frage auf-
geworfen, ob diese Abschnitte hier im fünften Liede einem später
folgenden Θ᾽ 350 ff. nachgeahmt seien oder umgekehrt. Haupt ent-
scheidet sich für die erste Möglichkeit. Seine Hauptgründe sind:
einmal, dafs die Erwartung, welche die lange Beschreibung des
Anschirrens der Rosse und die ganze vorbereitende Erzählung er-
regt hat, völlig getäuscht wird, da Here weiter nichts thut, als
dafs sie mit ungeheuerer Stimme, dem Stentor gleich, den Achäern
Mut zuruft, sodann dafs in dieser Erzählung nicht unbedeutende
Stücke mit entsprechenden in © übereinstimmen, wo alles im schön-
sten Zusammenhange und Gleichmafs der Erzählung ist, auch 7681.
fast buchstäblich aus A 498 f. entlehnt sind, wo sie im festen Zu-
sammenhange der Erzählung stehen, während hier vorher gar nicht
gesagt ist, dafs die Göttinnen zu Zeus wollen. Endlich ist die
Rückkehr der Göttinnen in den Olymp in drei oder vier Versen
(darunter 908 aus 4 8 wahrscheinlich entlehnt) eilfertig und dürftig
und nach der langen Beschreibung ihrer Wagenfahrt ohne alle
Symmetrie abgethan, wobei überdies die am Simois und Ska-
mandros weidenden Rosse ganz vergessen sind. Dazu einzelne An-
stöfse, wie dafs Athene hier sich die Ägis umwirft, die sie B 446
schon trägt, dafs die Göttinnen den Wagen verlassen, man sieht
nicht weshalb. Zwei weitere Bedenken fügt Benicken hinzu: 1)
dafs τοὺς δὲ 711 mur mit Mühe auf Hektor und Ares (704) richtig
bezogen werden können, 2) dafs Here 767 trotz des οὐδ᾽ ἀπίϑησε
keineswegs dem Gebote des Zeus Athene wider Ares zu erregen
gehorcht. Jacob hebt besonders das Überladene und Übertriebene
in den Beschreibungen und Schilderungen der Partie hervor. —
Auch diese Athetese ist von vielen angenommen, so von Bern-
hardy und Hoffmann, zum Teil noch über den von Haupt an-
genommenen Umfang hinaus, wie von Bergk, welcher aulserdem
(den Kampf des Diomedes gegen Ares vom Nachdichter überarbeitet
sein läfst, und Naber, der aufser 711—792 den Schlufs des Ge-
sanges von 868 an verwirft, die erstere Interpolation übrigens für
ziemlich alt hält, da nach ihm der Verfasser von Θ᾽ dieselbe nach-
geahmt hat. Gegen die Athetese hat sich Düntzer ausgesprochen,
weil er 416—431 für ursprünglich hält, derselbe scheidet aber
doch in dieser Partie 753—769 aus, weil es mit der ganzen Ho-
merischen Vorstellung im Widerspruch stehe, dafs Here von Zeus
E. Einleitung. 65
sich die Erlaubnis einhole den Achäern beizustehen, 778—792
namentlich wegen des 'Stentorrufs und des Widerspruchs zwischen
787 und 793 ., 830—834 und den ganzen Schlufs von 868—
Z4, wo die Beschreibung, wie Diomedes nach Ares’ Verwundung
die Troer in die Flucht schlägt, dadurch verdrängt sei, dafs der
Rhapsode, welcher die Verwundung der Aphrodite launig ausführte,
auch die des Ares scherzhaft behandelte. Ähnlich urteilt über diesen
Schlufs Kammer. Friedlaender verwirft 785—792. Köchly,
welcher ebenfalls 418—431 festhält, verwirft 713—755. 768— 777.
Einzelne der von Haupt geltend gemachten Bedenken sind von
Grofs bestritten. Auch für uns sind nicht alle von dem Gewicht,
welches jener denselben beilegt, auch ist gegen denselben von
Genz nicht ganz ohne Grund eingewendet, dafs man kein Recht
habe aus diesem Liede Göttermythen zu streichen, die so sehr im
Geschmack desselben seien. Allein wenn die schon oben bemerkten
Mängel in der Einheit des dichterischen Planes zum Teil auf den
von Haupt ausgeschiedenen Partieen beruhen, damit sich Mängel
der Darstellung verbinden, wie sie in den übrigen Teilen des Ge-
sanges sich nicht in gleichem Mafse finden, dazu auch ziemlich
sichere Spuren der Benutzung eines andern Liedes sich nachweisen
lassen, so sind doch auch für den Lachmannschen Standpunkt
genügende Anzeichen vorhanden, um eine Erweiterung des ursprüng-
lichen Liedes anzunehmen. Für uns ist namentlich das Mifsver-
hältnis zwischen dem grofsartigen Apparat, mit welchem die Fahrt
der beiden Göttinnen in Scene gesetzt wird, und den folgenden
Wirkungen, sowie das Überladene und Übertriebene in der Dar-
stellung ein Erweis, dafs wir hier nicht eine Schöpfung echter
Homerischer Kunst, sondern die Arbeit eines Nachahmers vor uns
haben, und die mannigfachen Ungeschicklichkeiten im einzelnen
können diesen Verdacht nur verstärken. Damit erledigt sich nun
auch zugleich die oben offengelassene Frage in betreff der olym-
pischen Scene 418—431 dahin, dafs wir auch in dieser einen spä-
teren Zusatz sehen müssen, obwohl der Inhalt derselben nach un-
serm Urteil nicht so elend ist, wie ihn Haupt und Benicken
ansehen. Denn da eben die beiden zuletzt betrachteten Partieen,
welche wie jene, die Anwesenheit der Athene im Olymp voraus-
setzen, die auffallendsten Anstöfse nach Inhalt und Darstellung bieten,
andrerseits aber jene Voraussetzung selbst die einheitliche Grundlage
des Gesanges zerstört, so ist es in hohem Mafse wahrscheinlich, dafs
wir in allen jenen Scenen, welche diese Voraussetzung machen,
eine Erweiterung des ursprünglichen Planes zu sehen haben.
Eben dieselbe Götterdichtung, von der nicht unbedeutende
Stücke durch diese Athetesen beseitigt sind, ist es nun, die Bi-
schoff einer scharfen Kritik unterzogen hat, welche sich teils
gegen die Art der Darstellung der Götter, teils gegen die Moti-
vierung ihres Auftretens und Handelns richtet. In ersterer Be-
Hzxtze, Anhang zu Homers Ilias. II. 5
66 E. Einleitung.
ziehung wird neben vielem andern besonders die Zeichnung des
Ares hervorgehobep, wie er sich von Athene ‘gleich einem dummen
Jungen fortschicken lälst (30 #.) und dicht daneben draufsen, gleich-
sam vor der Thüre stehen bleibt’, wie er von Aphrodite von den
Thaten des Diomedes hört (395 ff.) und doch nicht wagt am Kampfe
teilzunehmen, bis ihn Apollo ruft (455). In Bezug auf die Moti-
vierung aber nimmt derselbe besonders Anstols an 130—132, wo
Athene Diomedes warnt gegen Götter zu kämpfen aufser gegen
Aphrodite: warum diese ausgenommen sein soll, ist durch nichts
motiviert: “Wie weils denn Athene, dafs Äneas den Pandaros auf-
suchen, dann erst nach längerer Rede mit diesem sich gegen Dio-
medes wenden wird?” Ebensowenig ist motiviert, weshalb Apollo
den Ares zum Kampf ruft: “Wenn Ares eine niedrigere, von Men-
schen verwundbare Gottheit ist, sollte nicht Apollo dieses wissen?
Auch sehen wir den Ares zunächst nicht mit besonderem Erfolg
wirken”. Bischoff glaubt nun aber auch zwei sichere Anhalts-
punkte gefunden zu haben, von denen aus die Scheidung der Zu-
diehtung von dem ursprünglichen Kern sich ermöglichen lasse.
Der eine ist ihm 794 ff. gegeben, wo Athene den Diomedes trifft
aufserhalb des Kampfgewühls, während er die Wunde kühlt, die
er durch Pandaros’ Pfeil erhalten, und von Schweils triefend sich
das Blut abwischt. “Diese Stelle setzt einen andern Gang der
Erzählung voraus, denn Athenes plötzliche Hülfe (121 #.), die ihn
befähigt nach jener Verwundung wieder in den Kampf zu gehen
und so grofse Thaten zu thun, wie sie von 134 an erzählt werden,
konnte nicht von so vorübergehender Wirkung gewesen sein’. Der
andere Anhaltspunkt ist in der Stelle 130—132 gegeben, wo Athene
Diomedes warnt gegen Götter zu klimpfen aulser gegen Aphrodite:
diese Stelle beweist ihm die Fremdartigkeit des letzten Stücks,
des Kampfes gegen Ares; denn dieser Dichter hatte einen Kampf
gegen Ares nicht im Sinn. Danach scheint ihm sicher: 1) Dio-
medes ist nicht von Athene geheilt worden nach 795—798; 2)
er hat nicht mit Aphrodite gekämpft (nach derselben Stelle und
der ungeschickten Motivierung V. 132 zu schliefsen); 3) er hat auch
nicht mit Ares gekämpft (nach V. 130 u. anderen Gründe»); auch Hera
und Apollo hatten in der alten Dichtung nichts zu thun. — Bergk
weist folgende Stücke dem Diaskeuasten, der das alte Gedicht über-
arbeitete, zu: 1) die Entfernung des Ares aus dem Kampfe durch
Athene, 29—36; 2) V. 131 f., welche auf den Kampf des Diomedes
gegen Aphrodite vorbereiten; 3) diesen Kampf selbst, 311—431:
‘in der alten Ilias nahm sich wohl Apollo des verwundeten Äneas
an’; 4) die Heilung des Äneas und die Zurückführung des Ares
in den Kampf durch Apollo, 444—460. In der feindlichen Be-
gegnung des Diomedes mit Ares sieht derselbe ein Stück der
alten Ilias, aber auch dieses läfst er von dem Diaskeuasten mit
grolser Freiheit überarbeitet sein.
E. Einleitung. 67
Einzelne dieser Abschnitte sind auch von andern Gelehrten
beanstandet oder geradezu verworfen. An der Entfernung des Ares
durch Athene nahmen auch Jacob und Düntzer, zum Teil auch
Nitzsch Anstols; Holm fand die Worte der Athene auch unver-
träglich mit 832 —834: der Dichter, welcher jenes Versprechen
des Ares den Achüern beizustehen erfunden oder aufgenommen
hatte, hätte auch hier davon Gebrauch machen müssen. Benicken
dagegen weist alle Bedenken zurück.
Die Verwundung der Aphrodite durch Diomedes verwirft auch
Düntzer, erstreckt die Athetese aber auf 330—460 nebst den
diesen Abschnitt vorbereitenden Versen 131f., sodals auch Dio-
medes’ Ansturm auf Apollo, die Heilung des Äneas und Ares’
Wiedereinführung in den Kampf durch Apollo ausgeschieden wird.
Innerhalb dieser Partie verwirft Köchly nur 331—333 als in
offenbarem Widerspruch mit 131f. und 820f., sowie 338, der aus
einem Milsverständnis von 315 hervorgegangen sei, letzteres mit
Zustimmung von Benicken, endlich 398—402. La Roche und
Naber dagegen lassen die Verwundung der Aphrodite durch Dio-
medes bestehen, verwerfen aber die Erzählung von der Rückkehr
derselben in den Olymp und die dort spielenden Scenen zwischen
Aphrodite und Dione einerseits und andrerseits zwischen Athene,
Here und Zeus, 353-—431.
In der That bieten die von Haupt und Benicken nicht
beanstandeten Götterpartien teils durch die Zeichnung der Götter
teils durch die mangelhafte Motivierung nicht minder schwere An-
stöfse, als die von jenen Kritikern verworfenen Stücke. Man ver-
gegenwärtige sich die hier von Ares gegebene Darstellung, wie
er im Eingang von Athene sich übertölpeln läfst, wie er auch
durch die von Aphrodite erhaltene Kunde von Diomedes’ Wüten
nicht zu der Erkenntnis kommt, dafs er von Athene schmählich
betrogen ist, und erst durch Apollo wieder in den Kampf zurück-
gebracht werden mufs. Und wie befremdend ist die Haltung der
Athene selbst. Dafs sie ohne alle Veranlassung Diomedes auffor-
dert Aphrodite anzugreifen, um dann im Olymp die Verwundete
zu verspotten, dafs dies 331 fl. lediglich dadurch motiviert wird,
dafs sie eine unkriegerische Göttin sei, dals Diomedes dadurch,
wie es doch scheinen mufs, verführt wird Aphrodite zu verspotten
und selbst gegen Apollo anzustürmen, das sind Züge, die einen
Dichter verraten von der Art wie der ist, welcher den Götter-
kampf in Φ gedichtet hat, der übrigens auf den Kampf des Dio-
medes gegen Ares in E anspielt. Und in welches Licht tritt über-
dies noch Athenes Frivolität durch die von Dione 406—415 und
von Apollo 440—442 gegen Diomedes ausgesprochenen ernsten
Warnungen. Noch schlimmer aber steht es mit der Motivierung
der bezüglichen Scenen: hier ist nichts von der .Homerischen Art
aus der Handlung selbst die Motive für die weitere Entwicklung
δ᾽
68 E. Einleitung.
ungesucht hervorgehen zu lassen. Als Athene 29 ff. den Ares aus
dem Kampfe entfernt, hat Diomedes soeben durch Erlegung des
Phegeus unter den Troern grolse Bestürzung hervorgerufen. Wäh-
rend wir nun die weitere Wirkung davon erwarten, folgt vielmehr
durch nichts vorbereitet die Entfernung des Ares und in unmittel-
barer Folge die Flucht der Troer, die nun durchaus als Wirkung
von jener Entfernung erscheint, was um so störender wirkt, da Dio-
medes in den niichsten funfzig Versen völlig in den Hintergrund tritt.
Ist nun das Motiv, welches den Dichter bestimmt Ares aus dem
Kampfe zu entfernen, offenbar, wie der Gegensatz dessen, was
nach seiner Rückkehr geschieht, zeigt, dem Diomedes für seine
Heldenbahn Raum zu schaffen, so hängt damit andrerseits wieder
die zeitweilige Entfernung Athenes vom Schlachtfelde auf das
engste zusammen: bliebe Athene auf dem Schlachtfelde, so würde
es der Entfernung des Ares nicht bedürfen, wie andrerseits seine
Rückberufung durch Athenes Weggang, Athenes Rückkehr durch
das Wüten des zurückgekehrten Ares motiviert wird. Athenes
Weggang vom Schlachtfelde erfolgt aber, wenn wir den Plan des
Dichters richtig verstehen, bereits 133 und nicht etwa, wie es nach
510f. scheinen könnte, nach Diomedes’ Kampf mit Pandaros und
Äneas etwa gleichzeitig mit der Rückkehr der Aphrodite in den
Olymp. Ehe Athene aber in den Olymp zurückkehrt, hebt sie die
Folgen seiner Verwundung durch Pandaros auf und rüstet ihn für
den weiteren Kampf mit diesem aus. Hier verdientnun das Verhältnis
Beachtung, in welchem das Gebet des Diomedes an Athene und
das, was diese darauf thut und sagt, zu einander stehen. Dio-
medes bittet, Athene möge ihm hülfreich beistehen und ihn den
Troer erlegen lassen, der ihn verwundet habe. Athene erhört sein
Gebet und macht seine Glieder leicht, zugleich aber nimmt sie
den Nebel von seinen Augen, dafs er Götter und Menschen unter-
scheiden kann, und weist ihn an zwar den Kampf mit andern
Göttern zu meiden, aber gegen Aphrodite seine Waffe zu gebrauchen.
Hier haben nun Düntzer und Naber an V. 122 Anstofs genom-
men: jener hält denselben für unpassend eingefügt aus N 61: ‘in
dem Augenblicke, wo sie naht, erfüllt sie die Brust des Diomedes
mit Mut und benimmt ihm den Nebel’, dieser, weil Diomedes ge-
heilt wird, wenn auch nur für den Augenblick, vgl. 795. Dem
gegentiber ist einmal zu bemerken, dafs ebensowenig als Dio-
medes um Heilung seiner Wunde bittet, ebensowenig eine solche
erfolgt, wie 795 ff. zeigt, man vergleiche auch die Darstellung
71508 ff, wo Glaukos’ Wunde durch Apollo wirklich geheilt wird.
Handelt es sich aber nur um eine augenblickliche Aufhebung der
Wirkungen der Wunde, so ist V. 122 nicht so ganz unpassend, weil
der Schufs in die Schulter zunächst den Arm lähmen muls, vgl.
797 κάμνε δὲ χεῖρα. Wenn wir aber die Ansprache, welche Athene
dann an Diomedes richtet, vergleichen und sehen, dafs diese auf
E. Einleitung. 69
die Verwundung nicht die geringste Rücksicht nimmt, so ergiebt
sich, dafs V. 122 durchaus nicht entbehrt werden kann, weil nur
dieser der Situation einigermalsen gerecht wird, obwohl wir aller-
dings (vgl. 113) eher erwarten zu hören, dafs Athene das Blut
gestillt und die Schmerzen beruhigt habe. Prüfen wir nun den
Inhalt der Ansprache der Athene selbst im Verhältnis zu Dio-
medes’ Gebet, so läfst sich zwar in den ersten drei Versen eine
Beziehung auf 116f. erkennen, aber schon hier ist die Art, wie
Athene die Ermutigung des Diomedes zu weiterem Kampfe be-
gründet, sehr auffallend. Ist das Gebet des Diomedes die Wir-
kung der Erkenntnis, dafs die Wunde nicht unbedeutend (113),
und spricht sich in den Schlufsworten desselben 119 f. eine gewisse
Beunruhigung darüber aus, so ist doch wenig begreiflich, dafs
Athene ihn durch den Hinweis ermutigt, dafs sie ihm den uner-
schrockenen Mut seines Vaters eingeflöfst habe, und mit keinem
Wort der Wunde gedenkt. Was aber weiter folgt, die Verleihung
der Gabe die Götter zu erkennen und die Weisung die Aphrodite
anzugreifen, tritt vollends so unvermittelt, so ohne allen Zusammen-
hang mit der vorhergehenden Entwicklung und der vorliegenden
Situation ein, dafs der Verdacht einer durchgreifenden Entstellung
der ursprünglichen Dichtung sich aufdrängt. Bergk, Düntzer
und Bischoff haben nun in den beiden letzten Versen einen Zu-
satz erkannt zu dem Zweck, um die Zudichtung von der Verwun-
dung der Aphrodite vorzubereiten. Allein ist die Verwundung der
Aphrodite offenbar besonders zu dem Zweck gedichtet, um auf
Grund derselben die betreffenden olympischen Scenen einzufügen,
und machte diese Eindichtung die Anwesenheit der Athene im
Olymp nötig, so ist letztere andrerseits wieder die Voraussetzung
für die ganze Anordnung der Handlung auf dem Kampfplatze: an
ihr hängt die Entfernung des Ares aus der Schlacht (von dem
sich dann Aphrodite den Wagen geben läfst), seine Zurückführung
durch Apollo und das Zurückweichen des Diomedes vor ihm. Letz-
teres wird nun hier offenbar durch die Worte der Athene 127—
130 vorbereitet: denn wenn es hier heilst: af κε ϑεὸς πειρώμενος
ἔνϑαδ᾽ ἵκηται, so kann damit nicht Apollo gemeint sein, welcher
nur Äneas in eine Wolke hüllt, um ihn aus dem Kampfe zu retten
und vor welchem, Diomedes eben nicht weicht, sondern nur Ares,
wie er von Apollo in die Schlacht zurückgeführt, an der Spitze ,
der Troer gegen Diomedes vorgeht 592 ff,, vor dem dann Dio-
medes der Mahnung der Göttin gemäfs weicht. Haben wir dem-
nach in den Versen 127—30 in gleicher Weise wie in 131f. nur
Verhaltungsmafsregeln für Diomedes für die Zeit der Abwesenheit
der Athene vom Schlachtfelde zu sehen und ist diese selbst mit
allem, was damit zusammenhängt, eine spätere Zuthat, so wird
damit die Ursprünglichkeit der ganzen Ansprache der Athene, die
auch an sich viel Befremdendes hat, in Frage gestellt, sei es nun,
70 Ἑ. Einleitung.
dafs ursprünglich mit 121f. kurz die Erhörung des Gebets berichtet
war, ohne dafs Athene überhaupt eine Ansprache an Diomedes
richtete, worauf sie 290 seine Bitte erfüllte, sei es, dafs die ur-
sprünglich auch folgende Ansprache anders lautete. Gegen die
Absonderung der Verse 131 f. von den vorhergehenden spricht
übrigens auch der Plural $eoig, welcher, da ϑεὸς im Singular
vorhergeht, lediglich dadurch veranlafst scheint, dafs damit die
folgende Ausnahme der Aphrodite (τοῖς ἄλλοις, ἀτάρ xz£.) vorbereitet
wird. Fällt aber mit der ganzen Ansprache der Athene auch V. 133,
worin ihr Weggang (nach des Interpolators Meinung: in den Olymp)
berichtet wird, so lesen wir nun ohne Anstofs in der Folge (290),
dafs Athene das von Diomedes auf Pandaros geschleuderte Ge-
schofs lenkte, während ein nochmaliges Eingreifen Athenes nach
den 123 ff. für die Zeit ihrer Abwesenheit getroffenen Anordnungen
sehr befremdend ist.
Eine weitere Frage ist, ob in dem ursprünglichen Gedicht
Aphrodite überhaupt in den Kampf eingrif. Bergk nahm dies
nicht an, sondern vermutete, dafs ursprünglich Apollo sich des
verwundeten Äneas angenommen und ihn gegen Diomedes geschützt
habe. Gründe für diese Annahme sind von ihm nicht gegeben
und ich wülste auch nicht, was gegen die Rettung des Äneas durch
Aphrodite spräche. Scheint es an sich natürlich, dals die Mutter
den Sohn rettet, wie sie in I’ ihren Liebling Paris gerettet: hat,
so wird es überdies wahrscheinlich durch die geflissentliche Hervor-
hebung derselben als Mutter des Äneas in den Worten des Sthenelos
248. Ein indirekter Beweis für die Ursprünglichkeit der V. 311—
317, in denen die Rettung des Äneas durch seine Mutter dargestellt
wird, würde ferner darin liegen, wenn, wie Köchly und Benicken
vermuten, V. 338 einem Mifsverständnis des V. 315 seinen Ursprung
verdankte.
Andrerseits ist die Einführung des Apollo mit dem Plan des
Dichters, der, wie wir annehmen müssen, den ursprünglichen Ge-
sang erweiterte, so eng verknüpft, dafs es zweifelhaft scheint, ob
dieser Gott ursprünglich überhaupt an der Handlung beteiligt war.
Apollo hat in dem erweiterten Plan die Aufgabe den von Athene
entfernten Ares wieder in den Kampf zurückzuführen. Dies Ein-
greifen desselben wird aber so an die Rettung deg Äneas geknüpft,
„das der Ansturm des Diomedes gegen den Äneas schirmenden
"Gott für diesen das Motiv zur Berufung des Ares ‚wird und mit
diesem ist wiederum 458 f. die Verwundung der Aphrodite so ver-
bunden, dafs beide Motive, wie sie eine gleiche Überhebung des
Diomedes zeigen, aus dem Geiste desselben Dichters zu sein scheinen.
Die übrige Thätigkeit Apollos aber, die Versetzung des Äneas nach
Pergamos uud seine dortige Heilung durch Leto und Artemis, die
Schaffung eines εἴδωλον an Stelle des entrückten Äneas und die
schliefsliche Zurückführung desselben in den Kampf, enthält des
E. Einleitung. τ
Befremdenden soviel, dafs wir mit Düntzer und Bischoff ge-
neigt sind die ganze Apollon betreflende Partie 432—460, wie
512—518 zu verwerfen.
Die bisher verfolgten Athetesen lagen alle im Bereich der
in den Gesang verwebten Götterhandlung und das Ergebnis unserer
Prüfung war, dafs wir hier eine Erweiterung des Ursprünglichen
in einem Umfange und einer Weise annehmen mufsten, dafs da-
durch der ursprüngliche Plan in wesentlichen Punkten alteriert
wurde. Es sind nun aber auch andere Teile des Gesanges teils
wegen des Inhalts teils wegen der Komposition und Darstellung
von verschiedenen Seiten beanstandet. So gleich der Eingang des
Gesanges 1—84, in welchem Düntzer, Holm und Bergk über-
einstimmend einen dem ursprünglichen Gedicht fremden Bestand-
teil zu erkennen glauben. Abgesehen von der schon erörterten
Scene zwischen Athene und Ares 29—36 wird von Düntzer und
Holm besonders das Mifsverhältnis hervorgehoben, welches zwi-
schen der Einführung des Diomedes 1—8 und der folgenden Er-
zählung bestehe, da nach dem Kampf des Diomedes mit den Söhnen
des Dares zunächst die Flucht der Troer und die Kämpfe anderer
Helden folgen, während Diomedes erst 85 ff. hervortrete Dazu
fügt der neueste Übersetzer der Ilias, W. Jordan, den schweren
Vorwurf, dafs in der Erzäblung 38—83 ‘von Poesie auch nicht
das schwächste Fünkchen warnehmbar sei, desto mehr aber eine
Art gemeiner Schadenfreude, die sich den Tod eines Troers würze
mit der Betrachtung, dafs in ihm ein Liebling der Artemis und aus-
gezeichneter Pfeilschütz, oder ein von Athene hochbegabter Künstler
geschlachtet werde” und dafs ‘nur eine Art Einbildungskraft dem
Verfasser reichlich zu Gebote stehe: die fleischermälsige eines
Folterknechts’, da er mit scheufslichem Behagen schwelge in
der Erfindung schwerer, haarsträubender, ja ekelhafter Todes-
wunden. Bei dem letzteren Vorwurf liegt die Übertreibung auf
der Hand; dafs der Dichter in der Art, wie er die Tödtungen
variiert, Geschick zeigt, erkennt auch Jordan an. Wie aber aus
dem Eingehen des Dichters auf die persönlichen Verhältnisse und
das Schicksal der Fallenden eine gemeine Schadenfreude erkennbar
sei, ist nicht recht zu sehen. Auch die übrigen Ausstellungen
verlieren wesentlich an Gewicht, sobald man nur die Verse 29—36,
worin die Entfernung des Ares durch Athene erzählt wird, als
einen späteren Zusatz erkennt. Fehlten diese Verse ursprünglich und
war, worauf 27. vorbereiten, die Flucht der Troer als die Wir-
kung der Thaten des Diomedes dargestellt, so konnte der Dichter
behufs der Schilderung der Flucht eine Reihe von Einzelkämpfen
anderer Helden folgen lassen, wenn er dann jenen gegenüber seinen
Helden so hervorhob, wie er es 88 ἢ. thut. Dafs E85 ff. aber
nicht an den Schlufs von 4, auch nicht an 4504, wie Düntzer
wollte, sich passend anschliefsen lassen, hat Benicken nachgewiesen.
72 E. Einleitung.
Nur kann man fragen, ob die Verse 4—7, worin erzählt wird,
wie Athene von Haupt und Schultern des Diomedes eine Flamme
entzündet, nicht eine fremde Zuthat sind, da nirgend in dem Ge-
sange die geringste Wirkung dieser aufserordentlichen Erscheinung
ersichtlich ist; überdies scheint das so auffallende Asyndeton 4
die Interpolation zu verraten. Übrigens glaubte Nitzsch in 1—8
den Eingang eines früheren Einzelliedes zu erkennen.
‘In der weiteren Erzählung wollte Düntzer 159—165 aus-
scheiden, doch sind die dafür angeführten Gründe, wie auch Be-
nicken urteilt, nicht beweiskräftig. Ebenso verwarf derselbe 221—
225, gegen welche auch M. Schmidt Bedenken ausspricht, und
265—273, La Roche noch weiter gehend den ganzen Abschnitt
241—274; letzterer hat gar keine Begründung gegeben, die von
dem ersteren beigebrachten Gründe sind nicht ausreichend und
von Benicken zurückgewiesen.
Zwei umfassendere Athetesen treffen das Auftreten Sarpedons
471—496 und seinen Kampf mit Tlepolemos 628—698. Den An-
stols zu diesen Athetesen gab Giseke, indem er in der troischen
Hülfsleistung des Sarpedon ein neueres Element der Sage erkannte
und im einzelnen nachzuweisen suchte, wie die künstliche Ein-
fügung der dahin gehörigen Teile noch in ihren Fugen erkennbar
sei. Bei den hier in Frage kommenden Partieen ist der Nachweis
überzeugend. In der ersten wird an die anfeuernden Worte, welche
Ares an die Söhne des Priamos richtet, unmittelbar eine an Hektor
gerichtete Scheltrede Sarpedons geschlossen, in welcher die auf-
opfernde Thätigkeit der Hülfsvölker, zumal der Lykier im Gegen-
satz zu Hektors Schlaffheit ruhmredig in vielen Worten ausgeführt,
im übrigen aber Hektor in ähnlicher Weise, wie es bereits von
Ares geschehen ist, zum Kampf ermuntert wird. Dafs diese Rede
nach den Worten des Gottes, deren Wirkung man erwartet, nicht
nur zwecklos, sondern, wie sie ganz unmotiviert eintritt, mit ihrer
breiten für die Situation nichts Wesentliches bringenden Ausfüh-
rung in hohem Mafse störend wirkt, ist unbedingt zuzugeben. In
Erwägung dieser Gründe haben denn auch Köchly, Ribbeck,
Nitzsch, Bernhardy, Genz und von Christ die Athetese ge-
billigt. Letzterer, welcher es als ganz unzweifelhaft ansieht, dafs
die Lykier am Xanthos erst durch Verwechslung mit den gleich-
namigen Lykiern am Aisepos in die Sage vom troischen Kriege
gekommen sind, findet die Erwähnung der südlichen Lykier hier
im fünften Gesange besonders auch deshalb anstöfsig, weil in des-
selben Gesanges erstem Teil der Führer der nördlichen Lykier
Pandaros die Hauptrolle spielt und die Verschiedenheit der beiden
Lykien in den Versen 4 91. 103 und E 481 mehr blofs angedeutet,
als planmäfsig durchgeführt werde, da namentlich 4197. 207.
E173. 645 so von Lykiern gesprochen werde, als ob es nur ein
Land Lykien gebe. Derselbe kommt aber zu dem Schlufs, dafs
E. Einleitung. 73
entweder in der alten Diomedeia die Lykier ganz fehlten oder dafs
zwei Diomedeslieder, das eine mit den südlichen (E 471—909),
das andere mit den nördlichen Lykiern (E 1—417) in unserm
5. Gesange mit einander verschmolzen seien. Auch M. Schmidt
stimmt der Athetese zu, jedoch nur, wenn es sich um die Her-
stellung des ursprünglichen Einzelliedes der Diomedeia handle.
Benicken dagegen giebt zwar die Möglichkeit einer Interpolation
zu, findet aber die dafür vorgebrachten Bründe nicht ausreichend.
Hinsichtlich des Umfangs der vorzunehmenden Ausscheidung gehen
die Ansichten auseinander. Giseke beschränkt die Athetese auf
471—493, worauf 494 an der Stelle von αὐτίκα --- Ἕχτωρ ein-
zusetzen sei; Köchly scheidet 471—496 aus, Nitzsch 470—492,
worauf 493 an Stelle des Sarpedon Akamas oder Ares einzu-
setzen sei. Von diesen Vorschlägen ist der von Giseke, wie
v. Christ urteilt, vorzuziehen, weil ‘der weitere Verlauf der Er-
zählung die Erwähnung des Hektor an unserer Stelle wahrschein-
lich macht’; überdies würde bei Entfernung auch von 494—496
jede Andeutung der Wirkung, welche die Worte des Ares auf die
Söhne des Priamos gehabt, fehlen.
Bei dem Kampf des Sarpedon mit Tlepolemos 627 —698 tritt
zunächst das Bedenken entgegen, dafs Tlepolemos nach dem Kata-
loge aus Rhodos nach Troja gekommen sein soll “im Widerspruch
mit der übrigen Sage, die ihn viel später mit den Herakleiden
in den Peloponnes und von Argos nach Rhodos gehen läfst. Man
vermutete schon im Altertum, dafs in seinem Kampf mit Sarpedon
eine direkte Anspielung auf die Kämpfe der Rhodier mit ihren
festländischen Nachbaren liege; woraus folgen würde, dafs die Ho-
merische Darstellung nicht auf alter Überlieferung beruhe’ (Giseke),
Auch Bergk, Naber und v. Christ urteilen, dafs die alte Ilias
von einem Anteil der Rhodier am troischen Kriege nichts wisse.
Für die Athetese dieses Abschnittes spricht aber vor allem, dafs
derselbe sich nicht nur ausscheiden läfst, ohne dafs man etwas
vermifst, sondern Stücke weit von einander trennt, die durch die
unmittelbarste Beziehung aufeinander verbunden eng zusammen-
gehören, vgl. 699—702 mit 604—606 (Holm, La Roche).
Dazu kommen folgende von Ribbeck beobachtete Differenzen
zwischen der Episode und der vorhergehenden Erzählung, welche
zeigen, dafs die Situation hier gar nicht beachtet ist. Die Achäer
sind seit 605f, vgl. 822£, im Weichen. Nun ist Tlepolemos der
Herausfordernde, aber ‘wie kann ein Zurückweichender den Vor-
drängenden herausfordern? ja sogar wie kann hier gesagt werden
630 οἵ δ᾽ ὅτε δὴ σχεδὸν ἦσαν ἐπ᾽ ἀλλήλοισιν ἰόντες; Ferner: wie
kann Odysseus daran denken Sarpedon zu verfolgen (672), wenn
die Achäer die zurückweichenden sind’? Und wie reimt sich, fügen
wir hinzu, vollends das Gemetzel, welches Odysseus unter den
Lykiern anrichtet 677 ff. und was sich daran schliefst, namentlich
74 E. Einleitung.
690 ἢ, mit der die Episode umgebenden Erzählung, zumal mit der
so nahe folgenden Angabe 699—702? Ferner wird die Klarheit
und Übersichtlichkeit der Darstellung, wie Bergk bemerkt, durch
die Episode auch insofern beeinträchtigt, als auf das Zurückweichen
des Diomedes vom Kampfe alsbald das Einschreiten der Götter
(oder doch der Athene) erfolgen mufste, während jetzt auf dasselbe
erst 822 ff, sich bezieht. Endlich haben Bergk und Jacob an
dem prahlerischen Ton % der Rede des Tlepolemos Anstöols ge-
nommen, worin, wie der erstere urteilt, sich der jüngere Dichter
verrate. Hienach haben zahlreiche Kritiker, wenn auch in ver-
schiedenem Umfange, die Athetese über diesen Abschnitt ausgespro-
chen: Köchly, Ribbeck, Düntzer, La Roche*), Holm ver-
werfen 608—698, Nitzsch, Genz, Naber 628—698, Kayser
627—710. Benicken giebt auch hier die Möglichkeit einer Inter-
polation zu, ohne jedoch den Erweis derselben anzuerkennen; und
M. Schmidt giebt die Athetese nur für das Einzellied zu. Für
uns sind die angegebenen Gründe so überzeugend, dafs wir an
der späteren Einfügung des Zweikampfes zwischen Sarpedon und
Tlepolemos nicht zweifeln, und es kann nur die Frage sein, ob
die Interpolation noch weiter reicht. Wenn Köchly u. A. auch
die dem Zweikampf vorhergehenden Kämpfe 608—626 dazu rech-
nen, so ist dies von Ribbeck damit begründet, dafs wenn schon
vorher (590—595) gesagt sei, dafs Ares Hektor beigestanden und
hierauf (608—26) zwei Feinde namhaft gemacht werden, die er
erlegt hat, natürlich unter dem Beistand des Gottes, damit die
703 folgende Frage ἔνϑα τίνα πρῶτον, τίνα δ᾽ ὕστατον ἐξενάριξαν
Ἕκτωρ τε Πριάμοιο πάις καὶ χάλκεος "Agns; unvereinbar sei. Ist
dieser Ansto[s begründet und sind andrerseits die V. 703—710
im Plane des Gesanges notwendig, so müssen in der That auch
608—26 dem Interpolator gehören. Man sieht auch, warum der-
selbe diese vorausschickte. Da unmittelbar vorher 605 f. die Achäer
von Diomedes aufgefordert waren vor Ares zu weichen und die
dadurch geschaffene Situation den unmittelbaren Anschluls eines
Zweikampfes, bei welchem der Grieche der Herausforderer war, nicht
wohl zuliefs, so bedurfte es dieser Kampfscenen, um durch Verände-
rung der Situation die Einfügung des Zweikampfes vorzubereiten.
Auch von der zwischen den beiden Sarpedonepisoden lie-
genden Erzählung sind grolse Stücke beanstandet. So verwirft
Düntzer 497—513 und 516—518, unter Widerspruch von Be-
nieken. Noch umfassender sind die Athetesen von Holm und
Köchly. Jener verwirft 508—593, indem er 594 an Stelle von
"Ans δ᾽ einsetzt: αὐτὸς δ᾽. Ein Hauptargument für diese Athe-
tese liegt ihm in dem mangelhaften Zusammenhange der Schluls-
*) Dieser hält das Stück indessen für sicher echt homerisch und
glaubt nur, dafs es an eine falsche Stelle geraten sei.
E. Einleitung. 75
partie 589— 596. Menelaos und Antilochos haben 578— 589
Pylaimenes und dessen Wagenlenker getötet, Antilochos treibt die
Rosse desselben fort. Als Hektor diese beiden Helden erblickt,
stürmt er gegen sie an, aber nun ist von Antilochos und Menelaos
nicht weiter die Rede, vielmehr wendet sich die Erzählung, Ares’
Anwesenheit an der Spitze der troischen Scharen, welche Hektor
folgen, hervorhebend, zu Diomedes, welcher nun, als er Ares sieht,
zurückweicht. Dazu kommt das andere Bedenken, dafs Diomedes
jetzt erst den Ares sieht, obwohl er 519 unter den Fürsten ge-
nannt ist, die die Achäer ermuntern, nachdem Ares auf Seiten der
Troer wieder eingegriffen hat. Nach 518 ferner mufs der von
Ares und Hektor erregte Kampf bereits in vollem Gange sein, und
dasselbe lassen die folgenden Einzelkimpfe vermuten, aber Ares
und Hektor kommen erst 590 in die Schlacht und 607 heifst es:
die Troer kamen ihnen (den Achäern) ganz nahe. Köchly aber
scheidet 528—589 als zu der Klasse der “Mordgeschichten’ ge-
hörig aus, was Ribbeck näher begründet hat durch den Hinweis,
dafs der Zuruf Agamemnons 528 ff. nach dem unmittelbar vorher
Gesagten ganz überflüssig sei, sowie dadurch, dafs die Beziehung
von τοὺς δ᾽ 590 sehr unklar sei und eine passende Beziehung,
namentlich auch wegen des κατὰ στίχας nur durch den Anschlufs
an 527 gewonnen werde, da Aias, Diomedes, Odysseus bei der
Ermunterung der Achäer (520) κατὰ στίχας sich zeigten. Diese
Athetese ist von Benicken ebenfalls zurückgewiesen.
Verfolgen wir den Gang der Erzählung von 497 an, wo Hektor
die Troer ermunternd die Schlacht herstellt, so erheben sich aller-
dings gegen den Abschnitt 498--- 618 mehr als ein Bedenken. Bereits
498 heilst es, dafs den sich wendenden Troern gegenüber die Ar-
giver unerschrocken standhielten, der Kampf wird erneuert 506
und ist 517f. in vollem Gange. Nach allem diesem aber hören
wir 519, dafs ‚die achäischen Fürsten die Ihrigen ermuntern, dafs
diese aber schon von selbst standhalten, und nachdem dies durch
ein ausgeführtes Gleichnis veranschaulicht und 527 fast mit den-
selben Worten, wie 498 wiederholt ist, wird Agamemnon von
neuem die Achäer ermunternd eingeführt, worauf er selbst einen Ge-
fährten des Aineias erlegt. Dafs das keine einheitlich gedachte und
klar fortschreitende Erzählung ist, bedarf keiner weiteren Aus-
führung; Homerische Weise ist es in paralleler Gliederung das Ent-
sprechende zusammenzustellen, wie es hier die Bemühungen des
Ares und Hektor, die Troer zur Wiederaufnahme des Kampfes zu
ermutigen, und andrerseits die Ermunterungen der achäischen
Führer sind, worauf dann erst die Schilderung des Kampfes selbst
folgen konnte. Was liegt nun zwischen den durch ihren Parallelis-
mus auf einander hinweisenden Stücken 461—470 und 494—497
einerseits und 519—527 andrerseits? Zunächst ein in die Erzüh-
lung sehr unvermittelt eintretendes, von Jordan wegen seiner
76 E. Einleitung.
unbehelfenen Stilisierung und schiefen Anschauung mit Grund ge-
tadeltes Gleichnis 499—505, sodann die Mitteilung, dafs Ares zu
Nutz der Troer die Schlacht in Dunkel gehüllt habe (506 ἢ),
wovon im weiteren Verlauf der Erzählung sich keinerlei Spur oder
Wirkung zeigt, weiter die schon von Haupt athetierte Stelle
508—11, endlich der Bericht, dafs der inzwischen geheilte Aineias
von Apollo neugekräftigt wieder in die Schlacht gesendet wird,
wobei des früher von Apollo geschaffenen εἴδωλον nicht weiter ge-
dacht wird.
Sehr richtig sah ferner Holm, dafs 607, wo nach der Auf-
forderung des Diomedes an die Seinen vor dem nahenden Ares
zurückzuweichen berichtet wird, dafs die Troer den Achäern ganz
nahe gekommen seien, unvereinbar ist mit 518, wo der von Ares
neuentzündete Kampf bereits in vollem Gange ist, wie mit 506,
wo der Beginn dieses Kampfes berichtet ist. Sollte dieser Zu-
sammenhang erträglich sein, so müfste doch gesagt sein, dafs die
inzwischen erzählten Kämpfe auf einer andern Seite der Schlacht
vorgegangen seien, so dals man in jenen und dem Anrücken der
troischen Scharen mit Hektor und Ares an der Spitze parallele
Handlungen anzunehmen hätte. So aber scheint auch hier der
Zusammenhang durch Erweiterungen unterbrochen. Denn auch das
mufs man Holm zugeben, dafs die Art, wie das Vorrücken
Hektors mit Ares 590 angeknüpft und von da die Erzählung zu
Diomedes übergeleitet wird, den schwersten Anstofs bietet. Aber
nicht minder befremdet, wie ‘diese Reihe von Einzelkämpfen ein-
geleitet wird 528 ff, indem nach dem bereits 519 ff. als erfolgreich
geschilderten Bemühen der bedeutendsten griechischen Führer die
Achlier zum Standhalten zu bringen, Agamemnon von neuem die
Seinen ermunternd eingeführt wird, um ihn dann sofort die Reihe
der Einzelkämpfe beginnen zu lassen. Sind demnach die sichersten
Anzeichen vorhanden, dafs in dieser ganzen Erzählung der Zu-
sammenhang durch Zusätze gestört ist, so zeigt sich andrerseits
zwischen den verdächtigen Stücken 498—518 und 528—589 in-
sofern eine enge Beziehung, als der dort in die Schlacht zurück-
gekehrte Aineias in den hier geschilderten Kümpfen ganz beson-
ders hervortritt. Den Schlufs der letzteren bildet die Erlegung
des Pylaimenes und seines Wagenlenkers durch Menelaos und
Antilochos 576—589. Mit dieser Erzählung steht bekanntlich
eine Stelle in N in direktem Widerspruch, wo berichtet wird, dafs
Pylaimenes der Leiche seines Sohnes Thrünen vergielsend gefolgt
sei (668 4). Indes würde diese Differenz an sich für unsere Stelle
nichts entscheiden, wenn nicht der ganze Zusammenhang dieselbe
verdächtig machte. Haben wir in 590 ff. ein echtes Stück der
ursprünglichen Dichtung zu erkennen und ist in 590 der Eingang
zu diesem Stück unverändert erhalten, so kann damit die vorher-
gehende Erzählung von Menelaos und Antilochos nicht bestehen,
E. Einleitung. 77
da im Folgenden jede Beziehung auf diesen Zusammenhang fehlt,
Eine ‚andere Frage aber ist es, ob der von Köchly und Ribbeck
gewollte Anschlufs von 590 an 527 möglich ist. Benicken hat
dagegen eingewendet, dafs derselbe ganz unverständlich sei. Nun
soll τοὺς δὲ 590 nach Ribbeck sich auf Aias, Odysseus, Diomedes
beziehen, aber, wie Benicken mit Recht bemerkt hat, würde das-
selbe doch nur auf die 527 genannten Danaer bezogen werden
können; die 519 genannten Aias, Odysseus, Diomedes stehen doch
zu weit entfernt, als dafs eine solche Beziehung verständlich wäre.
Danach müssen wir darauf verzichten den ursprünglichen Zusammen-
hang herzustellen und uns bescheiden, die Bedenken gegen die
vorliegende Anordnung der Erzühlung dargelegt zu haben.
Es bleibt noch übrig die Athetesen zu prüfen, welche die
Rede des Pandaros 180—216 betreffen, womit sich zugleich die
Frage nach dem Verhältnis des fünften Gesanges zum vierten ver-
knüpft, da in dieser Rede sich die einzige direkte Beziehung auf
den Vertragsbruch findet.
Zunächst ist 183 verworfen. In der Athetese dieses Verses
gieng Aristarch voran und Köchly und Benicken sind dem-
selben gefolgt. Aristarchs Hauptgrund war, dafs Pandaros nach
den unmittelbar vorhergehenden Versen 181 f. über die Persönlich-
keit des Gegners nicht ungewils sei; er glaubte, dafs der Vers
von einem eingeschoben sei, der die Worte des Aineias 177 εἰ
μή τις ϑεός ἐστι κοτεσσάμενος Τρώεσσιν falsch in dem Sinne ver-
standen habe: wofern er nicht ein Gott ist, der gegen die Troer
Groll gefafst hat, während er selbst die Worte verstand: wofern
nicht ein Gott gegen die Troer Groll gefafst hat und dem Feinde
beisteht. Köchly und Benicken fügen als weiteren Grund für
die Athetese hinzu, dafs die Erwähnung des Gespanns als Er-
kennungsmittel ungehörig sei, weil Diomedes zu Fufs kümpfe (vgl.
13. 134. 249 f.). Allein diese Gründe sind namentlich von Rhode
mit Erfolg zurückgewiesen. Derselbe bestreitet vor allem Aristarchs
Auffassung von 177 als unwahrscheinlich, weil die periphrastische
Konjugation bei Homer mit dem Participium Perfecti, aber nicht
mit dem des Aorists und εἶναι gebildet werde (Lehrs Arist. p. 383)
— mit Recht, auch ist die von Aristarch verworfene Erklärung viel
einfacher und natürlicher, als seine eigne. Ferner ist mit den
vorhergehenden Worten 181f. ein Schwanken oder doch ein augen-
bliekliches Eingehen auf die von Aineias angedeutete Möglichkeit
wohl vereinbar. Da endlich der Wagen des Diomedes in der Nähe
des Ortes, wo sich Diomedes befindet, haltend gedacht ist, wie 107
und namentlich 241f. zeigen, so scheint die Athetese nicht genü-
gend begründet.
Im weiteren erregt die doppelte Erwähnung des Schusses auf
Diomedes 188—191 und in Verbindung mit dem auf Menelaos
206—8 Bedenken. Beide Fassungen innerhalb derselben Rede
78 Ἑ. Einleitung.
können nicht neben einander bestehen und wird die eine von
beiden auf eine Interpolation zurückzuführen sein. Die meisten
Kritiker haben sich nun für die Verwerfung von 206—208 ent-
schieden, indem sie darin einen Zusatz der Ordner sehen, welcher
eine Beziehung des fünften Gesanges auf den vierten herstellen
sollte. Voran ging Lachmann und ihm sind gefolgt Haupt,
Benicken, Köchly, Ribbeck, Kammer, Bergk, Naber.
Letzterer verwirft 206—216. Für die Athetese wird aufser den
Gründen, welche dafür sprechen, dafs die Diomedeia unabhängig
von dem vierten Gesange gedichtet sei, folgendes geltend gemacht.
Zuerst die Kürze und Abgerissenheit der ganzen Anspielung, so-
dann das Unpassende, dafs Menelaos und Diomedes zusammen ge-
nannt werden, als ob beide mitten in der Schlacht, und nicht
vielmehr in ganz verschiedenen Situationen verwundet seien, und
dafs dabei von dem Vertrag und der Absicht die Niederlage des
Paris zu rächen gar nicht die Rede sei, ferner dafs die Worte
ἤγειρα δὲ μᾶλλον nicht einmal richtig von Menelaos gesagt werden,
der nur ganz flüchtig in der Schlacht erwähnt werde (E 50), end-
lich die ganz unerhörte Wendung ἀτρεκὲς αἷμ᾽ ἔσσευα βαλών.
Gegen die Athetese von 206—208 haben sich Bäumlein,
Düntzer und Grol[s ausgesprochen. Bäumlein wendet dagegen
ein, dals gerade der 206 f. ausgedrückte Gedanke mit dem Folgen-
den bis zum Schlufs, in den hinwiederum des Aineias Antwort
eingreife, auf das genaueste zusammenhänge, Düntzer, dafs erst
nachdem Pandaros bemerkt habe, dals seine Pfeile nichts genützt,
die Erwähnung an der Stelle sei, dafs er sich schon zweimal damit
versucht habe und dafs die verzweifelnde Klage τὰ δέ μοὺκ ἄρ᾽
ἔμελλον ὀνήσειν nicht begründet wäre, wenn er blofs bei dem Schufs
auf Diomedes seine Pfeile vergebens versucht hätte Düntzer
richtete seinerseits den Verdacht gegen 192—205, verwarf dann
aber 188—191, indem er bemerkte, dals die Erwähnung der Ver-
wundung des Diomedes hier unnötig sei, er gehe schnell dazu
über, dafs er keine Rosse habe, um dem rasenden (185) Diomedes
entgehen zu können.
Dem Vorschlag Düntzers gegenüber, 188—191 auszuschei-
den, bedarf es nur des Hinweises darauf, dafs Aineias Pandaros
174 aufgefordert hat auf Diomedes sein Geschols zu richten: darauf
ist die allein richtige und passende Antwort, dafs er auf denselben
bereits geschossen, aber ohne Erfolg, und ganz unmöglich kann
er in diese Antwort zugleich den Schufs auf Menelaos verflechten,
und vollends nicht in der Weise, wie es 206—208 geschieht, wo
Diomedes und Menelaos zunächst allgemein als dorol ἀριστῆες be-
zeichnet werden und auch nicht mit einem Wort angedeutet wird,
dafs der eine von diesen beiden der ist, um den sich die ganze
Unterredung dreht. So zweifellos dadurch 206—208 sich als
Interpolation ergeben, so zweifellos sind 188—191 an ihrem Platze.
E. Einleitung. 79
Dagegen wird die Annahme Nabers, dafs die Interpolation 206
—8 den ganzen Schlufs 209—216 nach sich gezogen habe, durch
die Antwort des Aineias μὴ δ᾽ οὕτως ἀγόρευε ziemlich sicher wider-
legt, da diese doch eine starke Äufserung des Unmuts in Pan-
daros’ Rede voraussetzt, wie sie eben nur in den Schlufsworten
enthalten ist. Mit mehr Recht kann man vermuten, dafs die der
athetierten Stelle vorausgehenden Verse 192—205 ebenfalls nicht
ursprünglich sein. Zunächst ist der Übergang von dem erfolglosen
Schufs auf Diomedes und der Vermutung, dafs ein Gott grolle
(191) zu der Klage, dafs er sein Gespann zu Hause gelassen habe,
sehr unvermittelt. Nicht minder befremdet, dafs nach der ein-
gehenden Darstellung, wie er bei seinem Abzuge nach Troja trotz
der Mahnung des Vaters sein Gespann zurückgelassen habe und
auf seinen Bogen vertrauend zu Fuls gekommen sei, eben dieser
Tag 210f. in einer Weise bezeichnet wird, als ob davon vorher
gar nicht die Rede gewesen sei. Aber auch die Art wie Aineias
in seiner Antwort ihm 218f. den Vorschlag macht seinen Wagen
mitzubesteigen, läfst in keiner Weise ahnen, dals Pandaros so
ausführlich den Mangel eines Gespannes beklagt hat; vielmehr
wird der Vorschlag so eingeleitet, dafs er durch nichts, als durch
die Situation vermittelt erscheint. Dafs endlich der Anschlufs der
Folgerung τῷ ῥα 209 an die Worte τὰ δέ μ᾽ οὐκ ἄρ᾽ ἔμελλον
ὀνήσειν 205 wenn auch möglich, doch nicht sehr natürlich ist, sah
Köchly richtig, wenn er nach der Athetese von 206—208 ἦ δὰ
statt τῷ δὰ zu lesen vorschlug. Freilich ist auch der unmittel-
bare Anschlufs von 209 an 191 nicht ohne Bedenken, da hier
soeben aus der Erfolglosigkeit des Schusses auf Diomedes gefol-
gert wird ϑεός νύ τίς ἐστι κοτήεις.
Endlich ist noch die von Benicken zurückgewiesene Athetese
des Zenodot in V.187 zu beachten. Zenodot verwarf den Vers,
weil die folgende Angabe, dafs er Diomedes getroffen habe, nicht
damit stimme, dafs der Gott von ihm das Geschofs anderswohin
abgewandt habe, wozu Aristonikos bemerkt: οὐ λέγει δὲ ὅτι καϑ-
ὅλου ἀπέτυχεν, ἀλλ᾽ ὅτι ἐπὶ καίριον τόπον φερόμενον παρέτρεψεν.
Diese Widerlegung kann unmöglich befriedigen. Die 187 gebrauchte
Wendung τούτου --- κιχήμενον ἔτραπεν ἄλλῃ kann ungezwungen nur
erklärt werden: das Geschofs von diesem, als es in Begriff
war ihn zu treffen, anderswohin wandte, d. h. ihm eine
Richtung gab, dafs es ihn nicht traf: gerade wegen τούτου ist es
unmöglich zu verstehen: „die Richtung auf eine tödliche Stelle
nahm“, da die ungefährlichere Stelle doch auch an seinem Leibe
gewesen wäre: vgl. auch Ο 464. Und selbst wenn die Wendung
die von Aristonikos gewollte Bedeutung haben könnte, so würde
die 188—191 folgende Erläuterung damit nicht harmonieren, da
ἀντικρὺς διὰ ϑώρηκος γυάλοιο gerade das Treffen an einer nicht
ungefährlichen Stelle hervorhebt, wozu auch im Gegensatz zu der
80 E. Einleitung.
daran geschlossenen sicheren Erwartung die nachdrückliche Beto-
nung ἔμπης δέ stimmt: diese ganze Art der Erläuterung würde
für 187 eine durchaus andere Wendung verlangen.
Von den Ergebnissen der letzten Erörterungen ist das eine
von besonderem Gewicht, dafs die einzige direkte Beziehung auf
den Vertragsbruch, welche sich in unserm Gesange findet (206—
208), einer zweifellos interpolierten Stelle angehört. Damit ver-
bindet sich der schon früher gegebene Nachweis, dafs obwohl in
der Erlegung des Pandaros durch Diomedes ein thatsächlicher Zu-
sammenhang mit dem Schufs des Pandaros vorzuliegen scheint,
doch vom Dichter auf diesen Zusammenhang keinerlei Bezug ge-
nommen wird und auch sonst in der Kampfschilderung keinerlei
Wirkung von jenem Ereignis wahrzunehmen ist. Wird durch diese
Ergebnisse der ursprüngliche Zusammenhang der Diomedie mit
dem Vertragsbruch entschieden in Frage gestellt, so ist die Ein-
heit des fünften Gesanges selbst durch die Kritik in einer Weise
erschüttert, dals umfassende Veränderungen, wie Erweiterungen
der ursprünglichen Dichtung angenommen werden müssen. Wir
sind hier genötigt weit über Haupt und die, welche ihm folgen,
hinauszugehen. Sind wir berechtigt den Mafsstab der in den un-
zweifelhaft echten Teilen der Ilias wahrnehmbaren Kunst an den
überlieferten Zusammenhang zu legen, so bedarf es der weit-
gehendsten Athetesen, um aus der mannigfaltigen, vielverschlunge-
nen Handlung den echten alten Kern herauszuschälen. Indem wir
von der Beobachtung ausgiengen, dafs der der Handlung zu Grunde
liegende Plan namentlich in der Motivierung der den Gang der
Handlung besonders bestimmenden Momente die gröfsten Mängel
und Schwächen zeigt, sahen wir zunächst durch Haupts Athe-
tesen ein wesentliches Stück dieses Planes erschüttert, die vorüber-
gehende Anwesenheit Athenes im Olymp. Mit der Beseitigung
dieser ΠῈΣ aber nach unserer Überzeugung zugleich der Haupt-
zweck, welchen die Verwundung der Aphrodite für den Dichter
hatte. Dals diesem es nicht sowohl darauf ankam, diese Verwun-
dung zur Unterlage jener Scene zwischen Dione und Aphrodite
zu machen, als darauf, die ironische Verspottung der Aphrodite
durch Athene daran zu schliefsen, zeigt das Seitenstück dazu, die
Züchtigung des Ares durch Athene und seine Behandlung durch
Zeus. Beide Dichtungen sind aus dem Geiste desselben Dichters,
beide geben durch die Art, wie die Götter gezeichnet sind, be-
gründeten Anstols, beide heben zwar den Diomedes dadurch, dafs
sie ihn gegen Götter kämpfen lassen, auf eine übermenschliche
Höhe, aber zum Teil auf Kosten seines sonst bewährten mals-
vollen Charakters. Beide Dichtungen aber werden vorbereitet durch
die ganz unvermittelt eintretende Weisung Athenes an Diomedes
124—132, welche wiederum nur unter der Voraussetzung Sinn
E. Anmerkungen. 81
hat, dafs Athene zunächst in den Olymp zurückkehren will. Auf
dieselbe Voraussetzung aber führt auch die Entfernung des Ares
durch Athene und seine Zurückführung durch Apollo, zwei Stücke,
die ebenfalls an sich durch die mangelhafte Motivierung den
schwersten Anstofs geben. Danach müssen wir den gröfsten Teil
der Götterhandlung für die Zuthat eines Dichters halten, welcher
dieselbe zu dem Zweck in die menschliche Handlung verflocht,
um teils die in der alten Diomedie vorliegenden Thaten des Dio-
medes zu steigern und ihn selbst auf eine übermenschliche Höhe
zu heben, teils den feindseligen Beziehungen der Götter zu einander
eine komische Wirkung abzugewinnen. Zu dieser Erweiterung der
ursprünglichen Handlung, welche zugleich eine Umgestaltung des
ganzen Planes in sich schliefst, kommen umfassende Einschaltungen
im zweiten Abschnitte des Gesanges, welche den einheitlichen Zu-
sammenhang der Kampfschilderung verwirren, so vor allem die
Abschnitte, welche Sarpedon einführen, 471—496, 608— 698;
aber auch die zwischen beiden liegende Partie muls nicht unbedeu-
tende Erweiterungen erfahren haben, obwohl der ursprüngliche
Zusammenhang sich nicht herstellen läfst.
Anmerkungen.
1. Über die an dem Eingange des Gesanges (1—84) geübte
Kritik vgl. die Einleitung p. 71, dazu Holm ad Car. Lachmanni
exemplar ete. p. 5f., Düntzer hom. Abhandl. p. 254f., Bergk
griech. Litteraturgesch. I p. 576, Jordan Homers Ilias übersetzt
und erklärt. Frankf. 1881 p. 568f., Nitzsch Beiträge p. 385,
Benicken das fünfte Lied p. 55f. — Über 29—36 insbesondere
vgl. die Einleitung p.66#., dazu Bischoff im Philol. XXXIV p. 10,
Bergk griech. Litteraturgesch. I p. 576, Holm ad Car. Lachmanni
exemplar etc. p. 6, Düntzer homer. Abhandl. p. 255, Jacob Ent-
stehung d.Il.u.0d.p.203, Nitzsch Beiträge p. 385, Benicken das
fünfte Lied p. 56. — Zu 48 Schmidt Meletematum Hom. II p. 11f.
— 2. ἔκδηλος wird allgemein als ein “verstürktes δῆλος᾽ betrachtet,
so dafs man dem ἐκ eine intensive Bedeutung beilegt. Aber
eine solche ist bei Adjektiven nicht vorhanden: man vgl. die War-
nung von Lobeck Path. Elem. I, p. 207 sq., die auch für ἔκδηλος.
zu beachten ist. Nach dieser hat man einfach zu deuten: hervor-
strahlend, “aus der Verborgenheit deutlich hervortretend.’
— 6. Für παμφαίνησι als Ind. tritt Nitzsch Sagenpoesie p. 177
ein und sieht darin einen Rest aus einem älteren Diomedesliede,
aus dem diese Anfangsverse entnommen seien.
13. Die Verlängerung des Duals in immouv wird von Franz
Misteli in Kuhns Ztschr. ΧΙ, 130 aus der ‘Stammerweiterung
Hexıze, Anhang zu Homers Ilias. II. 6
82 E. Anmerkungen.
durch i von a-Stämmen” abgeleitet, indem er erklärt: “Auch im
Genetiv und Dativ Dualis überschritt das griechische die vom alt-
indischen gesteckte Grenze der Stammerweiterung, indem es innor-ıv
altindischem ägvä-bhjäm entgegenstellt”. Da aber diese Dehnung
hier vor ὃ und £ 19 vor ἕκάτερϑε stattfindet, so wird man auch
anzuführen haben, dafs das Demonstrativ ὃ und das Wort ἑχκάτερϑε
ursprünglich mit 6 begannen: vgl. Oskar Meyer Quaest. Hom.
p. 70 und p. 8ὅ βᾳ. ‚Ein ähnlicher Grund wird vielleicht auch
für die Dehnung vor ἀπό (E 622. N 511. 17560. 6219) und vor
ἀνά (T 396) auffindbar sein.
19. Über μεταμάξιος und die ähnlichen Komposita dieser Art
vgl. jetzt die Erörterung von Wörner über den Gebrauch der
homerischen mit Präpositionen zusammengesetzten und mit dem
Suffix τὸ gebildeten Adjektiva im Meifsener Jahresbericht 1879
. 81 fl.
”, Gegen die gewöhnliche, jetzt auch im Kommentar gege-
bene Auffassung der Stelle naclı der alten Rrklirung: ὅτε κατέϑορε
μὲν τοῦ ἅρματος ὡς ὑπερασπίσων τῷ ἀδελφῷ, εὐλαβηϑεὶς δὲ τὸν
πολέμιον εἰς φυγὴν ἐτράπη, sprach Ameis folgende Bedenken aus:
“1) der angeführte Gedanke εὐλαβηϑεὶς δὲ τὸν πολέμιον oder wie
er in deutschen Kommentaren heilst ‘als Diomedes gegen ihn kam,
entfiel ihm der Mut, die Leiche zu schützen’, — dieser Gedanke
müfste doch, wenn er richtig sein sollte, in irgend einer Wendung
des Textes implieite ausgedrückt sein; 2) es muls dabei das οὐδέ
in οὐδ᾽ ἔτλη adversativ verstanden werden, “aber nicht wagte
er’, was in dieser Verbindung schon an und für sich bedenklich
ist und noch bedenklicher dadurch wird, dafs nun das folgende
γάρ in οὐδὲ γὰρ οὐδέ seine passende Beziehung verliert. Denn
diese Begründungspartikel läfst hier den vorhergehenden Gedanken
einer Flucht als notwendig erscheinen. 3) Wenn man ἀπόρουσε
deutet ‘sprang vom Wagen herab’, so wird der unmittelbare An-
schlufs λιπὼν περικαλλέα δίφρον zu einer pleonastischen Trivialität
herabgedrückt. In keiner der Parallelstellen ist ein ähnlicher Zu-
satz gegeben: E 297. 836. 4145. M 83. P483. Aus den ‚an-
geführten Gründen nun kann die jetzt übliche Erklärung von ἀπό-
φουσεν nicht gebilligt werden, wir müssen vielmehr zur Erklärung
der Alten zurückkehren. Diese aber deuten ἀπόρουσεν mit "sprang
davon’, wie ® 251. 593. 4 95, und verstehen es von der Flucht,
welche Deutung durch ὑπέκφυγε 22 und ἀλευάμενον 28 bestätigt
wird. Ferner giebt eine sichere Stütze für die richtige Auffas-
sung der verbundenen Verba ἀπόρουσε λιπών die Stelle χ 95 Tn-
λέμαχος δ᾽ ἀπόρουσε, λιπὼν δολιχόσκιον ἔγχος. Und hiermit har-
monieren die analogen Fälle γ1. 1194 und ähnliche. Der bei
dieser Erklärung sich ergebende Gedanke ist freilich seit den
Zeiten des Zoilos vielen anstöfsig gewesen: man hat es nämlich
höchst auffällig gefunden, dafs Idaeos zu Fuls und nicht vielmehr
E. Anmerkungen. 83
zu Wagen geflohen sei: κατηγορεῖ καὶ τούτου τοῦ τόπου Ζώιλος,
ὅτι λίαν, φησί, γελοίως πεποίηκεν ὃ ποιητὴς τὸν ᾿Ιδαῖον ἀπολιπόντα
τοὺς ἵππους καὶ τὸ ἅρμα φεύγειν᾽ ἠδύνατο γὰρ μᾶλλον ἐπὶ τοῖς
ἵπποις. ABDL. Aber diesen Anstols hat schon ein alter Erklärer
am einfachsten also entfernt: ὅτι οὐκ ἐπέστησε (Ἰδαῖος) τῷ συμ-
φέροντι" αἵ γὰρ φρένες ταραχϑεῖσαι παρέπλαγξαν καὶ τὸν σοφόν.
Heyne meint zwar als einfachste Lösung gefunden zu haben:
“currum reliquit Idaeus, quia eum non tam_ celeriter circumagere
poterat, ut Diomedem instantem effugeret’”. Der Dichter aber will mit
diesem poetischen Zuge den Idäos in seiner Angst und Bestür-
zung darstellen: nichts weiter. Vgl. Π 403 ἐκ γὰρ πλήγη φρέ-
νας, und N 394 ἐκ δέ οἱ ἡνίοχος πλήγη φρένας", Indessen spricht
folgendes gegen Ameis. Zunächst sind E 297 und 4145 zu
vergleichen, welche ganz dieselbe Situation zeigen: nachdem der
eine von den beiden auf demselben Wagen stehenden Kämpfern
vom Gegner erlegt und vom Wagen herabgestürzt ist, springt der
andere vom Wagen herab, um den Leichnam des Gefallenen zu
schützen. Auch an unserer Stelle wird nach dem unmittelbar vor-
hergehenden ὦσε δ᾽ ἀφ᾽ ἵππων jeder zunächst ἀπόρουσε von dem
Herabspringen vom Wagen verstehen. Wer an den ausführenden
Worten λιπὼν περικαλλέα δίφρον Anstols nimmt, möge vergleichen:
1194 ταφὼν δ᾽ ἀνόρουσεν ᾿Δχιλλεὺς αὐτῇ σὺν φόρμιγγι, λιπὼν ἕδος,
ἔνϑα ϑάασσεν. Was die anderen von Ameis ausgesprochenen Be-
denken betrifft, so ist die adversative Bedeutung von οὐδέ hin-
länglich motiviert, wenn man annehmen darf, was unbedenklich
scheint, dafs nach der Situation beim Herabspringen vom Wagen
jeder Hörer erwartet zu vernehmen, dafs er sich vor den Ge-
fallenen zum Schutz aufgestellt habe. Dafs endlich bei dieser
Auffassung das folgende γάρ seine passende Beziehung verliere,
scheint mir unbegründet, da in οὐδ᾽ ἔτλη implieite die Flucht ent-
halten ist, die dann durch die Gröfse der von Diomedes drohenden
Gefahr in dem Satz mit γώρ motiviert wird. Jedenfalls scheinen
mir die bei dieser Erklärung zu machenden Voraussetzungen we-
niger gewagt, als die von Ameis für V. 20 gemachte, dafs Idaios
bei dem stürmischen Herannahen des Diomedes so in Bestürzung
geraten sei, dafs er sofort die Flucht ergriffen habe.
31. Die Accentuierung Ἶάφες άφες ist durch die Überlieferung
geschützt ("Ages auch Hesiod. sout. 446 und hyım. in Mart. 1),
wiewohl uns in ”4geg keine Naturlänge vorliegt, daher nach der
ratio eigentlich beidemal ”4ges geschrieben werden sollte. Aber
es steht oder fällt dies mit den übrigen anomalen Accenten, die
uns im Homer überliefert sind. Wir haben hier den ersten An-
fang eines Prinzipes, das die Späteren auf καλός und κἄλός, ἶσος
und ἔσος und ähnlichen Quantitätswechsel ausgedehnt haben. So-
dann ist zu beachten, dafs die unmittelbare Wiederholung
desselben Wortes in derselben Form, wie sie bei den dra-
6*
84 E. Anmerkungen.
matischen Dichtern und den spätern hexametrischen zur Hervor-
hebung des Begriffes sich findet, bei Homer sonst nirgends vor-
kommt. Vgl.I. Bekker Hom. Blätter 8.194. Daher hat Bekker
das von Ixion überlieferte ἀρές in den Text genommen und als
Positivus von ἀρείων und ἄριστος aufgefalst, wie er ebend. 8. 195
erörtert. Aber so interessant es auch wäre, wenn wir zu ἀρείων
den Positivus aus wirklichem Gebrauche in dieser Stelle nach-
weisen könnten, so gewinnen wir mit ”4ges des doch immer ein
Wortspiel, und auch bei Wortspielen haben wir im Dichter Ver-
schiedenheit der Formation: vgl. den Anhang zu σ 73 und
K. Lehrs Epimetr. zu de Arist.? 85, 474. Über die komische
Wirkung des Schwankens der Quantität, sowie der Wortkolosse
τειχεσιπλῆτα u. ἃ. spricht Hess über die komischen Elemente im
Homer. Bunzlau 1866 p. 46 8. — μιαιφόνε deutet L. Döderlein
activ ‘eruore polluens. Vulgo passive vertunt cruore pollutus, Ppost-
habita accentus lege’. Aber der Accent bildet bei derartigen
Kompositis nicht dur chgängig, einen Bedeutungsunterschied. So
werden umgekehrt αἰγίοχος γαιήοχος ἐγχέσπαλος ἱππόδαμος κορυ-
ϑαίολος πτολίπορϑος nur aktiv gebraucht. — Wegen τειχεσιπλήτης,
welches Schiller in der Jungfrau von Orleans mit “Mauerzer-
trümmrer’ nachgeahnt hat, vgl. G. Curtius Etym.? 8. 261 Nr. 367,
%p. 278 und den Anhang zu 0 234. — 42 fehlt im Venetus A,
Laurentianus 3 u. a. — 44. Anders Τάρνη πόλις ’Ayelag Steph.
Byaz. s. v. und dazu Meineke. — 46. ἐπιβησόμενον wird allgemein
als Partic. fut, in dem Sinne: als er im Begriff war den Wagen
zu besteigen, gefalst, wie Π 848. Ψ 879. Indes schon Classen
Beobachtungen p. 80 warf die Frage auf, ob man in der Form
hier und Π 343 nicht vielmehr ein Partic. des gemischten Aorists
zu erkennen habe, vgl. δυσομένου « 24, und jetzt hat van Her-
werden quaestiunculae ep. et eleg. p. 6 für diese Auffassung mit
Entschiedenheit die folgenden Worte ἤριπε δ᾽ ἐξ ὀχέων geltend
gemacht, und für die Form den Konj. Aor. καταβήσεται O 382 ver-
glichen. — 48. Dieser Vers wird von M. Schmidt Meletematum
Homeric, particula altera, Jena 1879 p. 11 verworfen, besonders
darum, weil er das sonst in dieser Darstellung beobachtete Eben-
mals stört. — 49. Über αἵμων vgl. auch Lobeck Elem. I, p. 96sq.,
L. Döderlein Hom. Gloss. $ 2471 g. E.; Schmalfeld in Jahrbb.
f. klass. Philol. Supplem. VIII p. 305 f. leitet das Wort von diew
ab. — 57 fehlt in den besten Handschriften. — 59. Die Schrei-
bung Τέκτονος als Eigenname ist begründet von Grashof über das
Schiff p. 3 Note 2. — 64. Aristarch athetierte den Vers: vgl.
Aristonic. ed. Friedl. p. 104 und ihm folgte Köchly diss. IV
Ρ. 24 und Benicken das fünfte Lied p. 36. Vgl. Lehrs quaestt.
epie. p. 116. — Über das enklitische of τ᾽ αὐτῷ, wofür man ge-
wöhnlich das orthotonierte ol liest wie auch Krüger Di. 8 51,
1, 8 die Stelle citiert, vgl. J. La Roche Hom. Unters, 5. 141.
E. Anmerkungen. 85
Man hat die Betonung, wie es scheint, durch den Versanfang für
geboten gehalten. — 75. Zu ψυχρὸν δ᾽ ἕλε χαλκὸν ὀδοῦσιν vgl.
auch Ovid Met. V, 143: iaculum Clanis ore momordit. Sil. Ital. V,
332: telum ore cruento exspirans premit, atque admorsae immur-
murat hastae. Stat. Theb. II, 628: labitur immorsaque cadens ob-
mutuit hasta.
88. ἐκέδασσε ist die einstimmig überlieferte Lesart, wofür
aber 5. A. Naber in Mnemosyne 1855 p. 202 ἐκέασσε vermutet,
um unsere Stelle mit “aggeribus vuptis” bei Verg. Aen. II, 496
in Einklang zu bringen. Dieselbe Konjektur giebt A. Nauck Me-
langes Greco-Romains II, 8. 643 mit folgenden Worten: ‘Sollte
an dem Ausdrucke ἐκέδασσε γεφύρας, er zerstreute die Brücken,
noch niemand Anstofs genommen haben? Angemessener ist sicher-
lich er zertrümmerte die Brücken, ἃ. h. ἐκέασσε, wie ε 132’
und hat auch in der Ausgabe so geschrieben. Dagegen bemerkte
Ameis: ‘Vergil hat bei seiner Nachbildung in hydrographischer
Hinsicht die italische Landschaft vor Augen, wo die meisten Flüsse
von den Apenninen herabkommen und zur Zeit ihrer Anschwel-
tung alle Dimme mit raschem Anprall oder in einem Ruck
gewaltsam durchbrechen und zerreilsen. Aber dieses Land-
schaftsbild palst gröfstenteils nicht für die Ebenen Kleinasiens,
welche dem homerischen Vergleiche zur Grundlage dienen: vgl. ἂμ
πεδίον und ἔργα κατήριπε κάλ᾽ αἰξηῶν, auch ἔρκεα ἀλωάων. Neben-
bei sei bemerkt, dafs die Kleinasiatischen Ebenen von vielen Ge-
wässern durchzogen sind und dafs deshalb der Dichter im Troer-
katalog nicht selten die Flüsse als nähere Bezeichnung für die
Lokalität gebraucht: B 825. 839. 849. 854. 869. 877. Im Wasser-
gebiet der Ebene nun handelt es sich um die nachhaltige Macht
der Überschwemmung und bei der Vorstellung dieser ist der
Begriff des “Zerstreuens” oder “Auseinanderwerfens’ (ἐκέ-
δασσε) an geeignetem Platze, wenigstens mehr am Platze als der
Gedanke des “sofortigen Spaltens’ oder “augenblicklichen
Zerstörens’ (ἐκέασσε), was vorzugsweise am Fulse der Gebirge
durch eine rasch von den Bergen herabstürzende Wassermasse zu
geschehen pflegt’. — Die handschriftliche Lesart γέφυραι ἐεργμέναι
ist gedeutet: von Damm nach der Scholiennotiz κατησφαλισμέναι
“pontes in fluvio firmi et muniti’ und ‘probe densati trabibus pon-
tes’. Ebenso Heyne: ‘pontes sublicis firmati” und “pontes mumiti
trabibus utrimque appositis pro dvregelsuacıw’”. An diese Inter-
preten haben auch die Neuern sich angeschlossen, so dals man
liest: “umschlossen, geschützt, durch Balken, welche der Ge-
walt des Stromes widerstehen’. Nur haben manche, wie E. E. Seiler,
den ursprünglichen Begriff von γέφυραι mit Recht gewahrt und
demnach gedeutet “geschlossene, ἃ, i. fest verbundene Ὁ ἄτη ο΄.
Ferner hat J. U. Faesi in γέφυραι ἐεργμέναι durch eine vermeint-
liche Prüägnanz ‘die entgegengedämmten Wälle’ hineininterpre-
86 E. Anmerkungen.
tiert. Ameis: ‘die eingeschlossenen, weil von der Wasser-
masse des ποταμὸς πλήϑων überfluteten”. Alle diefe Versuche die
handschriftliche Lesart zu erklären sind unhaltbar. Ich habe
daher mit La Roche und Nauck die Aristarchische Lesart ἐερ-
μέναι aufgenommen, welche zuerst Doederlein empfahl unter
Zustimmung von Baumeister in Fleckeisens Jahrbb. 1859 Bd.
79 p. 170.
113. Die im Kommentar gegebene Erklärung des στρεπτὸς
χιτών begründete Ameis wie folgt: “Der στρεπτὸς χιτών hat schon
bei den Alten verschiedene Erklärungen erfahren, wie die bei
Heyne gesammelten Angaben, sowie Hesychius und Eustathius
zeigen. Die gewöhnliche Meinung im Altertum war, es bezeichne
‘das gewirkte oder gewebte Unterkleid’. Aber dagegen er-
heben sich grolse Bedenken: 1) στρεπτός ist in dieser Bedeutung
nicht nachweisbar: Ruten (1 427), Taue (vgl. κ 167), Sehnen, Rie-
men (ß 426. ο 291), Haarnetze und andere gedrehte oder gewun-
dene Dinge, sogar derartige Metallarbeiten werden mit στρεπτὸς
bezeichnet, aber nirgends etwas ‘gewirktes” oder ‘gewebtes’; auch
ist στρέφειν kein technischer Ausdruck von dieser Art weiblicher
Arbeiten. 2) Das Simplex στρεπτός kennt Homer nur in der über-
tragenen Bedeutung biegsam, lenksam, so dafs es am nächsten
liegt, denselben Begriff auch hier aber nur in seiner ursprüng-
lichen sinnlich anschaulichen Bedeutung festzuhalten, da man nie
ohne dringende Not über den vorliegenden Sprachkreis des Dich-
ters hinausgehen darf. 3) Das “Unterkleid’ pafst nicht in den
Zusammenhang unserer Stellen. Denn wie kann das Blut “aus
dem Unterkleide emporspritzen’, da dieses vom Brustharnisch
ganz bedeckt ist? Man mülste denn annehmen, dafs Sthenelos vor
dem Herausziehen des Pfeiles den Panzer an der Schulter gelüftet
habe. Aber dies war nicht möglich, da der Pfeil durch sein gänz-
liches Hindurehdringen (99 f.) den Panzer an die Schulter fest an-
geheftet hatte. Daher mulste auch Sthenelos den Pfeil an der
Spitze bis zum Ende, wo die Kerbe war, aus der Schulter heraus-
ziehen (διαμπερὲς ἐξέρυσ᾽ ὥμου 112), so dals der ganze Pfeil von
der Spitze bis zur Kerbe durch die Schulter hindurchgieng, weil
ein Zurückziehen wegen der schon durchgedrungenen Widerhaken
unmöglich war, ohne eine neue Verwundung herbeizuführen. Dies
bemerken schon die Schol. BL. αὕτη ἐστὶν ἡ κατὰ διωσμὸν βελουλκία,
ἵνα μὴ πάλιν τιτρώσκοιτο ταῖς ἀκίσιν ὑποστρεφούσαις. Hieraus er-
sehen wir zugleich, dafs dieses Hindurchziehen des Pfeiles ver-
mittelst eines kräftigen Ruckes technisch ἡ κατὰ διωσμὸν βελουλκία
genannt wurde, während das gewöhnliche Zurückziehen des Pfeiles
wie 4 214 ἐξολκή hiels. Die Notwendigkeit dieser Erklärung hier
und 41397 ist schon erwiesen worden von Ed. Geist in Jahns
Archiv für Philol. und Pädag. I, (Leipzig 1832) p. 600sqq. Wir
kehren zur Hauptsache zurück. Gesetzt aber auch, dafs die Lüf-
E. Anmerkungen. 87
tung des Panzers nach der Herausziehung des Pfeiles jetzt vom
Hörer gedacht werden sollte, so mufste dies vom Dichter aus-
drücklich gesagt sein, wie in der ähnlichen Scene 4 215, es konnte
nicht κατὰ τὸ σιωπώμενον verstanden werden. Doch jeder weitere
Gedanke an natürliche Erleichterung oder menschliche Therapie
ist ungehörig, weil Athene mit ihrer übernatürlichen Hülfe und
göttlichen Stärkung hinzutritt. Solcherlei Bedenken nun erweckt
“ein Leibrock oder Unterkleid von geflochtener oder gewebter Ar-
beit’, wie die erklärenden Worte in Passows Wörterbuch lauten,
was auch bei Rüstow und Köchly Gesch. des Gr. Kriegsw. 8. 13
not. 24 gebilligt wird. Bei Passow heils es dann weiter, orgemrög
χιτών bedeute ‘nach Aristarch aber eine Art Panzerhemd von zu-
sammengeflochtenen Ringen, lorica annulata, sonst ἁλυσιδωτὸς yı-
τών, oder von gegliederter Metallarbeit λεπιδωτὸς χιτών. Nur das
letztere, der sogenannte Schuppenpanzer wird dem Aristarch
beigelegt, da Apollon. im Lex. sagt ὁ δὲ ’Agloragyog τοῦ λεπιδω-
τοῦ, διὰ τὸ τὴν πλοκὴν τῶν κρίκων ἀνεστραμμένην εἶναι. Der erstere
Ausdruck ἁλυσιδωτός und aufserdem noch ϑώραξ κρικωτός rührt
von anderen Grammatikern her. Ob freilich diese Überlieferung
den Aristarch zum Urheber habe, kann zweifelhaft sein, weil
Aristonikos zu Φ 31 folgende Bemerkung giebt: ἡ διπλῆ ὅτι
στρεπτοὺς χιτῶνας τοὺς νηστούς" ὑποδύτας γὰρ εἶχον ὑπὸ τοὺς στα-
τοὺς μαλάγματος ἕνεκα" αἷμα δ᾽ ἀνηκόντιξε διὰ στρεπτοῖο χιτῶ-
νος [das Wort νηστός fehlt in unsern Lexieis ganz und von μά-
λαγμα die hier notwendige Bedeutung “der Weichheit wegen”).
Spricht hier Aristonikos seine eigene Meinung aus? Oder ist
es Überlieferung der Aristarchischen Schule? Wie dem auch sein
möge, fest steht der Umstand, dafs wir aufser dem “Leibrock’
noch eine andere in dreifachem Ausdruck bezeichnete Erklärung der
Alten haben: a) ἁλυσιδωτός Kettenpanzer; b) κρικωτός Ringel-
panzer; c) λεπιδωτός Schuppenpanzer. Nun aber ist bei Ho-
mer (ein giltiger Einwand!) von einem derartigen Panzer auch
nicht die leiseste Spur zu finden. Sodann weils man mit dieser
Erklärung hier und Φ 81 für den Zusammenhang der Stellen nichts
anzufangen. [Vgl. indes den Anhang zu ® 31.] Die hier berech-
tigte Frage von J. U. Faesi: ‘wie läfst sich dies mit 99 ϑώρηκος
γύαλον vereinigen?’ wird man verneinend beantworten müssen.
Aus allen diesen Schwierigkeiten scheint sich kein anderer Ausweg zu
finden, als der im Kommentar gewählte. Bei dieser Vorstellung
kommen die von den alten Erklärern erwähnten Schuppen, Ket-
ten, Ringel mit zur Verwertung, die beiden letzteren werden
auch beim ἁρμόξειν (zu T 333) gebraucht worden sein. Vgl. die
von Rüstow und Köchly Gesch. 5, 12 und 13 gegebenen Ab-
bildungen’. — 115. Über ἀτρυτώνη vgl. Welcker Gr. Götterl. I,
5. 317 und über die Bildung Lobeck Proleg. p. 229, mehr bei
Autenrieth zu Il. II 157.
88 E. Anmerkungen.
118. Die gewöhnliche Lesart ist δὸς δέ re μ᾽ ἄνδρα Eeiv,
aber Aristarch hat τόνδε τέ μ᾽ ἄνδρα &lsiv gelesen, wie das
Citat der Stelle bei Aristonikos zu O 119 beweist. Daher hat
W. C. Kayser im Philol. XVIII, 8. 649 das δός der Vulgata als
Glossem begründet durch die Erinnerung, dafs die alten Gramma-
tiker derartige Infinitire durch Annahme einer Ellipse von δός
zu erklären pflegten. Ebenso urteilt Philippi Quaestionum Ari-
starchearum specim. prius, Gött. 1865 p. 31. Indes haben die
neueren Herausgeber, wie Bekker, la Roche, Nauck diese Les-
art nicht aufgenommen, vermutlich weil sie mit Lehrs zu Fried-
laender Ariston. p. 242 dem Apollonios Synt. p. 243 (und Tryphon
de Fig. p. 755, 9) ein grösseres Gewicht beilegen und den Zusatz
dem Aristonikos absprechen. Übrigens bemerkt Nauck: ex-
specetes δὸς δέ μοι ἀντιάσαι — wohl ohne Grund, da es durch
zahlreiche Beispiele zu belegen ist, dafs die Hauptsache mit Nach-
druck vorangestellt wird und die dazu notwendige Voraussetzung
nachgebracht wird — und van Herwerden in der Revue de philol.
II, 1878, p. 195 ff. empfiehlt im zweiten Gliede zu schreiben: καὶ
ἐς ὁρμήν FP’ ἔγχεος ἐλθεῖν, auch dies ohne Grund, da der folgende
Relativsatz für ἐλϑεῖν das Subjekt ergiebt und zwischen diesem und
dem Hauptgedanken eine enge Gedankenbeziehung besteht. — 122.
Dieser Vers wird verworfen von Düntzer hom. Abh. p. 255 und
Naber quaestt. Hom. p. 159, unter Widerspruch von Benicken das
fünfte Lied p. 59, vgl. die Einleitung p. 68f.— 127. Auch The-
mist. or. 21. p. 247% und 22 p. 2574.
131. Zur Kritik dieser Verse vgl. die Einleitung p. 69 f., dazu
Bischoff in Philol. XXXIV p. 11, Bergk griech. Litteraturgesch. I
p. ὅ76 8, Düntzer hom. Abhandl. p. 255, Benicken das fünfte
Lied p. 59. — 135. Am Schlusse des Verses nach μάχεσθαι, wo in
A ὑποστιγμή steht, hat zuerst H. Stephanus die stürkere Inter-
punction gesetzt, um die Anakoluthie zu entfernen, und manche
der Späteren sind ihm nachgefolgt. Aber Joh. Classen Beobach-
tungen 8. 140 not. 67 hat bemerkt, dafs man “durch Änderung der
herkömmlichen Interpunktion die grammatische Schwierigkeit auf
Kosten der Lebhaftigkeit des Ausdrucks zu heben versucht’
habe. Etwas anders habe ich die Stelle aufgefalst in dem Pro-
gramm Zur Periodenbildung bei Homer (Göttingen 1868) $. 23,
wo ich eine ‘doppelte Beziehung des Partieipiums’ annahm. Für
eine solche kann die sehr ähnlich gebaute Stelle Herod. VII, 1
(zu Anfang) geltend gemacht werden, sodann das immerhin auf-
fallende Asyndeton von καὶ πρίν περ. — 138. Die für αὐλή ange-
nommene Bedeutung Hofmauer ist begründet von Ahrens αὐλή
und villa p. 11.14. Über χραύσῃ nach seiner Bedeutung und Ver-
hältnis zu ἔχραον vgl. denselben Beiträge zur griech. und latein.
Etymologie I p. 7 f.
140. Zur Erklärung von r& ἔρημα vgl. L. Friedlaender zu
E. Anmerkungen. 89
Ariston. p. 32; I. Bekker Hom. Blätter $.161.— 141. Zur Auf-
fassung der Stelle vgl. die treffenden Bemerkungen bei Körner
die homerische Tierwelt, Berlin 1880 p. 15, dessen Erklärung
der Worte 141 ‘die Schafe sind dicht auf einander gedrängt”, frei-
lich nach τ 539. 4 387.389 und sprachlich nicht möglich ist. —
142 vermutet Nauck ἐμμαπέως statt ἐμμεμαώς, wogegen doch der
Parellelismus von ἐμμεμαώς und μεμαώς 143 spricht; auch ist ἐμ-
μεμαώς ohne Anstols, wenn man mit Körner bedenkt, dafs der
Löwe verwundet und ungerücht, dazu ungesüttigt aus dem Hofe
springt. Übrigens vgl. über das Gleichnis im ganzen Friedlaender
Beiträge zur Kenntnis der homer. Gleichnisse II p. 27 f. — 150.
Die Aristarchische Erklürung dieser Stelle bei Aristonikos οἷς
τισὶ μὴ ἐπανιοῦσι τοῦ πολέμου ὃ γέρων ἔκρινε τοὺς ὀνείρους würde
eine einfache Variation des Gedankens zu 157 ergeben; aber zwei
Dinge treten störend entgegen: 1) die Form ἐρχομένοις in dem
nicht erweisbaren Sinne des Futurums (Friedlaender zu Ariston,
p. 6) und 2) der Umstand, dafs dann der Zusatz vermilst wird,
die Söhne seien dem Vater nicht gehorsam gewesen, wie B 832 ff.
— 162. A. Nauck Melanges Gr&co-Romains II, 8. 643 hat fol-
gendes bemerkt: ‘In den Worten πόρτιος ἠὲ βοός erscheint die dis-
junktive Partikel als unstatthaft. Das tertium comparationis ist,
wie der Ausdruck ὡς τοὺς ἀμφοτέρους deutlich zeigt, gerade darin
zu suchen, dafs zwei zugleich der Übermacht eines einzigen er-
liegen. Es ist also zu schreiben πόρτιος ἠδὲ βοός, wozu nun auch
der nachfolgende Pluralis βοσχομενάων besser palst.’ Diese an-
sprechende Konjektur hat nach Heynes Angabe schon Bentley
vorgeschlagen. — 159—165 sind verworfen von Düntzer hom. Abh.
p. 255, vgl. dagegen Benicken d. fünfte Lied p. 59.
177. Zur Auffassung des eiun-Satzes vergl.Viorke de μή par-
ticulae cum indicativo conjunctae usu antiquiore. I, Leipz. 1876 p.24,
welcher erklärt: ‘dum modo ne deus sit.” — 178. Nicht ἔπε
μῆνις, wie J. Bekker in seiner Annotatio angiebt, sondern ἐπὶ-
μῆνις hat Aristarch aus seinen Quellen gegeben: vgl. K. Lehrs
de Arist.? p. 110 und la Roche hom. Unters. p. 261f. Und diese
Lesart ist von Herodian gebilligt worden, wie A. Lentz Hero-
dian. I, praef. p. L 84. näher erörtert hat. In der neuern Zeit hat
man allgemein ἔπι μῆνις in den Text gesetzt. Die Handschriften
bieten: ἐπὶ μῆνις AL Lips; ἐπιμῆνις CDGNO; ἔπει HM bei la
Roche. In allen Stellen nun, wo ἔπι im Sinne von ἔπεστι vor-
kommt, finden wir die sinnlich anschauliche Bedeutung “ist vor-
handen’ oder in übertragenem Sinne “wohnt bei’ und zwar stets
in bestimmter Beziehung: A 515. N 104. Φ 110. 8 58. 9 568,
λ 807. 892. m. 315. Es mülste also der Analogie nach hier ge-
sagt sein: “furchtbar aber ist vorhanden der Zorn eines Gottes.”
Aber das stimmt mit dem hypothetischen εἰ ur τις ϑεός ἐστι nicht
zusammen, sondern der Zusammenhang verlangt zur Erklärung des
90 E. Anmerkungen.
vorhergehenden einen allgemeinen Gedanken wie χαλεπὸς δὲ ϑεοῦ
χόλος ἐστίν. Aus diesem Grunde scheint die Aristarchische Lesart
notwendig.
1808. Über die in der folgenden Rede des Pandaros aus-
gesprochenen Athetesen vgl. die Einleitung p. 77 Ε΄, Literatur: zu
183: Aristonic. ed. Friedl. p. 107, Köchly de Iliad. carınm. diss. IV
p- 24, Benicken ἃ, fünfte Lied p. 37.58, Düntzer hom. Abhandl.
Ρ. 287, Rhode homer. Miscellen. Moers 1865 p. 13 ἢ, — zu 187:
Aristonie. ed. Friedlaender p. 107 vgl. Benicken ἃ, fünfte
Lied p. 42. — zu 188—191: Düntzer hom. Abhandl. p. 256, Be-
nieken ἃ. fünfte Lied p. 60. 74. — zu 206— 208: Lachmann
Betracht. p. 20, Benicken ἃ. fünfte Lied p. 16. 68 ἔ, 78 Β΄, Köchly
. de Iliad. carmm. diss. IV p. 23, Kammer zur homer. Frage I p. 28,
Jacob Entstehung ἃ. Il. u. Od. p. 202, Bergk griech. Litteratur-
gesch. Ip. 576, Naber quaestt. Hom. p. 159, Bäumlein in Zeitschr.
1. d. Altert. 1848, VI p. 335, Gross vindic. Hom. p. 58f., Düntzer
hom. Abhandl. p. 54. 277. 287. — 191. Über κοτήεις vgl. die Er-
örterung von Alb. Schuster in der Zeitschr. f. ἃ, österr. Gym. 1859
8. 23. — 203. ἅδην mit Spiritus asper und einem ὃ ist die Aristar-
chische Schreibart: J. La Roche Hom. Textkritik 5. 179. Der
Spiritus asper ist aus dem ursprünglich anlautenden Spiranten, der
in satis und satur vorliegt, entstanden, und die Länge der Anfangs-
silbe wird durch das ursprüngliche ὃ] erklärbar. Vgl. G. Curtius
Etym.? 8. 593, p. 632; Oskar Meyer Quaest. Hom. p. 75. Andere
schreiben das Wort hier mit doppeltem δ, weil sie einen Übergang
des dj in dd annehmen, so dafs sich hier das j, wie in ἔδδεισεν das
Digamma, dem ö assimiliert habe. Für ein δ sich entscheidend be-
handelt das Wort in eingehender Weise auch Basse De adverbüis
in δὴν cadentibus (Königsberg 1849) p. 13 sq. Dies Adverbium
ist aber selbst ein ursprünglicher Akkusativ ‘die Genüge.’ — An
Stelle von εἰλομένων vermutet Nauck ἐλλομένων. nach dem Vor-
gange von Cobet Miscell. crit. p. 270. — 215. Über den Optativ
ϑείην vgl. G. Hermann Opuse. IV, p. 146 und L. Lange der hom.
Gebrauch d. Part. εἰ I p. 461. — 219. Die Formen νώ und σφώ
verwerfend verlangt Cobet Miscell. erit. p. 258f. die Schreibung
vos und opg. — 221—225. Bedenken gegen die Ursprünglichkeit
dieser Verse bei M. Schmidt Meletematum Homer. part. II p. 12.
Anmerkg. und Düntzer Aristarch p. 72.— 227. Das hier unpas-
sende ἀποβήσομαι bieten ADGHLMNO 2. man. Die Sache hat hier
Franz Spitzner hinlänglich erörtert; vgl. auch Naber quaestt.
Hom. p. 111f. — 228. Über diesen Wechsel der Bedeutung in
demselben Worte vgl. Ὁ. Schneider zu Isocr. Paneg. $ 119 und
im Philol. XXIII p. 442 sq.; E. E. Seiler zu Long. Pastoral. p. 184.
241. Der folgende Abschnitt bis 274 wird verworfen von
la Roche in Zeitschr. f. d. österr. Gymnasien 1863 p. 168; Düntzer
Aristarch p. 72 f. verwirft 265—273 und im Zusammenhange da-
E. Anmerkungen. 91
mit auch 221—225, vgl. dagegen Benicken das fünfte Lied p. 60.
— 249. Die Worte ἀλλ᾽ ἄγε δὴ χαξώμεϑ᾽ ἐφ᾽ ἵππων können nicht
eine eigentliche Flucht bezeichnen, sondern dürfen nur, was χά-
ξεσϑαι besagt, von einem Rückzuge aus den Vorkämpfern ge-
deutet werden. Dies erhellt aus dem folgenden Gegensatze des
negativen Parallelismus μηδέ μοι οὕτως ϑῦνε διὰ προμάχων. Um
diesen Gedanken zu verdeutlichen, hat Aristarch, wie Aristo-
nikos und Didymos berichten, die Worte ἐφ᾽ ἵππων im Sinne
von ἐπὶ τοὺς ἵππους verstanden. Dabei mufs er zugleich voraus-
gesetzt haben, dafs Sthenelos 242 das Gespann zurückgelassen habe
und zum Diomedes zu Fulse geeilt sei. Dieser Annahme sind
auch andere gefolgt. Aber es widerstreitet dieser Auffassung zu-
nächst die homerische Sitte. Wo nämlich der παραβάτης zu
Fufse kämpft oder aus einer anderen Ursache vom Wagen steigt,
da pflegt der ἡνίοχος nie das Gespann zu verlassen, sondern auf
demselben stehen zu bleiben, um es für den nächsten Gebrauch
in Bereitschaft zu halten; vgl. 4 226 #. 367. 419. E 107. 321#.
835. 4.273.488. N 385 ff. 5429. Ο 445 ff. IT 864 ff. und ander-
wärts. Daher hat man anzunehmen, dafs Sthenelos 242 ebenso
wie 329 mit dem Gespann herangeeilt ist. Und dies wird 255
aus dem Präsens ὀχνείω δ᾽ ἵππων ἐπιβαινέμεν und 261 aus dem
hinweisenden τούσδε ersichtlich, da beide Ausdrücke die gröfste
Nähe des Gespanns voraussetzen. Es widerstreitet der erwähnten
Erklärung 2) der Plural χαξώμεϑα. Da nämlich Sthenelos (seit
111 und nachdem Diomedes 134 wieder unter die Vorkämpfer ge-
eilt war) sich fortwährend bei dem Gespanne befunden hat, so
kann er sich nicht mit als solchen aufführen, der sich zum
Gespann zurückziehen wolle. Er mülste vielmehr seine Aufforde-
rung direkt nur an Diomedes richten. Höchst bedenklich in dem
angenommenen Sinne ist 3) die sprachliche Verbindung. Denn
die homerischen Stellen, wo ἐπέ mit dem Genitiv in diesem Sinne
erscheint, wie I’5. E 700. y 171. τ 278 nebst βαίνειν ἐπὶ νηός
und dergleichen sind anderer Natur und lassen sich nicht ohne
weiteres mit χάξεσϑαι ἐφ᾽ ἵππων zusammenstellen. Wenn man aber
. ἐφ᾽ ἵππων βάντες Σ 531 vergleicht (wofür sonst ἐπιβῆναι ἵππων
gesagt wird, wie die von Fr. Spitzner erwähnten Beispiele zeigen)
und χάξεσϑαι dazu “prägnant für weichend steigen’ versteht,
so wird diese Gräeität wohl niemand ohne Belegstellen annehmen
können. Hierzu kommt dafs χάξεσϑαι bei Homer, wenn man von
dem T'32 berührten stabilen Verse absieht, überall so gebraucht
wird, dafs nur die Sache oder der Ort, wovon jemand zurück-
weicht, entweder ausdrücklich genannt ist oder im Zusammenhang
des Gedankens liegt. Das letztere ist auch hier der Fall, wo
jeder an die Vorkämpfer denkt: vgl. auch 107 das absolute ἀνα-
χωρήσας. Man wird also am einfachsten und natürlichsten die
Worte ἐφ᾽ ἵππων in ihrer eigentlichen Bedeutung fassen, gerade
92 E. Anmerkungen.
wie M 82 und 2 356, ja die letztere Stelle ἀλλ᾽ ἄγε δὴ φεύγωμεν
ἐφ᾽ ἵππων hat dasselbe Kolorit und dient dadurch zu einer wei-
teren Bestätigung der aufgenommenen Erklärung. — 253. Statt
ἀλυσκάξοντι verlangt Naber quaestt. Hom. p. 90 ἀλυσκάξοντα, ohne
Grund, vgl. Classen Beobacht. p. 140 ff. und Hentze in Zeitschr.
f. ἃ. Gymnasialwesen 1866 p. 742 fl. i
356. Die Worte τρεῖν μ᾽ οὐκ ἐᾷ Παλλὰς ᾿Αϑήνη scheinen fehler-
haft überliefert, schon wegen der contrahierten Form τρεῖν. Da
aber der Venet. und Eustath. ἔχ bieten, und diese Lesart auch
sonst in den Scholien bezeugt ist, so empfahl Ahrens in Philol. VI
p- 29 zu schreiben: τρείεεν μ᾽ οὐκ εἴα ᾿4ϑήνη, indem das Imperfekt
auf Athenes Worte 124 zurückweise. Dagegen macht Nauck in
den Mölanges Gröco-Rom. IV p. 489 geltend, dafs die Form τρείω
erst in späterer Zeit auftrete, wonach man mindestens τρεέμεν.
μ᾽ οὐκ εἴα ᾿Αϑήνη erwarten sollte. — Übrigens bemerkt Nauck zu
255— 258: spurü?
265. Eine andere Anordnung der folgenden Verse giebt I.Bekker
Homerische Blätter II (Bonn 1872) p. 12, indem er 265—269 in
eine Periode zusammenfafst, so dafs τῆς γάρ τοι γενεῆς (ohne zu
denkendes εἰσίν) durch τῆς γενεῆς 268 wieder aufgenommen würde,
Weiter verlangt derselbe statt der handschriftlich allein beglau-
bigten Lesart ἧς den Aceusativ ἥν, weil jene zu der wunder-
lichen Folgerung führen würde, dals Zeus ein Gestüt oder eine Herde
von Pferden besitze, wovon sich sonst nirgend eine Spur finde.
Derselbe Vorschlag, aber aus andern Gründen, ist das Resultat der
eingehenden Brörterung von R. Förster quaestiones de attractione
enuntiationum relativ. Berlin 1868 p. 46 ff. Meiner Ansicht nach
schwinden diese Bedenken, wenn man nur die Genitive nicht in
partitivem Sinne, sondern als Ablative des Ursprungs und der da-
durch bedingten Beschaffenheit falst, also in dem Sinne: von der
Stammart, Race, vgl. Ζ 211 ταύτης tor γενεῆς τε καὶ αἵματος
εὔχομαι εἶναι. --- 270. Die Verlingerung des Dativ οὗ in der Thesis,
wovon C. A.J. Hoffmann Quaest. Hom. I, p. 77 spricht, erklärt
sich am einfachsten aus dem Umstande, dafs das folgende ἕξ ur-
sprünglich oF£& gelautet habe: vgl. Oskar Meyer Quaest. Hom.
p. 23 sq. Für das ursprüngliche Digamma giebt aus den Inschriften
die entscheidenden Gründe G. Curtius Etym.? 8. 358 Nr. 584; !p.
387. Die ganze Stelle τῶν οἵ TE ἐγένοντο ἐνὶ μεγάροισι γενέϑλη
wird von Fr. Spitzner (nach dem Vorgange Anderer) erklärt:
‘en quibus sen ei in aedibus nati sunt pull’. Aber γενέϑλη heilst
bei Homer noch nicht Nachkommenschaft, und Spitzner selbst
in seinem sorgfältigen Exec. IX., $ 3 hat diese Bedeutung nur ver-
mutungsweise aus den späteren Dichtern genommen: ‘e quwibus
eoniectura poterit capi Il. 5, 270 τῶν --- γενέϑλη aptum esse’ Bei
dieser Sachlage nun haben andere den vor F. A. Wolf gelesenen
Genetiv γενέϑλης zurückgeführt: “aus dem Geschlechte dieser’,
E. Anmerkungen. 93
mit Vergleichung der schon von Spitzner behandelten Stellen 265.
Tı11. 6232. v130. Das giebt aber den Übelstand, dafs man
das τῶν über zwei Verse hinweg auf ἄριστοι ἵππων ὅσσοι beziehen
mufs, während es am einfachsten und natürlichsten scheint, bei
diesem Pronomen an das unmittelbar vorangehende ϑήλεας ἵππους
zu denken. Sodann hat auch der Genitiv γενέϑλης urkundlich fast
gar keine Stützen, da aufser ein Paar alten Ausgaben blofs ye-
ns
νέϑλη N nachweisbar ist: als beglaubigte Überlieferung kann nur
γενέθλη gelten. Und dieser Nominativ giebt auch einen passenden
Sinn, wenn man γενέϑλη in seiner eigentlichen Bedeutung und ἐγέ-
vovro in der durch den ganzen Dichter hindurchgehenden Verbin-
dungsweise auffalst, nämlich γενέσϑαι τινί mit einem Prädikatsnomi-
nativ: 438. Ε 488, 2 82. © 282. K 193. 4797. 1139. P 38.
255. 272. 636. 2179. X 358. 421. N 436. y 271. 8 285. λ 18.
v 208. ο 480. x. 103. 0 597. p 24. 329. Bei diesem ganz gewöhn-
lichen Sprachgebrauche ist für unsere Stelle nur zu beachten, dals
γενέσθαι hier noch in seiner ursprünglichen Bedeutung am schärf-
sten hervortritt.
272. μήστωρε φόβοιο ist die Aristarchische Lesart, die auch
ε
in sämtlichen Handschriften steht, nur Stuttgart. hat μήστωρι, aber
Plato Lach. 191 B hatte μήστωρι vor Augen. Jetzt hat man seit
I. Bekker (hom. Blätt. p. 91) fast allgemein μήστωρι φόβοιο auf-
genommen; la Roche aber: μήστωρε, welches durch 222f. und
B767 gestützt wird. — 273. In εἰ τούτω κε λάβοιμεν haben I. Bekker
und Nauck hier und © 196 das überlieferte κέ mit J.H. Voss
und Fr. Thiersch in γέ verwandelt: für den Gedanken zwar pas-
send, aber nicht nötig. Vgl. H. Rumpf in Fleckeisens Jahrb. 1860
Ba. 81. S. 591 f. und jetzt Lange ἃ. homer. Gebrauch ἃ, Part. εἶ
I p. 4951.
288. πρίν γε und πρίν γ᾽ ἤ mit vorhergehender Negation und
folgendem Infinitiv findet sich bei Homer nur hier. Anders Θ 479 ἢ,
2189. Bekker hat hier gegen die Überlieferung beide γ᾽ ge-
tilgt unter Zustimmung vonRichter quaestt. Hom. Chemnitz 1876
p- 15 ἢ; Nauck vermutet πρὶν δή an Stelle von πρίν γ᾽ ἤ. Was
die Sache betrifit, so hat schon W. C. Kayser im Philol. XVII,
8. 707 bemerkt, “dafs γ᾽ einen Bestandteil der Vulgata bildet.”
Ja es ist nach der besten Überlieferung wahrscheinlich, dafs πρίν
in derartigen Fällen als Länge überall durch ein nachfolgendes γ᾽
gestützt worden sei. Vgl. J. La Roche in der Zeitschr. f. d. österr.
Gym. 1868 $. 143. — ἀποπαύσξσϑαι haben nur zwei Handschriften,
DN, und der Venetus A zeigt über dem « des Aorists ein üherge-
schriebenes &; alle übrigen haben ἀποπαύσοίσϑαι. Für die Auffas-
sung des Inf. Aor. sind zu vergleichen ὃ 254. 255. β 373—375,
welche mit unserer Stelle das gemeinsam haben, dafs der Infinitiv
94 E. Anmerkungen.
Aor. unter gleichen Verhältnissen negiert ist in Verbindung mit
einer Zeitbestimmung mit πρίν, die ebenfalls im Aorist steht. Hin-
dert die Negation im Infinitiv Aoristi den Ausdruck der zuversicht-
lichen Erwartung oder entschiedener Zusage zu sehen, so darf
derselbe wohl aus der Beziehung auf die nachfolgende temporale
Bestimmung im Aorist erklärt werden, da nach dem Gedanken-
verhältnis (nicht eher — als) beide Handlungen zeitlich zusammen-
treffend gedacht werden müssen; erst mit dem ὦσαι tritt das dmo-
παύσασϑαι in Vollzug und so ähnlich an den anderen Stellen. Auch
in der ganz entsprechenden v 180 haben gute Handschriften den Inf.
Aor. διακρίνασϑαι statt des gewöhnlichen διακρινέεσϑαι. Zur Erklä-
rung der Konstruktion πρὶν ἤ mit Inf. vgl. Capelle im Philol.
XXXVI p. 204. — 289. Über die Etymologie und die Bedeutung
von ταλαύρινος vgl. den Anhang zu H 239.
293. Statt der Aristarchischen Lesart ἐξελύϑη habe ich die
des Zenodot ἐξεσύϑη (Düntzer de Zenod. p. 122) in den Text
gesetzt, die auch durch gute Handschriften vertreten wird. Ich
kann mich nämlich nicht überzeugen, dafs mit ἐξελύϑη ein Ab-
brechen der Spitze bezeichnet sein sollte, wie Ameis das Wort
deutete. Da gerade die Spitze von oben nach unten durch den
Mund fährt, so dafs sie hier feststeckt, so kann von einem Los-
lösen der Spitze vom Schaft beim Abbrechen des letzteren doch
kaum die Rede sein; auch ist es wenig wahrscheinlich, dafs Ari-
starch seine Lesart so verstanden habe, sondern wohl in dem
sonst angenommenen Sinne von τῆς ὁρμῆς ἐπαύσατο, der sich frei-
lich aus dem homerischen Gebrauch für das Wort nicht begründen
lässt. Übrigens hat jetzt v. Christ im Rhein. Mus. 1881 p. 37
die sehr ansprechende Vermutung gegeben, dafs bei der Umsetzung
des Homer in die neue ionische Schrift die ursprüngliche Lesart
ἐξέλυϑε falsch in ἐξελύϑη gedeutet sei.— Ein neuerer Arzt, Küchen-
meister, bemerkt in der im Anhang zu 484 citierten Abhand-
lung 5. 52 über unsere Stelle folgendes: “diese Wunde ist eine
der interessantesten, aber in der Art, wie sie beschrieben ist, un-
möglich. Ein auf dem Wagen Stehender konnte einen auf dem
Boden Stehenden auf die angegebene Weise verwunden, aber nicht
umgekehrt, sei es denn, dafs Diomedes etwa selbst auf einem
Hügelchen gestanden hätte, wovon nichts an der betreffenden Stelle
zu finden ist. Das einzige, was hier möglich gewesen wäre, wäre
der Umstand, dafs Diomedes seine Lanze im Bogen gegen Pan-
daros gesendet hatte, aber auch dies ist nicht gut denkbar bei
der angegebenen Stellung des Pandaros im [sic] Wagen”. Man
kann dem gegenüber nur verweisen auf: βέλος δ᾽ ἴθυνεν ᾿Αϑήνη,
vgl. Schol. B. ῥητέον οὖν ὅτι ἡ "Adv μείξων οὖσα καὶ ὑψηλοτέρα
ἄνωθϑεν κατενεχϑῆναι ἐποίησε τὸ δόρυ. --- 300. An der Pa-
rallelstelle P 7 las Zenodot δὲ οὗ statt δέ of: vgl. darüber Brug-
man ein Problem der homer. Textkritik p.20. — 303. Über das Fehlen
E. Anmerkungen. 95
der Partikel κέ beim Opt. φέροιεν vgl. L. Schmidt de omissa apud
optativum et conjunetivum ἄν particula, Marburg 1868 p. 1., wel-
cher dem negativen Optativ ohne ἄν eine stärker negierende Kraft
beilegt. Dagegen hält Naber quaestt. Hom. p. 100 die Partikel
für nicht entbehrlich und vermutet δύο x’ statt δύο γ᾽, und Nauck:
6 κ᾽ οὐ δύω ἄνδρε. --- 310. Zur Beseitigung des Hiatus empfiehlt
van Herwerden quaestiuneulae ep. et eleg. p. 6 zu lesen: ἀμφὲ
δέ Εὔσσε statt ἀμφὶ δὲ ὄσσε, ebenso vermutet Nauck nach Eusta-
thios: δέ οἵ ὄσσε.
8118. Über die an dem folgenden Abschnitt (bis 460) ge-
übte Kritik vgl. die Einleitung p. 66 f. 70f. dazu Bergk griech.Litte-
rat. I p. 576, Düntzer hom. Abhandl. p. 256, Köchly de Iliad.
carmm. diss. IV p. 23, la Roche in Zeitschr. f. d. österr. Gymn.
1863 p. 167, Naber quaestt. Hom. p. 159, Benicken das fünfte
Lied p. 36. 40. 46. 60f. 90. — 313. Nauck: spurius? — 315.
Über πτύγμ᾽ ἐκάλυψεν im Verschlufs, wofür man πτύγμα κάλυψεν
konjieiert hat, vgl. W.C. Kayser im Philol. XVIII, 8. 688.— 320.
Statt ἐπέτελλε empfiehlt Nauck ἐπέτειλε, zweifelt aber an der Ur-
sprünglichkeit des Verses, — 329. Die hereits von Zenodot be-
anstandete Verbindung Τυδεΐδην μέϑεπεν κρατερώνυχας ἵππους, wo-
für er κρατερωνύχεο᾽ ἵπποις vermutete, beseitigt Nauck in den
Melanges Gröco-Rom. IV p. 418 durch den Vorschlag: Τυϑεΐδῃ
ἔπεχεν κρατερώνυχας ἵππους: vgl. II 724. 732. Ρ 465. — Derselbe
bezweifelt in der Ausgabe die Ursprünglichkeit der V. 331—333.
— 338. Statt ὅν ol, wofür Heyne und Andere hier 3 of vermuten
wie auch Z 94, hat G. Wiel Öbserv. in Oıph. (Bonn 1853) p. 31
die leichte Konjektur ὃν αἵ vorgeschlagen, wie auch Nauck ver-
mutet. Dagegen hat v. Christ im Rhein. Mus. XXXVI p. 28
auf die Nachahmung in dem Verse der Kyprien εἵματα μὲν χροὶ
ἔστο τά οἵ “Χάριτες τε καὶ Ὧραι ποίησαν hingewiesen, aus der sich
ergiebt, dafs οἷ uralte Lesart war. — 339. Über ϑέναρ vgl. 6. Cur-
tius Etym.’ 8.240. Nr. 312; *p. 255.
340. Etymologisch erörtert ist ἰχώρ neuerdings von Clemm
in 6. Curtius Stud. IT p. 45ff. — 341f. Gegen die Ursprünglich-
keit dieser beiden Verse erklärte sich W.v.Humboldt (Werke V,
86): vgl. Düntzer die homerischen Beiwörter des Götter- und
Menschengeschlechts p. 26. — 349. Nauck schreibt: ἢ οὐ ἅλις
statt des handschriftlichen 7 (oder ἢ) οὐχ ἅλις, möchte aber lieber
das ἤ ganz beseitigen. — 350. Es war ein Irrtum, wenn Ameis
glaubte, dafs sich bei Homer keine hypothetische Periode finde,
in welcher nach dem blossen εἰ (ohne κέ oder ἄν) mit Indikativ
Fut. im Vordersatze der Nachsatz gleichfalls den Gedanken der
Zukunft enthalte, und daher πωλήσεαι als Conjunctiv verstand, in
der Tabelle bei Lilie de locutionum hypotheticarum usu Homerico,
Breslau 1863 sind 16 Beispiele verzeichnet, wo nach εἰ mit Ind.
Ταῦ, im Vordersatze im Nachsatz ebenfalls der Indie. fut. steht.
96 E. Anmerkungen.
Was aber die Stelle des Futurums πωλήσεαι innerhalb des Ge-
dankenzusammenhanges betrifft, so wird dieselbe durch eine ge-
nauere Betrachtung des Verhältnisses zwischen Vorder- und Nach-
satz klar werden. Offenbar entspricht der letztere nicht dem, was
man nach dem Vordersatze erwarten sollte, namentlich auch wegen
des sich weiter anschliessenden koncessiven Nebensatzes καὶ εἰ —
πύϑηαι, denn dieser macht gerade eine Annahme, die mit der
ersten εἰ πωλήσεαι nicht unmittelbar zu vereinigen ist. Es ist
nämlich der dem Vordersatz εἰ πωλήσεαι: “wenn du aber doch
oft in das Kriegsgetümmel kommen wirst’, zunächst eut-
sprechende Gedanke: ‘so wird es dir übel bekommen’? oder ‘so
wundere dich nicht, wenn dir etwas Unangenehmes begegnet” über-
sprungen und sofort die aus der gegenwärtigen unangenehmen Er-
fahrung zu ziehende Folgerung gesetzt, sodals der Redende durch
den Nachsatz gleichsam die in dem Vordersatz ausgesprochene An-
nahme korrigierend aufgiebt. Darauf deuten auch die zu Anfange
des Nachsatzes stehenden Partikeln 7 re fürwahr immerhin, die
meist einen Gegensatz zum Vorhergehenden einleiten: vgl. zu 8 62.
Danach ist mir der Zusammenhang folgender: Wenn du aber
dennoch oft in das Kampfgetümmel kommen wirst — doch das
wirst du nicht, denn ich glaube, du wirst nach der eben gemachten
Erfahrung vor dem Kriegsgetümmel schon Entsetzen empfinden,
wenn du nur in der Ferne davon erzühlen hörst, Aber es ist
πυνθάνεσθαι hier, wie Ο 224 (vgl. zu Z 465), wohl richtiger von
der unmittelbaren Wahrnehmung durch das Gehör zu verstehen, wo-
durch das lokale Ergo eine bessere Beziehung erhält.
353. An Stelle von τὴν μὲν ἄρ᾽ Ἴρις empfiehlt vau Her-
werden quaestiunculae ep. et eleg. p. 7 zu schreiben: τὴν ἄρα
«Εἴρις, ebenso vermutet Nauck. — 355. Die schwierige Frage über
die Auffassung des ἐπ᾽ ἀριστερά ist erörtert von L. W. Hasper
zur Topographie der hom. Ilias p. 21, N. G. Nicolaides Topo-
graphie et plan stratög. de I’Iliade (Paris 1867) p. 167, Naber
quaestt. Hom. p. 36. 39; zuletzt von Ribbeck im Rhein. Mus.
Bd. 35 p. 610, welcher wahrscheinlich macht, dafs der Dichter
die Troer immer gegenüber sich denke und das Schlachtfeld sich
immer von derselben Seite, nämlich von den Schiffen aus vorstelle,
sodals links immer Nordosten oder kurzweg Osten bedeute, auch
wo er von den Troern spreche. Weitere Litteratur bei Benicken
Studien und Forschungen auf dem Gebiete der homer. Gedichte
und ihrer Litteratur: I das zwölfte und dreizehnte Lied vom Zorne
in N£O p. 726 und 1181 ff.— 358. Das Verbum λίσσεσθαι scheint
ursprünglich noch einen Guttural vor sich gehabt, also doppelt
konsonantisch begonnen zu haben, weil eine vorhergehende Kürze stets
gedehnt wird: Δία λίσαι A 394, μάλα λίσσοντο 4 379, ἐμὲ λισ-
σέσκετο 1 461, ἄνδρας δὲ λίσσεσϑαι 1520, τὸν δὲ λίσσοντο 1574
und Σ 448, Ebenso δέπαϊ λιτώνευεν P 196, ὁ δὲ λιτάνευε ἡ 145,
E. Anmerkungen. 97
auch καὶ γάρ re λιταί 102. Hierzu kommen die augmentierten
Formen ἐλλίσσετο und ἐλλιτάνευσα, die im Anhange zu A 15 berührt
sind, und die Komposition τρίλλιστος Θ 488, πολύλλιστος ε 445.
Ganz vereinzelt ist die Kürze in ἔχε λίσσετο ὃ. 344 und κῆρα
λιτέσϑαι Π 41. Vgl. R. Kühner Ausführl. Gram. 1? 58, 2, Hoff-
mann quaestt. Hom. I p. 144 δ᾽, und dagegen Fick vgl. Wörterb. 9II
p. 221 und W. Hartel Homer. Stud. I. Wien 1871 p. 18 u. 27 ff.
359. Statt der einstimmigen Überlieferung δὸς δέ μοι hat
Barnes δός τέ μοι gegeben (was sich in C findet), um die Regel-
mäfsigkeit der gewöhnlichen Sprechweise herzustellen, und diese
Konjektur ist seitdem bis auf La Roche in den Texten geblieben.
Aber dadurch wird die Bitte der Aphrodite auf eine für den Zu-
sammenhang weniger passende Weise abgeschwächt. Viel nach-
drucksvoller Iautet der Gedanke bei der handschriftlichen Lesart:
‘nimm mich einerseits bei dir auf, anderseits aber lafs mich
zum Olympos zurückeilen.” Vergleichbar wegen dieses Wechsels
von τέ und δέ aus demselben Grunde ist #178 ᾧμωξέν τ᾽ ἄρ᾽
ἔπειτα, φίλον δ᾽ ὀνόμηνεν ἑταῖρον (was erst Bekker aus Konjektur
in φίλον τ᾽ geändert hat, ohne das Konjekturzeichen beizufügen);
ferner Q 430 αὐτόν τε ῥῦσαι, πέμψον δέ μὲ σύν γε ϑεοῖσιν und
π΄ 482 παῖδά τ᾽ ἀποκτείνεις, ἐμὲ δὲ μεγάλως ἀκαχίξεις. Auch π140
ἔργα τ᾽ ἐποπτεύεσκε, μετὰ δμώων τ᾽ ἐνὶ οἴκῳ haben die besten
Manuskripte δ᾽ ἐνί, was vor F. A. Wolf in den Texten stand und
aus dem Zusammenhange der Gedanken sich rechtfertigen läfst.
Ebenso korrespondieren οὔτε und δέ mit einander 2 368 οὔτ᾽ αὐτὸς
νέος ἐσσί, γέρων δέ τοι οὗτος ὀπηδεῖ. Dafs dann die Späteren dieses
τέ mit nachfolgendem δέ nicht selten gebraucht haben, zeigen die
Beispiele verschiedener Autoren, vgl. Matthiä Gram. $ 626 unter q.
An unserer Stelle hat man neuerdings versucht, das re (mit @)
aus Konjektur in δέ zu verändern, wie das doppelte δέ bei zwei
auf einander folgenden Imperativen auch IT 524. P 646. ξ 178 ge-
funden wird. Dadurch entsteht allerdings ein lebhafter Gedanke,
aber ein χόμισαι δέ nach unmittelbar vorhergehendem Vo-
kativ läfst sich mit keinem der zu » 130 berührten Beispiele in
Vergleichung stellen. — 365. Wegen des Digammas im Anlaut
von Ἶρις (vgl. zu 353 und Knös de digammo Homer. p. 126)
vermutet Cobet Miscell. erit. p. 413 als ursprüngliche Lesart:
πὰρ δέ Fe Figig statt πὰρ δέ (οι Ἶρις, indem er wegen des Accus.
nach παρά auf 4 233 παρ᾽ ἔμ᾽ ἵστασο verweist; van Herwerden
quaestiuneulae ep. et eleg. p.7: πὰρ δέ τε Εἴρις unter Vergleich
von A 511. 517. E 103. Die erstere Vermutung spricht auch
Nauck in der Ausgabe aus. — 370. Ueber Διώνη, die als Mutter
der Aphrodite nur hier erscheint, vgl. F. G.Weleker Gr. Götterl.I
p. 352#. Dazu bemerkt Autenrieth: Über ihr Wesen herrscht
noch mancher Zweifel, wie man bei Welcker, Preller u. a. sieht.
Der von Curtius Grdzge 5 8. 236 citirte Artikel Benfeys im Orient
Hextze, Anhang zu Homers Ilias. II. 7
98 E. Anmerkungen.
und Oceident I 280 ist mir nicht zur Hand, doch scheint das
Citat zu beweisen, dafs er Διώνη und Diana zusammenstellt. Sprach-
lich gewifs mit Recht. Aber Bemerkungen wie bei Preller Gr.
M.31, 99 n. 3 „Awvn ist das Fem. zu Ζεύς, wie Juno d.i. Jovino“
oder die Lobecks Pathol, serm. gr. p. 32 bei Welcker I, 353,
2 sowie die von Welcker a. Ὁ. selbst stellen das Verhältnis nicht
ins Klare. — Auszugehen ist von der Wurzel div = diu, wovon
lat. dius = dies, Adj. (meri)dianus. Dies ist also substantiviert
aus ursprünglichem Epitheton: Jänus, Diana die Lichtgottheiten
für Sonne und Mond: ersterer ist matutinus pater (verschieden
von ianus, Fem. ianua, mit ianuarius von St. i, ein Unterschied,
der den Römern später wohl nicht mehr lebendig war). Im Griech.
wäre nun zunächst Zıavog oder Ajavos zu erwarten, aber der
Stamm ist nach der konsonant. Deklination Zav, Ζήν gebildet,
anderseits mit Vokalverdunkelung (wie in Διώνυσος, Ζόννυξος)
das Fem. Διώνη, gleichen Stamms mit Δωδώνη, neben Masc.
Δώδων, Δωδώ (die nicht von δοῦναι stammen). Ob in dem
redupl. Δωδώνη sprachlich (als Kopulativkompositum = Dvandva)
die Vereinigung der Namen 48 (= Aüvog) und Διώνη angedeutet
ist, mag dahingestellt bleiben; jedenfalls wurde Ζεὺς Awdwveiog
mit Διώνη in walter Zeit in einem Tempel zu Dodona verehrt
(Strab. XII 329) und wenn auch die Namen ursprünglich die Licht-
gottheiten bezeichneten, mag doch der Dualismus nachher als
Himmel und Erde betrachtet worden sein. Der Name Διαίνη,
wenn tibh. richtig (Schol. Od. x 91), ist natürlich nicht auf διαένω.
zurückzuführen, sondern = Diana aus Ζιανιη᾽. — 374. Zur Erklä-
rung von ὡς εἰ vgl. Lange ἃ. hom. Gebrauch der Part. εἰ 1
p. 433 ff. II p. 547£. — 385. Über Ὦτος und Ἐφιάλτης Ῥ. 6.
Welcker Gr. Götterl. I, 8.420. — 387. χαλκέῳ ἐν κεράμῳ : über
“grofse Fässer” dieser Art, wie sie in der Sage vorkommen und
auf vielen Kunstwerken erscheinen, vgl. Otto Jahn Berichte der
Gesellsch. der Wissensch. zu Leipzig VI, 1854 5. 40ff. und F.G.
Welcker Kl. Schrift II, 8. CXV? als Symbol der Unterwelt ist es
'edeutet von Η. Ὁ, Müller Myth. d. griech. Stämme II p. 50.
hnliches, wie das im Kommentar erwähnte, berichtet die nor-
disch germanische Sage von Sceäf, Wieland und Sigurd. Das δ᾽
will K. Lehrs Quaest. Ep. p. 266 getilgt wissen, indem er wegen
des Asyndeton Z 174. ξ 314. 248 vergleicht: sehr ansprechend.
— 394. Nur an drei Stellen, B 721. E 394. 895 steht nach
Fulda Unters. über die Sprache ἃ. hom. Gedichte p. 224 ἄλγος
von körperlichem Schmerz, worin derselbe eine jüngere Be-
deutungsentwicklung erkennt.
397. ἐν πύλῳ ist die Aristarchische Schreibart, die auch in
Handschriften steht: πύλος ist ein nur hier gebrauchter Singular,
während πύλαι bei Homer nur im Plural erscheint. Über einen
ähnlichen Wechsel der Formen vgl. die analogen Beispiele im An-
E. Anmerkungen. 99
hang zu #41. Diesen Wechsel berührt auch mit ausdrücklicher
Anführung unserer Stelle der Schol. B. Vind. 56. 133 zu ξ 818.
Andere haben ἐν Πύλῳ aufgenommen und beziehen dies auf den
Kampf des Herakles mit Hades unter den Mauern von Pylos, da
Apollodor. II, 7, 3 vom Herakles berichtet: κατὰ τὴν μάχην καὶ
“ἅδην ἔτρωσε Πυλίοις βοηϑοῦντα. Diesen Kampf erwähnen auch
einige andere Autoren. Nun ist man bei der Schreibweise ἐν
“Πύλῳ genötigt, ἐν νεκύεσσι βαλών zu verbinden und dies zu er-
klären entweder “ihn unter die Toten werfend, ἃ. h. ihn für tot
liegen lassend’ oder geradezu “unter den Toten liegend.” Aber
weder das eine noch das andere kann sprachlich begründet werden.
Es mülste wegen des folgenden ὀδύνῃσιν ἔδωκεν hier nicht ἐν
νεκύεσσι, sondern wenigstens ἐν κονίῃσι gesagt sein, wie Θ 156
τάων ἐν κονίῃσι βάλες ϑαλεροὺς παρακοίτας. Vgl. K. Lehrs de
Arist? p. 60 sqq. Auch F. A. Wolf und Fr. Spitzner haben
die Aristarchische Schreibart für notwendig gehalten. Diese An-
sicht vertreten auch Welcker griech. Götterl. II p. 761. 776,
Preller griech. Myth. I p. 501. Dagegen entscheidet sich für
Πύλῳ Usener de Iliadis carmine quodam Phocaico, Bonn 1875
p. 32. Vgl. auch H. ἢ. Müller Mythol. ἃ. griech. Stämme I
p. 156£., welcher den Namen der Stadt Pylos daraus erklärt, dafs
‘die Stadt, welche den Hades als ihren Stammgott verehrte, selbst
als die Pforte, der Eingang zu dem Reiche der Unterwelt gedacht
wurde und in gewissem Grade in der gemeinen Vorstellung mit
dieser verschmolz’ und Furtwaengler die Idee des Todes p. 83.
Nach unserer Schreibung sehen wir den Fürsten der Schatten an
den Eingang seines Reiches gestellt, um dieses gegen den Ein-
dringling aus der Oberwelt zu verteidigen. — 399. Über κῆρ
ἀχέων vgl. Fulda Untersuch. p. 176f. — 408. αἰσυλοεργός ist die
Aristarchische Lesart (vgl. Cramer Anecd. Ox. I, p. 73), die Ameis
nach dem Vorgange von Fr. Spitzner aufnahm. Die nachfol-
gende Epexegese ὃς οὐκ ὄϑετ᾽ αἴσυλα ῥέζων erinnert an Stellen
wie E63. 0528. 1124. A 475. M 295. N 482. O 526. IT 143.
P5. « 299. 8 65. y197. Gewöhnlich wird ὀβριμοεργός gelesen.
Übrigens haben Bekker und Nauck die Verse 403 und 404 aus
dem Texte entfernt, wie vor ihnen schon Bothe wollte; nach
Heyne ist nur der letztere ein “versus manifeste ab interpola-
tore rhapsodo procusus et prorsus otiosus”. Auch Benicken
ἃ. fünfte Lied p. 40 und 92 verwirft 403. und Köchly scheidet
398 —402 aus, Grofs Vindic. Hom. I p. 72 δ΄. 395—402. — 406.
Die Wendung οἶδε κατὰ φρένα (ohne καὶ κατὰ ϑυμόν) steht ver-
einzelt da und weist nach Fulda Untersuchungen p. 122 auf spä-
teren Ursprung der Stelle. — 412. Den Sinn hat Schol. B mit
un δήν, ὅ ἐστιν ἐπὶ πολύ, μείνῃ αὐτὸν ἡ γυνὴ ϑρηνοῦσα gedeutet.
Heyne bemerkte: 'δήν nunc videtur esse pro δή ἀϊοίαπι. Nauck:
δύν vix aptum. Über die Form ’4denstivn vgl.M.Haupt Quaest. Catull.
τ
100 E. Anmerkungen.
p. 72. — 415. An der Anordnung der Verse 412—415 Anstols
nehmend schlägt Cobet Miscell. crit. p. 369 die Versetzung von
415 nach 412 vor. — 418—431. Über die von Haupt bei Lach-
mann (Betrachtungen p. 106) über diese Scene ausgesprochene
Athetese vgl. die Einleitung p. 61. 65, dazu Benicken das fünfte
Lied p. 16 ff. 67f£., Hoffmann im Philol. III p. 210, Düntzer
homer. Abhandl. p. 54ff., Köchly de Iliad. carmm. diss. IV p. 22,
Ribbeck in ἃ. Jahrbb. f. klass. Philol. Bd. 85 p. 18, Note 17,
Jacob Entstehung ἃ. Ilias und Od. p. 203, v. Christ in Jahrbb.
£. Philol. 1881 p. 152. 156, La Roche in der Zeitschr. f. oesterr.
Gymn. 1863 p. 167£,, Naber quasstt. Hom. p. 159. — 425.
Über ἁραιός vgl. J. La Roche Hom. Textkritik S. 201. — 440.
L. Döderlein bemerkt hier: ‘Huic Apollinis indignationi maxime
congruum dicas habitum statuae inclutae Apollinis de Belvedere’.
Da aber mit Hülfe neuerer Funde festgestellt ist, dafs der Apollon
von Belvedere in der ausgestreckten Linken die Ägis mit dem
Gorgoneion hielt, so hat dem schöpferischen Künstler zunächst
das Homerische Bild des Apollon mit der Aegis vorgeschwebt, wie
es 0306 f. gegeben ist. Vgl. Otto Jahn aus der Altertums-
wissensch. (Bonn 1868) 8. 274 δ᾽
453. Die Erklärung von λαισήϊα πτερόεντα begründete aus
antiken Bildwerken Gerlach im Philol. Anzeiger II, 554. Ab-
bildungen giebt Autenrieth im Wörterbuch. — 461. J. La Roche
Hom. Unters. 8. 215 hat sich für die Schreibart Τρῳὰς δὲ στίχας
entschieden, ebenso Nauck. — Zu 462 bemerkt Nauck: spurius?
465. An dem Dativ ’Ayauoig Anstofs nehmend, der hier nicht
im Sinne von ὑπ᾽ ’Ayauöv stehen könne, vermutet Nauck in den
Melanges Greco-Romains IV p. 418 ἢ: ἐς τί ἔτι μαίνεσθαι ἐάσετε
λαὸν ᾿Αχαιῶν; (CM bieten ᾿ἀχαιῶν) statt: ἐς τί ἔτι κτείνεσϑαι
ἐάσετε λαὸν ᾿άχαιοῖς; vgl. indes Θ 244 — Ο 876. © 556 und zur
Konstruktion ε 343 σχεδίην ἀνέμοισι φέρεσϑαι κάλλιπε. — 466. εὐ-
ποιήτῃσι ist die alte Vulgata, aber Aristarch hat in seinen Quellen
εὐποιήτοισι gefunden, was auch in mehreren Handschriften steht.
Diese letztere Schreibart verteidigt K. Grashof Über das Fuhr-
werk $. 8. not. 8, wo unter anderm bemerkt wird: “es sind fol-
gende Adjektive anerkannt zweier Endungen, also wirkliche Kom-
posita: εὔγναμπτος σ 294, εὔδμητος Φ 516, εὐκέατος ε 60, εὔπηκτος
1663. 2675, εὔτυκτος K 566. ὃ. 123 [wo Andere jetzt εὔπτυκτον
haben] und Γ 886. ξ 216 und © 44, εὔπλεκτος Ψ 116, εὔπρηστος
2471”. Nach kritischer Behandlung einiger Stellen heifst es dann
weiter: “Es bleibt aber durch die übrigen Stellen, wo entweder
der Vers eine Änderung nicht zuläfst, oder Handschriften und
andere Umstände eine solche nicht unterstützen, unzweifelhaft, dafs
Homer die mit εὖ zusammengesetzten Verbaladjektiven als wirk-
liche σύνϑετα, nicht als παράϑετα behandelt und daher nur als
Adjektive zweier Endungen gebraucht hat’. Die entgegenstehen-
E. Anmerkungen. 101
den Stellen will K. Grashof alle geändert wissen. Aber so weit
unsre Nachrichten über die urkundlichen Quellen reichen, haben
wir nach den besten Autoritäten εὔξεστος als Adjectivum dreier
Endungen H 5. K 576 (= ὃ 48. g 87) 2 275. 280. 590. ν 10.
9137. 164, sonst zweier Endungen. Denselben Wechsel haben
wir bei εὐποίητος. Wer nun hier εὐποιήτῃσι festhält, der giebt
zwar Gleichmäfsigkeit mit II 636, aber Verschiedenheit von γ 434.
Es ist daher von dieser Seite her kein Grund vorhanden, die beste
Überlieferung εὐποιήτοισι abzuweisen. Vgl. auch Lobeck Paral.
p. 459 und 497 not. 36; I. Bekker Hom. Blätter 5, 310.
471. Die an dem folgenden Abschnitt bis 496 geübte Kritik
ist erörtert in der Einleitung p. 72f., dazu vgl. Giseke quaeritur
num quas etc. p. 6 und homerische Forschungen p. 235, Nitzsch
Beiträge p. 387, Köchly de Iliadis carmm. diss. IV p. 21, Rib-
beck in ἃ. Jahrbb. ἢ. Phil. Bd. 85 p. 19, Genz zur Ilias p. 22,
Bernhardy Grundrifs ἃ. griech. Litt. 3IT, 1, p. 163, v. Christ
in ἃ. Sitzungsberichten ἃ. philos.-philol. Klasse ἃ. königl. bayer.
Akad. 1881, II p. 163ff, Schmidt Meletem. Hom. II p. 13, Be-
nicken das fünfte Lied p. 32f. 35. — 478. Statt des nur hier
und ν 325 vorkommenden ἥκω schreibt Nauck ἵκω, — 486. Über
ὀάρων und ὥρεσσι vgl. Lobeck Elem. II, p. 72sqq. Übrigens
schreibt Nauck, wie auch van Herwerden quaestiunculae ep.
et eleg. p. 8 empfahl, ὀάρεσσιν. — 487. Dals man die Länge des
« in ἁλόντε nicht mit Fr. Spitzner aus dem attischen ἕάλων her-
leiten könne, leuchtet ein: denn in ἑάλων rührt die Länge von
dem doppelten Augment her, wie in ἑώρων ἑώρακα ἠνώρϑωσα
ἠνειχόμην. Ist hier eine Änderung nötig, so schiene Heines Alvoro
ἁλόντε oder Döderleins λίνου ἐναλόντε das leichteste zu sein;
Bentley: λίνου πανάγροιο ἁλόντε, vgl. aber v. Christ in den
Sitzungsber. ἃ. bayer. Akad. philos.-philol.-hist. Kl. 1879 p. 195 ἢ,
492. Ad. Funk in der Abhandlung: Locus, qui apud Hom.
in Iiad. libro V, 490 legitur, emendatur (Friedland) hat seine
Konjektur, die schon von Fr. V. Fritzsche zu Aristoph. Thesmoph.
1129 erwähnt wurde, nämlich χαλεπὴν δ᾽ ὑποδέχϑαι ἐνιπήν,
welche auch Nauck anführt, ausführlich zu verteidigen gesucht.
Aber dieselbe scheint entbehrlich. Unsere urkundlichen Quellen
bieten alle einstimmig ἀποθέσθαι, und die besseren geben »gare-
φήν statt χαλεπήν, denn aufser ALNOS haben alle übrigen mit
Et. M. 126, 23 κρατερήν, das man mit Recht in den Text gesetzt
hat. Gewöhnlich erklärt man ἀποϑέσϑαι mit “unterlassen’ oder
“nicht gebrauchen’, oder ‘sich abgewöhnen’”. Aber nach
Homerischer Anschaulichkeit kann der Begriff ‘von sich ablegen’
nur von Dingen gesagt sein, die jemandem anhaften oder ihm an-
gehängt sind oder ihn dicht umschliefsen wie die Kleidung, nimmer-
mehr aber von einem augeborenen oder eingewurzelten Charakter-
zuge, wie das barsche und herrische Wesen, das bezeichnet sein
102 E. Anmerkungen.
soll. Aber gesetzt auch, dafs die dem ἀποϑέσϑαι herkömmlich
beigelegte Bedeutung möglich wäre: so ist doch der dadurch ent-
stehende Gedanke für den Zusammenhang ohne alle Beziehung,
wie schon Heyne sehr bestimmt erörtert hat. Was hier der Zu-
sammenhang verlangt, das hat Ad. Funk p. 3 richtig also be-
zeichnet: “Qui admirabilem sententiarum in Sarpedonis oratione
continuationem seriemque, qua aliae ex aliis nexae et omnes ita
inter se aptae et colligatae sunt, ut nihil aut otiose aut solius
ornatus gratia positum sit, consideraverit et perspexerit, ei non
poterit non persuasum esse, verbis opus esse, quibus ad
pugnandum impellatur Hector’. Und einen solchen Gedan-
ken gewinnen wir, wenn wir erwägen, dafs in der sinnlichen
Sprache der Tadel, den jemand erhalten hat, wie ein äulser-
lich wahrnehmbarer Schandfleck an ihm haftet: μῶμον ἀνάψαι
ß 86 (dazu den Anhang), ἐλεγχείην ἀναϑήσει W100. Daher strebt
der Getadelte mit allen Kräften, durch besseres Handeln diesen
Schandfleck wieder von sich abzuthun oder von sich zu ent-
fernen, indem er ihn durch tapfere Thaten wieder gut macht.
Dies ist ἀποϑέσϑαι in einer einfachen Übertragung. Dals aber
nicht der tadelnde, sondern der von Sarpedon getadelte Hektor
gemeint sei, dies wird wie durch den Zusammenhang so auch
durch den Gebrauch des Wortes ἐνιπή bestätigt. Mit Recht be-
merkt Ad. Funk p. 5 folgendes: vox Zvim non de ea increpa-
tione, qua qui increpat perfungitur, apud Homerum posita legitur,
sed de ea, qua qui increpatur afficitur. Si Homerus eum qui in-
erepat respieit, hae fere locutiones leguntur: vewxelsv βασιλῆας
ὀνειδείοις ἐπέεσσιν B 277. ὅτ᾽ ἄν μ᾽ ἐρέϑῃσιν ὀνειδείοις ἐπέεσσιν
4519. Πηλεΐδης δ᾽ ἐξαῦτις ἀταρτηροῖς ἐπέεσσιν ᾿Ατρεΐδην προσέειπε
A223. αὐτίκα κερτομίοισι Δία Κρονίωνα προσηύδα A539; ubi autem
eum. qui inerepatur respicit, vox ἐνιπή invenitur: ὦ Ὀδυσεῦ, μάλα
πώς μὲ καϑίκεο ϑυμὸν ἐνιπῇ Κὶ 104. αἰδεσϑεὶς βασιλῆος ἐνιπὴν al-
δοίοιο 4 402. ἔδεισεν γὰρ ἐμὴν ἔκπαγλον ἐνιπήν κ 448. δείδιε γὰρ
δὴ Ζηνὸς ἄδην ἄλληκτον ἐνιπήν Quint. Smyrn. II, 662. καταπτώσ-
σοντὰς ἐνιπήν Quint. Smyrn. VI, 339. ἐνιπὴν σμερδαλέην τρομέοντα
Quint. Smyrn. I, 707. — 495. δοῦρε, statt des überlieferten δοῦρα,
ist hier und in den Parallelstellen Z 104. 4212 eine Verbesse-
rung I. Bekkers, über deren Notwendigkeit J. E. Ellendt Drei
Hom. Abhandl. S. 16f. zu vergleichen ist.
497 ff. Zur Kritik der Erzählung bis 593 vgl. die Einleitung
p. 74 δ, dazu Düntzer Hom. Abhandl. p. 256, Holm ad Car.
Lachmanni exemplar ete. p. 5, Köchly diss, IV p. 21, Ribbeck
in den Jahrbb. f. klass. Philol. Bd. 85 p. 20, Benicken das fünfte
Lied p. 32—34. 61. — 499. Über das Worfeln des Getreides vgl.
jetzt H. Blümner Technologie und Terminologie d. Gewerbe u.
Künste bei Griechen und Römern, Leipz. 1875 Ip. 8f. — 508—
511. Die von Haupt bei Lachmann Betracht. p. 107 begrün-
E. Anmerkungen. 103
dete Athetese dieser Verse ist angenommen von Benicken das
fünfte Lied p. 22 ff. 71, Hoffmann im Philol. III p. 211, Köchly
de Iliad. carınm. diss. IV p. 23, Naber quaestt. Hom. p. 159,
Bernhardy Grundrifs ἃ, griech. Litterat. 3II, 1 p. 163, Bergk
griech. Litteraturgesch. I p. 579, Ribbeck in ἃ. Jahrbb. ἢ, Philol.
Bd. 85 p. 19, v. Christ in Jahrbb. f. Philol. 1881 p. 154f., be-
stritten von Düntzer Homer. Abhandl. p. 55, vgl. darüber die
Einleitung p. 63f. — 524. Über den metaphorischen Gebrauch
von εὕδειν vgl. Pflugk zu Eurip. Hec. 662. — 525. ξαχρειῶν ist
nach der fast einstimmigen Überlieferung mit La Roche her-
gestellt; über die Etymologie des Wortes vgl. jetzt auch Ahrens
Beiträge zur griech. u. lat. Etymol. I p. 3#. Übrigens vermutet
Nauck ἀκραῶν statt ξαχρειῶν.
554. In den Worten οἵω τώ γε λέοντε δύω erklärt C. E. Gep-
pert Über den Urspr. der Hom. Ges. II 8. 194 das τώ γε für
das ‘abundierende’ Produkt eines Rhapsoden. A. Matthiä Ausf.
Gram. $ 264, 4 bemerkt: “οἴω τώ ye λέοντε δύω erklärt sich aus
der Gewohnheit des Dichters zu malen und zu individualisieren,
wie unsere Dichter sagen, jene Löwen, nämlich die ich im Geiste
sehe’. Ebenso J. U. Faesi: ‘rw ye ist auch hier hinweisend: wie
dort zwei Löwen, wie jene zwei Löwen’. Bei H. Förstemann
Gebrauch des Artikels bei Homer $. 32** lesen wir folgendes:
“der Artikel in E 554 οἵω τώ γε λέοντε lälst sich wohl noch am
besten durch Gegensatz zu der andern Seite des Gleichnisses er-
klären (τοέω τῶ), wenn die Stelle nicht verdorben ist”. Mit dem-
selben Zusatz ‘si lectio vera habenda est” will Franz Schnorr
v. Carolsfeld Verborum colloc. Homerica p. 16 das Wort δύω
als Prädikat verstehen. Eine doppelte Deutung unserer Stelle
giebt Fr. Spitzner, und L. Döderlein hat nach Bothes Vor-
gange kurz bemerkt: “οἵω per hyperbaton pro τώ γε, οἵω λέοντε".
Ebenso erklärt Alexis Pierron. Ameis verband οἵω τώγε und
trennte diese Worte von den folgenden durch Komma, so dafs
mit λέοντε — ἐτραφέτην selbständig die Geschichte eines Löwen-
paares erzählt werde, aber dies ist ohne alle Analogie. Es
scheint nichts übrig zu bleiben, als ein allerdings auch sehr auf-
fallendes Hyperbaton anzunehmen. Übrigens hat Nauck statt τώ
γε vermutet ϑῆρε. — 567. Über σφάς vgl. Lobeck Elem. Ip. 241
not. 9. In #315 ist dieselbe Form durch Bekker verbessert
worden. Hier aber vermutet Ahrens im Philol. VI p. 26 als ur-
sprünglighe Lesart σφε, Nauck aber bezweifelt die Urspünglich-
keit des Verses. —- 589 wird verworfen von Benicken in Jahrbb.
1873 p. 94. Auch Nauck hat bemerkt: spurius? Über das
Verhältnis von 590f. zu 4343. vgl. v. Christ im Sitzungsber.
d. bayer. Akad. 1880 p. 233. — 593. Über ἔχουσα κύδοιμον vgl.
C.W. Goettling Gesamm. Abhandl. I (Halle 1851) 8. 202f. und
zu Hesiod. sc. Herc. 339. Übrigens ist dieser Vers von Köchly
104 E. Anmerkungen.
ausgeschieden, vgl. dagegen Benicken das fünfte Lied p. 43. —
597. Ansprechend ist die Deutung von ἀπάλαμνος bei Autenrieth
im Wörterb.®: des Schwimmens unkundig (sine palmis). —
603. Zur Beseitigung des Hiatus empfiehlt van Herwerden
quaestiuneulae ep. et eleg. p. 8: πάρ᾽ ἄρ᾽ εἷς γε statt πάρα εἷς
γε zu schreiben, dieselbe Vermutung führt Nauck an, hinzufügend:
an mag’ ἕεις
628 ff. Über die gegen den folgenden Abschnitt bis 698 aus-
gesprochene Athetese vgl. die Einleitung p. 73f. dazu Giseke
quaeritur num quas ete. p. 5f. und Hom. Forschungen p. 162
und 236, Köchly de Iliad. carmm. diss. IV p. 21, Ribbeck in
ἃ. Jahrbb. f. klass. Philol. Bd. 85 p. 20 ἢ, Düntzer Hom. Abhandl.
p. 256, Jacob Entstehung ἃ. Il. u. Od. p. 203, Nitzsch Bei-
träge p. 387, Genz zur Ilias p. 22, La Roche in Zeitschr. f. d.
oesterr. Gymn. 1863 p. 166, Holm ad Car. Lachmanni exem-
plar ete. p. 4, Kayser Hom. Abhandl. p. 8. 23. 100, Bergk
griech. Litteraturgesch. I p. 559 u. 575, Naber quaestt. Hom.
p. 159, Hoffmann quaestt. Hom. II p. 209 f., v. Christ in
Sitzungsber. d. philos.-philol. Kl. d. königl. bayr. Akad. 1881 II
p. 161. 167f., Schmidt Meletem. Hom. II p. 13f., Benicken
ἃ. fünfte Lied p. 32#. 62.
638. ἀλλοῖόν τινα, die Lesart des Tyrannio, wird jetzt von
den meisten gebilligt, auch von A. Nauck Aristoph, Byz. p. 53.
Ameis wendete dagegen folgendes ein: 1) Nach ἀλλοῖος wird sonst
nirgends das Indefinitum rig gefunden, und es scheint auch mit
dem Begriffe desselben nicht wohl vereinbar zu sein, da es kaum
von rein geistigen Eigenschaften gesagt werden dürfte, wenn
man die drei Stellen 4 258. x 181. 7265 vergleicht. 2) Mit ἀλ-
Aoiov wird bezeichnet, dafs Herakles schon von Geburt aus
eine anders organisierte Persönlichkeit war. Aber daraus, dafs
Herakles von der Natur mit weit höheren Eigenschaften des Geistes
und Körpers ausgerüstet wurde, kann doch dem Sarpedon kein
Vorwurf erwachsen, wenn dieser bei geringerer Befähigung aufser
Stande war, dem Herakles nachzueifern? Nach dem Zusammen-
hange können nur gleichbefähigte Söhne des Zeus einander
entgegengesetzt werden, sei es dals sie in Wirklichkeit gleiche
Fähigkeit haben, sei es dafs sie poetisch als solche dargestellt
werden. Dieses letztere Erfordernis nun würde durch ἀλλοῖον eine
Störung erhalten. 3) Wenn man ἀλλοῖον hier als einen “Ausdruck
ruhiger Emphase” betrachtet, so wird dies in deutliche, Sprache
übersetzt nichts anderes bedeuten, als was F. A. Wolf in der
praef. Kleine Schrift. herausg. von Bernhardy I 271 mit satis
languide’ bezeichnet hat. Denn mitten in affektvoller Rede
bleibt ἀλλοῖόν τινά φασι ein matter Ausdruck. Ich habe daher
mit F. A. Wolf, Spitzner, W. Dindorf, La Roche die Lesart
sämtlicher Handschriften, welche Aristarch und die meisten Gram-
E. Anmerkungen. 105
matiker schützen, nämlich ἀλλ᾽ οἷόν τινὰ beibehalten und verstehe
sie mit den Alten und F. A. Wolf als gegensätzlichen Ausruf der
Bewunderung, der zugleich mit eine Begründung 'des vorhergehen-
den enthäl “at quanto melior, quam dissimilis tw fuit ille! at
qualis vir!’ Anders Fr. Spitzner, der mit Pios im Schol. B.
elliptisch erklärt: ἀλλὰ τοιοῦτοι, οἷον xr£., also ‘sondern (solche
waren es) wie der Sage nach Herakles Kraft war, d. i. ganz
andere Leute als du”. — 645. Die Ursprünglichkeit des Verses
wird von Nauck bezweifelt. — 653. τεύξεσϑαι wird allgemein als
Futurum von τεύχω betrachtet und deshalb im Sinne von τετεύξεται
passivisch erklärt, wie auch von Ed. Geist Disquis. Hom. in
Jahns Archiv für Philol. I (Leipzig 1832) p. 617 bemerkt ist:
“Futurum τεύξομαι hoc tantum loco vim passivam habet”. Aber
diese Deutung kann weder sprachlich noch sachlich gerechtfertigt
werden. — Das Verhältnis von 652—54 zu 4 443—445 erörtert
v. Christ in Sitzungsber. d. kön. bayer. Akad. philos.-philol. Kl.
1880 p. 234f. — 666. L. Doederlein ist in seiner Ausgabe zu
Nicanors (ed. Friedl. p. 184) Eıklärung, welche auch Heyne
billigte, zurückgekehrt: ὄφρ᾽ ἐπιβαίη, sc. τῶν ὧν ὀχέων, ex σπευ-
δόντων pendet”. Ebenso Bothe und Alexis Pierron. Aber
dies hat I. Bekker Hom. Blätter S. 22 längst widerlegt. Be-
gründet ist auch was V. H. Koch dagegen bemerkt: ‘vom Wagen
des Sarpedon war seit 494 nicht die Rede, auch widerspricht das
Folgende”. Man kann beifügen: wenn die erwähnte Erklärung nur
möglich sein sollte, so mülste das blofse ἐπιβαίνειν für den Be-
grift “auf den Wagen steigen’ ein ebenso stabiler Ausdruck sein,
wie εἰσβαίνειν (und ἀναβαίνειν) vom Einsteigen in die Schiffe: zu
«210. Dies ist aber durchaus nicht der Fall. Übrigens wider-
strebt auch der Sinn von σπεύδειν, denn dies Verbum bezieht sich
auf den Eifer, den Verwundeten im Kampfe zu schützen und in
Sicherheit zu bringen, wie der nachfolgende Satz mit γάρ beweist:
vgl. K. Lehrs de Arist.? p. 116. Übrigens scheiden van Her-
werden quaestiunc. ep. et eleg. p. 8 und Nauck in der Ausgabe
V. 666 aus. — 670. Zu der Wendung μαίμησε --- ἦτορ vgl. Fulda
Untersuch. p. 230. — 678 haben aus dieser Stelle wörtlich ent-
lehnt Verg. Aen. IX 767 und Ovid Met. XIII 258. — 697. An
Stelle der gewöhnlichen Lesart ἀμπνύνϑη (La Roche: ἐμπνύνϑη
mit Aristarch) empfiehlt van Herwerden in Revue de philologie
N. 8. 1878, II p. 195#.: ἀμπνύϑη, wie nach La Roche der Ven.
A bietet, doch mit übergeschriebenem ν. — Zum sachlichen In-
halt der Stelle vgl. Roscher Hermes der Windgott p. 55.
708. μεμηλώς mit Gen. findet sich nur hier und N 297. 469.
Spätere Dichter gebrauchen μεμηλώς in dem Sinne von studens
oder intentus, aber meist mit Dativ. Nauck in den Melanges
Greco-Rom. iv Ρ. 584 ἢ möchte die Anomalie beseitigen durch
die Änderung: μεμαώς oder vielleicht μεμηώς. — ΤΙ1 — 792.
106 E. Anmerkungen.
Dieser Abschnitt in Verbindung mit 907—909. Z1 wurde athe-
tiert von Haupt bei Lachmann Betracht. p. 107f. vgl. 21: vgl.
die Einleitung p! 64f, dazu Benicken das fünfte Lied p. 26 fl.
44. 62f. 72f, Hoffmann im Philol. ΠῚ p. 211f., Jacob Ent-
stehung ἃ. Ilias u. Od. p. 205f., Naber quaestt. Hom. p. 159,
Bernhardy Grundrifs ἃ. griech. Litt. °II, 1, p. 163, Bergk griech.
Litteraturgesch. I p. 579, Düntzer Hom. Abh. p. 55f. 257, Grofs
vindie, Hom, part. I p. 61, Genz zur Ilias p. 22, Köchly de
liad. carmm. diss. IV p. 22.
723. Weil die Cäsur nach ὀχτάκνημα eintritt, hat Bentley
statt des überlieferten χάλκεα im Versanfange χάλκει᾽ konjiziert
(wie 731 χρύσει᾽ steht) und dies hat I. Bekker als eigene Kon-
jektur aufgenommen. Aulser y«Axsı’ vermutet Nauck nach dem
Vorgange von Cobet Miscell. erit. p. 413 ὀκτώκνημα statt ὀκ-
τάκνημα. — Über die Speichen bemerkt K. Grashof Über das
Fuhrwerk 5. 33: “Die Speichen (κνῆμαι), welcher Name selbständig
nicht vorkömmt, sich aber aus dem den Rädern an Here’s Wagen
gegebenen Beiwort öxtdxvnuog entnehmen läfst, sind acht an der
Zahl, und nichts berechtigt uns anzunehmen, dafs ilrer gewöhn-
lich nur sechs gewesen seien, und Homer an den Götterwagen,
wie Eustathius sich ausdrückt, διὰ πλείω στερρότητα die Zahl ver-
mehrt habe’. Aber es berechtigt auch nichts, diese Notiz sowie
die Bemerkung des Schol. zu Pindar. Pyth. II 73 in Zweifel zu
ziehen. Dagegen wird jeder billigen, was Grashof beifügt: “Wenn
aber nach Tzetzes zu Op. et D. 426 der Radkranz vier Felgen
hatte, so ist mehr als wahrscheinlich, dafs jede Felge von zwei
Speichen gestützt worden sei”. — 727. Die Worte δίφρος ἱμᾶσιν
ἐντέταται hat K. Grashof Über das Fuhrwerk 5. 18 Anm. 15
richtig erklärt.
729. In τοῦ δ᾽ ἐξ ἀργύρεος δυμὸς πέλεν ist vielen das ein-
stimmig überlieferte Tempus von πέλεν anstölsig gewesen. Daher
hat zuerst Bentley πέλει konjiziert, nach diesem andere, wie
S. A. Naber in Mnemosyne 1855 p. 209 vgl. Quaestt. Hom. p. 109,
und jetzt Nauck. Dabei beruht die Berufung auf die ‘Scholien’
auf einem auch bei Heyne sich findenden Milsverständnis der
Worte τὸ δὲ πέλεν ἀντὶ τοῦ πέλει. Vgl. L. Friedlaender zu
Ariston. p. 6. L. Friedlaender selbst nun bemerkt im Philol.
VI 8. 676 ἢ: “Allerdings erwartet man das Praesens; das Imper-
fectum dient den Übergang aus der Beschreibung in die Erzäh-
lung zu machen”. Den Übergang? Es ist ja schon 722 βάλε ge-
sagt. Daher hat J. U. Faesi Friedlaenders Worte in folgender
Fassung aufgenommen: ‘Das Imperfekt πέλεν nach den Praesentia
724 bis 728 dient zur Rückkehr aus der Beschreibung in die
Erzählung’. Doch da fragt man sogleich, warum der Dichter zur
Erzählung zurückgekehrt sei: der Grund davon aber kann nur in
der Bedeutung der Worte liegen. Das Verbum πέλεν nämlich
E. Anmerkungen. 107
heifst nicht “war gemacht” oder blofs “war”, was in Verbindung
mit ἔκ τινος einen ganz andern Sinn geben würde, weil es dann
mit γίγνεσϑαι oder εἶναι ἔκ τινος in Parallele käme. Nein, das
πέλεν muls seine sinnlich anschauliche Bedeutung behalten: nur
ist der Begriff “streckte sich oder ragte’, den Philipp Mayer
und K. Grashof Über das Fuhrwerk $. 35 gebrauchen, weniger
passend als unser “ging aus”. Wenn nun ein Wagen aulser Ge-
brauch gesetzt werden sollte (zu B 777), so wurde die Deichsel
abgenommen und sie mufste, sobald der Wagen von neuem ge-
braucht wurde, erst wieder angelegt und befestigt werden. Mithin
konnte der Ausdruck ἐκ δίφρου Guuög πέλεν nur dann stattfinden,
wenn der Wagen wie hier zum Gebrauche in den Stand gesetzt
wurde, während die übrigen Teile auch nach der Loslösung
ihre 724 bis 728 angeführten Eigenschaften unveränderlich
beibehielten.
