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Full text of "Anhang zu Homers Ilias, schulausgabe"

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ANHANG 


ZU 


HOMERS ILIAS 


SCHULAUSGABE 
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Κι F. AMEIS. 


I. HEFT. 


ERLÄUTERUNGEN ZU GESANG IM. 


ZWEITE BERICHTIGTE 
UND NIT EINLEITUNGEN VERSEHENE AUFLAGE 
BESORGT VON 


Dr. C. HENTZE, 


OREULEHNER AM GYMNARIUN ZU GÖTTINGEN. 


& 


LEIPZIG, 
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER. 
1977. 


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Kritischer und exegetischer Anhang. 


A. 
Einleitung. 


Literatur: Lachmann Betrachtungen über Homers Ilias. 
2. Aufl. Berlin 1865 p. 4—7, 93 f., und dazu Haupts Zusätze 
p. 9181, vgl. Benicken de Iliadis libro primo. Berolini 1868. 
Die Lachmann’sche Kritik betreffen: C. 0. Müllers kleine deutsche 
Schriften I p. 460 ff, Faerber disputatio Homerica, Brandenburg 
1841 (mir nicht zugänglich), Blätter für literar. Unterhaltung 1844 
No. 126—129, Gross vindieiarum Homeric. part. I, Marburg 1845, 
Bergk in der Zeitschr. f. d. Alterthumswiss. IV, 1846, p. 492 ff, 
Baeumlein in derselben Zeitschrift VI, 1848 p. 323 f., Hoff- 
mann im Philol. III p. 194, Düntzer in der allgem. Monats- 
schrift für Literatur 1850 II p. 273 ff. = Homer. Abhandlungen 
Ρ. 28 ff., Friedlaender die homerische Kritik von Wolf bis Grote. 
Berlin 1853, p. 78 ἢ. und dagegen Ribbeck im Philol. VII, 
p. 472 ff., Hiecke über die Einheit des ersten Gesanges der Ilias, 
Greifswald 1857, v. Hoermann Untersuchungen über die home- 
rische Frage: I. die einheitlichen Elemente des ersten Gesanges 
der Ilias, Innsbruck 1867, Nutzhorn die Entstehungsweise der 
homerischen Gedichte, Leipz. 1869 p. 141ff,, 152, Gerlach im 
Philol. XXX p. 3f. — Naoke Opuscula philologica I p. 263 ft, 
vgl. Düntzer hom. Abhandl. p. 40f. — Lauer Geschichte der 
homer. Poesie. Berlin 1851 p. 205. — Koechly de Iliadis 
carmm. diss. II. Turiei 1857 p. 18 ἢ“, vgl. Ribbeck in den 
Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 3f. und dagegen Friedlaender in 
den Jahrbb. f. Phil. Bd. 79 p. 580ff. und Düntzer in der Z£ 
ἃ, G. W. XIV p. 329. — Homerische Abhandl. p- 180. — 
Düntzer Aristarch. Das erste, achte und neunte Buch der Ilias 
kritisch erörtert. 1862 p. 1fl. — Jacob über die Entstehung der 
Ilias und Odyssee. Berlin 1856 p. 159 #., vgl. Hiecke über die 
Einheit des ersten Gesanges der Ilias p. 8. — Nitzsch die 
Sagenpoesie der Griechen. Braunschweig 1852 p. 89f., 178#, 
190 δ΄, Beiträge zur Geschichte der epischen Poesie ἃ, Griech, 
Leipz. 1862, p. 14 f. — Kiene die Komposition der Ilias des 
Homer. Göttingen 1864 p. 75, 206, 214f., 230f., (darin die 

τὸ 


-,4 -- 


Chronologie der Ilias p. 67, vgl. dagegen den Anhang zu A 424 
und Düntzer Aristarch p. 182). — Genz zur Ilias. Sorau 
1870, p. 6ff. — Kritik einzelner Abschnitte des ersten Buches: 
G. Curtius im Philol. III p. 8ff.: Thetis in 4 und &. von 
Kittlitz die Fürbitte der Thetis. Mainz 1856. P. La Roche im 
Philol. XVI p. 41 fl: über V. 245—304, vgl. dagegen Düntzer 
Aristarch p. 27 ff., 33ff, Bischoff im Philolog. XXXII p. 568 ff. 
über V. 188—222, vgl. dagegen Düntzer die homerischen Fragen. 
Leipz. 1874 p. 198f. Bischoff im Philol. XXXIV p. 4f. — 
Bernhardy Grundriss der griech. Literatur. ° II, 1, p. 1581. 
Bergk griech. Literaturgesch. Berlin 1872. Ip. 540 u. 552 fl. — 
Hoffmann quaestiones Homericae. Clausthal 1848. II p. 201f. 
Giseke homerische Forschungen. Leipz. 1864. p. 156f. 160. 
161. — Ueber die ἅπαξ εἰρημένα Friedlaender im Philol. VI 
p- 228 ff, Benicken de Iliadis libro I p. 148, Düntzer homer. 
Abhandlungen p. 200 ff. — Zahn Betrachtungen über den Bau 
der homer. Reden. 1. Probe. Die Reden in Ilias 4 1—303. 
Barmen 1868. — Bischoff über homer. Poesie. Erlangen 1875, 
p- 11: Analyse von Il. I 1—348. — Ueber einen von Beloch 
de Homeri carminum prima forma restituenda in Rivista di filo- 
logia. 1875 p. 305 #. gemachten Versuch die μῆνις strophisch 
nach Distichen zu gliedern vgl. Bursian’s Jahresbericht über die 
Fortschritte der klassischen Alterthumswissenschaft 1874— 1875 


p. 1408. 


Nach dem Prooemium bildet den Hauptinhalt der Ilias der 
Groll des Peliden Achilleus in seinen nach Zeus’ Ratlıschluss sich 
vollziehenden furchtbaren Folgen und zwar anhebend von dem 
Ausbruch des Streites zwischen Achill und Agamemnon. Dieser 
Ankündigung entsprechend enthält der das Ganze einleitende erste 
Gesang zunächst die Erzählung von jenem Streit der Könige nach 
seinem Anlass, Verlauf und nächsten Folgen, aus dem Achill 
grollend hervorgeht. Daran schliesst sich als zweites Hauptstück 
die Erzählung von der Fürbitte der 'Thetis für den grollenden 
Sohn bei Zeus und dessen feierlicher Zusage, demselben Genug- 
thuung zu verschaffen. Indem beide Hauptstücke theils durch die 
vorbereitenden Ereignisse eingeleitet, theils durch die sich daran 
knüpfenden Folgen zum Abschluss gebracht werden, ergiebt sich 
folgende Gruppierung des Inhalts: 

I. Die den Streit der Könige vorbereitenden Ereignisse; 

V. 12—53: 

1. Chryses mit der Bitte um Rückgabe seiner gefangenen 

Tochter von Agamemnon schmählich abgewiesen, 12—32. 

2. Chryses bittet Apollo den Schimpf zu rächen, 33—483. 

3. Apollo sendet die Pest, 44—53. 


5 — 


II. Der Streit der Könige und seine Folgen, V. 54—492, 
1. Vorgeschichte des Streites, 54—100. In der am zehnten 
Tage nach Beginn der Pest von Achill berufenen Heeres- 
versammlung bezeichnet auf Achills Veranlassung Kalchas 
die Beschimpfung des Chryses als den Grund von Apolls 
Zorn. 
2. Der Streit selbst, 101 —303. 
a. Entwicklung desselben bis zum Höhepunkt der Leiden- 

schaft in drei Stadien, 101—192: 

«. erster Anlass Agamemnons Forderung augenblick- 
lichen Ersatzes für die Zurückgabe der Chryseis, 
von Achill als unausführbar zurückgewiesen, 101 
—129. 

ß. Verschärfung des Gegensatzes zu persönlicher Er- 
bitterung. Agamemnon bei seiner Forderung ver- 
harrend, macht das Uebergewicht seiner Stellung als 
Oberkönig geltend und droht eigenmächtig einem der 
Fürsten seine Ehrengabe zu nehmen; Achill kündigt 
im lebhaften Bewusstsein seines persönlichen Werthes 
und der den Atriden geleisteten Dienste das frei 
übernommene Dienstverhältniss auf und droht heim- 
zukehren, 130— 171. 

y. Agamemnons Drohung gerade Achill zur Strafe für 
seine Selbstüberhebung sein Ehrengeschenk zu neh- 
men, entflammt diesen zum höchsten Zorn, er ist im 
Begriff sich an Agamemnon zu vergreifen, 172—192. 

Ὁ. Die Dazwischenkunft der Athene und deren Wirkung, 
193— 247. 

Athene, von Hera gesandt, mahnt Achill vom thätlichen 
Angriff ab, gestattet ihm aber Agamemnon seine Hybris 
und deren voraussichtliche Folgen vorzuhalten. Achill 
gehorcht: er schliesst seine mit leidenschaftlichen Vor- 
würfen gegen Agamemnon erfüllte Rede mit der feier- 
lichen Verkündigung, dass die Achaeer insgesammt 
dereinst, von Hektor aufs äusserste bedrängt, Achill 
schmerzlich vermissen und Agamemnon bittere Reue 
darüber empfinden werde, dass er den besten der 
Achaeer für nichts geachtet. 

 Nestors vergeblicher Versuch die Könige zu versöhnen, 
247—305. 

Agamemnon soll abstehen von der angedrohten Weg- 
nahme des Ehrengeschenkes und vor allem bedenken, 
dass Achill der sichere Hort der Achaeer im Kriege 
ist, Achill aber durch das Bewusstsein seines Werthes 
sich nicht verleiten lassen die Stellung des Oberkönigs 
zu verkennen. Die Streitenden wiederholen von neuem 


> 


6 — 


die gegen einander erhobenen Vorwürfe, Achill erklärt 

schliesslich zwar der Wegnahme der Briseis keinen 

Widerstand entgegensetzen zu wollen, droht aber jedem 

Versuch, ihm ein anderes Besitzthum zu nehmen, mit 

offener Gewalt zu begegnen. 

3, Die nächsten Folgen des Streites, 306—492. 
a. Agamemnons Verhalten, 308—329. 

Agamemnon sendet Odysseus ab, um Chryseis heim- 
zuführen, ordnet die Entsühnung des Heeres an und 
schiekt die Herolde in Achills Zelt, um Briseis zu 
holen, 

ὃ. Achills Verhalten, 330—430. 

«a. Achill und die Herolde, 330—348. 

Achill übergiebt ohne Streuben den Herolden die 

Briseis, aber nicht ohne die Versicherung in feier- 

licher Weise zu wiederholen, dass man dereinst seinen 

rettenden Arm schmerzlich vermissen werde, 

ß. Achill und Thetis, 348—430. 

Achill klagt am Meeresstrande seiner Mutter sein 

Leid und bittet sie den Zeus unter Berufung auf 

einen ihrerseits demselben früher erwiesenen Dienst 

anzugehen, dass er den Troern beistehe und die 

Achaeer bei den Schiffen in grausamem Kampfe zu- 

sammendränge. Thetis verspricht am zwölften Tage, 

wo Zeus vom Opfermahl bei den Aethiopen heim- 
kehre, seinen Wunsch zu erfüllen; bis dahin soll er 
weiter grollen und vom Kampf ganz ablassen. 

c. Odysseus in Chryse, 430—487. 

Uebergabe der Chryseis und Versöhnung des Gottes 
durch Opfer und Gebet. Opfermahl. Odysseus kehrt 
am folgenden Morgen ins Lager zurück. 

d. Achills μῆνις, 488—492. 

Bild des grollenden, in Unmuth sich selbst verzeh- 
renden Helden. 

II. Die Fürbitte der Thetis, Zeus’ Zusage und der da- 
durch erregte Götterstreit, 493—611. 
a. Zeus und Thetis, 493—533. 

Am zwölften Morgen nach dem Streit der Könige sucht 
'Thetis den einsam auf der Höhe des Olymp sitzenden Zeus 
auf und bittet ihn Achill Genugthuung zu verschaffen, 
indem er den Troern solange das Uebergewicht 
verleihe, bis die Achaeer ihrem Sohne genügende 
Ehre erweisen. Zeus entschliesst sich aus Furcht vor 
Hera nur widerstrebend, giebt dann aber in der feierlich- 
sten Form die “unwiderrufliche, untrügliche, sicher 
erfüllte’ Zusage. 


— ὐἡ.- 
b. 


Zeus und Here, 533—570. 

In der Götterversammlung spielt Here alsbald auf die 
geheime Verabredung mit Thetis an, Zeus weicht aus; 
als jene dann aber die der Thetis gegebene Zusage ihm 
direkt vorrückt, verweist er mit einem Machtspruch und 
barscher Drohung sie zur Ruhe, 

. Hephaestos versöhnt die Streitenden, 571—600. 

Unwillige Bewegung unter den Göttern. Hephaestos 
mahnt den Genuss des Mahles nicht durch Streit um der 
Sterblichen willen zu stören und räth der Mutter sich zu 
fügen. Der humoristische Hinweis auf das, was er selbst 
einmal um der Mutter willen von Zeus erlitten, entlockt 
der Hera ein Lächeln, seine ergötzliche Figur aber, wie 
er im Saale umherhumpelnd den Becher kredenzt, erregt 
unauslöschliches Gelächter der Götter. - 

Heiterer Schmaus bis zum “Abend, 601—611. Apollo's 
Spiel und Gesang der Musen. Nachtruhe. 

Die erzählten Ereignisse füllen einen Zeitraum von 21 Tagen, 
vgl. den Anhang zu A 498. 

Die Uebersicht des Inhalts ergiebt einen reichen Stoff mit 
mannigfach wechselnder Scenierung, lebhaft bewegter Handlung, 
grossartig wirkenden Momenten und Situationen. Wie viel davon 
die Sage dem Dichter bot, wie viel er selbst erfand oder frei ge- 
staltete, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Gab die Sage 
ohne Zweifel die Hauptzüge der Handlung dem Dichter an die 
Hand, wie die Pest, den Streit der Könige, auch wohl die Für- 
bitte der Thetis und Zeus’ Zusage, so gehört dem Dichter doch 
mit grosser Wahrscheinlichkeit die Erfindung der Dazwischenkunft 
der Athene, der zwölftügigen Frist, der Götterscene am Schluss 
des Buches, mancher andere bedeutsame Zug, sowie die Anord- 
nung und Gruppierung des reichen Stoffes, die künstlerische Ent- 
wickelung und Motivierung. Die in diesen Beziehungen hervor- 
tretende Kunst des Dichters ist allseitig bewundert; auch die auf- 
lösende Kritik hat dieselbe anerkannt. 

Welche Bedeutung das vom Dichter erfundene Motiv der 
zwölftägigen Frist für die Handlung hat, wird unten ausführlich 
erörtert werden müssen. Die Schlussscene im Olymp, die zweifel- 
los die freie Schöpfung der dichterischen Fantasie ist, zeigt die 
auch sonst hervortretende geschickte Handhabung der Kunstmittel 
des Parallelismus und des Kontrastes. “Ein gewisser Parallelis- 
mus zwischen dem Männer- und Götterstreit scheint anzuerkennen 
und beabsichtigt. Aber wie verschieden ist der Verlauf! Die 
Versammlung der elenden Sterblichert, trotz Nestors vergeblichen 
Versöhnungsversuchs, hat die unseligsten Folgen; der verdriess- 
liche Zwist der seligen Götter, durch Hephaistos geschlichtet, 
endet mit Heiterkeit. Apollon, der Urheber des Streites der 


- 


d. 


-- 8 -- 


Helden, fördert am Schluss durch sein Citherspiel die Harmonie 
und Fröhlichkeit des Götterlebens’ (Genz). Ein Parallelismus 
anderer Art zeigt sich in der Fassung der beiden Gebete des 
Chryses an Apollo, da er von Agamemnon schmählich zurückge 
wiesen den Gott um Rache anfleht und wiederum nach Rückgabe 
der Tochter, da er die Zurücknahme der Pest erbittet, mit der 
gleichlautenden kurzen Andeutung des Erfolgs seines Gebetes 
(87—43 — 451—457), und im Zusammenhang damit wiederum 
der Kontrast, in welchem die Schilderung der furchtbar wirkenden 
Pest und die Beschreibung des heiteren Opferschmauses in Chryse 
mit einander stehen. Besonders wirksam durch die unmittelbare 
Gegenüberstellung ist der Kontrast, in welchen die grossartige 
Offenbarung der göttlichen Majestät bei der Zusage des Zous 
524 — 537 zu den sie umgebenden Scenen tritt, welche den 
höchsten Gott mit den gewöhnlichen Schwächen der Sterblichen 
behaftet zeigen. 

Gleiche Kunst zeigt der Dichter in der Anordnung seines 
Stoffes. Die natürliche Folge der Begebenheiten ergiebt im Gan- 
zen zugleich von selbst eine natürliche Folge der Erzählung. Von 
dieser weicht der Dichter nur an einer Stelle ab, indem er die 
Erzählung von der Heimführung der Chryseis so theilt, dass die 
Abfahrt nach Chryse unmittelbar nach dem Streit der Könige be- 
richtet wird, der Vorgang in Chryse selbst aber zwischen die 
Scene, wo Achill seiner Mutter sein Leid klagt, und die Scene 
im Olymp zwischen Thetis und Zeus sich einschiebt. Der Dichter 
erreicht mit dieser “Verschiebung des Nachspiels vom Heldenstreit 
und des Vorspiels vom Götterstreit” einen doppelten Zweck, indem 
die Scene in Chryse einmal die zwölftägige Frist zwischen der 
Klage Achills und der Fürbitte für die Vorstellung des Hörers 
passend ausfüllt, sodann aber der wahrhaft künstlerischen Absicht 
dient durch die Einfügung der anmuthigen Opferscene nach der 
so leidenschaftlich bewegten Unterredung zwischen Achill und seiner 
Mutter den Hörer auszuspannen und für die nun folgende gross- 
artig erhabene Scene im Olymp empfänglich zu machen. 

Je weniger Raum trotz, der Erstreckung über einen Zeit- 
raum von 21 Tagen die äussere Handlung des Gesanges ein- 
nimmt, um so grösseres Gewicht fällt auf die innere Entwicklung 
und Motivierung der folgenschweren Ereignisse. Zeugniss dafür 
ist schon das Verhältniss der Reden zur Erzählung, indem jene 
nahezu zwei Drittel des Ganzen füllen. Den grössten Raum 
nimmt naturgemäss die Darstellung des Streites der Könige und 
die darauf beruhende Entwicklung der μῆνις des Achilles in An- 
spruch. Wie der tiefere Grund jenes Streites auf dem Gegensatz 
beruht, in welchen das auf seinen persönlichen Werth sich grün- 
dende Selbstbewusstsein des ersten Helden, des Hortes der Achacer, 
zu dem auf seine Machtstellung pochenden Stolz des Oberkönigs 


tritt, und wie dieser Gegensatz durch die Stadien des Streites 
hindurch sich immer mehr verschärft, ist schon in der Inhalts- 
übersicht angedeutet. Wie jenem schon die Zusicherung Achills, 
Kalchas gegen jeden Angriff, selbst gegen Agamemnon schützen 
zu wollen, entspringt, so diesem Agamemnons Forderung augen- 
blieklichen Ersatzes für Chryseis, wodurch das Signal zum 
Kampf gegeben wird. Auf so vorbereitetem Grunde genügt der 
abgesehen von dem Vorwurf der Habsucht (122) objective und 
ruhige Widerspruch von Seiten Achills, um den Gegensatz zu 
leidenschaftlicher persönlicher Erbitterung zu verschärfen, in wel- 
cher Agamemnon nach der Drohung, eigenmächtig einem der 
Fürsten sein Ehrengeschenk zu nehmen, speciell gegen Achil. 
durch die Zumuthung, dass gerade er die Heimführung der Chry- 
seis leiten solle, das Uebergewicht seiner Stellung geltend macht, 
Achill aber im lebhaften Bewusstsein der den Atriden uneigen- 
nützig geleisteten, aber in schmählicher Undankbarkeit missachteten 
Dienste mit der Aufkündigung der Heeresfolge und dem Entschluss 
heimzukehren antwortet. Es ist nur die natürliche Consequenz 
dieses Gegensatzes in der Hitze der entflammten Leidenschaft, 
dass Agamemnon jener Drohung mit der stolzen Erklärung be- 
gegnet, dass Achill entbehrlich sei, und seinerseits nun gerade 
ihm zur Strafe für seine Ueberhebung die Entziehung seines 
Ehrengeschenkes androht, worauf Achill zum Schwert greift. Bei 
dieser Entwicklung des Streites bis zum Aeussersten der Leiden- 
schaft ist die Dazwischenkunft der Athene an sich nothwendig, 
um die Handlung der Ilias tiberhaupt zu ermöglichen; es bietet 
die Scene aber zugleich bedeutsame Momente für die Charakteristik 
der beiden Streitenden und zur Beurtheilung des Streites, indem 
Agamemnons Verfahren einerseits aus dem Munde der Göttin als 
Hybris anerkannt wird, Achill andrerseits auf die Mahnung der 
Göttin seine Leidenschaft bezwingt und damit im Gegensatz zu 
Agamemnon, der sich nicht scheute den Apollopriester schmählich 
zu behandeln, seinen tiefen religiösen Sinn und die Kraft sich 
selbst zu beherrschen erweist. Der daran schliessende vergebliche 
Versuch Nestors die Streitenden zu versöhnen ist schon dadurch 
motiviert, dass Achill in der vorhergehenden heftigen Schmäh- 
und Drohrede gegen Agamemnon die gesammten Achaser wegen 
ihrer Zurückhaltung für Agamemnons Frevel mit verantwortlich 
macht. Keiner ist geeigneter diesen Versuch zu machen, als der 
erfahrene beredte Greis, der schon zwei Generationen an sich hat 
vorübergehen sehen und dessen Rath schon tüchtigere Helden, als 
die Streitenden, zugänglich gewesen sind. Was er sagt, giebt, 
abgesehen von dem nächsten Zweck, dem Hörer -einen Massstab 
an die Hand, das Verhältniss der Schuld zwischen den Streitenden 
abzuwägen. Die Erfolglosigkeit des Versöhnungsversuchs aber 
lässt den Hörer die Tiefe des zwischen den Streitenden bestehenden 


—- 0 — 


Gegensatzes ermessen und trägt, indem sie die Schuld des schul- 
digeren Theils noch erhöht, wesentlich dazu bei. für Achill den 
Uebergang des Zorns zu dauerndem Groll zu motivieren. Die 
letzte Entscheidung in dieser Hinsicht giebt dann die wirkliche 
Wegnahme der Briseis trotz der von Achill in Aussicht gestellten 
verderblichen Folgen, trotz Nestors Mahnung, als ein Act schmäh- 
licher Entehrung des Helden (vgl. 171. 244. 353 ff. 412. 505 ff. 
559), als Ate (412), wobei noch als bedeutsame Motive hinzu- 
kommen einerseits der Werth, welchen Briseis für Achill hat, wie 
derselbe 348 durch die Bemerkung ἡ δ᾽ ἀέκουσ᾽ ἅμα τοῖσι γυνὴ 
κίεν kurz angedeutet, 1343. Τ' 281 ff. 2 676 aber weiter illustriert 
wird, andrerseits die in den Klagen Achills und der Thetis be- 
tonte kurze Lebensdauer des Helden, die demselben um so mehr 
Anspruch auf Anerkennung und Ehre geben sollte. 

Der angedeuteten Entwicklung des Grolles entsprechend ge- 
winnen die Rachegedanken in Achilles’ Seele mehr und mehr be- 
stimmte Gestalö und festen Inhalt. Zuerst nach Agamemnons 
Drohung ihm die Briseis zu nehmen schwebt ihm (240) allgemein 
eine Situation vor, wo die Achaeer in Folge seiner Unthätigkeit 
von Hektor heftig bedrängt, insgesammt schmerzliches Verlangen 
nach seinem rettenden Arm ergreifen und Agamemnon unfähig 
zu helfen bittere Reue über die Beschimpfung Achills empfinden 
wird. Bestimmter gestaltet sich diese Vorstellung bei Wegführung 
der Briseis in den an die Herolde gerichteten Worten ähnlichen 
Inhalts, wo παρὰ νηυσίν 344 schon auf einen Kampf bei den 
Schiffen deutet. In der von Thetis an Zeus zu richtenden Bitte 
endlich (408) steht ihm als Ziel seiner Wünsche eine Situation 
klar vor der Seele, wo die Troer die Achaeer in grausigem 
Mordkampf bis zu den Schiffen und ans Meer gedrüngt haben: 
Zeus selber soll durch directes Eingreifen diese äusserste Be- 
drängniss der Achaeer herbeiführen, welche allein diese zur Er- 
kenntniss ihrer Verschuldung bringen und ihm volle Genugthuung 
geben kann. 

Indem aber Thetis die Berechtigung seines weitgehenden Ver- 
langens anerkennt und ihn bis zur Entscheidung durch Zeus auf- 
fordert weiter zu grollen und vom Kampf ganz abzulassen, ge- 
winnt dieser Groll in der zwölftägigen Frist Raum sich zu vertiefen 
und festzusetzen, wie die die Entwicklung der μῆνις abschliessen- 
den Verse 488—492 auf dem Uebergange vom ersten zum zweiten 
Haupttheil der Erzählung schildern. Für die Auffassung der βουλή 
des Zeus ist bedeutsam die Art, wie Achill und Thetis die an 
Zeus gerichtete Bitte motivieren und das Verhalten des letzteren 
Thetis gegenüber. Wie jene ihre Bitte vorzugsweise durch die 
Berufung auf die von Thetis dem Zeus geleisteten Dienste stützen, 
so gewährt Zeus der Thetis ihre Bitte aus persönlichen Grün- 
den, weil er wegen der geleisteten Dienste ihr dieselbe nicht 


- 1 -- 


abschlagen mag. Er gewährt sie nur ungern und widerstrebend, 
weil er damit sich in Gegensatz stellt zu dem Willen der Mehr- 
heit der Götter, Hera an der Spitze, und ‘es ist augenscheinlich, 
dass er die dem Achill widerfahrene Kränkung ungerächt gelassen 
haben würde, wenn nicht Thetis ihn gebeten hätte.’ (Schoemann.) 
Es ist demnach nicht die Verletzung der sittlichen Weltordnung 
durch Agamemnon, welche Zeus’ Rathschluss herbeiführt, vielmehr 
bleibt Raum für die Möglichkeit, dass Achills Racheverlangen 
über das Mass des Berechtigten hinausgeht. Zwar wird dies im 
ersten Buche nirgends klar ausgesprochen, aber die von Athene 
213 f. in Aussicht gestellte Sühne für die Hybris des Agamemnon 
giebt doch einen Massstab, nach welchem das unter dem Eindruck 
der vollzogenen Wegnahme der Briseis an Zeus gestellte Verlangen 
als ein Uebermass der Leidenschaft erscheinen muss, und O 598 
lässt, die Bezeichnung Θέτιδος ἐξαίσιον ἀρήν, aus den Gedanken 
des Zeus gesprochen, deutlich erkennen, dass der Diehter Achills 
Bitte als masslos verurtheilt. Auch sonst fehlt es nicht an An- 
deutungen, dass Achill selbst bei dem Streit mit Agamemnon 
nicht ohne Schuld ist. Zwar geht ohne Zweifel Agamemnon aus 
dem Streit als der schuldigere Theil hervor. Athene erkennt 
ohne Rückhalt Achills Auffassung von der Hybris des Agamemnon 
als begründet an (214f.); in Folge ihrer Mahnung bezwingt Achill 
seinen leidenschaftlichen Zorn, auch Nestors Mahnung, welche 
Agamemnon nicht dazu vermag seine Drohung zurückzunehmen, 
bewirkt doch bei Achill, dass er erklärt der Wegnahme der Briseis 
keine Gewalt entgegensetzen zu wollen. Gleichwohl ist auch er 
nicht ohne Schuld. Er reizt Agamemnon schon, als er Kalchas 
unbedingt seinen Schutz verheisst und dabei geradezu Agamemnon 
namhaft macht; er beleidigt denselben, noch ehe jener die ver- 
letzende Drohung ausspricht, durch den Vorwurf der Habsucht 
(122). Auch Nestors mahnende Worte, deren Schärfe sich be- 
sonders gegen Agamemnon richtet, lassen doch erkennen, dass er 
auch Achill nicht ganz von Schuld freispricht. 

Hand in Hand mit der Entwicklung der Handlung geht die Zeich- 
nung der Hauptcharaktere, indem dieselben in und an der Handlung 
sich lebendig entwickeln. In der Darstellung ist die Kunst der Scenie- 
rung, sowie der Gruppierung der handelnden Personen hervorzu- 
heben. Es ist bewundernswerth, wie einfach die Mittel sind, mit wel- 
chen der Dichter wirkt. Chryses, in seinem Schmerz über die schmäh- 
liche Zurückweisung, fernab von seinen Feinden am Strande des 
lautrauschenden Meeres still zu seinem Gott betend, — Achill, das 
Herz voll des tiefsten Schmerzes über die erlittene Beschimpfung, 
fern von seinen Gefährten am Strande der weissschäumenden Fluth, 
über das unendliche Meer hinschauend und die Hände ausstreckend, 
um seiner Mutter sein Leid zu klagen — welche Scenerie könnte 
der Seelenstimmung der Personen angemessener sein! Ebenso 


- ἀρ — 


einfach und doch wahrhaft künstlerisch ist die Gruppierung der in 
bedeutsamen Momenten der Handlung verbundenen Personen. 
Wohl kein Gesang ist so reich an den verschiedenartigsten, 
grösseren oder kleineren, mehr oder minder belebten Gruppen. 
wie der erste. Bald sind es nur zwei Personen, welche in be- 
deutsamem Moment in charakteristischer Stellung verbunden ge- 
zeichnet werden, so Thetis vor dem schmerzlich klagenden Achill 
sitzend und seine Wangen streichelnd, oder Thetis bittend vor 
Zeus, mit der Linken seine Kniee berührend, mit der Rechten den- 
selben unter dem Kinn fassend, und dazu das Gegenbild, wie Zeus 
der bittenden Thetis mit den dunkeln Brauen Gewährung winkt. 
Dann Gruppen von drei Personen: Chryses, in der Hand den 
Priesterstab mit der daran befestigten Binde, flehend vor den 
Atriden — Odysseus am Altar des Apollo, die Chryseis dem Vater 
zuführend, mit den im weiteren Kreise den Altar umstehenden 
Gefährten und der Hekatombe, — oder die lebhaft bewegte 
Gruppe, wie Achill im Begriff sich mit dem Schwert auf Aga- 
memnon zu stürzen, von der von hinten zu ihm tretenden Athene 
an der Locke gefasst wird. Endlich die reicheren Gruppen: die 
beiden Herolde Agamemnons vor Achilles, denen Patroklos die 
Briseis zuführt — Zeus und Herc, welcher Hephaestos den 
Becher reicht, inmitten der umgebenden Götterversammlung, — 
in derselben Scene Apollon die Phorminx spielend, mit den singen- 
den Musen. Kein Wunder, dass die darstellenden Künstler des 
Alterthums, wie der Neuzeit, gerade im ersten Gesange zahlreiche 
Stoffe für eine künstlerische Behandlung gefunden haben. 

Die Erzählung zeigt entsprechend dem Inhalt einen lebhaft 
bewegten Charakter und raschen Fortschritt. Abgesehen von der 
Opferscene in Chryse, deren Ausführung dem angedeuteten be- 
sonderen künstlerischen Zweck dient, findet sich keine ausgedehnte 
Beschreibung oder Schilderung. Der Eintritt und die Wirkung 
der Pest wird mit wenigen kurzen Strichen gezeichnet, ebenso die 
Versöhnung Apollo’s nur durch die Angabe, dass derselbe das 
Gebet seines Priesters erhörte, und das weitere Verhalten des- 
selben gegen die Achaeer (474. 479) angedeutet. Achills Ver- 
hältniss zur Briseis lässt zunächst nur die kurze Andeutung 348 
errathen, der Schmerz über den Verlust derselben kommt erst in 
der Klage an Thetis zum Ausdruck. Etwas ausgeführter ist nur 
das Bild des grollenden Helden 488 ff, wie es die Bedeutung der 
μῆνις für die epische Handlung erforderte. Auch für ausgeführte 
Gleichnisse fand der Dichter bei dem raschen Fortschritt der 
Handlung keinen Raum; die drei verwendeten (V. 47. 104. 359) 
geben einen einzigen bedeutsamen Zug. Um so beredter ist die 
Sprache in den Reden. Es ist eine mamnigfaltige Abstufung der 
Empfindungen, von der ersten leisen Regung der erwachenden 
Leidenschaft bis zum stürmischen Ausbruch, eine Fülle von 


wechselnden Stimmungen, welche innerhalb des ersten Gesanges in 
den mannigfultigsten Formen der Rede sich aussprechen. Auch im 
Einzelnen zeigt: die Sprache eine reiche Fülle von Mitteln die Ge- 
danken zum wirksamsten Ausdruck zu bringen. 


Es ist ein starker Beweis für die künstlerische Vollendung 
und den hohen Werth des ersten Gesanges, dass die Vorzüge 
desselben nahezu einstimmig anerkannt worden sind. Gleichwohl 
ist gerade dieser Gesang der Gegenstand lebhaftesten Streites 
geworden. Lachmann fand in seinen Betrachtungen eine Reihe 
von Widersprüchen und Unebenheiten in der Erzählung, welche 
ihm zu genügen schienen, um daraus auf einen verschiedenen 
Ursprung der Haupttheile desselben schliessen zu dürfen. Andere 
stinnmten zu und glaubten durch neue Beobachtungen die von ihm 
gefundenen Beweise gegen die ursprüngliche Einheit des Gesanges 
noch verstärken zu können. Dagegen erhoben sich andrerseits 
eine Reihe gewichtiger Stimmen, welche jene Widersprüche theils 
durch höhere künstlerische Gesichtspunkte zu rechtfertigen — oder 
wenigstens entschuldigen zu können glaubten, theils gar nicht an- 
erkannten und durch Interpretation oder durch Annahme von Inter- 
polation beseitigten, jedenfalls aber denselben nicht das entschei- 
dende Gewicht gegen die Einheit des Gesanges einräumten. Es 
ist begreiflich, dass in Folge der Lachmann’schen Kritik gerade 
an dem ersten ‚Gesang der Streit sich mit besonderer Lebhaftig- 
keit entzündete, weil die Entscheidung der hier aufgeworfenen 
Frage von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung der home- 
rischen Frage überhaupt ist. Man kann unbeschadet der Einheit 
des Ganzen den Einzelursprung dieses oder jenes Stückes, selbst 
einzelner Gesänge zugeben, wenn man im Uebrigen die Durch- 
führung eines einheitlichen Planes festhält; erweist sich aber der 
erste Gesang, dem die einleitende Exposition des Ganzen zufällt, 
als Produkt der Thätigkeit verschiedener Dichter, so ist damit 
ein wesentliches Stück des Fundaments für einen einheitlichen 
Aufbau des Ganzen erschüttert. 

Lachmann findet erstlich den Zusammenhang von 493 fl. 
mit dem diese Partie vorbereitenden Stück 348—429 gestört durch 
die dazwischen geschobene Scene in Chryse 430—492. Beweis 
die Beziehungslosigkeit des ἐκ τοῖο 493, weil es in jener dazwischen 
geschobenen Partie Nacht und wieder Morgen geworden ist (475. 
417), ja 490 fl. sogar der Verlauf mehrerer Tage bezeichnet; ist. 
Ein zweiter Widerspruch besteht ihm einerseits zwischen der 
Angabe 423, dass die Götter seit gestern bei den Aethio- 
pen sind, und andrerseits der doch gleichzeitigen Thätigkeit 
Apollo’s bei dem Schiffslager (48), die nach Kalchas’ Worten 96. 
97 eine dauernde ist, sowie der in 474 vorausgesetzten Anwesen- 
heit desselben in Chryse, und ebenso dem Eingreifen Hera’s und 


— 4 — 


Athene’s in den Streit der Könige 195, wo Athene οὐρανόθεν kommt, 
wie sie 221 in den Olymp zurückkehrt μετὰ δαίμονας ἄλλους. Aus 
diesem zwiefachen Widerspruch ergiebt sich für Lachmann das 
Resultat, dass wir innerhalb des ersten Gesanges drei Partien 
zu unterscheiden haben: das ursprüngliche (erste) Lied V. 1—347 
und zwei Fortsetzungen desselben, die erste 430—492, die andere 
348—429 und 493—611: jene kann mit dem ersten Liede 
ursprünglich zusammengehört haben, doch neigt sich Lachmann 
schliesslich mehr zu der Vermuthung, dass sie nicht von dem 
Verfasser des Liedes sei; diese ist ebenso wenig als mit der ersten 
Fortsetzung mit den Haupttheilen der Erzählung zu vereinigen; 
dem Dichter derselben ist es nicht ganz gelungen sich in den 
Einzelheiten in die Anschauung des ersten Dichters zu versetzen. 

Zur weitem Begründung der Vermuthung, dass die erste 
Fortsetzung nicht von dem Verfasser des Liedes sei, fügt Haupt 
noch folgende Beobachtungen hinzu: die kurze, knappe Behandlung 
des wichtigsten Punktes, welcher bei einer Fortsetzung des Liedes 
in Frage kam, der Versöhnung Apollo’s (457 und 474) neben der 
weitläufigen Schilderung des Opfers und Opfermahls, sodann die 
auffallende Menge von Versen, welche auch an andern Stellen der 
homerischen Gedichte vorkommen, so dass die Hälfte derselben 
aus Reminiscenzen und Formeln zusammengesetzt scheint. In der 
zweiten Fortsetzung findet derselbe Kritiker manche Eigenheiten 
des Stils, welche er zum Theil als neuere Ausdrucksweisen auf- 
fassen zu dürfen glaubt. 

Zum Theil von denselben Widersprüchen ausgehend, daneben 
aber auch an den Versen 488 ff. in dem Zusammenhang, worin sie 
stehen, Anstoss nehmend, zerlegt Naeke den ersten Gesang in 
zwei selbständige Lieder, von denen das erste, das Lied vom 
Zone (wivig), V. 1—348 und mit αὐτὰρ Ὀδυσσεύς daran ge- 
schlossen V. 430—492, das zweite, als τιμή (ultio) bezeichnet, 
etwa mit 488 f. anhebend 349 bis 429 und 493 bis zum Schluss 
umfassen soll. Aehnlich lässt Bernhardy die “Romanze vom 
Zwist der Könige’ mit der Zurückführung der Chryseis schliessen; 
dagegen sieht er in den beiden Stücken 348—430. 493—530 
das erste Glied eines zusammenhängenden Epos, welches vom 
Motiv der βουλὴ “Διός bestimmt wird. In gleicher Weise nimmt 
Lauer zwei selbständige Lieder an, nicht ohne Anerkennung des 
Geschicks, mit welchem diese in dem uns vorliegenden ersten Gesange 
mit einander verflochten sind, aber zugleich unter der Annahme, dass 
eine von der erhaltenen verschiedene Beschreibung des “Streites’ den 
Anfang des zweiten Liedes gebildet habe. Aehnlich construirt Köchly 
in den Iliadis carmina XVI zwei Lieder: 1, μῆνις aus V. 1—348, 
488. 490—492, und 2, λιταί aus 489. 349—429 und 493—611, 
während er die Scene in Chryse 430—487 als ein werthloses 
durchaus aus Reminiscenzen und Formeln zusammengesetztes Flick- 


- 1.5 -- 


werk ganz beseitigt. Hinsichtlich des Verhältnisses beider Lieder zu 
einander hebt derselbe den Parallelismus der Haupthandlungen 
und den engen Anschluss des zweiten an das erste nicht nur in 
der Zeichnung der Verhältnisse und Personen, sondern auch in 
Einzelheiten der Darstellung und des Ausdrucks hervor. 

Die gegen die Einheit des ersten Gesanges geltend gemachten 
Widersprüche knüpfen sich im Wesentlichen an die V. 421—427, 
wo Thetis die Aufforderung an Achill vor der Hand weiter zu 
grollen mit der Angabe motiviert, dass Zeus im Geleit sämmtlicher 
Götter am gestrigen Tage zu den Aethiopen gegangen sei und 
am 12ten Tage wieder in den Olymp zurückkehren werde. Von 
dieser Angabe aus ergeben sich im Rückblick auf die vorange- 
gangene Erzählung die bezeichneten sachlichen Widersprüche in 
Bezug auf die Thätigkeit Apollo's und der Here und Athene; die 
andere Schwierigkeit, welche im weitern Verlauf der Erzählung 
in der Rückbeziehung des ἐκ τοῖο 493 auf die 428 f. verlassene 
Situation nach der dazwischen eingefügten Scene in Chryse liegt, 
ist nur formeller Natur. Jene sachlichen Widersprüche nun 
sind rückhaltlos anzuerkennen, alle Versuche, durch Interpretation, 
chronologische Combinationen oder Veränderungen des Textes die- 
selben zu beseitigen, entschieden abzuweisen. So ist die Annahme, 
dass V. 424 ϑεοί nur von den männlichen Gottheiten oder πάντες 
sylleptisch (nicht alle Götter ohne Ausnahme) zu verstehen sei, 
ebenso verwerflich, wie die Auslegung der Worte μετὰ δαίμονας 
ἄλλους V. 222 von dem ständigen Aufenthaltsort, aber nicht der 
persönlichen Anwesenheit der Götter. Gleich seltsam ist in Bezug 
auf Apollo der Ausweg, derselbe habe in Wirklichkeit am Abend 
des neunten Tages, wo die Götter zu den Aethiopen gereist sein, 
das Schiessen eingestellt, die Achaeer aber, die in der Frühe des 
zehnten sich versammelt, unter dem furchtbaren Eindruck der 
noch sichtbaren Wirkungen der Pest und mit der Versammlung 
beschäftigt, dies nicht bemerkt (Gross). Durch eine andere Com- 
bination (Kiene, O. Müller) soll wahrscheinlich gemacht werden, 
dass zwischen dem Tage des Streites, dem zehnten der Pest, und 
der Wegnahme der Briseis und der Unterredung Achills und 
Thetis die Nacht dazwischen liegend zu denken sei, aber die Dar- 
stellung des Dichters bietet dafür nicht den geringsten Anhalt. 
Kiene verweist selbst auf T 88 ἢ, ohne indess darauf Gewicht 
zu legen. Auch die von Bergk und Ameis in verschiedenem 
Sinne empfohlene Lesart des Aristarch ἕπονται 424 an Stelle des 
gewöhnlich gelesenen ἕποντο giebt keine befriedigende Lösung, 
vgl. den Anhang zur Stelle. Sonach bleibt nur die Frage, ob 
die vorhandenen Widersprüche auf Rechnung des Dichters selbst 
gesetzt werden müssen oder, von ihm nicht verschuldet, der Ueber- 
lieferung zur Last fallen. In dieser Beziehung sah Bernhardy 
in der Zeitbestimmung χϑιξός 424 eine Spur des rhapsodischen 


-- τὸ — 


Vortrags, und ähnlich vermuthete Friedländer, dass ein Rhapsode, 
der den zweiten Theil (von 348 ab) besonders vortrug, bei Er- 
wähnung von Zeus’ Reise das Gefolge der Götter hinzufügen mochte, 
ohne zu bedenken, dass einige von diesen im ersten Theil zu einer 
Zeit erscheinen, wo sie nach dieser Angabe schon abwesend sein 
müssten — eine Vermuthung, die, wie Ribbeck gezeigt hat, an 
sich wenig innere Wahrscheinlichkeit hat und bei der A 495 ganz 
unbeachtet geblieben ist. Weiter geht Ribbeck selbst, indem er 
die Reise des Zeus und der Götter für eine schlechte Erfindung 
des Diaskeuasten hält, dem es nicht gelungen sei seine Arbeit zu 
verbergen, und mit der Scene in Chryse 423—427 und 498 -- 490 
verwirft, so dass an 422 sich ursprünglich 428. 429 und dann 
sofort 497 ff. geschlossen hätte. Dagegen will Gross, nachdem 
er in der angedeuteten Weise die Schwierigkeit wegen Apollo ge- 
hoben zu haben glaubt, das Eingreifen der Here und Athene durch 
Streichung von V. 188—222 beseitigen, ebenso aus andern Gründen 
Bischoff. Die letztere Annahme ist von Hiecke und Düntzer 
mit wichtigen Gründen zurückgewiesen: vor allem würde damit 
der innere Kampf Achills, die Bezwingung seines Zorns sammt 
dem bedentungsschweren Motiv der Bezwingung (216 f.) hinweg- 
geschnitten werden, und auf die herausfordernde Drohrede Agamem- 
nons, auf die nur jenes Wogen innerlicher Erbitterung und die 
Sendung der Athene folgen können, die nun völlig ungeschickten 
und matten Verse 223 f. folgen. Aber auch Ribbecks Annahme, 
dass die zwölftägige Frist und die um dieser willen gedichtete 
Reise der Götter die schlechte Erfindung des Diaskeuasten sei, 
kann nicht durch die Behauptung für erwiesen gelten, dass sie 
nur dazu erfunden sei, um die Einschiebung der schlechten Scene 
in Chryse zwischen den Besuch der Thetis bei Achill und ihr 
Gespräch mit Zeus vorzubereiten, da über den Werth jener ein- 
geschobenen Scene und die Bedeutung derselben im Zusammen- 
hange des Ganzen die Urtheile so sehr auseinander gehen. Ueber- 
haupt gebietet die Schwierigkeit einzelne Stücke auszuscheiden, 
die grösste Vorsicht in der Annalıme von Interpolationen. So 
wird bei der Ausscheidung von 423—427 in 421 schon die Be- 
ziehung von μέν und ebenso die von νῦν erschwert, welche beide 
doch nur durch die folgende Ausführung ihre natürliche Erklärung 
finden, und wenn 497 fi. an 428. 429 geschlossen werden sollen, 
so ist dieser Anschluss nur möglich unter der Annahme der doch 
sehr zweifelhaften Bedeutung von ἠερίη = in Nebel. gehüllt, 
welche jetzt allgemein verworfen wird. Als Zeitbestimmung = 
in der Morgenfrühe würde der Uebergang ohne Analogie sein. 

Stehen wir somit nicht an die bezeichneten Widersprüche auf 
Rechnung des Dichters selbst zu setzen, so ist weiter zu fragen, 
ob sie das entscheidende Gewicht gegen die Einheit des Gesanges 
bilden, welches die auflösende Kritik denselben beilegt. Für die 


- τ — 


Entscheidung dieser Frage kommt zunächst in Betracht die Be- 
deutung, welche die Dichtung der zwölftägigen Frist für den 
ersten Gesang und die epische Handlung überhaupt hat, da durch 
diese Dichtung jene Widersprüche eben verschuldet sind. Denn 
das formelle Bedenken wegen der angeblichen Beziehungslosigkeit 
des ἐκ τοῖο 493 macht wohl die geringste Schwierigkeit. Bergk 
bemerkte sehr richtig, dass Lachmanns Auffassung auf dem Miss- 
verständniss beruht, dass er die Ereignisse und Zustände, die der 
Dichter als gleichzeitige darstellt, als auf einander folgend auf- 
fasst und so das Nebeneinander mit dem Nacheinander ver- 
wechselt. Läsen wir die Verse 488—492 nicht, oder ständen sie 
etwa nach 429, so wäre ἐκ τοῖο natürlich auf die in der Erzählung 
von der Heimführung der Chryseis gegebene Zeitbestimmung zu 
beziehen und die chronologische Ordnung wäre gestört. Nun führt 
aber αὐτὰρ ὁ μήνιε 488 über die Scene in Chryse hinweg wieder 
zurück auf die 428 nur kurz angedeutete Situation, deren aus- 
führliche Schilderung eben auf diese Stelle aufgespart ist, um nach 
der um einen Tag vorgreifenden Scene in Chryse wieder den Blick 
zurückzulenken auf die Situation, worin wir Achill verlassen haben: 
die jene Verse 488—492 vorbereitende Aufforderung der Thetis 
an Achill 422 lässt über die Absicht des Dichters bei dieser An- 
ordnung keinen Zweifel; es ist dieselbe Absicht, welche ihn ver- 
anlasste 311 die Erzählung von der Heimsendung der Chryseis 
mit der Abfahrt des Odysseus abzubrechen, um die Wegnahme der 
Briseis als gleichzeitig mit der Fahrt nach Chryse darzustellen, 
dann aber wieder an die Scene zwischen Achill und Thetis den 
nächsten Verlauf der Scene in Chryse als gleichzeitig anzuknüpfen. 
Auf diese Gleichzeitigkeit weist ausdrücklich das Praesens πέμ- 
πουσιν 390. Wie 430 αὐτὰρ Ὀδυσσεύς den Hörer zurückweist aur 
311, so 488 αὐτὰρ ὁ μήνιε auf 428.429, um so deutlicher, als 
dem Hörer sofort Thetis Aufforderung 422 in Verbindung 'mit der 
Ankündigung der zwölftägigen Frist in die Erinnerung kommt. 
Der einzige Unterschied ist, dass 488 eine Situation geschildert 
wird, deren Anfangspunkt nicht unmittelbar bezeichnet wird, sodass 
also eine unmittelbare Beziehung von ἐκ τοῖο nicht möglich ist. 
Aber sollte nicht die Elastieität des demonstrativen Pronomens in 
der Rückbeziehung, vor allem aber die deutliche Vorbereitung 
der Schilderung 488—492 in 422, endlich auch die parallele 
Verwendung von ἐκ τοῖο & 31 (worüber jetzt R. Peppmüller 
Commentar des 24. Buches der Ilias. Berlin 1876 p. 25 ff. zu 
vergleichen ist) genügen, um es wahrscheinlich zu finden, dass 
kein Hörer des Alterthums je einen Zweifel hegen konnte, auf 
welchen Zeitpunkt ἐκ τοῖο zu beziehen sei? Was die zwölftägige 
Frist selbst aber betrifft, deren Dichtung die angedeuteten Wider- 
sprüche der vorhergehenden Erzählung verschuldet, so hat Fried- 
laender als den einzigen Zweck derselben erkannt die Episode 
Anhang zu Ameis, Homers Ilias I. 2 


-- 15 — 


von Chryseis’ Heimführung zwischen den Besuch der Thetis bei 
Achill und ihr Gespräch mit Zeus einzuschieben. “Scheidet man 
die Episode aus, so hat man die einzige Veranlassung ausgeschieden, 
um derentwillen er (der Umstand der zwölftägigen Frist) erfunden 
sein kann: und die Reise der Götter zu den Aethiopen ist ganz 
müssig.’ Allerdings stehen die Erfindung der zwölftägigen Frist 
und die Einschiebung der Scene in Chryse in wesentlichem Bezug 
zu einander, indem die letztere dazu dient die Vorstellung der 
zwischen der Zusage der Thetis und der Verwirklichung derselben 
verstreichenden Zeit zu erleichtern; aber da die Scene in Chryse 
nur von untergeordneter Bedeutung ist, so kann sie auch die 
Erfindung der zwölftägigen Frist nicht genügend motivieren.*) Da- 
gegen darf für diese wohl Folgendes geltend gemacht werden. 
Zunächst dass der Begriff der μῆνις an sich eine gewisse Dauer 
der Entwicklung erfordert. Es bedarf einer gewissen Zeit, um 
zu erkennen, dass es nicht bloss das erste Auflodern des Zorns 
unmittelbar nach der Wegnahme der Briseis war, was in Achills 
Seele jenes weitgehende Verlangen nach Rache entstehen liess; 
jener zürnende Achill muss Zeit haben seinen Zorn in sich zu 
nähren, sich in seine schmerzvolle Stimmung zu versenken, ehe wir in 
ihm den grollenden Helden erkennen können, dessen Groll die 
angekündigten furchtbaren Folgen herbeiführen sol. Man nehme 
die zwölftägige Frist aus dem Zusammenhange der Erzählung, und 
man hat damit die nothwendige Grundlage für die weitere Ent- 
wicklung der epischen Handlung entfernt. Denn ohne diese Frist 
kann zunächst von einer μῆνις Überhaupt nicht die Rede sein, 
deren Folgen doch vom zweiten Gesange an den Hauptinhalt des 
Epos bilden sollen, ohne diese Frist, in welcher der Groll erst 
Raum gewinnt zu wirken und sich den Achaeern fühlbar zu 
machen, ist vollends die vorausgesetzte Situation im zweiten Ge- 
sange, Agamemnons Zweifel und Bedenken, die Versuchung des 
Heeres, die Stimmung der Fürsten und des Heeres, unverständlich, 
ohne diese Frist würde endlich der Groll Achills überhaupt kaum 
sechs Tage dauern. (v. Hoermann). Andrerseits erhöht die uner- 
wartete Verzögerung in wirksamer Weise die Spannung auf den 
Erfolg der Fürbitte der Thetis; nur so treten die μῆνις des Achill 
und die βουλή des Zeus in der Bedeutsamkeit hervor, welche sie 
als die Hauptfactoren der epischen Handlung beanspruchen müssen. 
Mit einem Wort, im Einzelliede, welches sich begnügt ein bedeut- 


1) Nach v. Kittlitz wäre dieselbe vom Dichter erfunden, um zeigen 
zu können, was die blosse Abwesenheit des tapfern Achill, auch ohne 
die ofenbare Begünstigung von Seiten der den Sieg verleihenden Gottheit 
(Zeus), schon bewirken konnte; wobei vorausgesetzt wird, dass die Bitte 
der Thetis ursprünglich erst am Schluss des siebenten Gesanges ihren 
Platz gehabt hätte, und der Dichter zunächst erzählte, was in jenen 
zwölf Tagen vorfel. 


-- 19 — 


sames Ereigniss im nächsten Zusammenhange der vorbereitenden 
Ursachen und der unmittelbaren Folgen zu entwickeln, wäre die 
Erzählung ohne jene Frist denkbar, nicht aber im Zusammenhange 
eines grösseren Epos. 

Dem bedeutsamen Zweck, den die zwölftägige Frist hat, dient 
nun die Einschaltung der Scene in Chryse in der schon oben an- 
gedeuteten Weise, indem sie jene Zeit zum Theil ausfüllt; zugleich 
dem nicht minder wichtigen Zweck, den Gerlach mit folgenden 
Worten bezeichnet: “Auf eine so grosse Scene, wie der Streit der 
Könige ist, sogleich eine zweite folgen zu lassen, die nicht minder 
gross ist (man denke an die berühmte Stelle von Zeus, der durch 
das Neigen seines Hauptes den Olymp erschüttert), dies wäre 
ganz unkünstlerisch. Homer schickt deshalb die gemüthliche 
Öpferscene in Chryse voraus, ein Bild von anmuthigem Charakter, 
und nun tritt das Folgende in seiner ganzen Erhabenheit hervor”. 
Wäre freilich jene Episode ein solches elendes Machwerk, für 
welches Haupt und Köchly dieselbe erklären, so würde sie 
jenen Zweck nicht erfüllen können. Aber es ist gegen jene Kritiker 
mit Recht geltend gemacht, dass keiner der gebrauchten auch sonst 
sich findenden Verse und Wendungen nicht am passenden Orte steht, 
wie denn auch Lachmann gegen Inhalt und Darstellung der Scene 
an sich keinerlei Bedenken hatte, und insbesondere hat Düntzer 
(Homer. Abhandl. p. 191 8.) das Verfahren Köchly’s in dem 
Nachweis von Entlehnungen ausführlich und erfolgreich bekämpft. 
Ueberdies zeigt sich nirgends darin eine metrische Schwäche oder 
Härte oder ein unerlaubter Hiatus (Hoffmann). Auch der andere 
Vorwurf, der gegen die Scene in Chryse von Haupt erhoben ist, 
dass das wichtigste Moment, wodurch eine Fortsetzung der früheren 
Erzählung von der Fahrt nach Chryse motiviert wäre, Apollons 
Versöhnung, mit ganz knappen Worten abgethan werde, während 
Opfer und Opfermahl weitläufig geschildert werden, scheint wenig 
berechtigt. Haupt verlangt nach der kurzen Bemerkung τοῦ δ᾽ 
ἔκλυε Φοῖβος ᾿ἀπόλλων (457) eine Ausführung der darin bezeichneten 
Erhörung, in der Weise wie 44 ff. Aber es ist schwer zu sagen, 
welche sinnlich anschaulichen Züge der Dichter dem innern Vor- 
gang der Versöhnung, wie dem negativen Moment des Aufhörens 
der Pest hätte entnehmen sollen, um der prächtigen Schilderung 
des im Zorn zur Rache schreitenden Gottes eine entsprechende 
Ausführung gegenüberzustellen.. Er hat sich weislich darauf be- 
schränkt die erfolgte Versöhnung des Gottes in den weiter folgen- 
den Wirkungen 474 und 479 zu veranschaulichen. 

Wir kommen zu der Prüfung der durch die zwölftägige Frist 
in die Erzählung gekommenen Widersprüche selbst. 

Lachmann war geneigt allenfalls zuzugeben, dass Apollo 
bei den Aethiopen das Sühnlied der Achaeer (474) hören konnte; 
man kann dies Zugeständniss geradezu erzwingen durch die Worte 

2* 


- 20 — 


des Glaukos an Apollo IT 515 δύνασαι δὲ σὺ πάντοσ᾽ ἀκούειν ἀνέρε 
κηδομένῳ und darf allgemein sagen: das religiöse Gefühl findet 
den Gott gegenwärtig, wo es seiner bedarf. Verschieden davon 
ist die poetisch-plastische Auffassung der Gottheit. “Plastisch auf- 
gefasst erscheinen die Götter als erhöhte Menschen, in der religi- 
Ösen Auffassung sind sie weder an die menschliche Gestalt, noch 
an Ort und Zeit nach menschlicher Weise gebunden; beide Auf- 
fassungen aber sind in der homerischen Poesie unlösbar mit ein- 
ander verwachsen” (Gerlach). Danach ist der Widerspruch, 
dass wir Apollo gleichzeitig einerseits vor Troja und hei den Asthi- 
open, andrerseits in Chryse und bei den Aethiopen denken müssten, 
nichts weiter als “der unvermeidliche Gegensatz zwischen plastischer 
und religiöser Empfindung, wie er sich nicht bloss bei Homer, 
sondern überhaupt im griechischen Alterthume findet.” Diese 
plastische Darstellung nun von dem Wirken der Gottheit bis in 
ihre letzten Consequenzen zu verfolgen, heisst das Wesen der dichte- 
rischen Fantasie und den Zweck ihrer Gebilde verkennen. Es ist 
mit Recht bemerkt, wie anstössig die Vorstellung sein würde Apollo 
zehn Tage lang auf demselben Fleck sitzend und ins Lager der 
Achaeer seine Pfeile sendend zu denken, wie in dieser Konsequenz 
das Erhabene sofort in das Komische umschlagen würde. Den 
griechischen Hörer musste vor einer solchen Konsequenz schon die 
religiöse Vorstellung vom ἑκηβόλος bewahren. Aber der Dichter 
hat auch selbst das Seinige gethan, um auch in uns den Gedanken 
an solche Konsequenzen nicht aufkommen zu lassen, indem er bei 
der Schilderung der Pest die Anschauung des leibhaftigen Gottes 
und seiner persönlichen Thätigkeit mehr und mehr erblassen und 
in den Hintergrund treten lässt. Wir vernehmen den erschrecken- 
den Klang des Bogens beim ersten Schuss, dann aber wird unsere 
Fantasie hingelenkt auf die tödtlichen Wirkungen des Schiessenden 
und die Objecte seiner Pfeile. Noch mehr erblasst jene Vorstellung 
mit den immerflammenden Scheiterhaufen und mit der Angabe der 
neuntägigen Dauer, und in der Rede des Kalchas hört die sinn- 
liche Bezeichnung der Pest ganz auf (Hiecke). Endlich deutet 
in dem Gebet des Chryses 451 fl. nichts mehr auf die im Eingang 
des Gesanges gegebene Vorstellung des persönlich unmittelbar 
wirkenden Gottes. 

Anders steht es mit dem Widerspruch, in welchem die Reise 
sämmtlicher Götter zu den Aethiopen mit der vorher dargestellten 
Anwesenheit der Here und Athene auf dem Olymp tritt, weil hier 
nicht die religiöse Empfindung mit der plastischen Darstellung des 
Dichters coneurriert. Beide Momente der Erzählung sind von der 
Fantasie des Dichters frei geschaffen und beide stehen in directem 
Widerspruch; es liegt augenscheinlich ein Versehen des Dichters, 
ein Vergessen der früheren Darstellung vor, und man wird schwer- 
lich mit Gerlach behaupten dürfen, dass der Dichter diesen Fehler 


mit Bewusstsein begangen habe, weil er dadurch einen grossen 
künstlerischen Vortheil erkaufen konnte. War die Abwesenheit 
des Zeus 423 nicht minder eine poetische Nothwendigkeit, wie 
Athenes Gegenwart 195, so gab es doch Mittel beide gleichzeitig 
zu ermöglichen und den Widerspruch zu vermeiden, es genügte 
beispielsweise Zeus allein zu den Aethiopen gehen zu lassen, wie 
Poseidon im Anfange der Odyssee. Es liegt also jedenfalls ein 
Fehler der dichterischen Combination vor, — aber gewiss ein ver- 
zeihlicher. Der lebhafte Fortschritt der Handlung von jenem Zeit- 
punkt an, wo Athene in den Streit der Könige eingreift, bis zu 
dem Gespräch zwischen Achill und Thetis, rückt die Thätigkeit 
der Göttinnen bereits in eine ziemliche Ferne, welche es wohl er- 
klärlich machen kann, dass dem Dichter jener Widerspruch entgieng. 
Ueberdies betrifft derselbe nur einen unwesentlichen Punkt der 
Erzählung, alteriert die Entwicklung der Handlung selbst in keiner 
Weise und wiegt nicht schwerer als unzählige Vergesslichkeiten, 
die man bei modernen Dichtern nachgewiesen hat. Man darf damit 
die Widersprüche der homerischen Gedichte in der Zeichnung des 
Localen vergleichen, worüber L. von Sybel (über Schliemanns 
Troja p. 8) bemerkt: “Die Coulisse wird eingesetzt nach Bedarf 
und nach dem Gebrauch zurückgezogen’. 

Nach dem Stande der dargelegten Untersuchungen sind die 
gegen die Einheit des ersten Gesanges geltend gemachten Gründe 
schwerlich gewichtig genug, um einen verschiedenen Ursprung des- 
selben nach zwei oder drei Haupttheilen zu erweisen. Von den 
nachgewiesenen Widersprüchen erledigt sich der eine einfach, wenn 
man nur die Berechtigung der neben einander hergehenden reli- 
giösen und dichterisch-plastischen Auffassung der Gottheit und 
ihres Wirkens anzuerkennen sich entschliesst, reduciert sich der 
andere auf ein Versehen in Nebendingen, von dem die Entwicklung 
der epischen Handlung und die poetische Wirkung unberührt bleibt; 
die rein formelle Schwierigkeit des ἐκ τοῖο kann kaum in Betracht 
kommen. Auch der indirecte Beweis, den eine allseitig befriedigende 
Constituirung der einzelnen Abschnitte in selbständigen Liedern 
geben würde, ist nicht erbracht, da die durch die Kritik gewonnenen 
Einzellieder nicht den Anforderungen entsprechen, die an solche 
zu stellen sind. So hat Düntzer es mit Recht als auffallend 
bezeichnet, dass Lachmann und Naeke nicht bemerkt haben, 
dass sie denselben Widerspruch, den sie scharf tadeln, in einem 
und demselben von ihnen constituirten Liede beibehalten haben; 
denn in demselben Stücke, in welchem die Götterreise erzählt wird, 
schiesst Apollon noch bis zum Tage der Versammlung und der 
Klage an Thetis, vgl. 382 ff. 423 ἢ’ Ist man ohne Zweifel be- 
rechtigt von einem Einzelliede Einheit und Abgeschlossenheit der 
Handlung zu verlangen, so kann schon Lachmanns erstes Lied 
(1—347) nicht befriedigen. Angenommen, was uns freilich unan- 


-- 2 — 


nehmbar scheint, das Prooemium war nur für dieses Lied berechnet, 
so kann dasselbe nur durch die volle Entwicklung der angekündigten 
μῆνις seinen genügenden Abschluss gewinnen. Für diese ist nun 
das letzte entscheidende Moment der leidenschaftliche Schmerz 
Achills über die wirklich erfolgte Wegnahme der Briseis. Dieser 
findet aber seinen Ausdruck nicht in Achills Worten an die Herolde 
338 ff, denn Achill wiederholt hier im Wesentlichen nur, was er 
in der Versammlung 234 ff. feierlicher und wirksamer ausge- 
sprochen hatte. Erst wenn wir hören, dass Achill in Thränen 
ausbricht und am einsamen Meeresstrande seiner Mutter sein Leid 
klagt, wenn wir sein Racheverlangen über die früher ausgesprochene 
Erwartung hinaus bis zu der Forderung eines directen Eingreifens 
des Zeus sich steigern und ihn in dieser Stimmung auch nach 
Verlauf einer längern Zeit unwandelbar verharren sehen, erst dann 
können wir die Tiefe seines Schmerzes ermessen, und erst durch 
diese Züge wird der zürnende Achill zum grollenden. Schlösse 
das Lied mit der Wegnahme der Briseis, so würde dasselbe nur 
als das Lied von der ἔρις bezeichnet werden können, denn die 
Erzählung der ἔρις ist erst mit 348 zu Ende (vgl. 318 f. οὐδ᾽ 
᾿Δγαμέμνων Ay ἔριδορ), aber nicht von der μῆνις, welche beiden 
doch im Prooemium auf das bestimmteste unterschieden werden 
(διαστήτην ἐρίσαντε), Dass auch der Dichter selbst der Wegnahme 
der Briseis eine ganz andere Bedeutung beilegt, als sie in der 
ihr von Lachmann gegebenen Stellung am Schluss des.Liedes haben 
würde, lässt sich nach v. Hoermanns treffender Beobachtung aus 
der Verschiedenheit der Behandlung der an den Streit der Könige 
sich anschliessenden Folgen von 305 an wohl erkennen. Die kürzere 
Darstellung der Erfolge, welche Lachmann in der ganzen Partie 
von 305—347 findet und worin er auch die Trefflichkeit seines 
Liedes erkennt, trifft in Wahrheit nur bei 305—317 zu und wenn 
die Kürze und Raschheit, mit der hier die durch den Streit der 
Könige vorbereiteten Ereignisse abgewickelt werden, wohl geeignet 
wäre das Lied seinem Abschluss zuzuführen, so tritt doch mit 318 
wieder eine Ausführlichkeit der Darstellung und eine dramatische 
Behandlungsweise ein, die von dem vorhergehenden Ton wesentlich 
abstechend, nichts weniger als einen so plötzlichen Abbruch, wie 
er mit 347 erfolgen würde, erwarten lässt, Eben ist die Erzählung 
auf den Punkt geführt, wo das vorher zwischen Agamemnon und 
Achill getheilte Interesse sich auf den letzteren concentriert, indem 
die Erwartung des Hörers darauf gerichtet ist, welche Wirkung 
die Wegnahme der Briseis auf Achill üben wird, da bricht das 
Lied ab: “derselbe Achill, der auf die blosse Drohung Agamemnons, 
ihm die Briseis wegzunehmen, das Schwert zieht, verhält sich der 
vollendeten Thatsache gegenüber völlig gleichgültig’. So wird die 
Charakteristik Achills eines wesentlichen Stückes beraubt, die Be- 
deutung des Streites nicht ins Licht gestellt, ja das Lied ‘hat keinen 


3 — 


Haupthelden mehr und seine Einheit verloren.’ (Genz.) Es ist 
bemerkenswerth, dass Lachmann wohl selbst das Unbefriedigende 
im Abschluss seines ersten Liedes empfand, wenn er anfangs der 
Möglichkeit, dass V. 1—348 und die erste Fortsetzung 431—492 
ursprünglich zusammengehört hätten, sich nicht verschliessend, 
bemerkt: ‘so passt alles genau zusammen, und der Ausgang wird 
auf beiden Seiten völlig zu Ende gebracht, durch die Auslieferung 
der Chryseis und das Grollen Achills. Die letzten Verse αὐτὰρ 
ὃ μήνιε sind nothwendig hinzu zu fügen, damit die Erzählung 
zuletzt wieder auf ihren Anfang, den Zorn des Achilles, zurück- 
kehre” Unbegreiflich bleibt dabei nur, dass derselbe scharf- 
sichtige Kritiker verkannte, dass die abschliessenden Verse 488 
—492 die Scene zwischen Achill und Thetis zur nothwendigen 
Voraussetzung haben, nicht nur äusserlich wegen der Aufforderung 
421 ἢ, sondern auch innerlich, sofern in jener Scene erst der tiefe 
Schmerz Achills zum Ausdruck kommt, der den andauernden Groll 
desselben motiviert. Wenn aber andrerseits die breite Anlage in 
der Darstellung des Streites zwischen Chryses und Agamemnon 
und der Schilderung des zürnenden und strafenden Apollo (12— 
52) es wahrscheinlich macht, dass es von vornherein in der Ab- 
sicht des Dichters lag, das entsprechende Gegenbild, die Heim- 
führung der Chryse und die Versöhnung Apollo’s, in entsprechender 
Weise auszuführen, so erfüllt auch diese Scene ihren Hauptzweck, 
einen beruhigenden Abschluss zu geben, wesentlich nur unter der 
Voraussetzung, dass die leidenschaftliche Unterredung zwischen 
Achill und Thetis vorausgeht. Gegen die Abgeschlossenheit des 
ersten Lachmannschen Liedes ist ferner geltend gemacht, dass 
der Hörer im Unklaren darüber bleibe, ob Achill bei dem 169 
ausgesprochenen Entschluss nach Phthia zurückzukehren, verharre 
oder nicht. Allerdings giebt darüber erst der Auftrag der Mutter 
421 volle Klarheit; indes ist die Situation durch Agamemnons 
Drohung ihm die Briseis zu nehmen, wie durch die Verkündigung 
überreicher Sühngaben, welche Athene ausspricht 213 f., so wesent- 
lich verändert, dass man schon 240 ff. den Eindruck hat, dass 
Achill die Absicht aufgegeben, um persönlich Zeuge der erwarteten 
Demüthigung Agamemnons zu sein. Beachtenswerth aber ist noch, 
dass bei der Zerlegung des ersten Gesanges in mehrere selbst- 
ständige Lieder auch die feine Ironie verwischt wird, welche in 
der Berufung Agamemnons auf Zeus 174 f. liegt, wenn man 
damit Zeus Entschluss in der zweiten Fortsetzung, vielmehr Achill 
Ehre zu schaffen, vergleicht. 

Dieselben Bedenken treffen mehr oder weniger auch die von 
Naeke und Koechly constituirten wijwig-Lieder. Noch grössere 
Bedenken erheben sich gegen das von denselben Gelehrten in 
ziemlich gleicher Weise angenommene zweite Lied. Sie beruhen 
vor allem auf dem Mangel eines passenden Eingangs, der noth- 


_ 4 — 


wendigen Voraussetzungen, welche die Klage Achills erst ver- 
ständlich machen, sowie in dem Mangel eines einheitlichen Centrums 
der Handlung, indem die Götterscene im Palast des Zeus 531— 
611 über Zweck und Grenzen eines Einzelliedes hinausweist. Der 
enge zeitliche Zusammenhang mit dem ersten Liede (vgl. 390 
das Praesens πέμπουσιν, und 349 ἄφαρ), sowie der innere Zu- 
sammenhang der Handlungen verbieten das zweite Lied von dem 
ersten zu trennen. Alle diese Bedenken sind ausführlich ent- 
wickelt von v. Hoermann p. 26 fl, auf welchen ich daher 
verweise. 

Nach diesen Erörterungen tragen wir kein Bedenken, das 
von Friedlaender über den ersten Gesang ausgesprochene Ur- 
theil zu dem unsrigen zu machen: ‘Der erste Gesang ist be- 
wundernswürdig als ein Gedicht für sich, aber zehnmal bewunderns- 
würdiger als Exposition einer grösseren Handlung.’ In letzterer 
Beziehung ist schon auf die Bedeutung der zwölftägigen Frist für 
die ganze epische Handlung hingewiesen; es mögen hier noch die 
Hauptgesichtspunkte erörtert werden, unter denen der erste Ge- 
sang als Exposition des ganzen Epos zu betrachten ist. 

Zunächst die Handlung des ersten Gesanges als Grundlage 
der epischen Handlung überhaupt. Nach dem Prooemium sind 
für die Entwicklung der epischen Handlung, deren Inhalt die ver- 
derblichen Folgen des Grolls des Achilleus bilden, zwei Factoren 
vorzugsweise bestimmend: in erster Linie eben dieser Groll, so- 
dann der Rathschluss des Zeus. Indem diese beiden nach ihrem 
Ursprung und Inhalt im ersten Gesange entwickelt werden, ist 
damit die Grundlage gegeben, auf der mit dem zweiten Gesange 
die Darstellung der Folgen jenes Grolles beginnen kann. Ausser 
diesen beiden Hauptmomenten kommt noch der an die Zusage des 
Zeus sich schliessende Götterstreit in Betracht. In einem Einzel- 
liede, dessen Mittelpunkt die Fürbitte der Thetis bildete, nicht 
wohl motiviert, enthält derselbe im Epos von dem Groll des 
Achill ein bedeutsames Stück der Exposition. Nicht nur, dass er 
an der Schwelle der Erzählung im Allgemeinen ein Bild der 
Götterfamilie giebt, welche nach dem dichterischen Plane fort und 
fort in die menschliche Handlung eingreifen soll, er zeichnet auch 
im Besondern die Gegensätze vor, welche innerhalb dieser Götter- 
familie, durch Zeus’ Rathschluss verschärft, im Verlauf der Er- 
zählung gegen einander wirken und in diesem Ringen gegen ein- 
ander die Wechselfälle der Handlung wesentlich bestimmen. Ob 
man darüber hinausgehen und in dieser Scene, verbunden mit dem 
Verhalten des Zeus bei der Fürbitte der Thetis geradezu die 
Motivierung für das eigenthümliche Vorgehen des Zeus in Buch 
U-—VII erkennen darf, ist bei den mannigfachen Bedenken gegen 
diese Bücher nicht so einfach zu entscheiden. Zeus’ Widerstreben 
auf Thetis’ Bitte einzugehen, seine Scheu vor Hera, gein Bemühen, 


_-. — 


das der Thetis gegebene Versprechen geheim zu halten, sowie der 
sofort von Hera gegen seine Absicht erhobene Widerspruch, sind 
allerdings geeignet zu erklären, dass Zeus nicht sofort den direc- 
ten Weg zur Ausführung seines Versprechens einschlägt, wenig- 
stens “steht mit der Schwierigkeit und Bedenklichkeit der Sache 
mehr die künstliche und langsame Einfädelung und Veranstaltung 
in B—H in Einklang”. (Genz.) 

Im Uebrigen sind die Hauptacte der epischen Handlung in 
bedeutungsvollen Momenten des ersten Gesanges deutlich vorge- 
zeichnet. Am Abend des zweiten Schlachttages (Buch VIII—X), 
welcher durch Zeus’ directes Eingreifen die erste moralische 
Niederlage der Achaeer herbeiführt, erfüllt sich Achills feierliche 
Vorausverkündigung A 240 ff.: die Sehnsucht nach Achills retten- 
dem Arm wird von den Fürsten offen ausgesprochen, Agamemnon, 
ratblos und verzweifelt, empfindet bittere Reue über die Achill 
zugefügte Beschimpfung und erkennt in der Niederlage Zeus’ 
Walten, der Achill ehren will (I 115#.); es erfüllt sich ferner, 
was Athene 4 213f.*) vorausgesagt, das Anerbieten überreicher 
Sühne für die Beschimpfung (I 120#.), welche Achill aber zurück- 
weisen muss, da nach der Wegnahme der Briseis ihm jene mora- 
lische Niederlage der Achaeer nicht mehr genügt. So führt denn 
Zeus am dritten Schlachttage (Buch XI—XVIII) jene üusserste 
Bedrängniss der Achaeer herbei, wie sie Achill A 408 f. vor- 
schwebt, die aber, indem sie ihn zur Sendung des Patroklos ver- 
anlasst, für ihn selbst die Quelle des bittersten Leides wird. 
Auch für diese tragische Wendung seines Geschickes liegen die 
grundlegenden Momente im ersten Gesange. Achills Antheil an 
der Schuld beim Streit mit Agamemnon und das Uebermass seines 
Racheverlangens sind die Keime der im Verlauf der Handlung 
sich steigernden Schuld, die Sühne erheischt; die Unverbrüchlich- 
keit der Zusage des Zeus (4 526 f.) macht sein Schicksal unab- 
wendbar. Bemerkenswerth ist bei dieser Entwicklung, wenn man 
auf den Streit der Könige zurückblickt, die Ironie des Schicksals, 
von der die beiden Streitenden betroffen werden. Agamemnon, 
der A 175 zuversichtlich auf Zeus’ Schutz rechnet, sieht sich 
gerade durch ihn in die schwerste Bedrängniss gebracht und seinen 
Gegner vielmehr geehrt (I 117 vgl. 608 £.), Achill, der durch 
Hektor die Befriedigung seiner heissesten Wünsche hofft, erfährt 
durch ihn zugleich das bitterste Leid, das ihn treffen kann, den 
Tod des Patroklos. 

Nächst den Thatsachen, welche die Grundlinien für die Ent- 
wieklung der epischen Handlung vorzeichnen, kommt die plan- 
ımässige Einführung und Charakterzeichnung der handelnden Per- 


*) Verse, die freilich Düntzer Aristarch p. 21 und die homerischen 
Fragen p. 198 beseitigen will. 


_% — 


sonen in Betracht, sowohl in der Menschen-, als in der Götter- 
welt. Von den Helden wird zuerst Achill genannt, dann sein 
Gegner Agamemnon: beider Charakter wird in der Handlung des 
ersten Gesanges bestimmt und klar gezeichnet. Neben jenem wird 
Patroklos als sein liebster Freund hervorgehoben (307. 337 f.), 
neben diesem Menelaos wenigstens erwähnt. Ausführlich charak- 
terisiert wird Nestor 247 8.: die Art, wie er beim Streit der 
Könige der allgemeinen Stimmung Ausdruck giebt, wie er die 
eigenen Erlebnisse aus der Vorzeit zur Motivierung seines Rathes 
herbeizieht, zeichnet den Charakter seiner zahlreichen durch 
die Ilias zerstreuten Reden vor. Neben ihm wird Odysseus be- 
sonders ausgezeichnet, indem ihm die Heimführung der Chryseis 
übertragen wird. Mit ihm werden noch Aias und Idomeneus als 
hervorragende Helden genannt (138. 145). Auf troischer Seite 
wird Hektor erwähnt in Hinblick auf die schweren Leiden, die 
er über die Achaeer bringen soll (242). Von den Göttern wird 
unmittelbar im Eingange mit besonderem Nachdruck Apollo ein- 
geführt, der furchtbare Gegner der Achaeer. Ihm, der den Streit 
der Könige erregt, tritt zunächst Here gegenüber, die griechen- 
freundliche Göttin (55 £.), dann mit ihr verbunden Athene, be- 
müht die Leidenschaftlichkeit des Streites zu mässigen. Auf mythi- 
schem Hintergrunde wird sodann der Gegensatz dieser beiden, 
Göttinnen, sowie des Poseidon zu Zeus vorgezeichnet (399 ff.), wie 
er durch den ganzen Verlauf des Epos sich hindurchzieht. Un- 
mittelbar wirksam. wird der Gegensatz zwischen Hera und Zeus 
in der Schlussscene des Gesanges, Die durch das ganze Epos 
gehende Auffassung des Zeus selbst endlich konnte keinen be- 
stimmteren und wirksameren Ausdruck finden, als in der Scene 
mit Thetis und sodann in der Schlussscene; seine Drohung 565— 
567 ist beispielsweise das Vorspiel seiner Drohrede im Anfange 
des achten Buches. 

Fügen wir dazu noch die im ersten Gesange zerstreuten Züge, 
welche der vor der Handlung der Ilias liegenden Geschichte des 
Krieges angehören, V. 158 ἢ“, 162 f., 366 f., 520 £., oder dem 
weiteren Kreis der Vorgeschichte, 260 ff., so ist damit das Wesent- 
lichste zusammengestellt, was den ersten Gesang als einleitende 
Exposition charakterisiert. 

In der Ausführung ist vor allem die Weisheit zu bewundern, 
“mit der Achill als Hauptheld eingeführt, das Interesse für ihn 
erweckt und zur höchsten Theilnahme gesteigert wird’ Es ist 
wohl nicht Zufall, dass derselbe gleich im Eingang (V. 7) mit 
dem Epitheton δῖος eingeführt und damit dem ἄναξ ἀνδρῶν gegen- 
übergestellt wird, denn dieser Gegensatz des persönlichen Werthes 
und der äusseren Machtstellung, welcher in dem Streit eine so 
grosse Rolle spielt, wird überall betont, indem Achill nur Epitheta 
beigelegt werden, welche ihn als Helden zeichnen, den Adel seiner 


- 1-— 


Abkunft, die Liebe des Zeus zu ihm hervorheben, während Aga- 
memnon nur nach seiner Machtstellung bezeichnet wird. Von 
Hera vor allen Fürsten auserlesen, um die Versöhnung Apollo’s 
herbeizuführen, tritt Achill sofort durch seine Fürsorge für das 
Wohl der Achaeer, durch seine fromme Scheu: vor der Gottheit 
in das glänzendste Licht gegen Agamemnon, der durch die Ver- 
höhnung des Apollopriesters über sein Volk die Schrecken der 
Pest gebracht hat. Es entbrennt zwischen Beiden der heftigste 
Streit. Zwar nicht ohne Schuld Achills, aber die überzeugende 
Kraft der Wahrheit, mit der sich seine tiefe Entrüstung ausspricht 
über die undankbare Missachtung der von ihm uneigennützig ge- 
leisteten grossen Dienste, die Anerkennung von Seiten Athenes, 
dass Achills Zorn berechtigt sei, die glänzende Anerkennung seines 
Werthes als des Hortes der Achaeer durch Nestor, endlich aber ἡ 
die von ihm während des Streites zweimal bewiesene Selbst- 
beherrschung, während Agamemnons Hybris sich unaufhaltsam 
steigert, müssen nothwendig unsere ganze Theilnahme dem Achill 
gewinnen. Diese steigert sich von selbst bei der wirklich er- 
folgenden Wegnahme der Briseis, um so mehr, als die Haltung 
der sie abholenden Herolde nicht nur das hohe Ansehen erkennen 
lässt, in welchem Achill beim Heere steht, sondern auch zeigt, 
dass die allgemeine Stimmung für ihn ist, Achill selbst aber in 
der schonendsten und leutseligsten Weise ihnen entgegenkommt, 
die in ἀέκουσα 348 gegebene Andeutung endlich ahnen lässt, dass 
Briseis seinem Herzen näher steht, als eine gewöhnliche Kriegs- 
gefangene. In der folgenden Scene zwischen Achill und Thetis 
tritt dann aber ein Moment hinzu, welches gerade an dieser Stelle 
vollends die Herzen der Hörer ergreifen muss: dem tiefgekränkten 
Helden ist nur eine kurze Lebensdauer beschieden, die ihm vor 
Andern Anspruch auf Glück und Ehre geben sollte. Und wenn 
der göttlichen Mutter das Leid des Sohnes gross genug scheint, 
um seine Klage vor Zeus’ Thron zu bringen, wenn Zeus auf die 
Gefahr hin sich in Gegensatz zu der Mehrzahl der Götter zu 
setzen, in der feierlichsten Weise die unverbrüchliche Zusage er- 
theilt durch sein direetes Eingreifen dem Helden Genugthuung 
zu verschaffen und in Folge davon selbst unter den Göttern ein 
heftiger Streit entbrennt, so steigt mit unserer wachsenden Theil- 
nahme die Bedeutung des Helden, und wir scheiden vom ersten 
Gesange in der That mit dem Bewusstsein, dass Achill, wenn er 
auch zunächst in Folge seines Grolles in den Hintergrund treten 
wird, doch der Hauptheld des Epos und die bewegende Ursache 
der folgenden Ereignisse ist. 


-- 238. — 


Anmerkungen. 


1. [Ueber das Prooemium vgl. Jacob Entstehung der Dias 
und Odyssee p. 159 ff. 235, Naeke Opuse. I p. 263 ἢ, Bekker 
Hom. Blätt. I, 164 £., Düntzer in Ζ. f. GW. XI, 410 ff. = Hom. 
Abhandl. p. 164 ff, und denselben Aristarch p. 180 ff, welcher 
Υ. 3—5 verwirft, Köchly de Iliad. carmm. III p. 17, Bergk 
griech. Literaturgesch. I p. 552. Das Verhältniss des Prooemiums 
zur Entwicklung der epischen Handlung erörtert Kraut die epische 
Prolepsis, Tübingen 1863. Eine Nachahmung dieses Prooemiums 
in dem des Thukydides sucht v. Leutsch nachzuweisen im Philol. 
ΧΧΧΠῚ p. 155 und 185, vgl. dagegen Düntzer die Homerischen 
Fragen p. 206 5] Der Anfang μῆνιν ἄειδε ϑεά wird von den 
Alten auch da eitiert, wo sie andeuten wollen, dass ihr Jugend- 
Unterricht gewöhnlich mit dem Lesen des Homer begonnen habe: 
Anthol. Pal. IX 168, 1; 169, 1; 173, 1 ff; XI 400, 2; 401, 3; 
Append. Epigr. I 1 f. vol. II p. 747. Horat. Epist. Π 2, 42. 
Theodoreti Graec. afl. cur. I 18 p. 16 Gaisf. Themistii or. XXII 
p- 2644. Der letztere eitiert den ersten Vers auch or. XV p. 184, 
den zweiten or. XIX p. 228°, den dritten or. XIII p. 172°. Zum 
Worte μῆνις beachte man, dass auch im Skt. mänas den auf ge- 
kränktem Ehrgefühl beruhenden Unmuth oder Groll bezeichnet. 
[Vgl. Curtius Etym.* p. 101. 312.] — Vers 4. Zu ἑλώρια Leo 
Meyer Vergl. Gram. II 476. 

5. Ich glaube das sylleptische πᾶσι auf beide beziehen zu 
müssen, theils wegen der Wortstellung, theils weil die κύνες und 
οἰωνοί an Stellen, wo die Leichen der Unbegrabenen als Schreck- 
bild dienen, gewöhnlich zusammen erwähnt sind: B 393. Θ 379. 
N 831. P 241. X 335. 354. Q 411. y 259. ὦ 292. (Der Sache 
nach gleich κύνες καὶ γῦπες ἔδονται Σ 271. X 42.) Ebenso bei 
Spätern: Soph. Ai. 830. Antig. 205. Eurip. ΕἸ. 896 sq. Herod. 
VI 10, 8. Plut. Artax. c. 18. Verg. Aen. IX 485 ἢ, mit der 
Note von Carl Thiel. Horat. Epod. XVII 12. Valer. Fl. VI 647. 
Andere Beispiele bei Garatoni zu Cie. Milon. 13. Hierher gehört 
auch ferae et volucres bei Stat. Theb. XII 97. — Das zweite 
Hemistichion Διὸς δ᾽ ἐτελείετο βουλή wird gewöhnlich als Paren- 
these aufgefasst, und diese soll nachdrücklicher stehen als die 
adverbiale Bestimmung Διὸς μεγάλου διὰ βουλάς (9 82), deren 
Stelle sie vertrete. Aber “Parenthese” nnd “Nachdruck” wollen 
homerisch nicht zusammenstimmen. Hierzu kommt als zweite 
Schwierigkeit, dass man das folgende ἐξ οὗ über ganze Verse hin- 
weg auf die früheren Aoriste ἔϑηκεν προΐαψεν τεῦχε zurückbeziehen 
muss und dass dann der Sinn zur spätern Erzählung der Begeben- 
heiten nicht vollkommen passt. Daher hat Aristarch nach Aristoni- 
kos [ed. Friedlaender p. 39, zu A 5. 6.] (Lehrs de Arist. ? p. 191) 


- 29 — 


die Worte Διὸς δ᾽ ἐτελείετο βουλή mit Recht zum Folgenden ge- 
zogen, und diese Verbindung empfiehlt Lehrs Ztschr. f. Alt. 1834 
8. 139, vertheidigt Bekker Hom. Blätter S. 164. [Vgl. dagegen 
die Ausführung von Düntzer hom. Abhandlungen p. 176 f., welche 
für mich überzeugend ist. Die von Ameis bezeichnete Schwierig- 
keit ἐξ οὗ über ganze Verse hinweg auf die früheren Aoriste 
ἔθηκεν προΐαψεν τεῦχε zurüickzubeziehen ist in Wirklichkeit eine 
Täuschung, da die Zeitbestimmung doch nur durch Διὸς δ᾽ ἐτελείετο 
βουλή von den Relativsätzen getrennt ist. Diese sind aber in ihrem 
ersten und zweiten Gliede durch die Anaphora μυρία und πολλάς, 
im zweiten und dritten durch den Gegensatz so eng mit einander 
und in ihrer Gesammtheit wiederum als epexegetische Ausführung 
von οὐλομένην mit μῆνιν ἄειδε so eng verbunden, dass ich kein 
Bedenken trage mit Düntzer ἐξ οὗ κτξ. sogar an den Hauptsatz 
μῆνιν ἄειδε anzuschliessen, wofür die Zeitbestimmung den Aus- 
gangspunkt angiebt (vgl. « 10). — Eine Anspielung auf V. 3 
des Prooemiums scheint in A 55 enthalten zu sein; vgl. Bergk 
griech. Literaturgesch. I p. 552 Anmerk. 3. — Uebrigens sucht 
Nauck Melanges Gr&co-Romains. Tome III p. 9 fl. Zenodots Les- 
art οἰωνοῖσί τε δαῖτα statt πᾶσι als die ursprüngliche, schon 
dem Aeschylos in der Nachahmung Suppl. 801 vorliegende zu 
erweisen, während er die herrschende πᾶσι für eine Conjeetur 
Aristarchs hält] Köchly hat nach seinem Prineip in seinen 
16 Liedern Vers 4 und 5 nach dem Vorgange des Zenodot ge- 
tilgt [so Ribbeck in den Jahrbb. 1862, p. 4]. Angeführt wird 
das Hemistichion von Plut. Stoic. repugn. ο. 34, 5 p. 1050", 

7. ἄναξ ἀνδρῶν steht bei Homer 46 mal von Agamemnon, 
ausserdem je- einmal von Anchises E 268, von Aineias Z 311, 
von Augeias A 701, von Euphetes Ὁ 532, von Eumelos % 288. 
Der Eigenname bildet dabei stets den Versschluss. Ueber Ge- 
brauch und Bedeutung vgl. besonders Gladstone’'s Hom. Stud. von 
Schuster 8. 87 fl. [Ueber ἄναξ, ἀνάσσω vgl. jetzt Angermann in 
G. Curtius Stud. zur griech. und lat. Gramm. III p. 117—122. 
Nach demselben sind die Worte auf die W. fav schützen zurück- 
zuführen und ist die ursprüngliche Bedeutung von ἀνάσσειν Be- 
schützer, Schirmherr sein noch in 4 38. M 239 zu erkennen. 
In der Ilias wird ἄναξ ausschliesslich von Göttern und Heroen in 
der allgemeinen Bedeutung Beschirmer, Herrscher gebraucht, 
in der Odyssee, auch & 734, tritt die Bedeutung herus hinzu 
und erst in der späteren poetischen Sprache die allgemeineren 
Bedeutungen Vorsteher, Lenker, Führer.] Uebrigens beachte 
man hier das blosse Patronymikum ’4rgelöng, während die voll- 
ständige Nennung des Namens erst im 24. Verse nachfolgt: ein 
Beweis, dass Homer bei seinen Zuhörern die Bekanntschaft mit 
den Hauptpersonen aus der Sage und aus andern Liedern voraus- 
setzen durfte. Vgl. auch zu 4 307. Ueber den Zweck solcher 


— 0 -- 


Proömien aber vgl. Lehrs de Arist.? 8. 426 ἢ, — Vers 8. Diese 
lebhafte Darstellung durch Frage und Antwort haben später be- 
sonders auch die Redner gebraucht. Vgl. Dissen zu Demosth. de 
cor. p. 186. Ausserdem findet sie sich bei den Dichtern aller 
Völker und Zeiten. Bei uns denkt jeder sogleich an Bürgers 
Lied vom braven Manne: ‘Was hielt des Grafen Hand empor? 
Ein Beutel war es, voll und straff. — Wer ist der Brave? Ist’s 
der Graf? Sag’ an, mein braver Sang, sag’ an!” Oder Arndts: 
“Was ist des Deutschen Vaterland?” u.s.w. — Zum Dativ ἔριδι 
vgl. auch Eurip. Androm, 122: οἱ σὲ καὶ Ἑρμιόναν ἔριδι στυγερῷ 
συνεκλῇσαν. [Als Locative werden diese Dative gefasst von 
Mommsen Entwicklung einiger Gesetze für den Gebrauch der 
„griech. Praepositionen. Frankfurt 1874, p. 43.] 

11. Die Aristarchische Lesart ἠτίμασεν (statt ἠτίμησ᾽) bie- 
ten die besten Quellen: Venet. A und Ambros. pr. m., so wie 
Apoll. Synt. p. 66, 26. Aristonikos zu A 340, das Scholion in 
ΒΜ zu 2 315. Cram. An. Par. III p. 117. 309, Bekk. An. 
Ρ. 505, 13. 934, 18. Sie wird auch durch den Rhythmus empfoh- 
len nach Bekker Hom. Blätter 85, 114 δ΄, indem der Dichter vor 
der bukolischen Cäsur bei der Wahl zwischen spondeischem und 
daktylischem Ausdruck regelmässig den letztern vorzog. Vgl. 
Th. Bergk in Zeitschr. f. ἃ. A. W. 1851 5. 525 f. und H. Rumpf 
in Fleckeisens Jahrb. 1860 8. 579. W. C. Kayser im Phil. XXI 
8. 312. — ἀρητῆρα. “Ursprünglich hatten wol Priester und Seher 
nach einer speciellen Function (ἱερεύς, ἀρητήρ, ϑυτήρ usw.) eine 
bestimmte Bezeichnung (wie im Altindischen), die aber dann auch 
allgemeiner gebraucht wurde. Dieser Culturperiode geht diejenige 
voraus, wo jeder König (oder jedes Familienhaupt) selbst zugleich 
auch Priester und Dichter war: vgl. Max Müller Hist. of Anc. 
Sanser. Liter. p. 484” G. Autenrieth. [Ueber den Nachdruck 
der Stellung von ἀρητῆρα u. Aehnliches vgl. J. Bekker in den 
Monatsberichten der Berlin. Acad. 1867 p. 433 — Hom. Blätter 
Ip. 1641 

13. Auf bildlichen Darstellungen unserer Scene wird das 
Lösegeld dem Chryses auf einem Wagen nachgefahren. So in 
Inghirami Galleria Omerica tav. XIX. Das Partieip φέρων “mit 
sich führend’. bezeichnet nur eine vorübergehende Verbindung 
des Suhjeets und Objects, ἔχων dagegen stellt ein Object zur 
Person in das Verhältniss eines engen und dauernden Zusammen- 
hangs. Vgl. Joh. Classen Beobachtungen (Frankfurt 1867) 8. 82. 

14. Doederlein in seiner Ausgabe hat die schon von Stephanus 
eingeführte und von Heyne und andern empfohlene aber schwach 
gestützte [La Roche bemerkt nur: al fortasse στέμμά τ᾿ } Lesart 
στέμμα τ᾽ ἔχων aufgenommen, um mit 28 στέμμα ϑεοῖο Concinnität 
herzustellen. Aber dadurch wird zunächst der Gedanke abge- 
schwächt, indem der Begriff στέμμα nunmehr mit ἄποινα auf ganz 


gleiche Stufe tritt, was schon mit der Verschiedenheit der Parti- 
eipien (zu 13) nicht recht harmoniert. Den Plural dagegen ge- 
braucht Plato de rep. III p. 393°. Und diesen Plural begründet 
handschriftlich und wegen des Zusammenhangs der Partieipien ἔχων 
und φέρων auch E. R. Lange im Philol. IV p. 711. Sodann folgt 
Doederlein der bedenklichen Erklärung: “Est στέμμα ramus lana 
obvolutus, ἐριόστεπτος κλάδος, quale supplicantium insigne comme- 
morat Aesch. Suppl. 22. Soph. Oed. T. 2; et laureus quidem, ut 
Apollinis ab sacerdote gestatus’ Ebenso Hermann gottesd. Alt. 
8 24, 14. Hiergegen folgende Bedenken. Erstens ist dann die 
Beibehaltung des σκῆπτρον anstössig. Denn wenn Jemand ‘mit 
umwundenem Lorbeerzweige’ als supplex naht, so pflegt er vorher, 
um desto sicherer Gehör zu finden, jedes Insigne seiner Amtswürde 
abzulegen. Zweitens sieht man nicht, was στέμματα ᾿Απόλλωνος 
und στέμμα ϑεοῖο bedeuten solle, da Apollon sonst nirgends mit 
den ἵκέται in nüherer Beziehung ‘steht; dazu erwartete man viel- 
mehr den Ζεὺς ἵκετήσιος: vgl. zu ν 213. Drittens ist bei dieser 
Deutung der Wechsel zwischen Plural und Singular auffällig. Alle 
diese Schwierigkeiten schwinden bei der aufgenommenen Erklärung, 
und der Gedanke gewinnt an Kraft und Nachdruck. Chryses ist 
gleichsam als Besitzthum seines Gottes in vollem Schmucke mit 
den Insignien seines Priesteramtes ins Lager gekommen, weil er 
hoffte gerade durch diese Würde den gebührenden Eindruck zu 
machen. [Die Bedeutung der ganzen symbolischen Handlung er- 
örtert A. Steudener antiquarische Streifzüge: I. über das Symbol 
des Zweiges, Halle 1868 p. 47 f., also: ‘es ist ein Vorzeigen 
der priesterlichen Insignien, in dem Zeigen aber liegt die Anfrage, 
ob Agamemnon genug φιλόϑεος, wie Eustathios sagt, sei, um des 
Gottes wegen Gewährung zu verleihen.” Dagegen sieht Overbeck 
Geschichte der griech. Plastik I p. 45 in den στέμματα nicht die 
Priesterbinde, sondern die Hauptbinde des Gottes selbst d. i. seines 
Bildes: “da der Priester seine eigene Binde, das Abzeichen seiner 
Priesterwürde gewiss nicht in den Händen, sondern im Haar ge- 
tragen haben würde’] — V. 15 und 374. καὶ λίσσετο ist die 
Aristarchische Lesart, welche von Hoffmann Quaest. Hom. I p. 24; 
Lange im Philol. IV p. 711; M. Schmidt im Philol. IX 5. 429 
und andern vertheidigt wird, auch von Bekker aus dem Venetus 
in den Text genommen ist. Doch hat Bekker Hom. Blätter 5. 322 
seine Ansicht geändert, indem er jetzt meint, es werde “auch in 
καὶ ἐλίσσετο festzuhalten sein an dem vor bukolischer Cäsur weit- 
aus beliebtesten Wortfuss’ Vgl. zu 11. Auch Doederlein hat καὶ. 
ἐλίσσετο im Texte. Aber mit dem Augment würde man die 
Form ἐλλίσσετο erwarten, wie an den übrigen augmentierten home- 
rischen Stellen Z 45. 1585. 4 35 [?]. M 49. Φ 71. x 264. v 273, 
während sonst λίσσετο und λίσσοντο steht: ὃ. 344. ı 224. Δ 379. 
1574. 591. Σ 448. X 240. Ebenso λιτάνευε ἡ 145. I 581. 


- 895. — 


Ψ 196 neben ἐλλιτάνευσα κ 481. — Vers 16. ᾿άτρεῖδα δὲ μάλιστα 
δύω. “Merkwürdig, dass trotzdem Menelaos gar keinen Antheil 
nimmt; aber das Brüderpaar gehörte schon bei Homer so eng 
zusammen (vgl. I 340 f.), dass es als solches etwas formelhaft 
schon hier, wie später z. B. bei Sophokles als δισσοί oder δικρατεῖς, 
bezeichnet wurde.” G. Autenrieth. 

17. Statt der Ueberlieferung ’Argeides (vgl. Z 437) hat 
Bekker mit Heyne aus Conjectur den Dual ’Argeid« aufgenommen. 
Aber hier liegt kein Grund vor, den Begriff des Atreidenpaares 
besonders hervorzuheben, da neben den ᾿άτρεΐδαι auch die übrigen 
Achaeer angerufen werden. Anders ist der Zusammenhang N 46. 
47 und II 555. 556. Vgl. H. Rumpf in Fleckeisens Jahrbb. 1860 
Ba. LXXXI 8. 585. W. C. Kayser im Philol. XXT 8. 311. — 
V. 19. εὖ δ᾽ οἴκαδ᾽ ἱκέσθαι, ἃ. i. ohne auf der Rückkehr Unglück 
zu erleiden, wie die ὃ 496. 497 ff. erwähnten. Bekker hat wegen 
des Digamma mit Heyne Bentley’s Conjectur καὶ Foixud’ ἱκέσθαι 
aufgenommen mit “ef. 1393’, wo aber der Begriff des εὖ in dem 
vorhergehenden σύωσι ϑεοί enthalten ist. Bentley’s Conjectur wird 
genauer begründet von E. R. Lange im Philol. IV p. 712 sq. 

20. Ich bin zur frühern gut beglaubigten Lesart παῖδα δέ 
μοι λύσαιτε zurückgekehrt, die F. A. Wolf aus untergeordneten 
Quellen in παῖδα δ᾽ ἐμοὶ λῦσαί re gelindert hat. [δ᾽ ἐμοί haben 
bei La Roche die besten Handschriften Venetus A, Laurentianus D 
u. a.] Ueber die Enklisis von μοί vgl. Bekker Hom. Bl. 8. 221. 
Den Optativ λύσαιτε geben der Venet., Apoll. Synt. p. 14, 25 
und 121, 17 und andere gute Quellen. [Vgl. jetzt La Roche’s 
krit. Ausgabe.] Vertheidigt wird derselbe von Lange im Philol. 
IV p. 713 und Bergk in Zeitschr. f. d. A. W. 1851. 8. 527. 
Der Infinitiv λῦσαί τε nemlich giebt"eine grosse Härte, weil von 
der gewöhnlichen Bedeutung des Infinitivs im vorhergehenden Verse 
(ἐκπέρσαι und ἐκέσϑαι) ein zu plötzlicher Uebergang zur impera- 
tivischen Bedeutung stattfindet. Für diesen imperativischen Ge- 
brauch hat Apoll. Synt. p. 78 und de pron. p. 361 (101) bloss 
das zweite Hemistichion τὰ δ᾽ ἄποινα δέχεσϑαι angeführt. In die- 
sem beruht das jetzt gewöhnlich gelesene τά τ᾽, statt des über- 
lieferten τὰ δ᾽, nur auf Conjectur. Vgl. Lange im Philol. IV p. 714 
und W. C. Kayser im Philol. XVII 8. 708. [Auch La Roche 
schreibt τά τ᾽, ohne jede Notiz in der Annotat. critie.] — V. 22. 
ἐπευφήμησαν hat Plato de rep. III p. 393° durch “ἐσέβοντο καὶ 
συνήνουν᾽ ausgedrückt. [Zur Construction mit Inf. vgl. Bekker 
hom. Blätt. I p. 226, welcher γουνοῦμαι = γουνούμενος λίσσομαι 
vergleicht.] 

24. Diese Erklärung von ϑυμῷ ist gegeben mit Bezug auf 
die ausführliche Erörterung dieses Sprachgebrauchs durch Albert 
Fulda: Untersuch. über die Spr. der Homer. Gedichte. Duisburg 
1865, wo unsere Stelle 8. 182 nach dem Vorgange von Köppen 


-- 88 -- 


behandelt ist. Aber bei den zahlreichen Schlussfolgerungen über 
Aechtheit und Unächtheit oder früheres und spüteres Alter der 
einzelnen Stellen wird der Verfasser selbst auf allgemeine Bei- 
stimmung nicht gerechnet haben. Die locale Bedeutung der be- 
züglichen Dative erläutert C. Capelle Dativi localis quae sit vis 
atque usus in Homeri carminibus (Hannover 1864) p. 29—36. 
Dazu Bekker Hom. Blätter 5: 208. Den ganzen Vers gebraucht 
Lueian. Conviv. 8. Lapith. ὁ. 12. Den vorhergehenden Vers hat 
nachgeahmt Lueian. Piscat. 8. Reviv. c. 3. 

26. [Die seltene Verbindung des prohibitiven μή mit der 
ersten Person Singularis erklärt sich leicht, da der Sinn der 
Drohung ist: “Lass dich nicht von mir betreffen’ und somit eigent- 
lich eine Handlung der zweiten Person zurückgewiesen wird. Vgl. 
auch B. Delbrück der Gebrauch des Conjunctivs und Optativs 
p- 114. Zu der Zusammenstellung des prohibitiven μή mit einem 
zweiten (28) μή vgl. 0. 20. T 414. 2 568 δι @ 462. — Ueber 
die völkerrechtliche Stellung der Priester spricht Sorgenfrey de 
vestigüis juris gentium Hom. Lips. 1871 p. 19 81 

31. ἐμὸν λέχος noch von ἐποιχομένην abhängig zu machen 
und zu ἀντιόωσαν ein τούτου (λέχους) hinzuzudenken, wie ich und 
Doederlein Hom. Gloss. $ 713 wollten, das stört die rhythmische 
Gleichmässigkeit der Satzglieder und giebt ausserdem für λέχος 
ein ungefülliges Zeugma. Ich urtheile daher jetzt wie G. Hermann 
zu Soph. Ai. 491 und wie J. La Roche Hom. Stud. 8. 62,1. Nur 
war des letztern einfacher Zusatz: “Die Verse 29—31 werden 
angefochten” entbehrlich. Es hat zwar Aristarch [vgl. Aristonie. 
ed. Friedlaender p. 40 und dazu Kayser im Philol. XXI p. 317] 
diese Verse verworfen, weil sie ihren Zweck verfehlten, indem 
Chryses dadurch über das Schicksal seiner Tochter beruhigt würde, 
und weil sie der königlichen Person des Agamemnon unwürdig 
wären: aber beide Gründe sind unhaltbar. Denn es folgt Aristarch 
bei derartigen Urtheilen in der Regel der Cultur seiner Zeit und 
den-Sitten seiner Alexandrinischen Fürsten, nicht denen des home- 
rischen Heros, dessen Begriffe von Ehre ganz andere waren als 
die späteren. [Eine Reihe von Fällen solcher Art, darunter auch 
diese Stelle hat Cobet Miscellanea critica. Lugduni-Batav. 1876 
p. 225 ff. unter der Ueherschrift AIIPEIIH apud Homerum pravo 
Alexandrinorum judicio zusammengestellt und erörtert.] Vgl. A 114. 
Nach W. C. Kayser im Philol. XXI 3, 316 soll indes von 31 
der “unzweifelhafte Sinn mit dem ganzen Zusammenhange unver- 
einbar’ sein. Auch Düntzer Aristarch 85, 6 urtheilt: “Durch den 
Wegfall des Verses gewinnt die Stelle an Kraft und treffender 
Bezeichnung.’ Uebrigens beachte man 30 bis 32 drei Verse hinter- 
einander aus lauter Dactylen bestehend, welche die Aufregung 
des Agamemnon bezeichnen. Vgl. den Anhang zu A 598. [Zur 
Bedeutung von πρίν 29 vgl. jetzt Richter quaestiones Homericae. 

Anhang zu Ameis, Homers Ilias I. 3 


— 4 — 


Chemnitz 1876 p. 6, welcher damit zusammenstellt: 2283. 2 551. 
728. y 117. ν 427.] — 33. [Die Zweifel hinsichtlich des Anlauts 
der W. δὲ sind jetzt durch eine in Korinth gefundene Inschrift ge- 
löst, welche den Namen Asıvieg in der Form AFENIAZ bietet: 
vgl. Curtius Stud. VIII p. 465. Daher stimmt Curtius jetzt der 
Zusammenstellung mit zd. dvi fürchten bei Fick vergl. Wörterb. 
1, 113 zu. Vgl. auch Cobet Miscellan. Crit. 1876 p. 267 fi] 
— V. 36. τὸν ἠύκομος τέκε “Δητώ, wie T 413. λ 318, ein Zu- 
satz der epischen Ausführlichkeit, um für den Namen des Gottes 
einen ganzen Vers zu gewinnen. Vgl. Theogn. 5. 

39. Unter dem Namen Σμινϑεύς wurde Apollon wahrschein- 
lich auch an den erwähnten drei Orten verehrt. Denn der Smin- 
theuscultus war weithin über das ägäische Meer verbreitet, daher 
auch der Monatsname σμένϑιος und das Fest Σμίνϑια, das auf 
Rhodos gefeiert wurde, weil Apollon die Mäuse von den Wei 
pflanzungen vertrieben hatte. Ferner ist auf Münzen von Alexandria- 
Troas und Tenedos eine Maus mit Apollon in Verbindung gesetzt. 
[Anderes bei Schoemann Gr. Alterth. ? II p. 209.] Aehnlich heisst 
Apollon παρνόπιος der ‘Vertreiber der Heuschrecken’. Vgl. Preller 
Griech. Mythol. I 5. 195 der 2. Aufl. Welcker Gr. Götterl. Bd. 1 
8. 482 ἢ Hierzu G. Autenrieth brieflich: “‘Beachtenswerth scheint 
mir auch die Erinnerung Pictet's (Origines indo-europdennes II 
476 f. not), dass in indischer Religion die Mäuse dem Rudra, 
der dem Apollon entspreche, heilig seien.” Aristarch dagegen will 
den Namen Σμινϑεύς von einer vermeintlichen Stadt Σμίνϑη im 
troischen Gebiete abgeleitet wissen: aber eine Stadt dieses Namens 
ist noch von Niemandem nachgewiesen worden: sie dürfte eine 
blosse Erfindung sein. [Vgl. jetzt über den Namen G. Curtius in 
Stud. IX, 112. — Die Veränderung der Interpunetion nach Zuv- 
ϑεῦ (Komma statt Kolon) habe ich näher begründet: zur Perioden- 
bildung bei Homer. Götting. 1868 p. 18 1] Wenn aber von Apollon. 
im Lex. unter Σμινϑεῦ bemerkt wird: ”Agloragyog ἀπρεπὲς ἡγεῖται 
ἀπὸ χαμαιπετοῦς ἕῴου τὸν ϑεὸν ἐπιϑέτῳ κεκοσμῆσϑαι ὑπὸ τοῦ ποιητοῦ, 
so ist’dieses Aristarchische Urtheil wieder (wie vorher bei 31) aus 
der Cultur des Alexandrinischen Zeitalters hervorgegangen. Man 
kann vielmehr gegen diese Ableitung einen poetischen Grund 
zur Geltung bringen. Es wird nemlich Apollon in Verbindung 
mit drei Städten angerufen: darauf kann nicht in naturgemässer 
Weise ein Beiname folgen, der noch von einer vierten Stadt ab- 
geleitet is. Das würde nicht homerisch klingen. Uebrigens 
macht die Verehrung des Apollon in den genannten Städten es 
erklärlich, dass dieser Gott in der Ilias überall für die Troer 
Partei ergreift. — Von ἐπὶ νηὸν ἔρεψα giebt Doederlein wie im 
Hom. Gloss. $ 327, so auch in seiner Ausgabe nach Heyne’s 
Vorgange folgende Erklärung: “ἔρεψα scil. frondibus vel floribus, 
ornandi diebus festis templi causa, ut Verg. Aen. II 248. Nos 


35 -- - 


delubra deum ... festa velamus fronde. Pind. Pyth. 4, 240 
στεφάνοισι τέ μιν ποίας ἔρεπτον. Eur. Bacch. 323. κισσῷ δ᾽ 
ἐρεψόμεσϑα᾽. Aber um es in der Bedeutung “bekränzen’ verstehen 
zu können, muss wie in den Parallelen der Begriff στεφάνοις oder 
κισσῷ ausdrücklich hinzugefügt sein. Vgl. ausserdem die von 
Nägelsbach 5. 27 (der Ausg. von Autenrieth) erwähnten Ana- 
logien und meine Erörterung in Mützells Zeitschr. f. ἃ. α. W. 1854 
8. 634 ἢ, Da εἴ more stets auf Wiederholung der angeführten 
Handlung deutet, [worauf Ameis diese Annahme gründet, ist mir 
nicht ersichtlich], so hat man dabei an die älteste Zeit zu denken, 
wo die Tempel im Freien aus Laubwerk geflochten wurden und 
der Cultus noch bilderlos war. Vgl. Pausan. X, 5, 5: ποιηϑῆναι 
δὲ τὸν ναὸν τῷ ’AmbAhavı τὸ ἀρχαιότατον δάφνης φασί, κομισϑῆναι 
δὲ τοὺς κλάδους ἀπὸ τῆς δάφνης τῆς ἐν τοῖς Τέμπεσι" καλύβης δ᾽ 
ἂν σχῆμα οὗτός γε ἂν εἴη παρεσχηματισμένος δ' ναός. Feste Tem- 
pel mit Götterbildern, wie Ζ 88. 92, sind erst Schöpfungen einer 
späteren Zeit. Vgl. Hermann gottesd. Alt. $ 18, 1. Nägelsbach 
hom. Theol. V 4 8. 198 der Ausg. von Autenrieth. Lobeck 
Aglaoplı. I p. 257 sq. [Der Zusammenhang in & 10, das E 
448 erwähnte ἄδυτον, und anderes weisen doch schon auf 
eine fortgeschrittene Entwicklung des Tempelbaus, auch abge- 
sehen vom Adivog οὐδός des Tempels in Delphi $ 80.] — Zu den 
Schlussworten des Commentars erinnert G. Autenrieth: “Noch 
naiver ist die Anschauung der Inder (im Rig-Veda), wonach nicht 
nur die Götter das Opfer zu ihrer Stärkung zum Kampf wider 
die Feinde geniessen, sondern ihnen gewissermassen guter Appetit, 
oder Wohlbekomm’s gewünscht wird.” 

47. Bekker hat mit Bentley und Payne-Knight den Vers 
athetiert nach dem Vorgange des Zenodotos, der auch 46 hinzu- 
nahm. [Vgl. Düntzer de Zenodoti stud. Hom. p. 129. 178.] Aber 
ächt episch ist doch die Andeutung, dass der Zorn des Gottes 
auch in der äusseren Bewegung sich kundgebe, indem der Aus- 
druck seines zürnenden Antlitzes finster wie die Nacht erscheint. 
So urtheilt auch Autenrieth bei Nägelsbach. Aehnlich Lehrs de 
Arist. 8. 439 ed. I. Und das harmoniert mit der Vorstellung 
gerade von diesem Gotte, der vermöge seiner Kunde von den ge- 
heimen Naturkrüften sonst Unheil abwendet (vgl. zu Σμινϑεύρ), 
hier aber Tod und Verderben bringend einherschreitet. Auch die 
epexegetischen Genetive αὐτοῦ κινηϑέντος nach vorhergehendem 
χωομένοιο haben ihre Analogien. [Eine andere Auffassung des 
Vergleichs giebt Gerlach im Philol. XXX p. 55.] 

52. Ueber die ganze Stelle spricht Lessing im Laokoon XIII, 
und über die bedeutsame Stellung des βάλλ᾽ mit nachfolgender 
Pause handelt Bernhard Giseke Hom. Forsch. $. 10. Sodann 
haben Freytag und Bekker mit Pamphilus Tryphon und Charax 
(denen andere beistimmen) ϑαμεῖαι accentuirt, dessen Richtigkeit 

3* 


—- 36 — 


Lange im Philol. IV p. 717 sq. am gründlichsten zu erweisen 
sucht. Aber die Aristarchische Accentuirung ϑαμειαί haben mit 
den besseren und älteren Grammatikern begründet Lehrs de Arist. 
Ρ. 259 ed. II; Spitzner in der Zeitschr. ἢ. ἃ. Alt. Wss. 1840 
S. 458 ἢ; H. Rumpf in Fleckeisens Jahrbb. 1860 Bd. LXXXI 
8. 666; J. La Roche Hom. Textkritik S. 279. — Vers 53. The- 
misti or. XV p. 191°. — Vers 58. Stat. Achill. II 397. — 
60. [Zur Auffassung des Bedingungssatzes εἴ κεν — φύγοιμεν vgl. 
L. Lange der homer. Gebrauch der Partikel εἰ II p. 510 8] — 
V.61. Ueber die Form δαμᾷ vgl. Lobeck Rhem. p. 158. — Vers 63 
erwähnt Plinius Ep. 118, 1. [Diesen Vers verwarf Zenodot: Düntzer 
de Zenod. stud. Hom. p. 178.] — Vers 64. ὅς κ᾽ εἴποι ist die 
Aristarchische Lesart, wofür Bekker nur wegen des Digamma ὃς 
Fein gegeben hat. Vgl. darüber H. Rumpf in Fleckeisens Jahrb. 
1860 Bd. LXXXI S. 589 ἢ. — Vers 65. Ueber das doppelte εἶτε, 
wofür Bekker ein doppeltes # re aufgenommen hat, vgl. Bium- 
lein Griech. Part. 8. 133. 

68 = 101. B 76. H 354. 365. β 224. Und das formel- 
hafte κατ᾽ ἄρ᾽ ἕξετο noch T 149. 2 522. β 417. y 406. ἡ 153. 
9 290. κ 378. π 46. 213. ρ 466. σ 110. 157. τ 544. φ 139. 
166. y 164. Das formelhafte zeigt sich auch darin, dass in dem- 
selben Satztheile noch ein anderes ἄρα vorausgeht, wie m 213. 
9 466. σ 110. [An den letzten beiden Stellen ist jetzt mit La 
Roche und Kayser δ᾽ ὅγε statt δ᾽ ἄρ geschrieben.] Das ἄρα in 
der Formel κατ᾽ ἄρ᾽ ἕζετο steht nach einem Partieipium hier und 
in den Parallelstellen 7 153. π 46. 213. ο 466. σ 110. τ 544. 
Ueber die Bedeutung dieses ἄρα vgl. Büumlein Griech. Part. $. 32. 
In ἕξετο wurde der Anlaut als Augment gefühlt; sonst auch öfters 
καϑέξετο, nie ἐκαϑέξετο. Denn von einem doppelten Augment 
findet sich bei Homer keine Spur, was schon Aristarch bemerkt, 
Vgl. J. La Roche Hom. Textkritik 8. 246 £. — Vers 70 angeführt 
auch bei Lucian de Saltat. c. 36. [Cobet Miscellanea critica 
1876 p. 301 verlangt an Stelle von ἤδη durchweg ἤδεε, ἤδει und 
vor Vocalen ἤδε᾽ oder — ἤδειν.] Vers 71 berücksichtigt Philostr. 
Heroie. c. 2 $ 14 p. 687. 

83. [Die handschriftliche Lesart ist εἴ μὲ σαώσεις, wofür 
Bekker giebt: ἤ με σαώσεις. Vgl. über diese Frage Praetorius 
der homer. Gebrauch von ἦ (ἦε) in Fragesätzen, Cassel 1873 p. 9.] 

85. [Nauck im Bulletin de l’Academie Imperiale de St. Peters- 
bourg 1861, T. III p. 305 ff. verlangt für ϑεοπρόπιον nach Ana- 
logie von A 109. B 322. β 184 ϑεοπροπέων.] 

95. 96. [Ueber die an diese Verse sich knüpfenden kritischen 
Fragen findet man das Material zusammengestellt bei Benicken in 
den Jahrbb. f. Phil. u. Päd. II. Abth. 1876 p. 303 8] 

97. Die Aristarchische Lesart Δαναοῖσιν ἀεικέα λοιγὸν ἀπώσει 


- 81 — 


ist jetzt fast allgemein aufgenommen worden. Dieselbe ist deshalb 
nothwendig, weil zum folgenden ἀπὸ .. δόμεναι und ἄγειν ein 
bestimmtes Subject aus dem unmittelbar vorhergehenden zu 
entlehnen ist: daher müssen hier die Geber und Führer mit 
Δαναοῖσιν der Deutlichkeit des Epos gemäss genannt werden. 
Ohne Noth will Bekker im Berliner Monatsbericht usw. 1864 
S. 87 [= Hom. Blätt. II, 7] zu ἀποδόμεναι als Subject ἡμῶς ge- 
dacht wissen. [Anders Richter quaestiones Hom. Chemnitz 1876 
p. 19 4] Sonst las man mit Zenodot λοιμοῖο βαρείας χεῖρας ἀφέξει. 
Aber erstens sendet Apollon selbst die Pest, so dass er nicht 
dem λοιμός objectiv mit eigenen Händen gegenübertreten kann, 
und zweitens ist λοιμός bei Homer noch kein personificierter Be- 
griff, wie bei Späteren: vgl. Schneidewin zu Soph. Oed. R. 27. 
Drittens ist die Construction bedenklich, die “wol kaum einen 
Sinn giebt”, wie Lehrs Zeitschr. f. d. A. W. 1834 $. 139 sagt, 
oder die “kaum griechisch genannt werden kann’, wie Bergk 
ebendas. 1846 85, 498 bemerkt. Mit Recht: denn nach homeri- 
schem Sprachgebrauch könnten die Worte nur bedeuten: “er wird 
seine feindlichen Hände von der Pest abhalten, damit nemlich 
seine Hände der Pest nicht schaden’, was hier sinnlos wäre. 
Wenn endlich Zenodotos, wie Düntzer de Zenod. stud. p. 143 
vermuthet, an der Kakophonie von δώσει und ἀπώσει Anstoss 
nahm, so lässt sich erwiedern, dass dieser Gleichklang gerade zu 
dem feierlichen orakelhaften Tone der Rede besonders geeignet 
erscheine. [Vgl. auch Bergk Griech, Literaturgesch. I p. 839 und 
her die Lesarten Mayhoff de Rhiani Cretensis stud. Hom. p. 38 f. 
und die von Benicken in den Jahrbb. f. Philol. und Paed. II. Abth. 
1876 p. 305 zusammengestellte Literatur.] Und dabei beachte 
man zugleich die Lebhaftigkeit, mit welcher der Seher in ver- 
trauensvollem Muthe seine Wahrheit verkündet: daher 95 bis 99 
fünf Verse hinter einander aus lauter Dactylen. 

98. ἑλικῶπις mit ἑλίκωπες hat schon bei den Alten drei Er- 
klärungen gefunden: 1) “schwarzäugig’: vgl. Meineke zu Theo- 
krit XXV 127 ed. tert., der aus Kallimach. fr. 290 ἑλικώτατον 
ὕδωρ anführt “de aqua nigra’ neben Hesych. ἕλιξ. μέλας. Es 
leuchtet ein, dass Kallimachos das Wort nicht so gebraucht haben 
würde, wenn er es nicht als Grammatiker in dieser Bedeutung 
kennen gelernt hätte. Auch aus Hesych. ἑλικόν᾽ καὶ μέλαν und 
ἑλίκωπες" μελανόφϑαλμοι und Ἑλικών —= Schwarzwald gehören 
hierher. So Th. Bergk im Philol. XIV 8. 181, wo er ἕλικες von 
βόες “dunkelfarbige” deutet. Der Begriff wäre bei den Kühen und 
den Menschenaugen passend, wenn ihn nur jemand sprachlich 
aus dem Wort entwickelt hätte. Sodann erklärt man das Wort 
2) ‘rundäugig’, bei Apoll. lex. ἑλίκωπες ol ἑλικοὶ κατὰ τὴν 
πρόσοψιν, vom der schön gewundenen (ἕλιξ, ἕλικ-) Rundung der 
Augenhöhle. Dazu die interpolierten Glossen aus Homer bei 


-- 8388 — 


Hesych. ἑλίκωπας᾽ εὐοφϑάλμους und ἑλικώπιδα. εὐόφϑαλμον. εὐειδῆ, 
auch das bei Hesych. sich findende ἑλικοβλέφαρος᾽ καλλιβλέφαρος. 
So mehrere unter den Neuern, die in εὐῶπις ξ 113 und βοῶπις 
sowie in der Identität der Namen Καλλιστώ und Ἑλίκη vom Stern- 
bild des grossen Bären (vgl. H. Fritzsche zu Theoer. I 125) für 
diese Erklärung eine Stütze finden. Vgl. G. Autenrieth bei Nägels- 
bach zu unserer Stelle. Ein Bedenken dagegen hat Doederlein 
Hom. Glossar $ 467 vorgebracht; ein anderes Bedenken dagegen 
liegt in der Unmöglichkeit, die ἕλικας βοῦς hiermit in Ueberein- 
stimmung zu bringen. Am häufigsten erklärt man das Wort 
3) “mit rollenden Augen’, gleichsam ‘rolläugig’, von dem aus 
&Alu-jo entstandenen ἑλίσσω. Aber schon an sich ist nicht denk- 
bar, dass der ganze Stamm der Achäer vom Augenrollen” so be- 
nannt worden sei, da dies nur ein Zeichen der Wildheit und 
Leidenschaft sein könnte, wie in Aesch. Prom. 882 τροχοδινεῖται 
δ᾽ ὄμμαϑ᾽ ἑλίγδην. Vgl. auch Κύκλωψ “Rollauge”. Und wie 
sollen wir dann unsere ἑλικώπιδα κούρην nebst der ἑλικοβλέφαρον 
᾿Ἀφροδίτην Hesiod. th. 16 uns denken? Diese klimen hiermit an 
die Grenze der Emancipierten, verlören sicherlich ihre griechische 
Anmuth. Wenn man nun aber, was lange Zeit die allgemeine 
Annahme war, dieses “Augenrollen’ so umdeutet, dass es bezeichne 
“mit beweglichem Auge, ein Bild der jugendlichen Munter- 
keit und Lebhaftigkeit” (Doederlein Hom. Gloss. $ 467) oder 
auch *“feurig blickend’: so ist dies ein salto mortale der Reflexion, 
was nach Homers Geist und Sitte Anstrengung kostet. Daher 
kann es nicht die ursprüngliche Bedeutung sein: als solche wird 
ein einfach bezeichnendes sinnliches Element erfordert. Es ent- 
steht nun die Frage nach der Ursprünglichkeit, aus welcher die 
erwähnten drei Deutungen hervorgegangen sind. Denn dass jede 
derselben in irgend einer Stelle der Spätern ihre specielle An- 
wendung gefunden habe, wird sich nicht leugnen lassen. Den 
ursprünglichen Begriff des Wortes aber scheint mir Hugo 
Weber Etym, Unters. I $. 42 angedeutet zu haben. Er erwähnt 
dort die Glosse des Hesych. ἑλικοί “die mit σέλ-ας Glanz, σελ-ἤνη 
der hellglänzende Mond von demselben Stamme herkömmt, nur 
dass in ἑλικοί wie auch in ὗς und σῦς, Ἕλλοί und Σελλοί für σ 
die weitere Abschwächung desselben, der spir. asp. daneben ein- 
getreten ist’ Wir haben also eine von σελ- in ofl-ug, σελτήνη 
sich abzweigende Wurzel &- weitergebildet ἔλικ- anzunehmen in 
der allgemeinen Bedeutung des Glanzes (eine Wurzel die von 
der gleichlautenden Form ἔλεξ “gewunden’ zu trennen ist). Daraus 
gewinnen wir den einfachen Begriff “mit glänzenden Augen’ glanz- 
äugig. Aus diesem ursprünglichen Begriffe ist dann auch die 
Farbenbezeichnung hervorgegangen. Bei solcher Untersuchung 
nemlich kommen die Etymologen stets auf eine Wurzel, die nicht 
“grün, blau, gelb, roth” und dergleichen bedeutet, sondern wo 


-- 839 -- 


«ie Bedeutung zunächst als “glänzend, brennend, flimmernd, 
schmutzig’ usw. bestimmt ist. Daher haben die Farben als 
solche keine ursprünglichen Namen, sondern ihre sprachliche 
Bezeichnungsweise ist entlehnt von dem Eindruck der Helle, des 
Lichtes, des Glanzes, des Schmutzigen, des Blassen, des Matten, 
kurz von der Wirkung ihrer Eigenschaften auf unser Auge, das 
nicht chemischer Natur ist, und dadurch auf unsre Empfindung. 
Denn eine Farbe lässt sich nicht definieren, die erwähnten Eigen- 
schaften allein vermitteln ihre Bezeichnung. Einige Beispiele dieser 
Art erläutert H. Weber Etym. Unters. I S. 94 δ. Nach diesen 
Angaben kann es nicht auffallen, dass verschiedene in einander 
übergehende Farben mit demselben Ausdruck bezeichnet werden: 
man denke an μέλας οἶνος, μελάντερος ἠύτε πίσσα, νῆες μέλαιναι 
und die andern Beziehungen. Es ist schwer zu bestimmen, wo 
die schwarze Farbe aufhöre und die dunkelbraune anfange, 
wenn beide in einander übergehen. Vgl. auch zu m 175. 176. 
So ist auch ἕλιξ eine andere Farbe für die Kühe und eine andere 
für die Augen der Achier gewesen, ja es kann {ix — auch eine 
fette glänzende schwarze Farbe unter Umständen bezeichnet 
haben, wie es oben in dieser Bedeutung aus Kallimachos nach- 
gewiesen wurde. Was nun speciell die Augen der Achaeer betrifft, 
so werden sie schwerlich allesammt einerlei Farbe gehabt 
haben. In seiner Schilderung von der physischen Beschaffenheit 
der Griechen bemerkt G. Bernhardy Gr. Litt. 1? 8. 18 auch die 
“Organisation des griechischen Auges, die vortrefflich beschreibt 
Adamantius Physiogn. Π 24 ὀφθαλμοὺς ὑγρούς, χαροπούς, γοργούς, 
φῶς πολὺ ἔχοντας ἐν αὑτοῖ᾽ εὐοφϑαλμότατον γὰρ πάντων ἐϑνῶν 
τὸ Ἑλληνικόν. Sie wird auch durch die anschauliche Fülle der 
Farbenamen bestätigt, 8. Goethe nachgel. Werke 13, 61 8. Unter 
den angeführten Wörtern gehört χαροπός nachweislich zu einem 
Stamme, der “glänzen, leuchten, brennen’ bedeutet. [Nach Fick 
vgl. Wörterb. ? p. 359 kein Kompositum, sondern von gharap 
funkeln, einer Weiterbildung von ig. ghar glühen = funkelnd, 
feurig.] Ob man in Bezug auf ὑγρούς vorzugsweise ein traditio- 
nelles blaues Auge, das vor allen einen “feuchten Glanz’ hat, 
den Griechen wie den Germanen zu geben habe, das finde ich 
nirgends nachgewiesen, ist auch für unsern Zweck nicht noth- 
wendig: denn das Blau der Augen kann wieder verschieden sein. 
Es befriedigt vielmehr die Erklärung von ἑλίκωπες “mit glänzen- 
den Augen’, da wir in Homers Gebilden überhaupt “mehr Um- 
risg- als Farbenfreude’ geniessen (Anhang zu o 372). Hierher 
werden auch die γναμπταὶ ἕλικες Σ 401 ‘gewundene Glanz- 
sachen’ von Toilettenstücken gehören. [? Vgl. Gerlach im Philol. 
XXX p. 490 4] Ganz dieselbe Erklärung passt nun für die 
ἕλικες βόες, mögen es immerhin rothbraune oder (wie in Immer- 
manns Münchhausen, Berlin 1864 Bd. 1 8. 5 und 8 gesagt wird) 


- 40 — 


‘pfirsichblütene” Stiere sein. Der Dichter nennt sie in seiner 
sinnlichen Umrissfreude “glänzende Rinder’, so dass wir in ἕλικας 
βόας εὐρυμετώπους A 289 ganz das Schillersche “breitgestirnte 
glatte Schaaren” vor uns haben, da ‘glatt’ auch etymologisch 
mit “glänzen’ zusammenhängt: Der Ausdruck erinnert an die 
synonymen Bezeichnungen βόες αἴϑωνες 6 372, βύες ἀργοί Ψ' 80, 
ταῦρος αἴϑων IT 488. Ganz ähnliche, ja noch bedeutendere Stützen 
haben die glänzenden Augen im Dichter selbst. So die im 
Commentar erwähnten φάεα zu πὶ 15 [Ameis übersetzte: Glanz- 
augen], der stabile Versschluss ὄσσε φαεινώ N 3. 7. & 236. 
I 645. P 679. ® 415 und einmal im Versanfang ϑέλξας ὄσσε 
φαεινά N 435, ferner eine Anzahl von Ausdrucksweisen, die alle 
auf den Glanz hinweisen, wie ὄσσε δέ οἵ πυρὶ λαμπετόωντι ἐΐκτην 
A104, τὼ δέ οἵ ὄσσε λαμπέσϑην βλοσυρῇσιν ὑπ’ ὀφρύσιν O 608, 
ἐν δέ οἵ ὄσσε δεινὸν ὑπὸ βλείράρων ὡς εἰ σέλας ἐξεφάανϑεν Τ΄ 11, 
τὼ δέ οἱ ὄσσε λαμπέσϑην ὡς εἴ τε πυρὸς σέλας T 366, πυρὶ 
δ᾽ ὄσσε δεδήειν M 466. Denn das Feuer wird in den homerischen 
Gleichnissen vorzugsweise zur Versinnlichung des Glanzes ge- 
braucht: vgl. B 458. 780 (wo manche an ein “Rauschen” denken, 
wofür ich einen haltbaren Ankntipfungspunkt im Dichter nicht 
entdecken kann). E 7. Θ 563. N 245. 474. O 623. T 379. 
X 134. τ 39. Wo es sich anders verhält und jenes “furchtbar 
wird die Himmelskraft, wenn sie der Fessel sich entrafft” in 
einer bestimmten Richtung vor das Auge treten soll, da wird 
dies jedesmal durch veranschaulichende Zusätze ausdrücklich be- 
merkbar gemacht, wie A 157. # 396. O 605. P 737. T 490 fi. 
Φ 12, am kürzesten in dem Formelverse A 596. Wie aber der 
Glanz des menschlichen Auges als eine charakteristische Eigen- 
schaft nicht selten hervorgehoben wird, so geschieht es auch mit 
den Augen der Götter, wie in δεινὼ δέ ol ὄσσε φάανϑεν A 200 
yon der Athene und ὄμματα μαρμαίροντα Τ' 397 von der Aphrodite. 
Daher sind in γλαυκῶπις ᾿Αάϑήνη (τα α 44) und βοῶπις πότνια 
Ἥρη (zu A 551) und Γυργὼ βλοσυρῶπις (A 36) und ἕλεκο- 
βλέφαρος ᾿ἀφροδίτη (Hesiod. th. 16) nicht diametral entgegen- 
gesetzte Eigenschaften gemeint, wie manche es aufgefasst haben, 
sondern nur verschiedene Nüancierungen desselben Hauptbegriffs. 
Auch Euripides fr. 1036 ed. Wagn. ist mit γλαυχῶπις μήνη ‘der 
mild glänzende Mond’ ganz in der homerischen Anschauung 
geblieben. Vgl. H. Weber Etym. Unters. I S. 96. Selbst im 
Bereiche der Thiere hat die homerische Zeit die ihr aus der 
Götter- und Menschenwelt geläufige Eigenschaft der Augen her- 
vorgehoben. Um von dem eben erwähnten βοῶπις zu schwei- 
gen, denke man nur an ἐν δέ οἵ ὄσσε δαίεται von dem Löwen 
€ 132 und πῦρ δ᾽ ὀφθαλμοῖσι δεδορκώς τ 446 vom Eber, von 
welchem es in gleicher Situation N 474 heisst: ὀφθαλμὼ δ᾽ ἄρα 
οἱ πυρὶ λάμπετον. Aehnlich χαροποὶ λέοντες A 611. Sonst ist aus 


- κα — 


den Verbindungen von ὀφθαλμός etwas specielles für den vor- 
liegenden Zweck nicht zu ersehen, da dieses Wort bei Homer, 
ungeachtet es 116mal vorkommt, doch nirgends ein Epitheton 
bei sich hat. Hiermit denke ich die obige in ihrem eigentlichen 
Kerne von Hugo Weber herrührende Deutung von ἑλίκωπες mehr- 
seitig begründet zu haben. 

99. [Der Infin. Praes. nach πρέν findet sich ausser hier nur 
noch Σ 245. τ 475: vgl. Cavallin de temporum Infinitivi usu 
Homerico quaestiones. Lundae 1873 p. 12. Sonst überall Inf. 
Aor. Vgl. darüber auch Richter quaestiones Hom. Chemnitz 
1876 p. 15.] 

103. In ἀμφιμέλαιναι wollten einige unter den Alten, wie in 
den Scholien hier und zu P 573 bemerkt ist, die Präposition 
trennen und zum Verbum ziehen; und dieses Verfahren wird ver- 
theidigt von Schömann Opusc. II not. 32 und ‘genauer begründet 
von Autenrieth in dem Excurs zu Nägelsbach 5. 203 f. Aber es 
bleibt, wenn man auch trennen will, doch immerhin auffällig, 
dass ἀμφί überall unmittelbar vor μέλαιναι steht. Für die 
Synthesis geben wol ἀμφίδασυς O 309 und die im Anhang zu 
y 95 erwähnten Adjective eine ausreichende Analogie. Die Be- 
deutung des ἀμφί “auf beiden Seiten” ist mit Bezug auf die sinn- 
lichen φρένες gesagt, die aber dann auf das geistige übertragen 
sind, so dass man an das abwechselnde “Auf- und Abwogen’ 
eines im Affecte unruhigen Herzens zu denken hat: demnach 
bezeichnet ἀμφιμέλαιναι nur einen temporären Zustand. Vgl. Doeder- 
lein Hom. Gloss. $ 2153. Nur braucht man nicht mit Doederlein 
an eine Prolepsis zu denken: denn es ist hier das einfachste, 
den Begriff mit 5080]. ABC. ἀπὸ τῆς τῶν ὑδάτων μεταφορᾶς ab- 
zuleiten: vgl. zu ὃ 359. Die Stellen der Spätern, welche μέλας: 
allein oder mit anderen Begriffen componiert in dieser über- 
tragenen Bedeutung gebrauchen, giebt Blomfield im Glossar zu 
Aesch. Pers. 119; Lobeck zu Soph. Ai. 955; M. Lechner de 
Aeschyli studio Hom. p. 14 sq., jetzt auch Autenrieth in seinem 
Excurs 8. 205 ἢ Letzterer hat mich ausserdem brieflich erinnert 
an Ovid. A. A. III 503: “ora tument ira, nigrescunt sanguine 
venae.” Die homerischen Verse citiert auch Aretaeus de causis 
et signis diuturn. morb. I 5 vol. I p. 75 ed. Kühn.; vgl. Herald. 
zu Arnob. I 17 p. 17. Themist. or. XII p. 1724. [Eine pro- 
leptische Auffassung des ἀμφιμέλαιναι, jedenfalls P 83, freilich in 
anderm Sinn, als Doederlein Glossar Nr. 2153 wollte, scheint 
durch folgende Betrachtungen empfohlen zu werden: zunlichst, 
dass das Wort mit φρένες verbunden sich nur bei den Verben 
πίμπλημι und πυκάξω findet, deren Begriff mit dem des Dunkeln 
in naher Beziehung steht und dieser Auffassung im Allgemeinen 
günstig ist, Vergleicht man ferner P 83 Ἕκτορα δ᾽ αἰνὸν ἄχος 
πύκασε φρένας ἀμφιμελαίνας mit 3 294 μὲν ἔρως πυκινὰς φρένας 


2 — 


ἀμφεκάλυψεν (vgl. Γ 442), so scheinen beide Wendungen nur Varia- 
tionen derselben Anschauung zu sein. Wie ist aber dies dupıza- 
λύπτειν gedacht? Zunächst jedenfalls, wie der Gebrauch desselben 
Verbums vom Schlaf und Tode zeigt, von der Einwirkung auf das 
Auge, vgl. P 591 τὸν δ᾽ ἄχεος νεφέλη ἐκάλυψε μέλαινα mit IT 350 
ϑανάτου δὲ μέλαν νέφος ἀμφεκάλυψεν und A356. Wie aber dieser 
äusseren Wirkung auf das Auge eine innere auf die φρένες corre- 
spondierend gedacht wird, zeigt X 165 τῷ δ᾽ ὕπνον--χεύῃ ἐπὶ βλε- 
φάροισιν ἰδὲ φρεσὶ πευκαλίμῃσιν. Nimmt man hinzu, dass von ἔρως 
# 316 gesagt wird περιπροχυϑείς, wie sonst vom Schlaf ἀμφιχυ- 
ϑείς, so zeigen sich überall die entsprechenden Anschauungen: die 
Leidenschaft ergiesst sich wie eine umhüllende Wolke um die 
φρένες und die Wirkung davon wird in entsprechender Weise ge- 
dacht, wie die auf den äusseren Sinn des Auges. Am vollständig- 
sten entspricht dieser Anschauung unter den Stellen, wo φρένες 
ἀμφιμέλαιναι vorkommt, P. 83, wo πυχάξειν verdichten, d. i. 
eng umschliessen, umfangen (vgl. 516 mit σ 160) das ἀμφι- 
μέλαιναι als Folge deutlich vorbereitet. Sind diese Zusammenstel- 
lungen begründet, so wird man die Erklärung der Scholien ἀπὸ 
τῆς τῶν ὑδάτων μεταφορᾶς und die Beziehung auf das unruhige 
Auf- und Abwogen des Herzens im Affect, die Ameis darin suchte, 
aufgeben, andrerseits aber die der unsrigen verwandte proleptische 
Auffassung Doederleins danach so modifieieren müssen, dass die 
specielle Beziehung auf das vor Grimm gleichsam umnachtete Herz, 
die sich P 499 und 573 doch kaum rechtfertigen lässt, aufge- 
geben und ἀμφιμέλας allgemein “von der Leidenschaft umdunkelt, 
umhüllt, umfangen’ gefasst wird. Hoffmann Homer. Untersuch. 
No. 1 ’4upf in der Ilias, p. 9 erklärt ἀμφί steigernd, — dunkel- 
schwarzes Zwerchfell.] 

108. [Zur Auffassung von 106—108 vgl. Zahn Betrachtungen 
über den Bau der homer. Reden. Barmen 1868 p. 11. Ueber 
κρήγυον Schmalfeld in Fleckeisens Jahrbb. Suppl. VII. 302.] Das 
doppelte οὔτε ist die Lesart des Aristophanes und Aristarchos, 
wie aus Didymos hier und zu 553 hervorgeht: vgl. A. Nauck de 
Aristoph. p. 44 not. 46. Franz Spitzner, der irrthümlich den ge- 
nannten zwei Alexandrinern οὐδέ zuschreibt, [so auch La Roche 
in seiner krit. Ausgabe: die besten Handschriften haben οὐδέ τι 
— οὐδ᾽ ἐτέλεσσας] hat das doppelte οὐδέ als “particulam fortiorem” 
im Texte und sucht dafür in A 332 eine Stütze. Beides mit 
Unrecht. Denn nach dem zusammenfassenden ἐσθλὸν δέ, das nach- 
drücklich den Versanfang bildet, ist das doppelte οὔτε offenbar 
besser und einfacher. In 332 aber dient das erste οὐδέ zur An- 
reihung eines ganzen Satzes: bei anderer Gestaltung des Gedankens 
würde dort Asyndeton stehen. Manche finden in dem Verse eine 
Anspielung auf Iphigenie. Mit Unrecht: denn die Opferung der- 
selben ist erst eine Dichtung der Späteren. Nach dem Verfasser 


-- 4 — 


«der Κύπρια hat Agamemnon seine Tochter auf Befehl des Kalchas 
geopfert. 

114. [Die Bedeutung κουρίδιος “ehlich’ erklärt jetzt G. 
Curtius Studien I p. 253 ff, indem er von der W. χὲρ scheren 
ausgeht, aus der nachgewiesenen Sitte, dass das Abscheren des 
Haupthaars beim Mädchen unmittelbar vor der Hochzeit geschah, 
indem dieser eine Hochzeitsgebrauch den Namen für die echte 
feierliche Vermühlung überhaupt abgegeben habe. „Wie νύμφη 
eine engere Bedeutung, Braut, und eine weitere, junge Frau, hat, 
wie unser Braut bald von der verlobten, bald von der schon ver- 
mählten, bald auch im Sinne von nurus gebraucht wurde, so ist 
für κούρη wohl etwas Aehnliches vorauszusetzen. Die engere und 
vollere, aus der erwähnten Sitte hervorgegangene, war Braut“. 
Danach wäre κουρίδιος, dessen Bildung der von νυμφίδιος ent- 
spricht, eigentlich = bräutlich, κουρίδιον λέχος == Brautbett, xov- 
eldıov δῶμα — Brautgemach.] — Vers 115 gebraucht Lucian 
Imagg. e. 22. 

117. Dies hat schon Aristarch bemerkt. Denn was Aristo- 
nikos von ihm überliefert: ἐν ἤϑει γὰρ λέγεται, kann doch nur be- 
deuten, dass der Vers den Sinn und die Stimmung des Agamemnon 
ausdrücke. Daher ist er an das vorige in causalem Sinne eng 
angeschlossen. Vgl. Friedländer zu Ariston. Köchly hat den Vers 
nach Zenodot unter den Text gesetzt. Die Nothwendigkeit des 
Verses erweist auch Düntzer de Zenod. p. 179. — σόον findet sich 
im Aceusativ überall bei Homer, nie σῶν, im Nominativ dagegen 
σῶς, wenn nicht der Vers wie τ 300 σύος erfordert. [La Roche 
schreibt mit Aristarch σῶν, während die handschriftliche Lesart 
σόον ist.] 

129. [Ueber die Lesarten ‚des Zenodot (Τροίην) und des 
Aristarch (Toolnv) handelt Cobet; Miscellan. crit. 1876 p. 252 ἢ, 
er selbst verwirft Τροΐην als ungriechisch und verlangt Towyv]. 

133. Bei ἦ ἐθέλεις, ὄφρ᾽ αὐτὸς ἔχῃς γέρας, αὐτὰρ ἔμ᾽ αὔτως 
ἦσϑαι δευόμενον ist Doederlein trotz seiner Erörterung Oeffentl. Red. 
5. 571 f. doch in seiner Ausgabe wieder zu der bei Nägelsbach 
stehenden Erklärung zurückgekehrt: ὄφρα ut ex ἐθέλεις pendet ut 
4 465 ex λελιημένος coll. Z 361; post αὐτὰρ in infinitivum ἦσϑαε 
transit structura, quasi praecedat ἦ ἐϑέλεις αὐτὸς μὲν ἔχειν ylgag. 
Aber dagegen hatte Joh. Classen Beobacht. I 8.26 (in der Samm- 
lung Frankfurt 1867 8. 37 £.) mit Recht eingewendet: ‘die ange- 
führten Beispiele eines ὄφρα nach ἐπέσσυται ϑυμός und λελιημένος 
vermögen doch wahrlich nicht das Unerhörte nach ἐθέλω zu recht- 
fertigen.” Hierzu kommt, dass nicht der geringste Grund erkennbar 
ist, warum der Dichter für diesen Sinn nicht das trefflich passende 
αὐτὸς μὲν ἔχειν γέρας gewählt haben sollte. Die von Bekker Hom. 
Blätter 5. 272 erwähnten Beispiele von einer Abwechselung der 


_- MM — 


Construction sind anderer Natur und lassen sich aus dem jedes- 
maligen Zusammenhange begründen. Vgl. zu jenen Stellen den 
Commentar. In Erwägung dieser Sachlage nun haben Andere 
(wie J. H. Voss, M. Axt Coniect. Homer. p. 3, Bäumlein Ueber 
Griech. Part. "8, 51) das ὄφρα im Sinne von “dum, während, 
so lange als’ verstanden, wozu man den Nebensatz in II 653 
vergleichen könnte. Aber dieser Erklärung stehen zwei Gründe 
entgegen: erstens was Bekker Hom. Bl. 5. 271 bemerkt: ‘soll es 
für ἕως stehn, so ist ὄφρα — αὐτάρ, anstatt ὄφρα — τόφρα δέ, 
unerhört,’ und zweitens die Erinnerung von Heyne, dass dann 
der Conjunctiv ἔχῃς unerklärbar sei und dafür der Indicativ stehen 
müste [?]. Ich halte es daher für das beste, ὄφρα mit Eusta- 
thius nach dem Vorgang der Scholien als Absichtspartikel aufzu- 
fassen: den Grund für diesen mit Nachdruck vorausgehenden Ab- 
sichtssatz glaube ich im Commentar richtig angegeben zu haben. 
Joh. Classen bemerkt mit Recht: “Nach dieser Auffassung be- 
hält ἐθέλω seine einzig mögliche Structur; ὄφρα bleibt in seiner 
constanten Bedeutung” Hierzu kommt, dass der Gedanke durch 
die Voranstellung des Absichtssatzes und die dadurch bedingte An- 
wendung des αὐτάρ, das den Gegensatz scharf hervorhebt, an Kraft 
und Lebendigkeit gewinnt. Auch dies hat Joh. Classen schon an- 
gedeutet. [In diesem Finalsatze fasste Ameis. αὐτός —= allein 
und erklärte: ‘damit du allein eine Ehrengabe habest’; aber dies 
allein entspricht doch den Verhältnissen nicht, da ja auch andere 
Fürsten solche Ehrengaben haben: vgl. 138. Agamemnon sieht 
in dem Versprechen, dass die Achaeer ihm bei der Einnahme Troja’s 
reichen Ersatz geben würden, eine nichtssagende Vertröstung auf 
eine unsichere Zukunft, andrerseits leitet er die Erklärung Achills, 
dass es augenblicklich unmöglich sei Ersatz zu schaffen, aus dem 
selbstschtigen Motive ab, Achilles fürchte, wenn Agam. sofort 
entschädigt werden solle, sein γέρας zu verlieren. Nur wenn wir 
demgemäss mit Franke-Faesi ὄφρ᾽ αὐτὸς ἔχῃς verstehen: damit du 
selbst deine Ehrengabe behaltest, so dass darin die Replik auf 
die Worte des Achill 124—26 enthalten ist, ergiebt sich ein für 
den Zusammenhang befriedigender Sinn. Dann sagt Agam. im 
Hauptsatze in Bezug auf die Zusage einer späteren reichlichen Ent- 
schädigung: „Deine wirkliche Absicht, wenn du mich aufforderst 
die Chryseis zurückzugeben ist, dass ich eben dauernd der Ehren- 
gabe entbehren soll“, während der nachdrücklich vorangestellte 
Finalsatz als Motiv dafür die Furcht, bei einer augenblicklichen 
Entschädigung sein γέρας zu verlieren, angiebt. Den Nachdruck, 
den die Voranstellung des Finalsatzes giebt, wird man in der Ueber- 
setzung zum Ausdruck bringen können, wenn man vor der finalen 
Conjunction ein nur einsetzt] Von Aristarch hat Aristonikos zu 
133. 134 überliefert: ἀϑετοῦνται, ὅτι εὐτελεῖς τῇ συνϑέσει καὶ τῇ 
διανοίᾳ καὶ μὴ ἁρμόξοντες ᾿Δγαμέμνονι. Dies “geringhaltig und für 


- 45 — 


die Person des Agamemnon nicht passend’ dürfte in die Kategorie 
der zu 31 und 39 erwähnten Urtheile gehören. Indes sagt auch 
Bekker am Schluss: 188 und 134 gestrichen, so dass ἀλλά 135 
sich an die Negationen in 132 anschliesst, lassen sie den Zusammen- 
hang deutlicher, die Rede runder’ Aber Agamemnon will eine 
starke Replik geben und muss doch den Gedanken des Achilleus 
127 hier wiederholen, um ihn widerlegen zu können. [αὔτως erör- 
tert Funk auf Homer Bezügliches. Friedland 1851 p. 12 ἢ] 

139. Bekker hat den Vers mit Aristarch, dem schon Bentley, 
Heyne, Payne-Knight zugestimmt haben, athetiert, und Köchly ist 
nachgefolgt. Aber der Anstoss schwindet, wie ich meine, wenn 
man die Interpunction entfernt, nach welcher gewöhnlich mit ἢ 
Ὀδυσῆος ein neuer Satztheil anfingt. Man hat vielmehr nach 
ἕλωμαι 137 ein Kolon zu setzen nach dem Vorgange von J. H. 
Voss (Krit. Blätter IS. 179) Freytag und Doederlein. Freytag sagt 
bloss: “Post ἕλωμεν colon posuimus, ut suum utrique membro esset 
verbum’, Doederlein aber bemerkt in seiner Ausgabe genauer: “Ita 
et distinguitur medium ἐλέσϑαι, deligere iudicio, ab activo ἑλεῖν, 
capere mamı, et tollitur tautologia, quae inest in ἑλών post ἕλωμαι, 
et augehur imperiosus orationis color.” Vgl. auch denselben Oeffentl. 
Red. p. 352. Man kann beifügen, dass nach der gewöhnlichen 
Interpunction wie bei ἕλωμαι so auch bei ἄξω ein κέν stehen müste. 
[Der von Doederlein angenommene Unterschied des Med. αἱρεῖσϑαι 
und des Act. αἱρεῖν wird hinfällig durch die Vergleichung von 
324, wo bei gleichem Gegensatz zu διδόναι, ἕλωμαι nach der Situation 
nur gefasst werden kann: ich werde mir nehmen; gerade der 
Gegensatz zu διδόναι lässt auch kaum jene Auffassung zu, das 
Medium mit αὐτός dient eben zum Ausdruck des eigenmächtigen 
Verfahrens, vgl. auch A 299—301. I 367—68. Durch diese ver- 
änderte Auffassung wird auch die Frage der Interpunetion nach 
ἕλωμαι beeinflusst. So wenig das Partieipum ἰών zu ἕλωμαι in 
der Bedeutung wählen passen würde, so gut schliesst es sich 
an dies Verbum an, wenn es gefasst wird: sich nehmen. Andrer- 
seits von dem vorhergehenden Verbum gelöst und nun zu dem 
folgenden ἄξω gezogen, welches überdies schon in ἑλών ein aus- 
führendes Partieipium bei sich hat, steht es auffallend isoliert. Ferner 
legt die Stellung von γέρας am Schluss des zweiten Gliedes von 
97—n es nahe hier den vorläufigen Abschluss des Gedankens an- 
zunehmen und mit dem dritten ἤ eine neue selbständige Aufnahme 
des Gedankens beginnen zu lassen, wie ja häufig ein mit 7 sich 
anschliessendes neues Gedankenglied sich selbständiger gestaltet. 
— Zu der veränderten Auffassung des κέν beim Conjunctiv vgl. 
ausser Philologus XXIX p. 137 ff. jetzt auch: Syntaktische Forsch- 
ungen von B. Delbrück und E. Windisch: I. Bd. Der Gebrauch 
des Conjunctivs und Optativs im Sanskrit und Griechischen von 
B. Delbrück. Halle 1871, p. 84, auch 125.] 


46 — 


142. ἐν δ᾽ ἐρέτας, statt des handschriftlichen ἐς δ᾽ ἐρέτας, 
ist die Lesart des Aristarch hier und 309, wodurch zugleich das 
rhetorische Gesetz der Abwechselung zur Geltung kommt, nemlich 
mit ἐν δέ ἐς δέ ἂν δέ. Ueber diesen Gebrauch des ἐν vgl. zu 441. 
593. B 175. y 472, und den Anhang zu ı 159. 

156. Statt des bei Homer isolierten μεταξύ hat Bekker aus 
Conjectur μεσηγύς in den Text gesetzt und diese Neuerung in Hom. 
Blätter $. 212 f. vertheidigt. Hiergegen spricht mit Recht W. C. 
Kayser im Philol. XVIII 8. 669 ἢ, indem er μεταξύ als die all- 
seitig gut bezeugte Lesart erweist, [auch Bergk griech. Literatur- 
gesch. I p. 367, Mommsen Entwicklung einiger Gesetze p. 36, 
Friedlaender Index lectt. Regimont. Hiem. 1859 p. 3.] Man kann 
in Bezug auf Bekker beifügen, dass der Dichter statt der ‘poetischen 
und alterthümlichen Form’ μεσηγύς hier absichtlich einmal die mehr 
‘prosaische’ gewählt habe, weil er die Worte πολλὰ μεταξύ wahr- 
scheinlich aus ‘dem alltäglichen Gebrauch seiner Zeit’ entlehnte, 
wo sie bereits als Sprichwort im Munde des Volkes lebten. Das 
kann wenigstens aus dem in späterer Zeit sprichwörtlichen Gebrauch 
unserer Stelle, der sich namentlich in πολλὰ μεταξύ eoncentriert, 
geschlossen werden. Auch das bekannte Sprichwort πολλὰ μεταξὺ 
πέλει κύλικος καὶ χείλεος ἄκρου, das von dazwischen tretenden Hinder- 
nissen gebraucht wird (vgl. Corp. Paroem. Gr. I p. 148 und 
294, Il p. 84 und 617 ed. Leutsch et Schneidewin), hat seinen 
Anfang sicherlich aus unserer Stelle entlehnt. Wird doch sogar 
der ganze Vers von Michael Hamartolus in Boissonade's Anecd. 
IV 455 dem Homer beigelegt: was wohl jeder als ein Zeugniss 
für das Alter des Verses betrachtet. Sodann haben am Schlusse 
des Verses einige Handschriften und die Baseler Ausgabe Komma. 
Dies habe ich mit Voss Krit. Blätter I S. 179; Aulin de usw 
epexegesis in Hom. carm p. 8 und Bekker Hom. Blätter 5. 229 
ebenfalls gesetzt, so dass der folgende Vers als specielle und aus- 
führliche Erklärung des ἦ μάλα πολλά zu betrachten ist. Zu dieser 
Epexegese eines pronominalen oder adjectivischen Neutrum vgl. 
man unter andern ἡ 264. 265 (bei manchen auch « 304) und 
α 151. 152. β 306. 307. ὃ 745. 746. 9 544. 545. ı 109. 
110. 238. 239. 511. 512. » 14. 15. A 381. 382. μ 424. 1 442. 
443. 591. 592. A 244. 245. Σ 400. 401. 511. 512. T 332. 333. 
Ueber das im Gedanken liegende ἐστί, das in Verbindung mit 
μεταξύ nicht logische Copula sondern selbständiges Verbum von 
realem Inhalt ist, vgl. zu 4 416 und O. Schneider zu Isokr. Panegyr. 
5, 2. Dies zu Kr. Di. 62, 2. 3. 4. 

157. σκιόωντα, statt des gewöhnlichen σκιόεντα, ist die Ari- 
starchische Lesart, die J. La Roche Hom. Textkritik 5, 348 wie 
mir scheint nicht gewürdigt hat. Es sprechen hier für σκιόωντα 
zwei Gründe. Erstens wird dadurch die Schilderung lebhafter. 
Man denkt nemlich bei der Vorstellung des weiten Raumes zwischen 


-- 41 — 


Phthiotis und Troia zugleich an die langdauernde Schiffahrt, wie 
oft man auf der nördlichen Wasserstrasse an Inseln vorbeikommt, 
deren Berge ihre wechselnden Schatten werfen, und wie oft 
man auf dem ‘vielrauschenden Meere’ das δύσετο τ᾽ ἠέλιος 
σκιόωντό τε πᾶσαι ἀγυιαί (m β 388) erleben muss. [Ὁ] Zweitens 
bildet σκιόεντα sonst überall den Versschluss, nirgends steht es im 
ersten Hemistichion. Vgl. die Stellen im Anhang zu « 365. 

164. Nägelsbach ist geneigt, (mit Heyne und einigen andern 
nach dem Vorgange des Zenodoi) unter Τρώων πτολίεϑρον Troia 
selbst zu verstehen, indem er die Ergänzung οὐδ᾽ ἕξω für möglich 
hält. Aber dieser Erklärung widerstreitet zunächst das doppelte 
ποτέ (163 und 166) und ὁππότε (163): denn beide Partikeln können 
nicht von einem einmaligen Factum gesagt werden. Daher war 
es auch nicht nöthig 164 und 166 den iterativen Optativ zu setzen. 
[Neben dem iterativen Praesens im Hauptsatze ist im Nebensatze 
der Conjunetiv mit oder ohne ἄν Regel: vgl. H. Ὁ. Müller Syntax 
der griech. Tempora. Gött. 1874 p. 47 Sodann lässt sich bei- 
fügen, dass in der gleichmässigen Sprache Homers von Troia selbst 
niemals Τρώων mit πτολίεθρον, sondern stets Τρώων mit πόλιες sich 
findet, vgl. B13. 29. 44. 0 52. 1412. 482. & 88. 251. 1169. 
708. 7 60. Φ 584. γ 85. ὃ 249; πτολίεϑρον dagegen von Troia 
gesagt findet sich nur in Verbindung mit Ἰλίου, wie B 133. 4 88. 
Θ 288. N 380. ® 433 und Ἴλιον mit appositivem πτολίεϑρον 
I 402; sonst bleibt es als selbstverständlich wie 4 239 ohne 
Zusatz, was B 367 auch von πόλις gilt. Einen dritten Grund 
gegen Troia erwähnt Düntzer Aristarch 5, 17 not. 3, nemlich 
“weil Agamemnon in Troia vielmehr Sühne (τιμή), als eine reiche 
Beute für sich als Ehrengeschenk erwartete’ Endlich wider- 
streitet fener Auffassung der ganze Zusammenhang. Denn Achil- 
leus spricht von 152 an über seine früheren Erlebnisse, und 
daran schliesst er 169, was er in der nächsten Zukunft thun wolle. 
Von “einer Stadt der Troer” versteht die Stelle auch G. Auten- 
rieth bei Nägelsbach. — Vers 167. Themist. or. XXII p. 270°. 
— Vers 168. Zu ἐπεί κε κάμωσιν vgl. J. La Roche Hom. Text- 
kritik 8. 294 ἢ — Vers 170. Die richtige Erklärung der 
Stelle giebt schon F. A. Wolf. Verm. Schrift. (Halle 1802) 
8. 368 ἢ 

175. [Auf diese Ironie hat aufmerksam gemacht L. von 
Hoermann Untersuchungen über die homer. Frage I. Innsbruck 
1867 p. 46.] 

177. So scheint der Vers erklärbar zu sein. Zenodot (vgl. 
Bekker Schol. Iliad. p. III) und Aristarch (nach Aristonikos) haben 
ihn athetiert mit Beistimmung von Payne-Knight, M. Haupt 
Rhein. Mus. 1846. IV 8.270; Nitzsch. Sagenp. 8. 150 und Köchly, 
der noch 175 und 178 hinzugenommen hat [auch Benicken de 
Niadis libro primo Berlin. 1868 p. 9.]; Bekker aber und Doederlein 


-- 48 — 


haben den Vers unangetastet gelassen. — 179. [Nach Mommsens 
Beobachtungen (Entwicklung einiger Gesetze etc. p. 37) gehen 
bei Anknüpfung eines aus persönlichen und sachlichen Substantiven 
gemischten Objects bei σύν immer die sachlichen voran: so ausser 
hier 4183. E 641. Π 382. (4 162). α 182. ὃ 175. y 323. 369. 
ı 1121 — Vers 185. Zu ὄφρ᾽ ἐὺ εἰδῇς vgl. Fritasche Quaest. Luc. 
p. 71 sq. In diesem Verse kommen sämmtliche Redetheile vor, 
wie in dem lat. Verse vae tibi ridenti, quia mox post gaudia 
flebis. — 188. Plutarch. Coriolan. ὁ. 32. [Die folgende Scene 
188—222 sucht als eine spätere Zudichtung zu erweisen Bischoff 
im Phil. XXXII p. 568 fl. Vgl. dagegen Düntzer hom. Fragen 
p. 198 6] — 189. Vgl. Galen. de Temperam. II 6 p. 624: εἰ 
μὲν γάρ τις ἱκανῶς εἴη δασὺς τὰ στέρνα, ϑυμικὸν ἀποφαίνονται. — 
197. Stat. Ach. I 162. — Vers 200 erwähnt auch Heliodor. ΠῚ 18. 

212. [212—214 werden verworfen von Düntzer Aristarch 
p- 21 ἢ, vgl. denselben homer. Fragen p. 198, wo auch 211 für 
unecht erklärt wird] — 218. [Für αὐτοῦ vermuthet Doederlein 
öffentl. Reden Frankf. 1860 p. 361 αὖ τοῦ — eine, wie ich 
glaube, unnöthige Conjectur, vgl. jetzt die Anmerkung im Commentar.] 

222. [Ueber die an die Worte μετὰ δαίμονας ἄλλους vgl. 424 
sich knüpfenden Bedenken vgl. die Einleitung p.14f. 20. Die Be- 
deutung von δαίμων ist neuerdings erörtert ‚von Kröcher der home- 
rische Dämon. Stettin 1876.] 

223. [Ueber ἀταρτηρός vgl. jetzt auch Clemm in Curtius 
Stud VIII p. 86: zu ß 243.] 

225. οἰνοβαρές erwähnen Plat. de rep. III 3 p. 389°; Lucian 
Encom. Demosth. c. 5 und Fugit. c. 30. Die Stellen, wo Homer 
die Trunkenheit tadelt, giebt gesammelt Athen. I p. 10 c. 18. 
Zu ἔλαφος als Sinnbild der Feigheit und Schüchternheitevgl. die 
von Freytag citierten Lobeck Aglaoph. II p. 895 not.; Lessings 
Werke Bd. XVII $. 208 ff. Die allgemeine Anschauung vom 
Hirsch giebt Oppian. Cyneg. II 182: ἀβληχρὸς κραδίη καὶ ϑυμὸς 
ἔσωϑεν ἄναλκις. [Bergk griech. Literaturgesch. I p. 369. 371 ver- 
weist auf die in uralter Volkssage sich findende Vorstellung, dass 
der Hirsch kein Herz habe.] 

231. [Nach Mangold in Curtius Stud, VI p. 403 ff. ist δῆμος, 
von W. de —theilen, ursprünglich aufgetheiltes, unter die 
Mitglieder einer Genossenschaft vertheiltes Land. Daraus er- 
giebt sich die Bedeutung des Gemeindeguts überhaupt: τ 197, 
4704. vgl. P250; damach ist δημοβύρος βασιλεύς nicht ein volk- 
fressender König, sondern ein König, der das Gemeindegut ver- 
zehrt: “und dies kommt ihm zu. Der Tadel liegt nur darin, dass 
er weiter nichts thut; dass in δημοβόρος an sich kein Tadel liege, 
beweist schlagend das davon abgeleitete καταδημοβορέω Σ 301, 
er soll es dem Volke geben, damit es als Gemeindegut verzehrt 
werde] 


-- 9 — 


234. Dass τὸ μέν nicht Relativ, sondern Demonstrativ sei 
und dass man daher vor demselben eine stärkere Interpunction zu 
setzen habe, darüber vgl. man Nägelsbach zu dieser Stelle und 
Fr. Otto Zur Lehre vom Relativpronomen bei Homer. II (Wies- 
baden 1864) 8.6. So B 101.145. E 893. Καὶ 440. O 40. Π 141. 
284. 131, T 92. Ψ 828, 808. 4) 391. 435. ε 130. ı 320. χ 300. 
388. 422 und anderwärts. Ebenso steht das Demonstrativ nach 
einem Conjunctivsatze, worüber die Note zu ε 369 zu vergleichen 
ist. .Die selbständige Kürze ναὶ μὰ τόδε σκῆπτρον [vgl. darüber 
Autenrieth bei Nägelsbach hom. Theol. p. 234] ist gerade für den 
Zorn bezeichnend, da dieser nicht selten die Worte kürzt und dann 
anderswobin leitet, wie es hier geschehen ist.[?] In dieselbe Kate- 
gorie einer zornvollen Sprache gehört 231, wo Doederlein einen 
Anstoss nimmt, den hoffentlich die Note des Commentars beseitigt 
haben wird. Ueber den Schwur vgl. zu $ 158. Zum Schwure 
bei dem Scepter vgl. auch Valer. Flace. ΠῚ 707 ff. Stat. Theb. 
VI 552. 

245. [Einen spätern Ursprung von 245—304 sucht P. 
La Roche im Philol. XVI p. 41 ἢ, zu erweisen, vgl. dagegen 
Düntzer Aristarch p. 27 f. 33 81] — 249 berücksichtigen auch 
Lucian Imagg. c. 13; Themist. or. XVI p. 2094, or. XXVII p. 3344, 
Vgl. auch auet, ad Herenn. IV 33. Rhet. Gr. VII p. 5 ed. Walz, 
Uebersetzt von Cic. de senect. 10. Zu 250 vgl. Juvenal. X 246 ἢ 
Plutarch. Cat. mai. ὁ. 15. — 255. Vgl. auch Sopater in Rhet. 
Gr. IV p. 744 ed. Wal. — Vers 259. ἀλλὰ πίθεσϑ᾽᾽ ἄμφω δὲ 
ψεωτέρω ἐστὸν ἐμεῖο. “Achnlich sagt der Poet bei Shakespeare im 
Jul. Caesar IV 3 zu den streitenden Brutus und Cassius: “Liebt 
euch, wie sich’s für solche Männer schickt, fürwahr, ich hab’ mehr 
Jahr’ als ihr erblickt”” G. Schimmelpfeng. 

260. Wolf und Spitzner [jetzt auch La Roche] haben das 
Aristarchische [in den besten Handschriften gelesene] ἡμῖν aufge- 
nommen, das auch Düntzer de Zenod. p. 94 und in seinem Ari- 
starch 8. 36 gebilligt hat; dagegen sind Bothe, Freytag, Bekker, 
Doederlein zu Zenodots (schon von Voss Krit. Blätter I 8. 187 
vertheidigter) Lesart ὑμῖν zurückgekehrt, [Diese vertheidigt auch 
Cobet Miscellan. erit. 1876 p. 229 f.] Dieselbe ist wahrschein- 
lich, wie Bergk in der Zeitschr. f. ἃ. A. W. 1851 5. 524 unter 
Vergleichung von Dio Chrysost. Or. LVII p. 654 bemerkt, auch 
“in die alten Vulgärtexte aufg@kommen gewesen.” Daher findet 
sie sich auch bei Plutarch T. III p. 198 ed. Wyttenb.; Philemon 
ed. Osann p. 136; Hesych. I p. 1603; Eustath. p. 99, 43; im 
Paraphr. Bekkers, bei Maximus Planudes in Bachm. Anecd. II 
p. 76. Und dies nicht mit Unrecht. Denn Nestor ist laudator 
temporis acti, indem er die Vorzüglichkeit der früheren. Ge- 
schlechter im Gegensatz zu dem gegenwärtigen hervorhebt und 
dabei sich selbst zu jener Vergangenheit rechnet. MitRecht sagt 


Anhang zu Ameis, Homers Ilias I, 4 


-- 50 — 


daher Bekker Homer. Blitter 8. 266* Folgendes: ὑμῖν mit Zeno- 
dotos, weil es als das natürlichste zunächst liegt und weil der 
ἐφύβριστος λόγος [bei Aristonikos], den ἡμῖν vermeiden soll, nicht 
nur gemäss ist der gar nicht überbescheidenen Weise, wie Nestor 
der Thaten seiner Jugend gedenkt, z. B. H 150. A 748. #632, 
sondern auch gleich in Vers 262 ff. wiederkehrt. "Ueberdies ist 
ἡμῖν soviel als ἐμαυτῷ καὶ ὑμῖν: aber dullnoe ἐμαυτῷ darf für 
unerhört gelten zu einer Zeit, wo man nicht einmal spricht mit 
sich selbst, sondern höchstens πρὸς &0v ϑυμὸν ἕκαστος. Stösst sich 
doch auch Niemand an πίϑεσϑε καὶ ὕμμες 274 und verlangt das 
communicative ἀλλ᾽ ἄγεϑ᾽ ὡς ἂν ἐγὼν εἴπω πειϑώμεϑα πάντες Die 
beiden ersten Gründe hat auch Payne-Knight nachdrücklich geltend 
gemacht. Den Zusammenhang der ganzen Stelle hat Freytag richtig 
also angegeben: ‘Illi, etsi vobis fortiores erant, mihi obtemperabant; 
quin vos quoque, illis deteriores, mihi obtemperate. Ebenso Nägels- 
bach. Ueber die ganze Rede des Nestor, woran manche Anstoss 
nehmen, giebt Düntzer Aristarch 8. 29 unter anderm folgende gute 
Bemerkung: ‘Sowohl Achilleus als Agameınnon betrachten die Sache 
von ihrem rein persönlichen Standpunkte; die vor Allen stark ins 
Gewicht fallende Rücksicht auf das allgemeine Beste muste hier 
den Streitenden von anderer Seite entgegengehalten werden, und 
wer hätte das eher thun können und müssen als der weise Pylier, 
den auch Agamemnon von allen Fürsten am höchsten ehrte (B 21), 
dessen milde Weisheit am ersten auch auf Achilleus wirken konnte. 
Hierbei gewann der Dichter zugleich den grossen Vortheil, dass 
er diese so bedeutende Persönlichkeit gleich am Anfange seines 
Gedichtes hervortreten lassen und für das ganze folgende Gedicht 
in ihrer Eigenthümlichkeit lebendig hinstellen konnte” — Vers 
261. Ueber die Ableitung von ἀϑερίξειν vgl. G. Cuxtius Etym.? 
8. 232 Nr. 316. [*p. 257.] 

262. [Ueber ein nach dieser Stelle und φ 295—302 anzu- 
nehmendes vorhomerisches Lied vom Kampf der Lapithen gegen 
die Kentauren vgl. Nitzsch Beiträge zur Gesch. d. ep. Poesie 
p. 152 £] 

265. Der Vers fehlt im Venetus und vier anderen Urkunden 
[mehr bei La Roche krit. Ausg.]. Nach Wolf Proleg. p. XXVII und 
in der praef. Iliad. p. XLVII soll er erst sehr spät aus Hesiod. 
scut. 182 eingefügt sein. Vgl. die ähnlichen Beispiele bei Lehrs 
de Arist.? p. 358 Nr. V. Die Athener nemlich treten bei Homer 
noch sehr zurück, und Theseus wird nur noch ἃ 322 erwähnt. 
Vielleicht haben wir auch hier wie A 631 ein patriotisches Ein- 
schiebsel von einem Atheniensischen Rhapsoden. Vgl. Nitzsch 
Beitr. zur Gesch. der ep. Poesie 5, 165. Indes vertheidigt den 
Vers Voss Krit. Bl. 5. 188, indem er als Zeugen anführt Dio 
Chrysost. or. LVII und Eustathios p. 75, 42 τόν τε Πειρίϑοον καὶ 
τὸν Ἐξάδιδν παρεισοδιάξει καὶ τὸν Καινέα καί τινα Πολύφημον καὶ 


-- δι — 


ἄλλους mit dem Zusatze, dass hier unter ἄλλους nur Dryas und 
'Theseus verstanden werden könnten. Voss hätte auch noch Pausan. 
X 29, 4 hinzufügen können: vgl. Lehrs Epimetra zu Arist. ed. II 
8. 449*. Auf die Stelle des Pausanias hat schon Naeke Opusc. 
I p. 267 aufmerksam gemacht. — In 267 hat Bekker statt der 
Veberlieferung καρτίστοις ἐμάχοντο aus einem rhythmischen Grunde 
καρτίστοισι μάχοντο gegeben, wie schon K. Grashof Zur Kritik des 
homerischen Textes (Düsseldorf 1852) 5. 28 wollte unter Ver- 
gleichung von Ο 385. 711. Aber hiergegen bemerkt W. ©. Kayser 
im Philol. XVII 5. 687 not. 44 mit Recht, dass es dem Sünger 
erlaubt gewesen sei, “um die gleiche Stärke der Genossen, mit 
denen Nestor verkehrte, und ihrer Gegner nachdrücklich hervor- 
zuheben, dasselbe Wort nicht bloss zu wiederholen, sondern auch 
mit einer gleichen Silbenzahl wiederkehren zu lassen. Καρτίστοις 
bezeugt mit den Handschriften das Citat des-Dio Chrysost. LVII 
T. ΠῚ p. 181 ed. Dind.” — 276. [ἐάω erörtert nach Etymologie und 
Bedeutung Kraushaar in G. Curtius Stud. II p. 429—433.] — 
Vers 278. Zu οὔ ποϑ᾽ ὁμοίης vergleiche man besonders denselben 
Gebrauch in den Formeln οὐχ ὁμοῖος und οὐκ ἴσος bei Thukydides 
135, 4. 1120, 4. 1 148, 2; auch od τῇ αὐτῇ ὀργῇ I 140,1. — 
Vers 280 bis 284 hat, Bekker aus Conjectur athetiert. 

282. Das αὐτὰρ ἐγώ γε wird in der Erklürung der Neuern 
entweder unhomerisch gepresst oder das αὐτώρ wird im Sinne 
eines erklärenden γάρ gefasst (wie auch B 599), was sprachlich 
unmöglich. Daher bemerkte G. Autenrieth zu Nägelsbach: ‘Man 
erwartet überhaupt etwas anderes als der folgende Vers besagt. 
Die ganze Stelle scheint desperat.” Jetzt urtheilt derselbe anders, und 
mit Benutzung seiner brieflichen Mittheilung habe ich Folgendes 
zu bemerken. Das αὐτὰρ ἐγώ γε “doch ich wenigstens” oder 
“ich dagegen’ bildet überall den Gegensatz zu einer andern Person 
oder Sache: O 401. N 244. α 215. γ 182. ἡ 275. 8 310. ı 431. 
» 49. 438. o 491. ρ 389. τ 409. So ist auch hier σὺ δέ und 
αὐτὰρ ἐγώ γε mit epischer Unmittelbarkeit in einen naiven 
Gegensatz gebracht. Der Zusammenhang des Ganzen, in dem man 
den Charakter der mündlichen Rede treu wiedergegeben und 
namentlich dem alten Nestor entsprechend findet, ist folgender. 
Nach der Begründung seines Auftretens 260 bis 273 wendet sich 
Nestor zunüchst wieder an Beide, wie 257 bis 259; dann mit μήτε 
275 und μήτε 277 an Agamemnon und Achilleus einzeln. Jenen 
erinnert er an das, was er seinem eigenen Charakter (ἀγαϑός weg 
ἐών) und der Rücksicht auf die Achier (276) schuldig ist, appel- 
liert also an dessen Billigkeitsgefühl; den Achilleus dagegen er- 
innert er an seine Stellung gegenüber dem regierenden König und 
Oberfeldherrn (278 bis 281). Hiermit darf aber Nestor nicht 
schliessen, weil es sonst aussehen würde, als wolle er doch noch 
am Ende mehr dem Agamemnon Recht geben. Darum muss er 

4* 


-- 2 


sich nochmals an Agamemnon wenden 282 ff., und diess geschieht 
zunächst mit der direeten und scharfen Mahnung zur Selbst- 
beherrschung: ‘Du, Atreide, zähme deine leidenschaftliche 
Erregtheit’ oder ‘zügele deine Hitze’. Nachdem er aber dem 
Hitzkopf Agamemnon diess in allgemeinem und dadurch um 
so wirksamerem Ausdruck vorgehalten hat, fühlt er selbst die 
Stärke dieser Aufforderung, die den Agamemnon beschämen muste, 
deshalb unterbricht er sich gegensätzlich und stellt ihm bittweise 
als wichtigsten Factor, als Rücksicht der Klugheit, die Unentbehr- 
lichkeit des Achilleus entgegen. In gewöhnlicher Prosa würde der 
Gedanke lauten: ‘Doch ich meinerseits bitte dich nur, ruhig und 
leidenschaftslos zu erwägen, dass der Held Achilleus als Schutz- 
wehr für alle Achäer unentbehrlich sei, du musst dich demnach 
mit ihm aussöhnen.’ In der epischen Unmittelbarkeit aber heisst 
diese Rede: ‘doch ich meinerseits bitte dich nur um Aus- 
söhnung mit dem Achilleus, da du, wenn gleich πλεόνεσσιν ἀνάσ- 
σῶν, doch nichts ausrichten wirst ohne den, ὃς μέγα πᾶσιν ἕρκος 
᾿Δχαιοῖσιν πέλεται. Diesen Gedankengang im Abschluss haben schon 
die Schol. BL. leise angedeutet: πρὸς δυσώπησιν μὲν ἰδίαν ὁρίξεται 
χάριν, ὡς ὑπερέχοντα δὲ παρακαλεῖ, ὑψοῖ δὲ καὶ "Ayıllla ὡς δίχα 
αὐτοῦ οὐδὲν ὄντων τῶν ἄλλων ᾿Αχαιῶν. [Der von Ameis angenommene 
doppelte Gegensatz von ἐγώ γε zu σύ und zugleich von λίσσομαι (bitte 
nur) zu der im vorhergehenden Imperativ enthaltenen “directen 
und scharfen Mahnung” zur Selbstbeherrschung ist logisch schwer 
zu vereinigen. Ueberdies darf man in λίσσομαι, das doch ein starker 
Ausdruck des Bittens ist, gewiss keine Abschwächung der vorher 
im Imperativ ausgedrückten Aufforderung oder Bitte sehen, eher 
eine Steigerung. Weiter kommt in Betracht, dass, während der 
Inhalt der Bitte im Wesentlichen kein anderer ist, als der des 
vorhergehenden Imperativs, aller Nachdruck auf dem in dem Re- 
lativsatz enthaltenen Motiv liegt, wobei auch zu beachten ist, dass 
Nestor nachdrücklich statt des Pronomens, welches er vorher 275. 
281 gebraucht hat, hier den Namen selbst ᾿Δχιλλῆι setzt. Schwindet 
damit die Möglichkeit das betonte ἐγώ γε mit Nägelsbach zu ver- 
stehen: ich “Nestor (ἃ. i. kein schlechter Mann) bin es, der dich 
bittet”, weil eine solche Hervorhebung des Subjects mit dem Nach- 
druck, der auf’4yıAlajı und dem folgenden Relativsatz ruht, unver- 
einbar ist, so bleibt nur die Möglichkeit eines Gedankenzusammen- 
hangs der Art, wie ihn Zahn a. 0.p. 29, absehend von dem ihm 
sehr störenden αὐτὰρ ἐγώ γε, verlangt: “Atride, gebiete deinem 
Zorn, ja ich flehe dich an, dem Achill deinen Groll zu opfern, 
der....’, d. i. (indem das Hauptmotiv in den Inhalt der Bitte 
in lebhafter Weise verflochten ist), zu bedenken, dass es Achill, 
der Hort der Achaeer ist, dem du deinen Groll opfern sollst. Was 
aber die Schwierigkeit betrifft mit diesem Gedankengange die ver- 
bindenden Worte αὐτὰρ ἐγώ γε in Einklang zu setzen, so muss 


-- δ — 


man vor allem die Meinung aufgeben, dass mit αὐτάρ nothwendig 
ein Gegensatz eingeleitet werde, wenngleich bei der Zusammen- 
stellung von αὐτὰρ ἐγώ yes in den von Ameis aufgezählten 
Stellen ein Gegensatz vorliegt. Dieser beruht aber mehr in 
der Markierung des Pronomens durch γέ, als auf der Partikel, 
die an sich nicht adversativ ist (vgl. z. B. Γ' 18. 253. & 132.), 
sondern gegenüberstellend, zu einem Neuen überleitend, und wenn 
wir für unsere Stelle die Betonung des Pronomens ohne äussern 
Gegensatz erklären können, so ist jedenfalls die Partikel uns nicht 
hinderlich. Jene Möglichkeit bietet sich aber, wenn man sich nur 
der zurückweisenden, epanaleptischen Bedeutung des durch γέ mar- 
kierten Demonstrativs erinnert. So wie ὅγε einen vorhergehenden 
Begriff epanaleptisch hervorheben kann, in der Weise, dass der 
Hörer dadurch zugleich an das von diesem Subject im Vorher- 
gehenden Ausgesagte lebhaft erinmert wird, vgl. ἃ. B. A 261, so 
darf man ohne Zweifel eine gleiche zurückweisende Wirkung für 
ἐγώ γε annehmen. Ich finde eine solche z. B. in einigen Stellen, 
wo nach vorhergehendem Imperativ in einem folgenden adversativen 
Satze ἐγώ durch γέ markiert sich findet, wo aber der Gegensatz 
auf ganz anderen Begriffen ruht. So σ 409 ἀλλ᾿ εὖ δαισάμενοι 
κατακείετε οἴκαδ᾽ ἰόντες, Onmore ϑυμὸς ἄνωγε' διώκω δ᾽ οὔ τιν᾽ 
ἐγώ γε: liegt hier der Nachdruck auf dem vorangestellten διώκω 
und darin der Gegensatz zu freiwilligem Entschluss, so kann nicht 
zugleich mit ἐγώ γε ein Gegensatz zu ϑυμός beabsichtigt sein, und 
da kein anderer Gegensatz vorliegt, überdies eine allgemeine empha- 
tische Hervorhebung des Subjects nicht am Platze ist, so scheint 
die Markierung von ἐγώ durch γέ den Zweck zu haben, die Identität 
der Person, welche die zweite Aeusserung macht, mit der, welche 
die vorhergehende Aufforderung aussprach, hervorzuheben in dem 
Sinne: ich, der ich euch eben aufforderte euch zur Ruhe zu be- 
geben, ich will Niemanden vertreiben, d. i. aber mit dieser Auf- 
forderung will ich Keinen vertreiben. Sehr ähnlich sind die Stellen 
A 173. ε 140. In ähnlicher Weise verstehe ich I' 433 ἀλλ ἴθι 
νῦν προχάλεσσαι — Μενέλαον -— ἀλλά σ᾽ ἐγώ γε παύεσϑαι κέλομαι: 
ich, die ich dich eben aufforderte zum Kampf mit M., ich rathe 
dir vielmehr im Ernst davon abzustehen. Wird in diesen Bei- 
spielen die Identität des aussagenden Subjects bei Aussagen ent- 
gegengesetzten Inhalts hervorgehoben, so haben wir in I’ 197—198 
einen Fall, wo die Aussagen tbereinstimmen, die zweite eine be- 
stätigende erklürende Ausführung der ersten ist: αὐτὸς δὲ ατίλος 
ὡς ἐπιπωλεῖται στίχας ἀνδρῶν ἀρνειῷ mv ἐγώ γε ἐΐσκω πηγεσι- 
μάλλῳ κτξ.» also: ja ich vergleiche ihn...... Fehlte nun an unserer 
Stelle das αὐτάρ, so hätten wir jene einfache Steigerung der vor- 
hergehenden Bitte, wie sie Zahn wünscht: ja ich bitte dich. 
-Durch αὐτάρ wird die Sache so modificiert, dass die erneute Bitte 
mit Rücksicht auf das darin enthaltene neue Motiv als eine weitere, 


-- δ -- 


hinzukommende bezeichnet wird, also: weiter (ferner, andrer- 
seits) bitte ich dich auch.] 

291. Diese Erklärung von προϑέουσιν ["laufen deshalb 
ihm Schmähworte im Reden voran?’ mit epischer Unmittel- 
barkeit statt: darf er als muthiger Lanzenschwinger, statt das πολὺ 
προϑέεσκε (1.515. X 459) zu üben, nur den schmähsüchtigen Wort- 
helden spielen? Ueber μυϑήσασϑαι “im Reden’ d. i. Schmühworte 
nicht bloss in Gedanken oder zum ἶφι μάχεσϑαι, zu eg 15 und 
β 159] giebt schon Aristarch bei Aristonikos. Am genauesten ist 
dieselbe begründet von H. Rumpf Quaest. Homerie. spec. (Giessen 
1851) p. 22 sqq. und in Fleckeisens Jahrb. 1857 Bd. 75 8. 
102 ft. [gebilligt von A. Philippi quaestionum Aristarchearum spec. 
Gött. 1865 p. 33.] Gewöhnlich erklärt man προϑέουσιν gleich 
προτιϑέασιν freistellen im Sinne von erlauben, gestatten.” Aber 
es lässt sich weder diese Bedeutung aus der Begrifissphäre von 
προτίϑημι erweisen noch die Form selbst durch schlagende Bei- 
spiele begründen. Daher hat Bekker (und nach ihm Köchly) mit 
Freytag aus Conjeetur den Conjunctiv des zweiten Aorist προϑέ- 
woıv in den Text genommen, olıne indes zu erwähnen, wie hier 
der Conjunctiv in den Zusammenhang passe, ob er das Futurum 
vertreten solle und wie er dies in solcher Verbindung könne. Da- 
gegen sucht H. Weber im Philol. XVI 5, 691 ff. die Form προ- 
ϑέουσιν zu stützen, indem er damit theils βέῃ βῶσιν κτέωμεν theils 
κτενέω τελέω κορέω καλέω vergleicht und schliesslich folgendes 
Resultat erhält: ἱπροϑέουσιν ist demnach eine Ableitung auf &w 
aus dem Stamme, wie er im zweiten Aorist erscheint, mit ge- 
schwundenem echten Wurzelvocale, und die Bedeutung derselben 
ist eine auf das Futurum deutlich hinweisende, aber in diesem 
Falle nicht so entschieden ausgedrückte.” Sodann übersetzt er die 
Stelle: “wenn die ewigen Götter ihn zum Lanzenschwinger setzten 
(nicht als historisches Factum, sondern als logisches Moment ge- 
fasst), setzen sie ihm deshalb vor oder wollen sie ihm des- 
halb vorsetzen (eine nach der vorigen Handlung neu eintretende 
Thätigkeit bezeichnend, die nicht rückwärts weist, sondern deren 
Inhalt sich von da ab stetig erfüllt) Schmähungen auszuschütten?” 
Hiergegen habe ich folgende Bedenken. Erstens existieren von 
den verglichenen Formen bei Homer keine Präsentia der Con- 
jugation auf w. Zweitens ist von einer gegenwärtigen Hand- 
lung die Rede, nicht von einer erst in Zukunft “eintretenden Thätig- 
keit, deren Inhalt sich von da ab stetig erfülle’: der Inhalt der 
bezeichneten Thätigkeit hat sich vielmehr schon genügend erfüllt, 
so dass nur die Folgen der Schmähworte fortdauern, nicht die 
Schmähreden selbst. Drittens hat auch die Bedeutung “vorsetzen, 
zur Aufgabe machen’ keine homerische Analogie. Einen andern 
Weg schlägt Th. Bergk ein in einem Universitätsprogramm zu 
Halle 1859, wo er προϑέουσιν als Participium fasst, τούνεκά οἵ 


5 — 


in ein τούνεκα καί verwandelt mit Hülfe der Glosse von Hesychius 
καιροϑέουσιν᾽ κρατοῦσιν, προτρέχουσιν die er auf ungere Stelle be- 
zieht (diese Vermuthung hat auch H. Rumpf Quaest. Hom. spec. 
p- 22 unter Vergleichung von N 728 ausgesprochen) und die 
Stelle deutet: ‘si dii immortales Achillem virum fortem fecerunt, num 
propterea ei auctores sunt, ut potentioribus convicia dicat?” Mir will 
diese ganze Deutung zu gelehrt erscheinen. Denn es dürfte theils 
προϑέοντες “qui auctoritate potiores sunt’ durch das verglichene προ- 
βέβηκα Ψ 890 [und Z 125. Π 54] noch nicht hinlänglich erwiesen 
sein, theils die Wiederholung des ἔθεσαν in einem anderen Sinne 
zu grossen Anstoss erregen, weil diese Form der Figur ἀπὸ κοι- 
νοῦ zu künstlich ist, daher bei Homer noch nicht vorkommt. In 
der Notiz des Nikanor οὐδὲν γὰρ ἐλλείπει, ὡς φήϑησάν τινες suche 
ich im Hinblick auf 7 946 ἔστι γὰρ ἀμφοτέροισιν ὀνείδεα μυϑήσα- 
σϑαι als Grundlage (mit τούνεκα καὶ) folgende Erklärung: τούνεκα 
καὶ προϑέουσιν sc. ἔστι, so dass προϑέουσιν “Vorläufern, Vorkäm- 
pfern’ sich auf Achilleus beziehe. Doederlein Oeffentl. Red. S. 372 
und in der Ausgabe erklärt προϑέουσιν mit Rumpf, aber ὀνείδεα 
als Adjectiv statt ὀνείδεια (mit Vergleichung von X 497 ὀνειδεί- 
οισιν ἐνίσσων) und lässt von diesem μυϑήσασϑαι als Supinum ab- 
hängen: “ideone ei procurrunt tam audacter verba dietu con- 
tumeliosa, tamquam sua virtute suoque merito potior sit?’ Aber die 
Verkürzung ὀνείδεα für ὀνείδεια ist ohne Beispiel und die ver- 
meintliche Ellipse, richtiger die Substantivierung des Adjectivs, 
findet sich nur im Dativ: vgl. zu : 474 und den Anhang. Ich 
denke indes, dass der Infinitiv μυϑήσασϑαι, den fast alle für über- 
Atissig und schleppend erklären, nach der im Commentar gegebenen 
Deutung seine Berechtigung habe. Düntzer endlich in seinem 
Aristarch 8, 40 meint, ‘dass προϑέω hier bezeichnete auftragen, 
befehlen, eine Bedeutung, die der interpolierende Rhapsode wol 
in andern uns verloren gegangenen Liedern fand.” Diese Bedeutung 
hat auch G. Autenrieth bei Nügelsbach für die Stelle adoptiert: 
‘quem si fecerunt pugnacem dii immortales, num ideirco (continuo) 
iubent convicia dicere? mit Vergleichung von Soph. Ant. 1249. 
216. Trach. 1049. [Derselbe erklärt jetat im Wörterbuch unter προ- 
τίθημι: nach anderer Flexionselasse (wie δίδη, διδώσομεν, φορῆναι) 
st. προτιϑέασι vorsetzen, eingeben, gestatten. Vgl. jetzt über 
die Form auch G. Curtius das griech. Verbum I p. 213 und 
Hinrichs de Homericae eloeutionis vestigiis Aeolieis. Jenae 1875 
p. 126° Die von diesen angeführten Analogien dürfen wohl als 
genügend angesehen werden, um die Existenz der Form προϑέουσε 
= προτιϑέασι zu rechtfertigen. Alle Versuche der Erklärung, die 
von einer anderen Voraussetzung ausgehen, leiden an schweren 
Bedenken. Die von Ameis nach Rumpf gegebene insbesondere 
scheitert an der Unmöglichkeit dem Infinitiv μυϑήσασϑαι eine befrie- 
digende Beziehung zu geben; der dabei gewollte Gegensatz ist gesucht, 


-- 56 — 


wie die Verbindung des προϑέουσι mit dem προϑέεσκε des αἰχμητής.. 
Ungesucht dagegen ergiebt sich die Beziehung von προϑέουσιν = 
προτιϑέασιν zu dem ἔϑεσαν des Vordersatzes, deren etymologische 
Uebereinstimmung beabsichtigt scheint. Ich habe daher Ameis’ 
Erklärung aufgeben zu müssen geglaubt.] 

296. Aristarch hat den Vers als überflüssig getilgt, Bekker 
und Andere sind nachgefolgt, indem sie nach Weglassung des Verses 
die Rede des Achilleus viel kräftiger und seiner leidenschaftlichen 
Erregtheit entsprechender finden. Mir scheint der Vers als be- 
stimmter Hinweis auf 289 nöthig zu sein, indem Achilleus den- 
selben Gedanken, welchen Agamemnon mit τινά maskiert hat, mit 
ἐγώ γ᾽ ἔτι σοί ganz gerade und offen aussprechen will. Vergl. auch 
G. Autenrieth bei Nägelsbach. Ausserdem würde man beim Fehlen 
des Verses, wenn das vorige Verbum ταῦτ᾽ ἐπιτέλλεο wiederholt 
werden sollte, nicht μὴ γάρ (wofür ich kein zweites homerisches 
Beispiel kenne), sondern μηδέ erwarten. [Aristarchs Athetese stimmt 
jetzt auch L. Lange der homerische Gebrauch der Partikel εἰ I p. 468 
zu. Der Vers, welcher die Kraft der vorhergehenden leidenschaft- 
lichen Aufforderung nur lähmt, scheint in der That seine Existenz 
der Verkennung der Thatsache zu verdanken, dass μή ohne Verbum 
gebraucht werden konnte, ‘wenn der Zusammenhang es mit sich 
bringt, dass die abwehrende Bedeutung von μή sich nicht gegen eine 
Aussage an sich richtet, sondern gegen die Subsumtion einer Person 
unter dieselbe’, wie bei εἰ μή ohne Verbum. Für γάρ verweist 
Lange auf die Anwendung dieser Partikel in αἱ yde.] — 302. [Ueber 
εἴ δ᾽ ἄγε vgl. L. Lange de formula Homerica εἰ δ᾽ ἄγε. Lips. 1873. 
p. 1117 — 312. [Für ἀναβάντες sucht Kammer die Einheit der 
Odyssee p. 171 fl. die Bedeutung “in See gegangen’ zu er- 
weisen.] — 314. [Schoemann griech. Alterth.? p. 63 meint, dass 
während der Seuche alle in Trauer sich weder gewaschen noch 
die Kleider gewechselt, vielmehr das Haupt mit Staub und Asche 
bestreut hätten, unter Hinweisung auf Z 23. ὦ 316. Zu εἰς ὅλα 
vgl. Eurip. Iphig. Taur. 1198: ϑάλασσα κλύξει πάντα τὰ ἀνθρώπων 
κακά] -- Vers 317. Vgl. Lucian de Sacrif. c. 9; Prometh. 5. 
Caue. c. 19. Ovid. Met. XII 153. 

320. Ueber die Ableitung des Namens Ταλθύβιος spricht auch 
Bekker Hom. Blätter 5. 222, indem er schliesslich folgenden Weg 
angiebt: ᾿ϑάλλειν ϑαλτύς ταλϑύς Ταλϑύβιος ἃ. i. βιοϑάλμιος oder 
ξωϑαάλμιος᾽, also ein Mann in blühenden Lebensverhältnissen, Blüte- 
leben, vgl. X 314. 315. — 322. Doederlein hat am Schlusse Komma 
gesetzt und dann ἀγέμεν als Infinitiv von ἔρχεσϑον abhängig ge- 
macht mit Vergleichung von © 223. So schon vor ihm J. F. Bois- 
sonade. Aber dadurch wird, abgesehen von der zu weiten Tren- 
nung der Worte, der Sinn der Stelle offenbar abgeschwächt: anders 
ist es an der verglichenen Stelle mit στῆ δὲ... γεγωνέμεν. Vgl. 
auch B8 bis 10.4770. 71. [Vgl. auch Nikanor ed. Friedländer p. 147.] 


-- 537 — 


327. [Madvig Adversaria critie. I. (1871) p. 186 vermuthet, 
wie Bentley, ἀκέοντε statt d£xovre.] — Vers 334 gebraucht Athen. 
16». 4". 

340. Die überlieferte Lesart ist εἴ more δ᾽ αὖτε, was man 
sonst für δὲ αὖτε nahm: gegen den Zusammenhang und gegen den 
Sprachgebrauch. Denn die Partikeln δέ und μέν sind sonst über- 
all unmittelbar nach εἰ gesetzt, ohne dass ein Wörtchen da- 
zwischen tritt. Andere, wie Nägelsbach und Doederlein, erklären 
δ᾽ αὖτε durch δὴ αὖτε. Aber das ist eine gezwungene und durch 
kein anderes Beispiel erweisbare Elision. Daher hat man in solchen 
Stellen entweder einen Aeolismus δαῦτε (mit Krasis aus δὴ αὖτε) 
anzuerkennen: vgl. L. Ahrens im Philol. VII 85, 433; oder man 
hat einfach mit Thiersch Gr. $ 329, 1 und Bekker δὴ αὖτε zu 
schreiben hier und B 225. H 448. © 139. # 364. T 134. Φ 421. 
1 311: #281. 4 165. [Vgl. auch La Roche homer. Untersuchungen 
p- 281.] Vgl. zur Synizese A 138. 386. Ebenso δὴ αὖ mit Synizese 
4540. H 24. u 116. ‘Ueber die Bedeutung von αὖτε Bäumlein 
Gr. Part. 8, 47. — Vers 342. γάρ in der Arsis gedehnt steht 
an Stellen, wo eine genauere Vergleichung mancher Handschriften 
vielleicht noch ein beigefügtes 6’ giebt, wie dies anderwärts vor- 
kommt: vgl. Nägelsbach Exe, ΠῚ 8 in der ersten Ausgabe. 

344. Die überlieferte Lesart ist μαχέοιντο ᾿άχαιοί mit einem 
unzulässigen Hiatus und einer unhomerischen Optativendung. Denn 
die dritte Person des Plurals im Optativ lautet bei Homer nie 
owro, sondern stets οἰατο. Eine andere Stelle mit diesem Irrthum, 
ᾧ 444, ist bereits von @. Hermann verbessert. Auch hier haben 
Porson und Schaefer μαχέωνται vorgeschlagen, was Voss Krit. Bl. 
18. 195 und 229 billigt; Fr. Thiersch Gr. $ 347 15 dagegen 
billigt das Futurum μαχέονται mit Beistimmung von Freytag, Nägels- 
bach, Bekker, [auch Cobet Miscellan. crit. 1876 p. 808... Mir 
aber scheint Beides wegen des Zusatzes σόοι nicht in den Zusammen- 
hang zu passen. Denn Achilleus spricht von der Zeit, in welcher 
er vom Kampfe fernbleibt, und will diesen Gedanken begründen, 
indem er sagt, dass gerade das künftige Unglück der Achäer 
ein Bedürfniss seiner selbst erwecken werde (341), während die 
Lesart σόοι μαχέονται auch ohne Theilnahme des Achilleus 
einen sichern und gefahrlosen Kampf voraussetzen würde; “wie 
sie ihm ohne Gefährde kämpfen werden.” Diesen Gedanken 
kann wenigstens Achilleus selbst nicht aussprechen. Deshalb bin 
ich zur Conjeetur von Barnes uayeoler ’Aycuol zurückgekehrt, die 
schon von Payne-Knight, Gent (mit Vergleichung von σ 191) und 
neuerdings von Köchly aufgenommen wurde. Gebilligt ist dieselbe 
auch von Ahrens Ueber die Conjugation auf μὲ im hom. Dialekte 
8. 12* und von Hoffmann Quaest. Hom. I p. 92. Der Optativ 
selbst ist für den vorliegenden Zusammenhang vorzüglich geeignet 
[weil regelmässig im Relativsatze nach negativem Hauptsatze, vgl. 


58 -- 


a 254. ὃ 167. 560. ı 126. 8 53.] Vgl. Hermann Opusc. IV p. 
144. Bäumlein Ueber die Modi 8. 269 ff. 

348. Statt der Ueberlieferung ἀέκουσ᾽ haben A. Nauck und 
Düntzer Aristarch $. 47 hier ἀκέουσ᾽ vermuthet aus Gründen, die 
auch G. Autenrieth bei Nägelsbach anerkennt. Aber innere Stim- 
mungen werden wie 327 nur mit einem Worte bezeichnet. Vgl. 
auch zu 457. [Ueber das Verhältniss des Achill zur Briseis vgl. 
Gerlach im Philol. XXX. p. 25, und über die aesthetischen Ge- 
sichtspunkte bei der Anordnung der Scenen die Einleitung p. 8.] 
— Vers 349. Themist. or. XXIV p. 308%, 

350. Ueber die Anastrophe ἔφ vgl. Lehrs Q. E. p. 76 844. 
— Die gewöhnliche Lesart, welche Spitzner, Doederlein u. a. bei- 
behalten haben, ist ἐπὶ οἴνοπα πόντον wie B 613. E 771. H 88. 
B 421. y 286. ὃ 474. ε 349 [eis], ohne Präposition ξ 170, überall 
als Versschluss, und « 183 im ersten Hemistichion. Aristarch 
dagegen giebt ἐπὶ ἀπείρονα πόντον. Fr. Spitzmer bemerkt: ‘“Quid 
Aristarchum impulerit, ut ἐπὶ ἀπείρονα π. anteferret, non video. 
Ich denke drei Gründe: erstens die besseren Urkunden: zweitens 
der Umstand, dass οἴνοπα zu dem vorhergehenden πολιῆς nicht 
passt, wenn man nicht alle Farbenspiele verwischen oder mit Schol. 
BL. und Voss Krit. Bl. 1 8. 195 in zu kleinlicher Weise distin- 
guiren will; drittens weil ἀπείρονα gerade für die Situation des 
niedergebeugten Achilleus am Geeignetsten erscheint: denn das 
“unermessliche” Meer erweckt Grausen wie ein Ungethüm, steigert 
mithin die Verzweiflung und Trostlosigkeit. [Vgl. dazu die jetzt 
im Commentar gegebene Bemerkung]. — 352 ff. Aechnlich spricht 
Aristaeus bei Verg. Georg. IV 317 fl. — 360. [Ueber αὐτός vgl. 
auch Windisch in Curtius Stud. II p. 347 511 — Vers 363 gebraucht 
Lueian. Jup. Trag. ce. 1. 

365. Die Verse 366 bis 392 haben Aristarch und andere 
athetiert. Aber schon die Schol. BL. bemerken hier: καὶ πρὸς 
εἰδότας δὲ 290g λέγειν ἐπικουφίξειν τὴν ὀδύνην. Und zum folgenden 
Verse sagen dieselben unter anderem οἵ δὲ ἀϑετοῦντες τοὺς στίχους 
οὐκ ἐῶσι μαϑεῖν ἡμᾶς, ὅϑεν ἥλω Χρυσηίς, und urtheilen schliess- 
lich über die ganze ἀνακεφαλαίωσις des Achilleus also: μεγαλοφυῶς 
δὲ συντέμνει τὰ περισσὰ τῶν λόγων καὶ τῶν ἱστοριῶν. Den Homer 
haben auch hierin die Tragiker nachgeahmt. Denn diese legen 
ebenfalls ihren Personen in den Mund was unserm modernen Ge- 
fühle auffällig oder entbehrlich erscheint, was aber nur im In- 
teresse der Zuhörer vorgetragen wird. Vgl. einige Beispiele 
in Naekii Opusc. I p. 96 sqq. Dass übrigens Homer nicht bloss 
bei Botschaften, sondern auch an verwandten Stellen kürzere oder 
längere Recapitulationen hat, ist bekannt. Hier wird die Erwar- 
tung einer längeren Erzählung schon durch die Präposition ἐξ in 
ἐξαύδα 363 angedeutet.[?] Mit Recht sagt Hiecke Ueber die Ein- 
heit des ersten Gesanges der Ilias (Greifswald 1857) 8. 7: ‘Jede 


- 59 -- 


Mutter wird in solchen Fällen sich erzählen lassen, und jeder Sohn 
wird in solchen Fällen erzählen” Ferner lässt die rhetorische 
Frage in unserm Verse mit ihrem πάντα eine ziemlich ausführ- 
liche Schilderung erwarten. Auch die Redner und Historiker ge- 
brauchen solche Formeln an Stellen, wo sie gleichwohl die Sache 
in der Kürze berühren: vgl. die von Krüger zu Thuk. I 68, 3 zu 
εἰδόσι erwähnten Stellen; Dionys. Hal. Antig. I 81. Endlich ist 
beim Wegfall der ganzen Stelle ‘nicht einzusehen, warum dann 
Achilleus seiner Mutter das Geschichtchen, wie sie den Zeus ge- 
rettet hat (396 bis 406), noch ausführlich zu erzählen braucht, 
das sie gewis selbst am besten weiss, und wobei eine Andeutung 
genügt hätte, sintemal sie diesen Rath Achills, den Zeus an diese 
Verpflichtung zu mahnen, gar nicht respectiert, sondern es beim 
einfachen εἴ" ποτε... ὄνησα ἢ ἔπει ἢ ἔργῳ bewenden lässt.” So 
mit Recht Ludwig v. Hoermann Untersuch. über die Hom. Frage 
1. (Innsbruck 1867) 5. 36. Es werden uns hier “die vorher- 
gehenden Ereignisse erzählt, und zwar, was das Beachtenswerthe 
ist, in der Art, dass genau die epischen Stellen uns den Verlauf 
der Handlung geben, die dramatischen hingegen ausgelassen 
sind.’ Derselbe 8. 37. 

393. [K. Brugman ein Problem der homerischen Textkritik 
und der vergleichenden Sprachwissenschaft. Leipz. 1876 p. 53 ἢ 
vermuthet hier, wie O 138. T 342. 2550. 2 422 an Stelle von 
παιδὸς ξῆος als ursprüngliche Lesart die des Zenodot £oio, indem 
er wahrscheinlich macht, dass Aristarch die freie Beziehung des 
Reflexivum auch auf die erste und zweite Person als sprachwidrig 
verwerfend, an Stelle desselben das fälschlich als Genetiv von &üg 
angesehene ξῆος, welches & 505 und o 450 als Substantirvum 
£evg—=Herr gebraucht sei, eingesetzt habe.] 

395. Statt der handschriftlichen Lesart ἠὲ καὶ ἔργῳ hat Bekker, 
um das Digamma zu wahren, die Conjectur ἠέ τὶ ἐέργῳ in den 
Text genommen mit der Note: ἠέ τι Heynius of. E 879. y 99. 
ö 163° Es ist vielmehr Bentley's Conjectur, die Payne-Knight 
schon aufgenommen und Heyne mit Anführung der erwähnten drei 
Stellen (wozu noch ὃ 329 und o 375 vermisst werden) gebilligt 
hat. Ebenso hat Bekker Z 289. I 228. 2 354 mit Bentley ge- 
ändert und A 474 mit μήσεαι «έργον in den fünften Fuss eine un- 
gefällige Synizese gebracht. Dagegen hat er B 751. 4 470. 
4A 7103. P 279. 4 550. & 228. 344. ρ 313. y 422 die Vernach- 
lässigung des vermeintlich feststehenden Digamma in ἔργον nicht 
zu entfernen gewagt, so dass mit seinem Verfahren nicht viel ge- 
wonnen ist. In Bezug auf die Bedeutung bemerkt G. Autenrieth 
bei Nägelsbach mit Recht: “Man braucht dieses ἠὲ καί so wenig 
anzufechten als in 4 63. H 196. ὃ 712. O 137 und in dem öfteren 
ἠὲ καὶ οὐκί Dazu unser ‘oder aber’ und ‘ou bien.” Ebenso in 
ἦδὲ καὶ ἔργα 9 313. A 703. Beispiele von diesem καί im zweiten 


- 0 -- 


Gliede eines disjunctiven Satzes aus den Rednern giebt E. Maetzner 
zu Lycurg. in Leoerat. p. 99. 

396. In Bezug auf das enklitische σέο hat Lehrs in der 
Zeitschr. für die A. W. 1834 8. 142 Folgendes bemerkt: “Was in 
dem Schol. steht ist folgendermassen zu verstehen. Es entsteht 
in dem Verse die Frage, ob man verbinden solle πατρὸς σέο “in 
dem Hause deines Vaters” oder ἤκουσά 00 εὐχομένης. Jenes, 
sagt Aristarch, ist zu verwerfen, da Homer die Fabeln der Späteren, 
dass Thetis nach der Geburt des Achilleus wieder in das Haus 
ihres Vaters zurückgekehrt sei, nicht kennt; welche Fabel doch 
diese Erklärung voraussetzen würde. In diesem Falle müste σέο 
orthotoniert sein. [Es ist nemlich, als wenn man sagte εἶδον γὰρ 
σοῦ υἱὸν τὰ κάλλιστα πράξαντα: in diesem Falle, sehen wir, kennt 
Aristarch keine andere Accentuation — und auch wir werden dies 
wohl natürlich finden.] Nach der andern Erklärung: ich hörte dich 
rühmen, ist aber σέο zu inklinieren: denn Orthotonesis würde nur 
eintreten, wenn es einen Nachdruck oder Gegensatz enthielte; 
darum verlangt sie Herodian, weil er verstehen will: ich habe 
dich selbst oft rühmen gehört, was pedantisch erscheint.” Die 
Meinung derer, welche gegen Aristarch, Apollon. de synt. p. 106 
und das durchgängige Gesetz der alten Grammatiker hier σέο or- 
thotonieren (wie Fr. Spitzner, Thiersch Gr. 8 205, 15 und andere) 
wird dann als Willkür erwiesen mit dem Zusatze: ‘Der Philo- 
sophie dass ein Pronomen in Verbindung mit einem Partieip her- 
ausgehoben werde, setzen wir eine andere entgegen, dass es dann 
an Kraft wohl sehr verlieren müsse, da es dann sehr oft unbe- 
schadet des Sinnes fortbleiben kann.” Es lässt sich hier auch noch 
die Wortstellung erwähnen, insofern das Partieip εὐχομένης schon 
durch den Vers zu weit getrennt ist, als dass es auf den Accent 
des Pronomens σέο einen Einfluss üben könnte. — Was übrigens 
sachlich den misglückten olympischen Staatsstreich betrifft, der 
hier erzählt wird, so erläutert dieser das aufrührerische Benehmen 
der genannten drei Gottheiten dem Zeus gegenüber, wie solches 
Θ 198 δ΄ O 184 ff. und anderwärts berührt wird. 

397. [In κελαινεφής nimmt Lehmann zur Lehre vom Locativ 
bei Homer. Neustettin 1870 p. 7 einen Locativ xeAaı von einem 
vorauszusetzenden κέλος (wie μέσαι zu μεσο---ς} an und erklärt: 
im Dunkel der Wolke (wohnend), wie ἀργικέραυνος: im Glanze 
des Blitzes.] 

404. Alyalav wird von den Spätern als ein Meergott be- 
trachtet. Nach Preller Gr. Myth. I 42 der 2. Aufl. ist er ‘der 
personificierte Meeresschwall mit dem furchtbaren Andrange tosen- 
der Fluthen, in welchem die Alten die Ursache der Erdbeben er- 
kannten.’ Ueber αὖτε οὗ πατρὸς ἀμείνων vgl. auch Schömann Opuse, 
II p. 40 mit not. 39. In der vorher erwähnten Fesselung des 
Zeus sucht und findet man den Kern eines physikalischen Mythos: 


—- 6 — 


nach Preller Griech. Myth. I 8. 130 der 2. Aufl. ist es ‘das alle- 
gorische Gemälde eines furchtbaren Aufruhrs der Natur, in welchem 
Zeus durch die vereinigten Mächte des Himmels und des Meeres 
Gewalt zu leiden scheint.” [Vgl. auch Welcker griech. Götterl. 
Ip. 89. 288. II, 156 £.: Aigaion, Wogner, Beiwort des Poseidon. 
“βίᾳ ἀμείνων als sein Vater (Poseidon), mit Unterscheidung der 
physischen Stärke von der Gottheit des Poseidon überhaupt.’ Der- 
selbe sieht in dem Zusatz κύδεϊ γαίων eine etymologische Deutung 
des Namens Aigaion — ἀεὶ γαίων. Vgl. darüber den Anhang 
zu Θ 51 und dagegen Fick die griechischen Personennamen p. 149.] 
Dies sind natürlich Ausdeutungen späterer Zeit, von denen der 
alte Homer auch nicht das geringste Bewusstsein verräth. Von 
diesem wird der Auflehnungsversuch und die Vereitelung desselben 
nur als Motiv für die Bitte der Thetis erwähnt, 

412. Gewöhnlich wird ὅτ᾽ gelesen und dieses im Sinne von 
ὅτι gefasst. So schon Aristarch nach Aristonikos zu II 274, und 
mit ihm Bekkers Paraphrast, Wolf und Andere. Auch Krüger Di. 
12, 2, 10 bemerkt: “In ὅτι wird ı bei Attikern nie, bei Homer 
zuweilen elidiert.” Aber mit Recht hat dies schon Thiersch Gr. 
8. 164, 9 verneint; ebenso bemerkt Bekker Hom. Blätter 8. 150: 
‘Den Endvokal kann ὅτε so wenig elidieren wie τί: mit dem ı 
gienge die Verständlichkeit verloren’ Daher haben Andere das 
apostrophierte ὅτ᾽ in solchen Stellen für ὅτε genommen, wie hier 
Nägelsbach: “Das ist ἄτην, 7 ἀάσϑη (T 136), Ore’, wozu er ausser- 
dem Θ 237. ὃ 261. 263 und besonders 7’ 88. 89 hätte verglei 
chen können; ferner K. A. J. Hoffmann in der Zeitschr. ἢ. d. östeı 
Gymn. 1861 8. 537: “Seine Verschuldung (von damals), als er 
den Helden entehrte.” Allein diese Deutung passt nicht in den 
Zusammenhang. Denn es müste dann seit der Ehrenkränkung 

” schon einige Zeit verflossen sein, wie es in den angeführten 
Stellen der Fall ist: auf etwas dagegen, was so eben erst vor- 
gekommen ist, kann man sich in solchem historischen Tone nicht 
berufen. Man müste denn hier wie in andern Stellen dem tempo- 
ralen ὅτε geradezu die expositive Bedeutung beilegen, in andern 
dagegen wieder geradezu den causalen Sinn. Das thut unter 
andern Hoffmann, indem er als Motivierung hinzufügt: ‘Nach 
Homer scheidet sich die Sache bestimmter ab; ὅτε beschränkt 
sich auf das Temporale, für das Causale und Expositive bleibt 
ὅτι allein in Giltigkeit, d. h. die an sich unbestimmtere und des- 
halb in früherer Zeit mögliche temporale Auffassung mancher Ver- 
hältnisse tritt im Laufe der Zeit gegen andere bestimmtere Auf- 
fassungen zurück.” Ich zweifle indes, dass man in der durchsich- 
tigen Sprache des Homer gerade bei diesem Punkte eine “an sich 
unbestimmtere Auffassung’ annehmen dürfe, weil andere Ausdrucks- 
weisen für das causale und expositive Verhältniss schon bei Homer 
in bestimmtester Fassung vorhanden sind. Ich sehe daher in den 


— 92 — 


von Bekker Hom. Blätter S. 151 und J. La Roche Hom. Stud. 
5. 264 f. erwähnten Stellen kein anderes Auskunftsmittel, als das 
einfache Verfahren von Aristophanes (nach Schol. H. P. zu ε 357, was 
A. Nauck Aristoph. p. 53 bloss mit “nec place? berührt) und Bekker 
anzuwenden, nemlich ὅ 7 zu trennen und im Sinne von ὅτι τὲ zu 
fassen. Vgl, A 244. 4 32. E 331. Z 126. @ 251. Π 274. 433. 
509. P 623. T 57. e 357. ὃ. 78. 299. ξ 90. 366. v 333. [Vgl. 
auch La Roche homer. Untersuchungen p. 123 f., der hinzufügt 
φ 254. — T 57 schreibt Bekker ὅτε. ε 357 ist zweifelhaft, vgl. 
zu ὃ 262 und Friedlaender de conjunctionis ὅτε apud Homerum 
vi et usu p. 57 f.] Ob die Aristarchische Schule dieses Hülfsmittel 
verworfen oder angenommen habe, darüber fehlt uns in den Scholien 
jede Nachricht. Denn aus den Notizen bei Aristonikos zu IT 274 
und im Schol. Harlei. und bei Eustathius zu ξ 366 lässt sich 
etwas Sicheres nicht entnehmen. 

424. Die Aristarchische Lesart κατὰ δαῖτα ist hier ganz 
richtig, da μετὰ δαῖτα nur nach dem zu « 184 berührten Sprach? 
gebrauche gesagt sein könnte: vgl. Cobet, Var. Leett. p. 109. Was 
Fr. Spitzner über κατὰ πρῆξιν ἀλάλησϑε y 72 und πλάξεσϑαι κατὰ 
ληίδα γ 106 bemerkt “quod quidem ... . in latronem, nee vero in 
deorum cadit regem’, das liegt nicht in der Präposition κατά, sondern 
in den Wörtern πρῆξιν und ληίδα. Vgl. 4 479 ἦλθον Τειρεσίαο, 
κατὰ χρέος, welche Stelle Spitzuer und andere übersehen haben. 
— Die wirkliche oder vermeintliche Schwierigkeit dieser Stelle 
mit 47 und 222 und die vierfache Lösung derselben, die wir in 
den Scholien finden, ist schon von Nägelsbach ausführlich behandelt 
worden. Hierzu kommt als fünfte Lösung unter den Neuern die 
Ansicht von Voss (Krit. Bl. I S. 182), welcher meint: ‘Mit Ab- 
sendung des Schiffs nach Chryse 308, und dann mit der Entsün- 
digung des Heers 313 und dem Hekatombenopfer 315 vergiengen 
einige Tage, nach welchen erst Achilleus, 318 von dem fort- 
zürnenden Agamemnon seiner Briseis beraubt, die Mutter um Rache 
anflehte und die gestrige Abreise der Götter zu den Aethiopen 
vernahm.” Noch genauer sucht Adolf Kiene Die Komposition der 
Ilias (Göttingen 1864) 8. 70 die chronologische Schwierigkeit durch 
die Annahme zu heben ‘dass das Gespräch zwischen Mutter und 
Sohn erst am Tage darauf, am Morgen nach der Volksver- 
sammlung, stattfand und Agamemnon folglich erst an diesem Tage 
des Achilleus Ehrengeschenk, die Briseis abholen liess’ Und in 
Fleckeisens Jahrb, 1865 Bd. 91 8, 796 erklärt Kiene, “dass die 
Erwähnung dieser Nacht vor der Entsendung der Herolde nach der 
blossen Erwähnung der Reinigung des Lagers nicht nothwendig sei 
und dass wir diese hier voraussetzen dürfen, weil der Dichter nur 
die Unterbrechung in der Zeit durch Nacht und Tag erwähnen 
muss, wo die Ereignisse wirklich in ihrem Verlaufe vorgeführt, 
nicht bloss erwähnt werden.” Aber zur Annahme eines derartigen 


- 9 — 


κατὰ τὸ σιωπώμενον, wie hier die Nichterwähnung der dazwischen- 
liegenden Nacht ‘vor 320 bei der blossen Inhaltsangabe’ (Kompos. 
der Ilias $. 72) vermisse ich die homerischen Beweisstellen. Voll- 
kommen begründet ist die Erörterung dieses Punktes von R, Franke 
in Fleckeisens Jahrbb. 1866 Bd. 93 8. 798 ff. — Ich finde die 
einfachste Lösung in der Annahme der Aristarchischen Lesart 
ἕπονται, die auch der Aristophaneer Kallistratos, der Sidonier Dio- 
nysios und Demetrios Ixion empfohlen haben, wie aus des Didymos 
Angabe hervorgeht. Diese Lesart hat schon Th. Bergk in der 
Zeitschr. f. d. Alt. Wss. 1846 S. 502 ff. vertheidigt, aber in einem 
Sinne, für den wohl wie mir scheinen will ein ϑεοὶ δ᾽ ἕψονϑ᾽ ἅμα πάντες 
oder κατὰ dar, ἐπὶ δ᾽ Eyovraı ϑεοὶ ἄλλοι (4 63) oder etwas Achn- 
liches nothwendig wäre. Und auch dann würde ἔψονται in sol- 
chem Sinne nicht ohne Anstoss sein. Vgl. G. Curtius Etym.? 
8. 404 [ἡ 453.] Ausserdem bemerkt Moritz ‘Haupt Zusätze zu 
Lachmanns Betrachtungen 8. 97: “Auf der andern Götter Ab- 
wesenheit kommt es gar nicht an: miterfolgt kann sie mit er- 
wähnt werden.” Aber dann weiss ich nicht, was 423 das γάρ 
bedeuten solle. Mir scheint der Zusammenhang folgender zu sein: 
Zürne den Achaeern: denn (jetzt wird nicht wieder eine Gott- 
heit persönlich deinen Zorn hemmen wie es 207 geschah) die 
Götter sind abwesend; ich aber kann jetzt noch nicht zu dem 
von den Göttern augenblicklich verlassenen Olympos gehen, 
um in deinem Interesse den Zeus zu bitten. Nach dieser Auf- 
fassung ist der Commentar gestaltet. Wer indes an der gewöhn- 
lichen Lesart ἕποντο festhält, der muss entweder mit Freytag und 
Bäumlein Zeitschr. f. ἃ. A. W. 1848 8. 328 in der sylleptischen 
Fassung des πάντες (vgl. zu 5) die Lösung suchen, oder wenn 
er dies etwa wegen des ἅμα nicht annehmbar findet, kann er die 
unwesentliche Disharmonie mit Nägelsbach Anmerk. $. 148 der 
Ausg. von Autenrieth nicht ohne Grund zu entschuldigen suchen. 
Nägelsbach nemlich erwähnt zur Erläuterung den Anachronismus 
aus dem Gleichniss vom Blitzableiter in Buttlers Worten bei Schiller 
Piccolomini I 2 (was auch schon B. Thiersch Ueber das Zeitalter 
des Homer $. 212 angeführt hat). Und Hiecke Ueber die Einheit 
des ersten Gesanges der Ilias 8. 7 fügt noch den- Widerspruch 
über die Handschrift der Königin in Schillers Don Carlos Act 2 
Scene 4 mit Act 4 Scene 5 hinzu. Man kann auch Kinkels ‘Otto 
der Schütz’ vergleichen, wo im 2. Abenteuer g. E. der Jüngling 
den Nachen fortstösst mit den Worten: ‘Dich brauch ich nicht! 
so ruft er munter, Treib’ du mit Glück in’s Meer hinunter!” aber 
im 5. Abenteuer $. 37 von ihm gesagt ist: ‘Es wiegte sich im 
leichten Kahn Dort Otto auf der Spiegelbahn’, und 8. 38 ‘Es 
wirft sie grimmig in den Nachen’ usw. Solche Nebendinge treten, 
besonders bei einem mündlichen Epiker, in den Hintergrund, wenn 
eine andere Hauptsache (wie hier bei Homer die Abwesenheit der 


-- 6 — 


Götter, um den Achilleus zur ungestörten Aeusserung seines Zornes 
zu veranlassen) in den Vordergrund tritt. Denn die Motivierun- 
gen im homerischen Epos dienen häufig nur der augen- 
blicklichen Situation, ohne auf Früheres oder Späteres 
Rücksicht zu nehmen, was nur erst der kritisierende Leser 
bemerken kann. Mit Recht sagt hier Hiecke 5. 6: “Warum sollte 
der Dichter, wenn er anders den kleinen chronologischen Verstoss 
wahrgenommen hat, warum sollte er nicht auf seine Gewalt über 
Herz und Phantasie des Hörers rechnen, die diesen nicht zur 
Wahrnehmung des Widerspruchs werden gelangen lassen.’ Ebenso 
richtig bemerkt O. Müller Kl. Schrift. I. 8. 463: ‘Die Hauptsache 
wird wohl die sein, dass verschiedene Erfindungen, die der Dichter 
an verschiedenen Stellen braucht, nicht haarscharf an einander 
gepasst werden dürfen, wenn der Dichter nicht selbst sie in einer 
Vorstellung verbindet. Sonst möchte leicht bei strenger Konse- 
quenzenziehung und mit einiger Dialektik das ganze Gerüst der 
Dias und jedes ähnlichen Epos, besonders in seinen auf die 
Götter bezüglichen 'Theilen, über den Haufen zu werfen sein.’ 
Den Grund zur Dichtung einer mehrtägigen Abwesenheit des Zeus 
und der Götter findet Friedländer die Homerische Kritik von Wolf 
bis Grote (Berlin 1853) 5. 74 in der Absicht des Dichters, die 
Einfügung der Episode von Chryseis’ Heimführung gerade zwischen 
dem Besuche der Thetis bei Achilleus und ihrem Gespräche mit 
Zeus passend zu motivieren. Das wird seine Richtigkeit haben, 
aber als der nächstliegende Hauptgrund (wie oben gezeigt wurde) 
wird wohl der Umstand gelten, dass Achilleus zu einer ungestörten 
Aeusserung seines Zornes veranlasst werden soll. Daher heisst 
auch der Schluss des Abschnitts τὸν δ᾽ Mm αὐτοῦ χωόμενον κατὰ 
ϑυμὸν wre, Was aber die angeführten Entschuldigungsgründe an- 
betrifft, so können wir dieselben bei der Aufnahme von Aristarchs 
Lesart ἕπονται entbehren. [Nicht glücklich scheint mir Ameis in 
dem Versuch gewesen, den Widerspruch dieser Stelle mit 222 
durch die Aristarchische Lesart ἕπονται und durch Interpretation 
zu beseitigen. Um dies Präsens von einem “am heutigen Tage 
erfolgten Nachreisen’ der übrigen Götter verstehen zu können, 
würde es jedenfalls eines deutlicheren Ausdrucks und dem χϑιξός 
gegenüber einer genauen temporalen Angabe bedürfen. Ferner wird 
ein gesondertes Voranreisen des Zeus weder durch den Vergleich 
des allein zu den Aethiopen reisenden Poseidon α 22 oder Iris 
“P 205, noch dadurch wahrscheinlich, dass es 495 bei der Rück- 
kehr heisst: Ζεὺς δ᾽ ἦρχε, da diese Formel nicht von einem ge- 
trennten Vorangehen, sondern nur vom unmittelbaren Voranschreiten 
an der Spitze der andern gebraucht wird. Gegen die Auffassung 
des ganzen Gedankenzusammenhangs aber: ‘Zürne den Achaeern: 
denn (jetzt wird nicht wieder eine Gottheit persönlich deinen Zorn 
hemmen, wie es 207 geschah) die Götter sind abwesend” ist 


-- 5 — 


zu bemerken, dass Athene 207 ja nur den drohenden Ausbruch 
des Zorns in eine Gewaltthat hemmte, nicht aber ein Eingreifen 
der Götter zu befürchten war, wenn Achilles still in seinem Zelte 
fortgrollte. Uebersehen ist bei dieser Deutung, dass νῦν 421, im 
Gegensatz zu der vorhergehenden futurischen Handlung betont ist 
= für jetzt, und diese Bestimmung durch den folgenden Satz mit 
γάρ erläutert wird. Ich kehre daher zu der gewöhnlichen Lesart 
ἕποντο zurück; hinsichtlich des daraus sich ergebenden Wider- 
spruchs mit 222 aber vgl. die Einleitung p. 15. 20f. Die reiche Lite- 
ratur über die ganze Streitfrage findet man zusammengestellt bei 
Benicken in Jahrbb. f. Philol. u. Paed. 1876 II. p. 305.] — Den 
vorhergehenden Vers berührt Lucian Prometh. c. 17, berücksich- 
tigt Themist. or. III p. 414, 

432. Die gewöhnliche Lesart ist ἐντός, wie m 324. 352. 
% 125. Aber Aristarch las hier nach seinen Urkunden ἐγγύς, mit 
Recht. Denn das Einlaufen des Schiffes in den Hafen wird erst 
435 mit εἰς ὅρμον προέρεσσαν bezeichnet, wie die Ersponition εἰς 
(nicht ἐπέ oder πρός) beweist. Vgl. ν 279 σπουδῇ δ᾽ ἐς λιμένα 
προερέσσαμεν mit v 101 ὅτ᾽ ἂν ὅρμου μέτρον ἵκωνται. Das Wort 
ὅρμος nemlich ist in solchem Zusammenhange von dem sonst er- 
wähnten λιμὴν εὔορμος (D 23. ὃ 358. ı 136) nicht wesentlich 
verschieden. Dies sowie der Umstand, dass das Ablegen des Segel- 
werks und das Niederlassen des Mastes nicht erst ‘innerhalb’ des 
Hafens, sondern schon VOr dem Hafen zu geschehen pflegte, er- 
hellt aus o 496. 497, wo die am Lande angekommenen 

Τηλεμάχου ἕταροι λύον ἱστία, κὰδ δ᾽ ἕλον ἱστὸν 
καρπαλίμως, τὴν δ᾽ εἰς ὕρμον προέρεσσαν ἐρετμοῖς. 

An unserer Stelle konnte dies um so gefahrloser geschehen, je 
mehr schon der Eingang des Hafens geschützt sein muste, weil 
Chryse selbst nicht am offenen Meere, sondern im Adramyttischen 
Meerbusen lag. Die Lesart ἐντός, statt des Aristarchischen ἐγγύς, 
ist ohne Zweifel durch die oben erwähnten Parallelstellen ent- 
standen. — Vers 433. Statt oreilevro hat schon Wakefield Silv. 
erit. I. p. 127 στεῖλάν τε ϑέσαν τ vermuthet. 


434. Ueber ἱστοδόκη und πρότονοι vgl. K. Grashof über das 
Schiff bei Homer und Hesiod (Düsseldorf 1834) 8. 23. Vgl. auch 
Bernhard Graser im Philol. 1865 Suppl. III S. 239. Im Vers- 
schluss ist die gewöhnliche Lesart ὑφέντες. Aber ὑφίημι heisst 
bei Homer überall “darunterlegen’ supponere und findet sich nur 
in der Tmesis: vgl. 5 240. ı 245. 309. 342. τ 57. Daher war 
hier die Aristarchische Lesart ἀφέντες aufzunehmen. So urtheilt 
auch J. La Roche Ueber den Gebrauch von ὑπό bei Homer $. 38. 
[In seiner krit. Ausgabe aber hat derselbe ὑφέντες geschrieben.] 
Der Paraphrast übersetzt χαλάσαντες. Der ganze Vers mit ὑφέντες 
findet sich bekanntlich auch hymn. in Apoll. 504 u 830) wo 


Anhang zu Ameis, Homers Ilias I, 


-- ρ6 -- 


A. Baumeister bemerkt “Aristarchum hunc hymnum aut cognitum 
non habuisse aut nihil auctoritatis ei tribuisse” Um aber dies be- 
urtheilen zu können, müste erst das Verhältniss des Aristarch zu 
den Hymnen überhaupt genauer untersucht werden. 

435. Die Nothwendigkeit von προέρεσσαν, statt des frühern 
noch von F. A. Wolf’gebilligten προέρυσσαν, hat Fr. Spitzner gründ- 
lich erwiesen. Dass aber προέρεσσαν die Lesart Aristarchs sei, 
ergiebt sich aus der Note von Didymos. [Vgl. auch La Roche hom. 
Textkritik p. 346.] — Vers 438. βῆσαν ἐκηβόλῳ ᾿Απόλλωνι ist 
die einzige Stelle, wo man das Digamma nicht herzustellen gewagt 
hat. Aber wäre es wirklich zu Homers Zeit in ἔκηβόλος noch so 
fest gewesen, wie man annimmt, so würde man hier wol βῆσαν 
᾿Απόλλωνι κλυτοτόξῳ gesagt haben, so gut als φ 267. O 55. — 
Vers 446. ὁ δ᾽ ἐδέξατο χαίρων παῖδα φίλην: “wie ist doch das 
homerische Epos so wunderbar einfach und doch so wunderbar 
tief; wie schwer wiegen diese Worte “voll Freude nahm er sein 
liebes Kind wieder in Empfang”, schwerer als wenn ein Roman- 
schreiber ganze Bogen voll “Gefühle” losgelassen hätte’ G.- 
Schimmelpfeng. 

447. ἱερήν ist die Lesart des Zenodotos und Aristarch aus 
den besten Urkunden; im cod. Lips. Bachmann. steht sogar: 'xAsı- 
τήν᾽ πᾶσαι ἱερὴν εἶχον Diese Lesart verdient den Vorzug, weil 
kein Grund vorliegt, warum der Dichter mit dem Attribute ge- 
wechselt und statt ἱερήν das gewöhnliche κλειτήν gesagt haben 
sollte. Für ἱερήν stimmen auch Lange Observ. crit. I p. 15 und 
Düntzer de Zenod. p. 152 not. 21. — Vers 448. Das ἔστησαν 
περὶ βωμόν ist ein Vorbild geworden für die attische Bühne, wo 
die Chöre um die Thymele herumtraten. — 450. Für χεῖρας dva- 
σχών hat an die “Stattie des betenden Knaben’, deren Original im 
Berliner Museum ist, schon G. Autenrieth erinnert. — Vers 451 ff. 
“Wir haben hier das erste Beispiel einer Palinodie; daher sind die 
einzelnen Ausdrücke gewihlt mit Bezug auf die früher gebrauchten.” 
W. Vitz. 

454. Bekker im Berliner Monatsbericht 1864 8. 140 [= 
Hom. Blätt. II p. 19] urtheilt, dass der Gebrauch das Partieipium 
τιμήσας zu verlangen scheine, weil “überall wo das Subject in 

ἔκλυεν im Fortgang der Erzählung Subject bleibt’, dieser Fortgang 
mittelst einer Partikel angeschlossen werde, was er dann durch 
zahlreiche Beispiele erhärtet. Vgl. den Anhang zu g 66. Aber 
zwei Dinge dürften doch gegen die Aufnahme von τιμήσας Be- 
denken erregen: 1) Nirgends bei Homer erscheint an ἔκλυε ein 
unmittelbarer Anschluss durch ein Participium, sondern überall 
geschieht der Fortgang der Erzühlung durch das tempus finitum. 
2) Das mit dem Aorist verbundene aoristische Partieipium be- 
zeichnet entweder eine vorhergegangene oder eine gleichzeitige 
Handlung: keins von beiden ist hier anwendbar. Denn der Erfolg 


-- 67 — 


des Gebetes kann nicht unmittelbar mit der Erhörung zusammen- 
fallen. Daher möchte auch hier in der Erzählung das tiberlieferte 
tempus finitum vorzuziehen sein; sonst wäre zu τιμήσας wenigstens 
“ein ἔπειτα oder ein ähnlicher Zusatz zu erwarten. [Beide Gründe 
fallen gegen das Auffallende des Asyndeton nicht schwer ins Ge- 
wicht. Da bei ἔκλυες nicht bloss der Act der Erhörung, sondern 
auch die die Erhörung bethätigende Handlung gedacht werden 
kann, wie gleich 457 offenbar die Beseitigung der Pest bei dem 
ἔκλυε zugleich gedacht ist, so kann das Partieip τιμήσας wohl als 
gleichzeitig mit ἔκλυες, oder genauer als coincidente Handlung mit 
diesem Verbum verbunden werden. Uebrigens hält Düntzer homer. 
Abhandlungen p. 196 ἢ den Vers an unserer Stelle für ‚nicht 
ursprünglich, sondern aus IT 237 irrig übertragen: er passe viel 
besser auf Achilleus (vgl. 4 558 f. B 3 £.), als auf Chryses 
(vgl. A 42).) 

457. Dass nach homerischer Sitte die Versöhnung des 
Apollon nicht als ein Act der Aeusserlichkeit in sinnlicher 
Vergegenwärtigung dargestellt werde, darüber vgl. die kurze An- 
gabe zu 348. Ferner hat Hiecke Ueber die Einheit des ersten 
Gesanges der Ilias 5, 3 trefiend bemerkt: “Fragen wir einmal, 
wann hat denn Apollo zu schiessen aufgehört, so gerathen wir 
offenbar in Verlegenheit, nicht etwa weil der Dichter unterlassen 
hat, dies zu sagen, sondern weil unsre eigne Phantasie sich ver- 
gebens bemüht, eine Antwort herauszubringen. Die Pest freilich 
muss auch während der Versammlung noch fortdauern, ja sie 
muss fortdauern bis zu dem Moment der Versöhnung, für welche 
die früheste Bezeichnung in dem ersten der drei durch die Verse 
457. 474. 479 bezeichneten Momente liegt: So flehte Chryses, 
ihn aber erhörte Phöbos Apollon. Mithin muss er auch während 
des Gebetes seines Priesters geschossen haben, also doch wohl 
auch noch bei den Schiffen gewesen sein. Wessen Phantasie aber 
würde sich nicht sträuben gegen die Zumuthung sich dies vorzu- 
stellen? Es ist eine vollkommen logische Consequenz, nach wel- 
cher diese Operation der Phantasie angenommen wird, aber die 
Phantasie weigert sich zu folgen, sie bricht die Consequenz früher 
ab als der Verstand, und zwar ist, gleich als hätte der alte 
Homer sich im Voraus der selbstquälerischen Kritik des 19. Jahr- 
hunderts erbarmen wollen, die Stufenfolge von Gestalten, welche 
die Vorstellung der "Pest durchläuft, auf das Allerdeutlichste im 
Gedichte selbst bezeichnet. Erst ist nicht bloss von fliegenden 
Pfeilen des Gottes die Rede, die etwa man weiss nicht woher 
gekommen, sondern der in furchtbarer Majestät herabgeschrittene 
Gott schiesst leibhaftig..... Dann aber wird unsere Phantasie 
hingelenkt auf die tödtlichen Wirkungen des Schiessenden und 
seine Gegenstände. Mit dieser Erwähnung der getroffenen Thiere 
und Menschen tritt schon die Anschauung des leibhaftig schiessen- 

5* 


-- 68 — 


den Gottes etwas in den Hintergrund. Noch mehr ge- 
schieht dies, indem die ewig flammenden Scheiterhaufen nun in 
unsre Anschauung treten, und mit der Angabe der neuntägigen 
Dauer erblasst jene Vorstellung noch mehr, denn das ᾧχετο 
κῆλα ϑεοῖο ist zwar für den Verstand identisch mit dem voraus- 
gegangenen βέλος ἐχεπευκὲς ἐφιεὶς βάλλ᾽, aber nicht für die Fan- 
tasie. Weiterhin, in der Rede von Kalchas, hört die sinnliche 
Bezeichnung der Pest ganz auf, indem auch nicht einmal mehr 
von fliegenden Pfeilen die Rede ist, 96 und 97.’ So weit Hiecke. 
[Vgl. auch Gerlach im Philol. XXXIII p. 20 £.] Folgerecht haben 
auch weder Odysseus 444 noch Chryses 456 die Pfeile erwähnt. 
Daher ist auch nicht ersichtlich, in welcher sinnlich anschau- 
lichen Weise die “Erhörung’ oder ‘Versöhnung’ hätte anders 
ausgeführt werden sollen, als mit der einfach bezeichnenden For- 
mel, die an den übrigen Stellen zur Verwendung kommt. 

459. αὐέρυσαν ist nicht mit den Alten durch αὖ zu erklären, 
da ad nur temporal steht und mit keinem unverändert gebliebenen 
Verbum vereinigt werden kann, sondern es ist aus ἀνά und Feguo 
componiert. Denn aus ἀνιβερύω entstand indem das ν sich dem F 
assimilierte ἀξβιβερύω, darauf wurde das doppelte Digamma vocali- 
siert. Vgl. Doederlein Hom. Gloss. $ 2290; G. Curtius Etym. ? 
8. 496 [* 552]; F. B. Klein Etymologiae Homericae specimen 
(Münster 1863) p. 34 sq. Th. Ameis de Aeolismo Homerico 
(Halle 1865) p. 19. [Hinrichs de Homericae elocutionis vestigiis 
Aeolieis, Jena 1875 p. 27. Cobet Miscellan. erit. 1876 p. 266.] 
Für den Sinn bemerkt auch der Grammatiker in Bekk. Anecd. I 
p- 418 richtig: οἵ ἀρχαῖοι ἀνακλῶντες τὰ ἱερεῖα καὶ ἄνω ἀναρύοντες 
ἔϑυον. διὸ καὶ Ὅμηρος, mit Anführung unserer Stelle, wie zu der- 
selben der Schol. Apollon. I 587 sagt: τοῖς δὲ οὐρανίοις ἄνω dva- 
στρέφοντες τὸν τράχηλον σφάξουσιν. Vgl. auch Orph. Arg. 316: 
ταῦρον σφάξον, ἀνακλίνας κεφαλὴν εἰς αἰϑέρα δῖαν. 

469. Da Essen und Trinken bei Homer sonst überall zwei 
vollständig getrennte Dinge sind, hier aber das Trinken erst im 
folgenden Verse erwähnt wird: so scheint es als wenn unser Vers 
erst aus einer der verwandten Stellen B 432. H 323. Ψ 57. 
480 mit Unrecht eingefügt wäre. Indes ist uns von den Alten 
keine derartige Notiz überliefert. Daher wird man hier bei 470 
nur den Zweck des Libierens anzunehmen haben, weshalb auch 
sogleich der folgende Vers hinzugefügt ist. Vgl. auch Richard 
Franke in Fleckeisens Jahrbb. 1858 Bd. LXXVII 5. 224. [Da- 
gegen hält Bergk griech. Literaturgesch. I p. 548, 38 den Vers 
für widersinnig, derselbe verberge aber eine Lücke, und Düntzer 
hom. Abhandlungen p. 188 f., vgl. hom. Fragen p. 199 verwirft 
469—474 unter Widerspruch von Benicken in den Jahrbb. f. Phil. 
1872 p. 669 #.] Ueber den viermal gleichen Anfang mit αὐτὰρ 
ἐπεί vgl. zu I’ 221 und den Anhang zu τ 444. 


— 69 — 


473. Bekker hat den Vers ohne den Vorgang der Alten athe- 
tiert: aus welchen Gründen, darüber hat er sich, so viel ich weiss, 
nirgends ausgesprochen. Aristarch (nach Aristonikos) athetierte 
den folgenden Vers: ἀϑετεῖται, ὅτι νομίσας τις τὸν ᾿Αἀπόλλωνα 
“Παιήονα εἰρῆσϑαι. προσέϑηκεν αὐτόν. καὶ γίνεται δισσολογία᾽ προ- 
είρηται γάρ οἵ δὲ πανημέριοι μολπῇ ϑεὸν ἱλάσκοντο. Vgl. 
Friedlaender Aristonic. p. 53, welcher hinzufügt, dass nach Ari- 
starchs Ansicht auch μέλπειν durch die Bedeutung “singen” gegen 
den homerischen Gebrauch (— ludere) verstosse. Ueber maıav 
und ἑκάεργος vgl. Welcker kleine Schrift. ΠῚ 37. V 58 und den 
Anhang zu H 34. Anders erklärt jetzt Goebel in der Zeitschr. 
für Gymn. 1875 p. 641 ff. ἐκάεργος in Verbindung mit ἕκατος, 
ἑκηβόλος, ἑκατηβόλος, ἑκατηβελέτης unter Annahme eines Neutral- 
substantivs &xog (aus W. & von ἕημι, mit Erweiterung durch # 
= lat. jacio) = Pfeil und einer aus W. var drehen erweiterten 
Wurzelform varg — lat. verg-ere neigen, abwärts richten 
— Pfeile niederwärts richtend, mit Bezug auf die Strahlen 
des Sonnengottes.] — Das am Versschluss stehende κοῦροι ᾿ἡχαιῶν 
will die zu der Sendung auserwählte Jugend (183) hervorheben. 
Sonst würde der Dichter υἷες ᾿Αχαιῶν gesagt haben, das metrisch 
betrachtet hier ebenfalls stehen könnte: vgl. zu « 60. — Vers 474. 
Ueber μέλπειν vgl. Lehrs de Arist.? p. 138 sq. 

481. [Zu πρῆσαι vgl. G. Curtius in seinen Stud. IV p. 228 £.] 

486. [Ueber die ἕρματα handelt Brieger im Philol. XXIX, 201.] 

488—492 [wurden von Zenodot verworfen: Düntzer de Zenod. 
stud. Hom. p. 162. 180; vgl. über dieselben Schoemann de reti- 
centia Homeri p. 3 £.] 

493. Für ἐκ τοῖο ist zu beachten, dass der epische Dichter 
bei Zeitangaben nicht mathematisch verfährt, sondern mit einer 
aßgemeinen Angabe sich begnügt, wo die bestimmte Beziehung 
für den Hörer im ganzen Zusammenhang liegt. Im Gedicht nun 
vom ‘Zorn des Achilleus’ ist nach der obigen Darstellung 
gerade der Tag, an welchem dieser Zorn seinen Anfang nahm, 
dem Gedächtniss und der Fantasie der Hörer mit so mächtigen 
Zügen eingeprägt, dass es nur einer Andeutung bedarf, um jenen 
verhängnissvollen Tag in die Vorstellung zurückzurufen, Diese 
Andeutung ist hier mit ἐκ τοῖο in der vollständigen Klarheit eines 
mündlichen Epikers gegeben, was bereits Aristarch nach Aristoni- 
kos "ἐκ τούτου λέγει τοῦ χρόνου τοῦ τῆς μήνιδος᾽ und viele andere 
erkannt haben. Vgl. Nitzsch Beiträge zur Gesch. d. ep. Poesie 
8. 72f. A. Kiene in Fleckeisens Jahrbb. Bd. 91 8. 794. [Nutz- 
horn die Entstehungsweise der homer. Gedichte p. 146 f., Fried- 
laender die hom. Kritik p. 73 f., v. Hoermann Untersuch. über 
die hom. Frage 1 p. 70, auch Peppmüller Commentar des 24. 
Buches der Ilias, Berlin 1876 p. 25f. Anders urtheilt Ribbeck 
im Philol. VIII p. 473 £.u.a.] Sodann ist zu beachten, dass der 


-- τὸ -- 


Epiker die einzelnen Ereignisse nur nacheinander erzählen kann, 
wenn auch mehrere derselben in der Wirklichkeit nebeneinander 
sich entwickeln. So hier. Nach der neuntägigen Pest nemlich 
haben wir am zehnten Tage die Volksversammlung (53. 54), 
darauf an demselben Tage gleichzeitig die Unterredung des 
Achilleus mit seiner Mutter (348 — 429) und die Fahrt des 
Odysseus nach Chryse. Die letztere aber als Abschluss von 312, 
motiviert durch die Abwesenheit der Götter (424 Anhang z. E.) 
ist nur als eine episodische Erzählung zu betrachten, deren Zeit- 
dauer mit der Nebenangabe 477. 478 auf die Berechnung der 
Haupthandlung keinen Einfluss ausüben kann. Am 21. Tage 
kehren die Götter zurück. Die Handlung des ersten Gesanges 
der Ilias umfasst daher, wie schon Aristarch annimmt, einen Zeit- 
raum von 21 Tagen. Dies behandelt überzeugend Th. Bergk in 
der Zeitschr. f. ἃ. A. W. 1846 85, 394 ff. — Vers 505 könnte 
man zur Entfernung der isolierten Dehnung des οὐ an dieser 
Versstelle wohl τέμησον σύ μοι υἱόν conjicieren, da 508 ἀλλὰ σύ 
πέρ μιν τῖσον folgt. Denn dass τίμησον ἐμοί unmöglich sei, hat 
C. A. J. Hoffmann Quaest. Hom. I p. 57 unter Vergleichung von 
#236 bemerkt. — 

510. [Ist ὀφέλλειν τιμῇ nicht vielleicht von einem materiellen 
Ersatz für das entzogene γέρας zu verstehen? Durch Busse ihn grösser 
machen, d.i. ihm reichen Ersatz für den Verlust geben, wie Athene 
213 in Aussicht stell}? — Anders Aken die Grundzüge der Lehre von 
Tempus und Modus p. 186.] — Vers 513. Themist. or. XVI p. 210°. 

519. Der Nominativ Ἥρη ὅτ᾽ ἄν u ἐρέϑῃσιν, statt des ge- 
wöhnlichen Dativs, ist die Lesart des Aristarch, die auch in der 
ed. Flor. [und in 3 Handschriften, darunter dem Laurentianus 15 
und 3, vgl. La Roche] steht und die meiner Ansicht nach aus 
mehreren Gründen den Vorzug verdient. Erstens wird dadureh 
Here mit ihrem harten und händelsüchtigen Charakter, wie sie 
überall erscheint (vgl. 4 24. E 892. Θ 198. 350. 407 f. 421 δ᾽ 
444. & 249. O 14. T 133) und auch hier 539 den Zank be- 
ginnt, mit Nachdruck hervorgehoben. Ueber die Wortstellung 
vgl. zu n 242. $ 408. ρ 223. ὦ 507. Zweitens: Zeus vermeidet 
dann ängstlich, die Here als den Gegenstand seiner Feindschaft 
direct zu nennen, weil sie 80 schon’ ihm immerwährend Vor- 
würfe macht, dass er es mit den Troern halte (520. 521) und 
ihr als der Freundin der Achaeer gegenübertrete: er will daher 
seine jetzige Feindseligkeit einzig und allein vom Handeln der 
Here abhängig machen, daher das Futurum ἐφήσεις. Hierzu 
kommt drittens, dass das allgemein gesagte ἐχϑοδοπῆσαι zugleich 
mit auf alle Olympischen Götter Bezug hat, die von dem häus- 
lichen Zwiste zu leiden haben und deshalb Partei ergreifen. Vgl. 
566. 570. 575. 579. 589, und nach der Versöhnung 599. End- 
lich hat auch Thetis in ihren Bitten an Zeus (503—510 und 


_- 1 -- 


514—516) auf die Here gar keinen Bezug genommen. — 522 f. 
[522. 523 werden von Düntzer hom. Abhandl. p. 175 f. verworfen. 
Ueber die folgenden Verse vgl. Jacob über die Entstehung der 
Ilias und Odyssee p. 1101] — Vers 527. Die Formel ὅτι ev 
χεφαλῇ κατανεύσω gebraucht Einer bei Plutarch. Apophth. c. 2, 4 
p. 2084. — 

530. Wie Strabo VIII c. 3 p. 543*, Valer. Max. III 7, 
Macrob. Sat. V 13 berichten, hat Pheidias nach dem Eindruck 
dieser Stelle seinen Zeus im Tempel zu Olympia gebildet: er 
wollte nemlich den Zeus in majestätischer Ruhe und solcher Macht- 
fülle darstellen, wie er hier geschildert ist. Vgl. Lessing im 
Laokoon XXI. Und dies ist ihm gelungen. Denn, um die Worte 
von A. Stahr Torso I 8. 159 zu gebrauchen, “als Aemilius Paullus, 
der Besieger Makedoniens, in den Tempel zu Olympia eintrat, 
rief er, den Gott gleichsam in lebendiger Gegenwart erblickend, 
die Worte aus: Fürwahr, dies ist der Zeus des Homer!’ Vgl. 
auch Preller, Adam Gr. Mythol. I 8. 121 der zweiten Aufl. [Lauer 
Geschichte der homer. Poesie p. 43 δ᾿, das Plastische im Homer, 
München 1869 p. 47.] Die homerische Stelle ist mehrfach von 
Späteren nachgeahmt worden (vgl. die Stellen und Citate bei 
Freytag in dessen Ausgabe p. 204), aber alle vielgeschmückten 
Nachahmungen sind hinter der einfachen Rede des Homer weit 
zurückgeblieben. Vers 528 erwähnen auch Plin. Epist. I 7, 4. 
Max. Tyr. XXV. [Cobet Miscellan. crit. 1876 p. 278 verwirft 

. ἐλελίξειν und verlangt ἐβέλιξεν hier und Θ 199. Ρ 278. ε 314.] 

534. ἐξ &ö&ov, hier und 581 die Ueberlieferung der meisten 
und besten Hss., hat Bekker aus wenigen und untergeordneten 
Urkunden in ἐξ ἐδρέων geändert. Vgl. gegen die Aenderung 
H. Rumpf in Fleckeisens Jahrbb. 1860 8. 586. Ueber den Unter- 
schied von ἔδος und ἕδρη vgl. K. Grashof Ueber das Hausgeräth 
bei Homer und Hesiod (Düsseldorf 1858) 8. 2 not. 1, mit dem 
Resultate: “Also ist durchaus &d&wv die rechte Lesart.” [Brugman 
ein Problem der homer. Textkritik p. 46, Anm. 1, vermuthet, 
dass hier σφοῦ unbefugt statt οὗ eingedrungen sei.] — Vers 537. 
Stat. Ach. I 100. 

553. [K. Mayhoff de Rhiani Üretensis stud. Hom. p. 45 f. 
vermuthet als ursprüngliche Lesart: οὐκ εἴρομαι οὐδὲ μεταλλῶ, 
wodurch die Antwort der Hera, der Form nach ganz entsprechend 
den Worten des Zeus 550, an Schärfe gewinnen würde.] 

555. [van Herwerden quaestiunculae epieae et elegiacae, 
Utrecht 1876 p. 1 verlangt an Stelle von μή oe παρείπῃ nach 
& 300 μή oe παρεῖπεν. Indes ist die Stelle e 300 wesentlich 
von dieser verschieden, weil dort nicht die vergangene Handlung 
selbst Gegenstand der Befürchtung ist, sondern dieser in νημερτέα 
liegt und die ganze Construction aus einer Brachylogie zu erklären 
ist. Danach dürfte jene Stelle für diese keine genügende Analogie 


-- τ — 


bieten, auf welche sich Herwerdens Vermuthung stützen könnte. 
Vgl. die Note zu beiden Stellen.] 
. 558. [Eine andere Auffassung dieses abhängigen Satzes im 
Conj. mit ὡς giebt Delbrück der Gebrauch des Conj. u. Opt. p. 62.] 
567. Die andere Erklärung ist, ὦσσον ἰόνϑ᾽ mit Zenodotos 
als ἄσσον ἰόντε auf ϑεοί zu beziehen, und den Dual ἐόντε entweder 
mit Eustathios durch den Gedanken an “Götter und Göttinnen’ 
erklärbar zu finden oder geradezu als pluralischen Dual aufzu- 
fassen. So Krüger Di. 17, 3, 2 und die von G. Autenrieth bei 
Nägelsbach 5. 191 genannten Gelehrten. Aber dieser Gebrauch 
des Dual in pluralischem Sinne lässt sich aus Homer nicht er- 
weisen. Sodann hat nach der gewichtvollen Periphrase ὅσοι ϑεοί 
εἰσ᾽ ἐν Ὀλύμπῳ der Zusatz ἄσσον ἰόντε etwas Mattes und Schleppen- 
des. Drittens ist auch der dann erforderliche Sinn ‘zu Hülfe 
kommend’ für den allgemeinen mit keinem weiteren Zusatz ver- 
sehenen Ausdruck durch keine homerische Parallele zu begründen. 
Endlich bleibt räthselhaft, warum der Dichter einen derartigen 
Gedanken nicht einfach mit ἄσσον ἰόντες 67 ἄν τοι bezeichnet haben 
sollte. Aus diesen Gründen nun habe auch ich mich nach dem 
Vorgang des Aristarch für die Auffassung ἰόντα entschieden. Die- 
selbe hat einen doppelten Anstoss erregt: erstens den lästigen 
Umstand, dass man μέ im Gedanken hinzunehmen müsse. Allein 
das ist unrichtig. Denn Zeus spricht mit ἄσσον ἰόντα ganz ob- 
jeetiv und nennt sich allgemein “den Angreifenden’: erst durch 
den erklärenden Zusatz soll die persönliche Beziehung verdeutlicht 
werden. Hiermit hebt sich wie ich meine auch der zweite An- 
stoss, dass nemlich ᾿χραισμεῖν τιν! ἄσσον ἰόντα keine homerische 
Struktur” sei Dies gilt nur, wenn man durchaus die streng 
persönliche Beziehung festhält. Aber eine conerete Bezeichnung 
statt eines allgemeinern Substantivbegriffes findet sich auch 
sonst. So ist 535 μεῖναι ἐπερχόμενον (was J. La Roche Hom. 
Stud. $ 80 8.142 beanstandet) nichts anderes als “seine Ankunft 
erwarten.” Ebenso Θ 536. Μ 136. X 252. In O 164 μή w 
οὐδὲ κρατερός πὲρ ἐὼν ἐπιόντα ταλάσσῃ μεῖναι können wir ohne 
Weiteres deuten: “meinen Angriff zu erwarten.’ Aehnlich in 
vielen andern Stellen. Auch das mit χραισμεῖν synonyme ἀλέξειν 
wird man dann in Stellen wie 7 315 μή ποτ᾽ ἐπὶ Τρώεσσιν ἀλεξήσειν 
κακὸν ἦμαρ und N 475 ἀλέξασϑαι μεμαὼς κύνας ἠδὲ καὶ ἄνδρας 
als Analogie benutzen dürfen. Schliesslich erwähne ich, dass 
Düntzer Aristarch 8. 61 behauptet, der Vers sei “ohne allen 
Zweifel auszuscheiden’, weil das einfache χραίσμωσιν schon genüge, 
wie 28 beweise. Aber der ‘Zweifel’ anderer wird sich auf die 
dadurch entstehende Dunkelheit und Zweideutigkeit beziehen, als 
wenn ‘alle Götter im Olymp’ der Here überhaupt und in jeder 
Beziehung nutzlos wären. Ueber jeden Zweifel wäre man er- 
hoben, wenn die Conjectur von Bentley und Clarke ἄσσον ἰὼν 


" -- 18. -- 


ὅτε, die auch 7. E. Ellendt Drei hom. Abh. p. 15 billigt, auf 
alter Ueberlieferung beruhte. 