730. Zur Veranschaulichung
sind bier aus Autenrieths
Wörterbuch Tafel XII drei Ab-
Grund von antiken Bildwerken
komponiert hat und wozu er nun-
mehr folgende Erläuterungen giebt.
In N. 55 sind die verschiede-
nen Teile des Jochs und zwar
Τῇ) ξυγόν das Jochholz mit ab-
gerundeten Enden,
a) ὀμφαλός, Jochknauf,
Ih) οἴηκες, Ringe, Ösen für
das Zügelwerk, teils am
Knauf, teils auf dem Joch
(in Fig. 12 blofs auf letz-
terem angebracht).
99) Nägel, oder Haken, in
welche die λέπαδνα einge-
hängt werden.
dd) ξεῦγλαι, Jochkissen, Kum-
mete (in Fig. 12 lit. e),
ἢ) λέπαδνα, Zuggurte, welche
am inneren Ende neben
der Deichsel, schon vor der
Bespannung hängen und
zwar hier befestigt.
bb) ἡνία, Zügel und zwar de-
ren längster, hinterer Teil,
der etwa an der ἄντυξ (wie Fig. 12) schon vor der Be-
spannung angebunden ist und an deren vorderes Ende dann
Nr. 18,
108 E. Anmerkungen.
bei der Bespannung der Kopfzaum, den die Pferde mit dem
Stirn- und Backenriemen an sich tragen, mittelst Schnallen
befestigt wird,
©) πρίκος, der Jochring, in welchen die Deichselspitze hinein-
geschoben wird, worauf dann der Jochnagel in der Weise
eingesteckt wird, dafs er oben vor, unten hinter dem Ringe
steckt.
Die Fig. 50 zeigt, nach Anleitung von 2272, wie das Joch
an der Deichsel befestigt wird, was natürlich der erste Akt des
Bespannens ist. „Sie
„Hoben vom Pflock das Buchsbaumjoch für die Mäuler,
Oben versehn mit dem Knauf und wohlgerüstet mit Ösen,
Holten dann auch den voll neun Ellen messenden Jochriem;
Sorglich befestigten sie am Vorderbeschlage der glatten
Deichsel das Joch und warfen sodann den Ring um den Nagel;
Dreimal über den Knauf von beiden Seiten und abwärts
Banden den Riemen sie fest und bogen das Ende darunter.“
, So kann Jordans Übersetzung
(mit wenig Änderung) zur Er-
läuterung obiger Zeichnung die-
nen.
Zunächst wurden dann die
Tiere unter das Joch geführt,
die äufseren Riemen der λέπαδνα
eingehängt (so dafs die Brust-
} gurte nun beiderseits am Joch
befestigt waren) und die Kapp-
zäume mit den Zügelriemen zu-
sammengeschnallt; damit war die Bespannung fertig. — 734—36
wurden von Zenodot verworfen: vgl. Düntzer de Zenodoti stud.
Hom. p. 185. — 737. Zur Verbindung der Worte hat schon
F. A. Wolf praef. von 1804 in Kleine Schr. herausg. v. G. Bern-
hardy I 273 mit Recht bemerkt: “ipsi veteres saepe errarunt in
80, quod rhythmicum ingressum turbabant et; sustinebant miris
modis; neque Aristarchus ea culpa vacabat ad E 737. Θ 387. —
738f. Über die Aegis bei Homer vgl. jetzt auch Bader in Jahrbb.
f. Philol. 1878 p. 577 ff., wo derselbe auch die vorliegende Be-
schreibung erörtert.
743. Aus Autenrieths Wörterbuch folgen hier einige Ab-
bildungen von Helmen mit seiner neuredigierten Erklärung. „Der
Helm, κόρυς, besteht zunächst aus der Kappe oder Wölbung,
κυνέη (diese Erklärung A. Göbels ist gewils richtig), Fig. 90,
eine Lederkappe mit einigen Metallreifen. Φάλοι sind wohl nicht
Schirme; denn die von Köchly-Rüstow angenommenen Schirme
möchten wohl schwer sämtlich aus Homer belegbar und dann
τετράφαλοι nicht deutbar sein. φάλοι (viell. verwandt mit φλέω,
E. Anmerkungen. 109
πομφόλυξ, bulla) sind wohl Wülste, Reifen. Wenn man nun aus
den obigen antiken Bildern einen Schlufs ziehen darf, so wäre
noch zu bemerken: αὐλός die Röhre, welche in dem κύμβαχος,
Helmscheitel, eingelassen, den λόφος und die φάλαρα trägt. αὐλῶ-
mug ist also ein solcher Helm mit der Röhre. ἄφαλος ohne Reif;
Fig. 101
Fig. 152b. Fig, 38.
ἀμφίφαλος mit zwei Reifen, wie Fig. 90, τετράφαλος vierreifig oder
vierkämmig (etwa wie Fig. 145 oder 22); dann bezeichnet φάλαρα
(φάληρα) mehr Metallstreifen oder -Plättehen, laminae, in der Regel
die im αὐλός steckenden Streifen mit den Rofshaaren, vielleicht
auch die Schuppenbekleidung des Sturmbands oder Helmbands und
\
Fig. 90. Fig. 7.
Schmuckstücke (ἀσπίδια) auf der Helmkappe; demnach τετραφάλη-
φος vierstreifig (nämlich mit 4teiligem Helmschmuck, wie Fig. 22,
145 u. viell. 102).
τρυφάλεια hat man neuerdings als τετρυ- (— quadru-) φάλεια
zu erklären versucht; dies wäre neben τετράφαλος und τετραφάλη-
110 E. Anmerkungen.
ρος, die kaum auseinanderzuhalten sind, doch ein Luxus der Sprache,
zumal wo τρῦμα = τρῦπα (wovon τρύπανον) das Loch — so nahe
liegt, also — mit durchlöchertem φάλος. Die Rofshaare des Helms
(ἱππιοχαίτης), der λόφος, waren in einer Doppelschicht (rechts u.
links) von Metall eingelassen und durch eine Art von Kreuzschnü-
rung, vergleichbar einer Steppnaht, damit verbunden, indem durch
Löcher der Streifen die Schnüre herüber und hinübergingen; daher
sind bei den meisten Helmbüschen obiger Bilder solche Löcher-
reiben sichtbar, hie und da (wie in Fig. 152°) dienten ähnliche
Löcher wohl auch zum Schmuck. Als Übersetzung dient etwa
'steppreifig”.
Τρίπτυχος kommt daneben nur 4353 vor und kann wohl nur
mit dreifacher Metalllage bezeichnen; sonst giebt es keinen der-
artigen Helm, aber dafür ist dies ein Geschenk des Hephästos
und muls einen schweren Schlag aushalten.
χαλκοπάρῃος, mit Backenschirm (wie 2 610) ὦ 523. —
744. Über die Worte ἑκατὸν πολίων πρυλέεσσ᾽ ἀραρυῖαν vgl. G. Her-
mann Opuse. IV, p. 286sqg. Naegelsbach Hom. Theol. I, 2.
L. Döderlein Hom. Gloss. $ 446. — 750. Weil Matron in "der
Parodie dieser Stelle bei Athenaeus IV p. 1847 nach den Hand-
schriften die Form ἐπιτετράφαται gebraucht, so vermutet Th. Bergk
in einem Halleschen Universitätsprogramme von 1861 p. 4, dals
statt ἐπιτέτραπται hier ursprünglich der Plural ἐπιτετράφαται ge-
standen habe. Seine Worte sind: “ego quidem non dubito, quin
Matro hoc ipsum ἐπιτετράφαται in suo exemplo repererit, estque
numerus pluralis haud incommodus, modo Olympum montem a
coelo diversum esse memineris, id quod scite observavit Aristar-
chus’. (Vgl. K. Lehrs de Arist.? p. 164sq.) Und hierzu folgende
Worte: “Neque vero primus hoe vidit criticus Alexandrinus, sed
Leagorae Syracusano inventi laudem vindicat Suetonius, ex cuius
libro de notis descripta sunt, quae in Anecdoto Parisino leguntur
(sid. Osann. Anecd. Rom. p. 330)”. — 754. Über die Schwierig-
keiten der Stelle im Vergleich zu 749f. in Bezug auf die ört-
lichen Verhältnisse vgl. Aristonic. ed. Friedl. p. 113 und Nutz-
horn die Entstehungsweise d. hom. Gedichte p. 109.
757. καρτερὰ ἔργα ist nach der Angabe des Didymos die
Aristarchische Lesart, die auch in den meisten Handschriften steht:
denn κρατερά haben CDGMNO, alle andern καρτερά, nur 8. hat τάδ᾽
ἀϊδηλ᾽ ἔργα und Apoll. Soph. p. 16, 31 τάδε ἔργ᾽ ἀΐδηλα. Dies letztere
haben (nach dem Vorgange von Payne Knight) I. Bekker und
Nauck hier und 872 (wo es in Schol. LV. Cant. steht) in den
Text genommen; auch Buttmann Lex. 60, 2, L. Döderlein
Hom. Gloss. 8 409 und Clemm in G. Curtius Stud. VIII p. 77
haben diese Lesart empfohlen, letzterer mit der Erklärung: “aspi-
ciens, quae iam non sunt aspicienda”. — Das Fragezeichen ist mit
Bekker am Ende des ersten Verses nach ἔργα gesetzt, wodurch
E, Anmerkungen. 111
der Gedanke an Nachdruck gewinnt. Anders Classen Beobacht.
p. 27. Der Venet. 4 hat Stigme nach ἔργα und ϑέμιστα, Hypo-
stigme nach ἄχος, Diastole nach κόσμον. Für das Fragezeichen
steht im Venet. 4 bekanntlich nur Stigme. — 760f. Über die
Zusammengehörigkeit von τέρπονται ἀνέντες vgl. J. Classen Beob-
achtungen 8. 93 Anm. 55. — 765. Statt μάν of ist mit Bekker
aus einigen Urkunden μήν οἵ aufgenommen. Vgl. Köchly zu
Quint. Smyrn. IV 530. — 766 eitiert Julian. or. IV p. 196°. —
770. Über ἠεροειδής vgl. den Anhang zu 8 263; eine abweichende
Erklärung giebt Schmidt Synonymik d. griech. Spr. I p. 613. —
Zum Gleichnis vgl. Friedlaender Beiträge I 31f. — 772. Wegen
des digammatischen Anlauts von ἠχή sieht van Herwerden quae-
stiuneulae ep. et eleg. p. 9 in ὑψηχής eine spätere Bildung und
vermutet als ursprüngliche Lesart hier ὑψαυχένες, wie #27 ὑψαυ-
χένας, vgl. Z 509; dieselbe Vermutung giebt Nauck. Vgl. indes
Knös de digammo Hom. p. 61. — 774. Über die lokalen Ver-
hältnisse handeln v. Christ in den Sitzungsbericht. d. bayer. Akad.
philos.-philol.-histor. Kl. 1874 p. 189 und ebendaselbst 1881 p. 133,
und Hercher über die homerische Ebene von Troja, Berlin 1876
p. 127 ff. — Zum σχῆμα Alruavızöv vgl. Aristonikos zu dieser
Stelle und Lesbonax zu Ammon. ed. Valken. p. 180.
778. Statt αἵ δὲ βάτην bieten der Schol. zu Soph. El. 977
und Oed. Col. 1676 und der Schol. zu Eurip. Alec. 923 die Lesart
τὼ δὲ βάτην. So auch Zonaras p. 1758. Hierzu hat E. R. Lange
bemerkt: ‘Quae lectio cum nequeat ex tripliei errore nata esse,
ob raritatem illius dualis usus in eam lectionem, quae hodie vulgata
est, αἱ δὲ ß., mutata videtur. Und zu diesem τὼ δέ vergleicht, er
© 378 προφανέντε, Θ 455 πληγέντε, Hesiod. Op. 1988. καλυψαμένω
und προλιπόντε nebst Matthiäi Gram. $436 u. Kühner Gram. $427.b.
Ähnlich urteilt W. C. Kayser im Philol. XVII 5, 708 und Blom-
field zu Aesch. Pers. 186 ed. Lips. Danach ist τὼ δὲ jetzt nach
Naucks Vorgange in den Text aufgenommen. — Zu ὁμοῖαι vgl.
hymn. Hom. in Apoll. 114 (Iris und Llithyia) βὰν δὲ ποσὶ τρήρωσι
πελειάσιν ἴϑμαϑ᾽ ὁμοῖαι und Aristoph. Av. 574 Ἶριν δέ χ᾽ Ὅμηρος
ἔφασκχ᾽ εἶναι ἰκέλην τρήρωνι nein. Übrigens sieht W. Jordan
Homers Ilias übersetzt und erklärt, p. 577 in dem Verse eine
Interpolation aus jener Stelle des Hymn. Apoll. — 782. Statt
Aslovoı vermutet Nauck λέεσσι. — 785. G. Hermann Op. IV
p- 296 sq. “Homerus auxit per hyperbolen vires deorum, quas
immensas cogitare animus sine perversitate potest. Ita E 859.
Quae de Neptuno repetuntur #148. In dea vero scite declinavit
quod minus decorum videbatur in E 784°”. Was K. Göttling zu
Hesiod. theog. 311 [nach Schol. AL. zu unserer Stelle] als Erklü-
rung giebt: ᾿χαλκεόφωνος cuius vor est tubae instar’, das lälst sich
für Homer weder sprachlich noch sachlich begründen. Über die
Stimme des Stentor und zu 860 vgl. auch Juvenal XIII 112f.;
112 E, Anmerkungen.
sonst vgl. über Stentor Haupt bei Lachmann Betracht. p. 109
und dagegen Köchly de Iliad. carmm. diss. IV p. 24; Bergk
griech. Litteraturgesch. I p. 579 deutet den Namen als “Donner-
gott”. — 787. Statt κάκ᾽ ἐλέγχεα hat Aristarch hier κάκ᾽ &ey-
χέες gelesen, wozu Heyne bemerkt: ‘recte sane hoc 4 242, at ab
hoc loco alienum’”. Auch Nauck in den Melanges Gr&co-Rom. IV
p- 595 und Cobet Mise. orit. p. 287 empfehlen ἐλέγχεα. — 797.
Statt τείρετο geben τρέίβετο A super. CDGM. — 798. Über die in
dieser Stelle herrschende Unklarheit in Bezug auf die Lage der
Wunde vgl. W. Jordan Homers Ilias übersetzt und erklärt p. 577.
802. Ameis bemerkte richtig, dafs die beiden Sätze mit öre
nicht in gleicher Weise sich auf dasselbe einzelne und be-
stimmte Faktum beziehen, schon weil die Iterativform εἴασκον
das verbietet, aber darum war doch der erste mit καί δ᾽ ὅτε περ
mit dem vorhergehenden Gedanken 801 nicht zu verbinden. Es
steht. dem schon die Partikel δὰ nach καί entgegen, welche un-
beachtet geblieben ist: die Stellensammlung für καί ῥα bei Rhode
über den Gebrauch der Partikel ἄρα bei Homer. Moers 1867,
p. 27 zeigt, dafs καί in dieser Zusammenstellung nur Verbindungs-
partikel ist, nie als steigerndes auch verwendet. Höchstens könnte
man das καί Τ' 42 vor nachfolgendem οἵ reg, wegen der Aufnahme
καὶ μὴν οἵ A5 als steigerndes auch, selbst fassen wollen, aber
auch da ist es natürlicher καὶ 42 als Verbindungspartikel zu ver-
stehen; das καί 45 erklärt sich genügend aus dem koncessiven οἵ eg.
Die Stelle ist übrigens sehr ähnlich und jedenfalls zeigt auch sie,
dafs eine unmittelbare Verbindung mit dem vorhergehenden Satze
nicht möglich ist. Auch an unserer Stelle verträgt die Allgemein-
heit der Charakterisierung in 801 kaum den unmittelbaren An-
schlufs eines doch immerhin spezialisierenden Zuges, der vielmehr
durch καί δὰ als dem allgemeinen entsprechend (und — so denn)
daran geknüpft wird. Ist aber dieser Nebensatz von dem Vorher-
gehenden zu lösen, so ergiebt sich weiter die Notwendigkeit den
Nachsatz nach 804 anzusetzen, und da scheint es doch am natür-
lichsten 805 den Nachsatz beginnen zu lassen, statt diesen Vers,
wie Franke bei Faesi will, als Parenthese zu fassen; denn dann
würde, da αὐτάρ 806 klar auf diesen parenthetischen Gedanken
seine bestimmte Beziehung nimmt, überhaupt das ganze Satzgefüge
völlig aufgelöst sein. Das Auffallende, dafs 805 als Nachsatz ge-
fafst, nach seinem Inhalt dem ersten Vordersatze 802 so nahe
verwandt ist, erklärt sich genügend daraus, dafs nachdem einmal
an den ersten allgemeinen Vordersatz ein zweiter sich geschlossen
hatte, der einen speziellen Fall einführte, beim Nachsatz nur der
letzte malsgebend war. Überdies ist es auch in Bezug auf den
809 Ε΄. in entsprechender Weise durchgeführten Gegensatz viel wirk-
samer, wenn 805 nicht zu einer parenthetischen Zwischenbemer-
kung herabgedrückt wird, sondern nachdrücklich hervortritt.
E. Anmerkungen. 113
808. Dieser Vers wird bereits von Aristarch verworfen,
wie Aristonikos hier und zu 4 390 erwähnt. Unter den Neuern
hat ihn zuerst F. A. Wolf in Klammern eingeschlossen und seit-
dem ist er überall als unecht bezeichnet. Mit Recht, denn die
Erwähnung von Athenes Hülfe ist ein Widerspruch zu 802, der
gerade das vernichtet, was Athene beweisen will, nämlich dafs
Tydeus auch gegen ihr Verbot ein tapferer Kämpfer gewesen sei.
Sodann stört der Vers den Gegensatz zwischen αὐτὰρ ὁ (806) und
σοὶ δ᾽ ἦτοι ἐγώ, da Athene offenbar sagt: jener war allein, besals
nur seinen Heldenmut und kämpfte siegreich auch gegen mein
Gebot, Jir dagegen stehe ich zur Seite und befehle den Kampf.
Vgl. auch Fr. Spitzner. — 827. Das Verhältnis dieses Verses
zu #342 erörtert v. Christ in Sitzungsber. d. bayer. Akad. philos.-
philol. Kl. 1880 p. 282. — 881. Über die Bildung ἀλλοπρόσαλλος
vgl. G. Meyer in Kuhns Zeitschr. XXII p. 17. — 830—834 werden
verworfen von Düntzer hom. Abhandl. p. 257, vgl. dagegen Be-
nicken d. fünfte Lied p. 63. — 839. Das δ᾽ ist nach der An-
gabe des Didymos die Aristarchische Lesart, die nach Spitzners
Vorgang aufgenommen ist, während die Andern τ᾿ geben. Die
unverwandelte Gottheit und der Mensch pflegen bei Homer nicht
in dieser Weise als gleichberechtigte vereinigt zu werden, wie es
mit τέ geschehen würde. Vgl. auch den Anhang zu A 547. Übri-
gens wurden 838. 839 von Aristarch verworfen, vgl. Aristonic.
p. 115 und dagegen Köchly de Iliadis carmm. diss. IV p. 24
und Benicken d. fünfte Lied p. 38.
845. δῦν᾽ ”Audog κυνέην. Über die Darstellung derselben in
der Kunst vgl. K. F. Hermann Die Hadeskappe (Göttingen 1853)
8. 5 nebst den beigefügten neun Abbildungen. $. 14 bemerkt er
folgendes: “Ob bei jenem Namen ursprünglich an den König der
Unterwelt persönlich gedacht war (was schon Hygin. Poet. astron.
12 leugnete), ist dafür gleichgültig; wir können es uns sehr wohl
gefallen lassen, dals das Wort, wie es schon bei Homer vorkommt
(E 845; vgl. Plat. rep. X p. 612 und Aristoph. Acharn. 397) [wo
man von den Spätern Achill. Tat. III 7 beifügen kann] und später
sprichwörtlich geworden ist, mit letzterem zunächst nur den
abstrakten Begriff der Unsichtbarkeit gemein hatte, ohne des-
halb gerade als eine Kappe gedacht zu werden; ebenso gewils
aber ist es, dafs der spätere Sprachgebrauch dasselbe direkt auf
die mythologische Person des Namens "Aıdng bezog (aufser Eustath.
p. 613, 23 insbesondere Apollod. bibl. I 2, 1); und wenn der eine
Künstler diesen in der Tracht eines orientalischen Königs dar-
stellte, so konnte mit gleichem Rechte der andere die phrygische
Königsmütze zu der seinigen machen. Dabei soll allerdings nicht
verhehlt werden, dafs ein bestimmter Nachweis dieser Helmform
auf Hades’ eigenem Kopfe bis jetzt noch nicht beigebracht ist, und
selbst diejenigen sonstigen Spuren, in welchen man schon früher
Hnxrze, Anhang zu Homers Ilias. II. 8
114 E. Anmerkungen.
die Hadeskappe unter der Gestalt einer phrygischen Mütze hat
erkennen wollen, bei unbefangener Betrachtung manchem Beden-
ken unterliegen. Was nun unsere Stelle betrifft, so ist man in
der Auffassung derselben fast allgemein einverstanden. So sagt
L. Preller Gr. Myth. II 494: “Ein altes Symbol der Unsicht-
barkeit ist der sogenannte Helm oder die Kappe des Aides (4ıdog
κυνέη), die der Tarn- oder Nebelkappe der nordischen Sage ent-
spricht. Ursprünglich hatte sie die allgemeinere Bedeutung einer
bergenden Nebelhülle, daher E 845 Athene eben diesen Helm auf-
setzt; bei anderen Hermes, und auch die Heroen Perseus und
Herakles bedienen sich ihrer’. Ebenso sagt F. G. Welcker Gr.
Götterl. I 86: “Allegorisch und sinnbildlich ist dafs Athene
sich den Helm des Aides aufsetzt (E 845), sind die Fässer des
Guten und des Bösen (2 527)’. Ähnlich bei andern. Und diese
Deutung finden wir bereits beim Schol. D in den Worten νέφος
τι καὶ ἀορασίαν ausgesprochen. Zum Sprachgebrauche hat bereits
Nägelsbach Hom. Theol. IV 11 den Ausdruck ἦ τέ χεν ἤδη
Acıwov 8000 χιτῶνα passend verglichen. Es ist daher die Frage
mancher Neuern, wie Athene diese Hadeskappe über ihren eigenen
Helm (7148 5) habe aufsetzen können, gleich von vornherein abzu-
lehnen: die homerische Zeit hat beim Hören der Worte nicht mehr
an den sinnlichen Hergang eines eigentlichen Aufsetzens gedacht,
oder wie G. W. Nitzsch Beitr. zur Gesch. der ep. Poesie 8, 388
Anm. 100 es ausdrückt: “Dieser Helm will nicht so materiell ver-
standen sein”. Und derselbe schon Anmerk. zur Od. II 8. 135:
‘der Helm des Hades gehört, soviel immer die Fabel nachmals
mit ihm gespielt hat (Jacobs zu Achill. Tat. 65, 17), nur der
bildlichen Rede an’.
852. Die frühere Vulgata ἀπὸ ϑυμὸν ὀλέσσαι in CDGLMO
ist von Heyne und F. A. Wolf mit Recht aus dem Venetus und
den anderen Quellen in ἀπὸ ϑυμὸν ἐλέσϑαι verbessert worden.
ἀπὸ ϑυμὸν ὀλέσσαι bedeutet vitam amittere, niemals vitam eripere:
vgl. 4 205. Θ 90. 270. 358. Καὶ 452. 1342. 433. M 250. II 861.
P616. 292. 7412. 2 638. μ 350. (Orph. Argon. 595.) Vgl. auch
Eustath. p. 958, 59. Dasselbe ist ἦτορ ὀλέσσαι E 250. ψυχὴν ὀλέσαι
N 7163. νόστιμον ἦμαρ ἀπολέσαι α 354.— ἀπὸ ϑυμὸν ἐλέσϑαι bedeutet
vitam eripere oder interficere: E 673. 691. K 506. 11655. P17.
7436. ξ 406. χ 462. Ebenso ἀπὸ μένος ἐλέσϑαι I 394. ψυχὴν
ἀφελέσθαι X 257. ἀπὸ νόστον ἐλέσϑαι ΠῚ 82. νόστιμον ἦμαρ ἀφελέ-
σϑαι α 9. τ 309. Die Notwendigkeit übrigens, dafs man an unserer
Stelle sowie in den meisten der obigen Beispiele die sogenannte
Tmesis annehmen müsse, hat gegen Hoffmann gut erwiesen
Marcus Rosberg De praepositionibus apıd Homerum. I. ἀπό
(Upsala 1868) p. 89 sq.
854. ὦσεν ὑπὲκ δίφροιο ἐτώσιον ἀιχϑῆναι: K. Grashof (Fuhr-
werk 8. 18), Frantz Spitzner, 7, U. Faesi erklären die Stelle
E. Anmerkungen. 115
im wesentlichen wie J. La Roche Über den Gebrauch von ὑπό
bei Homer 8. 48f., wo die Erklärung am genauesten also ent-
wickelt wird: “Athene nahm den Speer mit der Hand und stiels
ihn so, dals er wirkungslos unter dem δίφρος wegfuhr. Ares,
der zu Fuls kämpfte gegen den auf dem Wagen stehenden Dio-
medes, warf den Speer über das Joch und die Zügel der Pferde,
also jedenfalls von unten nach oben; man sollte also denken, dafs
der Speer eher über den Wagen als unter den Wagenstuhl hätte
fahren können, wenn Athene ihn wirkungslos machte, oder seit-
wärts davon weg, daher die Lesarten des Ven. A ὑπέρ und Vrat.
A ἀπ᾽ ἐκ — doch ϑεοὶ δέ τε πάντα δύνανται᾽. Vgl. auch Jordan
Homers Ilias übersetzt und erklärt, p. 578. Ameis verband nach
dem Rhythmus des Verses ὦσεν ὑπὲκ δίφροιο und erklärte: “Ares
hatte als Fufskämpfer unten vom Wagen her ber Joch und
Zügel der Rosse in die Höhe zum Stofs (nicht zum Wurf)
gegen Diomedes mit dem Speere sich ausgestreckt, und
diesen (ausgestreckten Speer) falste die (unsichtbare) Athene,
die nach homerischer Vorstellung etwas größser als Diomedes ge-
dacht wird, sofort mit der Hand und stiels ihn unten vom
Wagen heraus (ἃ. i. rifs ihn aus den Händen des unten vor
dem Wagen stehenden Ares), so dals er vergeblich dahin-
stürmte”. Capelle im Philol. XXXVII p. 98 empfiehlt ὑπέρ zu
lesen. — Über den mit ὦσεν verbundenen Infinitiv vgl. Leo Meyer
Der Infinitiv der homerischen Sprache (Göttingen 1856) 8. 18.
— 857. Der Dativ in den angeführten homerischen Stellen ist
die Aristarchische Lesart. Über diese Verbindung hat schon Fr.
Spitzner richtig geurteilt und schliefslich mit Recht bemerkt:
“Utrumque vero per se rocte dici apparet, nam ξώννυσθυι μέτρῃ
est mitra eingi et ξώννυσϑαι μίτρην mitram sibi induere sive sub-
nectere”. Übrigens hat schon Aristarch unsere Stelle für den
Begriff von μίτρη als die "klassische Stelle” bezeichnet: K. Lehrs
de Arist.? p. 123. — 861. Wegen des ἔριδα ”4gnog nach dem
unmittelbar vorhergehenden χάλκεος ”4gng vgl. Stallbaum zu
Plat. Symp. p. 196, wo darüber bemerkt ist: “In qua ratione
ne quis offendat, tenendum est Graecos pro eo, quo pollebant, vi-
gore ingenii saepenumero a deorum commemoratione repente co-
gitatione deferri ad rem, cuius illi sunt auctores vel praesides.
Loquendi genus exemplis illustravit Monk. ad Eurip. Alcest. 50
et Fritzsch. Quaest, Lucian. p. 4 sqq.. Nach dieser Sprachweise
findet man auch, wie hier und #149 ἔριδα ξυνάγοντες "Agnas, 80
B 381. T275 einfach ἵνα ξυνάγωμεν ”Agna, dagegen II 764 σύν-
ἄγον κρατερὴν ὑσμίνην. Aus beiden sind dann Redewendungen
entstanden wie εὖτ᾽ ἂν δὴ μῶλον "άρης συνάγῃ Archiloch. 3, 2
ed. Bergk. — 863. Nauck bemerkt: spurius?
868 ff. Über die kritischen Bedenken gegen den folgenden
letzten Abschnitt des Gesanges vgl. die Einleitung p. 64 ff, dazu
8:
116 E. Anmerkungen.
Düntzer homer. Abhandl. p. 257, Naber quaestt. Hom. p. 160;
Benicken ἃ. fünfte Lied p. 63, Kammer zur homerischen Frage I
p- 31.
873 f. Diese beiden Verse schienen Bekker hom. Bl. II p. 68
weder mit dem vorhergehenden noch mit dem folgenden Gedanken
in passendem Zusammenhang zu stehen. Köchly und Nauck
haben dieselben ausgeschieden. — In 874 ist das von Ameis
mit Aristarch nach y&gıv gelesene δ᾽ nach dem Vorgange von La
Roche und Nauck getilgt.
876. Über ἀήσυλα vgl. Clemm in G. Curtius Stud. II,
305 ff., welcher wahrscheinlich macht, dafs das nur hier vorkom-
mende Wort durch Itacismus aus ἀΐσυλα entstanden sei und ge-
radezu diese Form hier zu schreiben empfiehlt.
878. ἐπιπείϑονται und δεδμήμεσϑα. Der Übergang von der
ersten oder zweiten Person zur dritten oder umgekehrt findet sich
bei den besten Schriftstellern. Vgl. O. Schneider im Philol. XXIII
Ρ. 415 sq., welcher zahlreiche Beispiele anführt und schliefslich
noch auf Lobeck zu Soph. Ai. p. 263 not. und Stallbaum zu
Plat. Euthyphr. p. 5* verweist, — 880.Welcker griech. Götter]. I
p. 301 deutet παῖδ᾽ ἀίδηλον “ein heimliches Kind’, weil ohne Mutter
von Zeus gezeugt, vgl. 875 σὺ γὰρ τέκες ἄφρονα κούρην. Vgl.
auch Schoemann opuse. II p. 51. — 881. Wegen ὑπερφίαλος vgl.
K. Lehrs de Arist.? p. 146. Die Variante ὑπέρϑυμον CMNOS.
— 885—887 werden von Nauck als spurü? bezeichnet. Vgl.
übrigens auch W. Jordan Homers Ilias übersetzt und erklärt
p. 578 ἢ — 887. Über die Quantität von ἔα vgl. Oskar Meyer
Quaest. Hom. p. 122 und Hartel homer. Studien I p. 44 δ᾽, auch
Knös de digammo p. 277.
892. ἀάσχετον bezeichnet Nauck als verdächtig; Bekker hom.
Bl. Ip. 158 dachte an ἀάνσχετον, van Herwerden quaestiunculae
ep. et eleg. p. 9 ἀνάνσχετον; J. Wackernagel in Bezzenbergers
Beiträgen IV p. 299 #. nach Verwerfung der früheren Versuche:
ἀνάσχετον. --- 895. Wegen ἄλγος vgl. den Anhang zu 394. — 897.
Über ἀΐδηλος vgl. Clemm in G. Curtius Stud. VIII p. 77.
898. Die Worte ἐνέρτερος Οὐρανιώνων haben eine dreifache
Erklärung gefunden. I. “tiefer unten als die Himmelsbe-
wohner,’ euphemistischer Ausdruck statt ‘bei den Titanen im Tar-
tarus.” So Ὁ. W. Goettling Ges. Abhandl. I 189; Nägelsbach
Hom. Theol. II 3 und andere. II. “tiefer als die Titanen, die
Söhne des Uranos.” So unter andern L. Dissen Kl. Schrift. 8.405;
6. F.Schoemann Opuse. II, p. 35; F.G. Welcker Gr. Götterl. I,
8.263; L. Döderlein Hom. Gloss. $ 2084 und fast sämtliche Aus-
leger Homers. III. Ameis erklärte: “ein tief unterer (ein Ti-
tane) von den Himmelsbewohnern’. Ameis erhob gegen die
erste Deutung unter anderm wohl mit Recht den Einwand dafs der
Ausdruck matt sei. Alleinmit gleichem Recht wird man gegen
E. Anmerkungen. 117
die von ihm selbst versuchte Erklärung einwenden können, dafs
der Genetiv Οὐρανιώνων partitiv gefalst, matt und nichtssagend
ist und grolse Bedenken gegen die Richtigkeit der Erklärung er-
regt. Dies scheint auch Autenrieth empfunden zu haben, da
er in seinem Wörterbich unter Zvegor die Stelle erklärt: “tiefer
als die Götter, ironisch-euphemistisch = der unterste von den
Himmlischen, nämlich in der Unterwelt”. Von den gegen die Auf-
fassung “tiefer als die Titanen’ erhobenen Bedenken teile ich
zunächst das von der Verschiedenheit der Bedeutung des Wortes
Οὐρανίωνες von dem sonstigen homerischen Gebrauch entlehnte
nicht, da ein späterer Ursprung dieser Partie wahrsckeinlich ist.
Auch an der starken Hyperbel des Ausdrucks nehme ich nicht so
grolsen Anstols: denn wenn Zeus auch 895. 896 nach dem hef-
tigen Aufwallen seines Zoms wieder einlenkt, so zeigt doch 897
ὧδ᾽ ἀίδηλος deutlich den Nachhall dieses Zornes und in der dieser
Stimmung entsprechenden Drohung ist eine solche Hyperbel noch
begreiflich und kaunt auffallender, als die Drohung © 13. 14, wo
Zeus nicht einmal im Zorn spricht. So bliebe nur der Zweifel
wegen der komparativischen Bedeutung von ἐνέρτερος. Allein die
ursprünglich jedenfalls komparative Bedeutung erweist das Ver-
hältnis zu ἔνεροι, den Toten der Unterwelt, und so kann die Mög-
lichkeit der komparativischen Auffassung nicht bestritten werden,
Da aber nur so ein wirksamer und klarer Ausdruck gewonnen
wird, wie er der Drohung zu entsprechen scheint, so habe ich
kein Bedenken getragen zu dieser gewöhnlich angenommenen Deu-
tung zurückzukehren.
901. Wegen der Einklammerung dieses Verses vgl. C. Wachs-
muth im Rhein. Mus. XVIII (1863) p. 185 und La Roche krit.
Ausgabe z. St. Aristarch las 900 φάρμακα πάσσεν, wie die besten
Handschriften haben, und der in einer Reihe von Handschr. feh-
lende 901 ist aus E 402 hier eingeschoben. — 902 ff. Der Ver-
gleich ist aus dem Hirtenleben entlehnt, insofern die geronnene
Milch zur Bereitung von Ziegenkäse verwendet wurde. Vgl. 4639.
ὃ 88. ı 219. 246. κ 234. υ 69.
906. Die Bedeutung der Worte κύδεϊ γαίων ist mit Berück-
sichtigung der Bedenken des Aristarch bei Aristonicus ed. Friedl.
p. 116 genauer erörtert im Anhange von Θ 51. Vgl. auch Haupt
bei Lachmann Betracht, p. 109 und Köchly diss. IV p. 24. —
Über die Athetese von 907—909 vgl. den Anhang zu 711 und
die Einleitung p. 64.
118 Z. Einleitung.
Ζ.
Einleitung.
Litteratur: Lachmann Betracht. p. 22 f.; Benicken in
Zeitschr. f. die österr. Gym. 1881 p. 561ff. Zu Lachmanns Kritik:
Blätter für literarische Unterhaltung 1844 p. 505, Hoffmann im
Philol. III p. 212 fl, Düntzer in ἃ. allgemeinen Monatsschrift
für Litterat. 1850, II. = Homer. Abhandl. p. 56f., Holm ad Car.
Lachmann’ exemplar de aliquot Iliadis carmm. compositione, Lü-
beck 1853 p. 6 fl, Gerlach im Philol. XXX p. 27 ἢ, XXXIIT
p. 205 ff., Nutzhorn die Entstehungsweise der homer. Gedichte
Ῥ. 202. — Köchly de Il. carmm, dissert, V. Turici 1858 p. 3 ff,
VI, 1859 p. 3 #., desselben Iliadis carmm. XVI p. 129 f., vgl. Rib-
beck in Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 21 ff. und Düntzer hom.
Abhandl. p. 287 ff. — Düntzer das 3. bis '7. Buch ἃ. Ilias als
selbständiges Gedicht, in den Homer. Abhandl. p. 257 f.— Kammer
zur homer. Frage, Königsberg 1870, Ip. 21#.27. — Jacob über
ἃ. Entstehung ἃ, Il. u. Od. p. 208 #. — Nitzsch Sagenpoesie p. 206
—208, Beiträge p. 390 £. — Kiene die Komposition d. Ilias p. 79 £.
85. — Genz zur Ilias p. 23. — Naber quaestt. Hom. p. 154 ff.
— La Roche in Zeitschr. f. österr. Gymn. 1863 p. 170. — Schoe-
mann in ἃ. Jahrbb. f. klass. Philol. Bd. 69. p. 25f. und de reti-
centia Homeri p. 6.— Kayser hom. Abhandl. herausgegeben von
Usener p. 8. 23. 98. 100. — v. Christ in Sitzungsbericht. d. philos.-
philol. Kl. d. kön. bayer. Akad. 1881, II p. 159. 165. 167. —
M. Schmidt Meletemata Hom. Jen. 1878 p. 5, part. Il. Jen.1879
p. 18. — P. La Roche im Philol. XU p. 395 fi, vgl. Köchly diss.
VI ρ. 10 ff. und Düntzer Aristarch p. 191 ff. — Bernhardy Grund-
rifs der griech. Litterat.°II, 1, p. 163. Bergk griech. Litteratur-
gesch. I p. 574. 580 #. — Hoffmann quaestt. Hom. II p. 175.180.
183f. 209 ff. Giseke hom. Forschungen p. 159. 171 ff.
Der sechste Gesang bildet seinem Hauptinhalt nach eine grofse
Episode innerhalb der Schilderung der ersten von I’ bis H rei-
chendef Schlacht. Den Ausgangspunkt für die Entwicklung der
Handlung bildet die durch Diomedes Thaten in E herbeigeführte
Bedrängnis der Troer. Auf Grund dieser verläfst Hektor auf He-
lenos’ Rat die Schlacht und begiebt sich zur Stadt, um seine
Mutter mit den troischen Frauen zu einem Bittgang zu Athene zu
veranlassen. Hieran schlielst sich ein Besuch Hektors bei Paris,
um diesen zur Rückkehr in die Schlacht aufzufordern, und eine
Begegnung zwischen Hektor und Andromache. Der Gesang schliefst
da, wo Hektor mit Paris eben im Begriff ist, das skäische Thor
zu verlassen, um in die Schlacht zurückzukehren. In diese grolse
Episode ist eine zweite kleinere eingeschaltet, die Begegnung des
Ζ. Einleitung. 119
Glaukos und Diomedes. Wir lassen zunächst eine genauere Über-
sicht des Inhalts folgen:
A) DieSchlacht nach der Entfernung der Götter, 1—72.
1. Aias durchbricht die feindliche Phalanx; Einzelkämpfe,
in denen viele Troer erlegt werden, 1—36.
2. Der von Menelaos gefangene Adrastos fleht um Scho-
nung, wird aber von Agamemnon getötet, 37 —65.
3. Nestor ermuntert die Achäer zu nachdrücklicher Ver-
folgung der Feinde, 66—72.
B) Der Rat des Helenos, 73—118.
In der äufsersten Gefahr rät Helenos Hektor in die Stadt
zu gehen, um Hekabe und die troischen Frauen zu einem
Bittgang in den Tempel der Athene aufzufordern, da-
mit diese Diomedes von Troja abwehre. Hektor begiebt
sich diesem Rat folgend in die Stadt.
Ὁ) DieBegegnungdes@laukosundDiomedesimKampfe,
119— 236.
Ὁ) Hektor in der Stadt, 237—529:
1. Hektor bei Hekabe, 237—285.
2. Hekabe richtet Hektors Auftrag aus: das Gebet bleibt
erfolglos, 286— 311.
3. Hektor bei Paris und Helena, 312—369.
Hektor fordert Paris auf ihm in die Schlacht zu folgen.
4. Hektors Begegnung und Unterredung mit Andromache,
370 —502.
5. Paris holt Hektor ein und beide kehren in die Schlacht
zurück, 503—529.
Die Übersicht des Inhalts ergiebt eine einfache und abge-
sehen von der Glaukosepisode in ununterbrochener Folge fortschrei-
tende Handlung. Anschliefsend an die Diomedeia, der das Motiv
für Hektors Gang in die Stadt entnommen wird, führt sie den-
selben auf diesem Wege nach einander im Verkehr mit seiner
Mutter Hekabe, mit seinem Bruder Paris und Helena, mit seiner
Gattin und seinem Kinde vor, um ihn dann mit Paris in die
Schlacht zurückkehren zu lassen, worauf im Anfang von H die
Schlachtschilderung aufgenommen wird. So ergeben sich eine Reihe
von Scenen von einem friedlichen, milden Charakter, die die Schlacht-
schilderung unterbrechend, dem Hörer eine erwünschte Abspan-
nung gewähren und zugleich dazu dienen, die troischen Verhült-
nisse näher zu exponieren, neue Personen wie Hekabe und Andromache
einzuführen, die Zeichnung der Charaktere, vor allen Hektors, zu
vervollständigen. Den gleichen Charakter trägt auch die Episode
. von Glaukos und Diomedes, welche die Heiligkeit des Gastrechts
auch inmitten des Kampfes vor Augen stellt.
120 Z. Einleitung.
Der innere Bezug dieser Scenen zu einander ist unverkennbar.
Auf demselben Hintergrunde, der durch die Thaten des Diomedes
herbeigeführten Bedrängnis der Troer, entworfen haben sie ihren
einheitlichen Mittelpunkt in Hektors Person, dessen Verherrlichung
offenbar die Hauptabsicht des Dichters ist. Mifslicher steht es
mit den Beziehungen dieser Episode zu der sie umgebenden Haupt-
handlung und der Motivierung im Einzelnen. Vergleichen wir, wie
dieselbe in dem Ausgangspunkt und in dem Endpunkt mit. der
Haupthandlung verknüpft ist, so ergiebt sich eine eigentümliche
Differenz. Im Anschlufs an die Diomedie wird als Motiv für Hek-
tors Gang in die Stadt die durch Diomedes Thaten herbeigeführte
Bedrängnis der Troer verwendet: Hektor soll nach Helenos’ Rat
seine Mutter und die troischen Frauen zu einem Bittgang zu Athene
veranlassen, damit diese Diomedes’ Ungestüm breche und Troja
schütze. Nun ist das infolge davon an Athene gerichtete Gebet
erfolglos (311); gleichwohl ist, als Hektor mit Paris in die Schlacht
zurückkehrt, von weiteren Thaten des Diomedes nicht die Rede,
vielmehr wird durch Hektors und Paris’ Thaten alsbald eine für
die Troer günstige Wendung der Schlacht herbeigeführt, auf Grund
deren dann von Athene und Apollo der Zweikampf zwischen Hektor
und Aias veranlafst wird. Man sieht, dafs der Dichter das Motiv,
welches Hektors Gang zur Stadt veranlafste, im Verlauf der Epi-
sode ganz fallen läfst und auf den Besuch Hektors bei Paris die
weitere Entwicklung der Haupthandlung im Anfang von H basiert.
Dieser Besuch Hektors bei Paris selbst aber ist ebenso wenig, wie
die Begegnung zwischen Hektor und Andromache durch die vorher-
gehende Erzühlung irgendwie vorbereitet. Mögen wir nun auch
für die letztere eine besondere Motivierung nicht vermissen, so
mufs doch der Mangel einer solchen für den Besuch Hektors bei
Paris befremden, teils weil die für diesen mafsgebenden Voraus-
setzungen (in I’) so fern liegen, dafs eine Erinnerung darin drin-
gend geboten scheint, teils weil ein Moment von solcher Bedeutung
für die Weiterentwicklung der Haupthandlung eine sorgfältige Mo-
tivierung erfordert.
Eine andere auffallende Differenz ergiebt sich zwischen der
Schlachtbeschreibung im Eingange des Gesanges und dem sich daran
schliefsenden Rat des Helenos. Dieser erfolgt auf Grund der
181. in üblicher Formel markierten Bedrängnis der Troer, wie sie
durch die vorhergehende Schlachtbeschreibung vorbereitet ist, aber
während Helenos 96 ff. diese Bedrängnis auf den unwiderstehlichen
Ungestüm des Diomedes zurückführt und den empfohlenen Bitt-
gang zu dem Zweck angestellt wissen will, dafs Athene den Dio-
medes von Troja abwehre, ist in der zunächst vorhergehenden Er-
zählung von hervorragenden Thaten dieses Helden gar nichts be-
richtet und vielmehr Aias als der genannt, welcher die Phalanx
der Feinde durchbricht.
Z. Einleitung. 121
Die einleitenden Verse des Gesanges knüpfen nun an den
Schlufs des vorhergehenden in der Weise an, dafs auf Grund der
dort erzählten Rückkehr des Ares, wie der Hera und Athene in
den Olymp die Nichtbeteiligung der Götter an dem weiteren Kampfe
hervorgehoben und so die durch die olympische Aresscene unter-
brochene Schlachtbeschreibung wieder aufgenommen wird. So eng
nun dieser Anschlufs auf den ersten Blick erscheint, so locker ist
in Wirklichkeit der innere Zusammenhang zwischen dem ersten
Abschnitt des Gesanges und dem Schlufs des vorhergehenden. Nach
dem, was wir in den V.2—4 lesen, ist das mit so grolsartigem
Apparat in Scene gesetzte Eingreifen der Hera und Athene am
Schlufs des vorhergehenden Gesanges ohne alle Wirkung verlaufen.
Weder von der mit Stentorstimme ausgerufenen Ermunterung der
Achäer durch Hera, noch von der Verwundung des Ares durch
Diomedes unter Athenes Beistande ist irgend welche Wirkung be-
richtet, noch erkennbar, denn es heilst hier: die Schlacht stürmte
hin und her zwischen Simoeis und Skamander. Aber auch der
weitere Fortgang der Erzählung läfst "den innern Zusammenhang
mit dem Vorhergehenden vermissen. Denn als nun die Achäer
die Oberhand gewinnen, ist es nicht der Held des vorhergehenden
Gesanges, der eben von Athene von neuem mit Kraft und Mut
erfüllt, mit ihrer Hülfe selbst Ares verwundet hat, nicht Diomedes,
der zuerst die Phalanx der Troer durchbricht, sondern Aias. Alles,
was von Diomedes berichtet wird, beschränkt sich darauf, dafs er
zwei Troer tötet, während ein Euryalos deren vier erlegt.
Von den vier einleitenden Versen nun zog Lachmann
den ersten noch zu seinem fünften Liede, der Διομήδους ἀρι-
στεία, billigte dann aber die von Haupt begründete Athetese des
Verses im Zusammenhang mit der von E 707—709. V. 2—4
gelten dann beiden, sowie Benicken, für eingeschoben zur Ver-
bindung des fünften und sechsten Liedes, so dafs letzteres erst mit
V. 5 beginnt, Auch wir können über diese einleitenden Verse
nicht anders urteilen. Sind die Athetesen Haupts in E, wie wir
uns überzeugt haben, begründet, so fällt damit ohne weiteres der
erste Vers, welcher auf die athetierten Stellen zurückweist; die
folgenden Verse aber lassen in dem Mafse jeden inneren Zusammen-
hang mit der vorhergehenden Entwicklung vermissen, dafs sie
lediglich eingefügt scheinen, um die Unterlage für die folgenden
Einzelkämpfe zu bilden.
Wie wenig nun die folgende Erzählung selbst (5—72) den
Voraussetzungen der vorhergehenden Entwicklung entspricht, ist
von zahlreichen Kritikern anerkannt. Um den fehlenden Zusammen-
hang herzustellen, nimmt Düntzer an, dafs nach der Verwundung
des Ares die Worte, womit Athene Diomedes gegen die Troer
treibe, sowie die kurze Beschreibung der Flucht derselben ausge-
fallen seien, woran sich Z 12—36. 66—97 anschlossen. V.5—11
122 Ζ. Einleitung.
werden von ihm verworfen, weil hier Diomedes, dem die Göttin
Macht verliehen, sich vor allen auszeichnen müsse; die Scene zwischen
Adrastos, Menelaos und Agamemnon aber scheint ihm nach 4131 ff.
gebildet: “Agamemnon mufste den Bruder an seine eigne Ver-
wundung durch Pandaros erinnern’ und 66 schliefst sich nicht
wohl an die zunächst vorhergehende Erzählung, dagegen vortreff-
lich an 36 an’. Weiter geht Holm, welcher die V. 5—72 über-
haupt verwirft, weil der folgende Vorschlag des Helenos, die Hülfe
der Athene gegen Diomedes zu erflehen, durch das, was hier
‚von Diomedes berichtet wird, in keiner Weise motiviert werde, die
in der Adrastosscene von Agamemnon geübte, vom Dichter selbst
gebilligte Grausamkeit mit dem milden Charakter des übrigen
Liedes unvereinbar sei, endlich ein nicht geringer Teil der Verse
entlehnt sei. Derselbe nimmt an, dafs der echte Anfang des
Liedes verloren gegangen sei. Jenen Widerspruch zwischen dem
von Diomedes 12—19 Berichteten und dem, was Helenos über
denselben 96 ff. sagt, hebt auch Jacob hervor; in der Adrastos-
scene sieht Naber, wie Düntzer, eine Nachahmung der entspre-
chenden «4 181 Β΄, wo die Grausamkeit Agamemnons besser mo-
tiviert sei. Auch Köchly scheidet 5—72 aus seinem Liede
aus, welches er im Anschlufs an die Diomedie gedichtet sein
läfst, und Genz urteilt, dafs das Stück eingeschoben sei, als man
T—H312, oder wenigstens 4422 — H 312 verband, und zwar
von dem Dichter von H17—312. Auch Bergk scheint dasselbe
zu verwerfen, wenn er bemerkt, dafs mit 73 ein neuer selbstän-
diger Abschnitt beginne.
Bei dem hervorgehobenen Verhältnis dieses ganzen Abschnitts
(5—72) sowohl zu dem Vorhergehenden, wie zu dem Folgenden
schwindet jede Möglichkeit denselben als ursprünglich anzusehen,
und es kann nur die Frage sein, ob derselbe ganz zu verwerfen,
oder Teile desselben zu halten sind. Als solche sind von Düntzer
12—36 und 66—71 bezeichnet. Die letzteren bieten allerdings
keinen Ansto[/s und können, da sie den 73 ff. bezeichneten Höhe-
punkt der Bedrängnis der Troer vorzubereiten geeignet sind, ur-
sprünglich sein. Dagegen hat es keinerlei Wahrscheinlichkeit, wenn
auch für 12 —36, Verse welche der Dichter W. Jordan nicht
scharf genug verurteilen zu müssen glaubt, die Ursprünglichkeit
behauptet wird, zumal da dies nur unter der Voraussetzung mög-
lich ist, dafs die Hauptsache, wodurch allein der folgende Vor-
schlag des Helenos genügend motiviert würde, ausgefallen sei, wie
nämlich Diomedes nach Ares’ Verwundung weiter gegen die Troer
vorgegangen sei und sie zur. Flucht getrieben habe.
Mit dem nun folgenden Rat des Helenos (73—118) kommen
wir zu einem Abschnitt, welcher zweifellos auf die Aristie des Dio-
medes in E zurückweist, denn nur dort hat sich Diomedes als
den furchtbaren Helden erwiesen, wie er” 96 fl. von Helenos ge-
Z. Einleitung. 123
schildert wird. Aufserdem scheinen auf den Zusammenhang dieser
Erzählung mit der Diomedie noch folgende zwei Punkte zu weisen.
Zunächst, dafs, während sonst überall Apollo der eigentliche
Schutzgott Trojas ist, hier der Bittgang zu Athene unternom-
men wird, derselben Athene, welche Diomedes den Troern so
furchtbar macht, obwohl diese eigentümliche Beziehung nirgends
hervorgehoben oder benutzt wird. Sodann scheint auch die Bedeu-
tung, welche Helenos hier in seiner Ansprache an Hektor und
Äneas diesem letzteren beilegt, 77 f., nur durch das Hervortreten
desselben in ΕἾ motiviert, da demselben sonst, wie Jakob be-
merkt, nach seinen Thaten in der Ilias eine solche Bedeutung
nicht zukommt,
Verfolgen wir nun zunächst den Abschnitt 73—118 im Zu-
sammenhange mit dem denselben aufnehmenden 237 — 312 mit
Übergehung der zwischen beide geschobenen Episode von Glaukos
und Diomedes, so ist von Jakob, Hoffmann, Bergk die Anlage
dieser ganzen Erzählung, wodurch die Schlachtbeschreibung eine
so grofse Unterbrechung erfährt, deshalb als ungeschickt getadelt,
weil Hektor gerade in der gröfsten' Bedrängnis zu einem Zweck
in die Stadt gesendet wird, der durch Absendung jedes andern im
Kampfe nicht so nötigen Trojaners, am besten des Helenos selbst,
erreicht werden könnte, zumal da das, was durch diesen Gang
erreicht werden soll, nicht erreicht wird, das Gebet der troischen
Frauen keinen Erfolg hat (311). Man hat vermutet, dafs Hek-
tors Gang in die Stadt ursprünglich anders motiviert war. So
meinte Jakob, es sei die Zurückführung des Paris in den Kampf,
womit der Gesang schliefst, der Beweggrund dazu gewesen und
Hoffmann, welcher nach seinen Untersuchungen die ursprüng-
liche Zusammengehörigkeit von Ζ 1—118. 237—312 mit den
übrigen Abschnitten des Gesanges leugnete, vermutete, dafs der
Anfang zu der in diesen letzteren enthaltenen Erzählung uns
nicht erhalten, die dort für Hektors Gang in die Stadt aber ge-
gebene Motivierung vielleicht aus 326.335 f. vgl. mit I’ 453 zu ent-
wickeln sei.
Innerhalb des Abschnitts 73—118 hat Köchly V.89 als in
Widerspruch mit 247 ff. verworfen und 99—101 in Klammern ge-
setzt. Düntzer verwirft 98—101 als gar zu lästig nachschlep-
pend: der eigentliche Grund für die Verwerfung ist ihm offenbar,
dals die Achill betreffenden Worte nicht zu seiner Annahme passen,
dafs das dritte bis siebente Buch ein selbständiges Gedicht bil-
dete, welches vor den Zorn Achills falle; die von ihm für die
Verwerfung vorgebrachten Gründe sind durchaus subjektiver Art
und nicht beweisend. Derselbe verwirft auch 108—118, aber der
einzige Grund von Bedeutung, welchen er vorbringt, ist die Ab-
weichung der Worte des Hektor 113—115 von dem Rat des He-
lenos, sofern er an die Stelle seiner Mutter und der troischen
124 Z. Einleitung.
Greisinnen, welche zu den Göttern flehen sollen, die ratpflegenden
Geronten und die Gattinnen setzt. Was den Dichter zu dieser
Abweichung veranlafst hat, ist allerdings nicht recht zu sehen,
allein eine Möglichkeit diese Verse auszuscheiden ist noch weniger
zu sehen, denn schwerlich wird jemand das, was Düntzer für die
Ausscheidung geltend macht, annehmbar finden. Er bemerkt: ‘Wie
Hektor die Seinigen verlassen, brauchte der Dichter nicht zu be-
schreiben, ja er vermied dieses wahrscheinlich mit Absicht, weil
seine Entfernung an sich etwas Unwahrscheinliches enthielt.”
In dem zweiten Abschnitt 237—312 verwirft Düntzer 241,
besonders deshalb, weil ἑξείης keine rechte Beziehung habe, ver-
mutet in 243—250 einen späteren Zusatz, da die Beschreibung
an » 5ff. erinnere, und verwirft 265—268, 279—285, 297—312,
die letzteren Verse, weil das Gebet nicht genau dem Auftrag ent-
spreche (93. 274 #.) und die ungeschickte Verbindung in 308 ff.
offenbar nur dazu diene, 274—276 irgend anzubringen. Von diesen
meist ungenügend begründeten Athetesen verdienen nur die beiden
letzten eine nähere Erwägung. In der Athetese von 279—285 be-
rühren sich mit Düntzer Naber undKammer. Der erstere, welcher
281—285 verwirft, betont vor allem die Unvereinbarkeit dieser
Verse mit der Art, wie Hektor 521 f. die Tapferkeit des Paris
anerkennt, mit dem Paris so auszeichnenden Vergleich mit dem
edlen Rosse 506 ἢ, sowie mit der Freude, welche die Troer im
Anfang von H über die Rückkehr des Paris mit Hektor in die
Schlacht empfinden. Alle diese Züge setzen nach ihm ein ganz
andres Bild von Paris voraus, als wie er im dritten Gesange ge-
zeichnet ist, wo er sich feige zeigt und den Troeın verhafst ist. Da
nun die hier in Frage stehenden Worte nur jener Zeichnung des
Paris in Γ' entsprechen, so muls ein Interpolator dieselben im Hin-
blick auf Γ΄ eingefügt haben. Von einer andern Seite ist Kammer
auf die Vermutung einer Interpolation gekommen. Derselbe findet
die Vorwürfe, die Hektor in Z dem Paris über sein Fernbleiben vom
Kampf macht, auffallend bei der Voraussetzung, dafs es derselbe
Tag ist, an dem Paris seinen unglücklichen Kampf mit Menelaos
gehabt hat und vermutet, dafs der Besuch des Hektor bei Paris
erst nach Einfügung des Liedes vom Zweikampfe eingedichtet worden
sei, während ursprünglich Hektor sogleich nach dem Zusammen-
treffen mit seiner Mutter zur Gattin gegangen sei. Ein Anzeichen
der Interpolation aber liegt ihm in der Art, wie Hektor seine Ab-
sicht zu Paris zu gehen 279 unter Wiederholung der Worte aus
269 anknüpft. — Die von Kammer angeregte Frage nach dem
Verhältnis von 312—369 zu dem Vorhergehenden und zu dem
dritten Gesange wird weiter unten erörtert werden; hier mag zu-
nächst bemerkt werden, dafs aus der Wiederholung des Gedankens
von 269 in 279 ein sicheres Anzeichen für eine Interpolation nicht
entnommen werden kann, da derartige Wiederholungen, im epi-
2. Einleitung. 125
schen Stil an sich nicht auffallend, mehrfach dazu dienen, wie
ähnlich τ 598 vgl. 595, y 359f., um das Verhältnis der Gleich-
zeitigkeit beider Handlungen durch parataktische Nebeneinander-
stellung zum Ausdruck zu bringen. Dagegen ist anzuerkennen,
dals wie die Ankündigung Hektors, zu Paris gehen zu wollen,
überhaupt durch nichts vorbereitet ist, so insbesondere der leiden-
schaftliche bis zur schlimmsten Verwünschung sich steigernde Zorn-
ausbruch gegen Paris 281—285 ganz unvermittelt eintritt. Auch
in sprachlicher Beziehung enthalten die Verse in dem 281 im
Wunschsatz gebrauchten ὥς »e eine ganz vereinzelte und schwer
zu erklärende Erscheinung. Dals die Verse aber in dem von Naber
behaupteten Mafse mit dem sonst von Paris in Z Gesagten unver-
einbar seien, ist nicht so unbedingt zuzugeben.
Bei der von Düntzer zuletzt vorgeschlagenen Athetese von
297—311 kommt noch eine von demselben nicht berührte, aber
von andern Gelehrten erörterte Schwierigkeit in Betracht, das Ver-
hältnis der beiden gleichmälsig mit dem abschliefsenden ὡς einge-
leiteten Verse 311 und 312 zu einander. Dafs diese beiden Verse
neben einander nicht ursprünglich sein können, erkannte bereits
Aristarch. Er athetierte 311, weil’der darin enthaltene Zusatz
ἀνένευε δὲ Παλλὰς ’A9yvn nichts zur Sache bringe und ungewöhn-
lich sei, die Athene ἀνανεύουσα eine Lächerlichkeit enthalte, der
ganze Vers aber neben dem folgenden Verse überflüssig sei. Dafs
diese Gründe meist nichtssagend sind, bemerkte Ameis mit Recht,
indem er namentlich den gegen ἀνένευε erhobenen Vorwurf des
Lächerlichen‘ damit zurückwies, dals das Verbum in übertragener
Bedeutung stehe. Wenn derselbe aber wegen des sich wieder-
holenden ὡς auf » 185. P 424. #1 verwies und die Notwendig-
keit von 311 damit zu begründen suchte, dafs erst wenn nach
304 am Schlufs ausdrücklich wiederholt sei, dafs nur die Prie-
sterin laut vorgebetet habe, als neuer Anfang der Gedanke (312)
folgen könne, dafs die andern im Stillen mitgebetet, so wird da-
durch der Anstofs, den beide Verse in ihrer Aufeinanderfolge bieten,
nicht beseitigt. Jene von Ameis angezogenen Stellen geben der
Kritik zum Teil nicht minder Anstofs, als die vorliegende, und
dafs V. 311 nicht nötig ist, um den Anschlufs von 312 zu er-
möglichen, kann die ebenfalls von Ameis angeführte und von
ihm nicht beanstandete Stelle ν 185 zeigen, wo mit ὧϑ οἵ μέν δ᾽
εὔχοντο an das Vorhergehende angeknüpft wird, ohne dafs dort
auch nur das εὔχεσθαι selbst bereits eingetreten ist, vielmehr erst
die Vorbereitungen zum Opfer erwähnt sind. Es ‚haben daher
manche Kritiker kein Bedenken getragen, mit Aristarch V. 311
einfach auszuscheiden, so Bekker und Nauck. Köchly, welcher
ebenfalls 311 unter den Text gesetzt hat, sah in den Versen 311.
312 eine doppelte Recension, indem er annahm, dafs dem Inter-
polator von 311 die ursprüngliche Fassung (312) nicht genügt
126 Ζ. Einleitung.
habe, teils weil vorher nur das Gebet der Priesterin, nicht aller
Frauen erwähnt sei, teils weil er die Andeutung des Erfolgs des
Gebetes vermilst habe. Gegen die Streichung von 311 erklärte
sich Bergk, indem er den Ursprung der doppelten Fassung viel-
mehr daraus erklärte, dafs 311 die Diomedeia als Vortragspensum
eines Rhapsoden abgeschlossen habe, der ablösende Rhapsode aber
312 eingefügt habe, um den Anfang des neuen Abschnitts durch
eine kurze Rekapitulation zu markieren, damit der Zuhörer sich die
Situation klar vergegenwärtige, wobei er P424—426, 21 und
%P 1 als analoge Fälle verglich. Diese Erklärung hat auch v. Christ
gebilligt, sieht aber umgekehrt in 311 den Zusatz eines Rhapsoden, -
der mit dem Gebet an die Gottheit den Gesang von den Helden-
thaten des Diomedes abschliefsen wollte. So ansprechend nun diese
von Bergk und v. Christ gegebene Erklärung gegenüber den
Versuchen 311 als Interpolation zu erweisen ist, so ist doch
vor der Hand noch die Frage oflen zu halten, ob die störende
Aufeinanderfolge beider Verse nicht darin ihren Ursprung habe,
dafs hier vermittelst der rekapitulierenden Wendung 312 ein ur-
sprünglich fremdartiges Stück in den Zusammenhang eingeschoben
sei, wofür in P424—426 (vgl. die Einleitung zu P p. 78) und
ähnlich in v 185 ff. zwei ziemlich sichere Fälle vorliegen. Die von
Düntzer angenommene Interpolation von 297—312 wird man
schon deshalb abweisen müssen, weil die epische Darstellung sich
gewils nicht mit einer Andeutung, wie sie 296 giebt, begnügen
kann, wenn der in Frage kommende Akt in so ausführlicher Weise
vorbereitet und mit solcher Wichtigkeit behandelt ist, wie es in
der vorhergehenden Erzählung geschehen. — Schliefslich ist hier
noch die von Düntzer, Köchly und Franke gegen V. 252 aus-
gesprochene Athetese zu erwähnen. Die genannten Gelehrten ver-
muten, dafs eine beabsichtigte Rückbeziehung auf Γ' 194 dem Verse
seinen Ursprung gegeben habe: die Möglichkeit ist zuzugeben, in-
des wäre nur das ἐσανάγουσα, in welchem Nauck eine Verderb-
nis vermutet, verständlicher, so würde an sich ein derartiger die
Darstellung belebender Zug nicht nur ohne Anstols, sondern durch-
aus am Platze sein.
Der folgende Abschnitt 312—369, worin der Besuch Hek-
tors bei Paris erzählt wird, giebt im Einzelnen wenig Anstols. Die
Υ. 318— 320, welche mit geringer Abweichung sich auch Θ 493
—495 finden, schienen Aristarch an letzterer Stelle, wo Hektor
vor dem versammelten Heer spricht, der Situation angemessen, da-
gegen hier nicht passend. Seinem Urteil ist Köchly gefolgt und
hat die Verse unter den Text gesetzt, wohl mit Recht, denn was
Ameis zur Rechtfertigung derselben bemerkte, dafs die Schilde-
rung der Lanze beigefügt sei, um die kriegerische Absicht, in der
Hektor gekommen sei, zu veranschaulichen, ist schwerlich annehm-
bar. Ferner hat Köchly den wiederholt vorkommenden V. 334
Z. Einleitung. 127
nach Bekkers Vorgang ausgeschieden, weil er hier unnütz sei und
auch bei Γ ὅ9, der aus unserer Stelle entnommen scheine, fehle,
Letztere Annahme führt uns aber auf die schwierige Frage nach
dem Verhältnis dieses ganzen Abschnitts zum dritten Gesange. Köch-
lys Ansicht war, dafs der Verfasser unseres Abschnitts den dritten
Gesang entweder nicht gekannt oder geflissentlich sich nicht darum
gekimmert habe, wobei er allerdings die Möglichkeit zugiebt, dafs
derselbe Dichter beide zu verschiedenen Zeiten gedichtet habe. Eine
unmittelbare Beziehung unseres Abschnitts auf I’ verwerfen auch
Naber, Schoemann und Kammer, dagegen nehmen Nutzhorn,
Genz, Gerlach, Bergk u. A. einen mehr oder weniger engen
Anschlufs an.
Einen sichern Anhalt bieten die Worte 339 νίκη δ᾽ ἐπαμεί-
βεται ἄνδρας. Wenn Paris mit diesem Wort seinen Entschlufs in
den Kampf zurückzukehren motiviert, so ist offenbar eine vorher-
gehende Niederlage der Grund gewesen, weshalb er sich vom Kampfe
fern gehalten, und ist der 336 erwähnte Schmerz, dem er sich hin-
gegeben, der Schmerz über eben diese Niederlage, unter dieser
selbst aber eine andere zu denken, als die im Zweikampf mit
Menelaos erlittene fehlt doch jeder Anhalt. Dieser zweifellosen
Beziehung auf I’ stehen aber ebenso zweifellos andere Momente
gegenüber, die solcher Beziehung entweder offenbar widersprechen
oder doch aus I’ sich nicht genügend erklären. Zunlichst ist, wie
Naber bemerkt, Paris’ Angabe, dafs er sich dem Schmerz über
seine Niederlage habe hingeben wollen, im Widerspruch mit der
Leichtfertigkeit, mit welcher dereelbe Γ' 488 ff. den bittern Hohn
der Helena zurückweisend, sich über die erlittene Niederlage hin-
wegsetzt. Sodann haben Naber uud Schoemann die im unmittel-
baren Zusammenhang mit jener stehende andere Angabe des Paris,
dals Helena ihn mit freundlichen Worten zur Rückkehr in den
Kampf ermuntert habe, mit Γ' 428 ff, unvereinbar gefunden, wo
Helena ihn vielmehr mit bitterem Hohn vor der Aufnahme des
Kampfes warnt. Von diesen beiden Differenzen ist die letztere
allerdings durch die Annahme des σιωπώμενον erklärbar. Wenn
Paris im Gegensatz zu der ihn vorher beherrschenden schmerz-
lichen Stimmung sagt: νῦν δέ μὲ παρείπουσ᾽ ἄλοχος μαλακοῖς ἐπέ-
2001 ὥρμησ᾽ ἐς πόλεμον, so fallen diese freundlich zuredenden Worte
der Helena aufserhalb des Bereichs des dritten Gesanges, wo nur
das unmittelbar an den Zweikampf sich schliefsende nächste Zu-
sammensein mit Helena dargestellt ist. Auch hat der Dichter
diese Fiktion dadurch wahrscheinlich gemacht, dafs « Paris be-
reits bei Hektors Ankunft mit der Prüfung und Instandsetzung
seiner Waffen beschäftigt zeigt. Allein wenn danach auch ein di-
rekter Widerspruch mit I’ nicht anzuerkennen ist, so wird doch
die Berechtigung des σιωπώμενον dadurch sehr zweifelhaft, dafs da-
mit bei Helena geradezu ein Umschlag der früheren Stimmung in
128 Z. Einleitung.
die entgegengesetzte stillschweigend vorausgesetzt würde, und sehen
wir, dafs derselbe Umschlag auch bei Paris selbst angenommen
werden müfste, so werden wir, vorausgesetzt, dafs der Dichter dem
Paris nicht geradezu Unwahrheiten in den Mund legen wollte, es
doch wahrscheinlicher finden, dafs der Dichter dieses Abschnitts
die Voraussetzungen des dritten Gesanges nicht gekannt und eine
andere Darstellung vor Augen gehabt habe.
Auf einen ähnlichen Schlufs haben auch die Worte Hektors
326 ϑαιμόμι᾽, οὐ μὲν καλὰ χόλον τόνδ᾽ ἔνϑεο ϑυμῷ geführt. Der
hier bei Paris vorausgesetzte Groll wird gewöhnlich aus I’ 453f.
und 320. in der Weise erklärt, dafs man voraussetzt, die dort
von den Troern gegen Paris gezeigte gehässige Stimmung sei als
Anlafs dieses Grolles anzusehen. Diese Beziehung hat Naber ent-
schieden geleugnet. Kammer ferner findet es unverständlich, wie
Hektor das Fortbleiben des Paris vom Kampfe auf Rechnung eines
Grolls gegen die Troer setzen könne, wenn Paris an demselben
Tage einen unglücklichen Zweikampf gehabt habe: Hektors Vor-
wurf sei nur verständlich, wenn Paris schon längere Zeit nach
seinem unglücklichen Kampfe sich von jeder Teilnahme an einer
Schlacht fern gehalten habe. Schoemann findet es unbegreiflich,
wie Hektor auf die Vermutung kommen könne, dafs Paris aus
Zorn über eine ihm widerfahrene Krünkung des Kampfes sich ent-
halte, da von einer solchen Kränkung Alexanders und seinem Zorn
darüber weder in I’ noch sonstwo die Rede sei, und auch ange-
nommen, dafs dem Paris die Verwünschung I’320 oder die ihm
feindselige Haltung der Troer I’ 454 bekannt geworden, so sei
doch für die Voraussetzung Hektors, dafs er aus Zorn über jene
jetzt nicht für seine eigne Sache mitfechten wolle, kein vernünf-
tiger Grund abzusehen. Dafs nun dem Paris die gegen ihn herr-
schende feindselige Stimmung der Troer im allgemeinen be-
kannt sei, ist zweifellos, noch Γ' 42 hatte Hektor ihm dieselbe
vorgehalten, vgl. 2524. Allein weder ist die Verwünschung Γ 320,
auch wenn sie Paris bekannt geworden, bei der Allgemeinheit ihres
Inhalts, sowie, weil sie Achäern wie Troern in den Mund gelegt
ist, recht geeignet die Voraussetzung zu begründen, dafs Paris aus
Zorn über eine solche Äusserung sich des Kampfes enthalte, noch
kann die Γ' 464 vom Dichter bezeichnete feindselige Gesinnung der
Troer gegen Paris dafür zur Grundlage gemacht werden, teils weil
hier nicht einmal eine bestimmte Äusserung vorliegt, sondern nur
die Haltung der Troer durch ihre Gesinnung gegen Paris moti-
viert wird,steils weil von diesem Vorgang es von vornherein viel-
mehr wahrscheinlich ist, dafs er Paris unbekannt geblieben. Die
Voraussetzung Hektors ist also allerdings durch die Erzählung in
Tnicht genügend motiviert und da sie auch durch die zwischen I’
und Z liegenden Gesänge in keiner Weise vorbereitet und ver-
mittelt ist, so bleibt ein nicht hinwegzuräumender Anstols. Einen
Z. Einleitung. 129
verfehlten Versuch die Schwierigkeiten zu beseitigen macht Genz,
wenn er Hektors Worte 326 nicht ernstlich gemeint, sondern in
dem Sinne gefafst wissen will: “Du thust wohl gar, als ob du
Grund hättest mit den Troern zu schmollen und willst von ihrem
Kampf nichts wissen?’ Die von Naber dafür, dafs der Dichter
unserer Scene I’ überhaupt nicht gekannt habe vorgebrachten in-
direkten Beweise, wie dafs Helena 350 nichts von dem Zweikampfe
sage und ihre Worte mit der Voraussetzung des Zweikampfes un-
verträglich seien, sowie dafs Hektor, der doch Paris’ Rettung durch
die Göttin nicht wisse, gar nicht frage, wie und warum er nach
Hause gekommen sei, sind von zweifelhaftem Gewicht, überdies
ist die Beziehung auf den Zweikampf in 339 doch schwer zu be-
streiten. Das Ergebnis unserer Erörterung ist demnach, dafs unsere
Scene zwar so weit an I’ sich anschliefst, als der Zweikampf
vorausgesetzt wird, dafs sonst aber mehrfach Voraussetzungen teils
gemacht sind teils zu machen sind, die sich aus I’ nicht unmit-
telbar ergeben. Wie dies zu erklären sei, darüber sind folgende
Vermutungen aufgestellt. Schoemann nahm an, dafs über Paris’
Zorn und Unwillen deutlichere Andeutungen in einem älteren Liede
gegeben seien, wovon nur dieser eine Teil, der die Zurückberufung
des Paris in den Kampf darstelle, in unsere Ilias aufgenommen
se. Bergk meinte, dafs der Diaskeuast, indem er dem früheren
Liede einen Nachtrag anhängte, dasselbe gekürzt habe: “der Dichter
werde nach dem Schusse des Pandaros geschildert haben, wie sich
der Unwille der Troer ebenso gegen Pandaros, wie gegen Paris
in tadelnden Worten Luft machte”. Genz, welcher engsten An-
schlufs an I’ annimmt, ja denselben Dichter voraussetzt, erklärt
den mangelnden Zusammenhang durch die Einfügung des Vertrags-
bruchs: der Dichter von I’ und Z werde den Verlauf anders ge-
dacht haben.
Wie der Besuch Hektors bei Paris, so ist auch die Begeg-
nung desselben mit Andromache durch die Anlage des ganzen Ge-
sanges nicht unmittelbar vorbereitet; indes scheint dieselbe so na-
türlich, dafs niemand nach einer weiteren Motivierung fragen wird.
Beide Scenen aber, wie sie äufserlich mit einander verschlungen
sind, so stehen sie innerlich durch den Parallelismus des Kon-
trastes in innigstem Bezug zu einander. Über diese Beziehungen
hat Gerlach treffend bemerkt: “Es kommt dem Dichter jedoch
nicht allein darauf an, Hektors Heldensinn durch den Gegensatz
zu der feigen Saumseligkeit des Paris in helleres Licht zu setzen
und durch die Schilderung von dem unfreundlichen Verhältnis zwi-
schen Paris und Helena, das sich in den Scheltreden der letzteren
so unzweideutig kundgiebt, die ideale Gattenliebe des andern Paares
krüftig hervorzuheben: der Dichter zeigt uns durch den Kontrast
zugleich in wirksamster Weise die mächtigen Beweggründe, welche
den Hektor zur Vermeidung des Kriegs hütten bestimmen können;
Huxtze, Anhang zu Homers Ilias. II. 9
130 Z. Einleitung.
denn wer hätte es diesem verargen wollen, wenn er Bedenken
getragen hätte einem Unwürdigen zu Gefallen, dem er selbst den
Tod wünscht, sich und sein Teuerstes zu opfern? Konnte uns
Homer die Gröfse seines Helden wohl besser darstellen, als indem
er zeigt, wie dieser selbst den stärksten Eindrücken gegenüber
unbeweglich bleibt, und zwar nicht etwa wegen der Härte seines
Charakters — denn in seinen Reden giebt sich ein weiches Gefühl
kund — sondern nur weil die Ehre es ihm gebietet”. In Bezug
auf die Stelle, wo diese Scene eingefügt ist, bemerkt derselbe:
“Gab es nun wohl einen passenderen Ort, diese tragische Gröfse
Hektors zu schildern, als die Stelle, wo die eigentliche Helden-
laufbahn desselben beginnt, nämlich vor den gewaltigen Kämpfen
um Mauer und Schiffe, denen der Zweikampf mit Aias als Vor-
spiel dient?” Indes hat Naber in Bezug auf die Stellung dieser
Scene in dem Zusammenhange unserer Ilias folgende Bedenken
erhoben. Indem derselbe aus den Andeutungen 367 und 500 ff.
(vgl. P 208) glaubt folgern zu müssen, dafs die Unterredung zwi-
schen Hektor und Andromache nur die letzte vor Hektors Tode
sein könne, hält er es für unmöglich, dafs der Dichter dieser
Scene Hektor am Abend dieses Tages noch einmal in die Stadt
habe zurückkehren lassen (H 307 ff.), und vermutet vielmehr, dafs
derselbe ihn in der nachfolgenden Nacht bereits auf dem Schlacht-
felde habe übernachten lassen, was nach dem jetzigen Zusammen-
hange der Ilias bekanntlich erst am Schlufs von ® geschieht.
Der innere Zusammenhang dieser unvergleichlichen Scene bietet
wenige Stellen, welche zu Bedenken Anlals geben. Von Aristarch
wurden V. 433—439 verworfen. Seine Gründe waren, dafs der
hier von Andromache gemachte Vorschlag in dem Munde der
Frau unpassend sei, dafs der Dichter die hier erwähnten Versuche
der Achäer die Mauer zu erstürmen nirgend überliefert habe, auch
der Kampf nicht so nahe bei der Mauer stattfinde, dals Hektor
endlich in seiner Antwort diesen Vorschlag ganz unberücksichtigt
lasse. Freilich kann der Umstand, dafs hier Thatsachen aus einer
früheren Zeit erwähnt werden, die sonst nicht tberliefert sind,
an sich nichts gegen die Ursprünglichkeit dieser Verse entscheiden.
(Lachmann sah in der Angabe 435 ein wichtiges Moment für
die Scheidung des sechsten Liedes vom fünften.) Auch über das
Passende oder Unpassende jener taktischen Ratschläge in Andro-
maches Munde liefse sich noch streiten: nach Kiene empfiehlt
dieselbe damit nur die Rückkehr zu der früher üblichen Führung
des Kriegs, was freilich aus den Worten nicht zu entnehmen ist,
und Gerlach bemerkt: “diese ängstliche Klugheit des Weibes
bildet einen schönen Kontrast zu Hektors heroischem Mute’. Da-
gegen sind die andern von Aristarch vorgebrachten Gründe be-
weiskräftig; ja es ist der in diesen Versen enthaltene Vorschlag,
wie Köchly richtig sah, geradezu unvereinbar mit der 431 vor-
2. Einleitung. 131
hergehenden Aufforderung auf dem Turme zu bleiben. Nach der
Art, wie die V. 433ff. einfach mit δέ an die vorhergehenden ge-
schlossen sind, könnte der darin enthaltene Vorschlag nur, wie
jene Aufforderung, als unmittelbar auszuführen gedacht sein; das
ist aber bei der vorliegenden Situation, wo die Troer im offenen
Felde, nicht einmal in unmittelbarer Nähe der Mauer kümpfen,
unmöglich. Wären die Verse wirklich ursprünglich, so mülste für
die ganze Scene eine ganz andere Situation vorausgesetzt sein,
etwa die Zeit vor dem Ausmarsch des Heeres in den Kampf. Da-
nach haben die meisten Kritiker der Athetese des Aristarch zu-
gestimmt: so Bekker, Düntzer, Köchly, Holm, Genz, Bergk.
Dagegen haben sich erklärt Franke, Nitzsch und Kiene, welche
nur 436f. als diaskeuastische Zuthat ansehen, und ausführlich im
Anhange (erste Auflage) zu diesen Versen Ameis.
Von den sonst ausgesprochenen Athetesen sind die meisten
teils,von den Urhebern selbst nur mit Schüchternheit vorgebracht,
theils aber aus einer Hyperkritik hervorgegangen, die sich selbst
richtet. Zu den ersteren gehören die von Düntzer gegen 379.
384f. 388 f., von P. La Roche gegen 402 f. ausgesprochenen;
zu den letzteren fast durchweg die übrigen von P. La Roche,
welche von Köchly mit gebührender Schärfe zurückgewiesen sind.
So trägt P. La Roche kein Bedenken in der Rede der Andro-
mache (407—439) nicht mehr und nicht weniger als 413—439 zu
streichen. Köchly nahm an V. 424 Anstols, welcher ihm nach
e 411}. gebildet schien; Düntzer aber verwirft 425—428, an
deren Stelle ursprünglich etwa gestanden haben möge: μητέρα
δ᾽ ἐν μεγάροισι βάλ᾽ "άρτεμις ἰοχέαιρα. Allein der Hauptanstols,
welcher Düntzer zur Verwerfung veranlalst, dafs nämlich die
Mutter im Palaste des Eetion gestorben sein solle, während dieser
Palast doch bei der Zerstörung von Thebe mit zerstört zu denken
sei, fällt hinweg, sobald man mit Ameis und andern πατρός 428
von dem Vater der Mutter, dem Grofsvater der Andromache ver-
steht, was auch darum natürlicher scheint, weil man bei dem
vorher erwähnten Loskauf der Mutter nach den Verhältnissen zu-
nächst an die Verwandten der Mutter, in erster Linie an den
Vater derselben zu denken hat. Auffallend bleibt nur die Bemer-
kung 425 ἣ βασίλευεν ὑπὸ Πλάκῳ ὑληέσσῃ, nicht blols, weil sie
überhaupt überflüssig scheint, sondern weil sie nach der vorher
erzählten Zerstörung der Stadt befremdet. Auch der Anstols, den
Köchly an 424 nahm, ist nicht derart, dafs die Athetese gerecht-
fertigt wäre. Mag es auch nach dem Zusammenhange natürlicher
scheinen, dafs auch die Söhne des Eetion bei der Eroberung der
Stadt gefallen seien, so ist doch kein rechter Grund zu sehen,
weshalb sie nicht vorher durch plötzlichen Überfall bei den Her-
den Widerstand leistend getötet sein sollen und so haben Fried-
laender und Düntzer die Athetese zurückgewiesen. Weit be-
9:
132 Z. Einleitung.
fremdender ist, dafs nachdem Andromache 413 von dem Verlust
nur des Vaters und der Mutter gesprochen, sie bei der mit ἦ
τοι γὰρ 414 eingeleiteten Ausführung nach der Erzählung vom
Tode des Vaters 421—424 auch das Schicksal der Brüder ein-
flicht, da doch sonst derartige Ausführungen mit ἦ τοὶ der vorher-
gehenden Ankündigung genau zu folgen pflegen. Indes trage ich
doch Bedenken daraus etwa zu folgern, dafs 421—425 oder 416—
425 später eingefügt seien, wie sehr wir auch geneigt sein mögen an
der breiten Erzählung innerhalb dieser Partie Anstols zu nehmen.
In Hektors Erwiderung 441—465 fand Holm die mit 447
beginnende Betrachtung über das nach dem Untergange Trojas
der Andromache drohende Schicksal der in Agamemnons Rede
4163 ff. so ähnlich, dafs er in 447—465 eine Nachahmung jener
zu erkennen glaubte, war indes vorsichtig genug nur die Möglich-
keit solcher Zudichtung hinzustellen. Dagegen erklärte P. Ja Roche
mit voller Bestimmtheit dieselben Verse als eine evidente geschmack-
lose Interpolation. Auch Düntzer stimmte der Ausführung P.
La Roches zu, beschränkte an einer anderen Stelle die Athetese
jedoch auf 456—463. Wir gehen über diese Athetesen hinweg,
für welche es an einer ausreichenden objektiven Begründung fehlt,
denn auch der scheinbar zutreffende Grund, dafs Hektor durch
solches Vorhalten des der Andromache nach der Zerstörung Trojas
bevorstehenden Schicksals dieselbe statt zu trösten, noch mehr
beunruhige, ist zurückzuweisen, da diese Ausführung als Erwide-
rung auf Andromaches ‘Du bist mein ein und alles’ notwendig
ist und mit den Worten der Andromache, wo sie des Hektor be-
vorstehenden Geschicks gedenkt, zweifellos in Parallelismus steht,
vgl. 409— 413.
In der weiteren Erzählung verwirft P. La Roche 479—481
und Düntzer stimmt dieser Athetese zu ‘weil der Gedanke, dafs
Astyanax noch tapfrer als sein Vater sein möge, dem Hektor
hier ganz fern liege und so ungeschickt als möglich angefügt und
ausgeführt sei’. Ein begründetes Bedenken könnte nur darin
liegen, dafs Hektor, während er vorher den Untergang Trojas als
sicher eintretend angenommen hat, hier zwar seinen eignen Unter-
gang voraussetzt, aber nicht den Untergang Trojas, wenn er
wünscht, dafs Astyanax mit Macht über Ilias walten und die
Mutter sich seiner erfreuen möge, wenn er siegreich aus dem
Kampfe mit der Rüstung eines erschlagenen Feindes heimkehre.
Indes ist der hier wahrnehmbare Umschlag der Stimmung sehr
wohl motiviert durch die vorhergehende unvergleichliche Scene mit
Astyanax: “angesichts seines blühenden Kindes kann er wenigstens
nicht, wie vorher, alle Hoffnung aufgeben; im Gefühl der Freude
verschwindet die Sorge nicht, aber sie tritt zurück” (Bischoff).
Man vergleiche darüber aulserdem die treffenden Bemerkungen von
W. Jordan Homers Ilias übersetzt und erklärt p. 586.
Z. Einleitung. 133
Die von P. La Roche über 490—493 ausgesprochene Athe-
tese ist von Köchly und Düntzer mit Recht zurückgewiesen,
dagegen verwirft Düntzer mit La Roche 497—502 und weist
auch noch 496 der vermeintlichen Interpolation zu; Nauck hat zu
498—502 bemerkt: spurü? Indes sind weder die von La Roche
erhobenen sprachlichen Bedenken berechtigt, noch kann Düntzers
Forderung: ‘“Andromache mufs bei allem tiefen Gefühl sich als
Hektors starkes Weib, als Eetions würdige Tochter erweisen, die
der Mahnung ihres Gatten nachkommt” so ohne weiteres gelten.
Es bleibt noch die Episode von Glaukos und Diomedes zu
erörtern, welche wir bei der Erzählung von Hektors Gange nach
der Stadt, in welche sie eingefügt ist, übergangen haben, weil
sie eine eingehende Erörterung erfordert.
Für die Kritik dieser Episode ist eine Notiz bei Aristoni-
kos (ed. Friedl. p. 118) von besonderer Bedeutung, welche sagt,
dafs manche diese Begegnung zwischen Glaukos und Diomedes an
eine andere Stelle versetzten. Diese Notiz ist verschieden gedeutet,
entweder in dem Sinne, dals die Episode zwar da, wo wir sie
finden, ihre ursprüngliche Stelle gehabt habe, aber von den Rhapso-
den bald hier bald dort in den Zusammenhang anderer Lieder
eingefügt sei, wozu dieselbe sich ebensowohl wegen ihrer äufser-
lichen Abgeschlossenheit, wie wegen ihres Gehalts au allgemeinen
Gedanken einer verständigen Lebensweisheit vorzüglich geeignet
habe (Köchly, von Christ), oder in dem Sinne, dafs andere
Grammatiker dieselbe an unserer Stelle nicht für ursprünglich ge-
halten, sondern ihr in einem andern Zusammenhange ihre Stelle
angewiesen hätten, was Naber speziell auf Zenodot deutet. Wir
können die erstere Auslegung nicht für die richtige halten, weil
das τινὲς nach dem sonstigen Gebrauch bei Aristonikos sich
nicht auf Rhapsoden, sondern nur auf Grammatiker beziehen läfst,
und müssen danach annehmen, dafs während Aristarch die Epi-
sode da, wo wir sie lesen, für ursprünglich hielt, andere Kritiker
sie hier nicht für passend hielten und ihr anderswo eine passen-
dere Stelle anweisen zu können glaubten.
Verfolgen wir die Gründe, welche für die Stelle, wo die Episode
jetzt steht, geltend gemacht sind, so schien dieselbe Lachmann und
Köchly nach ihrem milden und anmutigen Charakter den übrigen
Scenen des Liedes durchaus entsprechend, ein passendes Vorspiel
zu Hektors Besuch bei Andromache. Ähnlich urteilt Düntzer,
dafs dieselbe zur Abwechslung der Kriegsscenen eingelegt, durch
ihren Gegensatz zu diesen einen Übergang zu den Familienscenen
in Troja bilde, auch die rührende Klage des Glaukos über die
Vergänglichkeit der Menschen, verbunden mit der Erzählung von
Bellerophontes die bald darauf uns entgegentretende Not in Troja
trefflich einleite.e Auch v. Christ hebt die Verwandtschaft des
Inhalts mit dem übrigen Gesange hervor, zu dessen friedlichem
134 Z. Einleitung.
Charakter trefflich der unblutige Ausgang des Zusammentreffens
stimme. Aber auch die Art, wie die Episode in den Zusammen-
hang der Erzühlung eingefügt ist, scheint ihm ganz in der Art
des Homer, indem durch diese Scene die zur Ausführung von
Hektors Gange nach der Stadt erforderliche Zeit ausgefüllt werde.
Lälst sich gegen die vorgetragenen Ansichten an sich kaum
etwas einwenden, namentlich denen gegenüber, welche die Episode,
wie Lachmann, von dem Standpunkt des Einzelliedes auffassen,
so erheben sich doch sofort Schwierigkeiten, sobald man dieselbe
mit dem sechsten Gesange überhaupt im Zusammenhange mit dem
vorhergehenden betrachtet. Nun steht der Beziehung auf die Dio-
medeia in 2 126 (ὅτ᾽ ἐμὸν δολιχόσκιον ἔγχος ἔμεινας, δυστήνων δέ
re παῖδες ἐμῷ μένει ἀντιόωσιν) der offenbare Widerspruch gegen-
über, dafs Diomedes, der E 127 von Athene mit der Gabe aus-
gerüstet ist Götter und Menschen zu unterscheiden und dort kein
Bedenken getragen hat gegen Apollo anzustürmen, hier nicht weils,
ob Glaukos ein Gott sei, und in demütiger Scheu vor dem Zorn
der Götter sich gegen den Gedanken nachdrücklich verwahrt gegen
einen Gott zu kämpfen. Diesen Widerspruch sucht Düntzer durch
die Annahme zu beseitigen, dafs jetzt, wo die Götter sich aus
dem Kampfe entfernt, ihm die Gabe die Götter zu erkennen von
Athene wieder genommen sei oder er derselben nicht mehr ver-
traue, die Scheu gegen die Götter zu kämpfen aber im genauesten
Zusammenhange mit der Mahnung der Athene in E stehe; über-
dies sei uns die Art, wie Athene den Diomedes verlassen habe,
nicht erhalten. Dagegen bezeichnet der Dichter W. Jordan unter
Voraussetzung desselben Dichters in E und Z es als eine unver-
zeihliche Unterlassungssünde von dem Aufhören jener Erkennungs-
gabe zu schweigen und das widersprechende Benehmen des Dio-
medes als die ärgste der poetischen Unwahrheiten, als einen
unvereinbaren Widerspruch in der Charakteristik und sieht daher
in der Glaukosepisode ein älteres Stück von einem Dichter, welcher
einer würdigeren Auffassung der Götter huldigte. Auch Jacob
und Holm finden den Widerspruch in beiden Darstellungen un-
lösbar und schliefsen, dafs der Verfasser der Episode E nicht vor
Augen gehabt habe, darin vielmehr ein für sich gedichtetes Lied
zu sehen sei. Ebenso findet Naber die Episode unvereinbar mit E,
wo Diomedes Aphrodite und Ares verwundete, und glaubt, dals
dieselbe aus einem andern Gesange in die jetztige Stelle ungehörig
übertragen sei, was leicht habe geschehen können, da Diomedes
auch hier, wie in E, als ἀριστεύων erscheine. Auch wir müssen
in dem Benehmen des Diomedes in dieser Episode und in E einen
unvereinbaren Widerspruch anerkennen und wenn irgendwo die An-
wendung des σιωπώμενον für unzulässig halten. Eine andere Frage
aber ist, ob darum diese Episode ursprünglich für eine andere
Stelle gedichtet ist. Hier kommen nun zunächst die Gründe in
Z. Einleitung. 135
Betracht, welche gegen die Stellung derselben in ihrem jetzigen
Zusammenhang vorgebracht sind. Giseke macht dagegen geltend,
dals dieselbe zwischen Hektors Weggang vom Schlachtfelde und
seiner Ankunft in der Stadt so lose eingefügt sei, dafs wenn man
237 mit ἄλλ᾽ ὅτε δή statt mit Ἕκτωρ δ᾽ ὡς beginne, ein unmittel-
barer Anschlufs an 118 möglich sei. Ebenso urteilt Bergk, dals
die Episode nicht eben geschickt den Gang der Erzählung unter-
breche und Jordan findet den Platz zur Einschaltung sehr un-
glücklich gewählt, weil sie die Erzählung von Hektors Gang in
die Stadt zerreifse, welche jetzt 118 sehr unepisch abbreche mit
der Schilderung, wie dem Helden die Lederfranzen des Schildes
oben den Nacken und unten die Knöchel umklappen, denn diese
veranschauliche treffend seine Hast und erwecke die Erwartung,
ihn bald am Ziele zu sehen. Indes wird man doch anerkennen
müssen, dafs die sonst nach Homerischer Technik geltenden Voraus-
setzungen für Einschaltung einer Episode hier. vorhanden sind.
Andrerseits ist für die Stelle der Episode an ihrem jetzigen Platze
von Köchly geltend gemacht, dals im Anfang von H Glaukos
neben Hektor und Paris als dritter Vorkämpfer auftritt.
Dafs die Episode ferner im Anschlufs an die Diomedeia ge-
dichtet ist, darauf scheint nicht nur 126f. zu weisen — Worte
des Selbstgefühls, wie sie dem bescheidenen und mafsvollen Dio-
medes nur nach hervorragenden Thaten angemessen sind —, son-
dern es zeigt auch die Ausführung des Diomedes über den Kampf
mit den Göttern eine nicht abzuweisende Beziehung auf die ähn-
liche der Dione E 407ff. Sehr zweifelhaft scheint freilich, ob
diese Beziehung in der Weise zu deuten ist, wie Köchly und
Genz thun, dafs nämlich der Dichter unserer Episode dieselbe im
Anschlufs an E 407 ff. im bewulsten Gegensatz zu der Darstel-
lung des Diomedes in E gedichtet habe, um diese gleichsam zu
korrigieren, da ihm diese dem Charakter des Helden unangemessen
schien und er in frommer Denkart wegen der übermenschlichen
Thaten für seinen Liebling fürchtete. Aber es wäre ja möglich,
wie jene Notiz des Aristonikos es nahe zu legen scheint, dals
die Episode im unmittelbaren Anschlufs an die Aristie des Dio-
medes für eine Stelle innerhalb dieser selbst gedichtet wäre, wie
Bergk und M. Schmidt annehmen. Jener setzt ihre ursprüng-
liche Stelle nach E 518, nach dem Kampfe des Diomedes mit
Aineias, indem er ganz entgegengesetzt der Ansicht von Köchly
annimmt, dals der Diaskeuast, welcher die olympische Scene zwi-
schen Aphrodite und Dione einlegte, in 407 fi. auf die Äufserung
des Diomedes dem Glaukos gegenüber (Z 129 8.) Rücksicht nahm,
aber, weil er gegen diese Partie im übrigen ganz offen polemi-
sierte, sie wohl ganz zu beseitigen suchte, was ihm freilich nicht
gelang, da sie an einer anderen Stelle erhalten wurde. Schmidt
dagegen nimmt an, dafs die Episode für die Stelle gedichtet sei,
136 Z. Einleitung.
welche jetzt der Kampf zwischen Sarpedon und Tlepolemos ein-
nimmt, E 628—698, und zwar von einem Dichter, welcher an
dieser Scene in einem zur Verherrlichung des Diomedes bestimm-
ten Liede Anstofs nahm und dasselbe durch eine andere ersetzen
zu müssen glaubte, in welcher dem Diomedes die Hauptrolle zu-
falle, wobei er sich angelegen sein liefs denselben gehorsam der
Mahnung der Athene 130f. zu zeigen. Er glaubt diese Annahme
dadurch stützen zu können, dafs die Einleitung beider Episoden
in E 630 = Ζ 120 übereinkomme. Um Bergks Ansicht zu ver-
stehen, mufs hinzugefügt werden, dafs nach seiner Annahme in
der ursprünglichen Diomedie Athene 129 ἢ, Diomedes warnte gegen
die Götter zu kämpfen, ohne irgend eine Ausnahme zu machen,
und ihre Warnung wahrscheinlich noch näher begründete, indem
sie darauf hinwies, dals wer seine Hand gegen die Götter erhebe,
einem sichern Untergange geweiht sei, frühzeitig sein Leben ver-
liere, Worte die der Diaskeuast hier strich, um das Motiv 406 ff.
für sich zu verwenden. Allein ist es schon schwer Bergk in
diesen Voraussetzungen von der Thätigkeit seines Diaskeuasten zu
folgen, so wird die ganze Annahme, welche übrigens auch von
Benicken lebhaft bestritten ist, zumal dadurch hinfällig, dafs
jener Widerspruch zwischen der Episode und E hinsichtlich der
dem Diomedes verliehenen Gabe die Götter zu erkennen (die Bergk
nicht etwa durch Athetese beseitigt hat) in der hier der Episode
zugewiesenen Stelle (nach E 518) so grell hervortreten würde,
dafs er vollends unerträglich wäre. Und dasselbe gilt von der
Vermutung Schmidts, gegen welche überdies die nümlichen Be-
denken, welche Ribbeck (vgl. die Einleitung zu E p. 73) gegen
den Zweikampf des Sarpedon und Tlepolemos aus der Situation
entnommen hat, geltend gemacht werden können. Noch hat
Düntzer vermutet, dafs die in der Notiz des Aristonikos er-
wähnten andern Grammatiker die Episode an den Schlufs des
vierten Buches, also unmittelbar vor die Aristie des Diomedes ge-
setzt hätten, ohne dafs er selbst jedoch diese Stelle für besser hielte.
Sind die Versuche der Episode eine passendere Stelle zuzu-
weisen zu verwerfen, so müssen wir uns zunächst dabei beruhigen,
dafs sie im Anschlufs an E und für die Stelle, wo wir sie jetzt
lesen, gedichtet sei. Dafs sie an dieser Stelle gleichwohl mit
E127f. im Widerspruch steht, läfst sich dann entweder daraus
erklären, dafs in der ursprünglichen Diomedie, wie wir angenom-
men haben, von jener Gabe die Götter zu erkennen gar nicht die
Rede war, oder dafs die Episode jüngeren Ursprungs ist und der,
welcher sie einfügte, obwohl er E in seiner jetzigen Gestalt vor
Augen hatte, übersah, in welchen Widerspruch er sich mit E
setzte. Für einen jüngeren Ursprung der Episode werden aber
von Giseke überhaupt die gegen die Ursprünglichkeit der Sar-
pedon und Glaukos betreffenden Partieen sprechenden Gründe gel-
Z. Einleitung. 137
tend gemacht, insbesondere, die lose Einfügung der Episode und
Egentümlichkeiten in Sprache und Versbau, worin dieselbe von
ihrer Umgebung abweiche. Wenn ferner Diomedes sagt, dafs er
Glaukos vorher in der Schlacht noch nicht gesehen habe, so sieht
v. Christ darin, wie in der Fiktion, dafs erst während des Kampfes
neue Zuzüge von Verbündeten angekommen seien, die deutliche An-
deutung, dafs der Dichter sich der Einführung neuer Streiter und
der damit verbundenen Erweiterung der ursprünglichen Anlage
wohl bewufst war. Wohl dürfen auch der elegische Charakter der
einleitenden Worte in Glaukos’ Erwiederung 146 ff. verglichen
mit 6130f,, zum Teil die Erzählung von Bellerophontes selbst
und die Sage von Lykoorgos für einen jüngeren Ursprung geltend
gemacht werden.
Indes ist die exemplificierende Ausführung des Gedankens,
dafs niemand ungestraft die Hände gegen die Götter erhebe, durch
das Beispiel des Lykoorgos von Düntzer und La Roche als ein
jüngerer Zusatz athetiert. Der erstere begründet die Athetese
dadurch, dafs diese Ausführung für Diomedes, der eben auf Ge-
heifs der Athene Ares verwundet habe, sich wenig schicke. Allein
dieses Bedenken trifft doch nicht minder den Ausspruch 129, in
welchem er den Gedanken an einen Kampf mit den Göttern von
sich weist. Wenn aber La Roche gegen die Stelle geltend macht,
dafs die echten homerischen Lieder den Gott Dionysos nicht kennen
und in der Wiederholung von V. 129 in 141 ein Anzeichen der
Einschiebung findet, so ist das letztere Argument trüglich, das
erstere aber ebensowohl für einen jüngeren Ursprung der ganzen
Episode geltend zu machen. Ferner hat Köchly 156—159. 194 f.
200—202. 205. 221—223 athetiert. In 156—159 glaubt der-
selbe ein Stück aus einer anderen Darstellung zu erkennen, in
welcher Proetos mit offener Gewalt den vermeintlichen Verführer
seiner Gattin aus seinem Gebiete vertrieben habe. In dieser Athe-
tese begegnet sich Köchly mit Friedlaender. Auch dieser
findet 168 ἢ, wo eine Austreibung des Bellerophon berichtet wird,
unverträglich mit der folgenden Darstellung, wo Proetos den Belle-
rophon mit der Uriassendung nach Lyeien schiekt, und nimmt
eine Verschmelzung zweier verschiedener Darstellungen der Ge-
schichte an, deren eine den Bellerophon von Proetos aus Mils-
gunst, aus eifersüchtiger Besorgnis vor der zukünftigen Gröfse des
jungen Helden vertrieben werden liefs, und die im wesentlichen
in 155—159. 171—173. 192—199. 203—211 enthalten und
wahrscheinlich die ursprünglichere Gestalt der Stelle sei, während
die andere die Liebe und Verleumdung der Antaea, die verräte-
rische Sendung zu Jobates und die in Lycien glücklich bestan-
denen Abenteuer enthielt (in 160—199. 203—211). Diese An-
nahme doppelter Motive eignete sich auch Nitzsch an, wollte
aber durch Ausscheidung von 160—167 die ursprüngliche Fas-
138 Z. Einleitung.
sung herstellen. Bestritten wurde diese Annahme von Ameis im
Anhange (erste Auflage, zu 159), indem er einwendete, dafs aus
den Worten 156—159 nichts von Milsgunst und Eifersucht zu
entnehmen sei, für die Worte ἐκ δήμου ἔλασσεν die erklärende
Ausführung in 168 fand und die Erscheinung, dafs die Erzählung
des Motivs 160 #. erst der Angabe der Thatsache (157—159)
nachgebracht werde, als eine auch sonst vorkommende Eigentüm-
lichkeit der homerischen Darstellung bezeichnete. Letzteres aller-
dings nicht ohne Grund, obwohl man dann eher eine Anknüpfung
mit 7 τοὶ oder γάρ erwarten sollte; aber zweierlei, was für jene
von Friedlaender begründete Ansicht spricht, ist doch nicht ab-
zuweisen. Einmal kann man sich schwer überzeugen, dafs derselbe
Dichter dieselbe Sache einmal als eine Austreibung des Bellero-
phon und dann als eine Sendung desselben bezeichnet habe, da
eine Austreibung, wie überdies der Zusatz ἐπεὶ πολὺ φέρτερος ἦεν
zeigt, die Anwendung von Gewalt voraussetzt. Sodann ist der
wiederholte Versanfang τῷ δέ 156 und 160 zwar nicht an sich,
aber in Verbindung mit den durch den Inhalt gegebenen Anstöfsen
ein höchst wahrscheinliches Anzeichen der Interpolation oder dop-
pelter Fassung, wie auch sonst. Haben wir aber eine doppelte
Fassung anzunehmen, so ist die Ansicht Friedlaenders wohl die
wahrscheinlichste, wonach 156—159 mit den andern angegebenen
Bestandteilen die ältere Fassung bieten, da ‘die Länge und Aus-
führlichkeit bei den Abenteuern des Bellerophon, wo man nur eine
kurze Genealogie erwartet, doch etwas Befremdendes hat”. Dazu
kommt, dafs auch nur aus dieser Fassung in 159 das Verhältnis
des Bellerophon zu Proetos einigermafsen klar wird. Freilich hat
Nauck gerade diesen Vers, der allerdings nicht ganz geschickt
ist, als spurius? bezeichnet.
Nach Heynes Vorgang fand Köchly ferner V. 181 und 182
mit einander unvereinbar, da bei der Verbindung beider Verse
ἀποπνείουσα sich auf μέσση χίμαιρα beziehe, und glaubte in beiden
Versen eine doppelte Fassung zu erkennen. Sodann schienen dem-
selben 194 f. aus 7184 f. entnommen und hier ungehörig ein-
gefügt, weil von irgend welcher Beziehung des Volkes zu dem
Fremden vorher nicht die Rede sei und die Beziehung von ἡ δέ
196 auf ϑυγατέρα 192 durch jene beiden Verse sehr erschwert
werde; Anlafs zur Interpolation habe M 311 f. gegeben. Beide
Vermutungen sind beachtenswert.
V. 200—202 verwarf schon Friedlaender, weil sie nicht
nur das spätere Schicksal des Bellerophon in seltsamer, ja undeut-
licher Kürze mehr andeuten als erzählen, sondern auch in ganz
unbegreiflicher Weise die Geschichte seiner Kinder unterbrechen:
der Interpolator meinte die Erzählung mit dem so merkwürdigen
Ende des Helden vervollständigen zu müssen. Diese Ansicht teilen
auch Köchly und Franke, welche überdies noch 205 als den
Z. Einleitung. 139
Zusammenhang störend hinzunehmen. Gegen die Athetese hat sich
W. Jordan ausgesprochen. Er hält 200—202 im Zusammenhange
für notwendig, weil dadurch erklärt werde, wie es möglich ge-
wesen sei, dals der Sohn eines so gewaltigen Helden wie Belle-
rophon im Kampfe gefallen, und sieht in dem καὶ κεῖνος 200 eine
deutliche Beziehung auf 140, da j& auch Bellerophon mit einem
Wesen göttlichen: Geschlechts, der Chimära, zu klimpfen gewagt
habe. Allein der letzteren Deutung widerspricht direkt die vor-
hergehende Erzählung, da Bellerophon die Chimära tötete ϑεῶν
τεράεσσι πιϑήσας 183, wodurch die Beziehung von καὶ κεῖνος auf
140 hinfällig wird; und auch die erstere Erklärung kann uns über
das Bedenken nicht hinwegbringen, dafs der 198 mit μέν begonnene
Bericht über die Kinder des Bellerophon durch 200—202 in der
auffallendsten Weise unterbrochen wird. Danach hat die vor-
geschlagene Athetese grolse Wahrscheinlichkeit.
Endlich geben die V. 221—223 dadurch "begründeten An-
stols, dafs der Zweck der darin enthaltenen Angaben, namentlich
der von dem frühen Tode des Tydeus in dem Zusammenhange
wenig verständlich ist. Daher hat Köchly alle drei Verse, Franke
222. 223 als späteren Zusatz verworfen.
Aus den vorstehenden Erörterungen ergeben sich uns die
folgenden Resultate. Die Verknüpfung des Gesanges mit dem vor-
hergehenden in den Eingansversen 1—4 ist nur eine äufserliche,
der ganze erste Abschnitt (bis 72) zeigt weder mit dem am Schlufs
von E Erzählten einen inneren Zusammenhang, noch ist er geeignet
den folgenden Abschnitt angemessen vorzubereiten, da durch das
hier von Diomedes Erzählte der von Helenos vorgeschlagene Bitt-
gang zu Athene um Abwehr des Diomedes in keiner Weise ge-
nügend motiviert wird. Insbesondere ist auch die Adrastosscene
37-65 teils im Hinblick darauf, dafs der Vertragsbruch 56 nicht
als Motiv verwendet wird, teils dem’ milden Charakter der ganzen
folgenden Darstellung gegenüber befremdend. Dagegen finden die
folgenden zusammengehörenden Abschnitte, der Rat des Helenos
73—118 und Hektors Gang in die Stadt 237—311 nur unter
der Voraussetzung der Aristie des Diomedes ihre genügende Mo-
tivierung und müssen im Anschlufs an diese gedichtet sein.
Ebenso sicher, wie die vorhergehenden Abschnitte an E an-
knüpfen, schliefst sich der Besuch des Hektor bei Paris 312—
369 an I’ an. Eine sichere Beziehung auf den Zweikampf in T
enthält 339, auch stimmt die Zeichnung der Helena mit der Dar-
stellung derselben in I’ überein. Dagegen liegt in der bei Paris
336 vorausgesetzten schmerzlichen Stimmung über seine Nieder-
lage ein Widerspruch mit seiner leichtfertigen Stimmung in Γ 428
vor. Ebenso setzt die Angabe 337 f., dafs Helena Paris mit freund-
lichen Worten zur Rückkehr in den Kampf getrieben, im Vergleich
zu der bitteren Hohnrede derselben Γ' 428 ff. einen Umschlag der
140 Z. Einleitung.
Stimmung voraus, der sich durch die Annahme κατὰ τὸ σιωπώμε-
vov nicht erklären läfst. Vor allem aber ist der von Hektor bei
Paris vorausgesetzte Groll gegen die Troer 326 durch das in Γ᾽
Erzählte nicht gentigend vorbereitet. In der Begegnung Hektors
mit Andromache und dem Schlufs des Gesanges 370—529 treten
besondere Beziehungen auf die vorhergehenden Gesänge nicht her-
vor, doch findet sich auch nichts, was dem Anschlufs an dieselben
widerspräche. Die Episode von Glaukos und Diomedes endlich
hat die Aristie des Diomedes zur Voraussetzung, auch zeigt die-
selbe in 129 ff. eine offenbare Beziehung auf E 407 ff., aber das
Benehmen des Diomedes Glaukos gegenüber ist mit der ihm dort
von Athene verliehenen Gabe die Götter zu erkennen ebenso un-
vereinbar, wie mit der Art, wie er dort den Göttern entgegentritt,
Wenn es nach den angegebenen Beziehungen keinem Zweifel
unterliegt, dals der Gesang im ganzen im Anschlufs an die vor-
hergehenden Gesänge gedichtet ist, so ist dieser Anschlufs doch
in einzelnen Abschnitten so ungenau, dafs die ursprüngliche Kon-
tinuität der Erzählung durch mannigfache Einflüsse gestört sein
mufs. So wird der ganze erste Abschnitt (1--- 72) als ein Füll-
stück angesehen werden müssen, welches nach der Umgestaltung
des ursprünglichen Schlusses von E dazu dienen sollte den Gang
Hektors zur Stadt mit der Diomedeia wieder zu verbinden. Bei
der Glaukosepisode würden die bemerkten Differenzen mit der
Diomedie durch die in der Einleitung zu E aufgestellte Annahme
ihre Erklärung finden, dafs die ursprüngliche Erzählung in E
weder von der dem Diomedes verliehenen Gabe die Götter zu er-
kennen, noch von den Kämpfen desselben gegen Aphrodite und
Apollon etwas wulste. Indes sind wir geneigt für diese Episode
einen jüngeren Ursprung anzunehmen und sie gleichzeitig mit der
Einfügung der Sarpedonscenen in Z zu setzen. In diesem Falle
werden jene Differenzen daraus zu erklären sein, dafs der Dichter
die Erzählung der Diomedeia nicht lebhaft genug in der Erinne-
rung hatte.
Von den übrigen Abschnitten giebt nur der, welcher den Be-
such Hektors bei Paris enthält, durch den mangelhaften Anschlufs
an I’ zu ernstlichen Bedenken Anlafs. Um denselben zu erklären,
bietet sich zunächst folgende Möglichkeit. Die bemerkten Anstölse
treffen alle das Verhältnis dieser Erzählung zu dem, was von
Paris und Helena in Γ' 383—447 berichtet ist. Da nun die letz-
tere Erzählung, wie in der Einleitung zu Γ' ausgeführt ist, durch
die Zeichnung der Aphrodite und der Helena den gröfsten Anstols
erregt hat und immerhin jüngeren Ursprungs sein kann, so könnten
sich jene Differenzen daraus erklären, dafs die ursprüngliche Er-
zählung in T, welche die Voraussetzungen für das in Z Erzühlte
gab, durch jene Scenen verdrängt sei. Aber die Erzählung von
Hektors Besuch bei Paris erregt auch selbst durch die Art ihrer
Z. Einleitung. 141
Einfügung in den Zusammenhang Bedenken. Während wir daran
kaum Anstols nehmen, dafs die Begegnung Hektors und der An-
dromache ohne besondere Motivierung an Hektors Gang zur Stadt
angeschlossen ist, bringt der Besuch Hektors bei Paris, ohne irgend
wie selbst vorbereitet zu sein, in die Erzählung ein Motiv, welches
in seiner weiteren Verwendung der Ausgangspunkt einer ganz an-
dern Entwicklung wird, als die, welche durch die vorhergehende
Erzählung vorbereitet war. Denn während das Gebet der troischen
Frauen zu Athene erfolglos ist, so dafs weitere Thaten des Dio-
medes und ein für die Troer unglücklicher Fortgang des Kampfes
zu erwarten ist, wird durch die Zurückführung des Paris in die
Schlacht im Anfang von H eine Wendung des Kampfes zu Gunsten
der Troer herbeigeführt, und von Diomedes ist weiter keine Rede.
Durch diese Verhältnisse scheint in der That die innere Einheit
des Gesanges in Frage gestellt zu werden. Dazu kommen die
oben p. 124 erwähnten Bedenken, welche sich an die diesen Be-
such vorbereitenden Worte Hektors 279—285, sowie an den Über-
gang zu dieser Scene 311 ff. knüpfen. Hier bieten sich nun zwei
Möglichkeiten. Entweder ist der Besuch des Hektor bei Paris
eine Eindichtung, welche den Zweck hatte die Erzählung von dem
Fortgange der Schlacht, wie sie in H folgt, vorzubereiten, wäh-
rend ursprünglich Hektors Begegnung mit Andromache sich un-
mittelbar an desselben Besuch bei Hekabe anschlols und die in
H folgende weitere Schlacht einen andern, den vorher gegebenen
Voraussetzungen entsprechenden Verlauf nahm. Dies ist zum Teil
die Ansicht Kammers. Oder der Besuch Hektors bei Paris bil-
dete von vornherein mit der Begegnung zwischen Hektor und Andro-
mache eine zusammengehörige Erzählung, welche mit der Erzählung
von Hektors Gange in die Stadt, wie er in Anfang von Z vor-
liegt, nichts zu thun hatte, sondern von ganz anderen Voraus-
setzungen ausging und insbesondere Hektors Gang durch den Zweck,
Paris in die Schlacht zurückzuführen motivierte. Die letztere von
Hoffmann vertretene Ansicht empfiehlt sich einmal dadurch, dafs
Hektors Besuch bei Paris mit der Begegnung zwischen Hektor
und Andromache teils durch den Parallelismus des Inhalts, teils
durch die Verschlingung der Erzählung auf das engste verknüpft
ist. Ferner setzt dieselbe eine bessere Motivierung für Hektors
Gang zur Stadt voraus und läfst eher begreifen, wie der weitere
Verlauf des Kampfes in H so wenig den im ersten Abschnitt von
Z gegebenen Voraussetzungen entspricht, nach welchen man viel-
mehr weitere Thaten des Diomedes und überhaupt einen für die
Achäer günstigen Verlauf des Kampfes erwarten mufs. Aber bei
dieser Annahme bleiben nicht geringe Bedenken hinsichtlich des
Fortgangs der Erzählung. War die Zurückführung des Paris in
den Kampf das Hauptmotiv dieser Erzählung, so entspricht dem
zu wenig die Rolle, welche Paris im Anfang von H zugeteilt ist.
142 Z. Einleitung.
Allerdings wird infolge seiner und Hektors Rückkehr die Schlacht
zu Gunsten der Troer gewendet, aber kaum hat Paris einen Achüer
erlegt, so folgt bereits jene Verabredung zwischen Athene und
Apollo, welche zu dem Zweikampf zwischen Hektor und Aias führt.
Ist ferner die von Naber ausgesprochene Ansicht nicht unbegrün-
det, dafs die Unterredung zwischen Hektor und seiner Gattin nur
als die letzte vor Hektors Tode gedichtet sein könne, weil der
Dichter dem Hektor selbst, wie den Seinen geflissentlich die trüb-
sten Ahnungen seines bevorstehenden Todes beilegt, so ist es auch
von hieraus höchst unwahrscheinlich, dafs ursprünglich jener Zwei-
kampf folgte, aus welchem Hektor am Abend wohlbehalten in die
Stadt zurückkehrt. Endlich spricht gegen die Kontinuität der Er-
z&hlung in den letzten Abschnitten von Z und dem ersten von H,
was Genz geltend gemacht hat, dals der Zweikampf zwischen
Hektor und Aias keineswegs zur Verherrlichung Hektors gedichtet
ist, da dieser vielmehr vor Aias zurücktritt, während der Dichter
von Z es doch vor allem darauf abgesehen hat Hektor in ein
glänzendes Licht zu stellen.
Fassen wir noch in einem Rückblick auf die Gesänge B—Z
die Ergebnisse unserer Erörterungen zusammen, so scheint uns so
viel sicher gestellt, dafs die Annahme einer einheitlichen Dichtung
in diesen Gesängen, sei es in der Weise von Düntzer, welcher
in den Gesängen T—H ein selbständiges Gedicht erkennt, sei es
dafs man, wie Nitzsch in den Gesängen B—H als ursprünglichem
Bestandteil der Ilias die Exposition der Verhältnisse im weitesten
Umfange sieht, unhaltbar ist. Dafür ist entscheidend die Stellung
der Diomedie innerhalb dieser Gesänge. Nach dem jetzt bestehen-
den Zusammenhange dem Vertragsbruch unmittelbar angeschlossen,
zeigt dieselbe weder in der Art des Kampfes irgend welche Nach-
wirkung dieses Ereignisses, noch in den Reden der handelnden
Personen die geringste Beziehung auf dasselbe. Ja der thatslich-
lich vorliegende Zusammenhang mit dem Vertragsbruch, dals der-
selbe Pandaros, der durch den Schufs auf Menelaos den Vertrag
gebrochen, von Diomedes getötet wird, ist von dem Dichter so
vollständig ignoriert, dafs man nicht anders glauben kann, als dafs
für ihn dieser ‚Zusammenhang gar nicht vorlag. Endlich ist die
unzweifelhafte Interpolation der Verse 206—208, welche eine Be-
ziehung auf den Vertragsbruch in den Gesang einfügt, vielleicht
der sicherste Beweis, dals ursprünglich keinerlei Zusammenhang
zwischen beiden Gesängen bestand. Von diesem nach unserer An-
sicht sicheren Resultat aus ergeben sich aber folgende Folgerungen.
Verlangt der Plan der Ilias nach den im ersten und zu Anfang
des zweiten Gesanges gegebenen grundlegenden Motiven, mag man
über den zweiten Gesang sonst urteilen wie man will, die Ein-
Z. Anmerkungen. 143
leitung einer grolsen Schlacht und ist in der Diomedie ein Haupt-
stück dieser in B vorbereiteten Schlacht enthalten, so ist nach
dem angedeuteten Verhältnis der Diomedie zum Vertragsbruch der
letztere kein ursprünglicher Bestandteil der Ilias und ebenso wenig
der Gesang, der die Voraussetzung für diesen bildet, die ὅρκια —
ein Resultat, welches durch die in der Einleitung zu I’ p. 164 ff.
dargelegten Bedenken hinsichtlich des Zusammenhangs des Gesanges
mit dem vorhergehenden und des Verhältnisses zu den grundlegen-
den Motiven in A sowie dadurch wesentlich unterstützt wird, dafs
von dem Zweikampf des Paris und Menelaos in Z irgend welche
Erinnerung und Nachwirkung nicht bemerklich ist, wie Kammer
nachgewiesen hat. Denn dafs der Besuch Hektors bei Paris, welcher
an T' ankntipft, nicht ursprünglich ist, wurde uns durch eine
Reihe von gewichtigen Gründen wahrscheinlich. Indem wir uns
damit im wesentlichen der von Kammer aufgestellten, in der
Einleitung zu I’ p.175 dargelegten Ansicht anschliefsen, beschrän-
ken wir uns im übrigen darauf zu bemerken, dafs wenn die Be-
gegnung Hektors mit Andromache im Anschlufs an Hektors Gang
zur Stadt ursprünglich ist, nach dem oben Bemerkten die Stelle
des Zweikampfes zwischen Hektor und Aias in H erschüttert wird.
Um noch einmal auf die für die Diomedie angenommenen
Erweiterungen zurückzukommen, so scheinen diese zum Teil mit
der Einfügung von I’ und dem Anfang von 4 in Zusammenhang
zu stehen. Die Anstöfse, welche die Zeichnung der Götter in den
verworfenen Teilen von E bietet, treffen in gleicher Weise ein-
zelne Partieen in I’ und den Vertragsbruch. Insbesondere aber
scheint die olympische Scene in EZ, wo Here und Athene auf
Grund der Verwundung der Aphrodite Zeus necken, als Gegen-
stück zu der Ringangsscene von 4 gedichtet, wo Zeus Here und
Athene durch die Gegenüberstellung der Aphrodite neckt (vgl.
E 419 mit 45f., auch E 423 mit Γ 415, an welchen beiden
Stellen allein die Wendung ἔκπαγλα φιλεῖν sich findet) und darauf
überhaupt die Eindichtung von der Verwundung der Aphrodite
zu beruhen.
Anmerkungen.
18. Über die Anknüpfung des Gesanges an E in den einlei-
tenden Versen 1—4 vgl. die Einleitung p. 121 und Benicken
in Zeitschr. ἢ d. oesterr. Gymn. 1881 p. 561—565, Kammer
die Einheit der Odyssee p. 28 Anmerk. —, zur Kritik des folgen-
den Abschnitts 5—72 die Einleitung p. 121f., dazu Düntzer hom.
Abhandl. p. 257f. 288, Holm ad Car. Lachmanni exemplar ete.
144 Z. Anmerkungen.
p- ΘΓ 9, Köchly de Niadis carmm. diss. V p. 3f, Jacob Ent-
stehung d. Il. u. Od. p. 211, Genz zur Ilias p. 24, Bergk griech.
Litteraturgesch. I p. 580, Naber quaestt. Hom. p. 158, W. Jor-
dan Homers Ilias übersetzt und erklärt p. 580f. — 3. Nauck
bezweifelt die Ursprünglichkeit des Verses. — 13. Über die Bil-
dung Τευϑρανίδης vgl. Angermann in G. Curtius’ Stud. I, 38. —
16. “Zu diesem Gebrauche von ἀλλά vgl. das lat. at (mit und
ohne vero oder hercule), welches ebenso die freudige oder bedauernde
Teilnahme des Sprechenden bezeichnet: aber leider, öfter bei
Tacitus’. W. Osterwald. — 22. ἀβαρβαρέη “die Sprudlerin,
vgl. βορβορύξω persisch barbar geschwätzig, Skt. barbura Wasser,
also ein geschwätziger Quell: vgl. G. Curtius’ Etym. Nr. 394
und im Anhang zu B 867 βαρβαρύφωνος". G. Autenrieth.
34. Statt der gewöhnlichen und in allen Handschriften stehen-
den Lesart ναῖε δὲ Σατνιόεντος hat Zenodotos ὃς ναῖε Σατνιόεν-
τὸς gelesen, wie Aristonikos berichtet. Diese Angabe wollen
G. Bernhardy Gr. Litt. 115 5. 191 und Düntzer de Zenod. p. 84
aus Ariston. zu N 172 in ὃς νάε verbessert wissen. Da aber die
Schreibweise des Zenodotos bei Aristonikos ausdrücklich κακόφω-
vov heifst und zu N 172 mit [Ζηνόδοτος] κακόμετρον τὸ ἔπος ποιεῖ
bezeichnet wird, so ist eher das Umgekehrte anzunehmen, dafs
Zenodotos an beiden Stellen ὃς ναῖε gegeben habe. Er wird näm-
lich die Verkürzung des Diphthongen in ναῖε höchst wahrschein-
lich mit Beispielen von ἔμπαιος (v 379) und οἷος (N 275. Σ 105.
n 312. v 89: F. A. Wolf Kl. Schrift. von G. Bernhardy 191)
und υἱός (Fr. Thiersch Gr. Gram. $ 168, 13) und ἐπειή (An-
hang zu ı 276) gerechtfertigt haben, dies aber wird dem Aristarch
gerade in ὃς ναῖε als “übelklingend” oder als “üble Versgestaltung”
erschienen sein. Bei ὃς v«e dagegen wäre nichts Derartiges zu
bemerken gewesen.
37—65. Eine Analyse dieses Stückes mit Vergleichung der
ähnlichen 4 122—142. Φ 34—127 giebt Bischoff über Home-
rische Poesie, Erlangen 1875 p. 64fl. — 40. Über πρῶτος im
Sinne von ἄκρος vgl. K. Lehrs de Arist.? p. 146. — 46. An-
sprechend ist die Vermutung Naucks: δέξῃ an Stelle von δέξαι.
— 48. Das Kolon nach σίδηρος ist begründet von Pfudel Bei-
träge zur Syntax der Kausalsätze bei Homer p. 7.
51. ὄρινεν ist aus Handschriften durch F. A. Wolf in die
neueren Texte gekommen und dadurch ist die äufserliche Gleich-
mäfsigkeit mit den übrigen Stellen dieses formelhaften Verses ein-
geführt. Aber vor Wolf wurde wie noch von Heyne ἔπειϑεν ge-
lesen: dies baben ADMNOS. γρ. C. Ameis begründete die Zu-
rückführung dieser Lesart so: ‘1) Durch dieses ἔπειθεν gewinnt
erst das V. 61 stehende παρέπεισεν seine eigentliche Bedeutung,
da letzteres offenbar mit Bezug auf das erstere gesagt ist. Erst
nachdem man 51 ἔπειϑεν in den geläufigern Versschluls ὄρενεν
Z. Anmerkungen. 145
geändert hatte, wurde auch 61 παρέπεισεν mit dem Verbum ἔτρεψεν
vertauscht. 2) Adrastos hat sich 46 bis 50 nicht an das Mit-
gefühl des Menelaos gewandt, um blofs an dieses zu appellieren,
sondern er hat nur die aufgezühlten reichen Geschenke als Löse-
geld versprochen. Dafs hierbei nicht etwa ἐλλίσσετο (42) einseitig
zu betonen sei, das zeigen Stellen, wo dasselbe Hemistichion mit
dem Vorgang desselben Verbums erscheint, wie 1587: ἀλλ᾽ οὐδ᾽
ὡς τοῦ ϑυμὸν ἐνὶ στήϑεσσιν Emsidov, wo 585 πολλὰ... ἐλλίσσοντο
vorgeht. X 91: πολλὰ λισσομένω" οὐδ᾽ Ἕκτορι ϑυμὸν ἔπειϑον. Und
ebenfalls mit persönlichem Dativ ψ 337: ἀλλὰ τῷ οὔ more ϑυμὸν
ἐνὶ στήϑεσσιν ἔπειϑεν. Vgl. auch 7258. ı 33”. Auch La Roche
und Nauck lesen: ἔπειϑε.
56. Die Worte ἦ σοὶ ἄριστα πεποίηται κατὰ οἶκον τϑρὸς Τρώων
werden allgemein als ein Ausdruck der Versicherung verstanden.
Aber nach der emphatischen Frageformel τέ 7 δὲ σύ ist der An-
schlufs einer zweiten Frage für die Situation geeigneter und nach-
drucksvoller, weil hierdurch die betonten Worte σοί und πρὸς
Τρώων schärfer hervortreten. Und diese Frageform ist Aristar-
chisch. Denn Herodian bemerkt hier: περισπαστέον τὸν ἦ᾽ δια-
πορητικὸς γάρ ἔστι. Auch sonst wird an das von leidenschaft-
licher Erregtheit zeugende τί ἦ δὲ σὺ eine zweite Frage mit ἦ
angeschlossen, wie #265. π 424. ρ 376. Und herzustellen ist diese
Frageform O0 245, wo Herodian ebenfalls bemerkt: ὁ 7 δια-
πορητικός ἐστι" διὸ περισπαστέον. In den zwei übrigen Stellen hat
die heftige Gemütsstimmung des Redenden eine andere Wendung
genommen, nämlich P171 durch den neuen Anfang ὦ πόποι, ἦ
τ᾽ ἐφάμην und 7500 durch das stabile οὐδέ τί σε χρή, weil dort
der kluge Odysseus dem “Mütterchen’ (μαῖα) gegenüber sich zü-
geln mufs. Denselben Charakter der Heftigkeit haben Stellen mit
zwei Fragen, wie 4 203. — Die Notwendigkeit des orthotonierten
σοί hat Fr. Spitzner für den Gedanken sattsam erwiesen. Aber
diese Form ist auch aus einem formalen Grunde notwendig. Die
Partikel ἦ os nämlich findet sich bei Homer nur in Sätzen, die
entweder mit dem ersten Versfuls beginnen oder (seltener) mit
dem fünften. Vgl. Franz Schnorr v. Carolsfeld Verborum
coll. Hom. p. ὅ9 8ᾳ. — Die Form ἄριστα vor πεποίηται wird von
den meisten Interpreten und Übersetzern adverbial erklärt. Aber
ein impersonelles ποιεῖταί τινε “es wird gehandelt an einem’ ist
weder in diesem Verbum noch in einem analogen Transitivum
bei dem alles sinnlich belebenden Dichter nachweisbar. Werden
doch bei ihm selbst Gedanken wie 4107. 546. 2243. 9 351.
9 347. 4348 und viele andere in persönlicher Wendung ausgespro-
chen: vgl. zu A546 und den Anhang zu 0347. Es ist daher
hier das substantivierte ἄριστα als Subjekt nicht zu bezweifeln.
59. Gewöhnlich wird jetzt nach φέροι Kolon gesetzt und nach
dem vorhergehenden ἡμετέρας (58) Komma, während F. A. Wolf
Hexrze, Anhang zu Homers Ilias. II. 10
146 Z. Anmerkungen.
und die besten Vorgänger nach ἡμετέρας mit Kolon und nach φέροι
mit Komma interpungiert hatten, wie es Nikanor verlangt. Und
diese Interpunktion empfiehlt Joh. Classen Beobachtungen $. 37
aus dem Grunde, weil dadurch ‘die Verwünschung viel nachdrück-
licher” werde. Es machen sich aber drei Bedenken geltend: 1)
Ein selbständiger neuer Satz mit μηδέ und dem Relativum,
der dasselbe μηδέ mit einem Demonstrativ zum Nachsatz hätte,
ist im Homer nicht weiter zu finden: alle derartigen Sätze mit
μηδέ oder οὐδέ und Relativ oder Konjunktion haben einen engeren
Anschlufs an das vorhergehende. 2) Ein psychologischer Grund:
wo der leidenschaftliche Zorn seine Worte kürzt und kleinere
selbständige Sätze gebraucht, pflegt er den Gedanken jedesmal in
eine and&e Bahn zu lenken (ein Beispiel im Anhang A 234).
Hier aber hält der zornvolle Agamemnon ganz denselben Ge-
danken fest, nur dafs er ihn durch und’ ὅν τινα bis φύγοι aufs
höchste gesteigert hat; daher: 3) Eine Steigerung, wie sie hier
durch und’ ὅν τινα eingeleitet wird, kann zu dem Gedanken, der
gesteigert werden soll, nur in engster Beziehung gedacht werden.
Diese Verwünschung nämlich würde, in einer etwas beruhigteren
Stimmung gesprochen, etwa also lauten: χεῖράς 9° ἡμετέρας, μηδ᾽
εἷς φύγοι, ἀλλ᾽ ἅμα πάντες κτέ, Für das einfache μηδ᾽ εἷς φύγοι
aber ist von der leidenschaftlichen Erregtheit des Redenden mit
den Worten μηδ᾽ ὅν τινὰ γαστέρι μήτηρ κοῦρον ἐόντα φέροι, μηδ᾽
ὃς φύγοι eine schroffe Detaillierung in drastischer Steigerung ge-
geben, die durch ein Kolon mach φέροι in ihrer Kraft und in
ihrem eigentlichen Wesen gestört würde. Viel berechtigter könnte
man ein Kolon nach φύγοι setzen, wie F. A. Wolf und dessen
Vorgänger gethan haben, weil mit ἀλλὰ ἅμα πάντες “nein, zu-
gleich alle’ zum Hauptsatze μή τις ὑπεχφύγοι zurückgekehrt wird.
Weil aber in erregterem Unwillen die Worte wie unda supervenit
undam ununterbrochen fortströmen (vgl. m 107 f.), so ist es ge-
ratener blofs Komma zu setzen, ohne dafs deshalb die Beziehung
des ἀλλά auf μήτις beeinträchtigt wird. Nach dem allen ist das
Resultat, dals sowol nach ἡμετέρας, als auch nach φέροι und φύγοι
mit blofsem Komma zu interpungieren ist, vgl. auch Hentze zur
Periodenbildung bei Homer. Göttingen 1868 p. 12, wo ähnliche
Erscheinungen zusammengestellt sind. — Über die durch Agamemnon
hier ausgesprochene Grausamkeit geben die Schol. BLV zu 58
eine gute Bemerkung. Die Gründe der Unbarmherzigkeit nämlich,
welche Agamemnon ausspricht und Menelaos 62 durch sein Han-
deln billigt, gelten ausschliefslich dem Feinde, dem als Ver-
letzer des Rechts keine Sühne gestattet werden darf. Vgl. indes
Jordan Homers Ilias übersetzt, p. 582. Die homerische Stelle
berticksichtigen auch Horat. carm. IV 6, 19 f. Themist. or. 34 p. 467
Dind. Ähnliche Beispiele von Grausamkeit bei Homer sind im
Anhang zu 0 339 erwähnt. — 66. Die augmentierte Form ἐκέκλετο
Z. Anmerkungen. 147
steht bei Homer immer an derselben Versstelle, so dafs sie überall
den vierten Fuls schliefst. [ρου μακρὸν ἀύσας vgl. Joh. Classen
Beobachtungen 8. 117.
73—118. Die diesen Abschnitt betreffenden kritischen Fragen
sind erörtert in der Einleitung p. 122 δ᾽, dazu vgl. Hoffmann im
Philol. III p. 2131., Düntzer hom. Abhandl. p. 258f., Jacob
Entstehung der Il. u. Od. p. 211f,, Bergk griech. Litteraturgesch.
Ip. 581. — 89 ist verworfen von Köchly dissert. VI p. 3.
92. Über die Statue der Athene in ihrer kunstgeschicht-
lichen Bedeutung vgl. Brunn die Kunst bei Homer p. 4f. und
die Gegenbemerkungen im Philol. Anzeiger I p. 25f. Sonst vgl.
Naegelsbach hom. Theol.? p. 199. — 96. Statt des gewöhn-
lichen αἴ κεν hat Aristarch ὥς xev gelesen. Zur Rechtfertigung
der ersteren Lesart vgl. den Anhang ? zu r 83.
99. Vgl. G.W. Nitzsch Beitr. zur Gesch. der ep. Poesie 8. 390,
wo unter anderm folgendes bemerkt ist: ‘Der Seher bezeichnet die
Furchtbarkeit des Diomedes in Vergleichung; selbst den Achill hätten
sie nicht so gefürchtet... Es ist seine persönliche Sprache, dafs
er den Grad der damaligen Furcht durch diese Vergleichung milst.
Achill ist der Typus der Heldenkraft für den troischen Seher wie
für Agamemnon H 113, wo er den Menelaos vom Kampf mit Hektor
abmahnt. Den Hektor brachte Diomedes und brachte Aias in Todes-
gefahr (A 354—360. 5 409—418), und in der ganzen Ilias herrscht
neben dem Gedanken an den mächtigen Achill der, dals die Troer
mit all ihren Helden nachstehn, und einst werden unterliegen
müssen”. — 101. Statt der Überlieferung οὐδέ τίς of, worin das
bei Homer stabile Digamma von ol verletzt ist, ist Bentley’s
Konjektur οὔ τίς ol in den Text genommen nach dem Vorgange
von I. Bekker, der aufserdem von Bentley auch ἀντιφερίξειν
statt des überlieferten ἰσοφαρέξειν adoptiert hat. Auch Nauck
vermutet οὔ τίς of, hat aber nur ἀντιφερίξειν in den Text ge-
nommen. Beides wird schon von Heyne gebilligt unter Verglei-
chung von ® 357. Dagegen hat sich Cauer in G. Curtius’ Stud,
VII p. 120 gegen die Schreibung οὔ τίς ol ausgesprochen. —
113. An Stelle des handschriftlichen βείω schreibt Nauck Ara,
was L. Meyer Griech. Aoriste, Berlin 1879 p. 30 billigt. —
114. Einen Grund, warum hier die γέροντες βουλευταί erwähnt
sind, giebt der Schol. A in den Worten νοητέον. .. ὡς ἐπὶ στρα-
τείας (was Schoemann Opusc, III p. 3 in στρατιᾶς verbessert)
καὶ παρατάξεως τοῦ πρέποντος χάριν τοῦτο προστεϑεικέναι.
119. Die folgende Episode von Glaukos und Diomedes ist
kritisch behandelt in der Einleitung p. 133 Β΄, dazu vgl. Lachmann
Betracht. p. 22, Hoffmann im Philolog. III p. 213, Holm ad
Car. Lachmanni exemplar etc. p. 7f, Köchly de Il. carmm. diss.
Vp. 4£, VIp. 3—6, Düntzer hom. Abhandl. p. 11f. 259. 288,
Jacob Entstehung d. Il. u. Od. p. 209, Genz zur Ilias p. 23, Naber
τοῦ
148 Z. Anmerkungen.
quaestt. Hom. p. 155, Bergk griech. Litteraturgesch. I p. 574
vgl. Benicken das dritte und vierte Lied p. 220 f., v. Christ
in Sitzungsber. d. philos.-philol. Kl. d. königl. bayer. Akad. d. Wiss.
1881, II p. 159. 167, auch in Jahrbb. £ Philol, 1881 p. 148,
Giseke homer. Forschungen p. 159. 234, M. Schmidt Meletem.
Hom. II p. 13f,, W. Jordan Homers Dias übersetzt und erklärt
p. 583 #. — 123. Über die mit τίς δέ eingeleitete Fragen vgl.
Jordan de pronominalium quae dicuntur interrogationum usu Ho-
merico, Halle 1879 p. 54fl. — 124. van Herwerden quaesti-
unculae ep. et eleg. p. 7 empfiehlt das Objekt oe einzufügen und
zu schreiben μάχῃ σ᾽ ἔνι, ebenso Nauck. — 130. Über die von
Düntzer hom. Abh. p. 259 und La Roche in der Zeitschr. f.
d. oesterr. Gymn. 1863 p. 170 vorgeschlagene Athetese von 130—
141 vgl. die Einleitung p. 137. Über die Form Ausoogyog, wofür
I. Bekker mit Bentley Avnöfegyog aufgenommen hat, vgl. Lobeck
Elem. II p. 64. — 132. Über Dionysos bei Homer vgl. K. Lehrs
de Arist.? p. 182 f.; Lobeck Aglaoph. p. 286 sqq.; Θ΄ W. Nitzsch
zu «197, und in Verbindung mit Nysa: Duncker Gesch. des
Altert. II? 8. 328, Welcker griech. Götterl. II p. 586; zur Deu-
tung des Mythus Hehn Kulturpflanzen u. Haustiere p. 24.
146 f. Über die in diesen Versen sich ausprägende wehmü-
tige Stimmung vgl. Bergk griech. Litteraturgesch. I p. 822.
150. Über die ‚Interpunktion bemerkt Nikanor zu Z 150: ὑπο-
στικτέον εἰς τὸ ἐϑέλεις, ἵνα a τὸ δαήμεναι ἀντὶ προστακτικοῦ τοῦ
δάηϑι. Ebenso zu Φ 487: ὑποστικτέον ἤτοι ἐπὶ τὸ ἐθέλεις ἢ ἐπὶ
τὸ δαήμεναι, ὡς ἐν τῇ Ζ ῥαψωδίᾳ προείρηται. ἢ καὶ πομματικὸν
ἀπέλιπε τὸν λόγον ἐπίτηδες ὁ ποιητής (αἱ Χ 111), τῆς ϑεοῦ διὰ
τῶν ἔργων τὸ λεῖπον ἀναπληρωσάσης. Und zu Ὑ 218 bemerkt Ari-
stonikos: ἡ διπλῆ, ὅτι ἀπαρέμφατον ἀντὶ προστακτικοῦ τοῦ δάηϑι.
Dasselbe ist von ihm zu ®487 überliefert: ὅτε avri τοῦ δάηϑι
προστακτικοῦ. In Bezug auf die Note des Nikanor zur letztern
Stelle erinnert L. Friedlaender ad Nican. p. 28 folgendes: ‘nam
ambigebatur utrum pro δάηϑι positum esset an proprie dietum.
lud praetulit Aristarchus (ad 7213) et videtur praetulisse Ni-
canor; nam ad Z 150 hanc solam explicationem quasi solam ab
eo profectam exhibet epitomator”. Wie an den behandelten drei
Stellen der Ilias, so hat man auch 0 80 εἰ δ᾽ ἐϑέλεις, τραφϑῆναι
av’ Ἑλλάδα καὶ μέσον ”Agyog interpungiert und den Infinitiv als
Imperativ erklärt. Denn die dort aus dem cod. Marcianus 613
erwähnte Variante r&gp®yr ist eine exegetische Reliquie aus der
Aristarchischen Schule. Mit Recht hat J. La Roche in seiner
Ausg. bemerkt: “Aristarchum post ἐθέλεις interpunxisse et infini-
tivum τραφϑῆναι Pro imperativo positum accepisse docent Scholl,
Z 150. T213°. Von den Neuern hat A. Rhode Hom. Miscellen
(Mörs 1865) 8, 13 diese Erklärung adoptiert mit Anführung von
4441. Ebenso Ameis. Aber vgl. dagegen L. Lange de formula
Z. Anmerkungen. 149
Hom. εἰ δ᾽ ἄγε p. 6 und den Anhang zu 0 78—85. — 151. Die
Ursprünglichkeit dieses Verses wird von Nauck bezweifelt. —
152. Über Ἐφύρη K. Lehrs de Arist.? p. 231.
155. Zu dem daktylischen 2. Fulse in dem angegebenen Falle vgl.
Anhang zu Ψ 228 und J. La Roche Hom. Untersuch. S. 105 ἢ, den
Über den Namen Βελλεροφόντης vgl. Roscher in G. Curtius’ Stud,
II p. 138, über die märchenhaften Elemente der Sage Bender
die märchenhaften Bestandteile der homer. Gedichte, Darmstadt
1878 p. 12—14. — 156—159. Über die an diese Verse sich
knüpfenden kritischen Fragen vgl. die Einleitung p. 137, dazu
Friedlaender im Philol. IV p. 579, Nitzsch Beiträge p. 149,
Köchly de Il. carmm. diss. VI p. 3. — 159. ᾿Αργείων machen
manche von φέρτερος abhängig, indem sie nach ἦεν die Interpunktion
entfernen. Aber 1) das stabile φέρτερος ἐστίν oder ἦεν steht in der
Regel absolut, nur in Bezug auf die Person von welcher die Rede
ist, vgl. die Beispiele im Anhange zu ı 276, oder es wird dazu
ein vollständiger Gedanke mit ἤ in Beziehung gesetzt wie u 110.
9155. Und 2) Agyelov als Komparativ-Genetiv giebt einen un-
klaren Begriff. Denn soll es, woran man nur denken würde, ‘alle
übrigen’ Argeier als Unterthanen des Königs (163) bezeichnen, so
gewinnen wir einen nutzlosen und trivialen Gedanken, den man
dem Dichter nicht zutrauen darf, Vgl. auch Könighoff Critiea
et exegetica, Münstereifel 1850 p. 9. — Statt ydg ol, was Didy-
mos auch als Aristarchische Lesart kenntlich macht, bieten codd.
Venet. Vrat. a. Mosc. 1 γὰρ μέν, worüber J. La Roche über den
Gebr. von ὑπό bei Homer 8. 16 also urteilt: “Die Variante μέν
scheint entstanden zu sein, weil man sonst keinen Grund für die
Länge von γάρ aufzufinden wulste”. Dagegen bemerkte Ameis:
‘Mir scheint μέν eine Glosse zu sein, welche die richtige Exegese
dieser Stelle enthält. Gewöhnlich wird zu ἐδάμασσεν als Objekt
᾿Αργείους gedacht. Aber dann ist nicht ersichtlich, welchen Sinn
dieser Gedanke für den Zusammenhang habe”. Übrigens bezwei-
felt Nauck die Ursprünglichkeit von V. 159. — 160. Über das
Beiwort die und die ähnlichen Epitheta in solcher Verbindung
vgl. C. G. Jacob Quaest. ep. p. 10. Hier ist schon bei Hero-
dian bemerkt: τὸ δῖα κατὰ κόσμον ποιητικὸν προσέρριπται, ὡς καὶ
ἐπὶ τοῦ “δῖα Κλυταιμνήστρη᾽" (Od. γ 266).
169. Zu dieser denkwürdigen und vielbesprochenen Stelle
mögen einige der vorzüglichsten Erörterungen angeführt werden.
R. Bentley Abhandl. über die Briefe des Phalaris deutsch von
W. Ribbeck 8. 532 bemerkt: “Homer, aus dem sie alle die Sache
haben, weils nicht; von einem Briefe, sondern nur von einem πέναξ
πτυχτός Z169. πίναξ πτυκτός ist aber dasselbe wie deArög und
im Lateinischen tabella, pugilares, codieilli, kleine Holzbretter mit
Wachs überzogen und so mit einem metallnen Griffel beschrieben.
So bemerkt Plinius (N. H. XIII, 11, 21) über diese Stelle des
150 Z. Anmerkungen.
Homer: Pugillarium usum fwisse eliam ante Troiana tempora in-
venimus apud Homerum, und sagt ausdrücklich, die Schriften, die
Bellerophontes überbrachte, seien nicht Briefe, sondern Codicille
gewesen: Homerus Bellerophonti codicillos, non epistulas prodidit.
(Ibid. 13, 27)”. Die Haupterörterung aber giebt F. A. Wolf
Proleg. p. LXXXIlsqg., wo er aufser anderm das δεῖξαι betont,
das nimmermehr von der Einhändigung eines Briefes (‘de
epistola reddenda’) gesagt werden könne. Dann erwähnt er p.
LXXXVI dafs unsere Scholien wie Apollodor III 1 unter πίνακα
πτυχτόν verständen “ligneam tesseram vel symbolum aliquem, qui
notas mortiferas rudi arte incisas habuerit’, und fügt in der not. 49
hinzu: “mihi veri persimile videtur, iam tum inter cognatos ob-
tinuisse notas quasdam symbolicas, quibus de nonnullis gra-
vissimis rebus sensa animorum inter se communicarent, in primis-
que hoc genus ϑυμοφϑόρων σημάτων, inventum fortasse ea aetate,
qua ultionis caedium ;et inimieitiarum dira saevitia vigebat’. Dieser
Ansicht folgt im wesentlichen G. Bernhardy Epierisis disputa-
tionis Wolfianae de carminibus Homerieis (Halle 1846) p. VIII in
den Worten: “tesseram notis symbolicis refertam aceipi iubet
interpretatio paulo diligentior, neque alium exitum significatio ver-
borum ostendit’; und im Grundr. der Griech. Litt. 15 8. 309: ‘die
vielbesprochene Wendung σήματα λυγρά, γράψας ἐν πίνακι πτυκτῷ
ϑυμοφϑόρα πολλά, läfst nur von symbolischen Zeichen oder
Chiffern sich verstehen’. Weiter auseinandergesetzt hat diese
Ansicht O. Jüger Über die Stelle Dias VI 168 f. (Mörs 1863),
wo, es S. 10 heifst: ‘Der König von Lykien bewirtet den Helden
neun Tage lang; am zehnten erst, nach der feinen Gastsitte der
heroischen Zeit, begehrt er sein σῆμα, die Einführungskarte
von seinem Schwiegersohn, zu sehen: aber es war ein σῆμα κακόν,
es war eine schlimme Empfehlungskarte’”. Und 8. 11: ‘Der Dichter
hat sich sicherlich Zeichen gedacht, die zwischen den beiden ver-
wandten Königen verabredet und die nur dem Adressaten sofort
deutlich verständlich waren, aber da es σήματα λυγρά unheil-
bezeichnende waren, so waren sie jedenfalls von der Art, dals sie
von Bellerophontes erblickt, diesem hätten Verdacht einflöfsen
können. Ebensowenig will ich nun darauf Gewicht legen, dafs es
heilst ϑυμοφϑόρα πολλά sc. σήματα die Tafel also nicht blofs den
einfachen Auftrag, den Bellerophontes zu töten, sondern etwas
mehr, vielleicht die Motivierung, da man einen Gast doch nicht so
ohne weiteres tötet, nach des Dichters Vorstellung enthalten haben
mag. Was die Stelle aufs mindeste, aber auch ohne allen Zweifel
voraussetzt, ist dies: mittels verabredeter Zeichen auf Holz oder
eine Steinplatte oder ähnliches Material geritzt, konnte ein Ab-
wesender einem Abwesenden sagen lassen: “töte du den Über-
bringer dieser Tafel”: es wäre indes wenig gewagt zu behaupten,
dafs mittels solcher zwischen Zweien verabredeter Zeichen selbst
Z. Anmerkungen. 151
ziemlich genaue Einzelheiten gegeben werden konnten’. Dazu be-
merkte Ameis: ‘Diese ganze Erklärung ist nun ihrer Hauptsache
nach auf den ersten uns bekannten Urheber, auf Aristarch zu-
rückzuführen. Dieser nämlich hat, wie aus der Note des Aristo-
nikos erhellt, hier die Ansicht gehabt, dafs ein zwischen Schwieger-
vater und Schwiegersohn früher verabredetes Wahrzeichen, eine
nur jenen beiden verständliche Art von tessera hospitalis gemeint
sei. Was aber die Ausdeutung des Einzelnen betrifft, so sind fol-
gende Punkte speziell zu beachten. 1) Das πόρεν δ᾽ ὅ γε σήματα
Auygd.mit dem unmittelbar folgenden γράψας ἐν πίνακι πτυκτῷ
ϑυμοφϑόρα πολλά ist eine Verbindungsweise, die einen Gegensatz
involviert, also zwei verschiedene Dinge bezeichnet: denn von
derselben Sache gesagt würde πολλά weder logisch noch poetisch
sich rechtfertigen lassen, der Begriff wäre nicht blols bedeutungs-
los, sondern geradezu störend. 2) Mit δεῖξαι, das Wolf besonders
hervorhebt, ist ein sinnlich anschaulicher Begriff gegeben: es
muls also etwas bezeichnet sein, das jedem sogleich in die Augen
fiel, daher nicht innerhalb der gefalteten Tafel verschlossen sein
konnte. 3) Da σήματα λυγρά und 178 σῆμα κακόν erwähnt werden,
so folgt daraus, dafs bei derartigen Verabredungen auch ein ‘gutes’
Zeichen festgesetzt wurde, und dafs beides aus einer bestimmten
bildlichen Darstellung sofort erkennbar war. Daher verlangte der
König 176 einfach σῆμα ἰδέσϑαι, um zu erfahren, ob jener ein
‘gutes’ oder ein ‘schlimmes’ Zeichen mit sich brächte. 4) Wenn
man in ϑυμοφϑόρα πολλά die Bezeichnung findet “töte du den
Überbringer dieser Tafel”, so giebt das den bedenklichen Gedan-
ken, dafs der Schwiegersohn vom Schwiegervater den Dienst eines
Schergen gefordert habe. Und wenn man wegen des πολλά noch
eine “Motivierung” oder die Angabe “ziemlich genauer Einzel-
heiten’, also den ausführlichen Ausdruck der “sensa animorum”
hinzunimmt: so giebt das dazu gewählte Mittel, nämlich die An-
nahme symbolischer Bilderschrift, eine viel schwierigere und weit-
läufigere Aufgabe, als in dem angenommenen Gebrauche der Buch-
stabenzeichen enthalten ist. Daher scheint mir der Gedanke an
Buchstabenzeichen näher zu liegen. Als Inhalt dieser Buchstaben-
schrift aber empfiehlt der Zusammenhang von 179 ff. die Annahme,
dafs der Schwiegersohn seinen Schwiegervater ersucht habe, den
Überbringer auf Abenteuer auszusenden, damit er wegen der be-
schriebenen Schuld seinen Tod fände. Freilich hat F. A. Wolf
Proleg. p. LXXXVIII schliefslich alle negativen Momente in den
Satz zusammengefalst: “nusquam vocabulum lidri, nusquam lectio-
nis, nusquam litferarum: nihil in tot millibus versuum ad lectionem,
omnia ad auditionem comparata’ οὶ, Aber es ist schon von
mehreren Seiten entgegnet worden, dafs dies alles nicht in die
objektive Schilderung des homerischen Epos gehöre und dafs auch
Vergil in der Äneis die Buchstabenschrift nicht erwähnt habe.
152 2. Anmerkungen.
Mir scheint ϑυμοφϑόρα substantiviertes Neutrum zu sein, bei dem
man am einfachsten an Worte denkt, gerade wie derselbe Begriff
bei den im Anhang zu ı 474 berührten Dativen vorschwebt”. Auch
ΤᾺ, Bergk Griech. Litt. (Allg. Eneykl. der Wissensch. und Künste
Erste Sektion LXXXI) 8. 299 f. entscheidet sich dafür, dafs die
Buchstabenschrift der Zeit des Dichters keineswegs fremd gewesen
sei. Vgl. auch Nutzhorn die Entstehungsweise der homer. Ged.
Ρ. 78. In Bezug auf‘ die in Hissarlik gefundenen Inschriften be-
spricht den Gegenstand auch Gladstone Homer und sein Zeit-
alter, deutsch von Bendan, p. 66#. — 179. Statt ἐκέλευσεν ver-
mutet Nauck: Fe κέλευσεν. — 181. Vgl. Ovid. Trist, V 7, 13f.
und daselbst Loers. Über 181f. vgl. die Einleitung p. 138 und
Köchly diss. VIp. 4. — 183. Nauck vermutet πεποιϑώς an Stelle
von πιϑήσας. — 186. Über die Amazonen vgl. Goettling Ges.
Abhandl. II $. 196 ff. und über Homer 8. 199.
195. ὄφρα νέμοιτο ist die gewöhnliche Lesart, nur der Vene-
tus A nebst LO bietet πυροφόροιο, wie M 314 einstimmig gelesen
wird. Und dies hat I. Bekker in den Text genommen. Vgl.
indes Franz Spitzner. Übrigens vgl. die Einleitung p. 137 mit
Köchly diss. VI p. 4f.
200— 202. Zur Kritik über diese Verse, sowie über 205 vgl.
die Einleitung p. 138f., dazu Friedlaender im Philol. IV p. 580,
Köchly de Iliadis carmm. diss. VI p. 5, Franke bei Faesi zur
Stelle, W. Jordan Homers Ilias übersetzt und erklärt p. 584. —
206 ist nach Bekker in d. hom. Blätt. Ip. 322 von Nauck δ᾽
ἐμὲ τίκτε statt des handschriftlichen δ᾽ ἔμ᾽ ἔτικτε geschrieben.
221—223. Über die Athetese dieser Verse vgl. die Einlei-
tung p. 139, dazu Köchly de Il. carmm. diss. VI p. 6, Franke
bei Faesi zur Stelle, W. Jordan Homers Ilias übersetzt und er-
klärt p. 584. — 221 vermutet Brugman ein Problem d. hom.
Textkritik p. 74 ἐν δώμασιν οἷσι statt ἐν δώμασ᾽ ἐμοῖσι.
228. Mit Recht hat J. La Roche Hom. Stud. $ 81,1 8.144
bemerkt, dafs die Dative ἐμοί und σοί in Bezug auf die Infinitive
χτείνειν und ἐναιρέμεν gesetzt seien. Daher ist das Komma nach
κτείνειν und ἐναιρέμεν nicht mit I. Bekker, W. Dindorf und
anderen zu tilgen und nach ἐπίκουροι und ᾿άχαιοί zu interpun-
gieren. Das verbietet auch das beschränkende γέ im Relativsatze.
Freilich hat Bekker aus untergeordneten Quellen ϑεός re statt
des gut beglaubigten $eög γε aufgenommen, wahrscheinlich weil
er das ϑεὸς πόρῃ und das ποσσὶ κιχείω als zwei verschiedene
Dinge betrachtet wissen will. Aber es läfst sich beides von ein
und derselben Person verstehen, wenn man an die zu ὃ 476 und
723 behandelte Wortstellung denkt.
234. Zu den Worten φρένας ἐξέλετο bemerkte Heyne: 'poeta
iudieium suum apponit ex sensu hominum de pretio, nullo cum
respectu ad animi generosi notionem in dando munere. Exprimit
Z. Anmerkungen. 153
autem iudicium suum verbis vulgaribus: eum plane non cogitasse
de pretio; stulteque fecisse, non deliberate und Ameis fand
in dem starken Ausdruck φρένας ἐξέλετο Ζεύς den Humor eines
Sprichworts. Schiller über naive und sentimentalische Dichtung
Bd. 12 8. 151 ff. (der Cottaschen Ausg. von 1867) hat über die
ganze Stelle bemerkt: “Diesem rührenden Gemälde der Pietät, mit
der die Gesetze des Gastrechts selbst im Kriege beobachtet
wurden, kann eine Schilderung des ritterlichen Edelmuts im
Ariost an die Seite gestellt werden, wo zwei Ritter und Neben-
buhler, Ferrau und Rinald, dieser ein Christ, jener ein Sarazene,
nach einem heftigen Kampfe und mit Wunden bedeckt, Friede
machen und, um Angelika einzuholen, das nämliche Pferd be-
steigen. Beide Beispiele, so verschieden sie übrigens sein mögen,
kommen einander in der Wirkung auf unser Herz beinahe gleich,
weil beide den schönen Sieg der Sitten über die Leidenschaft
malen und uns durch Naivetät der Gesinnungen rühren. Aber
wie ganz verschieden nehmen sich die Dichter bei Beschreibung
dieser ähnlichen Handlung’ usw. Sodann berührt Schiller die
Objektivität Homers in den Versen 224 bis 233, indem er hinzu-
fügt: ‘Schwerlich dürfte ein moderner Dichter (wenigstens schwer-
lich einer, der es in der moralischen Bedeutung dieses Wortes ist)
auch nur bis hierher gewartet haben, um seine Freude an dieser
Handlung zu bezeugen. Wir würden es ihm um so leichter ver-
zeihen, da auch unser Herz beim Lesen einen Stillstand macht
und sich von dem Objekte gern entfernt, um in sich selbst zu
schauen. Aber von allem diesem keine Spur im Homer; als ob
er etwas Alltägliches berichtet hätte, ja,'als ob er selbst kein
Herz im Busen trüge, führt er in seiner trockenen Wahrhaftig-
keit fort:” (Vers 234 bis 236). “Dichter von dieser naiven Gattung
sind in einem künstlichen Weltalter nicht so recht mehr an ihrer
Stelle.” Zu der von Schiller erwähnten “trockenen Warhaftig-
keit”, meinte Ameis, gehöre auch die derbe Bezeichnung φρένας
ἐξέλετο Zeig: “die Höhe der Situation, wie sie in 234 bis 236
erscheint, wird nicht durch eine subjektiv gestaltete Wertbestim-
mung und schwache psychologische Redeweise, sondern durch die
objektive Kraft einer stehenden Formel in humoristi-
schem Tone am schönsten zur sinnlichen Erscheinung gebracht’.
In ähnlichem Sinne hat die Stelle besprochen Schneidewin die
homerische Naivetät p. 115 ff. Dagegen bemerkt Haupt bei Belger
Moriz Haupt als akademischer Lehrer, p. 191: “Naiv ist hier nicht
das unschuldige Dichten, sondern die Unbefangenheit, mit der der
Dichter es kundgiebt, dafs ihm die Seelengröfse seiner Helden
nicht palst. Heyne wollte die drei Zeilen 234—236 tilgen.
Davor werden wir uns hüten. Wir erblicken hier ein sicheres
Zeichen tiberlieferter Sage: der Dichter steht hier unter seinem
Volke.” Gerlach aber im Philol. XXXIII p. 27 sieht in den Versen
154 Z. Anmerkungen.
234—36 nur eine philiströse, von gemeiner Gesinnung zeugende
Bemerkung und verwirft dieselbe als Interpolation. — Der sprich-
wörtliche Charakter, mit welchem das χρύσεα χαλκείων bei späteren
von der Ungleichheit in verschiedener Hinsicht erwähnt wird,
ist aus Stellen ersichtlich wie Plat. Symp. c. 34 p. 219°; Heliodor.
VII 10. IX 2; Plut, adv. Stoic. c. 11 p. 1063°; Aelian V. H. IV
5, 10. Themist. or. 11 p. 151°; Cie. ad Att. VI 1, 23; Horat.
Sat. I 7, 16; Gell. N. A. II 23. Ja U. A. Evertsz de Homeri
auetoritate apud iureconsultos Romanos (Leovardiae 1819) p. 77
hat es sogar noch aus Iustinianus nachgewiesen. Wegen der nach-
folgenden Preisbestimmung vgl. Hultsch Metrol. 8.124. — Übri-
gens empfiehlt Nauck Melanges IV p. 583 Γλαύκου statt Γλαύκῳ.
237. Über die in dem folgenden Abschnitt (bis 312) aus-
gesprochenen Athetesen vgl. die Einleitung p. 124ff,, dazu Düntzer
'hom. Abh. p. 260f, Naber quaestt. Hom. p. 158, Kammer zur
homer. Frage I p. 27, Hoffmann quaestt. Hom. II p. 183; zu
V. 252: Köchly de Il. carmm. diss. VI p. 7, Düntzer hom, Abh.
p. 260, Jacob Entstehung d. Il. u. Od. p. 213; zu V. 311. 312:
Köchly de Il. carmm. diss. VI p. 8, v. Christ in Jahrbb. ἔς Philol.
1881 p. 152, Bergk griech. Litteraturgesch. I p. 496. 573. —
Die Gleichzeitigkeit beider Erzählungen ist schon von den Alten
bemerkt worden. So sagen die Schol. BL. εὐκαίρως μεταβαίνει, τὸ
διάκενον τῆς πορείας Ἕκτορος ἀναπληρώσας τοῖς διὰ Γλαύκου καὶ
“Διομήδους. Dies haben später viele von neuem erinnert bis herab
auf F. Nutzhorn Entsteh. der Hom. Gedichte 5, 132 not. — Statt
des von den meisten Handschriften gebotenen φηγόν giebt der
Ven. A und andere πύργον, und diese Lesart empfehlen Fr. Schöll
in den Acta societ. Lips. ed. Ritschel II, 2, 437 und Naber quaestt.
Hom. p. 45: “ne matronae et virgines Troianae urbe exüisse videan-
tur”. — 242 ff. Über die hier geschilderte Lokalität vgl. H. Rumpf
de aedibus Homerieis I p. 28 8ᾳ. und jetzt: Protodicos de aedi-
bus Homerieis, Lips. 1877 p. 25, der eine ganz neue Anord-
nung giebt, auch v. Sybel über Schliemanns Troja, Marburg 1875
p. 8. Von τέγεοι 248 ist uns die Erklärung Aristarchs über-
liefert. Denn Aristonikos bemerkt dazu folgendes: ἡ διπλῆ, ὅτι
ὑπερῷοι σαν, διὸ τέγεοι, I ἵνα μὴ διοδεύωνται. ἐπιμελῶς δὲ Ὅμηρος
καὶ διὰ τῆς Ἰλιάδος καὶ διὰ τῆς Ὀδυσσείας τοὺς γυναικείους ϑαλά-
μους συνίστησιν. --- 245 und 249, πλησίον ADSMNO und die bei
Heyne erwähnten. Vgl. aber Spitzners Urteil. — 252. In den
Worten Auodienv ἐσάγουσα haben die Alten, unter ihnen Aristarch
(auch Orion in Bekk. Anecd. p. 332, 19), das Verbum intran-
sitiv erklärt: “zur Laodike gehend’, haben also getrennt ἐς ἄγουσα
‚geschrieben, wie auch Lehrs Q. e. p. 87sq. die Stelle aufführt. Aber
ein intransitives ἄγειν ist aus Homer nicht nachweisbar. Auch
hätte sich in diesem Sinne ein ἰοῦσα von selbst dargeboten. Neuer-
dings hat man ἔτ᾽ ἄγουσα konjieiert “noch mit sich führend”
Z. Anmerkungen. 155
und das “Fu wie 411. H 364’ verstehen wollen. Auch Nauck
bezeichnet ἐσάγουσα als verdächtig. Vgl. die Einleitung p. 126
und zu 237. — Statt ἀρίστην aber vermutet Nauck ἀγητήν. —
256. An Stelle des handschriftlichen μαρνάμενοι vermutet van Her-
werden quaestiuneulae ep. et eleg. p. 9 μαρναμένους vgl. 327 f.,
welche Vermutung auch Nauck anführt. — 262. τύνη steht sonst
überall im Versanfange. van Herwerden a. 0. p. 9 und Nauck
vermuten in dem Verse einen späteren Zusatz. Über die Etymo-
logie und Bedeutung von ἔτης vgl. L. Lange de ephetarum Athe-
niensium nomine. Lips. 1874. — 260. Über die Krasis καὐτός vgl.
J. La Roche Hom. Unters. 8. 285. — 266. Statt des Aristarchi-
schen ἀνίπτοισιν, das auch in A und ohne den Schlufskonsonanten
in CDEGLMNO sich findet, hat I. Bekker die Lesart des Zeno-
dotos ἀνίπτῃσιν in den Text genommen. Vgl. analoge Fälle im
Anhange zu E 466. — 270. σὺν ϑυέεσσιν wird ‚gedeutet: “mit
Opfergerät’. Aber die Geräte befanden sich im Bereiche des
Tempels selbst, brauchten nicht erst zu jedem Opfer hingeschafft
zu werden. Es ist vielmehr auch hier, wie in den andern Stellen,
an die Rauchopfer selbst zu denken. Dafs hierzu bei Homer
der Weihrauch noch nicht gebraucht wurde, hat schon J. H. Vols
Antisymb. II $. 456 bemerkt. Den homerischen Begriff von ϑύειν
mit seinen Derivaten erläutert K. Lehrs de Arist.?p. 82sq. Vgl.
auch L. Doederlein Hom. Gloss. $ 2474. — 272. Zu diesem
Verse bemerkt Nauck: spurius?
281. In den Worten ὥς κέ ol αὖϑι γαῖα yavor hat I. Bekker
das einstimmig überlieferte κέ in δέ geändert unter Zustimmung
von Capelle im Philol. XXXVI p. 685; auch Nauck führt diese
Vermutung an. Aber man sieht nicht, was für einen Gegensatz
dies δέ bezeichnen solle, sowie auch der Umstand bedenklich
macht, dafs das unmittelbare Zusammentreffen der Partikeln ὡς
δέ nicht nachweisbar ist aufser in Stellen wie ὡς δὲ καὶ ἀποϑανόν-
τῶν ἡμῶν ἔτι που ἔστιν, οὔ μοι δοκεῖ τῇδε Plat. Phaed. p. 87.
Geratener ist es jedenfalls, die Überlieferung κέ beizubehalten, die
Stelle mit o 545 (wo man ebenfalls gelindert hat) und der wün-
schenden Frage mit πῶς κὲ o 195 in Vergleichung zu stellen, wie
später πῶς ἄν oder τίς ἄν zum Ausdruck des Wunsches dient:
vgl. G. Hermann Opuse. IV p. 170sq. Bäumlein Über die griech.
Modi $. 2398 ἢ; Schneidewin-Nauck zu Soph. Ai. 388. Denn
eine derartige Frage steht mit dem Ausruf in enger Verbindung.
285. I. Bekker und Nauck haben die Lesart des Zeno-
dotos φαίην κεν φίλον ἦτορ ὀιξύος ἐκλελαϑέσϑαι in den Text ge-
nommen. Gegen die Lesart des Aristarch φρέν᾽ ἄτερ που ὀιξύος κτέ.
spricht Naber quaestt. Hom. p. 110. Über die Verbindung von
φρένα mit ἐκλελαϑέσϑαι vgl. Fulda Unters. p. 126. Gegen die ge-
wöhnliche Lesart φαίην κε φρέν᾽ ἀτέρπου ὀιξύος ἐκλ. bemerkt
A. Nauck Melanges Greco-Romains II p. 644: “Eine Form ἄτερπος
156 Z. Anmerkungen.
ist unerhört”, äufsert dann das ‘Bedenken: wie verfiel man auf
φρέν᾽ ἀτέρπου, wenn φίλον ἦτορ in den Handschriften stand?” und
giebt schliefslich die Vermutung: ‘möglich wäre, wie mir scheint,
folgender Ausdruck: φαίην κεν φρέν᾽ ἄφαρ mov ὀιξύος ἐκλελαϑέ.
σϑαι΄. Ameis billigte die Aristarchische Lesart ἄτερ mov ὀιξύος
ἐκλελαϑέσθαι mit folgender Deutung: ‘so möchte es mir vorkom-
men, als wenn durch die hohe Freude über den Tod des Frevlers
Paris schon jedes Andenken an die Drangsal aus dem Geiste ge-
schwunden wäre’. Die Worte des Aristonikos bei L. Fried-
Iaender lauten: ἡ διπλῆ, ὅτι τὸ σημαινόμενον, εἰ ἐκεῖνον ἴδοιμι
τετελευτηκότα, δόξαιμι ἂν ἐκλελῆσϑαι τῆς κακοπαϑείας καὶ χωρὶς
αὐτῆς γεγονέναι (accuratius: δόξαιμι ἂν χωρὶς τῆς κ- γενόμενος,
ἐκλελῆσϑαι αὐτῆς Lehrs.). ἔνιοι δὲ ἀγνοήσαντες γράφουσιν ἀτέρπου.
— J. La Roche Hom. Stud. 8 15 z. E. will die Vulgata ἀτέρπου
ὀιξύος beibehalten und mit Schol. φρένα als Subjekt verstanden
wissen. — 289. An Stelle von ἐνθ᾽ ἔσαν οἵ vermutet Nauck:
ἔνϑα τ᾽ ἔσαν, vgl. Cauer in G. Curtius’ Stud. VII p. 122. —
290. F. 6. Welcker Der epische Cyklus II 85. 94 bemerkt: “Der
Dichter schrieb vielleicht τοὺς αὐτός, und als man die Beziehung
auf das entferntere Substantiv vermied, bedachte man nicht, dafs
es eine weit unangemessenere Freiheit sei, darum lieber eine Fabrik
sidonischer Gewänder in Troia durch geraubte Frauen betrieben
anzunehmen’. Dieselbe Vermutung haben Nauck in der Ausgabe
und Madvig in Det philologisk-historiske Samfunds Mindeskrift,
Kopenhagen 1879 p. 157—73 ausgesprochen. Vgl. übrigens auch
Kayser hom. Abhandl. herausgegeben von Usener p. 93. — Das
urkundliche παμποίκιλοι haben Bekker und Nauck wegen des
Digamma von ἔργα mit Bentley und Payne Knight in παμ-
ποίκιλα geändert. Vgl. den Anhang zu 4395. — 291. Statt des
handschriftlichen ἐπιπλώς empfehlen van Herwerden quaestiun-
culae ep. et eleg. p. 10 und Nauck in der Ausgabe ἐπιπλούς als
das ursprüngliche herzustellen. — 297 fi. Den Vorgang im Tempel,
besonders auch die ὀλολυγή, erörtert v. Leutsch im Philol. Suppl.
Ip. 75. — 305. Gewöhnlich wird ἐρυσίπτολι gelesen, aber die
Schol. ABLV bemerken: ἄμεινον δὲ ῥυσίπτολι, καὶ οἰκεῖον ταῖς περὲ
σωτηρίαν εὐχομέναις τῆς πόλεως. Dies dürfte aus einer Aristarchi-
schen Quelle geflossen sein.
311. I. Bekker und Nauck haben den Vers athetiert. Ari-
stonikos ed. Friedl. p. 123 bemerkt: ἀϑετεῖται, ὅτι πρὸς οὐδὲν τὸ
ἐπιφώνημα καὶ οὐκ εἰθισμένον" κατὰ μὲν γὰρ τὸ ἐναντίον ὁ Ζεὺς
ἐπιβεβαιοῖ κατανεύων. καὶ ἑξῆς δ᾽ ἐπιλεγομένου ἃς αἵ μέν δ᾽
εὔχοντο σαφῶς γίνεται περισσὸς ὁ στίχος. γελοία δὲ καὶ ἡ ἀνα-
νεύουσα ᾿Αϑηνᾶ, Vgl. die Einleitung p. 128 f.
312. Über die an den folgenden Abschnitt bis 369 sich
knüpfenden kritischen Fragen vgl. die Einleitung p. 126 ff. und dazu
Aristonic. ed. Friedl. p. 150 zu @ 493, Köchly de Il. carmm.
Z. Anmerkungen. 157
diss. VI p. 8, Naber quaestt. Hom, p. 157, Kammer zur hom.
Frage I p. 22 u. 27, Genz zur Ilias p. 25, Gerlach im Philol.
XXX p. 28, Nutzhorn die Entstehungsweise der hom. Gedichte
p. 202, Bergk griech. Litteraturgesch. I p. 582, Schoemann
de reticentia Homeri p. 6f. und in den Jahrbb. f. klass. Philol.
Bd. 69 p. 25f. In den Versen 318—320 glaubt E. Lentz de
versibus apud Homerum perperafl iteratis, Bartenstein 1881 p. 17
den ursprünglichen Zusammenhang so herzustellen:
318. ἔνϑ᾽ Ἕκτωρ εἰσῆλθε διίφιλος. ἔνδον ἔτετμεν
321. δῖον ᾿Αλέξανδρον περὶ κάλλιμα τεύχε᾽ ἕποντα. |
321. περικαλλέα τεύχε᾽ ἕποντα ist die einstimmige Überliefe-
rung; aber dafür hat Bekker περὶ κάλλιμα τεύχε᾽ ἕποντα konji-
ciert (wie auch Nauck) und in den Text gesetzt mit einem lako-
nischen “οἵ, 0 555°, wo περὶ τεύχε᾽ ἕπουσιν als Versschlufs steht.
Die letztere Stelle benutzt J. E. Ellendt Drei. Hom. Abhandl.
S. 31 Anm. zu folgender Erörterung: “Da περικαλλέα τεύχεα nur
ὦ 165 vorkommt, so scheint das Beiwort nicht so beliebt gewesen
zu sein, wie καλά, »Aurd, πελώρια, da ferner Emeıv sich gar nicht
findet, und die Stelle in O mit unserer Stelle offenbar parallel
geht, so könnte man versucht sein zu schreiben περὶ κάλλιμα oder
περὶ ποικίλα τ. ἕ. Vielleicht hat aber die Parechese so mächtig
gewirkt, dafs der frei schaffende Dichter etwas Ungewöhnliches
sagte und den Zuhörern überliefs, aus περικαλλέα sich ein περί für
ἕποντα gewissermalsen mitherauszuhören’. Indes nimmt Butt-
mann Lexil. No. 99 II p. 216 Anmerk. als eigentliche Bedeutung
für ἕπειν “bereiten” au. — 322. Das hinter ϑώρηκα eingesetzte
Komma ist Aristarchisch nach der Bemerkung des Nikanor,
dessen Richtigkeit bereits J. Classen Beobacht. 5. 133 gebührend
hervorgehoben hat. Ebenso urteilen L. Doederlein Hom. Gloss.
$ 1094 und J. La Roche Hom. Stud. $ 82, 4. — 323. Über die
Lokalität, die mit μετ᾽ ἄρα ὁμωῇσι angedeutet ist, vgl. H. Rumpf
de aedibus Homericis II p. 25 (35).
326. Die an diese Stelle sich knüpfenden kritischen Bedenken
sind erörtert in der Einleitung p. 128f. — 333. Am Ende dieses
Verses interpungiert mit Kolon K. Lehrs de Arist.? p. 58 not.
Auch der Venetus A hat am Ende von 333 einen Punkt. I. Bekker
hat unsern Vers athetiert. — 344. Zu ὀκρυόεις äufsert G. Cur-
tius Etym.? Nr. 77, *p. 156 die Vermutung, dafs das vorgesetzte
ὁ “leicht durch blofses Mifsverständnis entstanden sein könne”,
wenn man die ursprüngliche Genetivform κακομηχάνοο und ἐπιδημέοο
voraussetzt. Beides hat bereits Payne Knight in den Text gesetzt.
347. εἰς κῦμα ist die einstimmige Überlieferung der Hand-
schriften. Und W. C. Kayser im Philol. XVII 5. 699 bemerkt,
“dals εἰς ὄρος ἢ εἰς κῦμα von dem Scholiasten zu Soph. Oed. R,
194 ᾳ idymos) ebenso gelesen wurde, wie von Plutarch. de adulat.
p. 739, und dafs der Verfasser der homerischen Epimerismen wieder-
158 Z. Anmerkungen.
holt (p. 172, 12. 180, 1) die Lesart als eine recipierte Ausnahme
anführt, obgleich er die Variante ἐς κῦμα (p. 172, 14) wohl kennt”.
Das Gesetz der Symmetrie hat auch sonst im Homer seinen Ein-
fufs geübt. Vgl. zu B102. — 353. An Stelle des handschrift-
lichen τῷ vermutet van Herwerden quaestiunculae ep. et eleg.
p- 10 τοῦ, ebenso Nauck oder auch τῶν.
370. Eine Analyse der folgerflen Scenen bis 502 giebt Bischoff
über homerische Poesie p. 66 ff. Die diesen Abschnitt betreffenden
kritischen Fragen sind erörtert in der Einleitung p. 129f., dazu
vgl. Gerlach im Philol. XXXIII p. 2008, Naber quaestt. Hom.
p. 156, P. La Roche im Philol. XII p. 395 #, Köchly diss. VI
Ῥ. 9#., Düntzer Aristarch p. 191 f, Düntzer Homer. Abhandl.
Ρ. 261; — Zu 424 insbesondere Köchly diss. VI p. 9 und da-
gegen Düntzer Aristarch p. 195 und Friedlaender in Jahrbb.
f. Philol. Bd. 83 p. 832 ἢ; — zu 425—428 Düntzer in Jahrbb.
£. Philol. Bd. 2 p. 407, Aristarch p. 195, hom. Abhandl. p. 261,
Jakob Entstehung ἃ. Il. u. Od. p. 210; — zu 447 ff. Holm ad
Car. Lachmanni exemplar etc. p. 8, La Roche im Philol. XII
Ρ. 401 δὲ, Düntzer Aristarch 192, hom. Abhandl, p. 263. — 372.
Die Diäresis in ἐὐπέπλῳ haben CDGLS; ebenso 378 und 383.
376. Statt εἰ δ᾽ ἄγε vermutet Nauck el’ ἄγε, vgl. L. Lange
de formula Homerica εἰ δ᾽ ἄγε Leipzig 1873 p. 17. — 388f.
werden von Nauck als spurii? bezeichnet. — 390. Wie L.
Doederlein Hom. Gloss. 8 2199 zu unserer Stelle beifügt:
‘sonst immer mit Ergänzung des Subjektes aus dem vorigen’,
so wird auch bei R. Kühner Ausf. Gramm. I? $ 289 Anm. 5
noch immer gelehrt: “ἦ bei Hom. oft nach einer angeführten
Rede = sprachs, einmal auch mit dem Nom. Z 390°. Die her-
vorgehobene doppelte Unrichtigkeit kann aus der Note des Kom-
mentars zu 8 321 und dem Anhang zu σ 356 berichtigt werden.
„393. Nauck bemerkt zu diesem Verse spurius? — 396.
Über die Anlehnung des nomen Ἠετίων an das folgende Relativ
spricht Bekker hom. Blätter I p. 314f. — 403. Nach der ety-
mologischen Erläuterung des Wortes ἄναξ von Angermann in
G. Curtius’ Stud. II, 117 ff. ist die Grundbedeutung “Schützer,
Schirmer’, die hier durch die Erläuterung des Namens ’Aorvdvat:
οἷος γὰρ ἐρύετο Ἴλιον Ἕκτωρ durchaus bestätigt wird. — 409. Bei
gelegentlicher Erwähnung von 2309 ξυνὸς 'Evvalrog καί τε κτανέ-
ovra κατέκτα hat C. G. Cobet Var. Lect. p. 195 folgendes be-
merkt: “sravovre barbarum est, quamquam nil mutant Homeri
codices et editiones. Reete Bekkerus edidit X 13 κτενέεις, at hoc
loco xravfovre retinuit, et Z 409 κατακτανέουσιν et X 181 κατακτανέ-
09€’. Vgl. denselben Misoellan. erit. p. 330, nach ihm hat Nauck
κατακτενέουσιν in den Text gesetzt. — Über bildliche Darstellungen
der Scene zwischen Hektor und Andromache aus dem Altertum
spricht Brunn troische Miscellen I p. 73f. — 429. 430. Als
Z. Anmerkungen. 159
Nachahmungen dieser Verse aufser den bei Heyne genannten
vgl. die Stellen bei Pflugk zu Eurip. Hec. 281 und dazu noch
Soph. Ai. 514 ff. Eur. Heracl. 230 f. Ovid. Heroid. ΠΙ 51f. Terent.
Andr. I 5, 60. Natürlich sind alle diese Nachahmungen nur mehr
oder weniger matte und verblafste Abbilder im Vergleich mit der
lebensfrischen Farbengebung des homerischen Originales (das über-
haupt nach Aristot. Poet. c. 24 λέξει καὶ διανοίᾳ πάντας ὑπερ-
βέβληκεν). Über dieses sagt Nägelsbach Hom. Theol. V 35
8. 259 der Ausg. von Autenrieth mit Recht fnlgendes: “Andro-
mache steht rein auf dem Boden weiblichster Empfindung, und
nie hat ein Dichter, der die Liebe nur als Leidenschaft besungen,
mehr Herz und Seele in die Schilderung glühender Gefühle gelegt,
als Homer dem Ausdruck ehelicher Liebe in den Worten giebt:
Ἕκτορ, ἀτὰρ σύ μοί ἐσσι κτξ΄. Den Sinn der beiden Verse 429f.
hat auch F. Nutzhorn Entstehungsweise der Hom. Ged. 5, 139
Anmerk. richtig angedeutet indem er bemerkt: “Es könnte den
Anschein haben, als wenn diese Worte einen über die Gefühle
mehr reflektierenden Standpunkt bezeichneten, jedoch nur, wenn
man sie aus dem epischen Zusammenhang herausnimmt”. Über
das Verhältnis derselben zum Folgenden vgl. Classen Beobach-
tungen p. 13.
433. Die Verse 433 bis 439 stehen in allen Handschriften,
nur in A sind sie mit Obelos bezeichnet. Aristarch hat die-
selben athetiert, worüber Aristonikos folgendes berichtet: ἀϑε-
τοῦνται στίχοι ἑπτά, ὅτι ἀνοίκειοι οἵ λόγοι τῇ ᾿Ανδρομάχῃ" ἀντι-
στρατηγεῖ γὰρ τῷ Ἕχτορι. καὶ ψεῦδος παρέχουσιν" οὐ γὰρ παρέδωκεν
εὐεπίδρομον To" τεῖχος κατὰ, τοῦτο τὸ μέρος, οὐδ᾽ οὕτως. ἐστὶ πλησίον
ἡ μάχη τοῦ τείχους. καὶ ὃ Ἕκτωρ πρὸς τὰ πρότερα ἀπαντᾷ λέγων
ἦ καὶ ἐμοὶ τάδε πάντα. Über diese Athetese vgl. die Einlei-
tung p. 130f., dazu Lachmann Betracht. p. 22, mit Hoffmann
im Philol. ΤΠ Ῥ. 213, Gerlach im Philol. XXX p. 28; ferner
Holm ad Car. Lachmanni exemplar etc. p. 8, Köchly de Il. carmm.
diss. VI p. 9, Düntzer hom, Abh. p. 57. 261, Genz zur Ilias
p. 25, Bergk griech. Litteraturgesch. I p. 583, Jacob Entstehung
ἃ, Il. u. Od. p. 210, Kiene Komposition ἃ. Ilias p. 79 Anmerk.,
Nitzsch Sagenpoesie p. 193.
439. Die Präsentia ἐποτρύνει καὶ ἀνώγει nach dem Aorist ἔνισπε
lassen sich kaum so erklären, dafs Andromache eine Wiederholung der
früheren Versuche erwarte und die Stimmung, die früher zu solchen
Versuchen führte und auch jetzt dazu führen kann, zusammenfassend
als gegenwärtig dauernd im Präsens bezeichne. Daher ist J. La
Roche Hom. Textkr. p. 196 geneigt ἀνώγει als Plusquamperfekt
aufzufassen mit dem Zusatz: “Zmorguver muls vielleicht in ἐπότρυ-
vev geändert werden’; auch Nauck vermutet ἐπώτρυνεν. --- 456.
An Stelle des handschriftlichen πρὸς ἄλλης vermutet Nauck nor’
ἄλλης. --- 457. Wegen Μεσσηίς vgl. E. Curtius Pelopon. II S. 240.
160 Z. ‚Anmerkungen.
Über die drei Lokalitäten, die hier genannt werden, giebt L. Dö-
derlein in seiner Ausgabe folgende beachtenswerte Bemerkung:
“Tres maxime ex Achivis et nobilissimi quidem obversantur Hecto-
ris animo, tanqguam horum uni Andromache quandoque servitura
sit, Agamemno, Menelaus, Achilles. Ex his Agamemno ἐν "Agysı
regnabat, Menelaus in Laconica, ubi fons Meoonlg prope Therapnen,
secundum Pausan. III 20, 1, Achilles in Thessalia, in qua prope
Pheras Ὑπέρεια fons memoratur B 734 et Pind. Pyth. IV 222.
Plin. N. H. IV 8, 15°. Dafs die spätern Dichter bei ihrer Dar-
stellung der Andromache aus dieser Stelle des Homer geschöpft
haben, hat schon Aristarch bemerkt: vgl. K. Lehrs de Arist.?
p- 178.
465. πρίν γέ τι, wie Döderlein vermutete, statt des früher
gelesenen πρὶν γ᾽ ἔτι, haben ADLN und die noch bei Heyne er-
wähnten, Sodann erwähnt Herodian, dals Dionysius Sidonius,
Alexion, Heracleon dieselbe Lesart hatten, mit Beifügung der dafür
sprechenden Gründe. Heyne hatte bereits aus diesen Quellen
das richtige πρίν γέ τι aufgenommen. — σῆς βοῆς erklärte Ameis:
von dem Kampfgeschrei um dich. Aber eine derartige Deu-
tung des possessiven Pronomens ist unerhört, weil nicht die ent-
sprechende Verbalkonstruktion mit Objekt angenommen werden
kann, aus der sich die Möglichkeit einer solchen Beziehung des
possessiven Pronomens ergeben würde. Es bleibt nur die Frage,
wie die Genetive im Verhältnis.zu πυϑέσθαι zu fassen sind. Ich
gestehe, dafs man nach σῆς re βοῆς, da in diesem Zusammenhange
etwas besonders Erschütterndes, sehr Schmerzliches an der Stelle
ist, ein Verbum des Hörens erwarten muls, welches die unmittel-
bare Wahrnehmung durch das Gehör bezeichnet, ein ἀκούειν, und
glaube, dafs man hier eine Ausnahme statuieren muls von dem
sonstigen Gebrauch, wonach die sächlichen Objekte im Genetiv bei
πυνϑάνεσϑαι nur Objekte der vermittelten Kunde sind, um so mehr,
da auch O 224 μάλα γάρ κε μάχης ἐπύϑοντο καὶ ἄλλοι wegen des
Zusatzes οἵπερ ἐνέρτεροί εἰσι ϑεοί von unmittelbarem Vernehmen
des Kampfgetöses durch das Gehör verstanden werden muls, weil
sonst die Wirkung des ganzen Ausspruchs wesentlich abgeschwächt
werden würde (vgl. 7 61 8.). Gegen die zeugmatische Verbindung
der beiden Genetive mit πυϑέσϑαι dürfte nichts Erhebliches ein-
zuwenden sein. Übrigens vermutet Nauck: re χλαυϑμοῖο statt
9° ἑλκηϑμοῖο. — 475. Das εἶπε δ᾽, statt des gewöhnlichen εἶπεν
ist die Aristarchische Lesart, die auch Alexis Pierron auf-
genommen hat mit der Bemerkung: “La vulgate εἶπεν est une
correction de quelque grammairien möticuleux’.
479. In καί ποτέ τις εἴπῃσι πατρός γ᾽ ὅδε πολλὸν ἀμείνων᾽
ist der Konjunktiv εἴπῃσι die herkömmliche Lesart der Hand-
schriften und Ausgaben, wozu man den ähnlich lautenden Anfang
459 und Η 87 (auch X 106. £275. φ 324) vergleicht. Aber der
Z. Anmerkungen. 161
Gedanke ist gänzlich verschieden. An unserer Stelle kann εἴπῃσι
aus folgenden Gründen nicht gebilligt werden. 1) Der Konjunktiv
würde mit den zwei folgenden Optativen des Wunsches den Zu-
sammenhang stören, was auch Hagena im Philol. VIII 8. 385
gegen εἴπῃσι bemerkt. 2) Die Kürze der ersten Silbe in πατρός,
wie sie bei der Lesart εἴπῃσι anzunehmen wäre, ist beispiellos
und im Homer ohne Analogie. Das hat zuerst Dawes Mise. crit.
p- 247 84. bemerkt, dann haben es Hagena und andere von neuem
geltend gemacht. Und in der That der einfache Schlufs ist dieser:
da die Form πατρός im Homer 120mal vorkommt und davon in
119 Stellen mit langer Anfangssilbe, so kann diese einzige Stelle
unmöglich eine Ausnahme bilden. Auch wird niemand die Kürzen
in den anderen Wörtern, welche bei C. E. Geppert Über den
Ursp. der hom. Ges. II 5. 14 und J. La Roche Hom. Unters.
8. 9 aufgezählt sind, als vermeintliche Analogien ‚ansehen wollen.
Es ist daher auch von dieser Seite her der Optativ εἴποι unab-
weisbar. Und diese Optativform ist im Venetus A von derselben
Hand darübergeschrieben, wird von Kidd. bei Dawes ex codd. Harl.
Auobus et cod. Townl. angeführt, von Heyne aus Mosc. 2 mit
yo. εἴποι, in L. steht εἴπη. Was aber am meisten Beachtung ver-
dient: dies εἴποι ist offenbar die Aristarchische Lesart gewesen.
Denn Nikanor beginnt hier seine Note nach dem Texte bei
I. Bekker: τὸ ἑξῆς, καί ποτέ τις εἴποι ἐκ πολέμου ἀνιόντα (was
freilich L. Friedlaender stillschweigend in εἴπῃσι geändert hat).
Sodann findet sich dieselbe Form in dem Citate des Nikanor zu
N 352. Auch Bekkers Paraphrast giebt den Optativ wieder. Unter
don Neuern hat den Optativ aulser andern G. H. Schaefer zu
Theoerit XVI 4 empfohlen und Payne Knight hat ihn bereits
in den Text genommen, jetzt auch La Roche und Nauck, ebenso
hat sich Cobet in ἃ. Mnemosyne 1873 p. 232 ff. für den Optativ
ausgesprochen. Dagegen sucht A. Ludwich in O. Schades Wissensch.
Monatsblätt. II (1874) p. 21 ff. εἴπῃσι zu rechtfertigen. — ἀνίοντα
verstand Ameis von dem angeredeten Astyanax: ‘zu dem zu-
rückkehrenden’: aber unsere Stelle ist von den von Ameis zur
Begründung seiner Ansicht über ἀνιόντα angezogenen Stellen, wie
M 60, dadurch wesentlich verschieden, dafs dort εἶπε unmittelbar
die Person als Objekt bei sich hat, die dann in den Anfangs-
worten der Rede selbst im Vokativ angeredet wird, während hier
εἴποι zunächst ohne Objekt steht und in den Worten selbst gar
keine Anrede erfolgt; denn, wie der Sprechende, indem er mit
öde auf den Zurückkehrenden hinweist, mit diesem Gestus zugleich
auch die Worte selbst in direktem Anruf an denselben richten
soll, ist unbegreiflich. Ich kann daher nur C. Albrecht zu-
stimmen, wenn er in Curtius’ Stud. IV p. 10 den Accusativ ἀνιόντα
versteht nicht von dem, zu dem der Redende spricht, sondern von
dem er redet. Die Worte der direkten Rede stehen also lebhaft
Hextzs Anhang zu Homers Iliae. II. 11
162 2. Anmerkungen.
statt einer Infinitivkonstruktion, oder wie Ameis selbst richtig
bemerkte: als Stellvertreter des indirekten Objekts. — Über die
Auffassung der folgenden Optative ist im Anhange zu 4541 ge-
sprochen. Sachlich bemerkt A. Weidner zu Verg. Aen. I 605:
‘War es im Altertum allgemeine Überzeugung, dafs die körper-
lichen, sittlichen und geistigen Eigenschaften von den Eltern auf
die Kinder übergehen (Cie. Tusc. 1 $ 79. Tac. Germ. 20), so ver-
nimmt man daneben auch häufig die Klage, dafs die Kinder χείρο-
veg werden als die Eltern. Um so gröfser das Glück der Eltern,
wenn sie gleich tüchtige oder-noch tüchtigere Kinder besitzen’.
Übrigens erinnert die Situation, wie schon Heyne, H. Köchly,
G. Autenrieth u. a. bemerkt haben, an des Aias Abschied von
Eurysakes bei Soph. Ai. 550 ὦ παῖ γένοιο πατρὸς εὐτυχέστερος κτέ.
482. Über die Situation hat G. Autenrieth ebenso schön
als wahr folgendes bemerkt: “Hektor hat in banger Ahnung der
Andromache eine trübe Zukunft geschildert; dieser Trauerakkord
mufs eine Auflösung finden und dazu dient die Person des kleinen
Astyanax, an dessen unschuldiger Kindheit beide Eltern sich er-
freuen und so ihres Schmerzes für den Augenblick vergessen.
Selbst der eben noch so trüb gestimmte Vater erhebt sich aus
der gedrückten Stimmung in so weit, dafs er — freilich in Form
eines Wunsches — dem Kinde eine glückliche Zukunft im glück-
lichen Troia prophezeit. Es ist dies ein Moment der Erstarkung
seines mannhaften Gefühls, wie M 243, wo er die bange Ahnung
abschüttelt. Und so übergiebt er den Knaben gleichsam als Unter-
pfand dieser Weissagung, als bonum omen, als künftigen Beschützer
Troias, gleichsam zum Trost und Ersatz — nun doch wohl nicht
der Wärterin, sondern — seiner Mutter. Und selbst wenn Hektor
in der Beherrschung seines Gefühls ihr gegenüber nur den Schein
dieser Zuversicht angenommen hat, ihre Wirkung bat sie nicht
verfehlt: δακρυόεν γελάσασα, während noch die Thräne in ihrem
Auge zittert, leuchtet ein Hoffnungsstrahl über ihr Antlitz, so dafs
Hektor froh ist, den gefürchteten Moment der Trennung sich und
ihr zu erleichtern, indem er in der zweifelhaft gefafsten stillen
Hoffnung sie zu bestärken und zu beruhigen suchte. Und dann
— “der Mann mufs hinaus in das feindliche Leben”, die Gattin
seinem Geheifs gemäfs will nach Haus in den Kreis der Dienerinnen;
aber nun bricht die Sehnsucht nach dem Gatten heftig hervor:
es ist vielleicht das letzte Mal und sie will ihn doch wieder und
wieder sehen, und dann tritt sie mit Thränen ins Haus’. — 493.
Statt der einstimmigen Überlieferung πᾶσιν, ἐμοὶ δὲ μάλιστα haben
I. Bekker und Nauck, um das Digamma in Ἰλίῳ zu wahren,
πᾶσι μάλιστα δ᾽ ἐμοί in den Text genommen mit der Note: “Hoff-
mannus, coll. X 422. α 359. A 353. ὃ. 490. φ 353. 9 61’. Dies
bezieht sich auf C. A. J. Hoffmann Quaest. Hom. II p. 100,
woher auch das falsche Citat #490 entlehnt ist: denn dieser An-
Z. Anmerkungen. 163
fang findet sich in der Odyssee 'nur vier Mal. Da nun das Di-
gamma von Ἴλιος (das auch von Oskar Meyer Qu. Hom. p. 2 sqq.
behandelt wird) in mehreren Stellen selbst bei Bekker nicht
steht: E 204. Z386. H345. N 349. 2270. Φ 128, in andern
Stellen aber, wie E 648. #251. P145. 258. 439. Φ 81. 156.
267. 9495. 578. ξ 288, ρ 104. 7182. 193 erst durch verschie-
dene Konjekturen hineingebracht ist: so ist die überlieferte Lesart
beibehalten. — Zu 498—502 bemerkt Nauck: spurii? — 500.
Die auffallende Form γόον erklärt G. Meyer in Bezzenbergers
Beiträgen I p. 224 als 2yoFfov aus einem Prüsensstamme yoFo,
dagegen vermutet Nauck στένον. — 507. Zu πεδίοιο κροαίνων
hat Emil Thewrewk von Ponor (in der zu Pest 1865 mit un-
garischem Kommentar erschienenen Ausgabe) angeführt aus Oppian
Cyneg. I 279 ὠκυτέροισι πόδεσσι κροαίνοντες πεδίοιο.
511. Über den Gegenstand des Vergleichs bemerkt J. L. Hoff-
mann im Album des Litter. Vereins in Nürnberg 1866 8. 54:
‘Der freie Lauf eines Pferdes, welches das Glück seiner Selbständig-
keit fühlt, übt auf das Auge einen ganz besondern Zauber aus.
Mit einem solchen läfst sich gar wohl ein Held vergleichen, der
vom Hause nach dem Kampfplatz eilt’. Ähnlich sagt W. E. Glad-
stone Hom. Studien von Albert Schuster 5. 444: ‘Homer ist ein
grolser Liebhaber des Rosses, dessen Schönheit er teils in der
Farbe, mehr in der Form, am meisten aber in der Bewegung des-
selben fühlt”. Und in Bezug auf den vorliegenden Vergleich: “Wie
bewunderungswürdig ist hier auch der Übergang von dem ruhig
verlaufenden Verse, der das gewöhnliche Bad des Rosses beschreibt
(508), zu dem raschen und leichten Laufe des Renners über das
Blachfeld, wo jeder Daktylos einen Sprung des Pferdes malt (511).
Das letztere aber wird von andern teils in schwächern teils in
stärkern Ausdrücken bekämpft, so dals man geradezu bemerkt:
“Der Rhythmus soll nicht malen’, worauf sich mit Leichtigkeit
entgegnen läfst: soll nicht malen? malt indes ungesucht und un-
willkürlich durch Übereinstimmung der Form mit dem Inhalt. Da
nun der Kommentar den Ton und den Rhythmus des homerischen
Verses an mehreren charakteristischen Stellen bemerklich macht,
diese Seite der Erklärung aber einen speziellen gegnerischen Auf-
satz in “Blätter für das Bayr. Gymn.-Wesen’ 1867 5. 210 ff. veran-
lafst hat, so möge der Gegenstand in seinen allgemeinen Grund-
zügen hier berührt werden, um die bezüglichen Anmerkungen vor
Mifsverständnis möglichst zu sichern und zugleich anzudeuten, dals
sie nicht auf flüchtigen Einfällen, sondern auf mehrseitiger Er-
wägung beruhen. Es kommen nämlich hierbei folgende Gesichts-
punkte in betracht: 1) Die Homerischen Gedichte sind nicht
für das Auge des Lesers, sondern für das Ohr des Hö-
rers geschaffen. Diesem Ursprunge entsprechen die Cäsuren
und Rhythmen, diesem Zwecke dient die Komposition durch Silben
11*
164 Ζ. Anmeikungen.
und Buchstaben, diesen Einflufs empfinden wir in Bewegung und
Klang der Worte. Und dies alles sind Eigenttimlichkeiten der
Naturpoesiö, die gerade dahin arbeitet, dafs durch die Eindrücke
aufs Ohr die dargestellten Dinge vor Augen treten. Diesen Ur-
sprung und diesen Einflufs berührt aufser andern Quinctil. IX 4:
“mihi compositione velut amentis quibusdam nervisque intendi et
coneitari sententiae videntur. Ideo eruditissimo cuique persuasum
est, valere eam quam plurimum non ad delectationem modo, sed
ad motum quoque animorum: primum, quia nihil potest intrare
in affectum, quod in aure velut quodam vestibulo statim offendit,
deinde quod »atura ducimur ad modos’. Wenn also etwas Rasches
und Schnelles geschildert werden soll, nehmen auch die Rhythmen
einen raschen und schnellen Fortgang; wo dagegen eine langsame
ernste feierliche Sache zur Darstellung kommt, füllen auch derartige
Töne und Rhythmen das Ohr des sinnlichen Hörers. So springt
hier wie durch innere Notwendigkeit die Form der Rhythmen aus
dem Gedanken hervor, und die Hörer erhalten nach ihrem Be-
dürfnis von der geschilderten Sache eine recht sinnlich fafsbare
Vorstellung. Hieraus folgt: 2) Ton und Rhythmus im Homer
sind nicht künstliche Erzeugnisse eines kleinlichen Stu-
diums, sondern einfache Nachahmung der Naturpoesie.
Wie Aristot. de poet. c. IV das τὸ μιμεῖσϑαι σύμφυτον τοῖς dv-
ϑρώποις ἐκ παίδων ἐστίν überhaupt hervorhebt, so kommt diese
dem Geiste angeborene Eigentümlichkeit auch in dem vorliegenden
Falle zur Erscheinung. Dies haben schon manche von den Alten
erkannt, wie die Erörterungen des Dionysius von Halicarnass de
comp. verb. beweisen. Man muls freilich gestehen, dafs dessen
Theorie von der Silben- und Buchstaben-Malerei nicht wenig Über-
triebenes und künstlich Gesuchtes enthält, ja an einer Stelle nahe
an die Grenze streift, wo uns Deutschen die nichtige Spielerei der
weiland Pegnitzschäfer in Erinnerung kommt: aber man darf des-
halb doch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Unbestreit-
bare Wahrheit liegt in den Worten cap- ΧΥΙ .Ρ. 194 ed. Schaef.:
μεγάλη τούτων ἀρχὴ καὶ διδάσκαλος ἡ φύσις ἡ ποιοῦσα μιμητικοὺς
ἡμᾶς καὶ ϑετικοὺς τῶν ὀνομάτων, οἷς ϑηλοῦται τὰ πράγματα, κατά
τινας εὐλόγους καὶ κινητικὰς τῆς διανοίας ὁμοιότητας. Um aber
gegen den Mifsbrauch einer zu weiten Ausdehnung gesichert zu
sein, erinnere man sich beim Gedanken an Homer nur des treffen-
den Ausspruchs von Herder Über den Urspr. der Sprache IS. 163:
“Dieser Sänger Griechenlands trifft, wie mich dünkt, eben auf den
Punkt, der schmal wie ein Haar und scharf wie die Schärfe des
Schwertes ist, wo Natur und Kunst in. der Poesie sich vereinigten’.
Und wenn wir nun nach dem gemeinsamen Mittelpunkte aller ein-
zelnen Fälle fragen oder nach dem allgemeinen Namen, mit dem sich
die ganze Sache bezeichnen läfst, so dürfte die Antwort lauten:
3) Ton und Rhythmus sind in ihrem eigentlichen Wesen
Z. Anmerkungen. 165
nichts weiter als Produkte der Onomatopoiie in weiterer
Bedeutung. Man ist allgemein einverstanden, dafs in einzelnen
Worten und einzelnen Verbindungen ein onomatopoietisches Ele-
ment enthalten sei, so dafs man zu den von Quintil. I 5 extr.
erwähnten ‘illis merito laudatis Aly&e Blog et σίξ᾽ ὀφθαλμός noch
ein ganzes Register aus Homer hinzufügen kann. Was hindert
nun aber noch einen Schritt weiter zu gehen und dieselbe Onoma-
topoiie in Hemistichen und ganzen Versen zu finden? Sicherlich
haben wir in beiderlei Hinsicht denselben Ursprung und dieselbe
Erscheinung anzuerkennen, nämlich die natürliche Harmonie des
Ausdrucks mit dem Gedanken. Dies ist auch bei mehreren teils
rein daktylischen (116. A 598) teils rein spondeischen Versen
(#221) allgemein anerkannt: vgl. den Anhang zu A 598 und
0334. Selbst ein so scharfer Kritiker und tiefer Forscher im
Versbau wie Arthur Ludwich De hexametris poet. Gr. spondiaeis
hat p. 164 zu 0117 bis 119 die Bemerkung gegeben: “Optime
his deliberantis dubitationem vides depingi, ac simile aliquid
habent versus 4189. Π 485 alii supra indicati. Quibus non ab-
similes sunt hi: @ 113 et p 124. 149. Stupentes descriptos
habes #728 cf. 881’ cet. Daher darf man nebenbei sagen, dafs
auch Vergil bei seinen malerischen Versen (A. Weidner zu Verg.
Aen. I 222) den Homer zum Vorbild habe. Wenn nun eine
solche Harmonie der Rhythmen und des Gedankens bei Homer
mit dem Namen ‘Kunst? bezeichnet wird, so meint man dabei nicht
mühsame Berechnung aller malerischen Klänge, sondern die un-
bewulste Kunst des natürlichen Sinnes, wie sie der angeborene
und gebildete Genius schafft, kurz die Kunst der Naivetät. Dies
alles hat F. A. Wolf Proleg. p. XLII in folgende Worte zusammen-
gefaßst: “Ita enim haec carmina paullo diligentius cognita ad-
mirandam ostendunt vim naturae atque ingenii, minorem
artis, nullam reconditae doctrinae et exquisitae. Quamvis enim
hebeti sensu surdisque auribus sit, qui artem in iis nullam sentiat,
utpote quam ne in versuum quidem numeris doctissimi imitatores
assequi potuerint, omnem tamen artem illam naturae quodam-
modo propiorem esse apparet, neque ex disciplinse cuiusdam
formula perscripta libris, sed ex nativo sensu recti et venusti
delibatam’. Von dem bisher Erörterten ist nun das Resultat:
4) Ton und Rhythmus im Homer gehören mit unter die
wesentlichen Beweise, dafs überall Form und Inhalt zu-
sammenstimmen. Es liegt also in den derartigen homerischen
Versen eine alte Bestätigung dessen, was der neuere Dichter Fried-
rich Rückert im allgemeinen sagt:
“Grundstein zwar ist der Gehalt,
Doch der Schlufsstein die Gestalt’.
Dies sind in kurzem Abrifs die Gesichtspunkte, von denen aus die
bezüglichen Bemerkungen des Kommentars betrachtet sein wollen. —
166 Z. Anmerkungen.
‘Was das vorliegende Gleichnis betrifft, so hat darüber G. W. Nitzsch
Sagenpoesie $. 159 noch folgendes bemerkt: “bei Paris erkennt
man auch den Anlafs zur Wahl gerade dieses Bildes vom Stall-
pferde, denn wie Paris vorher im Gemach verweilt hat, jetzt mit
einmal zur Mannhaftigkeit aufgestachelt zum Kampf eilt, so wird
ein solches Pferd, nach allzu guter Fütterung von der Lust nach
der freien Weide und dem Bade erregt. Aristarch hat auch
dies hinzugefügt: καὶ τὸ τῆς στάσεως τοῦ ἵππου πρὸς τὸν ἐν ϑα-
λάμῳ διατετριφύτα ἀντιπαράκειται, N τε κατὰ τὴν αἰφνίδιον ἐξόρμη-
σιν ὁμοιότης. — 513. Über ἠλέκτωρ vgl. G. Curtius’ Etym.?
8.131 Nr. 24, *p. 136. Wenig ansprechend ist die Deutung von
W. E. Gladstone Hom. Stud. von A. Schuster 8. 440.
522. An Stelle des handschriftlichen ἀτιμήσειε schreibt Nauck
ἀτιμάσσειε, was derselbe rechtfertigt in den Melanges Greco-Ro-
mains IV p. 398. — 524. Über die Verbindung κῆρ ἐν ϑυμῷ
bemerkte Ameis, die Erklärung Fuldas Untersuchungen p. 178f.
abweisend: ἐν ϑυμῷ kann nach homerischem Sprachgebrauche nicht
etwas von χῆρ sinnlich Getrenntes und Verschiedenes sein,
sondern beide müssen als Synonyma betrachtet werden. Das
haben teilweise bereits die alten Schol. erkannt, nämlich LV mit
ϑυμῷ δὲ τῷ λογισμῷ, BL mit λυποῦμαι οὖν λογιξόμενος, der Para-
phrast τοῖν ἡ δὲ ἐμὴ ψυχὴ λυπεῖται ἐν ὀργῇ. In diesen Deutungen
sind beide Begriffe nicht als zwei sinnlich verschiedene Dinge be-
trachtet, sondern der Einheitsbegriff ist festgehalten, wiewohl alle
drei den richtigen Ausdruck der Erklärung verfehlt haben. Die
Worte κῆρ ἐνὶ ϑυμῷ nämlich können nur heilsen: das Herz im
Herzen, in einem Sinne, wie Wallenstein bei Schiller III 18 sagt:
‘Am Sternenhimmel suchten meine Augen, .
Im weiten Weltenraum den Feind, den ich
Im Herzen meines Herzens eingeschlossen’.
Oder wie Schillers Don Cesar:
“Ins klare Auge sah ich meiner Braut,
Ins Herz des Herzens hab ich ihr geschaut’,
[wozu Autenrieth noch fügt aus Fleckeisens Jahrbb. Bd. 102
p. 350f. Shakespeares Hamlet III, 2: and I will wear him in my
hearts core, ay, in my heart of heart, as I do thee. Goedekes
Schillerausgabe Bd. VI u. IX p. 49 Z. 28: Schiller: “im Herzen
seines Herzens würde er ihn getragen haben, wie Hamlet seinen
Horatio”).
Dies ist nämlich eine sprachliche Verstärkung des Gedankens,
bei welcher für Homer folgende zwei Punkte zu beachten sind.
1) Es ist bei Homer noch nicht Sitte, dasselbe Wort zur Ver-
stärkung des Begriffs zu wiederholen, weder in derselben Form
(vgl. den Anhang zu E 31) noch in einer gleichbedeutenden Kon-
struktion. So sagt man auch nirgends ϑεὰ ϑεάων, sondern mit
dem Synonynum δῖα ϑεάων und ähnlich in ähnlichen Wendungen.
Z. Anmerkungen. 167
Nirgends finden sich Ausdrücke wie κακὰ κακῶν, ἔσχατα ἐσχάτων
κακά, ἄρρητ᾽ ἀρρήτων oder persönlich δέσποτα δεσπότου (G. Her-
mann zu Aesch. Pers. 668), δειλαία δειλαίων κυρεῖς (Soph. ΕἸ. 849),
dergleichen bei den nachhomerischen Diehtern erscheinen: vgl. G.
Hermann zu Aristoph. Nub. 915. A. Meineke zu Com. Fragm. I
p. 69 (der gröfsern Ausg.). Schneidewin zu Soph. Oed. 1238.
Dies alles ist nicht zu verwundern. Denn solche Redeweisen ge-
hören bereits ins Gebiet einer Rhetorik, welche dem Zeitalter der
homerischen Naivetät noch fern liegt. Daher haben sich auch
Wendungen wie κῆρ ἐν κῆρι nicht ausgebildet, sondern es wird
dafür κῆρ ἐν ϑυμῷ gesagt oder eine andere synonyme Formel
gebraucht. Nahe indes liegt die Frage, ob nicht ohne Rhetorik
ganz einfach in diesem Sinne: ‘das Herz in sich selbst” gesagt
worden sei. Dies führt auf den folgenden Punkt, nämlich: 2) Dem
homerischen Zeitalter ist es ein fremdartiger Gedanke zu sagen,
dafs jemand ‘mit sich selbst spricht”. Dies wird homerisch
nur mit εἶπε πρὸς ὃν μεγαλήτορα ϑυμόν (zu € 298) und ähnlichen
Wendungen bezeichnet. Statt unseres Ausdrucks “aber warum
überlege ich dies bei mir” sagt der homerische Mensch ἀλλὰ τί
ἦ μοι ταῦτα φίλος διελέξατο ϑυμός. Ebenso Νεστορίδης δ᾽ ἄρ᾽ Eu
συμφράσσατο ϑυμῷ (ο 202). Wo jemand nach moderner Bezeich-
mung ‘sich selbst abhärmt’, da wurde er in jener Zeit ϑυμὸν
ἔδων genannt: vgl. den Anhang zu ı 75. So liefse sich aus diesem
Gebiete ein ganzes Register zusammenstellen, und es wird auch
von dieser Seite ersichtlich, warum die homerische Zeit, die ohne
Reflexion ihre Dichtungen schuf, den Gebrauch des eigentlichen
Reflexivpronomens noch nicht gestalten konnte. Von diesem Ge-
sichtspunkte aus gewinnt nun das κῆρ ἐν ϑυμῷ, wie auch ἐν
χραδίῃ στένει ἦτορ Ὁ 109 und ähnliches seine richtige Beziehung.
In 7272 ist derselbe Begriff durch διαμπερές bezeichnet. Und
daraus ist dann für ἐν ϑυμῷ der Sinn “innerlich” oder “im
stillen?’ hervorgegangen”. — 526. Statt ἀρεσσόμεϑ᾽ vermutet
Nauck ἀκεσσόμεϑ᾽.
ANHANG
HOMERS ILIAS.
SCHULAUSGABE
von
K. F. AMEIS.
III. HEFT.
ERLÄUTERUNGEN ZU GESANG VII-IX
voN
Dr. C. HENTZE,
OBFRLEURER AM GYMNASIUM ZU GÖTTINGEN.
LEIPZIG,
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER,
1875.
Hosted „Google
Kritischer und exegetischer Anhang.
H.
Einleitung.
Literatur: la Roche über das 7. u. 8. Buch der Ilias in Z. f. oest.
Kymn. 1860, ΧΙ p. 153 ΗΠ — Lachmann Betrachtungen über Homers
Ihas. 2. Aufl. Berlin 1865 p. 22 ff. (vgl. Hoffmann im Philol. ΠῚ
p. 212 M., Düntzer homer. Abhandlungen p. 56 fl., Gerlach im
Philol. XXX p. 27 ff). Holm ad Lachmanni exemplar de aliquot lliadis
carminum compositione. Lübeck 1853 p. 6 fl. — Kayser de inter-
polatore Hom. Heidelberg 1842 p. 5 ff. — Köchly de lliadis carmm.
dissertat. V, Turici 1858 p. 5 fl, VII, 1859, p. 3 I. (vgl. Düntzer
hom. Abh. p. 289 ff. Ribbeck in Jahrbb. f. Philol. 85, p. 23 M) —
Nitzsch Sagenpoesie der Griechen p. 127. 204. 213 ff. (vgl. Schoemann
in den Jahrbb. f. Philol. Bd. 69 p. 20 1). Kiene die Komposition
der Mias. Göttingen 1864 p. 80 f. Happe der homerische Hektor.
Coblenz 1863 p. 6 ff. — Düntzer homerische Abhandl. p. 263 ff.
269 f. — Grote Geschichte Griechenlands, übersetzt von Meissner,
I p. 528 il. 536 f. (vgl. Friediaender die homerische Kritik von
Wolf bis Grote. Berlin 1853 p. 64 fl. und Baeumlein im Philol. XI
p. 405 , 4151.) — Kammer zur homerischen Frage. I. Königs-
berg 1870 p. 13. 23 1. 28 f. (vgl. Düntzer homer. Abhandl. p. 272 f.
und Philol. Anzeiger II p. 132 1.) — A. Jacob über die Entstehung
der Ilias und Odyssee. Berlin 1856 p. 213 ff. — Bonitz über den
Ursprung der homer. Gedichte. ὃ Wien 1872 p. 29. 31. — Schneider
über deu Ursprung der hom. Ged. Wittstock 1873 p. 28. — Hiecke
der gegenwärtige Stand der homer. Frage. Greifswald 1856 p. 16 f.
— Genz zur Ilias. Sorau 1870 p. 26 f. — A. Bischoff im Philol.
XXXIV p. 18 f. — Hoffmann quaestiones Homer. II. Clausthal 1848
p- 208 f. 212. — B. Giseke homer. Forschungen. Leipzig 1864
p. 224 ff. 237 ἢ 2511. — Bernhardy Grundriss der griech. Literat.
>, 1, p.163 f. Bergk griech. Literaturgesch. I. p. 583 f.
Anhang zu Ameis, Homers Ilias I, 3. 1
2 Kritischer und exegetischer Anhang. A.
Das siebente Buch reiht sich chronologisch in der Weise in den
Zusammenhang der Ilias ein, dass es den Abschluss des ersten, mit
dem zweiten Buch beginnenden Schlachttages, des 22. der Ilias über-
haupt, (bis V. 380) und die beiden darauf folgenden Tage (381—432
und 433—482) umfasst, Nach dem Inhalt begreift dasselbe folgende
Stücke: V. 1—16 Vordringen der Troer nach Hektors und Paris’
Rückkehr in die Schlacht; V. 17—312 unentschiedener Zweikampf
zwischen Hektor und Aias, bei Einbruch des Abends durch die Herolde
getrennt; 313—344 am Abend Bule der achaeischen Fürsten in Aga-
memnons Zelt, mit dem Beschluss am folgenden Tage die Todten zu
bestatten und eine Mauer zum Schutze der Schiffe zu bauen; 345—380
gleichzeitig Agora der Troer auf der Burg mit dem Beschluss den
Achaeern die Auslieferung der mit Helena geraubten Schätze anzubieten
und um eine Waffenruhe zur Bestattung der Todten zu bitten. Am
folgenden (23.) Tage: 381—432 die Agora der Achaeer lehnt Paris’
Anerbieten ab, gewährt aber die Waffenruhe; beide Heere bestatten
ihre Todten.° Am folgenden (24.) Tage: 433 —482 Mauerbau der
Achaeer; eine darauf bezügliche Scene im Olymp zwischen Poseidon
und Zeus; Abendmahlzeit im Lager: schreckende Donnerschläge
des Zeus.
Die Stellung des Buches innerhalb des Ganzen wird durch die
beiden Momente bestimmt, dass es einerseits den Abschluss der Kämpfe
giebt, welche im zweiten Buche vorbereitet, sich durch die folgenden
hindurch ziehen, andrerseits den Uebergang zu dem Buche bildet, wo
durch Zeus’ Eingreifen die Situation wesentlich verändert, der Anstoss
zu einer ganz neuen Entwicklung gegeben wird. Danach kann das-
selbe eine hervorragende Bedeutung für den Fortschritt der Haupt-
handlung nicht beanspruchen. Abgesehen von dem Bau der Mauer,
deren Vorhandensein für die folgenden Kämpfe die nothwendige Voraus-
setzung ist, enthält dasselbe kein Moment, welches in der weiteren
Erzählung verwendet würde oder eine neue Entwicklung vorbereitete;
ja es fehlt dort so gut wie ganz an allen Beziehungen darauf. Die
einzige Stelle, an der man eine Rückbeziehung auf Hektors Zweikampf
mit Alas hat finden wollen, 4 521—542, vgl. Nitzsch Sagenpoesie
p- 228 f., ist kritisch sehr zweifelhaft, vgl. G. Curtius Andeutungen
über den gegenwärtigen Stand der homer. Frage. Wien 1854 p. 19,
während andrerseits Η 113 ff, schwer zu vereinigen ist mit I 352 ff.
— Θ 532 1. ignorieren Hektors Zweikampf mit Alas und weisen vielmehr
auf die Situation in Z zurück, vgl. Z 278 mit 98—201. — Enger sind
die Beziehungen zu den vorhergehenden Büchern. So schliesst sich der
Eingang desselben (1—16) auf das eugste den in Z erzählten Ereignissen
an: Hektor kehrt von dem dort erzählten Gange in die Stadt zurück, der
Stand der Schlacht bei seiner Rückkehr entspricht genau der Situation,
in welcher er die Troer vorher verliess. Ebenso scheint Helenos’ er-
muthigende Zusicherung H 52, dass dem Hektor der Tod noch nicht
beschieden sei, motiviert durch die trübe Stimmung, welcher Hektor
Z 367 f, Ausdruck gegeben hatte. Im Uebrigen setzt die Darstellung
Kritischer und exegetischer Anhang. H. 3
den durch den Inhalt der vorhergehenden Bücher gegebenen Hintergrund
voraus: auf Achills Groll wird H 229 f., auf den Vertrag in I’ und
den Vertragsbruch in ΖΓ wird 69 fl. und 351 ff. hingewiesen.
Fragt man nach dem inneren Zusammenhange sowohl der einzelnen
Theile des Buches unter sich, als der darin erzählten Ereignisse mit
den vorhergehenden, nach der Motivierung auf Grund des Voran-
gegangenen, so ergeben sich mannigfache Bedenken, welche die Kritik
viel beschäftigt haben. Manches kommt nach dem früher Erzählten
unerwartet, scheint dadurch nicht gehörig motiviert, ja selbst im
Widerspruch damit, So schliesst der Zweikampf des Hektor mit Aias
zwar den Kampf des Tages passend ab, da durch Hektors Rückkehr
in die Schlacht keine so entscheidende Wendung zu Gunsten der Troer
herbeigeführt werden durfte, dass sie der durch Zeus am folgenden
Schlachttage zu gebenden Entscheidung vorgegriffen hätte; aber fällt
es an sich schon auf, dass an demselben Tage das Motiv des Zwei-
kampfes wiederholt wird, so kuüpfen sich besonders an das Verhalten
des Hektor bei dem Anerbieten, sowie an das der Achaeer hei der An-
nahme dieses zweiten im Hinblick auf den Verlauf des ersten mancherlei
Bedenken. Wenig motiviert. durch die vorhergehenden Ereignisse scheint
ferner Nestor’s Vorschlag zum Mauerbau, sowie das von Antenor in
der troischen Agora an Paris gestellte Verlangen die Helena an die
Atriden zurückzugeben, mit dem dadurch weiter herbeigeführten
Beschluss.
Diese dem Zusammenhang und der Molivierung entnommenen
Bedenken werden noch verstärkt durch die Verschiedenheit des
Charakters, - wie der Darstellung der einzelnen Theile des Buches.
Neben Partieen, welche wegen der Feinheit der sittlichen
Anschauung ünd der sinnigen Charakteristik, wie der übersichtlichen
Gruppirung und der lebensvollen anschaulichen Darstellung den besten
Stücken homerischer Dichtung sich zur Seite stellen lassen, finden sich
andere, welche ohne jene Vorzüge durch Unklarheit und mangelhafte
Darstellung gerechten Anstoss geben. Im Ausdruck inshesondere zeigt
das Buch durchweg Eigenthümlichkeiten: nur in diesem finden sich die
eigenthümlichen steigernden Zusammenstellungen οἰόϑεν οἷος 39. 226
und αἰνόϑεν αἰνῶς 97, eigenthümlich ist der Gebrauch von τεκμαίρεσϑαν
70, ἐξαγαγόντες 336, μειλισσέμεν 410, vereinzelt ἀρϑμήσαντε 302,
ἀνδραπόδεσσι 475, und die Wendungen 99, 409, 239, 241, seltsam
ϑεῖον δύσονται ἀγῶνα 298, endlich παρήορος 156. Ueber metrische
Eigenthümlichkeiten vgl. Hoffmann quaestt. Hom., über rhıythmische
u. a. Giseke hom. Forschungen p. 224 ff.
Nach dem Allgemeinen heben wir die im Einzelnen geltend ge-
machten Bedenken hervor. Wir beginnen mit der grossen zusammen-
hängenden Partie vom Zweikampf 17—312. Gegen einen einheitlichen
Zusammenhang derselben mit dem Vorhergehenden wird folgendes an-
geführt:
a. Die ausführliche Motivierung und Vorbereitung der Rückkehr
Alexanders in die Schlacht steht ausser Verhältniss zu der unbedeutenden
1*
4 Kritischer und exegetjscher Anhang. 4.
Rolle, die er im siebenten Buche spielt, da er nach einer einzigen
That ganz vom Schauplatze verschwindet.
b. Die Wiederholung des Motivs des Zweikampfes innerhalb des-
selben Schlachttages, an sich auffallend, erregt um so mehr Anstoss,
als der zweite lediglich zum Zweck eines augenblicklichen Waffen-
stillstandes und der Erprobung der Tapferkeit eingeleitete, nachdem
der Zweck des ersten, die Beendigung des ganzen Kriegs vereitelt ist,
nothwendig an Bedeutung und Interesse verlieren muss.
9. Die Einleitung des Zweikampfes selbst ist nicht gehörig motiviert.
Nachdem Hektor, Paris und Glaukos bei der Erneuerung des Kampfes
je einen Achaeer erlegt haben, begreift man nicht, wie dadurch die
Schlacht für die Achaeer, die vorher in entschiedenem Vortheil waren,
eine so unglückliche Wendung hat nehmen können, dass der Ausspruch
16. 17 berechtigt und die Herabkunft der Athene, die beiläufig zum
vierten Mal an diesem Tage vom Olymp herabsteigt (B 167. 4 74.
E 733), motiviert wäre.
d. Eigenthümlich ist die Art, wie Apollo und Athene hier zu-
sammenkommen und sich verständigen, seltsam, wie Helenos, ohne von
Apollon aufgefordert zu sein, die Absichten der Götter ausführt.
e. Auffallend ist die Unbefangenheit, mit der Hektor bei der
Herausforderung von dem an demselben Tage geschehenen Vertrags-
bruch redet und den Achacern zumuthet seinen Versicherungen bei den
vorgeschlagenen Vertragsbedingungen, zumal ohne die den ersten Ver-
trag begleitenden religiösen Feierlichkeiten, Glauben zu schenken.
f. Ebenso auffallend ist, dass die Achaeer über Hektors Anerbieten
sich keineswegs entrüstet zeigen, namentlich auch in dem Gebet 202 ff.
dem keinen Aussruck geben, dass Menelaos, als er sich zum Zweikampf
erbietel, des an demselben Tage schon mit Paris bestandenen nicht
gedenkt, auch Agamemnon, da er den Bruder zurückhalten will, dies
nicht geltend macht.
g- Befremdend ist auch die Furcht der tapfersten achaeischen
Helden vor Hektor, nachdem au demselben ‚Tage ein Zweikampf für
die Achaeer günstig ausgefallen ist und der allgemeine Kampf die Troer
in die grösste Bedrängniss gebracht hat, befremdend zumal bei Diomedes,
der an demselben Tage kurz vorher sogar mit Ares den Kampf auf-
genommen und siegreich bestanden hat, vgl. auch Z 98—101. 278.
Insbesondere scheint Agamemnons Aeusserung 1131., selbst Achill scheue
den Kampf mit Hektor (die überdies im Widerspruch steht mit
E788 ff. und [352 ff), in einer Dichtung zu Achills Verherrlichung
undenkbar. —
Mit diesen Bedenken hat man sich in verschiedener Weise ab-
gefunden. In Bezug auf das Motiv des Zweikampfes mit den sich daran
knüpfenden Bedenken bemerkt Bernhardy, dass wenn ein aufmerksamer
Leser daran Anstoss nehme, doch der Hörer des Alterthums darüber
weggesehen habe. Gewiss wird auch, wie Düntzer meint, das Auf-
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. 5
fallende der Wiederholung desselben Motivs innerhalb desselben Tages
wesentlich dadurch vermindert, dass dieselbe unter ganz verschiedenen
Verhältnissen erfolgt: beim ersten Zweikampf handelt es sich um die
Entscheidung des ganzen Kriegs, hier um augenblickliche Waffenruhe
und die Erprobung der Tapferkeit, dort kämpfen mit einander die
beiden Helden, um derenwillen der Krieg entbrannt ist und die das
nächste Interesse an der Beendigung desselben haben, hier der erste
Held der Troer und der erste achaeische Held nächst Achill; dort ein
rasches schmähliches Unterliegen des feigen Frevlers, den nur göttliche
Hülfe rettet, hier ein langes für beide ehrenvolles Ringen der Helden-
kraft ohne Entscheidung. Danach wird man sagen dürfen: der zweite
Zweikampf bildet ein treffliches Gegenstück zum ersten, das gewiss an
Interesse jenem nicht nachsteht. Auch die Einleitung des Zweikampfes
durch Apollo und Athene ist nicht so auffallend, wenn man bedenkt,
dass es dieselben Götter sind, die im Verlauf des Tages fortwährend
in den Kampf eingegriffen haben; es scheint doch natürlich, dass sie
jetzt einmal Ruhe eintreten lassen wollen. Mag immerhin die Art, wie
die beiden Götter sich verständigen, uns überraschen, so scheint es
doch innerlich durch das Vorhergehende wohl motiviert, dass der erste
troische Held, nach jenem schweren Gange in die Stadt, wo er in
trüber Stimmung den Untergang seines Vaterlandes, wie seinen eignen
Fall vorahnend, nur den einzigen Wunsch hat den Ruhm des Ge-
schlechtes zu wahren (vgl. Z 367. 368. 446), hier in seinem edlen
Ritterthum, in seiner ganzen Heldengrösse glänzend hervortritt, wie
es gewiss nicht wirksamer geschehen konnte.
Auch die Art, wie Hektor bei der Herausforderung von dem
Vertragsbruch redet, ist getadelt. Ich wüsste kaum, wie von seinem
Standpunkte aus Hektor anders davon hätte reden sollen: dass Zeus
durch die Sendung der Athene auf das Schlachtfeld nach dem ersten
Zweikampfe die Wiederaufnahme des Kampfes veranlasst habe, war
allgemeine Volksstimme, nicht bloss bei den Troern, sondern auch bei
den Achaeern, vgl. 481 ff., selbst Agamemnon führt, wenn auch entrüstet
über die Treulosigkeil der Troer, die Erfolglosigkeit des Vertrags auf
Zeus zurück 4 160 und mehr sagt auch Hektor nicht, er redet, wie
auch Düntzer urtheilt, gar nicht von dem Vertragsbruch, sondern nur
von der Erfolglosigkeit des Vertrages, die zunächst durch die Ent-
rückung des Paris aus der Schlacht veranlasst wurde. Und sprechen
musste er von jenem Vertrage, um von vornherein die Verschiedenheit
der Situation von jener früheren festzustellen. Die Annahme des an-
gebotenen Zweikanipfes von Seiten der Achaeer mag mit Naegelsbach
homer. Theolog. ?p. 323 f. durch das Ehrgefühl vermittelt werden:
ohne den Vorwurf der Feigheit konnte die Herausforderung nicht ab-
gelehnt werden. Es ist daher auch natürlich, dass die sich daran
schliessenden Reden der Achaeer sich wesentlich drehen um die Schmach
der Ablehnung und um die Wahrung der Heldenehre (Kiene p. 306).
Gleichwohl bleibt es immerhin auffallend, dass von keinem der
Achaeer auch nur mit einem Wort des früheren Zweikampfes und der
86. Kritischer und exogetischer Anhang. 4.
Treulosigkeit der Troer gedacht wird, obwohl dazu sich mehrfach Gelegen-
heit bot. Zwar einem Hektor gegenüber, der selbst keine Schuld trug,
mochte man sich scheuen einen Vorwurf zu machen; auch konnte man
ihm gegenüber, da es sich hier nur um die Zurückgabe der Leiche
handelte, von besondern Garantien absehen, obwohl Menelaos bei dem
Abschluss des früheren Vertrages ausdrücklich die Zuziehung des
Priamos verlangt und sein Misstrauen in die Zuverlässigkeit der Söhne
desselben ausgesprochen hatte, vgl. I’ 106. Aber dass unter den
achaeischen Fürsten nicht einmal ein Zweifel laut wird, ob man nach
dem Vorhergegangenen auf den angebotenen Zweikampf überhaupt ein-
gehen solle, dass weder Menelaos, als er sich dem Hektor stellen will,
noch Agamemnon, da er ihn zurückzuhalten sucht, des an demselben
Tage bereits gegen Paris bestandenen erwähnt, bleibt immerhin auf-
fallend.
Die Beiroffenheit der achaeischen Helden erklärt Düntzer durch
die soeben in seinen Thaten, wie in seinem selbstbewussten Auftreten
lebhafter als je hervortretende Grösse Hektors. Abgesehen von diesem
augenblicklichen Eindruck darf man gewiss ein gut Theil auf Rechnung
des allgemeinen peinlichen Gefühls setzen, dass Achill, der als erster
achaeischer Held der einzige ebenbürtige Gegner Hektors schien, fehlte
(gl. Gladstone hom. Stud. p. 430). Was Diomedes insbesondere be-
trift, so stand seine Aristie unter dem besondern Schutze der Athene
und die Anerkennung von Hektors Furchtbarkeit blickt in seinen Worten
E 601 fl. trotz der Hervorhebung des göttlichen Beistandes und zwar
als allgemein geltende durch. In eineih ganz andern Lichte erscheint
überdies das Zaudern der achaeischen Helden, wenn man die Kehrseite
dazu vergleicht, den Eindruck, welchen Aias, als er zum Kampf heran-
schreitet, auf die Troer und auf Hektor selbst macht; die überaus
starken Ausdrücke, in denen die Besorgniss der Troer und Hektors
Schrecken hezeichnet werden (215 £.), beseitigen jedes Bedenken wegen
der Betroffenheit der achaeischen Helden Hektor gegenüber.
Von minderem Belang sind die übrigen Bedenken, Es bedarf
kaum der Vermuthung, dass die Schilderung des Kampfes 8—16 ur-
sprünglich ausführlicher gewesen sei, da der Dichter auch sonst, um
nicht durch eine zu weil ausgesponnene Erzählung von Einzelkämpfen
zu ermüden, sich mit Andeutungen begnügt.
Können wir den mannigfachen gegen die Partie erhobenen Bedenken
nicht überall das Gewicht beilegen, welches denselben beigemessen ist,
um die völlige Unverträglichkeit derselben mit der ‘vorangegangenen
Erzählung zu erweisen, so lässt sich doch nicht leugnen, dass ein-
zelnes Auffallende bleibt, was den Zusammenhang mit dem Vorher-
gehenden loser erscheinen lässt, als man bei der Durchführung eines
einheitlichen Planes erwarten darf. Dabei übersehe man aber nicht die
Vorzüge, durch welche dieselbe ausgezeichnet ist. Mit Recht ist für
die Gruppe des Aias und Hektor, wie für die des Diomedes und Glaukos
in Z, die sinnige Charakteristik, die edle Sitte und milde Ritterlichkeit,
die in derselben hervorleuchtet, betont.
Kritischer und exegetischer Anhang. A. 7
In Bezug darauf beachte man die Zeichnung der beiden Gegner,
wie der Dichter sie theils in den Reden theils in der Darstellung
charäkterisiert: hier die glänzende ritterliche Erscheinung Hektors mit
der freier Beweglichkeit in Wort und That (238 f.), dem der Kampf
als ein heiteres Spiel im Dienste des Ares erscheint (241, vgl. 239),
in Vorahnung seines baldigen Falles von dem Wunsch erfüllt den Ruhm
des Geschlechts zu wahren (87—91 vgl. Z 367. 368. 446), der Held
mit dem feinen menschlichen Gefühl, des eignen Werthes sich wohl
bewusst, aber zugleich voll Anerkennung für den des Gegners (77 ἢ
299 ἢ 294. 90. 288 M.) — dort der riesige Aias, wuchtig wie
sein thurmähnlicher Schild, ein Abbild des Ares selber, wie er zum
Kampf schreitet, unübertrefflich gezeichnet in den Worten μειδιόων
βλοσυροῖσι προσώπασι 212, kurz angebunden und ungelenk in seinen
Worten, voll berechtigten Selbstgefühls, wie es charakteristisch hervor-
bricht 196 f.
Ebenso sinnig ist das schöne Verhältniss zwischen Agamemnon
und seinem Bruder Menelaos gezeichnet, entsprechend der Darstellung
in 4 148 ff. Ferner ist sehr beachtenswerth der Sinn des Dichters
für übersichtliche Gruppierung und anschauliche lebensvolle Darstellung.
Scenen, wie 161 ff. und 275 ff. fordern fast von selbst zu plastischer
oder malerischer Nachbildung heraus und haben solche in der That im
Alterthum gefunden. Derselbe Sinn für übersichtliche Gruppierung zeigt
sich auch in der Darstellung überhaupt, so 77—86, 214. 215,
294—298, 301—302, 306 ff. Treffende Vergleiche, wohl vertheilt
an den Hauptmomenten, beleben die Darstellung.
Hienach scheint es unbegreiflich, wenn Kayser, Köchly und
ähnlich Giseke, auch in dieser Partie nur eine aus Reminiscenzen zu-
sammengestoppelte werthlose Flickarbeit schen. Ihnen gegenüber stehen
die Verfechter der Einheit, Nitzsch und Kiene, welche überall den
einheitlichen künstlerischen Plan gewahrt sehen und sich den Genuss
des Dichters durch kein Bedenken ‚verkümmern lassen. Nitzsch ins-
besondere sieht im Zweikampf Hektors und Aias ein Stück Exposition,
wie in der Mauerschau, in der Epipolesis in 4 — „die echt homerischen
Formen, die verschiedenen Haupthelden ausser Achill charakteristisch
vorzuführen“. Die besondere Bedeutung desselben aber für die ganze
folgende Handlung findet er iu dem Resultat des Kampfes, dass Aias,
der nächste nach Achill, dem Hektor eben gleich, aber auch nur gleich
befunden wird — was Happe bestimmter so formuliert: „das Bild,
welches wir im Sinne des Dichters aus dieser Rhapsodie hinübernehmen
sollen in die achte, wo die Folgen des Zorns des Achill sich zu äussern
beginnen, ist dieses: „Wenn im Ringen rein menschlicher Kräfte
der Tüchtigste der Achaeer (heros ab Achille secundus Hor. Sat. II, 3,
193) nicht im_ Stande ist den Tüchtigsten der Troer zu bewältigen,
was wird dieser dann zu leisten im Stande sein, wenn er durch die
Kraft des Zeus selbst unterstützt wird?“ Gegenüber steht die Lieder-
theorie, nach welcher Zachmann H 1—312 wegen der engen Be-
ziehungen zum Vorhergehenden mit Z zu einem selbständigen Liede,
8 Kritischer und exegetischer Anhang. 4.
dem sechsten, verbindet, während Holm dieses wieder in drei Einzel-
lieder zerlegen möchte, von denen das dritte H 45—312 umfassen
soll. Zwischen diesen beiden entgegengesetzten Richtungen nehmen
die folgenden Ansichten einen mitileren Standpunkt ein. Nach Genz
ist unser Stück als Fortsetzung von Z gedichtet, jedoch nicht von Z
allein, sondern von den an einandergefügten Liedern P—H12. Kayser
dagegen meint, dass das siebente Buch (mit Ausnahme von 1—16)
nebst dem achten zu dem Zweck gedichte sei, um das später ein-
geschobene neunte vorzubereiten. Nach der Grote'schen Hypothese,
die Friedlaender aufgenommen und weiter zu begründen gesucht hat,
bildet unsere Partie einen Bestandtheil eines eignen Gedichts, welches
ein Gemälde des Trojanischen Kriegs im Allgemeinen giebt und Buch
H—VIE umfassend als Ilias der Achilleis (Buch I, VII, XI—XXI)
eingefügt sein soll. Düntzer, welcher selbständig zu der ähnlichen
Ansicht gekommen war, dass Buch II—VII ursprünglich ein selb-
ständiges Gedicht gebildet haben, sieht in der vorliegenden Partie
(bis 310) den hie und da durch spätere Zusätze entstellten Abschluss
dieses Gedichtes. Bergk endlich, welcher die ursprüngliche Einheit
der llias, wie der Odyssee festhält, aber dieselbe von jüngern Dichtern
vielfach überarbeitet, erweitert und fortgesetzt sein lässt, sieht zwar
in Hektors Rede 67 ff. ein Stück älterer Poesie, hat aber gegen die
derselben vorhergehende und nachfolgende Erzählung soviel einzuwenden,
dass er erst mit 175 wieder die alte llias beginnen lässt: die folgende
Partie bis 312 ist ihm ohne Anstoss.
Bei weitem mehr und schwerer wiegende Bedenken sowohl nach
dem Inhalt, wie nach der Darstellung sind gegen den Rest des
Buches 313—482 geltend gemacht. Abgesehen von den schon von
den Alten mit Recht verworfenen V. 334. 335 ist vor allem der
Mauerbau der Gegenstand ausführlicher Erörterungen geworden. In
direciem Widerspruch mit der Erzählung desselben an dieser Stelle
scheint & 31. 32 zu stehen, wo der Zusammenhang nur an-
nehmen lässt, dass- der Maurrbau alsbald nach der Landung erfolgt sei.
(Schoemann in Jahrbb. f. Phil. Bd. 69 p. 20). Ohnehin scheint der-
selbe an dieser Stelle nicht genügend motiviert, weder durch die That-
sachen der vorhergehenden Erzählung, noch in dem Zusammenhang
der Rede, worin Nestor den Vorschlag dazu macht. Die Griechen haben
am ersten Schlachttage keine entschiedene Niederlage erlitten und
durchaus keinen Grund eine Belagerung durch die Troer zu fürchten.
Dass ihre Stimmung auch keineswegs eine gedrückte oder nur zweifelnde
sei, ergiebt sich deutlich aus Diomedes Worten 400—402, womit er
die Friedensanträge der Troer zurückweist. Ebenso anstössig erscheint
die wunderbare Schnelligkeit, mit der ein so bedeutendes Werk aus-
geführt wird. Die Beschreibung endlich ist so dürftig, dass man die
Grösse und Bedeutung des Werkes daraus nicht erkennt, nur Poseidons
Zorn über dasselbe lässt ahnen, dass es sich um etwas Grösses
handelt.
Ueberraschend kommt ferner nach den letzten Begebenheiten des
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. 9
Tages der Vorschlag Antenors 350 M. noch nachträglich die Helena
sammt den geraubten Schätzen den Atriden zurückzugeben. Die Moti-
vierung ist sehr ungenügend; nach der Beziehung auf den Vertrags-
bruch in 4 sollte man doch einen Hinweis auf die Bedrängniss der
Troer in E und Z erwarten. Sodann begreift man wohl Paris’
Weigerung die Helena herauszugeben, allein sein Anerbieten die mit
Helena geraubten Schätze noch um andere vermehrt, doch ohne Helena
herauszugeben, — an demselben Tage, wo ein feierlicher Vertrag über
die Auslieferung der Helena von den Troern und Paris selbst verletzt
war, heisst doch nach der Lage der Dinge den Achaeern gar zu viel
zumuthen! Priamos scheint auch gar nicht daran zu denken, dass die
Atriden auf Alexanders’ Vorschlag eingehen könnten, da er nach der
Bitte um Waffenstillstand ohne Weiteres seine Bereitwilligkeit den Kampf
danach fortzusetzen durch den Herold erklären lässt.
Die Darstellung zeigt vielfach Unklarheit und Verworrenheit. So
kann man selbst die Tage nicht sicher berechnen: H 381 ist es
Morgen, 421 wird es Tag, 433 noch nicht (wieder?) Morgen, 465
geht die Sonne unter (Lachmann). Die Erzählung leidet zum Theil
an einer unruhigen Hast, es fehlt die anschauliche Breite des epischen
Stils; unberechtigten Raum beansprucht die Darstellung von Essen und
Trinken.
Von diesen Bedenken lassen sich manche auf ein geringeres Mass
des Anstössigen zurückführen. Zwar wird man für den Mauerbau
die von 0. Müller griech. Literaturgesch. I p. 88, Nitzsch und Kiene
gegebene Motivierung, dass die Griechen jetzt zum ersten Mal die Er-
fahrung gemacht hätten, dass die Troer ihnen in offener Feldschlacht
zu‘ widerstehen vermöchten, mit Grote p. 537, Düntzer hom. Abh.
p- 238, Köchly diss. II p. 7, Schoemann in Jahrbb. f. Phil. Bd. 69
Ρ. 16 ff. ablehnen müssen. Aber es lässt sich manches andere geltend
machen, wonach der Vorschlag des Mauerbaus doch nicht so unmotiviert
ist, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Im Allgemeinen wird
man zugeben müssen, dass durch Achills Abwesenheit die Lage
der Achaeer sich verschlechtert hatte: eine gewisse Unsicherheit
in Betreff des Gelingens ihrer Unternehmungen (Kammer) scheint
natürlich und die Sicherheit, welche Diomedes bei Verwerfung
der troischen Vorschläge dem troischen Herold gegenüber zeigt,
ist damit sehr wohl zu vereinigen. Insbesondere war der Verlauf
des ersten Schlachttages trotz der Aristie des Diomedes für die
Achaeer keineswegs so günstig, dass es an jedem Grund zur Besorgniss
gefehlt hätte: zwar hatten sie keine entscheidende Niederlage erlitten,
aber zweimal war ihre Lage derart bedroht gewesen (E 711. Η 17),
dass nur das Eiuschreiten ihrer Schutzgöttin Athene sie gerettet
hatte. Danach konnte die Möglichkeit einer Niederlage, die schliesslich
auch die Schiffe bedrohte, dem vorsichtigen Nestor sehr wohl vor-
schweben und ihn zu dem Vorschlag veranlassen, obwohl man aller-
dings iu Nestors Worten eine deutlichere Motivierung vermisst. Der
Anstoss, den die summarische Kürze und Dürftigkeit in der Darstellung
10 Kritischer und exegetischer Anhang. 4.
des Mauerbaus giebt, wird bleiben, wenn man auch die Möglichkeit der
Ausführung in so kurzer Zeit zugeben mag, wie sie Jacob p. 217 zu
erweisen sucht, vgl. übrigens Welcker klein. Schrift. II. p. XX. Andere
finden, dass nur die Unklarheit der Darstellung die Möglichkeit der
Annahme eines Tages lasse, und glauben auch nach der Intention des
Dichters mehrere Tage dafür annehmen zu dürfen. In dieser Beziehung
ist Zachmanns Tadel der chronologischen Anordnung von Hoffmann
bereits ermässigt, welcher darin nur den einen Mangel findet, dass
Idaios ἠῶϑεν (381) ins achaeische Lager geht und schon vor Tages-
anbruch zurück ist, so dass dann unmittelbar nach Sonnenaufgang
(νέον 421) die Achaeer und Troer sich schon auf dem Schlachtfelde
begegnen. (Ueber die an diese Zeitbestimmung sich schliessenden
Fragen über das Local vgl. v. Eckenbrecher die Lage des homerisch.
Troja. Düsseldorf 1875 p. 28. mit Welcker klein. Schrift. II
p. XVII. und Hasper Beiträge zur Topographie der homer. Ilias
Ρ- 28 [) Aehnlich ist das Verhältniss der Zeitbesiimmungen τ 428
und 433, wo dem Erscheinen der Morgenröthe der Sonnenaufgang als
zweiter Zeitabschnitt folgt; danach kann kein Zweifel sein, dass der
Dichter die beiden Bestimmungen als Zeitpunkte desselben Tages ver-
stauden hat. Der übrige Tag geht mit dem Aufsammeln und Verbrennen
der Todten hin. Das Ende desselben ist nicht nach sonstigem Gebrauch
durch eine der üblichen Formeln angezeigt, daher Zachmann bei der
Zeitbestimmung 433, die den Morgen des folgenden Tages bezeichnet,
sein zweilelndes “wieder?” hinzufügle. Aber ganz ebenso fehlt eine
den Abschluss des vorhergehenden Tages bezeichnende Zeitbestimmung
bei der Beschreibung von Hektors Bestattung 4) 785—788, hei der
des Patroklos 217, vgl. 226 und der des Achill ὦ 65—72. Der
Scheiterhaufen brennt eben die Nacht hindurch, wie ἣν’ 225 fl. 2 791.
@ 71. 72, daher kein besonderer Anlass war den Abschluss des vorher-
gehenden Tages zu markieren. So bleibt hier nur der Anstoss, dass
mach dem überaus kurzen Bericht es scheinen muss, als ob die Ver-
brennung der Leichen vollständig beendigt gewesen, während wir
(434 — 8 789 vgl. # 232—234) nachträglich sehen, dass eine aus-
erlesene Schaar während der Nacht beim Scheiterhaufen geblieben war
und nun erst das Löschen der Flamme und das Aufsammeln der Gebeine
erfolgt sein muss. Die übrigen Bedenken sind schwer zu beseitigen.
Auch sonst sind Missverhältnisse in der Darstellung anzuerkennen.
Man mag zugeben, dass, da die Ereignisse im Lager, in der Stadt und
auf dem Olymp sich drängen, dem entsprechend eine rasche Lebendig-
keit der Schilderung am Platze sei. Allein dadurch kanı nicht gerecht-
fertigt werden, dass das Wichtigere übermässig kurz behandelt, in
seinen Motiven nicht klar hervortritt, während das Unwichtigere mit
einer gewissen Breite erzählt wird.
Aus diesen Gründen‘ ist es sehr schwer mit Nitzsch, Baeumlein,
Kiene die Ursprünglichkeit auch dieser letzten Partie des siebenten
Buches noch festzuhalten. Ein hedeutsamer Grund dagegen ist auch
das von Schoemann aus & 31. 32 entnommene Bedenken. So nehmen
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. 1
denn die übrigen Kritiker ziemlich einstimmig einen späteren Ursprung
für dieselbe an und gehen nur in der Art, wie sie die Einschiebung
erklären, nach den verschiedenen Standpunkten aus einander. Lach-
mann verbindet die Schlusspartie des siebenten mit dem Anfang des
achten Buches bis V. 253 und lässt dies Stick, in welchem er kein
besonderes Lied erkennt, als Vorbereitung auf das folgende gedichtet
sein, welche an die Stelle des echten Anfangs getreten sei. Kammer
schliesst H 345 ff. an I’ und 4 1—220 und bildet aus diesen Be-
standtheilen ein einzelnes selbständiges Lied, das ursprünglich mit der
Dias nichts zu thun hatte, dessen Schluss aber nicht vollständig er-
halten, vielmehr bei der Eiufügung in die llias verändert wurde. Auf
Grund der Groteschen Hypothese nimmt Friedländer an, dass die Er-
zählung von der Befestigung des griechischen Lagers ihren Ursprung
der Einschiebung der sechs Gesänge (II—VII) in die Achilleis verdanke:
“Die Achilleis die vom ersten sogleich zum achten und dann zum elften
Buch übergieng, setzte Mauer und Graben als vorhanden voraus, und
wichts in ihr liess vermuthen, dass die Griechen anfaugs ohne diese
Befestigung gewesen sein. Und da sie in diesem Gedicht fast immer
im Nachtheil sind, hatte die Voraussetzung nichts überraschendes, das
Lager in dem sie nun angegriffen werden, sei von Anfang an befestigt
gewesen. Aber dies änderte sich sobald das erste und achte Buch von
einander getrennt wurden, um für die Schilderungen von ruhmvollen
Thaten griechischer Ilelden Platz zu machen. Diese glänzenden
Schilderungen erwähnen keine Befestigung und involvieren sogar ihre
Nichtexistenz. Sollte aber auf sie unmittelbar der achte Gesang folgen,
so würden Hörer und Leser überrascht gewesen sein, hier eine Mauer
zu finden, von der sie bis dahin nichts gewusst hatten. So war es
nothwendig die’Erzählung des Mauerhaus einzuschalten.” Von andern
Vorausselzungen ausgehend urtheilt Schoemann: “weil in ‘den späteren
Büchern von einer Mauer die Rede war, doch aber die früher erzählten
Begebenheiten diese nicht erkennen liessen und überdies auch ein solcher
Zustand der Dinge vorausgesetzt war, der eine Mauer unnöthig er-
scheinen liess, so hielt der Diaskeuast jene Stelle, die Waffenruhe nach
dem ersten Schlachttage, für, den schicklichen Platz sie zu bauen.”
Aehulich Bergk: “der Dichter der Ilias setzt die Befestigung des
Lagers voraus; so lange im offenen Felde gekämpft wird, hatte er
keinen Anlass dieser Werke zu gedenken, aber im weiteren Verlaufe
des Krieges tritt die Befestigung in den Vordergrund. Der Diaskeuast
hat nun den Mauerbau hinzugedichtet, um den scheinbaren Widerspruch
zwischen den früheren Gesängen und den späteren Theilen der Ilias
zu entfernen.’ 5
Anmerkungen.
2. Nach den schönen Untersuchungen von 7. Mommsen, Ent-
wicklung einiger Gesetze für den Gebrauch der griechischen Prae-
positionen. Μετά, σύν und ἅμα bei den Epikern. Frankf. a. M. 1874
12 Kritischer und exegetischer Anhang. 1.
ist bei ἅμα das Gehen zugleich, zusammi mit dem Gehenden die
überall zu Grunde liegende Vorstellung und geht ἅμα ehenso auf die
Leitung, Führung, wie μετά (inmitten) auf die Umgebung. Beiden
steht σύν gegenüber als der gewöhnliche Ausdruck der Zugehörigkeit
eines Begriffes zu einem andern, und zwar in der Bedeutung von mit
Zuthat von oder mit Hilfe von. ἅμα ist ebenso lediglich persönlich,
wie μετά lediglich pluralisch und auch vorwiegend persönlich, σύν
mehr sachlich, doch auch persönlich, und von vornherein bestimmt
Nomen mit Nomen, nicht, wie μετά und ἅμα, Nomen mit Verbum zu
verbinden. — 3. Ueber den Infinitiv Praes. und Aor. nach μέμαα vgl.
den Anhang zu τ 231 und X. Koch zum Gebrauch des Infinitivs in
der homerischen Sprache. Braunschweig 1871, p. 25 f.
4. Die Stellung und Bedeutung solcher participialen Dative, wie
ἐελδομένοισιν,, innerhalb des Gedankens ist mit feinem Verständniss
erörtert von J. Classen Betrachtungen über den homerischen Sprach-
gebrauch. Frankf. 1867, p. 155 fl. Unter den dort behandelten
Stellen verdienen aber einige, darunter die vorliegende, noch eine be-
sondere Betrachtung hinsichtlich des temporalen Verhältnisses zwischen
Participium und Hauptverbum, sowie des Gedankenverhältnisses. In
Fällen, wie M 374 ἐπειγομένοισι δἴκοντο kommt nur das erstere in
Betracht: das Partieip. Praes. bezeichnet dem Aorist des Hauptverbums
gegenüber die Situation, in welche die Haupthandlung eintritt. An
unserer Stelle, wie u 438. φ 209. ὦ 400. 401. γ 228 kommt dazu
noch weiter die Beziehung der Bedeutung, welche zwischen dem
Participium und dem Hauptverbum besteht: wünschen und geben, harren
und erscheinen (kommen), hoffen und eintreten sind correspondierende
Begriffe. Nach diesen beiden Gesichtspunkten besteht hier ein ganz
anderes Verhältniss zwischen dem Partieipium und dem Hauptverbum,
als τ. B. ε 152. 153 κατείβετο δὲ γλυκὺς αἰὼν νόστον ὀδυρομένῳ,
denn wenn an dieser Stelle die im Participjum enthaltene Stimmung
die Haupthandlung begleitet, so findet sie dort durch den Eintritt der
Haupthandlung ihr Ende, ihren Abschluss und das temporale Verhältnis
zwischen Partieipium und Hauptverbum ist dasselbe, wie « 422. 423
τέρποντο, μένον δ᾽ ἐπὶ ἕσπερον ἐλϑεῖν. τοῖσι δὲ τερπομένοισι μέλας
ἐπὶ ἕσπερος ἦλϑεν, vgl. u 809-311, m 220 καί νύ κ᾽ ὀδυρομένοισιν
ἔδυ φάος ἠελίοιο vgl. φ 226. ψ 241, d. h. sie ergötzten sich bis
Eintritt des Abends, sie würden bis in die Nacht hinein ihr Jammern
fortgesetzt haben. So ist die im Particip bezeichnete Stimmung ohne
Zweifel eine dauernde μ 438, wo ἐελδομένῳ die schon vorher be-
zeichnete Erwartung aufnimmt, und wir sind mach Verhältniss der
Tempora und der Verbalbegrife auch ohne das folgende ἄψ berechtigt
zu übersetzen: nach langem Harren. Wie wenig die Uebersetzung
solcher Partieipia mit “erwünscht” auf das betreffende Subject oder
Object bezogen, das, was der Dichter sagt, zum Ausdruck bringt, zeigen
die scheinbar gleichstehenden Wendungen mit dondsıog, wie 233
ἀσπάσιος γῆ νηχομένοισι φανήῃ, wo eben nicht die dem Eintritt der
Haupthandlung vorhergehende, sondern nur die bei demselben ein-
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. 13
Aretende Stimmung bezeichnet ist. Auch φ 209. ὦ 400, wo die Ueber-
setzung erwünscht zu genügen scheint, sagt der Dichter genauer, dass
das Kommen des Odysseus dem sehnsüchtigen Harren der Seinen ent-
spricht. Danach wird vielleicht die vielbesprochene Stelle 7 228, οὐκ
ἂν ἐμοί γε ἐλπομένῳ τὰ γένοιτο verständlicher. Den übrigen Erklärungs-
versuchen gegenüber sah Classen p. 158 richtig, dass hier, wie φ 115, die
Negation sich zugleich auf Partieipium und Hauptverbum bezieht, weiter
ist aber die ‚correspondierende Beziehung der Verbalbegriffe von ἐλπο-
μένῳ und γένοιτο zu beachten. Sie ist ähnlich wie die in der Zu-
sammenstellung ὑποσχόμενον τελέσαι, oder noch näher liegt die Ver-
gleichung von g 496 εἰ γὰρ ἐπ᾽ ἀρῇσιν τέλος ἡμετέρῃσι γένοιτο: wie
hier ἀρῇσι τέλος als correspondierende Begriffe eng zusammengehören,
so machen dort ἐλπομένῳ γένοιτο gleichsam einen einzigen Begriff aus,
der als solcher, in dieser Zusammenfassung negiert wird: “für mich
dürfte die Erfüllung solcher Hoffnung nicht eintreten’, oder, wenn
wir auch hier das temporale Verhältniss scharf betonen, so sagt Tele-
mach: da könnte ich lange hoffen, ehe mir das zu Theil würde, d. i.
eine solche Hoffnung wäre vergebens. Ueber eine ähnliche Verbindung
'des Partieipium Praes. mit Aorist, wo durch diesen der Abschluss einer
dauernden Handlung bezeichnet wird, ist gesprochen in den Zusätzen
und Berichligungen zu ν 187 (in der fünften Aufl.). — Zur Auf-
fassung des Aorists und des Conjunctivs im Vergleich vgl. Friedlaender
Beiträge zur Kenntniss der homerischen Gleichnisse, I, Berlin 1870,
p- 23—28, II, Berlin 1871, p. 17.
9f. Ueber die schon von den Alten bemerkten chronologischen
Schwierigkeiten, welche zwischen der hier gemachten Angabe und der
Erzühlung 136 fl. bestehen und welche Aristarch (vgl. Friediaender
Aristonic. zu V. 10 und 133) durch Annahme einer Homonymie zu
lösen suchte, vgl. la Roche in 2. f. oest. G. 1860, XI p. 156 f. Köchly
de lliadis carmm. diss. V p. 18.
12. Ueber die Formel λῦσε δὲ γυῖα und verwandte handelt
Doberenz interpretationes Homericae, Hildburghausen 1862 p. 19 f.
17 #f. Kritische Bedenken gegen die Ursprünglichkeit der folgenden
Erzählung von der Begegnung und Verabredung der beiden Götter
äussern Düntzer homer. Abhandlungen p. 263, la Roche in Z. 1. d.
oest. ἃ. 1860, XI p. 157, Bischoff im Philol. XXXIV p. 13.
21. Die Grundbedeutung von βούλομαι sich erwählen, lieber
wollen (Curtius Etymol. ἐρ. 539. Fick vergleichendes Wörterbuch
der indogerm. Sprachen 3. Aufl. 1874, p. 211 unter var) hat Gott-
schlich psychologia Homerica, Breslau 1864 p. 37 f. im ganzen home-
rischen Gebrauch durchzuführen gesucht. Jedenfalls lässt sich die
Grundbedeutung mit Sicherheit, ohne gezwungene Interpretation in
weiterem Umfange nachweisen, als in Ebelings Lexicon geschehen ist.
Auch hier legt die Voranstellung von Τρώεσσι den Gedanken an die
entgegenstehende Aussicht, dass Athene den Achaeern den Sieg ver-
liehe, nahe: er wünschte vielmehr den Troern den Sieg.
24. Ueber die Schreibung δὴ αὖ statt des handschriftlichen δ' αὖ
14 Kritischer und exegetischer Anhang. 4.
vgl. den Anhang zu κ 281 und A 340, auch J. la Roche homerische
Untersuchungen Leipz. 1869 p. 281 1.
25. Die nach Ebeling’s Lexicon nur der Ilias angehörende Formel
ϑυμὸς ἀνῆκε ist gewöhnlich mit einem folgenden Infinitiv verbunden:
Z 256. M 307. X 252. B 276. H 152. X 346; — K 389 ist
der Infinitiv aus dem Vorhergehenden zu ergänzen. Eigenthümlich ist
der Gebrauch hier und ® 395. Auch an diesen beiden Stellen ist
der nöthige Infinitiv aus dem vorhergehenden Satze zu ergänzen, die
Formel verwächst aber derartig mit dem vorhergehenden Gedanken, dass
man kaum an Ergänzung des Infinitivs denkt. Wie das Gedanken-
verhältniss zwischen beiden gedacht ist, macht Z 254—256 klar, wo
im Eingange eine ähnliche Frage wie hier steht, dann aber die Gedanken
in ruhiger logischer Folge so entwickelt werden, dass der Inhalt der
Formel als ein Glied in einer Kette von Vermuthungen erscheint, welche
die in der Frage enthaltene Thatsache (des Kommens) erklären sollen.
Danach ist an diesen beiden Stellen eine für die Frage nothwendige
Voraussetzung mit dieser selbst lebhaft verschmolzen, indem hier
μεμαυῖα, D 395 ϑάρσος ἄητον ἔχουσα sofort die erklärende Aus-
führung der Formel nach sich zug. — Uebrigens ist innerhalb der’
Formel ϑυμός bald als Organ gefasst, wie die Attribute ἀγήνωρ B 276
und πολυτλήμων H 152 ergeben, bald im Sinne der leidenschaftlichen
Erregung als Zorn, wie X 346 combiniert mit μένος Wuth, oder als
leidenschaftliches Verlangen, wie hier. Der in der Formel enthaltenen
Anschauung entspricht aber die Wendung ϑυμῷ εἴκειν. bei der auch
die entsprechenden Attribute, wie μεγαλήτορι 1110, ἀγήνορι 9.42,
sich finden. Der Gegensatz ist ϑυμὸς ἐρύκει ı 802.
26. Ueber 7 — δή und die befolgte Interpunetion am Schluss
des Satzes vgl. Zehrs Arist. ?p. 57 Anm. — Uuannehmbar ist für
ἑτεραλκής die von Doederlein im Glossar Nr. 2075 gegebene Er-
klärung “den Gegenpart abmehrend’, wonach Herodot, indem er
ΙΧ 103 vgl. VII, 11 das Wort in Verbindung mit μάχη im Sinne von
anceps gebraucht, dasselbe missverstanden oder umgedeutet haben
sollte. Diese dem homerischen Gebrauch scheinbar so widersprechende
Verwendung des Wortes erweckt aber auch gegen die jetzt meist an-
genommene Erklärung “entscheidend, der der einen Partei das Ueber-
gewicht verleiht’ Bedenken. Diese ist schlechterdings unmöglich Π 362.
Wenn es da von Hector heisst: γίγνωσκε μάχης ἑτεραλκέα νίκην, so
wäre jedenfalls eine Bezeichnung der siegenden Partei im Genetiv, wie
“Δαναῶν, nothwendig, um jene Bedeutung annehmbar zu machen. 80
aber ergiebt sich aus dem Fehlen einer solchen, dass die Wendung in
sich die nothwendige Bestimmung enthalten muss, d. h. dass die Be-
deutung ist: ein Sieg, der der andern Partei die ἀλκή giebt. Weiter
ist der der Formel mit Ausnahme von P 627 und χ 236 hinzugefügte
Genetiv μάχης zu beachten, der sich, nach Seber’s Index, sonst bei
νίκη. nicht findet und daher für die Formel von besonderer Bedeutung
sein muss. Meiner Ansicht nach wird dadurch die ἑτεραλκὴς νίκη
als einzelne Wendung des Kampfes bezeichnet, wie sie Homer selbst
Kritischer und exegetischer Anhang. A. 15
sachlich erläutert in Wendungen, wie Z 106. 107 οἵ δ᾽ ἐλελίχϑησαν
καὶ ἐναντίοι ἔσταν ᾿Αχαιῶν. ᾿Αργεῖοι δ' ὑπεχώρησαν, λῆξαν δὲ φόνοιο,
und sprachlich durch die Wendungen ϑουρίδος ἀλκῆς λαϑέσϑαι und
μνήσασϑαι, wie gerade Π 356. 357 ὡς Aavaoi Τρώεσσιν ἐπέχραον.
οἱ δὲ φόβοιο δυσκελάδου μνήσαντο, λάϑοντο δὲ ϑουρίδος ἀλκῆς
unserer Wendung 362 vorhergeht. Die zu Grunde liegende Anschauung
ist also diese: die ἀλκή, von Zeus verliehen, begleitet den augenblick-
lichen Sieger, vgl. Θ 140 ἐκ dıös οὐχ Ener’ ἀλκή, da aber der Sieg
ἐπαμείβεται ἄνδρας (Z 339) oder nach dem Bilde N 359 vgl. O 410 fl.
die kämpfenden Parteien das Tau des Kampfes wechselnd hin- und her-
ziehen, so geht die ἀλκή im Wechselspiel des Kampfes von der einen
Partei zur andern über und es ist danach μάχης ἑτεραλκὴς νίκη der
Sieg, der in der Feldschlacht von der einen (der vorher siegreichen)
Partei zur andern übergeht, ‘der Feldschlacht wehrkraftwechselnder
Sieg‘, d. i. ein Unschwung des Kampfes zu Gunsten der bisher unter-
legenen Partei. Dieser Auffassung entsprechen die Stellen der Ilias
H 26, © 171 vgl. 131, Π 362, P 627, denn überall ist es die
vorher unterlegene Partei, der der Sieg zufällt, und die Erklärung des
Schol. A. ὅταν οἵ πρώην νικηϑέντες νικήσωσιν. Auch ἑτεραλκέα
δῆμον ἔχοντες O 738 entspricht derselben Anschauung, es ist eine
Mannschaft, die den Unterlegenen, die sich in die Stadt zurückgezogen
haben, die Wehrkraft wiedergiebt, indem sie einen Umschwung des
Kampfes zu ihren Gunsten herbeiführt. Endlich lässt sich auch 4 236
οὔ πω πάγχυ δίδου ἑτεραλκέα νίκην auf dieselbe Anschauung zurück-
führen, wenn ınan mit Ebeling lexic. Hom. 5. v. die 208 von Odysseus
ausgesprochene Besorgnis wegen der verderbendrohenden Ueberzahl
der Freier berücksichtigt, der die Siegesgewissheit dieser (213—223)
entspricht; möglich aber, dass hier die andere bei ἕτερος denkbare
Bedeutung anzunehmen ist: ein Sieg, der der einen von beiden Parteien
die ἀλκή giebt, also entscheidender Sieg, da hier nicht in dem Masse,
wie in den Stellen der Ilias, ein entschiedenes Uebergewicht der Freier
vorher zu Tage getreten ist; der Mangel jeder Personenbezeichnung
bei der Wendung kann diese Auffassung unterstützen. In diesem Sinne
bildet der Ausdruck den Gegensatz zu Wendungen, welche einen Stand
des Kampfes beschreiben, wie Θ 67 τόφρα μάλ ἀμφοτέρων βέλε᾽
ἥπτετο, πῖπτε δὲ λάος. — Dass aus der für die Stellen der Ilias ge-
fundenen Bedeutung der herodoteische Gebrauch sich leicht ableiten lässt,
bedarf keiner weiteren Ausführung. Mit der gegebenen Erklärung finde
ich mich im Ganzeu im Einverständniss mit dem Bearbeiter des Artikels
von ἕτεραλκής in Ehelings Lexicon, Suhle im Schullexicon, auch
F. Schaper quae genera compositorum apud Homerum distinguenda
sint, Coeslin 1873 p. 6., vgl. auch Minckwitz Uehersetzung der Ilias
Ρ. 159 Anmerk.
28. Die Auffassung der Stelle ist gegeben nach Z. Zange der
homerische Gebrauch der Partikel ei. I εἰ mit dem Optativ p. 358 (in
den Abhandlungen der philolog.-histor. Classe der Kön. Sächs. Gesellsch.
d. Wiss. Bd. VI, 1872).
16 Kritischer und exegetischer Anhang. A.
30. Die Bedeutung des Futurum an dieser und ähnlichen Stellen
erörtert Paech über den Gebrauch des Indicativus Futuri als modus
jussivus bei Homer, Breslau 1865 p. 20 f. Vgl. dazu die abweichende
Erörterung im Philol. XXVII p. 519—521. — Ueber die Bedeutung
von τέκμωρ handelt Buttmann Lexilogus 16 p. 119, der als die
Grundbedeutung den Begriff! ‘Zeichen’ annahm. Nach der Bedeutung
der W. tak wirken, wirken auf, zielen (vgl. Fick vergl. Wörterb. 13
p- 86 unter 2 fak, Curtius Etymol. *p. 219) kann die Grundbedeutung
nur sein das gesteckte Ziel, währen τέλος von der W. tar durch-
dringen, eindringen; übersetzen, ans Ziel kommen — (Fick 1? p. 90
unter 1. tar) eigentlich das ans Ziel Kommen, das erreichte Ziel
bezeichnet (Curtius Etymol. *p. 221). Wie sich danach die ver-
schiedenen Bedeutungen von τέλος gut entwickeln lassen, wie bei Suhle
im Homerlexicon geschehen ist, so wird dadurch auch die Bedeutung
von τέκμωρ in Verbindung mit Genetiven, wie hier, erst klar. Der
Grundbedeutung entsprechend ist τέκμωρ ohne Zweifel N 20 das von
dem Subjeet sich gesteckte Ziel, ferner in den Wendungen mit εὑρεῖν.
I 472. ὃ 373. 466 das gesuchte Ende eines bestehenden Zustandes,
wobei εὑρεῖν dem Begriff von τέκμωρ entsprechend die Anwendung
der dem gesetzten Zweck dienlichen Mittel voraussetzt. Die Verbindung
desselben Verbum mit Ἰλίου τέκμωρ hier und 1 48 und δήω 418.
685 führt somit auf die im Commentar gegebene Erklärung. Denn
dass die Verbindung nicht besagt: das von den Göttern llios gesteckte
Ziel, zeigen die Stellen 7 418 und 685.
34. Für die Feststellung der Bedeutung von &xdegyog, worüber
die Ansichten noch immer weit auseinandergehen (vgl. ausser der bei
‚Ebeling Lexic. Hom. s. v. angeführten Literatur noch Sonne in Kuhn’s
Zeitschr. XII p. 407, und Autenrieth im Wörterbuch zu den homer.
Gedichten s. v., welcher erklärt: (als Todesgott) fernabdrängend, fernein-
schliessend, ins Grab oder Unterwelt) scheint unbeachtet geblieben
zu sein, was Welcker kl. Schriften ΠῚ p. 37 und V, p. 58 in Bezug
auf den Gebrauch im ersten Buch der Ilias beobachtet hat. Während
Apollon in Bezug auf die Pest und überhaupt auf die verderbliche Seite
seines Wesens ἑκηβόλος V. 21. 96. 110. 370. 373. 438, ἑκατηβελέτης
75, ἕκατος 385, ἀργυρότοξος 37 genannt wird, heisst er, als er ver-
söhnt den Achaeern Fahrwind giebt, 479 ἑκάεργος vgl. 147, wie im
Päan 474 μέλποντες Ἑκάεργον. Welcker sieht darin gewiss mit
Recht eine Anspielung auf den wirklichen kurzen Päan, worin
dieser Name erscholl, wie deun der Hymnus der Branchiden, der Päan
nemlich, lautete: Μέλπετε, ὦ παῖδες, Ἑκάεργον καὶ Ἑκαέργην (Clem.
Alex. Strom. 5 p. 750). Dieser Beobachtung, welche die Bedeutung
averruncus, Abmwehrer des Verderbens, Schirmer höchst wahr-
scheinlich macht, steht auch der sonstige Gebrauch des Beiwortes zur
Seite. Es kann nicht wohl zufällig.sein, dass in einer Reihe von Stellen
dieser Beiname Apollon gegeben wird, wo derselbe in hervorragender
Weise sich als Schirmer der Troer erweist: so E 439 vgl. 344 und
433, O 243. 253 vgl. 231. 254 I, D 600 vgl. 597 1., wo ἑκάεργος
Kritischer und exegotischer Anhang. Z. 17
nach ἀποέργαϑε 599 fast wie eine etymologische Anspielung klingt
(— eine Beobachtung des Herın von Zeuisch, die derselbe mir freund-
lichst mittheilte), an andern ist diese Bedeutung für den Zusammen-
hang wenigstens sehr angemessen, wie II 94. X 220. ® 472, wo
die Anrede ἑκάεργε in wirksamem Gegensatz zu φεύγεις sicht, X 15,
wo derselben Anrede unmittelbar der schärfste Gegensatz folgt: ϑεῶν
ὀλοώτατε πάντων. Auch an der vorliegenden Stelle H 34 kann die
Anrede ἕκάεργε ‘Schirmer’ in Athene’s Munde eine Beziehung auf das
Bemühen Apollo’s, die von der Athene den Troern drohende Gefahr
abzuwenden, enthalten.
39. Ueber das doppelte 6 in Formen, wie προκαλέσσεται vgl.
Leskien die Formen des Futurums und zusammengesetzten Aorists mit
ZZ in den homerischen Gedichten in G. Curtius Studien zur griech.
und lat. Gramm. Il p. 106. — Die Verbindung olödev οἷος in ihrer
steigernden Wirkung erklärt J. Bekker homer. Blätter I p. 287 f.
durch Vergleichung ähnlicher Ausdrücke der späteren Sprache, wie
δοῦλος ἐκ δούλου, mit der Erläuterung: „‚Kuecht aus Knecht, der
Knecht, der einen Knecht zum Vater gehabt hat und somit als Knecht
geboren und auferzogen ist, gilt für tiefer versunken in die Schmach
und Verderbniss seines Standes als der Freigeborene, der im Krieg oder
von Seeräubern gefangen seine Freiheit verloren hat. Das Elend steigert
sich, potenziert sich gleichsam mit jeder Generation“ u. 5, w. Diese
Erklärung scheint misslich, weil bei Homer begrifflich Analoges sich
nicht nachweisen lässt, was die Uebertragung auf abstractere Verhältnisse
wahrscheinlich machte, dagegen andere Analogien bei Homer selbst näher
liegen. Im Allgemeinen ist gewiss die Zusammenstellung unserer Formel
mit ὄψιμον ὀψιτέλεστον, μέγας μεγαλωστί unter dem Gesichtspunkt, dass
das Verweilen auf demselben Worte das Verweilen auf der Sache, auf diesem
Begriffe auffällig machen solle. bei Zehrs Arist. ?p. 473 zutreffend. Im
Besondern aber liegt für die grammatische Erklärung von οἰόϑεν οἷος näher
mit Autenrieth hei Naegelsbach zu B 75 an ἄλλοϑεν ἄλλος zu denken,
während sich begriflich die spätern Verbindungen αὐτὸς ἀφ᾽ αὑτοῦ,
αὐτὸς καϑ' αὑτόν u. a., worüber van Hout de vi atque usu pronominis
αὐτὸς adjecti ad reflexiva, Bonn 1873 p. 19 ff. ausführlich handelt,
vergleichen lassen, wie das homerische κατ᾽ Zu αὐτὸν ἐγώ A 271,
vgl.. αὐτὸς οἷος & 450, μία μούνη ψΨ 227. Weniger passend
erscheint die locale Auffassung des Suffix ϑὲν in αἰνόϑεν αἰνὼς :
man mag hier mit Xühner ausführl. Gram. der griech. Spr. ἯΙ p. 20
lieber an Verbindungen, wie δειλαία δειλαίων, κακὼ κακῶν, homerisch
etwa die ϑεώων, denken, wo der Genetiv wie beim Comparativ und
Superlativ den Gegenstand bezeichnet, von dem die Vergleichung aus-
geht, wie ähnlich die Schol. AB erklären: ἐκ δεινοῦ δεινὰ ἢ καὶ
τῶν δεινῶν δεινότερα und Eustathios ἀπὸ δεινοῦ δεινῶς, ὅ ἐστιν ἐκ
δεινῶν δεινοτέρως. Anders Zobeck path. el. II, 247, der αἰνόϑεν
= αἰνῶς setzt und eine Verdoppelung des adverbialen Ausdruckes
annimmt, ähnlich Zucas quaestion. lexilogicar. lib. I, Bonn 1835
p- 45 f. Kolbe de suffixi ϑὲν usu Homerico. Gryphiae 1863 p. 20
Aubang zu Ameis, Homors Ilias I, 3. 3
18 Kritischer und exegetischer Anhang. A.
erklärt die Formel 226 nicht unpassend: ipsissimus, — Uebrigens ver--
muthete Bentley statt οἷος — οἷον und Doederlein z. St. οἴῳ, welches
mit μαχέσασϑαι verbunden den Gedanken ergeben soll: ut unum
Achivorum provocet, qui suo solus de gradu adversus ipsum solum
(Hectorem) pugnet. Beide Vermuthungen werden bis zu einem gewissen
Grade schon widerlegt durch οἷον ἐπόρσειαν 42, welches mit οἷος:
προκαλέσσεται 39 in Corresponsion steht.
48. Ueber die Auffassung «der Frage und das Gedankenverhältniss
zum Folgenden vgl. Z. Zunge a. ο. p. 381 und Praetorius der
homerische Gebrauch von ἢ (ἦε) in Fragesätzen, Cassel 1873, p. 7.
52. 53. Beide Verse gaben, theils den Alten, theils den Neuern
Austoss. Zu 53 bemerkt Aristonikos bei Friedlaender: ἀϑετεῖται.
διὰ τῆς μαντικῆς αὐτῶν συνῆκεν, ὡς εἴρηται (v. 44). In der That
ist der Ausdruck ὄπ᾽ ἄκουσα ϑεῶν. den man nach B 182 nur von
einem Vernehmen durch das äussere Organ verstehen kann, im
Widerspruch mit σύνϑετο ϑυμῷ 44. Hinzu kommt, dass man οἷς am
natürlichsten auf den zuletzt vorhergehenden Gedanken bezieht, wobei
sich die Schwierigkeit ergieht, dass in der Unterredung der Götter
das Schicksal des Hektor nicht berührt ist. Endlich fällt es auf, dass
Helenos, wenn er überhaupt den göttlichen Rathıschluss als Motiv ver-
wenden wollte, dies nicht sofort bei der Einleitung seiner Bitte 48
thut, wo er vielmehr auf das brüderliche Verhältniss hinweist. Danach
kann V. 53 wohl nicht ursprünglich sein. Gegen 52 macht ferner
Heyne, sowie Bischoff im Philol. XXXIV, 13, geltend, dass Hektor 77
im Widerspruch mit dieser Zusicherung des Helenos den Fall seines
eignen Todes setze. Lässt sich dieser Widerspruch leicht rechtfertigen, so
kann es doch auffallend erscheinen, dass einem Hektor gegenüber
überhaupt ein solches Motiv in Anwendung gebracht wird. Vergegen-
wärtigt man sich aber die trübe Stimmung, in welcher sich Hektor
kurz vorher bei seinem Gange in die Stadı befand, so dass er sich
selbst mit Todesgedanken trug (Z 367 [), so dürfte die Zusicherung
des Helenos an dieser Stelle genügend motiviert sein.
59. Die Frage der Verwandlung der Götter in Thiergestalten ist
in verneinendem Sinne ausführlich behandelt von Platz die Gölter-
verwandlungen, Karlsruhe 1857. Das Ergebniss dieser Untersuchung
in Betreff der Worte ἐοικέναι, εἴδεσϑαι, ἔκελος, ἐναλίγκιος, ἀτάλαντος,
ἶσος ist: es werden dieselben ebenso wohl von Annahme einer Gestalt,
als blosser Vergleichung mit dem Wesen und Eigenschaften von
Lebendigem und Leblosem gebraucht; in dem Sinne der Annahme einer
Gestalt bei Göttern aber nur dann, wenn sie menschliche Gestalt an-
nehmen; wo die Worte von Göttern in Bezug auf Tiere und leblose
Dinge gebraucht werden, dienen sie nur der Vergleichung. — Ebenso
verhielten sich gegen die Annahme solcher Verwandlungen ablehnend
Nitzsch erklärende Anmerkungen zur Odyssee I p. 213, Heyne zu
H 58. Dagegen nehmen dieselben in grösserer oder geringerer Aus-
dehnung und von verschiedenen Standpunkten aus an Naegelsbach
hom. Theologie ?2p. 160, Wackernagel ἔπεα πτερόεντα, Basel 1860
Kritischer und exegetischer Anhang. A. 19
Ρ. 33 ,, Gladstone homer. Studien, bearbeitet v. Schuster, p. 279,
Friedreich Realien p. 700, Teuffel zur Einleitung in Homer: die homer,
Vorstellungen von den Göttern, vom Leben und vom Tode, Stuttgart
1848, p. 9, Lehrs populäre Aufsätze aus dem Alterthum, p. 136,
Kratz de Minervae interventu in Homer. Odyss. Köln 1862 p. 16,
Kostka über die leiblich und menschlich gedachten Götter bei Homer,
Lyck 1857 p. 16; Sonne, mit der speciellen Deutung der φηγός auf
den Wetterbaummythus in Kuhns Zeitschr. XV p. 87 ff. — So begründet
die Ausführungen von Platz zum Theil sind, soweit sie gegen Naegels-
bach’s Art die Gölterverwandlungen zu erklären, gerichtet sind, so ist
doch von demselben ein besonders wesentlicher Gesichtspunkt für
die Beurtheilung der Frage ausser Acht gelassen. Man braucht nicht
mit Gladstone in den Götterverwandlungen geradezu Ueberreste einer
früheren Thierverehrung zu sehen oder mit Friedreich sie dadurch zu
begründen, dass diese Zeit etwas Geheimnissvolles, selbst etwas Gölt-
liches in den Thieren zu finden glaubte, es genügt auf die Vorstellungen
des alten Volksglaubens zu verweisen, um zu erkennen, dass die An-
nahme solcher Verwandlungen nicht mit den mythologischen Vor-
stellungen überhaupt im Widerspruch steht. Höher steht die Rücksicht
auf das Angemessene unı Schöne. Trefend bemerkt Lehrs, nachdem
er die Vorstellung der Kolossalität der Hera beim Schwur im 14. Buch
der Ilias mit unserer Stelle und χ 240 vgl. mit 297 zusammengestellt
hat: „Das alles ist ja keine Zauberei, das alles bietet sich dem Dichter
so ganz natürlich, jene Kolossalität, wie diese plötzlichen Verwanilungen
ins kleine und unscheinbare. Und man sieht, dass seine Fantasie, sowie
sie an die Götter rührte, anders gestimmt war.‘ — und weiterhin:
„Eine Gestal} muss dem griechischen Volksglauben natürlich ein jeder
dieser Götter in jedem Augenblicke tragen: aber welche, das ist ihm als
Gott völlig gleich und anheimgestellt. Er trägt nur die menschliche
Gestalt für gewöhnlich als die schönste und edelste und geeigneiste,
aber an und für sich ist ihm jede andere Gestalt, wenn er sie an-
nehmen möchte, ebenso natürlich. Da ist nichts zauberhaftes, nichts
auffälliges.‘“ Stehen weder von Seiten der Sprache, wie aus Plutz’s
Ausführung hervorgeht, noch von Seiten der religiösen und mytho-
logischen Vorstellungen des griech. Volksglaubens der Annahme solcher
Verwandlungen Bedenken entgegen, so wird im Grunde für die einzelneu
Stellen der aesthetische Gesichtspunkt die Entscheidung geben müssen.
Und da ist, meine ich, für unsere Stelle, wie für χ 240, 3 290,
nichts natürlicher als die Annahme der Verwandlung. Zwar bedarf
es derselben nicht aus dem Grunde, weil die Götter unsichtbar Zeu-
gen der vorgehenden Handlung sein wollen, wie Naegelsbach meinte,
denn auch ohne Verwandlung haben sie stets in ihrer Gewalt sich
unsichtbar zu machen, aber wie viel natürlicher, weil der Situation,
den gegebenen Verhältnissen, entsprechender, ist es die Götler in
der Gestall von Geiern auf dem Baume oder Athene in der
Gestalt der Schwalbe auf dem Deckbalken sitzend zu denken, als
dieselben in Menschengestalt, aber unsichtbar dahin zu versetzen.
ar
20 Kritischer und exegetischer Anhang. A.
Fand Heyne die Verwandlung der Götter in Geier lächerlich, so
erwidert treffend Sonne: -,„Wohlan denn, die Gestalt der Athena
Parthenos, des Apoll von Belvedere im Gezweige der Zeuseiche hockend,
wie Göthe’s Treufreund lauschend und getrost indessen auf dem Stängel-
chen: mit Heyue’s Erlaubnis, gerade dies Bild däucht uns lächerlich
und wir können nicht wohl zweifeln, dass die Hörerschaft — denn
war ihr das Kunstideal noch nicht aufgegaugen, so ahnte sie es, und
das thut den Dienst — gerade in dieser Situation die beiden Götter
sich im Geiergewande dachte“. Auch Goethe verstand die Stelle von
einer Verwandlung, vgl. Heinpelsche Ausg. XXIX p. 528.
61. Die Schol. Lips. und Eusthatios erinnern an Plat. de legg.
VIE p. 803 ἃ ἄνϑρωπον ϑεοῦ τι παίγνιον εἶναι.
63. 64. Zu φρίξ vgl. Zehrs Aristarch. ἦρ. 89. 90, und wegen
der Zusammenschreibung ἐπιφρίξ statt ἔπι φρίξ ebendaselbst p. 110
und Hoffmann homerische Untersuchungen Nr. 2, die Tmesis in der
Ilias. Erste Abth. Lüneburg 1858 p. 16, welche dieselbe mit Recht
verwerfen. — V. 64 las Aristarch: μελάνει δέ τε πόντον ὑπ᾽ αὐτῇ,
was Aristonikos bei Friediaender p. 128 erklärt: μελαίνει δὲ πόντον
ὃ Ζέφυρος ὑπὸ τῇ φρίκῃ, Aristoteles nach J. la Roche die homerische
Texikritik p. 27: πόντος ὑπ’ αὐτοῦ, wie wahrscheinlich auch Zenodot
vgl. Düntzer de Zenodoti stud. Hom. p. 44. — Spitzner im
14. Excurs seiner liasausgabe I p. XLIV ff. sucht die Lesart des
Aristarch zu begründen. Bergk dagegen im academischen Programm,
Halle 1861 p. 3 hält dieselbe für eine Conjectur des Aristarch und
verlangt, ein Verbum μελάνω verwerfend, wie schon vor ihm Schneider
wollte, nach ihm Doederlein in seiner Ausgabe geschrieben hat (aber
mit ὑπ’ αὐτῆς), und neuerdings H. L. Ahrens, Ῥᾷ, Beitrag zur gri
chischen Etymologie und Lexikographie, Hannov. 1873 p. 12 will,
μελανεῖ δέ τε πόντος ὑπ᾽ αὐτοῦ, wobei er die Wahl lässt, ob man
μελανεῖ nach den spätern alexandrinischen Epikern als intransitives
Praeseus oder als Futurum fassen will. Vgl. auch Merkel zu Apollonius
Rhod. p. 138. Ich habe mit J. Bekker und J. la Roche die hand-
schriftlich am besten beglaubigte Lesart μελάνει δέ τε πόντος ὑπ᾽ αὐτῆς
beibehalten, wobei die Form μελώνει zwar Bedenken erregt, aber doch
durch das intransitive κυδάνω T 42 wohl hinreichend gestützt wird.
— Aristarchs Lesart hat mit Recht keinen Beifall gefunden, sie trifft
schlecht den homerischen Ton. Für μελαίνει das Subject Ζέφυρος
aus dem Vorhergehenden zu entnehmen ist dadurch sehr erschwert,
dass dies Wort vorher nicht Subject ist, vielmehr unmittelbar vorher
in Genetivform gedacht ist; bei diesem Subject aber ist wieder ὑπ᾿ αὐτῇ
sehr befremdlich. Wie gut homerisch dagegen erweist sich die andere
Lesart, wenn man Stellen, wie x 406 vergleicht: ἤχλυσε δὲ πόντος
ὑπ' αὐτῆς.
69—72. Diese Verse werden als späterer Zusatz verdächtigt von
Heyne, Düntzer homer. Abhandl. p. 264 Anmerk., Bergk griech.
Lit. 1 p. 570 und 583, der auch V. 73 verwirf, Bernhardy Grund-
riss II, 1, p. 163, Köchly de liad. carmm. diss. V p. 12, Kammer
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. 21
zur homer. Frage Ip. 28, Haupt bei Lachmann Betrachtungen p. 110.
Vgl. übrigens Naegelsbach hom. Theol. ?p. 344. — In V. 70 ergänzt
man gewöhnlich zu rexueigerer nach Z 349 aus dem Vorhergehenden
κακά als Object, wie auch Zucas philologische Bemerkungen, Bonn
1839 p. 24 unter Vergleichung von 460 will. Indess erschwert die
stehende Verbindung von κακὰ φρονέων (vgl. M 67. K 486. X 264
und öfter) diese Ergänzung. Da nun aus der zu 30 gegebenen Grund-
bedeutung von τέκμωρ ‘gestecktes Ziel? sich für das Verbum als ur-
sprüngliche Bedeutung “ein Ziel setzen’ mit Wahrscheinlichkeit ableiten
lässt, womit das folgende εἰς ὅ κε in dem Sinne, wie β 99, auf die
Zeit dass, nach ἡ 317 (τεκμαίρομαι ἐς τόδε, αὔριον ἐς) sich passend
verbindet, so dürfte damit jene Schwierigkeit beseitigt und ein passender
Sinn gewonnen sein. Denn da es vorher sich um die Nichtausführung
eines zum Zwecke der Beendigung des Kriegs geschlossenen Vertrages
handelt, so ist die Bedeutung des in τεκμαίρεται enthaltenen Begrills
“Ziel” durch den Zusammenhang klar, so dass derselbe keiner näheren
Bestimmung bedarf. — 72. Die Handschriften haben δαμείετε, eine
zweifelhafte Form, welche J. la Roche krit. Ausgabe mit Bekker ver-
wirft, weil sie als Optativ eine unerhörte Kürzung des ἡ in & zeigt
und als Conjunctiv bei folgendem & (auch n) eine unerhörte Dehnung
in ei, vgl. Homer. Untersuch. p. 153 und dagegen Stier in G. Curtius
Studien II p. 130. — Die von J. la Roche in der Schulausgabe z. St.
gegebene Auffassung der Form als Optativ ist syntaktisch zweifelhaft,
obwohl gerade bei der Disjunclion ἤ--- einige mehr oder weniger
sichere Fälle von solchem Moduswechsel vorkommen, Z 307. ο 300.
ὃ 692. μ 156. 157. II 648—651, vgl. auch I 245. 477. χ 444.
Schwerlich würde der Optativ mit Ια Roche als Modus des Wunsches
gefasst werden dürfen, so dass derselbe die dem Redenden erwünschtere
Annahme bezeichnete: „‚oder ihr lieber unterlieget. Vgl. Philol. XXIX
p- 154, auch G. Hermann de legibus quibusdam subtilioribus sermonis
Hom. dis. Ip. XV.
73. Stait des handschriftlichen ὑμῖν μὲν γὰρ ἔασιν ist von den
neuern Herausgebern meist (Bekker, Jac. la Roche, Dindorf) mit
Recht die Lesarı des Aristarch ὑμῖν δ᾽ ἐν γὰρ ἔασιν vorgezogen, während
Düntzer μέν liest, 48 ist gar nicht zu enibehren, weil das 69 vor-
angestellte ὕρκεα μέν nicht seinen Gegensatz in, dem folgenden ἀλλά
70 hat, sondern dem ganzen Gedanken 69—72 “mit dem Vertrage
ist es nichts’, die Aufforderung zu einem neuen Zweikampf 74—75
gegenübertritt, die durch γάρ proleplisch eingeleitet wird. — Eine
sehr künstliche Construction der Stelle giebt Doederlein, weil er den
proleptischen Gebrauch der Partikel ydg verkennt, welcher jetzt gut
erörtert ist von E. Pfudel Beiträge zur Syntax der Causalsätze bei
Homer. Liegnitz 1871, p. 6 M. und besonders p. 9. — Bei ἐν ist
wohl mit Hoffmann Homerische Untersuchungen. Nr. 2, die Tmesis
in der Ilias. I. Abth. Lüneburg 1858 p. 12 nicht Tınesis anzunehmen,
sondern mit Rücksicht auf die Voranstellung des betonten ὑμῖν,
Praepositionsrection.
2 Kritischer und exegetischer Anhang. A.
74. J. la Roche schreibt gegen die Handschr., welche ἀνώγει
haben, ἀνώγῃ, was der gewöhnliche Sprachgebrauch verlangt, wofür
in der Annolatio crit. die Belege gegeben werden. Eine Ausnahme
davon bietet aber auch β 114, wie auch die spätere Sprache (vgl. 4. ἢ.
Müller Syutax der griech. Tempora, Göttingen 1874 p. 4) diesen ab-
weichenden Gebrauch kenut, daher die Berechtigung dieser Conjectur
zweifelhaft erscheinen muss.
75. Ueber den durch das Epitheton δῖος gegebenen Anstoss, den
Aristonicus zur St. bemerkt, vgl. Friedlaender Aristonic. zu Γ' 852.
Minckmitz in der Ueberseizung p. 161 sieht in Ἕχτορι δίῳ einen
ganz objectiven Ausdruck, der Zusatz δίῳ sei reine Sache des Gesanges,
da der Dichter keine Rücksicht darauf nehme, dass Hektor selber spricht.
Gewiss darf man wohl nicht in dem Ausdruck geradezu ein anmassendes
Selbstlob finden, aber ein Ausdruck herechtigten Selbsthewusstseins ist
es ohne Zweifel und nach dem vorhergehenden (74) ἐμοί damit eine
besondere Wirkung beabsichtigt. Uebrigens finde ich sonst ausser Θ 21 kein
auszeichnendes Autribut dem Namen hinzugefügt, wo dieser mit Selbst-
bewusstsein an die Stelle des Pronomens der ersten Person tritt; denn
© 470 ist das Autribut ὑπερμενέα mit Bezug auf die Worte der Here
463 gesagt, wie dort die Objectivierung der Personenbezeichuung über-
haupt der Verhöhnung der Here dient. Wie mannigfaltig aber Zweck
und Wirkung objecliver Personenbezeichnung durch den Namen an
Stelle des Pronomens ist, mag hier durch eine Uebersicht kurz dar-
gelegt werden. Es ist dieselbe frei von allem Pathos, wenn der
Redende sich bei Bezeichnung seiner eignen Person auf den Standpunkt
der angeredeten oder dritten Person versetzt: so, wenn Odysseus
π᾿ 301 zu Telemach sagl: niemand höre von der Heimkehr des Odysseus,
vgl. ὃ 254. So lässt sich auch fassen ο 126. A 761. Π 496. T 151,
obwohl an letzterer Stelle schon das Selbstgefühl mit durchbricht.
Geht der Redende dabei auf die Gedanken des Angeredeten ein, so
kann die Objectivierung der eigenen Persönlichkeit der Verspottung des
Angeredeten dienen, theils so, wie Θ 470, dass der Redende den vom
Angeredeten ausgesprochenen Gedanken fortseizend überbietet, theils
wie IT 833, dem Gedanken des Angeredeten objectiv die Wirklichkeit
entgegensetzt, ähnlich © 21. Einen Anflug des Komischen hat die
Objectivierung der Personenbezeichnung in der Verwünschung B 259,
wo Odysseus sagt: es soll dem Odysseus nicht mehr der Kopf auf
den Schultern bleiben, wenn ich dich nicht züchtige. In der feier-
lichen Verkündigung 4 240 ferner dient der Name statt des Pronomens
die Bedeutung der Persönlichkeit lebhafter zu vergegenwärtigen, ähnlich
x 235. Sympathisch wirkt der Name, indem er alle Erinnerungen an
die Persönlichkeit wachruft, ν 300, wenn Athene dem Odysseus zuruft:
und du erkanntest Athene nicht! Vgl. ὦ 328. Objective Bezeichnungen
durch den Namen für die andern Personen, als die erste, finden sich
4 177. Φ 127. A 283. ı 275. ξ 202. Der Name statt des Appel-
lativs 4 372. E 126. 193. Z 416. α 196. 253.
Kritischer und exegetischer Anhang. 47. 23
76. Ueber die eigenthümliche Art der Komposition in ἐπιμάρτυρος
vgl. Lehrs Aristarch. ?p. 108 f.
79. δόμεναι erklärt Albrecht in G. Curtius Stud. IV, 22 durch
Ellipse von λέσσομαι. während Ameis zu I’285 unsere Stelle zu den
Fällen rechnet, wo der Infinitiv mit einem Subject im Accusativ, ohne
von einem vorhergehenden Verbum abhängig zu sein, Ausdruck des
Willens, einer Forderung ist. Zu der Annahme einer Ellipse ist kein
Grund, weil zweifellos Fälle vorliegen, wo der Infinitiv für die dritte
Person des Imperativs gebraucht wird; Kühner ausführl. Gramm. 2:1
Ρ. 588, ebenso Hoehne de infinitivi apud graecos classicae aetatis poelas
usu qui fertur pro imperativo, Breslau 1867, p. 32 führt neben der
vorliegenden Stelle noch an Z 92, wo bei vorhergehendem Subjects-
nominativ kein Zweifel bestehen kann; hiezu kommt noch A 443, und
mit grosser Wahrscheinlichkeit H 375, wo der sonstige Gebrauch des
anknüpfenden καὶ δέ es geralhener macht einen neuen selbständigen
Satz anzunehmen, stalt εἰπέμεναι noch als Infinitiv des Zweckes von
ἴτω 372 abhängen zu lassen. Auch ὁ 128 würde nach Aristarch’s
Lesart κεῖσϑαι hierher gezogen werden können. Davon sind, wie bei
Kühner a. Ὁ. geschehen ist, die Fälle zu scheiden, wo das Subject
im Accusativ bei solchen wünschenden oder fordernden Infinitiven
steht: dies ist der Fall im Gebet nach vorhergehender Anrufung einer
Gottheit B 413. H 179. ρ 354 (mit folgendem Optativ), nach vorher-
gehendem Imperativ E 118, bei Aufstellung der Vertragsbedingungen,
ebenfalls nach Anrufung der Götter, neben dem Imperativ I’285. An
allen Stellen macht die vorhergehende Anrufung. der Götter es be-
greiflich, dass der besondere Ausdruck der Bitte oder der Forderung
{ein δός oder χρή) entbehrlich war.
3. ‚Das eigenthümlich-schwierige (vgl. Zeo Meyer Bemerkungen
zur ältesten Geschichte der griech. Mythol. Gött. 1857 p. 27) ἕκατος
gehört gewiss zu den alten Cultusnamen, wie ‘Exdegyog, "ErarnßoAog,
Ex βόλος vgl. Welcker kl. Schrift. V p. 58. Daher lag naclı Auf-
deckung des Systems der griech. Namengebung durch Fick es nahe
in dem sonst nicht fassbaren Worte eine im Kultus entwickelte Kose-
form von Exermß6log zu sehen, vgl. Εἰδώ — Εἰδοϑέα, Κίσσος —
Κισσοδέτης, Ταυρώ — Ταυροπόλα u. a. bei Fick die griech. Personen-
namen, Gött. 1874 p. LXIf. u. p. 20. Welcker's Deutung Gölter-
lehre I 531 ‘der fernste’ würde doch auch ohne Beziehung auf den
&xermßöhog den fernhertreffenden, nicht verständlich sein.
89-—91 sind von Cicero übersetzt bei Gellius N. A. XV, 6. —
Statt τὸ δ᾽ ἐμὸν κλέος vermuthet Doederlein z. St. τὸ δ᾽ ὸν κλέος. ---
Nachahmungen der Formel κλέος οὔποτ᾽ ὀλεῖται bei den Elegikern:
‚Renner über das Formelwesen des griech. Epos und epische Reminis-
cenzen in der ältern griech. Blegie. Leipz. 1872 p. 25.,
92. Ueber ἀκήν vgl. G. Curtius Erläuterungen zur griech. Schul-
grammatik? p. 169. — Eine genaue Zusammenstellung der V. 93 ent-
sprechenden Verse, wo weder nach der dritten Länge, noch nach der
ihr folgenden Kürze ein Worteude vorhanden ist, sondern das Wortende
24 Kritischer und exegetischer Anhang. H.
erst nach der vierten Länge eintritt, nebst Bemerkungen über die dabei
nöthige Modulation siehe bei Zehrs Aristarch. ?p. 395 M.
99. Die Neueren verstehen die befremdliche Verwünschung ὕδωρ
καὶ γαῖα γένοισθε meist nach dem Vorgange der Alten, wenn auch
wicht grade in dem Sinne der philosophischen Speculation des Xeno-
phanes: πάντες γὰρ γαίης re καὶ ὕδατος ἐκγενόμεσϑα᾽ ἐκ γαίης γὰρ
πάντα, mei εἰς γῆν πάντα τελευτᾷ, vol. Zuuer Geschichte der homer.
Poesie p. 50, aber doch damit im Zusammenhange stehend, von einer
Auflösung in die Grundstoffe: so die Herausgeber mit Ausnahme von
Bothe und Doederlein, so Naegelsback Homer. Theologie ?p. 78,
Weleker griech. Götterlehre I p. 618. 786, Gladstone homer. Studien
p- 221, endlich Preiler im Philol. VII, 7 selbst mit der genaueren
Bestimmung: „in den Knochen von erdiger, im Blute, dem Träger der
“ψυχή, von wässriger Substanz“, womit er die Spuren einer alten
Vorstellungsweise über den Ursprung des Menschengeschlechts in Zu-
sammenhang bringt, wonach derselbe dem vom befruchtenden Gewässer
eines Flusses oder eines Landsees überschwemmten Erdreich verdankt
werde. Sehen wir von dieser letzteren durch nichts bei Homer unter-
stützten Combination ab, so findet sich bei unserm Dichter sonst nur
in E 201 Ὠκεανόν τε, ϑεῶν γένεσιν, vgl. 246, der Okeanos, nicht
das Wasser schlechthin, als Ursprung der Götter (aber auch der
Menschen?), in B 546 die Andeutung vom Ursprung des Erechtheus
aus der ἄρουρα, der Ackerflur, nicht der Erde überhaupt, endlich in
bekannter Formel τ 162 die von der Abkunft der Menschen von Bäumen
und Felsen. Die Deutung von κωφὴ γαῖα 2 51 auf den Leichnam
des Hektor ist mindestens zweifelliaft. Sonach steht die in unserer
Stelle vorliegende Anschauung jedenfalls vereinzelt da und die Be-
rechtigung dem Homer die Ansicht zu vindicieren, dass Erde und
Wasser die Grundstoffe des menschlichen Leibes, oder überhaupt die
Urelemente der Organismen sein, muss als höchst zweifelhaft erscheinen.
Aach in den homerischen Vorstellungen vom Tode findet sich nichts,
was diese Annahme begründen könnte, da der Tod, wie er gefasst
wird, als Scheidung der Psyche vom Leibe eher auf Luft und Erde als
Grundstoffe, denn auf Wasser und Erde führen würde. Ich kann daher
in der Wendung nur einen volksthümlichen Ausdruck für verfaulen
sehen, wie sonst theils dem Regen, theils dem Erdreich dieser Auf-
lösungsprocess an dem daliegenden Leichnam zugeschrieben wird
(« 161. 4 174). Die Beobachtung, dass das Zusammenwirken beider
daliegende organische Stoffe in eine feuchte Erdmasse auflöse, konnte
wohl zu einem solchen volksthümlichen Ausdruck Veranlassung geben.
Fast zwingend wird diese Auffassung durch den Zusammenhang mit
den Worten des folgenden Verses 100. Ist ἀκήριοι zu fassen ‘ohne
Leben, mie tod?, und wird dadurch in Verbindung mit ἥμενοι ihre gegen-
wärtige Apathie als ein Zustand todtenähnlicher Erstarrung dargestellt,
so ist der Wunsch, dass sie vollends verfaulen möchten, eine natür-
liche und passende Steigerung; jeder Gedanke an irgend welche
Speeulation über die Grundstoffe des Leibes aber mit dem Zusammen-
Kritischer und exegetischer Anhang. A. 95
hang unverträglich. Ob mit Renner Formelwesen des griech. Epos
p. 24 das Theognideische (878) ἐγὼ δὲ ϑανὼν γαῖα μέλαιν' ἔσομαι
als Reminiscenz an unsere Stelle anzunehmen ist, muss daher zweifel-
haft bleiben. Doederlein, der in ὕδωρ das kalte und in γαῖα das
stumme, träge Element sieht, beachtet nicht den oben angedeuteten Zu-
sammenhang mit dem folgenden Verse, wenn er erklärt: utinam vos,
homines antea calidi el sirenui, gloriae cupidi et pudore praedii
frigidam in aquam ei in brutam inertemque terram mulemini, si-
quidem ita vobis volentibus est, abgesehen davon, dass für die Auf-
fassung des Wassers als kaltes Element zur Bezeichnung des Mangels
an Gefüll bei Homer kein Anhalt vorliegt. — Ueber die adjectivische
Auffassung der Alten von ἀκλεὲς = ἀκλεεῖς handelt Zehrs quaesliones
epicae p. 138 Π᾿ vgl. Buitmann Lexilogus *1 p. 40. 42.
104. Ueber die Apostrophe hei Homer handelt Nitzsch im
Philol. XVI p. 151 ff, vgl. auch den Anhang zu & 55 und Hess über
die komischen Elemente im Homer, Bunzlau 1866, p. 19, der nament-
lich hier und 4 127 bei der augenscheinlichen Lebensgefahr des Helden
in der Apostrophe mit Recht nicht metrisches Bedürfniss, sondern die
Theilnahme des Dichters erkennt.
110. ἀνὰ δὲ σχέο ist mit J. Ta Roche nach den besten Hand-
schriften gegeben; über die zweifelhafte Lesart des Aristarch vgl.
Düntzer de Zenodoti stud. Hom. p. 60 Anmerk. 38 und jetzt J. la
‚Roche Annvtal. cril.
113. In der hier gegebenen, auffallenden Bemerkung über Achills
Furcht vor Hector sieht Nitzsch Beiträge p. 203 und 466 eine An-
spielung auf ein vor der Ilias liegendes in der Sage und Dichtung
behandeltes Factum: “Achill mochte beim ersten Begesnen mit Hektor
in der Landungsschlacht wohl einiges Erschrecken geäussert haben’.
Allein auch die stärkste Betonung des rhetorischen Charakters der
Rede, welche alles herbeizicht um abzumahnen, kann die Verall-
gemeinerung eines soweit zurückliegenden, über den glänzendsten
Thaten läugst vergessenen Ereignisses in praesentischen Perfect wohl
kaum rechtfertigen. Es sind daher V. 113. 114 verworfen von La
‚Roche 2. f. d. oest. Gymn. ΧΙ p. 158. Düntzer hom. Abh. p. 264.
— Ααὐδ (Conjectanea Homerica, Kreuznach 1860 p. 7) Vermuthung
τούτῳ κε — δίγησ᾽ entbehrt jeglichen Anhalts.
117. Wolff las ἀδειής γ᾽, was den Vorzug vor ἀδειής 7 ver-
dienen würde, wenn es besser beglaubigl wäre (vgl. 2a Roche). Denn
der engeren Verbindung der beiden Praedicate durch τέ --- καί wider-
spricht eigentlich die hervorhebende Souderung der Glieder, welche
durch die Wiederholung der Conjunetion εἰ und des Verbums ἐστί im
zweiten Gliede bewirkt wird, und nur die Annahme einer Art von
Anakoluthie, veranlasst durch die Erregung des Redenden, welche über
der Steigerung des zweiten Gliedes mit καὶ εἰ ‘ja wenn? die ein-
geleitete Gliederung vergessen lässt, kann die gewöhnliche Lesart,
neben der übrigens eine gute Handschrift (D) auch ἀδεεής ohne τὰ
hat, erklärlich machen. Uebrigens vermuthete Ahrens im Rhein. Mus.
25 Kritischer und exegetischer Anhang. Δ.
1, 173: εἴπερ τ᾽ ἀδδειὴς καὶ ἀεὶ μόϑου ἔστ᾽ ἀκόρητος. — Die
mancherlei Anstösse, welche 117—119 bieten, wohin auch die nach
112—114 immerhin zweifelhafte Beziehung von μέν 118 (vgl. J. Bekker
hom. Blätt. I p. 15) gehört, lassen es fraglich erscheinen, ob die
Verse ursprünglich sind; Zöchly de lliad. carmm. diss. V. p. 16 hat
dieselben verworfen. Uebrigens steht, wie Franke bei Faesi zu 119
bemerkt, auch δηίου ἐκ πολέμοιο καὶ αἰνῆς δηιοτῆτος wider den
sonstigen Gebrauch hier und 174 vom Zweikampf.
124—160. Man vergleiche die interessante Anwendung, welche
von Vers 125 der lakedaemonische Gesandte Syagros macht bei
Herodot ΥἹΙ, 159. — Eine antike Darstellung des Abschiedes des
Achill und Patroklos von ihren Vätern bei Overbeck Gallerie heroischer
Bildwerke der alten Kunst p. 277 ff., dazu Brunn troische Miscellen in
den Sitzungsberichten der philos.-philol. Classe der Baiersch. Acad. 1868
p- 64 I. — 127. Ueber Zenodots Lesart μειρόμενος und μεγάλ᾽
ἔστενεν oder μέγα ὃ᾽ ἔστενεν vgl. Düntzer Zenodot. p. 122, Fried-
laender Aristonic. p. 127. — V. 128 vermuthet Axt Conjectan. Homer.
Ρ. 8, unter Tilgung des Komma nach οἴκῳ, ’Agyeiav ἀΐων statl ἐρέων.
Diese unbegründete Conjectur beruht auf der Verkennung der epexegeti-
schen Verwendung auch der Participis, worüber Aulin de usu epexegesis.
Upsaliae 1858 p. 14 sprich. — 131. Ucher die verschiedenen
Wendungen zur Bezeichnung des Sterbens vgl. jetzt die beachtens-
werthe Ausführung von Zd. Kammer die Einheit der Odyssee, Leipz.
1873 p. 510 ff, mit dem Resultat: nirgends lässt sich die Vorstellung
gewinnen, dass das hier unterbrochene Leben in einer auch noch so
schattenhaften Scheinexistenz in des lHades Hause seinen Fortgang
nehme.“ Derselbe sucht dann nachzuweisen, wie sich von dieser Grund-
lage aus allmählich die abweichenden Vorstellungen über den Zustand
der Todten in der Unterwelt entwickelten, welche wir im 11. Buch
der Odyssee finden. — 132. Ueber die Wunschsätze mit αὐ γάρ und
εἰ γάρ vgl. I. Zange der homerische Gebrauch der Partikel εἶ I
p. 327 M. Die Verbindung der drei Gottheiten in diesem formelhaften
Verse erörtert in seiner feinen Weise Zehrs populäre Aufsätze p. 134 f.,
vgl. auch Naegelsback hom. Theol. ?p. 110, Sckoemann griech.
Alterth. II, p. 247, Welcker griech. Götterl. I p. 53, Gladstone
homer. Studien. p. 147. — 133. Zu der folgenden Erzählung vgl.
Nitzsch Beiträge p. 155, wo aus derselben in Verbindung mit andern
auf vorhandene Nestorlieder geschlossen wird. — Die in Bezug auf
das Local hier vorliegenden Schwierigkeiten erörtern Bursian Geographie
von Griechenländ Il p. 301, Anmerk. 1, vgl. p. 281, Unger Theban.
Paradox. p. 394, Gladstone homer. Stud. p. 20, auch Köchly de lliad.
carmm. diss. V p. 18. — 138. ᾿Δρηϊϑόου: die Epanalepsis, im weitesten
Umfange gefasst, behandelt Zander de epanalepsi Homerica et Hero-
dotea, Lund 1871. — 142. κράτεϊ γε: über die Länge des ı im Dativ
vgl. jetzt Hartel homerische Studien. I. Wien, 1871 p. 39 l. —
143. In dem zweiten Bestandtheil von στεινωπὸς ist wohl mit Schaper
quae genera compositorum apud Homerum distinguenda sint, Coeslin
Kritischer und exegetischeı Anhang. H. 27
1873, p. 17 ὀπή = foramen zu erkennen, wie auch Suhle annimmt,
su dass das Wort eigentlich bezeichnet: mit enger Oeffnung, mit
engem Ausgang. — 144. Wegen ὑποφϑάς vgl. Classen Beobachtungen
p. 89. — 145. Die Erklärung von ἐρείσϑη ist gegehen nach Ahrens
im Philolog. Suppl. Bd. I p- 240. — 147. Nach G. Curtius Etym.
ἀρ, 339 stellt M. Müller μῶλος ”Agnos “he toil and moil of Ares’,
wie μάρ-νασϑαι zusammen mit der W. mar reiben, vgl. Fick vergl.
Wörterbuch 51 p. 717. Danach wäre μῶλος "Ag. der zermalmende
Sturm des Kampfes? — 149. Ueber das Therapontenverhältniss vgl.
Nitzsch erklär. Anmerk. I p. 233, Naegelsbach hom. Theol. ?p. 280.
— 156. Die Auslegungen von παρήορος schwanken zwischen einfach
hingestreckt (Autenrieth, Seiler-Capelle), daneben zur Seite hangend
d. i. zu beiden Seiten des Wagens hinaus (Suhle), neben ihm, eigent-
lich daneben hängend, rechts und links von dem vor ihm stehenden
Nestor (Düntzer), ausgestreckt ausserhalb des Weges (Passon), auf
der Wildbahn gehend, mit ἔνϑα καὶ ἔνϑα — nach allen Seiten frei
um sich schlagend (Minckmitz), hierkin und dorthin schwankend oder
laumelnd (Doederlein Gloss. I p. 14 unter Vergleich von IT 341,
während er in der Ausgabe erklärt: ofiosus, iners, inbellis, qui modo
minax fuerat, similis ille equo παρηόρῳ ITATL, qui juxta equos
jugatos trahentesque currum oliosus et inutilis currit), der über-
müthige, freche, der hinten ausschlägt, wie ein ungezügeltes Ross
(Grashof das Fuhrwerk bei Homer p. 3), endlich gar = der Neben-
mann, im Gegensatz zu Ereuthalion (Wagner in Mützell’s Zeitschr.
f. Gymn. Wes. 1861, ρ. 147: denn es lag noch mancher Nebenmann
hier und dort [den ich auch getödtet hatle]). Gehen wir von dem
Grundbegriff aus, wie ihn die wahrscheinlichste Ableitung von deigw
(6. Curtius Εἰγπι. ὁ. 356 — ἀσιβείρω aus W. svar — σερ knüpfen,
binden, reihen) und der Vergleich von συνήορος mit O 680 πίσυρας
συναείρεται ἵππους und rerg&ugog an die Hand giebt, so ist παρήο-
005 daneben geknüpft, daneben gereiht, vom Pferde daneben ge-
koppelt, das Beipferd, wie 607170905 zusammen gekoppelt, verbunden,
und da aus dem Begriff binden in den Ableitungen der des hängens,
schwebens, wie in μετήορος sich entwickelt, auch daneben hangend,
schwebend. Vgl. II 471. Weiter kann für die Erklärung in Betracht
kommen die übertragene Anwendung #603, die aus dem Begriff des
daneben oder seitwärts (von der graden Linie ab) schwebens abzu-
leiten, von Doederlein richtig in Gegensatz zu ἔμπεδος 7183 gesetzt
ist, ihre Parallele in dem etymologisch verwandten ἠερέϑονται (φρένες)
T'108 hat und auf den Begriff des unsteten, flatterhaften, unbe-
sonnenen führt. Dazu der spätere Gebrauch in dem Sinne von ver-
rückt, wahnsinnig, beruhend auf der bei Archiloch. fr. 94, 2 Bergk
sich findenden Anschauung τίς σὰς παρήειρε φρένας. Endlich ist die
wahrscheinliche Nachahmung der vorliegenden Stelle bei Aeschyl.
Promeih, 363 Wecklein zu Rathe zu ziehen: καὶ νῦν ἀχρεῖον καὶ
παράορον δέμας κεῖται (von Typhon), wo nach Wecklein Aeschylos
aus der homerischen Stelle die allgemeine Bedeutung von παρήορος
28 Kritischer und exegetischer Anhang. H.
ἔνϑα καὶ ἔνϑα ohne besondere Beziehung von παρα- genommen hat:
“weithin, nach allen Seiten ausgestreckt’. Bei letzterer Deutuug
fällt sogleich die wenig passende Zusammenstellung mit ἀχρεῖον auf,
welches duch nur die Bedeutung “untüchtig, krafilos? haben kann;
viel besser würde zu diesem Begriff Doederleins Auflassung iners,
inbellis passen, weun dieselbe überhaupt mit Wahrscheinlichkeit sich
ableiten liesse. Gleichem Zweifel unterliegt nach dem sonstigen Ge-
brauch die von Grashof angenommene Bedeutung “übermüthig, frech’.
Nun würde ohne Zweifel in Verbindung mit ἔκειτο und ἔνϑα καὶ
ἔνϑα ein einfaches *hingestreckt’ sehr wohl passen, aber der Grund-
begriff lässt diese Bedeutung nicht zu. Die Erklärungen andrerseits,
welche die Bedeutung des παρά zum Ausdruck zu bringen suchen,
leiden sämmtlich an der Schwierigkeit dem ‘daneben’ eine passende
Beziehung zu geben, da der Zusammenhang keine solche bietet. Die
Erklärung “taumelnd’ endlich ist unmöglich, weil κεῖσϑαι, nicht die
von Doederlein angenommene inchoative Bedeutung des Fallens hat.