578. ["Fige φέρειν Erwünschtes darbringen: Homer. Die 
Redensart väram bhar Fijg« φέρειν darf für indogermanisch gelten.” 
Fick vergl. Wörterb. ἢ p. 188 unter 3 vära.] 

590 fl. Aehnlich erzählt diese Sache Valer. Flacc. II 
82 Β΄. — 598. [νέκταρ erklürt Fick in Bezzenbergers Beiträgen 
zur Kunde der indogermanischen Sprachen. 1876. I p. 62 aus W. 
snag vgl. nhd. schnökern — σνεγ -τὰρ was gut schmeckt, Leckerei.] 
— 599 gebraucht auch Tatian, or. ad Gr. c. 9 p. 36 ed. Ott. 

603 f. [Nach Welcker Ep. Cyel. p. 340 f. und 372 hat man 
an epischen Gesung zu denken, dessen Stoff für Götter Theogonie 
oder etwa Geburten und Hochzeiten der Götter sein würde “Es 
ist Gesang zum Mahle, Apollo spielt die Phorminx, und das Lied 
dazu singen die Musen, da ihrer mehrere sind, und da zum epi- 
schen Liede ein Chor nicht gehörte, eine nach der andern theil- 
weise, wie ein Grammatiker richtig erklärt”.] 

611. [Lachmann Betrachtungen p. 2 knüpfte an den Schluss 
des ersten und den Anfang des zweiten Gesanges zwei Beobach- 
tungen, aus denen er schliessen zu dürfen glaubte, dass in zwei 
auf einander folgenden Abschnitten der Ilias oft nach dem ersten 
ein Aufhören des Gesanges und ein neues Anheben vorausgesetzt 
werde: „Weder ist hier der Gegensatz durchgeführt, “alle giengen 
zu Bett und schliefen, aber Zeus schlief nicht”, sondern es heisst 
“die Götter giengen zu Bett, und auch Zeus schlief. Alle Götter 
und Menschen schliefen, Zeus aber nicht’: noch war es zweck- 
mässig, wenn doch dies folgen sollte, “Zeus schlief nicht, sondern 
er rief den Traumgott”, vorher daran zu erinnern, dass neben ihm 
die goldenthronende Here lag, die von der Berufung des Traumes 
nichts wissen durfte.“ Die erste Differenz hatten auch schon die 
Alten gefunden und aufzulösen gesucht: Πῶς ἐν τῇ A εἰπὼν τὸν 
Δία καϑεύδειν νῦν φησὶ “Δία δ᾽ οὐκ ἔχε νήδυμος ὕπνος; λέγομεν 
δὲ ἡμεῖς ὅτι ἐκάϑευδε μέν, ἀλλ᾽ ἐπ᾽ ὀλίγον ἐκαϑεύδησε, καὶ οὐ διὰ 
πάσης τῆς νυκτός, ὡς ol ἄλλοι, μεριμνῶν: Scholia graeca in Homeri 
Iliadem ed. G. Dindorf. Tom. I p. 70, und Schol. Β ἀνέβη καϑευ- 
δήσων ἢ ἀντὶ τοῦ ἀνεκέκλιτο, ähnlich Eust. 163, 40 ἔστι καϑεύδειν 
τὸ ἁπλῶς ἀναπίπτειν ὡς ἐπὶ ὕπνῳ. Beide Erklärungsversuche der 
Alten sind von den Neueren aufgenommen, nur mehr oder weniger 
modificiert. Die einen sprechen dem καϑεῦδε die Bedeutung “er 
schlief’ ab und verstehen: Gross vindieise Hom. I p. 16 unter 
Vergleich von ὃ 304. ξ 1. n 344. 8. 313. v 141 “er legte sich 
schlafen’, Doederlein zu 4 611 “er schlief ein’, Ameis und 
Düntzer homer. Abhandl. p. 33 “er ruhte auf dem Lager’, 
vgl. Q 673 fi. γ 402. ὃ 302 ff. ἡ 344 8. 8. 313. τ 50, Düntzer 
in seiner Ausgabe: gieng zur Ruhe. Andere welche für καϑεῦδε 
die Bedeutung “schlief” anerkennen, betonen den Gegensatz von 


-- πὰ -- 


εὗδον παννύχιοι und οὐκ ἔχε ὕπνος und fassen letztere Wen- 
dung in dem prägnanten Sinne: hielt nicht umfangen, fesselte 
nicht auf die Dauer, mit Berufung auf I 713. Καὶ 1—4. o 4—7. 
So Naegelsbach und La Roche zur Stelle, Baeumlein in Zeitschr. 
f. Alterthumswiss. 1848 p..325. Beide Interpretationen vereinigen 
Doederlein zu B 2, Faesi, Nutzhorn die Entstehungsweise der 
homerischen Gedichte p. 143 (οὐκ ἔχε Imperf.: ‘nur bei Zeus 
wollte der Schlaf nicht bleiben’.) Ein drittes Auskunftsmittel den 
Anstoss zu beseitigen ist die von Gross vorgeschlagene Athetese 
von A 611, worin 2. B, Bergk griech, Literaturgesch. I p. 496, 
Anmerk. 44 einen zum Behuf des Einzelvortrags gemachten Zusatz 
erkennt, der einen schicklichen Abschluss geben sollte. Gegen 
die prägnante Auffassung von ἔχε ist von Düntzer hom. Abhandl. 
p. 33 geltend gemacht, dass ἔχειν in solchen Verbindungen sich 
nur in der Bedeutung in Besitz haben finde, und von Herzog 
in Jahrbb. f. Philol. 1873 p. 192 insbesondere ὃ. 343 ff. ange- 
zogen, wo bei ähnlichem Gegensatz οὐδὲ Ποσειδάωνα γέλως ἔχε 
nur heisst: aber Poseidon lachte nicht ἃ, i. überhaupt nicht. 
Beide Interpretationsversuche sind mit Nachdruck bekämpft 
von Bonitz über den Ursprung der homerischen Gedichte. 3. Aufl. 
p. 60 #. Letzterer bemerkt mit Recht gegen Naegelsbach, dass 
durch ἀλλ᾽ ὅγε μερμήριξε diese Angabe der vorherigen als in die- 
selbe Zeitdauer fallend gleichgestellt werde; was Naegelsbach in 
den Worten finde, erfordere nothwendig, dass dem οὐκ ἔχε νήδυμος 
ὕπνος gegenübergestellt würde ἔγρετο δ᾽ ἐξ ὕπνου -- καὶ γὰρ ὃ 
μερμήριξε. Aus diesem Grunde, wie wegen der gegen die prügnante 
Auffassung von ἔχε angeführten Parallele $ 343 ff., ist die darauf 
beruhende Erklärung ohne Zweifel aufzugeben. Eine neue Wen- 
dung erhält diese Frage jetzt durch die von Goebel in der Zeitschr. 
für das Gymnasialwes. 1875 p. 647 gegebene neue Erklärung des 
Wortes νήδυμος aus νὴ + ἀδ sättigen = dessen man nicht satt 
werden kann, d. i. unwiderstehlich oder unerschöpflich, 
wonach die Stelle gedeutet wi Zeus war zwar eingeschlafen, 
aber während alle übrigen Götter und Helden die ganze Nacht 
schliefen, hielt den Zeus kein νήδυμος ὕπνος umfangen, sein 
Schlaf war kein ἀκόρεστος, ἄπληστος, kein insatiabilis gewesen; 
vielmehr war Zeus von wegen seiner Herrschersorgen desselben 
alsbald satt geworden. So wird der vergebens in ἔχε gesuchte 
Begriff des dauernden Schlafes, wie es scheint, durch das Epitheton 
von selbst geboten. Allein auch wenn die übrigens ansprechende 
Etymologie über allen Zweifel erhaben wäre, so würde doch die 
von Bonitz gegen den Gedankenzusammenhang erhobene Aus- 
stellung bleiben. Dieser Anstoss würde weniger fühlbar sein bei 
der jetzt von Schmalfeld in Jahrbb. f. Philol. Suppl. VIII p. 300 ff. 
versuchten Erklärung aus νὴ — und W. δὺ (in ὁ- δύ- νη und din) 
= nicht beunruhigt von Sorgen. Auch bei καϑεῦδε muss 


-- τὸ — 


man, wie ich jetzt urtheile, von jedem Versuch dem Worte eine 
andere Bedeutung als die gewöhnliche zu geben, abstehen: Q 675 
und I 663 steht eöde an derselben Stelle und in demselben Paralle- 
lismus zu κοιμήσαντο, κατέλεκτο, παρελέξατο, wo y 402. ὃ 304. 
n 344 καϑεῦδε sich findet, auch ist, wie Bonitz richtig bemerkt, 
das Gewicht nicht zu übersehen, welches die zweifellose über- 
tragene Bedeutung von καϑεύδειν für die richtige Auffassung der 
eigentlichen Bedeutung dieses Wortes hat. Gleichwohl ist der 
Art gegenüber, wie Lachmann den Widerspruch zwischen dem 
Schluss des ersten und dem Anfang des zweiten Gesanges formu- 
liert hat, zu bemerken, dass bei dem Parallelismus der Glieder 
A 606—608 und 609—611 das Hauptgewicht auf der Orts- 
bestimmung liegt, wie in den oben angeführten Parallelen, und 
bei dem Gewicht dieser der anzuerkennende Widerspruch ‚minder 
schrof® empfunden wird, als nach Lachmanns Formulierung anzu- 
nehmen wäre. Ganz bedeutungslos aber ist das an die Anwesen- 
heit der Here geknüpfte Bedenken. Düntzer a. O. sagt: “Zeus 
muss bei seiner Gattin schlafen, wie in der Odyssee Nestor und 
Menelaos, wie im letzten Buch der Ilias Briseis bei Achilleus 
schläft; dass Zeus dadurch bei der Berufung des Traumes ge- 
hindert werde, konnte dem homerischen Dichter kaum in Gedanken 
kommen’ und Nutzhorn p. 144: “Wenn Here schlief, konnte sie 
ja nicht hören, was Zeus sagte, und ihre Gegenwart war unschäd- 
lich, wenn es auch Geheimnisse waren, die Zeus aussprach’. 


B. 
Einleitung. 


Literatur: 6. Hermann de interpolat. Hom. p. 7 (= Opuse. 
V p. 57]. — Lachmann Betrachtungen über Homers Ilias. 2. Aufl. 
Berlin 1865 p. 8—13 und dazu Haupts Zusätze p. 102—104, 
Benicken das zweite Lied vom Zorne des Achilleus etc. heraus- 
gegeben. Leipz. 1873, Benicken in Sachen H. Koechly und 
H. Düntzer c/a Karl Lachmann betreffend Il. B 1—483. Salzwedel 
1872. — Die Lachmannsche Kritik betreffen: C. Ὁ. Müllers 
kleine deutsche Schriften I p. 464 f., Gross vindieiarum Homeric. 
part, I. Marburg 1845 p. 30 ff, Baeumlein in der Zeitschr. für 
die Alterthumswiss. VI, 1848 p. 331 ἔν, Hoffmann im Philol. III 
p. 198 #., Düntzer in der allgemein. Monatsschrift für Literatur 
1850, II = Homerische Abhandlungen p. 41 ff, Gerlach im 
Philol. XXX p. 9 ff. — G. Grote Geschichte Griechenlands, über- 


-- τὸ -- 


setzt von Meissner, Bd. I p. 530. 534 f., vgl. Baeumlein im 
Philol. XI p. 405 ff. und Friedlaender die homerische Kritik 
von Wolf bis Grote. Berlin 1853 p. 63 f. — Naeke Opuscula 
philolog. I p. 270 £. — Koechly in den Verhandlungen der achten 
Philologenversammlung zu Darmstadt. 1846 p. 73 fi. Koechly 
de Iliadis B 1—483 disputatio. Turiei 1850, vgl. Düntzer 
homerische Abhandlungen p. 102 ἢ“, Baeumlein über die Com- 
position der zweiten Rhapsodie der Ilias mit Bezug auf Koechly's 
disputatio de Iliadis B 1—483 im Philol. VII p. 225 ff., und Ribbeck 
in den Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 7 fl. — Düntzer das 3. bis 
7. Buch der Ilias als selbständiges Gedicht in den hom. Abhandl. 
p. 234 ff. — Lange in der Zeitschr. f. ἃ. Gymnasialwes. 1875 
Ρ. 156. — Goebel über den innern Zusammenhang des 1. u. 2. Buches 
der Ilias, sowie über die Bedeutung der Thersitesscene in Zeitschr. 
$. Gymnasialwes. 1854, VIII p. 373 #. — R. Franke zur Frage 
über die Zusammensetzung von Il. B 1—483. Gera 1864 und 
derselbe disputationis de Iliadis B 1—483 paıs altera, Leipzig 
1870. — Abel die Agora des zweiten Gesanges der Ilias nach 
ihrem Zweck und Zusammensetzung. Aschaffenburg 1858. — Kern 
die beiden Erzählungen im 2. Buch der Nias. Ulm 1868. — 
M. Vrzal. Ilias II V. 1—483 mit besonderer Rücksicht auf die 
Bedenken Lachmanns untersucht. Nikolsburg 1875. — Fr. Suse- 
mihl über Ilias B 1—483 im Philol. XXXII p. 193 ff. — Kam- 
mer zur homerischen Frage. Königsberg 1870. I p. 1ff., dagegen 
Düntzers homer. Abhandlungen p. 272 f., Susemihl im Philol. 
XXXII p. 222, Anm. 143. — G. Curtius homerische Studien 
im Philol. III p. 10 ff., betreffen: V. 75. 188—205. 278—332. 
265—277. — Naegelsbach Exeurs IV und V (über B 188—205) 
in den Anmerkungen zur Ilias. 3. Aufl. p. 440 ff. — Jacob über 
die Entstehung der Ilias und Odyssee p. 176 f. — Nitzsch 
Sagenpoesie p. 210 f. und Beiträge zur Gesch. der epischen Poesie 
p- 465 ff., vgl. dazu Schoemann in den Jahrbb. f. Philol. 1854. 
Ba. 69 p. 21 #. — Kiene die Komposition der Ilias, p. 76 ἢ, 
215. 217, und derselbe: der Zusammenhang des zweiten Buches 
der Ilias mit dem ersten in den Jahrbb. für Philol. 1869 p. 600 ff. 
— Genz zur Ilias. Sorau 1870 p. 11 fl. — Bonitz über den 
Ursprung der homerischen Gedichte. 3. Aufl. Wien 1872 p. 59 #.— 
Bischoff im Philol. XXXIV p. 6 ἢ — Bernhardy Grundriss 
der griech. Literat. ὃ IL, 1, p. 159 ἢ, — Bergk griech. Literatur- 
gesch. I p. 554 ff. — Hoffmann quaestt. Hom. II p. 202 ff. 
Giseke homerische Forschungen p. 167 ἢ 223 ἢ, — Ueber den 
Schiffskatalog: Lauer quaestiones Hom. p. 84, A. Mommsen im 
Philol. V p. 522 ff, Koechly de genuina catalogi Homeriei forma. 
Turiei 1853, Gladstone homerische Studien p. 107 f#., Düntzer 
in den Jahrbb. f. Philol. 1855 p. 415 ff. = Homer. Abhandl. 
Ρ. 212 ff, Baeumlein in den Jahrbb. f. Philol. Bd. 75 p. 34 


- τὸ — 


—46, Kammer zur homerischen Frage. I p. 32 #., vgl. Benicken 
das dritte und vierte Lied. ‘Halle 1874 p..146 fi, Raspe der 
sogen. Schiffskatalog in der Ilias, Güstrow 1869, Schwartz über 
die Boeotia des Homer, namentlich in ihrem Verhältniss zur Kom- 
position der Ilias. Neu-Ruppin 1871, vgl. Susemihl im Philol. 
XXXII p. 225 f. und Benicken das dritte und vierte Lied vom 
Zorne des Achilleus. Halle 1874 p. 1—19. Niese der homerische 
Schiffskatalog als historische Quelle betrachtet. Kiel 1873. Bischoff 
Bemerkungen über homerische Topographie, Schweinfurt 1875 p. 
22 #.: Die Ordnung des Schiffskatalogs, Bergk griech. Literat. 
I p. 556 ff. Vgl. auch Nitzsch Sagenpoesie p. 127, Werck- 
meister in den Festschriften zur 50jähr. Stiftungsfeier des Gymnas. 
zu Ratibor 1869: ein Kunstprineip Homers p. 11, O. Keller die 
Entdeckung Ilions in Hissarlik. Freiburg i. B. 1875 p. 8 ff. 

Ueber die Thersitesscene: Lessing im Laokoon XXII—XXIV. 
Herder in den kritischen Wäldern I, cap. 21. A. G. Lange 
vermischte Schriften und Reden. Leipz. 1832 p. 106 ff. Fr. Jacobs 
vermischte Schriften VI p. 81 f. Doederlein Reden und Auf- 
sätze. 2. Sammlung p. 203 fl. Goebel in der Zeitschr. f. Gymn. 
1854 p. 764 fl. — Versuch einer strophischen Gliederung von 
B 1—483 nach Tetrasticha und des Katalogs nach Disticha bei 
Beloch in Rivista di filologia. 1875 p. 305 ff., vgl. Bursians 
Jahresbericht über die Fortschritte der classischen Alterthums- 
wissenschaft. 1874—75 p. 140 f. 


Die Erzählung des zweiten Gesanges beginnt, unmittelbar an 
die im Schluss des ersten gegebene Situation anknüpfend, mit der 
dem 21. Tage der Ilias folgenden Nacht und dehnt sich über die 
ersten Morgenstunden des 22. aus, welcher die Bücher II—VII, 
380 erfüllt. Wir unterscheiden in derselben folgende Haupttheile: 

A. Die Sendung des Traumes zu Agamemnon, 1—47. 
B. Boule und Agora der Achaeer; Vorbereitung und Auszug 

zum Kampf, 48—483. 

C. Der Schiffskatalog, 484— 785. 

D. Sendung der Iris zu Priamos. Auszug der Troer zum Kampf, 
786—811. 

E. Troerkatalog, 811—877. 

Der Gesang enthält demnach die einleitenden Ereignisse des 
ersten Schlachttages auf Seiten der Achaeer und der Troer in 
paralleler Anordnung und Behandlung: auf beiden Seiten wird die 
Handlung vorbereitet und bestimmt durch Zeus’ Eingreifen, dort 
durch Sendung des Traums, hier durch Sendung der Iris (786 ff.). 
Im Einzelnen bedarf nur die Gliederung der ersten grossen Partie 
1—483 einer genaueren Betrachtung. Sie umfasst folgende Stücke: 


_ 1 -- 


1. Die Sendung des Traumes, 1—47. Zeus bedacht auf die 
Ausführung der βουλή (ὡς ᾿Αχιλῆα τιμήσει᾽, ὀλέσαι δὲ πολέας 
ἐπὶ νηυσὶν ᾿Αχαιῶν) sendet in der Nacht zu Agamemnon einen 
verderblichen Traum mit der Weisung eiligst zum Kampf 
zu rüsten und der Aussicht auf die Eroberung Trojas. Der 
Traum vollzieht den Auftrag in der Gestalt des von Aga- 
memnon vor Allen geehrten Nestor und ausdrücklich als Zeus’ 
Bote sich einführend. Agamemnon beruft am Morgen voll 
stolzer Zuversicht die Heeresversammlung. Während das 
Heer sich versammelt (vgl. 52 und 86), hält Agamemnon 

2. die Boule der Geronten bei Nestors Schiff, 53—86. Ag. 
fordert auf Grund des Traumes die Geronten zu dem Versuch 
auf, das Heer zum Kampf zu rüsten: er selbst will, um die 
Stimmung des Heeres auf die Probe zu stellen, dasselbe zur 
Flucht in die Heimath auffordern, die Fürsten sollen dem 
entgegentreten. Nestor berührt in einer auffallend kurzen 
Erwiederung den Plan der Versuchung gar nicht, stimmt 
zwar dem Vorschlag der Rüstung zu, lässt aber durchblicken, 
dass er zu dem Traum kein besonderes Vertrauen hege. 

3. Die Agora, 87—399, verläuft in 4 Acten: 

a. Agamemnons versuchende Rede und deren Wirkung, 87 
—154. 

Das Zusammenströmen der Volksmenge und ihre leb- 
hafte Erregung. Agamemnon tritt auf. Geschichte seines 
Scepters. Agamemnons verstellte Rede, in welcher er zur 
Flucht auffordert, enthält mit und neben den für diese 
angeführten Gründen zugleich alle wesentlichen Momente, 
welche ein lebhaftes Ehrgefühl für das Ausharren im 
Kampf geltend machen würde, aber verdeckt und zurück- 
tretend vor der leidenschaftlichen Sprache einer scheinbar 
verzweifelten Stimmung und der geflissentlichen Hervor- 
hebung der bisherigen Erfolglosigkeit und zukünftigen 
Aussichtslosigkeit des Kampfes. Die Erinnerung an die 
sehnsüchtig daheim harrenden Weiber und Kinder erregt 
das Heimweh der Krieger und vereitelt so den beabsich- 
tigten Erfolg. Stürmischer Aufbruch des Heeres zu den 
Schiffen. 

Ὁ. Athene’s Dazwischenkunft und Rückkehr des Heeres in die 
Versammlung, 155— 210. 

Athene, von Here gesendet, mahnt Odysseus der Flucht 
Einhalt zu thun. Diesem gelingt es durch mahnenden Zu- 
spruch an die Fürsten und strafenden Tadel des Volkes 
das Heer zur Versammlung zurückzuführen. 

ὦ. Thersitesscene, 211—277. 

Thersites schmäht Agamemnon unter Anspielung auf 

die Zurückhaltung der Chryseis und die Wegnahme der 


- τὸ -- 


Briseis und fordert von Neuem die Heimkehr. Seine Zu- 
rechtweisung und Züchtigung durch Odysseus erregt das 
Gelächter der Achaeer. . 

d. Reden des Odysseus, Nestor und Agamemnon, 278—399. 
"Odysseus’ Rede verfolgt in engem Anschluss an Aga- 
memnons versuchende Rede den Zweck, die Achaser zum 

Ausharren zu vermögen. Er leitet daher nach der Er- 

innerung an das dem Agamemnon gegebene Versprechen, 

nur nach Troja’s Zerstörung heimzukehren, die Gedanken 
sofort auf den entscheidenden Punkt, der den stürmischen 

Aufbruch des Heeres verschuldet hat, das Heimweh. Er 

erkennt dieses bis zu einem gewissen Grade als berech- 

tigt an, um dann aber mit allem Nachdruck den Ehren- 
punkt geltend zu machen, die Schmach nach so langer 

Abwesenheit ohne Erfolg heimzukehren. Der von Aga- 

memnon betonten Aussichtslosigkeit des Kampfes stellt er 

in ausführlicher lebhafter Erzählung das von Zeus gesandte 

Zeichen in Aulis gegenüber, welches nach Kalchas’ Deu- 

tung die Eroberung Troja’s im zehnten Kriegsjahr in Aus- 

sieht stellt. — Auf Grund der durch Odysseus’ Rede be- 
wirkten Umstimmung ist Nestor bemüht, zwischen dem 

Heer und Agamemnon das rechte Verhältniss herzustellen 

und die sofortige Aufnahme des Kampfes herbeizuführen. 

Er wendet sich zunächst mit scharfem Tadel gegen den 

in der Versammlung hervorgetretenen unkriegerischen Sinn 

und verweist auf die feierlichst eingegangenen Verpflich- 
tungen, fordert sodann Agamemnon auf, festhaltend an 
seinem früheren Entschluss und unbekümmert um die 
wenigen Abtrünnigen, die Zügel des Oberbefehls wieder mit 
Kraft zu ergreifen. Er betont aufs Neue das Thörichte 
des Entschlusses der bestimmten Zusage des Zeus und der 
in Aussicht stehenden Rache gegenüber an Heimkehr zu 
denken und stellt denen, die sich vom Heere sondern 
wollen, schmähliches Verderben in Aussicht. Zuletzt 
empfiehlt er dem Agamemnon, das Heer nach Stämmen 
und Geschlechtern zu ordnen. — Agamemnon belobt Nestor 
wegen seines Rathes, gedenkt nicht ohne Reue seines 

Streites mit Achill, ermahnt das Heer sorgfältig alle Vor- 

bereitungen zum Kampfe zu treffen und bedroht endlich 

alle, ‘die sich etwa vom Kampf fernhalten würden. — 

Auflösung der Versammlung. 

4. Opfer und Frühmahl im Lager, 400—441. 

Agamemnon ladet die Geronten in sein Zelt. Feierliches 
Opfer. Agamemnons Gebet zu Zeus, getragen von der stol- 
zesten Siegeshoffnung. Beschreibung des Opfermahls. Nach 
demselben mahnt Nestor sofort zum Aufbruch. 


— 80 — 


5. Sammlung und Ordnung des Heeres, Aufbruch und Auf- 
stellung auf dem Schlachtfelde, 441—483. 

Das Heer sammelt sich und wird von den Führern ge- 
ordnet, unter ihnen Athene mit der Aegis die Achaeer mit 
Kampfmuth erfüllend. Sechs Gleichnisse schildern den Ein- 
‚marsch, die Aufstellung und Ordnung des Heeres in der Ebene. 
Agamemnon wird unter den Fürsten von Zeus besonders aus- 
gezeichnet. 


Sehen wir von den jetzt ziemlich allgemein für später ein- 
gefügt geltenden Katalogen ab, so haben wir im zweiten Gesange 
eine einfache, wie es scheint, in regelmässiger Folge der Momente 
fortschreitende, in sich zusammenhängende Handlung, welche an 
das im ersten Gesange Gegebene anknüpfend den Ausgangspunkt 
und die Grundlage für die im IIL.—VII. Gesange erzählten Er- 
eignisse des ersten Schlachttages bildet. Im Vergleich zum ersten 
Gesange ist die Handlung weniger reich und mannigfaltig, doch nicht 
ohne Bewegung, spannende Situationen und überraschende Wen- 
dungen. Die handelnden Personen der Götter- und Menschenwelt 
entsprechen, abgesehen von den durch die besonderen Verhältnisse 
gebotenen Aenderungen, denen des ersten Gesanges. Zeus leitet 
die Action ein, in dieselbe greifen, ähnlich wie dort, Here und 
Athene ein. Während Achills nur vorübergehend gedacht wird, 
tritt Agamemnon in den Vordergrund, zum Theil mit besonderer 
Auszeichnung (101 ff. 477 f.), neben ihm sind, wie dort, Nestor 
und Odysseus thätig, letzterer tritt ganz besonders hervor und 
zwar in enger Verbindung mit Athene, ausserdem werden als 
Geronten nur erwähnt Idomeneus, beide Aias, Diomedes, Menelaos; 
als eine vorübergehende, für die besondere Situation geschaffene 
Figur tritt Thersites hinzu. In sachlicher Beziehung bietet der 
zweite Gesang, noch mehr als der erste, eine Reihe von Zügen, 
welche der Geschichte des Krieges vor der Handlung der Ilias 
angehören und der Exposition dienen: 286 fl. 301 ff. 339. 350 ff, 
auch 123 ff. 130 f. 134 und 295, 177 und 355 f. 

Dass der Dichter nicht ohne schöpferisches Talent ist, zeigt die 
Erfindung und treflliche Zeichnung der Figur des Thersites; auch 
die einen grossen Raum füllenden Reden verrathen zum Theil nicht 
geringes Geschick in der Erfindung, und in ihrer gegenseitigen Be- 
ziehung auf einander eine planmässige, wohl berechnende Kunst. Zu 
der Anwendung besonderer Kunstmittel in der Anordnung gab die 
Einheit der Handlung keinen Anlass; auch dass der zweite Ge- 
sang mit dem ersten nicht concurrieren kann in der Mannigfaltig- 
keit der Gruppierung und der Anwendung der wirksamen Mittel 
des Parallelismus und des Kontrastes, wird zum Theil auf Rech- 
nung des Stoffes kommen; dagegen zeigt sich, davon unabhängig 


- 31 — 


ein durchgreifender Unterschied in der Darstellung: dem dort 
überall herrschenden lebhaften Fortschritt der Handlung und 
der im Ganzen gedrungenen Kürze der Erzählung steht hier 
eine behagliche Breite, zum Theil eine glänzende Fülle gegen- 
über. Dinge, die dort mit einem Zuge abgethan werden, wie 
das Zusammenkommen des Heeres zur Versammlung, geben hier 
Anlass zu ausführlicher Schilderung; der Dichter verweilt bei 
der Geschichte des Scepters des Agamemnon, bei der Beschrei- 
bung der Aegis der Athene, zeichnet Thersites’ Gestalt Zug 
für Zug; an die Stelle der seltenen kurz andeutenden Ver- 
gleiche des ersten Gesanges tritt hier eine Ueberfülle der glän- 
zendsten ausgeführten Gleichnisse. 


Die kritische Behandlung des zweiten Gesanges, auf deren 
Schwierigkeit schon die überaus reiche Literatur weist, hat kaum 
eine geringere Bedeutung für die homerische Frage, als die des 
eısten. Da der zweite Gesang die Grundlage für die Handlung 
der folgenden Gesänge bis zum siebenten inclusive bildet, so 
sind auch diese in das Bereich der Untersuchung mit hinein- 
zuziehen. Ehe wir aber diesen weitreichenden Fragen näher 
treten, bedarf es zunächst einer kritischen Prüfung des Gesanges 
selbst nach dem innern Zusammenhang seiner Theile und der Ent- 
wicklung der Handlung. 

Hier zeigt sich nun die entgegengesetzte Erscheinung von der 
bei der Kritik des ersten Gesanges beobachteten: dort einzelne 
Widersprüche und Incongruenzen in Nebenpunkten der Erzählung, 
dagegen eine tadellose Motivierung und harmonische Entwicklung 
der Handlung, hier mannigfache Bedenken gegen die Eıfindung, 
die Motivierung, den innern Zusammenhang. 

Die Hauptbedenken, welche sich gegen den inneren Zu- 
sammenhang des Gesanges erheben, sind die folgenden. Zunächst 
die, welche sich an das Verfahren des Zeus knüpfen. Um Achill 
durch eine empfindliche Niederlage der Achaeer die verheissene 
Genugthuung zu verschaffen, will Zeus eine grosse Schlacht herbei- 
führen. Zu diesem Zweck sendet derselbe einerseits zu Agamem- 
non den Traum, der ihn mit falscher Siegeshoffnung erfüllen und 
zur Aufnahme des Kampfes veranlasssen soll, andrerseits zu 
Priamos die Iris, welche durch die Meldung vom Anmarsch des 
achaeischen Heeres die Troer zum Auszug bewegt. Von diesen 
beiden Massregeln befremdet sofort die zweite durch die Art der 
Ausführung in Vergleich zu Zeus’ Absicht: hat die Sendung der 
Iris nur Sinn, wenn sie den Kampfmuth der Troer entflammen 
soll, so ist doch die fast erschreckende Ankündigung eines hart- 
näckigen Kampfes und das Staunen über die zahllose Menge des 

Anhang zu Ameis, Homers Ilias I. 6 


—_ 2 — 


achaeischen Heeres in Iris’ Munde 796—801, welche 787 mit 
Recht; als eine ἀλεγεινὴ ἀγγελίη bezeichnet wird, wahrlich nicht 
geeignet, diesem Zweck zu dienen. Wie viel näher lag es durch 
Iris den Troern die Nachricht von Achills Groll und Unthätigkeit 
zukommen zu lassen, ein Motiv, welches durch Nestors Klage 
4A 255 ff. bereits vorbereitet war, welches in Wirklichkeit aber 
erst 4 512 verwendet wird. Ja neben diesem so naheliegenden 
und so wirksamen Motive kann auch das Motiv des Traumes be- 
fremden, zumal da schwer zu begreifen ist, dass Agamemnon sich 
gerade jetzt so trügerischen Hoffnungen hingeben kann, wo der 
Hauptheld sich des Kampfes enthält (G. Hermann, Schoemann.). 
Indes lässt sich hier anknüpfen an die stolze Sicherheit, mit der 
Agamemnon im Streit mit Achill im Bewusstsein seiner Stellung 
und im Vertrauen auf Zeus’ Gunst die Drohung desselben heim- 
zukehren zurückgewiesen (4 173 #.), um es begreiflich zu finden, 
dass in Agamemnons Seele wohl der Gedanke Raum finden konnte, 
auch ohne Achill zu siegen; innere Regungen aber gestalten sich, 
wie Baeumlein bemerkt, auch sonst bei Homer zu gottgesendeten 
Träumen. Begreiflich daher auch, dass dem Dichter die Täuschung 
Agamemnons, der dort gerade sein unbedingtes Vertrauen in Zeus’ 
Gunst ausgesprochen hatte, die geeignetste Einleitung zu der tief- 
sten Demüthigung desselben erscheinen mochte, ohne dass wir der 
von Jacob gegebenen Erklärung bedürfen, dass so den Agamem- 
non die Strafe seiner übermüthigen Beleidigung des Achill noch 
stärker treffe, wenn nun wieder durch den Beschluss der Schlacht 
er und kein anderer diese grosse Noth über das Heer brachte. 
Obne Anstoss ist dabei nach der allgemeinen Auffassung der 
Götter der von Zeus geübte Betrug. Im weiteren Verlauf der 
Erzählung greift Zeus nur noch einmal ein, indem die hervor- 
ragende glänzende Erscheinung des Agamemnon unter den Fürsten 
und vor allem Volk der Einwirkung desselben zugeschrieben wird, 
477—483: man kann fragen, wie diese Auszeichnung des Aga- 
memnon mit Zeus’ Absicht vereinbar sei. Andrerseits hat man 
die Passivität des Gottes gegenüber den seine Absichten durch- 
kreuzenden Schritten Agamemnons und deren Wirkungen befrem- 
dend gefunden. (Koechly.) Zeus thut nichts, um der durch 
Agamemnons verstellte Rede herbeigeführten Flucht Einhalt zu 
thun, er überlässt es Here und Athene einzugreifen. Man hat 
dagegen geltend gemacht, dass Here und Athene ihrerseits alles 
Interesse dabei hatten, die Flucht zu vereiteln, welche überdies 
ὑπέρμορα geschehen sein würde (155), und Zeus dies vorhersehen 
musste. (Genz.) 

Eine weitere Frage ist, wie das im Eingang eingeführte 
Motiv des Traumes im Verlauf des Gesanges wirkt und wie 
namentlich Agamemnon sich demselben gegenüber verhält. Die 
nächste Wirkung desselben ist, dass Agamemnon die feste Zuver- 


-- 85 — 


sieht gewinnt noch an demselben Tage Troja einzunehmen (36 f.). 
Von V. 83 an dagegen, sagt man, verschwinde dasselbe spurlos 
aus der Erzählung. Nicht ganz mit Recht: zwar wird der Traum 
direct nicht weiter erwähnt, aber der Ton stolzer Siegeshoffnung, 
den Agamemnon in dem Gebet an Zeus vor Aufnahme des Kampfes 
412 ff. anstimmt, erweist sich doch wohl als Wirkung des Trau- 
mes, und auch die entschiedene Sprache in dem vorhergehenden 
Heeresbefehl 385—387 kann darauf zurückgeführt werden, wenn 
auch die Befestigung seiner Stellung durch den glücklichen Aus- 
gang der Agora daran ihren Antheil haben mag. Auch die Aeusse- 
rung Nestors bald darauf ἔργον, ὃ δὴ ϑεὸς ἐγγυαλίξει 436, ist 
ohne Zweifel auf die durch den Traum gegebene Veranlassung 
zur Aufnahme des Kampfes zu beziehen. Aber abgesehen von 
diesen Nachwirkungen ist nach der Boule der Geronten (83) 
allerdings vom Traume nicht mehr die Rede. Odysseus so wenig, 
als Nestor knüpfen an die siegesverheissenden Vorzeichen, an 
welche sie erinnern, die Mittheilung des Traumes, der die un- 
mittelbar bevorstehende Verwirklichung jener Verheissungen in 
Aussicht stellt, und lassen sich so ein bedeutsames Moment ent- 
gehen, die Hoffnungen des Heeres neu zu beleben, und Agamem- 
non selbst denkt nicht daran, im Anschluss an jene Erinnerungen 
dem Heer den Traum mitzutheilen. Es mag sein, dass jene bei- 
den Fürsten, wie wenigstens Nestor in der Boule hatte durch- 
blicken lassen, nach der Ansicht des Dichters wenig Vertrauen zu 
dem Traume haben konnten (womit freilich wieder Nestors Aeusse- 
rung 436 im Widerspruch steht) und auch bei dem Heere von 
der Mittheilung desselben sich eine geringe Wirkung verprachen; 
aber ganz unbegreiflich ist es, dass Agamemnon, der auf den 
Traum sein ganzes Vertrauen setzt, vor dem Volk davon nicht 
nur nichts erwähnt, sondern 371—374 und noch mehr 379. 380 
Aeusserungen thut, welche dem völlig widersprechen, indem er 
die Eroberung Troja’s zuerst von dem guten Rath von Männern, 
wie Nestor, sodann von einer Aussöhnung mit Achill abhängig 
denkt. Aber fast ebenso unbegreiflich, wie das Ignorieren des 
Traumes in der Versammlung, ist das ganze vorhergehende Ver- 
halten Agamemnons dem Traum gegenüber. Gegen des Gottes 
Geheiss (πανσυδίῃ ϑωρῆξαι 29) und trotz des unbedingten Ver- 
trauens auf den Traum beschliesst Agamemnon vor Aufnahme des 
Kampfes die Stimmung des Heeres zu erproben — ein so über- 
raschendes und, wie der Erfolg zeigt, gefährliches Experiment, 
dass man billiger Weise eine nühere Motivierung desselben er- 
warten darf. Eine solche soll nun offenbar die Boule der Geronten 
geben und das Ueberraschende seines Benehmens in der Agora 
mildern, aber diese Boule stellt uns nur von neuem vor eine 
Reihe schwer zu beantwortender Fragen und Zweifel. Zunächst 
sachlich. Zwar die dritte wörtliche Wiederholung des Traumes, 
6* 


_- 4 — 


welche Lachmann unerträglich fand, ist das geringste Bedenken; 
dass Agamemnon aber auch hier den Plan der Versuchung des 
Heeres nicht weiter motiviert als durch das kaum verständliche 
ἣ ϑέμις ἐστίν, ist zumal bei der auch in den Reden des Buches 
herrschenden Breite im hohen Masse befremdend; noch befremd- 
licher aber des redseligen Nestors Wortkargheit.*) Ist diese die 
Folge einer Verstimmung gegen den Oberfeldhermn in Folge der 
Missachtung des beim Streit mit Achill gegebenen Rathes, oder 
ist dieselbe, wie nach den Worten näher liegt, der Ausdruck 
einer ironischen Behandlung der in dem Traum gegebenen Ver- 
heissung, zu dem er gerade in der damaligen Situation, wo Achill 
fehlt, kein Vertrauen fassen kann? Dann ist damit wieder des- 
selben Nestors Aeusserung 436 unvereinbar, wo er vertrauensvoll 
von dem ἔργον redet, ὃ δὴ ϑεὸς ἐγγυαλίξει. Schwerlich kann die 
Erklärung Baeumleins befriedigen, wenn er sagt: “Die Kürze, 
mit der er den Zweifel nur andeutet, lässt uns eine Reihe von 
Gedanken ahnen, die er zurückdrängt. Wie Nestor in sich selber 
das Bedenken überwindet, zeigt uns das ἀλλ᾽ ἄγετ᾽. Sehen wir 
auch von der Seltsamkeit des Gedankens ab, mit dem er seinem 
Zweifel Ausdruck giebt, so bleibt doch vor Allem das Bedenken: 
wie kommt es, dass Nestor kein Wort von der Absicht des Aga- 
memnon, das Heer zu versuchen, sagt? Dazu kommen folgende 
Bedenken hinsichtlich der Darstellung. Kontrastiert schon die 
Kürze der ganzen Verhandlung mit der sonst herrschenden Breite 
der Darstellung, so vermisst man insbesondere auch die Kunst, 
welche der erste Gesang in der parallelen Darstellung gleichzeiti- 
ger Handlungen zeigt. Die Boule ist eingeschoben zwischen die 
Berufung des Heeres zur Versammlung und das Zusammenkommen 
desselben. V. 52 heisst es τοὶ δ᾽ ἠγείροντο μάλ᾽ ὦκα, diese Be- 
merkung wird 86 aufgenommen in den Worten ἐπεσσεύοντο δὲ 
λαοί, dann aber folgt 87 ff. ein ausführliches Gleichniss, welches 
zurückgreifend das Hervorströmen der Menge aus den Zelten schil- 
dert, und erst 94 wird mit οἵ δ᾽ ἀγέροντο der Abschluss der gan- 
zen Bewegung berichtet. Weniger bedeuten die von Haupt geltend 
gemachten sprachlichen Bedenken, dagegen muss man Lachmann 
zugeben, dass der Anschluss des nachträglichen τοὺς ὅ γε συγκαλέσας 
55 unbeholfen ist. Noch ein Anstoss bleibt am Schluss der Boule. 
Nach seiner Erwiederung, heisst es, “machte Nestor den Anfang 
aus der Boule fortzugehen, die andern erhoben sich nach ihm und 
gehorchten dem Hirten der Völker, die sceptertragenden Könige’. 
Zunächst erwartet man die Schliessung der Sitzung vom Ober- 
könig; nachdem hier aber von Nestor berichtet ist, dass er zuerst 
aufgebrochen, befremden die Worte πείϑοντό re ποιμένι λαῶν 


*) Dass Nestor überhaupt spricht, ist schon dadurch motiviert, 
dass das Traumbild seine Gestalt hatte. 


-- BB — 


ebenso sehr wenn sie, was wegen πείϑοντο am natürlichsten ist, 
auf Agamemnon bezogen werden, da vorher von Nestor die Rede 
war, als wenn man sie auf Nestor bezieht, da dann πείϑοντο 
keine rechte Beziehung hat. Viel natürlicher und ohne Anstoss 
wäre der Zusammenhang, wenn V. 84 von Agamemnon gesagt 
wäre, mithin unmittelbar im Anschluss an 76, wonach die ganze 
Erwiederung Nestors als späterer Einschub erscheinen könnte. — 
Yu diesen Bedenken gegen die Boule an sich kommen andere, 
wenn man den Verlauf der Agora und die Haltung der Fürsten 
in derselben damit vergleicht. “Wenn die Führer des obersten 
Feldherrn Absicht wussten”, sagt Lachmann, ‘so brauchten Here 
und Athene sich nicht zu bemühen.” Man hat dagegen eingewandt, 
es sei selbstverständlich, dass die Fürsten durch den leidenschaft- 
lichen stürmischen Aufbruch der Versammlung betäubt und wie 
gelähmt, nicht die Möglichkeit hatten, dem Heer entgegenzutreten: 
dass andrerseits aber dieselben in Agamemnons Plan eingeweiht 
sein mussten, weil sie sonst nicht gewusst hätten, was sie nach dem 
Misslingen desselben zu thun hatten. Allein man darf es immer- 
hin auffallend finden, dass ein so wichtiges Moment der Erzählung, 
wie jenes, mit Stillschweigen übergangen ist; und was den zweiten 
Punkt betrifft, so lässt die Darstellung auch die Auffassung zu, 
dass Odysseus in der 'That erst von Athene belehrt wurde, was 
er zu thun hatte (179—181); keiner der anderen Fürsten ferner, 
welche der Boule beigewohnt hatten, unterstützt Odysseus in 
seinen Bemühungen der Flucht Einhalt zu thun, Odysseus selbst 
erinnert keinen von ihnen am die dort getroffene Abrede, denn 
192. 193 setzen nicht nothwendig die βουλή voraus, da πειρᾶται 
als eigne Vermuthung des Odysseus oder als augenblicklicher für 
seinen Zweck brauchbarer Einfall desselben denkbar ist. Jeden- 
falls macht die Darstellung von 155 an mehr den Eindruck, als 
ob lediglich Athene’s Einschreiten das entscheidende Moment sei, 
und der von Lachmann und andern gegen V. 143 und 194, in 
welchen auf die βουλή Bezug genommen wird, ausgesprochene Ver- 
dacht einer nachträglichen Einfügung ist bei den zahlreichen Be- 
denken gegen die βουλή selbst gewiss nicht unbegründet; die 
Verse lassen sich ohne Störung des Zusammenhanges ausscheiden. 

Finden wir demnach das Ueberraschende in Agamemnons 
Verfahren durch die Boule keineswegs gemildert, ja eher noch 
gesteigert, so stehen wir von neuem vor der Frage nach der 
Motivierung dieses Verfahrens. Der Gedanke der πεῖρα setzt offen- 
bar einen Zweifel in die Stimmung des Heeres voraus, einen 
Zweifel, ob das Heer zu dem durch den Traum geheissenen 
grossen, entscheidenden Kampfe bereit sein werde. Ist nun ein 
solcher Zweifel durch die vorhergehenden Ereignisse genügend 
vorbereitet? Die vorausgesetzte Unlust zum Kampf kann ver- 
anlasst sein theils durch vorhergehende unglückliche Kämpfe, theils 


86 — 


durch Abneigung gegen den Oberfeldherrn. Dass seit dem Streit 
zwischen Agamemnon und Achill überhaupt Kämpfe stattgefunden 
haben, lässt sich aus 4 491—492 erschliessen, aber nicht mehr; 
auf unglückliche Kämpfe könnten innerhalb des zweiten Gesanges 
V. 115 ἐπεὶ πολὺν ὥλεσα λαόν, und 291 weisen, aber jene Aeusse- 
rung wird, wie V. 177, auf das Resultat des ganzen Krieges 
gehen, wie die Rede Agamemnons ja überhaupt die bisherige Er- 
folglosigkeit des Kampfes ganz allgemein hervorhebt, und ebenso 
wenig ist 291, dessen Erklärung überdies zweifelhaft bleibt, in 
seiner Allgemeinheit beweisen. Mit mehr Sicherheit lässt sich 
auf den Eintritt einer Verstimmung des Heeres gegen den Ober- 
feldherrn schliessen. Die Verschuldung der Pest durch die gegen 
die Meinung des Heeres (A 22) erfolgte Zurückweisung des 
Chryses und die von Nestor vergebens widerrathene Beschimpfung 
Achills, in Folge deren dieser Hort der Achaeer sich grollend 
vom Kampf zurückzog, mussten das Heer ohne Zweifel dem Ober- 
feldherrn entfremden, wie sich auch aus dem Verhalten der zur 
Abholung der Briseis gesandten Herolde (A 327. 331) vermuthen 
lässt; aber deutlichere Hinweisungen darauf fehlen, auch im zwei- 
ten Gesange abgesehen von Thersites’ Rede; V. 222 f. scheinen in 
Bezug auf die Täuschung des Heeres durch Agamemnons Rede 
zu stehen. Aber auch wenn der Hinweis darauf, dass Achills 
Unthätigkeit dem Heer bereits in schmerzlicher Weise durch un- 
glückliche Kämpfe fühlbar geworden, nicht fehlte und bestimmtere 
Hinweisungen auf die Verstimmung des Heeres gegen Agamemnon 
vorligen, würden diese nicht genügen, Agamemnons Plan der 
Versuchung des Heeres zu motivieren. Haben wir das Motiv des 
Traumes richtig angeknüpft an die im ersten Gesange dargestellte 
Stimmung Agamemnons, wo er Achills Drohung heimzukehren mit 
dem stolzen Hinweis auf seine Stellung und auf Zeus’ Gunst be- 
gegnet und Nestors Mahnung, zu bedenken, dass Achill der Hort 
des Heeres sei, missachtet, und entspricht dem die nächste Wir- 
kung des Traumes, dass er zuversichtlich auch ohne Achill die 
Einnahme Troja’s noch an demselben Tage hofft, so bleibt zwischen 
dieser Stimmung und dem Gedanken der Versuchung eine nicht 
zu beseitigende Differenz. Auch die von Baeumlein versuchte 
Erklärung kann nicht darüber hinwegführen, wenn er annimmt, 
nach der Vorstellung des Dichters sei Agamemnons Verstand seit 
dem Streit mit Achill verblendet zu denken, wie er denn selbst 
mit unwillkürlicher Selbstironie V. 111 seine Bethörung durch 
Zeus bekenne. Man hat dagegen mit Recht eingewandt, dass 
dann doch seine Bethörung dem Zweck des Zeus entsprechen 
müsse, d. i. nur in der festen Ueberzeugung bestehen könne, er 
werde noch an demselben Tage Troja einnehmen. Ein anderer 
Erklärungsversuch (unter Verwerfung der βουλή) von Gerlach, 
wonach Agamemnon nicht sowohl Muthlosigkeit beim Heer, als 


-- 81 — 


bösen Willen und Unbotmässigkeit bei den Fürsten voraussetzend, 
sich an das Volk wende und dieses zu gewinnen suche, damit 
die Fürsten auch wider ihren Willen in den Kampf mit fort- 
gerissen würden, ist als aus der Ilias unerweisbar und die Ver- 
suchung des Heeres überdies nicht motivierend von Susemihl 
mit Recht zurückgewiesen. Sonach bleiben, scheint es, nur die 
zwei Möglichkeiten, entweder mit Franke die Versuchung als 
schon in der Sage einmal gegeben zu betrachten und damit auf 
eine weitere Motivierung zu verzichten oder geradezu mit Hoff- 
mann zu sagen: da nur unter der Voraussetzung, dass eine 
längere Zeit nach dem Streite der Könige verflossen sei und die 
Achaeer bereits unter den schmerzlichen Folgen von Achills 
Unthätigkeit murren, missmüthig und unlustig zum Kampfe 
seien, die Versuchung eine befriedigende Erklärung finde, so 
könne der zweite Gesang nicht die unmittelbare Fortsetzung des 
ersten sein. 

Vielbestritten ist auch die Auffassung der versuchenden Rede 
Agamemnons selbst. Koechly fand dieselbe nicht einmal von der 
Art, dass sie die Auffassung eines μῦϑος κερδαλέος gestatte, viel- 
mehr enthalte sie einerseits Theile, die nur mit einem ernstlich 
gemeinten Vorschlag zur Flucht zu vereinigen seien (V. 111—115. 
134— 141), andrerseits solche (V. 116—129), die nur in eine 
direct zum Kampfe auffordernde Rede passten; auch setzten 
die weiter folgenden Reden des Thersites, Odysseus, Nestor viel- 
mehr eine Aufforderung des Agamemnon zum Kampf voraus. 
Dass Agamemnons Rede sich wohl als verstellte rechtfertigen 
lasse, ist von Franke genügend dargethan; die weiteren Bedenken 
werden 'bei der Betrachtung der folgenden Reden zur Sprache 
kommen. 

Zunächst erfordert eine besondere Prüfung das gegenseitige 
Verhältniss der Reden des Odysseus, Nestor und Agamemnon 
(284—393), gegen welche nach verschiedenen Richtungen hin Be- 
deriken erhoben sind. So glaubte Lachmann bei der Entfernung 
der Rede des Odysseus des Beifalls feinerer Leser gewiss zu sein, 
da diese lange, von keinem weiter beachtete Rede, die nicht ein- 
mal auf die zur Flucht treibenden zurückkomme, einer vernünftigen 
Oekonomie des epischen Gedichts widerstreite; Haupt und Curtius 
finden den Dichter dieser Rede in seiner Erfindung durchaus von 
Nestors Rede abhängig und erheben mancherlei sprachliche Be- 
denken; andere sagen geradezu, dass Nestor ganz dasselbe, wie 
Odysseus, in derselben Weise noch einmal sage. Koechly ferner 
sieht einen wesentlichen Mangel darin, dass Odysseus das Volk 
nicht vor Allem darüber belehre, dass Agamemnons Aufforderung 
zur Flucht nur eine verstellte gewesen sei. Jacob dagegen 
meint, dass es dem Odysseus, der das Heer zur Ruhe gebracht, 
auch am natürlichsten zukomme, ihm zu sagen, weshalb es blei- 


-- 88 -- 


ben und den Kampf fortsetzen müsse, da derselbe bisher ja noch 
gar nicht seine eigene Ansicht ausgesprochen hatte, findet dagegen 
Nestors Rede theils überflüssig, theils im Eingange nicht gehörig 
vermittelt und unverständlich, und Agamemnons abschliessende 
Worte der Situation wenig angemessen, in Gedanken und Aus- 
druck mangelhaft. Nun ist gegen Lachmann von Genz im 
Allgemeinen mit Recht eingewendet worden, dass Odysseus’ und 
Nestors Rede keineswegs müssig seien, sondern es vielmehr grosser 
Anstrengung bedürfe, das corrumpierte und feige Heer zu Zucht 
und Mutb zurück zu bringen. Was aber die in diesen beiden 
Reden behandelten Gedanken betrifft, so ist jedenfalls zu viel be- 
hauptet, dass beide wesentlich nur dasselbe sagten. Es ist wahr, 
dass wie Odysseus die Achaeer auf das dem Agamemnon gegebene 
Versprechen verweist (286 f.), so Nestor (339 #.), dass der Vor- 
wurf des Odysseus 289 dem des Nestor 337 f. sehr ähnlich lautet, 
dass beide ein günstiges Vorzeichen vor oder bei der Abfahrt 
nach Troja in Erinnerung bringen: aber abgesehen davon, dass 
ausser diesen gemeinsamen Gedanken jede Rede ihre eigenthüm- 
lichen hat, so macht es doch auch einen wesentlichen Unterschied 
aus, wie die gemeinsamen Gedanken in beiden Reden verwendet 
werden. Nun liegt in Odysseus Rede der Schwerpunkt offenbar 
zunächst, in der Hervorhebung der Schmach, trotz der langen Ab- 
wesenheit erfolglos heimzukehren, während die Sehnsucht nach 
der Heimath bis zu einem gewissen Grade als berechtigt aner- 
kannt wird, sodann in dem Nachweis, dass die Achaeer nach dem 
vor der Abfahrt erhaltenen Götterzeichen jetzt vor der Erfüllung 
der gegebenen Zusage (der Eroberung Troja's) stehen, und es kann 
nach der oben gegebenen Analyse der Reden kein Zweifel sein, 
dass Odysseus’ Rede durchaus auf die Agamemnons zurückweist, 
an diese anknüpft, welche wesentlich auf das Ehrgefühl der 
Achaeer berechnet, aber an dem erwachenden Heimweh geschei- 
tert war und neben der bisherigen Erfolglosigkeit des Kampfes die 
völlige Aussichtslosigkeit desselben betont hatte. Danach nimmt 
der Vorhalt der dem Agamemnon gegebenen Zusage hier nur als 
begründendes Moment eine untergeordnete Stelle ein, bereitet die 
Erwähnung des Heimwehs, in seiner Berechtigung anerkannt, nur 
den folgenden Gegensatz vor, während die ausführliche Darstellung 
des Zeichens in Aulis einen Haupttheil des Ganzen ausmacht, in- 
dem sie dem bedeutsamen Zweck dient, die Stimmung bei der 
Abfahrt lebhaft zu vergegenwärtigen und dem Heere einen be- 
schämenden Spiegel vorzuhalten.*) “Hatte Odysseus mit aller 
Schonung das Heer zu überzeugen gesucht, dass es Ehrensache 
sei zu bleiben, und die gesunkene Hoffnung wieder zu beleben, 


Ἢ Anders urtheilen Koechly und Düntzer, welche 386-- 388 und 
299-330 verwerfen. 


89 — 


so verfolgt dagegen Nestor die Aufgabe das Heer zum Gehorsam 
gegen den Oberfeldherrn zurückzuführen und das gelockerte Ver- 
hältniss zwischen beiden wieder fest zu knüpfen; daher der scharfe 
und strenge Ton seiner Rede, der schroffe Tadel gegen die Ab- 
trünnigen. Unter diesem Gesichtspunkt treten die schon in Odysseus’ 
Rede vorkommenden Gedanken hier in ein ganz anderes Licht: die 
Vorwürfe des Vertragsbruchs und schlaffer feiger Unthätigkeit 
(überdies etwas wesentlich Anderes als die weichliche Sehnsucht 
nach der Heimath 289 f.), in einer heftigen leidenschaftlichen 
Weise ausgesprochen, treten in den Vordergrund, während das 
berichtete Zeichen bei der Hinfahrt nach Troja nur zur Begrün- 
dung des Gedankens verwendet wird, dass es Thorheit sei nach 
Hause zurückzukehren, und man darf wohl mit Susemihl sagen: 
‘Wenn Odysseus zu Anfang seiner Rede einen Gedanken anregt, 
den Nestor zu seinem Hauptgesichtspunkt macht und mit grösse- 
rer Energie weiter verfolgt, und wenn umgekehrt letzterer zum 
Schluss noch einmal wieder auf den Hauptgedanken des ersteren 
zurückkommt und noch ein anderes Zeichen als Grund der Sieges- 
hoffnung hinzufügt, so zeigt das nur, wie sehr der Dichter von 
vornherein beide Reden auf einander berechnet hat.” Auf Grund 
der durch diese beiden Reden gewandelten Stimmung kann Aga- 
memnon dann in seiner Rede die Anordnungen zur Aufnahme des 
Kampfes treffen und die etwa Abtrünnigen mit energischen Wor- 
ten bedrohen. 

Somit ergeben die drei Reden eine wohlberechnete Steigerung, 
deren Fortschritt: psychologisch wohl begründet ist. Auch dass 
Odysseus und Nestor nicht direct auf Agamemnons verstellte Rede 
zurückkommen und über die eigentliche Absicht Agamemnons keine 
nähere Aufklärung geben, kann nicht sehr befremden: “jene war 
ein lächerlich missglückter Versuch, über den man am besten 
schwieg’ (Genz); dass Odysseus an den Inhalt derselben ankntipft 
und sie indireot widerlegt, ist oben gezeigt. 

Gleichwohl bleiben bei der Betrachtung dieser Reden folgende 
Bedenken. Es lässt sich nicht leugnen, dass das von Nestor er- 
wähnte Zeichen, an Bedeutung dem von: Odysseus berichteten 
wesentlich nachstehend, nach jenem nur von geringer Wirkung 
sein kann. Dies würde freilich nach der obigen Ausführung an 
sich nicht entscheidend sein, wenn nicht in dem Zusammenhange, 
worin die Erzählung des Zeichens sich findet, noch ein anderer 
Punkt auffallend wäre. Bei der Wiederaufnahme des Gedankens 
von 348 f. in 354 f. verlässt die Rede den vorher eingeschlagenen 
strafenden Ton, mit welchem sie sich speciell gegen die Ab- 
trünnigen wandte, und stellt allgemein, ohne Beziehung auf jene, 
die Befriedigung der ersehnten Rache an den Troern in Aussicht, 
wobei der Ausdruck dieser Vergeltung eigenthümlich, zum Theil 
ungeschickt und schwer verständlich ist; erst mit dem Gegensatz 


—_— 90 — 


357 kehrt die Rede zu dem vorhergehenden Ton und der Be- 
ziehung auf die Abtrünnigen zurück. Bei diesen Unebenheiten der 
Gedankenentwicklung ist es nicht unwahrscheinlich, dass wir in 
350—356 einen späteren Zusatz zu erkennen haben, der die 
ὑπόσχεσις des Zeus (349) näher erläutern sollte und dann weiter 
zur Herstellung der unterbrochenen Gedankenverbindung die V. 354 
—356 nach sich zog.*) Ein zweites Bedenken betrifft den Schluss 
von Nestors Rede, den taktischen Rath 360—368. Es ist von 
Koechly mit Recht bemerkt, dass dieser Rath nichts Anderes 
enthält, als was nicht nur bei den Griechen, sondern bei allen 
Völkern in den heroischen Zeiten allgemeine Sitte war; es hat 
derselbe daher auch weiter keine Folgen.**) Vergleichen wir 
aber den parallelen Rath, den Iris 802 f. dem Hektor ertheilt, 
so ist es kaum zweifelhaft, dass beide nur dem Bemühen ihren 
Ursprung verdanken, die Einfügung der Kataloge vorzubereiten 
und zu vermitteln. Mit der Beseitigung der Schlussworte in 
Nestors Rede fallen aber auch im Eingang der Rede Agamemnons 
die Verse 371—380, welche schon oben p. 83 in anderm Zu- 
sammenhange beanstandet werden mussten. Das in dem Wunsch 
371 #. enthaltene überschwängliche Lob Nestors bezieht sich, wie 
die Folgerung 373. 374 in ihrer Beziehung auf 367 f. erkennen 
lässt, auf den taktischen Rath. Die folgenden Verse aber 375 
-——380, welche schon an und für sich wegen des zu frühen Ge- 
ständnisses der Reue Anstoss erregen, sind unvereinbar mit der 
stolzen Hoffnung, noch an demselben Tage Tlios einzunehmen, die 
der Traum in Agamemnon erweckt hat (37) und die er gleich 
412 ff. in dem Gebet an Zeus so unzweideutig ausspricht. 377 
—380 verwerfen auch Koechly und Düntzer; noch andere Be- 
denken gegen den ersten Theil von Agamemnons Rede sind von 
Vrzal und Kern ausgesprochen. 

Auch die Thersitesscene ist beanstandet. Koechly findet es 
auffällig, dass Thersites, der sich mit seinen Lästerreden doch 
sonst gegen Achill und Odysseus zu wenden pflege (220 £.), nicht 
auch hier Odysseus angreife, der gerade der Flucht Einhalt ge- 
than, sondern Agamemnon, der sie empfohlen; wollte man auch 
zugeben, dass er aus Odysseus’ Aeusserungen entnommen hätte, 
dass dieser in Agamemnons Auftrage gehandelt habe, und letzterer 
selbst nicht die Flucht wolle, so wäre doch zu erwarten, dass er 
dem Agamemnon die Täuschung des Heeres vorhalte. Richtig 
verstanden giebt der Dichter auf das angeregte Hauptbedenken 
selbst die Antwort 222. 223: ist das τῷ mit Gerlach richtig 
auf Agamemnon bezogen, so richtet Thersites seine Angriffe eben 


Ἢ) Verpl. Beicker homer. Blätt, II p. 7 £, welcher 354-359 aus- 
scheiden will. 
**) Ebenso urtheilt auch Kiene, der freilich auch 337343 verwirft. 


_ 91 -- 


auf diesen, weil er bei der Agamemnon ungünstigen Stimmung 
des Heeres bei seinen Lästerreden gegen diesen des Beifalls der 
Hörer gewiss ist. Ueberdies bot Odysseus’ Thätigkeit den ge- 
ringsten Anlass zum Angriff, da dieser sich über die von Thersites 
aufgenommene Frage der Heimkehr gar nicht direkt ausgesprochen, 
sondern in seinen Ansprachen an die einzelnen Schreier nur 
das eigenmächtige Vorgehen der Versammlung, ohne eine Be- 
rathung der Fürsten abzuwarten, getadelt hatte. Dass dieser 
in Agamemnons Sinne gehandelt, Agamemnon aber entweder seine 
Ansicht geändert oder sich in seiner Rede verstellt hatte, war 
ausser Anderem schon daraus zu schliessen, dass derselbe dem 
Odysseus nicht entgegengetreten war. Eine Hinweisung darauf, 
ein Vorwurf der Täuschung oder des Wankelmuthes gegen Aga- 
memnon lässt sich nun in der Rede des Thersites allerdings er- 
warten, und es ist nicht zu leugnen, dass die Rede in ihrem Ein- 
gange etwas Unvermitteltes hat; aber vielleicht mochte es dem 
Dichter im Munde eines Demagogen wirksamer erscheinen, wenn 
derselbe sofort dazu schritt die Absichten des Agamemnon bei 
der vorausgesetzten Fortführung des Kampfes zu verdächtigen, um 
so die Aufforderung an das Volk auch gegen des Oberfeldherrn 
Willen heimzukehren vorzubereiten. Damit traf er, wie Düntzer 
bemerkt, die Stimmung des Volkes: “nicht die Täuschung ist es, 
welche das Volk aufregt, sondern es empfindet es schmerzlich, 
dass es noch länger von der. holden Rückkehr ins Vaterland, 
welcher es sich noch eben so nahe gewähnt hat, zurückgehalten 
werden soll.’ Wie wesentlich übrigens die Thersitesscene (nicht 
Episode) für den weiteren Fortschritt der Handlung ist, hat Ger- 
lach gezeigt, indem er bemerkt: ‘Indem Odysseus den Schwätzer 
in seiner ganzen Erbärmlichkeit und Lächerlichkeit hinstellt, erregt 
er die Heiterkeit der Achaeer, und damit ist Alles gewonnen. 
Seine Rede und die darauf folgende des Nestor fallen jetzt auf 
empfünglichen Boden, und nun kann Agamemnon — wieder als 
Herrscher auftreten: „wen ich fern vom Kampfe erblicke, der soll 
nimmer den Hunden und Raubthieren entfliehen“ 

Von der troischen Partie 786 fl. ist schon oben geredet, 
zuletzt bei Gelegenheit des taktischen Rathes des Nestor, dem 
hier der von Iris an Hektor ertheilte entspricht: beide schienen 
nur gedichtet, um die Einfügung der folgenden Kataloge vorzu- 
bereiten. Ebenso ist früher ausgeführt, dass die Sendung der 
Iris überhaupt in der Weise, wie sie hier ausgeführt ist, mit der 
dabei. vorauszusetzenden Absicht des Zeus unvereinbar ist. Auch 
ist getadelt worden, dass Iris in der Gestalt des Priamiden Polites, 
aber nicht in dessen Sinn und Charakter spreche. Die Schilde- 
rung der Rüstung und Ordnung des troischen Heeres endlich 
sticht in ihrer Dürftigkeit gar zu sehr von der entsprechenden 
Darstellung auf achaeischer Seite ab. Danach hat Lachmann 


12 -- 


und mit ihm eine Reihe namhafter Kritiker diese Partie ver- 
dächtigt. 

Wir schliessen damit die Betrachtung des innern Zusammen- 
hanges des Gesanges. Abgesehen von Störungen und Incongruenzen 
im Einzelnen, die sich durch Annahme von Interpolationen be- 
seitigen lassen, betreffen die Hauptanstösse die innere Motivierung 
des Fortschritts der Handlung. Es scheinen mehrfach Zwischen- 
glieder zu fehlen, welche für eine klare Entwicklung unentbehrlich 
sind und deren Mangel um so auffallender ist, als die Darstellung 
im Ganzen keineswegs knapp und gedrungen ist: theils kommen 
die die handelnden Personen bestimmenden Gedanken und Ab- 
siehten nicht zum klaren Ausdruck, theils macht die Erzählung 
Voraussetzungen, deren Berechtigung nicht sofort einleuchtet. Daher 
vielfach der Eindruck des Unvermittelten, Ueberraschenden, worin 
Lachmann den Charakter alterthümlicher Darstellung begründet 
fand. Andrerseits treten Motive, die der Dichter eingeführt, im 
Verlauf der Erzählung so in den Hintergrund, dass es scheint, 
als ob der Dichter sie ganz vergessen habe: so der Traum, der 
im ganzen Verlauf der Verhandlungen der Agora nirgend erwähnt 
wird und erst wieder in der Schlussrede Agamemnons und weiter- 
hin in dem Gebet desselben (412 ff.) und in Nestors Worten 436 
Spuren seiner Wirkung zeigt. 

Sehr bestritten und höchst schwierig ist die Frage nach den 
Beziehungen des zweiten Gesanges. auf den ersten. Lachmann 
und seine Anhänger finden dieselben so schwach, dass der Inhalt 
des ersten Gesanges dem Dichter des zweiten nicht sehr lebendig 
vorzuschweben scheine. Anderen scheinen dieselben mindestens 
ausreichend, um die Abhängigkeit des zweiten Gesanges vom ersten 
mit Sicherheit voraussetzen zu dürfen; andere endlich finden sie 
so unzweideutig und vollständig, dass an der Identität des Dichters 
beider nicht zu zweifeln sei. 

Dass im Allgemeinen die durch die Handlung des ersten Ge- 
sanges entwickelte Situation im zweiten vorausgesetzt wird, ist 
allgemein zugegeben. Sehen wir vom Schiffskatalog ab, so wird 
auch sonst Achills Groll und Abwesenheit vorausgesetzt. Auch 
entspricht der Gedanke das Heer durch den Vorschlag der Flucht 
zu versuchen, im Ganzen wohl einer Stimmung, wie sie unter dem 
Eindruck des unseligen Streites mit Achill, dessen Folgen sich 
fühlbar zu machen anfingen, natürlich scheint. Aber es fehlt auch 
nicht an direeten Beziehungen auf das erste Buch. Freilich kann 
als solche nicht anerkannt werden die Klage Agamemnons über die 
Ate, in welche ihn Zeus verstrickt habe (111), welche Manche darauf 
deuten wollen, dass er sich bethören liess Chryses und Achill zu 
beleidigen; ebensowenig enthalten 346 f. eine solche, da die dort 
erwähnten Abtrünnigen mit Sicherheit auf Thersites und die ihm 
folgen möchten, zu deuten sind, nicht etwa auf Achill und Patro- 


-- 95. -- 


klos. Dagegen erscheint die Einleitung der Handlung des zweiten 
Gesanges durch Zeus ohne Zweifel als die unmittelbare Folge des 
dort gefassten Rathschlusses (3 f.), Thersites spielt in seiner Rede 
unzweideutig auf die Zurückhaltung der Chryseis an 232 f. (der Aus- 
druck κατίσχεαι macht diese Beziehung am Wahrscheinlichsten), er- 
wähnt bestimmt die Wegnahme der Briseis 240, wie diese Rede 
überhaupt als karrikierte Nachahmung der von Achill im Streit 
gegen Agamemnon geführten Reden direct auf den ersten Gesang 
zurückweist. Endlich gedenkt Agamemnon selbst 375 ff. seines 
Streites mit Achill. 

Allein gegen die Sicherheit dieser Beziehungen sind zum Theil 
gewichtige Bedenken geltend gemächt. Zwar dass, wie Haupt 
will, V. 4 nicht auf das erste Lied anspiele, sondern nur auf Be- 
gebenheiten, die dieses Lied und gewiss auch andere erzählten, 
ist bei der wörtlichen Uebereinstimmung mit A 559 schwer glaub- 
lich”*) Dagegen ist die Ursprünglichkeit der Verse 239—242 mit 
guten Gründen bestritten: Naeke, Köchly, Düntzer, Suse- 
mihl, Franke u. a. haben sie als den Zusammenhang störend 
verworfen und namentlich ist der Anstoss bedeutsam, den der aus 
Achills Rede A 232 übertragene Vers 242 bietet, indem vöv und 
der Optativ von dem zwölf Tage vorher stattgefundenen Streite 
schwerlich richtig gebraucht werden kann. Die Bedenken ferner, 
welche von zwei Seiten her bei 371—380 zusammentreffen, sind 
oben p. 83. 90 erwähnt: 377 f. sind auch von Köchly, Bern- 
hardy, Franke verworfen, 375—380 von Düntzer. Andrer- 
seits glaubt man unter der Annahme einer ursprünglichen Zu- 
sammengehörigkeit beider Gesänge Beziehungen erwarten zu dürfen, 
wo sie fehlen. “Nichts von der Pest’, sagt Lachmann, und Haupt 
fügt speciell in Bezug auf die Rede des Thersites hinzu: ‘die 
Schmähsucht desselben hätte gerade daran den erwünschtesten 
Anlass zu Vorwürfen gegen Agamemnon gehabt.’ Wie aber, wenn 
eine Beziehung darauf in Thersites Rede doch wirklich vorhanden 
wäre? Haben wir 233 κατίσχεαι richtig auf die Zurückhaltung 
der Chryseis bezogen (vgl. auch A 113 οἴκοι ἔχειν), so zwingt 
fast der Zusammenhang dazu in dem folgenden κακῶν ἐπιβασκέμεν 
eine Anspielung auf die durch jene herbeigeführte Pest zu sehen. 
Aber wenn auch diese Auffassung unbegründet wäre, es lässt sich 
jedenfalls nicht die Nothwendigkeit erweisen, dass ein Motiv, wel- 
ches zu Anfang eingeführt war, um ‘die Entwieklung der Begeben- 
heiten in Fluss zu bringen’, nachdem es diese Aufgabe erfüllt, 
hätte wieder aufgenommen werden müssen. Hienach bleiben als 
unbestrittene directe Hinweisungen auf den ersten Gesang nur die 


*) Es handelt sich hier, sagt Baeumlein, um ein Motiv der den 
grössten Theil unserer Ilias füllenden Begebenheiten, welches man der 
Sage nicht zuschreiben kann. 


_- 4 — 


Anknüpfung der Action an die βουλὴ Διός V. 4 und die Rede 
des Thersites mit ihren unverkennbaren Anspielungen auf die 
Zurückhaltung der Chryseis und die Wegnahme der Briseis — Be- 
ziehungen, welche bei den mannigfachen Bedenken gegen den Fort- 
schritt der Handlung an sich nicht stark genug sind, um eine 
direete Entwicklung des einen Gesanges aus dem andern und einen 
genügenden ursichlichen Zusammenhang beider zu erweisen. Wäre 
die 377 f. sich findende Beziehung auf den Streit mit Achill ur- 
sprünglich, so würde, wie Susemihl bemerkt, die Handlung sich 
nicht einmal der Zeit nach unmittelbar an die im ersten Buch 
dargestellte anschliessen, sondern in eine spätere Zeit fallen, in 
welcher sich jener Rathschluss des Zeus bereits durch schwere 
Niederlagen der Achaeer fühlbar gemacht hatte. 

Dass Rückbeziehungen auf den zweiten Gesang im Verlauf 
der weiteren Erzählung fehlen (so auf den Traum, über dessen 
Trüglichkeit allerdings Agamemnon wohl mehrfach Anlass gehabt 
hätte zu klagen), könnte nach dem Inhalt unseres Gesanges, der 
nur die Einleitung zu einer umfassenden Action enthält, weniger 
befremden, wenn die weitere Entwicklung der Handlung, deren 
Abschluss erst im 7ten Gesange erfolgt, in einem innen orga- 
nischen Zusammenhange mit dieser einleitenden Handlung des 
zweiten Gesanges stände. Nun folgt aber zunächst im dritten 
Gesange statt der nach Zeus’ Rathschluss zu erwartenden Schlacht, 
in der Achills Abwesenheit den Achaeern fühlbar ‘werden sollte, 
der Zweikampf zwischen Paris und Menelaos zum Zweck der Bei- 
legung des ganzen Krieges, der doch weit davon entfernt ist dem 
Achill die verheissene Genugthuung zu verschaflen. Erst nach 
einer Berathung der Götter über die Fortsetzung des Krieges zu 
Anfang des vierten Gesanges, deren Resultat ist, dass Zeus der 
Here die Zerstörung Troja’s nachgiebt und Athene auf das Schlacht- 
feld herabsendet, um die Troer zum Vertragsbruch und zu der 
Wiederaufnahme des Kampfes zu bestimmen, beginnt die erwartete 
Schlacht. Der Verlauf derselben entspricht aber auch nicht der 
nach der Sendung des Traumes bei Zeus vorauszusetzenden Ab- 
sicht: zwei Mal sind die Achaeer den Troern entschieden über- 
legen, das zweite Mal (Z 73 8.) bis zu dem Masse, dass die Troer 
in der grössten Gefahr schweben in die Mauern der Stadt zurück- 
geworfen zu werden. Endlich stellt Hektor den Kampf her, und 
es tritt eine Wendung zu Gunsten der Troer ein, aber die Schlacht 
läuft alsbald in einen neuen durch Athene herbeigeführten Zwei- 
kampf zwischen Hektor und Aias aus, der, nur um den Preis der 
Tapferkeit geführt, unentschieden bleibt. Wie so der als οὖλος 
angekündigte Traum (B 4) sich als solcher erwiesen, ist nicht zu 
sehen. Es scheint vielmehr, dass Zeus trotz der Sendung des 
Traumes das der Thetis gegebene Versprechen ganz aus den Augen 
verloren hat; er hindert die griechenfreundlichen Götter nicht zu 


-- οἢ — 


Gunsten der Achaeer einzugreifen, thut nichts seine Absicht durch- 
zusetzen, Apollon ist es hier vielmehr, der den Troern die Ab- 
wesenheit Achills verkündigt, um sie zu ermuthigen, 4 512; die 
Achaeer erleiden keine entschiedene Niederlage, die dem Achill 
die verheissene Genugthuung gewähren könnte; der weiter folgende 
Mauerbau endlich, der wenigstens als Beweis einer grossen Nieder- 
geschlagenheit der Achaeer gelten könnte, leidet an so vielen und 
gewichtigen Bedenken (siehe die Einleitung zu H), dass er nicht 
für ursprünglich gelten kann. Kurz es bedarf sehr künstlicher 
Kombinationen um den Gang der Ereignisse in Buch II—VII als 
organische Entwicklung aus den im II. Buch gegebenen Momenten 
zu rechtfertigen. Es wird hier überall zwar Achills Zorn, aber 
nicht Thetis’ Bitte und Zeus’ Versprechen vorausgesetzt (Fried- 
laender). Die ganze Folge der Begebenheiten ‘zeigt eine retar- 
dierende Tendenz; sie durchkreuzen die Haupthandlung geradezu 
und halten sie auf.” (Hoffmann). 

Die kritische Behandlung der angedeuteten Schwierigkeiten 
hat nun zu sehr verschiedenen Resultaten geführt, welche eine 
merkwürdige Stufenfolge vom zähesten Festhalten an dem einmal 
gegebenen Zusammenhange bis zur verwegensten Auflösung des- 
selben zeigen. Fast unberührt davon bleiben die unbedingten Ver- 
treter der Einheit: durchaus Kiene, welcher den Inhalt des zweiten 
Gesanges (Buch II—VII) mit den Worten bezeichnet: ‘Der ver- 
misste Achilleus. Das durch die Entfernung des Achilleus ver- 
änderte Machtverhältniss zwischen Troern und Achaeern.’, und 
über die Entwicklung der Handlung bemerkt: ‘Dem Agamemnon, 
der im Gefühle seiner Schuld den Achaeern misstrauend alle Zu- 
versicht verloren hat, wird stufenweise durch den Traum die Hofl- 
nung auf die Eroberung der Stadt, durch den Vertragsbruch die 
Zuversicht auf Beendigung des Kriegs auch ohne Achilleus zurück- 
gegeben, etc.” und ‘den widerstrebenden Göttern wird Zeit gewährt 
den Groll wegen der vom Zeus der Thetis gewährten Zusage ab- 
zukühlen.” ᾿ 

Nach Naegelsbach wird in den Ereignissen des zweiten 
Buches das Verhältniss des Heeres zu den Fürsten und über- 
haupt zum Krieg klar, während sich im ersten Buche mit der 
Grundlage des Ganzen erstlich die Stellung der Fürsten zu ein- 
ander, sodann Zeus’ Stellung zu den Fürsten fixiert. Durch das 
Missglücken der Versuchung des Heeres erreicht der Dichter einer- 
seits den Ueberdruss des Heeres am Kriege, andrerseits aber den 
selbst der Meuterei gewachsenen Einfluss der Fürsten und ihre 
Beharrlichkeit, sowie in Odysseus’ und Nestors Reden theils den 
‘Trost und die Hoffnung, theils die den ganzen Krieg bedingenden 
Verpflichtungen des Heeres uns lebhaft vor Augen zu stellen. 
Auch Nitzsch weist den Gesängen II—VII die Aufgabe der Ex- 
position im weiteren Umfange zu und motiviert die darin enthaltene 


-- 96 — 


Retardation durch die Rücksicht auf den Stand der Sage und auf 
die Befriedigung des nationalen Glaubens und Bewusstseins sowohl 
von dem Olympischen Regiment mit seinem Verhältniss des höch- 
sten Zeus zu dem Parteisinn der Schutzgötter, als von dem Sagen- 
ruhm der andern ersten Helden nach Achill. 

Nach Genz hatte der erste Haupttheil in B—H schon im 
Mythos diesen Platz, wie Achills Abwesenheit vom Kampf beweise, 
und fand ihn mit Recht im homerischen Plan, motiviert: 1) äusser- 
lich in der Absicht des Dichters seiner Haupthandlung den weiten 
Hintergrund des ganzen Krieges zu geben, 2) innerlich im Plan 
der Dichtung und in der βουλὴ Διός selbst, indem hier zuerst der 
Krieg jenen grossartigen Charakter gewinnen soll, den die folgen- 
den tragischen Ereignisse voraussetzen, indem ferner Göttern und 
Menschen bewiesen werden soll, dass beide Völker, auch mit Hülfe 
ihrer Schutzgötter nichts vermögen, so lange Achilleus am Kampfe 
nicht theilnimmt und Zeus nicht eingreift. Nach Bergk gehört 
nur die erste Hälfte des Gesanges der alten Ilias an, aber auch 
diese ist nicht unversehrt überliefert: namentlich ist die ganze 
Partie, worin die Verhandlungen des Kriegsraths offenbar ziemlich 
ausführlich geschildert waren, frühzeitig in Folge nachlässiger 
Ueberlieferung ausgefallen und durch einen jüngern Rhapsoden 
mit seinen unzulänglichen Mitteln diese Lücke ausgefüllt. 

Schon C. O. Müller zweifelte, indem er im zweiten Gesange 
‘Stoff für eine ganze mythische Komödie’ fand und den launigen 
'Ton der Darstellung hervorhob, dass derselbe zu dem ursprüng- 
lichen Plan der Ilias gehöre. Auf Grund des oben beleuchteten Miss- 
verhältnisses der Gesänge II— VII zu dem im ersten gegebenen Grund- 
motiv der epischen Handlung (der Bitte der Thetis und Zeus’ Zusage) 
hat dann Grote und mit ihm Friedlaender in diesen Gesängen 
eine nachträgliche Erweiterung des ursprünglichen Planes erkennen 
zu müssen geglaubt, wodurch das auf eine Achilleis berechnete 
Gedicht erst zu einer Ilias wurde. Zu einer ähnlichen Ansicht 
war Düntzer gekommen, welcher im dritten bis siebenten Buche 
mit Ausschluss einiger Eindichtungen ein selbständiges Gedicht, 
dagegen im zweiten ein für sich bestehendes Lied zu erkennen 
glaubte, welches B 48—52. 87—454. 484—785 mit Ausschluss 
einiger kleineren Interpolationen umfasste und worin Agamemnons 
Absicht nach Hause zurückzukehren nicht bloss vorgegeben ward, 
sondern ernstlich gemeint war. Hinsichtlich des zweiten Gesanges 
berührt sich mit Düntzer einerseits Schwartz, welcher 1—52. 
87—98. 211—264. 333—785 zu einem besondern Liede zusammen- 
fasst als “eine poetische Darstellung einer grossen Volksversamm- 
lung mit allen vorkommenden Einzelheiten, einer Panegyrie’, andrer- 
seits Susemihl, der sein Lied bestehen lässt aus: 48—52. 
87—115. 119— 123. 125—142. 147—159. 163. 165— 184. 188— 
193. 198—202. 207—238. 243—359. 367—376. 381 fl. “in ge- 


-- οἵ -- 


wissem Sinne eine Aristie des Odysseus — durch Hinzufügung des 
Kriegsraths seines ursprünglichen Charakters entkleidet und nament- 
lich auf Grund von 192 ἢ, in eine Versuchungsgeschichte umgewan- 
delt” Anders Lachmann, der die Versuchung für ursprünglich 
hält und sein Lied zusammensetzt "Aus: 1—52. 87—142. 147— 
163. 165—179. 181—193. 198—202. 207—264. 333—483. 
780— 785. 


Am Weitesten in der Auflösung geht Köchly, welcher aus 
dem zweiten Gesange abgesehen vom Schiffskatalog zwei selbstän- 
dige Lieder entnimmt: das erste, "Oveıgog überschrieben, bestehend 
aus: 1—47. T 41. B 87—94. 99—110. 56. 59. 60—71. 116— 
129. 139. 382—386. 332. 142 + 144—146. 211— 238. 243— 253. 
257—279 + 283—285. 289—298. 331—359. 369—376. 379 
381. 388—404. 410—452. 455 —458. 469 —473. 480—483, das 
zweite, "Ayog« betitelt, aus: B 48. 49. I 9. B 50—52. 95—98. 
113 + B 100. B 101 + 109. 110—116. 134—142. 147—163. 
165—180. 182—193. 196205. 207—210. 211 + 278—283. 
299-320. 322—330. 333—335. 453. 454. 474—479. Auch 
Bernhardy sieht in V. 1—483 zwei im Plan verschiedene Massen: 
‘Die grössere blickt nicht auf die μῆνις zurück, sondern setzt ein 
im längeren Epos vom trojanischen Kriege begründetes Motiv, 
Agamemnon der einmal bewogen war ernstlich zur Rückkehr auf- 
zufordern; die kleinere begreift nur den Anfang des Gesangs und 
erinnert entfernt an den Grundgedanken des ersten Buches im 
Traum und in der ungenügenden — βουλὴ γερόντων. Eine dritte 
Hand liess die beiderseitigen Elemente zusammenlaufen und brachte 
sie mittelst wenig feiner Praxis in Fluss. 


Es bleibt noch übrig über den Stand der die beiden Kataloge 
betreffenden kritischen Untersuchungen zu berichten. 


So passend eine Aufzählung der Stämme, zunächst des grie- 
chischen Heeres, und ihrer Führer an der Stelle erscheinen mag, 
wo die erste grosse Schlacht bevorsteht, so zahlreich sind die 
Bedenken, welche die vorliegende Art der Ausführung ergiebt. 
Zunächst hinsichtlich der Einfügung derselben in den Zusammen- 
hang der Erzählung. Nach der Angabe, dass die Führer beschäf- 
tigt waren das Heer zu ordnen, wird V. 487 eine Aufzählung der 
Heerführer angekündigt, 493 dagegen tritt nach einer seltsamen, 
fast unverständlichen Bemerkung über die grosse Masse des Heeres 
überraschend die Ankündigung ein, dass eine Aufzählung der Schiffs- 
führer und sümmtlicher Schiffe folgen werde. Beim Abschluss 
dieser hinwiederum 760 wird nur auf jene erste Ankündigung 
zurückgewiesen. Sodann zeigen V. 780—785 das achaeische Heer 
bereits in voller Bewegung, die Ebene durchmessend, aber nach 
der Erzählung von der Sendung der Iris, der Rüstung und Ord 
nung des troischen Heeres, sowie dem Troerkatalog finden wir zu 


Anhang zu Ameis, Honers Ilias I. Τ 


-- 9 -- 


Anfang des dritten Gesanges (8—14) die Achaeer noch auf dem- 
selben Standpunkt. Der griechische Katalog selbst sodann lässt 
durchaus einen einheitlichen Standpunkt des Berichterstatters ver- 
missen. Stellen, wie 525 f. 558. 704. 727, sprechen von der Auf- 
stellung und Ordnung der betreffenden Stimme, 578. 587 von der 
Rüstung zum Kampf, sodass der in der vorhergehenden Erzählung 
gegebene Standpunkt gewahrt scheint, andere weisen in ihren An- 
gaben bestimmt auf Zeit und Verhältnisse des zehnten Kriegs- 
jahres wie 699— 709. 721—728, und die im ersten Gesange er- 
zählten Ereignisse, wie 686--694. 768—779, aber die Haupt- 
masse des Katalogs scheint vielmehr die Zeit der Abfahrt der Schiffe 
von Aulis oder auch die Landung in Troja im Auge zu haben. 
Dazu kommen eine Reihe offenbarer Widersprüche zwischen den An- 
gaben des Katalogs und der Erzählung der Ilias, historische Bedenken 
gegen einzelne Partien, Eigenthümlichkeiten, ja schwere Mängel der 
Darstellung. Die Beobachtung aller dieser Erscheinungen hatnun längst 
dahin geführt die Ursprünglichkeit des Schiffskatalogs in Zweifel 
zu ziehen. Nur wenige Kritiker glauben heutzutage noch denselben 
in der vorliegenden Form aus dem dichterischen Plane rechtfer- 
tigen zu können. So Kiene, der denselben, ohne irgend ein Be- 
denken auszusprechen, dem aufgestellten architektonischen Plan 
der Ilias eingereiht hat, und Werckmeister, welcher die Anstoss 
erregende Art der Ausführung gar aus einem besonderen Kunst- 
prineip Homers zu rechtfertigen weiss und in dem Katalog ein 
Surrogat für die dem Dichter versagte Darstellung der Ausfahrt 
der grossen Armada sieht: “Als ob dies Ausrücken (des Heeres 
gegen Troja) eine Ausfahrt wäre, lässt er die ganze Flotte an 
uns vorbeidefilieren. Denn nicht todte Aufzählung, nicht Beschrei- 
bung der ruhig am Strande liegenden, ihrer Mannschaft entleerten 
Schiffsrumpfe ist dieser Schiffskatalog, sondern in Bewegung ge- 
setzt, mit voller Bemannung ziehen sie an uns vorüber, das Ad- 
miralschiff eines jeden Volkes voran, die übrigen folgend.” Aehn- 
lich auch Düntzer: ‘Der Dichter hat angekündigt, er wolle die 
Hoerführer der Achaeer (und alle Schiffe) nennen; er lässt aber 
in gangbarer epischer Belebung die Achaeer aus ihrer Heimath 
nach Troja kommen, wobei er die Folge der geographischen Lage 
innehält.” Aber schon Baeumlein wagt nicht miehr die Echt- 
heit des Schiffskatalogs zu behaupten, wenn er auch nach der 
ganzen einleitenden Disposition der Ilias die künstlerische Noth- 
wendigkeit desselben behauptet und annimmt, dass derselbe für 
die Ilias gedichtet und zwar auf die bestimmte Situation, worin 
er sich findet, berechnet sei. Ohne alles Bedenken aber bezeichnet 
selbst Nitzsch den Katalog als Interpolation, indem er in dem- 
selben homerische Darstellungsweise ganz und gar vermisst. 
Nachdem so die Frage der Echtheit im Wesentlichen erledigt 
ist, hat sich die Kritik neuerdings vorzugsweise theils mit der 


- 9 -- 


Frage beschäftigt, ob der Schiffskatalog ursprünglich als ein selbst- 
ständiges Lied oder im Anschluss an die Ilias oder ein anderes 
Epos des troischen Krieges gedichtet sei, theils mit der Frage 
nach dem örtlichen und zeitlichen Ursprung desselben, der ur- 
sprünglichen Gestalt, so wie dem historischen Werthe. Als selbst- 
ständiges Lied betrachtet den Katalog Lachmann und zwar als 
ein Lied, “dessen Stelle willkürlich ist, ob es gleich zu den Liedern 
vom Zorn des Achilles ausdrücklich gehört”. So Köchly. Andere, 
wie Düntzer und Schwartz, fassen, wie oben gezeigt ist, den 
Katalog mit diesen oder jenen Haupttheilen des zweiten Gesanges 
zu einem besondern Liede zusammen. Andern, wie Kammer, 
Niese, Bergk, ist es unverständlich, wie ein solches besonderes 
Lied ohne Anlehnung an ein Epos habe Interesse finden können. 
Daher nimmt Bergk an, dass der Katalog nur ein Bruchstück 
entweder eines grösseren Epos sei, welches denselben Stoff be- 
handelte, wie später Stasinos in dem cyprischen Gedichte, oder 
doch eines kürzeren Gedichtes, welches die Versammlung des 
achaeischen Heeres in Aulis und seinen Auszug darstellte; dies 
wurde dann in ziemlich mechanischer Weise später in die Ilias 
eingefügt. Aehnlich urtheilt Kammer: “Ein vorhandenes Verzeich- 
niss der griechischen Streitkräfte, das etwa für die Abfahrt von 
Aulis entworfen war, wurde für diese Stelle in B benutzt, dazu 
wurden gute und weniger gute Zusätze gemacht, um den Katalog 
mit der gegenwärtigen Situation in Uebereinstimmung zu bringen’. 
Die Abfahrt von Aulis sieht auch Niese als die eigentliche Stelle 
des Katalogs an, meint aber, dass derselbe für die Ilias bestimmt 
sei und zwar für die Stelle, welche er heute einnimmt. 

Auch die Frage nach dem örtlichen Ursprung desselben ist sehr 
verschieden beantwortet. Nach Lauer hat besonders A. Mommsen 
in demselben das Werk eines böotischen Sängers hesiodischer 
Schule vermuthet: darauf scheint ihm einerseits die Anordnung 
zu führen, welche concentrische Kreise um Böotien als Mittelpunkt 
beschreibend auf dieses Land als Standpunkt des Berichtenden 
weise, sowie die Hervorhebung Böotiens durch die Zahl der Städte 
und der Heerführer, andererseits die Aehnlichkeit des Stoffes und 
der Darstellung mit der hesiodischen Dichtung, die Hervorhebung 
der Musen im Eingang, die Thamyrisepisode. Böotischen Ursprung 
nimmt wenigstens für die alte geographische Grundlage des Kata- 
logs auch Niese an. Dagegen bestreiten denselben theils auf 
V. 535 und 626 sich stützend, theils die Hervorhebung Böotiens 
daraus erklürend, dass der Auszug von Aulis ausgehe, Bergk, 
Raspe, Düntzer, Schwartz, welche einen kleinasiatischen Sänger 
als Dichter annehmen. Keller vermuthet, dass das zweite Buch, 
speciell der Schiffskatalog, rhodischen Ursprungs sei. 

Im Anschluss an die Annahme des böotischen Ursprungs hat 
dann Köchly versucht eine strophische Gliederung und zwar nach 

ΤῈ 


—- 10 — 


der bei Hesiod angenommenen Fünfzahl von Versen durchzuführen; 
dieser Versuch ist aber von Baeumlein, Düntzer, Bergk, Niese 
zurückgewiesen. Beloch nimmt Disticha an. Die Quellen, den histo- 
rischen Werth und die Abfassungszeit des Katalogs hat besonders 
Niese genauer untersucht. Nach ihm gab es in alter Zeit eine Art 
Periegese von Hellas, ein Verzeichniss hellenischer Stämme, Land- 
schaften und Städte, auf dessen Grundlage ein späterer Dichter unsern 
heutigen Schiffskatalog erbaute. Dieser arbeitete für die Ilias und 
fügte zu dem Behufe mit Benutzung des kyklischen Epos die Namen 
der achaeischen Helden, die Schiffszahl, kleinere Episoden in jenes 
geographische Verzeichniss hinein. Jenes ältere Verzeichniss setzt 
er an zwischen 770 und 740 a. Chr., die Bearbeitung desselben 
zum Schifiskatalog etwa zwischen 630 und 600 a. Chr. Zu einem 
ganz andern Resultat kommt Bergk, welcher die Entstehung des 
Katalogs vor 900 ansetzt. 


Der troische Katalog, welcher durch seine Dürftigkeit hinter 
dem achaeischen sehr zurücktritt, verfolgt, wie Schwartz fand, 
bei Aufzählung der Hülfsvölker eine strahlenförmige Anordnung 
mit Troja als Ausgangspunkt. Lachmann, Kammer und Köchly 
erblicken in demselben eine Nachahmung des griechischen Kata- 
logs; Niese sucht wahrscheinlich zu machen, dass beide Kata- 
loge von demselben Bearbeiter herrühren, und zwar von einem 
Milesier. 


Anmerkungen. 


4. {τιμήσῃ und ὀλέσῃ habe ich mit La Roche aus den Hand- 
schriften statt der bisher mit Bekker gelesenen, nur auf Conjectur be- 
ruhenden Optative hergestellt: vgl. auch La Roche homer. Unter- 
such. p. 242 £] ᾿ 

12. πανσυδίῃ ist hier und 29. 66. A 708. 724 die Lesart 
des Aristarch, der die Assimilation verschmähte im Hinblick auf 
ἄνστησον ἀνστήσεσϑαι ἀνστήτην. Vgl. J. La Roche Hom. Text- 
kritik 5. 394 f. Da aber vor or eine Assimilation überhaupt nicht 
stattfindet, hier aber die ältesten und besten Quellen πασσυδίῃ 
bieten, so habe ich diese Form mit Lange Observ. critic. II (Oels 
1843) p. 6 und mit Bekker aufgenommen. Auch Eustathius 
p. 166, 14 bemerkt: τὸ πανσυδίῃ καὶ διὰ τῶν δύο σ γράφουσιν 
οἵ παλαιοί, ὡς τὸ σύσσιτος σύσσωμος καὶ τὰ ὅμοια. Der Form 
πασσυδίῃ geben daher den Vorzug Thiersch Gr. $ 172, 2; Butt- 
mann Ausf. Sprachl. $ 120 Anm. 12; Lobeck zu Soph. Ai. 836 
p. 369 und Paral. p. 364. 365; Bekker Hom. Blätter 8. 159, 9. 
[La Roche dagegen πανσυδίῃ]. Ueber den zweiten Theil des Wortes 


— 11 — 


vgl. G. Curtius Etym.? 8. 557. 571. [* 617. 631.] — Vers 24. Vgl 
auch Stat. Theb. II 102 f. — 25 erwähnt Themist. or. I 6%; II 
p. 34°; VII p. 102%; XI p. 1418. 

27. Gewöhnlich wird hier und 64 das σεῦ mit den Schol. 
ABL. orthotoniert, indem man einen Gegensatz entweder zu Achil- 
leus oder zwischen Zeus und Agamemnon annimmt, wozu Fr. 
Spitzner Z 409. 277. T 185 verglichen hat. Aber diese Stellen 
sind anderer Natur, und der vermeintliche Gegensatz ist hier ein 
künstlich geschaffener, kein natürlicher. Vgl. Lehrs Q. E. p. 121 
sq. Mit Recht hat Lange Observ. crit. II p. 7 die enklitische 
Form vertheidigt, die auch durch Eustath. p. 168, 24 und den 
Paraphrasten bei Bekker geschützt ist; daher hat Bekker dieselbe 
wieder eingeführt, [Uebrigens verwarf Aristarch den Vers hier und 
64: ἐπεὶ καὶ τίνος χάριν ἐλεεῖν αὐτὸν μέλλει; Aristonic. ed. Fried- 
laender p. 57; zustimmt Cobet Miscellan. erit. 1876 p. 4111 — 
Vers 28 wie 65 liest man gewöhnlich oe κέλευε oder oe κέλευσε. 
Aber die Accusative μέ und σέ treten an dieser Versstelle ihren 
Vocal dem Augmente ab. Daher haben Freytag, Lange, Bekker, 
[La Roche] mit Recht auch hier nach guter Autorität (auch der 
Venetus hat σ᾽ ἐκέλευσε) das Augment eingeführt. Vgl. K. Gras- 
hof Zur Kritik des Hom. Textes (Düsseldorf 1852) 8. 12. — 
Vers 41. Vgl. Heliodor. II 26. — 43. [Eine neue Erklärung 
von νηγάτεος giebt jetzt Schmalfeld in Fleckeisens Jahrbb. für 
class. Phil. Suppl. VIII p. 293 ff.: aus Sanscer. W. snih, eigent- 
lich mit Oel gesalbt und darum glänzend, nitens, nitidus, 
und davon glänzend überhaupt.] 

45. ἀργυρόηλον heisst hier das Schwert des Agamemnon, da- 
gegen wird A 29 gesagt: ἐν δέ οἵ ἧλοι χρύσειοι πάμφαινον. 
Aristarch bei Aristonikos vergleicht dazu den vermeintlichen Wider- 
spruch bei Eurip. Phoen. 26 und 812, den Θ΄ Hermann zu 26 be- 
handelt, und bemerkt dann: τὰ τοιαῦτα δὲ κυρίως οὐ λέγεται, ἀλλὰ 
κατ᾽ ἐπιφοράν ἐστι ποιητικῆς ἀρεσκείας. ὥσπερ δὲ τὰ περὶ 
τὸν ϑώρακα καὶ τὴν ἀσπίδα διαφορώτερον φράξει (vgl. zu A 30), 
οὕτω καὶ τὸ ξίφος κοσμεῖ. Hierzu sagt Lehrs de Arist.? p. 347 
“Hine discant Wolfiani’ und L. Friedländer fügt bei “et Lach- 
manniani’. Wiewohl nun solche unwesentliche Abweichungen 
auch aus altdeutschen Dichtern wie aus Wolfram von Eschenbach 
nachgewiesen werden: so scheint doch fürs homerische Epos, 
das sich an sinnlichen Schilderungen erfreut, die einfachste Lösung 
in der Annahme zu liegen, dass Agamemnon zwei Schwerter be- 
sessen habe, eins mit silbernen, das andere mit goldenen Nägeln, 
und dass er an seinem Ehrentage A 29 das bessere gebrauchte. 
Wer dies nicht annehmbar findet, der kann im Anschluss an Ari- 
starch das ἀργυρόηλον als stabiles Epitheton betrachten, durch 
welches nicht ausgeschlossen sei, dass sich am Sch wertgriff auch 
goldene Nägel befunden haben. [Vgl. über ἀργυρόηλος auch Gerlach 


-- 112 — 


im Philol. XXX p. 502.] Ausserdem bemerke man, wie hier 41 
bis 47 zur Anreihung der Sätze achtmal hinter einander das an- 
knüpfende δέ gebraucht ist, was in dieser Häufung ohne Unterbrechung 
durch eine andere Verbindungsweise sonst nirgends stattfindet. 

53. Der Nominativ βουλή, den Fr. Spitzner mit Heyne wieder 
eingeführt hat, ist die Lesart des Aristophanes, Aristarch und der 
bessern Autoritäten [Venetus A und die besten Handschr. haben 
βουλήν, wie La Roche schreibt], er bildet hier einen einfachern 
und objectivern Uebergang, als der von andern [Zenodot] gebilligte 
Aceusativ βουλήν. Wenn Voss Krit. Bl. I 5. 235 (mit Beistim- 
mung Anderer) den Accusativ vorzieht, weil 55 πυκινὴν ἠρτύνετο 
βουλήν ‘nach Homers "Weise den vorigen Gedanken wieder auf- 
nehmen soll”: so bleibt unberücksichtigt, dass hier βουλήν in an- 
derer Bedeutung stehe. Denn πυκινήν konnte nicht von der “Ver- 
sammlung’ der wenigen Geronten gesagt werden. Also bleibt 
βουλή auch von dieser Seite unangefochten. [Vgl. übrigens die 
Einleitung p. 83 f.] 

73. Andere wie Heyne und Freytag zu dieser Stelle und 
C. A. J. Hoffmann im Philol. 1848 8. 200 verbinden ἣ ϑέμις 
ἐστί mit πρῶτα δ᾽ ἐγών und finden darin die Beziehung auf die 
dem Oberkönig zukommende und mit ἐγών hervorgehobene Initiative. 
Aber hiergegen streitet erstens die Wortstellung, wonach die 
Formel überall zum ganzen Gedanken gehört, also hier an ἔπεσιν 
πειρήσομαι sich anschliesst; sodann der Zusatz φεύγειν κελεύσω, 
wodurch das ἔπεσιν πειρήσομαι näher bestimmt werden soll, drittens 
der Umstand, dass ἐγών nur im folgenden ὑμεῖς seinen Gegensatz 
hat, wo zugleich das ἄλλοϑεν ἄλλος ein significanterer Stell- 
vertreter des Begriffes ἔπειτα ist als Gegensatz zu πρῶτα. [Ὁ] Ueber 
die Bedeutung der Formel ἣ ϑέμις ἐστίν, der manche hier einen 
unrichtigen Sinn unterschieben, vgl. den Anhang zu y 45 [und 
dagegen die Einleitung p. 84.] Ueber das Wesen und die 
Berechtigung des πειρήσασϑαι vgl. auch Gladstone σαι. Studien 
von Alb. Schuster 5. 320. Dass dieses πειρήσασϑαι auch in anderer 
Hinsicht ein “Herkommen’ der homerischen Menschen war, darüber 
vgl. den Anhang zu ὁ 304. 

75.. Dass man zu ἐρητύειν nicht geradezu ‘die Fliehenden’ 
ergänzen könne, da Agamemnon den Gedanken einer wirklichen 
Flucht nicht ändeutet, das haben die Schol. B. und BL. zu 73 
und 75 wiederholt bemerkt. Dieselben erklären ᾿ἀντιλέγετέ μοι 
πρὸς τοῦτο᾽ oder “ἐμὲ ταῦτα λέγοντα᾽ οὐ γὰρ ᾧετο τοσοῦτον ταχέως 
ἀναπτερωϑῆναι πρὸς φυγὴν αὐτού. Ἐδοῦβο G. Curtius im 
Philol. III $. 11 und Anton Göbel in Mützells Zeitschr. für das 
G. W. 1854 S. 744 not. 1. Aber der grammatische Zusammen- 
hang der Sätze lässt diese persönliche Ergänzung von ἐμέ nicht 
recht natürlich erscheinen. Auch würde dadurch (wie Köchly de 
Tliadis B 1—483 disputatio p. 9 mit Recht bemerkt) die Heeres- 


-- 18 — 


versammlung mehr zu einem Privatgespriche mit Agamemnon 
herabsinken. Einfacher und kräftiger wird dieser Schlussgedanke, 
wenn wir ἐρητύειν sachlich verstehen: ihr aber sollt dies (was 
ich vorschlage) abhalten oder verhindern. [Vgl. dagegen Düntzer 
homer. Abhandl. p. 44: ἐρητύω wird abgesehen von ϑυμός nur mit 
persönlichem Object verbunden, vgl. das Lexic. Hom. s. v. Nichts 
hindert das Object so allgemein zu denken, wie es zu den vorher- 
gehenden Verben gedacht werden muss, die Achaeer.] Der aller- 
dings nothwendige Gedanke eines Widerspruchs gegen Agamemnon 
und einer Zurückweisung seines Fluchtvorschlages ergiebt sich von 
selbst aus dem mit Nachdruck am Versschluss stehenden ἐπέεσσιν, 
weil dieses ‘mit Worten’ keine andere Beziehung als die eben er- 
wähnte zulässt. 

81. [Zur Erklärung von καὶ νοσφιξοίμεϑα μᾶλλον vgl. Happe 
der homer. Hektor, Koblenz 1863 p. 20.) 

97. [Die Auffassung von εἴ more — σχοίατ᾽ als Wunschsatz 
nach L. Lange der homer. Gebrauch der Partikel εἰ I p. 399 81] 

102. Bekker hat (nach dem Vorgang von Lange Observ. 
exit. II p. 11) aus Conjectur μὲν ἔδωκε gegeben, weil er (wie 
andere schon vor ihm vereinzelt) den dritten Fuss mit dem zweiten 
durch eine Cäsur im zweiten vermittelst Augmentierung eines 
Verbum zu verbinden sucht. Vgl. den Anhang zu ı 228. Aber 
hier ist wegen der noch dreimaligen Wiederholung derselben Ver- 
balform δῶκε in 103. 104. 105 eine Ausnahme zu statuiren, die 
W. C. Kayser im Philol. XVIII $. 679 also begründet: ‘Die hand- 
schriftliche Lesart μὲν δῶκε ist durch die Citate der Rhetoren, 
Herodian. de Fig. p. 604 ed. Walz. Tiberius de Fig. p. 558. 
Alexander de Fig. p. 467 hinreichend beglaubigt. Und nicht ohne 
Absicht scheint der Dichter den Effect der Figur durch die 
Anwendung derselben Verbalform vollständig gegeben zu haben. 
Die Kraft der Stelle wird durch Bekkers Conjectur μὲν ἔδωκε un- 
leugbar beeinträchtigt.” Ueber den Sinn der ganzen homerischen 
Stelle in Bezug auf das Scepter bemerkt J. H. Voss Antisymb. 
II 8. 435 mit Recht: ‘Dem Unbefangenen erscheint Agamemnons 
Grossvater Pelops ein kriegerischer Fürst der Halbinsel, dessen 
erworbene Macht, von Zeus befestigt, auf Söhne und Enkel sich 
vererbt.” Dies hat Homer 108 klar angedeutet. Vgl. Nägelsbach 
Hom. Theol. 8. 6 der Ausg. von Autenrieth. Und über die Be- 
deutung der drei hier vereinigten Gottheiten bemerkt L. Preller 
in Ausgewählte Aufsätze herausg. von R. Köhler (Berlin 1864) 
8. 148 ἢ [= Philol. I 513 £.]: “Hephästos deutet in dieser alle- 
gorisierenden Genealogie auf den kunstreichen Schmuck, Zeus auf 
die königliche Herrscherwürde des Pelopidenscepters, Hermes auf 
das hirtenartig Weidende und Hütende, oder auch auf den Herden- 
reichthum des Pelopidenhauses.” Uebrigens wurde noch zur Zeit 
des Pausanias dieses Scepter von den Bewohnern Chäronea’s als 


— 104 — 


heilige Reliquie verehrt: vgl. Pausan. IX 40, 6. |Ueber die Be- 
deutung des Seepters im Allgemeinen handelt C. F. Hermann de 
sceptri regii antiquitate et origine. Gott. 1851.] 

107. Dies bemerkt schon Aristarch nach Aristonikos: ἡ 
διπλῆ ὅτι οὐ γινώσκει τὴν ἔχϑραν ᾿Αἀτρέως καὶ Θυέστου, ἀλλὰ συμ- 
φωνοῦντας αὐτοὺς συνίστησιν. αὐτῷ γοῦν παραδίδωσι τὸ σκῆπτρον 
οὐ τοῖς υἱοῖς 6 ᾿Ατρεύς, καὶ ὁ Θυέστης οὐ τῷ αὑτοῦ υἱῷ Αἰγισϑεῖ 
καταλείπει τὸ σκῆπτρον, GAR ᾿Αγαμέμνονι. Bei Thukyd. I 9 wird 
diese ganze Stelle mit ἐν τοῦ σκήπτρου τῇ παραδόσει eitiert. Vgl. 
Nitzsch Beitr. zur Gesch. der ep. Poesie 8.396 Anm. 110. Thu- 
kydides beweist mit diesem Verse die Macht des Atreidenhauses. 
[Bergk griech. Literaturgesch. I p. 548 vermuthet, dass 108 von 
einem argivischen Rhapsoden wahrscheinlich zur Zeit des Königs 
Pheidon hinzugefügt sei.] Zu πολύαρνι Θυέστῃ vgl. Varro R. R. 
I 1, 6. Friedrich Günther Die Viehzucht bei Homer (Bernburg 
1867) 8. AM. 

111. [Cobet Miscellan. erit. 1876 p. 412 verwirft μέγα und 
verlangt weyag.] 

116—118. [Vgl. J. Bekker in den Monatsberichten der Berlin. 
Acad. 1866 p. 465 — Hom, Blätt. ITp. 111 und Franke a. Ὁ. p. 13.] 

123 £. [Die Erklärung des folgenden Satzes ist gegeben nach 
L. Lange der homer. Gebrauch der Partikel εἰ II p. 501 f. — 
124 wurde von Aristarch verworfen: ἀϑετεῖται " οὐ γὰρ ἐπὶ ἀλη- 
ϑείας λέγεται, ἀλλ᾿ ὑπερβολικῶς τὰ τῶν δεκάδων᾽ πρὸς τί οὖν ὅρκια: 
Friedlaender Ariston. p. 60.] 

125. Τρῶες μέν, statt des gewöhnlichen Τρῶας μέν, las Ari- 
starch in einer seiner Ausgaben. Vgl. L. Friedländer zu Aristo- 
nikos p. 61. Der Nominativ ist wegen der Symmetrie mit dem 
folgenden ἡμεῖς δ᾽ ἐς δεκάδας διακοσμηϑεῖμεν ’Ayuıol vorzuziehen, 
da, der Hauptbegriff ἀριϑμηϑήμεναι ἄμφω (d. 1. zwei einzelne Massen) 
nachher durch zwei speciellere Verba detailliert wird. Die von den 
Schol. BL. (nicht A wie Spitzer mit Beistimmung sagt) ver- 
glichene Stelle A 133 ist anderer Natur. Uebrigens sind hier 
die Dekaden wahrscheinlich von der Eintheilung beim Mahle her- 
genommen. [Bergk griech. Literat. I p. 354 erinnert mit Bezug 
auf diese und andere Stellen (Θ 362 fi. x 82. μ 127) an die alte 
volksthümliche Räthseldichtung.] 

127. ἕκαστοι, wofür die übrigen [alle Handschriften] ἕκαστον 
haben, ist die Lesart des Ixion, [nach Didymos las Ixion vielmehr 
ἕκαστον, vgl. La Roche Annot. crit.] die von Voss Krit. Bl. IS. 244, 
Freytag und jetzt auch von Bekker mit Recht gebilligt wird. 
Denn nach dem Sinne des Dichters kommt es nicht darauf an, 
dass jeder der Troer Mundschenk werde, sondern dass jede 
Dekade ihren Mundschenk sich von den Troern nehme. Hierzu 
kommt zweitens, dass neben ἕκαστον homerisch vielmehr Τρῶας 
δ᾽ ἄνδρα gesagt sein würde, wie H 215. 744. #173. 547. u 207. 


— 105 — 


ὦ 418. Fr. Spitzner sagt zwar vom Dichter hyperbolisch ‘sexcen- 
ties ἄνδρα ct φῶτα ἕκαστον consociavit,’ allein mit beigefügtem 
Genetiv findet sich ἕκαστος nur viermal: A 428, E 37. K 215. 
P 252, wo jedesmal die Apposition unmöglich war. Hier dagegen 
ist das appositive ἕκαστοι ganz an seinem Platze: vgl. die ähn- 


lichen Beispiele im Anhange zu ν 76. — Vers 119 bis 128. 
‘Der Gedankengang ist: ihr dürft nicht verzagen — es wäre eine 
Schande; ihr braucht auch nicht zu verzagen — es wäre eine 


Thorheit.” G. Autenrieth. 

131. ἔνεισιν geben Aristarch in der zweiten Ausgabe und 
Kallistratos. Mit Recht, da die Deutlichkeit des Gedankens den 
Begriff des sich Darinbefindens in der Stadt oder des Vorhan- 
denseins nothwendig macht. Denn ohne die Präposition ἐν wäre 
der Gedanke wegen des ἐκ πολίων zweideutig. Die Vulgata ἔασι 
[so La Roche] ist wahrscheinlich aus 125 entstanden. Fr. Spitzner 
bemerkt: “coneinnius videri potest ἔνεισιν, μοί spectet ad. ipsos 
Troianos, at dubito, num hacc forma sit Homerica.’ Aber dieser 
Zweifel löst sich bei Vergleichung der analogen Fälle wie ec 
v 130. Daher bin ich bei ἔνεισιν Bekkern gefolgt. — Vers 132. 
πλάξουσι erklärt schon Eustathius ἀντὲ τοῦ ἀποπλανῶσι τοῦ σκοποῦ, 
was Bäumlein im Philol. VII 5, 233 mit Recht zur Geltung bringt. 
-— Vers 133. Ἴλιον ist hier und © 288. Φ 433, statt des ge- 
wöhnlichen [in allen Handschriften gelesenen; so La Roche] Ἰλίου, 
die Lesart Aristarchs, die von Voss Krit. Bl. 8. 245 und zur 
Hymne an Demet. $. 150 durch die Bemerkung vertheidigt wird, 
dass der Stadtname nur bei unmittelbarer Verbindung mit 
dem Appellativum im Genetiv stehe. Dann haben Freytag und 
Bekker den Accusativ aufgenommen. Dieser Casus wird durch 
die im Commentar erwähnten Parallelen gestützt. — 135. [Ueber 
σπάρτα vgl. Hehn Kulturpflanzen und Hausthiere p. 431.] 

141. Die Rede des Agamemnon von 110 bis 141 ist ein 
μὖϑος κερδαλέος (£ 148) oder ein λόγος ἐσχηματισμένος, ἃ. i. eine 
verstellte Rede, welche einen dem Wortlaut entgegengesetzten 
Zweck verfolgt oder (wie Nägelsbach sagt) welche “berechnet 
ist auf eine der vorgespiegelten Absicht entgegenge- 
setzte Wirkung.” Daher sind. in dieser Rede die zur Heimkehr 
mahnenden und die zum Kampfe ermunternden Momente auf ganz 
eigenthümliche Weise mit einander verschmolzen, wie schon die 
Scholiasten mehrfach bemerkt haben. So gleich in der unge- 
wöhnlichen Anrede 110, wozu die Schol. BLV. sagen: "ngoenei- 
ρει τοῖς ἐγκωμίοις, ὅπως αἰδοῖντο φεύγειν. οὐ λέγει δὲ αὐτοῖς τὸ 
ὄναρ, ὅπως μὴ δοκῇ σκευώρημα εἶναι, ἢ ἑτέρως ἀποβῇ καὶ ϑεομι- 
σὴς εἶναι δόξῃς. Wo er das Versprechen des Zeus erwähnt 112, 
erinnern BL.: ἱπροτρεπτικὸν τοῦτο πρὸς τὸ μένειν τοὺς "Aymoüs‘ οὐ 
γὰρ ἀτελεύτητον ὃ τί κεν κεφαλῇ κατανεύσει (A 621). ἀνάγει δὲ 
ἐπὶ τοὺς νεοσσοὺς καὶ τὰς διοσημίας, was sich auf die 806 f. 


— 106 — 


erzählten Vorzeichen bezieht. Mit besonderem Nachdruck hebt 
dann Agamemnon 115 im Versanfange das δυσκλέα hervor: “rodro 
δὲ εἶπεν οἰόμενος ὡς οὐ πείσονται οἱ Ἕλληνες δυσκλεῖς ὑποστρέψαι 
BL. Wenn er dann weiter 117. 118 der unwiderstehlichen Macht 
des Zeus im Zerstören der Städte gedenkt, so konnte dem Hörer 
sehr leicht der Gedanke sich aufdrängen,. dass Zeus auch bei Ilios 
als ‘Städtezerstörer” sich zeigen werde, oder wie BLV. sagen “ünd- 
ψοιαν δὲ δίδωσι καὶ περὶ Ἰλίου [Vgl. dagegen Bekker in den 
Monatsberichten der Berliner Acad. 1866 p. 465 — Hom. Bl. II 
p- 111 und Franke disputationis de Iliadis B 1—483 pars altera, 
Leipz. 1870 p. 13.] In einem stark gewählten Ausdruck erscheint 
120 die Bezeichnung: denn “διὰ τῶν ἐγκωμίων μείξων ἡ κατηγορία" 
καὶ ὅτι ἀΐδιος ἔσται αὐτοῖς ἡ ὕβρις, τὸν πόλεμον ἀτελῆ καταλιποῦ- 
cw’ BL. Dazu wird 122 mit ἀνδράσι παυροτέροισι die geringere 
Anzahl der Feinde hervorgehoben, was Schol. B erläutert: “rayeie 
οὖν ἡ ἐλπὶς τῆς νίκης, εἴ γε καὶ πλείους καὶ ἰσχυρότεροι καὶ Δία 
ἔχοντες σύμμαχον, καὶ τῆς ἥττης πολλὴ ἡ αἰσχύνη. Und schliess- 
lich sagt noch der versuchende Oberfeldherr ebendaselbst nicht 
etwa τέλος δ᾽ οὔ πώς τι πέφανται (welcher Gedanke nebenbei 
nicht als ein αἰσχρόν ἐστι für die Achaeer bezeichnet werden konnte), 
sondern er sagt mit selbständigem Nachdruck τέλος δ᾽ οὔ πώ τι 
πέφανται “das Ziel ist noch keineswegs erschienen’, worin offen- 
bar liegt, dass sie auf Sieg noch hoffen können. Richtig BL.: 
κρίσις γὰρ νίκης ἢ ἥττης οὐ πεφανέρωται. πῶς οὖν πρὸ τέλους 
ὑποχωρήσουσιν:; ἐκδεκτέον οὖν τὸ τῆς μάχης πέρας. Weil nun aber 
das Argument von der kleineren Anzahl der Feinde für den Zweck 
der Prüfung (73) ein wesentliches war, so hat der fein ironi- 
sierende Agamemnon dasselbe 123 bis 130 zu einer witzigen 
Darstellung benutzt. Diese konnte und sollte auf die ehrliebenden 
Helden des Danaerstammes (110) den Eindruck machen, dass sie 
es für schimpflich hielten (119), im Bewusstsein ihrer Ueberzahl 
und Macht zu fliehen. Und wenn nach dieser witzigen Begrün- 
dung noch 130 bis 133 mit dem Anfange “aber es sind Hülfs- 
völker darin’ (in der Stadt) auf diese Hülfstruppen ein so starkes 
Gewicht gelegt wird, wie sonst nirgends beim Dichter geschieht 
(vgl. M 88 bis 90. P220 bis 222 [und Aristonic. ed. Friedlaender 
p- 61 zu 130—133)): so dient gerade dieser Umstand zu einem 
neuen Beweise, dass Agamemnon nicht im Ernst und nicht 
nach seiner wirklichen Kenntniss spricht, sondern nur in 
Verstellung und mit der Absicht die Stimmung des Heeres zu 
prüfen. Auch die lange Zeitdauer des erfolglosen Krieges, die er 
134 erwähnt, konnte tapfere Krieger eher zum Ausharren als zur 
Heimkehr bestimmen, um den nach einer anderweiten Prophezeiung 
in kurzem bevorstehenden Erfolg (328 f.) nicht preiszugeben, was 
schon BL. bemerken: ἔστι δὲ πρὸς μὲν τὸ ἀπιέναι διεγερτικὸν ὡς 
ἐκεῖ καϑημένων ἀπράκτων χρόνον τοσοῦτον, πρὸς δὲ τὸ μένειν ὡς 


τὸ τοῦ -- 


τοῦ τῆς ἁλώσεως χρόνου πληρωϑέντος᾽ τῷ γὰρ δεκάτῳ ἔτει τὸ Ἴλιον 
ἔφη Κάλχας ἁλώσεσθαι. ἐλπίδα δὲ τοῦ τέλους ὑπογράφων αὐτοῖς οὐκ 
ἐνεστηκέναι τὸν ἔνατον ἐνιαυτὸν εἶπε (καίτοι τοῦτο ἦν τὸ ἀληϑές, 
ὥσπερ καὶ Ὀδυσσεύς φησιν «ἡμῖν δ᾽ εἴνατός ἐστι περιτροπέων ἐνι- 
αὐτός» 295), ἀλλὰ παρεληλύϑασι, φησίν, οἵ ἐννέα ἐνιαυτοί. Und 
die 135 gewählten Ausdrücke veranlassen dieselben Scholl. zu der 
richtigen Bemerkung: “ταῦτα δὲ ἀμφοτέροις συνάδει, τῷ μὲν ἀπιέ- 
ver, πρὶν διαφϑαρῆναι τέλεον τὰς νῆας, καὶ τῷ μένειν δὲ ὡς διὰ 
τὸ σεσηπέναι τὰς ναῦς τέως πλεῖν οὐ δυναμένων" Selbst das wich- 
tige Motiv 136. 137, das am Stärksten zur Heimkehr anregen 
konnte, bringt hinterher 138 doch wieder die schmerzliche Klage 
über die seitherige Erfolglosigkeit, weil sie eben nicht unverrich- 
teter Sache zu Weib und Kind zurückkehren sollen. Nun folgt 
139 der formelhafte Vorschlag (nicht “ein Befehl”) und schliess- 
lich 140 die Aufmunterung, aber mit dem absichtlich gewählten 
Ausdruck φεύγωμεν, worüber BLV.: “ἐνῆν εἰπεῖν στείχωμεν" ἀλλὰ 
τῷ αἰσχρῷ ὀνόματι ἀποτρέπει τοῦ ἀπόπλου. Vgl. den ähnlichen 
Gebrauch von φεῦγε A 173 mit der Note zu A 177. So sind 
in der Rede des Agamemnon die Motive der Mahnung zur Heim- 
kehr und der Ermunterung zum Kampf auf eigenthümliche Weise 
in einander verschlungen. Aber Agamemnon, der auf das Ehr- 
gefühl und die Kampfliebe seines Heeres rechnete, hat sich in 
seiner Erwartung gänzlich getäuscht, was auch den Feldherren 
späterer Zeit bisweilen begegnet ist. Wenn übrigens Agamemnon 
theilweise mit denselben Worten I 17 bis 28 zu einer ernst 
gemeinten Flucht auffordert, so kann dies im mündlichen 
Epos nicht auffällig sein, weil in diesem viel auf Ton und Stimme 
ankommt, womit man dieselben Gedanken bei verschiedener 
Sachlage vorträgt. [Vgl. darüber den Anhang zu I 17—28 und 
über die rhetorische Kunst in der Rede des Agam. Gerlach im 
Philol. XXX p. 12. Franke a. Ὁ. p. 11 ff] 

144. Nach verschiedenen Quellen las Zenodotos φή, aber 
Aristarch das gewöhnliche ὡς [welches die besten Handschriften 
haben]. Der letztere strebte bekanntlich in der Gestaltung des 
Textes nach zu grosser Konsequenz, weshalb er bisweilen dem Ge- 
wöhnlichen vor dem Ungewöhnlichen den Vorzug gab. Die An- 
sichten der Gelehrten tiber Wesen und Ableitung von φή erörtern 
eingehend Fr. Spitzner in Excurs. XXV zur Ilias und Nägelsbach 
zu unserer Stelle, beide mit Billigung von ὡς [so auch Passow 
de comparationibus Hom. Berlin 1852 p. 20], dagegen Lange 
Observ. erit. II p. 13 und Franz Kratz De versu Iliadis II 144. 
Köln 1854 p. 18 844. und Uhlemann de φή particula (Lippstadt 
1856) mit Beistimmung zur Lesart Zenodots. Mit Recht. Denn 
dieses φή hat zwei innere Stützen für sich: 1) Die Beschaffenheit 
der Stelle # 499, wovon dort die Rede sein wird; 2) den Um- 
stand, dass in Vergleichungen bei Homer ὡς einem einzelnen 


— 108 — 


Nomen ohne Verbum nie voransteht, sondern stets nachfolgt: vgl. 
den Anhang zu $ 441. Ueber die Ableitung von φή, das Pott 
mit dem Set. vd = sicuti in Verbindung bringt, bemerkt G. Cur- 
tius Etym. ? 5. 352 No. 601 (auch 8. 386 f. 630) [* p. 396. 
435. 690. Fick vergl. Wört. ? p. 138 unt. bhd.], dass dieses 
‘Adverb φή wie (vgl. lakon. φίν - σφίν) für σφή und auf einer 
Linie mit dem goth. vd wie stehe.” Dagegen sucht J. Savelsberg 
in Kuhns Zeitschr. VIII 5. 407 die Anwendung von p statt F in 
andern Beispielen nachzuweisen und giebt als Resultat: ‘So ist 
denn auch φή eine mit @ statt des alten F geschriebene Form 
und dieses fj nicht minder als fag ein vom Relativ Fög gebildetes 
Adverb’, indem er sich wegen des Adverbium ἢ auf die Zeugnisse 
bei Lehrs Ὁ. E. p. 44. 45 beruft, [Vgl. dagegen Windisch in 
G. Curtius Stud. II p. 210.] Die letztere Ansicht dürfte die ein- 
fachste sein, vorausgesetzt, dass p statt F sich erweisen lässt. 
Genau und übersichtlich behandelt den ganzen Gegenstand G. Auten- 
rieth bei Nägelsbach. 

147. [Statt der von Ameis angenommenen, doch sehr zweifel- 
haften Conjunctivform κινήσει habe ich hier und 395 mit La Roche 
κινήσῃ hergestellt. Vgl. La Roche hom. Untersuch. p. 239 f.] 

149. Bekker hat indes diesen Vers gleich an 146 ange- 
schlossen, indem er 147 und 148 aus Conjeetur athetiert. Schon 
G. Hermann de iteratis apud Homerum p. 9 fand beide Gleich- 
nisse wegen ihrer zu grossen Aehnlichkeit neben einander an- 
stössig, mit Beistimmung von M. Haupt zu Lachmanns Betrach- 
tungen $. 102, der da meint: “Das erste gewaltigere Gleichniss 
(das aber 207 ff. ähnlich wiederkehrt) wird das später hinzu- 
gethane und statt des zweiten gesungene sein.’ [Auch Ahrens im 
Philol. Suppl. I p. 623, Passow de compar. Hom. p. 21.] Meine 
Ansicht habe ich im Commentar angedeutet. Es liesse sich auch 
denken, dass der Dichter je nach dem Orte, wo er dieses Lied 
vortrug, abwechselnd bald die eine bald die andere Vergleichung 
gebraucht habe. Zu dem erstern Gleichniss vgl. Ovid. Met. V 5 ff, 
der ausdrücklich “repentinos tumultus’ hervorhebt. — Vers 153. 
Vgl. Lucan. I 388. 

155. Dies hat im Wesentlichen schon Aristoteles bemerkt, 
von dem der Schol. B. zu 73 Folgendes berichtet: προληφϑέντες 
γὰρ ταῖς πρὸς αὐτὸν ὁμολογίαις, ἄτοποι εὑρίσκονται μὴ κωλυταὶ 
γινόμενοι. ὥσπερ συνέϑεντο, συμπράκτορες δὲ τῶν φευγόντων. ὅϑεν 
καὶ τῷ Ὀδυσσεῖ εὐλόγως λείπεται ἡ πρὸς τοιούτους ἐπίπληξις. ἐπὰν 
λέγῃ «ἐν βουλῇ δ᾽ οὐ πάντες ἀκούσαμεν οἷον ἔειπεν» (194). 
μὲν οὖν αὐτὸν παρακαλεῖν οὕτως ἔχοντας πολεμεῖν ἐπίφϑονον ἦν" 
ἐκέλευσε δ᾽ αὐτοῦ λέγοντος ὡς δεῖ ἀπιέναι, τοὺς ἄλλους κωλύειν" 
«ὑμεῖς, δ᾽ ἄλλοϑεν ἄλλος ἐφητύειν ἐπέεσσιν» (75). συνέβη δὲ ἃ 
εἰκὸς ἦν, διά τε τὸ ὀργᾶν καὶ τὸ μὴ εἰδέναι εἰ ἀπεπειρᾶτο, ἀσμένως 
ἀκοῦσαι καὶ φϑάσαι ἀναστάντας πρίν τινα τῷ ᾿Αγαμέμνονι ἀντειπεῖν.᾽ 


— 19 — 


Zur Verdeutlichung braucht man nur an manche stürmische Scene 
zu denken, wie sie im parlamentarischen Leben der neueren Zeit 
sich ereignet hat. H. Köchly de Iliadis B 1—483 disputatio 
Ρ. 15 bemerkt zwar unter anderm dagegen: “Agamemno orationem 
ita claudit, ut omnen deliberandi aut obloquendi conatum reprimere 
videatur.’ Aber die bestimmte Sprache Agamemnons 141 ist doch 
auf vorhergehende Gründe gestützt, durch welche, wie er hoffte, 
kein Tapferer bestimmt werden könnte H. Köchly führt fort: 
“nee concio tamen audita oratione statim dissipatur, sed per aliquod 
tempus — quod ipsum wel duobus, si düs placet, similibus illu- 
stratur — movetur et turbatur, tum demum, cum nemo alius prodit, 
dissolvitur’ Davon kann ich im Texte keine Andeutung finden, 
sondern ich glaube vielmehr, dass Aristoteles die Worte richtig 
erklärt habe, wenn er im Folgenden bemerkt, Agamemnon habe 
nicht erwartet ὅτι τὸ πλῆϑος καὶ ἅμα τῷ φάναι αὐτὸν ἀΐξει 
ἐπὶ τὸ ῥηϑέν᾽ Auch zu 142 ϑυμὸν ἐνὶ στήϑεσσιν ὄρινεν haben 
die Schol. BL. angemerkt: τὸ αἰφνίδιον τῆς τῶν ἀνθρώπων 
ὁρμῆς ἐσήμανε. Wenn endlich Köchly p. 16 im Bewusstsein 
seiner Kraft und mit seiner reichen Lebenserfahrung hinzufügt: 
“quanto facilius mine, quam posten fuisset Ulixi silentium sibi 
facere!” so möchte er hier wie bei der ganzen Auffassung der 
Scene die ausgebildete Taktik der Neuzeit den homerischen Helden 
beigelegt haben. [Vgl. übrigens die Einleitung p. 85.] — Was 
das Erscheinen der Athene betrifft, so wird dasselbe schon von 
den Schol. BLV. zu 156 also motiviert: “eig τοσοῦτον προάγει τὰς 
περιπετείας, ὡς μὴ δύνασθαι αὐτὰς ἄλλον εἰ μὴ μόνον ueradelvar 
τὸ ϑεῖον. πρῶτος δὲ τοῖς τραγικοῖς εἰσηγήσατο μηχανάς. Aehnlich 
spricht Eustathius. Ueber die Schlussworte des Commentars vgl. 
auch den Anhang zu g 360. Denn auch hier findet sich der von 
Horaz verlangte dignus vindice nodus. [Ueber ὑπέρμορον vgl. 
Welcker griech. Götterl. I p. 192: “ὑπὲρ Διὸς αἷσαν (17, 327), 
ὑπὲρ μοῖραν (20, 336), ὑπέρμορον ist nichts Anderes als ein hyper- 
bolischer Ausdruck, wie zuweilen unmenschlich, unnatürlich, un- 
mässig, mehr als zufällig, und wird daher auch nicht von Ge- 
thanem oder Geschehenem gesagt, sondern bedingt von Thaten 
oder Gewalten, denen durch einen Gott Einhalt geschieht, mit 
dem Uebergang εἰ μή, ἀλλ᾽ αὐτὸς ᾿Απόλλων oder durch eine Wen- 
dung der Sache.’] 

165. Statt der Ueberlieferung μηδὲ ἔα im Versanfange hat 
Bekker hier und 181 Heyne’s Conjectur μηδέ τ᾽ ἔα aufgenommen, 
die an οὐδέ τ᾽ ἔασεν A 437. D 596, τοὺς δέ τ᾽ ἐᾶν II 96, τὸν 
δέ τ᾽ ἔασκεν Q 17 erinnert. Aber doch hat Bekker denselben 
Hiatus in der handschriftlichen Lesart der andern Stellen unver- 
ändert gelassen: τῷ μὲ ἔα Ρ 16, μή μὲ ἔα X 339, οὐδὲ ἐῶσι 
ὃ 805, μηδὲ ἐᾶν » 536. Nur σ 420 hat er εἰῶμεν statt des be- 
glaubigten δὲ ἐῶμεν gegeben. Vgl. G. Hermann Opusc. I p. 227. 


— 10 — 


Und C. A. J. Hoffmann zu ® 596 bemerkt wohl mit Recht: “Dass 
ἐάω einst consonantischen Anlaut hatte, ist aus der Augmentation 
in εἰ- abzunehmen. Dadurch sind einige Dictionen der älteren 
Poesie bei Homer in Gebrauch geblieben, welche Hiatus haben.” 
(Vgl. über ἐάω jetzt Kraushaar in Curtius Stud. II p. 429 ἢ, 
zur Construction desselben Albrecht in Curtius Stud. IV, 33, 
Hentze in Zeitschr. f. Gymn. Bd. XX p. 728 f., auch Forssmann 
in Curtius Stud. VI p. 29 £.] 

168. In der alten Vulgata fehlte dieser Vers, da ihn die 
codd. Venet. [Laurentian. 15 u. 3 vgl. La Roche]. Vindob. Townl. 
Mosc. 2. Eton. nicht haben, auch Nikanor las ihn nicht in seinem 
Exemplar: vgl. Friedlaender zu Nican. p. 49. Daher ist er bei 
F. A. Wolf nach Proleg. p. XXVII und bei Fr. Spitzuer als unächt 
in Klammern eingeschlossen, wiewohl ihn der letztere in der Note 
ebenso vertheidigt wie Voss Krit. Bl. I 5. 250 und Düntzer de 
Zenod. p. 162. Ich glaube mit Recht. Denn durch die Tilgung 
des Verses wird das dichterische Gemälde beeinträchtigt und 
zu einem blossen historischen Berichte zusammengezogen. 
Hierzu kommt, dass bei Homer nach dem Weggang vom Olympos 
die Ankunft an einem bestimmten Orte ausdrücklich hinzu- 
gefügt wird. Vgl: die schon von Voss und Düntzer erwähnten 
Stellen: 4 44. 48. B 16. 17. 4 74. 78. H 19. 20. # 225 bis 
230. T 114. 115. X 187. 214. Q 121. 122. « 102. 103. Hier- 
her gehören auch ὦ 488. 502. A 196. O 150. 151. Aus diesem 
innern Grunde, wie es scheint, hat auch Bekker den Vers bei- 
behalten. Uebrigens hätte wer den Vers tilgte dann auch aus 
untergeordneten Quellen εὗρε δ᾽ ἔπειτα aufnehmen müssen, weil 
bei Homer der Anschluss an den formelhaften Vers 167 sonst 
überall mit δέ geschieht: vgl. die zu ὦ 488 angeführten Stellen. 

171. ἅπτετ᾽ ist die gewöhnliche Lesart. Da aber sonst überall 
nur ἥπτετο (Θ 67. 4 85. O 319. Π 778. T 468) und ἥψατο 
(4 512. E 799. O 76. 704. Ψ 666) sich findet und hier ausser- 
dem die im Anhang zu ı 419 erwähnte Rücksicht gilt: so habe 
ich mit Lange Oberserv. orit. IT p. 14 und Bekker ἥπτετ᾽ auf- 
genommen. Nur O 127 wird noch καϑάπτετο gefunden. Vgl. 
auch den Anhang zu β 20. Die Bemerkung von Buttmann Ausf. 
Sprachl. $ 84 Anm. 7 hat schon durch die neuere Kritik manche 
Einschränkung erhalten. — Der Begriff ἄχος wird von Köchly 
de Tiadis Β 1—483 disputatio p. 17 richtig gedeutet durch: 
“moeror de turpi fuga conceptus, quo ipso eum prae ceteris idoneum 
fuisse ewequendis Minervae mandatis indicatur.? 

188. [G. Curtius im Philol. ΠῚ p. 11 f: B 188—205, Ver- 
muthungen über die ursprüngliche Gestalt dieser Partie.] 

196. [A. Nauck im Bulletin de l’Academie de St. Peters- 
bourg 1861, Tom. III p. 305 fl. empfiehlt die Zenodotische Les- 
art διοτρεφέων βασιλήων, wobei er das ξἕ des folgenden Verses 


— 11 — 


pluralisch fasst, wie Hymn. in Ven. 267. Vgl. auch Brugman ein 
Problem der homer. Textkritik p. 21 ἢ, der keine Entscheidung 
wagt. La Roche hat nach DGHL. Aristot. Rhet. II, 2 u. a. 
διοτρεφέων βασιλήων geschrieben, bezieht aber ἕ auf Agamemnon 
(Schulausgabe, Anhang p. 153). Uebrigens wurden 193—197 
von Aristarch verworfen: ὅτι ἀπεοίκοτες οἵ λόγοι καὶ μὴ προτρεπτικοὶ 
εἰς καταστολήν: Friedlaender Aristonic. p. 63, vgl. Lachmann Be- 
trachtungen p. 12, Düntzer Homer. Abh. p. 44. 109, Curtius im 
Philol. III p. 11 17 

198. F. A. Wolf, Fr. Spitzuer, W. Dindorf und Andere haben 
δήμου τ᾽ ἄνδρα mit eingesetztem τέ beibehalten. Aber der Venetus 
und andere Handschriften haben die Partikel mit Recht weg- 
gelassen. Denn die Länge des ov vor vocalischem Anlaut wird 
durch andere Beispiele hinlänglich gestützt. Vgl. C. A. J. Hofl- 
mann Quaest. Hom. I p. ὅθ. Bemhard Giseke Hom. Forsch. 
8. 168 f. und anderwärts. Hierzu kommt, dass’ ein doppeltes τέ 
in solchem Zusammenhange nur einzelne Begriffe verbindet, nicht 
aber wie τὲ καί ganze Sätze oder Satzglieder. Vgl. Krüger Di, 
8 69, 70, 1 und 3. Endlich ist zu sagen, dass das doppelte τέ 
einen unpassenden Gedanken gäbe, wie ihn Grote Gesch. Griech. 
1 8. 445 der deutsch. Uebers. wirklich ausgesponnen hat. Denn 
nicht jeden Mann aus dem Volke, sondern nur den tumul- 
tuirenden Schreier schlug Odysseus mit dem Scepter. Anders 
indes urtheilt Bekker im Berliner Monatsbericht usw. 1867 8. 433 f. 
[= Hom. Blätt. IT p. 164 6], wo er Folgendes bemerkt: “Der 
Dichter hat den Vers in zwei Glieder gedehnt und zerlegt, wahr- 
scheinlich weil ihm daran lag die zwei Momente, welche den Stock 
auf schuldige Rücken hernieder führen, den Stand (rd δημοτεύειν) 
und das Benehmen (τὸ βοᾶν) in ihrer Verschiedenheit und ihrer 
nothwendigen Zusammenwirkung recht klar zu machen.” Aber 
man sieht nicht, was den Odysseus bewegen solle, auch noch 
“den Stand (rd δημοτεύειν)᾽ als solchen zu züchtigen. Ich fürchte, 
dass dieser Gedanke so wenig altgriechisch sei als die active 
Form δημοτεύειν. Es dürfte vielmehr diese nothwendige Zu- 
sammenwirkung” beider Momente grossen Bedenken unterliegen, 
wenn man nicht den Odysseus als blinden und delatorischen Partei- 
gänger der Aristokratie sich vorstellen will, wozu es im Homer 
keine Stützen giebt. Bekker bemerkt weiter: “Also wird δήμου 
τ᾽ ἄνδρα zu lesen sein, nicht aber an δήμου ἄνδρα ein Hiatus 
nach der zweiten Thesis fortzupflanzen, der so selten ist dass ich 
in 24 Rhapsodien (II bis δὰ und x bis ©) nur 7 Beispiele davon 
-finde, T 94. Φ 362. X 199. Ψ 431. A 252. ο 326. φ 211. 
Aber da ist 2 578 übersehen und aus den übrigen 24 Rhapso- 
dien hat man ziemlich die gleiche Anzahl nachgewiesen, so dass 
der Ausdruck ‘selten’ nicht gerade streng zu nehmen ist. [So 
urtheilt auch La Roche krit. Ausg] Nach dem Allem finde ich 


--ξ 12 — 


die vermeintliche “Dehnung und Zerlegung des Verses in zwei 
Glieder” auffällig. Mir scheint nur ein einziges Satzglied noth- 
wendig zu sein, aber dieses mit zwei significanten Verbalbegriffen, 
nemlich ido: sah, nicht etwa nur aus weiter Ferne hörte und 
nicht etwa solche, die ihm durch die Anzeige Anderer als Haupt- 
schreier bekannt geworden und zur Bestrafung zugeführt wären; 
hierzu βοόωντά τ᾽ ἐφεύροι (mithin nicht bloss ἀκούσαι) und 
schreiend antraf, ἃ, 1, und auf der frischen That des Schreiens 
ertappte, also nicht solche, die zwar vorher einmal mitgeschrien, 
aber bald sich gebessert hütten. So allein finde ich Ueberein- 
stimmung mit dem Charakter des Odysseus und mit dem Auftrag 
der Athene. — Was sodann das σκήπτρῳ ἐλάσασκεν betrifft, so 
erinnert dasselbe an die scherzhaften Worte des “ Wachtmeister” 
in “Wallensteins Lager’ 7. Auftr.: 


“Alles Weltregiment, muss Er wissen, 
Von dem Stock hat ausgehen müssen; 
Und das Scepter in Königs Hand 

Ist ein Stock nur, das ist bekannt.” 


Hierbei hat Schiller sicherlich wie anderwärts an bestimmte 
Fürsten seiner Zeit gedacht: kurz vorher und nachher hat wie 
es scheint vor seiner schildernden Seele Bonaparte gestanden. Zur 
Homerischen Stelle bemerkt Voss Krit. Bl. I 8. 254 mit Recht: 
‘Der Königsstab war, wie noch jetzt unter Völkern ohne neuere 
Verfeinerung, ein nicht müssiges Zeichen der Obmacht.’ Zu Vers 
199 fügt G. Autenrieth bei Nügelsbach hinzu: ‘Wie Sokrates 
diesen Vers richtig, seine Ankläger aber verkehrt verstanden, 
s. bei Xenoph. Mem. I 2, 58.” [Ueber δήμου ἄνδρες und ver- 
wandte politische Begriffe vgl. Riedenauer Handwerk und Hand- 
werker in den homer. Zeiten, Erlangen 1873, p. 26 und Note 
156 auf p. 175 £] 

204. 205. Diese zwei Verse werden bekanntlich von den 
Zeiten des Plato an bis auf unsere Tage häufig citiert, oder es 
wird wenigstens theils leiser theils stärker darauf angespielt; kurz 
der Ausspruch gehört zu den gefeiertsten Sprüchen aus dem gan- 
zen Homer. Vgl. Duport. gnomol. Homer. p. 10. Friedemann 
Paränesen I 8. 69. J. A. Hartung Themata zu deutschen Ausarb. 
8. 200. Man kann noch Boethius Consol. philos. I pr. 5 und 
andere Spätlinge hinzufügen. Dass übrigens solche Gemeinsprüche 
immer dramatisch im Munde homerischer Personen und an Stellen 
erscheinen, die für den Sprecher charakteristisch, für die Hand- 
lung bedeutungsvoll sind, darüber vgl. Nitzsch Beitr. zur Gesch. 
der ep. Poesie 8. 275. [Zur Komposition von πολυκοιρανίη (von 
πολυκοίρανος viele Herrscher habend, = Zustand, wo man viele 
Herrscher hat) und ἀγκυλομήτης (= in Krümmungen sinnend) 
vgl. Meyer in Curtius Stud. VI p. 255. 257, über die mytho- 


-- τ — 


logische Bedeutung des letzteren Epithetons aber H. D. Müller 
Mythologie der griech. Stämme II p. 133.] 

206. Der Vers fehlt bei Eustathius, in den Schol. und in 
den ceodd. Venet. Lips. Townl. Mosq. I. Eton. Vindobb. [Laurent. 
15 u. 3, u. and. bei La Roche.] In der ed. princeps und in den 
Aldinen steht στίχος νόϑος dabei. Wegen der auffälligen Beziehung 
von σφίσι und des metrischen Fehlers in der gewöhnlichen Lesart 
des Schlussworts βασιλεύῃ wird er jetzt allgemein als ein altes 
Einschiebsel aus I 99 betrachtet, wie schon Heyne erörtert hat. 
Indes wollen Voss Krit. Bl. II S. 119 und Hymne an Dem. $. 39, 
Lange Observ. erit. II p. 16 und J. Minckwitz den Vers erhalten 
wissen, weil ohne denselben die Rede gegen homerische Sitte nach 
ἔδωκε zu “abgerissen” dastände, der “Gedanke zu lahm ausgienge” 
und keinen würdigen Abschluss erhielte. Aber dies dürfte eine 
subjective Ansicht sein. Ich habe mit Bergk Zeitschr. f. A. W. 
1851 8. 529 statt des unmetrischen βασιλεύῃ das im Citat von 
Dio Chrysost. or. I p. 3 gebotene βουλεύῃσιν in den Text ge- 
nommen, nach dem Vorgange von Boissonade, der ausserdem als 
Autorität “cod. Reg. 2958” hinzugefügt hat. Vor Wolf gab man 
aus Conjectur im cod. Cant. von zweiter Hand ἐμβασιλεύῃ, was 
Doederlein von Neuem mit einem ‘suspicor” und Vergleichung von 
ὁ 413 vorbringt. Ueber σκῆπτρον ἠδὲ ϑέμιστας vgl. C. F. Hermann 
Staatsalterth. $ 8, 5. 

209. [ἠχή bezeichnet nach Mayer Studien zu Homer, Sopho- 
kles οἷοι, Gera 1874, p. 45 den hohlen und sausenden Ton, 
brausenden Schall, βοή den dumpfen und brüllenden, ἰαχή den 
lauten und hellen. — Ansprechend ist die Vermuthung van 
Herwerdens quaestiunculae epicae et eleg. p. 2, dass μεγάλα zu 
schreiben sei statt μεγάλῳ, vgl. 4 424.] 

212. Θερσίτης bei Homer gehört keiner Heroenfamilie mit 
mythischer Ueberlieferung an, sondern ist ein vom Dichter zu 
poetischem Zwecke geschaffener Charakter. Er heisst der “Un- 
verschämte’, der “Freche”, der Frechling (von ϑρασιύ-ς, dem 
äolischen 29605 statt ϑάρσος, ϑράσος) und erinnert in der Namens- 
form an ᾿Αλιϑέρσης β 157, an Θερσίλοχος Ρ 216, Πολυϑερσεΐδης 
φιλοκέρτομος χ 287 sowie an die bei Späteren vorkommenden 
Namen Ἐπιϑέρσης und Ἐπιϑερσίδης. [Mehr bei Fick die griech. 
Personennamen p. 115: Ἱππο-ϑέρσης, “υκο-ϑέρσης, Φιλο - ϑέρσης, 
Θέρσιιππος, Ἐφι- ϑάρσης.) Vgl. Th. Ameis de Acolismo Homerico 
(Halle 1865) p. 20. [Hinrichs de Hom, elocutionis vestigiis Aeol. 
p. 62.] Die Thersites-Scene hat den Zweck, einen Umschlag in 
der Stimmung des Heeres zu vermitteln, ἃ, i. durch diesen Zwischen- 
act sollen die Gemüther beruhigt und zur Besonnenheit zurück- 
geführt werden, so dass die Griechen von dem erregten Verlangen 
nach der Heimkehr abkommen und mit Beschwichtigung des Un- 
muths sich dem Agamemnon wieder zuwenden sollen. In dieser 

Anhang zu Ameis, Homers Dias I. 8 


--Ῥ 114 — 


Absicht repräsentiert Thersites das zungenfertige Lästern des ge- 
meinen Demagogen, indem er als ein ins Lächerliche und Verächt- 
liche gesteigertes Spiegelbild von der Stimmung des Heeres vor- 
geführt wird. Und die Folge davon ist, dass die leicht beweg- 
liche Menge sich zu schämen beginnt in dem Bewusstsein, mit 
dem an Gestalt hässlichsten und an Gesinnung verächtlichsten 
Manne im ganzen Heere einerlei Meinung und Stimmung gehegt 
zu haben. So ist Alles hinlänglich vorbereitet, um den folgenden 
Reden des Odysseus und Nestor ihren Eindruck zu sichern. Vgl. 
über Thersites die Hauptabhandlung von Fr. Jacobs Verm. Schrift. 
VI 8. 81 bis 106. Der Cardinalpunkt lautet $. 89 also: ‘Die 
Persönlichkeit des Redners und das, was Jeder von ihm weiss und 
denkt, entzieht seinen Worten die Kraft, und was ausserdem Auf- 
ruhr erzeugt’ hätte, fällt, weil es Wort und That des Thersites 
ist, kraftlos zu Boden. Mit diesem Manne will Keiner gemeine 
Sache machen. Aber nicht bloss ohne Wirkung bleibt sein Rath; 
er bringt sogar das Gegentheil von dem hervor, was er beab- 
sichtigte.’° Mit Jacobs stimmt Lange Verm. Schrift. von Jacob 
p- 107: “Thersites bonae sententiae turpis auetor’, unter An- 
führung von Parallelen aus’ späterer Zeit, wo man auch noch aus 
Justin. XXXI c. 6 das “Antiocho non tam consilium gquam auctor 
displicebat” hinzufügen könnte; sodann stimmt mit Jacobs im 
Wesentlichen Doederlein Reden und Aufs. II 85, 203 bis 210 in 
dem interessanten Aufsatze “Ueber das Bild des Homerischen Ther- 
sites’, woraus Nägelsbach zu B 277 die Hauptsache im Wort- 
laute angeführt hat. Ausserdem hat Doederlein von φοξός und 
ψεδνός (219) eine neue Erklärung versucht, die er auch im Homer. 
Gloss. $ 2477. 2478 und in seiner Ausgabe verficht, die aber 
mehr genialen Humor als sprachliche Begründung enthält. Ferner 
schliesst sich an Fr. Jacobs an mit einer selbständigen Erörterung 
des ganzen Zusammenhangs Anton Göbel in Mützells Zeitschr. f. 
ἃ. G. W. 1854 8. 764 ff,, wo Anmerk. 2 auch die frühere Lite- 
ratur angeführt wird. Hier heisst es unter Anderm $. 768 mit 
Recht: “Bei der leidenschaftlichen Aufwallung, worin damals nach 
der vereitelten Flucht die Griechen sich befanden, worin sie gleich- 
sam nichts als Gefühl, als wildaufgeregtes Gefühl waren, konnte 
aller Seelenerfahrung zufolge zunächst nur mittelst entgegen- 
gesetzter Gefühle auf sie eingewirkt werden; nur dadurch konn- 
ten die ursprünglichen Gefühle niedergekämpft oder zurückgedrängt, 
nur dadurch Gleichmuth und Ruhe in die Seele zurückgerufen wer- 
den, die der Reflexion und den Vernunftgründen einsichtsvoller 
Männer zugänglich seien. Die Reihenfolge dieser neuen Gefühle 
ist: Abscheu und Widerwillen gegen die Person des Thersites; 
damit zugleich Abscheu vor der von ihm vertretenen Sache; darauf 
Scham, mit dieser Creatur gleichsam Hand in Hand gegangen zu 
sein; Unwillen über sich selbst, vorhin so gefühlt und gedacht 


-- 15 — 


zu haben; hiermit Lossagung von seiner Sache, und zwar von 
dem Zwiefachen, was Thersites geltend zu machen sucht’: nem- 
lich von dem Gedanken an die Heimkehr und von der Misstim- 
mung gegen Agamemnon. Aus dem Gesichtspunkte der homeri- 
schen Agora betrachtet den Thersites Gladstone Hom. Studien von 
Alb. Schuster 5, 336 fi. Die dichterische Idee für sein Auftreten 
ist hier theilweise unrichtig aufgefasst, aber gut wird unter 
Anderm bemerkt 85. 338: ‘In der kurzen Rede des Thersites hat 
Homer sich bemüht schlagende Beispiele von Bosheit (226. 234), 
Grobheit (232), Eitelkeit (228. 231. 238) und Feigheit (236) 
niederzulegen, während sie durchweg ein Gewebe grösster Unver- 
schämtheit ist’ usw. Und $. 340: “Uebrigens beweist der Fall 
des Thersites nicht nur, dass die Agora keineswegs eine blosse 
Illusion war, sondern er zeigt auch, dass Freiheit der Debatte 
etwas Bekanntes und Gewöhnliches war. Vgl. I 33 und 100, wo 
die Redefreiheit in der Agora als Grundsatz ausgesprochen war”. 
In Bezug auf das politische Leben jener Zeit überhaupt will 
E. Curtius Gr. Gesch. I 8. 124 in dieser Scene Folgendes finden: 
‘Schon ist die öffentliche Stimme eine Macht, welche der König 
nicht ungestraft verachten darf, und schon finden sich auch im 
Troischen Lager Leute wie Thersites. Er wird mit Hohn in 
seine Schranken zurückgewiesen, aber gerade sein Zerrbild giebt 
den Beweis, dass die Parteien sich mit Bewusstsein gegenüber 
standen und dass der aristokratische Witz sich schon geübt 
hatte, die Sprecher des Haufens mit Spott zu geisseln.” Wie 
aber in dieser Auffassung der Begriff einer ganzen ‘Partei’ mit 
μοῦνος 212 und ‘der aristokratische Witz” mit οἵ δέ und τίς 
270. 271, was bekanntlich auf die eigenen Genossen des Thersites, 
auf den ‘Haufen’ geht, sich vereinigen lasse, ist mir wenigstens 
unklar. Das ganze Benehmen des Thersites ist nicht das eines 
vornehmen Adligen, wie diese Adligen sonst vom Dichter, selbst 
bei Hervorhebung ihrer wirksamsten Schattenseiten, dargestellt 
werden. Auch ist schwer zu glauben, dass der aristokratisch ge- 
sinnte Homer die Misgestalt eines Aristokraten so umständlich 
und absichtlich geschildert haben würde. Und nicht bloss hier 
214, sondern auch 247. 250. 277 wird Thersites in ausdrück- 
lichen Gegensatz mit den Königen gestellt. Was aber die 
niedrige Abkunft am Meisten zu beweisen scheint, sind die Schläge, 
die er 264 f. von Odysseus erhält. Denn Odysseus schlägt nur 
gemeine Leute, Könige und Adlige behandelt er sanfter. Das 
haben schon die Schol. BL. zu 212 bemerkt: εἰ δέ γε συγγενὴς 
ἦν “Τιομήδους, οὐκ ἂν αὐτὸν ἔπληξεν Ὀδυσσεύς" τοὺς γὰρ ἰδιώτας 
μόνον ἔτυπτεν. εὖ δὲ καὶ οὐκ ἀπὸ πατρὸς αὐτὸν συνέστησεν [se. 6 
ποιητής], οὐδ᾽ ἀπὸ πατρίδος, ἀλλ᾽ ἀπὸ τοῦ τρόπου μόνου καὶ τῆς 
μορφῆς, ὧν νῦν χρεία. — In dem Worte ἀμετροεπής finden Nägels- 
bach und Andere schon den Begriff des “ὁ ἄκοσμά re καὶ πολλὰ 
g* 


— 16 — 


ἔπη εἰδώς und Doederlein “inverecundus, impudens, procaz.” 
Aber μέτρον kann von κόσμος kein Synonym sein, und ὅς ῥὰ giebt 
keine blosse Exegese, sondern eine weitere Bestimmung über den 
Charakter. Vgl. Philipp Mayer Beitr. zu einer homer. Synonymik 
(Gera 1842) $. 8 Anmerk, 7. [= Studien zu Homer, Sopho- 
kles ete. p. 10 f] Daher kann man nur an die Vielheit oder 
Fülle der Worte denken, wie schon Sophokles Philoct. 444 die 
Stelle verstanden hat. So erklärt auch G. Autenrieth bei Nägels- 
bach. [In Bezug auf die Schilderung des Thersites vgl. die Be- 
merkungen über die Beschränkung des beschreibenden Elements 
bei Bergk griech. Literaturgesch. I p. 828 f. Einzelne Bedenken 
gegen die Thersitesscene bei demselben p. 541.] — Vers 214 ge- 
braucht Lucan. Fugit. c. 30. — 218. [Die Form συνοχωκότε ver- 
wirft Cobet Miscell. eritic. 1876 p. 304 und verlangt, was schon 
Valckenaer ad Ammonium p. 24 wollte, nach Hesych. συνοκωχότε: 
ἐπισυμπεπτωκότες. συνοχωχὴ γὰρ ἡ σύμπτωσις die Herstellung dieser 
Form. Vgl. auch 6. Curtius das Verbum der griech. Sprache II 
p- 142.] — 219. Eine Anspielung darauf bei Lucian. D. Mort, 
XXV 1. — 222. [Wohl mit Recht hat Gerlach im Philolog. XXX 
p. 13 bemerkt und gut begründet, dass τῷ sich nur auf Agamem- 
non beziehen könne. Zwar ist nicht entscheidend, dass Agamem- 
non unmittelbar vorher genannt ist, wohl aber, dass nach 215 
das Volk ja des Thersites Reden mit Vergnügen anzuhören pflegt. 
Ein Possenreisser, der darauf ausgeht durch seine Witze Gelächter 
zu erregen, wird auch nicht leicht Gegenstand nachhaltigen Grolls 
von Seiten der grossen Menge; dagegen haben die Achaeer Grund 
genug dem Agamemnon zu grollen wegen des Streits mit Achill 
und speciell Anlass zum Unwillen, da Agamemnon sie noch eben 
durch seine Rede getäuscht hat. Ueberdies erklärt sich des 
Odysseus so energisches Einschreiten auch nur dann, wenn Ther- 
sites durch seine Reden wirklich gefährlich war und zahlreiche 
Lacher auf seiner Seite hatte. Dass die Achaeer nachher aber 
über Odysseus’ Vorgehen gegen ihn in Entzücken gerathen, wider- 
spricht dem nicht, sondern ist, wie Gerlach mit Recht sagt, ein 
neuer Beweis, dass Homer die Wirklichkeit gut beobachtet hat.] 
— Vers 226 bis 228 citiert Athen. XIII 3 p. 556%. — 231. 
Themist. or. XXI p. 261%. — 234. ]Zu ἐπιβασκέμεν vgl. das ver- 
wandte ἐπιβατεύειν bei Herodot: Stein zu Herod. III, 63, 16.] 
235. κάκ᾽ ἐλέγχεα steht ebenso E 787. Θ 228, auch 2 260. 
Wir können dafür auch “arge Taugenichtse’ sagen [Schand- 
buben, Memmen]. Dergleichen Abstracta werden öfters in con- 
cretem Sinne gebraucht besonders bei Schimpfworten: hierdurch 
gewinnt die jedesmalige Rede an Stärke und Nachdruck. Vgl. 
hauptsächlich Bernhardy Synt. 8. 46 und 56. 80 πῆμα zu g 446. 
λώβη zu Γ' 42. μῖσος Soph. Phil. 991. μίσημα Elect. 289. στύγημα 
Babr. fab. 92, 62. περίτριμμα ἀγορᾶς Demosth. de cor. $ 127, 


- 17 — 


und viele Andere. Bei den Lateinern finden sich so scelus malum 
pestis opprobrium labes. Und wir sagen. ähnlich “Scheusal” 
oder “Auswurf” oder in gemeiner Sprache “du Laster”. Cicero de 
Or. III 42, 167 (wo er vom Schmuck der Rede durch Metonymie 
und Personification handelt) bemerkt: “quo item in genere et virtutes 
et vitia pro ipsis, in quibus illa sunt, appellantur’ Ueber den 
Charakter dieser Rede giebt G. Autenrieth bei Nägelsbach eine 
beachtenswerthe Bemerkung. Thersites affectiert hier einen edlen 
Unwillen über den Knechtssinn der Achaeer, die da nicht wagen, 
den Fürsten zum Trotz nach Hause zurückzukehren. — Diesen 
Vers berücksichtigt Lucian. Encom. Demosth. ὁ. 7. 

238. [La Roche homer. Untersuch. p. 284 findet in χἠμεῖς 
auch wir eine Beziehung auf Achill.] 

239. Bekker hat 239 bis 242 aus Conjectur stillschweigend 
athetiert, wahrscheinlich weil er dem Bedenken von Lachmann 
Betrachtungen 5. 9 und den Bemerkungen von M. Haupt 5. 102, 
dass die “Rede mit 238 lebendig und kräftig schliesse’ und dass 
“Thersites kein Wort von der Pest sage” und so dessen “Schmäh- 
sucht den erwünschtesten Anlass zu Vorwürfen gegen Agamemnon’ 
übergangen habe, seinen unbedingten Beifall gab. Auch Koechly 
in der kleinen Ilias hat diese Verse weggelassen. Aber mit ἦε 
καὶ οὐκέ 238 ist schwerlich ein passender Schluss gegeben, der 
sich durch ähnliche Stellen rechtfertigen liesse; die namentliche 
Erwähnung der Pest aber ist nicht nöthig, wo dessen unmittel- 
bare Folge, der Zwist des Achilleus und Agamemnon in kräftigster 
und feinster Beziehung vorgeführt wird. Vgl. Anton Göbel in 
Mützells Zeitschr. f. ἃ, G. W. 1854 5. 754 f. Mit Recht bemerkt 
auch Hess Ueber die komischen Elemente im Homer (Bunzlau 
1866) 8. 30 f. Folgendes: “Thersites begeht sogar schliesslich, 
unverschämt auf Agamemnon schimpfend, ein Plagiat an Achilleus 
(240 und 242), durch das er seine ganze Erbärmlichkeit nur um 
so schneidender herauskehrt, indem er vielleicht in niedriger 
Denkungsart darin eine schlaue Speculation erblickt, wenn er seine 
Sache mit der des ersten Helden identificiert, und entblödet sich 
sogar schliesslich nicht, dem Achilleus vorzuwerfen, er sei zu 
schlaff und habe keine Galle.’ [Vgl. indes die Einleitung p. 93.] 

245. [ὑπόδρα steht zweifellos für ὑπόδρακ, wie ἄνα Voc. 
für ἄνακ, γύναι für γύναικ᾽. A. Fick vergl. Wörterb. ? p. 1062.) 

254—256. Nach dem Vorgange des Aristarch (bei Aristoni- 
kos) haben Wolf, Spitzner, Bekker u. A. diese drei Verse aus dem 
Texte entfernt. Denn da sie mit den vier vorhergehenden Versen 
im Wesentlichen denselben Gedanken enthalten, nur in speciellem 
Bezug auf Thersites: so hat Nägelsbach mit Recht bemerkt, dass 
hierin “eine sehr alte andere Recension der ganzen Stelle von 
250 an’ zu erkennen sei. Die Redactoren des Peisistratos nem- 
lich wussten nicht, welche Fassung sie vorziehen sollten, daher 


— 18 — 


stellten sie beide neben einander. Es ist möglich, dass der alte 
Dichter selbst: diese doppelte Fassung geschaffen und bei seinen 
Vorträgen bald die eine bald die andere gebraucht habe. Karl 
Lehrs de Arist. 5, 438 f. ed. II will hier 254 bis 256 beibehalten, 
dagegen 250 bis 253 ans Ende von Odysseus’ Rede 264 gesetzt 
wissen. Dieser Ansicht hat auch Doederlein in seiner Ausgabe 
beigestimmt. Das Fragezeichen am Schluss von 256 ist nach dem 
Sinne des Eustathius gesetzt. 

255. Zu ἦσϑαι in der allgemeinen Bedeutung weilen oder 
warten vgl. ß 255. y 186. 263. ὃ 101. ὃ. 506. κ 260. 536. 
λ 82. 142. ν 407. & 41. σ 224. v 221. p 100. 425. A 134. 565. 
T 134. 4 412. O 10. 740. Σ 509. 2 542. [β 255 ist der 
Nebenbegriff der Unthätigkeit zu betonen; y 263, wie Z 509 
steht vom Lagern eines Heeres vor einer Stadt.] Ueber die Be- 
deutung von ἦσϑαι überhaupt vgl. G. Autenrieih zu Nägelsbach 
4A 134. [Genauere Untersuchung verdient die Verbindung des 
Verbums mit Partieipium: vgl. den Anhang zu 4 412.] Derselbe 
bemerkt mir brieflich: ‘769%«ı gehört nicht zur Wurzel ἐδ (sad, 
sidämi, sedeo); für obige Erklärung spricht auch, dass im δέ, 
äs, äste (sedet, sidit) doch wohl von as (asti ἐστί) kommt; indes 
auch dieses äs bezeichnet ebensowohl “die Unthätigkeit, als die 
Ausdauer oder ruhige Würde.” 

261. [Zum Satzgefüge vgl. L. Lange der homer. Gebrauch 
der Partikel εἰ I p. 459 £.] 

262. Die Worte τά τ᾽ αἰδῶ ἀμφικαλύπτει werden von den 
Neuern allgemein erklärt: “und was die Scham dir umhüllet, 
und man versteht darunter die μίτρη A 137 oder ξῶμα 4 187. 
Ψ 683. ξ 482, die auch beim Ringen getragen wurde. Aber da- 
gegen hat Hagena im Philol. VII 8. 390 wie ich glaube mit 
Recht erinnert: “Mir scheint die μίτρη nicht ein allgemein ge- 
bräuchliches Stück des Anzuges oder der Rüstung gewesen zu 
sein, also vollends nicht ohne Weiteres bei einem gemeinen Krie- 
ger vorausgesetzt werden zu können.” Hierzu kommt, dass τά τὲ 
oder & re im Sinne ‘und was’ aus Homer schwer nachweisbar 
ist. Daher verstehe ich die Stelle wie Hagena und wie schon 
der Paraphr. bei Bekker sie verstanden hat: ἱτήν ze χλανίδα καὶ 
τὸν χιτῶνα, ἅτινά σοι τὰ αἰδοῖα περικαλύπτουσι’᾽ Ueber den 
Accent in αἰδῶ vgl. J. La Roche Hom. Textkritik 5. 181. 

267. ἐξυπανέστη wird schon von den Schol. BL. und von 
Eustathius richtig erklärt: δηλοῖ γάρ φασιν ἐνταῦϑα ἡ μὲν ὑπὸ 
πρύϑεσις τὸ κάτωϑεν (ἃ. i. drunter hervor), ἡ δὲ ἐξ τὸ εἰς εὐθύ, 
ἡ δὲ ἀνὰ τὸ ὕψος. Bei den alten Grammatikern wird ein solches 
Compositum ῥῆμα τετραπλοῦν oder auch σύνϑετον ἐκ τεττάρων λέξεων 
genannt. In diese Kategorie gehören bei Homer παρεκπροφυγεῖν 
ἂν 314 (wo indes jetzt richtiger παρὲκ προφύγῃσιν gelesen wird), 
ὑπεκπροϑέειν zu © 125, ὑπεκπρολύειν zu ξ 88, ὑπεκπρορέειν zu 


— 119 — 


€ 87, ὑπεκπροφυγεῖν zu u 118, ὑπεξαναδῦναι N 352. Ueber alle 
diese Composita hat Eustathius zu unserer Stelle p. 217 mit 
Recht bemerkt: οὐδαμοῦ στοιβὴν προϑέσεων μάτην οὕτω τίϑησιν ὃ 
ποιητής, ἀλλ᾽ ἑκάστη τῶν συγχειμένων προϑέσεων σημαίνει τι. Dies 
ist gegen diejenigen Interpreten gerichtet, die der Ansicht waren, 
dass dergleichen Composita ‘nur aus metrischer Noth’ ent- 
standen seien. — 265 ff. [Vgl. Lachmann Betrachtungen p. 13, 
6. Curtius im Philol. III p. 16 £.] 

269. ἀχρεῖον ἰδών wird jetzt, seitdem es alte Schol. und 
Eustathius als ἀκαίρως ὑποβλέψας fasten, von den Neuern fast 
allgemein gedeutet durch ‘mit entstelltem Gesicht” oder “mit 
einem albernen Gesichte’ oder ‘mit verlegnem Gesicht” und 
durch ähnliche Ausdrücke oder durch ‘bestürzt vor sich hin- 
starrend’ oder “einfältig dreinsehend’ (J. La Roche hom. Stud. 
8 36 V.) oder ‘schofel blickend’ (F. A. Wolf und Bernhardy 
Synt. 8. 128) oder “imbellum vel debilem vultu repraesen- 
tans? (Doederlein in der Ausg. und im Hom. Gloss. $ 782). Aber 
gegen alle diese Deutungen machen sich drei Bedenken geltend: 
1) die Bedeutung von ἀχρεῖος. Das Wort heisst nutzlos und 
steht von dem was unnütz geschieht, sei es dass es überhaupt 
keinen Zweck hat oder dass der vorgesetzte Zweck verfehlt wird. 
Wie nun hieraus eine der oben gegebenen Sinnesbestimmungen 
sich entwickeln könne, das ist noch von Niemand gezeigt worden. 
Bei Späteren heisst es bekanntlich kraftlos: vgl. Blomfield Gloss. 
ad Aesch. Prom. 371. Hierzu kommt 2) der Sinn des transi- 
tiven ἰδεῖν ‘sehen’ oder “erblicken’, das mit δέρχεσϑαι und 
βλέπειν so wie mit den intransitiven Verben γελᾶν (6 168) oder 
κλάξειν und ähnlichen nicht als identisch betrachtet werden kann. 
Noch lässt sich dagegen 3) das Asyndeton erwähnen. Bei den 
obigen Deutungen nemlich würde man zu ἀχρεῖον ἰδών den An- 
schluss durch τέ erwarten (wie 273 und anderwärts), weil dann 
ein neues Moment gegeben wäre, das sich weder dem ἀλγήσας 
noch dem ἀπομόρξατο passend unterordnen liesse. Denn das 
Asyndeton mehrfacher Participien bezweckt, wie Bernhardy Synt. 
8. 473 es trefiend bezeichnet, “eine Mannigfaltigkeit von Momen- 
ten, welche den Hauptgedanken mittelbar vereinigen, wie wenn 
in einer Auflösung der Wechsel verschiedener Conjunctionen ein- 
träte’ Ausserdem muss man eingedenk bleiben, dass Thersites 
weder ein ‘Dummkopf” noch ein “Feigling” ist, sondern ein ge- 
meiner raffinierter Demagog. Daher finden wir ihn hier in 
einer Reflexion begriffen, an deren Stelle man sonst ein anschau- 
lich wirksames Bild erwarten könnte. Aus allen diesen Gründen 
bin ich der Erklärung von Moschopulus gefolgt, der auch Damm 
und Freytag ihren Beifall geben. [Gegen diese Erklärung: ‘da 
er sie (die Thräne) unnütz sah’ und die damit verbundene 
Voraussetzung einer raffinierten Reflexion spricht entschieden 266 


— 120 — 


der Ausdruck ἔκφυγε δάκρυ: sie entschlüpfte ihm, stahl sich heraus 
wider seinen Willen, wie Ameis richtig erklärt. Nimmt man hinzu, 
dass die angenommene Construction von ἰδεῖν, zumal δάκρυ erst 
am Ende des Verses folgt, doch auch ihre grossen Bedenken hat, 
so scheint es gerathen zu der gewöhnlichen Erklärung zurück- 
zukehren, in Bezug auf welche ich die von Ameis geltend ge- 
machten Bedenken in dem Mass nicht theile.] — Vers 273 be- 
rticksichtigt Plutarch. Consol. ad Apoll. e. 33 p. 118“ 

276 f. [Nitzsch Beitr. z. Gesch. d. ep. Poes. p. 327, Anm. 37 
sieht wegen πάλιν αὖτις in diesen beiden Versen einen, allerdings 
geschiekten, Zusatz eines Rhapsoden.] 

278. [Zu der folgenden Partie 278—332 vgl. die verwer- 
fende Kritik von G. Curtius im Philol. III p. 13 f.] 

281. [A. Nauck im Bulletin de l’Academie Imperiale des 
sciences de St. Petersbourg. Tome IX (1866) p. 332 urtheilt, dass 
τέ nach ἅμα von einem ungeschickten Grammatiker zur Beseiti- 
gung eines vermeintlichen Hiatus eingeschaltet sei. Er streicht 
daher re und fasst das folgende οἵ als Dativ.] 

284. γάρ σε, statt des gewöhnlichen δή σε, ist mach der 
Bemerkung des Aristonikos die Aristarchische Lesart, die hier 
trefilich passt, weil dadurch die an den Herrscher Agamemnon 
gerichtete Anrede gleich direct begründet wird, was leben- 
diger in mediam rem führt. Aechnlich H 328. [Vgl. dagegen 
Pfudel Beiträge zur Syntax der Causalsätze bei Homer p. 11. 
Für γάρ sprieht sich aus Cobet Miscellan. crit. 1876 p. 319 f.] 
Und dabei beachte man zugleich die psychologische Stufenfolge, 
in welcher die Umstimmung des Heeres herbeigeführt wird. Nach- 
dem nemlich die Gemüther durch den Zwischenact mit Thersites 
hinlänglich vorbereitet sind, folgt nun die förmlich eröffnete und 
durch Athene zum Schweigen gebrachte Versammlung und hier 
die Rede des Odysseus, die folgenden Gedankengang hat: zuerst 
rügt er die Wortbrüchigkeit der Achaser gegen Agamemnon und 
ihre weichliche Sehnsucht nach der Heimath (284 bis 290); zwei- 
tens aber entschuldigt er ihren Heimathsdrang, indem er ihn er- 
klärbar findet (291 bis 298), drittens endlich erinnert er sie 
an das Götterzeichen in Aulis und an die Weissagung des Kalchas 

299 bis 330). Hierzu die kurze Schlussmahnung zum Bleiben 
331. 332). Dies ist sicherlich ein in hellenischem Geiste von 
Seelenkunde getragener Fortschritt. [Ueber das Verhältniss der 
Reden des Odysseus, Nestor, Agamemnon zu einander vgl. die 
Einleitung p. 87 411. 

289. ὥς τε γὰρ ἢ παῖδες νεαροὶ χῆραί re γυναῖκες ist die 
überlieferte Lesart. Dass hier das Anakoluth zwischen 7 und τέ 
nicht gebilligt werden könne, scheint mir Doederlein in seiner 
Ausgabe richtig bewiesen zu haben. Doederlein selbst hat, wie 
vor ihm schon Bentley und Heyne, die Conjeetur εἰ statt ἤ vor- 


— 121. — 


gebracht, mit Beistimmung Anderer. Aber das heisst den Teufel 
durch Beelzebub vertreiben, indem man ein ἅπαξ εἰρημένον durch 
ein οὐδέποτε εἰρημένον ersetzen will. Während nemlich ἤ und τέ 
bei Homer nur isoliert stände, gäbe dagegen εἰ eine völlig un- 
homerische Verbindungsweise. Denn ὡς εἰ wird nirgends durch 
dazwischen gesetzte Wörtchen getrennt: vgl. die im Anhang zu 
ἢ 36 und ı 314 gesammelten Beispiele. Ich halte 7 für noth- 
wendig und habe gewagt dies in den Text zu setzen theils aus 
Erinnerung an y 348. τ 109, theils wegen eines ühnlichen Ge- 
brauchs der Versicherungspartikel in den Vergleichen B 337. 
Ὑ 1518 [?] @ 208. w 237. [9] Fast möchte ich vermuthen, 
dass hier eine Notiz des Herodian verloren gegangen sei, so dass 
der zu 291 gegebene Anfang ὁμοίως sich auf unsern Vers, nicht 
auf 272 bezogen habe. Uebrigens ist das kürzere Gleichniss unse- 
rer Stelle von C. Friedlaender in Fleckeisens Jahrbb. Suppl. III 
S. 787 übersehen worden. Dies war längst niedergeschrieben, als 
mir G. Autenrieth mittheilte, dass Rieckher im Stuttgarter Corre- 
spondenz-Blatt 1862 8. 163 gegen den Vorschlag von M. Axt ὡς 
γὰρ δή Folgendes bemerkte: “Wenn ja geändert werden soll, so 
wäre uns ὥς re γὰρ ἦ denn wahrlich wie noch weit lieber.” 
Vielleicht gewinnt die obige Begründung jetzt Rieckhers Beifall. 

291. ἦ μὴν καὶ πόνος ἐστὶ ἀνιηϑέντα νέεσϑαι. Nach erneuter 
Erwägung aller einzelnen Momente, wie sie auch von Nägelsbach 
und Autenrieth dargelegt werden, habe ich mich im Wesent- 
lichen an Lehrs de Arist.? p. 74 angeschlossen. “A. Spengel im 
Philol. XXIII 5. 548 will die Ueberlieferung aus Conjeetur in 
ἀνιηϑέντ᾽ ἀνέχεσϑαι “als ein der Sache überdrüssig gewordener 
auszuhalten” geändert wissen mit Vergleichung von ὃ 595. 
#277. Aber mir scheint der Begriff νέεσθαι hier tadellos zu sein, 
da sowohl 293 ἀσχαλάᾳ die Sehnsucht nach der Heimath implicite 
andeutet als auch der Vers 298 mit δηρόν re μένειν κενεόν τε 
νέεσθαι beide Begriffe ausdrücklich hervorhebt. Die Ueberliefe- 
rung νέεσϑαι beibehaltend und sich ebenfalls an Lehrs anschliessend 
erklärt unsre Stelle Leo Meyer in Kuhns Zeitschr. XVI 8. 6 also: 
“Freilich ringt ja wohl, wer belästigt ist (Beschwerden zu ertragen 
hat), darnach nach Hause zu kehren. — Vers 302. μάρτυροι tritt 
hier recht in seiner Urbedeutung hervor reminiscentes, von der 
Wurzel smar meminisse, die sich so reich entwickelt hat. Vgl. 
Leo Meyer Vergl. Gramm. I 355. G. Curtius Etym. ? 8. 296 
Nr. 466 [* p. 331.). 

303. Die Erklärung der Worte χϑιξά re καὶ πρωιξά «τέ. haben 
Nügelsbach und Autenrieth allseitig begründet. Das Sprichwört- 
liche der Formel ersieht man aus Herod. II 53 πρώην re καὶ 
χϑὲς ὡς εἰπεῖν λόγῳ und aus den anderen Stellen, die in den 
von Nägelsbach citierten Werken gesammelt sind. Vgl. auch Stat. 
Ach. I 447. Cicero de divinat. II 30, wo er unsere Stelle von 


—.122 — 


290 bis 330 übersetzt giebt, hat den Sinn der Formel in dem 
Verse: ‘'Namque omnes memori portentum mente retentant’ 
durch das memori mente wiedergegeben. Vgl. auch Aulin de 
usu epexegesis p. 26. Den Accent von πρώιξα habe ich mit Bekker 
in πρωιξά geändert, weil nach alter Lehre alle Adjeetiva auf £og 
oxytona sind: vgl. Göttling Allg. Lehre vom Accent 8. 306. 80. 
dann aber beachte man, dass es dem Charakter der homerischen 
Sprache entsprechender ist, wenn man ἔνϑα 308 nicht als Nach- 
satz zu ὅτε betrachtet, sondern als die eigentliche Fortsetzung zu 
χϑιξά τε καὶ πρωιξά. Dies Sprichwort nemlich steht mit Nach- 
druck zu Anfang (theilweise vergleichbar mit « 337 [Ὁ]. ξ 103. [Ὁ] 
4231. N 68. & 255). Nun drängt sich in lebendiger Erinne- 
rung sofort die allgemeine Schilderung der Zeit und des Ortes 
hervor, ganz im Charakter mündlicher Erzählung, und dann erst 
folgt mit ἔνϑα 308 zu dem anfänglichen χϑιξά re καὶ πρωιξά die 
bestimmte Angabe der Thatsache. Die Stellen, wo etwa ἦν 
oder ἦσαν im Gedanken liegt (auch noch μ 235) sind anderer 
Natur. Wo dagegen ἔνϑα nach der Zeitpartikel ὅτε den eigentlichen 
Nachsatz einführt, da ist dieser Nachsatz niemals durch eine 
längere Parenthese von seinem Vordersatz getrennt, weil dies die 
Leichtigkeit des Verständnisses stören würde: vgl. ß 151. y 279. 
ε ὅθ, ξ 19. [?] 88. 112. ı 182. κ 277. λ 526. © 173. Ε 335. 
775. 784. Καὶ 527. & 435. Φ 3. Ψ 774. Ebenso nach vorher- 
gehendem ἐπεί oder ἐπήν » 91. [Ὁ] 527. 1 56. 4 384, und nach 
εὖτε Z 394. Aus diesen Stellen erhellt zugleich, dass Doederlein 
(in der Ausgabe) und Andere gegen den homerischen Sprach- 
gebrauch handeln, indem sie den Vordersatz mit ὅτε beginnen 
und die Formel χϑιξά τε καὶ πρωΐξ᾽ zu dem vorhergehenden ziehen. 
Denn nirgends bei Homer wird ein neuer Vordersatz durch das 
blosse ὅτε asyndetisch eingeführt. Auch widerstrebt hier 
durchaus der Gedanke. Denn wenn zu dem Ausspruch “ihr alle 
seid Zeugen’ der naive Zusatz “ausser denen die gestorben sind’ 
noch die im Versanfange emphatisch bezeichnete Beschränkung 
χϑιξά τε καὶ πρωιξά erhalten sollte: so könnte sich diese nach- 
drucksvolle Beschränkung nur auf eine bestimmte Classe von Ge- 
storbenen beziehen. Und dies gäbe einen komischen Gedanken, 
wie Bekker Hom. Blätter 5, 21, 36 längst bemerkt hat. Die 
von Doederlein aber ersonnene Deutung der Worte “vel heri vel 
mature post adventum h. 6. vel pridem’ bringt in den ächt 
naiven Gedanken theils eine Trivialität theils eine Verletzung der 
Sprache, indem dann wenigstens ἢ χϑίζ᾽ ἢ πρωΐ gesagt sein 
müsste. So viel habe ich für nothwendig gehalten, um eine ein- 
zige Zeile von K. Lehrs de Arist. ? p. 367 als homerisch zu er- 
weisen. [Noch eine andere Auffassung giebt Hagena im Philol. 
von p. 391, indem er den Satz mit ὅτε an das vorhergehende 
εὖ ἴδμεν anschliessen will, wie nach μεμνῆσϑαι.] 


-- 13 — 


305. ἀμφί und περί sind gebraucht, um den Begriff des 
rings und herum vollständig zu bezeichnen. Beide Präpositionen 
in demselben Satze vereinigt finden sich noch Θ 348. A 559. [?] 
0 647. 648. P 760. ® 10. # 191. 560. 561. ὃ 175. λ 609. 
Vgl. in Bürgers Leonore: 


“Nun tanzten wohl bei Mondenglanz 
Rund um herum im Kreise 
Die Geister einen Kettentanz.’ 


Bekker hat beide Präpositionen, sowohl wo sie allein stehen als 
wo sie in Compositis erscheinen, synthetisch ἀμφιπερί geschrieben. 
Vgl. Lobeck Elem. I p. 177 not. 44 und den Anhang zu ϑ 175. 
Wegen der Quelle bei Aulis vgl. Pausan. IX 19 und L. Ross 
Griech. Königsreisen IT 5. 106 f. Pausanias erwähnt auch die 
Platane als eine Reliquie, die das Fortleben der epischen Sage 
im Volke ebenso bezeugt, wie bei uns die ‘Lutherbuche’ das 
volksthümliche Fortleben der Geschichte. [Ueber die Platane vgl. 
Hehn Kulturpflanzen und Hausthiere p. 198 ἢ. Bei Homer er- 
scheint die Platane nur hier. “Griechenland hatte den Baum und 
die Freude an ihm (sie drückt sich in dem Adjeetiv καλῇ aus) 
aus Asien überkommen, wo die Platane, wie die Cypresse, von 
Alters her bei den baumliebenden Iraniern und den vorderirani- 
schen Stämmen Kleinasiens in religiöser Verehrung stand”. Vgl. 
Herod. VII, 31. “Die Sage brachte diesen Baum gern mit den 
Pelopiden in Verbindung’: Pausan. VIII, 23, 3. Theophrast. h. 
pl. 4, 13, 2. Theocrit. 18, 43 #] Bei der Wahrsagung des 
Kalchas über die neun Sperlinge erinnert F. A. Wolf in den 
Vorles. von Usteri zu B 308 an Josephs Traumdeutung wegen 
der sieben fetten und magern Kühe. 

315. Zur Entfernung des in ἀμφεποτᾶτο ὀδυρομένη vermeint- 
lich auffälligen Hiatus hat zuerst Bentley bei Heyne ἀμφεποτᾶτ᾽ 
ὀλοφυρομένη conjieiert, sodann hat Th. Briggs zu Mosch. VI 21 
unter Vergleichung von τ 522 dieselbe Conjectur vorgebracht, und 
Doederlein im Hom. Gloss. $ 2426 und hier in der Ausgabe hat 
dieselbe empfohlen. Allein der Hiatus an dieser Versstelle ist 
bei Homer ein regelmässiger: vgl. die zahlreichen Beispiele, welche 
von den im Anhang zu $ 215 genannten Gewährsmännern gegeben 
werden. Auch der Anstoss, den Doederlein hier an ὀδύρεσϑαι 
nimmt, ist unbegründet. Zum Gedanken vgl. auch Oppian. Hal. 
Υ 579 δ᾽, Verg. Georg. IV 511 ff. — V. 316. Statt des augment- 
losen ἀμφιαχυῖαν giebt der Ambrosianus von erster Hand ἀμφια- 
χοῦσαν, was I. Soutendam Observatt. in Homerum et Scenicos p. 6, 
nach einer Erörterung über das Digamma, in dupey&fovsav ver- 
bessert wissen will. Dagegen erklärt W. Christ Griech. Lautl. 
8. 181 ᾿ἀμφιαχυῖαν für du—Fiayvier’ [Vgl. dagegen Fritzsche 
in Curtius Stud. VI p. 325. 327: ᾿ἰάχω = Fı-Füy-w; praesentis 


-- 124 — 


Auplicatio in ejusmodi perfecto intensivo valuit.’] Jede Aenderung 
aber ist unnöthig: das ἀμφιαχυῖαν fasst die beiden vorhergehenden 
Begriffe ἀμφεποτᾶτο ὀδυρομένη prägnant in einen zusammen. [Für 
τὴν δ᾽ ἐλελιξάμενος verlangt Cobet Miscellan. erit. 1876 p. 278 
τὴν δὲ Felibduevog, vgl. zu A 530.] 

318. ἀΐξηλον, was der Ambrosianus pr. m. bietet während 
die übrigen Handschriften ἀρίζηλον haben, ist höchst wahrschein- 
lich die Aristarchische Lesart: vgl. Lehrs zu Herodian. p. 457 
und L. Friedländer hier zu Aristonikos. [Dagegen bezeichnet La 
Roche in seiner krit. Ausg. ἀρέζηλον als Aristarchs Lesart.] Zeno- 
dotos las hier das dem Sinne nach (nicht. lautlich) mit di&nAov 
identische aber nachhomerische ἀρίδηλον, welche Lesart von W. 
Ribbeck im Philol. IX S. 58 behandelt wird. Vgl. auch J. La 
Roche Hom. Textkritik 8. 204. Für das Uebrige genügt es auf 
den gründlichen Exeurs von @. Autenrieth zu Nägelsbachs Anmerk. 
8. 328 ff. zu verweisen. Hiergegen bemerkt G. Curtius Etym.? 8.584 
[* p. 644]: “Durch die Erörterung von Savelsberg und Autenrieth 
scheint mir die Sache nicht gefördert zu sein. Die Silben &i mit 
dem häufigen dgı und ἀϊΐ- ξηλος mit dem 8. 545 besprochenen dgl- 
InAog zu identificieren ist lautlich unmöglich” Nun lautlich hat 
es wohl Niemand identificiert, sondern nur dem Sinne nach. Wenn 
aber G. Curtius vorher das von ihm gleichfalls gebilligte ἀΐξηλον 
nach Cicero de divin, IT 30 ‘Qui Iuci ediderat genitor Saturnius 
idem Abdidit’ erklärt: “Das Adjectiv hiess also unsichtbar und 
unterscheidet sich von ἀ-βίδ-ελος nur durch das statt ὃ erschei- 
nende & wie durch die Quantität des ε᾿, so wünschte man einen 
kurzen Beweis, dass im Charakter der Homerischen Sinnenwelt 
der Begriff “unsichtbar” mit dem folgenden λᾶαν γάρ μὲν ἔθηκε 
wirklich zusammenstimme. [Vgl. dagegen jetzt Clemm in Curtius 
Stud. VII p. 74 #: deus qui hoc augurium miserat (ἔφηνεν) 
draconem abdidit, lapide enim eum mutavit, h. e. post novem 
annos frustra praeterlapsos deus laborum finem feeit decimo.] — 
Vers 321 hat Bekker stillschweigend unter den Text wie in den 
Tartarus gebracht, wahrscheinlich wegen der Isoliertheit der 
Sprache. Aber eine isolierte Sache dürfte auch isolierte Ausdrücke 
entschuldigen. Ich werde an einer andern Stelle die in Sache 
und Sprache harmonierenden Isoliertheiten aus Homer 
zusammenstellen: vielleicht kann die Mannschaft beisammen ein- 
zelnen ihrer Gefährten, die schon zum Opfer ausersehen sind, 
noch eine Rettung verschaffen. — Vers 341. Vgl. den Schol. zu 
Aristoph. Acham. 307. — Vers 344. ‘Das Wort ἀστεμφής stellt 
Pott Et. F.? II 370 nebst στέμβω ebenfalls zu Skt. sthäp-ayati, 
dem Causativ von sthd; ich glaube mit Recht, und ebenso scheint 
mir ἀτέμβω das Causativ zu ἀτέω (ἀξατάω) zu sein. Das causa- 
tive Element p ist nemlich hier durch Nasalierung (zu I’ 376) 
afficiert wie in ἴαμβος (aus dam, Causativ von γα), ϑάμβος (von 


-- 15 — 


zen), κύμβαχος (κύπ-τω), δόμβος (von der wohl = arpayati, 
Causativ von ar), κρέμβαλον (von crepare), κομβακεύεται (von 
#07-); ebenso »ögvußog zu κορυφή, βρέμβος zu βρέφος, vielleicht 
ϑύμβρα zu τυφ-, ϑρόμβος zu τρεφ- und in anderer Weise afficiert 
ῥίμφα zu dip. Ohne obige Bildungen alle für eausativ erklären 
zu wollen, ist es mir nur um Anerkennung jener Lautaffeetion 
zu thun, welche theilweise auch von Anderen, besonders von 
Θ. Curtius Etym. ? 8. 51 ἢ 461 ἢ, und 472 f. angedeutet ist. 
Somit ist aus Wurzel στὰ Skt. εἰμ Causativ sthäpayati = 
στέμβε: στέμφει und in ἀστεμφής (firm-atus, firmus) nicht ein 
« privativum, sondern dasselbe prothetische wie in ἄσταχυς, ἀστήρ 
zu erkennen. — Formen wie £geuvdg sind vielleicht durch die 
Mittelstufe 'Egsußol hindurchgegangen, so wie auch umgekehrt 
durch Aufgeben der Nasalierung (zu I’ 367) daun Formen wie 
ἔρεβος, στοβέω sich erklären.” G. Autenrieth. 

340. 341. [A. Nauck im Bulletin de U’Acad. de St. Peters- 
bourg IX p. 334 verlangt die Umstellung von 340 und 341 und 
vermuthet 339 ὑμῖν statt ἡμῖν. — Madvig Adversaria eritica 
Hauniae 1871. Vol. I p. 186 vermuthet 340 κε statt ze, so dass 
Nestor seine vorhergehende Frage selbst beantworte. — 344. πρίν 
nach ὡς (statt des gewöhnlichen τὸ πάρος oder πάρος) ohne Verbum 
findet sich nur hier: Richter quaestiones Homericae. Chemnitz 1876 
p. 10, über die Bedeutung “bisher” vgl. denselben p. 4.] 

347. In den Wörterbüchern von Damm, Passow, Pape, Seiler, 
sowie in Commentaren wird νόσφιν mit ‘4yauöv verbunden und 
bildlich “von der Gesinnung’ erklärt, “anders als die Achaeer 
denken.” Allein νόσφι steht sonst überall bei Homer in seiner 
eigentlichen Bedeutung local: so auch hier. Sodann ist es für 
die Construction des Gedankens einfacher, ’4ycısv partitiv zu 
fassen und νόσφι βουλεύωσι für sich zu nehmen. Hierzu kommt 
drittens: νόσφιν ᾿Αχαιῶν würde andeuten, dass die Unzufriedenen 
nicht Achaeer wären; dagegen enthält νόσφιν hier offenbar den 
Sinn von ‘geheim’, wie P 408. 2 583. — Das am Versende 
stehende αὐτῶν erklären Nägelsbach und Andere als Masculinum. 
Aber zur Hervorhebung der Person, wozu hier kein Grund vor- 
liegt, würde der Dichter ohne Zweifel den Dativ αὐτοῖς gebraucht 
haben: ipsis, ihnen wenn sie ‘allein’ sind. Diesen Dativ 
bieten allerdings ein Paar Handschriften [Lips. suprascript. Vrat. 
e: La Roche] und alte Ausgaben; indes scheint er, wie Auten- 
rieth mit Recht bemerkt, “eine spätere Correctur zu ‚sein. Ich 
verstehe daher αὐτῶν mit Freytag und Doederlein als Neutrum. 
In Bezug auf das ganze Hemistichion ἄνυσις δ᾽ οὐκ ἔσσεται αὐτῶν 
ist nemlich Folgendes zu beachten. Es sollte hinter βουλεύωσ᾽ 
eigentlich gleich "άργοσδ᾽ ἰέναι folgen; da aber mit ἄνυσις bis 
αὐτῶν noch ein Zwischengedanke hinzugefügt wird, so knüpft nun 
Nestor den noch übrigen Theil des Gedankens an den Zwischen- 


- 126 — 


satz an und wählt die Construction von πρὶν... πρίν, um noch 
einen Tadel über die Widerspenstigen auszusprechen. 
Denn die Sätze mit πρὶν "Agyood’ ἰέναι, πρίν bis οὐκέ können 
grammatisch nicht mit βουλεύωσι verbunden werden, weil der Satz 
πρὶν καὶ Διός bis οὐκέ nicht zur Absicht oder Vorstellung des 
Subjects von βουλεύωσι gehört, sondern eine Behauptung des 
Nestor enthält. Daher habe ich die Worte ἄνυσις bis αὐτῶν 
weder durch Gedankenstriche noch durch runde Klammern ein- 
geschlossen. — Wer übrigens bei ἕνα καὶ δύο im vorigen Verse 
‘an Thersites und Leute seines Gelichters’ denken will, der hat 
erst zu erweisen, wie auf diese das νόσφιν βουλεύειν eine passende 
Anwendung erleide. Auf Achilleus und seine Genossen dagegen 
passt auch der Gedanke der Heimkehr nach Griechenland (348 
"Αργοσδ᾽ ἰέναι): vgl. A 169. 179. [Die Worte τοί κεν "Ayaudv 
νόσφιν βουλεύωσ᾽ mit Ameis zu verstehen: gesondert von 
uns (in localem Sinne) berathen und dabei vorzugsweise an 
Achilles mit den Seinigen zu denken, verbietet schon das Pro- 
nomen τούσδε 346, das doch nicht als einfaches Demonstrativ 
das folgende Relativpronomen vorbereitet, sondern deiktisch nur 
von in der Versammlung Anwesenden verstanden werden kann; 
es ist also nur an Thersites und Genossen zu denken, auf 
welche auch nur die verächtliche Behandlung aus Nestors Munde 
hier und die Drohung 357—359 passt. — πρὶν ”Aoyood’ ἰέναι 
ferner wird durchaus passend von βουλεύωσ᾽ abhängig gemacht, 
weil der in dem folgenden Infinitivsatz mit πρίν enthaltene Tadel 
die Begründung für τούσδε δ᾽ ἔα φϑινύϑειν enthält. Wären die 
Infinitive von ἄνυσις δ᾽ οὐκ ἔσσεται αὐτῶν abhängig, so wäre über- 
dies nicht ἰέναι gehen (Ameis übersetzte unrichtig kommen), 
sondern ἰκέσϑαι zu erwarten.] 

349. [εἴ τε — εἴ τε statt des von Bekker gegebenen ἤ re 
— ἦε habe ich nach den besten Handschriften mit La Roche her- 
gestellt, vgl. dazu die Erörterung von L. Lange der homer. Ge- 
brauch der Partikel εἰ II p. 533 8] 

351. νηυσὶν ἐν, statt des gewöhnlichen von W. Dindorf und 
Andern beibehaltenen ἐπ᾽, ist die Lesart des Venetus [auch Lau- 
rentianus D], die Bekker mit Recht aufgenommen hat. G. Auten- 
rieth bei Nägelsbach meint zwar: “Diese Lesart passt schon darum 
nicht, weil sonst Nestor sagen würde: quo die vehebamur navibus. 
Nach dem ganzen Zusammenhang ist aber entschieden der Tag 
der Abfahrt, an dem man ja die σήματα besonders beachtet, hier 
gemeint und darum die Autorität des Ven. hier nicht massgebend.’ 
Allein gerade das verlangte, der “Tag der Abfahrt”, wird nur 
mit ἐν νηυσὶν ἔβαινον bezeichnet, weil dies hier mit der stehen- 
den Formel Auer τῷ ὅτε verbunden ist, während dw) νηυσίν nicht 
die Abfahrt selbst, sondern bloss eine Vorbereitung dazu, das 
Hineilen zu den Schiffen ausdrücken würde, wie bekanntlich aus 


- 27 — 


E 327. A 274. X 392 und aus den analogen Beispielen 4 460. 
N 332. Π 751. P 706 erkennbar wird. Hierzu kommt, dass dv 
νηυσὶν βαίνειν überall unserm “in den Schiffen abziehen’ ent- 
spricht: B 509. 610. 619. 720. M 16. « 211. β΄ 18. 27. y 131. 
ὃ 656. v 317. σ 181. [Indes leugnet Skerlo im Philolog. XXXV 
p- 560 diese Bedeutung für B 351. 510. 611. 619, wo die Wen- 
dung im Imperfect steht, und erklärt: einsteigen.] — Vers 353. 
Vgl. Stallbaum zu Plat. Phaedr. c. 19 p. 241°. Ueberhaupt 
herrscht in den alten Satz- und Wortgefügen weit weniger das 
logische Element vor als es in den modernen Sprachen der Fall 
ist. — 355. [An der Wiederaufnahme von τὶς 354 in τινά als 
Subject des Infinitivs κατακοιμηϑῆναι nahm Doederlein Oeffentliche 
Reden p. 359 Anstoss und vermuthete rıvi statt τινά: vgl. auch 
Bekker hom. Blätt. II p. 7 und dagegen R. Foerster in Miscella- 
neorum philol. libellus p. 18 und den Anhang zu ῃ 196.] — Vers 
356. In Ἑλένης ὁρμήματά τε στοναχάς τε wird von den meisten 
Interpreten der Genetiv mit Aristarch objectiv aufgefasst. Aber, 
von den übrigen Schwierigkeiten abgesehen, die 120000 Mann 
Griechen (zu 129) werden wohl schwerlich nach der Helena alle 
geseufzt haben. Buttmann im Lex. Nr. 65 wird sicherlich dem 
Wesentlichen nach sein Recht behalten. Natürlich darf man die 
Worte nicht als eine sentimentale Regung des Nestor betrachten, 
sondern sie bezeichnen einen einfachen Rachegedanken, der den 
Zweck des Krieges vorführt. [Vgl. auch Gerlach im Philol. XXXIII 
p. 197, Nitzsch Beiträge z. Gesch. ἃ, ep. Poesie p. 311, Lehis 
populäre Aufsätze p. 11.] 

359. Sämmtliche Interpreten, die ich einsehen konnte, ver- 
stehen diese Stelle von der Schiffahrt selbst und bemerken 
nun entweder “Solchen Rebellen fehlt das Geleite der Götter zur 
gefährlichen Fahrt” oder “den allein Zurückkehrenden weissagt er 
Verderben, wohl des Eidbruches wegen; anders 252 f.” oder Aehn- 
liches. Aber von einer wirklichen Fahrt oder wirklichen 
Rückkehr kann ich eine Andeutung im Texte nicht finden. Nestor 
sagt zuerst 357: wenn einer ἐκπάγλως ἐθέλει οἰκόνδε νέεσϑαι “den 
erschrecklichen Entschluss hat,’ weil dieser Entschluss 
(nicht die Ausführung desselben) zum Tode führen soll. Der 
Hauptbegriff ἐκπάγλως erinnert an ἐκπάγλως ἀπόλεσσαν A 268, 
sonst wird dies Adverb mit den Begriffen des Hassens und Zür- 
nens verbunden. [ἐκπάγλως ἐθέλει ist zu fassen wie ἕεται αἰνῶς 
ß 327, erschrecklich verlangt d. i. über die Massen.] Nestor 
fährt fort 358: ἁπτέσϑω ἧς νηός, was ebenfalls nicht eine schon 
unternommene ‘Fahrt bezeichnet, sondern die blosse Vorbe- 
reitung dazu, die Anstalten zur Abreise: vgl. B 152. 171. 
Dann an der vierten Stelle O 704 im Kampfe bei den Schiffen 
steht die Formel in eigentlicher Bedeutung. Ebenso wird der 
Theilbegriff ὅπλων ἅπτεσθαι gebraucht: vgl. zu β 423. Endlich 


— 128 — 


heisst es 359: ὄφρα πρόσϑ᾽ ἄλλων ϑάνατον καὶ πότμον ἐπίσπῃ, 
und da haben wir wiederum weder “Fahrt“ noch “Rückkehr”, 
sondern eine kraftvolle Bezeichnung des Todes, die theils in dem 
sarkastisch gebrauchten ὄφρα theils in 0069’ ἄλλων liegt. Denn 
das letztere bedeutet nach Homerischem Sprachgebrauche ‘vor den 
Andern’, so dass diese übrigen Gefährten bei der Todesvollstreckung 
dahinter stehend und zusehend gedacht werden: er soll (ins Moderne 
übersetzt) vor der ganzen Compagnie den Tod erleiden. Nun 
haben zwar alle Commentatoren und die Lexikographen (Passow, 
Pape, Damm, auch der sorgfältige Εν, E. Seiler) unsere Stelle 
temporal aufgefasst und haben ihr noch zwei Colleginnen gegeben, 
nemlich N 66 und δὰ 698, aber beides mit Unrecht. Denn N 66 
τοῖιν δ᾽ ἔγνω πρόσϑεν Ὀιλῆος ταχὺς Αἴας kommt durch diese Er- 
klärung in den guten Homer ein ungehöriger Witz, indem ἀἴας 
zu den mit roiıv bezeichneten Zweien selbst gehört: es ist viel- 
mehr πρόσϑεν Adverbium, und os ist der partitive Genetiv beim 
Eigennamen: vgl. Krüger Di. $ 47, 9, 1. Und 2 698 ist πρόσϑε 
ebenfalls Adverbium und der Genetiv gehört zu οὐδέ τις ἄλλος, wie 
das folgende ἀλλ᾽ ἄρα Κασσάνδρη beweist. Es bliebe also nur 
unsere Stelle übrig, doch diese wurde vorher beleuchtet. Das 
Resultat ist: bei Homer steht πρόσϑεν als Adverbium auch tem- 
poral, aber als Präposition wird es bloss in localer Bedeu- 
tung gebraucht, selbst wo ein persönlicher Genetiv hinzutritt: 
vgl. 4 304. E 56. 80. 170. 595. I 193. O 307. Π 220. 321. 
833. T 13. T 402. ἡ 21. ὦ 540. Auch die Verbindung mit 
μάχεσϑαι (M 145) πολεμίξειν (II 220) ἐρύεσϑαι (Φ 587) πίπτειν 
(#524) ist von derselben Anschauung des räumlichen Vortretens 
ausgegangen, wie wir den Begriff 4 54 τάων οὔ τοι ἐγὼ πρόσϑ᾽ 
ἵσταμαι und A 129 ἥ τοι πρόσϑε στᾶσα βέλος ἐχεπευκὲς ἄμυνεν in 
ausdrücklicher Bezeichnung vor uns haben. Aus der richtigen 
Auffassung des πρόσθ᾽ ἄλλων nun ergiebt sich zugleich die rich- 
tige Beziehung des ϑάνατον καὶ πότμον ἐπίσπῃ, das nur den Tod 
an Ort und Stelle, nicht auf der Meeresfahrt bezeichnen kann. 
Nestor nemlich, der 346 bis 349 noch an die Möglichkeit dachte, 
ein Paar Unzufriedene ziehen zu lassen, hat sich gleich darauf 
beim Gedanken an die untrüglichen Götterzeichen (ein ächt psycho- 
logischer Zug!) so in Eifer und Zorn hineingeredet, dass er jetzt 
jedem, der auch nur Anstalten zur Abreise macht, Tod und 
Verderben droht. Eine ähnliche Steigerung der Leidenschaft be- 
merkten wir oben 264 f., wo Odysseus von der Drohung sofort 
zur Ausführung schreitet. Eine ähnliche Drohung haben wir 393. 
Dass aber Nestor mit der allgemeinen Formel sich begnügt und 
nicht bestimmter redet, hat wie ich meine einen doppelten Grund: 
erstens weil Nestor selbst in der höchsten Leidenschaft das 
elassische Mass des Ausdrucks nie überschreitet, und zweitens 
weil er dem Oberfeldherın und dessen βουλή in der Festsetzung 


1299 — 


einer bestimmten Strafe nicht vorgreifen will. Uebrigens ist 
die von mir begründete Erklärung der ganzen Stelle bei den Alten 
wenigstens mit drei Worten angedeutet, insofern die Schol. AD. 
ihre Definition mit εὐθὺς πρὸ πάντων beginnen und auch BL. in 
den Worten ἀπειλῇ κολάσεων eine leise Ahnung verrathen, alle 
aber von “Schiffahrt” und “Rückkehr” nichts bemerken. Ich bin 
so ausführlich gewesen, weil unsere Stelle nach der herkömm- 
lichen Auffassung ein berechtigter Zielpunkt bei der Liederjagd 
war. [Ameis fasste den Finalsatz als die Absicht des Schicksals 
enthaltend: aber abgesehen davon, dass die dafür angeführten 
Parallelen anderer Art sind, so verliert die darin enthaltene 
Drohung dadurch bedeutend an Kraft. Ich kann darin nur die 
hypotaktische Form für parataktische Verbindungen wie A 302—3 
sehen, wo im ersten Gliede in gleicher Bedeutung der Imperativ 
steht und mit αἶψα und dem Futurum die unmittelbare Folge der 
im Imperativ enthaltenen Handlung angedroht wird. — Die Be- 
denken gegen die temporale Auffassung von πρόσϑε theile ich 
nicht, da sie für das Adverbium feststeht. Kann man nicht auch 
hier πρόσϑε als Adverbium fassen, zu dem wegen seiner compara- 
tivischen Bedeutung (= prius) der Genetiv, wie nach dem Com- 
parativ tritt? Was aber den Gedanken anlangt, so erhalten wir 
den in der Anmerkung angedeuteten treffenden Gegensatz. — Im 
Uebrigen theile ich vollständig die von Ameis begründete Auf- 
fassung. Vgl. aber die gegen die V. 354—359 von Bekker hom. 
Blätt. IT p. 7—9 erhobenen Ausstellungen, sowie die Einleitung 
Ρ. 89.] 

362. Ueber die Bedeutung von φῦλα und φρῆτραι vgl. auch 
Tacit. Germ. 7; Hist. IV 23. Schömann Griech. Alterth. I 8. 39 f. 
In Bezug auf unsere Stelle haben H. Köchly und W. Rüstow 
Griech. Kriegsschr. II 1 (Leipzig 1855) Einleitung 8. 2 Folgen- 
des bemerkt: “Es darf uns nicht Wunder nehmen, dass einzelne 
Führer in der Ilias als vorzugsweise mit der Taktik, der Kunst 
Mannen und Rosse zum Streite zu ordnen, vertraut gerühmt wer- 
den. So vor Allem Nestor ‘“der Gerenische Reisige”’, der wie 
in allen andern Herrscherkünsten, so auch in dieser billig sich 
auszeichnen mag. Ihm legt der eine Dichter (B 362 #.) jenes 
unveränderliche Grundprincip in den Mund, welches wir in den 
kriegerischen Anfängen aller Naturvölker wieder finden, die Männer 
nach den Stimmen, nach den Sippschaften und Geschlechtern zu 
stellen.” [Vgl. aber wegen dieses taktischen Rathes die Einleitung 
p. 901 Dort werden ausserdem zu mehrern Homerischen Stellen 
in Bezug auf die Taktik Erklärungen gegeben, die ich im Com- 
mentare dankbar benutzt habe. In späterer Zeit wurde bekannt- 
lich die hier geschilderte Stellung getadelt: Plutarch. Pelop. c. 18. 
Vor Augen hat unsern Vers Plutarch. Amator. e. 17. Eine Parodie 
der Stelle bei Lucian. Piscat. 8. Reviv. c. 1. [φρήτρηφιν als Ver- 


Anhang zu Ameis, Homers Ilias I. 9 


— 180 — 


treter des eigentlichen Dativs gefasst, wie Delbrück Ablativ Localis 
Instrumentalis thut, würde eine ganz vereinzelte Erscheinung er- 
geben. Daher fasst Moller über den Instrumentalis im Heliand 
und das homer. Sufix gı p. 20 f. die Form als ablativischen 
Genetiv oder ablativischen Instrumentalis unter Vergleichung von 
N 109 ἀμυνέμεν νηῶν von den Schiffen abwehren. Vgl. über die 
Bedeutung des Sufüxes im Allgemeinen auch Philol. XXVIII p. 
527 5] 

367. Statt der Ueberlieferung ἀλαπάξεις hat Bekker im 
Monatsbericht 1864 8. 192 [= Hom. Blätt. II p. 27] ἀλαπάξεις 
für nothwendig erklärt mit folgender Deutung des Futurs: “In 
beiden Fällen also, der göttlichen Fügung wie der menschlichen 
Schuld, nimmt Nestor an, dass Troia nicht werde erobert werden, 
entschieden verneinend woran er so eben noch (348) höchstens 
gezweifelt.” Sollte dieser Sinn mit engster Begrenzung des Futurs 
der nothwendige sein, so müsste der Satz wie ich meine also 
lauten: du wirst die Stadt niemals vernichten, ob durch mensch- 
liche Schuld oder auch durch göttliche Figung, wirst du bei der 
getroffenen Anordnung erkennen. So aber hat der Dichter Nega- 
tion und Futur mit dem Fragewort ἤ, worauf der Nacbdruck 
ruht, in unmittelbare Verbindung gebracht. Daher wird die Sache 
meiner Meinung nach ebenso wie 349 in Zweifel gelassen. Nach- 
her bemerkt Bekker, es handle sich hier nicht, die Zukunft auf- 
zuklären, “die durch Zeichen und Wunder klare, sondern die 
Gegenwart, warum diese so ungenügend hervorgegangen aus den 
schweren Wehen der Vergangenheit.’ Aber da ist noch die Frage 
offen, ob die ‘so ungenügend hervorgegangene Gegenwart” auch 
in Zukunft so bleiben werde, und auf diese Frage richtet Nestor 
seine Antwort. Ausserdem wäre mir das Präsens ἀλαπάξεις auch 
deshalb bedenklich, weil es eine Umstimmung des Nestor gegen 
349 bezeichnete, und weil Homer sonst für diesen Gebrauch der 
Gegenwart, so viel mir erinnerlich ist, im tempus finitum nur die 
präsentischen Perfecte verwendet. Eher würde ich mich dazu ent- 
schliessen, ἀλαπάξεις für eine Conjunctivform des ersten Aorists 
anzusehen nach der im Anhang zu o 265 erwähnten Theorie. 
Dazu liesse sich anführen, dass ausser unsrer Stelle alle andern 
Formen mit & bei Homer nur Aoriste sind. Doch es scheint die- 
ser Ausweg nicht nothwendig zu sein. — Ueber die Abstammung 
des Wortes ἀλαπάξειν urtheilt G. Autenrieth also: “Die Ableitung 
von Skt. στὰ (taedere, decrescere) befriedigt mich so wenig als eine 
der andern mir bekannten; am wenigsten ist ἃ la Athenaeus mit 
λαπάξω zu operieren. Dagegen bietet sich Skt. älpas exiguus, 
rarus, paulum. Wenn nun auch die Wurzel im Skt. nicht 
weiter erscheinen sollte, so ist doch, abgesehen von dem Quantitäts- 
wechsel im Stamm, dienddjio — ἀλαπάξω (vgl. ἀλαπαδνός) eine 
ganz formell wie der Bedeutung nach passende Causativbildung 


— 181 — 


davon: infirmare cet.’” [Vgl. jetzt auch Clemm in G. Curtius 
Stud. VIII p. 50, welcher λάπτω und λαφύσσω vergleicht und 
ausschöpfen als Grundbedeutung annimmt.] — Vers 371 be- 
rücksichtigt Themist. auch or. XXIV p. 308°. Vgl. Demosth. 
Mid. ce. 54 ed. Buttm. 

391. Das Verbum νοέω in der Bedeutung wahrnehmen 
oder sehen hat bei Homer überall, wo zu dem Object noch ein 
Verbalbegriff hinzutritt, diesen niemals im Infinitiv sondern im 
Participium bei sich: T’ 21. 31. 4 200. E 95. 711. Z 470. H 17. 
Θ΄ 10. A 284. 521. 575. 581. M 143. O 395. 422. II 789. 
P 116. 486. 682. T 419. Φ 563. X 463. « 58. 257. ὃ 653. 
ξ 163. n 39. 290. $ 271. » 375. ν 318. ® 5. o 301. τ 552. 
v 367. ὦ 232. Vgl. Joh. Classen Beobacht. 8. 147 f. In ande- 
ren nicht zahlreichen Stellen, wo νοέω daran denken oder be- 
absichtigen heisst, ist es mit dem Infinitiv: des Aorists ver- 
bunden. Die Uebersetzer haben diese beiden Constructionen an 
einigen Stellen mit einander verwechselt. Mit unserer Stelle haben 
wir übrigens gleichen Redeton ® 10. O 48. — 400. [Zur Sache 
vgl. Welcker griech. Götterlehre I p. 16.] 

401. [A. Meineke im Hermes III p. 260 vermuthet ϑάνατόν 
γε φυγεῖν κατὰ μῶλον ”Agnog, weil der Wunsch dem Getümmel 
der Schlacht zu entgehen der Heroen unwürdig sei.] 

408. [Ueber Plato’s (Symp. 174 B) Bezugnahme auf diese 
Stelle und den Spruch αὐτόματοι δ᾽ ἀγαϑοὶ ἀγαθῶν ἐπὶ δαῖτας 
ἴασιν vgl. A. Hug disputatio de Graecorum proverbio αὐτόματοι οἷο. 
Turie. 1872 und Philol. Anzeiger V p. 602 #., auch Bergk griech. 
Literaturgesch. I p. 368, Note 172.] — 413. Nügelsbach möchte 
das ἐπ᾽ in ὑπ᾽ geändert wissen: dann dürfte aber ἔτ᾽ näher liegen. 
[van Herwerden quaestiuneulae epic. et eleg. p. 2 ἢ, vermuthet un 
πρίν γ᾽ ἠέλιον δῦναι 

415. [Ueber die Bedeutung von πρῆσαι vgl. G. Curtius Stud. 
IV p. 228 f. und über die Verwandtschaft mit πίπλημι Fick vergl. 
Wörterb. ? p. 372 unter par, prä wehen, über die Genetiv- 
construction Philol. XXVIII p. 514.] 

420. ἀλίαστον ist die Lesart des Aristarch, wie hier Didymos 
angiebt, der sie als eine λέξις ἐμφατικωτέρα bezeichnet. Ich habe 
sie mit Bekker aufgenommen, weil sie zu der höchst naiven Auf- 
fassung des Zeus, die in diesem Verse liegt, geeigneter erscheint, 
als das gewöhnliche ἀμέγαρτον. Denn wihrend dieses “unglück- 
lich, unselig” bedeutet (vgl. Buttmann Lex. I Nr. 61, 5) ist 
ἀλίαστος nach Buttmann Lex. I Nr. 21, 3 und Benfey Gr. Wurz. 
II 8. 307 “der welcher nicht zu krümmen ist’, woraus sich die 
Bedeutungen 'unbeugsam, unaufhaltsam, hartnäckig, un- 
aufhörlich’ entwickeln. Und dies passt treffend für den vor- 
liegenden Zusammenhang, was schon Fr. Spitzner in den Worten 
"ἀλίαστον πόνον idonea de causa Aristarchus praetulit alteri’ be- 

9: 


— 12 — 


merkt hat. Sonst nemlich pflegen die Götter, wenn sie ein Opfer 
annehmen, auch das Gebet des Opfernden zu erhören, oder wenn 
sie letzteres nicht wollen, so verschmähen sie das Opfer: A 457. 
Θ 550. y 62. ı 553. Da keins von beiden hier geschieht, so 
leuchtet ein, dass Zeus in der Täuschung des Agamemnon fortfährt. 

435. μηκέτι νῦν δήϑ᾽ αὖϑι λεγώμεϑα ist die Aristarchische 
Lesart, die sicherlich auf guten Handschriften beruhen wird, 
Botbe und Freytag und Bekker dagegen haben das von Buttmann 
Lex. II Nr. 78, 2. 3 aus den Lesarten des Kallistratos [δὴ νῦν 
αὖϑι] und Zenodotos [δὴ ταῦτα] zusammengesetzte und empfohlene 
μηκέτι δὴ νῦν ταῦτα λεγώμεϑα in den Text genommen, indem 
sie ταῦτα mit Buttmann auf das bei der Mahlzeit vorauszusetzende 
sorglose Gespräch beziehen. H. Düntzer de Zenodot. p. 120 da- 
gegen hat mit Heyne zunächst dem Zenodotos die Lesart μηκέτι 
νῦν δὴ ταῦτα zugeschrieben, muss also glauben, Zenodotos habe 
nicht gewusst, dass νῦν δή bei Homer stets zu Anfang der Sätze 
stehe, sodann hat H. Düntzer p. 121 Folgendes bemerkt: ταῦτα 
refertur ad ea, quae animo agitant, atque explicatur illo ἔργον, ὃ 
δὴ ϑεὸς ἐγγυαλίξει Aber ταῦτα ist ein so nachdrückliches Pro- 
nomen, dass es nicht auf etwas stillschweigend Voraus- 
gesetztes oder auf blosse Gedanken, sondern nur auf etwas 
bestimmt Ausgesagtes sich beziehen kann, wie es an allen 
übrigen Stellen der Fall ist. Auch in den Parallelen N 292. 
T 244. y 240. v 296 geht überall ein bestimmtes Gespräch 
voraus, das mit jenen Worten abgebrochen werden soll. Daher 
ermangelt hier ταῦτα seiner nothwendigen Beziehung. Das Verbum 
λέγεσθαι aber kann in dem von Buttmann Lex. 78, 6 erwähnten 
und von Doederlein zu N 275 adoptierten Sinne ebenso gut, wie 
ähnliche Verba, hier intransitiv stehen, indem es sein Object in 
sich selbst enthält. Denn die blosse “Unterredung’ oder “Berath- 
schlagung” bildet hier zu ἔργον den nachdrücklichen Gegensatz. 
Demnach habe ich mit Fr. Spitzner, W. Dindorf [Ta Roche] u. A. 
die Aristarchische Lesart beibehalten. — μηδέ τι aus dem Venetus 
und andern guten Quellen, was Lange Observ. erit. (Oels 1844) 
p- 4 sq. vertheidigt mit Beistimmung Autenrieths bei Nägelsbach. 
Seit F. A. Wolf hat man dafür nach andern Autoritäten μηδ᾽ ἔτι 
aufgenommen. — Vers 452. Ueber καρδίη und κραδίη und ähn- 
liche Versetzungen des R-Lautes vgl. G. Autenrieth zu Nägels- 
bach Anmerk. Γ' 441 8. 426*, ‘wo Z.4 Vocal statt Consonanten 
zu lesen und hinzuzufügen ist Corssen Ausspr. I 92 f. und Krit. 
Beitr. 8. 209 f” G. Autenrieth. 

450. [Ueber παιφάσσω vgl. Fritzsche in Curtius Stud. VI 
Ρ. 308: Ἕ παι-φὰ determinatum prodiit παι-φα-κ (παιφακ-)}-ὦ) 
conf. μαιμα-κ, ποι-φυ-κ. 

463. [Zur Erklärung des Gleichnisses vgl. Friedlaender Bei- 
träge zur Kenntniss der hom. Gleichnisse II p. 20 ff. und Düntzer 


-- 13 — 


homer. Abhandl. p. 486 f. — An singende Schwäne dachte an 
dieser Stelle Müllenhoff deutsche Alterthumskunde I p. 1 ff., vgl. 
dagegen Lehrs bei Kammer Einheit der Odyssee p. 793 f. und 
über die ganze Frage v. Baer was ist von den Nachrichten der 
Griechen über den Schwanengesang zu halten? in: Historische 
Fragen mit Hülfe der Naturwissenschaften beantwortet. St. Peters- 
burg 1873 p. 7 8.1] Gewöhnlich erklärt man προκαϑέξειν mit den 
Alten “sich aus der Höhe herablassen.” Aber dann bleibt erstens 
die Präposition πρό bedeutungslos. G. Autenrieth bei Nägelsbach 
deutet, “vorwärtsfliegend sich niederlassen,” was indes mit ἔνϑα 
καὶ ἔνϑα nicht recht zusammenstimmt, da beide Gedanken weder 
durch ein ἔπειτα getrennt sind, noch der zweite mit einem metrisch 
möglichen καὶ προκαϑίξουσιν κλαγγῇ beginnt. Doch es stört zwei- 
tens der Genetiv, wofür in diesem Sinne die mit ἀγαλλόμενα gleiche 
Structur προκαϑίξοντα erwartet würde. Daher haben Heyne und 
Schäfer zu Lamb. Bos Ellips. p. 855 den Genetiv προκαϑιξόντων 
mit Ergänzung von αὐτῶν als absoluten erklärt, worauf auch 
J. Kvicala in der Zeitschr. f. ἃ. österr. Gymn. 1864 8. 413 als 
Auskunftsmittel gekommen ist. Aber dieser Auffassung wider- 
streitet durchaus die Stellung der Partikeln δέ re, die dann gleich 
nach χκλαγγηδόν stehen müssten, so dass der Vers κλαγγηδὸν δὲ 
χαϑιξόντων σμαραγεῖ τότε λειμών oder ähnlich lauten würde. Bei 
diesen Schwierigkeiten nun habe ich προχαϑέξειν erklärt wie theil- 
weise C. H. Eickholt Quaestionum Homericarım specimen (Wesel 
1850) p. 26. Wenn aber ebenderselbe χλαγγηδόν zum vorher- 
gehenden Verse zieht und προκαϑιξόντων für sich allein mit 
‘sedibus quas modo tenuerant relictis’ deutet: so stehen diesem Ver- 
fahren zwei Gründe entgegen, erstens die Stellung von προκαϑι- 
ξόντων, indem solche nachträgliche Participien stets im Vers- 
anfang stehen, und zweitens das Tempus, indem für den ange- 
gebenen Sinn das Partieipium des Aorists erforderlich wäre. [Die 
von Ameis gegebene Erklärung des Vergleichs ist mit Recht be- 
kämpft von Raspe der sogenannte Schiffscatalog in der Ilias. 
Progr. Güstrow 1869 p. 17. Derselbe schlägt vor zu ändern: 
κλαγγηδὸν δὲ καϑίξονται oder κλαγγῇ δὲ προκαϑίξονται —= lassen 
sich vorwärtsfliegend nieder, entsprechend dem προχέοντο 465. 
Ohne Zweifel enthält der scheinbar untergeordnete Zusatz xAayy. 
προκαϑιξόντων das Hauptmoment des Vergleichs, wie auch der 
parataktisch hinzugefügte Folgesatz σμαραγεῖ δὲ κτέ. deutlich dem 
αὐτὰρ ὑπὸ χϑὼν etc. entspricht, während ἔνϑα καὶ ἔνϑα ποτῶνται. 
nur die fortgesetzte Unruhe der Bewegung im Allgemeinen ohne 
Angabe einer bestimmten Richtung andeutet. Freilich enthält das 
προκαϑιξόντων, wenn wir mit Autenrieth verstehen: vorwärts 
fliegend sich niederlassen, mehr als das entsprechende προ- 
χέοντο, allein diesem folgt ja weiter: ἔσταν δ᾽ ἐν λειμῶνι — es 
fasst also jenes Partieipium des Vergleichs kurz zwei Handlungen 


-- 134 — 


zusammen, die dann in προχέοντο und ἔσταν in ihre Momente zer- 
legt werden. Hiernach habe ich theilweise im Anschluss an 
die Erklärung von Faesi-Franke die Auffassung zu berichtigen 
gesucht.] 

468. [Diesen Vers verwirft van Herwerden quaestiunculae 
epicae et elegiacae. Trajecti ad Rhenum 1876 im Vorwort, als 
aus ı 52 entnommen.] — 469 fi. [Raspe a. Ὁ. p. 17: ‘Das 
Fliegengleichniss muss schon vor der einfachen Frage fallen: wo 
kommen denn die Troer her? Allem Anscheine nach verstehen 
die Erklärer 472 und 473 bloss von der Intention die Troer 
zu zermalmen; ich behaupte aber, ein Dichter, der da sagte 
ἵσταντο ἐπὶ Τρώεσσι, der hat gedacht, dass die Troer den Achaeern 
leibhaftig gegenüberstanden” — Uebrigens findet Peppmüller 
(Biblisches und Homerisches in Schillers Jungfrau von Orleans) 
in R. Gosche’s Archiv für Literaturgesch. II p. 182 in Schillers 
Jungfrau von Orleans Anklänge an dies Gleichniss, wie an das 
459 8] 

475. [Die Modi in Vergleichssätzen sind neuerdings behandelt 
von Friedlaender Beiträge zur Kenntniss der homerischen Gleich- 
nisse. Berlin 1870; eine neue eigenthümliche Auffassung des 
Conjunctivs giebt Delbrück der Gebrauch des Conjunctivs und 
Optativs p. 44.] 

480. ‘Die alten Ausleger wundern sich, dass Agamemnon 
erst mit den Göttern und dann sogleich mit einem Stier ver- 
glichen wird. Aber der naturtreue Dichter Homer hat nicht 
unsere conventionellen Begriffe von Schicklichkeit, sondern er 
sieht einzig auf die Anschaulichkeit der Vergleichung. Auch sonst 
ist die Vergleichung ausgezeichneter Heroen mit Thieren häufig: 
T 196. 4 253. E 782. 4A 558. N 471. P 281 und anderwärts.” 
E. R. Lange in Ms.*) Die orientalische Poesie hat bekanntlich 


Ἢ Zur Erklärung dieser Sigle Folgendes. Vor einigen Jahren 
schenkte mir Herr Dr. Anton Viertel aus eigenem Antrieb ohne mein 
Zuthun ein Paar Bände Manuscript zu A bis E und ganz Vereinzeltes 
zu Z und H, theils lateinisch theils deutsch die Vorbereitungen ent- 
haltend, welche der ehemalige Gymnasial-Director in Oels Dr. E. R. 
Lange für einen kritisch-exegetischen Commentar zur Ilias unternom- 
men hat. Nur zu 4 und Β ist die Bearbeitung vollständig ausgeführt. 
Und das Wesentlichste daraus hat der Verfasser selbst in drei Schul- 
Programmen zu Oels 1839, 1843 und 1844, sowie später in Schneide- 
wins Philol. IV_p. 703, bis 718 veröffentlicht. Man hat den Mann da- 
mals schr hart beurtheilt, weil er das allerdings aus Irrthum entstandene 
Streben verfolgt, den Zenodotos über Aristarch erheben zu wollen. In- 
des hat doch Lange gar Manches von dem, was I. Bekker aus Ana- 
logie in seiner Ausgabe von 1858 durchgeführt hat, aus demselben 
Principe auseinandergesetzt, ohne dass er im letzten Jahrzehnt einer 
namentlichen Berücksichtigung gewürdigt worden ist, wenn ich die 
richtige Werthbestimmung von G. Bernhardy Griech. Litt. Th. II® 8. 192 
und die Benutzung jener Arbeiten bei dem ebenso humanın als ein- 


-- 15 — 


dieselbe Bildersprache und geht darin so weit, dass sie sogar 
einen grossen Gelehrten mit einem Kameelhengst vergleicht. — 
Zu den zwei vorhergehenden Versen vgl. C. F. Hermann zu 
Lueian. de conserib. hist. p. 57. Themist. or. XIII p. 172; or. 
VIII p. 1114, 

483. Aus dem Commentar erhellt, welcher der beiden von 
Nägelsbach und Autenrieth behandelten Erklärungen ich gefolgt 
bin. Autenrieth hätte auch noch die von O. Schneider im Philol. 
XIII p. 56 verglichenen Beispiele berücksichtigen können. Wer 
dagegen ἐν πολλοῖσι ἡρώεσσιν verbindet, der hat erst diese Wort- 
stellung aus Homer zu begründen. Anderer Natur sind Stellen 
wie p 364. 372. Der Gedanke aber bei C. E. Geppert Ueber 
den Urspr. der Hom. Gesänge II 5. 171, dass diese Wortstellung 
von der “Neuerungssucht der Rhapsoden’ herrühre, ist ein dürf- 
tiges Auskunftsmittel. Dies führt uns zugleich auf die pracht- 
volle Bilderfülle von 455 an, wo wir gleichsam eine kleine epische 
Milchstrasse vor uns haben. Von den Alexandrinern ist keine 
Athetese überliefert. Erst die Neueren, wie G. Hermann De ieratis 
apud Homerum p. 10, K. Lachmann Betrachtungen und Andere 
haben dergleichen aufgespürt. Aber gerade die Gleichnisse, welche 
M. Haupt in den Zusätzen zu Lachmann 5. 103 für die “ursprüng- 
lichen’ hält (469—473 und 480—483, wie auch Köchly in seiner 
Ausgabe), deren “schlichte Einfalt” durch “ein glänzendes” oder 
“durch das zierlichere 459 ff. überboten” worden sei, gerade diese 
beiden Gleichnisse nebst einem dritten (455—458) hat Bekker in 
seiner Ausgabe athetiert, so dass nur die zwei Vergleiche 459— 
468 und 474—479 in dessen Texte bleiben. Man sieht hieraus, 
wie schwierig und wie subjectiv solche Urtheile sind. Anders 
dagegen Adolf Kiene Die Komposition der Ilias $. 82, welcher 
bemerkt: “Die 5 Gleichnisse 455—483 vom ausrückenden Heere 
correspondieren mit den 5 Gleichnissen P 725—759 von den 
fliehenden Achaeern und umschliessen das ganze Schlachtengebiet 
der Ilias während der Abwesenheit des Achilleus.” Indes sind 
doch an der erwähnten Stelle die Vergleichungen mehr in die 


sichtsvollen G. Autenrieth zu Nügelsbachs Anmerkungen ausnehme. Ich 
habe ebenfalls in diesem Anhange einzelnes hierauf Bezügliche ange- 
führt. Das übrige Manuseript, soweit es in dem mir Geschenkten reicht, 
enthält die in gleichem Geiste mehr oder weniger bearbeiteten Materia- 
lien. Wiewohl nun die Abfassung des deutsch und lateinisch Geschrie- 
benen ein Vierteljahrhundert und weiter zurückliegt, daher vieles jetzt 
Veraltete enthält, was der Verfasser selbst, wenn er die Forschungen 
der letzten zwei Jahrzehnte erlebt hätte, ganz anders gestaltet haben 
würde: so war es mir doch interessant, den Studiengang eines Mannes, 
der sich viel mit Homer beschäftigt hat, verfolgen zu können. Ich habe 
daher, wo ich etwas Beachtenswerthes, Lange Eigenthümliches und für 
meinen Zweck Brauchbares fand, dies jedesmal mit der obigen Sigle im 
Anhange getreulich angeführt. 


-- 186 — 


Erzählung hineinverflochten, als es an der unsrigen der Fall ist. 
Daher wird hier, wenn auch nicht die Wahrscheinlichkeit der Athe- 
tese, da jeder Vergleich untadelhaft ist und zu dem vorhergehen- 
den einen Fortschritt bildet, doch die Möglichkeit übrig bleiben, 
dass der alte Dichter bei wiederholten Vorträgen dieses Abschnitts 
je nach Beschaffenheit des Zuhörerkreises mit seinen Gleichnissen 
abgewechselt, dass aber die Commission des Peisistratos alle vor- 
gefundenen Vergleiche in ihrer Sammlung hier vereinigt habe. 
J. L. Hoffmann ‘Die Bildersprache Homers’ im Album des Litterar. 
Vereins in Nürnberg 1866 3, 24 urtheilt: “Wenn diese Muster- 
karte von Gleichnissen keine Geschmacklosigkeit ist, so kenne ich 
keine mehr’, und erklärt dann das Ungeheuerliche einfach dadurch, 
dass die Ordner unter Peisistratos “eine Anzahl heimathloser Gleich- 
nisse vorfanden, welche sie hier als Kolonisten neben einander an- 
siedeln zu können glaubten.’ Aber vergessen darf man doch 
nicht, dass wir die ausführlichsten und prachtvollsten Gleichnisse 
bei Homer stets da haben, wo die Handlung still steht oder vor- 
bereitet wird. Die bedeutsamste Stelle dieser Art ist die vor- 
liegende. Nicht unbegründet ist was E. R. Lange in Ms. bemerkt: 
‘Die Grossartigkeit des Gegenstandes entzündet die Phantasie des 
Dichters und befruchtet sie zur Hervorbringung von fünf, eigent- 
lich sechs Gleichnissen, die in ihrer Mannichfaltigkeit dazu dienen, 
das imposante Schauspiel des in vollem Waffenglanye einherschrei- 
tenden Heeres in allen seinen Theilen auszumalen.” Es lässt sich 
hinzufügen, dass diese sechs Bilder in zwei Hauptmassen zerfallen: 
I. die ersten vier beziehen sich auf das Heer als Ganzes a) her- 
anrückend, Ὁ) ins Schlachtfeld einrückend, 6) nach seiner Grösse, 
sobald es steht, 4) nach seiner Kampfbegier. II. Die zweite Hälfte 
bezieht sich auf die Heerführer a) die Schaaren ordnend; b) Aga- 
memnon für sich und in seinem Verhältniss zu den andern. [Vgl. 
auch Nitzsch Beiträge zur Gesch. d. ep. Poesie p. 330 f. Nutz- 
horn die Entstehungsweise der homer. Gedichte p. 134. £.] 

484. ‘Mit der Aufzählung der einzelnen Theile beider Heere, 
wozu der Dichter sich jetzt anschickt, beabsichtigte er seinen Zu- 
hörern einen anschaulichen Begriff von der Grösse der bevor- 
stehenden Kämpfe zu geben. Aber ein so gewaltiger Gegenstand 
imponiert dem Dichter selbst so sehr, dass er die Musen von 
Neuem um Beistand anruft. Daher schickt er dem Ganzen ein 
prooemium voraus’ E. R. Lange in Ms. — Ueber die Bildung 
von ἔσπετε handelt Theodor Ameis De Acolismo Homerico (Halle 
1865) p. 49 sq. [Anders Curt. Etym. *p.461: ἔσπετε ist redupl. Aor. 
für oe—ome—re] Was die Anrufung der Musen betrifft, so be- 
merkt Nitzsch Beiträge zur Gesch. der ep. Poesie $. 383 mit Recht 
Folgendes: ‘Der Dichter ruft die Musen an, weil es besonders 
treuen Gedächtnisses bedarf, um etwas ganz Bestimmtes genau 
anzugeben.” Dazu giebt er Anmerk. 95 die feine Erläuterung, dass 


— 181 — 


4A 218. # 508. Π 112. B 761 die Treue der Grund der An- 
rufung sei, anderwärts aber, wo es eine grosse Vielheit gilt wie 
B 484 bis 493, die Stärke des Gedächtnisses. Aehnlich urtheilt 
Gladstone Hom. Stud. von Alb. Schuster 8. 108. Der in μοῦσαι 
und ἔχουσαι liegende Gleichklang scheint aus der feierlichen Priester- 
poesie entlehnt zu sein, wie bei Sappho Fr. 86 ed. Bergk Δεῦρο 
δηὖτε Μοῖσαι, χρύσιον λίποισαι. Ebenso in der feierlichen Weis- 
sagung a 40: ἐκ γὰρ Ὀρέσταο τίσις ἔσσεται ”Argeldao. [Vgl. auch , 
zu A 96 und im Allgemeinen Holzapfel über den Gleichklang bei 
Homer (Zeitschr. f. Gymn.) Berlin 1851 und 1854.] Nur mehr- 
silbige Endungen können als Reime auf einander bezogen werden. 
Es finden sich dieselben entweder am Ende zweier Verse oder 
am Ende von Vershälften. Dieser Gleichklang ist in der classi- 
schen Poesie meistens unabsichtlich, jedoch nicht immer. Zur Ab- 
stammung von μοῦσαι bemerkt; G. Autenrieth Folgendes: “Wenn- 
gleich Mnemosyne erst in den Hymnen und bei Hesiod als Mutter 
der Musen erscheint, so zeigt doch schon der blosse Name der 
letzten (μοῦσα aus μοντία: G. Curtis Etym. Nr. 429, abgesehen 
vom Eingang der beiden homerischen Epopöen), dass sie es ist, 
welche κλέα ἀνδρῶν καὶ ἐσσομένοισι πυϑέσϑαι überliefert.” — Zu 
Vers 486 hat Bekker Hom. Blätter 5. 289* wegen des Gedankens, 
dass das Wissen eigentlich nur den Göttern zuständig sei, die 
Worte ἀκοήν γ᾽ ἔχω λέγειν τῶν προτέρων, τὸ δ᾽ ἀληϑὲς αὐτοὶ (οἵ 
ϑεοῖ) ἴσασιν Plato Phaedr. p. 96, 5 verglichen. Eine bekannte 
Nachahmung ist Soph. Ai. 23 ἔσμεν γὰρ οὐδὲν τρανές, ἀλλ᾿ ἀλώ- 
μεϑα. Und die letzten verblassten Ausläufer dieses gefeierten Verses 
haben wir in ‘nikil enim habeo praeter auditum’ (Cie. de 
Off. 1 10) und ähnlichen Wendungen bei den Römern. — Vers 
489. Diese Stelle hat auch der Dichter Hostius wiedergegeben 
nach Macrob. Sat. VI 3. Vgl. Weichert in poetarum Lat. Hostü 
cet. relig. p. 15. Sodann Claudian. I ὅδ; XXVIII 436. Aeschin, 
Epist. X 1 p. 680. — 490. [Ueber φωνή vgl. Mayer Studien zu 
Homer, Sophokles etc. p. 22 f.] — Vers 491 bis 493 hat Bekker 
mit Heyne athetiert: ohne zwingenden Grund. [Raspe a. O.p. 14 f. 
verwirft nicht bloss mit Bekker 491--493, sondern auch schon 
die vorhergehenden Verse 488—490 wegen des abenteuerlichen 
und foreierten Charakters, den die Stelle trägt. Man wird ihm 
ausserdem zugeben müssen, dass der Uebergang von 490 zu 494 
nach Streichung der dazwischen liegenden Verse etwas Schroffes 
hat, während an 487 sich die Aufzählung selbst in 494 ohne 
Anstoss anreihen kann. Ja es ist dies gerade die echt homerische 
Weise, wie die entsprechenden zu 484 angeführten Stellen zeigen, 
unmittelbar nach Anruf der Musen und Stellung der Frage ohne 
weitere Reflexion die Antwort zu geben. Vgl. dagegen L. Lange 
der homerische Gebrauch der Partikel εἰ Ip. 158 und 172, welcher 
keinen Grund zur Athetese sieht und meint, der Dichter rufe die 


-- 188. — 


Musen zwar nicht direct, aber indirect auch für die Aufzählung 
der πληϑύς an]. 

494. Nach Ottfried Müller und J. F. Lauer Quaest. Hom. 
I p. 84 soll dieser Katalog böotischen Ursprungs sein theils wegen 
des Anfangs, da die Böoter sonst in der Ilias keine hervorragende 
Rolle spielen, theils wegen des Umstandes, dass die katalogisie- 
rende Methode zum Wesen der Hesiodeischen Poesie gehöre. Diesem 
Urtheil haben C. A. J. Hoffmann im Philol. III S. 203, A. Mommsen 
im Philol. V S. 526 und Andere beigestimmt. Aber hier- 
gegen haben H. Düntzer in den N. Jahrb. für Philol. 1852 Bd. 
64 8, 125 und W. Bäumlein in Fleckeisens Jahrbb. 1857 Bd. 75 
$. 40 begründeten Einwand erhoben. H. Köchly De genuina cata- 
logi Hom. forma (Zürich 1853) hat im Anschluss an den ver- 
meintlich böotischen Ursprung eine strophische Gliederung des 
Schiffskatalogs, und zwar die für Hesiodos angenommene Fünf- 
zahl von Versen mit Scharfsinn nachzuweisen versucht, und 
diese in seiner Ausgabe p. 53 844. vor Augen gestellt, mit Bei- 
stimmung von Ὁ. Ribbeck in “Neues Schweiz. Museum’ 1861 8. 
218 fl. und von Andern. Nach dem überlieferten Texte ergeben 
sich von selbst folgende zehnzeilige Strophen: 484- 498; 517— 
526; 536—545; 559—568; 581—590; 615—624; 738— 747; 
und fünfzeilige: 671—675; 676—680; 711—715; 729—733; 
756—760. Aber an den übrigen Stellen hat H. Köchly diese 
Fünfzahl nur auf mehr oder weniger gewaltsame Weise herstellen 
können: mehrere Fälle dieser Art behandelt W. Baeumlein a. a. Ὁ, 
8. 42 ἢ. Th. Bergk in der Griech. Litt. (Allg. Encykl. der 
Wssten und Künste Erste Section LXXXT) 8. 326 urtheilt nach 
Erwähnung von Köchlys ‘scharfsinnigen’ Abhandlungen und dessen 
Ausgabe der Ilias also: ‘Dabei wird zugleich der Versuch gemacht, 
die moderne Strophentheorie, die freilich dem griechischen Epos 
durchaus fremd ist, durchzuführen.” [Vgl. denselben griech. Lite- 
raturgesch. I p. 559, Anm. 16 und H. Lutze de Homericorum 
carminum ratione strophica, Sorau 1871 und dazu Giseke im Philol. 
Anzeiger IV p. 551.] Aber die Anfünge dazu in vereinzelten 
Stellen wird man wohl nach dem überlieferten Texte anerkennen 
müssen. Namentlich dürfte auf allgemeinere Beachtung und Bei- 
stimmung Anspruch haben was H. Köchly De Iliadis carminibus 
diss. IV p. 15 sq. in folgender Beschränkung erörtert hat: “Poetas 
Homericos, qui carmina non legentibus scriberent sed audientibus 
recitanda et mente tantum linguaque componerent et solius memoriae 
ope sibi retinerent aliisque traderent, ipsius instinctu naturae ad id 
artificium adduci necesse erat, quo non solum canentium memoria 
sublevaretur et auscultantium audientia adiuvaretur, sed etiam ipsum 
carminis corpus quasi membris quibusdam integris artioulisgue con- 
gruentibus distingueretur. hinc inventum, ut fere et narratarum rerum 
series δὲ orationum tenor sermonumque altercatio in particulas quas- 


— 19 — 


‚dam divideretur, quae commode stropharum vel ternariarum vel qua- 
ternariarum vel etiam quinguenariarum — nam his quoque genealogiei 
carminis proprüs locus est apud Homerum — finibus includi pos- 
sent. ei legi vero et ad cantoris audientiumque commoditatem et ad 
ipsius carminis gratiam augendam inventae minime in servilem mo- 
dum ita se addixerunt, ut etiam contra ipsam illam legis causam 
versuum strophicorum numerum atque cohaerentiam retinuerinf. imo 
nec, ubicungue aut brevior sententia vel succincta notitia inserenda 
esset, ibi singulos binosve versus interponere dubitaverunt, quod ple- 
rumque in solemnibus illis de loquendo de edendo ceteraque vita quo- 
tidiana formulis usu venit, et ubi sententiae ambitus atque copia 
maior videretur, quam quae arctis strophae cancellis commode cir- 
cumscribi posset, in longiorem etiam plurium versuum seriem exspa- 
tiati sunt, id quod inprimis et in similibus accuratissime ad veri- 
tatem depictis et in concitati animi multum fluenti oratione obser- 
vare licet.” Nicht minder beachtenswerth ist, was H. Köchly ebendas. 
p. 18 über die Art des Vortrags in Bezug auf die absoluten 
Gegner der Strophentheorie also bemerkt hat: “Quibus hominibus 
libentissime hoc ego concedo ea ratione, qua ipsi fortasse certe per- 
multi alii non solum Homerum, sed omnes omnino poetas etiam ver- 
naculos legere soleant sive secum mussitantes sive coram alüs debla- 
terantes, nec strophicam Homeri nec ullam ullius poetae artem 
audientium auribus percipi posse. verum enim vero longe alia res 
erat non solum in ipsis illis antiquis poetis, quos citharae non con- 
tinuo cantu certos modos edidisse sed intercidentibus per intervalla 
quaedam pulsibus recitati carminis partes particulasque distinxisse 
satis constat, sed etiam in recentioribus rhapsodis, quos etiam abiecta 
cithara ex tradito declamandi more vocis intermissiones morasque re- 
tinuisse ad singula orationis membra articulosque distinguenda tam 
apertum est atque necessarium, ut id nemo, qui rite deelamare didi- 
cerit, negare ullo modo possit. ita igitur si iam Homerum clara 
voce certaque arte recitare studeas, stropharum, quae quidem vere 
sunt, ambitum consensumque sua sponte ad audientium aures mentes- 
que permeare facile senties’ — Was nun die materiale Seite dieses 
Namenregisters anbetrifft, so darf ein heutiger Leser nicht ver- 
gessen, dass die alten Hellenen an solchen Aufzählungen ein be- 
sonderes Wohlgefallen hatten: vgl. den Anhang zu o 254. Dieser 
Schiffskatalog aber stand bei den Griechen in so hohem Ansehn, 
dass sogar Streitigkeiten nach den Angaben dieses Kataloges ge- 
schlichtet wurden: nach der Bemerkung des Eustathius οὕτω δέ, 
φασίν, ἡδὺς καὶ μεγαλοπρεπὴς ὃ κατάλογος, ὥστε καὶ πόλεις ἀμφισ- 
βητοῦσαι Ὁμηρικοῖς ἔπεσιν ἐχρήσαντο πρὸς λύσιν ἔριδος. Wurden 
doch die griechischen Knaben nach diesem Katalog in der Geo- 
graphie unterrichtet und galt doch bei einigen die gesetzliche Vor- 
schrift, diesen Katalog im Gedächtniss zu haben: vgl. Lehrs de 
Arist.? p. 237. Unter den Alten haben Strabo VIII—X und 


— 140 — 


Andere über diesen Schiffskatalog besondere Commentare ge- 
schrieben. Eine eigenthümliche Ansicht über die jetzige Anord- 
nung desselben entwickelt Gladstone Hom, Stud. von Alb. Schuster 
8. 107 #. [Vgl. jetzt auch die Einleitung p. 97 #.] — Vers 506. 
ἄλσος wird noch immer von Manchem mit dem Schol. zu Pind, 
ΟἹ. III. 31 als χωρίον ἀφιερωμένον ϑεῷ gedeutet (die vollständige 
Angabe steht auch bei Wunder zu Soph. El. 5): aber dagegen 
vgl. Lobeck’s Briefe, herausg. von L. Friedländer 8. 212 ἢ, 

514. Andere wie G. Hermann in der Leipziger Literatur- 
Zeitung 1803 8. 56 (Recens. der Heynischen Ausgabe) und Freytag 
wollen die Worte ὑπερώιον εἰσαναβᾶσα eng mit ”4enı verbinden. 
Aber dann würde der persönliche Dativ in dieser Verbindung 
höchst auffällig sein und durch keine Parallele aus Homer sich 
begründen lassen. J. U. Faesi hat bemerkt: “In τέκεν .---εἰσανα- 
βᾶσα ἤάφηι sind die Bestimmungen mehrerer Sätze durch ein- 
ander gemengt; ὑπερώιον eisavaßdcıı würde eigentlich zum folgen- 
den παρελέξατο (εἰσαναβάσῃ) gehören, vgl. IT 184 f” Bei diesem Ur- 
theil nun möchte nur noch der Zusatz nothwendig sein, dass 
solche Fehler ganz unbestreitbar eine Interpolation verriethen, wie 
Köchly De genuina catalogi Hom. forma p. 23 diese Stelle vom 
Lachmann’schen Standpunkte aus sehr sinnreich behandelt hat. 
Ich zweifle indes, ob man den vor Peisistratos lebenden Dichtern 
solche Unkenntniss des Griechischen zuschreiben dürfe. Mit Recht 
giebt W. Baeumlein in Fleckeisens Jahrbb. 1857 Bd. 75 8. 45 
dagegen die Bemerkung ‘dass wenn τίκτειν vom Vater gebraucht 
wird, es bei der Mutter auch das coneipere in sich begreifen 
muss, worauf auch die Construction mit ὑπό und Dativ führt: vgl. 
B 128. E 313, namentlich B 742 f., wo ἤματι τῷ ὅτε are. jeden 
Zweifel beseitigt” Auch B 714. 820. H 469. # 492. Daher 
bleibe ich bei dem einfachen Sinne, den die überlieferten Worte 
darbieten. [Vgl. dagegen Raspe der sogenannte Schiffskatalog 
p. X, der 513—515 als Interpolation verwirft.] — “Die παρϑένος 
wird αἰδοίη genannt, weil es für eine Auszeichnung galt, vom 
Stammgotte des Volkes Kinder zu gebären: vgl. IT 175 bis 192. 
E. R. Lange in Ms. — V. 519. Stat. Theb. VII 344. [Die Be- 
nennung der Stadt nach der Cypresse verräth phönizischen Einfluss, 
da die Phönizier den Baum schon in ältester Zeit überall ver- 
breiteten, wo sie sich niederliessen und wo das Klima es erlaubte: 
vgl. Hehn Kulturpflanzen und Hausthiere p. 194 £.] 

522. Dass ὅς τέ da ungriechisch sei, hat schon G. Hermann 
zu hymn. in Apoll. 390 bemerkt und dann Folgendes hinzugefügt: 
‘Semper ὅς δά re dicitur: apud Homerum quidem his loeis: T 61. 
4 483. E 137. I 504. N 63. 796. O 411. 631. II 590. P 134. 
549. 674. 2 319. T 31. Φ 283. 494. X 23. W 517. 2 415. 
ı 187. A 414. u 39. ο 319. x 403. Sic etiam ἐπεὶ ἄρ τε, ὅτε 

‚ πέρ τε, τὸν μέν te εἰ quac sunt huius generis alia; numquam ἐπεί 


— 141 — 


τέ δα, ὅτε τέ περ, τόν τε μέν Aber die nicht enklitische Form 
ἄρα ist dort unerwähnt geblieben: ὅς τ᾽ ἄρα findet sich schon bei 
Homer so gut wieris τ᾽ ἄρα, τίπτε τ᾽ ἄρα, πῶς τ΄ ἄρα, πῇ τ᾽ ἄρα, 
vgl. die Stellen im Anhang zu « 346 und bei Baeumlein über 
Griech. Part. 5, 232. — Ueber die verschiedenen Flüsse, die den 
Namen Κηφισός führten, vgl. Pauly Real-Eneyelopädie unter Ce- 
phissus. — Vers. 526. ‘Dieses ἔμπλην (selten und verschieden 
von dem spätern ἔμπλην) scheint von der Wurzel πεῖ in πέλας 
πλησίον (G. Curtius Etym.? zu Nr. 367) zu stammen und wie 
ἔμπαλιν ein Locativ zu sein, nur mit der alten (im Skt. dunkeln: 
Schleicher Compend. $ 254) Endung —dm = —av, —yv, also 
wörtlich in der Nähe, und deshalb mit dem Genetiv, genau wie 
Skt. sannidhau, samipe, antike (in der Nähe)” G. Autenrieth. 
[Anders Schaper quae genera compositorum ap. Hom. distinguenda 
sint p. 9 und in Kuhn’s Zeitschr. XXII p. 528: πλὴν adverbieller 
Aceus. eines Nomens πλὴ aus πολή, wie ὁμοκλή aus ὁμοκαλή, von 
W. πελ--- in πέλομαι, = prope oder in eodem loco versantes.] 
530. 6. F. Unger im Philol. Suppl. II 5. 674 bemerkt 
hierzu: “Gerade für einen lokrischen Helden war diese Bezeichnung 
seines Waffenruhmes angemessen, da er ja auf der Grenze von 
Hellas und μέσον ”Agyog wohnte, Auch dieser Vers wird auf die 
Autorität Aristarchs hin verworfen, und auch für ihn hatte dieser 
Kritiker keinen andern Verdachtgrund, als den irrigen, dass der 
Name Hellenen hier in modernem Sinn von den Griechen über- 
haupt gebraucht sei. Heutzutage darf man billig den Katalog 
als ein in die Iliade eingeschobenes Stück nach seinem eigenen 
Sprachgebrauch beurtheilt verlangen’ usw. [Vgl. dagegen die 
Kritik der Verse von Pappenheim im Philol. Suppl. II. p. 52 ff. 
— Ueber die linnenen Panzer spricht Hehn Kulturpflanzen und 
Hausthiere p. 101. 104.] — Vers 531. Die Stadt Καλλίαρος war 
schon im Alterthum verschwunden, dagegen führte noch die Ebene 
diesen Namen, ἃ. i. nach G. Autenrieth ἱκαλλ-ίαρος schönsaftig: 
äolisch ἰαρός = ἱερός in seiner Urbedeutung.’ Vgl. G. Curtius 
Etym. Nr. 614. Ueber die Lage sagt Conrad Bursian Geogr. 
von Griech. I 5. 190 Folgendes: “Von Küvog zieht sich südwärts 
bis zu den Hügeln, welche die Grenze gegen Boiotien bilden, eine 
3 Stunden lange, fruchtbare, von mehreren Bächen bewässerte 
Ebene, von den Alten Καλλίαρος genannt, an deren südlichem Ende, 
3 Stunden von Kynos, Y, Stunde von der Küste des tief ins Land 
eingreifenden Opuntischen Meerbusens Ὀποῦς, die Metropole der 
Lokrer, gelegen war.’ Und hierzu bemerkt mir G. Autenrieth: 
‘Kein Wunder, dass dann Ὀπόεις = dmb—Fevr—g in der Nähe an 
deren Ende lag, mag man es nun als saftreich (von ὁπός: G. 
Curtius Etym. Nr. 628) oder der Bedeutung nach passender als 
wasserreich deuten, ganz das Skt. apavant; das a dieses Stammes 
hat sich im Griechischen nur im Inlaut gehalten: G. Curtius Etym.? 