Suchen wir einen Ausweg aus diesen Schwierigkeiten zu gewinnen,
so bietet die wohl zweifellose Nachahmung bei Aeschylus folgende
Anhaltspunkte. Entspricht δέμας dem homerischen πολλός τις, so
zeigt die enge Verbindung, in der παρήορον neben ἀχρεῖον (kraftlos)
damit steht, dass das Wort nur in sinnlicher Bedeutung und praedi-
cativ verstanden werien darf; eine Beziehung von παρά in dem Sinne
von daneben lässt sich weder bei Homer, noch bei Aeschylus ge-
winnen; die Zusammenstellung mit ἀχρεῖον, welches nur kraftlos,
ohnmächtig bedeuten kann, muss zur Controle für die Bedeutung von
παρήορος dienen. Hiernach scheint mir der einzig mögliche Ausweg
zu verstehen: zuckend, zappelnd — eine Bedeutung, die sich wohl
aus den oben angeführten Daten entwickeln lässt. Ist παραείρω
seitwärts schweben machen, aus der richtigen Bahn bringen, ver-
rücken, so darf wohl der daraus entwickelten übertragenen Bedeutung
unstet, unbesonnen, mahnsinnig entsprechend eine sinnliche ange-
nommen werden, die eine unwillkürliche, krampfhafte, körperliche
Bewegung bezeichnete, wofür vielleicht auch das von Passom ange-
führte παρήορον ὄμμα τιταίνειν Tryphiodor. 371 verglichen werden
kan. — Für die Verbindung von τίς mit πολλός in dieser Stellung
weiss ich aus Homer kein weiteres Beispiel anzuführen; bei Herodot
ist sie häufig: vgl. Stein zu Herod. E 33, 9. Vorangestellt ist τίς
bei μέγας 6 382, vgl. dazu den Anhaug. — Uebrigens erinnert die
penikierung an A267. 268. — 157. L. Lange ἃ. hom. Gebr. d. Part. εἰ
1, p.337 vermuthet mit Pott etymolog. Forschungen !Bd. 1 p. LVII, Bd. II
p. 323, dass ϑὲ in αἴϑε und εἴϑε eine Verstümmelung des Voativs
von 920g sei und findet damit übereinstimmend in den durch diese
Partikeln eingeleiteten Wünschen einen Ausdruck des Bedauerns, der
Wehmuth beigemischt. Vgl. auch p. 353 li — 158. Zu τάχα vgl.
Lehrs Arist. ?p. 92. — Für die Auffıssung der Rede 124—160 im
Ganzen beachte man die individualisierende Einkleidung der Haupige-
danken. Die Rede beginnt mit einem Ausruf des Schmerzes und
Kritischer und exegetischer Anhang. H. 29
endigt mit einem Vorwurf. Der Inhalt jenes Schmerzes 125—131,
der Gedanke, dass die Haltung der Achaeischen Helden die gehegten
Erwartungen schmählich täusche, und dass jeder Edle diese Täuschung
schmerzlich empfinden müsse, wird so individualisiert, dass die freu-
dige Hoffnung des Peleus, welche beim Abschiede des Sohnes die
Aufzählung der am Zuge theilnehmenden Helden in ihm erweckte, in
Contrast gestellt wird mit dem gegenwärtigen Verhalten der Helden.
Sodaun folgt mit lebhaftem Asyndeton 132—158 der die Achacer
beschämende Gegensatz, wie die Männer der Vorzeit unter gleichen
Verhältnissen sich gezeigt haben, individualisiert in Nestor’s eignem
Beispiel, wodurch dann der 159—160 folgende Vorwurf vorbereitet
wird. Vgl. auch Crosset de publicae eloquentiae principiis apud Graecos
in Homericis carminibus. Monspellii 1874 p. 35. 42. 80.
161. Ueber eine DarsteHung der folgenden Loosungsscene durch
Onatas in einer Gruppe von Erzstatuen vgl. Overbeck Geschichte der
griech. Plastik I, p. 109. — 162. Eine eingehende Untersuchung
über den Titel ἄναξ ἀνδρῶν findet man bei Gladstone Homer. Stud.
p. 86—106.
171. Die Aristarchische Lesart πεπάλασϑε (J. la Roche die homer.
Textkritik p. 336), welche sich im Venetus A und einigen andern
Handschr. findet, von Bekker zuerst eingeführt, ist nach G. Curtius
Etymol. ρ. 289 auf ein von παλάσσω bespritzen zu trennendes
Praes. παλάσσω (oder waAd£o?) zurückzuführen, welche aber beide
auf W. παλ. schwingen zurückgehen. Nach πεπαλάσϑαι ı 331 kann
die Form wohl nur Perfect sein: über die Praesensbedeutung vergl.
ausser Philol. XXVII p. 522 f. R. Fritzsche über griech. Perfecta
mit Praeseusbedeutung in: Sprachwissensch. Abhandl. hervorgegangen
aus G. Curtius’ grammat. Gesellschaft. Leipz. 1874 p.43 ff. Da aber
das einfache πάλλεσϑαι mit und ohne κλήρῳ Ο 191 und 2 400 die-
selbe Bedeutung hat, so vermuthet Suhle unt. παλάσσω, dass wir
darin aoristische Formen von πάλλω zu sehen hätten; "Doederlein
möchte geradezu πεπάλεσϑε und πεπαλέσϑαι schreiben. Die Bedeu-
tung wird wohl richtiger, als es von Ameis zu ı 331 geschehen ist,
medial gefasst: mit dem Loose (den Helm oder ein sonstiges Gefäss)
für sich schütteln lassen, d. i. über sich das Loos schütteln lassen.
— Ueber den religiösen Charakter des Loosens als einer Art Gottes-
urtheil vgl. Funkhaenel im Philol. II p. 388 ἔν, auch Bergk griech.
Literaturgesch. I p. 334, und in Bezug auf ἐνδέξια Buttmann Lexilog.
1 p. 163 f. Vermuthlich bezeichnet κλῆρος von »Adv, wie das
deutsche Loos, ursprünglich ein abgebrochenes oder abgeschnittenes
Holz, das dann mit gewissen Zeichen versehen wurde: Schoemann
griech. Alterth. II p. 284, Bergk griech. Literaturgesch. I p. 202,
39. — Zweifel wegen der Verbindung des Nebensatzes ὅς ne λάχῃσιν
einerseits, und wegen der Beziehung des 172 folgenden γάρ andrer-
seits haben, wie es scheint, Doederlein dazu geführt, jenen Neben-
satz von dem Vorhergehenden zu trennen und als Vordersatz hinzu-
30 Kritischer und exegetischer Anhang. H.
stellen, zu dem als Nachsatz ergänzt werden soll: γηϑείτω oder
τούτῳ καλῶς ἕξει, wie eine ähnliche Auffassung übrigens schon bei
Nicanor ed. Friedländer p. 191 angedeutet ist. Allerdings ist die
Bedeutung von ὅς κε λάχῃσι nicht ohne Zweifel, vgl. auch Fried-
laender Aristonic. p. 10. Die interrogatvie Bedeutung, welche die
Herausgeber dem Pron. ὅς hier und an ähnlichen Stellen beilegen
und die ich selbst (de pronominum relativorum linguae graecae origine
atque usu Homerico, Göttingen 1863 p. 27) als Grundbedeutung des
Pron. ὅς nachzuweisen versucht habe, ist von Seiten der Sprachver-
gleichung, so von @. Curtius Etym. *p. 398 und 590 und Windisch
Untersuchungen über den Ursprung des Relativpronomens in den indo-
germanisch. Sprachen in G. Curtius Studien II p. 209 I mit gewich-
ügen Gründen bestritten; auch Zühner ausführl. Gramm. ἦγ. 942
diese Annahme zurück. Wenn letzterer aber aufstellt, dass ὅς,
wo es in indirecten Fragen stehe, die Bedeutung von οἷος habe, wie
im Lateinischen qui für qualis, indem der Gegenstand der Frage als
bekannt vorausgesetzt werde und nur nach der Qualität gefragt werde,
so trifft das jedenfalls diese Stelle nicht, da, wenn der Satz überhaupt
Fragesatz ist, nur nach der Person gefragt werden kann. Man wird
daher den Satz als Relativsatz fassen müssen, so sehr ınan geneigt
ist zur Annahme eines indirecten Fragesatzes. Den Unterschied von
der indirecten Frage kann ı 331 zeigen, wo der gleichen Wendung
ög τις folgt: dort handelt es sich um die Ermittelung durch das
Loos, welche Person die in Frage stehende Handlung vollzichen soll;
hier dagegen steht der Verbalbegriff Adyyoı selbst der Annahme einer
ähnlichen indirecten Frage einigermassen im Wege. Der Anschluss
des Relativsatzes an das Vorhergehende ist wesentlich bestimmt durch
das vorhergehende διαμπερές und erklärt sich aus den zahlreichen
Fällen, wo ein vorhergehender allgemeiner Gedanke mit einer Mehrheit
der Personen specialisirt wird durch einen individualisierenden Relativ-
satz im Singularis, vgl. z. B. 7 355.
173. Die von la Roche in der Annotat. crit. ausgesprochene
Vermuthung, καὶ δ᾽ — zei δή, ist nach dem im Commentar ge-
gebenen parallelen Gebrauch von καὶ δέ nicht wahrscheinlich. —
Ueber die Bedeutung von ὀνίνημι vgl. Fulda Untersuchungen p. 941. —
Dass der Vers von den Alten beanstandet wurde und zwar wegen αἴ
κε φύγῃσιν, wissen wir nur aus Nicanor bei Friedlaender p. 118:
Övsämıda; γὰρ τούτους ποιεῖ. Köchly de lliad. carmm. diss. V
Ρ. 21 hält 172—174 für interpoliert.
181. Ueber den folgenden Vorgang vgl. Povelsen emendationes
locorum aliquot Homericorum, Hauniae 1846 p. 87. — Von der
homerischen Kunst der Gruppierung in derarligen Scenen, wie die
vorliegende, spricht Adam das Plastische im Homer, München 1869
p- 126 und besonders 129 f.
187. Ueber γράφειν vgl. Lehrs Aristarch. ?p. 95, dazu den
Anhang zu Z 169 und jetzt Bergk griech. Literaturgesch. I p. 202.
203. 205.
Kritischer und exegetischer Anhang. H. 31
191. Zur Charakteristik des Aias in Bezug auf die folgende Scene
vgl. Hess komische Elemente p. 37: „Er ist im Ganzen kurz ange-
bunden mit Worten, zum Theil, weil er offenbar nicht recht seinen
Gedanken Ausdruck zu geben versteht; er kommt gern darauf zurück,
dass auch er im Kriege nicht unkundig sei (Η 197. N 811), während
er doch nicht, etwa gleich seinem Gegner Hektor (Η 234), im Stande
ist seine Geschicklichkeit treffend zu rühmen; lieber platzt er noch
mit einer handfesten Prahlerei heraus (H 226). Vgl. auch Preiler
griech. Mythol. II p. 282.
195—199. ἀϑετοῦνται. ὅτι οὐ κατὰ τὸν Αἴαντα οἵ λόγοι καὶ
ἑαυτῷ ἀνϑυποφέρει γελοίως: Aristonicus bei Friediaender p. 131.
Nach Didymos wurden dieselben auch von Aristopkanes und Zenodot
verworfen, vgl. Düntzer Zenodot. p. 185. Dieser Athetese stimmen
zu Düntzer hom. Abhandl. p. 264 und Köchly de lliadis carmm. diss.
Vp. 22. Vgl. dagegen Heyne zur Stelle Bd. V p: 342. — Ueber
ἑκών V. 197 und die Lesart des Aristarch ἑλών vgl. Ahrens de hiat.
p- 25 und Doederlein’s homer. Glossar $ 436. — 198. Ansprechend
ist Doederlein’s Vermuthung νήϊδά γ᾽ αὔτως für οὕτως, wie eine
Handschrift bei 7a Roche wirklich hat. Die Beziehung von οὕτως
auf den vorhergehenden Gedanken in der Weise, dass dieser die Folge
von dem durch οὕτως eingeleiteten Gedanken enthält, ist bei Homer
selten; ich kenne nur noch zwei Fälle, die sich vergleichen lassen,
ı 419 und v 239.
206. Ueber die Dehnung der Verbalendung ἂν vgl. Hartel homer.
Studien I p. 741. — 207. Zu der Schreibung τεύχεα stall τεύχη
vgl. Ta Roche homer. Untersuch. p. 146. — 212. βλο-συρός ge-
bildet, wie ἀήτσυρος, von den Alten durch δεινός erklärt, stellt
6. Curtius Eiymol. ®p. 538, Studien I, 2, 295, zusammen mit
βλωϑ-ρό-ς und führt beide auf die in βλάστ-η, βλαστ- ἄνω zu Grunde
liegende Wurzel βλαϑ- zurück. Danach ist ihm, wie übrigens schon
Passow, die Grundbedeutung strotzend, üppig, und die βιοσυρὰ
πρόρωπα hier das riesige Gesicht, Gorgo βλοσυρῶπις die strotz-voll-
oder grossäugige. Aehnlich hatte schon früher A. Goebel in Kuhns
Zeitschr. ΧΙ, 393 das Wort auf βλώσκω zurückgeführt und erklärt:
hervorspringen wollend, was er für unsere Stelle erläutert: ein
Antlitz mit stark hervortretenden Wangen ruft dieselbe Vorstellung
(des Hervorspringens) hervor, besonders beim Lachen, wo die Backen-
muskeln sich hervordrängen. Suhle im Lexicon erklärt: horridus,
buschig, bärtig. — Scheint die an sich wahrscheinliche Ableitung von
Curtius vor den andern (vgl. Fick vergleich. Wörterb. 51 p. 778 von
W. val wollen — valtura bedeutend, ansehnlich, tüchtig, ähnlich
Bugge in Kuhns Zeitschr. XX p. 28, Düntzer in Kuhns Zeitschr.
XII p. 7) besonders auch deswegen den Vorzug zu verdienen, weil
mit derselben der spätere Gebrauch des Wortes sich allein vereinigen
lässt, so scheint doch fraglich, ob bei der Beschränkung des homeri-
schen Gebrauchs auf den Blick und das Gesicht gerade die ursprüngliche
Bedeutung die wahrscheinliche ist. Die ziemlich einstimmige Deutung
32 Kritischer und exegetischer Anbang. H.
der Alten durch δεινός, φοβερός, welche vermittelst des Begriffs
horridus in seinen verschiedenen Schattierungen, wie ihn der spätere
epische Gebrauch zeigt (vgl. G. Kopetsch de differentia orationis
Homericae et posteriorum epicorum in usu epithetorum, Lyck 1873
p- 12 £.), sich mit der etymologischen Bedeutung sehr wohl vereinigen
lässt, gewinnt an unserer Stelle, wie O 608 sehr an Wahrscheinlich-
keit durch den Contrast, worin das Wort hier mit μειδιόων, dort
mit λαμπέσϑην (vgl. A103. 104, auch O 102) steht, wie A 36
durch die Zusammenstellung von βλοσυρῶπις mit δεινὸν δερκομένη.
Ein Lächeln “auf dem furchtbaren Antlitz” scheint aber wirksamer,
als “auf dem riesigen Gesicht’. Für ὀφρύες βλοσυραί mag man nıit
Suhle die aus der ursprünglichen Bedeutung abzuleitende: buschig
annehmen, welche den Begrilf des Dunkeln zugleich bietend für den
Gegensatz des λαμπέσϑην sich vortrefflich eignet. Uehrigens wird
man an unserer Stelle den Dativ gosameoı vielleicht in localem
Sinne fassen dürfen, indem der Reflex des Lächelns auf die oberen
Partien des Gesichts, namentlich die Stirn, nach O 101—103 damit
bezeichnet wird. — 219. Ueber die Beschreibung des Schildes und
die Motivierung solcher Beschreibungen durch die Bedeutung für die
Handlung vgl. Nilzsch Beiträge p. 321. Anders Köchly dissert. V
p- 23. — 220. Genauere Untersuchungen über die Verbindung des
Substantivs mit seinen Attributen in demselben Verse, wie in ver-
schiedenen findet man hei Giseke homerische Forschungen, Leipz.
1864, p. 21 fl., besonders 41. — Ueber die aus der vorliegenden
Stelle zu ziehenden Folgerungen für Gewerbfleiss und Handel vgl.
Riedenauer Handwerk und Handwerker in den homer. Zeiten,
Erlangen 1873 p. 59 und die Industrie in Böolien p. 140, sowie
H. Blümner die gewerbliche Thätigkeit der Völker des klass. Alterth.
in den Preisschriften der Fürstl. Jablonowskischen Gesellsch. zu Leipz.
1869 p. 59, der die Notiz des Plinius VII, 196 anführt: sutrinam
Tychius Boeotius invenit. — Ueber die Accentuation Τυχίος vgl.
Lehrs Arist. ?p. 271, und die Wiederholung derselben Wortwurzel
in Τυχίος τεύχων denselben p. 454 fl. Anders stellt sich jetzt frei-
lich der Name io dem System der griech. Namiengebung bei Fick
die griech. Personennamen p. 83 und 215.
229. 230. La Roche in Z. f. d. oest. Ὁ. XI, 159 sieht in
diesen beiden Versen eine Interpolation. Düntzer homer. Abhandl.
p- 264 scheideı 228—230 aus.
232. Die richtige Bedeutung dieser Aufforderung hat durch Ver-
gleirhung von ® 439 erläutert Povelsen Emendationes p. 83. Anders
urtheilt freilich Köchly dissert. V p. 23 1.
238. Bov, die Lesart des Aristarch (Aristophanes βοῦν) und
der besten Handschriften, sehen nach Priscian als Aeolismus für
βοῦν au Ameis de Aeolismo Homerico, Halle 1865 p. 24, Herzog
Untersuchungen über die Bildungsgeschichte der griech. und laeint.
Sprache, Leipz. 1871 p. 115. Andere, wie Graskof, das Schiff bei
Homer und Hesiod. p. 25, Anmerk. 23, Bekker Hom. Blätter I p. 231
Kritischer und exegetischer Anhang. H. 33
Aumerk. 2, u. A. bei Zbeling Lexic. Hom. s. v. βοῦς, nehmen eine
Zusammenziehung aus βοέην βοῆν an unter Vergleich von Formen
wie βώσαντε und ἀγνώσασκε. Die unbestrittene Lesart βόεσσι im
Sinne von „Stierschilde‘“ M 105, νεῖ. 187, die Grashoff in βοῇσιν
oder βοέῃσιν ändern will, stützt die erstere Annahme. — Ueber die
rhythmische Bewegung des Verses spricht Nöldechen de imitatione
in carminibus Homer. sono et rhythmo effecta. Berolini 1864 p. 49.
239. Ueber die verkehrte Auffassung des Wortes ταλαύρενος bei
Aristarch siehe Lehrs Arist. ?p. 308 f. Die von den Herausgebern
meist verschmähte Erklärung des Wortes aus dem Verbalstamm raAx
(ragen) und dem ursprünglich digammierten Fgrvo = schildtragend
(nach Hoffmann quaestt. Hom. I p. 137, Savelsberg de digammo
sjusque immutationibus I, Aachen 1854 p. 16, vgl. G. Curtius Etymol:
4p. 553, Clemm de compositis Graecis quae a verbo ineipiunt, Giessen
1867 p. 7, Note 11) verdient vor der von Doederlein Gloss. $ 2380
gegebenen vom Adjecliv ταλαύς (aus -raAa-Fo-g) und ῥένον — aus
dauerhaftem Rindsleder bestehend, starkledern, dann ausdauernd
theils wegen der Bildungen ταλαπενθής, ταλαεργός, ταλαπείριος,
theils wegen der Bedeutung durchaus den Vorzug. (Anders Ameis zu
E 289, wo zu bemerken ist, dass Autenrieth jetzt im Lexikon die
erstere Erklärung billigt). Abgesehen von uuserer Stelle nur Bei-
wort des Ares in der Verbindung ταλαύρινον πολεμιστήν in dem
Formelverse E 289. T 78. X 267 tritt es in die Reihe mit den
‚plastisch-anschaulichen Beiworten des Gottes, welche ihn als Kämpfer
κατ᾽ ἐξοχήν zeichnen, wie ῥινοτόρος Φ 391, ἐγχέσπαλος, κορυϑαίο-
Aog, ϑοῦρος, τειχεσιπλήτης, während Ausdauer dem homerischen
Ares keineswegs besonders charakteristisch sein dürfte. An der vor-
liegenden Stelle nun versteht Autenrietk, welcher die Grundbedeutung
‘schildtragend? annimmt, das Wort adverbial in dem aus der ursprüng-
lichen Bedeutung verallgemeinerten Sinne streitbar, tapfer; dagegen
im ursprünglichen Sinne Suhle, Capelle in Seiler’'s Lexikon, auch
Koch, aber adverbial. Indess steht die Auffassung des Wortes im
Zusammenhang mit der Frage, wie die Worte τό μοί ἐστι zu fassen
sind. Aristarch (vgl. Aristonieus ed. Friediaender 2. St.) bezog τό
relativisch dem Sinne nach auf das Femininum βῶν, als ob σάκος im
Sinne liege, mit Beziehung auf μ 74, und erklärte ταλαύρινον durch
εὔτολμον also: den Stierschild, den ich habe, um muthig, standhaft
zu kämpfen. Dieser Erklärung folgen Franke bei Faesi (unter Ver-
gleich von A238. Φ 167 für die unregelmässige Beziehung des
Relativs), Düntzer. Eine andere Erklärung ist die des Paraphrasten
διό wor ὑπάρχει, die la Roche iu der Zeitschr. für die österr. Gymn.
1860 p. 170 f. begründet und in seine Ausgaben aufgenommen hat mit.
der Schreibung τό μοι ἔστι = darum kann ich ausdauernd kämpfen.
So Autenrieih im Schulwörterbuch unter τό und Koch, aber mit ande-
rer Fassung von ταλαύρενον: darum kann ich schildtragend kämpfen.
Doederlein endlich fasst ταλαύρινον adjeclivisch als Attribut zu τό:
{Sehild) welchen ich habe aus dauerhaftem Rindsleder. Aehnlich.
Anhang zu Ameis, Homers Ilias I, 8, 3
34 Kritischer und exegetischer Anhang. H.
Kissling in Kuhns Zeitschr. 1868, XVII p. 225, der den raschem
Genuswechsel daraus erklärt, dass Hektor bei dem deictischen τό
seinen Schild dem Aias trotzig entgegenstrecke oder darauf schlage.
Diese Deutungen geben meist einen matten oder schiefen Gedanken
oder leiden an grammatischen Bedenken. Ich habe daher in der An-
merkung z. St. eine andere versucht, die einen befriedigenderen Sinn
zu geben scheint. Zur Begründung möge man Folgendes beachten.
ταλαύρινον πολεμίξειν und ταλαύρινος πολεμιστής gehören so zu-
sammen, dass man von vornherein Bedenken tragen muss, das Wort
in beiden Wendungen in verschiedenem Sinne zu fassen. Ist die Deu-
tung “schildiragend’ aus den oben angeführten Gründen der andern
vorzuziehen, so erhält dieselbe andrerseits durch unsere Stelle in dem
Zusammenhange, worin sich das Wort findet, noch eine neue Stütze.
Denn was liegt nach dem vorhergehenden Verse näher, als in za-
λαύρινον eine Beziehung auf den Schild zu sehen. Andrerseits aber
wird die Beziehung der Wendung auf Ares als ταλαύρινος πολεμιστής
wiederum durch die 241 folgende μέλπεσϑαι ”Agni gestützt. Alle
diese Beziehungen ergeben sich so leicht und stützen sich derart
gegenseitig, dass dieser Auffassung wesentliche Bedenken nicht ent-
gegenstehen werden. Uebrigens könnte man selbst die Vermuthung
wagen, dass in den Worten des V. 238, die ein wohlgegliedertes-
rhythmisches Ganze bilden (vgl. © 27):
οἶδ᾽ ἐπὶ δεξιά,
οἶδ᾽ ἐπ᾽ ἀριστερά
νωμῆσαι βῶν,
der Dichter ein altes Tanzlied, wie es bei dem in 241 angedeuteten,
gewiss uralten (vgl. Bergk griech. Literaturgesch. 1 p. 326) Waffentanz.
gesungen ward, benutzt habe. — Ueber μέλπεσϑαι 241 vgl. Zehrs
Aristarch. 2p. 138 fl.
242. Ueber ἀλλά mit folgendem γώρ vgl. Pfudel Beiträge zur
Syntax der Kausalsätze p. 16, der die Stelle eiwas anders fasst. —
244. Nach Pausan. V, 19, 1 war nebst andern mythischen Darstellungen
auch der Zweikampf Hektors mit Aias auf der Lade des Kypselos
dargestellt.
256. 257 wurden von Zenodot verworfen: vgl. Düntzer Zenod.
Ρ. 163, Friedlaender Aristonic. p. 132.
259. χαλκός ist die Aristarchische Schreibweise, während die
meisten und besten Handschriften χαλκόν haben. Ueber den Vorzug
jener vgl. Ameis im Anhang zu I’ 348.
265. Ein Verzeichniss der Stellen, wo drei Adjective bei einem
Substantiv stehen, findet man bei Giseke homer. Forschungen p. 41.
270. Ueber εἴσω vgl. Ameis im Anhang zu ἡ 13. — Ueber
Mühlen und den μυλοειδὴς πέτρος vgl. ausser dem von Ameis im
Anhang zu v 106 Bemerkten Riedenauer Handwerk etc. p. 76 und
H. Blümner Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste:
bei den Griechen und Römern, Leipz. 1874 p. 23, 28 Note 3.
.
Kritischer und exegetischer Anhang. H. 35
272. ἀσπίδι ἐγχριμφϑείς haben bei la Roche die meisten und
besten Handschriften, während Aristarch nach Didymos ἀσπίδ᾽ ἐνι-
χριμφϑείς schrieb. Vgl. ἴα Roche homer. Untersuchungen p. 127.
— Den Sinn der schwierigen Worte erklärt Doederlein Gloss. $ 799
so, dass Hektor auch liegend seinen zerbrochenen Schild, den er wie
ein spartanischer Held nicht lassen wollte, fest an sich oder sich
fest an ihn drückte. Könighof eritic. et exeget., Münstereifel 1850
p- 13: Hector quum Ajax eius scutum saxo ingenti jacto vehementer
percussisset, statu suo dejectus est ia ut humi resupinus caderet.
oc autem antequam accideret, cogitandum est Hectorem, ut fieri
solet, manibus brachiisqgue celeriter retrorsum molis, ut a lapsu se
suslineret, operam dedisse. Quod quum ei non contigisset, scuto, cui
brachium erat insertum, injectus atque illisus est. Muss ἐξετανύσϑη
als unmittelbare Wirkung jener Erschütterung durch den Steinwurf
angesehen werden, so ist in ἀσπίδι ἐγχριμφϑείς eine willkürliche
Bewegung des Helden nicht annehmbar, weil das Einwärtsbrechen des
Schildes einer solchen von vornherein entgegentritt. Ich kann daher
mit den Schol. BL συνέωσε γὰρ αὐτὴν ἐπ᾽ αὐτὸν ἡ βολή in den
Worten nur die Nachwirkung des Wurfs erkennen, so dass die da-
durch herbeigeführte Annäherung des Schildes an den Leib hier nach
dem Sturz in ihrer Wirkung dargestellt wird: angedrängt, eingepresst
in den Schild, so dass der Schild ihn deckt, (ähnlich Ια Roche und
Autenrieth im Lexicon: kart am Schilde angepresst). Ueber die un-
gewöhnliche Stellung von αἶψα vgl. den Anhang zu m 221.
282. Den Infinitiv in solchen Sätzen wie hier, ἀγαϑὸν καὶ
νυκτὶ πιϑέσϑαι bei Homer als grammatisches Subject zu fassen, wie
noch Kühner ausführl. Gramm.? II p. 575 hut, ist nach den neue-
ren Untersuchungen, welche eine dativische Bildung (nach Andern eine
Locativbildung) für denselben nachgewiesen haben, nicht mehr thun-
lich. Vgl. Leo Meyer der Infinitiv der homer. Sprache p. 31 ff,
Koch zum Gebrauch des Infinitivs in der hom. Spr. p. 12 fl. G. Cur-
tius Erläuterungen p. 196 Γ΄
289. Dass solche Achtung des Feindes, Anerkennung seiner
Tapferkeit, wie sie hier Hektor ausspricht, eine im griechischen Epos
nur ausnahmsweise sich findende ist, während die germanischen Helden
sich immer würdig behandeln, führt Blume das Ideal der Helden und
des Weibes bei Homer mit Rücksicht auf das deutsche Alterth. Wien
1874 p. 31 aus.
293 M. 293 und 295 wurden von Aristarch verworfen: Fried-
laender Aristonic. p. 132. Von den Neueren hat Bekker 295 aus-
geschieden, la Roche in Z. f. oest. 6. XI p. 159 und Düntzer hom.
Abhandl. p. 264 verwerfen 293—298.
295. Nach Z. Lange’s Untersuchungen in der Schrift de ephe-
tarum Atheniensium nomine, Lips. 1874, bezeichnet das Wort ἔται, aus
der Wurzel des Pronomens der dritten Person sva- abgeleitet, die An-
gehörigen in dem Sinne, dass es alle die Verwandten begreift, welche
nicht mit besondern Namen, wie ηασίγνητος, ἀνεψιός. bezeichnet
3*
36 Kritischer und exegetischer Anhang. Δ.
werden konnten. Nach demselben bezeichnen an unserer Stelle die
ἔται,, mit ἑταῖροι den übrigen Achaeern entgegengestellt, die welche
Angehörige derselben Phratrie oder Phyle (vgl. B 362) sind,
298. Anders Aristonikos bei Friedlaender p. 298: ἢ διπλῆ,
ὅτι οὕτως τὴν ἄγυριν καὶ συναγωγὴν τῶν ϑεῶν, διὰ τὸ πολλῶν
ϑεῶν ἐν ταὐτῷ εἶναι ἀγάλματα. Minckwitz in der Uebersetzung
p- 170: “die mir, in Folge meiner erfreuenden Rückkehr, entgegen-
jubeln und in einen gotthehren Versammlungskreis treten werden
d. h. eine herrliche Festversammlung anstellen werden, um ihr Ent-
zücken auszudrücken.”
307. Ueber ὅμαδος und dessen Synonyma handeln Hoch lexi-
cal. Bemerkungen über den homerisch. Sprachgebrauch, Münstereifel
1865, p. 71. und Ph. Mayer zweiter Beitrag zu einer homer. Syn-
onymik, Gera 1844 p. 19 f. — Schon mit 311 lässt Düntzer hom.
Abhandl. p. 265 die spätere Nachdichtung beginnen.
327. Ueber ἀριστῆες Παναχαιῶν und verwandte Bezeichnungen
vgl. Gladstone homer. Stud. p. 284. — 328. Den im Commentar
gegebenen Gebrauch von γάρ wit folgendem τῷ erörtert fudel Bei-
träge zur Syntax der Causalsätze p. 14 . — 331. Das ἅμα der
‚praegnanten Gleichzeitigkeit braucht Homer „‚nur bei drei Bestim-
mungen des Tagesanbruchs und Sonnenuntergangs ἅμ᾽ ἠοῖ (mit oder
ohne φαινομένῃφιν), ἅμ᾽ (ἅμα δ᾽) ἠελίῳ ἀνιόντι und ἅμα δ᾽ ἠελίῳ
καταδύντι. Zu Grunde liegt die Vorstellung des Mitgehens (rgl. An-
hang zu Η 2) in der Art, dass wenn die Sonne auf- oder nieder-
geht, auch der Mensch „aufsteigt‘“ oder „zu Bette geht‘, also mit
der gehenden Sonne, Morgenröthe geht, der vorangehenden nachgeht.“
Mommsen Entwicklung einiger Gesetze für den Gebrauch der griech.
Praepositionen p. 46 f. — 333. Der Gebrauch der Rinder vor dem
Lastwagen ist hier, wie δὰ 782, eine Ausnahme von der Regel,
indem diese sonst bei Homer nur vor dem Pfluge vorkommen: Gras-
hoff das Fuhrwerk p. 10. — Ueber die Schreibung κατακήομεν statt
des handschriftlichen κατακείομεν handelt Spitzner im XV. Excurs.
p. XLVII ff. — 334. 335. Zu der Athetese dieser Verse vgl. Fried-
laender Aristonic. p. 133, Zehrs Aristarch ?p. 196 f., Naegelsbach
hom. Theologie ?p. 247. 248 die Note, Eine besondere Ansicht
darüber bei B. Giseke num quas belli Trojani partes Homerus non
ad verilatem narrasse. videatur, Progr. Rossleben 1854 p. 10, und
homerische Forschungen p. 240 ff. Ueber die ganze Partie Grashoff
das Fuhrwerk p. 11.
336. Die Erklärung des Particips ἐξαγαγόντες bei Aristonikos
in intransitivem Sinne — ἐξελϑόντες τοῦ πεδίου (}) vgl. auch Nica-
nor ed. Friedlaender p. 191, hat im homerischen Gebrauch keine Stütze:
überdies zeigt die Ausführung 434. 435, dass von einem Auszuge
nicht die Rede sein kann, da ἀμφὶ πυρὴν κριτὸς ἔγρετο λαός. —
Ebenso zweifelhaft ist Minckmitz’s (ähnlich Doederlein’s) Deutung
herausschaffen d.i. den Erdschutt für den zu errichtenden Grabhügel
aus dem Gefilde wegnehmen und herzuführen. — Die Stellung von
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. 37
ἄκριτον zwischen ἐξαγαγόντες, und ἐκ πεδίου, sowie die nach 435.
436 nöthige Verbindung von ἐκ πεδίου mit ἐξαγαγόντες haben mich
zu der in der Anmerkung gegebenen Erklärung geführt, wobei die
angenommene Bedeutung von ἐξάγειν freilich ebenso vereinzelt dasteht,
wie die oben erwähnten. — 338. Alle die Mauer betreffenden Notizen
sind zusammengestellt von Hopf das Kriegswesen im homer. Zeitalter,
Hanım, I] p. 31 Vgl. Heyne excursus I in Bd. V p. 393 fl. In
der Darstellung der localen Verhältnisse folge ich Hasper das alte
Troja und das Schlachtfeld der homerischen Helden, Grossglogau 1868
p- 13. — Ueber den hier erwähnten Gebrauch des Pron. αὐτός als
Pronomens der ersten und zweiten Person ohne Beifügung ihrer be-
sonderen Prononina vgl. Windisch in G. Curlius Stud. Il p. 348. —
339. Aristarch verstand auch hier πύλας von einem Thor, vgl.
Lehrs Arist. ἦρ. 125 f. Vgl. dagegen Grossmann Homerica, Baireuth
1866 p. 22, Hasper das alte Troja etc. p. 13, Schoemann de reti-
centia Homeri p. 17 Anm. 7. Gegen die Annahme eines Thores spricht
schon 436—438, wo ἐν δ᾽ αὐτοῖσι sich auf die neben der Mauer
genannten Thürme bezieht. Nach dem zwölften Buche scheinen jeden-
falls zwei Thore angenommen werden zu müssen, doch hängt die
ganze Frage von der Entscheidung über gewisse. kritische Punkte
dieses Buches ab, worüber Friediaender die homerische Kritik p. 77 M.
zu vergleichen. — 343. Die von Ameis im Anhang zu A 286 nach
Goebel angenommene Erklärung des Wortes ἀγέρωχος impetuosus,
ungestüm, ist jetzt von Schmalfeld Noch einmal über ἀγέρωχος
etc. Eisleben 1873 p. 8 ff. mit guten Gründen bestritten. Er selbst
hält das Wort nicht für componiert und erklärt dasselbe aus der W.
dy- unter der Annahme einer mehreren Hesychischen Glossen zu Grunde
liegenden Bildung ἄγερος als Mittelstufe, durch die Glosse dyegacseı,
ἀγρυπνεῖ, ἀθετεῖ, vgl. πτωχός von πτώσσω. Danach ist ihm ἀγέρω-
χοὸς ursprünglich staunenerregend, anzustaunen, erstaunlich, d.i. je
nach dem Zusammenhange ruhm-ehrenreich, mit hohem, stolzem
Selbsibewussisein, muthvoll, ungebärdig, brutal, — entsprechend den
schwankenden Erklärungen der Alten. Sonst vgl. den Artikel ἀγέ-
g@yog in Ebelings Lexicon Homericum, dazu Jahrbb. f. Philol. 1871
p- 582: Aristarch über ἀγέρωχος. Nach Bergk griech. Literaturgesch.
Ip. 129 wäre übrigens ἀγέρωχος eigentlich der Stier, der stolz seiner
Heerde voranzicht (ἀγέλαυχος).
345. Ein Bild der Burg von Troja entwirft Hasper das alte
Troja etc. p. 4 {, Ueber den Unterschied der trojanischen ἀγορή von
der griechischen stellt Gladstone hower. Studien p. 418 Betrachtungen an.
353. Zur Athetese des allgemein verworfenen Verses vgl. Ari-
stonikos τ. St. bei Friediaender p. 133, auch Heyne Excurs. II im
V. Bande seiner Ausg. p. 403 ff.
366. Nach B. Delbrück Ablativ, Localis, Instrumentalis, Berlin
1867 p. 56 ist in der Formel ϑεόφιν μήστωρ ἀτάλαντος die Form
ϑεόφιν Vertreter des sociativen Instrumentalis, nicht des eigentl. Dativs
also: mit den Göttern gleich (an Gewicht). Dazu vgl. Ad. Moller
383 Kritischer und exegotischer Anhang. 4.
über den Instrumentalis im Heliand und das homerische Suffix φι(φιν),
Danzig 1874 p. 23, welcher sämtliche homerische Formen auf gt
syntactisch ordnet und dieselben auf die Vertretung des Instrumentalis
oder des Ablativs oder des Localts beschränkt, (vgl. Philologus XXVIIL
p- 527 fl).
368. 369 fehlen im Venetus. Vgl. la Roche in 2. f. d. oest.
6. Xp. 161.
380 fehlt in den besten Handschriften und ist von den Heraus-
gebern allgemein verworfen.
387. Ueber εἴ (eljxev mit dem Optativ im Allgemeinen und die
Auffassung dieser Stelle im Besondern vgl. Z. Zange der humerische
Gebrauch der Partikel εἰ, II, p. 511 fl.
390. Ursprüngliche Länge des πρίν erweist vgl. Hartel homer.
Stud. I p. 72 f.
407. Die Bedeutung von ὑποκρίνεσθαι erörtert Sommerbrodt
im Rhein. Mus. XXI p. 513 f.
408. 409. Gut bemerkt Nicanor περὶ IA. στιγμῆς el. Fried-
laender p. 192: βραχὺ διασταλτέον ἐπὶ τὸ νεκροῖσιν. — Die
folgenden Verse sind eingehend behandelt von /a Roche in der Zeitschr,
für die oesterr. Gymnas, 1860, p. 171 f., welcher den Sinn gewinnt:
„die Bestattung der Todten verweigere ich nicht, denn es ist rück-
sichtslos gegen die Todien gehandelt, wenn man sie nicht gleich be-
stattet.“ Zucas philologische Bemerkungen, Emmerich 1843, p. 14
erklärt: „mit Leichen ist nicht viel Aufhebens zu machen‘ d. h. bei
Menschen findet, wenn sie gestorben sind, keine Schonung statt, und
fasst μειλισσέμεν durch Geben erfreuen, wohei er den Genetiv durch
die Construction des begrifflich verwandten χαρέξεσθαι (freudig geben)
erläutert. Die im Commentar gegebene Erklärung schliesst sich in
der Hauptsache an die letztere an. Dagegen fasst den Genitiv als
Vertreter des Instrumentalis Heilmann de Genelivi graeci maxime
Homerici usu. Marburg 1873 p. 41 f.
416. Ueber die Endung -ος mit folgender Interpunktion als
metrische Länge vgl. Hartel homer. Stud. I p. 67.
421. Ueber eine Beobachtung Aristarch’s hinsichtlich der Aus-
drucksweise vgl. Lehrs Arist. ?p. 175.
427. Lessings Folgerung aus der vorliegenden Stelle in Bezug
auf die charakteristische Entgegensetzung der Troer als Barbaren und
der Griechen als eines gesitteten Volkes, welche er im Laokoon p. 23
(Hempel’sche Ausg.) in den Worten ausspricht: „Er (der Dichter) will
uns lehren, dass nur der gesitlete Grieche zugleich weinen und tapfer
sein könne, indem der ungesitiete Trojaner, um es zu sein, alle
Menschlichkeit vorher ersticken müsse“ wurde in einem eigenen Auf-
satze „Verbot Priamps den Trojanern zu weinen?“ von Fr. Jacobs in
der Bibl. d. alt. Literatur u. Kunst, achtes Stück, 1791 p. 34—44
mit Recht bestritten. Er selbst meinte, κλαίειν sei verschieden von dem
vorhergehenden δάκρυα ϑερμὰ χέοντες, dem natürlichen Ausbruch des
Schmerzes, und von der lauten ceremoniösen Todtenklage der Ver-
Kritischer und exegetischer Anhang. Z. 39
wandten zu verstehen: bei den Griechen konnte von einem solchen
‘Verbot nicht die Rede sein, weil die Verwandten der gelödteten
Griechen entfernt waren. (ἢ)
433. Ueber ἀμφιλύκη vgl. G. Curlius Etymol. *p. 160, Welcker
griech, Götterlehre I p. 476, Oertel de chronologia Homerica III,
Misenae p. 1850 p. 32, auch Merkel Apollon. Rhod. p. 152. Da
der Begriff des Schwankenden und Zweifelhaften, den ἀμφί in dieser
Composition hat, sonst in dem homerischen Gebrauch dieses Wortes
ich nicht findet, so hält Hoffmann homer. Untersuchungen No. 1.
. ἀμφί in der Ilias, Lüneburg 1857 p. 10 dies Kompositum für späte-
ren Ursprungs, ufiter Zustimmung von Schuster, über die kritische
Benutzung homerischer Adjective, Clausthal 1859 p. 16. — Ueber
die chronologischen Bedenken gegen diese ganze Partie vgl. die Eiü-
leitung p. 10.
443. Die folgende Episode bespricht in Bezug auf die Vorstellung
vom Neide der Götter Zehrs populäre Aufsätze p. 38, vgl. Doerries
über den Neid der Götter bei Homer p. 25. Verworfen wird dieselbe
von Geppert über den Ursprung der homer. Gesänge I, p. 34. 85.
430, Bischoff im Philol. XXXIV p. 14, Köchly diss. VII p. 10, vgl.
auch Daeumlein im Philol. XI p. 414, nach dem Vorgange der
Alexandriner: vgl. Aristonicus ed. Friedlaender p. 135, Düntzer de
Zenodot. p. 186 und 198.
446. Ueber die Bedeutung der Bezeichnung ἡ Vater? hei Zeus
vgl. Welcker gr. Götterlehre I p. 179. Zur Frage vgl. Praetorius
der homer. Gebrauch von ἦ in Fragesätzen p. 6.
451. Ueher ὅσον τ᾽ ἐπί vgl. den Anhang zu ν 114.
453. Ueber die vorm ἥρῳ, wofür Nauck im Bullet. de l’Acad.
de Saint-Petersb. VI, 1, p. 27 ἥρωι lesen will, vgl. Friediaender in
den Jahrbb. f. klass. ΠΝ Suppl. ΠῚ p. 770. — Die Dienstleistung
der Götter im Zusammenhang mit der Frage über die Stellung der
'Theten bespricht Riedenauer Wandwerk und Handwerker p. 25 und
33. Ueber den Zusammenhang der hier berührten Sage mit andern
homerischen Stellen und ein darauf hasiertes vorhomerisches Lied
von Herakles Zug gegen Troja vgl. Nitzsch Beiträge p. 153 f. —
Eine sinnreiche, aber zweifelhafte Auffassung von ἀϑλήσαντε bei
Welcker Gr. Götterlehre II, p. 369 Anm. 113.
467 M. Ueber die Colonisation von Lemnos durch die Minyer
vgl. 0. Müller, Minyer p. 299, über die Argonauten auf Lemnos
Preller's Mythol. II p. 221. — Da Zemnos den Achaeern keine
Mannschaft stellt, so schliesst Naegelsbach hom. Theol. ?p. 307 auf
eine Art voii Neutralitätsverhältniss. Ueber deu Handelsverkehr in der
homer. Zeit vgl. ausser dem bei Naegelsbach hom. Theol. ?p. 307 f.
Bemerkten jetzt Büchsenschütz Besitz und Erwerb im griech. Alterth.
Halle 1869, p. 358 M., 465 fl., Riedenauer Handwerk und Hand-
werker p. 55 fl. 149. Ueber den Weinbau auf Lemnos vgl. auch
Hort vom Weine bei Homer, Straubing 1871 p. 6.
40 Kritischer und exegetischer Anhang. 4.
471 f. Ueber χέλιοι als runde Zahl und den Gebrauch der
Zahlen bei Homer üherhaupt spricht Gladstone hom. Stud. p. 451.
473 N. Ueber die Tauschobjecte vgl. Riedenauer Handwerk
etc. p. 136. 171, Note 95, Büchsenschütz Besitz und Erwerb p. 358.
Der Eintausch von Erz und Eisen scheint im Zusammenhang damit zu
stehen, dass Lemnos eine alte Pflegestätte der Metallarbeit war, worauf
die Sage von der Aufnahme des Hephaestos durch die Sinlier (4 594.
2 400) weist; vgl. auch H. Blümner die gewerbl. Thätigkeit p. 86.
— ἀνδραπόδεσσι, schon von Aristarch als eine jüngere Benennung:
bezeichnet, vgl. Aristonikos bei Friedlaender 2. St. p. 135, Fried-
laender in Jahrbb. f. class. Philol. Suppl. ΠῚ p. 782, Bekker Homer.
Blätter II p. 67, zur Etymologie Ebeling’s Lex. Homericum s. v.: welches
auch die Ableitung des Wortes sein mag, jedenfalls hezeichnet es im
Gegensatz zu den sonst bei Homer üblichen Benennungen den Sclaven-
als Sache, als Besitz eines andern. Ueber die verschiedenen Bezeich-
mungen der Sclaven bei Homer vgl. Nitzsch Anmerkung. zur Odyssee
I p. 231, dazu Schoemann gr. Alt. 1 p. 42, Note 4, Gladstone hom.
Stud. p. 353, Büchsenschütz Besitz und Erwerb p. 104, Richard
de servis apud Hom., Berliu 1851 p. 40 fl.
476. Ueber den Widerspruch zwischen παννύχιοι und V. 482
ναὶ, Oertel de chronologia Homer. I, Meissen 1833, p. 26 und Bro-
sin de coenis Homerieis, Berlin 1861 p. 16, Note 7.
482. Zenodot schied den letzten Vers dieser Rhapsodie, wie
den ersten der folgenden (den er nach Θ᾽ 52 versetzte) aus, um 80.
die Götlerversammlung eng mit dem über Zeus 478 fl. Gesagten τὰ
verbinden: vgl. Düntzer Zenodot. p. 154.
©.
Einleitung.
Literatur: La Roche über das 7. u. 8. Buch der Nias in Z. ἢ.
oest. Gymn. 1860. XI p. 162 ff. Düntzer Aristarch. Das erste,
achte und neunte Buch der Ilias kritisch erörtert. Paderborn 1862
p- 66 ἢ. Köchly de Niadis carmm. diss. VII p. 14 I. (Vgl. Ribbeck
in Jahrbb. f. Philol. 85, p- 24 ff.) Gegen die beiden letzteren ge-
richtet ist Calebow Beiträge zum achten Buch der Ilias. Stettin 1865-
und desselben de lliadis libro octavo. Jenae 1870. — Kayser de
interpolatore Homerico p. 5 Il — Lachmann Betrachtungen p. 24—26
(vgl. Düntzer homer. Abhandl. p.58 f., Hoffmann im Philol. ΠῚ p.215 f.,.
Gerlach im Philol. XXX p. 30 f., Nutzkorn die Entstehungsweise
der homer. Gedichte p. 158 MM). — Nitzsch Beiträge p. 363 f.,
Sagenpoesie p. 218 fl. Kiene Komposition der Ilias p. 86 f. 1001.
Nutzhorn Entstehungsweise p. 205 f. 241. — Friedlaender die
homer. Kritik etc. p. 31 M. ARidbeck im Philol. VII p. 475 I. —
Jacob Enistehung der Ilias u. Odyssee, p. 219—226. — Genz zur
Ilias p. 28 1. — 4. Bischoff im Philol. XXXIV p. 14. 1. — G. Herr-
mann de interpolationibus Homeri. Lips. 1832, p. 12 f. (— Opuscul.
V p. 63). — Hoffmann quaestt. Hom. II p. 213 iM. Giseke homer.
Forschungen p. 162 il. 230. — Bernhardy Grundriss d. griech. Lit.
71, 1, p. 164. Bergk griech. Literaturgesch. 1 p. 587 fl.
Das achte Buch, überschrieben Κόλος μάχη “der abgebrochene
Kampf’, weil der Einbruch der Nacht (500) demselben ein Ende macht,
umfasst die Ereignisse des zweiten Schlachttages (des 25sten der Ilias
überhaupt, der mit dem Schluss von K endet) bis zum Einbruch der
Nacht, und zu Anfang dieser die Agora der Troer und ihr nächtliches
Lager in der Ebene. Die Folge der Begebenheiten ist in kurzer Ueber-
sicht diese: V. 1—52, Agora der Götter am frühen Morgen: Zeus.
untersagt streng sämmtlichen Göttern jede Betheiligung am Kampfe;
seine Fahrt auf den Ida; 53—67, Auszug beider Heere und unent-
schiedener Kanıpf bis Mittag; 68—79, am Mittag entscheidender Wende-
punkt, bezeichnet durch das Wägen der Loose der Troer und Achaeer;
Zeus schreckt die letzteren mit Donner und Blitz: Flucht der achaei-
schen Helden. Der weitere Verlauf des Kampfes bis zum Abend
gliedert sich in folgenden 4 Abschnitten, welche durch drei rasch
42 Kritischer und exegetischer Anhang. Θ.
wechselnde Wendungen des Kampfes bestimmt werden: 1, V. 80—131,
erfolgreicher Widerstand des Diomedes gegen Hektor bis zu dem
Punkte, dass die Troer Gefahr laufen in die Stadt zurückgedrängt zu
werden. Diomedes weicht vor Zeus’ Blitzstrahl nur mit Widerstreben.
2, V. 132—217 Hektors siegreiches Vordringen bis zum Graben
der griechischen Mauer. Hektor ist nahe daran die Schiffe in Brand
zu stecken, da giebt Hera, die schon 198— 211 einen vergeblichen
Versuch gemacht hat Poseidon zur Unterstützung der Achaeer zu be-
wegen, dem Agamemnon ein die Achaeer zu ermuthigen. Sein ver-
zweifelndes Gebet bewegt Zeus zum Mitleid. 8, V. 218—334, vor-
übergehender Sieg der Achaeer. Diomedes voran stürmen die achaei-
schen Helden wieder über den Graben vor; Aristie des Teukros, bis
Hektor durch die Erlegung seines Wagenlenkers erbittert, Teukros
mit einem Steinwurf niederstreckt. 4, V. 335 —349, enischiedene
Niederlage der Achaeer: Zeus verleiht den Troern neue Kraft, von
Hektor eifrig verfolgt fliehen die Achaeer über den Graben zurück. In
dieser höchsten Bedrängniss der Achaeer erfolgt noch 350—437 ein
Versuch der Hera und Athene auf das Schlachtfeld zu fahren und zu
Gunsten der Achaeer einzugreifen, welcher aber durch Zeus Drohungen
vereitelt wird. Den Beschluss des Tages macht 438—484 eine Scene
im Olymp, wo Zeus die beiden Götlinnnen verspottet und für den
folgenden Tag eine noch schlimmere Niederlage der Achaeer ankündigt.
Die einbrechende Nacht macht dem Kampfe ein Ende, 484 — 488.
Agora der Troer iu der Ebene: Hektor räth auf dem Schlachtfelde zu
lagern, um am andern Morgen den Kampf bis in die Schiffe zu tragen,
489—542. Abendmahlzeit der Troer; Wachtfeuer, 543—565.
Das achte Buch steht im eigentlichen Mittelpunkte der epischen
Handlung. Innerlich motiviert durch das am Schluss des ersten Buches
von Zeus der Thetis gegebene Versprechen, vorbereitet durch die in
Buch IH—VII erzählten Ereignisse des ersten Schlachttages, wird die
hier durch Zeus’ persönliches directes Eingreifen herheigeführte erste
entschiedene Niederlage der Achacer der Ausgangspunkt für die ganze
folgende Entwicklung. Diese grundlegende Bedeutung des Buches für
die folgende Handlung wird am Schluss desselben selbst angedeutet
durch Zeus’ Vordeutung des weiteren Verlaufs V. 470 ff. und Hektors
siegesgewisse Worte 530 ff. Andrerseits fehlt es nicht an Rück-
beziehungen auf die vorhergehenden Bücher. Auf das der Thelis von
Zeus gegebene Versprechen weist direct hin Athene 370 fl. vgl. A
500, ferner erinnern die Worte der Iera 430. 431 an A 542, und
Zeus’ Rede in den Eingangsworten 7—9 ist nur verständlich durch
die Beziehung auf die Andeutungen, welche derselbe A 564 vgl. mit
558. 559 gegeben hat, dass er auf Thetis’ Bitte entschlossen sei,
über die Achaeer eine schwere Niederlage zu verhängen, um Achill
Genugihuung zu verschaffen. Bedeulsam treten auch die Beziehungen
auf die Ereignisse des ersten Schlachttages hervor. Eine negative Be-
ziehung darauf enthält schon die Ausschliessung der übrigen Götter
von der Theilnahme am Kampfe durch Zeus’ Verbot. Direkt liegen
Kritischer und exegetischer Anhang. @. 43
vor allem die Beziehungen auf Diomedes’ Aristie in E zu Tage: kein
Held tritt so hervor, wie Diomedes, er ist der einzige, der bei der
allgemeinen Flucht dem Hektor Stand hält, er der erste, der bei der
günstigen Wendung wieder über den Graben vordringt (V. 253); auf
ihn concentrieren sich Hektors Hoffnungen und Befürchtungen für den
weiteren Verlauf des Kampfes (532 M. vgl. 196. 197). Im Einzelnen
weisen 108 ff., 154—156, 161—166 auf seine früheren Thaten, und
130—134 lässt sich der nach dem Vorhergehenden so überraschende
Umschwung nur begreifen, wenn man sich der furchtbaren Bedräng-
niss erinnert, in welche Diomedes am ersten Schlachttage die Troer
gebracht hatte: vgl. Z 95—101. 331. 367 f. Die Scene 167 ff.
erinnert an E 432 fl. Die Beziehungen auf das unmittelbar vorher-
gehende 7ie Buch sind gering: der Mauerbau wird als kurz vorher
ausgeführt in Hektors Worten 177 ff. erwähnt, 261 ff. entsprechen
Ἢ 161 fl.; die Verwendung von Aias’ Schild bei Teukros’ Aristie
267 MM. mag die Beschreibung desselben 4 219 M. zurückrufen, da-
gegen trilt Aias selber, der in jenem Buche als ebenbürtiger Gegner
Hektors im Zweikampfe sich bewährt hatte, zurück, er ist unter den
Fliehenden, wird nachher nur unter den andern Helden ohne Auszeich-
nung genannt und tritt nur wegen des Dienstes, den sein Schild dem
Teukros leistet, hervor.
Auch das achte Buch zeichnet sieh. durch eine Reihe charakteristi-
scher Eigenthümlichkeiten aus. Vor allem trägt es durchweg in In-
halt, wie Darstellung einen lebhaften, energischen Charakter. Die
Handlung ist überaus mannigfaltig (viel Gölterhandlung) und hewegt;
unter Zeus’ eingreifender Hand wechselt die Schlacht in raschem Um-
schwung hin und her, eben so rasch ist der Scenenwechsel, der uns
bald auf den Olymp, bald auf den Ida, bald zu den Griechen, bald zu
den Troern führt, Die Schlachtbeschreibung ist im Ganzen kurz und
deutet zuweilen nur den Gang des Ganzen nach den löhepunkten der
Entwicklung an, ohne bei den Einzelheiten zu verweilen. Grossen
Raum nehmen die Reden ein und auch in diesen herrscht ein lebhafter,
zum Theil heftiger Ton, der sich selbst bis zum Masslosen steigert
(vgl. 12—16. 402 M. 477—483. 423 MM. 164—166. 178 ff. 196 fl.
526 if. 535—541); daneben Züge einer lebhaften, grossartigen Fanta-
sie (199. 443. 554—563), die in Zeus’ Eröffnungsrede an das Selt-
same streift, Beziehungen auf die Heldensage (382 f.), auf alte Gölter-
sage (478). Sonstige, zum Theil unhomerische Eigenthümlichkeiten sind
das Viergespann 185, die Pflege der Rosse durch Andromache 187,
das Weintrinken derselben 189, nur hier spannt Poseidon dem Zeus
die Rosse aus (440), nur hier werden die Augen der Gorgo erwähnt
(349). In der Darstellung theilt das achte Buch mit dem siebenten
zahlreiche Uebereinstimmungen mit allen Theilen der Ilias, vgl. Genz
p- 18 und die Nachweisungen bis ins Kleinste bei Kayser, Köchly,
Düntzer. Eigenthümlich sind demselben eine Reihe von Ausdrücken
σέλας δαιόμενον 76, πρεσβήϊον 289, οὐδενόσωρος 178, ἀπερωεύς
361, der Gebrauch von ὑγιής — erspriesslich 524, χρυσός 48 —
44 Kritischer und exegetischer Anhang. Θ.
goldener Panzer, σημάντωρ 127 = Rosselenker, δατέεσϑαι 550
= πάσασϑαι, ferner die Wendungen δαίμονα δώσω 166, Διὸς νόον
εἰρύσσασϑαι 143; auffallend ist reoio 37; in syntaktischer Beziehung
186 fl. 230 f. 340.
Zum Theil schon die eben erwähnten Eigenthümlichkeiten in In-
halt und Darstellung, ausserdem eine Reihe von Punkten, welche den
inneren Zusammenhang des Buches betreffen, haben auch hier der
Kritik mannigfachen Anstoss gegeben. Bei der Erörterung dieser
Fragen sehen wir von dem von Zuchmann gefundenen Unterschied in
der Darstellung zwischen der ersten (bis V. 253) und zweiten Hälfte
des Buches ab; seine Ansicht, dass die erste Partie in der Art der
Darstellung ebenso sehr mit der letzten Partie des siebenten Buches
übereinstimme, wie sie von dem Rest des achten verschieden sei,
daher er sein siebentes Lied erst mit V. 253 beginnen liess, ist mit
Recht bestritten; die gleich wie beim Schluss des siebenten Buches ge-
tadelte Kürze und Hast der Darstellung dürfte sich zum Theil aus der
lebhaften Bewegung der Handlung rechtfertigen lassen; Unklarheit dieser
Partie in gleicher Weise vorzuwerfen ist man gewiss nicht berechtigt.
Die gegen den Inhalt des Buches erhobenen Ausstellungen
betreffen zunächst die Haltung des Zeus. So scheint vor allem mit
den masslosen Drohungen, welche derselbe in seiner Rede V. 10—17
ausspricht, die unmittelbar folgende Antwort, V. 39. 40, welche er
der Athene auf ihre Erwiderung ertheilt, unvereinbar. Ferner scheint
der Festigkeit seines Enischlusses, welche nach jener Eröffnungsrede
vorauszusetzen ist, sein weiteres Verhalten durchaus zu widersprechen.
Nicht nur, dass er bis Mittag dem Kampfe ganz unthätig zuschaut; als
er endlich zum Handeln übergeht, greift er, als ob er noch ganz
rathlos wäre, zur Wage, um das Schicksal zu befragen, und selbst
mach der dadurch gegebenen Entscheidung, nachdem er durch den
Blitzstrahl seinen entschiedenen Willen kund gethan, lässt er den Kampf
noch lange hin und herschwanken und gewährt selbst, durch Aga-
memnons verzweifeltes Gebet gerührt, den Achaeern eine Weile den
Sieg. Nicht sonderlich geschickt findet man auch den verschwenderi-
schen Gebrauch von Blitz und Donner. “Wie es zugeht, dass dies
Blitzen und Donnern auf die Troer ermuthigend, auf die Achaeer ent-
muthigend wirkt, bleibt uns räthselhaft, obgleich bei der sprichwört-
lichen Klarheit der homerischen Dichtung eine Andeutung hierüber
durfte erwartet werden.’ (Bischoff).
Besondern Tadel hat ferner das Zwiegespräch zwischen Hera und
Poseidon 198— 212, sowie der vergebliche Versuch der Hera und
Athene in den Kampf zu Gunsten der Achaeer einzugreifen, 350—484,
erfahren. Wenn an der ersten Stelle Hera, unwillig über Hektors
Prahlerei Poseidon vergeblich zu bewegen sucht den Achaeern beizu-
stehen, so sieht man darin einen ganz verfehlten Zug — “um so
läppischer, weil, wie man sogleich sieht, Hera des Poseidon gar nicht
bedurfte. Denn wie Hektor immer weiter vordringt, kommt sie auf
den richtigen Gedanken (218), sie giebt dem Agamemnon den Ent-
Kritischer und exegetischer Anhang. @. 45
schluss ein die Achaeer von neuem zu ermuntern.” (Bischojf.) Bei der
andern Partie hebt man zunächst den Widerspruch mit Zeus’ ausdrück-
lichem strengen Verbot hervor, ein Widerspruch, der neben andern
Herrmann zu der Annahme veranlasste, dass Zeus’ Rede im Anfang
des ten Buches ihre ursprüngliche Stelle zu Anfang des 13ten gehabt
habe. Andere wie Hoffmann, fügen hinzu: “konnten Athena und
Hera sich des Versuchs nicht enthalten, so mussten sie auf einen
Kampf mit Zeus gefasst sein und nicht so schmählich umkehren.”
Muss aber bei so schmählichem Ausgauge das unnütze Unternehmen
selbst als ein “alberner Einfall? erscheinen, so kann ein solcher Appa-
rat (über 130 Verse) um nichts unmöglich gerechtfertigt sein, gelinde
beurtheilt ist die ganze Partie ein überfüssiges Episodium.
Einen Widerspruch mit den folgenden Büchern bietet Teukros’
schwere Verwundung 324 fl.: denn bereits am folgenden Tage ist
derselbe wieder im Kampfe thätig (M 371. 387),. ohne dass seiner
Verwundung gedacht würde. Im Widerspruch mit der übrigen Ilias
steht auch, was 191—197 von Nestors Schilde und Diomedes’ Harnisch
gesagt wird. Auffillend ist endlich, dass Aias im ganzen Buche zurück-
tritt, um so mehr, als er im vorhergehenden eine so hervorragende
Rolle gespielt hat, Odysseus nur erwähnt wird, um ihn als feigen
Flüchtling zu brandmarken (92 ff).
Hinsichtlich der Darstellung ist auch von denen, welche die oben
erwähnte Scheidung Zachmanns zurückgewiesen haben, doch allgemein
getadelt, dass dieselbe bei dem Gewirr der Begebenheiten nirgends zur
Ruhe komme, “Es findet sich sowenig Aushreitung des Einzelnen; die
Extreme (131. 217) stehen so nahe neben einander, dass man den
Dichter nicht gerade für hochbegabt ansehen darf’ (Hoffmann). Fried-
laender beschränkt mit Zackmann den Tadel auf die erste Hälfte des
Buches, welche an einer gewissen Hast und Kürze leide, die der Ruhe
und Klarheit Eintrag thue, und formulirt das Auffallende des raschen
Wechsels der Handlung bestimmter so: “wenn diese Veränderungen
auch nicht durch ihre Häufigkeit befremden, so befremden sie doch
durch die Plötzlichkeit und Vollständigkeit.’
Bei dem engen Zusammenhange zwischen Darstellung und Inhalt
lässt sich von vornherein erwarten, dass aus einer lebhaft bewegten
Handlung ein gewisses Mass von Bewegung auch der Darstellung sich
mittheilt. Es ist daher nur die Frage, ob die Bewegung in der epi-
schen Handlung selbst gehörig motivirt ist und sich in den rechten
Grenzen hält und ob die dadurch zum Theil bedingte lebhafte Dar-
stellung die dem Epos eigene Ruhe und Klarheit nicht zu sehr beein-
trächtigt.
Die Handlung des Tages wird im Wesentlichen bestimmt durch
drei Factoren: das zu erreichende Ziel, die Besonderheit der Situation
und die durch die vorhergehende Erzählung gegebeneu Momente. Das
diesem zweiten Schlachttage gesteckte Ziel ist die äusserste moralische
Niederlage der Achaeer, dadurch herbeigeführt, dass sie unfähig das
Schlachtfeld zu behaupten, hinter Graben und Mauer zurückgeschlagen
46 Kritischer und exegetischer Anhang. ©.
werden — die äusserste physische Noth derselben herbeizuführen ist
dem folgenden Schlachttage vorbehalten. Die Besonderheit der Situa-
tion beruht darauf, dass unter Ausschliessung der andern Götter Zeus
allein direct und persönlich eingreifend die Leitung der Schlacht zu
diesem Ziel hin handhabt. Durch die vorhergehende Erzählung enilich
sind in der Götter- wie in der Menschenwelt eine Reihe von Be-
ziehungen und Verhältnissen gegeben, die hier fortwirken, iu ihren
Folgen sich äussern.
Von dieseu drei Factoren ist für den Charakter der Handlung
vor allem bestimmend der zweite: Zeus’ "Wille energisch auf das ge-
setzte Ziel hingerichtet, seine ausschliessliche Leitung des Kampfes,
seine Macht verlangen eine rasche Entscheidung, gestatten nicht eine
Ausbreitung des Kampfes, wie am ersten Schlachttage mit seinen
Einzelkämpfen und anmuthigen Episoden, nicht ein Hin- und Herwogen
der Schlacht ohne wesentliche Entscheidung. Diesem zu rascher Ent-
scheidung drängenden Impuls von Seiten des Zeus treten aber retar-
dierende Momente gegenüber, welche doch eine Art von Entwicklung
und bis zu einem gewissen Masse eine Ausbreitung des Kampfes er-
möglichen. Diese sind in der früheren Erzählung gegeben und be-
ruhen theils auf dem energischen Widerstaude, welchen Diomedes, der
Hauptheld des ersten Schlachttages, ängstlich besorgt den vorher ge-
wonnenen Kriegsruhm zu verlieren (vgl. 148), Hektor entgegensetzt,
theils auf dem Versuch der griechenfreundlichen Götter Zeus’ Willen
zu durchkreuzen. Durch diese Gegensätze wird die oben angedeulete
Gliederung des Kampfes nach seinen drei Wendungen bestimmt, und
auf ihnen beruht der lebhaft bewegte Charakter der Handlung.- In dem
Bewusstsein, dass es sich um eine grosse Entscheidung handelt, treten
die widerstrebenden Kräfte in der Menschen- wie in der Götterwelt
energisch ringend einander gegenüber, und die Hefligkeit dieses Kam-
pfes steigert sich um so mehr, als Zeus’ Eingreifen nach der vorher-
gehenden Entwicklung einen so plötzlichen und völligen Umschwung
der Verhältnisse herbeiführt. Hiezu kommt das nationale Interesse des
Dichters, worüber Friedlaender p. 32 treflend bemerkt: “Auch wird
man sich das häufige Umspringen von Sieg zu Flucht aus dem
Schwanken des Dichters erklären zwischen der Nothwendigkeit, die
Niederlage der Griechen zn erzählen, und dem Wunsch, sie den Bar-
baren überlegen darzustellen. Es ist als ob er gar nicht nachdrück-
lich genug glaubt sagen und nicht oft genug wiederholen zu können,
dass Zeus’ Wille und Zeus’ Wille allein den Troeru Sieg verleihen
konnte.?
Kann nach den gegebenen besondern Verhältnissen der energische
Charakter der Handlung, sowie der gehobene, leidenschaftliche Ton in
den Reden nicht befremden, so wird auch die Berechtigung des Ta-
dels, dass die Erzählung nirgends zur Ruhe komme, sehr zweifelhaft.
Dass die Hast der Erzählung der Klarheit Eintrag thue, kann ich im
Allgemeinen nicht finden. — Nicht gehörig motiviert scheint nur der
durch Diomedes’ Widerstand gegen Hektor herbeigeführt so plötzliche
Kritischer und exegetischer Anhang, ®, 47
und völlige Umschwung der Situation 130: man begreift an sich
schwer, wie die Erlegung von Hektors Wagenlenker eine solche Wir-
kung haben konnte, zumal da Hektor sofort einen andern Wagen-
lenker findet, und nur die Erinnerung an den furchtbaren Schrecken,
den Diomedes’ Thaten am ersten Schlachttage den Troern eintlössten,
kann das Unbegreifliche dieses Umschwungs etwas vermindern. Auch
bei dem zweiten Umschwung ist die Erzählung äusserst kurz und
sprunghaft. Eben im Begriff die Troer bis in die Mauern der Stadt.
zurückzudrängen, wird Diomedes durch Zeus’ Blitzstrahl zur Umkehr
gezwungen. Durch Hektors höhnende Worte gereizt, denkt er V. 167
noch einmal an Widerstand, weicht aber vor Zeus’ Donnerschlägen;
‚es folgen zwei Reden Hektors, worin er die Seinen und die Rosse er-
muntert, ein kurzes Zwiegespräch im Olymp und sofort V. 213 finden
wir die Achaeer zwischen Graben und Mauer zusammengedrängt, ohne
dass der dazwischenliegende Verlauf zur Darstellung‘ käme, und schon
droht Gefahr, dass Hektor die Schiffe in Brand steckte. Allein hier liegt
die Sache wesentlich anders. Da Diomedes der einzige Held ist, wel-
cher Hektor Widerstand geleistet hat, so ist, nachdem dieser Wider-
stand durch Zeus” wiederholtes Eingreifen gebrochen ist, kein Raum
mehr für eine weitere Entwicklung des Kampfes. Sollten wir nun
berechtigt sein den Dichter zu tadeln, dass er uns über die Einzel-
heiten der allgemeinen Flucht und verschiedener Mordscenen dadurch
hinwegführt, dass er theils in Hektors siegesstolzen Reden, theils in
Hera’s sorgenvoller Bekümmerniss uns die Grösse der die Achaeer
bedrohenden Gefahr vergegenwärtigt! Bei dieser Art der Darstellung,
welche den Gang der Ereignisse nur im Grossen nach den Höhepunkten.
zeichnet, ist insbesondere die so scharf getadelte Scene zwischen Hera
und Poseidon durchaus unentbehrlich. Sie füllt passend den Raum
von dem Moment, wo Diomedes’ letzter Versuch des Widerstandes
gebrochen ist und Hektor voll Siegeszuversicht die Seinen zur ener-
gischen Verfolgung des Feindes ermuntert, bis zu dem Punkt, wo das
Resultat dieser berichtet wird, die Achaeer bereits zwischen Graben und
Mauer sich drängen. Es ist wahr, Hera’s Versuch Poseidon zum Ein-
greifen zu bewegen ist verfehlt, er scheitert an dessen Besonnenheit:
aber ist er auch dichterisch verfehlt? Wäre es etwa dem leidenschaft-
lichen Charakter der Hera unangemessen, dass dieselbe im Zustande
des Allects einen verfehlten Zug thut? und wird dieser dadurch wirk-
lich so läppisch, dass sie in der Folge den wirksamen ihut? Man über-
sieht überdiess, dass, als Hera selbst auf Agamemnon einwirkt, in-
zwischen die Situalion wesentlich verändert, die Niederlage der Achaeer
vollendete Thatsache ist, und Hera’s Einwirkung das Resultat der
äussersten Noth ist. Danach finden wir die Scene zwischen Hera und
Poseidon durchaus motiviert: sie ist einmal nothwendig, um die oben
bezeichnete Lücke in der Erzählung auszufüllen, und bereitet andrer-
seits das Eingreifen der Hera 218 vor, wodurch eine neue Wendung
im Kampfe herbeigeführt wird. Der Höhepunkt der Gefahr, welche
jetzt den Achaeeru droht, wird 217 durch die Wendung bezeichnet:
48 Kritischer und exegetischer Anhang. @.
und nun würde Hektor mit flammenden Feuer die Schiffe angezündet
haben. Ich glaube nicht, dass man berechtigt ist, hierbei in gleicher
Weise anzustossen, wie bei der ähnlichen Wendung 131. Denn nach-
dem jeder Widerstand gebrochen, die Achaeer in wildem Gedränge
über den Graben zurückgeschlagen waren, wer hätte Hektors Lauf
aufhalten sollen? Uebereinstimmt damit, wie Agamemnon 243 die Lage
auffasst. Die Art, wie nun diese neue Wendung eingeleitet wird, ist
etwas compliciert. Hera wirkt auf Agamemnon ein; dieser sucht die
Achaeer zu ermuthigen und wendet sich dabei im Gebet an Zeus;
dieser gewährt, von Mitleid bewegt, den Achaeern einen vorüber-
gehenden Sieg. Aber es bedurfte dieses Umweges, da ein directes
Eingreifen der Hera nicht möglich, ein eigues Aufraffen der Achaeer
unvereinbar mit Zeus’ Einwirkung war; so blieb Zeus’ Mitleid das
einzige Motiv, wodurch eine neue Wendung herbeigeführt werden
konnte. Aber war diese selbst nothwendig? Damit treten wir den
‚mancherlei Zweifeln näher, welche gegen das Verhalten des Zeus über-
haupt erhoben sind.
Ein Haupttadel trifft die Langsamkeit, mit der Zeus seinen zu
Anfang des Buches so energisch angekündigten Entschluss zur Aus-
führung bringt. Nun ist schon oben von den retardiereuden Mo-
menten gesprochen, welche in der vorhergehenden Entwicklung der
‚epischen Handlung von vornherein gegeben sind, auch hervorgehoben,
wie das nationale Interesse des Dichters bei der Darstellung einer ent-
scheidenden Niederlage der Achaeer seine Wirkung thun musste. So
ist durch den ersten Umschwung des Kampfes vor allem die Ehre
‚des Helden gerettet; der am ersten Schlachttage der Schrecken der
Troer gewesen war; die zweite Wendung des Kampfes, welche durch
Hera’s Einwirkung auf Agamemnon eingeleitet und durch Zeus’ Mit-
leid mit diesem motiviert wird, giebt nun der Gesammtheit der achaei-
schen Helden die Möglichkeit, die Schmach der vorhergehenden Flucht
zu tilgeg; es (ritt Agamemnon hervor, wie seine Stellung in so ent-
scheidendem Augenblick es fordert. Andrerseits ist nicht recht er-
sichtlich, was Zeus hindern sollte, den Achaeern einen vorübergehen-
den Sieg zu geben. Das Ziel des Tages ist die äusserste moralische
Niederlage der Achaeer ; diese wird nach dem kurzen Hoffnungsschinmer
schliesslich nur um so niederschlagender. Ueberdies verlangt auch
die äussere Technik des Epos retardierende Momente. Soll der Kampf,
der zu dieser entscheidenden Niederlage führt, den Raum eines Tages
füllen, so darf er schon deshalb nicht mit Diomedes Rückzug schliessen.
Denn nach der Lage der Dinge würde schon jetzt ein Angriff auf die
Mauer erfolgen müssen, was weder in Zeus’ Absicht, noch in der des
Dichters lag. Dieselbe äussere technische Rücksicht ist es, wenn Zeus
bis Mittag dem Kampfe unthätig zuschaut und erst dann eingreift.
Berechtigt scheint der Anstoss, den man an der Unterredung
zwischen Zeus und Athene 23—40 genommen hat. Der Widerspruch,
in den sich Zeus hier durch die der Athene ertheilte Antwort mit
seinen eben vorangegangenen masslosen Drohungen setzt, ist so stark,
Kritischer und exegetischer Anhang. Θ. . 49
so unerklärlich, dass an der Unechtheit der ganzen Partie kaum zu
zweifeln ist; durch Interpretation lässt sich die Stelle nicht retten (vgl.
unten Näheres zu V. 28—40). Dagegen kann ich bei der Wägescene
V. 63 fl. den Anstoss nicht (heilen, den viele daran genommen haben.
Berechtigten Anstoss würde dieselbe allerdings geben, wenn der Sinn
dieser Handlung wirklich wäre, dass Zeus damit die Entscheidung des
über ihm stehenden Schicksals suchte, während er nach allem, was
vorhergegangen, nach eignem Entschluss handeln sollte. Aber dass
diese Auffassung unbegründet ist, hat Welcker griech. Götterlehre I
p- 183 und 190 f. überzeugend nachgewiesen; er bemerkt mit
Recht: “die Wage ist in der Hand des Höchsten, sein sind die Tode,
die er als Loose in ihre Schalen legt, nicht eine Macht über ihm’;
und den sichersten Beweis für diese Anschauung geben Stellen wie
II 658 und T 223, wo die Wage des Zeus klar als bildlicher Aus-
druck für Zeus’ Beschluss, Zeus’ Entscheidung gebraucht wird. Frei-
lich bedarf es an sich einer solchen Entscheidung nicht mehr, denn
Zeus ist ja mit dem Entschluss zu Gunsten der 'Troer einzugreifen
auf den Ida gekommen, und in der Wägescene einen symbolischen Aus-
druck des schon gefassten Entschlusses mit Baeumlein zu sehen wäre
ohne Analogie; auch bedarf es der Wägung nicht etwa, wie Kiene
meint, als eines Wahrzeichens für die Götter; wohl aber ist es an
bedeutsamer Stelle ein bedeutsames Wahrzeichen für die Hörer, dass
eine wichtige Entscheidung bevorsteht. “Wenn die höchsten Angelegen-
heiten und Personen bei gleichscheinender Macht zur Entscheidung ge-
drängt werden, so steigt die Spannung so hoch und erscheint nach
vielen Wechseln der Ausgang so ungewiss, dass er bei dem endlichen
plötzlichen Eintritt wie Sinken und Steigen von Wagschalen wirkt.
Das Gefühl dieses Eindrucks wird durch das Bild glücklich hervor-
gerufen’ (Welcker). Dass der Kampf nachher noch mehrfach schwankt,
wird man bei dieser Auffassung gegen die Angemessenheit desselben
nicht geltend machen können. Ist das Bild aus X 209 fl. in das
achte Buch übertragen, so wird man höchstens sagen können, dass
der Ausdruck ange ϑανάτοιο dort passender steht, als hier, weil es
sich hier nicht um die völlige Vernichtung eines der beiden Völker
handelt.
Wie misslich ferner das tadelnde Urtheil über den so verschwen-
derischen Gebrauch von Donner und Blitz ist, zeigt die Thatsache, dass
andere Kritiker denselben gerade höchst wirksam gefunden haben. Zeus
wendet im Verlauf der Erzählung verschiedene Mittel an, seinen Willen
kund zu Ihun und auf die eine oder andere Partei einzuwirken: Donner
und Blitz V. 76 und 133, drei Donnerschläge 170, ein Vogelzeichen
247, innere Einwirkung 335: man sieht, dass bei dieser Abstufung
die Anwendung der effectvollsten Mittel gerade ımit dem Anfang seines
Eingreifens zusammentrifit, wo es gilt, zunächst seinen Willen auf
das unzweideuligste und wirksamste kund zu Ihun, sodann die Hart-
näckigkeit des trotzdem widerstrebenden Diomedes zu brechen. Un-
begreiflich aber ist vollends, wenn Bischoff es räthselhaft findet, wie
Anhang zu Ameis, Homers Ilias I, 3. 4
50 Kritischer und exegetischer Anhang. Θ.
es zugehe, dass das Blitzen und Donnern auf die Troer ermuthigend,
auf die Achaeer entmuthigend wirke. Ein Blitzstrahl, mitten in das
achaeische Heer (76) geschleudert, ist, denke ich, verständlich;
verständlich auch, wenn (133) unter furchtbarem Donner ein hell-
leuchtender Blitzstrahl vor den Pferden des Diomedes niederfährt, als
dieser wieder vorgedrungen ist und weiter vordringen will. Anstoss
kann nur V. 169. 170 geben, wo das dreimalige Donnern des Zeus,
die warnende Antwort auf die dreimalige Erwägung des Diomedes, ob
er die Rosse umwenden und von neuem den Kampf aufnehmen solle,
zugleich als ermuthigendes Zeichen für die Troer gelten soll. Diese
Verbindung ist höchst seltsam, und es liegt der Verdacht nahe, dass
γι 171, den auch Düntzer, freilich in Verbindung mit der ganzen
Partie von 158—171 verworfen hat, ein späterer Zusatz sei, den zur
Erläuterung von 175 einzuschieben der Interpolator sich berufen
glauben konnte.
Die grosse Scene 350—484, welche im Einzelnen manches
Eigenthümliche und Auffallende hat, selzt da ein, wo nach dem letz-
ten Umschwung des Kampfes die Niederlage der Achaeer eine voll-
ständige geworden ist und Hektor, von wilder Kampfeswuth erfüllt
auf der Verfolgung der letzten Flüchtigen am Graben hin- und her-
stürmt, sie endet mit Sonnenuntergang. In dieser Stellung dient sie
zunächst einem ähnlichen Zweck, wie die Scene zwischen Hera und
Poseidon 198—212; sie führt die Hörer über die wenig interessanten
Einzelheiten des letzten Actes der Flucht hinweg und füllt den Raum
bis Sonnenuntergang. Den aus der Erfolglosigkeit dieses Versuches,
den Achaeern Hilfe zu bringen, abgeleiteten Bedenken gegen die Scene
ist kein zu grosses Gewicht beizumessen; unser Geschmack kann
nicht ohne weiteres’ massgebend sein. Für die Scene wird von Giseke
geltend gemacht, dass nur durch sie Zeus’ fester Entschluss und die
Hilflosigkeit der Griechen in volles Licht gestellt werde.
Wegen des Widerspruchs, in dem Teukros’ gefährliche Verwun-
dung 324 il. mit M 371. 387 steht, verweise ich auf Bergk griech.
Literaturgesch. I p. 589.
Das Ergebniss der vorstehenden Erörterungen fasse ich dahin zu-
sammen. Das achte Buch enthält nach Inhalt und Darstellung manches
Eigenthümliche und Befremdliche, was theils von der übrigen Dar-
stellung des Epos abweicht, theils unserem Geschmack wenig zusagt;
an einer Stelle erscheint der Fortschritt der Handlung nicht ge-
hörig motiviert, die Darstellung so kurz und sprunghaft, dass die
Klarheit dadurch beeinträchtigt wird. Aber der lebhaft bewegte
Charakter der Handlung im Ganzen und eine dadurch hedingte lebhafte
Kürze der Darstellung lässt sich aus den besondern Verhältnissen der
Situation wohl rechtfertigen. Jedenfalls ist die Kritik vielfach zu weit
gegangen, indem sie bei der Beurtheilung theils dem modernen Ge-
schmack zu viel Raum gegeben, theils hegründete Bedenken und An-
stösse im Einzelnen ohne Grund verallgemeinert hat.
Kritischer und exegetischer Anhang. Θ. δι
Es erübrigt noch die Hauptansichten über das achte Buch und
seine Stellung im Ganzen anzuführen. Lachmann bildet unter Ver-
werfung der ersten Hälfte des Buches, welche er mit der Schluss-
partie des siebenten als Vorbereitung auf das Folgende von einem
Nachahmer gedichtet sein lässt, sein siebentes Lied aus V. 253 bis
484, dessen echter Anfang verloren sei. Köchly verbindet zum Theil
nach Hermanns Vorgange den Anfang und andere Stücke unseres
Buches mit dem Aufang von N, Hauptbestandtheilen von #, O und II
zu einem Ζιὸς ἀπάτη überschriebenen Liede. Nach Kayser wurden
das siebente und achte Buch (mit Ausnahme von 1—27) gedichtet,
um dem später gedichteten neunten eine Stelle im Epos zu schaffen.
Genz verbindet den Aufang von I (1---88) nebst H 313 — fin. mit
dem achten Buche und schreibt das Ganze jüngern Dichtern zu, welche
die Vereinigung der ganzen Ilias zu einem Epos zu bewerkstelligen
suchten. Ueber die Grote’sche Ansicht ist aus der. Einleitung zu Η
das Nöthige zu ersehen. Nach Düntzer schloss das achte Buch sich
ursprünglich an B 47 an. Bergk endlich findet wur hie und da
Stücke der originalen Dichtung, meist die Hand des Diaskeuasten.
Anmerkungen.
1. Die Verdunklung der Personification in der vorliegenden Wen-
dung bespricht Bergk griech. Literaturgesch. I p. 316; über das
Verhältniss dieser Formel zu der mit βοδοδώκτυλος vgl. Kayser zu ß 1.
Ueber Herkunft, Gebrauch und Bedeutung des Safran im Alterthum
giebt eine interessante Zusammenstellung Κ. Hekn Kulturpflanzen und
Hausthiere in ihrem Uebergang aus Asien nach Griechenland und Italien,
sowie in das übrige Europa, Berlin 1870 p. 173 M.: „Gewänder,
Säume, Schleier, Schuhe, mit der dauernden gelben Farbe des Safran
getränkt, erschienen dem Auge der ältesten asiatischen Kultur- und
Religionsgründer so herrlich wie der Purpur, sowohl an sich, als zum
Ausdruck des Lichtes und der Majestät. — Den Abglanz orientalischer
Heiligung des lichten, reinen Safrangelb zeigen die ältesten mylhisch-
poetischen Vorstellungen der Griechen.“ — Ueber kritische Bedenken
gegen den Anfang des Buches (1—52) vgl. Za Roche in 2. 1. d.
oest. Gymn. XI p. 162.
2. τερπικέραυνος wird jeizt unter G. Curlius’ Zustimmung von
6. Meyer in 6. Curtius Stud. VII p. 180 fl. gedeutet = τρέπων
χεραυνόν den Blitzstrahl schleudernd, eigentlich richtend.
5—27. Vers 6 fehlt nach 7a Roche krit. Ausgabe in den hei-
den besten Handschriften AD. Vgl. auch Düntzer Aristarch p. 66.
— 10. In der Auffassung des Particips ἐθέλοντα folge ich Classen
Beobachtungen p. 148. — Ueber Zenodot's Lesart μετόπισϑε vgl.
Düntzer Zenod. p. 134. — 14. Ueber den Tartaros vgl. Preller
griech. Myth. I p. 49, Goeke Homeri de morte mortuorumque con-
dieione sententiae, Halle 1868 p. 12, Buchholz hom. Kosmographie
und Geographie, p. 52 Ueber die Beschreibung des Tartaros bei
4*
52 Kritischer und exegetischer Anhang. Θ.
Hesiod Schoemann opusc. II p. 321 fl. — V. 15 wurde von Bekker
verworfen, vgl. auch Düntzer Aristarch p. 68. la Roche in Z. 1. d.
oest. 6. ΧΙ p. 163 verdächtigt auch V. 16. — 18. Ueber εἰ δ᾽ ἄγε
vgl. Z. Zange de forınula Homerica ei δ᾽ ἄγε. Lips. 1873, p. 8 u.
12. Derselbe empfiehlt nach Nicanor (hei Friedlaender p. 193) die
nur von Doederlein angenommene Verbindung dieses Verses it dem
folgenden und Interpunction nach χρεμάσαντες. Indessen verdienen
die von Classen Beobachtungen p. 140 lür die gewöhnliche Inter-
punction geltend gemachten Gründe gewiss Beachtung und ziehe ich
jetzt die anakoluthische Auffassung, weil sie mir dem leidenschaftlich
bewegten Ton der ganzen Stelle gut zu entsprechen scheint, jedem
Versuch durch Interpunction, wie ich selbst “zur Periodenbildung bei
Homer? p. 26 f. und PAilippi quaestionum Aristarch. spec. Gotling.
1865 p. 14 f. wollte, oder durch Conjectur, wie Bekker u. Düntzer
(20 πάντες τ᾽ statt δ᾽, wie übrigens nach la Roche der gute Lau-
rentianus € giebt), die Unregelmässigkeit der Construction zu beseitigen,
vor. — Ueber die Bedeutung der folgenden Allegorie vgl. die wesent-
lich verschiedenen Ansichten von Preller griech. Myth. I p. 72 f.,
Welcker griech. Götterl. I p. 85 und 289 f., Hess über die komisch.
Elemente p. 40, Gerlach im Philol. XXXII p. 24. Die localen Ver-
hältnisse in derselben erörtert Pölcker über homerische Geographie
und Weltkunde p. 14 f. Uebrigens äussert Düntzer Aristarch p. 68
Bedenken gegen den ganzen Schluss der Rede von V. 18 an. — 23.
Von den bei Friedlaender de conjunctionis ὅτε apud Homerum vi et
usu, Berolini 1860, p. 119 MM. zusammengestellten Vordersätzen mit
ὅτε und Optativ in conditionalem Sinne ist wohl die vorliegende Stelle
auszuscheiden und den rein temporalen Sätzen zuzuweisen. Sie unter-
scheidet sich von den übrigen auf das bestimmteste einmal dadurch,
dass ὅτε, wie an keiner der andern, mit δή verbunden ist, wodurch
entschieden der temporale Charakter von ὅτε verstärkt wird, sodann
dadurch, dass es sich hier innerhalb einer fingierten Situation, die
schon im vorhergehenden gesetzt ist, um einen neuen Moment handelt.
— 24. Die Verbindung des Dativs mit αὐτός erörtert Ty. Mommsen
Entwicklung einiger Geseize für den Gebrauch der griech. Präpositio-
nen p. 41, vgl. auch B. Delbrück Ablativ, Localis, Iustrumentalis
p- 52. — 25. 26. Ueber Aristarch’s wesentlich verschiedene Auf-
fassung der Stelle vgl. Zehrs Aristarch ?p. 168. Beide Verse wur-
den verworfen von Zenodot (vgl. Düntzer de Zenodoti stud. Hom.
p- 186), welchem la Roche in der Z. f. d. oest. G. ΧΙ p. 168
zustimmt.
28—40: ἀϑετοῦνται, ὅτι ἐξ ἄλλων τύπων μετάκεινται, Ari-
stonic. ed. Friedländer p. 137. Dieser Athetese haben von den
Neueren zugestimmt Heyne, Bekker, Dünizer Aristarch p. 69, la
‚Roche in 2. f. ἃ. oest. 6. XI p. 163, Geppert, Ursprung der Homer.
Gesänge I p. 11 f., Köchly diss. VII p. 15, vgl. Ribbeck im Philol.
VII p. 476. Den argen Widerspruch, in welchem Zeus’- beruhigende
Worte 39. 40 mit seiner harten Rede vorher stehen, sucht Hoffmann
Kritischer und exegetischer Anhang. @. 53
im Philol. III p. 217 und ähnlich Nitzsch Sagenpoesie p. 152 da-
durch zu mildern, dass er diese Zusicherung nur auf das von Athene
gesprochene Wort dvreg in V. 37 bezogen wissen will: Zeus sage
nur, dass Athene sich die Sache nicht allzu schlimm denken solle.
Allein sagt Zeus in den Worten od νύ τι ϑυμῷ πρόφρονι μυϑέομαι
wirklich: ich spreche keineswegs mit ernsllichem Willen, ich meine
es nicht so ernst, wie ich rede — und (ie Versuche von Doederlein
Gloss. $. 951 und Minckmitz in der Uebersetzung, Pierron z. St. die
Worte anders zu deuten, sind nach dem homerischen Gebrauch ent-
schieden abzuweisen — so ist es unmöglich, darin irgend welche
Beziehung auf πάντες 37 zu denken, da Zeus in der vorhergehenden
Rede gar nicht davon gesprochen hat, was er mit den Achaeern be-
ginnen will, sondern nur den seinem Willen widerstrebenden Göttern
gedroht hat. Ich sehe in der That keine Möglichkeit die Worte des
Zeus mit seiner Drohrede, wie mit seinem späteren, Verfahren gegen
Athene und Hera 397 ff. zu vereinigen. — 37. Ueber τεοῖο vgl.
Droneke im Rhein. Mus. IX, 111, Bekker homer. Blätter p. 75,
Herzog Untersuchungen über die Bildungsgeschichte d. gr. u. lat. Spr.
Ρ. 130, Cauer in G. Curtius Stud. VII, p. 105. Der Anstoss dieser
Bildung veranlasste Zenodot den Vers auszuscheiden: vgl. Düntzer
Zenod. p. 163. Friedlaender Avistonic. p. 137. — 39. Ueber Τριτο-
γένεια vgl. ausser dem bei Naegelsbach Hom. Theol. ?p. 105 Be-
merkten Hammer qualem Minervam finxerit Homerus, Zerbst 1861
p- 16 ff, auch Fick vergl. Wörterb. 31 p. 96 unter trita, der Τριτο-
in Τριτο- γένεια, in Τριτο-πάτορες, Τριτὴ in ᾿Δμφι-τρίτη mit sanser.
trita, einer Vedengottheit zusammenstellt; vgl. auch desselben griech.
Personennamen p. 82.
43. γέντο wird von Fick vergl. Wörterb. 31 p. 65 auf die W.
gadh, gandh — ghad, ghand fassen, festhalten zurückgeführt, wozu
100-, χανδάνω, lat. pre-hend-ere, so dass es für γένθοτο steht.
Andere Erklärungen bei Ebeling lexic. Hom. s. v. — Bedenken gegen
die Ursprünglichkeit von V. 43 und 44 äussert Düntzer Aristarch
p- 69.
48. Ueber die Zusammenstellung des Ganzen und des Theiles in
demselben Casus vgl. Bekker hom. Blätter I p. 292 und hiusichtlich
der Wortstellung bei dieser Figur Schnorr von Carolsfeld verborum
collocatio Hom. quas haheat leges etc., Berolini 1864 p. 1 If. — Die
Localität des Göttersitzes auf dem Gargaros, der höchsten Spitze des
Idagebirges, schildert Hasper das alte Troja etc. p. 3: „Die Natur
des Gargaros ist wild, unten angebautes Land, in der Mitte Waldungen,
oben Schnee und Eis, furchtbare Abgründe an den Seiten. In den
Wäldern giebt es wilde Eber, Tiger, Leoparden, Bären (μητέρα ϑηρῶν
VIII, 47 u. XIV, 283). Gegen den Gipfel erheben sich 4 Koppen,
eine immer höher als die andere, daher die Ida πολύπτυχος heisst
(1. XXII, 171). An einem Abgrund von 1000” Tiefe vorbei gelangt
man von der 3. zur 2. Koppe, von wo ein Felsenrifi zur höchsten
Spitze führt, wahrlich ein Sitz würdig des Vaters der Götter und
54 Kritischer und exegetischer Anhang. @.
Meuschen, würdig der gewaltigen Kämpfe, die er von hieraus über-
schaute, Denn die ganze Umgegend, bis zur Propontis und den Küsten
Thraciens, besonders deutlich aber das troische Gefilde wird von hier-
aus sichtbar. Und quellenreich (πολυπίδαξ) war das Gebirge, gross
die Zahl der Flüsse, die von da ihren Ursprung nahmen.“ Vgl. auch
Hasper Beiträge zur Topographie der honı. Ilias p. 31.
51. Der ausser dieser Stelle noch 4 405 (vom Aigaion), E 906
(von Ares), und A 81 (von Zeus) vorkommende Verschluss κύδεϊ
γαίων bildet, abgesehen von der letzten von Aristarch verworfenen
Stelle, mit den vorhergehenden Worten eine dreifache Alliteration auf
κ — gewiss ein Zeichen, dass wir es mit einer sehr alterihümlichen
Formel zu thun haben, um so mehr, als das Verbum yalo sonst nicht
im Homer vorkommt und auch in der späteren Sprache verschollen ist.
Die alten wie die neueren Erklärer verstehen die Formel meist in dem
Sinne: ‚im stolzen, freudigen Gefühl seines Ruhmes, seiner Herrlich-
keit, worin Zehrs populäre Aufsätze p. 83 einen wesentlichen
Theil des Glücks der Götter sieht. (Minckwitz: pochend auf seinen
Siegesruhm, Zauper: seines Ruhmes froh, Voss: trunken von Ehre
E 906, dagegen © 51 in blendender Grösse, Uschner: im Gefühl
der Kraft, Wiedasch : voll freudigen Stolzes, Mayer Beiträge zu einer
hom. Synonymik IV p. 10 f.: im Gefühle seiner Hoheit.) Dieser
Auffassung widerstrebt Z 906. Mit Recht wird bei Aristonikos
(Friediaender p. 116) bemerkt, dass Ares ja nichts Ruhmwürdiges
vollbracht, vielmehr von einem Sterblichen besiegt sei, daher den alten
Kritikern der Vers aus A 405 unpassend übertragen schien (vgl. auch
Welcker kleine Schrift. V p. 39). Allein der Zusammenhang dieser
Stelle führt vielleicht auf eine richtigere Auffassung der Formel selbst.
Das κύδεϊ γαίων hat nach den vorhergehenden Worten mit dem, was
Ares auf dem Schlachtfelde geihan und gelitten hat, nichts zu thun,
erscheint vielmehr als Folge der Heilung seiner Wunde durch den
Götterarzt, des Bades und der Neubekleidung durch Hebe. Es ist
danach klar, dass κῦδος, wenn es etwa den Sinn von Herrlichkeit
hat, diese von der äussern Erscheinung seiner göttlichen Gestalt zu
verstehen ist, welche durch die Verwundung gelitten hatte. Ganz
entsprechend ist die Situation y 468. 469: Telemach von Nestors
jüngster Tochter gebadet und neubekleidet, steigt aus der Badewanne
δέμας ἀθανάτοισιν ὁμοῖος" πὰρ δ᾽ ὅ γε Νέστορ᾽ ἰὼν har’ ἄρ᾽ ἕξετο,
Auch A 405, wo eben von der Stärke des hundertarmigen Riesen
Aigaion geredet ist, liegt näher bei κῦδος an seine mächtige Erschei-
nung, seine Kraft zu denken, als an die göttliche Herrlichkeit, Maje-
stät in idealem Sinne; dem entspricht auch besser 406 die Folge,
dass die übrigen Götter, vor ihm erschrocken, nicht wagten den Zeus
zu binden. Dass nun κῦδος ursprünglich eine sinnlichere Bedeutung
als “Ruhm? gehabt, ist ausser anderm nachzuweisen aus dem Gebrauch
von κυδαένω z. B. E 448, wo von Leto und Artemis gesagt wird,
dass sie im Heiligthum des Apollon auf Pergamos den Aineias — ἀκέ-
ovrö τε κύδαινόν re, jedenfalls im Sinne von: machten staitlich durch
Kritischer und exegetischer Anhang. ®. 5
Verschönerung und Kräftigung, wie Ameis erklärt, und wie der Gegen-
salz κακῶσαι verunsiallen πὶ 212 beweist, oder geradezu stärkten,
wie Suhle will. Auf dieselbe sinnliche Bedeutung führt ἐρικυδής,
vor allem als Beiwort von ἥβη A 225 — hochherrlich. Danach
vermuthet Suhle nicht ohne Grund als eigentliche Bedeutung für κῦδος
Kraft- und Wohlseinsfülle, wie das Wort vielleicht y 57 zu verstehen
ist. Eine sinnlichere Bedeutung glänzend machen nimmt für κυδαίνω
auch an Fulda Untersuchungen über die Spr. der homer. Gedichte
p- 150 in ξ 438 κύδαινε δὲ ϑυμὸν ἄνακτος, sodass die Freude als
ein Glänzen des Gemüths gefasst wurde. Aber ich glaube, dass wir
auch in γαίω die ursprüngliche und zwar rein sinwliche Bedeutung
des Glänzens, Strahlens für diese alte Formel anzunehmen haben, die
nach der Zusammengehörigkeit des Wortes mit γάνος *Heiterkeit,
Glanz’ vgl. Curtius Eiym. *p. 172, vorauszuseizen ist. Und sollte
nicht an allen Stellen diese sinnliche Bedeutung: prangend (strahlend)
in herrlicher Kruft der Umgebung besser entsprechen? Vgl. das von
menschlichen Helden gesagte σϑένεϊ βλεμεαίνων. Danach wird aber,
wie auch schon durch A 405 und E 906, wo κύδεϊ γαίων zu
καϑέξετο gehört, die von Classen Beobachtungen p. 128 IT. gewollte
Verbindung mit dem folgenden Parlieip εἰσορύων unmöglich.
56. 57. bezeichnet Düntzer Aristarch p. 70 als Zusatz eines
Rhapsoden, der sich zur Unzeit an B 119 fl. erinnerte. Vgl. dagegen
Calebomw de lliadis libro VIII p. 30, auch Köchly dissertat. VII p. 17,
der jedoch an 59 Anstoss nimmt. 60—65 scheinen Düntzer Aristarch
p- ΤῸ aus 4 446 ff. herübergenommen zu sein.
66. Ueber den Hiatus in der bukolischen Caesur vgl. Ahrens
de hiatus Hom. legitimis quibusdam generibus, Hannov. 1851 p. 26 fl.
68 #. Ueber ἀμφιβεβήκει vgl. Hoffmann homer. Untersuchungen
1. ἀμφί in ἃ. Ilias p. 10 und Ailol. XXVII p. 524. — Zur Auf-
fassung der folgenden Wägescene vgl. die Einleitung p. 49. Dagegen
sehen Nacgelsbach hom. Theol. ?p. 133 f., Teuffel zur Einleitung in
Homer, p. 22 darin eine Erforschung des ausser Zeus vorhandenen
Schicksalwillens, was jener in folgender Weise erläutert: Zeus greift
zur Wage ebenso, wie ein Mensch, wenn er auch immerhin weiss,
was er zu ihun hat oder schon entschlossen war, gleichwohl, wenn
der schwere folgenreiche Schritt geschehen soll, zaudert und durch
ein äusseres Zeichen wie durchs Loos eine Bestimmung von aussen
erhalten will. Nitzsch Sagenpoesie p. 622: „Die Wagschale ist das
plastische Instrument, wie etwa ein Stab bei Verwandlungen.“ vgl.
p- 155. — Man vergleiche auch bildliche Ausdrücke, wie Διὸς ud-
στιξ M 37, und das Ergreifen der Aegis P 593—596. Vgl. auch
Gladstone homer. Stud. p. 231, Baeumlein im Philol. XI p. 409,
Kiene Composition der Ilias p. 236. Dagegen sehen G. Herrmann
de iteratis apud Homerum p. 7, Friediaender im Philologus VI, p.
253 und die homerische Kritik p. 34 f., Düntzer Aristarch p. 70 f.,
Bergk griech. Literaturgesch. 1 p. 587, Köchly dissert. VII p. 18,
Bischoff im Philol. XXXIV p. 14 in der ganzen Stelle eine unge-
56 Kritischer und exegetischer Anhang. ©.
schickte Ueberwagung aus X 209 I. Düntzer verwirft auch 75— 77.
— Zur Athetese von 73. 74 vgl. Aristonikos bei Friedlaender p. 139
vgl. p. 15, Nitzsch Sagenpoesie p. 155, Düntzer homer. Fragen
p- 197, la Roche in der 2. f. oest. G. XI, 164, Geppert Urspr. d.
hom. Ges. I p: 21.
87. Ueber παρήορος und παρηορίαν vgl. Grashoff das Fuhr-
werk p. 3
89. Ueber ϑρασύς vgl. Happe, der homerische Hektor, Coblenz
1863 p. 12 f., der übrigens diesem Beiwort des Hektor in Folge
falscher Erklärung auch an dieser Stelle, wie überhaupt, einen tadeln-
den Sinn beimisst. — Ueber ἡνίοχος vgl. Zehrs bei Friediaender
Aristonic. p. 139.
-92 M. In den folgenden Versen bis 99 sicht Geppert Ursprung
der hom. Gesänge I p. 193 eine spätere Einschiebung.
97. Die von ἐσώκουσε gegebene Erklärung ist die des Aristarch:
vgl. Zehrs Aristarch. 20. 147.
99. Zur Erklärung des Gebrauchs von αὐτός im Sinne von
“allein, für sich’ vgl. van Hout de vi atque usu pronominis αὐτός
adjecti ad reflexiva, Bonn 1873 p. 5 mit Schoemann die Lehre von
den Redetheilen p. 110.
103. Den Sinn der tadelnden Beiwörter des Alters, wie hier
χαλεπόν, erörtert Jungelaussen über das Greisenalter bei Homer.
Flensburg 1870, p. 16. — 104. Dieser Vers wird von Düntzer
Aristarch p. 72 als spätere Zuthat verworfen, vgl. dagegen Calebom
de Niadis libro VIII p. 31. — 108. ἀϑετεῖται, ὕτι ἄτοπον προσ-
τιϑέναι τὴν ἱστορίαν τῷ εἰδότι, καὶ ὃ καιρὸς δεῖται συντομίας" καὶ
ὅτι τὸ ποτέ χρονικὴν ἔχει ἔμφασιν, τῆς ἀφαιρέσεως γεγονυίας τῇ
πρὸ ταύτης ἡμέρᾳ Aristonikos οἱ. Friediaender p. 140. Das ποτέ,
wofür Act Conjectan. Hom. p. 8 τότε lesen wollte, bietet den ge-
ringsten Anstoss: vgl. Zehrs Aristarch. ?p. 432 Note, der übrigens
auch den Vers für imitiert aus #291 hält; im Uehrigen vgl. Fried-
laender die homer. Kritik p. 34, Ribbeck im Philol. VII p. 479,
Bergk griech. Literat. I p. 588. — 109. Das Verhältniss der Pro-
nomina οὗτος und ὅδε findet man erörtert im Philol. XXVIL p. 508 f.,
vgl. auch Windisch in G. Curtius Swud. 11 p. 260. 114. Dieser Vors
wird von Düntzer Aristarch p. 73 verworfen.
119. Anders erklärt die Verbindung ἡνίοχον ϑεράποντα Schnorr
von Carolsfeld verbor. collocat. Hom. p. 10 f. — Ueber das das
Suhject des vorhergehenden Satzes hervorhebende Pronomen demon-
straliv. ὃ handelu Naegelsbach Anmerkungen zur Dias, 1. Aufl. p. 217 M,
Bekker Hom. Bläu. I p. 80, Foerstemann Bemerkungen über den
Gebrauch des Artikels bei Hower, Salzwedel 1861 p. 13.
125—129 werden von Düntzer Aristarch p. 73 als Zusalz eines
Rhapsoden oder eines .der Ordner der Hias verworfen. Derselbe ver-
wirft p. 74 V. 130—132. — 129. Schnorr von Carolsfeld verbor.
colloe. Hom. p. 5 rechnet δίδου δέ οἵ ἡνία χερσίν unter die Stelen,.
Kritischer und exegetischer Anhang. @. 57
wo nach Analogie des Schemas x” ὅλον καὶ κατὰ μέρος doppelte
Dative verbunden sein. Vgl. indess Philol. XXVIU p. 535.
138. Ueber die ursprüngliche Bedeutung der Verbindung von
δείδω mit ϑυμῷ, ἐν ϑυμῷ vgl. Fulda Untersuchungen über die
Sprache der hom. Gedichte p. 98.
139. Eine ähnliche Verwirrung, wie hier in der Anmerkung an-
gedeutet ist, findet sich gerade auch in Bezug auf die Person des
Wagenlenkers ὁ 182 vgl. mit 199. — 143. 144. In diesen beiden
Versen sieht Düntzer Aristarch p. 74 einen späteren Zusatz. Vgl.
dagegen Calebom de 1]. libr. VII p. 34.
151—156 werden von Düntzer Aristarch p. 75 verworfen, vgl.
auch desselben homer. Fragen p. 201. — 154. Die hypothetischen
Sätze mit adversalivem Gedankenverhältniss zwischen Vorder- und Nach-
satz erörtert H. Sittig über das adversalive Verhältniss der hypothe-
tischen Sätze bei Homer, Teschen 1861, vgl. dazu Philologus XXIX
. 149 f.
δ 63. M. D. Müller Syntax der griech. Tempora, Gött. 1874,
Ρ. 22, nennt ein so gebrauchtes Imperfect mit treffender Kürze
Imperf. correctivum. — 164—166. Auf diesen Uebergang vom
Vergleich zu der darauf beruhenden Metapher macht Remacly de
comparationibus Homer. II p. 14 aufmerksam, vgl. auch ΠῚ (Bonn
1846) p. 28. Das Gegenstück dazu ist, wenn einem melaphorischen
Ausdruck ein erläuternder Vergleich folgt, wie 4 274 ff., vgl. zu v 13.
Für jenen ersten Uebergang vgl. noch ΠΟ 742 mit 745, auch 2 258.
259. Freilich wurden 164—168 von Aristarch (Friedlaender Ari-
stonie. 141) und Aristophanes verworfen, denen zustimmen la Roche
in Z. f. oest. G. XI 164, Bekker, Köchly diss. VII p. 24, Düntzer
Aristarch p. 75, der die Interpolation über 158—171 ausdehnt. Vgl.
dagegen Bergk griech. Literat. I p. 588, der, das Befremdliche der
Verse anerkennend, doch mit Recht bemerkt, man dürfe dieselben nicht
streichen, weil die Rede sonst gar zu kurz und dürftig ausfallen
würde. — In der von Aristarck als unhomerisch verworfenen Wen-
dung δαίμονα δώσω, die aber duch als alliterierende Formel alt sein
kann und durch ϑάνατον διδόναι 1 571 einige Stütze erhält, sucht
Doberenz Interpretationes Homericae p. 23 eine beabsichtigte Bezie-
hung zu den vorhergehenden Worten, so dass δώσω dem ἄξεις und
δαίμονα den γυναῖκας entgegengesetzt sei. Axt Conjectan. Hom. p. 8
conjicierte: σέ γε δαίμονι δώσω. — Ueber V. 171 vgl. Einleitung
p- 50.
177—183 werden von Düntzer Aristarch p. 76 verworfen; in
der Verwerfung von 183 sind die neueren Herausgeber einstimmig.
— Ueber das ἅπαξ εἰρημένον οὐδενόσωρα 178 vgl. Friediaender
in den Jahrbb. f. class. Phil. Suppl. ΠῚ p. 768 und Fedde über
Wortzusammensetzung im Ilomer. 1, Breslau 1871, p. 27. In aclivem
Sinne “keinen beachtend’, daher frech und goitlos, versteht das Wort
in Bezug auf H 445 Doederlein τ. St. — Ueber δέα 179 vgl.
Ahrens P&. Hannover 1873 p. 8 u. 13.
58 Kritischer und exegetischer Anhang. Θ.
185 ff. Ueber die Rossnamen vgl. den Anhang zu σ 372 und
zu B 839. — ᾿Αϑετεῖται, ὅτι οὐδαμοῦ Ὅμηρος τεθρίππου χρῆσιν
παρεισάγει. μάχεται δὲ καὶ τὰ ἐπαγόμενα δυικά, καὶ ἡ προσφώνησις
εὐήϑης - Aristonikos hei Friediaender p. 142. vgl. Zehrs Aristarch
?p. 195. Danach Iıaben auch die Neueren diese Anrede verworfen:
Nitzsch Sagenpoesie p. 100, Beiträge p. 162 Anm, 36, Calebow de
Iliad. libr. VII p. 36, Baeumlein, Doederlein, Franke, Bekker.
Eine eigenthünliche Ansicht über die Meinung des Interpolators bei
Grashoff das Fuhrwerk p. 2 Anmerk. — In den folgenden Versen
wurde der im Venetus mit dem Obelos bezeichnete 189 von Aristo-
‚phanes nach Didymos verworfen, und nach ihm von den Neueren: vgl.
Nitzsch Sagenpoesie p. 171, Bergk griech. Literat. I p. 588. Ein
Versuch die ganze Partie durch Umstellung und Einschiebung lesbar
zu machen bei Friedlaender in den Jahrbb. f. class. Philol. Supplem.
IE p. 460. Dagegen verwerfen die ganze Anrede an die Rosse Heyne
V p, 446, Düntzer Aristarch p. 77, ἴα Roche in 2. f. ἃ. oest. 6.
ΧΙ p. 164 f., Köchly dissert. VII p. 25. — 195. Ueber den hier
bemerkten Widerspruch mit Z 230 vgl. 0. Müller griech. Literatur-
gesch. I p. 90. — 196. Ueber Bekker's Vermuthung εἰ τούτω ye
(statt κε) vgl. den Anhang zu E 273, auch Philippi quaestt. Aristarch.
spec. p. 11 und über εἴ — κε L. Lange der homer. Gebrauch der
Partikel εἰ II p. 493 I.
198—212. Düntzer Aristarch p. 77, la Roche in 2. f. ἃ.
oest. 6. ΧΙ, 165 verwerfen das folgende Gespräch zwischen Here und
Poseidon, vgl. Bergk Literat. I p. 589. — 203. Ueber Aigai und
Helike vgl. Preller griech. Mythol. I p. 353. 354 und den von letz-
terem entnommenen Beinamen des Poseidon Helikonios Welcker griech.
Götterl. I p. 635. — 205. Eine andere Erklärung giebt Z. Zange
der homerische Gebrauch der Partikel εἰ 11 p. 501 f. — 206. Ari-
starch las Ζῆν᾽ und vertheille den Namen dergestalt in zwei Verse,
dass am Schluss des ersten Zi, am Anfang des zweiten ν᾽ stand,
vgl. la Roche homer. Untersuch. p. 165 f., Friedlaender Aristonic.
zu 2 530 und dieselbe Trennung zeigen die besten Handschriften
bei la Roche. Dafür hat nach ΘΟ, Hermann’s Vorschlag in den Ele-
ment. doctrinae metricae 8. 329 p. 110 (4. Aufl), vgl. auch von
Zeutsch im Philol. ΧΙ p. 759 ff, Bekker Ζῆν eingefübrt, eine Bil-
dung, die durch einen entsprechenden Sanskritstamm djä und durch
den von Herodian aus Pherekydes angeführten Nominativ Ζής, auch
Zeig hinreichend gesichert ist, vgl. Curtius Eiymol. *p. 6011, Wel-
cker griech. Göuterl. I p. 134, und als aeolische Bildung erörtert
wird von Ameis de aeolismo Homer. p. 41 f. — 207. Zenodot las:
ἔνϑα κάϑοιτ᾽ ἀκαχήμενος: vgl. Düntzer Zenodot. p. 98. 99. —
209. Zu Aristarch’s Ansicht über ἀπτοεπές vgl. Lehrs bei Fried-
laender Aristouie. p. 142.
213. Die sehr verschiedenen Auslegungen der schwierigen Stelle
bei den Alten, wie bei den Neueren sind zusammengestellt in Ebeling’s
Lex. Hom. 8. v. ἀπό p. 150, dazu Grossmann Homerica p. 23,
Kritischer und exegetischer Anhang. @. 59
Ribbeck im Philol. IX p. 66. Die im Commentar gegebene Erklärung
schliesst sich der von Giseke und la Roche aufgestellten am näch-
sten an.
215. Die Verwendung der verschiedenen Beiwörter des Ares ist
erörtert von Schuster Untersuchungen über die homerischen stabilen
Beiwörter. I. Stade 1866. p. 16.1.
219. ποιπνύω und die Bedeutung des Partic. Aor. erläutert
Butimann Lexilog. I p. 166 ff., über die Reduplication vg). Fritzsche
in G. Curtius Stud. VI p. 308; zur Attraclion des Parti beim
Infinitiv Classen Beobachtungen p. 140 f. und Hentze in Zeitschrift
f. Gymnasialwes. XX p. 742. Anders erklärt Düntzer Aristarch
p- 79 Note.
221. Düntzer Aristarch p. 79 verdächtigt den Vers als Inter-
polation.
223. In Bezug auf die Aufstellung der Schiffe folge ich der Ansicht
von Hasper Beiträge zur Topographie der homerischen llias p. 33 iR.
228—244. Ueber ὅτε V. 229 vgl. Friedlaender Beiträge zur
Kenntniss der homer. Gleichnisse II p. 13. — Ueber V. 230 urtheilt
Lehrs Aristarch. ?p. 366 f. (vgl. Friediaender Aristonie. p. 144),
dass derselbe entweder im Eingange entstellt oder nach demselben ein
Vers ausgefallen sei; ähnlich Friediaender Analecta Homerica (in
Jahrbb. f. class. Philol. Supplement. IM) p. 5. Die Bekker’sche
Interpunction , Komma nach Anuv@, so dass zu ὁπότε zu ergänzen
are oder ἦμεν, ergiebt eine unerträgliche Härte, indem das Zusammen-
gehörige auseinandergerissen wird, vgl. I 129. 130. Minder hart
scheint mir das durch Beseitigung dieser Interpunction entstehende
Anacoluth, indem zu dem vorangestellten ἅς schliesslich das Verbum
fehlt: da der nöthige Verbalbegrilf (aussprechen) bereits in φάμεν
enthalten und auch in χενεαυχέες angedeutet ist, so scheint es er
klärlich, dass nach der Erweiterung des Temporalsatzes mit ὁπότε
durch zwei Verse füllende ᾿ΡΑγιοἰρἰ] οοπβιγιιοιίοπθιι schliesslich das
Verbum vergessen ist, zumal da Agamemnon in der höchsten Erregung
spricht. Uebrigens hat Düntzer Aristarch p. 80 V. 230—232 als
eine spätere Ausschmückung verworfen. — 233. ἄνϑ᾽ ἄντα mit
Bekker und la Roche gegen Aristarch (= ἀντί) bei Lehrs p. 114 1,
vgl. Spitzner excurs. 17 p. LXLM. — 235. ὁ ὀβελός, ὅτι ἐκλύει
καὶ ἀπαμβλύνει τὸν ὀνειδισμὸν ὁ στίχος" κρείσσων γὰρ καϑολικώ-
τερυν ἐᾶσαι, οὑδήποτε ἀνδρός, ἀλλ᾽ οὐχὶ τοῦ διαφορωτάτου:
Aristonikos ed. Friedlaender p. 144. Dieser Athetese des Aristarch
und Aristophanes stimmen die neueren Herausgeber zu: vgl. Düntzer
Aristarch p. 80, hom, Fragen p. 196, Geppert Ursprung d. hom.
Ges. I p. 21, la Roche in Z. f. oest. 6. ΧΙ p. 165. Düntzer Ari-
starch p. 80 1. verwirft überdies das ganze folgende Gebet mit seinen
Folgen, 236—252. — 243. ἐάω ist elymologisch erörtert von Kraus-
haar in G. Curtius Stud. II p. 429 ff, vgl. Zeo Meyer in Kuhns
Zeitschr. XXI p. 472 f., die Construction des Acc, c. Inf. in Zeitschr.
f. Gymnasialwes. XX p. 728 f.
60 Kritischer und exegetischer Anhang. @.
250. Ueber Ζεὺς πανομφαῖος vgl. Friedlaender Aristonic.
p. 144 f., Mätzner de love Homeri, Berlin 1834 p. 34 ff., Naegels-
bach hom. Theol. ?p. 170. 182. — 251. Ueber die Schreibung ὅ
τ᾽ vgl. den Anhang zu A 412, dazu Za Roche homer. Untersuchun-
gen p. 122 M.
256—260 werden von Düntzer Aristarch p. 82 als Interpola-
tion verdächtigt.
261—265. Das Fehlen des nothwendigen Verhums, sowie das
Missverhältniss, dass trotz dieser ausdrücklichen Einführung der Helden
von keinem ausser dem grossen Aias in der folgenden Erzählung
weiter die Rede ist, erweckt Zweifel gegen die Ursprünglichkeit dieser
Verse, die aus H 164 fl. übertragen scheinen: Friedlaender Analecta
Homerica p. 10 f. (= Jahrbb. f. class. Philol. Supplem. I), Bergk
griech. Literat. I p. 589. Anders urtheill Düntzer Aristarch p. 82,
der seinerseits 266—272 ausscheidet, wogegen Calebom de lliad. libr.
VII p. 38 f. spricht. —
273—277 werden von la Roche in Z, f. d. oest. G. ΧΙ p. 166
verworfen. — 274. Ueber die Namengebung bei Homer spricht Bergk
griech. Literaturgesch. I p. 810 ff. Hier ist hei der Namenbildung auf
gleichen Aulaut Rücksicht genommen, wie 4 243, vgl. auch Zehrs
Aristarch. ?p. 458 fl. — 277. Der in den besten Handschriften
fehlende Vers ist von den Herausgebern allgemein verworfen: vgl.
Düntzer homer. Fragen p. 196. —
283—309 werden von Düntzer Aristarch p. 83 ff. verworfen.
Vgl. dagegen Calebom de lliadis libro VIII p. 40. — V. 284 wurde bei
Zenodot nicht geleseu, verworfen von Aristophanes, vgl. Friedlaender
Aristonie. ‚p. 145: ὅτε ἄκαιρος ἡ γενεαλογία, καὶ οὐκ ἔχουσα προ-
τροπήν, ἀλλὰ τοὐναντίον, ὀνειδισμὸν καὶ ἀποτροπήν. vgl. Düntzer
Zenodot. p. 168. — 301. Ameis homerische Kleinigkeiten, Mühlhausen
1861, p. 22 unterscheidet μέν und ἔ so, dass jenes auf eine durch die
Erzählung gegebene Person oder Sache der sinnlichen Anschauung hin-
weise, dieses dagegen auf die in der Vorstellung befindliche Person oder
Sache sich beziehe. So stehe hier €, weil der Satz den inneren
Beweggrund für die vorhergehende Handlung angebe und somit in
das Gebiet der Vorstellung des Redenden falle: so Θ 322. Μ 300.
€ 133. g 554. — 304. Ueber die Verbindung der Troer mit
Thrakien vgl. Giseke num quas belli Trojani partes Homerus non
ad veritatem narrasse videatur, p. 4. — 306 ff. Aristarch nahm hier
an, dass das Participium βρυϑομένη für das Verbum finitum stehe,
Friedlaender Aristonic. p. 14. Die richtige Erklärung bei Zehrs
Aristarch. ?p. 367 ἢ", vgl. auch Friedlaender Beiträge zur Kenntniss
der homer. Gleichnisse Il p. 23. Das ganze Gleichniss wurde von
Grashoff Fuhrwerk p. 25 Anmerk. und Düntzer Aristarch p. 85 ge-
tadelt: vgl. dagegen Köchly diss. VII p. 30, Calebom Beiträge p. 26.
— In der folgenden Partie verwirft Düntzer Aristarch p. 85 V. 325—
327, sodann 332—334, vgl. Köchly dissert. VII p. 31, Bergk griech.
Kritischer und exegetischer Anhang. @. 61
Literat. I p. 589, Friediaender die homer. Kritik p. 35, Ribbeck im
Philol. VIII p. 478. —'
338—342 verdächtigt von a Roche in Z. f. oest. G. XI p. 166,
Köchly diss. VIL p. 34. — 342. Zur Interpunktion vgl. Doederlein
öffentl. Reden, 1860 p. 354, der mit Recht nach ὀπίστατον ein Komma
verlangt, da die folgenden Worte zur Anwendung des Vergleichs ge-
hören. —
343—349 werden von Düntzer Aristarch p. 86 verworfen. Zur
Interpunction nach κεκλόμενοι 346 vgl. Nicanor ed. Friediaender
Ρ. 196, — 349. Γοργώ, wohl eine reduplicierte Bildung, wie Μορμώ,
nach Fick vgl. Wörterb. 31 p. 72 von W. garg, aus gar-gar verkürzt,
schreien, anschreien, drohen, was indess von Fritzsche in G. Curtius
Studien VI p. 338 bezweifelt wird, da das Wort in seinem Gebrauch
vielmehr auf Eindrücke des Gesichtssinns weise. Nach Preller griech.
Nythol. 1, p. 131 ist ihre Bedeutung die des dichten gewitterschwangeren
Gewölks. Vgl. auch Schoemann opusc. I, p. 207. — Uehrigens las
Aristarch οἴματ᾽ stalt ὄμματ᾽, worüber vgl. Düntzer Zenodot. p. 106. —
356 wird von Fr. Schoell in Acta Societatis Philol. Lips. ed.
Ritschl I p. 438 als aus E175 und IT 424 hier eingeschoben ver-
worfen, weil er nur den Gedanken abschwäche.
358—380. Ueber die Wendung μένος ϑυμόν τ᾽ ὀλέσειεν 358
vgl. Doberenz interpretationes Hom. p. 5. — 359. 373 werden von
Dünizer Aristarch p. 87 verworfen, ebenso 379. 380. Vgl. Calebow
de Miad, libr. VIII p. 42 f. — 362. Ueber ein aus dieser Stelle und
Ὁ 639. λ 624, sowie aus Hesiod zu erschliessendes, Homer bekann-
tes Lied von Herakles’ Arbeiten vgl. Nitzsch Beiträge p. 148, dazu
Sagenpoesie p. 121, Bergk griech. Literaturgesch. I p. 349. Nach
der Deuiung von ἐν πύλῳ E 397 auf das Thor der Unterwelt würde
auch diese Stelle dahin gehören, vgl. den Anhang zu dieser Stelle und
Preller griech. Myth. I 501. II p. 154. — 369. Ueber die Sıyx
vgl. Putzsche commentationum Homeric. spec. I Lips. 1832 p. 29. —
371. 372. Diese Verse wurden bei Zenodot nicht gelesen; Aristonikos
ed. Friedlaender y. 147: ἀϑετοῦνται, ὅτι οὐκ ἔδει κατὰ μέρος διηγή-
σασϑαι, καὶ ταῦτα πρὸς τὴν καλῶς εἰδυῖαν, vgl. Düntzer Zenodot.
Ρ- 163, Ribbeck im Philol. VII p. 477, welcher der Athetese zu-
stimmt und auch 370 ausscheiden will. Die ganze folgende Partie
373—437 verwirft Hoffmann im Philol. ΠῚ p. 216. — 378. προφα-
νέντε, die Lesart des Aristarch, findet sich auch in der besten Hand-
schrift Venet. A. Vgl. /a Roche homer. Textkritik. p. 386 f. Ahrens
de hiatus Hom. legitimis quibusdam generibus p. 11.
382. Die ἄμπυξ als weiblicher Kopfschmuck war eine in der
Mitte ‚hohe und nach beiden Seiten spitz zulaufende und nach der
Form der Stirn gebogene Metallplatte: Gerlach im Philol. XXX p. 494.
383 ist nach Düntzer Aristarch p. 88 aus E 721 irrig hierher
‚gekommen.
385—387, sowie 390. 391 wurden als aus E unpassend über-
62 Kritischer und exegetischer Anhang. @.
tragen von Zenodot (vgl. Düntzer Zenod. p. 164) und Aristarch
athetirt, vgl. Friediaender Aristonic. p. 148: jene, weil die Anlegung
der Rüstung des Zeus hier zwecklos und Zeus überdies V. 43 selbst
diese angelegt habe, diese weil ebenfalls hier zwecklos. Dieser Athe-
tese stimmen zu Nitzsch Sagenpoesie p. 151, Düntzer Aristarch
p- 88, Ια Roche in Z. f. d. oest. ὃ. ΧΙ 166.
393—396 werden von Düntzer Aristarch p. 88 verworfen. —
Wie die hier den lloren überwiesene Function mit ihrer eigentlichen
Bedeutung und ihren Wesen zu vereinigen sei, erörlert Zehrs popu-
läre Aufsätze p. 80—84. Dagegen vermuthet Ahrens ögög und seine
Sippe, Hannover 1866, p. 46, dass diese Horen (verwandt mit οὖρος
Hüter, ὦρα — als Hüterinnen) mit ὧραι = tempora ursprünglich
nichts zu (hun haben. — 394. Für ἐπιτέτραπται sucht Bergk in dem
academ. Programm, Halle 1861 p. 4 das in der Parodie des Matron
bei Athenaeus IV p. 134 F sich findende ἐπιτετράφαται als die ur-
sprüngliche Lesart zu erweisen.
406—408, sowie 410 werden von Düntzer Aristarch p. 89 als
spätere Zusätze verworfen, vgl. dagegen Calebow de Iliad. libr. VIII
p- 43 1. — 406. Die von Bekker hom. Blätter I p. 151 aufgezähl-
ten Stellen, wo ein Temporalsatz nach οἶδα und μέμνημαι steht, sind
zu vervollständigen nach Friedlaender de conjunclionis ὅτε apud Hom.
vi et usu p. 14: nach οἶδα ausser dieser Stelle £ 71. m 424, nach
μιμνήσκεσϑαι Ο 18. T 188. Φ 396. ὦ 115. Nahe steht der
epexegelische Gebrauch 4 397. @ 329. T ὅθ. 57. u 209. T 337.
O 207, ferner nach λανϑάνω P 627. Zu Grunde liegen der ganzen
Erscheinung Wendungen wie ἔσται ὅτε Θ 373 vgl. Φ 112, σοὶ δ᾽
αὐτῷ φημὶ σχεδὸν ἔμμεναι, ὁππότε φεύγων ἀρήσῃ N 817, woran
sich wieder die Wendungen anschliessen μένειν ὁππότε 4 334, δέγ-
μένος und ποτιδέγμενος mit ὁππότε und ὅτε H 415. T 336. 2524.
I 191. Geht man von den zuletzt angeführten Erscheinungen aus,
so wird man der noch von Kühner ausführl, Grammat. II p. 886, 7
gegebenen elliptischen Erklärung entrathen können.
420-424. ἀϑετοῦνται, ὅτι ἐκ τῶν ἐπάνω (406) μετάκεινται.
ἱκανὸν δὲ ἦν εἰπεῖν ὅτι οὐκ ἐᾷ Zeis, καὶ ἀποκαϑίσταται ἐπιεικὲς
ὃν τὸ τῆς ἼἼριδος πρόσωπον" οὐ γὰρ ἂν εἶπεν κύον ἀδεές (his
versibus omissis restituitur quae ei propria est morum lenitas): Ari-
stonikos ed. Friedlaender p. 148, vgl. Nitzsch Sagenpoesie p. 152,
Düntzer Aristarch p. 89. Danach sind die Verse von den neueren
Herausgebern allgemein verworfen. — Zur Lesart γλαυκῶπι statt
γλαυκῶπις vgl. la ‘Roche homer. Untersuch. p. 112, Ahrens de
hiatus etc. p. 24.
429—431. Kritische Bedenken gegen diese Verse hei Düntzer
Aristarch p. 90. — Ueber die Construction von τυγχάνω (430) νεῖ.
Classen Beobachtungen p. 90.
433—437 verwirft Düntzer Aristarch p. 90 als spätere Aus-
schmückung, vgl. dagegen Calebow de 1]. libr. VIII p. 44 f.
440. Ueber die Beziehungen des Poseidon zum Ross vgl. Helcker
Kritischer und exegetischer Anhang. ©. 63
griech. Götterl. I p. 633. Uebrigens werden 440-443 von Düntzer
Aristarch p. 90 verworfen, vgl. dagegen Calebom de Il. libr. VIII p. 45.
450—451, sowie 454—461 werden von Düntzer Aristarch
p. 91 verworfen, vgl. dagegen Calebom de Il. libr. VIIL p. 46.
466—468 fehlen in den besten Handschriften und werden fast
allgemein verworfen: vgl. Nitzsch Sagenpoesie p. 152, Düntzer Ari-
starch p. 92, 2a Roche in Z. 1. oest. ὃ. ΧΙ p. 167, und dagegen
Bergk griech. Literat. I p. 590, Anmerk. 116, Kiene Komposition
p- 88 Note ad 4.
475. 476: ἀϑετοῦνται, ὅτι διὰ τοῦ ἤματι τῷ πλείονος χρόνου
ὑπέρϑεσιν σημαίνει, τῇ δὲ ἑξῆς ἐπὶ τὸν (sic) τάφρον παράγει τὸν
᾿Αχιλλέα (cf. Σ 215). καὶ ἀκριβολογεῖν οὐκ ἀναγκαῖον κατὰ τίνα
καιρὸν ἐξαναστήσεται, ἀρκεῖ δὲ πρὶν ὄρϑαι παρὰ ναῦφι ποδω-
κέα Πηλείωνα. τό τε ἐπιφερόμενον ψεῦδός τι ἔχει" οὐ γὰρ ἐν
τῷ στείνει μάχονται: Aristonikos ed. Friedlaender p. 150. Dieser
Athetese stimmen zu Nitzsch Sagenpoesie p. 132 und 249, Geppert
Ursprung der hom. Gesänge I p. 21, Friediaender ἃ. homer. Kritik.
p. 35 f., Düntzer Aristarch p. 92 ff., der die ganze Partie 473—483
verwirft, ähnlich Za Roche in Z. f. oest. G. ΧΙ p. 167. Aniers
urtheilen von verschiedenen Standpunkten aus Köchly de Il. diss. VII
p. 28, Lachmann Betrachtungen p. 35, Kiene Komposition p. 40 und
88, Nutzhorn Entstehungsweise p. 262 ff., Gerlach im Philolog.
ΧΧΧΙΝ p. 25, Bergk griech. Literat. I p. 590 und 630, Calebom
de Iliad. libr. VII p. 28.
478. Die Bedeutung der hier gegebenen Beziehungen der Hera
zu den Titanen erörtert Preller griech. Mythol. I p. 109: über die
Titauen selbst vgl. denselben I p. 36 fl. Welcker griech. Götterl. F
p- 262 f., Schoemann opusc. II p. 37. 270.
488.° Die Beiwörter der Nacht nach den Beziehungen, welche
für die Wahl des jedesmal, angewandten bestimmend gewesen sind,
bespricht Schuster Untersuchungen über die hom. stabilen Beiwörter,
1, Stade 1866 p. 22—28. — Uebrigens werden 487. 488 von
Düntzer Aristarch p. 95 verworfen. Die folgende Partie 489 — 565
erörtert kritisch Za Roche in 2. f. d. oest. G. ΧΙ 167.
490. Ueber die Localität vgl. Hasper Beiträge zur Topographie
p- 36 und das alte Troja etc. p. 15. — 493—496 werden von
Düntzer Aristarch p. 95 als spätere Ausschmückung verworfen.
497—5t1. Dass Hektors Rede namentlich in ihrem letzten
Theile durch ungehörige Zusätze entstellt ist, haben die Alten, wie
die Neueren erkannt und auf verschiedenen Wegen Heilung versucht.
Die Athetesen der Alten sind folgende: 524. 525 Aristarch, 528
Aristarch und Zenodot, 535-537 Zenodoi und Aristarch: letztere
die einzige Stelle, wo Aristarch eine doppelte Recension (535—537.
538. 539. 541, denn 540 las Aristarch in seiner Ausgabe nicht) an-
nahm: vgl. Friedlaender Aristonic. p. 152 und denselben im Philol.
IV 589. Aristarch entschied sich, ohne eine von beiden Bearbeitun-
gen zu tilgen, gegen die zweite 538. 539. 541, weil er den Ton.
64 Kritischer und exegetischer Anhang. Θ.
derselben zu prahlerisch fand. Auch die Neuern nehmen zum Theil,
wie Friediaender an dieser Anstoss und sehen in derselben eine
ungeschickte Verwendung von N 825—828, namentlich wegen
der Beziehung von ἥδε 541 auf den folgenden Tag, andere, wie
Nitzsch Sagenpoesie p. 142, la Roche in der Zeitschr. f. oest.
Gymn. ΧΙ p. 168, Bekker verwerfen beide, als von verschiedenen
Rhapsoden eingefügt. Anders Kiene Komposition p. 216. Im Uebri-
gen haben die Neueren folgende Athetesen vorgenommen: Heyne
v. 512. 524. 525. 528. 534. 535—537, Geppert Urspr.
d. hom. Ges. I p. 21 und II p. 229 V. 528 und 536, Bekker ausser
535—541 auch 523—529, Düntzer im Aristarch p. 96 If, 503. 504.
510—529. 535—541, Franke in der Faesischen Ausgabe 523. 528
—531. 535—541, lu Roche 523—529, Koechly in lliadis Carmina
XV1 523. 528—531. 535—541. Dagegen hat Calebow Beiträge zum
achten Buch der Ilias p. 31 und de Illiad. libro VII p. 46 fl. versucht
gegen Düntzer den Zusammenhang des Ganzen zu rechtfertigen, und
auch Bergk griech. Literat. I p. 590 urtheilt, dass der Schluss des
Gesanges vun 489 an eine wesentlich unversehrt erhaltene Partie der
originalen Dichtung sei. Düntzer scheint allerlings in seiner Kritik
zu weit zu gehen: die von demselben gegen 503. 504. 510—522
vorgebrachten Bedenken sind mir nicht erheblich genug, um die Ur-
sprünglichkeit der Verse zu bezweifeln, zum Theil auch nicht be-
gründet. Dagegen ist der letzte Theil der Rede ohne Zweifel durch
Zusätze entstellt. Zunächst kommt die Partie 523—531 in Betracht:
die Stelle, wo der 502 durch νῦν μέν vorbereitete Gegensatz zur
Ausführung kommt. Ein solcher liegt hier aber in doppelter Fassung
vor: 525 ff., vorbereitet durch 524, und 530 ff. vorbereitet durch
529. Beide vorbereitenden Verse sind nicht ohne Anstoss, 524 durch
das ἅπαξ εἰρημένον ὑγιής in dem Sinne ‘erspriesslich’, 529 wegen
des Gedankens in φυλάξομεν ἡμέας αὐτούς, wofür Heyne vermuthete
ἡμέες αὐτούς —= observabimus ipsos (hostes). Wie dieser Vers in
dem nächsten Zusammenhange keinen Anhalt hat und nur durch ein
Zurückgreifen auf die 517—522 angeordneten Massnahmen zur Siche-
rung der Stadt erklärt werden kann, so ist auch 526. 527 in seinem
Verhältniss zu dem Vorhergehenden nicht recht klar: soll darin eine
vorläufige Andeutung der Stimmung gegeben werden, die seinen Vor-
schlägen für den folgenden Morgen zu Grunde liegen wird, oder gar,
wie Düntzer unter Annahme der Zenodoteischen Lesart ἔλπομαι εὐχό-
μένος will, eine Andeutung, dass er morgen die Troer auffordern
werde mit ihım zu den Göttern zu beien? Entscheidend aber für die
Frage, welche von den beiden Ausführungen für die ursprüngliche
zu halten sei, 525—528 oder 530. 531, ist die Stimmung, welche
Hektor in den Eingangsworten seiner Rede 498—501 ausspricht. Die
Vernichtung der Schilfe und aller Achaeer bei denselben ist Hektors
Ziel, dessen Vereitelung durch den Einbruch der Nacht er mit allenı
Nachdruck beklagt, daher auch 510 die Besorgniss, dass die Achaeer
noch in der Nacht entiliehen möchten. Dieser Stimmung entspricht,
Kritischer und exegetischer Anhang. Θ. 6
wo es sich um die Hoffnungen und Massregeln für den folgenden
Morgen im Gegensatz zu den Anordnungen für die Nacht handelt, nur
die Aufforderung mit dem frühsten Morgen mit aller Kraft bei den
Schiffeu den Kampf zu beginnen 530 f., nicht aber die Hoffnung die
Achaeer mit Hülfe der Götter zu verjagen 526 f. Die Nothwendig-
keit dieses Gegensatzes ist um so dringender, als in den Eingangs-
worten nach dem vöv 498 noch zweimal (500. 502) mit besonderem
Nachdruck das vöv und damit die augenblickliche Vereitelung des Ziels
und die augenblickliche Resignation betont ist. Beachtet man ferner
die Bedenken, welche sich an die seltsame Verbindung εὔχομαι ἐλπό-
μενος und an das nicht sehr klare κηρεσσιφορήτους schliessen, sowie
dass, wenn man mit Franke und Köchly 528—531 ausscheiden
wollte, 532 fl. sich gar nicht passend an 527 anschliessen würden,
so kann man kaum mehr zweifelhaft sein, dass die erste Fassung des
Gegensatzes in 526—528 nicht die ursprüngliche sein kann. Nach
dem Einschub dieser Verse musste für den 530 folgenden Gegensatz
ein neuer Uebergang gesucht werden und zu diesem Zweck griff der
Interpolator auf den in 517—522 entwickelten Gedanken zurück, der
hier aber ziemlich seltsam in den Zusammenhang tritt. Zweifelhaft
bleibt mir nur bei der Verwerfung von 523—529 mit Bekker und
Düntzer, ob die beiden die vorhergehende Gedankenreihe abschliessen-
den Verse, 523 und 524, die doch kaum anders denn als doppelte
Fassungen anzusehen sind, beide zu verwerfen sind. Nach der 22 Verse
in Anspruch nehmenden Ausführung der für die Nacht zu treffenden
Massnahmen scheint ein abschliessender und durch die Aufnahme des
Gedankens aus 502 den folgenden Gegensatz 530 vorbereitender Vers
durchaus in homerischer Art; da aber 524, der auch wegen des δὲ
sich nicht zum Abschluss des Vorhergehenden eignet, als 525 vor-
bereitend mit diesem fallen muss, so dürfte 523 grösseren Anspruch
auf Ursprünglichkeit haben und beizubehalten sein, obwohl auch in
diesem Verse die Ausdrucksweise eigenthümlich ist. Hinsichtlich der
letzten Partie 535 —541 bin ich nicht so entschieden, ob man ein
Becht hat beide Recensionen als nicht ursprünglich zu verwerfen.
Wenn gegen die, zweite (538—541) geltend gemacht ist, dass sie be-
sonders wegen ἡμέρη ἥδε eine ungeschickte Nachbildung von N 825
—828 sei und ἠελίου ἀνιόντος ἐς αὔριον 538, an sich und nach
αὔριον 535 unerträglich, den Interpolator verräth, so ist doch gegen
die erste nichts Erhebliches weiter einzuwenden, als dass sie bei dem
6532—534 ausgeführten Gedanken länger verweilt, als geradezu nöthig.
Gegen die nachdrückliche Hervorhebung von αὔριον beim Asyndeton
ist, wenn die Wiederholung dieses Zeitbegriffs 538 beseitigt wird,
nichts einzuwenden; sie entspricht dem leidenschaftlichen Pathos der
Worte; auch die Bedenken Düntzer’s gegen den in dem Bedingungs-
satz ed — μείνῃ enthaltenen Zweifel theile ich nicht. Den Gedanken
aber, dass nicht allein Diomedes fallen werde, sondern viele Achaeer
Mit ihm, diese überhaupt grosses Unglück treffen werde, den Düntzer
dem Interpolator zuschreiben möchte, dürfte man nach den Eingangs-
Anhang zu Ameis, Homers Ilias I, 8, 5
66 Kritischer und exegetischer Anhang. ©,
worten der ganzen Rede, wo die Vernichtung der Achaeer und der
Schiffe als Ziel betont wird, geradezu erwarten: die schmerzliche Klage
über das Entrinnen der Achaeer im Eingang verlangt als tröstliches
Gegenbild am Schluss mehr, als die Aussicht auf die Erlegung eines
hervorragenden Helden. Hatten wir also guten Grund 526. 527,
sowie 538—541, welche dem entsprechende Gedanken enthalten, aus-
zuscheiden, so würde doch die Ausscheidung auch von 535—537 einen
der Stimmung des Hektor wohl entsprechenden Gedanken geradezu
vermissen lassen. Im Einzelnen bemerke man noch Folgendes: 526.
Ueber die von Bekker in der zweiten Ausgabe und Düntzer aufge-
nommene Lesart des Zenodot ἔλπομαι εὐχόμενος vgl. Düntzer Zenod.
p- 98 f., zu der des Aristarch εὔχομαι ἐλπόμενος Friedlaender
Aristonie. p. 151. — 527. κηρεσσιφορήτους fasst proleptisch auch
Doederlein hom. Gloss. II p. 116. Ueber die Bildung des Wortes
handelt Meyer in Ο. Curtius Stud. V, p. 87. VI 385, Fedde über
Wortzusammensetzung im Homer, Breslau 1871 p. 20, Clemm de com-
positis Graeeis εἰς, p. 89. — 532. Ueber die indirecten Doppelfragen
vgl. Praetorius der homerische Gebrauch von ἦ in Fragsätzen, p. 22.
— 538. Zu den Wunschsätzen mit εἰ γάρ, die eine Betheuerung der
Zuversicht enthalten, mit welcher etwas Zukünftiges ausgesagt oder
versprochen wird, vgl. Z. Zange der homer. Gebrauch der Partikel
& 1 p. 330. — 540. Die hier angewandte Formel findet sich ausser
dieser Stelle nur noch N 827, wo sie übrigens mit den vorher-
gehenden Worten zusammen dem Sinne nach der andern Formel αἱ
γάρ, Ζεῦ τε πάτερ καὶ ᾿Αἀϑηναίη καὶ "Amolkov gleichkommt. Letztere
wird nur von griechischen Helden gebraucht, jene beide Male von
Hektor. In Bezug darauf erinnert Preller griech. Mythol. I p. 76
daran, dass Zeus, Athena, Apollon die vornehmsten Burggötter von
Troja waren. Im übrigen vgl. den Anhang zu H 132.
543. 544 verwirft Düntzer Aristarch p. 101. — 548 fl. V. 548,
sowie 550—552 fehlen in allen Handschriften und wurden erst von
Barnes aus Plato’s Alcibiad. II, 149 ἢ in den Text eingeführt. Vgl.
Sengebusch dissertat. Hom. I p. 127, la Roche homer. Textkritik
p. 36, in Z. f. oest. G. ΧΙ, 169, Geppert Urspr. d. hom. Ges. II 150.
555 fl. Im Zusammenhang mit der überall bei den homerischen
Menschen, auch in der Sprache (vgl. φάος), hervortretenden Freude
am Licht bemerkt Patzschke üb. die homer. Naturanschauung, Stettin
1849, p. 7: „Es ist wohl kein Zufall, dass das zweifelhafte unsichere
Licht des Mondes im Homer nicht erwähnt wird; überall, wo der
μήνη oder σελήνη, die übrigens auch nicht als Gottheit erscheint, ge-
dacht wird, ist es der volle, hellstrahlende Mond, der der Sonne in
seinem Glanze gleichgestellt wird: Il. 8, 555. 18, 484. 19, 374.
θὰ. 4, 45. 24, 148. Die Stimmung, die dem Dämmerlicht des
Mondes entsprechen würde, ist dieser Zeit fremd etc.‘ — Als das
einzige Beispiel einer perspectivischen Landschaft, mit Ausdehnung und
Atmosphäre und selbst kühnen und gebrochenen Umrissen, rühmt die®
Gleichniss Gladstone hom. Studien p. 447, vgl. auch Gerlach im
Kritischer und exegetischer Anhang. Θ. 67
Philol. XXX p. 55. Bekker hom. Blätter II p. 34 Anmerk. 17
tadelt, dass es der Unendlichkeit des gestirnten Himmels eintausend
Lagerfeuer mit fünfzig Troern um jedes gegenüberstelle. — Der von
Aristarch vgl. Aristonic. ed. Friedlaender p. 152, Zenodot (Düntzer
p. 164) und Aristophanes vorgenommenen Athetese von 557. 558
stimmen von Neueren zu Geppert Urspr. d. hom. Ges. I p. 13, Düntzer
hom. Fragen 195, la Roche in Z. f. ἃ. oest. G. XI p. 169, der auch
559 verwirft, Calebow de I. libr. VII p. 49. Düntzer verwirft den
ganzen Schluss 555—565, vgl. Aristarch p. 102. — 563. Ueber die
Schreibung σέλαι vgl. a Roche homer. Textkritik p. 297, zur Wieder-
holung desselben Wortes in rascher Folge, wie hier πυρὰ — πυρὰ
— πυρός Lehrs Aristarch, ?p. 472.
δ᾽
I
Einleitung.
.Ziteratur: C. Moritz de lliadis libro IX suspiciones criticae.
Posen 1859 (vgl. Goebel in Z. f. Gymn. 1860. XIV p. 262 fl)
Düntzer Aristarch p. 102—179. — P. la Roche die Erzählung des
Phönix vom Meleagros (ll. 1 529 —600). Müuchen 1859, mit der
Gegen-Kritik von Düntzer im Aristarch p. 187 fl. — Lachmanns
Betrachtungen p. 26 (dazu vgl. Blätter f. literar, Unterhalt. 1844
p- 506, Hoffmann im Philol. III p. 217 fi, Düntzer homer. Abhandl.
Ρ. 59 f., Gerlach im Philol. XXX p. 31 ff, Nitzsch Beiträge
p. 70 6) — Nitzsch Sagenpoesie p. 180 f. 221 i. 238 und Beiträge
p. 357 f.: (dazu vgl. Schoemann in Jahrbb. f. Phil. Bd. 69 p. 28 ἢ,
de reticentia Hom. p. 13—15 — Opusc. II p. 15—18, und
Köchly de 1]. carmm. dissert. ΠῚ p. 7 fl.) Kiene Komposition der
Dias p. 88 ff. 102 ff. Nutzhorn die Entstehungsweise der hom. Ged.
Ρ. 171 f. 175 fl. 236. — Grote Gesch. Griechenlands übers. von
Meissner, Bd. I p. 530 Π᾿ (vgl. Friedlaender die homer. Kritik von
Wolf bis Grote p. 37 ff., mit der Kritik von Baeumlein im Philol. XI
p- 417 |. und Kiene Komposition p. 325 fl.) — Kayser de interpola-
tore Hom. p. 11. — Jacob Entstehung der Ilias und Odyssee p. 226 M.
Genz zur Nlias p. 30 f. — Bergk griech. Literaturgesch. 1 p. 590 fl.
Bernhardy Grundr. d. griech. Literat. 11, 1, p. 164 f. — Einzel-
heiten bei Bonitz Urspr. d. hom. Ged. p. 54 f., Kraut die epische
Prolepsis in der Πίαβ, Tübingen 1863 p. 6. — Hoffmann quaestio-
nes Hom. II p. 215 fl. Giseke hom. Forsch. p. 219 fl. 250. —
4. Bischoff im Philol. XXXIV p. 17.
Die Begebenheiten des neunten Buches fallen in die dem zweiten
Schlachttage, dem 25sten der Ilias überhaupt, folgende Nacht, die
Θ᾽ 485 begonnen hat. Der Eingang desselben steht parallel dem
Schluss des achten Buches (489— 565), indem der troischen Agora
mit Hektors siegestrunkener Rede die Bestürzung der Achaeer (1—8)
und die Agora der Achaeer mit Agamemnons verzweifelnder Rede
(9—88) gegenübertritt. In dieser macht Agamemnon den Vorschlag
zur Flucht, wird aber von Diomedes energisch zurückgewiesen; dann
ordnet Nestor die nöthigen Sicherheitsmassregeln an und empfiehlt eine
Berathuug der Geronten beim Mahl in Agamemnons Zelt. Hier (89—181)
tadelt Nestor den Agamemnon wegen der Beschimpfung des Achill
Kritischer und exegetischer Anhang. I. 69
und räth ihn zu versöhnen. Agamenmon erkennt seine Verschuldung
an und zählt reiche Gaben auf, die er dem Achill zur Sühne anbieten
will. So werden auf Nestors Vorschlag Phoenix, Aias, Odysseus mit
zwei Herolden zu Achill abgesandt. Es folgt nun die Schilderung der
gastlichen Aufnahme der Gesandten bei Achill 182 — 224, dann die
Verhandlungen mit demselben 225 — 655: Zuerst schildert Odysseus
die Bedrängniss der Achaeer und Hektors Uebermuth, theilt Agamem-
nons Anerbietungen mit und sucht Achill’s Mitleid mit den Achaern, wie
seinen Ehrgeiz zu erregen (225—306). Achill dagegen unter dem
Vorwurf schnöden Undankes jede Rücksicht auf die Achaeer, wie auf
Agamemnon zurückweisend erklärt seinen festen Entschluss am folgen-
den Tage nach Hause zu fahren und lehnt die angebotenen Geschenke
als ungenügend die Schmach zu sühnen ab (307—429). Es folgt die
rührende Rede des Phoenix, der nach Hervorhebung des innigen per-
sönlichen Verhältnisses zu Achill ihn zur Scheu gegen die Götter
mahnt und durch das Beispiel des Meleager zu bestimmen sucht, auf
die angebotenen Sühngaben hin die Achaeer zu retten (430—605).
Achill lehnt dies zwar von neuem ab, aber in gemässigterem Ton und
erklärt schliesslich, die Frage wegen der Heimkehr am folgenden
Morgen mit ihm erwägen zu wollen (606--- 619). Aias macht einen
letzten Versuch: er mahnt ihn an die alte Freundschaft, hebt der Ge-
ringfügigkeit des Streitohjects gegenüber den überaus reichen Ersatz
hervor, macht das Gastrecht geltend (620—642). Achill erkennt die
geltend gemachten Gründe zum Theil an, hebt aber von neuem die Grösse
der erlittenen Schmach hervor und erklärt zuletzt nicht eher kämpfen
zu wollen, als bis Hektor mordend bis zu den Schiffen der Myrmi-
donen vordringe (643 — 655). Darauf erfolgt die Rückkehr der Ge-
sandten mit Ausnahme des Phoenix, der in Achills Zelt zurückbleibt
(656—669), Odysseus’ Bericht über den Erfolg der Sendung (670—
692), worauf Diomedes zu energischem Kampf am folgenden Morgen
auffordert (693—709). Nachtruhe (710—713).
Die Uebersicht des Inhalts ergiebt eine Folge von Begebenheiten,
die durch die Ereignisse des vorhergehenden Buches wohl vorbereitet
und im engsten Zusammenhange mit denselben (vgl. Baeumlein im
Philol. XI p. 421), in stetem Fortschritt sich folgerichtig entwickeln
und abgesehen von Einzelheiten ein wohl abgerundetes Ganze bilden.
Liegt in dieser Beziehung kein wesentlicher Anstoss vor, so fehlt es
andererseits nicht an Beziehungen, welche das neunte Buch mit den
vorhergehenden verbinden. So ist Diomedes’ Hervortreten 32 ff. und
696 ff. vorbereitet durch seine Aristie im fünften Buche; 34 ff. be-
zieht sich auf 4 369 ἢ; 71 fl. weist auf H 467 —471, 104 fl.
auf A 282—285, 348—350 auf H 337 und 436, 17—28 kehren
B 110—118. 139—141 wieder. Noch zahlreicher und wichtiger
sind die Beziehungen, in denen unser Buch mit dem für die ganze
Handlung des Epos grundlegenden ersten Buche steht (darüber Nähe-
res unten). Ebenso setzen die späteren Bücher vermöge deutlicher
Beziehungen das neunte voraus. Unter diesen Verhältnissen scheint
70 Kritischer und exegetischer Anhang. 1.
die Stelle unseres Buches in dem Zusammenhange des Ganzen so fest
gegründet zu sein, dass die Kritik dieselbe nicht erschüttern könne:
gleichwohl gehört dasselbe zu den bestrittensten, ja es hat in be-
sonderm Masse die Ungunst der Kritik erfahren,
Zwar hat Zachmanns Urtheil, dem dies (seiu achtes) Lied überall
den Stempel der Nachahmung trägt, kaum Zustimmung gefunden; man
erkennt an, dass dasselbe in grossartigem Stil angelegt sei und nament-
lich von 89 an ein wohlabgerundetes Ganze bilde, man giebt zu, dass
es eine feine psychologische Charakterzeichnung, geschickte Rhetorik
und gewandten Vortrag zeige, dass es auch metrisch sehr vollkommen
sei: allein die Anerkennung so grosser Vorzüge wird durchaus auf-
gewogen theils durch die Hervorhebung einer Reihe von Widersprüchen,
welche zwischen dem neunten und späteren Büchern bestehen, theils
durch eine scharfe Einzelkritik, die auch den inneren Zusammenhang
desselben bedroht, theils endlich durch aesthetische Forderungen oder
Bedürfnisse des dichterischen Planes, welche der Inhalt unseres Buches
angeblich nicht befriedigt. Dazu kommt eine Reihe von Eigenthüm-
lichkeiten in Inhalt und Ausdruck (wie die Allegorie von den Liten
502—514 als der frühste Beleg solcher allegorisierenden Moral, der
Reichthum des aegyptischen Theben 381, wie des Pythischen Orakels
405, der Mythos von Meleagros, Ausdrücke, wie ὑποδεξίη 73, dev-
δίλλων 180 u. s. w.), die auf einen jüngeren Ursprung des Buches
zu weisen scheinen. Auf diesen Momenten beruht das verwerfende
Urtheil einer Reihe von namhaften Kritikern, die, wenn sie auch einen
festen Kern eines grösseren Epos annehmen, doch leugnen, dass unser
Buch in dem ursprünglichen Plane des Gedichts seine Stelle gehabt
habe. Indem wir versuchen den Stand der an das neunte Buch sich
knüpfenden kritischen Fragen in den Hauptpunkten näher anzudeuten,
gehen wir zunächst von den Stellen der spätern Bücher aus, welche
mit unserm Buch in entschiedenem Widerspruch stehen. Es handelt
sich besonders um A 609 f. und Π 72 f. An der ersten Stelle
sagt Achill im Hinblick, auf die Bedrängniss der Achaeer zu Patroklos:
νῦν ὀΐω περὶ γούνατ᾽ ἐμὰ στήσεσϑαι ᾿Αχαιοὺς λισσομένους. Dies
sagt Achill an dem der Presbeia folgenden Tage, nachdem er vor
wenigen Stunden die Gesandten, die in Agamemnons Namen Sühne
anboten und um seine Hülfe flehten, abgewiesen hat. Der Widerspruch
ist unleugbar, und keine Interpretationskunst — Nitzsch Sagenpoesie
p- 238 und Faesi z. St. erklärten mit scharfer Betonung des νῦν:
jetzt (erst recht) — kann über denselben hinweghelfen. Die Versuche
der Vertreter der Einheit, wie Kiene p. 325, Nutzkorn p. 175,
Baeumlein im Philol. XI p. 419 sich mit der Stelle abzufinden, wer-
den Wenige befriedigen. Bergk, der im neunten Buch einen Grund-
pfeiler des ganzen Gebäudes sieht, urtheilt, dass die ganze Partie der
alten Ilias fremd sei. — An der zweiten Stelle ΠῚ 72 ff., wo Achill
dem Patroklos die Theiluahme am Kampfe gestattet, sagt er von den
Troern: τάχα κεν φεύγοντες ἐναύλους πλήσειαν νεκύων, εἴ μοι
κρείων ᾿Αγαμέμνων ἤπια εἰδείη: so kann Achill nicht’ sprechen,
Kritischer und exegetischer Anhang. I. τι
nachdem Agamemnon vor ihm sich so gedemüthigt, ihm selbst eine
seiner Töchter zur Gattin angeboten hat. Um diesem Widerspruch zu
begegnen, betont Kiene den Ausdruck ‘freundliche Gesinnung” und
leugnet die Bethätigung derselben durch Agamemnon, da derselbe erst
dem herben Zwange der Niederlage in der zweiten Schlacht sich ge-
beugt und nur dadurch zu dem Sühneversuch sich habe bestimmen
lassen. Nitzsch sieht in 69—79 eine diaskeuastische Ausführung,
ebenso erkennen Düntzer Aristarch p. 121 in 69—82, Bergk in
69— 73 Interpolationen, während Schoemann de reticentia Hom.
p. 13 Ν᾽ den Zusammenhang der Stelle gegen Nitzsch rechtfertigt.
Minderes Gewicht hat ΠῚ 84— 86, in deren Verwerfung Jacob,
Düntzer, Bergk übereinstimmen: die Verse stören den Zusammenhang
durchaus,
Zweifelhafter sind die Schlüsse aus dem Fehlen von Beziehungen
auf die Presbeia an Stellen, wo man solche zu erwarten sich be-
rechtigt glaubt. So wird von Patroklos IT 273. 274 (= A 411.
412), als er die Myrmidonen zur Tapferkeit mahnt, im Zusammenhang
mit der dem Achill zu erwerbenden Ehre gesagt: (ὡς ὧν) γνῶ δὲ
καὶ ᾽Ατρείδης — ἣν ἄτην, ὅτ᾽ ἄριστον ᾿Αχαιῶν οὐδὲν ἔτισεν und
damit ignoriert, dass dies factisch schon I 115—118 vgl. 110 ge-
schehen und durch die Gesandtschaft Achill kundgeworden ist. Man
darf mit Bergk zur Rechtfertigung der Stelle sagen, dass ein Hinweis
auf die Genugthuung, die Achill zurückgewiesen hatte, in diesem Mo-
ment für Patroklos unpassend gewesen wäre, ja man kann andrerseits
zweifeln, ob Achill wirklich in dem Sühneversuch die Erkenntnis der
Ate, wie er sie 4 411 im Sinne hatte, fand (darüber siehe unten),
und wird es mit Kiene natürlich finden, dass in diesem Falle auch
der Freund ebenso urtheilte. — Sehr verschieden beurtheilt sind ferner
N 115 die Worte Poseidons in Kalchas’ Gestalt bei der Ermunterung
der Achaeer: ἀλλ᾽ ἀκεώμεϑα ϑᾶσσον' ἀκεσταί τοι φρένες ἐσθλῶν",
welche Schoemann in den Jahrbb. Bd. 69 p. 28 durchaus nur auf
eine Versöhnung des Achill beziehen zu können glaubt, während
Kiene das ἀκέεσθαι auf die eigne Gesinuung der Achaeer gegen
Agamemnon und die daraus folgende Schlaffheit und Unlust im Streite
bezieht, da ja an einen Versöhnungsversuch im Laufe der Schlacht
gar nicht gedacht werden könne. Baeumlein andrerseits meint, jener
Vorschlag solle den Griechen die Zuversicht, dass Achill versöhnt
werden könne, einflössen und dadurch ihren Muth erhöhen, Dientzer
endlich (Aristarch p. 117) legt auf den Vers kein Gewicht, weil er
einer grösseren Interpelation angehöre (108 --- 115). — Auch in der
Rede des Nestor A 656— 803, worin er dem Patroklos ans Herz
legt den Achill zum Aufgeben seines Zorns zu bewegen, und ebenso
in Patroklos’ Worten IT 21 f., mit denen er dieser Bitte entspricht,
findet sich keine Beziehung auf den zurückgewiesenen Sühneversuch,
*Gerade von Nestor, sagt Schoemann (in d. Jahrbb. Bd..69 p. 28),
müsste der verschmähten Bitten um so eher gedacht sein, als gerade
er es gewesen, auf dessen Rath der Sühneversuch gemacht war.’
72 Kritischer und exegetischer Anhang. 1.
Kiene antwortet auf die Forderung einer solchen Beziehung ähnlich,
wie Bergk zu II 273. 274, dass es weder zartfühlend, noch zur
Erreichung des Zieles förderlich gewesen wäre, wenn Patroklos den
Freund an sein Unrecht (die Zurückweisung der Sühne) erinnert hätte
und lässt Nestor dieselbe Rücksicht auf den Freund Achills nehmen.
Andrerseits scheinen die Eingangsworte in Nestor’s Rede 656 f. sich
am natürlichsten unter Voraussetzung der Gesandtschaft zu erklären,
ferner erinnern in derselben Rede 765— 790 an I 252— 259, und
794 Ν᾿ nimmt Rücksicht auf 1 401—416: vgl. Baeumlein im Philol.
ΧΙ p. 422 f. Endlich findet Bergk in 666—668 eine Beziehung auf
I 659, da er aber die ganze Partie dem Diaskeuasten zuweist, so
legt er darauf kein Gewicht. Bei der Rede des Patroklos ΠῚ 21 ff.
aber darf man fragen, ob Patroklos in so scharfen Worten, wie 29—35
geschieht, Achills Unersöhnlichkeit tadeln konnte, wenn kein Versöh-
nungsversuch vorausgegangen war. — In ähnlicher Weise werden die
Aeusserungen Achills 2 108 ff., wie T 56 fl. 270 fl. von Düntzer
Aristarch p. 129 ἢν und Kiene p. 332, Baeumlein im Philol. ΧΙ
p- 419 ἢ mit entgegengesetztem Resultat erörtert.
Haben die angeführten Stellen, verglichen mit deneu, welche
einen entschiedenen Widerspruch gegen das neunte Buch bekunden,
eine geringere Beweiskraft, so treten jenen wiederum andere gegen-
über, die eine mehr oder weniger sichere Beziehung auf die Presbeia
enthalten. Schon erwähnt sind A 666—668 vgl. mit I 650 f,
4A 794 ff. vgl. mit I 401—416. Hinzu kommen 2 444—456,
denen freilich Bergk keine Bedeutung beilegt, weil nach seiner An-
sicht die ganze Partie der alten Ilias fremd ist, vgl. Baeumlein im
Philol. XI p. 423. Sehr bestritten ist IT 60—63: während Kiene
p. 330, Baeumlein a. 0. p. 423, Nitzsch Beiträge p. 359, Bergk
p- 593 die Beziehung auf I 650—653 zweifellos finden, hält Düntzer
Aristarch p. 119 die Uebereinstimmung beider Stellen für keineswegs
so genau, die Beziehung nach dem Zusammenhange für unmöglich;
überdies scheinen ihm I 650 ff. mit Moritz interpoliert. Auch Schoe-
mann de reticentia Hom. p. 15 leugnet die Beziehung, weil ἔφην
mit Aristarch in dem Sinne von ‘ich dachte’ zu verstehen sei. Dem
letzteren Umstande dürfte kaum solches Gewicht beizulegen sein: die
Uebereinstimmung des Gedankeninhalts an beiden Stellen ist genau
genug, um eine Beziehung der einen auf die andere anzunehmen ;
weshalb der Zusammenhang eine solche verbiete, ist nicht recht
ersichtlich; wenn Achill in den Worten οὐδ᾽ ἄρα πως ἦν xrA. den
früheren Entschluss seinen Groll festzuhalten bereits aufgiebt und in
Bezug darauf hinzufügt: freilich dachte ich eic., so hat er ja eben
nur im neunten Buch nach dem Sühneversuch Gelegenheit gehabt jenen
Vorsatz des ἀσπερχὲς κεχολῶσϑαι auszusprechen, und so ist eine
Beziehung darauf doch im Zusammenhang begründet; und diese
bleibt doch auch bei der Interpretation von ἔφην γε “ich dachte’,
ohne dass es der nicht haltbaren Erklärung von Kiene bedürfte., —
Endlich gehören hierher die Stellen in 7, wo die Versöhnung unter
Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 73
den im IX. Buch angegebenen Bedingungen wirklich vollzogen wird:
140. 141. 175—177. 194. 195. 243 fl., von denen aber Grote und
Düntzer urtheilen, dass sie erst eingeschoben sein, um die Beziehung
mit dem neunten Buche herzustellen. Die dabei gegen χϑιξός 141
erhobenen Bedenken sind widerlegt von Baeumlein Philol. XI p. 424,
Schoemann in Jahrbb. Bd. 69 p. 29 Anmerk., anders urtheilt Bergk
. 595.
Ῥ lichen wir vorläufig das Facit dieser Betrachtung, so ergaben
sich einmal Stellen, die einen entschiedenen, nicht hinwegzuleugnen-
den Widerspruch mit der Presbeia enthalten, andrerseits solche, die
ebenso zweifellos die deutlichste Beziehung auf dieselbe zeigen: bei
andern bleibt eine solche mehr oder weniger zweifelhaft; die Frage
endlich, ob an dieser oder jener Stelle eine Beziehung auf das neunte
Buch, wo sie fehlt, geboten sei, liess als eine Frage des aesthetischen
Geschmacks kaum eine objective Beantwortung zu. Unter diesen Ver-
hältnissen musste sich die Kritik nach weiteren und zwar inneren
Gründen umsehen, um die Frage nach der Ursprünglichkeit des neun-
ten Buches in dem einen oder andern Sinne zu entscheiden.
Die verwerfende Kritik hat solche zunächst dem Zusammenhange
entnommen, in welchem die Ereignisse des neunten Buches mit denen
des vorhergehenden und weiter des elften stehen. Nach ihr steht die
Niedergeschlagenheit, welche Agamemnon im Anfange des neunten
Buchs zeigt und welche zu dem Sühneversuch führt, ausser Verhält-
niss zu der Niederlage, welche das Resultat des achten ist, während
andrerseits nach jener Verzweiflung der gehobene Muth und die Helden-
laufbahn desselben im Anfange des elften unbegreiflich ist. Andere
Bedenken betreffen die innere Wahrscheinlichkeit des Sühneversuchs
von Seiten des Agamemnon, wie der Abweisung desselben durch
Achilleus: jener, sagt man, kann sich nach den gegebenen Verhält-
nissen und nach seinem Charakter nicht so tief εἰ rigen, dieser
kann die angebotene Versöhnung nicht zurückweisen: “Agamemnon
erniedrigt sich durch die Gesandtschaft an, Achill so tief, dass durch
sie Thetis Bitte an Zeus um Vergeltung für das Unrecht, das ihr
Sohn erlitten, durchaus erfüllt ist; eine vollständigere Genugthuung
kann derselbe nicht erhalten und erhält sie schliesslich in der That
nicht’, und wie Grote sagt, “das neunte Buch treibt den Stolz und
Egoismus des Achill über die höchsten Erfordernisse beleidigter Ehre
und ist für jenes Gefühl von Nemesis, welches im griechischen Geiste
so tief wurzelte, abstossend.” Endlich erscheinen nach jener Achill
zu Theil gewordenen Genugthuung die ferneren Niederlagen, die Zeus
über die Griechen verhängt, grundlos — und doch verhängt er sie
wider seinen Willen — „um Achill zu ehren.“
Von diesen gegen die Ursprünglichkeit des neunten Buches er-
hobenen Einwänden ist der erste von verhältnissmässig untergeordneter
Bedeutung. Die, welche die Ursprünglichkeit der Presbeia behaupten,
haben dagegen geltend gemacht, dass, wie der Stand des Krieges, wie
ihn das neunte Buch voraussetze, durchaus mit der im achten Buche
74 Kritischer und exegetischer Anhang. I.
geschilderten Lage übereinstimme (nähere Nachweisungen bei Baeum-
Tein a. Ὁ. p- 420 £.), so jene in der That schlimm genug sei, um
Agamemnon zu dem demüthigenden Schritt zu bewegen: es war dies
die erste Niederlage, welche die Achaeer erlitten; “die Unterlassung
des Versöhnungsversuches müsste uns befremdlich erscheinen, Nestor
durfte nicht schweigen, um so weniger, da er auch nach seiner Er-
folglosigkeit die Versöhnung stets im Auge behielt.” (Kiene p. 335).
Der ritterliche Muth aber, den Agamemnon, .nach jener Verzweiflung
und Demüthigung,, im elften Buche bewährt, lässt sich aus der Art,
wie Agamemnon in der Dichtung überhaupt sich zeigt, schr wohl er-
klären: denn er geht überall von einem Aeussersten zum andern über
(Jacob p. 230), ja ‘seine veränderte Haltung vor und nach der Ge-
sandtschaft erhält nur durch diese eine genügende Erklärung, denn
durch seine Demüthigung und den Versöhnungsversuch von dem drücken-
den Schuldgefühl befreit, wird er zur Entwicklung seiner natürlichen
Tüchtigkeit und Thatkraft befähigt.” (Kiene p. 334). Der Schwer-
punkt der ganzen Untersuchung aber liegt in der Frage, ob durch
Agamemnons Demüthigung Achills Wunsch und die Bitte der Thetis
erfüllt ist, und der damit auf das engste zusammenhängenden, ob
Achill nach seinem Charakter, nach dem Plan und der Anlage des
Gedichtes den Sühneversuch zurückweisen darf. Was die erstere be-
trifft, so wird dieselbe ebenso entschieden, wie sie von der verwerfen-
den Kritik bejaht wird, von den Vertheidigern der Presbeia verneint.
*Noch war es kein Kampf um die Schiffe, wie Achill es verlangt hatte
4 408 ff. Π 61 ff.; überall wird von demselben die verzweifeltste
Lage der Achaeer vorausgesetzt, wenn er wieder an dem Krieg theil-
nehmen soll, 4 408 fl. I 386 f, 650 ff. A 609 f., und mit 1 650 f.
ganz übereinstimmend ΠῚ 61 ff.; somit ist die Abweisung der Sühne
nur eine Consequenz aus jenem mit deutlichen Worten gegen Thetis
ausgesprochenen Wunsch.” (Baeumlein p. 419 f.). Allerdings scheint
die Bitte der Thetis A 508 ff. durch Zeus Eingreifen im achten Buche
und durch die Presbeia erfüllt: “allein Achill hat weder zu seiner
Mutter, noch zu Agamemnon (A 240 ἢ) gesagt, er wolle, wenn die
Achaeer so hart bedrängt wären, ihnen zu Hülfe kommen. Setzte
dies Thetis voraus, so war dies eben nur ihre Voraussetzung, nicht
die Meinung Achills, und zu dessen Härte stimmt sogar der Beschluss
des Schicksals Θ 473 ff, den Zeus noch vor dem Sühneversuch aus-
spricht. So musste Achill sogar nothwendig diesen zurückweisen,
weil sonst die Achaeer nach der Anlage unserer Dichtung nicht hätten
bis in den engen Raum ihrer Schiffe gedrängt werden und Patroklos
nicht hätte dort fallen können’ (Jacob p. 231 f.). Durch diesen
Schicksalsspruch werden auch die weiteren Niederlagen, die Zeus nach
der Rückweisung der Sühne über die Achaeer verhängt, motiviert.
(Kiene 333). In jener von Grote so schwer getadelten Masslosigkeit
des .Zornes aber, die auf einem übertriebenen Selbstgefühl und Egois-
mus beruht, sehen die Vertheidiger unseres Buches gerade die conse-
quente Entwicklung seines Charakters, wie er überall in dem Gedicht
Kritischer und exegetischer Anhang. I. 75
festgehalten wird, und in der dadurch herbeigeführten Zurückweisung
der Sühue den Angelpunkt der ganzen epischen Handlung. Alle
Aeusserungeu im ersten Buche, wie im neunten und den späteren
“zeichnen ganz gleich und consequent Achill,- wie er einzig in die zu-
gefügte Kränkung versenkt für alles andere unzugänglich ist” (Baeum-
lein 418 f.). “Vergegenwärtigt man sich ferner seine Wildheit gegen
den Leichnam Hektors, so wird man seine Zurückweisung der Ver-
söhnung mit Agamemnon nicht so unerträglich finden können, dass
man deshalb den Gesang, der sie erzählt, ausstossen dürfte? (Jacob
231). “Mit der Art, wie Achill gleich im ersten Gesange der Ilias
geschildert wird, ist nicht nur der Charakter des Helden klar und
mit festen Zügen umschrieben, sondern auch der Gang des Epos vor-
gezeichnet. Nimmt man das neunte Buch heraus, so entsteht ein
offenbarer Widerspruch in der Anlage des Gedichts, wie im Charakter
des Achilles; denn daun wird der Held seinem Entschlusse untreu,
ohne dass ihm die geringste Genugihuung zu Theil wird; aus Mit-
gefühl und seines Grolles ganz vergessend, sendet er dann den Patro-
klos und seine Krieger den Achaeern zu Hülfe. So würde also das
eigentliche Motiv ganz verdunkelt werden.” (Bergk p. 591. Jacob
p. 234). Wie Bergk so die Nothwendigkeit des neunten Buches aus
dem Charakter Achills und der planmässigen Anlage des gauzen Epos
begründet, so legen Nitzsch, Baeumlein, Kiene nach ihrer Auffassung
des Epos vor allem darauf Gewicht, dass gerade auf der Zurück-
weisung des Sühneversuchs durch Achill die der Ilias zu Grunde
liegende tragische Idee beruhe. Denn das Gedicht von der μῆνις
οὐλομένη soll, wie Baeumlein dieselbe formulirt, recht eigentlich
darthun, “wie selbst bei den edelsten Naturanlagen der Mangel an
Mässigung -in dem Selbstgefühl und einem an sich berechtigten m&dog
unheilvolle Wirkungen hat, wie die Nemesis die Ueberschreitung des
Masses ahndel’, oder, wie Kiene sagt: “erst durch Zurückweisung der
Gesandtschaft verfällt auch Achilleus der ἄτη und wird folglich die
Lösung durch eigenes Leid nothwendig und gerechtfertigt.” Aber
auch wenn man diesen ethischen Gesichtspunkt, der allerdings in der
Dichtung selbst nicht deutlich hervortritt, vgl. Bergk p. 592 Anmerk.,
Schoemann in Jahrbb. Bd. 69, p. 27 ff., nicht gelten lässt, so lassen
sich doch noch andere bedeutsame Gründe gegen die Ausscheidung
des neunten Buches anführen. Das Zurücktreteu Achills nach dem
ersten Buche ist durch die Anlage des Gedichts motiviert; allein wenn
er auch erst gegen das Ende der Dichtung wieder handelnd eingreift,
so darf er doch als Hauptheld derselben in der Zwischenzeit nicht
gänzlich verschwinden: daher zeigt ihn der Dichter hier von neuem
und vervollständigt so das Bild des Helden, welches er im ersten
Gesange entworfen hatte (Bergk 592). Ferner, scheiden wir das
neunte Buch aus dem Zusammenhange aus, so vermisst man uach der
Darstellung der troischen Agora und des troischen Lagers am Schluss
des achten Buches eine Schilderung der Stimmung auf Seiten der
Achaeer (Baeumlein p. 426), vor allem auch der Stimmung Aga-
76 Kritischer und exegetischer Anhang. I.
memnons. Die erste Aeusserung Agamemnons über die Lage der
Achaeer würde, abgesehen von der Doloneia, sich erst #44 ff. finden,
der sich alsbald V. 74 ff. seine Aufforderung zur Flucht anschliesst,
ohne dass auch nur der Gedanke an eine Möglichkeit, den Achill zu
versöhnen ihm selbst gekommen wäre, oder ihm von andern, nament-
lich von Nestor, der doch A 790 f. noch daran denkt, entgegen-
gehalten würde, Ja, wir würden selbst das Anerkenntniss der Sehn-
sucht nach Achills rettendem Arm, deren Eintritt Achill A 241 fl. in
der feierlichsten Weise angekündigt hat, nur beiläufig theils aus
Nestors Aeusserungen im 11. Buche, theils aus Poseidons Munde
5 368 vernehmen. Auf der andern Seite aber würde ohne die in
der Presbeia Achill gewordene Genugthuung die erwachende Theil-
nahme und mildere Stimmung desselben, wie sie nach und nach A. 600.
2 5. 17. 80. 126—129 hervortritt, nicht gehörig motiviert sein.
Endlich macht Kiene p. 334 f. geltend, dass, wenn man das neunte
Buch beseitige, die zweite und dritte Schlacht demselben Zwecke
dienen, die zweite ihrer besondern Aufgabe, die sie sonst in dem
Plan der Ilias habe, entbehren würde, ‘Das verschiedene Eingreifen
des Zeus in der zweiten und dritten Schlacht und der dadurch her-
beigeführte verschiedene Charakter beider bleibt ohne die Veränderung
der Sachlage, wie sie durch das neunte Buch herbeigeführt wird, un-
motiviert.”
Nach einer genauen Abwägung der für und gegen die Ursprüng-
lichkeit unseres Buches einander entgegengestellten Gründe scheinen,
unter der Voraussetzung eines einheitlichen Kernes einer planmässig
angelegten Dichtung, die Gründe überwiegend, welche für das neunte
Buch sprechen. Zwar sind die Widersprüche mit dem neunten Buche,
welche in den spätern sich finden, nicht abzuleugnen; aber von den
drei Stellen, die einen directen Widerspruch mit der Presbeia ergeben,
sind zwei auch von Düntzer, der das neunte Buch verwirft, kritisch
verdächtigt. Wenn aber andrerseits auch die Stellen, welche eine
deutliche directe Beziehung auf die Presbeia ergeben, von der Kritik
verworfen werden müssten, so blieben doch eine Reihe von andern,
die eine indirecte Beziehung auf die Presbeia enthalten oder wenigstens
sich unter der Voraussetzung derselben am besten erklären. Schwerer
aber, als alle von der verwerfenden Kritik erhobenen Einwände,
wiegen die aus der Anlage des Gedichts gewonnenen Gründe. Man
braucht dabei noch keineswegs mit Nitzsch u. a. jene sittliche Idee
von der Schuld des Achill, die in dem Gedicht vielleicht nicht so
deutlich ausgesprochen wird, zum Mittelpunkt der epischen Handlung
zu machen; es genügt mit Bergk auf die im grundlegenden ersten
Buch gegebene Charakterzeichnung Achills, sowie auf die ‚ebendort
für die Entwicklung der epischen Handlung gegebenen Motive hin-
zuweisen, um nicht allein die Berechtigung, sondern auch die Noth-
wendigkeit des neunten Buches im Plane der ganzen Dichtung wahr-
scheinlich zu machen. Manche Zweifel und Bedenken über einzelne
Kritischer und exegetischer Anhang. I. τ
Stellen späterer Bücher werden bei einer sorgfältigen Prüfung dieses
Zusammenhanges vielleicht noch schwinden.
In dieser Beziehung mag hier noch ein Punkt etwas eingehender
erörtert werden: die Situation im neunten Buch im Vergleich zu den
grundlegenden Momenten des ersten und Achills Verhalten gegenüber
dem Sühneversuch.
Was Achill unter dem Eindruck des Streites mit Agamemnon im
Zorn ersehnt und erstrebt, gewinnt dort erst allmählig eine bestimmtere
Gestaltung. Zuerst, in jener feierlichen Verkündigung, nach Aga-
memnons Drohung ihm die Briseis zu nehmen, A 240, schwebt ihm
allgemein eine Situation vor, wo die Achaeer von Hektor heftig be-
drängt, insgesammt sehnsüchtiges Verlangen nach seinem retienden
Arm ergreift, Agamemnon aber unfähig zu helfen, quälende Reue über
die Beschimpfung Achills empfindet. Bestimmter gestaltet sich diese
Vorstellung bereits bei Wegführung der Briseis in den an die Herolde
gerichteten Worten ähnlichen Inhalts, wo παρὰ vnüctv 344 schon
auf einen Kampf bei den Schiffen zu deuten scheint, bis dann in der
von Thetis an Zeus zu richtenden Bitte 408—12 sein Wunsch klar
dahin ausgesprochen wird, Zeus möge den Troern beistehend, die
Achaeer κατὰ πρύμνας τε καὶ ἀμφ᾽ ἅλα ἔλσαι κτεινομένους. Was
darunter verstanden ist, ergeben klar Achills Worte II 66 ff, in
denen er die Voraussetzung bestimmt, unter der er dem Patroklos in
den Kampf zu ziehen gestattet: εἰ δὴ κυάνεον Τρώων νέφος ἀμφι-
βέβηκεν νηυσὶν ἐπικρατέως οἵ δὲ ῥηγμῖνι ϑαλάσσης κεκλίαται,
χώρης ὀλίγην ἔτι μοῖραν ἔχοντες. Dabei ist sein Zweck nach A411
£.: die Achaeer sollen insgesammt zu schmecken bekommen, d. i.
doch nichts anderes, als durch die schlimmste Bedrängniss erfahren,
was sie an ihrem Oberkönige haben, Agamemnon aber seine Ate er-
kennen, dass er den besten der Achaeer für nichts geachtet. Letztere
Erkenntniss, in Parallele gestellt mit dem ἐπαύρωνται, kann damit
auch nur als eine thatsächliche Erfahrung, als das Ergebniss der
äussersten Bedrängniss gedacht sein. Die Bestätigung dieser Voraus-
setzung der äussersten Bedrängnis giebt ausser IZ 66 fl. auch
II 237 fl. und Σ 74 ff, wo er nach den Ereignissen der vorher-
gehenden Bücher die Erfüllung seines Wunsches anerkennt, zum Theil
mit ähnlichen Worten. Nun ist im Anfange des neunten Buches ohne
Zweifel jene von Achill A 240 verkündigte Situation verwirklicht:
infolge der Niederlage im achten Buch ist jene allgemeine Sehnsucht
nach Achill eingetreten, Nestor giebt in der Boule dieser Stimmung
Ausdruck 103 fl., Odysseus spricht es Achill gegenüber offen aus
230. 231, dass nur in ihm das Heil. Agamemnon, rathlos und ver-
zweifelt, empfindet Reue über die dem Achill zugefügte Beschimpfung.
Aber noch mehr, er erkennt 115 fl. vgl. mit 110 seine Ate an, dass
er den besten der Achaeer für nichts geachtet, denn er sieht in der
Niederlage der Achaeer Zeus’ Walten, der damit Achill ehrt. Sonach
könnte es scheinen, als ob der wesentlichste Wunsch Achills erfüllt
wäre, wenn die Absendung der Achill liebsten Männer (521 f.), das
18 Kritischer und exegetischer Anhang. T.
Anerbieten überreicher Sühngaben, die Anerkennung, dass Achill allein
helfen kann, hinreichend Zeugniss für die Sinnesänderung Agamemnons
geben. Allein für Achill fehlt die Verwirklichung der Thatsachen,
auf deren Grund er erst eine wirkliche Erkenntniss seiner. Ate beim
Agamemnon annehmen kann: für ihn ist noch nicht die Bedrängniss
eingelrelen, die er vor Augen hatte in seinen Worten an Thetis und
von deren schmerzlichen Folgen er allein eine genügende Sühne er-
wartet. In der That kann die an diesem Tage erfolgte Niederlage der
Achaeer nicht als dem entsprechend angesehen werden, was Achill
4A 408—412 bezeichnet. Das achte Buch zeichnet die äusserste
moralische Niederlage der Griechen: die physische Noth derselben be-
schränkt sich darauf, dass dieselben hinter ihre Verschanzungen zurück-
gedrängt sind, wobei Hektor manchen erlegt hat vgl. © 213—215.
340 ff. Noch liegen Mauer und Graben schützend zwischen ihnen und
den Troern. Erst was in Folge dieser ersten Niederlage droht, die
Erstürmung der Mauer, das Vordringen Hektors bis zu den Schiffen,
die Bedrohung dieser selbst im mörderischen Kampfe, das ist, was
Achill ersehnt, was nach seiner Ansicht den Achaeern die Einsicht
verschaflen, was sie an ihrem Oberkönige haben, den Agamemnon zur
Erkenntniss seiner Ate bringen kann.
Dem entsprechend ist das Verhalten Achills dem Sühneversuch
gegenüber durchaus consequent. Zwar erkennt er die in der Nieder-
lage der Griechen ihm von Zeus zu Theil gewordene Ehre an (608),
aber er weist die Anerbietungen Agamemnons als ungenügend die
Kränkung zu sühnen zurück (387), achtet sie seinem unbefriedigten
Rachegefühl gegenüber für nichts (378). Weit entfernt von der Ueber-
zeugung, dass Agamemnon zur Erkenntniss seiner Ate gekommen (377),
sieht er in dem Sühnanerbieten nur eine Versuchung zu neuem Truge
(345 vgl. 375 f.) und setzt noch fortwährend bei demselben eine
feindselige Haltung voraus (371). Andrerseits ist es bemerkenswerth,
dass Odysseus, die Tiefe seines Grolles wohl ermessend, keineswegs
den reichen Ersatz für die Entziehung der Briseis hervorhebt, wie der
schlichte Aias thut (638), ja selbst die Möglichkeit andeutet (300),
dass sein Groll gegen Agamemnon zu lief eingewurzelt sei, als dass
er in den angebotenen Gaben eine genügende Sühne finde, dagegen
allen Nachdruck auf die Bedrängniss der Achaeer legt, diese in den
lebhaftesten Farben schildert und zugleich durch die Aussicht auf die
Erlegung des siegesstolzen Hektor seinen Ehrgeiz zu entflammen sucht,
gleichsam zur Ableitung seines verletzten Ehrgefühls. Wenn Achill
aber diesen Vorstellungen unzugänglich bleibt, so ist darum doch die
Presbeia nicht ohne allen Erfolg. Durch Phoenix’ Rede in seinem Ent-
schluss 'heimzukehren wankend gemacht (618 f.), hat er nach Aias’
Rede denselben bereits definitiv aufgegeben und eröfet wenigstens
die Möglichkeit einer 'Theilnahme am Kampfe, freilich nur, um seine
eignen Schiffe zu vertheidigen, also unter Vorausselzung der schmäh-
lichsten Bedrängnis der Achaeer, wie er sie früher ersehnt hat und
auch jetzt festhält. Und hier ist der Punkt, an dem der Dichter die
Kritischer und exegetischer Anhang, 1. 79
ersten Regungen der Theilnahme für den Verlauf des Kampfes an-
knüpfen konnte im elften Buche (600).
Auch im Uebrigen sind die Beziehungen des neunten Buches auf
das erste unverkennbar. Der Gedanke, dass die Achaeer ebenso wenig
Mitleid verdienen, als Agamemnon, den Achill I 315 f. andeutet, ist
vorbereitet durch A 231 f. 299, wie 410 in πάντες, in Ueberein-
stimmung mit II 18. Ferner liegen der Ausführung I 316— 336
die von Achill 4 158—171 und 226 ff. zu Grunde. Eine Differenz
bleibt allerdings in der Entwicklung der Momente, welche im ersten
Buch der epischen Handlung als Grund legend vorgezeichnet sind: die
Bitte der Thetis, wie sie A 508—510 vorliegt, scheint mit der Pres-
beia erfüllt und damit für Zeus die Veranlassung zu weiterem Ein-
greifen, um Achill zu ehren, erledigt. Denn Thetis bezeichnet als
Endpunkt dieser Thätigkeit des Zeus ὄφρ᾽ ἂν ’Ayaıoi ὑιὸν ἐμὸν τίσω-
σιν ὀφέλλωσίν τέ ὃ τιμῇ. Gleichwohl fährt auch nach der Presbeia,
wie er schon © 470 f. ankündigt, Zeus am folgenden Schlachttage
fort zu Gunsten der Troer einzugreifen, und zwar mit der ausdrück-
lichen Angabe, dass er dadurch die Thetis und den Achill ehren und
die Bitte der Thetis erfüllen wolle: N 350. (O 72 M). 233 |.
596 ff. Beachtenswerth ist dabei, dass im Zusammenhange mit der
beabsichtigten Anzündung der Schiffe es Ὁ 598 heisst: Θέτιδος δ᾽
ἐξαίσιον ἀρὴν πᾶσαν ἐπικρήνειε.
Anmerkungen.
1-8. Der Anfang des Buches (bis 79) wurde von J. Bekker
in den Monatsberichten der Berlin. Acad. 1864 (= Homer. Blätt. II
p- 33—36) einer scharfen, verwerfenden Kritik unterzogen. Einige
seiner Aussetzungen, namentlich in Betreif des Begriffs von φύξα V. 2,
sowie des Vergleichs V. 4 If. sind treffend zurückgewiesen von Lehrs
Aristarch. ?p. 382—384. Auch Düntzer homer. Abhandlungen p. 60
findet zur Verdächtigung von 1—88 keinen Grund, wenn man 84---89
und 68—78 ausscheide, verwirft aber im Aristarch p. 102 fl. V. 3.
12. 14—16. 23—25. 33—39. 44. 46—49. 57—59. 63. 64. 66—90.
Bergk griech. Literaturgesch. I p. 596 verwirft V. 8 bis 88, und auch
Bernhardy Grundriss d. gr. Lit. II, 1, p. 164 urtheilt über die Ein-
leitung des Buches ungünstig. — Zu φύξα vgl. Zehrs Aristarch ?p. 77,
auch Dissen kl. Schrift. p. 353. — Die Scheidung der Bedeutungen
von βεβόλημαι und βέβλημαι V. 3 ist ebenfalls eine Beobachtung
Aristarchs: vgl. Zehrs Aristarch. ?p. 64. — 4. Ueber die aus Natur-
schilderungen, wie die in diesem Vergleich vorliegende, für die Hei-
math des Dichters zu ziehenden Folgerungen vgl. Bergk griech.
Literaturgesch. I p. 450 f. — 5. Die ionische Form Βορρῆς statt des
handschriftlichen βορέης wird hier und % 195 verlangt von Sachs
de digammo ejusque usu apud Hom. etc. Berlin 1856 p. 39, Rasch
de productione brevium syllabarum in lliade, Halle 1865 p. 7, und
ist von Dindorf geschrieben. Vgl. auch G. Curtius griech. Etym,
80 Kritischer und exegetischer Anhang. 1.
ἀρ. 594. — 7. παρέκ und ähnliche componierte Praepositionen er-
örtert Spitzner im XVII. Excurs.
14. Das Gleichniss wird au dieser Stelle nach Zenodot’s Vor-
gange (Düntzer enod. 174) von Düntzer homer. Abhandlungen
p- 499. 500 verworfen, was derselbe näher begründet im Aristarch
p- 104. Als Nachahmungen desselben bei Zuripides führt Lechner
de Homeri imitatione Euripidea, Erlangen 1864, p. 22 an: Andromach.
116. 523—525. Suppl. 81—83.
17—28. Die Interpunktion nach φίλοι V. 17 ist gegeben nach
Nicanor ed. Friedlaender p. 197. — Ueber die doppelte Verwendung
der folgenden Worte hier und B 111—118, 139—141 vgl. 0. Müller
griech, Literaturgesch. I p. 93, Gladstone hom. Stud. p. 320, Baeum-
lein im Philolog. XI p. 421, Nitzsch Beiträge p. 371, Gerlach im
Philol. XXX, p. 32, Aiene Komposition p. 217 und dagegen Zach-
mann’s Betrachtungen p. 27, Bernkardy Grundriss der gr. Lit. II, 1,
p. 164. — 23—25. Aristarch verwarf (vgl. Friedlaender Aristonic.
p. 154) diese drei Verse hier als ungeeignet, während sie bei der
Versuchung B 116 am Platze sein. Allein Bekker hat Homer.
Blätt. Il, p. 111 gezeigt, dass dieselben auch im 2ten Buche aus-
zumerzen sind, weil sie den Zusammenhang völlig stören. Der Athe-
tese derselben im 9. Buche stimmen zu Baeumlein im Philol. XI
p. 421, Nitzsch Beiträge p. 371, Anmerk. 82, Düntzer homer.
Fragen p. 196, Moritz de lliadis IX libro p. 32. — Auch Zenodot
und Aristophanes verwarfen diese Verse, Zenodot überdies 26—31:
vgl. Düntzer Zenodot. p. 164 und 147.
32—49. Wegen der Beziehung auf Agamemnons Heerschau
(4 370) sieht iu V. 34—36 Bergk griech. Literaturgesch. I p. 596
die Zuthat des Diaskeuasten, auch Nitzsch Sagenpoesie p. 337, anders
urtheilen Xiene Komposition p. 218 und Gerlach im Philol. XXX
p- 22 f., der nach Dionys von Halicarnass in diesem Vorwurf gegen
Agamemnon einen rhetorischen Kunstgriff sieht: “Die Anklagen, welche
Diomedes gegen den König ausspricht, dienen in Wirklichkeit nur der
Sache desselben, indem sie das Heer der Hellenen zum Ausharren er-
muthigen. Er stellt sich erzürnt gegen Agamemnon, weil dieser den
Griechen die ehrlose Zumuthung gestellt hat nach Hause zu fliehen,
er fordert ihn auf lieber selbst abzusegeln, und kommt so zum Ziele
seiner Rede: „Die übrigen Achaeer werden Stand halten, bis Troja
zerträmmert ist.“? Vgl. indess Croiset de publicae eloquentiae prin-
cipüs etc. p. 57 1. — 42. ὥς re — sodass ist dem homerischen
Gebrauch fremd bis auf eg 21 und die vorliegende Stelle. Hier will
Lehrs Aristarch. ?p. 157. 158 unter Zustimmung von Nitzsch Sagen-
poesie p. 175 die Partikel beseitigen, indem er ἀπονέεσϑαι an die
Stelle von ὥς re νέεσθαι setzt. Vgl. indess Friediaender in Jahrbb.
£. class. Philol. Suppl. ΠῚ p. 773, auch Fleischer de primordis graeci
accusativi cum infinitivo ac peculiari ejus usu Homerico, Lips. 1870
Ρ. 27. Ueber die Construction selbst nach Verben des Wollens, Kön-
mens u. ähnl. vgl. Aken Grundzüge der Lehre von Tempus und Modus
Kritischer und exegetischer Anhang. T. 81
im Griech. p. 130. — 44. Aristarch (vgl. Friedlaender Aristonic.
p- 155) sah richtig, dass der Gedanke ohne den Zusatz dieses Verses
ausdrucksvoller und wirksamer sei: ἐφορμοῦσιν af νῆες, was Fried-
lgender erläutert: speculantur quodammodo, cupide exspec-
tant iter ingredi volentes, inhiant itineri. Vgl. auch Moritz
de liad. libr. IX p. 32, Düntzer Aristarch p. 107. — 46. Die von
den Worten εἰ δέ bis φευγόντων gegebene Aulfassung ist die des
Nicanor (ed. Friedlaender p. 198, vgl. p. 30), die von Rhode
'homerische Miscellen, Moers 1865 p. 15 bekämpft, jetzt von Z. Zange
de formula Homerica εἰ δ᾽ ἄγε, Leipz. 1873 p. 21 mit überzeugen-
den Gründen zur Geltung gebracht ist. — Ueber die Wendung σὺν
ϑεῷ 49 und verwandtes spricht Zehrs populäre Aufsätze p. 128,
hinsichtlich der Praeposition σύν vgl. Mommsen Entwicklung einiger
Geseize etc. p. 38.
53—78. Ueber die folgende Rede urtheilt Bernhardy Grund-
riss I, 1 p. 164: “Nestors Worte sind ein tonloses Emblem und
sollten fast nur den Raum füllen.” — Ueber den auffallenden Gebrauch
von werd mit Accus. in V. 54 vgl. Giseke die allmäliche Entstehung
der Ilias etc. p. 111. — 57. Ueber ἦ μὴν καί vgl. auch Zehrs
Aristarch. ?p. 74. — V. 59 ist von den neueren Ierausgebern all-
gemein verworfen. — 63. 64. Anders erklärt diese Gnome Preuner
über die erste und letzte Stelle der Hestia-Vesta in Cultushandlungen
und die Göttin Hestia bei Homer, Tübingen 1862, p. 49: „Ohne Ver-
wandtschaft, ohne Recht, ohne Feuer(herd) ist (verdient zu sein), wer
u. s. w.“, wobei er an das heilige Opferfeuer gedacht wissen will,
dessen Mangel für jene Zeit das wichtigste, das entscheidende Moment
im Begriff der Heimatlosigkeit sei, auch Aschenbach über die Erinyen
bei Homer, Hildesheim 1859 p. 5 denkt an die Gemeindealtäre, denen
z. B. der Mörder als unrein, hätte fern bleiben müssen. Vgl. aber
Naegelsbach homer. Theol. ?p. 275, Riedenauer Handwerk und
Handwerker p. 22, Haake der Besitz und seın Werth im homerischen
Zeitalter, Berlin 1872, p. 5. — Ueber die Verwendung dieser Gnome
bei späteren Schriftstellern vgl. Nitzsch Sagenpoesie p. 334. 340.
Uebrigens hat Friedlaender Analecta Homerica p. 16 dieselbe als den
Zusammenhang störend beseitigen wollen, ebenso Moritz 1. 1. p. 32,
Düntzer Aristarch p. 108, Franke bei Facsi. ' Vgl. dagegen Gerlach im
Philol. XXX p. 35 f. — 70 ff. Ueber die Gerontenmahlzeiten vgl. Schoe-
mann griech, Altert. I p. 26. In den folgenden Versen ist die aus-
drückliche Hinweisung auf die grossen Vorräthe, die dem Agamemnon
die Bewirthung der Geronten ermöglichen, sehr auffallend. Die Worte
klingen fast, wie Gladstone hom. Studien p. 297. 356 meint, als ein
leiser Hinweis auf die dem Agamemnon sonst von Achill besonders
vorgeworfene Habsucht oder auch Geiz — ein Hinweis, der gerade
hier, wo Nestor eben nach dem schneidigen Wort 63. 64 einlenkt
und dem Agamemnon die Initiative überlässt 69, am wenigsten passend
scheint. Seltsam ferner ist der durch die anaphorische Voranstellung
von πολέεσσι und πολλῶν gebundene Uebergang von 73 auf 74,
Φ Anhang zu Ameis, Homors Tlias I, 3. ὃ
89 Kritischer und exegetischer Anhang. 1.
während doch in dem Gedanken gar nichts Verbindendes liegt. Danach
kann man zweifeln, ob 71—73 ursprünglich sind. — ἡμάτιαι 72
erläutert Bergk griech. Literaturgesch. I p. 784. Anders Kirchhoff
im Hermes I p. 265. Ueber den Handelsverkehr der Thraker vgl.
Riedenauer Handwerk etc. p. 57. — V. 74 behandelt Paech über
den Gebrauch des Indicat. fut. als modus jussivus bei Homer p. 12,
der mit Recht die Auffassung des Fut. reisen als Ausdruck einer
Aufforderung zurückweist und dasselbe in potentialem Sinne erklärt,
— In 78 sieht Bergk griech. Literat. | p. 596 eine ungeschickte
Nachbildung von © 541.
107. Anders erklärt ἔβης ἀπούρας Düntzer in seiner Ausgabe
2. St., vgl. Grossmann Homerica p. 23.
113. In diesem Verse sieht Düntzer Aristarch p. 140 einen
späteren Zusatz.
115—161. Ueber die Verschuldung des Agamemnon vgl. die
Bemerkungen von Nitzsch Beiträge p. 370 und das Bekenntniss der-
selben p. 373. Den Begriff der ἄτη erörtert Buttmann Lexilogus
41 p. 210 M. Naegelsbach hom. Theol. ?p. 317 Π und Lehrs
popul. Aufsätze p. 223 f., vgl. auch Teuffel zur Einleitung in Homer
p- 26, Nitzsch Sagenpoesie p. 512. — 118 wird von Düntzer Ari-
starch p. 141 als späterer Zusatz angesehen. — 121. Ueber die in
der Anmerkung zu dieser Stelle und H 87 bemerkte Anlehnung des Con-
junetivs an ein vorhergehendes Futurum handelt Delbrück der Gebrauch
des Conjunctivs und Optativs etc. Halle 1871 p. 124 f., vgl. auch Philol.
ΧΧΙΧ p. 132. — 122, Die ἄπυροι τρίποδες könnten auch zum Schmuck
bestimmt sein, wie die kunstreichen des Hephaestos Σ᾽ 373 — 377,
wie Riedenauer Handwerk p. 104 und Andere meinen, so dass ἄπυ-
ρος den Sinn hätte: die überhaupt dem Feuer fern bleiben, allein die
epexegetische Erläuterung von ἄπυρον W 267. 268 durch λευκὸν
ἔτ᾽ αὔτως spricht für die gewöhnliche Erklärung, die auch Fogel de
supellectili in Homeri Iliade et Odyssea illustranda, Halle 1866 p. 32
vertritt. Hinsichtlich des Stoffes vermuthet Riedenauer a. O., dass
da das Erz (χαλκός ἃ. i. Kupfer) das älteste bekannteste Metall der
Griechen war, alle Gegenstände zum gewöhnlichen Gebrauche aus Erz
gemacht waren, auch in der Zeit, da man das Eisen schon kannte,
mithin auch hier an echte Kupferschmiedearbeit zu denken sei. —
Ueber das homerische Talent vgl. Friedreich Realien p. 279, Hultsch
Metrologie p. 104, Boeckh meirolog. Untersuchungen p- 35. —
125—127 werden von Bergk griech. Literaturgesch. I p. 597 wegen
der Beziehung auf die Agonen als jüngere Zuthat bezeichnet. —
128. Ueber Aristarch's Lesart (ἀμύμονα oder ἀμύμονας ἢ vgl. Zehrs
bei Friediaender Aristonie. p. 156. — 129. Eine Zusammenstellung
Ὁ aller bei Homer erwähnten Begebenheiten, die vor der llias liegen,
findet man bei Nützsch Beiträge p. 202 f. — 134. Den Begriff von
ϑέμις an dieser Stelle im Unterschiede von δίκη erörtert Allikn de
idea justi qualis fuerit apud Hom. et Hesiod. Halle 1847 p. 24. —
137. Eine sehr unwahrscheinliche Auffassung der Stelle mit veränder-
.
Kritischer und exegetischer Anhang. TI. 83
ter Interpunktion giebt Bekker homerisch. Blätt. I p. 217. Ueber
Jen Anklang νῆα — νηησάσϑω vgl. Lehrs Aristarch. ἦρ. 455.
Uebrigens verwirft Düntzer Aristarch p. 142 V. 138 als spätere
Interpolation. — 140. Eine besondere Beziehung sucht in dem Bei-
namen der Helena ’Agyein Gladstone homer. Stud. p. 70. — 141. Ueber
εἴ κε mit Optativ vgl. Z. Zange der homer. Gebrauch der Partikel
εἰ ll, p. 493 ff. — 146. Ueber die ἕδνα sowie weilte 147 handelt
Nitzsch au α 277, Schoemann griech. Alterth. I p. 52, Naegelsbach
hom. Theol, ?p. 256. — Die Composition ἐπιμείλια, welche Aristarch
wollte und die etwa aus der Wendung ἕδνα, ὅσσα φιλεῖ φίλης ἐπὶ
παιδὸς ἕπεσϑαι (vgl. Lehrs Aristarch. ?p. 110) zu erklären wäre,
ist von den Neuern mit Recht verworfen: vgl. Hoffmann homer.
Untersuchungen. Nr. 2, die Tmesis in der Ilias, Lüneburg 1858
p. 16. — 149. Zu der Schenkung der Städte vgl. Schoemunn griech.
Alterth. I p. 34. Düntzer Aristarch p. 142 verwirfi V. 149—156
als späteren Zusatz. — 154 fl. Ueber den Werth des Heerdenbesitzes
in der homer. Zeit vgl. die Zusammenstellung bei Büchsenschütz,
Besitz und Erwerb p. 208 f., auch Haake der Besitz und sein Werth
im homer. Zeitalt. p. 10. — In der Erklärung der δωτῖναι und
ϑέμιστες bin ich Schoemann griech. Alterth. I p. 35 gefolgt, welcher
vermuthet, dass die Einwohner solcher Landstriche, die Privateigen-
thum der Könige waren, einen Theil ihres Ertrages als Steuer ent-
richteten, während anderswo die Einwohner von solcher Steuer frei
waren. Aehnlich Allikn de idea justi etc. p. 25. Als eine für die
Rechtspflege zu leistende Gebühr fassen die ϑέμιστες Nitzsch zu
α 117, Naegelsbach hom. Theol. ?p. 279, Gladstone hom. Stud.
p- 298. Eine von diesen ganz abweichende Erklärung nach den
Alten in, Ebeling’s Lex. Hom. s. v. ϑέμις. — Ueber die Dehnung
kurzer Silben vor ὥς vgl. Hartel hom. Stud. I p. 76. — 158—161
verwirfl Düntzer Aristarch p. 143 als Zusatz eines Rhapsoden. —
Lechner de Aeschyli studio Homerico, Erlangen 1862, p. 25 ver-
gleicht zu dieser Stelle Aeschyl. fragm. 168:
μόνος ϑεῶν γὰρ Θάνατος οὐ δώρων ἐρᾷ,
μόνου δὲ Πειϑὼ δαιμόνων ἀποστατεῖ,
womit auch verglichen werden kann der Vers bei Platon. Republ. 1]
p- 390 E:
δῶρα ϑεοὺς πείϑει, due’ αἰδοίους βασιλῆας.
164. Der durch οὐκέτι bewirkten Steigerung des Begriffs im
Positiv entspricht der spätere Gebrauch von ἤδη zur Steigerung des
Superlativs, wie Herodot VII, 105 μεγίστη τίσις ἤδη, Thucydides
VI, 31 μέγιστος ἤδη διάπλους, vgl. Stein zu Herodot. II, 148, 4
und VIN, 105, der die Partikel freilich erklärt — ἦ δή “iraun wahr-
lich’, und Kühner auslührl. Gramm. II p. 677. — 167. Interpunction
und Erklärung ist gegeben nach Classen Beobachtungen p. 34 und
L. Lange de formula Homerica εἰ δ᾽ ἄγεν Leipz. 1873 p. 14—17,
8:
84 Kritischer und exegetischer Anhang. 1.
der zur Bildung der Periode die Formel vergleicht: ἀλλ᾽ ἄγεϑ᾽, ὡς
ἂν ἐγὼν εἴπω, πειϑώμεϑα πάντες. — 168. Ueber die Unwahrschein-
lichkeiten, an welchen die Einführung des Phoenix hier bei der Ge-
sandtschaft leidet, vgl. Schoemann de reticentia p. 15, la Roche
die Erzählung des Phoenix vom Meleagros p. 8 f., Düntzer Aristarch
p- 138, ‘Bergk griech. Literat. I p. 595, vgl. p. 540 u. 543 und
dagegen den Versuch alle Bedenken zu beseitigen bei Kiene Komposi-
tion p. 310. Von geringer Bedeutung ist, dass wir hier zum ersten
Mal überhaupt von Phoenix hören, ohne dass der Dichter für nöthig
hält uns näher mit seiner Persönlichkeit bekannt zu machen; wie es
aber mit seiner Stellung als Vasall und Unterbefehlshaber des Achill
verträglich sei, dass er sich während Achills Groll in der Umgebung
des Agamemnon und zwar nicht mur vorübergehend etwa bei der
Heeresversammlung und der Boule der Geronten (vgl. 427. 658.) be-
fand, darüber vermissen wir jede Andeutung;; andrerseits aber erschwert
der Dichter uns selbst die Möglichkeit eine solche Trennung von
Achill wahrscheinlich zu denken, da Phoenix selbst die Berechtigung
Achills zu grollen bis zu Agamemnons Sühneversuch ausdrücklich an-
erkennt (515—523), die Möglichkeit sich von Achill zu trennen als
ganz undenkbar zurückweist (437). Lassen diese nicht hinwegzuleug-
nenden Widersprüche und Bedenken vermuthen, dass Phoenix erst
später in die Gesandtschaft eingefügt ist, um denselben in eindring-
licher Rede auf seinen Zögling einwirken zu lassen, so scheinen Bergk
in den auffallenden Dualen 182. 183. 192. 196. 197. 198 selbst
noch die Spuren der ursprünglichen Fassung vorzuliegen, wonach nur
Aias und Odysseus die Gesandtschaft bildeten; auch bei dem Eintritt
der Gesandtschaft in Achills Zelt ist von Phoenix gar nicht die Rede,
während man, wenn Phoenix nach der Ansicht des Dichters nicht
eigentlich als Gesandter (vgl. 520 f.) angesehen werden sollte, sondern
nur als einführender Begleiter, nach dem Φοῖνιξ ἡγησάσϑω 168 hier
doch wenigstens irgend eine dem entsprechende Beihätigung desselben
erwarten sollte. Diesem Bedenken sollte wohl Aristarch’s Erklärung
von ἔπειτα 169 in temporalem Sinne — μετὰ ταῦτα begegnen, wo-
nach Phoenix zuerst sich in das Zelt des Achill begeben und Jdann
erst Aias und Odysseus als die eigentlichen Gesandten nachfolgen
sollten: vgl. Zehrs Aristarch. ?p. 151, Friedlaender Aristonic.
p- 158.
180. δενδίλλω wird von Fick vgl. Wörterb. 3p. 106 und
Curtius Eiymol. *p. 546 von W. dar, abzielen auf, blicken, be-
rücksichtigen (vgl. ünd-ög« und den Stamm dag in ἔδρακον) ab-
geleitet als reduplicierte Form aus δεν-διλ-΄ω: Vgl. auch Fritzsche
in Curtius Stud. VI p. 315. Uebrigens hält Düntzer Aristarch p. 144
diesen Vers für später eingeschoben, ebenso 182—185 und 192.
183. Ueber die Wahl der Gottheit, an die der Betende sich
wendet, vgl. Zehrs popul. Aufsätze p. 138, auch Naegelsbach hom.
Theol. ?p. 216.
185. Zur Versbildung (Enclitica in der dritten Arsis) vgl. Giseke
Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 835
'hom. Forschungen p. 61. — 187. 188 hält Düntzer Aristarch p. 145
für iuterpoliert. Vgl. Aristonie. ed. Friedlaender p. 159.
189. Ueber den Gesang des Achill vgl. Nitzsch Beiträge p. 33,
Welcker Ep. Cycl. p. 340, Bergk griech. Literaturgesch. I p. 347.
473. 733, der aus dem Fehlen eines Sängers von Beruf im griech.
Heerlager im Vergleich zu dem bedeutsamen Hervortreten des Sänger-
standes in der Odyssee schliesst, dass eben durch die Ilias ein mäch-
tiger Anstoss für die Sängerthätigkeit gegeben sei. Dass unter den
χλέα ἀνδρῶν einzelne Heldenthaten, einzelne Abenteuer, in Einzel-
liedern besungen, zu verstehen sein, führt Zauer Geschichte der homer.
Poesie p. 197 aus.
195. Moritz 1. 1. p. 32 zweifelt an der Aechtheit des Verses,
doch ohne Angabe der Gründe. Ebenso Düntzer Aristarch p. 145,
der dann auch 196— 199 verwirfl. — 196. Das Beiwort πόδας"
ὠκύς scheint Homer von früheren Dichtern überkommen zu haben,
„welche die Jugendzeit des Helden und die Kämpfe schilderten, die
der frühreife Knabe in der Pflege des Kentauren Chiron mit den ge-
waltigen Thieren des Waldes bestand, wo ebenso die ungewöhnliche
Körperkraft, wie die Schnelligkeit des Achilles hervortrat.“ Bergk
griech. Literaturgesch. I p. 348.
197. Ein Hauptgrund für die Verwerfung von 196—199 waren
für Düntzer Aristarch p. 146 auch die nach der gewöhnlichen Er-
klärung durchaus „gegen die feine Sitte der Gastfreundschaft ver-
stossenden Worte ἢ tu μάλα χρεώ: denn, sagt,er mit Recht, “Achilleus
kann unmöglich so roh sein, moch ehe er die Gastfreunde be-
wirthet, auf so schadenfrohe Weise auf den Zweck ihrer Sendung
hinzudeuten.’ Bothe’s Conjectur ἤ τε und die darauf begründete Er-
klärung Doederlein’s (Glossar $ 779) sind unannehmbar; die in der
Anmerkung gegebene Erklärung, welche einen treffenden Gedanken er-
giebt, dürfte sich durch den Zusammenhang mit dem folgenden Verse
empfehlen.
203. Ueber die in den besten Handschriften sich findende Form
κέραιε, welches die Lesart des Aristarch war (la Roche hom. Text-
kritik p. 128 f.), vgl. Zeskien in Curtius Stud. II p. 112.
206 ff. Die Eigenthümlichkeiten in der Beschreibung der folgen-
den Zurüstung des Mahles erörtert Friedlaender im Philol. VI p. 252
und in Jahrbb. f. class. Philol. Suppl. ΠῚ p. 780.
212. Neben der im Text gegebenen Lesart gab es (vgl. Aristo-
nic. ed. Friediaender p. 159) eine andere, von Aristarch ver-
worfene: αὐτὰρ ἐπεὶ πυρὸς ἄνθος ἀπέπτατο παύσατο δὲ φλόξ,
welche übrigens nach A. Nauck in Z. f. AW. 1855 p. 273 durch
Plutarch mor. 934°, Schol. Aesch. Prom. 7, Hesychius πυρὸς dvdog
bezeugt ist. Vgl. auch Bergk gr. Literat. I p. 548.
218—220. Zweifel gegen diese Verse äussert Düntzer Aristarch
p. 147. — 219. Ueber ϑύειν und ϑυηλαί vgl. Lehrs Aristarch.
2p. 82 1.
225-506. Wie sehr eine genaue und umfassende Untersuchung
86 Kritischer und exegetischer Anhang. 1.
neunten Buches zu analysieren, nach ihren Eigenthümlichkeiten zu be-
stimmen und Inhalt und Ausdruck aus den Charakteren der Redenden,
wie der gegebenen Situation zu begreifen versucht. Eine leider ver-
einzelt gebliebene Probe einer solchen genaueren Untersuchung der
Reden gab. Joh. Zahn Betrachtungen über den Bau der homerischen
Reden. Barmen 1868, für A 1—303. Eine umfassendere Betrachtung
und Vergleichung der Reden liegt der neusten Monographie über die
Beredtsamkeit bei Homer zu Grunde: Croiset de publicae eloquentiae
prineipiis apud Graecos in Homericis carminibus. Monspelii 1874,
aber diese beschränkt sich im Wesentlichen darauf zu untersuchen,
in welcher Weise die einzelnen Seiten der spätern kunstvoll geglieder-
ten Rede (narratio, argumentatio, affeetus, dispositio) in den homeri-
„schen Reden behandelt werden, und wenn diese verdienstliche Unter-
suchung auch manche treffende Beobachtung zur Charakterisierung der
homerischen Beredisamkeit im Allgemeinen giebt, so vermisst man
doch hier die genauere Einzeluntersuchung, welche bei der ganzen
Frage unerlässlich ist. Auch was sonst in neuerer Zeit über die Be-
redtsamkeit bei Homer geschrieben ist, berührt nur einzelne Seiten
der Frage und auch diese nicht erschöpfend: über den Werth der
Rede, die Mannigfaltigkeit der Redner und der verschiedenen Arten
der Rede spricht Gladstone hom. Stud. p. 321 ., über die Reden
als Mittel der Charakterzeichnung Hemmerling welcher Mittel bedient
sich Homer zur Darstellung seiner Charaktere, Neuss 1857 p. 9 f. 14,
und in specieller Anwendung auf Achill Hess komische Elemente
p- 25 Γ᾿, ein Versuch die Hauptredner als Repraesentanten einer be-
sondern Stylgattung zu charakterisieren bei Gerlach im Philol. XXX
p- 33 f. Die ältere Literatur, sowie die Urtheile der Alten über die
homerische Beredtsamkeit findet 'man bei Zauer Geschichte der homeri-
schen Poesie p. 35 f. vgl. Bernhardy Grundriss der griech. Literat.
I, 1, p. 63 f. — Die Alten erkannten die Vortrefllichkeit der Reden
des neunten Buches au; dagegen trägt nach Zachmann’s Urtheil (Be-
trachtungen p. 26) alles den Stempel der Nachahmung, und auch vor
Düntzer's Kritik (Aristarch p. 147 ff.) bestehen nur wenige Partien.
Anders urtheilen Hoffmann im Philol. Ill p. 218, Geppert Ursprung
der homer. Gesänge I p. 191, welcher üher die Rede des Odysseus
bemerkt: “Dieses Stück gehört wohl mit zu dem Ausgezeichnetsten,
was uns die antike Poesie überliefert hat’, Moritz de lliadis libr. IX
p- 2 f., Nitzsch Beiträge p. 71, Gladstone homer. Stud. p. 324 M.,
Genz zur ‚Ilias p. 31, Bernhardy Grundriss d. gr. Lit. Il, 1, p- 165.
Versuchen wir eine Analyse der Rede des Odysseus.
Für die Beurtheilung der Rede kommt vor allem in Betracht, auf
welchen Standpunkt Odysseus bei dem Versuch Achill zur Aufgabe
seines Grolls und zur Theilnahme am Kampfe zu bestimmen, von vorn-
herein sich stellt: und da ist bedeutsam, dass er sich nicht als Ab-
gesandten und Vertreter des Agamemuon einführt, sondern der Achaeer,
wie dem entsprechend auch Achill 421 seine Antwort den Edlen der
Achaeer überbringen heisst. Eingedenk der feierlichen Verkündigung
Kritischer und exegetischer Anhang. I. 87
der homerischen Reden nach allen Seiten Bedürfniss wäre, kann man
nicht lebhafter empfinden, als wenn man die grossen Reden des
Achills 4 240 if. vgl. 340 f., und wohl wissend, dass die Noth der
Achaeer und die Anerkennung, dass nur Achill allein helfen könne,
ihm vor allen Befriedigung gewähren werde, stellt er die Bedrängniss
der Achaeer in den Vordergrund, plaidirt für diese, berührt dagegen
Agamemnons Verhältniss zu Achill nur soweit als unumgänglich nöthig
ist. So redet er nicht von Agamemnons Verzweiflung, nicht von dem
reumüthigen Bekenntnis seiner Schuld und der bereitwilligen Annahme
des Sühnevorschlags und lässt sich damit Momente entgehen, welche
auf einem andern Standpunkte wirksam verwendet werden konnten, ja
er giebt (300) selbst die Möglichkeit zu, dass Achills Groll durch das
Sühneanerbieten nicht gestilll werden könne — dies alles, um in Bezug
auf den Streit zwischen Agamemnon und Achill möglichst unbefangen
zu erscheinen und mit um so grösserem Nachdruck die Motive geltend
zu machen, auf welche er das grösste Gewicht legt, Mitleid mit den
bedrängten Achaeern und die Rücksicht auf die zu erwartende Ehre:
auf jenes ist die lebhafte Schilderung der Noth der Achaeer berechnet,
auf Achills Ehrgeiz zu wirken dient schon die Zeichnung Hektors 238 ff.,
seines Uebermuths und seiner Drohungen, dann die Aussicht ihn zu
erlegen (304 f.) und dadurch die grösste Ehre bei den Achaeern zu
erlangen (302 1.).
Gleichwohl können diese Motive nicht wirken, so lange Achills
Groll gegen Agamemnon nicht wenigstens erschüttert ist. Odysseus
beschränkt sich daher nicht darauf, die von Agamemnon angebotene
Sühne zu seiner Kenntniss zu bringen, sondern macht zuvor verschie-
dene Motive geltend, um Achill zur Aufgabe seines Grolls zu bestimmen.
An dieser Ausführung (250— 259) hat Düntzer Aristarch p. 149
nicht geringen Anstoss genommen. Er findet dieselbe gar. zu schlecht,
als dass man sie dem Dichter der Gesandischaft zuschreiben könne,
der ohnedies dem Phönix die Aufgabe gelassen habe, den Achill durch
die Erinnerung an seinen Vater zu rühren, und anı wenigsten diesen
dadurch reizen werde, dass er an seine Neigung zum Jähzorn erinnere
(254 f.). Was den ersten Punkt betrifft, so kann ich nicht finden,
dass es in Phönix’ Rede ein wesentlicher Punkt sei Achill durch die
Erinnerung an seinen Vater zu rühren; das, was Phönix 480—484
von der freundlichen und ehrenvollen Aufnahme, die er bei Peleus
gefunden, erzählt, ist ebensowenig, als 438 —442 darauf wesentlich
herechnet, sondern dem Hauptzweck untergeordnet sein inniges persön-
liches Verhältniss zu Achill zur Geltung zu bringen. Und wenn auch!
— da die hier und dort verwendeten Gedanken wesentlich verschieden
sind, so dürfte an sich darin wenig Grund zum Anstoss liegen, da
doch die Einkleidung des Gedankens hier sehr passend ist, indem sie
Odysseus die Möglichkeit giebt Mahnung und Vorwurf in schonender
Weise auszusprechen. Den zweiten Anstoss scheint auch Bekker ge-
theilt zu haben, da er V. 257. 258 aus dem Text verwiesen hat
(unter Zustimmung von Moritz p. 32), und man muss in der That
88 Kritischer und exegetischer Anhang. T.
zugeben, dass die Erinnerung an die Neigung zu Zank und Streit
(ἔρις), die danach schon früher an Achill hervorgetreten sein müsste,
übel angebracht ist, wenn dieselbe gleich durch die Einkleidung des
Ganzen, indem die Mahnung dem Vater in den Mund gelegt wird, an
Schärfe verliert. Abgesehen hiervon aber können wir Düntzers Aus-
stellungen nicht theilen. Eine Ausscheidung der ganzen Partie ist
ohnehin kaum möglich wegen der festen Beziehungen, worin ἔτε zei
νῦν 259 zu dem Begriff von λήϑεαι steht, der das παύεσϑαι für
die vergangene Zeit bis zur Gegenwart uegiert, wogegen 249. 250
auf die Zukunft weisen und den richtigen Gegensatz in πολὺ πρίν
250 finden; und wie unvermittelt würde die Aufforderung 260 nach
250 eintreten!
Auch die Schlussgedanken der Rede 300—306 werden von
Düntzer p. 150 als wunderlich und verkehrt verworfen. Ohne auf
die Einzelheiten, an denen hier zum Theil ohne Grund Anstoss ge-
nommen wird, einzugehen, bemerke ich nur, dass durch eine Aus-
scheidung derselben der oben bezeichnete Standpunkt des Odysseus
dem Achill gegenüber völlig verrückt, die Motive, auf welche die
Schilderung im Eingange berechnet ist, zum Theil zurücktreten
würden, denn offenbar würde dann der Schwerpunkt der ganzen Rede
in Agamemnons Sühnanerbieten liegen, dies an letzter Stelle als das
bedeutsamste Motiv hervortreten. Solche tief einschneidenden Athe-
tesen, welche der Rede ein ganz anderes Gepräge geben, den Stand-
punkt und die Tendenz des Redenden völlig verändern, könnten nur
durch die allerdringendsten Gründe gerechtfertigt werden; die von
Düntzer dafür vorgebrachten kann ich als solche nicht anerkennen;
überdies finde ich in Achills Erwiderung mehrfach Beziehungen gerade
auf die verworfenen Gedanken, welche die Ursprünglichkeit derselben
höchst wahrscheinlich machen. So enthalten Achills Worte 355. 356
die Erwiderung auf die von Odysseus 304 eröffnete Möglichkeit Hektor
zu erlegen, wie dem dadurch in Aussicht gestellten Ruhm von Achill
401—415 geflissentlich der Werth des Lebens entgegengestellt wird,
während nach Verwerfung von 300—306 in der ganzen Rede des
Odysseus keinerlei Andeutung der Ehre und des Ruhmes sich finden
würde, die ihm die Reitung der Achaeer und Hektors Erlegung
bringen werde. Auch gleich im Anfang seiner Rede 315. 316 ist
die Gegenüberstellung des Agamemnon und der Argiver motiviert durch
die entsprechende in Odysseus’ Worten 300. 301. Wie malt endlich
würde die Rede abschliessen mit 299 und wie wirksam schliesst sie
in Wirklichkeit mit 300—306, da die hier entwickelten Gedanken
in kluger Berechnung zuletzt ein Moliv geltend machen, von dem sich,
falls alle andern unwirksam sein sollten, noch eine Wirkung erwarten
lässt, Achills Ruhmbegier.
Wir können demnach die in der Rede verwendeten Gedanken
dem Zweck derselben nur durchaus entsprechend finden: sie sind
psychologisch richtig auf den Charakter des Achilleus berechnet und
entsprechen in gleicher Weise der klugen Berechnung des Redenden
Kritischer und exegetischer Anhang. T. 89
selbst. Ebenso ist die Anordnung dieser Gedanken eine durchaus
zweckmässige, wohlberechnete: man unterscheidet leicht die folgenden
Theile:
1. Einleitung. 225—229.
2. Thema, 229—231: Die Bedrängniss und Gefahr der Achaeer,
aus der nur Achill errelien kann. Daraus ergeben sich von
selbst die beiden Haupttheile der Rede:
3. erster Haupttheil, 232-946: Schilderung der Bedrängniss der
Achaeer und der für den folgenden Tag drohenden Gefahr.
4° zweiter Haupttheil, 247—299: Bitte an Achill um Hülfe und
Aufgabe seines Grolls und deren Begründung : jene wird motiviert:
A. 247—251, durch den Hinweis auf das Entscheidende des
Augenblicks: diesen versäumt zu haben würde Achill später selbst
schmerzlich sein. Diese wird motiviert: -
B. 252—299, und zwar: B
a. 252—259, durch die dem Peleus in den Mund gelegte Mah-
nung seinen hochfahrenden Sinn zu bezühmen,
b. 260, durch den Gedanken, dass der Grollende durch seinen
Groll sich selbst nur Leid schaffe (ϑυμαλγέα),
c. 261—299, durch den Nachweis einer überreichen Sühne von
Seiten des Agamemnon.
5. Schluss, 300—306: Erneute Aufforderung sich der Achaeer zu
erbarmen mit dem weiteren Motiv, dass ihm die Achaeer die
höchste Ehre erweisen würden, zumal wenn er, wozu alle Aus-
sicht vorhanden sei, Hektor erlege.
Bei dieser Anordnung der Gedanken tadelt Düntzer, dass Odys-
seus in V. 231 viel zu früh Achilleus’ Hülfe in Anspruch nehme,
noch ehe er die ganze Noth geschildert. Dies Bedenken ist mir wenig
verständlich. Ist nicht das Anerkenntniss, dass Achill allein helfen
könne, gerade im Eingange wohl berechnet, um demselben sofort die
Genugthuung zu geben, deren Eintritt er schon ‚bei dem Streit mit
Agamemnon feierlich vorausverkündigt (4 240), die er mit Sehnsucht
erwartet hat? Ist diese Anerkennung seines Werthes nicht vorzüglich
geeignet den Helden, dem der Ruhm und die Ehre alles ist, von vorn-
herein dem zugänglicher zu machen, was auf ihn einwirken soll?
(Wenn Düntzer dabei weiter an νῆας Anstoss nimmt, da es sich hier
nicht von der Erhaltung der Schiffe handle, sondern von der eignen
Rettung, so ist zu beachten, dass überall in der folgenden Ausführung
die Bedrohung der Schilfe mit allem Nachdruck hervorgehoben wird,
daher 232 νηῶν an erster Stelle und dann erst τείχεος, ferner 235
ἐν νηυσὶ πεσέεσϑαι, was Düntzer freilich von den Achaeern gesagt
wissen will, 241. 242, wie auch in Achills Rede 347 und 424 die
Rettung der Schilfe an erster Stelle genannt wird. —) Enthält das
Thema, wie wir es demnach unverkürzt in 229—231 festhalten, schon
die zweifache Gliederung des Ganzen in sich, so ist der erste,
schildernde Theil ganz besonders berechnet auf die Erregung der
Affecte, welche im zweiten Theile zur Erreichung seines Zweckes
90 Kritischer und exegetischer Anhang. 1.
wirksam werden sollen, vor allem Mitleid mit den bedrängten Achaeern,
sodann Unwillen über Hektors Menschen und Götter verachtenden
Uebermuth. Jenes Motiv kommt dann sofort zu wirksamer Verwen-
dung in der ‚der Schilderung folgenden Bitte um Hülfe 347, dieses
bereitet den Versuch am Schluss der Rede 304— 306 vor, Achills
Ruhmbegier zu entflammen durch die Aussicht auf Hektors Erlegung.
Zwischen beide ist der Versuch eingefügt Achill zur Aufgabe seines
Grolls zu bestimmen. Indem Odysseus nämlich zunächst von der
Vorausselzung ausgeht (247 εἰ μέμονάς γε), dass Achill geneigt sei
den Achaeern zu helfen, kommt er erst nach der dringenden Auf-
forderung, wie sie die Schilderung der Noth und Gefahr unmittelbar
hervortreibt, zu dem dieser Hülfeleistung entgegenstehenden Bedenken,
dem Groll gegen Agamemnon; ungewiss aber, welchen Erfolg der
Versuch diesen zu besänftigen haben werde, verspart er bis zum Schluss
das zweite Motiv, welches ihn zur Aufnahme des Kampfes bestimmen
kann, Ehre und Ruhm,
Verfolgen wir die Ausführung der einzelnen Theile noch genauer,
so ist gleich in der Einleitung ein von Odysseus vielgebrauchtes und
der von ihm vertretenen Gattung der Rede besonders angemessenes,
wichtiges Kunstmittel verwendet, der Kontrast. (Vgl. Gerlach im
Philol. XXX p. 33.) Odysseus knüpft in einfacher Weise an die durch
das eben beendete Mahl gegebene Situation an, um den Freuden des
Mahles die schweren Sorgen, welche die Niederlage der Achaeer und
die bedrohliche Haltung der TTroer einlössen, entgegenzustellen und
damit zum Thema überzuleiten. Dieser Gegensatz wird 228 bei der
Aufnahme des Gedankens aus 225 durch das Epitheton ἐπηράτου vor-
bereitet und durch die entsprechende betonte Stellung von δαίνυσϑαι
228 und δείδιμεν 230 hervorgehoben. In der ganzen Partie his
231 beachte man die wiederholte Alliteration auf ὃ.
Die dem Thema folgende Schilderung 232—246 zeigt im Gegen-
satz zu den Erzählungen des Nestor wıd Phoenix (vgl. Croiset a. 0.
p- 30. 32. 34 f.) eine wahrhaft oratorische Handhabung der narrati
In den lebhaftesten Farben ausgeführt, welche den unmittelbaren sinn-
lichen Eindrücken entlehnt, besonders geeignet sind die Fantasie zu
erregen, ist sie in jedem Zuge darauf berechnet in Achills Seele die
Schrecken zu übertragen, deren Eindruck die Gesammtheit der Achaeer
gebannt hält. Die Ausführung ist in drei Abschnitten von je vier
Versen gegliedert, welche von den nächsten Thatsachen ausgehend,
in fortgesetzt gesteigeriem Ton, die ganze Grösse der daran sich
knüpfenden Gefahr schildern, woran sich dann die recapitulierenden
Verse 244—246 schliessen, die den Uebergang zum folgenden Theil
vermitteln. Jene Steigerung des Tons beginnt schon 235 in dem
lebhaften Gegensatz des betont vorangestelllen σχήσεσϑ᾽ zum ab-
schliessenden πεσέεσθαι; dann folgen die wirksamen Momente, Zeus’
Gunsterweisung gegen die Troer und Hektors Kampfwuth (236— 239),
markiert durch die im Versanfang parallel gestellten Praedicate dorgd-
eu — μαίνεται, die ihrerseits durch die parallel an den Versschluss
Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 91
gestellten, reimartig anklingenden Participia φαίνων und βλεμεαίνων
wirksam vorbereitet werden. Den Höhepunkt erreicht die Schilderung
endlich in 240—243: auch hier sind die Praedicate ἀρᾶται und στεῦ-
ται durch die pärallele Stellung im Versanfang hervorgehoben, wäh-
rend von den drei Infinitiven ἀποκόψειν, ἐμπρήσειν, δῃώσειν durch
die progressiv dem Versanfang sich nähernde Stellung schliesslich dem
letzten das Hauptgewicht zufällt, dem entsprechend auch das dazu-
gehörige Object ‘Ay«ıovg am vorhergehenden Versschluss eine bedeut-
same Stellung erhalten hat.
Was den Ausdruck in dieser Partie betrifft, so zeigen die durch-
weg sinnlichen Züge den unmittelbaren Eindruck der ϑεσπεσίη φύξα
(1 2). Wie schon der Ausdruck εἰσορόωντες πῆμα 229 der Reflex
der in der Ebene lodernden Wachtfeuer der Troer ist, so übertragen
die Praesentia 236 fl. lebhaft die Eindrücke des vergangenen Tages
auf die Gegenwart. Oder müssten wir mit Düntzer die ἐνδέξια σή-
ματα von nächtlichen Zeichen verstehen und darin eine eigne Er-
findung des Dichters der Presbeia sehen? Es ist richtig, wenn der-
selbe bemerkt, Odysseus spreche von Hektor so, als ob er ihn noch
in der Schlacht dächte: warum sollen wir nicht in gleicher Weise
verstehen, was er von den Blitzen des Zeus sagt? und rechtfertigt
nicht die Erregung des Redenden zur Genüge die ungewöhnliche An-
wendung des Praesens? Auch die Uebertreibung, welche derselbe
Kritiker in 238 in Vergleich zu © 530 ff. moniert, ist nicht so gross,
da Hektor 536 fl. es deutlich ausspricht, dass Diomedes, der in den
letzten Kämpfen als der grösste Held hervorgetreten war, ihm er-
liegen werde. — In der Verbindung. λύσσα δέδυκεν 239 mit dem
Accusativ der Person statt eines seelischen Organs, wie ϑυμός, worin
Fulda Untersuchungen über die Sprache der hom. Gedichte p. 301
eins von den Zeichen für den späteren Ursprung des Buches sieht,
kann man geneigt sein gerade einen recht drastischen Ausdruck zu
sehen, wie unsere Wendung: ist ihm in den Leib gefahren. Bedeut-
sam ist auch die Wahl des sinnlichen Ausdrucks στεῦται 241, worüber
Näheres unten in der Anmerkung zu diesem Verse; charakteristisch
die Wendung ἀὠποκόψειν ἄκρα »ogvuße in Hektors Munde als höh-
nische Bezeichnung für die völlige Besitzergreifung und Vernichtung
der Schiffe.
Indem der Redende 244—246 zu dem Gedanken von 230 zu-
rückkehrt, steigert er denselben zu der Besorgniss des völligen Unter-
gangs, wobei er mit δέδοικα (nach δείδιμεν 230) in die erste Person
Singul. übergeht, um so die persönliche Bitte 247 vorzubereiten. In
der Motivierung dieser 247—251 ruht aller Nachdruck auf dem
Gegensatz der temporalen Bestimmungen καὶ ὀψέ περ 247, μετόπισϑε
249, ῥεχϑέντος κακοῦ 250 und πολὺ πρίν, und durch die Hervor-
hebung des Gedankens “es ist die höchste Zeit zu helfen’ wird die
Aufforderung besonders kräftig und dringend, was Düntzer verkannt
hat, wenn er die Bitte als nicht besonders kräftig ausgesprochen be-
zeichnet. In der Zusammenstellung οὐδέ τὶ μῆχος ἔστ᾽ ἄκος εὑρεῖν,
92 Kritischer und exegetischer Anhang. 1.
welche derselhe Kritiker schwerfällig findet, kann ich nur einen
besonders kräftigen Ausdruck schen, und wegen μετόπισϑε, wobei
derselbe tadelt, dass uns der Dichter hinzudenken lasse „wenn Du
dies versäumst‘ verweise ich auf die in der Anmerkung zur Stelle ge-
gebenen Parallelen.
Mit dem Asyndeton 252 beginnt ein ganz andrer Ton — man
muss geradezu eine kleine Pause vorher annehmen — denn nun gilt
es den für Achill schmerzlichsten Punkt zu berühren. Dem entspricht
die trauliche Anrede οὗ πέπον und die die Erzählung einleitende Par-
tikelverbindung ἦ μέν. Dieser ruhigere, elegische Ton steigert sich
nach dem Abschluss der in der Erzählung enthaltenen Mahnung des
Peleus noch einmal zu leidenschaftlicher Lebendigkeit in der per-
sönlichen Mahnung 260, wo das unmittelbare Zusammentreten der
beiden Imperative wave”, ἔα δέ von besonderer Kraft ist. Dann folgt
der einfache Bericht über Agamemnons Anerbieten, in welchem die
einleitenden Worte 262. 263 von Düntzer als “keineswegs in ächt
homerischem Tone gehalten? (etwa wegen εἰ δέ) beanstandet werden.
In den Schlussworten, welche von neuem an das Mitleid Achills
sich wenden, könnte man mit Croiset p. 45 f. eine nähere Motivie-
rung vermissen, die etwa ausführle, dass die Achaeer sich nie gegen
Achill vergangen, vielmehr seinen Werth immer anerkannt, seinen
Heldenmuth gefeiert und in dem unseligen Streit mit Agamemnon
keineswegs auf dessen Seite gestanden hätten —, allein er selbst be-
merkt, dass eine solche rhetorische Argumentation keineswegs im Geiste
homerischer Beredtsamkeit sei, diese vielmehr sich meist beschränke
den gewünschten Affect in dem Hörer anzuregen, ihn auf den he-
treffenden Punkt hinzuleiten, ohne die daran sich knüpfende Ge-
dankenreihe im Einzelnen auszuführen und zu erschöpfen. Wir können
hinzufügen, dass es überdies ein missliches Unternehmen gewesen wäre
die Ueberzeugung Achill beizubringen, dass die Achaeer an der ihm
von Agamemnon zugefügten Ehrenkränkung gänzlich unschuldig ge-
wesen sein, da Achill schon bei dem Streit mit Agamemnon dieselben
direct mit verantwortlich gemacht hatte (4 231 f.). So richtet
Odysseus wohlbedacht ohne Weiteres Achill’s Gedanken auf die Ehre,
die er bei den Achaeern finden wird, wenn er sich ihrer erbarmt,
um im Zusammenhang damit das letzte Motiv zu versuchen, von dem
er sich eine Wirkung verspricht. (Vgl. Croiset p. 65 f.).
Sollen wir noch davon reden, wie wir uns den Vortrag der
Rede zu denken haben, so giebt uns der Dichter selbst dazu Anlei-
tung in der Charakteristik des Odysseus als Redner I’ 216— 224.
Danach dürfen wir dem einfachen unscheinbaren Eingang der Rede
entsprechend Odysseus zuerst befangen, unsicher denken: dann aber,
etwa 229 f., wo er zum Thema gelangt, hebt sich seine Stimme,
und wo die Schilderung lebhafter sich steigert, fallen die Worte
“Schneeflocken gleich? Schlag auf Schlag, geiragen von der ganzen
Kraft seiner volltönenden Stimme. Der Wechsel des Tones und der
Stimme in den folgenden so verschiedenen Partien ist selbstverständlich.
Kritischer und exegetischer Anhang. I. 98
Eine gelungene Darstellung der Scene in Achills Zelt, aufgefasst
in dem Moment, wo Odysseus lebhaft erregt, dem vollen Strom seiner
Beredtsamkeit freien Lauf lässt, findet man bei Genelli Umrisse zum
Homer, Taf. X.
225. Zur Ergänzung des Verbum ἐσμέν vgl. Zehrs Aristarch.
?p. 365. — 230. Wegen des harten Wechsels der Construction
schreibt Bekker aus Conjectur statt σαωσέμεν — σόας ἔμεν unter
Verweis auf Θ 246 und O 502, vgl. auch A 117. Allein diese so
glänzende Conjectur dürfte leicht der Stelle ihr Charakteristisches neh-
men: der rasche Uebergang aus der acliven in die passive Construction
erklärt sich aus der Erregung des Redenden und ist kaum auffallender,
als der doppelte Wechsel der Construction m 108—110. — 232. Ueber
αὖλις vgl. Ahrens αὐλή und villa (in der Festschrift zu R. Kühner’s
Doctorjubilaeum). Hannover 1874 p. 16: αὐλίξεσϑαι und ἐπαυλίξε-
σϑαι sind später die militärischen Kunstausdrücke für das Bivona-
quieren. — 235. Ueber die Wendung ἐν νηυσί πίπτειν vgl. Gross-
mann Homerica p. 14 und Giseke allmähl. Entstehung p. 32 M.
Auf die Troer werden beide Verba bezogen auch bei Aristonikos ed.
Friedlaender p. 160. — 239. Die Interpunction nach ἀνέρας nach
Nicanor ed. Friedlaender p. 200. — 241. Ueber στεῦται, στεῦτο
vgl. Zehrs Aristarch. ?p. 98 f. Nach Curtius Eiymol. *p. 216
und Fick vgl. Wörterb.® I p. 246 sind die Formen durch Vocal-
steigerung aus W. oru (in στύ-ω stehe steif, orü-Ao-g Säule),
einer Nebenform zu στὰ stehen, gebildet, so dass die Grundbe-
deutung ist: stellt sich an, die A 584 noch in der Verbindung
mit dem Participium duypdov —= gebahrte sich als ein Dursten-
der erkennbar ist. Sonst ausser g 525 mit dem Infinitiv Futuri
verbunden, der als Angabe der Richtung oder des Ziels der sinn-
lichen Bedeutung entspricht, ist es zunächst zu fassen: stehl nach
eiwas, macht Anstalt (Niene) zu etwas, wobei die sinnliche Be-
deutung noch deutlich zu erkennen ist I’ 83. — Dagegen leitet
Düntzer in Kuhn’s Zeitschr. XII p. 22 das Wort ab von W.
στὺ sprechen, wovon στό- μα, στύνμα — Mund. Noch anders Z.
Meyer in Kuhn’s Zeitschr. XIV p. 85 f., von W. stu loben.
Ueber andere Ableitungen und Auffassungen vgl. Autenrieth in
Naegelsbach’s Anmerkungen zu I’ 88. — Ueber die κύρυμβα
vgl. Grashof das Schiff bei Homer u, Hesiod. p. 15. — 246.
Ueber *Agyos immößorov vgl. E. Pappenheim im Philol. Suppl. II
p. 67 Γ᾿ — 247. 248, an welchen Bentley und Heyne Anstoss
nahmen, werden vertheidigt von Düntzer Aristarch p. 149. —
249. αὐτῷ ror ist nach ἰα Roche die handschriftliche Lesart, vgl.
dessen homer. Untersuch. p. 142. — 262. Die Bedeutung von εἰ δέ
erörtert in Uebereinstimmung mit Nicanor ed. Friedlaender p. 200,
L. Lange de formula Hom. εἰ δ᾽ ἄγε p. 8 und 13. — 300. Die
von Z. Zange in seinen Untersuchungen über die Partikel εἰ und
über die Formel εἰ δ’ ἄγε ausgesprochene Ansicht, dass die Con-
junetion εἰ ursprünglich eine interjectionsartige Partikel war, das
94 Kritischer und exegetischer Anhang. 1.
Gegenbild des prohibitiven μή, wodurch die Formel εἰ δ᾽ ἄγε eine so
einfache Erklärung findet, gewinnt in hohem Masse an Wahrschein-
lichkeit, wenn man sie auf Stellen anwendet, wie die vorliegende und
85. 86, welche trotz der hypotaktischen Einleitung des Gedankens
in den in Vorder- und Nachsatz correspondierenden Partikeln μέν und δέ
noch Spuren der ursprünglichen parataktischen Fassung des Gedankens
bewahren. Im Grunde ist die Gliederung und Einkleidung des Ge-
dankens hier keine andere als V. 262 εἰ δὲ σὺ μέν μευ ἄκουσον,
ἐγὼ δέ κέ τοι καταλέξω und völlig entsprechend andrerseits X 123
μή μιν ἐγὼ μὲν ἵκωμαι ἰών, ὁ δὲ μ᾽ οὐκ ἐλεήσει --- eine in ihrer
Art einzige Stelle, die für die Richtigkeit der Parallelisierung von εὖ
mit μή ein gewichtiges Zeugniss ablegt. Man hat die ursprüngliche
Auffassung der Stelle also etwa zu denken: “doch es sei (ich setze den
Fall) der Atride wurde Dir verhasst, so erbarme Dich der andern
Achaeer doch wenigstens’, wie das ablehnende μή X 123: “kein Ge-
danke, ich soll zu ihm kommen, er wird sich meiner doch nicht er-
barmen.’” Leicht erklären sich nach Zange’s Auffassung auch die
scheinbaren Ellipsen bei ὡς εἰ und in den Fällen, wo von zwei
parallelen Vordersätzen mit εἰ μέν — εἰ δέ der erste ohne Nachsatz
bleibt, wie A 135.
307—429. Einen besonderen Commentar zu der hier folgenden
Rede des Achill hat nach einer Zeitungsnotiz Gladstone in der mir
bis jetzt nicht zugänglichen Contemporary Review 1874 gegeben.
Einige Eigenthümlichkeiten der Rede mit besonderer Beziehung auf
Achills Charakter bespricht Hess komische Elemente p. 25 f., ein
Versuch zur Charakteristik der Achilleischen Beredtsamkeit bei Gerlach
im Philol. XXX p. 34—36, vgl. Gladstone homer. Studien p. 323.
325. 326, Moritz de lliadis Jibr. IX suspieiones p. 3, Genz zur
Dias p. 31. — Eine scharfe, verwerfende Kritik hat auch an dieser
Rede Düntzer Aristarch p. 151 ff. geübt: er verwirft im Einzelnen
310. 311. 314. 319. 320. 322. 323—327. 346--356. 364—377.
383. 384. 387. 388—420. 425. 426. — Ich versuche auch hier,
der Schwierigkeit der Sache mir wohl bewusst, eine Analyse der
Rede zu geben; möge dieser Versuch zu erneuter genauerer Unter-
suchung dieser einzigen Rede anregen. Der Düntzerschen Kritik
(Aristarch p. 151 ff), welche in der Rede des Achill durchaus die
edle Heldennatur vermisst, welcher der Ruhm alles ist, welche diesen
Achill der Gesandtschaft völlig unwürdig findet jenes edlen Helden des
Liedes vom Zorne, darf man wohl die Frage entgegenstellen, ob es
nicht psychologisch gerechtfertigt sei, dass tief eingewurzelter Groll
bei dem geschickt oder ungeschickt gemachten Versuch der Versöhnung
in den hellen Flammen des Zorns wieder hervorbreche und der so
mit erhöhter Gewalt aufflammende Zorn, wie Genz bemerkt, im Sturme
der Rede neue Nahrung gewinne, so dass der Grollende zu Aeusserun-
gen, zu Entschlüssen sich fortreissen lassen kann, die im Grunde der
innersten Natur seines Wesens fremd sind, ja widersprechen. Daher
der Entschluss heimzukehren, der ihm vorher fern gelegen und der
Kritischer und exegetischer Anhang, I. 95
ihm ebenso schnell, wie er ihn gefasst, wieder leid ist, vgl. 619,
daher der seinem ganzen Wesen (nicht aber der griechischen Lebens-
anschauung überhaupt: vgl. Blume‘ das Ideal des Ilelden und des
Weibes etc. p. 19) widersprechende Gedanke, dass er daheim ein
müssiges Leben in behaglichem Genuss seiner Güter führen möge.
Ebenso lässt sich auch die Anordnung der Gedanken, welche ebenfalls
Düntzer’s Tadel trifft, nur aus dem Gesichtspunkt des wechselnden
Affects, des Auf- und Niederwogens der Stimmung im Redenden be-
greifen.
Den Höhepunkt der leidenschaftlichen Erregung, des hoch auf-
flammenden Zorns bezeichnen zwei Stellen: 336—343 und 367— 377.
An beiden ist es die Erinnerung an die gewaltsame Eutziehung des
γέρας. welche den Zorn des Helden auflodern lässt, aber an beiden
ist der Anlass zum Ausbruch dieses Zorus, die Richtung und der Gegen-
stand desselben, so wie die zu Grunde liegende Stimmung wesentlich
verschieden. An der ersten ergiebt sich der Gedanke an jene Ge-
waltihat ganz von selbst im Zusammenhange der Ausführung, wie er
für all sein aufopferndes, uneigennütziges, gefahrvolles Mühen im
Kampfe nur Undank geerntet habe, und führt zu der sarkastisch bittern
Folgerung, dass Agamemnon nun in den Armen der Geraubten sich
weiter vergnügen möge, und der ironischen Ausführung, wie jener
Gewaltaet gerade das einzige Motiv für die Atriden zu kämpfen un-
wirksam gemacht habe. An der zweiten erscheint die Erinnerung an
die Wegnahme der Briseis fast gewaltsam herbeigezogen, da nur der
Gedanke an den erhaltenen Beuteantheil, den er mit nach Hause
führen will, sofort vermittelst des Gegensatzes ihn wieder zu der Er-
innerung an die Entziehung des γέρας zurückführt. Gleichwohl dürfte
das Urtheil Düntzer’s, dass 364—377 ein ungehöriger späterer Zusatz
eines Rhapsoden sein, der den Achill noch einmal das schmähliche
Unrecht des feigen Oberfeldherrn scharf hervorheben lassen und Schimpf-
reden häufen wollte, etwas übereilt sein. An den Gedanken der
Heimkehr 363 schliesst sich meine ich nicht unpassend der, dass er
genug besilze, um der von Agamemnon gebotenen Geschenke ent-
behren zu können. Dieser Gedanke nun kommt nicht zum klaren
Ausdruck, weil ein zweiter, damit im Zusammenhang stehender ihn
lebhaft ergreift und die volle Ausführung jenes verhindert. Achill
sieht auch in den angebotenen Geschenken nur ein Lockmittel, um
seine Hülfe zu erlangen, und glaubt nach der mit dem γέρας ge-
machten Erfahrung an der Zuverlässigkeit des Agamemnon in Bezug
auf seine Versprechungen zweifeln zu müssen. Ist die ἀπάτη 375
unzweifelhaft von der Wegnahme der Briseis zu verstehen (vgl. 344),
so kann das ἐξαπαφίσκειν ἐπέεσσιν 376 nur auf die Zusicherung
der Geschenke gehen und 371 nur ähnlich verstanden werden. Dass
Achill in diesem ganzen Zusammenhange die von Agamemnon gebote-
nen Geschenke im Sinne hat, geht endlich daraus hervor, dass 378
nicht δῶρα als neu eingeführter Begriff die erste Stelle im Verse ein-
nimmt, sondern ἐχϑρά den Nachdruck hat, welcher Begriff durch den
96 Kritischer und exegetischer Anhang. I.
vorhergehenden Erguss über die Unzuverlässigkeit und schamlose
Frechheit des Agamemuon vorbereitet ist, also: verhasst wegen der
verhassten Persönlichkeit des Anbietenden. Ist dies die Gedankenreihe,
die der ganzen Partie zu Grunde liegt, so begreift sich uun leichter,
wie die Erwähnung des Beuteantheils der Punkt sein kann, wo der
Aflect von neuem anselzen und zu jenem gewaltsamen Ausbruch
treiben kann. Nun beachte man ferner, dass, während an der ersten
Stelle es die gröbste Undankbarkeit und schmählichste Ehrenkränkung
ist, welche Achill dem Agamemnon vorwirft, und auf den Werth des
γέρας das grösste Gewicht gelegt wird, hier die Entziehung desselben
vielmehr unter dem Gesichtspunkt des frevelhaften, schamlosen, frechen
Vebermuths (ἐφυβρίξων, ἀναιδεέη, ἤλετεν) und der bewussten Täuschung
betrachtet wird und dem entsprechend die grade offene Natur Achills
mit der ganzen Kraft sittlicher Entrüstung hervorbricht, während dort
die Leidenschaft in bitterem Hohn und Ironie sich aussprach. Fällt es
dabei auf, dass Achill, obwohl erst 421 die eigentliche Antwort erfolgt,
die die Gesandten den Fürsten der Achaeer bringen sollen, hier spe-
<iell den Auftrag ertheill dem Agamemnon seine Antwort und Ent-
schluss und zwar öffentlich mitzutheilen, so erklärt sich jenes über-
haupt daraus, dass es sich hier nur um die Ablehnung der von
Agamemnon gebotenen Geschenke handelt, während er im übrigen die
Gesandten als die Abgeordneten der achaeischen Fürsten ansicht, und
der Zusatz ἀμφαδόν speciell, weil er voraussetzen muss, dass die Ge-
sandten zunächst ins Zelt des Agamemnon zurückkehren und nur in
Gegenwart der Geronten über den Erfolg ihrer Sendung berichten
werden.
Abgesehen von den beiden so eben besprochenen Stellen, welche
‚den leidenschaftlichsten Zornausbruch zeigen, wechseln Stimmung und
Ton in der Rede auf das mannigfaltigste. In einem weichen elegischen
Ton sind gehalten 323 I, 398-400, pathetisch mit hyperbolischer
Steigerung 379 M., 388 fl., 401—409, Hohn und Spott zeigen
346—350, 359, 423 fl., Ironie 392, 394; dem Hass und der Ver-
achtung des Gegners tritt gegenüber das stolze Bewusstsein des eignen
Werthes 352—356, seiner Leistungen 328, der Habsucht desselben
seine eigne Uneigennützigkeit und Aufopferungsfähigkeit 331, der Un-
redlichkeit und Unzuverlässigkeit desselben seine eigne Gradheit und
Offenheit 309 ff.
Gilt es die Rede nach ihrem Gedankengange zu zergliedern, so
darf man freilich eine so einfache durchsichtige Disposition, wie bei
der Rede des Odysseus, hier begreiflicher Weise nicht voraussetzen.
Der Redende deutet hie und da Motive an und lässt sie wieder fallen,
um sie an einer spätern Stelle wieder aufzunehmen und vollständig
zu verwerthen: so folgt der kurzen Andeutung von dem Werth, den
Briseis für ihn hat, im Attribut ϑυμαρέα 336 die Ausführung 342.
343, so ist das Motiv, welches 369 ff. ausführlich zur Erörterung
kommt, schon 344 in ἀπάτησεν angedeutet; so wird das, was 358
in den Worten νηήσας εὖ νῆας mit Beziehung auf 279 eben berührt
Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 97
ist, 365 Εἰ ausgeführt (und zwar ebenfalls mit Beziehung auf 279—
281, wo ausser σίδηρος dieselben Gegenstände genannt sind); so
wird das kurze οὐκ ἐθέλω πολεμιξέμεν Ἕκτορι δίῳ 356, welches
die Antwort giebt auf Odysseus’ Versuch 304—306 durch die Aus-
sicht auf die Erlegung Hektors seine Ruhmsucht zu entzünden, erst
406 — 416 motiviert.*) Gleichwohl lässt sich die Einhaltung eines
bestimmten Gedankenganges und zwar im Anschluss an die Rede des
Odysseus und die dort verwendeten Motive nicht verkennen.
Wir geben die folgende Uebersicht:
1. Einleitung, 308—314. Achill will seine Ansicht rücksichts-
los aussprechen, um alle weiteren Ueberredungsversuche ab-
zuschneiden.
2. Thema, 315—316: Weder Agamemnon noch die Achaeer
können mich zur Theilnahme am Kampfe bestimmen.
3. Erster Theil, 316—363: Motivierung dieser Antwort und
Ankündigung seines Enischlusses nach Hause zu fahren.
a, 316—337. Jeder Anspruch auf mein Mitleid ist verscherzt
durch ihre Undankbarkeit, zumal durch die schmählichste
Ehrenkränkung, die Wegnahme der mir so theuern Briseis.
b, 337—345. Durch diese ist auch das einzige Motiv, wel-
ches mich zum Kampfe gegen die Troer bewegen konute,
für mich unwirksam geworden.
ς, 346— 355. So ınöge Agamemnon mit seinen Freunden
auf die Rettung der Schiffe bedacht sein, wie er ohne mich
die Mauer gebaut hat, welche freilich ohne meinen Arm
Hektor nicht abwehren wird.
d, 356—363. Ich werde morgen heimfahren.
4. Zweiter Theil, 364—397. Zurückweisung der von Aga-
"memnon gebotenen Gaben und Anerbietungen. Diese wird
motiviert durch folgende Gründe:
a, 364—367: ich bedarf derselben nicht, da ich genug besitze,
b, 367—377: Agamemnons Zusagen haben sich unzuverlässig
erwiesen, er soll mich nicht noch einmal betrügen.
c, 378: die Gaben sind mir verhasst,, wie der sie Anbietende
selber.
d, 379—387: alle Schätze der Welt genügen nicht die mir
angethane Schmach zu sühnen.
e, 388— 397: auch die angebotene Tochter Agamemnons ist
mir verhasst, und wenn sie die grössten Vorzüge besässe;
Peleus wird mir daheim schon eine Gattin wählen.
5. Dritter Theil, 398—416: positiver Gegensatz gegen alle für
seine Theilnahme am Kampfe geltend gemachten Motive:
das Leben kann mir nichts in der Welt aufwiegen, dieses
*) Aus diesem Gesichtspunkt lässt sich auch der allerdings auf-
fallende Vers 327, der von Düntzer, Moritz verworfen wird, vielleicht
retten, wenn man annimmt, dass es nach den 340 ff. entwickelten Ge-
danken dem Achill jetzt fast leid ist jene Kämpfe unternommen zu
haben, welche mit der Wegführung so mancher Frau endeten.
Anhang zu Ameis, Homers Ilias I, 3. 7
98. Kritischer und exegetischer Anhang. 1.
aber würde ich auf das Spiel setzen, wenn ich hier bliebe
und kämpfte, denn in diesem Falle ist mir zwar unvergäng-
licher Ruhm sicher, aber die Heimkehr verloren.
6. Schluss, 417—429: Rath auch für die übrigen Achaeer heim-
zukehren, da sie Troja nicht erobern werden. Zusammen-
fassung seiner Antwort, Aufforderung an Phoenix bei ihm zu
bleiben.
In der Einleitung ist die Beziehung auf Jie fein berechneten
Mittel des πολύμητις Odysseus, ihn durch Erregung von Mitleid und
Ruhmbegier über den für ihn entscheidenden Punkt hinwegzuführen,
unverkennbar: er stellt ihm seine grade offene Natur mit Nachdruck
entgegen. Die nun folgende Antwort 315. 316 knüpft an die ab-
schliessende Gegenüberstellung der zwei Hauptmotive für die Theil-
nahme am Kampfe in Odysseus Rede 300. 301 an: er weist sie beide
als für ihn unwirksam zurück. Diese für Achill nicht vorhandene
Scheidung zwischen der Rücksicht auf die Achaeer und auf Agamemnon
wird in der weiteren Ausführung begreiflicher Weise nicht festgehal-
ten: die Achaeer sind ihm ebenso schuldig, wie Agamemnon, sie ver-
dienen ebenso wenig Mitleid, als dieser. So verliert Achill, gerade
im Gegensatz zu Odysseus bald die Achaeer ganz aus den Augen und
beleuchtet lediglich sein Verhältniss zu Aganıemnon, um die Berech-
tigung seines fortdauernden Grolles zu motivieren. Wirksam stellt er
den eignen unablässigen gefahrvollen Mühen Agamemnons Unthätigkeit,
seiner aufopfernden Uneigennützigkeit Agamenmons Habsucht entgegen;
das Schmähliche der Wegnahme der Briseis aber liegt ihm darin, dass
gerade er von allen Edlen des Ehreugeschenkes beraubt ist und dazu
eines Ehrengeschenkes, welches seinem Herzen iheuer war.
In der Ausführung dieser Partie (315—337) ist zu beachten,
wie nach dem elegischen Ton, welcher bis 325 herrscht, durch das
bei der Anwendung des Vergleichs hervorbrechende Selbstgefühl (328 I.)
der Zornausbruch allmählich sich vorbereitet, der dann 336 ff. erfolgt.
Wie ein Anzeichen des nahenden Sturms mahnt schon 332 das nach
᾿Αγαμέμνονε mit Nachdruck in den Versanfang gestellte ”Argeidn,
dessen Wirkung aus dem Vergleich von 339. 341. 369 erhellt; dann
folgt die in der doppelten Alliteration auf d und » sich kundgebende
Bitterkeit 333, bis nach dem scharfen Gegensatz 334 —335 in den
rasch sich überstürzenden Praedicaten εἴλετ᾽, ἔχει δέ (vgl. 260) 336
die Leidenschaft mächtig durchbricht, um dann in bitterem Sarkasmus
(τῇ παριαύων τερπέσϑω) und einer Reihe ironischer Fragen 337—340
sich Luft zu machen. In letzteren wird der Schwerpunkt des Verses
durch die starken Einschnitte nach der Arsis des zweiten Fusses in
337. 338. 339. 341 völlig verrückt, so dass der Rest der Verse, dem
aggressiven Charakter der Fragen entsprechend, zum Theil einen ana-
paestischen Rhythmus erhält. Dazu kommt in 337 die Alliteration in
τ und die scharfe Entgegenstellung von Τρώεσσιν und ᾿Αργείους am
Schluss des ersten und im Anfange des folgenden Verses. Der Ab-
schluss dieser Gedankenreihe erfolgt 345 mit dem alliterierenden Anklang
von πειράτω und πείσει, welcher den Gegensatz der Begriffe verschärft.
Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 989
Nachdem der Gedanke mit οὐδέ μὲ πείσει zu 315 zurückgekehrt
ist, schliesst sich in Form des Gegensatzes daran die ironische Ver-
weisung des Agamemnon auf seinen eignen und der achaeischen Fürsten
Rath 346—355, indem er spottend des ohne ihn zu Stande gebrach-
ten Mauerbaus zum Schutz gegen Hektor gedenkt. Dieser Ironie tritt
dann mit 351 mit bitterer Aufrichtigkeit seine währe Ueberzeugung
entgegen, dass alle Bemühungen sich Hektors zu erwehren ohne ihn
vergeblich sein werden, verschärft durch den Hinweis, wie Hektor,
so lange er sich am Kampfe betheiligt, kaum gewagt habe ihm ent-
gegenzutreten. Um so schärfer wirkt nun der Gegensatz des Ent-
schlusses heimzukehren, hier nur motiviert” durch das kurze Wort:
ἐπεὶ οὐκ ἐθέλω πολεμιξέμεν Ἕκτορι δίῳ: 356—363.
Der ironische Eingang dieser Gedankenreihe ist ausgezeichnet
durch die erneute Anrede an den πολυμήχανος Odysseus und durch
gehäuftes © und Vocalanklang 346. Sehr wirksam ist sodann das’
Polysyndeton mit καί 348— 350, welches die geschäftige Thätigkeit
Agamemnons mit Nachdruck hervorhebt, um dann die völlige Frucht-
losigkeit derselben damit in schneidenden Gegensatz zu stellen (351),
ferner die chiastische Wortstellung in 352. 353, wodurch ἐγώ und
“Ἕχτωρ bedeutsam hervortreten. In der Ankündigung des Entschlusses
heimzukelhren beachte man wieder die umständliche Ausführlichkeit,
mit welcher er die Vorbereitungen zur Abfahrt 357. 358 schildert,
die Anschaulichkeit, mit der er den Act der Abfahrt selbst malt (360),
die Genauigkeit der Bezeichnung νῆας ἐμάς (nach νῆας 358) 361
und den folgenden Zusatz als Vorbedingung rascher Fahrt — alles
dies, um an der Festigkeit seines Entschlusses und der sichern Aus-
führung keinen Zweifel zu lassen — und dazwischen eingefügt den
bitteren -IIohn 359, welcher das äusserst wirksame Anakoluth veran-
lasst, wodurch die Abfahrt selbst zum Object der Wahrnehmung des
Gegners gemacht wird.
Mit dem Gedanken an die rasche Heimkehr in die Heimath 363
tritt ein ruhigerer Ton ein. Er beginnt die Aufzählung seines reichen
Besitzes, um die Ablehnung der von Agamemnon gebotenen Gaben
vorzubereiten. Wie diese dann alsbald bei dem Gedanken an die
Wegnahme des γέρας. wieder durch einen neuen heftigen Zornausbruch
unterbrochen wird, ist oben gezeigt. Im Einzelnen bemerke man,
wie auch hier das am Schluss des Gedankens in den Versanfang ge-
stellte ‘Argeiöng 369 den nahenden Sturm signalisiert. Die ganze
Gewalt der Leidenschaft aber bricht dann in der raschen Folge der
sieben kurzen Sätze in fünf Versen hervor, 374—378 (vgl. Nicanor
ed. Friedlaender p. 201, Hess komische Elemente p. 25, welcher
T 148—150. A 202—205 aus andern Reden Achills, und sonst
4A 173—181. A 307—314. g 399 MM. 1 68—70 vergleicht). Dann
folgt die Zurückweisung der Sühngaben selbst in jenen wirksamen
Hyperbeln mit οὐδ᾽ εἰ (vgl. Gerlach im Philol. XXX p. 36), die nur
durch die Notiz 383. 384 sehr unpassend unterbrochen werden, in
fortschreitender Steigerung bis zu dem furchtbaren Abschluss in 387,
welcher freilich ausser von Düntzer auch von Franke bei Faesi und
7%
100 Kritischer und exegetischer Anhang. 1.
Helbig verworfen wird. Jene Anwendung der steigernden Hyperbel
setzt sich danu noch fort in der Zurückweisung der zur Gatlin an-
gebotenen Tochter Agamemnons 388— 391, welche Achill weiter
Gelegenheit giebt zu einer bitteren Anspielung auf Agamemnons Stolz.
392, indem er zu verstehen giebt, dass er als Schwiegersohn dem
hochmüthigen Oberkönige doch kaum anstehen werde. Aber sofort
bricht auch wieder das eigne Selbstgefühl hervor, in der Andeutung,
dass er um die Wahl einer ebenbürtigen, ihm zusagenden Gattin nicht
verlegen sein werde.
Wiederum leitet, ähnlich wie 364, der Gedanke an die Heim-
kehr und die Vermählung mit einer ihm zusagenden Fürstin einen
ruhigeren Ton ein: er entwirft ein Bild behaglichen Lebensgenusses
bei seinem reichen Besitz, um daran eine Werthschätzung des Lebens
zu knüpfen, der gegenüber alle andern für die Theilnahme am Kampfe
geltend gemachten Motive hinfällig werden. “Nicht alle Schätze der
Welt wiegen mir das Leben auf; denn einmal entflohen, ist es un-
wiederbringlich verloren? — dieser Gedanke wird vermittelst der be-
liebten Hyperbel (401 —405) und mit einer wirksamen Verwendung
der Anaphora und des Chiasmus (406— 409) mit aller Kraft zum
Ausdruck gebracht. Mit der folgenden Motivierung “da ich die Wahl
habe zwischen einem langen, wenn auch ruhmlosen Leben und einem
kurzen ruhmvollen, so wähle ich das erstere’ wird auch Odysseus’
Versuch auf seinen Ehrgeiz zu wirken auf das bestimmteste zurück-
gewiesen. In den fast leidenschaftlosen Schlussworten klingt noch
einmal Achills bittere Stimmung an in dem ironischen ἀμείνω 423
und ἑτοίμῳ in dem motivierenden Satze 425.
Im Einzelnen bemerke ich noch Folgendes: 309. Die Be-
deutung von ἀποειπεῖν erörtert Könighoff Critica et Exegetica
p- 13 fl. — 312. Renner über das Formelwesen des griech. Epos
p- 17 vergleicht Theognis 91. 92. — 318. Zur Erklärung von
καὶ εἰ vgl. Σ. Zange der homer. Gebrauch der Partikel εἰ I
p- 449. — 319. Nach Windisch in Curtius Stud. II p. 380 ist
die Grundbedeutung der auf den Sanskritstamm iva zurückgehen-
den homerischen Formen ἰῷ, Ta, ἴαν, ἰῇ, ing, welche Bekker
homer. Blätt. II 29 verzeichnet, ‘derselbe’ und daraus erst die Be-
deutung “eins? entwickelt. — 318— 320 wurden von Bekker aus
dem Text ausgeschieden unter Zustimmung von Moritz 1. 1. p. 32.
Gegen die Auswerfung von 318. 319 hat Friedlaender Analecta Ho-
merica p. 15 (= Jahrbb. f. class. Phil. Suppl. II p. 469 f.) mit
Recht Einsprache erhoben, da sie nicht als allgemeine Seutenz zu fassen
sind, sondern auf die besondere Situation gehen und dem Zusammen-
hang durchaus angemessen sind. Der Wechsel des Tempus, Praesens
nach dem Imperfect ἦεν 316, ist ohne Bedeutung, weil dieses Imper-
fect nur auf die früher gehegte Ansicht weist, die in Folge der jetzt
gewonnenen bessern Einsicht (was ἄρα andeutet) als irrig aufgegeben
ist, mithin durch die Verschiedenheit der Tempusformen keine tempo-
rell verschiedene Thatsachen angezeigt werden. Dagegen ist V. 320,
schon von Heyne, Köppen verdächtigt, von Friediaender unter Zu-
Kritischer und exegetischer Anhang. I. 101
stimmung von Doederlein, Franke, la Roche als dem Zusammen-
hange durchaus widersprechend erwiesen. Zunächst schliesst sich
diese Gnome den beiden vorhergehenden nicht passend an, weil sie
nicht, wie jene, etwas enthält, was Achill dem Agamemnon und dem
Heer zum Vorwurf machen kann und andererseits geeignet wäre ihn
selbst vom Kampfe abzuhalten. Da ferner Achilles in den folgenden
Versen ausführt, dass er von all seinen Kämpfen nur Mühsal und Ge-
fahren, aber keinen Gewinn gehabt habe und durch die Leidenschaft
zu dem Gedanken geführt wird, dass ein sicheres Leben einem ge-
fährdeten Ihaten- und ruhmvollen vorzuziehen sei (406 fl.), so würde
gerade der entgegengesetzte Gedanke “der Feige kann ein langes
Leben hoffen, während der Kühne frühzeitig hingerafft wird” dem
Zusammenhange entsprechen, — Uebrigens vermuthete Bentley Ady-
xav’ ὁμῶς = praedae parem partem auferre solebal, wodurch
nur der Gedanke aus 318 reproduciert werden würde. Einen
Versuch den Zusammenhang durch Interpretation zu retten findet man
bei Könighoff Critica et Exegelica p. 16 f. („par eademque ratio est
mortuorum, et eorum qui nihil fecerunt et eorum, qui multum labora-
runt“ mit Bezug auf H 336) und einen andern bei Warschauer
de perfecti apud Homerum usu, Posen 1866 p. 38 Anmerk. 2. —
323. Die Eigenthümlichkeiten des Vergleichs mit der daranschliessen-
den Anwendung bis 326, besonders in sprachlicher Hinsicht, wie das
unpersönliche κακῶς πέλει, αἱματόεντα 326 etc., die Seltenheit von
Gleichnissen in den Reden überhaupt, sowie der Eindruck einer der
augenblicklichen Gemüthsstimmung des Achill nicht congruenten Senti-
mentalität bestimmen Friediaender Beiträge zur Kenntniss der home-
rischen Gleichnisse II p. 15 fl. 323—326 als unecht zu verwerfen.
Ueberdies ist 327 verworfen von Moritz 1. 1. p. 32. Düntzer Ari-
starch p. 153 verwirft 323—327. — Eine Nachahmung dieser Stelle
findet bei Theoerit XIV, 39 Stanger in den Blättern für das Bayersch.
Gymnasialwes. III, 208. — Zur Schreibung (324) οἵ vgl. la Roche
homer. Untersuchungen p. 141. — 334. Bekker schreibt statt der
handschriftlichen Lesart ἄλλα δ᾽ — ἅσσα δ᾽, was er in den homer.
Blättern I p. 181 f. näher begründet. So ansprechend diese Ver-
muthung ist, so bedarf es derselben doch nicht, da sich für die hier
Anstoss erregende Dreitheilung παῦρα — πολλὰ δὲ — ἄλλα δέ
Parallelen beibringen lassen. So lesen wir ß 276. 277
παῦροι γάρ τοι παῖδες ὁμοῖοι πατρὶ πέλονται,
οἵ πλέονες κακίους, παῦροι δέ τε πατρὸς ἀρείους,
und ἡ 123—125
τῆς ἕτερον μὲν ϑειλόπεδον λευρῷ ἐνὶ χώρῳ
τέρσεται ἠελίῳ, ἑτέρας δ᾽ ἄρα τὲ τρυγόωσιν,
ἄλλας δὲ τραπέουσι"
Zwar entspricht die Theilung an diesen beiden Stellen nicht geradezu
der hier vorliegenden, aber, wie die zweite Stelle zeigt, dass selbst
bei einer so scheinbar alles weitere ausschliessenden Scheidung mit
ἕτερος μὲν — ἕτερος δέ noch eine Erweiterung des zweiten Gliedes
102 Kritischer und exegetischer Anhang. 1.
durch eine neue Unterabtheilung möglich ist, so ergiebt die erste die
Möglichkeit nach einer scheinbaren Erschöpfung des Ganzen durch
παῦροι und οἵ πλέονες von Neuem zu dem ersten Gliede zurück-
zukehren und innerhalb desselben noch eine genauere specialisierende
Theilung vorzunehmen, ein besonderes auszuscheiden. Das letztere
ist in ähnlicher Weise in der vorliegenden Stelle geschehen. Wenn
bei der Vertheilung der Beute, wie Bekker sagt, vor allen die Fürsten
und Edlen bedacht werden, so ist doch die Maunschaft nicht ausge-
schlossen, wie A 126 zeigt, und der allgemeine Ausdruck διαδα-
σάσκετο kann sowohl die Beutevertheilung an die λαοί, wie die Er-
theilung besonderer γέρα an die Fürsten und Edien in sich begreifen.
Nach Analogie von βὶ 277 lässt sich die Stelle also wohl so ver-
stehen, dass Achill nachdem er das zunächst für seinen Zweck in
Frage kommende Verhältniss der Grösse des ausgelheilten und des
behaltenen Gutes bestimmt hat, in der Form des Gegensatzes zu
dem ersten Gliede zurückkehrt, um aus demselben ein besonderes aus-
zuscheiden, was die Grundlage für die folgende Ausführung werden
soll. Ein solches Zurückkommen auf einen vorhergehenden Gedanken
vermittelst des Gegensatzes zum letzten ist überhaupt eine, freilich
vielfach verkannte Eigenthümlichkeit des epischen Stils, die ich er-
örtert habe in dem Programm: zur Periodenbildung bei Homer.
Göttingen 1868. — Die Bedeutung von ἀριστῆες erläutert Gladstone
hom. Stud. p. 346, vgl. auch Riedenauer Handwerk p. 26 und 175,
Note 155. — 336. Ueber das Verhältniss des Achill zur Briseis vgl.
auch Ditges quae insint in Iliade mitiora. Emmerich 1851 p. 7 1.
und Gerlach im Philol. XXX p. 25 . — 337. δεῖ findet sich nur
an dieser Stelle, sonst überall χρή. Vgl. hierüber und über ähnliche
vereinzelte Erscheinungen Friediaender im Index lectt. Königsberg,
Winter 1859 p. 4. — 339. Ueber die ironischen Fragen mit ἦ vgl.
Praetorius der homer. Gebrauch von ἢ in Fragesätzen p. 5 ff. —
340. Eine eingehende Erörterung der verschiedenen Deutuugen von
μέροψ findet man bei Düntzer die homerischen Beiwörter des Götter-
und Menschengeschlechts, Göttingen 1859 p. 30 M. Dazu vgl. Fick
in Kuhns Zeitschr. XX p. 172. — 342. Ueber die zusammengesetz-
ten Reflexivpronomina vgl. Zehrs quaesit. ep. p. 114 ff., auch Cauer
in Curtius Stud. VII, 159 f., über αὐτός in rellexivem Sinne Windisch
in Curtius Stud. II p. 348: ,,αὐτός bedeutet nicht “er selbst” im
Gegensatz zu den beiden andern Personen, “er? ist nur allgemeiner
pronominaler Ausdruck irgend einer Person, der dritten so gut als
der ersten und zweiten, woraus sich erklärt, dass αὐτός für sich
allein auch reflexiv im Sinne aller drei Personen stehen kann.“ —
Uebrigens ist die Verbindung des Artikels mit einem Geneliv der Zu-
gehörigkeit ohne den entsprechenden Begriff ‘Gattin’ hier einzig bei
Homer: vgl. Weidenkaff nonnulla ad syntaxin Hom Wittenberg
1870 p. 5, aber ähnlich mit Ergänzung aus dem Vorhergehenden
sind #348 τοὺς “αομέδοντος, #376, χ 221 vgl. Foerstemann
Bemerkungen über den Gebrauch des Artikels bei Homer, Salzwedel
1861 p. 20. — 343. Ueber die Composilion von δουρικτητή vgl.
Kritischer und exegetischer Anhang. I. 103
Fedde über Wortzusammensetzung bei Homer I p. 19. — 346. Hin-
sichtlich des Gebrauchs von σύν ist von Mommsen Entwicklung einiger
Gesetze für den Gebrauch der griech. Praepositionen p. 37 das Ge-
setz beobachtet, dass bei verschiedenen Numeris regelmässig der Sin-
gular vorangeht, wie hier. Zur Erklärung dieser Stelle vgl. denselben
p- 39. Eine besondere Beziehung auf den ® 75 erwähnten Streit
zwischen Achill und Odysseus wird in den Worten gefunden bei Ari-
stonic. ed. Friediaender p. 162. — 351. Eine Zusammenstellung
der Umschreibungen mit σϑένος, is, μένος etc. giebt Weidenkaff
nonnulla-ad syntaxin Homeri p. 3 f. — 354. Zu ὅσον (sc. ἐστί)
vgl. R. Foerster Quaestliones de Attraclione enuntiatorum relativ.
Berolini 1868, p. 32. — 355. Der hier erwähnte Kaınpf wird mit
% 257 —260 combiniert: vgl. Nitzsch Beiträge p. 203. An der
Aechtheit des Verses zweifelt übrigens Moritz a. Ὁ. p. 82. —
360. Ueber den umfassenden Begriff von Ἑλλήσποντος vgl. Gladstone
hom. Stud. p. 27. — 366. πολιός als Beiwort des Eisens erörtert
Riedenauer Wandwerk p. 112, — 367. Ueber eine Beziehung auf
4A 300 vgl. Aristonic. ed. Friedlaender p. 162. — 369 fi. Eine
von der gewöhnlichen abweichende Auffassung der Stelle begründet
Rhode homer. Miscellen p. 16, indem er den 371 angedeuteten
Versuch Agamemnons andere Achaeer zu täuschen auf sein Verhältuiss
zu Achill bezieht, indem er etwa hoffe den Achaeern einreden zu
können, Achill werde sich versöhnen urd bestimmen lassen wieder
zu kämpfen. Dieser Auffassung liegt die richtige Beobachtung zu
Grunde, dass der Groll der Achaeer nicht passend abhängig gedacht
sein kann von Agamemnons eventueller Absicht es mit andern Achaeern
ebenso zu machen, wie mit Achill. Gleichwohl ist die darauf ge-
baute "Erklärung unwahrscheinlich. Zunächst weist &ı 371 darauf,
dass er bei dem ἐξαπατήσειν an seinen eignen Fall mit Agamemnon
denkt, an die durch die Wegnahme der Briseis ihm widerfahrene
Täuschung, und könnte man darüber noch zweifelhaft sein, so heben
die im nächsten Zusammenhang folgenden Verse 375. 376 jeden
Zweifel. Bei diesem engen Zusammenhang, auf den der Gegensatz
des durch γέ betonten ἐμοί 372 weist, und der durch die parenthe-
tische Ausscheidung der Verse 369—72 (τῷ πάντ᾽ bis ἐπιειμένος) bei
Dindorf, Franke durchaus zerstört wird, scheint es unmöglich das
ἐξαπατᾶν an beiden Stellen in verschiedenem Sinne zu verstehen.
Ist dies begründet, so muss man für den Satz mit εἰ 371 einen
loseren Zusammenhang mit dem vorhergehenden Gedanken annehmen.
Die Verbindung dieses Satzes mit dem Vorhergehenden ἰδὲ wohl ähn-
lich, wie die eines motivierenden Satzes mit ἐπεί, so dass nach An-
gabe des nächsten Zwecks der offenen Mittheilung, dass auch die andern
Achaeer in Folge der abweisenden Antwort Achills dem Agamemnon
zürnen als dem Anstifter alles Unglücks, durch den Satz mit εἰ nach-
träglich noch ein besonderer Punkt zur Geltung gebracht wird, wo
sich jener Groll der Achaeer wirksam zeigen kann. — Zu 375 fl.
vgl. Nicanor ed. Friediaender p. 201. — 377. Die Schreibung &x
γάρ εὖ rechtfertigt Za Roche homer. Untersuchung. p. 144. —
104 Kritischer und exegetischer Anhang. 1.
378. Zur Erklärung von ἐν καρὸς αἴσῃ vgl. Könighoff Critica et
Exegetica und Doederlein in der Ausgabe z. St., mit Glossar II 8. 593.
— 379 M. Ueber die Sätze mit οὐδ᾽ εἰ vgl. Z. Zange der homer.
Gebrauch der Partikel εἰ 1 p. 374 M, und zu V. 380 denselben
p. 448. Die völlige Uehereinstinmung der Periode mit χ 61 fl.
empfiehlt mit Bekker, auch Zange V. 386 den Optativ meloeı” zu
schreiben, obwohl die besten Handschriften bei Za Roche πείσει haben.
— 381. Ueber den Handelsverkehr des minyischen Orchomenos vgl.
Riedenauer Handwerk p. 55, E. Curtius griech. Geschichte I p. 72 und
über das Schatzhaus des Minyas Welcker kl. Schriften ΠῚ p. 359 f. Vom
hundertthorigen 'Theben in Bezug auf diese Stelle handelt Zauth Homer
und Aegypten. München 1867 p. 37 fl. Derselbe erinnert an das Schatz-
haus des Rhampsinit (= Ramses II), die grossen Siege von Ramses-
Sesostris, Meneptah und Ramses III, die in Theben an den Pylonen
mehrfach dargestellt waren, und von denen die Kunde zu den
Griechen gedrungen sein mochte. „Die Rosse und Streitwagen sind
ein charakteristischer Zug, da eigentliche Reiterei auf den aegyptischen
Denkmälern und in den Texten nicht angetroffen wird.“ Eine alte un-
mittelbare Verbindung mit Aegypten nimmt auch Büchsenschütz Besitz
und Erwerb p. 378 an, während Gladstone hom. Stud. p. 33 Homers
Kunde von Aegypten hauptsächlich durch die Phoenicier vermitelt
sein lässt. Dagegen findet Bergk griech. Literaturgesch. I p. 471,
vgl. p. 597, in dieser Stelle einen Anachronismus: die früheren
glanzvollen Zeiten Thebens lägen weit hinter der Erinnerung der
Hellenen der homerischen Zeiten, vielmehr habe der Verfasser dieser
Verse die ruhmvollen Zeiten der ersten Herrscher der 22. Dynastie
im Auge. Vgl. dagegen Düntzer homerische Fragen p. 142 f. —
383 und 384 wurden verworfen von Heyne V p- 609, Moritz a. 0.
p- 32, Düntzer Aristarch p. 155. — 387 wird verworfen von
Helbig. im Rhein. Mus. XIV Ρ. 808 f., vgl. Düntzer Aristarch p. 156
Note. Den Begriff von λωβή erörtert "Mayer dritter Beitrag zu einer
Synonymik, Gera 1849 p. 11 f. — 388. Den Bau solcher Perioden
mit doppeltem Nachsatz habe ich besprochen in dem Programm: zur
Periodenbildung bei Homer, p. 12 f. Wegen der Interpunction vgl.
auch Nieanor ed. Friedlaender p. 62 und 202. — 392, Ueber die
Schreibung ὅστις οἵ τ᾿ vgl. ἴα Roche homer. Untersuch. p. 144. —
394. Ich habe mit Bekker Aristarchs Lesart γέ μάσσεται statt γα-
μέσσεται gegeben, nicht weil γαμέσσεται in dem hier nolhwendigen
Sinne *wird- eine Gattin wählen” vereinzelt dasteht, sondern weil die
Betonung von γυναῖκα durch γέ in dem in der Anmerkung bezeich-
neten Sinne von besonderer Wirkung und ebenso μαίομαι als treifen-
dere Bezeichnung die Schärfe, mit der Achill Agamemnons Anerbieten
zurückweist, erhöht, — 401. Im Zusammenhang mit der zu H 131
angedeuteten Ausführung bemerkt Kammer die Einheit der Odyssee
p- 511 in Bezug auf diese Sıelle: „Dieser Ausspruch gewinnt seine
volle Bedeutung erst durch die Annahme, der Tod schneide das Leben
in jeder Form ab. War es der Glaube, die ψυχή stürbe nicht,
sondern lebe in der Scheingestalt des Gestorbenen im Hades fort,
Kritischer und exegetischer Anhang, 1. 105
hätte der Dichter einmal vielleicht nicht gesagt οὐ ψυχῆς ἀντάξιον,
sodann hätte er hier wohl über den Werth dieser geglaubten Existenz
nach dem Tode Achilleus sein Urtheil aussprechen lassen.“ Zur Be-
gründung vgl. Ψ 103 M — Zur Lesart ἐμοί vgl. Bekker hom.
Blätt. I p. 73. — 402. Ueber den von Krüger Di. 53, 2, 7, auch
‚Kühner ausf. Gramm. ?II p. 154, 4 bei Homer überschenen imper-
fectischen Gebrauch des Infinitivs und Partieipiums Praes. im Anschluss
nicht an ein tempus praeterit., sondern an ein Praes. vgl. ἢ. ἢ. Müller
Syntax der griech. Tempora p. 32 f. Die Stellen sind für den In-
finitiv: E 639. 1 402. & 181. 516. χ 321. 322. 2 543, für
das Partieip: Γ' 44. 9 491. v 401. τ 253. — 404. Vom Steinbau
in der homerischen Zeit handelt Riedenauer Handwerk p. 90. Ueber
die Bezeichnung Adivog οὐδός bemerkt Welcker klein. Schrift. II
p- 366: ‘Die Emphase, die offenbar in Adivog οὐδός liegt, fliesst aus
der Heiligkeit des Raumes, aus dem Gefühle, womit man diese Schwelle
betrat.” Ueber die Grenzen, innerhalb deren ein politischer Einfluss
des delphischen Orakels für die homerische Zeit anzunehmen sei, vgl.
Naegelsbach's hom. Theol. 2p. 191 f. Uebrigens verwirft Bergk
griech. Literaturgesch. 1597 auch diese Verse, wegen der Erwähnung
der Reichthümer von Pytho. — 406 ff. Zechner de Homeri imitatione
Euripidea, Erlangen 1864, p. 23 vergleicht Eurip. Suppl. 779—781:
τοῦτο γὰρ μόνον βροτοῖς
οὐκ ἔστι τἀνάλωμ᾽ ἀναλωϑὲν λαβεῖν,
ψυχὴν Bgorelav" χρημάτων δ᾽ εἰσὶν πόροι.
411. Von der in der Anmerkung angedeuteten Differenz zwischen
dieser ‚Stelle und den übrigen in Bezug auf Achills Ende handelt
Kraut die epische Prolepsis, nachgewiesen in der Ilias, Tübingen 1863,
p. 24 f. — 414. Bentley schrieb: ἵκωμαι ἐμὴν stalt ὕκωμι φίλην,
dem Bekker hom. Blätter I p. 218 zustimmt, G. Zange quaestionum
Homer. spec. Berlin 1863 p. 24 ff. will, wie schon Heyne, schreiben
Tnowaı ἰών, Vgl. Ta Roche hom. Untersuchungen p. 250. —
416. Zur Athetese dieses allgemein verworfenen Verses vgl. Aristoni-
cus ed. Friedlaender p. 164.
433. Den homer. Gebrauch von πρῆσαι, ἀναπρῆσαι erörtert
Buttmann Lexilogus *I p. 99 M., dazu vgl. G. Curtius in dessen
Studien IV p. 228 f. — Der Vers wird verworfen von Düntzer Ari-
starch p. 158.
434— 605. Ueber die Bedeutung von μετὰ φρεσὶν βάλλεσϑαι
vgl. Hoffmann homer. Untersuchungen, Nr. 2, erste Abth. Lüneburg
1858 p. 18. — Einzelne Bemerkungen über den Charakter der Rede
des Phönix im Gegensatz zu der des Odysseus bei Gladstone hom.
Stud. p. 323 und 326, im Vergleich zu Nestor Hess komische Ele-
mente p. 38. — Düntzer Aristarch p. 158 ff. verwirft V. 458—461.
466—469. 471—473. 481—484. 486—492. 494. 495. 498—501.
515—605. — Die Rede des Phoenix, getragen von der innigsten
Liebe zu Achill (man beachte die wiederholten zum Theil zärtlichen
Anreden 434. 437. 444. 485. 494. 496. 513), will auf Grund dieser
106 Kritischer und exegetischer Anhang. 1.
besonders durch sittliche Motive wirken. Sie setzt daher nachdrück-
lich gerade in dem Punkte ein, welchen Odysseus mit Absicht zu er-
örtern vermieden, Achill aber den von jenem geltend gemachten Motiven
gegenüber mit aller Kraft hervorgekehrt hatte, indem sie Achills Be-
rechtigung zu weiterem Grollen widerlegt. Der Schwerpunkt der
Rede liegt daher ohne Zweifel in der mittleren Partie 496—523, zu
der sich die dieselben einrahmenden Erzählungen als Vorbereitung und
Exemplification stellen.
Die Einleitung, 434—444, knüpft zunächst eingehend auf Achills
Vorhaben abzureisen, an die von demselben angedeutete Möglichkeit,
dass er ihm zu folgen nicht geneigt sei, an, indem Phoenix lebhaft,
fast entrüstet, mit warmen Worten dieselbe zurückweist. Vom Vater
ihm zum Begleiter und Leiter seiner Jugend in den Krieg mitgegeben,
kann er unmöglich zurückbleiben, wenn Achill heimzukehren ent-
schlossen ist. Die nochmalige Versicherung, dass er auch um den
lockendsten Preis erneuter Jugendkraft nicht von ihm lassen werde,
leitet dann über zu dem ersten Theil der Rede, 444—495, der Er-
zählung seines eignen Schicksals unter dem Gesichtspunkte, wie
dasselbe unauflöslich an das des Achill geknüpft sei. Durch des
Vaters Groll aus der Heimath vertrieben, fand er in Phthia eine zweite
Heimath, in Peleus einen zweiten Vater, in Achill den Sohn, da durch
des Vaters Fluch ihm ein leiblicher Spross versagt war. Das innige
persönliche Verhältniss zu Achill wird besonders begründet durch
Phoenix’ Sorge für Achills Erziehung 485, die gegenseitige Zuneigung
486—489, die mancherlei Plage, die er um des Knaben willen erduldet
490—492, die Hoffnung, die er auf ihn geseizt 493—495. Die
Hervorhebung dieser Beziehungen, wie die Betonung der liebevollen
Aufnahme, die er bei Peleus gefunden 481—484, des Vertrauens,
welches er ihm schenkte, indem er ihm die Unterweisung und Leitung
des Jünglings bei dem Zuge nach Troja anvertraute 438 ff, sind ge-
wiss geeignet Achills Seele empfänglicher zu machen für die Vor-
stellungen und Mahnungen, welche den Mittelpunkt der ganzen Rede
bilden.
Beurtheilt man die Erzählung streng nach diesem Gesichtspunkte,
so lässt sich nicht leugnen, dass einzelne Theile derselben entbehrlich
und zwecklos erscheinen, weil sie die Beziehung auf diese Absicht des
Redenden ganz aus den Augen verlieren. Aus diesem Gesichtspunkte
wollte Moritz 449—478 streichen, wie sie Köchly in seinen lliadis
carmina XVI theils eingeklammert, theils unter den Text gesetzt hat.
Dagegen hat Düntzer Aristarch p. 160 wohl mit Recht geltend ge-
macht, dass der durch οἷον ὅτε 447 eingeleitete Vergleich die Dar-
stellung einer Scene bedinge, worin sich Phoenix’ frische Jugendkraft
zeigte, wie sie eben 475—477 dargestellt ist. Im Uebrigen aber
verwirft er 458—461 mit Aristarch, sodann 466—469 und 471—473,
und diese überaus weitläufige Schilderung leidet in der That zum
Theil derart an Unklarheit, dass eine Interpolation oder doppelte Re-
cension, worüber Näheres unten zu 464, wahrscheinlich ist. Die
vorangehende Partie 449—456 aber rechtfertigt sich durch die Be-
Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 107
ziehung, welche 493. 494 auf den Fluch des Vaters 454. 455 ge-
nommen wird. Die übrigen von Düntzer angenommenen Interpolatio-
nen 481—484. 486—492. 494. 495 sind zu wenig begründet, als
dass ich sie für wahrscheinlich halten könnte: mit denselben würden
gerade die wesentlichsten Momente, durch welche die weitläuge Er-
zählung gerechtfertigt wird, beseitigt werden.
Der Gedanke, dass Phoenix in Achill sich den Sohn zu erziehen
hoffte, der ihm den versagten leiblichen Sohn ersetzen sollte, giebt
einen treffenden Uebergang zum zweiten Theil der Rede, 496—523,
der eindringlicheu Mahnung seinen Groll aufzugeben. Diese wird
begründet :
1, Durch allgemeine sittliche Motive, 496—514:
a, Durch den Hinweis auf die Versöhnlichkeit der Götter,
496 —501: selbst die Gölter, die doch so hoch und er-
haben über den Menschen dastehn, lassen sich von diesen
versöhnen, wenn sie sich gegen dieselben vergangen haben.
b, Durch die Allegorie von den Sühnbitten (Liten), 5602—
514. Die Personificalion der Sühnbitten als Töchter des
Zeus stellt den Sühneversuch als eine in der sittlichen
Weltordnung begründete und darum auch von den Göttern
anerkannte und geschätzte Macht hin, welche die Aufgabe
hat als Correetiv der Ate zu dienen und nicht ungestraft
verachtet wird. Eine Zurückweisung der Liten zieht die
Ate nach sich, während die Anerkennung derselben auch
die Götter geneigt macht das Gebet des Menschen zu er-
hören, wenn er sich vergangen hat.
2, Durch den insbesondere für den vorliegenden Fall geführ-
ten Nachweis, dass der Groll, wenn er vorher berechtigt
war, es jetzt nicht mehr ist, 515—523.
a, Agamemnon hat seinen Groll aufgegeben und bietet reiche
Sühne, 515—519.
b, der Sühneversuch geschieht in der rücksichtsvollsien und
ehrenvollsten Weise: die edelsten Männer, auserlesen aus
der Gesammtheit der Achaeer, zugleich Achill die liebsten,
sind gesendet ihn zu erbitten, 520—523.
Ueber die mannigfachen kritischen Bedenken, welche sich an den
dritten Theil der Rede, die Erzählung von Meleager knüpfen, ist
Näheres unten zu 529 fl. bemerkt. Dieselbe ist offenbar in ihrer Be-
handlung der gegenwärtigen Situation möglichst angepasst, ob freilich
so, wie Kiene Komposition p. 103 annimmt, ist fraglich; jedenfalls
müssten wir dann in Bezug auf 550 fl. vgl. mit 529 —532 eine
völlige Verwirrung der ursprünglichen Darstellung annehmen.
438. Statt σοὶ δέ μ᾽ ἔπεμπε wollte Jacobs corrigieren σὺν δέ
μ᾽ ἔπεμπε, Düntzer Aristarch p. 159 verlangt σοὶ δ᾽ ἅμ᾽ ἔπεμπε
γέρων μ᾽ ἱππήλατα. — 444. Ueber ὡς vgl. Lehrs Aristarch. ?p. 169
und über die Concessivsätze mit οὐδ᾽ εἴ κε Z. Lange der homerische
Gebrauch der Partikel εἰ II p. 514 fl — 447. “Ἑλλάς soll hier und
108 Kritischer und exegetischer Anhang. 1.
478 nach Düntzer u. A. in dem späteren Sinne stehen, nicht wie
sonst in der Ilias von dem thessalischen Landstrich; indess scheint die
Combination von G. F. Unger im Philol. Suppl. II p. 640 f., nach
der die Anmerkung zur Stelle gegeben ist, geeignet die Schwierig-
keiten zu lösen. — 452. Eine überflüssige Conjectur bei Axt Con-
jectanea Hom. p. 8: ἵν᾽ ἐχϑήραιμε γέροντι vgl. ὃ 405. — Zu προ-
μιγῆναι vgl. auch Eickholt quaestt. Homer. spec. Münster 1860
p- 22. — 454. Ueber die Erinuyen vgl. Naegelsback hom. Theol.
2p. 262 ff., Preller griech. Myth. I p. 521, Gladstone hom. Stud.
p- 233 ἢ, Aschenbach die Erinyen bei Homer, Hildesheim 1859
p- 4, auch Furtwängler die Idee des Todes, Freiburg 1855 p. 176 M.
— 457 wird von Geppert Urspr. d. hom. Ges. Il p. 107 verworfen.
— 458. Nach Plutarch de audiendis poelis 8 hatte Aristarch die
Verse 458—461 aus dem Text entfernt, weil die darin enthaltenen
Mordgedanken dem nachmaligen Erzieher des Achill wenig anständen:
vgl. Zehrs Aristarch. ?p. 340 und /a Roche in der annotalio critic.
z. St. mit Düntzer homer. Fragen p. 193. Wieder eingeführt von
F. A. Wolf vgl. Prolegg. p. 160 (in der Berlin. Ausg. 1872),
werden dieselben verworfen von Düntzer Aristarch p. 160, la Roche,
Franke, Kiene Komposition p. 89 Anmerk. — 464. Ueber ἔται vgl.
L. Lange de Ephetarum Athen. nomine p. 16. — In der folgenden
Erzählung, welche 470 allerdings an einem unvermiltelten Uebergange
leidet, nimmt Friediaender im Philol. IV p. 582 f. eine doppelte
Recension an, indem zwei Stücke von entgegengeseiztem Inhalt an
einander gefügt sein, die sich indess nicht mehr vollständig ausschei-
den lassen: vgl. dazu Moritz a. Ὁ. p. 21 ff, Düntzer Aristarch
p. 160, Geppert Urspr. d. hom. Ges. Π, 110, auch Aristonicus ed.
Friedl. p. 164. — 469. Ueber die Töpferei und die Thongefässe der
homer. Zeit vgl. Riedenauer Handwerk p. 141 MM: nach den neueren
Untersuchungen scheint es unzweifelhaft, dass der Sänger der Ilias
nicht nur Thongefässe, sondern auch bemalte Thongefässe griechi-
schen Fabrikats kennen musste. — 476. Bedenken gegen ἑρκίον
äussert Geppert Ursprung d. hom. Ges. 11 p. 98. — 477. Die Ver-
bindung von ῥεῖα mit λαϑών, welche Nicanor ed. Friediuender
p- 202 verwarf, begründete Bekker homer. Blätt. I p. 176 f. —
481. Ueber ἐπέ vgl. Giseke allmähliche Entstehung p. 141. —
483. Ueber das Verhältuiss des Phönix zu Peleus vgl. Gladstone
hom. Stud. p. 281 und Schoemann's griech. Alterth. 1 p. 35. —
487. Ueber πατέομαι vgl. Lehrs Aristarch. ?p. 131 mit Brosin de
coenis Hom. p. 63 f., welcher 486 durch die Conjectur ἐϑέλεσκον
statt ἐθέλεσκες das Unlogische des Gedankens zu beseitigen sucht.
Vgl. darüber auch Friedlaender de conjunctionis ὅτε etc. p. 108 f.
— 488, πρίν γ᾽ ὅτε mit dem Optativ findet sich nur hier: vgl. R.
Foerster de usu conjunct. πρέν Homerico et Hesiodeo in Miscellaneo-
rum philol. libellus (zu Haase’s Jubilaeum) Breslau 1863 p. 15, auch
Friediaender de conjunct. ὅτε p. 17 und 108. — 502 ff. Die
folgende Allegorie von den Liten besprechen Naegelsbach hom. Theo-
logie‘?p. 242, mit besonderem Bezug auf die Ale Welcker griech.
Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 109
Göuterl. I p. 712, Zehrs populäre Aufsätze p. 225 in der Note,
Gladstone hom. Stud. p. 174 und gegen diesen Schoemann griech.
Alterthüm. II p. 139. Verworfen wurde dieselbe von’ Nitzsch Sagen-
poesie p. 129: “Diese Plastik aus Reflexion passt dort wenig zu der
schlichten Erinnerung an die Versöbnlichkeit der Götter, sie motiviert
für den einfachen Phönix zu fein und zu tief? (diese Ansicht hat der-
selbe freilich in den Beiträgen p. 71 Anmerk. p. 122 zurückgenom-
men.) gl. dagegen Moritz a. Ὁ. p. 24, Düntzer Aristarch p. 162 f.,
Schoemann de reticentia Hom. p. 13, Bernhardy Grundriss d. griech.
Lit. II, 1, p. 165. — Ueber die Verwendung des Mythos in den Reden
zum Ausdruck des subjectiven Gefühls spricht Pazschke über die homer.
Naturanschauung p. 3 f., auch Gladstone hom. Stud. p. 373 f. —
509. Ueber die Aufnahme des vorhergehenden Relativpronomens im
Nachsatze durch das Demonstrativum, sowie über das damit verbundene
δέ ἀποδοτικόν vgl. Otto Beiträge zur Lehre vom Relativum bei Homer.
1, Weilburg 1859 p. 8 und 9, auch Schoemann opuse. II p. 97,
‚Hentze de pronominum relativorum linguae graecae origine atque
usu Homerico, Göttingen 1863 p. 34—36. — 513. Die Schwierig-
keiten dieses und des folgenden Verses erörtert Bekker hom. Blätter I
p- 320. Vgl. indess Franke z. St., mit dem die gegebene Erklärung
im Wesentlichen übereinkommt. Die Auffassung von τιμή in objectivem
Sinne als die den Liten anhaftende Ehre, ihr Ansehen, ist offenbar
vorbereitet und erleichtert durch die vorhergehende Wendung τιμὴν
ἔπεσϑαι (vgl. zu 609), die ihrerseits wieder durch das vorhergehende
ἔάτην ἅμ᾽ ἕπεσϑαι veranlasst zu sein scheint. Dass der Sinn nur
sein kann: achte und respectire auch Du die Töchter des Zeus, wie
andere Edle, wenn sie zürnten, sie respectirt haben, zeigt die Be-
ziehung von καὶ σύ und ἄλλων περ. Anders Düntzer Aristarch
p. 163. — 522. ἐλέγχειν im Zusammenhange mit ἔλεγχος und ἐλεγ-
χείη erörtert Mayer dritter Beitrag zu einer homer. Synonymik, Gera
1849 p. 9. — 525. Ueber den temporalen Nebensatz mit ὅτε xev
vgl. Friediaender de conjunctionis ὅτε etc. p. 110. Anders fasst die
Stelle H. D. Müller Syntax der griech. Tempora p. 15. — 529 fl.
Die folgende Erzählung ist kritisch behandelt von P. la Roche die
Erzählung des Phönix von Meleagros, München 1859 mit dem Resul-
tat: ein späterer Dichter habe diese Erzählung aus einem alten Liede
(Nitzsch Beiträge p. 150 nimmt zwei kleine Lieder an) oder einem
Cyclus von solchen, in welchem die Sage von Meleagros vollständig
überliefert war, in der Weise entnommen, dass er ungeschickt excer-
pierend, bald nichts als mangelhafte und unklare Notizen, bald wieder
Detail von unverhältnissmässigem Umfang und relativ unwesentlichem
Inhalt gab, das sich aber meist durch irgend einen Effect zur Auf-
nahme zu empfehlen schien. Vgl. dazu die Gegenkritik von Dünizer
im Aristarch p. 187. Andere suchen durch Ausscheidung grösserer
Partien den allerdings sehr gestörten Zusammenhang herzustellen und
die Dunkelheiten und Widersprüche der Erzählung zu beseitigen: so
verwerfen Nitzsch Sagenpoesie p. 148 und Goebel in Mützells Zeit-
schr. f. d. Gymnas.-W. XIV, 262 fl. V. 557—572 als diaskeuastische
110 Kritischer und exegetischer Anhang. 1.
Zuthat, Moritz de Iliadis libro IX p. 11 V. 533—549 und 557— 572:
indem letzterer aber den Zweck der ganzen Erzählung von Meleager
im Widerspruch‘ findet mit der von Achill bestimmt ausgesprochenen
Absicht nach Hause zu fahren, verwirfi er die ganze Erzählung von
524 an und folgerecht in der Antwort des Achill 607”—611. Ebenso
wird die ganze Erzählung verworfen von Dünizer Aristarch p. 163,
Geppert Ürspr. ἃ. hom. Ges. I p. 245 fl. unter Zustimmung von
Friedlaender in den Jahrbb. f. class. Philol. II 584 f. Vgl. aber
Goebel a. Ὁ. p. 265 fl. — Einzelne Punkte, wo die Erzählung ver-
wirrt ist oder sonst Bedenken erregt, bespricht auch Friedlaender
im Philol. IV p. 583. — Ueber die Sage von Meleager vgl. Preller
griech. Mythol. II p. 202 ff. Moritz de lliadis libro IX p. 12 fl.
und die Monographie von Kekule Berlin 1861, auch Hehm Kultur-
pflanzen und Hausthiere p. 22. — 534. Die Frage, ob man unter
den Thalysien ein Privatopfer oder ein allgemeines öffentliches Opfer
zu verstehen habe, ist verschieden beantwortet: vgl. Bekker hom.
Blätt. 1 p. 127, Gladstone hom. Stud. p. 260 f. und dagegen
Naegelsbach hom. Theol. ?p. 207, Schoemann griech. Alt. I p. 32.
61. — 538. Statt des überlieferten diov corrigiert Düntzer nach
Z 180 ϑεῖον γένος. was er auf den Eber bezieht. — 540. Ueber
ἔϑων, welches Nitzsch Sagenpoesie p. 177 aus dem ältern Liede
überkommen scheint, und ähnliche Participia vgl. Classen Beobachtun-
gen p. 91. — 541. Ueber προϑέλυμνος vgl. Curtius Etym. *p. 257
und 705 und Fick vgl. Wörterb. ®p. 116. ϑέλ-υμνο-ν ist gebildet aus
indogerm. W. dhar (dhra) halten, iragen, befestigen, wozu Fick
noch stellt ϑάλ-αμο-ς Behältniss, Inneres, auch #64-0-g, und heisst
Stütze, Grundlage, Grund, Ueber die Composition und Bedeutung
vgl. Meyer in G. Curtius Stud. VI p. 380 f. und Schaper quae
genera compositorum apud Hom. distinguenda sint p. 8 u. 17. —
Eine abweichende Erklärung des Wortes aus dem Stamm Sal, wo-
nach hier die δένδρεα προϑέλυμνα = kräftig hervorgeschossene
Bäume, sucht zu begründen nebst eingehender Erörterung der An-
sichten der Alten Eickholl quaestt. Nom. specim. p. 29—61. —
547. Ueber ἀυτή und κέλαδος vgl. Mayer zweiter Beitrag zu einer
Synonymik, Gera 1844 p. 14 u. 18 f. Die Erklärung ist gegehen
nach Moritz de lliadis libro IX p. 6 f. — 550—553. Die Verse
können ungezwungen nur so verstanden werden, dass die Kureten die
Eingeschlossenen sind und die Actoler die Belagernden — die Situa-
tion ist offenbar gedacht, wie 352—355, aber dies ist gerade die
umgekehrte Situation von 529—532. Diesen von Grossmann Homerica
p. 24 und Friedlaender im Philol. IV p. 583 beobachteten Widerspruch
will Nitzsch Sogenpoesie p. 148 beseitigen durch die Conjectur in 552:
τείχεος ἐκτὸς ἐόντα oder ἔκτοσϑέν ἑ μένειν. Vgl. aber Goebel
in Zeitschr. f. Gymn. 1860 p. 264. — 553. Die Verbindung ἔδυ,
χόλος mit persönlichem Object, ohne Bezeichnung des seelischen Organs,
halt für jüngeren Ursprungs Fulda Untersuchungen über die Sprache
der homer. Gedichte p. 301. — 563. Ueber die Sage von Alkyone
vgl. Nitzsch Beiträge p. 14, Preller griech. Mythol. I p. 301. —
Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 111
568. Ueber solche symbolische Handlungen beim Gebet vgl. Schoemann
griech. Alt. II p. 249, Naegeisbach hom. Theol. ?p. 82. — 571.
So deutet ἠεροφοῖτις "Naegelsbach hom. Theol. ?p. 263. Andere
wie Doederlein τ. St., deuten: in Nebel gehüllt schreitend, daher
unsichtbar; Zeo Meyer Bemerkungen zur ältesten Gesch. d. griech.
Mythol. p. 61: im dunkeln Gemölk mandelnd. — 572. Vgl. Moritz
de liadis Jihro IX p. 7—9. — 575. Ueber die Stellung der Priester
vgl. Naegelsbach hom. Theol. ?p. 201, auch Gladstone hom. Stud.
p. 386, Sorgenfrey de vestigiis juris gentium Hom. p. 20. —
580. Ueber die verschiedenen Arten der Bodenbenutzung vgl. Thaer
im Philol. XXIX p. 591. 604, Hehn Kulturpflanzen und Hausthiere
p- 62 f., auch Büchsenschütz Besitz und Erwerb p. 71. — 584.
Das Auffallende, dass hier auch die Mutter unter den Bittenden er-
scheint, von Friedlaender im Philol. IV 583 bemerkt, gab Nitzsch
Beiträge p. 151 mit Veranlassung in 557— 572 ein Einschiebsel an-
zunehmen. — 591. Zur Interpunction nach ἅπαντα vgl. Bekker hom.
Blätt, Ip. 230.
609. Eine abweichende Interpunelion und Erklärung giebt Koch
2. St. Könighoff Critica et Exegetica p. 17 bezieht # auf τιμῆς, fasst
φρονέω bis αἴσῃ als Parenthese, und ἕξει in dem Sinne von zurück-
halten: quo (honore) si feui vellet, quamdiu vivus spiransque esset,
apud naves retinerelur. — Uebrigens wurde dieser und der folgende
Vers nach Heyne's Vorgange von Düntzer Aristarch p. 170 ver-
worfen.
616. Der Vers schon von Heyne verdächtigt, ist von Bekker,
Döederlein, Franke, Bernhardy Grundriss d. gr. Lit. II, 1 p. 164 ver-
worfen. Abgesehen von der nur hier sich findenden Construction
von μείρεσϑαι mit Accus. steht der Vers durchaus unvermittelt in dem
Gedankenzusammenhange. Weder sieht man, wie Achill von dem
vorhergehenden Tadel zu diesem Anerbieten kommt, noch schliesst
sich das Folgende passend an. — Dagegen möchte Moritz a. 0. p. 32
vielmehr V. 615 auswerfen, nach 616 ein Kolon setzen und durch
die Verbindung dieses Verses mit 617 den Zusammenhang gewinnen:
quidquid aliud volueris, postula, hoc a me petere noli,
ut de iis quidquam mutem, quae his mandavi renuncianda.
— Düntzer Aristarch p. 171 verwirft 613— 616 und 618. 619.
619. Ueber die Doppelfragen mit ἤ — # vgl. Praetorius der
homerische Gebrauch von ἢ in Fragesätzen p. 21 ff.
624 ΠῚ Zur Charakteristik des Aias als Redner 'vgl. Hemmer-
ling welcher Mittel bedient sich Homer zur Darstellung seiner Cha-
raktere? Neuss 1857 p. 16, Gladstone hom. Stud. p. 327, Genz
zur Πὰς p. 31, Geppert Urspr. ἃ. hom. Ges. I p. 201. — Die
ganze Partie von 623— 655 wird von Düntzer Aristarch p. 172 ff.
ausgeschieden. — 632. Ueber die Blutrache und deren Sühne handelt
Naegelsbach hom. 'Theol. ?p. 292 f., Sckoemann griech. Alterth. I
p- 48 M. und jetzt Zichhoff über die Blutrache bei den Griechen,
Duisburg 1872. — 636. δεξαμένῳ nach den besten Handschriften statt
der Vulgate δεξαμένου. Zur Erklärung des Dativs des Parlicip. nach
112 Kritischer und exegetischer Anhang. 1.
vorhergehendem Genetiv vgl. Classen Beobachtungen p. 144 u. 159.
— 639. Die Wendung ἐντίϑεσθαι ϑυμῷ und verwandte erörtert
Fulda Untersuchungen über die Sprache der hom. Ged. p. 29 ff. —
641. Zenodot las ἀϑρόοι statt πληϑύος : vgl. Düntzer Zenodot. p. 119.
648. ὡς εἰ ist erklärt nach Z. Zange der homer. Gebrauch der
Partikel εἰ 11 p. 538 I. — Ueber den ἀτέμητος μετανάστης vgl.
Schoemann griech. Alterth. I p. 42, II p. 20 und Genaueres bei
‚Riedenauer, Handwerk p. 23 f. — 649. Der Punkt nach ἀπόφασϑε
ist geselzt mit Genz zur Ilias p. 32.
650—655 werden wegen des Widerspruchs mit Achills frühe-
ren Erklärungen und weil Odysseus in seinem Bericht 677 ff. den
Inhalt derselben gänzlich ignoriert, von Moritz a. Ὁ, p. 25 ff., Bern-
hardy Grundriss d. griech. Lit. Il, 1, p. 164 verworfen. Vgl. da-
gegen Kiene Komposition p. 103, — Ueber 653 vgl. Düntzer Ari-
starch p. 174.
660 ff. Bedenken gegen das Folgende bei Düntzer Aristarch
p. 175. — 661. Zur Bedeutung und Etymologie von ἄωτος vgl.
Clemm in 6. Curtius Stud. II p. 54 f — Ueber die Linuengewebe
bei Homer vgl. Hehn Kulturpflanzen und Hausthiere p. 101 fl,
welcher den Anbau des Leins, das Spinnen und Weben des Flachses
in Griechenland für die Zeit des Homer und Hesiod leugnet. Diese
Frage erörtern weiter Hertzberg im Philol. XXI p. 5 ff. gegen
Hehn und Friedlaender in den Jahrbb. f. class. Philol. 1873 p. 91 fl.
für denselben, vgl. auch Riedenauer Handwerk p. 79. Die Technik
der Flachsbereitung im Alterthum behandelt Ἢ. Blümner Technologie
und Terminologie der Gewerbe und Künste bei den Griechen und
Römern, Leipz. 1874 p. 178 fl.
668. Bergk griech. Literaturgesch. I p. 737 sieht hier und
T 326 die Hand des Nachdichters, resp. Diaskeuasten. Uebrigens
glaubt Franke z. St., dass hier unter Skyros eine der eilf Städte in
Kleinphrygien zu verstehen sei, die Achill nach 329 auf seinen Streif-
zügen eroberte.
677. Als Muster eines zusammenfassenden Berichtes, der die
Sache erschöpft und dem Gegner vollständig den Mund verschliesst,
rühmt Gladstone hom. Stud. p. 324 die folgenden Worte des Odysseus.
684—692 erscheinen Düntzer Aristarch p. 178 als spätere Zu-
that. 688 — 692 wurden von Aristarch und Arisiophanes ver-
worfen: Friedlaender Aristonic. p. 170. Zenodot verwarf 692:
Düntzer Tenodot. p. 186.
694. Zur Athetese vgl. Friedlaender Aristonic. p. 170 z. St.,
Düntzer Zenodot. p. 165, Düntzer die homer. Fragen p. 195,
Moritz a. 0. p. 32, Geppert Urspr. ἃ. hom. Ges. I p. 14.
701 — 703 verwirft Düntzer Aristarch p. 177, ebenso mit
Bentley 709, auch ΤΊ.
ANHANG
ZU
HOMERSTILIAS
SCHULAUSGABE
VON
LER
K. F. AMEIS. FG
IV. HEFT.
ERLAEUTERUNGEN ZU GESANG X— XII
von
Dr. C. HENTZE,
OBERLEURER AM GYMNASIUM ZU GÖTTINGEN.
&
LEIPZIG,
DRUCK UND VERLAG VON Β, ἃ. TEUBNER.
᾿ 1818,
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Kritischer und exegetischer Anhang.
K.
Einleitung.
Literatur: Lachmann Betrachtungen über Homers Ilias
p. 38 u. 33. Dazu vgl. Baeumlein in der Zeitschr. f. ἃ. Alter-
thumswissensch. VI, 1848 p. 341 ἢ, Holm ad C. Lachmami ex-
emplar de aliquot lliadis carıninum compositione quaeritur, Lübeck
1853 p. 10, Hoffmann im Philol. III p. 219 ἢ, Düntzer homer.
Abhandlungen p. 60, Gerlach im Philol. XXX p. 39, Nutzhorn
die Entstehungsweise der homer. Gedichte p. . — Grote Ge-
schichte Griechenlands, übersetzt von Meissner, Ip. 547, vgl.
Friedlaender die homerische Kritik von Wolf bis Grote p. 37
und Baeumlein im Philol. XI p. 425 f. — Sickel, quaestionum
Homericar. part. I. Rossleben 1854. — Düntzer die Doloneia im
Philolog. XIT p. 41 #. — hom. Abh. p. 303 ff., auch p. 470. 472. —
Kuhlbars cur liber Iliadis decimus e contextu carminis Homerici
emovendus sit. Ludwigslust 1876. — Jacob über die Entstehung
der Ilias und Odyssee p. 236 #. — Nitzsch die Sagenpoesie
der Griechen p. 128. 224 f., Beiträge zur Geschichte der epischen
Poesie p. 83. 378 £. — Kiene die Komposition der Ilias p. 91f.
103. Gladstone homerische Studien p. 431 ff. — Ritschl die
alexandrinischen Bibliotheken p. 62.— Genz zur Ilias. Sorau 1870,
p. 33. — Kammer zur homerischen Frage, I. Königsberg 1870
p- 31 und die Einheit der Odyssee p. 37 f#. — Hiecke der gegen-
wärtige Stand der homer. Frage, Greifswald 1856 p. 25. —
Schneider über den Ursprung der homerischen Gedichte. Witt-
stock 1873 p. 26 f. — Bernhardy Grundriss der griech. Literat,
>15, 1, p. 165. — Bergk griech. Literaturgesch. I p. 597 ἢ, —
Hoffmann quaestiones Homerie. 1848. II p. 218. Giseke
homer. Forschungen. Leipzig 1864 p. 217 fi. — van Herwerden
quaestiunculae epicae et elegiacae, Utrecht 1876 p. 16 ἢ,
Die Erzählung des nächtlichen Abenteuers, welches den Inhalt
der Doloneia bildet, füllt den letzten Theil der Nacht aus, deren
1*
4 Kritischer und exegetischer Anhang. X. Einleitung.
ersten die Presbeia einnimmt, der Nacht, welche Θ 485 begin-
nend, dem 25sten Tage der Ilias folgt. Aeusserlich anknüpfend
an die im Ausgange des neunten Gesanges gegebene Situation
bildet dieselbe ein in sich geschlossenes einheitliches Ganze, dessen
Anordnung und Gliederung durch die natürliche Folge der Be-
gebenheiten bestimmt wird. Ein vorbereitender Theil (1—339)
erzählt die Vorgeschichte des Unternehmens auf beiden Seiten in
paralleler Behandlung, sehr ausführlich auf griechischer (1—298),
kürzer auf troischer Seite (299—339). Dann folgt die Erzählung
der lebhaft bewegten Scenen zwischen den griechischen Helden
und Dolon, dessen Gefangennahme, Bericht über die Verhältnisse
im troischen Lager und Tödtung (840--- 468). Den Höhepunkt der
Spannung erreicht die Erzählung in der Darstellung der verwege-
nen Thaten der griechischen Helden im troischen Lager (469—525),
woran sich endlich der Bericht über die Rückkehr derselben zu den
Gefährten und mit ihnen in das griechische Lager schliesst (526—579).