_— 12 — 


8. 412’ — Vers 532. Ueber Βῆσσα, Σκάρφη und die andern hier 
erwähnten Ortschaften vgl. Conrad Bursian Geogr. von Griech. I 
8. 189 ἢ — 535. [Ueber die an πέρην sich knüpfenden Fragen 
hinsichtlich des Standpunktes des Verfassers des Katalogs vgl. 
Benicken das dritte und vierte Lied vom Zorme des Achilleus, 
Halle 1874 p. 5 und die Einleitung 99.] — Vers 538. Statt der 
Ueberlieferung hat Bekker aus Conjectur Aiov gegeben mit Ver- 
gleichung von 501. 505. 546. 569. 584. — Vers 542. Zu”4ßev- . 
τες ὄπιϑεν κομόωντες vgl. ausser Strab. X p. 713° und Plutarch. 
Thes. c. 5 auch Dio Chrysost. or. II p. 76 f.; VII p. 221, sowie 
Herod. IV 180: of μὲν Μάχλυες τὰ ὀπίσω κομέουσι τῆς κεφαλῆς, 
οἵ δὲ Αὐσέες τὰ ἔμπροσθε. Und Stat. Theb. VII 369: in terga 
comantes. — 547. Plutarch. Thes. c. 25. Ammian. Marc. XVI 
15. — Vers 550. Der Athene werden als einer weiblichen Gott- 
heit Kühe und Schafe, nicht aber Stiere und Widder geopfert: 
Z 93. 274. 308. A 729. y 382 fi. 418 fl. δ 764. Daher be- 
zieht sich, wie schon die Alten bemerken, μέν auf Ereehtheus. 
[Ueber die Verbindung der Athene mit Erechtheus vgl. Welcker 
griech. Götter]. II p. 284, auch Preller im Philol. VIL p. 15.] 
553—555. Was die Athetese dieser drei Verse betrifft, so 
erwähne ich die Sachlage mit den Worten von M. Sengebusch Ho- 
merica diss. I p. 149: “Zenodotum eos versus pro spurüs habuisse 
(ἀϑετῆσαι) narrat Aristonicus, Aristarchum contra pro genwinis; 
Herodotum eos ita respicere vidisti libri 7 capite 161, ut non modo 
Herodotum ipsum sed et illius et belli Persici temporibus universam 
Graeciam eos pro genuinis habuisse pateat. Accedit hac in re Hero- 
doti testimonio epigramma memoratum illud apud Aeschinem Ctesi- 
phont. 8 185.’ Ueber dieses hat er ebendas. p. 108 Folgendes 
bemerkt: “Ibi narrat Aeschines tempore belli Medici qui Medos 
vieissent ad Strymonem fluvium Aihenienses a populo Atheniensium 
inscriptionibus tribus esse laudatos, e quibus tertia haec fuerit: 
"Ex more τῆσδε πολῆος ἅμ᾽ ᾿Ατρείδῃσι Μενεσϑεὺς 
ἡγεῖτο ξάϑεον Τρωικὸν ἂμ πεδίον, 
ὅν ποϑ᾽ Ὅμηρος ἔφη “4Ἕαναῶν πύκα χαλκοχιτώνων 
κοσμητῆρα μάχης ἔξοχον ἄνδρα μολεῖν. 
οὕτως οὐδὲν ἀεικὲς ᾿4ϑηναίοισι καλεῖσϑαι 
κοσμητὰς πολέμου τ᾽ ἀμφὶ καὶ ἠνορέης.᾽ 
Und hierzu hat er in der dissert. II p. 110 noch hinzugefügt: 
“quocum loco conferas Plutarchi Cimon. 1. Denselben Stoff be- 
handelt von Neuem Lehrs Epimetra zu Arist.? 8. 445 f. — Vers 
554 erwähnen auch Plutarch. Sympos. I 2, 2 p. 615°. Themist. 
or. VII p. 116"; eine Anspielung bei Aelian. N. A. X.8 2. E. 
Den Menestheus in dieser Eigenschaft berühren Xenoph. de Venat. 
ce. 1, 12. Philostr. Heroic. ο. 2, 16 p. 689. 
558. Die Nachrichten der Alten über die Interpolation dieses 
Verses hat Max Sengebusch Hom. dissert. posterior p. 109 am 


-- 14 — 


übersichtlichsten also zusammengefasst: “De Salamine insula inter 
Athenas et Megara sita inde ab eo tempore, quo Dorienses Megara 
occupaverunt, Megarenses et Athenienses videntur litigasse. Solon effecit, 
ut ab Atheniensibus Megarenses vi armorum expellerentur ex insula, 
quam ut ad Athenienses olim pertinwisse demonstraret, in catalogo 
navium Iliaco post versum B 557 insinuavisse ferebatur versum 
558 στῆσε δ᾽ ἄγων, ἵν᾽’ ᾿Αϑηναίων ἵσταντο φάλαγγες. Alii tamen 
hanc quoque interpolationem ad Pisistratum referebant; alii Athe- 
nienses auclores dixisse satis habebant. Vide Strabon. IX 394. 
Eustath. B 557 p. 285, 3 et 38. Scholl. Bekk. Bachm. B 557. 
Plutarch. Solon. 10. Aristotel. Rhet. 115. Diog. Laert. I 48. Scholl. 
Demosth. De falsa legat. $ 251. Quinetil. V 11. Conf. vit. Pseudo- 
herod. 28. [Man könnte auch Pausan. I 40 und 45. Polyaen. 
strateg. I 20 hinzufügen.] Alexandrini grammatici Aristarchus- 
que versum ambiguum 558 reiecerunt, non quod fama quaedam eum 
damnaret, sed quod adversaretur aliis Iliadis locis, quos genwinos 
esse constat. Vide Strabon. 1. ὁ. Eustath. B 557 p. 285, 3. scholl. 
A ad T 230. 4 251. Lehrs Arist. p. 230. 349.’ Freytag zu 
unserer Stelle hat noch folgende Vermuthung ausgesprochen: “Veri- 
similius autem, si quid mutatum est a Solone, hunc versum ab 
ipso pro alio vel pro aliis substitutum, quam uno {lo praeter 
consuetudinem totam Salaminiorum Aiacisgue mentionem a poela 
fuisse absolutam’ Doch darüber ist uns von den Alten keine 
Notiz überliefert. Vgl. auch Lehrs Epimetra zu Arist.? 8. 447 
[und Bergk griech. Literaturgesch. I p. 562]. 


559. Der Nominativ Tiguvg, den noch Göttling zu Hesiod. 
seut. 81 für eine Fiction der Grammatiker erklärt und Lobeck 
Paral. I p. 167 unerwähnt gelassen hat, findet sich bekanntlich 
in einem dichterischen Fragmente bei Hephaest. p. 4 ed. Lips. 
Auch wissen wir jetzt, dass von v& vor o das ν zurückbleibt in 
ἕλμιν-ς und Tigww-s. Vgl. G. Curtius Schulgr. $ 50. Anm. 2. 
Ueber das Beiwort τειχιύεις vgl. wegen der Bildung zu τ 33 und 
wegen der Bedeutung Hugo Weber im Philol. XVI 8. 700 ἢ und 
Overbeck Gesch. der griech. Plast. I S. 33. — Vers 569. Seneca 
Epist. 66, 26 sagt ‘Mycenarum mobiles muros. — Vers 573. 
Wegen Γονόεσσα vgl. G. Curtius Etym. Nr. 137. 


570. [Ueber das hohe Alter des korinthischen Handels vgl. 
'Thukyd. I, 18 und mehr bei Büchsenschütz Besitz und Erwerb 
im griech. Alterth. p. 367 fi. 


580. Bekker hat nur diesen Vers athetiert, während Zeno- 
dotos nach dem Berichte des Aristonikos auch 579 hinzunahm, 
was dann nothwendig sein dürfte. Denn wenn 580 allein fehlte, 
80 würde man geneigt sein, die Worte πᾶσιν δὲ μετέπρεπεν ἡρώ- 
2001» wegen des unmittelbar vorhergehenden nur auf den Vorzug 
und Glanz der Waffenrüstung zu beziehen. Vgl. auch Düntzer de 


—_ 14 — 


Zenod. p. 183. Ueber ὅτι (nach der gewöhnlichen Lesart ὅτι πᾶσι 
statt πᾶσιν δέ) und οὕνεκα bemerkt Schömann Opuse. II p. 455 
not. 20 Folgendes: “in hoc duas causales enuntiationes habemus, alte- 
ram, quoniam alterius causam affert, huic per solam causalem con- 
Junctionem sine copula connexam, quae addenda fuisset, si utraque 
'pariter ad unum κυδιόων pertinere> Aber diese Verbindung wäre 
im Homer vereinzelt, klänge auch nicht recht poetisch. — Vers 
583 hat Meineke zu Callimach. p. 303 Βρυσσειώς mit verdoppeltem 
Sibilanten vermuthet. — 592. Ueber den Accent in Amy vgl. 
Lehrs de Arist.? p. 292 sqq. — Vers 595. Θάμυριν. Vgl. Jaco- 
bitz zu Lueian. Pisc. 8. Reviv. c. 6. 

597. [Zur Auffassung des Concessivsatzes εἴ περ ἄν vgl. L. 
Lange der hom. Gebrauch der Partikel εἰ II p. 514 f.] 

599. Das Wort πηρός, ein ἅπαξ εἰρημένον, erklürt Doederlein 
Hom. Gloss. $ 812 (nach dem Vorgange des Aristarch: vgl. Lehrs 
de Arist.? p. 190) von der Stimme: ‘Das Allernatürlichste war es, 
dass die Musen den anmasslichen Sänger stumm machten, πηφὸν 
τῆς φωνῆς; diese nähere Bestimmung durfte der Dichter darum 
hinweglassen, weil sie aus 595 παῦσαν ἀοιδῆς leicht sich errathen 
liess” Ebenso nur etwas erweitert deutet Gladstone Hom. Stud. 
von Alb. Schuster $. 153 das ‘verstümmelt’, indem er (wie schon 
Aristonikos) bemerkt dass Blindheit ‘für den Sänger keine Strafe 
war’ und nun fortfährt: “Wohl aber war die Beraubung der 
Stimme oder der Hand als der für die Ausübung seiner Pro- 
fession erforderlichen Organe eine Strafe für den Sänger, und auf 
eine solche Beraubung dürfte der Ausdruck πηρός weit richtiger 
bezogen werden.’ Aber beide übergehen eine Hauptsache, nemlich 
wie zu dieser Auffassung das folgende αὐτάρ passe. Denn diese 
Partikel wird bekanntlich nie bei der Erklärung gebraucht, wie 
es dann hier der Fall sein würde, sondern stets nur bei entgegen- 
gestellten Sätzen oder bei der Einleitung einer neuen Scene: vgl. 
Baeumlein über Griech. Part. 5, 51 f. [Diese Auffassung der Par- 
tikel ist zu eng, vgl. Lexicon Hom. 5. v. αὐτάρ. Dass dieselbe 
auch zwei in einem gewissen Kausalzusammenhang stehende An- 
gaben verbinden kann, ist wegen des darin enthaltenen ἄρα an 
sich begreiflich und durch Stellen, wie B 465 zu erweisen. Andrer- 
seits lässt sich nach παῦσαν ἀοιδῆς 595 schwerlich erwarten, dass 
die von den Musen verhängte Strafe in Blindheit bestand, welche 
gerade mit der Gesangesgabe vielfach verbunden erscheint. Hätte 
der Dichter die in den Sagen von Teiresias, Daphnis, Stesichoros 
und Homer selbst vorliegende Verbindung der Blindheit mit der 
Gesangesgabe vor Augen gehabt, wie Ameis wollte, so würde er 
darauf deutlicher hingewiesen haben, wenigstens durch ein vorbe- 
reitendes μέν bei πηρόν. Zur Etymologie dieses Wortes vgl. 
Curtius Etym. p. 273 und dagegen Brugman in Curtius Stud. 
IV. p. 154, 37.] — Vers 605. Stat. Theb. IV 295. — Vers 614 


— 14 — 


berücksichtigen auch Philostr. Heroic. p. 688 f. ed. Olear. Themist. 
or. XXIV p. 3054. 

616. In ὅσσον ἐφ᾽ will C. A. J. Hoffmann Homerische Unter- 
such. Nr. 2 (Lüneburg 1858) nur ‘die Tmesis von ἐπεέργει er- 
kennen. Denn nur mit hinzugefügtem τέ scheint bei Homer ἐφ᾽ 
ὅσον nachweisbar zu sein (man denke an das bekannte οἷός τέ 
εἰμι), während ἐπὶ τόσσον ohne τέ nicht angezweifelt werden kann.” 
Ebenso sagt Fr. Otto Beitr. zur Lehre vom Relativum bei Homer. 
Th. IS. 6 dass ‘B 616. Ψ 251 in ὅσσον ἐπί Tmesis stattfindet.’ 
So hat auch schon Damm unter ἐπεέργω geurtheilt. Aber mir 
scheinen drei Gründe dagegen zu sprechen: Erstens ist das Com- 
positum ἐπεέργω aus Homer nicht weiter nachweisbar, und die 
Präposition hätte auch hier keine passende Beziehung, so dass sie 
als bedeutungslos erscheinen müsste. Anders in der von Otto er- 
wähnten Parallele # 251 ὅσσον ἐπὶ φλὸξ ἦλϑε, ‚wo der Sinn von 
ἐπῆλθε “hinkam, dazukam, ἃ, i. einnahm’ nicht die geringste 
Schwierigkeit bietet. Zweitens ist mir keine Stelle bekannt, wo 
die Präposition im Anfange des ersten und das dazu gehörige 
Verbum am Schlusse des folgenden Verses stände. Hierzu kommt 
drittens, dass ὅσος als Object, wie es in den Parallelstellen der 
Fall ist, sich im Genus jedesmal nach dem Nomen richtet, zu 
dem es die Erklärung bildet: so ὕσσους B 845. ὅσα I 404. ὅσην 
Σ 512. X 121. ὅσον 2 544. Daher würde die homerische Ana- 
logie hier als Object ὅσσην Ὑρμένη verlangen. Aus diesen drei 
Gründen bin ich bei der Erklärung der Alten geblieben, indem 
die Schol, AD. erläutern: ἐφ᾽ ὅσον ἐντὸς συνεῖχον und der Para- 
phrast bei Bekker: ἐφ᾽ ὅσον ἐμπεριέχει (ἢ ὁρίξει). Dieser Ansicht 
folgen auch Heyne, Spitzner und Andere. Da man nemlich τόσσον 
ἔπι ohne τέ sagt, so kann auch ὅσσον ἔπι im Vergleich zu dem 
sonstigen ὅσον τ᾽ ἐπί (vgl. den Anhang zu ν 114) einen begrün- 
deten Anstoss nicht erregen. Das Object aber, welches zu ἐντὸς 
ἐέργει notlwendig ist, ergänzt sich aus dem unmittelbar voraus- 
gehenden Ἤλιδα δῖαν mit einem “es” von selbst, wofür es im 
Homer zahlreiche Parallelen giebt. Was sodann die erwähnten 
vier Orte betrifft, so begrenzen dieselben jenes Thal, das später 
sogenannte κοίλη Ἦλις, nach allen vier Himmelsgegenden. Zu den 
folgenden Versen hat Ὁ, Müller im Rhein. Mus. 1834. II S. 176 
bemerkt, was vielleicht schon die Scholl. BL. mit ἔδειξε τὴν διαί- 
φεσιν τῆς ἀρχῆς andeuten wollen, nemlich dass “bei Homer selbst 
in den vier Anführern und vierzig Schiffen, welche den Eleern, 
den alten Bewohnern der Κοίλη Ἦλις, im Schiffsverzeichniss zu- 
getheilt werden (B 618. 619), eine Anspielung zu liegen scheint 
auf die vier Phylen des alt-eleischen Landes.’ Bei dieser An- 
nahme erklärt sich zugleich die Erscheinung, dass in der Ilias 
noch andere Anführer der Epeier ohne Anstoss genannt werden 
können, wie O 518. 519 Ὦτος und N 691. 692 Μέγης, ᾿Αμφίων, 


Anhang zu Ameis, Homers Ilias I. 10 


— 16 — 


Aganlog. Andere erklären solche Differenzen aus der Annahme 
verschiedener Verfasser oder verschiedener Lieder, wie Spohn de 
agro Troiano p. 24. 

633. Die Verse 632 und 633 enthalten eine Angabe der 
Haupttheile von der Insel Ithaka, als dem Stammsitze des 
Kephallenenfürsten. Mit Recht sagt Heyne: ‘Si Homerum ipsum 
sine interprete legeris, υἱῷ aliter statuas, quam versus 632. 633 ad 
Ithacam spectare, et esse Ithacam urbem, tum Neritum montem, ergo 
et Crocylea et Aegilipem in ea insula fuisse” Zuerst wird die 
Stadt Ithaka genannt. Dass nemlich mit den Worten or 6 
᾿Ιδθάκην εἶχον nicht die ganze Insel gemeint sein kann, geht aus 
den folgenden Worten καὶ Νήριτον εἰνοσίφυλλον hervor, man müsste 
denn Neriton mit den Späteren (Ovid. Met. XIII 712; Verg. Aen. 
ΠῚ 271; Plin. N. H. IV 12) ebenfalls für eine Insel ansehen, was 
heut zu Tage Niemandem mehr einfallen kann. Auch die bekannte 
Verbindung des Ganzen mit dem Theile, wie in Φοινικέην — 
Σιδονίους (ὃ 83), Ἴδην — Γάργαρον (Θ 47), Τρῶάς τε καὶ Ἕκτορα 
(N 1), Πριάμῳ καὶ Τρωσί (Β 160) und speciell in B 615 und 
625, ist hier nicht anwendbar, weil das Ganze bereits mit Κεφαλ- 
λῆνας 631 vorhergeht, gerade wie 581 die Landschaft Δακεδαί- 
μονα in Bezug auf die folgenden vier Verse. Es wird daher 
nichts übrig bleiben, als ᾿Ιϑάχην von der Stadt zu verstehen. Auf 
die Stadt Ithaka folgt das Hauptgebirge der Insel Neriton, von 
Hirten bewohnt, wovon der Neion einen nach der Stadt sich senken- 
den Ausläufer bildet; vgl. Völcker Hom, Geogr. $ 37. Hierauf 
folgen zwei Gaue Krokyleia und Aegilips. (In Lübkers Reallexikon 
unter Ithaka wird αἰγίλυψ irrthümlich als homerisches Beiwort 
von Ithaka betrachtet, wofür τρηχεῖα zu nennen war.) Lehrreich 
ist Stephanos Byz. unter ᾿ Κροκύλειον. Ἡρακλέων ὃ Γλαύκου τετρα- 
μερῆ φησι τὴν ᾿Ιθάκην, ἧς τὸ μὲν πρῶτον ἐπὶ μεσημβρίαν καὶ ϑά- 
λατταν [τὴν πόλιν ᾿Ιθάκην], καὶ τὸ δεύτερον Νήιον, καὶ τὸ τρίτον 
'Κροκύλειον, τὸ τέταρτον Αϊγιρῆα᾽ Aus den Abweichungen in den 
Namen ersieht man, dass Herakleon seine Eintheilung nicht aus 
Homer geschöpft hat, wodurch eben sein Zeugniss für unsere 
Stelle wichtig wird. Hiezu ist noch der Artikel δῆμος bei Stephanos 
zu vergleichen, wo es heisst Arjuog bedeute καὶ τόπον ἐν ᾿Ιθάκῃ, 
ὃν καὶ Κροκύλειον. Hiermit stimmen zusammen die Schol. AD. zu 
T 201 καὶ τόπος δέ ἐστιν ἐν ᾿Ιϑάκῃ Δῆμος καλούμενος. Andere 
Nachrichten, richtig verstanden, bestätigen diese Erklärung. So 
sagt der sogenannte Didymos in den Schol. min., Krokyleia und 
Aegilips seien Ortschaften ‘auf der Insel Kephallenia.” Aber das 
ist nur ein bei diesen Spätern gewöhnlicher allgemeiner und un- 
genauer Ausdruck statt ‘der Kephallenen auf Ithaka’, wie bei- 
spielsweise auch die Schol. AD. zu ἐν δήμῳ Ἰθάκης I’ 201 be- 
merken: περιφραστικῶς ἐν τῇ Ἰθάκῃ. ἔστι δὲ νῆσος τῆς Κεφαλ- 
Amviag’ Strabo VIII 6, 17 und X 2, 8 nennt Krokyleia und 


— 14 — 


Aegilips Städte in Akarnanien oder auf der Halbinsel Leukas, 
Stephanos Byz. unter AlylAıy in Epirus, und Thukyd. III 96 hat 
eine Stadt Krokyleion in Aetolien. Diese Angaben lassen sich in- 
sofern vereinigen, als die Grenzen dieser Länder in verschiedenen 
Zeiten sehr schwankend waren. Es sind aber diese Angaben für 
die Erklärung unserer Stelle deshalb wichtig, weil die Kephal- 
lenen unter Kephalos von Osten her nach den Inseln hinüberge- 
zogen sind: Hes. Theog. 986. Seut, zu Anfang; Apollod, I 9, 4. 
II 4,5 und 7. 11,5. III 5, 1; Strab. X 2, 15. 21. 25; Paus. 
127; Tzetz. zu Lycoph. 932; Et. M. unter Κεφαλληνία. Es ist aber 
nichts gewöhnlicher, als dass Namen aus der alten Heimath in die 
neue übertragen werden: vgl. Palmerii Antiqg. Graec. IV c. 22 
und 23. Manche dieser Beispiele erinnern recht lebhaft an das 
heutige Amerika, wo die deutschen Kolonisten die Namen für Ort- 
schaften nicht selten aus ihrer frühern Heimath .entlehnt haben. 
Das Resultat ist also folgendes, Während Krokyleia und Aegilips 
als Inseln [wie auch Buchholz homer. Kosmographie und Geo- 
graphie p. 146 annimmt], mag man darunter mit Kruse (Hellas 
8. 418 ff.) die winzigen Felseilande “Kalamata’ und “Nisiri‘ oder 
mit Rühle von Lilienstern (Ueber das Hom. Ithaka 8. 51*) die 
taphischen Inseln ‘Kalamo’ und ‘Meganisi’ verstehen, auf blosser 
Hypothese beruhen, haben wir dagegen über diese Namen als 
Gaue von Ithaka wenigstens dunkle Nachrichten aus der Sagen- 
welt, die eine Combination gestatten, wie sie oben versucht worden 
ıst. Die Sprachvergleichung wird noch zu untersuchen haben, ob 
etwa die Namen Κροκύλεια und Αἰγίλιψ mit den in der Odyssee 
erwähnten Localitäten, wie mit dem Koraxfelsen, einen identischen 
Sinn offenbaren. Wenn übrigens beide Namen von den Geographen 
und Historikern der spätern Zeit nicht mehr als Localititen von 
Ithaka aufgeführt werden, so hat dies für die Erklärung Homers 
keine wesentliche Bedeutung. Denn das homerische Ithaka ist 
wie nach seiner Lage (vgl. den Anhang zu ı 25) so nach der 
Schilderung seiner innern Beschaffenheit vorzugsweise ein Gebilde 
der Dichtung. Vgl. R. Hercher “Homer und das Ithaka der Wirk- 
lichkeit’ in Hübners Hermes I $. 263 f. Ueber die Frage, wes- 
halb gerade Ithaka ausersehen wurde, das Vaterland des Odysseus 
zu werden, wird 5, 268 mit Recht Folgendes bemerkt: “Wenn die 
unbewusste Sagenbildung aufhört, so fällt die Sage entweder der 
rationalistischen Auflösung anheim, oder sie wird localisiert und 
heftet sich an bekannte Gegenden. Als die Abenteuer des viel- 
gewanderten Odysseus, welche die Sage auf den Inseln des mythi- 
schen Westmeeres spielen lässt, ihren Ausgangspunkt und ihr 
Ziel finden sollten, da bedurfte es eines Landes, welches an der 
Grenze eben jenes Schauplatzes, des Westmeeres, lag. Und hiezu 
eignete sich nur Ithaka, das für den Glauben jener Zeit unter 
den westlichsten Ländern der bekannten Erde das westlichste war.’ 
10* 


-- 148 — 


Und hierzu die allgemeine unbestreitbare Wahrheit über Homer 
5. 269: “Denselben Glauben, mit dem er selber die Sagen der 
Odyssee empfieng und gestaltete, fand er auch bei seinen Zuhörern 
wieder, die seinen Liedern unbefangen und bewundernd lauschten, 
im äussersten Falle über das Unerhörte staunten, aber nie von 
den Zweifeln der Kritik beschlichen wurden. Und wie wäre es 
anders möglich gewesen in einer Zeit, wo aus dem Munde des 
Dichters der Gott selbst redete, und der gewöhnliche Verkehr 
mit der Götterwelt so wenig als aufgehoben angesehen wurde, 
als man etwa im heutigen Irland die Beziehung lebender Personen 
zu den Feen zu leugnen wagt?” Und 8. 273: “Dabei ist festzu- 
halten, dass Homer bei dem improvisatorischen Charakter seiner 
Poesie nicht eben ängstlich rückwärts oder vorwärts schaut, dass 
er nicht einen wohldurchdachten, detaillierten Plan der Insel und 
des Könighauses im Kopfe trägt, sondern dass seine localen Ein- 
zelnheiten lediglich aus der Situation erfünden sind” Aber trotz- 
dem wird es eine berechtigte Forderung bleiben, dass auch das 
Phantasiebild seine poetische Einheit haben müsse. Diesen 
letztern Umstand scheint mir R. Hercher mit Unrecht bei Seite 
zu lassen. 

639. Ὥλενος war wohl der Hauptsitz des Zeuscultus, den die 
Kureten mitgebracht hatten; die Stadt lag am Fusse des Arakyn- 
thos, wahrscheinlich am Acheloos. Vgl. Conrad Bursian Geogr. 
von Griech. I 8, 131. Mit Bezug hierauf bemerkt mir G. Auten- 
rieth: “Olenos konnte von einer ὠλένη des Arakynthos seinen 
Namen haben, ganz unabhüngig von der πέτρη Ὠλενίη. So ist 
nach der Aehnlichkeit mit dem Körpertheil das böhm. Elbogen 
(loket), Malmon von den Holländern ebenso, wohl auch der Berg 
an der Fuldaquelle benannt; desgleichen nach der Nase die in 
Schweizerseen vorspringenden Berge Nasen und Niesen, wie in 
den skandinavischen Reichen die Vorgebirge — naes heissen und 
in Norwegen sogar ein Nasa-fjord vorhanden ist.” — Vers 648, 
‘“Daisrog die Glänzendste, eine Superlativbildung wie es scheint 
von dem in φαιδρός erweiterten Stamm. Dies als Nachtrag zu 
220, zur Bildung von ἔχϑιστος, αἴσχιστος, ἐλέγχιστος (zu B 285). 
Auch Whitney im Journal of the Amer. Orient. Soc. V p. 210 
hat dieselbe Ansicht über diese Formen nachdrücklich ausgesprochen 
und noch unterstüzt durch den Hinweis darauf, dass im vedischen 
Skt. von jedem beliebigen einfachen oder eomponierten Stamm, 
mittels-tyans und ishfha die beiden oberen Steigerungsgrade ge- 
bildet werden können, wie mit anderen der Positiv.’ G. Auten- 
rieth. [Aristarch’s Schreibung ναιετοώσας statt ναιεταώσας ist ge- 
geben nach La Roche hom. Textkritik p. 310.] 

653. [Zu den folgenden Versen vgl. Bergk griech. Literatur- 
gesch. I p. 559 f. und p. 472.] 

661. Gewöhnlich liest man jetzt τράφη ἐν: eine blosse Con- 


-- 19 — 


jeetur von Barnes, der man Beifall schenkte in Erinnerung an 
T 201. 4 222. Die handschriftliche Lesart ist τρώφ᾽ ἐνί [vgl. 
übrigens La Roche krit. Ausg.], die Bothe und Freytag zurück- 
geführt haben, nachdem schon Buttmann Ausf. Spr. II 8. 307* 
dieselbe vertheidigt hatte. — ἐυπήκτῳ. Da εὖ in diesem Compo- 
situm wie in den übrigen Compositis stets in der Thesis steht, 
so hat Bekker mit Beistimmung der besten Autoritäten die Diä- 
resis durchgängig eingeführt. Das Wort ist ja ohnedies aus 
80-0-9=Skt. su entstanden. 

670. Die Worte ϑεσπέσιον πλοῦτον κατέχευε Κρονίων gaben 
Spätern Veranlassung zur Erdichtung der Fabel von einem goldenen 
Regen, den Zeus auf Rhodus fallen liess. Diese Sage wird von 
vielen erwähnt: vgl. die Stellensammlung bei R. Unger Theb. 
Parad. I p. 364 sqq. Man nahm nemlich bei dieser Erdichtung 
das Verbum κατέχευε in wörtlichem Sinne, da es doch offenbar 
metaphorisch gesagt ist, wie % 408. ß 12. 2 433. & 38. χ 463. 
Man übersah dabei auch das vorhergehende φίληϑεν ἐκ Aıög. Denn 
gottgeliebt und glücklich ist Eins, bestehe dieses Glück auch nur 
in Reichthum und Wohlstand, Ausserdem ist unsre Stelle mehr- 
fach von den Alten nachgeahmt worden. Das Zeugniss des Pindar 
benutzte Aristarch, um die Aechtheit des Verses zu erweisen. Vgl. 
Lehrs de Arist. p. 188; M. Sengebusch Hom. diss. I p. 168. Da- 
gegen haben Wolf und Bekker den Vers athetiert, während Ari- 
starch den vorhergehenden athetierte. — 671 ff. [Vgl. zu diesen 
Versen Gladstone homer. Studien bearbeitet von Schuster p. 441 £.] 
Vers 673 f. Vgl. auch Lucian. Ὁ. Mort. XXV 1; Amor. c. 24. 
Ovid. A. A. IT 109. — 678. Φείδιππος: Vellei. Pat. I 1.— Vers 
682. Ueber das Aristarchische Τρηχῖνα νέμοντο, statt des gewöhn- 
lichen Τρηχῖν᾽ ἐνέμοντο, vgl. M. Schmidt Philol. IX 85. 429. — 
V. 684. Das δ᾽ ἐκαλεῦντο, statt δὲ καλεῦντο, hat urkundliche 
Stützen und ist mit Recht aufgenommen, weil δέ an dieser Vers- 
stelle regelmässig vor dem Augment apostrophiert wird. Vgl. K. 
Grashof Zur Kritik des Homerischen Textes in Bezug auf die Ab- 
werfung des Augments (Düsseldorf 1852) 8. 12. — Vers 697. 
Zu Πτελεὸν λεχεποίην. Da die Wurzel Asy nie transitiv steht, so 
muss, wenn man mit Edmund Weissenborn De adiectivis compo- 
sitis Homericis (Halle 1865) p. 13 in Asye- das Verbum sucht, 
das Adjeetivum λεχεποίην intransitiv gefasst werden: “in Gras 
lagernd.’ [Dagegen erklärt Meyer in Curtius Stud. V. p. 109: 
‘Gras hinbreitend (zum Lager), wogegen Schaper in Kuhn’s 
Zeitschr. XXII p. 519 bemerkt, dass das Wort häufiger Beiwort 
von Städten, als von Flüssen sei, und erklärt: Gras als Lager 
(zum Lager) habend.] Pteleon aber konnte das Epitheton darum 
führen, weil sonst an den Ausläufern des Othrys im Osten an der 
Küste sich kaum eine kleine Ebene zur Anlage einer Stadt vor- 
fand, dieses Pteleon selbst aber zwischen fruchtbaren Berghängen 


— 10 — 


lag: Conrad Bursian Geogr. von Griech. I 5, 81. So mit 6. 
Autenrieth. 

699. [Dass die Formel γαῖα κατέχει, wie Ameis mit Doberenz 
Interpretationes Homericae, Hildburghausen 1862 p. 8 annahm, im 
Gegensatz zu einem Verbum der Bewegung stehe und daher zu 
interpretiren sei: die Erde hält zurück, wird vor einer unbe- 
fangenen Prüfung der Beispiele nicht bestehen können. Ich meine, 
dass schon das ἤδη hier, wie Γ' 348 von einer solchen Auffassung ab- 
mahnen muss, da dies doch nur zu dem einfachen Begriff todt 
sein passt. Was Ameis in χατέχειν ausgedrückt findet, wird viel- 
mehr mit ἐρύκειν bezeichnet, vgl. Φ 62, dessen Voraussetzung ist, 
dass sich die Erde der Person bemächtigt hat (κατέσχεν) A 549.] 
— V. 701. Vgl. auch Valer. Flacc. VI 689. 

703. In der überlieferten Lesart πόϑεόν γε μέν hier und 
709. 726 findet M. Axt Coniect. Hom. (Kreuznach 1860) p. 4 
ein unerträgliches Asyndeton des parenthetischen Satzes und con- 
jiciert deshalb πόϑεον δέ μιν, wobei er zu 709 alte Vorgänger 
und zu allen drei Stellen Nachfolger hat. Aber derselbe Gedanke, 
den man durch diese Conjectur hineinbringen will, wird durch das 
überlieferte γὲ μέν viel gewählter und kräftiger ausgedrückt. Dies 
findet wer den homerischen Gebrauch von diesem gegensätz- 
lichen Asyndeton in sämmtlichen Stellen untersucht. Es ist ebenso 
stabil wie οὐκ οἷος, ἅμα τῷ γε und Aehnliches im Dichter. Man 
wolle daher nicht durch Aufnahme solcher vorzeitiger Conjecturen 
die Frühlingsblüthen des homerischen Textes abstreifen, sondern 
suche erst alle Wendungen und Wandlungen in der freien Be- 
weglichkeit der homerischen Sprache genau zu erforschen. Mit 
Recht hebt schon Nägelsbach zu I’ 143 die Entgegensetzung her- 
vor ‘vermöge der durchgreifenden Neigung der Sprache, jeden 
Gegensatz, den irgend ein dualistisches Verhältniss in sich 
schliesst, mittelst der Partikel γέ besonders am Pronomen 
anschaulich zu machen. 

708. F. A. Wolf und Köppen fanden die Verse 708 und 
709 unerträglich, Bekker hat sie stillschweigend athetiert und 
Friedländer in Fleckeisens Jahrb. Suppl. ΠῚ p. 473 hat eine dop- 
pelte Recension von 703 angenommen. Aber Andere werden diese 
Verse aus drei Gründen nothwendig finden: 1) Es würde beim 
Wegfall das ὃ δέ 707 doppelsinnig werden, da sich dasselbe nun 
ebenso gut auf Ποδάρκης beziehen könnte: vgl. zu v 219 und τ 
184. Man müsste daher mit H. Köchly auch 707 dazu nehmen. 
2) Der Gedanke ist nicht ganz derselbe, insofern 709 das ἐσθλὸν 
ἐόντα mit Emphase hinzutritt. 3) Die Wiederaufnahme des Haupt- 
gedankens hat einen poetischen Grund. Da nemlich Protesilaos 
ein ganz besonderes Schicksal erfahren hat, so sollte gerade 
die Sehnsucht der Seinigen, die er nach Troia geführt hat, schliess- 
lich noch einmal mit Nachdruck hervorgehoben werden. Das 


— 161 — 


scheinen auch die Schol. BL. mit τῇ δὲ ἐπαναλήψει οἰκτρότερον τὸ 
πάϑος ἐποίησεν bezeichnet zu haben. Und solche Wiederholungen 
giebt es überall im Homer: man vgl. aus dem Kataloge 688 und 
684, 721 und 724, 781 und 784. Vgl. über diese Palindromie 
6. W. Nitzsch Anmerk. zu ı 124 8.31. [Ameis’ Gründe die Verse 
zu rechtfertigen, können schwerlich befriedigen. Vgl. über diese 
ganze Stelle Kammer zur hom. Frage I p. 34 f. und Raspe a. 
Ὁ. p. 41 — Vers 711. Zur Locativendung in παραί, ὑπαί, χαμαί 
vgl. Edmund Weissenborn De adiectivis compositis Homericis p. 20, 
der dort ᾿Ιϑαι-γένης und Πυλαι-μένης anführt, auch μεσαι- πόλιος, 
πραται-γύαλος, dazu noch μεσαί:τερος (vgl. μυχοί-τατος) [auch Lehmann 
zur Lehre vom Locativ bei Homer, Neustettin 1870.) — Vers 717. 
Vgl. Plut. Themistocl. c. 8. 

729. κλωμακχόεσσα erklärt Lobeck Elem. I. p. 75 durch: 
‘clivosa et confragosa νεῖ, ut Polybii verbis μίαν, πόλις περικε- 
κλασμένη εἰ βουνώδης IX 21, 7, id est montium anfractibus incisa 
So mit Beistimmung von Anton Göbel De epithetis Hom. in εἰς 
desin. p. 14. Conrad Bursian Geogr. von Griech. I 8. 54 erwähnt 
‘den alten auf steiler Felshöhe gelegenen Ort Ithome, von 
welchem noch geringe Spuren... sich erhalten haben: alterthüm- 
liche Mauerreste, aus grossen, an der Aussenseite rauhgelassenen 
Werkstücken gefügt’ Hierzu bemerkt G. Autenrieth Folgendes: 
“Es scheint als ob mit κλωμακόεις erinnert würde an solche Fels- 
stufen, die man im Süden (Schweiz) les Echelles nennt (viel- 
leicht Terrassen): wie drei verschiedene Gebirgspartien geradezu 
den Namen κλῖμαξ führen. Darum würde ich das Wort κλώμακες 
zu G. Curtis Etym. Nr. 60 am Ende stellen. Dass Ithome, Trikka, 
Oechalia auch in Messenien wiederkehren, wo ebenfalls die Phle- 
gyer den Asklepioseult begründet hatten, bemerkt auch Bursian 
142. 

734. [Das Sachliche in den folgenden Versen erörtert G. F. 
Unger in Philol. Suppl. IL p. 641 81] 

739. [Wegen des Attributs λευκήν vgl. Bergk griech. Lite- 
raturgesch. I p. 790.] 

741 [wird verworfen von Hercher über die homerische Ebene 
von Troja (aus den Abhandl. der Berlin. Acad. 1875), Berlin 1876 
p. 107 £] 

753 ἔν, eine vielgedeutete Stelle, erklärt Conrad Bursian Geogr. 
von Griech. 1 8. 58 Anm. 3 mit Andern rein physikalisch nach 
der Aufnahme des “Europos, dessen klares und durchsich- 
tiges Wasser noch auf eine ziemliche Strecke hin deutlich von 
dem schmutzig gelblichen Wasser des Peneios zu unterscheiden 
ist. Aber dann muss erst gezeigt werden, wie ἀργυροδίνης überhaupt 
nur. von “schmutzig gelblichem Wasser” gesagt werden könne 
und wie der Vergleich mit „ur ἔλαιον auf bloss “klares und 
durchsichtiges’ Wasser sich beziehen lasse. Ich fürchte, dass durch 


-- 12 — 


diese physikalische Erklärung die dichterische Darstellung des 
Homer zu Wasser werde. [Bergk im Philol. XXXII p. 130 ver- 
muthet dyugodivng statt ἀργυροδίνῃ. Derselbe bezieht die Relativ- 
sätze 750 und 751 beide auf Περαιβοί und bemerkt dazu: ‘Die 
Perrhaeber, welche Gouneus anführt, haben sich wie manche an- 
dere Völkerschaften gespalten, ein Theil wohnt im nördlichen Thes- 
salien, am Flusse Titaresios (Europus), ein anderer in Epirus am 
westlichen Abhange des Pindos, also in der unmittelbaren Nähe 
von Dodona’.] 

758. ᾿Πρόϑοος 800g sieht fast aus wie ein Wortspiel, etwa 
wie 419 ἐπεχραίαινε Κρονίων und τ 563. Es ist überhaupt be- 
merkenswerth, wie solche theils euphonische und rhythmische, 
theils architektonische Mittel, als Stütze des Gedächtnisses für die 
Rhapsoden gerade in einem Stücke wie der Katalogos nothwendig, 
auch hier öfter wiederkehren. Was die Paronomasie betrifft, so hat 
dasselbe auch für die Vedenlieder (die ja bekanntlich aufs Ge- 
naueste memoriert und in peinlich geregelter Weise recitiert werden 
inussten) schon Növe Efudes sur les Hymnes du Rig-Veda p. 43 
bemerkt. Für die architektonische Gliederung und Abwechselung 
dagegen ist es der Mühe werth in dem Katalogos zu vergleichen, 
welche Ausdrücke 1) für die mitfahrenden Schiffe, 2) für das 
Commandieren der Abtheilungen gebraucht sind, ferner in 
welcher Anordnung die Städte und Führer gegenseitig stehen, 
wie 2. B. Odysseus (631. 636), Thoas (638. 643), Idomeneus (645. 
650), Tlepolemos (653. 657) doppelt erwähnt, dann die Epana- 
lepsis von Nireus 671 ff. vgl. 837 f. angewandt ist; wie das τῶν 
αὖθ᾽, τῶν αὖ, τῶν μέν, τῶν δέ (neben den Ausdrücken für deyof) 
wechselt: vgl. 509. 540. 552. 563. 576. 586. 601. 609. 618. 
627. 636. 650. 657. 678. 685. 698. 718. 731. 736. 740 usw. 
Manches der Art würde uns vielleicht mehr bemerklich sein, wenn 
wir unter den Zuhörern des Sängers sässen, statt die stummen 
Buchstaben vor Augen zu haben: vgl. 809 f” Θ΄. Autenrieth. 
Vgl. auch die lat. Erörterung im Anhang zu 494 und den Com- 
mentar zu 876 [und zu Πρόϑοος ϑοός die Abhandl. von Lehrs 
de Aristarch. ®p. 454 f.: Wiederholung derselben Worte und Wort- 
wurzeln.] 

780 δ. [Ueber ὡς εἰ mit dem Optativ vgl. L. Lange der 
homer. Gebr. ἃ. Part. εἰ I p. 438 und über den Optativ im Ver- 
gleich Friedländer Beiträge zur Kenntniss d. hom. Gleichnisse I 
p. 20 f. und Delbrück Gebrauch des Conjunetivs und Optat. p. 66.] 

781. In den Worten γαῖα ὑπεστενάχιξε Διὶ ὥς fassen Manche das 
Διί als ‘Dativ der Begleitung, beim Zorne des Zeus‘ unter Ver- 
gleichung von & 253. Aber diese Stellen sind nicht von gleicher 
Beschaffenheit, insofern hier nicht der sachliche Begriff ‘Zorn’ wie 
dort ἀνέμῳ vorliegt, sondern mit Διί die Person selbst gegeben 
ist, eine persönliche Begleitung aber bei Homer über den von 


— 13 — 


Krüger Di. 48, 15, 15 erwähnten Fall nicht hinausreicht: vgl. 
die Note zu ἃ 161. Hierzu kommt, dass die Präposition im vor- 
hergehenden ὑπεστενάχιξε ihre Beziehung verlangt. Zu ὑπό mit 
dem persönlichen Dativ vgl. die Beispiele bei J. La Roche Ueber 
den Gebrauch von ὑπό bei Homer 8. 16 f. Den Namen Τυφωεύς 
bezieht man jetzt gewöhnlich auf “böse Dünste” oder “alle gas- 
artigen Dämpfe im Innern der Erde.” Aber das sind spätere Aus- 
deutungen, die mit Homer nichts gemein haben. Denn sie passen 
hier nicht zum Erdröhnen der Erde, man müsste denn scherz- 
hafter Weise eine Gasexplosion sich vorstellen wollen. Anderer- 
seits meint man: “An jenem Orte, wo Typhoeus noch immer in 
der Erde raucht, erregt Zeus oft Sturm’ oder man denkt hier an 
ein blosses Gewitter. Aber Sturm, Blitz und Donner hatte man 
genug im eigenen Lande; dazu brauchte man nicht erst das 
Arimerland und den Typhoeus herbeizuholen. Die Erwähnung 
dieser führt vielmehr zu folgendem Gedanken. Da Typhoeus in 
den Mythen als Symbol des Vulcanismus erscheint und die schreck- 
lichste aller vuleanischen Erscheinungen das Erdbeben ist, so 
wird man dieses hier anzunehmen haben. Dadurch gewinnen wir 
den Sinn: “die Erde aber erdröhnte (Activ ὑπεστενάχιξε) wie unter 
einem Erdbeben: so laut seufzte bei sich (Medium στεναχίξετο) die 
Erde unter den Füssen der einherschreitenden Achaeer” Und 
dies giebt ein majestätisches Bild, wodurch das Gleichniss 459 
bis 466 überboten wird, gerade wie unmittelbar vorher zur Be- 
zeichnung des gewaltigen Waffenglanzes das Inflammenstehen der 
ganzen Erde (780) den Waldbrand (455) überbietet. [Eine scharfe 
Kritik des Gleichnisses giebt Raspe a. Ὁ. p. 15 δ, wo er mit 
Recht Ameis’ Erklärung V. 782 von einem Erdbeben mit den 
Worten zurückweist: “Nicht Zeus ist Erderschütterer, und wenn 
Typhoeus allerdings Personification vulkanischer Ausbrüche ist, so 
indieiert nichts, dass der Dichter ihn thätig gedacht, er erscheint 
lediglich als Gegenstand der Rache des Zeus.’ Uebrigens ist zu 
vergleichen die Schilderung von dem Kampfe des Zeus mit Typhoeus 
Hesiod. theog. 820 8, wo sich auch für das Gleichniss V. 780 
entsprechende Züge finden in 847 Zee δὲ χϑὼν πᾶσα und 861 
πολλὴ δὲ πελώρη καίετο γαῖα.] 

794. [Statt δέγμενος verlangt Cobet Miscell. erit. 1876 
p. 359 f. hier und 1 191. Σ 524. υ 385 δέχμενος als syu- 
kopiertes Partieip. Praes., wie es der Gedanke der Stellen ver- 
lange. So ποτιδέχμενος Η 415. 1 628. K 123, ὑποδέχμενος v 310 
und m 189.] 

795. Das gewöhnliche μετέφη ist aus zwei Gründen unrichtig: 
1) μετέφη und μετέειπε wird nirgends mit dem Accusativ verbun- 
den. 2) Es ist stehender Sprachgebrauch, dass bei derartigen 
Wiederholungen wie hier aus 790, stets dieselbe Präposition 
zurückkehrt: vgl. I’ 386 und 389. A 765 und 785. β 157 und 


— 154 — 


160. 241 und 244. ξ 21 und 24. ἡ 155 und 158. π 394 und 
399. ὦ 422 und 425, 451 und 453. Daher ist hier μετέφη mit 
Recht zurückgewiesen worden von E. R. Lange Obs. erit. III 
p- 22; Doederlein Hom. Gloss. $ 2196; J. La Roche Hom. Stud. 
8 97; und das nothwendige προσέφη, das im Venetus und ande- 
ren [vgl. La Roche] Quellen steht und schon von J. H. Voss 
Randgl. $. 43 als richtig erkannt wurde, hat zuerst Freytag auf- 
genommen. [Anders Cauer in Curtius Stud. VIT p. 157.) — Was 
dann ἐεισαμένη betrifft, so wird dies allgemein von einer Ver- 
wandlung in die Gestalt erklärt, So sagt auch Nitzsch Beitr. 
zur Gesch. der ep. Poesie 3, 467 von dem Späher: “Dessen Ge- 
stalt nimmt die Botin des Zeus, Iris, jetzt an’? Aber das 
scheint mir mit der homerischen Deutlichkeit nicht vereinbar zu 
sein. Wo nemlich dies Medium von einer vollständigen Ver- 
wandlung steht, wird stets die bezügliche Person im Vorher- 
gehenden mit Namen genannt und zwar im Dativ mit ἐοικώς 
(ἐοικυῖα) oder εἰδομένη (εἰσάμενος): vgl. die im Anhang zu & 24 
erwähnten Stellen. Wo dagegen nur eine einzige charakteristische 
Eigenschaft wie die ‘Stimme’ verstanden werden soll, so ist auch 
nur diese genannt: vgl. N 216. 7 81. Denn wenn beispielsweise 
zu dieser ‘Stimme’ noch die ganze Gestalt als verwandelt hinzu- 
kommt, so wird dies mit δέμας ausdrücklich angeführt: vgl. N 45. 
P 555. X 227. β 268 mit den im Commentar gegebenen Parallelen. 
Da nun 7 81 die Worte “υκάονι εἴσατο φωνήν den Versschluss 
bilden und unmittelbar darauf 82 ein τῷ μὲν ἐεισάμενος folgt, so 
kann man das letztere nach 'den Regeln der Auslegung nur auf 
die Stimme beziehen, wenn man nichts unterlegen will. Den- 
selben Fall zeigt unsere Stelle, wo 791 εἴσατο δὲ φϑογγην aus- 
drücklich vorhergeht. Zu dieser Auffassung allein passt erstens 
807 Ἕκτωρ δ᾽ οὔ τι ϑεᾶς ἔπος ἠγνοίησεν, wo die Iris ohne Weite- 
res ϑεά heisst. Sollten nemlich diese Worte den Sinn haben, den 
man gewöhnlich darin findet, so müsste zugleich erwähnt sein, 
woran Hektor die Göttin erkannt hätte. Denn es ist homerischer 
Brauch, dass die verwandelten Götter beim Weggehen ein 
Zeichen der Erkennung hinterlassen. Vgl. 1396 f. N ΤΙ f. P 334. 
α 323. [Ὁ] γ 372 £. Nägelsbach Hom. Theol. IV 11. 12. 13 mit 
den Zusätzen von G. Autenrieth. Dies bemerkt hier nach Aristo- 
nikos bereits Aristarch (freilich in Bezug auf vermeintliche Noth- 
wendigkeit der Athetese) in den Worten ἔθος τέ ἐστι τοῖς μετα- 
μορφουμένοις ϑεοῖς κατὰ τὴν ἄφοδον ἀπολιπεῖν τεκμήριον εἰς ἐπίγνωσιν. 
Ein zweiter Grund für die blosse Verwandlung der Stimme liegt, 
in dem Umstande, dass Iris als unverwandelte Gottheit nur dem 
Priamos und Hektor sichtbar erscheint: darum ist 790 ἀγχοῦ 
δ᾽ ἱσταμένη gesagt, wie in den Parallelen (und 172. E 123. K 508. 
Ο 173. 2 169. X 215. 228), darum richtet sie ihre Worte nur 
an diese beiden mit ὦ γέρον 796 und Ἕχτορ 802. Die Stimme 


-- 15 — 


des Polites aber hat sie angenommen des übrigen Volkes wegen, 
wenn etwa einige dem Priamos und Hektor zunächst befindlichen 
ihre Rede vernehmen sollten. Hierzu kommt drittens der Inhalt 
ihrer Worte selbst, die nur für die Iris, nicht für Polites passen. 
Auch dies hat schon Aristarch bemerkt: of ze λόγοι οὐχ οὕτως 
ἐσχηματισμένοι τοῦ Πολίτου ὡς (H. Köchly will ὡς τοῦ Πολίτου] 
πρὸς πατέρα, ἀλλ᾽ εἰσὶν ἐπιτεταμένοι καὶ ἐπιπληκτικοί. καὶ τὸ Ἕκτορ» 
σοὶ δὲ μάλιστ᾽ ἐπιτέλλομαι Πολίτῃ ἀνοίκειον" μᾶλλον δὲ ἼἼριδι 
ἁρμόξει ἐπιτάσσειν. Diese “zormerregten und vorwurfsvollen” Worte 
also sind für Polites ein Ding der Unmöglichkeit. Wir finden 
demnach bei richtigem Verständniss der ganzen Stelle durchaus 
das Erforderniss, das Aristarch für die Iris mit Recht beansprucht: 
εἰ δὲ ἕνεκα τοῦ προτρέψασϑαι μὴ τολμῶντας προελϑεῖν, ἔδει αὐτο- 
πρόσωπον παρεῖναι. Iris will eben den Priamos und Hektor, die 
vorher zu gehen nicht den Muth gehabt haben, dazu 
anregen und ermuthigen. Nur den Groll und Entschluss des 
Achilleus konnte sie als einen Ermuthigungsgrund nicht aussprechen, 
weil sie mit der Stimme des Polites für die andern etwaigen 
Hörer auch dessen Gesichtskreis (792. 799) festhalten musste. 
Sonst hätte sie ihr Wissen davon durch irgend eine Erdichtung 
begründen und so in ein störendes Detail hier eingehen müssen. 
[Vorstehende Ausführung hat mich nicht überzeugt. Bei der an- 
gezogenen Parallele 7 81 ist es doch undenkbar, dass, wenn 
Apollo nur die Stimme und nicht auch die Gestalt des Lykaon 
angenommen hätte, Aineias ihn als solchen erkennen und mit 
Πριαμίδη anreden konnte. Wie seltsam ferner, wenn Iris als un- 
verwandelte Gottheit nur dem Priamos und Hektor sichtbar 
erscheinen soll, die Stimme des Polites aber nur des übrigen 
Volkes wegen angenommen hätte? Dann wäre ebensowenig als 
4 198 fi. eine Verwandlung der Stimme zu erwarten. Hinzu 
kommt, dass die mit dieser Auffassung zusammenhängende Er- 
klärung von οὔτι ϑεᾶς ἔπος ἠγνοίησεν 807: beachtete sehr wohl 
die Rede der Göttin, indem er sie sogleich befolgte, mit dem 
sonstigen Gebrauch des Verbums nicht vereinbar ist. Aus diesen 
Gründen bin ich zu der gewöhnlichen Auffassung zurückgekehrt. 
Ueber die ganze Scene aber vgl. die Einleitung p. 81. 91.) — 
Wegen des 793 erwähnten τύμβος Αἰσυήταο vgl. L. W. Hasper 
Beiträge zur Topographie der Hom. Ilias (Brandenburg 1867) 
8. 37 f£. [und über die localen Fragen Welcker kl. Schriften II 
p. LXXI, v. Eckenbrecher die Lage des homer. Troja, Düsseldorf 
1875 p. 53 ff., Steitz in den Jahrbb. f. Philol. 1875 p. 230, Gelzer 
eine Wanderung nach Troja, Basel 1873 p. 13 ἢ, Christ in den 
Sitzungsberichten d. k. bayerisch. Acad. der Wissensch. Bd. II, 1874 
p. 198.) In Bezug auf die ganze Stelle 786—815 hat H. Köchly 
De Iliadis carminibus diss. ΠῚ (Zürich 1857) p. 23 richtig ge- 
urtheilt: “qui versus el rerum alioguin ignotarum copia et sermonis 


-- 16 — 


verborumque proprietate prorsus abhorrent a solita centonariorum 
ieiunitate” — 803. [Ueber dies den folgenden Hauptgedanken ein- 
leitende und vorbereitende γάρ vgl. E. Pfudel Beiträge zur Syntax 
der Causalsätze bei Homer. Liegnitz 1871 p. 7 f.] — Vers 804. 
‘Dieser allgemeine Zusatz πολυσπερέων ἀνθρώπων (gleichsam: in 
der Welt) stört hier, wo von bestimmten Völkerschaften die Rede 
ist; der Vers könnte recht gut fehlen und man könnte Einschie- 
bung desselben nach 4 437. τ 175 vermuthen.” G. Autenrieth. 
Mir scheint er nothwendig zu sein, um das emphatische πολλοὺ 
γάρ weiter auszuführen. Der Vers ist nemlich parataktisch ge- 
baut im Sinne eines Folgesatzes mit “so dass’, und durch den 
Begriff πολυσπερέων, der homerisch beschränkter ist als der moderne 
Ausdruck, sollen die Troer mit angedeutet werden: er umfasst 
also die gesammte Troische Mannschaft mit ihren Hülfsvölkern. 
[Diese Erklärung scheint unmöglich! — Ueber den Begriff von 
πολιῆται 806 vgl. Riedenauer Handwerk und Handwerker p. 174.] 

809. Ueber πᾶσαι vgl. Lehrs de Arist. ? p. 126, wo man 
hinzufügen kann Etym. M. p. 657, 22 πᾶσαι] .... ἐπὶ τοῦ ὅλαι, 
πᾶσαι δ᾽ ὠϊγνυντο πύλαι: — οὐ γὰρ πολλαὶ ὑπέκειντο πύλαι κατὰ 
τὸν ᾿Αρίσταρχον. καὶ, — πᾶσαι γὰρ ἐπῴχατο; --- ἀντὶ τοῦ κεκλει- 
σμέναι ἦσαν. — Ueber den ganzen Katalogos der Troer bemerkt 
E. R. Lange in Ms. Folgendes: ‘Die Darstellung des Troischen 
Heeres ist deshalb um vieles kürzer als die des achäischen 
Heeres, weil erstens das Troische Heer kaum halbmal so gross 
ist als das achäische, und zweitens der Dichter nicht durch zu 
grosse Breite ermüden wollte” Hierzu kommt vor Allem das 
lebhaftere Interesse der Griechen an griechischen Verhältnissen. 
In 809 und 810 beachte man zugleich die onomatopoietische Ver- 
wendung der Buchstaben 6, πὶ und g. — Vers 810. Ueber dgv- 
μαγδός (aus ὀρυγμαδός) vgl. Benfey Wurz. Lex. IL 6; G. Curtius 
Etym. ? Nr. 523. [ἢ p. 351. 358.) Dagegen freilich Pott Etym. 
Forsch. II ? 8. 1262 ἢ, — 811. [Ueber das Locale vgl. Hasper 
Beiträge zur Topographie der homer. Ilias p. 34 f., Steitz in den 
Jahrbb. f. Phil. 1875 p. 238, Hercher über die homerische Ebene 
von Troja (aus d. Abhandl. d. Berlin. Acad. 1875), Berlin 1876 
. 124, Christ in ἃ, Sitzungsbericht. d. k. bayerisch. Acad. II. 
1874 p. 219.] — Vers 816. Wegen κορυϑαίολος vgl. G. Auten- 
rieth zu Nägelsbach Γ' 83 8. 360, ‘wo übrigens eine Dittograpbie 
des Setzers in Z. 7 zu berichtigen und wegen des Accentes hin- 
zuweisen ist auf ἐγχέσπαλος πτολίπορϑος ἰόμωρος ἱππόδαμος αἰγίοχος 
γαιήοχος bei Edmund Weissenborn De adi. compositis Homericis 
p. 31.’ Derselbe. 

839. Unter ἵπποι αἴϑωνες können immerhin glatte “Brand- 
füchse’ verstanden werden, wenn auch das Wort seinem Ur- 
sprunge nach nur “brennend” oder “glänzend” bedeutet. Denn 
unsere abstracten Namen der Farben sind den Griechen ganz 


-- 7 — 


unbekannt: sie vermitteln die Bezeichnung nur durch den Ein- 
druck, den jede Farbe auf unser Auge macht. Vgl. den Anhang 
zu A 98. Hierdurch ergänzt sich zugleich die σ 372 gegebene 
Erörterung. Dieselbe nemlich bleibt in ihrem wesentlichsten 
Theile unangetastet, wenn auch Jemand © 185 (wozu ich jetzt 
selbst hinneige) unter 4i00v den Brandfuchs versteht, der mit 
dem Schimmel zusammengeht, wie vorher Isabelle und Weiss- 
fuss (letzterer auf schwarzem Grunde). Dann haben wir dort die 
vier Hauptarten der Pferde zusammen. — Zu unserer ganzen 
Stelle giebt E. R. Lange in Ms. folgende Bemerkung: “Die bis- 
her aufgeführten Völkerstämme sind sämmtlich Unterthanen 
des Priamos, und wenn sie auch, mit Ausnahme der Ilier, ihre 
besondern Fürsten haben, so erkennen doch diese den Ilischen 
König als ihren Lehnsherrn an. Denn des Priamos Herschaft er- 
streckte sich laut δὲ 543 ff. vom Hellespont bis’ Lesbos und bis 
nach Phrygien, d. h. bis zum Vorgebirge Lekton südlich und bis 
über den Aesopos hinaus östlich” [Scholl AB. zu Z 1: ἡ Τροία 
τὰ μὲν ϑαλάσσια πρὸς Ἑλλήσποντον ἔχει, τὰ δὲ βύρεια πρὸς Ζέλειαν, 
τὰ δὲ ὑποκείμενα πρὸς Φρυγίαν, τὰ δὲ μεσήμβρινα πρὸς Δυδίαν.] 
“Und hierbei ist es wahrscheinlich, dass alle diese Völkerstämme 
Troischen Ursprungs waren, ausgegangen von den Urbewohnern 
des Idagebirges, die sich allmählich in die Ebene und bis an die 
Küste ausgebreitet hatten. Von den Dardaniern (819) ist erwiesen, 
dass sie mit den Iliern stammverwandt waren und Troer genannt 
wurden (E 180. 217. T 83). Von den Bewohnern des nörd- 
lichen Lykiens (826) ist aus Z 200. 211 (Eustath. zu 4 206) 
ersichtlich, dass sie den Namen Troer führten, und wir können 
jetzt nicht zweifeln, dass sie auch ihrer Abkunft nach Troer 
waren. Dasselbe folgern wir rücksichtlich der Unterthanen des 
Asios, da dieser M 88 ff, unter den Anführern der Troer, ἃ, h. 
der Bewohner von Troas genannt wird, während Sarpedon, Glau- 
kos und Asteropios die Bundesgenossen anführen: M 101 f. Mit- 
hin werden auch die Unterthanen des Adrastos und Amphios, 
sowie die von Homer nicht mit aufgezühlten Leleger und Kiliker, 
da sie innerhalb der Grenzen von Troas gewohnt haben, ebenfalls 
troischen Ursprungs gewesen sein’ [Rücksichtlich der Leleger 
und Kiliker enthält auch die Stelle I 328 f. einen Beweis, wo 
Achilleus sich rühmt drei und zwanzig Städte zerstört zu haben 
κατὰ Τροίην ἐρίβωλον. Zu diesen Städten gehören aber von den 
Lelegern Lyınessos und Pedasos 7° 92, doch nehmen Leleger noch 
weiter am Kriege Theil Z 33. Καὶ 429. & 443; von den Kilikern 
Thebe A 366. Z 397. 415, doch wird von kilikischen Theil- 
nehmern am Kriege nur Podes genannt P 575. 590]. “Ebendies 
haben schon Strabo XIII 1 $ 7; Heyne zu B 815 und L. Usteri 
zu Wolfs Vorles. 5. 185 zu beweisen gesucht. Es geht aus dem 
Gesagten und auch speciell aus M 88 ff. hervor, dass die Be- 


— 168. — 


wohner von Troas die Hauptmasse des gesammten Heeres bildeten.” 
— 844. [Die Bemerkung über die strahlenförmige Anordnung 
der Hülfsvölker ist gegeben nach Schwartz a. O. p. 6. Bei dieser 
unverkennbaren Anordnung wird die an sich unwahrscheinliche 
Ansicht, dass unter dem pelasgischen Larissa 841 das thessalische 
gemeint sei, zur Unmöglichkeit. Buchholz hom. Realien I, 1, 
p- 357 entscheidet sich, doch ohne Angabe der Gründe, für das 
Larissa in der Nühe von Kyme.] — 857. [Vgl. Riedenauer Hand- 
werk p. 101, Büchsenschütz Besitz und Erwerb p. 232.] — 
Vers 859. Vgl. auch Ovid. Met. V 146 f. Sil. Ital. V 405 ff. — 
Vers 863. ὑσμῖνε ist von ὑσμένῃ unterschieden. Der griech. 
Dativ der sog. dritten Declination nemlich ist Repräsentant des 
alten Locativ, der eben auch die Dativfunetion übernahm, wäh- 
rend bei Stämmen auf -« und -o eine Scheidung eintrat. Näheres 
bei Schleicher Compend. der Vergl. Gramm. 8 254 und 255. So 
mit G. Autenrieth. 

865. [Die an den Gygaeischen See sich knüpfenden religiösen 
Vorstellungen und Gebräuche erörtert E. Müller im Philol. VII 
Ρ. 239 8] 

867. βαρβαρόφωνοι hat J. Η. Voss übersetzt: ‘ein Volk bar- 
barischer Mundart’, sowie Joh. Minckwitz und Donner “fremd- 
züngige Karer. Aber über den Ausspruch des Thukydides I 3 
werden wir Spätgeborenen nimmer hinausgehen dürfen. Mit Recht 
hat hier Freytag nach dem Vorgange von Heyne bemerkt: *Zhu- 
cydides non dieit, vocabulum esse posthomericum, sed poetam illa 
nondum uti communi omnium populorum non Graecorum appellatione” 
Und M. Sengebusch Hom. diss. I p. 141: “Thucydides nimirum 
lud βαρβαροφώνων non testari statuit τὴν βαρβάρων ὀνομασίαν sed 
asperam significare vel agrestem pronuntiationem. Ebenso deuten 
unsere Stelle Nitzsch Anmerk. zur Od. I 5, 35; K. F. Hermann 
Staatsalt. $ 6, 1; L. Friedlaender in Fleckeisens Jahrbb. Suppl. 
II 8. 781: Schömann Griech. Alterth. I 5. 86 und Andere. [Vgl. 
auch Welcker griech. Götterl. I p. 13.] Es sollten daher die 
“fremdzüngigen’ oder “in barbarischer Sprache redenden’ Karer 
aus Uebersetzungen und homerischen Jugendschriften endlich ein- 
mal verschwinden. Der einzige bedeutsame Vertheidiger der home- 
rischen Barbarensprache ist, so viel mir bekannt, G. Bernhardy 
Gr. Litt. 1? 8. 22 in den Worten: “Das Bewusstsein einer natio- 
nalen Rede, die den Fremden unerreichbar sei, beginnt schon mit 
dem Homerischen Gesange, denn das bekannte Merkmal Κᾶρες 
βαρβαρόφωνοι hat Strabo XIV p. 662 am einfachsten in diesem 
Sinne gefasst.” Aber wenn man Strabo's Worte wirklich so streng 
fassen muss und seine Aussprüche nicht vielmehr auf ein späteres 
Zeitalter beziehen darf, so giebt es am Ende zwischen Thukydides 
und Strabo nur einen Competenzeonflict, bei dem Strabo wohl 
unterliegen wird. Odysseus nemlich versteht auf seinen vielfachen 


— 19 — 


Irrfahrten, wohin er nur kommt, ohne Weiteres mit den Ein- 
heimischen zu sprechen, ja der Dichter vermeidet & 276 fl. den 
König der Aegypter redend einzuführen (vgl. den Anhang zu 
& 279), ferner unterreden sich die Griechen mit den Troern und 
die Troer mit ihren Bundesgenossen wie mit ihren eigenen Lands- 
leuten. Und nun sollte der Dichter in diesem einzigen Beiwort 
und noch dazu bei einem Volke, das den Troern nicht allzu fern 
wohnt, eine besondere Barbaren - Sprache bezeichnet haben? 
Das ist nicht wahrscheinlich. — Vers 872. Νάστης, der wie ein 
eitles Mädchen mit seinem Goldschmuck prangend in das Kriegs- 
getümmel zog, erinnert recht lebhaft an Murat unter den Feld- 
herrn Napoleons I. [Als Interpolation sucht 870 und 871 zu er- 
weisen L. Mütler im Philol. XI p. 175 £.] 


1. 
Einleitung. 


Literatur: Lachmann, Betrachtungen über Homers Dias. 
2. Aufl. Berlin 1865 p. 14 #. und Haupts Zusätze p. 105; 
vgl. Benicken das dritte und vierte Lied vom Zorne des Achilleus 
nach K. Lachmann aus I’ und 4 der Ilias herausgegeben, Halle 
1874. Zu Lachmanns Kritik: Faerber disputatio Homerica, 
Brandenburg 1841 (mir nicht zugänglich), Gross Vindieiarum 
Homeriearum part. I, Marburg 1845, p. 44 f., Baeumlein in 
Zeitschr. f. Alterthumswiss. VI, 1848 p. 333 f., Hoffmann im 
Philol. ΠῚ p. 205 ff, Düntzer in der allgemeinen Monatsschrift für 
Literatur 1850, II = Homerisch, Abhandlungen p. 46 fl, Ad. 
Holm ad Car. Lachmanni exemplar de aliquot Iliadis carminum 
compositione quaeritur, Lübeck 1853 p. 1 ἢ, Gerlach im Philo- 
10g. XXX p. 18 δ. — Köchly de Niadis carmm. dissert. IV, 
Turiei 1857, p. 1 ὅν, vgl. Ribbeck in den Jahrbb. f. Philol. 
Bd. 85 p. 11 f. und Düntzer homer. Abhandl. p. 281 fl. — 
Düntzer das 3. bis 7. Buch der Ilias als selbständiges Gedicht 
in den Homerischen Abhandlungen p. 234 ἢ, und 272 fl, vgl. 
Benicken das dritte und vierte Lied p. 90 #. und p. 116 8. — 
Kammer zur homerischen Frage. Königsberg 1870. I, vgl. 
Düntzer homer. Abhandl. p. 272 fl. mit Benicken das dritte 
und vierte Lied p. 116 f., Susemihl im Philol. XXXIL p. 222 
Anmerk. 143. — Jacob über die Entstehung der Ilias und 
Odyssee p. 185 8. — Nitzsch Sagenpoesie p. 171, p. 212. — 


— 10 — 


Kiene die Komposition der Ilias p. 78. 83. 210 ἢ. 215 ἢ — 
Naegelsbach Anmerkungen zur Ilias, 3. Aufl. p. 427 £. 447. — 
Genz zur Ilias p. 17 ff. — Kritik einzelner Abschnitte: G. Curtius 
im Philol. II p. 17 fi: über V. 43—45 und die Teichoskopie; 
Woerckmeister ein Kunstprineip Homers in den Festschriften 
zur Stiftungsfeier des Gymnas. zu Ratibor, 1869, p. 4 f.: über 
den Schluss des Gesanges von 380 an; Bischoff im Philol. 
XXXIV, p. 7 f. — Ueber die Helena im 3. Gesange vgl. Nitzsch 
Beiträge p. 310 fi, Steudener antiquarische Streifzüge, Halle 
1868 p. 71 f. 90%, Gerlach im Philol. XXXIIT, p. 196 ff, 
Lehrs populäre Aufsitze aus dem Alterthum. Leipz. 1856 p. 9 ff. 
— Bernhardy Grundriss der griech. Literatur, ® IT, 1, p. 162 £. 
Bergk, griech. Literaturgesch. I p. 566 f. — Hoffmann quae- 
stiones Hom. II p. 205 f. Giseke homer. Forschungen p. 161. 
169 ἢ 176. — Bischoff über homer. Poesie p. 60 8: Analyse 
von V. 1—76. — Beloch in Rivista di filologia 1875 p. 305 ft.: 
Versuch Γ' 16—120. 245—460 in Tetrastichen, die Teichoskopie 
in Distichen zu gliedern: vgl. Bursians Jahresbericht 1874—1875 
p. 140 f. — Die ἅπαξ εἰρημένα bei Benicken das dritte und 
vierte Lied p. 162. 


Den Hauptinhalt des dritten Gesanges bildet die Erzählung von 
dem zwischen den Achaeern und Troern zum Zweck der Beilegung 
des Krieges geschlossenen Vertrage und dem dadurch vereinbarten 
Zweikampf zwischen Paris und Menelaos. Zwischen die Verabredung 
des Vertrags und den Abschluss desselben schiebt sich episodisch 
die Teichoskopie, zwischen den Zweikampf und den Abschluss des 
Gesanges die Scene zwischen Aphrodite und Helena, und Helena 
und Paris. Danach ergiebt sich die folgende Gliederung des 
Ganzen: 

A. Veranlassung und Einleitung des Vertrages, 1—120. 

1. Troer und Achaeer im Anmarsch gegen einander, 1—14. 

2. Paris und Menelaos: jener in herausfordernder Haltung vor 
der Linie der Troer, weicht vor dem rachedürstenden 
Menelaos erschrocken zurück, 15—37. 

3. Hektor und Paris: Hektors höhnende Vorwürfe veranlassen 
Paris zu dem Anerbieten eines Zweikampfs mit Menelaos 
um Helena und die mit ihr geraubten Schätze, 38— 75. 

4. Hektor und Menelaos: das von jenem den Achaeern mit- 
getheilte Anerbieten wird von diesem angenommen, aber 
gefordert, dass Priamos selbst den Vertrag abschliesse, 
76—110. 

5. Waffenruhe auf beiden Seiten, Entsendung der Herolde, 
um Opferthiere und Priamos herbeizuholen, 111—120. 


— 161 — 


. Teichoskopie, 121— 244: 


Iris und Helena: jene theilt aus eignem Antrieb, in Ge- 
stalt der Laodike, dieser die Waffenruhe und den bevor 
stehenden Zweikampf mit und veranlasst sie auf den Thurm 
des Skäischen Thores zu steigen, 121—145. 

2. Stimmung der auf dem Thurm sitzenden troischen Geronten 
beim Anblick der Helena, 146—160. 

3. Priamos und Helena: Unterredung zwischen beiden (auch 
Antenor) über die hervorragenden Führer der Achaeer: 
Agamemnon, Odysseus, Menelaos, Aias, Idomeneus, 161 
—244. 

Abschluss des Vertrags, 245—313: 

1. Priamos fährt, vom Herold Idaios benachrichtigt, mit 

Antenor auf das Schlachtfeld, 245—263. 

Vertragsopfer; Gruppierung: Priamos und Antenor, Aga- 

memnon und Odysseus, die beiderseitigen Herolde. Aga- 

memnon vollzieht Opfer und Gebet. Betheiligung des 

Volkes auf beiden Seiten, 264—302. 

3. Priamos kehrt, da er es nicht über sich gewinnen kann 
dem Kampf zuzuschauen, in die Stadt zurück, 303—313. 

Der Zweikampf, 314—382. 

. Vorbereitungen zum Zweikampf: Hektor und Odysseus 
messen den Kampfplatz ab und ermitteln durchs Loos, wer 
beginnen soll. Das Loos trifft Paris; dieser waffnet sich, 
ebenso Menelaos, 314— 339. 

2. Der Zweikampf selbst: Paris in Gefahr zu erliegen, wird 
durch Aphrodite errettet und in Nebel gehüllt in seinen 
Palast entrückt, 340— 382. 

Scene zwischen Aphrodite und Helena, Helena und Paris, 

383 —448. 

1. Aphrodite und Helena: die Göttin fordert in Gestalt einer 
alten Dienerin die noch auf dem Thurm des Skäischen 
Thores weilende Helena auf zu Paris zurückzukehren; 
Helena weist, die Göttin erkennend, sie zuerst mit Hohn 
zurück, lässt sich dann aber durch Aphrodite’'s Drohungen 
bestimmen ihr zu folgen: 383—420. 

2. Helena und Paris: Helena verhöhnt den Paris wegen seines 
Kampfes mit Menelaos, widersteht aber seiner Aufforde- 
rung zum Liebesgenuss nicht, 421—448. 

Abschluss, 449—461. Menelaos sucht den Paris vergebens, 

Agamemnon beansprucht für Menelaos den Sieg und verlangt 

von den Troern die Herausgabe der Helena und der mit ihr 

geraubten Schätze und ein Bussgeld. 


2. 


Die soeben skizzierte Handlung des dritten Gesanges hat ihre 


Stelle zwischen den im zweiten Gesange geschilderten Vorbereitungen 


Anlıang zu Ameis, Homers Ilias I. 1 


— 12 — 


zur ersten grossen Schlacht und dieser selbst, nachdem im An- 
fange des vierten durch Götterberathung die durch den Vertrag 
und Zweikampf in Frage gestellte Fortsetzung des Kampfes be- 
schlossen und durch den Schuss des Pandaros eingeleitet ist. Die 
Erzählung beginnt im unmittelbaren Anschluss an die am Ende 
des zweiten Gesanges erzählte Aufstellung und Ordnung beider 
Heere, in V. 14 zurückgreifend auf B 785, verläuft im Uebrigen 
aber ohne alle Beziehung auf die vorhergehenden Ereignisse; 
Achills Groll und Abwesenheit wird zwar vorausgesetzt, aber es 
fehlen alle directen, wie indirecten Beziehungen auf die grund- 
legenden Motive des ersten Gesanges. Auf den Vertrag und den 
zu Anfang des vierten Gesanges sich daranschliessenden Vertrags- 
bruch wird im weiteren Verlauf der Erzählung zurückgewiesen: 
4155 8, 235 f., Η 69 fi, 351, E 206 fi., auf die Niederlage 
des Paris Z 339 vgl. T 439 ἢ 

Innerhalb der Handlung treten hier zuerst die Hauptpersonen auf 
troischer Seite hervor: zuerst Paris, dem die Hauptrolle zufällt, 
dann Hektor; Priamos und neben ihm Antenor, der Vertreter der 
Friedenspartei; vor allen auch Helena; unter den Göttern Aphro- 
dite, die besondere Schutzgöttin des Paris und der Helena. Auf 
griechischer Seite füllt hier Menelaos zuerst eine Hauptrolle zu; 
neben Agamemnon tritt, wie in den zwei ersten Gesängen, Odysseus 
hervor, diese drei ausführlich charakterisiert in der Teichoskopie. 
Von den übrigen griechischen Helden wird Aias in der Teicho- 
skopie auffallend kurz abgethan, dagegen Idomeneus geflissentlich 
hervorgehoben; Diomedes wird ganz übergangen, obwohl gerade 
diesem in der folgenden Schlacht eine Hauptrolle zufällt; ebenso 
Nestor. Als eigenthümliche Sagenelemente dieses Gesanges sind 
zu erwähnen die Aufführung der Aethra, der Mutter des Theseus 
als Dienerin der Helena (144) und die Berührung der Amazonen- 
sage (189). Eine Reihe von Ereignissen vor der Handlung der 
Ilias, 46 f., 173 f., 205 f., 232 f., 351 fi, 442 ff, exponieren 
den Raub der Helena und die Veranlassung des Krieges. 

So lose die Handlung mit den vorhergehenden Büchern ver- 
knüpft ist, so unerwartet dieselbe nach den darin gegebenen 
Motiven eintritt, so wohl zusammenhängend scheint dieselbe in 
sich selbst, harmonisch in der Uebereinstimmung ihrer Theile 
und der Beziehung auf einen gemeinsamen Mittelpunkt. Es ist 
möglich, dass den Stoff in seinen Grundzügen schon die Sage bot, 
jedenfalls lag es nahe, die bei dem ganzen Kampfe am nächsten 
betheiligten Personen, den Beleidiger Paris und den Beleidigten 
Menelaos unmittelbar im Zweikampf einander gegenüber zu stellen 
und von dem Ausgang dieses Zweikampfes die Entscheidung des 
ganzen Krieges abhängen zu lassen. Das sittliche Gefühl ver- 
langte als Ausgang solches Gottesurtheils das Unterliegen des 
irevelhaften Beleidigers; seine für den Fortgang des Epos noth- 


-- 18 — 


wendige Rettung fiel am natürlichsten seiner besonderen Schutz- 
göttin Aphrodite zu, mit deren Hilfe er auch Helena gewonnen 
hatte. Diese wahrscheinlich schon von der Sage gebotenen Grund- 
züge der Handlung werden erweitert durch die Einführung der 
Helena, des Priamos und die an die Rettung sich schliessende 
weitere Thätigkeit der Aphrodite. Helena wird passend eingeführt 
als der Preis, der bei dem Zweikampf in Frage steht: es wird 
ihre eigne Stimmung gezeichnet, ihr Verhältnis zu Priamos, zu 
den troischen Geronten als den Vertretern des Volkes, zu Paris 
zur Anschauung gebracht. Priamos’ Auftreten wird motiviert 
durch die Forderung des Menelaos, dass er persönlich den Bun- 
desvertrag abschliesse (105 ff.). Indem Priamos und Helena auf dem 
Thurm zusammengeführt werden, ergiebt sich eine Gelegenheit zur 
Charakterisierung der hervorragendsten achaeischen Helden. Indem 
endlich Aphrodite nach der Rettung des Paris diesem die Helena 
zuführt, wird das Verhältniss der letzteren zur Göttin wie zu 
Paris zur Anschauung gebracht, ihre eigne Charakteristik vervoll- 
ständigt. Diese Erweiterungen der einfachen Handlung, die be- 
sonders in episodenartigen Scenen ihren Platz finden, geben der 
Handlung einen umfassenden Hintergrund, eröffnen einen weiten 
Gesichtskreis, welcher die Erzählung über die Bedeutung einer 
einzelnen Episode des Kampfes erhebt. Von dem Mittelpunkte 
der Handlung aus, dem um den Preis des ganzen Krieges ge- 
führten Zweikampf, wird der Blick durch zahlreiche Züge aus 
der Vorgeschichte der Ilias, die in die Erzählung verwebt sind, 
zurückgelenkt auf den Anlass und Beginn des Krieges; die drei 
Unheilstifter Aphrodite, Paris, Helena treten in lebendiger Charak- 
terisierung als solche unmittelbar hervor, begehen vor unseren 
Augen den Frevel von neuem, der den Krieg entzündete. Wie 
der Zusammenstellung dieser drei Anstifter des Krieges ohne 
Zweifel ein bewusster Zweck des Dichters zu Grunde liegt, so 
scheint auch in den beiden Episoden die Gegenüberstellung der 
Iris und Aphrodite in ihrer Einwirkung auf Helena nicht unbeab- 
sichtigt: jene erweckt in ihr, indem sie dieselbe zum Thurme 
beruft, die Sehnsucht nach dem früheren Gemahl und der Heimath, 
diese führt sie vom Thurme zurück zu neuem Ehebruch. 

Nächst der Erfindung ist die lebensvolle Charakterisierung 
und die geschickte Gruppierung der auftretenden Personen hervor- 
zuheben. Beide gehen Hand in Hand. So konnte Paris nicht 
treffender eingeführt werden, als in der Zusammenstellung mit 
Menelaos, nicht besser charakterisiert werden, als in der Unter- 
redung mit Hector. Durch Hectors strengen Tadel aus seiner 
feigen Schwäche aufgerüttelt und zu münnlichem Entschluss ge- 
trieben, sinkt er nach dem Zweikampf wieder in seine Sinneslust 
zurück und begeht von neuem den Frevel, dem er eben hatte 
ein Ziel setzen wollen. Als sein Gegenbild erscheint Helena in 

11* 


-- 164 — 


paralleler Zeichnung. Welch wirksamen Ausdruck der dämonische 
Zauber ihrer Schönheit in der Bewunderung der troischen Greise 
gefunden hat, ist viel gerühmt. Bei der Ankündigung des be- 
vorstehenden Zweikampfes, dessen Preis sie selbst ist, an ihre 
Schuld gemahnt und von Sehnsucht nach dem früheren Gemahl 
und der Heimath ergriffen, zeigt sie in der Scene mit Priamus 
eine tiefe Reue über ihr Vergehen; auch Aphrodite’s verlockender 
Aufforderung setzt sie anfangs den bittersten Hohn entgegen und 
lässt sich nur durch die starken Drohungen der Göttin bewegen 
ihr zu folgen; aber dieselbe Helena ergiebt sich zuletzt ohne 
Widerstreben dem Paris, begeht denselben Frevel von neuem, 
den sie eben aufs tiefste beklagt und bereut hat. Helena gegen- 
über wird Priamos in seiner schonenden Milde gezeichnet; beim 
Abschluss des Vertrags tritt seine Schwäche, aber auch sein 
frommer, gottergebener Sinn hervor. Auch sonst steht der Dichter 
unsres (esanges dem des ersten an Geschick in der Gruppierung 
und Sinn für plastische Gestaltung kaum nach. Wir erinnern an 
das reiche Gruppenbild auf dem Thurm des Skäischen Thores: 
Priamos umgeben von den troischen Geronten, zu ihm Helena 
tretend, von zwei Dienerinnen begleitet; sodann die Gruppe bei 
dem Vertragsopfer: Priamos und Antenor, gegenüber Agamemnon 
und Odysseus, auf beiden Seiten die Herolde, im weiteren Kreise 
die Fürsten und die Heere; dann wieder die andere Gruppe auf 
dem Thurm des Skäischen Thores: Helena umgeben von jtroischen 
Frauen, zu ihr Aphrodite tretend in Gestalt der alten Dienerin, 
aber als Göttin erkennbar an dem sehr schönen Nacken, den 
lieblichen Brüsten, den glänzenden Augen; endlich die Gruppe in 
Paris’ Gemach: Paris, Helena, Aphrodite. Daneben verdient der 
geniale Gedanke, die Gestalten der hervorragendsten achaeischen 
Helden reflectiert in der Unterredung zwischen Priamos und Helena 
zur Anschauung zu bringen, besonders hervorgehoben zu werden. 

Auch die Erzählung trägt durchweg das Gepräge lebendiger 
Anschaulichkeit; leicht und anmuthig fortschreitend hält sie die 
Mitte zwischen der gedrungenen Kürze des ersten und der Breite, 
zum Theil Ueberfülle des zweiten Gesanges. Gleichnisse finden 
sich gleich im Eingange mehrere in rascher Folge, im weiteren’ 
Verlauf noch eins. In den Reden, die der Ausdruck einer leiden- 
schaftlichen Erregung sind, erhebt sich die Sprache zum Theil 
zu grosser Kraft und einer gewissen Kühnheit des Ausdruckes, 
welche der in den Reden des ersten Gesanges herrschenden kaum 
nachsteht. 


Für die Kritik des dritten Gesanges ist der natürliche Aus- 
gangspunkt der schon oben berührte lose Zusammenhang, in wel- 
chem die Handlung desselben mit der vorhergehenden Entwicklung 
steht, vor allem der Mangel jeder näheren Beziehung auf die im 


-- 168 — 


ersten Gesange entwickelten grundlegenden Motive. Von diesem 
Gesichtspunkte aus verbunden mit einer Reihe von Beobachtungen, 
welche zu ergeben scheinen, dass die für die Handlung des 
dritten Gesanges zu Grunde gelegte Situation eine ganz andere 
ist, als die in den ersten Gesängen entwickelte, wird die Stelle 
unseres Gesanges innerhalb des dichterischen Planes ernstlich in 
Frage gestellt. Aber auch der innere Zusammenhang des Ge- 
sanges selbst scheint vor einer genauen Analyse nicht bestehen 
zu können: nicht nur, dass die in die Haupthandlung eingefügten 
Episoden die Kritik herausfordern, auch der Zusammenhang der 
Haupthandlung selbst hat mehrfach Anstoss und Zweifel hervor- 
gerufen. 

Der Zweikampf zwischen Paris und Menelaos tritt ganz un- 
vermittelt ein. Wührend die vorhergegangenen Ereignisse die 
Erwartung auf einen allgemeinen Kampf gespannt haben, in dem 
durch Zeus’ Veranstaltung die Achaeer zuerst die verderblichen 
Folgen von Achills Groll und Unthätigkeit empfinden sollen, wird 
durch den um den Preis des ganzen Krieges verabredeten Zwei- 
kampf nicht nur die Ausführung des von Zeus gefassten Be- 
schlusses verzögert, sondern auch mit dem Fortgang des Krieges 
die Möglichkeit dieser Ausführung überhaupt in Frage gestellt. 
Es ist als ob wir mit einem Mal in eine ganz andere Situation 
versetzt würden, als die durch die vorhergehenden Ereignisse vor- 
bereitete war. Dieser Eindruck verstärkt sich mehr und mehr 
im Verlauf des Gesanges selbst. Eine Reihe von Zügen scheint 
darauf zu deuten, dass die erzählte Handlung nicht dem zehnten 
Kriegsjahre, sondern dem Anfang des Krieges angehört. “Paris 
begegnet hier zum ersten Male dem Menelaos im Gefecht und ver- 
liert deshalb völlig die Besinnung. Dann urtheilen auch über ihn 
die Achaeer noch nicht nach seinen Thaten, sondern nur nach 
seiner schönen Gestalt. Ausserdem aber passt sein Zweikampf 
mit Menelaos unter solchen Bestimmungen über Helena mehr in 
den Anfang des Krieges, als in die spätere Zeit, wo dieser mit 
allen aus ihm hervorgegangenen Verhältnissen schon aus einem 
Streite zwischen Menelaos und Paris zu einem erbitterten Kampfe 
der Achaeer und Troer geworden war’. (Jacob.) Noch deutlicher 
weist die Teichoskopie auf eine frühere Zeit des Krieges. Der 
bewundernde Ausruf der troischen Greise über die Schönheit der 
Helena (155 ff.) “passt mehr in die Zeit nicht zu lange nach 
ihrer Ankunft, als in eine spätere, wo der Anblick ihrer Schön- 
heit schon nicht mehr so neu war.’ (Jacob) Die Fragen des 
Priamos nach den Hauptführern der Achaeer, sein bewundernder 
Ausruf über die zahllose Menge des achaeischen Heeres scheinen 
unerklärlich im zehnten Kriegsjahr, ebenso dass Helena noch nicht 
weiss, ob ihre Brüder mit gegen Troja gezogen seien. 

Gegen die Episoden wird im Allgemeinen der Vorwurf er- 


-- 16 — 


hoben, dass sie den raschen Gang der Haupthandlung in unpassen- 
der Weise unterbrechen und ohne Bedeutung für diese das Eben- 
mass der Darstellung stören. Im Besondern macht Lachmann 
gegen die Teichoskopie ausser der schon berührten Unschicklich- 
keit der Fragen an Helena im zehnten Jahre des Krieges den 
ungeschickten Uebergang von Aias auf Idomeneus, nach dem gar 
nicht gefragt war (230), und die ‘kindische Abwechslung in den 
Versen 171. 199. 228° geltend. Hoffmann verwirft dieselbe 
unter Billigung der von Lachmann gefundenen Anstösse auch 
aus metrischen Gründen (ohne jedoch auch Helena’s Gang zum 
Thurme 120—145 zu beanstanden), Curtius aus sprachlichen 
Gründen, da dieselbe an Wörtern und Formen gar viel Besonderes 
biete, auch unter Hervorhebung der darin sich findenden mytho- 
logisch -historischen Gelehrsamkeit (187 fl. 205 ff). Bergk weist 
zwar Lachmanns Tadel zurück und erkennt die Vorzüglichkeit der 
Mauersehau an, schliesst aber aus den darin enthaltenen eigen- 
thümlichen, von jüngeren Epikern mit Vorliebe behandelten Sagen- 
elementen (Aethra — Amazonen), aus einer gewissen charakte- 
ristischen Naivetät (140. 243 f.) und einem eigenthümlichen 
weichen Ton, durch welchen sie sich sehr entschieden von dem 
Charakter des sie umgebenden Liedes unterscheide, dass sie nicht 
von dem Verfasser des Gesanges herrühre, in den sie eingefügt 
sei. Uebrigens scheint ihm die Episode eben für diese Stelle ge- 
dichtet, aber nicht unversehrt überliefert, woraus die kurze Ab- 
fertigung des Aias, das Fehlen des Diomedes, die überraschende 
Einführung des Idomeneus sich erkläre. Auch Düntzer verwirft 
die von Lachmann gegen die Teichoskopie vorgebrachten Gründe, 
hat aber eine Reihe anderer Bedenken: zuerst, dass Iris 121 die 
Helena abrufe, da dieselbe nur im Auftrage anderer Götter, nie aus 
eignem Antrieb handle; sodann sei der Zweck dieser Berufung 
nicht abzusehen: in Helena das Verlangen nach dem früheren 
Gemahl, der Stadt und den Eltern zu erwecken (140), sei hier 
ganz zwecklos und diene auch nur dazu, die Helena zu bestimmen 
der Iris zu folgen. Weiter findet er es seltsam, dass Priamos 
die Gattin seines Sohnes ihren früheren Gatten und dessen Ver- 
wandte sehen lassen will, dass von dem so wichtigen Ereigniss, 
dass alle die Waffen niedergelegt und sich niedergelassen haben, 
mit keinem Wort die Rede ist, dass des Menelaos, der sich so 
sehr hervorgethan, nach der Hindeutung 163 gar nicht gedacht 
wird etc. Hinsichtlich der Berufung der Helena durch Iris sprechen 
Bischoff und Holm ähnliche Bedenken aus; letzterer findet über- 
dies einen auffallenden Widerspruch zwischen V. 134 und 326: 
dort werde vorausgesetzt, dass die Krieger bereits sitzen, während 
erst hier erzählt werde, dass sich dieselben gesetzt hätten. Köchly 
endlich fügt als ein entscheidendes Moment gegen die Mauerschau 
folgende Differenz zwischen 143 ff. und 383 ἢ (vgl. 411 u. 420) 


-- 11 


hinzu: dort eilt Helena von zwei Dienerinnen begleitet auf den 
Thurm des Sküischen Thores, der von den troischen Greisen be- 
setzt ist, hier findet Aphrodite dieselbe auf einem nicht nüher 
bezeichneten Thurm sitzend unter troischen Frauen, während von 
den Greisen bei ihrem Weggange nicht die Rede ist. 

Ueber die zweite Episode (383-—448) bemerkt Lachmann, 
dass es ganz das Gefühl der Symmetrie verletze, wenn nach der 
Erzählung vom Verschwinden des Paris (382) noch in 66 Versen 
von Paris erzählt werde. Aehnlich urtheilt Bergk, welcher darin 
die eigenthümliche Manier des Diaskeuasten erkennt, welche nicht 
nur von dem Geiste des echten Homerischen Epos sich weit ent- 
ferne, sondern auch zu dem Tone des ganzen Liedes nicht recht 
passe. Auch Bernhardy sieht darin ein zweckloses Episodium, 
welches durch weichen Ton und Glätte den Eindruck einer jünge- 
ven Arbeit mache. Andern erregt besonders der Inhalt Anstoss. 
So findet Gross das Verhalten der Helena in dieser Episode in 
offenbarem Widerspruch mit der sonst bei Homer gegebenen Dar- 
stellung derselben, wie mit sich selbst. In der Teichoskopie, wie 
überhaupt bei Homer, zeigt dieselbe tiefe Reue über ihre That; 
hier eifert sie zuerst in einer das Mass überschreitenden Heftig- 
keit (406—409) gegen die Zumuthung der Aphrodite, zu Paris 
zu kommen, fährt auch Paris selbst auf das Heftigste an, leistet 
dann aber seiner Aufforderung zum Liebesgenuss ohne Wider- 
streben sofort Folge, ohne dass man diesen plötzlichen Umschlag 
etwa der Einwirkung der Göttin zuschreiben kann, da diese nach 
425 verschwunden ist, man weiss nicht wohin. Helena, wie 
Aphrodite erscheinen in dieser Episode in dem unwürdigsten 
Lichte. Diese Bedenken theilt auch Düntzer, welcher überdies 
an den Reden der Helena im Einzelnen mannigfachen Anstoss 
nimmt. Die Partie 396—418 wurde schon von den Alten ver- 
worfen, und dieser Ausscheidung stimmen Bernhardy und Nitzsch 
zu, letzterer freilich nicht mit völliger Entschiedenheit. 

Ausser diesen Episoden ist nach Lachmann auch das Auf- 
treten des Priamos dem ursprünglichen Plane des Liedes fremd 
gewesen; er findet die ganze Erzählung davon abscheulich un- 
zusammenhängend. Dies Urtheil gründet sich zunächst auf die 
Unklarheit der Darstellung bei der Abfahrt des Priamos 259 fi, 
sodann auf den Widerspruch zwischen 105 f., wonach Priamos 
selbst die Eidopfer schneiden soll, und 273. 292, wo vielmehr 
Agamemnon die Lämmer schlachtet, endlich, dass Agamemnon 
mehrere Lämmer schlachtet, während doch für die Achaeer nur 
ein Lamm geholt war, Priamos aber die für die Troer ge- 
holten zwei Lämmer wieder mitnimmt, man weiss nicht ob 
geschlachtet oder lebend. Beseitigt man alles auf Priamos Be- 
zügliche, so wird dem ursprünglichen Plan gemäss das Bundes- 
opfer nicht vor dem Zweikampfe dargebracht, sondern dies soll 


— 168 - 


erst geschehen, nachdem einer von beiden gesiegt hat (71. 
94. 320.) 

Auch das Eingreifen der Aphrodite zu Gunsten des Paris im 
Zweikampf ist nicht unbeanstandet geblieben. Bischoff stellt 
die Alternative: “Wollte der Dichter den Zweikampf durch Aphro- 
dite abbrechen lassen, wozu das Zerbrechen des Schwertes? wenn 
aber durch dieses, wofür dann noch, wenn nicht zum Uebermass, 
das Eingreifen Aphrodites?” 

Abgesehen von den gegen die ὅρκια geltend gemachten Be- 
denken, welche überzeugend widerlegt sind, ist es schwer über 
die angeregten Fragen überall über ein Mehr oder Minder der 
Wahrscheinlichkeit hinaus zu völliger Sicherheit zu gelangen. 

Est ist wahr, dass eine Reihe von Zügen innerhalb des Ge- 
sanges den Eindruck machen, als ob wir nicht in das zehnte Jahr, 
sondern in den Anfang des Kriegs versetzt würden. Gleichwohl 
wäre die Folgerung übereilt, dass der Gesang in der That über- 
haupt auf eine frühere Periode des Krieges sich beziehe. Zunächst 
gehören die Züge, welche für jene Annahme am meisten Gewicht 
haben, doch fast nur der Teichoskopie an, die immerhin nicht ur- 
sprünglich zu sein braucht; was aus der übrigen Erzählung von 
Jacob dafür geltend gemacht ist, kann an sich entscheidendesBe- 
weiskraft nicht beanspruchen; andere Stellen, wie 99 χακὰ πολλὰ 
πέποσϑε, 112 ἐλπόμενοι παύσασϑαι ὀϊξυροῦ πολέμοιο weisen auf 
längere Dauer des Krieges. Auch innerhalb der Teichoskopie selb: 
treten jenen für eine frühere Periode des Krieges sprechenden 
Zügen wiederum andere entgegen, welche jenen Eindruck paraly- 
sieren. Will man auch kein Gewicht darauf legen, dass Achill 
unter den achaeischen Helden nicht genannt, also seine Abwesen- 
heit und damit die durch das erste Buch geschaffene Situation 
vorausgesetzt wird, — weil die auf Achill bezügliche Stelle bei 
Einfügung der Episode getilgt sein kann —, so ‘beweist doch die 
Erwähnung der zahlreichen Kämpfe der Achaeer und Troer um 
Helena, welche das kunstreiche Gewebe darstellte, sowie die Weise, 
in welcher der Gesandtschaft des Odysseus und Menelaos gedacht 
wird, dass die Partie von Anfang an für dieses Stadium des Krieges 
bestimmt war’ (Bergk). Freilich glaubt Overbeck in jener Stelle 
von dem Gewebe der Helena eine spätere Interpolation zu er- 
kennen, aber diese Ansicht ist von Brunn lebhaft bestritten, die 
Sache jedenfalls zweifelhaft (vgl. den Anhang zu I’ 126); die Ge- 
sandtschaft des Menelaos und Odysseus aber wird durch ἤδη--- ποτέ 
205 ohne*Zweifel in eine fernere Vergangenheit gerückt vgl. A 260, 
auch I’ 184, dazu kommt auch V. 157 die Aeusserung der troi- 
schen Greise οὐ νέμεσις — πολὺν χρόνον ἄλγεα πάσχειν. Es er- 
giebt sich somit vor der Hand nur eine immerhin auffallende 
Differenz innerhalb der Teichoskopie zwischen der im Allgemeinen 
festgehaltenen Zeit der epischen Handlung und einer Reihe von 


— 19 — 


Anachronismen im Einzelnen, welche bei der genaueren Unter- 
suchung über die Ursprünglichkeit dieser Episode mit erörtert 
werden muss. 

Die Frage, ob die Episoden das Ebenmass der Erzählung 
stören oder nicht, wird von den verschiedenen Standpunkten aus 
immer verschieden beantwortet werden. Vertreter der Einheit, 
wie Baeumlein, antworten auf Lachmanns Bedenken von ihrem 
Standpunkt aus mit Recht: mögen diese Episoden in einem Einzel- 
liede vom Zweikampf des Paris und Menelaos das Ebenmass ver- 
fehlen, in dem Zusammenhang eines grösseren Epos ist für dieselben 
Raum und namentlich nahe dem Anfang, wo es gilt die Verhält- 
nisse zu exponieren und die Personen zu charakterisieren, finden 
dieselben eine passende Stelle. In Bezug auf die zweite Episode 
bemerkt auch Hoffmann, indem er den Abschluss des Lachmann- 
schen Liedes mit dem Ende von I’ tadelt: “Wenn für Paris die 
Verse 120—145 und 383—448, also neunzig Verse, und für 
Menelaus in 4 die Verse 85—220, also hundertunddreissig Verse 
verwendet werden, so hat man keinen Grund über Verletzung der 
Symmetrie zu klagen.” 

Bei der Beurtheilung der Teichoskopie im Besonderen kommen, 
wenn wir von unwesentlichen Einzelheiten absehen, hauptsächlich 
folgende Momente in Frage: zunlichst die Eigenthümlichkeiten des 
Inhalts und der Form, sodann das Verhältniss der Episode zur 
Handlung des dritten Gesanges, sowie zur zweiten Episode. Unter 
den Eigenthümlichkeiten des Inhalts nehmen die erste Stelle ein 
die berührten Anachronismen, die von Priamos an Helena gerich- 
teten Fragen über die achaeischen Heerführer, sein bewundernder 
Ausruf über das zahllose Heer der Achaeer, die Unkenntniss der 
Helena, ob ihre Brüder mit vor Troja gezogen seien. Man wird 
diesen Anachronismen kein besonderes Gewicht beimessen dürfen. 
Es ist mit Recht bemerkt, dass der unbefangene Hörer daran 
keinen Anstoss genommen habe, der Dichter aber, der nur den 
letzten Theil des Krieges behandelte, gewiss keinen Vorwurf ver- 
diene, wenn er, um einen bedeutsamen Zweck zu erreichen, ebenso 
unbefangen über die zeitliche Differenz sich hinwegsetzte. Ueber- 
dies giebt es Analogien genug, welche zeigen, welch freier Spiel- 
raum dem Dichter in solchen Dingen gestattet war: so bei Homer 
sebst die Begegnung des Glaukos und Diomedes, welche sich noch 
nicht kennen, obwohl der Krieg schon zehn Jahre währt, der Ab- 
schied des Hektor und der Andromache, die beide so gerührt sind, 
obwohl solcher Absthied ihnen nichts Neues ist, die Gefahr für 
Hektor aber geringer ist als vorher, wo Achill noch kämpfte, so 
bei Sophokles die Fragen des Oedipus nach Laios, obwohl der- 
selbe mit Jokaste schon lange Jahre vermählt ist, und es bedarf kaum 
noch der Annahme Gerlachs, dass zum ersten Male während 
des ganzen Kriegs beide Heere ruhig im Angesicht der Stadt 


-- 10 — 


lagerten, für 'Priamos also wirklich die erste Gelegenheit zur ge- 
naueren Betrachtung der griechischen Heerführer sich darbot. Noch 
mit grösserem Recht sind die beiden andern von Lachmann gegen 
die Teichoskopie geltend gemachten Bedenken zurückgewiesen. Von 
den übrigen Eigenthümlichkeiten des Inhalts verdient die Ein- 
führung der Iris besondere Erwägung. Es ist nicht ganz richtig, 
wenn Düntzer behauptet, dass Iris sonst nur im Auftrage anderer 
Götter, nie aus eignem Antrieb handele Noch zwei Mal greift 
dieselbe ebenso wie hier aus eignem Antrieb ein, E 353 wo sie 
die von Diomedes verwundete Aphrodite ohne Auftrag aus dem 
Schlachtgetümmel führt und Ψ 198, wo sie Achills Gebet an die 
Winde als μετώγγελος diesen überbringt. Sonst handelt sie meist 
im Auftrage des Zeus. Um nun hier Helena auf den Schauplatz 
der Handlung zu bringen, hätte es der Götterbotin an sich nicht 
bedurft, es muss der Dichter daher bei der Einführung derselben 
seine besondere Absicht gehabt haben. Es scheint, wie wir schon 
oben andeuteten, ein nicht zufälliger Parallelismus in den beiden 
Episoden, dass hier Iris die Helena zum Thurm beruft und in ihr 
die Sehnsucht nach dem früheren Gemahl und der Heimath erweckt, 
dort Aphrodite sie vom Thurme zurück zu Paris führt und zu neuem 
Ehebruch verlockt. Anders erklärt Genz das Auftreten der Iris, 
indem er in derselben die Vermittlerin des höchsten, gerechten 
Götterwillens erkennend, in ihrem selbständigen Vorgehen die An- 
deutung findet, dass die Anwesenheit der Helena bei dem Zwei- 
kampf durchaus die Absicht der göttlichen Gerechtigkeit sei. Auch 
die übrigen Besonderheiten im Inhalt, wie im sprachlichen Aus- 
druck und Ton der Darstellung können an sich kein entscheidendes 
Gewicht für die Verwerfung der Teichoskopie abgeben, wenn 
nicht sonst durch überzeugende Gründe die Unverträglichkeit der- 
selben mit der Handlung des dritten Gesanges nachgewiesen werden 
kann. Nun steht die Episode allerdings abgesehen von der Ein- 
leitung 121—139 nur in sehr loser Beziehung zur Handlung. 
Zwar wird die Waffenniederlegung 195 vorausgesetzt, aber das 
Auffallende derselben vollständig ignoriert; gerade von Menelaos, 
dessen Verhandlung mit Hektor 95 ff. nicht unbemerkt bleiben konnte, 
auf den überdies Priamos 163 besonders hingewiesen hatte, ist 
hernach abgesehen von der beiläufigen Vergleichung mit Odysseus 
gar nicht die Rede. Aber direete Widersprüche zwischen der 
Episode und der Haupthandlung sind doch nicht nachweisbar. Die 
von Holm gefundene Differenz zwischen 134 und 326 wird hin- 
fällig durch die von demselben verkannte, oft genug vorkommende 
Bedeutung von ἦσϑαι = verweilen’in einer bestimmten Situ- 
ation, mit dem Nebenbegriff der Unthätigkeit, welche 134 auch 
wegen des Zusatzes ἀσπίσι κεκλιμένοι nothwendig ist, und auch 
der von Köchly zwischen 143 ff. und 383 f. (vgl. 411 und 
420) gefundene Widerspruch ist nicht unlösbar, wir dürfen mit 


-- 11 -- 


Genz darauf erwidern: “Aber Helena wollte ja nicht zu Priamos 
gehen; ist nur von den alten Herren aufgehalten worden, und 
geht, sobald der Schwiegervater fort ist, natürlich zu den Frauen.” 
Aber ein Punkt bleibt immer auffällig. Wir lesen unter dem Ein- 
druck der vorhergehenden Vertrags-Verhandlungen ohne Anstoss 
über die Aeusserung der troischen Greise 159. 160 hinweg, indem 
wir die dort ausgesprochene Möglichkeit der Rückkehr der Helena 
in Beziehung zu der entsprechenden Vertragsbestimmung setzen. 
Aber die troischen Greise können von diesem Vertrage ebenso 
wenig etwas wissen, als Priamos, wie 259 δίγησεν zeigt, in Wirk- 
lichkeit davon weiss. Müssen wir aber diese Unkenntniss vor- 
aussetzen, so ist diese Aeusserung im zehnten Jahre des Krieges 
noch viel befremdender, als alle übrigen nachgewiesenen Anachro- 
nismen, und auch die Wendung πολὺν χρόνον ἄλγεα πάσχειν 157 
kann uns an dieser Auffassung nicht hindern, da sie von den 
noch bevorstehenden Leiden des Kriegs verstanden werden kann. 
Hier scheint in der That ein innerer Widerspruch zwischen dem 
innerhalb der Episode eingenommenen Standpunkt und der in der 
Haupthandlung gegebenen Situation zu Tage zu treten, der in 
Verbindung mit den übrigen Bedenken die Ursprünglichkeit der 
Episode ernstlich in Frage stellt. Uebrigens würde davon die 
Einleitung der Episode 121—145 nicht mit betroffen werden und 
der erwähnte Parallelismus zwischen der Einwirkung der Iris und 
der Aphrodite auf Helena als ursprünglich erhalten bleiben können. 

Weit enger ist die Beziehung, in welcher die zweite Episode 
zur Haupthandlung steht. V. 382 bereitet eine solche häusliche 
Seene vor (Bäumlein.) Die Berechtigung aber zu solchem aus- 
führlichen Bericht über Paris’ Verhalten nach dem Zweikampf liegt 
zum Theil schon in der hervorragenden Rolle, welche Paris über- 
haupt in dem Gesange hat, wenn wir auch ‚nicht so weit gehen 
mit Köchly demselben die Hauptrolle zuzuweisen, wofür die Vor- 
anstellung des Paris in der alten Bezeichung des Liedes Πάριδος 
καὶ Μενελάου μονομαχία, wie Benicken gezeigt hat, als Be- 
weis ‚nicht angeführt werden darf. Bedeutsamer aber ist der 
Parallelismus, in welchem diese Scene mit der am Schlusse des 
dritten und im Anfang des vierten Gesanges folgenden Erzählung 
von Menelaos steht. “Die Verse von Helena und Paris (888 ---448) 
waren bei dem durchgängigen Muthwillen dieses Gesanges [Ὁ] noth- 
wendig, indem die Darstellung des Zweikampfes erst durch die 
Schilderung 468 Paris und der Helena in ihrem duftenden Ge- 
mache gegenüber dem getäuschten, jetzt auf dem leeren Kampf- 
platz umhertobenden Menelaos ihren völligen Schluss erhält.’ (Jacob.) 
“Der Gegensatz zwischen dem von Helena selbst seiner Unmänn- 
lichkeit wegen gescholtenen Paris, der sich nach dem Zweikampf, 
dem er entronnen ist, des Liebesgenusses freut, und dem durch 
Verrath auf dem Schlachtfelde verwundeten Menelaos scheint beab- 


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sichtigt.’ (Düntzer). ‘Bevor dies (der Vertragsbruch) durch den 
Schuss des Pandaros auf Anstiften der: den Troern feindlichen 
Gottheiten, um Troja zu verderben, geschieht, bewirkt die den 
Troern befreundete Göttin dasselbe in ihrem Bereich. Durch 
Aphrodite's Vermittlung wird Helena von neuem die Gattin des 
Paris zu derselben Zeit, wo sie vertragsmässig wieder Eigenthum 
des Menelaos geworden war. — Besiegt im Zweikampf ist Paris 
Sieger ih Reich Aphroditens.” (Naegelsbach). 

Aber es ist nicht allein der Parallelismus, in welchem diese 
Scene zu den folgenden steht, welcher derselben ihre Stelle in 
dem Gesange sichert. Die ganze Anlage des Gesanges abgesehen 
von den Episoden ist, wie schon oben ausgeführt, von der Art, 
dass der Blick von dem Mittelpunkt der Handlung aus fort und 
fort zurückgelenkt wird auf den Anlass und Beginn des Krieges. 
Bei dieser Anlage wäre es in der That unbegreiflich, wenn der 
Dichter die passendste Stelle die Helena persönlich vorzuführen 
unbenutzt gelassen hätte; selbst in einem Einzelliede vom Zwei- 
kampf des Paris und Menelaos würde Helena als der Preis des 
Kampfes eine passende Stelle finden. Aphrodite, Paris und Helena 
als die drei Unheilstifter gehören so eng’zusammen, dass erst die 
dringendsten Gründe nachgewiesen werden müssten, um Helena 
aus dieser Zusammenstellung auszuscheiden. Wie wichtig die Scene 
danach für das Epos in Bezug auf die Exposition der Verhältnisse 
ist, liegt auf der Hand. Zwar ist die von Werckmeister auf- 
gestellte Ansicht nicht von allen Zweifeln frei, wonach der Dichter 
vermöge eines besondern Kunstprineips in der Scene eine zusam- 
mengedrängte Wiederholung nicht bloss des Verhältnisses von 
Paris und Helena im Grossen und Ganzen, sondern speciell der 
Entführungs- und Verführungsgeschichte d. h. des sogenannten 
Raubes der Helena geben wollte, aber wohl darf man mit Genz 
besonders in Bezug auf diese Scene sagen, dass die dritte Rhapsodie 
uns die Ursachen des Krieges darstelle, indem sie dieselben 
gleichsam von neuem werden lasse. Damit hängt auf das engste 
ein anderer nicht minder wichtiger Punkt zusammen. ‘Dass Paris 
und Helena ihren Frevel jetzt von neuem begehen, während der 
Sieger sein Recht fordert, stellt in volles Licht die ganze Un- 
gerechtigkeit der troischen, die Gerechtigkeit der achaeischen 
Sache.’ (Genz.) 

Ob man so weit gehen darf, mit Werckmeister darin die 
Motivierung für den in der Götterversammlung des: vierten Ge- 
sanges erfolgenden Rathschluss des Zeus vom Untergange Trojas 
zu erkennen, bleibt freilich zweifelhaft. Alle diese Gesichtspunkte 
aber gebieten zugleich Vorsicht bei Beurtheilung der verschiedenen 
gegen die Scene geltend gemachten Bedenken. Zunächst wird 
nach dem Gesagten wohl nicht leicht Jemand gegen den Dichter den 
Vorwurf der Frivolität erheben wollen, weiler, wie es scheinen könnte, 


— 113 — 


das Laster triumphieren lasse; die ernste, tief sittliche Auffassung 
desselben steht ausser Zweifel. Mögen uns Aphrodite und Helena 
in einem unwürdigen Lichte erscheinen, jedenfalls sind wir nicht 
berechtigt unsern Massstab der Sittlichkeit an die Gebilde der 
griechischen Sage und Dichtung anzulegen. Auch Helena ist 
wohl ursprünglich eine Göttin, Zeus’, Tochter, daraus erklärt sich 
die Art, wie sie zuerst Aphrodite entgegentritt, Aber sie ist auch 
trotz ihres daemonischen Wesens ein sterbliches Weib, immer wieder 
in Aphrodite’s Banden. Die Art, wie sie trotz der vorher gezeigten 
tiefen Reue über ihr Vergehen, trotz der sittlichen Entrüstung, der 
selbstbewussten trotzigen Heftigkeit, mit der sie Aphrodite zuerst 
entgegentritt, sich dieser dann doch fügt und dem Paris sich hin- 
giebt, mag uns überraschen und befremden, aber es ist schwer 
zu sagen, was sich Erhebliches gegen eine solche Charakterzeich- 
nung einwenden lässt. “Es ist eben Helena das weibliche Gegen- 
bild des Paris. Wie dieser zwischen Heroismus und Feigheit, 
zwischen Kraft und Sinnlichkeit hin- und hergetrieben wird, so 
schwankt sie zwischen Tugend und Schwäche, zwischen Hass und 
Liebe; sie vermag dem Reiz des Verführers so wenig zu wider- 
stehen, als sie ihrem bessern Selbst gänzlich entsagen kann.” 
(Naegelsbach). Wer aber, wie Gross, es unbegreiflich findet, 
dass sie nach der heftigsten Schmährede gegen Paris durch dessen 
prahlerische und Leidenschaft athmende Worte, ohne die Ein- 
wirkung der Aphrodite sich bestimmen lässt, ohne ein Wort des 
Widerspruchs sich dem Paris hinzugeben, der übersieht, dass ihre 
Willenskraft bereits auf dem Thurm durch die Drohung der Göttin 
gebrochen ist und danach von einem ernstlichen Widerstande über- 
haupt nicht mehr die Rede sein kann. 

Welche Bedeutung die ausführlich beschriebene feierliche Ver- 
tragsschliessung für die dem Gesange gesteckte Aufgabe hat, leuchtet 
nach den obigen Ausführungen ein. Es haben denn auch die Mehrzahl 
der Kritiker, wie Faerber, Gross, Hoffmann, Baeumlein, Nae- 
gelsbach, Jacob, Düntzer sich gegen die von Lachmann erhobe- 
nen Bedenken ausgesprochen, nur Holm und Benicken theilen die- 
selben. Es beruhen dieselben zum Theil auf Missverständnissen. So 
erledigt sich das Bedenken wegen 105 ὄφρ᾽ ὅρκια τάμνῃ αὐτός im 
Vergleich zu 292 einfach dadurch, dass die Wendung ὅρκια τά- 
νειν in übertragenem Sinne vom Schliessen des Vertrags steht, 
wie 94 und 252 beweisen, und daher αὐτός nur auf Priamos’ per- 
sönliche Anwesenheit geht. Wenn uns ferner bei dem Abschluss 
des Vertrags manches auffallend und unerklärlich ist, wie dass 
Agamemnon auch die von den Troern gestellten Opferthiere 
schlachtet, dass Priamos die geschlachteten Opferthiere mit sich 
nach Troja nimmt, so müssen wir uns solchen alten Gebräuchen 
gegenüber in unserm Urtheil bescheiden. Auch dass nach dem 
ursprünglichen Plan des Gesanges das Bundesopfer nicht vor dem 


-- 114 — 


Zweikampf dargebracht werden sollte, sondern erst nach der Ent- 
scheidung desselben, kann nicht für erwiesen gelten. Es werden 
deutlich zwei Verträge unterschieden, am unzweideutigsten in un- 
mittelbarer Folge 252 und 256, dort der Vertrag vor dem Zwei- 
kampf, zum Behuf der feierlichen Festsetzung der den Zweikampf 
betreffenden Bestimmungen, und hier ein nach der Erledigung des 
Zweikampfes zu schliessender Freundschaftsvertrag zwischen beiden 
‘Völkern. Jener erstere ist gemeint 105. 280. 299, der letztere 
. 73. 94. 323, immer in der stehenden Verbindung φιλότητα καὶ 
ὅρκια πιστά. Der erstere wird wirklich abgeschlossen 267 fl, der 
letztere durch die Nichterfüllung der Bestimmungen des ersteren 
dagegen vereitelt. — Zuzugeben ist, dass die Partie von der Be- 
rufung des Priamos durch die Herolde und seiner Abfahrt an 
einer auffallenden Kürze und einer gewissen Unklarheit leidet. 


Die vorstehende Erörterung der gegen den dritten Gesang 
erhobenen Bedenken ergiebt einerseits einen sehr lockeren Zu- 
sammenhang des Gesanges mit dem Vorhergehenden, sofern die 
grundlegenden Motive des ersten und zweiten Gesanges hier ohne 
alle Wirkung bleiben, andrerseits eine sehr enge Beziehung zum 
Anfang des vierten Gesanges, wofür die hier erzählten Ereignisse 
die grundlegende Voraussetzung bilden. Die Haupthandlung zeigt 
sich abgesehen von einzelnen nicht schwer ins Gewicht fallenden und 
keineswegs unlösbaren Differenzen im besten Zusammenhange; auch 
die episodisch eingefüigten Erzühlungen lassen sich, namentlich so- 
weit Helena, um deren Besitz der Zweikampf sich dreht, deren 
Mittelpunkt bildet, aus dem Plan des Dichters die Ursachen des 
Krieges lebendig zu vergegenwärtigen, die Anstifter desselben zu 
charakterisieren und die troischen Verhältnisse zu exponieren, sehr 
wohl begreifen. Indem nun nach Massgabe der verschiedenen 
Standpunkte der eine oder andere dieser Gesichtspunkte betont 
wird, gruppieren sich die Ansichten der bedeutendsten Kritiker in 
folgender Weise. Die unbedingten Vertreter der Einheit nehmen 
unter der Voraussetzung, dass in dem Plane eines grossen Epos 
behufs breitester Grundlegung nicht unbedeutende Retardationen 
der Handlung berechtigt seien, an dem losen Zusammenhang unseres 
Gesanges mit den vorhergehenden keinen Anstoss und sehen in 
der Erzählung vom Zweikampf ein bedeutsames weiteres Sttick 
der Exposition: wie im zweiten Gesange die Zustände im griechi- 
schen Lager, das Verhältniss des Heeres zu den Fürsten und zum 
Kriege, dargelegt werden, so im dritten die troischen Verhältnisse. 
Auch Genz findet den dritten Gesang noch an angemessener Stelle 
im homerischen Plan, sofern er die Ursachen des Krieges gleich- 
sam von neuem werden lasse, schreibt denselben aber einem andern 
Verfasser, als dem des zweiten zu; nicht unwahrscheinlich sei, 


— 15 — 


dass wir in ihm wieder den Dichter des ersten Gesanges haben. 
Eine andere Reihe von Kritikern, welche ebenfalls einen einheit- 
lichen Plan des Gedichtes festhalten, finden übereinstimmend die 
planmässige Entwicklung der epischen Handlung durch den dritten 
Gesang unterbrochen und unterscheiden sich nur durch die Aus- 
dehnung, in welcher sie eine solche Unterbrechung annehmen, so- 
wie durch die Art der Beziehung, in welche sie die ausgeschiedene 
Partie zum ursprünglichen Kern des Gedichtes setzen. Von diesen 
sieht Bergk in dem dritten und dem grösseren Theil des vierten 
Gesanges die Arbeiten verschiedener Nachdichter, welche der Dar- 
stellung der griechischen Verhältnisse ein Bild der troischen Zu- 
stände gegenüberzustellen bemüht waren. Im Besonderen bemerkt 
er: “Der Gesang vom Zweikampfe und Vertragsbruch war wohl 
einer der ersten Versuche die Ilias fortzusetzen. Ein talentvoller 
jüngerer Diehter fügte dann die Episode von der Mauerschau hinzu, 
und später hat der Diaskeuast nicht nur jenen Gesang fortgesetzt, 
sondern auch beide Partien in sehr freier Weise überarbeitet. Es 
sind nicht selbständige Lieder, auch schildern sie nicht etwa eine 
frühere Periode des Krieges, sondern diese Stücke sind in unmittel- 
barem Anschluss an die Ilias oder deren Fortsetzungen gedichtet.” 
Dagegen will Kammer den Zweikampf mit dem, was dazu ge- 
hört, als ein selbständiges Lied ausgeschieden wissen, das eine 
Episode aus dem sagenreichen Kriege vor Troja behandelte, welche 
mit der eigentlichen uns vorliegenden Iliade nichts zu thun hat: 
und zwar soll dies Lied aus Γ᾽, 4 1—220 und H 315 ff. bestehen, 
der Schluss desselben aber dadurch umgestaltet sein, dass bei der 
Einfügung in die Ilias der Abschluss, die Sendung des Idaios be- 
hufs Ueberbringung der Anträge des Paris enthaltend, mit der 
zweiten Sendung des Idaios wegen des Waffenstillstands verschmolzen 
wurde. Weiter gehen Grote und Düntzer, indem sie die Ge- 
sänge 2—7 als mit dem ursprünglichen Plan des Gedichts und 
den grundlegenden Motiven des ersten Gesanges unvereinbar aus- 
scheiden, jener, indem er diese Bücher als eine nachträgliche Er- 
weiterung in die ursprüngliche Achilleis eingefügt sein lüsst, dieser, 
indem er im zweiten Gesange ein selbständiges Lied, in den Ge- 
sängen 3—7 unter Ausschluss einzelner Eindichtungen ein eignes 
Gedicht zu erkennen glaubt. Von den Vertretern der Liedertheorie 
stimmen Hoffmann und Köchly, wenn auch sonst weit aus ein- 
ander gehend, darin überein, dass sie noch den Zusammenhang 
des 3ten Gesanges mit dem Anfang des vierten festhalten. Auf 
Grund seiner metrischen Untersuchungen fasst Hoffmann Γ΄ 9— 
145, 245—461, 4 1—222 und vielleicht 422—456, E 1—448 
als ein Ganzes zusammen, welches nicht zu dem Gebange von der 
Bitte der Thetis passt, zum Gange der Haupthandlung in keinerlei 
Beziehung steht und nicht zur Epopoie gehört; Köchly dagegen 
constituirt sein Ὅρκια ἤτοι Πάριδος καὶ Μενελάου μονομαχία be- 


. 


. -- τὸ -- 


zeichnetes Lied aus I’ 1—107. 111---120. 245—461. 4 1—54. 
57—125. 127—158. 160—162. 166—170. 183—195. 198— 222 
und verbindet die Teichoskopie mit der Epipolesis des vierten Ge- 
sanges wiederum zu einem besondern Liede, welches besteht aus: I’ 
121—135. 139—143. 145—196. 198—219. 221—223. 225 
244. 4 223—243. 247—268. 272—332. 336—421. Lachmann 
endlich löst den dritten Gesang völlig aus dem Zusammenhang 
mit dem folgenden und scheidet aus demselben nicht nur die 
Teichoskopie und die Scenen zwischen Aphrodite, Helena, Paris 
aus, sondern auch alles auf Priamos Bezügliche. Danach umfasst 
sein drittes Lied nur etwa 170 Verse: 16—102. 111—115. 
314—382. 449- 461. Nach Lachmanns Vorgange löst Holm 
den dritten Gesang in drei einzelne Lieder, respective Liederpar- 
tikeln auf. _Eigenthümlich ist die Ansicht Jacobs. Nach ihm 
gehört der Inhalt des Gesanges ohne Zweifel in den Anfang des 
Krieges. Aus dem innerhalb desselben zwölfmal wiederkehrenden 
Beiwort des Menelaos ἀρηΐφιλος aber schliesst er, dass der Gesang 
sich einer besonderen Ueberlieferung angeschlossen habe und mit 
Menelaos ein muthwilliges Spiel treibe, da man am wenigsten in 
ihm auch nur die Spur einer Vorliebe des Ares für den Helden 
bemerke. Aber auch ausser diesem Gesange findet sich ἀρηίφιλος 
nicht selten als Beiwort des Menelaos und noch öfter ἀρήϊος, welches 
mit besonderer Vorliebe demselben beigelegt wird. Höchstens 
kann man mit Preller griech. Myth. I 225 in diesen Beiworten 
die Andeutung finden, dass Menelaos damit dem Liebling der 
Aphrodite, Paris gegenübergestellt werde. 


Anmerkungen. 


4. Zu χειμῶνα καὶ ὄμβρον vgl. auch Horat. Epod. IT 29: ‘at 
cum tonantis annus hibernus Iovis imbres nivesque comparat.” 
Ueber die Kraniche als Zugvögel vgl. Herod. Π 22. Aristot. H. A. 
VIII 14. Aelian. H. A. II 1; III 13. Auch Pompon. Mel. III 8. 


Schiller in “Kraniche des Ibycus’: 
‘Nichts regt sich um ihn her, nur Schwärme 
Von Kranichen begleiten ihn, 
Die fernhin nach des Südens Wärme 
In graulichem Geschwader ziehn.” 
Oder G. Kinkel in “Otto der Schütz’ 9. Abenteuer: 
‘Und über mir in lautem Flug 
Strebt in die Fern’ ein Kranichzug.” 
Mit der homerischen Stelle vergleiche man auch Claudian. XV 


-- 1 -- 


474 f. Juvenal. XIII 167 f. — 7. [Raspe a. O. p. 17 versteht 
προφέρονται tragen vor sich her (=intendiren). Dagegen spricht: 
1) der Gebrauch derselben Wendung im Medium $ 210, wo bei 
dem Fehlen aller Andeutung einer Bewegung näher liegt zu ver- 
stehen: Streit zum Vorschein bringen, zeigen, beginnen, worauf 
auch ξ 92 führt, 2) dass bei dieser Auffassung V. 7 abgesehen 
von ἠέριαι nur den Gedanken φόνον καὶ κῆρα φέρουσαι, der von 
der drohenden Absicht zu verstehen ist, wiederholen würde. Haben 
wir in V. 7 eine jener häufigen Ausführungen eines Vergleichs, 
die nicht unmittelbar mehr zur Erläuterung der verglichenen Hand- 
lung dienen, zu erkennen, so lässt sich nur eine Andeutung dessen 
erwarten, was nach der Ankunft der Vögel am Okeanos folgt d. h. 
des Kampfes selbst und dann steht προφέρονται in einem passenden 
Verhältniss zu dem vorhergehenden φέρουσαι. Bei der von Nitzsch 
gegebenen und von Ameis angenommenen Erklärung: ‘Sie beginnen 
mit einander den bösen Wettstreit, indem ein Kranich immer 
heftiger schreit als der andere’, bleibt überdies κακήν auffallend, 
da das Geschrei an sich doch den Gegnern nicht verderblich wird, 
ferner ist die reciproke Bedeutung des Medium nach ὃ. 210 nicht 
wahrscheinlich, näher liegt aus dem vorhergehenden Verse den 
Dativ Πυγμαίοισι zu denken, wie ϑ 210 der Dativ folgt.] — Vers 
8. ἴσαν σιγῇ berücksichtigt Philostr. Heroie. c. p. 16; p. 689. — 
10. [Eigenthümliches in der Sprache bei diesem Vergleich bemerkt 
Friedländer Beiträge zur Konntniss der hom. Gleichnisse II p. 6.] — 
Vers 13. ἀελλής haben Andere von ἄελλα getrennt und mit ἀολλής 
für synonym erklärt: eine diehte Staubwolke. Vgl. G. Curtius 
Etym.? Nr. 656 8.484. [*p. 540, Nr. 660. So Clemm in Curtius 
Stud. VIII p. 93 vgl. auch Brugman in Curtius Stud. IV. p. 128: 
ἀελλής pro d-ei-vig. — κονίσσαλος steht nach Fick vgl. Wörter- 
buch p. 417 für xovi-ofalo-g (von sval schwellen), und ist 
Staubschwall, Staubwirbel. Auch wegen dieser Bedeutung und 
neben ὥρνυτο ist ἀελλής, welches Ameis erklürte aufgewirbelt, 
nach der gewöhnlichen Annahme zu fassen — dicht.] 

15 = E 14. 630. 850. Z 121. A 232. N 604. IT 462. 
T 176. Φ 148. X 248. Ψ 816. In der Odyssee findet sich nur 
der erste Theil des Verses mit anderer Verbindung: vgl. zu κ 156. 
Die Ilias hat den Vers jedesmal, wo der Einzelkampf zweier 
Streiter im offenen Felde beginnt. Nach geschehener Annäherung 
“folgt entweder der Lanzenwurf unmittelbar oder nach vorange- 
gangener Ansprache’ (M. Schmidt im Rhein. Mus. 1865 Bd. XX 
8.463). Mit den letzteren Stellen (E 630. Ζ 121. 7 176. Φ 148. 
X 248) ist unsere verwandt, insofern auch hier eine längere Vor- 
bereitung stattfindet, ehe es zwischen Paris und Menelaos zum 
Zweikampf kommt. Nur unterscheidet sich unsere Stelle von 
allen übrigen dadurch, dass das οἵ δέ sonst stets auf die bezüg- 
lichen zwei Streiter geht, hier dagegen auf die Mannen der beiden 

Anhang zu Ameis, Homers Ilias I. 12 


-- 118 — 


Gesammtheere. Aber diese kleine Differenz kann einen weitrei- 
chenden Anstoss nicht erregen: ein begründeter Anstoss würde 
bloss dann gegeben sein, wenn der formelhafte Vers mit τὼ δ᾽ 
ὅτε δή begänne. Hierzu kommt, dass sich auch # 816 in dem 
Anfange ἀλλ᾽ ὅτε δή eine Abweichung zeigt. Endlich finden sich 
bei ähnlichen formelhaften Redeweisen analoge Differenzen in 
Nebendingen selbst an Stellen, die man bis jetzt noch nicht an- 
gefochten hat. Die Hauptsache ist gewahrt, die Einleitung zum 
Zweikampf zwischen Menelaos und Paris. Ein anderer Vers dieser 
Art ist οἱ δ᾽ ὅτε δή 6" ἐς χῶρον ἕνα ξυνιόντες ἵκοντο 4 448. Θ 60, 
aber er steht an beiden Stellen nur vor dem Anfang des Massen- 
kampfes: vgl. auch & 393. 7 66. Φ 390; daher war er an 
unserer Stelle nicht anwendbar. — In Bezug auf die sprachliche 
Verbindung ist zu beachten, dass σχεδὸν ἦσαν für sich allein steht, 
wie in andern Formen von σχεδὸν εἶναι N 268. O 737. σ 146. 
ὦ 491, und ebenso mit σχεδὸν ἐλθεῖν A 247. N 810. P 600. 
Ψ 499. v 161. m 157. Eine nähere Bestimmung dazu erscheint 
gewöhnlich im Genetiv, bisweilen im Dativ, aber nirgends mit 
einer Präposition. Daher ist das zweite Hemistichion ἐπ᾽ ἀλλή- 
λοισιν ἰόντες als besonderer Zusatz zu fassen. Das ἐπέ betrachtet 
K. A. J. Hoffmann Die Tmesis in der Ilias I (Lüneburg 1858) 
8. 15 als selbständige nur vom Verbum ἰόντες beeinflusste Präpo- 
sition, indem er dann hinzufügt ᾿ἐπιέναι hat den Accusativ bei 
sich.’ Aber da sind N 482 und P 740 übersehen, wo ἐπιέναι 
mit dem persönlichen Dativ ein Herangehen oder Losgehen in 
feindlicher Absicht bezeichnet. Da hingegen das einfache ἰέναι 
ἐπί τινι sonst nirgends bei Homer in diesem Sinne sich findet, so 
wird man auch hier mit J. La Roche Hom, Stud. $ 68, 6 &m- 
ὄντες zu verbinden haben. Denn die einzige scheinbare Analogie, 
die man für die unmittelbare Präpositionrection hier anführen 
könnte, das ἐπὶ ἀλλήλοισιν "άρηα φέρειν T 132. Θ 516 gewinnt 
durch den bestimmten Begriff ”4gon« eine andere Beziehung. 

18. Gewöhnlich wird αὐτὰρ ὁ [nach den besten Handschriften, 
vgl. La Roche] gelesen, aber das Pronomen haben Zenodotos, Aristo- 
phanes, Aristarch, Kallistratos, Ixion in ihren Urkunden nicht ge- 
funden; und es fehlt mit Recht, da hier eine nachdrucksvolle Her- 
vorhebung des Subjects nicht so am Platze ist, wie in den zu ν 
219 und A 191 bezeichneten Fällen. Denn beide Sätze bilden 
einen einzigen eng zusammengehörigen Gedanken, in welchem die 
Participia ἔχων und πάλλων sowie die Verba imitativa προμάχιξεν 
und πρσκαλίξετο einander entsprechen. Das vermeintliche Misver- 
ständniss, das Bekker Hom. Blätter S. 165, 37 noch immer wie 
schon 5, 80, 21 dem Aristarch zuschreibt, hat W. C. Kayser im 
Philol. XXII S. 509 £. beleuchtet. Es ist überhaupt interessant 
und lehrreich, den Zeitraum zu. beachten, der verflossen ist, bevor 
sich die Werthschätzung Aristarchs Bahn gebrochen hat. Den 


- 19 -- 


ersten entschiedenen Ausspruch hat G. Hermann Opuse. II p. 49 
gethan, wo er im J. 1813 über Aristarch also urtheilt: ‘Tam 
enim οἷν ille admirabili fwit ingenio, ut viw putem ad iülustrandam 
Homeri dictionem, quod recte acuteque animadversum sit, afferri 
posse, quin illi cognitum perspectumque fuerit: ul haud sciam, an 
perinde habendum sit, Homerum atque Aristarchum intelligere Dieser 
Ausspruch hatte lange wie eine Stimme βοῶντος ἐν τῇ ἐρήμῳ ge- 
klungen. Und selbst nach dem Hauptwerke von Karl Lehrs, das 
6. Hermann im J. 1833 seinen Zuhörern als ‘epochemachend” 
charakterisierte, sind noch Jahrzehnte vergangen, ehe diese Er- 
kenntniss einen weitern Umfang gewann und eine Charakteristik 
herbeiführte, wie die bei G. Bernhardy Gr. Litt. IP 8. 185 ἢ ge- 
gebene. Jetzt gilt die Aufgabe, durch Erörterung der einzelnen 
Fälle an den bezüglichen Stellen die gewonnene Erkenntniss ver- 
breiten zu helfen. Mit dem Zuschlagen allein ist's nicht abgethan, 
mit dem Vorwurf der ‘Verwässerung” für solche Bemühungen wird 
nichts ausgerichtet. Nur ruhig geredet, gezeugt und gezeigt muss 
immer werden. So lange der Irrthum sich wiederholt, sagt Goethe, 
muss sich auch die Wahrheit wiederholen. [V.19 und 20 wurden 
übrigens von Aristarch verworfen: ὃ γὰρ παρδαλέην ἀνειληφὼς καὶ 
τοξικὴν στολὴν ἔχων οὐκ ἂν προκαλοῖτο εἰς μονομαχίαν, ἀλλ᾽ ὕστερον 
ἐπὶ τοῦτο ἔρχεται ὀνειδισϑεὶς ὑφ᾽ Ἕκτορος. ἄτοπον δὲ καὶ τὸ ἅμα 
πάντας προκαλεῖσϑαι, Friedlaender Aristonie. p. 81; Köchly ver- 
wirft 18 und 19 vgl. de Iliad. carmm. diss. IV. p. 5 ἢ, Düntzer 
homer. Abhandlungen p. 246 und Benicken das dritte und vierte Lied 
vom Zorne ete. p. 156 V. 18—20.] — 22. [βιβάντα “omni caret libro- 
rum auctoritate’ I‚a Roche, über das Schwanken zwischen βιβάντα und 
βιβῶντα vgl. denselben homer. Textkritik p. 215.] Vers 23 ff. Mit 
Recht bemerkt hier Nägelsbach: “Die Situation ist einer noch 
andauernden Jagd entlehnt. So löst sich das alte Bedenken, 
dass der Löwe kein Aas fresse’” Das todte Wild nemlich, auf 
das der Löwe stösst, ist eben erst von nahen Jägern erlegt 
worden: der Löwe lässt es aber darauf ankommen, ob dieselben 
mit ihren Hunden den Versuch machen werden ihm ihre Jagd- 
beute zu entreissen, weil ihn gerade hungert. Der Vergleichungs- 
punkt ist also: Wie der hungerige Löwe in seiner freudigen 
Begier der Gefahr nicht achtet, die ihm die Jäger bereiten, so 
achtet Menelaos, in seiner freudigen Begier sich an Paris zu 
rächen, nicht der Gefahr, die ihm von den übrigen Troern drohte. 
Diesen Zusatz mit W. Vitz. 

28. τίσεσϑαι, wie bereits Stephanus conjicierte, hat F. A. 
Wolf [so La Roche] aus dem Venetus aufgenommen; vor diesem 
las man allgemein den Aorist τίσασϑαι, der von Bekker wieder 
eingesetzt ist. Ich glaube mit Recht. Da nemlich die Dichtung 
schon von Vers 15 den Zweikampf einleitet, so ist hier der Ge- 
danke an die Zukunft weniger passend, als die Hervorhebung 

125 


— 180 — 


der That als einer rasch eintretenden, wie dieselbe That- 
sache in gleicher Verbindung 366 (wo auch der Venetus τίσασϑαν 
bietet) und im Gebete 351 hervorgehoben wird. Dazu aber dient 
bekanntlich nach φάναι und ähnlichen Verben der Infinitiv des 
Aorists. Denn derselbe wird dem Futurum vorgezogen, wie Bern- 
hardy Synt. 5. 384 bemerkt, “wo die That und nicht die Zeit- 
bestimmung überwiegt”, oder nach dem Ausdruck von Krüger 
Spr. $ 53, 6, 9: der Infinitiv des Aorists “kann auch zeit- 
und dauerlos überhaupt das Eintreten einer Handlung, 
selbst einer zukünftigen, bezeichnen; ohne ἄν besonders da, 
wo Zuversicht anzudeuten ist.” Das Letztere eignet sich ganz 
für unsere Stelle, wo Menelaos auf den Sieg seiner gerechten 
Sache (im Gegensatz zum ἀλείτης) “mit Zuversicht” hoffen konnte. 
Unter den drei Beispielen aber, die Krüger Di. 53, 6, 4 aus 
Homer für diesen Gebrauch erwähnt, sind die zwei letzten ὃ 504 
und β 171 offenbar von der Vergangenheit zu deuten (die von 
mir im Commentar erwähnten Parallelen haben melir Beweiskraft). 
Man könnte auch unsere Stelle so erklären: “er dachte den Frevler 
schon gestraft zu haben’, weil die Freude des Menelaos beim 
Anblick des Paris in einem so starken Vergleiche bezeichnet wird. 
Dann hätten wir zugleich Uebereinstimmung mit v 121, wo τίσασϑαι 
auf allseitiger Ueberlieferung beruht. [Ich habe diese Auffassung 
» 121 aufgeben zu müssen geglaubt. — Uebrigens will Cavallin 
de temporum Infinitivi usu Homer. p. 35 f. mit Madvig an allen 
Stellen den Inf. fut. hergestellt wissen, so Cobet Miscellan. crit. 
1876 p. 328 f.] Anders dagegen ist der Zusammenhang ὦ 470 
und in den von Heyne und Spitzner erwähnten Beispielen, in 
denen mit Recht das Futurum steht. — 29. [Ueber ὄχος vgl. 
Fick vergl. Wörterb. ? p. 187 unter vägha.] — Vers 35. Hippoer. 
De Humor. ο. 4 T. Ip. 128: ὄφις ἐξαίφνης ὀφϑεὶς χλωρότητα ἐποίησεν. 
Vgl. auch Ovid. Fast. II 341 f. Juvenal. I 43. Epit. Iliad. 254. 

40. [van Herwerden quaestiuneulae epieae et eleg. p. 3 will 
schreiben: ἤ σ᾽ οὕτω statt ἢ odrq.] 

42. ὑπόψιος, eigentlich “von unten angesehen’, daher ein 
Verachteter der Anden: vgl. J. La Roche über den Gebrauch 
von ὑπό bei Homer 85. 36. “Schon im Skt. upa-iksh 1) be- 
achten, 2) misachten; upekshyas 1) respiciendus, 2) negli- 
gendus; upekshä Verachtung. Vgl. das lat. suspicere 1) hoch- 
achten, und mit etwas anderer Nüangierung des Gegensatzes: 
2) beargwöhnen, vgl. das nachhomerische ὑποψία, ὑφορᾶσϑαι. Die 
Differenzierung der Bedeutung liegt schon in der Präposition: 
vgl. 6. Curtius Etym. Nr. 393. Also ist der Sinn von ὑπόψιος 
ἄλλων qui ceteris contemptui est.’ G. Autenrieth. — 44. [Lehrs 
Aristarch. ? p. 451 versteht wegen der Stellung des Adjectivs καλόν 
die Worte in dem Sinne von: οὕνεκα τὸ εἶδος ἔπεστι καλόν τι ὄν.] 

45. [van Herwerden ἃ. Ὁ. p.4 vermuthet wegen des Hiatus 


— 18 — 


in τοιόσδε ἐών --- τοιοῦτος ἐών oder τοιόσδ᾽ ἄρ᾽ ἐών.] Hektor hat 
seinen Vorwurf εἶδος ἄριστε (39), um desto stärker zu wirken, 
den Feinden in den Mund gelegt. Die schwache Interpunction 
nach ἔπ᾽ ist Aristarchisch, wie aus Nikanor hervorgeht, und sie 
ist nothwendig. Denn die blosse Meinung, dass ein Fürst oder 
Held von hervorragender Schönheit Vorkämpfer sei, kann doch 
kein Gegenstand des Spottes oder des Jubels sein, wohl aber der 
Umstand, dass ein solcher Held als Vorkämpfer zwar äussere 
Schönheit und prahlerische Haltung zeige, doch in Wahrheit ein 
Feigling sei. Daher stimme ich wie W. Dindorf mit G. Curtius 
Philol. III 8. 17 f. und Joh. Classen Beobachtungen (Frankfurt 
1867) 8. 22 f. [Vgl. auch Doederlein öffentl. Reden, Frankfurt 
1860, p. 353. — Eine abweichende Erklärung des Folgenden giebt 
Bischoff über homerische Poesie, Erlangen 1875 p. 63.] — Vers 51. 
κατηφείη. Vgl. Plutarch. Tib. Gracch. c. 17. — 52. [Die auffor- 
dernden Fragen mit οὐκ ἄν im Optativ sind besprochen im Philol. 
XXIX p. 140 £] 


54. Statt der Ueberlieferung χραίσμῃ hat Bekker, dem Doeder- 
lein in seiner Ausgabe gefolgt ist, die Conjectur χραίσμοι auf- 
genommen, eine bei Homer isolierte Optativform. Aber dadurch 
wird wie mir scheint der Vorwurf des Hektor zu stark und zu 
einseitig betont, als wenn es nur darauf ankäme, den Paris mit 
Worten zu züchtigen. Es hat vielmehr Hektor die Schlaffheit 
und Weichlichkeit des Paris deshalb in spöttischem Tone ge- 
tadelt, weil er ihn anreizen will, den Kampf mit Menelaos auf- 
zunehmen. Dies erhellt aus Vers 52. Und so hat es auch Paris 
verstanden, wie 67 beweist. Aehnlich wie hier der Conjunetiv, 
steht das Futurum μωμήσονται Γ 412. Ich habe daher χραίσμῃ 
unangetastet gelassen. — Die deiktische Kraft des Pronomens in 
τὰ δῶρα, 7 re κόμη τό τε εἶδος hat Payne-Knight Proleg. LIX 
gut auseinandergesetzt mit dem Zusatz: “dum κίϑαριν, quam Paris 
secum in proelis non habebat, sic indicare haud licwit. [Die Kithar 
in so enger Verbindung mit den Gaben der Aphrodite scheint auf 
Liebeslieder zu deuten, oder Paris ist Kitharist, wie Apollon: 
vgl. Welcker ep. Cycl. ! p. 340.] — Vers 57. Anspielung auch 
bei Synes. de Regno c. 16 p. 16". [Der Vers wird verworfen 
von Soutendam observationes in Hom. et Scenicos 1855 p. 19.] 
— Vers 65 erwähnt auch Dio Chrysost. or. XXX p. 549. Vgl. 
Soph. Fragm. 749. Heliodor. V 15. — Vers 70. Diese χτήματα 
im griechischen Epos erinnern an den Nibelungen-Hort im deut- 
schen Epos. 


100. Bekker hat aus Analogie mit Z 356 und 42 28 des 
Zenodotos Lesart ἕνεκ᾽ ἄτης aufgenommen. Aber der Zusammen- 
hang dürfte doch wohl ein anderer sein. Denn Z 356 εἵνεκ᾽ 


ἐμεῖο κυνὸς καὶ ᾿Αλεξάνδρου ἕνεκ᾽ ἄτης wird das Vergehen der 


-- 12 — 


Helena und die Schuld des Alexander als gemeinsame Ursache 
für das böse Geschick mit einander verbunden, und 2 28 wird 
erzählt, dass Ilios wegen der Schuld des Paris den erwähnten 
drei Gottheiten verhasst sei. Anders ist hier die Sachlage, in 
welcher Menelaos spricht. Es könnte zwar Jemand auf den ersten 
Blick die Meinung hegen, dass die Worte εἵνεκ᾽ ἐμῆς ἔριδος die 
Gegenüberstellung eines Begriffes verlangten, welcher ebenso das 
gegenwärtige Verhältniss des Paris bezeichnete, wie ἔρις das des 
Menelaos: Menelaos sei der wegen angethaner Beleidigung Strei- 
tende, Paris sei der Schuldige. Doch es machen sich bald 
zwei entscheidende Bedenken geltend: 1) Menelaos kann und will 
hier nicht stärker reden als Hektor 87, was wohl auch Fr. Spit: 
ner mit den Worten “At Menelaus Hectori potius gratifi- 
catur v. 87 de Paride dicenti τοῦ εἵνεκα νεῖκος ὄρωρεν᾽ hat 
bezeichnen wollen; 2) wer auf einen Vorschlag zur Versöhnung 
eingeht, wie hier Menelaos, der pflegt dem Gegner den begange- 
nen Frevel nicht mehr im nacktesten Ausdruck vorzuwerfen, son- 
dern gebraucht dafür eine mildere Bezeichnung, ohne deshalb die 
Wahrheit zu verleugnen. Diese Seelenkunde ist bei Homer überall 
gewahrt. Zur Unterstützung der Lesart ἀρχῆς können auch X 116. 
E 63. A 604 dienen, sachlich auch B 377 ἔ. In solchem Zu- 
sammenhange nun war es möglich, dass Aristarch bei der Lesart 
ἄτης hier und 2 28 an die andere Bedeutung des Wortes, an 
eine “göttliche Verblendung’ des Paris denken und so in diesen 
Stellen eine Apologie finden konnte. Indes findet sich sonst bei 
Homer für diese Bedeutung kein Beispiel mit dem blossen persön- 
lichen Genetiv. Denn selbst o 233, woran man hier allenfalls 
denken könnte, ist anderer Natur. [Ueber die Auffassung des 
Kampfes als Gottesurtheil vgl. Funkhänel im Philol. IT p. 389 #f.] 

103. Statt der Ueberlieferung δ᾽ &gv’ hat Bekker (nach dem 
Vorgange von Payne-Knight) aus Conjeetur Fdgv’ gegeben, hat 
aber vergessen “Heynius” hinzuzusetzen, den er sonst zu erwähnen 
pflegt und auch 119 bei ἰδέ statt ἠδ᾽ erwähnt hat. Das Asyn- 
deton wäre wie O 718. — Ueber den chthonischen Charakter 
der γῆ vgl. die Nachweisungen von G. Autenrieth bei Nägelsbach. 
[Vgl. auch Schoemann griech. Alterth. I p. 62. — V. 103—110 
werden gegen Lachmann gerechtfertigt von v. Leutsch im Philol. 
XXX p. 59, vgl. Benicken das dritte und vierte Lied p. 158: 
108— 110 werden auch von Düntzer hom. Abh. p. 249 und 
Köchly de Iiad. carmm. IV p. 6 verworfen.] 

112. [παύσασϑαι ist mit La Roche aus den besten Hand- 
schriften hergestellt statt des sonst gelesenen παύσεσθαι. Vgl. 
La Roche annotat. critica zur Stelle. Dagegen verwirft Cobet 
Miscellan. cerit. 1876 p. 328 ff. an allen Stellen, wo das regie- 
rende Verbum auf die Zukunft weist, den Inf. Aor., vgl. auch 
zu Γ΄ 28.] 


-- 13 — 


115. Buttmann im Lex. Nr. 100, 9 hat zuerst die Worte 
ὀλίγη δ᾽ ἦν ἀμφὶς ἄρουρα in der Hauptsache aufgeklärt. Nur 
seine Beziehung des ἀμφίς “wenig Raum um eine jede Rüstung” 
scheint mir für die Sprache zu gesucht und zu künstlich zu sein 
und ausserdem einen matten und kleinlichen Gedanken zu geben. 
Denn nach dem allgemeinen und beide Parteien zusammen- 
fassenden Gedanken ‘die beiderseitigen Helden (Achaeer neben 
Achaeer und Troer neben Troer) legten ihre Waffen auf der 
Erde nahe an einander’ muss auch das dupis, da es ohne 
näheren Zusatz steht, dieselbe allgemeine Bedeutung behalten: 
wir sind nicht berechtigt die Specialität von ‘zwischen’ und “eine 
jede’ oder “der Einzelnen” unterzulegen, zumal da auch ἄρουρα 
nicht speciell einen ‘Zwischenraum’, sondern allgemein das “Erd- 
reich” bezeichnet. Kurz wir dürfen das ὀλίγη δ᾽ ἦν ἀμφὶς ἄρουρα 
nicht mit einem etwaigen ὀλίγη δὲ μεσηγὺς ἄρουρα für identisch 
erklären. Hierzu kommt zweitens: es handelt sich nicht speciell 
um das dichte Nebeneinanderliegen der Rüstungen, das noch 
eine nähere Ausführung verlangte, sondern es soll nur die Menge 
der Waffen veranschaulicht werden. Mit Recht sagt Könighoff 
Critiea et exegetica, (Münstereifel 1850) p. Υ sq. Folgendes: 
“Nescio an aliis idem quod mihi accidat, ut paullulum offendantur 
60, quod ewigua fuisse circum arma terra seu ager dicatur ; 
languidius certe hoc quidem loco id ipsum dietum esse, quo quum 
satis declaratum sit verbis τὰ μὲν κατέϑεντ᾽ ἐπὶ γαίῃ πλησίον ἀλλή- 
λῶν facile carere possimus, spero neminem fore quin sentiat.’ Drittens 
beweisen die vier Parallelstellen, die eine ähnliche Färbung der 
Rede haben, $ 476. Θ 481. #123. Ψ 330, dass mit einem der- 
artigen Zusatze zu den unmittelbar vorhergehenden Worten nicht 
eine Exegese, sondern ein neuer auf das Ganze bezüglicher 
Gedanke gegeben sei. Daher scheint mir hier in den Worten der 
einfache und natürliche Sinn zu liegen: “gering aber war auf 
beiden Seiten das Erdreich: so sehr war Alles bei den Achaeern 
und Troern mit Waffen bedeckt.’ [Wird πλησίον ἀλλήλων auf das Object, 
die Rüstungen bezogen, so ist damit die Beziehung auf die beiden 
Parteien schon im Wesentlichen vergessen, da ἀλλήλων — ἄλλος 
ἄλλου doch auf die einzelnen Helden führt. Daher scheint bei 
der engen Beziehung zwischen πλησίον ἀλλ. und ὀλίγη, welche dem 
Zusatz zweifellos die Bedeutung eines parataktischen Folgesatzes 
giebt, es natürlicher bei ἀμφίς an die einzelnen Rüstungen zu 
denken, als an die beiden Parteien. Vgl. auch Autenrieth bei 
Nägelsbach Anmerk. zur Stelle.] 

121. ‘Der Gegenstand des bevorstehenden Zweikampfs, der 
Preis des Sieges ist die bewunderte Helena. Sie seinen Hörern 
vorzuführen, bevor der Zweikampf selbst dargestellt wird, war 
dem Dichter ein Bedürfniss. Denn da Helena die Hauptperson ist, 


-- 184 — 


auf die alle Thätigkeit der übrigen Personen sich bezieht, so 
würde dem nun folgenden Gemälde sein Mittelpunkt fehlen, und 
der Zweikampf kein höheres Interesse in uns erwecken können, 
wäre Helena nicht in unmittelbarere Verbindung mit ihm gebracht 
und in die Kriegsscene gleichsam mit aufgenommen’ [d. i. nicht 
als stumme Person, sondern in dramatischer Handlung vorgeführt]. 
“Auch ist die Art, wie Homer die Helena vorführt, ebenso natür- 
lich als geschickt motiviert.” E. R. Lange in Ms. Vgl. über die 
Teichoskopie auch Nitzsch Beitr. zur Gesch. der ep. Poesie 8. 96 f.; 
Adolf Kiene Die Komposition der Ilias 5. 17. Dass übrigens 
Priamos, wie nachher erzählt wird, erst im zehnten Jahre des 
Krieges nach den Helden der Griechen fragt, das hängt theils 
mit der Oekonomie der Ilias aufs Engste zusammen, da diese nur 
einen Abschnitt aus dem zehnten Jahre schildert, theils gehört es 
zu den märchenhaften Zügen des naiven Epos, das man nicht mit 
der Wahrscheinlichkeitsrechnung eines modern reflectierenden Ver- 
standes heimsuchen darf. In den blühendsten Zeiten des Hellenen- 
thums hat kein Hörer des Homer an Beantwortung derartiger 
Fragen gedacht. Und dem Erklärer Homers gilt ebenfalls cum 
grano salis das Wort des Livius: vetustas res scribenti nescio 
quo pacto antiquus fit animus’ Vollkommen begründet ist 
das Urtheil von G. Bernhardy Griech. Litt. II? 8. 162 über die 
Mauerschau: ‘Sie hat den Reiz einer schönen Erfindung und ge- 
fällt durch feine Züge der Charakteristik, wenngleich Manches in 
diesem Gespräch verspätet erscheint; doch erregen die Fragen 
an Helena im zehnten Jahre des Krieges kein stärkeres 
Bedenken als die des Oedipus nach Laios beim Sopho- 
kles. Sonst hat eine Bedeutung und den Werth eines argu- 
mentum e silentio, dass Achilleus in der Musterung der Helden 
nicht vermisst wird’ [Vgl. auch die Einleitung p. 169.] — 126. 
[Ueber die Buntwirkerei vgl. Blümner Technologie und Termino- 
logie der Gewerbe und Künste bei Griechen und Römern. Leipz. 
1875, I p. 153 fl. — Die zweite Hälfte von V. 126, sowie die 
beiden folgenden hält Overbeck antike Schriftquellen zur Geschichte 
der bildenden Künste p. 34 Nr. 219 für eine Interpolation einer 
späteren Periode, welche erst in realen Kunstwerken homerische 
Stoffe, heroische Kämpfe kannte. Vgl. auch denselben in den Be- 
richten der Kön. Sächs. Gesellsch. ἃ. Wissensch. 1868 p. 66 ff., 
wo er diese Ansicht gegen Brunn die Kunst bei Homer, Münch. 
1868 p. 11 vertheidigt. Besondere Folgerungen für das Wesen 
der Helena zieht aus dieser Weberei Steudener a. Ὁ. p. 94.] 
— 141. [Ueber ὀθόνη vgl. Hehn Kulturpflanzen und Haus- 
thiere p. 101 fi] — 144. [Zu diesem Verse vgl. Aristonic. ed. 
Friedlaender p. 84 und Bergk griech. Literaturgesch. I p. 568.] 
— Vers 145. “Aber schon im Namen Σκαιαὶ πύλαια liegt 
angedeutet, was sich eigentlich von selbst versteht, dass 


-- 15 — 


Troia wenigstens noch &in anderes Thor gehabt habe’ G. 
Autenrieth. 

152. J. L. Hoffmann im Album des Litt. Vereins in Nürn- 
berg für 1866 $. 49 giebt mit Recht folgende Erklärung: ‘Die 
Alten, die auf dem Skäischen Thore sassen, waren gute Redner, 
den Cicaden gleich, welche im Wald auf einem Baume sitzend 
ihre lilienhafte, d.h. zarte, Stimme ertönen lassen. Man bedenke, 
es waren Greise, denen keine eherne, unverwüstliche Stimme mehr 
zur Verfügung stand; sie sprachen leise, aber lieblich, wie die 
Grille zirpt. Man braucht sich nicht zu wundern, dass die Griechen 
an dem eintönigen Schrillen, welches die Cicaden mit ihren Flügel- 
decken hervorbringen, Geschmack fanden. Wenn in der Mittags- 
hitze des Sommers alle Sänger des Feldes oder Forstes schweigen, 
und tiefe Stille brütend über der Flur lagert, so erregt der mono- 
tone, geschäftige, leise Ton einer Grille dasselbe friedliche Wohl- 
behagen wie das Rieseln eines Baches, das ferne Klappern einer 
Mühle, das Summen eines vorüberfliegenden Käfers” Den Stoff 
zu dieser Erklärung geben Heyne Vol. IV p. 479 und G. Auten- 
rieth zu Nägelsbach. Mit J. L. Hoffmann stimmt im Wesentlichen 
überein Milde Die Sing-Cicaden (Breslau 1866) $. 20. [Ueber 
die Lilie vgl. Hehn Kulturpflanzen und Hausthiere p. 163 8.1 — 
153 [wird verworfen von van Herwerden quaestiunculae epicae et 
eleg. im Vorwort.] — 154 ff. [Vgl. Nitzsch Beiträge zur Gesch. 
ἃ. ep. Poesie p. 313. Gerlach im Philol. XXX p. 56.] — Vers 156 f. 
Vgl. Philostr. Heroic. c. 2 8 18 p. 691. Rhet. Gr. VIII p.7 ed. 
Walz. Lucian Ὁ. Mort. XVIII 2. — 158. [ϑεῇς statt ϑεαῖς ist 
nach den besten Handschr. mit La Roche geschrieben, vgl. des- 
selben hom. Textkrit. 279.] — 160. jNauck Melanges Greco- 
Romains, Tom. III p. 14 ἢ verlangt γένοιτο statt λέποιτο.] — 
162. [Ueber δεῦρο, δεῦτε vgl. Clemm in G. Curtius Stud. ΠῚ 
p. 308 #.] — V. 164 erwähnt Hermogenes in Rhet. Gr. ΠῚ p. 438 
ed. Walz und vergleicht Herod. I 45. — 167. [Ueber das Ver- 
hältniss der Pronomina ὅδε und οὗτος vgl. ausser Philol. XXVII 
p. 509 Windisch in G. Curtius Stud. II p. 256 f.] 

179. Diesen Vers führte Alexander der Grosse als einen 
seiner Lieblingsverse häufig im Munde: Plutarch. de fortitud. Alex. 
p. 309. Er wird auch sonst oft eitiert wie bei Xenoph. Comment. 
1Π 2; Sympos. 4, 6. Diod, Sie. XXIV 3. Max. Tyr. XXIX 1 p. ΤῸ ἢ 
Themist. or. XIII p. 176°; XV p. 187° und Andern. Die Nach- 
ahmungen dieses Verses erwähnt Peerlkamp zu Horat. carm. I 6 
p. 28 ed. II. — Vers 182. Wegen der Begriffe μοιρηγενής und 
ὀλβιοδαίμων vgl. K. Lehrs Popul. Aufs. 5. 166*, und zur Steige- 
rung der Rede, in welcher ‘Priamos mit immer vollerem Munde 
das Glück des Agamemnon preist’, giebt C. W. Nauck zu Cie. 
Lael. XVI 59 lateinische Beispiele. In Versen, wie dieser und 
178 ist, wird man die Diäresis in ’Argeiön sicherlich nicht gehört 


-- 186 — 


haben. [?] Jede Regel hat ihre Ausnahmen. Man vgl. einen 
ähnlichen Fall im Anhang zu A 267 καρτίστοις ἐμάχοντο und zu 
B 102 die Form δῶκε statt ἔδωκε. — 183. [Barnes vermuthete 
statt δεδμήατο κοῦροι ᾿4χαιῶν — δεδμήαται υἷες ᾿Αχαιῶν, dem 
G. Curtius im Philol. III p. 20 zustimmt.] — Vers 184. Doeder- 
lein zu 2 249 und Andere wollen καί auf das vorhergehende ἤδη 
bezogen wissen. Dass aber χαί “auch’ dem Worte, zu dem es 
gehört, nicht nachgesetzt werden könne, das ist wie ich meine 
in M. Hauptii Observat. orit. Lipsiae 1841 gründlich erwiesen 
worden. 

185. Bei einer Interpunction nach Φρύγας nemlich würde der 
Vers in zwei gleiche Hälften auseinander fallen: vgl. darüber den 
Anhang zu y 34. Aber zur Wortstellung des zusammengehörigen 
Φρύγας ἀνέρας vgl. die von Bekker im Monatsbericht 1864 8. 135 
[= Hom. Blstt. II p. 15] gegebenen Beispiele: Κα 464. 470. 
® 155. ἕ 3. δ. 114. 202. ἡ 156. 8 567. λ 14. 343. ξ 263. 
o 473. m 65. g 432. 526. τ 271. ψ 311. Eine Ausnahme macht 
H 13. P 140 und P 154. ‘Die umgekehrte Ordnung’, wie I’ 6. 
ı 91. 96. ξ 335. τ 292, “herrscht bei den Appellativen vor, so 
lange nicht der Vers oder ein Gegensatz anders verfügt.’ Bekker 
8. 136, wo die zahlreichen Beispiele angeführt werden. 

192. Der zur Partikel erstarrte Imperativ ἄγε hat im home- 
rischen Verse folgende Stellung. Bei Weitem in den meisten 
Fällen, so dass man von regelmässig sprechen kann, bildet ἄγε 
die zwei Kürzen des ersten Fusses und das apostrophierte ἄγ᾽ 
eine dieser Kürzen, am häufigsten in dem stabilen Versanfange 
ἀλλ᾽ ἄγε oder ἀλλ᾽ ἄγ᾽, sodann in εἰ δ᾽ ἄγε. [Ueber die letztere 
Formel vgl. jetzt L. Lange de formula Homerica εἰ δ᾽ ἄγε. Lips. 
1873.] Die noch übrigen Stellen, wo ἄγε im ersten Versfusse 
steht, haben das mit einander gemein, dass der Satz ebenfalls 
mit dem Versanfang beginnt, wie in nei’, ἄγε δή β 349. τ 16 
und in δεῦρ᾽ ἄγε 9 145. 205. μ 184 oder δεῦτ᾽ ἄγε & 11 (welche 
letztere Verbindung unserer Stelle und ihren Parallelen am näch- 
sten kommt); endlich mit Vorsetzung der betonten Worte in δῶρα 
δ᾽ ἄγ᾽... δώομεν H 299. νῶι δ᾽ ἄγ᾽... τραπείομεν E 814. νῦν 
δ᾽ ἄγε A141. Χ 391. Einmal steht das blosse ἄγε zur Einleitung 
des Nachsatzes: εἴς, ἄγε δή N 407 (wie εἰ δ᾽ ἄγε den Nachsatz 
einleitet ὃ 832 und εἰ δ᾽ ἄγετ᾽ X 381 und δεῦρ᾽ ἄγε © 906). 
Sodann ist ein längerer Vocativ die Veranlassung, dass ἄγε in den 
zweiten Versfuss tritt, wie in ᾿Αντίλοχ᾽, εἰ δ᾽ ἄγε P685. #581, 
in ὦ γέρον, εἰ δ᾽ ἄγε ß 178 und παῖδες ἐμοί, ἄγε γ 475. Aber 
auch den sonst formelhaften Versanfang finden wir zweimal an 
dieser Versstelle mit vorhergehender stärkster Interpunction, nem- 
lich in Αἴολος. ἀλλ᾽ ἄγε κ 44 und κήδεσιν. ἀλλ᾽ ἄγε τ 378. End- 
lich haben wir dieselbe Formelverbindung zweimal im fünften 
Fusse in dem Versschluss ἀλλ᾽ ἄγε ϑᾶσσον T 68. T 257. Was 


-- 18 — 


den Plural anlangt, so ist dieser nur im ersten Fusse gebraucht 
und zwar stets in den stabilen Versanfängen ἀλλ᾽ ἄγετε, ἀλλ᾽ äyer, 
ἀλλ᾿ ἄγεϑ᾽. Bloss δεῦτ᾽ ἄγετ᾽ H 350 und νῦν δ᾽ ἄγεϑ᾽ 1 213 
bilden eine Ausnahme. — Vers 197. Ueber πηγεσίμαλλος vgl. 
Doederlein Hom. Gloss. Bd. II S. 381 Zusätze zu I 31. [Meyer 
in Curtius Stud. V_p. 93, wegen ἐγώ γε den Anhang zu A 282.] 

206. Ob man in den hierher gehörigen Stellen ἀγγελίη fest- 
zuhalten oder ein Masculinum &yyeAlng anzuehmen habe, darüber 
hat mit Anführung der Gewährsmänner G. Autenrieth zu Nägels- 
bach eine gründliche Erörterung gegeben. Mir schreibt er darüber 
noch Folgendes: “Zu ἀγγελίην ἐλθεῖν als abstr. stimmt zwar ἐξεσίην 
ἐλθεῖν Krüger Di. 46, 1, 2, vergleichbar mit Rig-Veda I 12, 4: 
yadi agne yäsi dütyam — ὅταν ὦ "Ayvı ἴῃς ἀγγελίην, aber dem 
Masculinum ἀγγελίης (neben ταμίης, νεηνίης Leo Meyer II 407. 
466) steht nichts im Wege, die grammatische Tradition aber zur 
Seite; vergleichbar Rig-Veda VII 3, 3: sam düto iyase hi devan 
und Anderes, woneben auch Instr. dautyena ägatya - ἐπ᾽ 
ἀγγελέῃ ἐπελϑών Ναὶ. IV 15. Die von mir vermuthete Etymologie 
fand ich inzwischen auch bei Corssen Krit. Beitr. $. 405 und Leo 
Meyer I 351, während Bopp Accent.-System 8. 166 die Schwei- 
zer'sche angenommen hat. Vgl. jedoch H. Weber Etym. Unters. 
1 47, der eine neue Ableitung aufstellt, die besser scheint.’ 

207. [Unter Vergleich von 2 17. E 238. 0 575 verlangt 
Cobet Miscell. erit. 1876 p. 421 hier τούσδε δ᾽ ἐγὼ ξείνισσα statt 
τοὺς δ᾽ ἐγὼ ἐξείνισσα. 

211. In Vers 208 heisst es φυὴν ἐδάην καὶ μήδεα. Darauf 
wird 209 bis 211 die φυή geschildert, während die μήδεα 212 
bis 224 erläutert sind. Daher kann γεραρώτερος nur auf die 
äusserliche Würde, auf die stattliche Statur bezogen werden, 
wie auch die Verse 169 und 170 nur andere Wendungen ent- 
halten für den Begriff, der 167 mit ug re μέγας τε bezeichnet 
vorhergeht. Zu dieser parallelen Charakteristik des Menelaos und 
Odysseus vgl. Lessing Laokoon XXII. — Vers 212. Zu μύϑους 
ὕφαινον vgl. sermones texere wie bei Plaut. Trin. ΠῚ 3, 69. 
Bekker hat die Conjectur des Casaubonus ἔφαινον in den Text 
genommen. 

215. Bäumlein hat mit vorhergehender stärkerer Interpunction 
ἦ καί aufgenommen, was auch Nügelsbach und Fr. Thiersch de 
analogiae Gr. capit. I p. 435 (‘et erat sane pro quamquam, 
quod ipsum asseverantis est’) für das Richtige halten. Dass schon 
Nikanor sich für ἦ bestimmt entschieden habe, wie G. Autenrieth 
bemerkt, finde ich bei Friedländer nicht angegeben: in Nikanors 
Note ist nur die einfache Relation über beide Schreibarten ent- 
halten. Wohl aber sagb noch Schol. A πιϑανώτερον βαρύνειν τὸν 
ἢ καὶ ἀντὶ τοῦ εἰ παραλαμβάνειν, welche Worte nach der Ver- 
muthung von Lehrs Q. E. p. 61 vielleicht dem Herodian ange- 


-- 188 — 


hören. Ich habe dieses allseitig überlieferte ἤ unverändert ge- 
lassen und als indirecte Frage gefasst, so dass die Stelle unter 
die im Anhang zu v 415 erwähnten Fälle gehört. Hierdurch ge- 
winnt ἀφαμαρτοεπής, das absolut gesagt nicht ohne Anstoss wäre, 
die nöthige Beziehung. Denn in N 824 ist ἁμαρτοεπές durch das 
nachfolgende ποῖον ἔειπες gestützt. Ein betheuerndes 7 dagegen 
als Begründung des ἐπιτροχάδην klingt mir hier nicht homerisch, 
theils weil schon ἦ os 213 vorhergeht, theils weil solche Be- 
theuerungssätze im Versanfang einen neuen Gedanken einleiten, 
aber nicht als blosse Anhängsel hinzutreten. Es bliebe noch die 
Möglichkeit der Auffassung, welcher 8. L. Povelsen Emend. p. 75 sq. 
und Füsi folgen: “Oder auch er war jlinger an Jahren und darum 
weniger geübt und kunstfertig im öffentlichen Sprechen.” Doch 
es findet sich weder eine zweite Stelle dieser Art nach ἐπεί, noch 
lässt sich der Gedanke als homerisch erweisen. [Wenn Ameis 
als den Sinn dieser Worte bezeichnete: von den Eigenschaften 
eines Redners besass er nicht die des Vielsprechens, sondern die 
einer sehr hellen Stimme, auch sprach er nur zur Sache Gehöriges 
und nichts Nutzloses — so bliebe abgesehen von der hellen Stimme 
kaum eine nennenswerthe Eigenschaft, denn bei wenig Worten 
nicht abzuschweifen ist doch ein sehr zweifelhaftes Lob. Diese 
Erklärung ist verschuldet durch die Auffassung von ἀφαμαρτοεπής: 
dass dies nicht bedeutet: zur Sache Ungehöriges redend, oder wie 
Fäsi-Franke erklären: in der Rede abschweifend, von der Sache 
alirrend, zeigt ἁμαρτοεπής N 824, das dort nur bedeuten kann: 
verfehlt, unangemessen redend, auch A 511 οὐχ ἡμάρτανε μύϑων 
= er traf das Richtige, vgl. auch A 344. I 56. Die Präposition 
ἀπό ändert hier ebensowenig an der Bedeutung von ἁμαρτοεπής, 
wie in dem Kompositum ἀφαμαρτάνειν, sie verstärkt nur den Be- 
griff des Verbums. Bedeutet das Wort aber mit der Negation, 
wie auch Nägelsbach es fasst: nicht Verfehltes redend, das Rich- 
tige treffend, so fällt damit die an sich seltsame Erklärung, die 
Ameis für die folgenden Worte ἢ καὶ γένει ὕστερος ἦεν gab, aber 
auch zugleich die engere Verbindung von οὐδ᾽ ἀφαμαρτοεπής mit 
dem vorhergehenden ἐπεὶ οὐ πολύμυϑος: vielmehr bildet οὐδ᾽ ἀφα- 
μαρτοεπής dann den Gegensatz zu παῦρα μέν: zwar wenig, aber 
treffend. Dass nemlich παῦρα μέν nicht in den nächstfolgenden 
Worten ἀλλὰ μάλα λιγέως seinen Haupt-Gegensatz hat, zeigt die 
Begründung ἐπεὶ οὐ πολύμυϑος: jene Worte sind also parenthetisch 
eingeschoben und der eigentliche Gegensatz folgt in οὐδ᾽ ἀφαμαρ- 
τοεπής. Bei dieser Auffassung ist es aber unmöglich den Worten 
ἢ καὶ γένει ὕστερος ἦεν einen dem Zusammenhang angemessenen 
Sinn abzugewinnen. Da aber die von Nägelsbach vorgeschlagene 
Schreibung von ἦ und die Annahme einer parataktischen Aus- 
drucksweise statt eines concessiven Nebensatzes durch die dafür 
beigebrachten Analogien mir nicht hinreichend gestützt scheint, 


-- 19 — 


so habe ich mit La Roche die in einer Reihe von Handschr. sich 
findende Lesart εἰ καί aufgenommen. — Auch 221 bin ich La 
Roche gefolgt, der nach Strabo εἴη statt: Zt hergestellt hat, wor- 
auf auch die Schreibweise der zwei besten Handschr. führt.] — 
Vers 220. Statt der Ueberlieferung xe ξάκοτον will A. Spengel 
im Philol. XXIII 8. 549 aus Conjectur κὲν &zorov “ein guter 
dummer Kerl’ hergestellt wissen. Mir scheint die überlieferte Les- 
art durch das beigefügte τινά “eine Art von mürrischem Burschen’ 
und durch αὔτως hinlänglich gestützt zu sein. 

221. Gewöhnlich wird jetzt δή δ᾽ ὄπα gelesen, aber δ᾽ fehlt 
in Venet. Tonwl. Eustath. Cant. Vind. 49; Strabo I 2, 5; Choer. 
Can. 392, 8. Schol. BL. zu 4 462. H. Q. zu ı 491, [La Roche 
hat in den von ihm verglichenen Handschriften dy 6° ὅπα über- 
haupt nicht gefunden] und mit Recht bemerkt W. C. Kayser im 
Philol. XXI 5. 312, dass dieses δ᾽ “unrichtigen - Voraussetzungen 
über eine Unerträglichkeit des Hiatus seine Aufnahme zu ver- 
danken scheine’ Das Digamma allein würde nichts entscheiden, 
denn dies ist bei ὄπα auch A 137. Φ 98. ε 61 nicht gewahrt. 
Der ganze Gedanke des Satzes enthält den Sinn: die Gewalt seiner 
Rede wirkte um so mächtiger, je weniger sein äusseres Auftreten 
versprochen hatte. So erzählt man auch von Lord Brougham, dass er 
beim Auftreten gebückt gestanden und langsam gesprochen habe; 
im Fortgang der Rede aber habe er sich immer mehr aufgerichtet ; 
habe nach und nach feuriger gesprochen und am Ende die ganze 
Gewalt seiner glänzenden Beredtsamkeit entfaltet. Aehnliches wird 
von andern berühmten Parlamentsrednern berichtet. — Vers 222. 
Die Worte ἔπεα νιφάδεσσιν ἐοικότα berücksichtigt auch Lucian. 
Encom. Demosth. c. 5 und Bacch. 6. 7. 

224. Auf diese einfache Weise haben schon die alten Er- 
klärer die einzelnen Worte des Verses verbunden. Die Neuern 
geben dem τότε ye eine andere Beziehung, so dass es ein Syno- 
nymum des vorhergehenden ἔπειτα wird. Aber dadurch gewinnen 
auch die übrigen Worte einen Sinn, der die Ansicht erzeugt, der 
ganze Vers sei nur das Product einer andern Recension, die den 
vorhergehenden Vers nicht enthalten habe. So urtheilen wirklich 
H. Köchly De Iliadis carm. diss. IV p. 11 und L. Friedländer 
anal. Hom. in Fleckeisens. Jahrb. Suppl. III p. 474, und Bekker 
hat den Vers athetiert, nach dem Vorgange von Bentley, Heyne, 
Payne-Knight. Da aber in der “Mauerschau’ die Helden nur in 
Folge des Anblicks aus der Ferne beurtheilt werden, so ist es 
naturgemäss, dass der Dichter beim Uebergang zu einem andern 
Helden auf die äussere Erscheinung des vorhergehenden 
noch einmal zurückkommt: ohne diesen Vers würde der Uebergang 
von 223 zu 225 nach meinem Gefühl zu schroff erscheinen. Ich 
folge daher in Erklärung und Verbindung der Worte von 224 


— 100 — 


den Andeutungen, die in den Notizen der Scholiasten enthalten sind. 
[Zu den bekannten Erklärungen kommt jetzt die, soviel ich sche, 
neue von Giseke im Lexicon Homericum ed. H. Ebeling. Berolin. 
1871 p. 5 unter ἄγαμαι: tunc quidem non eodem modo obstipuimus 
Ulixi speciem intuentes, quo nunc obstupescimus videntes eum rebus 
gerendis occupatum ; nam verba facturus stulti hominis speciem prae 
se ferebat. Non enim suo loco videtur legi hic versus et certe melius 
legeretur post v. 220. — Ich habe die Ameis’sche Erklärung im 
Wesentlichen festgehalten und nur so modificiert, dass ich das 
gegensätzliche Gedankenverhältniss von 224 und 223 betone und 
in 224 eine Recapitulation des im Vorhergehenden ausgeführten 
Contrastes zwischen der äusseren Erscheinung und der rednerischen 
Wirkung des Od. erkenne.] — Vers 227 τὲ καί mit trochäischer 
Cäsur im vierten Fusse (Hoffmann Quaest. Hom. IT p. 207) ist 
die Lesart des Aristophanes und Aristarch statt ἠδ᾽, das Spitzner 
und Andere beibehalten haben. 

228. τανύπεπλος kann nicht mit tavafdg zusammengesetzt 
sein, weil dies in Compositis sein F entweder verliert (rava-Fnung, 
τανηλεγής wofern dies nicht aus der Wurzel selbst componiert ist) 
oder vocalisiert (ταναύποδα, wie καλαῦροψ); Edmund Weissenborn 
De adjectivis comp. Hom. p. 14 will daher eine Imperativform in 
τανυ erkennen. Nun hat zwar τανύω ravüraı auch ὕ, aber wenn 
man die Composita mit τανυ- überschaut, so passt der Verbal- 
begriff (zumal imperativisch) fast nirgends und, was wichtiger ist, 
die Verba mit dem Classencharakter -vu werfen diesen in der Compo- 
sition regelmässig ab. Die vorkommenden Composita sind (in 
Homer): tevü-nang, τπεπλος, -φυλλος, -τανῦ-: γλωσσος, -γλώχινας, -πτέ- 
φῦγι, “φλοιον. Wenn wir danebenstellen: πολύαινος (und Com- 
posita bis -ωπός), βαϑύδίνης, ἡδυξεπής, τανὐυπτέρυγι λιγυφώνῳ 
T 350, und die nachhomerischen aber alten Bildungen βαρύκοτος, 
βραχυσίδαρος, ϑηλύνοος, πλατύρροος, παχύνοος, πραὔμητις,. so werden 
wir keinen Augenblick anstehen, in τανῦ ((denn τανῦ nur aus 
Position) ein altes Adjectiv zu erkennen (mit Leo Meyer Vergl. 
Gram. II 251) und obige Composita für possessive zu erklären. 
Für die Verwandten dieser Adjectiva in andern Sprachen und für 
die Wurzel genügt es auf G. Curtius Etym.? 8. 63 δ, und 196 £. 
[p. 67 und 217] zu verweisen; nur möchte noch hinzuzufügen 
sein 1) dass τῇ (λαβέ) der Imperativ der einfachen Wurzel τὰ 
mit abgefallener Imperativendung (im Sanskrit eine häufige Er- 
scheinung) und Ersatzdehnung ist wie ἵστη, δίδου, δείκνυ, ἵει 
und nicht tene heisst, sondern strecke die Hand aus (d. i. 
halte die Hand auf oder her); 2) dass davon das einfachste Ad- 
jectivum vorliegt in ταὔγετος (gestreckt geworden) für das lang- 
gestreckte Gebirge (vgl. “Haarstrang’); 3) dass Composita wie die 
obigen auch vorliegen im Skt. tanumadhyas mit schlanker Taille, 
tanuväta tenuis ventus, tanugiras tenui capite, tanutala Arm- 


—- 1 — 


spange und andere.” Θ΄, Autenrieth. — Vers 229. “Man möchte 
fast glauben, dass hier οὗτος δὴ Alug einmal gesprochen wurde 
[mit Synizese: vgl. 4 131 Anhang]; vielleicht überhaupt δέ aus δή 
(δαί), τέ aus τῇ, κέ aus Ἐκῇ (κά, κάν), γέ Skt. gha aus Ἐγή (γα) 
vedisch ghä entstanden, wie μέν aus μήν (nv). G. Autenrieth. 
— Vers 237 mit dem Schlusswort Πολυδεύκεα ist ein sogenannter 
στίχος δολιχόουρος: vgl. Fleckeisens Jahrb. Bd. 95 8. 619. Das 
Ausschauen der Helena nach ihren Brüdern bringt W. Sonne in 
Kuhn’s Zeitschrift XV 8. 114 mit einer Scene bei Perrault Contes 
des Ftes, la Barbebleu, in Parallele. 

238. Seit F. A. Wolf wird μοὶ μία eng verbunden und die 
Stelle erklärt: “hos eadem mihi (i. e. eadem quac me) peperit 
mater.’ Aber von einer solchen Verbindung findet sich im Homer 
keine zweite Spur: die Construction ist für den Dichter zu mate- 
riell und zu künstlich, daher gehört sie erst ins Bereich der Späteren. 
Man könnte hier statt dieser Erklärung eher nach αὐτοκασιγνήτω 
das Komma tilgen und das Nomen unmittelbar mit τῶ verbinden, 
so dass nur der betonte Begriff dem Relativum vorgesetzt wäre, 
wie v 47 und anderwärts. Vielleicht haben, nach der trümmer- 
haften Notiz des Nikanor zu schliessen, schon alte Grammatiker 
diese Vereinigung für nöthig gehalten. Indes empfiehlt die Parallel- 
stelle Τ' 293 den interpungierten Gedanken, so dass die Worte 
den einfachen Sinn enthalten: “welche mir (leiblichen Brüder) 
eine Mutter gebar.’ Es gehört zur Einfachheit der homerischen 
Sprache, dass sowohl ein Verhältniss wie E 896 ἐμοὶ δέ σε γεί- 
voro μήτηρ als auch der hier erforderliche Sinn durch den blossen 
Dativ bezeichnet wird. Denn die richtige Beziehung dieses Dativs 
zur Satzsubstanz ist aus dem Gedanken ersichtlich, darf aber nicht 
durch künstliche Verbindung der Worte gewonnen werden. — 
Vers 239. Ueber die direete Doppelfrage mit ἤ und 7 vgl. die 
Angaben von G. Autenrieth bei Nägelsbach [und Praetorius der 
homerische Gebrauch von ἡ (ἠε) in Fragesätzen p. 10 8] — 
Vers 244 behandelt in Bezug auf die Lesart &j und Apollonios 
Synt. p. 157, 14 A. F. Naeke Opuse. I p. 216 584. [Vgl. jetzt 
Brugmann ein Problem der homer. Tertkritik p. 30, welcher Zenodot’s 
Lesart ξῇ statt φίλῃ als die richtige Lesart zu rechtfertigen sucht. 
&7 ist auf τούς zu beziehen.) — 249. [Ueber die hier und noch 
mehr 259 ff. fehlenden Momente der Erzählung vgl. Bonitz über 
den Ursprung der hom. Gedichte, ὃρ. 63, Anm. 86.] 250, Viel- 
leicht καλέουσι σ᾽ ἄριστοι. Vgl. & 55: ἵνα μὲν κάλεον. 

274. Die Gebräuche bei den feuerlosen Opfern sind nach 
unserer Stelle folgende. Die Opferthiere werden in die Mıtte der 
Opfernden gebracht. Letztere waschen sich die Hände. Hierauf 
schneidet derjenige, der die Haupthandlung zu verrichten hat, mit 
einem Messer dem Opferthiere die Kopfhaare ab, und diese werden 
durch die Herolde an die andern Opfernden vertheilt. Dann spricht 


- 192 — 


die Hauptperson ein Gebet und schneidet den Thieren die Kehlen 
ab. Die Nebenpersonen schöpfen sich darauf mit einer Kanne 
den Wein aus dem Mischkruge in die Becher, libieren damit und 
beten zu den Göttern. Einfacher ist das Opfer, welches Aga- 
memnon, um sich mit dem Achilleus zu versöhnen, den Göttern 
darbringt: T 250 f. Dort opfert Agamemnon allein. Nicht 
Lümmer, sondern ein Eber wird geopfert, und es findet keine 
Libation statt. Wenn nun manche im Verlaufe der Erzählung 
daran Anstoss nehmen, dass Priamos (310) die Limmer wieder 
mitnimmt, “geschlachtet wie die Ausleger annehmen” (Lach- 
mann Betrachtungen $. 16, der die Erzählung des Dichters 292 
bis 294 übersehen hat), und dass dann nicht angegeben ist, was 
mit diesen Lämmern geschehen solle: so lässt sich auf diesen An- 
stoss mit Η, Köchly De Iliadis carmin. diss. IV p. 4 Folgendes 
erwiedern: “Desideramus hic sane nos posteri, quod poelae aequa- 
libus aut notum erat aut supervacaneum videbatur, quoniam agebatur 
de sacrificio certis ritibus patrando. Ad quod illustrandum si ad- 
hibere licet simile illud quod T 250 sgg. describitur, auditores scie- 
bant vel tacente poeta agnas illas non crematas sed aut in mare 
aut in terrae voraginem praecipitatas esse’ — 276. [Eine andere 
Auffassung der angerufenen Götter bei Preller griech. Mythol. 
Ip. 71 Anmerk.] — Vers 277. ἠέλιος. Ueber diesen Nominativ 
neben dem Vocativ vgl. Pfuhl in Fleckeisens Jahrb. Bd. 91 
S. 719 f. mit den dort gegebenen Citaten; “ausserdem ebenso 
im Rig-Veda I 2,5 Väyav-Indrag-ca (gleichsam ὦ Faiv Ἴνδρος 
ze), wozu Rosen unsre Stelle vergleicht.” G. Autenrieth. — Vers 278. 
Statt des überlieferten καὶ of hat Bekker in der annotatio καὶ ol 
92 coll. T 259° vorgeschlagen. Aber das gäbe für Homer eine 
isolierte Sprechweise. Denn an allen übrigen Stellen ist ὅς ze auf 
ein bestimmtes ausdrücklich genanntes Nomen bezogen, wird 
nirgends in solcher Allgemeinheit gesetzt, wie es hier der Fall 
ist, wo man die Worte am Besten mit dem Paraphrasten bei 
Bekker erklärt: καὶ οἱ καταχϑόνιοι δαίμονες τοὺς τελευτήσαντας 
ἀνθρώπους τιμωρεῖσθε. Denn mit dem allgemeinen of’ und dem 
Dual τίνυσϑον werden zusammengefasst einerseits Hades und Per- 
sephone, andererseits die Erinyen. [? Vgl. zu I 457.] 

285. [van Herwerden quaestiunculae epicae et eleg. p. 4 ver- 
muthet als ursprüngliche Lesart ὅσσα (έξβοικεν statt ἥν τιν᾽ 
ἔοικεν.) 

295. ἀφυσσόμενοι ist hier und K 579. # 220 die Ari- 
starchische Lesart, wie die Notiz des Didymos besagt. Die ge- 
wöhnliche Lesart war ἀφυσσάμενοι,, die noch in manchen neueren 
Ausgaben steht und den Nebenzug des Schöpfens als bloss vor- 
angegangenes Factum erzählt, während das Imperfect ἀφυσσόμενοι 
ein anschauliches Bild giebt, das den Vorgang des immer wieder 
erneuten Schöpfens vor Augen stellt, bis alle der Reihe nach libiert 


- 198 — 


haben. Ueber den Kanon überhaupt, der sich aus den derartigen 
Lesarten Aristarchs ergiebt, vgl. Moritz Schmidt in Fleckeisens 
Jahrbb. 1856 Bd. 73 8. 90. 

301. [Für den Satz, dass die Sünde der Väter auch an den 
Kindern geahndet werden müsse, giebt Belege aus der späteren 
Literatur Frohberger zu Lysias or. XII $ 36. — 297—302 werden 
von Düntzer hom. Abhandl. p. 250 verworfen.) 

315. “Weil der bevorstehende Kampf nicht bloss über die 
beiden Kämpfenden entscheiden soll, wie der Zweikampf in H, 
sondern über den Ausgang des ganzen Krieges, so hat jedes der 
beiden Völker noch seinen besondern Bevollmächtigten dabei, welche 
jetzt die nühern Vorkehrungen treffen. Hektor und Odysseus 
messen den Raum für die Kämpfer ab, legen dann zwei Loose in 
einen Helm, um zu bestimmen, wer den Kampf beginnen soll, und 
Hektor schüttelt den Helm, bis denn des Paris Loos herausspringt. 
Unterdessen beten die Völker noch einmal zum Zeus. Andere 
Beispiele des Loosens sind H 171. O 190. % 352. 861. ε 331. 
κ 206. Das Verfahren ist immer das nemliche. Ueber den Ge- 
brauch des Helmes hierbei vgl. Valcken. ad, Herod. III 128 p. 262.’ 
E. R. Lange in Msc. — Vers 316. ‘Da Ψ' 861. κ 206, wo unser 
Vers wiederkehrt, πάλλειν unentbehrlich ist, so muss man es auch 
hier beibehalten.” Derselbe. Wer nemlich hier βάλλον schreiben 
will, muss denselben Begriff auch in die Parallelstellen einführen. 
Denn an allen drei Stellen ist in dem nächsten Verse der Erfolg 
des Loosens, als das Resultat des Ganzen erwähnt. Dieser Er- 
folg aber wird naturgemäss an den Abschluss der Handlung 
(an das Schütteln der Loose) angeschlossen. Mithin konnte in 
kürzerer Darstellung der Abschluss als die Hauptsache den 
Umfang der ganzen Handlung vertreten. Vgl. etwas Aehnliches bei 
ἐπέρεψα zu A 39. 

318. ἠρήσαντο, ϑεοῖσι δὲ χεῖρας ἀνέσχον ist die gewöhnliche 
Lesart, aber Nikanor und Ptolemäos von Askalon lasen das (auch 
in mehreren guten Handschriften [Laurentian. 3 und Stuttg.: La 
Roche] enthaltene) ἠφήσαντο ϑεοῖς ἰδὲ χεῖρας ἀνέσχον. Und dies 
letztere hat Heyne (und Bekker in ed. II) mit Recht in den Text 
genommen. Denn es sprechen dafür wie ich meine drei Gründe: 
1) Es schwindet dadurch der starke Gegensatz, der zwischen den 
beiden Satzgliedern bei diesem Gedanken auffällig ist; 2) es ge- 
winnt durch diese Lesart der Rhythmus des Verses; 3) wir er- 
halten nun Analogie in der Sprache. Denn χεῖρας ἀνασχεῖν wird 
nur da mit dem Dativ des Gottes verbunden, wo kein Verbum 
des Flehens dabeisteht, sondern wo die Formel prägnant gesetzt 
den Begriff des Gebetes mit einschliesst, wie E 174. Z 257. 301. 
2 301. ı 294. Vgl. H 130 f. Wenn dagegen ein Verbum des 
Betens (εὔχεσϑαι und ἀρᾶσθαι) ausdrücklich hinzutritt, so gehört 
der im Satze stehende Dativ zu diesem Verbum finitum, wie © 347 

Anhang zu Ameis, Homers Ilias I 13 


_— 14 — 


= 0 369 (wo εὐχετόωντο mit dem vorhergehenden πᾶσι ϑεοῖσιν 
zu verbinden ist) T 254 (wo Διί mit εὔχετο zusammengehört). 
v 355. v 97; ähnlich A 351. ı 527. Die Sache wird nicht ge- 
ändert, wenn der Dativ des Gottes ganz fehlt, weil er aus dem 
Zusammenhange selbstverständlich ist, wie 4 450. I’ 275. Σ 75. 
e 239; ähnlich O 371. Denn auch das blosse Verbum des Betens 
ohne den veranschaulichenden Zusatz χεῖρας ἀνασχών wird in be- 
züglichem Zusammenhange absolut gesetzt, wie ἠρᾶτο vor einem un- 
mittelbar folgenden Gebete E 114. K 283, oder gleich nach dem 
Schluss des Gebetes mit vorangehendem ὡς # 149. y 62. 64. 
ἢ 1. Hiermit denke ich Fr. Spitzuers Note genügend beleuchtet 
zu haben. — Vers 329. Dass Homer am Paris nichts Anderes 
zu loben gehabt habe, als dass er Ἑλένης πόσις ἠυκόμοιο gewesen 
sei, wird bei Plut. Galb. c. 19 bemerkt. 


335. Wegen dieses χάλκεον wird der Dichter mit Unrecht 
getadelt von B. Giseke Hom. Forschungen 8. 38 $ 49. Ganz 
ähnlich steht dieser Begriff & 371. Giseke hat überhaupt bei 
seinen gründlichen Untersuchungen die Bemerkungen der Alten 
zu wenig beachtet und ist zu vorherrschend geneigt, allgemeine 
Gesetze auch da aufzustellen, wo die individuelle Darstellung der 
Situation ihr Recht behauptet. Daher werden viele seiner Aus- 
sprüche über Interpolation, über Ursprüngliches und Nachgeahmtes 
usw. schwerlich einen weiteren Einfluss gewinnen. [334. 335 ver- 
warf Zenodot: Düntzer de Zenod. p. 184 11 


346. Manche wollen δολιχόσκιον von ὄσχος abgeleitet wissen: 
aber diese mögen zusehen, ob ein “langzweigiger’ oder “lang- 
astiger” Speer (denn etwas Anderes könnte es nicht heissen) 
vielen gefallen werde. Die früher gewöhnliche Deutung, die noch 
bei Damm steht, war bekanntlich weitfliegend. Aber weder 
wird χιών jemals im Sinne von “fliegend’ gebraucht, noch hat 
δολιχός in den andern Compositis die Beziehung auf die Weite, 
noch lässt sich das o dann sprachlich vertheidigen. Denn die 
damit verglichenen Worte sind nach der neuern Sprachwissenschaft 
ganz anders zu erklären. 


348. οὐδ᾽ ἔρρηξεν χαλκός die Aristarchische Lesart [welche 
auch der Venet., Laurentian. 15 u. a. bei La Roche haben], statt 
des gewöhnlichen χαλκόν, haben seit Heyne auch Andere aufge- 
nommen. Mit Recht bemerkt J. La Roche Hom. Textkritik 8. 377: 
‘Da sich of nur auf das Subject des Verbums ἔρρηξεν beziehen 
kann, so ist die Schreibweise Aristarchs die allein richtige’ Ein 
zweiter Grund dafür wird schon von Didymos berührt: die Sym- 
metrie mit χαλκᾷ im folgenden Verse. Vgl.auch zu 524. Einen 
dritten Grund giebt G. Autenrieth bei Nägelsbach an, nemlich dass 
χαλκός allein gesetzt nirgends bei Homer den Schild bedeute. Als 
vierter Grund endlich kann angeführt werden der Parallelismus 


-- 19 


A 


der Verse 346. 347. 348 mit den Versen 355. 356. 357. In 
den beiden ersten nemlich ist jedesmal der Kämpfer das Subject, 
im dritten dagegen die Lanze. Derselbe Parallelismus findet sich 
auch H 258. 259 mit 260. 261. — 349. [ἀσπίδι ἐν ist die Les- 
art der besten Handschriften, vgl. darüber La Roche hom. Unter- 
such. p. 127] — 351. [Statt ὅ we πρότερος κύκ᾽ ἔοργε will Cobet 
Miscellan. crit. 1876 p. 404 lesen: ὅ we πρότερος κάκ᾽ ἔρεξε. Das- 
selbe vermuthet van Herwerden quaestiuneulae epicae et eleg. 
p. 4, hält indessen nach dem Homerischen Gebrauch noch für 
passender: ὅ μὲ πρότερος χαλέπηνεν, vgl. T 183. 0 369. Β 378. 
τ 83. = 131 

352. δαμῆναι.» statt des gewöhnlichen δάμασσον, ist die Ari 
starchische Lesart. Dieselbe giebt dem hier vorherrschenden Rache- 
gedanken des Menelaos einen grösseren Nachdruck als der Impe- 
rativ δάμασσον. Denn dieser lässt den Menelaos nur als Werk- 
zeug des Zeus erscheinen, während er bei der Lesart δαμῆναι von 
der eigenen Thatkraft erfüllt ist, wozu er nur den Beistand 
des Zeus erbittet. Anders dagegen ist der Zusammenhang. bei 
der Erzählung oder einer Anrede in Stellen wie Z 368. N 434. 
IT 438. 543. 849. X 176. 271. 379. 446 und ähnlichen. Dass aber 
hier im Gebete vor Allem der Begriff der Selbstrache vor- 
herrscht, zeigt auch der Aceusativ δῖον ᾿Αλέξανδρον, wofür nieht 
der sonst gebräuchliche Nominativ steht: vgl. die zu β 119 
erwähnten Beispiele. Mit Recht bemerkt L. Dissen zu Demosth. 
de corona p. 351 bei Erwähnung unserer Stelle: “cum prae- 
valeat ultionis notio, vedeundum fwit ad aceusativum,’ mit Ver- 
gleichung von & 174. Tweitens würde man bei einem Ueber- 
gange zum Imperativ (da nach dem Gedanken die Begriffe τίσα- 
σϑαι und δάμασσον zusammengehören) nicht die Partikel καί sondern 
δέ erwarten, wie P 646 f. & 310. Drittens wird δαμῆναι durch 
die Symmetrie mit dem Gebete 322 f. empfohlen: denn dort wird 
die Strafe bloss als Vergeltung erwähnt, hier soll sie auch andere 
abschrecken, beides aber hüngt eng zusammen: vgl. y 373 f. und 
die bekannte Gerichtsformel unserer Vorfahren: “ihm selbst zur 
Strafe und Andern zum Exempel.’ Aus diesen drei Gründen habe 
ich die Aristarchische Schreibweise aufgenommen. Eine Fort- 
setzung der Construction nach δός haben wir auch I’ 323 und 
E 118, wo ebenso wie hier der Accusativ ἄνδρα im ersten Satze 
als Object erscheint und beim zweiten als Subject im Gedanken 
hinzuzunehmen ist. [Uebrigens verwarf Aristarch V. 352: Fried- 
laender Aristonie. p. 88.] — Vers 354 gebraucht Imeian, Fugit. 
©. 30. Vgl. auch Themist. or. XV p. 199. — Vers 357. Früher 
hatte ich im Anhange zu « 101 die Schreibweise ὄμβριμον adop- 
tiert, aber ich bin seitdem durch die Erörterung von W. C. Kayser 
im Philol. XVIII 8. 655 ἢ. und C. A. J. Hoffmann Prolegom. 
zu ® und Xp. 121 f. eines Bessern belehrt worden. — Vers 359. 

13* 


- 16 — 


In der Schreibweise ἀντικρύς hier und an allen bezüglichen Stellen, 
statt des gewöhnlichen ἀντικρύ, bin ich Bekker gefolgt, der hierbei 
Bentley, Payne-Knight, Bothe zu Vorgängern hat. 

362. ἀμφὶ δ᾽ ἄρ αὐτῷ ist die gewöhnliche Lesart. Aber 
dieselbe ist doppelsinnig, da man αὐτῷ sowohl auf φάλον als auch 
auf "Argelöng beziehen kann. Ja die letztere Beziehung giebt erst 
den nach homerischem Sprachgebrauch erforderlichen Gegensatz. 
Denn die casus obligui von αὐτός sind in der bei den Attikern 
gewöhnlichen Bedeutung eius eieum an keiner homerischen Stelle 
mit Sicherheit anzutreffen. Vgl. Doederlein Oeffentl. Red. p. 361 
84. Eine dieser Stellen ist auch die vorliegende. Aber Aristarch 
fand hier in seinen Urkunden αὐτῇ, wodurch jede Schwierigkeit 
schwindet. Diese Aristarchische Lesart habe ich daher nach dem 
Vorgange Heyne’s aufgenommen. Nun ist uns in dem Gedanken, 
dass die Stücke des zersplitterten Schwertes um den Helm selbst 
herumflogen, ein der Sache entsprechendes anschauliches Bild ge- 
geben. Das scheint auch Heyne mit den Worten 'notio rei pi- 
maria ad galcam nom ad comım (φάλον) pertine bezeichnet zu 
haben. — Ueber φάλος und die damit zusammenhängenden Wörter 
vgl. Buttmann Lex. Nr. 104 und Anton Göbel im Philol. ΧΥ͂ ΠῚ 
8. 213. — Vers 363 ist ein στίχος τραχύς: vgl. in Fleckeisens 
Jahrbb. Bd. 95 8. 618. [Dass das Erz des Schwertes von Bronze 
zu verstehen sei, begründet Riedenauer Handwerk p. 103.] — 
366. [Statt τίσασϑαι verlangt Cobet Miscellan. crit. 1876 p. 328 
τίσεσϑαι, vgl. zu T’ 28 und 112.] — Vers 367. Zum χείρεσσιν ἄγη 
macht mir G. Autenrieth folgende beachtenswerthe Bemerkung: 
“Ursprünglich natürlich χείρεσσι Fdyn ohne Augment. Die Länge 
in ἐβάγη könnte man als eine Dehnung ansehen, wie sie so häufig 
auch im Vedischen gegenüber dem classischen Sanskrit sich zeigt; 
indessen wäre doch möglich, dass in A 559 ursprünglich ἀμφὲ 
F£Faye [oder Fefdye?] gesprochen worden sei; sonst müsste man 
etwa eine Nachwirkung der ursprünglichen Position annehmen, 
indem die Wurzel nach verwandten Sprachen zu schliessen (G. 
Curtius Etym. 8. 475 [*p. 530]) ehemals Fayy gelautet haben 
mag. Es giebt schon im Sanskrit eine Anzahl von Wurzeln, die 
sowohl einfach als nasaliert vorkommen, und im letzten Grund 
ist dies dieselbe Erscheinung, wie diejenige, dass dort (wie auch 
im Griechischen) manche Verba die Eigenheiten verschiedener Con- 
jugations-Classen aufweisen, eine Freiheit, die im Vedischen noch 
grösser ist als im späteren Sanskrit’ In ἐάγη A 559 könnte 
man vielleicht die Spur eines doppelten Augments finden, wie es 
im nachhomerischen ἑάλων erscheint. 

368. οὐδ᾽ ἔβαλόν μιν ist die gewöhnliche Lesart, die aber 
folgende Bedenken erweckt. 1) Es handelt sich hier nicht bloss 
um ‘Verwundung’, sondern um Vernichtung, da er 352 ausdrück- 
lich zum Zeus betet δὸς... ἐμῇς ὑπὸ χερσὶ δαμῆναι. 2) Die Worte 


— 1170 — 


οὐδ᾽ ἔβαλον stehen mit καὶ βάλε 356 in Widerspruch: denn es ist 
nicht homerische Sitte, dasselbe Wort in demselben Zusammen- 
hange in verschiedener Bedeutung zu setzen. Sollte aber nur 
der 360 gegebene Gedanke ὁ δ᾽ ἐκλίνθη καὶ ἀλεύατο κῆρα μέλαι- 
vav hier mit οὐδ᾽ ἔβαλον hervorgehoben werden im Gegensatz zu 
356, so erwartete man durchaus οὐδ᾽ ἔβαλ᾽ αὐτόν, nemlich ἔγχος 
wie E 17. Π 479, nicht das tonlose μέν. 3) Mit ἔβαλον kommt 
nur die Lanze in Betracht. Aber der Zusammenhang des Gebetes 
verlangt, dass auch das Zersplittern des Schwertes, das ἄγη ξίφος, 
als ein vergebliches berücksichtigt werde. Aus diesen (Gründen 
habe ich die Lesart des Ammonius οὐδ᾽ ἐδώμασσα (mit Bekker 
οὐδὲ δάμασσα geschrieben) für nothwendig gehalten. Eine Stütze 
dafür ist E 191. Dieselbe Lesart hat Bekkers Paraphrast befolgt, 
der die Worte οὐδὲ ἀπέκτεινα αὐτόν gebraucht, während er an der 
ähnlichen Stelle 4 473 nur ἔτρωσε setzt. Nebenbei vermuthe ich, 
dass das οὐδ᾽ ἐδάμασσα schon in der Aristarchischen Recension 
gestanden habe. Denn Didymos hat die betreffende Notiz mit 
den Worten gegeben: ᾿Δμμώνιος ἐν τῷ πρὸς ᾿Α4ϑηνοκλέα συγγράμ- 
ματι ὁμοίως εἶχεν. Nun aber pflegt Didymos das Wörtchen ὁμοέως, 
da zu gebrauchen, wo er zu Aristarchischen Lesarten noch den 
Namen eines Andern hinzuftigt, der gleicher Weise geurtheilt 
hat. Vgl. die schon von J. La Roche Didymus $. 16 erwähnten 
Stellen zu ‘A 91. 169. 304. 423. 585. B 435. 579. 801. Γ 18 
u.a” Jazu B 435 ist von V. statt ὁμοίως ebenso af πᾶσαι über- 
liefert, wie an vorliegender Stelle πᾶσαι οὐδὲ δάμασα. γρά- 
φεται καὶ ἔβαλόν μιν. V.’ angeführt wird. Daher scheint der An- 
fang von des Didymos Note uns nicht erhalten zu sein. — 373. [Den 
Aorist ἠράμην verwirft Cobet Miscellan. erit. 1876 p. 400 ἢ, als 
unhomerisch und will nur ἠρόμην gelten lassen.) — Vers 396 f. 
Vgl. Nägelsbach Hom. Theol. IV 10 bis 14. Uebrigens erhellt 
zugleich aus dieser homerischen Stelle, dass das Frauengewand 
den Hals und die Brust frei liess, und dass auch der vom Kopf herab- 
hängende Schleier (zu « 334 und I’ 141) beides nicht unkennt- 
lich machte. Vgl. hymn. in Ven. 181 ff. 

403. Gewöhnlich wird mit Nikanor hier und 405 am Vers- 
schluss Fragezeichen gesetzt. Aber dagegen streiten mehrere 
Gründe: 1) der Gebrauch von οὕνεκα bei Homer, worüber Lehrs 
de Arist.? p. 57 bemerkt hat: “Is partieula οὕνεκα ubique sic usus 
est, ut enuntiationi, cuius rationem continet, post ponatur.’ Nach 
der Trennung von οὕνεκα und τούνεκα in zwei verschiedene Sätze 
schwindet auch das was Nägelsbach als “eine unlogische Bildung 
des Relativums nach dem Wortlaute des Demonstrativs’ bezeich- 
net. Es streitet dagegen 2) der innere Zusammenhang der Ge- 
danken. Das καὶ κεῖθι φίλος nemlich sinkt zur bedeutungslosen 
Phrase herab, wenn nicht mit οὕνεκα der Grund dafür [?] un- 
mittelbar hinzugefügt wird. Nägelsbach erläutert zwar: “Oder 


-- 198 -- 


willst du mich, nachdem Menelaos mich wieder erkämpft hat, 
zurück zu Paris führen?” Aber weder von dem “oder” noch von 
dem “nachdem’ ist im Texte eine Andeutung gegeben. Auch die 
Worte ἧσο παρ᾽ αὐτὸν ἰοῦσα werden von den Commentatoren mit 
“pleibe du selbst bei ihm’ oder ‘gehe doch selbst zu Alexan- 
dros’ oder ähnlich erläutert, als wenn αὐτί und nicht αὐτόν im 
Texte stände. Hierzu kommt 3) das Auffällige eines solchen 
hypothetischen Satzes mit dem Indicativ (εἴ τίς τοὶ nemlich ἐστί) 
in der Frage. Denn das blosse εἰ mit dem Indicativ findet 
sich sonst nirgends bei Homer in einem Fragesatze. Vgl. εἰ 
mit dem Indicativ a) des Präsens: A 178. T' 67. E 645. © 466. 
K 176. 239. & 331. [?] Π 494. Υ 102. 372. ® 192. 372. Ψ 882. 
« 275. ε 80. 139. κ 443. 473. x 256. σ 61; d) des Imperfects: 
4 321. v 98; c) des Perfeets: 4 173. 4 362; d) des Plusquam- 
perfeets: ψ 220; e) des Futurums: E 717. & 62. O 186. P 154. 
418; f) des Aorists: E 104. N 153. O 460. ® 216. X 285. 
a 237. y 256. ὃ 172. A 317. ξ 67. v 332. ὦ 352. Ans diesen 
Gründen nun habe ich die Interpunction geändert mit Tilgung 
der Fragezeichen, “quibus deletis mullo acerbior evadit ironia, wie 
Lehrs de Arist.? p. 57 bemerkt. — Was sodann den Zusammen- 
hang des ganzen Abschnitts betrifft, so hat Aristonikos hier (vgl. 
denselben auch zu 4 208 sowie den Schol. Q zu ὃ 12) zu den 
Versen 396 bis 418 von Aristarch ein ἀϑετοῦνται überliefert, 
hauptsüchlich aus folgenden Gründen: πῶς γὰρ ἡ γραίᾳ παλαιγενεῖ 
εἰκασμένη περικαλλέα δειρὴν εἶχε καὶ ὄμματα μαρμαίροντα καὶ στήϑεα 
ἱμερόεντα; καὶ βλάσφημα παρὰ τὸ πρόσωπόν ἐστι τὰ λεγόμενα ἦσο 
παρ᾽ αὐτὸν ἰοῦσα, ϑεῶν δ᾽ ἀπόεικε κελεύϑου, μηδ᾽ ἔτι 
σοῖσι πόδεσσιν. καὶ εὐτελὴς κατὰ τὴν διάνοιαν μή μ᾽ ἔρεϑε 
σχετλίη. Aber auf den ersten Einwwf ist zu erwiedern, dass 
Gottheiten nie so vollständig die Gestalt bestimmter Menschen 
annehmen, dass sie nicht noch Manches von ihrer göttlichen Ge 
stalt und ihrem ursprünglichen Wesen beibehielten. Hieran wer- 
den sie zuweilen erkannt: vgl. die im Anhang zu B 795 erwühn- 
ten Stellen. Was zweitens die angebliche “Blasphemie gegen die 
Person” betrifft, so werden auch sonst die Götter nicht selten von 
den Menschen gescholten: B 112. T 365. I 19. M 164. X 15. 
y 161. v 201. Vgl. Nägelsbach Hom. Theol. V 18. Der Zusatz 
endlich wegen des Gedankens gehört zu den sogenannten Zopf- 
urtheilen über Anstand, in denen Aristarch als ein Kind seiner 
Zeit erscheint: vgl. den Anhang zu A 31. 39. 133. ξ 245. Der 
Dichter hat den ganzen Abschnitt hinzugefügt, um die aufrich- 
tige Reue der Helena, selbst der Verführerin Aphrodite gegen- 
über, recht lebendig zu veranschaulichen. Denn Helena leistet 
der Aphrodite erst Folge, als die Göttin die härteste Drohung 
gegen sie ausgesprochen hat. So lassen sich denn die Verse 396 
bis 418 nicht ausscheiden, ohne den Charakter des Ganzen zu 


19 — 


beeinträchtigen. — Auch die folgende drastische Scene bis 448 
hat vielfachen Anstoss und Tadel erregt. Aber auch sie dient 
mit Nothwendigkeit dem poetischen Zwecke. Der Dichter nemlich 
musste zur Vollständigkeit des Charakterbildes den Paris 
nicht bloss als Prahler und Feigling im Kampfe, sondern auch 
als verweichlichten und wollüstigen Menschen drama- 
tisch darstellen. Hierzu war bereits oben 54. 55 und 64 bis 
66 eine Andeutung gegeben, und diese war dramatisch auszu- 
führen, um auch von dieser Seite theils den lächerlichen Contrast 
zwischen dem eigenen prahlerischen Wort (65. 66) und klüglicher 
That, theils den komischen Contrast mit Menelaos zur Anschauung 
zu bringen. Daher hüngt der Schluss 449 ff. mit 448 aufs Engste 
zusammen. Während nemlich Menelaos als ächter Krieger den 
Paris auf dem Schlachtfelde sucht, sitzt dieser bereits gesichert 
und sorglos im Schosse der Wollust. Auch die neueste geheime 
Detailgeschichte seit 1848 weiss aus den Kriegen solche parties 
honteuses zu erzählen, die sich ein Homer der Gegenwart schwer- 
lich entgehen lassen würde, ohne sie als verderbliche Confliete 
zwischen Ares und Aphrodite darzustellen. Den Contrast zwischen 
Paris und Menelaos zugleich in seiner Bedeutung für den Zu- 
sammenhang mit dem folgenden Gesange hat schon Nägelsbach 
8. 428 der Ausg. von Autenrieth also hervorgehoben: “ Während 
Menelaos den Besiegten auf dem ganzen Schlachtfelde sucht, wäh- 
rend Agamemnon bei den Troern auf Vollzug des Vertrages dringt, 
ist Paris schon wieder im Besitze des Weibes, den er doch durch 
seine Niederlage beschworenermassen verwirkt hat. Besiegt im 
Zweikampf ist er Sieger im Reich Aphroditens. Die Leidenschaft 
hat schon triumphiert über das Recht, der Vertrag ist schon ins- 
geheim gebrochen, ehe er es durch Pandarus auch vor Aller 
Augen wird’ Dass übrigens Aphrodite die kuppelnde Verführerin 
ist und dadurch eine etwas komische Rolle spielt (392 ἢ. 423. 
425), das harmoniert mit ähnlichen Situationen: E 335 ff. Φ 416 ff. 
9 266 ff. Wenn sich aber der ganze Abschnitt von Paris und 
Helena (383—448) durch weichen Ton und Glätte bemerkbar 
macht, so gehört dies wohl unter die Zeugnisse für die Kunst- 
fertigkeit des homerischen Genius, der für jede Situation die ge- 
eignete Tonart und Farbengebung zu treffen wusste. 

411. [πορσανέουσα: so schrieb wahrscheinlich Aristarch nach 
La Roche hom. Textkritik p. 344.] — 414. [Die Drohung der 
Aphrodite bezieht Steudener antiquarische Streifzüge p. 80 auf den 
Verlust der Schönheit.] — 417. [Diesen Vers möchte Doederlein 
Gloss. $ 2462 ausgeschieden sehen, so dass sich ἀμφοτέρων auf 
Helena und Paris bezöge] — 422. [Ueber den Anstoss, den 
Zenodot hier daran nahm, dass Aphrodite der Helena einen Sessel 
bringt, vgl. Cobet Miscellan. erit. 1876 p. 227 f., auch Düntzer 
de Zenod. stud. Hom. p. 174.] 


450. [Zur Auffassung von εἴ ποὺ xr&. als Wunschsatz vgl. 
L. Lange der hom. Gebrauch der Partikel εἰ I p. 404 £.] 

453. M. Schmidt im N. Rhein. Mus. XX 8. 463 frägt: "Kann 
es wirklich ἐκεύϑανον heissen, oder muss man ἐκύνϑανον herstellen?” 
Das ist eine Frage, die sich schwerlich mit sicherer Evidenz be- 
antworten lüsst. Aber bevor dieses geschehen ist, wird man an 
der einstimmigen Ueberlieferung ἐκεύϑανον festzuhalten haben. 
Sodann sind Andere, nach deren Meinung “&v oder κέν nicht feh- 
len kann”, so kühn gewesen, die von Heyne erwähnte und ge- 
billigte Conjectur ἔκευϑον ἄν sogar in den Text zu setzen. Aber 
dabei wird angenommen, dass εἴ τις Zorro bloss “wenn ihn nur 
einer gesehen hätte” bedeuten und nur auf den vorliegenden 
Fall sich beziehen könne. Hiergegen aber sprechen wie ich meine 
drei Gründe: 1) das vorhergehende τότε, das kein müssiger Zusatz 
sein kann, sondern das den speciellen Fall dem allgemeinen 
Handeln gegenüberstellt; 2) die Verbindung des Plural ἐκεύϑανον 
mit dem Singular in εἴ τις Zoo. Ein Zwang, die Stelle nach 
der herkömmlichen Deutung zu verstehen, wäre nur dann vor- 
handen, wenn εἴ μὲν oder mit Wahrung des Digamma εἶ" ἴδοιεν 
im Texte stände. Hierzu kommt 3) die nachfolgende neue Be- 
gründung mit opiv πᾶσιν ἀπήχϑετο, die für einen vorher- 
gehenden allgemeinen Gedanken passender erscheint, als für 
den einzelnen Fall in seiner Beschränktheit. Auf diesen Erwägungen 
nun beruht die gegebene Erklärung [: pflegten ihn zu ver- 
bergen, wenn ihn einer nur sah, in iterativem Sinne], bei wel- 
cher der ganze Gedanke an Nachdruck gewinnt. So scheint auch 
Aristarch diese Stelle erklärt zu haben, da Aristonikos ganz all- 
gemein bemerkt ὅτι ἀπηλλοτρίωντο τῷ ᾿Αλεξάνδρῳ ol Τρῶες. Der- 
selben Erklärung folgt der Paraphrast bei Bekker: οὐ γὰρ διὰ 
φιλίαν αὐτὸν ἔκρυπτον, εἴ τις αὐτὸν ἐθεάσατο. Zu diesem Gebrauche 
des Optativs vgl. die Beispiele bei Biumlein Ueber die Gr. Μοᾶϊ. 
S. 286 δ΄ [Der Verallgemeinerung des Gedankens in der Weise, 
dass das ἐκεύϑανον verstanden werden sollte: pflegten zu ver- 
bergen, und εἴ τις ἴδοιτο iterativen Sinn hätte, widerstrebt doch 
die Situation, da den durch Aphrodite unsichtbar entrückten Paris 
ja factisch Keiner gesehen hat und sonst sich schwer denken lüsst, 
wie die Trojaner wiederholt in die Lage gekommen wären, die 
Anwesenheit desselben zu verheimlichen. An ähnlichen Bedenken 
leiden die übrigen Erklärungsversuche. Alle Schwierigkeiten 
schwinden bei der jetzt nach L. Lange der hom. Gebrauch der 
Partikel εἰ I p. 399 gegebenen Auffassung. Dagegen vermuthet 
van Herwerden quaestiunculae ep. et eleg. p. 5: ἔκευϑον ἄν, εἴ 
FeFlöovro: ‘non enim sane propter amicitiam Paridem 
Trojani abscondissent, si eum vidissent.’] 

456. “Τρῶες καὶ Δάρδανοι. Dieselbe Verbindung kehrt H 348. 
368. © 497 wieder. Τρῶες καὶ Δαρδανίωνες steht H 414. Θ 154. 


-- 01 — 


Die Frauen werden Τρωιάδες oder Τρωαὶ καὶ Aagdavidss genann 
Σ 122. 339. Die alten Ausleger meinen, der Name Adgdavor sei 
synonym mit Δαρδάνιοε und bedeute die Bewohner der Stadt 
Dardania, welche Meinung auch Strabo XIV p. 977® hegt. Aber 
Homer widerlegt dieselbe durch IT 807 Δάρδανος ἀνήρ, Πανϑοΐδης 
Εὔφορβος, denn Panthoos und seine Söhne sind Ilier: vgl. Γ 146. 
N 756. & 450. 454. O 446, 522. II 535. Ρ 9. 24. 40. 59. 70, 
81. Mithin sind Δάρδανοι und Τρῶες gleichbedeutende Namen, 
sowie die Griechen ᾿Αργεῖοι, ᾿άχαιοί und Δαναοί heissen, welche 
Namen auch auf ähnliche Weise zusammengestellt werden. Vgl. 
4A 79. T 82. Drei Namen haben ferner die Unterthanen des 
Achilleus: B 684 Μυρμιδόνες δ᾽ ἐκαλεῦντο καὶ Ἕλληνες καὶ ᾿ἡχαιοί. 
Auch wolle man nicht unter Ζαρδανίωνες Nachkommen des Dar- 
danos, etwa die herrschende Adelskaste verstehen, sondern das 
Patronymikon steht als Volksname, und Homer sagt “Δάρδανοι, 
“Δαρδανίωνες wie Καδμεῖοι, Καδμείωνες: A 385. 388. 391. E 804. 
807. K 288. # 680. A 276. Vgl. auch Οὐρανίωνες [zu ἡ 242]. 
Sonderbar ist es nun aber freilich, dass in dem Verse Τρῶες καὶ 
Δάρδανοι ἀγχιμαχηταί die gleichbedeutenden Namen durch einen 
dritten getrennt sind, welcher, wie schon die Vergleichung mit 
unserm Verse zeigt, die ἐπικούρους bezeichnet. Vgl. B 876. Wir 
würden diesen Namen an der dritten Stelle erwarten, aber das 
Metrum nöthigte zu einer andern Stellung, die, wie der Dichter 
bei Dingen die ihm sehr geläufig waren glaubte, zu keinem Mis- 
verständniss Veranlassung geben konnte.” So E. R. Lange in Ms. 
Ueber das berührte Verhältniss der Namen Τρῶες und Δάρδανοι 
hat Gladstone Hom. Studien von Schuster $. 404 Folgendes be- 
merkt: “Uebrigens verblieb der Name Τρῶες auch noch den Dar- 
danern; denn Homer gebraucht nicht nur den Namen Τρῶες (a 
potiori) für die ganze den Griechen entgegengestellte Streitmacht, 
sondern er bezeichnet auch mit dem Worte Τρῶες den Theil des 
Heeres, der unter beiden Linien des dardanischen Königshauses 
stand, und unterscheidet diesen Theil von dem Reste des Heeres, 
für den er den Namen ἐπίκουροι gebraucht B 815 (vgl. Z 111. 
N 755. P 14. Σ 229)” Die damit verglichenen drei Namen für 
die Griechen bei Homer hat jetzt Albert Schuster in der Zeitschr. 
ἢ ἃ. G.W. 1867 5, 741 ff, genauer behandelt. Was endlich den 
stabilen Vers betrifft Τρῶες καὶ Adzıoı καὶ Δάρδανοι ἀγχιμαχηταί 
(vgl. zu Θ᾽ 173), so hat man nicht nöthig an metrischen Zwang 
zu denken, sondern den Τρῶες in engerer Bedeutung sind die 
«Αύκιοι καὶ Δάρδανοι als zwei Hauptvertreter der ἐπίκουροι formel- 
haft beigefügt. [455—461 werden übrigens von Düntzer homer. 
Abh. p. 250 verworfen.] 


Anhang zu Ameis, Homers Ilias I. 13** 


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ANHANG 


ZU 


HOMERSILIAS. 


SCHULAUSGABE 


von 


K. F. AMEIS. 


II. HEFT. 


ERLÄUTERUNGEN ZU GESANG V—VL. 
ZWEITE UMGEARBEITETE UND MIT EINLEITUNGEN VERSEHENE AUFLAGE, 


BESORGT 
vox 


Dr. C. HENTZE, 


OBERLEHRER AM GYMNASIUM ZU GÖTTINGEN. 


᾿ & 


LEIPZIG, 
DRUCK UND VERLAG VON Β. G. TEUBNER. 
1882. 


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Δ. 
Einleitung. 


Litteratur: Lachmann Betrachtungen p. 19—20 und darin 
Haupts Zusätze p. 105f.; Benicken das dritte und vierte Lied 
vom Zorne des Achilleus nach K. Lachmann aus IT’ und 4 der 
Ilias herausgegeben, Halle 1874 p. 40ff., Benicken das fünfte 
Lied vom Zorne des Achilleus ete,, Halle 1873 p.1ff. Zu Lach- 
manns Kritik: Fürber disputatio Homerica, Brandenburg 1841 
p. 29#, Grofs vindiciarum Homericarum part. I, Marburg 1845 
Ρ. ὅ8 δ΄, Bäumlein in Zeitschr. f. Altertumswiss. VI, 1848 p. 335, 
Blätter für litterarische Unterhaltung 1844 p. 503 ἢ, Hoffmann 
im Philol. III p. 207 ff, Düntzer in ἃ. allgemeinen Monatsschrift 
für Litterat. 1850, II—= Homerische Abhandlungen p. 46. 53f., 
Friedlaender die homerische Kritik von Wolf bis Grote p. 67, 
Holm ad Car. Lachmanni evemplar de aliquot Iliadis carminum 
compositione quaeritur, Lübeck 1853 p. 4, Gerlach im Philol. XXX 
p. 208. — Köchly de Iliadis carmm. dissertat. IV, Turiei 1857 
Ρ. 5fl., desselben Tliadis carmm. XVI p. 78—85, 93—99, 103£., 
vgl. dazu Ribbeck in Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 13f. 16 ἢ, 
Düntzer hom. Abhandl. p. 281 ff, Benicken ἃ, dritte und vierte 
Lied p. 488 — Düntzer das 3. bis 7. Buch der Ilias als selb- 
ständiges Gedicht, in den hom. Abhandl. p. 250 ff. und 272f. — 
Kammer zur homerischen Frage. Königsberg 1870. I p. 15, 
vgl. Düntzer homer. Abhandl. p. 272 ff. — Jacob über die Ent- 
stehung ἃ, Ilias und Odyssee p. 195. — Nitzsch Sagenpoesie 
Ρ. 199 fl. 210 ff. — Kiene die Komposition ἃ. Ilias p. 78. 83. — 
Genz zur Ilias p. 19. — Naber quaestiones Homericae, Amstelo- 
dami 1877 p.160f. — La Roche in Zeitschr. f. oesterr. Gymn. 1863 
p. 168. — K. Τῷ Kayser homer. Abhandlungen herausgegeben 
von Usener, Leipz. 1881 p. 99. — Kraut die epische Prolepsis 
nachgewiesen in der Ilias, Tübingen 1863 p. 18f. — Bischoff 
im Philol. XXXIV p. 9£. — Bernhardy Grundrifs ἃ. griech. Lit- 
terat. SIL, 1, p. 163. Bergk griech. Litteraturgesch. I p. 569 ff. 
— Hoffmann quaestt. Hom. II p. 121f. 168. 171. 204—207. 
Giseke homer. Forschungen p. 143f. 158. 169. — Beloch in 
Rivista di filologia, 1875 p. 305 f.: Versuch 4 1—219 in Te- 
trastichen zu gliedern, vgl. Bursians Jahresbericht 1874—1875 
p. 140f. 


1* 


4 4. Einleitung. 


Den Hauptinhalt des vierten Gesanges bilden der Vertrags- 
bruch (ὁρκίων σύγχυσις) und die dadurch veranlafste Aufnahme 
der Schlacht. Zwischen beide Teile ist eine gröfsere Episode ein- 
gefügt, ’Ayaufuvovog ἐπιπώλησις Agamemnons Rundgang und An- 
sprache an die hervorragendsten Heerführer. Im einzelnen ent- 
wickelt sich die Handlung in folgender Weise: 


4A. Der Vertragsbruch V. 1—219. 


1) Götterrrat, in welchem die Fortsetzung des Kampfes und 
die Zerstörung Trojas beschlossen wird; Sendung der Athene, 
um die Troer zum Bruch des Vertrages zu veranlassen, 


1-73, 

2) Athene bestimmt Pandaros auf Menelaos zu schielsen, 
74— 104. 

3) Pandaros verwundet Menelaos durch einen Pfeilschufs, 
105— 147. 


4) Agamemnons Sorge um den Bruder, 148—191. 


5) Der von Talthybios berufene Arzt Machaon besorgt Mene- 
laos’ Wunde, 192—219. 


B. Die Vorbereitungen zur Schlacht, 220—421. 


Agamemnons Rundgang und Ansprache an Idomeneus und 
Meriones, die beiden Aias, Nestor, Menestheus und Odysseus, 
Diomedes und Sthenelos. 


€. Der Beginn der Schlacht, 422—544. 


1) Das Anrücken beider Heere und der Zusammenstols, 422 
—456. 

2) Einzelkimpfe, in denen Antilochos, Aias und Odysseus 
sich hervorthun; die Troer weichen, 457—505. 

3) Apollo ermuntert von Pergamos aus die Troer, Athene 
die Achäer, 506—516. 

4) Weitere Einzelkämpfe bis zur vollen Entwicklung der 
Schlacht, 517—544. 

Der dritte Gesang schlo[s mit einer ungelösten Frage. Nach- 
dem Paris durch Aphrodite der Gefahr des Zweikampfes entrückt 
und von Menelaos vergeblich gesucht war, hatte Agamemnon den 
Sieg für Menelaos in Anspruch genommen und auf Grund des 
Vertrages an die Troer die Forderung gestellt, die Helena samt 
den Schützen herauszugeben. Ohne dals nun auf diese Forderung 
von Seiten der Troer eine Antwort erteilt ist, folgt sofort im Ein- 
gang des vierten Gesanges eine Beratung der im Saale des Zeus 
versammelten Götter, welche den Zweikampf mit angesehen haben, 
über die vorliegende Situation, welche zu dem Beschlufs führt 


4. Einleitung. 5 


Athene auf das Schlachtfeld hinabzusenden und durch sie die Troer 
zum Bruch des Vertrages zu veranlassen. Von hier aus entwickelt 
sich die Handlung des Gesanges bis zu dem Punkte, wo die Schlacht 
auf allen Seiten entbrannt ist, was die Schlufsverse 539—544 
besonders markieren. 

Danach bildet der erste Abschnitt des Gesanges (1—220) 
das notwendige Mittelglied, um die Erzählung von dem Zweikampfe 
in T zu der in B vorbereiteten, aber durch diesen Zweikampf 
verzögerten allgemeinen Schlacht überzuleiten. Die sodann zwi- 
schen den Vertragsbruch und die Schlacht selbst episodisch ein- 
gefügte Epipolesis, welche da einsetzt, wo das Anrücken der Troer 
angekündigt ist und die Achäer sich zur Aufnahme des Kampfes 
bereit machen, bereitet nicht blols die am Schlufs folgenden 
Kampfscenen vor, sondern weist als Einleitung zu einem um- 
fassenden Schlachtgemälde den breitesten Raum einnehmend über 
die Grenzen des vierten Gesanges hinaus. Dem entsprechend 
bildet die am Schlufs folgende Schlachtschilderung, obwohl die 
beiden letzten Verse des Gesanges einen äufseren Abschlufs geben, 
doch nur das Vorspiel für den folgenden Gesang, die Aristie des 
Diomedes. 

Eigentümlich ist in der Anlage des Gesanges die Art, wie 
die Lösung der am Schlufs von I’ entstandenen Frage so aus- 
schliefslich in die Hand der Götter gelegt wird, dafs die zunächst 
beteiligten Troer, ohne sich über ihre Stellung zu dieser Frage 
auch nur zu äufsern, lediglich als die Vollstrecker des göttlichen 
Willens erscheinen. Noch mehr befremden die Verhandlungen des 
Götterrats selbst. Es wird hier nicht nur die vorliegende Frage, 
sondern zugleich das Schicksal Trojas überhaupt entschieden, eine 
Art von Anachronismus, der sich den ähnlichen in I’ bemerkten 
anreiht. Diese Entscheidung aber ist das Resultat eines zwischen 
Zeus und Here geschlossenen Paktes, bei dessen Abschlufs nicht 
sowohl die Rücksichten göttlicher Gerechtigkeit, als vielmehr die 
persönlichen Interessen dieser beiden Götter den Ausschlag geben. 
Und was unserer Anschauung am meisten widerstrebt, Zeus selbst, 
unter dessen Schutz zumal der in I’ abgeschlossene Vertrag ge- 
stellt ist, trägt kein Bedenken durch Sendung der Athene die 
Troer zum Bruch eben dieses Vertrages zu veranlassen. 

Auffallend ist ferner das gänzliche Zurücktreten Hektors in die- 
sem Gesange, obwohl derselbe als der, welcher den Vertrag in I’ ab- 
geschlossen hat, in erster Linie auch hier beim Vertragsbruch eine 
Rolle zu spielen berufen scheint. Es ist dies offenbar eine Folge 
der besprochenen eigentümlichen Anlage des Gesanges. Im übrigen 
‘werden in dem ersten Abschnitt des Gesanges neu eingeführt auf 
troischer Seite Pandaros, auf griechischer Machaon. In der Epi- 
polesis tritt Eurymedon als Wagenlenker des Agamemnon auf, der 
sonst nicht vorkommt. Von den Helden, an die Agamemnon An- 


6 4. Einleitung. 


sprachen richtet, werden Idomeneus, Diomedes und Sthenelos hier 
zum ersten Mal redend eingeführt, Menestheus und Meriones 
überhaupt zum ersten Mal genannt. Unter den im Kampf auf- 
tretenden Helden wird Antilochos hier zuerst eingeführt, sonst 
treten Aias, Odysseus und Thoas hervor. Als besondere Eigen- 
tümlichkeiten des Gesanges sind zu bemerken, dafs Athene nur hier 
und, E 908 den Beinamen ᾿Δλαλκομενηΐς führt, sowie dafs die sonst 
ebenfalls nur in E auftretende Hebe nur hier als Weinschenkin 
bei den Göttern fungiert. 

Die Darstellung steht der des dritten Gesanges kaum nach. 
Die auch hier klar und leicht fortschreitende Erzählung ist durch 
eine Reihe von ausgeführten, zum Teil prächtigen Gleichnissen be- 
lebt. Beschreibungen, wie die des Bogens des Pandaros und seines 
Schusses, Schilderungen wie die von dem Anrücken und Zusammen- 
stols beider Heere gehören zu den gelungensten Darstellungen ihrer 
Art. Die einen breiten Raum einnehmenden Reden tragen ein 
ungleiches Gepräge. Während die in dem ersten Abschnitt nach 
ihrem Inhalt der Situation angemessen und im Ausdruck nicht un- 
geschickt sind, geben die in der Epipolesis teils durch ihre Weit- 
schweifigkeit, teils durch den Inhalt, an einigen Stellen auch durch 
Unklarheit des Ausdrucks begründeten Anstols. 

Die Hapaxlegomena des Gesanges sind zusammengestellt von 
Benicken das dritte und vierte Lied p. 64. 


Der kritischen Untersuchung des Gesanges bietet sich als 
nächste Aufgabe das Verhältnis desselben zu dem vorhergehenden 
zu prüfen. Bei dieser Prüfung ergab sich Lachmann das Re- 
sultat, dafs die Erzählung von 41 an sich zwar genau an die 
Geschichte des Zweikampfes und an die Entführung des Paris an- 
knüpfe, aber gleichwohl keine Fortsetzung des dritten Liedes sei, 
vielmehr sich an ein anderes Lied anschliefse, welches verloren 
sei. Die Gründe dafür sind, dafs einmal nach der im dritten Liede 
(nach Lachmann) notwendigen Athetese der ὅρκεα dem vierten, der 
ὁρκίων σύγχυσις, die nötige Voraussetzung fehle, sodann, dafs auch 
bei der Aufgabe jener Athetese zwischen beiden Stücken nicht 
genug Übereinstimmung sei. Letzteres aber wird dadurch be- 
gründet, dals nach 4 159 sie bei dem Bündnis sich auch die 
Hände reichten, wovon in IT’ nichts vorkomme, sodann dadurch, 
dafs der von dem Bruch der ὅρκια in 4 gebrauchte Ausdruck (67. 
72. 236. 271) von denen in Γ (107. 299) differiere, endlich dafs 
bei 4 1 ein Liedesanfang sei, wie B 1, da hier an den Schlufs 
von I’ durchaus nicht wieder angeknüpft werde, namentlich nicht 
an Agamemnons Worte 458f., worin er die Herausgabe der Helena 
samt den Schätzen und die Zahlung einer geziemenden Bulse for- 
dert. Diese Ansicht Lachmanns ist von Haupt gebilligt und 


4. Einleitung. 7 


neuerdings von Benicken ausführlicher dargelegt und durch wei- 
tere Gründe unterstützt. Für die Trennung beider Gesänge führt 
letzterer namentlich noch an, dafs im Beginn des vierten Buches wohl 
etwas vom Siege des Menelaos stehe, nichts aber von dessen Bedin- 
gung und Preis, wie solches in I’ festgestellt war: ‘die Rückgabe der 
Helena an Menelaos wird von Zeus nur als Folge der Möglich- 
keit angegeben, dals die Götter etwa Lust hätten Frieden zwi- 
scheh beiden kämpfenden Parteien herbeizuführen’. Eine weitere 
schwer wiegende Differenz ist ihm ‘dafs in 4 Athene den Pan- 
daros dadurch zum Bruche des in 4 als geschlossen vorausgesetzten 
Bundes vermittelst eines Schusses auf Menelaos veranlalst, dafs 
sie ihm sagt, die Troer wünschten des Menelaos Tod, während 
doch nach T 468 f. die Troer dem Alexandros abgeneigt sind’. 
Ferner ‘ist nach 4 98 (αἴ κε Fön) Paris Augenzeuge des Schusses 
des Pandaros, nach Γ' 380 ff. ist er durch Aphrodite vom Kampf- 
platz entführt und in seine Wohnung versetzt’. Endlich scheint 
ihm die verzweiflungsvolle Sprache, welche Agamemnon 4 155 ff. 
nach der Verwundung des Bruders führt, unvereinbar mit der 
selbstbewulsten, fast übermütigen Rede desselben I’ 456 ff. 

In ähnlicher Weise wie Lachmann hat auch Bernhardy 
die Unvereinbarkeit von 4 mit T’ behauptet: “Ohne Beziehung auf 
T tritt 4 ein. Jacob und Genz erkennen zwar die unzweifel- 
hafte Rückbeziehung von 4 auf I’ an, finden aber zwischen beiden 
Gesängen so wenig inneren Zusammenhang und teils in dem die- 
selben durchwehenden Geist teils in Einzelheiten soviel Wider- 
spruch, dafs sie in 4 nur eine von einem andern Dichter gedichtete 
(schwache) Fortsetzung von I’ erkennen. Auch Ribbeck sieht in 
4 nur eine Fortsetzung des interpolierten Liedes vom Zwei- 
kampf, welche namentlich mit I’ 453 im Widerspruch stehe. Da- 
gegen haben gegen Lachmanns Ansicht Hoffmann, Düntzer, 
Grofs, Köchly, Gerlach den entschiedensten Widerspruch er- 
hoben und die ursprüngliche Zusammengehörigkeit von 4 (in 
gröfserem oder geringerem Umfange) mit I’ angenommen. Auch 
Bergk teilt diese Ansicht insoweit, als er von I’ 1—4 221 ein 
Lied annimmt, schreibt jedoch den Götterrat im Eingang von 4 
sowie die Einführung des Machaon dem Diaskeuasten zu. 

Nach der bereits in der Einleitung zu Γ' p. 173. begrün- 
deten Zurückweisung der Athetese der ὅρκια in I’ enthält für uns 
der dritte Gesang jedenfalls die notwendige Voraussetzung für die 
ὁρκίων σύγχυσις in 4, und haben wir demnach nur die von Lach- 
mann sonst für die Trennung von 4 und I’ geltend gemachten 
Gründe zu prüfen. 

Der zwischen 4159 und I’ wegen der dort erwähnten, hier 
nicht vorkommenden δεξιαί bestehenden Differenz hat Lachmann 
selbst kein grolses Gewicht beigelegt, da er auf die Möglichkeit 
hinweist, dafs der Vers 4159 aus B 341 eingeschaltet sei, und 


8 4. Einleitung. 


Benicken hat denselben mit Köchly geradezu aus dem Texte 
entfernt. Aber auch wenn derselbe an dieser Stelle, wie wir an- 
nehmen, ursprünglich ist, so ist doch die dann mit 4 bestehende 
Differenz von keinem entscheidenden Gewicht. Ist δεξιαί mit Lach- 
mann in dem Sinne von Handschlag, und nicht mit Düntzer in 
dem übertragenen Sinne von Zusage, Vertrag zu verstehen, so ist 
eben in der Beschreibung der ὅρκια in I’ ein Einzelzug übergangen, 
der bei Vertragsabschlüssen wohl stehend und auch ohne beson- 
dere Erwähnung für den mit den Gebräuchen bekannten Hörer 
selbstverständlich war. Hoffmann verweist passend auf den Ab- 
schlufs des Vertrags in 7, indem er bemerkt: “Hat der Dichter 
in T 250 ff. nicht für nötig gehalten das Ausgiefsen des Weins 
zu erwähnen, so brauchte er auch in I’ den Handschlag nicht zu 
besingen’. Anders sieht die Sache in 4 158f., wo es dem Redenden 
gilt die Treulosigkeit der Troer in ein helles Licht zu stellen 
und es daher von wesentlichem Belang ist alle einzelnen Momente 
aufzuzählen, welche die Troer hätten binden sollen (Grofs). Ebenso 
wenig Gewicht kann die Differenz in den Ausdrücken für den Bruch 
des Vertrags in beiden Gesängen beanspruchen. Zunächst ist Lach- 
manns Angabe in Bezug auf 4 dahin zu berichtigen, dafs dieser 
Gesang aulser der von Lachmann angeführten Wendung ὑπὲρ ὅρκια 
δηλήσασϑαι noch die Wendungen κατὰ δ᾽ ὅρκια πιστὰ πάτησαν 157 
und σύν γ᾽ ὅρκι᾽ ἔχευαν 269 enthält. Sodann ist die Differenz in 
den von Lachmann verglichenen Wendungen in 4 und Γ' selbst 
nur eine geringe und unwesentliche, da auch die Wendungen in 
T 107. 299 das ὑπέρ, welches die in 4 hat, dort in ὑπερβασίῃ 
und hier in derselben Form der Präposition enthalten. Dafs ferner 
der Zusatz Διὸς zu ὅρκια T107 durch den Zweck die Heiligkeit 
des zu schliefsenden Vertrags hervorzuheben im Zusammenhange 
genügend gerechtfertigt werde, ist von Grofs mit Recht bemerkt 
und dagegen durfte von Benicken doch nicht geltend gemacht 
werden, dafs bei Abschliefsung des Vertrages aufser dem Zeus 
auch Helios und der Erde Opfer gebracht werden sollen und Aga- 
memnon nicht nur Zeus, sondern auch Helios, die Flüsse, die Erde 
und die Erinyen anruft. Nun gehören aber die Stellen Γ' 107 
und 299, welche jene Wendungen enthalten, zu den von Lach- 
mann athetierten und diese Interpolationen in I’ sind nach Haupt 
und Benicken gerade durch die Beziehungen des vierten Liedes 
auf das verlorene, die sich aus dem vorhandenen dritten nicht er- 
klärten, veranlafst. Danach sollte man doch, schliefst Gerlach, 
meinen, ein Interpolator würde die im vierten Buche enthaltenen 
Andeutungen sorgfältig benutzt haben, und in den Kleinigkeiten 
um so genauer sein, je weniger er seinem Vorbilde im grofsen 
gleichkommen konnte, während dies gerade nicht der Fall ist. 
Jedenfalls wird der Schlufs, den Benicken zieht: ‘Für Interpola- 
tion in T’ spricht der Wechsel in den Ausdrücken in der formelhaften 


4. Einleitung. 9 


epischen Poesie’ dadurch hinfällig, dafs 4 nicht nur eine Aus- 
drucksweise zur Bezeichnung des Vertragsbruchs zeigt, sondern 
selbst mit der formelhaft gebrauchten Wendung ὑπὲρ ὅρκια δηλήσα- 
σϑαι zwei andere wechseln läfst, die sich ihrem Inhalt nach von 
jener weit mehr entfernen, als die beiden in I, welchen dieselbe 
Anschauung zu Grunde liegt. 

Nach Lachmann ist ferner bei 41 ein Liedesanfang be- 
sonders darin erkennbar, dafs an den Schlufs von I’ durchaus nicht 
wieder angeknüpft werde, namentlich nicht an Agamemnons Worte 
468, was Benicken genauer dahin erläutert, dafs die Rückgabe 
der Helena an Menelaos von Zeus nur als Folge der Möglichkeit 
angegeben werde, dafs die Götter etwa Lust hätten Frieden zwi- 
schen beiden kimpfenden Parteien herbeizuführen, nicht aber als 
notwendige Folge seines Sieges, was doch in I’ der Angelpunkt 
des ganzen Zweikampfes sei: “Dann, sagt Zeus, d. i. wenn dieses 
allen angenehm und lieb wäre, würde des Priamos Stadt ruhig 
fortbewohnt, Helena aber von Menelaos nach Hause zurückgeführt 
werden”. Diese Angabe ist insofern ungenau, als im Text die Opta- 
tive des Nachsatzes οἰκέοιτο und ἄγοιτο ohne κέν stehen, also 
vielmehr potential zu fassen sind oder in koncessivem Sinne ein 
Zugeständnis des Zeus an die troerfreundlichen Götter enthalten. 
Die Sache selbst liegt aber doch so. Die auch nach Lachmanns 
drittem Liede gegebene Voraussetzung ist die, dals der Sieger im 
Zweikampf die Helena samt den Schätzen empfangen und dann 
beide Völker Freundschaft und einen festen Bund schliefsen sollen 
(T 92—94). Nachdem nun die Aufforderung Agamemnons (am 
Schlufs von I‘) die Helena samt den Schätzen herauszugeben von 
Seiten der Troer ohne Antwort geblieben und die Lösung der 
Frage vom Dichter in die Hand der Götter gelegt ist, werden in 
der Fragestellung des Zeus die für die Götter wesentlichsten Ge- 
sichtspunkte: Erneuerung des Krieges oder Abschlufs des im dritten 
Gesange vorgesehenen Freundschaftsbundes unter göttlicher Ein- 
wirkung, in den’ Vordergrund gestellt. Dafs bei dieser Formulie- 
rung der Frage das Detail der Ausführung bei Seite gelassen 
wird, ist ohne allen Anstofs, da nach allem vorhergehenden die 
Bedingungen für den Abschlufs des Friedens bekannt sind. Nach 
dem ganzen Zusammenhange aber konnte die Rückgabe der Helena 
hier gar nicht als notwendige Folge des Sieges des Menelaos ge- 
nannt werden, weil Zeus trotz der Anerkennung, dafs der Sieg 
dem Menelaos gehöre (13), gleichwohl für die Götter eine davon 
unabhängige, völlig freie Entscheidung in der Weise in Anspruch 
nimmt, dafs durch die Einwirkung der Götter selbst jene Folge 
des Sieges verhindert werden kann. In der Ausführung 17—19 
aber, an der Benicken Anstofs nimmt, weil hier die Rückgabe 
der Helena nur als Folge der Möglichkeit angegeben werde, dafs 
die Götter Lust hätten den Frieden herbeizuführen, sind die Ver- 


10 4. Einleitung. 


tragsbestimmungen, wie sie Paris I 71—75 aufgestellt hat, so 
weit sie hier in Betracht kommen, kurz zusammengefalst und der 
Sinn des Ganzen ist: sollten die Götter aber den Frieden herbei- 
führen wollen, so können (mögen immerhin) die zwischen beiden 
Völkern verabredeten Vertragsbestimmungen ausgeführt werden, 
wobei die Erhaltung Trojas mit Nachdruck vorangestellt ist, um 
Here zum Widerspruch zu reizen. Die Worte selbst aber schliefsen 
sich an T 71—75 so eng an, dafs man nicht zweifeln kann, dafs 
der Dichter das dort Gesagte vor Augen hatte. 

Ob ferner die Worte 4 98f. αἴ κεν ἴδῃ Μενέλαον — σῷ 
βέλει δμηϑέντα πυρῆς ἐπιβάντ᾽ ἀλεγεινῆς so zu verstehen sind, 
dafs Paris notwendig als Augenzeuge des Schusses gedacht sein 
mufs, ist mir deswegen zweifelhaft, weil das Objekt nicht sowohl 
in M. ὃδμηϑέντα, als in ἐπιβάντα enthalten ist und dies nicht in 
eigentlichem Sinne, sondern etwa in der Bedeutung unserer Wen- 
dung “in das Grab steigen’ gemeint ist. Setzen diese Worte aber 
auch die Anwesenheit des Paris auf dem Schlachtfelde wirklich voraus, 
so kann der Dichter sehr wohl Athene diese Voraussetzung für 
ihren Zweck machen lassen, da im Heer unbekannt ist, wo er 
sich befindet. Wie endlich -die Verschiedenheit der Sprache, die 
Agamemnon am Schlufs von IT’ und nach der Verwundung des 
Bruders in 4 führt, für eine Trennung beider Gesänge geltend 
gemacht werden kann, ist nicht zu ersehen. I’ 457 ff. stellt Aga- 
memnon einfach auf Grund des Sieges des Menelaos die nach dem 
Vertrag berechtigte Forderung der Zurückgabe der Helena samt 
den Schätzen und der Zahlung einer Bufse; von einem an Über- 
mut streifenden Selbstbewulstsein vermag ich in diesen Worten 
nichts zu entdecken. Die tiefe Niedergeschlagenheit desselben nach 
Menelaos’ Verwundung aber ist doch sachlich genügend motiviert 
und entspricht auch der sonstigen Zeichnung seines Charakters. 

Von allen von Benicken für die Trennung von I’ und 4 
geltend gemachten Differenzen ist nur eine, auch von Ribbeck 
hervorgehobene, von Gewicht. Wenn T’453f. gesagt war, dafs 
Paris den Troern und Hülfsvölkern in den Tod verhalst sei, so 
scheint es allerdings nicht aus dem Geiste desselben Dichters, dafs 
Athene dem Pandaros zumutet, “Paris zu Liebe einen solchen Frevel 
zu begehen, für den gehafsten, eben schmählich besiegten Paris 
das zu thun, was ihm das allererwünschteste war, und dann noch 
sagt, damit werde er sich bei allen Troern Dank und Ruhm er- 
werben’ (Ribbeck). Allein es ist doch zu beachten, dafs das 
letztere Motiv, der Dank der Troer vorangestellt ist, für diese 
aber hier ihr Verhältnis zu Paris gar nicht in Betracht kommt, 
sondern doch lediglich ihr eignes mit dem des Paris zusammen- 
fallendes Interesse, dafs sie des Krieges herzlich satt (I’ 111f.) 
durch Menelaos’ Tod desselben entledigt zu werden hoffen dürfen 
vgl. 170—174. Ferner ist wesentlich, dafs zu der Aussicht auf 


4. Einleitung. 11 


Dank und Anerkennung von Seiten des Paris die ἀγλαὰ δῶρα als 
Verführungsmittel nachdrücklich hinzugefügt werden. Danach finde 
ich auch diese Motivierung nicht in dem Mafse mit Γ' 458 ἔ, un- 
vereinbar, dafs beide Gesänge notwendig als auf verschiedenen 
Voraussetzungen beruhend von einander zu trennen wären. 

Solange also nicht ein unwiderleglicher Beweis dafür erbracht 
wird, dafs die ὅρκια im dritten Gesange interpoliert sind, ist uns 
die ὁρκίων σύγχυσις von diesem Gesange unzertrennlich und es 
kann nur die Frage sein, ob dieselbe ursprünglich im Zusammen- 
hange mit Γ' von demselben Dichter verfalst oder von einem andern 
Dichter im engen Anschlufs an I’gedichtet ist, um diesen Gesang fort- 
zusetzen. Angenommen nun, dafs der dritte Gesang ursprünglich ein 
Einzellied bildete, welches nachträglich in die Ilias eingefügt wurde, 
so können wir uns doch schwer mit Ribbeck davon überzeugen, 
dals mit dem Schlufs deg Gesanges das Thema, welches sich der 
Dichter vorgesetzt, erschöpft sei. Denn dafs die Troer, nachdem 
Paris durch göttliche Macht der Gefahr entrückt ist, infolge dessen 
die Sache diesmal für abgemacht nehmen und ihrerseits nichts 
thun das Recht des Siegers in Vollzug zu setzen, vielmehr auf 
weitere göttliche Einwirkung warten sollen, das sind Voraus- 
setzungen, die man doch nicht obne weiteres machen darf und die 
im Gedicht selbst keinen Anhalt haben. Ist Paris den Troern in 
den Tod verhalst, so dafs sie, wenn sie seinen Aufenthaltsort 
wüfsten, ihn dem Menelaos mitteilen würden (456) und haben sie 
andrerseits den Wunsch des drückenden Krieges entledigt zu werden 
(111£.), so scheint vielmehr die Erwartung berechtigt, dals sie 
auf Agamemnons Forderung die Berechtigung derselben anerkennen 
und dazu thun sie in Vollzug zu setzen. Zum mindesten aber 
darf der Hörer doch erwarten, dafs Hektor, welcher den Zwei- 
kampf vorgeschlagen und die Übereinkunft abgeschlossen hat, sich 
über Agamemnons Forderung äufsere. Oder sollten wir in dieser 
nur eine formelle Rechtsverwahrung erkennen müssen, bei der 
Agamemnon stillschweigend voraussetze, dals gegenwärtig von den 
Troern die Erfüllung des Vertrags nicht zu erwarten sei, und auf 
welche er auch gar keine Antwort erwarte? Und sollten griechi- 
sche Hörer durch solchen Abschlufs in der That befriedigt ge- 
wesen sein und keine Frage mehr an den Sünger gehabt haben? 
Ein positiver Hinweis auf den folgenden Vertragsbruch ist uns 
überdies I’ 302 gegeben in den freilich von Lachmann verwor- 
fenen Worten οὐδ᾽ ἄρα πώ σφιν ἐπεκραίαινε Κρονίων in Verbin- 
dung mit dem Gebete der Troer und Achäer, in welchem sie 
Zeus’ Strafgericht auf die den Vertrag zuerst brechende Partei 
herabrufen, vgl. 4 160 f., — ein Hinweis, der freilich nicht 
in dem Sinne, wie Köchly wollte, zu verstehen ist, dafs Zeus 
damals bereits entschlossen gewesen sei den Vertragsbruch herbei- 
zuführen. 


12 4. Einleitung. 


Dafs der dritte Gesang auch als Einzellied mit der von Seiten 
der Troer unbeantwortet gelassenen Forderung Agamemnons die 
Helena samt den Schätzen herauszugeben keinen genügenden Ab- 
schlufs habe, sondern eine Fortsetzung verlange, in welcher jene 
Frage zur Entscheidung komme, erkennt auch Jacob an, indem 
er bemerkt, dafs der Götterrat die Entscheidung gebe, auf welche 
Agamemnon vorher vergebens wartete. Gleichwohl scheint ihm 
der Zusammenhang zwischen beiden Gesängen nur ein äufserlicher 
und es ergeben sich ihm und andern Kritikern namentlich aus 
dem Götterrat und der Zeichnung der Götter Indicien, welche die 
Annahme desselben Dichters zu verbieten scheinen. “Die Götter 
erscheinen hier beinahe wie Kinder, welche Weltregierung spielen” 
(Jacob). Genz vermifst in der Darstellung der Götter die tiefe 
sittliche Auffassung von Γ: “die Feindschaft und Freundschaft der 
Götter ist launischer Hafs und launische Zuneigung’. Auch Bergk 
läfst sich namentlich durch die Behandlung der Götterwelt dazu 
bestimmen den Götterrat dem Diaskeuasten zuzuweisen, indem er 
annimmt, dafs durch die Einschaltung desselben ein Teil des alten 
Liedes beseitigt sei, in welchem wohl Hera durch Athene den 
Pandaros zum Bruch des Vertrages habe verlocken lassen. 

So sehr wir geneigt sind an der Art, wie hier die Götter 
gezeichnet sind, Anstofs zu nehmen, so ist doch solcher Anstofs 
vom Standpunkt des Einzelliedes aus kaum berechtigt. Ist unser 
Blick lediglich auf den dritten Gesang gerichtet, so glauben wir 
dem Dichter, der kein Bedenken trug dort 383—425 der Aphro- 
dite jene uns so befremdende Rolle zuzuteilen, auch zutrauen zu 
dürfen, dafs er hier die Götter so zeichnete, wie sie im Götterrat 
geschildert sind. Richten wir unsern Blick aber auf den inneren 
Zusammenhang des Vertragsbruchs mit Γ, so befremdet allerdings 
die Art, wie vom Dichter die Lösung der am Schlufs von IT’ ent- 
standenen Frage über die zunächst beteiligten Troer hinweg in 
die Hand der Götter gelegt wird. Nirgend eine Äufserung von 
Seiten der Troer darüber, wie sie sich zu der Forderung Aga- 
memnons stellen; Hektor zumal, welcher in I’ den Vertrag ab- 
geschlossen hat und danach an erster Stelle berufen wäre dem 
Agamemnon Rede zu stehen, ist nicht nur am Schlufs von TI, 
sondern während des Vertragsbruchs gänzlich verschwunden und 
tritt erst bei der Aufnahme der Schlacht wieder hervor. Dieser 
plötzliche und unvermittelte Übergang wird zwar einigermalsen 
verdeckt durch ‘den äulserlich engen Anschlufs von 4 an Γ᾽, indem 
durch die Imperfecta im Eingang die Götterversammlung als gleich- 
zeitig mit dem Zweikampf in I’ eingeführt wird und da αὐτίκα 
(5) auf den Moment zurückweist, wo Aphrodite Paris eben aus 
dem Kampf entführt hat, die Götterberatung den letzten Vor- 
güngen auf dem Schlachtfelde parallel gedacht ist. Allein es ist 
doch der Gedanke unabweisbar, dafs die Entwicklung der Hand- 


4. Einleitung. 13 


lung mit dem Eingang von 4 eine Richtung nimmt, für welche 
in der vorhergehenden Erzählung in T’ genügende Motive nicht 
gegeben sind, während die dort gegebenen nicht weiter verwendet 
werden, Dafs namentlich Zeus, unter dessen Schutz der in Γ 
abgeschlossene Vertrag gestellt ist, es nicht nur geschehen lälst, 
dafs die Troer den Vertrag brechen, sondern selbst durch Athene 
dieselben zum Vertragsbruch verleiten läfst, ist doch ein schwerer 
Anstofs. 

Freilich galt es hier durch göttliche Einwirkung einer Ent- 
wicklung der Dinge Einhalt zu tbun, welche den Plan des Zeus 
zu vereiteln drohte und so könnte das, was im Hinblick auf die 
unmittelbar vorhergehende Erzählung befremdend und anstöfsig 
erscheint, in dem dichterischen Plane des Ganzen seine Erklärung 
finden. Ohne Zweifel ist der Vertragsbruch das Mittel, um nach 
der retardierenden Erzählung vom Zweikampf di6 Aufnahme des 
allgemeinen Kampfes vorzubereiten und so den dichterischen Plan 
aufzunehmen. Auch könnte man geneigt sein in dem Götterrat 
im Eingang von 4 ein Seitenstek zu der in A zwischen Here 
und Zeus spielenden Scene zu finden. Allein es ist doch nicht 
zu verkennen, dafs dem Dichter des Götterrats die grundlegenden 
Motive in 4 nicht recht gegenwärtig gewesen sein können. 