In dieser Anlage nimmt der einleitende Theil einen un-
verhältnissmässig grossen Raum ein, vor allem die Erzählung
der das Unternehmen vorbereitenden Schritte auf der griechi-
schen Seite. Dieser Theil ist es denn auch, in dem vorzugs-
weise die der Ausführung anhaftenden Mängel hervortreten. Vor
allem eine grosse Unklarheit in der inneren Entwicklung und
Ungeschick in der Motivierung der Handlung. Als Agamemnon
von Sorgen gequält sich entschliesst, noch in der Nacht Nestor
aufzusuchen, wird dieser Entschluss durch die Hoffnung desselben
motiviert, dass Nestor vielleicht mit ihm zusammen einen Plan er-
sinnen könne, welcher die Achaeer zu retten vermöge, Auch dem
Menelaos gegenüber, der die Vermuthung ausspricht, dass er einen
Späher zum feindlichen Lager senden wolle, betont Agamemnon
zunächst das Bedürfniss eines klugen Rathes, der die Argiver und
das Lager zu retten vermöge, giebt dann aber als Zweck seines
Ganges zu Nestor an, dass er diesen auffordern wolle zu den
Wachen zu gehen und diesen Weisung zu geben. Da er aber zu-
gleich Menelaos auffordert Aias und Idomeneus zu rufen und mit
ihnen ebenfalls zu den Wachen zu gehen, so hat Agamemnon nach
der Absicht des Dichters augenscheinlich in Folge der Dazwischen-
kunft des Menelaos seinen ursprünglichen Plan dahin abgeändert,
dass er die anfangs nur mit Nestor in Aussicht genommene Be-
rathung nun mit einer grösseren Anzahl von Fürsten und zwar
in Verbindung mit einer Inspektion der Wachen anstellen will.
Ist es nun schon sehr befremdend, dass diese Abänderung seines
Entschlusses nirgend klar ausgesprochen ist, so muss es noch weit
mehr befremden, dass Agamemnon dem Nestor selbst gegenüber
von seiner eigentlichen Absicht nichts sagt. Er fordert ihn nur
auf mit ihm zu den Wachen zu gehen, was er mit der Besorgniss
motiviert, dass die Feinde selbst während der Nacht den Kampf
Kritischer und exegetischer Anhang. K. Einleitung. 5
aufzunehmen beabsichtigen möchten. Auch als Nestor von selbst
dem Agamemnon den Vorschlag macht auch die anderen Fürsten
zu wecken, lässt dieser von seiner eignen Absicht nichts verlauten,
vielmehr ist es wieder Nestor, der Agamemnons Gedanken glück-
lich errathend, Odysseus gegenüber als Zweck der Zusammenkunft
deutlich eine Berathung bezeichnet, freilich wieder in sehr über-
raschender Weise eine Berathung über die Frage, ob man fliehen
oder weiter kämpfen solle (147). Nachdem nun durch Nestors
Initiative, hinter dem Agamemnon allmählich überhaupt so völlig
zurücktritt, dass er aus der Erzühlung fast spurlos verschwindet,
die Fürstenversammlung zu Stande gekommen ist und wir nach
allem, was vorhergegangen ist, eine eingehende Erörterung der
Lage und Erwägung der von Nestor V. 147 aufgeworfenen Frage
zu erwarten berechtigt sind, macht Nestor, ohne jene Frage auch
nur zu berühren, ohne weiteres den Vorschlag einen Späher zum
troischen Lager zu senden. So ungeschickt die Entwicklung der
Handlung auf diesen Ausgangspunkt hin sich zeigt, so schwankend
und unbestimmt ist die Auffassung der Situation in dieser ganzen
Partie. Offenbar ist das die Handlung wesentlich bestimmende
Motiv die Befürchtung eines nächtlichen Ueberfalls, wie sie Aga-
memnon V. 100f. dem Nestor gegenüber wenigstens andeutet.
Diese augenblicklich drohende Gefahr ist es offenbar, obwohl
das nicht deutlich ausgesprochen wird, welche dem Agamemnon
keine Ruhe lässt, wie sie in gleicher Weise Menelaos vom Lager
scheucht und zu jenem treibt (vgl. 26 £.); dieselbe motiviert zweck-
mässig den Gang zu den Wachen und würde auch den Gedanken
einen Späher auszusenden genügend motivieren. Allein dies Motiv
wird durch die Art, wie Agamemnon und Nestor sich über die
Lage aussprechen, fast völlig verdunkelt. Nach den Aeusserungen
dieser handelt es sich keineswegs nur um die Abwendung der
augenblicklich drohenden Gefahr, sondern um einen entscheidenden
Beschluss über die durch die Ereignisse des vorhergehenden Tages
herheigeführte drohende Lage überhaupt — nach Agamemnons Aeus-
serungen um einen Plan, der die Griechen und das Lager retten
kann, nach Nestors Ausspruch um die Entscheidung, ob man fliehen
oder weiter kämpfen solle. Diese Verdunklung des eigentlich
bewegenden Motivs und die Unklarheit in der Auffassung der Si-
tuation führt aber zu den schwersten Missverhältnissen. So muss,
nachdem durch das Vorhergehende die Erwartung des Hörers auf
eine weitreichende Entscheidung gespannt ist, der der wirklichen
Situation entsprechende Vorschlag Nestors einen Späher auszu-
senden, gleichwohl im höchsten Grade überraschen und befremden,
zumal da derselbe Gedanke vorher, wo er von Menelaos angeregt
wurde (37 ff.), von Agamemnon einfach ignoriert war. Noch be-
fremdender aber ist, dass Nestor dabei als nächsten Zweck des
Unternehmens bezeichnet, dass es vielleicht gelinge, einen der
6 Kritischer und exegetischer Anhang. X. Einleitung.
Feinde am Rande des feindlichen Lagers zu erlegen und sodann
erst der Möglichkeit erwähnt Kunde von den Absichten der Troer
zu erfahren, wobei es vollends allen vorhergehenden Aeusserungen
über das Drohende der Lage widerspricht, wenn Nestor es für
möglich hält, dass die Troer daran denken könnten nach dem Siege
über die Achaeer wieder ruhig in die Stadt zurückzukehren (210).
Bei dieser mangelhaften Motivierung kommt wohl manches
auf Rechnung des vielfach übertriebenen Ausdruckes in der Zeich-
nung der Lage: wie sehr der Dichter den Ausdruck zu steigern
liebt, zeigt die masslose Schilderung der verzweifelten Stimmung
Agamemnons 5—10. 15 ἢ 93—95. Sonst leidet die Darstellung
mehrfach an grosser Breite und störenden Wiederholungen; der
Dichter gefüllt sich in der Zeichnung von unwichtigen Neben-
sachen, wie der Bekleidung, wihrend er Hauptsachen flüchtig und
obenhin behandelt. Erst mit V.218, kann man sagen, hat der
Dichter das eigentliche Fahrwasser gewonnen. Zwar lässt auch
in den folgenden Partien die Motivierung hie und da zu wünschen
übrig, wie bei dem Beschluss Hektors einen Spüher zu senden
und dem Eintreten Apollos 515 f., aber die Erzählung ist doch
von solchen Unklarheiten und Differenzen, wie sie in dem ersten
Theil sich ergaben, frei und zeigt entschiedene Vorzüge. Treffend
und übereinstimmend mit der sonstigen Zeichnung ist die Charak-
terisierung der handelnden Personen, des Diomedes und Odysseus,
in ihrem gegenseitigen Verhältniss zu einander, sowie des Dolon.
Die Handlung entwickelt sich lebhaft in einer raschen Folge von
dramatisch bewegten Soenen; Ausdruck und Darstellung sind dem
Charakter der Handlung wohl angemessen.
Erst in dem letzten Theil der Erzählung tritt jenes Miss-
verhältniss zwischen der Entwicklung der Handlung und der Dar-
stellung der Situation wieder in störender Weise zu Tage. Als
Diomedes und Odysseus zu den übrigen Fürsten zurückkehren, wird
der bei der Aussendung derselben wenn auch nicht in erster Linie
hingestellten Absicht, Näheres über die Verhältnisse im troischen
Lager und über die Absichten der Troer zu vernehmen, mit keinem
Wort mehr gedacht; Nestors ganzes Interesse eoncentrirt sich um
die Frage: woher die herrlichen Rosse? Hätte man noch zweifeln
können, so wird dadurch jeder Zweifel über die eigentliche Absicht
des Dichters bei seiner Dichtung beseitigt. Offenbar war es ihm
vor allem darum zu thun, ein besonders kühnes Heldenstück seinen
Hörern vorzuführen. Dieser Hauptzweck, den schon Menelaos
Worte 37 #. andeuten und den er 206 und 282 deutlich erkennen
lüsst, beherrscht ihn so völlig, dass er, sobald er die Handlung
auf den erwünschten Punkt geführt hat, den Ausgangspunkt der-
selben, die im Eingang gemachten Voraussetzungen völlig vergisst.
Die kühne That der beiden Helden ändert an der Lage der
Achaeer durchaus nichts, es wird dadurch in keiner Weise die
Kritischer und exegetischer Anhang. X. Einleitung. 7
Entscheidung über die Frage, was zu thun sei, gefördert; selbst
der einzig denkbare Erfolg, dass die Griechen durch das Gelingen
der kühnen That selbst sich ermuthigt, gehoben fühlten, wird nir-
gend angedeutet.
Trotz der nachgewiesenen Mängel wird auch die Dolonie
unter den homerischen Gesüngen ihre Wirkung auf den Hörer nicht
verfehlt haben. Es war gewiss ein glücklicher Gedanke mit den
Tageskämpfen ein nächtliches Abenteuer abwechseln zu lassen, in
welchem neben dem kühnen verwegenen Muth auch der List und
klugen Besonnenheit eine Hauptrolle zufällt, ebenso glücklich die
Wahl der Helden, welche dieses Abenteuer bestehen. Auch die
Verknüpfung des griechischen Unternehmens mit einem gleichen
auf troischer Seite bot dem Dichter besondere Vortheile: die zu
diesem Zweck eigens geschaffene Figur des Dolon tritt in einen
wirksamen Kontrast zu den beiden griechischen Helden, das Zu-
sammentreffen derselben aber ergiebt jene Folge von lebhaft be-
wegten dramatischen Scenen, welche den Mittelpunkt der Handlung
bilden. Selbst in ihrer mangelhaften Entwicklung hat die Hand-
lung des einleitenden Theils einen besondern Reiz schon durch die
aussergewöhnliche Scenerie und die Besonderheit der ganzen
Situation.
Im Schol. V zur Ueberschrift der Doloneia findet sich die
Notiz: Φασὶ τὴν ῥαψῳδίαν ὑφ᾽ Ὁμήρου ἰδίᾳ τετάχϑαι καὶ μὴ εἶναι
μέρος τῆς ᾿Ιλιάδος, ὑπὸ δὲ Πεισιστράτου τετάχϑαι εἰς τὴν ποίησιν,
welche-Eustathios mit den Worten wiedergiebt: Φασὶν οἵ παλαιοὶ
τὴν δαψῳδίαν ταύτην ὑφ᾽ Ὁμήρου ἰδίᾳ τετάχϑαι καὶ μὴ ἐγκαταλε-
γῆναι τοῖς μέρεσι τῆς ᾿Ιλιάδος, ὑπὸ δὲ Πεισιστράτου τετάχϑαι εἰς τὴν
ποίησιν. Ursprung und Bedeutung dieser Nachricht sind sehr be-
stritten (vgl. Düntzer, homer. Abhandl. p. 2f., Lachmann
Betracht. p. 33, Lehrs de Arist. ®p. 444, Bergk griech. Li-
teraturgesch. I p. 597), aber die Ueberlieferung selbst in Zweifel
zu ziehen ist wohl kein Grund vorhanden: sehen wir, wie der
zehnte Gesang sich zum Plan der Dichtung und zur epischen
Handlung überhaupt stellt.
In Bezug auf die vorhergehende Entwicklung ist von Baeum-
lein mit Nachdruck betont, dass unser Gesang den durch die vor-
hergehenden gegebenen Voraussetzungen durchaus entspreche, und
dies ist, soweit es sich um die äusseren Verhältnisse, die Situation,
Ort und Zeit handelt, ohne Zweifel anzuerkennen. Der Groll
Achills wird bestimmt erwähnt 106 ἔς, und dem widerspricht auch
nicht, dass Dolon 321 ff. von Hektor Achills Wagen und Rosse
fordert und Hektor sie ihm eidlich zusichert, da der Gedanke
bei Eroberung des griechischen Lagers auch Achills Gespann zu
erbeuten sehr wohl der vermessenen Hoffnung Hektors nach den
8 Kritischer und exegetischer Anhang. X. Einleitung.
Erfolgen des gestrigen Tages entspricht, vgl. © 180 8. 531 ἢ
Ferner ist die Lage des achaeischen, wie des troischen Heeres genau
die durch die Ereignisse des achten Gesanges herbeigeführte. Ab-
gesehen von der allgemeinen Beziehung auf den Sieg der Troer
210 und 310 und Hektors gewaltige Thaten 47 ff. vgl. Θ 215 ff.
337 ff. wird auf das deutlichste 200 f. auf die besonderen Um-
stände bei dem Abbruch jenes Kampfes hingewiesen, ganz ent-
sprechend der Erzählung Θ 337 fl. 485 ff. Das troische Lager in
der Ebene mit seinen zahlreichen Wachtfeuern bildet sogleich für
den Eingang des Gesanges die Voraussetzung V. 12 f. vgl. 418,
die den Griechen bei der Nühe der Feinde drohende Gefahr wird
wiederholt hervorgehoben, auch speciell in Bezug auf das Schiffs-
lager 45. 160 f. in Uebereinstimmung mit Θ 182, Hektors “hoch-
fahrende Gedanken’ 104 weisen zurück auf Θ 178 f. 526—541.
Die zwischen der Mauer und dem Graben aufgestellten Wachen
ferner unter der Führung des Thrasymedes und Meriones (57 fl.
126. 196 ff. 255 ff.) sind in Uebereinstimmung mit I 66 ἢ, 80 ff.
Auch die Ortsbestimmungen ergeben keine Differenz. Zur Bezeich-
nung des Platzes, auf dem die griechischen Fürsten Rath halten,
wird V.199 aus © 491 entlehnt; dieser Vers bezeichnet zwar in © in
Verbindung mit den vorhergehenden Bestimmungen entschieden
einen andern Platz, aber es kann gegen die Verwendung desselben
hier nur mit Düntzer der Vorwurf erhoben werden, dass derselbe
eine sehr unbestimmte und wenig anschauliche Bezeichnung gebe.
Der Platz, auf dem das troische Heer lagert, wird 160 bezeichnet
ἐπὶ ϑρωσμῷ πεδίοιο; diese hier zuerst vorkommende Bezeichnung
wird auch A456 in übereinstimmender Weise zur Bestimmung des
Standortes der Troer bei Beginn der Schlacht am folgenden Tage
verwendet. Auch die Ortsbestimmung für den von Hektor abge-
haltenen Kriegsrath παρὰ σήματι Ἴλου 415 wird im elften Gesange
166 und 370 in Uebereinstimmung mit den hier angenommenen
örtlichen Verhältnissen verwendet. Ebenso ordnet sich unser Ge-
sang in Bezug auf die Zeit dem gegebenen Zusammenhange wohl
ein. Wie der Eingang unmittelbar auf den Schluss des neunten
Gesanges zurückweist, so ist die Angabe 251, dass bereits zwei
Drittel der Nacht verflossen seien, in Uebereinstimmung mit der
Presbeia, welche einen grossen Theil der Nacht beansprucht. Eine
Differenz findet Lachmann zwischen dem Schluss des zehnten
und dem Anfang des elften Gesanges: “im folgenden Buche A 1
wird es zu spät Morgen; denn bei dem Ausgang der beiden Hel-
den ist er schon nah (Κ 251), auch haben sich beide K 578
schon zum Frühmahl gesetzt.’ Allein Lachmanns Gründe sind nicht
beweisend. Allerdings sagt Odysseus 251, dass die Eos nahe sei,
aber dass er dies übertreibend sagt, um zur Eile zu mahnen,
zeigen die in demselben Zusammenhange folgenden Worte, wo er
bemerkt, dass noch der dritte Theil der Nacht übrig sei. Dass
Kritischer und exegetischer Anhang. X. Einleitung. 9
aber das Mahl, zu dem sich Odysseus und Diomedes nach glücklich
bestandenem Abenteuer niedersetzen, das gewöhnliche nach Sonnen-
aufgang eingenommene Frühmahl sei, lässt sich nicht erweisen.
Zugeben kann man Lachmann, dass das Mahl der beiden Helden
durch die Folge der seit 251 sich drängenden Ereignisse an eine
Stelle gerückt wird, wo man Sonnenaufgang bereits erwarten
sollte. Ganz unhaltbar ist Kiene’s Ansicht darüber: “Die acht
Schlussverse des Buches bilden den Uebergang zum folgenden
Buche, denn sie enthalten die Vorbereitungen für die bevorstehende
Schlacht, welche im ganzen Heere vor sich gehend gedacht werden
müssen, vom Dichter aber nur von den beiden Helden Diomedes
und Odysseus berichtet werden.”
So sind allerdings die äusseren Voraussetzungen der vorber-
gehenden Gesänge von dem Dichter des zehnten gewahrt, aber
gegen den innern Zusammenhang mit der vorhergehenden Entwick-
lung erheben sich nicht unerhebliche Bedenken. So ist gleich im
Eingange die in der übertriebensten Weise geschilderte verzwei-
felte Stimmung Agamemnons nach dem, was am Schluss des neun-
ten Gesanges vorhergegangen ist, wenig begreiflich. Nach dem
Bericht des Odysseus über den Misserfolg der Sendung an Achill
hat Diomedes mit kräftigem Wort gefordert, man solle unbeküm-
mert um den trotzigen Achill am andern Morgen vor dem Schiffs-
lager in der Ebene den Kampf mit Muth aufnehmen, Agamem-
non allen voran, und dies Wort hat alle zu begeistertem Bei-
fallsruf hingerissen. Nach diesem Aufschwung der Stimmung, wo-
von wir ohne Zweifel auch Agamemnon ergriffen denken müssen,
tritt die verzweifelte Stimmung desselben im Anfang des zehnten
Gesanges ganz unvermittelt ein, denn der vorauszusetzende Um-
schlag ist durch nichts motiviert. Aber noch mehr! die ganze Art,
wie die Situation in dem einleitenden Theil des Gesanges gefasst
wird, lässt sich mit der vorhergehenden Entwicklung nicht wohl
vereinigen. Ein neues Moment scheint allerdings in der Besorgniss
vor einem nächtlichen Ueberfall gegeben, welche Agamemnon V. 98
Nestor gegenüber ausspricht, aber damit wird nur der vorgeschla-
gene Gang zu den Wachen motiviert; dass diese Besorgniss aber
es gewesen, die in Agamemnon jenen Umschlag der Stimmung
hervorgerufen habe, wird nirgend angedeutet. Vielmehr beschäftigt
sich nach dem Eingang des Gesanges Agamemnon in seinen Ge-
danken mit der Frage, wie die Seinen überhaupt aus ihrer Be-
drängniss errettet, vor dem Verderben bewahrt werden können,
und einen dahin zielenden Rath von Nestor zu erhalten, ist seine
Hoffnung 19. 20. Als ob die Situation seit dem neunten Gesange
irgendwie verändert, irgend ein neues Moment hinzugekommen
wäre! Es sind erst wenige Stunden verflossen, seit Nestor Aga-
memnon seinen Rath ertheilt hat, den einzigen Rath, den er über-
haupt ertheilen konnte — Achilles zu versöhnen. Nachdem dieser
10 Kritischer und exegetischer Anhang. X. Einleitung.
Versuch misslungen, was für einen Rath sollte Nestor jetzt noch
ertheilen können, als den, welchen schon Diomedes am Schluss
des neunten Gesanges ertheilt hatte, am andern Morgen muthig
den Kampf aufzunehmen? Man vgl. 175—78: den dort gebrauch-
ten Wendungen zur Zeichnung der Situation entsprechen dem Ge-
danken nach die im zehnten Gesange oft wiederholten 118. 145.
172 einerseits und andrerseits 20. 43—45. 147.173 f. Alle diese
Aeusserungen klingen so, als ob nach der Niederlage des achten
Buches die Frage, was zu thun, noch gar nicht erwogen sei, igno-
rieren, was im neunten Gesange geschehen. Auch die Auslassung
Agamemnons 45—50 klingt so, als ob sie unmittelbar durch den
ersten Eindruck der Niederlage und den nüchsten Schrecken über
Hektors Furchtbarkeit hervorgetrieben werde, während die 147
als Gegenstand der Berathung hingestellte Frage, ob man fliehen
oder weiter kämpfen solle, thatsächlich bereits in der Heeresver-
sammlung zu Anfang des neunten Gesanges erledigt ist. Auf-
fallend nach der Presbeia ist endlich auch Nestors Bemerkung
106 ἢν, wo er den niedergeschlagenen Agamemnon durch den Hin-
weis auf die Möglichkeit zu trösten sucht, dass Achill seinen Groll
einmal aufgeben und dann Hektor noch viel schrecklicher leiden
werde, als jetzt Agamemnon. Dazu ist doch, nachdem eben Achill
den Sühneversuch auf das Entschiedenste zurückgewiesen, gerade
jetzt am wenigsten Aussicht. Auch im Uebrigen weist keine Spur
darauf hin, dass ein Versöhnungsversuch angestellt sei; in der
Schilderung der Sorgen Agamemnons und seinen eignen Klagen
sollte doch irgend welcher Eindruck davon sichtbar sein.
Noch andere Differenzen zwischen dem zehnten Gesange und
den vorhergehenden Gesängen hat Düntzer zusammengestellt,
denen wir jedoch ein gleiches Gewicht nicht beimessen können.
Wir heben die wichtigsten heraus. So findet er eine Verschieden-
heit der Dolonie von © darin, dass hier eine grössere Dunkelheit
angenommen wird: “Wenn dort alles so hell ist, dass man bemer-
ken kann, wann die Achaier sich zur Flucht bereiten, so entgeht
- hier den Wachenden die Versammlung der Achaier auf freiem
Felde, um der auf Spähung ausgesandten Helden nicht zu geden-
ken. Vgl. 276 νύχτα δι’ ὀρφναίην. Ferner ist es ihm auffallend,
dass die Bundesgenossen abgesondert von den Troern liegen und
sich gar nicht um die Wache kümmern: ‘und zwar hat es den
Anschein, als ob diese nicht erst diese Nacht dort lagern, sondern
schon früher vor der Stadt ihre Lager gehabt, da die neu ange-
kommenen Thraker am äussersten Ende sich befinden, und sie alle
so wohl vertheilt sind, wie es kaum in der Eile geschehen konnte.”
Wir kommen zu der Frage nach der Bedeutung des zehnten
Gesanges für die Entwicklung der epischen Handlung überhaupt.
Schon die Betrachtung des zehnten Gesanges für sich ergab, dass
die Oekonomie desselben verfehlt ist. Die Erwartung, welche in
Kritischer und exegetischer Anhang. X. Einleitung. 1
dem einleitenden Theil auf eine eingehende sorgfältige Erwägung
der Lage und eine weitgreifende Entscheidung gerichtet ist, wird
nicht befriedigt, auch der bei der Aussendung der Späher vor-
gesetzte Zweck, Näheres über die Absichten der Troer zu erfah-
ren, wird nicht erreicht, ja ist am Ende des Gesanges völlig ver-
gessen. Schon hienach ist es schwer erfindlich, welchem Zweck
der zehnte Gesaug in der Oekonomie des ganzen Epos dienen soll.
Hier wird nun aber von den Vertheidigern der Dolonie geltend
gemacht, dass nach dem fehlgeschlagenen Versuch Achill zu ver-
söhnen, durch das glücklich bestandene kühne Abenteuer allein
der Muth der Achaeer wieder soweit gehoben werde, dass die im
Anfang des elften Gesanges erfolgende Aufnahme des Kampfes und
die Aristie des Agamemnon begreiflich sei. So sagt Baeumlein:
‘Nachdem in der Ζολώνεια eine so kühne That gelungen war,
hatten die entmuthigten Krieger die frühere Elastieität des Geistes
wieder gewonnen, und in Agamemnon konnte das stolze Streben
und die Hoffnung erwachen, von Achill zurückgewiesen, auch ohne
ihn zu siegen.” Und Kiene: ‘Die Wirkung der Niederlage und
die fehlgeschlagene Hoffnung auf die Hülfe Achilleus in den Ge-
müthern findet im ersten Theile ihren Ausdruck. Jede That, oder
auch nur die Richtung des Geistes darauf, dient zur Ermuthigung.
Das ist die Bedeutung der nächtlichen Expedition, die durch ihren
glücklichen Erfolg als günstiges Vorzeichen den Kampfesmuth für
den folgenden Tag erhöhen und beleben muss.” Aehnlich Nutz-
horn und Gerlach. Gladstone hebt ausserdem zur Rechtferti-
gung der Dolonie hervor, dass sie in den Gang der Handlung, die
ohne didselbe in eine gewisse schläfrige Einförmigkeit verfallen
sein würde, eine bemerkenswerthe Abwechslung bringe, besonders
aber, dass dieselbe als Aristie des Odysseus eine Lücke ausfülle,
die sonst in dem Epos entstanden sein würde, und eine geeignete
Vorbereitung für das Auftreten desselben in der Odyssee gebe.
Diese von G@ladstone geltend gemachten Motive, soweit sie an-
zuerkennen sind, haben eine nur untergeordnete Bedeutung und
könnten nur geltend gemacht werden, wenn dem zehnten Gesange
schon sonst seine Stelle in der Oekonomie des Epos gesichert wäre.
Gegen Baeumlein und der genannten Kritiker Rechtfertigungs-
versuch ist von Kammer, der übrigens die Dolonie sehr günstig
beurtheilt, geltend gemacht, dass der besagte Zweck dem Dichter
unmöglich vorgelegen habe, da mit keinem Worte gesagt werde,
welchen ermuthigenden Eindruck der nächtliche Zug ins troische
Lager auf die Achaeer ausgeübt habe. Die einzige Andeutung der
Art ist V. 565 χαίροντες "Ayeıol. Ferner wird von jenen Kritikern
zweierlei übersehen, wodurch jener Umschwung der Stimmung aus
tiefster Niedergeschlagenheit zu entschlossenem Muth vom Dichter
ausdrücklich motiviert wird: die Rede des Diomedes am Schluss
des neunten Gesanges 697 Ε΄. und ihr Eindruck 710f., und im
12 Kritischer und exegetischer Anhang. K. Einleitung.
Eingange des elften V. 10—12 die Erweckung des Kampfesmuthes
der Achaeer durch Eris. Diesen bestimmten Angaben gegenüber
lässt sich schwerlich dem Dichter die Absicht zuschreiben, durch die
Dolonie diesen Umschwung herbeizuführen, da dies in keiner
Weise angedeutet wird. Insbesondere bleibt Agamemnon, dessen
tiefe Niedergeschlagenheit den Ausgangspunkt für die ganze Er-
zählung bildet, dessen Stimmung vor allem der Hebung bedurfte,
von dem ganzen Erfolg unberührt, wie er denn auffallender Weise
überhaupt in der Erzählung vor Nestor alsbald ganz zurücktritt,
am Schluss der Erzählung gar nicht mehr namentlich erwähnt wird.
In der That hat, wie auch Nitzsch urtheilt, der ganze Inhalt
der Dolonie nicht den mindesten Einfluss auf das Folgende: “Dass
dem Feinde durch den Ueberfall des thrakischen Lagers Schaden
geschehen und ein Paar sehr vorzüglicher Pferde erbeutet war,
also das Abenteuer insoweit einen glücklichen Erfolg hatte, dies
bedeutete für den Stand des Heeres gegen Hektor Nichts, und die
moralische Wirkung, welche nicht einmal ans Licht tritt, kann die
Nichtübereinstimmung mit dem Fortgang der Erzählung nicht
übertragen.”
Dass in den folgenden Büchern jede Beziehung auf das zehnte
fehlt, findet Baeumlein natürlich, da ein einzelnes Abenteuer im
Folgenden keine besondere Berücksichtigung erwarten könne, und
grosses Gewicht wird darauf allerdings nicht zu legen sein. Indess
haben es doch Nitzsch und Düntzer als auffallend bezeichnet,
dass das von Diomedes erbeutete wunderherrliche Gespann des
Rhesos im Folgenden gar nicht erwähnt wird, dass dieser Held
sich im Wagenkampf des vorletzten Buches der dem Aineias ge-
raubten troischen Rosse bedient, sowie dass Hippokoon, der nahe
Verwandte des Rhesos, der in jener Nacht am Leben bleibt, später
nirgend hervortritt.
Nach allem diesem scheint die oben angeführte Ueberlieferung
der Alten durchaus begründet und die Annahme zu verwerfen,
dass die Dolonie im Plane der Ilias ursprünglich eine Stelle ge-
habt habe. Es kommen noch eine Reihe von Gründen hinzu, die
das gewonnene Urtheil noch weiter stützen. Zunächst ein Bedenken
wegen der dichterischen Oekonomie, welches Lachmann mit den
Worten aussprieht: ‘Wenn irgend Ueberlegung und Sparsamkeit
bei dem Aufbauen eines epischen Gedichts waltet, wie kann ein
Dichter dazu kommen, in einer Nacht, wo die Wachtfeuer der
Troer ganz nah bei den Schiffen brennen, beides und zwar nach
einander unternehmen zu lassen, die Aussendung der Boten an
Achill und die der beiden Helden, die spähen oder den Feinden
schaden sollen? Dass aber Odysseus beide Mal mit muss, ist gar
ungereimt oder doch höchst armselig,’ — ein Urtheil, das in
dieser Schärfe ausgesprochen freilich zu weit geht und namentlich
von Kammer und Schneider nicht ohne Grund bestritten ist.
Kritischer und exegetischer Anhang. X. Einleitung. 13
Ferner kommen gewisse Differenzen zwischen dem neunten Gesange
und der übrigen Ilias in Betracht, die man in Bezug auf die
Zeichnung der Charaktere beobachtet hat. Zwar ist die Zeichnung
der Haupthelden, Odysseus und Diomedes, gewiss im Ganzen wohl
gelungen und der sonstigen Auffassung entsprechend, doch hat
Grote an der nicht wohl motivierten Rohheit des Diomedes Anstand
genommen, mit der er die schlafenden Troer hinschlachtet, und
das Alterthum selbst scheint daran Anstoss genommen zu haben,
indem die späteren Dichter dieselbe durch verschiedene Züge zu
motivieren gesucht haben. Andere finden auch die Tödtung des
Dolon nicht gehörig motiviert. Das Verhältnis von Agamemnon zu
Menelaos ist ganz dem entsprechend gezeichnet, wie wir es im
4. (155 81) und im 7. Gesange (107 8.) finden; auch hier tritt
die liebevolle Besorgniss für den Bruder auf das schönste hervor.
Aber es fällt hier durch die Aufforderung Agamemnons, ja nicht
hochmüthig, sondern höflich gegen die Fürsten zu sein (67—71),
auf Menelaos Charakter ein leiser Schatten, zu dem derselbe sonst
keinen Anlass giebt. (Jacob). Ferner leidet Agamemnons Cha-
rakter selbst unter der übertriebenen Darstellung, mit welcher der
Dichter seine verzweifelte Stimmung schildert, und auch Nestors
Reden lassen öfters die vielgepriesene Weisheit desselben vermis-
sen. Endlich haben auch die Besonderheiten des Inhalts und der
Sprache in Verbindung mit den der Oekonomie des Gesanges ent-
nommenen Gründen ihr Gewicht. Von jenen sind zu erwähnen
die Flöten und Syringen im troischen Lager V. 13, welche sonst
nur noch im achtzehnten Gesange vorkommen, die mit so viel
Fleiss beschriebene eigenthümliche Bekleidung der Helden, manche
eigenthümliche Gebräuche, wie 15. 16. 572 ff., die seltsame Be-
lohnung, welche dem griechischen Späher versprochen wird. Die
sprachlichen Eigenthümlichkeiten findet man zusammengestellt bei
Düntzer homer. Abhandl, p. 322 #., Kuhlbars a. Ὁ. p. 16 ff,
Bernhardy p. 165, vgl. auch Holm a. Ὁ. p. 10 und van Her-
werden a. Ὁ. p. 16 f. Abgesehen von der oft störenden Breite
des Ausdrucks finden sich eine Reihe besonderer, zum Theil ge-
suchter und hyperbolischer Wendungen, vereinzelte Formen, un-
gewöhnliche Wortstellungen. Von den zahlreichen Hapax legomena
sind manche durch die Besonderheit der Darstellung genügend
erklärt, manche aber sehr auffallend. Eine nicht geringe Zahl von
Ausdrücken endlich theilt die Dolonie nur mit der Odyssee. Die
rhythmischen und metrischen Eigenthümlichkeiten sind bei Gi-
seke und Hoffmann verzeichnet.
Es bleibt noch übrig die Frage nach dem vermuthlichen Ur-
sprung des zehnten Gesanges und namentlich nach dem Verhältniss
desselben zu den vorhergehenden Gesängen. Lachmann nahm unter
der Voraussetzung, dass die Darstellung des neunten und zehnten
Gesanges dieselbe Nacht meinen, für beide Gesänge verschiedene
14 _Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen.
Verfasser an, vermuthete aber, dass beide Lieder vielleicht gar
nicht dieselbe Nacht meinten; ähnlich scheint Bernhardy zu ur-
theilen, wenn er sagt, dass attische Diaskeuasten die Dolonie auf
gut Glück zwischen I und .A gestellt hätten. Auch Düntzer sieht
in der Dolonie ein selbständiges Lied, welches zwar den Zorn
Achills voraussetze, aber keine sicheren Beziehungen auf die vor-
hergehenden Bücher biete. Jetzt ist mit Ausnahme der Wenigen,
welche die Dolonie für homerisch halten, wie Baeumlein, Kiene,
Gladstone, Gerlach, der spätere Ursprung des zehnten Gesanges
allgemein angenommen, doch unter der Voraussetzung, dass der Dich-
ter desselben die vorhergehenden ® und I vor Augen gehabt und
in die dort gegebene Situation hinein sein Lied gedichtet habe. So
urtheilen Ὁ. Müller, Kammer, Genz, auch Nutzhorn. Insbe-
sondere bemerkt Bergk: “Dem Dichter liegt die Ilias bereits in
der Gestalt vor, welche ihr der Diaskeuast gegeben hatte.’ Weiter
gehen die Vermuthungen von Hoffmann und Nitzsch. Jener
weist auf Grund seiner quaestiones Homer. das zehnte Buch dem
Verfasser des Füllstückes Θ 489 —I 182 zu, dieser meint, dass
die Dolonie wahrscheinlich in ihrem Anfang an die Stelle einerandern
Angabe von Agamemnons Verhalten gesetzt sei, welche zeigte, wie
sich Agamemnon aus der ersten Verzagtheit aufraffte und zu dem
entschlossenen Muth erhob, den er im Anfang des elften Gesanges
zeigt: “Die Redaction für Leser, welche die Doloneia als eines der
älteren Lieder, das noch bisher für sich übrig bestanden, in Athen
einfügte, sie hat wahrscheinlich entweder eine Aeusserung des
Agamemnon gleich am Abend, weil man ihn in der nichtlichen
Angst schildern mochte, weggeschnitten, oder sie hat zur Anfügung
die sorgliche Nacht umgedichtet,” van Herwerden endlich schliesst
aus den Besonderheiten des sprachlichen Ausdrucks, welche die
Dolonie nur mit der Odyssee theilt, dass sie. später als diese ge-
dichtet sei.
Anmerkungen.
5—10. Ueber die Einleitung der Vergleiche mit ὡς δ᾽ ὅτ᾽
ἄν vgl. E. H. Friedlaender de conjunctionis ὅτε apıd Homerum
vi et usu, Berlin 1860 p. 98 δ΄, über den Conjunctiv in Verglei-
chen Friedlaender Beiträge zur Kenntniss der homerischen Gleich-
nisse. I, Berlin 1870 p. 23 f. und B. Delbrück der Gebrauch
des Conjunctivs und Optativs p. 44. 64 f. 161 f.— V. 7 ist die
Auffassung des temporalen Satzes mit ὅτε gegeben nach Fried-
laender de conjunet. ὅτε etc. p. 22. Andere sehen darin eine
Zeitbestimmung für τεύχων zur Winterszeit. Doederlein zur
Stelle bemerkt: 'neque calamitas est tantis portentis digna, et Jupiter
nivem parare (τεύχειν) dici non potest, quando ningit, sed ante-
Kitischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 15
quam ningat, und ist geneigt den Vers auszuscheiden. Nur wenn
man in dem Zusatz nach den Parallelen @ 229. A 672 die er-
klärende Ausführung zu vıperöv sieht,‘ welche den Zweck hat den
Schneefall als einen besonders starken zu bezeichnen, tritt diese
Naturerscheinung den vorhergehenden ebenbürtig zur Seite, so dass
die von Doederlein erhobenen Bedenken schwinden. Uebrigens
ist Nauck in der jetzt erschienenen Ausgabe der Ilias geneigt
V. 7 und 8 zu verwerfen. — V. 8. πευχεδανός erläutert Butt-
mann Lexilog. I *p. 16 £. vgl. Curtius Etym. *p. 163. -— V. 9
vermuthet Nauck ἐκ στήϑεσφιν statt ἐν στήϑεσσιν. --- V. 10. Die
Verbindung von τρομέω mit ϑυμῷ oder φρένα nur hier und Καὶ 492.
Ὁ 627, scheint jüngeren Ursprungs: Fulda Untersuchungen über
die Sprache der homer. Gedichte p. 134 ff,, übrigens ist hier
φρένες das Zwerchfell, Helbig de vi et usu vocabulorum φρένες,
ϑυμός similiumque apud Hom., Dresden 1840 p. 7.— Worauf der
Vergleich hinaus will, wird erst bei der Anwendung in πυκέν᾽
völlig klar, wenn auch die gesteigerten Attribute bei ὄμβρον, wie
der ausführende Zusatz bei viperov, und die Attribute zu πτολέμοιο
στόμα, wodurch die angekündigten Erscheinungen als aussergewöhn-
liche, besonders schreckhafte bezeichnet werden, auf ein wieder-
holtes, heftiges Blitzen schliessen lassen. Dieser Mangel an Durch-
sichtigkeit des Vergleichs führte mehrfach zu irriger Auffassung,
so bei Göthe ‘Ilias im Auszug’, wo er bemerkt: “Gleichniss vom
Donner, Regen, Schnee, Kriegsunheil — so stürmt's in seiner
Brust’, und gar Doederlein zu V. 5: ‘Suppressa est primaria
similitudinis pars: καὶ ἀναστεναχίξοντες τρομέωσιν οἵ &vdgmmor. —
Tertium comparationis constat in suspensa et anzia exspectatione, quid
mali mox eventurum sit’. Vgl. übrigens auch Aristonic. ed. Fried-
laender p. 171 zu 5.
11—16. Ueber eine Nachahmung der V. 11—13 bei Quint.
Smyrn. Posthom. VI, 173 ff. vgl. K. F. Hermann im Philol. X
p. 234 f. — In 13 ist das Asyndeton zwischen πυρά 12 und
ἐνοπὴν ὕμαδόν re unerträglich hart. σύριγγες kommen sonst bei
Homer nur 2 526 im Gebrauch bei Hirten vor, αὐλοί nur noch
2495. Düntzer zur Stelle möchte den Vers ausscheiden, ebenso
jetzt Nauck. — Die Bedeutung von ἐνοπή und ὅμαδος erläutert
Ph. Mayer Studien zu Homer, Sophokles ete. p. 52 #. — 15. Zur
Sache vgl. Naegelsbach hom. Theol. ?p. 218. — 16. Ueber die
Bedeutung der Interpunetion bei der Längung der letzten Silbe
von Zr und ähnlichen Fällen vgl. Hartel homerische Studien.
Wien 1871, I p. 53 ff. — Ursprünglich sagt nach Fulda Unter-
suchungen über die Sprache der hom. Ged. p. 112 f. die Wendung
μέγα δ᾽ ἔστενε κυδάλιμον κῆρ: “er machte das Herz gedrängt
voll’ d. i. da Herz und Lunge nicht streng geschieden werden:
er machte die Brust gedrängt voll, da der Seufzer nichts anderes
ist als eine Anfüllung der Brust durch tiefes Athemholen.” —
16 Kritischer und exegetischer Auhang. X. Anmerkungen.
κυδάλιμον ist in der Verbindung mit κῆρ gewiss richtiger mit
Suhle zu fassen: hochgemutb, muth?g (ähnlich Autenrieth:
hoher Sinn), als das rühmenswerthe, edle oder ruhmreiche.
Wegen der dem Stamm zu Grunde liegenden Anschauung vgl. den
Anhang zu © 51. — Die in diesen Versen enthaltene Ausführung,
welche die wechselvolle Unruhe Agamemnons veranschaulichen soll,
giebt zu mehrfachen Bedenken Anlass. Das auffallend harte Asyn-
deton V. 13 ist erwähnt; wie Agamemnon von seinem Lager aus
im Zelt über die Mauer hinweg die Lagerfeuer der Troer über-
sehen konnte, ist schwer erfindlich, das zweite Glied der Ausfüh-
rung 14—16, auf dem das Hauptgewicht liegt, wiederholt nur in
starker Uebertreibung das V. If. Gesagte. Vor allem aber schliesst
V. 17 sich wenig passend an die vorhergehende Ausführung, da
diese von einer angestellten Ueberlegung nichts enthält. Dieser
formelhafte Vers würde sich nach dem homerischen Gebrauch (vgl.
Anhang zu ı 318) viel passender an V. 4 πολλὰ φρεσὶν ὁρμαίνοντα
anschliessen. Da indess der Dichter dieses Gesanges auch sonst
Neigung zu einer breiten Darstellung und übertreibendem Aus-
druck zeigt, so wird man an Interpolation nicht zu denken haben.
19. Ueber den Wunschsatz εἰ --- τεκτήναιτο vgl. L. Lange der
homerische Gebrauch der Partikel εἰ, I p. 403 ἢ, — Gegen die
herkömmliche Erklärung von ἀμύμων —= untadelig spricht Schmal-
feld im Philol. XXXIV p. 585 ff.; er selbst leitet das Wort aus
wo ‘die Augen schliessen’ ab und gewinnt, indem er dies als
Wirkung des Schreckens, der Furcht fasst, daraus für ἀμύμων die
Bedeutung: der seinem Gegenstande nicht wie ein schlafender, son-
dern mit oflenem und geradem, selbstbowusstem Blick gegenüber-
tritt, daher unerschrocken, muthig, entschlossen, ener-
gisch. Für unsere Stelle findet er die Rechtfertigung dieser Auf-
fassung in der Berücksichtigung von ϑυμῷ τολμήεντι 205: “auch
war ja die Stimmung Agamemnons eine verzweifelte.” Die Ueber-
tragung der gefundenen Bedeutung, die bei Personennamen im
Ganzen passend ist, auf unpersönliche Gegenstände dürfte manche
unlösbare Schwierigkeit ergeben. Vgl. dagegen G. Curtius Etym.
4p. 338, auch Brugman in Curtius Stud. IV p. 160 und G.
Meyer in Curtius Studien V p. 65, der auf die Glosse des He-
sychios μῦμαρ' αἶσχος, φόβος, ψόγος verweist.
25 #. Zur Interpunction vgl. J. Classen Beobachtungen p.
15f. Für αὐτῷ verlangt Doederlein öffentliche Reden 1860,
v. 361 αὖ τῷ, wie übrigens schon Ptolemäus Ascalonita schrieb.
— In dem ymsatz (26) findet L. Lange der hom. Gebrauch
der Partikel εἰ I p. 417 f. den Ausdruck des Wunsches: “Auch
Menelaos selbst konnte sagen: μή τι πάϑοιεν ᾿Αργεῖοι. und schliesst
diesen Wunschsatz an οὐδὲ γάρ — ἐφίξανε an. — 27. Die anapho-
rische Bedeutung des Reflexivpronomens ist neuerdings treffend
erörtert von K. Brugman ein Problem der homerischen Textkritik
Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 17
und der vergleich. Sprachwissenschaft. Leipzig 1876 p. 83 ff. Nach
ihm ist (im Gegensatz zu Windisch in G. Curtius Stud. IT und
Kvicala Untersuchungen auf dem Gebiete der Pronomina 1870)
die anaphorische Bedeutung des Reflexivstammes unmittelbar aus
der echt reflexiven herzuleiten. Er bezeichnet nämlich das Wesen
des Reflexivpronomen als innere Anaphora (oder subjective
An.) im Gegensatz zu der äusseren (oder objectiven) und er-
läutert dies so: ‘Mit dem Reflexivum weist nämlich der Sprechende
nicht von sich aus, nicht von seinem Standpunkt als dem des
Sprechenden aus auf eine Person oder einen Gegenstand hin, und
er knüpft also nicht bloss äusserlich das Pronomen an seinen
Reeipienten (das Wort, auf welches das Reflexivpronomen sich be-
zieht) an, sondern er stellt sich selbst für den Augenblick auf den
Standpunkt des Reeipienten und verfällt so zu sagen momentan
in die oratio obligua’ und “Beim Reflexivpronomen vollzieht der
Redende die Anaphora nicht selbst als Redender, sondern er lässt
sie vom Reeipienten vollziehen.” Es haben nun weder die ad-
jeetivischen noch die substantivischen Formen des Reflexivprono-
mens ihre ursprüngliche reflexive Bedeutung je aufgegeben, es hat
nur die Innerlichkeit des Bezugs zwischen ihm und seinem Reei-
pienten abgenommen. So kommt Brugman zu einem ähnlichen
Resultat, wie Ameis in den Homerischen Kleinigkeiten, Mühl-
hausen 1861 p. 22, vgl. auch den Anhang zu ὃ 484, doch wird
die Sache durch Brugmans Ausführungen bei weitem klarer.
Die subjeetive Grundfärbung der Bedeutung lässt sich auch hier
bei der Beziehung von ἔϑεν auf Μενέλαον sehr wohl erkennen, da
in dem relativen Satze die Motivierung für die Besorgniss des Me-
nelaos aus seinen Gedanken enthalten ist. — 28. ὁρμαίνω ohne
Zusatz des seelischen Organs findet sich nach Fulda Untersuchun-
gen über die Sprache der hom. Ged. p. 116 überwiegend in den
jüngeren Partien des Gedichts.
33 ff. Ellendt drei homerische Abhandlungen, II p. 38 führt
diese Stelle und A 276 als abweichend vom homerischen Gebrauch
an, wonach Völkernamen bei ἀνάσσειν regelmässig im Dativ stehen.
Unsere Stelle ist ihm eine verunglückte Nachahmung von A 78. —
34. Ueber die Form τιϑήμενος, sowie τιϑήμεναι vgl. Hinrichs de
Homericae elocutionis vestigiis Aeolicis, Jenae 1875 p. 126, wo
die verschiedenen Erklärungsversuche angeführt sind, vgl. auch
G. Curtius das Verbum der griech. Sprache II p. 98. — Menelaos
findet den Agamemnon 35 νηΐ πάρα πρυμνῇ, also doch wohl, wie
den Nestor, ausserhalb seiner Lagerhütte. Will man nun nicht
annehmen, dass Agamemnon, wie Nestor dort, ausserhalb der Hütte
sein Nachtlager gehalten, wozu kein Anlass vorliegt, so ist in-
zwischen nach 21—24 ein nicht erwähnter Localwechsel einge-
treten. Dann kann aber 34 ἀμφ᾽ &worı τιϑήμενον ἔντεα καλά
nicht, wie Aristarch bei Aristonic. ed. Friedlaender p. 171 zu
Ameis, Anhang zur Ilias. 2
18 __Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen.
23 und 34 und die Neueren wollen, dasselbe sein, was 23 gesagt
ist, das Umlegen der Löwenhaut. Ueberdies wird diese Annahme
unwahrscheinlich durch den 37 gewählten Ausdruck κορύσσεαι.
Sind ἔντεα nach Aristarch (Lehrs p. 145) eigentlich ἀσπίς und
περικεφαλαία, so muss man an den Schild denken, den er jetzt um
die Schultern legt, weil er eben im Begriff ist zu gehen.
38. Aristarch schrieb ὀτρυνέεις, während die Handschriften
ὀτρύνεις haben, verlangte aber statt ὀτρυνέεις das Partieipium ὀτρύ-
vov, vgl. darüber Friedlaender Aristonic. p. 14. — Die hand-
schriftliche Ueberlieferung ist hier und 342 Τρώεσσιν ἐπίσκοπον,
welche Spitzuer, La Roche, Bekker, Dindorf geben. Dies
war auch Aristarchs Lesart, dagegen schrieb Nicias: ἔπι σχοπόν.
Letztere Schreibung empfahl Povelsen Emendatt. Hom. p. 29,
weil ἐπίσκοπος sonst bei Homer in dem Sinne von custos Aufseher
steht (vgl. indess $ 163) und dann mit dem Genetiv verbunden
wird, ebenso Nauck Aristophanes p. 50, Doederlein Gloss. $ 2355,
und Doederlein, Franke, Düntzer, Koch, jetzt auch Nauck
haben dieselbe in den Text genommen. Für die Verbindung von
ἐπίσκοπον mit dem Dativ kann man vergleichen N 450 τέκεν Κρήτῃ
ἐπίουρον, woraus indess nicht von La Roche in der Schulausgabe
gefolgert werden durfte, dass Τρώεσσιν zu einem hinzuzudenkenden
εἶναι gehöre, was bei einem Verbum mit dem Begriff der Bewegung,
wie ὀτρύνω, nicht wohl passt. ὀτρύνειν mit ἐπὶ und dem Dativ
findet sich sonst bei Homer nicht, vergleichen lüsst sich 4 94 nach
Aristarchs Lesart Μενελάῳ ἔπι προέμεν ταχὺν ἰόν. — 39. Statt
δείδω im Anfange des Hexameters verlangt Cobet Miscellanea
Critica, Lugduni- Batavorum 1876 p. 270 überall δείδια: so
4470. N 745. #44. T 24. Y 30. X 455. ε 300. 419. 473. u
122, und so hat Nauck jetzt in seiner Ausgabe geschrieben. —
40. In der exegetischen Verwendung der Infinitive nach einem
vorhergehenden Substantiv oder Pronomen, wie hier und N 367,
O 599 und in Erscheinungen wie B 453. ß 116, sieht Koch zum
Gebrauch des Infinitivs in der hom. Sprache, Braunschw. 1871
p. 14 ἢ, verhältnissmässig jüngere Bildungen, Schöpfungen der
zweiten Periode in der Geschichte des Infinitivs, in welcher der-
selbe, nachdem in der ersten seine Entwicklung zu der ihm ur-
sprünglich fremden Verbalnatur hin sich vollzogen hatte, wieder
dem Substantiv näher und näher tritt. Nur mit einigem Schein
kann für diese Auffassung, der hier οἷος ἐπελϑών beim Infinitiv
durchaus widerspricht, geltend gemacht werden, dass hier nach
ὑπισχνέομαι der Infinitiv Praes, nicht Fut. folgt. Die hierher ge-
hörigen Stellen sind nach Forssmann in G. Curtius Stud. VI
p- 67 noch: Β 112. 119. T 84. λ 291. An den ersten beiden
Stellen steht ἀπονέεσϑαι (wie nach ὑπέστην B 288. E 716), 784
schreibt La Roche gegen das handschriftliche πολεμέξειν -- πολε-
μέξειν, weil und & in den Handschr. oft schwankt, A 292 steht
Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 19
ἐξελάαν. Da νέομαι als Futurum oder als Praesens mit Futur-
bedeutung Σ 101. Φ 150. ὃ 633. ξ 152 feststeht, vgl. G. Cur-
tius das Verbum der griech. Sprache. Leipz. 1873. 1876. II p.
315, 317, ἐξελάαν aber wirklich Futurum sein kann, so bleibt nur
die vorliegende Stelle als sicheres Beispiel für den Inf. praes. nach
ὑπισχνέομαι. Auch nach andern Verben, deren Begriff die Richtung
auf die Zukunft enthält, ist der Infinitiv Praesentis bei einer
wirklich zukünftigen Handlung selten: Θ 246. 1683 gehören noch
hierher. Die verschiedenen Infinitivconstructionen nach solchen Ver-
ben sind gesammelt bei Cavallin de temporum infinitivi usu Home-
rico, Lund 1873 p. 38 ff. — 41. Die Epitheta der Nacht erörtert
Schuster Untersuchungen über die homerischen stabilen Beiwörter.
Stade 1866 p. 22 #.: ἀμβροσίη, weil sie als göttliche Gabe die
ganze Natur erquickt, hauptsächlich wohl mit Beziehung auf den
alles erquickenden Schlaf.” Vgl. auch Oertel de chronologia Hom.
II p. 20 ἢ,
48 δ, Ueber μέρμερος vgl. Fick Vergl. Wörterb. ἦν. 217 ἀπῇ.
smar, Ἵ p. 254, G. Curtius Etym. *p. 331, auch Fritzsche in
G. Curtius Stud. VI p. 293. — 50. Ueber αὔτως vgl. Doeder-
lein Gloss. $ 256 (I p. 169), Buttmann Lexilogus I ‘p. 13 f,
Deren Hom. s. v., Funk auf Homer bezügliches, Friedland 1871
. 9 5. — 51. 52. ᾿ἀϑετοῦνται στίχοι δύο ὅτι παλιλλογεῖ ταῦτα; δ᾽
ἄλλων γὰρ προείρηται, ὅσσ᾽ Ἕκτωρ, ἔρρεξε διέφιλος υἷας ᾿Αχαιῶν (49).
καὶ ὅτι ἐπὶ ταὐτὸν φέρει δηϑά καὶ δολιχόν᾽ καὶ ᾿ἀφιστοφάνης προή-
ϑέτει. A’ Friedlaender Aristonic. p. 172. Dagegen findet
Düntzer homer. Abhandl. p. 322 die Verse kaum entbehrlich und
solche Weitschweifigkeit dem Dichter eigenthümlich; Friedlaen-
der aber im Philol. IV p. 587 f. sieht in denselben eine andere
Recension von 49. 50. — Ueber μήσατο vgl. Fulda Untersuchun-
gen p. 157.
56 ff. Ueber ἱερός vgl. Grashof das Fuhrwerk p. 20, Anmerk.
17 und dagegen G. Curtius Etym, !p. 403, Fick vergl. Wör-
terbuch I p. 30 unter isara, mehr im Leric. Hom. s. v. — 57.
κείνου statt κείνῳ haben die besten Handschriften, vgl. La Roche.
Die neueren Herausgeber schreiben ausser Heyne κείνῳ; ich habe
kein Bedenken getragen der handschriftlichen Lesart zu folgen,
welche auch von Kayser bei Faesi zu « 414 empfohlen und durch
den herodoteischen Gebrauch erläutert ist.
61 #. Düntzer schreibt πῶς τ᾽ ἄρ statt des überlieferten
γάρ. Dieselbe Ansicht vertritt Cobet Miscellan. crit. p. 322. Ueber
das γάρ in der Frage vgl. Olassen Beobachtungen p. 7—9, wel-
cher in allen solchen Fällen die anticipierte Begründung des nach-
folgenden Hauptsatzes findet, und dagegen Hentze im Philolog.
XXIX p. 161, und jetzt Capelle im Philolog. XXXVI p. 708 £.
— 62. Zur Erklärung von αὖϑι μένω μετὰ τοῖσι vgl. Grossmann
Homerica, Baireuth 1866 p. 25 und über die Form der Frage
2Ἐ
20 _ Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen.
Praetorius der hom. Gebrauch von ἡ (ne) in Fragesätzen. Kassel
1873 p. 10 und 16, welcher über den Conjunctiv hier bemerkt:
‘Der Conjunetiv ist der des Wollens, hat also die Bedeutung, welche
auch mir die ursprünglichste zu sein scheint (vgl. Delbrück synt.
Forsch. I p. 13 81). Es ist nicht der sog. conj. deliberativus, da
die Frage nicht an die eigne Person des Redenden, sondern an
eine zweite Person gerichtet ist.’ Vgl. dazu Philol. XXIX p. 128 ff.
Aehnliche dubitative Fragen, die an die zweite Person sich richten,
sind: A 838. A 365. Ο 202. Σ 188, y 22. ı 14. 0 509. m 70;
vgl. auch ὃ 29. πὶ 138.
65. ἀβροτάξω wird mit ἤμβροτον von G. Curtius Etym. *p.
679 auf privatives d(v) und W. weg (in μείρομαι, μέρος, μόρος etc.)
und bestimmter ‘das Verbum der griech. Sprache’ II p. 10 auf das
Adjectiv d-ueg-to untheilhaft zurückgeführt, mit Metathesis und
Uebergang des a in ß, vgl. auch Siegismund de metathesi in
G. Curtius Stud. V. p. 171.
76. Sehr ansprechend ist die von Fick jetzt in Bezzen-
berger Beiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen. Gött.
1876 Bd. 1 p. 64 gegebene Erklärung von τρυφάλεια: “Wie τρά-
meta Tisch für τετρά-πεξα Vierfuss’ steht, 80 τρυ-φάλεια für τετρυ-
φάλεια und dieses rergv ist —= lat. quadru-, lit. ketur-, goth. fidur-
in Zusammensetzung. Das v für fa erscheint im griechischen
Worte für vier ja auch in πίσυρες vier und hat demnach ein alt-
griechisches rergv für terug — lat. guadru- durchaus nichts be-
fremdliches.” Danach wäre τρυφάλεια also der Bedeutung nach von
τετραφάληρος und τετράφαλος, mit vier Schirmen versehen, nicht
verschieden.
80. Doederlein und Düntzer verbinden ἐπ᾽ ἀγκῶνος mit
ἐπαείρας, die übrigen Herausgeber interpungieren nach Nicanor
περὶ Ἰλιακῆς στιγμῆς ed. Friedlaender p. 204 nach ἀγκῶνος. & 494
ist verbunden ἐπ’ ἀγκῶνος κεφαλὴν σχέϑεν, die dem dauernden Zu-
stand σχέϑεν vorausgehende und diesen einleitende Handlung ist
ohne Zweifel ἐπαείρειν ἐπὶ ἀγκῶνος, und nur in diesem Sinne kommt
ἐπαείρειν bei Homer vor, vgl. Lex. Hom. 8. v. Darum braucht
man freilich nicht ἐπ᾽ ἀγκῶνος zu ἐπαείρας zu ziehen, sondern kann
dasselbe mit ὀρϑωϑείς verbinden und bei ἐπαείρας hinzudenken. Es
scheint, dass der Dichter ἐπ᾿ ἀγκῶνος zunächst mit ὀρϑωϑείς ver-
band, um die Vorstellung nicht aufkommen zu lassen, dass er sich
völlig aufgerichtet habe, wie # 235 ἕξετο δ᾽ ὀρϑωϑείς, dann aber
in dem Zusatz die Haltung nüher bestimmte.
83 £. Ueber die scheinbar concessive Bedeutung von ὅτε (re)
an dieser und andern Stellen handelt Friedlaender de conj. öre
p. 61fl.: vgl. ausser Καὶ 385 und 8 363 noch σ 217. 4 231. E 802.
μ 22 und über die Entwicklung der verschiedenen Bedeutungen
von ὅτε Capelle im Philol. XXXVI 193 δ᾽ — 84. ᾿ἀϑετεῖται ὅτι
οὐρήων βούλεται (sc. 6 διασκευαστής) λέγειν τῶν φυλάκων, καὶ οὐκ
Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 21
ἐκράτησε τοῦ σχήματος" οὖρον γὰρ λέγει ὡς κοῦρον τὸν φύλακα,
οὐρέα δὲ τὸν ἡμίονον. καὶ ὅτι ἄκαιρος ἡ ἐρώτησις A.” Aristonic.
ed. Friedlaender p. 173. Dieser Athetese stimmen zu Lehrs Ari-
starch. ἦρ. 151 (gegen Münscher in Schulzeitung 1829 No. 70),
Sickel quaestion. Hom. I p. 7 ἢ, Hoffmann quaestt. Hom. II p.
125, und die neueren Herausgeber mit Ausnahme von Düntzer
und Koch, welche in οὐρεύς hier mit G. Curtius nach einem
Scholion eine Weiterbildung von οὖρος Wächter (G. Curtius
Etym. *p. 349 No. 501) erkennen, und Franke, welcher dasselbe,
wie Doederlein, in dem Sinne von ‘Führer’ versteht: ‘so macht es
einen schicklichen Gegensatz zu ἑταίρων und passt namentlich gut
im Munde des οὖρος ᾿ἡχαιῶν Nestor.’ Aber auch so scheint die
in diesem Verse enthaltene Vermuthung in dem Zusammenhang
wenig passend, da die dieselbe umgebenden lebhaften Fragen, die
eine gewisse Aufregung verrathen, vorerst keinen andern Gedanken
aufkommen lassen, als zu erfahren, wer der Nahende sei, und
erst am Schluss in den Worten τίπτε δέ σε χρεώ die Gedanken sich
auf die Veranlassung seines Kommens richten. Neuerdings hat
W. Schwartz in den Jahrbb. für Phil. 1876 p. 848 f. den Vers
in der Fassung von οὐρήων — Maulesel durch Vergleich von
Xenoph. Anab. II, 2, 20 zu rechtfertigen gesucht.
88 fl. Zur Erklärung von γνώσεαι vgl. Paech über den Ge-
brauch des Indicat. futuri als Modus jussivus bei Homer p. 8. —
91. Ueber νήδυμος vgl. den Anhang zu v 79. — Die Stellung
der Negation οὐ unmittelbar hinter Zwei hat ihre Parallele in der
Verbindung Zwei ἦ, wie denn οὐ und 7) auch sonst vielfach paral-
lelen Gebrauch zeigen: οὔ τοι: ἦ τοι; οὐ μέν: ἦ μέν; οὔ ϑην: ἦ
ϑην. Dieser Parallelismus legt ein bedeutsames Zeugniss für die
getrennte Schreibung aller dieser Partikelverbindungen ab. Die
Schreibung ἐπειή bei Homer würde die hier sicherlich noch in
ganzer Kraft empfundene Bedeutung des versichernden ἦ verwischen,
selbst ἠμὲν und ἠδέ in Stellen, wie ὃ. 383 f. H 301 E 4A 453 fi,
werden durch die getrennte Schreibung 7 μέν und ἦ δέ erst zu
ihrem Recht kommen.
96. Zu δραίνω ist der Stamm ohne ı erhalten in ὀλιγοδρανέων,
vgl. Curtius Etym. ‘p. 237 No. 273, auch Geppert Ursprung
der hom. Gesänge II p. 123. — 97. Ueber den Artikel in τοὺς
φύλακας vgl. Foerstemann Bemerkungen über den Gebrauch des
Artikels bei Homer, p. 27. — 98. Solche Sätze mit μή, wie hier
und 102, bezeichnet L. Lange der homer. Gebrauch der Partikel
εἶ Τρ. 482 als prohibitive Erwartungssätze, in denen durch μή eine
Erwartung abgelehnt wird; vgl. auch den Anhang zu ν 216, —
Zur Auffassung von ἀδηκότες vgl. Goebel in Zeitschr. für Gymn.
1875 p. 651. Gegen Bekkers Schreibung αδηκότες van Her-
werden Quaestiunculae epicae et elegiacae p. 15 f. und Leo Meyer
in Kuhns Zeitschr. XXII p. 475 ἢ, — 100. Eine sehr künstliche
22 Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen.
Construction der Stelle giebt Doederlein in seiner Ausgabe, in-
dem er σχεδὸν εἴαται, οὐδέ τι ἴδμεν durch Gedankenstriche als
Parenthese aus dem Zusammenhange des Gedankens ausscheidet, so
dass δυσμενέες δ᾽ ἄνδρες mit μή πως — μάχεσϑαι verbunden wird.
Der dieser seltsamen Verbindung zu Grunde liegende richtige Ge-
danke, dass das dem μὴ τοὶ μέν 98 entsprechende zweite Glied
exst in μή mug 101 zur Ausführung kommt, während ἀτάρ bis
λάϑωνται 99 einen dem ersten Gliede untergeordneten Gegensatz
enthält, ist in dem Commentar zu V. 98 berücksichtigt und durch
Verwandlung des Punktes nach λάϑωνται in Kolon die Gliederung
des Gedankens deutlicher gemacht.
105. Ueber νῦν und νύν vgl. La Roche die homer. Text-
kritik p. 318, auch Pappenheim im Philol. Suppl. IL p. 36.
Bekker schreibt: νῦν FiAmereu, vgl. dagegen Cobet Miscellan.
exit. p. 372.
110 fi. Von Aristarchs Studien über die Anordnung der Schiffe
im Lager, die hier in Frage kommen, giebt aus den Ueberresten
ein Bild Lehrs Arist. ®p. 224 f. — 111. Diese Wunschsätze zum
Ausdruck einer Aufforderung erörtert L. Lange der homerische
Gebrauch der Partikel εἰ I p. 325 ff. — 115. Nicanor ed. Fried-
laender p. 204 giebt selbst die Möglichkeit zu ὡς εὕδει ohne Ver-
bindung mit dem Vorhergehenden für sich zu nehmen: ἐν dav-
μασμῷ᾽, also als selbständigen Ausruf. — 117. 118 werden von
Heyne verdächtigt; auch Giseke die allmähliche Entstehung der
Gesänge der Ilias p. 96 nimmt an der Präposition κατά bei der
von Menelaos geforderten ethischen (?) Thätigkeit Anstoss.
123 δ᾽ Cobet Miscell. erit. p. 360 verlangt ποτιδέχμενος als
syncopiertes Partic. Praes.: vgl. den Anhang zu B 794. — 124.
Aus ἐμέσίο wird nach Ausfall des σ theils ἐμεῖο, theils ἐμέο, wel-
ches nur hier vorkommt: hierüber und über die Formen der Per-
sonalpronomina und deren Gebrauch bei Homer handelt Cauer
in G. Curtius Stud. VII p. 103 ff, über den Reichthum der man-
nigfaltigen Formen und deren Verhältniss zu einander und zu den
Dialekten auch Herzog Untersuchungen über die Bildungsgeschichte
der griech. und lat. Sprache, Leipz. 1871 p. 119 f. und 130. —
127. Das handschriftlich überlieferte ἕνα γάρ, in welcher nur hier
vorkommenden Verbindung ἵνα demonstrativ gefasst werden müsste,
will Bekker Hom. Blätt. p. 267 f. dadurch beseitigen, dass er
schreibt: ἐν φυλάκεσσ᾽, ἵνα τ᾽ ἄρ σφιν ἐπέφραδον ἠγερέϑεσϑαι, was
Düntzer in den Text gesetzt hat. Hermann de part. ἄν 2, 13
wollte schreiben: ἵνα πέρ σφιν, Barnes: φυλάκεσσιν, ἵνα σφιν.
Andere, wie Franke, Doederlein, Koch, stehen nicht an ἵνα
demonstrativ zu fassen nach Analogie von ὃ γάρ κ᾽ dy’ ἄριστον —
εἴη M 344, vgl Ψ 9. ὦ 190. Ueber die Ableitung und Grund-
bedeutung von ἵνα ist noch keine Einigung erreicht: G. Curtius
Erläuterungen ἾΡ. 195 sieht darin einen dem Sserit yana entspre-
Kritischer und exegetischer Anhang. K. Anmerkungen, 23
chenden Instrumentalis vom Relativstamm jo, also ursprünglich —
womit, ihm stimmt bei Delbrück der Gebrauch des Conjunctivs
und Optativs p. 57 unterder Annahme, dass dann die Bedeutung wo
auf ἵνα, gerade wie bei yana erst übertragen sei. Jolly ein Kapitel
vergleichender Syntax, München 1872 p. 88 leugnet für die graeco-
arische Epoche Instrumentalbildungen auf »a und erklärt den zweiten
Bestandtheil anders aus dem Zend. Schenkl in der Zeitschr. ἢ,
oesterr. Gymn. 1864 p. 339 dagegen erkennt darin den Acc. plur.
von der Wurzel des Pron. σε, so dass es ursprünglich demonstra-
tive Bedeutung gehabt hätte. Auch Schoemann die Lehre von
den Redetheilen p. 183 nimmt, das Wort aus 7 ableitend, eine
demonstrative Grundbedeutung an: dahin. Ich habe die nach dem
vorwiegenden Gebrauch von γάρ wahrscheinliche demonstrative
Bedeutung von ἵνα angenommen, indess ist nach der Zusammen-
setzung der Partikel γάρ aus γέ und ἄρα und der noch keineswegs
so festen, vielmehr noch äusserst flüssigen Gebrauchsweise der
Partikel, wie sie so eben noch Capelle im Philol. XXXVI p. 701 ff.
treffend ins Licht gestellt hat, immerhin möglich, dass ἵνα auch
hier ebenso relative Partikel ist, wie ὅ in den oben angeführten
Stellen mit γάρ nicht Demonstrativ, sondern Relativ ist, ja ich
neige mich jetzt entschieden zu dieser Annahme. Auch La Roche
erklärt hier ἵνα γάρ wo nemlich.
133 #. περόνη im Gegensatz zu πόρπη scheint die gewöhnlich
gebräuchliche Art der Spangen zu bezeichnen, ‘jene kleinere Spange
mit glattem Bügel, wie sie in etrurischen, deutschen und wendischen
Gräbern sich häufig findet”. — ‘Den Verschluss bildet entweder ein
röhrenförmig gebogenes Blech (αὐλὸς), in welches die Nadel eingreift,
oder ein gebogener Drath, Anl’. Gerlach im Philol. XXX p. 498.
Abbildungen giebt Autenrieth Wörterbuch 2. Aufl. unter περόνη. ---
Ueber polık, φοινικόεις vgl. die Erörterung von Riedenauer in den
Blätt. f. ἃ. bayersch. Gymn. 1875. XI p. 52 ff. Nach ihm ist
φοίνικι (pusıvög) in den homer. Gedichten einfach die ‘phoeni-
cische’ Farbe, eine Localbezeichnung, wie Mokka, Kaschmir, analog
der Phoinix als einem musikalischen Instrument bei Herod. IV,
192,' — abgesehen vom Mennig die einzige Farbe, die zweifellos
deutlich als Färbestoff, als künstliche, als aufgetragene Farbe vor-
geführt wird, ein rother Färbestoff (4 141). “Diejenigen Stellen,
welche als die ältesten unangezweifelt dastehen, enthalten die Be-
zeichnung φοίνικι, nur jüngere Stellen die Adjectivform φοινικό-
&00«; jene nämlichen ältesten Stellen und eine der Odyssee (3 201)
reden von gefärbtem Elfenbein, Leder und Rosshaar, nur die
Odyssee und K von gefärbter Chlaina’, ‘Das Wesen der “phöni-
eischen” Farbe kannten die althomerischen Griechen gar nicht; —
gehalten haben sie die phönieische Farbe, als sie darüber zu re-
flectieren anfiengen, für Purpur.’ “Phönieisch- τού μ᾽ bezeichnete also
wahrscheinlich die den Phöniciern eigenthümliche d. h. von ihnen
24 _Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen.
zuerst auf dem aegaeischen Meere verbreitete Kunstfarbe, den Pur-
pur in rother Nilance. Dagegen bezeichnete nach demselben Ge-
lehrten p. 97 ff. πορφύρεος zuerst und noch bei Homer keine be-
stimmte Farbe, auch keinen Färbestoff, sondern nur eine Farben-
erscheinung, nämlich die des unruhigen Meeres, welches bald ganz
dunkel, bald röthlich schimmernd erscheint. Als die Griechen den
Schiller des Purpurs kennen lernten, verglichen sie diesen mit dem
längst gekannten Schiller der Meereswellen. — 134. Zu ἐπενήνοϑε vgl.
Buttmann Lexilog. I* 251 ff, G. Curtius Etym. *p. 250 No. 304
und das Verbum der griech. Sprache II p. 234, Autenrieth bei
Naegelsbach zu B 219. Dagegen will Bergk griech. Literaturgesch,
I p.854, 143 darin eine alterthümliche Form für ἐπελήλυϑε erkennen,
139. Ueber das Eigenthümliche der Wendung vgl. Fulda
Untersuchungen p. 145 ff. — 142. Nicanor ed. Friedlaender
, p. 204 verlangt nach ἀμβροσίην eine Interpunction. Von Neueren
setzen Baeumlein, Düntzer, Franke, Doederlein, Koch,
Bekker hier das Fragezeichen, Dindorf, La Roche ein Komma.
5 zu schreiben und verstehen: als relativen Beziehungsaecusativ ‘in
Rücksicht darauf dass’ La Roche, als indireetes Fragwort, wobei
εἴπατε zu ergänzen, Koch, als causale Partikel Düntzer, auch
Nauck schreibt ὅ τι; ὅτι schreiben Doederlein, Franke, Bekker
und verstehen das Ganze als directe Frage, wodurch der Redende
seine vorhergehende Frage selbst vermuthungsweise beantworte:
etwa weil? So Pfudel Beiträge zur Syntax der Kausalsätze bei
Hom. p. 35 und Capelle im Philol. XXXVI p. 197. Der Ueber-
gang in die indirecte Frage ist bei dem Fehlen jedes Verbums
dieendi schwer annehmbar, anders « 171. La Roches Erklärung
setzt eine eigenthümliche Verkehrung der Gedanken voraus für:
“Was ist für eine Noth über euch gekommen, dass ihr in der
Nacht allein durch das Lager schweift?” Würde mit ὅτε in cau-
salem Sinne nicht eine selbstündige Frage eingeleitet, so würde
nach dem sonst üblichen Anschluss von Sätzen mit ὅτε an Fragen,
wie 4 81. 0 239 ἢ ε 339 f£ Φ 410 f. inan nur an das von
Pfudel trefiend bezeichnete ‘notivierende dr’ denken können,
was hier aber nach dem Gedankenzusammenhang unmöglich ist.
Es scheint daher gerathen die Auffassung von Doederlein, Franke,
Bekker anzunehmen,
147. Die im Commentar angedeuteten schweren Bedenken
gegen den Inhalt dieses Verses, vgl. auch die Einleitung p. 5. 10.
legen die Frage nahe, ob derselbe nicht aus 327, wo er passend
steht, in diese Stelle ungehörig übertragen sei. Es kommt hinzu,
dass derselbe sich nicht auch einmal passend an das vorher-
gehende anschliesst, da wohl der allgemeine Gedanke ‘dem es zu-
kommt an der Berathung theilzunehmen’, nicht aber der so speciell
gewendete Gedanke von einer Berathung ob fliehen, oder kämpfen
erwartet wird.
Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 25
153. Zur Etymologie von σαυρωτήρ (von σαῦρος Schwanz)
vgl. Clemm in G. Curtius Studien II, p. 288 ἢ
158. Ueber das Verhältniss von o 45 zu dieser Stelle vgl.
Aristonic. ed. Friedlaender p. 174, und den Anhang zu ὁ 45. —
159. Ueber ἄωτος und ἀωτεῖν vgl. Clemm in G. Curtius Stud. IT
ν. 54 f.: ἄωτος von W. ἀξ wehen: mit Reduplieation gebildet
aus ἀξ -οξ-τός, dFwrög ursprünglich = geweht, substantiviert
@wrog Flocke, dann auch das Athmen, Schlafen, der Schlaf und
zwar der tiefe Schlaf, das Schnarchen, in dieser Bedeutung nur
erhalten in ἀωτεῖν. — 160. Zu der Bestimmung der Localität vgl.
Hasper Beiträge zur Topographie der homerischen Ilias p. 36 ἔν,
auch Christ in den Sitzungsberichten der philos. philol. und histor.
Classe der k. baiersch. Acad. München 1874 p. 221, 34. Dagegen
sieht Hercher über die hom. Ebene von Troja, Berlin 1876 p.
120 in dem ϑρωσμὸς πεδίοιο den rechts und links von der Furth
des Skamander auf der dem Griechenlager zugewandten Seite des
Flusses sich hinziehenden Uferstreifen.
164. Aristomie. ed. Friedlaender p. 174: ἡ διπλῆ ὅτι σεπτικῶς
τὸ σχέτλιος καὶ οὐ μεμπεικῶς, εἰς ἑαυτὸν ἀγνώμων, und ἀμήχανος
erklärt derselbe zu 107: πρὸς ὃν οὐκ ἔστε μηχανὴν εὑρεῖν" ὅπερ
καὶ νῦν σημαίνει, ἵνα τῶν πόνων ἀποστῇ.
173. Renner über das Formelwesen im griech. Epos, Leipz.
1872 p. 24 führt als Reminiscenz an Theognis 557: φράξεο᾽ xiv-
δυνός τοι ἐπὶ ξυροῦ ἵσταται ἀκμῆς. Mehr bei La Roche in der
Schulausgabe zur Stelle. — 174. Als entschiedenes Beispiel, wo
der Infinitiv im Subjectsverhältniss auftritt, behandelt diese Stelle
Herzog in Jahrbb. f. Philol. 1873 p. 17. Derselbe bemerkt: “Ein
so entschieden nominativer Gebrauch aber muss als Wendepunkt
anerkannt werden in der Rolle, welche der Infinitiv spielt. Nun-
mehr ist er geeignet als ein Abstractum zu erscheinen, das zwar
indeelinabel ist, aber in jeder nominalen Beziehung gebraucht wer-
den kann.” Dagegen leugnet Leo Meyer der Infinitiv der homer.
Sprache p. 50, dass der homerische Infinitiv je Subjeet sein könne,
obwohl er es in einzelnen Verbindungen zu sein scheine. Vgl. den
Anhang zu K 40.
183. Zur Erklärung von αὐλή vgl. Ahrens αὐλή et villa,
Hannover 1874 p. 11 ἢ, — Die handschriftliche Lesart ist über-
einstimmend δυσωρήσονται vgl. La Roche, der Conjunctiy δυσωρή-
σωσιν ist neuerdings aus Apollon. Lex. 60, 26 aufgenommen, weil
man nach dem Vorgange G. Hermanns ad Viger. p. 911 das
Futurum im Vergleiche verwirft. Vertheidigt wird dasselbe von
Berger de usu modorum temporumque apud Homerum in com-
parationibus, Celle 1837 p. 10, vgl. auch Aken die Grundzüge
der Lehre von Tempus und Modus im Griech. p. 18.
187. Eine abweichende Erklärung der ganzen Stelle giebt
Schmalfeld in Jahrbb. f. Philolog. Suppl. VIII, 1876 p. 300.
26 _Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen.
303, indem er dio erklärt: durch das Gehör auf dieses oder jenes
schliessen, dieses oder jenes zu hören glauben und ὁπότε — ἀΐδιεν
in iterativem Sinne versteht. Danach ist ihm die Situation diese:
das ruhige Schlafen war ihnen vergangen. ‘Mochte auch einer
einnicken wollen, so kam es doch nicht zum Schlaf; immer und
immer wieder zog die Ebene vor dem Lager ihre Aufmerksamkeit
auf sich, wenn sie das Heranrücken der Troer wahrzu-
nehmen glaubten.” — 188. Ueber den Dativ des Particips pv-
λασσομένοισι nach τῶν vgl. Classen Beobachtungen p. 159. —
Ueber das Beiwort der Nacht κακή spricht Schuster Untersuch.
über die homerischen stabilen Beiwörter I p. 25. — 189. Zur
Construction von dio vgl. Classen Beobacht. p. 163. — 191 fehlt
in den besten Handschriften, vgl. La Roche.
200—202 will Düntzer hom. Abh. p. 322 ausgeschieden
wissen. Sehr auffallend ist das Partie. praes. πιπτόντων; die Breite
der Darstellung kann bei dem Dichter nicht eben befremden.
204 ἢ, Ueber die wünschenden Fragen im Optativ vgl. Philol.
XXIX p. 140 αὶ und L. Lange der hom. Gebrauch der Partikel
εἰ I p. 381 fl. Derselbe erörtert p. 382 und 388 f. das ganze
folgende Satzgefüge, auch mit Berücksichtigung der von Nicanor
ed. Friedlaender p. 205 angegebenen Interpunctionen. Lange fasst
den Satz mit εἰ 206 gewiss mit Recht als postpositiven Wunsch-
satz, der unmittelbar der vorhergehenden Frage anzuschliessen ist.
Wenn er aber 211 wegen der recapitulierenden Bedeutung des
Satzes ταῦτά re statt ταῦτά κε lesend, auch diesen Satz noch bis
ἀσκηϑής in die Frage eingefügt wissen und den Satz 212 μεγά
κέν οἷο, als Nachsatz zu der ganzen Wunschfrage fassen will, so
ist dagegen Folgendes geltend zu machen: 1) Die übermässige
Ausdehnung der ganzen Periode, zumal da die Ausführung 208—
210 mit ihren specialisierenden Epexegesen sich von dem Ausgangs-
punkt immer weiter entfernt, 2) zwar recapituliert der Satz ταῦτα
bis πύϑοιτο den Inhalt von 207—210, aber der sich daran eng
anschliessende καί — ἀσκηϑής giebt einen Zusatz, der in viel lo-
serer Beziehung zu der Wunschfrage (204) steht, als die an diese
zunächst sich schliessenden Wunschsätze mit εἰ, 3) derselbe Zusatz
aber steht, da er die Annahme eines glücklichen Ausgangs des
ganzen Unternehmens enthält, vielmehr in näherer Beziehung zum
Folgenden μέγα κεν — εἴη, 4) endlich spricht auch die in gewis-
sem Sinne chiastische Stellung, in welcher .die nachdrücklich ge-
stellten Prädicate (ἔλθοι) ἀσκηϑής und μέγα zu einander stehen,
wie öfter in parataktischem hypothetischen Satzgefüge zu beobach-
ten ist vgl. zu @ 265. 266. & 193—197, für die engste Verbin-
dung von 211 und 212. Aber auch wenn wir ταῦτα bis ἀσκηϑής
von der vorhergehenden Periode sondern und in engere Beziehung
zu dem folgenden Satze stellen, wird das vom Venet. 4 und einer
Reihe anderer Handschriften gebotene re nach ταῦτα statt τέ auf-
Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 27
zunehmen sein, welches auch Nicanor gelesen haben muss, welches
aber von allen neueren Herausgebern mit Ausnahme von Spitzner
und Düntzer verschmäht ist. Die von La Roche im Anhang der
Schulausgabe dagegen geltend gemachten Bedenken sind von
Ribbeck in der Zeitschr. f. Gymn. XXV p. 449 mit Recht
zurückgewiesen. Ein sehr ähnlicher Fall liegt m 314 vor, wo
nach einem vorausgehenden Wunschsatz die durch denselben
angeregte Vorstellungsreihe im blossen Optativ fortgesetzt wird.
Aehnlich steht der Optativ σ 368, vgl. auch zu Z 480 und
Zusätze und Berichtigungen zur 2. Aufl. zu 4 541. In Bezug auf
den recapitulierenden Inhalt des Satzes 211 bietet die nächste
Parallele α 265 vgl. 255; danach scheint es am nächsten zu
liegen den Optativ auch hier als Ausdruck des Wunsches zu fas-
sen. Aber es besteht doch zwischen beiden Stellen ein wesent-
licher Unterschied. Dort geht ein selbständiger Wunschsatz voraus,
der einfach recapituliert wird, hier beschränkt sich die Recapitu-
lation auf einen Theil eines untergeordneten Wunschsatzes, der
an Kraft des Affectes jenem in keiner Weise gleichsteht; danach
scheint mir richtiger den Optativ, wie an den oben angeführten
Stellen, als Ausdruck der reinen Vorstellung zu fassen, indem die
durch den Wunsch angeregte Vorstellungsreihe einfach fortgesetzt
wird, also: dies müsste (könnte) er alles erfahren etc. Auch
Ribbeck a. Ὁ. meint: “Ein Wunsch, “möchte er doch dies in Er-
fahrung bringen” u. 8. w. passt nicht in den Zusammenhang, denn
es fehlt ja noch ein Subject dazu, ohne welches ein solcher Wunsch
nicht denkbar ist,’ und fasst den Optativ in hypothetischem Sinne,
was’der von mir gegebenen Erklärung ziemlich gleich kommt. —
208. Ueber die indireeten Doppelfragen vgl. Praetorius der
hom. Gebrauch von ἡ (ne) in Fragesätzen p. 21. — 210. Ueber
das dem Verbum angehiingte γέ vgl. die abweichende Ansicht von
Naegelsbach de particulae γέ usu Hom. Nürnberg 1830, p. 20.
— In 212. 213 sieht Giseke die allmähliche Entstehung der
Gesänge der Ilias p. 135 eine übertreibende, wenig geschmackvolle
Nachahmung von ı 264: ὑπουράνιον sei bildlich gebraucht = den
Himmel erreichend. — In 214—217 vermuthet Bergk griech.
Literaturgesch. I p. 598, Anmerk. 148 einen späteren Zusatz. Ebenso
Hoffmann quaestt. Hom. II p. 125, welcher auch 211 bis 213
als Interpolation zu verwerfen geneigt ist. Nauck bezeichnet in
der Ausgabe 213—217 als spurii?
224 ff. Die fast absoluten Participialeonstructionen im No-
minativ behandelt Classen Beobachtungen p. 136 f. — Gegen
Hoffmann homer. Untersuchungen, No. 2, die Tmesis in der Ilias,
2. Abth. Lüneburg 1859, der hier πρὸ nicht als Praeposition gefasst
wissen will, weil der Genetiv der Praeposition zu fern stände, son-
dern als Adverb, vgl. Schnorr von Carolsfeld verborum col-
locatio Hom. p. 20 f. Für die unmittelbare Zusammenstellung der
28 __Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen.
Formen des Demonstrativs giebt die Belege Koch de articulo
Hom. Leipz. 1872 p. 21. Unter diesen steht das hier gelesene
πρὸ ὁ τοῦ vereinzelt da. — 225. Nach μοῦνος δ᾽ habe ich mit
Düntzer zur Stelle Komma gesetzt, weil dieser Begriff zunächst
im Gegensatz zu σύν re δύ᾽ ἐρχομένω tritt; vgl. übrigens den An-
hang zu ϑ 408. — Ueber das Satzgefüge εἴ πέρ τε — ἀλλά τε
vgl. Sittig über das adversative Verhältniss der hypothetischen
Sätze bei Homer, Teschen 1861 p. 10. — 226. βράσσων ist als
Comparativ von βραχύς, und nicht von βραδύς gefasst nach
der Notiz des Aristonikos ed. Friedlaender p. 175: οἵ γλωσσο-
γράφοι βράσσων ἀντὶ τοῦ ἐλάσσων, ἀπὸ τοῦ βραχύς, mit G.
Curtius Etym. *p. 292 No. 396 und Erläuterungen zu seiner
griech. Schulgrammatik, ®p. 73. — 231. Zum Artikel vor τλήμων
vgl. Foerstemann Bemerkungen über den Gebrauch des Arti-
kels p. 21.
235 #. Zur Auffassung der Stelle vgl. Paech über den Ge-
brauch des Indicat. Fut. als Modus jussivus bei Homer p. 15 ff.
und dazu Philol. XXVII p. 520; die dort von mir gegebene Auf-
fassung habe ich etwas modificieren zu müssen geglaubt. — Uebri-
gens nahm Paech an φαινομένων τὸν ἄριστον 236 Anstoss und
vermuthete statt dessen φαινόμενόν τοι ἄριστον, und Doederlein
Gloss. $ 18 verlangte 235 τῶν μὲν statt τὸν μέν und 236 φαινόμενον
τὸν ἄριστον. Grossmann Homerica p. 25 weist jede Conjectur als
unnöthig zurück, doch ist nicht zu leugnen, dass wenn auch der parti-
tive Genetiv keinen Anstoss bietet, doch der Begriff von φαίνεσθαι,
mag man es fassen = adesse, gegenwärtig sein, oder hervor-
treten, sich darstellen, ungewöhnlich ist. Vgl. indessen Classen
Beobachtungen p. 168, dem ich gefolgt bin. — 237. Brugman ein
Problem der homerischen Textkritik, Leipz. 1876 p. 77 und 112 ff.
vermuthet anstatt σῇσι φρεσί als ursprüngliche Lesart 761 φρεσί (d.i.
‚Fjoı φρεσί). --- Ueber den Artikel bei den Vergleichungsgraden 8,
Foerstemann Bemerkungen über den Gebrauch des Artikels p.
35. — 238. Abweichend von der gewöhnlichen Erklärung fasst
Capelle im Philol. XXXVI p. 680 ὀπάσσεαι als Futurum: bei
dieser Auffassung ist mir das Gedankenverhältniss zum Vorher-
gehenden nicht verständlich. — Ueber das Verhältniss der Parti-
cipia εἴκων und ὁρόων zu einander und die Interpunction spricht
Classen Beobachtungen p. 128. 132. — Die Bedeutung von αἰδώς
erörtert Ph. Mayer Studien zu Homer, Sophokles p. 57 fi, vgl.
die abweichende Erklärung von Doederlein zu 237. Uebrigens
empfiehlt van Herwerden quaestiuneulas ep. et eleg. p. 16 zu
schreiben αἰδόϊ Felnwv.
240. ᾿ἀϑετεῖται, ὅτι περισσὸς ὁ στίχος καὶ παρέλκων, καὶ μὴ
ἐπιλεγόμενος ἀπαρτίξει τὴν διάνοιαν. --- οὐδὲ ἐν τῇ Ζηνοδότου δὲ ἦν᾽
Aristonic. ed. Friedlaender p. 176. — Gegen Aristarchs von
Bekker, auch La Roche adoptierte Schreibung ἔδεισεν spricht
Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 29
Cobet Miscellan. crit. p. 267 fl. Das Digamma nach ὃ ist jetzt
inschriftlich erwiesen, vgl. den Anhang zu 4 33.
246. Zu der Wendung καὶ ἐκ πυρὸς αἰθομένοιο νοστήσαιμεν
lassen sich vergleichen die späteren διὰ πυρὸς βαδίξειν Aristophan.
Lysistr. 133 £,, πῦρ διέρπειν Soph. Antig. 265, εἰς πῦρ ἐμβαίνειν
zur Bezeichnung einer grossen Gefahr, theilweise wohl mit Bezug
auf eine Art Feuerprobe, vgl. Funkhänel im Philol. II p. 394
und IV p. 206—208. — 247. Ueber den blossen Optativ in Aus-
sagesätzen vgl. Casselmann de usu particularum ἂν et κέν apud
Hom., Cassel 1854 p. 6, Philol. XXIX p. 125 Β΄, Delbrück, Ge-
brauch des Conjunctivs und Optativs p. 27 ff.
250 ff. Ueber τοί vgl. jetzt Cauer in G. Curtius Stud. VII
p- 140 8. — 252. παρῴχηκε(ν) ist die handschriftliche Lesart,
παρῴχωκεν Aristarchs Lesart, welche La Roche in den Text ge-
nommen hat, Bekker und Nauck: παροίχωκεν nach Dorotheus
und Apollonius Alexandrinus, welcher Variante G. Curtius das
Verbum der griech. Sprache IT p. 138 den Vorzug giebt. — 258.
Ueber die Dreitheilung der Nacht vgl. Oertel de chronologia Ho-
merica II p. 9 δ΄, auch Welcker griech. Götterlehre I p. 53, und
über die Schwierigkeiten der Stelle Oertel p. 19 f. Der Vers
wurde verworfen von Aristarch, Aristophanes, Zenodot, wel-
cher ihn gar nicht schrieb, vgl. Aristonic. ed. Friedlaender p. 176:
Anstoss gab die genaue, fast astronomische Bestimmung, während
die vorhergehende allgemeine vollkommen genüge, und das un-
homerische τῶν δύο. Dieser Athetese stimmt unter den Neuern
zu Bekker, und Nauck bezeichnet in der Ausgabe 252 uud 253
als spuri? Bei τῶν δύο μοιράων schwanken die Erklärer zwischert
der Auffassung des Genetivs als appositivus (Grossmann Home-
rica p. 36, Düntzer, auch Dissen kleine Schriften p. 131),
oder als partitivus (La Roche, Oertel), oder als Genetiv nach
dem Comparativ (‘ein grösserer Theil der Nacht, als zwei Drittel”
Franke), Doederlein endlich und Koch verstehen δύο als No-
minativ und das Ganze als Apposition zu πλέων νύξ.
256. Zur Erklärung von &v vgl. Brugman ein Problem der
hom. Textkritik p. 98, Windisch in G. Curtius Stud. II p. 339,
auch Cauer in G. Curtius Stud. VII p. 156. — 258. Zur Schrei- ὁ
bung ἄλοφον (Aristarch) vgl. La Roche homer. Untersuch. p. 51.
265. Zu μέσσῃ — ἀρήρει bemerkt Aristonic. ed. Friedlaender
Ρ. 176: ᾿ἡ διπλῆ ὅτι τὸ κοινὸν καὶ συμβεβηκὸς ταῖς περικεφαλαίαις
εἰπόντος τοῦ ποιητοῦ, ξωγράφοι καὶ πλάσται πιλίον ἐπέϑεσαν τῷ
Ὀδυσσεῖ. Vgl. Lehrs Aristarch. ®p. 186. — In V. 264 vermuthet
Nauck ϑέον an Stelle des allerdings auffallenden ἔχον.
274. Ueber das Zeichen vgl. Naegelsbach hom. Theol.
30. 172 ἢ, dazu Gladstone homer. Stud. p. 155, welcher zur
Stelle bemerkt: “skandha’ bedeutet im Sanskrit “Reiher” und
30 Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen.
“Krieg”. — 276. κλάξειν und Synonyma erläutert Mayer Studien
zu Homer, Sophokles etc. p. 47 f.
281. Ueber die Quantität von πάλιν vgl. Hartel hom. Stu-
dien I p. 73 ἔν, über die Betonung von ἐυκλειας La Roche hom.
Untersuch. p. 156. — 282. Statt ὅ κε vermuthet Doederlein
zur Stelle ὃ καί.
285 fl. Mit der im Commentar gegebenen Erklärung scheint
ὅτε als Conjunetion gerechtfertigt werden zu können. Einfacher
ist es allerdings mit Capelle im Philol. XXXVI p. 202 und 699
ὅτε hier wie v 66 gerade sowie in den eigentlichen Gleichnissen
nach Langes Erklärung als indefinites Adverb = einmal zu
fassen, wodurch man der Annahme von Ellipsen überhoben wird.
— In 286 vermuthet Nauck ἦεν statt ἤει, mimmt aber über-
haupt ein schwereres Verderbniss des Verses an. Aristarch
erklärte πρὸ = ὑπέρ, vgl. Aristonic. ed. Friedlaender p. 177. —
288. Ueber die Kadmeier vgl. @ladstone hom. Studien p. 37 f.
und über die hier erwähnte Sage Nitzsch Beiträge p. 180 f.
Nach Apollodor bestand der μειλίχιος μῦϑος in der Forderung an
Eteocles, dem Polyneikes die Herrschaft des nächsten Jahres zu
überlassen: Preller griech. Mythol. II p. 248. — 289. Eine
Untersuchung über Zusätze zu dem vorhergehenden Verse, wie
#eio’, die im ersten Fusse schliessen, bei Giseke homerische For-
schungen p. 10 ff, wo er über κεῖσ᾽ urtheilt, dass dasselbe fast
verschwinde und einen schon vollendeten Gedanken mehr belaste
als weiter ausführe. — In Bezug auf die Unverletzlichkeit der
Gesandten bespricht den Hergang Sorgenfrey de vestigüis juris
gentium Hom. Lips. 1871 p. 43 ff. — 290. Giseke die allmüh-
liche Entstehung der Gesänge der Ilias p. 170 sieht in diesem
Verse eine unglückliche Nachahmung von v 391. Vgl. den An-
hang zu dieser Stelle. — 292. Ueber den Trochaeus ἦνεν im
vierten Fuss und die sich daran knüpfenden Vermuthungen über
die Entstehung des Hexameters vgl. E. v. Leutsch im Philol.
XII p. 25 #. — 294. Ueber die Technik des χρυσοχόος vgl.
Riedenauer Handwerk p. 115 £.
299. Der Vers erinnert namentlich wegen des ungewöhn-
lichen Beiworts ἀγήνορας an σ 346 μνηστῆρας δ᾽ οὐ πάμπαν ἀγή-
νορας εἴα ᾿Αϑήνη λώβης ἴσχεσϑαι.
304. Die Bedeutung von ἄρκιος ist bestritten, vgl. Butt-
mann Lexilogus I* p. 4 II? p. 30 #. und dagegen Povelsen
Emendationes Hom. p. 63 ff., Doederlein Gloss. $ 555. — In
V. 307 vermuthet Nauck statt der Optative τλαίη und ἄροιτο die
Conjunetive τλήῃ und ἄρηται.
314. Ueber die Namenbildung Δόλων vgl. Fick die griech.
Personennamen. Gött. 1874 p. 25.
326. Aristarch's Beobachtungen über μέλλω bei Lehrs
Aristarch. ?p. 120 f. Die verschiedenen Tempora der Infinitiv-
Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen, 81
construction nach μέλλω sind zusammengestellt und erörtert bei
Cavallin de temporum infinitivi usu Hom. p. 56 fi.
330. Doederlein zur Stelle fasst ἐποχήσεται als Conjunctiv,
ohne jedoch μή von ἔστω abhängig zu machen. Für diese Auf-
fassung dürfen nicht geltend gemacht werden die Stellen μ 300
und σ 56, weil dort nicht eine Zusage des Redenden den Inhalt
des Schwurs bildet, sondern der Redende einen von dem Ange-
redeten zu leistenden Schwur fordert. Dass ἐποχήσεται Futurum
ist, bezeugt der folgende Gegensatz mit φημί und dem Acc. c.
Inf. fut. als nachdrückliche Umschreibung des Futurums, sowie
die sonst übliche Construction des Acc. 6. Inf. fut. nach ὄμνυμι,
wie T 127 μή nor’ — ἐλεύσεσϑαι "Aryv. Beispiele der späteren
Sprache findet man bei Aken die Grundzüge der Lehre vom Tem-
pus und Modus im Griech. p. 43 f. und Kühner ausführl, Gram-
mat. ἃ, griech. Spr. ?II p. 743. Uebrigens wird 'von Krüger Di.
67, 1, 1 nicht passend zu unserer Stelle O 41 in Parallele ge-
stellt, weil dort das abwehrende μή sich lediglich auf die Be-
stimmung δι᾽ ἐμὴν ἰότητα bezieht, vgl. zu ε 300.
332. ἐπώμοσε ist hier die Lesart Aristarchs, vgl. La Roche
homer. Textkritik p. 200, wie o 437 ἐπώμνυον, was zunächst
heisst: schwur dazu, vgl. 4 233, dann beschwur. Diese Be-
deutung scheint mit dem Object Zm£ogxov zunächst schwer verein-
bar. 7'279. T 260 steht dies Object bei dem einfachen Verbum
ὄμνυμι. Daher zieht Doederlein z. Stelle die auch von guten
Handschriften gebotene Lesart ἀπώμοσε vor. Düntzer homer.
Abh. p. 314 vermuthet, da andere lasen ἐπεὶ ὅρκον ἀπώμοσε, die
Lesart: ἐπὶ ὅρκον ὄμοσσεν nach W 42. Eine befriedigende Er-
klärung von ἐπίορκος, die Doederlein Glossar $ 2294 vergebens
suchte, giebt Schoemann griech, Alterth. II p. 258. Weil ὅρκος
zunächst nur die Bedeutung eines Bindenden und Festhaltenden
hat (vgl. ἕρκος. — Buttmann Lexilog. I p. 46 8), so wird
das Wort nicht nur von dem Schwur selbst, sondern ebenso oft
auch von dem Gegenstande gesagt, bei dem man schwört und
durch den man sich also gebunden erachtet, wie 2. B. die Styx,
bei welcher die Götter schwören, ihr ὅρκος heisst. So wird auch
die Gottheit, bei der man schwört, ὅρκος heissen, wie die Dichter
unter diesem Namen ein eignes dämonisches Wesen, einen Eid-
gott einführten, der den Schwörenden bindet, und dem er ver-
haftet ist, dessen Strafgewalt er verfällt, wenn er meineidig ist.
ἐπίορκος bezeichnet nun einen dem Horkos verhafteten und ist
hinsichtlich der Präposition zu vergleichen mit ἐπίκηρος, ἐπίμομ-
φος, ἐπίτιμος u. ἃ.
338. Die Verwendung des Wortes ὅμιλος von dem gelagerten
Heer der Troer bezeichnet als eigenthümlich Aristonic. ed. Fried-
laender p. 178: ‘Ev μὲν οὖν τῇ ᾿Ιλιάδι πυκνότερον τὴν μάχην ὅμι-
λον καλεῖ, ἐν Ὀδυσσείᾳ δὲ τὸ ἄϑροισμα, vgl. Lehrs Aristarch.
32 _Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen.
®p. 144. — 339. Ueber ἀν᾽ ὁδόν vgl. Spitzner dissertatio de
vi et usu praepositionum ἀνά et κατά apud Homerum, Wittem-
berg 1831 p. 12.
345. Die hier 344. 345 vorliegende Gedankenfolge in ihren
verschiedenen Ausdrucksformen ist besprochen im Philologus XXVII
p. 519521. — Zu αὐτόν bemerkt Doederlein zur Stelle: “αὐ-
τόν, corpus ipsius, opponitur adspectui apparentis et vestigüs prae-
tergressi; nisi forte αὐτοί legendum’. Dieselbe Vermuthung spricht
aus Axt Conjectanea Hom. Kreuznach 1860 p. 8. Vgl. den An-
hang zu A 218 und $ 396.
346. παραφϑαίῃσι ist die Lesart des Venet. A, wofür La
Roche, Franke, Dindorf, Düntzer und Nauck παραφϑήῃσι
schreiben; Bekker vgl. Hom. Blätt. p. 218 schreibt παραφϑαίησι
(bei La Roche: DGH). Auch Curtius das Verbum der griech.
Sprache I p. 58 meint: “Die Form scheint von einem Sänger er-
funden zu sein, der auch im Optativ σὶ für einen nach Bedarf
verwendbaren Zusatz hielt’. Dagegen sucht J. Schmidt in Kuhns
Zeitschr. XXIII p. 298 f. wahrscheinlich zu machen, dass die
Form Conj. praes. sei von einem auch von G. Curtius voraus-
gesetzten Praesens φϑα-Ἴω. — 347. Ueber die Dehnung von μὲν
vgl. Hartel hom. Stud. I p. 72.
349. Ueber den auffallenden Dual φωνήσαντε, da doch nur
Odysseus gesprochen, vgl. Schol. Venet. bei Dindorf I p. 358,
wo Φ 298 verglichen wird: ἐν μέντοι τῇ ᾿Αριστοφάνους καὶ ἄλλαις
ἑτέρως ἐφέρετο᾽ “ὡς ἔφατ᾽, οὐδ᾽ ἀπίθησε βοὴν ἀγαϑὸς Διομήδης"
ἐλθόντες δ᾽ ἑκάτερθε παρὲξ ὁδοῦ ἐν νεκύεσσι κλινϑήτην Eine be-
sondere Vermuthung über diesen Dual bei Wackernagel in
Kuhns Zeitschr. XXIII p. 307.
351. Ueber οὖρον vgl. den Anhang zu $ 124; gegen die
Verbindung der Prüposition ἐπί mit diesem Wort zu einem Com-
positum ἐπίουρα Lehrs Aristarch. ἦν. 110 und Spitzner in der
Ausgabe der Ilias Exeursus XX p. LXXXVI fl. Von diesem Ge-
lehrten, wie von den Neueren ist Aristarchs Erklärung, wonach
die Entfernung zwischen Dolon und seinen Verfolgern gemessen
würde durch die Entfernung zwischen einem Ochsengespann und
einem Maulthiergespann, die zu gleicher Zeit auf demselben Felde
von demselben Punkte aus zu pflügen beginnen, mit Recht ver-
worfen. Vgl. auch Povelsen Emendationes Hom. p. 87, Zeh-
licke über das homerische Epitheton des Nestor οὖρος ᾿ἡχαιῶν
und verwandte Wörter, Parchim 1839 p. 26 ff, der namentlich
auch νειοῖο βαϑείης p. 30 f. erklärt. Das πηκτὸν ἄροτρον steht
als “zusammengesetzter Pflug’ im Gegensatz zu dem αὐτόγυον, dessen
Krummholz (γύης) aus einem Stück bestand: vgl. Riedenauer
Handwerk p. 96, Günther der Ackerbau bei Homer, Bernburg
1866 p. 8, Schoemann griech. Alterth. I p. 72.
Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 33
355 f. Die Bedeutungsentwicklung von ἔλπομαι erörtert Fulda
Untersuchungen über die Sprache d. hom. Ged. p. 198 δ΄, welcher
übrigens über diese Stelle anders urtheilt. — Zur Interpunction
nach ἐέναι vgl. Bekker homer. Blätt. I p. 22. Doederlein inter-
pungiert nach Τρώων, sodass ἰέναι mit πάλιν von ὀτρύναντος ab-
hängen soll. Aristarch verband πάλιν gar mit ἀποστρέψοντας,
vgl. Lehrs Aristarch. ®p. 91. — 364. Diese unregelmässigen
Dualbildungen, wie hier διώκετον, nebst den verschiedenen Er-
klärungsversuchen erörtert G. Curtius das Verbum d. griech. Spr.
Ip. 75£. Er selbst erklärt sich die Anomalie aus einer Ver-
irrung des Sprachgefühls bei den späteren Rhapsoden, da diese
anomalen Formen sich in Theilen der Ilias finden, die sicher nicht
zu den ältesten gehören. Aristarch (vgl. Friedlaender Aristonie.
Ρ. 179) fasste die Form als Präsens, wofür er unpassend auf ἢ
104 verweist, wo ἀλετρεύουσιν keineswegs historisches Prüsens ist,
vgl. den Anhang zu ἡ 107.
366. In dem Fehlen von ϑυμῷ bei μένος ἔμβαλ᾽ erkennt
Fulda Untersuchungen p. 51 ein Zeichen späteren Ursprungs.
Doch ist offenbar μένος auch hier, wie ® 304 von Körperkraft zu
verstehen.
375. Zu βαμβαίνω vgl. ausser dem im Lexicon Hom. s. v.
Bemerkten Fritzsche in G. Curtius Stud. VI p. 334 und Brug-
man daselbst VII p. 324. Autenrieth im Wörterbuch stellt
das Wort zu βαίνω, wie παμφαίνω: φαίνω und versteht wankend.
Uebrigens hält Nauck diesen Vers für nicht ursprünglich.
381. Ueber die Conditionalsätze mit εἴ κεν vgl. L. Lange
der homer. Gebrauch der Partikel εἰ II p. 508 ff.
384. Ueber diesen formelhaften Vers vgl. Philol. XXVII
p. 514. Vollständig findet sich derselbe in der Ilias nur im 10.
(hier und 405) und im 24. Buche (380 und 656), verkürzt 4 819.
N 197. — 385. Ueber δὴ οὕτως an Stelle des früher und auch
jetzt, noch von Nauck gelesenen δ᾽ οὕτως vgl. La Roche hom.
Untersuchungen p. 281 und den Anhang zu x 281. Nauck ver-
muthet neben δὴ οὕτως — δὴ zus. — 387. ὅτι ἐκ τῶν ἐπάνω
(343) ὧδε μετάκειται, ἤδη παρεληλυϑύτων αὐτῶν τοὺς νεκρούς. καὶ
ὁ Ὀδυσσεὺς ἀσύνετος ἔσται πρόφασιν αὐτῷ πορίξων. ἠϑέτει καὶ
”Agioropdvng”. Aristonic. ed. Friedlaender p. 180. Dieser Athe-
tese stimmt zu Bekker; Hoffmann quaestt. Hom. IT p. 125
dehnt dieselbe auch über 388 und 389 aus, welche nach 342.
343 gebildet sein. — 389. Ueber die Wendung ϑυμὸς ἀνῆκεν
vgl. den Anhang zu H 25.
391. Fulda Untersuch. p. 309: “Der Pluralis [von ἄτη] kommt
ausserdem mur noch I 115, also auch in einem jüngeren Buche,
und 7 270 in einer ebenfalls mehrfach angefochtenen Stelle vor”.
Diesen Plural erklärt Lehrs populäre Aufsätze p. 229: ‘es ge-
hörte mehr als eine Ate [persönlich gedacht] dazu: mehr als eine
Amceis, Anhang zur Ilias, 8
34 _Kritischer und exegetischer Anhang. K. Anmerkungen.
Ate musste gleichsam dem Hektor helfen, dass ich durch ein so
eitles Versprechen mich in ein solch gefährliches Wagestück be-
rtieken liess. Vgl. dagegen Naegelsbach homer. Theol. ®p. 318
und Goebel im Philolog. XXXVI p. 43: “mit mancherlei Blend-
werk, mit manchen Vorspiegelungen’, auch Gladstone homer.
Studien p. 175: “Versuchung”,
394. Ueber die Epitheta der Nacht in dieser Zusammen-
stellung vgl. Schuster Untersuchungen über die homerischen sta-
bilen Beiwörter I p. 26, auch Oertel de chronologia Hom. III
p- 29 ἢ --- 398. Aristarch schrieb nach Aristonikos ed. Fried-
laender p. 180 wegen σφίσιν auch hier βουλεύουσι und ἐθέλουσι,
nach Ammonius aber hätte Aristarch 397—399 zuerst als
verdächtig bezeichnet, dann völlig verworfen. Vgl. Lehrs de
Aristarch. ®p. 346 u. La Roche hom. Textkrit. p. 107. Aristo-
phanes verwarf die Verse ebenfalls. — Aristarchs Lesart geben
LaRoche, Bekker, Baeumlein, Düntzer, Doederlein, Nauck,
Die besten Handschr. haben βουλεύοιτε und ἐϑέλοιτε, was Dindorf
aufgenommen hat. Vgl. jetzt Cauer in G. Curtius Stud. VII p.
150 und besonders Brugman ein Problem der homerischen Text-
kritik p. 41 ff. Nach demselben ist dies σφίσι das einzige Bei-
spiel für den freieren Gebrauch des substantivischen Reflexivum
im alten Epos und ergiebt sich mit Sicherheit, “dass das sub-
stantivische Reflexivum οὗ in der altepischen Sprache, so lange
diese von den Sängern noch mit wahrhaft lebendigem Sprach-
gefühl gehandhabt wurde, nur von der dritten Person gebraucht
werden konnte, sodass in diesen Zeiten ein σφίσι = ὑμῖν nicht
möglich war. Es hängt demgemäss die Entscheidung über unsere
Stelle von der Frage ab, in welcher Zeit die Doloneia entstand,
Möglicher Weise war das Sprachgefühl dem Verfasser derselben
schon in dem Masse erlahmt, dass er, was nur beim adjectivischen
Reflexivum sprachgemäss war, fälschlich auf das Substantivum
übertrug. Anderenfalls muss angenommen werden, dass βουλεύοιτε
eine spätere, aber immerhin voralexandrinische Correctur von Bov-
λεύουσι ist, die das Anstössige, was die dritte Person in der Stelle
hat, beseitigen sollte”. Danach ist eine sichere Entscheidung schwer.
Indess scheinen mir doch die Gründe für die Ursprünglichkeit der
Lesart βουλεύοιτε und ἐϑέλοιτε zu überwiegen. Sind die Verse
nicht gedankenlos aus 309 ff. übertragen — und es ist kein Grund
das anzunehmen, da die Ausführung zu ἐκ — πυϑέσϑαι durchaus
angemessen ist —, so ist die Verwandlung der dritten Person in
die zweite so selbstverständlich, dass man sich wundern müsste,
wenn der Dichter dieselbe nicht vorgenommen hätte. Freilich
könnte es scheinen, als ob derselbe νηῶν ὠκυπόρων in ἀνδρῶν
δυσμενέων verwandelt hätte, um für die folgenden dritten Personen
βουλεύουσι und ἐϑέλουσιν das passende Subject zu gewinnen; allein
diese Veränderung erklärt sich zur Genüge aus dem Zusammen-
Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 35
hange, da alles darauf ankommt, die mit dem Unternehmen ver-
bundene Gefahr zu betonen. Andrerseits erklärt sich aber auch
das verwerfende Urtheil Aristarchs schwerlich genügend, wenn
ihm nicht die Verbindung des Pronomen σφίσι mit der zweiten
Person Anstoss gab. Da aber der ziemlich späte Ursprung der
Dolonie sehr wahrscheinlich ist, so dürfte der im alten Epos
nicht nachweisbaren freieren Verwendung des substantivischen
Reflexivpronomens hier nichts im Wege stehen. Auch Schwi-
dop de versibus quos Aristarchus in Homeri Iliade obelo signa-
vit p. 9, urtheilt, dass die zweite Person die ursprüngliche Les-
art sei.
408. δαί statt δ᾽ αἵ war die Lesart Aristarchs: vgl. Lehrs
de Arist. ἦρι 360 und La Roche homer. Textkritik p. 220, auch
der Venetus hat dei. Vgl. den Anhang zu « 225. Damit wird
die unhomerische Verbindung (vgl. Foerstemann Bemerkungen
über den Gebrauch des Artikels p. 21) αἵ τῶν ἄλλων Τρώων φυ-
λακαί beseitigt. Ob freilich hier in der Doloneia nicht der spä-
tere Gebrauch des Artikels doch ursprünglich und ob das durch-
aus attische δαί überhaupt homerisch sei, bleibt fraglich, vgl.
Nitzsch Anmerk. I p. 40, Baumeister im Philol. XT p. 169 f.
Daher vermuthet Düntzer δ᾽ αὖ, wie jetzt auch Nauck. — Zu
409—411 vgl. Aristonic, ed. Friedlaender p. 175 zu 208. 209.
210: ᾿ἀστερίσκοι, ὅτι κακῶς ἐν τοῖς μετὰ ταῦτα κεῖνται, ὅτε τὸν
Δόλωνα συλλαμβάνουσιν οἵ περὶ Διομήδη. Dieser Athetese stimmt
zu Bekker und Hoffmann quaestt. Hom. II p. 125. Dagegen
spricht Siekel quaestt. Hom. I p. 11, da solche Wiederholungen
dem Dichter charakteristisch sein.
415. Zu der Ortsbestimmung vgl. Hasper Beiträge zur To-
pographie der homer. Ilias p. 38, über den Charakter dieser Be-
rathung Gladstone homerische Studien p. 417. — 418. γάρ statt
des sonst gelesenen μέν habe ich geschrieben mit La Roche nach
DE, im Ven. A. steht γάρ übergeschrieben. — Eine durchaus ab-
weichende Erklärung der Stelle giebt Doederlein, eine andere
Schol. BL: ὅσοι εἰσὶν ἰϑαγενεῖς Τρῶες, οὗτοι φυλάσσουσιν. ἐκ γὰρ
τῆς ἑστίας τὸν πολίτην δηλοῖ. 419. Ueber die Bildung ἐγρηγόρ-
ϑασιν bemerkt G. Curtius in den Stud. I p. 244: es ist die-
selbe “gewissermassen ein Ansatz zu jener Bildung, die im ger-
manischen schwachen mit W. dhä zusammengesetzten Praeteritum
durehgedrungen ist”. Andere setzen ein ἐγερέϑω voraus.
424. Zur Form der Frage vgl. Praetorius der homer. Ge-
brauch von ἢ (me) in Fragesätzen p. 15, zur Interpunction Nica-
nor ed. Friedlaender p. 206. Uebrigens verwirft Hoffmann
quaestt. Hom. II p. 125 f. V. 423—431.
436. Ueber Homers Vorliebe für das Ross vgl. Gladstone
homer. Studien p. 444 f. — 437. Zur Auffassung der Stelle vgl.
Lehrs Aristarch. ®p. 369 und den Anhang zu A 607, auch zu
3*
36 _ Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen.
a 51. — 440. Zur Interpunction vor τὰ μέν vgl. den Anhang zu
4 234. — 442. Ueber πελάσσετον handelt Paech über den Ge-
brauch des Indicat. fut. als modus jussivus p. 31, vgl. jetzt G.
Curtius das Verbum der griech. Sprache II p. 283.
452. Den Gebrauch der Wendung ϑυμὸν ὀλέσσαι erörtert
Doberenz interpretationes Homericae, Hildburghausen 1862, p. 1 fl.
457. Aristoteles de part. animalium III 10 (673° 16) ci-
tiert den Vers mit ᾿φϑεγγομένη᾽, ausdrücklich verwerfend ‘pPey-
γομένου᾽, so dass zu seiner Zeit es schon diese zwei Schreibarten
gab: La Roche homer. Textkritik p. 28. Unsere Handschriften
haben alle φϑεγγομένου. — Die auch von Ameis zu χ 329 ge-
gebene gewöhnliche Erklärung des Partieips: “während er noch
redete’ ist in den Göttinger gelehrten Anzeigen 1874 p. 304
mit Recht verworfen, wenn gleich Vergil Aen. X 554 die Stelle
in der gewöhnlichen Weise verstanden haben muss: tum caput
orantis nequiquam et multa parantis dicere deturbat terrae. χ 329
ist weder die Deutung: “während er reden wollte’ wahrscheinlich,
weil durch nichts in dem Zusammenhang eine solche Absicht des
Fallenden nahe gelegt wird, noch die andere: “während er noch
redete’, möglich, weil unmittelbar vorher Odysseus gesprochen hat.
Sodann spricht auch die Bedeutung von φϑέγγεσϑαι selbst dagegen,
womit wesentlich nur der tönende Laut der Stimme bezeichnet
wird. Zu vergleichen ist Π 508, wo φϑογγή von der Stimme
eines Sterbenden steht: vgl. Mayer Studien zu Homer, Sopho-
kles etc. p. 27 f. — Ueber die Stellung des Partieips im Satze
vergl. Classen Beobachtungen p. 169. — 458. Ueber die Tmesis
von ἀπό — ἕλοντο vgl. Hoffmann homer. Untersuchungen. No. 2.
die Tmesis in der Ilias, dritte Abtheil. p. 21.
463. ἐπιβωσόμεϑ᾽ ist die handschriftlich am besten beglau-
bigte Lesart, vgl. La Roche; dagegen schrieb Aristarch ἐπιδω-
σόμεϑ᾽ — “iv ἦ δώροις τιμήσομεν᾽ Didymos. Letztere Lesart
haben aufgenommen Bekker, Baeumlein, Koch, Dindorf, die
exstere Düntzer, Franke, La Roche, Doederlein, Spitzner
und Nauck. Gegen Aristarchs Lesart wird geltend gemacht, dass
das Medium in dem Sinne von begaben, beschenken unerhört
sei; X 254 steht dies Medium in dem Sinne zu Zeugen neh-
men und so, meint Spitzner sowie der Verfasser des Artikels
im Lexicon Hom. s. v., habe Aristarch auch hier das Verbum ver-
standen. Aber auch ἐπιβωσόμεϑ᾽ ist nicht ohne Bedenken, da es
an den beiden Stellen der Odyssee, wo es noch vorkommt (α 378.
ß 143), in der Bedeutung steht: die Götter zu Hülfe rufen
(gegen Vergewaltigung), während es hier ein Anrufen zum Behuf
der Weihe der Beute sein müsste. Ohne Zweifel entspricht der
durch σὲ πρῶτον gegebenen Auszeichnung der Athene am besten
die Lesart Aristarchs, wenn auch die angenommene Bedeutung
nicht zweifellos ist.
Kritischer und exegetischer Anhang. K. Anmerkungen. 37
466. δέελον deutet Düntzer in Kuhns Zeitschr. XVI p. 282
von W. de = Bündel, Reisbündel, ähnlich Doederlein nach
Hesychius: δέελος" δεσμός, ἅμμα. Vgl. dagegen Curtius Etym.
ἀρ, 235, Fick vgl. Wörterb. ®II p. 128 unter di. — Um die
isolierte Stellung von re zu beseitigen, schlug Bentley die Um-
stellung vor: δέελον δέ re σῆμ᾽ ἐπέϑηκε statt δέελον δ᾽ ἐπὶ σῆμά
τ᾽ ἔϑηκεν.
475. ἐπιδιφριάς erörtern Grashof das Fuhrwerk p. 27, Doe-
derlein Glossar $ 2432, auch Rumpf Beiträge zur homer. Wort-
erklärung, Giessen 1850, p. 24 u. 26. — “Diese ἐπιδιφριάς be-
stand aus in die Unterlage eingelassenen aufrecht in einiger Ent-
fernung neben einander stehenden Stäben (κνῆμαι), die oben wie-
der in einen parallel mit dem äusseren Rande des Standbrettes
laufenden gebogenen Holm (ἄντυξ) eingelassen waren, und von
diesem gehalten wurden. Grashof. — 480, Ueber μέλεον vgl.
Lehrs Aristarch. ®p. 94.
491. In dem Zusatz κατὰ ϑυμὸν und ähnlichen bei φρονεῖν
sieht Fulda Untersuchungen p. 286 die Spuren einer späteren
Zeit. Zu dem 492 folgenden τρομεοίατο ϑυμῷ vgl. denselben p.
135. — 493. Cobet Miscellan. eritic. p. 361 f. verlangt unter
Vergleichung von Z 65. κ 164 ἐμβαίνοντες statt ἀμβαίνοντες, wie
Nauck jetzt geschrieben hat. — ἀηϑέσσω ist nach Leskien in
G. Curtius Stud. II p. 82 zu erklären aus ἀ-ηϑεσι)ςὦ vom Stamme
ἦϑεσ — (Nom. ἦϑος) — “wenn überhaupt die Form richtig und
nicht ἀήϑεσκον zu schreiben ist’. Vgl. G. Curtius das Verbum
der griech. Sprache p. 368. — 495. Die Wendung ϑυμὸν ἀπηύρα
behandelt Doberenz interpretationes Hom. p. 18 f. — 497. ‘a8e-
τεῖται, ὅτε καὶ τῇ συνθέσει εὐτελής᾽ καὶ μὴ δηϑέντος δὲ νοεῖται ὅτι
ὡς ὄναρ ἐφίσταται τῷ Ῥήσῳ ὃ Διομήδης. καὶ τὸ διὰ μῆτιν ᾿ϑήνης
λυπεῖ" μᾶλλον γὰρ διὰ τὴν Δόλωνος ἀπαγγελίαν. Aristonic. ed.
Friedlaender p. 183.
499. Zu diesem ἀείρω aus d-6Feg-jo vgl. G. Curtius Gr.
Etym, *p. 355 ἔν, dazu Brugman in G. Curtius Stud. VII p. 345.
Uebrigens wollte Axt Conjectanea Hom. p. 8 σὺν δὴ elgev schreiben.
— Eyssenhardt in den Jahrbb. f. Philol. 1874 p. 599 bemerkt,
dass der Dichter die beiden Aias und Odysseus niemals zu Wagen
kämpfen lässt. “Von Odysseus bergiger Insel und ihrer Ungeeig-
netheit zur Pferdezucht konnte der Dichter bei seiner gänzlichen
Unkenntniss derselben (Hercher im Hermes I p. 262—280) nichts
wissen, aber nahe liegt die Vermuthung, dass er, weil selber ein
Inselbewohner und aus eigner Anschauung mit den auf dieser
herrschenden Zuständen bekannt, den beiden Inselkönigen Aias
und Odysseus keinen Streitwagen gab. Von diesem Gesichtspunkt
aus hat der Scholiast BL zu K 499 recht, wenn er in Bezug auf
Odysseus als Pferderäuber in der Doloneia bemerkt: ἔστι μὲν νησιώ-
τῆς, τῇ δὲ πείρᾳ οὐ δευτερεύει τινός".
38 _ Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen.
506. Ueber τῶν πλεόνων Θρῃκῶν vgl. Grossmann Home-
rica p. 20, zum Artikel Foerstemann Bemerkungen p. 35. Da-
gegen vermuthet Nauck ἢ ὅ γ᾽ ἔτι an Stelle von ἢ ἔτι τῶν: Ο hat
ἢ ὅγε τῶν.
510. Zur Interpunetion nach ἔλϑῃς (Kolon statt Komma)
vgl. Doederlein zur Stelle. — Nauck ist geneigt den Vers zu
verwerfen.
513. Bekker homer. Blätt. II p. 28 verlangt κόψε statt
κόπτε: ‘der Aorist für den einen ersten Hieb, der die Pferde in
Bewegung setzt, statt dass das Imperfect die wiederholten und
anhaltenden Hiebe bezeichnet, wodurch die Bewegung im Gang
erhalten wird. Vgl. K 530. A280. o 182°. Schon Spitzner
stellte κόψε her mit der Mehrzahl der Handschriften, La Roche
fand in den von ihm verglichenen κόπτε überhaupt nicht vor. —
Sonst vergl. zur Erklärung der Stelle und über das Reiten bei
Homer Grashof das Fuhrwerk p. 4, Kuhlbars cur liber IL X
e contextu carm. Hom. emovendus sit. Ludwigslust 1876 p. 14
und Düntzer im Philol. XII, p. 54. Dagegen nehmen Sickel
p. 12, Welcker Ep. Cyel. IT 217, Doederlein zu V. 513 an,
dass Diomedes den Wagen herausgezogen und die Pferde davor-
gespannt habe, so dass ἵππων, wie sonst von dem bespannten
Wagen zu versteben sei. Vgl. darüber auch Eyssenhardt in den
Jahrbb. f. Philol. 1874 p. 598, welcher in der hier gegebenen
Darstellung einen unwiderleglichen Beweis gegen eine eigentliche
Kenntniss des Reitens erblickt. — 515. Ueber die Schreibung
ἀλαὸς σκοπίην vgl. den Anhang zu $ 285. Die Wendung ist hier,
wie die Fortsetzung ὡς ide zeigt, ganz ϑ 285 nachgebildet, aber
wenig passend angewendet. Daher vermuthet Nauck, welcher
auch ἀλαὸς σκοπιὴν schreibt, aber ἅλιον σκοπιήν lesen möchte,
V. 516 an Stelle von ὡς — ὃς.
527. Zu der Darstellung 513. 526. 527 bemerkt Eyssen-
hardt in den Jahrbb. f. Phil. 1874 p. 598: “Es ist klar, dass
hier ἵπποι ebenso wie in unzähligen andern Stellen geradezu für
Wagen gebraucht ist: denn es ist unmöglich, dass ein Dichter,
der die Kunst des Reitens aus eigner Anschauung kannte, einen
Reiter statt auf sein Pferd und von seinem Pferde, vielmehr auf
zwei und von zweien, sein eignes und das seines Gefährten, stei-
gen oder gar den einen Reiter beide Pferde schlagen lässt’.
530 f. In der Verwerfung des hier ganz unsinnigen V. 531
sind die Neueren einig, er fehlt überdies in AC Townl. vgl. La
Roche. Düntzer homer. Abhandl. p. 319 und Kuhlbars a. Ὁ.
p. 14 verwerfen auch V. 530 wegen μάστιξεν, da Odysseus ja
keine Peitsche hatte, vgl. 500 f., sondern sich des Bogens zum
Antreiben der Rosse bediente. Es würde dann aber ein Sprung
in der Erzählung entstehen, den selbst dem Dichter der Doloneia
zuzutrauen man sich doch bedenken muss.
Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen, 39
536. Ueber dies Gedankenverhältniss vgl. L. Lange der
homer. Gebrauch der Partikel εἰ I p. 333.
538. Aristarchs Lesart ist μετὰ φρεσί: zu 4 245. Vgl. da-
gegen Fulda Untersuchungen p. 98. — 539 ist die handschrift-
liche Lesart οἵ ἄριστοι, Aristarch las ὥριστοι, vgl. La Roche hom.
Untersuch. p. 202 f. Bekker schreibt ὥριστοι.
545. Zur Interpunction vgl. Nicanor ed. Friedlaender p. 207.
Anders fasst diese Fragen Praetorius der homerische Gebrauch
von ἡ (ne) in Fragesätzen p. 16. — Für Zenodots Lesart λαβέτην
gegen Aristarchs Adßerov spricht Cobet Miscell. exit. p. 279 ἢ,
indem er zu erweisen sucht, dass die zweite Person Dualis nie
von der dritten verschieden gewesen sei: in gleicher Weise wer-
den behandelt Θ 448 und A 782. Nauck liest λαβέτην. —
546. Ueber opwe (Aristarch) und opwi (Zenodot) und ähn-
liche Differenzen handelt ausführlich Cobet Miscellan. crit. p. 254 ff.
559. Ueber ἄναξ vgl. den Anhang zu A 7, wo die für die
Bedeutung herus im Commentar aus der Ilias angeführten Stellen
nachzutragen sind.
576 δ In diesen beiden Versen sieht Bergk griech. Lite-
raturgesch, I p. 598, Anmerk. 148 einen späteren Zusatz, da das
warme Bad nach dem kalten Seebade sehr auffällig ist. — 579.
Ueber die Lesart ἀφυσσόμενοι vgl. den Anhang zu Γ 295.
A.
Einleitung*).
Literatur: @. Hermann, de interpolationibus Homeri, Leip-
zig 1832, p. 9 fi. (Opuscul. V, p. 59 ἢ). Dazu vgl. Schneide-
win in Welckers und Naekes Rhein. Mus. V, p. 404 ff. und
Faerber, disputatio Homerica, Brandenburg 1841, p. 2 fl. —
Lachmann, Betrachtungen über Homers Ilias, p. 35—44, 60 ff.
Benicken, de Iliadis carmine deeimo, 1868; Benicken, Karl
Lachmann’s Vorschlag im zehnten Liede vom Zorne des Achilleus
# 402—507 an A 557 zu schliessen — als richtig erwiesen,
Gütersloh 1875, vgl. Philolog. Anzeiger VII, p. 186 fi; Be-
nicken, das zehnte Lied vom Zorne des Achilleus nach Karl
Lachmann, Gütersloh 1875. — Zu Lachmanns Kritik vgl.: Baeum-
lein in der Zeitschrift für die Alterthumswiss., VIII, 1850, p.
148 ff, Holm, ad Caroli Lachmanni exemplar de aliquot Iliadis
carminum compositione quaeritur, Lübeck 1853, p. 11, Düntzer,
homerische Abhandlungen, p. 63 #, Gerlach im Philologus XXX,
p. 40 f. und XXXII, p. 13 #. und 193 ff, Nutzhorn, die Ent-
stehungsweise der homerischen Gedichte, Leipzig 1869, p. 154 ἢ,
Hiecke, über Lachmann’s zehntes Lied der Ilias, Greifswald 1859.
— Cauer, über die Urform einiger Rhapsodien der Ilias, Berlin
1850, p. 12 #. u. 28 fi, vgl. Hoffmann in der Allgem. Monats-
schrift f. Wissenschaft u. Literatur, Halle 1852, p. 287 f. und
Düntzer, hom. Abhandl., p. 117 #. — Köchly, Iliadis carmina
XVI, Lips. 1861, p. 177 Β΄, vgl. Ribbeck in den Jahrbb. f. class.
Philol. 1862, Bd. 85, p. 73 ἢ. Köchly, de Iliadis carminibus
dissert. VII, Turici 1859, p. 35 f. — B. Giseke, das elfte Buch
der Ilias, in Jahrbb. f. Philol., 1862, Bd. 85, p. 505 ff. — Dün-
tzer, die Interpolationen im elften Buche der Ilias, in Jahrbb. f.
Philol.- Suppl. III, p. 833 ff, Benicken, die Interpolationen im
elften Buche der Ilias, Antwort auf die gleichbetitelte Abhand-
lung des Hrn. Prof. Düntzer, Stendal 1872. — C. L. Kayser,
τ) Abdruck ans dem, Osterprogramm des Gymnasiumg zu Göttingen
1877, besprochen im Philol. Anzeiger VIII p. 275 ff. von L. G.
Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung. 41
de interpolatore Homerico, Heidelberg 1842, p. 5, 8, 10, 12, 27.
— Grote, Geschichte Griechenlands, übersetzt von Meissner, I,
p. 539. Friedlaender, die homerische Kritik von Wolf bis Grote,
Berlin 1853, p. 38 ff, vgl. Ribbeck im Phil. VIII, p. 480 δ. —
Schoemann, de reticentia Homeri, Greifswald 1853, p. 16 ff. —
Jacob, über die Entstehung der Ilias und Odyssee, p. 240 ff. —
Nitzsch, die Sagenpoesie der Griechen, p. 226 ff, vgl. Schoe-
mann in den Jahrbb. f. Philol., Bd. 69, p. 18 ἢ, Nitzsch, Bei-
träge 2. Geschichte der epischen Poesie der Griechen, p. 82 δ᾽,
92 Β΄, 369 Ε΄, 374, 381, vgl. G. Curtius, Andeutungen über den
gegenwärtigen Stand der homer. Frage, Wien 1854, p. 19 ἡ —
Kiene, die Komposition der Ilias, p. 92 ἢ, 104 f. — Genz, zur
Dias, Sorau 1870, p. 32. — Bischoff im Philologus XXXIV, p.
17 #. — Bernhardy, Grundriss der griech. Literatur ®II. 1, p.
165 ἢ, Bergk, griech. Literaturgeschichte, I, p.’599 fl. — Hoff-
mann, quaestiones Hom., 1848, Π., p. 225 ff, Giseke, home-
rische Forschungen, Leipzig 1864, p. 178— 181, 226, 230. —
Sammlung der Parallelstellen zum elften Buch bei Ellendt, drei
homerische Abhandlungen, Leipzig 1864, p. 53 ἢ. — Kritik ein-
zelner Abschnitte: Pinzger, de Iliadis interpolatione XI, 655—
803 quaestio critica, Ratibor 1836. A. Mommsen, Nestors Er-
zählung Il. XI 668— 762 im Philologus VIII, p. 721 ff. Ueber
denselben Abschnitt Friedlaender im Philologus IV, p. 581 £.
— Zu 473 #. Usener, de Iliadis carmine quodam Phocaico, Bonn
1875, Gratulationsschrift zu der Jubelfeier der Leydener Univer-
sität, vgl. Philolog. Anzeiger, VII, p. 76 #. VIIT p. 280 ff. und
H. yan Herwerden, quaestiunculae epicae et elegiacae. Trajecti
ad Rhenum. 1876. p. 17 ἢ
Der elfte Gesang bildet die Einleitung zu dem dritten grossen
Act der epischen Handlung, in dessen Verlauf der entscheidende
Wendepunkt eintritt, welcher die Sendung des Patroklos in den
Kampf und seinen Tod herbeiführt.
Wir unterscheiden innerhalb desselben leicht zwei miteinander
eng verbundene Haupthandlungen. Etwa zwei Drittel des Ganzen
nimmt die Darstellung der Schlacht ein, welche bis zu dem Punkte
geführt wird, wo die Troer das entschiedene Uebergewicht er-
rungen haben und ein nachhaltiger Widerstand im offenen Felde
von Seiten der Achaeer nicht mehr zu erwarten ist. Das letzte
Drittel füllt die Erzählung von der Sendung des Patroklos zu
Nestor, welche, motiviert durch Achills erwachende Theilnahme an
dem Geschick der Achaeer, das Auftreten des Patroklos im Anfange
des sechszehnten Gesanges vorbereitet.
Im wechselvollen Gange der Schlacht treten vier Höhe- und
Wendepunkte hervor, durch welche dieselbe in fünf Stadien zer-
42
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung.
legt wird. Die zweite Haupthandlung zeigt eine Folge von drei
unter einander eng verbundenen Scenen. Danach ergiebt sich in
übersichtlicher Zusammenfassung folgende Gliederung des Inhalts:
A. Die Schlacht 1—595.
1. Die Vorbereitungen zum Kampf, 1—66:
1)
3)
8)
4)
Eris, von Zeus gesendet, erregt den Kampfmuth der
Achaeer, 1—14.
Rüstung des Agamemnon, 15—46.
Ordnung und Aufstellung der Achaeer; bedeutsame Vor-
zeichen von Zeus, 47—55.
Ordnung und Aufstellung der Troer (ἐπὶ ϑρωσμῷ ze-
δίοιο). Hektor ermuntert die Seinen, 56—66.
IL. Die Schlacht selbst, 67—595, in fünf Stadien:
D)
3)
8)
4)
5)
Beginn der Schlacht; der Kampf steht gleich bis zu der
Zeit, wo der Holzfäller sich das Mahl bereitet, 67—85.
Uebergewicht der Achaeer und Aristie des Agamemnon:
dieser erlegt drei Paare troischer Helden, die Troer flie-
hen bis nahe dem Skaeischen Thor, 86—180.
Herstellung der Schlacht durch Hektor und Uebergewicht
der Troer bis zu dem Punkte, wo die Achaeer Gefahr lau-
fen, in wilder Flucht in das Schiffslager getrieben zu
werden, 181— 311.
Zeus lässt sich auf dem Ida nieder und sendet die Iris zu
Hektor mit dem Befehl, dem Agamemnon auszuweichen, aber
die Seinen zu ermuntern; sobald Agamemnon verwundet den
Kampf verlasse, wolle er ihm die Uebermacht verleihen. Hek-
tor stellt die Schlacht her. Agamemnon erlegt noch den An-
tenoriden Iphidamas, wird aber von dessen Bruder Koon ver-
wundet und dadurch genöthigt das Schlachtfeld zu verlassen.
Hektor erlegt neun Achaeerhelden und viele gemeine Krieger.
Herstellung der Schlacht durch Diomedes und Odysseus:
Zeus spannt den Kampf wieder gleich; Hektor wird von
Diomedes durch einen Speerwurf betäubt, 812 --- 368,
Der Widerstand der Achaeer wird allmählich Jurch die
Verwundung mehrerer Haupthelden gebrochen, 369—595:
a) Diomedes, von Paris verwundet, verl'sst die Schlach ,
369 — 400.
b) Odysseus, von den Troern heftig bedrängt, erlegt viele,
bis er von Sokos verwundet wird. Auf seinen Hülfe-
ruf eilen Menelaos und Aias herbei, jener führt Odys-
seus aus der Schlacht; Aias Thaten, 401 —497.
9) Gleichzeitig bedrängt auf der linken Seite des Schlacht-
feldes Hektor die Achaeer unter Nestor und Idomeneus.
Paris verwundet Machaon, der von Nestor aus dem
Kampf geführt wird, 497—520.
d) Hektor kommt den von Aias bedrängten Troem zu
Hülfe, meidet aber den Kampf mit diesem. Von Zeus
Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung. 43
geschreckt zieht sich Aias kämpfend langsam zurück.
Eurypylos kommt Aias zu Hülfe, wird aber von Paris
verwundet, Aias rettet sich zu den Seinen, 521—595.
B. Die Sendung des Patroklos zu Nestor, 596—848:
1) Achilleus und Patroklos: Als Achill von seinem Schiff aus
Nestor mit Machaon vorüberfahren sieht, trägt er dem
Patroklos auf zu erkunden, wer der Verwundete sei,
596—617.
Nestor und Machaon in Nestors Zelt, dann Nestor und
Patroklos, 618—804: Nestor und Machaon werden von
Hekamede verpflegt, 618— 641; Patroklos kommt und
will, da er Machaon erkennt, gleich wieder gehen, wird
aber von Nestor zurückgehalten, welcher Achills Unver-
söhnlichkeit bei dem schweren Geschick der Achier tadelt,
nach einer weitläufigen Erzählung von seinen eigenen
Jugendthaten Patroklos an die Abschiedsworte seines Va-
ters Menoitios beim Auszuge nach Troja erinnert und ihn
zu dem Versuch mahnt, durch Zuspruch Achills Herz zu
erweichen oder wenigstens zu bewirken, dass er ihn in
seinen (Achills) Waffen in den Kampf sende, 642— 804.
Patroklos und Eurypylos, 805—848: Patroklos trifft auf
dem Rückwege den verwundeten Eurypylos, erfährt von
ihm, dass die Achäer in der äussersten Gefahr sind zu
erliegen, lässt sich aber durch seine Bitten bestimmen,
ihn in sein Zelt zu begleiten, wo er seine Wunde besorgt.
Die dargestellten Begebenheiten füllen den ersten Theil des
dritten Schlachttages, des 26. der Ilias überhaupt, der sich bis
2239 ff. erstreckt.
2
3
Die Handlung des ersten Haupttheils nimmt, durch Θ᾽ 470 fi.
530 ff. vorbereitet, die im achten Gesange abgebrochene Schlacht
auf, zeigt aber einen von dieser wesentlich verschiedenen Charakter.
Die Leitung der Schlacht ist ausschliesslich und unbestritten in
Zeus Hand, keiner der ihm widerstrebenden Götter macht einen
Versuch, in dieselbe einzugreifen. Indem so fast alle Götterhand-
lung fehlt, füllt die Erzählung der Schlacht, ganz anders als im
achten Buche, den ganzen Raum. Diese selbst ist auf breitester
Grundlage angelegt. Es werden nach einander die Haupthelden
in den Kampf eingeführt: auf griechischer Seite zuerst Aga-
memnon, dann paarweise Odysseus und Diomedes, Menelaos und
Aias, Nestor und Idomeneus, dann Machaon, endlich Eurypylos,
von denen Agamemnon, Diomedes, Odysseus, Aias in glänzender
Action hervortreten; auf troischer Seite wird vor allen Hektor
gefeiert, aber auch Paris wird eine Hauptrolle zugewiesen, neben
diesen treten eine Reihe anderer Helden bedeutsam hervor: je
44 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung.
zwei. Söhne des Priamos, des Antimachos, des Antenor und andere.
Durch das angestrengte Ringen beider Parteien, denen Zeus ziem-
lich freien Spielraum lässt, werden eine Reihe von Wendungen
des Kampfes herbeigeführt, wie im achten Gesange, aber nicht so
plötzlich und unvermittelt wie dort, wie denn die ganze Darstel-
lung nichts von der im achten Gesange getadelten Hast und Kürze
zeigt, sondern bei aller Lebhaftigkeit in echt‘ epischer Weise sich
ausbreitet.
Die Grundlage für die Erzählung bildet die höchst wahr-
scheinlich von der Sage selbst gegebene Verwundung der drei
achaeischen Helden Agamemnon, Diomedes, Odysseus. Freie Zuthat
des Dichters ist offenbar die Verwundung des Machaon und des
Eurypylos, welche die Verknüpfung der Sendung des Patroklos
mit der Schlachterzählung vorzubereiten bestimmt ist, auch Aias’
Kampf und Rückzug mag der Erfindung des Dichters zugeschrie-
ben werden. Für die Anordnung und Gruppierung dieser Elemente
war zum Theil die frühere Entwicklung massgebend. So war die
Voranstellung des Agamemnon vorbereitet durch den Schluss des
neunten Gesanges (I 707—709), die Zusammenstellung des Dio-
medes und Odysseus, abgesehen von K, durch Θ 91 fl. Im Uebrigen
ist die Folge, in welcher die Helden in den Kampf eingeführt
werden, wohl berechnet. Eröffnete Agamemnon mit seiner glän-
zenden Aristie passend den Kampf, so war nach dem ersten Um-
schwung desselben zu Gunsten der Troer wohl keiner geeigneter,
Hektors Siegeslauf sich entgegen zu werfen, als Diomedes mit
seinem ungestümen Heldenmuth, der einzige Held, welcher im
achten Gesange, trotz Zeus Blitzen, vor Hektor nicht wich, vor
dem Hektor selbst nach dem Siege noch bangte (© 532 fi.).
Wiederum ziemt es gewiss keinem mehr als Menelaos, dem den
Atriden so eng verbundenen Odysseus in seiner Bedrängniss Hülfe
zu schaffen, und wer wäre mehr berufen, den wankenden Schaaren
den letzten Halt zu geben, als der riesige Aias, der Thurm der
Achäer! Muss auch dieser weichen, wer wird noch den Sieges-
lauf der Troer zu den Schiffen aufhalten können?
Die Handlung der zweiten Partie zeigt sich nach Anlage und
Behandlung im Ganzen in Uebereinstimmung mit der ersten. Be-
achtung verdient die Art der Verknüpfung. Die Bindeglieder zwi-
schen beiden Handlungen bilden, wie bemerkt, die Verwundung
des Machaon und seine Entfernung aus dem Kampfe durch Nestor
und die Verwundung des Eurypylos. Jene bereitet die Sendung
des Patroklos zu Nestor und die Scene in Nestors Zelt vor, diese
ermöglicht das Zusammentreffen des Patroklos mit Eurypylos und
den bis O 390 dauernden Aufenthalt desselben bei diesem. Beide
Verwundungen erfolgen nach einander auf verschiedenen Seiten des
Schlachtfeldes, zuerst die des Machaon auf der linken Seite, wo
zuerst die Schlacht zu Gunsten der Troer sich entscheidet, sodann
Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung. 45
die des Eurypylos auf der anderen Seite, wo durch Aias am läng-
sten Widerstand geleistet wird. Durch diese Anordnung wird ein
Zwiefaches erreicht. Einmal beruht darauf eine wirksame Steige-
rung der Eindrücke, welche Patroklos durch den Bericht des
Nestor und dann des Rurypylos über den Stand der Schlacht er-
hält, sodann ergänzt der Bericht des Eurypylos zugleich eine Lücke
in der Erzählung. Da nämlich die Beschreibung der Schlacht nicht
zum vollen Abschluss gebracht wird, sondern da abbricht, wo auf
beiden Seiten die Niederlage der Achaeer zwar entschieden scheint,
aber der Kampf noch fortdauert, so erfahren wir aus Eurypylos
Munde zuerst: mit klaren Worten den wahren Stand der Dinge,
dass die Achaeer nichts mehr retten kann und die Flucht in das
Schiffslager bevorsteht.
Die Darstellung zeichnet sich, abgesehen von Nestors Erzäh-
lung und einzelnen anderen Stücken, durch Klarheit und Anschau-
lichkeit aus. Die Höhenpunkte des wechselnden Kampfes werden
deutlich hervorgehoben und wie durch hervorragende Marksteine
durch epische Formeln ausgezeichnet. Im Einzelnen schreitet die
Erzählung lebhaft und rasch fort, doch so, dass sie auch der Be-
schreibung und Schilderung Raum lässt. Der Dichter verweilt gern
bei dem Schicksal hervorragender Helden und begleitet die Er-
zählung ihres Todes mit Aeusserungen des Mitleids oder auch
eines bittern Humors. Einen glänzenden Schmuck verleiht der
Darstellung eine reiche Fülle (22) von zum Theil ausgeführten
Gleichnissen, durch welche vor allen Agamemnon (4 Mal mit einem
Löwen verglichen 113. 129. 173. 239), Hektor und Aias ausge-
zeichnet werden. Es finden sich darunter mehrfach Doppelvergleiche,
welche, an die vorhergehende Handlung oder Situation anknüpfend,
zugleich das folgende Moment der Erzählung vorausnehmen: 113 ff.,
173 #., 474 fl, Dieser Reichthum der Darstellung artet bisweilen
in Ueberfülle aus, auch lässt sich in den eingefügten Schilderungen
und Beschreibungen mehrfach ein gewisses Haschen nach Effect,
eine Neigung zum Uebertreiben nicht verkennen. Uebrigens herrscht
die Erzählung in dem Masse vor, dass, abgesehen von der Er-
zählung des Nestor 670—762, von etwa 750 Versen nur etwa
200 auf die eingestreuten Reden entfallen. Diese haben zum Theil,
der bewegten Handlung entsprechend, einen leidenschaftlichen Cha-
rakter, sind jedoch meist von dem Uebermass der Heftigkeit frei,
welche in den Reden des achten Buches mehrfach herrscht. Der
Ausdruck im Einzelnen bietet auch hier manches Besondere, Auf-
fallende, worüber man sich aus den Zusammenstellungen bei El-
lendt des Näheren unterrichten kann.
Manches Eigenthümliche findet sich im Inhalt des Gesanges.
Abgesehen von Nestors Erzählung, welche auf einem älteren Liede
von Nestor zu beruhen scheint und V. 699 im Widerspruch mit
der homerischen Schilderung der Heroensitte ein Viergespann auf-
46 Kritischer und exegetischer Anhang. 4A. Einleitung.
weist, wie © 185, hat man nach einer von Emperius zuerst
gemachten Beobachtung in der Erzählung von den Thaten des
Aias 489 f. Spuren älterer Sagenelemente zu finden geglaubt,
indem die Namen der vier von Aias erlegten Troer Pandokos,
Lysandros, Pyrasos und Pylartes für Beinamen des Hades erklärt wer-
den. Beachtung verdient ferner die eigenthümliche auf Phönicien
weisende Kyprische Kunst, welche in der Beschreibung der Rüstung
Agamemnons hervortritt, auch der kunstreiche Becher des Nestor.
Als auffallend bezeichnet ist die Rohheit Agamemnons in der
Behandlung der Söhne des Antimachos 186—147. Nur hier don-
nern Hera und Athene 45 f. Manche Züge aus der Vorgeschichte
der Ilias sind der Erzählung eingefügt: 104. 125. 138. 625.
765. 832.
Die kritische Untersuchung des elften Gesanges hat nicht ge-
ringe Schwierigkeiten. Zwar kann für den, welcher im Ganzen
einen einheitlichen Plan in den Gesängen der Ilias durchgeführt
sieht, die Stellung desselben innerhalb dieses nicht wohl zweifel-
haft sein. Bildet die mehr moralische Niederlage, welche die
Achaeer im achten Gesange erleiden, den ersten entscheidenden
Act in der Thätigkeit des Zeus, um nach seinem im ersten Ge-
sange gefassten Rathschluss Achill Genugthuung zu verschaffen,
so ist der Kampf im elften Gesange das notwendige Zwischen-
glied, welches auf Grund jener die in den folgenden Büchern her-
beigeführte äusserste Bedrängniss der Achaeer vorbereitet. Die
ausschliessliche ungestörte Leitung des Kampfes durch Zeus nach
den im achten Gesange energisch zurückgewiesenen Versuchen der
Hera und Athene, seinen Willen zu durchkreuzen, die Schwächung
der Achaeer durch die Verwundung dreier Haupthelden, der Fort-
schritt des Kampfes zu immer drohenderer Gefährdung der Schiffe
— diese Momente entsprechen sehr wohl dem, was nach Zeus
Ankündigung Θ᾽ 470 £. und Hektors Hoffnungen Θ 530 ff. zu er-
warten war. Hiernach ist uns die Ursprünglichkeit des grösseren
Theiles des Gesanges und seine feste Stelle im dichterischen Plan
unzweifelhaft. Aber Schwierigkeit bereitet schon die Aristie des
Agamemnon an dieser Stelle im Eingang des Gesanges. Die Frage
nach der Motivierung derselben hängt wesentlich mit ab von der
Entscheidung über die Ursprünglichkeit des neunten Gesanges.
Noch grösssere Schwierigkeiten erheben sich bei der Prüfung des
Zusammenhanges unseres Gesanges mit den folgenden Gesängen,
namentlich in Bezug auf die Sendung des Patroklos zu Nestor.
Endlich ist selbst die innere Einheit des Gesanges ernstlich in
Frage gestellt; eine ganze Reihe von Bedenken und Anstössen im
Einzelnen von mehr oder minder Gewicht sind dabei in Erwägung
zu ziehen.
Wir gehen von der in der Einleitung zum neunten Gesange
begründeten Voraussetzung aus, dass das neunte Buch nicht minder,
Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung. 47
wie das achte, in dem Plane der homerischen Dichtung nicht nur
berechtigt, sondern nothwendig sei. Unter dieser Voraussetzung
erhebt sich uns zunächst die Frage, ob die Handlung des elften
Gesanges der im achten und neunten gegebenen Entwicklung sich
passend anschliesse oder damit in Widerspruch stehe.
Ueber den Eingang des elften Cesanges lautet das Urtheil
Bernhardys: ‘Das Buch eröffnet pomphaft eine jener trockenen
teratologischen Figuren (Ἔρις), welche sich in späteren Rhapsodien
merklich häufen; der Dichter hat aber völlig vergessen den Schluss
der letzten Erzählung, wenn nicht von I doch von Θ᾽ aufzunehmen.’
Aehnlich bemerkt Friedlaender: “Von der Lage beider Heere,
wie wir sie dort (am Schluss des achten Buches) verlassen haben,
ist hier keine Spur’ und weiter: ‘So konnte der Dichter unmöglich
fortfahren, nachdem er den Schluss des achten Buches eben hatte
vorausgehen lassen. Liessen denn die Troer die Griechen ganz
ruhig ausrücken und angreifen und versuchten auch nicht einmal
sie belagert zu halten? That denn Hektor gar nichts, um seine
prahlerischen Drohungen auszuführen? Und liess Zeus es ruhig
zu, dass die durch ihn bewirkte Lage beider Heere völlig wieder
zerstört wurde und die Griechen in Vortheil kamen, ja sendete er
Eris, die den Achaeern Muth einschrie?’ Diese Betrachtungen
führen Friedlaender zu der Vermuthung, dass der Anfang des
elften Gesanges ursprünglich anders gelautet habe. Wie wir ihn
jetzt lesen, hat derselbe im höchsten Grade den Ton einer selbst-
ständigen Einleitung, wie ihn der Einzelvortrag, sei es von der
Verwundung der drei Könige, sei es des ganzen Kampfes bei den
Schiffen, erforderte. Aber über die ersten 70 Verse hinaus ist
die Erzählung im vollsten Einklange mit dem ersten und achten
Buch, deren wesentlichen Voraussetzungen sie durchaus entspricht:
‘Die Niederlage der Griechen, die doch eintreten muss, sogleich
zu erzählen, kann sich der Dichter auch hier nicht entschliessen.
Aber Zeus ist seines Beschlusses eingedenk, er sendet Iris zu Hektor.”
So Friedlaender, welcher mit Grote das neunte Buch verwirft.
Minder schroff erscheint der Uebergang unter der Annahme
der Ursprünglichkeit des neunten Gesanges. Allerdings befremdet
auch so auf den ersten Blick der Umschwung in der Stimmung
des Agamemnon von der völligen Verzweiflung im Anfange des
neunten Gesanges zu dem glänzend bewiesenen Heldenmuth im
elften. Auch Nitzsch vermisst eine deutliche Motivierung, wie sich
dieser Umschwung vollzogen, und glaubt, dass dieselbe durch die
Einschiebung des zehnten Gesanges verdrängt sei. Aber psycho-
logisch lässt sich derselbe doch genügend erklären. Zunächst geht,
wie Nitzsch bemerkt, die vor der Gesandtschaft bezeigte Nieder-
geschlagenheit die persönliche Tapferkeit unmittelbar nichts au;
diese ist überall glänzend bezeugt. Der vorauszusetzende Umschwung
der Stimmung aber erklärt sich theils aus seiner sanguinischen
48 Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung.
Natur, die geneigt ist in das Gegentheil umzuschlagen, theils aus
den Erfahrungen, die derselbe inzwischen gemacht hat. Agamemnon
hat unter dem furchtbaren Eindruck der erlittenen Niederlage
seine Verschuldung gegen Achill erkannt und bereut, hat sich
zum demüthigendsten Sühneversuch verstanden, dieser Versuch,
durch die ersten und Achill liebsten Helden vermittelt, ist an der
Unversöhnlichkeit Achills gescheitert. Muss nach solcher Zurück-
weisung nicht Agamemnons Selbstgefühl erwachen, da er jetzt, von
dem drückenden Schuldbewusstsein Achill gegenüber sich frei fühlt?
muss er sich nicht seiner früheren Verzweiflung schämen? Muss
nicht der Gedanke an die Grösse der Gefahr, an die Verantwor-
tung, die er trägt, in ihm den Entschluss erwecken, nun seiner-
seits alles zu thun, um auch ohne Achills Hülfe der Feinde Herr
zu werden? Und spricht auch Agamemnon sich in diesem Sinne
nicht aus, so hat doch Diomedes der veränderten Stimmung der
Achaeer am Schluss des neunten Gesanges Ausdruck gegeben;
seine Parole lautete: Aufnahme des Kampfes vor den Schiffen so-
gleich nach dem Erscheinen des Frühroths; Agamemnon selbst
kämpfe unter den vordersten (707—709). Wir dürfen danach in
der That eine mutbige Aufnahme des Kampfes erwarten, und es
nicht minder begreiflich finden, dass Agamemnon alles thun wird,
was in seinen Kräften steht, um dem Kampf eine günstigere
Wendung zu geben. Unbegreifliche Schwierigkeiten findet dabei
Jacob. Er will zwar allenfalls zugeben, dass das Auftreten Aga-
memnons aus dem kräftigen Zuspruch des Diomedes sich erklären
lasse, findet es aber unerklärt, woher das Volk, das jenen Zuspruch
nicht gehört, so plötzlich diesen Muth habe. “Aus dem Rufe der
Eris? Das könnte doch nur heissen, aus dem Aufbruche zu der
neuen Schlacht selbst, und damit wäre dann nichts erklärt.’ Es
bedarf nur der Hinweisung auf die ausdrückliche Angabe V. 11.
12 ᾿Αχαιοῖσιν δὲ μέγα σϑένος ἔμβαλ᾽ ἑκάστῳ καρδίῃ wre, um solche
Deutung zurückzuweisen. Unter der Voraussetzung der so ver-
änderten Stimmung verlieren die von Friedlaender aufgeworfe-
nen Fragen zum Theil ihr Gewicht. Aber auch die am Schluss
des achten Gesanges ausgesprochene Ansicht Hektors von der Lage
der Dinge rechtfertigt kaum dieselben. Allerdings denkt derselbe
im ersten Jubel über den gewonnenen Sieg Θ 175 ff. sofort an
die Erstürmung der Mauer und die Verbrennung der Schiffe. Aber
unter dem Eindruck der folgenden Wendungen des Kampfes und
dem seinen Siegeslauf hemmenden Einbruch der Nacht ist seine
Stimmung wesentlich ernüchtert, wie die Sorge vor einem nächt-
lichen Ueberfall Trojas selbst (521 f. vgl. 529) deutlich zeigt. Er
sieht seine nächste Aufgabe keineswegs darin, die Achaeer hinter
der Mauer eingeschlossen zu halten und den Sturm auf diese zu
wagen, redet vielmehr nur allgemein von dem am Morgen aufzu-
nehmenden Kampf bei den Schiffen, indem es sich entscheiden
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 49
soll, ob Diomedes ihn vom Schiffslager zu den Mauern Trojas
zurückdrängen oder selbst seinem Arm erliegen werde (530—534),
wenn er auch in stolzem Hochgefühl den Achaeern das schlimmste
Verderben verkündet. So bleibt nur das Bedenken, dass Zeus es
ruhig geschehen lässt, dass die von ihm selbst am vorhergehenden
Tage bewirkte Lage beider .Heere wieder völlig verkehrt wird,
ja selbst die Eris sendet, um den Achaeern Muth einzuflössen.
Die Langsamkeit, mit der Zeus seinen so energisch angekün-
digten Entschluss, die Achacer in die höchste Bedrängniss zu brin-
gen, ausführt, hat schon beim achten Gesange besondern Tadel
erfahren: wir haben dieselbe dort durch das Zusammenwirken
dreier Factoren: der in der vorhergehenden Erzählung gegebenen
Momente, des Gegensatzes innerhalb der Götterfamilie und des
nationalen Interesses des Dichters genügend erklären zu können
geglaubt. Hier tritt der zweite dieser Factoren ausser Wirksam-
keit: die Leitung des Kampfes ruht ausschliesslich in Zeus Hand.
Das nationale Interesse des Dichters bringt sich auch hier zur
Geltung, und in Uebereinstimmung mit diesem ist durch das achte
Buch (532 8.) dem Diomedes, durch das neunte (709) dem Aga-
memnon im Voraus eine bedeutsame Rolle in dem Widerstande
der Achaeer gegen Hektor zugewiesen. Dass Zeus selbst scheinbar
im Widerspruch mit sich durch Sendung der Eris in das achaeische
Lager diesen Widerstand fördert, kann allerdings auffallen. Aber
wenn Zeus die Fortsetzung des Kumpfes im offenen Felde will,
wenn er dem Agamemnon vor dem völligen Unterliegen noch eine
glänzende Aristie gestatten will und dies, wie Friedlaenders
Ansicht ist, aus dem nationalen Interesse des Dichters sich genü-
gend erklärt, so ist auch kein Grund, an der Sendung der Eris
besondern Anstoss zu nehmen, ja ein derartiges Mittel, den Muth
der Achaeer nach der Niederlage des vorhergehenden Tages zu
beleben, scheint mit der nächsten Absicht des Zeus durchaus in
Uebereinstimmung. Sendet doch derselbe Zeus auch im achten
Gesange, als Agamemnon verzweifelnd zu ihm fleht, von Mitleid
ergriffen, ein ermuthigendes Zeichen, in Folge dessen die Achaeer
wieder von Neuem siegreich vordringen. Die Wahl eines so ausser-
ordentlichn Mittels aber, den Muth zu entflammen, steht im
Verhältniss zu der Grösse des bevorstehenden Kampfes.
Wir finden demnach die Handlung des elften Gesanges im
Ganzen wohl in Uebereinstimmung mit den Voraussetzungen, welche
durch den achten und neunten Gesang gegeben sind, und auch in
der Art, wie dieselbe an das Vorhergehende angeknüpft wird,
keinen Grund zu besonderem Anstoss. Indem wir uns nun zu der
Prüfung des inneren Zusammenhanges des Gesanges wenden, haben
wir die beiden Haupthandlungen, welche derselbe enthält, einer
besonderen Betrachtung zu unterziehen.
Wir haben oben vermuthet, dass die Verwundung der Haupt-
Ameis, Anhang zur Ilias. 4
50 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung.
helden der Achaeer, und zwar in der Dreizahl, der Könige Aga-
memnon, Diomedes, Odysseus, ein durch die Sage selbst scharf
markiertes Ereigniss war, welches dem Sänger den Kern und die
Grundlage seiner Ausführung gab, die Verwundung des Machaon
und Eurypylos dagegen die freie Zuthat des Sängers, um die Sen-
dung des Patroklos zu Nestor mit der Schlacht in Verbindung zu
setzen. Die Gliederung nun jener Hauptmasse der Erzählung nach
den oben bezeichneten Wendepunkten des Kampfes: scheint im
Ganzen tadellos, der Fortschritt der Erzählung wohl motiviert und
geeignet, das Interesse des Hörers zu steigern. Gleichwohl bietet
die Ausführung mancherlei Anstoss und Bedenken. Zwar die von
Ribbeck gefundene Differenz innerhalb der Darstellung der Schlacht,
wonach in der ersten Hälfte derselben (bis 218) die Schlacht in
der Ebene vor sich gehe, unter Voraussetzung eines Grabens, in
der zweiten dagegen nur dem Scheine nach ebenda zu denken sei,
in der Sache aber an und in dem Lager, als eine Art Teichomachie
oder gar eine μάχη ἐπὶ ταῖς ναυσί, ohne Voraussetzung eines Gra-
bens, scheint uns unerwiesen. Ribbeck entnimmt seine Haupt-
gründe für diese Annahme einmal dem Widerspruch, dass nach
47 ff. die Wagen hinter der Schlacht zurückbleiben, im Verlauf
der Erzählung aber dennoch Wagenkimpfer und Wagen auf dem
Kampfplatz erwähnt werden, sodann dem plötzlichen Umspringen
der Offensive in die Defensive. In Bezug auf den letzteren Punkt
hebt er hervor den überraschenden Umschwung des Kampfes,
welcher gipfelt in dem Gegensatz von 181, wo die Achaeer bis
nahe dem Thor Trojas vordringen, und von 311 vgl. 569, wo
dieselben Gefahr laufen in jäher Flucht in das Schiffslager getrieben
zu werden, sodann die Acusserungen Agamemnons 277, Odysseus
315 über die den Schiffen drohende Gefahr, wozu, wenn die Scene
noch dieselbe war, wie während des Vordringens der Griechen auf
die Stadt, kein Grund ersichtlich sei, ferner die Muthlosigkeit des
Diomedes 317 ἢν, während die Schlacht noch auf das allerbeste
stehe, nur dass Agamemnon dieselbe verlassen habe, endlich das
Benehmen des Aias (557), welches nur erklärlich, wenn die Schlacht
schon ziemlich in der Nähe der Flotte war. Wir verweisen in
Betreff dieser Annahme auf die Widerlegung bei Hiecke, Düntzer,
Giseke und wenden uns zu der Betrachtung der Haltung des
Zeus bei der Leitung der Schlacht, welche mehrfach zu nicht un-
erheblichen Ausstellungen Anlass gegeben hat.
Nachdem Zeus durch Sendung der Eris in den Achaeern eine
lebhafte Kampfbegier entzündet, dann, nachdem sie sich am Graben
geordnet, ein arges Getümmel erregt, auch blutige Tropfen vom
Aether hat herabfallen lassen, lässt er zunächst Raum für die
glänzende Aristie des Agamemnon und hält auch Hektor dem Be-
reich der Geschosse und des wirren Kampfgetümmels fern (163 £.).
Erst als Agamemnon in glünzendem Siegeslauf die Troer zurüick-
Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung. 51
getrieben und diese in Gefahr sind unter die Mauer von Troja
gedrängt zu werden, steigt Zeus, den Blitzstrahl in der Hand, vom
Himmel herab und lüsst sich auf dem Ida nieder, um durch Iris
dem Hektor verkündigen zu lassen, dass er, so lange Agamemnon
unter den Vorkämpfern wüthe, sich zurtickhalten und nur das
übrige Heer zum Kampfe ermuntern solle; sobald aber Agamemnon
verwundet seinen Wagen bestiegen habe, wolle er Hektor die Ueber-
macht verleihen, bis er die Schiffe erreiche und die Sonne unter-
gehe (186 f.).
Neue Bedenken werden hier gegen die Aristie des Agamemnon
erhoben. So findet Jacob in derselben das Mass, welches die
Verherrlichung eines anderen Helden neben dem Haupthelden haben
muss, überschritten: Agamemnon werde in dem Erfolg seiner Thaten,
wie in seiner Furchtbarkeit, vor der nach Zeus Willen selbst ein
Hektor weichen muss, Achill vollkommen gleichgestellt. Weiter
tadelt Bernhardy, dass das eigentliche Thema Ayau&uvovog ἀρι-
στεία frühzeitig abbreche und ohne Einfluss auf den Verlauf des
Kampfes bleibe. Ungewöhnlich und auffallend ist die Bemerkung,
dass Zeus, den Blitzstrahl in den Händen, sich auf dem Ida
niederlässt, da er doch denselben gar nicht anwendet, während er im
achten Gesange, wo nichts derart bemerkt ist, davon verschwen-
derischen Gebrauch macht. Besondere Bedenken aber erregt die
Botschaft der Iris: einmal im Verhältniss zu den vorhergehenden
Versen 163 f., welche, wie Bernhardy bemerkt, durch dieselbe
werthlos werden, sodann im Verhältniss zu der folgenden Entwick-
lung der Dinge. Auffallend ist schon, dass Hektor nach Aga-
mernnons Entfernung zwar eine Zeit lang gewaltig unter den
Achaeern wüthet, kurz darauf aber in seinem Heldenlauf von Dio-
medes sehr empfindlich unterbrochen wird 354 fl. (Hiecke). So-
dann stehen 193. 194 im Widerspruch mit dem Rathschluss des
Zeus O 234. 235, wonach die Griechen bis zu den Schiffen fliehen,
dann aber sich erholen sollen (Lachmann), und noch mehr mit
den wirklichen Ereignissen, denn an demselben Tage ersteht Pa-
troklos an den Schiffen und jagt Achill die Troer durch seine
Stimme in die Flucht (Ribbeck). Endlich scheint auch die weitere
Thätigkeit des Zeus selbst mit der Botschaft der Iris nicht wohl
zu vereinigen. 336 stellt derselbe, nachdem Odysseus und Dio-
medes sich ermannt haben und wieder muthig gegen die Troer
vordringen, noch einmal das Gleichgewicht im Kampfe her, und
als Hektor von der anderen Seite des Schlachtfeldes zu der Stelle
eilt, wo Aias die Troer bedrängt, lässt er einen Kampf zwischen
beiden Helden nicht zu, weil er Hektor nicht mit dem bessern
Manne kämpfen lassen will, sondern treibt selbst den Aias zur
Flucht. “Zeus aber konnte dem Hektor nicht missgönnen dueivov
φωτί zu kämpfen, da er ihm nach Agamemnons Verwundung un-
eingeschränkten Ruhm zu geben verheissen hatte. Wozu brauchte
4*
52 Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung.
Hektor die Kraft von ihm, wenn er sie nicht anwenden sollte,
wenn Zeus dem Aias ohne sein Zuthun Flucht senden wollte?”
(Ribbeck). Andrerseits scheint selbst des Aias weiteres Verhalten
dem V. 544 Gesagten nicht zu entsprechen. “Denn das Gleichniss
vom Esel schildert ja gerade seine gegen alle -Hiebe unempfind-
liche Festigkeit, und 566. 570 erfahren wir, dass er sich nicht
einmal mit der Vertheidigungsstellung begnüigt, sondern den Troern
hart zusetzt” (Bischoff). — Wir beschränken uns auf eine nühere
Prüfung der hauptsächlichsten von den angeregten Bedenken. Dass
das Hauptthema des Gesanges frühzeitig abbreche, kann eigentlich
nur behaupten, wer von vornherein mit der Vorstellung an die
Untersuchung herangeht, dass er es mit einem Einzelliede zu thun
habe, in welchem eben die Aristie des Agamemnon den Mittel-
punkt der Handlung bilde; im Hinblick auf Zeus Absicht bei
Leitung des Kampfes aber würde man den Raum, den Agamemnons
Aristie einnimmt, eher zu gross bemessen finden können. Als eine
einzelne Phase ferner in einem Kampfe, der doch einmal mit dem
Unterliegen der Achaeer enden muss, kann der Heldenlauf Aga-
memnons einen wesentlichen Einfluss auf den weiteren Verlauf an
sich nicht haben; sofern er aber die Möglichkeit eines erfolg-
reichen Widerstandes gegen die Troer erweist, kann man indirect
demselben bei dem Widerstand des Odysseus und Diomedes eine
Nackwirkung beilegen. Dagegen hat man an der dem Zeus zu-
geschriebenen Thätigkeit bei der Leitung des Kampfes mit Recht
Anstoss genommen. Es kommen zuerst die V. 163 ἢ, in ihrem
Verhältniss zu der folgenden Sendung der Iris in Betracht. Erfolgt
das Herabsteigen des Zeus auf den Ida und die sich daranschlies-
sende Sendung der Iris passend auf dem Höhenpunkte von Aga-
memnons Heldenlaufbahn, da die Troer Gefahr laufen bis unter
die Mauer gedrängt zu werden, und ohne solches Eingreifen Aga-
memnons Erfolge Zeus Absicht vereiteln würden, so ist die natür-
lichste Voraussetzung, dass bis dahin Zeus nicht eingegriffen hat,
Hektor im Kampfe thätig gewesen ist, aber Agamemnons Helden-
lauf nicht ‚aufzuhalten vermocht hat. Die bestimmte Aufforderung,
die jetzt an ihn ergeht, selbst sich ausser dem Bereich des Kampfes
zu halten, lässt doch erwarten, dass er bislang dem Kampf nicht
entzogen ist. Seltsamerweise würde aber Zeus jetzt dem Hektor
durch Iris auftragen, was er schon 163 durch die eigne Einwir-
kung auf denselben thatsächlich herbeigeführt hätte, kurz durch
die Sendung der Iris werden die V. 163 ἔν, wie Bernhardy sagt,
werthlos. Diese Verse würden nur an ihrer Stelle sein, wenn der
Entführung des Hektor aus dem Kampfe durch Zeus unmittelbar
die Sendung der Iris folgte und zwar an die Stelle, wohin Hektor
durch Zeus Einwirkung geführt wäre, um ihn über Zeus Absicht
aufzuklären. So aber können beide Erzählungen schwerlich neben
einander bestehen. Beide sind aber an sich nicht ohne Anstoss.
Kritischer und exegetischer Anhang. .. Einleitung. 53
In V. 163 ἢ steht die Bedeutung von ὑπάγω — ὑπεέξάγω völlig
isoliert da; auffallendi st ferner die Wortfülle zur Veranschaulichung
des Schlachtgetümmels, wihrend doch ‘die gehäuften Bezeichnungen
zusammen kein rechtes Bild geben’ (Düntzer). Noch verdüchtiger
werden diese Verse, wenn ınan sie in dem Zusammenhange der
sie umgebenden Verse näher betrachtet. Voran geht denselben
eine durch einen Vergleich eingeleitete Schilderung der verheeren-
den Wirkung von Agamemnons alles niederwerfendem Ansturm auf
die flüchtigen Schaaren der Troer, ohne dass überhaupt von der
Thütigkeit des Hektor im Kampfe die Rede gewesen; sodann folgt
in V. 165 (= Π 372) ebenso unerwartet die im Wesentlichen
aus 154 wiederholte Angabe, dass Agamemnon unter ermuntern-
dem Zuruf an die Danaer gefolgt sei — man kann nur verstehen:
dem Hektor — als ob dieser dem Agamemnon unmittelbar gegen-
über gestanden hätte! Ueberdies zieht sich diese verwirrende Un-
klarheit bei einer auffallenden Breite der Darstellung, welche
Wiederholungen in nächster Nühe nicht vermeidet (vgl. 154. 165.
168. 177 und 170 mit 181), weit in die folgende Partie hinein,
so dass Düntzer nicht ohne Grund V. 163—180 als Interpolation
verworfen hat, ebenso Giseke. Nach alledem ist die Ursprüng-
lichkeit der Verse 168. 164 durchaus zu bezweifeln. Düntzer
verwirft überdies 181—184 unter der Annahme, dass die ursprüng-
liche Fassung durch ein Einschiebsel der Rhapsoden verdrängt sei.
Ob es so ungeschickt sei, Zeus gerade in dem Augenblick, wo
der Dichter ihn auf dem Ida haben muss, vom Olymp herab-
steigen zu lassen, darüber wird sich rechten lassen. Dagegen ist zu-
zugeben, dass es durchaus der homerischen Weise widerspricht, Zeus
mit dem ruhenden Blitzstrahl in der Hand vorzuführen, was um so
weniger hier passend erscheint, weil er im Verlauf des Gesanges
davon gar keinen Gebrauch macht. Dass er mit dem Blitz bewaffnet
herabfahre, weil er den Kampf gegen die widerstrebenden Götter
erwarte, wie Kiene meint, ist doch durch nichts motiviert.
Giseke schliesst in die vorher angenommene grössere Inter-
polation auch die Sendung der Iris mit ein, indem er in 163—218
einen lüngeren Cento sieht. Aber an sich scheint die Sendung der
Iris doch der Situation angemessen, da diese Massregel die Her-
stellung der Schlacht durch Hektor und die Verwirklichung von
Zeus Absicht passend vorbereitet. Bedenken erregt dieselbe aber
allerdings durch den Widerspruch, in dem die Anktindigung 193 f.
mit Zeus Verheissung O 232 ἢ und dem späteren Verlauf der
Dinge steht. Diese Schwierigkeit wird nicht beseitigt durch den
Einwand Jacobs, dass es unangemessen wäre, wenn Zeus dem
Hektor, der gerade jetzt seines vollen Muthes bedurfte, hätte
sagen lassen, die Achaeer würden ihm nachher doch von Neuem
Widerstand leisten: denn, wie Düntzer mit Recht dagegen be-
merkt, ihm etwas versprechen, was nicht in Erfüllung geht, durfte
54 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung.
er um so weniger, als er ohne dieses Mittel sehr wohl den Muth
Hektors anfeuern konnte. Ohne Zweifel liegt in der Botschaft der
Iris der Hauptnachdruck auf der Bestimmung des Zeitpunktes, bis
zu welchem Hektor sich vom Kampfe zurückhalten und von wel-
chem sein Heldenlauf beginnen soll. Von besonderem Gewicht aber
ist, dass Hektor 288 f. bei der Ermunterung der Troer einfach
sagt, dass ihm Zeus Ruhm verliehen habe: “hätte Zeus ihm wirklich
versprochen, er werde heute bis zu den Schiffen der Achaeer
dringen, so konnte er dies unmöglich übergehen’ (Düntzer).
Wenn wir daher die Verse 193. 194 auch P 454 f, — und zwar
dort an passender Stelle — lesen, so liegt die von Lachmann
aufgestellte und von Düntzer gebilligte Vermuthung sehr nahe,
dass dieselben einen aus jener Stelle entnommenen falschen Zusatz
bilden. Freilich ist diese Annahme nicht unbestritten. Köchly
behauptet dagegen unter Zustimmung von Ribbeck, dass die
beiden Verse vielmehr in P nicht an ihrer Stelle seien: ‘die Troer
kämen von da gar nicht mehr bis an die Schiffe, sondern nur an
den Graben, von wo sie Achilles verscheuche, und die Sonne werde
erst von Here zur Ruhe geschickt, nachdem die Troer schon in
die Flucht geschlagen und die Leiche des Patroklos ihnen abge-
nommen sei” Er behält daher die Verse in der Botschaft der
Iris bei und glaubt, dass der Schluss des Liedes, welches mit
Untergang der Sonne endigte, durch die Sendung des Patroklos
verdrängt sei. Indess scheinen die Widersprüche, welche Köchly
zwischen P 454 f, und der folgenden Erzählung findet, nicht so
erheblich, dass die Verse nicht für jene Stelle gedichtet sein kön-
nen, die Annahme aber, dass der elfte Gesang ursprünglich mit
Sonnenuntergang schloss, ist unerwiesen. Von anderer Seite be-
streitet Cauer, welcher dieselbe Ansicht über den Abschluss des
elften Gesanges aussprach, Lachmanns Annahme. Er findet in
der Streichung beider Verse eine bedenkliche Verstümmelung
des homerischen Gedankens, indem es nicht in der Art der epi-
schen Rede sei, den Gedanken, auf den das ganze Gewicht falle,
in vier Worten ohne rechte Bestimmtheit und in einem halben
Verse auszudrücken, besonders nachdem der Vordersatz, der eine
blosse Zeitbestimmung enthalte, in anderthalb Versen ausgeführt
sei. Aber dass auf die Bestimmung, wie lange Hektors Sieg an-
dauern solle, das ganze Gewicht falle, ist nach dem vorher Ge-
sagten eben zu bestreiten; überdies ist 288 ausser Acht gelassen,
die Frage endlich, ob die Worte τότε οἵ κράτος ἐγγυαλίξω einen
genügenden Abschluss geben, kaum objectiv zu beantworten. Wer
darin keinen genügenden Abschluss findet, mag mit Nitzsch V.
193 erhalten und nur 194 als falschen Zusatz aus P 455 strei-
chen: ‘es erfüllt sich die Bestimmung am Ende von M und zu
Anfang von N.’
So würde durch die Streichung der V. 193. 194 oder doch
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 55
des letzteren der Widerspruch mit der Erzählung der folgenden
Gesänge beseitigt sein, nicht aber die bezeichneten Differenzen
innerhalb des elften Gesanges selbst. Zunächst, dass Zeus trotz
der Verheissung an Hektor 336 die Schlacht wieder gleich spannt.
Nun sieht Bernhardy in 335—342 einen falschen Zusatz,
Düntzer verwirft gar 328—342. Die wichtigsten Bedenken gegen
den Zusammenhang sind, dass 343 αὐτούς (Diomedes und Odysseus)
ohne rechte Beziehung ist, da unmittelbar vorher nur von Dio-
medes die Rede ist, sodann, dass die verhergehende Verwundung
des einen Agastrophos kaum ein genügendes Moment sei, um
Hektors Aufmerksamkeit zu erregen und ihn zu veranlassen, sich
gegen Diomedes zu wenden, während das 326 f. bezeichnete mör-
derische Vordringen beider Helden eine weit geeignetere Ver-
anlassung ergebe, Hektor herbeizuziehen, Allein, mag man auch
335—342 oder 328—342 streichen, womit zugleich 368 und
373—375 fallen müssten, thatsächlich ist Hektors und der Troer
Uebergewicht gebrochen 326 f., thatsächlich das Gleichgewicht bei-
der Parteien für einige Zeit hergestellt, und es wird durch die
Streichung der Verse nur gewonnen, dass nicht direct auf Zeus
zurückgeführt wird, was er doch geschehen lässt. Noch befrem-
dender scheint der Widerspruch, in welchem die unmittelbar fol-
gende Partie, wo Hektor durch Diomedes Speerwurf betäubt wird,
mit der Verheissung des Zeus steht. Und doch, wo ist von Zeus
dem Hektor verheissen, dass sein Siegeslauf ohne Zwischenfall,
ohne Wendung des Kampfes sich vollziehen werde? Und sind nicht
in der früheren Erzählung gentigende Gründe gegeben, welche
einen solchen vorübergehenden Erfolg des Diomedes dem Hektor
gegenüber vollständig motivieren? Man gedenke der Art, wie
Diomedes im achten Gesange vor allen andern achaeischen Helden
im Widerstande gegen Hektor einzig hervortritt, wie Hektors
Hoffnungen und Befürchtungen für den Kampf des folgenden Tages
sich wesentlich um Diomedes drehen, und man wird es genügend
motiviert finden, dass der Dichter diesen Helden nicht vom Schau-
platze abtreten lassen wollte, ohne einen besondern Erweis seines
Muthes und seiner Kraft gegeben zu haben. Dabei ist aber wohl
zu beachten, dass auch hier Hektors Furchtbarkeit besonders be-
tont wird, wie der starke Ausdruck ῥίγησε 345 und die Aeusserung
des Diomedes 347 beweist.
In V. 540—544 sieht Nitzsch eine feine Rückbeziehung auf
den Zweikampf des Hektor und Aias im siebenten Gesange: ‘So un-
mittelbar wäre Hektor mit Aias nach der gegenseitigen Beschenkung
(η΄ 287) jetzt zuerst wieder handgemein geworden. — So mochte
Hektor d. h. liess der Dichter ihn nach einem gewissen Gefühl
der Scheu die Waffen lieber gegen Andere kehren. — Aias aber
musste seinerseits auch den Hektor drüben erscheinen und umher
walten sehen; und die Anwandlung von Furcht vor Hektor war
56 Kritischer und exegetischer Anhang. 4, Einleitung.
es, welche Zeus verstärkte und damit that, wie es heisst, Zeus
trieb den Aias zum Weichen.” So wäre die ganze Stelle, abge-
sehen von dem schon von den Alexandrinern verworfenen und in
den Handschriften gar nicht gelesenen V. 543, in bester Ordnung.
Allein es ist mit Recht dagegen bemerkt, dass, wenn wir die von
Nitzsch gemachten Voraussetzungen auch annehmen wollten, es
gewiss nicht homerisch wäre, solchen Gedanken zu verschweigen
(Curtius). Vor allem aber darf man fragen: wozu der ganze
vielversprechende Apparat 521—539 (man beachte namentlich die
‘hochtönende Beschreibung seiner Fahrt”, Giseke), wozu die Her-
beiziehung des Hektor auf den von Aias bedrohten Punkt unter
ausdrücklicher Betonung der von Aias drohenden Gefahr (526 fl.),
wenn Hektor gerade den Kampf mit dem, auf dessen Besiegung
alles ankommt, vermeidet? Diese Bedenken werden auch nicht
beseitigt durch das, was Friedlaender gegen Lachmann be-
merkt: ‘Die Voraussetzung, dass hier ein Kampf zwischen Hektor
und Aias erfolgen müsse, wäre gerechtfertigt in einem Gedicht,
das so kurz wie sein zehntes Lied und doch in sich abgeschlossen
sein sollte. In einem lüngern, das auf diesen Kampf im freien
Felde einen andern bei den Schiffen folgen st, ist sie nicht
gerechtfertigt. — Hektor durfte der Dichter, Aias wollte er ver-
muthlich nicht unterliegen lassen. Auch mussten beide unver-
wundet bleiben, um den Kampf bei den Schiffen fortzusetzen.”
Gegen das letztere ist von Ribbeck mit Recht geltend gemacht,
dass ein Kampf ja nicht mit dem Unterliegen des einen von beiden
hätte endigen müssen, selbst eine Verwundung nicht nothwendig
gewesen wäre. Auch Hieckes Versuch, die Schwierigkeiten zu
lösen, kann nicht befriedigen, da er in der That, so sehr er sich
dagegen sträubt, in die Stelle hineinlegt, was aus derselben nicht
zu entnehmen ist. Er sagt: ‘Auf dem Wege dahin mag Hektor
immerhin den Vorsatz gehabt haben, sich mit Aias selbst zu
messen; aber es giebt schon vorher mancherlei andere Kriegsarbeit,
und je näher er dem furchtbaren Gegner kommt, desto mehr steigt
unwillkürlich eine Bangigkeit und Scheu vor dem Kampfe gerade
mit diesem Gegner in ihm auf.’ So scheint alles dahin zu drängen,
dass wir mit Lachmann in 540—543 die Zuthat eines Inter-
polators erkennen, welcher fühlte, dass hier ein Kampf zwischen
Hektor und Aias hätte folgen müssen, der doch noch lange nicht
kommt: “warum der Kampf zunächst unterbleibt, ist ganz klar:
Aias vermeidet ihn’ (Ribbeck). Aber damit sind keineswegs alle
Zweifel erledigt. Es bleibt das Auffallende, dass Zeus, der Hektor
doch einmal κῦδος verliehen hat, hier an dessen Stelle eintritt,
während alle Erwartungen auf eine That Hektors Aias gegenüber
gespannt sind; und wenn wir auch annehmen wollten, dass mit
V. 544 nur dem Zeus beigelegt werde, was die natürliche Folge
von Hektors Herannahen sei, immer würde es nach dem Vorher-
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 57
gehenden nicht wohl begreiflich sein, dass Hektor nicht sofort dem
weichenden Aias nacheilt, um auch hier rasch die Entscheidung
herbeizuführen. Von der Radicalkur Düntzers, der 521—543
verwirft, sehen wir ab.
Fassen wir das Resultat der vorhergehenden Ausführungen
zusammen, so schwindet unter der Annahme, dass 163. 164 und
in der Botschaft der Iris 193. 194 interpoliert sind, ein grosser
Theil der Bedenken, welche gegen die Haltung des Zeus in der
Leitung der Schlacht zu erheben waren. Lautet die Verheissung
des Zeus an Hektor nur allgemein, dass er ihm, sobald Agamemnon
verwundet den Kampf verlassen habe, χράτος verleihen wolle, so
bleibt es dem Leiter der Schlacht unbenommen, einzelnen achaei-
schen Helden einen vorübergehenden Erfolg zu gestatten, wie -
Diomedes sogar gegen Hektor, ja selbst das Gleichgewicht im
Kampfe vorübergehend herzustellen. Ein bedeutender Anstoss aber
bleibt in dem Eingreifen des Zeus 544, zwar nicht an sich, aber
im Zusammenhange mit der vorhergehenden Erzählung, welche die
Erwartung durchaus auf eine That Hektors Aias gegenüber ge-
spannt hat.
Dieser Anstoss ist nun der eine Punkt, in ‚welchem Lach-
mann einsetzt, um zu erweisen, dass die Schlachtbeschreibung des
elften Gesanges ohne den nöthigen Abschluss sei, welchen er dann
aus den Gesängen # und O zu gewinnen sucht. “Hektor, sagt
derselbe, hat nach Agamemnons Abgang 284—309. 343—360 zu
wenig gethan, um das Versprechen des Zeus 192 zu rechtfertigen.
Aias auf der Flucht, oder thatenlos stehend, erregt Erwartungen
eines Schlusses, der aber fehlt. Endlich war Menelaus als thätig
angektindigt, er hat aber noch nichts gethan.” Und näher erläutert
den ersten Punkt Ribbeck: “Was (540 bei Annäherung Hektors)
erfolgen müsste, bliebe die Lage, wie sie ist, wird hinausgescho-
ben durch Aias Flucht, die ein Ende hat 595.” — Auf Eurypylos
Ruf eilen viele herbei, vgl. 592—595: ‘Jetzt haben wir ein Recht,
von Hektor weiter hören zu wollen: grosse Erwartungen über ihn
sind erregt, er ist der von Zeus begünstigte, und jetzt ist der
Augenblick, da er etwas Entscheidendes thun kann. An diesem
Knotenpunkt soll der Dichter abgebrochen haben, um auf Nestor
und Machuaon zu kommen, die auf den Gang der Handlung gar
keinen Einfluss üben oder mit ein paar Worten Achill zu berühren,
der jetzt bereits die Griechen ihm zu Füssen sehe?” Weiter sagt
derselbe über den Anschluss des zwölften Gesanges: “Der Anfang
des M passt nicht (zu dem hier gerissenen Faden), denn dort
brechen die Troer schon über den Graben, während die Kämpfe
in A entweder, wenn sie in der Ebene zu denken sind, damit
schliessen, dass die Achaeer noch weit vom Graben unter Aias
Anführung den Troem Widerstand leisten, oder aber von keinem
Graben etwas wissen, weil sie schon in der Nähe der Schiffe vor-
58 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung.
fallen’ Auch Cauer vermisst einen befriedigenden Abschluss des
Kampfes und vermuthet, dass das Lied mit Sonnenuntergang schloss,
und zwar so, wie es die Verheissung des Zeus (er verwirft 193.
194 nicht) andeute, dass die Achaeer vollkommen zurückgeworfen,
die Troer aber bei den Schiffen angelangt seien. In Folge der
Einschiebung der Teichomachie aber wurde der Schluss weg-
gelassen.
Da, wo im zwölften Gesange die abgebrochene Erzählung von
der Schlacht aufgenommen wird, ist die Lage der Dinge V. 2 fl.
allgemein bezeichnet als ein heftiger Massenkampf mit dem Zusatz:
“und nicht mehr sollte der Graben und die Mauer (die Troer)
zurückhalten’, V. 35 ff. aber bereits als heisser Kampf um die
Mauer, die Achaeer bei den Schiffen zusammengedrängt, Hektor
am Graben die Seinen zum Ueberschreiten desselben ermunternd.
Vergleichen wir damit die Situation in A, wo die Kampfbeschrei-
bung abbricht, nach Aias Rückzuge 596: ‘So kämpften jene gleich
dem flammenden Feuer”, so lässt sich nicht leugnen, dass zwischen
beiden Punkten eine Lücke in der Erzählung ist. Auch der Ab-
bruch der Erzählung in A hat etwas Unerwartetes. Nicht, dass
Aias nicht bereits genug gethan hätte. “Jedenfalls ist es nicht ein
Geringes, was Aias im elften Gesange leistet’ (Hiecke). Wohl
aber kann man sagen, dass, nachdem Aias aus der Bedrängniss
sich zu den Seinen gerettet und in der schützenden Nähe einer
grösseren Anzahl von Genossen wieder Front gemacht hat, die
Erwartung auf eine weitere Action desselben erregt ist. Aber auch
auf eine Hauptaction (wie ein Kampf mit Hektor), wodurch noch
ein entscheidendes Gewicht in die Wagschale gelegt werden könnte?
Nach allem, was vorhergegangen, ist der Punkt, wo noch eine
entscheidende Action zu erwarten wäre, vorüber. Auf der linken
Seite der Schlacht sind seit der Verwundung Machaons die Achaeer
im vollen Rückzuge begriffen; auf der anderen Seite ist durch
Zeus Einwirkung Aias, der letzte Hort der Achaeer, der die Troer
noch aufhalten konnte, unter schwerer Bedrängnis zurückgewichen,
es ist schwer genug geworden, ihn zu retten. Wenn derselbe jetzt
in die schützende Nähe der Seinen gelangt, wieder Front macht,
so ist kaum mehr zu erwarten, als dass er vielleicht noch eine Zeit
lang den Andrang der Troer aufzuhalten sucht. Das Uebergewicht
der Troer auf allen Seiten der Schlacht ist mit Aias Rückzuge
entschieden, die dem Schifislager drohende Gefahr wird dabei
zweimal betont (557. 569), mit Recht sagt Cauer, dass die
Schlachtbeschreibung da abbreche, wo die Niederlage der Achaeer
bereits entschieden, aber von den Troemm noch nicht bis in die
letzte Consequenz ausgebeutet sei. Danach ist auch klar, dass die
oben statuierte Lücke in der That keine grosse ist. Und auch diese
ist keineswegs unausgefüllt geblieben. Was nach dem vom Dichter
erzählten Gange der Schlacht als letzte Consequenz zu erwarten
Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung. 59
ist, vernehmen wir aus dem Munde des Eurypylos, der zuletzt die
Schlacht verlassen hat, 823. 824 vgl. 820: es giebt keine Rettung
mehr für die Achaeer, sie werden den riesigen Hektor nicht mehr
aufhalten können und in wilder Flucht in das Schiffslager stürzen.
Müssen wir so bezweifeln, dass 596 der Punkt sei, wo noch
eine Hauptaction, speciell ein Kampf zwischen Aias und Hektor
zu erwarten sei, so bleibt doch ein Punkt in Lachmanns Aus-
führungen zu Recht bestehen, wenn auch die daraus gezogene
Folgerung zu verwerfen ist. Es scheint in der That begründet,
dass Hektors Thaten der Verheissung des Zeus nicht entsprechen.
Zwar wird derselbe nach Agamemnons Weggang zunächst durch
eine Reihe der glünzendsten Thaten verherrlicht, 297 ff, aber von
da an tritt er auffallend zurück, Nach dem misslungenen Angriff
auf Diomedes, der dann durch Paris kampfunfähig gemacht wird,
verrichtet er zwar auf der linken Seite der Schlacht μέρμερα ἔργα
502, aber auch hier giebt die eigentliche Entscheidung Paris 504f.;
wieder eilt er auf den Punkt, wo Aias die Troer bedrängt, und
bringt arge Verwirrung unter die Achaeer, aber hier ist es Zeus,
der durch Aias Schreckung die entscheidende Wendung herbei-
führt, auch hier tritt Paris durch die Verwundung des Eurypylos
fast mehr hervor als Hektor. Mit einem Wort: zwar ist die erste
entscheidende Wendung des Kampfes zu Gunsten der Troer durch-
aus das Werk des Hektor, aber an dem zweiten Umschwung, der
die Schlacht überhaupt entscheidet, ist ihm ein verhältnissmässig
nur karger Theil zugemessen. Schwerlich kann Hieckes Versuch,
diese Bedenken zu beseitigen, befriedigen, wenn er sagt: “Und
wenn dies (was Hektor 502. 508 und 540. 541 thut) für ein
subjectives κράτος noch nicht ausreichend erscheinen sollte, so liegt
doch jedenfalls in der Flucht des Aias ein objectives κράτος, und
es wird dies um so mehr als das von Zeus durch Iris verheissene
κράτος anzusehen sein, als es ja eben Zeus selbst ist, welcher den
Aias zur Flucht treibt.” Es hilft auch nicht auf die im zwölften
Gesange und weiterhin folgenden Thaten Hektors zu verweisen;
wenn wir hier unter dem frischen Eindruck der dem Hektor ge-
wordenen Verheissung des Zeus sehen, wie derselbe beinahe vor
Paris zurücktritt, so sind wir gewiss berechtigt, daran Anstoss zu
nehmen. Anders steht es mit Lachmanns Forderung, dass auch
Menelaus in diesem Gesange noch weiter thätig sein müsse. In
Wirklichkeit besteht die von Lachmann betonte Ankündigung
seiner Thätigkeit “in nichts, als dass er Aias auffordert, dem
Odysseus zu Hülfe zu kommen A 464. Dies geschieht, und er
führt den Odysseus aus dem Getümmel an seinen Wagen 482.
Der Anktindigung, wenn es eine ist, entspricht also der Erfolg’
(Friedlaender). Anspruch auf ein besonders glänzendes Hervor-
treten hat Menelaos an sich nicht, am wenigsten neben Aias, auch
ist die Erwartung eines solchen in keiner Weise erregt.
60 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung.
Wir sind von zwei Seiten auf einen Punkt geführt, welcher
gerechten Anstoss zu erregen schien: sowohl die Untersuchung
über das Verhalten des Zeus in der Leitung der Schlacht, als
auch die über den Abschluss der Sehlachtbeschreibung ergab ein
Zurücktreten Hektors, welches theils in dem unmittelbaren Zusam-
menhange der Erzählung sehr auffällig, theils mit der Verheissung
des Zeus im Widerspruch schien. Es zeigte sich dies Zurück-
treten Hektors am auffälligsten Aias gegenüber, es beginnt das-
selbe aber schon in der Rrzühlung von Machaons Verwundung.
In dem Masse, als Hektor zurücktritt, wird Paris, der doch unter
den troischen Führern im Eingang 57 ff. nicht einmal erwähnt ist,
in den Vordergrund gestellt, indem er nach einander den Diomedes,
Machaon, Eurypylos kampfunfähig macht: besonderes Bedenken
erregt dabei, dass er diese Wirkungen in rascher Folge auf den
entgegengesetzten Seiten des Schlachtfeldes erzielt (Lachmann)
Es ist in Bezug darauf von Jacob geltend gemacht, dass Pa
als leichter Bogenschütz, sehr wohl in derselben auf einen nicht
weiten Raum zusammengedrängten Schlacht von einer Stelle zur
andern eilen konnte, wo er eben ein würdiges Ziel für sein Ge-
schoss erspäht hatte. In der That liegt zwischen den einzelnen
Acten genug Handlung, um das Bedenken wegen der räumlichen
Entfernung nieht zu gross anzuschlagen, aber dass es gerade Paris
ist, der hier überall die Entscheidung giebt, ist nicht ohne Anstoss,
und auch Friedlaender, der doch Lachmanns Ausführungen be-
kämpft, theilt denselben. So concentriren sich die Hauptschwierig-
keiten und Bedenken, welche die Schlachtbeschreibung erregt, vor-
zugsweise um die letzten Partien derselben, wo die Anknüpfung
der Sendung des Patroklos vorbereitet wird.
Im Besonderen sind nun gegen die Erzühlung von der Ver-
wundung und Entfernung des Machaon folgende Bedenken erhoben.
Schon in der Einleitung derselben findet Lachmann auffallende
Differenzen mit der folgenden Erzählung, so in den localen Be-
stimmungen 498 μάχης ἐπ’ ἀριστερὰ und 524 ἐσχατιῇ πολέμοιο und
den Angaben 499 f. und 528, ferner nimmt derselbe Anstoss an
der Erwähnung des Idomeneus und Nestor 501, denn ‘dies Lied
nennt die Helden nur, wenn sie thätig sind’, sowie dass Machaon
und Nestor die Schlacht verlassen, ohne etwas Namhaftes gethan
zu haben. Auch Bergk urtheilt, dass Idomeneus hier von dem
Diaskeuasten eingeführt sei und den Namen eines anderen Heros
verdrängt habe. Weiter nimmt Cauer Anstoss an der Motivierung
und der Art und Weise, wie Machaon aus dem Kampfe entfernt
wird. Motiviert wird seine Entfernung 509. 514 durch die Be-
sorgniss, er möchte, da die Schlacht sich gewendet, in die Hände
der Troer fallen: Cauer scheint die Sorge viel natürlicher, er
möchte durch seine Wunde, wenn nicht für immer, doch für lange
Zeit unfthig werden, seine Kunst zu üben, um so mehr, als der
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 61
Pfeil die rechte Schulter getroffen, also ohne Zweifel den rechten
Arm gelihmt hatte. Die Wegführung des Machaon aus der Schlacht
übernimmt auf Idomeneus Rath Nestor: Cauer meint: ein Ge-
vingerer wie Nestor hätte diesen Dienst ebenso gut, ein Jüngerer
ihn jedenfalls besser leisten können. Dass Idomeneus den Nestor
förmlich aus dem Kampfe fortschickt, lediglich um den verwun-
deten Machaon zu retten, scheint ihm nicht recht schicklich. Die
letzteren Bedenken stehen im engen Zusammenhange — und sind
auch nur in diesem verständlich — mit der von Hermann auf-
gestellten Vermuthung, dass die Erzählung von Machaon in den
Zusammenhang der 496 endenden Schlacht mit Agamemnons Aristie
ursprünglich nicht gehöre, sondern in den Anfang eines neuen
Liedes, welches 498 beginnend seinen Hauptkern in II habe, in
welchem aber Machaon gar nicht verwundet gewesen sei, sondern
lediglich als Arzt mit Nestor aus der Schlacht zurückkehrte. Die
dafür von Hermann geltend gemachten Gründe liegen nicht
in der Erzählung selbst, sondern in dem Verhältniss der weiteren
Erzählung zu dieser: Machaons Verwundung wird nur vorübergehend
erwähnt A 649. 663 ἢ, aber weder & 1—8, noch I125—27, wo
man eine solche nothwendig erwarten müsste. Ferner ist das
ganze weitere Verhalten desselben nicht das eines Verwundeten,
sondern das eines Gesunden: in Nestors Zelt thut er nicht nur
nichts zur Heilung seiner Wunde, sondern trinkt gar den erhitzen-
den Mischtrank. Diesen Ausführungen schliesst sich Cauer an,
indem er zu zeigen sucht, dass der ganze Zusammenhang der Er-
zählung von Machaon wesentlich gewinne, wenn wir die Erwähnung
der Verwundung hinwegdenken.
Dass Eurypylos lediglich verwundet wird, damit Patroklos
hernach im Lager mit ihm zusammentreffen und durch ihn über
die verzweifelte Lage der Achaeer unterrichtet werden könne, liegt
auf der Hand. Besondere Bedenken knüpfen sich an die Erzählung
von seiner Verwundung an sich nicht, abgesehen davon, dass es
auch hier wieder Paris ist, der sie bewirkt. Düntzer freilich
findet die ganze Darstellung wunderlich und macht noch besonders
geltend, dass, da diese Verwundung den weiteren Fortschritt der
Schlacht bezeichnen sollte, sie unmöglich vorher beschrieben sein
konnte.
Die bezeichneten Bedenken gegen die Partieen, welche die
Sendung des Patroklos vorbereiten, haben zum Theil eine nur
relative Bedeutung, manche derselben, namentlich der von Lach-
mann erhobenen, sind von vornherein zurückzuweisen. Vor allem
kommt es darauf an, ob es gelingt, die Sendung des Patroklos
an sich und im Zusammenhang mit den folgenden Gesüngen zu
rechtfertigen oder ob es unmöglich ist, dieselbe mit einem einheit-
lichen Plan der Dichtung zu vereinigen.
Der Schwerpunkt der gegen die Sendung des Patroklos er-
62 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung.
hobenen Bedenken liegt in dem Verhältniss derselben theils zu
dem Anfang des sechszehnten Gesanges, theils zu dem vorher-
gehenden neunten; aber auch die Erzählung im elften Gesange
selbst giebt nach ihrem Zusammenhange und in Einzelheiten Anlass
zu mannigfachem Anstoss. Im elften Gesange sendet Achill, von
seinem Schiff aus die Rückkehr des Nestor mit dem verwundeten
Machaon gewahrend, Patroklos zu Nestor, um zu erfahren, wer
der Verwundete sei und giebt damit, wenn gleich nicht ohne das
Gefühl der Befriedigung über die schwere Bedrängniss der Achaeer,
das erste Zeichen seiner erwachenden Theilnahme kund. Im Anfang
des sechszehnten Gesanges tritt Patroklos, von jenem Gange zu-
rückkehrend, heftig weinend zu Achill, worauf dieser ihn nach der
Ursache seiner Thränen befragend, zuerst die Vermuthung aus-
spricht, dass er eine für die Myrmidonen oder für ihn selbst
traurige Botschaft bringe und zuletzt erst auf den Gedanken
kommt, dass das Mitleid über die Noth der Achaeer die Ursache
seiner Thrünen sei. Patroklos sucht dann auf Grund des von
Nestor und Eurypylos Vernommenen (die Verwundung der Haupt-
helden, unter denen Eurypylos, aber nicht Machaon genannt wird)
nach Nestors Mahnung Achill zu bewegen, selbst in den Kampf
einzutreten oder doch ihn in den Kampf zu senden. Zweierlei muss
in diesem Gange der Erzühlung auf das Höchste befremden: ein-
mal, dass Patroklos sowohl wie Achill den Auftrag, den letzterer
jenem bei der Sendung zu Nestor ertheilte, völlig vergessen haben
und Achill erst zuletzt der Bedrängniss der Achaeer gedenkt, so-
dann, dass Patroklos alles, was seit seiner Sendung zu Nestor
geschehen ist, die Erstürmung der Mauer, den Kampf bei den
Schiffen und die Bedrohung dieser selbst völlig ignoriert und nur
die Verwundung der Haupthelden, die bereits in der Schlacht in
der Ebene erfolgt war, erwähnt. Indem Cauer aus den Fragen, die
der Dichter XVI, 7 fl. den Achill an Patroklos richten lässt, folgert,
dass derselbe damit nichts anderes habe zu erkennen geben wollen,
als gerade dass dem Helden alles eher am Herzen liege, als das
Schicksal der Achaeer, formuliert er jene erste Differenz so: ‘Die
Intention des Dichters des 16. Buches ist offenbar, recht lebendig
hervortreten zu lassen, dass die Initiative des Handelns ganz und
gar auf Seiten des Patroklos liegt. Im 11. Buche fällt sie dagegen
dem Achill zu.
Eine andere schwer wiegende Differenz besteht zwischen der
Sendung des Patroklos und dem neunten Gesange. V. 609 f. leitet
Achill seinen Auftrag an Patroklos mit den Worten ein:
νῦν ὀίω περὶ γούνατ᾽ ἐμὰ στήσεσϑαι ᾿Ζχαιοὺς
λισσομένους"
So kann Achill unmöglich sprechen, nachdem bereits in der
vorhergehenden Nacht die Gesandten Agamemnons unter dem An-
erbieten reicher Sühngaben seine Hülfe angefleht haben.
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 63
In der Scene in Nestors Zelt ist es besonders die Rede
Nestors, welche zu mannigfachen Ausstellungen Anlass giebt.
Dass die langathmige, an Verworrenheit leidende Erzählung von
seinen eigenen Jugendthaten 668—-762 eine ungehörige Interpo-
lation bilde, ist jetzt fast allgemein anerkannt. Aber auch der
Eingang der Rede leidet an Schwierigkeiten. So findet Cauer
einen augenfälligen Widerspruch zwischen 656 und 665: “dort
wundert sich Nestor, dass Achill Mitleid mit den Achaeern em-
pfinde, hier beklagt er sich, dass Achill kein Erbarmen habe.’
Ueberhaupt scheint ihm Nestors Rede keineswegs ursprünglich für
die Situation gedichtet zu sein, auf die sie gegenwärtig bezogen
erscheint, vielmehr in einer viel allgemeineren Tendenz. Von ge-
vingerer Bedeutung ist der Widerspruch zwischen 767—785 und
1 252—259.
Endlich ist das Verhalten des Patroklos dem’Eurypylos gegen-
über stark angefochten. Derselbe Patroklos, welcher eben in Ne-
stors Zelt so eilig war, dass er sich weigerte auch nur Platz zu
nehmen, führt, da er auf dem Rückwege den verwundeten Eury-
pylos trifft, diesen auf seine Bitte nicht nur in sein Zelt und be-
handelt seine Wunde, sondern bleibt auch, nachdem für die Wunde
alles Nöthige gethan ist, in traulichem Gespräch bei ihm, ‘so
lange als der Kampf um die Mauer dauert’, Ὁ 390 ἢ. Erst “als
er merkt, dass die Troer gegen die Mauer anstürmen’, bricht er
auf, aber erst im Anfange des 16. Gesanges tritt er vor Achill.
Die innere Unwahrscheinlichkeit dieser Erzählung liegt auf der
Hand. Ist es psychologisch zu rechtfertigen, dass Patroklos über
dem Mitleid mit Eurypylos die sich steigernden Motive, die ihn
zu’ schneller Rückkehr bestimmen sollten, gänzlich vergisst? seine
von ihm selbst betonte Scheu vor Achill, Nestors dringende Mah-
nung, die nach Eurypylos Bericht zunehmende Bedrängniss der
Achaeer? Und nun gar die Erstreckung dieses Aufenthaltes bei
Eurypylos bis O 390, da doch bereits am Ende des elften Ge-
sanges das Blut der Wunde gestillt ist, die Schmerzen nachgelas-
sen haben! Ebenso anstössig ist die Unklarheit der O 390 ff. für
die Dauer seines Aufenthaltes bei Eurypylos gegebenen Zeit-
bestimmungen, wo τεῖχος ἐπεσσυμένους 395 nicht den nothwendigen
Gegensatz zu τείχεος ἀμφεμάχοντο 391 bildet, vielmehr eine Wen-
dung wie 384 zu erwarten wäre, vor allem aber das Missverhältniss
dieser Bestimmungen zu den in den Büchern M bis O erzählten
Ereignissen. Ist mit dem τείχεος ἀμφιμάχεσϑαι der Kampf des zwöll-
ten Buches gemeint, ‘wie kommt es, dass im 15. Buch noch einmal
darauf Bezug genommen wird, nachdem der ganze Wechsel des Ge-
schicks dazwischen liegt, den Poseidon herbeigeführt hat?’ (Cauer).
Wir gehen bei der näheren Prüfung dieser zahlreichen gegen
die Sendung des Patroklos erhobenen Bedenken von dem Angel-
punkt der ganzen Frage aus, dem Verhältnis derselben zu dem
64 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung.
Anfange des sechszehnten Gesanges. Die eine Differenz, dass der
von Achill dem Patroklos ertheilte Auftrag, sich nach dem mit
Nestor aus der Schlacht zurückgekehrten Verwundeten zu erkun-
digen, sowohl von Achill, wie von Patroklos gänzlich ignoriert wird,
lässt sich, wie es scheint, befriedigend lösen. Einmal darf man
wohl mit Schneidewin sagen, dass die Verwundung des Machaon
und Achilleus Erkundigung durch Patroklos an sich unwesentlich
sind und deshalb leicht behandelt werden: ‘es kam dem Dichter
nur darauf an den Achilleus wieder hervortreten und den Patroklos
auf irgend eine schickliche Weise zum Nestor kommen zu lassen.”
Sodann scheinen in den seit der Absendung des Patroklos wesent-
lich veränderten Verhältnissen genügende Gründe zu liegen, um
die Ignorierung jenes Auftrages zu rechtfertigen. Es ist gewiss
psychologisch zu begreifen, dass Patroklos unter den tiefen Ein-
drücken, welche die Schilderung der Noth der Achaeer und die
Mahnungen Nestors, wie Eurypylos Bericht in ihm zurückgelassen
haben, sodann in Folge der unmittelbaren eiguen Rrkenntniss der
steigenden Bedrängniss bei seiner Rückkehr keinen anderen Ge-
danken hat, als Nestors Mahnung nachzukommen und mit drin-
gender Vorstellung Achill zur Aufnahme des Kampfes zu bewegen,
und darüber Achills Auftrag vergisst. Und andrerseits Achill, sollte
er, wie er den Freund ganz in Thränen aufgelöst sieht, an jenen
Auftrag denken und nach der Erledigung desselben fragen? In
der That, in dieser Situation ist dafür kein Raum. So weit wird
man ohne Bedenken Schneidewin, Nitzsch, Düntzer zustimmen
können. Anders steht es mit der Nichterwähnung des Machaon
unter den Verwundeten IT 23 ff. Allerdings gehört dieser nicht
zu den hervorragenden Helden, wie Agamemnon, Diomedes, Odys-
seus, und insofern könnte seine Erwähnung unwesentlich schei-
nen. Aber Gleiches gilt von Eurypylos, der genannt wird. Und
doch hatte Patroklos Grund genug, Machaon zu erwähnen! Gesucht
scheint die Art, wie Schneidewin die Uebergehung desselben
erklärt: “Allerdings schweigt Patroklos von Machaon, um nicht an
Nestor zu erinnern; er umgeht Machaons Erwähnung, um dadurch
nicht dem Achilles Nestors Aufforderung zum Kampfe zu ver-
rathen’ und weiter: “Das Schweigen von Machaon ist um so we-
niger befremälich, je weiter die zwischen Patroklos Absendung und
Rückkunft zum Achilleus eingelegten Erzählungen von den Kämpfen
ausgeführt sind.’ Und doch stellt sich Patroklos bei seiner Schil-
derung der Noth der Achaeer gerade auf den Standpunkt der
durch die Ereignisse des elften Gesanges herbeigeführten Situation,
wie sie ihm durch Nestor kundgeworden ist! Sowohl durch diesen
Zusammenhang, wie durch die 28 f. folgende Erwähnung der Thä-
tigkeit der Aerzte musste Patroklos unwillkürlich auf Machaon
geführt werden. Die Annahme jener diplomatischen Absichtlichkeit
aber in dem Schweigen von Machaon stimmt wenig zu der leiden-
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 65
schaftlichen Erregung, in welcher Patroklos tiefer Schmerz hervor-
bricht, überdies wusste Achill ja ohnehin, dass Patroklos von
Nestor kam, da er ihn selbst zu ihm geschickt hatte. Nicht so
sicher, wie Cauer will, lässt sich aus der Folge der Fragen, welche
Achill an Patroklos richtet, der Schluss ziehen, dass hier die Ten-
denz des Dichters eine ganz andere sei, als im elften Gesange.
Wenn Achill durch die Sendung des Patroklos das erste Zeichen
seiner erwachenden Theilnahme kundgiebt, so geschieht es nicht
ohne das Gefühl hoher Befriedigung, dass die steigende Noth der
Achaeer ihm die ersehnte Genugthuung bringen soll, nicht ohne
eine gewisse Schadenfreude. Im Anfang des sechszehnten Gesanges
aber ist der Ausgangspunkt für Achills Fragen der Anblick des
heftig weinenden Freundes und die dadurch in ihm erregte innige
persönliche Theilnahme für den Freund, die sich in dem Ver-
gleich ΠΟ 7—11 so rührend ausspricht. Diese “treibt, kann man
sagen, naturgemäss zunlichst den Gedanken hervor, dass irgend
ein schmerzliches Ereigniss ihn selbst oder die ihm zunächst ste-
henden Freunde betroffen habe. Immerhin kann, wenn auch ein
Keim des Mitleids mit dem Geschick der Achaeer in Achills Seele
hervorgebrochen ist, ihm der Gedanke noch fern liegen, solchen
heftigen Schmerzensausbruch mit der Noth der Achaeer in Ver-
bindung zu bringen. Für den, der noch vor wenigen Stunden
(I 615) von dem Freunde forderte: κάλον τοι σὺν ἐμοὶ τὸν κήδειν,
ὅς κ' ἐμὲ κήδῃ scheint es natürlich, dass er sich nicht wohl vor-
stellen kann, dass Patroklos so tiefen Schmerz um das Geschick
der Achaeer empfinde, worauf auch das ὑπερβασίης ἕνεκα σφῆς
II 17 weist. Erst Patroklos’ scharfe Mahnung weckt in Achills
Seele das volle Mitgefühl mit den Achaeern. Gleichwohl muss
man zugeben, dass für den Achill, welcher Patroklos vorher den
Auftrag ertheilt hatte, sich nach einem Verwundeten zu erkundi-
gen, der Gedanke an die Noth der Achaeer nicht so fern liegen
sollte, wie es hier scheint. Legen wir aber auch darauf kein
Gewicht, so bleibt doch das Unbegreifliche der Uebergehung des
Machaon in einem Bericht, der die Erwähnung so nahe legte,
sodann der von den Verfechtern der Einheit auffallender Weise
ganz unbeachtet gelassene Anstoss, dass Patroklos bei seiner Schil-
derung der Noth der Achaeer lediglich die bereits im elften Ge-
sange erfolgte Verwundung der Haupthelden erwähnt, und alles,
was inzwischen geschehen ist, völlig ignoriert, ein Anstoss, den zu be-
seitigen nicht wohl gelingen dürfte. Beide Momente aber ergeben einen
seltsamen Widerspruch: das letztere scheint den unmittelbaren An-
schluss des sechszehnten Gesanges an den elften nothwendig zu fordern,
das erste einem solchen zu widerstreben. Mit jenem hängen wiederum
die von Cauer ausgesprochenen wohlbegründeten Bedenken zusammen
gegen die Partie, welche die Verbindung zwischen der Sendung des Pa-
troklos und dem Anfang des sechszehnten Gesanges verstellt, 0390 fi.
Ameis, Anhang zur Ilias.
66 "Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung.
Lässt sich nun mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass der
Anfang des sechszehnten Gesanges, wo der entscheidende Wende-
punkt in der epischen Handlung eintritt, abgesehen von einzelnen
Erweiterungen in dem wsprünglichen Plane der Dichtung seine
feste Stelle hat, so wird von hieraus die Sendung des Patroklos
im elften Gesange allerdings wesentlich erschüttert. Dazu kom-
men die Bedenken, welche dieselbe sonst hervorruft. Vor allem
der Widerspruch, in welchem Achills Worte A 609 f. mit der
vorangegangenen Presbeia stehen. Zwar hat es nicht an Versuchen
gefehlt, dieselben zu rechtfertigen. So will Nitzsch das νῦν
scharf betont wissen und verstehen: jetzt erst; recht: ‘wie man
durch so ein betontes Jetzt im Sinze eine Vergleichung des vor-
liegenden mit einem früheren vollzieht”, und ähnlich meint Kiene,
dass Achill gerade in Folge der Presbeia um so eher erneuerte
und dringendere Bitten erwarten konnte, wenn noch grösseres Un-
heil über sie hereinbreche, nachdem sie sich einmal dazu ver-
standen hatten. “In der Lage ruhiger Erwägung, dass auch die
Ehre anderer eine zu tiefe Demüthigung nicht gestatte, war er
damals noch nicht” Und Nutzhorn muthet uns gar zu zu glau-
ben, der Dichter stelle sich den Achill vor, als übersähe er in
seiner Leidenschaft ganz und gar, dass Agamemnon sich ge-
demüthigt hat. Liesse sich letztere Erklärung vielleicht noch auf
Π 72 £. anwenden, so ist sie doch hier unhaltbar, wo nicht von
der Gesinnung des Agamemnon oder der Achaeer die Rede ist,
sondern von einer Handlung, einer Thatsache, die auch die Lei-
denschaft nicht ignorieren kann, wenn sie auch den Werth und die
Bedeutung derselben ignorieren könnte. Ebenso unhaltbar ist aber
Nitzsch’s Ausdeutung des vöv. Dieselbe würde vernünftiger Weise
nur dann möglich sein, wenn in den folgenden Worten eine Stei-
gerung dessen, was der Redende vergleichend im Sinne hat, ent-
halten wäre. Eine solche kann aber weder ‘in dem allgemeinen
᾿Αχαιούς der Thatsache gegenüber, dass die edelsten Fürsten von
Agamemnon an ihn gesandt waren, noch in der Wendung περὲ
γούνατ᾽ ἐμὰ στήσεσθαι λισσομένους gefunden werden, welche über-
dies im homerischen Sprachgebrauch vereinzelt dasteht und durch
ihre Seltsamkeit befremdet. Es bleibt in der That kein anderer
Ausweg, als entweder die Presbeia als ausserhalb des ursprüng-
lichen Planes der Dichtung stehend zu verwerfen oder die Ur-
sprünglichkeit dieser Worte zu bezweifeln. Nach den in der Ein-
leitung zum neunten Gesange gegebenen Ausführungen halten wir
die Presbeia für ursprünglich: mithin kann die Aeusserung Achills
im elften Gesange für uns nicht bestehen.
Auch die Differenzen innerhalb ‘der Erzählung von der Sen-
dung des Patroklos selbst und der sie vorbereitenden Partien sind
zum Theil nicht ohne Gewicht. In der Darstellung der Verwun-
dung des Machaon nehme ich vor allem Anstoss an der Ver-
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 67
knüpfung derselben mit dem Gange und der Entwicklung der
Schlacht. Zwar sind die meisten der von Lachmann erhobenen
Bedenken von geringerem oder gar keinem Gewicht, aber dass von
Machaons Verwundung die Entscheidung der ganzen Schlacht auf
dieser (linken) Seite abhängig gemacht wird, während die als
Hauptführer genannten Tdomeneus und Nestor ganz zurücktreten,
scheint doch nicht minder, wie die wiederholte Verwendung des
Paris, das Ungeschick eines Dichters zu verrathen, der um die
Verkntipfung der Sendung des Patroklos mit der Schlachtbeschrei-
bung verlegen war. Dazu kommen in V. 501—503 mehrere ver-
einzelte und auffallende Ausdrucksweisen, welche gerechten An-
stoss erregen, wesnalb Düntzer die Verse verworfen hat. Da
Machaon zunächst 506 durch ἀριστεύοντα als Kriegsheld eingeführt
ist, so kann die Motivierung seiner Entfernung durch die Besorg-
niss, dass er bei der bereits eingetretenen Wendung der Schlacht
als Verwundeter den Feinden erliegen möge, nicht befremden.
Auch dass Nestor von Idomeneus aufgefordert wird, den verwun-
deten Machaon aus dem Kampf zu bringen, hat nichts so Auf-
fallendes, da Nestor wohl am ersten entbehrt werden konnte. Viel
auffallender würde es dagegen sein, wie Düntzer mit Recht be-
merkt, wenn, wie Cauer annimmt, Machaon gar nicht verwundet
wäre und Nestor nur um seiner selbst willen zum Verlassen der
Schlacht aufgefordert würde und nur nebenbei Bedacht genommen
würde, auch Machaon der dringender gewordenen Gefahr zu ent-
ziehen. Im Gegensatz zu Hermann und Cauer nimmt Düntzer
geradezu an, dass Machaon hier, ganz anders als in 4, gar nicht
als Arzt gedacht sei und verwirft 508 f. und 514.
Ueber die Nichtbeachtung der Wunde des Machaon im Schluss
des elften Gesanges gehen die Vertreter der Einheit leicht hin-
weg. Es genügt ihnen, dass diese Verwundung für den Dichter
eine unwesentliche Nebensache sei, die deshalb leicht behandelt
werde; eine diätetische Vorsorge sei bei Homers Helden übel an-
gebracht; Homer muthe seinen Helden als Heroen einer alten
kräftigen Zeit viele übermenschliche Anstrengungen zu und lasse
sie manches ertragen, was er wohl den gewöhnlichen Menschen
seiner Zeit nicht zumuthen würde; die Verwundung sei unbe-
deutend; Machaon werde als Arzt schon für die Heilung seiner
Wunde gesorgt haben. Insbesondere sagt Schneidewin: “Gerade
das aber, dass Nestor den Machaon nicht eben als Verwundeten
behandelt — weshalb von der Wunde wenig die Rede ist —,
dass er Idomeneus’ Aufforderung zu Folge ihn bereitwillig aus dem
Kampfe führt, dass er die Rosse schneller antreibt, auf dass
Achilleus den Machaon nicht genau erkenne (vgl. 615): ist der
sicherste Beweis, dass der Dichter-bei der Verwundung des Machaon
nur künstlerischen Rücksichten folgte” Allein ein solcher
Verweis auf die höheren künstlerischen Rücksichten ist gerade hier
δ᾽
68 Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung.
um so weniger überzeugend, als der Dichter sich die Zeit nimmt,
gerade die leibliche Erquickung der Helden ausführlich zu be-
schreiben. In der That ist es schwer die Vernachlässigung der
Wunde mit der sonst überall im Epos hervortretenden treuen
Beobachtung der Natur und des Lebens zu vereinigen; zugeben
mag man, dass in dem Mischtrank die Kraft des Weines durch
die Zuthaten gemässigt war.
Die Eurypylosscene ist an und für sich gewiss treffend er-
funden. “Nestors Schilderung von der Noth der Achaeer bewahr-
heitet sich unmittelbar am Eurypylos’ (Schneidewin). Der un-
mittelbare Anblick des hinkenden, schweisstriefenden, blutenden
Helden, sein Bericht vom Stande der Schlacht, dass die Achaeer
nichts mehr retten kann, erhöht und verstärkt den Eindruck von
Nestors Mahnungen und bereitet Patroklos’ späteres Auftreten passend
vor. Im Zusammenhang des elften Gesanges ferner, wie wir ihn vor
uns haben, ist die Scene fast unentbehrlich, weil durch jenen Be-
richt des Eurypylos über den Stand der Schlacht allein die Lücke
zwischen A596 und dem Anfang des zwölften Gesanges ausgefüllt
wird. Endlich dient die Scene zur Charakterisierung des Patroklos,
von dem wir bis dahin noch so wenig gehört haben: gerade hier,
wo derselbe so bald nach ruhmreichem Kampfe fallen soll, scheinen
solche Züge edler Gesinnung besonders an der Stelle, um unsere
Theilnahme für denselben zu erhöhen (Nutzhorn). Gleichwohl
ist es schwer sich über die Bedenken hinwegzusetzen, welche der
Zusammenhang dieser Scene mit der vorhergehenden bei Nestor,
sowie mit der folgenden Entwicklung ergibt. Es ist bemerkens-
werth, dass Kiene das lange Verweilen des Patroklos bei Eury-
pylos nur durch den Eindruck von Nestors Erzählung 666—762
glaubt motivieren zu können. Denn er verwirft die Athetese jener
Erzählung ausser anderen Gründen auch darum, ‘weil nur so die
Umwandlung seines Gemüths sich rechtfertigt, dass er bei dem
Zusammentreffen mit dem verwundeten Eurypylos nicht mehr des
wartenden Freundes gedenkt, sondern nur der Leiden der Achaeer
und des Aufschubs, welcher für den Versuch zur Rettung veran-
lasst wird’ Nitzsch findet das Verweilen des Patroklos bei Eu-
typylos doppelt motiviert, einmal durch die Schwere der Verwun-
dung (811 ff.), sodann durch Eurypylos’ Bericht, wonach die Sache
so eben auf einem Punkte der Entscheidung und gespannten Er-
wartung stehe: so lange als dieser Stand noch obschwebt d. h.
der Kampf noch vor und bei der Mauer fern von dem Schiffs-
lager geführt wurde, mochte der Heilkundige dem Verwundeten
Heilmittel und Ansprache widmen. Die Ausdehnung dieses Auf-
enthaltes aber bis zu dem O 395 bezeichneten Zeitpunkte erklärt
er damit, dass Patroklos, mit Eurypylos beschäftigt, alle jene in
Μ--Ο erzählten Vorgänge nicht beobachtet noch gesehen. “Patro-
klos und Homer, sagt Nutzhorn, haben denselben Fehler: sie
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen. 69
sind immer wie Kinder und vergessen über das Nähere das Fer-
nere’, und Schneidewin bemerkt: ‘Mag es auffallend sein, dass
Patroklos trotz seiner Hast so spät zurückkehrt und nun seinen
Auftrag vergessen zu haben scheint: alle alte Poesie und vornäm-
lich die Epik verfolgt die Idee, die das Ganze als Kunstwerk
durchdringt, und opfert der Durchführung derselben oft die Pro-
babilität der Handlungen.” Mir scheinen solche Versuche der Recht-
fertigung gerade nicht geeignet, dem Genius Homers gerecht zu
werden. Wohl darf man vielleicht zugeben, dass die lebhafte
Theilnahme mit dem hülflosen Freunde noch genüge zu motivieren,
dass Patroklos trotz des Vorhergegangenen sich entschliesst den-
selben in sein Zelt zu geleiten und seine Wunde zu besorgen, und
soweit mag Nutzhorn’s Ausspruch berechtigt sein. Aber der
Aufenthalt bei ihm darüber hinaus lässt sich gewiss nicht recht-
fertigen. Es handelt sich dabei auch nicht um die Durchführung
einer das Ganze durchdringenden Idee, sondern es liegt ein Fehler
der Composition vor, den man homerischer Kunst nicht aufbür-
den darf.
Wir haben die wesentlichsten Anstösse, welche der elfte Ge-
sang bietet, verfolgt und auf ihre wahre Bedeutung zurückzuführen
gesucht. In den vorderen Partien der Schlachtbeschreibung ge-
nügte die Annahme einiger Interpolationen (163. 164 und 193.
194 = 208. 209), um die an die Sendung der Iris sich knüpfen-
den Bedenken zu beseitigen. Die Anstösse häuften sich, je mehr
die Erzählung sich dem Punkte näherte, wo die Schlacht endgültig
zu Gunsten der Troer sich entscheidet und durch die Verwundung
des Eurypylos und Machaon die Anknüpfung der Sendung des
“ Patroklos vorbereitet wird. Auffallend und wie es schien im Wi-
derspruch mit Zeus’ Verheissung war einerseits das Zurücktreten
Hektors, zumal da, wo durch die vorhergehende Erzählung die Er-
wartung durchaus auf einen Kampf desselben mit Aias gespannt
war, andererseits das wiederholte Hervortreten des Paris bei der
letzten Entscheidung der Schlacht zu Gunsten der Troer. Ins-
besondere erregte die Erzählung von der Verwundung Machaons
mehrfache Bedenken, theils durch Einzelheiten der Darstellung,
theils durch den Zusammenhang, in welchen sie mit der Ent-
wieklung des Kampfes gebracht wird, sowie dadurch, dass die-
selbe in der weiteren Erzählung fast völlig unbeachtet bleibt. Im
zweiten Haupttheil der Erzählung, der Sendung des Patroklos,
zeigte sich in. der Aeusserung Achills 609. 610 ein directer Wi-
derspruch mit der Presbeia des neunten Gesanges, befremdend war
auch die Haltung des Patroklos in der an sich trefflichen Eury-
pylosscene. Besondere Schwierigkeiten ergab endlich die Betrach-
tung des Anfangs des 16. Gesanges im Verhältniss zur Sendung
des Patroklos. Liess sich auch die gänzliche Ignorierung des dem
Patroklos ertheilten Auftrages aus der veränderten Lage der Dinge
70 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung.
und der besondern Situation noch erklären, so gab doch einmal
die Uebergehung des Machaon unter den Verwundeten einen nicht
zu beseitigenden Anstoss, sodann, dass Patroklos die Schilderung
der Noth der Achaeer gerade an die Ereignisse des elften Ge-
sanges anknüpft und alles, was inzwischen geschehen ist, ignoriert.
Die Einheit des elften Gesanges und die Ursprünglichkeit desselben
in allen seinen Theilen unterliegt demnach nicht geringen Be-
denken.
Sehr verschieden und widersprechend sind die Versuche von
den gefundenen Differenzen und Bedenken aus die ursprüngliche
Gestaltung der Erzählung zu erschliessen. Von denen, welche nicht
auf dem Standpunkte der Liedertheorie stehen, ist Düntzer in-
sofern am conservativsten, als er im Ganzen die Einheit des Ge-
sanges festhält, aber er kann dies nur unter der Annahme sehr
zahlreicher und ausgedehnter Interpolationen. Sein Verfahren ist
von Benicken in einer eignen Gegenschrift in eingehender Weise
bekämpft. Auch Schoemann findet die Quelle der zahlreichen
Differenzen nicht sowohl im elften Gesange, als in den folgenden.
Er nimmt vor allem Anstoss an der Häufung der Begebenheiten
vom Anfang des elften Gesanges bis zu Patroklos’ Auszuge, die
mit den Zeitangaben nicht zu vereinigen sind, so wie an dem un-
glaublich langen müssigen Verweilen des Patroklos in Eurypylos’
Zelte und urtheilt danach, dass alles vom Schluss des 12. Ge-
sanges bis O 390 eine spätere Erweiterung der ursprünglichen
Erzählung sei. Dagegen sieht Bergk zwar in dem ersten Theile
des Gesanges, der die Aristie des Agamemnon und die Verwun-
dung des Diomedes und Odysseus enthält, abgesehen von einzelnen
Zusätzen und Veränderungen, im Ganzen und Grossen alte Poesie,
des Dichters der Ilias würdig, aber die zweite Hälfte des Gesanges
scheint ihm kein Stück der echten Ilias zu sein. Indem derselbe
nämlich die hervorgehobenen Differenzen zwischen der Sendung
des Patroklos und dem Anfange des 16. Gesanges betont, und
daraus, wie Cauer, auf eine völlig divergierende Tendenz beider
Dichtungen schliesst, sieht er die ursprüngliche Fassung der Er-
zählung im Anfange des 16. Gesanges erhalten, wo Patroklos, der
die gefahrvolle Lage der Achaeer beobachtet hat, aus eigenem
Antriebe zu Achilleus eilt, dagegen in der Sendung des Patroklos
die Arbeit eines Nachdichters, der dem Achilleus selbst die Ini-
tiative beilegte.e Die Sendung des Patroklos ist ihm auch ältere
Poesie, liegt aber in der Ueberarbeitung des Diaskeuasten vor,
wodurch der Verlauf der wohl zusammenhängenden Erzählung will-
kürlich zerrissen wurde; derselbe hat die Begegnung mit dem ver-
wundeten Eurypylos hinzugedichtet, um das lange Säumen des
Patroklos wenigstens einigermassen zu motivieren.
Ebenso verwirft Faerber, welcher in den Gesüngen A—Z
ein einheitliches, in sich abgeschlossenes Gedicht erkennt, die Ver-
Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung. τι
wundung des Machaon und die ganze Sendung des Patroklos zu
Nestor (A 502—520. 596—848).
Nach Gentz haben wir in 4—O mehrere Lieder, welche
beabsichtigten den in A begründeten Plan fortzuführen und die
Noth, welche Zeus seinem Versprechen gemäss den Achaeern be-
reitet, zu schildern. Von diesen Liedern scheint ihm mit Voraus-
setzung von A allein gedichtet A 1—503 und 521—596. Unab-
hängig von M bis O, nicht aber von A, an welches Lied er frei-
lich nicht direct anschloss, nahm ein Dichter zum Thema die in
A angedeutete Katastrophe und dichtete die Patroklie I—Z. Die
Verbindung der Patroklie mit der vorhergehenden Schlacht ist
zeitig bewerkstelligt und zu dem Zweck die Verwundung des Ma-
chaon A 504—520, die Sendung des Patroklos durch Achilleus,
der Rath des Nestor zu der Bitte, die Patroklos in IT an Achill
richtet, und der Rest des Buches A, sowie © 390—405 nach-
gedichtet.
Nach Jacob besteht der elfte Gesang aus mehreren verschie-
denartigen Bruchstücken. In der Schlachtbeschreibung erkennt er
eine Paralleldarstellung zum achten Gesange: ‘Beide Gesänge stim-
men trotz ihrer Abweichungen in der Ausführung, dennoch in der
Grundlage der Erzählung selbst überein.’ Mit dieser Darstellung
wurde von den Ordnern die Sendung [des Patroklos verbunden,
eins von den Liedern, welche in verschiedener Weise das Auftreten
des Patroklos behandelten, und welches mit der weiteren Erzäh-
lung nicht im Widerspruch zu stehen schien, wegen des dem Nestor
darin zugeschriebenen Verdienstes aber den Pisistratiden besonders
willkommen sein musste.
Auf Grund seiner metrischen und rhythmischen Beobachtungen
kommt auch Giseke zu dem Resultat, dass die Sendung des Pa-
troklos nicht von demselben Dichter herrühren könne, der die
vorhergehende Schlachtbeschreibung gedichtet.
Sehr kühn sind die Versuche Lachmanns und seiner Nach-
folger die ursprüngliche Fassung der vorausgesetzten Einzellieder
herzustellen. Jener geht bei seinem Reconstructionsversuch na-
mentlich von den Bedenken aus, welche sich an den Punkt an-
schliessen, wo Hektor von der linken Seite der Schlacht zur Be-
kämpfung des Aias herbeieilt. Er vermisst hier einen befriedi-
genden Abschluss der Schlachtbeschreibung, findet diesen aber in
Stücken des 14. und 15. Gesanges, welche Hektor, Aias und Me-
nelaos im Kampf zeigen. Danach besteht ihm sein zehntes Lied
aus folgenden Stücken: A 1—71. 84—192. 195— 207. 210—496.
521—539. 544—557. #402-——425. 427—429. 432— 507. Ο 220.
221. 232— 257. 262— 269. 271—280. 306 — 327. 515 —590.
Aus den zurückgelassenen Theilen des elften Gesanges und an-
deren des funfzehnten aber bildet Lachmann sein vierzehntes
Lied: ‘Bruchstücke, die ein sinnreiches Beiwerk zu einer Teicho-
72 _Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen.
machie und eine vierte Schlacht bei den Schiffen enthalten’, näm-
lich 4 497—520. 558—848. Ο 281— 305. 328—366. 381—514.
Weiter noch geht Ribbeck in der Auflösung. Indem er
innerhalb der Schlachtbeschreibung selbst die oben erwähnte Dif-
ferenz des localen Standpunktes findet, sieht er bereits in diesem
Theil des elften Gesanges zwei ursprünglich gesonderte Partieen
durch die Diaskeuasten combiniert: die in der Ebene vorgehende
᾿Δγαμέμνονος ἀριστεία, aus der die Verse 1—-71 (oder nach neuerer
Ausführung 1—46. Lücke. 51—73) 84—149. 153—162. 166
178 (neuerdings 166—184) 211—217 (in der neueren Ausfüh-
rung bei Seite gelassen) entnommen sind, und das 218 beginnende
Lied von der Verwundung des Agamemnon, Odysseus und Dio-
medes, welches von Mauer und Graben nichts wusste und an und
in dem Lager spielte (nach neuerer Ausführung: 185—342. 3691.
373—496. 521—537. 544—547, darauf entweder 548—557 oder
558—565, endlich 566—595): die Diaskeuasten combinierten beide,
indem sie dem einen das Ende, dem andern den Anfang nahmen,
und setzten sie in mässige Uebereinstimmung. Im Uebrigen schloss
sich Ribbeck, jedoch nicht ohne mannigfache Abweichungen im
Einzelnen, an Lachmann an, stimmt jetzt aber Köchly in der
Constituierung des Schlusses bei. Dieser nämlich sieht zwar in
der Schlachtschilderung A 1-—595, abgesehen von einzelnen Inter-
polationen mässigen Umfangs, ein zusammenhängendes einheitliches
Stück, glaubt aber, abweichend von Lachmann, den passenden
Abschluss in N 136—155. O 615—622. Θ 335. 75—77. Ο 379,
380. © 337. Ο 623—629. @ 345—349. 342. 485—488 zu finden.
Das Ganze bezeichnet er als ᾿ἀγαμέμνονος ἀριστεία ἤτοι κόλος μάχη.
Für die übrigen Stücke des elften Gesanges hat sich in seinen
16 Liedern kein Raum gefunden.
Hermann und Cauer endlich suchen den Abschluss des
Liedes von der Verwundung der drei Helden nicht ausserhalb des
elften Gesanges. Der erstere findet das bis 596 reichende Lied
genügend abgeschlossen, am Ende nur durch die Erzählung von
der Verwundung des Machaon entstellt (498—520), letzterer glaubt,
dass der Schluss dieses Liedes durch die Diaskeuasten beseitigt
sei; ursprünglich habe dasselbe vielmehr so geschlossen, wie es
in der Verheissung des Zeus (193. 194) angedeutet sei: nachdem
die Achaeer vollkommen zurückgeworfen, die Troer bei den Schiffen
angelangt seien, habe die hereinbrechende Nacht dem Kampfe ein
Ende gemacht, Köchlys Lied ist ein Versuch, diese Annahme
praktisch durchzuführen. Die Sendung des Patroklos verbinden
beide mit der Hauptmasse des 16. Gesanges zu einem neuen Liede.
Die zwischen beiden bestehenden Widersprüche werden durch die
Annahme beseitigt, dass dies Lied in seiner ursprünglichen Fas-
sung weder von der Verwundung Machaons noch von der Absen-
dung des Patroklos durch Achilleus etwas gewusst habe, dass
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 18
vielmehr Machaon, ohne verwundet zu sein, lediglich in seiner
Eigenschaft als Arzt mit Nestor aus der Schlacht zurückkehrte,
und dass Patroklos nicht auf Achills Befehl, sondern aus eignem
Impulse sich bei Nestor nach dem Stande der Dinge erkundigte.
Danach constituiert Hermann unter mehrfachen Veränderungen des
Textes das Lied aus folgenden Stücken: A 498—501. 506. 508—
520. 618—848. O 390—404 und Buch II. Dieser Combination
stimmt Cauer im Ganzen zu, glaubt jedoch auch für die Bury-
pylosscenen in dem ursprünglichen Liede eine andere Gestaltung
annehmen zu müssen, etwa in folgender Weise: Patroklos trifft
den verwundeten Eurypylos, der ihn um Hülfe bittet; Patroklos
lässt sich nicht aufhalten und eilt weiter zu Achill. Um diese
Wendung des Gedankens zu gewinnen, streicht er von 833 an
den Schluss des elften Gesanges und knüpft die Worte, mit denen
Patroklos XV 399 f. den Eurypylos verlässt, gleich an des letz-
teren Bitte als Entgegnung an.
Schliesslich gedenken wir noch eines interessanten Versuchs
innerhalb des elften Gesanges die Spuren eines älteren Liedes von
eigenthümlichen Sagenelementen nachzuweisen und den Ursprung
desselben direct auf die Stadt Phokaea zurückzuführen*). 489 ff.
finden sich unter den von Aias erlegten Troern vier Namen, in
denen Emperius Beinamen des Hades erkannte: Pandokos, Ly-
sandros, Pyrasos und Pylartes. Daraus hatte Emperius ver-
muthet, dass hier die Spuren eines älteren Liedes vorlägen, in
welchem Aias in erfolgreichem Kampf mit dem Gott der Unter-
welt dargestellt gewesen sei, welcher nach dem bedrängten und
verwundeten Odysseus seine Hand ausgestreckt habe. In dem
473 ἢ, vorhergehenden Vergleich ferner wird Odysseus mit einem
verwundeten Hirsch verglichen, den Schakale zerfleischen, bis ein
Löwe herzukommt, die Schakale verscheucht und selbst den Hirsch
zerfleischt. Hieran anknüpfend zeigt nun Usener, dass das Bild
eines Löwen, der einen Hirsch zerfleischt, seit den ältesten Zeiten
von der bildenden Kunst mit Vorliebe behandelt ist und solche
Darstellungen von Assyrien aus durch die Phönikier auch zu den
Griechen gekommen sind. Die ursprüngliche Gestaltung dieser
Darstellungen war aber die, dass ein einen Hirsch oder ein an-
deres Thier zerfleischender Löwe durch einen zur Rettung des be-
drängten Thieres herbeischreitenden Bogenschützen verscheucht wird;
die Phönikier, Kyprier und Kilikier aber verstanden unter dem das
Thier zerfleischenden Löwen den Dümon der Unterwelt, welcher
um die Verstorbenen mit den guten Genien kämpft, der bogen-
spannende Retter (Herakles) ist der günstige Genius oder Gott,
welcher des Verstorbenen Seele den Händen der gierigen Unter-
welt entreisst. Danach vermuthet Usener, dass in dem jener
*) Ich berichte darüber in der Kürze nach dem philol. Anzeiger.
74 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen.
Stelle der Ilias zu Grunde liegenden älteren Liede erzählt war,
wie der Hades nach dem rings umdrängten Odysseus gleich einem
Löwen haschte, der herbeigerufene Aias aber als eine Art retten-
der Genius den Löwen (Hades) verwundete und verscheuchte. Da
ferner die bezeichneten Darstellungen auf Münzen von Phokaea und
dessen Kolonien vorkommen, Phokaea aber vermöge seiner aus-
gedehnten Handelsbeziehungen am ehesten phönicischen Aber-
glauben annehmen konnte, so schliesst derselbe Gelehrte geradezu,
dass jenes der homerischen Stelle zu Grunde liegende ältere Lied
in Phokaea entstanden sein müsse. Dass diese interessante Com-
bination freilich schweren Zweifeln unterliegt, ist schon von den
Referenten im Philologischen Anzeiger ausgeführt. Jetzt ist die-
selbe auch von van Herwerden bestritten, der nicht einmal die
zu Grunde liegende Beobachtung von Emperius gelten lassen
will, da von den angeführten vier Namen nur Πυλάρτης als Name
des Pluto sich nachweisen lasse,
Anmerkungen.
4. Unter πολέμοιο τέρας versteht Naegelsbach homer. Theo-
logie ἦν. 95 die Aegis, weil diese mit dem Gorgonenhaupt ver-
schen ist, welches selbst E 742 Διὸς τέρας αἰγιόχοιο genannt wird.
So Ameis zu E 593. Dagegen scheint zu sprechen, dass die
Aegis (vgl. O 308 ff.) im Kampfe als Schreckmittel dient, so wie
dass E 740 unter den auf der Aegis dargestellten, ihre Wir-
kungen veranschaulichenden Daemonen ἔρις selbst sich befindet.
Franke bei Faesi und Doederlein verstehen darunter nach
P 547 ff. den Regenbogen, ‘den sich die Phantasie des Dichters
von der kolossalen Gestalt der Eris (4 442 δ) am Himmel und
zwar gerade über dem Schiffslager der Achaeer und namentlich
dem Schiffe des Odysseus (3 u. 5) gehalten denkt. (Franke.)
Dafür spricht, dass P 548 der Regenbogen ausdrücklich als τέρας
(ἢ) πολέμοιο (ἢ καὶ χειμῶνος) bezeichnet wird. Allein schwer ist
mit der 4 442 f. doch auch zu ganz anderm Zweck gedichteten
kolossalen Gestalt der Eris die hier gegebene Art der Darstellung
zu vereinigen, die durchaus keinen Anhalt bietet die Erscheinung
derselben anders zu denken, als sonst die Götter gewöhnlich auf-
treten. Wie soll man namentlich mit solcher kolossalen Gestalt,
die das Haupt bis zum Himmel emporstreckt, es vereinigen, dass
sie nach beiden Seiten des Schiffslagers hinüberruft? Ueberdies
sendet Zeus die Eris mit diesem τέρας in den Händen zu den
Schiffen. — Anders Aristarch bei Aristonie. ed. Friedlaender
p. 185: "ἡ διπλῆ ὅτι πολέμοιο τέρας τὸν εἰδωλοποιούμενον πόλεμον,
τὸν ποιητικὸν τοῦ ἐνεργουμένου πολέμου᾽, unter Verweisung auf
“ Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen. 75
E 593 ἡ μὲν ἔχουσα κυδοιμὸν ἀναιδέα. Andere wie Aristophanes
verstanden den Blitz nach K 5, noch andere Erklärungen in den
Schol. Venet. bei Dindorf I p. 370. Autenrieth im Wörter-
buch unter τέρας: “Eris schüttelt — ihre Schlangen’? oder die
Aigis mit dem Gorgonenhaupt? Es wird gerathen sein zu dieser
letzten Erklärung zurückzukehren, welche am wenigsten Anstoss
bietet. — Ueber die Sendung der Eris vgl. die Einleitung p. 47 ff.
und dazu noch die gegen dieselben erhobenen Bedenken bei Bi-
schoff im Philolog. XXXIV p. 18.
6. Die Bildung von μέσσ-ατο-ς und verwandten behandelt
Ascoli in G. Curtius Stud. IX p. 349. Nach ihm wird von
der Gruppe der Ordinalzahlen aus (ἔνατος, δέκατος) -aro zum su-
perlativischen Ableitungssufix für Partikeln, welche an und für
sich einen Ort oder Grad bezeichnen (Im-«ro-g, ἔσχ- ατος) und
weiterhin für Adjeetive und Substantive, zumal für ‚solche, die den
Begriff eines Ortes oder Grades ausdrücken: so μέσσατος grade
in der Mitte einer Reihe (lat. mediozumus), vEF-aro-g der
letzte einer Reihe.‘
11 fl. Die folgenden Verse weisen auf B 451—454 als die
Originalstelle zurück. Die Alten erkannten das Ungehörige der
V. 13. 14, welche Aristarch, Aristophanes, Zenodot verwarfen:
vgl. Aristonie. ed. Friedlaender p. 185. Neuere verworfen wogen
der Nichtbeachtung des Anlauts F in ἑκάστῳ und der Abweichung
der Wendung ἔμβαλ᾽ — καρδίῃ von der gewöhnlichen Verbindung
ἔμβαλε ϑυμῷ zum Theil auch die vorhergehenden als nicht ur-
sprünglich: Hoffmann quaestt. Hom. IT p. 104 f. vermuthet ent-
weder: μέγα δὲ σϑένος ὦρσεν ἑκάστῳ, oder unter Verwerfung von
V. 12 0994’, ᾿4χαιοῖσιν δὲ μέγα σϑένος ἔμβαλε ϑυμῷ. Letztere
Vermuthung sucht Fulda Untersuchungen über die Sprache der
hom. Ged. p..48 f. als die allein richtige zu erweisen.
20. Ueber Κινύρης vgl. Preller griech. Mythologie Ip. 225
und Gladstone homer. Stud. p. 28. Letzterer vermuthet nach
dem Zusammenhang der Stelle, dass Kinyres sich durch dieses '
Geschenk von der Verpflichtung zur persönlichen Theilnahme am
Kriege loskaufen wollte, wie Echepolos #296, zwischen Kypros
und Agamemnon also eine Art Unterthanenpflicht bestand (B 108).
— Ueber die Herkunft solcher Kunstwerke, wie der hier genannte
Panzer bemerkt Brunn die Kunst bei Homer. München 1868
p. 7: “Ein grosser Theil dessen, was Homer vor Augen hatte,
mochte geradezu Erzeugniss fremder Kunst sein; und sicher ist
hier der Handelsverkehr der Phönicier bedeutend in Anschlag zu
bringen. Aber nach allem, was wir von ihnen wissen, dürfen wir
gerade bei ihnen am wenigsten eine ausgebreitete eigne Kunst-
übung voraussetzen. Sie waren Kaufleute, die damals den Markt
beherrschten und namentlich den Verkehr zwischen dem innern
Asien und Griechenland vermittelten. Von dort mochte zunächst
76 _ Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen.
die Masse der kunstreichen Arbeiten kommen, welche die Griechen
anfangs einfach als fremde Waare übernahmen.’ — Uebrigens hält
Bergk griech. Literaturgesch. I p. 600 die ausführliche Beschrei-
bung der Rüstung des Agamemnon für einen Zusatz des Bear-
beiters. Vgl. auch Bernhardy Grundriss ὙΠ, 1, p. 166, Jacob
über die Entstehung der Ilias und Odyssee p. 242 f, und dagegen
Nitzsch Beiträge zur Geschichte der episch. Poesie p. 382, wel-
cher bemerkt: ‘So gewiss als diese hebende Färbung des Auf-
tretenden als solche hier ganz an ihrer Stelle ist, so hat sie doch
einen andern Ton und Geschmack, in den gehäuften Zahlen der
Metallstreifen und der Mannigfaltigkeit dieser ein grobsinnlicheres
Streben, als dem Homer beizumessen richtig scheint.” Er glaubt,
dass Homer diese Schilderung aus dem der Erzählung zu Grunde
liegenden Einzelliede(Aristie des Agamemnon) herübergenommen habe.
24. Ueber κύανος bemerkt Riedenauer Handwerk p. 111
und 206: ‘Es scheint nur eine feinere Art Stahl also geheissen
zu haben, wie ihn die Griechen noch nicht herzustellen verstanden,
wie er aber bis jetzt sein frühstes Zeugniss aus dem zwölften
Jahrh. v. Chr. hat in den aegyptischen Basreliefs von Ramses ΠῚ,
indem dort die Waffen der Aegypter roth, die der Philistaeer blau
gemalt sind. Der Stahl wird ausdrücklich so nur genannt an dem
Schilde [auch am Panzer] des Agamemnon, einer kyprischen d.h.
phönieischen Arbeit und an den Wünden des phüakischen Königs-
palastes, an dem zweiten Schilde des Achilles und an dem des
Herkules.’ — 25. Cobet Miscellanea eritie. 1876 p. 380 will,
wie Bekker schreibt, hergestellt sehen χρυσοῦ καὶ ἐξείκοσι κασ-
σιτέροιο statt des handschriftlichen χρυσοῖο καὶ εἴκοσι. --- 26. Ety-
mologie und Gebrauch von δειρή erörtert Leo Meyer in Kuhn’s
Zeitschr. XXI p. 537 δ΄. — Hinsichtlich des Vergleichs bemerkt
Friedlaender Beiträge zur Kenntniss der homer., Gleichnisse I
p. 32 ἢ, dass, wenn das tertium comparationis nur die gekrümmte
Gestalt sein kann, diese durch ὀρωρέχατο κτὲ weit anschaulicher
ausgedrückt sei als durch igscorw ἐοικότες, da die Drachen eine
Wellenlinie gebildet haben müssen, Sehr auffallend ist ausserdem
τέρας μερόπων ἀνθρώπων: "nach homerischem Sprachgebrauch wird
τέρας mit dem Dativ dessen, dem das Wunderzeichen gilt, und
mit dem Genetiv des Urhebers oder dessen was es bedeuten soll,
verbunden.”
29 ff. Ueber die zwischen dieser Beschreibung des Schwertes
und dem ἀργυρόηλον B 45 waltende Differenz vgl. den Anhang zu
B 45 und Friedlaender zu Aristonic. p. 186. — 33. Neben
πέρι — ἦσαν gab es nach Herodian die andere Lesart περὶ —
ἦσαν, welche Cobet Miscellan. crit. p. 261 als Emendation
Aristarchs ansieht. — Ueber die κύκλοι am Schilde vgl. Gras-
hof das Fuhrwerk p. 31, Note 28, auch Riedenauer Handwerk
p. 110, Letzterer sieht auch in dem Schilde Agamemnons phö-
Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 77
nieische Arbeit: “denn dieser, wie jener (der Panzer) zeigt das
Schlangenornament, hier eine dreiköpfige, dort drei einköpfige, und
beide zeigen in der Verwendung von Metallstoffen, darunter der
Kyanos, Verwandtschaft” — ‘In dem Gorgoneion liegt eine Be-
rücksichtigung griechischer Vorstellungen — mag dies ein absicht-
liches Berücksichtigen durch phönicische Handwerker, oder ein
Vordringen und Eindringen griechischen Geistes und griechischer
Ansiedler nach Cypern zur Voraussetzung haben.’ — 36. Zu
βλοσυρῶπις vgl. den Anhang zu H 212, auch Schoemann opuse.
II p. 45. Ueber die an die Quantität von βλοσυρῶπις sich
knüpfenden metrischen Fragen vgl. v. Leutsch im Philol. XII
p. 25f. und Lutze de Homericorum carminum ratione strophica,
Sorau 1871 p. 5. — 36—40 werden als spätere Ausschmückung
verworfen von Düntzer in Jahrbb. f. Philol. Suppl. III p. 835,
unter Widerspruch von Giseke in den Jahrbb. f. Philol. Bd. 85
p- 510 und Benicken die Interpolationen im elften Buche der
Dias. Stendal 1872 p. 3.
39. Die Form ἐλέλικτο wird verschieden gefasst: Curtius
das Verbum I p. 189 stellt dieselbe als Aor. zu ἐλελίζω, vgl.
Buttmann Lexilog. *I, 130, Fick in Kuhn’s Zeitschr. XIX p. 252.
Cobet Miscellan. erit. p. 278 will hier und N 558 Fef&luxzo als
Plusquamperf. von Felsooäuev hergestellt wissen. N 558 verlangt
der Zusammenhang durchaus für die Form die Imperfeetbedeutung
und auch hier, wo die Darstellung eines Kunstwerkes beschrieben
wird, wäre der Aorist befremdend, vgl. ὀρωρέχατο 26; ἑλίσσεσϑαι
von der Schlange steht X 95.
40. Die Erklärung von ἀμφιστρεφέες ist gegeben nach Hoff-
mann homerische Untersuchungen No. 1. ἀμφί in der Ilias. Lüne-
burg 1857 p. 4.
AT. πρυλέες sind nach Aristarch pedites: vgl. Lehrs Arist.
®p. 118. WUebrigens ist das Wort nach Fick vgl. Wörterb.
®Ba. IL p. 145 unter pro-vel = mgo-Feh-ses Kämpfer, vgl. πρύ-
λι-ς Waffentanz und preliu.m = provel-iu-m. Schon Doederlein
Gloss. 8 446 erklärte es aus mgosılerol. — In V. 4T—55 erkennt
Giseke in den Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 505 einen Cento,
Düntzer in den Jahrbb. f. Philol. Suppl. III p. 836 ff. verwirft
dieselben als völlig ungehörig an dieser Stelle, so Benicken die
Interpolationen im elften Buche der Ilias p. 5ff., welcher nach
46 eine Lücke annimmt, in der das Ausrücken der Achaeer be-
richtet war, welche dann ein Rhapsode auszufüllen bemüht war.
Vgl. ausserdem Ribbeck in Philol. VIII p. 480 und in den Jahrbb.
f. Philol. Bd. 85 p. 78ff., welcher 47—50 den Diaskeuasten zu-
schreibt, und dagegen Hiecke über Lachmanns zehntes Lied der
Dias p. 12 und Benicken Karl Lachmanns Vorschlag etc. p. 39f.
— Ueber ὀλίγον 52 vgl. Aristonic. ed. Friedlaender p. 187.
55. Ueber die Wendung ἴΑϊδι προιάπτειν vgl. Doberenz
78 _ Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen.
interpretationes Hom. p. 24. — Eine Beziehung auf das Proömium
A 3 sieht in diesem Verse auch Bergk griech. Literaturgesch.
I p. 552 Anm. 3.
56 ff. Ueber das Locale vgl. Hasper Beiträge zur Topo-
graphie der homer. Ilias p. 36 und Hercher über die homerische
Ebene von Troja. Berlin 1876 p. 121. — Das Fehlen des Ver-
bums ist hier sehr hart, da wir auf das χκοσμηϑέντες 51 zurück-
greifen müssen; anders bei der Wiederkehr dieses Verses T 3,
wo V. 1 ϑωρήσσοντο vorhergeht. Friedlaender Analecta Hom.
p. 11 vermuthet Τρῶες δ᾽ αὖ κόσμηϑεν statt Τρῶες δ᾽ αὖϑ' ἕτέ-
ρῶϑεν, während Benicken das zehnte Lied vom Zorne des Achil-
leus vermuthet, dass das fehlende Verbum in ἀμύμονα 57 ver-
borgen liege, vgl. Giseke im Philolog. Anzeiger VII p. 184. —
V. 58. Das postpositive ὡς will Capelle im Philol. XXXVI p. 711
von dem sonstigen relativen Gebrauch der Partikel trennen und
als ursprüngliches so fassen, welches anaphorisch auf das vorher-
gehende Substantiv zurückweise: ein Gott so wurde er geehrt im
Volke. “So erklärt sich ungezwungen die Stellung, die bei der
Annahme ursprünglich relativer Bedeutung des ὡς in dieser Formel
mir sonst nicht leicht zu deuten scheint, und erscheint auch die
Nachwirkung des j natürlicher, als bei einem schon durch die re-
lative Entwicklungsstufe hindurchgegangenen de.” — V. 58— 61
enthalten eine Anzahl troischer Führer, die in der Schlacht selbst
gar nicht vorkommen: aus diesem Grunde und andern haben
Giseke in Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 506, Düntzer in den
Jahrbb. f. Philol. Suppl. III p. 835 die Verse verworfen unter
Widerspruch von Benicken die Interpolationen im elften Buche
der Ilias p. 4, welcher nur an 61 anstösst, wo ἐν πρώτοισι
dem 63. 64 folgenden Wechsel μετὰ πρώτοισι — ἐν πυμάτοισι
widerspreche, und in 61 eine andere Recension von 62—66
erkennt.
62. Ueber den doppelten Vergleichspunkt vgl. Düntzer
homerische Abhandl. p. 492. — Nach Aristonic. ed. Friedlaender
p- 188 lasen statt οὔλιος andere αὔλιος, welche Lesart Bergk im
academischen Progr. Halle 1861 p. 3 als die ursprüngliche her-
gestellt sehen will und mit Aristarch unter Vergleich von Apollon.
Rhod. IV, 1029 vom Abendstern versteht: “hoc enim nomine
agricolae et pastores haud dubie appellabant Vesperum, quoniam
sub id ipsum tempus, quo sidus hoc in celo apparet, greges in sta-
bula compelluntur; simillima appellatio ἐπιφάτνιος ἀστήρ, vid. Hesych.
ἐπιφάτνιος" ὃ ξωσφόρος dorng.” Vgl. denselben griech. Literatur-
gesch. I p. 860, Note 162: “wenn andere οὕὔλιος ἀστήρ lasen, so
verbirgt sich vielleicht der durch Krasis verschmolzene Artikel
οὔλιος. Gegen die von Aristarch bei Aristonikos gegebene, und
von Buttmann Lexilog. I *p. 178 begründete Deutung des
οὔλιος ἀστήρ auf den Hundsstern spricht auch Doederlein Gloss.
Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 9
$ 475 und erklärt selbst strahlenreich, was Bergk mit Recht
verwirft.
72. Hier nahm Lachmann Betrachtungen p. 37 Anstoss
an dem neuen Gleichniss: ‘Die Schnitter werden 72 plötzlich zu
Wölfen’, so wie an der folgenden Ausführung über Eris und die
Götter, denn mit 75f. stehe die Thätigkeit der Here und Athene
45 und der Athene 437 in Widerspruch, auch sei Iris bei Zeus
185. Mit Lachmann verwerfen 72—77 Düntzer in den Jahrbb.
£. Philol. Suppl. III p. 839, Benicken de carm. X p. 6, Jacob
über die Entstehung der Ilias und Odyssee p. 242, während
Ribbeck in den Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 82 doch 72. 73
ohne Anstoss findet. Giseke in den Jahrbb. f. Philol. Bd. 85
p- 511 dagegen sieht keinen zwingenden Grund zur Verwerfung
von 72—77, wenn er dieselben auch entbehrlich findet, und Nitzsch
Sagenpoesie p. 230.232 und Baeumlein in der Zeitschr. f. Alter-
thumswiss. 1850 p. 151 rechtfertigen dieselben. In der That ist
der Uebergang zu dem neuen Gleichniss nicht so plötzlich, da
vorhergeht ἴσας δ᾽ ὑσμίνη κεφαλὰς ἔχεν, beide Gleichnisse aber
könnten, da sie verschiedenem Zweck dienen, wohl nebeneinander
stehen. Auch der Schutz den 437 Athene dem Odysseus gewährt,
ist als Fernwirkung gedacht mit der Abwesenheit der Götter ver-
einbar; an die Götterbotin Iris wird man 75 am letzten denken,
da sie nicht selbständig am Kampfe sich betheiligt. Aber neben
anderem Auflallenden ist jedenfalls ein nicht hinwegzuräumender
Anstoss vorhanden: mit der vereinten Thätigkeit der Athene
und Here 45 steht die ausdrückliche Betonung des gesonderten
Aufenthalts der Götter in ihren besonderen Palästen 76f. in offen-
barem Widerspruch. Sind aber aus diesem Grunde 74—77 und
ohne Zweifel mit den Alten 78—83 auszuscheiden, so ergiebt
sich auch die Unmöglichkeit V. 72 und 73 zu erhalten: denn
wollte man 84. an 72. 73 schliessen, so würde in unmittelbarer
Folge derselbe Gedanke im Wesentlichen wiederholt werden, der
Gedanke, dass die Schlacht gleichgestanden. — 76. Als ursprüng-
liche Lesart macht Brugman ein Problem der homer. Textkritik
p. 32 und 143 wahrscheinlich οἷσιν ἐνὶ μεγάροισιν, was GLS geben
(A γρ. οἷσιν), an Stelle von σφοῖσιν Eviu. .Nauck hat οἷσιν in
den Text genommen. Vgl. den Anhang zu A 138 f.
78—83. ᾿Αἀϑετοῦνται στίχοι ἕξ, ὅτι ψεῦδος" οὐ γὰρ δύνανται
πάντες τὸν Δία αἰτιᾶσϑαι βοηϑοῦντα τοῖς Τρωσίν, ἀλλ᾿ οἵ τῶν Ἑλλή-
νῶν βοηϑοί. καὶ τὸ ὃ δὲ νόσφι λιασϑεὶς τῶν ἄλλων ἀπάνευϑε
καϑέξετο ὡς ἐπὶ ταὐτὸ συνηθροισμένων αὐτῶν λέγει᾽ προείρηκε δὲ
οἱ δ᾽ ἄλλοι οὔ σφιν πάρεσαν ϑεοί (75). ἀπό τε τοῦ Ὀλύμπου
οὐ παρεισάγεται ϑεωρῶν τὴν ἐπὶ τῆς Τροίας μάχην, ἀλλ᾽ ἀπὸ τῆς
Ἴδης, ὅϑεν διὰ τῶν ἑξῆς (188) μεταβαίνει εἰς αὐτόν’ Aristonic.
ed. Friedlaender p. 188 f. Dieser Athetese haben die Neueren
allgemein zugestimmt, auch Nitzsch Sagenpoesie p. 132. Giseke
80 _ Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen.
in den Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 506 bemerkt darüber: “sie
sind im besten Falle gelegentlich eingeschoben für V. 76. 77, wo
dann V. 75 einen andern Schluss bekommen hätte, und sind im
Wesen nur ein Cento.’ — Ueber eine Abweichung in der An-
wendung der Formel xvdei γαίων V. 81 von dem sonstigen Ge-
brauch vgl. den Anhang zu ® 51.
86. fi. Wenn die hier gegebene Zeitbestimmung von dem Ein-
tritt der Mittagszeit zu verstehen ist, so ergiebt sich zwischen
dieser Stelle und IT 777 ὄφρα μὲν Ἤξλιος μέσον οὐρανὸν ἀμφι-
βεβήκει der Widerspruch, dass es innerhalb desselben Tages, der
von A 1 bis Σ 240 währt, “zweimal Mittag wird’: vgl. Lach-
mann Betrachtungen p. 35, Benicken de carm. X p. 52, Schoe-
mann de reticentia Hom. p. 19 und in den Jahrbb. f. Philol.
Bd. 69 p. 18, Bonitz über den Ursprung der homer. Gedichte
30. 56, 71, Lehrs de Aristarch. ®p. 127f. Freilich ist diese
Deutung der Zeitbestimmung bestritten. Aristonie. ed. Fried-
laender p. 189 bemerkt die Lesart des Zenodot δόρπον zurück-
weisend: δεῖπνον καλεῖ ὃ ἡμεῖς ἄριστον' καϑ' ἣν ὥραν καὶ ὃ ὄρυ-
τόμος ἀριστοποιεῖται. Faesi deutete unsere Stelle von dem spü-
teren Vormittag, II 777 dagegen werde der Mittag selbst als
vergangen, der Abend aber als eben einbrechend bezeichnet;
ähnlich versteht Düntzer homer. Abhandl. p. 63f. unsere Stelle
von der mittleren Morgenzeit, um neun oder zehn Uhr, und
Nitzsch Beiträge p. 86, Anm. 133, Baeumlein in der Zeitschr.
f. Alterth. 1850 p. 149 vom späteren Morgen. Neuerdings aber
hat Düntzer in den homer. Fragen. Leipzig 1874 p. 196 zur
Lösung des Widerspruchs V. 84. 85 als aus andern Stellen un-
richtig wiederholt angenommen: “das ἦμος δέ fordert keine vor-
hergegangene Zeitbestimmung. Vgl. p. 404. ὃ 400.’ — Dass durch
die Wendung ὄφρα μὲν ἠῶς ἦν καὶ ἀέξετο ἱερὸν ἦμαρ die Zeit bis
_zum Mittag bezeichnet wird, geht aus dem dieser Wendung © 68
folgenden Gegensatze ἦμος δ᾽ ἠέλιος μέσον οὐρανὸν ἀμφιβεβήκει.
unwiderleglich hervor, ganz abgesehen von ı ὅ0 ff., wo derselben
Wendung auffallender Weise gegensätzlich folgt: ἦμος δ᾽ ἠέλιος
μετενίσσετο βουλυτόνδε vgl. den Anhang zu ı 54. 55. Danach
kann durch die 86 folgende gegensätzliche Wendung offenbar nur
die Mittagszeit bezeichnet sein. Dass andrerseits durch die
Wendung II 777 ὄφρα μὲν ἠέλιος μέσον οὐρανὸν ἀμφιβεβήκει eben
nur die Mittagszeit bezeichnet sein kann, und nicht der Mittag
selbst als vergangen, der Abend aber als eben einbrechend, er-
giebt sich zweifellos sowohl aus dem Gegensatze @ 68 zu 66,
wie aus dem Verhältniss von II 777 zu 779, da der Eintritt des
Spätnachmittags, der doch dem Einbruch des Abends noch vor-
hergeht, jener Wendung die ganze Zeit, wo die Sonne mitten am
Himmel steht, ἃ, i. Mittag und die erste Nachmittagszeit zuweist.
Auf eine lüngere Ausdehnung der in 84 gegebenen Zeitbestimmung
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen. 81
weisen auch, wie Schoemann bemerkt, die Worte ἐπεί τ᾽ ἐκο-
φέσσατο χεῖρας τάμνων, jedenfalls müsse die Wendung 86, so un-
bestimmt sie auch sei, von einer Zeit verstanden werden, wo der
Mittag nicht mehr fern sei. Mithin ist der bezeichnete Wider-
spruch anzuerkennen, und nichts berechtigt dazu denselben durch
Streichung von V. 84. 85 mit Düntzer zu beseitigen. — 88. Ueber
&öog vgl. Leo Meyer in Kuhn's Zeitschr. XXIT p. 475 £, welcher
wegen der sonstigen Dehnung des α in sämmtlichen angehörigen
Verbalformen vermuthet, dass ὦδος (mit vorhergehendem apostro-
phierten μάκρ᾽) zu schreiben sei, wie schon Heyne und Buttmann
Lexilog. ?IT p. 119 wollten. &dog ist die Schreibung Aristarchs,
vgl. La Roche Textkritik p. 179.
95. Düntzer in Jen Jahrbb. f. Phil. Suppl. IIT p. 840
vermuthet in V. 95—98 eine später eingeschobene Ausführung.
Diese Vermuthung ist als unbegründet zurückgewiesen von Gi-
seke in Jahrbb. f. Philol. 85 p. 511 und Benicken die Inter-
polationen p. 8.
100. Aristonieus ed. Friedlaender p. 189 bemerkt: ἡ διπλῆ
ὅτι ἔν τισι γράφεται ἐπεὶ κλυτὰ τεύχε᾽ ἀπηύρα. ἔσονται δὲ αὐ-
τοὶ οἵ νεκροὶ τοῖς στήϑεσι παμφαίνοντες" οὐ λέγει δὲ τοῦτο, ἀλλὰ
τοὺς ἐπὶ τοῖς στήϑεσι παμφαίνοντας χιτῶνας. Aristarch verband
also στήϑεσι παμφαίνοντας mit χιτῶνας. Dagegen bezog Nicanor
ed. Friedlaender p. 209 vgl. p. 112 παμφ. zu dem vorhergehenden
τούς und deutete den Ausdruck auf die Jugendlichkeit der Ge-
tödteten. Eine andere alte Erklärung, die des Grammatikers Pius
vgl. Philol. XXVIIL p. 87 ᾿τὰ στήϑη περιφαίνοντας᾽, ist in dem
Schol. A bei Dindorf I p. 376 näher erklärt: ἐπειδὴ, φησὶ, τοὺς
ἐπὶ τοῖς στήϑεσιν αὐτῶν χιτῶνας ἀφείλατο, γυμνοὺς καὶ φαινομένους
τοὺς νεκροὺς κατέλιπεν. Bei diesen Erklärungen nimmt Povelsen
emendationes locorum aliquot Hom. p. 15 ff. besonders Anstoss an
der für περιδύνειν vorausgesetzten Bedeutung — περιεκδύνειν, wo-
für allerdings die homerische Sprache keine Analogie bietet, und
erklärt daher unter Beseitigung des Komma nach παμφαίνοντας:
“Et hos quidem ibi reliquit Agamemnon, postquam pectori suo ful-
gentia arma ceircumdedit, mit der Erläuterung: Quoniam non
adest satelles, cui spolia tradat, tortiles tunicas oceisis detractas
thoraci suo superinduit, dum ad suos perveniat. Diese Erklärung,
wie alle übrigen verwerfend, fand Schneidewin in Philol. X
Ρ. 356 in den Worten eine unverkennbare Ironie, indem er er-
klärt: “Agamemnon liess beide Genossen am Erdboden liegen, die
nur mit ihrer nackten Brust weiss glänzten; denn ihre Waffen-
röcke, womit sie vorhin prächtig geglünzt, hatte er ihnen abge-
zogen.” Aber auch diese Erklärung hat den Beifall der neueren
Interpreten nicht gefunden, welche sich den Alten anschliessen,
und zwar Nicanor: Faesi-Franke: “Durch dieses Glänzen (die
glänzende Weisse) der Brust soll wohl ihre Jugend Ka 113—
Ameis, Anhang zur Ilias,
82 __Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen.
121) bezeichnet werden’, Doederlein: “candore pectorum nondum.
pilosorum splendentes ad primam aetatem oceisorum significandam”
ebenso La Roche, wührend Düntzer im Anschluss an Pius die
Bezeichnung auf die frische Jugend leugnet und die Worte nur
von dem Schimmer der nackten Brust versteht. — Es lässt sich
nicht leugnen, dass der Ausdruck παμφαίνων von der Erscheinung
des menschlichen Körpers selbst etwas Auffallendes hat: παμφαί-
vov wird sonst nur von dem Glanz der Gestirne, des Metalls und
metallener Waffen und Gerüthe gebraucht. Nahe liegt andrer-
seits der Vergleich von τεύχεσι παμφαίνων Z 513. T 398. Dart
man diese Wendung als dem Hörer geläufig voraussetzen, so kann
dieselbe mit der Veränderung στήϑεσι nur eine überraschende
Wirkung haben: der Hörer stutzt und nun löst der Dichter durch
den erklärenden Zusatz, ἐπεὶ — χιτῶνας die Differenz. Man kanı
vergleichen σ 354. 355, auch M 212, wo in ähnlicher Weise
ἐπεί die ironische Erläuterung einer überraschenden Angabe ein-
leitet. Die ironische Auffassung der Stelle wird gestützt durch
andere ironische Züge innerhalb des Gesanges: vgl. 162. 395. 453 f.
Auch der Verfasser des Artikels παμφαίνω im Lexic. Hom.
billigt die Schneidewin’sche Rıklärung. — Uebrigens ist Düntzer
in den Jahrbb. f. Phil. Suppl. III p. 841 geneigt mit 95—98
auch 99. 100 zu verwerfen. Mit ihm verwirft Benicken (die
Interpolationen p. 9) V. 100, hält dagegen 99 für notwendig.
104. Zenodot las hier ὅν ποτ᾽ statt ὥ or’, fasste danach
106 ποιμαίνοντ᾽ als Singular und bezog σφέ 111 nur auf den einen
Priamiden. Indessen zweifelt Brugman ein Problem der home-
rischen Textkritik p. 20f. an der Richtigkeit dieser Angaben. Zu
Aristonie. ed. Friedlaender p. 189 hieher gehöriger Bemerkung
vgl. Cobet Miscellan. erit. p. 291.
109. Die handschriftl. Lesart αὖ παρὰ οὖς hat wegen des
Hiatus Bekker mit Heyne in αὖτε mag’ οὖς verwandelt, vgl.
T 473 κατ᾽ οὖς. Eine Handschrift (L) bei La Roche hat παρ΄.
Nauck vermuthet αὖτ᾽ οὖας. “Vielleicht sprach man hier einst
παρ᾽ dag.’ G. Curtius Erläuterungen ®p. 70. — 110ff. Hier nimmt
Düntzer in den Jahrbb. f. Philol. Suppl. III p. 840 daran An-
stoss, dass 120f., wo gesagt ist, dass keiner der Troer den beiden
Priamiden das Verderben abwehren konnte, erst nach der Be-
merkung folgen, Agamemnon habe ihnen auch die Waffen abge-
zogen, sowie dass die Gefangenschaft zweimal erwähnt ist, und
verwirft 110—112. Zustimmt Benicken die Interpolationen p. 9;
Giseke in den Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 506 verwirft wegen
der Vernachlässigung des Digamma in εἶδεν 111. 112. — Ueber
zweitheilige Vergleiche, wie den folgenden handelt Düntzer homer,
Abhandl. p. 487 f, und über die reiche Abwechslung in den Ver-
gleichen auch bei gleichem Süjet Nitzsch Beiträge p. 337.
122. In der folgenden Erzählung von der grausamen Tödtung
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen. 83
der Söhne des Antimachos 122—154 sieht Düntzer in den Jahrbb.
£. Philol. Suppl. ΠῚ p. 841f. eine Eindichtung. Giseke in den
Jahrbb. f. Philol. 85 p. 611 rechtfertigt die Darstellung in
folgender Weise: “Die Lage der beiden Brüder rechtfertigt die-
selben gegen den Vorwurf der Feigheit: ihre Pferde waren schon
scheu, als Agamemnon auf sie los kam, ausser Stande sich zu ver-
theidigen bitten sie sogleich um Gnade, denn Tod bloss um des
Todes willen ist nicht homerische Art. Wir hören nur, was Aga-
memnon selbst noch sah, als er sie überraschte, dass sie beide
nach den Pferden griffen, weil ihnen die Zügel entfallen waren.
In der That sind die Zügel allerdings nur einem entfallen, “ihnen”
rechtfertigt sich aus dem Geiste Agamemnons, der sich nicht mehr
kümmerte, welcher von beiden sie gehalten hatte?” Auch Be-
nieken die Interpolationen p. 9. weist die Ausstellungen Dün-
tzers zurück, hält jedoch 127 ὁμοῦ bis 129 κυχηϑήτην für un-
echt (wo er in dem zweiten Halbverse von 129 für ἐναντίον —
ἀντίον schreiben will) und mit Ribbeck 150—152.
130. Gegen die Diürese der Patronymika auf — eiöng führt
W.C. Kayser im Philol. XVIIL p. 660#. diesen Vers an, welchen
nach Aristonikos zur Stelle Aristarch zwölfsilbig mass: vgl.
T 178. 182. Derselbe bemerkt treffend: “In dem grösseren Theile
des Verses spiegelt sich trefflich das ‘ängstlich zaghafte Benehmen’,
zu welchem die Jünglinge beim Anblicke des Grimmigen aus dem
wilden Laufe übergehen, in dem sie noch hoffen konnten ihrer
Thiere durch Geschick und Anstrengung Herr zu werden. Ihre
beiden Rosse stutzen, als der Gegner ihnen den Weg verlegt.
Wie: der Schluss des vorhergehenden Verses die ersten Versuche
Agamemnons versinnlicht, seinen Wagen in der Nühe seiner jugend-
lichen Opfer zum Stillstande zu bringen (ὦρτο λέων ὥς), so ist
der Molossus nicht minder geeignet, wie der Abschluss des Go-
dankens, den Eintritt der völligen Ruhe zu bezeichnen, das Ein-
treffen des Mannes zu markieren, der kein Bedenken trägt an den
Kindern schonungslos zu rüchen, was vordem ihr Vater verbrochen
hat. In ilm ist ihre Ker wirklich erschienen.” Vgl. auch Hess
über die komischen Elemente im Homer, p. 44 und Noeldechen
de imitatione in carminibus Hom. sono et ıhytlmo effectu. Berlin
1864 p. 42. Gegen die Annahme rein spondeischer Hexameter
spricht A. Nauck in den Melanges Greco-Romains IV p. 129,
welcher ausser ”4rgelöng auch öfpgoo zu schreiben empfiehlt.
135. Zur Auffassung von εἰ --- πεπύϑοιτ᾽ vgl. L. Lange der ho-
merische Gebrauch der Partikel εἰ, Ip. 444 ἢ,
138 ff. Ueber die Antwort Agamemnons “welche den Gegner
mit seiner eignen Waffe schlägt’ vgl. Gladstone homer. Studien
p. 3248, der damit passend χ 310—325 vergleicht. — Ueber
die Unverletzlichkeit der Gesandten in der heroischen Zeit vgl.
6*
84 _ Kritischer und exegetischer Anhang. Δ. Anmerkungen.
Sorgenfrey de vestigüs juris gentium Homerici, Leipz. 1871
p. 43 ff. — 142. Zenodot schrieb hier nach Aristonie, ed. Fried-
laender p. 190f. οὗ πατρός statt des aristarchischen und in allen
Handschriften gelesenen τοῦ πατρός. Zenodots Lesart nahm sich
schon Heyne VI p. 148 an, ‘indem er τοῦ πατρὸς — ἐκείνου τοῦ
πατρός für kaum homerisch hielt, ebenso Voss al hymn. in Cer.
153. Jetzt hat Brugman ein Problem der homer. Textkritik
p- 46 (vgl. Philolog. Anzeiger VIII p. 25 ἢ.) das οὗ des Zenodot
ὑμετέρου oder genauer σφωϊτέρου mit grosser Wahrscheinlich-
keit als die ursprüngliche Lesart gerechtfertigt: so T 322. ß 134
οὗ -- ἐμοῦ, π 149 οὗ —= ἡμετέρου, A 492 οὗ ἐμοῦ, wo jetzt
überall τοῦ gelesen wird, auch ® 412 ἧς = σῆς für τῆς. Die
ursprüngliche Beziehung des reflexiven Pronomens auf alle
Numeri, wie auf alle Personen ist durch die vergleichende Sprach-
wissenschaft erwiesen, Spuren dieses weiteren Gebrauchs sind im
Griechischen in jeder Periode der Sprache zu verfolgen. Dass man
an den angegebenen Stellen diesen freieren Gebrauch verkennend
für οὗ und ἧς die entsprechenden Formen des Artikels τοῦ und
τῆς einsetzte, wird abgesehen davon, dass hier ausdrücklich οὗ als
Zenodots Lesart überliefert ist, einmal dadurch höchst wahrschein-
lich, ‘dass die Wendungen wie τοῦ πατρός immer nur da vorkommen,
wo Bezug auf die erste oder zweite Person stattfindet, nie da,
wo der Ausdruck auf die dritte Person geht, wo allemal οὗ πα-
τρός steht”, sodann dadurch, dass “einzig auf Grund der fraglichen
Stellen dem Artikel eine Function (die possessive) substituirt
worden ist, die er sonst bei Homer nirgends hat.” Vgl. auch
Cauer in G. Curtius Stud. VII p. 150. Nauck hat ebenfalls
οὗ für τοῦ in den Text gesetzt. — Ueber λώβη und Synonyma
vgl. Mayer Studien zu Homer, Sophokles οἷο. 1874 p. 67 fl.
146f. Bekker homer. Blätt. II p. 57 ff. stellt mit den im
Homer vorkommenden Zügen von Rohheit, “die nicht entschuldigt
werden, doch aber auch keine besondere und eigenthümliche Roh-
heit der homerischen Menschen beweisen’ ähnliche aus der mittel-
altrigen Poesie und Geschichte zusammen, wo sie viel zahlreicher
sind. — 147. Zur Erklärung des Infinitivs »vAlvdssder vgl.
Meierheim de infinitivo Hom. Spec. I p. 50. — 151. An Stelle
des von den besten und meisten Handschriften gebotenen ἑππεῖς
δ᾽ ἱππῆας ([ππῆες δ᾽ D. Schol. AD ad A 168) ὑπὸ δέ σφισιν ver-
langte Lehrs quaest. Ep. p. 242, da die Form ἱππεῖς sich nur
an dieser einen Stelle findet, Immijeg δ᾽ ἱππῆας ὑπὸ σφίσι δ᾽, was
Becker und Nauck in den Text gesetzt haben. La Roche’s Be-
denken gegen diese Emendation in der Schulausgabe Anhang A
p- 143 sind von Ribbeck in der Zeitschr. f. G. W.XXV p. 450
mit Recht zurückgewiesen. — 152. Ueber den Gebrauch von ἐρί-
ydovmog und ἐρίδουπος vgl. Kopetsch de differentia orationis
Hom. et posteriorum epicorum in usu epithetorum etc. Lyck, 1873
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen. 85
p- 3. — 155. Zur Etymologie von ἄξυλος vgl. Clemm in G.
Curtius Stud. VIIT p. 100, welcher die verschiedenen Erklärungs-
versuche zusammenstellt und sich für die von H. Weber im
Philol. XVI, 680 gegebene erklärt, wonach das Wort aus W. ak
vermittelst ἀξ (in d$-ivn) gebildet ist und den Wald als den
starrenden, ragenden bezeichnen soll (vgl. Hesych. ὄξος" ὅλη).
163. Die Gründe für die Verwerfung von 163. 164 sind
in der Einleitung p. 52 f. auseinandergesetzt. Auch Nitzsch Bei-
träge p. 383 verwirft dieselben: “Der Diaskeuast wollte die
Wundermacht des rettenden Zeus recht beredt und stark zeichnen.”
Nach Düntzer in Jahrbb. ἢ Philol. Suppl. III p. 842 ff. reicht
aber die Interpolation bis 184, nach Giseke in den Jahrbb. f.
Philol. 85 p. 506 ff. gar bis 217, dagegen begnügt sich Benicken
die Interpolationen p. 12 ff. mit der Ausscheidung von 163. 164.
170. 171. 179. 180 und Ribbeck im Philol. VIII p. 483. ver-
wirft 163—165, 179. 180 und 181—210, vgl. denselben in den
Jahrbb. f. Philol. 85 p. 82f. und 85. Bekker hat aus dieser
ganzen Partie nur 179. 180 unter den Text gesetzt, nach dem
Vorgange der Alten: ᾿ἀϑετοῦνται ἀμφότεροι. καὶ ἀστερίσκοι παρά-
κεινται, ὅτι κατὰ τὴν Hergöxkov ἀρφιστείαν τάξιν ἔχουσι, νῦν δὲ οὔ"
προείφηται γὰρ πολλοὶ δ᾽ ἐριαυχένες ἵπποι κείν’ ὄχεα κροτά-
λιξον ἀνὰ πτολέμοιο γεφύφας (159). Ζηνόδοτος οὐκ ἔγραφεν.
᾿Αφιστοφάνης δὲ ἠϑέτει τὸν Argeldew ὑπὸ χερσίν A. Vgl. Ari-
stonic. ed. Friedlaender p. 191 Nitzsch Sagenpoesie p. 132
verwirft nur 180, Nauck nur 184. — Die ganze Partie von 150
—180 leidet an einer auffallenden Breite und legt allerdings den
Verdacht nahe, dass die ursprüngliche Erzählung mehrfach durch
Zusätze erweitert ist. Viermal wird, zum Theil in sehr ähnlichen
Wendungen, berichtet, wie Agamemnon die Feinde mordend unter
Geschrei verfolgt, vgl. 154. 165. 168. 177. 178. Vor allen geben
die V. 150—154 besondern Anstoss durch die hier mit einem Mal
hervortretenden ἱππῆες, wihrend nirgend angedeutet ist, dass
die 47 f. abgesessenen Wagenkämpfer die Wagen wieder bestiegen
haben. Diesen Anstoss zu beseitigen würde die von Ribbeck und
Benicken gewollte Streichung von 150—152 genügen, aber beim
Anschluss von 153. 154 an 149 stört das rasche Umspringen der
Erzählung von Agamemnon auf die Achaeer und wieder auf Aga-
memnon und die unmittelbare Folge des ἐνόρουσε und αἰὲν —
ἕπετο von Agamemnon. Dagegen ist der Anschluss des Vergleichs
155 fl. in dem einleitenden ἐμπέσῃ an das ἐνόρουσε 149 vortrefl-
lich: dann wird durch die Ausführung des Vergleichs 156. 157
die verheerende Thätigkeit des Agamemnon, die 158 #. ausgeführt
wird, passend vorbereitet, während dieselbe 153. 154 unpassend
antieipiert wird. — Auch V. 165 kann verdichtig scheinen, aber
nach dem of δὲ 161 würde nach Entfernung von 165 das 166
folgende οἵ δέ keine klare Beziehung haben. In der folgenden
86 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen.
Partie liegen abgesehen von 179. 180 keine entscheidenden Gründe
für die Annahme von Interpolationen vor.
166. Zur Interpunction der folgenden Verse vgl. Nicanor
ed. Friedlaender p. 210 und über die localen Bestimmungen Has-
per Beiträge zur Topographie der homer. Ilias p. 381. und den-
selben das alte Troja und das Schlachtfeld der homerischen Helden
p. T. — 173. Ueber νυκτὸς ἀμολγῷ vgl. den Anhang zu ὃ 841
und dazu Oertel de chronologia Hom. III p. 38 und Bursians
Jahresbericht 1874/75 p. 60.
185 ff. Ueber die Sendung der Iris vgl. die Einleitung p. 53 f.
— 186. Statt τὸν vermuthet Nauck καί. Ueber ἐνίσπες vgl.
den Anhang zu y 101. — 187. Ueber die Verbindung von ἄν
%ev.vgl. den Anhang zu ε 361. ὄφρ᾽ ἂν μέν κεν findet sich auch
ausser A202 in der Odyssee ε 361 und £259. Thiersch Griech.
Gramm. $ 346, 18 wollte an diesen Stellen κὲν in καί ändern,
Povelsen Emendationes Hom. p. 50ff. ἄν auswerfen, wie Bothe
& 361 gethan hat (2 Handschriften bei La Roche HL haben
ὄφρα μέν), dagegen vermuthet Nauck in den Milanges Gröco-
Romains etc. Tome III p. 15f., dass alte Diorthoten ὄφρ᾽ ἂν μέν
des Metrum wegen statt ἕως μέν gesetzt hätten, und ἦος μέν her-
zustellen sei. Vgl. auch van Herwerden quaestiunculae epicae et
eleg. p. 20. — 189. Ueber die Form ἀνώχϑω vgl. G. Curtius
das Verbum der griech. Spr. II p. 165f. — 192. Ueber die Bil-
dung des Conj. Aor. ἅλεται vgl. G. Curtius das Verbum der
griech. Sprache II p. ὅδ, auch Stier in G. Curtius Stud. II
p. 129. — 193. 194. Zur Verwerfung dieser beiden Verse vgl.
die Einleitung p. 54. Die Athetese ist begründet von Lach-
mann Betrachtungen p. 38, Benicken de Iliadis carm. X p. Sf,
angenommen von Düntzer in Jahrbb. f. Philol. Suppl. III p. 845
vgl. Benicken die Interpolationen p. 18#., Ribbeck im Philol.
VIII p. 481, beschränkt auf 194 von Nitzsch Sagenpoesie p. 251
unter Zustimmung von Hiecke über Lachmanns zehntes Lied
p. 16, bestritten von Cauer die Urform einiger Rhapsodien der
Ilias p. 13, von Köchly diss. VII p. 35f. unter Zustimmung von
Ribbeck in Jahrbb. f. Philol. 85 p. 73f. Die ganze Erzählung
von der Sendung der Iris endlich wird verworfen von Giseke in
Jahrbb. f. Philol. 85 p. 507 und 512 und von Bischoff im Phi-
lol. XXXIV p. 18.
199. Nauck in den Melanges Gröco-Romains IV p. 91 Β΄.
verlangt durchweg die Herstellung der dreisilbigen Form ἀγχόϑι
als der älteren und ausschliesslich poetischen an Stelle der zwei-
silbigen ἀγχοῦ, der jüngern und auch von einigen Prosaikern ge-
brauchten Form: ‘Gegen ἀγχοῦ spricht ein sehr triftiger Grund,
dass es nämlich bei Homer nicht eine einzige Stelle giebt, welche
die zweisilbige Form mit Nothwendigkeit fordert, wie es ohne
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen. 87
Zweifel der Fall sein würde, wenn die jüngere Form ἀγχοῦ der
homerischen Poesie bereits bekannt wäre.”
201. Die von den Alten als dorisch erklärte, aber als solche
sonst nicht nachweisbare Form des Dativs reiv findet sich ausser
dieser Stelle nur in der Odyssee: ὃ 619. 829. 1 560. ο 119. Vgl.
darüber Cauer in G. Curtius Stud. VII p. 104f. und Herzog
Untersuchungen über die Bildungsgeschichte der griech. und lat.
Sprache, Leipz. 1871 p. 125.
218. Ueber die Anrufung der Musen vgl. den Anhang zu
B 484 und ausserdem auch Nitzsch Beiträge p. 321.
234. Ueber die Bedeutung von ξώνη = ξωστήρ vgl. Lehrs
Aristarch. ®p. 122. u. Aristonic. ed. Friedlaender p. 193. Andere
verstehen ξώνη, wie B 479, von den Weichen. — 236. Den Ge-
brauch von πρίν im Sinne von zuvor, wie hier, erörtert Richter
quaestt. Hom. Chemnitz 1876 p. 7. — 239. Die Worte ὥς τε Alg
bezeichnet Nauck in der Ausgabe als verdächtig, vgl. denselben
im Archiv ἢ, Phil. u. Pädag. VII p. 580f.
241 ἢ, Gute Bemerkungen über die folgenden Verse giebt
Piechowsky de ironia Iliadis p. 108. Dagegen will Düntzer
in Jahrbb. ἔς Philol. Suppl. ΠῚ p. 846 V. 241—247 als Inter-
polation ausgeschieden wissen, vgl. dagegen Benicken die Inter-
polationen p. 22f. — V. 242 vermuthet Nauck οἷος ἄτερ statt
οἰκτρός, ἀπό. Zur Interpunction vergl. Nicanor ed. Friedlaender
p- 211, über den Begriff von dorög Riedenauer Handwerk und
Handwerker in d. hom. Zeiten p. 174. Ueber solche Acusserungen
des Mitgefühls, mit welchen der Dichter den Tod der Krieger be-
gleitet, spricht Nitzsch Beiträge p. 308. — Ueber κουρίδιος vgl.
den Anhang A 114. — Die Frage über die ἕδνα ist neuerdings
wieder erörtert von Cobet miscellan. crit. p. 239 ff, vgl. Naegels-
bach homer. 'Theol. ἦν. 255 fi.
248#. Die folgende Scene, wie Koon um die Leiche seines
Bruders Iphidamas kämpft, war auf dem Kasten des Kypselos dar-
gestellt, vgl. Overbeck Geschichte der griech. Plastik I 7Of,
auch Nutzhorn die Entstehungsweise der hom. Gedichte p. 56.
261—263 werden von Düntzer in Jahrbb. ἐς Philol. Suppl.
ΠῚ p. 847 verworfen, unter Zustimmung von Benicken die Inter-
polationen p. 23f.
269. Die Eileithyien treten in der Mehrzahl ausser dieser
Stelle noch T 119 auf, sonst in der Einzahl IT 187. Τ' 108. τ΄ 188.
Die Alten leiteten das Wort von der W. ἐλευϑ- ab, so Savels-
berg quaestt. lex. p. 35, Legerlotz in Kuhn's Zeitschr. VIIL
422, Welcker griech. Götterl. ΠῚ p. 113, was Preller griech.
Myth. I p. 319 auf die Form Ἐλευϑώ anwendend auf das hülf-
reiche Kommen der Göttin deutet, während er die Form Εἰλεί-
ϑυιὰ von εἴλω, εἰλέω, εἰλύω ableitend auf den pressenden, drün-
genden, wühlenden Schmerz der Entbindung bezieht. Diese Son-
88 Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen.
derung verwerfend, leitet Woerner in den sprachwissenschaftlichen
Abhandlungen hervorgegangen aus G. Curtius’ grammatischer Ge-
sellschaft, Leipz. 1874 p. 122 ff. beide Formen von ἐλύω winde,
krümme ab, indem er nach μινύϑω zu μινύω ein ἐλύϑω zu ἐλύω
voraussetzt. Danach sind ihm die Eileithyien «af εἰλείϑυιαι ὠδῖνες,
die zusammenziehenden, krümmenden Schmerzen der Mutter, die
Wehen der Geburt. “Von der letzten Wehe, welche das Kind zu
Tage bringt, heisst es IT 187 woyooroxog εἰλείϑυια ἐξάγαγεν πρὸ
φόωςδε, ähnlich T 103. — Während des Gebärens treten sie in
der Mehrzahl auf: A 269 f. T 119. Eine ganz neue Erklärung
giebt Fick vergleich. Wörterbuch ἽΠ p. 225 unter Ievedero frei,
indem er Ἐλευϑώ, Εἰλείϑυια (für Ἐλλευϑυια) zu ἐλεύϑερος und
lat. liber frei stellt und von Zu lösen ableitet. Ueber die weib-
liche Koseform auf ὦ vgl. denselben die griechischen Personen-
namen, Gött. 1874 p. XXII, und über die verschiedenen Formen
des Namens Ὁ. Schneider Callimachea I p. 281. — μογοστόκος
wird gewöhnlich erklärt aus μόγος und τίκτω und gedeutet von
Autenrieth: schmerzschaffend, von Suhle: die mit Wehen
gebären macht, dagegen aus magh, begaben, fördern, wozu
helfen (vgl. μῆχος, μέγας), von Fick vgl. Wörterb. SI p. 708
Geburt fürdernd, gebildet wie φερέσ-βιος. Meyer in G. Curtius
Stud. V.p. 95 ist geneigt zu theilen μογο --- στόκο und den zweiten
Theil zu W. stak contra ferire, arcere, repellere zu stellen, so dass
der Sinn wäre: Schmerzen abwehrend oder stillend, was Brug-
man in G. Curtius Stud. IX _p. 270 billigt. Die letztere Be-
deutung ist hier geradezu unmöglich, an den andern Stellen un-
wahrscheinlich. Die, welche in dem ersten Bestandtheil des Wortes
den Begriff des Schmerzlichen finden, haben unsere Stelle für sich,
sowie den späteren Dichtergebrauch, der das Wort in dem Sinne:
schmerzgebärend, mit Geburtswehen verbunden kennt. Indess ist
dieser nicht entscheidend, da ältere Worte von Spüteren nicht
selten missverstanden wurden, und kann uns derselbe nicht hin-
dern die Fick’sche Erklärung anzunehmen, für welche entscheidende
Gründe sprechen. Einmal die Verbindungen μογοστόκος Εἰλείϑυια
ἐξάγαγε πρὸ φύωσδε Π 187 und φόωσδε — ἐκφανεῖ T 103, wo
das Attribut in dem Sinne “Geburt fürdernd’ so treffend sich in
den Zusammenhang fügt. Wenn ferner, wie wir nach Woerner's
Auseinandersetzung nicht zweifeln, εἰλείϑυια selbst den Begriff der
schmerzlichen Wehen enthält, so ist die gleiche Bedeutung des
Attributs nicht eben wahrscheinlich. Dass der von Fick gefundene
Begriff bei den Eileithyien nahe lag, zeigt auch 7 119 ᾿Δλχμήνης
δ᾽ ἀπέπαυσε τόκον, σχέϑε δ᾽ Εἰλειϑυίας. --- Bei βέλος 271 mag
man erinnern, dass das alte Kultusbild der Hera zu Mycene Bogen
und Fackel führte, welche Attribute aller Wahrscheinlichkeit nach auf
die Verehrung derselben als Εἰλήϑυια, wie in Argos, deuten, vgl.
Preller griech. Mythol. I p. 113. — In V. 272 nimmt Cobet
Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen. 89
Miscell. erit. p. 575 Anstoss an der Elision des Diphthong αἱ in
ὀξεῖαι und schlägt vor, wie übrigens schon Bentley vermuthet
hatte, zu schreiben: ὡς ὀξεῖ ὀδύνη δῦνεν μένος, übrigens sei der
Vers nach 268 auch zu entbehren. Vgl. die Ausführung von
Spitzner Exeurs. XIII p. XXIX ff: de diphthongorum elisione.
274. Ueber ἤχϑετο κῆρ hier und 400, beidemal von Ver-
wundeten, vgl. Fulda Untersuchungen über die Sprache der ho-
merischen Gedichte p. 63: “die Schmerzen werden nur als so stark
dargestellt, dass die geistigen Functionen dadurch gelähmt würden.’
275. Ueber die gegen diese Worte Agamemnons erhobenen
Bedenken vgl. die Einleitung p. 50, insbesondere Ribbeck im Philol.
VII p. 482 und in Jahrbb. f. Philol. 85 p. 77 und dagegen
Düntzer in den Jahrbb. f. Philol. Suppl. III p. 847 f£. und Be-
nicken die Interpolationen p. 24 ἢ, — Nauck in den Mtlanges
Gröco-Romains VI p. 45 verwirft γεγωνώς, wie überhaupt das
Perfect γέγωνα, und will dafür das sonst belegte Adjectiv γεγωνός
“hörbar, vernehmlich’ an die Stelle setzen.
297. “Unter den 24 Vergleichen, in welchen Hektor uns im
Gedichte vorgeführt wird, entsprechen 17 dieser (auch in den At-
tributen vorherrschenden) Anschauung von leidenschaftlicher
Kampfhitze.” Happe der homerische Hektor. Coblenz 1863 p. 13.
Vgl. N 802. 0 605. 624. 4305. M 40. A 297. N 688. 53. O 690.
X 308. 0 605. P 565. N 53. 688. P 87. Σ 154. T 423. —
298. Ueber ἰσειδής vgl. Goebel in Zeitschr. für Gymn. 1855. IX.
p. 535. — 219. Ueber die formelhafte Frage vgl. Nitzsch Bei-
träge p. 384 Anmerk.
(801 f Friedlaender über die kritische Benutzung der
homerischen Homonymie in den Jahrbb. für Philol. 71 p. 544 ver-
muthet, dass das hier folgende Namensverzeichniss später sei als
Ο 419 (KAvriog) und 525 (4όλοψ), wo die Namen fest in die
Erzählung verflochten sind. “Dem Verfasser dieses Verzeichnisses
im elften Gesange haben die Namen jener Verwandten des Priamos
im funfzehnten vorgeschwebt, und er hat aus zweien derselben
eine dritte Person zusammengesetzt um einen Vers zu füllen.” —
Zum Vergleich 305 #. vgl. Friedlaender Beiträge zur Kenntniss
der homer. Gleichnisse IT p. 4. — Zur Erklärung von ἀργεστής
vgl. Fick vergl. Wörterbuch SI p. 23 unter argas und II p. 24 unter
argos. Andere Erklärungen im Lexie. Hom. s. v. — Statt βαϑείῃ
vermuthet Nauck in der Ausgabe zur Stelle βαρείῃ.
319. Ueber βύλομαι vgl. Buttmann Lexilog. I p. 27 ἢν,
G. Curtius Etym. ‘p. 539, Herzog Untersuchungen über die
Bildungsgeschichte der griech. u. lat. Sprache p. 116. Für βούλομαι
ist die aeolische Form βόλλομαι, beide beruhen wohl auf βόλινομαι. “Das
homer. βόλ-ε-ται stände ganz auf einer Linie mit vol-o’ Curtius;
dagegen sieht Herzog darin eine acolische Nebenform von βόλλομαι.
326. Die Trennung von πάλιν ὀρμένω, wie Bekker und La
90 Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen.
Roche schreiben, ist begründet von Classen Beobachtungen über
den homer. Sprachgebrauch p. 72 f. Vgl. auch Fedde über Wort-
zusammensetzung im Homer. I. Breslau 1871. p.8 f. — V. 327
vermuthet Nauck in der Ausgabe ἀσπάσιοι an Stelle von ἀσπασίως.
328—335 werden verworfen von Düntzer in Jahrbb. f. Philol.
Suppl. III p. 849, auch Grashof das Fuhrwerk p. 19 Anmerk.
16, vgl. dagegen Benicken die Interpolationen p. 29 ff. und Gi-
seke in Jahrbb. für Philol. 85 p. 511. Da hier auffallender
Weise die Söhne des Merops nicht genannt werden, deren Namen
der Schifiskatalog B 830 anführt, so vermuthet Bergk griech.
Literaturgesch. I p. 566, 36, dass dem Verfasser des Katalogs
diese Partie in vollständigerer Fassung vorlag. Den Begriff von
κήρ erörtert Naegelsbach hom. Theol. ®p. 147 £.
336—342 sind verworfen von Düntzer in Jahrbb. für Phil.
Suppl. ΠῚ p. 850 und Bernhardy Grundriss d. griech. Lit. SIT,
1, p. 166. V. 336. 337 werden dagegen von Benicken die Inter-
polationen p. 31 gerechtfertigt, der nur 338—342 verwirft. Damit
würden auch 368 und 373—375 fallen müssen. Vgl. die Einlei-
tung p. 55. — 339 haben die besten Handschriften: οὐ γάρ οἵ ἵπποι,
wie Ja Roche liest, Bekker nach einer im Venet. 4 angeführten
Lesart οὐδὲ γὰρ ἵπποι, Bentley vermuthete οὐ δέ οἵ ἵπποι, was
sich in H findet, vgl. La Roche. Da οὐ γάρ οἵ gegen das Di-
gamma verstösst, das Pronomen οἷ aber kaum zu entbehren ist,
so empfiehlt sich am meisten οὐδέ οἱ ἵπποι mit Nauck, wie M 50.
zu lesen. Anders Meierheim de infinitivo Hom. Spec. I p. 35,
343 ff. Bedenken gegen die Ursprünglichkeit von 343—368
äussert Ribbeck in den Jahrbüchern für Philologie 85 p. 84.
— 345. Das Beiwort βοὴν ἀγαθός steht hier, wie E 596, im
Gegensatz zu der augenblicklichen Situation (ῥίγησε). Vgl. die Zu-
sammenstellung bei Schuster Untersuchungen über die homeri-
schen stabilen Beiwörter. I Stade 1866. p 4 ἢ
348. Zur Lesart στέωμεν, welche die besten Handschriften
bieten, vgl. La Roche hom. Untersuch. p. 152, über die Form
aber Stier in G. Curtius Stud. II 134, G. Curtius in den Stud.
ΠῚ 399, welche dieselbe als umgesprungen aus στήομεν fassen.
Dagegen will Leo Meyer in Kuhns Zeitschr. XXIT p. 473 dafür
στάομεν lesen. — 355. 356: ὁ ὀβελὸς καὶ ὁ ἀστερίσκος, ὅτι ἐν
ἄλλῳ τόπῳ (Ε 309) ὀρϑῶς κεῖται, ἐνταῦϑα δὲ οὔ" οὐ γέγονε γὰρ
σφόδρα. πληγή, ὡς ἐπ᾽ Αἰνείου" οὐ ϑλάσσε δὲ οἵ κοτύλην (E 307).
πῶς οὖν ἐσκοτώϑη. Friedlaender Aristonie. p. 194. Schon vor
Aristarch athetierte Aristophanes die Verse, Zenodot schrieb
sie gar nicht. Die Neueren theilen diese Bedenken nicht.
359. Die handschriftliche Lesart ist &uvuro. La Roche schreibt
ἔμπνυτο, indem er in der homerischen Textkritik p. 290 diese
Lesart als die Aristarchische zu erweisen sucht.
Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 91
361. An den folgenden schmähenden Worten des Diomedes
nahm Jacob die Entstehung der Ilias und Odyssee p. 244 Anstoss,
weil sie mit der sonstigen Mässigung des Diomedes nicht harmo-
nierten. Die Worte sind durchaus an ihrer Stelle in Achills
Munde 7 449 —454, wo er den Mörder des Patroklos verfolgt und
Apollon Hektor wirklich soeben aus der drohenden Gefahr errettet
hat. Eine weitere Stütze für die Annahme der Interpolation bietet
auch die Differenz zwischen der Ankündigung νῦν αὖ τοὺς ἄλλους
ἐπιείσομαι und dem Fortgang der Erzählung, wo Diomedes sich
zunächst damit beschäftigt dem vorhergetödteten Agastrophos die
Rüstung abzuziehen, vgl. zu 368. Daher haben auch Düntzer
in Jahrbb. f. Philol. Suppl. III p. 851, Giseke in den Jahrbb. ἢ,
Philol. 85 p. 508, Benicken die Interpolationen p. 33 V. 361—
368 verworfen.
368. ἐξενάριξεν, die Lesart des Aristarch, findet sich nur
im Venetus A, die übrigen Handschriften bei La Roche haben
ἐξενάριξεν, wie Zenodot las. Zur Rechtfertigung des Aorist be-
merkt Bekker homer. Blätt. II p. 28: ‘Nachdem Diomedes gesagt
νῦν αὖ τοὺς ἄλλους ἐπιείσομαι, ὅν κε κιχείω,
fängt er einen neuen Abschnitt des Kampfes an, nicht aber spricht
er jene Worte schon wieder im Spoliiren begriffen.” Auch La
Roche hat den Aorist geschrieben. Dagegen bemerkt Aristonic,
ed. Friedlaender p. 195 gegen Zenodot: ἄρτι δὲ ἔμελλε σχυλεύειν᾽
ἐπιφέρει γοῦν ἤτοι ὃ μὲν Suonza’Ayaoreöpov IpPLuoıo (373).
Gewiss mit Recht. Die von Bekker betonte Differenz zwischen
den Worten des Diomedes und seiner Handlung fällt eben dem
Interpolator zur Last, der 361—368 einfügte, dieselbe wird aber
nicht durch den Aorist ἐξενάριξεν beseitigt, weil in Wirklichkeit
kein neuer Abschnitt des Kampfes beginnt. Das Imperfect de
conatu ist die einzig richtige Lesart, wie die Aufnahme des Ge-
dankens 374. 375 zeigt, denn den Aorist ἐξενάριξεν von der Tödtung
selbst zu verstehen, verbietet doch, was vorher 342 erzählt ist.
In der Ortsbestimmung 371. 372 sieht Ribbeck im Philol.
VIII p. 484 und in den Jahrbb. f. Philol. 85 p. 83 einen Zusatz
der Diaskeuasten, vgl. dagegen Düntzer in den Jahrbb. f. Philol.
Suppl. III p. 850 ἢ, der seinerseits 373—375 wegen ihrer Be-
siehung auf 338—342 verwirft, wie Benieken. — Die Dehnung
der Endsilbe von κεκλιμένος erklärt Hartel homer. Studien I p. 77
durch Annahme digammatischen Anlautes in ἀνήρ, vgl. aber G.
Curtius Etym. p. 308. — Ueber die Bedeutung von δημογέρων
vgl. Gladstone hom. Stud. p. 419. Dass Homer diesen Ausdruck
niemals auf einen Griechen anwendet (auf Troer auch nur zweimal,
ausser dieser Stelle noch Γ 149), ist wohl Zufall. Uebrigens be-
merkt Fick in G. Curtius Stud. IX p. 171: γέρων vertritt, wenn
es Titel ist, das homerische δημογέρων Volksültester.”
381. Die verschiedenen Infinitivconstructionen nach ὄφελον
92 __Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen.
sind zusammengestellt bei Cavallin de temporum infinitivi usu
Hom. p. 54 f. — 382 f. Düntzer in Jahrbb. f. Philol. Suppl. ΠῚ
p. 852 nimmt an diesen beiden Versen Anstoss, unter Widerspruch
von Benicken die Interpolationen p. 36.
385. Ueber χέραι vgl. Aristonic, ed. Friedlaender p. 195:
ἡ διπλῆ ὅτι κέραι οὐ τῇ τριχὶ ψιλῶς, ἀλλ᾽ ἐμπλοκῆς τι γένος εἰς
πέρατος τρόπον ἀνεπλέκοντο of ἀρχαῖοι. -- ἔνιοι δέ, τῷ τόξῳ dyak-
λόμενε᾽ προείρηκε δὲ τοξότα λωβητήφ. Die Erklärung von einem
besondern Haarschmuck ist von den Neuern mit Ausnahme des
Verfassers des Artikels ἀγλαύς im Lexic. Hom. allgemein verwor-
fen. Aber auch die gewöhnliche Erklärung von χέραι ἀγλαέ = mit
dem Bogen prunkend, bietet doppelte Schwierigkeiten. κέρας
kommt im Singular sonst bei Homer zur Bezeichnung des Bogens
nicht vor. Nur der Plural g 395 von den aus Horn bestehenden
Flügeln des Bogene. Sodann heisst ἀγλαύς sonst überall splen-
didus, illustris, conspicuus, nicht = ἀγαλλόμενος, und hat nirgend
bei Homer einen bestimmenden Zusatz bei sich. Dazu kommt
endlich, dass bei dieser Auffassung in χέραι ἀγλαέ im Wesentlichen
derselbe Gedanke noch einmal wiederholt wird, der schon in τοξότα
λωβητήρ ausgesprochen ist, während man nach den in enger Beziehung
zu einander stehenden beiden ersten Worten überhaupt eine Zwei-
theilung erwartet, so dass κέραι ἀγλαέ mit παρϑενοπῖπα eine be-
sondere Beziehung hätte. Diese Zweitheilung verlangt auch
Doederlein: Tu qui, eum nihil nisi sagittarius sis, melioribus
maledieis, et, arcu dum militem simulas, nihil nisi molliculus puel-
larum venator es’, indem er κέρας nur von den schön geglütteten
und glänzenden Horntheilen versteht, welche ihm wie Elfenbein
zum Schmuck dienten, im Gegensatz des Holzes und der Sehne
als der wesentlicheren Theile dieser Waffe, und die Worte erläu-
tert: κέρατι μόνῳ ἀγλαέ, ἀλλ᾽ οὐ νευρᾷ δεινέ, vgl. Glossar $ 746.
Weder diese, noch die Erklärungen der Schol. vgl. Dindorf I p. 389,
II p. 472 befriedigen völlig. — Zur Auffassung von 386 f. vgl.
L. Lange der homerische Gebrauch der Partikel εἰ I p. 363 ἢ,
über den Conjunctiv im Nachsatze Aken, die Grundzüge der
Lehre von Tempus und Modus im Griech. p. 30.
389. Ueber ὡς εἰ vgl. L. Lange der homer. Gebrauch der
Partikel εἰ I p. 439 ἢ, — 390. Zu κωφός vgl. Lehrs Aristarch.
2p. 118. — 393. Zu ἀμφίδρυφος vgl. Hoffmann Homerische Un-
tersuchungen. No. 1. ’4upi in der Ilias. Lüneburg 1857 p. 4.
402. Die von Aristarch (Lehrs Arist. ®p. 75) für Homer
überall behauptete Bedeutung von @ößog — φυγή wird von La
Roche hom. Textkritik p. 367 für manche Stellen bezweifelt; der-
selbe nimmt hier, wie N 470 φόβος in der Bedeutung Furcht,
indem er annimmt, dass Aristarch die für die Mehrzahl der Stellen
richtige Beobachtung mit Unrecht verallgemeinert habe. Dagegen
bemerkt Düntzer in seiner Ausgabe: “Auch hier läse man lieber
Kritischer und exegetischer Auhang. 4. Anmerkungen. 98
τρόμος, das Homer mehrfach mit ἔλλαβε, ἕλε, ἔχε verbindet,” und
ebenso vermuthet Nauck in der Ausgabe, vgl. auch zu 544. —
403. Statt des handschriftlichen εἶπε πρὸς ὃν μεγαλήτορα ϑυμόν
schreibt Bekker: Feime ξεὸν μεγαλ. ϑυμ. Ueber diese und andere
Aenderungen Bekkers behufs Wiederherstellung des Digammas
auf dem Gebiete der persönlichen Pronomina vgl. Cauer in G.
Curtius Stud. VII p. 115 ff.
413. Nicanor ed. Friedlaender p. 212 vgl. 92 interpungierte
nach σφίσι, ebenso Zenodot, der aber weiter πῆμα δὲ ἔλσαν las
nach Aristonic. ed. Friedlaender p. 196, die neueren Heraus-
geber verbinden dagegen μετὰ σφίσι πῆμα τιϑέντες. Gegen diese
erklärt sich Nauck in den Mtlanges Gröco-Romains III p. 16 für
Nicanor, indem er mit den Schol. annimmt, dass die Troer nicht
sich damit Leid schaffen, sondern dem Odysseus, will dann aber
die bei Nicanors Verbindung störende Praeposition &v tilgen. Be-
denklich scheint ihm auch das “höchst unbestimmte πῆμα τιϑέντες᾽,
das Zenodot beigelegte ἔλσαν aber ein durch das im Anfang des
Verses stehende ἔλσαν veranlasster Schreibfehler der Scholien zu
sein. Ebenso urtheilt Düntzer de Zenod. p. 79 ἔ,, indem er an-
nimmt, dass Zenodot vielmehr geschrieben habe: πῆμα δὲ ϑέσσαν
oder δὲ ἔϑηκαν. Indess scheinen mir diese Vermuthungen wenig
begründet. Jedenfalls nahm Zenodot, wenn er den Text verbessern
zu müssen glaubte, Anstoss an dem Partieipium τιϑέντες, welches
nicht bloss durch die Unbestimmtheit und geringe Anschaulichkeit
des Ausdrucks, sondern auch wegen des Tempus anstössig ist, weil
dasselbe eine mit ἔλσαν coincidente Handlung bezeichnet. Gerade
zum, Ausdruck der Coincidenz der Handlungen ist aber die Wieder-
holung desselben Verbum in demselben Tempus durchaus geeignet.
414. Eine Art Corresponsion zwischen diesem Gleichniss und
den 474 ff. und 492 ff. folgenden sucht nachzuweisen Altum
Similitudines Homeri cum Aeschyli, Sophoclis, Euripidis comparantur.
Berolini 1855. p. 20 f. Eine andere Anordnung der Glieder des
Gleichnisses giebt Doederlein in der Ausgabe, indem er V. 417
mit γίγνεται durch Gedankenstriche als Parenthese ausscheidet, um
die Beziehung von ἄφαρ 418 auf ὁ δέ τ᾽ εἶσι 415 zu gewinnen.
— 416. Mommsen Entwicklung einiger Gesetze für den Gebrauch
der griech. Praepositionen. 1874 p. 30 erkennt in Verbindungen,
wie μετὰ γένυσσιν und ähnlichen die älteste concret-sinnliche Be-
deutung der Praeposition ur = zwischen. — 417. Ueber den
homerischen Gebrauch von ὑπαί vgl. La Roche Beobachtungen
über den Gebrauch von ὑπό bei Homer. Wien 1861 p. 2. —
418. Ueber die mit γίγνεται beginnenden Verse und daran sich
knüpfende Verdachtsgründe vgl. Lehrs Aristarch ®p. 344. — 423.
Ueber πρότμησις vgl. Schol. Ven. bei Dindorf I p. 392.
427. Statt des handschriftlichen εὐηγενέος gab es wohl eine
andere alte Lesart εὐηφενέος: denn da Rhianos und Aristophanes
94 _ Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen.
nach Didymos zu Ῥ 81 εὐηφενέων statt εὐηγενέων lasen, so
werden sie auch hier εὐηφενέος geschrieben haben: vgl. La Roche
hom. Textkritik p. 262. Grund zum Anstoss gab die Anomalie
der Bildung εὐηγενής, die Doederlein hom. Glossar I p. 178 f.
und Lobeck path. elem. I p. 434 u. A. zu rechtfertigen suchen.
Vgl. dagegen Nauck Aristoph. p. 50, Mayhoff de Rhiani stud.
Hom. p. 47, Curtius Etym. *p. 500, Fedde über Wortzusammen-
setzung im Homer. I p. 25. Nach Naucks Vorschlag haben Bek-
ker, Düntzer die Lesart des Rhianos und Aristophanes in
ihren Text aufgenommen. ᾿
430. Die gewöhnliche Erklärung von «arog aus ἄατος von do
sättigen vgl. Buttmann Lexilog. XI p. 216 ff, welche auch die
Alten gaben, wurde von H. Sonne in Kuhns Zeitschr. XIII 1864
p. 421 bestritten, welcher das Wort auf skr. av sich erfreuen
zurückführte und erklärte: sich erfreuend an. Beide Erklärun-
gen verwerfend leitet jetzt Göbel im Philol. XXXVI p. 49 ff.
dasselbe ab aus «X wehen, mit Umspringung der Laute fa, indem
das Adjectiv verbale F&-10g mit dem verstürkenden Praefix & =
sa componiert &-F&-1og, &-0-1g und endlich drog ergebe =
avidus. Dagegen spricht sich Leo Meyer in Kuhns Zeitschr. XXIT
p- 469 entschieden für die alte Erklärung aus, indem er als
Grundform ἄσατος annimmt und die daraus zunächst hervorgehende
ἄατος als die allein echthomerische betrachtet.
439. Aristarchs Lesart, welche der Venetus 4 allein
bietet, war τέλος, die des Zenodot, welche in den übrigen Hand-
schriften gefunden wird, βέλος: letzterer las auffallender Weise
auch 451 βέλος Yavaroıo statt τέλος ϑανάτοιο. Gegen Zenodot wird
hier in den Schol. bemerkt: οὐ βέβληται δέ, ἀλλ᾽ ἐκ χειρὸς πέπληγε.
Auf Grund dieser Beobachtung ist Aristarchs Lesart empfohlen
von Lehrs Aristarch ®p. ὅδ, aufgenommen von Bekker, La
Roche, Baeumlein, Dindorf in der Oxforder Ausgabe, Franke,
Düntzer, während Wolf, Spitzner, Doederlein, Nauck Ze-
nodot gefolgt sind. Weiter schrieb aber Aristarch, nicht, wie
Lehrs angiebt, κατακαίριον, sondern nach La Roche κατὰ καίριον
getrennt, oder wohl zichtiger nach Friedlaender Aristonie. p. 196
κάτα καίριον. Aristarchs Lesart wird in den Schol. ed. Dindorf I
p. 392 erklärt: ἔγνω ὅτι οὐ κατὰ καίριον τέλος ἦλϑεν ἡ πληγήν,
οὐκ εἰς καίριον τόπον ἐτελεύτα und III p. 473: ἔγνω ὁ Ὀδυσσεὺς
ὅτι οὐκ εἰς καίριον ταύτῃ ἐτελεύτησεν ἡ βολή. Die besten Handschriften
haben καταχαίριον, und so schreiben die Herausgeber, welche τέλος.
aufgenommen haben. Es ergeben sich nun nach diesen Daten drei
Möglichkeiten der Erklärung: 1) man schreibt τέλος κάτα καίριον.
und versteht ἔγχος als Subject gedacht: dass der Speer nicht zum tödt-
lichen Ziel gekommen d. i. nicht so tief eingedrungen war, dass
er eine tödtliche Stelle getroffen hätte, 2) man schreibt τέλος κα-
ταχαίριον und versteht dies als Acc. des Ziels in gleichem Sinne,
Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 95
(Franke) 3) man nimmt τέλος κατακαίριον als Subject — τέλος
ϑανάτοιο (451) das tödtende Ende (Düntzer, Koch, La
Roche). Von diesen drei Möglichkeiten scheint mir die erste den
Vorzug zu verdienen.