Ist schon der hier zwischen Zeus und Here geschlossene Pakt 
über die Zerstörung Trojas im zehnten Kriegsjahr überhaupt be- 
fremdend, so besonders Zeus’ Zugeständnis, dals Troja erhalten 
bleiben möge (4 19 8). Bergk findet dasselbe schlechterdings 
unverträglich mit dem Plane des homerischen Zeus, und ähnlich 
urteilt Friedlaender: “Als ob er nie der Thetis ein Versprechen 
gegeben die Griechen unterliegen zu lassen, will er nur die Frage 
verhandeln, ob der Krieg fortgesetzt oder beendigt werden soll, 
zeigt nur Interesse für die Rettung Trojas und gerät nur so in 
Widerspruch mit den Troja feindlich gesinnten Göttern’. Freilich 
wird dieser Ansto[s dadurch gemildert, dafs Zeus’ Vorschlag Freund- 
schaft zwischen beiden Völkern eintreten zu lassen nur ein ver- 
stellter ist, zu dem Zweck Here zu reizen. Aber die Verstellung 
scheint doch übel angebracht, da die Götter aus der Verhandlung 
des vorhergehenden Tages wulsten, was Zeus der Thetis Yer- 
sprochen hatte (Naber). Entweder hätte Here den Vorschlag 
des Zeus sofort als nicht ernstlich gemeint erkennen oder, zumal 
gereizt durch Zeus’ Spott, demselben seinen Wankelmut mit bit- 
term Hohn vorwerfen und um so mehr haben auf den Krieg be- 
stehen müssen (Jacob). Diesen Anstölsen gegenüber hat Bergk 
angenommen, dafs es ursprünglich Here gewesen wäre, welche auf 
eigne Hand durch die Sendung der Athene den Vertragsbruch herbei- 
geführt hätte, Indels nimmt Bischoff auch an der Verführung des 
Pandaros durch Athene an sich Anstofs und glaubt nachweisen zu 
können, dafs diese Erzählung, wie der Götterrat, der ältesten Dich- 


14 4. Einleitung. 


tung fremd gewesen sei. Seine Gründe sind einmal, dafs Pandaros 
selbst weiterhin in seinen Reden im fünften Gesange kein Bewulst- 
sein einer so frevelhaften That zeige und ebensowenig Äneas und 
Diomedes ebendort von dem Frevel wissen; sodann dafs Agamemnon 
nur im Eingang seiner Rede 4 155—159 der ὕρκια und ihres 
Bruches gedenke, weiterhin aber nicht mehr, und das von ihm 
bei der Sendung des Talthybios an Machaon über Menelaos’ Ver- 
wundung gesprochene Wort τῷ μὲν κλέος, ἄμμι δὲ πένθος 197 
unbegreiflich sei, wenn die That ein so ungeheuerer Frevel. End- 
lich scheint ihm in der Epipolesis abgesehen von der kurzen Er- 
wähnung des Vertragsbruchs 271 alles im Widerspruch mit einem 
solchen Ereignis zu stehen. 

Wir werden auf diese Fragen in der weiteren Untersuchung 
zurückkommen; zunächst sind noch einige Stellen innerhalb des 
ersten Abschnittes des Gesanges zu prüfen, welche zu Athetesen 
Anlafs gegeben haben. So sind die V. 81—85 von Jacob, 
Düntzer, Naber als absurd beanstandet und Benicken hat die- 
selben in dem Texte des vierten Liedes in Klammern gesetzt. 
Der Hauptanstofs ist, dafs die dort angenommenen zwei Möglich- 
keiten, Erneuerung des Krieges oder Frieden, mit einem einfachen 
7 neben einander gestellt seien, während sie sich doch ausschliefsen 
und das wunderbare Feuerzeichen vielmehr nur auf etwas Schreck- 
liches hindeuten könne, nicht aber auf die gewünschte friedliche 
Lösung. Als Kennzeichen der Interpolation aber werden geltend 
gemacht, dafs V. 84 — T 220, 82f. aber nach 15. gebildet sein, 
infolge dessen ἀμφοτέροισι hier unpassend sei, weil es sich auf die 
Sprechenden selbst mit beziehe, sowie dafs die Rede mit gleichem 
Verse eingeleitet und abgeschlossen sei. Ich kann diesen Gründen 
keine genügende Beweiskraft beimessen. Dafs das Herabstürmen 
der Athene vom Himmel wie ein feuriges Meteor notwendig nur 
auf etwas Schreckliches zu deuten sei, wäre erst zu erweisen. In 
der vorliegenden Situation aber, wo die Frage der Entscheidung 
harrt, ob die Troer die Forderung Agamemnons anerkennen und 
Helena herausgeben werden oder nicht, ist doch die Deutung der 
aufserordentlichen Erscheinung in dem Sinne, dafs von den Göt- 
terf, speziell von Zeus, eine Entscheidung nach der einen oder 
andern Seite bevorstehe, ganz natürlich. Nun wird als das wahr- 
scheinlichere — dafs die Troer die Wiederaufnahme des Kampfes 
von Seiten der Achäer erwarten, zeigt 1141, — die Erneuerung 
des Kampfes vorangestellt; aber auch die entgegengesetzte Mög- 
lichkeit, wenn sie auch nach menschlichem Ermessen die unwahr- 
scheinlichere ist, hat ihr Recht, zumal da hier ausdrücklich das un- 
mittelbare Eingreifen des Zeus als ταμέης πολέμοιο betont ist. Über- 
dies ist es gewifs nicht homerische oder überhaupt epische Art 
bei so aufserordentlichen Erscheinungen, wie die vorliegende, zumal 
die Gemüter auf eine Entscheidung gespannt sind, die beteiligten 


4. Einleitung. 15 


Personen in stummes Staunen versinken zu lassen, ohne ihren Ge- 
danken Ausdruck zu geben. 

In der Rede des Agamemnon nach Verwundung des Menelaos 
155—182 fand Friedlaender einen unerträglichen Anstofs in der 
jühen völlig unvermittelten Aufeinanderfolge gläubiger Zuversicht 
und mutloser allen Trostes und aller Hoffnung barer Verzweif- 
lung und glaubte daher zwei von einander unabhängige Recen- 
sionen annehmen zu müssen, deren eine 155—170, die andere 
155—157 und 169 (oder 171)—182 enthielt. Ferner fand Nitzsch 
die “in reiner Übertreibung sanguinisch ausgesprochenen sorglichen 
Fantasien” Agamemnons 171—182 so anstölsig, dafs er darin eine 
rhapsodische Übertreibung zu erkennen glaubte. Ebenso sieht 
Franke in 171—182 einen späteren Zusatz, indem er besonders 
betont, dafs, wenn diese Verse ursprünglich wären, 163—165 
(= Z 447—449) hier von einer späteren Zerstörung Trojas durch 
irgend einen andern verstanden sein mülsten, während doch die- 
selben in Z entschieden nur von dem endlichen Siege der Griechen 
verstanden sein, der Nachahmer aber, sei es nun in Z oder in 4, 
sie unmöglich in einem so ganz andern Sinne gebrauchen konnte, 
als er sie in dem Liede, aus welchem er sie entlehnte, gebraucht 
fand. Der Ansicht Friedländers stimmte Köchly so weit zu, dafs 
er 158—170 für die ältere Fassung hielt, glaubte aber in 163— 
165 eine Interpolation aus Z annehmen zu müssen. Letztere findet 
Naber wenigstens passender in Z als in 4 und verwirft mit 
Nitzsch und Franke 171—182. Dagegen sieht Düntzer in 
156—168 einen späteren Zusatz, der sich durch den vereinzelten Sin- 
gular ὅρκιον und die sonderbare Einführung der Ägis verrate. Fulda 
endlich verwirft 163—168 und 176—182. Gegen die Annahme 
einer doppelten Recension und irgend welcher Interpolation hat 
sich namentlich Bekker ausgesprochen, indem er den Zusammen- 
hang mit den Worten erörtert: ‘Der Meineid, sagt Agamemnon, 
wird an den Troeın gerächt werden, nicht sofort durch uns Achiier, 
deren Feldzug mit dem Tode des Menelaos ein schmähliches Ende 
nimmt, aber durch Zeus und spät, in unbestimmbarer, vielleicht 
weit entlegener Zukunft (vgl. B324—5). Der fromme König also 
vertraut auf die göttliche Gerechtigkeit, deren Walten nicht aus- 
bleiben kann, aber sich keine Zeit vorschreiben läfst: der klein- 
mütige verzweifelt für den Augenblick an sich und seinen mensch- 
lichen Helfern. Das wäre Widerspruch?’ "Auch Benicken be- 
kämpft die Annahme einer doppelten Recension, indem er zeigt, 
dafs 171 an 157 gefügt einen ganz unpassenden Gedankenanschlufs 
ergeben würde und dafs 184 in der Antwort des Menelaos die 
Verse 171 ff. zur Voraussetzung habe. Er selbst scheidet 163— 
165 aus und erläutert so den Zusammenhang: ‘Im ersten Teil 
spricht Agamemnon die bestimmte Erwartung aus, Zeus werde 
den geschehenen Frevel rächen, wenn er im Kampfe fortfahre, im 


16 4. Einleitung. 


zweiten Teile verzweifelt er nicht um des Zeus willen, sondern 
der Achäer wegen, von denen er fürchtet, sie würden, wenn Mene- 
laos an seiner Wunde sterbe, nach Hause zu kehren begehren’. 
Auch Genz hat sich gegen die Annahme von Interpolationen aus- 
gesprochen: ‘Den Reden in 4 ist die Weitschweifigkeit eigen”. 
Wie verfehlt die meisten der vorgeschlagenen Athetesen schon 
darum sind, weil die durch dieselben zusammengerückten Stücke 
keinen passenden Gedankenanschlufs haben, ist bereits von Benicken 
gezeigt. Was insbesondere die von den meisten angenommene Athe- 
tese von 171—182 betrifft, so ist unbegreiflich, dafs die Vertreter 
derselben nicht das Mifsverhältnis bemerkt haben, welches dadurch 
in die Entwieklung der Hauptgedanken kommt. Agamemnon be- 
ginnt mit der Selbstanklage, dafs er Menelaos’ Tod verschuldet 
habe, der dabei erwähnte Vertragsbruch führt ihn aber zunächst 
zu der Ausführung über die sicher zu erwartende Bestrafung des- 
selben 158—168 und erst mit 169 kommt er wieder auf das 
eigentliche Thema, den drohenden Tod des Menelaos zurück. Und 
da soll seine Rede mit 170 schliefsen? Vielmehr folgt eine Be- 
trachtung über den etwaigen Tod des Bruders, wie sie der natür- 
lichen Naivetät des homerischen Menschen entspricht: es wird nicht 
der Verlust des geliebten Bruders in sentimentalen Reden beklagt, 
sondern es werden die Folgen seines Todes und zwar in erster 
Linie für Agamemnon selbst, dann in Bezug auf Menelaos’ Nach- 
ruhm ausgemalt und beklagt. Einen wirklichen Anstols in dem 
Zusammenhange der Rede bieten nur die mit 2 447—449 iden- 
tischen Verse 163—165. Können dieselben nur, wie wir Franke 
zugeben müssen, von der Zerstörung Trojas durch die Achäer 
verstanden werden, so würde denselben allerdings die Voraussetzung, 
dafs der Kampf durch Menelaos’ Tod nicht beendigt würde, zu 
Grunde liegen, während 171 ἢ, das Gegenteil vorausgesetzt wird. 
Hätte ferner Agamemnon die Zerstörung Trojas durch die Griechen 
im Sinne, so würde auch das καὶ ὀψὲ τελεῖ 161 wenig begreiflich 
sein, da nach dem Zeichen in Aulis die Zerstörung Trojas auf 
das zehnte Jahr, in welchem man bereits stand, verkündet war. 
Da aber die Verse in Z ihre fest begründete unerschütterliche 
Stellung haben, so ist es danach in hohem Grade wahrscheinlich, 
dafs sie hier auf Nachahmung beruhen und nachträglich eingefügt 
sind. Ist das der Fall, so werden aber auch die drei folgenden 
Verse 166—168 demselben Interpolator angehören. Denn, dals 
wie Köchly und mit ihm Benicken annehmen, der selbständige 
futurische Gebrauch des Konjunktivs ἐπισσείῃσι mit Anlals zur 
Interpolation der vorhergehenden Verse gegeben habe, ist wenig 
wahrscheinlich; und im Anschlufs an den vorhergehenden Aorist 
ἀπέτισαν scheint der an sich seltene und meist im Anschlufs an 
Futurum gebräuchliche selbständige Konjunktiv doch bedenklich. 
Ist ferner, wie Köchly sagt, der ganze Gedanke 166 f. im Anschlufs 


4. Einleitung. 17 


an 163—165 matt, so wäre andrerseits das neue Hervorheben des 
Zeus in einem ganzen Verse nach 161 f. einigermafsen befremdend. 
Wohl aber konnte nach Einfügung von 163—165, welche ganz 
allgemein von Trojas Untergange reden, es dem Interpolator nötig 
scheinen, die Thätigkeit des Zeus und die Beziehung auf den Ver-\ 
tragsbruch (ἀπάτης 168) im Zusammenhang damit hervorzuheben, 
worauf er mit den Worten τὰ μὲν ἔσσεται οὐκ ἀτέλεστα zu 161 
zurückk-hrend sich den Übergang zum Folgenden bahnte. 

Bei. Übergange zur Epipolesis stolsen wir sofort auf eine 
viel bestrittene Stelle, jene drei Verse 220—222, in welchen kurz 
die Vorbereitungen beider Parteien zur Wiederaufnahme des Kampfes 
berichtet werden. “Unser Dichter, sagt Genz, hat die Wieder- 
erregung des Streites schildern wollen und hat es nicht vermocht. — 
Nicht wird weiter erzählt, wie es dazu (dem Anrücken der Troer) 
hat kommen können, kein Lärm und Wortstreit, kein Wort aus 
dem Munde eines der troischen Anführer, was man über den Schuls 
denken und was nun werden soll.’ Ähnlich findet es Kammer 
“unmotiviert, dafs alle Troer nach der Verletzung des Bundes durch 
einen aus ihrer Mitte sogleich auch ihrerseits die Schuld des Treu- 
bruchs auf sich nehmen; man würde doch eher erwarten, dafs die 
Griechen, von Zorn über diesen schmählichen Verrat erfüllt, auf 
die Troer sich werfen werden”. Auch Naber scheint es nicht 
klar, warum die Troer die Achäer angreifen. Düntzer endlich 
vermifst eine weitere Beschreibung des Auffahrens zu den Waffen. 
Dazu kommen folgende Einzelheiten in Betracht: Γ 115 liegen die 
Troer dicht bei den Achern, hier rücken sie an (Genz); I'326f. 
sitzen beide Heere, dafs sie sich erhoben hätten, ist nirgends ge- 
sagt; T'114 haben beide Heere die Waffen abgelegt, dafs die 
Troer sie wieder angelegt, ist nirgends berichtet. 

Diesen Schwierigkeiten gegenüber hat man von verschiedenen 
Standpunkten aus verschieden Stellung genommen. Während Bergk 
das mit Γ 1 beginnende Lied hier mit V. 221, Köchly mit 222 
schliefst, weist Genz die Epipolesis, wie die ὁρκέων σύγχυσις dem- 
selben Dichter zu und erklärt die mangelhaften Übergangsverse 
aus dem Unvermögen des Dichter. Düntzer wiederum nimmt 
an, dafs die Stelle bei der Zusammenordnung der Ilias gelitten 
habe: ursprünglich habe mit 220 eine Rhapsodie geschlossen, die 
neue mit einer weiten Beschreibung des Auffahrens der Heere zu 
den Waffen begonnen, letztere sei aber von den Anordnern der 
Ilias durch die zwei ungenügenden Verse 221. ersetzt. Kammer 
findet die Stelle alteriert durch die Einfügung des Liedes vom 
Zweikampf. Benicken endlich findet keine Schwierigkeiten: er 
setzt die Rüstung der Troer und Achäer vor die mit 41 begin- 
nende Fortsetzung des verlorenen Liedes und sieht beide Völker 
als während des ganzen Umfangs des Liedes gerüstet an, indem 
er 222, welcher die Neurüstung der Achüer berichtet, als unechten 

Hextzr, Anhang zu Homers Ilias. II. 2 


18 4. Einleitung. 


Zusatz entfernt; ja er meint sogar, dafs wir uns die Troer viel- 
leicht mit der Fabel, der dieser Dichter folgte, in der Stadt auf 
der Mauer stehend und von der Mauer dem auch für dies Lied 
vorauszusetzenden Zweikampfe zusehend denken dürften, sodals das 
Anrücken der Troer nicht so eilig sei und ftir die folgende Runde 
Agamemnons Zeit lasse. 

Blicken wir von den Übergangsversen aus zurück auf das in 
T und 4 Erzählte, so ergeben sich unzweifelhafte Lücken in der 
Erzählung. So ist übergangen, dafs Troer und Achüer sich wieder 
erhoben haben, nachdem sie Γ 326 sich niedergesetzt hatten, ebenso 
dafs die Troer die Waffen wieder angelegt, welche sie, wie die 
Achäer Γ 114 abgelegt hatten. Nun findet Athene den Pandaros 
mit seinen Scharen stehend, 4 90. Sind ferner 4 114 die Achier 
noch sitzend gedacht (μὴ πρὶν ἀναΐξειαν ἀρήϊοι υἷες ᾿Αχαιῶν), so 
findet doch Talthybios 201 den Machaon mit seinen Scharen eben- 
falls bereits stehend. Die Scharen des Machaon aber sowohl wie 
die des Pandaros werden ἀσπισταί genannt, Ist daraus mit Benicken 
zu schliefsen, dals sie die Waffen bereits wieder angelegt haben 
— und das Epitheton wäre in der That unbegreiflich, wenn die 
Schilde noch neben ihnen auf der Erde gelegen hätten, vgl. 221 —, 
so haben während der Vorgänge am Schluls von I’ und im Ver- 
lauf des ersten Abschnitts von 4 beide Heere sich wieder erhoben 
und beide auch bereits sich wieder gewaffnet und zwar die Troer 
früher, die Achäer später und zwar nach dem Schufs des Pan- 
daros, womit aber im offnen Widerspruch steht, dafs erst 222 
von den Achäern ausdrücklich berichtet wird, dals sie die Waffen 
wieder angelegt hätten. Zweifelhaft bleibt die weitere von Genz 
hervorgehobene Differenz mit I, dafs die Troer dort (115) dicht 
bei den Achäern liegen, während sie hier heranrticken, — weil 
die Auffassung der Worte πλησίον ἀλλήλων, ὀλίγη δ᾽ ἦν ἀμφὶς 
ἄρουρα bestritten ist und dieselben vielleicht richtiger von dem 
Zwischenraum zwischen den einzelnen Rüstungen verstanden werden. 

Eine weitere Frage ist, ob das Anrücken der Troer durch die 
vorhergehende Erzählung hinreichend motiviert is. Benicken 
nimmt dies an, indem er bemerkt: ‘Nachdem der Bund einmal 
gebrochen war, liels sich weiter nichts thun, als den Kampf wieder 
aufnehmen; und das hatten ja auch die Götter beabsichtigt”. Dafs 
es aber die Troer sind, welche zuerst zum Kampfe vorgehen, wäh- 
rend Kammer es natürlicher finde, dafs die Griechen von Zorn 
über den schmählichen Verrat erfüllt, auf die Troer sich würfen, 
mag dadurch motiviert scheinen, dafs sie zunächst mit der Für- 
sorge für Menelaos beschäftigt waren. Allein wie wir nach dem 
Schlufs von Γ᾽ es befremdend finden, dafs auf die Forderung Aga- 
memnons, die Helena herauszugeben, keiner der troischen Führer 
sich vernehmen läfst, überhaupt davon, wie die Troer diese Forde- 
rung aufnehmen, nicht die Rede ist, so scheint doch auch hier 


4. Einleitung. 19 


die Frage berechtigt, wie die troischen Führer, zumal Hektor, sich 
zu dem Vorgehen des Pandaros stellen, man erwartet doch min- 
destens eine Andeutung, welch einen Eindruck dasselbe auf troi- 
scher Seite hervorrief. Dafs wir von alledem nichts hören, erklärt 
sich vielleicht bis zu einem gewissen Grade aus der eigentümlichen 
Anlage des ganzen Gesanges, welche die Entscheidung der nach 
dem Abbruch des Zweikampfes zu lösenden Frage ganz in die Hand 
der Götter legt. Nachdem Achier, wie Troer durch die aufser- 
ordentliche Erscheinung der vom Himmel herabfahrenden Athene 
auf eine bevorstehende göttliche Entscheidung gespannt waren, 
dann aber der Bundesbruch durch Pandaros erfolgte, konnte darin 
allerdings eine Bestätigung der (82) von beiden Seiten ausgespro- 
chenen Vermutung, dafs der Kampf von neuem beginnen solle, 
gesehen werden. Danach mochte die Wiederaufnahme des Kampfes 
beiderseits selbstverständlich scheinen. Gleichwohl bleibt es be- 
fremdend, dals darüber kein Wort gesagt ist, und jedenfalls ver- 
missen wir die Klarheit der Motivierung, welche die homerischen 
Gedichte sonst auszeichnet. Überdies bleibt der nicht zu besei- 
tigende Anstols in den Übergangsversen 222, die Neurüstung der 
Achüer, befremdend, weil Machaon und seine Scharen bereits 201f. 
bewaffnet dastehen, aber auch an sich, weil es natürlich und selbst- 
verständlich scheint, dafs wenn die Troer sich wieder erhoben und 
die Waffen wieder angelegt haben, auch die Achäer, mindestens 
nach dem Vertragsbruch, das Gleiche gethan haben. Dieser An- 
stols kann auch nicht durch die von Benicken vorgenommene 
Athetese von 222 beseitigt werden, denn dieselbe Voraussetzung 
liegt auch der folgenden Darstellung der Epipolesis zu Grunde, 
wie ϑωρήσσοντο 252 und κορυσσέσϑην 274 zeigen. 

Wenden wit uns nun zu der Epipolesis selbst (223—421), 
so ist das Verhältnis derselben zu der vorhergehenden Erzählung 
sehr verschieden beurteilt. Hoffmann hält nach seinen metri- 
schen Untersuchungen die Epipolesis für jünger; Bergk erkemnt 
zwar den unmittelbaren Anschlufs derselben an die vorhergehende 
Erzählung an, weist dieselbe aber dem Diaskeuasten zu, welcher 
darin ein Seitenstück zur Teichoskopie liefern wollte; Köchly ver- 
bindet dieselbe gar mit der Teichoskopie zu einem Liede, indem 
er eine Reihe von Beziehungen, Parallelen und Anspielungen zwi- 
schen beiden nachzuweisen sucht; Kammer glaubt, dafs die Epi- 
polesis ihren ursprünglichen Anschlufs an B 815 gehabt habe, wo- 
gegen Ribbeck dieselbe wegen der Vorwürfe, die hier Agamemnon 
dem Odysseus macht, der noch eben in B sich so grolse Ver- 
dienste erworben, unvereinbar mit der vorhergehenden Erzählung 
findet. Eine eigentümliche Ansicht ist die von Schöll (Sophoel. 
Aias p. 62), dafs in der Epipolesis ein umgedichtetes Bruchstück 
eines älteren und poetischer gestalteten Helden- und Scharenver- 
zeichnisses, als der Katalog ist, zu erkennen sei. Dagegen lassen 

q* 


20 4. Einleitung. 


Lachmann und Benicken, sowie Düntzer und Genz dieselbe 
im Zusammenhang mit dem Vertragsbruch gedichtet sein. 

Die zahlreichen Bedenken, welche gegen die Epipolesis an 
dieser Stelle ausgesprochen sind, betreffen teils den Zusammen- 
hang mit der Erzählung vom Vertragsbruch, teils die Ausdehnung 
der zwischen Agamemnon und den übrigen Fürsten gewechselten 
Reden und deren Inhalt, teils Einzelheiten. Was die Beziehung 
auf den Vertragsbruch betrifft, so findet Bischoff abgesehen von 
der kurzen Erwähnung desselben 271 alles mit einem solchen 
Ereignis in Widerspruch: “Wie kommen die beiden Aias, wie Nestor 
dazu, sich zu rüsten? Wissen sie aber von der Sache, wie ist 
es möglich, dafs weder Agamemnon gegen sie, noch auch sie gegen 
ihn des aufserordentlichen Vorfalls, der alle Gemüter bewegen mulste, 
Erwähnung thun? Und wie kann Agamemnon den Menestheus, 
Odysseus, Diomedes schelten? Sie wissen ja offenbar nichts vom 
Bruch der ὅρκια. Aber warum sagt er ihnen dann nichts davon?” 
Kammer aber begreift nicht, wozu die Aufstellung wiederholt 
werde, da beide Heere schon in I’ auf einander losgerückt sind, 
zumal alles auf einen erbitterten Angriff hindränge. Allein diese 
Bedenken sind nur zum Teil begründet. Bischoff hat übersehen, 
dafs 211 berichtet ist, dafs nach dem Schuls des Pandaros alle 
die edelsten um Menelaos sich gesammelt hatten, und eine wieder- 
holte Erwähnung des Vertragsbruchs bei den einzelnen Ansprachen 
Agamemnons zu verlangen ist doch unberechtigt. Kammer aber 
hat vergessen, dafs beide Heere vor Beginn des Zweikampfes die 
Waffen abgelegt und sich auf den Boden gesetzt hatten. Es war 
also bis zu einem gewissen Grade eine neue Aufstellung und Ord- 
nung der Scharen erforderlich, während die 252 und 274 erwähnte 
Rüstung nach dem oben Bemerkten allerdings nicht mehr an der 
Stelle ist. Aber es ist doch Kammer zuzugeben, dafs die takti- 
schen Anordnungen und Weisungen Nestors 297 #. den Eindruck 
machen, als ob jetzt überhaupt die erste Aufstellung und Ordnung 
der Scharen vor sich gehe, welche doch bereits am Morgen dieses 
Tages in B erfolgt war. Begrüindet scheint auch das Bedenken, 
wie Agamemnon, da die Troer schon 221 und jedenfalls aus nicht 
grofser Entfernung anrücken, die Zeit gewinnen könne bei den 
einzelnen Führern die Runde zu machen und mit ihnen lange Reden 
zu wechseln. Beobachtet man indessen, dafs während die näher 
stehenden Scharen des Idomeneus und der Aias bereits zur Auf- 
nahme des Kampfes vorzugehen im Begriff sind oder schon sich 
in Bewegung setzen, Nestor wenigstens bei der Aufstellung be- 
schäftigt ist, die fernerstehenden Odysseus und Menestheus, Dio- 
medes und Sthenelos dagegen noch unthätig dastehen und dies 
dadurch motiviert wird, dafs eben erst die Scharen der Troer und 
der Achäer sich gegeneinander bewegten, so ist doch anzuer- 
kennen, dafs der Dichter einigermalsen in den Grenzen der Wahr- 


4. Einleitung. 21 


scheinlichkeit sich gehalten hat. Aber die geschwätzige Breite der 
Reden ist der Situation, die zum Handeln drängt, allerdings wenig 
angemessen und der Inhalt und Ton der Ansprachen hat manches 
Befremdende: so die zweimalige Beziehung auf die Gerontenmahl- 
zeiten 259 ff. 343 ff,, der schnöde Vorwurf gegen Odysseus, zumal 
nach den grofsen Verdiensten dieses Helden in der Heeresver- 
sammlung in B, was Ribbeck mit Recht hervorhebt, um die Un- 
vereinbarkeit der Epipolesis mit der vorhergehenden Erzählung zu 
erweisen, endlich der gehässige Angriff auf Diomedes. Diese ‘un- 
wirsche und unbesonnene Art, mit der er einzelne Heerführer 
anfährt”, schickt sich, wie wir Kammer zugeben, allerdings nicht 
recht zu der Situation, da wir bei Agamemnon nach dem von ihm 
158 #. ausgesprochenen sichern Vertrauen auf das Walten der 
göttlichen Gerechtigkeit, zumal da Menelaos aufser Gefahr ist, eher 
eine feste, gehobene Stimmung zu erwarten berechtigt wären. Im 
einzelnen sind als Eigentümlichkeiten dieser Partie bemerkt, dafs 
Eurymedon nur hier als Wagenlenker des Agamemnon erscheint, 
sodann dafs Odysseus sich 354 als Vater des Telemach bezeichnet, 
wie B 260, was die Bekanntschaft des Dichters mit der Odyssee 
voraussetzen läfst, und die Verwandtschaft von 288—291 mit 
B 371—374, wo nach Nabers Urteil der Gedanke angemessener 
scheint. 

Innerhalb der Epipolesis selbst hat Düntzer drei bedeutendere 
rhapsodische Eindichtungen angenommen: 226—250, 251—272, 
327—364, die Ansprachen Agamemnons an die Krieger, die Wechsel- 
reden zwischen ihm und Idomeneus, sowie die zwischen ihm und 
Odysseus. In dem Verdacht gegen die erste Partie begegnet sich 
mit Düntzer Kammer, welcher 232—250 für iuterpoliert hält. 
In der zweiten beschränken sich Kammer und Köchly auf die 
Athetese von 268 oder 269—271. Die beiden letzteren Kritiker, 
welche die Epipolesis aus dem Zusammenhange mit der vorher- 
gehenden Erzählung lösen, beseitigen damit eben die Beziehungen 
auf den Vertragsbruch. Die von Düntzer gegen die ganze Partie 
226—272 geltend gemachten Bedenken sind von Benicken mit 
Recht zurückgewiesen; sie genügen jedenfalls nicht um die Not- 
wendigkeit oder auch nur Wahrscheinlichkeit der Athetese zu 
erweisen. Überdies wäre ein Anschlufs von 273 (ἦλθε δέ) an 225 
ganz unverständlich, höchstens gestatteten, wie Kammer richtig 
sah, die Worte ἐπεπωλεῖτο στίχας ἀνδρῶν 231 denselben. Dafs aber 
auch die an 327—364 von Düntzer gemachten Ausstellungen 
zum grolsen Teil unbegründet sind und die Unechtheit dieser Partie 
nicht erweisen können, hat bereits Benicken dargethan, auf welchen 
wir verweisen. — Endlich haben Köchly und Benicken die aus- 
führliche Erzählung von Tydeus in Agamemnons Rede 370 ff. von 
den Worten οὐ γὰρ ἔγωγε 374 bis zu «Αἰτώλιος 399 in Klammern 
geschlossen. Diese Ausscheidung ist auch von la Roche, Düntzer 


22 4. Einleitung. 


und W. Jordan angenommen und da die übermäfsige Ausdehnung 
der Rede zu der Situation sich übel schickt, die Ausscheidung 
aber, welche sich ohne alle Schwierigkeit vollziehen läfst, eine 
sechszeilige Rede ergiebt, wie sie den vorhergehenden und folgen- 
den entspricht, so hat die Annahme der Interpolation Wahrschein- 
lichkeit, 

Mit 421 schliefst Lachmann sein viertes Lied, denn ‘die 
Vorbereitung zur Schlacht schliefst hier ohne Übergang, ohne dals 
man erfährt, wohin sich Agamemnon begiebt: nnd erst E 38 kommt 
er wieder vor’ und ‘gleich, wo das fünfte Lied anfängt, 4 422 
zeigt sich ein ganz anderer, uns aber bereits wohlbekannter Charakter 
der Darstellung, nämlich der des zweiten Liedes; ja wenn man es 
recht bedenkt, auf B483 oder 780—785 kann man, ohne eine 
Störung zu bemerken, 4422 unmittelbar folgen lassen’. Damit 
sind für die weitere Erörterung die Fragen gestellt: scheidet sich 
in der That die folgende Schlachtschilderung in 4 und E äufser- 
lich und innerlich so vollständig von der vorhergehenden Erzählung 
in T und 4, dafs hier 421 der Abschluls der einen und 422 das 
Anheben einer ganz neuen, auf andern Voraussetzungen beruhen- 
den Entwicklung erkennbar ist oder bestehen zwischen beiden 
Erzählungen derartige Beziehungen, dafs ein Zusammenhang irgend 
welcher Art anzunehmen ist? 

Der von Lachmann für die Sonderung geltend gemachte 
äulsere Grund, dafs die Vorbereitung zur Schlacht ohne Übergang 
schliefse, ohne dafs man erfahre, wohin sich Agamemnon begebe, 
ist von Gross und Düntzer bestritten. Jener führt dagegen an, 
dafs aus 428 sich genügend ergebe, dafs sich Agamemnon wieder 
zu den Seinigen begeben habe, dieser sagt: der Dichter mufste 
Agamemnon im Heere verschwinden lassen, um die Epipolesis nicht 
ins Unendliche zu verlängern. Beide Gegengründe widerlegen nicht 
die Thatsache, dals die Epipolesis gegen allen epischen Brauch 
ohne rechten Abschlufs ist und ein Übergang zum folgenden fehlt. 
Denn, wie Jordan mit Recht bemerkt, ‘ohne dafs man aus dem 
eben Gesagten wenigstens ungefähr weils, was mit einander ver- 
glichen werden soll, kommt sonst niemals ein Vergleich so herein- 
geschneit, wie 422—427’. 

Prüfen wir die weiter für die Scheidung beider Abschnitte 
beigebrachten inneren Gründe, so führt Lachmann nur an, dafs 
gleich mit 4 422 sich ein ganz anderer Charakter der Darstellung 
zeige, was auch Bergk anerkennt, indem er hier den lebendigen 
Atem kriegerischen Geistes findet, der überall in den echten 
Teilen der Ilias wahrnehmbar sei. Man wird dem kein grofses 
Gewicht beilegen können, weil das Hervortreten dieses Charakters 
durch den veränderten Stoff bedingt ist. Wie unsicher derartige 
Urteile überhaupt sind, geht daraus hervor, dafs Hoffmann in 
dem Schlufs von 4 (mit Ausnahme von 467—544) und E in 


4. Einleitung. 23 


Bezug auf den Charakter der Darstellung viel mehr Verwandtschaft 
mit den älteren Teilen von I’ und 4, als mit B 1—483 findet. 
Mehr Gewicht haben die weiter von Bergk und Kammer für die 
Scheidung geltend gemachten Gründe. Sie heben hervor, dals sich 
in dem folgenden Kampfe bei den Achäern keine Spur einer leiden- 
schaftlichen Erregung, einer Erbitterung zeige, wie sie doch der 
vorhergehende Vertragsbruch erwarten lasse, und ebensowenig die 
Götter, denen doch die Strafe des Meineids oblag, um jenen Ver- 
tragsbruch sich weiter kümmern, obwohl dieser Gesichtspunkt in 
4158 gebührend hervorgehoben sei. Wenn Pandaros aber im 
fünften Gesange durch Diomedes’ Hand fällt, ‘so lag doch gewils 
nichts näher, als den Tod mit jener That in Verbindung zu bringen, 
aber nirgends, so oft sich auch Gelegenheit darbot, wird auf den 
Verrat angespielt; man sieht deutlich, dafs dem Dichter der Aristie 
des Diomedes dieses Lied unbekannt war’ (Bergk). Dabei wird 
vorausgesetzt, dals E 206 ἢ,, wo Pandaros seines Schusses auf 
Menelaos gedenkt, von dem Diaskeuasten eingefügt seien, während 
Bischoff aus dem Wortlaut dieser Verse schlielst, dafs Pandaros 
nur eine gewöhnliche Kampfscene vor Augen habe, weil er dabei 
in keiner Weise das Bewulstsein eines Unrechts verrate, daher die 
Verführungsgeschichte in 4 dem Dichter von E nicht könne bekannt 
gewesen sein. Von bedeutendem Gewicht ist hier, dafs allerdings 
nach der Athetese von E 206—8, welche, wie wir in der Ein- 
leitung zu E nachweisen werden, unwiderleglich geboten ist, in E 
jeder Hinweis und jede Beziehung auf den Vertragsbruch fehlt. 
Zu einer solchen war aber an mehr als einer Stelle Anlals und 
vor allem war sie da geboten und zu erwarten, wo die Erlegung 
des Pandaros durch Diomedes mit Hilfe der Athene, derselben 
Athene, welche jenen zum Vertragsbruch verleitete, berichtet wird. 
Die Bedeutung dieser Thatsache sucht Düntzer mit Unrecht da- 
durch abzuschwächen, dals er die Auffassung des Schusses des 
Pandaros als eines eigentlichen Vertragsbruchs darum bestreitet, 
weil durch die Rettung des Paris durch Aphrodite die im Ver- 
trag vorgesehene Bedingung für die Auslieferung der Helena uner- 
füllt geblieben sei, und in jenem Schufs nichts als ein episches 
Mittel zur Fortsetzung der Handlung sieht, worauf der Dichter, 
nachdem es seine Dienste gethan, dann auch später gar keine 
Rücksicht mehr nehme. Diese Ansicht ist bereits von Benicken 
mit guten Gründen zurückgewiesen und es bedarf nur des Hin- 
weises darauf, dafs Düntzer alle Stellen, die seiner Auffassung 
widerstreben, ausgeschieden hat. Steht aber die Auffassung des 
Schusses des Pandaros als eines wirklichen Vertragsbruchs und 
schweren Frevels aufser Frage und ist dieser der Ausgangspunkt 
und das treibende Motiv für den im Schlufs von 4 beginnenden 
allgemeinen Kampf, so ist es wahrlich unbegreiflich, dafs von 
solchem Zusammenhange nirgends eine Spur zu entdecken ist und 


24 4. Einleitung. 


selbst bei dem Tode des Pandaros keine Beziehung darauf genom- 
men wird. 

Dem gegenüber ist andrerseits zu konstatieren, dafs zwischen 
der Diomedeia und der Epipolesis sich eine Reihe von Beziehungen 
ungesucht ergiebt. Die Epipolesis schliefst mit der Vorführung 
des Helden, dem in der folgenden Schlacht die Aristie zugeteilt 
ist, des Diomedes: seine von Agamemnon 4 370 f., wenn auch 
nicht ernstlich bezweifelte Tapferkeit wird dort glänzend bewährt. 
Die Art aber, wie Diomedes eingeführt wird, ist mit Recht als 
besonders gelungen anerkannt. “Gerade sein bescheidenes Auf- 
treten ist die passendste Einleitung zu seinen glänzenden Thaten’ 
(Gerlach). “Diomedes wird zuletzt bei der Musterung, aber am 
glänzendsten und mit völlig richtiger und glücklicher Charakteristik 
geschildert. Es ist dies ein gelungener Wurf unseres Dichters; 
wir fühlen sogleich die ganze Bedeutung des Helden’ (Genz). 
Vergleichen wir aber, wie in E 241 ff. Sthenelos im Verhältnis zu 
Diomedes geschildert wird mit der Art, wie beide in der Epipo- 
lesis auftreten, so erkennen wir dann erst, wie es sich in Wirk- 
lichkeit mit beiden verhält: “Hier, wo es wirklichen Kampf gilt, 
ermuntert Sthenelos zur Flucht, und abermals mufs ihn Diomedes 
zurechtweisen. Offenbar ist dies ein beabsichtigter Gegensatz zu 
der Stelle im vierten Buche. Wir erkennen jetzt, dals jene Be- 
scheidenheit des Diomedes in seiner Tüchtigkeit, im Bewulstsein 
seines Heldenwertes wurzelt’ (Gerlach). Diese Beziehungen, wie 
sie in den Thatsachen und in der Charakteristik der Personen 
hervortreten, sind so augenfällig und bedeutsam, dafs wir unmög- 
lich mit Benicken hier eine bewulste und planmäfsige dichterische 
'Thätigkeit leugnen können, so dafs wir mit ihm die Unterredung 
des Agamemnon mit Diomedes an letzter Stelle nur daraus erklären 
sollten, dafs dieser am weitesten von dem Mittelpunkte der Schlacht- 
ordnung entfernt gestanden habe. Dazu können uns auch nicht 
die Bedenken desselben Gelehrten bestimmen, dafs, wenn derselbe 
Dichter, welcher Diomedes von Agamemnon ausschelten läfst, ihn 
im Gegensatz dazu nur um so höher zu heben beabsichtigt hätte, 
er nicht bis Ε 1 mit seiner Einführung würde gewartet haben, 
noch weniger aber ihn dort so, wie das geschieht, eingeführt haben 
würde, ohne auch nur die Schelte zu erwähnen. Welche Bedenken 
erheben sich dagegen andrerseits gegen die Annahme, dafs mit 
4421 das Lied vom Vertragsbruch schliefse. Mit Recht haben 
Hoffmann und Gerlach eingewandt, dafs ein solches Lied ohne 
Abschlufs, ohne künstlerische Abrundung sein würde, “nichts als 
ein abgebrochenes Stück einer Statue, unverständlich und unbe- 
friedigend in seiner Isoliertheit, so schön und bedeutend es auch 
als Teil des Ganzen gewesen war”. — “Diomedes springt kampf- 
bereit vom Wagen und mit diesem kühnen Sprunge schlielst das 
Lied’ (Gerlach). 


4. Einleitung. 25 


Die von Lachmann zuerst aufgestellte Möglichkeit des An- 
schlusses von 4422 an B hat mehrfach Beifall gefunden. Der 
Recensent der Lachmannschen Betrachtungen in den Blättern für 
litterarische Unterhaltung sah in dem letzten Abschnitt von 4 
geradezu einen ursprünglichen Bestandteil des zweiten Buches, 
welcher direkt an B 785 anzuschlielsen sei, während er jedoch den 
ganzen fünften Gesang nicht zu den echten und ursprünglichen 
Bestandteilen der Ilias, sondern zu den wertlosen Zuthaten rechnete. 
Bergk ferner, welcher in dem Gesange vom Zweikampf und Ver- 
tragsbruch eine von dem Diaskeuasten überarbeitete und erweiterte 
Fortsetzung der Ilias sieht und erst in 4422 die ursprüngliche 
Dichtung wieder anzutreffen glaubt, will dieses Stück unmittelbar 
an Β 488 anschliefsen, wenn gleich B455—483 problematisch 
seien. Auch Kammer erkennt in dem Zweikampf mit seinen 
Folgen ein selbständiges, die ursprüngliche Ilias erweiterndes Lied, 
unterscheidet sich aber von Bergk dadurch, dafs er die Epipo- 
lesis für einen ursprünglichen Bestandteil der Ilias hält und diese 
mit dem folgenden Schluls von 4 sofort auf die Vorbereitungen 
zur Schlacht in B (483) folgen lassen will. 

Die letztere Ansicht unterliegt jedenfalls grofsen Bedenken. 
Freilich hat Köchly eine Reihe von Ähnlichkeiten und Beziehun- 
gen zwischen der Epipolesis und B 1—484 aufgezählt, aber mit 
Recht hat Benicken dieselben teils aus der Natur der Sache 
oder der Ähnlichkeit der Situation erklärt, teils überhaupt als 
unbegründet zurückgewiesen. Köchly selbst aber hat andrerseits 
wieder hervorgehoben, wie wenig im übrigen der Inhalt in beiden 
Partieen zusammenstimme, vor allem ist der gehässige Tadel, den 
Agamemnon gegen Odysseus ausspricht, wie auch Ribbeck es 
betont hat, nicht vereinbar mit dem grofsen Dienst, welchen 
dieser an demselben Morgen in der Heeresversammlung in B jenem 
erwiesen hat. Auch das verdient wohl Beachtung, wie noch weit 
unpassender Agamemnons zweimalige Beziehung auf die Geronten- 
mahlzeiten ist, wenn die Fürsten soeben von einer solchen Mahl- 
zeit bei Agamemnon (B 404 ff.) kommen. 

Von den übrigen Gelehrten, welche eine selbständige Ansicht 
geäufsert haben, sind noch Hoffmann und Genz zu nennen. 
Jener wahrt den Zusammenhang des Zweikampfes, des Vertrags- 
bruchs und der Aristie des Diomedes und stellt ['’9—145. 245—461. 
41—222 und (vielleicht) 422—456. E 1—448 zusammen als 
“einen eignen Abschnitt der Iliade, der jedoch zum Gange der 
Haupthandlung (dem Unterliegen der Achlier zu Ehren des Achil- 
les) in keinerlei Beziehung steht, sondern sie im Gegenteil völlig 
aufhält”. Genz sieht in 4 1—421 eine Zwischendichtung mit der 
Bestimmung I’ und die Aristie des Diomedes mit einander zu verbinden. 

Von den in dem letzten Abschnitt von A vorgeschlagenen 
Athetesen betrifft die erste V.446—451. Düntzer findet die in 


26 4. Einleitung. 


diesen Versen enthaltene Schilderung des beginnenden Kampfes 
unvereinbar mit dem 452 ff. folgenden Gleichnis und nimmt an, 
dafs dieselben aus © 60—65 irrig in diese Stelle gekommen seien. 
Benicken, welcher mit Lachmann in @1—252 eine späte Inter- 
polation sieht und die Verse in 4 für ursprünglich hält, giebt allen- 
falls zu, dafs 451 im Verhältnis zum folgenden Gleichnis Anstofs 
gebe und hat diesen Vers in seinem fünften Liede in Klammern 
gesetzt, doch nicht ohne ein Fragezeichen beizufügen. Allein die 
Athetese von 451 genügt doch nicht, um den in der That anzu- 
erkennenden Anstols zu beseitigen. Wenn das Gleichnis 452—456 
das Getöse beim Zusammenstols zum Gegenstande hat und in den 
Worten γένετο ἰαχή re πόνος τε deutlich der Beginn des Kampfes 
bezeichnet wird, so ist der Anschluls dieses Gleichnisses zwar an 
449 als Ausführung der Worte πολὺς δ᾽ ὀρύμαγδος ὀρώρει mög- 
lich und passend, aber nicht an 450, da die hier erwähnten οἰμωγή 
und εὐχωλή bereits über den ersten Zusammenstols hinaus auf die 
Entwicklung des Kampfes im einzelnen weisen, während das Gleich- 
nis wieder auf den ersten Zusammenstofs zurückführt. Überdies 
stehen 450 und 451, da ὀλλύντων und ὀλλυμένων die erklärende 
Ausführung zu οἰμωγή und εὐχωλή geben, in so enger Beziehung 
zu einander, dals es nicht möglich ist sie zu trennen. Wohl aber 
genügt die Athetese von 450 und 451, um den Anstofs zu beseitigen. 

Eine weitere Athetese hat Köchly unter Zustimmung von 
Ribbeck ausgesprochen gegen die ganze Partie 457—538, welche 
er zu der Klasse der nach seiner Meinung von den Rhapsoden 
nach Belieben verwerteten “Mordgeschichten’ rechnet und mit andern 
Stücken aus E in Verbindung bringt, die sich ihm als Bruchstlicke 
eines andern Liedes ergeben. Welchen grofsen Bedenken diese 
Annahmen unterliegen, hat Benicken erörtert: warum die Aristie 
des Diomedes durch die hier geschilderten Einzelkämpfe nicht pas- 
send eingeleitet werden sollte, ist in der That nicht zu sehen; 
ohne diese sind überdies die Schlufsverse 539—544, die einen 
Höhepunkt in der Entwicklung der Schlacht bezeichnen, ohne Be- 
ziehung und geradezu unverständlich, so dafs man, fehlten die vor- 
hergehenden Einzelkimpfe, ohne Zweifel eine Lücke annehmen 
würde. Freilich begegnen sich in der Beanstandung dieser Partie 
mit Köchly zum Teil auch Hoffmann und Düntzer, indem 
jener auf Grund seiner metrischen Untersuchungen zu dem Resultat 
kommt, dafs 467 —544 nicht mit der ersten Hälfte von E zusammen- 
gehört haben können, dieser aber 507—544 beanstandet. Allein 
die ästhetischen Bedenken Düntzers sind zu wenig begründet, die 
Resultate der Hoffmannschen Untersuchungen aber, die in diesem 
Falle auch von Kayser bestritten sind, für sich nicht ausreichend, 
um die Athetese zu rechtfertigen. Für die Schlufsverse 539—544 
giebt Benicken die Möglichkeit zu, dafs sie unecht seien, und 
hat dieselben in dem Text seines fünften Liedes unter Hinzufügung 


4. Einleitung. 27 


eines Fragezeichens in Klammern gesetzt. Die beiden letzten Verse 
543. 544 hatten schon Bentley und Heyne verworfen, und neuer- 
dings bat auch Nauck dieselben als spurü? bezeichnet. Da diese 
beiden Verse mit dem Plusquamperf. τέταντο in Verbindung mit 
der Zeitbestimmung ἤματι κείνῳ offenbar das abschliefsende Resul- 
tat des Tageskampfes geben, so können sie in der That nicht an 
einer Stelle bestehen, wo innerhalb desselben Tages und desselben 
Kampfes mit ἔνϑ᾽ αὖ der Anschlufs der Aristie. des Diomedes 
folgen soll. Diese beiden Verse verraten sich als ein rhapsodischer 
Zusatz, welcher den Zweck hatte bei Abbruch des Vortrages an 
dieser Stelle einen vorläufigen Abschlufs zu geben. Aber es ist 
wohl nicht unwahrscheinlich, dafs auch die damit in engem Zu- 
sammenhang stehenden vorhergehenden Verse 539—542, wenn sie 
auch an sich dem folgenden Anschlufs der Diomedeia nicht wider- 
streben, doch dem gleichen Zweck gedient haben. Denn dafs, wenn 
543 £. nicht ursprünglich waren, die Erwähnung der Athene 541. 
zu der unmittelbar folgenden Einführung derselben Göttin E1 sich 
nicht wohl schickt, mufs man Düntzer zugeben. 

Die vorstehenden Erörterungen ergeben eine Reihe von schweren 
Bedenken gegen den einheitlichen Zusammenhang der im vierten Ge- 
sange enthaltenen Abschnitte teils mit dem vorhergehenden Gesange, 
teils unter sich. Der erste Abschnitt, der Vertragsbruch, ist zwar 
zweifellos im Anschlufs an Γ' gedichtet, allein die eigentümliche Art, 
wie die Handlung weitergeführt wird, ist durch die vorhergehende Er- 
zählung so wenig vermittelt und entfernt sich so sehr von den dort 
gegebenen Voraussetzungen und Motiven, dafs man zweifeln mufs, 
ob hier noch die Hand desselben Dichters zu erkennen ist, welcher 
T' dichtete. Die Epipolesis wiederum zeigt zwar mehrfache Be- 
ziehungen auf den Vertragsbruch, schlielst aber in den äufseren 
Voraussetzungen sich so ungenau an die vorhergehende Erzählung 
an und scheint in ihrer Ausdehnung und namentlich in den dem 
Agamemnon in den Mund gelegten Ansprachen der durch den Ver- 
tragsbruch geschaffenen Situation so wenig angemessen, dafs es 
fraglich ist, ob sie ursprünglich im Anschlufs an den Vertrags- 
bruch gedichtet ist. Dagegen bestehen zwischen ihr und der folgen- 
den Diomedie die engsten Beziehungen, indem die geflissentliche 
Hervorhebung des Diomedes am Schlufs darauf berechnet ist auf 
die glänzenden Thaten dieses Helden in E hinzuweisen. Aber auch 
der Übergang von der Epipolesis zu der daran schliefsenden Kampf- 
beschreibung ist nicht nach epischer Weise vermittelt. Gegen die 
Kampfbeschreibung selbst liegen abgesehen von Einzelheiten wesent- 
liche Bedenken nicht vor; die Frage nach dem Verhältnis derselben 
zum Vertragsbruch wird im Zusammenhange mit der Diomedie in 
der Einleitung zu E erörtert werden. 


28 4. Anmerkungen. 


Anmerkungen. 


«18. Über das Verhältnis des Gesanges zum dritten vgl. die 
Einleitung p. 6 ff. und dazu Lachmanns Betracht. p. 19, Benicken 
das dritte und vierte Lied p. 40—46, 61 f., 69, 90 δ΄, 152, Grofs 
Vindic. Hom. I p. 53 ff, Hoffmann im Philol. III p. 207, Düntzer 
hom. Abh. p. 46 ἢ, Gerlach im Philol. XXX p. 20 ἢ, Köchly de 
Iliadis carmm. dissertat. IV p. 5, Jacob Entstehung ἃ. Ilias u. 
Od. p. 195, Genz zur Ilias p. 19 ἢ, Bernhardy Grundrifs der 
griech. Literat.® II, 1, p. 163, Bergk griech. Literaturgesch. I 
p. 569. — Zur Kritik des Götterrates vgl. die Einleitung p. 12 δ᾽, 
dazu Friedländer die homer. Kritik p. 67, Bergk griech. Literatur- 
gesch. I p. 571, Benicken das dritte und vierte Lied p. 79 ff, 
Naber quaestt. Hom. p. 160, Genz zur Ilias p. 20, Bischoff im 
Philol. XXXIV p. 9, Jacob Entstehung d. Il. u. Od. p. 197, Kraut 
die epische Prolepsis p. 18, Nitzsch Sagenpoesie p. 200 ἢ, 

3f. Statt des handschriftlich allein überlieferten ἐῳνοχόει, 
welches Bekker hier und v 255 unverändert gelassen hat, während 
er A598 und o 141 Fowoyosı herstellte, verlangt Cobet Miscell. 
exit. p. 295 2Fowoydes und Nauck hat Zowoyde geschrieben. — 
4. Δειδέχαται, δεικανάομαι und δειδίσκομαι sind nach Ursprung und 
Gebrauch von L. Meyer in Bezzenbergers Beiträgen II p. 260 ff. 
erörtert mit dem Resultat, dafs diese Formen unter sich zusammen- 
gehörig von δείκνυμι zu trennen und auf eine Wurzelform dex 
zurückzuführen seien, welche ihr getreues Abbild im altindischen 
däg finde: wie dieses in ganz besonders ausgebildeter Weise die 
den Göttern dargebrachte Huldigung bezeichnet, so tritt auch im 
Homer bei den angegebenen Verben die nahe Beziehung zur Götter- 
welt noch mehrfach deutlich hervor. 

8. ᾿Αλαλκομενηίς wird noch mehrfach als eine Erweiterung 
von ἀλαλκομένη ‘die Abwehrende’ betrachtet. Vgl. Seiler-Capelle’'s 
Hom. Wörterbuch und das Lexicon Homer. Aber gegen diese 
Deutung spricht zuerst die Zusammenstellung mit ’4gyein, sodann 
die Form selbst, weil an ein Partieip. Femin. nicht noch die Endung 
ig gehängt wird. G. Autenrieth bemerkt darüber: “Von einem 
Partieip. würde man nicht eine Ableitung mit -ıg bilden, sondern 
man würde eben das Partieipium selbst nehmen, wie in der βρῇς 
tern Notiz des Et. M. eine Ἥρα ἀλαλκομένη, aber freilich daselbst 
auch ein Ζεὺς ᾿ἡλαλκομενεύς vorkommt. Es war überhaupt in alter 
Zeit ‚nicht Sitte, Participia den Gottheiten als Beinamen zu geben, 
die das Wesen derselben bezeichnen sollten, ausgenommen Ζεὺς 
αἰϑέρι ναίων, Ποσειδάων εὐρυκρείων und εὐρυμέδων (die man als 
Partieipia nicht mehr empfand). Denn Ζεὺς βροντῶν gehört einer 
spätern Zeit und den Phrygern an, ”4mdiAov ist trotz Welckers 


4. Anmerkungen. 29 


Annahme nicht evident ein Particip; der Ἡρακλῆς μαινόμενος be- 
zeichnet nur einen vorübergehenden Zustand; die 4ημήτηρ κατ- 
ἄγουσα und Ἡρακλῆς ὡπλισμένος sind nur Bilder in bestimmter kon- 
kreter Fassung (jene des Praxiteles), so wohl auch ᾿Αφροδίτη 
ἁὡπλισμένη, die “Ἥρα νυμφευομένη ist durch den Gegensatz χήρα 
und τελεία erklärt; Δημήτηρ ἐπιλυσαμένη ist gewils nur eine kon- 
krete Auffassung des Moments. Die Göttin ist wohl von ’Alal- 
κομεναί benannt (vgl. Βοιβηίς von Boißn); der Ort lag am Triton- 
Aüfschen südlich vom Kopaissee, woselbst auch das "AAurxoukveron, 
als Geburtsstätte der Athene (Τριτογένεια) gefeiert. Sulla raubte 
das Elfenbeinbild der Göttin, und der Tempel zerfiel, der Ort 
᾿Δλαλκομεναί, südlich davon am Fufs des Gebirgs, bestand noch im 
2. Jahrh. nach Christo. Wie ausgebreitet der Dienst dieser Göttin 
war, beweist auch der böot. Monatsname "AAakxouevuog (-ειος) — att. 
Maimakterion. Dafs der böot. Heros Alalkomeneus oder Alalkomenes 
Gemahl der Athenais und Autochthon ist und zugleich Sohn der 
Niobe, also Morgenländer (wie Kadmos), ist bemerkenswert; ebenso 
dafs der Tempel der ᾿4ϑηνᾶ ᾿Ιτωνία westwärts in der Nühe lag, 
wo die Παμβοιώτια gefeiert wurden, wieder ein Beweis der cen- 
tralen Bedeutung dieser Göttin für Böotien, deren πάρεδρος Hades 
oder Zeus genannt wird (cf. Bursian I 234 ἢ). In uralter Zeit 
soll es am Tritonbach auch ein Eleusis und Athenae gegeben haben, 
welche Orte durch den See verschlungen sein sollten (Burs. I 198). 
— Für ’Alakrouevnig als gentilicium entscheiden sich auch Welcker 
Griech. Götterl. I, 316 und Eduard Krah De fixis gquae dicuntur 
deorum et heroum epithetis (Königsberg 1852) p. 22. 

17. πέλοιτο ist die Aristarchische Lesart, γένοιτο, welche 
die Handschriften allein bieten, die des Aristophanes, entsprechend 
H 387 vgl. 435. Ein entscheidender Grund mit Ameis der 
Lesart des Aristarch den Vorzug zu geben ist nicht beigebracht; 
die Beziehung unserer Stelle zu H 387, wo über Aristarchs Schrei- 
bung nichts vorliegt, spricht für γένοιτο, Zweifel bleiben wegen 
der Schreibung im Eingang des Vertes, wo nach Aristarch ge- 
wöhnlich εἰ δ᾽ αὖ πὼς gelesen wird, während Aristophanes αὖ 
τὼς oder αὔτως schrieb, wonach die Handschriften zwischen αὔτως, 
αὔτως und αὕτως schwanken. Beide Lesarten entbehren der Ana- 
logie. Auch die am meisten ansprechende und von den neueren 
Herausgebern (mit Ausnahme von Nauck, welcher αὔτως schreibt) 
vorgezogene αὖ wg macht Schwierigkeiten wegen des αὖ, welches 
nach gewöhnlichem Gebrauch einen Gegensatz zum vorhergehenden 
andeuten müfste, vgl. m 105. σ 371. 376. Andrerseits würde das 
πῶς nach Stellen, wie ὃ 388 und m 148, wie Lange der homerische 
Gebrauch der Partikel εἰ I p. 371 bemerkt, die Auffassung des εἰ- 
Satzes als Wunschsatz nahe legen — eine Auffassung, die nicht 
allein, wie Lange anerkennt, möglich, sondern vortrefflich passend 
sein würde, weil der geradezu ausgesprochene Wunsch der Bei- 


80 4. Anmerkungen. 


legung des Kampfes den aufserordentlichen Zorn der Here 24 ff. 
sowie die weiter folgende Erklärung des Zeus, wo er die Zeı 
störung Trojas als ein ihm schwer abgerungenes Zugeständnis hin- 
stellt 43 δ΄͵, besser motivieren würde, als die blofse Fallsetzung. 
Um dieselbe zu ermöglichen, bedürfte es einer Änderung der Les- 
art, wie εἰ δή πως, wie Axt Coniectan. Hom. p. 5 vermutet hat 
(neben εἰ δ᾽ οὖν πως), oder etwa εἰ δὴ οὕτως oder αἴϑ᾽ οὕτως 
(4178). 

27. ἰδρόα statt des handschriftlichen ide& schreibt Nauck, 
auch Ahrens Beiträge zur griech. und lat. Etymologie I p. 133 f. 
empfiehlt für dieses Wort die unkontrahierten Formen. — 31. Die 
Fragen mit τί sind zusammengestellt von Jordan de pronomina- 
lium quae dieuntur interrogationum usu Hom. Halle 1879 p. 18 ff, 
welcher τί hier erklärt: inwiefern. — 34. Der ei-Satz wird von 
Lange der hom. Gebrauch der Partikel εἰ I p. 369 zu den bedin- 
genden Fallsetzungssätzen gerechnet, wobei er den Optativ kon- 
zessiv (den Fall zugestehend, dafs dieses geschehe) fafst. Diese 
Auffassung scheint der Stelle nicht gerecht zu werden. Gewils 
giebt Franke bei Faesi den Sinn richtig wieder: ja, wenn du 
verzehren könntest, quid si etc., womit der Satz, wenn ich recht 
verstehe, als ein Wunsch aus den Gedanken der angeredeten Here 
verstanden wird. Die Möglichkeit dieser Auffassung aber ergiebt 
sich, wenn man bedenkt, dafs auch in den postpositiven ei-Sätzen 
der Redende einen Wunsch aus der ψυχικὴ διάϑεσις des Angerede- 
ten ausspricht, wie 8351. &132, vgl. Lange a. Ὁ. 1 p. 890 ἔ, 
indem der Sprechende die ψυχικὴ διάϑεσις dessen, mit dem er 
spricht, naiv zu der seinigen macht. — 35. An Stelle der nur 
hier vorkommenden Form βεβρώϑοις vermutet Nauck in den M6- 
langes Greco-Romains IV p. 35 nach βεβρωκώς X 94. χ 408: βε- 
βρώκοις, woneben p. 299 die andere Möglichkeit statuiert wird, 
dafs umgekehrt an den angeführten Stellen nach der vorliegenden 
βεβρωϑώς zu korrigieren sei. Zur Beurteilung der ganzen Wen- 
dung aber vgl. Bergk griech. Litteraturgesch. I p. 806. — 43 ist 
auffällig, dafs I. Bekker nach.seinen metrischen Grundsätzen 
das überlieferte δῶκα nicht in die Form ἔδωκα verwandelt hat. 
Vgl. den Anhang zu B 102. — 52. Nach dieser Stelle werden 
auch bei Späteren die erwähnten drei Städte oft zusammen genannt, 
wie bei Ovid. Met. VI, 414; Fast. VI, 47. 

55. I. Bekker, Franke, Nauck haben Vers 55 und 56 
athetiert nach dem Vorgange des Aristarch, von dem Aristonikos 
berichtet: ἀϑετοῦνται ἀμφότεροι, ὅτι τὴν χάριν ἀναλύουσιν, εἰ καὶ 
μὴ προδεηϑεὶς δύναται τοῦτ᾽ ἔχειν, was L. Friedlaender erklärt: 
“quia nulla gratia Iunoni a Iove deberetur, si Iupiter etiam nullis 
‚precibus adhibitis optatum impetrare posse’. Dagegen bemerkte Ameis: 
1) ‘Nach Athetierung der Verse scheint mir der Einwand 57 ἀλλὰ 
χρὴ καὶ ἐμὸν ϑέμεναι πόνον οὐκ ἀτέλεστον seine einfache Beziehung 


4. Anmerkungen. 81 


zu verlieren. Oder man mülste mit dem Schol. Viet. ἀντὶ τοῦ un 
ἀτέλεστον die Negation unrichtig zum Infinitiv ϑέμεναι ziehen. 
2) Es ist psychologisch begründet, dafs wenn jemand von einem 
andern ein erwünschtes Zugeständnis erhält, er sofort sich gedrun- 
gen fühlt, den wirklichen Vorzug dieses andern lobend und demütig 
auszusprechen. In diesem Sinne hat Here nach den 37 und 43 
vernommenen Äufserungen die Übermacht des Zeus bereitwillig 
anerkannt. 3) Man sieht nicht den Zweck, warum gerade hier 
Here 58 bis 61, wie sonst nirgends, ihre Hoheit und Würde so 
emphatisch hervorheben ‚sollte, wenn nicht vorher als gegensätz- 
liche Veranlassung die Übermacht des Zeus ausdrücklich erwähnt 
ist. Die Wiederholung von φϑονέουσα giebt dem Gedanken einen 
besondern Nachdruck: vgl. τ᾿ 205 bis 208 und den Anhang zu τ 444. 
Was I. Bekker in der Annotatio beifügt: ‘cf. A 515. M 450. 
#213. P 172°, das sind Stellen von verschiedenartiger Beschaffen- 
heit, die an ihrem Platze behandelt werden sollen. Selbst der 
Erzathetesenschaffner Payne Knight hat hier zu 55. 56 ein ‘obelo 
notati ob causam minus validam’ angemerkt”. Von den geltend 
gemachten Gründen würde der an erster Stelle erwähnte, dem 
Zusammenhang der Gedanken entnommene von entscheidendem 
Gewicht sein, wenn Ameis’ Auffassung begründet wäre. Dieser 
setzte nämlich eine enge Beziehung von 57 auf die beiden vor- 
ergebenden Verse in der Weise voraus, dafs der Zusammenhang 
wäre: ‘aber es frommt dir deine Übermacht auch für mich zu 
gebrauchen”. Allein wo die Beziehung des durch ἀλλὰ χρή 57 
eingeleiteten Gegensatzes zu suchen ist, zeigt deutlich die ab- 
schliefsende Zusammenfassung der ganzen vorhergehenden Gedanken- 
reihe in 62. 63. Danach tritt einfach dem in 51—54 gemachten 
Zugeständnis mit ἀλλὰ χρή 57 die Gegenforderung gegenüber, was 
Here ihrerseits beansprucht; und durch eine Beziehung auf 55 u. 
56 würde gerade diese klare Anordnung der Gedanken verwischt 
werden. In der Litotes οὐκ ἀτέλεστον statt des erwarteten μὴ 
ϑέμεναι ἀτέλεστον sehe ich keine Nötigung zu einer anderen Auf- 
fassung: es findet dieselbe ihre Erklärung in der nach den gewühl- 
ten Ausdrücken unverkennbaren Beziehung auf 26 πῶς ἐϑέλεις ἅλιον 
Yeivaı πόνον ἠδ᾽ ἀτέλεστον; und scheint mit ihrer Kraft besonders 
geeignet für. den Ton einer kategorischen Gegenforderung, wie sie 
Here nach einem bedeutenden Zugeständnis im Bewulstsein ihrer 
Stellung (58—61) zu machen sich berechtigt glaubt. Damit scheinen 
auch alle sonstigen Bedenken erledigt zu sein, welche gegen die 
Ausscheidung der beiden Verse erhoben werden, welche in der 
That sehr störend in den Zusammenhang eingreifen. Vgl. auch 
Köchly de Il. carmm. diss. IV p. 6, Benicken das dritte und 
vierte Lied p. 51 f., welche ebenfalls die Athetese annehmen, während 
Düntzer hom. Abh. p. 250 Anmerk.'und Grofs Vindic. Hom. I 
Ρ. 55 f. dieselbe ablehnen. — 58. Zur Rechtfertigung der enkli- 


32 4. Anmerkungen. 


tischen Form des Pronomens δέ μοι vgl. Bekker Hom. Blätt. I 
p. 221. — 59. “Das Wort πρεσβυτάτην wird durch den folgen- 
den Vers ausdrücklich erklärt und ist daher nicht in wörtlichem 
Sinne zu verstehen als ““frühergeboren” wie y 452 Eurydike. Das 
lat. pris-cus aus prius-* πρεὶς (vgl. πλεῖν) hat auch teil an dieser 
qualitativen Begriffsteigerung zum Ehrwürdigen: vgl. seigneur, 
senior und Senior als Titel, dazu den Anhang zu ß 14° G. Auten- 
rieth. — 62. Zweifelbaft ist, ob ὑποείξομεν als Konj. Aor. oder 
als Ind. Fut. zu fassen sei. Capelle im Philol. XXXVI p. 679 
unterscheidet mit Recht für solche mit ἀλλ᾽ ἤτοι vorkommende 
Beispiele der ersten Person Pluralis zwei Fälle: “Entweder ver- 
spricht einer etwas im Namen anderer und dann mufs das Futurum 
stehen, so Θ 35, oder es richtet einer an andere eine Aufforderung, 
wie #291—93, und dann steht der Konjunktiv’ und rechnet zu 
dem letzteren Fall auch die vorliegende Stelle. Da indes Here 
hier nur die ihrerseits, wie die von seiten des Zeus bereits vor- 
her gegebene Zusage zusammenfassend wiederholt und überdies 
der ganze Gedanke das Vorhergehende abschlielsend nur zur Vor- 
bereitung der 64 folgenden Aufforderung dient, so scheint das 
Futurum der Stelle angemessener, 

18 ἢ. Zur Kritik der folgenden Erzählung von der Ver- 
führung des Pandaros durch Athene vgl. die Einleitung p. 13 f. und 
dazu Nitzsch Sagenpoesie p. 201 und andrerseits Bischoff in 
Philol. XXXIV, 9. — 75. Statt der Überlieferung ἀστέρα ἧκε 
haben Barnes Bentley Heyne Payne Knight Bekker? aus 
Konjektur ἀστέρ᾽ ἕηκε gegeben. Vgl. dagegen Fr. Spitzner. Auch 
‚die übrigen Beispiele des Hiatus an dieser Versstelle hat Bekker 
nicht entfernt: vgl. die Stellen bei C. A. 7. Hoffmann Quaest. 
Hom. 1, 92 sq. Hierzu kommt, dafs die Aoriste ἧκα und ἕηκα 
ursprünglich nach Fick Vergl. Wörterb.? I, 225 mit Sigma an- 
lauten (G. Curtius Griech. Etym.* p. 403 nimmt j an). — 
Was die Erklärung der Stelle betrifft, so herrscht hier die all- 
gemeine Annahme, dafs das Bild mit der Wirklichkeit sich ver- 
wirrt habe, oder dafs das Gleichnis dem Dichter unter der Hand 
in eine thatsächliche Erscheinung umgeschlagen sei. So bemerkt 
G. W. Nitzsch Beitr. zur Gesch. der ep. Poesie 8. 343 schliefslich: 
“ein göttliches Vorzeichen, eine aufserordentliche Erscheinung ist 
demnach jedenfalls gemeint und zu verstehn, und zwar ein bei 
Tage gesehenes Meteor. Sagt nun unsere Naturkunde nur 
Feuerkugeln oder 8. g. Meteorsteine kämen bei Tage vor, so ist 
das Problem dieses: entweder der Dichter hat verschiedene Mete- 
ore verwechselt, oder wir haben seinen Ausdruck Stern, welcher 
Funken sprüht, da er im weiteren Sinne gebraucht, zu eng gefalst. 
Die letztere Erklärung wird durch die schon viel verglichenen 
mehren Stellen der Alten, in denen eine solche Erscheinung bei 
Tage stattfindet, unterstützt. Dabei ist wahrzunehmen, dafs das 


4. Anmerkungen. 33 


Volk nicht die Athene, sondern das niederfallende Meteor 
sieht”. Aber von einer solchen Vermischung des Gleichnisses mit 
der Wirklichkeit ist ein zweites Beispiel im Dichter nicht zu ent- 
decken. Sodann ist auch von einem wirklichen ‘bei Tage ge- 
sehenen Meteor’ nicht die leiseste Spur zu finden. Diesen Zusatz 
hat erst der Nachahmer dieser Stelle im hymn. in Apoll. Pyth. 263 
(441) mit μέσῳ ἤματι hinzugebracht. Andere erklären nach der- 
selben Auffassung: “Pallas fliegt als Sternschnuppe zur Erde’, 
oder ‘als Feuerkugel und zwar als platzende nach 77°. Die 
Worte des Textes geben einfach ein ausgeführtes von einer 
Nachterscheinung (wie E5. Z 295. 401. 462. T 381. X 26. 
317. 0 108) entlehntes Gleichnis. Wie Athene hier mit einem 
fallenden Sterne, so wird sie gleichfalls beim Herabsteigen P547 ff. 
mit einem Regenbogen verglichen, den Zeus vom Himmel her aus- 
spannt. Und umgekehrt wird der aufsteigende Ares E 864f. 
mit einer aufschwebenden Wolke verglichen. — 77. Zur Unter- 
scheidung mehrerer wurzelhaft verschiedener Verba iso: vgl. Leo 
Meyer in Bezzenbergers Beiträgen I p. 306. u. Ahrens Bei- 
träge zur griech. und latein. Etymologie I p. 118f. — 80 wird 
von Nauck als spurius? bezeichnet. — 81—85 werden ver- 
worfen von Benicken das dritte und vierte Lied p. 64 ff. 110 ff., 
Düntzer hom. Abh. p. 250, vgl. auch Naber quaestt, Hom. p. 160 
und Jacob Entstehung ἃ. Il.u. Od. p. 199, und dagegen die Ein- 
leitung p. 14. — 90. Über die Verteilung der zusammengehö- 
rigen Worte ἀσπιστάων λαῶν an den Schlufs des ersten und den 
Anfang des folgenden Verses vgl. Lehrs de Arist.? p. 452 und 
dazu Benicken das dritte u. vierte Lied p. 166, welcher vor- 
schlägt nach ἀσπιστάων zu interpungieren mit Komma und λαῶν 
als Apposition zu fassen, vgl. B 625. 

94. Aristarch hat nach seinen Quellen mit Trennung Meve- 
Ada ἔπι προέμεν gegeben, wie Herodian berichtet, unter Ver- 
gleichung von 48 ἦ καὶ ἐπ᾽ ᾿Αντινόῳ ἔϑυνε [wo also ἔθυνεν, statt 
des gewöhnlichen ἐϑύνετο, die Aristarchische Lesart zu sein scheint 
wie 4132. E 290. #871]. Diese Trennung ist der Schreibweise 
ὑφ᾽ ἕν vorzuziehen. Denn an den übrigen Stellen, wo dies ῥῆμα 
τριπλοῦν erscheint, finden wir nur eine malerische Vollständigkeit 
des Begriffs, um einfach und ausführlich die Richtung zu 
bezeichnen “dahin entsenden’: 1 520 ἄνδρας δὲ λίσσεσθαι ἐπι- 
προέηκεν ἀρίστους. P 708 κεῖνον μὲν δὴ νηυσὶν ἐπιπροέηκα ϑοῇσιν. 
Σ 58 -- 489 τὸν μὲν ἐγὼ... «νηυσὶν ἐπιπροέηκα κορωνίσι Ἴλιον εἴσω. 
0299 ἔνϑεν δ᾽ αὖ νήσοισιν ἐπιπροέηκε ϑοῇσιν. An unserer Stelle 
dagegen soll der Begriff der Feindseligkeit bei einem persön- 
lichen Dativ hervorgehoben werden. Und dies geschieht deut- 
licher und nachdrücklicher bei der Aristarchischen Trennung und 
Anastrophierung der Präposition. — Τλαίης κεν ist mit Lange a. O. 
p. 381f. als Nachsatz zu der vorhergehenden wünschenden Frage 

Hexrze, Anhang zu Homers Ilias. II. 3 


34 4. Anmerkungen. 


gefafst. Als Ausdruck einer höflichen Aufforderung, wie Ameis 
wollte, ist der Optativ mit κέ bei Homer wohl nicht nachzuweisen. 
Dagegen ist die chiastische Stellung der Verba am Schlufs des 
ersten und im Anfang des zweiten Satzes, welche eine eigentüm- 
liche leicht ins Gehör fallende rhythmische Bewegung zwischen 
beiden Gedanken bezeichnet, unserer Stelle entsprechend mehrfach 
zu beobachten, namentlich bei Aufforderungen oder Wunschsätzen, 
die einen parataktischen Nachsatz haben, wie E 228. Z 284. 285. 
6254. 255. Übrigens zeigt V. 95, der die Verwirklichung der in 94 
enthaltenen Annahme zur Voraussetzung hat, seinerseits wiederum 
eine chiastische Wortstellung zum vorhergehenden Satze. — 97. 
Vgl. K. Lehrs Quaest. Ep. p. 77 sq.: “hoc 1oco παραφέρειν aplissi- 
mum est: significat enim auferre ab illo dona, accedente etiam no- 
tione dolosi consilii’ cet. Wer dagegen τοῦ unmittelbar von πάρ᾽ 
abhängig machen will, der läfst den Vers in zwei gleiche Hälften 
zerfallen, indem er das zu β 80 erläuterte Gesetz verletzt. — 99. 
Über das Verhältnis der Partieipia dun®&vr« und Zmßavra zu ein- 
ander vgl. lassen Beobachtungen p. 127. 132. — 100—103 hat 
Köchly in Iliad, carm. XVI in Klammern gesetzt, unter Zustim- 
mung von Düntzer hom. Abh. p. 282, vgl. dagegen Benicken 
das dritte und vierte Lied p. 153. 

117. “ἕρμα ist eine alte erux interpretum, an der auch die 
Neuern sich abmühen. Buttmann Lex. Nr. 28, 3 erklärt: “Die 
schwarzen, grausamen Schmerzen setzen alle ihre Zuversicht auf 
einen so scharfen Pfeil’: eine Erklärung, worüber L. Döderlein 
Hom. Gloss. $ 2483 mit Recht das Urteil fällt: “Selten läfst sich 
der feinsinnige Mann eine so gezwungene Erklärung zu Schulden 
kommen’. Döderlein selbst hält ἕρμα “für eine leichtere Aus- 
sprache von ἔργμα Werkzeug’, was sich sprachlich nicht nach- 
weisen lüfst. Die meisten deuten mit gröfserer oder geringerer 
Bestimmtheit nach vermeintlichem Vorgange des Eustathius das 
Wort wie Fr. Spitzner “Ursache und Anfang der Schmerzen’ 
(intelligo dolorum causam et principium’). Die neuesten Inter- 
preten endlich wollen darin den Begriff “Halter oder Fessel” oder 
“das Fesselnde” finden mit dem Zusatze: ‘der Pfeil fesselt die 
Schmerzen bei der Verwundung, er schlägt sie gleichsam fest”, 
Aber die Vorstellung ist um kein Haar besser als die obige Butt- 
mannsche Ausdeutung, ja sie würde sogar nach homerischen Be- 
griffen viel eher das Gegenteil bezeichnen, weil “gefesselte” oder 
“festgeschlagene’ Schmerzen ihre Gewalt nicht ausüben könnten 
(ἔσχ᾽ ὀδύνας A848), so dals wir im Grunde auf das vermeint- 
lich Aristarchische ὀδυνῶν κώλυμα τὸ βέλος zurückkämen. Was 
ist nun das Gemeinsame in allen diesen Erklärungen? Nichts an- 
deres als das Streben, aus dem Worte durchaus einen aktiven 
Sinn herauszuquälen und mit Schillers Ausdruck im Tell „Komm 
du hervor, du Bringer bittrer Schmerzen’ irgend eine Ähnlich- 


4. Anmerkungen. 35 


keit aufzufinden. Aber Sprache und homerische Anschaulichkeit 
zusammen müssen dabei Schiffbruch leiden. Es ist daher ein an- 
derer Weg einzuschlagen. Die Ableitung des Wortes von der 
Wurzel eg, £g, ἐρ kann nicht zweifelhaft sein, da die analogen 
Bildungen im Homer uns vorliegen (G. Curtius Etym.? 8. 330 
Nr. 518, 4865), darunter der Plural ἕρματα von ‘Ohrgehängen” 
#182. 6 297. Der Begriff ‘Ohr? liegt natürlich nicht in dem 
Worte, sondern ist erst durch den Zusatz Aoßoisıw (#182) und 
durch die stehende Sitte im Gebrauch hinzugekommen. Hier nun 
haben wir den Singular in einer isolierten Verbindung, es mufs 
also auch eine isolierte Situation versinnlicht werden. Wenn 
jemand nach der Entfernung des Köcherdeckels einen Pfeil aus 
der dichtgedrängten Menge herausnahm (ἐκ δ᾽ ἕλετ᾽ ἰόν, was Θ 323 
φαρέτρης ἐξείλετο πικρὸν ὀιστόν heilst), so mulste er ihn mit dem 
Daumen und Zeigefinger angefalst haben, sodafs der herausgezogene 
Pfeil zunächst von diesen Fingern herabhieng. Was ist nun na- 
türlicher, als einen neuen noch ungebrauchten Pfeil in der Hand 
eines guten Schützen während dieser kurzen Situation “ein Gereihe 
(Gebinde) schwarzer Schmerzen’ zu nennen? Die Schmerzen 
sind in dem herabhängenden Pfeile an einander gereiht oder mit 
einander zu einem Ganzen verbunden zu denken. Wem aber 
der Ausdruck “Gereihe’ oder “Gebinde” nicht gefallen sollte, der 
möge dafür “Kette” sagen oder ‘Schnur’ oder ‘Gehänge”. Doch 
welchen Ausdruck man wählen möge, eins mufs als wirkliche “Fes- 
sel” der Erklärung festgehalten werden, nimlich die Beziehung der 
Endung -ua aufs passive Perfekt im Sinne eines τὸ ἐερμένον. 
Mithin darf man nur denken an die dem Pfeile noch passiv in- 
härierende Eigenschaft, die bei Homer auch anderwärts deutlich 
ausgeprägt ist: vgl. den Anhang zu ὃ 622, wo ἄχολος “zornlos” 
(ὃ 221, das in den Lexicis ganz wunderlich erklärt wird) und 
vieles andere hinzugefügt werden konnte’. Dies ist die Erklärung 
von Ameis. Dazu bemerkt Autenrieth: “Es ist merkwürdig, 
dafs der immerhin auffällige Ausdruck in einem Verse steht, der 
nicht nur leicht entbehrlich, sondern schon von Aristarch für un- 
echt erklärt worden ist; offenbar ist in dem Ausdruck eine Um- 
schreibung des πικρόν beabsichtigt, das als bitter aufgefafst ist’. 
G. Curtius griech. Etymol.* p. 350 hat unser ἕρμα mit ὁρμή zu- 
sammengestellt und in dem Sinne des spätern ἀφορμή erklärt. 
Über die Ansicht Aristarchs vgl. K. Lehrs de Arist.? p. 68 f. 
Aristarchs Athetese ist angenommen von Benicken das dritte und 
vierte Lied p. 59. — Vers 122. Themist. or. 22 p. 171°. — 123, 
Themist. or. 9 p. 121°. Gegen die Ursprünglichkeit dieses Verses 
erhebt Naber quaestt. Hom. p. 60 aus dem Grunde Zweifel, weil 
wie die Waffen überhaupt, so die Pfeile bei Homer nicht von 
Eisen, sondern überall von Erz sein. Folge dieser Interpolation 
scheint ihm auch, dafs 139 die ursprüngliche Lesart χαλκός, welche 
3* 


36 4. Anmerkungen. 


Zenodot vertrat, durch ὀιστός verdrängt sei. — 126 ist von 
Köchly in Iliad. carmm. XVI unter den Text gesetzt. 

130. Die allgemein angenommene Beziehung von ὡς auf τόσον 
liefse sich (richtiger, als durch πὶ 208) durch Stellen, wie ὃ 104. 
9402. X425 an sich rechtfertigen, wenn nur zwischen dem Gleichnis 
und dem quantitativen τόσον irgend eine engere Beziehung ersicht- 
lich wäre. Allein schon die Verbindung der Vergleichspartikel 
mit ὅτε oder ὁτὲ deutet vom vornherein auf eine viel losere Be- 
ziehung zum Vorhergehenden, als in den angeführten Beispielen 
zwischen dem Relativsatze und der hinweisenden Grad- oder Mafs- 
bestimmung besteht. Sollte das Gleichnis, wie Franke in der 
Faesischen Ausgabe will, nur für die Raumangabe dienen, so müfste 
doch in demselben irgend eine dahin zielende Andeutung gegeben 
sein, etwa der Art, dafs die Mutter die Fliege bis in die Nähe 
des Kindes herankommen lasse und dann erst fortscheuche: ohne 
eine solche Angabe, die doch keineswegs selbstverständlich ist, 
würde das Gleichnis seinen Zweck, zu veranschaulichen, nicht er- 
füllen. Ebensowenig befriedigt Düntzers Erklärung: “Die Mutter 
treibt die Fliege nur soweit als nötig mit einer kurzen Hand- 
bewegung weg, da sie beim Kinde sitzen bleibt.” Die Worte des 
Gleichnisses führen weder zu dieser, noch zu jener Auffassung. 
Dagegen nötigt die doch jedenfalls nicht abzuweisende, durch μέν 
angedeutete Beziehung von τόσον auf den in 132 folgenden Gegen- 
satz, in τόσον die Angabe des Malses oder des Grades für ἔεργεν 
zu sehen. Der Pfeil wurde nicht völlig von der Haut abgehalten, 
sondern die Thätigkeit der Göttin beschränkte sich darauf, dem- 
selben die Richtung auf eine tötliche Stelle zu nehmen und eine 
solche zu geben, dafs die schützenden Waffenstücke nur ein leichtes 
Streifen der Haut gestatteten. Dafs die Beziehung von τόσον μέν 
aber in diesem Sinne lediglich in dem folgenden Gegensatz zu 
suchen ist, zeigen die folgenden Stellen: Σ 378. X 322. W454. 
An diesen ist die Beziehung von τόσον μέν auf den folgenden 
Gegensatz aufser allem Zweifel, und zwar ist das dadurch an- 
gedeutete Gedankenverhältnis derart, dafs der zweite Gedanke den 
Punkt enthält, wodurch die absolute Geltung des ersten eingeschränkt 
wird. Auf diesen beschränkenden Punkt nun hinzuweisen ist die 
Aufgabe des τόσον μέν soweit zwar, daher an zweien der an- 
geführten Stellen überdies noch zur Verdeutlichung dieses Verhält- 
nisses ein ἄλλο (sonst) hinzugefügt ist. Ganz entsprechend ist 
die Aufgabe von τέως μέν, ἕως μέν bei nachfolgender adversativer 
Zeitbestimmung, worüber im Anhang zu β 148 (3. Auflage) Näheres 
bemerkt ist. Danach erhalten wir für unsere Stelle den Gedanken: 
sie aber hielt zwar soweit den Pfeil vom Leibe ab, doch richtete 
sie ihn ihrerseits dahin, wo.....So schlicht und einfach wie in 
den Parallelstellen ist der hier gefundene Gegensatz allerdings 
nicht; verständlicher wäre derselbe, wenn das zweite Glied etwa 


4. Anmerkungen. 87 


lautete wie 139 ἀκρότατον δ᾽ ἄρ᾽ ὀιστὸς ἐπέγραψε χρία φωτός: sie 
hielt zwar soweit den Pfeil vom Leibe ab, doch streifte er die 
Oberfläche desselben. Dieser einfache Gegensatz ist aber, wie es 
scheint, dadurch alteriert, dafs einmal der Vergleich sich dazwi- 
schen schob und sodann dem negativen ἕεργεν gegenüber die posi- 
tive Thätigkeit der Göttin hervorgehoben wurde, was auch die 
Voranstellung von αὐτή veranlafste. Vgl. übrigens jetzt auch die 
abweichende Auffassung von W. Jordan Homers Ilias übersetzt 
und erklärt p. 562. — 139. “leviterque e corpore summo degustat 
cuspis generosum extrema cruorem’ Sil. Ital. V 273 und daselbst 
Ruperti; Stat. Silv. 12, 79 84. — 140. Dieser Vers, sowie 149 
wurde wegen des abweichenden Gebrauchs von ὠτειλή von Aristarch 
verworfen, vgl. Aristonic. ed. Friedl. p. 94 und dazu Lehrs de 
Arist.? p. 58, auch Benicken das dritte und vierte Lied p. 59, 
Naber quaestt. Hom. p. 160. — 141 berücksichtigen Lucian. Imag. 
e. 8; Achill, Tat. 1 8. p. 8, 26 und daselbst Jacobs. Vgl. Stat. 
Achill. I, 307 sq. 

142. Zur sachlichen Erklärung vgl. K. Grashof Über das 
Fuhrwerk bei Homer und Hesiod 85, 39; 6. Wustmann im N. 
Rhein. Mus. XXIII 8. 237. Statt des durch alle Handschriften über- 
lieferten ἵππων, das auch Aristarchs Lesart war, hat I. Bekker 
ἵππῳ wegen 145 in den Text genommen: es ist dies die Lesart 
des Aristophanes. Vgl. A. Nauck Arist. Byz. p. 58 not. 58. Ganz 
so urteilt K. Grashof. Aber der Dativ wäre nur dann notwendig, 
wenn man egrıov als Adjektiv verstehen mülste und wenn man 
bei ἵππῳ an einen Reiter denken dürfte. Da beide Gedanken 
nicht statthaft sind, so ist mit ἵππων die allgemeine Angabe 
des Rossegespanns vorzuziehen. Nachdem aber inmav voraus- 
gegangen war, konnte ἵππῳ 145 nicht mehr mifsverständlich sein. 
Denn der Singular ist dort nur aus Symmetrie mit ἐλατῆρε gesagt, 
ἐλατῆρσι aber konnte nicht gebraucht werden, weil jedes Rosse- 
gespann beim Wettrennen nur einen Lenker hatte. Übrigens be- 
zweifelt Nauck die Ursprünglichkeit von 145. — 146. Über die 
Form μιάνϑην vgl. J. La Roche Hom. Untersuch. (Leipzig 1869) 
8. 2907, und 6. Curtius das Verbum d. griech. Spr. II p. 322, 
welcher mit Ahrens Konjug. auf μὲ p. 36 μίανϑεν zu schreiben 
empfiehlt, wogegen sich Nauck in den Melanges Gr&co-Romains 
IV p. 26 und v. Christ in Sitzungsber. d. philos. phil. u. histor. Kl. 
d. bayer. Acad. 1879 p. 200 aussprechen. 

155—182. Die an dieser Rede geübte Kritik ist erörtert in der 
Einleitung p. 15ff. Litteratur: Friedlaender im Philol. IV p. 578f., 
Nitzsch Sagenpoesie p. 146, R. Franke in ἃ, Jahrbb. f. Philol. 
Bd. ΤΊ p.225 £, Köchly de Iliadis carımm. dissert. IV p. 6£., Naber 
quaestt. Hom. p. 161, Fulda Untersuchungen p. 106 ἢ, Düntzer 
hom. Abh. p. 251, Benicken ἃ. dritte und vierte Lied p. 53 ff, 
62. 111. 130. 168, Bekker hom. Blätter I p. 212, Kiene Kom- 


38 4. Anmerkungen. 


position d. Ilias p. 83, Genz zur Ilias p. 20. — 157. Die Worte 
ὥς σ᾽ ἔβαλον Τρῶες haben manche als Ausruf verstanden, was 
schon bei Heyne aus Hesychius bemerkt und von Boissonade 
und andern adoptiert worden ist mit der Deutung “wie schmäh- 
lich!” Wenn dies aber möglich sein sollte, so müfste ein ὦ πόποι 
vorhergehen, wie # 38. x 364. σ 26. Andere erklären wie schon 
Bekkers Paraphrast ὃν τρόπον oder wie L. Döderlein und V. 
H. Koch mit K. Lehrs de Arist.? p. 159: ‘0 373 ὡς est ὅτι οὕτως 
ut 4157’, was doch zwei verschiedenartige Stellen sein dürften. 
Hier wird ein ὡς wegen des unmittelbar vorhergehenden Verses 
immer etwas Erzwungenes und nicht recht Natürliches haben. Ameis 
erklärte: “Das natürlichste und einfachste scheint ὥς (ὧς) zu sein 
nach folgender Auffassung. Homer hat bekanntlich noch keine 
eigentlichen Folgesätze mit ὥστε gebildet, sondern er ersetzt die- 
selben durch einfach parataktische Rede unter anderm dadurch, 
dals er den Gedanken des Folgesatzes direkt voranschickt, 
die Begründung aber oder die Veranlassung, wodurch jener Ge- 
danke herbeigeführt wird, mit ὡς nachfolgen läfst. Daher ist der 
Sinn unsrer Stelle: οὕτως σ᾽ ἔβαλον Τρῶες, ὥστε ϑάνατόν νύ τοι 
ὅρκια τάμνειν. Und von dieser Art ist der Zusammenhang in Ζ 109. 
N 133. #60. 0 698. 2422. ε 480. ı 34. v 88. τ 285. Indes ist 
es eine begründete Bemerkung, die K. Lehrs mit den Worten 
giebt: “Hoc nunguam fieri poterit ut ommibus locis affirmari possit 
sine ὡς an ὥς scribendum. Dals aber I. Bekker für ὡς eine 
gewisse Vorliebe habe, wurde schon im Anhang zu ὃ 93 bemerkt’. 
— 159. Dieser Vers ist von Köchly de Iliad. carmm. dissertat. 
IVp.5, Benicken das dritte und vierte Lied p. 40. 53. 91. 168, 
Naber quaestt. Hom.p. 161 nach der Andeutung von Lachmann 
Betracht. p. 19 verworfen. Vgl. dagegen die Einleitung p. 7 f. und 
dazu Gro[s Vindic. Hom. Ip. 53, Baeumlein in Zeitschr. f. Alter- 
tumswiss. 1848 p. 335, Hoffmann im Philol. III p. 208, Düntzer 
hom. Abhandl. p. 46 und 273. — Zum Gedanken von 160 bis 162 
beachte man, dafs auf diese späte Bestrafung der Gottlosen sich im 
wesentlichen die Theodicee des Altertums reduziert: vgl. Hesiod. 
Op. 325 bis 332. Ps. 37, 38 und 73, 17, wo auf ΓΙ der Ton ruht. 
— 161. ἐκ δέ statt des handschriftlichen ἔκ re ist nach Bekker’s 
Vermutung geschrieben. — Abstrakta bei σύν, wie hier σὺν με- 
γάλῳ, finden sich bei Homer nur sehr sparsam: Mommsen Ent- 
wicklung einiger Gesetze für den Gebrauch der griech, Präposi- 
tionen, p. 39 führt noch an ὦ 193 und B 787. & 151. λ 349. — 
163—165. Über die an diese Verse sich knüpfenden kritischen 
Fragen vgl. die Einleitung p. 15f. Über das Emphatische, das in 
der Stellung von ἔσσεται liegt, vgl. A. Th. H. Fritzsche zu Theo- 
erit. XVI 73. — 175. ἀτελευτήτῳ ἐπὶ ἔργῳ gebraucht Plutarch. 
Ages. XV 4. — 176. Zu der Überlieferung ὧδ᾽ ἐρέει hat I. Bekker 
hinzugefügt: “ὥς ἐερέει Hoffmannus”. Aber vor diesem hat es 


4. Anmerkungen. 39 


schon K. Grashof in der Allg. Schulztg. II 1831 8. 515 vor- 
geschlagen. — 182. τότε μοι χάνοι εὐρεῖα χϑών ist eine von den 
Späteren öfters gebrauchte oder nachgeahmte Stelle: vgl. Xenoph. 
Anab. VII 1, 30. Julian. or. VI p. 198°. Lueian. dial. meretr. IX 3; 
eonviv. 8. Lapith. c. 28; piscat. c. 38. Heliodor. I 26. Ovid. Fast. III 
609. Petron. 81, 3. 

184. μηδέ τί πω, und nicht πῶς, war die von Didymos berich- 
tete Lesart des Aristarch, wie La Roche in der kritischen Ausgabe 
„zur Stelle einen Irrtum Bekkers berichtigend bemerkt. — 190 scheint 
Nikanor, der ἀσύνδετος γὰρ ὁ λόγος anmerkt, ἕλκος δ᾽ ἐητήρ oder, wie 
Friedlaender zu der Stelle und p. 49 vermutet, ἕλκος γ᾽ ἰητήρ ge- 
lesen zu haben. — 191. An Stelle von παύσῃσι empfiehlt van Her- 
werden in der Revue de philol. N. 8. ILp. 195 ff. zu schreiben: παύσῃ 
σε, was der Vindob. 39 bietet. — 193. ὅττι τάχιστα steht hier im 
zweiten Versfulse wie noch #71; sonst bildet es überall den Vers- 
schlufs: ε 112. ὃ. 434. m 152. 1659. O 146. X 292. #403. 414. 
Vgl. auch den Anhang zu 269. — 196. ᾽ἀτρέος υἱόν ist hier und 205 
für einen Zusammenhang, wo von der Bruderliebe die Rede ist, 
besser geeignet als die allgemeine Bezeichnung ἀρχὸν ᾿Αχαιῶν. 
Übrigens sind die von Aristarch vgl. Aristonic. ed. Friedl. p. 96 
verworfenen Verse 195 bis 197 auch hier in der Ordnung, weil 
der Herold den Dienst eines Boten verrichtet, die Aufträge an 
Boten aber nach homerischer Sitte ausdrücklich mit Angabe des 
Zweckes bezeichnet werden, So urteilt auch Benicken das dritte 
und vierte Lied p. 66, dagegen billigt Aristarchs Athetese Köchly 
de Il. carmm diss. IV p. 17, hat aber in ZZ. carmm. XVI nur 196 
und 197 ausgeschieden und ebenso urteilt Lentz de versibus apud 
Homerum perperam iteratis, Bartenstein 1881 p. 18. — 205 ist 
ἔδῃ die Aristarchische Lesart, wofür andere das von I. Bekker 
zurückgeführte ἔδῃς haben. Das giebt allerdings eine äufserliche 
Analogie mit den übrigen Stellen; aber einem Herolde darf man 
das Medium zutrauen. Vgl. zu β 38. 

212. κυκλόσ᾽ ist die gewöhnliche Lesart, wofür Aristarchos 
κύκλος bietet, das sich auch in Ὁ (Laurent. 15) prim. man. findet. 
Dies tadelt Herodian: od γὰρ δύναται ἐντελὴς εἶναι ἡ σύνταξις. 
τοῦ ᾿Δριστάρχου, ἀγηγέρατο κύκλος" λείπει γάρ τι. διὸ 6 ᾿Αρίσταρχος 
ἔξωϑεν προστίϑησι τὸ γενόμενο. Aber Aristarch hat hiermit 
offenbar nur die Apposition des κύκλος zu ὅσσοι ἄριστοι im kür- 
zesten Ausdruck erklären wollen. Vgl. auch J. La Roche Hom. 
Stud. 8. 49, 8. 5. 91*. Ameis gab dieser Lesart den Vorzug: 1) 
weil περέ vorhergeht, wozu ein κυκλόσε, mit Nachdruck in den 
Versanfang gestellt, einen ungewöhnlichen Überschufs des Aus- 
drucks giebt. Der Begriff wäre nur dann am Platze, wenn man 
annehmen dürfte, dafs die Helden gleich in der Absicht sich 
versammelt hätten, um den Menelaos im Kreise einzuschlielsen: 
dies ist aber erst eine Folge der Situation, nachdem sie dorthin 


40 4. Anmerkungen. 


gekommen waren. Hierzu kommt 2) der Umstand, dafs nur bei 
der Lesart κύκλος der Gegensatz des Menelaos mit 6 δέ scharf 
und deutlich hervortritt, während mit κυκλόσε die Begriffe ὅσσοι 
ἄριστοι und ἰσόϑεος φώς einander als Gegensatz schwächen und 
paralysieren. Denn der Gegensatz liefe dann im wesentlichen auf 
den Gedanken hinaus: “alle Tapfern, er aber der Tapfere’: zu 6 
δέ mit dem appositiven ἰσόϑεος φώς ist nur ein einfacher Begriff 
wie κύκλος der entsprechende Gegensatz’. Danach erklärte A meis 
das Ganze: “Als sie dahin kamen, wo sich Menelaos als. Verwun- 
deter befand, waren um dessen Person schon alle Tapfern ver- 
sammelt, ein ganzer Kreis, er aber der gottgleiche Mann 
stand aufrecht in ihrer Mitte’, was offenbar den Mut und die 
Ausdauer des Menelaos hervorhebt.” Dagegen ist zu bemerken: 
Wenn Nicanor die Worte περί bis κυκλόσ᾽ als Parenthese falste 
und mit ὁ δέ den Nachsatz beginnen liefs, so konnte er unter 
diesem ὁ δέ folgerecht nur den Machaon verstehen. Diese Auf- 
fassung scheint mir aber aus folgenden Gründen vor der Ameis- 
schen Anordnung des Satzes entschieden den Vorzug zu verdienen: 
1) das Versammeltsein der Helden um Menelaos ist an sich kein 
für den Zusammenhang so wichtiges Moment, dafs es die Haupt- 
stelle im Satze beanspruchen könnte, Allerdings würde es we- 
sentlich sein, wenn die von Ameis daran geschlossenen Worte: er 
aber, der gottgleiche Mann stand aufrecht in ihrer Mitte, den Zweck 
hätten den Mut und die Ausdauer des Menelaos hervorzuheben —; 
allein davon finde ich in den Worten nichts enthalten, da weder 
ein “aufrecht” in παρίστατο zu finden ist, noch die formelhafte 
Apposition ἰσόϑεος φώς speziell Mut und Ausdauer hervorheben 
kann. 2) Entscheidend aber ist, dafs παρίστατο nach gewöhnlichem 
Gebrauch doch nur heifst: stellte sich zur Seite, trat zu, aber 
nicht: stand da; 3) Gesetzt auch, das Imperfekt hätte die gewollte 
Bedeutung: er stand da, so würde nach βλήμενος ἦν᾽ περὶ δ᾽ 
auröv. „dieser Zusatz eine überflüssige Wiederholung des schon Ge- 
sagten sein, während bei unserer Auffassung durch das an be- 
tonter Stelle stehende κύκλος wohl vorbereitet ὁ δ᾽ ἐν μέσσοισι 
ein neues, für den Zusammenhang bedeutsames Moment anschliefst. 
Zur Periodenbildung vgl. ı 543 fl. und T4—6, über βιλήμενος 211 
Classen Beobacht. p. 12. — 214. Die von Ameis gegebene Er- 
klärung von πάλιν ἄγεν ist lebhaft bestritten von W. Jordan Ho- 
mers Ilias übersetzt und erklärt p. 563: da nämlich 151 gesagt 
sei, dafs Menelaos gesehen habe, dafs die Widerhaken draufsen 
geblieben seien, so können sie nicht an dem Widerstande des Gür- 
tels und Panzers abgebrochen sein, die sie nach dieser Erklärung 
durchärungen haben müfsten, Er selbst erklärt: “Die ὄγκοι, Barben, 
sind biegsame Widerhaken, die sich beim Eindringen an den Me- 
tallschaft des Bolzens anlegen, um innert der Bekleidung und Haut 
in der Wunde wieder auseinander zu federn. Hier aber hat sie 


4. Anmerkungen. 41 


das enge und unnachgiebige Loch, das die Bolzenspitze in den 
metallbeschlagenen Gurt gebohrt, eben niobt durchgelassen, wuhl 
aber dicht angedrückt. Herausgezogen schnellen sie natürlich aus 
der geklemmten Lage in die freie zurück”. Danach versteht er 
πάλιν ἄγεν “sprangen (federten) wieder zurück”. Diese Erklärung 
scheitert an dem sprachlichen Ausdruck ἄγεν. Dagegen ist die 
von Ameis u. a. von ἐκτός 151 gegebene Erklärung: aufser- 
halb der Wunde mit Grund bestritten und richtig verstanden: 
aulserhalb des Gurts und Panzers: dazu nötigt wohl ent- 
schieden, dafs das ἐκτός nicht blofs von den Widerhaken, sondern 
auch von der die Pfeilspitze an das Rohr befestigenden Schnur 
gesagt ist. Danach müssen wir mit K. Frey Homer. Bern 1881 
Ρ. 25 und von Christ in d. Sitzungsberichten der philos. -philol. 
Kl. d. k. bayer. Akad. d. Wiss. 1881 Bd. II p. 128 einen Wider- 
spruch zwischen 214 und 151 konstatieren. 

220—222. Die an diese Übergangsverse sich knüpfenden kri- 
tischen Fragen sind erörtert in der Einleitung p. 17 #., Litteratur: 
Düntzer hom. Abhandl. p. 251. 273, Genz zur Ilias p. 20, Naber 
quaestt. Hom. p. 161, Kammer zur homer. Frage I p. 18, Hoff- 
mann Quaestt. Hom.II p. 168.171, Benicken das dritte und vierte 
Lied p. 112 δ. 133. 170. — 223 ff. Über die kritische Behand- 
lung der Epipolesis vgl. die Einleitung p. 19 #., Literatur: Hoff- 
mann in Philol. III p. 208 und Quaestt. Hom. II p. 206, Düntzer 
homer. Abhandl. p. 53. 273 δ΄, Jacob Entstehung ἃ. Il. und Od, 
p- 200, Genz zur Ilias p. 20, Naber quaestt. Hom. p. 160 ἢ, 
Köchly de Il. carmm. diss. IV p. 9 vgl. Benicken das dritte u. 
vierte Lied p. 75f. und Ribbeck in den Jahrbb. f. klass. Philol. 
Bd. 85 p.16, Bergk griech. Litt. Ip. 572, Kayser homer. Abhandl. 
Ρ. 99, Bischoff im Philol. XXXIV p. 9, Benicken das dritte und 
vierte Lied p. 131—134, Kammer zur homer. Frage I p. 18f., 
auch W. Jordan Homers Ilias übersetzt und erklärt p. 564f. — 
Über 226—250 im besonderen vgl. Düntzer hom. Abhandl. p. 252, 
Kammer zur hom, Fr. Ip. 26 und dagegen Benicken das dritte 
und vierte Lied p. 113. 145. 170f. — über 251—272 Düntzer 
hom. Abh. p. 252f. und Benicken ἃ, dritte u. vierte Lied p. 114, 
— über 269—271 Köchly de Iliad. carmm. diss. IV p. 12, Kam- 
mer z. hom. Frage I p. 26f,, Düntzer hom. Abh. p. 284, Benicken 
d. dritte u. vierte Lied p. 86f. 146. 155, — über 327— 364 
Düntzer hom. Abh. p. 253 und dagegen Benicken d. dritte u. 
vierte Lied p. 115f. —, zu 374—399 Köchly Il. carınm. XVI 
p. 98, Benicken d. dritte u. vierte Lied p. 74. 175, La Roche 
in Zeitschr. f. ἃ, österr. Gymn. 1863 p. 168, Düntzer hom.-Abh. 
p- 253, W. Jordan Homers Ilias übersetzt und erklärt p. 564. — 
223. ἔνϑ᾽ οὐκ ἂν βρίξοντα ἴδοις gebraucht Plutarch reip. ger. 
praecept. ce. 19 p. 8154. — 228. Friedlaender in Jahns Jahrbb. 
1855 p. 821 sieht in dem Verse einen späteren Zusatz. Vgl. da- 


42 4. Anmerkungen. 


gegen Lehrs de Arist.? p. 465 und dazu Benicken ἃ, dritte und 
vierte Lied p. 171. — 235. ψευδέσσι ist die Aristarchische Lesart, 
die auch in allen Handschriften steht. Andere dagegen lesen ψεύ- 
δεσσι, indem sie einwenden: “eudrjg kennt Homer nicht’, als wenn 
ein &ma& εἰρημένον entscheidend sein könnte. Und es ist selbst 
dieses nur halbwahr. Genauer sagt Herodian: ὁ μέντοι Ἕρμαπ- 
πίας προσηγορικὸν ἀναγινώσκει ψεύδεσιν ὡς τείχεσιν, ἐπεὶ οὐδέποτε, 
φησίν, οἶδεν ὁ ποιητὴς ἁπλοῦν τὸ ψευδής, ἐν δὲ συνθέτῳ φιλοψευ- 
δής (Π. 12, 164), ἀψευδής (1. 18,46). Aber wenn eine Bildung 
in einem Kompositum vorliegt, so hat dieselbe auch als Simplex 
nicht die geringste Schwierigkeit. Andere wenden ein, dafs über- 
haupt niemand ψευδής substantivisch anstatt ψεύστης gesagt 
habe. Aber dieser Anstofs schwindet, wenn man die zahlreichen 
Analogieen beachtet, die im Anhang zu o 373 angeführt sind. Für 
ψευδέσσι spricht Folgendes: 1) das Pathos unserer Stelle wird durch 
den abstrakten Begriff nicht gehoben, wie es anderwärts bei dem 
Gebrauche solcher Abstrakta der Fall ist. 2) Das Wort ἀρωγός 
und die ähnlichen Begriffe sind bei Homer stets mit persön- 
lichen Dativen verbunden: Θ 205. Σ 502. Φ 371. 428. σ 232; 
ebenso ἑταῖρος 4 266. E 695. P 577. Σ 251. #556. P 286. 8407; 
ἐπίρροϑος 4 390. ΨΎΤΤΟ; ἐπιτάρροϑος E 808. 828. 4 866. 7 468. 
Φ 289. ὦ 182; ἀρηγών 4 1. ET11, wie auch das Particip ἀρήγων 
E 507. 4 242. #391. II 701. Nirgends erscheint der Dativ eines 
abstrakten Begriffs. — 237. χρώς ist nach Bedeutung und Ursprung 
eingehend erörtert von Ahrens Beiträge zur griech. u. lat. Ety- 
mologie I p. 95 ἢ. — Über die von Köchly de Il. carmım. diss. 
IVp. 11f. an 235—237 geübte Kritik vgl. Benicken d. dritte u. 
vierte Lied p. 84. — 242. ἐλεγχέες ist die Lesart Aristarchs. 
Als ursprüngliche Lesart vermutet Nauck in den Melanges Greco- 
Rom. IV p. 595 ἐλέγχεα wie B 235. δ) 260. Auch La Roche 
hom. Textkritik p. 250 giebt dieser den Vorzug. — 243. ἕστητε 
ist die gewöhnliche Lesart, worüber Krüger Di. $ 36, 3, 3 bemerkt: 
“Mit Unrecht zum Perfekt rechnet man ἕστητε A 243. 246, was 
als Aorist ἔστητε zu schreiben ist’. So nach der Angabe des Hero- 
dian schon Ptolemaeos von Askalon, dem mehrere nachgefolgt 
sind (dieses ἔστητε auch in CDGLN), während Aristarch (nach 
Aristonikos) urteilt ὅτε μετείληπται τὸ ἃ εἰς τὸ ἢ ἀντὶ τοῦ ἕστατε. 
Und dies mit Recht. Denn das Perfekt wird durch den ganzen 
Zusammenhang gefordert. Über die Form vgl. I. Bekker Hom. 
Blätter S. 95, 11 und 134, 22. Anders ist der Zusammenhang 
in Stellen wie 2360 στῆ δὲ ταφών. --- 244—246 hat Köchly 
aus dem Text seines Liedes ausgeschieden. — 257. Zur Gedanken- 
entwicklung und Interpunktion in der folgenden Ansprache vgl. 
Classen Beobachtungen p. 10. Derselbe empfahl p. 31 nach A81f. 
und 4160 ἢ hier 262 σόν re statt σὸν δὲς Aufserdem hat 
Bentley statt der Überlieferung σόν: σοί vermutet. — 263. Den hier 


4. Anmerkungen. 43 


notwendigen Konjunktiv ἀνώγῃ, statt des gewöhnlichen ἀνώγοι, 
hat zuerst I. Bekker wieder eingeführt. Mit Recht. Denn der 
Optativ würde die Wiederholung für die Vergangenheit bezeichnen. 
— 266. Über ἐρίηρος vgl. Ahrens Beiträge zur griech. und lat. 
Etymologie I p. 93, welcher das Wort in seinem zweiten Bestand- 
teil auf ἤρ in ἦρα φέρειν zurückführt. — 269. ὄρφα τάχιστα im 
Versanfange nur hier; im zweiten Fulse © 9. Ψ 197. γ 175; 
sonst stets im Versschlusse: @ 85. y 421. ὃ 473. 737. ξ 32. 289. 
0293. 4465. E 690. 7621. N 326. 2344. Vgl. auch den An- 
hang zu 193. 

277. Die Aristarchische Lesart ἐόντι ist allgemein aufgenom- 
men: mit Recht. Denn Zenodots ἰόντι würde uns den Hirten 
in der Bewegung zeigen, wie er seine Herde weidend zu ihrer 
Beaufsichtigung hin und hergienge, dies aber störte die plastische 
Ruhe des Bildes und wäre aulserdem mit dem folgenden ἰόν nicht 
gut zusammengebracht, insofern die Partieipien eine verschiedene 
Bedeutung hätten. — Die Partikel ἠύτε will man hier vielfach im 
Sinne von ἤ quam nach dem Komparativ auffassen: so auch I. Bek- 
ker Hom. Blätter 8.313. — 280. Über die Einkleidung des Ver- 
gleiches bemerkt treffend L. Gerlach im Philol. XXXIII p. 19: 
„Hier wie in dem vorigen Beispiele (Θ 559) war ursprünglich ein 
Naturbild beabsichtigt; unter den Händen des Dichters aber, dem 
das Plastische noch höher steht, als das eigentlich Malerische, wird 
daraus ein Bild aus dem Menschenleben und es kümmert ihn wenig, 
ob die eigentliche Absicht des Vergleichens dadurch gefördert wird 
oder nicht. Denn weder das γέγηϑε der vorigen, noch das ῥίγησεν 
der letzten Stelle palst in die wirkliche Vergleichung hinein; in 
beiden Füllen würde das Gegenteil weit angemessener sein, da die 
Griechen über den Anblick der zahllosen trojanischen Wachtfeuer 
Schrecken empfinden und Agamemnon tber den Anblick der Scharen 
des Aias sich freuet“. — 286. An Stelle der handschriftlichen Über- 
lieferung οὐ γὰρ ἔοικ᾽ ὀτρυνέμεν, οὔ τι κελεύω vermutet Nauck: 
οὔ τι ἔοικ᾽ ὀτρυνέμεν οὐδὲ κελεύω. Halten wir uns an die Über- 
lieferung, so sondert die im Anschluls an Nicanor übliche Inter- 
punktion die Worte οὐ γὰρ ἔοικ᾽ ὀτρυνέμεν entweder durch Ge- 
dankenstriche oder durch Kommata aus dem Zusammenhange aus. 
Ich glaube, ohne Grund. Diese Anordnung beruht offenbar auf 
der Vorstellung, dafs die mit γάρ gegebene Begründung nach dem 
Beginn der Rede mit σφῶι μέν dem Redenden sich gleichsam plötz- 
lich aufdränge und so den Hauptgedanken unterbreche. Dies trifft 
allerdings in vielen Fällen zu, ist aber hier unwahrscheinlich, weil 
die Voranstellung des Acc. σφῶι, der zugleich von ὀτρυνέμεν wie 
von κελεύω abhängen kann, die enge Zusammenfassung beider Glieder 
gestattet. Ein ähnlicher Fall liegt vor 2223. νῦν δ᾽ αὐτὸς γὰρ 
ἄκουσα ϑεοῦ καὶ ἐσέδρακον ἄντην, εἶμι, wo der durch νῦν δέ ein- 
geleitete Gegensatz zunächst auf dem Inhalt des ydg-Satzes beruht 


44 4. Anmerkungen. 


und man daher nicht gut thut mit Capelle im Philol. XXXVI 
p. 704 den yag-Satz parenthetisch auszusondern, namentlich wenn 
man B 82 vergleicht. Dieses Beispiel, sowie das ähnliche M 326 ff. 
zeigen den gleichen asyndetischen Anschlufs des Hauptsatzes, wie 
die vorliegende Stelle, wo zugleich die anaphorische Stellung der 
Negation in dem parataktisch vorbereitenden ydg-Satze und im 
Hauptsatze für unsere Auffassung zu sprechen scheint. — 295 f. 
Die Ursprünglichkeit dieser beiden Verse wird von W. Jordan 
Homers Ilias übersetzt und erklärt, p. 564 bezweifelt. — 297 ff. 
Zu den bei Heyne citierten noch Sext. Empir. adv. math. III, 6, 26 
p. 19 und 20 Bkk. — 302. Zur Erklärung der folgenden Verse 
vgl. auch Grashof das Fuhrwerk bei Homer p. 24. — 320, an- 
geführt bei Dionys. Hal. de vi Demosth. c. 54. p. 1122, wurde von 
Aristarch verworfen, vgl. Aristonie. ed. Friedlaender p. 98: ὅτι εἰ 
ἀμφότερα αἱρετὰ ἔχρινεν ὃ Νέστωρ, καὶ τὸ γῆρας καὶ τὴν νεότητα, 
εὐλόγως ἂν ἔλεγεν ἅμα πάντα. μετενήνεκται δὲ ἐξ ἄλλου τόπου, 
ὕπου φησίν ἀλλ᾽ οὔπως ἅμα πάντα ϑεοὶ δόσαν ἀνθρώποισιν 
(vielmehr: δυνήσεαι αὐτὸς ἐλέσϑαι) ἄλλῳ μὲν γὰρ ἔδωκε ϑεὸς 
πολεμήια ἔργα ἄλλῳ δ᾽ ἐν στήϑεσσιν (N 729). Von den 
Neueren hat auch Franke in den Jahrbb. f. Philol. 1858 p. 226 £. 
und bei Faesi anerkannt, “dafs der Vers hier weniger klar sei, 
wo es sich nicht um zwei Vorzüge, wie sie sich gewöhnlich nicht 
vereint in der Person eines Menschen, sondern verteilt auf Ver- 
schiedene finden, handelt, sondern um den Gegensatz von Jugend 
und Alter’, in Bezug auf Aristarchs Athetese aber mit Recht 
bemerkt, dafs mit 320 auch 321 ausgeschieden werden müsse. 
Köchly de Il. carmm. diss. IV p. 17 und Benicken das dritte 
und vierte Lied p. 66 erkennen Aristarchs Bedenken überhaupt 
nicht an. — 323. Über die Verbindung βουλῇ καὶ μύϑοισι vgl. 
Mayer Studien zu Homer, Sophokles etc. p. 11. — 333—335 hat 
Köchly aus dem Texte seines Liedes ausgeschieden. 

338. Über die Dehnung des Vokals e im Vokativ und über 
das Vorkommen desselben im Hiatus vgl. Oskar Meyer Quaest. 
Hom. p. 130 und ΨΥ, Hartel homer. Studien I p. 44. 

343 Ὁ, Unsere Stelle hat bei alten und neuern Erklärern grolsen 
Anstols erregt. Zunächst ist es auffallend gewesen, dafs Menestheus 
hier als Teilnehmer an diesen Gastmählern genannt wird, da er 
doch nicht zur βουλὴ γερόντων gehört. Aristarch erklärt (nach 
Aristonikos ed. Friedl. p. 99) ὅτι συλληπτικῶς τὸ τῷ Ὀδυσσεῖ 
συμβεβηκὸς καὶ ἐπὶ τοῦ Μενεσϑέως κεκοινοποίηκεν᾽ οὐ γὰρ ὃ Meve- 
σϑεύς ἐστι τῶν ἑπτὰ γερόντων (cf. B 55: der zürnende Achilleus und 
Agamemnon der Wirt sind nicht mitgerechnet), [ἀλλ᾽ Ὀδυσσεύς, 
“ιομήδης,] οὐδὲ σὺν τῷ ᾿Αγαμέμνονι εὐωχεῖται. Man kann zur He- 
bung dieser Schwierigkeit anführen: 1) Agamemnons Rede ist haupt- 
sächlich an Odysseus als an den weit bedeutenderen Helden gerichtet, 
und auch nur diesen bittet später (359 ff.) Agamemnon um Ver- 


4. Anmerkungen. 45 


zeihung: rüicksichtlich des Menestheus hält er es nicht für nötig. 
2) Bei besonderen Fällen geschah es, dafs der König oder Ober- 
anführer aufser den Mitgliedern der βουλή auch andere einlud, 
die sich gerade durch hervorragende Thaten Gunst und Ruhm er- 
worben hatten. Dies läfst sich aus X 217 schliefsen. — Grölsere 
Schwierigkeiten macht die Erklärung der Konstruktion δαιτὸς ἀκουάξε- 
σϑον ἐμεῖο. Lälst man mit Aristarch beide Genetive unmittelbar 
vom Verbum abhängen, und erklärt, wie Franke: ihr vernehmt 
von mir von der Mahlzeit, d. h. ihr erhaltet die Einladung zur 
Mahlzeit von mir, so kommt die intensive Bedeutung von ἀκούαξε- 
σϑαι aufmerksam hören auf, lauschen auf, nieht zu ihrem Recht. 
Fafst man andrerseits mit Bekker hom. Blätt. I p. 293 die Gene- 
tive nach dem Schema des Ganzen und des Teils und erklärt: 
ihr hört auf mich auf das Mahl d. i. ihr folgt meiner Einladung 
zum Mahl, so ist dagegen mit Recht bemerkt, dafs bei diesem 
Schema die umgekehrte Stellung (ἐμεῖο δαιτός) Regel sei. Wollte 
man endlich mit Düntzer ἐμεῖο mit δαιτός in possessivem Sinne 
fassen, so steht abgesehen von dem Befremdenden des Gedankens 
auch die ausdrückliche Erklärung des Apollonius Dyskol. Synt. 
p- 160, 24 im Wege, der bestreitet, dafs die orthotonierten For- 
men des Pronomens in possessivem Sinne gebraucht werden. In 
Erwägung aller dieser Schwierigkeiten vermutete Nauck im Her- 
mes XII p. 393 f,, dafs die Worte fehlerhaft seien und schlug vor 
statt καὶ δαιτός zu lesen καλέοντος, Diese Vermutung ist von 
Kammer in Bursians Jahresber. 1877 p. 96 lebhaft bestritten, 
von Nauck aber wieder ausführlich gerechtfertigt in den Melanges 
Gr&co-Romains IV p. 444 ff. Ein anderer Vorschlag von L. Schmidt 
im Philol. Anzeiger Bd. X p. 321 lautet: καὶ dair’ ἐς. 

351. L. Döderlein (Öffentl. Reden p. 354 sowie in der Aus- 
gabe) hat nach dem Vorgange des Eustathius und mit Beistim- 
mung anderer die Worte önmor’ ᾿4χαιοὶ Τρωσὶν ἐφ᾽ ἱπποδάμοισιν 
ἐγείρομεν ὀξὺν "Agnu zur vorhergehenden Frage gezogen, daher das 
Fragezeichen nach "Agy« gesetzt und nach μεϑιέμεν blofs Komma, 
mit folgender Erklärung: 'quoniam tu iure nos, quando pugnam 
instauramus ordinando et exhortando militem, ignaviae in- 
cusas, quasi praeparatio proelii, wiei instructio, cohor- 
tatio militis non sit et ipsa pars bellicae industriae?’ 
Aber diese Auffassung palst nicht zur vorliegenden Situation. Denn 
das ‘Ordnen’ und “Ermahnen’ war bei der Ankunft Agamemnons 
vorüber: die Mannen des Menestheus und Odysseus befanden sich 
im Zustande eines passiven Abwartens (328. 333 bis 335), 
und hiergegen ist der Tadel Agamemnons gerichtet. Sodann kann 
ἐγείρειν ὀξὺν "άρηα hier nicht von der blofsen Vorbereitung zu 
erneuertem Kampfe verstanden werden, weil Odysseus 354 den 
Ausdruck προμάχοισι μιγέντα gebraucht, dies aber das Verweilen 
in einem wirklichen Kampfe voraussetzt. Endlich würde ὄψεαι xzE. 


46 4. Anmerkungen. 


353 ohne den vorausgehenden Vordersatz zu abgebrochen und 
unmotiviert erscheinen, auch mit der Parallelstelle I 359 nicht 
zusammenstimmen. Von der gewöhnlichen Interpunktion bemerkt 
Nikanor p. 179 Friedl.: ὃ καὶ βέλτιον, ἵνα λέγῃ τότε φανήσεσϑαι 
ἀνδρεῖος, ὁπόταν πόλεμος ἧ. Was die Wortstellung des ὁππότε 
anbetrifft, so wird diese Konjunktion zur Einführung eines neuen 
Vordersatzes allerdings gewöhnlich im Versanfang gefunden: 4 40. 
P 98. x 293. A 127. = 282. 4216. 9274. 345; aber doch nicht 
ohne Ausnahme, wie & 217 beweist und die Analogie der ähn- 
lichen Partikeln. Zum Gedanken ist N 270 f. zu vergleichen. — 
357. Nauck bemerkt: spurius? — 362 f. Über den Zusammen- 
hang dieser Stelle vgl. K. W. Piderit in den N. Jahrb. für 
Philol. 1854 Bd. 70 8. 77, und andrerseits die künstliche An- 
ordnung und gesuchte Erklärung von Olassen Beobacht, p. 
35 £. Übrigens vermutet Nauck ἀκεσσόμεϑ᾽ statt ἀρεσσόμεϑ᾽. --- 
372. Heyne bemerkt zur Form πτωσκαξέμεν: “Vulgata lectio erat 
πτωκαξέμεν quasi a πτώξ lepus’. Vgl. Lobek Rhem. p. 217. Aber 
der Hase ist bei Homer kein Sinnbild der Furcht und Feigheit: 
vgl. den Kommentar zu 4225. Das Urteil I. Bekkers nrone- 
ξέμεν, rectius’ dürfte daher Bedenken unterliegen. Bei der Form 
πτωσκάξω dagegen liegt in 0x der iterative und in ἄξω der inten- 
sive Begrifl. Über das Verhältnis dieses Verbums zu πτωχός 
handelt G. Curtius Etym. 38. 654,18. 692; vgl. auch διδάσκω 
und διδαχή. 

374. Die gewöhnliche Lesart ist ὡς φάσαν. Aber nirgends 
bei Homer wird eine Form von φημί mit ὡς verbunden, sondern 
es findet sich in solcher Verbindung nur ὡς (ὥς), teils als Über- 
gangsformel teils als Rekapitulation teils zur Angabe eines Urhebers 
oder Gewährsmanns. Vgl. die Stellen im Anhang zu v 54. Bekkers 
Paraphrast hat ausdrücklich οὕτως εἶπον οἴτινες αὐτὸν ἐθεάσαντο 
und ὥς bietet Eustathios und Venetus M (No. 456). — Statt des 
überlieferten οἷ μὲν idovro hat Bekker mit Bentley wegen des 
Digamma οἵ ὃ iovro gegeben, wie auch Nauck und K. Grashof 
zur Kritik des Hom. Textes 8. 6. 13 vermuten. Vgl. Anhang zu 
ὃ 484. 

884. La Roche in 4er kritischen Ausgabe führt als hand- 
schriftliche Lesart ἐπὶ, nicht ἔπι auf und zeigt Hom. Textkritik p.176, 
dafs hier wie an andern Stellen Aristarch das Maseul. ἀγγελίης = 
ἄγγελος annahın. Vgl. auch Hagena im Philol. VIILp.387. Übrigens 
schreibt Nauck Τυδῆ᾽ ἔστειλαν statt ἐπὶ Τυδῆ στεῖλαν, vgl. Wacker- 
nagel in Kuhns Zeitschr. XXV p. 279, 

390. E.R. Lange bemerkt: “Das Verdienst des Tydeus wird 
durch den Beistand der Göttin Athene nicht blofs nicht vermindert, 
wie F. A. Wolf meint, sondern vielmehr erhöht. Nur den Tapfersten 
stehen die Götter bei, und es ist an sich schon ein grolser Beweis 
von kriegerischer Tugend eines Helden, wenn ein Gott ihm bei- 


4. Anmerkungen. 47 


zustehen sich herabläfst”. Vgl. E 608 = 798. Φ 215 αἰεὶ γάρ 
τοι ἀμύνουσιν ϑεοὶ αὐτοί und besonders Nägelsbach Hom. Theol. 
v1, 9. 

392. ἂψ ἀναερχομένῳ ist die am besten beglaubigte Lesart. 
Die Vulgata lautete ἂψ ἀνερχομένῳ, die man nicht verteidigen 
kann. Daher hat Bentley ἂψ ἂρ ἀνερχομένῳ konjiciert mit Rick- 
sicht auf Z 187, und dies haben Bekker und Nauck in den 
Text genommen (letzterer daneben vermutend: αὖτις ἀνερχομένῳ). 
Aber dadurch erhalten wir eine im Homer isolierte Wortstellung. 
Denn wo ἄρα sonst einem Participium nachfolgt, ist die Partikel 
stets mit dem Verbum finitum in Verbindung gebracht, nicht mit 
einem zweiten Partieip, wie es hier der Fall wäre: vgl. die Bei- 
spiele zu 9 458 und im Anhang zu 468. Will man aber eine 
Art von Hyperbaton annehmen statt οἱ δ᾽ ἄρα χολωσάμενοι, wozu 
A. Rhode Über ἄρα bei Homer 8. 32 f. geneigt ist, so läfst sich 
auch diese Annahme durch kein homerisches Beispiel stützen. 
Heyne hat nach Barnes’ Konjektur & οἵ ἀνερχομένῳ gegeben, 
wodurch äy auf willkürliche Weise von dem bezüglichen Worte 
getrennt wird; Fr. Spitzner endlich, der die Vulgata im Texte 
behält, konjieiert in der Note αὖτις dvegyoutvo nach α 317, mit 
Beistimmung von Hoffmann Quaest. Hom. I, p. 101 und II, p. 207. 
Es bliebe mun nur noch übrig (mit F. A. Wolf praef. in Kleine 
Schrift. von G. Bernhardy I, p. 255) ἂψ ἐπανερχομένῳ zu erwähnen, 
was Brunck bei Apoll. Rh. I, 821 aus fünf Handschriften auf- 
genommen hat. — muxivög λόχος hier und 2 779 kann man un- 
möglich von den Verbindungen des πυκινός mit φάλαγγες und στέχες 
lostrennen, zumal da λόχοι v 49 auch in weiterem Sinne ‘Scharen’ 
überhaupt bedeutet. Man hat an das dicht oder fest geschlos- 
sen und dadurch auch starke in Bezug auf die Anzahl zu denken. 
Dieser Gedanke wird hier durch die folgende Apposition κούρους 
πεντήκοντα und δὰ 779 durch δεῖσαι bestätigt, da sich die Furcht 
hauptsächlich auf Feinde in der Majorität bezieht. Nur der Inter- 
polator A 525 mufs πυκινὸν λόχον abweichend so gebraucht haben, 
wie πυκινός sonst bei δόμος und ϑύρη steht. — 394. Μαίων 
«Αϊμονίδης. Vgl. Apollod. III, 6, 5. Nach Statius Theb. II, 690. 
IV, 598 war er ein Augur und Priester des Apollon; andere wie 
die Schol. A. D. vermuteten, er sei ein Herold gewesen: διὰ τὸ 
μόνον αὐτὸν σωθῆναι. ἱερὸν γὰρ ἦν τὸ γένος τῶν κηρύκων. Nach 
Pausan. IX, 18, 2 begrub er später den Tydeus. — 398. Nauck 
vermutet statt des handschriftlichen πιϑήσας: πεποιϑώς. --- 399. 
Brugman ein Problem der homer. Textkritik p. 50 vermutet als 
ursprüngliche Lesart ὁν υἱὸν statt τὸν υἱόν. 

400. Statt χέρηα ist mit La Roche das handschriftlich am 
besten beglaubigte χέρεια aufgenommen, vgl. desselben Homer. 
Textkritik p. 379 und Hom. Untersuch. 8. 57. — Sodann wird hier 
gewöhnlich ἀγορῇ δέ τ᾽ ἀμείνω gelesen, aber ἀμείνων ist die Ari- 


48 4. Anmerkungen, 


starchische Lesart, die wegen der Partikelverbindung δέ re den 
Vorzug verdient, da diese Verbindung im Dichter nur paratak- 
tische Sätze einführt. Hierzu kommt zweitens, dafs die Worte in 
anderem -Sinne gesagt sind, als die unmittelbar vorausgehenden. 
Gestützt wird Aristarchs Lesart auch durch das vor viov stehende 
Pronomen τόν und durch die sprachliche Wendung mit γείνατο: 
beide Punkte hat schon F. A. Wolf in der praef. zur Ilias 1785 
Kleine Schrift. herausg. von G. Bernhardy I 193 richtig behandelt. 
Für den sprachlichen Ausdruck der Stelle vgl. 2106 ἐν πολέμῳ. 
ἀγορῇ δέ τ᾽ ἀμείνονές εἶσι καὶ ἄλλοι. — 401. Außer Heynes 
Citaten vgl. auch Themist. or. 22 p. 271®. — 407. Zu der jetzt 
von τεῖχος ἄρειον gegebenen Erklärung vgl. W. Jordan Homers 
Ilias übersetzt und erklärt p. 565. — 407—409 wurden von Ari- 
starch athetiert: vgl. Aristonic. ed. Friedl. p. 100, aber diese 
Athetese ist mit guten Gründen zurückgewiesen von Köchly de 
I. carmm. diss. IV p. 16 und Benicken das dritte und vierte 
Lied p. 67. 

412. E.R. Lange bemerkt: ‘Den Hiatus zu tilgen schreibt 
Bentley τέτλαϑι, σιγῇ 9° 00... Ich schlage σιωπῶν ἧσο zu lesen 
vor. Dies ἦσϑαι mit einem Particip verbunden dient oft zur Um- 
schreibung des im Particip liegenden Begriffs: 4 134 ἦσϑαι δευό- 
μένον für δεύεσϑαι. B 255 ἦσαι ὀνειδίξων für Övediteis. I 628 
ἕαται ποτιδέγμενοι. 2 542 ἧμαι κήδων. γ 262 τελέοντες ἀέϑλους 
ἥμεθα. ξ 40 ὀδυρόμενος καὶ ἀχεύων ἧμαι. mw 145 ἧσται ὀδυρόμενος". 
Vgl. auch W. Ο. Kayser zu Faesi 541. Man könnte zur Begrün- 
dung einer notwendigen Änderung auch noch den Umstand anführen, 
dafs σιωπῇ hier eine ganz isolierte Wortstellung habe. Denn sonst 
steht σιωπῇ bei Homer überall im Versschlufs, am häufigsten in 
dem formelhaften Verse = 393. Indes wird man mit Recht Be- 
denken tragen, den von Hoffmann Quaest. Hom. I p. 56 berühr- 
ten Hiatus durch eine blofse Konjektur zu entfernen. 

422. Über den folgenden letzten Abschnitt des Buches im 
Verhältnis zur Epipolesis und andern Fragen vgl. die Einleitung 
p-22#., Litteratur: Lachmanns Betracht. p. 19, Benicken das 
dritte und vierte Lied p. 61. 75 f. 101. 138, das fünfte Lied p. 
51 #., Grofs Vindie. Hom. p. 56 f., Blätt. f. litterar. Unterhalt. 
1844 p. 503, Hoffmann im Philol. III p. 209, Düntzer hom. 
Abh. 270. 272.286, Gerlach im Philol. XXX p. 21 ff, Bischoff 
im Philol. XXXIV p. 10, Kammer zur homer. Frage I p. 18 ἢ 
Bergk griech. Litterat. Ip. 570.573, Naber quaestt. Hom. p. 160 f., 
Genz zur Ilias p. 19. 21, Köchly de Il. carmm. diss. IV p. 19, 
auch W. Jordan Homers Ilias übersetzt und erklürt p. 566. 

426. ἰόν ist die Aristarchische Lesart, wofür andere wie Fr. 
Spitzner, W. Dindorf, Nauck, La Roche das gewöhnliche κυρ- 
τὸν ἐόν aus den Handschriften beibehalten haben. Aber dann 
mülste sich die Welle im Zustande der Ruhe, nicht der Bewegung 


4. Anmerkungen. 49 


befinden, wie sie allein dem Beobachter am Ufer wahrnehmbar 
wird. Denn über das Gleichnis selbst bemerkt J. L. Hoffmann 
im Album des Lit. Vereins in Nürnberg für 1866 $. 21 f. mit 
Recht folgendes: “Wir haben hier die kurze Lebensgeschichte, 80 
zu sagen, einer grolsen breit herziehenden Woge, wie sie dem 
Beobachter der von einem Wind erregten See, welcher am Lande 
steht, zu Hunderten nach einander entgegenkommen, nebenbei 
gesagt, mit unübertrefflicher Naturtreue geschildert. Die lange 
‘Woge kommt, schon von weitem sichtbar, mit majestätischer Ruhe 
daher; der ihr nachziehende, Wind hat ihren Kamm vorn über- 
gebogen; nun rauscht sie ans Land unter furchtbarem Brausen; 
wo sich ihr aber ein Fels auf ihrem Zug entgegengestellt hat, da 
türmt sich der Kamm empor und spritzt dann als Gischt aus- 
einander”. Ähnliche Gleichnisse sind B 144. 209. 394. H 63. 
N 798. #16 und die Nachahmung bei Verg. Aen. VII, 528. Georg. 
II, 237. Catull. Epith. 270. Über den Indikativ nach den Ver- 
gleichungspartikeln ὡς ὅτε vgl. G. Hermann Opuse. II, p. 48. — 
433. Die Lesart πολυπάμονος mit Hinrichs de Homericae elo- 
eutionis vestigiis Aeolieis p. 53 f. als Dorismus zu verwerfen, ist 
mit Recht zurückgewiesen von Capelle im Philol. Anzeiger VII 
p. 267, vgl. auch Cobet Miscell. crit. p. 413. — 434. γάλα 
λευκόν. Über den Charakter dieses naturtreuen Epitheton vgl. 
aufser Heyne zu d. St. besonders Lobeck Elem. II, p. 361, wo 
unter anderm bemerkt ist: “Veteres hoc ad schema referunt, quod 
χαριεντισμόν vocant, neque negari potest, hanc adiectionem attributi 
omnium oculis occurrentis nativam prisci sermonis simplicitatem prae 
se ferre’ cet. Aus dem Homer haben das Epitheton dann spätere 
beibehalten, wie Theoerit. I, 58. Eurip. Baech. 700. Longi Past. I, 17 
(daselbst Passow). II, 3.7. Vgl. Aristot. Rhet. III, 3, 3. — 437. Zur 
Unterscheidung der Worte ϑρόος und γῆρυς vgl. Schmidt Syno- 
nymik der griech. Spr. Ip. 68 f. — 440—445 werden von v.Duhn 
de Menelai itinere Aegyptio, Bonn 1874 p. 47 verworfen. — 
442. “haec non formae, quam dea Eris habeat, descriptio, sed 
hyperbolica comparatio est, qua natura declaratur numinis ficti, de 
quo numinum genere egregie disseruit Nitzschius in praefatione com- 
mentarü in Odysseam: ul, si mentem poetae simplicius enuncies, hoc 
le dicat: contentionem incitasse exercitus, quae a parvo initio in 
immensum soleat augeri, ut, si humanam speciem habeat, ea sensim 
accrescens mox capite sit caelum tactura.’ 6. Hermann Opuse. IV, 
pP. 297 sg. — 446—451 sind von Düntzer hom. Abhandl. p. 253 
athetiert, vgl. dagegen Benicken das fünfte Lied p. 53 und 77, 
welcher nur 451 eingeklammert hat, und dazu die Einleitung 
p. 25£. — 447. Man beachte hier die mit σύν ῥ᾽ ἔβαλον be- 
wirkte Verbindung des physischen und ethischen, die aber für 
den griechischen Geist nicht kühner und auffälliger ist, als wenn 
wir im Deutschen sagen: “Schild traf auf Schild, Speer auf Speer, 
Hewtze, Anhang zu Homers Ilias. IT. 4 


50 4. Anmerkungen. 


Kraft auf Kraft. Wir haben also im wesentlichen dieselbe 
Verbindung wie in ἀσπὶς ἄρ᾽ ἀσπίδ᾽ ἔρειδε, κόρυς κόρυν, ἀνέρα 
δ᾽ ἀνήρ N 131. Π 215. --- 461. ὀλλύντων τε καὶ ὀλλυμένων 
gebraucht Heliodor. I, 22 und 30. — 454. Nach L. Döderlein 
Hom. Gloss. $ 1063 soll μισγάγκεια sein ᾿ἄγκος ἐν ᾧ μίσγονται δύο 
ποταμοί, eine unbestreitbare aber beispiellose Komposition”. Aber 
es sind dabei die Flüsse in die Erklärung hineingeschmuggelt. 
Auch W. Clemm De compositis Graecis quae a verbis incipiunt 
(Giefsen 1867) p. 150 hat an Damms Erklärung “locus depressus, 
in quem e montibus circumpositis aquae confluunt” sich genügen lassen 
und nur noch bemerklich gemacht, ‘guantam componendi licentiam 
Homericum illud μισγάγκεια prae se ferat, quasi nos diceremus Misch- 
schlucht, quod nemo credo intelligere’. Aber das müfste grie- 
chisch μέξαγκος heilsen nach Analogie von μιξάνϑρωπος μιξέλλην 
und andern, für μισγάγκεια dagegen wäre ein Wort wie ‘Misch- 
thalung’ zu bilden, um mit &inem Ausdruck den Sinn des Kom- 
positums wörtlich bezeichnen zu können. Denn das Wort heifst 
einfach “das Vermischen von Thälern’ oder ‘die Vereinigung von 
Thälern’, d. i. der Ort, welcher Thäler in einen Zusammenhang 
mit einander vereinigt: dies geschieht aber naturgemäfs in einem 
mehr oder weniger gerundeten Thalkessel mit mehreren Aus- 
gängen, daher ist μισγάγκεια für diesen Begriff eine sinnlich an- 
schauliche Bezeichnung. Vgl. εὐάγκεια bei Callim. in Cer. 82. “Reich- 
tum an schönen Thälern,” und das prosaische συνάγκεια. Was 
dagegen das Wort χαράδρη betrifft, so ist uns hierin nur der Begriff 
“Einschnitte des Bodens’ (al ἐγχαράξεις τοῦ ἐδάφους Apoll. 
Lex.) gegeben, also der Begriff einer Erdtiefe oder eines furchen- 
artigen Grabens. Der Dichter will hier bezeichnen, dafs die Wasser- 
masse ‘aus den mächtigen Quellen’ auf der Hochebene des Gebirges 
nicht auseinanderflielse, in welchem Falle sie überall hin zerstreut 
den Berg herunterströmen und nur ein Plätschern erzeugen würde. 
Nein! die Wassermasse wird gleich anfangs innerhalb eines 
tiefen Bettes zusammengehalten, so dals sie nachher am steilen 
Abhange mit der ganzen Wucht ihrer Fülle hinabstürzen und das 
laute Tosen erzeugen kann. So verlangt es der Zusammenhang 
dieser Stelle, wo das Tosen der Schlacht mit dem Tosen 
zweier einander gegenüber befindlicher Wasserfälle ver- 
glichen wird. Denn es soll hier die Scene nach dem Zusammen- 
stols beider Heere veranschaulicht werden. An den übrigen drei 
Stellen aber, wo bei Homer Wasserfälle erwähnt werden, geschieht 
es in anderer Beziehung, nämlich g 209 f. in einfacher Beschreibung, 
und 115. Π 4 zur Veranschaulichung der Thränenfülle. Aufser- 
dem ist noch N 138 ff. ein zeitweise eintretender Wassersturz in 
seiner zerstörenden Wirkung vorgeführt. Nebenbei beachte man, 
dals 0 209. und 115. Π 4 die Quelle unmittelbar über dem steilen 
Felsen, von welchem das Wasser herabflielst, befindlich gedacht 


4. Anmerkungen. 51 


wird, während an unserer Stelle die ποταμοὶ vorher als ῥέοντες 
erwähnt sind, weil dem Dichter bereits das Flufsbett vorschwebt. 
Übrigens würde die ganze Anordnung eine viel natürlicbere sein, 
wenn 454 vor 453 seine Stelle hätte, so dafs die Bestimmungen 
κρούνων ἐκ μεγάλων κοίλης ἔντοσϑε χαράδρης sich an κατ᾽ ὄρεσφι 
δέοντες anschlössen, während bei der überlieferten Anordnung jene 
Bestimmungen wenig passend an ὕδωρ geschlossen werden müssen. 
— Über die Bedeutung von χαράδρα vgl. jetzt auch Ahrens Bei- 


träge zur griech. und latein. Etymol. I p. 181. — 455. Der 
tiefe Ton ov, der in δοῦπον liegt (vgl. u 449), hat in dem danehen 
stehenden οὔρεσιν gleichsam sein Echo gefunden. — 456. Über 


τῶν μισγομένων vgl. Joh. Classen Beobachtungen 8. 170 f. und 
über die Aristarchische Lesart πόνος re statt des gewöhnlichen 
(aus M 144. 0 396. II 366 entstandenen) φόβος re vgl. R. Lehrs 
de Arist.? p. 76. 

457 δ. Über die in dem folgenden Abschnitt vorgeschlagenen 
Athetesen vgl.die Einleitung p. 26f., dazu: Düntzer homer. Abhandl. 
Ρ. 254, Köchly de Il. carmm. ΕΝ IV p. 21, Ribbeck in den 
Jahrbb. f. klass. Philol. Bd. 85 p. 17, Benicken das fünfte Lied 
p. 32 ff. und 53 f., Hoffmann quaestt. Hom. II p. 121 f. 207, 
Kayser hom. Abhandl. p. 93. 99. — 461. Das Hemistichion τὸν 
δὲ σκότος ὄσσε κάλυψεν finden wir noch 503. 526. Z 11. N 575. 
#519. 0 578. IT316 (325 κατά statt τόν vgl. ὃ. 92). 7393. 471. 
® 181. Dasselbe Substantiv in στυγερὸς δ᾽ ἄρα μιν σκότος εἷλεν 
E47. N 672. II 607. Dasselbe Bild haben wir in ἐρεβεννῇ νυκτὶ 
καλύψαι N 425 und in τὸν δὲ κατ᾿ ὀφθαλμῶν ἐρεβεννὴ νὺξ ἐκά- 
λυψεν E 659. N 580, aber der letztere Vers steht auch von der 
blofsen Ohnmacht X 466, in welchem Sinne νύξ aufser dieser 
Stelle noch dreimal vorkommt: in ἀμφὶ δὲ 0008 κελαινὴ νὺξ ἐκά- 
λυψεν E 310. A356 und in τὼ δέ οἵ ὄσσε νὺξ ἐκάλυψε μέλαινα 
#439. Denselben Wechsel des Sinnes finden wir in dem Vers- 
schlufs κατὰ δ᾽ ὀφθαλμῶν κέχυτ᾽ ἀχλύς, von wirklichem Tode Π 344. 
488, von der Ohnmacht E 696 und in noch abgeschwächterer 
Bedeutung 7421 als Versanfang κάρ ῥά οἵ ὀφθαλμῶν κέχυτ᾽ ἀχλύς 
zur Bezeichnung der höchsten Trauer (vgl. der Analogie wegen 
das häufige γούνατ᾽ ἔλυσεν mit dem zu ὃ 703 erwähnten Gebrauche). 
Sodann erscheint der Begriff des Todes selbst, aber so, dafs 
das Bild der ‘Finsternis’ oder der ‘Umdunkelung’ durch Beiwörter 
oder andere Zusätze bezeichnet ist, wie in dem Formelverse τὸν 
δὲ κατ᾽ ὕσσε ἔλλαβε πορφύρεος ϑάνατος καὶ μοῖρα κραταιή E 88. 
11334. Ὑ 411 (ühnlich πρόσϑεν γάρ μὲν μοῖρα δυσώνυμος ἀμφεκά- 
λυψεν M 116), oder in ϑανάτου δὲ μέλαν νέφος ἀμφεκάλυψεν 
11350. ὃ 180, in νεφέλη δέ μιν ἀμφεκάλυψεν κυανέη Ὁ 417. Hier- 
her gehört auch der Versschluls μέλανος ϑανάτοιο, worüber zu 
μ 92. B 834. Endlich ist das Bildliche nur noch im Verbum übrig 
geblieben, wie in ϑάνατος δέ μὲν ἀμφεκάλυψεν E68, vgl. auch 

4* 


52 4. Anmerkungen. 


M 116, oder in τέλος $avaroıo κάλυψεν E 553. II 502. 855. X 361, 
sowie in ἀμφὶ δέ ol ϑάνατος χύτο ϑυμοραϊστής N 544. Π 414. 580. 
Was man sonst noch hierher ziehen könnte, greift zugleich in 
andere Metaphern hinüber. Dafs übrigens in den eben behandel- 
ten Formeln eine gewisse Gemütsbeteiligung des Dichters 
an dem Schicksal seiner Helden enthalten sei, erörtert A. Doberenz 
Interpretationes Homericae (Hildburghausen 1862) p. 10 sq. Vgl. 
auch zu v 427. Von Späteren vgl. Plutarch. Alex. c. 45: λέϑῳ δὲ 
πληγεὶς πάλιν εἰς τὸν τράχηλον, ὥστε καὶ ταῖς ὄψεσιν ἀχλὺν 
ὑποδραμεῖν παραμείνασαν οὐκ ὀλίγον χρόνον. Plut. Pyrrh. ο, 84: 
αἴ τε ὄψεις συνεχύϑησαν αὐτοῦ καὶ προήκαντο τὰς ἡνίας αἵ 
χεῖρες. — Α14. Bedenken gegen die Ursprünglichkeit dieser Stelle 
erhebt Hercher über die homer. Ebene von Troja. Berl. 1876 
Ρ. 129. — 508. An Stelle von ἐκκατιδών vermutet Nauck: ἐκκαϑ- 
ορῶν. --- 524. ϑυμὸν ἀποπνείων hat aus dieser Stelle entnommen 
Tyrt. 7,24 ed. Bergk. — 527. ἀπεσσύμενον war nach Didymos 
Aristarchs Lesart, welche einige Handschriften bieten. Die besten 
Handschriften haben ἐπεσσύμενον; Nauck schreibt ἐπεσσυμένος, indem 
er aufser ἀπεσσύμενον auch ἐπεσσύμενος als Aristarchische Lesart an- 
giebt. — 528 schreibt Nauck nach Phot. Lex. p. 433, 18 πλεύμονι 
statt des handschriftlichen πνεύμονι. --- Georg Fischer “Über die 
Wunden des Herzens und des Herzblutes’ in v. Langenbeck’s 
Archiv für Klinische Chirurgie (Berlin 1868) Bd. IX 8. 574 hat 
folgendes bemerkt: “Im übrigen sind die meisten Wunden bei Homer, 
die nach echter Heldenart häufig vorn ein- und hinten ausdringen, 
zumal die Wunden der Eingeweide, Blase (E 67), Leber, Lunge, 
sofort tödlich. Eine gröfsere Gefahr der Herzwunden kennt Homer 
nicht, und wenn er bei Verletzungen den Ort der Wunde häufig 
neben die Warze verlegt, so mag er als Dichter eine nähere 
Bezeichnung für wünschenswert gehalten haben, es beweist indes 
nicht, dafs er dabei eine gröfsere Gefahr des Herzens im Auge 
gehabt hat, da er an diesem Ort sowohl die Lunge (4 528), als 
auch die Leber (x 82) usw. verwunden läfst”. Nur darf man dabei 
den Unterschied der Präpositionen in στέρνον ὑπὲρ μαξοῖο (4 528) 
und στῆθος παρὰ μαξόν (782) nicht übersehen, und aufserdem 
ist noch zu beachten, dafs eine Verwundung der Lunge T 486 
infolge eines τὸν βάλε μέσσον ἄκοντι erwähnt wird. — 539—544. Zur 
Kritik dieser Schlufsverse vgl. die Einleitung p. 26f, dazu Düntzer 
hom. Abhandl. p. 254, Benicken das fünfte Lied p. 53. 
541. Bemerkungen, wie die hier zu ἄγοι δέ ὃ gegebene: “Über- 
gang in die demonstrative Konstruktion’, veranlassen ohne eine 
genügende Erläuterung leicht die verkehrte Auffassung, als ob die 
Sprache nach Willkür und Laune das zweite Glied eines Relativ- 
satzes aus dem relativen Verbande löse und selbständig hinstelle. 
Gerade an diesem Beispiele läfst sich in Verbindung mit ähnlichen 
Erscheinungen deutlich zeigen, welche Auffassung der sprachlichen 


4. Anmerkungen. 53 


Anschauung entspricht. Dals dies scheinbare zweite Glied des 
Relativsatzes in einem ganz anderen Verhältnis zum Gedanken des 
Hauptsatzes steht, als das erste, liegt auf der Hand: einen innern 
Zusammenhang hat dasselbe nur mit dem voraufgehenden relativ 
angeknüpften Gedanken und zwar enthält es die notwendige Voraus- 
setzung für die in jenem enthaltene Vorstellung. Ausdruck dieses 
Verhältnisses ist die zu divevor chiastische Voranstellung des 
Verbums, wie sie in gleicher Weise bei ähnlichem Gedankenver- 
hältnis in Bedingungssätzen und indirekten Fragesätzen beobachtet 
werden kann: im Konjunktiv z. B. Η 81. IIT725. P230. 7317. 
Φ 376, im Optativ N 826. Ein iihnliches Gedankenverhältnis finde 
ich in einigen Stellen, wo an einen Wunschsatz im Optativ andere 
Optative in freierer Weise sich anschliefsen, die nicht mehr von 
dem Affekt des Wunsches getragen, nur die durch denselben an- 
geregte Vorstellung weiter verfolgen: ohne Zweifel 6 368, wo 
Ameis den Satz δρέπανον μὲν κτλ. als die weitere Ausführung 
des Wunsches bezeichnet, die genauere Auffassung aber in der 
gegebenen Übersetzung: “eine gute Sichel mülste ich haben’, ge- 
boten wird, da darin die notwendige Voraussetzung liegt, unter 
der die Erfüllung des Wunsches überhaupt nur gedacht werden 
kann. Ähnliches ist zu ἡ 314 bemerkt. Ebenso verstehe ich Ζ 480 
die Optative φέροι δέ — χαρείη δέ nicht mehr als eigentliche Wunsch- 
sätze, die auf gleicher Linie ständen mit dem vorhergehenden καί 
ποτέ τις εἴποι. Es schliefsen sich dieselben offenbar auf das engste 
an das vorhergehende Partieipium ἐκ πολέμου ἀνιόντα an, welches 
im allgemeinen die Situation bezeichnet, auf welche der Wunsch 
berechnet ist, indem sie diese Situation im einzelnen ausführem, 
und die dem ausgesprochenen Wunsch entsprechenden Voraus- 
setzungen geben. Ähnliches Gedankenverhältnis wird sich auch in 
mehrgliedrigen Relativsätzen noch weiter beobachten lassen. — 
542. ἑλοῦσ᾽, αὐτάρ ist die gewöhnliche Lesart, die den gröfsten 
Bedenken deshalb unterliegt, weil αὐτάρ sonst überall mit der ersten 
Silbe in der Arsis steht: vgl. den Anhang zu ı 83. Nun aber 


ᾳ νυ 
finden sich auch hier folgende Varianten: ἑλοῦσ᾽ drag A, das v 


ᾳ 
‚von zweiter darüber geschrieben; ἐλοῦσ᾽ ἀτὰρ 6; ἑλοῦσα αὐτὰρ O; 
“ἀτὰρ F; ἑλοῦσα ἀτάρ E. Es ist daher ἑλοῦσα ἀτὰρ von Busta- 
thius angenommen. $o verlangte auch L. Ahrens im Philol. 
VI, p. 16. Wahrscheinlich hat der vermeintlich unentschuldbare 
Hiatus die gewöhnliche Schreibweise herbeigeführt. 


54 E. Einleitung. 


E. 
Einleitung. 


Literatur: Lachmann Betrachtungen p. 20 f. und darin 
Haupt Zusätze p. 106—109; Benicken das fünfte Lied vom 
Zorne des Achilleus, Halle 1873. Zu Lachmanns Kritik: Grofs 
vindieiaram Homeric. part. I, Marburg 1845 p. 58 fl, Baeum- 
lein in Zeitschr. f. d. Altertumswissensch. VI, 1848 p. 335, Blätter 
f. literar. Unterhaltung 1844 p. 503 ἢ, Hoffmann im Philolog. 
II p. 209 δι, Düntzer in der allgemeinen Monatsschrift für 
Litterat. 1850, II = Homer. Abhandl. p. 54 ff, Friedlaender die 
homer. Kritik von Wolf bis Grote p. 67, Holm ad Car. Lach- 
manni exemplar de aliquot Iliadis carminum eompositione, Lübeck 
1853 p. 3f., Gerlach im Philol. XXX p. 26 f., Nutzhorn die 
Entstehungsweise der Hom. Gedichte p. 196 ἢ. — Köchly de 
Dliadis carmm. dissertat. IV; Turici 1857 p. 18 ff, desselben Iliadis 
carmm. XVI p. 104 ff, vgl. Ribbeck in Jahrbb. f. Philologie Bd. 
85 p. 17 ff. und Düntzer Homer. Abhandl. p. 284 ff. — Düntzer 
das 3. bis 7. Buch der Ilias als selbständiges Gedicht, in den 
Homer. Abhandl. p. 254 ff. — Geist disquisitiones Homericae, 
Giefsen 1832 p. 10 ff. (= Jahns Archiv für Philol. Bd. I). — 
Kammer zur Homer. Frage, Königsberg 1870. I p. 28 f. 31. — 
Jacob über die Entstehung d. Ilias u. Od. p. 201 ff. — Nitzsch 
Sagenpoesie p. 203 ff. 210 ff., Beiträge p. 384 f. — Kiene die 
Komposition ἃ. Ilias p. 78f. 84 f. — Genz zur Ilias p. 21 fl. — 
Naber quaestiones Hom. p. 158 ff. — La Roche in Zeitschr. f. 
d. österr. Gymn, 1863 p. 166—168. — Kayser homer. Abhand- 
lungen, herausgeg. v. Usener p. 8. 23. 99f£ — Bischoff im 
Philol. XXXIV p. 10 ff. — Giseke quaeritur num quas belli Troiani 
partes Homerus non ad veritatem narrasse videatur, Progr. von 
Rofsleben 1854 p. 5 ff. — v. Christ die sachlichen Widersprüche 
der Ilias in Sitzungsberichten d. philos. philol. Klasse der königl. 
bayer. Akad. 1881, II p. 161. 167 ff, und in den Jahrbb. f. klass. 
Philol. 1881 p. 152—156. — M. Schmidt Meletematum Homer. 
part. II, Jena 1879 p. 13 f. — Bernhardy Grundrifs d. griech. 
Litterat.? II, 1, p. 163. Bergk griech. Litteraturgesch. I p. 573 #. — * 
Hoffmann quaestt. Hom. II p. 168 ἢ, 204. 209. — Giseke 
homer. Forschungen p. 162. 171 fl. 175. 234 f. — Über 576—589 
Benicken in Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 1877 p. 881 ff. 


Die in dem letzten Abschnitt von A begonnene, aber noch zu 
keiner entschiedenen Wendung gelangte Schlacht erhält hier einen 
besonderen Charakter durch die in-dieselbe verwebte Aristie des 
Diomedes und die damit verbundene mannigfache Beteiligung fast 


E. Einleitung. 55 


aller Götter mit Ausnahme des Zeus selbst. Die Handlung gelangt 
dadurch zu einem gewissen Abschlufs, dafs mit dem Ende des 
Gesanges die Götter sämtlich das Schlachtfeld verlassen haben, 
doch greift dieselbe insofern in den folgenden Gesang über, als 
nicht nur die Schlacht fortgeht, sondern auch die Aristie des 
Diomedes wenigstens in ihren Wirkungen noch in diesen hinein 
reicht. Unter dem abwechselnden Eingreifen der Athene und des 
Ares aber, wodurch Diomedes’ Erfolge bestimmt werden, entwickelt 
sich die Schlacht in drei Akten, von denen der erste die Achaeer 
in voller Überlegenheit zeigt, der zweite den Troern ein ent- 
schiedenes Übergewicht giebt, während der dritte von neuem den 
Sieg der Achäer vorbereitet. Im einzelnen gliedert sich die Hand- 
lung in folgenden Abschnitten: 


A. Übergewicht der Achäer durch Athenes Einwir- 
kung, welche Ares fern hält und Diomedes Ruhm 
verleiht, 1—453. 

1. Diomedes’ Thaten bis zu seiner Verwundung durch Pan- 
daros, 1—113. 

a. Diomedes, von Atbene mit Mut erfüllt, tötet den 
Phegeus, 1—29. 

b. Athene entfernt Ares aus der Schlacht, worauf die 
Troer zurückgetrieben und viele von den Führern 
der Achäer erlegt werden, 29—84. 

6. Diomedes wirft mit unwiderstehlichem Ungestüm die 

Reihen der Troer zurück, 85—94. 

Pandaros verwundet Diomedes durch einen Pfeil- 

schuls, 95—113. 

2. Diomedes’ Rampf gegen Aineias und Pandaros und die 
Verwundung der Aphrodite, 114-- 468, 

a. Auf Diomedes’ Gebet stärkt Athene denselben, ver- 
leiht ihm die Gabe die Götter zu erkennen und 
fordert ihn auf Aphrodite anzugreifen, 114—133. 

b. Diomedes erlegt vier Paare Troer, 134—165. 

c. Aineias ermuntert Pandaros auf Diomedes zu schiefsen 
und führt mit ihm gegen denselben, 166—240. 

d. Unterredung zwischen Diomedes und Sthenelos, 241 
— 274. 

e. Diomedes tötet unter Athenes Beistand Pandaros 
und verwundet Aineias, welcher dann von Aphrodite 
gerettet wird, 275—318. 

Sthenelos bemüchtigt sich des Gespanns des Aineias, 

319—330. 

g. Aphrodite wird, während sie Aineias aus dem Kampf 
bringt, von Diomedes verwundet und führt auf Ares’ 
Wagen in den Olymp zurück, 331—370, 


ἃ. 


» 


56 E. Einleitung. 


b. Aphrodite wird von ihrer Mutter Dione getröstet, 
von Athene verspottet, 371—430. 

i. Aineias wird von Apollo gegen Diomedes geschützt, 
nach Pergamos versetzt und dort im Heiligtum des 
Apollo von Leto und Artemis geheilt, 431—453. 

B. Übergewicht der Troer unter Ares’ Führung während 
Athenes Abwesenheit, 454— 710. 

1. Herstellung der Schlacht durch Ares und Hektor, vor 
denen Diomedes weicht, 454— 626. 

a. Auf Apollos Antrieb ermuntert Ares die Söhne des 
Priamos, Sarpedon schilt Hektor. Hektor ermuntert 
die Troer und stellt mit Ares’ Hülfe die Schlacht 
her. Apollo sendet Aineias neugestärkt zurück in 
die Schlacht, 454— 518. 

b. Die achaeischen Führer ermuntern die Ihrigen, 519 
—532. 

e. Einzelkämpfe, in denen sich Agamemnon, Menelaos, 
Antilochos und Aineias hervorthun, 533— 589. 

d. Diomedes weicht vor Hektor und Ares, weitere Einzel- 
kämpfe, in deneh Hektor und Aias hervortreten, 
590—626. 

2. Kampf zwischen Sarpedon und Tlepolemos und die weiteren 
'Thaten Hektors, 627— 710. 

a. Sarpedon erlegt Tlepolemos, wird aber von diesem selbst, 
verwundet und aus dem Kampf gebracht, 627—669. 

b. Odysseus erlegt viele Lykier, bis Hektor diesen zu 
Hülfe kommt, 670—698. 

ce. Die Achäer weichen vor Hektor und Ares. Hektors 
Thaten, 699— 710. 

C. Eingreifen der Here und Athene zu Gunsten der 
Achaeer und Ares’ Verwundung durch Diomedes, 
711— 908. 

a. Here und Athene entschliefsen sich den Achäern 
beizustehen und fahren auf dem Wagen der Here 
aus dem Himmel, 711—752. 

b. Nachdem sie von Zeus die Erlaubnis zur Züchtigung 
des Ares erhalten haben, fahren sie auf das Schlacht- 
feld, 753— 777. 

e. Here ermuntert mit Stentorstimme die Achäer, 

Athene treibt Diomedes an und fährt mit ihm gegen 

Ares. Diomedes verwundet mit ihrem Beistande den 

Ares, 778—863. 

Ares kehrt in den Olymp zurück und beschwert 

sich bei Zeus, wird von diesem gescholten, aber von 

Paieon geheilt. Athene und Here kehren ebenfalls 

in den Olymp zurück, 864—909. 


m 


E. Einleitung. 57 


Nach der gegebenen Inhaltsübersicht ist unter der alten Über- 
schrift “Aristie des Diomedes’ eine überaus reiche und mannig- 
faltige Handlung zusammengefaßst, welche zwar den Diomödes 
genügend hervortreten läfst, um diese Überschrift zu rechtfertigen, 
doch nicht in dem Mafse, dafs der ganze Gesang wirklich in der 
Person dieses Helden seinen einheitlichen Mittelpunkt hätte. Während 
dies von dem ersten Hauptabschnitt (1—453) mit vollem Recht 
gesagt werden kann, tritt Diomedes im zweiten Abschnitt fast ganz 
zurück, und wenn er im dritten wieder in den Vordergrund gerückt 
wird, so ist es hier doch nur der Kampf gegen Ares, ein Kampf 
der lediglich Athenes Werk ist, durch welchen der Held noch 
einmal ausgezeichnet wird, ohne dafs weder im unmittelbaren 
Anschlufs daran, noch im Anfang des folgenden Gesanges, in 
welchen die Handlung übergreift, irgend welche nennenswerte That 
demselben zugeteilt wird. Bei dieser Gestaltung der Handlung 
waren für den Dichter offenbar zwei Gesichtspunkte mafsgebend. 
Einmal galt es ihm seinen Helden dadurch auf eine übermensch- 
liche Höhe zu heben, dafs er ihn selbst gegen Götter kümpfen 
liefs, wie dies mehrfach besonders hervorgehoben wird (362. 380. 
457#f.), und von diesem Gesichtspunkt aus war ihm der Kampf gegen 
Ares der glänzende Abschlufs seiner Aristie, eine berechnete Steige- 
rung nach dem Kampf gegen Aphrodite und dem Ansturm gegen 
Apollo. Diese von Athene veraulafsten Kämpfe hat der Dichter aber 
zugleich benutzt, um den feindseligen Beziehungen der griechen- 
und troerfreundlichen Götter zu einander eine erheiternde, komische 
Wirkung abzugewinnen. Denn an den ersten und den letzten 
dieser Kümpfe schliefsen sich jene Scenen im Olymp, deren erste 
mit einer schalkhaften Verspottung der Aphrodite durch Athene 
schliefst, während in der andern Ares der Gegenstand einer halb 
unwilligen Verspottung durch Zeus wird. Andrerseits aber ist das 
Gegeneinanderwirken von Athene und Ares zur Grundlage gemacht, 
um das Hervortreten und Zurücktreten des Diomedes und damit 
im Zusammenhange die Wendungen der Schlacht zu motivieren. 
In dieser Beziehung sind die entscheidenden Punkte: die Ent- 
fernung des Ares aus der Schlacht durch Athene 29 f., worauf 
die eigentliche Aristie des Diomedes und das entschiedene Über- 
gewicht der Achäer folgt, sodann die Wiedereinführung des Ares 
in die Schlacht durch Apollo 454 ff., welche das günzliche Zurück- 
treten des Diomedes und die volle Überlegenheit der Troer zur 
Folge hat, endlich die Verwundung des Ares durch Diomedes 
unter Athenes Hülfe, worauf die Achäer von neuem das Über- 
gewicht gewinnen. 

Verfolgen wir die Art, wie diese die Handlung bestimmenden 
Momente im einzelnen motiviert sind, so ist das Gegeneinander- 
wirken von Athene und Ares vorbereitet durch 4439, wo bei 
Beginn der Schlacht Ares die Troer, Athene die Achäer zum Kampf 


58 E. Einleitung. 


erregt. Eigentümlich ist nun aber zunächst die Art, wie Ares 
aus dem Kampfe entfernt wird und der Zusammenhang, in welchem 
dies geschieht. Diomedes hat, von Athene zu seinem Heldenlauf 
ausgerüstet, soeben durch die Tötung des Phegeus unter den 
Troern Bestürzung hervorgerufen, da tritt Athene zu Ares, über- 
redet ihn durch Hinweisung auf den zu fürchtenden Zorn des Zeus 
die kämpfenden Völker sich selbst zu überlassen und führt ihn 
aus der Schlacht an den Skamandros; und sofort bringen die 
Achier die Troer zum Weichen. Mag nun auch die Art, wie 
Ares von Athene durch den in keiner Weise motivierten Hinweis 
auf Zeus’ Zorn sich übertölpeln läfst, zu der ganzen Zeichnung 
des Gottes in diesem Gesange stimmen, so ist doch die Entfer- 
mung des Ares nicht genügend motiviert und gerade hier am we- 
nigsten an der Stelle, da nun das, was nach der vorhergehenden 
Erzählung die Wirkung von Diomedes’ Tapferkeit sein sollte, viel- 
mehr als Folge der Entfernung des Ares erscheint. Ebenso unver- 
mittelt tritt das Motiv ein, welches den Kampf des Diomedes 
gegen Aphrodite vorbereitet. Als Diomedes von Pandaros ver- 
wundet die Hülfe Athenes anfleht, damit er den erlegen könne, 
der ihn verwundet, stärkt dieselbe nicht nur ihren Schützling, 
sondern verleiht ihm auch die Gabe die Götter im Kampfe zu 
erkennen und giebt ihm die Weisung, zwar den Kampf mit den 
andern Göttern zu meiden, aber gegen Aphrodite seine Wafie zu 
gebrauchen. Durch diese an sich befremdende und durch nichts 
vermittelte Weisung ist nun dem Diomedes sein weiteres Verhalten 
vorgezeichnet, Wir begreifen danach, dafs er der Aphrodite, als 
sie ihren von demselben verwundeten Sohn zu retten sucht, nach- 
eilt und sie obne Scheu verwundet, obwohl es auffallen mufs, dafs 
dies nicht durch den Hinweis auf die Weisung der Athene, son- 
dern dadurch motiviert wird, dafs er in ihr eine unkriegerische 
Göttin erkannt babe; dafs er aber derselben noch eine höhnende 
Schmührede nachsendet und dann trotz Athenes Verbot es wagt 
auf Apollo, der den Aineias in einer Wolke geborgen hat, ohne 
Scheu wiederholt anzustürmen, bis er durch eine nachdrückliche 
Warnung des Gottes zurückgewiesen wird, ist nicht nur wegen 
der sonstigen Besonnenheit des Helden, sondern besonders deshalb 
befremdend, weil derselbe Diomedes weiterhin vor Ares ohne wei- 
teres zurückweicht und dies Athene gegenüber ausdrücklich durch 
deren Verbot motiviert. _ 

Indes diente diese Überhebung des Diomedes dem Dichter 
als Motiv, um die Wendung, welche mit dem zweiten Abschnitt 
des Gesanges eintritt, herbeizuführen. Denn Apollos Zorn über 
Diomedes’ Überhebung ist es, welcher denselben 454 ff. veranlafst 
Ares, welcher bis dahin unthätig am Skamandros gesessen, ob- 
wohl er von Diomedes’ Thaten durch Aphrodite Kunde hat, aus 
seiner Ruhe aufzurütteln und gegen Diomedes in den Kampf zu 


E. Einleitung. 59 


treiben. Aber auch hier wird das eben verwendete Motiv nicht 
festgehalten. Denn schon 510 heifst es, dafs Apollo sich durch die 
Beobachtung, dafs Athene das Schlachtfeld verlassen, habe be- 
stimmen lassen Ares in den Kampf zurückzuführen. Mit dieser 
Entfernung Athenes vom Schlachtfelde aber verhält es sich so, 
Nachdem dieselbe 121 ff. Diomedes nach seiner Verwundung durch 
Pandaros gestärkt und ihm die Weisung in betreff der Aphrodite 
gegeben hat, heifst es 133, dafs sie nach diesen Worten sich ent- 
fernt habe, ohne dafs gesagt wird wohin. Bei dem folgenden 
Kampfe des Diomedes mit Pandaros (290) wird dann weiter er- 
zählt, dafs sie den Speer des Diomedes gelenkt habe, 418 aber 
finden wir dieselbe im Olymp, wo sie mit Here durch Verspot- 
tung der Aphrodite den Zeus neckt. Abgesehen von dem Mangel 
an Klarheit, der dieser Darstellung anhaftet, vermifst man auch 
hier die rechte Motivierung. Denn es bleibt völlig unerklärt, was 
Athene bestimmt das Schlachtfeld zu verlassen, zumal sie dadurch 
den errungenen Erfolg wieder auf das Spiel setzt, da sie doch 
schwerlich erwarten kann, dafs Ares dauernd am Skamandros sitzen 
bleiben und Apollo unthätig zuschen werde. Der Dichter brauchte 
Athene eben in Olymp, zunächst, um sie hier den über Aphrodite 
errungenen Triumph feiern zu lassen, sodann aber, um gerade 
durch ihre Entfernung vom Schlachtfelde dort die Wendung herbei- 
zuführen, welche dann die zuletzt in Scene gesetzte Ausfahrt der 
Here und Athene auf das Schlachtfeld und den Kampf gegen Ares 
ermöglichte. So zeigt auch schon eine oberflächliche Betrachtung, 
dafs die vielfach verschlungene Handlung und das Ineinandergreifen 
der olympischen Vorgänge und der menschlichen Handlung der 
Einheit des dichterischen Pianes nachteilig gewesen und es dem 
Dichter nicht gelungen ist dep Fortschritt der Handlung überall 
genügend zu motivieren. 

Gehen wir den Beziehungen des fünften Gesanges zu dem 
vorhergehenden nach, so tritt hier sofort der Held, der am Schlufs 
der Epipolesis so bedeutsam hervorgehoben wurde, so ganz in den 
Vordergrund, dafs der ganze erste Abschnitt des Gesanges sich 
wesentlich um ihn dreht. Die ikm hier zugeteilte Aristie aber 
bewegt sich vorzugsweise im Kampfe mit Pandaros, dem im vierten 
Gesange durch den verräterischen Schufs auf Menelaos eine so be- 
deutende Rolle zugeteilt war. So bedeutsam diese Beziehungen in 
den Personen und den Thatsachen sind, sodals wir geneigt sind 
in Pandaros’ Erlegung durch Diomedes die Strafe für den Ver- 
tragsbruch zu sehen, so wenig werden diese Beziehungen vom 
Dichter hervorgehoben. Nicht nur, dals nirgend eine Andeutung 
vorliegt, dafs hier die Gottheit durch Diomedes die Strafe für den 
Vertragsbruch vollziehen lasse, es wird der Schufs des Pandaros 
auf Menelaos nur an einer Stelle erwähnt und zwar ohne dafs 
des Vertragsbruches dabei gedacht wird, ja in einem Zusammen- 


60 E. Einleitung. 


hange, dafs man gezweifelt hat, ob überhaupt jener Schuls beim 
Vertragsbruch gemeint sei, 206—208. Ebensowenig ist von den 
Folgen der Verwundung, die Menelaos durch Pandaros erlitten, 
die Rede, Menelaos kämpft, wie jeder andere Held. Im übrigen 
haben wir vielleicht folgende Beziehungen auf den vierten Gesang 
anzunehmen. Wenn 418f. Here und Athene im Hinblick auf die 
verwundete Aphrodite Zeus mit spottenden Worten necken, so 
scheint dies das Gegenstück zu der Eingangsscene des vierten Ge- 
sanges (vgl. 4 5f.), wo Zeus Here und Athene verspottete; ja es 
war vielleicht auch die dort von Zeus gemachte Gegenüberstel- 
lung der Aphrodite mit Here und Athene dem Dichter der Anlafs, 
Aphrodite auf Antrieb der Athene durch Diomedes im Kampfe 
verwunden zu lassen. Auch scheint V. 908 aus 48 entnommen, 
da nur in diesen beiden Stellen Athene ᾿Δλαλκομενηίς heilst. 

Eine Beziehung auf den zweiten Gesang fand Lachmann 
in der Äufserung Athenes 832f., dafs Ares ihr und Here ver- 
sprochen habe gegen die Troer zu streiten und den Achiern bei- 
zustehen, welche mit der des Zeus B 14 übereinstimme, Here habe 
alle Götter durch Flehen bewegt zur Gunst für die Achäer. Allein 
diese Beziehung ist unwahrscheinlich, weil die letzte Äufserung 
des Zeus in der Botschaft des dem Agamemnon gesendeten täu- 
schenden Traumes enthalten und nur eine Fiktion zu augenblick- 
lichem Zweck ist, wie es auch die erstere zu sein scheint, da 
Athene 31fl., wo sie Ares aus der Schlacht zu entfernen sucht, 
von jenem angeblichen Versprechen des Ares keinen Gebrauch 
macht. Der dem Zeus zu Anfang von B beigelegten Absicht Achill 
Genugthuung zu verschaffen und viele Achäer zu vernichten wider- 
spricht insbesondere die Klage der Here ΤΌΤ ἢ, vor Zeus über 
Ares’ Kampfwut gegen die Achäer und die infolge dieser von Zeus 
erteilte Erlaubnis durch Athene den Ares züchtigen zu lassen. Nur 
eine Stelle könnte auf diese Absicht des Zeus bezogen werden, 
32—35, wo Athene Ares auffordert die kämpfenden Heere sich 
selbst zu überlassen, damit Zeus nach seinem Willen zwischen ihnen 
entscheide, und dies mit der Warnung vor Zeus’ Zorn motiviert, 
allein bei dem sonstigen Mangel solcher Beziehungen ist diese An- 
nahme kaum wahrscheinlich. 

Sonst ist der fünfte Gesang ausgezeichnet durch eine Reihe 
von eigentümlichen Sagenelementen und Göttermythen. Dahin ge- 
‚hören aufser den in der Trostrede der Dione an Aphrodite 381 — 
415 enthaltenen die Beziehung auf das Urteil des Paris in 715f., 
wenn Bergks Deutung richtig ist, und folgende Einzelheiten: die 
Bezeichnung der Aphrodite als Kypris, Dione als Mutter der Aphro- 
dite, Enyo als Gefährtin des Ares, der Götterarzt Paieon, die Be- 
zeichnung der Titanen als Οὐρανίωνες, des Herakles als Sohn des 
Amphitryon u. a. 

Zahlreiche Eigentümlichkeiten zeigt der sprachliche Ausdruck, 


E. Einleitung. 61 


worüber Geist eine eingehende Untersuchung angestellt hat und 
Zusammenstellungen auch von Benicken gegeben sind. 

Bei der kritischen Erörterung des Gesanges gehen wir aus von der 
Prüfung der Athetesen, welche auf Grund von Bedenken gegen den 
einheitlichen Zusammenhang oder die Darstellung ausgesprochen sind. 

Als Lachmann sein fünftes Lied von 4422 —Z1 konsti- 
tuierte, verzichtete er darauf die ursprünglichen und die etwa 
später eingefügten Bestandteile des Liedes zu unterscheiden, jedoch 
nicht ohne einige Winke in dieser Beziehung zu geben. Diesen 
folgend unternahm es dann Haupt die späteren Zuthaten auszu- 
scheiden. Als solche erkannte er die Abschnitte 418—431, 508— 
511, 711—792 und 907—909. Z 1. Durch die erste dieser Athe- 
tesen wird jene olympische Scene ausgeschieden, in welcher Athene 

. mit Here,im Zwiegespräch mit Zeus die von Diomedes verwundete 
Aphrodite verspottet. Ein Hauptgrund für diese Ausscheidung ist, 
dafs während Athene bis 290 auf dem Schlachtfelde thätig ist, 
sie mit einem Mal 418 auf dem Olymp sich befindet, ohne dafs 
gesagt ist, wie sie dahin komme, Weiter wird besonders geltend 
gemacht die ungeschiekte Darstellung in dieser Scene (418—420. 
424), der “ziemlich frostige Spott” der Athene über Kypris, sowie 
die Ungeschicklichkeit, dafs dieser Spott der Erzählung der Kypris 
von ihrer Verwundung 376—380 und ihrer Heilung nachfolge, wäh- 
rend er nur vor derselben angemessen sein würde. Diese Athetese 
ist gebilligt von Hoffmann, Benicken, La Roche und Naber, 
bestritten von Jacob, Düntzer*), Köchly und von Christ. 
Köchly sieht die Scene aus dem dichterischen Plane dadurch 
gerechtfertigt, dafs in den Worten des Zeus an Aphrodite 428— 
430 eine Billigung des Vorgehens des Diomedes gegen die Kypris 
liege, wie in 765f. und 889 ff. eine solche für den Kampf des- 
selben gegen Ares, ohne welche, zumal nach der Drohung der 
Dione 406—415, Diomedes’ Kampf gegen die Götter als eine nicht 
zu vechtfertigende Überhebung erscheinen mülste. Von den von 
Haupt gefundenen Anstöfsen aber wird nur der in 418 ff. aner- 
kannt, dafs, nachdem gesagt ist, dals Athene und Here den Zeus 
reizten, dann doch nur Athene spricht, zumal ihre Rede mit der For- 
mel τοῖσι δὲ μύϑων ἦρχε eingeleitet wird; dieser Anstols dann aber 
durch die Vermutung beseitigt, dafs die ursprüngliche Fassung der 
Verse gelautet habe: 


ἡ δ᾽ αὖτ᾽ εἰσορόωσα ϑεὰ γλαυκῶπις ᾿Αϑήνη 
κερτομίοις ἐπέεσσι Δία Κρονίδην ἐρέϑιξεν, 
welcher ein Diaskeuast mit Rücksicht auf 4 7f,, um auch die Here 


hineinzubringen, die jetzt vorliegende substituiert habe. Jene Diffe- 
renz wegen des Aufenthaltsortes der Athene leugnet Köchly und 


*) Welcher übrigens an einer andern Stelle 330—460 verwirft. 


62 E. Einleitung. 


ebenso Düntzer, indem beide annehmen, dafs Athene 290 das Ge- 
schofs des Diomedes aus der Ferne lenke, der Abgang derselben 
133 aber nur auf die Rückkehr in den Olymp gehen könne, ‘da 
der Dichter sonst eine nähere Bestimmung hätte hinzufügen müssen’ 
(Düntzer). Die Ungeschicklichkeit der Darstellung in 418 ἢ, aber 
sucht Düntzer durch die Erklärung zu beseitigen, dafs beide 
Göttinnen als eine Partei gedacht seien, für welche Athene dies- 
mal das Wort ergreife. Die ganze Scene aber von dem Schmerze 
der verwundeten Aphrodite scheint ihm auf den am Schlusse stehen- 
den Spott der Athene berechnet und “mülste diese, wenn irgend 
ein Zweifel Raum haben sollte, ganz in Wegfall kommen, wo denn 
auch 353 zu ündern wäre”. Die Verlegung der Scene nach der 
Heilung der Aphrodite endlich rechtfertigt Jacob durch die Be- 
merkung, dafs die Diehtung, welche die Vorgänge nicht neben 
einander darstellen konnte, wie es die Bildhauerkunst oder Malerei 
kann, sondern nur nach einander, zunächst die klagende Aphrodite 
von ihrer Mutter heilen und beruhigen lassen mufste und dann 
erst die Göttinnen spotten lassen konnte, weil nur in dieser Folge 
zuerst Dione ihre Tochter mit dieser mütterlichen Ausführlichkeit 
trösten und nachher Zeus ihr seinen, zwar ernst gemeinten aber 
freundlich ausgesprochenen väterlichen Rat erteilen konnte. 
Verfolgen wir die von Haupt geltend gemachten und von 
Benicken gegen die Gegner mit Nachdruck verteidigten Gründe 
für die Ausscheidung der Partie im einzelnen, so ist unleugbar, 
dafs 290 ein Wirken der Athene aus der Ferne angenommen werden 
kann, wie es 28 von Hephaistos angenommen werden mufs, was 
doch auch Benicken eigentlich zugiebt, wenn er sagt, dafs man 
allenfalls Hephaistos als persönlich anwesend denken und einen 
Vers, in welchem sein plötzliches Kommen erzählt ward, als aus- 
gefallen annehmen könne. Dals der Dichter aber, der Athene 133 
fortgehen läfst, so wenig er das auch ausspricht, sie in den Olymp 
gehen lassen wollte, ist darum wahrscheinlich, weil dieselbe eben 
vorher ihrem Schützling für den bevorstehenden Kampf, der mit 
der Verwundung der Aphrodite endigen soll, alle nötigen Verhal- 
tungsmalsregeln gegeben hat; hütte der Dichter sie weiter auf 
dem Schlachtfelde und in der Nähe des Diomedes verweilen lassen 
wollen, so würde es weder der Verleihung der Gabe, die Götter 
zu erkennen, noch der Weisung Aphrodite anzugreifen bedurft 
haben, beide sind augenscheinlich auf die Abwesenheit der Göttin 
vom Schlachtfelde berechnet. Mithin ist in dieser Beziehung der 
Vorwurf berechtigt, dafs der Dichter, wenn er 133 Athene auf 
den Olymp zurückkehren lassen wollte, sich zu unbestimmt aus- 
gedrückt hat*), sowie dals mit dieser Absicht es sich nicht gut 


*) Die von Düntzer citierten Stellen B 35. 4 210. #212. 2 188, 
& 148 geben insofern keine genügende Analogie, wie Benicken richtig 


Ἑ. Einleitung. 63 


verträgt, dafs Athene dann noch einmal (290) eingreift, während 
sie doch 120ff. alles gethan hat, um Diomedes ohne Gefahr für 
sich handeln zu lassen. Ebenso ist die Ungeschicklichkeit der Dar- 
stellung in 418—420 anzuerkennen, welche durch die von Be- 
nicken wie Ribbeck mit Recht zurückgewiesene unwahrschein- 
liche Vermutung Köchlys ebenso wenig, als durch Düntzers 
Interpretation gehoben werden kann. Vielmehr erscheint dieselbe 
noch gröfser nach der richtigen Bemerkung Ribbecks über κερ- 
τομίοις, dafs in Athenes Worten gar nichts Höhnendes und kein 
Angriff auf Zeus, sondern nur Ironie gegen Aphrodite liege, Zeus 
vernünftiger Weise auch gar nicht damit geneckt werden könne, 
dafs es der Aphrodite übel ergangen sei, die nicht auf seinen An- 
trieb gehandelt habe. Jedenfalls ist es sehr ungeschickt, dafs 
der Dichter bei κερτομίοις an Aphrodite als Objekt denkt, während 
das Objekt des ἐρεϑίξειν Zeus ist. . 

Dagegen sind die übrigen gegen den Inhalt der Scene selbst, 
sowie deren Stelle von Haupt und Benicken gerichteten Be- 
denken mit Recht zurückgewiesen. Scheinen nun die für die Athe- 
tese der Scene beigebrachten Gründe an sich nicht ausreichend, 
so ist doch andrerseits auch die Notwendigkeit derselben aus dem 
dichterischen Plane von Köchly nicht erwiesen, und da die wei- 
teren von Haupt ausgesprochenen Athetesen Abschnitte betreffen, 
welche auf derselben Voraussetzung, wie der eben behandelte, der 
Abwesenheit der Athene vom Schlachtfelde beruhen, so wird die 
Frage nur im Zusammenhange mit diesen erledigt werden können. 

In den Versen 508—511 wird ausdrücklich die Abwesenheit 
Athenes erwähnt, aber diese Stelle steht mit 455—459, auf welche 
sie Beziehung nimmt, im Widerspruch. Während dort nämlich 
Apollo Ares auffordert Diomedes aus der Schlacht zu entfernen 
und dies durch den Kampf desselben gegen Aphrodite und Apollo 
selbst motiviert, wird hier gesagt, Apollo habe Ares aufgefordert 
den Troern den Mut zu erregen, weil er gesehen, dafs sich Athene 
entfernt habe. Ferner hat Ares bereits nach jener Aufforderung 
Apollos die Troer 461—470 ermutigt, hat also bereits gethan, 
was er hier noch einmal thun soll, und zwar nachdem auch Hektor 
schon das Gleiche gethan, er selbst aber die Troer wunderbar in 
Nacht gehüllt hat, der Angriff überdies bereits erfolgt und zur 
Ermutigung keine Zeit ist. Diese Anstöfse sowie die unschöne 
Wiederholung von ἀρήγων 511 aus 507 und das epischer Klar- 
heit entbehrende αὐτός 512, bestimmten Haupt zu der Verwer- 
fung von 508—511, wonach im echten Liede 512 Φοῖβος, nicht 
αὐτός gestanden haben werde. Die Gründe für diese Athetese 
sind so schlagend und zwingend, dals dieselbe fast allgemein an- 
sah, als es in allen diesen Stellen Götter sind, die eine Botschaft aus- 


richten, deren Rückkehr in den Olymp nach Erledigung ihres Auftrags 
mithin selbstverständlich ist. 


64 E. Einleitung. 


genommen ist, so von Benicken, Hoffmann, Köchly, Ribbeck, 
Bernhardy, Bergk, Naber und von Christ, der auch zu er- 
klären versucht, wie die Interpolation entstanden sei; dagegen ist 
sie von Düntzer zurückgewiesen, doch ohne dafs er überzeugende 
Gegengründe beigebracht hätte, und er selbst hat später die Verse 
mit dem ganzen Abschnitt 497—513 verworfen. 

Die dritte Athetese Haupts trifft die Abschnitte 711—792 
und 907—Z1, also die Rüstung Heres und. Athenes und ihre Fahrt 
zum Heer und Rückkehr. Schon Lachmann hatte die Frage auf- 
geworfen, ob diese Abschnitte hier im fünften Liede einem später 
folgenden Θ᾽ 350 ff. nachgeahmt seien oder umgekehrt. Haupt ent- 
scheidet sich für die erste Möglichkeit. Seine Hauptgründe sind: 
einmal, dafs die Erwartung, welche die lange Beschreibung des 
Anschirrens der Rosse und die ganze vorbereitende Erzählung er- 
regt hat, völlig getäuscht wird, da Here weiter nichts thut, als 
dafs sie mit ungeheuerer Stimme, dem Stentor gleich, den Achäern 
Mut zuruft, sodann dafs in dieser Erzählung nicht unbedeutende 
Stücke mit entsprechenden in © übereinstimmen, wo alles im schön- 
sten Zusammenhange und Gleichmafs der Erzählung ist, auch 7681. 
fast buchstäblich aus A 498 f. entlehnt sind, wo sie im festen Zu- 
sammenhange der Erzählung stehen, während hier vorher gar nicht 
gesagt ist, dafs die Göttinnen zu Zeus wollen. Endlich ist die 
Rückkehr der Göttinnen in den Olymp in drei oder vier Versen 
(darunter 908 aus 4 8 wahrscheinlich entlehnt) eilfertig und dürftig 
und nach der langen Beschreibung ihrer Wagenfahrt ohne alle 
Symmetrie abgethan, wobei überdies die am Simois und Ska- 
mandros weidenden Rosse ganz vergessen sind. Dazu einzelne An- 
stöfse, wie dafs Athene hier sich die Ägis umwirft, die sie B 446 
schon trägt, dafs die Göttinnen den Wagen verlassen, man sieht 
nicht weshalb. Zwei weitere Bedenken fügt Benicken hinzu: 1) 
dafs τοὺς δὲ 711 mur mit Mühe auf Hektor und Ares (704) richtig 
bezogen werden können, 2) dafs Here 767 trotz des οὐδ᾽ ἀπίϑησε 
keineswegs dem Gebote des Zeus Athene wider Ares zu erregen 
gehorcht. Jacob hebt besonders das Überladene und Übertriebene 
in den Beschreibungen und Schilderungen der Partie hervor. — 
Auch diese Athetese ist von vielen angenommen, so von Bern- 
hardy und Hoffmann, zum Teil noch über den von Haupt an- 
genommenen Umfang hinaus, wie von Bergk, welcher aulserdem 
(den Kampf des Diomedes gegen Ares vom Nachdichter überarbeitet 
sein läfst, und Naber, der aufser 711—792 den Schlufs des Ge- 
sanges von 868 an verwirft, die erstere Interpolation übrigens für 
ziemlich alt hält, da nach ihm der Verfasser von Θ᾽ dieselbe nach- 
geahmt hat. Gegen die Athetese hat sich Düntzer ausgesprochen, 
weil er 416—431 für ursprünglich hält, derselbe scheidet aber 
doch in dieser Partie 753—769 aus, weil es mit der ganzen Ho- 
merischen Vorstellung im Widerspruch stehe, dafs Here von Zeus 


E. Einleitung. 65 


sich die Erlaubnis einhole den Achäern beizustehen, 778—792 
namentlich wegen des 'Stentorrufs und des Widerspruchs zwischen 
787 und 793 ., 830—834 und den ganzen Schlufs von 868— 
Z4, wo die Beschreibung, wie Diomedes nach Ares’ Verwundung 
die Troer in die Flucht schlägt, dadurch verdrängt sei, dafs der 
Rhapsode, welcher die Verwundung der Aphrodite launig ausführte, 
auch die des Ares scherzhaft behandelte. Ähnlich urteilt über diesen 
Schlufs Kammer. Friedlaender verwirft 785—792. Köchly, 
welcher ebenfalls 418—431 festhält, verwirft 713—755. 768— 777. 
Einzelne der von Haupt geltend gemachten Bedenken sind von 
Grofs bestritten. Auch für uns sind nicht alle von dem Gewicht, 
welches jener denselben beilegt, auch ist gegen denselben von 
Genz nicht ganz ohne Grund eingewendet, dafs man kein Recht 
habe aus diesem Liede Göttermythen zu streichen, die so sehr im 
Geschmack desselben seien. Allein wenn die schon oben bemerkten 
Mängel in der Einheit des dichterischen Planes zum Teil auf den 
von Haupt ausgeschiedenen Partieen beruhen, damit sich Mängel 
der Darstellung verbinden, wie sie in den übrigen Teilen des Ge- 
sanges sich nicht in gleichem Mafse finden, dazu auch ziemlich 
sichere Spuren der Benutzung eines andern Liedes sich nachweisen 
lassen, so sind doch auch für den Lachmannschen Standpunkt 
genügende Anzeichen vorhanden, um eine Erweiterung des ursprüng- 
lichen Liedes anzunehmen. Für uns ist namentlich das Mifsver- 
hältnis zwischen dem grofsartigen Apparat, mit welchem die Fahrt 
der beiden Göttinnen in Scene gesetzt wird, und den folgenden 
Wirkungen, sowie das Überladene und Übertriebene in der Dar- 
stellung ein Erweis, dafs wir hier nicht eine Schöpfung echter 
Homerischer Kunst, sondern die Arbeit eines Nachahmers vor uns 
haben, und die mannigfachen Ungeschicklichkeiten im einzelnen 
können diesen Verdacht nur verstärken. Damit erledigt sich nun 
auch zugleich die oben offengelassene Frage in betreff der olym- 
pischen Scene 418—431 dahin, dafs wir auch in dieser einen spä- 
teren Zusatz sehen müssen, obwohl der Inhalt derselben nach un- 
serm Urteil nicht so elend ist, wie ihn Haupt und Benicken 
ansehen. Denn da eben die beiden zuletzt betrachteten Partieen, 
welche wie jene, die Anwesenheit der Athene im Olymp voraus- 
setzen, die auffallendsten Anstöfse nach Inhalt und Darstellung bieten, 
andrerseits aber jene Voraussetzung selbst die einheitliche Grundlage 
des Gesanges zerstört, so ist es in hohem Mafse wahrscheinlich, dafs 
wir in allen jenen Scenen, welche diese Voraussetzung machen, 
eine Erweiterung des ursprünglichen Planes zu sehen haben. 
Eben dieselbe Götterdichtung, von der nicht unbedeutende 
Stücke durch diese Athetesen beseitigt sind, ist es nun, die Bi- 
schoff einer scharfen Kritik unterzogen hat, welche sich teils 
gegen die Art der Darstellung der Götter, teils gegen die Moti- 
vierung ihres Auftretens und Handelns richtet. In ersterer Be- 
Hzxtze, Anhang zu Homers Ilias. II. 5 


66 E. Einleitung. 


ziehung wird neben vielem andern besonders die Zeichnung des 
Ares hervorgehobep, wie er sich von Athene ‘gleich einem dummen 
Jungen fortschicken lälst (30 #.) und dicht daneben draufsen, gleich- 
sam vor der Thüre stehen bleibt’, wie er von Aphrodite von den 
Thaten des Diomedes hört (395 ff.) und doch nicht wagt am Kampfe 
teilzunehmen, bis ihn Apollo ruft (455). In Bezug auf die Moti- 
vierung aber nimmt derselbe besonders Anstols an 130—132, wo 
Athene Diomedes warnt gegen Götter zu kämpfen aufser gegen 
Aphrodite: warum diese ausgenommen sein soll, ist durch nichts 
motiviert: “Wie weils denn Athene, dafs Äneas den Pandaros auf- 
suchen, dann erst nach längerer Rede mit diesem sich gegen Dio- 
medes wenden wird?” Ebensowenig ist motiviert, weshalb Apollo 
den Ares zum Kampf ruft: “Wenn Ares eine niedrigere, von Men- 
schen verwundbare Gottheit ist, sollte nicht Apollo dieses wissen? 
Auch sehen wir den Ares zunächst nicht mit besonderem Erfolg 
wirken”. Bischoff glaubt nun aber auch zwei sichere Anhalts- 
punkte gefunden zu haben, von denen aus die Scheidung der Zu- 
diehtung von dem ursprünglichen Kern sich ermöglichen lasse. 
Der eine ist ihm 794 ff. gegeben, wo Athene den Diomedes trifft 
aufserhalb des Kampfgewühls, während er die Wunde kühlt, die 
er durch Pandaros’ Pfeil erhalten, und von Schweils triefend sich 
das Blut abwischt. “Diese Stelle setzt einen andern Gang der 
Erzählung voraus, denn Athenes plötzliche Hülfe (121 #.), die ihn 
befähigt nach jener Verwundung wieder in den Kampf zu gehen 
und so grofse Thaten zu thun, wie sie von 134 an erzählt werden, 
konnte nicht von so vorübergehender Wirkung gewesen sein’. Der 
andere Anhaltspunkt ist in der Stelle 130—132 gegeben, wo Athene 
Diomedes warnt gegen Götter zu klimpfen aulser gegen Aphrodite: 
diese Stelle beweist ihm die Fremdartigkeit des letzten Stücks, 
des Kampfes gegen Ares; denn dieser Dichter hatte einen Kampf 
gegen Ares nicht im Sinn. Danach scheint ihm sicher: 1) Dio- 
medes ist nicht von Athene geheilt worden nach 795—798; 2) 
er hat nicht mit Aphrodite gekämpft (nach derselben Stelle und 
der ungeschickten Motivierung V. 132 zu schliefsen); 3) er hat auch 
nicht mit Ares gekämpft (nach V. 130 u. anderen Gründe»); auch Hera 
und Apollo hatten in der alten Dichtung nichts zu thun. — Bergk 
weist folgende Stücke dem Diaskeuasten, der das alte Gedicht über- 
arbeitete, zu: 1) die Entfernung des Ares aus dem Kampfe durch 
Athene, 29—36; 2) V. 131 f., welche auf den Kampf des Diomedes 
gegen Aphrodite vorbereiten; 3) diesen Kampf selbst, 311—431: 
‘in der alten Ilias nahm sich wohl Apollo des verwundeten Äneas 
an’; 4) die Heilung des Äneas und die Zurückführung des Ares 
in den Kampf durch Apollo, 444—460. In der feindlichen Be- 
gegnung des Diomedes mit Ares sieht derselbe ein Stück der 
alten Ilias, aber auch dieses läfst er von dem Diaskeuasten mit 
grolser Freiheit überarbeitet sein. 


E. Einleitung. 67 


Einzelne dieser Abschnitte sind auch von andern Gelehrten 
beanstandet oder geradezu verworfen. An der Entfernung des Ares 
durch Athene nahmen auch Jacob und Düntzer, zum Teil auch 
Nitzsch Anstols; Holm fand die Worte der Athene auch unver- 
träglich mit 832 —834: der Dichter, welcher jenes Versprechen 
des Ares den Achüern beizustehen erfunden oder aufgenommen 
hatte, hätte auch hier davon Gebrauch machen müssen. Benicken 
dagegen weist alle Bedenken zurück. 

Die Verwundung der Aphrodite durch Diomedes verwirft auch 
Düntzer, erstreckt die Athetese aber auf 330—460 nebst den 
diesen Abschnitt vorbereitenden Versen 131f., sodals auch Dio- 
medes’ Ansturm auf Apollo, die Heilung des Äneas und Ares’ 
Wiedereinführung in den Kampf durch Apollo ausgeschieden wird. 
Innerhalb dieser Partie verwirft Köchly nur 331—333 als in 
offenbarem Widerspruch mit 131f. und 820f., sowie 338, der aus 
einem Milsverständnis von 315 hervorgegangen sei, letzteres mit 
Zustimmung von Benicken, endlich 398—402. La Roche und 
Naber dagegen lassen die Verwundung der Aphrodite durch Dio- 
medes bestehen, verwerfen aber die Erzählung von der Rückkehr 
derselben in den Olymp und die dort spielenden Scenen zwischen 
Aphrodite und Dione einerseits und andrerseits zwischen Athene, 
Here und Zeus, 353-—431. 

In der That bieten die von Haupt und Benicken nicht 
beanstandeten Götterpartien teils durch die Zeichnung der Götter 
teils durch die mangelhafte Motivierung nicht minder schwere An- 
stöfse, als die von jenen Kritikern verworfenen Stücke. Man ver- 
gegenwärtige sich die hier von Ares gegebene Darstellung, wie 
er im Eingang von Athene sich übertölpeln läfst, wie er auch 
durch die von Aphrodite erhaltene Kunde von Diomedes’ Wüten 
nicht zu der Erkenntnis kommt, dafs er von Athene schmählich 
betrogen ist, und erst durch Apollo wieder in den Kampf zurück- 
gebracht werden mufs. Und wie befremdend ist die Haltung der 
Athene selbst. Dafs sie ohne alle Veranlassung Diomedes auffor- 
dert Aphrodite anzugreifen, um dann im Olymp die Verwundete 
zu verspotten, dafs dies 331 fl. lediglich dadurch motiviert wird, 
dafs sie eine unkriegerische Göttin sei, dals Diomedes dadurch, 
wie es doch scheinen mufs, verführt wird Aphrodite zu verspotten 
und selbst gegen Apollo anzustürmen, das sind Züge, die einen 
Dichter verraten von der Art wie der ist, welcher den Götter- 
kampf in Φ gedichtet hat, der übrigens auf den Kampf des Dio- 
medes gegen Ares in E anspielt. Und in welches Licht tritt über- 
dies noch Athenes Frivolität durch die von Dione 406—415 und 
von Apollo 440—442 gegen Diomedes ausgesprochenen ernsten 
Warnungen. Noch schlimmer aber steht es mit der Motivierung 
der bezüglichen Scenen: hier ist nichts von der .Homerischen Art 
aus der Handlung selbst die Motive für die weitere Entwicklung 

δ᾽ 


68 E. Einleitung. 


ungesucht hervorgehen zu lassen. Als Athene 29 ff. den Ares aus 
dem Kampfe entfernt, hat Diomedes soeben durch Erlegung des 
Phegeus unter den Troern grolse Bestürzung hervorgerufen. Wäh- 
rend wir nun die weitere Wirkung davon erwarten, folgt vielmehr 
durch nichts vorbereitet die Entfernung des Ares und in unmittel- 
barer Folge die Flucht der Troer, die nun durchaus als Wirkung 
von jener Entfernung erscheint, was um so störender wirkt, da Dio- 
medes in den niichsten funfzig Versen völlig in den Hintergrund tritt. 
Ist nun das Motiv, welches den Dichter bestimmt Ares aus dem 
Kampfe zu entfernen, offenbar, wie der Gegensatz dessen, was 
nach seiner Rückkehr geschieht, zeigt, dem Diomedes für seine 
Heldenbahn Raum zu schaffen, so hängt damit andrerseits wieder 
die zeitweilige Entfernung Athenes vom Schlachtfelde auf das 
engste zusammen: bliebe Athene auf dem Schlachtfelde, so würde 
es der Entfernung des Ares nicht bedürfen, wie andrerseits seine 
Rückberufung durch Athenes Weggang, Athenes Rückkehr durch 
das Wüten des zurückgekehrten Ares motiviert wird. Athenes 
Weggang vom Schlachtfelde erfolgt aber, wenn wir den Plan des 
Dichters richtig verstehen, bereits 133 und nicht etwa, wie es nach 
510f. scheinen könnte, nach Diomedes’ Kampf mit Pandaros und 
Äneas etwa gleichzeitig mit der Rückkehr der Aphrodite in den 
Olymp. Ehe Athene aber in den Olymp zurückkehrt, hebt sie die 
Folgen seiner Verwundung durch Pandaros auf und rüstet ihn für 
den weiteren Kampf mit diesem aus. Hier verdientnun das Verhältnis 
Beachtung, in welchem das Gebet des Diomedes an Athene und 
das, was diese darauf thut und sagt, zu einander stehen. Dio- 
medes bittet, Athene möge ihm hülfreich beistehen und ihn den 
Troer erlegen lassen, der ihn verwundet habe. Athene erhört sein 
Gebet und macht seine Glieder leicht, zugleich aber nimmt sie 
den Nebel von seinen Augen, dafs er Götter und Menschen unter- 
scheiden kann, und weist ihn an zwar den Kampf mit andern 
Göttern zu meiden, aber gegen Aphrodite seine Waffe zu gebrauchen. 
Hier haben nun Düntzer und Naber an V. 122 Anstofs genom- 
men: jener hält denselben für unpassend eingefügt aus N 61: ‘in 
dem Augenblicke, wo sie naht, erfüllt sie die Brust des Diomedes 
mit Mut und benimmt ihm den Nebel’, dieser, weil Diomedes ge- 
heilt wird, wenn auch nur für den Augenblick, vgl. 795. Dem 
gegentiber ist einmal zu bemerken, dafs ebensowenig als Dio- 
medes um Heilung seiner Wunde bittet, ebensowenig eine solche 
erfolgt, wie 795 ff. zeigt, man vergleiche auch die Darstellung 
71508 ff, wo Glaukos’ Wunde durch Apollo wirklich geheilt wird. 
Handelt es sich aber nur um eine augenblickliche Aufhebung der 
Wirkungen der Wunde, so ist V. 122 nicht so ganz unpassend, weil 
der Schufs in die Schulter zunächst den Arm lähmen muls, vgl. 
797 κάμνε δὲ χεῖρα. Wenn wir aber die Ansprache, welche Athene 
dann an Diomedes richtet, vergleichen und sehen, dafs diese auf 


E. Einleitung. 69 


die Verwundung nicht die geringste Rücksicht nimmt, so ergiebt 
sich, dafs V. 122 durchaus nicht entbehrt werden kann, weil nur 
dieser der Situation einigermalsen gerecht wird, obwohl wir aller- 
dings (vgl. 113) eher erwarten zu hören, dafs Athene das Blut 
gestillt und die Schmerzen beruhigt habe. Prüfen wir nun den 
Inhalt der Ansprache der Athene selbst im Verhältnis zu Dio- 
medes’ Gebet, so läfst sich zwar in den ersten drei Versen eine 
Beziehung auf 116f. erkennen, aber schon hier ist die Art, wie 
Athene die Ermutigung des Diomedes zu weiterem Kampfe be- 
gründet, sehr auffallend. Ist das Gebet des Diomedes die Wir- 
kung der Erkenntnis, dafs die Wunde nicht unbedeutend (113), 
und spricht sich in den Schlufsworten desselben 119 f. eine gewisse 
Beunruhigung darüber aus, so ist doch wenig begreiflich, dafs 
Athene ihn durch den Hinweis ermutigt, dafs sie ihm den uner- 
schrockenen Mut seines Vaters eingeflöfst habe, und mit keinem 
Wort der Wunde gedenkt. Was aber weiter folgt, die Verleihung 
der Gabe die Götter zu erkennen und die Weisung die Aphrodite 
anzugreifen, tritt vollends so unvermittelt, so ohne allen Zusammen- 
hang mit der vorhergehenden Entwicklung und der vorliegenden 
Situation ein, dafs der Verdacht einer durchgreifenden Entstellung 
der ursprünglichen Dichtung sich aufdrängt. Bergk, Düntzer 
und Bischoff haben nun in den beiden letzten Versen einen Zu- 
satz erkannt zu dem Zweck, um die Zudichtung von der Verwun- 
dung der Aphrodite vorzubereiten. Allein ist die Verwundung der 
Aphrodite offenbar besonders zu dem Zweck gedichtet, um auf 
Grund derselben die betreffenden olympischen Scenen einzufügen, 
und machte diese Eindichtung die Anwesenheit der Athene im 
Olymp nötig, so ist letztere andrerseits wieder die Voraussetzung 
für die ganze Anordnung der Handlung auf dem Kampfplatze: an 
ihr hängt die Entfernung des Ares aus der Schlacht (von dem 
sich dann Aphrodite den Wagen geben läfst), seine Zurückführung 
durch Apollo und das Zurückweichen des Diomedes vor ihm. Letz- 
teres wird nun hier offenbar durch die Worte der Athene 127— 
130 vorbereitet: denn wenn es hier heilst: af κε ϑεὸς πειρώμενος 
ἔνϑαδ᾽ ἵκηται, so kann damit nicht Apollo gemeint sein, welcher 
nur Äneas in eine Wolke hüllt, um ihn aus dem Kampfe zu retten 
und vor welchem, Diomedes eben nicht weicht, sondern nur Ares, 


wie er von Apollo in die Schlacht zurückgeführt, an der Spitze , 


der Troer gegen Diomedes vorgeht 592 ff,, vor dem dann Dio- 
medes der Mahnung der Göttin gemäfs weicht. Haben wir dem- 
nach in den Versen 127—30 in gleicher Weise wie in 131f. nur 
Verhaltungsmafsregeln für Diomedes für die Zeit der Abwesenheit 
der Athene vom Schlachtfelde zu sehen und ist diese selbst mit 
allem, was damit zusammenhängt, eine spätere Zuthat, so wird 
damit die Ursprünglichkeit der ganzen Ansprache der Athene, die 
auch an sich viel Befremdendes hat, in Frage gestellt, sei es nun, 


70 Ἑ. Einleitung. 


dafs ursprünglich mit 121f. kurz die Erhörung des Gebets berichtet 
war, ohne dafs Athene überhaupt eine Ansprache an Diomedes 
richtete, worauf sie 290 seine Bitte erfüllte, sei es, dafs die ur- 
sprünglich auch folgende Ansprache anders lautete. Gegen die 
Absonderung der Verse 131 f. von den vorhergehenden spricht 
übrigens auch der Plural $eoig, welcher, da ϑεὸς im Singular 
vorhergeht, lediglich dadurch veranlafst scheint, dafs damit die 
folgende Ausnahme der Aphrodite (τοῖς ἄλλοις, ἀτάρ xz£.) vorbereitet 
wird. Fällt aber mit der ganzen Ansprache der Athene auch V. 133, 
worin ihr Weggang (nach des Interpolators Meinung: in den Olymp) 
berichtet wird, so lesen wir nun ohne Anstofs in der Folge (290), 
dafs Athene das von Diomedes auf Pandaros geschleuderte Ge- 
schofs lenkte, während ein nochmaliges Eingreifen Athenes nach 
den 123 ff. für die Zeit ihrer Abwesenheit getroffenen Anordnungen 
sehr befremdend ist. 

Eine weitere Frage ist, ob in dem ursprünglichen Gedicht 
Aphrodite überhaupt in den Kampf eingrif. Bergk nahm dies 
nicht an, sondern vermutete, dafs ursprünglich Apollo sich des 
verwundeten Äneas angenommen und ihn gegen Diomedes geschützt 
habe. Gründe für diese Annahme sind von ihm nicht gegeben 
und ich wülste auch nicht, was gegen die Rettung des Äneas durch 
Aphrodite spräche. Scheint es an sich natürlich, dals die Mutter 
den Sohn rettet, wie sie in I’ ihren Liebling Paris gerettet: hat, 
so wird es überdies wahrscheinlich durch die geflissentliche Hervor- 
hebung derselben als Mutter des Äneas in den Worten des Sthenelos 
248. Ein indirekter Beweis für die Ursprünglichkeit der V. 311— 
317, in denen die Rettung des Äneas durch seine Mutter dargestellt 
wird, würde ferner darin liegen, wenn, wie Köchly und Benicken 
vermuten, V. 338 einem Mifsverständnis des V. 315 seinen Ursprung 
verdankte. 

Andrerseits ist die Einführung des Apollo mit dem Plan des 
Dichters, der, wie wir annehmen müssen, den ursprünglichen Ge- 
sang erweiterte, so eng verknüpft, dafs es zweifelhaft scheint, ob 
dieser Gott ursprünglich überhaupt an der Handlung beteiligt war. 
Apollo hat in dem erweiterten Plan die Aufgabe den von Athene 
entfernten Ares wieder in den Kampf zurückzuführen. Dies Ein- 
greifen desselben wird aber so an die Rettung deg Äneas geknüpft, 
„das der Ansturm des Diomedes gegen den Äneas schirmenden 
"Gott für diesen das Motiv zur Berufung des Ares ‚wird und mit 
diesem ist wiederum 458 f. die Verwundung der Aphrodite so ver- 
bunden, dafs beide Motive, wie sie eine gleiche Überhebung des 
Diomedes zeigen, aus dem Geiste desselben Dichters zu sein scheinen. 
Die übrige Thätigkeit Apollos aber, die Versetzung des Äneas nach 
Pergamos uud seine dortige Heilung durch Leto und Artemis, die 
Schaffung eines εἴδωλον an Stelle des entrückten Äneas und die 
schliefsliche Zurückführung desselben in den Kampf, enthält des 


E. Einleitung. τ 


Befremdenden soviel, dafs wir mit Düntzer und Bischoff ge- 
neigt sind die ganze Apollon betreflende Partie 432—460, wie 
512—518 zu verwerfen. 

Die bisher verfolgten Athetesen lagen alle im Bereich der 
in den Gesang verwebten Götterhandlung und das Ergebnis unserer 
Prüfung war, dafs wir hier eine Erweiterung des Ursprünglichen 
in einem Umfange und einer Weise annehmen mufsten, dafs da- 
durch der ursprüngliche Plan in wesentlichen Punkten alteriert 
wurde. Es sind nun aber auch andere Teile des Gesanges teils 
wegen des Inhalts teils wegen der Komposition und Darstellung 
von verschiedenen Seiten beanstandet. So gleich der Eingang des 
Gesanges 1—84, in welchem Düntzer, Holm und Bergk über- 
einstimmend einen dem ursprünglichen Gedicht fremden Bestand- 
teil zu erkennen glauben. Abgesehen von der schon erörterten 
Scene zwischen Athene und Ares 29—36 wird von Düntzer und 
Holm besonders das Mifsverhältnis hervorgehoben, welches zwi- 
schen der Einführung des Diomedes 1—8 und der folgenden Er- 
zählung bestehe, da nach dem Kampf des Diomedes mit den Söhnen 
des Dares zunächst die Flucht der Troer und die Kämpfe anderer 
Helden folgen, während Diomedes erst 85 ff. hervortrete Dazu 
fügt der neueste Übersetzer der Ilias, W. Jordan, den schweren 
Vorwurf, dafs in der Erzäblung 38—83 ‘von Poesie auch nicht 
das schwächste Fünkchen warnehmbar sei, desto mehr aber eine 
Art gemeiner Schadenfreude, die sich den Tod eines Troers würze 
mit der Betrachtung, dafs in ihm ein Liebling der Artemis und aus- 
gezeichneter Pfeilschütz, oder ein von Athene hochbegabter Künstler 
geschlachtet werde” und dafs ‘nur eine Art Einbildungskraft dem 
Verfasser reichlich zu Gebote stehe: die fleischermälsige eines 
Folterknechts’, da er mit scheufslichem Behagen schwelge in 
der Erfindung schwerer, haarsträubender, ja ekelhafter Todes- 
wunden. Bei dem letzteren Vorwurf liegt die Übertreibung auf 
der Hand; dafs der Dichter in der Art, wie er die Tödtungen 
variiert, Geschick zeigt, erkennt auch Jordan an. Wie aber aus 
dem Eingehen des Dichters auf die persönlichen Verhältnisse und 
das Schicksal der Fallenden eine gemeine Schadenfreude erkennbar 
sei, ist nicht recht zu sehen. Auch die übrigen Ausstellungen 
verlieren wesentlich an Gewicht, sobald man nur die Verse 29—36, 
worin die Entfernung des Ares durch Athene erzählt wird, als 
einen späteren Zusatz erkennt. Fehlten diese Verse ursprünglich und 
war, worauf 27. vorbereiten, die Flucht der Troer als die Wir- 
kung der Thaten des Diomedes dargestellt, so konnte der Dichter 
behufs der Schilderung der Flucht eine Reihe von Einzelkämpfen 
anderer Helden folgen lassen, wenn er dann jenen gegenüber seinen 
Helden so hervorhob, wie er es 88 ἢ. thut. Dafs E85 ff. aber 
nicht an den Schlufs von 4, auch nicht an 4504, wie Düntzer 
wollte, sich passend anschliefsen lassen, hat Benicken nachgewiesen. 


72 E. Einleitung. 


Nur kann man fragen, ob die Verse 4—7, worin erzählt wird, 
wie Athene von Haupt und Schultern des Diomedes eine Flamme 
entzündet, nicht eine fremde Zuthat sind, da nirgend in dem Ge- 
sange die geringste Wirkung dieser aufserordentlichen Erscheinung 
ersichtlich ist; überdies scheint das so auffallende Asyndeton 4 
die Interpolation zu verraten. Übrigens glaubte Nitzsch in 1—8 
den Eingang eines früheren Einzelliedes zu erkennen. 

‘In der weiteren Erzählung wollte Düntzer 159—165 aus- 
scheiden, doch sind die dafür angeführten Gründe, wie auch Be- 
nicken urteilt, nicht beweiskräftig. Ebenso verwarf derselbe 221— 
225, gegen welche auch M. Schmidt Bedenken ausspricht, und 
265—273, La Roche noch weiter gehend den ganzen Abschnitt 
241—274; letzterer hat gar keine Begründung gegeben, die von 
dem ersteren beigebrachten Gründe sind nicht ausreichend und 
von Benicken zurückgewiesen. 

Zwei umfassendere Athetesen treffen das Auftreten Sarpedons 
471—496 und seinen Kampf mit Tlepolemos 628—698. Den An- 
stols zu diesen Athetesen gab Giseke, indem er in der troischen 
Hülfsleistung des Sarpedon ein neueres Element der Sage erkannte 
und im einzelnen nachzuweisen suchte, wie die künstliche Ein- 
fügung der dahin gehörigen Teile noch in ihren Fugen erkennbar 
sei. Bei den hier in Frage kommenden Partieen ist der Nachweis 
überzeugend. In der ersten wird an die anfeuernden Worte, welche 
Ares an die Söhne des Priamos richtet, unmittelbar eine an Hektor 
gerichtete Scheltrede Sarpedons geschlossen, in welcher die auf- 
opfernde Thätigkeit der Hülfsvölker, zumal der Lykier im Gegen- 
satz zu Hektors Schlaffheit ruhmredig in vielen Worten ausgeführt, 
im übrigen aber Hektor in ähnlicher Weise, wie es bereits von 
Ares geschehen ist, zum Kampf ermuntert wird. Dafs diese Rede 
nach den Worten des Gottes, deren Wirkung man erwartet, nicht 
nur zwecklos, sondern, wie sie ganz unmotiviert eintritt, mit ihrer 
breiten für die Situation nichts Wesentliches bringenden Ausfüh- 
rung in hohem Mafse störend wirkt, ist unbedingt zuzugeben. In 
Erwägung dieser Gründe haben denn auch Köchly, Ribbeck, 
Nitzsch, Bernhardy, Genz und von Christ die Athetese ge- 
billigt. Letzterer, welcher es als ganz unzweifelhaft ansieht, dafs 
die Lykier am Xanthos erst durch Verwechslung mit den gleich- 
namigen Lykiern am Aisepos in die Sage vom troischen Kriege 
gekommen sind, findet die Erwähnung der südlichen Lykier hier 
im fünften Gesange besonders auch deshalb anstöfsig, weil in des- 
selben Gesanges erstem Teil der Führer der nördlichen Lykier 
Pandaros die Hauptrolle spielt und die Verschiedenheit der beiden 
Lykien in den Versen 4 91. 103 und E 481 mehr blofs angedeutet, 
als planmäfsig durchgeführt werde, da namentlich 4197. 207. 
E173. 645 so von Lykiern gesprochen werde, als ob es nur ein 
Land Lykien gebe. Derselbe kommt aber zu dem Schlufs, dafs 


E. Einleitung. 73 


entweder in der alten Diomedeia die Lykier ganz fehlten oder dafs 
zwei Diomedeslieder, das eine mit den südlichen (E 471—909), 
das andere mit den nördlichen Lykiern (E 1—417) in unserm 
5. Gesange mit einander verschmolzen seien. Auch M. Schmidt 
stimmt der Athetese zu, jedoch nur, wenn es sich um die Her- 
stellung des ursprünglichen Einzelliedes der Diomedeia handle. 
Benicken dagegen giebt zwar die Möglichkeit einer Interpolation 
zu, findet aber die dafür vorgebrachten Bründe nicht ausreichend. 
Hinsichtlich des Umfangs der vorzunehmenden Ausscheidung gehen 
die Ansichten auseinander. Giseke beschränkt die Athetese auf 
471—493, worauf 494 an der Stelle von αὐτίκα --- Ἕχτωρ ein- 
zusetzen sei; Köchly scheidet 471—496 aus, Nitzsch 470—492, 
worauf 493 an Stelle des Sarpedon Akamas oder Ares einzu- 
setzen sei. Von diesen Vorschlägen ist der von Giseke, wie 
v. Christ urteilt, vorzuziehen, weil ‘der weitere Verlauf der Er- 
zählung die Erwähnung des Hektor an unserer Stelle wahrschein- 
lich macht’; überdies würde bei Entfernung auch von 494—496 
jede Andeutung der Wirkung, welche die Worte des Ares auf die 
Söhne des Priamos gehabt, fehlen. 

Bei dem Kampf des Sarpedon mit Tlepolemos 627 —698 tritt 
zunächst das Bedenken entgegen, dafs Tlepolemos nach dem Kata- 
loge aus Rhodos nach Troja gekommen sein soll “im Widerspruch 
mit der übrigen Sage, die ihn viel später mit den Herakleiden 
in den Peloponnes und von Argos nach Rhodos gehen läfst. Man 
vermutete schon im Altertum, dafs in seinem Kampf mit Sarpedon 
eine direkte Anspielung auf die Kämpfe der Rhodier mit ihren 
festländischen Nachbaren liege; woraus folgen würde, dafs die Ho- 
merische Darstellung nicht auf alter Überlieferung beruhe’ (Giseke), 
Auch Bergk, Naber und v. Christ urteilen, dafs die alte Ilias 
von einem Anteil der Rhodier am troischen Kriege nichts wisse. 
Für die Athetese dieses Abschnittes spricht aber vor allem, dafs 
derselbe sich nicht nur ausscheiden läfst, ohne dafs man etwas 
vermifst, sondern Stücke weit von einander trennt, die durch die 
unmittelbarste Beziehung aufeinander verbunden eng zusammen- 
gehören, vgl. 699—702 mit 604—606 (Holm, La Roche). 
Dazu kommen folgende von Ribbeck beobachtete Differenzen 
zwischen der Episode und der vorhergehenden Erzählung, welche 
zeigen, dafs die Situation hier gar nicht beachtet ist. Die Achäer 
sind seit 605f, vgl. 822£, im Weichen. Nun ist Tlepolemos der 
Herausfordernde, aber ‘wie kann ein Zurückweichender den Vor- 
drängenden herausfordern? ja sogar wie kann hier gesagt werden 
630 οἵ δ᾽ ὅτε δὴ σχεδὸν ἦσαν ἐπ᾽ ἀλλήλοισιν ἰόντες; Ferner: wie 
kann Odysseus daran denken Sarpedon zu verfolgen (672), wenn 
die Achäer die zurückweichenden sind’? Und wie reimt sich, fügen 
wir hinzu, vollends das Gemetzel, welches Odysseus unter den 
Lykiern anrichtet 677 ff. und was sich daran schliefst, namentlich 


74 E. Einleitung. 


690 ἢ, mit der die Episode umgebenden Erzählung, zumal mit der 
so nahe folgenden Angabe 699—702? Ferner wird die Klarheit 
und Übersichtlichkeit der Darstellung, wie Bergk bemerkt, durch 
die Episode auch insofern beeinträchtigt, als auf das Zurückweichen 
des Diomedes vom Kampfe alsbald das Einschreiten der Götter 
(oder doch der Athene) erfolgen mufste, während jetzt auf dasselbe 
erst 822 ff, sich bezieht. Endlich haben Bergk und Jacob an 
dem prahlerischen Ton % der Rede des Tlepolemos Anstöols ge- 
nommen, worin, wie der erstere urteilt, sich der jüngere Dichter 
verrate. Hienach haben zahlreiche Kritiker, wenn auch in ver- 
schiedenem Umfange, die Athetese über diesen Abschnitt ausgespro- 
chen: Köchly, Ribbeck, Düntzer, La Roche*), Holm ver- 
werfen 608—698, Nitzsch, Genz, Naber 628—698, Kayser 
627—710. Benicken giebt auch hier die Möglichkeit einer Inter- 
polation zu, ohne jedoch den Erweis derselben anzuerkennen; und 
M. Schmidt giebt die Athetese nur für das Einzellied zu. Für 
uns sind die angegebenen Gründe so überzeugend, dafs wir an 
der späteren Einfügung des Zweikampfes zwischen Sarpedon und 
Tlepolemos nicht zweifeln, und es kann nur die Frage sein, ob 
die Interpolation noch weiter reicht. Wenn Köchly u. A. auch 
die dem Zweikampf vorhergehenden Kämpfe 608—626 dazu rech- 
nen, so ist dies von Ribbeck damit begründet, dafs wenn schon 
vorher (590—595) gesagt sei, dafs Ares Hektor beigestanden und 
hierauf (608—26) zwei Feinde namhaft gemacht werden, die er 
erlegt hat, natürlich unter dem Beistand des Gottes, damit die 
703 folgende Frage ἔνϑα τίνα πρῶτον, τίνα δ᾽ ὕστατον ἐξενάριξαν 
Ἕκτωρ τε Πριάμοιο πάις καὶ χάλκεος "Agns; unvereinbar sei. Ist 
dieser Ansto[s begründet und sind andrerseits die V. 703—710 
im Plane des Gesanges notwendig, so müssen in der That auch 
608—26 dem Interpolator gehören. Man sieht auch, warum der- 
selbe diese vorausschickte. Da unmittelbar vorher 605 f. die Achäer 
von Diomedes aufgefordert waren vor Ares zu weichen und die 
dadurch geschaffene Situation den unmittelbaren Anschluls eines 
Zweikampfes, bei welchem der Grieche der Herausforderer war, nicht 
wohl zuliefs, so bedurfte es dieser Kampfscenen, um durch Verände- 
rung der Situation die Einfügung des Zweikampfes vorzubereiten. 

Auch von der zwischen den beiden Sarpedonepisoden lie- 
genden Erzählung sind grolse Stücke beanstandet. So verwirft 
Düntzer 497—513 und 516—518, unter Widerspruch von Be- 
nieken. Noch umfassender sind die Athetesen von Holm und 
Köchly. Jener verwirft 508—593, indem er 594 an Stelle von 
"Ans δ᾽ einsetzt: αὐτὸς δ᾽. Ein Hauptargument für diese Athe- 
tese liegt ihm in dem mangelhaften Zusammenhange der Schluls- 


*) Dieser hält das Stück indessen für sicher echt homerisch und 
glaubt nur, dafs es an eine falsche Stelle geraten sei. 


E. Einleitung. 75 


partie 589— 596. Menelaos und Antilochos haben 578— 589 
Pylaimenes und dessen Wagenlenker getötet, Antilochos treibt die 
Rosse desselben fort. Als Hektor diese beiden Helden erblickt, 
stürmt er gegen sie an, aber nun ist von Antilochos und Menelaos 
nicht weiter die Rede, vielmehr wendet sich die Erzählung, Ares’ 
Anwesenheit an der Spitze der troischen Scharen, welche Hektor 
folgen, hervorhebend, zu Diomedes, welcher nun, als er Ares sieht, 
zurückweicht. Dazu kommt das andere Bedenken, dafs Diomedes 
jetzt erst den Ares sieht, obwohl er 519 unter den Fürsten ge- 
nannt ist, die die Achäer ermuntern, nachdem Ares auf Seiten der 
Troer wieder eingegriffen hat. Nach 518 ferner mufs der von 
Ares und Hektor erregte Kampf bereits in vollem Gange sein, und 
dasselbe lassen die folgenden Einzelkimpfe vermuten, aber Ares 
und Hektor kommen erst 590 in die Schlacht und 607 heifst es: 
die Troer kamen ihnen (den Achäern) ganz nahe. Köchly aber 
scheidet 528—589 als zu der Klasse der “Mordgeschichten’ ge- 
hörig aus, was Ribbeck näher begründet hat durch den Hinweis, 
dafs der Zuruf Agamemnons 528 ff. nach dem unmittelbar vorher 
Gesagten ganz überflüssig sei, sowie dadurch, dafs die Beziehung 
von τοὺς δ᾽ 590 sehr unklar sei und eine passende Beziehung, 
namentlich auch wegen des κατὰ στίχας nur durch den Anschlufs 
an 527 gewonnen werde, da Aias, Diomedes, Odysseus bei der 
Ermunterung der Achäer (520) κατὰ στίχας sich zeigten. Diese 
Athetese ist von Benicken ebenfalls zurückgewiesen. 

Verfolgen wir den Gang der Erzählung von 497 an, wo Hektor 
die Troer ermunternd die Schlacht herstellt, so erheben sich aller- 
dings gegen den Abschnitt 498--- 618 mehr als ein Bedenken. Bereits 
498 heilst es, dafs den sich wendenden Troern gegenüber die Ar- 
giver unerschrocken standhielten, der Kampf wird erneuert 506 
und ist 517f. in vollem Gange. Nach allem diesem aber hören 
wir 519, dafs ‚die achäischen Fürsten die Ihrigen ermuntern, dafs 
diese aber schon von selbst standhalten, und nachdem dies durch 
ein ausgeführtes Gleichnis veranschaulicht und 527 fast mit den- 
selben Worten, wie 498 wiederholt ist, wird Agamemnon von 
neuem die Achäer ermunternd eingeführt, worauf er selbst einen Ge- 
fährten des Aineias erlegt. Dafs das keine einheitlich gedachte und 
klar fortschreitende Erzählung ist, bedarf keiner weiteren Aus- 
führung; Homerische Weise ist es in paralleler Gliederung das Ent- 
sprechende zusammenzustellen, wie es hier die Bemühungen des 
Ares und Hektor, die Troer zur Wiederaufnahme des Kampfes zu 
ermutigen, und andrerseits die Ermunterungen der achäischen 
Führer sind, worauf dann erst die Schilderung des Kampfes selbst 
folgen konnte. Was liegt nun zwischen den durch ihren Parallelis- 
mus auf einander hinweisenden Stücken 461—470 und 494—497 
einerseits und 519—527 andrerseits? Zunächst ein in die Erzüh- 
lung sehr unvermittelt eintretendes, von Jordan wegen seiner 


76 E. Einleitung. 


unbehelfenen Stilisierung und schiefen Anschauung mit Grund ge- 
tadeltes Gleichnis 499—505, sodann die Mitteilung, dafs Ares zu 
Nutz der Troer die Schlacht in Dunkel gehüllt habe (506 ἢ), 
wovon im weiteren Verlauf der Erzählung sich keinerlei Spur oder 
Wirkung zeigt, weiter die schon von Haupt athetierte Stelle 
508—11, endlich der Bericht, dafs der inzwischen geheilte Aineias 
von Apollo neugekräftigt wieder in die Schlacht gesendet wird, 
wobei des früher von Apollo geschaffenen εἴδωλον nicht weiter ge- 
dacht wird. 

Sehr richtig sah ferner Holm, dafs 607, wo nach der Auf- 
forderung des Diomedes an die Seinen vor dem nahenden Ares 
zurückzuweichen berichtet wird, dafs die Troer den Achäern ganz 
nahe gekommen seien, unvereinbar ist mit 518, wo der von Ares 
neuentzündete Kampf bereits in vollem Gange ist, wie mit 506, 
wo der Beginn dieses Kampfes berichtet ist. Sollte dieser Zu- 
sammenhang erträglich sein, so müfste doch gesagt sein, dafs die 
inzwischen erzählten Kämpfe auf einer andern Seite der Schlacht 
vorgegangen seien, so dals man in jenen und dem Anrücken der 
troischen Scharen mit Hektor und Ares an der Spitze parallele 
Handlungen anzunehmen hätte. So aber scheint auch hier der 
Zusammenhang durch Erweiterungen unterbrochen. Denn auch das 
mufs man Holm zugeben, dafs die Art, wie das Vorrücken 
Hektors mit Ares 590 angeknüpft und von da die Erzählung zu 
Diomedes übergeleitet wird, den schwersten Anstofs bietet. Aber 
nicht minder befremdet, wie ‘diese Reihe von Einzelkämpfen ein- 
geleitet wird 528 ff, indem nach dem bereits 519 ff. als erfolgreich 
geschilderten Bemühen der bedeutendsten griechischen Führer die 
Achlier zum Standhalten zu bringen, Agamemnon von neuem die 
Seinen ermunternd eingeführt wird, um ihn dann sofort die Reihe 
der Einzelkämpfe beginnen zu lassen. Sind demnach die sichersten 
Anzeichen vorhanden, dafs in dieser ganzen Erzählung der Zu- 
sammenhang durch Zusätze gestört ist, so zeigt sich andrerseits 
zwischen den verdächtigen Stücken 498—518 und 528—589 in- 
sofern eine enge Beziehung, als der dort in die Schlacht zurück- 
gekehrte Aineias in den hier geschilderten Kümpfen ganz beson- 
ders hervortritt. Den Schlufs der letzteren bildet die Erlegung 
des Pylaimenes und seines Wagenlenkers durch Menelaos und 
Antilochos 576—589. Mit dieser Erzählung steht bekanntlich 
eine Stelle in N in direktem Widerspruch, wo berichtet wird, dafs 
Pylaimenes der Leiche seines Sohnes Thrünen vergielsend gefolgt 
sei (668 4). Indes würde diese Differenz an sich für unsere Stelle 
nichts entscheiden, wenn nicht der ganze Zusammenhang dieselbe 
verdächtig machte. Haben wir in 590 ff. ein echtes Stück der 
ursprünglichen Dichtung zu erkennen und ist in 590 der Eingang 
zu diesem Stück unverändert erhalten, so kann damit die vorher- 
gehende Erzählung von Menelaos und Antilochos nicht bestehen, 


E. Einleitung. 77 


da im Folgenden jede Beziehung auf diesen Zusammenhang fehlt, 
Eine ‚andere Frage aber ist es, ob der von Köchly und Ribbeck 
gewollte Anschlufs von 590 an 527 möglich ist. Benicken hat 
dagegen eingewendet, dafs derselbe ganz unverständlich sei. Nun 
soll τοὺς δὲ 590 nach Ribbeck sich auf Aias, Odysseus, Diomedes 
beziehen, aber, wie Benicken mit Recht bemerkt hat, würde das- 
selbe doch nur auf die 527 genannten Danaer bezogen werden 
können; die 519 genannten Aias, Odysseus, Diomedes stehen doch 
zu weit entfernt, als dafs eine solche Beziehung verständlich wäre. 
Danach müssen wir darauf verzichten den ursprünglichen Zusammen- 
hang herzustellen und uns bescheiden, die Bedenken gegen die 
vorliegende Anordnung der Erzühlung dargelegt zu haben. 

Es bleibt noch übrig die Athetesen zu prüfen, welche die 
Rede des Pandaros 180—216 betreffen, womit sich zugleich die 
Frage nach dem Verhältnis des fünften Gesanges zum vierten ver- 
knüpft, da in dieser Rede sich die einzige direkte Beziehung auf 
den Vertragsbruch findet. 

Zunächst ist 183 verworfen. In der Athetese dieses Verses 
gieng Aristarch voran und Köchly und Benicken sind dem- 
selben gefolgt. Aristarchs Hauptgrund war, dafs Pandaros nach 
den unmittelbar vorhergehenden Versen 181 f. über die Persönlich- 
keit des Gegners nicht ungewils sei; er glaubte, dafs der Vers 
von einem eingeschoben sei, der die Worte des Aineias 177 εἰ 
μή τις ϑεός ἐστι κοτεσσάμενος Τρώεσσιν falsch in dem Sinne ver- 
standen habe: wofern er nicht ein Gott ist, der gegen die Troer 
Groll gefafst hat, während er selbst die Worte verstand: wofern 
nicht ein Gott gegen die Troer Groll gefafst hat und dem Feinde 
beisteht. Köchly und Benicken fügen als weiteren Grund für 
die Athetese hinzu, dafs die Erwähnung des Gespanns als Er- 
kennungsmittel ungehörig sei, weil Diomedes zu Fufs kümpfe (vgl. 
13. 134. 249 f.). Allein diese Gründe sind namentlich von Rhode 
mit Erfolg zurückgewiesen. Derselbe bestreitet vor allem Aristarchs 
Auffassung von 177 als unwahrscheinlich, weil die periphrastische 
Konjugation bei Homer mit dem Participium Perfecti, aber nicht 
mit dem des Aorists und εἶναι gebildet werde (Lehrs Arist. p. 383) 
— mit Recht, auch ist die von Aristarch verworfene Erklärung viel 
einfacher und natürlicher, als seine eigne. Ferner ist mit den 
vorhergehenden Worten 181f. ein Schwanken oder doch ein augen- 
bliekliches Eingehen auf die von Aineias angedeutete Möglichkeit 
wohl vereinbar. Da endlich der Wagen des Diomedes in der Nähe 
des Ortes, wo sich Diomedes befindet, haltend gedacht ist, wie 107 
und namentlich 241f. zeigen, so scheint die Athetese nicht genü- 
gend begründet. 

Im weiteren erregt die doppelte Erwähnung des Schusses auf 
Diomedes 188—191 und in Verbindung mit dem auf Menelaos 
206—8 Bedenken. Beide Fassungen innerhalb derselben Rede 


78 Ἑ. Einleitung. 


können nicht neben einander bestehen und wird die eine von 
beiden auf eine Interpolation zurückzuführen sein. Die meisten 
Kritiker haben sich nun für die Verwerfung von 206—208 ent- 
schieden, indem sie darin einen Zusatz der Ordner sehen, welcher 
eine Beziehung des fünften Gesanges auf den vierten herstellen 
sollte. Voran ging Lachmann und ihm sind gefolgt Haupt, 
Benicken, Köchly, Ribbeck, Kammer, Bergk, Naber. 
Letzterer verwirft 206—216. Für die Athetese wird aufser den 
Gründen, welche dafür sprechen, dafs die Diomedeia unabhängig 
von dem vierten Gesange gedichtet sei, folgendes geltend gemacht. 
Zuerst die Kürze und Abgerissenheit der ganzen Anspielung, so- 
dann das Unpassende, dafs Menelaos und Diomedes zusammen ge- 
nannt werden, als ob beide mitten in der Schlacht, und nicht 
vielmehr in ganz verschiedenen Situationen verwundet seien, und 
dafs dabei von dem Vertrag und der Absicht die Niederlage des 
Paris zu rächen gar nicht die Rede sei, ferner dafs die Worte 
ἤγειρα δὲ μᾶλλον nicht einmal richtig von Menelaos gesagt werden, 
der nur ganz flüchtig in der Schlacht erwähnt werde (E 50), end- 
lich die ganz unerhörte Wendung ἀτρεκὲς αἷμ᾽ ἔσσευα βαλών. 

Gegen die Athetese von 206—208 haben sich Bäumlein, 
Düntzer und Grol[s ausgesprochen. Bäumlein wendet dagegen 
ein, dals gerade der 206 f. ausgedrückte Gedanke mit dem Folgen- 
den bis zum Schlufs, in den hinwiederum des Aineias Antwort 
eingreife, auf das genaueste zusammenhänge, Düntzer, dafs erst 
nachdem Pandaros bemerkt habe, dals seine Pfeile nichts genützt, 
die Erwähnung an der Stelle sei, dafs er sich schon zweimal damit 
versucht habe und dafs die verzweifelnde Klage τὰ δέ μοὺκ ἄρ᾽ 
ἔμελλον ὀνήσειν nicht begründet wäre, wenn er blofs bei dem Schufs 
auf Diomedes seine Pfeile vergebens versucht hätte Düntzer 
richtete seinerseits den Verdacht gegen 192—205, verwarf dann 
aber 188—191, indem er bemerkte, dals die Erwähnung der Ver- 
wundung des Diomedes hier unnötig sei, er gehe schnell dazu 
über, dafs er keine Rosse habe, um dem rasenden (185) Diomedes 
entgehen zu können. 

Dem Vorschlag Düntzers gegenüber, 188—191 auszuschei- 
den, bedarf es nur des Hinweises darauf, dafs Aineias Pandaros 
174 aufgefordert hat auf Diomedes sein Geschols zu richten: darauf 
ist die allein richtige und passende Antwort, dafs er auf denselben 
bereits geschossen, aber ohne Erfolg, und ganz unmöglich kann 
er in diese Antwort zugleich den Schufs auf Menelaos verflechten, 
und vollends nicht in der Weise, wie es 206—208 geschieht, wo 
Diomedes und Menelaos zunächst allgemein als dorol ἀριστῆες be- 
zeichnet werden und auch nicht mit einem Wort angedeutet wird, 
dafs der eine von diesen beiden der ist, um den sich die ganze 
Unterredung dreht. So zweifellos dadurch 206—208 sich als 
Interpolation ergeben, so zweifellos sind 188—191 an ihrem Platze. 


E. Einleitung. 79 


Dagegen wird die Annahme Nabers, dafs die Interpolation 206 
—8 den ganzen Schlufs 209—216 nach sich gezogen habe, durch 
die Antwort des Aineias μὴ δ᾽ οὕτως ἀγόρευε ziemlich sicher wider- 
legt, da diese doch eine starke Äufserung des Unmuts in Pan- 
daros’ Rede voraussetzt, wie sie eben nur in den Schlufsworten 
enthalten ist. Mit mehr Recht kann man vermuten, dafs die der 
athetierten Stelle vorausgehenden Verse 192—205 ebenfalls nicht 
ursprünglich sein. Zunächst ist der Übergang von dem erfolglosen 
Schufs auf Diomedes und der Vermutung, dafs ein Gott grolle 
(191) zu der Klage, dafs er sein Gespann zu Hause gelassen habe, 
sehr unvermittelt. Nicht minder befremdet, dafs nach der ein- 
gehenden Darstellung, wie er bei seinem Abzuge nach Troja trotz 
der Mahnung des Vaters sein Gespann zurückgelassen habe und 
auf seinen Bogen vertrauend zu Fuls gekommen sei, eben dieser 
Tag 210f. in einer Weise bezeichnet wird, als ob davon vorher 
gar nicht die Rede gewesen sei. Aber auch die Art wie Aineias 
in seiner Antwort ihm 218f. den Vorschlag macht seinen Wagen 
mitzubesteigen, läfst in keiner Weise ahnen, dals Pandaros so 
ausführlich den Mangel eines Gespannes beklagt hat; vielmehr 
wird der Vorschlag so eingeleitet, dafs er durch nichts, als durch 
die Situation vermittelt erscheint. Dafs endlich der Anschlufs der 
Folgerung τῷ ῥα 209 an die Worte τὰ δέ μ᾽ οὐκ ἄρ᾽ ἔμελλον 
ὀνήσειν 205 wenn auch möglich, doch nicht sehr natürlich ist, sah 
Köchly richtig, wenn er nach der Athetese von 206—208 ἦ δὰ 
statt τῷ δὰ zu lesen vorschlug. Freilich ist auch der unmittel- 
bare Anschlufs von 209 an 191 nicht ohne Bedenken, da hier 
soeben aus der Erfolglosigkeit des Schusses auf Diomedes gefol- 
gert wird ϑεός νύ τίς ἐστι κοτήεις. 

Endlich ist noch die von Benicken zurückgewiesene Athetese 
des Zenodot in V.187 zu beachten. Zenodot verwarf den Vers, 
weil die folgende Angabe, dafs er Diomedes getroffen habe, nicht 
damit stimme, dafs der Gott von ihm das Geschofs anderswohin 
abgewandt habe, wozu Aristonikos bemerkt: οὐ λέγει δὲ ὅτι καϑ- 
ὅλου ἀπέτυχεν, ἀλλ᾽ ὅτι ἐπὶ καίριον τόπον φερόμενον παρέτρεψεν. 
Diese Widerlegung kann unmöglich befriedigen. Die 187 gebrauchte 
Wendung τούτου --- κιχήμενον ἔτραπεν ἄλλῃ kann ungezwungen nur 
erklärt werden: das Geschofs von diesem, als es in Begriff 
war ihn zu treffen, anderswohin wandte, d. h. ihm eine 
Richtung gab, dafs es ihn nicht traf: gerade wegen τούτου ist es 
unmöglich zu verstehen: „die Richtung auf eine tödliche Stelle 
nahm“, da die ungefährlichere Stelle doch auch an seinem Leibe 
gewesen wäre: vgl. auch Ο 464. Und selbst wenn die Wendung 
die von Aristonikos gewollte Bedeutung haben könnte, so würde 
die 188—191 folgende Erläuterung damit nicht harmonieren, da 
ἀντικρὺς διὰ ϑώρηκος γυάλοιο gerade das Treffen an einer nicht 
ungefährlichen Stelle hervorhebt, wozu auch im Gegensatz zu der 


80 E. Einleitung. 


daran geschlossenen sicheren Erwartung die nachdrückliche Beto- 
nung ἔμπης δέ stimmt: diese ganze Art der Erläuterung würde 
für 187 eine durchaus andere Wendung verlangen. 

Von den Ergebnissen der letzten Erörterungen ist das eine 
von besonderem Gewicht, dafs die einzige direkte Beziehung auf 
den Vertragsbruch, welche sich in unserm Gesange findet (206— 
208), einer zweifellos interpolierten Stelle angehört. Damit ver- 
bindet sich der schon früher gegebene Nachweis, dafs obwohl in 
der Erlegung des Pandaros durch Diomedes ein thatsächlicher Zu- 
sammenhang mit dem Schufs des Pandaros vorzuliegen scheint, 
doch vom Dichter auf diesen Zusammenhang keinerlei Bezug ge- 
nommen wird und auch sonst in der Kampfschilderung keinerlei 
Wirkung von jenem Ereignis wahrzunehmen ist. Wird durch diese 
Ergebnisse der ursprüngliche Zusammenhang der Diomedie mit 
dem Vertragsbruch entschieden in Frage gestellt, so ist die Ein- 
heit des fünften Gesanges selbst durch die Kritik in einer Weise 
erschüttert, dals umfassende Veränderungen, wie Erweiterungen 
der ursprünglichen Dichtung angenommen werden müssen. Wir 
sind hier genötigt weit über Haupt und die, welche ihm folgen, 
hinauszugehen. Sind wir berechtigt den Mafsstab der in den un- 
zweifelhaft echten Teilen der Ilias wahrnehmbaren Kunst an den 
überlieferten Zusammenhang zu legen, so bedarf es der weit- 
gehendsten Athetesen, um aus der mannigfaltigen, vielverschlunge- 
nen Handlung den echten alten Kern herauszuschälen. Indem wir 
von der Beobachtung ausgiengen, dafs der der Handlung zu Grunde 
liegende Plan namentlich in der Motivierung der den Gang der 
Handlung besonders bestimmenden Momente die gröfsten Mängel 
und Schwächen zeigt, sahen wir zunächst durch Haupts Athe- 
tesen ein wesentliches Stück dieses Planes erschüttert, die vorüber- 
gehende Anwesenheit Athenes im Olymp. Mit der Beseitigung 
dieser ΠῈΣ aber nach unserer Überzeugung zugleich der Haupt- 
zweck, welchen die Verwundung der Aphrodite für den Dichter 
hatte. Dals diesem es nicht sowohl darauf ankam, diese Verwun- 
dung zur Unterlage jener Scene zwischen Dione und Aphrodite 
zu machen, als darauf, die ironische Verspottung der Aphrodite 
durch Athene daran zu schliefsen, zeigt das Seitenstück dazu, die 
Züchtigung des Ares durch Athene und seine Behandlung durch 
Zeus. Beide Dichtungen sind aus dem Geiste desselben Dichters, 
beide geben durch die Art, wie die Götter gezeichnet sind, be- 
gründeten Anstols, beide heben zwar den Diomedes dadurch, dafs 
sie ihn gegen Götter kämpfen lassen, auf eine übermenschliche 
Höhe, aber zum Teil auf Kosten seines sonst bewährten mals- 
vollen Charakters. Beide Dichtungen aber werden vorbereitet durch 
die ganz unvermittelt eintretende Weisung Athenes an Diomedes 
124—132, welche wiederum nur unter der Voraussetzung Sinn 


E. Anmerkungen. 81 


hat, dafs Athene zunächst in den Olymp zurückkehren will. Auf 
dieselbe Voraussetzung aber führt auch die Entfernung des Ares 
durch Athene und seine Zurückführung durch Apollo, zwei Stücke, 
die ebenfalls an sich durch die mangelhafte Motivierung den 
schwersten Anstofs geben. Danach müssen wir den gröfsten Teil 
der Götterhandlung für die Zuthat eines Dichters halten, welcher 
dieselbe zu dem Zweck in die menschliche Handlung verflocht, 
um teils die in der alten Diomedie vorliegenden Thaten des Dio- 
medes zu steigern und ihn selbst auf eine übermenschliche Höhe 
zu heben, teils den feindseligen Beziehungen der Götter zu einander 
eine komische Wirkung abzugewinnen. Zu dieser Erweiterung der 
ursprünglichen Handlung, welche zugleich eine Umgestaltung des 
ganzen Planes in sich schliefst, kommen umfassende Einschaltungen 
im zweiten Abschnitte des Gesanges, welche den einheitlichen Zu- 
sammenhang der Kampfschilderung verwirren, so vor allem die 
Abschnitte, welche Sarpedon einführen, 471—496, 608— 698; 
aber auch die zwischen beiden liegende Partie muls nicht unbedeu- 
tende Erweiterungen erfahren haben, obwohl der ursprüngliche 
Zusammenhang sich nicht herstellen läfst. 


Anmerkungen. 


1. Über die an dem Eingange des Gesanges (1—84) geübte 
Kritik vgl. die Einleitung p. 71, dazu Holm ad Car. Lachmanni 
exemplar ete. p. 5f., Düntzer hom. Abhandl. p. 254f., Bergk 
griech. Litteraturgesch. I p. 576, Jordan Homers Ilias übersetzt 
und erklärt. Frankf. 1881 p. 568f., Nitzsch Beiträge p. 385, 
Benicken das fünfte Lied p. 55f. — Über 29—36 insbesondere 
vgl. die Einleitung p.66#., dazu Bischoff im Philol. XXXIV p. 10, 
Bergk griech. Litteraturgesch. I p. 576, Holm ad Car. Lachmanni 
exemplar etc. p. 6, Düntzer homer. Abhandl. p. 255, Jacob Ent- 
stehung d.Il.u.0d.p.203, Nitzsch Beiträge p. 385, Benicken das 
fünfte Lied p. 56. — Zu 48 Schmidt Meletematum Hom. II p. 11f. 
— 2. ἔκδηλος wird allgemein als ein “verstürktes δῆλος᾽ betrachtet, 
so dafs man dem ἐκ eine intensive Bedeutung beilegt. Aber 
eine solche ist bei Adjektiven nicht vorhanden: man vgl. die War- 
nung von Lobeck Path. Elem. I, p. 207 sq., die auch für ἔκδηλος. 
zu beachten ist. Nach dieser hat man einfach zu deuten: hervor- 
strahlend, “aus der Verborgenheit deutlich hervortretend.’ 
— 6. Für παμφαίνησι als Ind. tritt Nitzsch Sagenpoesie p. 177 
ein und sieht darin einen Rest aus einem älteren Diomedesliede, 
aus dem diese Anfangsverse entnommen seien. 

13. Die Verlängerung des Duals in immouv wird von Franz 
Misteli in Kuhns Ztschr. ΧΙ, 130 aus der ‘Stammerweiterung 


Hexıze, Anhang zu Homers Ilias. II. 6 


82 E. Anmerkungen. 


durch i von a-Stämmen” abgeleitet, indem er erklärt: “Auch im 
Genetiv und Dativ Dualis überschritt das griechische die vom alt- 
indischen gesteckte Grenze der Stammerweiterung, indem es innor-ıv 
altindischem ägvä-bhjäm entgegenstellt”. Da aber diese Dehnung 
hier vor ὃ und £ 19 vor ἕκάτερϑε stattfindet, so wird man auch 
anzuführen haben, dafs das Demonstrativ ὃ und das Wort ἑχκάτερϑε 
ursprünglich mit 6 begannen: vgl. Oskar Meyer Quaest. Hom. 
p. 70 und p. 8ὅ βᾳ. ‚Ein ähnlicher Grund wird vielleicht auch 
für die Dehnung vor ἀπό (E 622. N 511. 17560. 6219) und vor 
ἀνά (T 396) auffindbar sein. 

19. Über μεταμάξιος und die ähnlichen Komposita dieser Art 
vgl. jetzt die Erörterung von Wörner über den Gebrauch der 
homerischen mit Präpositionen zusammengesetzten und mit dem 
Suffix τὸ gebildeten Adjektiva im Meifsener Jahresbericht 1879 
. 81 fl. 

”, Gegen die gewöhnliche, jetzt auch im Kommentar gege- 
bene Auffassung der Stelle naclı der alten Rrklirung: ὅτε κατέϑορε 
μὲν τοῦ ἅρματος ὡς ὑπερασπίσων τῷ ἀδελφῷ, εὐλαβηϑεὶς δὲ τὸν 
πολέμιον εἰς φυγὴν ἐτράπη, sprach Ameis folgende Bedenken aus: 
“1) der angeführte Gedanke εὐλαβηϑεὶς δὲ τὸν πολέμιον oder wie 
er in deutschen Kommentaren heilst ‘als Diomedes gegen ihn kam, 
entfiel ihm der Mut, die Leiche zu schützen’, — dieser Gedanke 
müfste doch, wenn er richtig sein sollte, in irgend einer Wendung 
des Textes implieite ausgedrückt sein; 2) es muls dabei das οὐδέ 
in οὐδ᾽ ἔτλη adversativ verstanden werden, “aber nicht wagte 
er’, was in dieser Verbindung schon an und für sich bedenklich 
ist und noch bedenklicher dadurch wird, dafs nun das folgende 
γάρ in οὐδὲ γὰρ οὐδέ seine passende Beziehung verliert. Denn 
diese Begründungspartikel läfst hier den vorhergehenden Gedanken 
einer Flucht als notwendig erscheinen. 3) Wenn man ἀπόρουσε 
deutet ‘sprang vom Wagen herab’, so wird der unmittelbare An- 
schlufs λιπὼν περικαλλέα δίφρον zu einer pleonastischen Trivialität 
herabgedrückt. In keiner der Parallelstellen ist ein ähnlicher Zu- 
satz gegeben: E 297. 836. 4145. M 83. P483. Aus den ‚an- 
geführten Gründen nun kann die jetzt übliche Erklärung von ἀπό- 
φουσεν nicht gebilligt werden, wir müssen vielmehr zur Erklärung 
der Alten zurückkehren. Diese aber deuten ἀπόρουσεν mit "sprang 
davon’, wie ® 251. 593. 4 95, und verstehen es von der Flucht, 
welche Deutung durch ὑπέκφυγε 22 und ἀλευάμενον 28 bestätigt 
wird. Ferner giebt eine sichere Stütze für die richtige Auffas- 
sung der verbundenen Verba ἀπόρουσε λιπών die Stelle χ 95 Tn- 
λέμαχος δ᾽ ἀπόρουσε, λιπὼν δολιχόσκιον ἔγχος. Und hiermit har- 
monieren die analogen Fälle γ1. 1194 und ähnliche. Der bei 
dieser Erklärung sich ergebende Gedanke ist freilich seit den 
Zeiten des Zoilos vielen anstöfsig gewesen: man hat es nämlich 
höchst auffällig gefunden, dafs Idaeos zu Fuls und nicht vielmehr 


E. Anmerkungen. 83 


zu Wagen geflohen sei: κατηγορεῖ καὶ τούτου τοῦ τόπου Ζώιλος, 
ὅτι λίαν, φησί, γελοίως πεποίηκεν ὃ ποιητὴς τὸν ᾿Ιδαῖον ἀπολιπόντα 
τοὺς ἵππους καὶ τὸ ἅρμα φεύγειν᾽ ἠδύνατο γὰρ μᾶλλον ἐπὶ τοῖς 
ἵπποις. ABDL. Aber diesen Anstols hat schon ein alter Erklärer 
am einfachsten also entfernt: ὅτι οὐκ ἐπέστησε (Ἰδαῖος) τῷ συμ- 
φέροντι" αἵ γὰρ φρένες ταραχϑεῖσαι παρέπλαγξαν καὶ τὸν σοφόν. 
Heyne meint zwar als einfachste Lösung gefunden zu haben: 
“currum reliquit Idaeus, quia eum non tam_ celeriter circumagere 
poterat, ut Diomedem instantem effugeret’”. Der Dichter aber will mit 
diesem poetischen Zuge den Idäos in seiner Angst und Bestür- 
zung darstellen: nichts weiter. Vgl. Π 403 ἐκ γὰρ πλήγη φρέ- 
νας, und N 394 ἐκ δέ οἱ ἡνίοχος πλήγη φρένας", Indessen spricht 
folgendes gegen Ameis. Zunächst sind E 297 und 4145 zu 
vergleichen, welche ganz dieselbe Situation zeigen: nachdem der 
eine von den beiden auf demselben Wagen stehenden Kämpfern 
vom Gegner erlegt und vom Wagen herabgestürzt ist, springt der 
andere vom Wagen herab, um den Leichnam des Gefallenen zu 
schützen. Auch an unserer Stelle wird nach dem unmittelbar vor- 
hergehenden ὦσε δ᾽ ἀφ᾽ ἵππων jeder zunächst ἀπόρουσε von dem 
Herabspringen vom Wagen verstehen. Wer an den ausführenden 
Worten λιπὼν περικαλλέα δίφρον Anstols nimmt, möge vergleichen: 
1194 ταφὼν δ᾽ ἀνόρουσεν ᾿Δχιλλεὺς αὐτῇ σὺν φόρμιγγι, λιπὼν ἕδος, 
ἔνϑα ϑάασσεν. Was die anderen von Ameis ausgesprochenen Be- 
denken betrifft, so ist die adversative Bedeutung von οὐδέ hin- 
länglich motiviert, wenn man annehmen darf, was unbedenklich 
scheint, dafs nach der Situation beim Herabspringen vom Wagen 
jeder Hörer erwartet zu vernehmen, dafs er sich vor den Ge- 
fallenen zum Schutz aufgestellt habe. Dafs endlich bei dieser 
Auffassung das folgende γάρ seine passende Beziehung verliere, 
scheint mir unbegründet, da in οὐδ᾽ ἔτλη implieite die Flucht ent- 
halten ist, die dann durch die Gröfse der von Diomedes drohenden 
Gefahr in dem Satz mit γώρ motiviert wird. Jedenfalls scheinen 
mir die bei dieser Erklärung zu machenden Voraussetzungen we- 
niger gewagt, als die von Ameis für V. 20 gemachte, dafs Idaios 
bei dem stürmischen Herannahen des Diomedes so in Bestürzung 
geraten sei, dafs er sofort die Flucht ergriffen habe. 

31. Die Accentuierung Ἶάφες άφες ist durch die Überlieferung 
geschützt ("Ages auch Hesiod. sout. 446 und hyım. in Mart. 1), 
wiewohl uns in ”4geg keine Naturlänge vorliegt, daher nach der 
ratio eigentlich beidemal ”4ges geschrieben werden sollte. Aber 
es steht oder fällt dies mit den übrigen anomalen Accenten, die 
uns im Homer überliefert sind. Wir haben hier den ersten An- 
fang eines Prinzipes, das die Späteren auf καλός und κἄλός, ἶσος 
und ἔσος und ähnlichen Quantitätswechsel ausgedehnt haben. So- 
dann ist zu beachten, dafs die unmittelbare Wiederholung 
desselben Wortes in derselben Form, wie sie bei den dra- 

6* 


84 E. Anmerkungen. 


matischen Dichtern und den spätern hexametrischen zur Hervor- 
hebung des Begriffes sich findet, bei Homer sonst nirgends vor- 
kommt. Vgl.I. Bekker Hom. Blätter 8.194. Daher hat Bekker 
das von Ixion überlieferte ἀρές in den Text genommen und als 
Positivus von ἀρείων und ἄριστος aufgefalst, wie er ebend. 8. 195 
erörtert. Aber so interessant es auch wäre, wenn wir zu ἀρείων 
den Positivus aus wirklichem Gebrauche in dieser Stelle nach- 
weisen könnten, so gewinnen wir mit ”4ges des doch immer ein 
Wortspiel, und auch bei Wortspielen haben wir im Dichter Ver- 
schiedenheit der Formation: vgl. den Anhang zu σ 73 und 
K. Lehrs Epimetr. zu de Arist.? 85, 474. Über die komische 
Wirkung des Schwankens der Quantität, sowie der Wortkolosse 
τειχεσιπλῆτα u. ἃ. spricht Hess über die komischen Elemente im 
Homer. Bunzlau 1866 p. 46 8. — μιαιφόνε deutet L. Döderlein 
activ ‘eruore polluens. Vulgo passive vertunt cruore pollutus, Ppost- 
habita accentus lege’. Aber der Accent bildet bei derartigen 
Kompositis nicht dur chgängig, einen Bedeutungsunterschied. So 
werden umgekehrt αἰγίοχος γαιήοχος ἐγχέσπαλος ἱππόδαμος κορυ- 
ϑαίολος πτολίπορϑος nur aktiv gebraucht. — Wegen τειχεσιπλήτης, 
welches Schiller in der Jungfrau von Orleans mit “Mauerzer- 
trümmrer’ nachgeahnt hat, vgl. G. Curtius Etym.? 8. 261 Nr. 367, 
%p. 278 und den Anhang zu 0 234. — 42 fehlt im Venetus A, 
Laurentianus 3 u. a. — 44. Anders Τάρνη πόλις ’Ayelag Steph. 
Byaz. s. v. und dazu Meineke. — 46. ἐπιβησόμενον wird allgemein 
als Partic. fut, in dem Sinne: als er im Begriff war den Wagen 
zu besteigen, gefalst, wie Π 848. Ψ 879. Indes schon Classen 
Beobachtungen p. 80 warf die Frage auf, ob man in der Form 
hier und Π 343 nicht vielmehr ein Partic. des gemischten Aorists 
zu erkennen habe, vgl. δυσομένου « 24, und jetzt hat van Her- 
werden quaestiunculae ep. et eleg. p. 6 für diese Auffassung mit 
Entschiedenheit die folgenden Worte ἤριπε δ᾽ ἐξ ὀχέων geltend 
gemacht, und für die Form den Konj. Aor. καταβήσεται O 382 ver- 
glichen. — 48. Dieser Vers wird von M. Schmidt Meletematum 
Homeric, particula altera, Jena 1879 p. 11 verworfen, besonders 
darum, weil er das sonst in dieser Darstellung beobachtete Eben- 
mals stört. — 49. Über αἵμων vgl. auch Lobeck Elem. I, p. 96sq., 
L. Döderlein Hom. Gloss. $ 2471 g. E.; Schmalfeld in Jahrbb. 
f. klass. Philol. Supplem. VIII p. 305 f. leitet das Wort von diew 
ab. — 57 fehlt in den besten Handschriften. — 59. Die Schrei- 
bung Τέκτονος als Eigenname ist begründet von Grashof über das 
Schiff p. 3 Note 2. — 64. Aristarch athetierte den Vers: vgl. 
Aristonic. ed. Friedl. p. 104 und ihm folgte Köchly diss. IV 
Ρ. 24 und Benicken das fünfte Lied p. 36. Vgl. Lehrs quaestt. 
epie. p. 116. — Über das enklitische of τ᾽ αὐτῷ, wofür man ge- 
wöhnlich das orthotonierte ol liest wie auch Krüger Di. 8 51, 
1, 8 die Stelle citiert, vgl. J. La Roche Hom. Unters, 5. 141. 


E. Anmerkungen. 85 


Man hat die Betonung, wie es scheint, durch den Versanfang für 
geboten gehalten. — 75. Zu ψυχρὸν δ᾽ ἕλε χαλκὸν ὀδοῦσιν vgl. 
auch Ovid Met. V, 143: iaculum Clanis ore momordit. Sil. Ital. V, 
332: telum ore cruento exspirans premit, atque admorsae immur- 
murat hastae. Stat. Theb. II, 628: labitur immorsaque cadens ob- 
mutuit hasta. 

88. ἐκέδασσε ist die einstimmig überlieferte Lesart, wofür 
aber 5. A. Naber in Mnemosyne 1855 p. 202 ἐκέασσε vermutet, 
um unsere Stelle mit “aggeribus vuptis” bei Verg. Aen. II, 496 
in Einklang zu bringen. Dieselbe Konjektur giebt A. Nauck Me- 
langes Greco-Romains II, 8. 643 mit folgenden Worten: ‘Sollte 
an dem Ausdrucke ἐκέδασσε γεφύρας, er zerstreute die Brücken, 
noch niemand Anstofs genommen haben? Angemessener ist sicher- 
lich er zertrümmerte die Brücken, ἃ. h. ἐκέασσε, wie ε 132’ 
und hat auch in der Ausgabe so geschrieben. Dagegen bemerkte 
Ameis: ‘Vergil hat bei seiner Nachbildung in hydrographischer 
Hinsicht die italische Landschaft vor Augen, wo die meisten Flüsse 
von den Apenninen herabkommen und zur Zeit ihrer Anschwel- 
tung alle Dimme mit raschem Anprall oder in einem Ruck 
gewaltsam durchbrechen und zerreilsen. Aber dieses Land- 
schaftsbild palst gröfstenteils nicht für die Ebenen Kleinasiens, 
welche dem homerischen Vergleiche zur Grundlage dienen: vgl. ἂμ 
πεδίον und ἔργα κατήριπε κάλ᾽ αἰξηῶν, auch ἔρκεα ἀλωάων. Neben- 
bei sei bemerkt, dafs die Kleinasiatischen Ebenen von vielen Ge- 
wässern durchzogen sind und dafs deshalb der Dichter im Troer- 
katalog nicht selten die Flüsse als nähere Bezeichnung für die 
Lokalität gebraucht: B 825. 839. 849. 854. 869. 877. Im Wasser- 
gebiet der Ebene nun handelt es sich um die nachhaltige Macht 
der Überschwemmung und bei der Vorstellung dieser ist der 
Begriff des “Zerstreuens” oder “Auseinanderwerfens’ (ἐκέ- 
δασσε) an geeignetem Platze, wenigstens mehr am Platze als der 
Gedanke des “sofortigen Spaltens’ oder “augenblicklichen 
Zerstörens’ (ἐκέασσε), was vorzugsweise am Fulse der Gebirge 
durch eine rasch von den Bergen herabstürzende Wassermasse zu 
geschehen pflegt’. — Die handschriftliche Lesart γέφυραι ἐεργμέναι 
ist gedeutet: von Damm nach der Scholiennotiz κατησφαλισμέναι 
“pontes in fluvio firmi et muniti’ und ‘probe densati trabibus pon- 
tes’. Ebenso Heyne: ‘pontes sublicis firmati” und “pontes mumiti 
trabibus utrimque appositis pro dvregelsuacıw’”. An diese Inter- 
preten haben auch die Neuern sich angeschlossen, so dals man 
liest: “umschlossen, geschützt, durch Balken, welche der Ge- 
walt des Stromes widerstehen’. Nur haben manche, wie E. E. Seiler, 
den ursprünglichen Begriff von γέφυραι mit Recht gewahrt und 
demnach gedeutet “geschlossene, ἃ, i. fest verbundene Ὁ ἄτη ο΄. 
Ferner hat J. U. Faesi in γέφυραι ἐεργμέναι durch eine vermeint- 
liche Prüägnanz ‘die entgegengedämmten Wälle’ hineininterpre- 


86 E. Anmerkungen. 


tiert. Ameis: ‘die eingeschlossenen, weil von der Wasser- 
masse des ποταμὸς πλήϑων überfluteten”. Alle diefe Versuche die 
handschriftliche Lesart zu erklären sind unhaltbar. Ich habe 
daher mit La Roche und Nauck die Aristarchische Lesart ἐερ- 
μέναι aufgenommen, welche zuerst Doederlein empfahl unter 
Zustimmung von Baumeister in Fleckeisens Jahrbb. 1859 Bd. 
79 p. 170. 

113. Die im Kommentar gegebene Erklärung des στρεπτὸς 
χιτών begründete Ameis wie folgt: “Der στρεπτὸς χιτών hat schon 
bei den Alten verschiedene Erklärungen erfahren, wie die bei 
Heyne gesammelten Angaben, sowie Hesychius und Eustathius 
zeigen. Die gewöhnliche Meinung im Altertum war, es bezeichne 
‘das gewirkte oder gewebte Unterkleid’. Aber dagegen er- 
heben sich grolse Bedenken: 1) στρεπτός ist in dieser Bedeutung 
nicht nachweisbar: Ruten (1 427), Taue (vgl. κ 167), Sehnen, Rie- 
men (ß 426. ο 291), Haarnetze und andere gedrehte oder gewun- 
dene Dinge, sogar derartige Metallarbeiten werden mit στρεπτὸς 
bezeichnet, aber nirgends etwas ‘gewirktes” oder ‘gewebtes’; auch 
ist στρέφειν kein technischer Ausdruck von dieser Art weiblicher 
Arbeiten. 2) Das Simplex στρεπτός kennt Homer nur in der über- 
tragenen Bedeutung biegsam, lenksam, so dafs es am nächsten 
liegt, denselben Begriff auch hier aber nur in seiner ursprüng- 
lichen sinnlich anschaulichen Bedeutung festzuhalten, da man nie 
ohne dringende Not über den vorliegenden Sprachkreis des Dich- 
ters hinausgehen darf. 3) Das “Unterkleid’ pafst nicht in den 
Zusammenhang unserer Stellen. Denn wie kann das Blut “aus 
dem Unterkleide emporspritzen’, da dieses vom Brustharnisch 
ganz bedeckt ist? Man mülste denn annehmen, dafs Sthenelos vor 
dem Herausziehen des Pfeiles den Panzer an der Schulter gelüftet 
habe. Aber dies war nicht möglich, da der Pfeil durch sein gänz- 
liches Hindurehdringen (99 f.) den Panzer an die Schulter fest an- 
geheftet hatte. Daher mulste auch Sthenelos den Pfeil an der 
Spitze bis zum Ende, wo die Kerbe war, aus der Schulter heraus- 
ziehen (διαμπερὲς ἐξέρυσ᾽ ὥμου 112), so dals der ganze Pfeil von 
der Spitze bis zur Kerbe durch die Schulter hindurchgieng, weil 
ein Zurückziehen wegen der schon durchgedrungenen Widerhaken 
unmöglich war, ohne eine neue Verwundung herbeizuführen. Dies 
bemerken schon die Schol. BL. αὕτη ἐστὶν ἡ κατὰ διωσμὸν βελουλκία, 
ἵνα μὴ πάλιν τιτρώσκοιτο ταῖς ἀκίσιν ὑποστρεφούσαις. Hieraus er- 
sehen wir zugleich, dafs dieses Hindurchziehen des Pfeiles ver- 
mittelst eines kräftigen Ruckes technisch ἡ κατὰ διωσμὸν βελουλκία 
genannt wurde, während das gewöhnliche Zurückziehen des Pfeiles 
wie 4 214 ἐξολκή hiels. Die Notwendigkeit dieser Erklärung hier 
und 41397 ist schon erwiesen worden von Ed. Geist in Jahns 
Archiv für Philol. und Pädag. I, (Leipzig 1832) p. 600sqq. Wir 
kehren zur Hauptsache zurück. Gesetzt aber auch, dafs die Lüf- 


E. Anmerkungen. 87 


tung des Panzers nach der Herausziehung des Pfeiles jetzt vom 
Hörer gedacht werden sollte, so mufste dies vom Dichter aus- 
drücklich gesagt sein, wie in der ähnlichen Scene 4 215, es konnte 
nicht κατὰ τὸ σιωπώμενον verstanden werden. Doch jeder weitere 
Gedanke an natürliche Erleichterung oder menschliche Therapie 
ist ungehörig, weil Athene mit ihrer übernatürlichen Hülfe und 
göttlichen Stärkung hinzutritt. Solcherlei Bedenken nun erweckt 
“ein Leibrock oder Unterkleid von geflochtener oder gewebter Ar- 
beit’, wie die erklärenden Worte in Passows Wörterbuch lauten, 
was auch bei Rüstow und Köchly Gesch. des Gr. Kriegsw. 8. 13 
not. 24 gebilligt wird. Bei Passow heils es dann weiter, orgemrög 
χιτών bedeute ‘nach Aristarch aber eine Art Panzerhemd von zu- 
sammengeflochtenen Ringen, lorica annulata, sonst ἁλυσιδωτὸς yı- 
τών, oder von gegliederter Metallarbeit λεπιδωτὸς χιτών. Nur das 
letztere, der sogenannte Schuppenpanzer wird dem Aristarch 
beigelegt, da Apollon. im Lex. sagt ὁ δὲ ’Agloragyog τοῦ λεπιδω- 
τοῦ, διὰ τὸ τὴν πλοκὴν τῶν κρίκων ἀνεστραμμένην εἶναι. Der erstere 
Ausdruck ἁλυσιδωτός und aufserdem noch ϑώραξ κρικωτός rührt 
von anderen Grammatikern her. Ob freilich diese Überlieferung 
den Aristarch zum Urheber habe, kann zweifelhaft sein, weil 
Aristonikos zu Φ 31 folgende Bemerkung giebt: ἡ διπλῆ ὅτι 
στρεπτοὺς χιτῶνας τοὺς νηστούς" ὑποδύτας γὰρ εἶχον ὑπὸ τοὺς στα- 
τοὺς μαλάγματος ἕνεκα" αἷμα δ᾽ ἀνηκόντιξε διὰ στρεπτοῖο χιτῶ- 
νος [das Wort νηστός fehlt in unsern Lexieis ganz und von μά- 
λαγμα die hier notwendige Bedeutung “der Weichheit wegen”). 
Spricht hier Aristonikos seine eigene Meinung aus? Oder ist 
es Überlieferung der Aristarchischen Schule? Wie dem auch sein 
möge, fest steht der Umstand, dafs wir aufser dem “Leibrock’ 
noch eine andere in dreifachem Ausdruck bezeichnete Erklärung der 
Alten haben: a) ἁλυσιδωτός Kettenpanzer; b) κρικωτός Ringel- 
panzer; c) λεπιδωτός Schuppenpanzer. Nun aber ist bei Ho- 
mer (ein giltiger Einwand!) von einem derartigen Panzer auch 
nicht die leiseste Spur zu finden. Sodann weils man mit dieser 
Erklärung hier und Φ 81 für den Zusammenhang der Stellen nichts 
anzufangen. [Vgl. indes den Anhang zu ® 31.] Die hier berech- 
tigte Frage von J. U. Faesi: ‘wie läfst sich dies mit 99 ϑώρηκος 
γύαλον vereinigen?’ wird man verneinend beantworten müssen. 
Aus allen diesen Schwierigkeiten scheint sich kein anderer Ausweg zu 
finden, als der im Kommentar gewählte. Bei dieser Vorstellung 
kommen die von den alten Erklärern erwähnten Schuppen, Ket- 
ten, Ringel mit zur Verwertung, die beiden letzteren werden 
auch beim ἁρμόξειν (zu T 333) gebraucht worden sein. Vgl. die 
von Rüstow und Köchly Gesch. 5, 12 und 13 gegebenen Ab- 
bildungen’. — 115. Über ἀτρυτώνη vgl. Welcker Gr. Götterl. I, 
5. 317 und über die Bildung Lobeck Proleg. p. 229, mehr bei 
Autenrieth zu Il. II 157. 


88 E. Anmerkungen. 


118. Die gewöhnliche Lesart ist δὸς δέ re μ᾽ ἄνδρα Eeiv, 
aber Aristarch hat τόνδε τέ μ᾽ ἄνδρα &lsiv gelesen, wie das 
Citat der Stelle bei Aristonikos zu O 119 beweist. Daher hat 
W. C. Kayser im Philol. XVIII, 8. 649 das δός der Vulgata als 
Glossem begründet durch die Erinnerung, dafs die alten Gramma- 
tiker derartige Infinitire durch Annahme einer Ellipse von δός 
zu erklären pflegten. Ebenso urteilt Philippi Quaestionum Ari- 
starchearum specim. prius, Gött. 1865 p. 31. Indes haben die 
neueren Herausgeber, wie Bekker, la Roche, Nauck diese Les- 
art nicht aufgenommen, vermutlich weil sie mit Lehrs zu Fried- 
laender Ariston. p. 242 dem Apollonios Synt. p. 243 (und Tryphon 
de Fig. p. 755, 9) ein grösseres Gewicht beilegen und den Zusatz 
dem Aristonikos absprechen. Übrigens bemerkt Nauck: ex- 
specetes δὸς δέ μοι ἀντιάσαι — wohl ohne Grund, da es durch 
zahlreiche Beispiele zu belegen ist, dafs die Hauptsache mit Nach- 
druck vorangestellt wird und die dazu notwendige Voraussetzung 
nachgebracht wird — und van Herwerden in der Revue de philol. 
II, 1878, p. 195 ff. empfiehlt im zweiten Gliede zu schreiben: καὶ 
ἐς ὁρμήν FP’ ἔγχεος ἐλθεῖν, auch dies ohne Grund, da der folgende 
Relativsatz für ἐλϑεῖν das Subjekt ergiebt und zwischen diesem und 
dem Hauptgedanken eine enge Gedankenbeziehung besteht. — 122. 
Dieser Vers wird verworfen von Düntzer hom. Abh. p. 255 und 
Naber quaestt. Hom. p. 159, unter Widerspruch von Benicken das 
fünfte Lied p. 59, vgl. die Einleitung p. 68f.— 127. Auch The- 
mist. or. 21. p. 247% und 22 p. 2574. 

131. Zur Kritik dieser Verse vgl. die Einleitung p. 69 f., dazu 
Bischoff in Philol. XXXIV p. 11, Bergk griech. Litteraturgesch. I 
p. ὅ76 8, Düntzer hom. Abhandl. p. 255, Benicken das fünfte 
Lied p. 59. — 135. Am Schlusse des Verses nach μάχεσθαι, wo in 
A ὑποστιγμή steht, hat zuerst H. Stephanus die stürkere Inter- 
punction gesetzt, um die Anakoluthie zu entfernen, und manche 
der Späteren sind ihm nachgefolgt. Aber Joh. Classen Beobach- 
tungen 8. 140 not. 67 hat bemerkt, dafs man “durch Änderung der 
herkömmlichen Interpunktion die grammatische Schwierigkeit auf 
Kosten der Lebhaftigkeit des Ausdrucks zu heben versucht’ 
habe. Etwas anders habe ich die Stelle aufgefalst in dem Pro- 
gramm Zur Periodenbildung bei Homer (Göttingen 1868) $. 23, 
wo ich eine ‘doppelte Beziehung des Partieipiums’ annahm. Für 
eine solche kann die sehr ähnlich gebaute Stelle Herod. VII, 1 
(zu Anfang) geltend gemacht werden, sodann das immerhin auf- 
fallende Asyndeton von καὶ πρίν περ. — 138. Die für αὐλή ange- 
nommene Bedeutung Hofmauer ist begründet von Ahrens αὐλή 
und villa p. 11.14. Über χραύσῃ nach seiner Bedeutung und Ver- 
hältnis zu ἔχραον vgl. denselben Beiträge zur griech. und latein. 
Etymologie I p. 7 f. 

140. Zur Erklärung von r& ἔρημα vgl. L. Friedlaender zu 


E. Anmerkungen. 89 


Ariston. p. 32; I. Bekker Hom. Blätter $.161.— 141. Zur Auf- 
fassung der Stelle vgl. die treffenden Bemerkungen bei Körner 
die homerische Tierwelt, Berlin 1880 p. 15, dessen Erklärung 
der Worte 141 ‘die Schafe sind dicht auf einander gedrängt”, frei- 
lich nach τ 539. 4 387.389 und sprachlich nicht möglich ist. — 
142 vermutet Nauck ἐμμαπέως statt ἐμμεμαώς, wogegen doch der 
Parellelismus von ἐμμεμαώς und μεμαώς 143 spricht; auch ist ἐμ- 
μεμαώς ohne Anstols, wenn man mit Körner bedenkt, dafs der 
Löwe verwundet und ungerücht, dazu ungesüttigt aus dem Hofe 
springt. Übrigens vgl. über das Gleichnis im ganzen Friedlaender 
Beiträge zur Kenntnis der homer. Gleichnisse II p. 27 f. — 150. 
Die Aristarchische Erklürung dieser Stelle bei Aristonikos οἷς 
τισὶ μὴ ἐπανιοῦσι τοῦ πολέμου ὃ γέρων ἔκρινε τοὺς ὀνείρους würde 
eine einfache Variation des Gedankens zu 157 ergeben; aber zwei 
Dinge treten störend entgegen: 1) die Form ἐρχομένοις in dem 
nicht erweisbaren Sinne des Futurums (Friedlaender zu Ariston, 
p. 6) und 2) der Umstand, dafs dann der Zusatz vermilst wird, 
die Söhne seien dem Vater nicht gehorsam gewesen, wie B 832 ff. 
— 162. A. Nauck Melanges Gr&co-Romains II, 8. 643 hat fol- 
gendes bemerkt: ‘In den Worten πόρτιος ἠὲ βοός erscheint die dis- 
junktive Partikel als unstatthaft. Das tertium comparationis ist, 
wie der Ausdruck ὡς τοὺς ἀμφοτέρους deutlich zeigt, gerade darin 
zu suchen, dafs zwei zugleich der Übermacht eines einzigen er- 
liegen. Es ist also zu schreiben πόρτιος ἠδὲ βοός, wozu nun auch 
der nachfolgende Pluralis βοσχομενάων besser palst.’ Diese an- 
sprechende Konjektur hat nach Heynes Angabe schon Bentley 
vorgeschlagen. — 159—165 sind verworfen von Düntzer hom. Abh. 
p. 255, vgl. dagegen Benicken d. fünfte Lied p. 59. 

177. Zur Auffassung des eiun-Satzes vergl.Viorke de μή par- 
ticulae cum indicativo conjunctae usu antiquiore. I, Leipz. 1876 p.24, 
welcher erklärt: ‘dum modo ne deus sit.” — 178. Nicht ἔπε 
μῆνις, wie J. Bekker in seiner Annotatio angiebt, sondern ἐπὶ- 
μῆνις hat Aristarch aus seinen Quellen gegeben: vgl. K. Lehrs 
de Arist.? p. 110 und la Roche hom. Unters. p. 261f. Und diese 
Lesart ist von Herodian gebilligt worden, wie A. Lentz Hero- 
dian. I, praef. p. L 84. näher erörtert hat. In der neuern Zeit hat 
man allgemein ἔπι μῆνις in den Text gesetzt. Die Handschriften 
bieten: ἐπὶ μῆνις AL Lips; ἐπιμῆνις CDGNO; ἔπει HM bei la 
Roche. In allen Stellen nun, wo ἔπι im Sinne von ἔπεστι vor- 
kommt, finden wir die sinnlich anschauliche Bedeutung “ist vor- 
handen’ oder in übertragenem Sinne “wohnt bei’ und zwar stets 
in bestimmter Beziehung: A 515. N 104. Φ 110. 8 58. 9 568, 
λ 807. 892. m. 315. Es mülste also der Analogie nach hier ge- 
sagt sein: “furchtbar aber ist vorhanden der Zorn eines Gottes.” 
Aber das stimmt mit dem hypothetischen εἰ ur τις ϑεός ἐστι nicht 
zusammen, sondern der Zusammenhang verlangt zur Erklärung des 


90 E. Anmerkungen. 


vorhergehenden einen allgemeinen Gedanken wie χαλεπὸς δὲ ϑεοῦ 
χόλος ἐστίν. Aus diesem Grunde scheint die Aristarchische Lesart 
notwendig. 

1808. Über die in der folgenden Rede des Pandaros aus- 
gesprochenen Athetesen vgl. die Einleitung p. 77 Ε΄, Literatur: zu 
183: Aristonic. ed. Friedl. p. 107, Köchly de Iliad. carınm. diss. IV 
p- 24, Benicken ἃ, fünfte Lied p. 37.58, Düntzer hom. Abhandl. 
Ρ. 287, Rhode homer. Miscellen. Moers 1865 p. 13 ἢ, — zu 187: 
Aristonie. ed. Friedlaender p. 107 vgl. Benicken ἃ, fünfte 
Lied p. 42. — zu 188—191: Düntzer hom. Abhandl. p. 256, Be- 
nieken ἃ. fünfte Lied p. 60. 74. — zu 206— 208: Lachmann 
Betracht. p. 20, Benicken ἃ. fünfte Lied p. 16. 68 ἔ, 78 Β΄, Köchly 

. de Iliad. carmm. diss. IV p. 23, Kammer zur homer. Frage I p. 28, 
Jacob Entstehung ἃ. Il. u. Od. p. 202, Bergk griech. Litteratur- 
gesch. Ip. 576, Naber quaestt. Hom. p. 159, Bäumlein in Zeitschr. 
1. d. Altert. 1848, VI p. 335, Gross vindic. Hom. p. 58f., Düntzer 
hom. Abhandl. p. 54. 277. 287. — 191. Über κοτήεις vgl. die Er- 
örterung von Alb. Schuster in der Zeitschr. f. ἃ, österr. Gym. 1859 
8. 23. — 203. ἅδην mit Spiritus asper und einem ὃ ist die Aristar- 
chische Schreibart: J. La Roche Hom. Textkritik 5. 179. Der 
Spiritus asper ist aus dem ursprünglich anlautenden Spiranten, der 
in satis und satur vorliegt, entstanden, und die Länge der Anfangs- 
silbe wird durch das ursprüngliche ὃ] erklärbar. Vgl. G. Curtius 
Etym.? 8. 593, p. 632; Oskar Meyer Quaest. Hom. p. 75. Andere 
schreiben das Wort hier mit doppeltem δ, weil sie einen Übergang 
des dj in dd annehmen, so dafs sich hier das j, wie in ἔδδεισεν das 
Digamma, dem ö assimiliert habe. Für ein δ sich entscheidend be- 
handelt das Wort in eingehender Weise auch Basse De adverbüis 
in δὴν cadentibus (Königsberg 1849) p. 13 sq. Dies Adverbium 
ist aber selbst ein ursprünglicher Akkusativ ‘die Genüge.’ — An 
Stelle von εἰλομένων vermutet Nauck ἐλλομένων. nach dem Vor- 
gange von Cobet Miscell. crit. p. 270. — 215. Über den Optativ 
ϑείην vgl. G. Hermann Opuse. IV, p. 146 und L. Lange der hom. 
Gebrauch d. Part. εἰ I p. 461. — 219. Die Formen νώ und σφώ 
verwerfend verlangt Cobet Miscell. erit. p. 258f. die Schreibung 
vos und opg. — 221—225. Bedenken gegen die Ursprünglichkeit 
dieser Verse bei M. Schmidt Meletematum Homer. part. II p. 12. 
Anmerkg. und Düntzer Aristarch p. 72.— 227. Das hier unpas- 
sende ἀποβήσομαι bieten ADGHLMNO 2. man. Die Sache hat hier 
Franz Spitzner hinlänglich erörtert; vgl. auch Naber quaestt. 
Hom. p. 111f. — 228. Über diesen Wechsel der Bedeutung in 
demselben Worte vgl. Ὁ. Schneider zu Isocr. Paneg. $ 119 und 
im Philol. XXIII p. 442 sq.; E. E. Seiler zu Long. Pastoral. p. 184. 

241. Der folgende Abschnitt bis 274 wird verworfen von 
la Roche in Zeitschr. f. d. österr. Gymnasien 1863 p. 168; Düntzer 
Aristarch p. 72 f. verwirft 265—273 und im Zusammenhange da- 


E. Anmerkungen. 91 


mit auch 221—225, vgl. dagegen Benicken das fünfte Lied p. 60. 
— 249. Die Worte ἀλλ᾽ ἄγε δὴ χαξώμεϑ᾽ ἐφ᾽ ἵππων können nicht 
eine eigentliche Flucht bezeichnen, sondern dürfen nur, was χά- 
ξεσϑαι besagt, von einem Rückzuge aus den Vorkämpfern ge- 
deutet werden. Dies erhellt aus dem folgenden Gegensatze des 
negativen Parallelismus μηδέ μοι οὕτως ϑῦνε διὰ προμάχων. Um 
diesen Gedanken zu verdeutlichen, hat Aristarch, wie Aristo- 
nikos und Didymos berichten, die Worte ἐφ᾽ ἵππων im Sinne 
von ἐπὶ τοὺς ἵππους verstanden. Dabei mufs er zugleich voraus- 
gesetzt haben, dafs Sthenelos 242 das Gespann zurückgelassen habe 
und zum Diomedes zu Fulse geeilt sei. Dieser Annahme sind 
auch andere gefolgt. Aber es widerstreitet dieser Auffassung zu- 
nächst die homerische Sitte. Wo nämlich der παραβάτης zu 
Fufse kämpft oder aus einer anderen Ursache vom Wagen steigt, 
da pflegt der ἡνίοχος nie das Gespann zu verlassen, sondern auf 
demselben stehen zu bleiben, um es für den nächsten Gebrauch 
in Bereitschaft zu halten; vgl. 4 226 #. 367. 419. E 107. 321#. 
835. 4.273.488. N 385 ff. 5429. Ο 445 ff. IT 864 ff. und ander- 
wärts. Daher hat man anzunehmen, dafs Sthenelos 242 ebenso 
wie 329 mit dem Gespann herangeeilt ist. Und dies wird 255 
aus dem Präsens ὀχνείω δ᾽ ἵππων ἐπιβαινέμεν und 261 aus dem 
hinweisenden τούσδε ersichtlich, da beide Ausdrücke die gröfste 
Nähe des Gespanns voraussetzen. Es widerstreitet der erwähnten 
Erklärung 2) der Plural χαξώμεϑα. Da nämlich Sthenelos (seit 
111 und nachdem Diomedes 134 wieder unter die Vorkämpfer ge- 
eilt war) sich fortwährend bei dem Gespanne befunden hat, so 
kann er sich nicht mit als solchen aufführen, der sich zum 
Gespann zurückziehen wolle. Er mülste vielmehr seine Aufforde- 
rung direkt nur an Diomedes richten. Höchst bedenklich in dem 
angenommenen Sinne ist 3) die sprachliche Verbindung. Denn 
die homerischen Stellen, wo ἐπέ mit dem Genitiv in diesem Sinne 
erscheint, wie I’5. E 700. y 171. τ 278 nebst βαίνειν ἐπὶ νηός 
und dergleichen sind anderer Natur und lassen sich nicht ohne 
weiteres mit χάξεσϑαι ἐφ᾽ ἵππων zusammenstellen. Wenn man aber 
. ἐφ᾽ ἵππων βάντες Σ 531 vergleicht (wofür sonst ἐπιβῆναι ἵππων 
gesagt wird, wie die von Fr. Spitzner erwähnten Beispiele zeigen) 
und χάξεσϑαι dazu “prägnant für weichend steigen’ versteht, 
so wird diese Gräeität wohl niemand ohne Belegstellen annehmen 
können. Hierzu kommt dafs χάξεσϑαι bei Homer, wenn man von 
dem T'32 berührten stabilen Verse absieht, überall so gebraucht 
wird, dafs nur die Sache oder der Ort, wovon jemand zurück- 
weicht, entweder ausdrücklich genannt ist oder im Zusammenhang 
des Gedankens liegt. Das letztere ist auch hier der Fall, wo 
jeder an die Vorkämpfer denkt: vgl. auch 107 das absolute ἀνα- 
χωρήσας. Man wird also am einfachsten und natürlichsten die 
Worte ἐφ᾽ ἵππων in ihrer eigentlichen Bedeutung fassen, gerade 


92 E. Anmerkungen. 


wie M 82 und 2 356, ja die letztere Stelle ἀλλ᾽ ἄγε δὴ φεύγωμεν 
ἐφ᾽ ἵππων hat dasselbe Kolorit und dient dadurch zu einer wei- 
teren Bestätigung der aufgenommenen Erklärung. — 253. Statt 
ἀλυσκάξοντι verlangt Naber quaestt. Hom. p. 90 ἀλυσκάξοντα, ohne 
Grund, vgl. Classen Beobacht. p. 140 ff. und Hentze in Zeitschr. 
f. ἃ. Gymnasialwesen 1866 p. 742 fl. i 

356. Die Worte τρεῖν μ᾽ οὐκ ἐᾷ Παλλὰς ᾿Αϑήνη scheinen fehler- 
haft überliefert, schon wegen der contrahierten Form τρεῖν. Da 
aber der Venet. und Eustath. ἔχ bieten, und diese Lesart auch 
sonst in den Scholien bezeugt ist, so empfahl Ahrens in Philol. VI 
p- 29 zu schreiben: τρείεεν μ᾽ οὐκ εἴα ᾿4ϑήνη, indem das Imperfekt 
auf Athenes Worte 124 zurückweise. Dagegen macht Nauck in 
den Mölanges Gröco-Rom. IV p. 489 geltend, dafs die Form τρείω 
erst in späterer Zeit auftrete, wonach man mindestens τρεέμεν. 
μ᾽ οὐκ εἴα ᾿Αϑήνη erwarten sollte. — Übrigens bemerkt Nauck zu 
255— 258: spurü? 

265. Eine andere Anordnung der folgenden Verse giebt I.Bekker 
Homerische Blätter II (Bonn 1872) p. 12, indem er 265—269 in 
eine Periode zusammenfafst, so dafs τῆς γάρ τοι γενεῆς (ohne zu 
denkendes εἰσίν) durch τῆς γενεῆς 268 wieder aufgenommen würde, 
Weiter verlangt derselbe statt der handschriftlich allein beglau- 
bigten Lesart ἧς den Aceusativ ἥν, weil jene zu der wunder- 
lichen Folgerung führen würde, dals Zeus ein Gestüt oder eine Herde 
von Pferden besitze, wovon sich sonst nirgend eine Spur finde. 
Derselbe Vorschlag, aber aus andern Gründen, ist das Resultat der 
eingehenden Brörterung von R. Förster quaestiones de attractione 
enuntiationum relativ. Berlin 1868 p. 46 ff. Meiner Ansicht nach 
schwinden diese Bedenken, wenn man nur die Genitive nicht in 
partitivem Sinne, sondern als Ablative des Ursprungs und der da- 
durch bedingten Beschaffenheit falst, also in dem Sinne: von der 
Stammart, Race, vgl. Ζ 211 ταύτης tor γενεῆς τε καὶ αἵματος 
εὔχομαι εἶναι. --- 270. Die Verlingerung des Dativ οὗ in der Thesis, 
wovon C. A.J. Hoffmann Quaest. Hom. I, p. 77 spricht, erklärt 
sich am einfachsten aus dem Umstande, dafs das folgende ἕξ ur- 
sprünglich oF£& gelautet habe: vgl. Oskar Meyer Quaest. Hom. 
p. 23 sq. Für das ursprüngliche Digamma giebt aus den Inschriften 
die entscheidenden Gründe G. Curtius Etym.? 8. 358 Nr. 584; !p. 
387. Die ganze Stelle τῶν οἵ TE ἐγένοντο ἐνὶ μεγάροισι γενέϑλη 
wird von Fr. Spitzner (nach dem Vorgange Anderer) erklärt: 
‘en quibus sen ei in aedibus nati sunt pull’. Aber γενέϑλη heilst 
bei Homer noch nicht Nachkommenschaft, und Spitzner selbst 
in seinem sorgfältigen Exec. IX., $ 3 hat diese Bedeutung nur ver- 
mutungsweise aus den späteren Dichtern genommen: ‘e quwibus 
eoniectura poterit capi Il. 5, 270 τῶν --- γενέϑλη aptum esse’ Bei 
dieser Sachlage nun haben andere den vor F. A. Wolf gelesenen 
Genetiv γενέϑλης zurückgeführt: “aus dem Geschlechte dieser’, 


E. Anmerkungen. 93 


mit Vergleichung der schon von Spitzner behandelten Stellen 265. 
Tı11. 6232. v130. Das giebt aber den Übelstand, dafs man 
das τῶν über zwei Verse hinweg auf ἄριστοι ἵππων ὅσσοι beziehen 
mufs, während es am einfachsten und natürlichsten scheint, bei 
diesem Pronomen an das unmittelbar vorangehende ϑήλεας ἵππους 
zu denken. Sodann hat auch der Genitiv γενέϑλης urkundlich fast 
gar keine Stützen, da aufser ein Paar alten Ausgaben blofs ye- 


ns 

νέϑλη N nachweisbar ist: als beglaubigte Überlieferung kann nur 
γενέθλη gelten. Und dieser Nominativ giebt auch einen passenden 
Sinn, wenn man γενέϑλη in seiner eigentlichen Bedeutung und ἐγέ- 
vovro in der durch den ganzen Dichter hindurchgehenden Verbin- 
dungsweise auffalst, nämlich γενέσϑαι τινί mit einem Prädikatsnomi- 
nativ: 438. Ε 488, 2 82. © 282. K 193. 4797. 1139. P 38. 
255. 272. 636. 2179. X 358. 421. N 436. y 271. 8 285. λ 18. 
v 208. ο 480. x. 103. 0 597. p 24. 329. Bei diesem ganz gewöhn- 
lichen Sprachgebrauche ist für unsere Stelle nur zu beachten, dals 
γενέσθαι hier noch in seiner ursprünglichen Bedeutung am schärf- 
sten hervortritt. 


272. μήστωρε φόβοιο ist die Aristarchische Lesart, die auch 


ε 
in sämtlichen Handschriften steht, nur Stuttgart. hat μήστωρι, aber 
Plato Lach. 191 B hatte μήστωρι vor Augen. Jetzt hat man seit 
I. Bekker (hom. Blätt. p. 91) fast allgemein μήστωρι φόβοιο auf- 
genommen; la Roche aber: μήστωρε, welches durch 222f. und 
B767 gestützt wird. — 273. In εἰ τούτω κε λάβοιμεν haben I. Bekker 
und Nauck hier und © 196 das überlieferte κέ mit J.H. Voss 
und Fr. Thiersch in γέ verwandelt: für den Gedanken zwar pas- 
send, aber nicht nötig. Vgl. H. Rumpf in Fleckeisens Jahrb. 1860 
Ba. 81. S. 591 f. und jetzt Lange ἃ. homer. Gebrauch ἃ, Part. εἶ 
I p. 4951. 

288. πρίν γε und πρίν γ᾽ ἤ mit vorhergehender Negation und 
folgendem Infinitiv findet sich bei Homer nur hier. Anders Θ 479 ἢ, 
2189. Bekker hat hier gegen die Überlieferung beide γ᾽ ge- 
tilgt unter Zustimmung vonRichter quaestt. Hom. Chemnitz 1876 
p- 15 ἢ; Nauck vermutet πρὶν δή an Stelle von πρίν γ᾽ ἤ. Was 
die Sache betrifit, so hat schon W. C. Kayser im Philol. XVII, 
8. 707 bemerkt, “dafs γ᾽ einen Bestandteil der Vulgata bildet.” 
Ja es ist nach der besten Überlieferung wahrscheinlich, dafs πρίν 
in derartigen Fällen als Länge überall durch ein nachfolgendes γ᾽ 
gestützt worden sei. Vgl. J. La Roche in der Zeitschr. f. d. österr. 
Gym. 1868 $. 143. — ἀποπαύσξσϑαι haben nur zwei Handschriften, 
DN, und der Venetus A zeigt über dem « des Aorists ein üherge- 
schriebenes &; alle übrigen haben ἀποπαύσοίσϑαι. Für die Auffas- 
sung des Inf. Aor. sind zu vergleichen ὃ 254. 255. β 373—375, 
welche mit unserer Stelle das gemeinsam haben, dafs der Infinitiv 


94 E. Anmerkungen. 


Aor. unter gleichen Verhältnissen negiert ist in Verbindung mit 
einer Zeitbestimmung mit πρίν, die ebenfalls im Aorist steht. Hin- 
dert die Negation im Infinitiv Aoristi den Ausdruck der zuversicht- 
lichen Erwartung oder entschiedener Zusage zu sehen, so darf 
derselbe wohl aus der Beziehung auf die nachfolgende temporale 
Bestimmung im Aorist erklärt werden, da nach dem Gedanken- 
verhältnis (nicht eher — als) beide Handlungen zeitlich zusammen- 
treffend gedacht werden müssen; erst mit dem ὦσαι tritt das dmo- 
παύσασϑαι in Vollzug und so ähnlich an den anderen Stellen. Auch 
in der ganz entsprechenden v 180 haben gute Handschriften den Inf. 
Aor. διακρίνασϑαι statt des gewöhnlichen διακρινέεσϑαι. Zur Erklä- 
rung der Konstruktion πρὶν ἤ mit Inf. vgl. Capelle im Philol. 
XXXVI p. 204. — 289. Über die Etymologie und die Bedeutung 
von ταλαύρινος vgl. den Anhang zu H 239. 

293. Statt der Aristarchischen Lesart ἐξελύϑη habe ich die 
des Zenodot ἐξεσύϑη (Düntzer de Zenod. p. 122) in den Text 
gesetzt, die auch durch gute Handschriften vertreten wird. Ich 
kann mich nämlich nicht überzeugen, dafs mit ἐξελύϑη ein Ab- 
brechen der Spitze bezeichnet sein sollte, wie Ameis das Wort 
deutete. Da gerade die Spitze von oben nach unten durch den 
Mund fährt, so dafs sie hier feststeckt, so kann von einem Los- 
lösen der Spitze vom Schaft beim Abbrechen des letzteren doch 
kaum die Rede sein; auch ist es wenig wahrscheinlich, dafs Ari- 
starch seine Lesart so verstanden habe, sondern wohl in dem 
sonst angenommenen Sinne von τῆς ὁρμῆς ἐπαύσατο, der sich frei- 
lich aus dem homerischen Gebrauch für das Wort nicht begründen 
lässt. Übrigens hat jetzt v. Christ im Rhein. Mus. 1881 p. 37 
die sehr ansprechende Vermutung gegeben, dafs bei der Umsetzung 
des Homer in die neue ionische Schrift die ursprüngliche Lesart 
ἐξέλυϑε falsch in ἐξελύϑη gedeutet sei.— Ein neuerer Arzt, Küchen- 
meister, bemerkt in der im Anhang zu 484 citierten Abhand- 
lung 5. 52 über unsere Stelle folgendes: “diese Wunde ist eine 
der interessantesten, aber in der Art, wie sie beschrieben ist, un- 
möglich. Ein auf dem Wagen Stehender konnte einen auf dem 
Boden Stehenden auf die angegebene Weise verwunden, aber nicht 
umgekehrt, sei es denn, dafs Diomedes etwa selbst auf einem 
Hügelchen gestanden hätte, wovon nichts an der betreffenden Stelle 
zu finden ist. Das einzige, was hier möglich gewesen wäre, wäre 
der Umstand, dafs Diomedes seine Lanze im Bogen gegen Pan- 
daros gesendet hatte, aber auch dies ist nicht gut denkbar bei 
der angegebenen Stellung des Pandaros im [sic] Wagen”. Man 
kann dem gegenüber nur verweisen auf: βέλος δ᾽ ἴθυνεν ᾿Αϑήνη, 
vgl. Schol. B. ῥητέον οὖν ὅτι ἡ "Adv μείξων οὖσα καὶ ὑψηλοτέρα 
ἄνωθϑεν κατενεχϑῆναι ἐποίησε τὸ δόρυ. --- 300. An der Pa- 
rallelstelle P 7 las Zenodot δὲ οὗ statt δέ of: vgl. darüber Brug- 
man ein Problem der homer. Textkritik p.20. — 303. Über das Fehlen 


E. Anmerkungen. 95 


der Partikel κέ beim Opt. φέροιεν vgl. L. Schmidt de omissa apud 
optativum et conjunetivum ἄν particula, Marburg 1868 p. 1., wel- 
cher dem negativen Optativ ohne ἄν eine stärker negierende Kraft 
beilegt. Dagegen hält Naber quaestt. Hom. p. 100 die Partikel 
für nicht entbehrlich und vermutet δύο x’ statt δύο γ᾽, und Nauck: 
6 κ᾽ οὐ δύω ἄνδρε. --- 310. Zur Beseitigung des Hiatus empfiehlt 
van Herwerden quaestiuneulae ep. et eleg. p. 6 zu lesen: ἀμφὲ 
δέ Εὔσσε statt ἀμφὶ δὲ ὄσσε, ebenso vermutet Nauck nach Eusta- 
thios: δέ οἵ ὄσσε. 

8118. Über die an dem folgenden Abschnitt (bis 460) ge- 
übte Kritik vgl. die Einleitung p. 66 f. 70f. dazu Bergk griech.Litte- 
rat. I p. 576, Düntzer hom. Abhandl. p. 256, Köchly de Iliad. 
carmm. diss. IV p. 23, la Roche in Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 
1863 p. 167, Naber quaestt. Hom. p. 159, Benicken das fünfte 
Lied p. 36. 40. 46. 60f. 90. — 313. Nauck: spurius? — 315. 
Über πτύγμ᾽ ἐκάλυψεν im Verschlufs, wofür man πτύγμα κάλυψεν 
konjieiert hat, vgl. W.C. Kayser im Philol. XVIII, 8. 688.— 320. 
Statt ἐπέτελλε empfiehlt Nauck ἐπέτειλε, zweifelt aber an der Ur- 
sprünglichkeit des Verses, — 329. Die hereits von Zenodot be- 
anstandete Verbindung Τυδεΐδην μέϑεπεν κρατερώνυχας ἵππους, wo- 
für er κρατερωνύχεο᾽ ἵπποις vermutete, beseitigt Nauck in den 
Melanges Gröco-Rom. IV p. 418 durch den Vorschlag: Τυϑεΐδῃ 
ἔπεχεν κρατερώνυχας ἵππους: vgl. II 724. 732. Ρ 465. — Derselbe 
bezweifelt in der Ausgabe die Ursprünglichkeit der V. 331—333. 
— 338. Statt ὅν ol, wofür Heyne und Andere hier 3 of vermuten 
wie auch Z 94, hat G. Wiel Öbserv. in Oıph. (Bonn 1853) p. 31 
die leichte Konjektur ὃν αἵ vorgeschlagen, wie auch Nauck ver- 
mutet. Dagegen hat v. Christ im Rhein. Mus. XXXVI p. 28 
auf die Nachahmung in dem Verse der Kyprien εἵματα μὲν χροὶ 
ἔστο τά οἵ “Χάριτες τε καὶ Ὧραι ποίησαν hingewiesen, aus der sich 
ergiebt, dafs οἷ uralte Lesart war. — 339. Über ϑέναρ vgl. 6. Cur- 
tius Etym.’ 8.240. Nr. 312; *p. 255. 

340. Etymologisch erörtert ist ἰχώρ neuerdings von Clemm 
in 6. Curtius Stud. IT p. 45ff. — 341f. Gegen die Ursprünglich- 
keit dieser beiden Verse erklärte sich W.v.Humboldt (Werke V, 
86): vgl. Düntzer die homerischen Beiwörter des Götter- und 
Menschengeschlechts p. 26. — 349. Nauck schreibt: ἢ οὐ ἅλις 
statt des handschriftlichen 7 (oder ἢ) οὐχ ἅλις, möchte aber lieber 
das ἤ ganz beseitigen. — 350. Es war ein Irrtum, wenn Ameis 
glaubte, dafs sich bei Homer keine hypothetische Periode finde, 
in welcher nach dem blossen εἰ (ohne κέ oder ἄν) mit Indikativ 
Fut. im Vordersatze der Nachsatz gleichfalls den Gedanken der 
Zukunft enthalte, und daher πωλήσεαι als Conjunctiv verstand, in 
der Tabelle bei Lilie de locutionum hypotheticarum usu Homerico, 
Breslau 1863 sind 16 Beispiele verzeichnet, wo nach εἰ mit Ind. 
Ταῦ, im Vordersatze im Nachsatz ebenfalls der Indie. fut. steht. 


96 E. Anmerkungen. 


Was aber die Stelle des Futurums πωλήσεαι innerhalb des Ge- 
dankenzusammenhanges betrifft, so wird dieselbe durch eine ge- 
nauere Betrachtung des Verhältnisses zwischen Vorder- und Nach- 
satz klar werden. Offenbar entspricht der letztere nicht dem, was 
man nach dem Vordersatze erwarten sollte, namentlich auch wegen 
des sich weiter anschliessenden koncessiven Nebensatzes καὶ εἰ — 
πύϑηαι, denn dieser macht gerade eine Annahme, die mit der 
ersten εἰ πωλήσεαι nicht unmittelbar zu vereinigen ist. Es ist 
nämlich der dem Vordersatz εἰ πωλήσεαι: “wenn du aber doch 
oft in das Kriegsgetümmel kommen wirst’, zunächst eut- 
sprechende Gedanke: ‘so wird es dir übel bekommen’? oder ‘so 
wundere dich nicht, wenn dir etwas Unangenehmes begegnet” über- 
sprungen und sofort die aus der gegenwärtigen unangenehmen Er- 
fahrung zu ziehende Folgerung gesetzt, sodals der Redende durch 
den Nachsatz gleichsam die in dem Vordersatz ausgesprochene An- 
nahme korrigierend aufgiebt. Darauf deuten auch die zu Anfange 
des Nachsatzes stehenden Partikeln 7 re fürwahr immerhin, die 
meist einen Gegensatz zum Vorhergehenden einleiten: vgl. zu 8 62. 
Danach ist mir der Zusammenhang folgender: Wenn du aber 
dennoch oft in das Kampfgetümmel kommen wirst — doch das 
wirst du nicht, denn ich glaube, du wirst nach der eben gemachten 
Erfahrung vor dem Kriegsgetümmel schon Entsetzen empfinden, 
wenn du nur in der Ferne davon erzühlen hörst, Aber es ist 
πυνθάνεσθαι hier, wie Ο 224 (vgl. zu Z 465), wohl richtiger von 
der unmittelbaren Wahrnehmung durch das Gehör zu verstehen, wo- 
durch das lokale Ergo eine bessere Beziehung erhält. 

353. An Stelle von τὴν μὲν ἄρ᾽ Ἴρις empfiehlt vau Her- 
werden quaestiunculae ep. et eleg. p. 7 zu schreiben: τὴν ἄρα 
«Εἴρις, ebenso vermutet Nauck. — 355. Die schwierige Frage über 
die Auffassung des ἐπ᾽ ἀριστερά ist erörtert von L. W. Hasper 
zur Topographie der hom. Ilias p. 21, N. G. Nicolaides Topo- 
graphie et plan stratög. de I’Iliade (Paris 1867) p. 167, Naber 
quaestt. Hom. p. 36. 39; zuletzt von Ribbeck im Rhein. Mus. 
Bd. 35 p. 610, welcher wahrscheinlich macht, dafs der Dichter 
die Troer immer gegenüber sich denke und das Schlachtfeld sich 
immer von derselben Seite, nämlich von den Schiffen aus vorstelle, 
sodals links immer Nordosten oder kurzweg Osten bedeute, auch 
wo er von den Troern spreche. Weitere Litteratur bei Benicken 
Studien und Forschungen auf dem Gebiete der homer. Gedichte 
und ihrer Litteratur: I das zwölfte und dreizehnte Lied vom Zorne 
in N£O p. 726 und 1181 ff.— 358. Das Verbum λίσσεσθαι scheint 
ursprünglich noch einen Guttural vor sich gehabt, also doppelt 
konsonantisch begonnen zu haben, weil eine vorhergehende Kürze stets 
gedehnt wird: Δία λίσαι A 394, μάλα λίσσοντο 4 379, ἐμὲ λισ- 
σέσκετο 1 461, ἄνδρας δὲ λίσσεσϑαι 1520, τὸν δὲ λίσσοντο 1574 
und Σ 448, Ebenso δέπαϊ λιτώνευεν P 196, ὁ δὲ λιτάνευε ἡ 145, 


E. Anmerkungen. 97 


auch καὶ γάρ re λιταί 102. Hierzu kommen die augmentierten 
Formen ἐλλίσσετο und ἐλλιτάνευσα, die im Anhange zu A 15 berührt 
sind, und die Komposition τρίλλιστος Θ 488, πολύλλιστος ε 445. 
Ganz vereinzelt ist die Kürze in ἔχε λίσσετο ὃ. 344 und κῆρα 
λιτέσϑαι Π 41. Vgl. R. Kühner Ausführl. Gram. 1? 58, 2, Hoff- 
mann quaestt. Hom. I p. 144 δ᾽, und dagegen Fick vgl. Wörterb. 9II 
p. 221 und W. Hartel Homer. Stud. I. Wien 1871 p. 18 u. 27 ff. 

359. Statt der einstimmigen Überlieferung δὸς δέ μοι hat 
Barnes δός τέ μοι gegeben (was sich in C findet), um die Regel- 
mäfsigkeit der gewöhnlichen Sprechweise herzustellen, und diese 
Konjektur ist seitdem bis auf La Roche in den Texten geblieben. 
Aber dadurch wird die Bitte der Aphrodite auf eine für den Zu- 
sammenhang weniger passende Weise abgeschwächt. Viel nach- 
drucksvoller Iautet der Gedanke bei der handschriftlichen Lesart: 
‘nimm mich einerseits bei dir auf, anderseits aber lafs mich 
zum Olympos zurückeilen.” Vergleichbar wegen dieses Wechsels 
von τέ und δέ aus demselben Grunde ist #178 ᾧμωξέν τ᾽ ἄρ᾽ 
ἔπειτα, φίλον δ᾽ ὀνόμηνεν ἑταῖρον (was erst Bekker aus Konjektur 
in φίλον τ᾽ geändert hat, ohne das Konjekturzeichen beizufügen); 
ferner Q 430 αὐτόν τε ῥῦσαι, πέμψον δέ μὲ σύν γε ϑεοῖσιν und 
π΄ 482 παῖδά τ᾽ ἀποκτείνεις, ἐμὲ δὲ μεγάλως ἀκαχίξεις. Auch π140 
ἔργα τ᾽ ἐποπτεύεσκε, μετὰ δμώων τ᾽ ἐνὶ οἴκῳ haben die besten 
Manuskripte δ᾽ ἐνί, was vor F. A. Wolf in den Texten stand und 
aus dem Zusammenhange der Gedanken sich rechtfertigen läfst. 
Ebenso korrespondieren οὔτε und δέ mit einander 2 368 οὔτ᾽ αὐτὸς 
νέος ἐσσί, γέρων δέ τοι οὗτος ὀπηδεῖ. Dafs dann die Späteren dieses 
τέ mit nachfolgendem δέ nicht selten gebraucht haben, zeigen die 
Beispiele verschiedener Autoren, vgl. Matthiä Gram. $ 626 unter q. 
An unserer Stelle hat man neuerdings versucht, das re (mit @) 
aus Konjektur in δέ zu verändern, wie das doppelte δέ bei zwei 
auf einander folgenden Imperativen auch IT 524. P 646. ξ 178 ge- 
funden wird. Dadurch entsteht allerdings ein lebhafter Gedanke, 
aber ein χόμισαι δέ nach unmittelbar vorhergehendem Vo- 
kativ läfst sich mit keinem der zu » 130 berührten Beispiele in 
Vergleichung stellen. — 365. Wegen des Digammas im Anlaut 
von Ἶρις (vgl. zu 353 und Knös de digammo Homer. p. 126) 
vermutet Cobet Miscell. erit. p. 413 als ursprüngliche Lesart: 
πὰρ δέ Fe Figig statt πὰρ δέ (οι Ἶρις, indem er wegen des Accus. 
nach παρά auf 4 233 παρ᾽ ἔμ᾽ ἵστασο verweist; van Herwerden 
quaestiuneulae ep. et eleg. p.7: πὰρ δέ τε Εἴρις unter Vergleich 
von A 511. 517. E 103. Die erstere Vermutung spricht auch 
Nauck in der Ausgabe aus. — 370. Ueber Διώνη, die als Mutter 
der Aphrodite nur hier erscheint, vgl. F. G.Weleker Gr. Götterl.I 
p. 352#. Dazu bemerkt Autenrieth: Über ihr Wesen herrscht 
noch mancher Zweifel, wie man bei Welcker, Preller u. a. sieht. 
Der von Curtius Grdzge 5 8. 236 citirte Artikel Benfeys im Orient 


Hextze, Anhang zu Homers Ilias. II. 7 


98 E. Anmerkungen. 


und Oceident I 280 ist mir nicht zur Hand, doch scheint das 
Citat zu beweisen, dafs er Διώνη und Diana zusammenstellt. Sprach- 
lich gewifs mit Recht. Aber Bemerkungen wie bei Preller Gr. 
M.31, 99 n. 3 „Awvn ist das Fem. zu Ζεύς, wie Juno d.i. Jovino“ 
oder die Lobecks Pathol, serm. gr. p. 32 bei Welcker I, 353, 
2 sowie die von Welcker a. Ὁ. selbst stellen das Verhältnis nicht 
ins Klare. — Auszugehen ist von der Wurzel div = diu, wovon 
lat. dius = dies, Adj. (meri)dianus. Dies ist also substantiviert 
aus ursprünglichem Epitheton: Jänus, Diana die Lichtgottheiten 
für Sonne und Mond: ersterer ist matutinus pater (verschieden 
von ianus, Fem. ianua, mit ianuarius von St. i, ein Unterschied, 
der den Römern später wohl nicht mehr lebendig war). Im Griech. 
wäre nun zunächst Zıavog oder Ajavos zu erwarten, aber der 
Stamm ist nach der konsonant. Deklination Zav, Ζήν gebildet, 
anderseits mit Vokalverdunkelung (wie in Διώνυσος, Ζόννυξος) 
das Fem. Διώνη, gleichen Stamms mit Δωδώνη, neben Masc. 
Δώδων, Δωδώ (die nicht von δοῦναι stammen). Ob in dem 
redupl. Δωδώνη sprachlich (als Kopulativkompositum = Dvandva) 
die Vereinigung der Namen 48 (= Aüvog) und Διώνη angedeutet 
ist, mag dahingestellt bleiben; jedenfalls wurde Ζεὺς Awdwveiog 
mit Διώνη in walter Zeit in einem Tempel zu Dodona verehrt 
(Strab. XII 329) und wenn auch die Namen ursprünglich die Licht- 
gottheiten bezeichneten, mag doch der Dualismus nachher als 
Himmel und Erde betrachtet worden sein. Der Name Διαίνη, 
wenn tibh. richtig (Schol. Od. x 91), ist natürlich nicht auf διαένω. 
zurückzuführen, sondern = Diana aus Ζιανιη᾽. — 374. Zur Erklä- 
rung von ὡς εἰ vgl. Lange ἃ. hom. Gebrauch der Part. εἰ 1 
p. 433 ff. II p. 547£. — 385. Über Ὦτος und Ἐφιάλτης Ῥ. 6. 
Welcker Gr. Götterl. I, 8.420. — 387. χαλκέῳ ἐν κεράμῳ : über 
“grofse Fässer” dieser Art, wie sie in der Sage vorkommen und 
auf vielen Kunstwerken erscheinen, vgl. Otto Jahn Berichte der 
Gesellsch. der Wissensch. zu Leipzig VI, 1854 5. 40ff. und F.G. 
Welcker Kl. Schrift II, 8. CXV? als Symbol der Unterwelt ist es 
'edeutet von Η. Ὁ, Müller Myth. d. griech. Stämme II p. 50. 
hnliches, wie das im Kommentar erwähnte, berichtet die nor- 
disch germanische Sage von Sceäf, Wieland und Sigurd. Das δ᾽ 
will K. Lehrs Quaest. Ep. p. 266 getilgt wissen, indem er wegen 
des Asyndeton Z 174. ξ 314. 248 vergleicht: sehr ansprechend. 
— 394. Nur an drei Stellen, B 721. E 394. 895 steht nach 
Fulda Unters. über die Sprache ἃ. hom. Gedichte p. 224 ἄλγος 
von körperlichem Schmerz, worin derselbe eine jüngere Be- 
deutungsentwicklung erkennt. 

397. ἐν πύλῳ ist die Aristarchische Schreibart, die auch in 
Handschriften steht: πύλος ist ein nur hier gebrauchter Singular, 
während πύλαι bei Homer nur im Plural erscheint. Über einen 
ähnlichen Wechsel der Formen vgl. die analogen Beispiele im An- 


E. Anmerkungen. 99 


hang zu #41. Diesen Wechsel berührt auch mit ausdrücklicher 
Anführung unserer Stelle der Schol. B. Vind. 56. 133 zu ξ 818. 
Andere haben ἐν Πύλῳ aufgenommen und beziehen dies auf den 
Kampf des Herakles mit Hades unter den Mauern von Pylos, da 
Apollodor. II, 7, 3 vom Herakles berichtet: κατὰ τὴν μάχην καὶ 
“ἅδην ἔτρωσε Πυλίοις βοηϑοῦντα. Diesen Kampf erwähnen auch 
einige andere Autoren. Nun ist man bei der Schreibweise ἐν 
“Πύλῳ genötigt, ἐν νεκύεσσι βαλών zu verbinden und dies zu er- 
klären entweder “ihn unter die Toten werfend, ἃ. h. ihn für tot 
liegen lassend’ oder geradezu “unter den Toten liegend.” Aber 
weder das eine noch das andere kann sprachlich begründet werden. 
Es mülste wegen des folgenden ὀδύνῃσιν ἔδωκεν hier nicht ἐν 
νεκύεσσι, sondern wenigstens ἐν κονίῃσι gesagt sein, wie Θ 156 
τάων ἐν κονίῃσι βάλες ϑαλεροὺς παρακοίτας. Vgl. K. Lehrs de 
Arist? p. 60 sqq. Auch F. A. Wolf und Fr. Spitzner haben 
die Aristarchische Schreibart für notwendig gehalten. Diese An- 
sicht vertreten auch Welcker griech. Götterl. II p. 761. 776, 
Preller griech. Myth. I p. 501. Dagegen entscheidet sich für 
Πύλῳ Usener de Iliadis carmine quodam Phocaico, Bonn 1875 
p. 32. Vgl. auch H. ἢ. Müller Mythol. ἃ. griech. Stämme I 
p. 156£., welcher den Namen der Stadt Pylos daraus erklärt, dafs 
‘die Stadt, welche den Hades als ihren Stammgott verehrte, selbst 
als die Pforte, der Eingang zu dem Reiche der Unterwelt gedacht 
wurde und in gewissem Grade in der gemeinen Vorstellung mit 
dieser verschmolz’ und Furtwaengler die Idee des Todes p. 83. 
Nach unserer Schreibung sehen wir den Fürsten der Schatten an 
den Eingang seines Reiches gestellt, um dieses gegen den Ein- 
dringling aus der Oberwelt zu verteidigen. — 399. Über κῆρ 
ἀχέων vgl. Fulda Untersuch. p. 176f. — 408. αἰσυλοεργός ist die 
Aristarchische Lesart (vgl. Cramer Anecd. Ox. I, p. 73), die Ameis 
nach dem Vorgange von Fr. Spitzner aufnahm. Die nachfol- 
gende Epexegese ὃς οὐκ ὄϑετ᾽ αἴσυλα ῥέζων erinnert an Stellen 
wie E63. 0528. 1124. A 475. M 295. N 482. O 526. IT 143. 
P5. « 299. 8 65. y197. Gewöhnlich wird ὀβριμοεργός gelesen. 
Übrigens haben Bekker und Nauck die Verse 403 und 404 aus 
dem Texte entfernt, wie vor ihnen schon Bothe wollte; nach 
Heyne ist nur der letztere ein “versus manifeste ab interpola- 
tore rhapsodo procusus et prorsus otiosus”. Auch Benicken 
ἃ. fünfte Lied p. 40 und 92 verwirft 403. und Köchly scheidet 
398 —402 aus, Grofs Vindic. Hom. I p. 72 δ΄. 395—402. — 406. 
Die Wendung οἶδε κατὰ φρένα (ohne καὶ κατὰ ϑυμόν) steht ver- 
einzelt da und weist nach Fulda Untersuchungen p. 122 auf spä- 
teren Ursprung der Stelle. — 412. Den Sinn hat Schol. B mit 
un δήν, ὅ ἐστιν ἐπὶ πολύ, μείνῃ αὐτὸν ἡ γυνὴ ϑρηνοῦσα gedeutet. 
Heyne bemerkte: 'δήν nunc videtur esse pro δή ἀϊοίαπι. Nauck: 


δύν vix aptum. Über die Form ’4denstivn vgl.M.Haupt Quaest. Catull. 
τ 


100 E. Anmerkungen. 


p. 72. — 415. An der Anordnung der Verse 412—415 Anstols 
nehmend schlägt Cobet Miscell. crit. p. 369 die Versetzung von 
415 nach 412 vor. — 418—431. Über die von Haupt bei Lach- 
mann (Betrachtungen p. 106) über diese Scene ausgesprochene 
Athetese vgl. die Einleitung p. 61. 65, dazu Benicken das fünfte 
Lied p. 16 ff. 67f£., Hoffmann im Philol. III p. 210, Düntzer 
homer. Abhandl. p. 54ff., Köchly de Iliad. carmm. diss. IV p. 22, 
Ribbeck in ἃ. Jahrbb. f. klass. Philol. Bd. 85 p. 18, Note 17, 
Jacob Entstehung ἃ. Ilias und Od. p. 203, v. Christ in Jahrbb. 
£. Philol. 1881 p. 152. 156, La Roche in der Zeitschr. f. oesterr. 
Gymn. 1863 p. 167£,, Naber quasstt. Hom. p. 159. — 425. 
Über ἁραιός vgl. J. La Roche Hom. Textkritik S. 201. — 440. 
L. Döderlein bemerkt hier: ‘Huic Apollinis indignationi maxime 
congruum dicas habitum statuae inclutae Apollinis de Belvedere’. 
Da aber mit Hülfe neuerer Funde festgestellt ist, dafs der Apollon 
von Belvedere in der ausgestreckten Linken die Ägis mit dem 
Gorgoneion hielt, so hat dem schöpferischen Künstler zunächst 
das Homerische Bild des Apollon mit der Aegis vorgeschwebt, wie 
es 0306 f. gegeben ist. Vgl. Otto Jahn aus der Altertums- 
wissensch. (Bonn 1868) 8. 274 δ᾽ 

453. Die Erklärung von λαισήϊα πτερόεντα begründete aus 
antiken Bildwerken Gerlach im Philol. Anzeiger II, 554. Ab- 
bildungen giebt Autenrieth im Wörterbuch. — 461. J. La Roche 
Hom. Unters. 8. 215 hat sich für die Schreibart Τρῳὰς δὲ στίχας 
entschieden, ebenso Nauck. — Zu 462 bemerkt Nauck: spurius? 

465. An dem Dativ ’Ayauoig Anstofs nehmend, der hier nicht 
im Sinne von ὑπ᾽ ’Ayauöv stehen könne, vermutet Nauck in den 
Melanges Greco-Romains IV p. 418 ἢ: ἐς τί ἔτι μαίνεσθαι ἐάσετε 
λαὸν ᾿Αχαιῶν; (CM bieten ᾿ἀχαιῶν) statt: ἐς τί ἔτι κτείνεσϑαι 
ἐάσετε λαὸν ᾿άχαιοῖς; vgl. indes Θ 244 — Ο 876. © 556 und zur 
Konstruktion ε 343 σχεδίην ἀνέμοισι φέρεσϑαι κάλλιπε. — 466. εὐ- 
ποιήτῃσι ist die alte Vulgata, aber Aristarch hat in seinen Quellen 
εὐποιήτοισι gefunden, was auch in mehreren Handschriften steht. 
Diese letztere Schreibart verteidigt K. Grashof Über das Fuhr- 
werk $. 8. not. 8, wo unter anderm bemerkt wird: “es sind fol- 
gende Adjektive anerkannt zweier Endungen, also wirkliche Kom- 
posita: εὔγναμπτος σ 294, εὔδμητος Φ 516, εὐκέατος ε 60, εὔπηκτος 
1663. 2675, εὔτυκτος K 566. ὃ. 123 [wo Andere jetzt εὔπτυκτον 
haben] und Γ 886. ξ 216 und © 44, εὔπλεκτος Ψ 116, εὔπρηστος 
2471”. Nach kritischer Behandlung einiger Stellen heifst es dann 
weiter: “Es bleibt aber durch die übrigen Stellen, wo entweder 
der Vers eine Änderung nicht zuläfst, oder Handschriften und 
andere Umstände eine solche nicht unterstützen, unzweifelhaft, dafs 
Homer die mit εὖ zusammengesetzten Verbaladjektiven als wirk- 
liche σύνϑετα, nicht als παράϑετα behandelt und daher nur als 
Adjektive zweier Endungen gebraucht hat’. Die entgegenstehen- 


E. Anmerkungen. 101 


den Stellen will K. Grashof alle geändert wissen. Aber so weit 
unsre Nachrichten über die urkundlichen Quellen reichen, haben 
wir nach den besten Autoritäten εὔξεστος als Adjectivum dreier 
Endungen H 5. K 576 (= ὃ 48. g 87) 2 275. 280. 590. ν 10. 
9137. 164, sonst zweier Endungen. Denselben Wechsel haben 
wir bei εὐποίητος. Wer nun hier εὐποιήτῃσι festhält, der giebt 
zwar Gleichmäfsigkeit mit II 636, aber Verschiedenheit von γ 434. 
Es ist daher von dieser Seite her kein Grund vorhanden, die beste 
Überlieferung εὐποιήτοισι abzuweisen. Vgl. auch Lobeck Paral. 
p. 459 und 497 not. 36; I. Bekker Hom. Blätter 5, 310. 

471. Die an dem folgenden Abschnitt bis 496 geübte Kritik 
ist erörtert in der Einleitung p. 72f., dazu vgl. Giseke quaeritur 
num quas etc. p. 6 und homerische Forschungen p. 235, Nitzsch 
Beiträge p. 387, Köchly de Iliadis carmm. diss. IV p. 21, Rib- 
beck in ἃ. Jahrbb. ἢ. Phil. Bd. 85 p. 19, Genz zur Ilias p. 22, 
Bernhardy Grundrifs ἃ. griech. Litt. 3IT, 1, p. 163, v. Christ 
in ἃ. Sitzungsberichten ἃ. philos.-philol. Klasse ἃ. königl. bayer. 
Akad. 1881, II p. 163ff, Schmidt Meletem. Hom. II p. 13, Be- 
nicken das fünfte Lied p. 32f. 35. — 478. Statt des nur hier 
und ν 325 vorkommenden ἥκω schreibt Nauck ἵκω, — 486. Über 
ὀάρων und ὥρεσσι vgl. Lobeck Elem. II, p. 72sqq. Übrigens 
schreibt Nauck, wie auch van Herwerden quaestiunculae ep. 
et eleg. p. 8 empfahl, ὀάρεσσιν. — 487. Dals man die Länge des 
« in ἁλόντε nicht mit Fr. Spitzner aus dem attischen ἕάλων her- 
leiten könne, leuchtet ein: denn in ἑάλων rührt die Länge von 
dem doppelten Augment her, wie in ἑώρων ἑώρακα ἠνώρϑωσα 
ἠνειχόμην. Ist hier eine Änderung nötig, so schiene Heines Alvoro 
ἁλόντε oder Döderleins λίνου ἐναλόντε das leichteste zu sein; 
Bentley: λίνου πανάγροιο ἁλόντε, vgl. aber v. Christ in den 
Sitzungsber. ἃ. bayer. Akad. philos.-philol.-hist. Kl. 1879 p. 195 ἢ, 

492. Ad. Funk in der Abhandlung: Locus, qui apud Hom. 
in Iiad. libro V, 490 legitur, emendatur (Friedland) hat seine 
Konjektur, die schon von Fr. V. Fritzsche zu Aristoph. Thesmoph. 
1129 erwähnt wurde, nämlich χαλεπὴν δ᾽ ὑποδέχϑαι ἐνιπήν, 
welche auch Nauck anführt, ausführlich zu verteidigen gesucht. 
Aber dieselbe scheint entbehrlich. Unsere urkundlichen Quellen 
bieten alle einstimmig ἀποθέσθαι, und die besseren geben »gare- 
φήν statt χαλεπήν, denn aufser ALNOS haben alle übrigen mit 
Et. M. 126, 23 κρατερήν, das man mit Recht in den Text gesetzt 
hat. Gewöhnlich erklärt man ἀποϑέσϑαι mit “unterlassen’ oder 
“nicht gebrauchen’, oder ‘sich abgewöhnen’”. Aber nach 
Homerischer Anschaulichkeit kann der Begriff ‘von sich ablegen’ 
nur von Dingen gesagt sein, die jemandem anhaften oder ihm an- 
gehängt sind oder ihn dicht umschliefsen wie die Kleidung, nimmer- 
mehr aber von einem augeborenen oder eingewurzelten Charakter- 
zuge, wie das barsche und herrische Wesen, das bezeichnet sein 


102 E. Anmerkungen. 


soll. Aber gesetzt auch, dafs die dem ἀποϑέσϑαι herkömmlich 
beigelegte Bedeutung möglich wäre: so ist doch der dadurch ent- 
stehende Gedanke für den Zusammenhang ohne alle Beziehung, 
wie schon Heyne sehr bestimmt erörtert hat. Was hier der Zu- 
sammenhang verlangt, das hat Ad. Funk p. 3 richtig also be- 
zeichnet: “Qui admirabilem sententiarum in Sarpedonis oratione 
continuationem seriemque, qua aliae ex aliis nexae et omnes ita 
inter se aptae et colligatae sunt, ut nihil aut otiose aut solius 
ornatus gratia positum sit, consideraverit et perspexerit, ei non 
poterit non persuasum esse, verbis opus esse, quibus ad 
pugnandum impellatur Hector’. Und einen solchen Gedan- 
ken gewinnen wir, wenn wir erwägen, dafs in der sinnlichen 
Sprache der Tadel, den jemand erhalten hat, wie ein äulser- 
lich wahrnehmbarer Schandfleck an ihm haftet: μῶμον ἀνάψαι 
ß 86 (dazu den Anhang), ἐλεγχείην ἀναϑήσει W100. Daher strebt 
der Getadelte mit allen Kräften, durch besseres Handeln diesen 
Schandfleck wieder von sich abzuthun oder von sich zu ent- 
fernen, indem er ihn durch tapfere Thaten wieder gut macht. 
Dies ist ἀποϑέσϑαι in einer einfachen Übertragung. Dals aber 
nicht der tadelnde, sondern der von Sarpedon getadelte Hektor 
gemeint sei, dies wird wie durch den Zusammenhang so auch 
durch den Gebrauch des Wortes ἐνιπή bestätigt. Mit Recht be- 
merkt Ad. Funk p. 5 folgendes: vox Zvim non de ea increpa- 
tione, qua qui increpat perfungitur, apud Homerum posita legitur, 
sed de ea, qua qui increpatur afficitur. Si Homerus eum qui in- 
erepat respieit, hae fere locutiones leguntur: vewxelsv βασιλῆας 
ὀνειδείοις ἐπέεσσιν B 277. ὅτ᾽ ἄν μ᾽ ἐρέϑῃσιν ὀνειδείοις ἐπέεσσιν 
4519. Πηλεΐδης δ᾽ ἐξαῦτις ἀταρτηροῖς ἐπέεσσιν ᾿Ατρεΐδην προσέειπε 
A223. αὐτίκα κερτομίοισι Δία Κρονίωνα προσηύδα A539; ubi autem 
eum. qui inerepatur respicit, vox ἐνιπή invenitur: ὦ Ὀδυσεῦ, μάλα 
πώς μὲ καϑίκεο ϑυμὸν ἐνιπῇ Κὶ 104. αἰδεσϑεὶς βασιλῆος ἐνιπὴν al- 
δοίοιο 4 402. ἔδεισεν γὰρ ἐμὴν ἔκπαγλον ἐνιπήν κ 448. δείδιε γὰρ 
δὴ Ζηνὸς ἄδην ἄλληκτον ἐνιπήν Quint. Smyrn. II, 662. καταπτώσ- 
σοντὰς ἐνιπήν Quint. Smyrn. VI, 339. ἐνιπὴν σμερδαλέην τρομέοντα 
Quint. Smyrn. I, 707. — 495. δοῦρε, statt des überlieferten δοῦρα, 
ist hier und in den Parallelstellen Z 104. 4212 eine Verbesse- 
rung I. Bekkers, über deren Notwendigkeit J. E. Ellendt Drei 
Hom. Abhandl. S. 16f. zu vergleichen ist. 

497 ff. Zur Kritik der Erzählung bis 593 vgl. die Einleitung 
p. 74 δ, dazu Düntzer Hom. Abhandl. p. 256, Holm ad Car. 
Lachmanni exemplar ete. p. 5, Köchly diss, IV p. 21, Ribbeck 
in den Jahrbb. f. klass. Philol. Bd. 85 p. 20, Benicken das fünfte 
Lied p. 32—34. 61. — 499. Über das Worfeln des Getreides vgl. 
jetzt H. Blümner Technologie und Terminologie d. Gewerbe u. 
Künste bei Griechen und Römern, Leipz. 1875 Ip. 8f. — 508— 
511. Die von Haupt bei Lachmann Betracht. p. 107 begrün- 


E. Anmerkungen. 103 


dete Athetese dieser Verse ist angenommen von Benicken das 
fünfte Lied p. 22 ff. 71, Hoffmann im Philol. III p. 211, Köchly 
de Iliad. carınm. diss. IV p. 23, Naber quaestt. Hom. p. 159, 
Bernhardy Grundrifs ἃ, griech. Litterat. 3II, 1 p. 163, Bergk 
griech. Litteraturgesch. I p. 579, Ribbeck in ἃ. Jahrbb. ἢ, Philol. 
Bd. 85 p. 19, v. Christ in Jahrbb. f. Philol. 1881 p. 154f., be- 
stritten von Düntzer Homer. Abhandl. p. 55, vgl. darüber die 
Einleitung p. 63f. — 524. Über den metaphorischen Gebrauch 
von εὕδειν vgl. Pflugk zu Eurip. Hec. 662. — 525. ξαχρειῶν ist 
nach der fast einstimmigen Überlieferung mit La Roche her- 
gestellt; über die Etymologie des Wortes vgl. jetzt auch Ahrens 
Beiträge zur griech. u. lat. Etymol. I p. 3#. Übrigens vermutet 
Nauck ἀκραῶν statt ξαχρειῶν. 

554. In den Worten οἵω τώ γε λέοντε δύω erklärt C. E. Gep- 
pert Über den Urspr. der Hom. Ges. II 8. 194 das τώ γε für 
das ‘abundierende’ Produkt eines Rhapsoden. A. Matthiä Ausf. 
Gram. $ 264, 4 bemerkt: “οἴω τώ ye λέοντε δύω erklärt sich aus 
der Gewohnheit des Dichters zu malen und zu individualisieren, 
wie unsere Dichter sagen, jene Löwen, nämlich die ich im Geiste 
sehe’. Ebenso J. U. Faesi: ‘rw ye ist auch hier hinweisend: wie 
dort zwei Löwen, wie jene zwei Löwen’. Bei H. Förstemann 
Gebrauch des Artikels bei Homer $. 32** lesen wir folgendes: 
“der Artikel in E 554 οἵω τώ γε λέοντε lälst sich wohl noch am 
besten durch Gegensatz zu der andern Seite des Gleichnisses er- 
klären (τοέω τῶ), wenn die Stelle nicht verdorben ist”. Mit dem- 
selben Zusatz ‘si lectio vera habenda est” will Franz Schnorr 
v. Carolsfeld Verborum colloc. Homerica p. 16 das Wort δύω 
als Prädikat verstehen. Eine doppelte Deutung unserer Stelle 
giebt Fr. Spitzner, und L. Döderlein hat nach Bothes Vor- 
gange kurz bemerkt: “οἵω per hyperbaton pro τώ γε, οἵω λέοντε". 
Ebenso erklärt Alexis Pierron. Ameis verband οἵω τώγε und 
trennte diese Worte von den folgenden durch Komma, so dafs 
mit λέοντε — ἐτραφέτην selbständig die Geschichte eines Löwen- 
paares erzählt werde, aber dies ist ohne alle Analogie. Es 
scheint nichts übrig zu bleiben, als ein allerdings auch sehr auf- 
fallendes Hyperbaton anzunehmen. Übrigens hat Nauck statt τώ 
γε vermutet ϑῆρε. — 567. Über σφάς vgl. Lobeck Elem. Ip. 241 
not. 9. In #315 ist dieselbe Form durch Bekker verbessert 
worden. Hier aber vermutet Ahrens im Philol. VI p. 26 als ur- 
sprünglighe Lesart σφε, Nauck aber bezweifelt die Urspünglich- 
keit des Verses. —- 589 wird verworfen von Benicken in Jahrbb. 
1873 p. 94. Auch Nauck hat bemerkt: spurius? Über das 
Verhältnis von 590f. zu 4343. vgl. v. Christ im Sitzungsber. 
d. bayer. Akad. 1880 p. 233. — 593. Über ἔχουσα κύδοιμον vgl. 
C.W. Goettling Gesamm. Abhandl. I (Halle 1851) 8. 202f. und 
zu Hesiod. sc. Herc. 339. Übrigens ist dieser Vers von Köchly 


104 E. Anmerkungen. 


ausgeschieden, vgl. dagegen Benicken das fünfte Lied p. 43. — 
597. Ansprechend ist die Deutung von ἀπάλαμνος bei Autenrieth 
im Wörterb.®: des Schwimmens unkundig (sine palmis). — 
603. Zur Beseitigung des Hiatus empfiehlt van Herwerden 
quaestiuneulae ep. et eleg. p. 8: πάρ᾽ ἄρ᾽ εἷς γε statt πάρα εἷς 
γε zu schreiben, dieselbe Vermutung führt Nauck an, hinzufügend: 
an mag’ ἕεις 

628 ff. Über die gegen den folgenden Abschnitt bis 698 aus- 
gesprochene Athetese vgl. die Einleitung p. 73f. dazu Giseke 
quaeritur num quas ete. p. 5f. und Hom. Forschungen p. 162 
und 236, Köchly de Iliad. carmm. diss. IV p. 21, Ribbeck in 
ἃ. Jahrbb. f. klass. Philol. Bd. 85 p. 20 ἢ, Düntzer Hom. Abhandl. 
p. 256, Jacob Entstehung ἃ. Il. u. Od. p. 203, Nitzsch Bei- 
träge p. 387, Genz zur Ilias p. 22, La Roche in Zeitschr. f. d. 
oesterr. Gymn. 1863 p. 166, Holm ad Car. Lachmanni exem- 
plar ete. p. 4, Kayser Hom. Abhandl. p. 8. 23. 100, Bergk 
griech. Litteraturgesch. I p. 559 u. 575, Naber quaestt. Hom. 
p. 159, Hoffmann quaestt. Hom. II p. 209 f., v. Christ in 
Sitzungsber. d. philos.-philol. Kl. d. königl. bayr. Akad. 1881 II 
p. 161. 167f., Schmidt Meletem. Hom. II p. 13f., Benicken 
ἃ. fünfte Lied p. 32#. 62. 

638. ἀλλοῖόν τινα, die Lesart des Tyrannio, wird jetzt von 
den meisten gebilligt, auch von A. Nauck Aristoph, Byz. p. 53. 
Ameis wendete dagegen folgendes ein: 1) Nach ἀλλοῖος wird sonst 
nirgends das Indefinitum rig gefunden, und es scheint auch mit 
dem Begriffe desselben nicht wohl vereinbar zu sein, da es kaum 
von rein geistigen Eigenschaften gesagt werden dürfte, wenn 
man die drei Stellen 4 258. x 181. 7265 vergleicht. 2) Mit ἀλ- 
Aoiov wird bezeichnet, dafs Herakles schon von Geburt aus 
eine anders organisierte Persönlichkeit war. Aber daraus, dafs 
Herakles von der Natur mit weit höheren Eigenschaften des Geistes 
und Körpers ausgerüstet wurde, kann doch dem Sarpedon kein 
Vorwurf erwachsen, wenn dieser bei geringerer Befähigung aufser 
Stande war, dem Herakles nachzueifern? Nach dem Zusammen- 
hange können nur gleichbefähigte Söhne des Zeus einander 
entgegengesetzt werden, sei es dals sie in Wirklichkeit gleiche 
Fähigkeit haben, sei es dafs sie poetisch als solche dargestellt 
werden. Dieses letztere Erfordernis nun würde durch ἀλλοῖον eine 
Störung erhalten. 3) Wenn man ἀλλοῖον hier als einen “Ausdruck 
ruhiger Emphase” betrachtet, so wird dies in deutliche, Sprache 
übersetzt nichts anderes bedeuten, als was F. A. Wolf in der 
praef. Kleine Schrift. herausg. von Bernhardy I 271 mit satis 
languide’ bezeichnet hat. Denn mitten in affektvoller Rede 
bleibt ἀλλοῖόν τινά φασι ein matter Ausdruck. Ich habe daher 
mit F. A. Wolf, Spitzner, W. Dindorf, La Roche die Lesart 
sämtlicher Handschriften, welche Aristarch und die meisten Gram- 


E. Anmerkungen. 105 


matiker schützen, nämlich ἀλλ᾽ οἷόν τινὰ beibehalten und verstehe 
sie mit den Alten und F. A. Wolf als gegensätzlichen Ausruf der 
Bewunderung, der zugleich mit eine Begründung 'des vorhergehen- 
den enthäl “at quanto melior, quam dissimilis tw fuit ille! at 
qualis vir!’ Anders Fr. Spitzner, der mit Pios im Schol. B. 
elliptisch erklärt: ἀλλὰ τοιοῦτοι, οἷον xr£., also ‘sondern (solche 
waren es) wie der Sage nach Herakles Kraft war, d. i. ganz 
andere Leute als du”. — 645. Die Ursprünglichkeit des Verses 
wird von Nauck bezweifelt. — 653. τεύξεσϑαι wird allgemein als 
Futurum von τεύχω betrachtet und deshalb im Sinne von τετεύξεται 
passivisch erklärt, wie auch von Ed. Geist Disquis. Hom. in 
Jahns Archiv für Philol. I (Leipzig 1832) p. 617 bemerkt ist: 
“Futurum τεύξομαι hoc tantum loco vim passivam habet”. Aber 
diese Deutung kann weder sprachlich noch sachlich gerechtfertigt 
werden. — Das Verhältnis von 652—54 zu 4 443—445 erörtert 
v. Christ in Sitzungsber. d. kön. bayer. Akad. philos.-philol. Kl. 
1880 p. 234f. — 666. L. Doederlein ist in seiner Ausgabe zu 
Nicanors (ed. Friedl. p. 184) Eıklärung, welche auch Heyne 
billigte, zurückgekehrt: ὄφρ᾽ ἐπιβαίη, sc. τῶν ὧν ὀχέων, ex σπευ- 
δόντων pendet”. Ebenso Bothe und Alexis Pierron. Aber 
dies hat I. Bekker Hom. Blätter S. 22 längst widerlegt. Be- 
gründet ist auch was V. H. Koch dagegen bemerkt: ‘vom Wagen 
des Sarpedon war seit 494 nicht die Rede, auch widerspricht das 
Folgende”. Man kann beifügen: wenn die erwähnte Erklärung nur 
möglich sein sollte, so mülste das blofse ἐπιβαίνειν für den Be- 
grift “auf den Wagen steigen’ ein ebenso stabiler Ausdruck sein, 
wie εἰσβαίνειν (und ἀναβαίνειν) vom Einsteigen in die Schiffe: zu 
«210. Dies ist aber durchaus nicht der Fall. Übrigens wider- 
strebt auch der Sinn von σπεύδειν, denn dies Verbum bezieht sich 
auf den Eifer, den Verwundeten im Kampfe zu schützen und in 
Sicherheit zu bringen, wie der nachfolgende Satz mit γάρ beweist: 
vgl. K. Lehrs de Arist.? p. 116. Übrigens scheiden van Her- 
werden quaestiunc. ep. et eleg. p. 8 und Nauck in der Ausgabe 
V. 666 aus. — 670. Zu der Wendung μαίμησε --- ἦτορ vgl. Fulda 
Untersuch. p. 230. — 678 haben aus dieser Stelle wörtlich ent- 
lehnt Verg. Aen. IX 767 und Ovid Met. XIII 258. — 697. An 
Stelle der gewöhnlichen Lesart ἀμπνύνϑη (La Roche: ἐμπνύνϑη 
mit Aristarch) empfiehlt van Herwerden in Revue de philologie 
N. 8. 1878, II p. 195#.: ἀμπνύϑη, wie nach La Roche der Ven. 
A bietet, doch mit übergeschriebenem ν. — Zum sachlichen In- 
halt der Stelle vgl. Roscher Hermes der Windgott p. 55. 

708. μεμηλώς mit Gen. findet sich nur hier und N 297. 469. 
Spätere Dichter gebrauchen μεμηλώς in dem Sinne von studens 
oder intentus, aber meist mit Dativ. Nauck in den Melanges 
Greco-Rom. iv Ρ. 584 ἢ möchte die Anomalie beseitigen durch 
die Änderung: μεμαώς oder vielleicht μεμηώς. — ΤΙ1 — 792. 


106 E. Anmerkungen. 


Dieser Abschnitt in Verbindung mit 907—909. Z1 wurde athe- 
tiert von Haupt bei Lachmann Betracht. p. 107f. vgl. 21: vgl. 
die Einleitung p! 64f, dazu Benicken das fünfte Lied p. 26 fl. 
44. 62f. 72f, Hoffmann im Philol. ΠῚ p. 211f., Jacob Ent- 
stehung ἃ. Ilias u. Od. p. 205f., Naber quaestt. Hom. p. 159, 
Bernhardy Grundrifs ἃ. griech. Litt. °II, 1, p. 163, Bergk griech. 
Litteraturgesch. I p. 579, Düntzer Hom. Abh. p. 55f. 257, Grofs 
vindie, Hom, part. I p. 61, Genz zur Ilias p. 22, Köchly de 
liad. carmm. diss. IV p. 22. 

723. Weil die Cäsur nach ὀχτάκνημα eintritt, hat Bentley 
statt des überlieferten χάλκεα im Versanfange χάλκει᾽ konjiziert 
(wie 731 χρύσει᾽ steht) und dies hat I. Bekker als eigene Kon- 
jektur aufgenommen. Aulser y«Axsı’ vermutet Nauck nach dem 
Vorgange von Cobet Miscell. erit. p. 413 ὀκτώκνημα statt ὀκ- 
τάκνημα. — Über die Speichen bemerkt K. Grashof Über das 
Fuhrwerk 5. 33: “Die Speichen (κνῆμαι), welcher Name selbständig 
nicht vorkömmt, sich aber aus dem den Rädern an Here’s Wagen 
gegebenen Beiwort öxtdxvnuog entnehmen läfst, sind acht an der 
Zahl, und nichts berechtigt uns anzunehmen, dafs ilrer gewöhn- 
lich nur sechs gewesen seien, und Homer an den Götterwagen, 
wie Eustathius sich ausdrückt, διὰ πλείω στερρότητα die Zahl ver- 
mehrt habe’. Aber es berechtigt auch nichts, diese Notiz sowie 
die Bemerkung des Schol. zu Pindar. Pyth. II 73 in Zweifel zu 
ziehen. Dagegen wird jeder billigen, was Grashof beifügt: “Wenn 
aber nach Tzetzes zu Op. et D. 426 der Radkranz vier Felgen 
hatte, so ist mehr als wahrscheinlich, dafs jede Felge von zwei 
Speichen gestützt worden sei”. — 727. Die Worte δίφρος ἱμᾶσιν 
ἐντέταται hat K. Grashof Über das Fuhrwerk 5. 18 Anm. 15 
richtig erklärt. 

729. In τοῦ δ᾽ ἐξ ἀργύρεος δυμὸς πέλεν ist vielen das ein- 
stimmig überlieferte Tempus von πέλεν anstölsig gewesen. Daher 
hat zuerst Bentley πέλει konjiziert, nach diesem andere, wie 
S. A. Naber in Mnemosyne 1855 p. 209 vgl. Quaestt. Hom. p. 109, 
und jetzt Nauck. Dabei beruht die Berufung auf die ‘Scholien’ 
auf einem auch bei Heyne sich findenden Milsverständnis der 
Worte τὸ δὲ πέλεν ἀντὶ τοῦ πέλει. Vgl. L. Friedlaender zu 
Ariston. p. 6. L. Friedlaender selbst nun bemerkt im Philol. 
VI 8. 676 ἢ: “Allerdings erwartet man das Praesens; das Imper- 
fectum dient den Übergang aus der Beschreibung in die Erzäh- 
lung zu machen”. Den Übergang? Es ist ja schon 722 βάλε ge- 
sagt. Daher hat J. U. Faesi Friedlaenders Worte in folgender 
Fassung aufgenommen: ‘Das Imperfekt πέλεν nach den Praesentia 
724 bis 728 dient zur Rückkehr aus der Beschreibung in die 
Erzählung’. Doch da fragt man sogleich, warum der Dichter zur 
Erzählung zurückgekehrt sei: der Grund davon aber kann nur in 
der Bedeutung der Worte liegen. Das Verbum πέλεν nämlich 


E. Anmerkungen. 107 


heifst nicht “war gemacht” oder blofs “war”, was in Verbindung 
mit ἔκ τινος einen ganz andern Sinn geben würde, weil es dann 
mit γίγνεσϑαι oder εἶναι ἔκ τινος in Parallele käme. Nein, das 
πέλεν muls seine sinnlich anschauliche Bedeutung behalten: nur 
ist der Begriff “streckte sich oder ragte’, den Philipp Mayer 
und K. Grashof Über das Fuhrwerk $. 35 gebrauchen, weniger 
passend als unser “ging aus”. Wenn nun ein Wagen aulser Ge- 
brauch gesetzt werden sollte (zu B 777), so wurde die Deichsel 
abgenommen und sie mufste, sobald der Wagen von neuem ge- 
braucht wurde, erst wieder angelegt und befestigt werden. Mithin 
konnte der Ausdruck ἐκ δίφρου Guuög πέλεν nur dann stattfinden, 
wenn der Wagen wie hier zum Gebrauche in den Stand gesetzt 
wurde, während die übrigen Teile auch nach der Loslösung 
ihre 724 bis 728 angeführten Eigenschaften unveränderlich 
beibehielten. 

730. Zur Veranschaulichung 
sind bier aus Autenrieths 
Wörterbuch Tafel XII drei Ab- 


Grund von antiken Bildwerken 
komponiert hat und wozu er nun- 
mehr folgende Erläuterungen giebt. 

In N. 55 sind die verschiede- 

nen Teile des Jochs und zwar 

Τῇ) ξυγόν das Jochholz mit ab- 
gerundeten Enden, 

a) ὀμφαλός, Jochknauf, 

Ih) οἴηκες, Ringe, Ösen für 
das Zügelwerk, teils am 
Knauf, teils auf dem Joch 
(in Fig. 12 blofs auf letz- 
terem angebracht). 

99) Nägel, oder Haken, in 
welche die λέπαδνα einge- 
hängt werden. 

dd) ξεῦγλαι, Jochkissen, Kum- 
mete (in Fig. 12 lit. e), 

ἢ) λέπαδνα, Zuggurte, welche 
am inneren Ende neben 
der Deichsel, schon vor der 
Bespannung hängen und 
zwar hier befestigt. 

bb) ἡνία, Zügel und zwar de- 
ren längster, hinterer Teil, 
der etwa an der ἄντυξ (wie Fig. 12) schon vor der Be- 
spannung angebunden ist und an deren vorderes Ende dann 


Nr. 18, 


108 E. Anmerkungen. 


bei der Bespannung der Kopfzaum, den die Pferde mit dem 
Stirn- und Backenriemen an sich tragen, mittelst Schnallen 
befestigt wird, 

©) πρίκος, der Jochring, in welchen die Deichselspitze hinein- 

geschoben wird, worauf dann der Jochnagel in der Weise 
eingesteckt wird, dafs er oben vor, unten hinter dem Ringe 
steckt. 

Die Fig. 50 zeigt, nach Anleitung von 2272, wie das Joch 
an der Deichsel befestigt wird, was natürlich der erste Akt des 
Bespannens ist. „Sie 

„Hoben vom Pflock das Buchsbaumjoch für die Mäuler, 

Oben versehn mit dem Knauf und wohlgerüstet mit Ösen, 

Holten dann auch den voll neun Ellen messenden Jochriem; 

Sorglich befestigten sie am Vorderbeschlage der glatten 

Deichsel das Joch und warfen sodann den Ring um den Nagel; 

Dreimal über den Knauf von beiden Seiten und abwärts 

Banden den Riemen sie fest und bogen das Ende darunter.“ 

, So kann Jordans Übersetzung 

(mit wenig Änderung) zur Er- 
läuterung obiger Zeichnung die- 
nen. 

Zunächst wurden dann die 
Tiere unter das Joch geführt, 
die äufseren Riemen der λέπαδνα 
eingehängt (so dafs die Brust- 
} gurte nun beiderseits am Joch 
befestigt waren) und die Kapp- 
zäume mit den Zügelriemen zu- 
sammengeschnallt; damit war die Bespannung fertig. — 734—36 
wurden von Zenodot verworfen: vgl. Düntzer de Zenodoti stud. 
Hom. p. 185. — 737. Zur Verbindung der Worte hat schon 
F. A. Wolf praef. von 1804 in Kleine Schr. herausg. v. G. Bern- 
hardy I 273 mit Recht bemerkt: “ipsi veteres saepe errarunt in 
80, quod rhythmicum ingressum turbabant et; sustinebant miris 
modis; neque Aristarchus ea culpa vacabat ad E 737. Θ 387. — 
738f. Über die Aegis bei Homer vgl. jetzt auch Bader in Jahrbb. 
f. Philol. 1878 p. 577 ff., wo derselbe auch die vorliegende Be- 
schreibung erörtert. 

743. Aus Autenrieths Wörterbuch folgen hier einige Ab- 
bildungen von Helmen mit seiner neuredigierten Erklärung. „Der 
Helm, κόρυς, besteht zunächst aus der Kappe oder Wölbung, 
κυνέη (diese Erklärung A. Göbels ist gewils richtig), Fig. 90, 
eine Lederkappe mit einigen Metallreifen. Φάλοι sind wohl nicht 
Schirme; denn die von Köchly-Rüstow angenommenen Schirme 
möchten wohl schwer sämtlich aus Homer belegbar und dann 
τετράφαλοι nicht deutbar sein. φάλοι (viell. verwandt mit φλέω, 


E. Anmerkungen. 109 


πομφόλυξ, bulla) sind wohl Wülste, Reifen. Wenn man nun aus 
den obigen antiken Bildern einen Schlufs ziehen darf, so wäre 
noch zu bemerken: αὐλός die Röhre, welche in dem κύμβαχος, 
Helmscheitel, eingelassen, den λόφος und die φάλαρα trägt. αὐλῶ- 
mug ist also ein solcher Helm mit der Röhre. ἄφαλος ohne Reif; 


Fig. 101 


Fig. 152b. Fig, 38. 


ἀμφίφαλος mit zwei Reifen, wie Fig. 90, τετράφαλος vierreifig oder 
vierkämmig (etwa wie Fig. 145 oder 22); dann bezeichnet φάλαρα 
(φάληρα) mehr Metallstreifen oder -Plättehen, laminae, in der Regel 
die im αὐλός steckenden Streifen mit den Rofshaaren, vielleicht 
auch die Schuppenbekleidung des Sturmbands oder Helmbands und 


\ 
Fig. 90. Fig. 7. 


Schmuckstücke (ἀσπίδια) auf der Helmkappe; demnach τετραφάλη- 
φος vierstreifig (nämlich mit 4teiligem Helmschmuck, wie Fig. 22, 
145 u. viell. 102). 

τρυφάλεια hat man neuerdings als τετρυ- (— quadru-) φάλεια 
zu erklären versucht; dies wäre neben τετράφαλος und τετραφάλη- 


110 E. Anmerkungen. 


ρος, die kaum auseinanderzuhalten sind, doch ein Luxus der Sprache, 
zumal wo τρῦμα = τρῦπα (wovon τρύπανον) das Loch — so nahe 
liegt, also — mit durchlöchertem φάλος. Die Rofshaare des Helms 
(ἱππιοχαίτης), der λόφος, waren in einer Doppelschicht (rechts u. 
links) von Metall eingelassen und durch eine Art von Kreuzschnü- 
rung, vergleichbar einer Steppnaht, damit verbunden, indem durch 
Löcher der Streifen die Schnüre herüber und hinübergingen; daher 
sind bei den meisten Helmbüschen obiger Bilder solche Löcher- 
reiben sichtbar, hie und da (wie in Fig. 152°) dienten ähnliche 
Löcher wohl auch zum Schmuck. Als Übersetzung dient etwa 
'steppreifig”. 

Τρίπτυχος kommt daneben nur 4353 vor und kann wohl nur 
mit dreifacher Metalllage bezeichnen; sonst giebt es keinen der- 
artigen Helm, aber dafür ist dies ein Geschenk des Hephästos 
und muls einen schweren Schlag aushalten. 

χαλκοπάρῃος, mit Backenschirm (wie 2 610) ὦ 523. — 
744. Über die Worte ἑκατὸν πολίων πρυλέεσσ᾽ ἀραρυῖαν vgl. G. Her- 
mann Opuse. IV, p. 286sqg. Naegelsbach Hom. Theol. I, 2. 
L. Döderlein Hom. Gloss. $ 446. — 750. Weil Matron in "der 
Parodie dieser Stelle bei Athenaeus IV p. 1847 nach den Hand- 
schriften die Form ἐπιτετράφαται gebraucht, so vermutet Th. Bergk 
in einem Halleschen Universitätsprogramme von 1861 p. 4, dals 
statt ἐπιτέτραπται hier ursprünglich der Plural ἐπιτετράφαται ge- 
standen habe. Seine Worte sind: “ego quidem non dubito, quin 
Matro hoc ipsum ἐπιτετράφαται in suo exemplo repererit, estque 
numerus pluralis haud incommodus, modo Olympum montem a 
coelo diversum esse memineris, id quod scite observavit Aristar- 
chus’. (Vgl. K. Lehrs de Arist.? p. 164sq.) Und hierzu folgende 
Worte: “Neque vero primus hoe vidit criticus Alexandrinus, sed 
Leagorae Syracusano inventi laudem vindicat Suetonius, ex cuius 
libro de notis descripta sunt, quae in Anecdoto Parisino leguntur 
(sid. Osann. Anecd. Rom. p. 330)”. — 754. Über die Schwierig- 
keiten der Stelle im Vergleich zu 749f. in Bezug auf die ört- 
lichen Verhältnisse vgl. Aristonic. ed. Friedl. p. 113 und Nutz- 
horn die Entstehungsweise d. hom. Gedichte p. 109. 

757. καρτερὰ ἔργα ist nach der Angabe des Didymos die 
Aristarchische Lesart, die auch in den meisten Handschriften steht: 
denn κρατερά haben CDGMNO, alle andern καρτερά, nur 8. hat τάδ᾽ 
ἀϊδηλ᾽ ἔργα und Apoll. Soph. p. 16, 31 τάδε ἔργ᾽ ἀΐδηλα. Dies letztere 
haben (nach dem Vorgange von Payne Knight) I. Bekker und 
Nauck hier und 872 (wo es in Schol. LV. Cant. steht) in den 
Text genommen; auch Buttmann Lex. 60, 2, L. Döderlein 
Hom. Gloss. 8 409 und Clemm in G. Curtius Stud. VIII p. 77 
haben diese Lesart empfohlen, letzterer mit der Erklärung: “aspi- 
ciens, quae iam non sunt aspicienda”. — Das Fragezeichen ist mit 
Bekker am Ende des ersten Verses nach ἔργα gesetzt, wodurch 


E, Anmerkungen. 111 


der Gedanke an Nachdruck gewinnt. Anders Classen Beobacht. 
p. 27. Der Venet. 4 hat Stigme nach ἔργα und ϑέμιστα, Hypo- 
stigme nach ἄχος, Diastole nach κόσμον. Für das Fragezeichen 
steht im Venet. 4 bekanntlich nur Stigme. — 760f. Über die 
Zusammengehörigkeit von τέρπονται ἀνέντες vgl. J. Classen Beob- 
achtungen 8. 93 Anm. 55. — 765. Statt μάν of ist mit Bekker 
aus einigen Urkunden μήν οἵ aufgenommen. Vgl. Köchly zu 
Quint. Smyrn. IV 530. — 766 eitiert Julian. or. IV p. 196°. — 
770. Über ἠεροειδής vgl. den Anhang zu 8 263; eine abweichende 
Erklärung giebt Schmidt Synonymik d. griech. Spr. I p. 613. — 
Zum Gleichnis vgl. Friedlaender Beiträge I 31f. — 772. Wegen 
des digammatischen Anlauts von ἠχή sieht van Herwerden quae- 
stiuneulae ep. et eleg. p. 9 in ὑψηχής eine spätere Bildung und 
vermutet als ursprüngliche Lesart hier ὑψαυχένες, wie #27 ὑψαυ- 
χένας, vgl. Z 509; dieselbe Vermutung giebt Nauck. Vgl. indes 
Knös de digammo Hom. p. 61. — 774. Über die lokalen Ver- 
hältnisse handeln v. Christ in den Sitzungsbericht. d. bayer. Akad. 
philos.-philol.-histor. Kl. 1874 p. 189 und ebendaselbst 1881 p. 133, 
und Hercher über die homerische Ebene von Troja, Berlin 1876 
p. 127 ff. — Zum σχῆμα Alruavızöv vgl. Aristonikos zu dieser 
Stelle und Lesbonax zu Ammon. ed. Valken. p. 180. 

778. Statt αἵ δὲ βάτην bieten der Schol. zu Soph. El. 977 
und Oed. Col. 1676 und der Schol. zu Eurip. Alec. 923 die Lesart 
τὼ δὲ βάτην. So auch Zonaras p. 1758. Hierzu hat E. R. Lange 
bemerkt: ‘Quae lectio cum nequeat ex tripliei errore nata esse, 
ob raritatem illius dualis usus in eam lectionem, quae hodie vulgata 
est, αἱ δὲ ß., mutata videtur. Und zu diesem τὼ δέ vergleicht, er 
© 378 προφανέντε, Θ 455 πληγέντε, Hesiod. Op. 1988. καλυψαμένω 
und προλιπόντε nebst Matthiäi Gram. $436 u. Kühner Gram. $427.b. 
Ähnlich urteilt W. C. Kayser im Philol. XVII 5, 708 und Blom- 
field zu Aesch. Pers. 186 ed. Lips. Danach ist τὼ δὲ jetzt nach 
Naucks Vorgange in den Text aufgenommen. — Zu ὁμοῖαι vgl. 
hymn. Hom. in Apoll. 114 (Iris und Llithyia) βὰν δὲ ποσὶ τρήρωσι 
πελειάσιν ἴϑμαϑ᾽ ὁμοῖαι und Aristoph. Av. 574 Ἶριν δέ χ᾽ Ὅμηρος 
ἔφασκχ᾽ εἶναι ἰκέλην τρήρωνι nein. Übrigens sieht W. Jordan 
Homers Ilias übersetzt und erklärt, p. 577 in dem Verse eine 
Interpolation aus jener Stelle des Hymn. Apoll. — 782. Statt 
Aslovoı vermutet Nauck λέεσσι. — 785. G. Hermann Op. IV 
p- 296 sq. “Homerus auxit per hyperbolen vires deorum, quas 
immensas cogitare animus sine perversitate potest. Ita E 859. 
Quae de Neptuno repetuntur #148. In dea vero scite declinavit 
quod minus decorum videbatur in E 784°”. Was K. Göttling zu 
Hesiod. theog. 311 [nach Schol. AL. zu unserer Stelle] als Erklü- 
rung giebt: ᾿χαλκεόφωνος cuius vor est tubae instar’, das lälst sich 
für Homer weder sprachlich noch sachlich begründen. Über die 
Stimme des Stentor und zu 860 vgl. auch Juvenal XIII 112f.; 


112 E, Anmerkungen. 


sonst vgl. über Stentor Haupt bei Lachmann Betracht. p. 109 
und dagegen Köchly de Iliad. carmm. diss. IV p. 24; Bergk 
griech. Litteraturgesch. I p. 579 deutet den Namen als “Donner- 
gott”. — 787. Statt κάκ᾽ ἐλέγχεα hat Aristarch hier κάκ᾽ &ey- 
χέες gelesen, wozu Heyne bemerkt: ‘recte sane hoc 4 242, at ab 
hoc loco alienum’”. Auch Nauck in den Melanges Gr&co-Rom. IV 
p- 595 und Cobet Mise. orit. p. 287 empfehlen ἐλέγχεα. — 797. 
Statt τείρετο geben τρέίβετο A super. CDGM. — 798. Über die in 
dieser Stelle herrschende Unklarheit in Bezug auf die Lage der 
Wunde vgl. W. Jordan Homers Ilias übersetzt und erklärt p. 577. 

802. Ameis bemerkte richtig, dafs die beiden Sätze mit öre 
nicht in gleicher Weise sich auf dasselbe einzelne und be- 
stimmte Faktum beziehen, schon weil die Iterativform εἴασκον 
das verbietet, aber darum war doch der erste mit καί δ᾽ ὅτε περ 
mit dem vorhergehenden Gedanken 801 nicht zu verbinden. Es 
steht. dem schon die Partikel δὰ nach καί entgegen, welche un- 
beachtet geblieben ist: die Stellensammlung für καί ῥα bei Rhode 
über den Gebrauch der Partikel ἄρα bei Homer. Moers 1867, 
p. 27 zeigt, dafs καί in dieser Zusammenstellung nur Verbindungs- 
partikel ist, nie als steigerndes auch verwendet. Höchstens könnte 
man das καί Τ' 42 vor nachfolgendem οἵ reg, wegen der Aufnahme 
καὶ μὴν οἵ A5 als steigerndes auch, selbst fassen wollen, aber 
auch da ist es natürlicher καὶ 42 als Verbindungspartikel zu ver- 
stehen; das καί 45 erklärt sich genügend aus dem koncessiven οἵ eg. 
Die Stelle ist übrigens sehr ähnlich und jedenfalls zeigt auch sie, 
dafs eine unmittelbare Verbindung mit dem vorhergehenden Satze 
nicht möglich ist. Auch an unserer Stelle verträgt die Allgemein- 
heit der Charakterisierung in 801 kaum den unmittelbaren An- 
schlufs eines doch immerhin spezialisierenden Zuges, der vielmehr 
durch καί δὰ als dem allgemeinen entsprechend (und — so denn) 
daran geknüpft wird. Ist aber dieser Nebensatz von dem Vorher- 
gehenden zu lösen, so ergiebt sich weiter die Notwendigkeit den 
Nachsatz nach 804 anzusetzen, und da scheint es doch am natür- 
lichsten 805 den Nachsatz beginnen zu lassen, statt diesen Vers, 
wie Franke bei Faesi will, als Parenthese zu fassen; denn dann 
würde, da αὐτάρ 806 klar auf diesen parenthetischen Gedanken 
seine bestimmte Beziehung nimmt, überhaupt das ganze Satzgefüge 
völlig aufgelöst sein. Das Auffallende, dafs 805 als Nachsatz ge- 
fafst, nach seinem Inhalt dem ersten Vordersatze 802 so nahe 
verwandt ist, erklärt sich genügend daraus, dafs nachdem einmal 
an den ersten allgemeinen Vordersatz ein zweiter sich geschlossen 
hatte, der einen speziellen Fall einführte, beim Nachsatz nur der 
letzte malsgebend war. Überdies ist es auch in Bezug auf den 
809 Ε΄. in entsprechender Weise durchgeführten Gegensatz viel wirk- 
samer, wenn 805 nicht zu einer parenthetischen Zwischenbemer- 
kung herabgedrückt wird, sondern nachdrücklich hervortritt. 


E. Anmerkungen. 113 


808. Dieser Vers wird bereits von Aristarch verworfen, 
wie Aristonikos hier und zu 4 390 erwähnt. Unter den Neuern 
hat ihn zuerst F. A. Wolf in Klammern eingeschlossen und seit- 
dem ist er überall als unecht bezeichnet. Mit Recht, denn die 
Erwähnung von Athenes Hülfe ist ein Widerspruch zu 802, der 
gerade das vernichtet, was Athene beweisen will, nämlich dafs 
Tydeus auch gegen ihr Verbot ein tapferer Kämpfer gewesen sei. 
Sodann stört der Vers den Gegensatz zwischen αὐτὰρ ὁ (806) und 
σοὶ δ᾽ ἦτοι ἐγώ, da Athene offenbar sagt: jener war allein, besals 
nur seinen Heldenmut und kämpfte siegreich auch gegen mein 
Gebot, Jir dagegen stehe ich zur Seite und befehle den Kampf. 
Vgl. auch Fr. Spitzner. — 827. Das Verhältnis dieses Verses 
zu #342 erörtert v. Christ in Sitzungsber. d. bayer. Akad. philos.- 
philol. Kl. 1880 p. 282. — 881. Über die Bildung ἀλλοπρόσαλλος 
vgl. G. Meyer in Kuhns Zeitschr. XXII p. 17. — 830—834 werden 
verworfen von Düntzer hom. Abhandl. p. 257, vgl. dagegen Be- 
nicken d. fünfte Lied p. 63. — 839. Das δ᾽ ist nach der An- 
gabe des Didymos die Aristarchische Lesart, die nach Spitzners 
Vorgang aufgenommen ist, während die Andern τ᾿ geben. Die 
unverwandelte Gottheit und der Mensch pflegen bei Homer nicht 
in dieser Weise als gleichberechtigte vereinigt zu werden, wie es 
mit τέ geschehen würde. Vgl. auch den Anhang zu A 547. Übri- 
gens wurden 838. 839 von Aristarch verworfen, vgl. Aristonic. 
p. 115 und dagegen Köchly de Iliadis carmm. diss. IV p. 24 
und Benicken d. fünfte Lied p. 38. 

845. δῦν᾽ ”Audog κυνέην. Über die Darstellung derselben in 
der Kunst vgl. K. F. Hermann Die Hadeskappe (Göttingen 1853) 
8. 5 nebst den beigefügten neun Abbildungen. $. 14 bemerkt er 
folgendes: “Ob bei jenem Namen ursprünglich an den König der 
Unterwelt persönlich gedacht war (was schon Hygin. Poet. astron. 
12 leugnete), ist dafür gleichgültig; wir können es uns sehr wohl 
gefallen lassen, dals das Wort, wie es schon bei Homer vorkommt 
(E 845; vgl. Plat. rep. X p. 612 und Aristoph. Acharn. 397) [wo 
man von den Spätern Achill. Tat. III 7 beifügen kann] und später 
sprichwörtlich geworden ist, mit letzterem zunächst nur den 
abstrakten Begriff der Unsichtbarkeit gemein hatte, ohne des- 
halb gerade als eine Kappe gedacht zu werden; ebenso gewils 
aber ist es, dafs der spätere Sprachgebrauch dasselbe direkt auf 
die mythologische Person des Namens "Aıdng bezog (aufser Eustath. 
p. 613, 23 insbesondere Apollod. bibl. I 2, 1); und wenn der eine 
Künstler diesen in der Tracht eines orientalischen Königs dar- 
stellte, so konnte mit gleichem Rechte der andere die phrygische 
Königsmütze zu der seinigen machen. Dabei soll allerdings nicht 
verhehlt werden, dafs ein bestimmter Nachweis dieser Helmform 
auf Hades’ eigenem Kopfe bis jetzt noch nicht beigebracht ist, und 
selbst diejenigen sonstigen Spuren, in welchen man schon früher 

Hnxrze, Anhang zu Homers Ilias. II. 8 


114 E. Anmerkungen. 


die Hadeskappe unter der Gestalt einer phrygischen Mütze hat 
erkennen wollen, bei unbefangener Betrachtung manchem Beden- 
ken unterliegen. Was nun unsere Stelle betrifft, so ist man in 
der Auffassung derselben fast allgemein einverstanden. So sagt 
L. Preller Gr. Myth. II 494: “Ein altes Symbol der Unsicht- 
barkeit ist der sogenannte Helm oder die Kappe des Aides (4ıdog 
κυνέη), die der Tarn- oder Nebelkappe der nordischen Sage ent- 
spricht. Ursprünglich hatte sie die allgemeinere Bedeutung einer 
bergenden Nebelhülle, daher E 845 Athene eben diesen Helm auf- 
setzt; bei anderen Hermes, und auch die Heroen Perseus und 
Herakles bedienen sich ihrer’. Ebenso sagt F. G. Welcker Gr. 
Götterl. I 86: “Allegorisch und sinnbildlich ist dafs Athene 
sich den Helm des Aides aufsetzt (E 845), sind die Fässer des 
Guten und des Bösen (2 527)’. Ähnlich bei andern. Und diese 
Deutung finden wir bereits beim Schol. D in den Worten νέφος 
τι καὶ ἀορασίαν ausgesprochen. Zum Sprachgebrauche hat bereits 
Nägelsbach Hom. Theol. IV 11 den Ausdruck ἦ τέ χεν ἤδη 
Acıwov 8000 χιτῶνα passend verglichen. Es ist daher die Frage 
mancher Neuern, wie Athene diese Hadeskappe über ihren eigenen 
Helm (7148 5) habe aufsetzen können, gleich von vornherein abzu- 
lehnen: die homerische Zeit hat beim Hören der Worte nicht mehr 
an den sinnlichen Hergang eines eigentlichen Aufsetzens gedacht, 
oder wie G. W. Nitzsch Beitr. zur Gesch. der ep. Poesie 8, 388 
Anm. 100 es ausdrückt: “Dieser Helm will nicht so materiell ver- 
standen sein”. Und derselbe schon Anmerk. zur Od. II 8. 135: 
‘der Helm des Hades gehört, soviel immer die Fabel nachmals 
mit ihm gespielt hat (Jacobs zu Achill. Tat. 65, 17), nur der 
bildlichen Rede an’. 

852. Die frühere Vulgata ἀπὸ ϑυμὸν ὀλέσσαι in CDGLMO 
ist von Heyne und F. A. Wolf mit Recht aus dem Venetus und 
den anderen Quellen in ἀπὸ ϑυμὸν ἐλέσϑαι verbessert worden. 
ἀπὸ ϑυμὸν ὀλέσσαι bedeutet vitam amittere, niemals vitam eripere: 
vgl. 4 205. Θ 90. 270. 358. Καὶ 452. 1342. 433. M 250. II 861. 
P616. 292. 7412. 2 638. μ 350. (Orph. Argon. 595.) Vgl. auch 
Eustath. p. 958, 59. Dasselbe ist ἦτορ ὀλέσσαι E 250. ψυχὴν ὀλέσαι 
N 7163. νόστιμον ἦμαρ ἀπολέσαι α 354.— ἀπὸ ϑυμὸν ἐλέσϑαι bedeutet 
vitam eripere oder interficere: E 673. 691. K 506. 11655. P17. 
7436. ξ 406. χ 462. Ebenso ἀπὸ μένος ἐλέσϑαι I 394. ψυχὴν 
ἀφελέσθαι X 257. ἀπὸ νόστον ἐλέσϑαι ΠῚ 82. νόστιμον ἦμαρ ἀφελέ- 
σϑαι α 9. τ 309. Die Notwendigkeit übrigens, dafs man an unserer 
Stelle sowie in den meisten der obigen Beispiele die sogenannte 
Tmesis annehmen müsse, hat gegen Hoffmann gut erwiesen 
Marcus Rosberg De praepositionibus apıd Homerum. I. ἀπό 
(Upsala 1868) p. 89 sq. 

854. ὦσεν ὑπὲκ δίφροιο ἐτώσιον ἀιχϑῆναι: K. Grashof (Fuhr- 
werk 8. 18), Frantz Spitzner, 7, U. Faesi erklären die Stelle 


E. Anmerkungen. 115 


im wesentlichen wie J. La Roche Über den Gebrauch von ὑπό 
bei Homer 8. 48f., wo die Erklärung am genauesten also ent- 
wickelt wird: “Athene nahm den Speer mit der Hand und stiels 
ihn so, dals er wirkungslos unter dem δίφρος wegfuhr. Ares, 
der zu Fuls kämpfte gegen den auf dem Wagen stehenden Dio- 
medes, warf den Speer über das Joch und die Zügel der Pferde, 
also jedenfalls von unten nach oben; man sollte also denken, dafs 
der Speer eher über den Wagen als unter den Wagenstuhl hätte 
fahren können, wenn Athene ihn wirkungslos machte, oder seit- 
wärts davon weg, daher die Lesarten des Ven. A ὑπέρ und Vrat. 
A ἀπ᾽ ἐκ — doch ϑεοὶ δέ τε πάντα δύνανται᾽. Vgl. auch Jordan 
Homers Ilias übersetzt und erklärt, p. 578. Ameis verband nach 
dem Rhythmus des Verses ὦσεν ὑπὲκ δίφροιο und erklärte: “Ares 
hatte als Fufskämpfer unten vom Wagen her ber Joch und 
Zügel der Rosse in die Höhe zum Stofs (nicht zum Wurf) 
gegen Diomedes mit dem Speere sich ausgestreckt, und 
diesen (ausgestreckten Speer) falste die (unsichtbare) Athene, 
die nach homerischer Vorstellung etwas größser als Diomedes ge- 
dacht wird, sofort mit der Hand und stiels ihn unten vom 
Wagen heraus (ἃ. i. rifs ihn aus den Händen des unten vor 
dem Wagen stehenden Ares), so dals er vergeblich dahin- 
stürmte”. Capelle im Philol. XXXVII p. 98 empfiehlt ὑπέρ zu 
lesen. — Über den mit ὦσεν verbundenen Infinitiv vgl. Leo Meyer 
Der Infinitiv der homerischen Sprache (Göttingen 1856) 8. 18. 
— 857. Der Dativ in den angeführten homerischen Stellen ist 
die Aristarchische Lesart. Über diese Verbindung hat schon Fr. 
Spitzner richtig geurteilt und schliefslich mit Recht bemerkt: 
“Utrumque vero per se rocte dici apparet, nam ξώννυσθυι μέτρῃ 
est mitra eingi et ξώννυσϑαι μίτρην mitram sibi induere sive sub- 
nectere”. Übrigens hat schon Aristarch unsere Stelle für den 
Begriff von μίτρη als die "klassische Stelle” bezeichnet: K. Lehrs 
de Arist.? p. 123. — 861. Wegen des ἔριδα ”4gnog nach dem 
unmittelbar vorhergehenden χάλκεος ”4gng vgl. Stallbaum zu 
Plat. Symp. p. 196, wo darüber bemerkt ist: “In qua ratione 
ne quis offendat, tenendum est Graecos pro eo, quo pollebant, vi- 
gore ingenii saepenumero a deorum commemoratione repente co- 
gitatione deferri ad rem, cuius illi sunt auctores vel praesides. 
Loquendi genus exemplis illustravit Monk. ad Eurip. Alcest. 50 
et Fritzsch. Quaest, Lucian. p. 4 sqq.. Nach dieser Sprachweise 
findet man auch, wie hier und #149 ἔριδα ξυνάγοντες "Agnas, 80 
B 381. T275 einfach ἵνα ξυνάγωμεν ”Agna, dagegen II 764 σύν- 
ἄγον κρατερὴν ὑσμίνην. Aus beiden sind dann Redewendungen 
entstanden wie εὖτ᾽ ἂν δὴ μῶλον "άρης συνάγῃ Archiloch. 3, 2 
ed. Bergk. — 863. Nauck bemerkt: spurius? 

868 ff. Über die kritischen Bedenken gegen den folgenden 
letzten Abschnitt des Gesanges vgl. die Einleitung p. 64 ff, dazu 

8: 


116 E. Anmerkungen. 


Düntzer homer. Abhandl. p. 257, Naber quaestt. Hom. p. 160; 
Benicken ἃ. fünfte Lied p. 63, Kammer zur homerischen Frage I 
p- 31. 

873 f. Diese beiden Verse schienen Bekker hom. Bl. II p. 68 
weder mit dem vorhergehenden noch mit dem folgenden Gedanken 
in passendem Zusammenhang zu stehen. Köchly und Nauck 
haben dieselben ausgeschieden. — In 874 ist das von Ameis 
mit Aristarch nach y&gıv gelesene δ᾽ nach dem Vorgange von La 
Roche und Nauck getilgt. 

876. Über ἀήσυλα vgl. Clemm in G. Curtius Stud. II, 
305 ff., welcher wahrscheinlich macht, dafs das nur hier vorkom- 
mende Wort durch Itacismus aus ἀΐσυλα entstanden sei und ge- 
radezu diese Form hier zu schreiben empfiehlt. 

878. ἐπιπείϑονται und δεδμήμεσϑα. Der Übergang von der 
ersten oder zweiten Person zur dritten oder umgekehrt findet sich 
bei den besten Schriftstellern. Vgl. O. Schneider im Philol. XXIII 
Ρ. 415 sq., welcher zahlreiche Beispiele anführt und schliefslich 
noch auf Lobeck zu Soph. Ai. p. 263 not. und Stallbaum zu 
Plat. Euthyphr. p. 5* verweist, — 880.Welcker griech. Götter]. I 
p. 301 deutet παῖδ᾽ ἀίδηλον “ein heimliches Kind’, weil ohne Mutter 
von Zeus gezeugt, vgl. 875 σὺ γὰρ τέκες ἄφρονα κούρην. Vgl. 
auch Schoemann opuse. II p. 51. — 881. Wegen ὑπερφίαλος vgl. 
K. Lehrs de Arist.? p. 146. Die Variante ὑπέρϑυμον CMNOS. 
— 885—887 werden von Nauck als spurü? bezeichnet. Vgl. 
übrigens auch W. Jordan Homers Ilias übersetzt und erklärt 
p. 578 ἢ — 887. Über die Quantität von ἔα vgl. Oskar Meyer 
Quaest. Hom. p. 122 und Hartel homer. Studien I p. 44 δ᾽, auch 
Knös de digammo p. 277. 

892. ἀάσχετον bezeichnet Nauck als verdächtig; Bekker hom. 
Bl. Ip. 158 dachte an ἀάνσχετον, van Herwerden quaestiunculae 
ep. et eleg. p. 9 ἀνάνσχετον; J. Wackernagel in Bezzenbergers 
Beiträgen IV p. 299 #. nach Verwerfung der früheren Versuche: 
ἀνάσχετον. --- 895. Wegen ἄλγος vgl. den Anhang zu 394. — 897. 
Über ἀΐδηλος vgl. Clemm in G. Curtius Stud. VIII p. 77. 

898. Die Worte ἐνέρτερος Οὐρανιώνων haben eine dreifache 
Erklärung gefunden. I. “tiefer unten als die Himmelsbe- 
wohner,’ euphemistischer Ausdruck statt ‘bei den Titanen im Tar- 
tarus.” So Ὁ. W. Goettling Ges. Abhandl. I 189; Nägelsbach 
Hom. Theol. II 3 und andere. II. “tiefer als die Titanen, die 
Söhne des Uranos.” So unter andern L. Dissen Kl. Schrift. 8.405; 
6. F.Schoemann Opuse. II, p. 35; F.G. Welcker Gr. Götterl. I, 
8.263; L. Döderlein Hom. Gloss. $ 2084 und fast sämtliche Aus- 
leger Homers. III. Ameis erklärte: “ein tief unterer (ein Ti- 
tane) von den Himmelsbewohnern’. Ameis erhob gegen die 
erste Deutung unter anderm wohl mit Recht den Einwand dafs der 
Ausdruck matt sei. Alleinmit gleichem Recht wird man gegen 


E. Anmerkungen. 117 


die von ihm selbst versuchte Erklärung einwenden können, dafs 
der Genetiv Οὐρανιώνων partitiv gefalst, matt und nichtssagend 
ist und grolse Bedenken gegen die Richtigkeit der Erklärung er- 
regt. Dies scheint auch Autenrieth empfunden zu haben, da 
er in seinem Wörterbich unter Zvegor die Stelle erklärt: “tiefer 
als die Götter, ironisch-euphemistisch = der unterste von den 
Himmlischen, nämlich in der Unterwelt”. Von den gegen die Auf- 
fassung “tiefer als die Titanen’ erhobenen Bedenken teile ich 
zunächst das von der Verschiedenheit der Bedeutung des Wortes 
Οὐρανίωνες von dem sonstigen homerischen Gebrauch entlehnte 
nicht, da ein späterer Ursprung dieser Partie wahrsckeinlich ist. 
Auch an der starken Hyperbel des Ausdrucks nehme ich nicht so 
grolsen Anstols: denn wenn Zeus auch 895. 896 nach dem hef- 
tigen Aufwallen seines Zoms wieder einlenkt, so zeigt doch 897 
ὧδ᾽ ἀίδηλος deutlich den Nachhall dieses Zornes und in der dieser 
Stimmung entsprechenden Drohung ist eine solche Hyperbel noch 
begreiflich und kaunt auffallender, als die Drohung © 13. 14, wo 
Zeus nicht einmal im Zorn spricht. So bliebe nur der Zweifel 
wegen der komparativischen Bedeutung von ἐνέρτερος. Allein die 
ursprünglich jedenfalls komparative Bedeutung erweist das Ver- 
hältnis zu ἔνεροι, den Toten der Unterwelt, und so kann die Mög- 
lichkeit der komparativischen Auffassung nicht bestritten werden, 
Da aber nur so ein wirksamer und klarer Ausdruck gewonnen 
wird, wie er der Drohung zu entsprechen scheint, so habe ich 
kein Bedenken getragen zu dieser gewöhnlich angenommenen Deu- 
tung zurückzukehren. 

901. Wegen der Einklammerung dieses Verses vgl. C. Wachs- 
muth im Rhein. Mus. XVIII (1863) p. 185 und La Roche krit. 
Ausgabe z. St. Aristarch las 900 φάρμακα πάσσεν, wie die besten 
Handschriften haben, und der in einer Reihe von Handschr. feh- 
lende 901 ist aus E 402 hier eingeschoben. — 902 ff. Der Ver- 
gleich ist aus dem Hirtenleben entlehnt, insofern die geronnene 
Milch zur Bereitung von Ziegenkäse verwendet wurde. Vgl. 4639. 
ὃ 88. ı 219. 246. κ 234. υ 69. 

906. Die Bedeutung der Worte κύδεϊ γαίων ist mit Berück- 
sichtigung der Bedenken des Aristarch bei Aristonicus ed. Friedl. 
p. 116 genauer erörtert im Anhange von Θ 51. Vgl. auch Haupt 
bei Lachmann Betracht, p. 109 und Köchly diss. IV p. 24. — 
Über die Athetese von 907—909 vgl. den Anhang zu 711 und 
die Einleitung p. 64. 


118 Z. Einleitung. 


Ζ. 
Einleitung. 


Litteratur: Lachmann Betracht. p. 22 f.; Benicken in 
Zeitschr. f. die österr. Gym. 1881 p. 561ff. Zu Lachmanns Kritik: 
Blätter für literarische Unterhaltung 1844 p. 505, Hoffmann im 
Philol. III p. 212 fl, Düntzer in ἃ. allgemeinen Monatsschrift 
für Litterat. 1850, II. = Homer. Abhandl. p. 56f., Holm ad Car. 
Lachmann’ exemplar de aliquot Iliadis carmm. compositione, Lü- 
beck 1853 p. 6 fl, Gerlach im Philol. XXX p. 27 ἢ, XXXIIT 
p. 205 ff., Nutzhorn die Entstehungsweise der homer. Gedichte 
Ῥ. 202. — Köchly de Il. carmm, dissert, V. Turici 1858 p. 3 ff, 
VI, 1859 p. 3 #., desselben Iliadis carmm. XVI p. 129 f., vgl. Rib- 
beck in Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 21 ff. und Düntzer hom. 
Abhandl. p. 287 ff. — Düntzer das 3. bis '7. Buch ἃ. Ilias als 
selbständiges Gedicht, in den Homer. Abhandl. p. 257 f.— Kammer 
zur homer. Frage, Königsberg 1870, Ip. 21#.27. — Jacob über 
ἃ. Entstehung ἃ, Il. u. Od. p. 208 #. — Nitzsch Sagenpoesie p. 206 
—208, Beiträge p. 390 £. — Kiene die Komposition d. Ilias p. 79 £. 
85. — Genz zur Ilias p. 23. — Naber quaestt. Hom. p. 154 ff. 
— La Roche in Zeitschr. f. österr. Gymn. 1863 p. 170. — Schoe- 
mann in ἃ. Jahrbb. f. klass. Philol. Bd. 69. p. 25f. und de reti- 
centia Homeri p. 6.— Kayser hom. Abhandl. herausgegeben von 
Usener p. 8. 23. 98. 100. — v. Christ in Sitzungsbericht. d. philos.- 
philol. Kl. d. kön. bayer. Akad. 1881, II p. 159. 165. 167. — 
M. Schmidt Meletemata Hom. Jen. 1878 p. 5, part. Il. Jen.1879 
p. 18. — P. La Roche im Philol. XU p. 395 fi, vgl. Köchly diss. 
VI ρ. 10 ff. und Düntzer Aristarch p. 191 ff. — Bernhardy Grund- 
rifs der griech. Litterat.°II, 1, p. 163. Bergk griech. Litteratur- 
gesch. I p. 574. 580 #. — Hoffmann quaestt. Hom. II p. 175.180. 
183f. 209 ff. Giseke hom. Forschungen p. 159. 171 ff. 

Der sechste Gesang bildet seinem Hauptinhalt nach eine grofse 
Episode innerhalb der Schilderung der ersten von I’ bis H rei- 
chendef Schlacht. Den Ausgangspunkt für die Entwicklung der 
Handlung bildet die durch Diomedes Thaten in E herbeigeführte 
Bedrängnis der Troer. Auf Grund dieser verläfst Hektor auf He- 
lenos’ Rat die Schlacht und begiebt sich zur Stadt, um seine 
Mutter mit den troischen Frauen zu einem Bittgang zu Athene zu 
veranlassen. Hieran schlielst sich ein Besuch Hektors bei Paris, 
um diesen zur Rückkehr in die Schlacht aufzufordern, und eine 
Begegnung zwischen Hektor und Andromache. Der Gesang schliefst 
da, wo Hektor mit Paris eben im Begriff ist, das skäische Thor 
zu verlassen, um in die Schlacht zurückzukehren. In diese grolse 
Episode ist eine zweite kleinere eingeschaltet, die Begegnung des 


Ζ. Einleitung. 119 


Glaukos und Diomedes. Wir lassen zunächst eine genauere Über- 
sicht des Inhalts folgen: 
A) DieSchlacht nach der Entfernung der Götter, 1—72. 

1. Aias durchbricht die feindliche Phalanx; Einzelkämpfe, 
in denen viele Troer erlegt werden, 1—36. 

2. Der von Menelaos gefangene Adrastos fleht um Scho- 
nung, wird aber von Agamemnon getötet, 37 —65. 

3. Nestor ermuntert die Achäer zu nachdrücklicher Ver- 
folgung der Feinde, 66—72. 

B) Der Rat des Helenos, 73—118. 

In der äufsersten Gefahr rät Helenos Hektor in die Stadt 
zu gehen, um Hekabe und die troischen Frauen zu einem 
Bittgang in den Tempel der Athene aufzufordern, da- 
mit diese Diomedes von Troja abwehre. Hektor begiebt 
sich diesem Rat folgend in die Stadt. 

Ὁ) DieBegegnungdes@laukosundDiomedesimKampfe, 
119— 236. 
Ὁ) Hektor in der Stadt, 237—529: 

1. Hektor bei Hekabe, 237—285. 

2. Hekabe richtet Hektors Auftrag aus: das Gebet bleibt 
erfolglos, 286— 311. 

3. Hektor bei Paris und Helena, 312—369. 

Hektor fordert Paris auf ihm in die Schlacht zu folgen. 

4. Hektors Begegnung und Unterredung mit Andromache, 
370 —502. 

5. Paris holt Hektor ein und beide kehren in die Schlacht 
zurück, 503—529. 


Die Übersicht des Inhalts ergiebt eine einfache und abge- 
sehen von der Glaukosepisode in ununterbrochener Folge fortschrei- 
tende Handlung. Anschliefsend an die Diomedeia, der das Motiv 
für Hektors Gang in die Stadt entnommen wird, führt sie den- 
selben auf diesem Wege nach einander im Verkehr mit seiner 
Mutter Hekabe, mit seinem Bruder Paris und Helena, mit seiner 
Gattin und seinem Kinde vor, um ihn dann mit Paris in die 
Schlacht zurückkehren zu lassen, worauf im Anfang von H die 
Schlachtschilderung aufgenommen wird. So ergeben sich eine Reihe 
von Scenen von einem friedlichen, milden Charakter, die die Schlacht- 
schilderung unterbrechend, dem Hörer eine erwünschte Abspan- 
nung gewähren und zugleich dazu dienen, die troischen Verhült- 
nisse näher zu exponieren, neue Personen wie Hekabe und Andromache 
einzuführen, die Zeichnung der Charaktere, vor allen Hektors, zu 
vervollständigen. Den gleichen Charakter trägt auch die Episode 

. von Glaukos und Diomedes, welche die Heiligkeit des Gastrechts 
auch inmitten des Kampfes vor Augen stellt. 


120 Z. Einleitung. 


Der innere Bezug dieser Scenen zu einander ist unverkennbar. 
Auf demselben Hintergrunde, der durch die Thaten des Diomedes 
herbeigeführten Bedrängnis der Troer, entworfen haben sie ihren 
einheitlichen Mittelpunkt in Hektors Person, dessen Verherrlichung 
offenbar die Hauptabsicht des Dichters ist. Mifslicher steht es 
mit den Beziehungen dieser Episode zu der sie umgebenden Haupt- 
handlung und der Motivierung im Einzelnen. Vergleichen wir, wie 
dieselbe in dem Ausgangspunkt und in dem Endpunkt mit. der 
Haupthandlung verknüpft ist, so ergiebt sich eine eigentümliche 
Differenz. Im Anschlufs an die Diomedie wird als Motiv für Hek- 
tors Gang in die Stadt die durch Diomedes Thaten herbeigeführte 
Bedrängnis der Troer verwendet: Hektor soll nach Helenos’ Rat 
seine Mutter und die troischen Frauen zu einem Bittgang zu Athene 
veranlassen, damit diese Diomedes’ Ungestüm breche und Troja 
schütze. Nun ist das infolge davon an Athene gerichtete Gebet 
erfolglos (311); gleichwohl ist, als Hektor mit Paris in die Schlacht 
zurückkehrt, von weiteren Thaten des Diomedes nicht die Rede, 
vielmehr wird durch Hektors und Paris’ Thaten alsbald eine für 
die Troer günstige Wendung der Schlacht herbeigeführt, auf Grund 
deren dann von Athene und Apollo der Zweikampf zwischen Hektor 
und Aias veranlafst wird. Man sieht, dafs der Dichter das Motiv, 
welches Hektors Gang zur Stadt veranlafste, im Verlauf der Epi- 
sode ganz fallen läfst und auf den Besuch Hektors bei Paris die 
weitere Entwicklung der Haupthandlung im Anfang von H basiert. 
Dieser Besuch Hektors bei Paris selbst aber ist ebenso wenig, wie 
die Begegnung zwischen Hektor und Andromache durch die vorher- 
gehende Erzühlung irgendwie vorbereitet. Mögen wir nun auch 
für die letztere eine besondere Motivierung nicht vermissen, so 
mufs doch der Mangel einer solchen für den Besuch Hektors bei 
Paris befremden, teils weil die für diesen mafsgebenden Voraus- 
setzungen (in I’) so fern liegen, dafs eine Erinnerung darin drin- 
gend geboten scheint, teils weil ein Moment von solcher Bedeutung 
für die Weiterentwicklung der Haupthandlung eine sorgfältige Mo- 
tivierung erfordert. 

Eine andere auffallende Differenz ergiebt sich zwischen der 
Schlachtbeschreibung im Eingange des Gesanges und dem sich daran 
schliefsenden Rat des Helenos. Dieser erfolgt auf Grund der 
181. in üblicher Formel markierten Bedrängnis der Troer, wie sie 
durch die vorhergehende Schlachtbeschreibung vorbereitet ist, aber 
während Helenos 96 ff. diese Bedrängnis auf den unwiderstehlichen 
Ungestüm des Diomedes zurückführt und den empfohlenen Bitt- 
gang zu dem Zweck angestellt wissen will, dafs Athene den Dio- 
medes von Troja abwehre, ist in der zunächst vorhergehenden Er- 
zählung von hervorragenden Thaten dieses Helden gar nichts be- 
richtet und vielmehr Aias als der genannt, welcher die Phalanx 
der Feinde durchbricht. 


Z. Einleitung. 121 


Die einleitenden Verse des Gesanges knüpfen nun an den 
Schlufs des vorhergehenden in der Weise an, dafs auf Grund der 
dort erzählten Rückkehr des Ares, wie der Hera und Athene in 
den Olymp die Nichtbeteiligung der Götter an dem weiteren Kampfe 
hervorgehoben und so die durch die olympische Aresscene unter- 
brochene Schlachtbeschreibung wieder aufgenommen wird. So eng 
nun dieser Anschlufs auf den ersten Blick erscheint, so locker ist 
in Wirklichkeit der innere Zusammenhang zwischen dem ersten 
Abschnitt des Gesanges und dem Schlufs des vorhergehenden. Nach 
dem, was wir in den V.2—4 lesen, ist das mit so grolsartigem 
Apparat in Scene gesetzte Eingreifen der Hera und Athene am 
Schlufs des vorhergehenden Gesanges ohne alle Wirkung verlaufen. 
Weder von der mit Stentorstimme ausgerufenen Ermunterung der 
Achäer durch Hera, noch von der Verwundung des Ares durch 
Diomedes unter Athenes Beistande ist irgend welche Wirkung be- 
richtet, noch erkennbar, denn es heilst hier: die Schlacht stürmte 
hin und her zwischen Simoeis und Skamander. Aber auch der 
weitere Fortgang der Erzählung läfst "den innern Zusammenhang 
mit dem Vorhergehenden vermissen. Denn als nun die Achäer 
die Oberhand gewinnen, ist es nicht der Held des vorhergehenden 
Gesanges, der eben von Athene von neuem mit Kraft und Mut 
erfüllt, mit ihrer Hülfe selbst Ares verwundet hat, nicht Diomedes, 
der zuerst die Phalanx der Troer durchbricht, sondern Aias. Alles, 
was von Diomedes berichtet wird, beschränkt sich darauf, dafs er 
zwei Troer tötet, während ein Euryalos deren vier erlegt. 

Von den vier einleitenden Versen nun zog Lachmann 
den ersten noch zu seinem fünften Liede, der Διομήδους ἀρι- 
στεία, billigte dann aber die von Haupt begründete Athetese des 
Verses im Zusammenhang mit der von E 707—709. V. 2—4 
gelten dann beiden, sowie Benicken, für eingeschoben zur Ver- 
bindung des fünften und sechsten Liedes, so dafs letzteres erst mit 
V. 5 beginnt, Auch wir können über diese einleitenden Verse 
nicht anders urteilen. Sind die Athetesen Haupts in E, wie wir 
uns überzeugt haben, begründet, so fällt damit ohne weiteres der 
erste Vers, welcher auf die athetierten Stellen zurückweist; die 
folgenden Verse aber lassen in dem Mafse jeden inneren Zusammen- 
hang mit der vorhergehenden Entwicklung vermissen, dafs sie 
lediglich eingefügt scheinen, um die Unterlage für die folgenden 
Einzelkämpfe zu bilden. 

Wie wenig nun die folgende Erzählung selbst (5—72) den 
Voraussetzungen der vorhergehenden Entwicklung entspricht, ist 
von zahlreichen Kritikern anerkannt. Um den fehlenden Zusammen- 
hang herzustellen, nimmt Düntzer an, dafs nach der Verwundung 
des Ares die Worte, womit Athene Diomedes gegen die Troer 
treibe, sowie die kurze Beschreibung der Flucht derselben ausge- 
fallen seien, woran sich Z 12—36. 66—97 anschlossen. V.5—11 


122 Ζ. Einleitung. 


werden von ihm verworfen, weil hier Diomedes, dem die Göttin 
Macht verliehen, sich vor allen auszeichnen müsse; die Scene zwischen 
Adrastos, Menelaos und Agamemnon aber scheint ihm nach 4131 ff. 
gebildet: “Agamemnon mufste den Bruder an seine eigne Ver- 
wundung durch Pandaros erinnern’ und 66 schliefst sich nicht 
wohl an die zunächst vorhergehende Erzählung, dagegen vortreff- 
lich an 36 an’. Weiter geht Holm, welcher die V. 5—72 über- 
haupt verwirft, weil der folgende Vorschlag des Helenos, die Hülfe 
der Athene gegen Diomedes zu erflehen, durch das, was hier 
‚von Diomedes berichtet wird, in keiner Weise motiviert werde, die 
in der Adrastosscene von Agamemnon geübte, vom Dichter selbst 
gebilligte Grausamkeit mit dem milden Charakter des übrigen 
Liedes unvereinbar sei, endlich ein nicht geringer Teil der Verse 
entlehnt sei. Derselbe nimmt an, dafs der echte Anfang des 
Liedes verloren gegangen sei. Jenen Widerspruch zwischen dem 
von Diomedes 12—19 Berichteten und dem, was Helenos über 
denselben 96 ff. sagt, hebt auch Jacob hervor; in der Adrastos- 
scene sieht Naber, wie Düntzer, eine Nachahmung der entspre- 
chenden «4 181 Β΄, wo die Grausamkeit Agamemnons besser mo- 
tiviert sei. Auch Köchly scheidet 5—72 aus seinem Liede 
aus, welches er im Anschlufs an die Diomedie gedichtet sein 
läfst, und Genz urteilt, dafs das Stück eingeschoben sei, als man 
T—H312, oder wenigstens 4422 — H 312 verband, und zwar 
von dem Dichter von H17—312. Auch Bergk scheint dasselbe 
zu verwerfen, wenn er bemerkt, dafs mit 73 ein neuer selbstän- 
diger Abschnitt beginne. 

Bei dem hervorgehobenen Verhältnis dieses ganzen Abschnitts 
(5—72) sowohl zu dem Vorhergehenden, wie zu dem Folgenden 
schwindet jede Möglichkeit denselben als ursprünglich anzusehen, 
und es kann nur die Frage sein, ob derselbe ganz zu verwerfen, 
oder Teile desselben zu halten sind. Als solche sind von Düntzer 
12—36 und 66—71 bezeichnet. Die letzteren bieten allerdings 
keinen Ansto[/s und können, da sie den 73 ff. bezeichneten Höhe- 
punkt der Bedrängnis der Troer vorzubereiten geeignet sind, ur- 
sprünglich sein. Dagegen hat es keinerlei Wahrscheinlichkeit, wenn 
auch für 12 —36, Verse welche der Dichter W. Jordan nicht 
scharf genug verurteilen zu müssen glaubt, die Ursprünglichkeit 
behauptet wird, zumal da dies nur unter der Voraussetzung mög- 
lich ist, dafs die Hauptsache, wodurch allein der folgende Vor- 
schlag des Helenos genügend motiviert würde, ausgefallen sei, wie 
nämlich Diomedes nach Ares’ Verwundung weiter gegen die Troer 
vorgegangen sei und sie zur. Flucht getrieben habe. 

Mit dem nun folgenden Rat des Helenos (73—118) kommen 
wir zu einem Abschnitt, welcher zweifellos auf die Aristie des Dio- 
medes in E zurückweist, denn nur dort hat sich Diomedes als 
den furchtbaren Helden erwiesen, wie er” 96 fl. von Helenos ge- 


Z. Einleitung. 123 


schildert wird. Aufserdem scheinen auf den Zusammenhang dieser 
Erzählung mit der Diomedie noch folgende zwei Punkte zu weisen. 
Zunächst, dafs, während sonst überall Apollo der eigentliche 
Schutzgott Trojas ist, hier der Bittgang zu Athene unternom- 
men wird, derselben Athene, welche Diomedes den Troern so 
furchtbar macht, obwohl diese eigentümliche Beziehung nirgends 
hervorgehoben oder benutzt wird. Sodann scheint auch die Bedeu- 
tung, welche Helenos hier in seiner Ansprache an Hektor und 
Äneas diesem letzteren beilegt, 77 f., nur durch das Hervortreten 
desselben in ΕἾ motiviert, da demselben sonst, wie Jakob be- 
merkt, nach seinen Thaten in der Ilias eine solche Bedeutung 
nicht zukommt, 

Verfolgen wir nun zunächst den Abschnitt 73—118 im Zu- 
sammenhange mit dem denselben aufnehmenden 237 — 312 mit 
Übergehung der zwischen beide geschobenen Episode von Glaukos 
und Diomedes, so ist von Jakob, Hoffmann, Bergk die Anlage 
dieser ganzen Erzählung, wodurch die Schlachtbeschreibung eine 
so grofse Unterbrechung erfährt, deshalb als ungeschickt getadelt, 
weil Hektor gerade in der gröfsten' Bedrängnis zu einem Zweck 
in die Stadt gesendet wird, der durch Absendung jedes andern im 
Kampfe nicht so nötigen Trojaners, am besten des Helenos selbst, 
erreicht werden könnte, zumal da das, was durch diesen Gang 
erreicht werden soll, nicht erreicht wird, das Gebet der troischen 
Frauen keinen Erfolg hat (311). Man hat vermutet, dafs Hek- 
tors Gang in die Stadt ursprünglich anders motiviert war. So 
meinte Jakob, es sei die Zurückführung des Paris in den Kampf, 
womit der Gesang schliefst, der Beweggrund dazu gewesen und 
Hoffmann, welcher nach seinen Untersuchungen die ursprüng- 
liche Zusammengehörigkeit von Ζ 1—118. 237—312 mit den 
übrigen Abschnitten des Gesanges leugnete, vermutete, dafs der 
Anfang zu der in diesen letzteren enthaltenen Erzählung uns 
nicht erhalten, die dort für Hektors Gang in die Stadt aber ge- 
gebene Motivierung vielleicht aus 326.335 f. vgl. mit I’ 453 zu ent- 
wickeln sei. 

Innerhalb des Abschnitts 73—118 hat Köchly V.89 als in 
Widerspruch mit 247 ff. verworfen und 99—101 in Klammern ge- 
setzt. Düntzer verwirft 98—101 als gar zu lästig nachschlep- 
pend: der eigentliche Grund für die Verwerfung ist ihm offenbar, 
dals die Achill betreffenden Worte nicht zu seiner Annahme passen, 
dafs das dritte bis siebente Buch ein selbständiges Gedicht bil- 
dete, welches vor den Zorn Achills falle; die von ihm für die 
Verwerfung vorgebrachten Gründe sind durchaus subjektiver Art 
und nicht beweisend. Derselbe verwirft auch 108—118, aber der 
einzige Grund von Bedeutung, welchen er vorbringt, ist die Ab- 
weichung der Worte des Hektor 113—115 von dem Rat des He- 
lenos, sofern er an die Stelle seiner Mutter und der troischen 


124 Z. Einleitung. 


Greisinnen, welche zu den Göttern flehen sollen, die ratpflegenden 
Geronten und die Gattinnen setzt. Was den Dichter zu dieser 
Abweichung veranlafst hat, ist allerdings nicht recht zu sehen, 
allein eine Möglichkeit diese Verse auszuscheiden ist noch weniger 
zu sehen, denn schwerlich wird jemand das, was Düntzer für die 
Ausscheidung geltend macht, annehmbar finden. Er bemerkt: ‘Wie 
Hektor die Seinigen verlassen, brauchte der Dichter nicht zu be- 
schreiben, ja er vermied dieses wahrscheinlich mit Absicht, weil 
seine Entfernung an sich etwas Unwahrscheinliches enthielt.” 

In dem zweiten Abschnitt 237—312 verwirft Düntzer 241, 
besonders deshalb, weil ἑξείης keine rechte Beziehung habe, ver- 
mutet in 243—250 einen späteren Zusatz, da die Beschreibung 
an » 5ff. erinnere, und verwirft 265—268, 279—285, 297—312, 
die letzteren Verse, weil das Gebet nicht genau dem Auftrag ent- 
spreche (93. 274 #.) und die ungeschickte Verbindung in 308 ff. 
offenbar nur dazu diene, 274—276 irgend anzubringen. Von diesen 
meist ungenügend begründeten Athetesen verdienen nur die beiden 
letzten eine nähere Erwägung. In der Athetese von 279—285 be- 
rühren sich mit Düntzer Naber undKammer. Der erstere, welcher 
281—285 verwirft, betont vor allem die Unvereinbarkeit dieser 
Verse mit der Art, wie Hektor 521 f. die Tapferkeit des Paris 
anerkennt, mit dem Paris so auszeichnenden Vergleich mit dem 
edlen Rosse 506 ἢ, sowie mit der Freude, welche die Troer im 
Anfang von H über die Rückkehr des Paris mit Hektor in die 
Schlacht empfinden. Alle diese Züge setzen nach ihm ein ganz 
andres Bild von Paris voraus, als wie er im dritten Gesange ge- 
zeichnet ist, wo er sich feige zeigt und den Troeın verhafst ist. Da 
nun die hier in Frage stehenden Worte nur jener Zeichnung des 
Paris in Γ' entsprechen, so muls ein Interpolator dieselben im Hin- 
blick auf Γ΄ eingefügt haben. Von einer andern Seite ist Kammer 
auf die Vermutung einer Interpolation gekommen. Derselbe findet 
die Vorwürfe, die Hektor in Z dem Paris über sein Fernbleiben vom 
Kampf macht, auffallend bei der Voraussetzung, dafs es derselbe 
Tag ist, an dem Paris seinen unglücklichen Kampf mit Menelaos 
gehabt hat und vermutet, dafs der Besuch des Hektor bei Paris 
erst nach Einfügung des Liedes vom Zweikampfe eingedichtet worden 
sei, während ursprünglich Hektor sogleich nach dem Zusammen- 
treffen mit seiner Mutter zur Gattin gegangen sei. Ein Anzeichen 
der Interpolation aber liegt ihm in der Art, wie Hektor seine Ab- 
sicht zu Paris zu gehen 279 unter Wiederholung der Worte aus 
269 anknüpft. — Die von Kammer angeregte Frage nach dem 
Verhältnis von 312—369 zu dem Vorhergehenden und zu dem 
dritten Gesange wird weiter unten erörtert werden; hier mag zu- 
nächst bemerkt werden, dafs aus der Wiederholung des Gedankens 
von 269 in 279 ein sicheres Anzeichen für eine Interpolation nicht 
entnommen werden kann, da derartige Wiederholungen, im epi- 


2. Einleitung. 125 


schen Stil an sich nicht auffallend, mehrfach dazu dienen, wie 
ähnlich τ 598 vgl. 595, y 359f., um das Verhältnis der Gleich- 
zeitigkeit beider Handlungen durch parataktische Nebeneinander- 
stellung zum Ausdruck zu bringen. Dagegen ist anzuerkennen, 
dals wie die Ankündigung Hektors, zu Paris gehen zu wollen, 
überhaupt durch nichts vorbereitet ist, so insbesondere der leiden- 
schaftliche bis zur schlimmsten Verwünschung sich steigernde Zorn- 
ausbruch gegen Paris 281—285 ganz unvermittelt eintritt. Auch 
in sprachlicher Beziehung enthalten die Verse in dem 281 im 
Wunschsatz gebrauchten ὥς »e eine ganz vereinzelte und schwer 
zu erklärende Erscheinung. Dals die Verse aber in dem von Naber 
behaupteten Mafse mit dem sonst von Paris in Z Gesagten unver- 
einbar seien, ist nicht so unbedingt zuzugeben. 

Bei der von Düntzer zuletzt vorgeschlagenen Athetese von 
297—311 kommt noch eine von demselben nicht berührte, aber 
von andern Gelehrten erörterte Schwierigkeit in Betracht, das Ver- 
hältnis der beiden gleichmälsig mit dem abschliefsenden ὡς einge- 
leiteten Verse 311 und 312 zu einander. Dafs diese beiden Verse 
neben einander nicht ursprünglich sein können, erkannte bereits 
Aristarch. Er athetierte 311, weil’der darin enthaltene Zusatz 
ἀνένευε δὲ Παλλὰς ’A9yvn nichts zur Sache bringe und ungewöhn- 
lich sei, die Athene ἀνανεύουσα eine Lächerlichkeit enthalte, der 
ganze Vers aber neben dem folgenden Verse überflüssig sei. Dafs 
diese Gründe meist nichtssagend sind, bemerkte Ameis mit Recht, 
indem er namentlich den gegen ἀνένευε erhobenen Vorwurf des 
Lächerlichen‘ damit zurückwies, dals das Verbum in übertragener 
Bedeutung stehe. Wenn derselbe aber wegen des sich wieder- 
holenden ὡς auf » 185. P 424. #1 verwies und die Notwendig- 
keit von 311 damit zu begründen suchte, dafs erst wenn nach 
304 am Schlufs ausdrücklich wiederholt sei, dafs nur die Prie- 
sterin laut vorgebetet habe, als neuer Anfang der Gedanke (312) 
folgen könne, dafs die andern im Stillen mitgebetet, so wird da- 
durch der Anstofs, den beide Verse in ihrer Aufeinanderfolge bieten, 
nicht beseitigt. Jene von Ameis angezogenen Stellen geben der 
Kritik zum Teil nicht minder Anstofs, als die vorliegende, und 
dafs V. 311 nicht nötig ist, um den Anschlufs von 312 zu er- 
möglichen, kann die ebenfalls von Ameis angeführte und von 
ihm nicht beanstandete Stelle ν 185 zeigen, wo mit ὧϑ οἵ μέν δ᾽ 
εὔχοντο an das Vorhergehende angeknüpft wird, ohne dafs dort 
auch nur das εὔχεσθαι selbst bereits eingetreten ist, vielmehr erst 
die Vorbereitungen zum Opfer erwähnt sind. Es ‚haben daher 
manche Kritiker kein Bedenken getragen, mit Aristarch V. 311 
einfach auszuscheiden, so Bekker und Nauck. Köchly, welcher 
ebenfalls 311 unter den Text gesetzt hat, sah in den Versen 311. 
312 eine doppelte Recension, indem er annahm, dafs dem Inter- 
polator von 311 die ursprüngliche Fassung (312) nicht genügt 


126 Ζ. Einleitung. 


habe, teils weil vorher nur das Gebet der Priesterin, nicht aller 
Frauen erwähnt sei, teils weil er die Andeutung des Erfolgs des 
Gebetes vermilst habe. Gegen die Streichung von 311 erklärte 
sich Bergk, indem er den Ursprung der doppelten Fassung viel- 
mehr daraus erklärte, dafs 311 die Diomedeia als Vortragspensum 
eines Rhapsoden abgeschlossen habe, der ablösende Rhapsode aber 
312 eingefügt habe, um den Anfang des neuen Abschnitts durch 
eine kurze Rekapitulation zu markieren, damit der Zuhörer sich die 
Situation klar vergegenwärtige, wobei er P424—426, 21 und 
%P 1 als analoge Fälle verglich. Diese Erklärung hat auch v. Christ 
gebilligt, sieht aber umgekehrt in 311 den Zusatz eines Rhapsoden, - 
der mit dem Gebet an die Gottheit den Gesang von den Helden- 
thaten des Diomedes abschliefsen wollte. So ansprechend nun diese 
von Bergk und v. Christ gegebene Erklärung gegenüber den 
Versuchen 311 als Interpolation zu erweisen ist, so ist doch 
vor der Hand noch die Frage oflen zu halten, ob die störende 
Aufeinanderfolge beider Verse nicht darin ihren Ursprung habe, 
dafs hier vermittelst der rekapitulierenden Wendung 312 ein ur- 
sprünglich fremdartiges Stück in den Zusammenhang eingeschoben 
sei, wofür in P424—426 (vgl. die Einleitung zu P p. 78) und 
ähnlich in v 185 ff. zwei ziemlich sichere Fälle vorliegen. Die von 
Düntzer angenommene Interpolation von 297—312 wird man 
schon deshalb abweisen müssen, weil die epische Darstellung sich 
gewils nicht mit einer Andeutung, wie sie 296 giebt, begnügen 
kann, wenn der in Frage kommende Akt in so ausführlicher Weise 
vorbereitet und mit solcher Wichtigkeit behandelt ist, wie es in 
der vorhergehenden Erzählung geschehen. — Schliefslich ist hier 
noch die von Düntzer, Köchly und Franke gegen V. 252 aus- 
gesprochene Athetese zu erwähnen. Die genannten Gelehrten ver- 
muten, dafs eine beabsichtigte Rückbeziehung auf Γ' 194 dem Verse 
seinen Ursprung gegeben habe: die Möglichkeit ist zuzugeben, in- 
des wäre nur das ἐσανάγουσα, in welchem Nauck eine Verderb- 
nis vermutet, verständlicher, so würde an sich ein derartiger die 
Darstellung belebender Zug nicht nur ohne Anstols, sondern durch- 
aus am Platze sein. 

Der folgende Abschnitt 312—369, worin der Besuch Hek- 
tors bei Paris erzählt wird, giebt im Einzelnen wenig Anstols. Die 
Υ. 318— 320, welche mit geringer Abweichung sich auch Θ 493 
—495 finden, schienen Aristarch an letzterer Stelle, wo Hektor 
vor dem versammelten Heer spricht, der Situation angemessen, da- 
gegen hier nicht passend. Seinem Urteil ist Köchly gefolgt und 
hat die Verse unter den Text gesetzt, wohl mit Recht, denn was 
Ameis zur Rechtfertigung derselben bemerkte, dafs die Schilde- 
rung der Lanze beigefügt sei, um die kriegerische Absicht, in der 
Hektor gekommen sei, zu veranschaulichen, ist schwerlich annehm- 
bar. Ferner hat Köchly den wiederholt vorkommenden V. 334 


Z. Einleitung. 127 


nach Bekkers Vorgang ausgeschieden, weil er hier unnütz sei und 
auch bei Γ ὅ9, der aus unserer Stelle entnommen scheine, fehle, 
Letztere Annahme führt uns aber auf die schwierige Frage nach 
dem Verhältnis dieses ganzen Abschnitts zum dritten Gesange. Köch- 
lys Ansicht war, dafs der Verfasser unseres Abschnitts den dritten 
Gesang entweder nicht gekannt oder geflissentlich sich nicht darum 
gekimmert habe, wobei er allerdings die Möglichkeit zugiebt, dafs 
derselbe Dichter beide zu verschiedenen Zeiten gedichtet habe. Eine 
unmittelbare Beziehung unseres Abschnitts auf I’ verwerfen auch 
Naber, Schoemann und Kammer, dagegen nehmen Nutzhorn, 
Genz, Gerlach, Bergk u. A. einen mehr oder weniger engen 
Anschlufs an. 

Einen sichern Anhalt bieten die Worte 339 νίκη δ᾽ ἐπαμεί- 
βεται ἄνδρας. Wenn Paris mit diesem Wort seinen Entschlufs in 
den Kampf zurückzukehren motiviert, so ist offenbar eine vorher- 
gehende Niederlage der Grund gewesen, weshalb er sich vom Kampfe 
fern gehalten, und ist der 336 erwähnte Schmerz, dem er sich hin- 
gegeben, der Schmerz über eben diese Niederlage, unter dieser 
selbst aber eine andere zu denken, als die im Zweikampf mit 
Menelaos erlittene fehlt doch jeder Anhalt. Dieser zweifellosen 
Beziehung auf I’ stehen aber ebenso zweifellos andere Momente 
gegenüber, die solcher Beziehung entweder offenbar widersprechen 
oder doch aus I’ sich nicht genügend erklären. Zunlichst ist, wie 
Naber bemerkt, Paris’ Angabe, dafs er sich dem Schmerz über 
seine Niederlage habe hingeben wollen, im Widerspruch mit der 
Leichtfertigkeit, mit welcher dereelbe Γ' 488 ff. den bittern Hohn 
der Helena zurückweisend, sich über die erlittene Niederlage hin- 
wegsetzt. Sodann haben Naber uud Schoemann die im unmittel- 
baren Zusammenhang mit jener stehende andere Angabe des Paris, 
dals Helena ihn mit freundlichen Worten zur Rückkehr in den 
Kampf ermuntert habe, mit Γ' 428 ff, unvereinbar gefunden, wo 
Helena ihn vielmehr mit bitterem Hohn vor der Aufnahme des 
Kampfes warnt. Von diesen beiden Differenzen ist die letztere 
allerdings durch die Annahme des σιωπώμενον erklärbar. Wenn 
Paris im Gegensatz zu der ihn vorher beherrschenden schmerz- 
lichen Stimmung sagt: νῦν δέ μὲ παρείπουσ᾽ ἄλοχος μαλακοῖς ἐπέ- 
2001 ὥρμησ᾽ ἐς πόλεμον, so fallen diese freundlich zuredenden Worte 
der Helena aufserhalb des Bereichs des dritten Gesanges, wo nur 
das unmittelbar an den Zweikampf sich schliefsende nächste Zu- 
sammensein mit Helena dargestellt ist. Auch hat der Dichter 
diese Fiktion dadurch wahrscheinlich gemacht, dafs « Paris be- 
reits bei Hektors Ankunft mit der Prüfung und Instandsetzung 
seiner Waffen beschäftigt zeigt. Allein wenn danach auch ein di- 
rekter Widerspruch mit I’ nicht anzuerkennen ist, so wird doch 
die Berechtigung des σιωπώμενον dadurch sehr zweifelhaft, dafs da- 
mit bei Helena geradezu ein Umschlag der früheren Stimmung in 


128 Z. Einleitung. 


die entgegengesetzte stillschweigend vorausgesetzt würde, und sehen 
wir, dafs derselbe Umschlag auch bei Paris selbst angenommen 
werden müfste, so werden wir, vorausgesetzt, dafs der Dichter dem 
Paris nicht geradezu Unwahrheiten in den Mund legen wollte, es 
doch wahrscheinlicher finden, dafs der Dichter dieses Abschnitts 
die Voraussetzungen des dritten Gesanges nicht gekannt und eine 
andere Darstellung vor Augen gehabt habe. 

Auf einen ähnlichen Schlufs haben auch die Worte Hektors 
326 ϑαιμόμι᾽, οὐ μὲν καλὰ χόλον τόνδ᾽ ἔνϑεο ϑυμῷ geführt. Der 
hier bei Paris vorausgesetzte Groll wird gewöhnlich aus I’ 453f. 
und 320. in der Weise erklärt, dafs man voraussetzt, die dort 
von den Troern gegen Paris gezeigte gehässige Stimmung sei als 
Anlafs dieses Grolles anzusehen. Diese Beziehung hat Naber ent- 
schieden geleugnet. Kammer ferner findet es unverständlich, wie 
Hektor das Fortbleiben des Paris vom Kampfe auf Rechnung eines 
Grolls gegen die Troer setzen könne, wenn Paris an demselben 
Tage einen unglücklichen Zweikampf gehabt habe: Hektors Vor- 
wurf sei nur verständlich, wenn Paris schon längere Zeit nach 
seinem unglücklichen Kampfe sich von jeder Teilnahme an einer 
Schlacht fern gehalten habe. Schoemann findet es unbegreiflich, 
wie Hektor auf die Vermutung kommen könne, dafs Paris aus 
Zorn über eine ihm widerfahrene Krünkung des Kampfes sich ent- 
halte, da von einer solchen Kränkung Alexanders und seinem Zorn 
darüber weder in I’ noch sonstwo die Rede sei, und auch ange- 
nommen, dafs dem Paris die Verwünschung I’320 oder die ihm 
feindselige Haltung der Troer I’ 454 bekannt geworden, so sei 
doch für die Voraussetzung Hektors, dafs er aus Zorn über jene 
jetzt nicht für seine eigne Sache mitfechten wolle, kein vernünf- 
tiger Grund abzusehen. Dafs nun dem Paris die gegen ihn herr- 
schende feindselige Stimmung der Troer im allgemeinen be- 
kannt sei, ist zweifellos, noch Γ' 42 hatte Hektor ihm dieselbe 
vorgehalten, vgl. 2524. Allein weder ist die Verwünschung Γ 320, 
auch wenn sie Paris bekannt geworden, bei der Allgemeinheit ihres 
Inhalts, sowie, weil sie Achäern wie Troern in den Mund gelegt 
ist, recht geeignet die Voraussetzung zu begründen, dafs Paris aus 
Zorn über eine solche Äusserung sich des Kampfes enthalte, noch 
kann die Γ' 464 vom Dichter bezeichnete feindselige Gesinnung der 
Troer gegen Paris dafür zur Grundlage gemacht werden, teils weil 
hier nicht einmal eine bestimmte Äusserung vorliegt, sondern nur 
die Haltung der Troer durch ihre Gesinnung gegen Paris moti- 
viert wird,steils weil von diesem Vorgang es von vornherein viel- 
mehr wahrscheinlich ist, dafs er Paris unbekannt geblieben. Die 
Voraussetzung Hektors ist also allerdings durch die Erzählung in 
Tnicht genügend motiviert und da sie auch durch die zwischen I’ 
und Z liegenden Gesänge in keiner Weise vorbereitet und ver- 
mittelt ist, so bleibt ein nicht hinwegzuräumender Anstols. Einen 


Z. Einleitung. 129 


verfehlten Versuch die Schwierigkeiten zu beseitigen macht Genz, 
wenn er Hektors Worte 326 nicht ernstlich gemeint, sondern in 
dem Sinne gefafst wissen will: “Du thust wohl gar, als ob du 
Grund hättest mit den Troern zu schmollen und willst von ihrem 
Kampf nichts wissen?’ Die von Naber dafür, dafs der Dichter 
unserer Scene I’ überhaupt nicht gekannt habe vorgebrachten in- 
direkten Beweise, wie dafs Helena 350 nichts von dem Zweikampfe 
sage und ihre Worte mit der Voraussetzung des Zweikampfes un- 
verträglich seien, sowie dafs Hektor, der doch Paris’ Rettung durch 
die Göttin nicht wisse, gar nicht frage, wie und warum er nach 
Hause gekommen sei, sind von zweifelhaftem Gewicht, überdies 
ist die Beziehung auf den Zweikampf in 339 doch schwer zu be- 
streiten. Das Ergebnis unserer Erörterung ist demnach, dafs unsere 
Scene zwar so weit an I’ sich anschliefst, als der Zweikampf 
vorausgesetzt wird, dafs sonst aber mehrfach Voraussetzungen teils 
gemacht sind teils zu machen sind, die sich aus I’ nicht unmit- 
telbar ergeben. Wie dies zu erklären sei, darüber sind folgende 
Vermutungen aufgestellt. Schoemann nahm an, dafs über Paris’ 
Zorn und Unwillen deutlichere Andeutungen in einem älteren Liede 
gegeben seien, wovon nur dieser eine Teil, der die Zurückberufung 
des Paris in den Kampf darstelle, in unsere Ilias aufgenommen 
se. Bergk meinte, dafs der Diaskeuast, indem er dem früheren 
Liede einen Nachtrag anhängte, dasselbe gekürzt habe: “der Dichter 
werde nach dem Schusse des Pandaros geschildert haben, wie sich 
der Unwille der Troer ebenso gegen Pandaros, wie gegen Paris 
in tadelnden Worten Luft machte”. Genz, welcher engsten An- 
schlufs an I’ annimmt, ja denselben Dichter voraussetzt, erklärt 
den mangelnden Zusammenhang durch die Einfügung des Vertrags- 
bruchs: der Dichter von I’ und Z werde den Verlauf anders ge- 
dacht haben. 

Wie der Besuch Hektors bei Paris, so ist auch die Begeg- 
nung desselben mit Andromache durch die Anlage des ganzen Ge- 
sanges nicht unmittelbar vorbereitet; indes scheint dieselbe so na- 
türlich, dafs niemand nach einer weiteren Motivierung fragen wird. 
Beide Scenen aber, wie sie äufserlich mit einander verschlungen 
sind, so stehen sie innerlich durch den Parallelismus des Kon- 
trastes in innigstem Bezug zu einander. Über diese Beziehungen 
hat Gerlach treffend bemerkt: “Es kommt dem Dichter jedoch 
nicht allein darauf an, Hektors Heldensinn durch den Gegensatz 
zu der feigen Saumseligkeit des Paris in helleres Licht zu setzen 
und durch die Schilderung von dem unfreundlichen Verhältnis zwi- 
schen Paris und Helena, das sich in den Scheltreden der letzteren 
so unzweideutig kundgiebt, die ideale Gattenliebe des andern Paares 
krüftig hervorzuheben: der Dichter zeigt uns durch den Kontrast 
zugleich in wirksamster Weise die mächtigen Beweggründe, welche 
den Hektor zur Vermeidung des Kriegs hütten bestimmen können; 

Huxtze, Anhang zu Homers Ilias. II. 9 


130 Z. Einleitung. 


denn wer hätte es diesem verargen wollen, wenn er Bedenken 
getragen hätte einem Unwürdigen zu Gefallen, dem er selbst den 
Tod wünscht, sich und sein Teuerstes zu opfern? Konnte uns 
Homer die Gröfse seines Helden wohl besser darstellen, als indem 
er zeigt, wie dieser selbst den stärksten Eindrücken gegenüber 
unbeweglich bleibt, und zwar nicht etwa wegen der Härte seines 
Charakters — denn in seinen Reden giebt sich ein weiches Gefühl 
kund — sondern nur weil die Ehre es ihm gebietet”. In Bezug 
auf die Stelle, wo diese Scene eingefügt ist, bemerkt derselbe: 
“Gab es nun wohl einen passenderen Ort, diese tragische Gröfse 
Hektors zu schildern, als die Stelle, wo die eigentliche Helden- 
laufbahn desselben beginnt, nämlich vor den gewaltigen Kämpfen 
um Mauer und Schiffe, denen der Zweikampf mit Aias als Vor- 
spiel dient?” Indes hat Naber in Bezug auf die Stellung dieser 
Scene in dem Zusammenhange unserer Ilias folgende Bedenken 
erhoben. Indem derselbe aus den Andeutungen 367 und 500 ff. 
(vgl. P 208) glaubt folgern zu müssen, dafs die Unterredung zwi- 
schen Hektor und Andromache nur die letzte vor Hektors Tode 
sein könne, hält er es für unmöglich, dafs der Dichter dieser 
Scene Hektor am Abend dieses Tages noch einmal in die Stadt 
habe zurückkehren lassen (H 307 ff.), und vermutet vielmehr, dafs 
derselbe ihn in der nachfolgenden Nacht bereits auf dem Schlacht- 
felde habe übernachten lassen, was nach dem jetzigen Zusammen- 
hange der Ilias bekanntlich erst am Schlufs von ® geschieht. 
Der innere Zusammenhang dieser unvergleichlichen Scene bietet 
wenige Stellen, welche zu Bedenken Anlals geben. Von Aristarch 
wurden V. 433—439 verworfen. Seine Gründe waren, dafs der 
hier von Andromache gemachte Vorschlag in dem Munde der 
Frau unpassend sei, dafs der Dichter die hier erwähnten Versuche 
der Achäer die Mauer zu erstürmen nirgend überliefert habe, auch 
der Kampf nicht so nahe bei der Mauer stattfinde, dals Hektor 
endlich in seiner Antwort diesen Vorschlag ganz unberücksichtigt 
lasse. Freilich kann der Umstand, dafs hier Thatsachen aus einer 
früheren Zeit erwähnt werden, die sonst nicht tberliefert sind, 
an sich nichts gegen die Ursprünglichkeit dieser Verse entscheiden. 
(Lachmann sah in der Angabe 435 ein wichtiges Moment für 
die Scheidung des sechsten Liedes vom fünften.) Auch über das 
Passende oder Unpassende jener taktischen Ratschläge in Andro- 
maches Munde liefse sich noch streiten: nach Kiene empfiehlt 
dieselbe damit nur die Rückkehr zu der früher üblichen Führung 
des Kriegs, was freilich aus den Worten nicht zu entnehmen ist, 
und Gerlach bemerkt: “diese ängstliche Klugheit des Weibes 
bildet einen schönen Kontrast zu Hektors heroischem Mute’. Da- 
gegen sind die andern von Aristarch vorgebrachten Gründe be- 
weiskräftig; ja es ist der in diesen Versen enthaltene Vorschlag, 
wie Köchly richtig sah, geradezu unvereinbar mit der 431 vor- 


2. Einleitung. 131 


hergehenden Aufforderung auf dem Turme zu bleiben. Nach der 
Art, wie die V. 433ff. einfach mit δέ an die vorhergehenden ge- 
schlossen sind, könnte der darin enthaltene Vorschlag nur, wie 
jene Aufforderung, als unmittelbar auszuführen gedacht sein; das 
ist aber bei der vorliegenden Situation, wo die Troer im offenen 
Felde, nicht einmal in unmittelbarer Nähe der Mauer kümpfen, 
unmöglich. Wären die Verse wirklich ursprünglich, so mülste für 
die ganze Scene eine ganz andere Situation vorausgesetzt sein, 
etwa die Zeit vor dem Ausmarsch des Heeres in den Kampf. Da- 
nach haben die meisten Kritiker der Athetese des Aristarch zu- 
gestimmt: so Bekker, Düntzer, Köchly, Holm, Genz, Bergk. 
Dagegen haben sich erklärt Franke, Nitzsch und Kiene, welche 
nur 436f. als diaskeuastische Zuthat ansehen, und ausführlich im 
Anhange (erste Auflage) zu diesen Versen Ameis. 

Von den sonst ausgesprochenen Athetesen sind die meisten 
teils,von den Urhebern selbst nur mit Schüchternheit vorgebracht, 
theils aber aus einer Hyperkritik hervorgegangen, die sich selbst 
richtet. Zu den ersteren gehören die von Düntzer gegen 379. 
384f. 388 f., von P. La Roche gegen 402 f. ausgesprochenen; 
zu den letzteren fast durchweg die übrigen von P. La Roche, 
welche von Köchly mit gebührender Schärfe zurückgewiesen sind. 
So trägt P. La Roche kein Bedenken in der Rede der Andro- 
mache (407—439) nicht mehr und nicht weniger als 413—439 zu 
streichen. Köchly nahm an V. 424 Anstols, welcher ihm nach 
e 411}. gebildet schien; Düntzer aber verwirft 425—428, an 
deren Stelle ursprünglich etwa gestanden haben möge: μητέρα 
δ᾽ ἐν μεγάροισι βάλ᾽ "άρτεμις ἰοχέαιρα. Allein der Hauptanstols, 
welcher Düntzer zur Verwerfung veranlalst, dafs nämlich die 
Mutter im Palaste des Eetion gestorben sein solle, während dieser 
Palast doch bei der Zerstörung von Thebe mit zerstört zu denken 
sei, fällt hinweg, sobald man mit Ameis und andern πατρός 428 
von dem Vater der Mutter, dem Grofsvater der Andromache ver- 
steht, was auch darum natürlicher scheint, weil man bei dem 
vorher erwähnten Loskauf der Mutter nach den Verhältnissen zu- 
nächst an die Verwandten der Mutter, in erster Linie an den 
Vater derselben zu denken hat. Auffallend bleibt nur die Bemer- 
kung 425 ἣ βασίλευεν ὑπὸ Πλάκῳ ὑληέσσῃ, nicht blols, weil sie 
überhaupt überflüssig scheint, sondern weil sie nach der vorher 
erzählten Zerstörung der Stadt befremdet. Auch der Anstols, den 
Köchly an 424 nahm, ist nicht derart, dafs die Athetese gerecht- 
fertigt wäre. Mag es auch nach dem Zusammenhange natürlicher 
scheinen, dafs auch die Söhne des Eetion bei der Eroberung der 
Stadt gefallen seien, so ist doch kein rechter Grund zu sehen, 
weshalb sie nicht vorher durch plötzlichen Überfall bei den Her- 
den Widerstand leistend getötet sein sollen und so haben Fried- 
laender und Düntzer die Athetese zurückgewiesen. Weit be- 

9: 


132 Z. Einleitung. 


fremdender ist, dafs nachdem Andromache 413 von dem Verlust 
nur des Vaters und der Mutter gesprochen, sie bei der mit ἦ 
τοι γὰρ 414 eingeleiteten Ausführung nach der Erzählung vom 
Tode des Vaters 421—424 auch das Schicksal der Brüder ein- 
flicht, da doch sonst derartige Ausführungen mit ἦ τοὶ der vorher- 
gehenden Ankündigung genau zu folgen pflegen. Indes trage ich 
doch Bedenken daraus etwa zu folgern, dafs 421—425 oder 416— 
425 später eingefügt seien, wie sehr wir auch geneigt sein mögen an 
der breiten Erzählung innerhalb dieser Partie Anstols zu nehmen. 

In Hektors Erwiderung 441—465 fand Holm die mit 447 
beginnende Betrachtung über das nach dem Untergange Trojas 
der Andromache drohende Schicksal der in Agamemnons Rede 
4163 ff. so ähnlich, dafs er in 447—465 eine Nachahmung jener 
zu erkennen glaubte, war indes vorsichtig genug nur die Möglich- 
keit solcher Zudichtung hinzustellen. Dagegen erklärte P. Ja Roche 
mit voller Bestimmtheit dieselben Verse als eine evidente geschmack- 
lose Interpolation. Auch Düntzer stimmte der Ausführung P. 
La Roches zu, beschränkte an einer anderen Stelle die Athetese 
jedoch auf 456—463. Wir gehen über diese Athetesen hinweg, 
für welche es an einer ausreichenden objektiven Begründung fehlt, 
denn auch der scheinbar zutreffende Grund, dafs Hektor durch 
solches Vorhalten des der Andromache nach der Zerstörung Trojas 
bevorstehenden Schicksals dieselbe statt zu trösten, noch mehr 
beunruhige, ist zurückzuweisen, da diese Ausführung als Erwide- 
rung auf Andromaches ‘Du bist mein ein und alles’ notwendig 
ist und mit den Worten der Andromache, wo sie des Hektor be- 
vorstehenden Geschicks gedenkt, zweifellos in Parallelismus steht, 
vgl. 409— 413. 

In der weiteren Erzählung verwirft P. La Roche 479—481 
und Düntzer stimmt dieser Athetese zu ‘weil der Gedanke, dafs 
Astyanax noch tapfrer als sein Vater sein möge, dem Hektor 
hier ganz fern liege und so ungeschickt als möglich angefügt und 
ausgeführt sei’. Ein begründetes Bedenken könnte nur darin 
liegen, dafs Hektor, während er vorher den Untergang Trojas als 
sicher eintretend angenommen hat, hier zwar seinen eignen Unter- 
gang voraussetzt, aber nicht den Untergang Trojas, wenn er 
wünscht, dafs Astyanax mit Macht über Ilias walten und die 
Mutter sich seiner erfreuen möge, wenn er siegreich aus dem 
Kampfe mit der Rüstung eines erschlagenen Feindes heimkehre. 
Indes ist der hier wahrnehmbare Umschlag der Stimmung sehr 
wohl motiviert durch die vorhergehende unvergleichliche Scene mit 
Astyanax: “angesichts seines blühenden Kindes kann er wenigstens 
nicht, wie vorher, alle Hoffnung aufgeben; im Gefühl der Freude 
verschwindet die Sorge nicht, aber sie tritt zurück” (Bischoff). 
Man vergleiche darüber aulserdem die treffenden Bemerkungen von 
W. Jordan Homers Ilias übersetzt und erklärt p. 586. 


Z. Einleitung. 133 


Die von P. La Roche über 490—493 ausgesprochene Athe- 
tese ist von Köchly und Düntzer mit Recht zurückgewiesen, 
dagegen verwirft Düntzer mit La Roche 497—502 und weist 
auch noch 496 der vermeintlichen Interpolation zu; Nauck hat zu 
498—502 bemerkt: spurü? Indes sind weder die von La Roche 
erhobenen sprachlichen Bedenken berechtigt, noch kann Düntzers 
Forderung: ‘“Andromache mufs bei allem tiefen Gefühl sich als 
Hektors starkes Weib, als Eetions würdige Tochter erweisen, die 
der Mahnung ihres Gatten nachkommt” so ohne weiteres gelten. 

Es bleibt noch die Episode von Glaukos und Diomedes zu 
erörtern, welche wir bei der Erzählung von Hektors Gange nach 
der Stadt, in welche sie eingefügt ist, übergangen haben, weil 
sie eine eingehende Erörterung erfordert. 

Für die Kritik dieser Episode ist eine Notiz bei Aristoni- 
kos (ed. Friedl. p. 118) von besonderer Bedeutung, welche sagt, 
dafs manche diese Begegnung zwischen Glaukos und Diomedes an 
eine andere Stelle versetzten. Diese Notiz ist verschieden gedeutet, 
entweder in dem Sinne, dals die Episode zwar da, wo wir sie 
finden, ihre ursprüngliche Stelle gehabt habe, aber von den Rhapso- 
den bald hier bald dort in den Zusammenhang anderer Lieder 
eingefügt sei, wozu dieselbe sich ebensowohl wegen ihrer äufser- 
lichen Abgeschlossenheit, wie wegen ihres Gehalts au allgemeinen 
Gedanken einer verständigen Lebensweisheit vorzüglich geeignet 
habe (Köchly, von Christ), oder in dem Sinne, dafs andere 
Grammatiker dieselbe an unserer Stelle nicht für ursprünglich ge- 
halten, sondern ihr in einem andern Zusammenhange ihre Stelle 
angewiesen hätten, was Naber speziell auf Zenodot deutet. Wir 
können die erstere Auslegung nicht für die richtige halten, weil 
das τινὲς nach dem sonstigen Gebrauch bei Aristonikos sich 
nicht auf Rhapsoden, sondern nur auf Grammatiker beziehen läfst, 
und müssen danach annehmen, dafs während Aristarch die Epi- 
sode da, wo wir sie lesen, für ursprünglich hielt, andere Kritiker 
sie hier nicht für passend hielten und ihr anderswo eine passen- 
dere Stelle anweisen zu können glaubten. 

Verfolgen wir die Gründe, welche für die Stelle, wo die Episode 
jetzt steht, geltend gemacht sind, so schien dieselbe Lachmann und 
Köchly nach ihrem milden und anmutigen Charakter den übrigen 
Scenen des Liedes durchaus entsprechend, ein passendes Vorspiel 
zu Hektors Besuch bei Andromache. Ähnlich urteilt Düntzer, 
dafs dieselbe zur Abwechslung der Kriegsscenen eingelegt, durch 
ihren Gegensatz zu diesen einen Übergang zu den Familienscenen 
in Troja bilde, auch die rührende Klage des Glaukos über die 
Vergänglichkeit der Menschen, verbunden mit der Erzählung von 
Bellerophontes die bald darauf uns entgegentretende Not in Troja 
trefflich einleite.e Auch v. Christ hebt die Verwandtschaft des 
Inhalts mit dem übrigen Gesange hervor, zu dessen friedlichem 


134 Z. Einleitung. 


Charakter trefflich der unblutige Ausgang des Zusammentreffens 
stimme. Aber auch die Art, wie die Episode in den Zusammen- 
hang der Erzühlung eingefügt ist, scheint ihm ganz in der Art 
des Homer, indem durch diese Scene die zur Ausführung von 
Hektors Gange nach der Stadt erforderliche Zeit ausgefüllt werde. 

Lälst sich gegen die vorgetragenen Ansichten an sich kaum 
etwas einwenden, namentlich denen gegenüber, welche die Episode, 
wie Lachmann, von dem Standpunkt des Einzelliedes auffassen, 
so erheben sich doch sofort Schwierigkeiten, sobald man dieselbe 
mit dem sechsten Gesange überhaupt im Zusammenhange mit dem 
vorhergehenden betrachtet. Nun steht der Beziehung auf die Dio- 
medeia in 2 126 (ὅτ᾽ ἐμὸν δολιχόσκιον ἔγχος ἔμεινας, δυστήνων δέ 
re παῖδες ἐμῷ μένει ἀντιόωσιν) der offenbare Widerspruch gegen- 
über, dafs Diomedes, der E 127 von Athene mit der Gabe aus- 
gerüstet ist Götter und Menschen zu unterscheiden und dort kein 
Bedenken getragen hat gegen Apollo anzustürmen, hier nicht weils, 
ob Glaukos ein Gott sei, und in demütiger Scheu vor dem Zorn 
der Götter sich gegen den Gedanken nachdrücklich verwahrt gegen 
einen Gott zu kämpfen. Diesen Widerspruch sucht Düntzer durch 
die Annahme zu beseitigen, dafs jetzt, wo die Götter sich aus 
dem Kampfe entfernt, ihm die Gabe die Götter zu erkennen von 
Athene wieder genommen sei oder er derselben nicht mehr ver- 
traue, die Scheu gegen die Götter zu kämpfen aber im genauesten 
Zusammenhange mit der Mahnung der Athene in E stehe; über- 
dies sei uns die Art, wie Athene den Diomedes verlassen habe, 
nicht erhalten. Dagegen bezeichnet der Dichter W. Jordan unter 
Voraussetzung desselben Dichters in E und Z es als eine unver- 
zeihliche Unterlassungssünde von dem Aufhören jener Erkennungs- 
gabe zu schweigen und das widersprechende Benehmen des Dio- 
medes als die ärgste der poetischen Unwahrheiten, als einen 
unvereinbaren Widerspruch in der Charakteristik und sieht daher 
in der Glaukosepisode ein älteres Stück von einem Dichter, welcher 
einer würdigeren Auffassung der Götter huldigte. Auch Jacob 
und Holm finden den Widerspruch in beiden Darstellungen un- 
lösbar und schliefsen, dafs der Verfasser der Episode E nicht vor 
Augen gehabt habe, darin vielmehr ein für sich gedichtetes Lied 
zu sehen sei. Ebenso findet Naber die Episode unvereinbar mit E, 
wo Diomedes Aphrodite und Ares verwundete, und glaubt, dals 
dieselbe aus einem andern Gesange in die jetztige Stelle ungehörig 
übertragen sei, was leicht habe geschehen können, da Diomedes 
auch hier, wie in E, als ἀριστεύων erscheine. Auch wir müssen 
in dem Benehmen des Diomedes in dieser Episode und in E einen 
unvereinbaren Widerspruch anerkennen und wenn irgendwo die An- 
wendung des σιωπώμενον für unzulässig halten. Eine andere Frage 
aber ist, ob darum diese Episode ursprünglich für eine andere 
Stelle gedichtet ist. Hier kommen nun zunächst die Gründe in 


Z. Einleitung. 135 


Betracht, welche gegen die Stellung derselben in ihrem jetzigen 
Zusammenhang vorgebracht sind. Giseke macht dagegen geltend, 
dals dieselbe zwischen Hektors Weggang vom Schlachtfelde und 
seiner Ankunft in der Stadt so lose eingefügt sei, dafs wenn man 
237 mit ἄλλ᾽ ὅτε δή statt mit Ἕκτωρ δ᾽ ὡς beginne, ein unmittel- 
barer Anschlufs an 118 möglich sei. Ebenso urteilt Bergk, dals 
die Episode nicht eben geschickt den Gang der Erzählung unter- 
breche und Jordan findet den Platz zur Einschaltung sehr un- 
glücklich gewählt, weil sie die Erzählung von Hektors Gang in 
die Stadt zerreifse, welche jetzt 118 sehr unepisch abbreche mit 
der Schilderung, wie dem Helden die Lederfranzen des Schildes 
oben den Nacken und unten die Knöchel umklappen, denn diese 
veranschauliche treffend seine Hast und erwecke die Erwartung, 
ihn bald am Ziele zu sehen. Indes wird man doch anerkennen 
müssen, dafs die sonst nach Homerischer Technik geltenden Voraus- 
setzungen für Einschaltung einer Episode hier. vorhanden sind. 
Andrerseits ist für die Stelle der Episode an ihrem jetzigen Platze 
von Köchly geltend gemacht, dals im Anfang von H Glaukos 
neben Hektor und Paris als dritter Vorkämpfer auftritt. 

Dafs die Episode ferner im Anschlufs an die Diomedeia ge- 
dichtet ist, darauf scheint nicht nur 126f. zu weisen — Worte 
des Selbstgefühls, wie sie dem bescheidenen und mafsvollen Dio- 
medes nur nach hervorragenden Thaten angemessen sind —, son- 
dern es zeigt auch die Ausführung des Diomedes über den Kampf 
mit den Göttern eine nicht abzuweisende Beziehung auf die ähn- 
liche der Dione E 407ff. Sehr zweifelhaft scheint freilich, ob 
diese Beziehung in der Weise zu deuten ist, wie Köchly und 
Genz thun, dafs nämlich der Dichter unserer Episode dieselbe im 
Anschlufs an E 407 ff. im bewulsten Gegensatz zu der Darstel- 
lung des Diomedes in E gedichtet habe, um diese gleichsam zu 
korrigieren, da ihm diese dem Charakter des Helden unangemessen 
schien und er in frommer Denkart wegen der übermenschlichen 
Thaten für seinen Liebling fürchtete. Aber es wäre ja möglich, 
wie jene Notiz des Aristonikos es nahe zu legen scheint, dals 
die Episode im unmittelbaren Anschlufs an die Aristie des Dio- 
medes für eine Stelle innerhalb dieser selbst gedichtet wäre, wie 
Bergk und M. Schmidt annehmen. Jener setzt ihre ursprüng- 
liche Stelle nach E 518, nach dem Kampfe des Diomedes mit 
Aineias, indem er ganz entgegengesetzt der Ansicht von Köchly 
annimmt, dals der Diaskeuast, welcher die olympische Scene zwi- 
schen Aphrodite und Dione einlegte, in 407 fi. auf die Äufserung 
des Diomedes dem Glaukos gegenüber (Z 129 8.) Rücksicht nahm, 
aber, weil er gegen diese Partie im übrigen ganz offen polemi- 
sierte, sie wohl ganz zu beseitigen suchte, was ihm freilich nicht 
gelang, da sie an einer anderen Stelle erhalten wurde. Schmidt 
dagegen nimmt an, dafs die Episode für die Stelle gedichtet sei, 


136 Z. Einleitung. 


welche jetzt der Kampf zwischen Sarpedon und Tlepolemos ein- 
nimmt, E 628—698, und zwar von einem Dichter, welcher an 
dieser Scene in einem zur Verherrlichung des Diomedes bestimm- 
ten Liede Anstofs nahm und dasselbe durch eine andere ersetzen 
zu müssen glaubte, in welcher dem Diomedes die Hauptrolle zu- 
falle, wobei er sich angelegen sein liefs denselben gehorsam der 
Mahnung der Athene 130f. zu zeigen. Er glaubt diese Annahme 
dadurch stützen zu können, dafs die Einleitung beider Episoden 
in E 630 = Ζ 120 übereinkomme. Um Bergks Ansicht zu ver- 
stehen, mufs hinzugefügt werden, dafs nach seiner Annahme in 
der ursprünglichen Diomedie Athene 129 ἢ, Diomedes warnte gegen 
die Götter zu kämpfen, ohne irgend eine Ausnahme zu machen, 
und ihre Warnung wahrscheinlich noch näher begründete, indem 
sie darauf hinwies, dals wer seine Hand gegen die Götter erhebe, 
einem sichern Untergange geweiht sei, frühzeitig sein Leben ver- 
liere, Worte die der Diaskeuast hier strich, um das Motiv 406 ff. 
für sich zu verwenden. Allein ist es schon schwer Bergk in 
diesen Voraussetzungen von der Thätigkeit seines Diaskeuasten zu 
folgen, so wird die ganze Annahme, welche übrigens auch von 
Benicken lebhaft bestritten ist, zumal dadurch hinfällig, dafs 
jener Widerspruch zwischen der Episode und E hinsichtlich der 
dem Diomedes verliehenen Gabe die Götter zu erkennen (die Bergk 
nicht etwa durch Athetese beseitigt hat) in der hier der Episode 
zugewiesenen Stelle (nach E 518) so grell hervortreten würde, 
dafs er vollends unerträglich wäre. Und dasselbe gilt von der 
Vermutung Schmidts, gegen welche überdies die nümlichen Be- 
denken, welche Ribbeck (vgl. die Einleitung zu E p. 73) gegen 
den Zweikampf des Sarpedon und Tlepolemos aus der Situation 
entnommen hat, geltend gemacht werden können. Noch hat 
Düntzer vermutet, dafs die in der Notiz des Aristonikos er- 
wähnten andern Grammatiker die Episode an den Schlufs des 
vierten Buches, also unmittelbar vor die Aristie des Diomedes ge- 
setzt hätten, ohne dafs er selbst jedoch diese Stelle für besser hielte. 

Sind die Versuche der Episode eine passendere Stelle zuzu- 
weisen zu verwerfen, so müssen wir uns zunächst dabei beruhigen, 
dafs sie im Anschlufs an E und für die Stelle, wo wir sie jetzt 
lesen, gedichtet sei. Dafs sie an dieser Stelle gleichwohl mit 
E127f. im Widerspruch steht, läfst sich dann entweder daraus 
erklären, dafs in der ursprünglichen Diomedie, wie wir angenom- 
men haben, von jener Gabe die Götter zu erkennen gar nicht die 
Rede war, oder dafs die Episode jüngeren Ursprungs ist und der, 
welcher sie einfügte, obwohl er E in seiner jetzigen Gestalt vor 
Augen hatte, übersah, in welchen Widerspruch er sich mit E 
setzte. Für einen jüngeren Ursprung der Episode werden aber 
von Giseke überhaupt die gegen die Ursprünglichkeit der Sar- 
pedon und Glaukos betreffenden Partieen sprechenden Gründe gel- 


Z. Einleitung. 137 


tend gemacht, insbesondere, die lose Einfügung der Episode und 
Egentümlichkeiten in Sprache und Versbau, worin dieselbe von 
ihrer Umgebung abweiche. Wenn ferner Diomedes sagt, dafs er 
Glaukos vorher in der Schlacht noch nicht gesehen habe, so sieht 
v. Christ darin, wie in der Fiktion, dafs erst während des Kampfes 
neue Zuzüge von Verbündeten angekommen seien, die deutliche An- 
deutung, dafs der Dichter sich der Einführung neuer Streiter und 
der damit verbundenen Erweiterung der ursprünglichen Anlage 
wohl bewufst war. Wohl dürfen auch der elegische Charakter der 
einleitenden Worte in Glaukos’ Erwiederung 146 ff. verglichen 
mit 6130f,, zum Teil die Erzählung von Bellerophontes selbst 
und die Sage von Lykoorgos für einen jüngeren Ursprung geltend 
gemacht werden. 

Indes ist die exemplificierende Ausführung des Gedankens, 
dafs niemand ungestraft die Hände gegen die Götter erhebe, durch 
das Beispiel des Lykoorgos von Düntzer und La Roche als ein 
jüngerer Zusatz athetiert. Der erstere begründet die Athetese 
dadurch, dafs diese Ausführung für Diomedes, der eben auf Ge- 
heifs der Athene Ares verwundet habe, sich wenig schicke. Allein 
dieses Bedenken trifft doch nicht minder den Ausspruch 129, in 
welchem er den Gedanken an einen Kampf mit den Göttern von 
sich weist. Wenn aber La Roche gegen die Stelle geltend macht, 
dafs die echten homerischen Lieder den Gott Dionysos nicht kennen 
und in der Wiederholung von V. 129 in 141 ein Anzeichen der 
Einschiebung findet, so ist das letztere Argument trüglich, das 
erstere aber ebensowohl für einen jüngeren Ursprung der ganzen 
Episode geltend zu machen. Ferner hat Köchly 156—159. 194 f. 
200—202. 205. 221—223 athetiert. In 156—159 glaubt der- 
selbe ein Stück aus einer anderen Darstellung zu erkennen, in 
welcher Proetos mit offener Gewalt den vermeintlichen Verführer 
seiner Gattin aus seinem Gebiete vertrieben habe. In dieser Athe- 
tese begegnet sich Köchly mit Friedlaender. Auch dieser 
findet 168 ἢ, wo eine Austreibung des Bellerophon berichtet wird, 
unverträglich mit der folgenden Darstellung, wo Proetos den Belle- 
rophon mit der Uriassendung nach Lyeien schiekt, und nimmt 
eine Verschmelzung zweier verschiedener Darstellungen der Ge- 
schichte an, deren eine den Bellerophon von Proetos aus Mils- 
gunst, aus eifersüchtiger Besorgnis vor der zukünftigen Gröfse des 
jungen Helden vertrieben werden liefs, und die im wesentlichen 
in 155—159. 171—173. 192—199. 203—211 enthalten und 
wahrscheinlich die ursprünglichere Gestalt der Stelle sei, während 
die andere die Liebe und Verleumdung der Antaea, die verräte- 
rische Sendung zu Jobates und die in Lycien glücklich bestan- 
denen Abenteuer enthielt (in 160—199. 203—211). Diese An- 
nahme doppelter Motive eignete sich auch Nitzsch an, wollte 
aber durch Ausscheidung von 160—167 die ursprüngliche Fas- 


138 Z. Einleitung. 


sung herstellen. Bestritten wurde diese Annahme von Ameis im 
Anhange (erste Auflage, zu 159), indem er einwendete, dafs aus 
den Worten 156—159 nichts von Milsgunst und Eifersucht zu 
entnehmen sei, für die Worte ἐκ δήμου ἔλασσεν die erklärende 
Ausführung in 168 fand und die Erscheinung, dafs die Erzählung 
des Motivs 160 #. erst der Angabe der Thatsache (157—159) 
nachgebracht werde, als eine auch sonst vorkommende Eigentüm- 
lichkeit der homerischen Darstellung bezeichnete. Letzteres aller- 
dings nicht ohne Grund, obwohl man dann eher eine Anknüpfung 
mit 7 τοὶ oder γάρ erwarten sollte; aber zweierlei, was für jene 
von Friedlaender begründete Ansicht spricht, ist doch nicht ab- 
zuweisen. Einmal kann man sich schwer überzeugen, dafs derselbe 
Dichter dieselbe Sache einmal als eine Austreibung des Bellero- 
phon und dann als eine Sendung desselben bezeichnet habe, da 
eine Austreibung, wie überdies der Zusatz ἐπεὶ πολὺ φέρτερος ἦεν 
zeigt, die Anwendung von Gewalt voraussetzt. Sodann ist der 
wiederholte Versanfang τῷ δέ 156 und 160 zwar nicht an sich, 
aber in Verbindung mit den durch den Inhalt gegebenen Anstöfsen 
ein höchst wahrscheinliches Anzeichen der Interpolation oder dop- 
pelter Fassung, wie auch sonst. Haben wir aber eine doppelte 
Fassung anzunehmen, so ist die Ansicht Friedlaenders wohl die 
wahrscheinlichste, wonach 156—159 mit den andern angegebenen 
Bestandteilen die ältere Fassung bieten, da ‘die Länge und Aus- 
führlichkeit bei den Abenteuern des Bellerophon, wo man nur eine 
kurze Genealogie erwartet, doch etwas Befremdendes hat”. Dazu 
kommt, dafs auch nur aus dieser Fassung in 159 das Verhältnis 
des Bellerophon zu Proetos einigermafsen klar wird. Freilich hat 
Nauck gerade diesen Vers, der allerdings nicht ganz geschickt 
ist, als spurius? bezeichnet. 

Nach Heynes Vorgang fand Köchly ferner V. 181 und 182 
mit einander unvereinbar, da bei der Verbindung beider Verse 
ἀποπνείουσα sich auf μέσση χίμαιρα beziehe, und glaubte in beiden 
Versen eine doppelte Fassung zu erkennen. Sodann schienen dem- 
selben 194 f. aus 7184 f. entnommen und hier ungehörig ein- 
gefügt, weil von irgend welcher Beziehung des Volkes zu dem 
Fremden vorher nicht die Rede sei und die Beziehung von ἡ δέ 
196 auf ϑυγατέρα 192 durch jene beiden Verse sehr erschwert 
werde; Anlafs zur Interpolation habe M 311 f. gegeben. Beide 
Vermutungen sind beachtenswert. 

V. 200—202 verwarf schon Friedlaender, weil sie nicht 
nur das spätere Schicksal des Bellerophon in seltsamer, ja undeut- 
licher Kürze mehr andeuten als erzählen, sondern auch in ganz 
unbegreiflicher Weise die Geschichte seiner Kinder unterbrechen: 
der Interpolator meinte die Erzählung mit dem so merkwürdigen 
Ende des Helden vervollständigen zu müssen. Diese Ansicht teilen 
auch Köchly und Franke, welche überdies noch 205 als den 


Z. Einleitung. 139 


Zusammenhang störend hinzunehmen. Gegen die Athetese hat sich 
W. Jordan ausgesprochen. Er hält 200—202 im Zusammenhange 
für notwendig, weil dadurch erklärt werde, wie es möglich ge- 
wesen sei, dals der Sohn eines so gewaltigen Helden wie Belle- 
rophon im Kampfe gefallen, und sieht in dem καὶ κεῖνος 200 eine 
deutliche Beziehung auf 140, da j& auch Bellerophon mit einem 
Wesen göttlichen: Geschlechts, der Chimära, zu klimpfen gewagt 
habe. Allein der letzteren Deutung widerspricht direkt die vor- 
hergehende Erzählung, da Bellerophon die Chimära tötete ϑεῶν 
τεράεσσι πιϑήσας 183, wodurch die Beziehung von καὶ κεῖνος auf 
140 hinfällig wird; und auch die erstere Erklärung kann uns über 
das Bedenken nicht hinwegbringen, dafs der 198 mit μέν begonnene 
Bericht über die Kinder des Bellerophon durch 200—202 in der 
auffallendsten Weise unterbrochen wird. Danach hat die vor- 
geschlagene Athetese grolse Wahrscheinlichkeit. 

Endlich geben die V. 221—223 dadurch "begründeten An- 
stols, dafs der Zweck der darin enthaltenen Angaben, namentlich 
der von dem frühen Tode des Tydeus in dem Zusammenhange 
wenig verständlich ist. Daher hat Köchly alle drei Verse, Franke 
222. 223 als späteren Zusatz verworfen. 

Aus den vorstehenden Erörterungen ergeben sich uns die 
folgenden Resultate. Die Verknüpfung des Gesanges mit dem vor- 
hergehenden in den Eingansversen 1—4 ist nur eine äufserliche, 
der ganze erste Abschnitt (bis 72) zeigt weder mit dem am Schlufs 
von E Erzählten einen inneren Zusammenhang, noch ist er geeignet 
den folgenden Abschnitt angemessen vorzubereiten, da durch das 
hier von Diomedes Erzählte der von Helenos vorgeschlagene Bitt- 
gang zu Athene um Abwehr des Diomedes in keiner Weise ge- 
nügend motiviert wird. Insbesondere ist auch die Adrastosscene 
37-65 teils im Hinblick darauf, dafs der Vertragsbruch 56 nicht 
als Motiv verwendet wird, teils dem’ milden Charakter der ganzen 
folgenden Darstellung gegenüber befremdend. Dagegen finden die 
folgenden zusammengehörenden Abschnitte, der Rat des Helenos 
73—118 und Hektors Gang in die Stadt 237—311 nur unter 
der Voraussetzung der Aristie des Diomedes ihre genügende Mo- 
tivierung und müssen im Anschlufs an diese gedichtet sein. 

Ebenso sicher, wie die vorhergehenden Abschnitte an E an- 
knüpfen, schliefst sich der Besuch des Hektor bei Paris 312— 
369 an I’ an. Eine sichere Beziehung auf den Zweikampf in T 
enthält 339, auch stimmt die Zeichnung der Helena mit der Dar- 
stellung derselben in I’ überein. Dagegen liegt in der bei Paris 
336 vorausgesetzten schmerzlichen Stimmung über seine Nieder- 
lage ein Widerspruch mit seiner leichtfertigen Stimmung in Γ 428 
vor. Ebenso setzt die Angabe 337 f., dafs Helena Paris mit freund- 
lichen Worten zur Rückkehr in den Kampf getrieben, im Vergleich 
zu der bitteren Hohnrede derselben Γ' 428 ff. einen Umschlag der 


140 Z. Einleitung. 


Stimmung voraus, der sich durch die Annahme κατὰ τὸ σιωπώμε- 
vov nicht erklären läfst. Vor allem aber ist der von Hektor bei 
Paris vorausgesetzte Groll gegen die Troer 326 durch das in Γ᾽ 
Erzählte nicht gentigend vorbereitet. In der Begegnung Hektors 
mit Andromache und dem Schlufs des Gesanges 370—529 treten 
besondere Beziehungen auf die vorhergehenden Gesänge nicht her- 
vor, doch findet sich auch nichts, was dem Anschlufs an dieselben 
widerspräche. Die Episode von Glaukos und Diomedes endlich 
hat die Aristie des Diomedes zur Voraussetzung, auch zeigt die- 
selbe in 129 ff. eine offenbare Beziehung auf E 407 ff., aber das 
Benehmen des Diomedes Glaukos gegenüber ist mit der ihm dort 
von Athene verliehenen Gabe die Götter zu erkennen ebenso un- 
vereinbar, wie mit der Art, wie er dort den Göttern entgegentritt, 

Wenn es nach den angegebenen Beziehungen keinem Zweifel 
unterliegt, dals der Gesang im ganzen im Anschlufs an die vor- 
hergehenden Gesänge gedichtet ist, so ist dieser Anschlufs doch 
in einzelnen Abschnitten so ungenau, dafs die ursprüngliche Kon- 
tinuität der Erzählung durch mannigfache Einflüsse gestört sein 
mufs. So wird der ganze erste Abschnitt (1--- 72) als ein Füll- 
stück angesehen werden müssen, welches nach der Umgestaltung 
des ursprünglichen Schlusses von E dazu dienen sollte den Gang 
Hektors zur Stadt mit der Diomedeia wieder zu verbinden. Bei 
der Glaukosepisode würden die bemerkten Differenzen mit der 
Diomedie durch die in der Einleitung zu E aufgestellte Annahme 
ihre Erklärung finden, dafs die ursprüngliche Erzählung in E 
weder von der dem Diomedes verliehenen Gabe die Götter zu er- 
kennen, noch von den Kämpfen desselben gegen Aphrodite und 
Apollon etwas wulste. Indes sind wir geneigt für diese Episode 
einen jüngeren Ursprung anzunehmen und sie gleichzeitig mit der 
Einfügung der Sarpedonscenen in Z zu setzen. In diesem Falle 
werden jene Differenzen daraus zu erklären sein, dafs der Dichter 
die Erzählung der Diomedeia nicht lebhaft genug in der Erinne- 
rung hatte. 

Von den übrigen Abschnitten giebt nur der, welcher den Be- 
such Hektors bei Paris enthält, durch den mangelhaften Anschlufs 
an I’ zu ernstlichen Bedenken Anlafs. Um denselben zu erklären, 
bietet sich zunächst folgende Möglichkeit. Die bemerkten Anstölse 
treffen alle das Verhältnis dieser Erzählung zu dem, was von 
Paris und Helena in Γ' 383—447 berichtet ist. Da nun die letz- 
tere Erzählung, wie in der Einleitung zu Γ' ausgeführt ist, durch 
die Zeichnung der Aphrodite und der Helena den gröfsten Anstols 
erregt hat und immerhin jüngeren Ursprungs sein kann, so könnten 
sich jene Differenzen daraus erklären, dafs die ursprüngliche Er- 
zählung in T, welche die Voraussetzungen für das in Z Erzühlte 
gab, durch jene Scenen verdrängt sei. Aber die Erzählung von 
Hektors Besuch bei Paris erregt auch selbst durch die Art ihrer 


Z. Einleitung. 141 


Einfügung in den Zusammenhang Bedenken. Während wir daran 
kaum Anstols nehmen, dafs die Begegnung Hektors und der An- 
dromache ohne besondere Motivierung an Hektors Gang zur Stadt 
angeschlossen ist, bringt der Besuch Hektors bei Paris, ohne irgend 
wie selbst vorbereitet zu sein, in die Erzählung ein Motiv, welches 
in seiner weiteren Verwendung der Ausgangspunkt einer ganz an- 
dern Entwicklung wird, als die, welche durch die vorhergehende 
Erzählung vorbereitet war. Denn während das Gebet der troischen 
Frauen zu Athene erfolglos ist, so dafs weitere Thaten des Dio- 
medes und ein für die Troer unglücklicher Fortgang des Kampfes 
zu erwarten ist, wird durch die Zurückführung des Paris in die 
Schlacht im Anfang von H eine Wendung des Kampfes zu Gunsten 
der Troer herbeigeführt, und von Diomedes ist weiter keine Rede. 
Durch diese Verhältnisse scheint in der That die innere Einheit 
des Gesanges in Frage gestellt zu werden. Dazu kommen die 
oben p. 124 erwähnten Bedenken, welche sich an die diesen Be- 
such vorbereitenden Worte Hektors 279—285, sowie an den Über- 
gang zu dieser Scene 311 ff. knüpfen. Hier bieten sich nun zwei 
Möglichkeiten. Entweder ist der Besuch des Hektor bei Paris 
eine Eindichtung, welche den Zweck hatte die Erzählung von dem 
Fortgange der Schlacht, wie sie in H folgt, vorzubereiten, wäh- 
rend ursprünglich Hektors Begegnung mit Andromache sich un- 
mittelbar an desselben Besuch bei Hekabe anschlols und die in 
H folgende weitere Schlacht einen andern, den vorher gegebenen 
Voraussetzungen entsprechenden Verlauf nahm. Dies ist zum Teil 
die Ansicht Kammers. Oder der Besuch Hektors bei Paris bil- 
dete von vornherein mit der Begegnung zwischen Hektor und Andro- 
mache eine zusammengehörige Erzählung, welche mit der Erzählung 
von Hektors Gange in die Stadt, wie er in Anfang von Z vor- 
liegt, nichts zu thun hatte, sondern von ganz anderen Voraus- 
setzungen ausging und insbesondere Hektors Gang durch den Zweck, 
Paris in die Schlacht zurückzuführen motivierte. Die letztere von 
Hoffmann vertretene Ansicht empfiehlt sich einmal dadurch, dafs 
Hektors Besuch bei Paris mit der Begegnung zwischen Hektor 
und Andromache teils durch den Parallelismus des Inhalts, teils 
durch die Verschlingung der Erzählung auf das engste verknüpft 
ist. Ferner setzt dieselbe eine bessere Motivierung für Hektors 
Gang zur Stadt voraus und läfst eher begreifen, wie der weitere 
Verlauf des Kampfes in H so wenig den im ersten Abschnitt von 
Z gegebenen Voraussetzungen entspricht, nach welchen man viel- 
mehr weitere Thaten des Diomedes und überhaupt einen für die 
Achäer günstigen Verlauf des Kampfes erwarten mufs. Aber bei 
dieser Annahme bleiben nicht geringe Bedenken hinsichtlich des 
Fortgangs der Erzählung. War die Zurückführung des Paris in 
den Kampf das Hauptmotiv dieser Erzählung, so entspricht dem 
zu wenig die Rolle, welche Paris im Anfang von H zugeteilt ist. 


142 Z. Einleitung. 


Allerdings wird infolge seiner und Hektors Rückkehr die Schlacht 
zu Gunsten der Troer gewendet, aber kaum hat Paris einen Achüer 
erlegt, so folgt bereits jene Verabredung zwischen Athene und 
Apollo, welche zu dem Zweikampf zwischen Hektor und Aias führt. 
Ist ferner die von Naber ausgesprochene Ansicht nicht unbegrün- 
det, dafs die Unterredung zwischen Hektor und seiner Gattin nur 
als die letzte vor Hektors Tode gedichtet sein könne, weil der 
Dichter dem Hektor selbst, wie den Seinen geflissentlich die trüb- 
sten Ahnungen seines bevorstehenden Todes beilegt, so ist es auch 
von hieraus höchst unwahrscheinlich, dafs ursprünglich jener Zwei- 
kampf folgte, aus welchem Hektor am Abend wohlbehalten in die 
Stadt zurückkehrt. Endlich spricht gegen die Kontinuität der Er- 
z&hlung in den letzten Abschnitten von Z und dem ersten von H, 
was Genz geltend gemacht hat, dals der Zweikampf zwischen 
Hektor und Aias keineswegs zur Verherrlichung Hektors gedichtet 
ist, da dieser vielmehr vor Aias zurücktritt, während der Dichter 
von Z es doch vor allem darauf abgesehen hat Hektor in ein 
glänzendes Licht zu stellen. 


Fassen wir noch in einem Rückblick auf die Gesänge B—Z 
die Ergebnisse unserer Erörterungen zusammen, so scheint uns so 
viel sicher gestellt, dafs die Annahme einer einheitlichen Dichtung 
in diesen Gesängen, sei es in der Weise von Düntzer, welcher 
in den Gesängen T—H ein selbständiges Gedicht erkennt, sei es 
dafs man, wie Nitzsch in den Gesängen B—H als ursprünglichem 
Bestandteil der Ilias die Exposition der Verhältnisse im weitesten 
Umfange sieht, unhaltbar ist. Dafür ist entscheidend die Stellung 
der Diomedie innerhalb dieser Gesänge. Nach dem jetzt bestehen- 
den Zusammenhange dem Vertragsbruch unmittelbar angeschlossen, 
zeigt dieselbe weder in der Art des Kampfes irgend welche Nach- 
wirkung dieses Ereignisses, noch in den Reden der handelnden 
Personen die geringste Beziehung auf dasselbe. Ja der thatslich- 
lich vorliegende Zusammenhang mit dem Vertragsbruch, dals der- 
selbe Pandaros, der durch den Schufs auf Menelaos den Vertrag 
gebrochen, von Diomedes getötet wird, ist von dem Dichter so 
vollständig ignoriert, dafs man nicht anders glauben kann, als dafs 
für ihn dieser ‚Zusammenhang gar nicht vorlag. Endlich ist die 
unzweifelhafte Interpolation der Verse 206—208, welche eine Be- 
ziehung auf den Vertragsbruch in den Gesang einfügt, vielleicht 
der sicherste Beweis, dals ursprünglich keinerlei Zusammenhang 
zwischen beiden Gesängen bestand. Von diesem nach unserer An- 
sicht sicheren Resultat aus ergeben sich aber folgende Folgerungen. 
Verlangt der Plan der Ilias nach den im ersten und zu Anfang 
des zweiten Gesanges gegebenen grundlegenden Motiven, mag man 
über den zweiten Gesang sonst urteilen wie man will, die Ein- 


Z. Anmerkungen. 143 


leitung einer grolsen Schlacht und ist in der Diomedie ein Haupt- 
stück dieser in B vorbereiteten Schlacht enthalten, so ist nach 
dem angedeuteten Verhältnis der Diomedie zum Vertragsbruch der 
letztere kein ursprünglicher Bestandteil der Ilias und ebenso wenig 
der Gesang, der die Voraussetzung für diesen bildet, die ὅρκια — 
ein Resultat, welches durch die in der Einleitung zu I’ p. 164 ff. 
dargelegten Bedenken hinsichtlich des Zusammenhangs des Gesanges 
mit dem vorhergehenden und des Verhältnisses zu den grundlegen- 
den Motiven in A sowie dadurch wesentlich unterstützt wird, dafs 
von dem Zweikampf des Paris und Menelaos in Z irgend welche 
Erinnerung und Nachwirkung nicht bemerklich ist, wie Kammer 
nachgewiesen hat. Denn dafs der Besuch Hektors bei Paris, welcher 
an T' ankntipft, nicht ursprünglich ist, wurde uns durch eine 
Reihe von gewichtigen Gründen wahrscheinlich. Indem wir uns 
damit im wesentlichen der von Kammer aufgestellten, in der 
Einleitung zu I’ p.175 dargelegten Ansicht anschliefsen, beschrän- 
ken wir uns im übrigen darauf zu bemerken, dafs wenn die Be- 
gegnung Hektors mit Andromache im Anschlufs an Hektors Gang 
zur Stadt ursprünglich ist, nach dem oben Bemerkten die Stelle 
des Zweikampfes zwischen Hektor und Aias in H erschüttert wird. 

Um noch einmal auf die für die Diomedie angenommenen 
Erweiterungen zurückzukommen, so scheinen diese zum Teil mit 
der Einfügung von I’ und dem Anfang von 4 in Zusammenhang 
zu stehen. Die Anstöfse, welche die Zeichnung der Götter in den 
verworfenen Teilen von E bietet, treffen in gleicher Weise ein- 
zelne Partieen in I’ und den Vertragsbruch. Insbesondere aber 
scheint die olympische Scene in EZ, wo Here und Athene auf 
Grund der Verwundung der Aphrodite Zeus necken, als Gegen- 
stück zu der Ringangsscene von 4 gedichtet, wo Zeus Here und 
Athene durch die Gegenüberstellung der Aphrodite neckt (vgl. 
E 419 mit 45f., auch E 423 mit Γ 415, an welchen beiden 
Stellen allein die Wendung ἔκπαγλα φιλεῖν sich findet) und darauf 
überhaupt die Eindichtung von der Verwundung der Aphrodite 
zu beruhen. 


Anmerkungen. 


18. Über die Anknüpfung des Gesanges an E in den einlei- 
tenden Versen 1—4 vgl. die Einleitung p. 121 und Benicken 
in Zeitschr. ἢ d. oesterr. Gymn. 1881 p. 561—565, Kammer 
die Einheit der Odyssee p. 28 Anmerk. —, zur Kritik des folgen- 
den Abschnitts 5—72 die Einleitung p. 121f., dazu Düntzer hom. 
Abhandl. p. 257f. 288, Holm ad Car. Lachmanni exemplar ete. 


144 Z. Anmerkungen. 


p- ΘΓ 9, Köchly de Niadis carmm. diss. V p. 3f, Jacob Ent- 
stehung d. Il. u. Od. p. 211, Genz zur Ilias p. 24, Bergk griech. 
Litteraturgesch. I p. 580, Naber quaestt. Hom. p. 158, W. Jor- 
dan Homers Ilias übersetzt und erklärt p. 580f. — 3. Nauck 
bezweifelt die Ursprünglichkeit des Verses. — 13. Über die Bil- 
dung Τευϑρανίδης vgl. Angermann in G. Curtius’ Stud. I, 38. — 
16. “Zu diesem Gebrauche von ἀλλά vgl. das lat. at (mit und 
ohne vero oder hercule), welches ebenso die freudige oder bedauernde 
Teilnahme des Sprechenden bezeichnet: aber leider, öfter bei 
Tacitus’. W. Osterwald. — 22. ἀβαρβαρέη “die Sprudlerin, 
vgl. βορβορύξω persisch barbar geschwätzig, Skt. barbura Wasser, 
also ein geschwätziger Quell: vgl. G. Curtius’ Etym. Nr. 394 
und im Anhang zu B 867 βαρβαρύφωνος". G. Autenrieth. 

34. Statt der gewöhnlichen und in allen Handschriften stehen- 
den Lesart ναῖε δὲ Σατνιόεντος hat Zenodotos ὃς ναῖε Σατνιόεν- 
τὸς gelesen, wie Aristonikos berichtet. Diese Angabe wollen 
G. Bernhardy Gr. Litt. 115 5. 191 und Düntzer de Zenod. p. 84 
aus Ariston. zu N 172 in ὃς νάε verbessert wissen. Da aber die 
Schreibweise des Zenodotos bei Aristonikos ausdrücklich κακόφω- 
vov heifst und zu N 172 mit [Ζηνόδοτος] κακόμετρον τὸ ἔπος ποιεῖ 
bezeichnet wird, so ist eher das Umgekehrte anzunehmen, dafs 
Zenodotos an beiden Stellen ὃς ναῖε gegeben habe. Er wird näm- 
lich die Verkürzung des Diphthongen in ναῖε höchst wahrschein- 
lich mit Beispielen von ἔμπαιος (v 379) und οἷος (N 275. Σ 105. 
n 312. v 89: F. A. Wolf Kl. Schrift. von G. Bernhardy 191) 
und υἱός (Fr. Thiersch Gr. Gram. $ 168, 13) und ἐπειή (An- 
hang zu ı 276) gerechtfertigt haben, dies aber wird dem Aristarch 
gerade in ὃς ναῖε als “übelklingend” oder als “üble Versgestaltung” 
erschienen sein. Bei ὃς v«e dagegen wäre nichts Derartiges zu 
bemerken gewesen. 

37—65. Eine Analyse dieses Stückes mit Vergleichung der 
ähnlichen 4 122—142. Φ 34—127 giebt Bischoff über Home- 
rische Poesie, Erlangen 1875 p. 64fl. — 40. Über πρῶτος im 
Sinne von ἄκρος vgl. K. Lehrs de Arist.? p. 146. — 46. An- 
sprechend ist die Vermutung Naucks: δέξῃ an Stelle von δέξαι. 
— 48. Das Kolon nach σίδηρος ist begründet von Pfudel Bei- 
träge zur Syntax der Kausalsätze bei Homer p. 7. 

51. ὄρινεν ist aus Handschriften durch F. A. Wolf in die 
neueren Texte gekommen und dadurch ist die äufserliche Gleich- 
mäfsigkeit mit den übrigen Stellen dieses formelhaften Verses ein- 
geführt. Aber vor Wolf wurde wie noch von Heyne ἔπειϑεν ge- 
lesen: dies baben ADMNOS. γρ. C. Ameis begründete die Zu- 
rückführung dieser Lesart so: ‘1) Durch dieses ἔπειθεν gewinnt 
erst das V. 61 stehende παρέπεισεν seine eigentliche Bedeutung, 
da letzteres offenbar mit Bezug auf das erstere gesagt ist. Erst 
nachdem man 51 ἔπειϑεν in den geläufigern Versschluls ὄρενεν 


Z. Anmerkungen. 145 


geändert hatte, wurde auch 61 παρέπεισεν mit dem Verbum ἔτρεψεν 
vertauscht. 2) Adrastos hat sich 46 bis 50 nicht an das Mit- 
gefühl des Menelaos gewandt, um blofs an dieses zu appellieren, 
sondern er hat nur die aufgezühlten reichen Geschenke als Löse- 
geld versprochen. Dafs hierbei nicht etwa ἐλλίσσετο (42) einseitig 
zu betonen sei, das zeigen Stellen, wo dasselbe Hemistichion mit 
dem Vorgang desselben Verbums erscheint, wie 1587: ἀλλ᾽ οὐδ᾽ 
ὡς τοῦ ϑυμὸν ἐνὶ στήϑεσσιν Emsidov, wo 585 πολλὰ... ἐλλίσσοντο 
vorgeht. X 91: πολλὰ λισσομένω" οὐδ᾽ Ἕκτορι ϑυμὸν ἔπειϑον. Und 
ebenfalls mit persönlichem Dativ ψ 337: ἀλλὰ τῷ οὔ more ϑυμὸν 
ἐνὶ στήϑεσσιν ἔπειϑεν. Vgl. auch 7258. ı 33”. Auch La Roche 
und Nauck lesen: ἔπειϑε. 

56. Die Worte ἦ σοὶ ἄριστα πεποίηται κατὰ οἶκον τϑρὸς Τρώων 
werden allgemein als ein Ausdruck der Versicherung verstanden. 
Aber nach der emphatischen Frageformel τέ 7 δὲ σύ ist der An- 
schlufs einer zweiten Frage für die Situation geeigneter und nach- 
drucksvoller, weil hierdurch die betonten Worte σοί und πρὸς 
Τρώων schärfer hervortreten. Und diese Frageform ist Aristar- 
chisch. Denn Herodian bemerkt hier: περισπαστέον τὸν ἦ᾽ δια- 
πορητικὸς γάρ ἔστι. Auch sonst wird an das von leidenschaft- 
licher Erregtheit zeugende τί ἦ δὲ σὺ eine zweite Frage mit ἦ 
angeschlossen, wie #265. π 424. ρ 376. Und herzustellen ist diese 
Frageform O0 245, wo Herodian ebenfalls bemerkt: ὁ 7 δια- 
πορητικός ἐστι" διὸ περισπαστέον. In den zwei übrigen Stellen hat 
die heftige Gemütsstimmung des Redenden eine andere Wendung 
genommen, nämlich P171 durch den neuen Anfang ὦ πόποι, ἦ 
τ᾽ ἐφάμην und 7500 durch das stabile οὐδέ τί σε χρή, weil dort 
der kluge Odysseus dem “Mütterchen’ (μαῖα) gegenüber sich zü- 
geln mufs. Denselben Charakter der Heftigkeit haben Stellen mit 
zwei Fragen, wie 4 203. — Die Notwendigkeit des orthotonierten 
σοί hat Fr. Spitzner für den Gedanken sattsam erwiesen. Aber 
diese Form ist auch aus einem formalen Grunde notwendig. Die 
Partikel ἦ os nämlich findet sich bei Homer nur in Sätzen, die 
entweder mit dem ersten Versfuls beginnen oder (seltener) mit 
dem fünften. Vgl. Franz Schnorr v. Carolsfeld Verborum 
coll. Hom. p. ὅ9 8ᾳ. — Die Form ἄριστα vor πεποίηται wird von 
den meisten Interpreten und Übersetzern adverbial erklärt. Aber 
ein impersonelles ποιεῖταί τινε “es wird gehandelt an einem’ ist 
weder in diesem Verbum noch in einem analogen Transitivum 
bei dem alles sinnlich belebenden Dichter nachweisbar. Werden 
doch bei ihm selbst Gedanken wie 4107. 546. 2243. 9 351. 
9 347. 4348 und viele andere in persönlicher Wendung ausgespro- 
chen: vgl. zu A546 und den Anhang zu 0347. Es ist daher 
hier das substantivierte ἄριστα als Subjekt nicht zu bezweifeln. 

59. Gewöhnlich wird jetzt nach φέροι Kolon gesetzt und nach 
dem vorhergehenden ἡμετέρας (58) Komma, während F. A. Wolf 


Hexrze, Anhang zu Homers Ilias. II. 10 


146 Z. Anmerkungen. 


und die besten Vorgänger nach ἡμετέρας mit Kolon und nach φέροι 
mit Komma interpungiert hatten, wie es Nikanor verlangt. Und 
diese Interpunktion empfiehlt Joh. Classen Beobachtungen $. 37 
aus dem Grunde, weil dadurch ‘die Verwünschung viel nachdrück- 
licher” werde. Es machen sich aber drei Bedenken geltend: 1) 
Ein selbständiger neuer Satz mit μηδέ und dem Relativum, 
der dasselbe μηδέ mit einem Demonstrativ zum Nachsatz hätte, 
ist im Homer nicht weiter zu finden: alle derartigen Sätze mit 
μηδέ oder οὐδέ und Relativ oder Konjunktion haben einen engeren 
Anschlufs an das vorhergehende. 2) Ein psychologischer Grund: 
wo der leidenschaftliche Zorn seine Worte kürzt und kleinere 
selbständige Sätze gebraucht, pflegt er den Gedanken jedesmal in 
eine and&e Bahn zu lenken (ein Beispiel im Anhang A 234). 
Hier aber hält der zornvolle Agamemnon ganz denselben Ge- 
danken fest, nur dafs er ihn durch und’ ὅν τινα bis φύγοι aufs 
höchste gesteigert hat; daher: 3) Eine Steigerung, wie sie hier 
durch und’ ὅν τινα eingeleitet wird, kann zu dem Gedanken, der 
gesteigert werden soll, nur in engster Beziehung gedacht werden. 
Diese Verwünschung nämlich würde, in einer etwas beruhigteren 
Stimmung gesprochen, etwa also lauten: χεῖράς 9° ἡμετέρας, μηδ᾽ 
εἷς φύγοι, ἀλλ᾽ ἅμα πάντες κτέ, Für das einfache μηδ᾽ εἷς φύγοι 
aber ist von der leidenschaftlichen Erregtheit des Redenden mit 
den Worten μηδ᾽ ὅν τινὰ γαστέρι μήτηρ κοῦρον ἐόντα φέροι, μηδ᾽ 
ὃς φύγοι eine schroffe Detaillierung in drastischer Steigerung ge- 
geben, die durch ein Kolon mach φέροι in ihrer Kraft und in 
ihrem eigentlichen Wesen gestört würde. Viel berechtigter könnte 
man ein Kolon nach φύγοι setzen, wie F. A. Wolf und dessen 
Vorgänger gethan haben, weil mit ἀλλὰ ἅμα πάντες “nein, zu- 
gleich alle’ zum Hauptsatze μή τις ὑπεχφύγοι zurückgekehrt wird. 
Weil aber in erregterem Unwillen die Worte wie unda supervenit 
undam ununterbrochen fortströmen (vgl. m 107 f.), so ist es ge- 
ratener blofs Komma zu setzen, ohne dafs deshalb die Beziehung 
des ἀλλά auf μήτις beeinträchtigt wird. Nach dem allen ist das 
Resultat, dals sowol nach ἡμετέρας, als auch nach φέροι und φύγοι 
mit blofsem Komma zu interpungieren ist, vgl. auch Hentze zur 
Periodenbildung bei Homer. Göttingen 1868 p. 12, wo ähnliche 
Erscheinungen zusammengestellt sind. — Über die durch Agamemnon 
hier ausgesprochene Grausamkeit geben die Schol. BLV zu 58 
eine gute Bemerkung. Die Gründe der Unbarmherzigkeit nämlich, 
welche Agamemnon ausspricht und Menelaos 62 durch sein Han- 
deln billigt, gelten ausschliefslich dem Feinde, dem als Ver- 
letzer des Rechts keine Sühne gestattet werden darf. Vgl. indes 
Jordan Homers Ilias übersetzt, p. 582. Die homerische Stelle 
berticksichtigen auch Horat. carm. IV 6, 19 f. Themist. or. 34 p. 467 
Dind. Ähnliche Beispiele von Grausamkeit bei Homer sind im 
Anhang zu 0 339 erwähnt. — 66. Die augmentierte Form ἐκέκλετο 


Z. Anmerkungen. 147 


steht bei Homer immer an derselben Versstelle, so dafs sie überall 
den vierten Fuls schliefst. [ρου μακρὸν ἀύσας vgl. Joh. Classen 
Beobachtungen 8. 117. 

73—118. Die diesen Abschnitt betreffenden kritischen Fragen 
sind erörtert in der Einleitung p. 122 δ᾽, dazu vgl. Hoffmann im 
Philol. III p. 2131., Düntzer hom. Abhandl. p. 258f., Jacob 
Entstehung der Il. u. Od. p. 211f,, Bergk griech. Litteraturgesch. 
Ip. 581. — 89 ist verworfen von Köchly dissert. VI p. 3. 

92. Über die Statue der Athene in ihrer kunstgeschicht- 
lichen Bedeutung vgl. Brunn die Kunst bei Homer p. 4f. und 
die Gegenbemerkungen im Philol. Anzeiger I p. 25f. Sonst vgl. 
Naegelsbach hom. Theol.? p. 199. — 96. Statt des gewöhn- 
lichen αἴ κεν hat Aristarch ὥς xev gelesen. Zur Rechtfertigung 
der ersteren Lesart vgl. den Anhang ? zu r 83. 

99. Vgl. G.W. Nitzsch Beitr. zur Gesch. der ep. Poesie 8. 390, 
wo unter anderm folgendes bemerkt ist: ‘Der Seher bezeichnet die 
Furchtbarkeit des Diomedes in Vergleichung; selbst den Achill hätten 
sie nicht so gefürchtet... Es ist seine persönliche Sprache, dafs 
er den Grad der damaligen Furcht durch diese Vergleichung milst. 
Achill ist der Typus der Heldenkraft für den troischen Seher wie 
für Agamemnon H 113, wo er den Menelaos vom Kampf mit Hektor 
abmahnt. Den Hektor brachte Diomedes und brachte Aias in Todes- 
gefahr (A 354—360. 5 409—418), und in der ganzen Ilias herrscht 
neben dem Gedanken an den mächtigen Achill der, dals die Troer 
mit all ihren Helden nachstehn, und einst werden unterliegen 
müssen”. — 101. Statt der Überlieferung οὐδέ τίς of, worin das 
bei Homer stabile Digamma von ol verletzt ist, ist Bentley’s 
Konjektur οὔ τίς ol in den Text genommen nach dem Vorgange 
von I. Bekker, der aufserdem von Bentley auch ἀντιφερίξειν 
statt des überlieferten ἰσοφαρέξειν adoptiert hat. Auch Nauck 
vermutet οὔ τίς of, hat aber nur ἀντιφερίξειν in den Text ge- 
nommen. Beides wird schon von Heyne gebilligt unter Verglei- 
chung von ® 357. Dagegen hat sich Cauer in G. Curtius’ Stud, 
VII p. 120 gegen die Schreibung οὔ τίς ol ausgesprochen. — 
113. An Stelle des handschriftlichen βείω schreibt Nauck Ara, 
was L. Meyer Griech. Aoriste, Berlin 1879 p. 30 billigt. — 
114. Einen Grund, warum hier die γέροντες βουλευταί erwähnt 
sind, giebt der Schol. A in den Worten νοητέον. .. ὡς ἐπὶ στρα- 
τείας (was Schoemann Opusc, III p. 3 in στρατιᾶς verbessert) 
καὶ παρατάξεως τοῦ πρέποντος χάριν τοῦτο προστεϑεικέναι. 

119. Die folgende Episode von Glaukos und Diomedes ist 
kritisch behandelt in der Einleitung p. 133 Β΄, dazu vgl. Lachmann 
Betracht. p. 22, Hoffmann im Philolog. III p. 213, Holm ad 
Car. Lachmanni exemplar etc. p. 7f, Köchly de Il. carmm. diss. 
Vp. 4£, VIp. 3—6, Düntzer hom. Abhandl. p. 11f. 259. 288, 
Jacob Entstehung d. Il. u. Od. p. 209, Genz zur Ilias p. 23, Naber 

τοῦ 


148 Z. Anmerkungen. 


quaestt. Hom. p. 155, Bergk griech. Litteraturgesch. I p. 574 
vgl. Benicken das dritte und vierte Lied p. 220 f., v. Christ 
in Sitzungsber. d. philos.-philol. Kl. d. königl. bayer. Akad. d. Wiss. 
1881, II p. 159. 167, auch in Jahrbb. £ Philol, 1881 p. 148, 
Giseke homer. Forschungen p. 159. 234, M. Schmidt Meletem. 
Hom. II p. 13f,, W. Jordan Homers Dias übersetzt und erklärt 
p. 583 #. — 123. Über die mit τίς δέ eingeleitete Fragen vgl. 
Jordan de pronominalium quae dicuntur interrogationum usu Ho- 
merico, Halle 1879 p. 54fl. — 124. van Herwerden quaesti- 
unculae ep. et eleg. p. 7 empfiehlt das Objekt oe einzufügen und 
zu schreiben μάχῃ σ᾽ ἔνι, ebenso Nauck. — 130. Über die von 
Düntzer hom. Abh. p. 259 und La Roche in der Zeitschr. f. 
d. oesterr. Gymn. 1863 p. 170 vorgeschlagene Athetese von 130— 
141 vgl. die Einleitung p. 137. Über die Form Ausoogyog, wofür 
I. Bekker mit Bentley Avnöfegyog aufgenommen hat, vgl. Lobeck 
Elem. II p. 64. — 132. Über Dionysos bei Homer vgl. K. Lehrs 
de Arist.? p. 182 f.; Lobeck Aglaoph. p. 286 sqq.; Θ΄ W. Nitzsch 
zu «197, und in Verbindung mit Nysa: Duncker Gesch. des 
Altert. II? 8. 328, Welcker griech. Götterl. II p. 586; zur Deu- 
tung des Mythus Hehn Kulturpflanzen u. Haustiere p. 24. 
146 f. Über die in diesen Versen sich ausprägende wehmü- 
tige Stimmung vgl. Bergk griech. Litteraturgesch. I p. 822. 
150. Über die ‚Interpunktion bemerkt Nikanor zu Z 150: ὑπο- 
στικτέον εἰς τὸ ἐϑέλεις, ἵνα a τὸ δαήμεναι ἀντὶ προστακτικοῦ τοῦ 
δάηϑι. Ebenso zu Φ 487: ὑποστικτέον ἤτοι ἐπὶ τὸ ἐθέλεις ἢ ἐπὶ 
τὸ δαήμεναι, ὡς ἐν τῇ Ζ ῥαψωδίᾳ προείρηται. ἢ καὶ πομματικὸν 
ἀπέλιπε τὸν λόγον ἐπίτηδες ὁ ποιητής (αἱ Χ 111), τῆς ϑεοῦ διὰ 
τῶν ἔργων τὸ λεῖπον ἀναπληρωσάσης. Und zu Ὑ 218 bemerkt Ari- 
stonikos: ἡ διπλῆ, ὅτι ἀπαρέμφατον ἀντὶ προστακτικοῦ τοῦ δάηϑι. 
Dasselbe ist von ihm zu ®487 überliefert: ὅτε avri τοῦ δάηϑι 
προστακτικοῦ. In Bezug auf die Note des Nikanor zur letztern 
Stelle erinnert L. Friedlaender ad Nican. p. 28 folgendes: ‘nam 
ambigebatur utrum pro δάηϑι positum esset an proprie dietum. 
lud praetulit Aristarchus (ad 7213) et videtur praetulisse Ni- 
canor; nam ad Z 150 hanc solam explicationem quasi solam ab 
eo profectam exhibet epitomator”. Wie an den behandelten drei 
Stellen der Ilias, so hat man auch 0 80 εἰ δ᾽ ἐϑέλεις, τραφϑῆναι 
av’ Ἑλλάδα καὶ μέσον ”Agyog interpungiert und den Infinitiv als 
Imperativ erklärt. Denn die dort aus dem cod. Marcianus 613 
erwähnte Variante r&gp®yr ist eine exegetische Reliquie aus der 
Aristarchischen Schule. Mit Recht hat J. La Roche in seiner 
Ausg. bemerkt: “Aristarchum post ἐθέλεις interpunxisse et infini- 
tivum τραφϑῆναι Pro imperativo positum accepisse docent Scholl, 
Z 150. T213°. Von den Neuern hat A. Rhode Hom. Miscellen 
(Mörs 1865) 8, 13 diese Erklärung adoptiert mit Anführung von 
4441. Ebenso Ameis. Aber vgl. dagegen L. Lange de formula 


Z. Anmerkungen. 149 
Hom. εἰ δ᾽ ἄγε p. 6 und den Anhang zu 0 78—85. — 151. Die 
Ursprünglichkeit dieses Verses wird von Nauck bezweifelt. — 
152. Über Ἐφύρη K. Lehrs de Arist.? p. 231. 

155. Zu dem daktylischen 2. Fulse in dem angegebenen Falle vgl. 
Anhang zu Ψ 228 und J. La Roche Hom. Untersuch. S. 105 ἢ, den 
Über den Namen Βελλεροφόντης vgl. Roscher in G. Curtius’ Stud, 
II p. 138, über die märchenhaften Elemente der Sage Bender 
die märchenhaften Bestandteile der homer. Gedichte, Darmstadt 
1878 p. 12—14. — 156—159. Über die an diese Verse sich 
knüpfenden kritischen Fragen vgl. die Einleitung p. 137, dazu 
Friedlaender im Philol. IV p. 579, Nitzsch Beiträge p. 149, 
Köchly de Il. carmm. diss. VI p. 3. — 159. ᾿Αργείων machen 
manche von φέρτερος abhängig, indem sie nach ἦεν die Interpunktion 
entfernen. Aber 1) das stabile φέρτερος ἐστίν oder ἦεν steht in der 
Regel absolut, nur in Bezug auf die Person von welcher die Rede 
ist, vgl. die Beispiele im Anhange zu ı 276, oder es wird dazu 
ein vollständiger Gedanke mit ἤ in Beziehung gesetzt wie u 110. 
9155. Und 2) Agyelov als Komparativ-Genetiv giebt einen un- 
klaren Begriff. Denn soll es, woran man nur denken würde, ‘alle 
übrigen’ Argeier als Unterthanen des Königs (163) bezeichnen, so 
gewinnen wir einen nutzlosen und trivialen Gedanken, den man 
dem Dichter nicht zutrauen darf, Vgl. auch Könighoff Critiea 
et exegetica, Münstereifel 1850 p. 9. — Statt ydg ol, was Didy- 
mos auch als Aristarchische Lesart kenntlich macht, bieten codd. 
Venet. Vrat. a. Mosc. 1 γὰρ μέν, worüber J. La Roche über den 
Gebr. von ὑπό bei Homer 8. 16 also urteilt: “Die Variante μέν 
scheint entstanden zu sein, weil man sonst keinen Grund für die 
Länge von γάρ aufzufinden wulste”. Dagegen bemerkte Ameis: 
‘Mir scheint μέν eine Glosse zu sein, welche die richtige Exegese 
dieser Stelle enthält. Gewöhnlich wird zu ἐδάμασσεν als Objekt 
᾿Αργείους gedacht. Aber dann ist nicht ersichtlich, welchen Sinn 
dieser Gedanke für den Zusammenhang habe”. Übrigens bezwei- 
felt Nauck die Ursprünglichkeit von V. 159. — 160. Über das 
Beiwort die und die ähnlichen Epitheta in solcher Verbindung 
vgl. C. G. Jacob Quaest. ep. p. 10. Hier ist schon bei Hero- 
dian bemerkt: τὸ δῖα κατὰ κόσμον ποιητικὸν προσέρριπται, ὡς καὶ 
ἐπὶ τοῦ “δῖα Κλυταιμνήστρη᾽" (Od. γ 266). 

169. Zu dieser denkwürdigen und vielbesprochenen Stelle 
mögen einige der vorzüglichsten Erörterungen angeführt werden. 
R. Bentley Abhandl. über die Briefe des Phalaris deutsch von 
W. Ribbeck 8. 532 bemerkt: “Homer, aus dem sie alle die Sache 
haben, weils nicht; von einem Briefe, sondern nur von einem πέναξ 
πτυχτός Z169. πίναξ πτυκτός ist aber dasselbe wie deArög und 
im Lateinischen tabella, pugilares, codieilli, kleine Holzbretter mit 
Wachs überzogen und so mit einem metallnen Griffel beschrieben. 
So bemerkt Plinius (N. H. XIII, 11, 21) über diese Stelle des 


150 Z. Anmerkungen. 


Homer: Pugillarium usum fwisse eliam ante Troiana tempora in- 
venimus apud Homerum, und sagt ausdrücklich, die Schriften, die 
Bellerophontes überbrachte, seien nicht Briefe, sondern Codicille 
gewesen: Homerus Bellerophonti codicillos, non epistulas prodidit. 
(Ibid. 13, 27)”. Die Haupterörterung aber giebt F. A. Wolf 
Proleg. p. LXXXIlsqg., wo er aufser anderm das δεῖξαι betont, 
das nimmermehr von der Einhändigung eines Briefes (‘de 
epistola reddenda’) gesagt werden könne. Dann erwähnt er p. 
LXXXVI dafs unsere Scholien wie Apollodor III 1 unter πίνακα 
πτυχτόν verständen “ligneam tesseram vel symbolum aliquem, qui 
notas mortiferas rudi arte incisas habuerit’, und fügt in der not. 49 
hinzu: “mihi veri persimile videtur, iam tum inter cognatos ob- 
tinuisse notas quasdam symbolicas, quibus de nonnullis gra- 
vissimis rebus sensa animorum inter se communicarent, in primis- 
que hoc genus ϑυμοφϑόρων σημάτων, inventum fortasse ea aetate, 
qua ultionis caedium ;et inimieitiarum dira saevitia vigebat’. Dieser 
Ansicht folgt im wesentlichen G. Bernhardy Epierisis disputa- 
tionis Wolfianae de carminibus Homerieis (Halle 1846) p. VIII in 
den Worten: “tesseram notis symbolicis refertam aceipi iubet 
interpretatio paulo diligentior, neque alium exitum significatio ver- 
borum ostendit’; und im Grundr. der Griech. Litt. 15 8. 309: ‘die 
vielbesprochene Wendung σήματα λυγρά, γράψας ἐν πίνακι πτυκτῷ 
ϑυμοφϑόρα πολλά, läfst nur von symbolischen Zeichen oder 
Chiffern sich verstehen’. Weiter auseinandergesetzt hat diese 
Ansicht O. Jüger Über die Stelle Dias VI 168 f. (Mörs 1863), 
wo, es S. 10 heifst: ‘Der König von Lykien bewirtet den Helden 
neun Tage lang; am zehnten erst, nach der feinen Gastsitte der 
heroischen Zeit, begehrt er sein σῆμα, die Einführungskarte 
von seinem Schwiegersohn, zu sehen: aber es war ein σῆμα κακόν, 
es war eine schlimme Empfehlungskarte’”. Und 8. 11: ‘Der Dichter 
hat sich sicherlich Zeichen gedacht, die zwischen den beiden ver- 
wandten Königen verabredet und die nur dem Adressaten sofort 
deutlich verständlich waren, aber da es σήματα λυγρά unheil- 
bezeichnende waren, so waren sie jedenfalls von der Art, dals sie 
von Bellerophontes erblickt, diesem hätten Verdacht einflöfsen 
können. Ebensowenig will ich nun darauf Gewicht legen, dafs es 
heilst ϑυμοφϑόρα πολλά sc. σήματα die Tafel also nicht blofs den 
einfachen Auftrag, den Bellerophontes zu töten, sondern etwas 
mehr, vielleicht die Motivierung, da man einen Gast doch nicht so 
ohne weiteres tötet, nach des Dichters Vorstellung enthalten haben 
mag. Was die Stelle aufs mindeste, aber auch ohne allen Zweifel 
voraussetzt, ist dies: mittels verabredeter Zeichen auf Holz oder 
eine Steinplatte oder ähnliches Material geritzt, konnte ein Ab- 
wesender einem Abwesenden sagen lassen: “töte du den Über- 
bringer dieser Tafel”: es wäre indes wenig gewagt zu behaupten, 
dafs mittels solcher zwischen Zweien verabredeter Zeichen selbst 


Z. Anmerkungen. 151 


ziemlich genaue Einzelheiten gegeben werden konnten’. Dazu be- 
merkte Ameis: ‘Diese ganze Erklärung ist nun ihrer Hauptsache 
nach auf den ersten uns bekannten Urheber, auf Aristarch zu- 
rückzuführen. Dieser nämlich hat, wie aus der Note des Aristo- 
nikos erhellt, hier die Ansicht gehabt, dafs ein zwischen Schwieger- 
vater und Schwiegersohn früher verabredetes Wahrzeichen, eine 
nur jenen beiden verständliche Art von tessera hospitalis gemeint 
sei. Was aber die Ausdeutung des Einzelnen betrifft, so sind fol- 
gende Punkte speziell zu beachten. 1) Das πόρεν δ᾽ ὅ γε σήματα 
Auygd.mit dem unmittelbar folgenden γράψας ἐν πίνακι πτυκτῷ 
ϑυμοφϑόρα πολλά ist eine Verbindungsweise, die einen Gegensatz 
involviert, also zwei verschiedene Dinge bezeichnet: denn von 
derselben Sache gesagt würde πολλά weder logisch noch poetisch 
sich rechtfertigen lassen, der Begriff wäre nicht blols bedeutungs- 
los, sondern geradezu störend. 2) Mit δεῖξαι, das Wolf besonders 
hervorhebt, ist ein sinnlich anschaulicher Begriff gegeben: es 
muls also etwas bezeichnet sein, das jedem sogleich in die Augen 
fiel, daher nicht innerhalb der gefalteten Tafel verschlossen sein 
konnte. 3) Da σήματα λυγρά und 178 σῆμα κακόν erwähnt werden, 
so folgt daraus, dafs bei derartigen Verabredungen auch ein ‘gutes’ 
Zeichen festgesetzt wurde, und dafs beides aus einer bestimmten 
bildlichen Darstellung sofort erkennbar war. Daher verlangte der 
König 176 einfach σῆμα ἰδέσϑαι, um zu erfahren, ob jener ein 
‘gutes’ oder ein ‘schlimmes’ Zeichen mit sich brächte. 4) Wenn 
man in ϑυμοφϑόρα πολλά die Bezeichnung findet “töte du den 
Überbringer dieser Tafel”, so giebt das den bedenklichen Gedan- 
ken, dafs der Schwiegersohn vom Schwiegervater den Dienst eines 
Schergen gefordert habe. Und wenn man wegen des πολλά noch 
eine “Motivierung” oder die Angabe “ziemlich genauer Einzel- 
heiten’, also den ausführlichen Ausdruck der “sensa animorum” 
hinzunimmt: so giebt das dazu gewählte Mittel, nämlich die An- 
nahme symbolischer Bilderschrift, eine viel schwierigere und weit- 
läufigere Aufgabe, als in dem angenommenen Gebrauche der Buch- 
stabenzeichen enthalten ist. Daher scheint mir der Gedanke an 
Buchstabenzeichen näher zu liegen. Als Inhalt dieser Buchstaben- 
schrift aber empfiehlt der Zusammenhang von 179 ff. die Annahme, 
dafs der Schwiegersohn seinen Schwiegervater ersucht habe, den 
Überbringer auf Abenteuer auszusenden, damit er wegen der be- 
schriebenen Schuld seinen Tod fände. Freilich hat F. A. Wolf 
Proleg. p. LXXXVIII schliefslich alle negativen Momente in den 
Satz zusammengefalst: “nusquam vocabulum lidri, nusquam lectio- 
nis, nusquam litferarum: nihil in tot millibus versuum ad lectionem, 
omnia ad auditionem comparata’ οὶ, Aber es ist schon von 
mehreren Seiten entgegnet worden, dafs dies alles nicht in die 
objektive Schilderung des homerischen Epos gehöre und dafs auch 
Vergil in der Äneis die Buchstabenschrift nicht erwähnt habe. 


152 2. Anmerkungen. 


Mir scheint ϑυμοφϑόρα substantiviertes Neutrum zu sein, bei dem 
man am einfachsten an Worte denkt, gerade wie derselbe Begriff 
bei den im Anhang zu ı 474 berührten Dativen vorschwebt”. Auch 
ΤᾺ, Bergk Griech. Litt. (Allg. Eneykl. der Wissensch. und Künste 
Erste Sektion LXXXI) 8. 299 f. entscheidet sich dafür, dafs die 
Buchstabenschrift der Zeit des Dichters keineswegs fremd gewesen 
sei. Vgl. auch Nutzhorn die Entstehungsweise der homer. Ged. 
Ρ. 78. In Bezug auf‘ die in Hissarlik gefundenen Inschriften be- 
spricht den Gegenstand auch Gladstone Homer und sein Zeit- 
alter, deutsch von Bendan, p. 66#. — 179. Statt ἐκέλευσεν ver- 
mutet Nauck: Fe κέλευσεν. — 181. Vgl. Ovid. Trist, V 7, 13f. 
und daselbst Loers. Über 181f. vgl. die Einleitung p. 138 und 
Köchly diss. VIp. 4. — 183. Nauck vermutet πεποιϑώς an Stelle 
von πιϑήσας. — 186. Über die Amazonen vgl. Goettling Ges. 
Abhandl. II $. 196 ff. und über Homer 8. 199. 

195. ὄφρα νέμοιτο ist die gewöhnliche Lesart, nur der Vene- 
tus A nebst LO bietet πυροφόροιο, wie M 314 einstimmig gelesen 
wird. Und dies hat I. Bekker in den Text genommen. Vgl. 
indes Franz Spitzner. Übrigens vgl. die Einleitung p. 137 mit 
Köchly diss. VI p. 4f. 

200— 202. Zur Kritik über diese Verse, sowie über 205 vgl. 
die Einleitung p. 138f., dazu Friedlaender im Philol. IV p. 580, 
Köchly de Iliadis carmm. diss. VI p. 5, Franke bei Faesi zur 
Stelle, W. Jordan Homers Ilias übersetzt und erklärt p. 584. — 
206 ist nach Bekker in d. hom. Blätt. Ip. 322 von Nauck δ᾽ 
ἐμὲ τίκτε statt des handschriftlichen δ᾽ ἔμ᾽ ἔτικτε geschrieben. 

221—223. Über die Athetese dieser Verse vgl. die Einlei- 
tung p. 139, dazu Köchly de Il. carmm. diss. VI p. 6, Franke 
bei Faesi zur Stelle, W. Jordan Homers Ilias übersetzt und er- 
klärt p. 584. — 221 vermutet Brugman ein Problem d. hom. 
Textkritik p. 74 ἐν δώμασιν οἷσι statt ἐν δώμασ᾽ ἐμοῖσι. 

228. Mit Recht hat J. La Roche Hom. Stud. $ 81,1 8.144 
bemerkt, dafs die Dative ἐμοί und σοί in Bezug auf die Infinitive 
χτείνειν und ἐναιρέμεν gesetzt seien. Daher ist das Komma nach 
κτείνειν und ἐναιρέμεν nicht mit I. Bekker, W. Dindorf und 
anderen zu tilgen und nach ἐπίκουροι und ᾿άχαιοί zu interpun- 
gieren. Das verbietet auch das beschränkende γέ im Relativsatze. 
Freilich hat Bekker aus untergeordneten Quellen ϑεός re statt 
des gut beglaubigten $eög γε aufgenommen, wahrscheinlich weil 
er das ϑεὸς πόρῃ und das ποσσὶ κιχείω als zwei verschiedene 
Dinge betrachtet wissen will. Aber es läfst sich beides von ein 
und derselben Person verstehen, wenn man an die zu ὃ 476 und 
723 behandelte Wortstellung denkt. 