445. “Dass der unterirdische Zeus — die Persephone entführt,
deutet die Ilias mit einem einzigen Wort an, durch das dem Aides
gegebene Beiwort κλυτόπωλος᾽. — “Die Todten holte er nicht mit
einem Wagen ab, wie ein Schlächter sein Schlachtvieh; auch sind
die εἴδωλα καμόντων keine Last für ein Zwiegespann’” Welcker
griech. Götterlehre I p. 395. Allgemeiner deutet das Beiwort
Preller griech. Mythol. I p. 498: “Oder man dachte ihn auf
schnellem Wagen mit dunklen Rossen einherfahrend und seine
Beute entführend, in welchem Sinne der Raub der Persephone
gedichtet ist, daher Aidoneus in der Ilias wiederholt χλυτόπωλος
und bei Pindar χρυσήνιος heisst.’ Direct und ausschliesslich auf das
Geleiten der Seelen in die Unterwelt wird das Epitheton bezogen
von Bellinger Quae Homeri de orei natura et animarum post
mortem conditione fuerit sententia. Wiesbaden 1847 p.13 f. Alle
diese Beziehungen leugnet Ritz de Homero religionis auctore et
varia deorum, quos finxit, origine. Pars II. Hersfeld 1878 p. 23
und sieht in dem Beiwort nur ein ehrendes Attribut, wie ἱππότα,
ἱππηλάτα, indem man dem Aides Wagen und Rosse beilegte, wie
den andern Göttern.
458. Statt δέ οἵ, der Lesart des Aristarch und der Hand-
schriften, las Zenodot δὲ οὗ; vgl. darüber Brugman ein Pro-
blem der homer. Textkritik p. 20 Anmerk., welcher diese Lesart
glaubt interpretieren zu müssen: das Blut von ihm = sein Blut.
Dagegen vermuthete Ribbeck im Philol. IX p. 51, dass Zenodot
τοῦ, nämlich τοῦ ἔγχους, geschrieben habe.
467. Zur Auffassung des Vergleichssatzes vgl. L. Lange der
homer. Gebrauch der Partikel εἰ Ip. 436. — 470. Ueber δείδω
vgl. den Anhang zu K 39.
474 fl. La Roche und Nauck haben hier aus Conjectur statt
des handschriftlichen ἕπονϑ᾽ nach 483 Emov geschrieben, weil das
Medium von ἀμφιέπω nur hier stehen würde. Vgl. La Roche Ho-
merische Studien p. 108. — Ueber ὡς εἰ vgl. L. Lange der
homer. Gebrauch der Partikel εἰ II p. 544. — Die Bedeutung des
Partic. Perf. βεβλημένον 475 im Vorhältniss zum aoristischen
βλήμενος erörtert Classen Beobachtungen p. 112. — Ueber die
an diesen Vergleich und 489 ff. sich knüpfende Vermuthung eines
alten Liedes mit eigenthümlichen Sagenelementen vgl. die Ein-
leitung p. 73 δ
477. Das Plusquamperfeet ὀρώρει statt des sonst gelesenen
und allgemein recipierten Conjunctiv ὀρώρῃ bietet hier der gute
Laurentianus 15 (D) bei La Roche. Man kann fragen, ob hier
in Wirklichkeit der Conjunctiv angemessen sei. Der Aorist ἔβαλε
96 _ Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen.
475 ist ohne Zweifel der gewöhnliche Aorist der Erzählung, da
er βεβλημένον historisch erläutert. Steht aber ἤλυξε in demselben
Sinne und nicht als gnomischer Aorist, so würde das imperfec-
tische ὀρώρει durchaus angemessen sein. Vgl. O 274.
480. Ueber Aig bemerkt Fick in G. Curtius Studien IX
p. 176: “lg Homer — λέων Löwe, steht zu λέων wie Πάρμενις
zu Παρμένων ovrog, und ist vielleicht als Kurzname zu λέων auf-
zufassen, vgl. πρέσβις = πρεσβευτής, σίνις = σινάμωρος. Die Länge
des ı in Alg erklärt sich aus Asfıg. — 486. Ueber παρέξ und
παρέκ vgl. J. Bekker homer. Blätter II p. 18.
490. In den vier troischen Namen Πάνδοχος, “Τὐσανδρος,
Πύρφασος, Πυλάρτης glaubte Emperius im Rhein. Mus. 1841 p.447
vier Beinamen des Gottes der Unterwelt zu erkennen, was Usener
zum Ausgangspunkt seiner in der Einleitung p. 73 skizzirten Unter-
suchung nahm. van Herwerden quaestiunculae epicae et eleg.
p- 17 ἢ bestreitet selbst die Richtigkeit jener Beobachtung, indem
er nur zugiebt, dass Πυλάρτης wirklich Epitheton des Pluton sei.
493. An Stelle der Worte dmatöuevog Διὸς ὄμβρῳ vermuthet
Nauck im Bulletin de l’Acadtmie de St. Pitersbourg Tome VI 1,
27 (vgl. Philol. XXII p. 371) nach Quint. Smyrn. IX 45 und
XIV 643 ἀεξόμενος Διὸς ὄμβρῳ oder nach O 383 und Theoer.
Id. XVII 78 ὀφελλόμενος 4. 0. Auch W. C. Kayser im Philol.
XXI p. 514 theilt den von Nauck gefundenen Anstoss. Aller-
dings findet sich das Passiv von ὀπάζω nur hier, aber gegen die
in dem Worte enthaltene Anschauung dürfte nichts einzuwenden
sein, da in dem sehr ähnlichen Vergleich E 91 mit Bezug auf
den durch Regen angeschwollenen Bergstrom gesagt wird: ἐλϑόντ᾽
ἐξαπίνης, ὅτ᾽ ἐπιβρίσῃ Διὸς ὄμβρος, ἐπιβρίϑω aber auch M 414
vom wuchtigen Ansturm der Kämpfer gesagt wird.
497 f. Die folgende Partie bis 520 wurde verworfen von
G. Hermann de interpolationibus Hom. p. 9 f. (— Opusc. V, 61),
Lachmann Betrachtungen p. 39, Benicken de carm. X p. 28,
Ribbeck im Philol. VIII p. 484 f. Vgl. die Einleitung p. 60 ff.
Gegen die Verwerfung spricht Düntzer homer. ΑΒ}... p. 67 f.,
Baeumlein in Zeitschr. f. Alt. 1850. p. 149 ἢ, Calebow Bei-
träge zum achten Buch der Ilias, Stettin 1865 p. 10 f., Fried-
laender die homer. Kritik von Wolf bis Grote p. 42 ἢ, — Noch
weiter dehnt Giseke in Jahrbb. für Phil. 85 p. 508 f. die Inter-
polation aus, indem er in 497—543 einen grösseren Üento sieht.
Dagegen begnügt sich Düntzer in Jahrbb. f. Phil. Suppl. III p.
854 f. und Homer. Abhandl. p. 69 mit der Ausscheidung von 501
—503. 508. 509. 514, verwirft aber dann 521—543, vgl. dage-
gen Benicken die Interpolationen p. 36 ἢ; Köchly verwirft 501.
503—520 vgl. Ribbeck in Jahrbb..f. Philol. Bd. 85 p. 83 ἢ,
Bernhardy, Grundriss der griech. Lit. °II, 1, 166 V. 502—520,
Nauck nur V. 501—503. — 498. Zur Erklärung von μάχης ἐπ᾽
Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 97
ἀριστερά vgl. Hasper Beiträge zur Topographie der hom. Ilias
p- 21f. und Christ in den Sitzungsberichten der philos.-philol.
histor. Classe der K. B. Academie der Wissensch. 1874 II, 2, p. 223.
504. Lauer Geschichte der homer. Poesie p. 301, Anm. 28
erörtert die Bedeutung von κέλευϑος und erklärt die hier und
M 262 sich findende Wendung: ‘die Danaer geben durch ihr
Weichen den Feinden Platz zum Vorrücken.”
515. ᾿αἀϑετεῖται, ὅτι οὐκ ἀναγκαία ἡ ἐξαρίϑμησις" μειοῖ γὰρ, εἰ
μόνον ἰοὺς ἐκτάμνειν καὶ φαρμακεύειν oldev. καὶ ᾿Αριστοφάνης προ-
ηϑέτει, Ζηνόδοτος δὲ οὐδὲ ἔγραφεν. Aristonic. ed. Friedlaender
Ρ. 197. Vgl. über diese Art der Kritik Lehrs de Aristarch. ἦρ.
344 f. Die Neueren haben dieser Athetese meistens zugestimmt,
auch Nitzsch Sagenpoesie p. 132. Vgl. auch Welcker klein.
Schrift. III p. 49.
518. Zur Etymologie von Asclepios vgl. Angermann in G.
Curtius Stud. IX 247 f. — 521 fl. Düntzer in den’ Jahrbb. f.
Philol. Suppl. ΠῚ p. 855 ff. verwirft 521—543, ebenso Giseke in
Jahrbb. f. Philol. 85 p. 508 als Theil eines grösseren Cento, vgl.
dagegen Benicken die Interpolationen p. 42 fl.
529. Nauck in den Melanges Gröco-Romains. IV p. 144
vermuthet, an dem vereinzelten und der Analogie entbehrenden
προβαλόντες Anstoss nehmend, statt dessen προφέροντες vgl. Γ 7.
€ 92. 9 210.
.532. Ueber ἀΐοντες bemerkt Aristonikos ed. Friedlaender
p- 197: ἡ διπλῆ ὅτι τῷ εἴδει τὸ γένος δεδήλωκε' τὸ γὰρ ἀΐοντές
ἐστιν ἀκούοντες, ϑέλει δὲ εἰπεῖν ἐπαισϑόμενοι τῆς πληγῆς" ἡ γὰρ
ἀκοὴ «εἶδός ἐστι τῆς αἰσϑήσεως. Indess wird diese Erklärung hier
zweifelhaft durch das vorhergehende der Geissel gegebene Attribut
λιγυρῇ, welches keiu epifketon ornans ist. Vgl. auch Nitzsch er-
klärende Anmerk. zu ξ 180 £. Bd. II p. 111.
535. &vrv& ist ausführlich erörtert von Rumpf Beiträge zur
homer. Worterklärung. Giessen 1850 p. 18 ff. Vgl. auch Gras-
hof das Fuhrwerk bei Homer p. 29 und wegen des Artikels αἵ
Foerstemann Bemerkungen über den Gebrauch des Artikels bei
Homer p. 20. — V. 537 vermuthet Nauck αἱ δ᾽ statt ai τ΄.
540—543. Von diesen vier Versen wird der letzte in den
Handschriften gar nicht gelesen, er berulit auf den Anführungen
bei Aristoteles Rhet. II, 9. Plutarch. de Aud. Pott. 6, 14. Pseu-
doplut. 137, 35 (vgl. La Roche die homer. Textkritik p. 28).
Ueber die an die drei ersten sich knüpfenden kritischen Fragen
vgl. die Einleitung p.55f. Als Interpolation werden die Verse be-
trachtet von Lachmann Betrachtungen p. 39, Benicken Karl
Lachmanns Vorschlag p. 44 und de carm. X p. 26 ff, Ribbeck
in Philol. VIII p. 486 und in den Jahrbb. f. Phil. 85, p. 84 f.
(nebst 538. 539), Cauer über die Urform einiger Rhapsodien der
Ilias p. 16, 1, Giseke in Jahrbb. f. Philol. 85 p. 509, nach
Ameis, Anhang zur Ilias, 7
98 _Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen.
welchem 542. 543 bestimmt waren den Inhalt des ganzen Cento
(497—541) mit dem übrigen Gedicht in Einklang zu setzen. Da-
gegen haben den Zusammenhang zu rechtfertigen gosucht Nitzsch
Sagenpoesie p. 228 f, Baeumlein in der Zeitschr. f. Alterth. 1850
p- 150, Friedlaender die homer. Kritik p. 41, Happe der ho-
merische Hektor, Koblenz 1863 p. 9 ἢ — Andrerseits wird von
Bischoff im Philol. XXXIV p. 19 V. 544 verdächtigt, weil des
Aias weiteres Verhalten dem in 544 Gesagten sicherlich nicht
entspreche.
547 #. Den Genetiv γουνός bei ἀμείβων rechnet Delbrück
Ablativ Localis Instrumentalis p. 6 zu den ablativischen Genetiven,
indem er übersetzt: Knie von Knie entfernend, was Heilmann de
Genetivi Graeci maxime Homeriei usu, Marburg 1873 p. 30 da-
durch niher begründet, dass ἀμείβω nach Curtius Etym. ’p. 301
auf die W. mav zurückzuführen sei, die auch dem latein. mov-co
zu Grunde liege; ἀμείβω sei ursprünglich — verschieben. So
Fick vergl. Wörterb. II p. 192 unter mu schieben, rücken,
wechseln. — Das folgende Gleichniss 548—557, welches sich
P 657 wiederholt, wurde von Zenodot verworfen. Die Unver-
einbarkeit beider Gleichnisse (548+-557 und 558—565) behaup-
tete ferner G. Hermann de iteratis apud Hom. p. 9 wegen der
zu grossen Verschiedenheit derselben. Nach ihm haben das zweite
vom Esel verworfen Lachmann Betrachtungen p. 40 und 61,
Benicken de carm. X p. 26, die Interpolat. p. 48 ff. und Karl
Lachmanns Vorschlag ete. p. 17 4., Hoffmann quaestt. Hom. II
p. 227, Bekker in der Ausgabe. Dagegen hält Haupt in Lach-
manns Betrachtungen p. 102 das Gleichniss vom Esel für das ur-
sprüngliche: “Nach dem schönen Gleichnisse vom Löwen (548) dies
andere zu dichten oder jenes durch dieses zu ersetzen, konnte
keinem leicht einfallen. Dagegen lässt sich denken, dass ein Sänger
die naive Vergleichung des Aias mit einem Esel für zu schwach
oder für unwürdig des Helden hielt und sie durch eine prächtigere
ersetzte” In gleicher Weise urtheilen Fulda Untersuch. über die
Sprache ἃ. hom. Ged. p. 271, Giseke in Jahrbb. f. Philol. 85
p. 509, der im ersten Gleichniss vielmehr ein Füllstück sieht,
Düntzer hom. Abh. p. 502 f., indem er das erste nur in P für
ursprünglich hält. Andere halten beide Gleichnisse nebeneinander
für wohl berechtigt und ursprünglich. An der Spitze dieser Ari-
starch bei Aristonic. ed. Friedlaonder p. 198, der gegen Ze-
nodot bemerkt: ἔστι δὲ πρὸς dudpoge σημαινόμενα' ὁ μὲν γὰρ
λέων πρὸς τὴν πρᾶξιν, ὁ δὲ ὄνος πρὸς τὴν ὑπομονήν. Dagegen
bemerkt Nitzsch Beiträge p. 337, dass das zweite Gleichniss zu
dem innern Widerstreben des Aias die äussere Bestätigung, das
schrittweise Weichen, hinzufüge, wie beides zusammen schon durch
547 vorgedeutet sei; Baeumlein in der Zeitschr. für Alterth.
'W. 1850 p. 150 f. sieht in dem Gleichniss vom Löwen vornämlich
Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 99
den grimmen Unmuth veranschaulicht, mit welchem Aias sich
zurückzieht, während in dem zweiten Gleichniss die mit Wurf-
speeren nachsetzenden Troer hervorgehoben seien. Aehnlich Nutz-
horn die Entstehungsweise der homerischen Gedichte p. 133 ἢ,
— 548. μέσαυλος erörtert Ahrens αὐλή und villa p. 17£.: “der
in der Mitte der αὐλή liegende Raum’, in dem αὐλή ursprünglich
= ἕρκος, wie E 138. ı 184. & 5.
556. Vereinzelt ist τετιημένος ἦτορ ohne φίλον: Fulda Unter-
such. üb. d. Sprache ἃ. hom. Ged. p. 271. Schnorr v. Carols-
feld verborum eollocatio Hom. p. 40, 87 rügt in diesem Verse
die Wortstellung als unhomerisch.
559. νωϑής, welches von Doederlein Gloss. $ 233 von ὄϑε-
σϑαι abgeleitet und erklärt wurde: unachtsam, gleichgültig,
hier also etwa. indolent, ist wohl richtiger mit Clemm in Θ΄. Cur-
tius Stud. ΠῚ p. 325 aus νὴ und ὠθεῖν entstanden zu denken,
also eigentlich: der nicht von der Stelle zu bringen ist, woraus
sich die später geläufige Bedeutung langsam, trüge, faul ebenso,
wie die hier passende: störrig, trotzig leicht entwickeln lüsst.
— Statt des handschriftlichen ἐάγη hat Bekker den Conjunetiv
ἐξάγῃ geschrieben. — Eine abweichende Erklärung von περὶ dena
ἀμφὶς ἐάγη giebt Hoffmann homer. Unters. No. 2 die Tmesis in
der Ilias. 3. Abth. p. 8.
564. Aristarchs Lesart war πολυηγερέες, welches Schol. V.
erläutert ἐκ πολλῶν ἀγερϑέντες, die handschriftliche Lesart ist τη-
λεκλειτοί in A Ambros. Ὁ. H., sonst τηλεκλητοί. Bekker schreibt
τηλεκλειτοί, indem er Hom. Bl. p. 170, 23 keinen Grund finden
kann, warum der Dichter gerade hier von den regelmässigen Bei-
worten (nAsırol, ἀγακλειτοί, πολύκλητοι, τηλεκλητοί) habe abweichen
sollen. Vgl. Lehrs de Aristarch. ἦν. 56.
5668. Die folgende Partie bis 596 wird von Düntzer in
Jahrbb. f. Philolog. Suppl. ΠῚ p. 859 ff. verworfen; ebenso von
Giseke in Jahrbb. f. Philol. 85 p. 509f., die Verwundung. 'des
Eurypylos ist auch Bernhardy Grundriss der griech. Lit. ὙΠ, 1
p. 166 verdächtig. Vgl. dagegen Baeumlein in Zeitschr. f.
Alterth. W. 1850 p. 151 und Benicken die Interpolationen οἷο.
p- 498. Bekker hat ausser dem Gleichniss 558—565 auch V.
566—574 aus dem Text ausgeschieden.
604. Ueber solche Ausblicke über die gegenwärtige Situation
hinaus in die Zukunft, wie hier in der zweiten Hälfte des Verses,
und des Dichters Betheiligung an seinem Werke überhaupt vgl.
Hess über die komischen Elemente im Homer p. 17 ff. und mehr
bei Kraut die epische Prolepsis, nachgewiesen in der Ilias. Tü-
bingen 1863. — V. 605—607 sind von Bekker unter den Text
gesetzt unter Zustimmung von Düntzer in den Jahrbb. ἢ, Philol.
Suppl. III p. 863, Giseke in den Jahrbb. f. Philol. 85 p. 514,
Benicken die Interpolationen p. 57. Mit Recht: denn προσέειπεν
τε
100 Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen.
602 schliesst eine vorhergehende Frage des Patroklos offenbar aus.
Benicken möchte auch 603. 604 entfernen.
608 ff, Ueber den in den folgenden Worten enthaltenen Wider-
spruch mit der Presbeia des neunten Gesanges vgl. im Allgemeinen
die Einleitung p. 66 und im Besondern die Rechtfertigungs-
versuche von Nitzsch Sagenpoesie p. 239, Nutzhorn die Ent-
stehungsweise der homer. Gedichte p. 175, Kiene die Komposition
der Ilias p. 390 ἢ, und dagegen Bonitz über den Ursprung der
homer. Gedichte °p. 54 f, Schoemann in Jahrbb. f. Phil. Bd. 69
p- 28, Bergk griech. Literaturgesch. I p. 593, Kayser de inter-
polatore Hom. p. 8.
611. Ueber ἔρειο vgl. G. Curtius das Verbum II p. 46,
welcher die Form nach der Analogie von αἰδεῖο aus ἐρέεσϑαι erklürt
und die Betonung ἐρεῖο verlangt. — V. 613—615 verwirft Dün-
tzer in Jahrbb. f. Philol. Suppl. III p. 863 als unnützen Zusatz,
vgl. dagegen Benicken die Interpolationen p. 571.
624. Parallelen zu dem hier für den Verwundeten bedenk-
lich scheinenden Mischtrank aus mittelalterlichen Heldengedichten
giebt Bekker hom. Blätt. II p. 198.
629. Bei κυανόπεξα denkt Riedenauer Handwerk p. 93 an
Beizen oder Färben und Poliren: “denn bei Vorstellung einer sel-
teneren Holzart wäre diese vom Dichter nicht unerwähnt geblieben.”
— Ueber die Zusammenstellung von drei Adjectiven bei einem
Substantiv vgl. Giseke homer. Forschungen p. 40 ἢ, — Zur Er-
klärung von ἐπί 630 vgl. Hoffmann homerische Untersuch. 2. die
Tmesis in der Ilias. 2. Abth. p. 13.
632. Ueber Aristarchs Erklärung des Bechers vgl. Lehrs
de Arist. ®p. 198, sonst Vogel de supelleetili in Homeri Iliade
et Odyssea illustranda. Halle 1866, p. 25f., Hort vom Weine
bei Homer, p. 25, Friedreich die Realien in der Iliade und
Odyssee p. 255. Aristarchs Erklärung von einem δέπας ἀμφικύ-
πελλον, welche Heyne, Doederlein, Franke acceptiert haben,
ist mit guten Gründen bestritten von La Roche und Koch zur
Stelle. Ein von Schliemann in Hissarlik gefundener Krug aus
Terracotta mit 4 Henkeln, von denen zwei grössere oben, zwei
kleinere in der Mitte einander entsprechen, ist in Autenrieths
Wörterbuch 2. Aufl. p. 229 abgebildet. — 635. Ueber die in
guten Handschriften (CD) sich findende Lesart ὑποπυϑμένες statt
der Aristarchischen ὑπὸ πυϑμένες vgl. Lehrs de Arist. ἦν. 110,
und zur Erklürung La Roche Beobachtungen über den Gebrauch
von ὑπὸ bei Homer, p. 4. — 636f. Während Gerlach im Phil.
XXX p. 56 in dieser Bemerkung einen kostbaren und unvergleich-
lichen Zug von der Meisterhand Homers erkennt, sieht Bergk
griech. Literaturgesch. I p. 888, Anm. 8 und p. 601 ebendarin
eine ungeschickte Uebertreibung und in der ganzen Trinksoene die
Manier des Diaskeuasten; Axt conjeetan. Hom. p. 9 eine unge-
Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 101
schiekte Nachahmung von IT 140. — 639. Ueber den pram-
nischen Wein und den Mischtrank vgl. Hort vom Weine p. 6 und
ν. 18.
642. Ueber die Ableitung von πολυκαγκής vgl. Fritzsche in
G. Curtius Stud. VI p. 311. 335, Brugman ebendaselbst VIL
p. 205.
650. Axt eonjeetan. Hom. p. 9 vermuthet &yeg statt ἄγεις.
— Zur Erklärung von ἔπος 652 vgl. Mayer Studien zu Homer,
Sophokles etc. p. 14. — 654. Ueber τάχα vgl. Lehrs Aristarch.
®p. 92.
656—665. Bedenken gegen den Zusammenhang bei Cauer
die Urform p. 21, vgl. dagegen Düntzer homer. Abh. p. 121
und Nitzsch Sagenpoesie p. 237. — Zu V. 657 vgl. Nicanor
ed. Friedlaender p. 214, und über die Genetiveonstruction bei οἶδα
La Roche homer. Studien p. 164f. — 662. Dieser Vers fehlt
in den besten Handschriften, vgl. La Roche z. St. und ist jetzt
allgemein verworfen. Θ΄. Hermann de interpolat. Hom. p. 11 be-
hauptete die Echtheit desselben, vgl. dagegen Schneidewin in
Welcker und Naeke's Rhein. Mus. V p. 414, Cauer die Urform
p- 22f., Düntzer hom. Abh. p. 122.
664 M. Die folgende Erzhlung Nestors bis 762 ist als Inter-
polation allgemein erkannt: Θ΄, Hermann epist. ad Iigen. p. VIII,
Pinzger de Iliadis interpolatione XI zn quaestio aritiea,
Ratibor 1836 p. 7f. Lachmann Betracht. p. 61, Cauer die Ur-
form p. 24, Düntzer hom, Abl. p. 70 und in Jahrbb. f. Philol.
Suppl. IIT p. 864#, Nitzsch Sagenpoesie p. 117. 129, Fried-
laender die homerische Kritik p. 44, Genz zur Ilias p. 32, Gi-
seke in Jahrbb. f. Philol. 85 p. 514, Haupt bei Lachmann
Betracht. p. 101, Bergk griech. Literaturgesch. I 601 vgl. 522
und 525, Bernhardy Grundriss Π, 1 p. 166 vgl. p. 53. Die
Athetese verwirft nur Kiene die Composition der Ilias p. 106.
Ueber Ursprung, Composition u. a. dieser Episode handeln A.
Mommsen im Philol. VI p. 721, Friedlaender im Philol,
IV p. 581. vgl. Nitzsch Sagenpoesie p. 146f., und Nitzsch
Beiträge p. 159 ἢ,
670. Ueber die Wunschsätze mit εἴθε vgl. L. Lange der
homer. Gebrauch der Partikel εἰ I p. 3818. Nach den besten
Handschriften habe ich mit La Roche τέ μοι, wie W629. ξ 468
statt des gewöhnlich gelesenen δέ wos geschrieben.
704. Die für δῆμος angenommene Bedeutung "Gomeinde-
schatz’ ist begründet von Mangold in G. Curtius Stud. VI
p. 410, vgl. d. Anhang zu 4 231. — 705. Der Vers wurde als
aus ı 42 unpassend übertragen schon von den Alten verworfen:
vgl. Friedlaender Aristonie. p. 201.
709. Ueber die beiden Molioniden vgl. Preller griech. My-
thol. IL p. 165, Welcker kleine Schrift, II p. ΟἹ], und V p. 36ff,
102 _Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen.
H. D. Müller Mythologie der griech. Stimme I p. 212, G. Her-
mann de iteratis apud. Hom. p. 12f. Ueber die eigenthümliche
Bildung der Form MoAlove vgl. Angermann in G. Curt, Stud. I
p. 57 und eine besondere Vermuthung über die Bedeutung des
Dual bei Wackernagel in Kuhn’s Zeitschr. XXXII p. 307.
— 711. Ueber die Länge der Endsilbe in πόλις vgl. Hartel ho-
merische Studien I p. 68. — 712. Ueber die localen Fragen
handelt Bischoff Bemerkungen über homerische Topographie.
Schweinfurt 1875 p. 6 — 714. Die handschriftliche Lesart ist
ἀλλ᾿ ὅτε, dafür schreiben Bekker und Nauck ἄλλο re, wobei der
Satz an das Vorhergehende angeschlossen wird.
728. Ueber die Beziehung des Poseidon und der Flussgötter
zum Stier vgl. Welcker griech. Götterlehre II p. 673.
741. Statt ἤδη verlangt Cobet Miscellan. erit. p. 300 Frde.
748. Nach Grashof das Fuhrwerk p. 19 bezeichnet δίφρος
zwar an vielen Stellen synekdochisch den ganzen Wagen, aber
stets mit Ausnahme der Pferde. Da hier das Wort den mit Pferden
bespannten Wagen bezeichnen würde, so ist ihm das auch ein Be-
weismittel für die Unechtheit der ganzen Erzählung.
754. Die Handschriften schwanken zwischen δ ἀσπιδέος und
διὰ σπιδέος (A. C 1 man. Apollon. Lex. 144, 3). Ersteres war
nach La Roche die Lesart Aristarchs, letzteres die des Zeno-
dot. Die Frage behandelt Spitzner Excurs. XXI und entscheidet
sich für διὰ σπιδέος, welches auch die Neueren allgemein ange-
nommen haben. Ueber Aristarch vgl. Lehrs de Arist. ®p. 153.
Nach Clemm in G. Curtius Stud. VIII, 116 ist σπιδής am wahr-
scheinlichsten, wie σπι-ϑ-αμή, auf W. oma (Curtius 272, 703) zu-
rückzuführen, so dass es, wie die Alten wollten, = μακρός ex-
tensus.
762. Ueber die Formel εἴ ποῦ ἔον γε vgl. den Anhang zu
0268. Auch Nauck vermuthet in der Ausgabe, wie G. Curtius,
ἦ πού statt εἴ wor. — Zur Begründung des von Bentley ver-
langten, von Bekker und Nauck gelesenen ἧς 763 statt der
handschriftlichen Lesart τῆς vgl. Brugman ein Problem der hom.
Textkritik p. 501.
M.
Einleitung.
Literatur: Lachmann Betrachtungen p. 45 ff. Benicken
das elfte Lied vom Zorne des Achilleus, nach Karl Lachmann aus
dem zwölften Buche herausgegeben. Barmen 1872. — Zu Lach-
manns Kritik vgl. Holm ad Caroli Lachmanni exemplar de ali-
«ποὺ Niadis carminum compositione quaeritur p. 11f., Baeum-
lein in Zeitschr. f. A. W. VII, 1850 p. 158 ἢ, Düntzer homer.
Abhandlungen p. 71ff, Gerlach im Philolog. XXXIII p. 193 ff.
— Faerber disputatio Homerica, p. 8f. 13. 15f. — Cauer über
die Urform einiger Rhapsodien der Ilias, p. 12. 16. 33. 49. 53.
Vgl. Hoffmann in der allgemeinen Monatsschrift für Wissensch.
u. Literat. 1852 p. 289£. — Köchly Iliadis carmina XVI p. 901 ἢ,
vgl. Ribbeck in den Jahrbh. f. Philol. 1862, Bd. 85 p. 8öfl. —
Grote Geschichte Griechenlands, übersetzt von Meissner I p. 539.
Friedlaender die homerische Kritik von Wolf bis Grote, p. 45ff,
77, vgl. Ribbeck im Philol. VIII p. 491 ff. — Jacob über die
Entstehung der Ilias und Odyssee p. 252ff. — Nitzsch die Sagen-
poesie der Griechen, p. 282f. — Kiene die Komposition der
Ilias, p. 93#. 106f. — Genz zur Ilias p. 32f. — Bernhardy
Grundriss der griech. Literat. °I, 1 p. 167f. Bergk griech. Lite-
raturgesch. I p. 602f. — Hoffmann quaestt. Homer. II p. 228f.
Giseke homerische Forschungen p. 199 fl. 249. — Zur Kritik
des Eingangs 1—35: Giseke homer. Forsch. p. 237f.,, Bonitz
über den Ursprung der homer. Gedichte ®p. 57, 74, Kayser de
interpolatore Hom. p. 10, Kraut die epische Prolepsis nachge-
wiesen in der Ilias, Tübingen 1863 p. 26, Schoemann in Jahrbb.
f. Philol. Bd. 69 p. 21, Gerlach im Philol. XXXIII p. 209 ff,
Bischoff im Philol. XXXIV p. 19, Christ in den Sitzungsbe-
richten der philos.-philolog. u. histor. Classe der k. b. Academie
der Wissensch. in München, Bd. II, 1874, p. 206f., Hercher
über die homerische Ebene von Troja, Berlin 1876 p. 128—131,
Eyssenhardt die homer. Dichtung p. 16. — Ein Versuch das
12. Buch nach Tetrastichen zu gliedem von Beloch in Rivista
di filologia 1875 p. 305—327.
Die Erzählung des zwölften Gesanges hat ihren einheitlichen
Mittelpunkt in dem Kampfe um die Mauer. Aeusserlich anknüpfend
an die den elften Gesang schliessende Eurypylosseene beginnt sie
104 Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung.
auf dem Punkte, wo nach der Niederlage und Flucht der Achaeer
der Kampf bereits um Graben und Mauer tobt und Hektor sich
anschickt den Graben zu überschreiten und endigt mit der Fr-
stürmung des Mauerthors durch Hektor. Im Einzelnen ordnen sich
die Begebenheiten in folgender Weise:
A. Einleitung, 1—35: Rückkehr zur Schlachtbeschreibung und
proleptische Betrachtung über das Schicksal der jetzt be-
drohten Mauer nach der Zerstörung Trojas.
B. Die Vorbereitungen zum Kampf um die Mauer, 35— 107:
1. Hektor will mit dem Wagen durch den Graben setzen,
aber die Rosse scheuen davor zurück, 35—59.
2. Poulydamas mahnt davon ab; auf seinen Rath lassen die
Troer die Wagen jenseit des Grabens und ordnen sich
in 5 Haufen, um denselben zu Fuss zu überschreiten, 60
— 107.
C. Der Kampf um die Mauer, in 3 Acten, 108—429:
1. Der Angriff des Asios, 108—194: Asios geht gegen Pou-
Iydamas’ Rath mit Wagen und Rossen über den Graben
(νηῶν ἐπὶ ἀριστερά 118); sein Sturm auf die Mauer wird
aber von den Lapithen Polypoites und Leonteus zurück-
geschlagen.
2. Hektors Angriff, 195— 289:
a, ein von Zeus gesandtes ungünstiges Zeichen verzögert
den Angriff: Poulydamas widerräth den Uebergang
über den Graben, Hektor weist ihn energisch zurück,
195— 250.
Hektors Sturm auf die Mauer wird von den beiden
Aias abgeschlagen, 251—289.
3. Sarpedons Angriff, 290—429:
Von Zeus erregt, stürmt Sarpedon mit Glaukos gegen den
Thurm des Menestheus an, welcher Aias und Teueros zu
seiner Hülfe herbeiruft. Sarpedon reisst ein Stück der
Brustwehr herab, wird aber von Aias und Teucros zu-
rückgestossen. Der Kampf steht gleich.
D. die Entscheidung, 430—471:
Hektor zerschmettert mit einem Steinwurf das Thor der
Mauer, die Troer dringen durch das Thor und über die
Mauer ein, die Achaeer fliehen in das Schiffslager.
b
Dass die Erzählung dieser Kämpfe sich an die Schlachtbe-
schreibung des elften Gesanges anschliesst, ist unverkennbar. Zwar
ist zwischen dem Punkte, wo die Schlachtbeschreibung dort ab-
bricht, 4 596, und dem, wo sie hier aufgenommen wird, eine
Lücke in der Erzählung, indem die Niederlage und Flucht der
Achaeer nicht bis zur letzten Consequenz verfolgt wird (vgl. die
Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 105
Einleitung zu 4 p. 57 £.); auch sind die Angaben im Eingange
unseres Gesanges, welche die Situation bezeichnen, 2f. und 35 ff,
nicht ganz in Uebereinstimmung, da jene Stelle noch vom Kampf
im offenen Felde zu reden scheint, diese aber die Achaeer schon
hinter Graben und Mauer weiss; aber im Uebrigen sind doch die
Voraussetzungen des vorhergehenden Gesanges gewahrt. Die
Leitung der Schlacht ist auch hier ausschliesslich in Zeus’ Hand;
die Botschaft der Iris (A 200 ff.) liegt den Aeusserungen des
Hektor (235 f.) und wohl auch des Asios (164 ff.) zu Grunde,
wie die Angabe 173 f. mit derselben in Uebereinstimmung ist.
Ebenso wird entsprechend der Erzählung des elften Gesanges die
Verwundung der Haupthelden vorausgesetzt, indem von diesen
nur die beiden Aias und der schon in Θ 324 ff. verwundete Teu-
kros thätig vorgeführt werden. Dass Menelaos und Idomeneus
völlig verschwinden, kann nicht sehr befremden, da beide auch
im elften Gesange eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Auf
troischer Seite tritt, wie im elften Gesange, vor allen Hektor
glünzend hervor, neben ihm spielt Poulydamas als Berather eine
Rolle, der auch 4 57 mit ihm genannt war; Kebriones wird in
Uebereinstimmung mit A 521 ff, als sein Wagenlenker bezeichnet
(M 91f.). Paris, dessen Hervortreten im elften Gesange zu man-
chen Bedenken Anlass gab, wird hier zwar unter den Anführern
genannt (93), aber nirgends in Action vorgeführt. Die übrigen
troischen Führer entsprechen wenigstens zum Theil den A 55 ff.
genannten.
Neu eingeführt werden auf griechischer Seite die beiden La-
pithen Polypoites und Leonteus, von denen vorher nur jener ein-
mal vorübergehend genannt ist (Z 29), auf troischer Seite Asios;
Poulydamas tritt hier zum ersten Mal bedeutsam hervor, während
Sarpedon und Glaukos bereits im fünften und sechsten Gesange
eine Rolle spielen. Deiphobos wird hier zum ersten Male. genannt,
tritt aber erst im dreizehnten Gesange in Action, ebenso Helenos,
der aber bereits im 6. und 7. Gesange als Seher und Berather
hervorgetreten ist.
Andere Beziehungen, welche für die Stellung des Gesanges
innerhalb des Ganzen in Frage kommen, sind: 5ff. auf H 449,
8 auf H443.; 336 sowie 372 werden auf Teucros’ Verwundung
© 324 ff. bezogen; die Angabe über das Verwandtschaftsverhältniss
des Teucros zu Aias 371 steht im Widerspruch mit © 284, wie
die Angabe 438 mit Π 558. Vordeutungen auf die folgende Ent-
wicklung finden sich: 113. auf N 384, 402. auf Π 480 ff.,
in Uebereinstimmung mit E 662. 674f.
Darf man den Mauerkampf als eins der Stadien der zu-
nehmenden Bedrängnis der Achaeer in gleicher Weise, wie die
Verwundung der Haupthelden im elften Gesange, als von der Sage
gegeben betrachten, so war in derselben ohne Zweifel auch schon
„106 Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung.
Hektor die entscheidende Hauptrolle zugetheilt. Ihm gegenüber
musste nach der vorhergehenden Entwicklung auf griechischer
Seite selbstverständlich Aias die Hauptrolle zufallen. Ob weitere
Züge dem Dichter gegeben waren, muss zweifelhaft bleiben: in der
Erzählung von Sarpedon und von dem Auftreten der Lycier überhaupt
hat man jüngere Sagenelemente vermuthen zu müssen geglaubt,
ebenso scheinen Asios, wie die ihm gegenübergestellten Lapithen
Polypoites und Leonteus nicht der alten Sage vom Kampfe vor
Dios anzugehören. In der Anlage des Gesanges ist nun Hektor
durchaus in den Mittelpunkt der Handlung gestellt: er ist es, der
im Eingang voll ungestümen Eifers zuerst die Troer zum Ueber-
schreiten des Grabens auffordert, der dann, als ein ungünstiges
Zeichen einen unglücklichen Ausgang des Unternehmens zu ver-
kündigen scheint, unerschütterlich an seinem Entschluss festhält
und die Troer mit sich fortreisst, der endlich die Entscheidung
giebt. In enge Verbindung mit Hektors Thätigkeit ist die des
Sarpedon gesetzt, dessen gleichzeitiger Angriff auf den Thurm des
Menestheus dem des Hektor dadurch secundiert, dass er die Ab-
berufung des Aias von dem von Hektor bedrohten Thor veran-
lasst. Der diesen entscheidenden Angriffen vorausgehende Versuch
des Asios stellt sich dazu wie eine Art Vorspiel, welches für die
Entscheidung ohne alle Bedeutung ist und nach Art der Episode
mit dem Ganzen in sehr lockerer Beziehung steht. Bei dieser
Anordnung der Handlung wird die im Eingang berichtete Auf-
stellung des troischen Heeres in fünf Haufen im Verlauf der Er-
zählung nicht weiter berücksichtigt, denn V. 175—181, welche
auf den Kampf der übrigen Abtheilungen hinzuweisen bestimmt
scheinen, sind von den Alten, wie von den Neueren mit Recht
verworfen.
Von der Darstellung lassen sich zum Theil die gleichen Vor-
züge rühmen, wie beim elften Gesange. Dem lebhaften Fortschritt
der Handlung entspricht im Ganzen eine lebendige Erzählung.
Ausgedehnte Beschreibungen fehlen, dagegen bieten die bewegten
Kampfscenen Raum für lebendige Schilderung. In ausgedehntem
Masse kommt dabei, wie im elften Gesange das Gleichniss zur
Anwendung: 15 meist ausführliche Gleichnisse dienen zum Theil
der Veranschaulichung des Kampfes, zum Theil der Auszeichnung
der Haupthelden, des Hektor (4), Sarpedons (2) und der beiden
Lapithen (2). Allein gerade in der Anwendung des Gleichnisses
zeigt die Darstellung mehrfach auffallende Mängel, von denen der
elfte Gesang frei ist. Nicht nur, dass die Gleichnisse öfter über
die Massen weit ausgesponnen werden, es leidet unter dieser Breite
und Ueberfülle mehrfach die Einheit der Anschauung; in andern
wird das im Eingang eingeführte Motiv in der Ausführung so alte-
riert, dass der Hörer bei der Aufnahme der Erzählung sich un-
merklich zu einem ganz andern Gesichtspunkte hingeführt sieht,
Kritischer und exegetischer Anhang. ΜΙ, Einleitung. 107
oder es wird bei der Anwendung des Vergleichs der ursprüngliche
Gedanke in überraschender Weise erweitert. Vgl. den Anhang zu
V. 418. 146. 156. 277. 302. Aber auch sonst fehlt es
der Darstellung öfter an Uebersichtlichkeit und Klarheit. So sind
die Uebergänge zwischen den einzelnen Acten der Handlung theils
nicht scharf genug markiert, wie 430, wo nach der Darstellung des
Kampfes der Lykier gegen den Thurm des Menestheus eine allgemeine
Schilderung des Kampfes um die Mauer folgt, theils ungeschickt
in der Anknüpfung (195 £.), theils lassen sie den causalen Zu-
sammenhang nicht genügend erkennen (vgl. 436f. mit 291 ff.),
Aehnliche Mängel in der Entwicklung der Handlung zeigt die Dar-
stellung auch im Einzelnen. Uebrigens überwiegt die Erzählung
in dem Masse, dass auf die 471 Verse, welche der Gesang ent-
hält, nur etwa 100 auf die eingefügten Reden kommen: auch diese
bieten in Gedanken und Ausdruck manchen Anstoss,
Manches besondere hat der Inhalt des Gesanges. Eigenthüm-
lich und’ ohne Analogie ist sogleich im Eingang die über die Ilias
binausweisende proleptische Verkündigung des Schicksals der grie-
chischen Mauer, in welcher auch die nur hier vorkommende Be-
zeichnung der vor Troja kämpfenden Helden als ἡμιϑέων γένος
ἀνδρῶν (23) sich von der homerischen Anschauung durchaus ent-
fernt. Eigenthümlich ist diesem Gesange femer die Einführung
und Auszeichnung der beiden Lapithenhelden, während die Ilias
sonst zwar die Lapithensage A 263 ἢ, berührt, aber den Namen
Lapithen selbst nicht kennt. Einen fortgeschrittenen Standpunkt
des socialen Lebens scheint der Vergleich von der armen Spinne-
ıin 433 ff, zu bezeichnen, indem hier zuerst eine über den Haus-
bedarf hinausgehende Betriebsart einer gewerblichen Thätigkeit,
hervortritt. Als einzeln stehender terminus technicus ist endlich
ἐξήλατος vom Schilde 295 zu erwähnen, während ἐξελαύνειν in
diesem Sinne sonst bei Homer nicht vorkommt und erst bei
Herodot gefunden wird. Zahlreich sind auch die Besonderheiten
der Sprache, auf welche im Commentar und in den Anmerkungen
des Anhangs besondere Rücksicht genommen ist.
“Diese Teichomachie gehört zu den Liedern der Ilias, die durch
ihre Einfügung in das Ganze am wenigsten von ihrer ursprüng-
lichen Abrundung und Abgeschlossenheit eingebüsst haben.” —
‘Gegen die Einheit des zwölften Buches ist im wesentlichen nichts
einzuwenden.” So lauten die Urtheile zweier bedeutender Vertreter
der Liedertheorie, Cauers und Ribbecks, und damit stehen
die Herstellungsversuche von Lachmann und Köchly im Ein.
klang, welche beide nur wenige Athetesen geringen Umfanges für
nöthig gehalten haben. Auf der entgegengesetzten Seite steht hier
merkwürdiger Weise der conservative Nitzsch, welcher die ganze
108 Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung.
Partie von Sarpedon 290—429 als eine mit dem Zusammenhange
der Erzählung unvereinbare Interpolation ausscheidet.
Prüfen wir im Hinblick auf diese einander entgegenstehenden
Ansichten die innere Oekonomie des Gesanges. Wir gehen aus
von der Situation, welche der Dichter im Beginn seiner Erzählung
voraussetzt. Schon oben ist die Differenz hervorgehoben zwischen
den einleitenden Versen 2—4 und den die Erzählung von der Zer-
störung der Mauer abschliessenden 35—39: während dort in engem
Anschluss an den elften Gesang, die Griechen noch im offenen
Felde, wenn auch nahe dem Graben zu denken sind, sind sie hier
bereits innerhalb der Mauer eingeschlossen, tobt der Kampf um
diese, wird diese bereits von den Troern beschossen. Mit jener
ersten Voraussetzung stimmt wieder, was von Hektor 40 ff. er-
zählt wird, denn nach der Ausführung des Vergleichs können wir
denselben nur in unmittelbarem Kampfe mit gegenüberstehenden
Feinden denken, aber bei Anwendung des Vergleichs 49 f. hören
wir zu unserer Ueberraschung, dass Hektor vor dem Graben steht
und die Seinigen ermuntert, denselben zu überschreiten. So auf-
fallend diese Wendung der Erzählung ist, sodass man eine Störung
des Zusammenhanges vermuthen kann, so lässt sich doch hier
noch eine einheitliche Anschauung voraussetzen, sobald wir an-
nehmen, dass unter dem Kampfe die letzten Widerstandsversuche
der Achaeer in unmittelbarer Nähe des Grabens gemeint sind,
Hektor aber im stürmischen Kampfeifer mit Ross und Wagen den
Graben zu durchfahren denkt, um vor oder wenigstens mit den
fliehenden Achaeern in die Befestigung und das Lager der Achaeer
einzudringen — eine Situation, wie sie, allerdings viel deutlicher,
am Schluss der Schlacht des achten Gesanges V. 336— 349 ge-
schildert ist. Auch in der folgenden Erzählung widerstrebt alles
der Angabe, dass die Achaeer bereits innerhalb der Mauer ein-
geschlossen sein*): so setzt Poulydamas 65 doch bei dem μά-
χεσϑαι einen Widerstandsversuch der Achaeer offenbar noch in dem
Raume zwischen dem Graben und der Mauer voraus, ebenso lüsst
sich V. 79 μενέουσι doch gewiss nicht vom Standhalten hinter
der Mauer verstehen, auch reden 106. 107 nicht vom Ansturm
gegen die Mauer, sondern gegen die Achaeer und die den An-
greifenden beigelegte Erwartung, dass die Achaeer nicht mehr
Stand halten und in das Schiffslager sich stürzen werden, scheint
unmöglich, wenn diese sich bereits hinter die schützende Mauer
zurückgezogen haben, Ferner wird nach 121—123 auf der linken
Seite des Schiffslagers das Thor noch offengehalten, um den Flüch-
tigen (d. i. nach 118. 119 solchen, die mit Ross und Wagen
zurückkehren aus dem Kampfe) noch die Möglichkeit der Rettung
ἢ Vgl. hiezu auch Jacob p. 267 und Gerlach im Philol. XXXIII
p- 199.
Kritischer und exegetischer Anhang, M. Einleitung. 109
zu bieten, wobei es zunächst unentschieden bleiben mag, ob 118,
119 eine allgemeine Angabe enthalten, sodass viosovro — pflegten
zurückzukehren, oder von der damaligen Situation zu verstehen
sind. Nur unter der Voraussetzung aber, dass die Fluchtbewegung
der Griechen noch nicht abgeschlossen ist, lässt sich, wie Ger-
lach mit Recht gegen Lachmann bemerkt: hat, überhaupt nur
der Versuch des Asios zu Wagen durch den Graben gegen die
Mauer zu stürmen, begreifen: er hofft zugleich mit den Flüchtigen
in das Schiffslager einzudringen *).
Auf einen zu erwartenden Widerstandsversuch noch vor der
Mauer scheinen auch 125. 126, wie 106. 107 zu weisen und wenn
144 in causalem Zusammenhange mit einander das Anrücken der
Troer unter Asios und die Flucht der Achaeer erwähnt werden,
wodurch die beiden Lapithenhelden veranlasst werden vor das
Thor zu treten, so kann man doch nicht an eine Flucht von der
Mauer in das Schiffslager oder überhaupt innerhalb der Mauer
denken, sondern muss annehmen, dass die Achaeer bis dahin noch
vor der Mauer sich gehalten haben. Nach allem diesem ist die
Situation, welche der Dichter in der Rede des Poulydamas und bei
dem Versuch des Asios vor Augen hat, die, dass die Fluchtbe-
wegung der Achaeer noch nicht abgeschlossen ist, vielmehr noch
die Möglichkeit eines Widerstandes derselben zwischen Graben und
Mauer gedacht wird. In der folgenden Partie dagegen, wo der
Uebergang Hektors über den Graben und der Sturm auf die Mauer
erfolgt, findet sich keinerlei Andeutung mehr von der noch an-
dauernden Flucht der Achaeer oder einem Versuch derselben vor
der Mauer Stand zu halten; das hier in Frage kommende Thor
ist geschlossen, die Achacer stehen auf der Mauer, es wird über-
all als Aufgabe der Anrückenden bezeichnet Thor und Mauer zu
brechen (198. 223. 257. 261f. 290f. 308). Besonders klar tritt
die Verschiedenheit des Standpunktes hervor in den beiden Reden
des Poulydamas: 61—79 und 211—229. Das Resultat dieser
Betrachtung ist demnach folgendes. Die 35—39 bezeichnete Situa-
tion ist weder mit dem, was vorher erzählt ist, noch mit dem,
was zunächst folgt, vereinbar: erst für die Erzählung von 196 an
würde eine solche zutreffend sein. In dem ersten Theil der Er-
zählung bis 196 finden wir dagegen zunächst allgemein angedeutet
das letzte Stadium der Schlacht in unmittelbarer Nähe des Grabens
(2—4), dann speciell die letzten Widerstandsversuche der Achaeer,
*) “Im Lachmannschen Liede dagegen wird ihm der tolle Versuch
untergelegt, mit dem Wagen über die Mauer fahren zu wollen. Be-
nicken sagt: “natürlich erst, wenn die Mauer niedergeworfen und zer-
stört ist”” Er meint also, dass Asios vorläufig nur zusieht, um nachher,
wenn die Soldaten das beste gethan haben, seinen triumphierenden Ein-
zug zu halten. Dass dies unhomerisch ist, braucht wohl kaum besonders
constatiert zu werden.’ Gerlach.
110 _Kritischer und exegetischer Anhang. ΔΙ, Einleitung.
von Hektor vereitelt (41—48); die danach zu erwartende Flucht
der Achaeer über den Graben entnehmen wir zum Theil aus 122f.,
zum Theil ist nur unter der Voraussetzung der eben sich voll-
ziehenden Flucht zu verstehen, dass Hektor einen Augenblick
daran denkt mit Ross und Wagen über den Graben zu setzen und
Asios diesen Gedanken wirklich ausführt. Wenn wir endlich 143.
144 so verstehen müssen, dass vor Asios’ Andringen die Achaeer
aus dem Raum zwischen Graben und Mauer sich erst in die Be-
festigungslinie selbst zurückziehen, so haben wir damit eine Reihe
von Momenten gefunden, die eine wohl zusammenhängende Folge
der Entwicklung darstellen, die freilich nicht überall klar hervor-
treten und deren Zusammenhang zum Theil nur durch Combination
zu gewinnen ist.
Für die Oekonomie des Gesanges kommen nun als die Haupt-
handlung vorbereitend, bedingend oder bestimmend besonders fol-
gende Momente in Betracht: die Ordnung der Troer in fünf Haufen,
der vergebliche Versuch des Asios in das Schiffslager einzudringen,
die Thätigkeit des Zeus, der zwiefache Rath des Poulydamas.
Schwer erfindlich für die Oekonomie unseres Gesanges ist der
Zweck der Ordnung der Troer in fünf Haufen. Von diesen kommen
überhaupt nur zwei und ein Theil des dritten in Action, von den
übrigen ist im Verlauf der Erzählung gar nicht weiter die Rede.
Noch auffallender aber als dies Ignorieren ist, dass die folgende
Ausführung eigentlich nur eine Zweitheilung kennt, indem dem
Haufen des Asios 196 nur die, welche dem Poulydamas und Hektor
folgten, entgegengestellt werden, eine Bezeichnung, welche hier,
da sie jedenfalls auch die Abtheilung des Sarpedon mit umfasst,
im allgemeinsten Sinne von Troern und Hülfsvölkern mit Aus-
nahme der Mannschaft des Asios zu verstehen ist, während die-
selbe 88—90 nur eine der fünf Abtheilungen bezeichnet. Andrer-
seits ist diese Fünftheilung durch nichts vorbereitet, vielmehr denkt
Poulydamas bei seinem Rath V. 78, der späteren Auffassung ent-
sprechend, alle, Troer wie Hülfsvölker, unter Hektors Befehl ver-
einigt: Ἕκτορι πάντες ἐπώμεϑ' ἀολλέες. Das schwerste Bedenken
erregt endlich der Zusammenhang der Erzählung, in welchem sich
die Ordnung der 5 Abtheilungen findet. Vorher wird erzählt, dass
nicht nur Hektor, sondern alle Troer dem Rath des Poulydamas
folgend von ihren Wagen sprangen und ihre Gespanne den Wagen-
lenkern übergaben. Dann folgt die Ordnung derselben in 5 Haufen,
von diesen führt Asios mit andern den dritten. Schon ist damn
erzählt, dass alle diese sich in Bewegung setzten gegen die Achaeer
106, da heisst es plötzlich 108#.: da folgten alle die andern Troer
und Hülfsvölker dem Rath des Poulydamas, nur Asios wollte dort
nicht sein Gespann zurücklassen. Auf Grund dieser Bedenken hat
Holm die Streichung von 82—107 vorgeschlagen, wodurch allerdings
ein tadelloser Zusammenhang und Uebereinstimmung mit 195. 196
Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 111
gewonnen wird. Dagegen erklärt Giseke die Mängel der ganzen
Ausführung in Bezug auf diesen Punkt aus dem Unvermögen des
hier deutlich zu erkennenden Kunstdichters, welcher dem von ihm
neu eingeführten Mauerkampf, um seine Kunst zu zeigen einen
strategischen Plau zu Grunde legte, aber wie er selbst 176 an-
deute, die Aufgabe, die er sich gestellt, zu lösen ausser Stande war.
Die Erzihlung von Asios steht nach Kiene in wohlberech-
netem Kontrast zum Schluss des Gesanges: ‘denn Hektor sprengt
das geschlossene Thor, während Asios in das offene nicht ein-
zudringen vermag. Dieser Gegensatz des ersten und letzten Gliedes
des Kampfes um die Mauer bildet eine Hauptschönheit seiner
Gruppierung.” Dagegen haben andere Kritiker eine Reihe gewich-
tiger Bedenken gegen die Erzählung geltend gemacht. So findet
Lachmann dieselbe mindestens unvollständig: nach ihm traten
die Verse 175—181 offenbar an die Stelle der echten, in denen
Asios wich, nachdem er einen oder den andern Achaeer getödtet
hatte. Ausserdem gab ihm der Widerspruch wegen des hier links
angenommenen offenen Thores theils mit M 223, theils mit N 679.
681 vgl. 312. 675, wo das Thor in der Mitte der aufs Land
gezogenen Schiffe ist, Anlass 118 τῇπερ-- 194 ἔχε, 127—136, 141
—153, 162—174 auszuscheiden, womit zugleich die Hervorhebung
der beiden Lapithenhelden beseitigt wird. Auch Bergk hebt
hervor, dass die homerische Ilias von den Lapithen nichts wisse
und der Angriff des Asios eigentlich ohne jedes Resultat verlaufe.
Jacob bezeichnet daneben auch die Hervorhebung des Asios selbst
als befremdend, da dieser nirgends so selbständig auftrete Mit
voller. Entschiedenheit aber sieht Düntzer in der ganzen Erzählung
von Asios eine Interpolation (116—199), indem er den Abbruch
des Kampfes mit den Lapithen 194 und die folgende Anknüpfung
der weiteren Erzählung von Hektor und Poulydamas als seltsam
und abenteuerlich bezeichnet und neben anderen Unebenheiten na-
mentlich auch den Widerspruch wegen des Thores hervorhebt.
Auch Bernhardy ist geneigt die ganze Partie auszuscheiden.
Bei der Entscheidung über die Ursprünglichkeit der Erzählung
von Asios ist zunächst die Frage klarer zu stellen, ob in der
griechischen Befestigungslinie überhaupt ein oder mehrere Thore
angenommen werden müssen. Aristarch nahm nur ein (grösseres)
Thor an, indem er beobachtete, dass Homer das Wort πύλαι nie
anders als im Plural gebrauche, auch wenn er nur ein Thor be-
zeichne, vgl. Lehrs de Aristarch. ®p. 125. Ohne Zweifel kann
aber πύλαι auch von mehreren Thoren gebraucht werden, und in
H 436—439 lässt der Zusammenhang offenbar nur diese Auf-
fassung zu, da von der Mauer bestimmt die Thürme πύργους un-
terschieden werden und in Bezug auf diese es heisst: ἐν δ᾽ auroicı
πύλας ἐνεποίεον; und dass die Rhapsoden wenigstens von der An-
nahme einer Mehrheit der Thore ausgiengen, zeigen die allerdings
112 _ Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung.
ungehörigen Verse M 175 δ. In der Erzählung des zwölften
Buches werden nun offenbar zwei Thore unterschieden, denn dass
Hektor mit seiner Abtheilung einen andern Theil des Lagers an-
greift, als Asios, ergiebt sich aus der Verschiedenheit der an
beiden Stellen gegenüberstehenden griechischen Führer, auch zeigen
N 675. 679 vgl. mit 751. 767, dass die linke Seite, wo Asios
anstürmte, ziemlich entfernt von der Stelle ist, wo Hektor eindrang.
Hienach haben Lenz die Ebene von Troja p. 207, Grossmann
Homerica p. 22, Hasper das alte Troja p. 13, Schoemann de
reticentia Homeri p. 17 Anmerk. 17, Jacob über die Entstehung
der Ilias und Odyssee p. 261 sich für die Annahme mehrerer
Thore erklärt. Nun werden allerdings sonst mehrere Thore nicht
unterschieden, es ist sonst überall nur von einem Thore die Rede,
dem Thore, welches Hektor erstürmt und welches nach N 312
und 679—681 in der Mitte sich befindet. Danach könnte man
allerdings mit Lachmann und Friedlaender vermuthen, dass
das Thor auf der linken Seite hier nachträglich eingeschwärzt sei,
aber dieser Annahme stehen die schwersten Bedenken entgegen.
Schon Holm machte namentlich geltend, dass mit dieser Annahme
die Erzählung von dem Kampfe der beiden Lapithen 182 ἢ, un-
vereinbar sei: wie können dieselben, von der Mauer aus, wo sie
nach Beseitigung des Thores allein gedacht werden können (vgl.
154) nicht nur mit dem Schwerte kämpfen (190), sondern gar
durch die Schaar hin anstürmen (191) und den Erlegten die
Rüstungen abziehen (195)? Um diesen Fehler in Lachmanns Com-
bination zu corrigieren sieht sich dann Benicken zu der weiteren
Annahme genöthigt, dass 190—192 nicht in ihrer ursprünglichen
Fassung auf uns gekommen sein, sondern von demselben, der die
übrigen Einschiebsel in die Erzählung von Asios einfügte, in die
jetzt vorliegende Gestalt gebracht sein, sowie dass der zweite
Halbvers von 165 ursprünglich gelautet habe ἐνὲ κρατερῇ ὑσμίνῃ.
Ein anderes Bedenken gegen die Lachmannsche Combination macht
Gerlach geltend: “In unserer Ilias wird der Umstand, dass dieser
Anführer allein zu Wagen kimpft, ausreichend motiviert. Auf der
linken Seite des Schiffslagers, wohin Asios sich begiebt, flüchten
die Griechen auf ihren Streitwagen durch das offene Thor, er
darf also wohl hoffen, mit den Flüchtigen zugleich in das Lager
einzudringen. Im Lachmannschen Liede dagegen wird ihm der
tolle Versuch untergelegt, mit dem Wagen über die Mauer fahren
zu wollen. Benicken sagt: natürlich erst, wenn die Mauer nie-
dergeworfen und zerstört ist”. Er meint also, dass Asios vorläufig
nur zusieht, um nachher, wenn die Soldaten das beste gethan
haben, seinen triumphierenden Einzug zu halten. Dass dies un-
homerisch ist, braucht wohl kaum besonders constatiert zu werden.”
Von der Ausscheidung der Stellen, welche das Thor erwähnen,
kann demnach nicht wohl mehr die Rede sein, und es handelt sich
Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 113
vielmehr um die Frage, ob der Erzählung im Ganzen eine sichere
Stelle in der Oekonomie des Gesanges zukommt oder nicht. Aus
der Annahme mehrerer Thore scheint jedenfalls kein entscheidendes
Argument gegen dieselbe hergenommen werden zu können: diese
Annahme ist an sich so natürlich, dass man eher sich wundern
inüsste, wenn in der ausgedehnten Befestigungslinie nur ein ein-
ziges Thor vorausgesetzt wäre. Dass das hier erwähnte Thor auf
der linken Seite im dreizehnten Gesange und sonst nicht weiter
vorkoinmt, erklärt sich daraus genügend, dass der Dichter dort
keinen besonderen Anlass hatte dasselbe zu erwähnen. Im Uebri-
gen sind die gegen die Erzählung von Asios erhobenen Bedenken
anzuerkennen. Zunächst die besondere Stelle, welche die Lapithen,
so wie Asios in dem in der Ilias verarbeiteten Sagengehalt ein-
nehmen. Von grösserem Gewicht ist, dass, wie die Erzählung ohne
rechten Abschluss ist, so der Angriff des Asios an sich ohne ei-
gentliches Resultat bleibt und für die folgende Entwicklung keine
weitere Bedeutung hat, denn der von Kiene belobte, aber von
dem Hörer kaum empfundene Kontrast der Erzühlung mit der
Schlussscene des Gesanges ist schwerlich ein genügendes Moment,
um der Episode ihre Stelle im Gesange zu sichern. Sehr auf-
fallend ist ferner die Art, wie dieselbe in den Zusammenhang des
Ganzen eingeordnet ist, und die dabei hervortretenden Mängel.
Die Anknüpfung der 200—250 erzählten Vorgänge an unsere
Erzählung in 195 ff. vermittelst des Parallelismus von ὄφρα — τόφρα
zeigt, dass nach Absicht des Dichters der Angriff des Asios mit
diesen zeitlich parallel verlaufend gedacht werden soll: während
Asios durch den Graben stürmt und vergeblich in das Thor ein-
zudringen sucht, erscheint den diesseits des Grabens zum Ueber-
gang sich ordnenden Troern das Zeichen, welches zunächst die
abmahnende Rede des Poulydamas und die Gegenrede Hektors her-
vorruft, worauf dann erst Hektors Angriff erfolgt. Mit der hier
gegebenen Anordnung der Begebenheiten steht aber die die Er-
zählung von Asios einleitende Partie im Widerspruch, Wenn es
106 von allen in fünf Haufen bereits geordneten Troern heisst:
βάν δ᾽ ἰθὺς Δαναῶν und 108—112 dazu das Verfahren des Asios
in Gegensatz gestellt wird, so ist hier der Angriff der übrigen
Troer mit dem des Asios offenbar gleichzeitig erfolgend gedacht.
Dazu kommt hier der weitere Widerspruch, dass nach 83 und 95
Asios unter denen mit genannt ist, welche auf Poulydamas Rath
den Wagen verliessen. Indess brauchen diese Differenzen nicht auf
Rechnung dessen zu kommen, welcher die Episode von Asios
dichtete, ebensowohl können sie durch die von Hölm vermuthete
Einschiebung von 82—107 verschuldet sein. Diese Vermuthung
wird wesentlich verstärkt durch folgende Betrachtung. Es kann
verständiger Weise nicht die Absicht des Dichters sein das Zeichen
200 ff. nur dem einen Haufen der Troer erscheinen zu lassen,
Ameis, Anhang zur Ilias. 8
114 Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung.
sondern offenbar allen Troern mit Ausnahme des Asios und der
Seinen, die nur deshalb es nicht sehen, weil sie vor dem Erschei-
nen desselben den Graben bereits überschritten haben. Müssen
demnach 196—198 von der Gesammtheit der Troer mit Ausnahme
jener verstanden werden, so kann derselbe Dichter nicht die
fast wörtlich übereinstimmende Bezeichnung 88—90 nur von einem
Haufen der Troer verstanden haben. Da aber die ganze Fünf-
theilung im weiteren Verlauf der Erzählung gänzlich wunbeachtet
bleibt, auch bei der Einführung Sarpedons 290, und da mit der
Beseitigung von 82—107 alle erwähnten Widersprüche schwinden,
so wird die Annahme dieser Interpolation im höchsten Grade
wahrscheinlich. Aber auch die Anknüpfung der parallelen Hand-
lung selbst 195 f. ist getadelt und nicht mit Unrecht. Zwar ist
der von Düntzer erhobene Vorwurf, dass man nicht sehe, was
denn Hektor und Poulydamas zurückgehalten habe, nachdem sie
sich einmal entschlossen hatten ohne Wagen überzusetzen, unbe-
rechtigt, da ja 200 ff. die Erklärung folgt. Aber die Parallelisie-
rung des ἔτι μερμήριξον mit dem untergeordneten einzelnen Moment
des erzühlten Kampfes (τοὺς ἐνάριξον ἀπ᾽ ἔντεα μαρμαίροντα) ist
jedenfalls nicht geschickt, und das Nachbringen der Haupthand-
lung, das Vordrängen der Episode scheint sich von der Kunst,
womit z. B. im ersten Gesange Haupthandlung und Episode ver-
schlungen sind, weit zu entfernen. Endlich bietet die Darstellung
der Episode selbst mannigfachen Anstoss. So wird die Entwicklung
und der Fortschritt der Handlung mehrfach gestört theils durch
Wiederholungen, die auf doppelte Recensionen führen können, vgl.
120—123, 124 ff. 137 Ε΄, theils durch ein Nachbringen von dem,
was der augenblicklichen Situation vorausgeht, vgl. 141 ff,, auch
durch Uebergehen von nicht unwesentlichen Zügen, wie dass Asios
seinen Wagen verlässt 136. Gerade in dieser Episode treten auch
die schon oben im Allgemeinen erwähnten Mängel in dem Gebrauch
der Gleichnisse besonders hervor, indem dieselben theils durch die
überraschende Wendung, die sich in der Ausführung vollzieht (vgl.
148 8), theils durch die bei Aufnahme der Erzählung gemachte
Anwendung derselben (vgl. 159 f. 171 £.) befremden.
Die Leitung des Kampfes durch Zeus ist gleichmässig darauf
gerichtet Hektor zu fördern und ihm Ruhm zu verleihen: vgl.
173 £. 252 ἢ, 290—292. 437. 450. Befremden kann hier nur das
200 ff. erscheinende Zeichen namentlich im Hinblick auf das un-
mittelbar folgende 252. Jenes erste zeigt sich in dem Augen-
blicke, wo Hek4or mit den Seinen im Begriff steht den Graben zu
überschreiten, und scheint, indem es nach Poulydamas’ Deutung
nach anfangs glücklichem Erfolg einen verderblichen Rückzug in
Aussicht stellt, vor dem Uebergange zu warnen; dieses, ein gegen
das Schiffslager brausender Sturmwind, unterstützt in dem Augen-
blick, wo Hektor den Graben überschreitet, denselben in der wirk-
Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 115
samsten Weise. Man kann fragen: wozu hier das abmahnende
Zeichen? steht dasselbe nicht mit der gesammten Thätigkeit des
Zeus seit Beginn des achten Gesanges, wie mit der folgenden in
Widerspruch, da es die Verwirklichung seiner Absicht ernstlich in
Frage stellt? Man kann allerdings zweifeln, ob der Dichter den
Adler wirklich als von Zeus gesendet betrachtet wissen will, da
er denselben nur da, wo er den erschreckenden Eindruck seines
Erscheinens auf die Troer darstellt, als Διὸς τέρας bezeichnet (209):
nach dem Zusammenhange lässt sich diese Bezeichnung als die
Auffassung der Troer deuten, während Hektor dieselbe nicht zu
theilen braucht, vgl. 235—237 mit 241 f. Aber es knüpfen sich
an diese Partie noch andere Bedenken. So ist in den Eingangs-
worten des Poulydamas der gereizte, bittere Ton gegen Hektor,
der Vorwurf, dass er, eifersüchtig auf seine Auctorität, seinen
wohlgemeinten Rathschlägen immer entgegentrete, nach dem, was
vorausgegangen ist, ganz unbegreiflich: hat doch Hektor unmittel-
bar vorher dem Rath des Poulydamas, die Wagen zu verlassen, sich
willig und ohne alle Widerrede sofort gefügt. Auch sonst bietet
die Rede auffallendes: der Ausdruck, mit dem Poulydamas den
nach seiner Deutung des Zeichens zu erwartenden verderblichen
Rückzug bezeichnet (225), ist sehr seltsam und kaum verständlich,
man erwartet einen viel stürkern Ausdruck (vgl. 10--- 14), der
wirksamer die Abmahnung begründete. In der folgenden Rede
Hektors endlich sind die Verse 244—250 sehr anstössig und von
Bekker, Köchly u. A. verworfen.
In der Erzählung des Kampfes selbst ist, wie schon oben
bemerkt wurde, von Nitzsch eine grosse Interpolation angenommen;
er verwirft die ganze Partie von Sarpedon 290—429, welche ihm
aus einem älteren Liede von Sarpedon entnommen und mit den
nöthigen Einfügungsgliedern in den Zusammenhang eingereiht scheint.
Seine Gründe sind folgende. Zunichst und vor allem der Wider-
spruch, dass während nach der Haupterzählung Zeus dem Hektor
die Ehre des ersten Rindringens zugedacht hat, hier dem Sarpedon
dieselbe zugetheilt wird, 397—399 in Uebereinstimmung mit IT
558 vgl. M 438. Ferner kommt innerhalb der Erzählung von
Sarpedon der grosse Aias, der mit dem andern Aias Hektor ge-
genüber steht, von Menestheus (dessen Thurm Sarpedon bedroht)
gerufen diesem zu Hülfe: dagegen finden wir in N beide Aias wie
im ersten Theil von M beisammen oder in Nähe bei einander
Hektor gegenüber, ohne dass erzählt wäre, dass der grosse Aias
vom Thurm des Menestheus wieder an seinen früheren Standort
zurückgekehrt sei. Endlich bieten die Uebergänge von der Haupt-
erzählung zu Sarpedon und umgekehrt besondern Anstoss. V. 290
kommt das Abbrechen und Unterbrechen der bisherigen Schilderung
völlig unerwartet; während hier aber für die schliessliche Erstür-
mung des 'Thores durch Hektor dem Sarpedon ein wesentlicher
8:
116 _ Kritischer und exegetischer Anhang. ΜΙ, Einleitung.
Antheil zugeschrieben ist, wird beim Abschluss 437 fl. Hektors
Erfolg als die Folge eines frischen Entschlusses des Zeus bezeichnet.
“Andrerseits ist hier der Satzverlauf unklar, da 417 die Lykier es
sind, welche im harten Kampfe ohne Erfolg gegen die Achaeer
angehn, nachmals aber eben mit der Stelle 437 ff. die Scene zu Hektor
und seinen Troern zurückversetzt wird.” Die auf diesen Gründen
berubende Annahme einer umfassenden Interpolation wird auch
unterstützt durch die Untersuchungen von Giseke über die Sage
von Sarpedon, welcher freilich zu dem viel weitergehenden Resultat
gelangt, dass in der alten Sage Sarpedon überhaupt gar nicht vor
Troja gewesen sei und die troische Hülfsleistung desselben mit
allem, was sich an sie knüpfe, wie der Bau und die Erstürmung
der Schiffsmauer, ein neueres Element in der homerischen Sage,
künstlich eingefügt und noch in ihren Fugen erkennbar sei. Auch
Bernhardy scheint der von Nitzsch vorgeschlagenen Athetese
zuzustimmen. Dagegen haben Andere sich gegen Nitzsch’s An-
nahme erklärt und die gefundenen Widersprüche in verschiedener
Weise zu lösen versucht. Gegen den an erster Stelle hervor-
gehobenen Widerspruch von 397—399 mit der übrigen Erzählung
macht Kiene geltend, dass der Satz πολέεσσι δὲ ϑῆκε κέλευϑον
dadurch genügend gerechtfertigt werde, dass der Angriff des Sar-
pedon den Telamonier entferne und dadurch den Sieg des Hektor
erleichtere und vorbereite, während IT 550 eben nur eine fehl-
greifende Vermuthung des Patroklos sei. Danach scheint Kiene
in ϑῆκε Sarpedon als Subject vorauszusetzen, was aber nach dem
Zusammenhang der vorangehenden Worte nicht wohl möglich ist.
Richtig scheint Nitzsch die entblösste Mauer als Subject zu fassen.
wenn er sagt: vielen Bahn machen ist ein Factum, ein Erfolg an
der Mauer; auch giebt derselbe, namentlich wenn man πρυλέεσσι
statt πολέεσσι vermuthen dürfe, zu, dass der Satz eine Beschaffen-
heit, eine Möglichkeit ausdrücken könne, deren Erfolg nicht ein-
zutreten brauche. Dass der Satz nur so gemeint ist: die Ent-
blössung der Mauer von der Brustwehr gab vielen die Möglichkeit
einzudringen, deren Verwirklichung aber zunächst durch den Wider-
stand des Aias und Teueros vereitelt wurde, zeigt deutlich die
Aeusserung Sarpedons 410 f. Jedenfalls wird durch die Worte
dem Sarpedon nicht die Ehre des ersten Eindringens beigelegt
und ein so schroffer Widerspruch, wie ihn Nitzsch fand, ist nicht
anzuerkennen. Die zweite Differenz sodann, welche auf der Be-
rufung des Aias zum Thurm des Menestheus und dem in N trotz-
dem unveränderten Standort desselben beruht, hat Friedlaender
durch die Annahme zu beseitigen gesucht, dass der Dichter sich
den Thurm des Menestheus in unmittelbarer Nähe bei dem Thor
in der Mitte gedacht habe, wofür er einmal ἐγγύϑεν 337 geltend
macht, sodann den Zusammenhang der folgenden Erzählung, welche
den Eindruck mache, als wenn der Dichter den Thurm des Me-
Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 117
nestheus und das Thor in der Mitte nicht als zwei von einander
getrennte Punkte betrachtet habe. In der That genügt das ἐγγύϑεν,
um den bezeichneten Widerspruch nicht gerade bedeutend zu finden,
auch ohne dass wir mit Friedlaender anzunehmen brauchen,
dass die Verse, worin die wenngleich geringe Ortsveränderung des
Aias, Teucros und Menestheus angegeben sein musste, verloren
sein. Nach dem Erfolg des allgemeinen letzten entscheidenden
Sturmes (443 ff.) ist es selbstverstündlich, dass auch der Thurm
des Menestheus nicht behauptet werden konnte, und zumal nach
Aias’ Zusage 369 die nun erfolgende Rückkehr desselben an seinen
früheren Standort, wo seine Hülfe Hektor gegenüber vor allem
nothwendig war, eine Voraussetzung, die der Dichter wohl still-
schweigend seinen Hörern zumuthen durfte. Eine andere Lösung
des Widerspruchs giebt Düntzer, indem er nach dem Vorgange
von Schöll zu Sophokles’ Aias p. 60 f. die Berufung des Aias
durch Menestheus für eingeschoben erklärt. Vom Lachmannschen
Standpunkt endlich macht Benicken geltend, dass zur Beseitigung
des Widerspruchs mit N ein viel einfacheres Mittel die Annahme
verschiedener Verfasser der beiden Gesänge sei, gegen die Athetese
überhaupt aber die Trefllichkeit der Erzühlung, deren Beseitigung
einen fühlbaren Mangel zurücklasse, die Uebereinstimmung des
Stückes nach Inhalt und Form mit den übrigen Theilen des zwölf-
ten Buches, endlich die Beziehungslosigkeit von πάντῃ 430, da
vor 289 nur von einer oder zwei Seiten die Rede sei.
Sind nach der vorstehenden Ausführung die von Nitzsch
besonders betonten Widersprüche an sich nicht von der Art, dass
sie die Unvereinbarkeit der Erzählung von Sarpedon mit der Haupt-
erzählung erweisen, so haben dagegen die dem Zusammenhang und
Fortschritt der Erzählung entnommenen Bedenken ein bedeutendes
Gewicht. Da, wo die Erzählung von Sarpedon einsetzt (290), ist
kurz vorher (251 8.) der Uebergang über den Graben und der
Angriff auf die Mauer erfolgt; beide Aias haben die Achaeer an-
gefeuert, und eben ist ausführlich geschildert, wie von beiden
Seiten die Steinwürfe zahlreich hin- und herfliegen.*) Bei dieser
Lage der Dinge, wo wir eben in den Beginn des Kampfes versetzt
sind, ist nun die Wendung, mit der der Uebergang zu Sarpedon
gemacht wird (290 £.), in hohem Masse überraschend und durchaus
wnvermittelt, da wohl kein Hörer in diesem Augenblick (τότε γε)
*) V. 258—262, welche unmittelbar nach dem Uebergang über den
Graben bereits die detaillierte Ausführung der Versuche die Mauer zu
stürmen enthalten, greifen der natürlichen Entwicklung der Dinge selt-
sam vor, da wir 278—289 offenbar in ein früheres Stadium zurück-
versetzt werden. Man beachte auch, dass 264 in den Worten ὑπὸ τεῖχος
ἰόντας nur erst von der Annäherung an die Mauer die Rede ist, sodann,
dass auch die weiter folgenden mahnenden Worte der beiden Aias für
diesen Moment passender sind.
118 Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung.
bereits die Erstürmung der Mauer, geschweige denn des Thores,
von dessen Bedrohung überhaupt noch nicht die Rede gewesen
ist, erwarten wird. Dazu kommt die Differenz, welche die Ueber-
gangswendung in den Worten μακρὸν ὀχῆα verglichen mit δοιοὶ
ὀχῆες 455 bietet und welche Benicken zu der Annahme ver-
anlasst, dass 290. 291 von einem Ordner eingeschoben seien und
nach Streichung derselben V. 292 δὴ τότ᾽ ἄρ᾽ statt ei μὴ ἄρ᾽ zu
lesen sei. Derselbe begründet diese Annahme auch dadurch, dass
in den folgenden Theilen des Liedes keine Spur darauf führe, dass
Sarpedon ausser jenem allgemeinen und natürlichen, daher auch
selbstverständlichen Einfluss einen besondern und daher bestimmter
hervorzuhebenden auf die Brechung des Thores gehabt habe. In
der That weiss die Schlusserzählung nichts von einem directen
Einfluss Sarpedons auf die Erstürmung des Thores: diese wird
436 f. durch eine völlig neue, von der vorhergehenden Entwick-
lung durchaus unabhängige Entscheidung des Zeus motiviert; auch
die Entfernung des Aias zeigt sich nirgends wirksam, nichts von
einem Ermatten oder von Muthlosigkeit der Achaeer, vielmehr
wird die Gleichheit der Kräfte nachdrücklich betont, und nur der
durch Zeus neuerweckte Kampfeifer Hektors und die Zerschmet-
terung des Thores giebt die Entscheidung. Die Ungeschicklichkeit
der Anknüpfung verräth sich 290 zumal durch das betonte τότε
γε. welches ebenso bestimmt eine unmittelbar durch Sarpedon
herbeigeführte Entscheidung verlangt, als in der Ausführung diese
in der That nicht erfolgt. Ebenso schwer wiegen die Bedenken,
welche der Uebergang zur Haupterzählung am Schluss erregt.
Der erfolgreiche Sturm des Sarpedon führt zu einem blutigen,
aber gleichstehenden Nahkampf der nur durch die Brustwehren
getrennten Lykier und Danaer (417—429). Diese Schilderung
wird plötzlich 430 verallgemeinert und auf die Troer und Danaer
übertragen, ohne dass zwischen der 288 f. bezeichneten Situation,
wo wir Troer und Achaeer im ersten Stadium des Kampfes ver-
liessen, und der hier gezeichneten irgend ein Zwischenglied den
Fortschritt der Handlung vermittelte. Ja noch mehr, die eben
geschilderte Situation ist gleich darauf 442 f. wie völlig vergessen,
denn erst jetzt erfolgt, wie es scheint, auf Hektors ermunternden
Zuruf ein eigentlicher Sturm auf die Mauer (ἴϑυσαν δ᾽ ἐπὶ τεῖχος
ἀολλέες), wie er der 288 f. bezeichneten Situation sich passend
anschliessen würde, aber nicht vereinbar ist mit dem vorher-
geschilderten Nahkampf an und auf der Mauer selbst.
Die nachgewiesenen inneren Widersprüche der Erzählung stellen
doch die Einheitlichkeit derselben ernstlich in Frage: in Verbin-
dung mit diesen gewinnen auch die übrigen an sich nicht so schwer
wiegenden Bedenken, wie der Umstand, dass Sarpedon im drei-
zehnten Gesange völlig vergessen ist, und die Vermuthungen Gi-
sekes über den jüngeren Ursprung der Sarpedonsage, grössere
Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 119
Bedeutung. Was gegen die Annahme der Interpolation von Be-
nicken vorgebracht ist, wird vor einer genaueren Prüfung nicht
bestehen. So wird die von demselben betonte Uebereinstimmung
des Stücks nach Inhalt und Form mit den übrigen Theilen des
Gedichtes sich reducieren auf eine Uebereinstimmung gerade mit
der ebenfalls mit Grund beanstandeten Erzählung von Asios: mit
dieser theilt dasselbe den μακρὸς ὀχεὺς (121. 291), ferner zum
Theil dieselben Mängel in der Anwendung des Gleichnisses: so
führt der Vergleich 298—307 die Erzählung statt vorwärts zurück
(vgl. 299 mit 330), 432—436 wird der bei der Einleitung nur
auf die Achaeer berechnete Vergleich bei der Aufnahme ver-
allgemeinert und auf beide Parteien angewandt.
Die Prüfung des innern Zusammenbanges des zwölften Buches
exgiebt abweichend von der Kritik der Vertreter der Liedertheorie
ein nicht sehr günstiges Resultat, Schwere Störungen des regel-
rechten Fortschritts der Handlung, Widersprüche in der Motivie-
rung, Unklarheiten und Ungeschicklichkeiten in den Uebergängen
der einzelnen Partieen, wie sie sich namentlich an die fünffache Ord-
mung der Troer, sowie an die Erzählungen von Asios und Sarpedon
knüpfen, machen es wahrscheinlich, dass die ursprüngliche Gestalt
des Gesanges unter Erweiterungen und Zusätzen, welche ein rei-
cheres Bild von dem um die Mauer entbrannten Kampfe geben
sollten, vielfach gelitten hat.
Endlich müssen wir noch zurückkommen auf die am Eingange
des Gesanges enthaltene Erzählung von der späteren Zerstörung
der Mauer. Dieselbe bietet nach Inhalt und Ausdruck viel Eigen-
thümliehes., Die darin enthaltene proleptische Betrachtung des
spätern Schicksals der Mauer befremdet insofern, als wir in der-
selben ‘nicht einen Vorblick auf den grossen Erfüllungsmoment
haben, den uns das Gedicht sonst als äusserste Perspective eröffnet,
sondern einen Rückblick auf denselben aus einer dem Gedichte
ganz fremden Zukunft’ (Kraut) und weicht von der homerischen
Weise darin ab, dass sie nicht einem Gott in den Mund gelegt
wird, sondern der Erzähler selbst die Zukunft verkündet. Ausser-
halb der homerischen Vorstellungsweise liegt auch die Bezeichnung
der Helden vor Troja ἡμιϑέων γένος ἀνδρῶν. Die Ansichten nun über
dies eigenthümliche Stück gehen in der seltsamsten Weise aus-
einander. Nicht beanstandet ist dasselbe von Lachmann und
Köchly, weil sie auf ihrem Standpunkte darin einen erwünschten
selbständigen Liedanfang, eine Einleitung für ein Einzellied finden.
Auch von andern Standpunkten aus nehmen manche an den Eigen-
thünnlichkeiten der Erzählung keinen Anstoss, indem sie dieselbe
dadurch motiviert finden, dass der Dichter ängstlich bemüht den
Zweifeln derer zu begegnen, welche zu ihrer Zeit nichts mehr von
der Mauer am Hellespont bemerkten, sie selber zerstörte, damit sie
Niemand später suchen sollte. Gerlach findet darin gar die Spuren
120 Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung.
eines älteren Gedichtes, welches Homer benutzt habe. Andern
dagegen sind die Eigenthümlichkeiten des Stückes ein Grund in
demselben vielmehr eine spätere Interpolation zu sehen: so Schoe-
mann, welcher 2—36 ausscheidet und die Verbindung vorschlägt:
ἰᾶτ᾽ Εὐρύπυλον βεβλημένον" αὐτὰρ ᾽Αχαιοὶ Νηυσὶν ἐπὶ γλαφυρῇσιν
ἐελμένοι ἰσχανόωντο, Friedlaender, der darin eine Einleitung
sieht, wie sie der Vortrag ausserhalb des Zusammenhangs erfor-
derte, welche dann den ursprünglichen Anfang des zwölften Ge-
sanges, der den Rückzug hinter die Mauer erzühlte, verdrängte
(ähnlich Hercher), und Düntzer, der 5—40 ausscheiden will.
Wir führen schliesslich die Ansichten der bedeutendsten Kritiker
über den zwölften Gesang an. Lachmann constituiert sein elftes
Lied aus V. 3 (οὐδ᾽ ἄρ᾽ ἔμελλεν) bis 118 (bis ἀριστερά). 124 (τοὶ
δὲ ἕποντο) --- 126. 137—140. 154—161. Lücke. 182—471, ver-
wirft also ausser den ersten Uebergangsversen alle die, in denen
das Thor auf der linken Seite erwähnt und die Lapithen Leonteus
und Polypoithes hervorgehoben werden. Das so constituierte Lied
sondert sich nach ihm auf das bestimmteste vom zehnten, welches
gar keine Mauer kennt. Die vorausgesetzte Situation ist, dass die
Achaeer auf das Schiffslager beschränkt sind, und zwar gilt dieser
Zustand der Einschliessung als ein dauernder. Nicht die leiseste An-
deutung, dass den hier erzählten Begebenheiten etwa unmittelbar eine
Schlacht ausserhalb des Lagers vorangegangen sei. Ob die Verwun-
dung der drei Helden vorausgesetzt sei, ist nicht zu entscheiden, eben-
sowenig, ob die 236 und 164 ff. erwähnten Versprechen des Zeus
identisch sind und auf das in 4 191 zurückweisen. An Lach-
mann schliessen sich auf das engste an Benicken, welcher nur
ausser den von Lachmann verworfenen Theilen noch 190—192
und die letzte Hälfte von 195, sowie 290. 291 für nicht ursprüng-
lich hält, und Cauer, welcher über das Verhältniss des 11. und
12. Gesanges urtheilt: “Die Begebenheiten beider Bücher in ihrer
wahren Bedeutung aufgefasst, sind also nicht auf einander folgende,
sondern parallel neben einander hergehende.” — und ‘Die Zusam-
menfügung so durchaus heterogener Elemente, wie sie in der
Schlacht des elften Buches und in der Teichomachie vor uns liegen,
hätte sich bei alledem Jedem auf die erste Berührung hin fühlbar
machen müssen, wenn beide Theile unmittelbar an einander stiessen.
Aber die Ordner haben Sorge getragen durch eine zwischen-
geschobene Episode (die Sendung des Patroklos) unsere Aufmerk-
samkeit für einen Augenblick auf ganz andere Kreise zu lenken.’
— Abweichend von Lachmann constituiert Köchly sein Lied
aus folgenden Stücken: A 596. M 3—83. 86—112. 118—130.
141— 174. 182—243. 251—284. 287—289. 339—341. 290-
338. 342—431. Lücke, 432—436. 175. 437—449. 451—471.
0 381—389. 696 — 703. M 8. - O 405. O 406—414. Auch
Jacob löst das zwölfte Buch aus seinem Zusammenhange mit dem
Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 121
elften und sieht darin ein besonderes Lied ‘nach seiner Vortrefi-
lichkeit Homers vollkommen würdig und doch nach der Art seiner
Darstellung wohl nicht von ihm.” Alles, was im Eingange des
Gesanges uns die Schlacht wieder vergegenwärtigt, schreibt der-
selbe den Ordnern zu. Dagegen nimmt Hoffmann, obwohl er
eine sichtbare Abrundung und Abgeschlossenheit des Gesanges
anerkennt, doch an, dass derselbe gleich von Anfang an auf seine
jetzige Stelle berechnet war, also nur eine formelle Selbständig-
keit besitzt. “Dafür spricht besonders die grosse Ueberein-
stimmung in so vielen Detailangaben, die zwischen diesem und
dem folgenden Buche stattfindet” Doch scheint ihm das zwölfte
Buch jünger als das dreizehnte, und wohl eine Ergänzung von
diesem. Wahrscheinlich hat der Dichter des zwölften Gesanges
auch die Patroklie gekannt und auf sie hingearbeitet: für den
Kampf des Patroklos mit Sarpedon liefert das zwölfte Buch die
Vorbereitung, indem es dem Sarpedon eine wichtige Rolle zutheilt.
Der Dichter des zwölften Buches scheint auch der Verfasser des
funfzehnten zu sein. — Eine Abhängigkeit des zwölften Gesanges
vom elften nimmt auch Gentz an: ihm scheinen die wirren Massen
von M—O aus mehreren parallelen, von einander, aber nicht von
A wmabhängigen Liedern zusammengewachsen. Der zwölfte Gesang
scheint stark interpoliert. Dagegen erkennt Bergk in den Ge-
sängen 12—15 zum grossen Theil eine ganz selbständige Arbeit
des Diaskeuasten. Das zwölfte Buch insbesondere verwirft er
schon deshalb, weil die alte Ilias keine derartige Befestigung
kenne; dass einzelne Bruchstücke älterer Poesie von dem Dia-
skeuasten für seinen Zweck verwendet sein, wird zugegeben. Auch
Giseke erkennt in der Teichomachie ein Stück jüngern Ursprungs,
welches er der entstehenden Kunstdichtung glaubt zuschreiben zu
müssen. In dem von Faerber angenommenen selbständigen Ge-
dichte, welches die Bücher A— Z umfasst, hat das zwölfte seine
feste, unbestrittene Stelle; er verwirft nur 1—34.
Anmerkungen.
2. Ueber den Eingang des Gesanges vgl. die Einleitung p.
119f. — 9. Dies causale τό behandelt La Roche homer. Stud.
p- 73f. Die Verbindung mit dem die Uebereinstimmung von Ur-
sache und Folge andeutenden καί zeigen noch [176 und 9. 332,
das umgekehrte Gedankenverhältniss kommt in der entsprechenden
relativen Anknüpfung mit ὃ καί σ 332 und ὃ 206 zum Ausdruck,
worüber Pfudel Beiträge zur Syntax der Causalsätze bei Homer
p- 39 handelt. Die übrigen von La Roche hieher gerechneten
122 _Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen.
Fülle eines causalen τό sind H 238 (Ὁ vgl. den Anhang zur Stelle),
P 403 (?), T 213, Ψ 546, das einzige Beispiel der Odyssee ist
9 332. — 17. Dass hier von der Zerstörung der Mauer so ge-
sprochen wird, als ob die Sache vorher noch gar nicht erwähnt
wäre, benutzte Aristarch mit als Argument für die Athetese der
Unterredung des Poseidon und Zeus in H: vgl. Aristonie. ed.
Friedlaender p. 205. — 20fl. Zu der Aufzählung der Flüsse
vgl. Hesiod. theog. 337 f. — 23. "Eine veränderte religiöse Vor-
stellung zeigt sich unzweifelhaft in ἡμίϑεος M 23, da Homer
übrigens noch keine Halbgötter oder vergötterte Menschen kennt.”
Friedlaender in Jahrbb. f. Phil. III Suppl. p. 781. Ebenso ur-
theilt Schuster über die kritische Benutzung homerischer Adjec-
tive. Clausthal 1859 p. 18. Uebrigens vermuthete Axt coniectan.
Hom. p. 9: κονίῃ καὶ ἀρηιϑόων für κονίῃσι καὶ ἡμιϑέων, so auch
Nauck jetzt in der Ausgabe. — 25. ἐννῆμαρ ohne ein nachfol-
gendes δεκάτῃ nur hier und 2 107. Vgl. Anh. zu ἡ 253. —
26. Ueber die Dehnung der ersten Silbe von συνεχές vgl. Anh.
zu ı 74. Der erste Bestandtheil von ἁλίπλοος wird als localer
Dativ aufgefasst wie in ἁλιαής, ἁλιμυρήεις, = im Meere schwim-
mend, von Lehmann zur Lehre vom Locativ bei Homer p. 7,
Weissenborn über die Zusammensetzung der Nomina p. 6, als
Locativ des Ziels = ins Meer hinabschwimmend von Meiring
de verb. cop. II p. 29. Dagegen erkennen andere jetzt mit mehr
Recht in ἅλι- ein wahrscheinlich aus λο abgeschwächtes Thema
(vgl. ἁλιεύς) und das ı als stammhaft: so Fedde über Wort-
zusammensetzung im Homer I p. 21, Meyer in G. Curtius Stud.
V p. 85. — 28. Trefiend bemerkt Welcker griech. Götterl. I
p- 628, indem er das ἐκπέμπειν auf die Handhabung des Drei-
zacks zurückführt: “das unmittelbare Ansetzen und Handhaben
hütet die Poesie sich auszudrücken.” Vgl. auch Doederlein zur
Stelle und e 291. d 506. In der Ilias kommt der Dreizack nur
hier vor. — Andere, wie Düntzer, verstehen ἡγεῖτο so, dass
Poseidon die Meereswogen gegen die Mauer leite und durch diese
deren Grundfeste aus der Erde treibe. Aber da vorher nur von
der Vereinigung der Flussmündungen die Rede gewesen, τεῖχος
ἀμαλδῦναι ποταμῶν μένος εἰσαγαγόντες (18) auf Poseidon, wie auf
Apollo bezogen ist, so ist unmöglich bei ἡγεῖτο an die Wogen
des Meeres zu denken. Dazu kommt, dass auch zuletzt nur von
der Zurückführung der Flüsse in ihr Bett (89 8), nicht von der
der Meereswogen in das Meer die Rede ist, man müsste denn
V. 31 dahin deuten wollen, was aber durch die Zurückführung
der Flüsse in ihr Bett genügend erklärt wird, während nichts auf
eine Einwirkung des Meeres hindeutet. ἐχπέμπειν, zumal in der
Tmesis, umfasst in prägnanter Kürze eine doppelte Thätigkeit des
Poseidon: das Herausheben der Fundamente aus dem Boden, wo-
bei derselbe besonders als ἐννοσίγαιος ἔχων χείρεσσι τρίαιναν thätig
Kritischer und exegetischer Anhang. M, Anmerkungen. 123
zu denken ist, und das Fortschwemmen derselben vermittelst der
Wogen der Flüsse. Uebrigens legen die bezeichneten Schwierig-
keiten die Vermuthung nahe, dass 25. 26 einen ungehörigen Zu-
satz bilden. Nach Beseitigung dieser beiden Verse würde die Be-
ziehung von ἡγεῖτο klar sein und ebenso κύμασι keinen Anlass
mehr zu Zweifeln geben. Diese Vermuthung wird überdies da-
durch gestützt, dass die neuntügige Dauer des Zerstörungswerkes
der Götter in einem argen Missverhältniss steht zu dem Aufbau
der Mauer in einem Tage durch die Hand der Menschen, so wie
dadurch, dass die Theilnahme des Zeus an der Zerstörung nieht
wohl motiviert ist. Jener erstere Anstoss veranlasste übrigens
schon Callistratos zu schreiben: ὃν δ᾽ ἦμαρ. — 32. Zur Erklärung
solcher Infinitive bei Verben der Bewegung vgl. Meierheim de
Infinitivo Hom. I. Göttingae 1875 p. 50.
37. Διὸς μάστιξ wird von den Alten zum 'Theil vom Blitz
verstanden, so von Putzsche commentatt. Hom. I Lips. 1832
p. 23 unter Vergleich von O 17. Θ 10f. © 455, eine andere
Erklärung lautet in Schol. bei Dindorf I p. 417: τῇ Διὸς γνώμῃ
τὰς ψυχὰς κεκακωμένοι, mit der Kraut die epische Prolepsis p. 18
übereinkommt: Διὸς μάστιξ der gegen die Achaeer feindselige
Rathschluss des Zeus, der wie eine drohende Geissel stets über
ihnen schwebt und sie beim Kampf mit den Troern in die Flucht
treibt”, unter Vergleich von Jesaias 14, 26 und 10, 26. — Für
die erstere Erklärung liegt weder hier, noch N 812 im Zusammen-
hang irgend welcher Anhaltspunkt vor. Bei der zweiten bleibt
doch sehr zweifelhaft, ob der Dichter die μάστιξ als Zuchtruthe
gefasst und so bestimmt an den Rathschluss des Zeus die Achaeer
für die Krünkung des Achill zu züchtigen gedacht habe. Man
wird sich bescheiden müssen die μάστιξ zunächst als treibendes
Mittel zu fassen und in dem sinnlichen Bilde die schreckende Ein-
wirkung des Zeus, der zur Flucht treibt, veranschaulicht zu finden.
Vgl. Διὸς ἱρὰ τάλαντα II 658.
418. “Nach den dem Gleichniss zunächst vorhergehenden Worten
YV. 40: ἐμάρνατο ἶσος ἀέλλῃ, erwartet man ein Gleichniss kriege-
rischer Tendenz, wie etwa P 109, 657. M 299. Θ 338. 4 414,
während die Absicht des Gleichnisses sich darauf beschränkt das
Hin- und Herwenden und die παράκλησις ἑταίρων hervorzuheben.”
Friedlaender Beiträge zur Kenntniss der hom. Gleichnisse II
p- 25. Innerhalb des Gleichnisses selbst sodann hat derselbe, wie
auch Düntzer zur Stelle, nicht ohne Grund an 47. 48 Anstoss
genommen, weil, nachdem mit dem Aorist ἀγηνορίη δέ μιν ἔκτα
46 entsprechend dem sonstigen Gebrauch (II 753. M 305. P 112.
664. A 555) nach den vorhergehenden Praesentia in dem End-
resultat des ganzen Vorganges ein passender Abschluss gewonnen
ist, mit V. 47 wider Erwarten στρέφεται wieder aufgenommen wird,
hier in unpassender Weise, weil in στρέφεται kein Detailzug zur
124 _Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen.
Ausführung der Schilderung, sondern die dem ganzen Gleichniss
zu Grunde liegende, im Conjunctiv ausgedrückte Vorstellung ent-
halten ist. Friedlaender empfiehlt diese beiden Verse zwischen
42 und 43 einzuschieben, wodurch einerseits der Abschluss des
Gleichnisses in ἔχτα wiederhergestellt, andrerseits dem οἵ δέ re
und dem πυργηδόν ein krüftigerer Gegensatz (in dem wiederholten
στίχες) gegenübergestellt werden würde. Aber auch damit würde
schwerlich eine befriedigende Gestaltung gewonnen und die nöthige
Einheit in das Ganze gebracht werden. Nauck bezeichnet V. 47.
48 als spurü? Innerhalb derselben befremdet die Wiederholung
von στίχες ἀνδρῶν und die nur hier vorkommende Construction
von πειρητίξω mit Acc. das Hemistich στίχας — πειρητίξων kehrt
wieder O 615, wo aber στέχας von ῥῆξαι und nicht von πειρητίξων
abhängt. Bei der entschieden anzunehmenden Störung des Zu-
sammenhanges der ganzen Stelle ist es auch schwer über die in V. 49
vorliegenden Lesarten zu entscheiden: nach La Roche haben die
Handschr. theils ἐλίσσεϑ᾽ oder ἐλίσεϑ᾽, dagegen ἑλίσσεϑ᾽ H, ἐλλέσσεϑ᾽
und εἴλίσσεϑ᾽ Nicanor. Die letztere Lesart = ἐστρέφετο, wobei
dann ἑταίρους zum folgenden ἐποτρύνων gezogen werden muss,
haben von den neueren Herausgebern nur Heyne, Bothe, Spitz-
ner, Doederlein und Baeumlein aufgenommen, indem sie
M 467 ἑλιξάμενος καϑ' ὅμιλον vergleichen und nur bei dieser Les-
art eine angemessene Aufnahme des Vergleichs zu gewinnen
glauben. Für εἰλίσσετο haben sich auch ausgesprochen Passow
de comparationibus Hom. p. 44 und Cobet Miscellan. οὐδ, p. 277,
welcher aber ἐξελίσσεϑ᾽ geschrieben wissen will. Gerhard lect.
Apoll. p. 224 vermuthete ἑταίρων, um die so erschwerte Bezie-
hung von ἑταίρους zum folgenden Verse zu beseitigen, und so hat
jetzt Nauck neben εἱλίσσεϑ᾽ geschrieben. Allerdings wird durch
die Lesart ἐλλίσσετο der Zusammenhang zwischen der Anwendung
des Vergleichs und diesem selbst bis auf ein Minimum reduciert,
indem der Begriff des lebhaften Hin- und Hersichwenden nur in
ἀν᾽ ὅμιλον ἰών noch schwach vertreten ist, aber wenn auch εἴς
λίσσετο formell eine Beziehung herstellt, ein wirklicher Zusammen-
hang wird auch durch diese Lesart nicht gewonnen, und geradezu
gegen dieselbe spricht einmal, wie auch Friedlaender bemerkt,
das Ungewöhnliche des Ausdrucks für das Umhergehen zum Zweck
der Bitte und Ermuthigung, sodann die so störende Interpunetion
im fünften Fusse, da bei dieser Lesart ἑταίρους mit ἐποτρύνων zu
verbinden wäre. Auch Hoffmann quaestt. Hom. I p. 145 Anmerk.
hat sich für ἐλλίσσεϑ᾽ erklärt.
45. Die Grundlagen für die bei κυδάλιμος angenommene
Bedeutung muthig statt der hergebrachten ruhmvoll sind ge-
geben im Anhang zu @ 51. — 46. Aristarch bei Aristonic. ed.
Friedlaender p. 206 verlangt auch hier für φοβεῖται die Be-
deutung φεύγει. Vgl. Lehrs de Aristarch. ®p. Τό ἡ 160.
Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 125
56. Ueber ἔστασαν, welches bei La Roche alle Handschr.
ausser H. (ἕστασαν) haben, vgl. den Anhang zu y 182. Die nur
hier und y 182 von Bekker beibehaltene Form fehlt bei G. Cur-
tius das Verbum der griech. Sprache I p. 184. Nauck schreibt
ἔστασαν, vermuthet aber ἤραρον. --- 58. Um den anstössigen Hiatus
zu beseitigen, verlangt Ahrens Ρᾷ, Beitrag zur griech. Etymo-
logie und Lexicographie, Hannover 1873 p. 8 dei” statt 6a. Ueber-
haupt erscheint demselben ein echt zweisilbiges δέα sehr proble-
matisch; einsilbig ist dasselbe nothwendig zu lesen M 381. N 144.
P 461. 7101. 263, auch E 304. M 449. 7227 und Θ 179 steht
der einsilbigen Lesung kein triftiger Grund entgegen.
62. Die kurze Verbindung des Urtheils des Redenden mit der
beurtheilten Thatsache in demselben Satze findet sich so noch o 10.
β 63. g 483. y 27; in Form einer prädicativen Bestimmung zum
Objeet ist das Urtheil häufiger, wie I 115. β 122. Vgl. auch
Schneider Callimachea I p. 313 f., der hierher auch B 253
rechnet und erklärt: rectene an male faciamus, quod redibimus.
65f. Franke bei Faesi sieht in diesen beiden Versen einen
späteren Zusatz: “da nach 67— 74 seine Besorgniss wegen des
Grabens viel mehr auf den etwaigen Rückzug gerichtet ist, falls
sie besiegt den Graben noch einmal zu passieren haben. Denn diese
letzten Verse als einen zweiten Grund seiner Besorgniss zu
fassen, sodass γάρ 67 unmittelbar wieder an 62 anknüpfte, geht
doch wohl kaum.’ — In V. 67 ist die Lesart zweifelhaft. Die besten
Handschriften haben εἰ μὲν γὰρ δή, die allgemein reeipierte Les-
art el μὲν γὰρ τούς wird als die des Aristophanes, in den Schol.
V. als die des Aristarch bezeichnet.
69. 70 werden von Doederlein, Franke, Koch als Paren-
these gefasst. Dagegen spricht der stehende Gebrauch von ἦ τ᾽
ἄν zu Anfang des Nachsatzes nach conditionalem Vordersatze,
wozu die Belege zu α 288 gegeben sind, und nach der im Com-
mentar gegebenen Erklärung des Gedankenzusammenhanges scheint
auch sonst kein Grund zu der Annahme der Parenthese vorzu-
liegen. — In νώνυμνος V. 70 liegt nach G. Curtius Etym.
ἥν. 322 der Stamm dvouav (vgl. ονομαίνω) in syneopierter Form
zu Grunde (aus νωνύμανος). Vgl. auch Hinrichs de Hom. elo-
cutionis vestigiis Aeol. p. 70 und Herzog Untersuchungen über
die Bildungsgesch. ἃ. griech. und lat. Sprache p. 116: ἱνώνυμνος
und die verwandten Bildungen sind componiert mit der aeolischen
Form ὄνυμα, aber dann allgemein recipiert.” — 71. Ueber den
Begriff von παλίωξις vgl. Aristonic. ed. Friedlaender p. 206:
«ὅτι ἐστὶ πάλιν δίωξις, ὅταν μεταβαλλόμενοι διώκωσιν οἵ διωκόμενοι.
Vgl. ἑτεραλκὴς νίκη im Anhang zu Η 26. — V. 84. 85 sind von
Köchly Iliadis carmm. XVI p. 204 verworfen.
88 δ᾽, Ueber die folgende Fünftheilung vgl. Gladstone hom.
126 _Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen.
Studien p. 406f., auch Nügelsbach homer, Theolog. ?p. 275,
und zur Kritik Holm ad Caroli Lachmanni exemplar de aliquot
Tliadis carmm. compos. p. 12 und die Einleitung p. 110.
101. Nur Vind. 5 hat ἡγεῖτο, alle übrigen Handschr. den Aor.
Das Imperfeet wird wegen der vorhergehenden gleichen Tempora
(93. 98) und wegen des überwiegenden homerischen Gebrauchs
bei solchen Aufzählungen empfohlen von Ahrens de hiatus Hom.
legitimis quibusdam generibus p. 24. — V. 104 wird von Nauck
als spurius? bezeichnet. — 105. Statt βύεσσιν will Grashof das
Schiff bei Homer p. 25 βοῇσιν oder βοέῃσιν mit Synizese lesen,
vgl. aber den Anhang zu H 238.
113—117 sind von Köchly Iliadis carmm. XVI p. 205
verworfen, unter Widerspruch von Benicken das elfte Lied
ν. 17.
118. Ueber die hier in Betracht kommende Frage wegen der
Thore vgl. die Einleitung p. 111f. — 119. Die Auffassung des
Imperf. visoovro in iterativem Sinne ist begründet von Grossmann
Homerica p. 26. — 122. Zur Auffassung von εἰ σαώσειαν vgl.
L. Lange der homer. Gebrauch der Partik. εἰ I p. 407.
125. κεκλήγοντες ist, die Lesart der besten Handschriften, an-
dere haben κεκληγότες. Neben κεκλήγοντες wird auch κεκληγῶτες
als Aristarch. Lesart und zwar in seiner zweiten Recension an-
gegeben, vgl. La Roche Annotat. crit. und homer. Textkritik
p. 296. Die Form κεκλήγοντες wird von Bekker homer. Blätt. I
p- 94 verworfen, vgl. dagegen G. Curtius das Verbum der griech.
Sprache II p. 24 und 180, der die Form als Perfect mit Präsens-
flexion auffasst. Vgl. auch Kühner ausführl. Gramm. ἃ. griech.
Spr. ?I p. 578. Ueber die präsentische Bedeutung aber vgl.
Classen Beobachtungen p. 98 und dazu Phil. XXVII p. 5221.
Fritzsche in den Sprachwissensch. Abhandl. hervorgegangen aus,
G. Curtius grammat. Gesellschaft. Leipz. 1874 p. 45 fl.
127f. Zenodot und Aristophanes lasen hier ἀνέρε statt
ἀνέρας und im folgenden ἀρίστω, υἷε ὑπερϑύμω, was Ahrens de
hiat. Hom. p. 30 billigt. — 128. Zur Deutung des Namens der
Lapithen vgl. Preller griech. Mythol. II p. 10: *Felsenmänner
(λᾶς) und Recken der felsigen Berge und Burgen, ja Personifi-
cationen dieser ragenden und starrenden Felsen selbst, die im wil-
desten Kampfe der Elemente unerschütterlich ihren Platz behaupten,
wie jene beiden Lapithen (Il. XII 127 fl.) in dem Kampfe um die
Mauer des griech. Lagers im heftigsten Andrange der Schlacht,
wie eingewurzelt vor den Thoren stehen.” — V. 128 wird von
Nauck als spurius? bezeichnet. — 131—136 hat Köchly Iliadis
carmm. XVI p. 205 als andere Recension der Verse 145—153
ausgeschieden. — 132. Zur Erklärung von ὡς ὅτε vgl. L. Lange
der homer. Gebrauch der Partikel εἰ I p. 440. — 135. Nach
Delbrück Ablativ, Localis, Instrumentalis p. 34 werden die Verba
Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 127
des Vertrauens, wie die des sich Stützens auf, im Sanskrit mit
dem Localis verbunden, danach sieht auch Moller über den
Instrumentalis im Heliand und das hom. Suffix' gu p. 24 in βίηφι
an den hierhergehörigen Stellen einen Vertreter des Localis. —
137—140 scheinen nach der Schutzrede_des Cod. Venet.: “ἐν δὲ
τῇ προκειμένῃ τάξει (95) οὐκ ἀναγκαῖον ἦν καὶ τούτους καταλέγειν
κτλ. schon im Alterthum angezweifelt zu sein, vgl. Ribbeck in
den Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 86, der auch auf die gleichen
Anfänge 137 und 141 aufmerksam macht. — 138. Nach Mayer
zweiter Beitrag zu einer homer. Synonymik p. 18 steht ἀλαλητὸς
nur vom Kriegsgeschrei, so jedoch, dass nicht sowohl das Dyna-
mische der Stimme bezeichnet wird, wie bei βοή, ἰαχή, dur, ἠχή,
als das Tumultuarische und Vieltönende des Geschreis, am deut-
lichsten 4 436, ausserdem in sieben Stellen, in denen der plötz-
liche Lärm, das ungeordnete, vieltönende Geschrei entweder beim
Angriff oder bei der Flucht gleichsam gemalt werden soll: M 138.
#393. IT 78. B149. ® 10. ὦ 463.
141ff. Das richtige Verhältniss der verschiedenen, nicht in
chronologischer Folge sich aufnehmenden Momente der Erzählung
ist erörtert von Goebel in der Zeitschrift f. Gymnasialwesen 1860,
p. 260 £. Aehnlich ist der Gang der Erzählung Z 156 ff.
146 #. Ueber die Doppelseitigkeit des Gleichnisses vgl. Düntzer
homer. Abhandl. p. 492. Derselbe hält 152. 153 für einen spü-
teren Zusatz. Als die ursprüngliche Lesart sucht Ahrens de
hiatu Hom. p. 35 zu erweisen ἐοικότε, & τ᾽ ἐν ὄρεσσιν. --- 147. In
ϑέχαται erkennt auch G. Curtius das Verbum der griech. Spr. I
151, Π᾿ 144 ein Perfect mit Verlust der Reduplicatiin. Nauck
vermuthet δέχεται κολοσυρτὸς ἐόντε statt δέχαται κολοσυρτὸν ἰόντα,
vgl. auch Kayser im Philol. XVII 692. — 149. Die Bedeutung
von πρυμνός erörtert Eiekholt quaestt. Hom. spec. 1860 p. 46f.
— 150. Passow de comparationibus Homerieis p. 48 vermuthete
εἰς ὅτε τίς κε statt εἰς ὅ κέ τίς τε.
156 ff. Düntzer zur St. nimmt hier an der Anwendung des
Gleichnisses 159—161 Anstoss, theils wegen des ganz ungewöhn-
lichen ῥέειν 159 vom Fliegen der Steine, theils wegen der auf-
fallenden Erweiterung des τῶν 159 durch Hinzufügung der Troer
und der. Wiederholung des ἐκ vor Τρώων. Weiter geht Altum
similitudines Homeri cum Aeschyli, Sophoclis, Euripidis compa-
rantur. Berolin. 1855 p. 23, indem er das ganze Gleichniss als
Interpolation, nach M 278ff. gebildet, verwirft und an νηῶν τ᾽
ὠκυπόρων 156 unmittelbar κόρυϑες δ᾽ ἀμφ᾽’ αὖον ἀύτευν 160
schliessen will. Neben den von Düntzer gegen 159—161 geltend
gemachten Bedenken ist von entscheidendem Gewicht, dass in Folge
der Erweiterung von τῶν 159 durch ἠδὲ καὶ ἐκ Τρώων in der fol-
genden Wendung die von den Steinen getroffenen Helme und Schilde
ebensowohl die der Achaeer, wie der Troer sind, mithin die fol-
128 Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen.
gende Wehklage des Asios durch 1591. ihre richtige Motivierung
verliert. — 161. Ueber μύλακες vgl. Blümner Technologie und
Terminologie der Gewerbe und Künste bei den Griechen und Römern.
Leipz. 1875 I p. 28, 3.
167. #. Zur Erklärung von μέσον αἰόλοι vgl. Buttmann
Lexilog. ®IT p. 65 und Aristophan. Vesp. 1072 μέσον διεσφηκω-
μένον. — Ueber die in die Reden der handelnden Personen ein-
gefügten Vergleiche redet Nitzsch Beiträge p. 329, wo er den
Satz aufstellt: “Wo Personen in ausgeführteren Bildern sich aus-
sprechen, wird es immer eine Heftigkeit des Gemüths sein, welcher
sie nun eben diese Form geben, was nicht häufig vorkommt’, und
ausser diesem Gleichniss folgende aufzählt: N 102 ---104, N 41
- 48. ὃ 335—339. (g 126.) τ 518—523. v 66 ff. Hinzuzufügen
ist 1 323f. Vgl. darüber auch Remacly de generibus compa-
rationum Hom. Part. II, Bonn 1846 p. 26 und Kiene die Kom-
position der Ilias p. 244 ff.
174. Die Verbindung ϑυμὸς ἐβούλετο, παν hier und O 596,
scheint Fulda Untersuchungen über die Sprache der homer. Ge-
dichte p. 263 f. nicht der Rest einer älteren semasiologischen Ent-
wieklung, sondern eine unorganische Neubildung, veranlasst durch
die häufige Verbindung von ἐθέλειν mit ϑυμός.
175—180 wurden schon von den Alten verworfen, vgl. Ari-
stonic. ed. Friedlaender p. 209: “ὅτι παρῴδηνται ἐκ τοῦ ἄλλοι
> ἀμφ᾽ ἄλλῃσι μάχην ἐμάχοντο νέεσσι (O 414). πρὸς ποίας
δὲ πύλας ἐμάχοντο; οὐδέπω γὰρ διαβεβήκασι τὴν τάφρον. γελοῖον
δὲ καὶ τὸ ἀργαλέον δέ μὲ ταῦτα ϑεὸν ὡς πάντ᾽ ἀγορεῦσαι"
τί γὰρ εἴρηται ἤδη τῆς τειχομαχίας; πόϑεν δὲ ϑεσπιδαὲς πῦρ;
οὐδέπω γὰρ πυρὶ κέχρηνται, ἀλλ᾿ ὕστερον λέγει ὃ Ἕκτωρ οἴσετε πῦρ
(118). εὔηϑες δὲ καὶ τὸ λέγειν ὅτι ἠνιῶντο οἵ βοηϑοῦντες τοῖς Ἕλ-
Anoı ϑεοὶ ἐπὶ τῷ ἐλαττοῦσϑαι αὐτούς. τῷ δὲ λάϊνον ᾿Αργεῖοι δὲ
(178) διπλῆν παρατιϑέασιν ἔνιοι διὰ τὸ ὑπερβατόν, περὶ τεῖχος Adi-
νον. ἠϑετοῦντο δὲ καὶ παρὰ ᾿Δριστοφάνει" παρὰ Ζηνοδότῳ δὲ οὐδὲ
Zygdpovro.” Unter Anerkennung dieser Gründe haben die Neueren
dieser Athetese mit Recht zugestimmt, auch Nitzsch Sagenpoesie
Ρ. 132. Im Alterthum wurde sie mit unzureichenden Gründen von
dem Grammatiker Pius bekämpft, vgl. Hiller im Philol. XXVIII
p. 87 und 91f. Zweifelhaft in der Begründung der Athetese
scheint nur die Auffassung von πῦρ, vgl. den Commentar. Auch
Nicanor ed. Friedlaender p. 219 bezieht λάϊνον auf τεῖχος. Nauck
vermuthet drjov statt Adıvov. — 179. Ueber ἀκαχείατο (Bekker
ἀκαχήατο) vgl. G. Curtius Verbum der griech. Sprache I 345 f.
190—192 werden von Benicken das elfte Lied p. 37 und
p. 61 verworfen, ebenso die zweite Hälfte von 195, welcher wohl
ursprünglich gelautet habe: ὄφρ᾽ οἵ τοὺς ἐνάριξον ἐνὶ κρατερῇ
ὑσμίνῃ. Vgl. die Einleitung p. 112.
200 ff. Ueber das Zeichen und seine Deutung vgl. Naegels-
=,
Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 129
bach homer. Theolog. ἦν. 177f. 179. 180. Die Bedeutung der
Richtung, in welcher die Zeichen erscheinen, erörtert Wacker-
nagel ἔπεα πτερόεντα. Basel 1860 p. 28f. Vgl. auch den Anhang
zu ß 154. Die homerische Darstellung schwebte Vergil. Aen. XI
151 ff. vor, auch Cie. de divinat. I 47, 106. — Ueber die Be-
deutung des τέρας für die Handlung des Epos selbst und das Ver-
hültniss desselben zu der durch Iris dem Hektor 4 186—209
verkündeten βουλή des Zeus spricht Happe der homerische Hektor,
ν. 14. — Für ἐέργων 201 werden in den Schol. Ven. ed. Dindorf I
p. 4231. folgende Erklärungen gegeben: 1, ὑποχωρῆσαι συμφέρον
προσημαίνων. 2, βέλτιον μέσον μὲν τὸν ἀετὸν ἔρχεσθαι τοῦ πλήϑους,
ἀνείργειν δὲ αὐτοὺς ἐπὶ τὰ ἀριστερὰ φερομένους" διὸ συναπτέον ἐπ᾽
ἀφιστερὰ λαὸν ἐέργων und ὅτι ἀφορίζων ἔφη, ἐπὶ τὰ ξαυτοῦ ἀρι-
στερὰ ὁ ἀετός. Auf der letzten in Verbindung mit dem bei Hero-
dot (vgl. Stein zu VIL 43, und Schweighaeuser Lexic. Herod.
s. v. ἀπέργειν) ausgebildeten Gebrauch von ἀπέργειν beruht die
gegebene Deutung, welche von Doederlein zur Stelle und
La Roche in der Schulausgabe bestritten wird. — 204. Die zu
αὐτὸν ἔχοντα gegebene Erklärung ist begründet von G. Hermann
Opuse. 1 p. 331. Doederlein zur Stelle vermuthet ohne Grund
αὖ τὸν statt αὐτόν. Vgl. auch zu A 218.
208. Die ungewöhnliche Dehnung der ersten Silbe von ὄφιν
führte zu verschiedenen Vermuthungen: Hermann Metr. p. 57
ὄπφιν, was sich übrigens in einer Handschr. bei La Roche findet
und bei Eustath. als Lesart erwähnt wird, Bentley οὖφιν, Doeder-
lein zur Stelle ὦφιν. Vgl. dagegen La Roche in der Schulaus-
gabe zur Stelle, und Roscher in G. Curtius Stud. I 2, p. 124,
die aus Homer vergleichen ἡ 119 ξεφυρίη, K 418 πιφαύσκω.
G. Curtius Etym. 'p. 457 vermuthet als ursprüngliche Form
Ör-Fi-g aus W, ὧκ = dm(schen) vgl. dgdx-av.
213. Ueber δῆμος nach Etymologie und Bedeutung vgl. Man-
gold in G. Curtius Stud. VI p. 403#. Derselbe erklärt die hier
allein vorkommende Bedeutung des Wortes = δημότης nach Ana-
logie der deutschen Ausdrücke ‘Frauenzimmer’ ‘Rath’ ‘Wache’,
welche zunächst collectiv eine Gesammtheit von Personen bezeichnen,
dann aber auch ein einzelnes Mitglied der Gesammtheit. Dagegen
zählt Fick in G. Curtius Stud. IX p. 193f. das Wort δῆμος in
dieser Bedeutung zu den Fällen, wo Namenbildung anzunehmen
ist. Uebrigens vermuthete Bentley statt δῆμον — δήμου.
218. Ueber die Länge des ı in ὄρνις vgl. Hartel hom. Stu-
dien I p. 68.
222. In der Erklärung der Stelle bin ich im Wesentlichen
Meierheim de Infinitivo Homerico capita ΠῚ spec. I, Gotting.
1875 p. 63f. gefolgt. — 225. Die Bedeutung von χκέλευϑος und
χέλευϑα im Verhältniss zu ὁδός erörtert Lauer Geschichte der
homer. Poesie p. 302 f.
Ameis, Anhang zur Dias, 9
130 Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen.
227. δῃώσωσιν statt des gewöhnlich gelesenen Futurum giebt
La Roche nach guten Handschriften, Venet. A. aber hat das
Futurum. |
231 ff. Ueber das Verhältniss zwischen Poulydamas und Hektor
vgl. Gladstone homer. Stud. p. 416. — Ueber die Form des
Vocativs von Πουλυδάμας vgl. den Anhang zu & 141. — 237. Ueber
die Form τύνη vgl. Cauer in G. Curtius Stud. VII p. 104. Die
Form kommt nur in der Ilias an 6 Stellen vor. — 239. Ari-
starch beobachtete, dass Homer nur zwei Himmelsgegenden unter-
scheide, Sonnenaufgang und Untergang, vgl. Lehrs de Arist.
2p. 174 und den Anh. zu #29 nnd über die Bedeutung der Rich-
tungen nach rechts und links im Augurium und im Auspieium
Wackernagel ἔπεα πτερύεντα p. 29. Eine von der gewöhnlichen
abweichende Ansicht über die Bezeichnungen πρὸς ἠῶ τ᾽ ἠέλιόν
τε und ποτὶ ξόφον sucht Bischoff Bemerkungen über homer.
Topographie. Schweinfurt 1875 p. 16f. zu begründen: jene be-
deute gegen Osten und Süden (da der Standpunkt der Sonne den
grössten Theil des Tages hindurch auch für den iomischen Singer
im Süden sei), zusammen also die Gegend des Lichts, ξόφος theils
mur den Gegensatz zu ἠώς, theils zu beiden, so dass es auch den
Norden bezeichnen könne; speciell hier bezeichne der erste Aus-
druck die Licht-, die Sonnenseite überhaupt, der letztere die
Nachtseite.
243. Zeugnisse über die nationale Geltung dieser berühmten
Gnome bei Nitzsch Sagenpoesie p. 335. Vgl. über dieselbe auch
Bergk griech. Literaturgesch. I p. 803 und 832. — 248. Doeder-
lein zur Stelle nimmt an der Schärfe der Drohung Anstoss, zumal
sie mit den vorhergehenden Worten im Widerspruch stehe, und
vermuthet deshalb: “εἰ δὲ σὺ δηιοτῆτος ἀφέξεαι — εἰ δέ tn? ἄλλον,
h.s. fu si pugna abstinebis, bene erit ac per me licebit; sin autem
alium quempiam avertes a pugnando, peribis’ εἴ τέ τιν hat C bei
La Roche. — Bekker hat 244—250 unter den Text gesetzt,
ebenso Köchly Iliadis carmm. XVI p. 208.
254. Doederlein interpungiert nach ϑύελλαν mit Punkt,
nach φέρεν mit Komma, so dass ϑύελλα, nicht Zeus das Subject
zu ϑέλγε und ὄπαζε wird: aber weder ϑέλγω noch ὑπάξω werden
anders als von Personen gebraucht.
258. κρόσσαι verstand Aristarch vgl. Lehrs °p. 225 in
dem Sinne von κλίμακες, wogegen, wie Doederlein Glossar $ 2457
vichtig bemerkt, schon entschieden das Imperfect Zgvov spricht,
welches im Einklang mit dem vorhergehenden πειρήτιξον de conatır
zu verstehen ist. Er selbst versteht κρόσσαι von den Zinnen der
Mauer, ἔπαλξις die Maner sammt der Brüstung. Etymologisch
wird das Wort von Lobeck Path. Elem. I p. 500 mit κόρση,
κάρα zusammengestellt und danach von Autenrieth im Wörterb.
gedeutet: die Wände der Thürme zwischen Zinnen und Grund-
Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 181
bau. Fritzsche in Curtius Stud. VI p. 340 führt dasselbe auf
die Wurzel κολ in #0A-wvög, #04-0-pdv, κορ-υφή, und κολοσσός lat.
cel-sus, col-umna, col-lis zurück und versteht es von den Zinnen,
so auch Stein zu Herod. VII, 188. Köppen endlich erklärt mit
Bezug auf Herod. II 125: Vorsprünge der Mauer, die hervor-
ragenden Steine der Mauer, auf denen man wie auf Stufen hinauf-
steigen konnte, was Seiler im Lexicon, Düntzer, Koch so modi-
ficieren: Kragsteine, worauf die eigentliche Zinne, ἔπαλξις, ruhte,
ähnlich La Roche: das Gesimse, auf welchem die Brustwehren
ruhten, Schmalfeld in Zeitschr. f. Gymnasialwes. 1858 p. 556ff.:
“die hervorstehenden Köpfe der Steine oder Balken, auf denen die
Brustwehren ruhten.” — Die letzteren Erklärungen werden dem
Richtigen am nächsten kommen, weil sie zugleich den durch die
Etymologie gegebenen Sinn des Hervorragenden und den in πρό-
κροσσος # 35 wahrscheinlichen und bei Herodot II 125 nothwen-
digen des Stufenartigen (er erklärt damit ἀναβαϑμαΐῦ vereinigen
und das Wort auch von ἐπάλξεις gehörig unterscheiden. — V. 260
wird gewöhnlich nach πύργων mit Punkt interpungiert: richtiger
setzt Düntzer Kolon, da das an αὐέρυον parataktisch ange-
schlossene ἔλποντο (— ἐλπόμενοι) doch nicht bloss für αὐέρυον die
die Handlung begleitende Stimmung angiebt, sondern für alle vor-
hergehende Handlungen von 258 an. Ein zweiter Grund für eine
engere Verbindung von 261 mit den vorhergehenden Sätzen liegt
in der engen Beziehung von dvd (in αὐέρυον) = zurück zu
dem πρό in προβλῆτας und πρώτας. Die Aufnahme von ἐμόχλεον nach
dem Relativsatze durch τὰς οἵγ᾽ αὐέρυον dient also zugleich dem
Zweck, jenen allgemeinen Ausdruck mit Bezug auf den Inhalt des
Relativsatzes zu präeisieren, und ἔλποντο dem Zusammenhang aller
vorhergehenden Verba einzufügen. — Zu αὐέρυον vgl. Cobet Mis-
cellan. erit. p. 266, welcher die Schreibung dF£ovov verlangt statt
Bekkers &Figvov. — Uebrigens vgl. über diese Verse die Ein-
leitung p. 117.
265 f. Man interpungiert allgemein mit Punkt nach "4yeuöv,
so dass im folgenden Satze μειλιχίοις zeugmatisch mit νείκεον ver-
bunden und aus diesem für μειλιχίοις ein Verbum allgemeineren
Sinnes, wie ὥτρυνον entnommen wird. Eine seltsame Erschwerung
der Construction, da man in dem vorhergehenden ὀτρύνοντες das
Verbum für ἄλλον μειλιχίοις hat, sobald man nur nach ᾿ἡχαιῶν
statt Punkt Komma setzt. Sehr ähnlich gebaut ist 2 535—537:
ἐν δ᾽ Ἔρις, ἐν δὲ Κυδοιμὸς ὁμίλεον, ἐν δ᾽ ὁλοὴ Κήρ, ἄλλον ξωὸν
ἔχουσα νεούτατον, ἄλλον ἄουτον, ἄλλον τεϑνηῶτα κατὰ μόϑον ἕλκε
ποδοῖν, wo kein Herausgeber daran gedacht hat nach Κήρ eine
stärkere Interpunktion zu setzen, und nur Doederlein nach öuf-
Asov ein Kolon gesetzt hat, wodurch die Zugehörigkeit von ἔχουσα
zu beiden Hauptverben, ὁμέλεον, wie ἕλκε beseitigt wird. Aber eine
solche mittlere schwebende Stellung eines Particips zwischen zwei
95:
132 _ Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen.
Hauptverben ist gerade bei Homer eine nicht ungewöhnliche, vgl.
mein Programm: zur Periodenbildung bei Homer p. 24f., wo
folgende Beispiele behandelt sind: @ 345—347 = Ο 368— 370.
T79f.1 82. 83. ν 66. 110. 111. ψ 350—352. 0 6—7. g 577, vgl.
auch Bekker hom, Blütt. II p. 19f. An unserer Stelle dachte
auch Nicanor ed. Friedlaender p. 221 an die Möglichkeit der
Verbindung von ἄλλον μειλιχίοις mit ὀτρύνοντες, stiess sich aber
an dem Wechsel des Particips und des Verbum finitum. Uebrigens
sind die beiden Verse 267. 268 selbst nicht ohne Anstoss, da die
Anrede 269 ff. nur eine mildere Fassung giebt, welche durch
267. 268 doch wenig passend eingeleitet wird. Nauck ver-
wirft 268.
269. An der Bildung von μεσήεις nahm Goebel de epithetis
Hom. in εἰς desinentibus p. 42 derart Anstoss, dass er vorschlug,
μεσηγύς zu lesen. Allein genügende Analogien sind φαιδιμόεις,
ὀξυόεις, φοινήεις, ὑψιπετήεις neben ὑψιπετής, welche zeigen, dass
das “εἰς zuweilen gegen seine ursprüngliche Bedeutung zur Er-
weiterung von Adjeetiven verwendet worden ist, vergl. Leskien
in G. Curtius Stud. II p. 99 f. Nach Meyer in G. Curtius Stud,
VI p. 384 dagegen lüge in μεσήεις ein μέση zu Grunde, wovon
der Locativ μεσαι — in μεσαιπόλιος vorliegt.
273. La Roche schreibt ποτὶ nach dem Venet. A. und andern
guten Handschr. statt des gewöhnlichen προτέ, welches auch der
Syrische Palimpsest hat. Vgl. dagegen Kayser im Philol. X p.
313 ἢ — V. 274 will van Herwerden Quaestiunculae epicae et
elegiacae. Utrecht 1876 p. 19 die Worte πρόσσω ἵεσϑε umgestellt
wissen in ἴεσϑε πρόσω: ‘versus exibit modulatior” Im Medium
ἴεσϑαι findet sich der Vocal ı nur zweimal kurz, hier und X 304,
der Venet. A. hat Zeode (auch C bei La Roche, und Ὁ: ἴεσϑαι),
daher empfiehlt G. Curtius im Philol. III p. 6 ἴεσϑε (von εἶμι)
zu schreiben. Vgl. dagegen L. Meyer in Bezzenbergers Beiträgen
zur Kunde der indogerman. Sprachen I p. 306.
277 #. Nach Didymos gab es statt προβοῶντε eine Lesart
προβάοντε, οἷον προβαίνοντες καὶ ἀμείβοντες τόπον ἐκ τόπου. Die
Lesart würde zurückweisen auf πάντοσε φοιτήτην 266. Ueber
Spuren eines Verbum βάω gehen vgl. G. Curtius das Verbum
der griech. Spr. I p. 213. Nauck vermuthet: προβιβάντε. --- In
dem folgenden Gleichniss nimmt Friedlaender Beiträge zur
Kenntniss der hom. Gleichn. II p. 24 f. an der übermässigen Aus-
dehnung desselben mit Recht Anstoss. Er bemerkt: “Die Aehn-
lichkeit von V. 278 νιφάδες χιόνος πίπτωσι ϑαμειαί und 287 λίθοι
πωτῶντο ϑαμειαί, verbunden mit dem Gleichklang und der syn-
tactischen Congruenz der Versanfinge 278 τῶν δ᾽ ὥς re und 287
ὡς τῶν ist so in das Gehör fallend, dass eine so breite Ausführung,
wie sie 281—286 enthalten ist, den Eindruck machen kann, als
sei sie nicht zugleich mit den ersten drei Versen des Bildes ent-
Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 133
standen; denn der Gleichklang von 278 und 287 hat offenbar, wie
‚in vielen andern Beispielen, auch hier den Zweck durch einen
sinnlichen Eindruck auf das Gehör die Vorstellung der Zusammen-
gehörigkeit des Bildes mit der verglichenen Situation zu stützen
und zu vertiefen; nach einem so langen Intervall aber, wie 278
und 286 ihn bieten, ist Vers 278 viel zu sehr‘ verklungen, um
durch 287 wieder in der Vorstellung wach gerufen zu werden.
Der Zweck des Gleichnisses, die lebhafte Vorstellung von dem
Herabfallen einer Menge Pfeile hervorzurufen, ist in 278—281
vollkommen erreicht. Die breite Ausführung 281—286 enthält
den durch den Inhalt des Vorigen hervorgerufenen Zustand, dessen
Bild, je amschaulicher es hervortritt, um so mehr jene in der
Absicht des Gleichnisses liegende Vorstellung zu verwischen geeignet
ist.” Nauck bezeichnet 284—286 als spurii? — Für πίπτουσι statt
des gewöhnlich gelesenen Conjunctiv πίπτωσι spricht Friedlaender
de conjunet. ὅτε p. 22. Den Indicatiy hat Ὁ (Laurentianus 15)
bei La Roche. — 279. Bei &gero erhob sich liegt, wie Meier-
heim de infinitivo Hom. spec. I p. 73 bemerkt, die Vorstellung
zu Grunde, dass Zeus, wenn er die Naturkräfte in Bewegung setzt,
nicht ruhig unter den Olympiern sitzend gedacht wird.
284. Ueber die Dativformen auf αἷς vgl. La Roche hom.
Textkritik p. 279, — 285. Aristonic. ed. Friedlaender p. 210:
ἐφύκεται" ἡ διπλῆ ὅτι ἀντὶ τοῦ ἐρύκει᾽. Dieser Gebrauch des Med.
ἐφύκεσθαι steht vereinzelt da. Statt des handschriftlichen ἄλλα re
(La Roche: ἄλλά ze) hat Bekker nach Heynes Vorschlag ἄλλα
δέ geschrieben, dem ich gefolgt bin. Wer ἄλλα re beibehalten will,
muss mit Doederlein u. A. κῦμα δέ bis ἐρύκεται parenthetisch
fassen,
289. Für βαλλομένων vermisste Heyne eine passende Be-
ziehung, da dasselbe bei Homer nur in passivem Sinne gebräuch-
lich, und kam auf die Vermuthung: βαλλομένων δὲ τὸ τεῖχος κτέ,
die er jedoch wegen des nichthomerischen Gebrauchs des Artikels
selbst wieder verwarf. Doederlein empfiehlt dieselbe in dem
Sinne: ietibus omnis murus resonabat. Köchly Iliadis carmina XVI
νι. 210 schreibt βαλλόντων' τὸ δὲ τεῖχος wre und schliesst daran
339— 341. Gewöhnlich wird βαλλομένων in passivem Sinne auf
τῶν 287 bezogen und erklärt: indem sie (zugleich, selbst auch)
getroffen wurden — ein seltsamer Gedanke, der sich weder zum
Vorhergehenden noch zum Folgenden passend schickt. Das Richtige
sah La Roche, der in der Schulausgabe die zwar sonst nicht bei
βάλλεσθαι vorkommende reeiproke Bedeutung annimmt, welche durch
ἀμφοτέρωσε vorbereitet ist. — Vereinzelt ist die Erscheinung, dass
ein mit Artikel versehener Accusativ von einer nachgestellten
Praeposition abhängig ist: τὸ δὲ τεῖχος ὕπερ: vgl. Foerstemann
Bemerkungen über den Gebrauch des Artikels bei Homer p. 31.
290 ff. In der folgenden Partie bis 429 vermuthet Nitzsch
134 Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen.
Sagenpoesie 282 f. eine Interpolation. Vgl. die Einleitung p. 115 f.
und dagegen Benicken das elfte Lied p. 20 fi, welcher 290.
291 p. 65 verwirft und 293 εἰ μὴ ἄρ᾽ in δὴ τότ᾽ ἄρ᾽ verwan-
deln will.
294 ἢ. Statt ἐξήλατον 295, der Lesart des Zenodot und
Nicanor, las Aristarch ξξήλατον = aus 6 Schichten oder Blech-
platten bestehend. Von den neueren Herausgebern hat nur Doe-
derlein Aristarchs Schreibung aufgenommen, verbindet das Wort
aber mit dem folgenden Relativsatze, in welchem es proleptisch
stehen soll. — ἐξήλατον erklärte Niecanor falsch τὴν ἔξω ἔλασμα
χαλκοῦ ἔχουσαν vgl. Friedlaender p. 222, wohl durch den fol-
genden Gegensatz ἔντοσθεν δέ veranlasst. ἐξελαύνειν ist, wie es
auch Herod. I 50 gebraucht, mit dem Hammer treiben, schmieden,
ἐξήλατος daher in emphatischem Sinne wie ποιητός, τυχτός u. a. zu
verstehen — wohl geschmiedet. Nauck vermuthet: ἐυήλατον.
Beachtenswerth ist im folgenden Verse die Lesart Zenodots, welche
Düntzer in den Text aufgenommen hat, ἐξέλασ᾽ (statt ἤλασεν),
wodurch die Epexegese sich genauer dem erläuterten Begriff
anschliesst.
302. Die Form αὐτόφε, welche an 6 Stellen bei Homer, nur
in der Ilias, stets von Praepositionen abhängig sich findet, ist
besonders erörtert von Lucas philologische Bemerkungen, Bonn
1839 p. 11 ff. und Jahn in Zeitschr. f. A. W. 1841 p. 688.
Neben ϑεόφι ist αὐτόφι die einzige Personenbezeichnung, welche
mit diesem Suffix gebildet wird, so Τ 255 ἐπ᾽ αὐτόφιν — ἐφ᾽
αὑτῶν vgl. H 195. — Α 44 ist dm’ αὐτόφιν nach K 152 f. am
natürlichsten auf die Speere zu beziehen = ἀπ᾿ αὐτῶν. An den
andern vier Stellen, deren Interpretation schwieriger ist, hat Bekker
παραυτόϑι geschrieben: M 302. N 42. T 140. Ψ 640. Diese
Form ist an den letzten 3 Stellen handschriftlich bezeugt, nament-
lich durch den guten Laurentianus 3 (C) nach La Roche, # 147
aber auch durch den Venet. Analoge Bildungen sind καταυϑύτι
φ 90. K 273. Φ 201 und καταῦϑι, παραῦϑι, κατόπισϑε, μετόπισϑε.
An unserer Stelle ist allseitig bezeugt παρ᾽ αὐτόφι, nur der Lips.
hat παρ᾽ αὐτόν; αὐτόφι aber wird von Lucas verstanden — αὐτοῖς
und auf μῆλα bezogen, alle neueren Herausgeber beziehen es auf
δόμον und nur diese Beziehung verträgt sich mit dem Folgenden
φυλάσσοντας περὶ μῆλα, vgl. auch Lissner zur Erklärung des
Gebrauchs des Casussuffixes piv, φὶ bei Homer. Olmütz 1865
ν. 10. — Beim Rückblick auf den Vergleich und der Betrachtung
des Folgenden ergeben sich folgende Bedenken. Von Zeus ge-
trieben macht sich Sarpedon kampfbereit (294); den Schild vor
sich haltend, seine beiden Speere schwingend schreitet er aus,
kampfbegierig, wie ein Löwe, der im Begriff ist in den Viehhof
einzudringen, jeder Gefahr trotzend. Nach solchen Vorbereitungen
können wir nicht anders denken, als dass er im nächsten Augen-
Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 135
blick gegen die Mauer stürmen wird: statt dessen erfolgt die mit
dem entworfenen Bilde seltsam contrastierende, elegisch gefärbte
Anrede an Glaukos und erst nach dieser heisst es 330 τὼ δ᾽ ἰϑὺς
βήτην Λυκίων μέγα ἔϑνος ἄγοντε. Man kann zweifeln, ob beide
Erzählungen ursprünglich sind, Verdacht erregt der gleichlautende
Eingang beider mit αὐτίκα δέ 294 und 309. Gegen die erste
spricht 1, dass dieselbe sachlich und sprachlich manches Verein-
zelte bietet, sachlich in der Beschreibung des Schildes, sprachlich
ἐξήλατον 295, δίεσϑαι 304, διαρήξασϑαι 808; 2, dass der das
kurze Bild 293 ausführende Vergleich zum Theil auf anderen
Stellen beruht: 299—301 auf ξ 130—134, 300 auf A 675 mit
ganz unpassender Verwendung von ἐν πρώτοισι; 3, dass der Ver-
gleich in jener Ausführung und Anwendung (vgl. ϑυμὸς ἀνῆκεν
307 mit κέλεται δέ ὃ ϑυμὸς ἀγήνωρ 300) die Erzählung vielmehr
einen Schritt weiter zurück als vorwärts führt.
309. Nach Nauck Melanges Greco-Romains Tome IV p. 100 £.
ist die dem fast durchgängig bei Homer entweder nothwendigen
oder doch zulässigen Nominativ πάις entsprechende Aceusativform
πάιν, die in der späteren Poesie nicht selten, der üblichen Form
παῖδα hier und M 387. ὦ 289. Z 432. ψ 56 gewichen, an an-
deren Stellen auch dem jetzt gelesenen υἱόν.
318. ἀκληεῖς ist die Lesart der besten Handschriften bei La
Roche, andere haben ἀκλειεῖς, Aristarch las nach ihm ἄκλεες. Ueber
die Formen der mit κλέος zusammengesetzten Adjectiva handelt Spitz-
ner Excurs. XXIT, welcher ἀκληεῖς begründet. Dagegen will van
Herwerden Quaestiuneulae epieae et elegiacae p. 19 f. ἀκλεέες
geschrieben wissen, wie α 241 und ξ 371 mit Nauck ἀκλεέως für
ἀκλειῶς, ebenso P 304, X 110 ἐϊκλεέως, K 281 und φ 331
ἐὐκλεέας etc.
322. Τὶ Lange der homer. Gebrauch der Partikel εἰ I p. 367
zählt den Satz εἰ μὲν γάρ — μέλλοιμεν zu den bedingenden Fall-
setzungssätzen, giebt aber die Möglichkeit zu denselben noch als
Wunschsatz aufzufassen. Vgl. auch Capelle im Philol. XXXVI
p. 709. — 326. Ueber das Verhültniss des yagsatzes zum Haupt-
satze vgl. Pfudel Beiträge zur Syntax der Kausalsütze bei Homer
p- 15 und dazu Capelle im Philol. XXXVI p. 704 ἢ
333 f. Statt des handschriftlichen ἀνὰ πύργον schreiben
Bekker, Franke und Nauck aus Conjeetur ἀνὰ τεῖχος, vgl. 352
παρὰ τεῖχος ᾿ἀχαιῶν; Anstoss gab die Wiederholung desselben
Wortes in zwei auf einander folgenden Versen in ganz verschie-
denem Sinne, zuerst πύργος — Thurm, dann = Schaar oder Mauer.
Anders suchte Doederlein zu helfen: er verband ᾿Δχαιῶν mit
ἡγεμόνων und setate nach πύργον Komma, eine Verbindung, die
Nicanor ed. Friedlaender p. 223 mit Recht verwarf, eben weil
noch ἡγεμόνων folgt. Gegen Bekkers Emendation spricht L. Lan ge
der homer. Gebrauch der Part. εἰ I p. 413, jedenfalls kann sie
136 Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen.
nicht durch Nieanor gestützt werden, der βῆ δὲ ϑέειν κατὰ τεῖχος
᾿Αχαιῶν nur anführt, um die Verbindung von ᾿Αχαιῶν mit dem
vorhergehenden πύργον zu rechtfertigen.
334. Als Lesart des Aristarch vermuthet hier und empfiehlt
W. C. Kayser im Philol. X p. 375 "Agnv statt ἀρήν, wie nach
den Scholien Σ 100 ”4gew und auch handschriftlich 7 485 "Ageo
und Σ 213 άρεω (’Agewg) Aristarchs Lesart war. Vgl. La Roche
hom. Textkritik p. 203. — 336. Ueber ἑσταότας vgl. den Anhang
zu ὃ. 380. — 338. Eine von der gewöhnlichen abweichende Er-
klürung der Verbindung βώσαντι γεγωνεῖν giebt Ahrens δρῦς und
seine Sippe. Hannover 1866 p. 5 f. G. Meyer in Bezzenbergers
Beiträgen zur Kunde der indogermanischen Sprachen I p. 224 führt
βώσαντι auf eine Praesensbildung βώω oder βόω für βοξ-ὦ
zurück. — 339. Ueber die participialen Genetive der vorliegenden
Art vgl. Classen Beobachtungen p. 172 ἢ
340. πᾶσαι giebt Ven. A., die übrigen Handschriften fast alle
πάσας, ferner hat der Ven. A. ἐπῴχατο, Harl. Apoll. Lex. 75, 16
ἐπώχατο, andere ἐπῴχετο, vgl. La Roche. Aristarch las nach
demselben πᾶσαι ἐπώχατο, vgl. aber Friedlaender zu Ariston.
p- 211, Zenodot nach Aristonikos ἐπῴχετο, mit πάσας. Ari-
starchs Lesart πᾶσαι — ἐπώχατο ist von den Neueren allgemein
aufgenommen, nur Düntzer schreibt ἐπῴχατο als Plur. von ἐπῴ-
χετοῦ ἐπώχατο wird auch von G. Curtius das Verbum der griech.
Spr. ΠῚ p. 218 ἢ zu ἐπέχω gestellt, Buttmann vergleicht ὄκωχα.
Vgl. auch Bekker hom. Blätt. II p. 43. — Auch hier fasste
Aristarch πυλέων, wie πᾶσαι von einem Thor: vgl. Lehrs de
Arist. ?p. 125. Diese Auffassung bestreitet Düntzer zur Stelle
mit Recht. — Düntzer verwirft 340. 341, ebenso Holm ad
Caxoli Lachmanni exemplar etc. p. 12.
342. Zenodots Lesart Alkvre, welche nur der Syrische Pa-
limpsest bietet, wird von Düntzer wegen 335 und 354 der ge-
wöhnlichen Aiavre vorgezogen. — In Betreff des Namens Θοώτης
vgl. die Zusammenstellung ähnlicher mit Bezug auf die Eigen:
schaften, Zustände und Verhältnisse der Personen frei erfundenen
bei Friedlaender über die kritische Benutzung der homerischen
Homonymie in Jahrbb. f. Phil. LXXI p. 537 f. und über den An-
klang Θοῶτα, ϑέων 343 Lehrs de Arist. ἦν. 457 f.
350. Dieser Vers und ebenso 363 wurde von Aristarch
verworfen: ‘od γὰρ πιϑανὸν ὥσπερ ἐξ ἐπιτάγματος παρεῖναι τὸν
Τεῦκρον᾽ [διὰ παντὸς γὰρ ὑπασπιστὴς Αἴαντος φαίνεται]. Aristonic.
ed. Friedlaender p. 212, vgl. denselben zu 371. Auch Aristo-
phanes verwarf die Verse. Aus andern Gründen verdächtigt 350
Wackernagel in Kuhns Zeitschr. XXIII p. 304.
372. ᾿ἀϑετεῖται" διὰ τί γὰρ μὴ ἑαυτῷ βαστάξει; Aristonic.
ed. Friedlaender p. 213. Pandion kommt nur hier vor. Man hat
vermuthet, dass Teukros’ Verwundung der Grund gewesen, dass
Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 137
Pandion ihm den Bogen nachtrug. — 374. Die Verbindung solcher
partieipialen Dative mit dem Hauptsatz erörtert Classen Be-
obachtungen p. 155 fl.
381. An dem Gebrauch der Praeposition παρά nimmt hier
Anstoss Giseke die allmähliche Entstehung der Gesänge der Ilias
p- 108.
386 M. Die Wendung λίπε ϑυμός erörtert Doberenz inter-
pretationes Hom. p. 8 f. — 390. Ueber die Verbindung von λαϑὼν
mit dem Hauptverbum vgl. Classen Beobachtungen p. 87. —
392. Ueber die Verbindung solcher den absoluten sich nähernden
partieipialen Genetive mit dem 'Hauptsatz vgl. Classen Beobach-
tungen p. 171. — 393. ὅμως findet sich nur A 565 und hier, und
zwar hier ohne Variante überliefert. Da die homerische Sprache
in diesem Sinne sonst nur ἔμπης kennt, so vermuthete Lehrs de
Aristarch. ®p. 157 an Stelle von ὅμως δ᾽ οὐ als ursprüngliche Les-
art ὁ δ᾽ οὐδ᾽ ὡς unter Zustimmung von Nitzsch Sagenpoesie
p. 174. Düntzer vermuthet: ἐνόησ᾽" οὐδ᾽ ὡς ὅγε oder ἀλλ᾽ οὐδ᾽
ὧς. Doederlein schreibt ὁμῶς und erklärt: “sed aequali atque
ante Glauci discessum ardore pugnabat’ Vgl. aber auch Fried-
laender in den Jahrbb. f. class. Philolog. Suppl. III p. 773. —
Wegen der an V. 399 sich knüpfenden kritischen Fragen vgl.
Nitzsch Sagenpoesie p. 283 f.
400. Zur Erklärung des Nominativ des Ganzen mit Parti-
cipium und nachfolgender Theilung vgl. Classen Beobachtungen
p. 136 f. — 406. Zum Gebrauch von τυτϑόν vgl. Nitzsch Sagen-
poesie p. 175. Unserer Stelle sehr ähnlich ist % 730, danach ist
die hier übliche starke Interpunction nach ἐπάλξιος (Bekker Punkt,
sonst Kolon) entfernt.
412. Die handschriftlich am besten beglaubigte Lesart ist
πλεόνων δέ τοι; dagegen haben bei La Roche δέ τι 8. Cant. Mor.
Barocc. und δέ τ᾽ G. Da τοῦ gegen das Digamma in ἔργον ver-
stösst, so vermuthete Bentley δέ τε, was Heyne, Spitzner,
auch La Roche in der Schulausgabe, gebilligt haben, Hoffmann
aber (unter Wegfall des δέ) und ebenso Nauck πλεόνων τοῖς wie
Bekker geschrieben hat. Der homerische Gebrauch scheint δέ re
zu fordern, wodurch gerade in kurzen Sentenzen der vorangestellte
Begriff hervorgehoben zu werden pflegt, La Roche führt dafür
an I 497. P 32. T 198. ὃ 379. λ 537. Vgl. auch A 801.
415 fl. In der folgenden Partie bis 435 erkennt Fried-
laender im Philol. IV p. 587 die Spuren einer doppelten Re-
cension: ‘die eine 416. 417—29. 436 ff., die andere A416. 430 ff.
Dagegen sucht Nitzsch Sagenpoesie p. 166f. die Verbindung
beider Gleichnisse zu rechtfertigen und jedem seine besondere Be-
deutung für die Darstellung zuzuweisen. Dem Dichter kam zuerst
die schmale Schranke in die Gedanken, welche die beiden strei-
tenden Parteien trennt und die jede zu überschreiten strebt und
Ameis, Anhang zur Ilias. g+*
138 _Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen.
so zeigt das erste Bild nur das Verhältniss des Streitobjects und
das Räumliche der Streitenden: den Streit um einen kleinen Raum.
“Von hieraus sagt der Dichter, wie sie nun über das schmale
Trennende, ob sie gleich sich einander immer Wunden beibringen
und auf beiden Seiten viel Blut fliesst, doch οὐδ᾽ ὡς Zduvarıo —
ἀλλ ἔχον ὥς τε τάλαντα γυνὴ —, 436 ὡς μὲν τῶν ἐπὶ ἶσα μάχη —.
Und das logische Skelett der Stelle ist ihm: ‘Sondern sie standen
sich zwar ganz nahe einander gegenüber und jede Partei hatte
vor sich nur ein wenig Umfängliches zu überwinden, dennoch, in-
dem es sehr blutig hergieng, stand der Kampf immer gleich,
bis —.’ Uebrigens weicht das erste Gleichniss in der Stellung des
Relativsatzes 423 & τ᾽ — ἐρίξητον von dem regelmässigen Bau
der Gleichnisse ab. Nach Friedlaender Beiträge zur Kenntniss
der homer. Gleichnisse II p. 18 ist die Regel, dass derartige Re-
lativsätze entweder unmittelbar an das bezügliche Nomen ange-
schlossen werden oder von dem Nomen nur getrennt sind durch
ein zu demselben gehöriges Attribut. Um unser Gleichniss mit
dieser Regel in Einklang zu setzen,‘ schlägt derselbe die Um-
stellung von V. 422 und 423 vor: “Dann würde das tertium com-
paralionis im Gleiehniss (ἐπιξύνῳ ἐν ἀρούρῃ) und in der Apodosis
(διέεργον ἐπάλξεις) einander näher gerückt und das Gleichniss selbst
würde grössere Continuität gewinnen, indem das Partieip ἔχοντες,
welches der Beschreibung des Einzelnen dient, nach homerischem
Sprachgebrauch demjenigen Satzgliede (ὦὥ τ᾽ — ἐρίξητον) folgen
würde, welches die Bestimmung hat, den in dem Eingange ἀμφ᾽
οὔροισι δηριάασϑον allgemein angedeuteten Vorgang zu individuali-
sieren.’ Das tertium comparationis im Gleichniss wird man richtiger
in der Bestimmung ὀλίγῳ ἐνὶ χώρῳ (Zenodot las ὀλίγῃ ἐνὶ χώρῃ,
was Düntzer vorzieht) finden, dem im Nachsatz entspricht διέερ-
γον ἐπάλξιες = es trennten sie nur die Brustwehren, zu welcher
Uebersetzung die nachdrückliche Stellung des Subjects nach dem
Prädicat berechtigt. — Die Worte ἐπιξύνῳ ἐν ἀρούρῃ werden von
Hermann Griech. Privatalterth. $ 15, 4 und Günther der Acker-
bau bei Homer. Bernburg 1866 p. 7 vom Grenzrain verstanden.
— Uebrigens bezeichnet Nauck V. 426. 428 und 429 als spu-
rü? — 429. Ueber die Stellung solcher partieipialer Gene-
tive, wie μαρναμένων, im Satze vergl. Classen Beobachtungen
p. 167.
433 ff. Ueber die Beseelung der Gleichnisse durch Bezüge
auf das menschliche Leben vgl. Nitzsch Beiträge p. 333 f. —
Als vereinzeltes Zeugniss dafür, dass schon in althomerischer Zeit
banausische Arbeit, hier die des Spinnens (oder Webens?) auch
ausser dem Hausbedarf, für Fremde und um einen bestimmten
kargen Lohn, zur Fristung der eigenen Existenz von Frauen be-
trieben wurde, und als ältesten Anknüpfungspunkt in der Ueber-
lieferung für die über den Hausbebarf hinausgehende Betriebsart
Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 139
behandelt die Stelle Riedenauer Handwerk und Handwerker in
den hom. Zeiten p. 80 ἢ, Vgl. auch Bergk griech. Literaturgesch.
I p. 412, Anmerk. 2. In dem μισϑός glaubt Riedenaner a. Ὁ.
p. 16 nichts anderes vermuthen zu dürfen, als was σ 358 ἢ, von
Eurymachos versprochen wird, wenn Odyss. in seinen Dienst trete:
Nahrung für das Jahr, Kleider und Schuhe. — 437. Zur Erklä-
rung der Verbindung πρίν γ᾽ ὅτε vgl. Capelle im Philol. XXXVI
p. 8085
439. Das ἤυσεν wird von Aristarch seltsamer Weise auf
Zeus bezogen, nicht auf Hektor, und damit begründet, dass es
442 heisst πάντες ἄκουον, was bei einem Rufen des Hektor un-
möglich gewesen wäre: vgl. Aristonic. ed. Friedlaender p. 213 f.
Daher auch Zenodots Lesart 444 ἐπεὶ ϑεοῦ ἔκλυον αὐδήν statt
ἀκαχμένα δούρατ ἔχοντες.
4498. V. 450 wurde von Aristophanes, Aristarch und
Zenodot verworfen, vgl. Aristonic. ed. Friedlaender p. 214:
“ὅτι ἐκλύει τὴν τοῦ βαστάξοντος δύναμιν. Vgl. auch Schwidop de
versibus quos Aristarchus in Homeri Iliade obelo signavit p. 37.
Nitzsch Beiträge p. 132, Anm. 2 dehnt diese Athetese auch auf
den vorhergehenden Vers 449 aus, wogegen Lachmann Betrach-
tungen p. 46 V. 450 nicht beschwerlich findet, wenn man nur
das vorhergehende οἷοι νῦν βροτοί εἰσι streiche, das aus 383 gar
armselig wiederholt sei. Ebenso urtheilt Benicken das elfte Lied
p. 23f. — 452. ὀλίγον τε statt des gewöhnlich gelesenen δέ ist
die Lesart der besten Handschriften, während δέ nach La Roche
fast gar keine handschriftliche Stützen hat.
458. Zu ἀφαυρός vgl. jetzt auch Schmalfeld in Jahrbb. £.
Phil. Suppl. VIII p. 306, welcher aus der Glosse des Hesychius
ἀφάρυμος" ἄτολμος die W. Pag entnimmt und diese —= ϑαρ in
ϑάρσος, ϑρασύς setzt. Danach ist ihm ἀφαυρός aus ἀφαξρός,
wie ἀμαυρός aus ἀμαβρός, durch Metathesis entstanden, und
die Bedeutung des Wortes: “im Gefühl der Schwäche ohne Muth
zum Handeln, ohne Thatkraft, matt.” Die Anwendung dieser Be-
deutung auf βέλος an dieser Stelle aber erklärt derselbe daraus,
dass Homer auch Dingen Eigenschaften leiht, die nur den die-
selben handhabenden Menschen zukommen. Dagegen bezeichnet
Nauck V. 458 als spurius?
463 ff. Gerlach im Philol. XXX p. 55 sieht das tertium
comparationis in νυκτὶ ϑοῇ ἀτάλαντος ὑπώπεα in dem schnellen
unwiderstehlichen Hereinbrechen; aber wie ist damit ὑπώπια zu
vereinigen? — Die herkömmliche Interpunktion, Kolon nach ὑπώ-
πιὰ, hat zweierlei gegen sich: einmal, dass λάμπε δέ durch den
Gegensatz des Gedankens mit dem vorhergehenden das finstere
Antlitz malenden Bilde eng verbunden ist, sodann dass die in
dem Satze οὔ κέν τίς μὲν ἐρύκακεν asyndetisch angeschlossene Fol-
gerung nicht sowohl das Glänzen der Rüstung und das Führen