234. Zu den Worten φρένας ἐξέλετο bemerkte Heyne: 'poeta 
iudieium suum apponit ex sensu hominum de pretio, nullo cum 
respectu ad animi generosi notionem in dando munere. Exprimit 


Z. Anmerkungen. 153 


autem iudicium suum verbis vulgaribus: eum plane non cogitasse 
de pretio; stulteque fecisse, non deliberate und Ameis fand 
in dem starken Ausdruck φρένας ἐξέλετο Ζεύς den Humor eines 
Sprichworts. Schiller über naive und sentimentalische Dichtung 
Bd. 12 8. 151 ff. (der Cottaschen Ausg. von 1867) hat über die 
ganze Stelle bemerkt: “Diesem rührenden Gemälde der Pietät, mit 
der die Gesetze des Gastrechts selbst im Kriege beobachtet 
wurden, kann eine Schilderung des ritterlichen Edelmuts im 
Ariost an die Seite gestellt werden, wo zwei Ritter und Neben- 
buhler, Ferrau und Rinald, dieser ein Christ, jener ein Sarazene, 
nach einem heftigen Kampfe und mit Wunden bedeckt, Friede 
machen und, um Angelika einzuholen, das nämliche Pferd be- 
steigen. Beide Beispiele, so verschieden sie übrigens sein mögen, 
kommen einander in der Wirkung auf unser Herz beinahe gleich, 
weil beide den schönen Sieg der Sitten über die Leidenschaft 
malen und uns durch Naivetät der Gesinnungen rühren. Aber 
wie ganz verschieden nehmen sich die Dichter bei Beschreibung 
dieser ähnlichen Handlung’ usw. Sodann berührt Schiller die 
Objektivität Homers in den Versen 224 bis 233, indem er hinzu- 
fügt: ‘Schwerlich dürfte ein moderner Dichter (wenigstens schwer- 
lich einer, der es in der moralischen Bedeutung dieses Wortes ist) 
auch nur bis hierher gewartet haben, um seine Freude an dieser 
Handlung zu bezeugen. Wir würden es ihm um so leichter ver- 
zeihen, da auch unser Herz beim Lesen einen Stillstand macht 
und sich von dem Objekte gern entfernt, um in sich selbst zu 
schauen. Aber von allem diesem keine Spur im Homer; als ob 
er etwas Alltägliches berichtet hätte, ja,'als ob er selbst kein 
Herz im Busen trüge, führt er in seiner trockenen Wahrhaftig- 
keit fort:” (Vers 234 bis 236). “Dichter von dieser naiven Gattung 
sind in einem künstlichen Weltalter nicht so recht mehr an ihrer 
Stelle.” Zu der von Schiller erwähnten “trockenen Warhaftig- 
keit”, meinte Ameis, gehöre auch die derbe Bezeichnung φρένας 
ἐξέλετο Zeig: “die Höhe der Situation, wie sie in 234 bis 236 
erscheint, wird nicht durch eine subjektiv gestaltete Wertbestim- 
mung und schwache psychologische Redeweise, sondern durch die 
objektive Kraft einer stehenden Formel in humoristi- 
schem Tone am schönsten zur sinnlichen Erscheinung gebracht’. 
In ähnlichem Sinne hat die Stelle besprochen Schneidewin die 
homerische Naivetät p. 115 ff. Dagegen bemerkt Haupt bei Belger 
Moriz Haupt als akademischer Lehrer, p. 191: “Naiv ist hier nicht 
das unschuldige Dichten, sondern die Unbefangenheit, mit der der 
Dichter es kundgiebt, dafs ihm die Seelengröfse seiner Helden 
nicht palst. Heyne wollte die drei Zeilen 234—236 tilgen. 
Davor werden wir uns hüten. Wir erblicken hier ein sicheres 
Zeichen tiberlieferter Sage: der Dichter steht hier unter seinem 
Volke.” Gerlach aber im Philol. XXXIII p. 27 sieht in den Versen 


154 Z. Anmerkungen. 


234—36 nur eine philiströse, von gemeiner Gesinnung zeugende 
Bemerkung und verwirft dieselbe als Interpolation. — Der sprich- 
wörtliche Charakter, mit welchem das χρύσεα χαλκείων bei späteren 
von der Ungleichheit in verschiedener Hinsicht erwähnt wird, 
ist aus Stellen ersichtlich wie Plat. Symp. c. 34 p. 219°; Heliodor. 
VII 10. IX 2; Plut, adv. Stoic. c. 11 p. 1063°; Aelian V. H. IV 
5, 10. Themist. or. 11 p. 151°; Cie. ad Att. VI 1, 23; Horat. 
Sat. I 7, 16; Gell. N. A. II 23. Ja U. A. Evertsz de Homeri 
auetoritate apud iureconsultos Romanos (Leovardiae 1819) p. 77 
hat es sogar noch aus Iustinianus nachgewiesen. Wegen der nach- 
folgenden Preisbestimmung vgl. Hultsch Metrol. 8.124. — Übri- 
gens empfiehlt Nauck Melanges IV p. 583 Γλαύκου statt Γλαύκῳ. 

237. Über die in dem folgenden Abschnitt (bis 312) aus- 
gesprochenen Athetesen vgl. die Einleitung p. 124ff,, dazu Düntzer 
'hom. Abh. p. 260f, Naber quaestt. Hom. p. 158, Kammer zur 
homer. Frage I p. 27, Hoffmann quaestt. Hom. II p. 183; zu 
V. 252: Köchly de Il. carmm. diss. VI p. 7, Düntzer hom, Abh. 
p. 260, Jacob Entstehung d. Il. u. Od. p. 213; zu V. 311. 312: 
Köchly de Il. carmm. diss. VI p. 8, v. Christ in Jahrbb. ἔς Philol. 
1881 p. 152, Bergk griech. Litteraturgesch. I p. 496. 573. — 
Die Gleichzeitigkeit beider Erzählungen ist schon von den Alten 
bemerkt worden. So sagen die Schol. BL. εὐκαίρως μεταβαίνει, τὸ 
διάκενον τῆς πορείας Ἕκτορος ἀναπληρώσας τοῖς διὰ Γλαύκου καὶ 
“Διομήδους. Dies haben später viele von neuem erinnert bis herab 
auf F. Nutzhorn Entsteh. der Hom. Gedichte 5, 132 not. — Statt 
des von den meisten Handschriften gebotenen φηγόν giebt der 
Ven. A und andere πύργον, und diese Lesart empfehlen Fr. Schöll 
in den Acta societ. Lips. ed. Ritschel II, 2, 437 und Naber quaestt. 
Hom. p. 45: “ne matronae et virgines Troianae urbe exüisse videan- 
tur”. — 242 ff. Über die hier geschilderte Lokalität vgl. H. Rumpf 
de aedibus Homerieis I p. 28 8ᾳ. und jetzt: Protodicos de aedi- 
bus Homerieis, Lips. 1877 p. 25, der eine ganz neue Anord- 
nung giebt, auch v. Sybel über Schliemanns Troja, Marburg 1875 
p. 8. Von τέγεοι 248 ist uns die Erklärung Aristarchs über- 
liefert. Denn Aristonikos bemerkt dazu folgendes: ἡ διπλῆ, ὅτι 
ὑπερῷοι σαν, διὸ τέγεοι, I ἵνα μὴ διοδεύωνται. ἐπιμελῶς δὲ Ὅμηρος 
καὶ διὰ τῆς Ἰλιάδος καὶ διὰ τῆς Ὀδυσσείας τοὺς γυναικείους ϑαλά- 
μους συνίστησιν. --- 245 und 249, πλησίον ADSMNO und die bei 
Heyne erwähnten. Vgl. aber Spitzners Urteil. — 252. In den 
Worten Auodienv ἐσάγουσα haben die Alten, unter ihnen Aristarch 
(auch Orion in Bekk. Anecd. p. 332, 19), das Verbum intran- 
sitiv erklärt: “zur Laodike gehend’, haben also getrennt ἐς ἄγουσα 
‚geschrieben, wie auch Lehrs Q. e. p. 87sq. die Stelle aufführt. Aber 
ein intransitives ἄγειν ist aus Homer nicht nachweisbar. Auch 
hätte sich in diesem Sinne ein ἰοῦσα von selbst dargeboten. Neuer- 
dings hat man ἔτ᾽ ἄγουσα konjieiert “noch mit sich führend” 


Z. Anmerkungen. 155 


und das “Fu wie 411. H 364’ verstehen wollen. Auch Nauck 
bezeichnet ἐσάγουσα als verdächtig. Vgl. die Einleitung p. 126 
und zu 237. — Statt ἀρίστην aber vermutet Nauck ἀγητήν. — 
256. An Stelle des handschriftlichen μαρνάμενοι vermutet van Her- 
werden quaestiuneulae ep. et eleg. p. 9 μαρναμένους vgl. 327 f., 
welche Vermutung auch Nauck anführt. — 262. τύνη steht sonst 
überall im Versanfange. van Herwerden a. 0. p. 9 und Nauck 
vermuten in dem Verse einen späteren Zusatz. Über die Etymo- 
logie und Bedeutung von ἔτης vgl. L. Lange de ephetarum Athe- 
niensium nomine. Lips. 1874. — 260. Über die Krasis καὐτός vgl. 
J. La Roche Hom. Unters. 8. 285. — 266. Statt des Aristarchi- 
schen ἀνίπτοισιν, das auch in A und ohne den Schlufskonsonanten 
in CDEGLMNO sich findet, hat I. Bekker die Lesart des Zeno- 
dotos ἀνίπτῃσιν in den Text genommen. Vgl. analoge Fälle im 
Anhange zu E 466. — 270. σὺν ϑυέεσσιν wird ‚gedeutet: “mit 
Opfergerät’. Aber die Geräte befanden sich im Bereiche des 
Tempels selbst, brauchten nicht erst zu jedem Opfer hingeschafft 
zu werden. Es ist vielmehr auch hier, wie in den andern Stellen, 
an die Rauchopfer selbst zu denken. Dafs hierzu bei Homer 
der Weihrauch noch nicht gebraucht wurde, hat schon J. H. Vols 
Antisymb. II $. 456 bemerkt. Den homerischen Begriff von ϑύειν 
mit seinen Derivaten erläutert K. Lehrs de Arist.?p. 82sq. Vgl. 
auch L. Doederlein Hom. Gloss. $ 2474. — 272. Zu diesem 
Verse bemerkt Nauck: spurius? 

281. In den Worten ὥς κέ ol αὖϑι γαῖα yavor hat I. Bekker 
das einstimmig überlieferte κέ in δέ geändert unter Zustimmung 
von Capelle im Philol. XXXVI p. 685; auch Nauck führt diese 
Vermutung an. Aber man sieht nicht, was für einen Gegensatz 
dies δέ bezeichnen solle, sowie auch der Umstand bedenklich 
macht, dafs das unmittelbare Zusammentreffen der Partikeln ὡς 
δέ nicht nachweisbar ist aufser in Stellen wie ὡς δὲ καὶ ἀποϑανόν- 
τῶν ἡμῶν ἔτι που ἔστιν, οὔ μοι δοκεῖ τῇδε Plat. Phaed. p. 87. 
Geratener ist es jedenfalls, die Überlieferung κέ beizubehalten, die 
Stelle mit o 545 (wo man ebenfalls gelindert hat) und der wün- 
schenden Frage mit πῶς κὲ o 195 in Vergleichung zu stellen, wie 
später πῶς ἄν oder τίς ἄν zum Ausdruck des Wunsches dient: 
vgl. G. Hermann Opuse. IV p. 170sq. Bäumlein Über die griech. 
Modi $. 2398 ἢ; Schneidewin-Nauck zu Soph. Ai. 388. Denn 
eine derartige Frage steht mit dem Ausruf in enger Verbindung. 

285. I. Bekker und Nauck haben die Lesart des Zeno- 
dotos φαίην κεν φίλον ἦτορ ὀιξύος ἐκλελαϑέσϑαι in den Text ge- 
nommen. Gegen die Lesart des Aristarch φρέν᾽ ἄτερ που ὀιξύος κτέ. 
spricht Naber quaestt. Hom. p. 110. Über die Verbindung von 
φρένα mit ἐκλελαϑέσϑαι vgl. Fulda Unters. p. 126. Gegen die ge- 
wöhnliche Lesart φαίην κε φρέν᾽ ἀτέρπου ὀιξύος ἐκλ. bemerkt 
A. Nauck Melanges Greco-Romains II p. 644: “Eine Form ἄτερπος 


156 Z. Anmerkungen. 


ist unerhört”, äufsert dann das ‘Bedenken: wie verfiel man auf 
φρέν᾽ ἀτέρπου, wenn φίλον ἦτορ in den Handschriften stand?” und 
giebt schliefslich die Vermutung: ‘möglich wäre, wie mir scheint, 
folgender Ausdruck: φαίην κεν φρέν᾽ ἄφαρ mov ὀιξύος ἐκλελαϑέ. 
σϑαι΄. Ameis billigte die Aristarchische Lesart ἄτερ mov ὀιξύος 
ἐκλελαϑέσθαι mit folgender Deutung: ‘so möchte es mir vorkom- 
men, als wenn durch die hohe Freude über den Tod des Frevlers 
Paris schon jedes Andenken an die Drangsal aus dem Geiste ge- 
schwunden wäre’. Die Worte des Aristonikos bei L. Fried- 
Iaender lauten: ἡ διπλῆ, ὅτι τὸ σημαινόμενον, εἰ ἐκεῖνον ἴδοιμι 
τετελευτηκότα, δόξαιμι ἂν ἐκλελῆσϑαι τῆς κακοπαϑείας καὶ χωρὶς 
αὐτῆς γεγονέναι (accuratius: δόξαιμι ἂν χωρὶς τῆς κ- γενόμενος, 
ἐκλελῆσϑαι αὐτῆς Lehrs.). ἔνιοι δὲ ἀγνοήσαντες γράφουσιν ἀτέρπου. 
— J. La Roche Hom. Stud. 8 15 z. E. will die Vulgata ἀτέρπου 
ὀιξύος beibehalten und mit Schol. φρένα als Subjekt verstanden 
wissen. — 289. An Stelle von ἐνθ᾽ ἔσαν οἵ vermutet Nauck: 
ἔνϑα τ᾽ ἔσαν, vgl. Cauer in G. Curtius’ Stud. VII p. 122. — 
290. F. 6. Welcker Der epische Cyklus II 85. 94 bemerkt: “Der 
Dichter schrieb vielleicht τοὺς αὐτός, und als man die Beziehung 
auf das entferntere Substantiv vermied, bedachte man nicht, dafs 
es eine weit unangemessenere Freiheit sei, darum lieber eine Fabrik 
sidonischer Gewänder in Troia durch geraubte Frauen betrieben 
anzunehmen’. Dieselbe Vermutung haben Nauck in der Ausgabe 
und Madvig in Det philologisk-historiske Samfunds Mindeskrift, 
Kopenhagen 1879 p. 157—73 ausgesprochen. Vgl. übrigens auch 
Kayser hom. Abhandl. herausgegeben von Usener p. 93. — Das 
urkundliche παμποίκιλοι haben Bekker und Nauck wegen des 
Digamma von ἔργα mit Bentley und Payne Knight in παμ- 
ποίκιλα geändert. Vgl. den Anhang zu 4395. — 291. Statt des 
handschriftlichen ἐπιπλώς empfehlen van Herwerden quaestiun- 
culae ep. et eleg. p. 10 und Nauck in der Ausgabe ἐπιπλούς als 
das ursprüngliche herzustellen. — 297 fi. Den Vorgang im Tempel, 
besonders auch die ὀλολυγή, erörtert v. Leutsch im Philol. Suppl. 
Ip. 75. — 305. Gewöhnlich wird ἐρυσίπτολι gelesen, aber die 
Schol. ABLV bemerken: ἄμεινον δὲ ῥυσίπτολι, καὶ οἰκεῖον ταῖς περὲ 
σωτηρίαν εὐχομέναις τῆς πόλεως. Dies dürfte aus einer Aristarchi- 
schen Quelle geflossen sein. 

311. I. Bekker und Nauck haben den Vers athetiert. Ari- 
stonikos ed. Friedl. p. 123 bemerkt: ἀϑετεῖται, ὅτι πρὸς οὐδὲν τὸ 
ἐπιφώνημα καὶ οὐκ εἰθισμένον" κατὰ μὲν γὰρ τὸ ἐναντίον ὁ Ζεὺς 
ἐπιβεβαιοῖ κατανεύων. καὶ ἑξῆς δ᾽ ἐπιλεγομένου ἃς αἵ μέν δ᾽ 
εὔχοντο σαφῶς γίνεται περισσὸς ὁ στίχος. γελοία δὲ καὶ ἡ ἀνα- 
νεύουσα ᾿Αϑηνᾶ, Vgl. die Einleitung p. 128 f. 

312. Über die an den folgenden Abschnitt bis 369 sich 
knüpfenden kritischen Fragen vgl. die Einleitung p. 126 ff. und dazu 
Aristonic. ed. Friedl. p. 150 zu @ 493, Köchly de Il. carmm. 


Z. Anmerkungen. 157 


diss. VI p. 8, Naber quaestt. Hom, p. 157, Kammer zur hom. 
Frage I p. 22 u. 27, Genz zur Ilias p. 25, Gerlach im Philol. 
XXX p. 28, Nutzhorn die Entstehungsweise der hom. Gedichte 
p. 202, Bergk griech. Litteraturgesch. I p. 582, Schoemann 
de reticentia Homeri p. 6f. und in den Jahrbb. f. klass. Philol. 
Bd. 69 p. 25f. In den Versen 318—320 glaubt E. Lentz de 
versibus apud Homerum perperafl iteratis, Bartenstein 1881 p. 17 
den ursprünglichen Zusammenhang so herzustellen: 

318. ἔνϑ᾽ Ἕκτωρ εἰσῆλθε διίφιλος. ἔνδον ἔτετμεν 

321. δῖον ᾿Αλέξανδρον περὶ κάλλιμα τεύχε᾽ ἕποντα. | 

321. περικαλλέα τεύχε᾽ ἕποντα ist die einstimmige Überliefe- 
rung; aber dafür hat Bekker περὶ κάλλιμα τεύχε᾽ ἕποντα konji- 
ciert (wie auch Nauck) und in den Text gesetzt mit einem lako- 
nischen “οἵ, 0 555°, wo περὶ τεύχε᾽ ἕπουσιν als Versschlufs steht. 
Die letztere Stelle benutzt J. E. Ellendt Drei. Hom. Abhandl. 
S. 31 Anm. zu folgender Erörterung: “Da περικαλλέα τεύχεα nur 
ὦ 165 vorkommt, so scheint das Beiwort nicht so beliebt gewesen 
zu sein, wie καλά, »Aurd, πελώρια, da ferner Emeıv sich gar nicht 
findet, und die Stelle in O mit unserer Stelle offenbar parallel 
geht, so könnte man versucht sein zu schreiben περὶ κάλλιμα oder 
περὶ ποικίλα τ. ἕ. Vielleicht hat aber die Parechese so mächtig 
gewirkt, dafs der frei schaffende Dichter etwas Ungewöhnliches 
sagte und den Zuhörern überliefs, aus περικαλλέα sich ein περί für 
ἕποντα gewissermalsen mitherauszuhören’. Indes nimmt Butt- 
mann Lexil. No. 99 II p. 216 Anmerk. als eigentliche Bedeutung 
für ἕπειν “bereiten” au. — 322. Das hinter ϑώρηκα eingesetzte 
Komma ist Aristarchisch nach der Bemerkung des Nikanor, 
dessen Richtigkeit bereits J. Classen Beobacht. 5. 133 gebührend 
hervorgehoben hat. Ebenso urteilen L. Doederlein Hom. Gloss. 
$ 1094 und J. La Roche Hom. Stud. $ 82, 4. — 323. Über die 
Lokalität, die mit μετ᾽ ἄρα ὁμωῇσι angedeutet ist, vgl. H. Rumpf 
de aedibus Homericis II p. 25 (35). 

326. Die an diese Stelle sich knüpfenden kritischen Bedenken 
sind erörtert in der Einleitung p. 128f. — 333. Am Ende dieses 
Verses interpungiert mit Kolon K. Lehrs de Arist.? p. 58 not. 
Auch der Venetus A hat am Ende von 333 einen Punkt. I. Bekker 
hat unsern Vers athetiert. — 344. Zu ὀκρυόεις äufsert G. Cur- 
tius Etym.? Nr. 77, *p. 156 die Vermutung, dafs das vorgesetzte 
ὁ “leicht durch blofses Mifsverständnis entstanden sein könne”, 
wenn man die ursprüngliche Genetivform κακομηχάνοο und ἐπιδημέοο 
voraussetzt. Beides hat bereits Payne Knight in den Text gesetzt. 

347. εἰς κῦμα ist die einstimmige Überlieferung der Hand- 
schriften. Und W. C. Kayser im Philol. XVII 5. 699 bemerkt, 
“dals εἰς ὄρος ἢ εἰς κῦμα von dem Scholiasten zu Soph. Oed. R, 
194 ᾳ idymos) ebenso gelesen wurde, wie von Plutarch. de adulat. 
p. 739, und dafs der Verfasser der homerischen Epimerismen wieder- 


158 Z. Anmerkungen. 


holt (p. 172, 12. 180, 1) die Lesart als eine recipierte Ausnahme 
anführt, obgleich er die Variante ἐς κῦμα (p. 172, 14) wohl kennt”. 
Das Gesetz der Symmetrie hat auch sonst im Homer seinen Ein- 
fufs geübt. Vgl. zu B102. — 353. An Stelle des handschrift- 
lichen τῷ vermutet van Herwerden quaestiunculae ep. et eleg. 
p- 10 τοῦ, ebenso Nauck oder auch τῶν. 

370. Eine Analyse der folgerflen Scenen bis 502 giebt Bischoff 
über homerische Poesie p. 66 ff. Die diesen Abschnitt betreffenden 
kritischen Fragen sind erörtert in der Einleitung p. 129f., dazu 
vgl. Gerlach im Philol. XXXIII p. 2008, Naber quaestt. Hom. 
p. 156, P. La Roche im Philol. XII p. 395 #, Köchly diss. VI 
Ῥ. 9#., Düntzer Aristarch p. 191 f, Düntzer Homer. Abhandl. 
Ρ. 261; — Zu 424 insbesondere Köchly diss. VI p. 9 und da- 
gegen Düntzer Aristarch p. 195 und Friedlaender in Jahrbb. 
f. Philol. Bd. 83 p. 832 ἢ; — zu 425—428 Düntzer in Jahrbb. 
£. Philol. Bd. 2 p. 407, Aristarch p. 195, hom. Abhandl. p. 261, 
Jakob Entstehung ἃ. Il. u. Od. p. 210; — zu 447 ff. Holm ad 
Car. Lachmanni exemplar etc. p. 8, La Roche im Philol. XII 
Ρ. 401 δὲ, Düntzer Aristarch 192, hom. Abhandl, p. 263. — 372. 
Die Diäresis in ἐὐπέπλῳ haben CDGLS; ebenso 378 und 383. 

376. Statt εἰ δ᾽ ἄγε vermutet Nauck el’ ἄγε, vgl. L. Lange 
de formula Homerica εἰ δ᾽ ἄγε Leipzig 1873 p. 17. — 388f. 
werden von Nauck als spurii? bezeichnet. — 390. Wie L. 
Doederlein Hom. Gloss. 8 2199 zu unserer Stelle beifügt: 
‘sonst immer mit Ergänzung des Subjektes aus dem vorigen’, 
so wird auch bei R. Kühner Ausf. Gramm. I? $ 289 Anm. 5 
noch immer gelehrt: “ἦ bei Hom. oft nach einer angeführten 
Rede = sprachs, einmal auch mit dem Nom. Z 390°. Die her- 
vorgehobene doppelte Unrichtigkeit kann aus der Note des Kom- 
mentars zu 8 321 und dem Anhang zu σ 356 berichtigt werden. 
„393. Nauck bemerkt zu diesem Verse spurius? — 396. 
Über die Anlehnung des nomen Ἠετίων an das folgende Relativ 
spricht Bekker hom. Blätter I p. 314f. — 403. Nach der ety- 
mologischen Erläuterung des Wortes ἄναξ von Angermann in 
G. Curtius’ Stud. II, 117 ff. ist die Grundbedeutung “Schützer, 
Schirmer’, die hier durch die Erläuterung des Namens ’Aorvdvat: 
οἷος γὰρ ἐρύετο Ἴλιον Ἕκτωρ durchaus bestätigt wird. — 409. Bei 
gelegentlicher Erwähnung von 2309 ξυνὸς 'Evvalrog καί τε κτανέ- 
ovra κατέκτα hat C. G. Cobet Var. Lect. p. 195 folgendes be- 
merkt: “sravovre barbarum est, quamquam nil mutant Homeri 
codices et editiones. Reete Bekkerus edidit X 13 κτενέεις, at hoc 
loco xravfovre retinuit, et Z 409 κατακτανέουσιν et X 181 κατακτανέ- 
09€’. Vgl. denselben Misoellan. erit. p. 330, nach ihm hat Nauck 
κατακτενέουσιν in den Text gesetzt. — Über bildliche Darstellungen 
der Scene zwischen Hektor und Andromache aus dem Altertum 
spricht Brunn troische Miscellen I p. 73f. — 429. 430. Als 


Z. Anmerkungen. 159 


Nachahmungen dieser Verse aufser den bei Heyne genannten 
vgl. die Stellen bei Pflugk zu Eurip. Hec. 281 und dazu noch 
Soph. Ai. 514 ff. Eur. Heracl. 230 f. Ovid. Heroid. ΠΙ 51f. Terent. 
Andr. I 5, 60. Natürlich sind alle diese Nachahmungen nur mehr 
oder weniger matte und verblafste Abbilder im Vergleich mit der 
lebensfrischen Farbengebung des homerischen Originales (das über- 
haupt nach Aristot. Poet. c. 24 λέξει καὶ διανοίᾳ πάντας ὑπερ- 
βέβληκεν). Über dieses sagt Nägelsbach Hom. Theol. V 35 
8. 259 der Ausg. von Autenrieth mit Recht fnlgendes: “Andro- 
mache steht rein auf dem Boden weiblichster Empfindung, und 
nie hat ein Dichter, der die Liebe nur als Leidenschaft besungen, 
mehr Herz und Seele in die Schilderung glühender Gefühle gelegt, 
als Homer dem Ausdruck ehelicher Liebe in den Worten giebt: 
Ἕκτορ, ἀτὰρ σύ μοί ἐσσι κτξ΄. Den Sinn der beiden Verse 429f. 
hat auch F. Nutzhorn Entstehungsweise der Hom. Ged. 5, 139 
Anmerk. richtig angedeutet indem er bemerkt: “Es könnte den 
Anschein haben, als wenn diese Worte einen über die Gefühle 
mehr reflektierenden Standpunkt bezeichneten, jedoch nur, wenn 
man sie aus dem epischen Zusammenhang herausnimmt”. Über 
das Verhältnis derselben zum Folgenden vgl. Classen Beobach- 
tungen p. 13. 

433. Die Verse 433 bis 439 stehen in allen Handschriften, 
nur in A sind sie mit Obelos bezeichnet. Aristarch hat die- 
selben athetiert, worüber Aristonikos folgendes berichtet: ἀϑε- 
τοῦνται στίχοι ἑπτά, ὅτι ἀνοίκειοι οἵ λόγοι τῇ ᾿Ανδρομάχῃ" ἀντι- 
στρατηγεῖ γὰρ τῷ Ἕχτορι. καὶ ψεῦδος παρέχουσιν" οὐ γὰρ παρέδωκεν 
εὐεπίδρομον To" τεῖχος κατὰ, τοῦτο τὸ μέρος, οὐδ᾽ οὕτως. ἐστὶ πλησίον 
ἡ μάχη τοῦ τείχους. καὶ ὃ Ἕκτωρ πρὸς τὰ πρότερα ἀπαντᾷ λέγων 
ἦ καὶ ἐμοὶ τάδε πάντα. Über diese Athetese vgl. die Einlei- 
tung p. 130f., dazu Lachmann Betracht. p. 22, mit Hoffmann 
im Philol. ΤΠ Ῥ. 213, Gerlach im Philol. XXX p. 28; ferner 
Holm ad Car. Lachmanni exemplar etc. p. 8, Köchly de Il. carmm. 
diss. VI p. 9, Düntzer hom, Abh. p. 57. 261, Genz zur Ilias 
p. 25, Bergk griech. Litteraturgesch. I p. 583, Jacob Entstehung 
ἃ, Il. u. Od. p. 210, Kiene Komposition ἃ. Ilias p. 79 Anmerk., 
Nitzsch Sagenpoesie p. 193. 

439. Die Präsentia ἐποτρύνει καὶ ἀνώγει nach dem Aorist ἔνισπε 
lassen sich kaum so erklären, dafs Andromache eine Wiederholung der 
früheren Versuche erwarte und die Stimmung, die früher zu solchen 
Versuchen führte und auch jetzt dazu führen kann, zusammenfassend 
als gegenwärtig dauernd im Präsens bezeichne. Daher ist J. La 
Roche Hom. Textkr. p. 196 geneigt ἀνώγει als Plusquamperfekt 
aufzufassen mit dem Zusatz: “Zmorguver muls vielleicht in ἐπότρυ- 
vev geändert werden’; auch Nauck vermutet ἐπώτρυνεν. --- 456. 
An Stelle des handschriftlichen πρὸς ἄλλης vermutet Nauck nor’ 
ἄλλης. --- 457. Wegen Μεσσηίς vgl. E. Curtius Pelopon. II S. 240. 


160 Z. ‚Anmerkungen. 


Über die drei Lokalitäten, die hier genannt werden, giebt L. Dö- 
derlein in seiner Ausgabe folgende beachtenswerte Bemerkung: 
“Tres maxime ex Achivis et nobilissimi quidem obversantur Hecto- 
ris animo, tanqguam horum uni Andromache quandoque servitura 
sit, Agamemno, Menelaus, Achilles. Ex his Agamemno ἐν "Agysı 
regnabat, Menelaus in Laconica, ubi fons Meoonlg prope Therapnen, 
secundum Pausan. III 20, 1, Achilles in Thessalia, in qua prope 
Pheras Ὑπέρεια fons memoratur B 734 et Pind. Pyth. IV 222. 
Plin. N. H. IV 8, 15°. Dafs die spätern Dichter bei ihrer Dar- 
stellung der Andromache aus dieser Stelle des Homer geschöpft 
haben, hat schon Aristarch bemerkt: vgl. K. Lehrs de Arist.? 
p- 178. 

465. πρίν γέ τι, wie Döderlein vermutete, statt des früher 
gelesenen πρὶν γ᾽ ἔτι, haben ADLN und die noch bei Heyne er- 
wähnten, Sodann erwähnt Herodian, dals Dionysius Sidonius, 
Alexion, Heracleon dieselbe Lesart hatten, mit Beifügung der dafür 
sprechenden Gründe. Heyne hatte bereits aus diesen Quellen 
das richtige πρίν γέ τι aufgenommen. — σῆς βοῆς erklärte Ameis: 
von dem Kampfgeschrei um dich. Aber eine derartige Deu- 
tung des possessiven Pronomens ist unerhört, weil nicht die ent- 
sprechende Verbalkonstruktion mit Objekt angenommen werden 
kann, aus der sich die Möglichkeit einer solchen Beziehung des 
possessiven Pronomens ergeben würde. Es bleibt nur die Frage, 
wie die Genetive im Verhältnis.zu πυϑέσθαι zu fassen sind. Ich 
gestehe, dafs man nach σῆς re βοῆς, da in diesem Zusammenhange 
etwas besonders Erschütterndes, sehr Schmerzliches an der Stelle 
ist, ein Verbum des Hörens erwarten muls, welches die unmittel- 
bare Wahrnehmung durch das Gehör bezeichnet, ein ἀκούειν, und 
glaube, dafs man hier eine Ausnahme statuieren muls von dem 
sonstigen Gebrauch, wonach die sächlichen Objekte im Genetiv bei 
πυνϑάνεσϑαι nur Objekte der vermittelten Kunde sind, um so mehr, 
da auch O 224 μάλα γάρ κε μάχης ἐπύϑοντο καὶ ἄλλοι wegen des 
Zusatzes οἵπερ ἐνέρτεροί εἰσι ϑεοί von unmittelbarem Vernehmen 
des Kampfgetöses durch das Gehör verstanden werden muls, weil 
sonst die Wirkung des ganzen Ausspruchs wesentlich abgeschwächt 
werden würde (vgl. 7 61 8.). Gegen die zeugmatische Verbindung 
der beiden Genetive mit πυϑέσϑαι dürfte nichts Erhebliches ein- 
zuwenden sein. Übrigens vermutet Nauck: re χλαυϑμοῖο statt 
9° ἑλκηϑμοῖο. — 475. Das εἶπε δ᾽, statt des gewöhnlichen εἶπεν 
ist die Aristarchische Lesart, die auch Alexis Pierron auf- 
genommen hat mit der Bemerkung: “La vulgate εἶπεν est une 
correction de quelque grammairien möticuleux’. 

479. In καί ποτέ τις εἴπῃσι πατρός γ᾽ ὅδε πολλὸν ἀμείνων᾽ 
ist der Konjunktiv εἴπῃσι die herkömmliche Lesart der Hand- 
schriften und Ausgaben, wozu man den ähnlich lautenden Anfang 
459 und Η 87 (auch X 106. £275. φ 324) vergleicht. Aber der 


Z. Anmerkungen. 161 


Gedanke ist gänzlich verschieden. An unserer Stelle kann εἴπῃσι 
aus folgenden Gründen nicht gebilligt werden. 1) Der Konjunktiv 
würde mit den zwei folgenden Optativen des Wunsches den Zu- 
sammenhang stören, was auch Hagena im Philol. VIII 8. 385 
gegen εἴπῃσι bemerkt. 2) Die Kürze der ersten Silbe in πατρός, 
wie sie bei der Lesart εἴπῃσι anzunehmen wäre, ist beispiellos 
und im Homer ohne Analogie. Das hat zuerst Dawes Mise. crit. 
p- 247 84. bemerkt, dann haben es Hagena und andere von neuem 
geltend gemacht. Und in der That der einfache Schlufs ist dieser: 
da die Form πατρός im Homer 120mal vorkommt und davon in 
119 Stellen mit langer Anfangssilbe, so kann diese einzige Stelle 
unmöglich eine Ausnahme bilden. Auch wird niemand die Kürzen 
in den anderen Wörtern, welche bei C. E. Geppert Über den 
Ursp. der hom. Ges. II 5. 14 und J. La Roche Hom. Unters. 
8. 9 aufgezählt sind, als vermeintliche Analogien ‚ansehen wollen. 
Es ist daher auch von dieser Seite her der Optativ εἴποι unab- 
weisbar. Und diese Optativform ist im Venetus A von derselben 
Hand darübergeschrieben, wird von Kidd. bei Dawes ex codd. Harl. 
Auobus et cod. Townl. angeführt, von Heyne aus Mosc. 2 mit 
yo. εἴποι, in L. steht εἴπη. Was aber am meisten Beachtung ver- 
dient: dies εἴποι ist offenbar die Aristarchische Lesart gewesen. 
Denn Nikanor beginnt hier seine Note nach dem Texte bei 
I. Bekker: τὸ ἑξῆς, καί ποτέ τις εἴποι ἐκ πολέμου ἀνιόντα (was 
freilich L. Friedlaender stillschweigend in εἴπῃσι geändert hat). 
Sodann findet sich dieselbe Form in dem Citate des Nikanor zu 
N 352. Auch Bekkers Paraphrast giebt den Optativ wieder. Unter 
don Neuern hat den Optativ aulser andern G. H. Schaefer zu 
Theoerit XVI 4 empfohlen und Payne Knight hat ihn bereits 
in den Text genommen, jetzt auch La Roche und Nauck, ebenso 
hat sich Cobet in ἃ. Mnemosyne 1873 p. 232 ff. für den Optativ 
ausgesprochen. Dagegen sucht A. Ludwich in O. Schades Wissensch. 
Monatsblätt. II (1874) p. 21 ff. εἴπῃσι zu rechtfertigen. — ἀνίοντα 
verstand Ameis von dem angeredeten Astyanax: ‘zu dem zu- 
rückkehrenden’: aber unsere Stelle ist von den von Ameis zur 
Begründung seiner Ansicht über ἀνιόντα angezogenen Stellen, wie 
M 60, dadurch wesentlich verschieden, dafs dort εἶπε unmittelbar 
die Person als Objekt bei sich hat, die dann in den Anfangs- 
worten der Rede selbst im Vokativ angeredet wird, während hier 
εἴποι zunächst ohne Objekt steht und in den Worten selbst gar 
keine Anrede erfolgt; denn, wie der Sprechende, indem er mit 
öde auf den Zurückkehrenden hinweist, mit diesem Gestus zugleich 
auch die Worte selbst in direktem Anruf an denselben richten 
soll, ist unbegreiflich. Ich kann daher nur C. Albrecht zu- 
stimmen, wenn er in Curtius’ Stud. IV p. 10 den Accusativ ἀνιόντα 
versteht nicht von dem, zu dem der Redende spricht, sondern von 
dem er redet. Die Worte der direkten Rede stehen also lebhaft 


Hextzs Anhang zu Homers Iliae. II. 11 


162 2. Anmerkungen. 


statt einer Infinitivkonstruktion, oder wie Ameis selbst richtig 
bemerkte: als Stellvertreter des indirekten Objekts. — Über die 
Auffassung der folgenden Optative ist im Anhange zu 4541 ge- 
sprochen. Sachlich bemerkt A. Weidner zu Verg. Aen. I 605: 
‘War es im Altertum allgemeine Überzeugung, dafs die körper- 
lichen, sittlichen und geistigen Eigenschaften von den Eltern auf 
die Kinder übergehen (Cie. Tusc. 1 $ 79. Tac. Germ. 20), so ver- 
nimmt man daneben auch häufig die Klage, dafs die Kinder χείρο- 
veg werden als die Eltern. Um so gröfser das Glück der Eltern, 
wenn sie gleich tüchtige oder-noch tüchtigere Kinder besitzen’. 
Übrigens erinnert die Situation, wie schon Heyne, H. Köchly, 
G. Autenrieth u. a. bemerkt haben, an des Aias Abschied von 
Eurysakes bei Soph. Ai. 550 ὦ παῖ γένοιο πατρὸς εὐτυχέστερος κτέ. 

482. Über die Situation hat G. Autenrieth ebenso schön 
als wahr folgendes bemerkt: “Hektor hat in banger Ahnung der 
Andromache eine trübe Zukunft geschildert; dieser Trauerakkord 
mufs eine Auflösung finden und dazu dient die Person des kleinen 
Astyanax, an dessen unschuldiger Kindheit beide Eltern sich er- 
freuen und so ihres Schmerzes für den Augenblick vergessen. 
Selbst der eben noch so trüb gestimmte Vater erhebt sich aus 
der gedrückten Stimmung in so weit, dafs er — freilich in Form 
eines Wunsches — dem Kinde eine glückliche Zukunft im glück- 
lichen Troia prophezeit. Es ist dies ein Moment der Erstarkung 
seines mannhaften Gefühls, wie M 243, wo er die bange Ahnung 
abschüttelt. Und so übergiebt er den Knaben gleichsam als Unter- 
pfand dieser Weissagung, als bonum omen, als künftigen Beschützer 
Troias, gleichsam zum Trost und Ersatz — nun doch wohl nicht 
der Wärterin, sondern — seiner Mutter. Und selbst wenn Hektor 
in der Beherrschung seines Gefühls ihr gegenüber nur den Schein 
dieser Zuversicht angenommen hat, ihre Wirkung bat sie nicht 
verfehlt: δακρυόεν γελάσασα, während noch die Thräne in ihrem 
Auge zittert, leuchtet ein Hoffnungsstrahl über ihr Antlitz, so dafs 
Hektor froh ist, den gefürchteten Moment der Trennung sich und 
ihr zu erleichtern, indem er in der zweifelhaft gefafsten stillen 
Hoffnung sie zu bestärken und zu beruhigen suchte. Und dann 
— “der Mann mufs hinaus in das feindliche Leben”, die Gattin 
seinem Geheifs gemäfs will nach Haus in den Kreis der Dienerinnen; 
aber nun bricht die Sehnsucht nach dem Gatten heftig hervor: 
es ist vielleicht das letzte Mal und sie will ihn doch wieder und 
wieder sehen, und dann tritt sie mit Thränen ins Haus’. — 493. 
Statt der einstimmigen Überlieferung πᾶσιν, ἐμοὶ δὲ μάλιστα haben 
I. Bekker und Nauck, um das Digamma in Ἰλίῳ zu wahren, 
πᾶσι μάλιστα δ᾽ ἐμοί in den Text genommen mit der Note: “Hoff- 
mannus, coll. X 422. α 359. A 353. ὃ. 490. φ 353. 9 61’. Dies 
bezieht sich auf C. A. J. Hoffmann Quaest. Hom. II p. 100, 
woher auch das falsche Citat #490 entlehnt ist: denn dieser An- 


Z. Anmerkungen. 163 


fang findet sich in der Odyssee 'nur vier Mal. Da nun das Di- 
gamma von Ἴλιος (das auch von Oskar Meyer Qu. Hom. p. 2 sqq. 
behandelt wird) in mehreren Stellen selbst bei Bekker nicht 
steht: E 204. Z386. H345. N 349. 2270. Φ 128, in andern 
Stellen aber, wie E 648. #251. P145. 258. 439. Φ 81. 156. 
267. 9495. 578. ξ 288, ρ 104. 7182. 193 erst durch verschie- 
dene Konjekturen hineingebracht ist: so ist die überlieferte Lesart 
beibehalten. — Zu 498—502 bemerkt Nauck: spurii? — 500. 
Die auffallende Form γόον erklärt G. Meyer in Bezzenbergers 
Beiträgen I p. 224 als 2yoFfov aus einem Prüsensstamme yoFo, 
dagegen vermutet Nauck στένον. — 507. Zu πεδίοιο κροαίνων 
hat Emil Thewrewk von Ponor (in der zu Pest 1865 mit un- 
garischem Kommentar erschienenen Ausgabe) angeführt aus Oppian 
Cyneg. I 279 ὠκυτέροισι πόδεσσι κροαίνοντες πεδίοιο. 

511. Über den Gegenstand des Vergleichs bemerkt J. L. Hoff- 
mann im Album des Litter. Vereins in Nürnberg 1866 8. 54: 
‘Der freie Lauf eines Pferdes, welches das Glück seiner Selbständig- 
keit fühlt, übt auf das Auge einen ganz besondern Zauber aus. 
Mit einem solchen läfst sich gar wohl ein Held vergleichen, der 
vom Hause nach dem Kampfplatz eilt’. Ähnlich sagt W. E. Glad- 
stone Hom. Studien von Albert Schuster 5. 444: ‘Homer ist ein 
grolser Liebhaber des Rosses, dessen Schönheit er teils in der 
Farbe, mehr in der Form, am meisten aber in der Bewegung des- 
selben fühlt”. Und in Bezug auf den vorliegenden Vergleich: “Wie 
bewunderungswürdig ist hier auch der Übergang von dem ruhig 
verlaufenden Verse, der das gewöhnliche Bad des Rosses beschreibt 
(508), zu dem raschen und leichten Laufe des Renners über das 
Blachfeld, wo jeder Daktylos einen Sprung des Pferdes malt (511). 
Das letztere aber wird von andern teils in schwächern teils in 
stärkern Ausdrücken bekämpft, so dals man geradezu bemerkt: 
“Der Rhythmus soll nicht malen’, worauf sich mit Leichtigkeit 
entgegnen läfst: soll nicht malen? malt indes ungesucht und un- 
willkürlich durch Übereinstimmung der Form mit dem Inhalt. Da 
nun der Kommentar den Ton und den Rhythmus des homerischen 
Verses an mehreren charakteristischen Stellen bemerklich macht, 
diese Seite der Erklärung aber einen speziellen gegnerischen Auf- 
satz in “Blätter für das Bayr. Gymn.-Wesen’ 1867 5. 210 ff. veran- 
lafst hat, so möge der Gegenstand in seinen allgemeinen Grund- 
zügen hier berührt werden, um die bezüglichen Anmerkungen vor 
Mifsverständnis möglichst zu sichern und zugleich anzudeuten, dals 
sie nicht auf flüchtigen Einfällen, sondern auf mehrseitiger Er- 
wägung beruhen. Es kommen nämlich hierbei folgende Gesichts- 
punkte in betracht: 1) Die Homerischen Gedichte sind nicht 
für das Auge des Lesers, sondern für das Ohr des Hö- 
rers geschaffen. Diesem Ursprunge entsprechen die Cäsuren 
und Rhythmen, diesem Zwecke dient die Komposition durch Silben 

11* 


164 Ζ. Anmeikungen. 


und Buchstaben, diesen Einflufs empfinden wir in Bewegung und 
Klang der Worte. Und dies alles sind Eigenttimlichkeiten der 
Naturpoesiö, die gerade dahin arbeitet, dafs durch die Eindrücke 
aufs Ohr die dargestellten Dinge vor Augen treten. Diesen Ur- 
sprung und diesen Einflufs berührt aufser andern Quinctil. IX 4: 
“mihi compositione velut amentis quibusdam nervisque intendi et 
coneitari sententiae videntur. Ideo eruditissimo cuique persuasum 
est, valere eam quam plurimum non ad delectationem modo, sed 
ad motum quoque animorum: primum, quia nihil potest intrare 
in affectum, quod in aure velut quodam vestibulo statim offendit, 
deinde quod »atura ducimur ad modos’. Wenn also etwas Rasches 
und Schnelles geschildert werden soll, nehmen auch die Rhythmen 
einen raschen und schnellen Fortgang; wo dagegen eine langsame 
ernste feierliche Sache zur Darstellung kommt, füllen auch derartige 
Töne und Rhythmen das Ohr des sinnlichen Hörers. So springt 
hier wie durch innere Notwendigkeit die Form der Rhythmen aus 
dem Gedanken hervor, und die Hörer erhalten nach ihrem Be- 
dürfnis von der geschilderten Sache eine recht sinnlich fafsbare 
Vorstellung. Hieraus folgt: 2) Ton und Rhythmus im Homer 
sind nicht künstliche Erzeugnisse eines kleinlichen Stu- 
diums, sondern einfache Nachahmung der Naturpoesie. 
Wie Aristot. de poet. c. IV das τὸ μιμεῖσϑαι σύμφυτον τοῖς dv- 
ϑρώποις ἐκ παίδων ἐστίν überhaupt hervorhebt, so kommt diese 
dem Geiste angeborene Eigentümlichkeit auch in dem vorliegenden 
Falle zur Erscheinung. Dies haben schon manche von den Alten 
erkannt, wie die Erörterungen des Dionysius von Halicarnass de 
comp. verb. beweisen. Man muls freilich gestehen, dafs dessen 
Theorie von der Silben- und Buchstaben-Malerei nicht wenig Über- 
triebenes und künstlich Gesuchtes enthält, ja an einer Stelle nahe 
an die Grenze streift, wo uns Deutschen die nichtige Spielerei der 
weiland Pegnitzschäfer in Erinnerung kommt: aber man darf des- 
halb doch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Unbestreit- 
bare Wahrheit liegt in den Worten cap- ΧΥΙ .Ρ. 194 ed. Schaef.: 
μεγάλη τούτων ἀρχὴ καὶ διδάσκαλος ἡ φύσις ἡ ποιοῦσα μιμητικοὺς 
ἡμᾶς καὶ ϑετικοὺς τῶν ὀνομάτων, οἷς ϑηλοῦται τὰ πράγματα, κατά 
τινας εὐλόγους καὶ κινητικὰς τῆς διανοίας ὁμοιότητας. Um aber 
gegen den Mifsbrauch einer zu weiten Ausdehnung gesichert zu 
sein, erinnere man sich beim Gedanken an Homer nur des treffen- 
den Ausspruchs von Herder Über den Urspr. der Sprache IS. 163: 
“Dieser Sänger Griechenlands trifft, wie mich dünkt, eben auf den 
Punkt, der schmal wie ein Haar und scharf wie die Schärfe des 
Schwertes ist, wo Natur und Kunst in. der Poesie sich vereinigten’. 
Und wenn wir nun nach dem gemeinsamen Mittelpunkte aller ein- 
zelnen Fälle fragen oder nach dem allgemeinen Namen, mit dem sich 
die ganze Sache bezeichnen läfst, so dürfte die Antwort lauten: 
3) Ton und Rhythmus sind in ihrem eigentlichen Wesen 


Z. Anmerkungen. 165 


nichts weiter als Produkte der Onomatopoiie in weiterer 
Bedeutung. Man ist allgemein einverstanden, dafs in einzelnen 
Worten und einzelnen Verbindungen ein onomatopoietisches Ele- 
ment enthalten sei, so dafs man zu den von Quintil. I 5 extr. 
erwähnten ‘illis merito laudatis Aly&e Blog et σίξ᾽ ὀφθαλμός noch 
ein ganzes Register aus Homer hinzufügen kann. Was hindert 
nun aber noch einen Schritt weiter zu gehen und dieselbe Onoma- 
topoiie in Hemistichen und ganzen Versen zu finden? Sicherlich 
haben wir in beiderlei Hinsicht denselben Ursprung und dieselbe 
Erscheinung anzuerkennen, nämlich die natürliche Harmonie des 
Ausdrucks mit dem Gedanken. Dies ist auch bei mehreren teils 
rein daktylischen (116. A 598) teils rein spondeischen Versen 
(#221) allgemein anerkannt: vgl. den Anhang zu A 598 und 
0334. Selbst ein so scharfer Kritiker und tiefer Forscher im 
Versbau wie Arthur Ludwich De hexametris poet. Gr. spondiaeis 
hat p. 164 zu 0117 bis 119 die Bemerkung gegeben: “Optime 
his deliberantis dubitationem vides depingi, ac simile aliquid 
habent versus 4189. Π 485 alii supra indicati. Quibus non ab- 
similes sunt hi: @ 113 et p 124. 149. Stupentes descriptos 
habes #728 cf. 881’ cet. Daher darf man nebenbei sagen, dafs 
auch Vergil bei seinen malerischen Versen (A. Weidner zu Verg. 
Aen. I 222) den Homer zum Vorbild habe. Wenn nun eine 
solche Harmonie der Rhythmen und des Gedankens bei Homer 
mit dem Namen ‘Kunst? bezeichnet wird, so meint man dabei nicht 
mühsame Berechnung aller malerischen Klänge, sondern die un- 
bewulste Kunst des natürlichen Sinnes, wie sie der angeborene 
und gebildete Genius schafft, kurz die Kunst der Naivetät. Dies 
alles hat F. A. Wolf Proleg. p. XLII in folgende Worte zusammen- 
gefaßst: “Ita enim haec carmina paullo diligentius cognita ad- 
mirandam ostendunt vim naturae atque ingenii, minorem 
artis, nullam reconditae doctrinae et exquisitae. Quamvis enim 
hebeti sensu surdisque auribus sit, qui artem in iis nullam sentiat, 
utpote quam ne in versuum quidem numeris doctissimi imitatores 
assequi potuerint, omnem tamen artem illam naturae quodam- 
modo propiorem esse apparet, neque ex disciplinse cuiusdam 
formula perscripta libris, sed ex nativo sensu recti et venusti 
delibatam’. Von dem bisher Erörterten ist nun das Resultat: 
4) Ton und Rhythmus im Homer gehören mit unter die 
wesentlichen Beweise, dafs überall Form und Inhalt zu- 
sammenstimmen. Es liegt also in den derartigen homerischen 
Versen eine alte Bestätigung dessen, was der neuere Dichter Fried- 
rich Rückert im allgemeinen sagt: 
“Grundstein zwar ist der Gehalt, 
Doch der Schlufsstein die Gestalt’. 

Dies sind in kurzem Abrifs die Gesichtspunkte, von denen aus die 
bezüglichen Bemerkungen des Kommentars betrachtet sein wollen. — 


166 Z. Anmerkungen. 


‘Was das vorliegende Gleichnis betrifft, so hat darüber G. W. Nitzsch 
Sagenpoesie $. 159 noch folgendes bemerkt: “bei Paris erkennt 
man auch den Anlafs zur Wahl gerade dieses Bildes vom Stall- 
pferde, denn wie Paris vorher im Gemach verweilt hat, jetzt mit 
einmal zur Mannhaftigkeit aufgestachelt zum Kampf eilt, so wird 
ein solches Pferd, nach allzu guter Fütterung von der Lust nach 
der freien Weide und dem Bade erregt. Aristarch hat auch 
dies hinzugefügt: καὶ τὸ τῆς στάσεως τοῦ ἵππου πρὸς τὸν ἐν ϑα- 
λάμῳ διατετριφύτα ἀντιπαράκειται, N τε κατὰ τὴν αἰφνίδιον ἐξόρμη- 
σιν ὁμοιότης. — 513. Über ἠλέκτωρ vgl. G. Curtius’ Etym.? 
8.131 Nr. 24, *p. 136. Wenig ansprechend ist die Deutung von 
W. E. Gladstone Hom. Stud. von A. Schuster 8. 440. 

522. An Stelle des handschriftlichen ἀτιμήσειε schreibt Nauck 
ἀτιμάσσειε, was derselbe rechtfertigt in den Melanges Greco-Ro- 
mains IV p. 398. — 524. Über die Verbindung κῆρ ἐν ϑυμῷ 
bemerkte Ameis, die Erklärung Fuldas Untersuchungen p. 178f. 
abweisend: ἐν ϑυμῷ kann nach homerischem Sprachgebrauche nicht 
etwas von χῆρ sinnlich Getrenntes und Verschiedenes sein, 
sondern beide müssen als Synonyma betrachtet werden. Das 
haben teilweise bereits die alten Schol. erkannt, nämlich LV mit 
ϑυμῷ δὲ τῷ λογισμῷ, BL mit λυποῦμαι οὖν λογιξόμενος, der Para- 
phrast τοῖν ἡ δὲ ἐμὴ ψυχὴ λυπεῖται ἐν ὀργῇ. In diesen Deutungen 
sind beide Begriffe nicht als zwei sinnlich verschiedene Dinge be- 
trachtet, sondern der Einheitsbegriff ist festgehalten, wiewohl alle 
drei den richtigen Ausdruck der Erklärung verfehlt haben. Die 
Worte κῆρ ἐνὶ ϑυμῷ nämlich können nur heilsen: das Herz im 
Herzen, in einem Sinne, wie Wallenstein bei Schiller III 18 sagt: 

‘Am Sternenhimmel suchten meine Augen, . 

Im weiten Weltenraum den Feind, den ich 

Im Herzen meines Herzens eingeschlossen’. 

Oder wie Schillers Don Cesar: 

“Ins klare Auge sah ich meiner Braut, 

Ins Herz des Herzens hab ich ihr geschaut’, 
[wozu Autenrieth noch fügt aus Fleckeisens Jahrbb. Bd. 102 
p. 350f. Shakespeares Hamlet III, 2: and I will wear him in my 
hearts core, ay, in my heart of heart, as I do thee. Goedekes 
Schillerausgabe Bd. VI u. IX p. 49 Z. 28: Schiller: “im Herzen 
seines Herzens würde er ihn getragen haben, wie Hamlet seinen 
Horatio”). 

Dies ist nämlich eine sprachliche Verstärkung des Gedankens, 
bei welcher für Homer folgende zwei Punkte zu beachten sind. 
1) Es ist bei Homer noch nicht Sitte, dasselbe Wort zur Ver- 
stärkung des Begriffs zu wiederholen, weder in derselben Form 
(vgl. den Anhang zu E 31) noch in einer gleichbedeutenden Kon- 
struktion. So sagt man auch nirgends ϑεὰ ϑεάων, sondern mit 
dem Synonynum δῖα ϑεάων und ähnlich in ähnlichen Wendungen. 


Z. Anmerkungen. 167 


Nirgends finden sich Ausdrücke wie κακὰ κακῶν, ἔσχατα ἐσχάτων 
κακά, ἄρρητ᾽ ἀρρήτων oder persönlich δέσποτα δεσπότου (G. Her- 
mann zu Aesch. Pers. 668), δειλαία δειλαίων κυρεῖς (Soph. ΕἸ. 849), 
dergleichen bei den nachhomerischen Diehtern erscheinen: vgl. G. 
Hermann zu Aristoph. Nub. 915. A. Meineke zu Com. Fragm. I 
p. 69 (der gröfsern Ausg.). Schneidewin zu Soph. Oed. 1238. 
Dies alles ist nicht zu verwundern. Denn solche Redeweisen ge- 
hören bereits ins Gebiet einer Rhetorik, welche dem Zeitalter der 
homerischen Naivetät noch fern liegt. Daher haben sich auch 
Wendungen wie κῆρ ἐν κῆρι nicht ausgebildet, sondern es wird 
dafür κῆρ ἐν ϑυμῷ gesagt oder eine andere synonyme Formel 
gebraucht. Nahe indes liegt die Frage, ob nicht ohne Rhetorik 
ganz einfach in diesem Sinne: ‘das Herz in sich selbst” gesagt 
worden sei. Dies führt auf den folgenden Punkt, nämlich: 2) Dem 
homerischen Zeitalter ist es ein fremdartiger Gedanke zu sagen, 
dafs jemand ‘mit sich selbst spricht”. Dies wird homerisch 
nur mit εἶπε πρὸς ὃν μεγαλήτορα ϑυμόν (zu € 298) und ähnlichen 
Wendungen bezeichnet. Statt unseres Ausdrucks “aber warum 
überlege ich dies bei mir” sagt der homerische Mensch ἀλλὰ τί 
ἦ μοι ταῦτα φίλος διελέξατο ϑυμός. Ebenso Νεστορίδης δ᾽ ἄρ᾽ Eu 
συμφράσσατο ϑυμῷ (ο 202). Wo jemand nach moderner Bezeich- 
mung ‘sich selbst abhärmt’, da wurde er in jener Zeit ϑυμὸν 
ἔδων genannt: vgl. den Anhang zu ı 75. So liefse sich aus diesem 
Gebiete ein ganzes Register zusammenstellen, und es wird auch 
von dieser Seite ersichtlich, warum die homerische Zeit, die ohne 
Reflexion ihre Dichtungen schuf, den Gebrauch des eigentlichen 
Reflexivpronomens noch nicht gestalten konnte. Von diesem Ge- 
sichtspunkte aus gewinnt nun das κῆρ ἐν ϑυμῷ, wie auch ἐν 
χραδίῃ στένει ἦτορ Ὁ 109 und ähnliches seine richtige Beziehung. 
In 7272 ist derselbe Begriff durch διαμπερές bezeichnet. Und 
daraus ist dann für ἐν ϑυμῷ der Sinn “innerlich” oder “im 
stillen?’ hervorgegangen”. — 526. Statt ἀρεσσόμεϑ᾽ vermutet 
Nauck ἀκεσσόμεϑ᾽. 


ANHANG 


HOMERS ILIAS. 


SCHULAUSGABE 
von 


K. F. AMEIS. 


III. HEFT. 


ERLÄUTERUNGEN ZU GESANG VII-IX 


voN 


Dr. C. HENTZE, 


OBFRLEURER AM GYMNASIUM ZU GÖTTINGEN. 


LEIPZIG, 
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER, 
1875. 


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Kritischer und exegetischer Anhang. 


H. 
Einleitung. 


Literatur: la Roche über das 7. u. 8. Buch der Ilias in Z. f. oest. 
Kymn. 1860, ΧΙ p. 153 ΗΠ — Lachmann Betrachtungen über Homers 
Ihas. 2. Aufl. Berlin 1865 p. 22 ff. (vgl. Hoffmann im Philol. ΠῚ 
p. 212 M., Düntzer homer. Abhandlungen p. 56 fl., Gerlach im 
Philol. XXX p. 27 ff). Holm ad Lachmanni exemplar de aliquot lliadis 
carminum compositione. Lübeck 1853 p. 6 fl. — Kayser de inter- 
polatore Hom. Heidelberg 1842 p. 5 ff. — Köchly de lliadis carmm. 
dissertat. V, Turici 1858 p. 5 fl, VII, 1859, p. 3 I. (vgl. Düntzer 
hom. Abh. p. 289 ff. Ribbeck in Jahrbb. f. Philol. 85, p. 23 M) — 
Nitzsch Sagenpoesie der Griechen p. 127. 204. 213 ff. (vgl. Schoemann 
in den Jahrbb. f. Philol. Bd. 69 p. 20 1). Kiene die Komposition 
der Mias. Göttingen 1864 p. 80 f. Happe der homerische Hektor. 
Coblenz 1863 p. 6 ff. — Düntzer homerische Abhandl. p. 263 ff. 
269 f. — Grote Geschichte Griechenlands, übersetzt von Meissner, 
I p. 528 il. 536 f. (vgl. Friediaender die homerische Kritik von 
Wolf bis Grote. Berlin 1853 p. 64 fl. und Baeumlein im Philol. XI 
p. 405 , 4151.) — Kammer zur homerischen Frage. I. Königs- 
berg 1870 p. 13. 23 1. 28 f. (vgl. Düntzer homer. Abhandl. p. 272 f. 
und Philol. Anzeiger II p. 132 1.) — A. Jacob über die Entstehung 
der Ilias und Odyssee. Berlin 1856 p. 213 ff. — Bonitz über den 
Ursprung der homer. Gedichte. ὃ Wien 1872 p. 29. 31. — Schneider 
über deu Ursprung der hom. Ged. Wittstock 1873 p. 28. — Hiecke 
der gegenwärtige Stand der homer. Frage. Greifswald 1856 p. 16 f. 
— Genz zur Ilias. Sorau 1870 p. 26 f. — A. Bischoff im Philol. 
XXXIV p. 18 f. — Hoffmann quaestiones Homer. II. Clausthal 1848 
p- 208 f. 212. — B. Giseke homer. Forschungen. Leipzig 1864 
p. 224 ff. 237 ἢ 2511. — Bernhardy Grundriss der griech. Literat. 
>, 1, p.163 f. Bergk griech. Literaturgesch. I. p. 583 f. 


Anhang zu Ameis, Homers Ilias I, 3. 1 


2 Kritischer und exegetischer Anhang. A. 


Das siebente Buch reiht sich chronologisch in der Weise in den 
Zusammenhang der Ilias ein, dass es den Abschluss des ersten, mit 
dem zweiten Buch beginnenden Schlachttages, des 22. der Ilias über- 
haupt, (bis V. 380) und die beiden darauf folgenden Tage (381—432 
und 433—482) umfasst, Nach dem Inhalt begreift dasselbe folgende 
Stücke: V. 1—16 Vordringen der Troer nach Hektors und Paris’ 
Rückkehr in die Schlacht; V. 17—312 unentschiedener Zweikampf 
zwischen Hektor und Aias, bei Einbruch des Abends durch die Herolde 
getrennt; 313—344 am Abend Bule der achaeischen Fürsten in Aga- 
memnons Zelt, mit dem Beschluss am folgenden Tage die Todten zu 
bestatten und eine Mauer zum Schutze der Schiffe zu bauen; 345—380 
gleichzeitig Agora der Troer auf der Burg mit dem Beschluss den 
Achaeern die Auslieferung der mit Helena geraubten Schätze anzubieten 
und um eine Waffenruhe zur Bestattung der Todten zu bitten. Am 
folgenden (23.) Tage: 381—432 die Agora der Achaeer lehnt Paris’ 
Anerbieten ab, gewährt aber die Waffenruhe; beide Heere bestatten 
ihre Todten.° Am folgenden (24.) Tage: 433 —482 Mauerbau der 
Achaeer; eine darauf bezügliche Scene im Olymp zwischen Poseidon 
und Zeus; Abendmahlzeit im Lager: schreckende Donnerschläge 
des Zeus. 

Die Stellung des Buches innerhalb des Ganzen wird durch die 
beiden Momente bestimmt, dass es einerseits den Abschluss der Kämpfe 
giebt, welche im zweiten Buche vorbereitet, sich durch die folgenden 
hindurch ziehen, andrerseits den Uebergang zu dem Buche bildet, wo 
durch Zeus’ Eingreifen die Situation wesentlich verändert, der Anstoss 
zu einer ganz neuen Entwicklung gegeben wird. Danach kann das- 
selbe eine hervorragende Bedeutung für den Fortschritt der Haupt- 
handlung nicht beanspruchen. Abgesehen von dem Bau der Mauer, 
deren Vorhandensein für die folgenden Kämpfe die nothwendige Voraus- 
setzung ist, enthält dasselbe kein Moment, welches in der weiteren 
Erzählung verwendet würde oder eine neue Entwicklung vorbereitete; 
ja es fehlt dort so gut wie ganz an allen Beziehungen darauf. Die 
einzige Stelle, an der man eine Rückbeziehung auf Hektors Zweikampf 
mit Alas hat finden wollen, 4 521—542, vgl. Nitzsch Sagenpoesie 
p- 228 f., ist kritisch sehr zweifelhaft, vgl. G. Curtius Andeutungen 
über den gegenwärtigen Stand der homer. Frage. Wien 1854 p. 19, 
während andrerseits Η 113 ff, schwer zu vereinigen ist mit I 352 ff. 
— Θ 532 1. ignorieren Hektors Zweikampf mit Alas und weisen vielmehr 
auf die Situation in Z zurück, vgl. Z 278 mit 98—201. — Enger sind 
die Beziehungen zu den vorhergehenden Büchern. So schliesst sich der 
Eingang desselben (1—16) auf das eugste den in Z erzählten Ereignissen 
an: Hektor kehrt von dem dort erzählten Gange in die Stadt zurück, der 
Stand der Schlacht bei seiner Rückkehr entspricht genau der Situation, 
in welcher er die Troer vorher verliess. Ebenso scheint Helenos’ er- 
muthigende Zusicherung H 52, dass dem Hektor der Tod noch nicht 
beschieden sei, motiviert durch die trübe Stimmung, welcher Hektor 
Z 367 f, Ausdruck gegeben hatte. Im Uebrigen setzt die Darstellung 


Kritischer und exegetischer Anhang. H. 3 


den durch den Inhalt der vorhergehenden Bücher gegebenen Hintergrund 
voraus: auf Achills Groll wird H 229 f., auf den Vertrag in I’ und 
den Vertragsbruch in ΖΓ wird 69 fl. und 351 ff. hingewiesen. 

Fragt man nach dem inneren Zusammenhange sowohl der einzelnen 
Theile des Buches unter sich, als der darin erzählten Ereignisse mit 
den vorhergehenden, nach der Motivierung auf Grund des Voran- 
gegangenen, so ergeben sich mannigfache Bedenken, welche die Kritik 
viel beschäftigt haben. Manches kommt nach dem früher Erzählten 
unerwartet, scheint dadurch nicht gehörig motiviert, ja selbst im 
Widerspruch damit, So schliesst der Zweikampf des Hektor mit Aias 
zwar den Kampf des Tages passend ab, da durch Hektors Rückkehr 
in die Schlacht keine so entscheidende Wendung zu Gunsten der Troer 
herbeigeführt werden durfte, dass sie der durch Zeus am folgenden 
Schlachttage zu gebenden Entscheidung vorgegriffen hätte; aber fällt 
es an sich schon auf, dass an demselben Tage das Motiv des Zwei- 
kampfes wiederholt wird, so kuüpfen sich besonders an das Verhalten 
des Hektor bei dem Anerbieten, sowie an das der Achaeer hei der An- 
nahme dieses zweiten im Hinblick auf den Verlauf des ersten mancherlei 
Bedenken. Wenig motiviert. durch die vorhergehenden Ereignisse scheint 
ferner Nestor’s Vorschlag zum Mauerbau, sowie das von Antenor in 
der troischen Agora an Paris gestellte Verlangen die Helena an die 
Atriden zurückzugeben, mit dem dadurch weiter herbeigeführten 
Beschluss. 

Diese dem Zusammenhang und der Molivierung entnommenen 
Bedenken werden noch verstärkt durch die Verschiedenheit des 
Charakters, - wie der Darstellung der einzelnen Theile des Buches. 
Neben Partieen, welche wegen der Feinheit der sittlichen 
Anschauung ünd der sinnigen Charakteristik, wie der übersichtlichen 
Gruppirung und der lebensvollen anschaulichen Darstellung den besten 
Stücken homerischer Dichtung sich zur Seite stellen lassen, finden sich 
andere, welche ohne jene Vorzüge durch Unklarheit und mangelhafte 
Darstellung gerechten Anstoss geben. Im Ausdruck inshesondere zeigt 
das Buch durchweg Eigenthümlichkeiten: nur in diesem finden sich die 
eigenthümlichen steigernden Zusammenstellungen οἰόϑεν οἷος 39. 226 
und αἰνόϑεν αἰνῶς 97, eigenthümlich ist der Gebrauch von τεκμαίρεσϑαν 
70, ἐξαγαγόντες 336, μειλισσέμεν 410, vereinzelt ἀρϑμήσαντε 302, 
ἀνδραπόδεσσι 475, und die Wendungen 99, 409, 239, 241, seltsam 
ϑεῖον δύσονται ἀγῶνα 298, endlich παρήορος 156. Ueber metrische 
Eigenthümlichkeiten vgl. Hoffmann quaestt. Hom., über rhıythmische 
u. a. Giseke hom. Forschungen p. 224 ff. 

Nach dem Allgemeinen heben wir die im Einzelnen geltend ge- 
machten Bedenken hervor. Wir beginnen mit der grossen zusammen- 
hängenden Partie vom Zweikampf 17—312. Gegen einen einheitlichen 
Zusammenhang derselben mit dem Vorhergehenden wird folgendes an- 
geführt: 

a. Die ausführliche Motivierung und Vorbereitung der Rückkehr 
Alexanders in die Schlacht steht ausser Verhältniss zu der unbedeutenden 

1* 


4 Kritischer und exegetjscher Anhang. 4. 


Rolle, die er im siebenten Buche spielt, da er nach einer einzigen 
That ganz vom Schauplatze verschwindet. 

b. Die Wiederholung des Motivs des Zweikampfes innerhalb des- 
selben Schlachttages, an sich auffallend, erregt um so mehr Anstoss, 
als der zweite lediglich zum Zweck eines augenblicklichen Waffen- 
stillstandes und der Erprobung der Tapferkeit eingeleitete, nachdem 
der Zweck des ersten, die Beendigung des ganzen Kriegs vereitelt ist, 
nothwendig an Bedeutung und Interesse verlieren muss. 


9. Die Einleitung des Zweikampfes selbst ist nicht gehörig motiviert. 
Nachdem Hektor, Paris und Glaukos bei der Erneuerung des Kampfes 
je einen Achaeer erlegt haben, begreift man nicht, wie dadurch die 
Schlacht für die Achaeer, die vorher in entschiedenem Vortheil waren, 
eine so unglückliche Wendung hat nehmen können, dass der Ausspruch 
16. 17 berechtigt und die Herabkunft der Athene, die beiläufig zum 
vierten Mal an diesem Tage vom Olymp herabsteigt (B 167. 4 74. 
E 733), motiviert wäre. 


d. Eigenthümlich ist die Art, wie Apollo und Athene hier zu- 
sammenkommen und sich verständigen, seltsam, wie Helenos, ohne von 
Apollon aufgefordert zu sein, die Absichten der Götter ausführt. 


e. Auffallend ist die Unbefangenheit, mit der Hektor bei der 
Herausforderung von dem an demselben Tage geschehenen Vertrags- 
bruch redet und den Achacern zumuthet seinen Versicherungen bei den 
vorgeschlagenen Vertragsbedingungen, zumal ohne die den ersten Ver- 
trag begleitenden religiösen Feierlichkeiten, Glauben zu schenken. 


f. Ebenso auffallend ist, dass die Achaeer über Hektors Anerbieten 
sich keineswegs entrüstet zeigen, namentlich auch in dem Gebet 202 ff. 
dem keinen Aussruck geben, dass Menelaos, als er sich zum Zweikampf 
erbietel, des an demselben Tage schon mit Paris bestandenen nicht 
gedenkt, auch Agamemnon, da er den Bruder zurückhalten will, dies 
nicht geltend macht. 

g- Befremdend ist auch die Furcht der tapfersten achaeischen 
Helden vor Hektor, nachdem au demselben ‚Tage ein Zweikampf für 
die Achaeer günstig ausgefallen ist und der allgemeine Kampf die Troer 
in die grösste Bedrängniss gebracht hat, befremdend zumal bei Diomedes, 
der an demselben Tage kurz vorher sogar mit Ares den Kampf auf- 
genommen und siegreich bestanden hat, vgl. auch Z 98—101. 278. 
Insbesondere scheint Agamemnons Aeusserung 1131., selbst Achill scheue 
den Kampf mit Hektor (die überdies im Widerspruch steht mit 
E788 ff. und [352 ff), in einer Dichtung zu Achills Verherrlichung 
undenkbar. — 

Mit diesen Bedenken hat man sich in verschiedener Weise ab- 
gefunden. In Bezug auf das Motiv des Zweikampfes mit den sich daran 
knüpfenden Bedenken bemerkt Bernhardy, dass wenn ein aufmerksamer 
Leser daran Anstoss nehme, doch der Hörer des Alterthums darüber 
weggesehen habe. Gewiss wird auch, wie Düntzer meint, das Auf- 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. 5 


fallende der Wiederholung desselben Motivs innerhalb desselben Tages 
wesentlich dadurch vermindert, dass dieselbe unter ganz verschiedenen 
Verhältnissen erfolgt: beim ersten Zweikampf handelt es sich um die 
Entscheidung des ganzen Kriegs, hier um augenblickliche Waffenruhe 
und die Erprobung der Tapferkeit, dort kämpfen mit einander die 
beiden Helden, um derenwillen der Krieg entbrannt ist und die das 
nächste Interesse an der Beendigung desselben haben, hier der erste 
Held der Troer und der erste achaeische Held nächst Achill; dort ein 
rasches schmähliches Unterliegen des feigen Frevlers, den nur göttliche 
Hülfe rettet, hier ein langes für beide ehrenvolles Ringen der Helden- 
kraft ohne Entscheidung. Danach wird man sagen dürfen: der zweite 
Zweikampf bildet ein treffliches Gegenstück zum ersten, das gewiss an 
Interesse jenem nicht nachsteht. Auch die Einleitung des Zweikampfes 
durch Apollo und Athene ist nicht so auffallend, wenn man bedenkt, 
dass es dieselben Götter sind, die im Verlauf des Tages fortwährend 
in den Kampf eingegriffen haben; es scheint doch natürlich, dass sie 
jetzt einmal Ruhe eintreten lassen wollen. Mag immerhin die Art, wie 
die beiden Götter sich verständigen, uns überraschen, so scheint es 
doch innerlich durch das Vorhergehende wohl motiviert, dass der erste 
troische Held, nach jenem schweren Gange in die Stadt, wo er in 
trüber Stimmung den Untergang seines Vaterlandes, wie seinen eignen 
Fall vorahnend, nur den einzigen Wunsch hat den Ruhm des Ge- 
schlechtes zu wahren (vgl. Z 367. 368. 446), hier in seinem edlen 
Ritterthum, in seiner ganzen Heldengrösse glänzend hervortritt, wie 
es gewiss nicht wirksamer geschehen konnte. 

Auch die Art, wie Hektor bei der Herausforderung von dem 
Vertragsbruch redet, ist getadelt. Ich wüsste kaum, wie von seinem 
Standpunkte aus Hektor anders davon hätte reden sollen: dass Zeus 
durch die Sendung der Athene auf das Schlachtfeld nach dem ersten 
Zweikampfe die Wiederaufnahme des Kampfes veranlasst habe, war 
allgemeine Volksstimme, nicht bloss bei den Troern, sondern auch bei 
den Achaeern, vgl. 481 ff., selbst Agamemnon führt, wenn auch entrüstet 
über die Treulosigkeil der Troer, die Erfolglosigkeit des Vertrags auf 
Zeus zurück 4 160 und mehr sagt auch Hektor nicht, er redet, wie 
auch Düntzer urtheilt, gar nicht von dem Vertragsbruch, sondern nur 
von der Erfolglosigkeit des Vertrages, die zunächst durch die Ent- 
rückung des Paris aus der Schlacht veranlasst wurde. Und sprechen 
musste er von jenem Vertrage, um von vornherein die Verschiedenheit 
der Situation von jener früheren festzustellen. Die Annahme des an- 
gebotenen Zweikanipfes von Seiten der Achaeer mag mit Naegelsbach 
homer. Theolog. ?p. 323 f. durch das Ehrgefühl vermittelt werden: 
ohne den Vorwurf der Feigheit konnte die Herausforderung nicht ab- 
gelehnt werden. Es ist daher auch natürlich, dass die sich daran 
schliessenden Reden der Achaeer sich wesentlich drehen um die Schmach 
der Ablehnung und um die Wahrung der Heldenehre (Kiene p. 306). 
Gleichwohl bleibt es immerhin auffallend, dass von keinem der 
Achaeer auch nur mit einem Wort des früheren Zweikampfes und der 


86. Kritischer und exogetischer Anhang. 4. 


Treulosigkeit der Troer gedacht wird, obwohl dazu sich mehrfach Gelegen- 
heit bot. Zwar einem Hektor gegenüber, der selbst keine Schuld trug, 
mochte man sich scheuen einen Vorwurf zu machen; auch konnte man 
ihm gegenüber, da es sich hier nur um die Zurückgabe der Leiche 
handelte, von besondern Garantien absehen, obwohl Menelaos bei dem 
Abschluss des früheren Vertrages ausdrücklich die Zuziehung des 
Priamos verlangt und sein Misstrauen in die Zuverlässigkeit der Söhne 
desselben ausgesprochen hatte, vgl. I’ 106. Aber dass unter den 
achaeischen Fürsten nicht einmal ein Zweifel laut wird, ob man nach 
dem Vorhergegangenen auf den angebotenen Zweikampf überhaupt ein- 
gehen solle, dass weder Menelaos, als er sich dem Hektor stellen will, 
noch Agamemnon, da er ihn zurückzuhalten sucht, des an demselben 
Tage bereits gegen Paris bestandenen erwähnt, bleibt immerhin auf- 
fallend. 

Die Beiroffenheit der achaeischen Helden erklärt Düntzer durch 
die soeben in seinen Thaten, wie in seinem selbstbewussten Auftreten 
lebhafter als je hervortretende Grösse Hektors. Abgesehen von diesem 
augenblicklichen Eindruck darf man gewiss ein gut Theil auf Rechnung 
des allgemeinen peinlichen Gefühls setzen, dass Achill, der als erster 
achaeischer Held der einzige ebenbürtige Gegner Hektors schien, fehlte 
(gl. Gladstone hom. Stud. p. 430). Was Diomedes insbesondere be- 
trift, so stand seine Aristie unter dem besondern Schutze der Athene 
und die Anerkennung von Hektors Furchtbarkeit blickt in seinen Worten 
E 601 fl. trotz der Hervorhebung des göttlichen Beistandes und zwar 
als allgemein geltende durch. In eineih ganz andern Lichte erscheint 
überdies das Zaudern der achaeischen Helden, wenn man die Kehrseite 
dazu vergleicht, den Eindruck, welchen Aias, als er zum Kampf heran- 
schreitet, auf die Troer und auf Hektor selbst macht; die überaus 
starken Ausdrücke, in denen die Besorgniss der Troer und Hektors 
Schrecken hezeichnet werden (215 £.), beseitigen jedes Bedenken wegen 
der Betroffenheit der achaeischen Helden Hektor gegenüber. 

Von minderem Belang sind die übrigen Bedenken, Es bedarf 
kaum der Vermuthung, dass die Schilderung des Kampfes 8—16 ur- 
sprünglich ausführlicher gewesen sei, da der Dichter auch sonst, um 
nicht durch eine zu weil ausgesponnene Erzählung von Einzelkämpfen 
zu ermüden, sich mit Andeutungen begnügt. 

Können wir den mannigfachen gegen die Partie erhobenen Bedenken 
nicht überall das Gewicht beilegen, welches denselben beigemessen ist, 
um die völlige Unverträglichkeit derselben mit der ‘vorangegangenen 
Erzählung zu erweisen, so lässt sich doch nicht leugnen, dass ein- 
zelnes Auffallende bleibt, was den Zusammenhang mit dem Vorher- 
gehenden loser erscheinen lässt, als man bei der Durchführung eines 
einheitlichen Planes erwarten darf. Dabei übersehe man aber nicht die 
Vorzüge, durch welche dieselbe ausgezeichnet ist. Mit Recht ist für 
die Gruppe des Aias und Hektor, wie für die des Diomedes und Glaukos 
in Z, die sinnige Charakteristik, die edle Sitte und milde Ritterlichkeit, 
die in derselben hervorleuchtet, betont. 


Kritischer und exegetischer Anhang. A. 7 


In Bezug darauf beachte man die Zeichnung der beiden Gegner, 
wie der Dichter sie theils in den Reden theils in der Darstellung 
charäkterisiert: hier die glänzende ritterliche Erscheinung Hektors mit 
der freier Beweglichkeit in Wort und That (238 f.), dem der Kampf 
als ein heiteres Spiel im Dienste des Ares erscheint (241, vgl. 239), 
in Vorahnung seines baldigen Falles von dem Wunsch erfüllt den Ruhm 
des Geschlechts zu wahren (87—91 vgl. Z 367. 368. 446), der Held 
mit dem feinen menschlichen Gefühl, des eignen Werthes sich wohl 
bewusst, aber zugleich voll Anerkennung für den des Gegners (77 ἢ 
299 ἢ 294. 90. 288 M.) — dort der riesige Aias, wuchtig wie 
sein thurmähnlicher Schild, ein Abbild des Ares selber, wie er zum 
Kampf schreitet, unübertrefflich gezeichnet in den Worten μειδιόων 
βλοσυροῖσι προσώπασι 212, kurz angebunden und ungelenk in seinen 
Worten, voll berechtigten Selbstgefühls, wie es charakteristisch hervor- 
bricht 196 f. 

Ebenso sinnig ist das schöne Verhältniss zwischen Agamemnon 
und seinem Bruder Menelaos gezeichnet, entsprechend der Darstellung 
in 4 148 ff. Ferner ist sehr beachtenswerth der Sinn des Dichters 
für übersichtliche Gruppierung und anschauliche lebensvolle Darstellung. 
Scenen, wie 161 ff. und 275 ff. fordern fast von selbst zu plastischer 
oder malerischer Nachbildung heraus und haben solche in der That im 
Alterthum gefunden. Derselbe Sinn für übersichtliche Gruppierung zeigt 
sich auch in der Darstellung überhaupt, so 77—86, 214. 215, 
294—298, 301—302, 306 ff. Treffende Vergleiche, wohl vertheilt 
an den Hauptmomenten, beleben die Darstellung. 

Hienach scheint es unbegreiflich, wenn Kayser, Köchly und 
ähnlich Giseke, auch in dieser Partie nur eine aus Reminiscenzen zu- 
sammengestoppelte werthlose Flickarbeit schen. Ihnen gegenüber stehen 
die Verfechter der Einheit, Nitzsch und Kiene, welche überall den 
einheitlichen künstlerischen Plan gewahrt sehen und sich den Genuss 
des Dichters durch kein Bedenken ‚verkümmern lassen. Nitzsch ins- 
besondere sieht im Zweikampf Hektors und Aias ein Stück Exposition, 
wie in der Mauerschau, in der Epipolesis in 4 — „die echt homerischen 
Formen, die verschiedenen Haupthelden ausser Achill charakteristisch 
vorzuführen“. Die besondere Bedeutung desselben aber für die ganze 
folgende Handlung findet er iu dem Resultat des Kampfes, dass Aias, 
der nächste nach Achill, dem Hektor eben gleich, aber auch nur gleich 
befunden wird — was Happe bestimmter so formuliert: „das Bild, 
welches wir im Sinne des Dichters aus dieser Rhapsodie hinübernehmen 
sollen in die achte, wo die Folgen des Zorns des Achill sich zu äussern 
beginnen, ist dieses: „Wenn im Ringen rein menschlicher Kräfte 
der Tüchtigste der Achaeer (heros ab Achille secundus Hor. Sat. II, 3, 
193) nicht im_ Stande ist den Tüchtigsten der Troer zu bewältigen, 
was wird dieser dann zu leisten im Stande sein, wenn er durch die 
Kraft des Zeus selbst unterstützt wird?“ Gegenüber steht die Lieder- 
theorie, nach welcher Zachmann H 1—312 wegen der engen Be- 
ziehungen zum Vorhergehenden mit Z zu einem selbständigen Liede, 


8 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. 


dem sechsten, verbindet, während Holm dieses wieder in drei Einzel- 
lieder zerlegen möchte, von denen das dritte H 45—312 umfassen 
soll. Zwischen diesen beiden entgegengesetzten Richtungen nehmen 
die folgenden Ansichten einen mitileren Standpunkt ein. Nach Genz 
ist unser Stück als Fortsetzung von Z gedichtet, jedoch nicht von Z 
allein, sondern von den an einandergefügten Liedern P—H12. Kayser 
dagegen meint, dass das siebente Buch (mit Ausnahme von 1—16) 
nebst dem achten zu dem Zweck gedichte sei, um das später ein- 
geschobene neunte vorzubereiten. Nach der Grote'schen Hypothese, 
die Friedlaender aufgenommen und weiter zu begründen gesucht hat, 
bildet unsere Partie einen Bestandtheil eines eignen Gedichts, welches 
ein Gemälde des Trojanischen Kriegs im Allgemeinen giebt und Buch 
H—VIE umfassend als Ilias der Achilleis (Buch I, VII, XI—XXI) 
eingefügt sein soll. Düntzer, welcher selbständig zu der ähnlichen 
Ansicht gekommen war, dass Buch II—VII ursprünglich ein selb- 
ständiges Gedicht gebildet haben, sieht in der vorliegenden Partie 
(bis 310) den hie und da durch spätere Zusätze entstellten Abschluss 
dieses Gedichtes. Bergk endlich, welcher die ursprüngliche Einheit 
der llias, wie der Odyssee festhält, aber dieselbe von jüngern Dichtern 
vielfach überarbeitet, erweitert und fortgesetzt sein lässt, sieht zwar 
in Hektors Rede 67 ff. ein Stück älterer Poesie, hat aber gegen die 
derselben vorhergehende und nachfolgende Erzählung soviel einzuwenden, 
dass er erst mit 175 wieder die alte llias beginnen lässt: die folgende 
Partie bis 312 ist ihm ohne Anstoss. 

Bei weitem mehr und schwerer wiegende Bedenken sowohl nach 
dem Inhalt, wie nach der Darstellung sind gegen den Rest des 
Buches 313—482 geltend gemacht. Abgesehen von den schon von 
den Alten mit Recht verworfenen V. 334. 335 ist vor allem der 
Mauerbau der Gegenstand ausführlicher Erörterungen geworden. In 
direciem Widerspruch mit der Erzählung desselben an dieser Stelle 
scheint & 31. 32 zu stehen, wo der Zusammenhang nur an- 
nehmen lässt, dass- der Maurrbau alsbald nach der Landung erfolgt sei. 
(Schoemann in Jahrbb. f. Phil. Bd. 69 p. 20). Ohnehin scheint der- 
selbe an dieser Stelle nicht genügend motiviert, weder durch die That- 
sachen der vorhergehenden Erzählung, noch in dem Zusammenhang 
der Rede, worin Nestor den Vorschlag dazu macht. Die Griechen haben 
am ersten Schlachttage keine entschiedene Niederlage erlitten und 
durchaus keinen Grund eine Belagerung durch die Troer zu fürchten. 
Dass ihre Stimmung auch keineswegs eine gedrückte oder nur zweifelnde 
sei, ergiebt sich deutlich aus Diomedes Worten 400—402, womit er 
die Friedensanträge der Troer zurückweist. Ebenso anstössig erscheint 
die wunderbare Schnelligkeit, mit der ein so bedeutendes Werk aus- 
geführt wird. Die Beschreibung endlich ist so dürftig, dass man die 
Grösse und Bedeutung des Werkes daraus nicht erkennt, nur Poseidons 
Zorn über dasselbe lässt ahnen, dass es sich um etwas Grösses 
handelt. 

Ueberraschend kommt ferner nach den letzten Begebenheiten des 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. 9 


Tages der Vorschlag Antenors 350 M. noch nachträglich die Helena 
sammt den geraubten Schätzen den Atriden zurückzugeben. Die Moti- 
vierung ist sehr ungenügend; nach der Beziehung auf den Vertrags- 
bruch in 4 sollte man doch einen Hinweis auf die Bedrängniss der 
Troer in E und Z erwarten. Sodann begreift man wohl Paris’ 
Weigerung die Helena herauszugeben, allein sein Anerbieten die mit 
Helena geraubten Schätze noch um andere vermehrt, doch ohne Helena 
herauszugeben, — an demselben Tage, wo ein feierlicher Vertrag über 
die Auslieferung der Helena von den Troern und Paris selbst verletzt 
war, heisst doch nach der Lage der Dinge den Achaeern gar zu viel 
zumuthen! Priamos scheint auch gar nicht daran zu denken, dass die 
Atriden auf Alexanders’ Vorschlag eingehen könnten, da er nach der 
Bitte um Waffenstillstand ohne Weiteres seine Bereitwilligkeit den Kampf 
danach fortzusetzen durch den Herold erklären lässt. 

Die Darstellung zeigt vielfach Unklarheit und Verworrenheit. So 
kann man selbst die Tage nicht sicher berechnen: H 381 ist es 
Morgen, 421 wird es Tag, 433 noch nicht (wieder?) Morgen, 465 
geht die Sonne unter (Lachmann). Die Erzählung leidet zum Theil 
an einer unruhigen Hast, es fehlt die anschauliche Breite des epischen 
Stils; unberechtigten Raum beansprucht die Darstellung von Essen und 
Trinken. 

Von diesen Bedenken lassen sich manche auf ein geringeres Mass 
des Anstössigen zurückführen. Zwar wird man für den Mauerbau 
die von 0. Müller griech. Literaturgesch. I p. 88, Nitzsch und Kiene 
gegebene Motivierung, dass die Griechen jetzt zum ersten Mal die Er- 
fahrung gemacht hätten, dass die Troer ihnen in offener Feldschlacht 
zu‘ widerstehen vermöchten, mit Grote p. 537, Düntzer hom. Abh. 
p- 238, Köchly diss. II p. 7, Schoemann in Jahrbb. f. Phil. Bd. 69 
Ρ. 16 ff. ablehnen müssen. Aber es lässt sich manches andere geltend 
machen, wonach der Vorschlag des Mauerbaus doch nicht so unmotiviert 
ist, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Im Allgemeinen wird 
man zugeben müssen, dass durch Achills Abwesenheit die Lage 
der Achaeer sich verschlechtert hatte: eine gewisse Unsicherheit 
in Betreff des Gelingens ihrer Unternehmungen (Kammer) scheint 
natürlich und die Sicherheit, welche Diomedes bei Verwerfung 
der troischen Vorschläge dem troischen Herold gegenüber zeigt, 
ist damit sehr wohl zu vereinigen. Insbesondere war der Verlauf 
des ersten Schlachttages trotz der Aristie des Diomedes für die 
Achaeer keineswegs so günstig, dass es an jedem Grund zur Besorgniss 
gefehlt hätte: zwar hatten sie keine entscheidende Niederlage erlitten, 
aber zweimal war ihre Lage derart bedroht gewesen (E 711. Η 17), 
dass nur das Eiuschreiten ihrer Schutzgöttin Athene sie gerettet 
hatte. Danach konnte die Möglichkeit einer Niederlage, die schliesslich 
auch die Schiffe bedrohte, dem vorsichtigen Nestor sehr wohl vor- 
schweben und ihn zu dem Vorschlag veranlassen, obwohl man aller- 
dings iu Nestors Worten eine deutlichere Motivierung vermisst. Der 
Anstoss, den die summarische Kürze und Dürftigkeit in der Darstellung 


10 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. 


des Mauerbaus giebt, wird bleiben, wenn man auch die Möglichkeit der 
Ausführung in so kurzer Zeit zugeben mag, wie sie Jacob p. 217 zu 
erweisen sucht, vgl. übrigens Welcker klein. Schrift. II. p. XX. Andere 
finden, dass nur die Unklarheit der Darstellung die Möglichkeit der 
Annahme eines Tages lasse, und glauben auch nach der Intention des 
Dichters mehrere Tage dafür annehmen zu dürfen. In dieser Beziehung 
ist Zachmanns Tadel der chronologischen Anordnung von Hoffmann 
bereits ermässigt, welcher darin nur den einen Mangel findet, dass 
Idaios ἠῶϑεν (381) ins achaeische Lager geht und schon vor Tages- 
anbruch zurück ist, so dass dann unmittelbar nach Sonnenaufgang 
(νέον 421) die Achaeer und Troer sich schon auf dem Schlachtfelde 
begegnen. (Ueber die an diese Zeitbestimmung sich schliessenden 
Fragen über das Local vgl. v. Eckenbrecher die Lage des homerisch. 
Troja. Düsseldorf 1875 p. 28. mit Welcker klein. Schrift. II 
p. XVII. und Hasper Beiträge zur Topographie der homer. Ilias 
Ρ- 28 [) Aehnlich ist das Verhältniss der Zeitbesiimmungen τ 428 
und 433, wo dem Erscheinen der Morgenröthe der Sonnenaufgang als 
zweiter Zeitabschnitt folgt; danach kann kein Zweifel sein, dass der 
Dichter die beiden Bestimmungen als Zeitpunkte desselben Tages ver- 
stauden hat. Der übrige Tag geht mit dem Aufsammeln und Verbrennen 
der Todten hin. Das Ende desselben ist nicht nach sonstigem Gebrauch 
durch eine der üblichen Formeln angezeigt, daher Zachmann bei der 
Zeitbestimmung 433, die den Morgen des folgenden Tages bezeichnet, 
sein zweilelndes “wieder?” hinzufügle. Aber ganz ebenso fehlt eine 
den Abschluss des vorhergehenden Tages bezeichnende Zeitbestimmung 
bei der Beschreibung von Hektors Bestattung 4) 785—788, hei der 
des Patroklos 217, vgl. 226 und der des Achill ὦ 65—72. Der 
Scheiterhaufen brennt eben die Nacht hindurch, wie ἣν’ 225 fl. 2 791. 
@ 71. 72, daher kein besonderer Anlass war den Abschluss des vorher- 
gehenden Tages zu markieren. So bleibt hier nur der Anstoss, dass 
mach dem überaus kurzen Bericht es scheinen muss, als ob die Ver- 
brennung der Leichen vollständig beendigt gewesen, während wir 
(434 — 8 789 vgl. # 232—234) nachträglich sehen, dass eine aus- 
erlesene Schaar während der Nacht beim Scheiterhaufen geblieben war 
und nun erst das Löschen der Flamme und das Aufsammeln der Gebeine 
erfolgt sein muss. Die übrigen Bedenken sind schwer zu beseitigen. 

Auch sonst sind Missverhältnisse in der Darstellung anzuerkennen. 
Man mag zugeben, dass, da die Ereignisse im Lager, in der Stadt und 
auf dem Olymp sich drängen, dem entsprechend eine rasche Lebendig- 
keit der Schilderung am Platze sei. Allein dadurch kanı nicht gerecht- 
fertigt werden, dass das Wichtigere übermässig kurz behandelt, in 
seinen Motiven nicht klar hervortritt, während das Unwichtigere mit 
einer gewissen Breite erzählt wird. 

Aus diesen Gründen‘ ist es sehr schwer mit Nitzsch, Baeumlein, 
Kiene die Ursprünglichkeit auch dieser letzten Partie des siebenten 
Buches noch festzuhalten. Ein hedeutsamer Grund dagegen ist auch 
das von Schoemann aus & 31. 32 entnommene Bedenken. So nehmen 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. 1 


denn die übrigen Kritiker ziemlich einstimmig einen späteren Ursprung 
für dieselbe an und gehen nur in der Art, wie sie die Einschiebung 
erklären, nach den verschiedenen Standpunkten aus einander. Lach- 
mann verbindet die Schlusspartie des siebenten mit dem Anfang des 
achten Buches bis V. 253 und lässt dies Stick, in welchem er kein 
besonderes Lied erkennt, als Vorbereitung auf das folgende gedichtet 
sein, welche an die Stelle des echten Anfangs getreten sei. Kammer 
schliesst H 345 ff. an I’ und 4 1—220 und bildet aus diesen Be- 
standtheilen ein einzelnes selbständiges Lied, das ursprünglich mit der 
Dias nichts zu thun hatte, dessen Schluss aber nicht vollständig er- 
halten, vielmehr bei der Eiufügung in die llias verändert wurde. Auf 
Grund der Groteschen Hypothese nimmt Friedländer an, dass die Er- 
zählung von der Befestigung des griechischen Lagers ihren Ursprung 
der Einschiebung der sechs Gesänge (II—VII) in die Achilleis verdanke: 
“Die Achilleis die vom ersten sogleich zum achten und dann zum elften 
Buch übergieng, setzte Mauer und Graben als vorhanden voraus, und 
wichts in ihr liess vermuthen, dass die Griechen anfaugs ohne diese 
Befestigung gewesen sein. Und da sie in diesem Gedicht fast immer 
im Nachtheil sind, hatte die Voraussetzung nichts überraschendes, das 
Lager in dem sie nun angegriffen werden, sei von Anfang an befestigt 
gewesen. Aber dies änderte sich sobald das erste und achte Buch von 
einander getrennt wurden, um für die Schilderungen von ruhmvollen 
Thaten griechischer Ilelden Platz zu machen. Diese glänzenden 
Schilderungen erwähnen keine Befestigung und involvieren sogar ihre 
Nichtexistenz. Sollte aber auf sie unmittelbar der achte Gesang folgen, 
so würden Hörer und Leser überrascht gewesen sein, hier eine Mauer 
zu finden, von der sie bis dahin nichts gewusst hatten. So war es 
nothwendig die’Erzählung des Mauerhaus einzuschalten.” Von andern 
Vorausselzungen ausgehend urtheilt Schoemann: “weil in ‘den späteren 
Büchern von einer Mauer die Rede war, doch aber die früher erzählten 
Begebenheiten diese nicht erkennen liessen und überdies auch ein solcher 
Zustand der Dinge vorausgesetzt war, der eine Mauer unnöthig er- 
scheinen liess, so hielt der Diaskeuast jene Stelle, die Waffenruhe nach 
dem ersten Schlachttage, für, den schicklichen Platz sie zu bauen.” 
Aehulich Bergk: “der Dichter der Ilias setzt die Befestigung des 
Lagers voraus; so lange im offenen Felde gekämpft wird, hatte er 
keinen Anlass dieser Werke zu gedenken, aber im weiteren Verlaufe 
des Krieges tritt die Befestigung in den Vordergrund. Der Diaskeuast 
hat nun den Mauerbau hinzugedichtet, um den scheinbaren Widerspruch 
zwischen den früheren Gesängen und den späteren Theilen der Ilias 
zu entfernen.’ 5 


Anmerkungen. 


2. Nach den schönen Untersuchungen von 7. Mommsen, Ent- 
wicklung einiger Gesetze für den Gebrauch der griechischen Prae- 
positionen. Μετά, σύν und ἅμα bei den Epikern. Frankf. a. M. 1874 


12 Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 


ist bei ἅμα das Gehen zugleich, zusammi mit dem Gehenden die 
überall zu Grunde liegende Vorstellung und geht ἅμα ehenso auf die 
Leitung, Führung, wie μετά (inmitten) auf die Umgebung. Beiden 
steht σύν gegenüber als der gewöhnliche Ausdruck der Zugehörigkeit 
eines Begriffes zu einem andern, und zwar in der Bedeutung von mit 
Zuthat von oder mit Hilfe von. ἅμα ist ebenso lediglich persönlich, 
wie μετά lediglich pluralisch und auch vorwiegend persönlich, σύν 
mehr sachlich, doch auch persönlich, und von vornherein bestimmt 
Nomen mit Nomen, nicht, wie μετά und ἅμα, Nomen mit Verbum zu 
verbinden. — 3. Ueber den Infinitiv Praes. und Aor. nach μέμαα vgl. 
den Anhang zu τ 231 und X. Koch zum Gebrauch des Infinitivs in 
der homerischen Sprache. Braunschweig 1871, p. 25 f. 

4. Die Stellung und Bedeutung solcher participialen Dative, wie 
ἐελδομένοισιν,, innerhalb des Gedankens ist mit feinem Verständniss 
erörtert von J. Classen Betrachtungen über den homerischen Sprach- 
gebrauch. Frankf. 1867, p. 155 fl. Unter den dort behandelten 
Stellen verdienen aber einige, darunter die vorliegende, noch eine be- 
sondere Betrachtung hinsichtlich des temporalen Verhältnisses zwischen 
Participium und Hauptverbum, sowie des Gedankenverhältnisses. In 
Fällen, wie M 374 ἐπειγομένοισι δἴκοντο kommt nur das erstere in 
Betracht: das Partieip. Praes. bezeichnet dem Aorist des Hauptverbums 
gegenüber die Situation, in welche die Haupthandlung eintritt. An 
unserer Stelle, wie u 438. φ 209. ὦ 400. 401. γ 228 kommt dazu 
noch weiter die Beziehung der Bedeutung, welche zwischen dem 
Participium und dem Hauptverbum besteht: wünschen und geben, harren 
und erscheinen (kommen), hoffen und eintreten sind correspondierende 
Begriffe. Nach diesen beiden Gesichtspunkten besteht hier ein ganz 
anderes Verhältniss zwischen dem Partieipium und dem Hauptverbum, 
als τ. B. ε 152. 153 κατείβετο δὲ γλυκὺς αἰὼν νόστον ὀδυρομένῳ, 
denn wenn an dieser Stelle die im Participjum enthaltene Stimmung 
die Haupthandlung begleitet, so findet sie dort durch den Eintritt der 
Haupthandlung ihr Ende, ihren Abschluss und das temporale Verhältnis 
zwischen Partieipium und Hauptverbum ist dasselbe, wie « 422. 423 
τέρποντο, μένον δ᾽ ἐπὶ ἕσπερον ἐλϑεῖν. τοῖσι δὲ τερπομένοισι μέλας 
ἐπὶ ἕσπερος ἦλϑεν, vgl. u 809-311, m 220 καί νύ κ᾽ ὀδυρομένοισιν 
ἔδυ φάος ἠελίοιο vgl. φ 226. ψ 241, d. h. sie ergötzten sich bis 
Eintritt des Abends, sie würden bis in die Nacht hinein ihr Jammern 
fortgesetzt haben. So ist die im Particip bezeichnete Stimmung ohne 
Zweifel eine dauernde μ 438, wo ἐελδομένῳ die schon vorher be- 
zeichnete Erwartung aufnimmt, und wir sind mach Verhältniss der 
Tempora und der Verbalbegrife auch ohne das folgende ἄψ berechtigt 
zu übersetzen: nach langem Harren. Wie wenig die Uebersetzung 
solcher Partieipia mit “erwünscht” auf das betreffende Subject oder 
Object bezogen, das, was der Dichter sagt, zum Ausdruck bringt, zeigen 
die scheinbar gleichstehenden Wendungen mit dondsıog, wie 233 
ἀσπάσιος γῆ νηχομένοισι φανήῃ, wo eben nicht die dem Eintritt der 
Haupthandlung vorhergehende, sondern nur die bei demselben ein- 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. 13 


Aretende Stimmung bezeichnet ist. Auch φ 209. ὦ 400, wo die Ueber- 
setzung erwünscht zu genügen scheint, sagt der Dichter genauer, dass 
das Kommen des Odysseus dem sehnsüchtigen Harren der Seinen ent- 
spricht. Danach wird vielleicht die vielbesprochene Stelle 7 228, οὐκ 
ἂν ἐμοί γε ἐλπομένῳ τὰ γένοιτο verständlicher. Den übrigen Erklärungs- 
versuchen gegenüber sah Classen p. 158 richtig, dass hier, wie φ 115, die 
Negation sich zugleich auf Partieipium und Hauptverbum bezieht, weiter 
ist aber die ‚correspondierende Beziehung der Verbalbegriffe von ἐλπο- 
μένῳ und γένοιτο zu beachten. Sie ist ähnlich wie die in der Zu- 
sammenstellung ὑποσχόμενον τελέσαι, oder noch näher liegt die Ver- 
gleichung von g 496 εἰ γὰρ ἐπ᾽ ἀρῇσιν τέλος ἡμετέρῃσι γένοιτο: wie 
hier ἀρῇσι τέλος als correspondierende Begriffe eng zusammengehören, 
so machen dort ἐλπομένῳ γένοιτο gleichsam einen einzigen Begriff aus, 
der als solcher, in dieser Zusammenfassung negiert wird: “für mich 
dürfte die Erfüllung solcher Hoffnung nicht eintreten’, oder, wenn 
wir auch hier das temporale Verhältniss scharf betonen, so sagt Tele- 
mach: da könnte ich lange hoffen, ehe mir das zu Theil würde, d. i. 
eine solche Hoffnung wäre vergebens. Ueber eine ähnliche Verbindung 
'des Partieipium Praes. mit Aorist, wo durch diesen der Abschluss einer 
dauernden Handlung bezeichnet wird, ist gesprochen in den Zusätzen 
und Berichligungen zu ν 187 (in der fünften Aufl.). — Zur Auf- 
fassung des Aorists und des Conjunctivs im Vergleich vgl. Friedlaender 
Beiträge zur Kenntniss der homerischen Gleichnisse, I, Berlin 1870, 
p- 23—28, II, Berlin 1871, p. 17. 

9f. Ueber die schon von den Alten bemerkten chronologischen 
Schwierigkeiten, welche zwischen der hier gemachten Angabe und der 
Erzühlung 136 fl. bestehen und welche Aristarch (vgl. Friediaender 
Aristonic. zu V. 10 und 133) durch Annahme einer Homonymie zu 
lösen suchte, vgl. la Roche in 2. f. oest. G. 1860, XI p. 156 f. Köchly 
de lliadis carmm. diss. V p. 18. 

12. Ueber die Formel λῦσε δὲ γυῖα und verwandte handelt 
Doberenz interpretationes Homericae, Hildburghausen 1862 p. 19 f. 

17 #f. Kritische Bedenken gegen die Ursprünglichkeit der folgenden 
Erzählung von der Begegnung und Verabredung der beiden Götter 
äussern Düntzer homer. Abhandlungen p. 263, la Roche in Z. 1. d. 
oest. ἃ. 1860, XI p. 157, Bischoff im Philol. XXXIV p. 13. 

21. Die Grundbedeutung von βούλομαι sich erwählen, lieber 
wollen (Curtius Etymol. ἐρ. 539. Fick vergleichendes Wörterbuch 
der indogerm. Sprachen 3. Aufl. 1874, p. 211 unter var) hat Gott- 
schlich psychologia Homerica, Breslau 1864 p. 37 f. im ganzen home- 
rischen Gebrauch durchzuführen gesucht. Jedenfalls lässt sich die 
Grundbedeutung mit Sicherheit, ohne gezwungene Interpretation in 
weiterem Umfange nachweisen, als in Ebelings Lexicon geschehen ist. 
Auch hier legt die Voranstellung von Τρώεσσι den Gedanken an die 
entgegenstehende Aussicht, dass Athene den Achaeern den Sieg ver- 
liehe, nahe: er wünschte vielmehr den Troern den Sieg. 

24. Ueber die Schreibung δὴ αὖ statt des handschriftlichen δ' αὖ 


14 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. 


vgl. den Anhang zu κ 281 und A 340, auch J. la Roche homerische 
Untersuchungen Leipz. 1869 p. 281 1. 

25. Die nach Ebeling’s Lexicon nur der Ilias angehörende Formel 
ϑυμὸς ἀνῆκε ist gewöhnlich mit einem folgenden Infinitiv verbunden: 
Z 256. M 307. X 252. B 276. H 152. X 346; — K 389 ist 
der Infinitiv aus dem Vorhergehenden zu ergänzen. Eigenthümlich ist 
der Gebrauch hier und ® 395. Auch an diesen beiden Stellen ist 
der nöthige Infinitiv aus dem vorhergehenden Satze zu ergänzen, die 
Formel verwächst aber derartig mit dem vorhergehenden Gedanken, dass 
man kaum an Ergänzung des Infinitivs denkt. Wie das Gedanken- 
verhältniss zwischen beiden gedacht ist, macht Z 254—256 klar, wo 
im Eingange eine ähnliche Frage wie hier steht, dann aber die Gedanken 
in ruhiger logischer Folge so entwickelt werden, dass der Inhalt der 
Formel als ein Glied in einer Kette von Vermuthungen erscheint, welche 
die in der Frage enthaltene Thatsache (des Kommens) erklären sollen. 
Danach ist an diesen beiden Stellen eine für die Frage nothwendige 
Voraussetzung mit dieser selbst lebhaft verschmolzen, indem hier 
μεμαυῖα, D 395 ϑάρσος ἄητον ἔχουσα sofort die erklärende Aus- 
führung der Formel nach sich zug. — Uebrigens ist innerhalb der’ 
Formel ϑυμός bald als Organ gefasst, wie die Attribute ἀγήνωρ B 276 
und πολυτλήμων H 152 ergeben, bald im Sinne der leidenschaftlichen 
Erregung als Zorn, wie X 346 combiniert mit μένος Wuth, oder als 
leidenschaftliches Verlangen, wie hier. Der in der Formel enthaltenen 
Anschauung entspricht aber die Wendung ϑυμῷ εἴκειν. bei der auch 
die entsprechenden Attribute, wie μεγαλήτορι 1110, ἀγήνορι 9.42, 
sich finden. Der Gegensatz ist ϑυμὸς ἐρύκει ı 802. 

26. Ueber 7 — δή und die befolgte Interpunetion am Schluss 
des Satzes vgl. Zehrs Arist. ?p. 57 Anm. — Uuannehmbar ist für 
ἑτεραλκής die von Doederlein im Glossar Nr. 2075 gegebene Er- 
klärung “den Gegenpart abmehrend’, wonach Herodot, indem er 
ΙΧ 103 vgl. VII, 11 das Wort in Verbindung mit μάχη im Sinne von 
anceps gebraucht, dasselbe missverstanden oder umgedeutet haben 
sollte. Diese dem homerischen Gebrauch scheinbar so widersprechende 
Verwendung des Wortes erweckt aber auch gegen die jetzt meist an- 
genommene Erklärung “entscheidend, der der einen Partei das Ueber- 
gewicht verleiht’ Bedenken. Diese ist schlechterdings unmöglich Π 362. 
Wenn es da von Hector heisst: γίγνωσκε μάχης ἑτεραλκέα νίκην, so 
wäre jedenfalls eine Bezeichnung der siegenden Partei im Genetiv, wie 
“Δαναῶν, nothwendig, um jene Bedeutung annehmbar zu machen. 80 
aber ergiebt sich aus dem Fehlen einer solchen, dass die Wendung in 
sich die nothwendige Bestimmung enthalten muss, d. h. dass die Be- 
deutung ist: ein Sieg, der der andern Partei die ἀλκή giebt. Weiter 
ist der der Formel mit Ausnahme von P 627 und χ 236 hinzugefügte 
Genetiv μάχης zu beachten, der sich, nach Seber’s Index, sonst bei 
νίκη. nicht findet und daher für die Formel von besonderer Bedeutung 
sein muss. Meiner Ansicht nach wird dadurch die ἑτεραλκὴς νίκη 
als einzelne Wendung des Kampfes bezeichnet, wie sie Homer selbst 


Kritischer und exegetischer Anhang. A. 15 


sachlich erläutert in Wendungen, wie Z 106. 107 οἵ δ᾽ ἐλελίχϑησαν 
καὶ ἐναντίοι ἔσταν ᾿Αχαιῶν. ᾿Αργεῖοι δ' ὑπεχώρησαν, λῆξαν δὲ φόνοιο, 
und sprachlich durch die Wendungen ϑουρίδος ἀλκῆς λαϑέσϑαι und 
μνήσασϑαι, wie gerade Π 356. 357 ὡς Aavaoi Τρώεσσιν ἐπέχραον. 
οἱ δὲ φόβοιο δυσκελάδου μνήσαντο, λάϑοντο δὲ ϑουρίδος ἀλκῆς 
unserer Wendung 362 vorhergeht. Die zu Grunde liegende Anschauung 
ist also diese: die ἀλκή, von Zeus verliehen, begleitet den augenblick- 
lichen Sieger, vgl. Θ 140 ἐκ dıös οὐχ Ener’ ἀλκή, da aber der Sieg 
ἐπαμείβεται ἄνδρας (Z 339) oder nach dem Bilde N 359 vgl. O 410 fl. 
die kämpfenden Parteien das Tau des Kampfes wechselnd hin- und her- 
ziehen, so geht die ἀλκή im Wechselspiel des Kampfes von der einen 
Partei zur andern über und es ist danach μάχης ἑτεραλκὴς νίκη der 
Sieg, der in der Feldschlacht von der einen (der vorher siegreichen) 
Partei zur andern übergeht, ‘der Feldschlacht wehrkraftwechselnder 
Sieg‘, d. i. ein Unschwung des Kampfes zu Gunsten der bisher unter- 
legenen Partei. Dieser Auffassung entsprechen die Stellen der Ilias 
H 26, © 171 vgl. 131, Π 362, P 627, denn überall ist es die 
vorher unterlegene Partei, der der Sieg zufällt, und die Erklärung des 
Schol. A. ὅταν οἵ πρώην νικηϑέντες νικήσωσιν. Auch ἑτεραλκέα 
δῆμον ἔχοντες O 738 entspricht derselben Anschauung, es ist eine 
Mannschaft, die den Unterlegenen, die sich in die Stadt zurückgezogen 
haben, die Wehrkraft wiedergiebt, indem sie einen Umschwung des 
Kampfes zu ihren Gunsten herbeiführt. Endlich lässt sich auch 4 236 
οὔ πω πάγχυ δίδου ἑτεραλκέα νίκην auf dieselbe Anschauung zurück- 
führen, wenn ınan mit Ebeling lexic. Hom. 5. v. die 208 von Odysseus 
ausgesprochene Besorgnis wegen der verderbendrohenden Ueberzahl 
der Freier berücksichtigt, der die Siegesgewissheit dieser (213—223) 
entspricht; möglich aber, dass hier die andere bei ἕτερος denkbare 
Bedeutung anzunehmen ist: ein Sieg, der der einen von beiden Parteien 
die ἀλκή giebt, also entscheidender Sieg, da hier nicht in dem Masse, 
wie in den Stellen der Ilias, ein entschiedenes Uebergewicht der Freier 
vorher zu Tage getreten ist; der Mangel jeder Personenbezeichnung 
bei der Wendung kann diese Auffassung unterstützen. In diesem Sinne 
bildet der Ausdruck den Gegensatz zu Wendungen, welche einen Stand 
des Kampfes beschreiben, wie Θ 67 τόφρα μάλ ἀμφοτέρων βέλε᾽ 
ἥπτετο, πῖπτε δὲ λάος. — Dass aus der für die Stellen der Ilias ge- 
fundenen Bedeutung der herodoteische Gebrauch sich leicht ableiten lässt, 
bedarf keiner weiteren Ausführung. Mit der gegebenen Erklärung finde 
ich mich im Ganzeu im Einverständniss mit dem Bearbeiter des Artikels 
von ἕτεραλκής in Ehelings Lexicon, Suhle im Schullexicon, auch 
F. Schaper quae genera compositorum apud Homerum distinguenda 
sint, Coeslin 1873 p. 6., vgl. auch Minckwitz Uehersetzung der Ilias 
Ρ. 159 Anmerk. 

28. Die Auffassung der Stelle ist gegeben nach Z. Zange der 
homerische Gebrauch der Partikel ei. I εἰ mit dem Optativ p. 358 (in 
den Abhandlungen der philolog.-histor. Classe der Kön. Sächs. Gesellsch. 
d. Wiss. Bd. VI, 1872). 


16 Kritischer und exegetischer Anhang. A. 


30. Die Bedeutung des Futurum an dieser und ähnlichen Stellen 
erörtert Paech über den Gebrauch des Indicativus Futuri als modus 
jussivus bei Homer, Breslau 1865 p. 20 f. Vgl. dazu die abweichende 
Erörterung im Philol. XXVII p. 519—521. — Ueber die Bedeutung 
von τέκμωρ handelt Buttmann Lexilogus 16 p. 119, der als die 
Grundbedeutung den Begriff! ‘Zeichen’ annahm. Nach der Bedeutung 
der W. tak wirken, wirken auf, zielen (vgl. Fick vergl. Wörterb. 13 
p- 86 unter 2 fak, Curtius Etymol. *p. 219) kann die Grundbedeutung 
nur sein das gesteckte Ziel, währen τέλος von der W. tar durch- 
dringen, eindringen; übersetzen, ans Ziel kommen — (Fick 1? p. 90 
unter 1. tar) eigentlich das ans Ziel Kommen, das erreichte Ziel 
bezeichnet (Curtius Etymol. *p. 221). Wie sich danach die ver- 
schiedenen Bedeutungen von τέλος gut entwickeln lassen, wie bei Suhle 
im Homerlexicon geschehen ist, so wird dadurch auch die Bedeutung 
von τέκμωρ in Verbindung mit Genetiven, wie hier, erst klar. Der 
Grundbedeutung entsprechend ist τέκμωρ ohne Zweifel N 20 das von 
dem Subjeet sich gesteckte Ziel, ferner in den Wendungen mit εὑρεῖν. 
I 472. ὃ 373. 466 das gesuchte Ende eines bestehenden Zustandes, 
wobei εὑρεῖν dem Begriff von τέκμωρ entsprechend die Anwendung 
der dem gesetzten Zweck dienlichen Mittel voraussetzt. Die Verbindung 
desselben Verbum mit Ἰλίου τέκμωρ hier und 1 48 und δήω 418. 
685 führt somit auf die im Commentar gegebene Erklärung. Denn 
dass die Verbindung nicht besagt: das von den Göttern llios gesteckte 
Ziel, zeigen die Stellen 7 418 und 685. 

34. Für die Feststellung der Bedeutung von &xdegyog, worüber 
die Ansichten noch immer weit auseinandergehen (vgl. ausser der bei 
‚Ebeling Lexic. Hom. s. v. angeführten Literatur noch Sonne in Kuhn’s 
Zeitschr. XII p. 407, und Autenrieth im Wörterbuch zu den homer. 
Gedichten s. v., welcher erklärt: (als Todesgott) fernabdrängend, fernein- 
schliessend, ins Grab oder Unterwelt) scheint unbeachtet geblieben 
zu sein, was Welcker kl. Schriften ΠῚ p. 37 und V, p. 58 in Bezug 
auf den Gebrauch im ersten Buch der Ilias beobachtet hat. Während 
Apollon in Bezug auf die Pest und überhaupt auf die verderbliche Seite 
seines Wesens ἑκηβόλος V. 21. 96. 110. 370. 373. 438, ἑκατηβελέτης 
75, ἕκατος 385, ἀργυρότοξος 37 genannt wird, heisst er, als er ver- 
söhnt den Achaeern Fahrwind giebt, 479 ἑκάεργος vgl. 147, wie im 
Päan 474 μέλποντες Ἑκάεργον. Welcker sieht darin gewiss mit 
Recht eine Anspielung auf den wirklichen kurzen Päan, worin 
dieser Name erscholl, wie deun der Hymnus der Branchiden, der Päan 
nemlich, lautete: Μέλπετε, ὦ παῖδες, Ἑκάεργον καὶ Ἑκαέργην (Clem. 
Alex. Strom. 5 p. 750). Dieser Beobachtung, welche die Bedeutung 
averruncus, Abmwehrer des Verderbens, Schirmer höchst wahr- 
scheinlich macht, steht auch der sonstige Gebrauch des Beiwortes zur 
Seite. Es kann nicht wohl zufällig.sein, dass in einer Reihe von Stellen 
dieser Beiname Apollon gegeben wird, wo derselbe in hervorragender 
Weise sich als Schirmer der Troer erweist: so E 439 vgl. 344 und 
433, O 243. 253 vgl. 231. 254 I, D 600 vgl. 597 1., wo ἑκάεργος 


Kritischer und exegotischer Anhang. Z. 17 


nach ἀποέργαϑε 599 fast wie eine etymologische Anspielung klingt 
(— eine Beobachtung des Herın von Zeuisch, die derselbe mir freund- 
lichst mittheilte), an andern ist diese Bedeutung für den Zusammen- 
hang wenigstens sehr angemessen, wie II 94. X 220. ® 472, wo 
die Anrede ἑκάεργε in wirksamem Gegensatz zu φεύγεις sicht, X 15, 
wo derselben Anrede unmittelbar der schärfste Gegensatz folgt: ϑεῶν 
ὀλοώτατε πάντων. Auch an der vorliegenden Stelle H 34 kann die 
Anrede ἕκάεργε ‘Schirmer’ in Athene’s Munde eine Beziehung auf das 
Bemühen Apollo’s, die von der Athene den Troern drohende Gefahr 
abzuwenden, enthalten. 

39. Ueber das doppelte 6 in Formen, wie προκαλέσσεται vgl. 
Leskien die Formen des Futurums und zusammengesetzten Aorists mit 
ZZ in den homerischen Gedichten in G. Curtius Studien zur griech. 
und lat. Gramm. Il p. 106. — Die Verbindung olödev οἷος in ihrer 
steigernden Wirkung erklärt J. Bekker homer. Blätter I p. 287 f. 
durch Vergleichung ähnlicher Ausdrücke der späteren Sprache, wie 
δοῦλος ἐκ δούλου, mit der Erläuterung: „‚Kuecht aus Knecht, der 
Knecht, der einen Knecht zum Vater gehabt hat und somit als Knecht 
geboren und auferzogen ist, gilt für tiefer versunken in die Schmach 
und Verderbniss seines Standes als der Freigeborene, der im Krieg oder 
von Seeräubern gefangen seine Freiheit verloren hat. Das Elend steigert 
sich, potenziert sich gleichsam mit jeder Generation“ u. 5, w. Diese 
Erklärung scheint misslich, weil bei Homer begrifflich Analoges sich 
nicht nachweisen lässt, was die Uebertragung auf abstractere Verhältnisse 
wahrscheinlich machte, dagegen andere Analogien bei Homer selbst näher 
liegen. Im Allgemeinen ist gewiss die Zusammenstellung unserer Formel 
mit ὄψιμον ὀψιτέλεστον, μέγας μεγαλωστί unter dem Gesichtspunkt, dass 
das Verweilen auf demselben Worte das Verweilen auf der Sache, auf diesem 
Begriffe auffällig machen solle. bei Zehrs Arist. ?p. 473 zutreffend. Im 
Besondern aber liegt für die grammatische Erklärung von οἰόϑεν οἷος näher 
mit Autenrieth hei Naegelsbach zu B 75 an ἄλλοϑεν ἄλλος zu denken, 
während sich begriflich die spätern Verbindungen αὐτὸς ἀφ᾽ αὑτοῦ, 
αὐτὸς καϑ' αὑτόν u. a., worüber van Hout de vi atque usu pronominis 
αὐτὸς adjecti ad reflexiva, Bonn 1873 p. 19 ff. ausführlich handelt, 
vergleichen lassen, wie das homerische κατ᾽ Zu αὐτὸν ἐγώ A 271, 
vgl.. αὐτὸς οἷος & 450, μία μούνη ψΨ 227. Weniger passend 
erscheint die locale Auffassung des Suffix ϑὲν in αἰνόϑεν αἰνὼς : 
man mag hier mit Xühner ausführl. Gram. der griech. Spr. ἯΙ p. 20 
lieber an Verbindungen, wie δειλαία δειλαίων, κακὼ κακῶν, homerisch 
etwa die ϑεώων, denken, wo der Genetiv wie beim Comparativ und 
Superlativ den Gegenstand bezeichnet, von dem die Vergleichung aus- 
geht, wie ähnlich die Schol. AB erklären: ἐκ δεινοῦ δεινὰ ἢ καὶ 
τῶν δεινῶν δεινότερα und Eustathios ἀπὸ δεινοῦ δεινῶς, ὅ ἐστιν ἐκ 
δεινῶν δεινοτέρως. Anders Zobeck path. el. II, 247, der αἰνόϑεν 
= αἰνῶς setzt und eine Verdoppelung des adverbialen Ausdruckes 
annimmt, ähnlich Zucas quaestion. lexilogicar. lib. I, Bonn 1835 
p- 45 f. Kolbe de suffixi ϑὲν usu Homerico. Gryphiae 1863 p. 20 


Aubang zu Ameis, Homors Ilias I, 3. 3 


18 Kritischer und exegetischer Anhang. A. 


erklärt die Formel 226 nicht unpassend: ipsissimus, — Uebrigens ver-- 
muthete Bentley statt οἷος — οἷον und Doederlein z. St. οἴῳ, welches 
mit μαχέσασϑαι verbunden den Gedanken ergeben soll: ut unum 
Achivorum provocet, qui suo solus de gradu adversus ipsum solum 
(Hectorem) pugnet. Beide Vermuthungen werden bis zu einem gewissen 
Grade schon widerlegt durch οἷον ἐπόρσειαν 42, welches mit οἷος: 
προκαλέσσεται 39 in Corresponsion steht. 

48. Ueber die Auffassung «der Frage und das Gedankenverhältniss 
zum Folgenden vgl. Z. Zunge a. ο. p. 381 und Praetorius der 
homerische Gebrauch von ἢ (ἦε) in Fragesätzen, Cassel 1873, p. 7. 

52. 53. Beide Verse gaben, theils den Alten, theils den Neuern 
Austoss. Zu 53 bemerkt Aristonikos bei Friedlaender: ἀϑετεῖται. 
διὰ τῆς μαντικῆς αὐτῶν συνῆκεν, ὡς εἴρηται (v. 44). In der That 
ist der Ausdruck ὄπ᾽ ἄκουσα ϑεῶν. den man nach B 182 nur von 
einem Vernehmen durch das äussere Organ verstehen kann, im 
Widerspruch mit σύνϑετο ϑυμῷ 44. Hinzu kommt, dass man οἷς am 
natürlichsten auf den zuletzt vorhergehenden Gedanken bezieht, wobei 
sich die Schwierigkeit ergieht, dass in der Unterredung der Götter 
das Schicksal des Hektor nicht berührt ist. Endlich fällt es auf, dass 
Helenos, wenn er überhaupt den göttlichen Rathıschluss als Motiv ver- 
wenden wollte, dies nicht sofort bei der Einleitung seiner Bitte 48 
thut, wo er vielmehr auf das brüderliche Verhältniss hinweist. Danach 
kann V. 53 wohl nicht ursprünglich sein. Gegen 52 macht ferner 
Heyne, sowie Bischoff im Philol. XXXIV, 13, geltend, dass Hektor 77 
im Widerspruch mit dieser Zusicherung des Helenos den Fall seines 
eignen Todes setze. Lässt sich dieser Widerspruch leicht rechtfertigen, so 
kann es doch auffallend erscheinen, dass einem Hektor gegenüber 
überhaupt ein solches Motiv in Anwendung gebracht wird. Vergegen- 
wärtigt man sich aber die trübe Stimmung, in welcher sich Hektor 
kurz vorher bei seinem Gange in die Stadı befand, so dass er sich 
selbst mit Todesgedanken trug (Z 367 [), so dürfte die Zusicherung 
des Helenos an dieser Stelle genügend motiviert sein. 

59. Die Frage der Verwandlung der Götter in Thiergestalten ist 
in verneinendem Sinne ausführlich behandelt von Platz die Gölter- 
verwandlungen, Karlsruhe 1857. Das Ergebniss dieser Untersuchung 
in Betreff der Worte ἐοικέναι, εἴδεσϑαι, ἔκελος, ἐναλίγκιος, ἀτάλαντος, 
ἶσος ist: es werden dieselben ebenso wohl von Annahme einer Gestalt, 
als blosser Vergleichung mit dem Wesen und Eigenschaften von 
Lebendigem und Leblosem gebraucht; in dem Sinne der Annahme einer 
Gestalt bei Göttern aber nur dann, wenn sie menschliche Gestalt an- 
nehmen; wo die Worte von Göttern in Bezug auf Tiere und leblose 
Dinge gebraucht werden, dienen sie nur der Vergleichung. — Ebenso 
verhielten sich gegen die Annahme solcher Verwandlungen ablehnend 
Nitzsch erklärende Anmerkungen zur Odyssee I p. 213, Heyne zu 
H 58. Dagegen nehmen dieselben in grösserer oder geringerer Aus- 
dehnung und von verschiedenen Standpunkten aus an Naegelsbach 
hom. Theologie ?2p. 160, Wackernagel ἔπεα πτερόεντα, Basel 1860 


Kritischer und exegetischer Anhang. A. 19 


Ρ. 33 ,, Gladstone homer. Studien, bearbeitet v. Schuster, p. 279, 
Friedreich Realien p. 700, Teuffel zur Einleitung in Homer: die homer, 
Vorstellungen von den Göttern, vom Leben und vom Tode, Stuttgart 
1848, p. 9, Lehrs populäre Aufsätze aus dem Alterthum, p. 136, 
Kratz de Minervae interventu in Homer. Odyss. Köln 1862 p. 16, 
Kostka über die leiblich und menschlich gedachten Götter bei Homer, 
Lyck 1857 p. 16; Sonne, mit der speciellen Deutung der φηγός auf 
den Wetterbaummythus in Kuhns Zeitschr. XV p. 87 ff. — So begründet 
die Ausführungen von Platz zum Theil sind, soweit sie gegen Naegels- 
bach’s Art die Gölterverwandlungen zu erklären, gerichtet sind, so ist 
doch von demselben ein besonders wesentlicher Gesichtspunkt für 
die Beurtheilung der Frage ausser Acht gelassen. Man braucht nicht 
mit Gladstone in den Götterverwandlungen geradezu Ueberreste einer 
früheren Thierverehrung zu sehen oder mit Friedreich sie dadurch zu 
begründen, dass diese Zeit etwas Geheimnissvolles, selbst etwas Gölt- 
liches in den Thieren zu finden glaubte, es genügt auf die Vorstellungen 
des alten Volksglaubens zu verweisen, um zu erkennen, dass die An- 
nahme solcher Verwandlungen nicht mit den mythologischen Vor- 
stellungen überhaupt im Widerspruch steht. Höher steht die Rücksicht 
auf das Angemessene unı Schöne. Trefend bemerkt Lehrs, nachdem 
er die Vorstellung der Kolossalität der Hera beim Schwur im 14. Buch 
der Ilias mit unserer Stelle und χ 240 vgl. mit 297 zusammengestellt 
hat: „Das alles ist ja keine Zauberei, das alles bietet sich dem Dichter 
so ganz natürlich, jene Kolossalität, wie diese plötzlichen Verwanilungen 
ins kleine und unscheinbare. Und man sieht, dass seine Fantasie, sowie 
sie an die Götter rührte, anders gestimmt war.‘ — und weiterhin: 
„Eine Gestal} muss dem griechischen Volksglauben natürlich ein jeder 
dieser Götter in jedem Augenblicke tragen: aber welche, das ist ihm als 
Gott völlig gleich und anheimgestellt. Er trägt nur die menschliche 
Gestalt für gewöhnlich als die schönste und edelste und geeigneiste, 
aber an und für sich ist ihm jede andere Gestalt, wenn er sie an- 
nehmen möchte, ebenso natürlich. Da ist nichts zauberhaftes, nichts 
auffälliges.‘“ Stehen weder von Seiten der Sprache, wie aus Plutz’s 
Ausführung hervorgeht, noch von Seiten der religiösen und mytho- 
logischen Vorstellungen des griech. Volksglaubens der Annahme solcher 
Verwandlungen Bedenken entgegen, so wird im Grunde für die einzelneu 
Stellen der aesthetische Gesichtspunkt die Entscheidung geben müssen. 
Und da ist, meine ich, für unsere Stelle, wie für χ 240, 3 290, 
nichts natürlicher als die Annahme der Verwandlung. Zwar bedarf 
es derselben nicht aus dem Grunde, weil die Götter unsichtbar Zeu- 
gen der vorgehenden Handlung sein wollen, wie Naegelsbach meinte, 
denn auch ohne Verwandlung haben sie stets in ihrer Gewalt sich 
unsichtbar zu machen, aber wie viel natürlicher, weil der Situation, 
den gegebenen Verhältnissen, entsprechender, ist es die Götler in 
der Gestall von Geiern auf dem Baume oder Athene in der 
Gestalt der Schwalbe auf dem Deckbalken sitzend zu denken, als 
dieselben in Menschengestalt, aber unsichtbar dahin zu versetzen. 
ar 


20 Kritischer und exegetischer Anhang. A. 


Fand Heyne die Verwandlung der Götter in Geier lächerlich, so 
erwidert treffend Sonne: -,„Wohlan denn, die Gestalt der Athena 
Parthenos, des Apoll von Belvedere im Gezweige der Zeuseiche hockend, 
wie Göthe’s Treufreund lauschend und getrost indessen auf dem Stängel- 
chen: mit Heyue’s Erlaubnis, gerade dies Bild däucht uns lächerlich 
und wir können nicht wohl zweifeln, dass die Hörerschaft — denn 
war ihr das Kunstideal noch nicht aufgegaugen, so ahnte sie es, und 
das thut den Dienst — gerade in dieser Situation die beiden Götter 
sich im Geiergewande dachte“. Auch Goethe verstand die Stelle von 
einer Verwandlung, vgl. Heinpelsche Ausg. XXIX p. 528. 

61. Die Schol. Lips. und Eusthatios erinnern an Plat. de legg. 
VIE p. 803 ἃ ἄνϑρωπον ϑεοῦ τι παίγνιον εἶναι. 

63. 64. Zu φρίξ vgl. Zehrs Aristarch. ἦρ. 89. 90, und wegen 
der Zusammenschreibung ἐπιφρίξ statt ἔπι φρίξ ebendaselbst p. 110 
und Hoffmann homerische Untersuchungen Nr. 2, die Tmesis in der 
Ilias. Erste Abth. Lüneburg 1858 p. 16, welche dieselbe mit Recht 
verwerfen. — V. 64 las Aristarch: μελάνει δέ τε πόντον ὑπ᾽ αὐτῇ, 
was Aristonikos bei Friediaender p. 128 erklärt: μελαίνει δὲ πόντον 
ὃ Ζέφυρος ὑπὸ τῇ φρίκῃ, Aristoteles nach J. la Roche die homerische 
Texikritik p. 27: πόντος ὑπ’ αὐτοῦ, wie wahrscheinlich auch Zenodot 
vgl. Düntzer de Zenodoti stud. Hom. p. 44. — Spitzner im 
14. Excurs seiner liasausgabe I p. XLIV ff. sucht die Lesart des 
Aristarch zu begründen. Bergk dagegen im academischen Programm, 
Halle 1861 p. 3 hält dieselbe für eine Conjectur des Aristarch und 
verlangt, ein Verbum μελάνω verwerfend, wie schon vor ihm Schneider 
wollte, nach ihm Doederlein in seiner Ausgabe geschrieben hat (aber 
mit ὑπ’ αὐτῆς), und neuerdings H. L. Ahrens, Ῥᾷ, Beitrag zur gri 
chischen Etymologie und Lexikographie, Hannov. 1873 p. 12 will, 
μελανεῖ δέ τε πόντος ὑπ᾽ αὐτοῦ, wobei er die Wahl lässt, ob man 
μελανεῖ nach den spätern alexandrinischen Epikern als intransitives 
Praeseus oder als Futurum fassen will. Vgl. auch Merkel zu Apollonius 
Rhod. p. 138. Ich habe mit J. Bekker und J. la Roche die hand- 
schriftlich am besten beglaubigte Lesart μελάνει δέ τε πόντος ὑπ᾽ αὐτῆς 
beibehalten, wobei die Form μελώνει zwar Bedenken erregt, aber doch 
durch das intransitive κυδάνω T 42 wohl hinreichend gestützt wird. 
— Aristarchs Lesart hat mit Recht keinen Beifall gefunden, sie trifft 
schlecht den homerischen Ton. Für μελαίνει das Subject Ζέφυρος 
aus dem Vorhergehenden zu entnehmen ist dadurch sehr erschwert, 
dass dies Wort vorher nicht Subject ist, vielmehr unmittelbar vorher 
in Genetivform gedacht ist; bei diesem Subject aber ist wieder ὑπ᾿ αὐτῇ 
sehr befremdlich. Wie gut homerisch dagegen erweist sich die andere 
Lesart, wenn man Stellen, wie x 406 vergleicht: ἤχλυσε δὲ πόντος 
ὑπ' αὐτῆς. 

69—72. Diese Verse werden als späterer Zusatz verdächtigt von 
Heyne, Düntzer homer. Abhandl. p. 264 Anmerk., Bergk griech. 
Lit. 1 p. 570 und 583, der auch V. 73 verwirf, Bernhardy Grund- 
riss II, 1, p. 163, Köchly de liad. carmm. diss. V p. 12, Kammer 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. 21 


zur homer. Frage Ip. 28, Haupt bei Lachmann Betrachtungen p. 110. 
Vgl. übrigens Naegelsbach hom. Theol. ?p. 344. — In V. 70 ergänzt 
man gewöhnlich zu rexueigerer nach Z 349 aus dem Vorhergehenden 
κακά als Object, wie auch Zucas philologische Bemerkungen, Bonn 
1839 p. 24 unter Vergleichung von 460 will. Indess erschwert die 
stehende Verbindung von κακὰ φρονέων (vgl. M 67. K 486. X 264 
und öfter) diese Ergänzung. Da nun aus der zu 30 gegebenen Grund- 
bedeutung von τέκμωρ ‘gestecktes Ziel? sich für das Verbum als ur- 
sprüngliche Bedeutung “ein Ziel setzen’ mit Wahrscheinlichkeit ableiten 
lässt, womit das folgende εἰς ὅ κε in dem Sinne, wie β 99, auf die 
Zeit dass, nach ἡ 317 (τεκμαίρομαι ἐς τόδε, αὔριον ἐς) sich passend 
verbindet, so dürfte damit jene Schwierigkeit beseitigt und ein passender 
Sinn gewonnen sein. Denn da es vorher sich um die Nichtausführung 
eines zum Zwecke der Beendigung des Kriegs geschlossenen Vertrages 
handelt, so ist die Bedeutung des in τεκμαίρεται enthaltenen Begrills 
“Ziel” durch den Zusammenhang klar, so dass derselbe keiner näheren 
Bestimmung bedarf. — 72. Die Handschriften haben δαμείετε, eine 
zweifelhafte Form, welche J. la Roche krit. Ausgabe mit Bekker ver- 
wirft, weil sie als Optativ eine unerhörte Kürzung des ἡ in & zeigt 
und als Conjunctiv bei folgendem & (auch n) eine unerhörte Dehnung 
in ei, vgl. Homer. Untersuch. p. 153 und dagegen Stier in G. Curtius 
Studien II p. 130. — Die von J. la Roche in der Schulausgabe z. St. 
gegebene Auffassung der Form als Optativ ist syntaktisch zweifelhaft, 
obwohl gerade bei der Disjunclion ἤ--- einige mehr oder weniger 
sichere Fälle von solchem Moduswechsel vorkommen, Z 307. ο 300. 
ὃ 692. μ 156. 157. II 648—651, vgl. auch I 245. 477. χ 444. 
Schwerlich würde der Optativ mit Ια Roche als Modus des Wunsches 
gefasst werden dürfen, so dass derselbe die dem Redenden erwünschtere 
Annahme bezeichnete: „‚oder ihr lieber unterlieget. Vgl. Philol. XXIX 
p- 154, auch G. Hermann de legibus quibusdam subtilioribus sermonis 
Hom. dis. Ip. XV. 

73. Stait des handschriftlichen ὑμῖν μὲν γὰρ ἔασιν ist von den 
neuern Herausgebern meist (Bekker, Jac. la Roche, Dindorf) mit 
Recht die Lesarı des Aristarch ὑμῖν δ᾽ ἐν γὰρ ἔασιν vorgezogen, während 
Düntzer μέν liest, 48 ist gar nicht zu enibehren, weil das 69 vor- 
angestellte ὕρκεα μέν nicht seinen Gegensatz in, dem folgenden ἀλλά 
70 hat, sondern dem ganzen Gedanken 69—72 “mit dem Vertrage 
ist es nichts’, die Aufforderung zu einem neuen Zweikampf 74—75 
gegenübertritt, die durch γάρ proleplisch eingeleitet wird. — Eine 
sehr künstliche Construction der Stelle giebt Doederlein, weil er den 
proleptischen Gebrauch der Partikel ydg verkennt, welcher jetzt gut 
erörtert ist von E. Pfudel Beiträge zur Syntax der Causalsätze bei 
Homer. Liegnitz 1871, p. 6 M. und besonders p. 9. — Bei ἐν ist 
wohl mit Hoffmann Homerische Untersuchungen. Nr. 2, die Tmesis 
in der Ilias. I. Abth. Lüneburg 1858 p. 12 nicht Tınesis anzunehmen, 
sondern mit Rücksicht auf die Voranstellung des betonten ὑμῖν, 
Praepositionsrection. 


2 Kritischer und exegetischer Anhang. A. 


74. J. la Roche schreibt gegen die Handschr., welche ἀνώγει 
haben, ἀνώγῃ, was der gewöhnliche Sprachgebrauch verlangt, wofür 
in der Annolatio crit. die Belege gegeben werden. Eine Ausnahme 
davon bietet aber auch β 114, wie auch die spätere Sprache (vgl. 4. ἢ. 
Müller Syutax der griech. Tempora, Göttingen 1874 p. 4) diesen ab- 
weichenden Gebrauch kenut, daher die Berechtigung dieser Conjectur 
zweifelhaft erscheinen muss. 


75. Ueber den durch das Epitheton δῖος gegebenen Anstoss, den 
Aristonicus zur St. bemerkt, vgl. Friedlaender Aristonic. zu Γ' 852. 
Minckmitz in der Ueberseizung p. 161 sieht in Ἕχτορι δίῳ einen 
ganz objectiven Ausdruck, der Zusatz δίῳ sei reine Sache des Gesanges, 
da der Dichter keine Rücksicht darauf nehme, dass Hektor selber spricht. 
Gewiss darf man wohl nicht in dem Ausdruck geradezu ein anmassendes 
Selbstlob finden, aber ein Ausdruck herechtigten Selbsthewusstseins ist 
es ohne Zweifel und nach dem vorhergehenden (74) ἐμοί damit eine 
besondere Wirkung beabsichtigt. Uebrigens finde ich sonst ausser Θ 21 kein 
auszeichnendes Autribut dem Namen hinzugefügt, wo dieser mit Selbst- 
bewusstsein an die Stelle des Pronomens der ersten Person tritt; denn 
© 470 ist das Autribut ὑπερμενέα mit Bezug auf die Worte der Here 
463 gesagt, wie dort die Objectivierung der Personenbezeichuung über- 
haupt der Verhöhnung der Here dient. Wie mannigfaltig aber Zweck 
und Wirkung objecliver Personenbezeichnung durch den Namen an 
Stelle des Pronomens ist, mag hier durch eine Uebersicht kurz dar- 
gelegt werden. Es ist dieselbe frei von allem Pathos, wenn der 
Redende sich bei Bezeichnung seiner eignen Person auf den Standpunkt 
der angeredeten oder dritten Person versetzt: so, wenn Odysseus 
π᾿ 301 zu Telemach sagl: niemand höre von der Heimkehr des Odysseus, 
vgl. ὃ 254. So lässt sich auch fassen ο 126. A 761. Π 496. T 151, 
obwohl an letzterer Stelle schon das Selbstgefühl mit durchbricht. 
Geht der Redende dabei auf die Gedanken des Angeredeten ein, so 
kann die Objectivierung der eigenen Persönlichkeit der Verspottung des 
Angeredeten dienen, theils so, wie Θ 470, dass der Redende den vom 
Angeredeten ausgesprochenen Gedanken fortseizend überbietet, theils 
wie IT 833, dem Gedanken des Angeredeten objectiv die Wirklichkeit 
entgegensetzt, ähnlich © 21. Einen Anflug des Komischen hat die 
Objectivierung der Personenbezeichnung in der Verwünschung B 259, 
wo Odysseus sagt: es soll dem Odysseus nicht mehr der Kopf auf 
den Schultern bleiben, wenn ich dich nicht züchtige. In der feier- 
lichen Verkündigung 4 240 ferner dient der Name statt des Pronomens 
die Bedeutung der Persönlichkeit lebhafter zu vergegenwärtigen, ähnlich 
x 235. Sympathisch wirkt der Name, indem er alle Erinnerungen an 
die Persönlichkeit wachruft, ν 300, wenn Athene dem Odysseus zuruft: 
und du erkanntest Athene nicht! Vgl. ὦ 328. Objective Bezeichnungen 
durch den Namen für die andern Personen, als die erste, finden sich 
4 177. Φ 127. A 283. ı 275. ξ 202. Der Name statt des Appel- 
lativs 4 372. E 126. 193. Z 416. α 196. 253. 


Kritischer und exegetischer Anhang. 47. 23 


76. Ueber die eigenthümliche Art der Komposition in ἐπιμάρτυρος 
vgl. Lehrs Aristarch. ?p. 108 f. 

79. δόμεναι erklärt Albrecht in G. Curtius Stud. IV, 22 durch 

Ellipse von λέσσομαι. während Ameis zu I’285 unsere Stelle zu den 
Fällen rechnet, wo der Infinitiv mit einem Subject im Accusativ, ohne 
von einem vorhergehenden Verbum abhängig zu sein, Ausdruck des 
Willens, einer Forderung ist. Zu der Annahme einer Ellipse ist kein 
Grund, weil zweifellos Fälle vorliegen, wo der Infinitiv für die dritte 
Person des Imperativs gebraucht wird; Kühner ausführl. Gramm. 2:1 
Ρ. 588, ebenso Hoehne de infinitivi apud graecos classicae aetatis poelas 
usu qui fertur pro imperativo, Breslau 1867, p. 32 führt neben der 
vorliegenden Stelle noch an Z 92, wo bei vorhergehendem Subjects- 
nominativ kein Zweifel bestehen kann; hiezu kommt noch A 443, und 
mit grosser Wahrscheinlichkeit H 375, wo der sonstige Gebrauch des 
anknüpfenden καὶ δέ es geralhener macht einen neuen selbständigen 
Satz anzunehmen, stalt εἰπέμεναι noch als Infinitiv des Zweckes von 
ἴτω 372 abhängen zu lassen. Auch ὁ 128 würde nach Aristarch’s 
Lesart κεῖσϑαι hierher gezogen werden können. Davon sind, wie bei 
Kühner a. Ὁ. geschehen ist, die Fälle zu scheiden, wo das Subject 
im Accusativ bei solchen wünschenden oder fordernden Infinitiven 
steht: dies ist der Fall im Gebet nach vorhergehender Anrufung einer 
Gottheit B 413. H 179. ρ 354 (mit folgendem Optativ), nach vorher- 
gehendem Imperativ E 118, bei Aufstellung der Vertragsbedingungen, 
ebenfalls nach Anrufung der Götter, neben dem Imperativ I’285. An 
allen Stellen macht die vorhergehende Anrufung. der Götter es be- 
greiflich, dass der besondere Ausdruck der Bitte oder der Forderung 
{ein δός oder χρή) entbehrlich war. 
3. ‚Das eigenthümlich-schwierige (vgl. Zeo Meyer Bemerkungen 
zur ältesten Geschichte der griech. Mythol. Gött. 1857 p. 27) ἕκατος 
gehört gewiss zu den alten Cultusnamen, wie ‘Exdegyog, "ErarnßoAog, 
Ex βόλος vgl. Welcker kl. Schrift. V p. 58. Daher lag naclı Auf- 
deckung des Systems der griech. Namengebung durch Fick es nahe 
in dem sonst nicht fassbaren Worte eine im Kultus entwickelte Kose- 
form von Exermß6log zu sehen, vgl. Εἰδώ — Εἰδοϑέα, Κίσσος — 
Κισσοδέτης, Ταυρώ — Ταυροπόλα u. a. bei Fick die griech. Personen- 
namen, Gött. 1874 p. LXIf. u. p. 20. Welcker's Deutung Gölter- 
lehre I 531 ‘der fernste’ würde doch auch ohne Beziehung auf den 
&xermßöhog den fernhertreffenden, nicht verständlich sein. 

89-—91 sind von Cicero übersetzt bei Gellius N. A. XV, 6. — 
Statt τὸ δ᾽ ἐμὸν κλέος vermuthet Doederlein z. St. τὸ δ᾽ ὸν κλέος. --- 
Nachahmungen der Formel κλέος οὔποτ᾽ ὀλεῖται bei den Elegikern: 
‚Renner über das Formelwesen des griech. Epos und epische Reminis- 
cenzen in der ältern griech. Blegie. Leipz. 1872 p. 25., 

92. Ueber ἀκήν vgl. G. Curtius Erläuterungen zur griech. Schul- 
grammatik? p. 169. — Eine genaue Zusammenstellung der V. 93 ent- 
sprechenden Verse, wo weder nach der dritten Länge, noch nach der 
ihr folgenden Kürze ein Worteude vorhanden ist, sondern das Wortende 


24 Kritischer und exegetischer Anhang. H. 


erst nach der vierten Länge eintritt, nebst Bemerkungen über die dabei 
nöthige Modulation siehe bei Zehrs Aristarch. ?p. 395 M. 

99. Die Neueren verstehen die befremdliche Verwünschung ὕδωρ 
καὶ γαῖα γένοισθε meist nach dem Vorgange der Alten, wenn auch 
wicht grade in dem Sinne der philosophischen Speculation des Xeno- 
phanes: πάντες γὰρ γαίης re καὶ ὕδατος ἐκγενόμεσϑα᾽ ἐκ γαίης γὰρ 
πάντα, mei εἰς γῆν πάντα τελευτᾷ, vol. Zuuer Geschichte der homer. 
Poesie p. 50, aber doch damit im Zusammenhange stehend, von einer 
Auflösung in die Grundstoffe: so die Herausgeber mit Ausnahme von 
Bothe und Doederlein, so Naegelsback Homer. Theologie ?p. 78, 
Weleker griech. Götterlehre I p. 618. 786, Gladstone homer. Studien 
p- 221, endlich Preiler im Philol. VII, 7 selbst mit der genaueren 
Bestimmung: „in den Knochen von erdiger, im Blute, dem Träger der 
“ψυχή, von wässriger Substanz“, womit er die Spuren einer alten 
Vorstellungsweise über den Ursprung des Menschengeschlechts in Zu- 
sammenhang bringt, wonach derselbe dem vom befruchtenden Gewässer 
eines Flusses oder eines Landsees überschwemmten Erdreich verdankt 
werde. Sehen wir von dieser letzteren durch nichts bei Homer unter- 
stützten Combination ab, so findet sich bei unserm Dichter sonst nur 
in E 201 Ὠκεανόν τε, ϑεῶν γένεσιν, vgl. 246, der Okeanos, nicht 
das Wasser schlechthin, als Ursprung der Götter (aber auch der 
Menschen?), in B 546 die Andeutung vom Ursprung des Erechtheus 
aus der ἄρουρα, der Ackerflur, nicht der Erde überhaupt, endlich in 
bekannter Formel τ 162 die von der Abkunft der Menschen von Bäumen 
und Felsen. Die Deutung von κωφὴ γαῖα 2 51 auf den Leichnam 
des Hektor ist mindestens zweifelliaft. Sonach steht die in unserer 
Stelle vorliegende Anschauung jedenfalls vereinzelt da und die Be- 
rechtigung dem Homer die Ansicht zu vindicieren, dass Erde und 
Wasser die Grundstoffe des menschlichen Leibes, oder überhaupt die 
Urelemente der Organismen sein, muss als höchst zweifelhaft erscheinen. 
Aach in den homerischen Vorstellungen vom Tode findet sich nichts, 
was diese Annahme begründen könnte, da der Tod, wie er gefasst 
wird, als Scheidung der Psyche vom Leibe eher auf Luft und Erde als 
Grundstoffe, denn auf Wasser und Erde führen würde. Ich kann daher 
in der Wendung nur einen volksthümlichen Ausdruck für verfaulen 
sehen, wie sonst theils dem Regen, theils dem Erdreich dieser Auf- 
lösungsprocess an dem daliegenden Leichnam zugeschrieben wird 
(« 161. 4 174). Die Beobachtung, dass das Zusammenwirken beider 
daliegende organische Stoffe in eine feuchte Erdmasse auflöse, konnte 
wohl zu einem solchen volksthümlichen Ausdruck Veranlassung geben. 
Fast zwingend wird diese Auffassung durch den Zusammenhang mit 
den Worten des folgenden Verses 100. Ist ἀκήριοι zu fassen ‘ohne 
Leben, mie tod?, und wird dadurch in Verbindung mit ἥμενοι ihre gegen- 
wärtige Apathie als ein Zustand todtenähnlicher Erstarrung dargestellt, 
so ist der Wunsch, dass sie vollends verfaulen möchten, eine natür- 
liche und passende Steigerung; jeder Gedanke an irgend welche 
Speeulation über die Grundstoffe des Leibes aber mit dem Zusammen- 


Kritischer und exegetischer Anhang. A. 95 


hang unverträglich. Ob mit Renner Formelwesen des griech. Epos 
p. 24 das Theognideische (878) ἐγὼ δὲ ϑανὼν γαῖα μέλαιν' ἔσομαι 
als Reminiscenz an unsere Stelle anzunehmen ist, muss daher zweifel- 
haft bleiben. Doederlein, der in ὕδωρ das kalte und in γαῖα das 
stumme, träge Element sieht, beachtet nicht den oben angedeuteten Zu- 
sammenhang mit dem folgenden Verse, wenn er erklärt: utinam vos, 
homines antea calidi el sirenui, gloriae cupidi et pudore praedii 
frigidam in aquam ei in brutam inertemque terram mulemini, si- 
quidem ita vobis volentibus est, abgesehen davon, dass für die Auf- 
fassung des Wassers als kaltes Element zur Bezeichnung des Mangels 
an Gefüll bei Homer kein Anhalt vorliegt. — Ueber die adjectivische 
Auffassung der Alten von ἀκλεὲς = ἀκλεεῖς handelt Zehrs quaesliones 
epicae p. 138 Π᾿ vgl. Buitmann Lexilogus *1 p. 40. 42. 

104. Ueber die Apostrophe hei Homer handelt Nitzsch im 
Philol. XVI p. 151 ff, vgl. auch den Anhang zu & 55 und Hess über 
die komischen Elemente im Homer, Bunzlau 1866, p. 19, der nament- 
lich hier und 4 127 bei der augenscheinlichen Lebensgefahr des Helden 
in der Apostrophe mit Recht nicht metrisches Bedürfniss, sondern die 
Theilnahme des Dichters erkennt. 

110. ἀνὰ δὲ σχέο ist mit J. Ta Roche nach den besten Hand- 
schriften gegeben; über die zweifelhafte Lesart des Aristarch vgl. 
Düntzer de Zenodoti stud. Hom. p. 60 Anmerk. 38 und jetzt J. la 
‚Roche Annvtal. cril. 

113. In der hier gegebenen, auffallenden Bemerkung über Achills 
Furcht vor Hector sieht Nitzsch Beiträge p. 203 und 466 eine An- 
spielung auf ein vor der Ilias liegendes in der Sage und Dichtung 
behandeltes Factum: “Achill mochte beim ersten Begesnen mit Hektor 
in der Landungsschlacht wohl einiges Erschrecken geäussert haben’. 
Allein auch die stärkste Betonung des rhetorischen Charakters der 
Rede, welche alles herbeizicht um abzumahnen, kann die Verall- 
gemeinerung eines soweit zurückliegenden, über den glänzendsten 
Thaten läugst vergessenen Ereignisses in praesentischen Perfect wohl 
kaum rechtfertigen. Es sind daher V. 113. 114 verworfen von La 
‚Roche 2. f. d. oest. Gymn. ΧΙ p. 158. Düntzer hom. Abh. p. 264. 
— Ααὐδ (Conjectanea Homerica, Kreuznach 1860 p. 7) Vermuthung 
τούτῳ κε — δίγησ᾽ entbehrt jeglichen Anhalts. 

117. Wolff las ἀδειής γ᾽, was den Vorzug vor ἀδειής 7 ver- 
dienen würde, wenn es besser beglaubigl wäre (vgl. 2a Roche). Denn 
der engeren Verbindung der beiden Praedicate durch τέ --- καί wider- 
spricht eigentlich die hervorhebende Souderung der Glieder, welche 
durch die Wiederholung der Conjunetion εἰ und des Verbums ἐστί im 
zweiten Gliede bewirkt wird, und nur die Annahme einer Art von 
Anakoluthie, veranlasst durch die Erregung des Redenden, welche über 
der Steigerung des zweiten Gliedes mit καὶ εἰ ‘ja wenn? die ein- 
geleitete Gliederung vergessen lässt, kann die gewöhnliche Lesart, 
neben der übrigens eine gute Handschrift (D) auch ἀδεεής ohne τὰ 
hat, erklärlich machen. Uebrigens vermuthete Ahrens im Rhein. Mus. 


25 Kritischer und exegetischer Anhang. Δ. 


1, 173: εἴπερ τ᾽ ἀδδειὴς καὶ ἀεὶ μόϑου ἔστ᾽ ἀκόρητος. — Die 
mancherlei Anstösse, welche 117—119 bieten, wohin auch die nach 
112—114 immerhin zweifelhafte Beziehung von μέν 118 (vgl. J. Bekker 
hom. Blätt. I p. 15) gehört, lassen es fraglich erscheinen, ob die 
Verse ursprünglich sind; Zöchly de lliad. carmm. diss. V. p. 16 hat 
dieselben verworfen. Uebrigens steht, wie Franke bei Faesi zu 119 
bemerkt, auch δηίου ἐκ πολέμοιο καὶ αἰνῆς δηιοτῆτος wider den 
sonstigen Gebrauch hier und 174 vom Zweikampf. 

124—160. Man vergleiche die interessante Anwendung, welche 
von Vers 125 der lakedaemonische Gesandte Syagros macht bei 
Herodot ΥἹΙ, 159. — Eine antike Darstellung des Abschiedes des 
Achill und Patroklos von ihren Vätern bei Overbeck Gallerie heroischer 
Bildwerke der alten Kunst p. 277 ff., dazu Brunn troische Miscellen in 
den Sitzungsberichten der philos.-philol. Classe der Baiersch. Acad. 1868 
p- 64 I. — 127. Ueber Zenodots Lesart μειρόμενος und μεγάλ᾽ 
ἔστενεν oder μέγα ὃ᾽ ἔστενεν vgl. Düntzer Zenodot. p. 122, Fried- 
laender Aristonic. p. 127. — V. 128 vermuthet Axt Conjectan. Homer. 
Ρ. 8, unter Tilgung des Komma nach οἴκῳ, ’Agyeiav ἀΐων statl ἐρέων. 
Diese unbegründete Conjectur beruht auf der Verkennung der epexegeti- 
schen Verwendung auch der Participis, worüber Aulin de usu epexegesis. 
Upsaliae 1858 p. 14 sprich. — 131. Ucher die verschiedenen 
Wendungen zur Bezeichnung des Sterbens vgl. jetzt die beachtens- 
werthe Ausführung von Zd. Kammer die Einheit der Odyssee, Leipz. 
1873 p. 510 ff, mit dem Resultat: nirgends lässt sich die Vorstellung 
gewinnen, dass das hier unterbrochene Leben in einer auch noch so 
schattenhaften Scheinexistenz in des lHades Hause seinen Fortgang 
nehme.“ Derselbe sucht dann nachzuweisen, wie sich von dieser Grund- 
lage aus allmählich die abweichenden Vorstellungen über den Zustand 
der Todten in der Unterwelt entwickelten, welche wir im 11. Buch 
der Odyssee finden. — 132. Ueber die Wunschsätze mit αὐ γάρ und 
εἰ γάρ vgl. I. Zange der homerische Gebrauch der Partikel εἶ I 
p. 327 M. Die Verbindung der drei Gottheiten in diesem formelhaften 
Verse erörtert in seiner feinen Weise Zehrs populäre Aufsätze p. 134 f., 
vgl. auch Naegelsback hom. Theol. ?p. 110, Sckoemann griech. 
Alterth. II, p. 247, Welcker griech. Götterl. I p. 53, Gladstone 
homer. Studien. p. 147. — 133. Zu der folgenden Erzählung vgl. 
Nitzsch Beiträge p. 155, wo aus derselben in Verbindung mit andern 
auf vorhandene Nestorlieder geschlossen wird. — Die in Bezug auf 
das Local hier vorliegenden Schwierigkeiten erörtern Bursian Geographie 
von Griechenländ Il p. 301, Anmerk. 1, vgl. p. 281, Unger Theban. 
Paradox. p. 394, Gladstone homer. Stud. p. 20, auch Köchly de lliad. 
carmm. diss. V p. 18. — 138. ᾿Δρηϊϑόου: die Epanalepsis, im weitesten 
Umfange gefasst, behandelt Zander de epanalepsi Homerica et Hero- 
dotea, Lund 1871. — 142. κράτεϊ γε: über die Länge des ı im Dativ 
vgl. jetzt Hartel homerische Studien. I. Wien, 1871 p. 39 l. — 
143. In dem zweiten Bestandtheil von στεινωπὸς ist wohl mit Schaper 
quae genera compositorum apud Homerum distinguenda sint, Coeslin 


Kritischer und exegetischeı Anhang. H. 27 


1873, p. 17 ὀπή = foramen zu erkennen, wie auch Suhle annimmt, 
su dass das Wort eigentlich bezeichnet: mit enger Oeffnung, mit 
engem Ausgang. — 144. Wegen ὑποφϑάς vgl. Classen Beobachtungen 
p. 89. — 145. Die Erklärung von ἐρείσϑη ist gegehen nach Ahrens 
im Philolog. Suppl. Bd. I p- 240. — 147. Nach G. Curtius Etym. 
ἀρ, 339 stellt M. Müller μῶλος ”Agnos “he toil and moil of Ares’, 
wie μάρ-νασϑαι zusammen mit der W. mar reiben, vgl. Fick vergl. 
Wörterbuch 51 p. 717. Danach wäre μῶλος "Ag. der zermalmende 
Sturm des Kampfes? — 149. Ueber das Therapontenverhältniss vgl. 
Nitzsch erklär. Anmerk. I p. 233, Naegelsbach hom. Theol. ?p. 280. 
— 156. Die Auslegungen von παρήορος schwanken zwischen einfach 
hingestreckt (Autenrieth, Seiler-Capelle), daneben zur Seite hangend 
d. i. zu beiden Seiten des Wagens hinaus (Suhle), neben ihm, eigent- 
lich daneben hängend, rechts und links von dem vor ihm stehenden 
Nestor (Düntzer), ausgestreckt ausserhalb des Weges (Passon), auf 
der Wildbahn gehend, mit ἔνϑα καὶ ἔνϑα — nach allen Seiten frei 
um sich schlagend (Minckmitz), hierkin und dorthin schwankend oder 
laumelnd (Doederlein Gloss. I p. 14 unter Vergleich von IT 341, 
während er in der Ausgabe erklärt: ofiosus, iners, inbellis, qui modo 
minax fuerat, similis ille equo παρηόρῳ ITATL, qui juxta equos 
jugatos trahentesque currum oliosus et inutilis currit), der über- 
müthige, freche, der hinten ausschlägt, wie ein ungezügeltes Ross 
(Grashof das Fuhrwerk bei Homer p. 3), endlich gar = der Neben- 
mann, im Gegensatz zu Ereuthalion (Wagner in Mützell’s Zeitschr. 
f. Gymn. Wes. 1861, ρ. 147: denn es lag noch mancher Nebenmann 
hier und dort [den ich auch getödtet hatle]). Gehen wir von dem 
Grundbegriff aus, wie ihn die wahrscheinlichste Ableitung von deigw 
(6. Curtius Εἰγπι. ὁ. 356 — ἀσιβείρω aus W. svar — σερ knüpfen, 
binden, reihen) und der Vergleich von συνήορος mit O 680 πίσυρας 
συναείρεται ἵππους und rerg&ugog an die Hand giebt, so ist παρήο- 
005 daneben geknüpft, daneben gereiht, vom Pferde daneben ge- 
koppelt, das Beipferd, wie 607170905 zusammen gekoppelt, verbunden, 
und da aus dem Begriff binden in den Ableitungen der des hängens, 
schwebens, wie in μετήορος sich entwickelt, auch daneben hangend, 
schwebend. Vgl. II 471. Weiter kann für die Erklärung in Betracht 
kommen die übertragene Anwendung #603, die aus dem Begriff des 
daneben oder seitwärts (von der graden Linie ab) schwebens abzu- 
leiten, von Doederlein richtig in Gegensatz zu ἔμπεδος 7183 gesetzt 
ist, ihre Parallele in dem etymologisch verwandten ἠερέϑονται (φρένες) 
T'108 hat und auf den Begriff des unsteten, flatterhaften, unbe- 
sonnenen führt. Dazu der spätere Gebrauch in dem Sinne von ver- 
rückt, wahnsinnig, beruhend auf der bei Archiloch. fr. 94, 2 Bergk 
sich findenden Anschauung τίς σὰς παρήειρε φρένας. Endlich ist die 
wahrscheinliche Nachahmung der vorliegenden Stelle bei Aeschyl. 
Promeih, 363 Wecklein zu Rathe zu ziehen: καὶ νῦν ἀχρεῖον καὶ 
παράορον δέμας κεῖται (von Typhon), wo nach Wecklein Aeschylos 
aus der homerischen Stelle die allgemeine Bedeutung von παρήορος 


28 Kritischer und exegetischer Anhang. H. 


ἔνϑα καὶ ἔνϑα ohne besondere Beziehung von παρα- genommen hat: 
“weithin, nach allen Seiten ausgestreckt’. Bei letzterer Deutuug 
fällt sogleich die wenig passende Zusammenstellung mit ἀχρεῖον auf, 
welches duch nur die Bedeutung “untüchtig, krafilos? haben kann; 
viel besser würde zu diesem Begriff Doederleins Auflassung iners, 
inbellis passen, weun dieselbe überhaupt mit Wahrscheinlichkeit sich 
ableiten liesse. Gleichem Zweifel unterliegt nach dem sonstigen Ge- 
brauch die von Grashof angenommene Bedeutung “übermüthig, frech’. 
Nun würde ohne Zweifel in Verbindung mit ἔκειτο und ἔνϑα καὶ 
ἔνϑα ein einfaches *hingestreckt’ sehr wohl passen, aber der Grund- 
begriff lässt diese Bedeutung nicht zu. Die Erklärungen andrerseits, 
welche die Bedeutung des παρά zum Ausdruck zu bringen suchen, 
leiden sämmtlich an der Schwierigkeit dem ‘daneben’ eine passende 
Beziehung zu geben, da der Zusammenhang keine solche bietet. Die 
Erklärung “taumelnd’ endlich ist unmöglich, weil κεῖσϑαι, nicht die 
von Doederlein angenommene inchoative Bedeutung des Fallens hat. 
Suchen wir einen Ausweg aus diesen Schwierigkeiten zu gewinnen, 
so bietet die wohl zweifellose Nachahmung bei Aeschylus folgende 
Anhaltspunkte. Entspricht δέμας dem homerischen πολλός τις, so 
zeigt die enge Verbindung, in der παρήορον neben ἀχρεῖον (kraftlos) 
damit steht, dass das Wort nur in sinnlicher Bedeutung und praedi- 
cativ verstanden werien darf; eine Beziehung von παρά in dem Sinne 
von daneben lässt sich weder bei Homer, noch bei Aeschylus ge- 
winnen; die Zusammenstellung mit ἀχρεῖον, welches nur kraftlos, 
ohnmächtig bedeuten kann, muss zur Controle für die Bedeutung von 
παρήορος dienen. Hiernach scheint mir der einzig mögliche Ausweg 
zu verstehen: zuckend, zappelnd — eine Bedeutung, die sich wohl 
aus den oben angeführten Daten entwickeln lässt. Ist παραείρω 
seitwärts schweben machen, aus der richtigen Bahn bringen, ver- 
rücken, so darf wohl der daraus entwickelten übertragenen Bedeutung 
unstet, unbesonnen, mahnsinnig entsprechend eine sinnliche ange- 
nommen werden, die eine unwillkürliche, krampfhafte, körperliche 
Bewegung bezeichnete, wofür vielleicht auch das von Passom ange- 
führte παρήορον ὄμμα τιταίνειν Tryphiodor. 371 verglichen werden 
kan. — Für die Verbindung von τίς mit πολλός in dieser Stellung 
weiss ich aus Homer kein weiteres Beispiel anzuführen; bei Herodot 
ist sie häufig: vgl. Stein zu Herod. E 33, 9. Vorangestellt ist τίς 
bei μέγας 6 382, vgl. dazu den Anhaug. — Uebrigens erinnert die 
penikierung an A267. 268. — 157. L. Lange ἃ. hom. Gebr. d. Part. εἰ 
1, p.337 vermuthet mit Pott etymolog. Forschungen !Bd. 1 p. LVII, Bd. II 
p. 323, dass ϑὲ in αἴϑε und εἴϑε eine Verstümmelung des Voativs 
von 920g sei und findet damit übereinstimmend in den durch diese 
Partikeln eingeleiteten Wünschen einen Ausdruck des Bedauerns, der 
Wehmuth beigemischt. Vgl. auch p. 353 li — 158. Zu τάχα vgl. 
Lehrs Arist. ?p. 92. — Für die Auffıssung der Rede 124—160 im 
Ganzen beachte man die individualisierende Einkleidung der Haupige- 
danken. Die Rede beginnt mit einem Ausruf des Schmerzes und 


Kritischer und exegetischer Anhang. H. 29 


endigt mit einem Vorwurf. Der Inhalt jenes Schmerzes 125—131, 
der Gedanke, dass die Haltung der Achaeischen Helden die gehegten 
Erwartungen schmählich täusche, und dass jeder Edle diese Täuschung 
schmerzlich empfinden müsse, wird so individualisiert, dass die freu- 
dige Hoffnung des Peleus, welche beim Abschiede des Sohnes die 
Aufzählung der am Zuge theilnehmenden Helden in ihm erweckte, in 
Contrast gestellt wird mit dem gegenwärtigen Verhalten der Helden. 
Sodaun folgt mit lebhaftem Asyndeton 132—158 der die Achacer 
beschämende Gegensatz, wie die Männer der Vorzeit unter gleichen 
Verhältnissen sich gezeigt haben, individualisiert in Nestor’s eignem 
Beispiel, wodurch dann der 159—160 folgende Vorwurf vorbereitet 
wird. Vgl. auch Crosset de publicae eloquentiae principiis apud Graecos 
in Homericis carminibus. Monspellii 1874 p. 35. 42. 80. 


161. Ueber eine DarsteHung der folgenden Loosungsscene durch 
Onatas in einer Gruppe von Erzstatuen vgl. Overbeck Geschichte der 
griech. Plastik I, p. 109. — 162. Eine eingehende Untersuchung 
über den Titel ἄναξ ἀνδρῶν findet man bei Gladstone Homer. Stud. 
p. 86—106. 


171. Die Aristarchische Lesart πεπάλασϑε (J. la Roche die homer. 
Textkritik p. 336), welche sich im Venetus A und einigen andern 
Handschr. findet, von Bekker zuerst eingeführt, ist nach G. Curtius 
Etymol. ρ. 289 auf ein von παλάσσω bespritzen zu trennendes 
Praes. παλάσσω (oder waAd£o?) zurückzuführen, welche aber beide 
auf W. παλ. schwingen zurückgehen. Nach πεπαλάσϑαι ı 331 kann 
die Form wohl nur Perfect sein: über die Praesensbedeutung vergl. 
ausser Philol. XXVII p. 522 f. R. Fritzsche über griech. Perfecta 
mit Praeseusbedeutung in: Sprachwissensch. Abhandl. hervorgegangen 
aus G. Curtius’ grammat. Gesellschaft. Leipz. 1874 p.43 ff. Da aber 
das einfache πάλλεσϑαι mit und ohne κλήρῳ Ο 191 und 2 400 die- 
selbe Bedeutung hat, so vermuthet Suhle unt. παλάσσω, dass wir 
darin aoristische Formen von πάλλω zu sehen hätten; "Doederlein 
möchte geradezu πεπάλεσϑε und πεπαλέσϑαι schreiben. Die Bedeu- 
tung wird wohl richtiger, als es von Ameis zu ı 331 geschehen ist, 
medial gefasst: mit dem Loose (den Helm oder ein sonstiges Gefäss) 
für sich schütteln lassen, d. i. über sich das Loos schütteln lassen. 
— Ueber den religiösen Charakter des Loosens als einer Art Gottes- 
urtheil vgl. Funkhaenel im Philol. II p. 388 ἔν, auch Bergk griech. 
Literaturgesch. I p. 334, und in Bezug auf ἐνδέξια Buttmann Lexilog. 
1 p. 163 f. Vermuthlich bezeichnet κλῆρος von »Adv, wie das 
deutsche Loos, ursprünglich ein abgebrochenes oder abgeschnittenes 
Holz, das dann mit gewissen Zeichen versehen wurde: Schoemann 
griech. Alterth. II p. 284, Bergk griech. Literaturgesch. I p. 202, 
39. — Zweifel wegen der Verbindung des Nebensatzes ὅς ne λάχῃσιν 
einerseits, und wegen der Beziehung des 172 folgenden γάρ andrer- 
seits haben, wie es scheint, Doederlein dazu geführt, jenen Neben- 
satz von dem Vorhergehenden zu trennen und als Vordersatz hinzu- 


30 Kritischer und exegetischer Anhang. H. 


stellen, zu dem als Nachsatz ergänzt werden soll: γηϑείτω oder 
τούτῳ καλῶς ἕξει, wie eine ähnliche Auffassung übrigens schon bei 
Nicanor ed. Friedländer p. 191 angedeutet ist. Allerdings ist die 
Bedeutung von ὅς κε λάχῃσι nicht ohne Zweifel, vgl. auch Fried- 
laender Aristonic. p. 10. Die interrogatvie Bedeutung, welche die 
Herausgeber dem Pron. ὅς hier und an ähnlichen Stellen beilegen 
und die ich selbst (de pronominum relativorum linguae graecae origine 
atque usu Homerico, Göttingen 1863 p. 27) als Grundbedeutung des 
Pron. ὅς nachzuweisen versucht habe, ist von Seiten der Sprachver- 
gleichung, so von @. Curtius Etym. *p. 398 und 590 und Windisch 
Untersuchungen über den Ursprung des Relativpronomens in den indo- 
germanisch. Sprachen in G. Curtius Studien II p. 209 I mit gewich- 
ügen Gründen bestritten; auch Zühner ausführl. Gramm. ἦγ. 942 
diese Annahme zurück. Wenn letzterer aber aufstellt, dass ὅς, 
wo es in indirecten Fragen stehe, die Bedeutung von οἷος habe, wie 
im Lateinischen qui für qualis, indem der Gegenstand der Frage als 
bekannt vorausgesetzt werde und nur nach der Qualität gefragt werde, 
so trifft das jedenfalls diese Stelle nicht, da, wenn der Satz überhaupt 
Fragesatz ist, nur nach der Person gefragt werden kann. Man wird 
daher den Satz als Relativsatz fassen müssen, so sehr ınan geneigt 
ist zur Annahme eines indirecten Fragesatzes. Den Unterschied von 
der indirecten Frage kann ı 331 zeigen, wo der gleichen Wendung 
ög τις folgt: dort handelt es sich um die Ermittelung durch das 
Loos, welche Person die in Frage stehende Handlung vollzichen soll; 
hier dagegen steht der Verbalbegriff Adyyoı selbst der Annahme einer 
ähnlichen indirecten Frage einigermassen im Wege. Der Anschluss 
des Relativsatzes an das Vorhergehende ist wesentlich bestimmt durch 
das vorhergehende διαμπερές und erklärt sich aus den zahlreichen 
Fällen, wo ein vorhergehender allgemeiner Gedanke mit einer Mehrheit 
der Personen specialisirt wird durch einen individualisierenden Relativ- 
satz im Singularis, vgl. z. B. 7 355. 

173. Die von la Roche in der Annotat. crit. ausgesprochene 
Vermuthung, καὶ δ᾽ — zei δή, ist nach dem im Commentar ge- 
gebenen parallelen Gebrauch von καὶ δέ nicht wahrscheinlich. — 
Ueber die Bedeutung von ὀνίνημι vgl. Fulda Untersuchungen p. 941. — 
Dass der Vers von den Alten beanstandet wurde und zwar wegen αἴ 
κε φύγῃσιν, wissen wir nur aus Nicanor bei Friedlaender p. 118: 
Övsämıda; γὰρ τούτους ποιεῖ. Köchly de lliad. carmm. diss. V 
Ρ. 21 hält 172—174 für interpoliert. 

181. Ueber den folgenden Vorgang vgl. Povelsen emendationes 
locorum aliquot Homericorum, Hauniae 1846 p. 87. — Von der 
homerischen Kunst der Gruppierung in derarligen Scenen, wie die 
vorliegende, spricht Adam das Plastische im Homer, München 1869 
p- 126 und besonders 129 f. 

187. Ueber γράφειν vgl. Lehrs Aristarch. ?p. 95, dazu den 
Anhang zu Z 169 und jetzt Bergk griech. Literaturgesch. I p. 202. 
203. 205. 


Kritischer und exegetischer Anhang. H. 31 


191. Zur Charakteristik des Aias in Bezug auf die folgende Scene 
vgl. Hess komische Elemente p. 37: „Er ist im Ganzen kurz ange- 
bunden mit Worten, zum Theil, weil er offenbar nicht recht seinen 
Gedanken Ausdruck zu geben versteht; er kommt gern darauf zurück, 
dass auch er im Kriege nicht unkundig sei (Η 197. N 811), während 
er doch nicht, etwa gleich seinem Gegner Hektor (Η 234), im Stande 
ist seine Geschicklichkeit treffend zu rühmen; lieber platzt er noch 
mit einer handfesten Prahlerei heraus (H 226). Vgl. auch Preiler 
griech. Mythol. II p. 282. 

195—199. ἀϑετοῦνται. ὅτι οὐ κατὰ τὸν Αἴαντα οἵ λόγοι καὶ 
ἑαυτῷ ἀνϑυποφέρει γελοίως: Aristonicus bei Friediaender p. 131. 
Nach Didymos wurden dieselben auch von Aristopkanes und Zenodot 
verworfen, vgl. Düntzer Zenodot. p. 185. Dieser Athetese stimmen 
zu Düntzer hom. Abhandl. p. 264 und Köchly de lliadis carmm. diss. 
Vp. 22. Vgl. dagegen Heyne zur Stelle Bd. V p: 342. — Ueber 
ἑκών V. 197 und die Lesart des Aristarch ἑλών vgl. Ahrens de hiat. 
p- 25 und Doederlein’s homer. Glossar $ 436. — 198. Ansprechend 
ist Doederlein’s Vermuthung νήϊδά γ᾽ αὔτως für οὕτως, wie eine 
Handschrift bei 7a Roche wirklich hat. Die Beziehung von οὕτως 
auf den vorhergehenden Gedanken in der Weise, dass dieser die Folge 
von dem durch οὕτως eingeleiteten Gedanken enthält, ist bei Homer 
selten; ich kenne nur noch zwei Fälle, die sich vergleichen lassen, 
ı 419 und v 239. 

206. Ueber die Dehnung der Verbalendung ἂν vgl. Hartel homer. 
Studien I p. 741. — 207. Zu der Schreibung τεύχεα stall τεύχη 
vgl. Ta Roche homer. Untersuch. p. 146. — 212. βλο-συρός ge- 
bildet, wie ἀήτσυρος, von den Alten durch δεινός erklärt, stellt 
6. Curtius Eiymol. ®p. 538, Studien I, 2, 295, zusammen mit 
βλωϑ-ρό-ς und führt beide auf die in βλάστ-η, βλαστ- ἄνω zu Grunde 
liegende Wurzel βλαϑ- zurück. Danach ist ihm, wie übrigens schon 
Passow, die Grundbedeutung strotzend, üppig, und die βιοσυρὰ 
πρόρωπα hier das riesige Gesicht, Gorgo βλοσυρῶπις die strotz-voll- 
oder grossäugige. Aehnlich hatte schon früher A. Goebel in Kuhns 
Zeitschr. ΧΙ, 393 das Wort auf βλώσκω zurückgeführt und erklärt: 
hervorspringen wollend, was er für unsere Stelle erläutert: ein 
Antlitz mit stark hervortretenden Wangen ruft dieselbe Vorstellung 
(des Hervorspringens) hervor, besonders beim Lachen, wo die Backen- 
muskeln sich hervordrängen. Suhle im Lexicon erklärt: horridus, 


buschig, bärtig. — Scheint die an sich wahrscheinliche Ableitung von 
Curtius vor den andern (vgl. Fick vergleich. Wörterb. 51 p. 778 von 
W. val wollen — valtura bedeutend, ansehnlich, tüchtig, ähnlich 


Bugge in Kuhns Zeitschr. XX p. 28, Düntzer in Kuhns Zeitschr. 
XII p. 7) besonders auch deswegen den Vorzug zu verdienen, weil 
mit derselben der spätere Gebrauch des Wortes sich allein vereinigen 
lässt, so scheint doch fraglich, ob bei der Beschränkung des homeri- 
schen Gebrauchs auf den Blick und das Gesicht gerade die ursprüngliche 
Bedeutung die wahrscheinliche ist. Die ziemlich einstimmige Deutung 


32 Kritischer und exegetischer Anbang. H. 


der Alten durch δεινός, φοβερός, welche vermittelst des Begriffs 
horridus in seinen verschiedenen Schattierungen, wie ihn der spätere 
epische Gebrauch zeigt (vgl. G. Kopetsch de differentia orationis 
Homericae et posteriorum epicorum in usu epithetorum, Lyck 1873 
p- 12 £.), sich mit der etymologischen Bedeutung sehr wohl vereinigen 
lässt, gewinnt an unserer Stelle, wie O 608 sehr an Wahrscheinlich- 
keit durch den Contrast, worin das Wort hier mit μειδιόων, dort 
mit λαμπέσϑην (vgl. A103. 104, auch O 102) steht, wie A 36 
durch die Zusammenstellung von βλοσυρῶπις mit δεινὸν δερκομένη. 
Ein Lächeln “auf dem furchtbaren Antlitz” scheint aber wirksamer, 
als “auf dem riesigen Gesicht’. Für ὀφρύες βλοσυραί mag man nıit 
Suhle die aus der ursprünglichen Bedeutung abzuleitende: buschig 
annehmen, welche den Begrilf des Dunkeln zugleich bietend für den 
Gegensatz des λαμπέσϑην sich vortrefflich eignet. Uehrigens wird 
man an unserer Stelle den Dativ gosameoı vielleicht in localem 
Sinne fassen dürfen, indem der Reflex des Lächelns auf die oberen 
Partien des Gesichts, namentlich die Stirn, nach O 101—103 damit 
bezeichnet wird. — 219. Ueber die Beschreibung des Schildes und 
die Motivierung solcher Beschreibungen durch die Bedeutung für die 
Handlung vgl. Nilzsch Beiträge p. 321. Anders Köchly dissert. V 
p- 23. — 220. Genauere Untersuchungen über die Verbindung des 
Substantivs mit seinen Attributen in demselben Verse, wie in ver- 
schiedenen findet man hei Giseke homerische Forschungen, Leipz. 
1864, p. 21 fl., besonders 41. — Ueber die aus der vorliegenden 
Stelle zu ziehenden Folgerungen für Gewerbfleiss und Handel vgl. 
Riedenauer Handwerk und Handwerker in den homer. Zeiten, 
Erlangen 1873 p. 59 und die Industrie in Böolien p. 140, sowie 
H. Blümner die gewerbliche Thätigkeit der Völker des klass. Alterth. 
in den Preisschriften der Fürstl. Jablonowskischen Gesellsch. zu Leipz. 
1869 p. 59, der die Notiz des Plinius VII, 196 anführt: sutrinam 
Tychius Boeotius invenit. — Ueber die Accentuation Τυχίος vgl. 
Lehrs Arist. ?p. 271, und die Wiederholung derselben Wortwurzel 
in Τυχίος τεύχων denselben p. 454 fl. Anders stellt sich jetzt frei- 
lich der Name io dem System der griech. Namiengebung bei Fick 
die griech. Personennamen p. 83 und 215. 

229. 230. La Roche in Z. f. d. oest. Ὁ. XI, 159 sieht in 
diesen beiden Versen eine Interpolation. Düntzer homer. Abhandl. 
p- 264 scheideı 228—230 aus. 

232. Die richtige Bedeutung dieser Aufforderung hat durch Ver- 
gleirhung von ® 439 erläutert Povelsen Emendationes p. 83. Anders 
urtheilt freilich Köchly dissert. V p. 23 1. 

238. Bov, die Lesart des Aristarch (Aristophanes βοῦν) und 
der besten Handschriften, sehen nach Priscian als Aeolismus für 
βοῦν au Ameis de Aeolismo Homerico, Halle 1865 p. 24, Herzog 
Untersuchungen über die Bildungsgeschichte der griech. und laeint. 
Sprache, Leipz. 1871 p. 115. Andere, wie Graskof, das Schiff bei 
Homer und Hesiod. p. 25, Anmerk. 23, Bekker Hom. Blätter I p. 231 


Kritischer und exegetischer Anhang. H. 33 


Aumerk. 2, u. A. bei Zbeling Lexic. Hom. s. v. βοῦς, nehmen eine 
Zusammenziehung aus βοέην βοῆν an unter Vergleich von Formen 
wie βώσαντε und ἀγνώσασκε. Die unbestrittene Lesart βόεσσι im 
Sinne von „Stierschilde‘“ M 105, νεῖ. 187, die Grashoff in βοῇσιν 
oder βοέῃσιν ändern will, stützt die erstere Annahme. — Ueber die 
rhythmische Bewegung des Verses spricht Nöldechen de imitatione 
in carminibus Homer. sono et rhythmo effecta. Berolini 1864 p. 49. 

239. Ueber die verkehrte Auffassung des Wortes ταλαύρενος bei 
Aristarch siehe Lehrs Arist. ?p. 308 f. Die von den Herausgebern 
meist verschmähte Erklärung des Wortes aus dem Verbalstamm raAx 
(ragen) und dem ursprünglich digammierten Fgrvo = schildtragend 
(nach Hoffmann quaestt. Hom. I p. 137, Savelsberg de digammo 
sjusque immutationibus I, Aachen 1854 p. 16, vgl. G. Curtius Etymol: 
4p. 553, Clemm de compositis Graecis quae a verbo ineipiunt, Giessen 
1867 p. 7, Note 11) verdient vor der von Doederlein Gloss. $ 2380 
gegebenen vom Adjecliv ταλαύς (aus -raAa-Fo-g) und ῥένον — aus 
dauerhaftem Rindsleder bestehend, starkledern, dann ausdauernd 
theils wegen der Bildungen ταλαπενθής, ταλαεργός, ταλαπείριος, 
theils wegen der Bedeutung durchaus den Vorzug. (Anders Ameis zu 
E 289, wo zu bemerken ist, dass Autenrieth jetzt im Lexikon die 
erstere Erklärung billigt). Abgesehen von uuserer Stelle nur Bei- 
wort des Ares in der Verbindung ταλαύρινον πολεμιστήν in dem 
Formelverse E 289. T 78. X 267 tritt es in die Reihe mit den 
‚plastisch-anschaulichen Beiworten des Gottes, welche ihn als Kämpfer 
κατ᾽ ἐξοχήν zeichnen, wie ῥινοτόρος Φ 391, ἐγχέσπαλος, κορυϑαίο- 
Aog, ϑοῦρος, τειχεσιπλήτης, während Ausdauer dem homerischen 
Ares keineswegs besonders charakteristisch sein dürfte. An der vor- 
liegenden Stelle nun versteht Autenrietk, welcher die Grundbedeutung 
‘schildtragend? annimmt, das Wort adverbial in dem aus der ursprüng- 
lichen Bedeutung verallgemeinerten Sinne streitbar, tapfer; dagegen 
im ursprünglichen Sinne Suhle, Capelle in Seiler’'s Lexikon, auch 
Koch, aber adverbial. Indess steht die Auffassung des Wortes im 
Zusammenhang mit der Frage, wie die Worte τό μοί ἐστι zu fassen 
sind. Aristarch (vgl. Aristonieus ed. Friediaender 2. St.) bezog τό 
relativisch dem Sinne nach auf das Femininum βῶν, als ob σάκος im 
Sinne liege, mit Beziehung auf μ 74, und erklärte ταλαύρινον durch 
εὔτολμον also: den Stierschild, den ich habe, um muthig, standhaft 
zu kämpfen. Dieser Erklärung folgen Franke bei Faesi (unter Ver- 
gleich von A238. Φ 167 für die unregelmässige Beziehung des 
Relativs), Düntzer. Eine andere Erklärung ist die des Paraphrasten 
διό wor ὑπάρχει, die la Roche iu der Zeitschr. für die österr. Gymn. 
1860 p. 170 f. begründet und in seine Ausgaben aufgenommen hat mit. 
der Schreibung τό μοι ἔστι = darum kann ich ausdauernd kämpfen. 
So Autenrieih im Schulwörterbuch unter τό und Koch, aber mit ande- 
rer Fassung von ταλαύρενον: darum kann ich schildtragend kämpfen. 
Doederlein endlich fasst ταλαύρινον adjeclivisch als Attribut zu τό: 
{Sehild) welchen ich habe aus dauerhaftem Rindsleder. Aehnlich. 

Anhang zu Ameis, Homers Ilias I, 8, 3 


34 Kritischer und exegetischer Anhang. H. 


Kissling in Kuhns Zeitschr. 1868, XVII p. 225, der den raschem 
Genuswechsel daraus erklärt, dass Hektor bei dem deictischen τό 
seinen Schild dem Aias trotzig entgegenstrecke oder darauf schlage. 
Diese Deutungen geben meist einen matten oder schiefen Gedanken 
oder leiden an grammatischen Bedenken. Ich habe daher in der An- 
merkung z. St. eine andere versucht, die einen befriedigenderen Sinn 
zu geben scheint. Zur Begründung möge man Folgendes beachten. 
ταλαύρινον πολεμίξειν und ταλαύρινος πολεμιστής gehören so zu- 
sammen, dass man von vornherein Bedenken tragen muss, das Wort 
in beiden Wendungen in verschiedenem Sinne zu fassen. Ist die Deu- 
tung “schildiragend’ aus den oben angeführten Gründen der andern 
vorzuziehen, so erhält dieselbe andrerseits durch unsere Stelle in dem 
Zusammenhange, worin sich das Wort findet, noch eine neue Stütze. 
Denn was liegt nach dem vorhergehenden Verse näher, als in za- 
λαύρινον eine Beziehung auf den Schild zu sehen. Andrerseits aber 
wird die Beziehung der Wendung auf Ares als ταλαύρινος πολεμιστής 
wiederum durch die 241 folgende μέλπεσϑαι ”Agni gestützt. Alle 
diese Beziehungen ergeben sich so leicht und stützen sich derart 
gegenseitig, dass dieser Auffassung wesentliche Bedenken nicht ent- 
gegenstehen werden. Uebrigens könnte man selbst die Vermuthung 
wagen, dass in den Worten des V. 238, die ein wohlgegliedertes- 
rhythmisches Ganze bilden (vgl. © 27): 
οἶδ᾽ ἐπὶ δεξιά, 
οἶδ᾽ ἐπ᾽ ἀριστερά 
νωμῆσαι βῶν, 


der Dichter ein altes Tanzlied, wie es bei dem in 241 angedeuteten, 
gewiss uralten (vgl. Bergk griech. Literaturgesch. 1 p. 326) Waffentanz. 
gesungen ward, benutzt habe. — Ueber μέλπεσϑαι 241 vgl. Zehrs 
Aristarch. 2p. 138 fl. 

242. Ueber ἀλλά mit folgendem γώρ vgl. Pfudel Beiträge zur 
Syntax der Kausalsätze p. 16, der die Stelle eiwas anders fasst. — 
244. Nach Pausan. V, 19, 1 war nebst andern mythischen Darstellungen 
auch der Zweikampf Hektors mit Aias auf der Lade des Kypselos 
dargestellt. 

256. 257 wurden von Zenodot verworfen: vgl. Düntzer Zenod. 
Ρ. 163, Friedlaender Aristonic. p. 132. 

259. χαλκός ist die Aristarchische Schreibweise, während die 
meisten und besten Handschriften χαλκόν haben. Ueber den Vorzug 
jener vgl. Ameis im Anhang zu I’ 348. 

265. Ein Verzeichniss der Stellen, wo drei Adjective bei einem 
Substantiv stehen, findet man bei Giseke homer. Forschungen p. 41. 

270. Ueber εἴσω vgl. Ameis im Anhang zu ἡ 13. — Ueber 
Mühlen und den μυλοειδὴς πέτρος vgl. ausser dem von Ameis im 
Anhang zu v 106 Bemerkten Riedenauer Handwerk etc. p. 76 und 
H. Blümner Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste: 
bei den Griechen und Römern, Leipz. 1874 p. 23, 28 Note 3. 


. 
Kritischer und exegetischer Anhang. H. 35 


272. ἀσπίδι ἐγχριμφϑείς haben bei la Roche die meisten und 
besten Handschriften, während Aristarch nach Didymos ἀσπίδ᾽ ἐνι- 
χριμφϑείς schrieb. Vgl. ἴα Roche homer. Untersuchungen p. 127. 
— Den Sinn der schwierigen Worte erklärt Doederlein Gloss. $ 799 
so, dass Hektor auch liegend seinen zerbrochenen Schild, den er wie 
ein spartanischer Held nicht lassen wollte, fest an sich oder sich 
fest an ihn drückte. Könighof eritic. et exeget., Münstereifel 1850 
p- 13: Hector quum Ajax eius scutum saxo ingenti jacto vehementer 
percussisset, statu suo dejectus est ia ut humi resupinus caderet. 
oc autem antequam accideret, cogitandum est Hectorem, ut fieri 
solet, manibus brachiisqgue celeriter retrorsum molis, ut a lapsu se 
suslineret, operam dedisse. Quod quum ei non contigisset, scuto, cui 
brachium erat insertum, injectus atque illisus est. Muss ἐξετανύσϑη 
als unmittelbare Wirkung jener Erschütterung durch den Steinwurf 
angesehen werden, so ist in ἀσπίδι ἐγχριμφϑείς eine willkürliche 
Bewegung des Helden nicht annehmbar, weil das Einwärtsbrechen des 
Schildes einer solchen von vornherein entgegentritt. Ich kann daher 
mit den Schol. BL συνέωσε γὰρ αὐτὴν ἐπ᾽ αὐτὸν ἡ βολή in den 
Worten nur die Nachwirkung des Wurfs erkennen, so dass die da- 
durch herbeigeführte Annäherung des Schildes an den Leib hier nach 
dem Sturz in ihrer Wirkung dargestellt wird: angedrängt, eingepresst 
in den Schild, so dass der Schild ihn deckt, (ähnlich Ια Roche und 
Autenrieth im Lexicon: kart am Schilde angepresst). Ueber die un- 
gewöhnliche Stellung von αἶψα vgl. den Anhang zu m 221. 

282. Den Infinitiv in solchen Sätzen wie hier, ἀγαϑὸν καὶ 
νυκτὶ πιϑέσϑαι bei Homer als grammatisches Subject zu fassen, wie 
noch Kühner ausführl. Gramm.? II p. 575 hut, ist nach den neue- 
ren Untersuchungen, welche eine dativische Bildung (nach Andern eine 
Locativbildung) für denselben nachgewiesen haben, nicht mehr thun- 
lich. Vgl. Leo Meyer der Infinitiv der homer. Sprache p. 31 ff, 
Koch zum Gebrauch des Infinitivs in der hom. Spr. p. 12 fl. G. Cur- 
tius Erläuterungen p. 196 Γ΄ 

289. Dass solche Achtung des Feindes, Anerkennung seiner 
Tapferkeit, wie sie hier Hektor ausspricht, eine im griechischen Epos 
nur ausnahmsweise sich findende ist, während die germanischen Helden 
sich immer würdig behandeln, führt Blume das Ideal der Helden und 
des Weibes bei Homer mit Rücksicht auf das deutsche Alterth. Wien 
1874 p. 31 aus. 

293 M. 293 und 295 wurden von Aristarch verworfen: Fried- 
laender Aristonic. p. 132. Von den Neueren hat Bekker 295 aus- 
geschieden, la Roche in Z. f. oest. 6. XI p. 159 und Düntzer hom. 
Abhandl. p. 264 verwerfen 293—298. 

295. Nach Z. Lange’s Untersuchungen in der Schrift de ephe- 
tarum Atheniensium nomine, Lips. 1874, bezeichnet das Wort ἔται, aus 
der Wurzel des Pronomens der dritten Person sva- abgeleitet, die An- 
gehörigen in dem Sinne, dass es alle die Verwandten begreift, welche 
nicht mit besondern Namen, wie ηασίγνητος, ἀνεψιός. bezeichnet 

3* 


36 Kritischer und exegetischer Anhang. Δ. 


werden konnten. Nach demselben bezeichnen an unserer Stelle die 
ἔται,, mit ἑταῖροι den übrigen Achaeern entgegengestellt, die welche 
Angehörige derselben Phratrie oder Phyle (vgl. B 362) sind, 

298. Anders Aristonikos bei Friedlaender p. 298: ἢ διπλῆ, 
ὅτι οὕτως τὴν ἄγυριν καὶ συναγωγὴν τῶν ϑεῶν, διὰ τὸ πολλῶν 
ϑεῶν ἐν ταὐτῷ εἶναι ἀγάλματα. Minckwitz in der Uebersetzung 
p- 170: “die mir, in Folge meiner erfreuenden Rückkehr, entgegen- 
jubeln und in einen gotthehren Versammlungskreis treten werden 
d. h. eine herrliche Festversammlung anstellen werden, um ihr Ent- 
zücken auszudrücken.” 

307. Ueber ὅμαδος und dessen Synonyma handeln Hoch lexi- 
cal. Bemerkungen über den homerisch. Sprachgebrauch, Münstereifel 
1865, p. 71. und Ph. Mayer zweiter Beitrag zu einer homer. Syn- 
onymik, Gera 1844 p. 19 f. — Schon mit 311 lässt Düntzer hom. 
Abhandl. p. 265 die spätere Nachdichtung beginnen. 

327. Ueber ἀριστῆες Παναχαιῶν und verwandte Bezeichnungen 
vgl. Gladstone homer. Stud. p. 284. — 328. Den im Commentar 
gegebenen Gebrauch von γάρ wit folgendem τῷ erörtert fudel Bei- 
träge zur Syntax der Causalsätze p. 14 . — 331. Das ἅμα der 
‚praegnanten Gleichzeitigkeit braucht Homer „‚nur bei drei Bestim- 
mungen des Tagesanbruchs und Sonnenuntergangs ἅμ᾽ ἠοῖ (mit oder 
ohne φαινομένῃφιν), ἅμ᾽ (ἅμα δ᾽) ἠελίῳ ἀνιόντι und ἅμα δ᾽ ἠελίῳ 
καταδύντι. Zu Grunde liegt die Vorstellung des Mitgehens (rgl. An- 
hang zu Η 2) in der Art, dass wenn die Sonne auf- oder nieder- 
geht, auch der Mensch „aufsteigt‘“ oder „zu Bette geht‘, also mit 
der gehenden Sonne, Morgenröthe geht, der vorangehenden nachgeht.“ 
Mommsen Entwicklung einiger Gesetze für den Gebrauch der griech. 
Praepositionen p. 46 f. — 333. Der Gebrauch der Rinder vor dem 
Lastwagen ist hier, wie δὰ 782, eine Ausnahme von der Regel, 
indem diese sonst bei Homer nur vor dem Pfluge vorkommen: Gras- 
hoff das Fuhrwerk p. 10. — Ueber die Schreibung κατακήομεν statt 
des handschriftlichen κατακείομεν handelt Spitzner im XV. Excurs. 
p. XLVII ff. — 334. 335. Zu der Athetese dieser Verse vgl. Fried- 
laender Aristonic. p. 133, Zehrs Aristarch ?p. 196 f., Naegelsbach 
hom. Theologie ?p. 247. 248 die Note, Eine besondere Ansicht 
darüber bei B. Giseke num quas belli Trojani partes Homerus non 
ad verilatem narrasse. videatur, Progr. Rossleben 1854 p. 10, und 
homerische Forschungen p. 240 ff. Ueber die ganze Partie Grashoff 
das Fuhrwerk p. 11. 

336. Die Erklärung des Particips ἐξαγαγόντες bei Aristonikos 
in intransitivem Sinne — ἐξελϑόντες τοῦ πεδίου (}) vgl. auch Nica- 
nor ed. Friedlaender p. 191, hat im homerischen Gebrauch keine Stütze: 
überdies zeigt die Ausführung 434. 435, dass von einem Auszuge 
nicht die Rede sein kann, da ἀμφὶ πυρὴν κριτὸς ἔγρετο λαός. — 
Ebenso zweifelhaft ist Minckmitz’s (ähnlich Doederlein’s) Deutung 
herausschaffen d.i. den Erdschutt für den zu errichtenden Grabhügel 
aus dem Gefilde wegnehmen und herzuführen. — Die Stellung von 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. 37 


ἄκριτον zwischen ἐξαγαγόντες, und ἐκ πεδίου, sowie die nach 435. 
436 nöthige Verbindung von ἐκ πεδίου mit ἐξαγαγόντες haben mich 
zu der in der Anmerkung gegebenen Erklärung geführt, wobei die 
angenommene Bedeutung von ἐξάγειν freilich ebenso vereinzelt dasteht, 
wie die oben erwähnten. — 338. Alle die Mauer betreffenden Notizen 
sind zusammengestellt von Hopf das Kriegswesen im homer. Zeitalter, 
Hanım, I] p. 31 Vgl. Heyne excursus I in Bd. V p. 393 fl. In 
der Darstellung der localen Verhältnisse folge ich Hasper das alte 
Troja und das Schlachtfeld der homerischen Helden, Grossglogau 1868 
p- 13. — Ueber den hier erwähnten Gebrauch des Pron. αὐτός als 
Pronomens der ersten und zweiten Person ohne Beifügung ihrer be- 
sonderen Prononina vgl. Windisch in G. Curlius Stud. Il p. 348. — 
339. Aristarch verstand auch hier πύλας von einem Thor, vgl. 
Lehrs Arist. ἦρ. 125 f. Vgl. dagegen Grossmann Homerica, Baireuth 
1866 p. 22, Hasper das alte Troja etc. p. 13, Schoemann de reti- 
centia Homeri p. 17 Anm. 7. Gegen die Annahme eines Thores spricht 
schon 436—438, wo ἐν δ᾽ αὐτοῖσι sich auf die neben der Mauer 
genannten Thürme bezieht. Nach dem zwölften Buche scheinen jeden- 
falls zwei Thore angenommen werden zu müssen, doch hängt die 
ganze Frage von der Entscheidung über gewisse. kritische Punkte 
dieses Buches ab, worüber Friediaender die homerische Kritik p. 77 M. 
zu vergleichen. — 343. Die von Ameis im Anhang zu A 286 nach 
Goebel angenommene Erklärung des Wortes ἀγέρωχος impetuosus, 
ungestüm, ist jetzt von Schmalfeld Noch einmal über ἀγέρωχος 
etc. Eisleben 1873 p. 8 ff. mit guten Gründen bestritten. Er selbst 
hält das Wort nicht für componiert und erklärt dasselbe aus der W. 
dy- unter der Annahme einer mehreren Hesychischen Glossen zu Grunde 
liegenden Bildung ἄγερος als Mittelstufe, durch die Glosse dyegacseı, 
ἀγρυπνεῖ, ἀθετεῖ, vgl. πτωχός von πτώσσω. Danach ist ihm ἀγέρω- 
χοὸς ursprünglich staunenerregend, anzustaunen, erstaunlich, d.i. je 
nach dem Zusammenhange ruhm-ehrenreich, mit hohem, stolzem 
Selbsibewussisein, muthvoll, ungebärdig, brutal, — entsprechend den 
schwankenden Erklärungen der Alten. Sonst vgl. den Artikel ἀγέ- 
g@yog in Ebelings Lexicon Homericum, dazu Jahrbb. f. Philol. 1871 
p- 582: Aristarch über ἀγέρωχος. Nach Bergk griech. Literaturgesch. 
Ip. 129 wäre übrigens ἀγέρωχος eigentlich der Stier, der stolz seiner 
Heerde voranzicht (ἀγέλαυχος). 

345. Ein Bild der Burg von Troja entwirft Hasper das alte 
Troja etc. p. 4 {, Ueber den Unterschied der trojanischen ἀγορή von 
der griechischen stellt Gladstone hower. Studien p. 418 Betrachtungen an. 

353. Zur Athetese des allgemein verworfenen Verses vgl. Ari- 
stonikos τ. St. bei Friediaender p. 133, auch Heyne Excurs. II im 
V. Bande seiner Ausg. p. 403 ff. 

366. Nach B. Delbrück Ablativ, Localis, Instrumentalis, Berlin 
1867 p. 56 ist in der Formel ϑεόφιν μήστωρ ἀτάλαντος die Form 
ϑεόφιν Vertreter des sociativen Instrumentalis, nicht des eigentl. Dativs 
also: mit den Göttern gleich (an Gewicht). Dazu vgl. Ad. Moller 


383 Kritischer und exegotischer Anhang. 4. 


über den Instrumentalis im Heliand und das homerische Suffix φι(φιν), 
Danzig 1874 p. 23, welcher sämtliche homerische Formen auf gt 
syntactisch ordnet und dieselben auf die Vertretung des Instrumentalis 
oder des Ablativs oder des Localts beschränkt, (vgl. Philologus XXVIIL 


p- 527 fl). 
368. 369 fehlen im Venetus. Vgl. la Roche in 2. f. d. oest. 
6. Xp. 161. 


380 fehlt in den besten Handschriften und ist von den Heraus- 
gebern allgemein verworfen. 

387. Ueber εἴ (eljxev mit dem Optativ im Allgemeinen und die 
Auffassung dieser Stelle im Besondern vgl. Z. Zange der humerische 
Gebrauch der Partikel εἰ, II, p. 511 fl. 

390. Ursprüngliche Länge des πρίν erweist vgl. Hartel homer. 
Stud. I p. 72 f. 

407. Die Bedeutung von ὑποκρίνεσθαι erörtert Sommerbrodt 
im Rhein. Mus. XXI p. 513 f. 

408. 409. Gut bemerkt Nicanor περὶ IA. στιγμῆς el. Fried- 
laender p. 192: βραχὺ διασταλτέον ἐπὶ τὸ νεκροῖσιν. — Die 
folgenden Verse sind eingehend behandelt von /a Roche in der Zeitschr, 
für die oesterr. Gymnas, 1860, p. 171 f., welcher den Sinn gewinnt: 
„die Bestattung der Todten verweigere ich nicht, denn es ist rück- 
sichtslos gegen die Todien gehandelt, wenn man sie nicht gleich be- 
stattet.“ Zucas philologische Bemerkungen, Emmerich 1843, p. 14 
erklärt: „mit Leichen ist nicht viel Aufhebens zu machen‘ d. h. bei 
Menschen findet, wenn sie gestorben sind, keine Schonung statt, und 
fasst μειλισσέμεν durch Geben erfreuen, wohei er den Genetiv durch 
die Construction des begrifflich verwandten χαρέξεσθαι (freudig geben) 
erläutert. Die im Commentar gegebene Erklärung schliesst sich in 
der Hauptsache an die letztere an. Dagegen fasst den Genitiv als 
Vertreter des Instrumentalis Heilmann de Genelivi graeci maxime 
Homerici usu. Marburg 1873 p. 41 f. 

416. Ueber die Endung -ος mit folgender Interpunktion als 
metrische Länge vgl. Hartel homer. Stud. I p. 67. 

421. Ueber eine Beobachtung Aristarch’s hinsichtlich der Aus- 
drucksweise vgl. Lehrs Arist. ?p. 175. 

427. Lessings Folgerung aus der vorliegenden Stelle in Bezug 
auf die charakteristische Entgegensetzung der Troer als Barbaren und 
der Griechen als eines gesitteten Volkes, welche er im Laokoon p. 23 
(Hempel’sche Ausg.) in den Worten ausspricht: „Er (der Dichter) will 
uns lehren, dass nur der gesitlete Grieche zugleich weinen und tapfer 
sein könne, indem der ungesitiete Trojaner, um es zu sein, alle 
Menschlichkeit vorher ersticken müsse“ wurde in einem eigenen Auf- 
satze „Verbot Priamps den Trojanern zu weinen?“ von Fr. Jacobs in 
der Bibl. d. alt. Literatur u. Kunst, achtes Stück, 1791 p. 34—44 
mit Recht bestritten. Er selbst meinte, κλαίειν sei verschieden von dem 
vorhergehenden δάκρυα ϑερμὰ χέοντες, dem natürlichen Ausbruch des 
Schmerzes, und von der lauten ceremoniösen Todtenklage der Ver- 


Kritischer und exegetischer Anhang. Z. 39 


wandten zu verstehen: bei den Griechen konnte von einem solchen 
‘Verbot nicht die Rede sein, weil die Verwandten der gelödteten 
Griechen entfernt waren. (ἢ) 

433. Ueber ἀμφιλύκη vgl. G. Curlius Etymol. *p. 160, Welcker 
griech, Götterlehre I p. 476, Oertel de chronologia Homerica III, 
Misenae p. 1850 p. 32, auch Merkel Apollon. Rhod. p. 152. Da 
der Begriff des Schwankenden und Zweifelhaften, den ἀμφί in dieser 
Composition hat, sonst in dem homerischen Gebrauch dieses Wortes 
ich nicht findet, so hält Hoffmann homer. Untersuchungen No. 1. 
. ἀμφί in der Ilias, Lüneburg 1857 p. 10 dies Kompositum für späte- 
ren Ursprungs, ufiter Zustimmung von Schuster, über die kritische 
Benutzung homerischer Adjective, Clausthal 1859 p. 16. — Ueber 
die chronologischen Bedenken gegen diese ganze Partie vgl. die Eiü- 
leitung p. 10. 

443. Die folgende Episode bespricht in Bezug auf die Vorstellung 
vom Neide der Götter Zehrs populäre Aufsätze p. 38, vgl. Doerries 
über den Neid der Götter bei Homer p. 25. Verworfen wird dieselbe 
von Geppert über den Ursprung der homer. Gesänge I, p. 34. 85. 
430, Bischoff im Philol. XXXIV p. 14, Köchly diss. VII p. 10, vgl. 
auch Daeumlein im Philol. XI p. 414, nach dem Vorgange der 
Alexandriner: vgl. Aristonicus ed. Friedlaender p. 135, Düntzer de 
Zenodot. p. 186 und 198. 

446. Ueber die Bedeutung der Bezeichnung ἡ Vater? hei Zeus 
vgl. Welcker gr. Götterlehre I p. 179. Zur Frage vgl. Praetorius 
der homer. Gebrauch von ἦ in Fragesätzen p. 6. 

451. Ueher ὅσον τ᾽ ἐπί vgl. den Anhang zu ν 114. 

453. Ueber die vorm ἥρῳ, wofür Nauck im Bullet. de l’Acad. 
de Saint-Petersb. VI, 1, p. 27 ἥρωι lesen will, vgl. Friediaender in 
den Jahrbb. f. klass. ΠΝ Suppl. ΠῚ p. 770. — Die Dienstleistung 
der Götter im Zusammenhang mit der Frage über die Stellung der 
'Theten bespricht Riedenauer Wandwerk und Handwerker p. 25 und 
33. Ueber den Zusammenhang der hier berührten Sage mit andern 
homerischen Stellen und ein darauf hasiertes vorhomerisches Lied 
von Herakles Zug gegen Troja vgl. Nitzsch Beiträge p. 153 f. — 
Eine sinnreiche, aber zweifelhafte Auffassung von ἀϑλήσαντε bei 
Welcker Gr. Götterlehre II, p. 369 Anm. 113. 

467 M. Ueber die Colonisation von Lemnos durch die Minyer 
vgl. 0. Müller, Minyer p. 299, über die Argonauten auf Lemnos 
Preller's Mythol. II p. 221. — Da Zemnos den Achaeern keine 
Mannschaft stellt, so schliesst Naegelsbach hom. Theol. ?p. 307 auf 
eine Art voii Neutralitätsverhältniss. Ueber deu Handelsverkehr in der 
homer. Zeit vgl. ausser dem bei Naegelsbach hom. Theol. ?p. 307 f. 
Bemerkten jetzt Büchsenschütz Besitz und Erwerb im griech. Alterth. 
Halle 1869, p. 358 M., 465 fl., Riedenauer Handwerk und Hand- 
werker p. 55 fl. 149. Ueber den Weinbau auf Lemnos vgl. auch 
Hort vom Weine bei Homer, Straubing 1871 p. 6. 


40 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. 


471 f. Ueber χέλιοι als runde Zahl und den Gebrauch der 
Zahlen bei Homer üherhaupt spricht Gladstone hom. Stud. p. 451. 

473 N. Ueber die Tauschobjecte vgl. Riedenauer Handwerk 
etc. p. 136. 171, Note 95, Büchsenschütz Besitz und Erwerb p. 358. 
Der Eintausch von Erz und Eisen scheint im Zusammenhang damit zu 
stehen, dass Lemnos eine alte Pflegestätte der Metallarbeit war, worauf 
die Sage von der Aufnahme des Hephaestos durch die Sinlier (4 594. 
2 400) weist; vgl. auch H. Blümner die gewerbl. Thätigkeit p. 86. 
— ἀνδραπόδεσσι, schon von Aristarch als eine jüngere Benennung: 
bezeichnet, vgl. Aristonikos bei Friedlaender 2. St. p. 135, Fried- 
laender in Jahrbb. f. class. Philol. Suppl. ΠῚ p. 782, Bekker Homer. 
Blätter II p. 67, zur Etymologie Ebeling’s Lex. Homericum s. v.: welches 
auch die Ableitung des Wortes sein mag, jedenfalls hezeichnet es im 
Gegensatz zu den sonst bei Homer üblichen Benennungen den Sclaven- 
als Sache, als Besitz eines andern. Ueber die verschiedenen Bezeich- 
mungen der Sclaven bei Homer vgl. Nitzsch Anmerkung. zur Odyssee 
I p. 231, dazu Schoemann gr. Alt. 1 p. 42, Note 4, Gladstone hom. 
Stud. p. 353, Büchsenschütz Besitz und Erwerb p. 104, Richard 
de servis apud Hom., Berliu 1851 p. 40 fl. 

476. Ueber den Widerspruch zwischen παννύχιοι und V. 482 
ναὶ, Oertel de chronologia Homer. I, Meissen 1833, p. 26 und Bro- 
sin de coenis Homerieis, Berlin 1861 p. 16, Note 7. 

482. Zenodot schied den letzten Vers dieser Rhapsodie, wie 
den ersten der folgenden (den er nach Θ᾽ 52 versetzte) aus, um 80. 
die Götlerversammlung eng mit dem über Zeus 478 fl. Gesagten τὰ 
verbinden: vgl. Düntzer Zenodot. p. 154. 


©. 
Einleitung. 


Literatur: La Roche über das 7. u. 8. Buch der Nias in Z. ἢ. 
oest. Gymn. 1860. XI p. 162 ff. Düntzer Aristarch. Das erste, 
achte und neunte Buch der Ilias kritisch erörtert. Paderborn 1862 
p- 66 ἢ. Köchly de Niadis carmm. diss. VII p. 14 I. (Vgl. Ribbeck 
in Jahrbb. f. Philol. 85, p- 24 ff.) Gegen die beiden letzteren ge- 
richtet ist Calebow Beiträge zum achten Buch der Ilias. Stettin 1865- 
und desselben de lliadis libro octavo. Jenae 1870. — Kayser de 
interpolatore Homerico p. 5 Il — Lachmann Betrachtungen p. 24—26 
(vgl. Düntzer homer. Abhandl. p.58 f., Hoffmann im Philol. ΠῚ p.215 f.,. 
Gerlach im Philol. XXX p. 30 f., Nutzkorn die Entstehungsweise 
der homer. Gedichte p. 158 MM). — Nitzsch Beiträge p. 363 f., 
Sagenpoesie p. 218 fl. Kiene Komposition der Ilias p. 86 f. 1001. 
Nutzhorn Entstehungsweise p. 205 f. 241. — Friedlaender die 
homer. Kritik etc. p. 31 M. ARidbeck im Philol. VII p. 475 I. — 
Jacob Enistehung der Ilias u. Odyssee, p. 219—226. — Genz zur 
Ilias p. 28 1. — 4. Bischoff im Philol. XXXIV p. 14. 1. — G. Herr- 
mann de interpolationibus Homeri. Lips. 1832, p. 12 f. (— Opuscul. 
V p. 63). — Hoffmann quaestt. Hom. II p. 213 iM. Giseke homer. 
Forschungen p. 162 il. 230. — Bernhardy Grundriss d. griech. Lit. 
71, 1, p. 164. Bergk griech. Literaturgesch. 1 p. 587 fl. 

Das achte Buch, überschrieben Κόλος μάχη “der abgebrochene 
Kampf’, weil der Einbruch der Nacht (500) demselben ein Ende macht, 
umfasst die Ereignisse des zweiten Schlachttages (des 25sten der Ilias 
überhaupt, der mit dem Schluss von K endet) bis zum Einbruch der 
Nacht, und zu Anfang dieser die Agora der Troer und ihr nächtliches 
Lager in der Ebene. Die Folge der Begebenheiten ist in kurzer Ueber- 
sicht diese: V. 1—52, Agora der Götter am frühen Morgen: Zeus. 
untersagt streng sämmtlichen Göttern jede Betheiligung am Kampfe; 
seine Fahrt auf den Ida; 53—67, Auszug beider Heere und unent- 
schiedener Kanıpf bis Mittag; 68—79, am Mittag entscheidender Wende- 
punkt, bezeichnet durch das Wägen der Loose der Troer und Achaeer; 
Zeus schreckt die letzteren mit Donner und Blitz: Flucht der achaei- 
schen Helden. Der weitere Verlauf des Kampfes bis zum Abend 
gliedert sich in folgenden 4 Abschnitten, welche durch drei rasch 


42 Kritischer und exegetischer Anhang. Θ. 


wechselnde Wendungen des Kampfes bestimmt werden: 1, V. 80—131, 
erfolgreicher Widerstand des Diomedes gegen Hektor bis zu dem 
Punkte, dass die Troer Gefahr laufen in die Stadt zurückgedrängt zu 
werden. Diomedes weicht vor Zeus’ Blitzstrahl nur mit Widerstreben. 
2, V. 132—217 Hektors siegreiches Vordringen bis zum Graben 
der griechischen Mauer. Hektor ist nahe daran die Schiffe in Brand 
zu stecken, da giebt Hera, die schon 198— 211 einen vergeblichen 
Versuch gemacht hat Poseidon zur Unterstützung der Achaeer zu be- 
wegen, dem Agamemnon ein die Achaeer zu ermuthigen. Sein ver- 
zweifelndes Gebet bewegt Zeus zum Mitleid. 8, V. 218—334, vor- 
übergehender Sieg der Achaeer. Diomedes voran stürmen die achaei- 
schen Helden wieder über den Graben vor; Aristie des Teukros, bis 
Hektor durch die Erlegung seines Wagenlenkers erbittert, Teukros 
mit einem Steinwurf niederstreckt. 4, V. 335 —349, enischiedene 
Niederlage der Achaeer: Zeus verleiht den Troern neue Kraft, von 
Hektor eifrig verfolgt fliehen die Achaeer über den Graben zurück. In 
dieser höchsten Bedrängniss der Achaeer erfolgt noch 350—437 ein 
Versuch der Hera und Athene auf das Schlachtfeld zu fahren und zu 
Gunsten der Achaeer einzugreifen, welcher aber durch Zeus Drohungen 
vereitelt wird. Den Beschluss des Tages macht 438—484 eine Scene 
im Olymp, wo Zeus die beiden Götlinnnen verspottet und für den 
folgenden Tag eine noch schlimmere Niederlage der Achaeer ankündigt. 
Die einbrechende Nacht macht dem Kampfe ein Ende, 484 — 488. 
Agora der Troer iu der Ebene: Hektor räth auf dem Schlachtfelde zu 
lagern, um am andern Morgen den Kampf bis in die Schiffe zu tragen, 
489—542. Abendmahlzeit der Troer; Wachtfeuer, 543—565. 

Das achte Buch steht im eigentlichen Mittelpunkte der epischen 
Handlung. Innerlich motiviert durch das am Schluss des ersten Buches 
von Zeus der Thetis gegebene Versprechen, vorbereitet durch die in 
Buch IH—VII erzählten Ereignisse des ersten Schlachttages, wird die 
hier durch Zeus’ persönliches directes Eingreifen herheigeführte erste 
entschiedene Niederlage der Achacer der Ausgangspunkt für die ganze 
folgende Entwicklung. Diese grundlegende Bedeutung des Buches für 
die folgende Handlung wird am Schluss desselben selbst angedeutet 
durch Zeus’ Vordeutung des weiteren Verlaufs V. 470 ff. und Hektors 
siegesgewisse Worte 530 ff. Andrerseits fehlt es nicht an Rück- 
beziehungen auf die vorhergehenden Bücher. Auf das der Thelis von 
Zeus gegebene Versprechen weist direct hin Athene 370 fl. vgl. A 
500, ferner erinnern die Worte der Iera 430. 431 an A 542, und 
Zeus’ Rede in den Eingangsworten 7—9 ist nur verständlich durch 
die Beziehung auf die Andeutungen, welche derselbe A 564 vgl. mit 
558. 559 gegeben hat, dass er auf Thetis’ Bitte entschlossen sei, 
über die Achaeer eine schwere Niederlage zu verhängen, um Achill 
Genugihuung zu verschaffen. Bedeulsam treten auch die Beziehungen 
auf die Ereignisse des ersten Schlachttages hervor. Eine negative Be- 
ziehung darauf enthält schon die Ausschliessung der übrigen Götter 
von der Theilnahme am Kampfe durch Zeus’ Verbot. Direkt liegen 


Kritischer und exegetischer Anhang. @. 43 


vor allem die Beziehungen auf Diomedes’ Aristie in E zu Tage: kein 
Held tritt so hervor, wie Diomedes, er ist der einzige, der bei der 
allgemeinen Flucht dem Hektor Stand hält, er der erste, der bei der 
günstigen Wendung wieder über den Graben vordringt (V. 253); auf 
ihn concentrieren sich Hektors Hoffnungen und Befürchtungen für den 
weiteren Verlauf des Kampfes (532 M. vgl. 196. 197). Im Einzelnen 
weisen 108 ff., 154—156, 161—166 auf seine früheren Thaten, und 
130—134 lässt sich der nach dem Vorhergehenden so überraschende 
Umschwung nur begreifen, wenn man sich der furchtbaren Bedräng- 
niss erinnert, in welche Diomedes am ersten Schlachttage die Troer 
gebracht hatte: vgl. Z 95—101. 331. 367 f. Die Scene 167 ff. 
erinnert an E 432 fl. Die Beziehungen auf das unmittelbar vorher- 
gehende 7ie Buch sind gering: der Mauerbau wird als kurz vorher 
ausgeführt in Hektors Worten 177 ff. erwähnt, 261 ff. entsprechen 
Ἢ 161 fl.; die Verwendung von Aias’ Schild bei Teukros’ Aristie 
267 MM. mag die Beschreibung desselben 4 219 M. zurückrufen, da- 
gegen trilt Aias selber, der in jenem Buche als ebenbürtiger Gegner 
Hektors im Zweikampfe sich bewährt hatte, zurück, er ist unter den 
Fliehenden, wird nachher nur unter den andern Helden ohne Auszeich- 
nung genannt und tritt nur wegen des Dienstes, den sein Schild dem 
Teukros leistet, hervor. 

Auch das achte Buch zeichnet sieh. durch eine Reihe charakteristi- 
scher Eigenthümlichkeiten aus. Vor allem trägt es durchweg in In- 
halt, wie Darstellung einen lebhaften, energischen Charakter. Die 
Handlung ist überaus mannigfaltig (viel Gölterhandlung) und hewegt; 
unter Zeus’ eingreifender Hand wechselt die Schlacht in raschem Um- 
schwung hin und her, eben so rasch ist der Scenenwechsel, der uns 
bald auf den Olymp, bald auf den Ida, bald zu den Griechen, bald zu 
den Troern führt, Die Schlachtbeschreibung ist im Ganzen kurz und 
deutet zuweilen nur den Gang des Ganzen nach den löhepunkten der 
Entwicklung an, ohne bei den Einzelheiten zu verweilen. Grossen 
Raum nehmen die Reden ein und auch in diesen herrscht ein lebhafter, 
zum Theil heftiger Ton, der sich selbst bis zum Masslosen steigert 
(vgl. 12—16. 402 M. 477—483. 423 MM. 164—166. 178 ff. 196 fl. 
526 if. 535—541); daneben Züge einer lebhaften, grossartigen Fanta- 
sie (199. 443. 554—563), die in Zeus’ Eröffnungsrede an das Selt- 
same streift, Beziehungen auf die Heldensage (382 f.), auf alte Gölter- 
sage (478). Sonstige, zum Theil unhomerische Eigenthümlichkeiten sind 
das Viergespann 185, die Pflege der Rosse durch Andromache 187, 
das Weintrinken derselben 189, nur hier spannt Poseidon dem Zeus 
die Rosse aus (440), nur hier werden die Augen der Gorgo erwähnt 
(349). In der Darstellung theilt das achte Buch mit dem siebenten 
zahlreiche Uebereinstimmungen mit allen Theilen der Ilias, vgl. Genz 
p- 18 und die Nachweisungen bis ins Kleinste bei Kayser, Köchly, 
Düntzer. Eigenthümlich sind demselben eine Reihe von Ausdrücken 
σέλας δαιόμενον 76, πρεσβήϊον 289, οὐδενόσωρος 178, ἀπερωεύς 
361, der Gebrauch von ὑγιής — erspriesslich 524, χρυσός 48 — 


44 Kritischer und exegetischer Anhang. Θ. 


goldener Panzer, σημάντωρ 127 = Rosselenker, δατέεσϑαι 550 
= πάσασϑαι, ferner die Wendungen δαίμονα δώσω 166, Διὸς νόον 
εἰρύσσασϑαι 143; auffallend ist reoio 37; in syntaktischer Beziehung 
186 fl. 230 f. 340. 

Zum Theil schon die eben erwähnten Eigenthümlichkeiten in In- 
halt und Darstellung, ausserdem eine Reihe von Punkten, welche den 
inneren Zusammenhang des Buches betreffen, haben auch hier der 
Kritik mannigfachen Anstoss gegeben. Bei der Erörterung dieser 
Fragen sehen wir von dem von Zuchmann gefundenen Unterschied in 
der Darstellung zwischen der ersten (bis V. 253) und zweiten Hälfte 
des Buches ab; seine Ansicht, dass die erste Partie in der Art der 
Darstellung ebenso sehr mit der letzten Partie des siebenten Buches 
übereinstimme, wie sie von dem Rest des achten verschieden sei, 
daher er sein siebentes Lied erst mit V. 253 beginnen liess, ist mit 
Recht bestritten; die gleich wie beim Schluss des siebenten Buches ge- 
tadelte Kürze und Hast der Darstellung dürfte sich zum Theil aus der 
lebhaften Bewegung der Handlung rechtfertigen lassen; Unklarheit dieser 
Partie in gleicher Weise vorzuwerfen ist man gewiss nicht berechtigt. 

Die gegen den Inhalt des Buches erhobenen Ausstellungen 
betreffen zunächst die Haltung des Zeus. So scheint vor allem mit 
den masslosen Drohungen, welche derselbe in seiner Rede V. 10—17 
ausspricht, die unmittelbar folgende Antwort, V. 39. 40, welche er 
der Athene auf ihre Erwiderung ertheilt, unvereinbar. Ferner scheint 
der Festigkeit seines Enischlusses, welche nach jener Eröffnungsrede 
vorauszusetzen ist, sein weiteres Verhalten durchaus zu widersprechen. 
Nicht nur, dass er bis Mittag dem Kampfe ganz unthätig zuschaut; als 
er endlich zum Handeln übergeht, greift er, als ob er noch ganz 
rathlos wäre, zur Wage, um das Schicksal zu befragen, und selbst 
mach der dadurch gegebenen Entscheidung, nachdem er durch den 
Blitzstrahl seinen entschiedenen Willen kund gethan, lässt er den Kampf 
noch lange hin und herschwanken und gewährt selbst, durch Aga- 
memnons verzweifeltes Gebet gerührt, den Achaeern eine Weile den 
Sieg. Nicht sonderlich geschickt findet man auch den verschwenderi- 
schen Gebrauch von Blitz und Donner. “Wie es zugeht, dass dies 
Blitzen und Donnern auf die Troer ermuthigend, auf die Achaeer ent- 
muthigend wirkt, bleibt uns räthselhaft, obgleich bei der sprichwört- 
lichen Klarheit der homerischen Dichtung eine Andeutung hierüber 
durfte erwartet werden.’ (Bischoff). 

Besondern Tadel hat ferner das Zwiegespräch zwischen Hera und 
Poseidon 198— 212, sowie der vergebliche Versuch der Hera und 
Athene in den Kampf zu Gunsten der Achaeer einzugreifen, 350—484, 
erfahren. Wenn an der ersten Stelle Hera, unwillig über Hektors 
Prahlerei Poseidon vergeblich zu bewegen sucht den Achaeern beizu- 
stehen, so sieht man darin einen ganz verfehlten Zug — “um so 
läppischer, weil, wie man sogleich sieht, Hera des Poseidon gar nicht 
bedurfte. Denn wie Hektor immer weiter vordringt, kommt sie auf 
den richtigen Gedanken (218), sie giebt dem Agamemnon den Ent- 


Kritischer und exegetischer Anhang. @. 45 


schluss ein die Achaeer von neuem zu ermuntern.” (Bischojf.) Bei der 
andern Partie hebt man zunächst den Widerspruch mit Zeus’ ausdrück- 
lichem strengen Verbot hervor, ein Widerspruch, der neben andern 
Herrmann zu der Annahme veranlasste, dass Zeus’ Rede im Anfang 
des ten Buches ihre ursprüngliche Stelle zu Anfang des 13ten gehabt 
habe. Andere wie Hoffmann, fügen hinzu: “konnten Athena und 
Hera sich des Versuchs nicht enthalten, so mussten sie auf einen 
Kampf mit Zeus gefasst sein und nicht so schmählich umkehren.” 
Muss aber bei so schmählichem Ausgauge das unnütze Unternehmen 
selbst als ein “alberner Einfall? erscheinen, so kann ein solcher Appa- 
rat (über 130 Verse) um nichts unmöglich gerechtfertigt sein, gelinde 
beurtheilt ist die ganze Partie ein überfüssiges Episodium. 

Einen Widerspruch mit den folgenden Büchern bietet Teukros’ 
schwere Verwundung 324 fl.: denn bereits am folgenden Tage ist 
derselbe wieder im Kampfe thätig (M 371. 387),. ohne dass seiner 
Verwundung gedacht würde. Im Widerspruch mit der übrigen Ilias 
steht auch, was 191—197 von Nestors Schilde und Diomedes’ Harnisch 
gesagt wird. Auffillend ist endlich, dass Aias im ganzen Buche zurück- 
tritt, um so mehr, als er im vorhergehenden eine so hervorragende 
Rolle gespielt hat, Odysseus nur erwähnt wird, um ihn als feigen 
Flüchtling zu brandmarken (92 ff). 

Hinsichtlich der Darstellung ist auch von denen, welche die oben 
erwähnte Scheidung Zachmanns zurückgewiesen haben, doch allgemein 
getadelt, dass dieselbe bei dem Gewirr der Begebenheiten nirgends zur 
Ruhe komme, “Es findet sich sowenig Aushreitung des Einzelnen; die 
Extreme (131. 217) stehen so nahe neben einander, dass man den 
Dichter nicht gerade für hochbegabt ansehen darf’ (Hoffmann). Fried- 
laender beschränkt mit Zackmann den Tadel auf die erste Hälfte des 
Buches, welche an einer gewissen Hast und Kürze leide, die der Ruhe 
und Klarheit Eintrag thue, und formulirt das Auffallende des raschen 
Wechsels der Handlung bestimmter so: “wenn diese Veränderungen 
auch nicht durch ihre Häufigkeit befremden, so befremden sie doch 
durch die Plötzlichkeit und Vollständigkeit.’ 

Bei dem engen Zusammenhange zwischen Darstellung und Inhalt 
lässt sich von vornherein erwarten, dass aus einer lebhaft bewegten 
Handlung ein gewisses Mass von Bewegung auch der Darstellung sich 
mittheilt. Es ist daher nur die Frage, ob die Bewegung in der epi- 
schen Handlung selbst gehörig motivirt ist und sich in den rechten 
Grenzen hält und ob die dadurch zum Theil bedingte lebhafte Dar- 
stellung die dem Epos eigene Ruhe und Klarheit nicht zu sehr beein- 
trächtigt. 

Die Handlung des Tages wird im Wesentlichen bestimmt durch 
drei Factoren: das zu erreichende Ziel, die Besonderheit der Situation 
und die durch die vorhergehende Erzählung gegebeneu Momente. Das 
diesem zweiten Schlachttage gesteckte Ziel ist die äusserste moralische 
Niederlage der Achaeer, dadurch herbeigeführt, dass sie unfähig das 
Schlachtfeld zu behaupten, hinter Graben und Mauer zurückgeschlagen 


46 Kritischer und exegetischer Anhang. ©. 


werden — die äusserste physische Noth derselben herbeizuführen ist 
dem folgenden Schlachttage vorbehalten. Die Besonderheit der Situa- 
tion beruht darauf, dass unter Ausschliessung der andern Götter Zeus 
allein direct und persönlich eingreifend die Leitung der Schlacht zu 
diesem Ziel hin handhabt. Durch die vorhergehende Erzählung enilich 
sind in der Götter- wie in der Menschenwelt eine Reihe von Be- 
ziehungen und Verhältnissen gegeben, die hier fortwirken, iu ihren 
Folgen sich äussern. 

Von dieseu drei Factoren ist für den Charakter der Handlung 
vor allem bestimmend der zweite: Zeus’ "Wille energisch auf das ge- 
setzte Ziel hingerichtet, seine ausschliessliche Leitung des Kampfes, 
seine Macht verlangen eine rasche Entscheidung, gestatten nicht eine 
Ausbreitung des Kampfes, wie am ersten Schlachttage mit seinen 
Einzelkämpfen und anmuthigen Episoden, nicht ein Hin- und Herwogen 
der Schlacht ohne wesentliche Entscheidung. Diesem zu rascher Ent- 
scheidung drängenden Impuls von Seiten des Zeus treten aber retar- 
dierende Momente gegenüber, welche doch eine Art von Entwicklung 
und bis zu einem gewissen Masse eine Ausbreitung des Kampfes er- 
möglichen. Diese sind in der früheren Erzählung gegeben und be- 
ruhen theils auf dem energischen Widerstaude, welchen Diomedes, der 
Hauptheld des ersten Schlachttages, ängstlich besorgt den vorher ge- 
wonnenen Kriegsruhm zu verlieren (vgl. 148), Hektor entgegensetzt, 
theils auf dem Versuch der griechenfreundlichen Götter Zeus’ Willen 
zu durchkreuzen. Durch diese Gegensätze wird die oben angedeulete 
Gliederung des Kampfes nach seinen drei Wendungen bestimmt, und 
auf ihnen beruht der lebhaft bewegte Charakter der Handlung.- In dem 
Bewusstsein, dass es sich um eine grosse Entscheidung handelt, treten 
die widerstrebenden Kräfte in der Menschen- wie in der Götterwelt 
energisch ringend einander gegenüber, und die Hefligkeit dieses Kam- 
pfes steigert sich um so mehr, als Zeus’ Eingreifen nach der vorher- 
gehenden Entwicklung einen so plötzlichen und völligen Umschwung 
der Verhältnisse herbeiführt. Hiezu kommt das nationale Interesse des 
Dichters, worüber Friedlaender p. 32 treflend bemerkt: “Auch wird 
man sich das häufige Umspringen von Sieg zu Flucht aus dem 
Schwanken des Dichters erklären zwischen der Nothwendigkeit, die 
Niederlage der Griechen zn erzählen, und dem Wunsch, sie den Bar- 
baren überlegen darzustellen. Es ist als ob er gar nicht nachdrück- 
lich genug glaubt sagen und nicht oft genug wiederholen zu können, 
dass Zeus’ Wille und Zeus’ Wille allein den Troeru Sieg verleihen 
konnte.? 

Kann nach den gegebenen besondern Verhältnissen der energische 
Charakter der Handlung, sowie der gehobene, leidenschaftliche Ton in 
den Reden nicht befremden, so wird auch die Berechtigung des Ta- 
dels, dass die Erzählung nirgends zur Ruhe komme, sehr zweifelhaft. 
Dass die Hast der Erzählung der Klarheit Eintrag thue, kann ich im 
Allgemeinen nicht finden. — Nicht gehörig motiviert scheint nur der 
durch Diomedes’ Widerstand gegen Hektor herbeigeführt so plötzliche 


Kritischer und exegetischer Anhang, ®, 47 


und völlige Umschwung der Situation 130: man begreift an sich 
schwer, wie die Erlegung von Hektors Wagenlenker eine solche Wir- 
kung haben konnte, zumal da Hektor sofort einen andern Wagen- 
lenker findet, und nur die Erinnerung an den furchtbaren Schrecken, 
den Diomedes’ Thaten am ersten Schlachttage den Troern eintlössten, 
kann das Unbegreifliche dieses Umschwungs etwas vermindern. Auch 
bei dem zweiten Umschwung ist die Erzählung äusserst kurz und 
sprunghaft. Eben im Begriff die Troer bis in die Mauern der Stadt. 
zurückzudrängen, wird Diomedes durch Zeus’ Blitzstrahl zur Umkehr 
gezwungen. Durch Hektors höhnende Worte gereizt, denkt er V. 167 
noch einmal an Widerstand, weicht aber vor Zeus’ Donnerschlägen; 


‚es folgen zwei Reden Hektors, worin er die Seinen und die Rosse er- 


muntert, ein kurzes Zwiegespräch im Olymp und sofort V. 213 finden 
wir die Achaeer zwischen Graben und Mauer zusammengedrängt, ohne 
dass der dazwischenliegende Verlauf zur Darstellung‘ käme, und schon 
droht Gefahr, dass Hektor die Schiffe in Brand steckte. Allein hier liegt 
die Sache wesentlich anders. Da Diomedes der einzige Held ist, wel- 
cher Hektor Widerstand geleistet hat, so ist, nachdem dieser Wider- 
stand durch Zeus” wiederholtes Eingreifen gebrochen ist, kein Raum 
mehr für eine weitere Entwicklung des Kampfes. Sollten wir nun 
berechtigt sein den Dichter zu tadeln, dass er uns über die Einzel- 
heiten der allgemeinen Flucht und verschiedener Mordscenen dadurch 
hinwegführt, dass er theils in Hektors siegesstolzen Reden, theils in 
Hera’s sorgenvoller Bekümmerniss uns die Grösse der die Achaeer 
bedrohenden Gefahr vergegenwärtigt! Bei dieser Art der Darstellung, 
welche den Gang der Ereignisse nur im Grossen nach den Höhepunkten. 
zeichnet, ist insbesondere die so scharf getadelte Scene zwischen Hera 
und Poseidon durchaus unentbehrlich. Sie füllt passend den Raum 
von dem Moment, wo Diomedes’ letzter Versuch des Widerstandes 
gebrochen ist und Hektor voll Siegeszuversicht die Seinen zur ener- 
gischen Verfolgung des Feindes ermuntert, bis zu dem Punkt, wo das 
Resultat dieser berichtet wird, die Achaeer bereits zwischen Graben und 
Mauer sich drängen. Es ist wahr, Hera’s Versuch Poseidon zum Ein- 
greifen zu bewegen ist verfehlt, er scheitert an dessen Besonnenheit: 
aber ist er auch dichterisch verfehlt? Wäre es etwa dem leidenschaft- 
lichen Charakter der Hera unangemessen, dass dieselbe im Zustande 
des Allects einen verfehlten Zug thut? und wird dieser dadurch wirk- 
lich so läppisch, dass sie in der Folge den wirksamen ihut? Man über- 
sieht überdiess, dass, als Hera selbst auf Agamemnon einwirkt, in- 
zwischen die Situalion wesentlich verändert, die Niederlage der Achaeer 
vollendete Thatsache ist, und Hera’s Einwirkung das Resultat der 
äussersten Noth ist. Danach finden wir die Scene zwischen Hera und 
Poseidon durchaus motiviert: sie ist einmal nothwendig, um die oben 
bezeichnete Lücke in der Erzählung auszufüllen, und bereitet andrer- 
seits das Eingreifen der Hera 218 vor, wodurch eine neue Wendung 
im Kampfe herbeigeführt wird. Der Höhepunkt der Gefahr, welche 
jetzt den Achaeeru droht, wird 217 durch die Wendung bezeichnet: 


48 Kritischer und exegetischer Anhang. @. 


und nun würde Hektor mit flammenden Feuer die Schiffe angezündet 
haben. Ich glaube nicht, dass man berechtigt ist, hierbei in gleicher 
Weise anzustossen, wie bei der ähnlichen Wendung 131. Denn nach- 
dem jeder Widerstand gebrochen, die Achaeer in wildem Gedränge 
über den Graben zurückgeschlagen waren, wer hätte Hektors Lauf 
aufhalten sollen? Uebereinstimmt damit, wie Agamemnon 243 die Lage 
auffasst. Die Art, wie nun diese neue Wendung eingeleitet wird, ist 
etwas compliciert. Hera wirkt auf Agamemnon ein; dieser sucht die 
Achaeer zu ermuthigen und wendet sich dabei im Gebet an Zeus; 
dieser gewährt, von Mitleid bewegt, den Achaeern einen vorüber- 
gehenden Sieg. Aber es bedurfte dieses Umweges, da ein directes 
Eingreifen der Hera nicht möglich, ein eigues Aufraffen der Achaeer 
unvereinbar mit Zeus’ Einwirkung war; so blieb Zeus’ Mitleid das 
einzige Motiv, wodurch eine neue Wendung herbeigeführt werden 
konnte. Aber war diese selbst nothwendig? Damit treten wir den 
‚mancherlei Zweifeln näher, welche gegen das Verhalten des Zeus über- 
haupt erhoben sind. 

Ein Haupttadel trifft die Langsamkeit, mit der Zeus seinen zu 
Anfang des Buches so energisch angekündigten Entschluss zur Aus- 
führung bringt. Nun ist schon oben von den retardiereuden Mo- 
menten gesprochen, welche in der vorhergehenden Entwicklung der 
‚epischen Handlung von vornherein gegeben sind, auch hervorgehoben, 
wie das nationale Interesse des Dichters bei der Darstellung einer ent- 
scheidenden Niederlage der Achaeer seine Wirkung thun musste. So 
ist durch den ersten Umschwung des Kampfes vor allem die Ehre 
‚des Helden gerettet; der am ersten Schlachttage der Schrecken der 
Troer gewesen war; die zweite Wendung des Kampfes, welche durch 
Hera’s Einwirkung auf Agamemnon eingeleitet und durch Zeus’ Mit- 
leid mit diesem motiviert wird, giebt nun der Gesammtheit der achaei- 
schen Helden die Möglichkeit, die Schmach der vorhergehenden Flucht 
zu tilgeg; es (ritt Agamemnon hervor, wie seine Stellung in so ent- 
scheidendem Augenblick es fordert. Andrerseits ist nicht recht er- 
sichtlich, was Zeus hindern sollte, den Achaeern einen vorübergehen- 
den Sieg zu geben. Das Ziel des Tages ist die äusserste moralische 
Niederlage der Achaeer ; diese wird nach dem kurzen Hoffnungsschinmer 
schliesslich nur um so niederschlagender. Ueberdies verlangt auch 
die äussere Technik des Epos retardierende Momente. Soll der Kampf, 
der zu dieser entscheidenden Niederlage führt, den Raum eines Tages 
füllen, so darf er schon deshalb nicht mit Diomedes Rückzug schliessen. 
Denn nach der Lage der Dinge würde schon jetzt ein Angriff auf die 
Mauer erfolgen müssen, was weder in Zeus’ Absicht, noch in der des 
Dichters lag. Dieselbe äussere technische Rücksicht ist es, wenn Zeus 
bis Mittag dem Kampfe unthätig zuschaut und erst dann eingreift. 

Berechtigt scheint der Anstoss, den man an der Unterredung 
zwischen Zeus und Athene 23—40 genommen hat. Der Widerspruch, 
in den sich Zeus hier durch die der Athene ertheilte Antwort mit 
seinen eben vorangegangenen masslosen Drohungen setzt, ist so stark, 


Kritischer und exegetischer Anhang. Θ. . 49 


so unerklärlich, dass an der Unechtheit der ganzen Partie kaum zu 
zweifeln ist; durch Interpretation lässt sich die Stelle nicht retten (vgl. 
unten Näheres zu V. 28—40). Dagegen kann ich bei der Wägescene 
V. 63 fl. den Anstoss nicht (heilen, den viele daran genommen haben. 
Berechtigten Anstoss würde dieselbe allerdings geben, wenn der Sinn 
dieser Handlung wirklich wäre, dass Zeus damit die Entscheidung des 
über ihm stehenden Schicksals suchte, während er nach allem, was 
vorhergegangen, nach eignem Entschluss handeln sollte. Aber dass 
diese Auffassung unbegründet ist, hat Welcker griech. Götterlehre I 
p- 183 und 190 f. überzeugend nachgewiesen; er bemerkt mit 
Recht: “die Wage ist in der Hand des Höchsten, sein sind die Tode, 
die er als Loose in ihre Schalen legt, nicht eine Macht über ihm’; 
und den sichersten Beweis für diese Anschauung geben Stellen wie 
II 658 und T 223, wo die Wage des Zeus klar als bildlicher Aus- 
druck für Zeus’ Beschluss, Zeus’ Entscheidung gebraucht wird. Frei- 
lich bedarf es an sich einer solchen Entscheidung nicht mehr, denn 
Zeus ist ja mit dem Entschluss zu Gunsten der 'Troer einzugreifen 
auf den Ida gekommen, und in der Wägescene einen symbolischen Aus- 
druck des schon gefassten Entschlusses mit Baeumlein zu sehen wäre 
ohne Analogie; auch bedarf es der Wägung nicht etwa, wie Kiene 
meint, als eines Wahrzeichens für die Götter; wohl aber ist es an 
bedeutsamer Stelle ein bedeutsames Wahrzeichen für die Hörer, dass 
eine wichtige Entscheidung bevorsteht. “Wenn die höchsten Angelegen- 
heiten und Personen bei gleichscheinender Macht zur Entscheidung ge- 
drängt werden, so steigt die Spannung so hoch und erscheint nach 
vielen Wechseln der Ausgang so ungewiss, dass er bei dem endlichen 
plötzlichen Eintritt wie Sinken und Steigen von Wagschalen wirkt. 
Das Gefühl dieses Eindrucks wird durch das Bild glücklich hervor- 
gerufen’ (Welcker). Dass der Kampf nachher noch mehrfach schwankt, 
wird man bei dieser Auffassung gegen die Angemessenheit desselben 
nicht geltend machen können. Ist das Bild aus X 209 fl. in das 
achte Buch übertragen, so wird man höchstens sagen können, dass 
der Ausdruck ange ϑανάτοιο dort passender steht, als hier, weil es 
sich hier nicht um die völlige Vernichtung eines der beiden Völker 
handelt. 

Wie misslich ferner das tadelnde Urtheil über den so verschwen- 
derischen Gebrauch von Donner und Blitz ist, zeigt die Thatsache, dass 
andere Kritiker denselben gerade höchst wirksam gefunden haben. Zeus 
wendet im Verlauf der Erzählung verschiedene Mittel an, seinen Willen 
kund zu Ihun und auf die eine oder andere Partei einzuwirken: Donner 
und Blitz V. 76 und 133, drei Donnerschläge 170, ein Vogelzeichen 
247, innere Einwirkung 335: man sieht, dass bei dieser Abstufung 
die Anwendung der effectvollsten Mittel gerade ımit dem Anfang seines 
Eingreifens zusammentrifit, wo es gilt, zunächst seinen Willen auf 
das unzweideuligste und wirksamste kund zu Ihun, sodann die Hart- 
näckigkeit des trotzdem widerstrebenden Diomedes zu brechen. Un- 
begreiflich aber ist vollends, wenn Bischoff es räthselhaft findet, wie 

Anhang zu Ameis, Homers Ilias I, 3. 4 


50 Kritischer und exegetischer Anhang. Θ. 


es zugehe, dass das Blitzen und Donnern auf die Troer ermuthigend, 
auf die Achaeer entmuthigend wirke. Ein Blitzstrahl, mitten in das 
achaeische Heer (76) geschleudert, ist, denke ich, verständlich; 
verständlich auch, wenn (133) unter furchtbarem Donner ein hell- 
leuchtender Blitzstrahl vor den Pferden des Diomedes niederfährt, als 
dieser wieder vorgedrungen ist und weiter vordringen will. Anstoss 
kann nur V. 169. 170 geben, wo das dreimalige Donnern des Zeus, 
die warnende Antwort auf die dreimalige Erwägung des Diomedes, ob 
er die Rosse umwenden und von neuem den Kampf aufnehmen solle, 
zugleich als ermuthigendes Zeichen für die Troer gelten soll. Diese 
Verbindung ist höchst seltsam, und es liegt der Verdacht nahe, dass 
γι 171, den auch Düntzer, freilich in Verbindung mit der ganzen 
Partie von 158—171 verworfen hat, ein späterer Zusatz sei, den zur 
Erläuterung von 175 einzuschieben der Interpolator sich berufen 
glauben konnte. 

Die grosse Scene 350—484, welche im Einzelnen manches 
Eigenthümliche und Auffallende hat, selzt da ein, wo nach dem letz- 
ten Umschwung des Kampfes die Niederlage der Achaeer eine voll- 
ständige geworden ist und Hektor, von wilder Kampfeswuth erfüllt 
auf der Verfolgung der letzten Flüchtigen am Graben hin- und her- 
stürmt, sie endet mit Sonnenuntergang. In dieser Stellung dient sie 
zunächst einem ähnlichen Zweck, wie die Scene zwischen Hera und 
Poseidon 198—212; sie führt die Hörer über die wenig interessanten 
Einzelheiten des letzten Actes der Flucht hinweg und füllt den Raum 
bis Sonnenuntergang. Den aus der Erfolglosigkeit dieses Versuches, 
den Achaeern Hilfe zu bringen, abgeleiteten Bedenken gegen die Scene 
ist kein zu grosses Gewicht beizumessen; unser Geschmack kann 
nicht ohne weiteres’ massgebend sein. Für die Scene wird von Giseke 
geltend gemacht, dass nur durch sie Zeus’ fester Entschluss und die 
Hilflosigkeit der Griechen in volles Licht gestellt werde. 


Wegen des Widerspruchs, in dem Teukros’ gefährliche Verwun- 
dung 324 il. mit M 371. 387 steht, verweise ich auf Bergk griech. 
Literaturgesch. I p. 589. 


Das Ergebniss der vorstehenden Erörterungen fasse ich dahin zu- 
sammen. Das achte Buch enthält nach Inhalt und Darstellung manches 
Eigenthümliche und Befremdliche, was theils von der übrigen Dar- 
stellung des Epos abweicht, theils unserem Geschmack wenig zusagt; 
an einer Stelle erscheint der Fortschritt der Handlung nicht ge- 
hörig motiviert, die Darstellung so kurz und sprunghaft, dass die 
Klarheit dadurch beeinträchtigt wird. Aber der lebhaft bewegte 
Charakter der Handlung im Ganzen und eine dadurch hedingte lebhafte 
Kürze der Darstellung lässt sich aus den besondern Verhältnissen der 
Situation wohl rechtfertigen. Jedenfalls ist die Kritik vielfach zu weit 
gegangen, indem sie bei der Beurtheilung theils dem modernen Ge- 
schmack zu viel Raum gegeben, theils hegründete Bedenken und An- 
stösse im Einzelnen ohne Grund verallgemeinert hat. 


Kritischer und exegetischer Anhang. Θ. δι 


Es erübrigt noch die Hauptansichten über das achte Buch und 
seine Stellung im Ganzen anzuführen. Lachmann bildet unter Ver- 
werfung der ersten Hälfte des Buches, welche er mit der Schluss- 
partie des siebenten als Vorbereitung auf das Folgende von einem 
Nachahmer gedichtet sein lässt, sein siebentes Lied aus V. 253 bis 
484, dessen echter Anfang verloren sei. Köchly verbindet zum Theil 
nach Hermanns Vorgange den Anfang und andere Stücke unseres 
Buches mit dem Aufang von N, Hauptbestandtheilen von #, O und II 
zu einem Ζιὸς ἀπάτη überschriebenen Liede. Nach Kayser wurden 
das siebente und achte Buch (mit Ausnahme von 1—27) gedichtet, 
um dem später gedichteten neunten eine Stelle im Epos zu schaffen. 
Genz verbindet den Aufang von I (1---88) nebst H 313 — fin. mit 
dem achten Buche und schreibt das Ganze jüngern Dichtern zu, welche 
die Vereinigung der ganzen Ilias zu einem Epos zu bewerkstelligen 
suchten. Ueber die Grote’sche Ansicht ist aus der. Einleitung zu Η 
das Nöthige zu ersehen. Nach Düntzer schloss das achte Buch sich 
ursprünglich an B 47 an. Bergk endlich findet wur hie und da 
Stücke der originalen Dichtung, meist die Hand des Diaskeuasten. 


Anmerkungen. 


1. Die Verdunklung der Personification in der vorliegenden Wen- 
dung bespricht Bergk griech. Literaturgesch. I p. 316; über das 
Verhältniss dieser Formel zu der mit βοδοδώκτυλος vgl. Kayser zu ß 1. 
Ueber Herkunft, Gebrauch und Bedeutung des Safran im Alterthum 
giebt eine interessante Zusammenstellung Κ. Hekn Kulturpflanzen und 
Hausthiere in ihrem Uebergang aus Asien nach Griechenland und Italien, 
sowie in das übrige Europa, Berlin 1870 p. 173 M.: „Gewänder, 
Säume, Schleier, Schuhe, mit der dauernden gelben Farbe des Safran 
getränkt, erschienen dem Auge der ältesten asiatischen Kultur- und 
Religionsgründer so herrlich wie der Purpur, sowohl an sich, als zum 
Ausdruck des Lichtes und der Majestät. — Den Abglanz orientalischer 
Heiligung des lichten, reinen Safrangelb zeigen die ältesten mylhisch- 
poetischen Vorstellungen der Griechen.“ — Ueber kritische Bedenken 
gegen den Anfang des Buches (1—52) vgl. Za Roche in 2. 1. d. 
oest. Gymn. XI p. 162. 

2. τερπικέραυνος wird jeizt unter G. Curlius’ Zustimmung von 
6. Meyer in 6. Curtius Stud. VII p. 180 fl. gedeutet = τρέπων 
χεραυνόν den Blitzstrahl schleudernd, eigentlich richtend. 

5—27. Vers 6 fehlt nach 7a Roche krit. Ausgabe in den hei- 
den besten Handschriften AD. Vgl. auch Düntzer Aristarch p. 66. 
— 10. In der Auffassung des Particips ἐθέλοντα folge ich Classen 
Beobachtungen p. 148. — Ueber Zenodot's Lesart μετόπισϑε vgl. 
Düntzer Zenod. p. 134. — 14. Ueber den Tartaros vgl. Preller 
griech. Myth. I p. 49, Goeke Homeri de morte mortuorumque con- 
dieione sententiae, Halle 1868 p. 12, Buchholz hom. Kosmographie 
und Geographie, p. 52 Ueber die Beschreibung des Tartaros bei 

4* 


52 Kritischer und exegetischer Anhang. Θ. 


Hesiod Schoemann opusc. II p. 321 fl. — V. 15 wurde von Bekker 
verworfen, vgl. auch Düntzer Aristarch p. 68. la Roche in Z. 1. d. 
oest. 6. ΧΙ p. 163 verdächtigt auch V. 16. — 18. Ueber εἰ δ᾽ ἄγε 
vgl. Z. Zange de forınula Homerica ei δ᾽ ἄγε. Lips. 1873, p. 8 u. 
12. Derselbe empfiehlt nach Nicanor (hei Friedlaender p. 193) die 
nur von Doederlein angenommene Verbindung dieses Verses it dem 
folgenden und Interpunction nach χρεμάσαντες. Indessen verdienen 
die von Classen Beobachtungen p. 140 lür die gewöhnliche Inter- 
punction geltend gemachten Gründe gewiss Beachtung und ziehe ich 
jetzt die anakoluthische Auffassung, weil sie mir dem leidenschaftlich 
bewegten Ton der ganzen Stelle gut zu entsprechen scheint, jedem 
Versuch durch Interpunction, wie ich selbst “zur Periodenbildung bei 
Homer? p. 26 f. und PAilippi quaestionum Aristarch. spec. Gotling. 
1865 p. 14 f. wollte, oder durch Conjectur, wie Bekker u. Düntzer 
(20 πάντες τ᾽ statt δ᾽, wie übrigens nach la Roche der gute Lau- 
rentianus € giebt), die Unregelmässigkeit der Construction zu beseitigen, 
vor. — Ueber die Bedeutung der folgenden Allegorie vgl. die wesent- 
lich verschiedenen Ansichten von Preller griech. Myth. I p. 72 f., 
Welcker griech. Götterl. I p. 85 und 289 f., Hess über die komisch. 
Elemente p. 40, Gerlach im Philol. XXXII p. 24. Die localen Ver- 
hältnisse in derselben erörtert Pölcker über homerische Geographie 
und Weltkunde p. 14 f. Uebrigens äussert Düntzer Aristarch p. 68 
Bedenken gegen den ganzen Schluss der Rede von V. 18 an. — 23. 
Von den bei Friedlaender de conjunctionis ὅτε apud Homerum vi et 
usu, Berolini 1860, p. 119 MM. zusammengestellten Vordersätzen mit 
ὅτε und Optativ in conditionalem Sinne ist wohl die vorliegende Stelle 
auszuscheiden und den rein temporalen Sätzen zuzuweisen. Sie unter- 
scheidet sich von den übrigen auf das bestimmteste einmal dadurch, 
dass ὅτε, wie an keiner der andern, mit δή verbunden ist, wodurch 
entschieden der temporale Charakter von ὅτε verstärkt wird, sodann 
dadurch, dass es sich hier innerhalb einer fingierten Situation, die 
schon im vorhergehenden gesetzt ist, um einen neuen Moment handelt. 
— 24. Die Verbindung des Dativs mit αὐτός erörtert Ty. Mommsen 
Entwicklung einiger Geseize für den Gebrauch der griech. Präpositio- 
nen p. 41, vgl. auch B. Delbrück Ablativ, Localis, Iustrumentalis 
p- 52. — 25. 26. Ueber Aristarch’s wesentlich verschiedene Auf- 
fassung der Stelle vgl. Zehrs Aristarch ?p. 168. Beide Verse wur- 
den verworfen von Zenodot (vgl. Düntzer de Zenodoti stud. Hom. 
p- 186), welchem la Roche in der Z. f. d. oest. G. ΧΙ p. 168 
zustimmt. 

28—40: ἀϑετοῦνται, ὅτι ἐξ ἄλλων τύπων μετάκεινται, Ari- 
stonic. ed. Friedländer p. 137. Dieser Athetese haben von den 
Neueren zugestimmt Heyne, Bekker, Dünizer Aristarch p. 69, la 
‚Roche in 2. f. ἃ. oest. 6. XI p. 163, Geppert, Ursprung der Homer. 
Gesänge I p. 11 f., Köchly diss. VII p. 15, vgl. Ribbeck im Philol. 
VII p. 476. Den argen Widerspruch, in welchem Zeus’- beruhigende 
Worte 39. 40 mit seiner harten Rede vorher stehen, sucht Hoffmann 


Kritischer und exegetischer Anhang. @. 53 


im Philol. III p. 217 und ähnlich Nitzsch Sagenpoesie p. 152 da- 
durch zu mildern, dass er diese Zusicherung nur auf das von Athene 
gesprochene Wort dvreg in V. 37 bezogen wissen will: Zeus sage 
nur, dass Athene sich die Sache nicht allzu schlimm denken solle. 
Allein sagt Zeus in den Worten od νύ τι ϑυμῷ πρόφρονι μυϑέομαι 
wirklich: ich spreche keineswegs mit ernsllichem Willen, ich meine 
es nicht so ernst, wie ich rede — und (ie Versuche von Doederlein 
Gloss. $. 951 und Minckmitz in der Uebersetzung, Pierron z. St. die 
Worte anders zu deuten, sind nach dem homerischen Gebrauch ent- 
schieden abzuweisen — so ist es unmöglich, darin irgend welche 
Beziehung auf πάντες 37 zu denken, da Zeus in der vorhergehenden 
Rede gar nicht davon gesprochen hat, was er mit den Achaeern be- 
ginnen will, sondern nur den seinem Willen widerstrebenden Göttern 
gedroht hat. Ich sehe in der That keine Möglichkeit die Worte des 
Zeus mit seiner Drohrede, wie mit seinem späteren, Verfahren gegen 
Athene und Hera 397 ff. zu vereinigen. — 37. Ueber τεοῖο vgl. 
Droneke im Rhein. Mus. IX, 111, Bekker homer. Blätter p. 75, 
Herzog Untersuchungen über die Bildungsgeschichte d. gr. u. lat. Spr. 
Ρ. 130, Cauer in G. Curtius Stud. VII, p. 105. Der Anstoss dieser 
Bildung veranlasste Zenodot den Vers auszuscheiden: vgl. Düntzer 
Zenod. p. 163. Friedlaender Avistonic. p. 137. — 39. Ueber Τριτο- 
γένεια vgl. ausser dem bei Naegelsbach Hom. Theol. ?p. 105 Be- 
merkten Hammer qualem Minervam finxerit Homerus, Zerbst 1861 
p- 16 ff, auch Fick vergl. Wörterb. 31 p. 96 unter trita, der Τριτο- 
in Τριτο- γένεια, in Τριτο-πάτορες, Τριτὴ in ᾿Δμφι-τρίτη mit sanser. 
trita, einer Vedengottheit zusammenstellt; vgl. auch desselben griech. 
Personennamen p. 82. 

43. γέντο wird von Fick vergl. Wörterb. 31 p. 65 auf die W. 
gadh, gandh — ghad, ghand fassen, festhalten zurückgeführt, wozu 
100-, χανδάνω, lat. pre-hend-ere, so dass es für γένθοτο steht. 
Andere Erklärungen bei Ebeling lexic. Hom. s. v. — Bedenken gegen 
die Ursprünglichkeit von V. 43 und 44 äussert Düntzer Aristarch 
p- 69. 

48. Ueber die Zusammenstellung des Ganzen und des Theiles in 
demselben Casus vgl. Bekker hom. Blätter I p. 292 und hiusichtlich 
der Wortstellung bei dieser Figur Schnorr von Carolsfeld verborum 
collocatio Hom. quas haheat leges etc., Berolini 1864 p. 1 If. — Die 
Localität des Göttersitzes auf dem Gargaros, der höchsten Spitze des 
Idagebirges, schildert Hasper das alte Troja etc. p. 3: „Die Natur 
des Gargaros ist wild, unten angebautes Land, in der Mitte Waldungen, 
oben Schnee und Eis, furchtbare Abgründe an den Seiten. In den 
Wäldern giebt es wilde Eber, Tiger, Leoparden, Bären (μητέρα ϑηρῶν 
VIII, 47 u. XIV, 283). Gegen den Gipfel erheben sich 4 Koppen, 
eine immer höher als die andere, daher die Ida πολύπτυχος heisst 
(1. XXII, 171). An einem Abgrund von 1000” Tiefe vorbei gelangt 
man von der 3. zur 2. Koppe, von wo ein Felsenrifi zur höchsten 
Spitze führt, wahrlich ein Sitz würdig des Vaters der Götter und 


54 Kritischer und exegetischer Anhang. @. 


Meuschen, würdig der gewaltigen Kämpfe, die er von hieraus über- 
schaute, Denn die ganze Umgegend, bis zur Propontis und den Küsten 
Thraciens, besonders deutlich aber das troische Gefilde wird von hier- 
aus sichtbar. Und quellenreich (πολυπίδαξ) war das Gebirge, gross 
die Zahl der Flüsse, die von da ihren Ursprung nahmen.“ Vgl. auch 
Hasper Beiträge zur Topographie der honı. Ilias p. 31. 

51. Der ausser dieser Stelle noch 4 405 (vom Aigaion), E 906 
(von Ares), und A 81 (von Zeus) vorkommende Verschluss κύδεϊ 
γαίων bildet, abgesehen von der letzten von Aristarch verworfenen 
Stelle, mit den vorhergehenden Worten eine dreifache Alliteration auf 
κ — gewiss ein Zeichen, dass wir es mit einer sehr alterihümlichen 
Formel zu thun haben, um so mehr, als das Verbum yalo sonst nicht 
im Homer vorkommt und auch in der späteren Sprache verschollen ist. 
Die alten wie die neueren Erklärer verstehen die Formel meist in dem 
Sinne: ‚im stolzen, freudigen Gefühl seines Ruhmes, seiner Herrlich- 
keit, worin Zehrs populäre Aufsätze p. 83 einen wesentlichen 
Theil des Glücks der Götter sieht. (Minckwitz: pochend auf seinen 
Siegesruhm, Zauper: seines Ruhmes froh, Voss: trunken von Ehre 
E 906, dagegen © 51 in blendender Grösse, Uschner: im Gefühl 
der Kraft, Wiedasch : voll freudigen Stolzes, Mayer Beiträge zu einer 
hom. Synonymik IV p. 10 f.: im Gefühle seiner Hoheit.) Dieser 
Auffassung widerstrebt Z 906. Mit Recht wird bei Aristonikos 
(Friediaender p. 116) bemerkt, dass Ares ja nichts Ruhmwürdiges 
vollbracht, vielmehr von einem Sterblichen besiegt sei, daher den alten 
Kritikern der Vers aus A 405 unpassend übertragen schien (vgl. auch 
Welcker kleine Schrift. V p. 39). Allein der Zusammenhang dieser 
Stelle führt vielleicht auf eine richtigere Auffassung der Formel selbst. 
Das κύδεϊ γαίων hat nach den vorhergehenden Worten mit dem, was 
Ares auf dem Schlachtfelde geihan und gelitten hat, nichts zu thun, 
erscheint vielmehr als Folge der Heilung seiner Wunde durch den 
Götterarzt, des Bades und der Neubekleidung durch Hebe. Es ist 
danach klar, dass κῦδος, wenn es etwa den Sinn von Herrlichkeit 
hat, diese von der äussern Erscheinung seiner göttlichen Gestalt zu 
verstehen ist, welche durch die Verwundung gelitten hatte. Ganz 
entsprechend ist die Situation y 468. 469: Telemach von Nestors 
jüngster Tochter gebadet und neubekleidet, steigt aus der Badewanne 
δέμας ἀθανάτοισιν ὁμοῖος" πὰρ δ᾽ ὅ γε Νέστορ᾽ ἰὼν har’ ἄρ᾽ ἕξετο, 
Auch A 405, wo eben von der Stärke des hundertarmigen Riesen 
Aigaion geredet ist, liegt näher bei κῦδος an seine mächtige Erschei- 
nung, seine Kraft zu denken, als an die göttliche Herrlichkeit, Maje- 
stät in idealem Sinne; dem entspricht auch besser 406 die Folge, 
dass die übrigen Götter, vor ihm erschrocken, nicht wagten den Zeus 
zu binden. Dass nun κῦδος ursprünglich eine sinnlichere Bedeutung 
als “Ruhm? gehabt, ist ausser anderm nachzuweisen aus dem Gebrauch 
von κυδαένω z. B. E 448, wo von Leto und Artemis gesagt wird, 
dass sie im Heiligthum des Apollon auf Pergamos den Aineias — ἀκέ- 
ovrö τε κύδαινόν re, jedenfalls im Sinne von: machten staitlich durch 


Kritischer und exegetischer Anhang. ®. 5 


Verschönerung und Kräftigung, wie Ameis erklärt, und wie der Gegen- 
salz κακῶσαι verunsiallen πὶ 212 beweist, oder geradezu stärkten, 
wie Suhle will. Auf dieselbe sinnliche Bedeutung führt ἐρικυδής, 
vor allem als Beiwort von ἥβη A 225 — hochherrlich. Danach 
vermuthet Suhle nicht ohne Grund als eigentliche Bedeutung für κῦδος 
Kraft- und Wohlseinsfülle, wie das Wort vielleicht y 57 zu verstehen 
ist. Eine sinnlichere Bedeutung glänzend machen nimmt für κυδαίνω 
auch an Fulda Untersuchungen über die Spr. der homer. Gedichte 
p- 150 in ξ 438 κύδαινε δὲ ϑυμὸν ἄνακτος, sodass die Freude als 
ein Glänzen des Gemüths gefasst wurde. Aber ich glaube, dass wir 
auch in γαίω die ursprüngliche und zwar rein sinwliche Bedeutung 
des Glänzens, Strahlens für diese alte Formel anzunehmen haben, die 
nach der Zusammengehörigkeit des Wortes mit γάνος *Heiterkeit, 
Glanz’ vgl. Curtius Eiym. *p. 172, vorauszuseizen ist. Und sollte 
nicht an allen Stellen diese sinnliche Bedeutung: prangend (strahlend) 
in herrlicher Kruft der Umgebung besser entsprechen? Vgl. das von 
menschlichen Helden gesagte σϑένεϊ βλεμεαίνων. Danach wird aber, 
wie auch schon durch A 405 und E 906, wo κύδεϊ γαίων zu 
καϑέξετο gehört, die von Classen Beobachtungen p. 128 IT. gewollte 
Verbindung mit dem folgenden Parlieip εἰσορύων unmöglich. 

56. 57. bezeichnet Düntzer Aristarch p. 70 als Zusatz eines 
Rhapsoden, der sich zur Unzeit an B 119 fl. erinnerte. Vgl. dagegen 
Calebomw de lliadis libro VIII p. 30, auch Köchly dissertat. VII p. 17, 
der jedoch an 59 Anstoss nimmt. 60—65 scheinen Düntzer Aristarch 
p- ΤῸ aus 4 446 ff. herübergenommen zu sein. 

66. Ueber den Hiatus in der bukolischen Caesur vgl. Ahrens 
de hiatus Hom. legitimis quibusdam generibus, Hannov. 1851 p. 26 fl. 

68 #. Ueber ἀμφιβεβήκει vgl. Hoffmann homer. Untersuchungen 
1. ἀμφί in ἃ. Ilias p. 10 und Ailol. XXVII p. 524. — Zur Auf- 
fassung der folgenden Wägescene vgl. die Einleitung p. 49. Dagegen 
sehen Nacgelsbach hom. Theol. ?p. 133 f., Teuffel zur Einleitung in 
Homer, p. 22 darin eine Erforschung des ausser Zeus vorhandenen 
Schicksalwillens, was jener in folgender Weise erläutert: Zeus greift 
zur Wage ebenso, wie ein Mensch, wenn er auch immerhin weiss, 
was er zu ihun hat oder schon entschlossen war, gleichwohl, wenn 
der schwere folgenreiche Schritt geschehen soll, zaudert und durch 
ein äusseres Zeichen wie durchs Loos eine Bestimmung von aussen 
erhalten will. Nitzsch Sagenpoesie p. 622: „Die Wagschale ist das 
plastische Instrument, wie etwa ein Stab bei Verwandlungen.“ vgl. 
p- 155. — Man vergleiche auch bildliche Ausdrücke, wie Διὸς ud- 
στιξ M 37, und das Ergreifen der Aegis P 593—596. Vgl. auch 
Gladstone homer. Stud. p. 231, Baeumlein im Philol. XI p. 409, 
Kiene Composition der Ilias p. 236. Dagegen sehen G. Herrmann 
de iteratis apud Homerum p. 7, Friediaender im Philologus VI, p. 
253 und die homerische Kritik p. 34 f., Düntzer Aristarch p. 70 f., 
Bergk griech. Literaturgesch. 1 p. 587, Köchly dissert. VII p. 18, 
Bischoff im Philol. XXXIV p. 14 in der ganzen Stelle eine unge- 


56 Kritischer und exegetischer Anhang. ©. 


schickte Ueberwagung aus X 209 I. Düntzer verwirft auch 75— 77. 
— Zur Athetese von 73. 74 vgl. Aristonikos bei Friedlaender p. 139 
vgl. p. 15, Nitzsch Sagenpoesie p. 155, Düntzer homer. Fragen 
p- 197, la Roche in der 2. f. oest. G. XI, 164, Geppert Urspr. d. 
hom. Ges. I p: 21. 

87. Ueber παρήορος und παρηορίαν vgl. Grashoff das Fuhr- 
werk p. 3 

89. Ueber ϑρασύς vgl. Happe, der homerische Hektor, Coblenz 
1863 p. 12 f., der übrigens diesem Beiwort des Hektor in Folge 
falscher Erklärung auch an dieser Stelle, wie überhaupt, einen tadeln- 
den Sinn beimisst. — Ueber ἡνίοχος vgl. Zehrs bei Friediaender 
Aristonic. p. 139. 

-92 M. In den folgenden Versen bis 99 sicht Geppert Ursprung 
der hom. Gesänge I p. 193 eine spätere Einschiebung. 

97. Die von ἐσώκουσε gegebene Erklärung ist die des Aristarch: 
vgl. Zehrs Aristarch. 20. 147. 

99. Zur Erklärung des Gebrauchs von αὐτός im Sinne von 
“allein, für sich’ vgl. van Hout de vi atque usu pronominis αὐτός 
adjecti ad reflexiva, Bonn 1873 p. 5 mit Schoemann die Lehre von 
den Redetheilen p. 110. 

103. Den Sinn der tadelnden Beiwörter des Alters, wie hier 
χαλεπόν, erörtert Jungelaussen über das Greisenalter bei Homer. 


Flensburg 1870, p. 16. — 104. Dieser Vers wird von Düntzer 
Aristarch p. 72 als spätere Zuthat verworfen, vgl. dagegen Calebom 
de Niadis libro VIII p. 31. — 108. ἀϑετεῖται, ὕτι ἄτοπον προσ- 


τιϑέναι τὴν ἱστορίαν τῷ εἰδότι, καὶ ὃ καιρὸς δεῖται συντομίας" καὶ 
ὅτι τὸ ποτέ χρονικὴν ἔχει ἔμφασιν, τῆς ἀφαιρέσεως γεγονυίας τῇ 
πρὸ ταύτης ἡμέρᾳ Aristonikos οἱ. Friediaender p. 140. Das ποτέ, 
wofür Act Conjectan. Hom. p. 8 τότε lesen wollte, bietet den ge- 
ringsten Anstoss: vgl. Zehrs Aristarch. ?p. 432 Note, der übrigens 
auch den Vers für imitiert aus #291 hält; im Uehrigen vgl. Fried- 
laender die homer. Kritik p. 34, Ribbeck im Philol. VII p. 479, 
Bergk griech. Literat. I p. 588. — 109. Das Verhältniss der Pro- 
nomina οὗτος und ὅδε findet man erörtert im Philol. XXVIL p. 508 f., 
vgl. auch Windisch in G. Curtius Swud. 11 p. 260. 114. Dieser Vors 
wird von Düntzer Aristarch p. 73 verworfen. 

119. Anders erklärt die Verbindung ἡνίοχον ϑεράποντα Schnorr 
von Carolsfeld verbor. collocat. Hom. p. 10 f. — Ueber das das 
Suhject des vorhergehenden Satzes hervorhebende Pronomen demon- 
straliv. ὃ handelu Naegelsbach Anmerkungen zur Dias, 1. Aufl. p. 217 M, 
Bekker Hom. Bläu. I p. 80, Foerstemann Bemerkungen über den 
Gebrauch des Artikels bei Hower, Salzwedel 1861 p. 13. 

125—129 werden von Düntzer Aristarch p. 73 als Zusalz eines 
Rhapsoden oder eines .der Ordner der Hias verworfen. Derselbe ver- 
wirft p. 74 V. 130—132. — 129. Schnorr von Carolsfeld verbor. 
colloe. Hom. p. 5 rechnet δίδου δέ οἵ ἡνία χερσίν unter die Stelen,. 


Kritischer und exegetischer Anhang. @. 57 


wo nach Analogie des Schemas x” ὅλον καὶ κατὰ μέρος doppelte 
Dative verbunden sein. Vgl. indess Philol. XXVIU p. 535. 

138. Ueber die ursprüngliche Bedeutung der Verbindung von 
δείδω mit ϑυμῷ, ἐν ϑυμῷ vgl. Fulda Untersuchungen über die 
Sprache der hom. Gedichte p. 98. 

139. Eine ähnliche Verwirrung, wie hier in der Anmerkung an- 
gedeutet ist, findet sich gerade auch in Bezug auf die Person des 
Wagenlenkers ὁ 182 vgl. mit 199. — 143. 144. In diesen beiden 
Versen sieht Düntzer Aristarch p. 74 einen späteren Zusatz. Vgl. 
dagegen Calebom de 1]. libr. VII p. 34. 

151—156 werden von Düntzer Aristarch p. 75 verworfen, vgl. 
auch desselben homer. Fragen p. 201. — 154. Die hypothetischen 
Sätze mit adversalivem Gedankenverhältniss zwischen Vorder- und Nach- 
satz erörtert H. Sittig über das adversalive Verhältniss der hypothe- 
tischen Sätze bei Homer, Teschen 1861, vgl. dazu Philologus XXIX 
. 149 f. 

δ 63. M. D. Müller Syntax der griech. Tempora, Gött. 1874, 
Ρ. 22, nennt ein so gebrauchtes Imperfect mit treffender Kürze 
Imperf. correctivum. — 164—166. Auf diesen Uebergang vom 
Vergleich zu der darauf beruhenden Metapher macht Remacly de 
comparationibus Homer. II p. 14 aufmerksam, vgl. auch ΠῚ (Bonn 
1846) p. 28. Das Gegenstück dazu ist, wenn einem melaphorischen 
Ausdruck ein erläuternder Vergleich folgt, wie 4 274 ff., vgl. zu v 13. 
Für jenen ersten Uebergang vgl. noch ΠΟ 742 mit 745, auch 2 258. 
259. Freilich wurden 164—168 von Aristarch (Friedlaender Ari- 
stonie. 141) und Aristophanes verworfen, denen zustimmen la Roche 
in Z. f. oest. G. XI 164, Bekker, Köchly diss. VII p. 24, Düntzer 
Aristarch p. 75, der die Interpolation über 158—171 ausdehnt. Vgl. 
dagegen Bergk griech. Literat. I p. 588, der, das Befremdliche der 
Verse anerkennend, doch mit Recht bemerkt, man dürfe dieselben nicht 
streichen, weil die Rede sonst gar zu kurz und dürftig ausfallen 
würde. — In der von Aristarck als unhomerisch verworfenen Wen- 
dung δαίμονα δώσω, die aber duch als alliterierende Formel alt sein 
kann und durch ϑάνατον διδόναι 1 571 einige Stütze erhält, sucht 
Doberenz Interpretationes Homericae p. 23 eine beabsichtigte Bezie- 
hung zu den vorhergehenden Worten, so dass δώσω dem ἄξεις und 
δαίμονα den γυναῖκας entgegengesetzt sei. Axt Conjectan. Hom. p. 8 
conjicierte: σέ γε δαίμονι δώσω. — Ueber V. 171 vgl. Einleitung 
p- 50. 

177—183 werden von Düntzer Aristarch p. 76 verworfen; in 
der Verwerfung von 183 sind die neueren Herausgeber einstimmig. 
— Ueber das ἅπαξ εἰρημένον οὐδενόσωρα 178 vgl. Friediaender 
in den Jahrbb. f. class. Phil. Suppl. ΠῚ p. 768 und Fedde über 
Wortzusammensetzung im Ilomer. 1, Breslau 1871, p. 27. In aclivem 
Sinne “keinen beachtend’, daher frech und goitlos, versteht das Wort 
in Bezug auf H 445 Doederlein τ. St. — Ueber δέα 179 vgl. 
Ahrens P&. Hannover 1873 p. 8 u. 13. 


58 Kritischer und exegetischer Anhang. Θ. 


185 ff. Ueber die Rossnamen vgl. den Anhang zu σ 372 und 
zu B 839. — ᾿Αϑετεῖται, ὅτι οὐδαμοῦ Ὅμηρος τεθρίππου χρῆσιν 
παρεισάγει. μάχεται δὲ καὶ τὰ ἐπαγόμενα δυικά, καὶ ἡ προσφώνησις 
εὐήϑης - Aristonikos hei Friediaender p. 142. vgl. Zehrs Aristarch 
?p. 195. Danach Iıaben auch die Neueren diese Anrede verworfen: 
Nitzsch Sagenpoesie p. 100, Beiträge p. 162 Anm, 36, Calebow de 
Iliad. libr. VII p. 36, Baeumlein, Doederlein, Franke, Bekker. 
Eine eigenthünliche Ansicht über die Meinung des Interpolators bei 
Grashoff das Fuhrwerk p. 2 Anmerk. — In den folgenden Versen 
wurde der im Venetus mit dem Obelos bezeichnete 189 von Aristo- 
‚phanes nach Didymos verworfen, und nach ihm von den Neueren: vgl. 
Nitzsch Sagenpoesie p. 171, Bergk griech. Literat. I p. 588. Ein 
Versuch die ganze Partie durch Umstellung und Einschiebung lesbar 
zu machen bei Friedlaender in den Jahrbb. f. class. Philol. Supplem. 
IE p. 460. Dagegen verwerfen die ganze Anrede an die Rosse Heyne 
V p, 446, Düntzer Aristarch p. 77, ἴα Roche in 2. f. ἃ. oest. 6. 
ΧΙ p. 164 f., Köchly dissert. VII p. 25. — 195. Ueber den hier 
bemerkten Widerspruch mit Z 230 vgl. 0. Müller griech. Literatur- 
gesch. I p. 90. — 196. Ueber Bekker's Vermuthung εἰ τούτω ye 
(statt κε) vgl. den Anhang zu E 273, auch Philippi quaestt. Aristarch. 
spec. p. 11 und über εἴ — κε L. Lange der homer. Gebrauch der 
Partikel εἰ II p. 493 I. 

198—212. Düntzer Aristarch p. 77, la Roche in 2. f. ἃ. 
oest. 6. ΧΙ, 165 verwerfen das folgende Gespräch zwischen Here und 
Poseidon, vgl. Bergk Literat. I p. 589. — 203. Ueber Aigai und 
Helike vgl. Preller griech. Mythol. I p. 353. 354 und den von letz- 
terem entnommenen Beinamen des Poseidon Helikonios Welcker griech. 
Götterl. I p. 635. — 205. Eine andere Erklärung giebt Z. Zange 
der homerische Gebrauch der Partikel εἰ 11 p. 501 f. — 206. Ari- 
starch las Ζῆν᾽ und vertheille den Namen dergestalt in zwei Verse, 
dass am Schluss des ersten Zi, am Anfang des zweiten ν᾽ stand, 
vgl. la Roche homer. Untersuch. p. 165 f., Friedlaender Aristonic. 
zu 2 530 und dieselbe Trennung zeigen die besten Handschriften 
bei la Roche. Dafür hat nach ΘΟ, Hermann’s Vorschlag in den Ele- 
ment. doctrinae metricae 8. 329 p. 110 (4. Aufl), vgl. auch von 
Zeutsch im Philol. ΧΙ p. 759 ff, Bekker Ζῆν eingefübrt, eine Bil- 
dung, die durch einen entsprechenden Sanskritstamm djä und durch 
den von Herodian aus Pherekydes angeführten Nominativ Ζής, auch 
Zeig hinreichend gesichert ist, vgl. Curtius Eiymol. *p. 6011, Wel- 
cker griech. Göuterl. I p. 134, und als aeolische Bildung erörtert 
wird von Ameis de aeolismo Homer. p. 41 f. — 207. Zenodot las: 
ἔνϑα κάϑοιτ᾽ ἀκαχήμενος: vgl. Düntzer Zenodot. p. 98. 99. — 
209. Zu Aristarch’s Ansicht über ἀπτοεπές vgl. Lehrs bei Fried- 
laender Aristouie. p. 142. 

213. Die sehr verschiedenen Auslegungen der schwierigen Stelle 
bei den Alten, wie bei den Neueren sind zusammengestellt in Ebeling’s 
Lex. Hom. 8. v. ἀπό p. 150, dazu Grossmann Homerica p. 23, 


Kritischer und exegetischer Anhang. @. 59 


Ribbeck im Philol. IX p. 66. Die im Commentar gegebene Erklärung 
schliesst sich der von Giseke und la Roche aufgestellten am näch- 
sten an. 

215. Die Verwendung der verschiedenen Beiwörter des Ares ist 
erörtert von Schuster Untersuchungen über die homerischen stabilen 
Beiwörter. I. Stade 1866. p. 16.1. 

219. ποιπνύω und die Bedeutung des Partic. Aor. erläutert 
Butimann Lexilog. I p. 166 ff., über die Reduplication vg). Fritzsche 
in G. Curtius Stud. VI p. 308; zur Attraclion des Parti beim 
Infinitiv Classen Beobachtungen p. 140 f. und Hentze in Zeitschrift 
f. Gymnasialwes. XX p. 742. Anders erklärt Düntzer Aristarch 
p- 79 Note. 

221. Düntzer Aristarch p. 79 verdächtigt den Vers als Inter- 
polation. 

223. In Bezug auf die Aufstellung der Schiffe folge ich der Ansicht 
von Hasper Beiträge zur Topographie der homerischen llias p. 33 iR. 

228—244. Ueber ὅτε V. 229 vgl. Friedlaender Beiträge zur 
Kenntniss der homer. Gleichnisse II p. 13. — Ueber V. 230 urtheilt 
Lehrs Aristarch. ?p. 366 f. (vgl. Friediaender Aristonie. p. 144), 
dass derselbe entweder im Eingange entstellt oder nach demselben ein 
Vers ausgefallen sei; ähnlich Friediaender Analecta Homerica (in 
Jahrbb. f. class. Philol. Supplement. IM) p. 5. Die Bekker’sche 
Interpunction , Komma nach Anuv@, so dass zu ὁπότε zu ergänzen 
are oder ἦμεν, ergiebt eine unerträgliche Härte, indem das Zusammen- 
gehörige auseinandergerissen wird, vgl. I 129. 130. Minder hart 
scheint mir das durch Beseitigung dieser Interpunction entstehende 
Anacoluth, indem zu dem vorangestellten ἅς schliesslich das Verbum 
fehlt: da der nöthige Verbalbegrilf (aussprechen) bereits in φάμεν 
enthalten und auch in χενεαυχέες angedeutet ist, so scheint es er 
klärlich, dass nach der Erweiterung des Temporalsatzes mit ὁπότε 
durch zwei Verse füllende ᾿ΡΑγιοἰρἰ] οοπβιγιιοιίοπθιι schliesslich das 
Verbum vergessen ist, zumal da Agamemnon in der höchsten Erregung 
spricht. Uebrigens hat Düntzer Aristarch p. 80 V. 230—232 als 


eine spätere Ausschmückung verworfen. — 233. ἄνϑ᾽ ἄντα mit 
Bekker und la Roche gegen Aristarch (= ἀντί) bei Lehrs p. 114 1, 
vgl. Spitzner excurs. 17 p. LXLM. — 235. ὁ ὀβελός, ὅτι ἐκλύει 


καὶ ἀπαμβλύνει τὸν ὀνειδισμὸν ὁ στίχος" κρείσσων γὰρ καϑολικώ- 
τερυν ἐᾶσαι, οὑδήποτε ἀνδρός, ἀλλ᾽ οὐχὶ τοῦ διαφορωτάτου: 
Aristonikos ed. Friedlaender p. 144. Dieser Athetese des Aristarch 
und Aristophanes stimmen die neueren Herausgeber zu: vgl. Düntzer 
Aristarch p. 80, hom, Fragen p. 196, Geppert Ursprung d. hom. 
Ges. I p. 21, la Roche in Z. f. oest. 6. ΧΙ p. 165. Düntzer Ari- 
starch p. 80 1. verwirft überdies das ganze folgende Gebet mit seinen 
Folgen, 236—252. — 243. ἐάω ist elymologisch erörtert von Kraus- 
haar in G. Curtius Stud. II p. 429 ff, vgl. Zeo Meyer in Kuhns 
Zeitschr. XXI p. 472 f., die Construction des Acc, c. Inf. in Zeitschr. 
f. Gymnasialwes. XX p. 728 f. 


60 Kritischer und exegetischer Anhang. @. 


250. Ueber Ζεὺς πανομφαῖος vgl. Friedlaender Aristonic. 
p. 144 f., Mätzner de love Homeri, Berlin 1834 p. 34 ff., Naegels- 
bach hom. Theol. ?p. 170. 182. — 251. Ueber die Schreibung ὅ 
τ᾽ vgl. den Anhang zu A 412, dazu Za Roche homer. Untersuchun- 
gen p. 122 M. 

256—260 werden von Düntzer Aristarch p. 82 als Interpola- 
tion verdächtigt. 

261—265. Das Fehlen des nothwendigen Verhums, sowie das 
Missverhältniss, dass trotz dieser ausdrücklichen Einführung der Helden 
von keinem ausser dem grossen Aias in der folgenden Erzählung 
weiter die Rede ist, erweckt Zweifel gegen die Ursprünglichkeit dieser 
Verse, die aus H 164 fl. übertragen scheinen: Friedlaender Analecta 
Homerica p. 10 f. (= Jahrbb. f. class. Philol. Supplem. I), Bergk 
griech. Literat. I p. 589. Anders urtheill Düntzer Aristarch p. 82, 
der seinerseits 266—272 ausscheidet, wogegen Calebom de lliad. libr. 
VII p. 38 f. spricht. — 


273—277 werden von la Roche in Z, f. d. oest. G. ΧΙ p. 166 
verworfen. — 274. Ueber die Namengebung bei Homer spricht Bergk 
griech. Literaturgesch. I p. 810 ff. Hier ist hei der Namenbildung auf 
gleichen Aulaut Rücksicht genommen, wie 4 243, vgl. auch Zehrs 
Aristarch. ?p. 458 fl. — 277. Der in den besten Handschriften 
fehlende Vers ist von den Herausgebern allgemein verworfen: vgl. 
Düntzer homer. Fragen p. 196. — 


283—309 werden von Düntzer Aristarch p. 83 ff. verworfen. 
Vgl. dagegen Calebom de lliadis libro VIII p. 40. — V. 284 wurde bei 
Zenodot nicht geleseu, verworfen von Aristophanes, vgl. Friedlaender 
Aristonie. ‚p. 145: ὅτε ἄκαιρος ἡ γενεαλογία, καὶ οὐκ ἔχουσα προ- 
τροπήν, ἀλλὰ τοὐναντίον, ὀνειδισμὸν καὶ ἀποτροπήν. vgl. Düntzer 
Zenodot. p. 168. — 301. Ameis homerische Kleinigkeiten, Mühlhausen 
1861, p. 22 unterscheidet μέν und ἔ so, dass jenes auf eine durch die 
Erzählung gegebene Person oder Sache der sinnlichen Anschauung hin- 
weise, dieses dagegen auf die in der Vorstellung befindliche Person oder 
Sache sich beziehe. So stehe hier €, weil der Satz den inneren 
Beweggrund für die vorhergehende Handlung angebe und somit in 
das Gebiet der Vorstellung des Redenden falle: so Θ 322. Μ 300. 


€ 133. g 554. — 304. Ueber die Verbindung der Troer mit 
Thrakien vgl. Giseke num quas belli Trojani partes Homerus non 
ad veritatem narrasse videatur, p. 4. — 306 ff. Aristarch nahm hier 


an, dass das Participium βρυϑομένη für das Verbum finitum stehe, 
Friedlaender Aristonic. p. 14. Die richtige Erklärung bei Zehrs 
Aristarch. ?p. 367 ἢ", vgl. auch Friedlaender Beiträge zur Kenntniss 
der homer. Gleichnisse Il p. 23. Das ganze Gleichniss wurde von 
Grashoff Fuhrwerk p. 25 Anmerk. und Düntzer Aristarch p. 85 ge- 
tadelt: vgl. dagegen Köchly diss. VII p. 30, Calebom Beiträge p. 26. 
— In der folgenden Partie verwirft Düntzer Aristarch p. 85 V. 325— 
327, sodann 332—334, vgl. Köchly dissert. VII p. 31, Bergk griech. 


Kritischer und exegetischer Anhang. @. 61 


Literat. I p. 589, Friediaender die homer. Kritik p. 35, Ribbeck im 
Philol. VIII p. 478. —' 

338—342 verdächtigt von a Roche in Z. f. oest. G. XI p. 166, 
Köchly diss. VIL p. 34. — 342. Zur Interpunktion vgl. Doederlein 
öffentl. Reden, 1860 p. 354, der mit Recht nach ὀπίστατον ein Komma 
verlangt, da die folgenden Worte zur Anwendung des Vergleichs ge- 
hören. — 

343—349 werden von Düntzer Aristarch p. 86 verworfen. Zur 
Interpunction nach κεκλόμενοι 346 vgl. Nicanor ed. Friediaender 
Ρ. 196, — 349. Γοργώ, wohl eine reduplicierte Bildung, wie Μορμώ, 
nach Fick vgl. Wörterb. 31 p. 72 von W. garg, aus gar-gar verkürzt, 
schreien, anschreien, drohen, was indess von Fritzsche in G. Curtius 
Studien VI p. 338 bezweifelt wird, da das Wort in seinem Gebrauch 
vielmehr auf Eindrücke des Gesichtssinns weise. Nach Preller griech. 
Nythol. 1, p. 131 ist ihre Bedeutung die des dichten gewitterschwangeren 
Gewölks. Vgl. auch Schoemann opusc. I, p. 207. — Uehrigens las 
Aristarch οἴματ᾽ stalt ὄμματ᾽, worüber vgl. Düntzer Zenodot. p. 106. — 

356 wird von Fr. Schoell in Acta Societatis Philol. Lips. ed. 
Ritschl I p. 438 als aus E175 und IT 424 hier eingeschoben ver- 
worfen, weil er nur den Gedanken abschwäche. 

358—380. Ueber die Wendung μένος ϑυμόν τ᾽ ὀλέσειεν 358 
vgl. Doberenz interpretationes Hom. p. 5. — 359. 373 werden von 
Dünizer Aristarch p. 87 verworfen, ebenso 379. 380. Vgl. Calebow 
de Miad, libr. VIII p. 42 f. — 362. Ueber ein aus dieser Stelle und 
Ὁ 639. λ 624, sowie aus Hesiod zu erschliessendes, Homer bekann- 
tes Lied von Herakles’ Arbeiten vgl. Nitzsch Beiträge p. 148, dazu 
Sagenpoesie p. 121, Bergk griech. Literaturgesch. I p. 349. Nach 
der Deuiung von ἐν πύλῳ E 397 auf das Thor der Unterwelt würde 
auch diese Stelle dahin gehören, vgl. den Anhang zu dieser Stelle und 
Preller griech. Myth. I 501. II p. 154. — 369. Ueber die Sıyx 
vgl. Putzsche commentationum Homeric. spec. I Lips. 1832 p. 29. — 
371. 372. Diese Verse wurden bei Zenodot nicht gelesen; Aristonikos 
ed. Friedlaender y. 147: ἀϑετοῦνται, ὅτι οὐκ ἔδει κατὰ μέρος διηγή- 
σασϑαι, καὶ ταῦτα πρὸς τὴν καλῶς εἰδυῖαν, vgl. Düntzer Zenodot. 
Ρ- 163, Ribbeck im Philol. VII p. 477, welcher der Athetese zu- 
stimmt und auch 370 ausscheiden will. Die ganze folgende Partie 
373—437 verwirft Hoffmann im Philol. ΠῚ p. 216. — 378. προφα- 
νέντε, die Lesart des Aristarch, findet sich auch in der besten Hand- 
schrift Venet. A. Vgl. /a Roche homer. Textkritik. p. 386 f. Ahrens 
de hiatus Hom. legitimis quibusdam generibus p. 11. 

382. Die ἄμπυξ als weiblicher Kopfschmuck war eine in der 
Mitte ‚hohe und nach beiden Seiten spitz zulaufende und nach der 
Form der Stirn gebogene Metallplatte: Gerlach im Philol. XXX p. 494. 

383 ist nach Düntzer Aristarch p. 88 aus E 721 irrig hierher 
‚gekommen. 

385—387, sowie 390. 391 wurden als aus E unpassend über- 


62 Kritischer und exegetischer Anhang. @. 


tragen von Zenodot (vgl. Düntzer Zenod. p. 164) und Aristarch 
athetirt, vgl. Friediaender Aristonic. p. 148: jene, weil die Anlegung 
der Rüstung des Zeus hier zwecklos und Zeus überdies V. 43 selbst 
diese angelegt habe, diese weil ebenfalls hier zwecklos. Dieser Athe- 
tese stimmen zu Nitzsch Sagenpoesie p. 151, Düntzer Aristarch 
p- 88, Ια Roche in Z. f. d. oest. ὃ. ΧΙ 166. 

393—396 werden von Düntzer Aristarch p. 88 verworfen. — 
Wie die hier den lloren überwiesene Function mit ihrer eigentlichen 
Bedeutung und ihren Wesen zu vereinigen sei, erörlert Zehrs popu- 
läre Aufsätze p. 80—84. Dagegen vermuthet Ahrens ögög und seine 
Sippe, Hannover 1866, p. 46, dass diese Horen (verwandt mit οὖρος 
Hüter, ὦρα — als Hüterinnen) mit ὧραι = tempora ursprünglich 
nichts zu (hun haben. — 394. Für ἐπιτέτραπται sucht Bergk in dem 
academ. Programm, Halle 1861 p. 4 das in der Parodie des Matron 
bei Athenaeus IV p. 134 F sich findende ἐπιτετράφαται als die ur- 
sprüngliche Lesart zu erweisen. 

406—408, sowie 410 werden von Düntzer Aristarch p. 89 als 
spätere Zusätze verworfen, vgl. dagegen Calebow de Iliad. libr. VIII 
p- 43 1. — 406. Die von Bekker hom. Blätter I p. 151 aufgezähl- 
ten Stellen, wo ein Temporalsatz nach οἶδα und μέμνημαι steht, sind 
zu vervollständigen nach Friedlaender de conjunclionis ὅτε apud Hom. 
vi et usu p. 14: nach οἶδα ausser dieser Stelle £ 71. m 424, nach 
μιμνήσκεσϑαι Ο 18. T 188. Φ 396. ὦ 115. Nahe steht der 
epexegelische Gebrauch 4 397. @ 329. T ὅθ. 57. u 209. T 337. 
O 207, ferner nach λανϑάνω P 627. Zu Grunde liegen der ganzen 
Erscheinung Wendungen wie ἔσται ὅτε Θ 373 vgl. Φ 112, σοὶ δ᾽ 
αὐτῷ φημὶ σχεδὸν ἔμμεναι, ὁππότε φεύγων ἀρήσῃ N 817, woran 
sich wieder die Wendungen anschliessen μένειν ὁππότε 4 334, δέγ- 
μένος und ποτιδέγμενος mit ὁππότε und ὅτε H 415. T 336. 2524. 
I 191. Geht man von den zuletzt angeführten Erscheinungen aus, 
so wird man der noch von Kühner ausführl, Grammat. II p. 886, 7 
gegebenen elliptischen Erklärung entrathen können. 

420-424. ἀϑετοῦνται, ὅτι ἐκ τῶν ἐπάνω (406) μετάκεινται. 
ἱκανὸν δὲ ἦν εἰπεῖν ὅτι οὐκ ἐᾷ Zeis, καὶ ἀποκαϑίσταται ἐπιεικὲς 
ὃν τὸ τῆς ἼἼριδος πρόσωπον" οὐ γὰρ ἂν εἶπεν κύον ἀδεές (his 
versibus omissis restituitur quae ei propria est morum lenitas): Ari- 
stonikos ed. Friedlaender p. 148, vgl. Nitzsch Sagenpoesie p. 152, 
Düntzer Aristarch p. 89. Danach sind die Verse von den neueren 
Herausgebern allgemein verworfen. — Zur Lesart γλαυκῶπι statt 
γλαυκῶπις vgl. la ‘Roche homer. Untersuch. p. 112, Ahrens de 
hiatus etc. p. 24. 

429—431. Kritische Bedenken gegen diese Verse hei Düntzer 
Aristarch p. 90. — Ueber die Construction von τυγχάνω (430) νεῖ. 
Classen Beobachtungen p. 90. 

433—437 verwirft Düntzer Aristarch p. 90 als spätere Aus- 
schmückung, vgl. dagegen Calebow de 1]. libr. VIII p. 44 f. 

440. Ueber die Beziehungen des Poseidon zum Ross vgl. Helcker 


Kritischer und exegetischer Anhang. ©. 63 


griech. Götterl. I p. 633. Uebrigens werden 440-443 von Düntzer 
Aristarch p. 90 verworfen, vgl. dagegen Calebom de Il. libr. VIII p. 45. 

450—451, sowie 454—461 werden von Düntzer Aristarch 
p. 91 verworfen, vgl. dagegen Calebom de Il. libr. VIIL p. 46. 

466—468 fehlen in den besten Handschriften und werden fast 
allgemein verworfen: vgl. Nitzsch Sagenpoesie p. 152, Düntzer Ari- 
starch p. 92, 2a Roche in Z. 1. oest. ὃ. ΧΙ p. 167, und dagegen 
Bergk griech. Literat. I p. 590, Anmerk. 116, Kiene Komposition 
p- 88 Note ad 4. 

475. 476: ἀϑετοῦνται, ὅτι διὰ τοῦ ἤματι τῷ πλείονος χρόνου 
ὑπέρϑεσιν σημαίνει, τῇ δὲ ἑξῆς ἐπὶ τὸν (sic) τάφρον παράγει τὸν 
᾿Αχιλλέα (cf. Σ 215). καὶ ἀκριβολογεῖν οὐκ ἀναγκαῖον κατὰ τίνα 
καιρὸν ἐξαναστήσεται, ἀρκεῖ δὲ πρὶν ὄρϑαι παρὰ ναῦφι ποδω- 
κέα Πηλείωνα. τό τε ἐπιφερόμενον ψεῦδός τι ἔχει" οὐ γὰρ ἐν 
τῷ στείνει μάχονται: Aristonikos ed. Friedlaender p. 150. Dieser 
Athetese stimmen zu Nitzsch Sagenpoesie p. 132 und 249, Geppert 
Ursprung der hom. Gesänge I p. 21, Friediaender ἃ. homer. Kritik. 
p. 35 f., Düntzer Aristarch p. 92 ff., der die ganze Partie 473—483 
verwirft, ähnlich Za Roche in Z. f. oest. G. ΧΙ p. 167. Aniers 
urtheilen von verschiedenen Standpunkten aus Köchly de Il. diss. VII 
p. 28, Lachmann Betrachtungen p. 35, Kiene Komposition p. 40 und 
88, Nutzhorn Entstehungsweise p. 262 ff., Gerlach im Philolog. 
ΧΧΧΙΝ p. 25, Bergk griech. Literat. I p. 590 und 630, Calebom 
de Iliad. libr. VII p. 28. 

478. Die Bedeutung der hier gegebenen Beziehungen der Hera 
zu den Titanen erörtert Preller griech. Mythol. I p. 109: über die 
Titauen selbst vgl. denselben I p. 36 fl. Welcker griech. Götterl. F 
p- 262 f., Schoemann opusc. II p. 37. 270. 

488.° Die Beiwörter der Nacht nach den Beziehungen, welche 
für die Wahl des jedesmal, angewandten bestimmend gewesen sind, 
bespricht Schuster Untersuchungen über die hom. stabilen Beiwörter, 
1, Stade 1866 p. 22—28. — Uebrigens werden 487. 488 von 
Düntzer Aristarch p. 95 verworfen. Die folgende Partie 489 — 565 
erörtert kritisch Za Roche in 2. f. d. oest. G. ΧΙ 167. 

490. Ueber die Localität vgl. Hasper Beiträge zur Topographie 
p- 36 und das alte Troja etc. p. 15. — 493—496 werden von 
Düntzer Aristarch p. 95 als spätere Ausschmückung verworfen. 

497—5t1. Dass Hektors Rede namentlich in ihrem letzten 
Theile durch ungehörige Zusätze entstellt ist, haben die Alten, wie 
die Neueren erkannt und auf verschiedenen Wegen Heilung versucht. 
Die Athetesen der Alten sind folgende: 524. 525 Aristarch, 528 
Aristarch und Zenodot, 535-537 Zenodoi und Aristarch: letztere 
die einzige Stelle, wo Aristarch eine doppelte Recension (535—537. 
538. 539. 541, denn 540 las Aristarch in seiner Ausgabe nicht) an- 
nahm: vgl. Friedlaender Aristonic. p. 152 und denselben im Philol. 
IV 589. Aristarch entschied sich, ohne eine von beiden Bearbeitun- 
gen zu tilgen, gegen die zweite 538. 539. 541, weil er den Ton. 


64 Kritischer und exegetischer Anhang. Θ. 


derselben zu prahlerisch fand. Auch die Neuern nehmen zum Theil, 
wie Friediaender an dieser Anstoss und sehen in derselben eine 
ungeschickte Verwendung von N 825—828, namentlich wegen 
der Beziehung von ἥδε 541 auf den folgenden Tag, andere, wie 
Nitzsch Sagenpoesie p. 142, la Roche in der Zeitschr. f. oest. 
Gymn. ΧΙ p. 168, Bekker verwerfen beide, als von verschiedenen 
Rhapsoden eingefügt. Anders Kiene Komposition p. 216. Im Uebri- 
gen haben die Neueren folgende Athetesen vorgenommen: Heyne 
v. 512. 524. 525. 528. 534. 535—537, Geppert Urspr. 
d. hom. Ges. I p. 21 und II p. 229 V. 528 und 536, Bekker ausser 
535—541 auch 523—529, Düntzer im Aristarch p. 96 If, 503. 504. 
510—529. 535—541, Franke in der Faesischen Ausgabe 523. 528 
—531. 535—541, lu Roche 523—529, Koechly in lliadis Carmina 
XV1 523. 528—531. 535—541. Dagegen hat Calebow Beiträge zum 
achten Buch der Ilias p. 31 und de Illiad. libro VII p. 46 fl. versucht 
gegen Düntzer den Zusammenhang des Ganzen zu rechtfertigen, und 
auch Bergk griech. Literat. I p. 590 urtheilt, dass der Schluss des 
Gesanges vun 489 an eine wesentlich unversehrt erhaltene Partie der 
originalen Dichtung sei. Düntzer scheint allerlings in seiner Kritik 
zu weit zu gehen: die von demselben gegen 503. 504. 510—522 
vorgebrachten Bedenken sind mir nicht erheblich genug, um die Ur- 
sprünglichkeit der Verse zu bezweifeln, zum Theil auch nicht be- 
gründet. Dagegen ist der letzte Theil der Rede ohne Zweifel durch 
Zusätze entstellt. Zunächst kommt die Partie 523—531 in Betracht: 
die Stelle, wo der 502 durch νῦν μέν vorbereitete Gegensatz zur 
Ausführung kommt. Ein solcher liegt hier aber in doppelter Fassung 
vor: 525 ff., vorbereitet durch 524, und 530 ff. vorbereitet durch 
529. Beide vorbereitenden Verse sind nicht ohne Anstoss, 524 durch 
das ἅπαξ εἰρημένον ὑγιής in dem Sinne ‘erspriesslich’, 529 wegen 
des Gedankens in φυλάξομεν ἡμέας αὐτούς, wofür Heyne vermuthete 
ἡμέες αὐτούς —= observabimus ipsos (hostes). Wie dieser Vers in 
dem nächsten Zusammenhange keinen Anhalt hat und nur durch ein 
Zurückgreifen auf die 517—522 angeordneten Massnahmen zur Siche- 
rung der Stadt erklärt werden kann, so ist auch 526. 527 in seinem 
Verhältniss zu dem Vorhergehenden nicht recht klar: soll darin eine 
vorläufige Andeutung der Stimmung gegeben werden, die seinen Vor- 
schlägen für den folgenden Morgen zu Grunde liegen wird, oder gar, 
wie Düntzer unter Annahme der Zenodoteischen Lesart ἔλπομαι εὐχό- 
μένος will, eine Andeutung, dass er morgen die Troer auffordern 
werde mit ihım zu den Göttern zu beien? Entscheidend aber für die 
Frage, welche von den beiden Ausführungen für die ursprüngliche 
zu halten sei, 525—528 oder 530. 531, ist die Stimmung, welche 
Hektor in den Eingangsworten seiner Rede 498—501 ausspricht. Die 
Vernichtung der Schilfe und aller Achaeer bei denselben ist Hektors 
Ziel, dessen Vereitelung durch den Einbruch der Nacht er mit allenı 
Nachdruck beklagt, daher auch 510 die Besorgniss, dass die Achaeer 
noch in der Nacht entiliehen möchten. Dieser Stimmung entspricht, 


Kritischer und exegetischer Anhang. Θ. 6 


wo es sich um die Hoffnungen und Massregeln für den folgenden 
Morgen im Gegensatz zu den Anordnungen für die Nacht handelt, nur 
die Aufforderung mit dem frühsten Morgen mit aller Kraft bei den 
Schiffeu den Kampf zu beginnen 530 f., nicht aber die Hoffnung die 
Achaeer mit Hülfe der Götter zu verjagen 526 f. Die Nothwendig- 
keit dieses Gegensatzes ist um so dringender, als in den Eingangs- 
worten nach dem vöv 498 noch zweimal (500. 502) mit besonderem 
Nachdruck das vöv und damit die augenblickliche Vereitelung des Ziels 
und die augenblickliche Resignation betont ist. Beachtet man ferner 
die Bedenken, welche sich an die seltsame Verbindung εὔχομαι ἐλπό- 
μενος und an das nicht sehr klare κηρεσσιφορήτους schliessen, sowie 
dass, wenn man mit Franke und Köchly 528—531 ausscheiden 
wollte, 532 fl. sich gar nicht passend an 527 anschliessen würden, 
so kann man kaum mehr zweifelhaft sein, dass die erste Fassung des 
Gegensatzes in 526—528 nicht die ursprüngliche sein kann. Nach 
dem Einschub dieser Verse musste für den 530 folgenden Gegensatz 
ein neuer Uebergang gesucht werden und zu diesem Zweck griff der 
Interpolator auf den in 517—522 entwickelten Gedanken zurück, der 
hier aber ziemlich seltsam in den Zusammenhang tritt. Zweifelhaft 
bleibt mir nur bei der Verwerfung von 523—529 mit Bekker und 
Düntzer, ob die beiden die vorhergehende Gedankenreihe abschliessen- 
den Verse, 523 und 524, die doch kaum anders denn als doppelte 
Fassungen anzusehen sind, beide zu verwerfen sind. Nach der 22 Verse 
in Anspruch nehmenden Ausführung der für die Nacht zu treffenden 
Massnahmen scheint ein abschliessender und durch die Aufnahme des 
Gedankens aus 502 den folgenden Gegensatz 530 vorbereitender Vers 
durchaus in homerischer Art; da aber 524, der auch wegen des δὲ 
sich nicht zum Abschluss des Vorhergehenden eignet, als 525 vor- 
bereitend mit diesem fallen muss, so dürfte 523 grösseren Anspruch 
auf Ursprünglichkeit haben und beizubehalten sein, obwohl auch in 
diesem Verse die Ausdrucksweise eigenthümlich ist. Hinsichtlich der 
letzten Partie 535 —541 bin ich nicht so entschieden, ob man ein 
Becht hat beide Recensionen als nicht ursprünglich zu verwerfen. 
Wenn gegen die, zweite (538—541) geltend gemacht ist, dass sie be- 
sonders wegen ἡμέρη ἥδε eine ungeschickte Nachbildung von N 825 
—828 sei und ἠελίου ἀνιόντος ἐς αὔριον 538, an sich und nach 
αὔριον 535 unerträglich, den Interpolator verräth, so ist doch gegen 
die erste nichts Erhebliches weiter einzuwenden, als dass sie bei dem 
6532—534 ausgeführten Gedanken länger verweilt, als geradezu nöthig. 
Gegen die nachdrückliche Hervorhebung von αὔριον beim Asyndeton 
ist, wenn die Wiederholung dieses Zeitbegriffs 538 beseitigt wird, 
nichts einzuwenden; sie entspricht dem leidenschaftlichen Pathos der 
Worte; auch die Bedenken Düntzer’s gegen den in dem Bedingungs- 
satz ed — μείνῃ enthaltenen Zweifel theile ich nicht. Den Gedanken 
aber, dass nicht allein Diomedes fallen werde, sondern viele Achaeer 
Mit ihm, diese überhaupt grosses Unglück treffen werde, den Düntzer 
dem Interpolator zuschreiben möchte, dürfte man nach den Eingangs- 
Anhang zu Ameis, Homers Ilias I, 8, 5 


66 Kritischer und exegetischer Anhang. ©, 


worten der ganzen Rede, wo die Vernichtung der Achaeer und der 
Schiffe als Ziel betont wird, geradezu erwarten: die schmerzliche Klage 
über das Entrinnen der Achaeer im Eingang verlangt als tröstliches 
Gegenbild am Schluss mehr, als die Aussicht auf die Erlegung eines 
hervorragenden Helden. Hatten wir also guten Grund 526. 527, 
sowie 538—541, welche dem entsprechende Gedanken enthalten, aus- 
zuscheiden, so würde doch die Ausscheidung auch von 535—537 einen 
der Stimmung des Hektor wohl entsprechenden Gedanken geradezu 
vermissen lassen. Im Einzelnen bemerke man noch Folgendes: 526. 
Ueber die von Bekker in der zweiten Ausgabe und Düntzer aufge- 
nommene Lesart des Zenodot ἔλπομαι εὐχόμενος vgl. Düntzer Zenod. 
p- 98 f., zu der des Aristarch εὔχομαι ἐλπόμενος Friedlaender 
Aristonie. p. 151. — 527. κηρεσσιφορήτους fasst proleptisch auch 
Doederlein hom. Gloss. II p. 116. Ueber die Bildung des Wortes 
handelt Meyer in Ο. Curtius Stud. V, p. 87. VI 385, Fedde über 
Wortzusammensetzung im Homer, Breslau 1871 p. 20, Clemm de com- 
positis Graeeis εἰς, p. 89. — 532. Ueber die indirecten Doppelfragen 
vgl. Praetorius der homerische Gebrauch von ἦ in Fragsätzen, p. 22. 
— 538. Zu den Wunschsätzen mit εἰ γάρ, die eine Betheuerung der 
Zuversicht enthalten, mit welcher etwas Zukünftiges ausgesagt oder 
versprochen wird, vgl. Z. Zange der homer. Gebrauch der Partikel 
& 1 p. 330. — 540. Die hier angewandte Formel findet sich ausser 
dieser Stelle nur noch N 827, wo sie übrigens mit den vorher- 
gehenden Worten zusammen dem Sinne nach der andern Formel αἱ 
γάρ, Ζεῦ τε πάτερ καὶ ᾿Αἀϑηναίη καὶ "Amolkov gleichkommt. Letztere 
wird nur von griechischen Helden gebraucht, jene beide Male von 
Hektor. In Bezug darauf erinnert Preller griech. Mythol. I p. 76 
daran, dass Zeus, Athena, Apollon die vornehmsten Burggötter von 
Troja waren. Im übrigen vgl. den Anhang zu H 132. 

543. 544 verwirft Düntzer Aristarch p. 101. — 548 fl. V. 548, 
sowie 550—552 fehlen in allen Handschriften und wurden erst von 
Barnes aus Plato’s Alcibiad. II, 149 ἢ in den Text eingeführt. Vgl. 
Sengebusch dissertat. Hom. I p. 127, la Roche homer. Textkritik 
p. 36, in Z. f. oest. G. ΧΙ, 169, Geppert Urspr. d. hom. Ges. II 150. 

555 fl. Im Zusammenhang mit der überall bei den homerischen 
Menschen, auch in der Sprache (vgl. φάος), hervortretenden Freude 
am Licht bemerkt Patzschke üb. die homer. Naturanschauung, Stettin 
1849, p. 7: „Es ist wohl kein Zufall, dass das zweifelhafte unsichere 
Licht des Mondes im Homer nicht erwähnt wird; überall, wo der 
μήνη oder σελήνη, die übrigens auch nicht als Gottheit erscheint, ge- 
dacht wird, ist es der volle, hellstrahlende Mond, der der Sonne in 
seinem Glanze gleichgestellt wird: Il. 8, 555. 18, 484. 19, 374. 
θὰ. 4, 45. 24, 148. Die Stimmung, die dem Dämmerlicht des 
Mondes entsprechen würde, ist dieser Zeit fremd etc.‘ — Als das 
einzige Beispiel einer perspectivischen Landschaft, mit Ausdehnung und 
Atmosphäre und selbst kühnen und gebrochenen Umrissen, rühmt die® 
Gleichniss Gladstone hom. Studien p. 447, vgl. auch Gerlach im 


Kritischer und exegetischer Anhang. Θ. 67 


Philol. XXX p. 55. Bekker hom. Blätter II p. 34 Anmerk. 17 
tadelt, dass es der Unendlichkeit des gestirnten Himmels eintausend 
Lagerfeuer mit fünfzig Troern um jedes gegenüberstelle. — Der von 
Aristarch vgl. Aristonic. ed. Friedlaender p. 152, Zenodot (Düntzer 
p. 164) und Aristophanes vorgenommenen Athetese von 557. 558 
stimmen von Neueren zu Geppert Urspr. d. hom. Ges. I p. 13, Düntzer 
hom. Fragen 195, la Roche in Z. f. ἃ. oest. G. XI p. 169, der auch 
559 verwirft, Calebow de I. libr. VII p. 49. Düntzer verwirft den 
ganzen Schluss 555—565, vgl. Aristarch p. 102. — 563. Ueber die 
Schreibung σέλαι vgl. a Roche homer. Textkritik p. 297, zur Wieder- 
holung desselben Wortes in rascher Folge, wie hier πυρὰ — πυρὰ 
— πυρός Lehrs Aristarch, ?p. 472. 


δ᾽ 


I 
Einleitung. 


.Ziteratur: C. Moritz de lliadis libro IX suspiciones criticae. 
Posen 1859 (vgl. Goebel in Z. f. Gymn. 1860. XIV p. 262 fl) 
Düntzer Aristarch p. 102—179. — P. la Roche die Erzählung des 
Phönix vom Meleagros (ll. 1 529 —600). Müuchen 1859, mit der 
Gegen-Kritik von Düntzer im Aristarch p. 187 fl. — Lachmanns 
Betrachtungen p. 26 (dazu vgl. Blätter f. literar, Unterhalt. 1844 
p- 506, Hoffmann im Philol. III p. 217 fi, Düntzer homer. Abhandl. 
Ρ. 59 f., Gerlach im Philol. XXX p. 31 ff, Nitzsch Beiträge 
p. 70 6) — Nitzsch Sagenpoesie p. 180 f. 221 i. 238 und Beiträge 
p. 357 f.: (dazu vgl. Schoemann in Jahrbb. f. Phil. Bd. 69 p. 28 ἢ, 
de reticentia Hom. p. 13—15 — Opusc. II p. 15—18, und 
Köchly de 1]. carmm. dissert. ΠῚ p. 7 fl.) Kiene Komposition der 
Dias p. 88 ff. 102 ff. Nutzhorn die Entstehungsweise der hom. Ged. 
Ρ. 171 f. 175 fl. 236. — Grote Gesch. Griechenlands übers. von 
Meissner, Bd. I p. 530 Π᾿ (vgl. Friedlaender die homer. Kritik von 
Wolf bis Grote p. 37 ff., mit der Kritik von Baeumlein im Philol. XI 
p- 417 |. und Kiene Komposition p. 325 fl.) — Kayser de interpola- 
tore Hom. p. 11. — Jacob Entstehung der Ilias und Odyssee p. 226 M. 
Genz zur Nlias p. 30 f. — Bergk griech. Literaturgesch. 1 p. 590 fl. 
Bernhardy Grundr. d. griech. Literat. 11, 1, p. 164 f. — Einzel- 
heiten bei Bonitz Urspr. d. hom. Ged. p. 54 f., Kraut die epische 
Prolepsis in der Πίαβ, Tübingen 1863 p. 6. — Hoffmann quaestio- 
nes Hom. II p. 215 fl. Giseke hom. Forsch. p. 219 fl. 250. — 
4. Bischoff im Philol. XXXIV p. 17. 

Die Begebenheiten des neunten Buches fallen in die dem zweiten 
Schlachttage, dem 25sten der Ilias überhaupt, folgende Nacht, die 
Θ᾽ 485 begonnen hat. Der Eingang desselben steht parallel dem 
Schluss des achten Buches (489— 565), indem der troischen Agora 
mit Hektors siegestrunkener Rede die Bestürzung der Achaeer (1—8) 
und die Agora der Achaeer mit Agamemnons verzweifelnder Rede 
(9—88) gegenübertritt. In dieser macht Agamemnon den Vorschlag 
zur Flucht, wird aber von Diomedes energisch zurückgewiesen; dann 
ordnet Nestor die nöthigen Sicherheitsmassregeln an und empfiehlt eine 
Berathuug der Geronten beim Mahl in Agamemnons Zelt. Hier (89—181) 
tadelt Nestor den Agamemnon wegen der Beschimpfung des Achill 


Kritischer und exegetischer Anhang. I. 69 


und räth ihn zu versöhnen. Agamenmon erkennt seine Verschuldung 
an und zählt reiche Gaben auf, die er dem Achill zur Sühne anbieten 
will. So werden auf Nestors Vorschlag Phoenix, Aias, Odysseus mit 
zwei Herolden zu Achill abgesandt. Es folgt nun die Schilderung der 
gastlichen Aufnahme der Gesandten bei Achill 182 — 224, dann die 
Verhandlungen mit demselben 225 — 655: Zuerst schildert Odysseus 
die Bedrängniss der Achaeer und Hektors Uebermuth, theilt Agamem- 
nons Anerbietungen mit und sucht Achill’s Mitleid mit den Achaern, wie 
seinen Ehrgeiz zu erregen (225—306). Achill dagegen unter dem 
Vorwurf schnöden Undankes jede Rücksicht auf die Achaeer, wie auf 
Agamemnon zurückweisend erklärt seinen festen Entschluss am folgen- 
den Tage nach Hause zu fahren und lehnt die angebotenen Geschenke 
als ungenügend die Schmach zu sühnen ab (307—429). Es folgt die 
rührende Rede des Phoenix, der nach Hervorhebung des innigen per- 
sönlichen Verhältnisses zu Achill ihn zur Scheu gegen die Götter 
mahnt und durch das Beispiel des Meleager zu bestimmen sucht, auf 
die angebotenen Sühngaben hin die Achaeer zu retten (430—605). 
Achill lehnt dies zwar von neuem ab, aber in gemässigterem Ton und 
erklärt schliesslich, die Frage wegen der Heimkehr am folgenden 
Morgen mit ihm erwägen zu wollen (606--- 619). Aias macht einen 
letzten Versuch: er mahnt ihn an die alte Freundschaft, hebt der Ge- 
ringfügigkeit des Streitohjects gegenüber den überaus reichen Ersatz 
hervor, macht das Gastrecht geltend (620—642). Achill erkennt die 
geltend gemachten Gründe zum Theil an, hebt aber von neuem die Grösse 
der erlittenen Schmach hervor und erklärt zuletzt nicht eher kämpfen 
zu wollen, als bis Hektor mordend bis zu den Schiffen der Myrmi- 
donen vordringe (643 — 655). Darauf erfolgt die Rückkehr der Ge- 
sandten mit Ausnahme des Phoenix, der in Achills Zelt zurückbleibt 
(656—669), Odysseus’ Bericht über den Erfolg der Sendung (670— 
692), worauf Diomedes zu energischem Kampf am folgenden Morgen 
auffordert (693—709). Nachtruhe (710—713). 

Die Uebersicht des Inhalts ergiebt eine Folge von Begebenheiten, 
die durch die Ereignisse des vorhergehenden Buches wohl vorbereitet 
und im engsten Zusammenhange mit denselben (vgl. Baeumlein im 
Philol. XI p. 421), in stetem Fortschritt sich folgerichtig entwickeln 
und abgesehen von Einzelheiten ein wohl abgerundetes Ganze bilden. 
Liegt in dieser Beziehung kein wesentlicher Anstoss vor, so fehlt es 
andererseits nicht an Beziehungen, welche das neunte Buch mit den 
vorhergehenden verbinden. So ist Diomedes’ Hervortreten 32 ff. und 
696 ff. vorbereitet durch seine Aristie im fünften Buche; 34 ff. be- 
zieht sich auf 4 369 ἢ; 71 fl. weist auf H 467 —471, 104 fl. 
auf A 282—285, 348—350 auf H 337 und 436, 17—28 kehren 
B 110—118. 139—141 wieder. Noch zahlreicher und wichtiger 
sind die Beziehungen, in denen unser Buch mit dem für die ganze 
Handlung des Epos grundlegenden ersten Buche steht (darüber Nähe- 
res unten). Ebenso setzen die späteren Bücher vermöge deutlicher 
Beziehungen das neunte voraus. Unter diesen Verhältnissen scheint 


70 Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 


die Stelle unseres Buches in dem Zusammenhange des Ganzen so fest 
gegründet zu sein, dass die Kritik dieselbe nicht erschüttern könne: 
gleichwohl gehört dasselbe zu den bestrittensten, ja es hat in be- 
sonderm Masse die Ungunst der Kritik erfahren, 

Zwar hat Zachmanns Urtheil, dem dies (seiu achtes) Lied überall 
den Stempel der Nachahmung trägt, kaum Zustimmung gefunden; man 
erkennt an, dass dasselbe in grossartigem Stil angelegt sei und nament- 
lich von 89 an ein wohlabgerundetes Ganze bilde, man giebt zu, dass 
es eine feine psychologische Charakterzeichnung, geschickte Rhetorik 
und gewandten Vortrag zeige, dass es auch metrisch sehr vollkommen 
sei: allein die Anerkennung so grosser Vorzüge wird durchaus auf- 
gewogen theils durch die Hervorhebung einer Reihe von Widersprüchen, 
welche zwischen dem neunten und späteren Büchern bestehen, theils 
durch eine scharfe Einzelkritik, die auch den inneren Zusammenhang 
desselben bedroht, theils endlich durch aesthetische Forderungen oder 
Bedürfnisse des dichterischen Planes, welche der Inhalt unseres Buches 
angeblich nicht befriedigt. Dazu kommt eine Reihe von Eigenthüm- 
lichkeiten in Inhalt und Ausdruck (wie die Allegorie von den Liten 
502—514 als der frühste Beleg solcher allegorisierenden Moral, der 
Reichthum des aegyptischen Theben 381, wie des Pythischen Orakels 
405, der Mythos von Meleagros, Ausdrücke, wie ὑποδεξίη 73, dev- 
δίλλων 180 u. s. w.), die auf einen jüngeren Ursprung des Buches 
zu weisen scheinen. Auf diesen Momenten beruht das verwerfende 
Urtheil einer Reihe von namhaften Kritikern, die, wenn sie auch einen 
festen Kern eines grösseren Epos annehmen, doch leugnen, dass unser 
Buch in dem ursprünglichen Plane des Gedichts seine Stelle gehabt 
habe. Indem wir versuchen den Stand der an das neunte Buch sich 
knüpfenden kritischen Fragen in den Hauptpunkten näher anzudeuten, 
gehen wir zunächst von den Stellen der spätern Bücher aus, welche 
mit unserm Buch in entschiedenem Widerspruch stehen. Es handelt 
sich besonders um A 609 f. und Π 72 f. An der ersten Stelle 
sagt Achill im Hinblick, auf die Bedrängniss der Achaeer zu Patroklos: 
νῦν ὀΐω περὶ γούνατ᾽ ἐμὰ στήσεσϑαι ᾿Αχαιοὺς λισσομένους. Dies 
sagt Achill an dem der Presbeia folgenden Tage, nachdem er vor 
wenigen Stunden die Gesandten, die in Agamemnons Namen Sühne 
anboten und um seine Hülfe flehten, abgewiesen hat. Der Widerspruch 
ist unleugbar, und keine Interpretationskunst — Nitzsch Sagenpoesie 
p- 238 und Faesi z. St. erklärten mit scharfer Betonung des νῦν: 
jetzt (erst recht) — kann über denselben hinweghelfen. Die Versuche 
der Vertreter der Einheit, wie Kiene p. 325, Nutzkorn p. 175, 
Baeumlein im Philol. XI p. 419 sich mit der Stelle abzufinden, wer- 
den Wenige befriedigen. Bergk, der im neunten Buch einen Grund- 
pfeiler des ganzen Gebäudes sieht, urtheilt, dass die ganze Partie der 
alten Ilias fremd sei. — An der zweiten Stelle ΠῚ 72 ff., wo Achill 
dem Patroklos die Theiluahme am Kampfe gestattet, sagt er von den 
Troern: τάχα κεν φεύγοντες ἐναύλους πλήσειαν νεκύων, εἴ μοι 
κρείων ᾿Αγαμέμνων ἤπια εἰδείη: so kann Achill nicht’ sprechen, 


Kritischer und exegetischer Anhang. I. τι 


nachdem Agamemnon vor ihm sich so gedemüthigt, ihm selbst eine 
seiner Töchter zur Gattin angeboten hat. Um diesem Widerspruch zu 
begegnen, betont Kiene den Ausdruck ‘freundliche Gesinnung” und 
leugnet die Bethätigung derselben durch Agamemnon, da derselbe erst 
dem herben Zwange der Niederlage in der zweiten Schlacht sich ge- 
beugt und nur dadurch zu dem Sühneversuch sich habe bestimmen 
lassen. Nitzsch sieht in 69—79 eine diaskeuastische Ausführung, 
ebenso erkennen Düntzer Aristarch p. 121 in 69—82, Bergk in 
69— 73 Interpolationen, während Schoemann de reticentia Hom. 
p. 13 Ν᾽ den Zusammenhang der Stelle gegen Nitzsch rechtfertigt. 

Minderes Gewicht hat ΠῚ 84— 86, in deren Verwerfung Jacob, 
Düntzer, Bergk übereinstimmen: die Verse stören den Zusammenhang 
durchaus, 

Zweifelhafter sind die Schlüsse aus dem Fehlen von Beziehungen 
auf die Presbeia an Stellen, wo man solche zu erwarten sich be- 
rechtigt glaubt. So wird von Patroklos IT 273. 274 (= A 411. 
412), als er die Myrmidonen zur Tapferkeit mahnt, im Zusammenhang 
mit der dem Achill zu erwerbenden Ehre gesagt: (ὡς ὧν) γνῶ δὲ 
καὶ ᾽Ατρείδης — ἣν ἄτην, ὅτ᾽ ἄριστον ᾿Αχαιῶν οὐδὲν ἔτισεν und 
damit ignoriert, dass dies factisch schon I 115—118 vgl. 110 ge- 
schehen und durch die Gesandtschaft Achill kundgeworden ist. Man 
darf mit Bergk zur Rechtfertigung der Stelle sagen, dass ein Hinweis 
auf die Genugthuung, die Achill zurückgewiesen hatte, in diesem Mo- 
ment für Patroklos unpassend gewesen wäre, ja man kann andrerseits 
zweifeln, ob Achill wirklich in dem Sühneversuch die Erkenntnis der 
Ate, wie er sie 4 411 im Sinne hatte, fand (darüber siehe unten), 
und wird es mit Kiene natürlich finden, dass in diesem Falle auch 
der Freund ebenso urtheilte. — Sehr verschieden beurtheilt sind ferner 
N 115 die Worte Poseidons in Kalchas’ Gestalt bei der Ermunterung 
der Achaeer: ἀλλ᾽ ἀκεώμεϑα ϑᾶσσον' ἀκεσταί τοι φρένες ἐσθλῶν", 
welche Schoemann in den Jahrbb. Bd. 69 p. 28 durchaus nur auf 
eine Versöhnung des Achill beziehen zu können glaubt, während 
Kiene das ἀκέεσθαι auf die eigne Gesinuung der Achaeer gegen 
Agamemnon und die daraus folgende Schlaffheit und Unlust im Streite 
bezieht, da ja an einen Versöhnungsversuch im Laufe der Schlacht 
gar nicht gedacht werden könne. Baeumlein andrerseits meint, jener 
Vorschlag solle den Griechen die Zuversicht, dass Achill versöhnt 
werden könne, einflössen und dadurch ihren Muth erhöhen, Dientzer 
endlich (Aristarch p. 117) legt auf den Vers kein Gewicht, weil er 
einer grösseren Interpelation angehöre (108 --- 115). — Auch in der 
Rede des Nestor A 656— 803, worin er dem Patroklos ans Herz 
legt den Achill zum Aufgeben seines Zorns zu bewegen, und ebenso 
in Patroklos’ Worten IT 21 f., mit denen er dieser Bitte entspricht, 
findet sich keine Beziehung auf den zurückgewiesenen Sühneversuch, 
*Gerade von Nestor, sagt Schoemann (in d. Jahrbb. Bd..69 p. 28), 
müsste der verschmähten Bitten um so eher gedacht sein, als gerade 
er es gewesen, auf dessen Rath der Sühneversuch gemacht war.’ 


72 Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 


Kiene antwortet auf die Forderung einer solchen Beziehung ähnlich, 
wie Bergk zu II 273. 274, dass es weder zartfühlend, noch zur 
Erreichung des Zieles förderlich gewesen wäre, wenn Patroklos den 
Freund an sein Unrecht (die Zurückweisung der Sühne) erinnert hätte 
und lässt Nestor dieselbe Rücksicht auf den Freund Achills nehmen. 
Andrerseits scheinen die Eingangsworte in Nestor’s Rede 656 f. sich 
am natürlichsten unter Voraussetzung der Gesandtschaft zu erklären, 
ferner erinnern in derselben Rede 765— 790 an I 252— 259, und 
794 Ν᾿ nimmt Rücksicht auf 1 401—416: vgl. Baeumlein im Philol. 
ΧΙ p. 422 f. Endlich findet Bergk in 666—668 eine Beziehung auf 
I 659, da er aber die ganze Partie dem Diaskeuasten zuweist, so 
legt er darauf kein Gewicht. Bei der Rede des Patroklos ΠῚ 21 ff. 
aber darf man fragen, ob Patroklos in so scharfen Worten, wie 29—35 
geschieht, Achills Unersöhnlichkeit tadeln konnte, wenn kein Versöh- 
nungsversuch vorausgegangen war. — In ähnlicher Weise werden die 
Aeusserungen Achills 2 108 ff., wie T 56 fl. 270 fl. von Düntzer 
Aristarch p. 129 ἢν und Kiene p. 332, Baeumlein im Philol. ΧΙ 
p- 419 ἢ mit entgegengesetztem Resultat erörtert. 

Haben die angeführten Stellen, verglichen mit deneu, welche 
einen entschiedenen Widerspruch gegen das neunte Buch bekunden, 
eine geringere Beweiskraft, so treten jenen wiederum andere gegen- 
über, die eine mehr oder weniger sichere Beziehung auf die Presbeia 
enthalten. Schon erwähnt sind A 666—668 vgl. mit I 650 f, 
4A 794 ff. vgl. mit I 401—416. Hinzu kommen 2 444—456, 
denen freilich Bergk keine Bedeutung beilegt, weil nach seiner An- 
sicht die ganze Partie der alten Ilias fremd ist, vgl. Baeumlein im 
Philol. XI p. 423. Sehr bestritten ist IT 60—63: während Kiene 
p. 330, Baeumlein a. 0. p. 423, Nitzsch Beiträge p. 359, Bergk 
p- 593 die Beziehung auf I 650—653 zweifellos finden, hält Düntzer 
Aristarch p. 119 die Uebereinstimmung beider Stellen für keineswegs 
so genau, die Beziehung nach dem Zusammenhange für unmöglich; 
überdies scheinen ihm I 650 ff. mit Moritz interpoliert. Auch Schoe- 
mann de reticentia Hom. p. 15 leugnet die Beziehung, weil ἔφην 
mit Aristarch in dem Sinne von ‘ich dachte’ zu verstehen sei. Dem 
letzteren Umstande dürfte kaum solches Gewicht beizulegen sein: die 
Uebereinstimmung des Gedankeninhalts an beiden Stellen ist genau 
genug, um eine Beziehung der einen auf die andere anzunehmen ; 
weshalb der Zusammenhang eine solche verbiete, ist nicht recht 
ersichtlich; wenn Achill in den Worten οὐδ᾽ ἄρα πως ἦν xrA. den 
früheren Entschluss seinen Groll festzuhalten bereits aufgiebt und in 
Bezug darauf hinzufügt: freilich dachte ich eic., so hat er ja eben 
nur im neunten Buch nach dem Sühneversuch Gelegenheit gehabt jenen 
Vorsatz des ἀσπερχὲς κεχολῶσϑαι auszusprechen, und so ist eine 
Beziehung darauf doch im Zusammenhang begründet; und diese 
bleibt doch auch bei der Interpretation von ἔφην γε “ich dachte’, 
ohne dass es der nicht haltbaren Erklärung von Kiene bedürfte., — 
Endlich gehören hierher die Stellen in 7, wo die Versöhnung unter 


Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 73 


den im IX. Buch angegebenen Bedingungen wirklich vollzogen wird: 
140. 141. 175—177. 194. 195. 243 fl., von denen aber Grote und 
Düntzer urtheilen, dass sie erst eingeschoben sein, um die Beziehung 
mit dem neunten Buche herzustellen. Die dabei gegen χϑιξός 141 
erhobenen Bedenken sind widerlegt von Baeumlein Philol. XI p. 424, 
Schoemann in Jahrbb. Bd. 69 p. 29 Anmerk., anders urtheilt Bergk 
. 595. 

Ῥ lichen wir vorläufig das Facit dieser Betrachtung, so ergaben 
sich einmal Stellen, die einen entschiedenen, nicht hinwegzuleugnen- 
den Widerspruch mit der Presbeia enthalten, andrerseits solche, die 
ebenso zweifellos die deutlichste Beziehung auf dieselbe zeigen: bei 
andern bleibt eine solche mehr oder weniger zweifelhaft; die Frage 
endlich, ob an dieser oder jener Stelle eine Beziehung auf das neunte 
Buch, wo sie fehlt, geboten sei, liess als eine Frage des aesthetischen 
Geschmacks kaum eine objective Beantwortung zu. Unter diesen Ver- 
hältnissen musste sich die Kritik nach weiteren und zwar inneren 
Gründen umsehen, um die Frage nach der Ursprünglichkeit des neun- 
ten Buches in dem einen oder andern Sinne zu entscheiden. 

Die verwerfende Kritik hat solche zunächst dem Zusammenhange 
entnommen, in welchem die Ereignisse des neunten Buches mit denen 
des vorhergehenden und weiter des elften stehen. Nach ihr steht die 
Niedergeschlagenheit, welche Agamemnon im Anfange des neunten 
Buchs zeigt und welche zu dem Sühneversuch führt, ausser Verhält- 
niss zu der Niederlage, welche das Resultat des achten ist, während 
andrerseits nach jener Verzweiflung der gehobene Muth und die Helden- 
laufbahn desselben im Anfange des elften unbegreiflich ist. Andere 
Bedenken betreffen die innere Wahrscheinlichkeit des Sühneversuchs 
von Seiten des Agamemnon, wie der Abweisung desselben durch 
Achilleus: jener, sagt man, kann sich nach den gegebenen Verhält- 
nissen und nach seinem Charakter nicht so tief εἰ rigen, dieser 
kann die angebotene Versöhnung nicht zurückweisen: “Agamemnon 
erniedrigt sich durch die Gesandtschaft an, Achill so tief, dass durch 
sie Thetis Bitte an Zeus um Vergeltung für das Unrecht, das ihr 
Sohn erlitten, durchaus erfüllt ist; eine vollständigere Genugthuung 
kann derselbe nicht erhalten und erhält sie schliesslich in der That 
nicht’, und wie Grote sagt, “das neunte Buch treibt den Stolz und 
Egoismus des Achill über die höchsten Erfordernisse beleidigter Ehre 
und ist für jenes Gefühl von Nemesis, welches im griechischen Geiste 
so tief wurzelte, abstossend.” Endlich erscheinen nach jener Achill 
zu Theil gewordenen Genugthuung die ferneren Niederlagen, die Zeus 
über die Griechen verhängt, grundlos — und doch verhängt er sie 
wider seinen Willen — „um Achill zu ehren.“ 

Von diesen gegen die Ursprünglichkeit des neunten Buches er- 
hobenen Einwänden ist der erste von verhältnissmässig untergeordneter 
Bedeutung. Die, welche die Ursprünglichkeit der Presbeia behaupten, 
haben dagegen geltend gemacht, dass, wie der Stand des Krieges, wie 
ihn das neunte Buch voraussetze, durchaus mit der im achten Buche 


74 Kritischer und exegetischer Anhang. I. 


geschilderten Lage übereinstimme (nähere Nachweisungen bei Baeum- 
Tein a. Ὁ. p- 420 £.), so jene in der That schlimm genug sei, um 
Agamemnon zu dem demüthigenden Schritt zu bewegen: es war dies 
die erste Niederlage, welche die Achaeer erlitten; “die Unterlassung 
des Versöhnungsversuches müsste uns befremdlich erscheinen, Nestor 
durfte nicht schweigen, um so weniger, da er auch nach seiner Er- 
folglosigkeit die Versöhnung stets im Auge behielt.” (Kiene p. 335). 
Der ritterliche Muth aber, den Agamemnon, .nach jener Verzweiflung 
und Demüthigung,, im elften Buche bewährt, lässt sich aus der Art, 
wie Agamemnon in der Dichtung überhaupt sich zeigt, schr wohl er- 
klären: denn er geht überall von einem Aeussersten zum andern über 
(Jacob p. 230), ja ‘seine veränderte Haltung vor und nach der Ge- 
sandtschaft erhält nur durch diese eine genügende Erklärung, denn 
durch seine Demüthigung und den Versöhnungsversuch von dem drücken- 
den Schuldgefühl befreit, wird er zur Entwicklung seiner natürlichen 
Tüchtigkeit und Thatkraft befähigt.” (Kiene p. 334). Der Schwer- 
punkt der ganzen Untersuchung aber liegt in der Frage, ob durch 
Agamemnons Demüthigung Achills Wunsch und die Bitte der Thetis 
erfüllt ist, und der damit auf das engste zusammenhängenden, ob 
Achill nach seinem Charakter, nach dem Plan und der Anlage des 
Gedichtes den Sühneversuch zurückweisen darf. Was die erstere be- 
trifft, so wird dieselbe ebenso entschieden, wie sie von der verwerfen- 
den Kritik bejaht wird, von den Vertheidigern der Presbeia verneint. 
*Noch war es kein Kampf um die Schiffe, wie Achill es verlangt hatte 
4 408 ff. Π 61 ff.; überall wird von demselben die verzweifeltste 
Lage der Achaeer vorausgesetzt, wenn er wieder an dem Krieg theil- 
nehmen soll, 4 408 fl. I 386 f, 650 ff. A 609 f., und mit 1 650 f. 
ganz übereinstimmend ΠῚ 61 ff.; somit ist die Abweisung der Sühne 
nur eine Consequenz aus jenem mit deutlichen Worten gegen Thetis 
ausgesprochenen Wunsch.” (Baeumlein p. 419 f.). Allerdings scheint 
die Bitte der Thetis A 508 ff. durch Zeus Eingreifen im achten Buche 
und durch die Presbeia erfüllt: “allein Achill hat weder zu seiner 
Mutter, noch zu Agamemnon (A 240 ἢ) gesagt, er wolle, wenn die 
Achaeer so hart bedrängt wären, ihnen zu Hülfe kommen. Setzte 
dies Thetis voraus, so war dies eben nur ihre Voraussetzung, nicht 
die Meinung Achills, und zu dessen Härte stimmt sogar der Beschluss 
des Schicksals Θ 473 ff, den Zeus noch vor dem Sühneversuch aus- 
spricht. So musste Achill sogar nothwendig diesen zurückweisen, 
weil sonst die Achaeer nach der Anlage unserer Dichtung nicht hätten 
bis in den engen Raum ihrer Schiffe gedrängt werden und Patroklos 
nicht hätte dort fallen können’ (Jacob p. 231 f.). Durch diesen 
Schicksalsspruch werden auch die weiteren Niederlagen, die Zeus nach 
der Rückweisung der Sühne über die Achaeer verhängt, motiviert. 
(Kiene 333). In jener von Grote so schwer getadelten Masslosigkeit 
des .Zornes aber, die auf einem übertriebenen Selbstgefühl und Egois- 
mus beruht, sehen die Vertheidiger unseres Buches gerade die conse- 
quente Entwicklung seines Charakters, wie er überall in dem Gedicht 


Kritischer und exegetischer Anhang. I. 75 


festgehalten wird, und in der dadurch herbeigeführten Zurückweisung 
der Sühue den Angelpunkt der ganzen epischen Handlung. Alle 
Aeusserungeu im ersten Buche, wie im neunten und den späteren 
“zeichnen ganz gleich und consequent Achill,- wie er einzig in die zu- 
gefügte Kränkung versenkt für alles andere unzugänglich ist” (Baeum- 
lein 418 f.). “Vergegenwärtigt man sich ferner seine Wildheit gegen 
den Leichnam Hektors, so wird man seine Zurückweisung der Ver- 
söhnung mit Agamemnon nicht so unerträglich finden können, dass 
man deshalb den Gesang, der sie erzählt, ausstossen dürfte? (Jacob 
231). “Mit der Art, wie Achill gleich im ersten Gesange der Ilias 
geschildert wird, ist nicht nur der Charakter des Helden klar und 
mit festen Zügen umschrieben, sondern auch der Gang des Epos vor- 
gezeichnet. Nimmt man das neunte Buch heraus, so entsteht ein 
offenbarer Widerspruch in der Anlage des Gedichts, wie im Charakter 
des Achilles; denn daun wird der Held seinem Entschlusse untreu, 
ohne dass ihm die geringste Genugihuung zu Theil wird; aus Mit- 
gefühl und seines Grolles ganz vergessend, sendet er dann den Patro- 
klos und seine Krieger den Achaeern zu Hülfe. So würde also das 
eigentliche Motiv ganz verdunkelt werden.” (Bergk p. 591. Jacob 
p. 234). Wie Bergk so die Nothwendigkeit des neunten Buches aus 
dem Charakter Achills und der planmässigen Anlage des gauzen Epos 
begründet, so legen Nitzsch, Baeumlein, Kiene nach ihrer Auffassung 
des Epos vor allem darauf Gewicht, dass gerade auf der Zurück- 
weisung des Sühneversuchs durch Achill die der Ilias zu Grunde 
liegende tragische Idee beruhe. Denn das Gedicht von der μῆνις 
οὐλομένη soll, wie Baeumlein dieselbe formulirt, recht eigentlich 
darthun, “wie selbst bei den edelsten Naturanlagen der Mangel an 
Mässigung -in dem Selbstgefühl und einem an sich berechtigten m&dog 
unheilvolle Wirkungen hat, wie die Nemesis die Ueberschreitung des 
Masses ahndel’, oder, wie Kiene sagt: “erst durch Zurückweisung der 
Gesandtschaft verfällt auch Achilleus der ἄτη und wird folglich die 
Lösung durch eigenes Leid nothwendig und gerechtfertigt.” Aber 
auch wenn man diesen ethischen Gesichtspunkt, der allerdings in der 
Dichtung selbst nicht deutlich hervortritt, vgl. Bergk p. 592 Anmerk., 
Schoemann in Jahrbb. Bd. 69, p. 27 ff., nicht gelten lässt, so lassen 
sich doch noch andere bedeutsame Gründe gegen die Ausscheidung 
des neunten Buches anführen. Das Zurücktreteu Achills nach dem 
ersten Buche ist durch die Anlage des Gedichts motiviert; allein wenn 
er auch erst gegen das Ende der Dichtung wieder handelnd eingreift, 
so darf er doch als Hauptheld derselben in der Zwischenzeit nicht 
gänzlich verschwinden: daher zeigt ihn der Dichter hier von neuem 
und vervollständigt so das Bild des Helden, welches er im ersten 
Gesange entworfen hatte (Bergk 592). Ferner, scheiden wir das 
neunte Buch aus dem Zusammenhange aus, so vermisst man uach der 
Darstellung der troischen Agora und des troischen Lagers am Schluss 
des achten Buches eine Schilderung der Stimmung auf Seiten der 
Achaeer (Baeumlein p. 426), vor allem auch der Stimmung Aga- 


76 Kritischer und exegetischer Anhang. I. 


memnons. Die erste Aeusserung Agamemnons über die Lage der 
Achaeer würde, abgesehen von der Doloneia, sich erst #44 ff. finden, 
der sich alsbald V. 74 ff. seine Aufforderung zur Flucht anschliesst, 
ohne dass auch nur der Gedanke an eine Möglichkeit, den Achill zu 
versöhnen ihm selbst gekommen wäre, oder ihm von andern, nament- 
lich von Nestor, der doch A 790 f. noch daran denkt, entgegen- 
gehalten würde, Ja, wir würden selbst das Anerkenntniss der Sehn- 
sucht nach Achills rettendem Arm, deren Eintritt Achill A 241 fl. in 
der feierlichsten Weise angekündigt hat, nur beiläufig theils aus 
Nestors Aeusserungen im 11. Buche, theils aus Poseidons Munde 
5 368 vernehmen. Auf der andern Seite aber würde ohne die in 
der Presbeia Achill gewordene Genugthuung die erwachende Theil- 
nahme und mildere Stimmung desselben, wie sie nach und nach A. 600. 
2 5. 17. 80. 126—129 hervortritt, nicht gehörig motiviert sein. 
Endlich macht Kiene p. 334 f. geltend, dass, wenn man das neunte 
Buch beseitige, die zweite und dritte Schlacht demselben Zwecke 
dienen, die zweite ihrer besondern Aufgabe, die sie sonst in dem 
Plan der Ilias habe, entbehren würde, ‘Das verschiedene Eingreifen 
des Zeus in der zweiten und dritten Schlacht und der dadurch her- 
beigeführte verschiedene Charakter beider bleibt ohne die Veränderung 
der Sachlage, wie sie durch das neunte Buch herbeigeführt wird, un- 
motiviert.” 

Nach einer genauen Abwägung der für und gegen die Ursprüng- 
lichkeit unseres Buches einander entgegengestellten Gründe scheinen, 
unter der Voraussetzung eines einheitlichen Kernes einer planmässig 
angelegten Dichtung, die Gründe überwiegend, welche für das neunte 
Buch sprechen. Zwar sind die Widersprüche mit dem neunten Buche, 
welche in den spätern sich finden, nicht abzuleugnen; aber von den 
drei Stellen, die einen directen Widerspruch mit der Presbeia ergeben, 
sind zwei auch von Düntzer, der das neunte Buch verwirft, kritisch 
verdächtigt. Wenn aber andrerseits auch die Stellen, welche eine 
deutliche directe Beziehung auf die Presbeia ergeben, von der Kritik 
verworfen werden müssten, so blieben doch eine Reihe von andern, 
die eine indirecte Beziehung auf die Presbeia enthalten oder wenigstens 
sich unter der Voraussetzung derselben am besten erklären. Schwerer 
aber, als alle von der verwerfenden Kritik erhobenen Einwände, 
wiegen die aus der Anlage des Gedichts gewonnenen Gründe. Man 
braucht dabei noch keineswegs mit Nitzsch u. a. jene sittliche Idee 
von der Schuld des Achill, die in dem Gedicht vielleicht nicht so 
deutlich ausgesprochen wird, zum Mittelpunkt der epischen Handlung 
zu machen; es genügt mit Bergk auf die im grundlegenden ersten 
Buch gegebene Charakterzeichnung Achills, sowie auf die ‚ebendort 
für die Entwicklung der epischen Handlung gegebenen Motive hin- 
zuweisen, um nicht allein die Berechtigung, sondern auch die Noth- 
wendigkeit des neunten Buches im Plane der ganzen Dichtung wahr- 
scheinlich zu machen. Manche Zweifel und Bedenken über einzelne 


Kritischer und exegetischer Anhang. I. τ 


Stellen späterer Bücher werden bei einer sorgfältigen Prüfung dieses 
Zusammenhanges vielleicht noch schwinden. 

In dieser Beziehung mag hier noch ein Punkt etwas eingehender 
erörtert werden: die Situation im neunten Buch im Vergleich zu den 
grundlegenden Momenten des ersten und Achills Verhalten gegenüber 
dem Sühneversuch. 

Was Achill unter dem Eindruck des Streites mit Agamemnon im 
Zorn ersehnt und erstrebt, gewinnt dort erst allmählig eine bestimmtere 
Gestaltung. Zuerst, in jener feierlichen Verkündigung, nach Aga- 
memnons Drohung ihm die Briseis zu nehmen, A 240, schwebt ihm 
allgemein eine Situation vor, wo die Achaeer von Hektor heftig be- 
drängt, insgesammt sehnsüchtiges Verlangen nach seinem retienden 
Arm ergreift, Agamemnon aber unfähig zu helfen, quälende Reue über 
die Beschimpfung Achills empfindet. Bestimmter gestaltet sich diese 
Vorstellung bereits bei Wegführung der Briseis in den an die Herolde 
gerichteten Worten ähnlichen Inhalts, wo παρὰ vnüctv 344 schon 
auf einen Kampf bei den Schiffen zu deuten scheint, bis dann in der 
von Thetis an Zeus zu richtenden Bitte 408—12 sein Wunsch klar 
dahin ausgesprochen wird, Zeus möge den Troern beistehend, die 
Achaeer κατὰ πρύμνας τε καὶ ἀμφ᾽ ἅλα ἔλσαι κτεινομένους. Was 
darunter verstanden ist, ergeben klar Achills Worte II 66 ff, in 
denen er die Voraussetzung bestimmt, unter der er dem Patroklos in 
den Kampf zu ziehen gestattet: εἰ δὴ κυάνεον Τρώων νέφος ἀμφι- 
βέβηκεν νηυσὶν ἐπικρατέως οἵ δὲ ῥηγμῖνι ϑαλάσσης κεκλίαται, 
χώρης ὀλίγην ἔτι μοῖραν ἔχοντες. Dabei ist sein Zweck nach A411 
£.: die Achaeer sollen insgesammt zu schmecken bekommen, d. i. 
doch nichts anderes, als durch die schlimmste Bedrängniss erfahren, 
was sie an ihrem Oberkönige haben, Agamemnon aber seine Ate er- 
kennen, dass er den besten der Achaeer für nichts geachtet. Letztere 
Erkenntniss, in Parallele gestellt mit dem ἐπαύρωνται, kann damit 
auch nur als eine thatsächliche Erfahrung, als das Ergebniss der 
äussersten Bedrängniss gedacht sein. Die Bestätigung dieser Voraus- 
setzung der äussersten Bedrängnis giebt ausser IZ 66 fl. auch 
II 237 fl. und Σ 74 ff, wo er nach den Ereignissen der vorher- 
gehenden Bücher die Erfüllung seines Wunsches anerkennt, zum Theil 
mit ähnlichen Worten. Nun ist im Anfange des neunten Buches ohne 
Zweifel jene von Achill A 240 verkündigte Situation verwirklicht: 
infolge der Niederlage im achten Buch ist jene allgemeine Sehnsucht 
nach Achill eingetreten, Nestor giebt in der Boule dieser Stimmung 
Ausdruck 103 fl., Odysseus spricht es Achill gegenüber offen aus 
230. 231, dass nur in ihm das Heil. Agamemnon, rathlos und ver- 
zweifelt, empfindet Reue über die dem Achill zugefügte Beschimpfung. 
Aber noch mehr, er erkennt 115 fl. vgl. mit 110 seine Ate an, dass 
er den besten der Achaeer für nichts geachtet, denn er sieht in der 
Niederlage der Achaeer Zeus’ Walten, der damit Achill ehrt. Sonach 
könnte es scheinen, als ob der wesentlichste Wunsch Achills erfüllt 
wäre, wenn die Absendung der Achill liebsten Männer (521 f.), das 


18 Kritischer und exegetischer Anhang. T. 


Anerbieten überreicher Sühngaben, die Anerkennung, dass Achill allein 
helfen kann, hinreichend Zeugniss für die Sinnesänderung Agamemnons 
geben. Allein für Achill fehlt die Verwirklichung der Thatsachen, 
auf deren Grund er erst eine wirkliche Erkenntniss seiner. Ate beim 
Agamemnon annehmen kann: für ihn ist noch nicht die Bedrängniss 
eingelrelen, die er vor Augen hatte in seinen Worten an Thetis und 
von deren schmerzlichen Folgen er allein eine genügende Sühne er- 
wartet. In der That kann die an diesem Tage erfolgte Niederlage der 
Achaeer nicht als dem entsprechend angesehen werden, was Achill 
4A 408—412 bezeichnet. Das achte Buch zeichnet die äusserste 
moralische Niederlage der Griechen: die physische Noth derselben be- 
schränkt sich darauf, dass dieselben hinter ihre Verschanzungen zurück- 
gedrängt sind, wobei Hektor manchen erlegt hat vgl. © 213—215. 
340 ff. Noch liegen Mauer und Graben schützend zwischen ihnen und 
den Troern. Erst was in Folge dieser ersten Niederlage droht, die 
Erstürmung der Mauer, das Vordringen Hektors bis zu den Schiffen, 
die Bedrohung dieser selbst im mörderischen Kampfe, das ist, was 
Achill ersehnt, was nach seiner Ansicht den Achaeern die Einsicht 
verschaflen, was sie an ihrem Oberkönige haben, den Agamemnon zur 
Erkenntniss seiner Ate bringen kann. 

Dem entsprechend ist das Verhalten Achills dem Sühneversuch 
gegenüber durchaus consequent. Zwar erkennt er die in der Nieder- 
lage der Griechen ihm von Zeus zu Theil gewordene Ehre an (608), 
aber er weist die Anerbietungen Agamemnons als ungenügend die 
Kränkung zu sühnen zurück (387), achtet sie seinem unbefriedigten 
Rachegefühl gegenüber für nichts (378). Weit entfernt von der Ueber- 
zeugung, dass Agamemnon zur Erkenntniss seiner Ate gekommen (377), 
sieht er in dem Sühnanerbieten nur eine Versuchung zu neuem Truge 
(345 vgl. 375 f.) und setzt noch fortwährend bei demselben eine 
feindselige Haltung voraus (371). Andrerseits ist es bemerkenswerth, 
dass Odysseus, die Tiefe seines Grolles wohl ermessend, keineswegs 
den reichen Ersatz für die Entziehung der Briseis hervorhebt, wie der 
schlichte Aias thut (638), ja selbst die Möglichkeit andeutet (300), 
dass sein Groll gegen Agamemnon zu lief eingewurzelt sei, als dass 
er in den angebotenen Gaben eine genügende Sühne finde, dagegen 
allen Nachdruck auf die Bedrängniss der Achaeer legt, diese in den 
lebhaftesten Farben schildert und zugleich durch die Aussicht auf die 
Erlegung des siegesstolzen Hektor seinen Ehrgeiz zu entflammen sucht, 
gleichsam zur Ableitung seines verletzten Ehrgefühls. Wenn Achill 
aber diesen Vorstellungen unzugänglich bleibt, so ist darum doch die 
Presbeia nicht ohne allen Erfolg. Durch Phoenix’ Rede in seinem Ent- 
schluss 'heimzukehren wankend gemacht (618 f.), hat er nach Aias’ 
Rede denselben bereits definitiv aufgegeben und eröfet wenigstens 
die Möglichkeit einer 'Theilnahme am Kampfe, freilich nur, um seine 
eignen Schiffe zu vertheidigen, also unter Vorausselzung der schmäh- 
lichsten Bedrängnis der Achaeer, wie er sie früher ersehnt hat und 
auch jetzt festhält. Und hier ist der Punkt, an dem der Dichter die 


Kritischer und exegetischer Anhang, 1. 79 


ersten Regungen der Theilnahme für den Verlauf des Kampfes an- 
knüpfen konnte im elften Buche (600). 

Auch im Uebrigen sind die Beziehungen des neunten Buches auf 
das erste unverkennbar. Der Gedanke, dass die Achaeer ebenso wenig 
Mitleid verdienen, als Agamemnon, den Achill I 315 f. andeutet, ist 
vorbereitet durch A 231 f. 299, wie 410 in πάντες, in Ueberein- 
stimmung mit II 18. Ferner liegen der Ausführung I 316— 336 
die von Achill 4 158—171 und 226 ff. zu Grunde. Eine Differenz 
bleibt allerdings in der Entwicklung der Momente, welche im ersten 
Buch der epischen Handlung als Grund legend vorgezeichnet sind: die 
Bitte der Thetis, wie sie A 508—510 vorliegt, scheint mit der Pres- 
beia erfüllt und damit für Zeus die Veranlassung zu weiterem Ein- 
greifen, um Achill zu ehren, erledigt. Denn Thetis bezeichnet als 
Endpunkt dieser Thätigkeit des Zeus ὄφρ᾽ ἂν ’Ayaıoi ὑιὸν ἐμὸν τίσω- 
σιν ὀφέλλωσίν τέ ὃ τιμῇ. Gleichwohl fährt auch nach der Presbeia, 
wie er schon © 470 f. ankündigt, Zeus am folgenden Schlachttage 
fort zu Gunsten der Troer einzugreifen, und zwar mit der ausdrück- 
lichen Angabe, dass er dadurch die Thetis und den Achill ehren und 
die Bitte der Thetis erfüllen wolle: N 350. (O 72 M). 233 |. 
596 ff. Beachtenswerth ist dabei, dass im Zusammenhange mit der 
beabsichtigten Anzündung der Schiffe es Ὁ 598 heisst: Θέτιδος δ᾽ 
ἐξαίσιον ἀρὴν πᾶσαν ἐπικρήνειε. 


Anmerkungen. 


1-8. Der Anfang des Buches (bis 79) wurde von J. Bekker 
in den Monatsberichten der Berlin. Acad. 1864 (= Homer. Blätt. II 
p- 33—36) einer scharfen, verwerfenden Kritik unterzogen. Einige 
seiner Aussetzungen, namentlich in Betreif des Begriffs von φύξα V. 2, 
sowie des Vergleichs V. 4 If. sind treffend zurückgewiesen von Lehrs 
Aristarch. ?p. 382—384. Auch Düntzer homer. Abhandlungen p. 60 
findet zur Verdächtigung von 1—88 keinen Grund, wenn man 84---89 
und 68—78 ausscheide, verwirft aber im Aristarch p. 102 fl. V. 3. 
12. 14—16. 23—25. 33—39. 44. 46—49. 57—59. 63. 64. 66—90. 
Bergk griech. Literaturgesch. I p. 596 verwirft V. 8 bis 88, und auch 
Bernhardy Grundriss d. gr. Lit. II, 1, p. 164 urtheilt über die Ein- 
leitung des Buches ungünstig. — Zu φύξα vgl. Zehrs Aristarch ?p. 77, 
auch Dissen kl. Schrift. p. 353. — Die Scheidung der Bedeutungen 
von βεβόλημαι und βέβλημαι V. 3 ist ebenfalls eine Beobachtung 
Aristarchs: vgl. Zehrs Aristarch. ?p. 64. — 4. Ueber die aus Natur- 
schilderungen, wie die in diesem Vergleich vorliegende, für die Hei- 
math des Dichters zu ziehenden Folgerungen vgl. Bergk griech. 
Literaturgesch. I p. 450 f. — 5. Die ionische Form Βορρῆς statt des 
handschriftlichen βορέης wird hier und % 195 verlangt von Sachs 
de digammo ejusque usu apud Hom. etc. Berlin 1856 p. 39, Rasch 
de productione brevium syllabarum in lliade, Halle 1865 p. 7, und 
ist von Dindorf geschrieben. Vgl. auch G. Curtius griech. Etym, 


80 Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 


ἀρ. 594. — 7. παρέκ und ähnliche componierte Praepositionen er- 
örtert Spitzner im XVII. Excurs. 

14. Das Gleichniss wird au dieser Stelle nach Zenodot’s Vor- 
gange (Düntzer enod. 174) von Düntzer homer. Abhandlungen 
p- 499. 500 verworfen, was derselbe näher begründet im Aristarch 
p- 104. Als Nachahmungen desselben bei Zuripides führt Lechner 
de Homeri imitatione Euripidea, Erlangen 1864, p. 22 an: Andromach. 
116. 523—525. Suppl. 81—83. 

17—28. Die Interpunktion nach φίλοι V. 17 ist gegeben nach 
Nicanor ed. Friedlaender p. 197. — Ueber die doppelte Verwendung 
der folgenden Worte hier und B 111—118, 139—141 vgl. 0. Müller 
griech, Literaturgesch. I p. 93, Gladstone hom. Stud. p. 320, Baeum- 
lein im Philolog. XI p. 421, Nitzsch Beiträge p. 371, Gerlach im 
Philol. XXX, p. 32, Aiene Komposition p. 217 und dagegen Zach- 
mann’s Betrachtungen p. 27, Bernkardy Grundriss der gr. Lit. II, 1, 
p. 164. — 23—25. Aristarch verwarf (vgl. Friedlaender Aristonic. 
p. 154) diese drei Verse hier als ungeeignet, während sie bei der 
Versuchung B 116 am Platze sein. Allein Bekker hat Homer. 
Blätt. Il, p. 111 gezeigt, dass dieselben auch im 2ten Buche aus- 
zumerzen sind, weil sie den Zusammenhang völlig stören. Der Athe- 
tese derselben im 9. Buche stimmen zu Baeumlein im Philol. XI 
p. 421, Nitzsch Beiträge p. 371, Anmerk. 82, Düntzer homer. 
Fragen p. 196, Moritz de lliadis IX libro p. 32. — Auch Zenodot 
und Aristophanes verwarfen diese Verse, Zenodot überdies 26—31: 
vgl. Düntzer Zenodot. p. 164 und 147. 

32—49. Wegen der Beziehung auf Agamemnons Heerschau 
(4 370) sieht iu V. 34—36 Bergk griech. Literaturgesch. I p. 596 
die Zuthat des Diaskeuasten, auch Nitzsch Sagenpoesie p. 337, anders 
urtheilen Xiene Komposition p. 218 und Gerlach im Philol. XXX 
p- 22 f., der nach Dionys von Halicarnass in diesem Vorwurf gegen 
Agamemnon einen rhetorischen Kunstgriff sieht: “Die Anklagen, welche 
Diomedes gegen den König ausspricht, dienen in Wirklichkeit nur der 
Sache desselben, indem sie das Heer der Hellenen zum Ausharren er- 
muthigen. Er stellt sich erzürnt gegen Agamemnon, weil dieser den 
Griechen die ehrlose Zumuthung gestellt hat nach Hause zu fliehen, 
er fordert ihn auf lieber selbst abzusegeln, und kommt so zum Ziele 
seiner Rede: „Die übrigen Achaeer werden Stand halten, bis Troja 
zerträmmert ist.“? Vgl. indess Croiset de publicae eloquentiae prin- 
cipüs etc. p. 57 1. — 42. ὥς re — sodass ist dem homerischen 
Gebrauch fremd bis auf eg 21 und die vorliegende Stelle. Hier will 
Lehrs Aristarch. ?p. 157. 158 unter Zustimmung von Nitzsch Sagen- 
poesie p. 175 die Partikel beseitigen, indem er ἀπονέεσϑαι an die 
Stelle von ὥς re νέεσθαι setzt. Vgl. indess Friediaender in Jahrbb. 
£. class. Philol. Suppl. ΠῚ p. 773, auch Fleischer de primordis graeci 
accusativi cum infinitivo ac peculiari ejus usu Homerico, Lips. 1870 
Ρ. 27. Ueber die Construction selbst nach Verben des Wollens, Kön- 
mens u. ähnl. vgl. Aken Grundzüge der Lehre von Tempus und Modus 


Kritischer und exegetischer Anhang. T. 81 


im Griech. p. 130. — 44. Aristarch (vgl. Friedlaender Aristonic. 
p- 155) sah richtig, dass der Gedanke ohne den Zusatz dieses Verses 
ausdrucksvoller und wirksamer sei: ἐφορμοῦσιν af νῆες, was Fried- 
lgender erläutert: speculantur quodammodo, cupide exspec- 
tant iter ingredi volentes, inhiant itineri. Vgl. auch Moritz 
de liad. libr. IX p. 32, Düntzer Aristarch p. 107. — 46. Die von 
den Worten εἰ δέ bis φευγόντων gegebene Aulfassung ist die des 
Nicanor (ed. Friedlaender p. 198, vgl. p. 30), die von Rhode 
'homerische Miscellen, Moers 1865 p. 15 bekämpft, jetzt von Z. Zange 
de formula Homerica εἰ δ᾽ ἄγε, Leipz. 1873 p. 21 mit überzeugen- 
den Gründen zur Geltung gebracht ist. — Ueber die Wendung σὺν 
ϑεῷ 49 und verwandtes spricht Zehrs populäre Aufsätze p. 128, 
hinsichtlich der Praeposition σύν vgl. Mommsen Entwicklung einiger 
Geseize etc. p. 38. 

53—78. Ueber die folgende Rede urtheilt Bernhardy Grund- 
riss I, 1 p. 164: “Nestors Worte sind ein tonloses Emblem und 
sollten fast nur den Raum füllen.” — Ueber den auffallenden Gebrauch 
von werd mit Accus. in V. 54 vgl. Giseke die allmäliche Entstehung 
der Ilias etc. p. 111. — 57. Ueber ἦ μὴν καί vgl. auch Zehrs 
Aristarch. ?p. 74. — V. 59 ist von den neueren Ierausgebern all- 
gemein verworfen. — 63. 64. Anders erklärt diese Gnome Preuner 
über die erste und letzte Stelle der Hestia-Vesta in Cultushandlungen 
und die Göttin Hestia bei Homer, Tübingen 1862, p. 49: „Ohne Ver- 
wandtschaft, ohne Recht, ohne Feuer(herd) ist (verdient zu sein), wer 
u. s. w.“, wobei er an das heilige Opferfeuer gedacht wissen will, 
dessen Mangel für jene Zeit das wichtigste, das entscheidende Moment 
im Begriff der Heimatlosigkeit sei, auch Aschenbach über die Erinyen 
bei Homer, Hildesheim 1859 p. 5 denkt an die Gemeindealtäre, denen 
z. B. der Mörder als unrein, hätte fern bleiben müssen. Vgl. aber 
Naegelsbach homer. Theol. ?p. 275, Riedenauer Handwerk und 
Handwerker p. 22, Haake der Besitz und seın Werth im homerischen 
Zeitalter, Berlin 1872, p. 5. — Ueber die Verwendung dieser Gnome 
bei späteren Schriftstellern vgl. Nitzsch Sagenpoesie p. 334. 340. 
Uebrigens hat Friedlaender Analecta Homerica p. 16 dieselbe als den 
Zusammenhang störend beseitigen wollen, ebenso Moritz 1. 1. p. 32, 
Düntzer Aristarch p. 108, Franke bei Facsi. ' Vgl. dagegen Gerlach im 
Philol. XXX p. 35 f. — 70 ff. Ueber die Gerontenmahlzeiten vgl. Schoe- 
mann griech, Altert. I p. 26. In den folgenden Versen ist die aus- 
drückliche Hinweisung auf die grossen Vorräthe, die dem Agamemnon 
die Bewirthung der Geronten ermöglichen, sehr auffallend. Die Worte 
klingen fast, wie Gladstone hom. Studien p. 297. 356 meint, als ein 
leiser Hinweis auf die dem Agamemnon sonst von Achill besonders 
vorgeworfene Habsucht oder auch Geiz — ein Hinweis, der gerade 
hier, wo Nestor eben nach dem schneidigen Wort 63. 64 einlenkt 
und dem Agamemnon die Initiative überlässt 69, am wenigsten passend 
scheint. Seltsam ferner ist der durch die anaphorische Voranstellung 
von πολέεσσι und πολλῶν gebundene Uebergang von 73 auf 74, 
Φ Anhang zu Ameis, Homors Tlias I, 3. ὃ 


89 Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 


während doch in dem Gedanken gar nichts Verbindendes liegt. Danach 
kann man zweifeln, ob 71—73 ursprünglich sind. — ἡμάτιαι 72 
erläutert Bergk griech. Literaturgesch. I p. 784. Anders Kirchhoff 
im Hermes I p. 265. Ueber den Handelsverkehr der Thraker vgl. 
Riedenauer Handwerk etc. p. 57. — V. 74 behandelt Paech über 
den Gebrauch des Indicat. fut. als modus jussivus bei Homer p. 12, 
der mit Recht die Auffassung des Fut. reisen als Ausdruck einer 
Aufforderung zurückweist und dasselbe in potentialem Sinne erklärt, 
— In 78 sieht Bergk griech. Literat. | p. 596 eine ungeschickte 
Nachbildung von © 541. 

107. Anders erklärt ἔβης ἀπούρας Düntzer in seiner Ausgabe 
2. St., vgl. Grossmann Homerica p. 23. 

113. In diesem Verse sieht Düntzer Aristarch p. 140 einen 
späteren Zusatz. 

115—161. Ueber die Verschuldung des Agamemnon vgl. die 
Bemerkungen von Nitzsch Beiträge p. 370 und das Bekenntniss der- 
selben p. 373. Den Begriff der ἄτη erörtert Buttmann Lexilogus 
41 p. 210 M. Naegelsbach hom. Theol. ?p. 317 Π und Lehrs 
popul. Aufsätze p. 223 f., vgl. auch Teuffel zur Einleitung in Homer 
p- 26, Nitzsch Sagenpoesie p. 512. — 118 wird von Düntzer Ari- 
starch p. 141 als späterer Zusatz angesehen. — 121. Ueber die in 
der Anmerkung zu dieser Stelle und H 87 bemerkte Anlehnung des Con- 
junetivs an ein vorhergehendes Futurum handelt Delbrück der Gebrauch 
des Conjunctivs und Optativs etc. Halle 1871 p. 124 f., vgl. auch Philol. 
ΧΧΙΧ p. 132. — 122, Die ἄπυροι τρίποδες könnten auch zum Schmuck 
bestimmt sein, wie die kunstreichen des Hephaestos Σ᾽ 373 — 377, 
wie Riedenauer Handwerk p. 104 und Andere meinen, so dass ἄπυ- 
ρος den Sinn hätte: die überhaupt dem Feuer fern bleiben, allein die 
epexegetische Erläuterung von ἄπυρον W 267. 268 durch λευκὸν 
ἔτ᾽ αὔτως spricht für die gewöhnliche Erklärung, die auch Fogel de 
supellectili in Homeri Iliade et Odyssea illustranda, Halle 1866 p. 32 
vertritt. Hinsichtlich des Stoffes vermuthet Riedenauer a. O., dass 
da das Erz (χαλκός ἃ. i. Kupfer) das älteste bekannteste Metall der 
Griechen war, alle Gegenstände zum gewöhnlichen Gebrauche aus Erz 
gemacht waren, auch in der Zeit, da man das Eisen schon kannte, 
mithin auch hier an echte Kupferschmiedearbeit zu denken sei. — 
Ueber das homerische Talent vgl. Friedreich Realien p. 279, Hultsch 
Metrologie p. 104, Boeckh meirolog. Untersuchungen p- 35. — 
125—127 werden von Bergk griech. Literaturgesch. I p. 597 wegen 
der Beziehung auf die Agonen als jüngere Zuthat bezeichnet. — 
128. Ueber Aristarch's Lesart (ἀμύμονα oder ἀμύμονας ἢ vgl. Zehrs 
bei Friediaender Aristonie. p. 156. — 129. Eine Zusammenstellung 

Ὁ aller bei Homer erwähnten Begebenheiten, die vor der llias liegen, 
findet man bei Nützsch Beiträge p. 202 f. — 134. Den Begriff von 
ϑέμις an dieser Stelle im Unterschiede von δίκη erörtert Allikn de 
idea justi qualis fuerit apud Hom. et Hesiod. Halle 1847 p. 24. — 
137. Eine sehr unwahrscheinliche Auffassung der Stelle mit veränder- 

. 


Kritischer und exegetischer Anhang. TI. 83 


ter Interpunktion giebt Bekker homerisch. Blätt. I p. 217. Ueber 
Jen Anklang νῆα — νηησάσϑω vgl. Lehrs Aristarch. ἦρ. 455. 
Uebrigens verwirft Düntzer Aristarch p. 142 V. 138 als spätere 
Interpolation. — 140. Eine besondere Beziehung sucht in dem Bei- 
namen der Helena ’Agyein Gladstone homer. Stud. p. 70. — 141. Ueber 
εἴ κε mit Optativ vgl. Z. Zange der homer. Gebrauch der Partikel 
εἰ ll, p. 493 ff. — 146. Ueber die ἕδνα sowie weilte 147 handelt 
Nitzsch au α 277, Schoemann griech. Alterth. I p. 52, Naegelsbach 
hom. Theol, ?p. 256. — Die Composition ἐπιμείλια, welche Aristarch 
wollte und die etwa aus der Wendung ἕδνα, ὅσσα φιλεῖ φίλης ἐπὶ 
παιδὸς ἕπεσϑαι (vgl. Lehrs Aristarch. ?p. 110) zu erklären wäre, 
ist von den Neuern mit Recht verworfen: vgl. Hoffmann homer. 
Untersuchungen. Nr. 2, die Tmesis in der Ilias, Lüneburg 1858 
p. 16. — 149. Zu der Schenkung der Städte vgl. Schoemunn griech. 
Alterth. I p. 34. Düntzer Aristarch p. 142 verwirfi V. 149—156 
als späteren Zusatz. — 154 fl. Ueber den Werth des Heerdenbesitzes 
in der homer. Zeit vgl. die Zusammenstellung bei Büchsenschütz, 
Besitz und Erwerb p. 208 f., auch Haake der Besitz und sein Werth 
im homer. Zeitalt. p. 10. — In der Erklärung der δωτῖναι und 
ϑέμιστες bin ich Schoemann griech. Alterth. I p. 35 gefolgt, welcher 
vermuthet, dass die Einwohner solcher Landstriche, die Privateigen- 
thum der Könige waren, einen Theil ihres Ertrages als Steuer ent- 
richteten, während anderswo die Einwohner von solcher Steuer frei 
waren. Aehnlich Allikn de idea justi etc. p. 25. Als eine für die 
Rechtspflege zu leistende Gebühr fassen die ϑέμιστες Nitzsch zu 
α 117, Naegelsbach hom. Theol. ?p. 279, Gladstone hom. Stud. 
p- 298. Eine von diesen ganz abweichende Erklärung nach den 
Alten in, Ebeling’s Lex. Hom. s. v. ϑέμις. — Ueber die Dehnung 
kurzer Silben vor ὥς vgl. Hartel hom. Stud. I p. 76. — 158—161 
verwirfl Düntzer Aristarch p. 143 als Zusatz eines Rhapsoden. — 
Lechner de Aeschyli studio Homerico, Erlangen 1862, p. 25 ver- 
gleicht zu dieser Stelle Aeschyl. fragm. 168: 


μόνος ϑεῶν γὰρ Θάνατος οὐ δώρων ἐρᾷ, 
μόνου δὲ Πειϑὼ δαιμόνων ἀποστατεῖ, 


womit auch verglichen werden kann der Vers bei Platon. Republ. 1] 
p- 390 E: 
δῶρα ϑεοὺς πείϑει, due’ αἰδοίους βασιλῆας. 


164. Der durch οὐκέτι bewirkten Steigerung des Begriffs im 
Positiv entspricht der spätere Gebrauch von ἤδη zur Steigerung des 
Superlativs, wie Herodot VII, 105 μεγίστη τίσις ἤδη, Thucydides 
VI, 31 μέγιστος ἤδη διάπλους, vgl. Stein zu Herodot. II, 148, 4 
und VIN, 105, der die Partikel freilich erklärt — ἦ δή “iraun wahr- 
lich’, und Kühner auslührl. Gramm. II p. 677. — 167. Interpunction 
und Erklärung ist gegeben nach Classen Beobachtungen p. 34 und 
L. Lange de formula Homerica εἰ δ᾽ ἄγεν Leipz. 1873 p. 14—17, 

8: 


84 Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 


der zur Bildung der Periode die Formel vergleicht: ἀλλ᾽ ἄγεϑ᾽, ὡς 
ἂν ἐγὼν εἴπω, πειϑώμεϑα πάντες. — 168. Ueber die Unwahrschein- 
lichkeiten, an welchen die Einführung des Phoenix hier bei der Ge- 
sandtschaft leidet, vgl. Schoemann de reticentia p. 15, la Roche 
die Erzählung des Phoenix vom Meleagros p. 8 f., Düntzer Aristarch 
p- 138, ‘Bergk griech. Literat. I p. 595, vgl. p. 540 u. 543 und 
dagegen den Versuch alle Bedenken zu beseitigen bei Kiene Komposi- 
tion p. 310. Von geringer Bedeutung ist, dass wir hier zum ersten 
Mal überhaupt von Phoenix hören, ohne dass der Dichter für nöthig 
hält uns näher mit seiner Persönlichkeit bekannt zu machen; wie es 
aber mit seiner Stellung als Vasall und Unterbefehlshaber des Achill 
verträglich sei, dass er sich während Achills Groll in der Umgebung 
des Agamemnon und zwar nicht mur vorübergehend etwa bei der 
Heeresversammlung und der Boule der Geronten (vgl. 427. 658.) be- 
fand, darüber vermissen wir jede Andeutung;; andrerseits aber erschwert 
der Dichter uns selbst die Möglichkeit eine solche Trennung von 
Achill wahrscheinlich zu denken, da Phoenix selbst die Berechtigung 
Achills zu grollen bis zu Agamemnons Sühneversuch ausdrücklich an- 
erkennt (515—523), die Möglichkeit sich von Achill zu trennen als 
ganz undenkbar zurückweist (437). Lassen diese nicht hinwegzuleug- 
nenden Widersprüche und Bedenken vermuthen, dass Phoenix erst 
später in die Gesandtschaft eingefügt ist, um denselben in eindring- 
licher Rede auf seinen Zögling einwirken zu lassen, so scheinen Bergk 
in den auffallenden Dualen 182. 183. 192. 196. 197. 198 selbst 
noch die Spuren der ursprünglichen Fassung vorzuliegen, wonach nur 
Aias und Odysseus die Gesandtschaft bildeten; auch bei dem Eintritt 
der Gesandtschaft in Achills Zelt ist von Phoenix gar nicht die Rede, 
während man, wenn Phoenix nach der Ansicht des Dichters nicht 
eigentlich als Gesandter (vgl. 520 f.) angesehen werden sollte, sondern 
nur als einführender Begleiter, nach dem Φοῖνιξ ἡγησάσϑω 168 hier 
doch wenigstens irgend eine dem entsprechende Beihätigung desselben 
erwarten sollte. Diesem Bedenken sollte wohl Aristarch’s Erklärung 
von ἔπειτα 169 in temporalem Sinne — μετὰ ταῦτα begegnen, wo- 
nach Phoenix zuerst sich in das Zelt des Achill begeben und Jdann 
erst Aias und Odysseus als die eigentlichen Gesandten nachfolgen 
sollten: vgl. Zehrs Aristarch. ?p. 151, Friedlaender Aristonic. 
p- 158. 

180. δενδίλλω wird von Fick vgl. Wörterb. 3p. 106 und 
Curtius Eiymol. *p. 546 von W. dar, abzielen auf, blicken, be- 
rücksichtigen (vgl. ünd-ög« und den Stamm dag in ἔδρακον) ab- 
geleitet als reduplicierte Form aus δεν-διλ-΄ω: Vgl. auch Fritzsche 
in Curtius Stud. VI p. 315. Uebrigens hält Düntzer Aristarch p. 144 
diesen Vers für später eingeschoben, ebenso 182—185 und 192. 

183. Ueber die Wahl der Gottheit, an die der Betende sich 
wendet, vgl. Zehrs popul. Aufsätze p. 138, auch Naegelsbach hom. 
Theol. ?p. 216. 

185. Zur Versbildung (Enclitica in der dritten Arsis) vgl. Giseke 


Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 835 


'hom. Forschungen p. 61. — 187. 188 hält Düntzer Aristarch p. 145 
für iuterpoliert. Vgl. Aristonie. ed. Friedlaender p. 159. 

189. Ueber den Gesang des Achill vgl. Nitzsch Beiträge p. 33, 
Welcker Ep. Cycl. p. 340, Bergk griech. Literaturgesch. I p. 347. 
473. 733, der aus dem Fehlen eines Sängers von Beruf im griech. 
Heerlager im Vergleich zu dem bedeutsamen Hervortreten des Sänger- 
standes in der Odyssee schliesst, dass eben durch die Ilias ein mäch- 
tiger Anstoss für die Sängerthätigkeit gegeben sei. Dass unter den 
χλέα ἀνδρῶν einzelne Heldenthaten, einzelne Abenteuer, in Einzel- 
liedern besungen, zu verstehen sein, führt Zauer Geschichte der homer. 
Poesie p. 197 aus. 

195. Moritz 1. 1. p. 32 zweifelt an der Aechtheit des Verses, 
doch ohne Angabe der Gründe. Ebenso Düntzer Aristarch p. 145, 
der dann auch 196— 199 verwirfl. — 196. Das Beiwort πόδας" 
ὠκύς scheint Homer von früheren Dichtern überkommen zu haben, 
„welche die Jugendzeit des Helden und die Kämpfe schilderten, die 
der frühreife Knabe in der Pflege des Kentauren Chiron mit den ge- 
waltigen Thieren des Waldes bestand, wo ebenso die ungewöhnliche 
Körperkraft, wie die Schnelligkeit des Achilles hervortrat.“ Bergk 
griech. Literaturgesch. I p. 348. 

197. Ein Hauptgrund für die Verwerfung von 196—199 waren 
für Düntzer Aristarch p. 146 auch die nach der gewöhnlichen Er- 
klärung durchaus „gegen die feine Sitte der Gastfreundschaft ver- 
stossenden Worte ἢ tu μάλα χρεώ: denn, sagt,er mit Recht, “Achilleus 
kann unmöglich so roh sein, moch ehe er die Gastfreunde be- 
wirthet, auf so schadenfrohe Weise auf den Zweck ihrer Sendung 
hinzudeuten.’ Bothe’s Conjectur ἤ τε und die darauf begründete Er- 
klärung Doederlein’s (Glossar $ 779) sind unannehmbar; die in der 
Anmerkung gegebene Erklärung, welche einen treffenden Gedanken er- 
giebt, dürfte sich durch den Zusammenhang mit dem folgenden Verse 
empfehlen. 

203. Ueber die in den besten Handschriften sich findende Form 
κέραιε, welches die Lesart des Aristarch war (la Roche hom. Text- 
kritik p. 128 f.), vgl. Zeskien in Curtius Stud. II p. 112. 

206 ff. Die Eigenthümlichkeiten in der Beschreibung der folgen- 
den Zurüstung des Mahles erörtert Friedlaender im Philol. VI p. 252 
und in Jahrbb. f. class. Philol. Suppl. ΠῚ p. 780. 

212. Neben der im Text gegebenen Lesart gab es (vgl. Aristo- 
nic. ed. Friediaender p. 159) eine andere, von Aristarch ver- 
worfene: αὐτὰρ ἐπεὶ πυρὸς ἄνθος ἀπέπτατο παύσατο δὲ φλόξ, 
welche übrigens nach A. Nauck in Z. f. AW. 1855 p. 273 durch 
Plutarch mor. 934°, Schol. Aesch. Prom. 7, Hesychius πυρὸς dvdog 
bezeugt ist. Vgl. auch Bergk gr. Literat. I p. 548. 

218—220. Zweifel gegen diese Verse äussert Düntzer Aristarch 
p. 147. — 219. Ueber ϑύειν und ϑυηλαί vgl. Lehrs Aristarch. 
2p. 82 1. 

225-506. Wie sehr eine genaue und umfassende Untersuchung 


86 Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 


neunten Buches zu analysieren, nach ihren Eigenthümlichkeiten zu be- 
stimmen und Inhalt und Ausdruck aus den Charakteren der Redenden, 
wie der gegebenen Situation zu begreifen versucht. Eine leider ver- 
einzelt gebliebene Probe einer solchen genaueren Untersuchung der 
Reden gab. Joh. Zahn Betrachtungen über den Bau der homerischen 
Reden. Barmen 1868, für A 1—303. Eine umfassendere Betrachtung 
und Vergleichung der Reden liegt der neusten Monographie über die 
Beredtsamkeit bei Homer zu Grunde: Croiset de publicae eloquentiae 
prineipiis apud Graecos in Homericis carminibus. Monspelii 1874, 
aber diese beschränkt sich im Wesentlichen darauf zu untersuchen, 
in welcher Weise die einzelnen Seiten der spätern kunstvoll geglieder- 
ten Rede (narratio, argumentatio, affeetus, dispositio) in den homeri- 
„schen Reden behandelt werden, und wenn diese verdienstliche Unter- 
suchung auch manche treffende Beobachtung zur Charakterisierung der 
homerischen Beredisamkeit im Allgemeinen giebt, so vermisst man 
doch hier die genauere Einzeluntersuchung, welche bei der ganzen 
Frage unerlässlich ist. Auch was sonst in neuerer Zeit über die Be- 
redtsamkeit bei Homer geschrieben ist, berührt nur einzelne Seiten 
der Frage und auch diese nicht erschöpfend: über den Werth der 
Rede, die Mannigfaltigkeit der Redner und der verschiedenen Arten 
der Rede spricht Gladstone hom. Stud. p. 321 ., über die Reden 
als Mittel der Charakterzeichnung Hemmerling welcher Mittel bedient 
sich Homer zur Darstellung seiner Charaktere, Neuss 1857 p. 9 f. 14, 
und in specieller Anwendung auf Achill Hess komische Elemente 
p- 25 Γ᾿, ein Versuch die Hauptredner als Repraesentanten einer be- 
sondern Stylgattung zu charakterisieren bei Gerlach im Philol. XXX 
p- 33 f. Die ältere Literatur, sowie die Urtheile der Alten über die 
homerische Beredtsamkeit findet 'man bei Zauer Geschichte der homeri- 
schen Poesie p. 35 f. vgl. Bernhardy Grundriss der griech. Literat. 
I, 1, p. 63 f. — Die Alten erkannten die Vortrefllichkeit der Reden 
des neunten Buches au; dagegen trägt nach Zachmann’s Urtheil (Be- 
trachtungen p. 26) alles den Stempel der Nachahmung, und auch vor 
Düntzer's Kritik (Aristarch p. 147 ff.) bestehen nur wenige Partien. 
Anders urtheilen Hoffmann im Philol. Ill p. 218, Geppert Ursprung 
der homer. Gesänge I p. 191, welcher üher die Rede des Odysseus 
bemerkt: “Dieses Stück gehört wohl mit zu dem Ausgezeichnetsten, 
was uns die antike Poesie überliefert hat’, Moritz de lliadis libr. IX 
p- 2 f., Nitzsch Beiträge p. 71, Gladstone homer. Stud. p. 324 M., 
Genz zur ‚Ilias p. 31, Bernhardy Grundriss d. gr. Lit. Il, 1, p- 165. 
Versuchen wir eine Analyse der Rede des Odysseus. 

Für die Beurtheilung der Rede kommt vor allem in Betracht, auf 
welchen Standpunkt Odysseus bei dem Versuch Achill zur Aufgabe 
seines Grolls und zur Theilnahme am Kampfe zu bestimmen, von vorn- 
herein sich stellt: und da ist bedeutsam, dass er sich nicht als Ab- 
gesandten und Vertreter des Agamemuon einführt, sondern der Achaeer, 
wie dem entsprechend auch Achill 421 seine Antwort den Edlen der 
Achaeer überbringen heisst. Eingedenk der feierlichen Verkündigung 


Kritischer und exegetischer Anhang. I. 87 


der homerischen Reden nach allen Seiten Bedürfniss wäre, kann man 
nicht lebhafter empfinden, als wenn man die grossen Reden des 
Achills 4 240 if. vgl. 340 f., und wohl wissend, dass die Noth der 
Achaeer und die Anerkennung, dass nur Achill allein helfen könne, 
ihm vor allen Befriedigung gewähren werde, stellt er die Bedrängniss 
der Achaeer in den Vordergrund, plaidirt für diese, berührt dagegen 
Agamemnons Verhältniss zu Achill nur soweit als unumgänglich nöthig 
ist. So redet er nicht von Agamemnons Verzweiflung, nicht von dem 
reumüthigen Bekenntnis seiner Schuld und der bereitwilligen Annahme 
des Sühnevorschlags und lässt sich damit Momente entgehen, welche 
auf einem andern Standpunkte wirksam verwendet werden konnten, ja 
er giebt (300) selbst die Möglichkeit zu, dass Achills Groll durch das 
Sühneanerbieten nicht gestilll werden könne — dies alles, um in Bezug 
auf den Streit zwischen Agamemnon und Achill möglichst unbefangen 
zu erscheinen und mit um so grösserem Nachdruck die Motive geltend 
zu machen, auf welche er das grösste Gewicht legt, Mitleid mit den 
bedrängten Achaeern und die Rücksicht auf die zu erwartende Ehre: 
auf jenes ist die lebhafte Schilderung der Noth der Achaeer berechnet, 
auf Achills Ehrgeiz zu wirken dient schon die Zeichnung Hektors 238 ff., 
seines Uebermuths und seiner Drohungen, dann die Aussicht ihn zu 
erlegen (304 f.) und dadurch die grösste Ehre bei den Achaeern zu 
erlangen (302 1.). 

Gleichwohl können diese Motive nicht wirken, so lange Achills 
Groll gegen Agamemnon nicht wenigstens erschüttert ist. Odysseus 
beschränkt sich daher nicht darauf, die von Agamemnon angebotene 
Sühne zu seiner Kenntniss zu bringen, sondern macht zuvor verschie- 
dene Motive geltend, um Achill zur Aufgabe seines Grolls zu bestimmen. 
An dieser Ausführung (250— 259) hat Düntzer Aristarch p. 149 
nicht geringen Anstoss genommen. Er findet dieselbe gar. zu schlecht, 
als dass man sie dem Dichter der Gesandischaft zuschreiben könne, 
der ohnedies dem Phönix die Aufgabe gelassen habe, den Achill durch 
die Erinnerung an seinen Vater zu rühren, und anı wenigsten diesen 
dadurch reizen werde, dass er an seine Neigung zum Jähzorn erinnere 
(254 f.). Was den ersten Punkt betrifft, so kann ich nicht finden, 
dass es in Phönix’ Rede ein wesentlicher Punkt sei Achill durch die 
Erinnerung an seinen Vater zu rühren; das, was Phönix 480—484 
von der freundlichen und ehrenvollen Aufnahme, die er bei Peleus 
gefunden, erzählt, ist ebensowenig, als 438 —442 darauf wesentlich 
herechnet, sondern dem Hauptzweck untergeordnet sein inniges persön- 
liches Verhältniss zu Achill zur Geltung zu bringen. Und wenn auch! 
— da die hier und dort verwendeten Gedanken wesentlich verschieden 
sind, so dürfte an sich darin wenig Grund zum Anstoss liegen, da 
doch die Einkleidung des Gedankens hier sehr passend ist, indem sie 
Odysseus die Möglichkeit giebt Mahnung und Vorwurf in schonender 
Weise auszusprechen. Den zweiten Anstoss scheint auch Bekker ge- 
theilt zu haben, da er V. 257. 258 aus dem Text verwiesen hat 
(unter Zustimmung von Moritz p. 32), und man muss in der That 


88 Kritischer und exegetischer Anhang. T. 


zugeben, dass die Erinnerung an die Neigung zu Zank und Streit 
(ἔρις), die danach schon früher an Achill hervorgetreten sein müsste, 
übel angebracht ist, wenn dieselbe gleich durch die Einkleidung des 
Ganzen, indem die Mahnung dem Vater in den Mund gelegt wird, an 
Schärfe verliert. Abgesehen hiervon aber können wir Düntzers Aus- 
stellungen nicht theilen. Eine Ausscheidung der ganzen Partie ist 
ohnehin kaum möglich wegen der festen Beziehungen, worin ἔτε zei 
νῦν 259 zu dem Begriff von λήϑεαι steht, der das παύεσϑαι für 
die vergangene Zeit bis zur Gegenwart uegiert, wogegen 249. 250 
auf die Zukunft weisen und den richtigen Gegensatz in πολὺ πρίν 
250 finden; und wie unvermittelt würde die Aufforderung 260 nach 
250 eintreten! 

Auch die Schlussgedanken der Rede 300—306 werden von 
Düntzer p. 150 als wunderlich und verkehrt verworfen. Ohne auf 
die Einzelheiten, an denen hier zum Theil ohne Grund Anstoss ge- 
nommen wird, einzugehen, bemerke ich nur, dass durch eine Aus- 
scheidung derselben der oben bezeichnete Standpunkt des Odysseus 
dem Achill gegenüber völlig verrückt, die Motive, auf welche die 
Schilderung im Eingange berechnet ist, zum Theil zurücktreten 
würden, denn offenbar würde dann der Schwerpunkt der ganzen Rede 
in Agamemnons Sühnanerbieten liegen, dies an letzter Stelle als das 
bedeutsamste Motiv hervortreten. Solche tief einschneidenden Athe- 
tesen, welche der Rede ein ganz anderes Gepräge geben, den Stand- 
punkt und die Tendenz des Redenden völlig verändern, könnten nur 
durch die allerdringendsten Gründe gerechtfertigt werden; die von 
Düntzer dafür vorgebrachten kann ich als solche nicht anerkennen; 
überdies finde ich in Achills Erwiderung mehrfach Beziehungen gerade 
auf die verworfenen Gedanken, welche die Ursprünglichkeit derselben 
höchst wahrscheinlich machen. So enthalten Achills Worte 355. 356 
die Erwiderung auf die von Odysseus 304 eröffnete Möglichkeit Hektor 
zu erlegen, wie dem dadurch in Aussicht gestellten Ruhm von Achill 
401—415 geflissentlich der Werth des Lebens entgegengestellt wird, 
während nach Verwerfung von 300—306 in der ganzen Rede des 
Odysseus keinerlei Andeutung der Ehre und des Ruhmes sich finden 
würde, die ihm die Reitung der Achaeer und Hektors Erlegung 
bringen werde. Auch gleich im Anfang seiner Rede 315. 316 ist 
die Gegenüberstellung des Agamemnon und der Argiver motiviert durch 
die entsprechende in Odysseus’ Worten 300. 301. Wie malt endlich 
würde die Rede abschliessen mit 299 und wie wirksam schliesst sie 
in Wirklichkeit mit 300—306, da die hier entwickelten Gedanken 
in kluger Berechnung zuletzt ein Moliv geltend machen, von dem sich, 
falls alle andern unwirksam sein sollten, noch eine Wirkung erwarten 
lässt, Achills Ruhmbegier. 

Wir können demnach die in der Rede verwendeten Gedanken 
dem Zweck derselben nur durchaus entsprechend finden: sie sind 
psychologisch richtig auf den Charakter des Achilleus berechnet und 
entsprechen in gleicher Weise der klugen Berechnung des Redenden 


Kritischer und exegetischer Anhang. T. 89 


selbst. Ebenso ist die Anordnung dieser Gedanken eine durchaus 
zweckmässige, wohlberechnete: man unterscheidet leicht die folgenden 
Theile: 

1. Einleitung. 225—229. 

2. Thema, 229—231: Die Bedrängniss und Gefahr der Achaeer, 
aus der nur Achill errelien kann. Daraus ergeben sich von 
selbst die beiden Haupttheile der Rede: 

3. erster Haupttheil, 232-946: Schilderung der Bedrängniss der 
Achaeer und der für den folgenden Tag drohenden Gefahr. 

4° zweiter Haupttheil, 247—299: Bitte an Achill um Hülfe und 

Aufgabe seines Grolls und deren Begründung : jene wird motiviert: 

A. 247—251, durch den Hinweis auf das Entscheidende des 
Augenblicks: diesen versäumt zu haben würde Achill später selbst 
schmerzlich sein. Diese wird motiviert: - 

B. 252—299, und zwar: B 

a. 252—259, durch die dem Peleus in den Mund gelegte Mah- 
nung seinen hochfahrenden Sinn zu bezühmen, 

b. 260, durch den Gedanken, dass der Grollende durch seinen 
Groll sich selbst nur Leid schaffe (ϑυμαλγέα), 

c. 261—299, durch den Nachweis einer überreichen Sühne von 
Seiten des Agamemnon. 

5. Schluss, 300—306: Erneute Aufforderung sich der Achaeer zu 
erbarmen mit dem weiteren Motiv, dass ihm die Achaeer die 
höchste Ehre erweisen würden, zumal wenn er, wozu alle Aus- 
sicht vorhanden sei, Hektor erlege. 

Bei dieser Anordnung der Gedanken tadelt Düntzer, dass Odys- 
seus in V. 231 viel zu früh Achilleus’ Hülfe in Anspruch nehme, 
noch ehe er die ganze Noth geschildert. Dies Bedenken ist mir wenig 
verständlich. Ist nicht das Anerkenntniss, dass Achill allein helfen 
könne, gerade im Eingange wohl berechnet, um demselben sofort die 
Genugthuung zu geben, deren Eintritt er schon ‚bei dem Streit mit 
Agamemnon feierlich vorausverkündigt (4 240), die er mit Sehnsucht 
erwartet hat? Ist diese Anerkennung seines Werthes nicht vorzüglich 
geeignet den Helden, dem der Ruhm und die Ehre alles ist, von vorn- 
herein dem zugänglicher zu machen, was auf ihn einwirken soll? 
(Wenn Düntzer dabei weiter an νῆας Anstoss nimmt, da es sich hier 
nicht von der Erhaltung der Schiffe handle, sondern von der eignen 
Rettung, so ist zu beachten, dass überall in der folgenden Ausführung 
die Bedrohung der Schilfe mit allem Nachdruck hervorgehoben wird, 
daher 232 νηῶν an erster Stelle und dann erst τείχεος, ferner 235 
ἐν νηυσὶ πεσέεσϑαι, was Düntzer freilich von den Achaeern gesagt 
wissen will, 241. 242, wie auch in Achills Rede 347 und 424 die 
Rettung der Schilfe an erster Stelle genannt wird. —) Enthält das 
Thema, wie wir es demnach unverkürzt in 229—231 festhalten, schon 
die zweifache Gliederung des Ganzen in sich, so ist der erste, 
schildernde Theil ganz besonders berechnet auf die Erregung der 
Affecte, welche im zweiten Theile zur Erreichung seines Zweckes 


90 Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 


wirksam werden sollen, vor allem Mitleid mit den bedrängten Achaeern, 
sodann Unwillen über Hektors Menschen und Götter verachtenden 
Uebermuth. Jenes Motiv kommt dann sofort zu wirksamer Verwen- 
dung in der ‚der Schilderung folgenden Bitte um Hülfe 347, dieses 
bereitet den Versuch am Schluss der Rede 304— 306 vor, Achills 
Ruhmbegier zu entflammen durch die Aussicht auf Hektors Erlegung. 
Zwischen beide ist der Versuch eingefügt Achill zur Aufgabe seines 
Grolls zu bestimmen. Indem Odysseus nämlich zunächst von der 
Vorausselzung ausgeht (247 εἰ μέμονάς γε), dass Achill geneigt sei 
den Achaeern zu helfen, kommt er erst nach der dringenden Auf- 
forderung, wie sie die Schilderung der Noth und Gefahr unmittelbar 
hervortreibt, zu dem dieser Hülfeleistung entgegenstehenden Bedenken, 
dem Groll gegen Agamemnon; ungewiss aber, welchen Erfolg der 
Versuch diesen zu besänftigen haben werde, verspart er bis zum Schluss 
das zweite Motiv, welches ihn zur Aufnahme des Kampfes bestimmen 
kann, Ehre und Ruhm, 

Verfolgen wir die Ausführung der einzelnen Theile noch genauer, 
so ist gleich in der Einleitung ein von Odysseus vielgebrauchtes und 
der von ihm vertretenen Gattung der Rede besonders angemessenes, 
wichtiges Kunstmittel verwendet, der Kontrast. (Vgl. Gerlach im 
Philol. XXX p. 33.) Odysseus knüpft in einfacher Weise an die durch 
das eben beendete Mahl gegebene Situation an, um den Freuden des 
Mahles die schweren Sorgen, welche die Niederlage der Achaeer und 
die bedrohliche Haltung der TTroer einlössen, entgegenzustellen und 
damit zum Thema überzuleiten. Dieser Gegensatz wird 228 bei der 
Aufnahme des Gedankens aus 225 durch das Epitheton ἐπηράτου vor- 
bereitet und durch die entsprechende betonte Stellung von δαίνυσϑαι 
228 und δείδιμεν 230 hervorgehoben. In der ganzen Partie his 
231 beachte man die wiederholte Alliteration auf ὃ. 

Die dem Thema folgende Schilderung 232—246 zeigt im Gegen- 
satz zu den Erzählungen des Nestor wıd Phoenix (vgl. Croiset a. 0. 
p- 30. 32. 34 f.) eine wahrhaft oratorische Handhabung der narrati 
In den lebhaftesten Farben ausgeführt, welche den unmittelbaren sinn- 
lichen Eindrücken entlehnt, besonders geeignet sind die Fantasie zu 
erregen, ist sie in jedem Zuge darauf berechnet in Achills Seele die 
Schrecken zu übertragen, deren Eindruck die Gesammtheit der Achaeer 
gebannt hält. Die Ausführung ist in drei Abschnitten von je vier 
Versen gegliedert, welche von den nächsten Thatsachen ausgehend, 
in fortgesetzt gesteigeriem Ton, die ganze Grösse der daran sich 
knüpfenden Gefahr schildern, woran sich dann die recapitulierenden 
Verse 244—246 schliessen, die den Uebergang zum folgenden Theil 
vermitteln. Jene Steigerung des Tons beginnt schon 235 in dem 
lebhaften Gegensatz des betont vorangestelllen σχήσεσϑ᾽ zum ab- 
schliessenden πεσέεσθαι; dann folgen die wirksamen Momente, Zeus’ 
Gunsterweisung gegen die Troer und Hektors Kampfwuth (236— 239), 
markiert durch die im Versanfang parallel gestellten Praedicate dorgd- 
eu — μαίνεται, die ihrerseits durch die parallel an den Versschluss 


Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 91 


gestellten, reimartig anklingenden Participia φαίνων und βλεμεαίνων 
wirksam vorbereitet werden. Den Höhepunkt erreicht die Schilderung 
endlich in 240—243: auch hier sind die Praedicate ἀρᾶται und στεῦ- 
ται durch die pärallele Stellung im Versanfang hervorgehoben, wäh- 
rend von den drei Infinitiven ἀποκόψειν, ἐμπρήσειν, δῃώσειν durch 
die progressiv dem Versanfang sich nähernde Stellung schliesslich dem 
letzten das Hauptgewicht zufällt, dem entsprechend auch das dazu- 
gehörige Object ‘Ay«ıovg am vorhergehenden Versschluss eine bedeut- 
same Stellung erhalten hat. 

Was den Ausdruck in dieser Partie betrifft, so zeigen die durch- 
weg sinnlichen Züge den unmittelbaren Eindruck der ϑεσπεσίη φύξα 
(1 2). Wie schon der Ausdruck εἰσορόωντες πῆμα 229 der Reflex 
der in der Ebene lodernden Wachtfeuer der Troer ist, so übertragen 
die Praesentia 236 fl. lebhaft die Eindrücke des vergangenen Tages 
auf die Gegenwart. Oder müssten wir mit Düntzer die ἐνδέξια σή- 
ματα von nächtlichen Zeichen verstehen und darin eine eigne Er- 
findung des Dichters der Presbeia sehen? Es ist richtig, wenn der- 
selbe bemerkt, Odysseus spreche von Hektor so, als ob er ihn noch 
in der Schlacht dächte: warum sollen wir nicht in gleicher Weise 
verstehen, was er von den Blitzen des Zeus sagt? und rechtfertigt 
nicht die Erregung des Redenden zur Genüge die ungewöhnliche An- 
wendung des Praesens? Auch die Uebertreibung, welche derselbe 
Kritiker in 238 in Vergleich zu © 530 ff. moniert, ist nicht so gross, 
da Hektor 536 fl. es deutlich ausspricht, dass Diomedes, der in den 
letzten Kämpfen als der grösste Held hervorgetreten war, ihm er- 
liegen werde. — In der Verbindung. λύσσα δέδυκεν 239 mit dem 
Accusativ der Person statt eines seelischen Organs, wie ϑυμός, worin 
Fulda Untersuchungen über die Sprache der hom. Gedichte p. 301 
eins von den Zeichen für den späteren Ursprung des Buches sieht, 
kann man geneigt sein gerade einen recht drastischen Ausdruck zu 
sehen, wie unsere Wendung: ist ihm in den Leib gefahren. Bedeut- 
sam ist auch die Wahl des sinnlichen Ausdrucks στεῦται 241, worüber 
Näheres unten in der Anmerkung zu diesem Verse; charakteristisch 
die Wendung ἀὠποκόψειν ἄκρα »ogvuße in Hektors Munde als höh- 
nische Bezeichnung für die völlige Besitzergreifung und Vernichtung 
der Schiffe. 

Indem der Redende 244—246 zu dem Gedanken von 230 zu- 
rückkehrt, steigert er denselben zu der Besorgniss des völligen Unter- 
gangs, wobei er mit δέδοικα (nach δείδιμεν 230) in die erste Person 
Singul. übergeht, um so die persönliche Bitte 247 vorzubereiten. In 
der Motivierung dieser 247—251 ruht aller Nachdruck auf dem 
Gegensatz der temporalen Bestimmungen καὶ ὀψέ περ 247, μετόπισϑε 
249, ῥεχϑέντος κακοῦ 250 und πολὺ πρίν, und durch die Hervor- 
hebung des Gedankens “es ist die höchste Zeit zu helfen’ wird die 
Aufforderung besonders kräftig und dringend, was Düntzer verkannt 
hat, wenn er die Bitte als nicht besonders kräftig ausgesprochen be- 
zeichnet. In der Zusammenstellung οὐδέ τὶ μῆχος ἔστ᾽ ἄκος εὑρεῖν, 


92 Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 


welche derselhe Kritiker schwerfällig findet, kann ich nur einen 
besonders kräftigen Ausdruck schen, und wegen μετόπισϑε, wobei 
derselbe tadelt, dass uns der Dichter hinzudenken lasse „wenn Du 
dies versäumst‘ verweise ich auf die in der Anmerkung zur Stelle ge- 
gebenen Parallelen. 

Mit dem Asyndeton 252 beginnt ein ganz andrer Ton — man 
muss geradezu eine kleine Pause vorher annehmen — denn nun gilt 
es den für Achill schmerzlichsten Punkt zu berühren. Dem entspricht 
die trauliche Anrede οὗ πέπον und die die Erzählung einleitende Par- 
tikelverbindung ἦ μέν. Dieser ruhigere, elegische Ton steigert sich 
nach dem Abschluss der in der Erzählung enthaltenen Mahnung des 
Peleus noch einmal zu leidenschaftlicher Lebendigkeit in der per- 
sönlichen Mahnung 260, wo das unmittelbare Zusammentreten der 
beiden Imperative wave”, ἔα δέ von besonderer Kraft ist. Dann folgt 
der einfache Bericht über Agamemnons Anerbieten, in welchem die 
einleitenden Worte 262. 263 von Düntzer als “keineswegs in ächt 
homerischem Tone gehalten? (etwa wegen εἰ δέ) beanstandet werden. 

In den Schlussworten, welche von neuem an das Mitleid Achills 
sich wenden, könnte man mit Croiset p. 45 f. eine nähere Motivie- 
rung vermissen, die etwa ausführle, dass die Achaeer sich nie gegen 
Achill vergangen, vielmehr seinen Werth immer anerkannt, seinen 
Heldenmuth gefeiert und in dem unseligen Streit mit Agamemnon 
keineswegs auf dessen Seite gestanden hätten —, allein er selbst be- 
merkt, dass eine solche rhetorische Argumentation keineswegs im Geiste 
homerischer Beredtsamkeit sei, diese vielmehr sich meist beschränke 
den gewünschten Affect in dem Hörer anzuregen, ihn auf den he- 
treffenden Punkt hinzuleiten, ohne die daran sich knüpfende Ge- 
dankenreihe im Einzelnen auszuführen und zu erschöpfen. Wir können 
hinzufügen, dass es überdies ein missliches Unternehmen gewesen wäre 
die Ueberzeugung Achill beizubringen, dass die Achaeer an der ihm 
von Agamemnon zugefügten Ehrenkränkung gänzlich unschuldig ge- 
wesen sein, da Achill schon bei dem Streit mit Agamemnon dieselben 
direct mit verantwortlich gemacht hatte (4 231 f.). So richtet 
Odysseus wohlbedacht ohne Weiteres Achill’s Gedanken auf die Ehre, 
die er bei den Achaeern finden wird, wenn er sich ihrer erbarmt, 
um im Zusammenhang damit das letzte Motiv zu versuchen, von dem 
er sich eine Wirkung verspricht. (Vgl. Croiset p. 65 f.). 

Sollen wir noch davon reden, wie wir uns den Vortrag der 
Rede zu denken haben, so giebt uns der Dichter selbst dazu Anlei- 
tung in der Charakteristik des Odysseus als Redner I’ 216— 224. 
Danach dürfen wir dem einfachen unscheinbaren Eingang der Rede 
entsprechend Odysseus zuerst befangen, unsicher denken: dann aber, 
etwa 229 f., wo er zum Thema gelangt, hebt sich seine Stimme, 
und wo die Schilderung lebhafter sich steigert, fallen die Worte 
“Schneeflocken gleich? Schlag auf Schlag, geiragen von der ganzen 
Kraft seiner volltönenden Stimme. Der Wechsel des Tones und der 
Stimme in den folgenden so verschiedenen Partien ist selbstverständlich. 


Kritischer und exegetischer Anhang. I. 98 


Eine gelungene Darstellung der Scene in Achills Zelt, aufgefasst 
in dem Moment, wo Odysseus lebhaft erregt, dem vollen Strom seiner 
Beredtsamkeit freien Lauf lässt, findet man bei Genelli Umrisse zum 
Homer, Taf. X. 

225. Zur Ergänzung des Verbum ἐσμέν vgl. Zehrs Aristarch. 


?p. 365. — 230. Wegen des harten Wechsels der Construction 
schreibt Bekker aus Conjectur statt σαωσέμεν — σόας ἔμεν unter 


Verweis auf Θ 246 und O 502, vgl. auch A 117. Allein diese so 
glänzende Conjectur dürfte leicht der Stelle ihr Charakteristisches neh- 
men: der rasche Uebergang aus der acliven in die passive Construction 
erklärt sich aus der Erregung des Redenden und ist kaum auffallender, 
als der doppelte Wechsel der Construction m 108—110. — 232. Ueber 
αὖλις vgl. Ahrens αὐλή und villa (in der Festschrift zu R. Kühner’s 
Doctorjubilaeum). Hannover 1874 p. 16: αὐλίξεσϑαι und ἐπαυλίξε- 
σϑαι sind später die militärischen Kunstausdrücke für das Bivona- 
quieren. — 235. Ueber die Wendung ἐν νηυσί πίπτειν vgl. Gross- 
mann Homerica p. 14 und Giseke allmähl. Entstehung p. 32 M. 
Auf die Troer werden beide Verba bezogen auch bei Aristonikos ed. 
Friedlaender p. 160. — 239. Die Interpunction nach ἀνέρας nach 
Nicanor ed. Friedlaender p. 200. — 241. Ueber στεῦται, στεῦτο 
vgl. Zehrs Aristarch. ?p. 98 f. Nach Curtius Eiymol. *p. 216 
und Fick vgl. Wörterb.® I p. 246 sind die Formen durch Vocal- 
steigerung aus W. oru (in στύ-ω stehe steif, orü-Ao-g Säule), 
einer Nebenform zu στὰ stehen, gebildet, so dass die Grundbe- 
deutung ist: stellt sich an, die A 584 noch in der Verbindung 
mit dem Participium duypdov —= gebahrte sich als ein Dursten- 
der erkennbar ist. Sonst ausser g 525 mit dem Infinitiv Futuri 
verbunden, der als Angabe der Richtung oder des Ziels der sinn- 
lichen Bedeutung entspricht, ist es zunächst zu fassen: stehl nach 
eiwas, macht Anstalt (Niene) zu etwas, wobei die sinnliche Be- 


deutung noch deutlich zu erkennen ist I’ 83. — Dagegen leitet 
Düntzer in Kuhn’s Zeitschr. XII p. 22 das Wort ab von W. 
στὺ sprechen, wovon στό- μα, στύνμα — Mund. Noch anders Z. 


Meyer in Kuhn’s Zeitschr. XIV p. 85 f., von W. stu loben. 
Ueber andere Ableitungen und Auffassungen vgl. Autenrieth in 
Naegelsbach’s Anmerkungen zu I’ 88. — Ueber die κύρυμβα 
vgl. Grashof das Schiff bei Homer u, Hesiod. p. 15. — 246. 
Ueber *Agyos immößorov vgl. E. Pappenheim im Philol. Suppl. II 
p. 67 Γ᾿ — 247. 248, an welchen Bentley und Heyne Anstoss 
nahmen, werden vertheidigt von Düntzer Aristarch p. 149. — 
249. αὐτῷ ror ist nach ἰα Roche die handschriftliche Lesart, vgl. 


dessen homer. Untersuch. p. 142. — 262. Die Bedeutung von εἰ δέ 
erörtert in Uebereinstimmung mit Nicanor ed. Friedlaender p. 200, 
L. Lange de formula Hom. εἰ δ᾽ ἄγε p. 8 und 13. — 300. Die 


von Z. Zange in seinen Untersuchungen über die Partikel εἰ und 
über die Formel εἰ δ’ ἄγε ausgesprochene Ansicht, dass die Con- 
junetion εἰ ursprünglich eine interjectionsartige Partikel war, das 


94 Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 


Gegenbild des prohibitiven μή, wodurch die Formel εἰ δ᾽ ἄγε eine so 
einfache Erklärung findet, gewinnt in hohem Masse an Wahrschein- 
lichkeit, wenn man sie auf Stellen anwendet, wie die vorliegende und 
85. 86, welche trotz der hypotaktischen Einleitung des Gedankens 
in den in Vorder- und Nachsatz correspondierenden Partikeln μέν und δέ 
noch Spuren der ursprünglichen parataktischen Fassung des Gedankens 
bewahren. Im Grunde ist die Gliederung und Einkleidung des Ge- 
dankens hier keine andere als V. 262 εἰ δὲ σὺ μέν μευ ἄκουσον, 
ἐγὼ δέ κέ τοι καταλέξω und völlig entsprechend andrerseits X 123 
μή μιν ἐγὼ μὲν ἵκωμαι ἰών, ὁ δὲ μ᾽ οὐκ ἐλεήσει --- eine in ihrer 
Art einzige Stelle, die für die Richtigkeit der Parallelisierung von εὖ 
mit μή ein gewichtiges Zeugniss ablegt. Man hat die ursprüngliche 
Auffassung der Stelle also etwa zu denken: “doch es sei (ich setze den 
Fall) der Atride wurde Dir verhasst, so erbarme Dich der andern 
Achaeer doch wenigstens’, wie das ablehnende μή X 123: “kein Ge- 
danke, ich soll zu ihm kommen, er wird sich meiner doch nicht er- 
barmen.’” Leicht erklären sich nach Zange’s Auffassung auch die 
scheinbaren Ellipsen bei ὡς εἰ und in den Fällen, wo von zwei 
parallelen Vordersätzen mit εἰ μέν — εἰ δέ der erste ohne Nachsatz 
bleibt, wie A 135. 

307—429. Einen besonderen Commentar zu der hier folgenden 
Rede des Achill hat nach einer Zeitungsnotiz Gladstone in der mir 
bis jetzt nicht zugänglichen Contemporary Review 1874 gegeben. 
Einige Eigenthümlichkeiten der Rede mit besonderer Beziehung auf 
Achills Charakter bespricht Hess komische Elemente p. 25 f., ein 
Versuch zur Charakteristik der Achilleischen Beredtsamkeit bei Gerlach 
im Philol. XXX p. 34—36, vgl. Gladstone homer. Studien p. 323. 
325. 326, Moritz de lliadis Jibr. IX suspieiones p. 3, Genz zur 
Dias p. 31. — Eine scharfe, verwerfende Kritik hat auch an dieser 
Rede Düntzer Aristarch p. 151 ff. geübt: er verwirft im Einzelnen 
310. 311. 314. 319. 320. 322. 323—327. 346--356. 364—377. 
383. 384. 387. 388—420. 425. 426. — Ich versuche auch hier, 
der Schwierigkeit der Sache mir wohl bewusst, eine Analyse der 
Rede zu geben; möge dieser Versuch zu erneuter genauerer Unter- 
suchung dieser einzigen Rede anregen. Der Düntzerschen Kritik 
(Aristarch p. 151 ff), welche in der Rede des Achill durchaus die 
edle Heldennatur vermisst, welcher der Ruhm alles ist, welche diesen 
Achill der Gesandtschaft völlig unwürdig findet jenes edlen Helden des 
Liedes vom Zorne, darf man wohl die Frage entgegenstellen, ob es 
nicht psychologisch gerechtfertigt sei, dass tief eingewurzelter Groll 
bei dem geschickt oder ungeschickt gemachten Versuch der Versöhnung 
in den hellen Flammen des Zorns wieder hervorbreche und der so 
mit erhöhter Gewalt aufflammende Zorn, wie Genz bemerkt, im Sturme 
der Rede neue Nahrung gewinne, so dass der Grollende zu Aeusserun- 
gen, zu Entschlüssen sich fortreissen lassen kann, die im Grunde der 
innersten Natur seines Wesens fremd sind, ja widersprechen. Daher 
der Entschluss heimzukehren, der ihm vorher fern gelegen und der 


Kritischer und exegetischer Anhang, I. 95 


ihm ebenso schnell, wie er ihn gefasst, wieder leid ist, vgl. 619, 
daher der seinem ganzen Wesen (nicht aber der griechischen Lebens- 
anschauung überhaupt: vgl. Blume‘ das Ideal des Ilelden und des 
Weibes etc. p. 19) widersprechende Gedanke, dass er daheim ein 
müssiges Leben in behaglichem Genuss seiner Güter führen möge. 
Ebenso lässt sich auch die Anordnung der Gedanken, welche ebenfalls 
Düntzer’s Tadel trifft, nur aus dem Gesichtspunkt des wechselnden 
Affects, des Auf- und Niederwogens der Stimmung im Redenden be- 
greifen. 

Den Höhepunkt der leidenschaftlichen Erregung, des hoch auf- 
flammenden Zorns bezeichnen zwei Stellen: 336—343 und 367— 377. 
An beiden ist es die Erinnerung an die gewaltsame Eutziehung des 
γέρας. welche den Zorn des Helden auflodern lässt, aber an beiden 
ist der Anlass zum Ausbruch dieses Zorus, die Richtung und der Gegen- 
stand desselben, so wie die zu Grunde liegende Stimmung wesentlich 
verschieden. An der ersten ergiebt sich der Gedanke an jene Ge- 
waltihat ganz von selbst im Zusammenhange der Ausführung, wie er 
für all sein aufopferndes, uneigennütziges, gefahrvolles Mühen im 
Kampfe nur Undank geerntet habe, und führt zu der sarkastisch bittern 
Folgerung, dass Agamemnon nun in den Armen der Geraubten sich 
weiter vergnügen möge, und der ironischen Ausführung, wie jener 
Gewaltaet gerade das einzige Motiv für die Atriden zu kämpfen un- 
wirksam gemacht habe. An der zweiten erscheint die Erinnerung an 
die Wegnahme der Briseis fast gewaltsam herbeigezogen, da nur der 
Gedanke an den erhaltenen Beuteantheil, den er mit nach Hause 
führen will, sofort vermittelst des Gegensatzes ihn wieder zu der Er- 
innerung an die Entziehung des γέρας zurückführt. Gleichwohl dürfte 
das Urtheil Düntzer’s, dass 364—377 ein ungehöriger späterer Zusatz 
eines Rhapsoden sein, der den Achill noch einmal das schmähliche 
Unrecht des feigen Oberfeldherrn scharf hervorheben lassen und Schimpf- 
reden häufen wollte, etwas übereilt sein. An den Gedanken der 
Heimkehr 363 schliesst sich meine ich nicht unpassend der, dass er 
genug besilze, um der von Agamemnon gebotenen Geschenke ent- 
behren zu können. Dieser Gedanke nun kommt nicht zum klaren 
Ausdruck, weil ein zweiter, damit im Zusammenhang stehender ihn 
lebhaft ergreift und die volle Ausführung jenes verhindert. Achill 
sieht auch in den angebotenen Geschenken nur ein Lockmittel, um 
seine Hülfe zu erlangen, und glaubt nach der mit dem γέρας ge- 
machten Erfahrung an der Zuverlässigkeit des Agamemnon in Bezug 
auf seine Versprechungen zweifeln zu müssen. Ist die ἀπάτη 375 
unzweifelhaft von der Wegnahme der Briseis zu verstehen (vgl. 344), 
so kann das ἐξαπαφίσκειν ἐπέεσσιν 376 nur auf die Zusicherung 
der Geschenke gehen und 371 nur ähnlich verstanden werden. Dass 
Achill in diesem ganzen Zusammenhange die von Agamemnon gebote- 
nen Geschenke im Sinne hat, geht endlich daraus hervor, dass 378 
nicht δῶρα als neu eingeführter Begriff die erste Stelle im Verse ein- 
nimmt, sondern ἐχϑρά den Nachdruck hat, welcher Begriff durch den 


96 Kritischer und exegetischer Anhang. I. 


vorhergehenden Erguss über die Unzuverlässigkeit und schamlose 
Frechheit des Agamemuon vorbereitet ist, also: verhasst wegen der 
verhassten Persönlichkeit des Anbietenden. Ist dies die Gedankenreihe, 
die der ganzen Partie zu Grunde liegt, so begreift sich uun leichter, 
wie die Erwähnung des Beuteantheils der Punkt sein kann, wo der 
Aflect von neuem anselzen und zu jenem gewaltsamen Ausbruch 
treiben kann. Nun beachte man ferner, dass, während an der ersten 
Stelle es die gröbste Undankbarkeit und schmählichste Ehrenkränkung 
ist, welche Achill dem Agamemnon vorwirft, und auf den Werth des 
γέρας das grösste Gewicht gelegt wird, hier die Entziehung desselben 
vielmehr unter dem Gesichtspunkt des frevelhaften, schamlosen, frechen 
Vebermuths (ἐφυβρίξων, ἀναιδεέη, ἤλετεν) und der bewussten Täuschung 
betrachtet wird und dem entsprechend die grade offene Natur Achills 
mit der ganzen Kraft sittlicher Entrüstung hervorbricht, während dort 
die Leidenschaft in bitterem Hohn und Ironie sich aussprach. Fällt es 
dabei auf, dass Achill, obwohl erst 421 die eigentliche Antwort erfolgt, 
die die Gesandten den Fürsten der Achaeer bringen sollen, hier spe- 
<iell den Auftrag ertheill dem Agamemnon seine Antwort und Ent- 
schluss und zwar öffentlich mitzutheilen, so erklärt sich jenes über- 
haupt daraus, dass es sich hier nur um die Ablehnung der von 
Agamemnon gebotenen Geschenke handelt, während er im übrigen die 
Gesandten als die Abgeordneten der achaeischen Fürsten ansicht, und 
der Zusatz ἀμφαδόν speciell, weil er voraussetzen muss, dass die Ge- 
sandten zunächst ins Zelt des Agamemnon zurückkehren und nur in 
Gegenwart der Geronten über den Erfolg ihrer Sendung berichten 
werden. 

Abgesehen von den beiden so eben besprochenen Stellen, welche 
‚den leidenschaftlichsten Zornausbruch zeigen, wechseln Stimmung und 
Ton in der Rede auf das mannigfaltigste. In einem weichen elegischen 
Ton sind gehalten 323 I, 398-400, pathetisch mit hyperbolischer 
Steigerung 379 M., 388 fl., 401—409, Hohn und Spott zeigen 
346—350, 359, 423 fl., Ironie 392, 394; dem Hass und der Ver- 
achtung des Gegners tritt gegenüber das stolze Bewusstsein des eignen 
Werthes 352—356, seiner Leistungen 328, der Habsucht desselben 
seine eigne Uneigennützigkeit und Aufopferungsfähigkeit 331, der Un- 
redlichkeit und Unzuverlässigkeit desselben seine eigne Gradheit und 
Offenheit 309 ff. 

Gilt es die Rede nach ihrem Gedankengange zu zergliedern, so 
darf man freilich eine so einfache durchsichtige Disposition, wie bei 
der Rede des Odysseus, hier begreiflicher Weise nicht voraussetzen. 
Der Redende deutet hie und da Motive an und lässt sie wieder fallen, 
um sie an einer spätern Stelle wieder aufzunehmen und vollständig 
zu verwerthen: so folgt der kurzen Andeutung von dem Werth, den 
Briseis für ihn hat, im Attribut ϑυμαρέα 336 die Ausführung 342. 
343, so ist das Motiv, welches 369 ff. ausführlich zur Erörterung 
kommt, schon 344 in ἀπάτησεν angedeutet; so wird das, was 358 
in den Worten νηήσας εὖ νῆας mit Beziehung auf 279 eben berührt 


Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 97 


ist, 365 Εἰ ausgeführt (und zwar ebenfalls mit Beziehung auf 279— 
281, wo ausser σίδηρος dieselben Gegenstände genannt sind); so 
wird das kurze οὐκ ἐθέλω πολεμιξέμεν Ἕκτορι δίῳ 356, welches 
die Antwort giebt auf Odysseus’ Versuch 304—306 durch die Aus- 
sicht auf die Erlegung Hektors seine Ruhmsucht zu entzünden, erst 
406 — 416 motiviert.*) Gleichwohl lässt sich die Einhaltung eines 
bestimmten Gedankenganges und zwar im Anschluss an die Rede des 
Odysseus und die dort verwendeten Motive nicht verkennen. 

Wir geben die folgende Uebersicht: 

1. Einleitung, 308—314. Achill will seine Ansicht rücksichts- 
los aussprechen, um alle weiteren Ueberredungsversuche ab- 
zuschneiden. 

2. Thema, 315—316: Weder Agamemnon noch die Achaeer 
können mich zur Theilnahme am Kampfe bestimmen. 

3. Erster Theil, 316—363: Motivierung dieser Antwort und 
Ankündigung seines Enischlusses nach Hause zu fahren. 
a, 316—337. Jeder Anspruch auf mein Mitleid ist verscherzt 

durch ihre Undankbarkeit, zumal durch die schmählichste 
Ehrenkränkung, die Wegnahme der mir so theuern Briseis. 

b, 337—345. Durch diese ist auch das einzige Motiv, wel- 
ches mich zum Kampfe gegen die Troer bewegen konute, 
für mich unwirksam geworden. 

ς, 346— 355. So ınöge Agamemnon mit seinen Freunden 
auf die Rettung der Schiffe bedacht sein, wie er ohne mich 
die Mauer gebaut hat, welche freilich ohne meinen Arm 
Hektor nicht abwehren wird. 

d, 356—363. Ich werde morgen heimfahren. 

4. Zweiter Theil, 364—397. Zurückweisung der von Aga- 
"memnon gebotenen Gaben und Anerbietungen. Diese wird 
motiviert durch folgende Gründe: 

a, 364—367: ich bedarf derselben nicht, da ich genug besitze, 

b, 367—377: Agamemnons Zusagen haben sich unzuverlässig 
erwiesen, er soll mich nicht noch einmal betrügen. 

c, 378: die Gaben sind mir verhasst,, wie der sie Anbietende 
selber. 

d, 379—387: alle Schätze der Welt genügen nicht die mir 
angethane Schmach zu sühnen. 

e, 388— 397: auch die angebotene Tochter Agamemnons ist 
mir verhasst, und wenn sie die grössten Vorzüge besässe; 
Peleus wird mir daheim schon eine Gattin wählen. 

5. Dritter Theil, 398—416: positiver Gegensatz gegen alle für 
seine Theilnahme am Kampfe geltend gemachten Motive: 
das Leben kann mir nichts in der Welt aufwiegen, dieses 


*) Aus diesem Gesichtspunkt lässt sich auch der allerdings auf- 
fallende Vers 327, der von Düntzer, Moritz verworfen wird, vielleicht 
retten, wenn man annimmt, dass es nach den 340 ff. entwickelten Ge- 
danken dem Achill jetzt fast leid ist jene Kämpfe unternommen zu 
haben, welche mit der Wegführung so mancher Frau endeten. 


Anhang zu Ameis, Homers Ilias I, 3. 7 


98. Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 


aber würde ich auf das Spiel setzen, wenn ich hier bliebe 
und kämpfte, denn in diesem Falle ist mir zwar unvergäng- 
licher Ruhm sicher, aber die Heimkehr verloren. 

6. Schluss, 417—429: Rath auch für die übrigen Achaeer heim- 
zukehren, da sie Troja nicht erobern werden. Zusammen- 
fassung seiner Antwort, Aufforderung an Phoenix bei ihm zu 
bleiben. 

In der Einleitung ist die Beziehung auf Jie fein berechneten 
Mittel des πολύμητις Odysseus, ihn durch Erregung von Mitleid und 
Ruhmbegier über den für ihn entscheidenden Punkt hinwegzuführen, 
unverkennbar: er stellt ihm seine grade offene Natur mit Nachdruck 
entgegen. Die nun folgende Antwort 315. 316 knüpft an die ab- 
schliessende Gegenüberstellung der zwei Hauptmotive für die Theil- 
nahme am Kampfe in Odysseus Rede 300. 301 an: er weist sie beide 
als für ihn unwirksam zurück. Diese für Achill nicht vorhandene 
Scheidung zwischen der Rücksicht auf die Achaeer und auf Agamemnon 
wird in der weiteren Ausführung begreiflicher Weise nicht festgehal- 
ten: die Achaeer sind ihm ebenso schuldig, wie Agamemnon, sie ver- 
dienen ebenso wenig Mitleid, als dieser. So verliert Achill, gerade 
im Gegensatz zu Odysseus bald die Achaeer ganz aus den Augen und 
beleuchtet lediglich sein Verhältniss zu Aganıemnon, um die Berech- 
tigung seines fortdauernden Grolles zu motivieren. Wirksam stellt er 
den eignen unablässigen gefahrvollen Mühen Agamemnons Unthätigkeit, 
seiner aufopfernden Uneigennützigkeit Agamenmons Habsucht entgegen; 
das Schmähliche der Wegnahme der Briseis aber liegt ihm darin, dass 
gerade er von allen Edlen des Ehreugeschenkes beraubt ist und dazu 
eines Ehrengeschenkes, welches seinem Herzen iheuer war. 

In der Ausführung dieser Partie (315—337) ist zu beachten, 
wie nach dem elegischen Ton, welcher bis 325 herrscht, durch das 
bei der Anwendung des Vergleichs hervorbrechende Selbstgefühl (328 I.) 
der Zornausbruch allmählich sich vorbereitet, der dann 336 ff. erfolgt. 
Wie ein Anzeichen des nahenden Sturms mahnt schon 332 das nach 
᾿Αγαμέμνονε mit Nachdruck in den Versanfang gestellte ”Argeidn, 
dessen Wirkung aus dem Vergleich von 339. 341. 369 erhellt; dann 
folgt die in der doppelten Alliteration auf d und » sich kundgebende 
Bitterkeit 333, bis nach dem scharfen Gegensatz 334 —335 in den 
rasch sich überstürzenden Praedicaten εἴλετ᾽, ἔχει δέ (vgl. 260) 336 
die Leidenschaft mächtig durchbricht, um dann in bitterem Sarkasmus 
(τῇ παριαύων τερπέσϑω) und einer Reihe ironischer Fragen 337—340 
sich Luft zu machen. In letzteren wird der Schwerpunkt des Verses 
durch die starken Einschnitte nach der Arsis des zweiten Fusses in 
337. 338. 339. 341 völlig verrückt, so dass der Rest der Verse, dem 
aggressiven Charakter der Fragen entsprechend, zum Theil einen ana- 
paestischen Rhythmus erhält. Dazu kommt in 337 die Alliteration in 
τ und die scharfe Entgegenstellung von Τρώεσσιν und ᾿Αργείους am 
Schluss des ersten und im Anfange des folgenden Verses. Der Ab- 
schluss dieser Gedankenreihe erfolgt 345 mit dem alliterierenden Anklang 
von πειράτω und πείσει, welcher den Gegensatz der Begriffe verschärft. 


Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 989 


Nachdem der Gedanke mit οὐδέ μὲ πείσει zu 315 zurückgekehrt 
ist, schliesst sich in Form des Gegensatzes daran die ironische Ver- 
weisung des Agamemnon auf seinen eignen und der achaeischen Fürsten 
Rath 346—355, indem er spottend des ohne ihn zu Stande gebrach- 
ten Mauerbaus zum Schutz gegen Hektor gedenkt. Dieser Ironie tritt 
dann mit 351 mit bitterer Aufrichtigkeit seine währe Ueberzeugung 
entgegen, dass alle Bemühungen sich Hektors zu erwehren ohne ihn 
vergeblich sein werden, verschärft durch den Hinweis, wie Hektor, 
so lange er sich am Kampfe betheiligt, kaum gewagt habe ihm ent- 
gegenzutreten. Um so schärfer wirkt nun der Gegensatz des Ent- 
schlusses heimzukehren, hier nur motiviert” durch das kurze Wort: 
ἐπεὶ οὐκ ἐθέλω πολεμιξέμεν Ἕκτορι δίῳ: 356—363. 

Der ironische Eingang dieser Gedankenreihe ist ausgezeichnet 
durch die erneute Anrede an den πολυμήχανος Odysseus und durch 
gehäuftes © und Vocalanklang 346. Sehr wirksam ist sodann das’ 
Polysyndeton mit καί 348— 350, welches die geschäftige Thätigkeit 
Agamemnons mit Nachdruck hervorhebt, um dann die völlige Frucht- 
losigkeit derselben damit in schneidenden Gegensatz zu stellen (351), 
ferner die chiastische Wortstellung in 352. 353, wodurch ἐγώ und 
“Ἕχτωρ bedeutsam hervortreten. In der Ankündigung des Entschlusses 
heimzukelhren beachte man wieder die umständliche Ausführlichkeit, 
mit welcher er die Vorbereitungen zur Abfahrt 357. 358 schildert, 
die Anschaulichkeit, mit der er den Act der Abfahrt selbst malt (360), 
die Genauigkeit der Bezeichnung νῆας ἐμάς (nach νῆας 358) 361 
und den folgenden Zusatz als Vorbedingung rascher Fahrt — alles 
dies, um an der Festigkeit seines Entschlusses und der sichern Aus- 
führung keinen Zweifel zu lassen — und dazwischen eingefügt den 
bitteren -IIohn 359, welcher das äusserst wirksame Anakoluth veran- 
lasst, wodurch die Abfahrt selbst zum Object der Wahrnehmung des 
Gegners gemacht wird. 

Mit dem Gedanken an die rasche Heimkehr in die Heimath 363 
tritt ein ruhigerer Ton ein. Er beginnt die Aufzählung seines reichen 
Besitzes, um die Ablehnung der von Agamemnon gebotenen Gaben 
vorzubereiten. Wie diese dann alsbald bei dem Gedanken an die 
Wegnahme des γέρας. wieder durch einen neuen heftigen Zornausbruch 
unterbrochen wird, ist oben gezeigt. Im Einzelnen bemerke man, 
wie auch hier das am Schluss des Gedankens in den Versanfang ge- 
stellte ‘Argeiöng 369 den nahenden Sturm signalisiert. Die ganze 
Gewalt der Leidenschaft aber bricht dann in der raschen Folge der 
sieben kurzen Sätze in fünf Versen hervor, 374—378 (vgl. Nicanor 
ed. Friedlaender p. 201, Hess komische Elemente p. 25, welcher 
T 148—150. A 202—205 aus andern Reden Achills, und sonst 
4A 173—181. A 307—314. g 399 MM. 1 68—70 vergleicht). Dann 
folgt die Zurückweisung der Sühngaben selbst in jenen wirksamen 
Hyperbeln mit οὐδ᾽ εἰ (vgl. Gerlach im Philol. XXX p. 36), die nur 
durch die Notiz 383. 384 sehr unpassend unterbrochen werden, in 
fortschreitender Steigerung bis zu dem furchtbaren Abschluss in 387, 
welcher freilich ausser von Düntzer auch von Franke bei Faesi und 

7% 


100 Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 


Helbig verworfen wird. Jene Anwendung der steigernden Hyperbel 
setzt sich danu noch fort in der Zurückweisung der zur Gatlin an- 
gebotenen Tochter Agamemnons 388— 391, welche Achill weiter 
Gelegenheit giebt zu einer bitteren Anspielung auf Agamemnons Stolz. 
392, indem er zu verstehen giebt, dass er als Schwiegersohn dem 
hochmüthigen Oberkönige doch kaum anstehen werde. Aber sofort 
bricht auch wieder das eigne Selbstgefühl hervor, in der Andeutung, 
dass er um die Wahl einer ebenbürtigen, ihm zusagenden Gattin nicht 
verlegen sein werde. 

Wiederum leitet, ähnlich wie 364, der Gedanke an die Heim- 
kehr und die Vermählung mit einer ihm zusagenden Fürstin einen 
ruhigeren Ton ein: er entwirft ein Bild behaglichen Lebensgenusses 
bei seinem reichen Besitz, um daran eine Werthschätzung des Lebens 
zu knüpfen, der gegenüber alle andern für die Theilnahme am Kampfe 
geltend gemachten Motive hinfällig werden. “Nicht alle Schätze der 
Welt wiegen mir das Leben auf; denn einmal entflohen, ist es un- 
wiederbringlich verloren? — dieser Gedanke wird vermittelst der be- 
liebten Hyperbel (401 —405) und mit einer wirksamen Verwendung 
der Anaphora und des Chiasmus (406— 409) mit aller Kraft zum 
Ausdruck gebracht. Mit der folgenden Motivierung “da ich die Wahl 
habe zwischen einem langen, wenn auch ruhmlosen Leben und einem 
kurzen ruhmvollen, so wähle ich das erstere’ wird auch Odysseus’ 
Versuch auf seinen Ehrgeiz zu wirken auf das bestimmteste zurück- 
gewiesen. In den fast leidenschaftlosen Schlussworten klingt noch 
einmal Achills bittere Stimmung an in dem ironischen ἀμείνω 423 
und ἑτοίμῳ in dem motivierenden Satze 425. 

Im Einzelnen bemerke ich noch Folgendes: 309. Die Be- 
deutung von ἀποειπεῖν erörtert Könighoff Critica et Exegetica 
p- 13 fl. — 312. Renner über das Formelwesen des griech. Epos 
p- 17 vergleicht Theognis 91. 92. — 318. Zur Erklärung von 
καὶ εἰ vgl. Σ. Zange der homer. Gebrauch der Partikel εἰ I 
p- 449. — 319. Nach Windisch in Curtius Stud. II p. 380 ist 
die Grundbedeutung der auf den Sanskritstamm iva zurückgehen- 
den homerischen Formen ἰῷ, Ta, ἴαν, ἰῇ, ing, welche Bekker 
homer. Blätt. II 29 verzeichnet, ‘derselbe’ und daraus erst die Be- 
deutung “eins? entwickelt. — 318— 320 wurden von Bekker aus 
dem Text ausgeschieden unter Zustimmung von Moritz 1. 1. p. 32. 
Gegen die Auswerfung von 318. 319 hat Friedlaender Analecta Ho- 
merica p. 15 (= Jahrbb. f. class. Phil. Suppl. II p. 469 f.) mit 
Recht Einsprache erhoben, da sie nicht als allgemeine Seutenz zu fassen 
sind, sondern auf die besondere Situation gehen und dem Zusammen- 
hang durchaus angemessen sind. Der Wechsel des Tempus, Praesens 
nach dem Imperfect ἦεν 316, ist ohne Bedeutung, weil dieses Imper- 
fect nur auf die früher gehegte Ansicht weist, die in Folge der jetzt 
gewonnenen bessern Einsicht (was ἄρα andeutet) als irrig aufgegeben 
ist, mithin durch die Verschiedenheit der Tempusformen keine tempo- 
rell verschiedene Thatsachen angezeigt werden. Dagegen ist V. 320, 
schon von Heyne, Köppen verdächtigt, von Friediaender unter Zu- 


Kritischer und exegetischer Anhang. I. 101 


stimmung von Doederlein, Franke, la Roche als dem Zusammen- 
hange durchaus widersprechend erwiesen. Zunächst schliesst sich 
diese Gnome den beiden vorhergehenden nicht passend an, weil sie 
nicht, wie jene, etwas enthält, was Achill dem Agamemnon und dem 
Heer zum Vorwurf machen kann und andererseits geeignet wäre ihn 
selbst vom Kampfe abzuhalten. Da ferner Achilles in den folgenden 
Versen ausführt, dass er von all seinen Kämpfen nur Mühsal und Ge- 
fahren, aber keinen Gewinn gehabt habe und durch die Leidenschaft 
zu dem Gedanken geführt wird, dass ein sicheres Leben einem ge- 
fährdeten Ihaten- und ruhmvollen vorzuziehen sei (406 fl.), so würde 
gerade der entgegengesetzte Gedanke “der Feige kann ein langes 
Leben hoffen, während der Kühne frühzeitig hingerafft wird” dem 
Zusammenhange entsprechen, — Uebrigens vermuthete Bentley Ady- 
xav’ ὁμῶς = praedae parem partem auferre solebal, wodurch 
nur der Gedanke aus 318 reproduciert werden würde. Einen 
Versuch den Zusammenhang durch Interpretation zu retten findet man 
bei Könighoff Critica et Exegelica p. 16 f. („par eademque ratio est 
mortuorum, et eorum qui nihil fecerunt et eorum, qui multum labora- 
runt“ mit Bezug auf H 336) und einen andern bei Warschauer 
de perfecti apud Homerum usu, Posen 1866 p. 38 Anmerk. 2. — 
323. Die Eigenthümlichkeiten des Vergleichs mit der daranschliessen- 
den Anwendung bis 326, besonders in sprachlicher Hinsicht, wie das 
unpersönliche κακῶς πέλει, αἱματόεντα 326 etc., die Seltenheit von 
Gleichnissen in den Reden überhaupt, sowie der Eindruck einer der 
augenblicklichen Gemüthsstimmung des Achill nicht congruenten Senti- 
mentalität bestimmen Friediaender Beiträge zur Kenntniss der home- 
rischen Gleichnisse II p. 15 fl. 323—326 als unecht zu verwerfen. 
Ueberdies ist 327 verworfen von Moritz 1. 1. p. 32. Düntzer Ari- 
starch p. 153 verwirft 323—327. — Eine Nachahmung dieser Stelle 
findet bei Theoerit XIV, 39 Stanger in den Blättern für das Bayersch. 
Gymnasialwes. III, 208. — Zur Schreibung (324) οἵ vgl. la Roche 
homer. Untersuchungen p. 141. — 334. Bekker schreibt statt der 
handschriftlichen Lesart ἄλλα δ᾽ — ἅσσα δ᾽, was er in den homer. 
Blättern I p. 181 f. näher begründet. So ansprechend diese Ver- 
muthung ist, so bedarf es derselben doch nicht, da sich für die hier 
Anstoss erregende Dreitheilung παῦρα — πολλὰ δὲ — ἄλλα δέ 
Parallelen beibringen lassen. So lesen wir ß 276. 277 

παῦροι γάρ τοι παῖδες ὁμοῖοι πατρὶ πέλονται, 

οἵ πλέονες κακίους, παῦροι δέ τε πατρὸς ἀρείους, 
und ἡ 123—125 

τῆς ἕτερον μὲν ϑειλόπεδον λευρῷ ἐνὶ χώρῳ 

τέρσεται ἠελίῳ, ἑτέρας δ᾽ ἄρα τὲ τρυγόωσιν, 

ἄλλας δὲ τραπέουσι" 
Zwar entspricht die Theilung an diesen beiden Stellen nicht geradezu 
der hier vorliegenden, aber, wie die zweite Stelle zeigt, dass selbst 
bei einer so scheinbar alles weitere ausschliessenden Scheidung mit 
ἕτερος μὲν — ἕτερος δέ noch eine Erweiterung des zweiten Gliedes 


102 Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 


durch eine neue Unterabtheilung möglich ist, so ergiebt die erste die 
Möglichkeit nach einer scheinbaren Erschöpfung des Ganzen durch 
παῦροι und οἵ πλέονες von Neuem zu dem ersten Gliede zurück- 
zukehren und innerhalb desselben noch eine genauere specialisierende 
Theilung vorzunehmen, ein besonderes auszuscheiden. Das letztere 
ist in ähnlicher Weise in der vorliegenden Stelle geschehen. Wenn 
bei der Vertheilung der Beute, wie Bekker sagt, vor allen die Fürsten 
und Edlen bedacht werden, so ist doch die Maunschaft nicht ausge- 
schlossen, wie A 126 zeigt, und der allgemeine Ausdruck διαδα- 
σάσκετο kann sowohl die Beutevertheilung an die λαοί, wie die Er- 
theilung besonderer γέρα an die Fürsten und Edien in sich begreifen. 
Nach Analogie von βὶ 277 lässt sich die Stelle also wohl so ver- 
stehen, dass Achill nachdem er das zunächst für seinen Zweck in 
Frage kommende Verhältniss der Grösse des ausgelheilten und des 
behaltenen Gutes bestimmt hat, in der Form des Gegensatzes zu 
dem ersten Gliede zurückkehrt, um aus demselben ein besonderes aus- 
zuscheiden, was die Grundlage für die folgende Ausführung werden 
soll. Ein solches Zurückkommen auf einen vorhergehenden Gedanken 
vermittelst des Gegensatzes zum letzten ist überhaupt eine, freilich 
vielfach verkannte Eigenthümlichkeit des epischen Stils, die ich er- 
örtert habe in dem Programm: zur Periodenbildung bei Homer. 
Göttingen 1868. — Die Bedeutung von ἀριστῆες erläutert Gladstone 
hom. Stud. p. 346, vgl. auch Riedenauer Handwerk p. 26 und 175, 
Note 155. — 336. Ueber das Verhältniss des Achill zur Briseis vgl. 
auch Ditges quae insint in Iliade mitiora. Emmerich 1851 p. 7 1. 
und Gerlach im Philol. XXX p. 25 . — 337. δεῖ findet sich nur 
an dieser Stelle, sonst überall χρή. Vgl. hierüber und über ähnliche 
vereinzelte Erscheinungen Friediaender im Index lectt. Königsberg, 
Winter 1859 p. 4. — 339. Ueber die ironischen Fragen mit ἦ vgl. 
Praetorius der homer. Gebrauch von ἢ in Fragesätzen p. 5 ff. — 
340. Eine eingehende Erörterung der verschiedenen Deutuugen von 
μέροψ findet man bei Düntzer die homerischen Beiwörter des Götter- 
und Menschengeschlechts, Göttingen 1859 p. 30 M. Dazu vgl. Fick 
in Kuhns Zeitschr. XX p. 172. — 342. Ueber die zusammengesetz- 
ten Reflexivpronomina vgl. Zehrs quaesit. ep. p. 114 ff., auch Cauer 
in Curtius Stud. VII, 159 f., über αὐτός in rellexivem Sinne Windisch 
in Curtius Stud. II p. 348: ,,αὐτός bedeutet nicht “er selbst” im 
Gegensatz zu den beiden andern Personen, “er? ist nur allgemeiner 
pronominaler Ausdruck irgend einer Person, der dritten so gut als 
der ersten und zweiten, woraus sich erklärt, dass αὐτός für sich 
allein auch reflexiv im Sinne aller drei Personen stehen kann.“ — 
Uebrigens ist die Verbindung des Artikels mit einem Geneliv der Zu- 
gehörigkeit ohne den entsprechenden Begriff ‘Gattin’ hier einzig bei 
Homer: vgl. Weidenkaff nonnulla ad syntaxin Hom Wittenberg 
1870 p. 5, aber ähnlich mit Ergänzung aus dem Vorhergehenden 
sind #348 τοὺς “αομέδοντος, #376, χ 221 vgl. Foerstemann 
Bemerkungen über den Gebrauch des Artikels bei Homer, Salzwedel 
1861 p. 20. — 343. Ueber die Composilion von δουρικτητή vgl. 


Kritischer und exegetischer Anhang. I. 103 


Fedde über Wortzusammensetzung bei Homer I p. 19. — 346. Hin- 
sichtlich des Gebrauchs von σύν ist von Mommsen Entwicklung einiger 
Gesetze für den Gebrauch der griech. Praepositionen p. 37 das Ge- 
setz beobachtet, dass bei verschiedenen Numeris regelmässig der Sin- 
gular vorangeht, wie hier. Zur Erklärung dieser Stelle vgl. denselben 
p- 39. Eine besondere Beziehung auf den ® 75 erwähnten Streit 
zwischen Achill und Odysseus wird in den Worten gefunden bei Ari- 


stonic. ed. Friediaender p. 162. — 351. Eine Zusammenstellung 
der Umschreibungen mit σϑένος, is, μένος etc. giebt Weidenkaff 
nonnulla-ad syntaxin Homeri p. 3 f. — 354. Zu ὅσον (sc. ἐστί) 


vgl. R. Foerster Quaestliones de Attraclione enuntiatorum relativ. 
Berolini 1868, p. 32. — 355. Der hier erwähnte Kaınpf wird mit 
% 257 —260 combiniert: vgl. Nitzsch Beiträge p. 203. An der 
Aechtheit des Verses zweifelt übrigens Moritz a. Ὁ. p. 82. — 
360. Ueber den umfassenden Begriff von Ἑλλήσποντος vgl. Gladstone 
hom. Stud. p. 27. — 366. πολιός als Beiwort des Eisens erörtert 
Riedenauer Wandwerk p. 112, — 367. Ueber eine Beziehung auf 
4A 300 vgl. Aristonic. ed. Friedlaender p. 162. — 369 fi. Eine 
von der gewöhnlichen abweichende Auffassung der Stelle begründet 
Rhode homer. Miscellen p. 16, indem er den 371 angedeuteten 
Versuch Agamemnons andere Achaeer zu täuschen auf sein Verhältuiss 
zu Achill bezieht, indem er etwa hoffe den Achaeern einreden zu 
können, Achill werde sich versöhnen urd bestimmen lassen wieder 
zu kämpfen. Dieser Auffassung liegt die richtige Beobachtung zu 
Grunde, dass der Groll der Achaeer nicht passend abhängig gedacht 
sein kann von Agamemnons eventueller Absicht es mit andern Achaeern 
ebenso zu machen, wie mit Achill. Gleichwohl ist die darauf ge- 
baute "Erklärung unwahrscheinlich. Zunächst weist &ı 371 darauf, 
dass er bei dem ἐξαπατήσειν an seinen eignen Fall mit Agamemnon 
denkt, an die durch die Wegnahme der Briseis ihm widerfahrene 
Täuschung, und könnte man darüber noch zweifelhaft sein, so heben 
die im nächsten Zusammenhang folgenden Verse 375. 376 jeden 
Zweifel. Bei diesem engen Zusammenhang, auf den der Gegensatz 
des durch γέ betonten ἐμοί 372 weist, und der durch die parenthe- 
tische Ausscheidung der Verse 369—72 (τῷ πάντ᾽ bis ἐπιειμένος) bei 
Dindorf, Franke durchaus zerstört wird, scheint es unmöglich das 
ἐξαπατᾶν an beiden Stellen in verschiedenem Sinne zu verstehen. 
Ist dies begründet, so muss man für den Satz mit εἰ 371 einen 
loseren Zusammenhang mit dem vorhergehenden Gedanken annehmen. 
Die Verbindung dieses Satzes mit dem Vorhergehenden ἰδὲ wohl ähn- 
lich, wie die eines motivierenden Satzes mit ἐπεί, so dass nach An- 
gabe des nächsten Zwecks der offenen Mittheilung, dass auch die andern 
Achaeer in Folge der abweisenden Antwort Achills dem Agamemnon 
zürnen als dem Anstifter alles Unglücks, durch den Satz mit εἰ nach- 
träglich noch ein besonderer Punkt zur Geltung gebracht wird, wo 
sich jener Groll der Achaeer wirksam zeigen kann. — Zu 375 fl. 
vgl. Nicanor ed. Friediaender p. 201. — 377. Die Schreibung &x 
γάρ εὖ rechtfertigt Za Roche homer. Untersuchung. p. 144. — 


104 Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 


378. Zur Erklärung von ἐν καρὸς αἴσῃ vgl. Könighoff Critica et 
Exegetica und Doederlein in der Ausgabe z. St., mit Glossar II 8. 593. 
— 379 M. Ueber die Sätze mit οὐδ᾽ εἰ vgl. Z. Zange der homer. 
Gebrauch der Partikel εἰ 1 p. 374 M, und zu V. 380 denselben 
p. 448. Die völlige Uehereinstinmung der Periode mit χ 61 fl. 
empfiehlt mit Bekker, auch Zange V. 386 den Optativ meloeı” zu 
schreiben, obwohl die besten Handschriften bei Za Roche πείσει haben. 
— 381. Ueber den Handelsverkehr des minyischen Orchomenos vgl. 
Riedenauer Handwerk p. 55, E. Curtius griech. Geschichte I p. 72 und 
über das Schatzhaus des Minyas Welcker kl. Schriften ΠῚ p. 359 f. Vom 
hundertthorigen 'Theben in Bezug auf diese Stelle handelt Zauth Homer 
und Aegypten. München 1867 p. 37 fl. Derselbe erinnert an das Schatz- 
haus des Rhampsinit (= Ramses II), die grossen Siege von Ramses- 
Sesostris, Meneptah und Ramses III, die in Theben an den Pylonen 
mehrfach dargestellt waren, und von denen die Kunde zu den 
Griechen gedrungen sein mochte. „Die Rosse und Streitwagen sind 
ein charakteristischer Zug, da eigentliche Reiterei auf den aegyptischen 
Denkmälern und in den Texten nicht angetroffen wird.“ Eine alte un- 
mittelbare Verbindung mit Aegypten nimmt auch Büchsenschütz Besitz 
und Erwerb p. 378 an, während Gladstone hom. Stud. p. 33 Homers 
Kunde von Aegypten hauptsächlich durch die Phoenicier vermitelt 
sein lässt. Dagegen findet Bergk griech. Literaturgesch. I p. 471, 
vgl. p. 597, in dieser Stelle einen Anachronismus: die früheren 
glanzvollen Zeiten Thebens lägen weit hinter der Erinnerung der 
Hellenen der homerischen Zeiten, vielmehr habe der Verfasser dieser 
Verse die ruhmvollen Zeiten der ersten Herrscher der 22. Dynastie 
im Auge. Vgl. dagegen Düntzer homerische Fragen p. 142 f. — 
383 und 384 wurden verworfen von Heyne V p- 609, Moritz a. 0. 
p- 32, Düntzer Aristarch p. 155. — 387 wird verworfen von 
Helbig. im Rhein. Mus. XIV Ρ. 808 f., vgl. Düntzer Aristarch p. 156 
Note. Den Begriff von λωβή erörtert "Mayer dritter Beitrag zu einer 
Synonymik, Gera 1849 p. 11 f. — 388. Den Bau solcher Perioden 
mit doppeltem Nachsatz habe ich besprochen in dem Programm: zur 
Periodenbildung bei Homer, p. 12 f. Wegen der Interpunction vgl. 
auch Nieanor ed. Friedlaender p. 62 und 202. — 392, Ueber die 
Schreibung ὅστις οἵ τ᾿ vgl. ἴα Roche homer. Untersuch. p. 144. — 
394. Ich habe mit Bekker Aristarchs Lesart γέ μάσσεται statt γα- 
μέσσεται gegeben, nicht weil γαμέσσεται in dem hier nolhwendigen 
Sinne *wird- eine Gattin wählen” vereinzelt dasteht, sondern weil die 
Betonung von γυναῖκα durch γέ in dem in der Anmerkung bezeich- 
neten Sinne von besonderer Wirkung und ebenso μαίομαι als treifen- 
dere Bezeichnung die Schärfe, mit der Achill Agamemnons Anerbieten 
zurückweist, erhöht, — 401. Im Zusammenhang mit der zu H 131 
angedeuteten Ausführung bemerkt Kammer die Einheit der Odyssee 
p- 511 in Bezug auf diese Sıelle: „Dieser Ausspruch gewinnt seine 
volle Bedeutung erst durch die Annahme, der Tod schneide das Leben 
in jeder Form ab. War es der Glaube, die ψυχή stürbe nicht, 
sondern lebe in der Scheingestalt des Gestorbenen im Hades fort, 


Kritischer und exegetischer Anhang, 1. 105 


hätte der Dichter einmal vielleicht nicht gesagt οὐ ψυχῆς ἀντάξιον, 
sodann hätte er hier wohl über den Werth dieser geglaubten Existenz 
nach dem Tode Achilleus sein Urtheil aussprechen lassen.“ Zur Be- 
gründung vgl. Ψ 103 M — Zur Lesart ἐμοί vgl. Bekker hom. 
Blätt. I p. 73. — 402. Ueber den von Krüger Di. 53, 2, 7, auch 
‚Kühner ausf. Gramm. ?II p. 154, 4 bei Homer überschenen imper- 
fectischen Gebrauch des Infinitivs und Partieipiums Praes. im Anschluss 
nicht an ein tempus praeterit., sondern an ein Praes. vgl. ἢ. ἢ. Müller 
Syntax der griech. Tempora p. 32 f. Die Stellen sind für den In- 
finitiv: E 639. 1 402. & 181. 516. χ 321. 322. 2 543, für 
das Partieip: Γ' 44. 9 491. v 401. τ 253. — 404. Vom Steinbau 
in der homerischen Zeit handelt Riedenauer Handwerk p. 90. Ueber 
die Bezeichnung Adivog οὐδός bemerkt Welcker klein. Schrift. II 
p- 366: ‘Die Emphase, die offenbar in Adivog οὐδός liegt, fliesst aus 
der Heiligkeit des Raumes, aus dem Gefühle, womit man diese Schwelle 
betrat.” Ueber die Grenzen, innerhalb deren ein politischer Einfluss 
des delphischen Orakels für die homerische Zeit anzunehmen sei, vgl. 
Naegelsbach's hom. Theol. 2p. 191 f. Uebrigens verwirft Bergk 
griech. Literaturgesch. 1597 auch diese Verse, wegen der Erwähnung 
der Reichthümer von Pytho. — 406 ff. Zechner de Homeri imitatione 
Euripidea, Erlangen 1864, p. 23 vergleicht Eurip. Suppl. 779—781: 


τοῦτο γὰρ μόνον βροτοῖς 
οὐκ ἔστι τἀνάλωμ᾽ ἀναλωϑὲν λαβεῖν, 
ψυχὴν Bgorelav" χρημάτων δ᾽ εἰσὶν πόροι. 


411. Von der in der Anmerkung angedeuteten Differenz zwischen 
dieser ‚Stelle und den übrigen in Bezug auf Achills Ende handelt 
Kraut die epische Prolepsis, nachgewiesen in der Ilias, Tübingen 1863, 
p. 24 f. — 414. Bentley schrieb: ἵκωμαι ἐμὴν stalt ὕκωμι φίλην, 
dem Bekker hom. Blätter I p. 218 zustimmt, G. Zange quaestionum 
Homer. spec. Berlin 1863 p. 24 ff. will, wie schon Heyne, schreiben 
Tnowaı ἰών, Vgl. Ta Roche hom. Untersuchungen p. 250. — 
416. Zur Athetese dieses allgemein verworfenen Verses vgl. Aristoni- 
cus ed. Friedlaender p. 164. 

433. Den homer. Gebrauch von πρῆσαι, ἀναπρῆσαι erörtert 
Buttmann Lexilogus *I p. 99 M., dazu vgl. G. Curtius in dessen 
Studien IV p. 228 f. — Der Vers wird verworfen von Düntzer Ari- 
starch p. 158. 

434— 605. Ueber die Bedeutung von μετὰ φρεσὶν βάλλεσϑαι 
vgl. Hoffmann homer. Untersuchungen, Nr. 2, erste Abth. Lüneburg 
1858 p. 18. — Einzelne Bemerkungen über den Charakter der Rede 
des Phönix im Gegensatz zu der des Odysseus bei Gladstone hom. 
Stud. p. 323 und 326, im Vergleich zu Nestor Hess komische Ele- 
mente p. 38. — Düntzer Aristarch p. 158 ff. verwirft V. 458—461. 
466—469. 471—473. 481—484. 486—492. 494. 495. 498—501. 
515—605. — Die Rede des Phoenix, getragen von der innigsten 
Liebe zu Achill (man beachte die wiederholten zum Theil zärtlichen 
Anreden 434. 437. 444. 485. 494. 496. 513), will auf Grund dieser 


106 Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 


besonders durch sittliche Motive wirken. Sie setzt daher nachdrück- 
lich gerade in dem Punkte ein, welchen Odysseus mit Absicht zu er- 
örtern vermieden, Achill aber den von jenem geltend gemachten Motiven 
gegenüber mit aller Kraft hervorgekehrt hatte, indem sie Achills Be- 
rechtigung zu weiterem Grollen widerlegt. Der Schwerpunkt der 
Rede liegt daher ohne Zweifel in der mittleren Partie 496—523, zu 
der sich die dieselben einrahmenden Erzählungen als Vorbereitung und 
Exemplification stellen. 

Die Einleitung, 434—444, knüpft zunächst eingehend auf Achills 
Vorhaben abzureisen, an die von demselben angedeutete Möglichkeit, 
dass er ihm zu folgen nicht geneigt sei, an, indem Phoenix lebhaft, 
fast entrüstet, mit warmen Worten dieselbe zurückweist. Vom Vater 
ihm zum Begleiter und Leiter seiner Jugend in den Krieg mitgegeben, 
kann er unmöglich zurückbleiben, wenn Achill heimzukehren ent- 
schlossen ist. Die nochmalige Versicherung, dass er auch um den 
lockendsten Preis erneuter Jugendkraft nicht von ihm lassen werde, 
leitet dann über zu dem ersten Theil der Rede, 444—495, der Er- 
zählung seines eignen Schicksals unter dem Gesichtspunkte, wie 
dasselbe unauflöslich an das des Achill geknüpft sei. Durch des 
Vaters Groll aus der Heimath vertrieben, fand er in Phthia eine zweite 
Heimath, in Peleus einen zweiten Vater, in Achill den Sohn, da durch 
des Vaters Fluch ihm ein leiblicher Spross versagt war. Das innige 
persönliche Verhältniss zu Achill wird besonders begründet durch 
Phoenix’ Sorge für Achills Erziehung 485, die gegenseitige Zuneigung 
486—489, die mancherlei Plage, die er um des Knaben willen erduldet 
490—492, die Hoffnung, die er auf ihn geseizt 493—495. Die 
Hervorhebung dieser Beziehungen, wie die Betonung der liebevollen 
Aufnahme, die er bei Peleus gefunden 481—484, des Vertrauens, 
welches er ihm schenkte, indem er ihm die Unterweisung und Leitung 
des Jünglings bei dem Zuge nach Troja anvertraute 438 ff, sind ge- 
wiss geeignet Achills Seele empfänglicher zu machen für die Vor- 
stellungen und Mahnungen, welche den Mittelpunkt der ganzen Rede 
bilden. 

Beurtheilt man die Erzählung streng nach diesem Gesichtspunkte, 
so lässt sich nicht leugnen, dass einzelne Theile derselben entbehrlich 
und zwecklos erscheinen, weil sie die Beziehung auf diese Absicht des 
Redenden ganz aus den Augen verlieren. Aus diesem Gesichtspunkte 
wollte Moritz 449—478 streichen, wie sie Köchly in seinen lliadis 
carmina XVI theils eingeklammert, theils unter den Text gesetzt hat. 
Dagegen hat Düntzer Aristarch p. 160 wohl mit Recht geltend ge- 
macht, dass der durch οἷον ὅτε 447 eingeleitete Vergleich die Dar- 
stellung einer Scene bedinge, worin sich Phoenix’ frische Jugendkraft 
zeigte, wie sie eben 475—477 dargestellt ist. Im Uebrigen aber 
verwirft er 458—461 mit Aristarch, sodann 466—469 und 471—473, 
und diese überaus weitläufige Schilderung leidet in der That zum 
Theil derart an Unklarheit, dass eine Interpolation oder doppelte Re- 
cension, worüber Näheres unten zu 464, wahrscheinlich ist. Die 
vorangehende Partie 449—456 aber rechtfertigt sich durch die Be- 


Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 107 


ziehung, welche 493. 494 auf den Fluch des Vaters 454. 455 ge- 
nommen wird. Die übrigen von Düntzer angenommenen Interpolatio- 
nen 481—484. 486—492. 494. 495 sind zu wenig begründet, als 
dass ich sie für wahrscheinlich halten könnte: mit denselben würden 
gerade die wesentlichsten Momente, durch welche die weitläuge Er- 
zählung gerechtfertigt wird, beseitigt werden. 

Der Gedanke, dass Phoenix in Achill sich den Sohn zu erziehen 
hoffte, der ihm den versagten leiblichen Sohn ersetzen sollte, giebt 
einen treffenden Uebergang zum zweiten Theil der Rede, 496—523, 
der eindringlicheu Mahnung seinen Groll aufzugeben. Diese wird 
begründet : 

1, Durch allgemeine sittliche Motive, 496—514: 

a, Durch den Hinweis auf die Versöhnlichkeit der Götter, 
496 —501: selbst die Gölter, die doch so hoch und er- 
haben über den Menschen dastehn, lassen sich von diesen 
versöhnen, wenn sie sich gegen dieselben vergangen haben. 

b, Durch die Allegorie von den Sühnbitten (Liten), 5602— 
514. Die Personificalion der Sühnbitten als Töchter des 
Zeus stellt den Sühneversuch als eine in der sittlichen 
Weltordnung begründete und darum auch von den Göttern 
anerkannte und geschätzte Macht hin, welche die Aufgabe 
hat als Correetiv der Ate zu dienen und nicht ungestraft 
verachtet wird. Eine Zurückweisung der Liten zieht die 
Ate nach sich, während die Anerkennung derselben auch 
die Götter geneigt macht das Gebet des Menschen zu er- 
hören, wenn er sich vergangen hat. 

2, Durch den insbesondere für den vorliegenden Fall geführ- 

ten Nachweis, dass der Groll, wenn er vorher berechtigt 

war, es jetzt nicht mehr ist, 515—523. 

a, Agamemnon hat seinen Groll aufgegeben und bietet reiche 
Sühne, 515—519. 

b, der Sühneversuch geschieht in der rücksichtsvollsien und 
ehrenvollsten Weise: die edelsten Männer, auserlesen aus 
der Gesammtheit der Achaeer, zugleich Achill die liebsten, 
sind gesendet ihn zu erbitten, 520—523. 

Ueber die mannigfachen kritischen Bedenken, welche sich an den 
dritten Theil der Rede, die Erzählung von Meleager knüpfen, ist 
Näheres unten zu 529 fl. bemerkt. Dieselbe ist offenbar in ihrer Be- 
handlung der gegenwärtigen Situation möglichst angepasst, ob freilich 
so, wie Kiene Komposition p. 103 annimmt, ist fraglich; jedenfalls 
müssten wir dann in Bezug auf 550 fl. vgl. mit 529 —532 eine 
völlige Verwirrung der ursprünglichen Darstellung annehmen. 

438. Statt σοὶ δέ μ᾽ ἔπεμπε wollte Jacobs corrigieren σὺν δέ 
μ᾽ ἔπεμπε, Düntzer Aristarch p. 159 verlangt σοὶ δ᾽ ἅμ᾽ ἔπεμπε 
γέρων μ᾽ ἱππήλατα. — 444. Ueber ὡς vgl. Lehrs Aristarch. ?p. 169 
und über die Concessivsätze mit οὐδ᾽ εἴ κε Z. Lange der homerische 
Gebrauch der Partikel εἰ II p. 514 fl — 447. “Ἑλλάς soll hier und 


108 Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 


478 nach Düntzer u. A. in dem späteren Sinne stehen, nicht wie 
sonst in der Ilias von dem thessalischen Landstrich; indess scheint die 
Combination von G. F. Unger im Philol. Suppl. II p. 640 f., nach 
der die Anmerkung zur Stelle gegeben ist, geeignet die Schwierig- 
keiten zu lösen. — 452. Eine überflüssige Conjectur bei Axt Con- 
jectanea Hom. p. 8: ἵν᾽ ἐχϑήραιμε γέροντι vgl. ὃ 405. — Zu προ- 
μιγῆναι vgl. auch Eickholt quaestt. Homer. spec. Münster 1860 
p- 22. — 454. Ueber die Erinuyen vgl. Naegelsback hom. Theol. 
2p. 262 ff., Preller griech. Myth. I p. 521, Gladstone hom. Stud. 
p- 233 ἢ, Aschenbach die Erinyen bei Homer, Hildesheim 1859 
p- 4, auch Furtwängler die Idee des Todes, Freiburg 1855 p. 176 M. 
— 457 wird von Geppert Urspr. d. hom. Ges. Il p. 107 verworfen. 
— 458. Nach Plutarch de audiendis poelis 8 hatte Aristarch die 
Verse 458—461 aus dem Text entfernt, weil die darin enthaltenen 
Mordgedanken dem nachmaligen Erzieher des Achill wenig anständen: 
vgl. Zehrs Aristarch. ?p. 340 und /a Roche in der annotalio critic. 
z. St. mit Düntzer homer. Fragen p. 193. Wieder eingeführt von 
F. A. Wolf vgl. Prolegg. p. 160 (in der Berlin. Ausg. 1872), 
werden dieselben verworfen von Düntzer Aristarch p. 160, la Roche, 
Franke, Kiene Komposition p. 89 Anmerk. — 464. Ueber ἔται vgl. 
L. Lange de Ephetarum Athen. nomine p. 16. — In der folgenden 
Erzählung, welche 470 allerdings an einem unvermiltelten Uebergange 
leidet, nimmt Friediaender im Philol. IV p. 582 f. eine doppelte 
Recension an, indem zwei Stücke von entgegengeseiztem Inhalt an 
einander gefügt sein, die sich indess nicht mehr vollständig ausschei- 
den lassen: vgl. dazu Moritz a. Ὁ. p. 21 ff, Düntzer Aristarch 
p. 160, Geppert Urspr. d. hom. Ges. Π, 110, auch Aristonicus ed. 
Friedl. p. 164. — 469. Ueber die Töpferei und die Thongefässe der 
homer. Zeit vgl. Riedenauer Handwerk p. 141 MM: nach den neueren 
Untersuchungen scheint es unzweifelhaft, dass der Sänger der Ilias 
nicht nur Thongefässe, sondern auch bemalte Thongefässe griechi- 
schen Fabrikats kennen musste. — 476. Bedenken gegen ἑρκίον 
äussert Geppert Ursprung d. hom. Ges. 11 p. 98. — 477. Die Ver- 
bindung von ῥεῖα mit λαϑών, welche Nicanor ed. Friediuender 
p- 202 verwarf, begründete Bekker homer. Blätt. I p. 176 f. — 
481. Ueber ἐπέ vgl. Giseke allmähliche Entstehung p. 141. — 
483. Ueber das Verhältuiss des Phönix zu Peleus vgl. Gladstone 
hom. Stud. p. 281 und Schoemann's griech. Alterth. 1 p. 35. — 
487. Ueber πατέομαι vgl. Lehrs Aristarch. ?p. 131 mit Brosin de 
coenis Hom. p. 63 f., welcher 486 durch die Conjectur ἐϑέλεσκον 
statt ἐθέλεσκες das Unlogische des Gedankens zu beseitigen sucht. 
Vgl. darüber auch Friedlaender de conjunctionis ὅτε etc. p. 108 f. 
— 488, πρίν γ᾽ ὅτε mit dem Optativ findet sich nur hier: vgl. R. 
Foerster de usu conjunct. πρέν Homerico et Hesiodeo in Miscellaneo- 
rum philol. libellus (zu Haase’s Jubilaeum) Breslau 1863 p. 15, auch 
Friediaender de conjunct. ὅτε p. 17 und 108. — 502 ff. Die 
folgende Allegorie von den Liten besprechen Naegelsbach hom. Theo- 
logie‘?p. 242, mit besonderem Bezug auf die Ale Welcker griech. 


Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 109 


Göuterl. I p. 712, Zehrs populäre Aufsätze p. 225 in der Note, 
Gladstone hom. Stud. p. 174 und gegen diesen Schoemann griech. 
Alterthüm. II p. 139. Verworfen wurde dieselbe von’ Nitzsch Sagen- 
poesie p. 129: “Diese Plastik aus Reflexion passt dort wenig zu der 
schlichten Erinnerung an die Versöbnlichkeit der Götter, sie motiviert 
für den einfachen Phönix zu fein und zu tief? (diese Ansicht hat der- 
selbe freilich in den Beiträgen p. 71 Anmerk. p. 122 zurückgenom- 
men.) gl. dagegen Moritz a. Ὁ. p. 24, Düntzer Aristarch p. 162 f., 
Schoemann de reticentia Hom. p. 13, Bernhardy Grundriss d. griech. 
Lit. II, 1, p. 165. — Ueber die Verwendung des Mythos in den Reden 
zum Ausdruck des subjectiven Gefühls spricht Pazschke über die homer. 
Naturanschauung p. 3 f., auch Gladstone hom. Stud. p. 373 f. — 
509. Ueber die Aufnahme des vorhergehenden Relativpronomens im 
Nachsatze durch das Demonstrativum, sowie über das damit verbundene 
δέ ἀποδοτικόν vgl. Otto Beiträge zur Lehre vom Relativum bei Homer. 
1, Weilburg 1859 p. 8 und 9, auch Schoemann opuse. II p. 97, 
‚Hentze de pronominum relativorum linguae graecae origine atque 
usu Homerico, Göttingen 1863 p. 34—36. — 513. Die Schwierig- 
keiten dieses und des folgenden Verses erörtert Bekker hom. Blätter I 
p- 320. Vgl. indess Franke z. St., mit dem die gegebene Erklärung 
im Wesentlichen übereinkommt. Die Auffassung von τιμή in objectivem 
Sinne als die den Liten anhaftende Ehre, ihr Ansehen, ist offenbar 
vorbereitet und erleichtert durch die vorhergehende Wendung τιμὴν 
ἔπεσϑαι (vgl. zu 609), die ihrerseits wieder durch das vorhergehende 
ἔάτην ἅμ᾽ ἕπεσϑαι veranlasst zu sein scheint. Dass der Sinn nur 
sein kann: achte und respectire auch Du die Töchter des Zeus, wie 
andere Edle, wenn sie zürnten, sie respectirt haben, zeigt die Be- 
ziehung von καὶ σύ und ἄλλων περ. Anders Düntzer Aristarch 
p. 163. — 522. ἐλέγχειν im Zusammenhange mit ἔλεγχος und ἐλεγ- 
χείη erörtert Mayer dritter Beitrag zu einer homer. Synonymik, Gera 
1849 p. 9. — 525. Ueber den temporalen Nebensatz mit ὅτε xev 
vgl. Friediaender de conjunctionis ὅτε etc. p. 110. Anders fasst die 
Stelle H. D. Müller Syntax der griech. Tempora p. 15. — 529 fl. 
Die folgende Erzählung ist kritisch behandelt von P. la Roche die 
Erzählung des Phönix von Meleagros, München 1859 mit dem Resul- 
tat: ein späterer Dichter habe diese Erzählung aus einem alten Liede 
(Nitzsch Beiträge p. 150 nimmt zwei kleine Lieder an) oder einem 
Cyclus von solchen, in welchem die Sage von Meleagros vollständig 
überliefert war, in der Weise entnommen, dass er ungeschickt excer- 
pierend, bald nichts als mangelhafte und unklare Notizen, bald wieder 
Detail von unverhältnissmässigem Umfang und relativ unwesentlichem 
Inhalt gab, das sich aber meist durch irgend einen Effect zur Auf- 
nahme zu empfehlen schien. Vgl. dazu die Gegenkritik von Dünizer 
im Aristarch p. 187. Andere suchen durch Ausscheidung grösserer 
Partien den allerdings sehr gestörten Zusammenhang herzustellen und 
die Dunkelheiten und Widersprüche der Erzählung zu beseitigen: so 
verwerfen Nitzsch Sagenpoesie p. 148 und Goebel in Mützells Zeit- 
schr. f. d. Gymnas.-W. XIV, 262 fl. V. 557—572 als diaskeuastische 


110 Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 


Zuthat, Moritz de Iliadis libro IX p. 11 V. 533—549 und 557— 572: 
indem letzterer aber den Zweck der ganzen Erzählung von Meleager 
im Widerspruch‘ findet mit der von Achill bestimmt ausgesprochenen 
Absicht nach Hause zu fahren, verwirfi er die ganze Erzählung von 
524 an und folgerecht in der Antwort des Achill 607”—611. Ebenso 
wird die ganze Erzählung verworfen von Dünizer Aristarch p. 163, 
Geppert Ürspr. ἃ. hom. Ges. I p. 245 fl. unter Zustimmung von 
Friedlaender in den Jahrbb. f. class. Philol. II 584 f. Vgl. aber 
Goebel a. Ὁ. p. 265 fl. — Einzelne Punkte, wo die Erzählung ver- 
wirrt ist oder sonst Bedenken erregt, bespricht auch Friedlaender 
im Philol. IV p. 583. — Ueber die Sage von Meleager vgl. Preller 
griech. Mythol. II p. 202 ff. Moritz de lliadis libro IX p. 12 fl. 
und die Monographie von Kekule Berlin 1861, auch Hehm Kultur- 
pflanzen und Hausthiere p. 22. — 534. Die Frage, ob man unter 
den Thalysien ein Privatopfer oder ein allgemeines öffentliches Opfer 
zu verstehen habe, ist verschieden beantwortet: vgl. Bekker hom. 
Blätt. 1 p. 127, Gladstone hom. Stud. p. 260 f. und dagegen 
Naegelsbach hom. Theol. ?p. 207, Schoemann griech. Alt. I p. 32. 
61. — 538. Statt des überlieferten diov corrigiert Düntzer nach 
Z 180 ϑεῖον γένος. was er auf den Eber bezieht. — 540. Ueber 
ἔϑων, welches Nitzsch Sagenpoesie p. 177 aus dem ältern Liede 
überkommen scheint, und ähnliche Participia vgl. Classen Beobachtun- 
gen p. 91. — 541. Ueber προϑέλυμνος vgl. Curtius Etym. *p. 257 
und 705 und Fick vgl. Wörterb. ®p. 116. ϑέλ-υμνο-ν ist gebildet aus 
indogerm. W. dhar (dhra) halten, iragen, befestigen, wozu Fick 
noch stellt ϑάλ-αμο-ς Behältniss, Inneres, auch #64-0-g, und heisst 
Stütze, Grundlage, Grund, Ueber die Composition und Bedeutung 
vgl. Meyer in G. Curtius Stud. VI p. 380 f. und Schaper quae 
genera compositorum apud Hom. distinguenda sint p. 8 u. 17. — 
Eine abweichende Erklärung des Wortes aus dem Stamm Sal, wo- 
nach hier die δένδρεα προϑέλυμνα = kräftig hervorgeschossene 
Bäume, sucht zu begründen nebst eingehender Erörterung der An- 
sichten der Alten Eickholl quaestt. Nom. specim. p. 29—61. — 
547. Ueber ἀυτή und κέλαδος vgl. Mayer zweiter Beitrag zu einer 
Synonymik, Gera 1844 p. 14 u. 18 f. Die Erklärung ist gegehen 
nach Moritz de lliadis libro IX p. 6 f. — 550—553. Die Verse 
können ungezwungen nur so verstanden werden, dass die Kureten die 
Eingeschlossenen sind und die Actoler die Belagernden — die Situa- 
tion ist offenbar gedacht, wie 352—355, aber dies ist gerade die 
umgekehrte Situation von 529—532. Diesen von Grossmann Homerica 
p. 24 und Friedlaender im Philol. IV p. 583 beobachteten Widerspruch 
will Nitzsch Sogenpoesie p. 148 beseitigen durch die Conjectur in 552: 
τείχεος ἐκτὸς ἐόντα oder ἔκτοσϑέν ἑ μένειν. Vgl. aber Goebel 
in Zeitschr. f. Gymn. 1860 p. 264. — 553. Die Verbindung ἔδυ, 
χόλος mit persönlichem Object, ohne Bezeichnung des seelischen Organs, 
halt für jüngeren Ursprungs Fulda Untersuchungen über die Sprache 
der homer. Gedichte p. 301. — 563. Ueber die Sage von Alkyone 
vgl. Nitzsch Beiträge p. 14, Preller griech. Mythol. I p. 301. — 


Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 111 


568. Ueber solche symbolische Handlungen beim Gebet vgl. Schoemann 
griech. Alt. II p. 249, Naegeisbach hom. Theol. ?p. 82. — 571. 
So deutet ἠεροφοῖτις "Naegelsbach hom. Theol. ?p. 263. Andere 
wie Doederlein τ. St., deuten: in Nebel gehüllt schreitend, daher 
unsichtbar; Zeo Meyer Bemerkungen zur ältesten Gesch. d. griech. 
Mythol. p. 61: im dunkeln Gemölk mandelnd. — 572. Vgl. Moritz 
de liadis Jihro IX p. 7—9. — 575. Ueber die Stellung der Priester 
vgl. Naegelsbach hom. Theol. ?p. 201, auch Gladstone hom. Stud. 
p. 386, Sorgenfrey de vestigiis juris gentium Hom. p. 20. — 
580. Ueber die verschiedenen Arten der Bodenbenutzung vgl. Thaer 
im Philol. XXIX p. 591. 604, Hehn Kulturpflanzen und Hausthiere 
p- 62 f., auch Büchsenschütz Besitz und Erwerb p. 71. — 584. 
Das Auffallende, dass hier auch die Mutter unter den Bittenden er- 
scheint, von Friedlaender im Philol. IV 583 bemerkt, gab Nitzsch 
Beiträge p. 151 mit Veranlassung in 557— 572 ein Einschiebsel an- 
zunehmen. — 591. Zur Interpunction nach ἅπαντα vgl. Bekker hom. 
Blätt, Ip. 230. 

609. Eine abweichende Interpunelion und Erklärung giebt Koch 
2. St. Könighoff Critica et Exegetica p. 17 bezieht # auf τιμῆς, fasst 
φρονέω bis αἴσῃ als Parenthese, und ἕξει in dem Sinne von zurück- 
halten: quo (honore) si feui vellet, quamdiu vivus spiransque esset, 
apud naves retinerelur. — Uebrigens wurde dieser und der folgende 
Vers nach Heyne's Vorgange von Düntzer Aristarch p. 170 ver- 
worfen. 

616. Der Vers schon von Heyne verdächtigt, ist von Bekker, 
Döederlein, Franke, Bernhardy Grundriss d. gr. Lit. II, 1 p. 164 ver- 
worfen. Abgesehen von der nur hier sich findenden Construction 
von μείρεσϑαι mit Accus. steht der Vers durchaus unvermittelt in dem 
Gedankenzusammenhange. Weder sieht man, wie Achill von dem 
vorhergehenden Tadel zu diesem Anerbieten kommt, noch schliesst 
sich das Folgende passend an. — Dagegen möchte Moritz a. 0. p. 32 
vielmehr V. 615 auswerfen, nach 616 ein Kolon setzen und durch 
die Verbindung dieses Verses mit 617 den Zusammenhang gewinnen: 
quidquid aliud volueris, postula, hoc a me petere noli, 
ut de iis quidquam mutem, quae his mandavi renuncianda. 
— Düntzer Aristarch p. 171 verwirft 613— 616 und 618. 619. 

619. Ueber die Doppelfragen mit ἤ — # vgl. Praetorius der 
homerische Gebrauch von ἢ in Fragesätzen p. 21 ff. 

624 ΠῚ Zur Charakteristik des Aias als Redner 'vgl. Hemmer- 
ling welcher Mittel bedient sich Homer zur Darstellung seiner Cha- 
raktere? Neuss 1857 p. 16, Gladstone hom. Stud. p. 327, Genz 
zur Πὰς p. 31, Geppert Urspr. ἃ. hom. Ges. I p. 201. — Die 
ganze Partie von 623— 655 wird von Düntzer Aristarch p. 172 ff. 
ausgeschieden. — 632. Ueber die Blutrache und deren Sühne handelt 
Naegelsbach hom. 'Theol. ?p. 292 f., Sckoemann griech. Alterth. I 
p- 48 M. und jetzt Zichhoff über die Blutrache bei den Griechen, 
Duisburg 1872. — 636. δεξαμένῳ nach den besten Handschriften statt 
der Vulgate δεξαμένου. Zur Erklärung des Dativs des Parlicip. nach 


112 Kritischer und exegetischer Anhang. 1. 


vorhergehendem Genetiv vgl. Classen Beobachtungen p. 144 u. 159. 
— 639. Die Wendung ἐντίϑεσθαι ϑυμῷ und verwandte erörtert 
Fulda Untersuchungen über die Sprache der hom. Ged. p. 29 ff. — 
641. Zenodot las ἀϑρόοι statt πληϑύος : vgl. Düntzer Zenodot. p. 119. 

648. ὡς εἰ ist erklärt nach Z. Zange der homer. Gebrauch der 
Partikel εἰ 11 p. 538 I. — Ueber den ἀτέμητος μετανάστης vgl. 
Schoemann griech. Alterth. I p. 42, II p. 20 und Genaueres bei 
‚Riedenauer, Handwerk p. 23 f. — 649. Der Punkt nach ἀπόφασϑε 
ist geselzt mit Genz zur Ilias p. 32. 

650—655 werden wegen des Widerspruchs mit Achills frühe- 
ren Erklärungen und weil Odysseus in seinem Bericht 677 ff. den 
Inhalt derselben gänzlich ignoriert, von Moritz a. Ὁ, p. 25 ff., Bern- 
hardy Grundriss d. griech. Lit. Il, 1, p. 164 verworfen. Vgl. da- 
gegen Kiene Komposition p. 103, — Ueber 653 vgl. Düntzer Ari- 
starch p. 174. 

660 ff. Bedenken gegen das Folgende bei Düntzer Aristarch 
p. 175. — 661. Zur Bedeutung und Etymologie von ἄωτος vgl. 
Clemm in 6. Curtius Stud. II p. 54 f — Ueber die Linuengewebe 
bei Homer vgl. Hehn Kulturpflanzen und Hausthiere p. 101 fl, 
welcher den Anbau des Leins, das Spinnen und Weben des Flachses 
in Griechenland für die Zeit des Homer und Hesiod leugnet. Diese 
Frage erörtern weiter Hertzberg im Philol. XXI p. 5 ff. gegen 
Hehn und Friedlaender in den Jahrbb. f. class. Philol. 1873 p. 91 fl. 
für denselben, vgl. auch Riedenauer Handwerk p. 79. Die Technik 
der Flachsbereitung im Alterthum behandelt Ἢ. Blümner Technologie 
und Terminologie der Gewerbe und Künste bei den Griechen und 
Römern, Leipz. 1874 p. 178 fl. 

668. Bergk griech. Literaturgesch. I p. 737 sieht hier und 
T 326 die Hand des Nachdichters, resp. Diaskeuasten. Uebrigens 
glaubt Franke z. St., dass hier unter Skyros eine der eilf Städte in 
Kleinphrygien zu verstehen sei, die Achill nach 329 auf seinen Streif- 
zügen eroberte. 

677. Als Muster eines zusammenfassenden Berichtes, der die 
Sache erschöpft und dem Gegner vollständig den Mund verschliesst, 
rühmt Gladstone hom. Stud. p. 324 die folgenden Worte des Odysseus. 

684—692 erscheinen Düntzer Aristarch p. 178 als spätere Zu- 
that. 688 — 692 wurden von Aristarch und Arisiophanes ver- 
worfen: Friedlaender Aristonic. p. 170. Zenodot verwarf 692: 
Düntzer Tenodot. p. 186. 

694. Zur Athetese vgl. Friedlaender Aristonic. p. 170 z. St., 
Düntzer Zenodot. p. 165, Düntzer die homer. Fragen p. 195, 
Moritz a. 0. p. 32, Geppert Urspr. ἃ. hom. Ges. I p. 14. 

701 — 703 verwirft Düntzer Aristarch p. 177, ebenso mit 
Bentley 709, auch ΤΊ. 


ANHANG 


ZU 


HOMERSTILIAS 


SCHULAUSGABE 
VON 
LER 
K. F. AMEIS. FG 
IV. HEFT. 


ERLAEUTERUNGEN ZU GESANG X— XII 
von 


Dr. C. HENTZE, 


OBERLEURER AM GYMNASIUM ZU GÖTTINGEN. 


& 


LEIPZIG, 
DRUCK UND VERLAG VON Β, ἃ. TEUBNER. 
᾿ 1818, 


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Kritischer und exegetischer Anhang. 
K. 


Einleitung. 


Literatur: Lachmann Betrachtungen über Homers Ilias 
p. 38 u. 33. Dazu vgl. Baeumlein in der Zeitschr. f. ἃ. Alter- 
thumswissensch. VI, 1848 p. 341 ἢ, Holm ad C. Lachmami ex- 
emplar de aliquot lliadis carıninum compositione quaeritur, Lübeck 
1853 p. 10, Hoffmann im Philol. III p. 219 ἢ, Düntzer homer. 
Abhandlungen p. 60, Gerlach im Philol. XXX p. 39, Nutzhorn 
die Entstehungsweise der homer. Gedichte p. . — Grote Ge- 
schichte Griechenlands, übersetzt von Meissner, Ip. 547, vgl. 
Friedlaender die homerische Kritik von Wolf bis Grote p. 37 
und Baeumlein im Philol. XI p. 425 f. — Sickel, quaestionum 
Homericar. part. I. Rossleben 1854. — Düntzer die Doloneia im 
Philolog. XIT p. 41 #. — hom. Abh. p. 303 ff., auch p. 470. 472. — 
Kuhlbars cur liber Iliadis decimus e contextu carminis Homerici 
emovendus sit. Ludwigslust 1876. — Jacob über die Entstehung 
der Ilias und Odyssee p. 236 #. — Nitzsch die Sagenpoesie 
der Griechen p. 128. 224 f., Beiträge zur Geschichte der epischen 
Poesie p. 83. 378 £. — Kiene die Komposition der Ilias p. 91f. 
103. Gladstone homerische Studien p. 431 ff. — Ritschl die 
alexandrinischen Bibliotheken p. 62.— Genz zur Ilias. Sorau 1870, 
p. 33. — Kammer zur homerischen Frage, I. Königsberg 1870 
p- 31 und die Einheit der Odyssee p. 37 f#. — Hiecke der gegen- 
wärtige Stand der homer. Frage, Greifswald 1856 p. 25. — 
Schneider über den Ursprung der homerischen Gedichte. Witt- 
stock 1873 p. 26 f. — Bernhardy Grundriss der griech. Literat, 
>15, 1, p. 165. — Bergk griech. Literaturgesch. I p. 597 ἢ, — 
Hoffmann quaestiones Homerie. 1848. II p. 218. Giseke 
homer. Forschungen. Leipzig 1864 p. 217 fi. — van Herwerden 
quaestiunculae epicae et elegiacae, Utrecht 1876 p. 16 ἢ, 


Die Erzählung des nächtlichen Abenteuers, welches den Inhalt 
der Doloneia bildet, füllt den letzten Theil der Nacht aus, deren 
1* 


4 Kritischer und exegetischer Anhang. X. Einleitung. 


ersten die Presbeia einnimmt, der Nacht, welche Θ 485 begin- 
nend, dem 25sten Tage der Ilias folgt. Aeusserlich anknüpfend 
an die im Ausgange des neunten Gesanges gegebene Situation 
bildet dieselbe ein in sich geschlossenes einheitliches Ganze, dessen 
Anordnung und Gliederung durch die natürliche Folge der Be- 
gebenheiten bestimmt wird. Ein vorbereitender Theil (1—339) 
erzählt die Vorgeschichte des Unternehmens auf beiden Seiten in 
paralleler Behandlung, sehr ausführlich auf griechischer (1—298), 
kürzer auf troischer Seite (299—339). Dann folgt die Erzählung 
der lebhaft bewegten Scenen zwischen den griechischen Helden 
und Dolon, dessen Gefangennahme, Bericht über die Verhältnisse 
im troischen Lager und Tödtung (840--- 468). Den Höhepunkt der 
Spannung erreicht die Erzählung in der Darstellung der verwege- 
nen Thaten der griechischen Helden im troischen Lager (469—525), 
woran sich endlich der Bericht über die Rückkehr derselben zu den 
Gefährten und mit ihnen in das griechische Lager schliesst (526—579). 

In dieser Anlage nimmt der einleitende Theil einen un- 
verhältnissmässig grossen Raum ein, vor allem die Erzählung 
der das Unternehmen vorbereitenden Schritte auf der griechi- 
schen Seite. Dieser Theil ist es denn auch, in dem vorzugs- 
weise die der Ausführung anhaftenden Mängel hervortreten. Vor 
allem eine grosse Unklarheit in der inneren Entwicklung und 
Ungeschick in der Motivierung der Handlung. Als Agamemnon 
von Sorgen gequält sich entschliesst, noch in der Nacht Nestor 
aufzusuchen, wird dieser Entschluss durch die Hoffnung desselben 
motiviert, dass Nestor vielleicht mit ihm zusammen einen Plan er- 
sinnen könne, welcher die Achaeer zu retten vermöge, Auch dem 
Menelaos gegenüber, der die Vermuthung ausspricht, dass er einen 
Späher zum feindlichen Lager senden wolle, betont Agamemnon 
zunächst das Bedürfniss eines klugen Rathes, der die Argiver und 
das Lager zu retten vermöge, giebt dann aber als Zweck seines 
Ganges zu Nestor an, dass er diesen auffordern wolle zu den 
Wachen zu gehen und diesen Weisung zu geben. Da er aber zu- 
gleich Menelaos auffordert Aias und Idomeneus zu rufen und mit 
ihnen ebenfalls zu den Wachen zu gehen, so hat Agamemnon nach 
der Absicht des Dichters augenscheinlich in Folge der Dazwischen- 
kunft des Menelaos seinen ursprünglichen Plan dahin abgeändert, 
dass er die anfangs nur mit Nestor in Aussicht genommene Be- 
rathung nun mit einer grösseren Anzahl von Fürsten und zwar 
in Verbindung mit einer Inspektion der Wachen anstellen will. 
Ist es nun schon sehr befremdend, dass diese Abänderung seines 
Entschlusses nirgend klar ausgesprochen ist, so muss es noch weit 
mehr befremden, dass Agamemnon dem Nestor selbst gegenüber 
von seiner eigentlichen Absicht nichts sagt. Er fordert ihn nur 
auf mit ihm zu den Wachen zu gehen, was er mit der Besorgniss 
motiviert, dass die Feinde selbst während der Nacht den Kampf 


Kritischer und exegetischer Anhang. K. Einleitung. 5 


aufzunehmen beabsichtigen möchten. Auch als Nestor von selbst 
dem Agamemnon den Vorschlag macht auch die anderen Fürsten 
zu wecken, lässt dieser von seiner eignen Absicht nichts verlauten, 
vielmehr ist es wieder Nestor, der Agamemnons Gedanken glück- 
lich errathend, Odysseus gegenüber als Zweck der Zusammenkunft 
deutlich eine Berathung bezeichnet, freilich wieder in sehr über- 
raschender Weise eine Berathung über die Frage, ob man fliehen 
oder weiter kämpfen solle (147). Nachdem nun durch Nestors 
Initiative, hinter dem Agamemnon allmählich überhaupt so völlig 
zurücktritt, dass er aus der Erzühlung fast spurlos verschwindet, 
die Fürstenversammlung zu Stande gekommen ist und wir nach 
allem, was vorhergegangen ist, eine eingehende Erörterung der 
Lage und Erwägung der von Nestor V. 147 aufgeworfenen Frage 
zu erwarten berechtigt sind, macht Nestor, ohne jene Frage auch 
nur zu berühren, ohne weiteres den Vorschlag einen Späher zum 
troischen Lager zu senden. So ungeschickt die Entwicklung der 
Handlung auf diesen Ausgangspunkt hin sich zeigt, so schwankend 
und unbestimmt ist die Auffassung der Situation in dieser ganzen 
Partie. Offenbar ist das die Handlung wesentlich bestimmende 
Motiv die Befürchtung eines nächtlichen Ueberfalls, wie sie Aga- 
memnon V. 100f. dem Nestor gegenüber wenigstens andeutet. 
Diese augenblicklich drohende Gefahr ist es offenbar, obwohl 
das nicht deutlich ausgesprochen wird, welche dem Agamemnon 
keine Ruhe lässt, wie sie in gleicher Weise Menelaos vom Lager 
scheucht und zu jenem treibt (vgl. 26 £.); dieselbe motiviert zweck- 
mässig den Gang zu den Wachen und würde auch den Gedanken 
einen Späher auszusenden genügend motivieren. Allein dies Motiv 
wird durch die Art, wie Agamemnon und Nestor sich über die 
Lage aussprechen, fast völlig verdunkelt. Nach den Aeusserungen 
dieser handelt es sich keineswegs nur um die Abwendung der 
augenblicklich drohenden Gefahr, sondern um einen entscheidenden 
Beschluss über die durch die Ereignisse des vorhergehenden Tages 
herheigeführte drohende Lage überhaupt — nach Agamemnons Aeus- 
serungen um einen Plan, der die Griechen und das Lager retten 
kann, nach Nestors Ausspruch um die Entscheidung, ob man fliehen 
oder weiter kämpfen solle. Diese Verdunklung des eigentlich 
bewegenden Motivs und die Unklarheit in der Auffassung der Si- 
tuation führt aber zu den schwersten Missverhältnissen. So muss, 
nachdem durch das Vorhergehende die Erwartung des Hörers auf 
eine weitreichende Entscheidung gespannt ist, der der wirklichen 
Situation entsprechende Vorschlag Nestors einen Späher auszu- 
senden, gleichwohl im höchsten Grade überraschen und befremden, 
zumal da derselbe Gedanke vorher, wo er von Menelaos angeregt 
wurde (37 ff.), von Agamemnon einfach ignoriert war. Noch be- 
fremdender aber ist, dass Nestor dabei als nächsten Zweck des 
Unternehmens bezeichnet, dass es vielleicht gelinge, einen der 


6 Kritischer und exegetischer Anhang. X. Einleitung. 


Feinde am Rande des feindlichen Lagers zu erlegen und sodann 
erst der Möglichkeit erwähnt Kunde von den Absichten der Troer 
zu erfahren, wobei es vollends allen vorhergehenden Aeusserungen 
über das Drohende der Lage widerspricht, wenn Nestor es für 
möglich hält, dass die Troer daran denken könnten nach dem Siege 
über die Achaeer wieder ruhig in die Stadt zurückzukehren (210). 

Bei dieser mangelhaften Motivierung kommt wohl manches 
auf Rechnung des vielfach übertriebenen Ausdruckes in der Zeich- 
nung der Lage: wie sehr der Dichter den Ausdruck zu steigern 
liebt, zeigt die masslose Schilderung der verzweifelten Stimmung 
Agamemnons 5—10. 15 ἢ 93—95. Sonst leidet die Darstellung 
mehrfach an grosser Breite und störenden Wiederholungen; der 
Dichter gefüllt sich in der Zeichnung von unwichtigen Neben- 
sachen, wie der Bekleidung, wihrend er Hauptsachen flüchtig und 
obenhin behandelt. Erst mit V.218, kann man sagen, hat der 
Dichter das eigentliche Fahrwasser gewonnen. Zwar lässt auch 
in den folgenden Partien die Motivierung hie und da zu wünschen 
übrig, wie bei dem Beschluss Hektors einen Spüher zu senden 
und dem Eintreten Apollos 515 f., aber die Erzählung ist doch 
von solchen Unklarheiten und Differenzen, wie sie in dem ersten 
Theil sich ergaben, frei und zeigt entschiedene Vorzüge. Treffend 
und übereinstimmend mit der sonstigen Zeichnung ist die Charak- 
terisierung der handelnden Personen, des Diomedes und Odysseus, 
in ihrem gegenseitigen Verhältniss zu einander, sowie des Dolon. 
Die Handlung entwickelt sich lebhaft in einer raschen Folge von 
dramatisch bewegten Soenen; Ausdruck und Darstellung sind dem 
Charakter der Handlung wohl angemessen. 

Erst in dem letzten Theil der Erzählung tritt jenes Miss- 
verhältniss zwischen der Entwicklung der Handlung und der Dar- 
stellung der Situation wieder in störender Weise zu Tage. Als 
Diomedes und Odysseus zu den übrigen Fürsten zurückkehren, wird 
der bei der Aussendung derselben wenn auch nicht in erster Linie 
hingestellten Absicht, Näheres über die Verhältnisse im troischen 
Lager und über die Absichten der Troer zu vernehmen, mit keinem 
Wort mehr gedacht; Nestors ganzes Interesse eoncentrirt sich um 
die Frage: woher die herrlichen Rosse? Hätte man noch zweifeln 
können, so wird dadurch jeder Zweifel über die eigentliche Absicht 
des Dichters bei seiner Dichtung beseitigt. Offenbar war es ihm 
vor allem darum zu thun, ein besonders kühnes Heldenstück seinen 
Hörern vorzuführen. Dieser Hauptzweck, den schon Menelaos 
Worte 37 #. andeuten und den er 206 und 282 deutlich erkennen 
lüsst, beherrscht ihn so völlig, dass er, sobald er die Handlung 
auf den erwünschten Punkt geführt hat, den Ausgangspunkt der- 
selben, die im Eingang gemachten Voraussetzungen völlig vergisst. 
Die kühne That der beiden Helden ändert an der Lage der 
Achaeer durchaus nichts, es wird dadurch in keiner Weise die 


Kritischer und exegetischer Anhang. X. Einleitung. 7 
Entscheidung über die Frage, was zu thun sei, gefördert; selbst 
der einzig denkbare Erfolg, dass die Griechen durch das Gelingen 
der kühnen That selbst sich ermuthigt, gehoben fühlten, wird nir- 
gend angedeutet. 

Trotz der nachgewiesenen Mängel wird auch die Dolonie 
unter den homerischen Gesüngen ihre Wirkung auf den Hörer nicht 
verfehlt haben. Es war gewiss ein glücklicher Gedanke mit den 
Tageskämpfen ein nächtliches Abenteuer abwechseln zu lassen, in 
welchem neben dem kühnen verwegenen Muth auch der List und 
klugen Besonnenheit eine Hauptrolle zufällt, ebenso glücklich die 
Wahl der Helden, welche dieses Abenteuer bestehen. Auch die 
Verknüpfung des griechischen Unternehmens mit einem gleichen 
auf troischer Seite bot dem Dichter besondere Vortheile: die zu 
diesem Zweck eigens geschaffene Figur des Dolon tritt in einen 
wirksamen Kontrast zu den beiden griechischen Helden, das Zu- 
sammentreffen derselben aber ergiebt jene Folge von lebhaft be- 
wegten dramatischen Scenen, welche den Mittelpunkt der Handlung 
bilden. Selbst in ihrer mangelhaften Entwicklung hat die Hand- 
lung des einleitenden Theils einen besondern Reiz schon durch die 
aussergewöhnliche Scenerie und die Besonderheit der ganzen 
Situation. 


Im Schol. V zur Ueberschrift der Doloneia findet sich die 
Notiz: Φασὶ τὴν ῥαψῳδίαν ὑφ᾽ Ὁμήρου ἰδίᾳ τετάχϑαι καὶ μὴ εἶναι 
μέρος τῆς ᾿Ιλιάδος, ὑπὸ δὲ Πεισιστράτου τετάχϑαι εἰς τὴν ποίησιν, 
welche-Eustathios mit den Worten wiedergiebt: Φασὶν οἵ παλαιοὶ 
τὴν δαψῳδίαν ταύτην ὑφ᾽ Ὁμήρου ἰδίᾳ τετάχϑαι καὶ μὴ ἐγκαταλε- 
γῆναι τοῖς μέρεσι τῆς ᾿Ιλιάδος, ὑπὸ δὲ Πεισιστράτου τετάχϑαι εἰς τὴν 
ποίησιν. Ursprung und Bedeutung dieser Nachricht sind sehr be- 
stritten (vgl. Düntzer, homer. Abhandl. p. 2f., Lachmann 
Betracht. p. 33, Lehrs de Arist. ®p. 444, Bergk griech. Li- 
teraturgesch. I p. 597), aber die Ueberlieferung selbst in Zweifel 
zu ziehen ist wohl kein Grund vorhanden: sehen wir, wie der 
zehnte Gesang sich zum Plan der Dichtung und zur epischen 
Handlung überhaupt stellt. 

In Bezug auf die vorhergehende Entwicklung ist von Baeum- 
lein mit Nachdruck betont, dass unser Gesang den durch die vor- 
hergehenden gegebenen Voraussetzungen durchaus entspreche, und 
dies ist, soweit es sich um die äusseren Verhältnisse, die Situation, 
Ort und Zeit handelt, ohne Zweifel anzuerkennen. Der Groll 
Achills wird bestimmt erwähnt 106 ἔς, und dem widerspricht auch 
nicht, dass Dolon 321 ff. von Hektor Achills Wagen und Rosse 
fordert und Hektor sie ihm eidlich zusichert, da der Gedanke 
bei Eroberung des griechischen Lagers auch Achills Gespann zu 
erbeuten sehr wohl der vermessenen Hoffnung Hektors nach den 


8 Kritischer und exegetischer Anhang. X. Einleitung. 


Erfolgen des gestrigen Tages entspricht, vgl. © 180 8. 531 ἢ 
Ferner ist die Lage des achaeischen, wie des troischen Heeres genau 
die durch die Ereignisse des achten Gesanges herbeigeführte. Ab- 
gesehen von der allgemeinen Beziehung auf den Sieg der Troer 
210 und 310 und Hektors gewaltige Thaten 47 ff. vgl. Θ 215 ff. 
337 ff. wird auf das deutlichste 200 f. auf die besonderen Um- 
stände bei dem Abbruch jenes Kampfes hingewiesen, ganz ent- 
sprechend der Erzählung Θ 337 fl. 485 ff. Das troische Lager in 
der Ebene mit seinen zahlreichen Wachtfeuern bildet sogleich für 
den Eingang des Gesanges die Voraussetzung V. 12 f. vgl. 418, 
die den Griechen bei der Nühe der Feinde drohende Gefahr wird 
wiederholt hervorgehoben, auch speciell in Bezug auf das Schiffs- 
lager 45. 160 f. in Uebereinstimmung mit Θ 182, Hektors “hoch- 
fahrende Gedanken’ 104 weisen zurück auf Θ 178 f. 526—541. 
Die zwischen der Mauer und dem Graben aufgestellten Wachen 
ferner unter der Führung des Thrasymedes und Meriones (57 fl. 
126. 196 ff. 255 ff.) sind in Uebereinstimmung mit I 66 ἢ, 80 ff. 
Auch die Ortsbestimmungen ergeben keine Differenz. Zur Bezeich- 
nung des Platzes, auf dem die griechischen Fürsten Rath halten, 
wird V.199 aus © 491 entlehnt; dieser Vers bezeichnet zwar in © in 
Verbindung mit den vorhergehenden Bestimmungen entschieden 
einen andern Platz, aber es kann gegen die Verwendung desselben 
hier nur mit Düntzer der Vorwurf erhoben werden, dass derselbe 
eine sehr unbestimmte und wenig anschauliche Bezeichnung gebe. 
Der Platz, auf dem das troische Heer lagert, wird 160 bezeichnet 
ἐπὶ ϑρωσμῷ πεδίοιο; diese hier zuerst vorkommende Bezeichnung 
wird auch A456 in übereinstimmender Weise zur Bestimmung des 
Standortes der Troer bei Beginn der Schlacht am folgenden Tage 
verwendet. Auch die Ortsbestimmung für den von Hektor abge- 
haltenen Kriegsrath παρὰ σήματι Ἴλου 415 wird im elften Gesange 
166 und 370 in Uebereinstimmung mit den hier angenommenen 
örtlichen Verhältnissen verwendet. Ebenso ordnet sich unser Ge- 
sang in Bezug auf die Zeit dem gegebenen Zusammenhange wohl 
ein. Wie der Eingang unmittelbar auf den Schluss des neunten 
Gesanges zurückweist, so ist die Angabe 251, dass bereits zwei 
Drittel der Nacht verflossen seien, in Uebereinstimmung mit der 
Presbeia, welche einen grossen Theil der Nacht beansprucht. Eine 
Differenz findet Lachmann zwischen dem Schluss des zehnten 
und dem Anfang des elften Gesanges: “im folgenden Buche A 1 
wird es zu spät Morgen; denn bei dem Ausgang der beiden Hel- 
den ist er schon nah (Κ 251), auch haben sich beide K 578 
schon zum Frühmahl gesetzt.’ Allein Lachmanns Gründe sind nicht 
beweisend. Allerdings sagt Odysseus 251, dass die Eos nahe sei, 
aber dass er dies übertreibend sagt, um zur Eile zu mahnen, 
zeigen die in demselben Zusammenhange folgenden Worte, wo er 
bemerkt, dass noch der dritte Theil der Nacht übrig sei. Dass 


Kritischer und exegetischer Anhang. X. Einleitung. 9 


aber das Mahl, zu dem sich Odysseus und Diomedes nach glücklich 
bestandenem Abenteuer niedersetzen, das gewöhnliche nach Sonnen- 
aufgang eingenommene Frühmahl sei, lässt sich nicht erweisen. 
Zugeben kann man Lachmann, dass das Mahl der beiden Helden 
durch die Folge der seit 251 sich drängenden Ereignisse an eine 
Stelle gerückt wird, wo man Sonnenaufgang bereits erwarten 
sollte. Ganz unhaltbar ist Kiene’s Ansicht darüber: “Die acht 
Schlussverse des Buches bilden den Uebergang zum folgenden 
Buche, denn sie enthalten die Vorbereitungen für die bevorstehende 
Schlacht, welche im ganzen Heere vor sich gehend gedacht werden 
müssen, vom Dichter aber nur von den beiden Helden Diomedes 
und Odysseus berichtet werden.” 

So sind allerdings die äusseren Voraussetzungen der vorber- 
gehenden Gesänge von dem Dichter des zehnten gewahrt, aber 
gegen den innern Zusammenhang mit der vorhergehenden Entwick- 
lung erheben sich nicht unerhebliche Bedenken. So ist gleich im 
Eingange die in der übertriebensten Weise geschilderte verzwei- 
felte Stimmung Agamemnons nach dem, was am Schluss des neun- 
ten Gesanges vorhergegangen ist, wenig begreiflich. Nach dem 
Bericht des Odysseus über den Misserfolg der Sendung an Achill 
hat Diomedes mit kräftigem Wort gefordert, man solle unbeküm- 
mert um den trotzigen Achill am andern Morgen vor dem Schiffs- 
lager in der Ebene den Kampf mit Muth aufnehmen, Agamem- 
non allen voran, und dies Wort hat alle zu begeistertem Bei- 
fallsruf hingerissen. Nach diesem Aufschwung der Stimmung, wo- 
von wir ohne Zweifel auch Agamemnon ergriffen denken müssen, 
tritt die verzweifelte Stimmung desselben im Anfang des zehnten 
Gesanges ganz unvermittelt ein, denn der vorauszusetzende Um- 
schlag ist durch nichts motiviert. Aber noch mehr! die ganze Art, 
wie die Situation in dem einleitenden Theil des Gesanges gefasst 
wird, lässt sich mit der vorhergehenden Entwicklung nicht wohl 
vereinigen. Ein neues Moment scheint allerdings in der Besorgniss 
vor einem nächtlichen Ueberfall gegeben, welche Agamemnon V. 98 
Nestor gegenüber ausspricht, aber damit wird nur der vorgeschla- 
gene Gang zu den Wachen motiviert; dass diese Besorgniss aber 
es gewesen, die in Agamemnon jenen Umschlag der Stimmung 
hervorgerufen habe, wird nirgend angedeutet. Vielmehr beschäftigt 
sich nach dem Eingang des Gesanges Agamemnon in seinen Ge- 
danken mit der Frage, wie die Seinen überhaupt aus ihrer Be- 
drängniss errettet, vor dem Verderben bewahrt werden können, 
und einen dahin zielenden Rath von Nestor zu erhalten, ist seine 
Hoffnung 19. 20. Als ob die Situation seit dem neunten Gesange 
irgendwie verändert, irgend ein neues Moment hinzugekommen 
wäre! Es sind erst wenige Stunden verflossen, seit Nestor Aga- 
memnon seinen Rath ertheilt hat, den einzigen Rath, den er über- 
haupt ertheilen konnte — Achilles zu versöhnen. Nachdem dieser 


10 Kritischer und exegetischer Anhang. X. Einleitung. 


Versuch misslungen, was für einen Rath sollte Nestor jetzt noch 
ertheilen können, als den, welchen schon Diomedes am Schluss 
des neunten Gesanges ertheilt hatte, am andern Morgen muthig 
den Kampf aufzunehmen? Man vgl. 175—78: den dort gebrauch- 
ten Wendungen zur Zeichnung der Situation entsprechen dem Ge- 
danken nach die im zehnten Gesange oft wiederholten 118. 145. 
172 einerseits und andrerseits 20. 43—45. 147.173 f. Alle diese 
Aeusserungen klingen so, als ob nach der Niederlage des achten 
Buches die Frage, was zu thun, noch gar nicht erwogen sei, igno- 
rieren, was im neunten Gesange geschehen. Auch die Auslassung 
Agamemnons 45—50 klingt so, als ob sie unmittelbar durch den 
ersten Eindruck der Niederlage und den nüchsten Schrecken über 
Hektors Furchtbarkeit hervorgetrieben werde, während die 147 
als Gegenstand der Berathung hingestellte Frage, ob man fliehen 
oder weiter kämpfen solle, thatsächlich bereits in der Heeresver- 
sammlung zu Anfang des neunten Gesanges erledigt ist. Auf- 
fallend nach der Presbeia ist endlich auch Nestors Bemerkung 
106 ἢν, wo er den niedergeschlagenen Agamemnon durch den Hin- 
weis auf die Möglichkeit zu trösten sucht, dass Achill seinen Groll 
einmal aufgeben und dann Hektor noch viel schrecklicher leiden 
werde, als jetzt Agamemnon. Dazu ist doch, nachdem eben Achill 
den Sühneversuch auf das Entschiedenste zurückgewiesen, gerade 
jetzt am wenigsten Aussicht. Auch im Uebrigen weist keine Spur 
darauf hin, dass ein Versöhnungsversuch angestellt sei; in der 
Schilderung der Sorgen Agamemnons und seinen eignen Klagen 
sollte doch irgend welcher Eindruck davon sichtbar sein. 

Noch andere Differenzen zwischen dem zehnten Gesange und 
den vorhergehenden Gesängen hat Düntzer zusammengestellt, 
denen wir jedoch ein gleiches Gewicht nicht beimessen können. 
Wir heben die wichtigsten heraus. So findet er eine Verschieden- 
heit der Dolonie von © darin, dass hier eine grössere Dunkelheit 
angenommen wird: “Wenn dort alles so hell ist, dass man bemer- 
ken kann, wann die Achaier sich zur Flucht bereiten, so entgeht 

- hier den Wachenden die Versammlung der Achaier auf freiem 
Felde, um der auf Spähung ausgesandten Helden nicht zu geden- 
ken. Vgl. 276 νύχτα δι’ ὀρφναίην. Ferner ist es ihm auffallend, 
dass die Bundesgenossen abgesondert von den Troern liegen und 
sich gar nicht um die Wache kümmern: ‘und zwar hat es den 
Anschein, als ob diese nicht erst diese Nacht dort lagern, sondern 
schon früher vor der Stadt ihre Lager gehabt, da die neu ange- 
kommenen Thraker am äussersten Ende sich befinden, und sie alle 
so wohl vertheilt sind, wie es kaum in der Eile geschehen konnte.” 

Wir kommen zu der Frage nach der Bedeutung des zehnten 
Gesanges für die Entwicklung der epischen Handlung überhaupt. 
Schon die Betrachtung des zehnten Gesanges für sich ergab, dass 
die Oekonomie desselben verfehlt ist. Die Erwartung, welche in 


Kritischer und exegetischer Anhang. X. Einleitung. 1 


dem einleitenden Theil auf eine eingehende sorgfältige Erwägung 
der Lage und eine weitgreifende Entscheidung gerichtet ist, wird 
nicht befriedigt, auch der bei der Aussendung der Späher vor- 
gesetzte Zweck, Näheres über die Absichten der Troer zu erfah- 
ren, wird nicht erreicht, ja ist am Ende des Gesanges völlig ver- 
gessen. Schon hienach ist es schwer erfindlich, welchem Zweck 
der zehnte Gesaug in der Oekonomie des ganzen Epos dienen soll. 
Hier wird nun aber von den Vertheidigern der Dolonie geltend 
gemacht, dass nach dem fehlgeschlagenen Versuch Achill zu ver- 
söhnen, durch das glücklich bestandene kühne Abenteuer allein 
der Muth der Achaeer wieder soweit gehoben werde, dass die im 
Anfang des elften Gesanges erfolgende Aufnahme des Kampfes und 
die Aristie des Agamemnon begreiflich sei. So sagt Baeumlein: 
‘Nachdem in der Ζολώνεια eine so kühne That gelungen war, 
hatten die entmuthigten Krieger die frühere Elastieität des Geistes 
wieder gewonnen, und in Agamemnon konnte das stolze Streben 
und die Hoffnung erwachen, von Achill zurückgewiesen, auch ohne 
ihn zu siegen.” Und Kiene: ‘Die Wirkung der Niederlage und 
die fehlgeschlagene Hoffnung auf die Hülfe Achilleus in den Ge- 
müthern findet im ersten Theile ihren Ausdruck. Jede That, oder 
auch nur die Richtung des Geistes darauf, dient zur Ermuthigung. 
Das ist die Bedeutung der nächtlichen Expedition, die durch ihren 
glücklichen Erfolg als günstiges Vorzeichen den Kampfesmuth für 
den folgenden Tag erhöhen und beleben muss.” Aehnlich Nutz- 
horn und Gerlach. Gladstone hebt ausserdem zur Rechtferti- 
gung der Dolonie hervor, dass sie in den Gang der Handlung, die 
ohne didselbe in eine gewisse schläfrige Einförmigkeit verfallen 
sein würde, eine bemerkenswerthe Abwechslung bringe, besonders 
aber, dass dieselbe als Aristie des Odysseus eine Lücke ausfülle, 
die sonst in dem Epos entstanden sein würde, und eine geeignete 
Vorbereitung für das Auftreten desselben in der Odyssee gebe. 
Diese von G@ladstone geltend gemachten Motive, soweit sie an- 
zuerkennen sind, haben eine nur untergeordnete Bedeutung und 
könnten nur geltend gemacht werden, wenn dem zehnten Gesange 
schon sonst seine Stelle in der Oekonomie des Epos gesichert wäre. 
Gegen Baeumlein und der genannten Kritiker Rechtfertigungs- 
versuch ist von Kammer, der übrigens die Dolonie sehr günstig 
beurtheilt, geltend gemacht, dass der besagte Zweck dem Dichter 
unmöglich vorgelegen habe, da mit keinem Worte gesagt werde, 
welchen ermuthigenden Eindruck der nächtliche Zug ins troische 
Lager auf die Achaeer ausgeübt habe. Die einzige Andeutung der 
Art ist V. 565 χαίροντες "Ayeıol. Ferner wird von jenen Kritikern 
zweierlei übersehen, wodurch jener Umschwung der Stimmung aus 
tiefster Niedergeschlagenheit zu entschlossenem Muth vom Dichter 
ausdrücklich motiviert wird: die Rede des Diomedes am Schluss 
des neunten Gesanges 697 Ε΄. und ihr Eindruck 710f., und im 


12 Kritischer und exegetischer Anhang. K. Einleitung. 


Eingange des elften V. 10—12 die Erweckung des Kampfesmuthes 
der Achaeer durch Eris. Diesen bestimmten Angaben gegenüber 
lässt sich schwerlich dem Dichter die Absicht zuschreiben, durch die 
Dolonie diesen Umschwung herbeizuführen, da dies in keiner 
Weise angedeutet wird. Insbesondere bleibt Agamemnon, dessen 
tiefe Niedergeschlagenheit den Ausgangspunkt für die ganze Er- 
zählung bildet, dessen Stimmung vor allem der Hebung bedurfte, 
von dem ganzen Erfolg unberührt, wie er denn auffallender Weise 
überhaupt in der Erzählung vor Nestor alsbald ganz zurücktritt, 
am Schluss der Erzählung gar nicht mehr namentlich erwähnt wird. 
In der That hat, wie auch Nitzsch urtheilt, der ganze Inhalt 
der Dolonie nicht den mindesten Einfluss auf das Folgende: “Dass 
dem Feinde durch den Ueberfall des thrakischen Lagers Schaden 
geschehen und ein Paar sehr vorzüglicher Pferde erbeutet war, 
also das Abenteuer insoweit einen glücklichen Erfolg hatte, dies 
bedeutete für den Stand des Heeres gegen Hektor Nichts, und die 
moralische Wirkung, welche nicht einmal ans Licht tritt, kann die 
Nichtübereinstimmung mit dem Fortgang der Erzählung nicht 
übertragen.” 

Dass in den folgenden Büchern jede Beziehung auf das zehnte 
fehlt, findet Baeumlein natürlich, da ein einzelnes Abenteuer im 
Folgenden keine besondere Berücksichtigung erwarten könne, und 
grosses Gewicht wird darauf allerdings nicht zu legen sein. Indess 
haben es doch Nitzsch und Düntzer als auffallend bezeichnet, 
dass das von Diomedes erbeutete wunderherrliche Gespann des 
Rhesos im Folgenden gar nicht erwähnt wird, dass dieser Held 
sich im Wagenkampf des vorletzten Buches der dem Aineias ge- 
raubten troischen Rosse bedient, sowie dass Hippokoon, der nahe 
Verwandte des Rhesos, der in jener Nacht am Leben bleibt, später 
nirgend hervortritt. 

Nach allem diesem scheint die oben angeführte Ueberlieferung 
der Alten durchaus begründet und die Annahme zu verwerfen, 
dass die Dolonie im Plane der Ilias ursprünglich eine Stelle ge- 
habt habe. Es kommen noch eine Reihe von Gründen hinzu, die 
das gewonnene Urtheil noch weiter stützen. Zunächst ein Bedenken 
wegen der dichterischen Oekonomie, welches Lachmann mit den 
Worten aussprieht: ‘Wenn irgend Ueberlegung und Sparsamkeit 
bei dem Aufbauen eines epischen Gedichts waltet, wie kann ein 
Dichter dazu kommen, in einer Nacht, wo die Wachtfeuer der 
Troer ganz nah bei den Schiffen brennen, beides und zwar nach 
einander unternehmen zu lassen, die Aussendung der Boten an 
Achill und die der beiden Helden, die spähen oder den Feinden 
schaden sollen? Dass aber Odysseus beide Mal mit muss, ist gar 
ungereimt oder doch höchst armselig,’ — ein Urtheil, das in 
dieser Schärfe ausgesprochen freilich zu weit geht und namentlich 
von Kammer und Schneider nicht ohne Grund bestritten ist. 


Kritischer und exegetischer Anhang. X. Einleitung. 13 


Ferner kommen gewisse Differenzen zwischen dem neunten Gesange 
und der übrigen Ilias in Betracht, die man in Bezug auf die 
Zeichnung der Charaktere beobachtet hat. Zwar ist die Zeichnung 
der Haupthelden, Odysseus und Diomedes, gewiss im Ganzen wohl 
gelungen und der sonstigen Auffassung entsprechend, doch hat 
Grote an der nicht wohl motivierten Rohheit des Diomedes Anstand 
genommen, mit der er die schlafenden Troer hinschlachtet, und 
das Alterthum selbst scheint daran Anstoss genommen zu haben, 
indem die späteren Dichter dieselbe durch verschiedene Züge zu 
motivieren gesucht haben. Andere finden auch die Tödtung des 
Dolon nicht gehörig motiviert. Das Verhältnis von Agamemnon zu 
Menelaos ist ganz dem entsprechend gezeichnet, wie wir es im 
4. (155 81) und im 7. Gesange (107 8.) finden; auch hier tritt 
die liebevolle Besorgniss für den Bruder auf das schönste hervor. 
Aber es fällt hier durch die Aufforderung Agamemnons, ja nicht 
hochmüthig, sondern höflich gegen die Fürsten zu sein (67—71), 
auf Menelaos Charakter ein leiser Schatten, zu dem derselbe sonst 
keinen Anlass giebt. (Jacob). Ferner leidet Agamemnons Cha- 
rakter selbst unter der übertriebenen Darstellung, mit welcher der 
Dichter seine verzweifelte Stimmung schildert, und auch Nestors 
Reden lassen öfters die vielgepriesene Weisheit desselben vermis- 
sen. Endlich haben auch die Besonderheiten des Inhalts und der 
Sprache in Verbindung mit den der Oekonomie des Gesanges ent- 
nommenen Gründen ihr Gewicht. Von jenen sind zu erwähnen 
die Flöten und Syringen im troischen Lager V. 13, welche sonst 
nur noch im achtzehnten Gesange vorkommen, die mit so viel 
Fleiss beschriebene eigenthümliche Bekleidung der Helden, manche 
eigenthümliche Gebräuche, wie 15. 16. 572 ff., die seltsame Be- 
lohnung, welche dem griechischen Späher versprochen wird. Die 
sprachlichen Eigenthümlichkeiten findet man zusammengestellt bei 
Düntzer homer. Abhandl, p. 322 #., Kuhlbars a. Ὁ. p. 16 ff, 
Bernhardy p. 165, vgl. auch Holm a. Ὁ. p. 10 und van Her- 
werden a. Ὁ. p. 16 f. Abgesehen von der oft störenden Breite 
des Ausdrucks finden sich eine Reihe besonderer, zum Theil ge- 
suchter und hyperbolischer Wendungen, vereinzelte Formen, un- 
gewöhnliche Wortstellungen. Von den zahlreichen Hapax legomena 
sind manche durch die Besonderheit der Darstellung genügend 
erklärt, manche aber sehr auffallend. Eine nicht geringe Zahl von 
Ausdrücken endlich theilt die Dolonie nur mit der Odyssee. Die 
rhythmischen und metrischen Eigenthümlichkeiten sind bei Gi- 
seke und Hoffmann verzeichnet. 

Es bleibt noch übrig die Frage nach dem vermuthlichen Ur- 
sprung des zehnten Gesanges und namentlich nach dem Verhältniss 
desselben zu den vorhergehenden Gesängen. Lachmann nahm unter 
der Voraussetzung, dass die Darstellung des neunten und zehnten 
Gesanges dieselbe Nacht meinen, für beide Gesänge verschiedene 


14 _Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 


Verfasser an, vermuthete aber, dass beide Lieder vielleicht gar 
nicht dieselbe Nacht meinten; ähnlich scheint Bernhardy zu ur- 
theilen, wenn er sagt, dass attische Diaskeuasten die Dolonie auf 
gut Glück zwischen I und .A gestellt hätten. Auch Düntzer sieht 
in der Dolonie ein selbständiges Lied, welches zwar den Zorn 
Achills voraussetze, aber keine sicheren Beziehungen auf die vor- 
hergehenden Bücher biete. Jetzt ist mit Ausnahme der Wenigen, 
welche die Dolonie für homerisch halten, wie Baeumlein, Kiene, 
Gladstone, Gerlach, der spätere Ursprung des zehnten Gesanges 
allgemein angenommen, doch unter der Voraussetzung, dass der Dich- 
ter desselben die vorhergehenden ® und I vor Augen gehabt und 
in die dort gegebene Situation hinein sein Lied gedichtet habe. So 
urtheilen Ὁ. Müller, Kammer, Genz, auch Nutzhorn. Insbe- 
sondere bemerkt Bergk: “Dem Dichter liegt die Ilias bereits in 
der Gestalt vor, welche ihr der Diaskeuast gegeben hatte.’ Weiter 
gehen die Vermuthungen von Hoffmann und Nitzsch. Jener 
weist auf Grund seiner quaestiones Homer. das zehnte Buch dem 
Verfasser des Füllstückes Θ 489 —I 182 zu, dieser meint, dass 
die Dolonie wahrscheinlich in ihrem Anfang an die Stelle einerandern 
Angabe von Agamemnons Verhalten gesetzt sei, welche zeigte, wie 
sich Agamemnon aus der ersten Verzagtheit aufraffte und zu dem 
entschlossenen Muth erhob, den er im Anfang des elften Gesanges 
zeigt: “Die Redaction für Leser, welche die Doloneia als eines der 
älteren Lieder, das noch bisher für sich übrig bestanden, in Athen 
einfügte, sie hat wahrscheinlich entweder eine Aeusserung des 
Agamemnon gleich am Abend, weil man ihn in der nichtlichen 
Angst schildern mochte, weggeschnitten, oder sie hat zur Anfügung 
die sorgliche Nacht umgedichtet,” van Herwerden endlich schliesst 
aus den Besonderheiten des sprachlichen Ausdrucks, welche die 
Dolonie nur mit der Odyssee theilt, dass sie. später als diese ge- 
dichtet sei. 


Anmerkungen. 


5—10. Ueber die Einleitung der Vergleiche mit ὡς δ᾽ ὅτ᾽ 
ἄν vgl. E. H. Friedlaender de conjunctionis ὅτε apıd Homerum 
vi et usu, Berlin 1860 p. 98 δ΄, über den Conjunctiv in Verglei- 
chen Friedlaender Beiträge zur Kenntniss der homerischen Gleich- 
nisse. I, Berlin 1870 p. 23 f. und B. Delbrück der Gebrauch 
des Conjunctivs und Optativs p. 44. 64 f. 161 f.— V. 7 ist die 
Auffassung des temporalen Satzes mit ὅτε gegeben nach Fried- 
laender de conjunet. ὅτε etc. p. 22. Andere sehen darin eine 
Zeitbestimmung für τεύχων zur Winterszeit. Doederlein zur 
Stelle bemerkt: 'neque calamitas est tantis portentis digna, et Jupiter 
nivem parare (τεύχειν) dici non potest, quando ningit, sed ante- 


Kitischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 15 


quam ningat, und ist geneigt den Vers auszuscheiden. Nur wenn 
man in dem Zusatz nach den Parallelen @ 229. A 672 die er- 
klärende Ausführung zu vıperöv sieht,‘ welche den Zweck hat den 
Schneefall als einen besonders starken zu bezeichnen, tritt diese 
Naturerscheinung den vorhergehenden ebenbürtig zur Seite, so dass 
die von Doederlein erhobenen Bedenken schwinden. Uebrigens 
ist Nauck in der jetzt erschienenen Ausgabe der Ilias geneigt 
V. 7 und 8 zu verwerfen. — V. 8. πευχεδανός erläutert Butt- 
mann Lexilog. I *p. 16 £. vgl. Curtius Etym. *p. 163. -— V. 9 
vermuthet Nauck ἐκ στήϑεσφιν statt ἐν στήϑεσσιν. --- V. 10. Die 
Verbindung von τρομέω mit ϑυμῷ oder φρένα nur hier und Καὶ 492. 
Ὁ 627, scheint jüngeren Ursprungs: Fulda Untersuchungen über 
die Sprache der homer. Gedichte p. 134 ff,, übrigens ist hier 
φρένες das Zwerchfell, Helbig de vi et usu vocabulorum φρένες, 
ϑυμός similiumque apud Hom., Dresden 1840 p. 7.— Worauf der 
Vergleich hinaus will, wird erst bei der Anwendung in πυκέν᾽ 
völlig klar, wenn auch die gesteigerten Attribute bei ὄμβρον, wie 
der ausführende Zusatz bei viperov, und die Attribute zu πτολέμοιο 
στόμα, wodurch die angekündigten Erscheinungen als aussergewöhn- 
liche, besonders schreckhafte bezeichnet werden, auf ein wieder- 
holtes, heftiges Blitzen schliessen lassen. Dieser Mangel an Durch- 
sichtigkeit des Vergleichs führte mehrfach zu irriger Auffassung, 
so bei Göthe ‘Ilias im Auszug’, wo er bemerkt: “Gleichniss vom 
Donner, Regen, Schnee, Kriegsunheil — so stürmt's in seiner 
Brust’, und gar Doederlein zu V. 5: ‘Suppressa est primaria 
similitudinis pars: καὶ ἀναστεναχίξοντες τρομέωσιν οἵ &vdgmmor. — 
Tertium comparationis constat in suspensa et anzia exspectatione, quid 
mali mox eventurum sit’. Vgl. übrigens auch Aristonic. ed. Fried- 
laender p. 171 zu 5. 

11—16. Ueber eine Nachahmung der V. 11—13 bei Quint. 
Smyrn. Posthom. VI, 173 ff. vgl. K. F. Hermann im Philol. X 
p. 234 f. — In 13 ist das Asyndeton zwischen πυρά 12 und 
ἐνοπὴν ὕμαδόν re unerträglich hart. σύριγγες kommen sonst bei 
Homer nur 2 526 im Gebrauch bei Hirten vor, αὐλοί nur noch 
2495. Düntzer zur Stelle möchte den Vers ausscheiden, ebenso 
jetzt Nauck. — Die Bedeutung von ἐνοπή und ὅμαδος erläutert 
Ph. Mayer Studien zu Homer, Sophokles ete. p. 52 #. — 15. Zur 
Sache vgl. Naegelsbach hom. Theol. ?p. 218. — 16. Ueber die 
Bedeutung der Interpunetion bei der Längung der letzten Silbe 
von Zr und ähnlichen Fällen vgl. Hartel homerische Studien. 
Wien 1871, I p. 53 ff. — Ursprünglich sagt nach Fulda Unter- 
suchungen über die Sprache der hom. Ged. p. 112 f. die Wendung 
μέγα δ᾽ ἔστενε κυδάλιμον κῆρ: “er machte das Herz gedrängt 
voll’ d. i. da Herz und Lunge nicht streng geschieden werden: 
er machte die Brust gedrängt voll, da der Seufzer nichts anderes 
ist als eine Anfüllung der Brust durch tiefes Athemholen.” — 


16 Kritischer und exegetischer Auhang. X. Anmerkungen. 


κυδάλιμον ist in der Verbindung mit κῆρ gewiss richtiger mit 
Suhle zu fassen: hochgemutb, muth?g (ähnlich Autenrieth: 
hoher Sinn), als das rühmenswerthe, edle oder ruhmreiche. 
Wegen der dem Stamm zu Grunde liegenden Anschauung vgl. den 
Anhang zu © 51. — Die in diesen Versen enthaltene Ausführung, 
welche die wechselvolle Unruhe Agamemnons veranschaulichen soll, 
giebt zu mehrfachen Bedenken Anlass. Das auffallend harte Asyn- 
deton V. 13 ist erwähnt; wie Agamemnon von seinem Lager aus 
im Zelt über die Mauer hinweg die Lagerfeuer der Troer über- 
sehen konnte, ist schwer erfindlich, das zweite Glied der Ausfüh- 
rung 14—16, auf dem das Hauptgewicht liegt, wiederholt nur in 
starker Uebertreibung das V. If. Gesagte. Vor allem aber schliesst 
V. 17 sich wenig passend an die vorhergehende Ausführung, da 
diese von einer angestellten Ueberlegung nichts enthält. Dieser 
formelhafte Vers würde sich nach dem homerischen Gebrauch (vgl. 
Anhang zu ı 318) viel passender an V. 4 πολλὰ φρεσὶν ὁρμαίνοντα 
anschliessen. Da indess der Dichter dieses Gesanges auch sonst 
Neigung zu einer breiten Darstellung und übertreibendem Aus- 
druck zeigt, so wird man an Interpolation nicht zu denken haben. 

19. Ueber den Wunschsatz εἰ --- τεκτήναιτο vgl. L. Lange der 
homerische Gebrauch der Partikel εἰ, I p. 403 ἢ, — Gegen die 
herkömmliche Erklärung von ἀμύμων —= untadelig spricht Schmal- 
feld im Philol. XXXIV p. 585 ff.; er selbst leitet das Wort aus 
wo ‘die Augen schliessen’ ab und gewinnt, indem er dies als 
Wirkung des Schreckens, der Furcht fasst, daraus für ἀμύμων die 
Bedeutung: der seinem Gegenstande nicht wie ein schlafender, son- 
dern mit oflenem und geradem, selbstbowusstem Blick gegenüber- 
tritt, daher unerschrocken, muthig, entschlossen, ener- 
gisch. Für unsere Stelle findet er die Rechtfertigung dieser Auf- 
fassung in der Berücksichtigung von ϑυμῷ τολμήεντι 205: “auch 
war ja die Stimmung Agamemnons eine verzweifelte.” Die Ueber- 
tragung der gefundenen Bedeutung, die bei Personennamen im 
Ganzen passend ist, auf unpersönliche Gegenstände dürfte manche 
unlösbare Schwierigkeit ergeben. Vgl. dagegen G. Curtius Etym. 
4p. 338, auch Brugman in Curtius Stud. IV p. 160 und G. 
Meyer in Curtius Studien V p. 65, der auf die Glosse des He- 
sychios μῦμαρ' αἶσχος, φόβος, ψόγος verweist. 

25 #. Zur Interpunction vgl. J. Classen Beobachtungen p. 
15f. Für αὐτῷ verlangt Doederlein öffentliche Reden 1860, 
v. 361 αὖ τῷ, wie übrigens schon Ptolemäus Ascalonita schrieb. 
— In dem ymsatz (26) findet L. Lange der hom. Gebrauch 
der Partikel εἰ I p. 417 f. den Ausdruck des Wunsches: “Auch 
Menelaos selbst konnte sagen: μή τι πάϑοιεν ᾿Αργεῖοι. und schliesst 
diesen Wunschsatz an οὐδὲ γάρ — ἐφίξανε an. — 27. Die anapho- 
rische Bedeutung des Reflexivpronomens ist neuerdings treffend 
erörtert von K. Brugman ein Problem der homerischen Textkritik 


Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 17 


und der vergleich. Sprachwissenschaft. Leipzig 1876 p. 83 ff. Nach 
ihm ist (im Gegensatz zu Windisch in G. Curtius Stud. IT und 
Kvicala Untersuchungen auf dem Gebiete der Pronomina 1870) 
die anaphorische Bedeutung des Reflexivstammes unmittelbar aus 
der echt reflexiven herzuleiten. Er bezeichnet nämlich das Wesen 
des Reflexivpronomen als innere Anaphora (oder subjective 
An.) im Gegensatz zu der äusseren (oder objectiven) und er- 
läutert dies so: ‘Mit dem Reflexivum weist nämlich der Sprechende 
nicht von sich aus, nicht von seinem Standpunkt als dem des 
Sprechenden aus auf eine Person oder einen Gegenstand hin, und 
er knüpft also nicht bloss äusserlich das Pronomen an seinen 
Reeipienten (das Wort, auf welches das Reflexivpronomen sich be- 
zieht) an, sondern er stellt sich selbst für den Augenblick auf den 
Standpunkt des Reeipienten und verfällt so zu sagen momentan 
in die oratio obligua’ und “Beim Reflexivpronomen vollzieht der 
Redende die Anaphora nicht selbst als Redender, sondern er lässt 
sie vom Reeipienten vollziehen.” Es haben nun weder die ad- 
jeetivischen noch die substantivischen Formen des Reflexivprono- 
mens ihre ursprüngliche reflexive Bedeutung je aufgegeben, es hat 
nur die Innerlichkeit des Bezugs zwischen ihm und seinem Reei- 
pienten abgenommen. So kommt Brugman zu einem ähnlichen 
Resultat, wie Ameis in den Homerischen Kleinigkeiten, Mühl- 
hausen 1861 p. 22, vgl. auch den Anhang zu ὃ 484, doch wird 
die Sache durch Brugmans Ausführungen bei weitem klarer. 
Die subjeetive Grundfärbung der Bedeutung lässt sich auch hier 
bei der Beziehung von ἔϑεν auf Μενέλαον sehr wohl erkennen, da 
in dem relativen Satze die Motivierung für die Besorgniss des Me- 
nelaos aus seinen Gedanken enthalten ist. — 28. ὁρμαίνω ohne 
Zusatz des seelischen Organs findet sich nach Fulda Untersuchun- 
gen über die Sprache der hom. Ged. p. 116 überwiegend in den 
jüngeren Partien des Gedichts. 

33 ff. Ellendt drei homerische Abhandlungen, II p. 38 führt 
diese Stelle und A 276 als abweichend vom homerischen Gebrauch 
an, wonach Völkernamen bei ἀνάσσειν regelmässig im Dativ stehen. 
Unsere Stelle ist ihm eine verunglückte Nachahmung von A 78. — 
34. Ueber die Form τιϑήμενος, sowie τιϑήμεναι vgl. Hinrichs de 
Homericae elocutionis vestigiis Aeolicis, Jenae 1875 p. 126, wo 
die verschiedenen Erklärungsversuche angeführt sind, vgl. auch 
G. Curtius das Verbum der griech. Sprache II p. 98. — Menelaos 
findet den Agamemnon 35 νηΐ πάρα πρυμνῇ, also doch wohl, wie 
den Nestor, ausserhalb seiner Lagerhütte. Will man nun nicht 
annehmen, dass Agamemnon, wie Nestor dort, ausserhalb der Hütte 
sein Nachtlager gehalten, wozu kein Anlass vorliegt, so ist in- 
zwischen nach 21—24 ein nicht erwähnter Localwechsel einge- 
treten. Dann kann aber 34 ἀμφ᾽ &worı τιϑήμενον ἔντεα καλά 
nicht, wie Aristarch bei Aristonic. ed. Friedlaender p. 171 zu 

Ameis, Anhang zur Ilias. 2 


18 __Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 


23 und 34 und die Neueren wollen, dasselbe sein, was 23 gesagt 
ist, das Umlegen der Löwenhaut. Ueberdies wird diese Annahme 
unwahrscheinlich durch den 37 gewählten Ausdruck κορύσσεαι. 
Sind ἔντεα nach Aristarch (Lehrs p. 145) eigentlich ἀσπίς und 
περικεφαλαία, so muss man an den Schild denken, den er jetzt um 
die Schultern legt, weil er eben im Begriff ist zu gehen. 

38. Aristarch schrieb ὀτρυνέεις, während die Handschriften 
ὀτρύνεις haben, verlangte aber statt ὀτρυνέεις das Partieipium ὀτρύ- 
vov, vgl. darüber Friedlaender Aristonic. p. 14. — Die hand- 
schriftliche Ueberlieferung ist hier und 342 Τρώεσσιν ἐπίσκοπον, 
welche Spitzuer, La Roche, Bekker, Dindorf geben. Dies 
war auch Aristarchs Lesart, dagegen schrieb Nicias: ἔπι σχοπόν. 
Letztere Schreibung empfahl Povelsen Emendatt. Hom. p. 29, 
weil ἐπίσκοπος sonst bei Homer in dem Sinne von custos Aufseher 
steht (vgl. indess $ 163) und dann mit dem Genetiv verbunden 
wird, ebenso Nauck Aristophanes p. 50, Doederlein Gloss. $ 2355, 
und Doederlein, Franke, Düntzer, Koch, jetzt auch Nauck 
haben dieselbe in den Text genommen. Für die Verbindung von 
ἐπίσκοπον mit dem Dativ kann man vergleichen N 450 τέκεν Κρήτῃ 
ἐπίουρον, woraus indess nicht von La Roche in der Schulausgabe 
gefolgert werden durfte, dass Τρώεσσιν zu einem hinzuzudenkenden 
εἶναι gehöre, was bei einem Verbum mit dem Begriff der Bewegung, 
wie ὀτρύνω, nicht wohl passt. ὀτρύνειν mit ἐπὶ und dem Dativ 
findet sich sonst bei Homer nicht, vergleichen lüsst sich 4 94 nach 
Aristarchs Lesart Μενελάῳ ἔπι προέμεν ταχὺν ἰόν. — 39. Statt 
δείδω im Anfange des Hexameters verlangt Cobet Miscellanea 
Critica, Lugduni- Batavorum 1876 p. 270 überall δείδια: so 
4470. N 745. #44. T 24. Y 30. X 455. ε 300. 419. 473. u 
122, und so hat Nauck jetzt in seiner Ausgabe geschrieben. — 

40. In der exegetischen Verwendung der Infinitive nach einem 
vorhergehenden Substantiv oder Pronomen, wie hier und N 367, 
O 599 und in Erscheinungen wie B 453. ß 116, sieht Koch zum 
Gebrauch des Infinitivs in der hom. Sprache, Braunschw. 1871 
p. 14 ἢ, verhältnissmässig jüngere Bildungen, Schöpfungen der 
zweiten Periode in der Geschichte des Infinitivs, in welcher der- 
selbe, nachdem in der ersten seine Entwicklung zu der ihm ur- 
sprünglich fremden Verbalnatur hin sich vollzogen hatte, wieder 
dem Substantiv näher und näher tritt. Nur mit einigem Schein 
kann für diese Auffassung, der hier οἷος ἐπελϑών beim Infinitiv 
durchaus widerspricht, geltend gemacht werden, dass hier nach 
ὑπισχνέομαι der Infinitiv Praes, nicht Fut. folgt. Die hierher ge- 
hörigen Stellen sind nach Forssmann in G. Curtius Stud. VI 
p- 67 noch: Β 112. 119. T 84. λ 291. An den ersten beiden 
Stellen steht ἀπονέεσϑαι (wie nach ὑπέστην B 288. E 716), 784 
schreibt La Roche gegen das handschriftliche πολεμέξειν -- πολε- 
μέξειν, weil und & in den Handschr. oft schwankt, A 292 steht 


Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 19 


ἐξελάαν. Da νέομαι als Futurum oder als Praesens mit Futur- 
bedeutung Σ 101. Φ 150. ὃ 633. ξ 152 feststeht, vgl. G. Cur- 
tius das Verbum der griech. Sprache. Leipz. 1873. 1876. II p. 
315, 317, ἐξελάαν aber wirklich Futurum sein kann, so bleibt nur 
die vorliegende Stelle als sicheres Beispiel für den Inf. praes. nach 
ὑπισχνέομαι. Auch nach andern Verben, deren Begriff die Richtung 
auf die Zukunft enthält, ist der Infinitiv Praesentis bei einer 
wirklich zukünftigen Handlung selten: Θ 246. 1683 gehören noch 
hierher. Die verschiedenen Infinitivconstructionen nach solchen Ver- 
ben sind gesammelt bei Cavallin de temporum infinitivi usu Home- 
rico, Lund 1873 p. 38 ff. — 41. Die Epitheta der Nacht erörtert 
Schuster Untersuchungen über die homerischen stabilen Beiwörter. 
Stade 1866 p. 22 #.: ἀμβροσίη, weil sie als göttliche Gabe die 
ganze Natur erquickt, hauptsächlich wohl mit Beziehung auf den 
alles erquickenden Schlaf.” Vgl. auch Oertel de chronologia Hom. 
II p. 20 ἢ, 

48 δ, Ueber μέρμερος vgl. Fick Vergl. Wörterb. ἦν. 217 ἀπῇ. 
smar, Ἵ p. 254, G. Curtius Etym. *p. 331, auch Fritzsche in 
G. Curtius Stud. VI p. 293. — 50. Ueber αὔτως vgl. Doeder- 
lein Gloss. $ 256 (I p. 169), Buttmann Lexilogus I ‘p. 13 f, 
Deren Hom. s. v., Funk auf Homer bezügliches, Friedland 1871 

. 9 5. — 51. 52. ᾿ἀϑετοῦνται στίχοι δύο ὅτι παλιλλογεῖ ταῦτα; δ᾽ 
ἄλλων γὰρ προείρηται, ὅσσ᾽ Ἕκτωρ, ἔρρεξε διέφιλος υἷας ᾿Αχαιῶν (49). 
καὶ ὅτι ἐπὶ ταὐτὸν φέρει δηϑά καὶ δολιχόν᾽ καὶ ᾿ἀφιστοφάνης προή- 
ϑέτει. A’ Friedlaender Aristonic. p. 172. Dagegen findet 
Düntzer homer. Abhandl. p. 322 die Verse kaum entbehrlich und 
solche Weitschweifigkeit dem Dichter eigenthümlich; Friedlaen- 
der aber im Philol. IV p. 587 f. sieht in denselben eine andere 
Recension von 49. 50. — Ueber μήσατο vgl. Fulda Untersuchun- 
gen p. 157. 

56 ff. Ueber ἱερός vgl. Grashof das Fuhrwerk p. 20, Anmerk. 
17 und dagegen G. Curtius Etym, !p. 403, Fick vergl. Wör- 
terbuch I p. 30 unter isara, mehr im Leric. Hom. s. v. — 57. 
κείνου statt κείνῳ haben die besten Handschriften, vgl. La Roche. 
Die neueren Herausgeber schreiben ausser Heyne κείνῳ; ich habe 
kein Bedenken getragen der handschriftlichen Lesart zu folgen, 
welche auch von Kayser bei Faesi zu « 414 empfohlen und durch 
den herodoteischen Gebrauch erläutert ist. 

61 #. Düntzer schreibt πῶς τ᾽ ἄρ statt des überlieferten 
γάρ. Dieselbe Ansicht vertritt Cobet Miscellan. crit. p. 322. Ueber 
das γάρ in der Frage vgl. Olassen Beobachtungen p. 7—9, wel- 
cher in allen solchen Fällen die anticipierte Begründung des nach- 
folgenden Hauptsatzes findet, und dagegen Hentze im Philolog. 
XXIX p. 161, und jetzt Capelle im Philolog. XXXVI p. 708 £. 
— 62. Zur Erklärung von αὖϑι μένω μετὰ τοῖσι vgl. Grossmann 
Homerica, Baireuth 1866 p. 25 und über die Form der Frage 

2Ἐ 


20 _ Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 


Praetorius der hom. Gebrauch von ἡ (ne) in Fragesätzen. Kassel 
1873 p. 10 und 16, welcher über den Conjunctiv hier bemerkt: 
‘Der Conjunetiv ist der des Wollens, hat also die Bedeutung, welche 
auch mir die ursprünglichste zu sein scheint (vgl. Delbrück synt. 
Forsch. I p. 13 81). Es ist nicht der sog. conj. deliberativus, da 
die Frage nicht an die eigne Person des Redenden, sondern an 
eine zweite Person gerichtet ist.’ Vgl. dazu Philol. XXIX p. 128 ff. 
Aehnliche dubitative Fragen, die an die zweite Person sich richten, 
sind: A 838. A 365. Ο 202. Σ 188, y 22. ı 14. 0 509. m 70; 
vgl. auch ὃ 29. πὶ 138. 

65. ἀβροτάξω wird mit ἤμβροτον von G. Curtius Etym. *p. 
679 auf privatives d(v) und W. weg (in μείρομαι, μέρος, μόρος etc.) 
und bestimmter ‘das Verbum der griech. Sprache’ II p. 10 auf das 
Adjectiv d-ueg-to untheilhaft zurückgeführt, mit Metathesis und 
Uebergang des a in ß, vgl. auch Siegismund de metathesi in 
G. Curtius Stud. V. p. 171. 

76. Sehr ansprechend ist die von Fick jetzt in Bezzen- 
berger Beiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen. Gött. 
1876 Bd. 1 p. 64 gegebene Erklärung von τρυφάλεια: “Wie τρά- 
meta Tisch für τετρά-πεξα Vierfuss’ steht, 80 τρυ-φάλεια für τετρυ- 
φάλεια und dieses rergv ist —= lat. quadru-, lit. ketur-, goth. fidur- 
in Zusammensetzung. Das v für fa erscheint im griechischen 
Worte für vier ja auch in πίσυρες vier und hat demnach ein alt- 
griechisches rergv für terug — lat. guadru- durchaus nichts be- 
fremdliches.” Danach wäre τρυφάλεια also der Bedeutung nach von 
τετραφάληρος und τετράφαλος, mit vier Schirmen versehen, nicht 
verschieden. 

80. Doederlein und Düntzer verbinden ἐπ᾽ ἀγκῶνος mit 
ἐπαείρας, die übrigen Herausgeber interpungieren nach Nicanor 
περὶ Ἰλιακῆς στιγμῆς ed. Friedlaender p. 204 nach ἀγκῶνος. & 494 
ist verbunden ἐπ’ ἀγκῶνος κεφαλὴν σχέϑεν, die dem dauernden Zu- 
stand σχέϑεν vorausgehende und diesen einleitende Handlung ist 
ohne Zweifel ἐπαείρειν ἐπὶ ἀγκῶνος, und nur in diesem Sinne kommt 
ἐπαείρειν bei Homer vor, vgl. Lex. Hom. 8. v. Darum braucht 
man freilich nicht ἐπ᾽ ἀγκῶνος zu ἐπαείρας zu ziehen, sondern kann 
dasselbe mit ὀρϑωϑείς verbinden und bei ἐπαείρας hinzudenken. Es 
scheint, dass der Dichter ἐπ᾿ ἀγκῶνος zunächst mit ὀρϑωϑείς ver- 
band, um die Vorstellung nicht aufkommen zu lassen, dass er sich 
völlig aufgerichtet habe, wie # 235 ἕξετο δ᾽ ὀρϑωϑείς, dann aber 
in dem Zusatz die Haltung nüher bestimmte. 

83 £. Ueber die scheinbar concessive Bedeutung von ὅτε (re) 
an dieser und andern Stellen handelt Friedlaender de conj. öre 
p. 61fl.: vgl. ausser Καὶ 385 und 8 363 noch σ 217. 4 231. E 802. 
μ 22 und über die Entwicklung der verschiedenen Bedeutungen 
von ὅτε Capelle im Philol. XXXVI 193 δ᾽ — 84. ᾿ἀϑετεῖται ὅτι 
οὐρήων βούλεται (sc. 6 διασκευαστής) λέγειν τῶν φυλάκων, καὶ οὐκ 


Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 21 


ἐκράτησε τοῦ σχήματος" οὖρον γὰρ λέγει ὡς κοῦρον τὸν φύλακα, 
οὐρέα δὲ τὸν ἡμίονον. καὶ ὅτι ἄκαιρος ἡ ἐρώτησις A.” Aristonic. 
ed. Friedlaender p. 173. Dieser Athetese stimmen zu Lehrs Ari- 
starch. ἦρ. 151 (gegen Münscher in Schulzeitung 1829 No. 70), 
Sickel quaestion. Hom. I p. 7 ἢ, Hoffmann quaestt. Hom. II p. 
125, und die neueren Herausgeber mit Ausnahme von Düntzer 
und Koch, welche in οὐρεύς hier mit G. Curtius nach einem 
Scholion eine Weiterbildung von οὖρος Wächter (G. Curtius 
Etym. *p. 349 No. 501) erkennen, und Franke, welcher dasselbe, 
wie Doederlein, in dem Sinne von ‘Führer’ versteht: ‘so macht es 
einen schicklichen Gegensatz zu ἑταίρων und passt namentlich gut 
im Munde des οὖρος ᾿ἡχαιῶν Nestor.’ Aber auch so scheint die 
in diesem Verse enthaltene Vermuthung in dem Zusammenhang 
wenig passend, da die dieselbe umgebenden lebhaften Fragen, die 
eine gewisse Aufregung verrathen, vorerst keinen andern Gedanken 
aufkommen lassen, als zu erfahren, wer der Nahende sei, und 
erst am Schluss in den Worten τίπτε δέ σε χρεώ die Gedanken sich 
auf die Veranlassung seines Kommens richten. Neuerdings hat 
W. Schwartz in den Jahrbb. für Phil. 1876 p. 848 f. den Vers 
in der Fassung von οὐρήων — Maulesel durch Vergleich von 
Xenoph. Anab. II, 2, 20 zu rechtfertigen gesucht. 

88 fl. Zur Erklärung von γνώσεαι vgl. Paech über den Ge- 
brauch des Indicat. futuri als Modus jussivus bei Homer p. 8. — 
91. Ueber νήδυμος vgl. den Anhang zu v 79. — Die Stellung 
der Negation οὐ unmittelbar hinter Zwei hat ihre Parallele in der 
Verbindung Zwei ἦ, wie denn οὐ und 7) auch sonst vielfach paral- 
lelen Gebrauch zeigen: οὔ τοι: ἦ τοι; οὐ μέν: ἦ μέν; οὔ ϑην: ἦ 
ϑην. Dieser Parallelismus legt ein bedeutsames Zeugniss für die 
getrennte Schreibung aller dieser Partikelverbindungen ab. Die 
Schreibung ἐπειή bei Homer würde die hier sicherlich noch in 
ganzer Kraft empfundene Bedeutung des versichernden ἦ verwischen, 
selbst ἠμὲν und ἠδέ in Stellen, wie ὃ. 383 f. H 301 E 4A 453 fi, 
werden durch die getrennte Schreibung 7 μέν und ἦ δέ erst zu 
ihrem Recht kommen. 

96. Zu δραίνω ist der Stamm ohne ı erhalten in ὀλιγοδρανέων, 
vgl. Curtius Etym. ‘p. 237 No. 273, auch Geppert Ursprung 
der hom. Gesänge II p. 123. — 97. Ueber den Artikel in τοὺς 
φύλακας vgl. Foerstemann Bemerkungen über den Gebrauch des 
Artikels bei Homer, p. 27. — 98. Solche Sätze mit μή, wie hier 
und 102, bezeichnet L. Lange der homer. Gebrauch der Partikel 
εἶ Τρ. 482 als prohibitive Erwartungssätze, in denen durch μή eine 
Erwartung abgelehnt wird; vgl. auch den Anhang zu ν 216, — 
Zur Auffassung von ἀδηκότες vgl. Goebel in Zeitschr. für Gymn. 
1875 p. 651. Gegen Bekkers Schreibung αδηκότες van Her- 
werden Quaestiunculae epicae et elegiacae p. 15 f. und Leo Meyer 
in Kuhns Zeitschr. XXII p. 475 ἢ, — 100. Eine sehr künstliche 


22 Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 


Construction der Stelle giebt Doederlein in seiner Ausgabe, in- 
dem er σχεδὸν εἴαται, οὐδέ τι ἴδμεν durch Gedankenstriche als 
Parenthese aus dem Zusammenhange des Gedankens ausscheidet, so 
dass δυσμενέες δ᾽ ἄνδρες mit μή πως — μάχεσϑαι verbunden wird. 
Der dieser seltsamen Verbindung zu Grunde liegende richtige Ge- 
danke, dass das dem μὴ τοὶ μέν 98 entsprechende zweite Glied 
exst in μή mug 101 zur Ausführung kommt, während ἀτάρ bis 
λάϑωνται 99 einen dem ersten Gliede untergeordneten Gegensatz 
enthält, ist in dem Commentar zu V. 98 berücksichtigt und durch 
Verwandlung des Punktes nach λάϑωνται in Kolon die Gliederung 
des Gedankens deutlicher gemacht. 

105. Ueber νῦν und νύν vgl. La Roche die homer. Text- 
kritik p. 318, auch Pappenheim im Philol. Suppl. IL p. 36. 
Bekker schreibt: νῦν FiAmereu, vgl. dagegen Cobet Miscellan. 
exit. p. 372. 

110 fi. Von Aristarchs Studien über die Anordnung der Schiffe 
im Lager, die hier in Frage kommen, giebt aus den Ueberresten 
ein Bild Lehrs Arist. ®p. 224 f. — 111. Diese Wunschsätze zum 
Ausdruck einer Aufforderung erörtert L. Lange der homerische 
Gebrauch der Partikel εἰ I p. 325 ff. — 115. Nicanor ed. Fried- 
laender p. 204 giebt selbst die Möglichkeit zu ὡς εὕδει ohne Ver- 
bindung mit dem Vorhergehenden für sich zu nehmen: ἐν dav- 
μασμῷ᾽, also als selbständigen Ausruf. — 117. 118 werden von 
Heyne verdächtigt; auch Giseke die allmähliche Entstehung der 
Gesänge der Ilias p. 96 nimmt an der Präposition κατά bei der 
von Menelaos geforderten ethischen (?) Thätigkeit Anstoss. 

123 δ᾽ Cobet Miscell. erit. p. 360 verlangt ποτιδέχμενος als 
syncopiertes Partic. Praes.: vgl. den Anhang zu B 794. — 124. 
Aus ἐμέσίο wird nach Ausfall des σ theils ἐμεῖο, theils ἐμέο, wel- 
ches nur hier vorkommt: hierüber und über die Formen der Per- 
sonalpronomina und deren Gebrauch bei Homer handelt Cauer 
in G. Curtius Stud. VII p. 103 ff, über den Reichthum der man- 
nigfaltigen Formen und deren Verhältniss zu einander und zu den 
Dialekten auch Herzog Untersuchungen über die Bildungsgeschichte 
der griech. und lat. Sprache, Leipz. 1871 p. 119 f. und 130. — 
127. Das handschriftlich überlieferte ἕνα γάρ, in welcher nur hier 
vorkommenden Verbindung ἵνα demonstrativ gefasst werden müsste, 
will Bekker Hom. Blätt. p. 267 f. dadurch beseitigen, dass er 
schreibt: ἐν φυλάκεσσ᾽, ἵνα τ᾽ ἄρ σφιν ἐπέφραδον ἠγερέϑεσϑαι, was 
Düntzer in den Text gesetzt hat. Hermann de part. ἄν 2, 13 
wollte schreiben: ἵνα πέρ σφιν, Barnes: φυλάκεσσιν, ἵνα σφιν. 
Andere, wie Franke, Doederlein, Koch, stehen nicht an ἵνα 
demonstrativ zu fassen nach Analogie von ὃ γάρ κ᾽ dy’ ἄριστον — 
εἴη M 344, vgl Ψ 9. ὦ 190. Ueber die Ableitung und Grund- 
bedeutung von ἵνα ist noch keine Einigung erreicht: G. Curtius 
Erläuterungen ἾΡ. 195 sieht darin einen dem Sserit yana entspre- 


Kritischer und exegetischer Anhang. K. Anmerkungen, 23 


chenden Instrumentalis vom Relativstamm jo, also ursprünglich — 
womit, ihm stimmt bei Delbrück der Gebrauch des Conjunctivs 
und Optativs p. 57 unterder Annahme, dass dann die Bedeutung wo 
auf ἵνα, gerade wie bei yana erst übertragen sei. Jolly ein Kapitel 
vergleichender Syntax, München 1872 p. 88 leugnet für die graeco- 
arische Epoche Instrumentalbildungen auf »a und erklärt den zweiten 
Bestandtheil anders aus dem Zend. Schenkl in der Zeitschr. ἢ, 
oesterr. Gymn. 1864 p. 339 dagegen erkennt darin den Acc. plur. 
von der Wurzel des Pron. σε, so dass es ursprünglich demonstra- 
tive Bedeutung gehabt hätte. Auch Schoemann die Lehre von 
den Redetheilen p. 183 nimmt, das Wort aus 7 ableitend, eine 
demonstrative Grundbedeutung an: dahin. Ich habe die nach dem 
vorwiegenden Gebrauch von γάρ wahrscheinliche demonstrative 
Bedeutung von ἵνα angenommen, indess ist nach der Zusammen- 
setzung der Partikel γάρ aus γέ und ἄρα und der noch keineswegs 
so festen, vielmehr noch äusserst flüssigen Gebrauchsweise der 
Partikel, wie sie so eben noch Capelle im Philol. XXXVI p. 701 ff. 
treffend ins Licht gestellt hat, immerhin möglich, dass ἵνα auch 
hier ebenso relative Partikel ist, wie ὅ in den oben angeführten 
Stellen mit γάρ nicht Demonstrativ, sondern Relativ ist, ja ich 
neige mich jetzt entschieden zu dieser Annahme. Auch La Roche 
erklärt hier ἵνα γάρ wo nemlich. 

133 #. περόνη im Gegensatz zu πόρπη scheint die gewöhnlich 
gebräuchliche Art der Spangen zu bezeichnen, ‘jene kleinere Spange 
mit glattem Bügel, wie sie in etrurischen, deutschen und wendischen 
Gräbern sich häufig findet”. — ‘Den Verschluss bildet entweder ein 
röhrenförmig gebogenes Blech (αὐλὸς), in welches die Nadel eingreift, 
oder ein gebogener Drath, Anl’. Gerlach im Philol. XXX p. 498. 
Abbildungen giebt Autenrieth Wörterbuch 2. Aufl. unter περόνη. --- 
Ueber polık, φοινικόεις vgl. die Erörterung von Riedenauer in den 
Blätt. f. ἃ. bayersch. Gymn. 1875. XI p. 52 ff. Nach ihm ist 
φοίνικι (pusıvög) in den homer. Gedichten einfach die ‘phoeni- 
cische’ Farbe, eine Localbezeichnung, wie Mokka, Kaschmir, analog 
der Phoinix als einem musikalischen Instrument bei Herod. IV, 
192,' — abgesehen vom Mennig die einzige Farbe, die zweifellos 
deutlich als Färbestoff, als künstliche, als aufgetragene Farbe vor- 
geführt wird, ein rother Färbestoff (4 141). “Diejenigen Stellen, 
welche als die ältesten unangezweifelt dastehen, enthalten die Be- 
zeichnung φοίνικι, nur jüngere Stellen die Adjectivform φοινικό- 
&00«; jene nämlichen ältesten Stellen und eine der Odyssee (3 201) 
reden von gefärbtem Elfenbein, Leder und Rosshaar, nur die 
Odyssee und K von gefärbter Chlaina’, ‘Das Wesen der “phöni- 
eischen” Farbe kannten die althomerischen Griechen gar nicht; — 
gehalten haben sie die phönieische Farbe, als sie darüber zu re- 
flectieren anfiengen, für Purpur.’ “Phönieisch- τού μ᾽ bezeichnete also 
wahrscheinlich die den Phöniciern eigenthümliche d. h. von ihnen 


24 _Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 


zuerst auf dem aegaeischen Meere verbreitete Kunstfarbe, den Pur- 
pur in rother Nilance. Dagegen bezeichnete nach demselben Ge- 
lehrten p. 97 ff. πορφύρεος zuerst und noch bei Homer keine be- 
stimmte Farbe, auch keinen Färbestoff, sondern nur eine Farben- 
erscheinung, nämlich die des unruhigen Meeres, welches bald ganz 
dunkel, bald röthlich schimmernd erscheint. Als die Griechen den 
Schiller des Purpurs kennen lernten, verglichen sie diesen mit dem 
längst gekannten Schiller der Meereswellen. — 134. Zu ἐπενήνοϑε vgl. 
Buttmann Lexilog. I* 251 ff, G. Curtius Etym. *p. 250 No. 304 
und das Verbum der griech. Sprache II p. 234, Autenrieth bei 
Naegelsbach zu B 219. Dagegen will Bergk griech. Literaturgesch, 
I p.854, 143 darin eine alterthümliche Form für ἐπελήλυϑε erkennen, 

139. Ueber das Eigenthümliche der Wendung vgl. Fulda 

Untersuchungen p. 145 ff. — 142. Nicanor ed. Friedlaender 

, p. 204 verlangt nach ἀμβροσίην eine Interpunction. Von Neueren 
setzen Baeumlein, Düntzer, Franke, Doederlein, Koch, 
Bekker hier das Fragezeichen, Dindorf, La Roche ein Komma. 
5 zu schreiben und verstehen: als relativen Beziehungsaecusativ ‘in 
Rücksicht darauf dass’ La Roche, als indireetes Fragwort, wobei 
εἴπατε zu ergänzen, Koch, als causale Partikel Düntzer, auch 
Nauck schreibt ὅ τι; ὅτι schreiben Doederlein, Franke, Bekker 
und verstehen das Ganze als directe Frage, wodurch der Redende 
seine vorhergehende Frage selbst vermuthungsweise beantworte: 
etwa weil? So Pfudel Beiträge zur Syntax der Kausalsätze bei 
Hom. p. 35 und Capelle im Philol. XXXVI p. 197. Der Ueber- 
gang in die indirecte Frage ist bei dem Fehlen jedes Verbums 
dieendi schwer annehmbar, anders « 171. La Roches Erklärung 
setzt eine eigenthümliche Verkehrung der Gedanken voraus für: 
“Was ist für eine Noth über euch gekommen, dass ihr in der 
Nacht allein durch das Lager schweift?” Würde mit ὅτε in cau- 
salem Sinne nicht eine selbstündige Frage eingeleitet, so würde 
nach dem sonst üblichen Anschluss von Sätzen mit ὅτε an Fragen, 
wie 4 81. 0 239 ἢ ε 339 f£ Φ 410 f. inan nur an das von 
Pfudel trefiend bezeichnete ‘notivierende dr’ denken können, 
was hier aber nach dem Gedankenzusammenhang unmöglich ist. 
Es scheint daher gerathen die Auffassung von Doederlein, Franke, 
Bekker anzunehmen, 

147. Die im Commentar angedeuteten schweren Bedenken 
gegen den Inhalt dieses Verses, vgl. auch die Einleitung p. 5. 10. 
legen die Frage nahe, ob derselbe nicht aus 327, wo er passend 
steht, in diese Stelle ungehörig übertragen sei. Es kommt hinzu, 
dass derselbe sich nicht auch einmal passend an das vorher- 
gehende anschliesst, da wohl der allgemeine Gedanke ‘dem es zu- 
kommt an der Berathung theilzunehmen’, nicht aber der so speciell 
gewendete Gedanke von einer Berathung ob fliehen, oder kämpfen 
erwartet wird. 


Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 25 


153. Zur Etymologie von σαυρωτήρ (von σαῦρος Schwanz) 
vgl. Clemm in G. Curtius Studien II, p. 288 ἢ 

158. Ueber das Verhältniss von o 45 zu dieser Stelle vgl. 
Aristonic. ed. Friedlaender p. 174, und den Anhang zu ὁ 45. — 
159. Ueber ἄωτος und ἀωτεῖν vgl. Clemm in G. Curtius Stud. IT 
ν. 54 f.: ἄωτος von W. ἀξ wehen: mit Reduplieation gebildet 
aus ἀξ -οξ-τός, dFwrög ursprünglich = geweht, substantiviert 
@wrog Flocke, dann auch das Athmen, Schlafen, der Schlaf und 
zwar der tiefe Schlaf, das Schnarchen, in dieser Bedeutung nur 
erhalten in ἀωτεῖν. — 160. Zu der Bestimmung der Localität vgl. 
Hasper Beiträge zur Topographie der homerischen Ilias p. 36 ἔν, 
auch Christ in den Sitzungsberichten der philos. philol. und histor. 
Classe der k. baiersch. Acad. München 1874 p. 221, 34. Dagegen 
sieht Hercher über die hom. Ebene von Troja, Berlin 1876 p. 
120 in dem ϑρωσμὸς πεδίοιο den rechts und links von der Furth 
des Skamander auf der dem Griechenlager zugewandten Seite des 
Flusses sich hinziehenden Uferstreifen. 

164. Aristomie. ed. Friedlaender p. 174: ἡ διπλῆ ὅτι σεπτικῶς 
τὸ σχέτλιος καὶ οὐ μεμπεικῶς, εἰς ἑαυτὸν ἀγνώμων, und ἀμήχανος 
erklärt derselbe zu 107: πρὸς ὃν οὐκ ἔστε μηχανὴν εὑρεῖν" ὅπερ 
καὶ νῦν σημαίνει, ἵνα τῶν πόνων ἀποστῇ. 

173. Renner über das Formelwesen im griech. Epos, Leipz. 
1872 p. 24 führt als Reminiscenz an Theognis 557: φράξεο᾽ xiv- 
δυνός τοι ἐπὶ ξυροῦ ἵσταται ἀκμῆς. Mehr bei La Roche in der 
Schulausgabe zur Stelle. — 174. Als entschiedenes Beispiel, wo 
der Infinitiv im Subjectsverhältniss auftritt, behandelt diese Stelle 
Herzog in Jahrbb. f. Philol. 1873 p. 17. Derselbe bemerkt: “Ein 
so entschieden nominativer Gebrauch aber muss als Wendepunkt 
anerkannt werden in der Rolle, welche der Infinitiv spielt. Nun- 
mehr ist er geeignet als ein Abstractum zu erscheinen, das zwar 
indeelinabel ist, aber in jeder nominalen Beziehung gebraucht wer- 
den kann.” Dagegen leugnet Leo Meyer der Infinitiv der homer. 
Sprache p. 50, dass der homerische Infinitiv je Subjeet sein könne, 
obwohl er es in einzelnen Verbindungen zu sein scheine. Vgl. den 
Anhang zu K 40. 

183. Zur Erklärung von αὐλή vgl. Ahrens αὐλή et villa, 
Hannover 1874 p. 11 ἢ, — Die handschriftliche Lesart ist über- 
einstimmend δυσωρήσονται vgl. La Roche, der Conjunctiy δυσωρή- 
σωσιν ist neuerdings aus Apollon. Lex. 60, 26 aufgenommen, weil 
man nach dem Vorgange G. Hermanns ad Viger. p. 911 das 
Futurum im Vergleiche verwirft. Vertheidigt wird dasselbe von 
Berger de usu modorum temporumque apud Homerum in com- 
parationibus, Celle 1837 p. 10, vgl. auch Aken die Grundzüge 
der Lehre von Tempus und Modus im Griech. p. 18. 

187. Eine abweichende Erklärung der ganzen Stelle giebt 
Schmalfeld in Jahrbb. f. Philolog. Suppl. VIII, 1876 p. 300. 


26 _Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 


303, indem er dio erklärt: durch das Gehör auf dieses oder jenes 
schliessen, dieses oder jenes zu hören glauben und ὁπότε — ἀΐδιεν 
in iterativem Sinne versteht. Danach ist ihm die Situation diese: 
das ruhige Schlafen war ihnen vergangen. ‘Mochte auch einer 
einnicken wollen, so kam es doch nicht zum Schlaf; immer und 
immer wieder zog die Ebene vor dem Lager ihre Aufmerksamkeit 
auf sich, wenn sie das Heranrücken der Troer wahrzu- 
nehmen glaubten.” — 188. Ueber den Dativ des Particips pv- 
λασσομένοισι nach τῶν vgl. Classen Beobachtungen p. 159. — 
Ueber das Beiwort der Nacht κακή spricht Schuster Untersuch. 
über die homerischen stabilen Beiwörter I p. 25. — 189. Zur 
Construction von dio vgl. Classen Beobacht. p. 163. — 191 fehlt 
in den besten Handschriften, vgl. La Roche. 

200—202 will Düntzer hom. Abh. p. 322 ausgeschieden 
wissen. Sehr auffallend ist das Partie. praes. πιπτόντων; die Breite 
der Darstellung kann bei dem Dichter nicht eben befremden. 

204 ἢ, Ueber die wünschenden Fragen im Optativ vgl. Philol. 
XXIX p. 140 αὶ und L. Lange der hom. Gebrauch der Partikel 
εἰ I p. 381 fl. Derselbe erörtert p. 382 und 388 f. das ganze 
folgende Satzgefüge, auch mit Berücksichtigung der von Nicanor 
ed. Friedlaender p. 205 angegebenen Interpunctionen. Lange fasst 
den Satz mit εἰ 206 gewiss mit Recht als postpositiven Wunsch- 
satz, der unmittelbar der vorhergehenden Frage anzuschliessen ist. 
Wenn er aber 211 wegen der recapitulierenden Bedeutung des 
Satzes ταῦτά re statt ταῦτά κε lesend, auch diesen Satz noch bis 
ἀσκηϑής in die Frage eingefügt wissen und den Satz 212 μεγά 
κέν οἷο, als Nachsatz zu der ganzen Wunschfrage fassen will, so 
ist dagegen Folgendes geltend zu machen: 1) Die übermässige 
Ausdehnung der ganzen Periode, zumal da die Ausführung 208— 
210 mit ihren specialisierenden Epexegesen sich von dem Ausgangs- 
punkt immer weiter entfernt, 2) zwar recapituliert der Satz ταῦτα 
bis πύϑοιτο den Inhalt von 207—210, aber der sich daran eng 
anschliessende καί — ἀσκηϑής giebt einen Zusatz, der in viel lo- 
serer Beziehung zu der Wunschfrage (204) steht, als die an diese 
zunächst sich schliessenden Wunschsätze mit εἰ, 3) derselbe Zusatz 
aber steht, da er die Annahme eines glücklichen Ausgangs des 
ganzen Unternehmens enthält, vielmehr in näherer Beziehung zum 
Folgenden μέγα κεν — εἴη, 4) endlich spricht auch die in gewis- 
sem Sinne chiastische Stellung, in welcher .die nachdrücklich ge- 
stellten Prädicate (ἔλθοι) ἀσκηϑής und μέγα zu einander stehen, 
wie öfter in parataktischem hypothetischen Satzgefüge zu beobach- 
ten ist vgl. zu @ 265. 266. & 193—197, für die engste Verbin- 
dung von 211 und 212. Aber auch wenn wir ταῦτα bis ἀσκηϑής 
von der vorhergehenden Periode sondern und in engere Beziehung 
zu dem folgenden Satze stellen, wird das vom Venet. 4 und einer 
Reihe anderer Handschriften gebotene re nach ταῦτα statt τέ auf- 


Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 27 


zunehmen sein, welches auch Nicanor gelesen haben muss, welches 
aber von allen neueren Herausgebern mit Ausnahme von Spitzner 
und Düntzer verschmäht ist. Die von La Roche im Anhang der 
Schulausgabe dagegen geltend gemachten Bedenken sind von 
Ribbeck in der Zeitschr. f. Gymn. XXV p. 449 mit Recht 
zurückgewiesen. Ein sehr ähnlicher Fall liegt m 314 vor, wo 
nach einem vorausgehenden Wunschsatz die durch denselben 
angeregte Vorstellungsreihe im blossen Optativ fortgesetzt wird. 
Aehnlich steht der Optativ σ 368, vgl. auch zu Z 480 und 
Zusätze und Berichtigungen zur 2. Aufl. zu 4 541. In Bezug auf 
den recapitulierenden Inhalt des Satzes 211 bietet die nächste 
Parallele α 265 vgl. 255; danach scheint es am nächsten zu 
liegen den Optativ auch hier als Ausdruck des Wunsches zu fas- 
sen. Aber es besteht doch zwischen beiden Stellen ein wesent- 
licher Unterschied. Dort geht ein selbständiger Wunschsatz voraus, 
der einfach recapituliert wird, hier beschränkt sich die Recapitu- 
lation auf einen Theil eines untergeordneten Wunschsatzes, der 
an Kraft des Affectes jenem in keiner Weise gleichsteht; danach 
scheint mir richtiger den Optativ, wie an den oben angeführten 
Stellen, als Ausdruck der reinen Vorstellung zu fassen, indem die 
durch den Wunsch angeregte Vorstellungsreihe einfach fortgesetzt 
wird, also: dies müsste (könnte) er alles erfahren etc. Auch 
Ribbeck a. Ὁ. meint: “Ein Wunsch, “möchte er doch dies in Er- 
fahrung bringen” u. 8. w. passt nicht in den Zusammenhang, denn 
es fehlt ja noch ein Subject dazu, ohne welches ein solcher Wunsch 
nicht denkbar ist,’ und fasst den Optativ in hypothetischem Sinne, 
was’der von mir gegebenen Erklärung ziemlich gleich kommt. — 
208. Ueber die indireeten Doppelfragen vgl. Praetorius der 
hom. Gebrauch von ἡ (ne) in Fragesätzen p. 21. — 210. Ueber 
das dem Verbum angehiingte γέ vgl. die abweichende Ansicht von 
Naegelsbach de particulae γέ usu Hom. Nürnberg 1830, p. 20. 
— In 212. 213 sieht Giseke die allmähliche Entstehung der 
Gesänge der Ilias p. 135 eine übertreibende, wenig geschmackvolle 
Nachahmung von ı 264: ὑπουράνιον sei bildlich gebraucht = den 
Himmel erreichend. — In 214—217 vermuthet Bergk griech. 
Literaturgesch. I p. 598, Anmerk. 148 einen späteren Zusatz. Ebenso 
Hoffmann quaestt. Hom. II p. 125, welcher auch 211 bis 213 
als Interpolation zu verwerfen geneigt ist. Nauck bezeichnet in 
der Ausgabe 213—217 als spurii? 

224 ff. Die fast absoluten Participialeonstructionen im No- 
minativ behandelt Classen Beobachtungen p. 136 f. — Gegen 
Hoffmann homer. Untersuchungen, No. 2, die Tmesis in der Ilias, 
2. Abth. Lüneburg 1859, der hier πρὸ nicht als Praeposition gefasst 
wissen will, weil der Genetiv der Praeposition zu fern stände, son- 
dern als Adverb, vgl. Schnorr von Carolsfeld verborum col- 
locatio Hom. p. 20 f. Für die unmittelbare Zusammenstellung der 


28 __Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 


Formen des Demonstrativs giebt die Belege Koch de articulo 
Hom. Leipz. 1872 p. 21. Unter diesen steht das hier gelesene 
πρὸ ὁ τοῦ vereinzelt da. — 225. Nach μοῦνος δ᾽ habe ich mit 
Düntzer zur Stelle Komma gesetzt, weil dieser Begriff zunächst 
im Gegensatz zu σύν re δύ᾽ ἐρχομένω tritt; vgl. übrigens den An- 
hang zu ϑ 408. — Ueber das Satzgefüge εἴ πέρ τε — ἀλλά τε 
vgl. Sittig über das adversative Verhältniss der hypothetischen 
Sätze bei Homer, Teschen 1861 p. 10. — 226. βράσσων ist als 
Comparativ von βραχύς, und nicht von βραδύς gefasst nach 
der Notiz des Aristonikos ed. Friedlaender p. 175: οἵ γλωσσο- 
γράφοι βράσσων ἀντὶ τοῦ ἐλάσσων, ἀπὸ τοῦ βραχύς, mit G. 
Curtius Etym. *p. 292 No. 396 und Erläuterungen zu seiner 
griech. Schulgrammatik, ®p. 73. — 231. Zum Artikel vor τλήμων 
vgl. Foerstemann Bemerkungen über den Gebrauch des Arti- 
kels p. 21. 

235 #. Zur Auffassung der Stelle vgl. Paech über den Ge- 
brauch des Indicat. Fut. als Modus jussivus bei Homer p. 15 ff. 
und dazu Philol. XXVII p. 520; die dort von mir gegebene Auf- 
fassung habe ich etwas modificieren zu müssen geglaubt. — Uebri- 
gens nahm Paech an φαινομένων τὸν ἄριστον 236 Anstoss und 
vermuthete statt dessen φαινόμενόν τοι ἄριστον, und Doederlein 
Gloss. $ 18 verlangte 235 τῶν μὲν statt τὸν μέν und 236 φαινόμενον 
τὸν ἄριστον. Grossmann Homerica p. 25 weist jede Conjectur als 
unnöthig zurück, doch ist nicht zu leugnen, dass wenn auch der parti- 
tive Genetiv keinen Anstoss bietet, doch der Begriff von φαίνεσθαι, 
mag man es fassen = adesse, gegenwärtig sein, oder hervor- 
treten, sich darstellen, ungewöhnlich ist. Vgl. indessen Classen 
Beobachtungen p. 168, dem ich gefolgt bin. — 237. Brugman ein 
Problem der homerischen Textkritik, Leipz. 1876 p. 77 und 112 ff. 
vermuthet anstatt σῇσι φρεσί als ursprüngliche Lesart 761 φρεσί (d.i. 
‚Fjoı φρεσί). --- Ueber den Artikel bei den Vergleichungsgraden 8, 
Foerstemann Bemerkungen über den Gebrauch des Artikels p. 
35. — 238. Abweichend von der gewöhnlichen Erklärung fasst 
Capelle im Philol. XXXVI p. 680 ὀπάσσεαι als Futurum: bei 
dieser Auffassung ist mir das Gedankenverhältniss zum Vorher- 
gehenden nicht verständlich. — Ueber das Verhältniss der Parti- 
cipia εἴκων und ὁρόων zu einander und die Interpunction spricht 
Classen Beobachtungen p. 128. 132. — Die Bedeutung von αἰδώς 
erörtert Ph. Mayer Studien zu Homer, Sophokles p. 57 fi, vgl. 
die abweichende Erklärung von Doederlein zu 237. Uebrigens 
empfiehlt van Herwerden quaestiuneulas ep. et eleg. p. 16 zu 
schreiben αἰδόϊ Felnwv. 

240. ᾿ἀϑετεῖται, ὅτι περισσὸς ὁ στίχος καὶ παρέλκων, καὶ μὴ 
ἐπιλεγόμενος ἀπαρτίξει τὴν διάνοιαν. --- οὐδὲ ἐν τῇ Ζηνοδότου δὲ ἦν᾽ 
Aristonic. ed. Friedlaender p. 176. — Gegen Aristarchs von 
Bekker, auch La Roche adoptierte Schreibung ἔδεισεν spricht 


Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 29 


Cobet Miscellan. crit. p. 267 fl. Das Digamma nach ὃ ist jetzt 
inschriftlich erwiesen, vgl. den Anhang zu 4 33. 

246. Zu der Wendung καὶ ἐκ πυρὸς αἰθομένοιο νοστήσαιμεν 
lassen sich vergleichen die späteren διὰ πυρὸς βαδίξειν Aristophan. 
Lysistr. 133 £,, πῦρ διέρπειν Soph. Antig. 265, εἰς πῦρ ἐμβαίνειν 
zur Bezeichnung einer grossen Gefahr, theilweise wohl mit Bezug 
auf eine Art Feuerprobe, vgl. Funkhänel im Philol. II p. 394 
und IV p. 206—208. — 247. Ueber den blossen Optativ in Aus- 
sagesätzen vgl. Casselmann de usu particularum ἂν et κέν apud 
Hom., Cassel 1854 p. 6, Philol. XXIX p. 125 Β΄, Delbrück, Ge- 
brauch des Conjunctivs und Optativs p. 27 ff. 

250 ff. Ueber τοί vgl. jetzt Cauer in G. Curtius Stud. VII 
p- 140 8. — 252. παρῴχηκε(ν) ist die handschriftliche Lesart, 
παρῴχωκεν Aristarchs Lesart, welche La Roche in den Text ge- 
nommen hat, Bekker und Nauck: παροίχωκεν nach Dorotheus 
und Apollonius Alexandrinus, welcher Variante G. Curtius das 
Verbum der griech. Sprache IT p. 138 den Vorzug giebt. — 258. 
Ueber die Dreitheilung der Nacht vgl. Oertel de chronologia Ho- 
merica II p. 9 δ΄, auch Welcker griech. Götterlehre I p. 53, und 
über die Schwierigkeiten der Stelle Oertel p. 19 f. Der Vers 
wurde verworfen von Aristarch, Aristophanes, Zenodot, wel- 
cher ihn gar nicht schrieb, vgl. Aristonic. ed. Friedlaender p. 176: 
Anstoss gab die genaue, fast astronomische Bestimmung, während 
die vorhergehende allgemeine vollkommen genüge, und das un- 
homerische τῶν δύο. Dieser Athetese stimmt unter den Neuern 
zu Bekker, und Nauck bezeichnet in der Ausgabe 252 uud 253 
als spuri? Bei τῶν δύο μοιράων schwanken die Erklärer zwischert 
der Auffassung des Genetivs als appositivus (Grossmann Home- 
rica p. 36, Düntzer, auch Dissen kleine Schriften p. 131), 
oder als partitivus (La Roche, Oertel), oder als Genetiv nach 
dem Comparativ (‘ein grösserer Theil der Nacht, als zwei Drittel” 
Franke), Doederlein endlich und Koch verstehen δύο als No- 
minativ und das Ganze als Apposition zu πλέων νύξ. 

256. Zur Erklärung von &v vgl. Brugman ein Problem der 
hom. Textkritik p. 98, Windisch in G. Curtius Stud. II p. 339, 
auch Cauer in G. Curtius Stud. VII p. 156. — 258. Zur Schrei- ὁ 
bung ἄλοφον (Aristarch) vgl. La Roche homer. Untersuch. p. 51. 

265. Zu μέσσῃ — ἀρήρει bemerkt Aristonic. ed. Friedlaender 
Ρ. 176: ᾿ἡ διπλῆ ὅτι τὸ κοινὸν καὶ συμβεβηκὸς ταῖς περικεφαλαίαις 
εἰπόντος τοῦ ποιητοῦ, ξωγράφοι καὶ πλάσται πιλίον ἐπέϑεσαν τῷ 
Ὀδυσσεῖ. Vgl. Lehrs Aristarch. ®p. 186. — In V. 264 vermuthet 
Nauck ϑέον an Stelle des allerdings auffallenden ἔχον. 

274. Ueber das Zeichen vgl. Naegelsbach hom. Theol. 
30. 172 ἢ, dazu Gladstone homer. Stud. p. 155, welcher zur 
Stelle bemerkt: “skandha’ bedeutet im Sanskrit “Reiher” und 


30 Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 


“Krieg”. — 276. κλάξειν und Synonyma erläutert Mayer Studien 
zu Homer, Sophokles etc. p. 47 f. 

281. Ueber die Quantität von πάλιν vgl. Hartel hom. Stu- 
dien I p. 73 ἔν, über die Betonung von ἐυκλειας La Roche hom. 
Untersuch. p. 156. — 282. Statt ὅ κε vermuthet Doederlein 
zur Stelle ὃ καί. 

285 fl. Mit der im Commentar gegebenen Erklärung scheint 
ὅτε als Conjunetion gerechtfertigt werden zu können. Einfacher 
ist es allerdings mit Capelle im Philol. XXXVI p. 202 und 699 
ὅτε hier wie v 66 gerade sowie in den eigentlichen Gleichnissen 
nach Langes Erklärung als indefinites Adverb = einmal zu 
fassen, wodurch man der Annahme von Ellipsen überhoben wird. 
— In 286 vermuthet Nauck ἦεν statt ἤει, mimmt aber über- 
haupt ein schwereres Verderbniss des Verses an. Aristarch 
erklärte πρὸ = ὑπέρ, vgl. Aristonic. ed. Friedlaender p. 177. — 
288. Ueber die Kadmeier vgl. @ladstone hom. Studien p. 37 f. 
und über die hier erwähnte Sage Nitzsch Beiträge p. 180 f. 
Nach Apollodor bestand der μειλίχιος μῦϑος in der Forderung an 
Eteocles, dem Polyneikes die Herrschaft des nächsten Jahres zu 
überlassen: Preller griech. Mythol. II p. 248. — 289. Eine 
Untersuchung über Zusätze zu dem vorhergehenden Verse, wie 
#eio’, die im ersten Fusse schliessen, bei Giseke homerische For- 
schungen p. 10 ff, wo er über κεῖσ᾽ urtheilt, dass dasselbe fast 
verschwinde und einen schon vollendeten Gedanken mehr belaste 
als weiter ausführe. — In Bezug auf die Unverletzlichkeit der 
Gesandten bespricht den Hergang Sorgenfrey de vestigüis juris 
gentium Hom. Lips. 1871 p. 43 ff. — 290. Giseke die allmüh- 
liche Entstehung der Gesänge der Ilias p. 170 sieht in diesem 
Verse eine unglückliche Nachahmung von v 391. Vgl. den An- 
hang zu dieser Stelle. — 292. Ueber den Trochaeus ἦνεν im 
vierten Fuss und die sich daran knüpfenden Vermuthungen über 
die Entstehung des Hexameters vgl. E. v. Leutsch im Philol. 
XII p. 25 #. — 294. Ueber die Technik des χρυσοχόος vgl. 
Riedenauer Handwerk p. 115 £. 

299. Der Vers erinnert namentlich wegen des ungewöhn- 
lichen Beiworts ἀγήνορας an σ 346 μνηστῆρας δ᾽ οὐ πάμπαν ἀγή- 
νορας εἴα ᾿Αϑήνη λώβης ἴσχεσϑαι. 

304. Die Bedeutung von ἄρκιος ist bestritten, vgl. Butt- 
mann Lexilogus I* p. 4 II? p. 30 #. und dagegen Povelsen 
Emendationes Hom. p. 63 ff., Doederlein Gloss. $ 555. — In 
V. 307 vermuthet Nauck statt der Optative τλαίη und ἄροιτο die 
Conjunetive τλήῃ und ἄρηται. 

314. Ueber die Namenbildung Δόλων vgl. Fick die griech. 
Personennamen. Gött. 1874 p. 25. 

326. Aristarch's Beobachtungen über μέλλω bei Lehrs 
Aristarch. ?p. 120 f. Die verschiedenen Tempora der Infinitiv- 


Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen, 81 


construction nach μέλλω sind zusammengestellt und erörtert bei 
Cavallin de temporum infinitivi usu Hom. p. 56 fi. 

330. Doederlein zur Stelle fasst ἐποχήσεται als Conjunctiv, 
ohne jedoch μή von ἔστω abhängig zu machen. Für diese Auf- 
fassung dürfen nicht geltend gemacht werden die Stellen μ 300 
und σ 56, weil dort nicht eine Zusage des Redenden den Inhalt 
des Schwurs bildet, sondern der Redende einen von dem Ange- 
redeten zu leistenden Schwur fordert. Dass ἐποχήσεται Futurum 
ist, bezeugt der folgende Gegensatz mit φημί und dem Acc. c. 
Inf. fut. als nachdrückliche Umschreibung des Futurums, sowie 
die sonst übliche Construction des Acc. 6. Inf. fut. nach ὄμνυμι, 
wie T 127 μή nor’ — ἐλεύσεσϑαι "Aryv. Beispiele der späteren 
Sprache findet man bei Aken die Grundzüge der Lehre vom Tem- 
pus und Modus im Griech. p. 43 f. und Kühner ausführl, Gram- 
mat. ἃ, griech. Spr. ?II p. 743. Uebrigens wird 'von Krüger Di. 
67, 1, 1 nicht passend zu unserer Stelle O 41 in Parallele ge- 
stellt, weil dort das abwehrende μή sich lediglich auf die Be- 
stimmung δι᾽ ἐμὴν ἰότητα bezieht, vgl. zu ε 300. 

332. ἐπώμοσε ist hier die Lesart Aristarchs, vgl. La Roche 
homer. Textkritik p. 200, wie o 437 ἐπώμνυον, was zunächst 
heisst: schwur dazu, vgl. 4 233, dann beschwur. Diese Be- 
deutung scheint mit dem Object Zm£ogxov zunächst schwer verein- 
bar. 7'279. T 260 steht dies Object bei dem einfachen Verbum 
ὄμνυμι. Daher zieht Doederlein z. Stelle die auch von guten 
Handschriften gebotene Lesart ἀπώμοσε vor. Düntzer homer. 
Abh. p. 314 vermuthet, da andere lasen ἐπεὶ ὅρκον ἀπώμοσε, die 
Lesart: ἐπὶ ὅρκον ὄμοσσεν nach W 42. Eine befriedigende Er- 
klärung von ἐπίορκος, die Doederlein Glossar $ 2294 vergebens 
suchte, giebt Schoemann griech, Alterth. II p. 258. Weil ὅρκος 
zunächst nur die Bedeutung eines Bindenden und Festhaltenden 
hat (vgl. ἕρκος. — Buttmann Lexilog. I p. 46 8), so wird 
das Wort nicht nur von dem Schwur selbst, sondern ebenso oft 
auch von dem Gegenstande gesagt, bei dem man schwört und 
durch den man sich also gebunden erachtet, wie 2. B. die Styx, 
bei welcher die Götter schwören, ihr ὅρκος heisst. So wird auch 
die Gottheit, bei der man schwört, ὅρκος heissen, wie die Dichter 
unter diesem Namen ein eignes dämonisches Wesen, einen Eid- 
gott einführten, der den Schwörenden bindet, und dem er ver- 
haftet ist, dessen Strafgewalt er verfällt, wenn er meineidig ist. 
ἐπίορκος bezeichnet nun einen dem Horkos verhafteten und ist 
hinsichtlich der Präposition zu vergleichen mit ἐπίκηρος, ἐπίμομ- 
φος, ἐπίτιμος u. ἃ. 

338. Die Verwendung des Wortes ὅμιλος von dem gelagerten 
Heer der Troer bezeichnet als eigenthümlich Aristonic. ed. Fried- 
laender p. 178: ‘Ev μὲν οὖν τῇ ᾿Ιλιάδι πυκνότερον τὴν μάχην ὅμι- 
λον καλεῖ, ἐν Ὀδυσσείᾳ δὲ τὸ ἄϑροισμα, vgl. Lehrs Aristarch. 


32 _Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 


®p. 144. — 339. Ueber ἀν᾽ ὁδόν vgl. Spitzner dissertatio de 
vi et usu praepositionum ἀνά et κατά apud Homerum, Wittem- 
berg 1831 p. 12. 

345. Die hier 344. 345 vorliegende Gedankenfolge in ihren 
verschiedenen Ausdrucksformen ist besprochen im Philologus XXVII 
p. 519521. — Zu αὐτόν bemerkt Doederlein zur Stelle: “αὐ- 
τόν, corpus ipsius, opponitur adspectui apparentis et vestigüs prae- 
tergressi; nisi forte αὐτοί legendum’. Dieselbe Vermuthung spricht 
aus Axt Conjectanea Hom. Kreuznach 1860 p. 8. Vgl. den An- 
hang zu A 218 und $ 396. 

346. παραφϑαίῃσι ist die Lesart des Venet. A, wofür La 
Roche, Franke, Dindorf, Düntzer und Nauck παραφϑήῃσι 
schreiben; Bekker vgl. Hom. Blätt. p. 218 schreibt παραφϑαίησι 
(bei La Roche: DGH). Auch Curtius das Verbum der griech. 
Sprache I p. 58 meint: “Die Form scheint von einem Sänger er- 
funden zu sein, der auch im Optativ σὶ für einen nach Bedarf 
verwendbaren Zusatz hielt’. Dagegen sucht J. Schmidt in Kuhns 
Zeitschr. XXIII p. 298 f. wahrscheinlich zu machen, dass die 
Form Conj. praes. sei von einem auch von G. Curtius voraus- 
gesetzten Praesens φϑα-Ἴω. — 347. Ueber die Dehnung von μὲν 
vgl. Hartel hom. Stud. I p. 72. 


349. Ueber den auffallenden Dual φωνήσαντε, da doch nur 
Odysseus gesprochen, vgl. Schol. Venet. bei Dindorf I p. 358, 
wo Φ 298 verglichen wird: ἐν μέντοι τῇ ᾿Αριστοφάνους καὶ ἄλλαις 
ἑτέρως ἐφέρετο᾽ “ὡς ἔφατ᾽, οὐδ᾽ ἀπίθησε βοὴν ἀγαϑὸς Διομήδης" 
ἐλθόντες δ᾽ ἑκάτερθε παρὲξ ὁδοῦ ἐν νεκύεσσι κλινϑήτην Eine be- 
sondere Vermuthung über diesen Dual bei Wackernagel in 
Kuhns Zeitschr. XXIII p. 307. 


351. Ueber οὖρον vgl. den Anhang zu $ 124; gegen die 
Verbindung der Prüposition ἐπί mit diesem Wort zu einem Com- 
positum ἐπίουρα Lehrs Aristarch. ἦν. 110 und Spitzner in der 
Ausgabe der Ilias Exeursus XX p. LXXXVI fl. Von diesem Ge- 
lehrten, wie von den Neueren ist Aristarchs Erklärung, wonach 
die Entfernung zwischen Dolon und seinen Verfolgern gemessen 
würde durch die Entfernung zwischen einem Ochsengespann und 
einem Maulthiergespann, die zu gleicher Zeit auf demselben Felde 
von demselben Punkte aus zu pflügen beginnen, mit Recht ver- 
worfen. Vgl. auch Povelsen Emendationes Hom. p. 87, Zeh- 
licke über das homerische Epitheton des Nestor οὖρος ᾿ἡχαιῶν 
und verwandte Wörter, Parchim 1839 p. 26 ff, der namentlich 
auch νειοῖο βαϑείης p. 30 f. erklärt. Das πηκτὸν ἄροτρον steht 
als “zusammengesetzter Pflug’ im Gegensatz zu dem αὐτόγυον, dessen 
Krummholz (γύης) aus einem Stück bestand: vgl. Riedenauer 
Handwerk p. 96, Günther der Ackerbau bei Homer, Bernburg 
1866 p. 8, Schoemann griech. Alterth. I p. 72. 


Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 33 


355 f. Die Bedeutungsentwicklung von ἔλπομαι erörtert Fulda 
Untersuchungen über die Sprache d. hom. Ged. p. 198 δ΄, welcher 
übrigens über diese Stelle anders urtheilt. — Zur Interpunction 
nach ἐέναι vgl. Bekker homer. Blätt. I p. 22. Doederlein inter- 
pungiert nach Τρώων, sodass ἰέναι mit πάλιν von ὀτρύναντος ab- 
hängen soll. Aristarch verband πάλιν gar mit ἀποστρέψοντας, 
vgl. Lehrs Aristarch. ®p. 91. — 364. Diese unregelmässigen 
Dualbildungen, wie hier διώκετον, nebst den verschiedenen Er- 
klärungsversuchen erörtert G. Curtius das Verbum d. griech. Spr. 
Ip. 75£. Er selbst erklärt sich die Anomalie aus einer Ver- 
irrung des Sprachgefühls bei den späteren Rhapsoden, da diese 
anomalen Formen sich in Theilen der Ilias finden, die sicher nicht 
zu den ältesten gehören. Aristarch (vgl. Friedlaender Aristonie. 
Ρ. 179) fasste die Form als Präsens, wofür er unpassend auf ἢ 
104 verweist, wo ἀλετρεύουσιν keineswegs historisches Prüsens ist, 
vgl. den Anhang zu ἡ 107. 

366. In dem Fehlen von ϑυμῷ bei μένος ἔμβαλ᾽ erkennt 
Fulda Untersuchungen p. 51 ein Zeichen späteren Ursprungs. 
Doch ist offenbar μένος auch hier, wie ® 304 von Körperkraft zu 
verstehen. 

375. Zu βαμβαίνω vgl. ausser dem im Lexicon Hom. s. v. 
Bemerkten Fritzsche in G. Curtius Stud. VI p. 334 und Brug- 
man daselbst VII p. 324. Autenrieth im Wörterbuch stellt 
das Wort zu βαίνω, wie παμφαίνω: φαίνω und versteht wankend. 
Uebrigens hält Nauck diesen Vers für nicht ursprünglich. 

381. Ueber die Conditionalsätze mit εἴ κεν vgl. L. Lange 
der homer. Gebrauch der Partikel εἰ II p. 508 ff. 

384. Ueber diesen formelhaften Vers vgl. Philol. XXVII 
p. 514. Vollständig findet sich derselbe in der Ilias nur im 10. 
(hier und 405) und im 24. Buche (380 und 656), verkürzt 4 819. 
N 197. — 385. Ueber δὴ οὕτως an Stelle des früher und auch 
jetzt, noch von Nauck gelesenen δ᾽ οὕτως vgl. La Roche hom. 
Untersuchungen p. 281 und den Anhang zu x 281. Nauck ver- 
muthet neben δὴ οὕτως — δὴ zus. — 387. ὅτι ἐκ τῶν ἐπάνω 
(343) ὧδε μετάκειται, ἤδη παρεληλυϑύτων αὐτῶν τοὺς νεκρούς. καὶ 
ὁ Ὀδυσσεὺς ἀσύνετος ἔσται πρόφασιν αὐτῷ πορίξων. ἠϑέτει καὶ 
”Agioropdvng”. Aristonic. ed. Friedlaender p. 180. Dieser Athe- 
tese stimmt zu Bekker; Hoffmann quaestt. Hom. IT p. 125 
dehnt dieselbe auch über 388 und 389 aus, welche nach 342. 
343 gebildet sein. — 389. Ueber die Wendung ϑυμὸς ἀνῆκεν 
vgl. den Anhang zu H 25. 

391. Fulda Untersuch. p. 309: “Der Pluralis [von ἄτη] kommt 
ausserdem mur noch I 115, also auch in einem jüngeren Buche, 
und 7 270 in einer ebenfalls mehrfach angefochtenen Stelle vor”. 
Diesen Plural erklärt Lehrs populäre Aufsätze p. 229: ‘es ge- 
hörte mehr als eine Ate [persönlich gedacht] dazu: mehr als eine 

Amceis, Anhang zur Ilias, 8 


34 _Kritischer und exegetischer Anhang. K. Anmerkungen. 


Ate musste gleichsam dem Hektor helfen, dass ich durch ein so 
eitles Versprechen mich in ein solch gefährliches Wagestück be- 
rtieken liess. Vgl. dagegen Naegelsbach homer. Theol. ®p. 318 
und Goebel im Philolog. XXXVI p. 43: “mit mancherlei Blend- 
werk, mit manchen Vorspiegelungen’, auch Gladstone homer. 
Studien p. 175: “Versuchung”, 

394. Ueber die Epitheta der Nacht in dieser Zusammen- 
stellung vgl. Schuster Untersuchungen über die homerischen sta- 
bilen Beiwörter I p. 26, auch Oertel de chronologia Hom. III 
p- 29 ἢ --- 398. Aristarch schrieb nach Aristonikos ed. Fried- 
laender p. 180 wegen σφίσιν auch hier βουλεύουσι und ἐθέλουσι, 
nach Ammonius aber hätte Aristarch 397—399 zuerst als 
verdächtig bezeichnet, dann völlig verworfen. Vgl. Lehrs de 
Aristarch. ®p. 346 u. La Roche hom. Textkrit. p. 107. Aristo- 
phanes verwarf die Verse ebenfalls. — Aristarchs Lesart geben 
LaRoche, Bekker, Baeumlein, Düntzer, Doederlein, Nauck, 
Die besten Handschr. haben βουλεύοιτε und ἐϑέλοιτε, was Dindorf 
aufgenommen hat. Vgl. jetzt Cauer in G. Curtius Stud. VII p. 
150 und besonders Brugman ein Problem der homerischen Text- 
kritik p. 41 ff. Nach demselben ist dies σφίσι das einzige Bei- 
spiel für den freieren Gebrauch des substantivischen Reflexivum 
im alten Epos und ergiebt sich mit Sicherheit, “dass das sub- 
stantivische Reflexivum οὗ in der altepischen Sprache, so lange 
diese von den Sängern noch mit wahrhaft lebendigem Sprach- 
gefühl gehandhabt wurde, nur von der dritten Person gebraucht 
werden konnte, sodass in diesen Zeiten ein σφίσι = ὑμῖν nicht 
möglich war. Es hängt demgemäss die Entscheidung über unsere 
Stelle von der Frage ab, in welcher Zeit die Doloneia entstand, 
Möglicher Weise war das Sprachgefühl dem Verfasser derselben 
schon in dem Masse erlahmt, dass er, was nur beim adjectivischen 
Reflexivum sprachgemäss war, fälschlich auf das Substantivum 
übertrug. Anderenfalls muss angenommen werden, dass βουλεύοιτε 
eine spätere, aber immerhin voralexandrinische Correctur von Bov- 
λεύουσι ist, die das Anstössige, was die dritte Person in der Stelle 
hat, beseitigen sollte”. Danach ist eine sichere Entscheidung schwer. 
Indess scheinen mir doch die Gründe für die Ursprünglichkeit der 
Lesart βουλεύοιτε und ἐϑέλοιτε zu überwiegen. Sind die Verse 
nicht gedankenlos aus 309 ff. übertragen — und es ist kein Grund 
das anzunehmen, da die Ausführung zu ἐκ — πυϑέσϑαι durchaus 
angemessen ist —, so ist die Verwandlung der dritten Person in 
die zweite so selbstverständlich, dass man sich wundern müsste, 
wenn der Dichter dieselbe nicht vorgenommen hätte. Freilich 
könnte es scheinen, als ob derselbe νηῶν ὠκυπόρων in ἀνδρῶν 
δυσμενέων verwandelt hätte, um für die folgenden dritten Personen 
βουλεύουσι und ἐϑέλουσιν das passende Subject zu gewinnen; allein 
diese Veränderung erklärt sich zur Genüge aus dem Zusammen- 


Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 35 


hange, da alles darauf ankommt, die mit dem Unternehmen ver- 
bundene Gefahr zu betonen. Andrerseits erklärt sich aber auch 
das verwerfende Urtheil Aristarchs schwerlich genügend, wenn 
ihm nicht die Verbindung des Pronomen σφίσι mit der zweiten 
Person Anstoss gab. Da aber der ziemlich späte Ursprung der 
Dolonie sehr wahrscheinlich ist, so dürfte der im alten Epos 
nicht nachweisbaren freieren Verwendung des substantivischen 
Reflexivpronomens hier nichts im Wege stehen. Auch Schwi- 
dop de versibus quos Aristarchus in Homeri Iliade obelo signa- 
vit p. 9, urtheilt, dass die zweite Person die ursprüngliche Les- 
art sei. 

408. δαί statt δ᾽ αἵ war die Lesart Aristarchs: vgl. Lehrs 
de Arist. ἦρι 360 und La Roche homer. Textkritik p. 220, auch 
der Venetus hat dei. Vgl. den Anhang zu « 225. Damit wird 
die unhomerische Verbindung (vgl. Foerstemann Bemerkungen 
über den Gebrauch des Artikels p. 21) αἵ τῶν ἄλλων Τρώων φυ- 
λακαί beseitigt. Ob freilich hier in der Doloneia nicht der spä- 
tere Gebrauch des Artikels doch ursprünglich und ob das durch- 
aus attische δαί überhaupt homerisch sei, bleibt fraglich, vgl. 
Nitzsch Anmerk. I p. 40, Baumeister im Philol. XT p. 169 f. 
Daher vermuthet Düntzer δ᾽ αὖ, wie jetzt auch Nauck. — Zu 
409—411 vgl. Aristonic, ed. Friedlaender p. 175 zu 208. 209. 
210: ᾿ἀστερίσκοι, ὅτι κακῶς ἐν τοῖς μετὰ ταῦτα κεῖνται, ὅτε τὸν 
Δόλωνα συλλαμβάνουσιν οἵ περὶ Διομήδη. Dieser Athetese stimmt 
zu Bekker und Hoffmann quaestt. Hom. II p. 125. Dagegen 
spricht Siekel quaestt. Hom. I p. 11, da solche Wiederholungen 
dem Dichter charakteristisch sein. 

415. Zu der Ortsbestimmung vgl. Hasper Beiträge zur To- 
pographie der homer. Ilias p. 38, über den Charakter dieser Be- 
rathung Gladstone homerische Studien p. 417. — 418. γάρ statt 
des sonst gelesenen μέν habe ich geschrieben mit La Roche nach 
DE, im Ven. A. steht γάρ übergeschrieben. — Eine durchaus ab- 
weichende Erklärung der Stelle giebt Doederlein, eine andere 
Schol. BL: ὅσοι εἰσὶν ἰϑαγενεῖς Τρῶες, οὗτοι φυλάσσουσιν. ἐκ γὰρ 
τῆς ἑστίας τὸν πολίτην δηλοῖ. 419. Ueber die Bildung ἐγρηγόρ- 
ϑασιν bemerkt G. Curtius in den Stud. I p. 244: es ist die- 
selbe “gewissermassen ein Ansatz zu jener Bildung, die im ger- 
manischen schwachen mit W. dhä zusammengesetzten Praeteritum 
durehgedrungen ist”. Andere setzen ein ἐγερέϑω voraus. 

424. Zur Form der Frage vgl. Praetorius der homer. Ge- 
brauch von ἢ (me) in Fragesätzen p. 15, zur Interpunction Nica- 
nor ed. Friedlaender p. 206. Uebrigens verwirft Hoffmann 
quaestt. Hom. II p. 125 f. V. 423—431. 

436. Ueber Homers Vorliebe für das Ross vgl. Gladstone 
homer. Studien p. 444 f. — 437. Zur Auffassung der Stelle vgl. 
Lehrs Aristarch. ®p. 369 und den Anhang zu A 607, auch zu 

3* 


36 _ Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 


a 51. — 440. Zur Interpunction vor τὰ μέν vgl. den Anhang zu 
4 234. — 442. Ueber πελάσσετον handelt Paech über den Ge- 
brauch des Indicat. fut. als modus jussivus p. 31, vgl. jetzt G. 
Curtius das Verbum der griech. Sprache II p. 283. 

452. Den Gebrauch der Wendung ϑυμὸν ὀλέσσαι erörtert 
Doberenz interpretationes Homericae, Hildburghausen 1862, p. 1 fl. 

457. Aristoteles de part. animalium III 10 (673° 16) ci- 
tiert den Vers mit ᾿φϑεγγομένη᾽, ausdrücklich verwerfend ‘pPey- 
γομένου᾽, so dass zu seiner Zeit es schon diese zwei Schreibarten 
gab: La Roche homer. Textkritik p. 28. Unsere Handschriften 
haben alle φϑεγγομένου. — Die auch von Ameis zu χ 329 ge- 
gebene gewöhnliche Erklärung des Partieips: “während er noch 
redete’ ist in den Göttinger gelehrten Anzeigen 1874 p. 304 
mit Recht verworfen, wenn gleich Vergil Aen. X 554 die Stelle 
in der gewöhnlichen Weise verstanden haben muss: tum caput 
orantis nequiquam et multa parantis dicere deturbat terrae. χ 329 
ist weder die Deutung: “während er reden wollte’ wahrscheinlich, 
weil durch nichts in dem Zusammenhang eine solche Absicht des 
Fallenden nahe gelegt wird, noch die andere: “während er noch 
redete’, möglich, weil unmittelbar vorher Odysseus gesprochen hat. 
Sodann spricht auch die Bedeutung von φϑέγγεσϑαι selbst dagegen, 
womit wesentlich nur der tönende Laut der Stimme bezeichnet 
wird. Zu vergleichen ist Π 508, wo φϑογγή von der Stimme 
eines Sterbenden steht: vgl. Mayer Studien zu Homer, Sopho- 
kles etc. p. 27 f. — Ueber die Stellung des Partieips im Satze 
vergl. Classen Beobachtungen p. 169. — 458. Ueber die Tmesis 
von ἀπό — ἕλοντο vgl. Hoffmann homer. Untersuchungen. No. 2. 
die Tmesis in der Ilias, dritte Abtheil. p. 21. 

463. ἐπιβωσόμεϑ᾽ ist die handschriftlich am besten beglau- 
bigte Lesart, vgl. La Roche; dagegen schrieb Aristarch ἐπιδω- 
σόμεϑ᾽ — “iv ἦ δώροις τιμήσομεν᾽ Didymos. Letztere Lesart 
haben aufgenommen Bekker, Baeumlein, Koch, Dindorf, die 
exstere Düntzer, Franke, La Roche, Doederlein, Spitzner 
und Nauck. Gegen Aristarchs Lesart wird geltend gemacht, dass 
das Medium in dem Sinne von begaben, beschenken unerhört 
sei; X 254 steht dies Medium in dem Sinne zu Zeugen neh- 
men und so, meint Spitzner sowie der Verfasser des Artikels 
im Lexicon Hom. s. v., habe Aristarch auch hier das Verbum ver- 
standen. Aber auch ἐπιβωσόμεϑ᾽ ist nicht ohne Bedenken, da es 
an den beiden Stellen der Odyssee, wo es noch vorkommt (α 378. 
ß 143), in der Bedeutung steht: die Götter zu Hülfe rufen 
(gegen Vergewaltigung), während es hier ein Anrufen zum Behuf 
der Weihe der Beute sein müsste. Ohne Zweifel entspricht der 
durch σὲ πρῶτον gegebenen Auszeichnung der Athene am besten 
die Lesart Aristarchs, wenn auch die angenommene Bedeutung 
nicht zweifellos ist. 


Kritischer und exegetischer Anhang. K. Anmerkungen. 37 


466. δέελον deutet Düntzer in Kuhns Zeitschr. XVI p. 282 
von W. de = Bündel, Reisbündel, ähnlich Doederlein nach 
Hesychius: δέελος" δεσμός, ἅμμα. Vgl. dagegen Curtius Etym. 
ἀρ, 235, Fick vgl. Wörterb. ®II p. 128 unter di. — Um die 
isolierte Stellung von re zu beseitigen, schlug Bentley die Um- 
stellung vor: δέελον δέ re σῆμ᾽ ἐπέϑηκε statt δέελον δ᾽ ἐπὶ σῆμά 
τ᾽ ἔϑηκεν. 

475. ἐπιδιφριάς erörtern Grashof das Fuhrwerk p. 27, Doe- 
derlein Glossar $ 2432, auch Rumpf Beiträge zur homer. Wort- 
erklärung, Giessen 1850, p. 24 u. 26. — “Diese ἐπιδιφριάς be- 
stand aus in die Unterlage eingelassenen aufrecht in einiger Ent- 
fernung neben einander stehenden Stäben (κνῆμαι), die oben wie- 
der in einen parallel mit dem äusseren Rande des Standbrettes 
laufenden gebogenen Holm (ἄντυξ) eingelassen waren, und von 
diesem gehalten wurden. Grashof. — 480, Ueber μέλεον vgl. 
Lehrs Aristarch. ®p. 94. 

491. In dem Zusatz κατὰ ϑυμὸν und ähnlichen bei φρονεῖν 
sieht Fulda Untersuchungen p. 286 die Spuren einer späteren 
Zeit. Zu dem 492 folgenden τρομεοίατο ϑυμῷ vgl. denselben p. 
135. — 493. Cobet Miscellan. eritic. p. 361 f. verlangt unter 
Vergleichung von Z 65. κ 164 ἐμβαίνοντες statt ἀμβαίνοντες, wie 
Nauck jetzt geschrieben hat. — ἀηϑέσσω ist nach Leskien in 
G. Curtius Stud. II p. 82 zu erklären aus ἀ-ηϑεσι)ςὦ vom Stamme 
ἦϑεσ — (Nom. ἦϑος) — “wenn überhaupt die Form richtig und 
nicht ἀήϑεσκον zu schreiben ist’. Vgl. G. Curtius das Verbum 
der griech. Sprache p. 368. — 495. Die Wendung ϑυμὸν ἀπηύρα 
behandelt Doberenz interpretationes Hom. p. 18 f. — 497. ‘a8e- 
τεῖται, ὅτε καὶ τῇ συνθέσει εὐτελής᾽ καὶ μὴ δηϑέντος δὲ νοεῖται ὅτι 
ὡς ὄναρ ἐφίσταται τῷ Ῥήσῳ ὃ Διομήδης. καὶ τὸ διὰ μῆτιν ᾿ϑήνης 
λυπεῖ" μᾶλλον γὰρ διὰ τὴν Δόλωνος ἀπαγγελίαν. Aristonic. ed. 
Friedlaender p. 183. 

499. Zu diesem ἀείρω aus d-6Feg-jo vgl. G. Curtius Gr. 
Etym, *p. 355 ἔν, dazu Brugman in G. Curtius Stud. VII p. 345. 
Uebrigens wollte Axt Conjectanea Hom. p. 8 σὺν δὴ elgev schreiben. 
— Eyssenhardt in den Jahrbb. f. Philol. 1874 p. 599 bemerkt, 
dass der Dichter die beiden Aias und Odysseus niemals zu Wagen 
kämpfen lässt. “Von Odysseus bergiger Insel und ihrer Ungeeig- 
netheit zur Pferdezucht konnte der Dichter bei seiner gänzlichen 
Unkenntniss derselben (Hercher im Hermes I p. 262—280) nichts 
wissen, aber nahe liegt die Vermuthung, dass er, weil selber ein 
Inselbewohner und aus eigner Anschauung mit den auf dieser 
herrschenden Zuständen bekannt, den beiden Inselkönigen Aias 
und Odysseus keinen Streitwagen gab. Von diesem Gesichtspunkt 
aus hat der Scholiast BL zu K 499 recht, wenn er in Bezug auf 
Odysseus als Pferderäuber in der Doloneia bemerkt: ἔστι μὲν νησιώ- 
τῆς, τῇ δὲ πείρᾳ οὐ δευτερεύει τινός". 


38 _ Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen. 


506. Ueber τῶν πλεόνων Θρῃκῶν vgl. Grossmann Home- 
rica p. 20, zum Artikel Foerstemann Bemerkungen p. 35. Da- 
gegen vermuthet Nauck ἢ ὅ γ᾽ ἔτι an Stelle von ἢ ἔτι τῶν: Ο hat 
ἢ ὅγε τῶν. 

510. Zur Interpunetion nach ἔλϑῃς (Kolon statt Komma) 
vgl. Doederlein zur Stelle. — Nauck ist geneigt den Vers zu 
verwerfen. 

513. Bekker homer. Blätt. II p. 28 verlangt κόψε statt 
κόπτε: ‘der Aorist für den einen ersten Hieb, der die Pferde in 
Bewegung setzt, statt dass das Imperfect die wiederholten und 
anhaltenden Hiebe bezeichnet, wodurch die Bewegung im Gang 
erhalten wird. Vgl. K 530. A280. o 182°. Schon Spitzner 
stellte κόψε her mit der Mehrzahl der Handschriften, La Roche 
fand in den von ihm verglichenen κόπτε überhaupt nicht vor. — 
Sonst vergl. zur Erklärung der Stelle und über das Reiten bei 
Homer Grashof das Fuhrwerk p. 4, Kuhlbars cur liber IL X 
e contextu carm. Hom. emovendus sit. Ludwigslust 1876 p. 14 
und Düntzer im Philol. XII, p. 54. Dagegen nehmen Sickel 
p. 12, Welcker Ep. Cyel. IT 217, Doederlein zu V. 513 an, 
dass Diomedes den Wagen herausgezogen und die Pferde davor- 
gespannt habe, so dass ἵππων, wie sonst von dem bespannten 
Wagen zu versteben sei. Vgl. darüber auch Eyssenhardt in den 
Jahrbb. f. Philol. 1874 p. 598, welcher in der hier gegebenen 
Darstellung einen unwiderleglichen Beweis gegen eine eigentliche 
Kenntniss des Reitens erblickt. — 515. Ueber die Schreibung 
ἀλαὸς σκοπίην vgl. den Anhang zu $ 285. Die Wendung ist hier, 
wie die Fortsetzung ὡς ide zeigt, ganz ϑ 285 nachgebildet, aber 
wenig passend angewendet. Daher vermuthet Nauck, welcher 
auch ἀλαὸς σκοπιὴν schreibt, aber ἅλιον σκοπιήν lesen möchte, 
V. 516 an Stelle von ὡς — ὃς. 

527. Zu der Darstellung 513. 526. 527 bemerkt Eyssen- 
hardt in den Jahrbb. f. Phil. 1874 p. 598: “Es ist klar, dass 
hier ἵπποι ebenso wie in unzähligen andern Stellen geradezu für 
Wagen gebraucht ist: denn es ist unmöglich, dass ein Dichter, 
der die Kunst des Reitens aus eigner Anschauung kannte, einen 
Reiter statt auf sein Pferd und von seinem Pferde, vielmehr auf 
zwei und von zweien, sein eignes und das seines Gefährten, stei- 
gen oder gar den einen Reiter beide Pferde schlagen lässt’. 

530 f. In der Verwerfung des hier ganz unsinnigen V. 531 
sind die Neueren einig, er fehlt überdies in AC Townl. vgl. La 
Roche. Düntzer homer. Abhandl. p. 319 und Kuhlbars a. Ὁ. 
p. 14 verwerfen auch V. 530 wegen μάστιξεν, da Odysseus ja 
keine Peitsche hatte, vgl. 500 f., sondern sich des Bogens zum 
Antreiben der Rosse bediente. Es würde dann aber ein Sprung 
in der Erzählung entstehen, den selbst dem Dichter der Doloneia 
zuzutrauen man sich doch bedenken muss. 


Kritischer und exegetischer Anhang. X. Anmerkungen, 39 


536. Ueber dies Gedankenverhältniss vgl. L. Lange der 
homer. Gebrauch der Partikel εἰ I p. 333. 

538. Aristarchs Lesart ist μετὰ φρεσί: zu 4 245. Vgl. da- 
gegen Fulda Untersuchungen p. 98. — 539 ist die handschrift- 
liche Lesart οἵ ἄριστοι, Aristarch las ὥριστοι, vgl. La Roche hom. 
Untersuch. p. 202 f. Bekker schreibt ὥριστοι. 

545. Zur Interpunction vgl. Nicanor ed. Friedlaender p. 207. 
Anders fasst diese Fragen Praetorius der homerische Gebrauch 
von ἡ (ne) in Fragesätzen p. 16. — Für Zenodots Lesart λαβέτην 
gegen Aristarchs Adßerov spricht Cobet Miscell. exit. p. 279 ἢ, 
indem er zu erweisen sucht, dass die zweite Person Dualis nie 
von der dritten verschieden gewesen sei: in gleicher Weise wer- 
den behandelt Θ 448 und A 782. Nauck liest λαβέτην. — 
546. Ueber opwe (Aristarch) und opwi (Zenodot) und ähn- 
liche Differenzen handelt ausführlich Cobet Miscellan. crit. p. 254 ff. 

559. Ueber ἄναξ vgl. den Anhang zu A 7, wo die für die 
Bedeutung herus im Commentar aus der Ilias angeführten Stellen 
nachzutragen sind. 

576 δ In diesen beiden Versen sieht Bergk griech. Lite- 
raturgesch, I p. 598, Anmerk. 148 einen späteren Zusatz, da das 
warme Bad nach dem kalten Seebade sehr auffällig ist. — 579. 
Ueber die Lesart ἀφυσσόμενοι vgl. den Anhang zu Γ 295. 


A. 
Einleitung*). 


Literatur: @. Hermann, de interpolationibus Homeri, Leip- 
zig 1832, p. 9 fi. (Opuscul. V, p. 59 ἢ). Dazu vgl. Schneide- 
win in Welckers und Naekes Rhein. Mus. V, p. 404 ff. und 
Faerber, disputatio Homerica, Brandenburg 1841, p. 2 fl. — 
Lachmann, Betrachtungen über Homers Ilias, p. 35—44, 60 ff. 
Benicken, de Iliadis carmine deeimo, 1868; Benicken, Karl 
Lachmann’s Vorschlag im zehnten Liede vom Zorne des Achilleus 
# 402—507 an A 557 zu schliessen — als richtig erwiesen, 
Gütersloh 1875, vgl. Philolog. Anzeiger VII, p. 186 fi; Be- 
nicken, das zehnte Lied vom Zorne des Achilleus nach Karl 
Lachmann, Gütersloh 1875. — Zu Lachmanns Kritik vgl.: Baeum- 
lein in der Zeitschrift für die Alterthumswiss., VIII, 1850, p. 
148 ff, Holm, ad Caroli Lachmanni exemplar de aliquot Iliadis 
carminum compositione quaeritur, Lübeck 1853, p. 11, Düntzer, 
homerische Abhandlungen, p. 63 #, Gerlach im Philologus XXX, 
p. 40 f. und XXXII, p. 13 #. und 193 ff, Nutzhorn, die Ent- 
stehungsweise der homerischen Gedichte, Leipzig 1869, p. 154 ἢ, 
Hiecke, über Lachmann’s zehntes Lied der Ilias, Greifswald 1859. 
— Cauer, über die Urform einiger Rhapsodien der Ilias, Berlin 
1850, p. 12 #. u. 28 fi, vgl. Hoffmann in der Allgem. Monats- 
schrift f. Wissenschaft u. Literatur, Halle 1852, p. 287 f. und 
Düntzer, hom. Abhandl., p. 117 #. — Köchly, Iliadis carmina 
XVI, Lips. 1861, p. 177 Β΄, vgl. Ribbeck in den Jahrbb. f. class. 
Philol. 1862, Bd. 85, p. 73 ἢ. Köchly, de Iliadis carminibus 
dissert. VII, Turici 1859, p. 35 f. — B. Giseke, das elfte Buch 
der Ilias, in Jahrbb. f. Philol., 1862, Bd. 85, p. 505 ff. — Dün- 
tzer, die Interpolationen im elften Buche der Ilias, in Jahrbb. f. 
Philol.- Suppl. III, p. 833 ff, Benicken, die Interpolationen im 
elften Buche der Ilias, Antwort auf die gleichbetitelte Abhand- 
lung des Hrn. Prof. Düntzer, Stendal 1872. — C. L. Kayser, 


τ) Abdruck ans dem, Osterprogramm des Gymnasiumg zu Göttingen 
1877, besprochen im Philol. Anzeiger VIII p. 275 ff. von L. G. 


Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung. 41 


de interpolatore Homerico, Heidelberg 1842, p. 5, 8, 10, 12, 27. 
— Grote, Geschichte Griechenlands, übersetzt von Meissner, I, 
p. 539. Friedlaender, die homerische Kritik von Wolf bis Grote, 
Berlin 1853, p. 38 ff, vgl. Ribbeck im Phil. VIII, p. 480 δ. — 
Schoemann, de reticentia Homeri, Greifswald 1853, p. 16 ff. — 
Jacob, über die Entstehung der Ilias und Odyssee, p. 240 ff. — 
Nitzsch, die Sagenpoesie der Griechen, p. 226 ff, vgl. Schoe- 
mann in den Jahrbb. f. Philol., Bd. 69, p. 18 ἢ, Nitzsch, Bei- 
träge 2. Geschichte der epischen Poesie der Griechen, p. 82 δ᾽, 
92 Β΄, 369 Ε΄, 374, 381, vgl. G. Curtius, Andeutungen über den 
gegenwärtigen Stand der homer. Frage, Wien 1854, p. 19 ἡ — 
Kiene, die Komposition der Ilias, p. 92 ἢ, 104 f. — Genz, zur 
Dias, Sorau 1870, p. 32. — Bischoff im Philologus XXXIV, p. 
17 #. — Bernhardy, Grundriss der griech. Literatur ®II. 1, p. 
165 ἢ, Bergk, griech. Literaturgeschichte, I, p.’599 fl. — Hoff- 
mann, quaestiones Hom., 1848, Π., p. 225 ff, Giseke, home- 
rische Forschungen, Leipzig 1864, p. 178— 181, 226, 230. — 
Sammlung der Parallelstellen zum elften Buch bei Ellendt, drei 
homerische Abhandlungen, Leipzig 1864, p. 53 ἢ. — Kritik ein- 
zelner Abschnitte: Pinzger, de Iliadis interpolatione XI, 655— 
803 quaestio critica, Ratibor 1836. A. Mommsen, Nestors Er- 
zählung Il. XI 668— 762 im Philologus VIII, p. 721 ff. Ueber 
denselben Abschnitt Friedlaender im Philologus IV, p. 581 £. 
— Zu 473 #. Usener, de Iliadis carmine quodam Phocaico, Bonn 
1875, Gratulationsschrift zu der Jubelfeier der Leydener Univer- 
sität, vgl. Philolog. Anzeiger, VII, p. 76 #. VIIT p. 280 ff. und 
H. yan Herwerden, quaestiunculae epicae et elegiacae. Trajecti 
ad Rhenum. 1876. p. 17 ἢ 


Der elfte Gesang bildet die Einleitung zu dem dritten grossen 
Act der epischen Handlung, in dessen Verlauf der entscheidende 
Wendepunkt eintritt, welcher die Sendung des Patroklos in den 
Kampf und seinen Tod herbeiführt. 

Wir unterscheiden innerhalb desselben leicht zwei miteinander 
eng verbundene Haupthandlungen. Etwa zwei Drittel des Ganzen 
nimmt die Darstellung der Schlacht ein, welche bis zu dem Punkte 
geführt wird, wo die Troer das entschiedene Uebergewicht er- 
rungen haben und ein nachhaltiger Widerstand im offenen Felde 
von Seiten der Achaeer nicht mehr zu erwarten ist. Das letzte 
Drittel füllt die Erzählung von der Sendung des Patroklos zu 
Nestor, welche, motiviert durch Achills erwachende Theilnahme an 
dem Geschick der Achaeer, das Auftreten des Patroklos im Anfange 
des sechszehnten Gesanges vorbereitet. 

Im wechselvollen Gange der Schlacht treten vier Höhe- und 
Wendepunkte hervor, durch welche dieselbe in fünf Stadien zer- 


42 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 


legt wird. Die zweite Haupthandlung zeigt eine Folge von drei 
unter einander eng verbundenen Scenen. Danach ergiebt sich in 
übersichtlicher Zusammenfassung folgende Gliederung des Inhalts: 
A. Die Schlacht 1—595. 

1. Die Vorbereitungen zum Kampf, 1—66: 


1) 


3) 
8) 


4) 


Eris, von Zeus gesendet, erregt den Kampfmuth der 
Achaeer, 1—14. 

Rüstung des Agamemnon, 15—46. 

Ordnung und Aufstellung der Achaeer; bedeutsame Vor- 
zeichen von Zeus, 47—55. 

Ordnung und Aufstellung der Troer (ἐπὶ ϑρωσμῷ ze- 
δίοιο). Hektor ermuntert die Seinen, 56—66. 


IL. Die Schlacht selbst, 67—595, in fünf Stadien: 


D) 
3) 


8) 


4) 


5) 


Beginn der Schlacht; der Kampf steht gleich bis zu der 

Zeit, wo der Holzfäller sich das Mahl bereitet, 67—85. 

Uebergewicht der Achaeer und Aristie des Agamemnon: 

dieser erlegt drei Paare troischer Helden, die Troer flie- 

hen bis nahe dem Skaeischen Thor, 86—180. 

Herstellung der Schlacht durch Hektor und Uebergewicht 

der Troer bis zu dem Punkte, wo die Achaeer Gefahr lau- 

fen, in wilder Flucht in das Schiffslager getrieben zu 

werden, 181— 311. 

Zeus lässt sich auf dem Ida nieder und sendet die Iris zu 
Hektor mit dem Befehl, dem Agamemnon auszuweichen, aber 
die Seinen zu ermuntern; sobald Agamemnon verwundet den 
Kampf verlasse, wolle er ihm die Uebermacht verleihen. Hek- 
tor stellt die Schlacht her. Agamemnon erlegt noch den An- 
tenoriden Iphidamas, wird aber von dessen Bruder Koon ver- 
wundet und dadurch genöthigt das Schlachtfeld zu verlassen. 

Hektor erlegt neun Achaeerhelden und viele gemeine Krieger. 

Herstellung der Schlacht durch Diomedes und Odysseus: 

Zeus spannt den Kampf wieder gleich; Hektor wird von 

Diomedes durch einen Speerwurf betäubt, 812 --- 368, 

Der Widerstand der Achaeer wird allmählich Jurch die 

Verwundung mehrerer Haupthelden gebrochen, 369—595: 

a) Diomedes, von Paris verwundet, verl'sst die Schlach , 
369 — 400. 

b) Odysseus, von den Troern heftig bedrängt, erlegt viele, 
bis er von Sokos verwundet wird. Auf seinen Hülfe- 
ruf eilen Menelaos und Aias herbei, jener führt Odys- 
seus aus der Schlacht; Aias Thaten, 401 —497. 

9) Gleichzeitig bedrängt auf der linken Seite des Schlacht- 
feldes Hektor die Achaeer unter Nestor und Idomeneus. 
Paris verwundet Machaon, der von Nestor aus dem 
Kampf geführt wird, 497—520. 

d) Hektor kommt den von Aias bedrängten Troem zu 
Hülfe, meidet aber den Kampf mit diesem. Von Zeus 


Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung. 43 


geschreckt zieht sich Aias kämpfend langsam zurück. 

Eurypylos kommt Aias zu Hülfe, wird aber von Paris 

verwundet, Aias rettet sich zu den Seinen, 521—595. 
B. Die Sendung des Patroklos zu Nestor, 596—848: 

1) Achilleus und Patroklos: Als Achill von seinem Schiff aus 
Nestor mit Machaon vorüberfahren sieht, trägt er dem 
Patroklos auf zu erkunden, wer der Verwundete sei, 
596—617. 

Nestor und Machaon in Nestors Zelt, dann Nestor und 
Patroklos, 618—804: Nestor und Machaon werden von 
Hekamede verpflegt, 618— 641; Patroklos kommt und 
will, da er Machaon erkennt, gleich wieder gehen, wird 
aber von Nestor zurückgehalten, welcher Achills Unver- 
söhnlichkeit bei dem schweren Geschick der Achier tadelt, 
nach einer weitläufigen Erzählung von seinen eigenen 
Jugendthaten Patroklos an die Abschiedsworte seines Va- 
ters Menoitios beim Auszuge nach Troja erinnert und ihn 
zu dem Versuch mahnt, durch Zuspruch Achills Herz zu 
erweichen oder wenigstens zu bewirken, dass er ihn in 
seinen (Achills) Waffen in den Kampf sende, 642— 804. 
Patroklos und Eurypylos, 805—848: Patroklos trifft auf 
dem Rückwege den verwundeten Eurypylos, erfährt von 
ihm, dass die Achäer in der äussersten Gefahr sind zu 
erliegen, lässt sich aber durch seine Bitten bestimmen, 
ihn in sein Zelt zu begleiten, wo er seine Wunde besorgt. 

Die dargestellten Begebenheiten füllen den ersten Theil des 
dritten Schlachttages, des 26. der Ilias überhaupt, der sich bis 
2239 ff. erstreckt. 


2 


3 


Die Handlung des ersten Haupttheils nimmt, durch Θ᾽ 470 fi. 
530 ff. vorbereitet, die im achten Gesange abgebrochene Schlacht 
auf, zeigt aber einen von dieser wesentlich verschiedenen Charakter. 
Die Leitung der Schlacht ist ausschliesslich und unbestritten in 
Zeus Hand, keiner der ihm widerstrebenden Götter macht einen 
Versuch, in dieselbe einzugreifen. Indem so fast alle Götterhand- 
lung fehlt, füllt die Erzählung der Schlacht, ganz anders als im 
achten Buche, den ganzen Raum. Diese selbst ist auf breitester 
Grundlage angelegt. Es werden nach einander die Haupthelden 
in den Kampf eingeführt: auf griechischer Seite zuerst Aga- 
memnon, dann paarweise Odysseus und Diomedes, Menelaos und 
Aias, Nestor und Idomeneus, dann Machaon, endlich Eurypylos, 
von denen Agamemnon, Diomedes, Odysseus, Aias in glänzender 
Action hervortreten; auf troischer Seite wird vor allen Hektor 
gefeiert, aber auch Paris wird eine Hauptrolle zugewiesen, neben 
diesen treten eine Reihe anderer Helden bedeutsam hervor: je 


44 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 


zwei. Söhne des Priamos, des Antimachos, des Antenor und andere. 
Durch das angestrengte Ringen beider Parteien, denen Zeus ziem- 
lich freien Spielraum lässt, werden eine Reihe von Wendungen 
des Kampfes herbeigeführt, wie im achten Gesange, aber nicht so 
plötzlich und unvermittelt wie dort, wie denn die ganze Darstel- 
lung nichts von der im achten Gesange getadelten Hast und Kürze 
zeigt, sondern bei aller Lebhaftigkeit in echt‘ epischer Weise sich 
ausbreitet. 

Die Grundlage für die Erzählung bildet die höchst wahr- 
scheinlich von der Sage selbst gegebene Verwundung der drei 
achaeischen Helden Agamemnon, Diomedes, Odysseus. Freie Zuthat 
des Dichters ist offenbar die Verwundung des Machaon und des 
Eurypylos, welche die Verknüpfung der Sendung des Patroklos 
mit der Schlachterzählung vorzubereiten bestimmt ist, auch Aias’ 
Kampf und Rückzug mag der Erfindung des Dichters zugeschrie- 
ben werden. Für die Anordnung und Gruppierung dieser Elemente 
war zum Theil die frühere Entwicklung massgebend. So war die 
Voranstellung des Agamemnon vorbereitet durch den Schluss des 
neunten Gesanges (I 707—709), die Zusammenstellung des Dio- 
medes und Odysseus, abgesehen von K, durch Θ 91 fl. Im Uebrigen 
ist die Folge, in welcher die Helden in den Kampf eingeführt 
werden, wohl berechnet. Eröffnete Agamemnon mit seiner glän- 
zenden Aristie passend den Kampf, so war nach dem ersten Um- 
schwung desselben zu Gunsten der Troer wohl keiner geeigneter, 
Hektors Siegeslauf sich entgegen zu werfen, als Diomedes mit 
seinem ungestümen Heldenmuth, der einzige Held, welcher im 
achten Gesange, trotz Zeus Blitzen, vor Hektor nicht wich, vor 
dem Hektor selbst nach dem Siege noch bangte (© 532 fi.). 
Wiederum ziemt es gewiss keinem mehr als Menelaos, dem den 
Atriden so eng verbundenen Odysseus in seiner Bedrängniss Hülfe 
zu schaffen, und wer wäre mehr berufen, den wankenden Schaaren 
den letzten Halt zu geben, als der riesige Aias, der Thurm der 
Achäer! Muss auch dieser weichen, wer wird noch den Sieges- 
lauf der Troer zu den Schiffen aufhalten können? 

Die Handlung der zweiten Partie zeigt sich nach Anlage und 
Behandlung im Ganzen in Uebereinstimmung mit der ersten. Be- 
achtung verdient die Art der Verknüpfung. Die Bindeglieder zwi- 
schen beiden Handlungen bilden, wie bemerkt, die Verwundung 
des Machaon und seine Entfernung aus dem Kampfe durch Nestor 
und die Verwundung des Eurypylos. Jene bereitet die Sendung 
des Patroklos zu Nestor und die Scene in Nestors Zelt vor, diese 
ermöglicht das Zusammentreffen des Patroklos mit Eurypylos und 
den bis O 390 dauernden Aufenthalt desselben bei diesem. Beide 
Verwundungen erfolgen nach einander auf verschiedenen Seiten des 
Schlachtfeldes, zuerst die des Machaon auf der linken Seite, wo 
zuerst die Schlacht zu Gunsten der Troer sich entscheidet, sodann 


Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung. 45 


die des Eurypylos auf der anderen Seite, wo durch Aias am läng- 
sten Widerstand geleistet wird. Durch diese Anordnung wird ein 
Zwiefaches erreicht. Einmal beruht darauf eine wirksame Steige- 
rung der Eindrücke, welche Patroklos durch den Bericht des 
Nestor und dann des Rurypylos über den Stand der Schlacht er- 
hält, sodann ergänzt der Bericht des Eurypylos zugleich eine Lücke 
in der Erzählung. Da nämlich die Beschreibung der Schlacht nicht 
zum vollen Abschluss gebracht wird, sondern da abbricht, wo auf 
beiden Seiten die Niederlage der Achaeer zwar entschieden scheint, 
aber der Kampf noch fortdauert, so erfahren wir aus Eurypylos 
Munde zuerst: mit klaren Worten den wahren Stand der Dinge, 
dass die Achaeer nichts mehr retten kann und die Flucht in das 
Schiffslager bevorsteht. 

Die Darstellung zeichnet sich, abgesehen von Nestors Erzäh- 
lung und einzelnen anderen Stücken, durch Klarheit und Anschau- 
lichkeit aus. Die Höhenpunkte des wechselnden Kampfes werden 
deutlich hervorgehoben und wie durch hervorragende Marksteine 
durch epische Formeln ausgezeichnet. Im Einzelnen schreitet die 
Erzählung lebhaft und rasch fort, doch so, dass sie auch der Be- 
schreibung und Schilderung Raum lässt. Der Dichter verweilt gern 
bei dem Schicksal hervorragender Helden und begleitet die Er- 
zählung ihres Todes mit Aeusserungen des Mitleids oder auch 
eines bittern Humors. Einen glänzenden Schmuck verleiht der 
Darstellung eine reiche Fülle (22) von zum Theil ausgeführten 
Gleichnissen, durch welche vor allen Agamemnon (4 Mal mit einem 
Löwen verglichen 113. 129. 173. 239), Hektor und Aias ausge- 
zeichnet werden. Es finden sich darunter mehrfach Doppelvergleiche, 
welche, an die vorhergehende Handlung oder Situation anknüpfend, 
zugleich das folgende Moment der Erzählung vorausnehmen: 113 ff., 
173 #., 474 fl, Dieser Reichthum der Darstellung artet bisweilen 
in Ueberfülle aus, auch lässt sich in den eingefügten Schilderungen 
und Beschreibungen mehrfach ein gewisses Haschen nach Effect, 
eine Neigung zum Uebertreiben nicht verkennen. Uebrigens herrscht 
die Erzählung in dem Masse vor, dass, abgesehen von der Er- 
zählung des Nestor 670—762, von etwa 750 Versen nur etwa 
200 auf die eingestreuten Reden entfallen. Diese haben zum Theil, 
der bewegten Handlung entsprechend, einen leidenschaftlichen Cha- 
rakter, sind jedoch meist von dem Uebermass der Heftigkeit frei, 
welche in den Reden des achten Buches mehrfach herrscht. Der 
Ausdruck im Einzelnen bietet auch hier manches Besondere, Auf- 
fallende, worüber man sich aus den Zusammenstellungen bei El- 
lendt des Näheren unterrichten kann. 

Manches Eigenthümliche findet sich im Inhalt des Gesanges. 
Abgesehen von Nestors Erzählung, welche auf einem älteren Liede 
von Nestor zu beruhen scheint und V. 699 im Widerspruch mit 
der homerischen Schilderung der Heroensitte ein Viergespann auf- 


46 Kritischer und exegetischer Anhang. 4A. Einleitung. 


weist, wie © 185, hat man nach einer von Emperius zuerst 
gemachten Beobachtung in der Erzählung von den Thaten des 
Aias 489 f. Spuren älterer Sagenelemente zu finden geglaubt, 
indem die Namen der vier von Aias erlegten Troer Pandokos, 
Lysandros, Pyrasos und Pylartes für Beinamen des Hades erklärt wer- 
den. Beachtung verdient ferner die eigenthümliche auf Phönicien 
weisende Kyprische Kunst, welche in der Beschreibung der Rüstung 
Agamemnons hervortritt, auch der kunstreiche Becher des Nestor. 
Als auffallend bezeichnet ist die Rohheit Agamemnons in der 
Behandlung der Söhne des Antimachos 186—147. Nur hier don- 
nern Hera und Athene 45 f. Manche Züge aus der Vorgeschichte 
der Ilias sind der Erzählung eingefügt: 104. 125. 138. 625. 
765. 832. 

Die kritische Untersuchung des elften Gesanges hat nicht ge- 
ringe Schwierigkeiten. Zwar kann für den, welcher im Ganzen 
einen einheitlichen Plan in den Gesängen der Ilias durchgeführt 
sieht, die Stellung desselben innerhalb dieses nicht wohl zweifel- 
haft sein. Bildet die mehr moralische Niederlage, welche die 
Achaeer im achten Gesange erleiden, den ersten entscheidenden 
Act in der Thätigkeit des Zeus, um nach seinem im ersten Ge- 
sange gefassten Rathschluss Achill Genugthuung zu verschaffen, 
so ist der Kampf im elften Gesange das notwendige Zwischen- 
glied, welches auf Grund jener die in den folgenden Büchern her- 
beigeführte äusserste Bedrängniss der Achaeer vorbereitet. Die 
ausschliessliche ungestörte Leitung des Kampfes durch Zeus nach 
den im achten Gesange energisch zurückgewiesenen Versuchen der 
Hera und Athene, seinen Willen zu durchkreuzen, die Schwächung 
der Achaeer durch die Verwundung dreier Haupthelden, der Fort- 
schritt des Kampfes zu immer drohenderer Gefährdung der Schiffe 
— diese Momente entsprechen sehr wohl dem, was nach Zeus 
Ankündigung Θ᾽ 470 £. und Hektors Hoffnungen Θ 530 ff. zu er- 
warten war. Hiernach ist uns die Ursprünglichkeit des grösseren 
Theiles des Gesanges und seine feste Stelle im dichterischen Plan 
unzweifelhaft. Aber Schwierigkeit bereitet schon die Aristie des 
Agamemnon an dieser Stelle im Eingang des Gesanges. Die Frage 
nach der Motivierung derselben hängt wesentlich mit ab von der 
Entscheidung über die Ursprünglichkeit des neunten Gesanges. 
Noch grösssere Schwierigkeiten erheben sich bei der Prüfung des 
Zusammenhanges unseres Gesanges mit den folgenden Gesängen, 
namentlich in Bezug auf die Sendung des Patroklos zu Nestor. 
Endlich ist selbst die innere Einheit des Gesanges ernstlich in 
Frage gestellt; eine ganze Reihe von Bedenken und Anstössen im 
Einzelnen von mehr oder minder Gewicht sind dabei in Erwägung 
zu ziehen. 

Wir gehen von der in der Einleitung zum neunten Gesange 
begründeten Voraussetzung aus, dass das neunte Buch nicht minder, 


Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung. 47 


wie das achte, in dem Plane der homerischen Dichtung nicht nur 
berechtigt, sondern nothwendig sei. Unter dieser Voraussetzung 
erhebt sich uns zunächst die Frage, ob die Handlung des elften 
Gesanges der im achten und neunten gegebenen Entwicklung sich 
passend anschliesse oder damit in Widerspruch stehe. 

Ueber den Eingang des elften Cesanges lautet das Urtheil 
Bernhardys: ‘Das Buch eröffnet pomphaft eine jener trockenen 
teratologischen Figuren (Ἔρις), welche sich in späteren Rhapsodien 
merklich häufen; der Dichter hat aber völlig vergessen den Schluss 
der letzten Erzählung, wenn nicht von I doch von Θ᾽ aufzunehmen.’ 
Aehnlich bemerkt Friedlaender: “Von der Lage beider Heere, 
wie wir sie dort (am Schluss des achten Buches) verlassen haben, 
ist hier keine Spur’ und weiter: ‘So konnte der Dichter unmöglich 
fortfahren, nachdem er den Schluss des achten Buches eben hatte 
vorausgehen lassen. Liessen denn die Troer die Griechen ganz 
ruhig ausrücken und angreifen und versuchten auch nicht einmal 
sie belagert zu halten? That denn Hektor gar nichts, um seine 
prahlerischen Drohungen auszuführen? Und liess Zeus es ruhig 
zu, dass die durch ihn bewirkte Lage beider Heere völlig wieder 
zerstört wurde und die Griechen in Vortheil kamen, ja sendete er 
Eris, die den Achaeern Muth einschrie?’ Diese Betrachtungen 
führen Friedlaender zu der Vermuthung, dass der Anfang des 
elften Gesanges ursprünglich anders gelautet habe. Wie wir ihn 
jetzt lesen, hat derselbe im höchsten Grade den Ton einer selbst- 
ständigen Einleitung, wie ihn der Einzelvortrag, sei es von der 
Verwundung der drei Könige, sei es des ganzen Kampfes bei den 
Schiffen, erforderte. Aber über die ersten 70 Verse hinaus ist 
die Erzählung im vollsten Einklange mit dem ersten und achten 
Buch, deren wesentlichen Voraussetzungen sie durchaus entspricht: 
‘Die Niederlage der Griechen, die doch eintreten muss, sogleich 
zu erzählen, kann sich der Dichter auch hier nicht entschliessen. 
Aber Zeus ist seines Beschlusses eingedenk, er sendet Iris zu Hektor.” 
So Friedlaender, welcher mit Grote das neunte Buch verwirft. 

Minder schroff erscheint der Uebergang unter der Annahme 
der Ursprünglichkeit des neunten Gesanges. Allerdings befremdet 
auch so auf den ersten Blick der Umschwung in der Stimmung 
des Agamemnon von der völligen Verzweiflung im Anfange des 
neunten Gesanges zu dem glänzend bewiesenen Heldenmuth im 
elften. Auch Nitzsch vermisst eine deutliche Motivierung, wie sich 
dieser Umschwung vollzogen, und glaubt, dass dieselbe durch die 
Einschiebung des zehnten Gesanges verdrängt sei. Aber psycho- 
logisch lässt sich derselbe doch genügend erklären. Zunächst geht, 
wie Nitzsch bemerkt, die vor der Gesandtschaft bezeigte Nieder- 
geschlagenheit die persönliche Tapferkeit unmittelbar nichts au; 
diese ist überall glänzend bezeugt. Der vorauszusetzende Umschwung 
der Stimmung aber erklärt sich theils aus seiner sanguinischen 


48 Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung. 


Natur, die geneigt ist in das Gegentheil umzuschlagen, theils aus 
den Erfahrungen, die derselbe inzwischen gemacht hat. Agamemnon 
hat unter dem furchtbaren Eindruck der erlittenen Niederlage 
seine Verschuldung gegen Achill erkannt und bereut, hat sich 
zum demüthigendsten Sühneversuch verstanden, dieser Versuch, 
durch die ersten und Achill liebsten Helden vermittelt, ist an der 
Unversöhnlichkeit Achills gescheitert. Muss nach solcher Zurück- 
weisung nicht Agamemnons Selbstgefühl erwachen, da er jetzt, von 
dem drückenden Schuldbewusstsein Achill gegenüber sich frei fühlt? 
muss er sich nicht seiner früheren Verzweiflung schämen? Muss 
nicht der Gedanke an die Grösse der Gefahr, an die Verantwor- 
tung, die er trägt, in ihm den Entschluss erwecken, nun seiner- 
seits alles zu thun, um auch ohne Achills Hülfe der Feinde Herr 
zu werden? Und spricht auch Agamemnon sich in diesem Sinne 
nicht aus, so hat doch Diomedes der veränderten Stimmung der 
Achaeer am Schluss des neunten Gesanges Ausdruck gegeben; 
seine Parole lautete: Aufnahme des Kampfes vor den Schiffen so- 
gleich nach dem Erscheinen des Frühroths; Agamemnon selbst 
kämpfe unter den vordersten (707—709). Wir dürfen danach in 
der That eine mutbige Aufnahme des Kampfes erwarten, und es 
nicht minder begreiflich finden, dass Agamemnon alles thun wird, 
was in seinen Kräften steht, um dem Kampf eine günstigere 
Wendung zu geben. Unbegreifliche Schwierigkeiten findet dabei 
Jacob. Er will zwar allenfalls zugeben, dass das Auftreten Aga- 
memnons aus dem kräftigen Zuspruch des Diomedes sich erklären 
lasse, findet es aber unerklärt, woher das Volk, das jenen Zuspruch 
nicht gehört, so plötzlich diesen Muth habe. “Aus dem Rufe der 
Eris? Das könnte doch nur heissen, aus dem Aufbruche zu der 
neuen Schlacht selbst, und damit wäre dann nichts erklärt.’ Es 
bedarf nur der Hinweisung auf die ausdrückliche Angabe V. 11. 
12 ᾿Αχαιοῖσιν δὲ μέγα σϑένος ἔμβαλ᾽ ἑκάστῳ καρδίῃ wre, um solche 
Deutung zurückzuweisen. Unter der Voraussetzung der so ver- 
änderten Stimmung verlieren die von Friedlaender aufgeworfe- 
nen Fragen zum Theil ihr Gewicht. Aber auch die am Schluss 
des achten Gesanges ausgesprochene Ansicht Hektors von der Lage 
der Dinge rechtfertigt kaum dieselben. Allerdings denkt derselbe 
im ersten Jubel über den gewonnenen Sieg Θ 175 ff. sofort an 
die Erstürmung der Mauer und die Verbrennung der Schiffe. Aber 
unter dem Eindruck der folgenden Wendungen des Kampfes und 
dem seinen Siegeslauf hemmenden Einbruch der Nacht ist seine 
Stimmung wesentlich ernüchtert, wie die Sorge vor einem nächt- 
lichen Ueberfall Trojas selbst (521 f. vgl. 529) deutlich zeigt. Er 
sieht seine nächste Aufgabe keineswegs darin, die Achaeer hinter 
der Mauer eingeschlossen zu halten und den Sturm auf diese zu 
wagen, redet vielmehr nur allgemein von dem am Morgen aufzu- 
nehmenden Kampf bei den Schiffen, indem es sich entscheiden 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 49 


soll, ob Diomedes ihn vom Schiffslager zu den Mauern Trojas 
zurückdrängen oder selbst seinem Arm erliegen werde (530—534), 
wenn er auch in stolzem Hochgefühl den Achaeern das schlimmste 
Verderben verkündet. So bleibt nur das Bedenken, dass Zeus es 
ruhig geschehen lässt, dass die von ihm selbst am vorhergehenden 
Tage bewirkte Lage beider .Heere wieder völlig verkehrt wird, 
ja selbst die Eris sendet, um den Achaeern Muth einzuflössen. 

Die Langsamkeit, mit der Zeus seinen so energisch angekün- 
digten Entschluss, die Achacer in die höchste Bedrängniss zu brin- 
gen, ausführt, hat schon beim achten Gesange besondern Tadel 
erfahren: wir haben dieselbe dort durch das Zusammenwirken 
dreier Factoren: der in der vorhergehenden Erzählung gegebenen 
Momente, des Gegensatzes innerhalb der Götterfamilie und des 
nationalen Interesses des Dichters genügend erklären zu können 
geglaubt. Hier tritt der zweite dieser Factoren ausser Wirksam- 
keit: die Leitung des Kampfes ruht ausschliesslich in Zeus Hand. 
Das nationale Interesse des Dichters bringt sich auch hier zur 
Geltung, und in Uebereinstimmung mit diesem ist durch das achte 
Buch (532 8.) dem Diomedes, durch das neunte (709) dem Aga- 
memnon im Voraus eine bedeutsame Rolle in dem Widerstande 
der Achaeer gegen Hektor zugewiesen. Dass Zeus selbst scheinbar 
im Widerspruch mit sich durch Sendung der Eris in das achaeische 
Lager diesen Widerstand fördert, kann allerdings auffallen. Aber 
wenn Zeus die Fortsetzung des Kumpfes im offenen Felde will, 
wenn er dem Agamemnon vor dem völligen Unterliegen noch eine 
glänzende Aristie gestatten will und dies, wie Friedlaenders 
Ansicht ist, aus dem nationalen Interesse des Dichters sich genü- 
gend erklärt, so ist auch kein Grund, an der Sendung der Eris 
besondern Anstoss zu nehmen, ja ein derartiges Mittel, den Muth 
der Achaeer nach der Niederlage des vorhergehenden Tages zu 
beleben, scheint mit der nächsten Absicht des Zeus durchaus in 
Uebereinstimmung. Sendet doch derselbe Zeus auch im achten 
Gesange, als Agamemnon verzweifelnd zu ihm fleht, von Mitleid 
ergriffen, ein ermuthigendes Zeichen, in Folge dessen die Achaeer 
wieder von Neuem siegreich vordringen. Die Wahl eines so ausser- 
ordentlichn Mittels aber, den Muth zu entflammen, steht im 
Verhältniss zu der Grösse des bevorstehenden Kampfes. 

Wir finden demnach die Handlung des elften Gesanges im 
Ganzen wohl in Uebereinstimmung mit den Voraussetzungen, welche 
durch den achten und neunten Gesang gegeben sind, und auch in 
der Art, wie dieselbe an das Vorhergehende angeknüpft wird, 
keinen Grund zu besonderem Anstoss. Indem wir uns nun zu der 
Prüfung des inneren Zusammenhanges des Gesanges wenden, haben 
wir die beiden Haupthandlungen, welche derselbe enthält, einer 
besonderen Betrachtung zu unterziehen. 

Wir haben oben vermuthet, dass die Verwundung der Haupt- 

Ameis, Anhang zur Ilias. 4 


50 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 


helden der Achaeer, und zwar in der Dreizahl, der Könige Aga- 
memnon, Diomedes, Odysseus, ein durch die Sage selbst scharf 
markiertes Ereigniss war, welches dem Sänger den Kern und die 
Grundlage seiner Ausführung gab, die Verwundung des Machaon 
und Eurypylos dagegen die freie Zuthat des Sängers, um die Sen- 
dung des Patroklos zu Nestor mit der Schlacht in Verbindung zu 
setzen. Die Gliederung nun jener Hauptmasse der Erzählung nach 
den oben bezeichneten Wendepunkten des Kampfes: scheint im 
Ganzen tadellos, der Fortschritt der Erzählung wohl motiviert und 
geeignet, das Interesse des Hörers zu steigern. Gleichwohl bietet 
die Ausführung mancherlei Anstoss und Bedenken. Zwar die von 
Ribbeck gefundene Differenz innerhalb der Darstellung der Schlacht, 
wonach in der ersten Hälfte derselben (bis 218) die Schlacht in 
der Ebene vor sich gehe, unter Voraussetzung eines Grabens, in 
der zweiten dagegen nur dem Scheine nach ebenda zu denken sei, 
in der Sache aber an und in dem Lager, als eine Art Teichomachie 
oder gar eine μάχη ἐπὶ ταῖς ναυσί, ohne Voraussetzung eines Gra- 
bens, scheint uns unerwiesen. Ribbeck entnimmt seine Haupt- 
gründe für diese Annahme einmal dem Widerspruch, dass nach 
47 ff. die Wagen hinter der Schlacht zurückbleiben, im Verlauf 
der Erzählung aber dennoch Wagenkimpfer und Wagen auf dem 
Kampfplatz erwähnt werden, sodann dem plötzlichen Umspringen 
der Offensive in die Defensive. In Bezug auf den letzteren Punkt 
hebt er hervor den überraschenden Umschwung des Kampfes, 
welcher gipfelt in dem Gegensatz von 181, wo die Achaeer bis 
nahe dem Thor Trojas vordringen, und von 311 vgl. 569, wo 
dieselben Gefahr laufen in jäher Flucht in das Schiffslager getrieben 
zu werden, sodann die Acusserungen Agamemnons 277, Odysseus 
315 über die den Schiffen drohende Gefahr, wozu, wenn die Scene 
noch dieselbe war, wie während des Vordringens der Griechen auf 
die Stadt, kein Grund ersichtlich sei, ferner die Muthlosigkeit des 
Diomedes 317 ἢν, während die Schlacht noch auf das allerbeste 
stehe, nur dass Agamemnon dieselbe verlassen habe, endlich das 
Benehmen des Aias (557), welches nur erklärlich, wenn die Schlacht 
schon ziemlich in der Nähe der Flotte war. Wir verweisen in 
Betreff dieser Annahme auf die Widerlegung bei Hiecke, Düntzer, 
Giseke und wenden uns zu der Betrachtung der Haltung des 
Zeus bei der Leitung der Schlacht, welche mehrfach zu nicht un- 
erheblichen Ausstellungen Anlass gegeben hat. 

Nachdem Zeus durch Sendung der Eris in den Achaeern eine 
lebhafte Kampfbegier entzündet, dann, nachdem sie sich am Graben 
geordnet, ein arges Getümmel erregt, auch blutige Tropfen vom 
Aether hat herabfallen lassen, lässt er zunächst Raum für die 
glänzende Aristie des Agamemnon und hält auch Hektor dem Be- 
reich der Geschosse und des wirren Kampfgetümmels fern (163 £.). 
Erst als Agamemnon in glünzendem Siegeslauf die Troer zurüick- 


Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung. 51 


getrieben und diese in Gefahr sind unter die Mauer von Troja 
gedrängt zu werden, steigt Zeus, den Blitzstrahl in der Hand, vom 
Himmel herab und lüsst sich auf dem Ida nieder, um durch Iris 
dem Hektor verkündigen zu lassen, dass er, so lange Agamemnon 
unter den Vorkämpfern wüthe, sich zurtickhalten und nur das 
übrige Heer zum Kampfe ermuntern solle; sobald aber Agamemnon 
verwundet seinen Wagen bestiegen habe, wolle er Hektor die Ueber- 
macht verleihen, bis er die Schiffe erreiche und die Sonne unter- 
gehe (186 f.). 

Neue Bedenken werden hier gegen die Aristie des Agamemnon 
erhoben. So findet Jacob in derselben das Mass, welches die 
Verherrlichung eines anderen Helden neben dem Haupthelden haben 
muss, überschritten: Agamemnon werde in dem Erfolg seiner Thaten, 
wie in seiner Furchtbarkeit, vor der nach Zeus Willen selbst ein 
Hektor weichen muss, Achill vollkommen gleichgestellt. Weiter 
tadelt Bernhardy, dass das eigentliche Thema Ayau&uvovog ἀρι- 
στεία frühzeitig abbreche und ohne Einfluss auf den Verlauf des 
Kampfes bleibe. Ungewöhnlich und auffallend ist die Bemerkung, 
dass Zeus, den Blitzstrahl in den Händen, sich auf dem Ida 
niederlässt, da er doch denselben gar nicht anwendet, während er im 
achten Gesange, wo nichts derart bemerkt ist, davon verschwen- 
derischen Gebrauch macht. Besondere Bedenken aber erregt die 
Botschaft der Iris: einmal im Verhältniss zu den vorhergehenden 
Versen 163 f., welche, wie Bernhardy bemerkt, durch dieselbe 
werthlos werden, sodann im Verhältniss zu der folgenden Entwick- 
lung der Dinge. Auffallend ist schon, dass Hektor nach Aga- 
mernnons Entfernung zwar eine Zeit lang gewaltig unter den 
Achaeern wüthet, kurz darauf aber in seinem Heldenlauf von Dio- 
medes sehr empfindlich unterbrochen wird 354 fl. (Hiecke). So- 
dann stehen 193. 194 im Widerspruch mit dem Rathschluss des 
Zeus O 234. 235, wonach die Griechen bis zu den Schiffen fliehen, 
dann aber sich erholen sollen (Lachmann), und noch mehr mit 
den wirklichen Ereignissen, denn an demselben Tage ersteht Pa- 
troklos an den Schiffen und jagt Achill die Troer durch seine 
Stimme in die Flucht (Ribbeck). Endlich scheint auch die weitere 
Thätigkeit des Zeus selbst mit der Botschaft der Iris nicht wohl 
zu vereinigen. 336 stellt derselbe, nachdem Odysseus und Dio- 
medes sich ermannt haben und wieder muthig gegen die Troer 
vordringen, noch einmal das Gleichgewicht im Kampfe her, und 
als Hektor von der anderen Seite des Schlachtfeldes zu der Stelle 
eilt, wo Aias die Troer bedrängt, lässt er einen Kampf zwischen 
beiden Helden nicht zu, weil er Hektor nicht mit dem bessern 
Manne kämpfen lassen will, sondern treibt selbst den Aias zur 
Flucht. “Zeus aber konnte dem Hektor nicht missgönnen dueivov 
φωτί zu kämpfen, da er ihm nach Agamemnons Verwundung un- 
eingeschränkten Ruhm zu geben verheissen hatte. Wozu brauchte 

4* 


52 Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung. 


Hektor die Kraft von ihm, wenn er sie nicht anwenden sollte, 
wenn Zeus dem Aias ohne sein Zuthun Flucht senden wollte?” 
(Ribbeck). Andrerseits scheint selbst des Aias weiteres Verhalten 
dem V. 544 Gesagten nicht zu entsprechen. “Denn das Gleichniss 
vom Esel schildert ja gerade seine gegen alle -Hiebe unempfind- 
liche Festigkeit, und 566. 570 erfahren wir, dass er sich nicht 
einmal mit der Vertheidigungsstellung begnüigt, sondern den Troern 
hart zusetzt” (Bischoff). — Wir beschränken uns auf eine nühere 
Prüfung der hauptsächlichsten von den angeregten Bedenken. Dass 
das Hauptthema des Gesanges frühzeitig abbreche, kann eigentlich 
nur behaupten, wer von vornherein mit der Vorstellung an die 
Untersuchung herangeht, dass er es mit einem Einzelliede zu thun 
habe, in welchem eben die Aristie des Agamemnon den Mittel- 
punkt der Handlung bilde; im Hinblick auf Zeus Absicht bei 
Leitung des Kampfes aber würde man den Raum, den Agamemnons 
Aristie einnimmt, eher zu gross bemessen finden können. Als eine 
einzelne Phase ferner in einem Kampfe, der doch einmal mit dem 
Unterliegen der Achaeer enden muss, kann der Heldenlauf Aga- 
memnons einen wesentlichen Einfluss auf den weiteren Verlauf an 
sich nicht haben; sofern er aber die Möglichkeit eines erfolg- 
reichen Widerstandes gegen die Troer erweist, kann man indirect 
demselben bei dem Widerstand des Odysseus und Diomedes eine 
Nackwirkung beilegen. Dagegen hat man an der dem Zeus zu- 
geschriebenen Thätigkeit bei der Leitung des Kampfes mit Recht 
Anstoss genommen. Es kommen zuerst die V. 163 ἢ, in ihrem 
Verhältniss zu der folgenden Sendung der Iris in Betracht. Erfolgt 
das Herabsteigen des Zeus auf den Ida und die sich daranschlies- 
sende Sendung der Iris passend auf dem Höhenpunkte von Aga- 
memnons Heldenlaufbahn, da die Troer Gefahr laufen bis unter 
die Mauer gedrängt zu werden, und ohne solches Eingreifen Aga- 
memnons Erfolge Zeus Absicht vereiteln würden, so ist die natür- 
lichste Voraussetzung, dass bis dahin Zeus nicht eingegriffen hat, 
Hektor im Kampfe thätig gewesen ist, aber Agamemnons Helden- 
lauf nicht ‚aufzuhalten vermocht hat. Die bestimmte Aufforderung, 
die jetzt an ihn ergeht, selbst sich ausser dem Bereich des Kampfes 
zu halten, lässt doch erwarten, dass er bislang dem Kampf nicht 
entzogen ist. Seltsamerweise würde aber Zeus jetzt dem Hektor 
durch Iris auftragen, was er schon 163 durch die eigne Einwir- 
kung auf denselben thatsächlich herbeigeführt hätte, kurz durch 
die Sendung der Iris werden die V. 163 ἔν, wie Bernhardy sagt, 
werthlos. Diese Verse würden nur an ihrer Stelle sein, wenn der 
Entführung des Hektor aus dem Kampfe durch Zeus unmittelbar 
die Sendung der Iris folgte und zwar an die Stelle, wohin Hektor 
durch Zeus Einwirkung geführt wäre, um ihn über Zeus Absicht 
aufzuklären. So aber können beide Erzählungen schwerlich neben 
einander bestehen. Beide sind aber an sich nicht ohne Anstoss. 


Kritischer und exegetischer Anhang. .. Einleitung. 53 


In V. 163 ἢ steht die Bedeutung von ὑπάγω — ὑπεέξάγω völlig 
isoliert da; auffallendi st ferner die Wortfülle zur Veranschaulichung 
des Schlachtgetümmels, wihrend doch ‘die gehäuften Bezeichnungen 
zusammen kein rechtes Bild geben’ (Düntzer). Noch verdüchtiger 
werden diese Verse, wenn ınan sie in dem Zusammenhange der 
sie umgebenden Verse näher betrachtet. Voran geht denselben 
eine durch einen Vergleich eingeleitete Schilderung der verheeren- 
den Wirkung von Agamemnons alles niederwerfendem Ansturm auf 
die flüchtigen Schaaren der Troer, ohne dass überhaupt von der 
Thütigkeit des Hektor im Kampfe die Rede gewesen; sodann folgt 
in V. 165 (= Π 372) ebenso unerwartet die im Wesentlichen 
aus 154 wiederholte Angabe, dass Agamemnon unter ermuntern- 
dem Zuruf an die Danaer gefolgt sei — man kann nur verstehen: 
dem Hektor — als ob dieser dem Agamemnon unmittelbar gegen- 
über gestanden hätte! Ueberdies zieht sich diese verwirrende Un- 
klarheit bei einer auffallenden Breite der Darstellung, welche 
Wiederholungen in nächster Nühe nicht vermeidet (vgl. 154. 165. 
168. 177 und 170 mit 181), weit in die folgende Partie hinein, 
so dass Düntzer nicht ohne Grund V. 163—180 als Interpolation 
verworfen hat, ebenso Giseke. Nach alledem ist die Ursprüng- 
lichkeit der Verse 168. 164 durchaus zu bezweifeln. Düntzer 
verwirft überdies 181—184 unter der Annahme, dass die ursprüng- 
liche Fassung durch ein Einschiebsel der Rhapsoden verdrängt sei. 
Ob es so ungeschickt sei, Zeus gerade in dem Augenblick, wo 
der Dichter ihn auf dem Ida haben muss, vom Olymp herab- 
steigen zu lassen, darüber wird sich rechten lassen. Dagegen ist zu- 
zugeben, dass es durchaus der homerischen Weise widerspricht, Zeus 
mit dem ruhenden Blitzstrahl in der Hand vorzuführen, was um so 
weniger hier passend erscheint, weil er im Verlauf des Gesanges 
davon gar keinen Gebrauch macht. Dass er mit dem Blitz bewaffnet 
herabfahre, weil er den Kampf gegen die widerstrebenden Götter 
erwarte, wie Kiene meint, ist doch durch nichts motiviert. 
Giseke schliesst in die vorher angenommene grössere Inter- 
polation auch die Sendung der Iris mit ein, indem er in 163—218 
einen lüngeren Cento sieht. Aber an sich scheint die Sendung der 
Iris doch der Situation angemessen, da diese Massregel die Her- 
stellung der Schlacht durch Hektor und die Verwirklichung von 
Zeus Absicht passend vorbereitet. Bedenken erregt dieselbe aber 
allerdings durch den Widerspruch, in dem die Anktindigung 193 f. 
mit Zeus Verheissung O 232 ἢ und dem späteren Verlauf der 
Dinge steht. Diese Schwierigkeit wird nicht beseitigt durch den 
Einwand Jacobs, dass es unangemessen wäre, wenn Zeus dem 
Hektor, der gerade jetzt seines vollen Muthes bedurfte, hätte 
sagen lassen, die Achaeer würden ihm nachher doch von Neuem 
Widerstand leisten: denn, wie Düntzer mit Recht dagegen be- 
merkt, ihm etwas versprechen, was nicht in Erfüllung geht, durfte 


54 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 


er um so weniger, als er ohne dieses Mittel sehr wohl den Muth 
Hektors anfeuern konnte. Ohne Zweifel liegt in der Botschaft der 
Iris der Hauptnachdruck auf der Bestimmung des Zeitpunktes, bis 
zu welchem Hektor sich vom Kampfe zurückhalten und von wel- 
chem sein Heldenlauf beginnen soll. Von besonderem Gewicht aber 
ist, dass Hektor 288 f. bei der Ermunterung der Troer einfach 
sagt, dass ihm Zeus Ruhm verliehen habe: “hätte Zeus ihm wirklich 
versprochen, er werde heute bis zu den Schiffen der Achaeer 
dringen, so konnte er dies unmöglich übergehen’ (Düntzer). 
Wenn wir daher die Verse 193. 194 auch P 454 f, — und zwar 
dort an passender Stelle — lesen, so liegt die von Lachmann 
aufgestellte und von Düntzer gebilligte Vermuthung sehr nahe, 
dass dieselben einen aus jener Stelle entnommenen falschen Zusatz 
bilden. Freilich ist diese Annahme nicht unbestritten. Köchly 
behauptet dagegen unter Zustimmung von Ribbeck, dass die 
beiden Verse vielmehr in P nicht an ihrer Stelle seien: ‘die Troer 
kämen von da gar nicht mehr bis an die Schiffe, sondern nur an 
den Graben, von wo sie Achilles verscheuche, und die Sonne werde 
erst von Here zur Ruhe geschickt, nachdem die Troer schon in 
die Flucht geschlagen und die Leiche des Patroklos ihnen abge- 
nommen sei” Er behält daher die Verse in der Botschaft der 
Iris bei und glaubt, dass der Schluss des Liedes, welches mit 
Untergang der Sonne endigte, durch die Sendung des Patroklos 
verdrängt sei. Indess scheinen die Widersprüche, welche Köchly 
zwischen P 454 f, und der folgenden Erzählung findet, nicht so 
erheblich, dass die Verse nicht für jene Stelle gedichtet sein kön- 
nen, die Annahme aber, dass der elfte Gesang ursprünglich mit 
Sonnenuntergang schloss, ist unerwiesen. Von anderer Seite be- 
streitet Cauer, welcher dieselbe Ansicht über den Abschluss des 
elften Gesanges aussprach, Lachmanns Annahme. Er findet in 
der Streichung beider Verse eine bedenkliche Verstümmelung 
des homerischen Gedankens, indem es nicht in der Art der epi- 
schen Rede sei, den Gedanken, auf den das ganze Gewicht falle, 
in vier Worten ohne rechte Bestimmtheit und in einem halben 
Verse auszudrücken, besonders nachdem der Vordersatz, der eine 
blosse Zeitbestimmung enthalte, in anderthalb Versen ausgeführt 
sei. Aber dass auf die Bestimmung, wie lange Hektors Sieg an- 
dauern solle, das ganze Gewicht falle, ist nach dem vorher Ge- 
sagten eben zu bestreiten; überdies ist 288 ausser Acht gelassen, 
die Frage endlich, ob die Worte τότε οἵ κράτος ἐγγυαλίξω einen 
genügenden Abschluss geben, kaum objectiv zu beantworten. Wer 
darin keinen genügenden Abschluss findet, mag mit Nitzsch V. 
193 erhalten und nur 194 als falschen Zusatz aus P 455 strei- 
chen: ‘es erfüllt sich die Bestimmung am Ende von M und zu 
Anfang von N.’ 

So würde durch die Streichung der V. 193. 194 oder doch 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 55 


des letzteren der Widerspruch mit der Erzählung der folgenden 
Gesänge beseitigt sein, nicht aber die bezeichneten Differenzen 
innerhalb des elften Gesanges selbst. Zunächst, dass Zeus trotz 
der Verheissung an Hektor 336 die Schlacht wieder gleich spannt. 
Nun sieht Bernhardy in 335—342 einen falschen Zusatz, 
Düntzer verwirft gar 328—342. Die wichtigsten Bedenken gegen 
den Zusammenhang sind, dass 343 αὐτούς (Diomedes und Odysseus) 
ohne rechte Beziehung ist, da unmittelbar vorher nur von Dio- 
medes die Rede ist, sodann, dass die verhergehende Verwundung 
des einen Agastrophos kaum ein genügendes Moment sei, um 
Hektors Aufmerksamkeit zu erregen und ihn zu veranlassen, sich 
gegen Diomedes zu wenden, während das 326 f. bezeichnete mör- 
derische Vordringen beider Helden eine weit geeignetere Ver- 
anlassung ergebe, Hektor herbeizuziehen, Allein, mag man auch 
335—342 oder 328—342 streichen, womit zugleich 368 und 
373—375 fallen müssten, thatsächlich ist Hektors und der Troer 
Uebergewicht gebrochen 326 f., thatsächlich das Gleichgewicht bei- 
der Parteien für einige Zeit hergestellt, und es wird durch die 
Streichung der Verse nur gewonnen, dass nicht direct auf Zeus 
zurückgeführt wird, was er doch geschehen lässt. Noch befrem- 
dender scheint der Widerspruch, in welchem die unmittelbar fol- 
gende Partie, wo Hektor durch Diomedes Speerwurf betäubt wird, 
mit der Verheissung des Zeus steht. Und doch, wo ist von Zeus 
dem Hektor verheissen, dass sein Siegeslauf ohne Zwischenfall, 
ohne Wendung des Kampfes sich vollziehen werde? Und sind nicht 
in der früheren Erzählung gentigende Gründe gegeben, welche 
einen solchen vorübergehenden Erfolg des Diomedes dem Hektor 
gegenüber vollständig motivieren? Man gedenke der Art, wie 
Diomedes im achten Gesange vor allen andern achaeischen Helden 
im Widerstande gegen Hektor einzig hervortritt, wie Hektors 
Hoffnungen und Befürchtungen für den Kampf des folgenden Tages 
sich wesentlich um Diomedes drehen, und man wird es genügend 
motiviert finden, dass der Dichter diesen Helden nicht vom Schau- 
platze abtreten lassen wollte, ohne einen besondern Erweis seines 
Muthes und seiner Kraft gegeben zu haben. Dabei ist aber wohl 
zu beachten, dass auch hier Hektors Furchtbarkeit besonders be- 
tont wird, wie der starke Ausdruck ῥίγησε 345 und die Aeusserung 
des Diomedes 347 beweist. 

In V. 540—544 sieht Nitzsch eine feine Rückbeziehung auf 
den Zweikampf des Hektor und Aias im siebenten Gesange: ‘So un- 
mittelbar wäre Hektor mit Aias nach der gegenseitigen Beschenkung 
(η΄ 287) jetzt zuerst wieder handgemein geworden. — So mochte 
Hektor d. h. liess der Dichter ihn nach einem gewissen Gefühl 
der Scheu die Waffen lieber gegen Andere kehren. — Aias aber 
musste seinerseits auch den Hektor drüben erscheinen und umher 
walten sehen; und die Anwandlung von Furcht vor Hektor war 


56 Kritischer und exegetischer Anhang. 4, Einleitung. 


es, welche Zeus verstärkte und damit that, wie es heisst, Zeus 
trieb den Aias zum Weichen.” So wäre die ganze Stelle, abge- 
sehen von dem schon von den Alexandrinern verworfenen und in 
den Handschriften gar nicht gelesenen V. 543, in bester Ordnung. 
Allein es ist mit Recht dagegen bemerkt, dass, wenn wir die von 
Nitzsch gemachten Voraussetzungen auch annehmen wollten, es 
gewiss nicht homerisch wäre, solchen Gedanken zu verschweigen 
(Curtius). Vor allem aber darf man fragen: wozu der ganze 
vielversprechende Apparat 521—539 (man beachte namentlich die 
‘hochtönende Beschreibung seiner Fahrt”, Giseke), wozu die Her- 
beiziehung des Hektor auf den von Aias bedrohten Punkt unter 
ausdrücklicher Betonung der von Aias drohenden Gefahr (526 fl.), 
wenn Hektor gerade den Kampf mit dem, auf dessen Besiegung 
alles ankommt, vermeidet? Diese Bedenken werden auch nicht 
beseitigt durch das, was Friedlaender gegen Lachmann be- 
merkt: ‘Die Voraussetzung, dass hier ein Kampf zwischen Hektor 
und Aias erfolgen müsse, wäre gerechtfertigt in einem Gedicht, 
das so kurz wie sein zehntes Lied und doch in sich abgeschlossen 
sein sollte. In einem lüngern, das auf diesen Kampf im freien 
Felde einen andern bei den Schiffen folgen st, ist sie nicht 
gerechtfertigt. — Hektor durfte der Dichter, Aias wollte er ver- 
muthlich nicht unterliegen lassen. Auch mussten beide unver- 
wundet bleiben, um den Kampf bei den Schiffen fortzusetzen.” 
Gegen das letztere ist von Ribbeck mit Recht geltend gemacht, 
dass ein Kampf ja nicht mit dem Unterliegen des einen von beiden 
hätte endigen müssen, selbst eine Verwundung nicht nothwendig 
gewesen wäre. Auch Hieckes Versuch, die Schwierigkeiten zu 
lösen, kann nicht befriedigen, da er in der That, so sehr er sich 
dagegen sträubt, in die Stelle hineinlegt, was aus derselben nicht 
zu entnehmen ist. Er sagt: ‘Auf dem Wege dahin mag Hektor 
immerhin den Vorsatz gehabt haben, sich mit Aias selbst zu 
messen; aber es giebt schon vorher mancherlei andere Kriegsarbeit, 
und je näher er dem furchtbaren Gegner kommt, desto mehr steigt 
unwillkürlich eine Bangigkeit und Scheu vor dem Kampfe gerade 
mit diesem Gegner in ihm auf.’ So scheint alles dahin zu drängen, 
dass wir mit Lachmann in 540—543 die Zuthat eines Inter- 
polators erkennen, welcher fühlte, dass hier ein Kampf zwischen 
Hektor und Aias hätte folgen müssen, der doch noch lange nicht 
kommt: “warum der Kampf zunächst unterbleibt, ist ganz klar: 
Aias vermeidet ihn’ (Ribbeck). Aber damit sind keineswegs alle 
Zweifel erledigt. Es bleibt das Auffallende, dass Zeus, der Hektor 
doch einmal κῦδος verliehen hat, hier an dessen Stelle eintritt, 
während alle Erwartungen auf eine That Hektors Aias gegenüber 
gespannt sind; und wenn wir auch annehmen wollten, dass mit 
V. 544 nur dem Zeus beigelegt werde, was die natürliche Folge 
von Hektors Herannahen sei, immer würde es nach dem Vorher- 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 57 


gehenden nicht wohl begreiflich sein, dass Hektor nicht sofort dem 
weichenden Aias nacheilt, um auch hier rasch die Entscheidung 
herbeizuführen. Von der Radicalkur Düntzers, der 521—543 
verwirft, sehen wir ab. 

Fassen wir das Resultat der vorhergehenden Ausführungen 
zusammen, so schwindet unter der Annahme, dass 163. 164 und 
in der Botschaft der Iris 193. 194 interpoliert sind, ein grosser 
Theil der Bedenken, welche gegen die Haltung des Zeus in der 
Leitung der Schlacht zu erheben waren. Lautet die Verheissung 
des Zeus an Hektor nur allgemein, dass er ihm, sobald Agamemnon 
verwundet den Kampf verlassen habe, χράτος verleihen wolle, so 
bleibt es dem Leiter der Schlacht unbenommen, einzelnen achaei- 
schen Helden einen vorübergehenden Erfolg zu gestatten, wie - 
Diomedes sogar gegen Hektor, ja selbst das Gleichgewicht im 
Kampfe vorübergehend herzustellen. Ein bedeutender Anstoss aber 
bleibt in dem Eingreifen des Zeus 544, zwar nicht an sich, aber 
im Zusammenhange mit der vorhergehenden Erzählung, welche die 
Erwartung durchaus auf eine That Hektors Aias gegenüber ge- 
spannt hat. 

Dieser Anstoss ist nun der eine Punkt, in ‚welchem Lach- 
mann einsetzt, um zu erweisen, dass die Schlachtbeschreibung des 
elften Gesanges ohne den nöthigen Abschluss sei, welchen er dann 
aus den Gesängen # und O zu gewinnen sucht. “Hektor, sagt 
derselbe, hat nach Agamemnons Abgang 284—309. 343—360 zu 
wenig gethan, um das Versprechen des Zeus 192 zu rechtfertigen. 
Aias auf der Flucht, oder thatenlos stehend, erregt Erwartungen 
eines Schlusses, der aber fehlt. Endlich war Menelaus als thätig 
angektindigt, er hat aber noch nichts gethan.” Und näher erläutert 
den ersten Punkt Ribbeck: “Was (540 bei Annäherung Hektors) 
erfolgen müsste, bliebe die Lage, wie sie ist, wird hinausgescho- 
ben durch Aias Flucht, die ein Ende hat 595.” — Auf Eurypylos 
Ruf eilen viele herbei, vgl. 592—595: ‘Jetzt haben wir ein Recht, 
von Hektor weiter hören zu wollen: grosse Erwartungen über ihn 
sind erregt, er ist der von Zeus begünstigte, und jetzt ist der 
Augenblick, da er etwas Entscheidendes thun kann. An diesem 
Knotenpunkt soll der Dichter abgebrochen haben, um auf Nestor 
und Machuaon zu kommen, die auf den Gang der Handlung gar 
keinen Einfluss üben oder mit ein paar Worten Achill zu berühren, 
der jetzt bereits die Griechen ihm zu Füssen sehe?” Weiter sagt 
derselbe über den Anschluss des zwölften Gesanges: “Der Anfang 
des M passt nicht (zu dem hier gerissenen Faden), denn dort 
brechen die Troer schon über den Graben, während die Kämpfe 
in A entweder, wenn sie in der Ebene zu denken sind, damit 
schliessen, dass die Achaeer noch weit vom Graben unter Aias 
Anführung den Troem Widerstand leisten, oder aber von keinem 
Graben etwas wissen, weil sie schon in der Nähe der Schiffe vor- 


58 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 


fallen’ Auch Cauer vermisst einen befriedigenden Abschluss des 
Kampfes und vermuthet, dass das Lied mit Sonnenuntergang schloss, 
und zwar so, wie es die Verheissung des Zeus (er verwirft 193. 
194 nicht) andeute, dass die Achaeer vollkommen zurückgeworfen, 
die Troer aber bei den Schiffen angelangt seien. In Folge der 
Einschiebung der Teichomachie aber wurde der Schluss weg- 
gelassen. 

Da, wo im zwölften Gesange die abgebrochene Erzählung von 
der Schlacht aufgenommen wird, ist die Lage der Dinge V. 2 fl. 
allgemein bezeichnet als ein heftiger Massenkampf mit dem Zusatz: 
“und nicht mehr sollte der Graben und die Mauer (die Troer) 
zurückhalten’, V. 35 ff. aber bereits als heisser Kampf um die 
Mauer, die Achaeer bei den Schiffen zusammengedrängt, Hektor 
am Graben die Seinen zum Ueberschreiten desselben ermunternd. 
Vergleichen wir damit die Situation in A, wo die Kampfbeschrei- 
bung abbricht, nach Aias Rückzuge 596: ‘So kämpften jene gleich 
dem flammenden Feuer”, so lässt sich nicht leugnen, dass zwischen 
beiden Punkten eine Lücke in der Erzählung ist. Auch der Ab- 
bruch der Erzählung in A hat etwas Unerwartetes. Nicht, dass 
Aias nicht bereits genug gethan hätte. “Jedenfalls ist es nicht ein 
Geringes, was Aias im elften Gesange leistet’ (Hiecke). Wohl 
aber kann man sagen, dass, nachdem Aias aus der Bedrängniss 
sich zu den Seinen gerettet und in der schützenden Nähe einer 
grösseren Anzahl von Genossen wieder Front gemacht hat, die 
Erwartung auf eine weitere Action desselben erregt ist. Aber auch 
auf eine Hauptaction (wie ein Kampf mit Hektor), wodurch noch 
ein entscheidendes Gewicht in die Wagschale gelegt werden könnte? 
Nach allem, was vorhergegangen, ist der Punkt, wo noch eine 
entscheidende Action zu erwarten wäre, vorüber. Auf der linken 
Seite der Schlacht sind seit der Verwundung Machaons die Achaeer 
im vollen Rückzuge begriffen; auf der anderen Seite ist durch 
Zeus Einwirkung Aias, der letzte Hort der Achaeer, der die Troer 
noch aufhalten konnte, unter schwerer Bedrängnis zurückgewichen, 
es ist schwer genug geworden, ihn zu retten. Wenn derselbe jetzt 
in die schützende Nähe der Seinen gelangt, wieder Front macht, 
so ist kaum mehr zu erwarten, als dass er vielleicht noch eine Zeit 
lang den Andrang der Troer aufzuhalten sucht. Das Uebergewicht 
der Troer auf allen Seiten der Schlacht ist mit Aias Rückzuge 
entschieden, die dem Schifislager drohende Gefahr wird dabei 
zweimal betont (557. 569), mit Recht sagt Cauer, dass die 
Schlachtbeschreibung da abbreche, wo die Niederlage der Achaeer 
bereits entschieden, aber von den Troemm noch nicht bis in die 
letzte Consequenz ausgebeutet sei. Danach ist auch klar, dass die 
oben statuierte Lücke in der That keine grosse ist. Und auch diese 
ist keineswegs unausgefüllt geblieben. Was nach dem vom Dichter 
erzählten Gange der Schlacht als letzte Consequenz zu erwarten 


Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung. 59 


ist, vernehmen wir aus dem Munde des Eurypylos, der zuletzt die 
Schlacht verlassen hat, 823. 824 vgl. 820: es giebt keine Rettung 
mehr für die Achaeer, sie werden den riesigen Hektor nicht mehr 
aufhalten können und in wilder Flucht in das Schiffslager stürzen. 

Müssen wir so bezweifeln, dass 596 der Punkt sei, wo noch 
eine Hauptaction, speciell ein Kampf zwischen Aias und Hektor 
zu erwarten sei, so bleibt doch ein Punkt in Lachmanns Aus- 
führungen zu Recht bestehen, wenn auch die daraus gezogene 
Folgerung zu verwerfen ist. Es scheint in der That begründet, 
dass Hektors Thaten der Verheissung des Zeus nicht entsprechen. 
Zwar wird derselbe nach Agamemnons Weggang zunächst durch 
eine Reihe der glünzendsten Thaten verherrlicht, 297 ff, aber von 
da an tritt er auffallend zurück, Nach dem misslungenen Angriff 
auf Diomedes, der dann durch Paris kampfunfähig gemacht wird, 
verrichtet er zwar auf der linken Seite der Schlacht μέρμερα ἔργα 
502, aber auch hier giebt die eigentliche Entscheidung Paris 504f.; 
wieder eilt er auf den Punkt, wo Aias die Troer bedrängt, und 
bringt arge Verwirrung unter die Achaeer, aber hier ist es Zeus, 
der durch Aias Schreckung die entscheidende Wendung herbei- 
führt, auch hier tritt Paris durch die Verwundung des Eurypylos 
fast mehr hervor als Hektor. Mit einem Wort: zwar ist die erste 
entscheidende Wendung des Kampfes zu Gunsten der Troer durch- 
aus das Werk des Hektor, aber an dem zweiten Umschwung, der 
die Schlacht überhaupt entscheidet, ist ihm ein verhältnissmässig 
nur karger Theil zugemessen. Schwerlich kann Hieckes Versuch, 
diese Bedenken zu beseitigen, befriedigen, wenn er sagt: “Und 
wenn dies (was Hektor 502. 508 und 540. 541 thut) für ein 
subjectives κράτος noch nicht ausreichend erscheinen sollte, so liegt 
doch jedenfalls in der Flucht des Aias ein objectives κράτος, und 
es wird dies um so mehr als das von Zeus durch Iris verheissene 
κράτος anzusehen sein, als es ja eben Zeus selbst ist, welcher den 
Aias zur Flucht treibt.” Es hilft auch nicht auf die im zwölften 
Gesange und weiterhin folgenden Thaten Hektors zu verweisen; 
wenn wir hier unter dem frischen Eindruck der dem Hektor ge- 
wordenen Verheissung des Zeus sehen, wie derselbe beinahe vor 
Paris zurücktritt, so sind wir gewiss berechtigt, daran Anstoss zu 
nehmen. Anders steht es mit Lachmanns Forderung, dass auch 
Menelaus in diesem Gesange noch weiter thätig sein müsse. In 
Wirklichkeit besteht die von Lachmann betonte Ankündigung 
seiner Thätigkeit “in nichts, als dass er Aias auffordert, dem 
Odysseus zu Hülfe zu kommen A 464. Dies geschieht, und er 
führt den Odysseus aus dem Getümmel an seinen Wagen 482. 
Der Anktindigung, wenn es eine ist, entspricht also der Erfolg’ 
(Friedlaender). Anspruch auf ein besonders glänzendes Hervor- 
treten hat Menelaos an sich nicht, am wenigsten neben Aias, auch 
ist die Erwartung eines solchen in keiner Weise erregt. 


60 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 


Wir sind von zwei Seiten auf einen Punkt geführt, welcher 
gerechten Anstoss zu erregen schien: sowohl die Untersuchung 
über das Verhalten des Zeus in der Leitung der Schlacht, als 
auch die über den Abschluss der Sehlachtbeschreibung ergab ein 
Zurücktreten Hektors, welches theils in dem unmittelbaren Zusam- 
menhange der Erzählung sehr auffällig, theils mit der Verheissung 
des Zeus im Widerspruch schien. Es zeigte sich dies Zurück- 
treten Hektors am auffälligsten Aias gegenüber, es beginnt das- 
selbe aber schon in der Rrzühlung von Machaons Verwundung. 
In dem Masse, als Hektor zurücktritt, wird Paris, der doch unter 
den troischen Führern im Eingang 57 ff. nicht einmal erwähnt ist, 
in den Vordergrund gestellt, indem er nach einander den Diomedes, 
Machaon, Eurypylos kampfunfähig macht: besonderes Bedenken 
erregt dabei, dass er diese Wirkungen in rascher Folge auf den 
entgegengesetzten Seiten des Schlachtfeldes erzielt (Lachmann) 
Es ist in Bezug darauf von Jacob geltend gemacht, dass Pa 
als leichter Bogenschütz, sehr wohl in derselben auf einen nicht 
weiten Raum zusammengedrängten Schlacht von einer Stelle zur 
andern eilen konnte, wo er eben ein würdiges Ziel für sein Ge- 
schoss erspäht hatte. In der That liegt zwischen den einzelnen 
Acten genug Handlung, um das Bedenken wegen der räumlichen 
Entfernung nieht zu gross anzuschlagen, aber dass es gerade Paris 
ist, der hier überall die Entscheidung giebt, ist nicht ohne Anstoss, 
und auch Friedlaender, der doch Lachmanns Ausführungen be- 
kämpft, theilt denselben. So concentriren sich die Hauptschwierig- 
keiten und Bedenken, welche die Schlachtbeschreibung erregt, vor- 
zugsweise um die letzten Partien derselben, wo die Anknüpfung 
der Sendung des Patroklos vorbereitet wird. 

Im Besonderen sind nun gegen die Erzühlung von der Ver- 
wundung und Entfernung des Machaon folgende Bedenken erhoben. 
Schon in der Einleitung derselben findet Lachmann auffallende 
Differenzen mit der folgenden Erzählung, so in den localen Be- 
stimmungen 498 μάχης ἐπ’ ἀριστερὰ und 524 ἐσχατιῇ πολέμοιο und 
den Angaben 499 f. und 528, ferner nimmt derselbe Anstoss an 
der Erwähnung des Idomeneus und Nestor 501, denn ‘dies Lied 
nennt die Helden nur, wenn sie thätig sind’, sowie dass Machaon 
und Nestor die Schlacht verlassen, ohne etwas Namhaftes gethan 
zu haben. Auch Bergk urtheilt, dass Idomeneus hier von dem 
Diaskeuasten eingeführt sei und den Namen eines anderen Heros 
verdrängt habe. Weiter nimmt Cauer Anstoss an der Motivierung 
und der Art und Weise, wie Machaon aus dem Kampfe entfernt 
wird. Motiviert wird seine Entfernung 509. 514 durch die Be- 
sorgniss, er möchte, da die Schlacht sich gewendet, in die Hände 
der Troer fallen: Cauer scheint die Sorge viel natürlicher, er 
möchte durch seine Wunde, wenn nicht für immer, doch für lange 
Zeit unfthig werden, seine Kunst zu üben, um so mehr, als der 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 61 


Pfeil die rechte Schulter getroffen, also ohne Zweifel den rechten 
Arm gelihmt hatte. Die Wegführung des Machaon aus der Schlacht 
übernimmt auf Idomeneus Rath Nestor: Cauer meint: ein Ge- 
vingerer wie Nestor hätte diesen Dienst ebenso gut, ein Jüngerer 
ihn jedenfalls besser leisten können. Dass Idomeneus den Nestor 
förmlich aus dem Kampfe fortschickt, lediglich um den verwun- 
deten Machaon zu retten, scheint ihm nicht recht schicklich. Die 
letzteren Bedenken stehen im engen Zusammenhange — und sind 
auch nur in diesem verständlich — mit der von Hermann auf- 
gestellten Vermuthung, dass die Erzählung von Machaon in den 
Zusammenhang der 496 endenden Schlacht mit Agamemnons Aristie 
ursprünglich nicht gehöre, sondern in den Anfang eines neuen 
Liedes, welches 498 beginnend seinen Hauptkern in II habe, in 
welchem aber Machaon gar nicht verwundet gewesen sei, sondern 
lediglich als Arzt mit Nestor aus der Schlacht zurückkehrte. Die 
dafür von Hermann geltend gemachten Gründe liegen nicht 
in der Erzählung selbst, sondern in dem Verhältniss der weiteren 
Erzählung zu dieser: Machaons Verwundung wird nur vorübergehend 
erwähnt A 649. 663 ἢ, aber weder & 1—8, noch I125—27, wo 
man eine solche nothwendig erwarten müsste. Ferner ist das 
ganze weitere Verhalten desselben nicht das eines Verwundeten, 
sondern das eines Gesunden: in Nestors Zelt thut er nicht nur 
nichts zur Heilung seiner Wunde, sondern trinkt gar den erhitzen- 
den Mischtrank. Diesen Ausführungen schliesst sich Cauer an, 
indem er zu zeigen sucht, dass der ganze Zusammenhang der Er- 
zählung von Machaon wesentlich gewinne, wenn wir die Erwähnung 
der Verwundung hinwegdenken. 

Dass Eurypylos lediglich verwundet wird, damit Patroklos 
hernach im Lager mit ihm zusammentreffen und durch ihn über 
die verzweifelte Lage der Achaeer unterrichtet werden könne, liegt 
auf der Hand. Besondere Bedenken knüpfen sich an die Erzählung 
von seiner Verwundung an sich nicht, abgesehen davon, dass es 
auch hier wieder Paris ist, der sie bewirkt. Düntzer freilich 
findet die ganze Darstellung wunderlich und macht noch besonders 
geltend, dass, da diese Verwundung den weiteren Fortschritt der 
Schlacht bezeichnen sollte, sie unmöglich vorher beschrieben sein 
konnte. 

Die bezeichneten Bedenken gegen die Partieen, welche die 
Sendung des Patroklos vorbereiten, haben zum Theil eine nur 
relative Bedeutung, manche derselben, namentlich der von Lach- 
mann erhobenen, sind von vornherein zurückzuweisen. Vor allem 
kommt es darauf an, ob es gelingt, die Sendung des Patroklos 
an sich und im Zusammenhang mit den folgenden Gesüngen zu 
rechtfertigen oder ob es unmöglich ist, dieselbe mit einem einheit- 
lichen Plan der Dichtung zu vereinigen. 

Der Schwerpunkt der gegen die Sendung des Patroklos er- 


62 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 


hobenen Bedenken liegt in dem Verhältniss derselben theils zu 
dem Anfang des sechszehnten Gesanges, theils zu dem vorher- 
gehenden neunten; aber auch die Erzählung im elften Gesange 
selbst giebt nach ihrem Zusammenhange und in Einzelheiten Anlass 
zu mannigfachem Anstoss. Im elften Gesange sendet Achill, von 
seinem Schiff aus die Rückkehr des Nestor mit dem verwundeten 
Machaon gewahrend, Patroklos zu Nestor, um zu erfahren, wer 
der Verwundete sei und giebt damit, wenn gleich nicht ohne das 
Gefühl der Befriedigung über die schwere Bedrängniss der Achaeer, 
das erste Zeichen seiner erwachenden Theilnahme kund. Im Anfang 
des sechszehnten Gesanges tritt Patroklos, von jenem Gange zu- 
rückkehrend, heftig weinend zu Achill, worauf dieser ihn nach der 
Ursache seiner Thränen befragend, zuerst die Vermuthung aus- 
spricht, dass er eine für die Myrmidonen oder für ihn selbst 
traurige Botschaft bringe und zuletzt erst auf den Gedanken 
kommt, dass das Mitleid über die Noth der Achaeer die Ursache 
seiner Thrünen sei. Patroklos sucht dann auf Grund des von 
Nestor und Eurypylos Vernommenen (die Verwundung der Haupt- 
helden, unter denen Eurypylos, aber nicht Machaon genannt wird) 
nach Nestors Mahnung Achill zu bewegen, selbst in den Kampf 
einzutreten oder doch ihn in den Kampf zu senden. Zweierlei muss 
in diesem Gange der Erzühlung auf das Höchste befremden: ein- 
mal, dass Patroklos sowohl wie Achill den Auftrag, den letzterer 
jenem bei der Sendung zu Nestor ertheilte, völlig vergessen haben 
und Achill erst zuletzt der Bedrängniss der Achaeer gedenkt, so- 
dann, dass Patroklos alles, was seit seiner Sendung zu Nestor 
geschehen ist, die Erstürmung der Mauer, den Kampf bei den 
Schiffen und die Bedrohung dieser selbst völlig ignoriert und nur 
die Verwundung der Haupthelden, die bereits in der Schlacht in 
der Ebene erfolgt war, erwähnt. Indem Cauer aus den Fragen, die 
der Dichter XVI, 7 fl. den Achill an Patroklos richten lässt, folgert, 
dass derselbe damit nichts anderes habe zu erkennen geben wollen, 
als gerade dass dem Helden alles eher am Herzen liege, als das 
Schicksal der Achaeer, formuliert er jene erste Differenz so: ‘Die 
Intention des Dichters des 16. Buches ist offenbar, recht lebendig 
hervortreten zu lassen, dass die Initiative des Handelns ganz und 
gar auf Seiten des Patroklos liegt. Im 11. Buche fällt sie dagegen 
dem Achill zu. 

Eine andere schwer wiegende Differenz besteht zwischen der 
Sendung des Patroklos und dem neunten Gesange. V. 609 f. leitet 
Achill seinen Auftrag an Patroklos mit den Worten ein: 

νῦν ὀίω περὶ γούνατ᾽ ἐμὰ στήσεσϑαι ᾿Ζχαιοὺς 
λισσομένους" 

So kann Achill unmöglich sprechen, nachdem bereits in der 
vorhergehenden Nacht die Gesandten Agamemnons unter dem An- 
erbieten reicher Sühngaben seine Hülfe angefleht haben. 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 63 


In der Scene in Nestors Zelt ist es besonders die Rede 
Nestors, welche zu mannigfachen Ausstellungen Anlass giebt. 
Dass die langathmige, an Verworrenheit leidende Erzählung von 
seinen eigenen Jugendthaten 668—-762 eine ungehörige Interpo- 
lation bilde, ist jetzt fast allgemein anerkannt. Aber auch der 
Eingang der Rede leidet an Schwierigkeiten. So findet Cauer 
einen augenfälligen Widerspruch zwischen 656 und 665: “dort 
wundert sich Nestor, dass Achill Mitleid mit den Achaeern em- 
pfinde, hier beklagt er sich, dass Achill kein Erbarmen habe.’ 
Ueberhaupt scheint ihm Nestors Rede keineswegs ursprünglich für 
die Situation gedichtet zu sein, auf die sie gegenwärtig bezogen 
erscheint, vielmehr in einer viel allgemeineren Tendenz. Von ge- 
vingerer Bedeutung ist der Widerspruch zwischen 767—785 und 
1 252—259. 

Endlich ist das Verhalten des Patroklos dem’Eurypylos gegen- 
über stark angefochten. Derselbe Patroklos, welcher eben in Ne- 
stors Zelt so eilig war, dass er sich weigerte auch nur Platz zu 
nehmen, führt, da er auf dem Rückwege den verwundeten Eury- 
pylos trifft, diesen auf seine Bitte nicht nur in sein Zelt und be- 
handelt seine Wunde, sondern bleibt auch, nachdem für die Wunde 
alles Nöthige gethan ist, in traulichem Gespräch bei ihm, ‘so 
lange als der Kampf um die Mauer dauert’, Ὁ 390 ἢ. Erst “als 
er merkt, dass die Troer gegen die Mauer anstürmen’, bricht er 
auf, aber erst im Anfange des 16. Gesanges tritt er vor Achill. 
Die innere Unwahrscheinlichkeit dieser Erzählung liegt auf der 
Hand. Ist es psychologisch zu rechtfertigen, dass Patroklos über 
dem Mitleid mit Eurypylos die sich steigernden Motive, die ihn 
zu’ schneller Rückkehr bestimmen sollten, gänzlich vergisst? seine 
von ihm selbst betonte Scheu vor Achill, Nestors dringende Mah- 
nung, die nach Eurypylos Bericht zunehmende Bedrängniss der 
Achaeer? Und nun gar die Erstreckung dieses Aufenthaltes bei 
Eurypylos bis O 390, da doch bereits am Ende des elften Ge- 
sanges das Blut der Wunde gestillt ist, die Schmerzen nachgelas- 
sen haben! Ebenso anstössig ist die Unklarheit der O 390 ff. für 
die Dauer seines Aufenthaltes bei Eurypylos gegebenen Zeit- 
bestimmungen, wo τεῖχος ἐπεσσυμένους 395 nicht den nothwendigen 
Gegensatz zu τείχεος ἀμφεμάχοντο 391 bildet, vielmehr eine Wen- 
dung wie 384 zu erwarten wäre, vor allem aber das Missverhältniss 
dieser Bestimmungen zu den in den Büchern M bis O erzählten 
Ereignissen. Ist mit dem τείχεος ἀμφιμάχεσϑαι der Kampf des zwöll- 
ten Buches gemeint, ‘wie kommt es, dass im 15. Buch noch einmal 
darauf Bezug genommen wird, nachdem der ganze Wechsel des Ge- 
schicks dazwischen liegt, den Poseidon herbeigeführt hat?’ (Cauer). 

Wir gehen bei der näheren Prüfung dieser zahlreichen gegen 
die Sendung des Patroklos erhobenen Bedenken von dem Angel- 
punkt der ganzen Frage aus, dem Verhältnis derselben zu dem 


64 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 


Anfange des sechszehnten Gesanges. Die eine Differenz, dass der 
von Achill dem Patroklos ertheilte Auftrag, sich nach dem mit 
Nestor aus der Schlacht zurückgekehrten Verwundeten zu erkun- 
digen, sowohl von Achill, wie von Patroklos gänzlich ignoriert wird, 
lässt sich, wie es scheint, befriedigend lösen. Einmal darf man 
wohl mit Schneidewin sagen, dass die Verwundung des Machaon 
und Achilleus Erkundigung durch Patroklos an sich unwesentlich 
sind und deshalb leicht behandelt werden: ‘es kam dem Dichter 
nur darauf an den Achilleus wieder hervortreten und den Patroklos 
auf irgend eine schickliche Weise zum Nestor kommen zu lassen.” 
Sodann scheinen in den seit der Absendung des Patroklos wesent- 
lich veränderten Verhältnissen genügende Gründe zu liegen, um 
die Ignorierung jenes Auftrages zu rechtfertigen. Es ist gewiss 
psychologisch zu begreifen, dass Patroklos unter den tiefen Ein- 
drücken, welche die Schilderung der Noth der Achaeer und die 
Mahnungen Nestors, wie Eurypylos Bericht in ihm zurückgelassen 
haben, sodann in Folge der unmittelbaren eiguen Rrkenntniss der 
steigenden Bedrängniss bei seiner Rückkehr keinen anderen Ge- 
danken hat, als Nestors Mahnung nachzukommen und mit drin- 
gender Vorstellung Achill zur Aufnahme des Kampfes zu bewegen, 
und darüber Achills Auftrag vergisst. Und andrerseits Achill, sollte 
er, wie er den Freund ganz in Thränen aufgelöst sieht, an jenen 
Auftrag denken und nach der Erledigung desselben fragen? In 
der That, in dieser Situation ist dafür kein Raum. So weit wird 
man ohne Bedenken Schneidewin, Nitzsch, Düntzer zustimmen 
können. Anders steht es mit der Nichterwähnung des Machaon 
unter den Verwundeten IT 23 ff. Allerdings gehört dieser nicht 
zu den hervorragenden Helden, wie Agamemnon, Diomedes, Odys- 
seus, und insofern könnte seine Erwähnung unwesentlich schei- 
nen. Aber Gleiches gilt von Eurypylos, der genannt wird. Und 
doch hatte Patroklos Grund genug, Machaon zu erwähnen! Gesucht 
scheint die Art, wie Schneidewin die Uebergehung desselben 
erklärt: “Allerdings schweigt Patroklos von Machaon, um nicht an 
Nestor zu erinnern; er umgeht Machaons Erwähnung, um dadurch 
nicht dem Achilles Nestors Aufforderung zum Kampfe zu ver- 
rathen’ und weiter: “Das Schweigen von Machaon ist um so we- 
niger befremälich, je weiter die zwischen Patroklos Absendung und 
Rückkunft zum Achilleus eingelegten Erzählungen von den Kämpfen 
ausgeführt sind.’ Und doch stellt sich Patroklos bei seiner Schil- 
derung der Noth der Achaeer gerade auf den Standpunkt der 
durch die Ereignisse des elften Gesanges herbeigeführten Situation, 
wie sie ihm durch Nestor kundgeworden ist! Sowohl durch diesen 
Zusammenhang, wie durch die 28 f. folgende Erwähnung der Thä- 
tigkeit der Aerzte musste Patroklos unwillkürlich auf Machaon 
geführt werden. Die Annahme jener diplomatischen Absichtlichkeit 
aber in dem Schweigen von Machaon stimmt wenig zu der leiden- 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 65 


schaftlichen Erregung, in welcher Patroklos tiefer Schmerz hervor- 
bricht, überdies wusste Achill ja ohnehin, dass Patroklos von 
Nestor kam, da er ihn selbst zu ihm geschickt hatte. Nicht so 
sicher, wie Cauer will, lässt sich aus der Folge der Fragen, welche 
Achill an Patroklos richtet, der Schluss ziehen, dass hier die Ten- 
denz des Dichters eine ganz andere sei, als im elften Gesange. 
Wenn Achill durch die Sendung des Patroklos das erste Zeichen 
seiner erwachenden Theilnahme kundgiebt, so geschieht es nicht 
ohne das Gefühl hoher Befriedigung, dass die steigende Noth der 
Achaeer ihm die ersehnte Genugthuung bringen soll, nicht ohne 
eine gewisse Schadenfreude. Im Anfang des sechszehnten Gesanges 
aber ist der Ausgangspunkt für Achills Fragen der Anblick des 
heftig weinenden Freundes und die dadurch in ihm erregte innige 
persönliche Theilnahme für den Freund, die sich in dem Ver- 
gleich ΠΟ 7—11 so rührend ausspricht. Diese “treibt, kann man 
sagen, naturgemäss zunlichst den Gedanken hervor, dass irgend 
ein schmerzliches Ereigniss ihn selbst oder die ihm zunächst ste- 
henden Freunde betroffen habe. Immerhin kann, wenn auch ein 
Keim des Mitleids mit dem Geschick der Achaeer in Achills Seele 
hervorgebrochen ist, ihm der Gedanke noch fern liegen, solchen 
heftigen Schmerzensausbruch mit der Noth der Achaeer in Ver- 
bindung zu bringen. Für den, der noch vor wenigen Stunden 
(I 615) von dem Freunde forderte: κάλον τοι σὺν ἐμοὶ τὸν κήδειν, 
ὅς κ' ἐμὲ κήδῃ scheint es natürlich, dass er sich nicht wohl vor- 
stellen kann, dass Patroklos so tiefen Schmerz um das Geschick 
der Achaeer empfinde, worauf auch das ὑπερβασίης ἕνεκα σφῆς 
II 17 weist. Erst Patroklos’ scharfe Mahnung weckt in Achills 
Seele das volle Mitgefühl mit den Achaeern. Gleichwohl muss 
man zugeben, dass für den Achill, welcher Patroklos vorher den 
Auftrag ertheilt hatte, sich nach einem Verwundeten zu erkundi- 
gen, der Gedanke an die Noth der Achaeer nicht so fern liegen 
sollte, wie es hier scheint. Legen wir aber auch darauf kein 
Gewicht, so bleibt doch das Unbegreifliche der Uebergehung des 
Machaon in einem Bericht, der die Erwähnung so nahe legte, 
sodann der von den Verfechtern der Einheit auffallender Weise 
ganz unbeachtet gelassene Anstoss, dass Patroklos bei seiner Schil- 
derung der Noth der Achaeer lediglich die bereits im elften Ge- 
sange erfolgte Verwundung der Haupthelden erwähnt, und alles, 
was inzwischen geschehen ist, völlig ignoriert, ein Anstoss, den zu be- 
seitigen nicht wohl gelingen dürfte. Beide Momente aber ergeben einen 
seltsamen Widerspruch: das letztere scheint den unmittelbaren An- 
schluss des sechszehnten Gesanges an den elften nothwendig zu fordern, 
das erste einem solchen zu widerstreben. Mit jenem hängen wiederum 
die von Cauer ausgesprochenen wohlbegründeten Bedenken zusammen 
gegen die Partie, welche die Verbindung zwischen der Sendung des Pa- 
troklos und dem Anfang des sechszehnten Gesanges verstellt, 0390 fi. 


Ameis, Anhang zur Ilias. 


66 "Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung. 


Lässt sich nun mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass der 
Anfang des sechszehnten Gesanges, wo der entscheidende Wende- 
punkt in der epischen Handlung eintritt, abgesehen von einzelnen 
Erweiterungen in dem wsprünglichen Plane der Dichtung seine 
feste Stelle hat, so wird von hieraus die Sendung des Patroklos 
im elften Gesange allerdings wesentlich erschüttert. Dazu kom- 
men die Bedenken, welche dieselbe sonst hervorruft. Vor allem 
der Widerspruch, in welchem Achills Worte A 609 f. mit der 
vorangegangenen Presbeia stehen. Zwar hat es nicht an Versuchen 
gefehlt, dieselben zu rechtfertigen. So will Nitzsch das νῦν 
scharf betont wissen und verstehen: jetzt erst; recht: ‘wie man 
durch so ein betontes Jetzt im Sinze eine Vergleichung des vor- 
liegenden mit einem früheren vollzieht”, und ähnlich meint Kiene, 
dass Achill gerade in Folge der Presbeia um so eher erneuerte 
und dringendere Bitten erwarten konnte, wenn noch grösseres Un- 
heil über sie hereinbreche, nachdem sie sich einmal dazu ver- 
standen hatten. “In der Lage ruhiger Erwägung, dass auch die 
Ehre anderer eine zu tiefe Demüthigung nicht gestatte, war er 
damals noch nicht” Und Nutzhorn muthet uns gar zu zu glau- 
ben, der Dichter stelle sich den Achill vor, als übersähe er in 
seiner Leidenschaft ganz und gar, dass Agamemnon sich ge- 
demüthigt hat. Liesse sich letztere Erklärung vielleicht noch auf 
Π 72 £. anwenden, so ist sie doch hier unhaltbar, wo nicht von 
der Gesinnung des Agamemnon oder der Achaeer die Rede ist, 
sondern von einer Handlung, einer Thatsache, die auch die Lei- 
denschaft nicht ignorieren kann, wenn sie auch den Werth und die 
Bedeutung derselben ignorieren könnte. Ebenso unhaltbar ist aber 
Nitzsch’s Ausdeutung des vöv. Dieselbe würde vernünftiger Weise 
nur dann möglich sein, wenn in den folgenden Worten eine Stei- 
gerung dessen, was der Redende vergleichend im Sinne hat, ent- 
halten wäre. Eine solche kann aber weder ‘in dem allgemeinen 
᾿Αχαιούς der Thatsache gegenüber, dass die edelsten Fürsten von 
Agamemnon an ihn gesandt waren, noch in der Wendung περὲ 
γούνατ᾽ ἐμὰ στήσεσθαι λισσομένους gefunden werden, welche über- 
dies im homerischen Sprachgebrauch vereinzelt dasteht und durch 
ihre Seltsamkeit befremdet. Es bleibt in der That kein anderer 
Ausweg, als entweder die Presbeia als ausserhalb des ursprüng- 
lichen Planes der Dichtung stehend zu verwerfen oder die Ur- 
sprünglichkeit dieser Worte zu bezweifeln. Nach den in der Ein- 
leitung zum neunten Gesange gegebenen Ausführungen halten wir 
die Presbeia für ursprünglich: mithin kann die Aeusserung Achills 
im elften Gesange für uns nicht bestehen. 

Auch die Differenzen innerhalb ‘der Erzählung von der Sen- 
dung des Patroklos selbst und der sie vorbereitenden Partien sind 
zum Theil nicht ohne Gewicht. In der Darstellung der Verwun- 
dung des Machaon nehme ich vor allem Anstoss an der Ver- 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 67 


knüpfung derselben mit dem Gange und der Entwicklung der 
Schlacht. Zwar sind die meisten der von Lachmann erhobenen 
Bedenken von geringerem oder gar keinem Gewicht, aber dass von 
Machaons Verwundung die Entscheidung der ganzen Schlacht auf 
dieser (linken) Seite abhängig gemacht wird, während die als 
Hauptführer genannten Tdomeneus und Nestor ganz zurücktreten, 
scheint doch nicht minder, wie die wiederholte Verwendung des 
Paris, das Ungeschick eines Dichters zu verrathen, der um die 
Verkntipfung der Sendung des Patroklos mit der Schlachtbeschrei- 
bung verlegen war. Dazu kommen in V. 501—503 mehrere ver- 
einzelte und auffallende Ausdrucksweisen, welche gerechten An- 
stoss erregen, wesnalb Düntzer die Verse verworfen hat. Da 
Machaon zunächst 506 durch ἀριστεύοντα als Kriegsheld eingeführt 
ist, so kann die Motivierung seiner Entfernung durch die Besorg- 
niss, dass er bei der bereits eingetretenen Wendung der Schlacht 
als Verwundeter den Feinden erliegen möge, nicht befremden. 
Auch dass Nestor von Idomeneus aufgefordert wird, den verwun- 
deten Machaon aus dem Kampf zu bringen, hat nichts so Auf- 
fallendes, da Nestor wohl am ersten entbehrt werden konnte. Viel 
auffallender würde es dagegen sein, wie Düntzer mit Recht be- 
merkt, wenn, wie Cauer annimmt, Machaon gar nicht verwundet 
wäre und Nestor nur um seiner selbst willen zum Verlassen der 
Schlacht aufgefordert würde und nur nebenbei Bedacht genommen 
würde, auch Machaon der dringender gewordenen Gefahr zu ent- 
ziehen. Im Gegensatz zu Hermann und Cauer nimmt Düntzer 
geradezu an, dass Machaon hier, ganz anders als in 4, gar nicht 
als Arzt gedacht sei und verwirft 508 f. und 514. 

Ueber die Nichtbeachtung der Wunde des Machaon im Schluss 
des elften Gesanges gehen die Vertreter der Einheit leicht hin- 
weg. Es genügt ihnen, dass diese Verwundung für den Dichter 
eine unwesentliche Nebensache sei, die deshalb leicht behandelt 
werde; eine diätetische Vorsorge sei bei Homers Helden übel an- 
gebracht; Homer muthe seinen Helden als Heroen einer alten 
kräftigen Zeit viele übermenschliche Anstrengungen zu und lasse 
sie manches ertragen, was er wohl den gewöhnlichen Menschen 
seiner Zeit nicht zumuthen würde; die Verwundung sei unbe- 
deutend; Machaon werde als Arzt schon für die Heilung seiner 
Wunde gesorgt haben. Insbesondere sagt Schneidewin: “Gerade 
das aber, dass Nestor den Machaon nicht eben als Verwundeten 
behandelt — weshalb von der Wunde wenig die Rede ist —, 
dass er Idomeneus’ Aufforderung zu Folge ihn bereitwillig aus dem 
Kampfe führt, dass er die Rosse schneller antreibt, auf dass 
Achilleus den Machaon nicht genau erkenne (vgl. 615): ist der 
sicherste Beweis, dass der Dichter-bei der Verwundung des Machaon 
nur künstlerischen Rücksichten folgte” Allein ein solcher 
Verweis auf die höheren künstlerischen Rücksichten ist gerade hier 

δ᾽ 


68 Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung. 


um so weniger überzeugend, als der Dichter sich die Zeit nimmt, 
gerade die leibliche Erquickung der Helden ausführlich zu be- 
schreiben. In der That ist es schwer die Vernachlässigung der 
Wunde mit der sonst überall im Epos hervortretenden treuen 
Beobachtung der Natur und des Lebens zu vereinigen; zugeben 
mag man, dass in dem Mischtrank die Kraft des Weines durch 
die Zuthaten gemässigt war. 

Die Eurypylosscene ist an und für sich gewiss treffend er- 
funden. “Nestors Schilderung von der Noth der Achaeer bewahr- 
heitet sich unmittelbar am Eurypylos’ (Schneidewin). Der un- 
mittelbare Anblick des hinkenden, schweisstriefenden, blutenden 
Helden, sein Bericht vom Stande der Schlacht, dass die Achaeer 
nichts mehr retten kann, erhöht und verstärkt den Eindruck von 
Nestors Mahnungen und bereitet Patroklos’ späteres Auftreten passend 
vor. Im Zusammenhang des elften Gesanges ferner, wie wir ihn vor 
uns haben, ist die Scene fast unentbehrlich, weil durch jenen Be- 
richt des Eurypylos über den Stand der Schlacht allein die Lücke 
zwischen A596 und dem Anfang des zwölften Gesanges ausgefüllt 
wird. Endlich dient die Scene zur Charakterisierung des Patroklos, 
von dem wir bis dahin noch so wenig gehört haben: gerade hier, 
wo derselbe so bald nach ruhmreichem Kampfe fallen soll, scheinen 
solche Züge edler Gesinnung besonders an der Stelle, um unsere 
Theilnahme für denselben zu erhöhen (Nutzhorn). Gleichwohl 
ist es schwer sich über die Bedenken hinwegzusetzen, welche der 
Zusammenhang dieser Scene mit der vorhergehenden bei Nestor, 
sowie mit der folgenden Entwicklung ergibt. Es ist bemerkens- 
werth, dass Kiene das lange Verweilen des Patroklos bei Eury- 
pylos nur durch den Eindruck von Nestors Erzählung 666—762 
glaubt motivieren zu können. Denn er verwirft die Athetese jener 
Erzählung ausser anderen Gründen auch darum, ‘weil nur so die 
Umwandlung seines Gemüths sich rechtfertigt, dass er bei dem 
Zusammentreffen mit dem verwundeten Eurypylos nicht mehr des 
wartenden Freundes gedenkt, sondern nur der Leiden der Achaeer 
und des Aufschubs, welcher für den Versuch zur Rettung veran- 
lasst wird’ Nitzsch findet das Verweilen des Patroklos bei Eu- 
typylos doppelt motiviert, einmal durch die Schwere der Verwun- 
dung (811 ff.), sodann durch Eurypylos’ Bericht, wonach die Sache 
so eben auf einem Punkte der Entscheidung und gespannten Er- 
wartung stehe: so lange als dieser Stand noch obschwebt d. h. 
der Kampf noch vor und bei der Mauer fern von dem Schiffs- 
lager geführt wurde, mochte der Heilkundige dem Verwundeten 
Heilmittel und Ansprache widmen. Die Ausdehnung dieses Auf- 
enthaltes aber bis zu dem O 395 bezeichneten Zeitpunkte erklärt 
er damit, dass Patroklos, mit Eurypylos beschäftigt, alle jene in 
Μ--Ο erzählten Vorgänge nicht beobachtet noch gesehen. “Patro- 
klos und Homer, sagt Nutzhorn, haben denselben Fehler: sie 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen. 69 


sind immer wie Kinder und vergessen über das Nähere das Fer- 
nere’, und Schneidewin bemerkt: ‘Mag es auffallend sein, dass 
Patroklos trotz seiner Hast so spät zurückkehrt und nun seinen 
Auftrag vergessen zu haben scheint: alle alte Poesie und vornäm- 
lich die Epik verfolgt die Idee, die das Ganze als Kunstwerk 
durchdringt, und opfert der Durchführung derselben oft die Pro- 
babilität der Handlungen.” Mir scheinen solche Versuche der Recht- 
fertigung gerade nicht geeignet, dem Genius Homers gerecht zu 
werden. Wohl darf man vielleicht zugeben, dass die lebhafte 
Theilnahme mit dem hülflosen Freunde noch genüge zu motivieren, 
dass Patroklos trotz des Vorhergegangenen sich entschliesst den- 
selben in sein Zelt zu geleiten und seine Wunde zu besorgen, und 
soweit mag Nutzhorn’s Ausspruch berechtigt sein. Aber der 
Aufenthalt bei ihm darüber hinaus lässt sich gewiss nicht recht- 
fertigen. Es handelt sich dabei auch nicht um die Durchführung 
einer das Ganze durchdringenden Idee, sondern es liegt ein Fehler 
der Composition vor, den man homerischer Kunst nicht aufbür- 
den darf. 

Wir haben die wesentlichsten Anstösse, welche der elfte Ge- 
sang bietet, verfolgt und auf ihre wahre Bedeutung zurückzuführen 
gesucht. In den vorderen Partien der Schlachtbeschreibung ge- 
nügte die Annahme einiger Interpolationen (163. 164 und 193. 
194 = 208. 209), um die an die Sendung der Iris sich knüpfen- 
den Bedenken zu beseitigen. Die Anstösse häuften sich, je mehr 
die Erzählung sich dem Punkte näherte, wo die Schlacht endgültig 
zu Gunsten der Troer sich entscheidet und durch die Verwundung 
des Eurypylos und Machaon die Anknüpfung der Sendung des 

“ Patroklos vorbereitet wird. Auffallend und wie es schien im Wi- 
derspruch mit Zeus’ Verheissung war einerseits das Zurücktreten 
Hektors, zumal da, wo durch die vorhergehende Erzählung die Er- 
wartung durchaus auf einen Kampf desselben mit Aias gespannt 
war, andererseits das wiederholte Hervortreten des Paris bei der 
letzten Entscheidung der Schlacht zu Gunsten der Troer. Ins- 
besondere erregte die Erzählung von der Verwundung Machaons 
mehrfache Bedenken, theils durch Einzelheiten der Darstellung, 
theils durch den Zusammenhang, in welchen sie mit der Ent- 
wieklung des Kampfes gebracht wird, sowie dadurch, dass die- 
selbe in der weiteren Erzählung fast völlig unbeachtet bleibt. Im 
zweiten Haupttheil der Erzählung, der Sendung des Patroklos, 
zeigte sich in. der Aeusserung Achills 609. 610 ein directer Wi- 
derspruch mit der Presbeia des neunten Gesanges, befremdend war 
auch die Haltung des Patroklos in der an sich trefflichen Eury- 
pylosscene. Besondere Schwierigkeiten ergab endlich die Betrach- 
tung des Anfangs des 16. Gesanges im Verhältniss zur Sendung 
des Patroklos. Liess sich auch die gänzliche Ignorierung des dem 
Patroklos ertheilten Auftrages aus der veränderten Lage der Dinge 


70 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 


und der besondern Situation noch erklären, so gab doch einmal 
die Uebergehung des Machaon unter den Verwundeten einen nicht 
zu beseitigenden Anstoss, sodann, dass Patroklos die Schilderung 
der Noth der Achaeer gerade an die Ereignisse des elften Ge- 
sanges anknüpft und alles, was inzwischen geschehen ist, ignoriert. 
Die Einheit des elften Gesanges und die Ursprünglichkeit desselben 
in allen seinen Theilen unterliegt demnach nicht geringen Be- 
denken. 

Sehr verschieden und widersprechend sind die Versuche von 
den gefundenen Differenzen und Bedenken aus die ursprüngliche 
Gestaltung der Erzählung zu erschliessen. Von denen, welche nicht 
auf dem Standpunkte der Liedertheorie stehen, ist Düntzer in- 
sofern am conservativsten, als er im Ganzen die Einheit des Ge- 
sanges festhält, aber er kann dies nur unter der Annahme sehr 
zahlreicher und ausgedehnter Interpolationen. Sein Verfahren ist 
von Benicken in einer eignen Gegenschrift in eingehender Weise 
bekämpft. Auch Schoemann findet die Quelle der zahlreichen 
Differenzen nicht sowohl im elften Gesange, als in den folgenden. 
Er nimmt vor allem Anstoss an der Häufung der Begebenheiten 
vom Anfang des elften Gesanges bis zu Patroklos’ Auszuge, die 
mit den Zeitangaben nicht zu vereinigen sind, so wie an dem un- 
glaublich langen müssigen Verweilen des Patroklos in Eurypylos’ 
Zelte und urtheilt danach, dass alles vom Schluss des 12. Ge- 
sanges bis O 390 eine spätere Erweiterung der ursprünglichen 
Erzählung sei. Dagegen sieht Bergk zwar in dem ersten Theile 
des Gesanges, der die Aristie des Agamemnon und die Verwun- 
dung des Diomedes und Odysseus enthält, abgesehen von einzelnen 
Zusätzen und Veränderungen, im Ganzen und Grossen alte Poesie, 
des Dichters der Ilias würdig, aber die zweite Hälfte des Gesanges 
scheint ihm kein Stück der echten Ilias zu sein. Indem derselbe 
nämlich die hervorgehobenen Differenzen zwischen der Sendung 
des Patroklos und dem Anfange des 16. Gesanges betont, und 
daraus, wie Cauer, auf eine völlig divergierende Tendenz beider 
Dichtungen schliesst, sieht er die ursprüngliche Fassung der Er- 
zählung im Anfange des 16. Gesanges erhalten, wo Patroklos, der 
die gefahrvolle Lage der Achaeer beobachtet hat, aus eigenem 
Antriebe zu Achilleus eilt, dagegen in der Sendung des Patroklos 
die Arbeit eines Nachdichters, der dem Achilleus selbst die Ini- 
tiative beilegte.e Die Sendung des Patroklos ist ihm auch ältere 
Poesie, liegt aber in der Ueberarbeitung des Diaskeuasten vor, 
wodurch der Verlauf der wohl zusammenhängenden Erzählung will- 
kürlich zerrissen wurde; derselbe hat die Begegnung mit dem ver- 
wundeten Eurypylos hinzugedichtet, um das lange Säumen des 
Patroklos wenigstens einigermassen zu motivieren. 

Ebenso verwirft Faerber, welcher in den Gesüngen A—Z 
ein einheitliches, in sich abgeschlossenes Gedicht erkennt, die Ver- 


Kritischer und exegetischer Anhang. A. Einleitung. τι 


wundung des Machaon und die ganze Sendung des Patroklos zu 
Nestor (A 502—520. 596—848). 

Nach Gentz haben wir in 4—O mehrere Lieder, welche 
beabsichtigten den in A begründeten Plan fortzuführen und die 
Noth, welche Zeus seinem Versprechen gemäss den Achaeern be- 
reitet, zu schildern. Von diesen Liedern scheint ihm mit Voraus- 
setzung von A allein gedichtet A 1—503 und 521—596. Unab- 
hängig von M bis O, nicht aber von A, an welches Lied er frei- 
lich nicht direct anschloss, nahm ein Dichter zum Thema die in 
A angedeutete Katastrophe und dichtete die Patroklie I—Z. Die 
Verbindung der Patroklie mit der vorhergehenden Schlacht ist 
zeitig bewerkstelligt und zu dem Zweck die Verwundung des Ma- 
chaon A 504—520, die Sendung des Patroklos durch Achilleus, 
der Rath des Nestor zu der Bitte, die Patroklos in IT an Achill 
richtet, und der Rest des Buches A, sowie © 390—405 nach- 
gedichtet. 

Nach Jacob besteht der elfte Gesang aus mehreren verschie- 
denartigen Bruchstücken. In der Schlachtbeschreibung erkennt er 
eine Paralleldarstellung zum achten Gesange: ‘Beide Gesänge stim- 
men trotz ihrer Abweichungen in der Ausführung, dennoch in der 
Grundlage der Erzählung selbst überein.’ Mit dieser Darstellung 
wurde von den Ordnern die Sendung [des Patroklos verbunden, 
eins von den Liedern, welche in verschiedener Weise das Auftreten 
des Patroklos behandelten, und welches mit der weiteren Erzäh- 
lung nicht im Widerspruch zu stehen schien, wegen des dem Nestor 
darin zugeschriebenen Verdienstes aber den Pisistratiden besonders 
willkommen sein musste. 

Auf Grund seiner metrischen und rhythmischen Beobachtungen 
kommt auch Giseke zu dem Resultat, dass die Sendung des Pa- 
troklos nicht von demselben Dichter herrühren könne, der die 
vorhergehende Schlachtbeschreibung gedichtet. 

Sehr kühn sind die Versuche Lachmanns und seiner Nach- 
folger die ursprüngliche Fassung der vorausgesetzten Einzellieder 
herzustellen. Jener geht bei seinem Reconstructionsversuch na- 
mentlich von den Bedenken aus, welche sich an den Punkt an- 
schliessen, wo Hektor von der linken Seite der Schlacht zur Be- 
kämpfung des Aias herbeieilt. Er vermisst hier einen befriedi- 
genden Abschluss der Schlachtbeschreibung, findet diesen aber in 
Stücken des 14. und 15. Gesanges, welche Hektor, Aias und Me- 
nelaos im Kampf zeigen. Danach besteht ihm sein zehntes Lied 
aus folgenden Stücken: A 1—71. 84—192. 195— 207. 210—496. 
521—539. 544—557. #402-——425. 427—429. 432— 507. Ο 220. 
221. 232— 257. 262— 269. 271—280. 306 — 327. 515 —590. 
Aus den zurückgelassenen Theilen des elften Gesanges und an- 
deren des funfzehnten aber bildet Lachmann sein vierzehntes 
Lied: ‘Bruchstücke, die ein sinnreiches Beiwerk zu einer Teicho- 


72 _Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 


machie und eine vierte Schlacht bei den Schiffen enthalten’, näm- 
lich 4 497—520. 558—848. Ο 281— 305. 328—366. 381—514. 

Weiter noch geht Ribbeck in der Auflösung. Indem er 
innerhalb der Schlachtbeschreibung selbst die oben erwähnte Dif- 
ferenz des localen Standpunktes findet, sieht er bereits in diesem 
Theil des elften Gesanges zwei ursprünglich gesonderte Partieen 
durch die Diaskeuasten combiniert: die in der Ebene vorgehende 
᾿Δγαμέμνονος ἀριστεία, aus der die Verse 1—-71 (oder nach neuerer 
Ausführung 1—46. Lücke. 51—73) 84—149. 153—162. 166 
178 (neuerdings 166—184) 211—217 (in der neueren Ausfüh- 
rung bei Seite gelassen) entnommen sind, und das 218 beginnende 
Lied von der Verwundung des Agamemnon, Odysseus und Dio- 
medes, welches von Mauer und Graben nichts wusste und an und 
in dem Lager spielte (nach neuerer Ausführung: 185—342. 3691. 
373—496. 521—537. 544—547, darauf entweder 548—557 oder 
558—565, endlich 566—595): die Diaskeuasten combinierten beide, 
indem sie dem einen das Ende, dem andern den Anfang nahmen, 
und setzten sie in mässige Uebereinstimmung. Im Uebrigen schloss 
sich Ribbeck, jedoch nicht ohne mannigfache Abweichungen im 
Einzelnen, an Lachmann an, stimmt jetzt aber Köchly in der 
Constituierung des Schlusses bei. Dieser nämlich sieht zwar in 
der Schlachtschilderung A 1-—595, abgesehen von einzelnen Inter- 
polationen mässigen Umfangs, ein zusammenhängendes einheitliches 
Stück, glaubt aber, abweichend von Lachmann, den passenden 
Abschluss in N 136—155. O 615—622. Θ 335. 75—77. Ο 379, 
380. © 337. Ο 623—629. @ 345—349. 342. 485—488 zu finden. 
Das Ganze bezeichnet er als ᾿ἀγαμέμνονος ἀριστεία ἤτοι κόλος μάχη. 
Für die übrigen Stücke des elften Gesanges hat sich in seinen 
16 Liedern kein Raum gefunden. 

Hermann und Cauer endlich suchen den Abschluss des 
Liedes von der Verwundung der drei Helden nicht ausserhalb des 
elften Gesanges. Der erstere findet das bis 596 reichende Lied 
genügend abgeschlossen, am Ende nur durch die Erzählung von 
der Verwundung des Machaon entstellt (498—520), letzterer glaubt, 
dass der Schluss dieses Liedes durch die Diaskeuasten beseitigt 
sei; ursprünglich habe dasselbe vielmehr so geschlossen, wie es 
in der Verheissung des Zeus (193. 194) angedeutet sei: nachdem 
die Achaeer vollkommen zurückgeworfen, die Troer bei den Schiffen 
angelangt seien, habe die hereinbrechende Nacht dem Kampfe ein 
Ende gemacht, Köchlys Lied ist ein Versuch, diese Annahme 
praktisch durchzuführen. Die Sendung des Patroklos verbinden 
beide mit der Hauptmasse des 16. Gesanges zu einem neuen Liede. 
Die zwischen beiden bestehenden Widersprüche werden durch die 
Annahme beseitigt, dass dies Lied in seiner ursprünglichen Fas- 
sung weder von der Verwundung Machaons noch von der Absen- 
dung des Patroklos durch Achilleus etwas gewusst habe, dass 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Einleitung. 18 


vielmehr Machaon, ohne verwundet zu sein, lediglich in seiner 
Eigenschaft als Arzt mit Nestor aus der Schlacht zurückkehrte, 
und dass Patroklos nicht auf Achills Befehl, sondern aus eignem 
Impulse sich bei Nestor nach dem Stande der Dinge erkundigte. 
Danach constituiert Hermann unter mehrfachen Veränderungen des 
Textes das Lied aus folgenden Stücken: A 498—501. 506. 508— 
520. 618—848. O 390—404 und Buch II. Dieser Combination 
stimmt Cauer im Ganzen zu, glaubt jedoch auch für die Bury- 
pylosscenen in dem ursprünglichen Liede eine andere Gestaltung 
annehmen zu müssen, etwa in folgender Weise: Patroklos trifft 
den verwundeten Eurypylos, der ihn um Hülfe bittet; Patroklos 
lässt sich nicht aufhalten und eilt weiter zu Achill. Um diese 
Wendung des Gedankens zu gewinnen, streicht er von 833 an 
den Schluss des elften Gesanges und knüpft die Worte, mit denen 
Patroklos XV 399 f. den Eurypylos verlässt, gleich an des letz- 
teren Bitte als Entgegnung an. 

Schliesslich gedenken wir noch eines interessanten Versuchs 
innerhalb des elften Gesanges die Spuren eines älteren Liedes von 
eigenthümlichen Sagenelementen nachzuweisen und den Ursprung 
desselben direct auf die Stadt Phokaea zurückzuführen*). 489 ff. 
finden sich unter den von Aias erlegten Troern vier Namen, in 
denen Emperius Beinamen des Hades erkannte: Pandokos, Ly- 
sandros, Pyrasos und Pylartes. Daraus hatte Emperius ver- 
muthet, dass hier die Spuren eines älteren Liedes vorlägen, in 
welchem Aias in erfolgreichem Kampf mit dem Gott der Unter- 
welt dargestellt gewesen sei, welcher nach dem bedrängten und 
verwundeten Odysseus seine Hand ausgestreckt habe. In dem 
473 ἢ, vorhergehenden Vergleich ferner wird Odysseus mit einem 
verwundeten Hirsch verglichen, den Schakale zerfleischen, bis ein 
Löwe herzukommt, die Schakale verscheucht und selbst den Hirsch 
zerfleischt. Hieran anknüpfend zeigt nun Usener, dass das Bild 
eines Löwen, der einen Hirsch zerfleischt, seit den ältesten Zeiten 
von der bildenden Kunst mit Vorliebe behandelt ist und solche 
Darstellungen von Assyrien aus durch die Phönikier auch zu den 
Griechen gekommen sind. Die ursprüngliche Gestaltung dieser 
Darstellungen war aber die, dass ein einen Hirsch oder ein an- 
deres Thier zerfleischender Löwe durch einen zur Rettung des be- 
drängten Thieres herbeischreitenden Bogenschützen verscheucht wird; 
die Phönikier, Kyprier und Kilikier aber verstanden unter dem das 
Thier zerfleischenden Löwen den Dümon der Unterwelt, welcher 
um die Verstorbenen mit den guten Genien kämpft, der bogen- 
spannende Retter (Herakles) ist der günstige Genius oder Gott, 
welcher des Verstorbenen Seele den Händen der gierigen Unter- 
welt entreisst. Danach vermuthet Usener, dass in dem jener 


*) Ich berichte darüber in der Kürze nach dem philol. Anzeiger. 


74  Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen. 


Stelle der Ilias zu Grunde liegenden älteren Liede erzählt war, 
wie der Hades nach dem rings umdrängten Odysseus gleich einem 
Löwen haschte, der herbeigerufene Aias aber als eine Art retten- 
der Genius den Löwen (Hades) verwundete und verscheuchte. Da 
ferner die bezeichneten Darstellungen auf Münzen von Phokaea und 
dessen Kolonien vorkommen, Phokaea aber vermöge seiner aus- 
gedehnten Handelsbeziehungen am ehesten phönicischen Aber- 
glauben annehmen konnte, so schliesst derselbe Gelehrte geradezu, 
dass jenes der homerischen Stelle zu Grunde liegende ältere Lied 
in Phokaea entstanden sein müsse. Dass diese interessante Com- 
bination freilich schweren Zweifeln unterliegt, ist schon von den 
Referenten im Philologischen Anzeiger ausgeführt. Jetzt ist die- 
selbe auch von van Herwerden bestritten, der nicht einmal die 
zu Grunde liegende Beobachtung von Emperius gelten lassen 
will, da von den angeführten vier Namen nur Πυλάρτης als Name 
des Pluto sich nachweisen lasse, 


Anmerkungen. 


4. Unter πολέμοιο τέρας versteht Naegelsbach homer. Theo- 
logie ἦν. 95 die Aegis, weil diese mit dem Gorgonenhaupt ver- 
schen ist, welches selbst E 742 Διὸς τέρας αἰγιόχοιο genannt wird. 
So Ameis zu E 593. Dagegen scheint zu sprechen, dass die 
Aegis (vgl. O 308 ff.) im Kampfe als Schreckmittel dient, so wie 
dass E 740 unter den auf der Aegis dargestellten, ihre Wir- 
kungen veranschaulichenden Daemonen ἔρις selbst sich befindet. 
Franke bei Faesi und Doederlein verstehen darunter nach 
P 547 ff. den Regenbogen, ‘den sich die Phantasie des Dichters 
von der kolossalen Gestalt der Eris (4 442 δ) am Himmel und 
zwar gerade über dem Schiffslager der Achaeer und namentlich 
dem Schiffe des Odysseus (3 u. 5) gehalten denkt. (Franke.) 
Dafür spricht, dass P 548 der Regenbogen ausdrücklich als τέρας 
(ἢ) πολέμοιο (ἢ καὶ χειμῶνος) bezeichnet wird. Allein schwer ist 
mit der 4 442 f. doch auch zu ganz anderm Zweck gedichteten 
kolossalen Gestalt der Eris die hier gegebene Art der Darstellung 
zu vereinigen, die durchaus keinen Anhalt bietet die Erscheinung 
derselben anders zu denken, als sonst die Götter gewöhnlich auf- 
treten. Wie soll man namentlich mit solcher kolossalen Gestalt, 
die das Haupt bis zum Himmel emporstreckt, es vereinigen, dass 
sie nach beiden Seiten des Schiffslagers hinüberruft? Ueberdies 
sendet Zeus die Eris mit diesem τέρας in den Händen zu den 
Schiffen. — Anders Aristarch bei Aristonie. ed. Friedlaender 
p. 185: "ἡ διπλῆ ὅτι πολέμοιο τέρας τὸν εἰδωλοποιούμενον πόλεμον, 
τὸν ποιητικὸν τοῦ ἐνεργουμένου πολέμου᾽, unter Verweisung auf 


“ Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen. 75 


E 593 ἡ μὲν ἔχουσα κυδοιμὸν ἀναιδέα. Andere wie Aristophanes 
verstanden den Blitz nach K 5, noch andere Erklärungen in den 
Schol. Venet. bei Dindorf I p. 370. Autenrieth im Wörter- 
buch unter τέρας: “Eris schüttelt — ihre Schlangen’? oder die 
Aigis mit dem Gorgonenhaupt? Es wird gerathen sein zu dieser 
letzten Erklärung zurückzukehren, welche am wenigsten Anstoss 
bietet. — Ueber die Sendung der Eris vgl. die Einleitung p. 47 ff. 
und dazu noch die gegen dieselben erhobenen Bedenken bei Bi- 
schoff im Philolog. XXXIV p. 18. 

6. Die Bildung von μέσσ-ατο-ς und verwandten behandelt 
Ascoli in G. Curtius Stud. IX p. 349. Nach ihm wird von 
der Gruppe der Ordinalzahlen aus (ἔνατος, δέκατος) -aro zum su- 
perlativischen Ableitungssufix für Partikeln, welche an und für 
sich einen Ort oder Grad bezeichnen (Im-«ro-g, ἔσχ- ατος) und 
weiterhin für Adjeetive und Substantive, zumal für ‚solche, die den 
Begriff eines Ortes oder Grades ausdrücken: so μέσσατος grade 
in der Mitte einer Reihe (lat. mediozumus), vEF-aro-g der 
letzte einer Reihe.‘ 

11 fl. Die folgenden Verse weisen auf B 451—454 als die 
Originalstelle zurück. Die Alten erkannten das Ungehörige der 
V. 13. 14, welche Aristarch, Aristophanes, Zenodot verwarfen: 
vgl. Aristonie. ed. Friedlaender p. 185. Neuere verworfen wogen 
der Nichtbeachtung des Anlauts F in ἑκάστῳ und der Abweichung 
der Wendung ἔμβαλ᾽ — καρδίῃ von der gewöhnlichen Verbindung 
ἔμβαλε ϑυμῷ zum Theil auch die vorhergehenden als nicht ur- 
sprünglich: Hoffmann quaestt. Hom. IT p. 104 f. vermuthet ent- 
weder: μέγα δὲ σϑένος ὦρσεν ἑκάστῳ, oder unter Verwerfung von 
V. 12 0994’, ᾿4χαιοῖσιν δὲ μέγα σϑένος ἔμβαλε ϑυμῷ. Letztere 
Vermuthung sucht Fulda Untersuchungen über die Sprache der 
hom. Ged. p..48 f. als die allein richtige zu erweisen. 

20. Ueber Κινύρης vgl. Preller griech. Mythologie Ip. 225 
und Gladstone homer. Stud. p. 28. Letzterer vermuthet nach 
dem Zusammenhang der Stelle, dass Kinyres sich durch dieses ' 
Geschenk von der Verpflichtung zur persönlichen Theilnahme am 
Kriege loskaufen wollte, wie Echepolos #296, zwischen Kypros 
und Agamemnon also eine Art Unterthanenpflicht bestand (B 108). 
— Ueber die Herkunft solcher Kunstwerke, wie der hier genannte 
Panzer bemerkt Brunn die Kunst bei Homer. München 1868 
p. 7: “Ein grosser Theil dessen, was Homer vor Augen hatte, 
mochte geradezu Erzeugniss fremder Kunst sein; und sicher ist 
hier der Handelsverkehr der Phönicier bedeutend in Anschlag zu 
bringen. Aber nach allem, was wir von ihnen wissen, dürfen wir 
gerade bei ihnen am wenigsten eine ausgebreitete eigne Kunst- 
übung voraussetzen. Sie waren Kaufleute, die damals den Markt 
beherrschten und namentlich den Verkehr zwischen dem innern 
Asien und Griechenland vermittelten. Von dort mochte zunächst 


76 _ Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 


die Masse der kunstreichen Arbeiten kommen, welche die Griechen 
anfangs einfach als fremde Waare übernahmen.’ — Uebrigens hält 
Bergk griech. Literaturgesch. I p. 600 die ausführliche Beschrei- 
bung der Rüstung des Agamemnon für einen Zusatz des Bear- 
beiters. Vgl. auch Bernhardy Grundriss ὙΠ, 1, p. 166, Jacob 
über die Entstehung der Ilias und Odyssee p. 242 f, und dagegen 
Nitzsch Beiträge zur Geschichte der episch. Poesie p. 382, wel- 
cher bemerkt: ‘So gewiss als diese hebende Färbung des Auf- 
tretenden als solche hier ganz an ihrer Stelle ist, so hat sie doch 
einen andern Ton und Geschmack, in den gehäuften Zahlen der 
Metallstreifen und der Mannigfaltigkeit dieser ein grobsinnlicheres 
Streben, als dem Homer beizumessen richtig scheint.” Er glaubt, 
dass Homer diese Schilderung aus dem der Erzählung zu Grunde 
liegenden Einzelliede(Aristie des Agamemnon) herübergenommen habe. 

24. Ueber κύανος bemerkt Riedenauer Handwerk p. 111 
und 206: ‘Es scheint nur eine feinere Art Stahl also geheissen 
zu haben, wie ihn die Griechen noch nicht herzustellen verstanden, 
wie er aber bis jetzt sein frühstes Zeugniss aus dem zwölften 
Jahrh. v. Chr. hat in den aegyptischen Basreliefs von Ramses ΠῚ, 
indem dort die Waffen der Aegypter roth, die der Philistaeer blau 
gemalt sind. Der Stahl wird ausdrücklich so nur genannt an dem 
Schilde [auch am Panzer] des Agamemnon, einer kyprischen d.h. 
phönieischen Arbeit und an den Wünden des phüakischen Königs- 
palastes, an dem zweiten Schilde des Achilles und an dem des 
Herkules.’ — 25. Cobet Miscellanea eritie. 1876 p. 380 will, 
wie Bekker schreibt, hergestellt sehen χρυσοῦ καὶ ἐξείκοσι κασ- 
σιτέροιο statt des handschriftlichen χρυσοῖο καὶ εἴκοσι. --- 26. Ety- 
mologie und Gebrauch von δειρή erörtert Leo Meyer in Kuhn’s 
Zeitschr. XXI p. 537 δ΄. — Hinsichtlich des Vergleichs bemerkt 
Friedlaender Beiträge zur Kenntniss der homer., Gleichnisse I 
p. 32 ἢ, dass, wenn das tertium comparationis nur die gekrümmte 
Gestalt sein kann, diese durch ὀρωρέχατο κτὲ weit anschaulicher 
ausgedrückt sei als durch igscorw ἐοικότες, da die Drachen eine 
Wellenlinie gebildet haben müssen, Sehr auffallend ist ausserdem 
τέρας μερόπων ἀνθρώπων: "nach homerischem Sprachgebrauch wird 
τέρας mit dem Dativ dessen, dem das Wunderzeichen gilt, und 
mit dem Genetiv des Urhebers oder dessen was es bedeuten soll, 
verbunden.” 

29 ff. Ueber die zwischen dieser Beschreibung des Schwertes 
und dem ἀργυρόηλον B 45 waltende Differenz vgl. den Anhang zu 
B 45 und Friedlaender zu Aristonic. p. 186. — 33. Neben 
πέρι — ἦσαν gab es nach Herodian die andere Lesart περὶ — 
ἦσαν, welche Cobet Miscellan. crit. p. 261 als Emendation 
Aristarchs ansieht. — Ueber die κύκλοι am Schilde vgl. Gras- 
hof das Fuhrwerk p. 31, Note 28, auch Riedenauer Handwerk 
p. 110, Letzterer sieht auch in dem Schilde Agamemnons phö- 


Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 77 


nieische Arbeit: “denn dieser, wie jener (der Panzer) zeigt das 
Schlangenornament, hier eine dreiköpfige, dort drei einköpfige, und 
beide zeigen in der Verwendung von Metallstoffen, darunter der 
Kyanos, Verwandtschaft” — ‘In dem Gorgoneion liegt eine Be- 
rücksichtigung griechischer Vorstellungen — mag dies ein absicht- 
liches Berücksichtigen durch phönicische Handwerker, oder ein 
Vordringen und Eindringen griechischen Geistes und griechischer 
Ansiedler nach Cypern zur Voraussetzung haben.’ — 36. Zu 
βλοσυρῶπις vgl. den Anhang zu H 212, auch Schoemann opuse. 
II p. 45. Ueber die an die Quantität von βλοσυρῶπις sich 
knüpfenden metrischen Fragen vgl. v. Leutsch im Philol. XII 
p. 25f. und Lutze de Homericorum carminum ratione strophica, 
Sorau 1871 p. 5. — 36—40 werden als spätere Ausschmückung 
verworfen von Düntzer in Jahrbb. f. Philol. Suppl. III p. 835, 
unter Widerspruch von Giseke in den Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 
p- 510 und Benicken die Interpolationen im elften Buche der 
Dias. Stendal 1872 p. 3. 

39. Die Form ἐλέλικτο wird verschieden gefasst: Curtius 
das Verbum I p. 189 stellt dieselbe als Aor. zu ἐλελίζω, vgl. 
Buttmann Lexilog. *I, 130, Fick in Kuhn’s Zeitschr. XIX p. 252. 
Cobet Miscellan. erit. p. 278 will hier und N 558 Fef&luxzo als 
Plusquamperf. von Felsooäuev hergestellt wissen. N 558 verlangt 
der Zusammenhang durchaus für die Form die Imperfeetbedeutung 
und auch hier, wo die Darstellung eines Kunstwerkes beschrieben 
wird, wäre der Aorist befremdend, vgl. ὀρωρέχατο 26; ἑλίσσεσϑαι 
von der Schlange steht X 95. 

40. Die Erklärung von ἀμφιστρεφέες ist gegeben nach Hoff- 
mann homerische Untersuchungen No. 1. ἀμφί in der Ilias. Lüne- 
burg 1857 p. 4. 

AT. πρυλέες sind nach Aristarch pedites: vgl. Lehrs Arist. 
®p. 118. WUebrigens ist das Wort nach Fick vgl. Wörterb. 
®Ba. IL p. 145 unter pro-vel = mgo-Feh-ses Kämpfer, vgl. πρύ- 
λι-ς Waffentanz und preliu.m = provel-iu-m. Schon Doederlein 
Gloss. 8 446 erklärte es aus mgosılerol. — In V. 4T—55 erkennt 
Giseke in den Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 505 einen Cento, 
Düntzer in den Jahrbb. f. Philol. Suppl. III p. 836 ff. verwirft 
dieselben als völlig ungehörig an dieser Stelle, so Benicken die 
Interpolationen im elften Buche der Ilias p. 5ff., welcher nach 
46 eine Lücke annimmt, in der das Ausrücken der Achaeer be- 
richtet war, welche dann ein Rhapsode auszufüllen bemüht war. 
Vgl. ausserdem Ribbeck in Philol. VIII p. 480 und in den Jahrbb. 
f. Philol. Bd. 85 p. 78ff., welcher 47—50 den Diaskeuasten zu- 
schreibt, und dagegen Hiecke über Lachmanns zehntes Lied der 
Dias p. 12 und Benicken Karl Lachmanns Vorschlag etc. p. 39f. 
— Ueber ὀλίγον 52 vgl. Aristonic. ed. Friedlaender p. 187. 

55. Ueber die Wendung ἴΑϊδι προιάπτειν vgl. Doberenz 


78 _ Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 


interpretationes Hom. p. 24. — Eine Beziehung auf das Proömium 
A 3 sieht in diesem Verse auch Bergk griech. Literaturgesch. 
I p. 552 Anm. 3. 

56 ff. Ueber das Locale vgl. Hasper Beiträge zur Topo- 
graphie der homer. Ilias p. 36 und Hercher über die homerische 
Ebene von Troja. Berlin 1876 p. 121. — Das Fehlen des Ver- 
bums ist hier sehr hart, da wir auf das χκοσμηϑέντες 51 zurück- 
greifen müssen; anders bei der Wiederkehr dieses Verses T 3, 
wo V. 1 ϑωρήσσοντο vorhergeht. Friedlaender Analecta Hom. 
p. 11 vermuthet Τρῶες δ᾽ αὖ κόσμηϑεν statt Τρῶες δ᾽ αὖϑ' ἕτέ- 
ρῶϑεν, während Benicken das zehnte Lied vom Zorne des Achil- 
leus vermuthet, dass das fehlende Verbum in ἀμύμονα 57 ver- 
borgen liege, vgl. Giseke im Philolog. Anzeiger VII p. 184. — 
V. 58. Das postpositive ὡς will Capelle im Philol. XXXVI p. 711 
von dem sonstigen relativen Gebrauch der Partikel trennen und 
als ursprüngliches so fassen, welches anaphorisch auf das vorher- 
gehende Substantiv zurückweise: ein Gott so wurde er geehrt im 
Volke. “So erklärt sich ungezwungen die Stellung, die bei der 
Annahme ursprünglich relativer Bedeutung des ὡς in dieser Formel 
mir sonst nicht leicht zu deuten scheint, und erscheint auch die 
Nachwirkung des j natürlicher, als bei einem schon durch die re- 
lative Entwicklungsstufe hindurchgegangenen de.” — V. 58— 61 
enthalten eine Anzahl troischer Führer, die in der Schlacht selbst 
gar nicht vorkommen: aus diesem Grunde und andern haben 
Giseke in Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 506, Düntzer in den 
Jahrbb. f. Philol. Suppl. III p. 835 die Verse verworfen unter 
Widerspruch von Benicken die Interpolationen im elften Buche 
der Ilias p. 4, welcher nur an 61 anstösst, wo ἐν πρώτοισι 
dem 63. 64 folgenden Wechsel μετὰ πρώτοισι — ἐν πυμάτοισι 
widerspreche, und in 61 eine andere Recension von 62—66 
erkennt. 

62. Ueber den doppelten Vergleichspunkt vgl. Düntzer 
homerische Abhandl. p. 492. — Nach Aristonic. ed. Friedlaender 
p- 188 lasen statt οὔλιος andere αὔλιος, welche Lesart Bergk im 
academischen Progr. Halle 1861 p. 3 als die ursprüngliche her- 
gestellt sehen will und mit Aristarch unter Vergleich von Apollon. 
Rhod. IV, 1029 vom Abendstern versteht: “hoc enim nomine 
agricolae et pastores haud dubie appellabant Vesperum, quoniam 
sub id ipsum tempus, quo sidus hoc in celo apparet, greges in sta- 
bula compelluntur; simillima appellatio ἐπιφάτνιος ἀστήρ, vid. Hesych. 
ἐπιφάτνιος" ὃ ξωσφόρος dorng.” Vgl. denselben griech. Literatur- 
gesch. I p. 860, Note 162: “wenn andere οὕὔλιος ἀστήρ lasen, so 
verbirgt sich vielleicht der durch Krasis verschmolzene Artikel 
οὔλιος. Gegen die von Aristarch bei Aristonikos gegebene, und 
von Buttmann Lexilog. I *p. 178 begründete Deutung des 
οὔλιος ἀστήρ auf den Hundsstern spricht auch Doederlein Gloss. 


Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 9 


$ 475 und erklärt selbst strahlenreich, was Bergk mit Recht 
verwirft. 

72. Hier nahm Lachmann Betrachtungen p. 37 Anstoss 
an dem neuen Gleichniss: ‘Die Schnitter werden 72 plötzlich zu 
Wölfen’, so wie an der folgenden Ausführung über Eris und die 
Götter, denn mit 75f. stehe die Thätigkeit der Here und Athene 
45 und der Athene 437 in Widerspruch, auch sei Iris bei Zeus 
185. Mit Lachmann verwerfen 72—77 Düntzer in den Jahrbb. 
£. Philol. Suppl. III p. 839, Benicken de carm. X p. 6, Jacob 
über die Entstehung der Ilias und Odyssee p. 242, während 
Ribbeck in den Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 82 doch 72. 73 
ohne Anstoss findet. Giseke in den Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 
p- 511 dagegen sieht keinen zwingenden Grund zur Verwerfung 
von 72—77, wenn er dieselben auch entbehrlich findet, und Nitzsch 
Sagenpoesie p. 230.232 und Baeumlein in der Zeitschr. f. Alter- 
thumswiss. 1850 p. 151 rechtfertigen dieselben. In der That ist 
der Uebergang zu dem neuen Gleichniss nicht so plötzlich, da 
vorhergeht ἴσας δ᾽ ὑσμίνη κεφαλὰς ἔχεν, beide Gleichnisse aber 
könnten, da sie verschiedenem Zweck dienen, wohl nebeneinander 
stehen. Auch der Schutz den 437 Athene dem Odysseus gewährt, 
ist als Fernwirkung gedacht mit der Abwesenheit der Götter ver- 
einbar; an die Götterbotin Iris wird man 75 am letzten denken, 
da sie nicht selbständig am Kampfe sich betheiligt. Aber neben 
anderem Auflallenden ist jedenfalls ein nicht hinwegzuräumender 
Anstoss vorhanden: mit der vereinten Thätigkeit der Athene 
und Here 45 steht die ausdrückliche Betonung des gesonderten 
Aufenthalts der Götter in ihren besonderen Palästen 76f. in offen- 
barem Widerspruch. Sind aber aus diesem Grunde 74—77 und 
ohne Zweifel mit den Alten 78—83 auszuscheiden, so ergiebt 
sich auch die Unmöglichkeit V. 72 und 73 zu erhalten: denn 
wollte man 84. an 72. 73 schliessen, so würde in unmittelbarer 
Folge derselbe Gedanke im Wesentlichen wiederholt werden, der 
Gedanke, dass die Schlacht gleichgestanden. — 76. Als ursprüng- 
liche Lesart macht Brugman ein Problem der homer. Textkritik 
p. 32 und 143 wahrscheinlich οἷσιν ἐνὶ μεγάροισιν, was GLS geben 
(A γρ. οἷσιν), an Stelle von σφοῖσιν Eviu. .Nauck hat οἷσιν in 
den Text genommen. Vgl. den Anhang zu A 138 f. 

78—83. ᾿Αἀϑετοῦνται στίχοι ἕξ, ὅτι ψεῦδος" οὐ γὰρ δύνανται 
πάντες τὸν Δία αἰτιᾶσϑαι βοηϑοῦντα τοῖς Τρωσίν, ἀλλ᾿ οἵ τῶν Ἑλλή- 
νῶν βοηϑοί. καὶ τὸ ὃ δὲ νόσφι λιασϑεὶς τῶν ἄλλων ἀπάνευϑε 
καϑέξετο ὡς ἐπὶ ταὐτὸ συνηθροισμένων αὐτῶν λέγει᾽ προείρηκε δὲ 
οἱ δ᾽ ἄλλοι οὔ σφιν πάρεσαν ϑεοί (75). ἀπό τε τοῦ Ὀλύμπου 
οὐ παρεισάγεται ϑεωρῶν τὴν ἐπὶ τῆς Τροίας μάχην, ἀλλ᾽ ἀπὸ τῆς 
Ἴδης, ὅϑεν διὰ τῶν ἑξῆς (188) μεταβαίνει εἰς αὐτόν’ Aristonic. 
ed. Friedlaender p. 188 f. Dieser Athetese haben die Neueren 
allgemein zugestimmt, auch Nitzsch Sagenpoesie p. 132. Giseke 


80 _ Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen. 


in den Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 506 bemerkt darüber: “sie 
sind im besten Falle gelegentlich eingeschoben für V. 76. 77, wo 
dann V. 75 einen andern Schluss bekommen hätte, und sind im 
Wesen nur ein Cento.’ — Ueber eine Abweichung in der An- 
wendung der Formel xvdei γαίων V. 81 von dem sonstigen Ge- 
brauch vgl. den Anhang zu ® 51. 

86. fi. Wenn die hier gegebene Zeitbestimmung von dem Ein- 
tritt der Mittagszeit zu verstehen ist, so ergiebt sich zwischen 
dieser Stelle und IT 777 ὄφρα μὲν Ἤξλιος μέσον οὐρανὸν ἀμφι- 
βεβήκει der Widerspruch, dass es innerhalb desselben Tages, der 
von A 1 bis Σ 240 währt, “zweimal Mittag wird’: vgl. Lach- 
mann Betrachtungen p. 35, Benicken de carm. X p. 52, Schoe- 
mann de reticentia Hom. p. 19 und in den Jahrbb. f. Philol. 
Bd. 69 p. 18, Bonitz über den Ursprung der homer. Gedichte 
30. 56, 71, Lehrs de Aristarch. ®p. 127f. Freilich ist diese 
Deutung der Zeitbestimmung bestritten. Aristonie. ed. Fried- 
laender p. 189 bemerkt die Lesart des Zenodot δόρπον zurück- 
weisend: δεῖπνον καλεῖ ὃ ἡμεῖς ἄριστον' καϑ' ἣν ὥραν καὶ ὃ ὄρυ- 
τόμος ἀριστοποιεῖται. Faesi deutete unsere Stelle von dem spü- 
teren Vormittag, II 777 dagegen werde der Mittag selbst als 
vergangen, der Abend aber als eben einbrechend bezeichnet; 
ähnlich versteht Düntzer homer. Abhandl. p. 63f. unsere Stelle 
von der mittleren Morgenzeit, um neun oder zehn Uhr, und 
Nitzsch Beiträge p. 86, Anm. 133, Baeumlein in der Zeitschr. 
f. Alterth. 1850 p. 149 vom späteren Morgen. Neuerdings aber 
hat Düntzer in den homer. Fragen. Leipzig 1874 p. 196 zur 
Lösung des Widerspruchs V. 84. 85 als aus andern Stellen un- 
richtig wiederholt angenommen: “das ἦμος δέ fordert keine vor- 
hergegangene Zeitbestimmung. Vgl. p. 404. ὃ 400.’ — Dass durch 
die Wendung ὄφρα μὲν ἠῶς ἦν καὶ ἀέξετο ἱερὸν ἦμαρ die Zeit bis 
_zum Mittag bezeichnet wird, geht aus dem dieser Wendung © 68 
folgenden Gegensatze ἦμος δ᾽ ἠέλιος μέσον οὐρανὸν ἀμφιβεβήκει. 
unwiderleglich hervor, ganz abgesehen von ı ὅ0 ff., wo derselben 
Wendung auffallender Weise gegensätzlich folgt: ἦμος δ᾽ ἠέλιος 
μετενίσσετο βουλυτόνδε vgl. den Anhang zu ı 54. 55. Danach 
kann durch die 86 folgende gegensätzliche Wendung offenbar nur 
die Mittagszeit bezeichnet sein. Dass andrerseits durch die 
Wendung II 777 ὄφρα μὲν ἠέλιος μέσον οὐρανὸν ἀμφιβεβήκει eben 
nur die Mittagszeit bezeichnet sein kann, und nicht der Mittag 
selbst als vergangen, der Abend aber als eben einbrechend, er- 
giebt sich zweifellos sowohl aus dem Gegensatze @ 68 zu 66, 
wie aus dem Verhältniss von II 777 zu 779, da der Eintritt des 
Spätnachmittags, der doch dem Einbruch des Abends noch vor- 
hergeht, jener Wendung die ganze Zeit, wo die Sonne mitten am 
Himmel steht, ἃ, i. Mittag und die erste Nachmittagszeit zuweist. 
Auf eine lüngere Ausdehnung der in 84 gegebenen Zeitbestimmung 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen. 81 


weisen auch, wie Schoemann bemerkt, die Worte ἐπεί τ᾽ ἐκο- 
φέσσατο χεῖρας τάμνων, jedenfalls müsse die Wendung 86, so un- 
bestimmt sie auch sei, von einer Zeit verstanden werden, wo der 
Mittag nicht mehr fern sei. Mithin ist der bezeichnete Wider- 
spruch anzuerkennen, und nichts berechtigt dazu denselben durch 
Streichung von V. 84. 85 mit Düntzer zu beseitigen. — 88. Ueber 
&öog vgl. Leo Meyer in Kuhn's Zeitschr. XXIT p. 475 £, welcher 
wegen der sonstigen Dehnung des α in sämmtlichen angehörigen 
Verbalformen vermuthet, dass ὦδος (mit vorhergehendem apostro- 
phierten μάκρ᾽) zu schreiben sei, wie schon Heyne und Buttmann 
Lexilog. ?IT p. 119 wollten. &dog ist die Schreibung Aristarchs, 
vgl. La Roche Textkritik p. 179. 

95. Düntzer in Jen Jahrbb. f. Phil. Suppl. IIT p. 840 
vermuthet in V. 95—98 eine später eingeschobene Ausführung. 
Diese Vermuthung ist als unbegründet zurückgewiesen von Gi- 
seke in Jahrbb. f. Philol. 85 p. 511 und Benicken die Inter- 
polationen p. 8. 

100. Aristonieus ed. Friedlaender p. 189 bemerkt: ἡ διπλῆ 
ὅτι ἔν τισι γράφεται ἐπεὶ κλυτὰ τεύχε᾽ ἀπηύρα. ἔσονται δὲ αὐ- 
τοὶ οἵ νεκροὶ τοῖς στήϑεσι παμφαίνοντες" οὐ λέγει δὲ τοῦτο, ἀλλὰ 
τοὺς ἐπὶ τοῖς στήϑεσι παμφαίνοντας χιτῶνας. Aristarch verband 
also στήϑεσι παμφαίνοντας mit χιτῶνας. Dagegen bezog Nicanor 
ed. Friedlaender p. 209 vgl. p. 112 παμφ. zu dem vorhergehenden 
τούς und deutete den Ausdruck auf die Jugendlichkeit der Ge- 
tödteten. Eine andere alte Erklärung, die des Grammatikers Pius 
vgl. Philol. XXVIIL p. 87 ᾿τὰ στήϑη περιφαίνοντας᾽, ist in dem 
Schol. A bei Dindorf I p. 376 näher erklärt: ἐπειδὴ, φησὶ, τοὺς 
ἐπὶ τοῖς στήϑεσιν αὐτῶν χιτῶνας ἀφείλατο, γυμνοὺς καὶ φαινομένους 
τοὺς νεκροὺς κατέλιπεν. Bei diesen Erklärungen nimmt Povelsen 
emendationes locorum aliquot Hom. p. 15 ff. besonders Anstoss an 
der für περιδύνειν vorausgesetzten Bedeutung — περιεκδύνειν, wo- 
für allerdings die homerische Sprache keine Analogie bietet, und 
erklärt daher unter Beseitigung des Komma nach παμφαίνοντας: 
“Et hos quidem ibi reliquit Agamemnon, postquam pectori suo ful- 
gentia arma ceircumdedit, mit der Erläuterung: Quoniam non 
adest satelles, cui spolia tradat, tortiles tunicas oceisis detractas 
thoraci suo superinduit, dum ad suos perveniat. Diese Erklärung, 
wie alle übrigen verwerfend, fand Schneidewin in Philol. X 
Ρ. 356 in den Worten eine unverkennbare Ironie, indem er er- 
klärt: “Agamemnon liess beide Genossen am Erdboden liegen, die 
nur mit ihrer nackten Brust weiss glänzten; denn ihre Waffen- 
röcke, womit sie vorhin prächtig geglünzt, hatte er ihnen abge- 
zogen.” Aber auch diese Erklärung hat den Beifall der neueren 
Interpreten nicht gefunden, welche sich den Alten anschliessen, 
und zwar Nicanor: Faesi-Franke: “Durch dieses Glänzen (die 
glänzende Weisse) der Brust soll wohl ihre Jugend Ka 113— 


Ameis, Anhang zur Ilias, 


82 __Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 


121) bezeichnet werden’, Doederlein: “candore pectorum nondum. 
pilosorum splendentes ad primam aetatem oceisorum significandam” 
ebenso La Roche, wührend Düntzer im Anschluss an Pius die 
Bezeichnung auf die frische Jugend leugnet und die Worte nur 
von dem Schimmer der nackten Brust versteht. — Es lässt sich 
nicht leugnen, dass der Ausdruck παμφαίνων von der Erscheinung 
des menschlichen Körpers selbst etwas Auffallendes hat: παμφαί- 
vov wird sonst nur von dem Glanz der Gestirne, des Metalls und 
metallener Waffen und Gerüthe gebraucht. Nahe liegt andrer- 
seits der Vergleich von τεύχεσι παμφαίνων Z 513. T 398. Dart 
man diese Wendung als dem Hörer geläufig voraussetzen, so kann 
dieselbe mit der Veränderung στήϑεσι nur eine überraschende 
Wirkung haben: der Hörer stutzt und nun löst der Dichter durch 
den erklärenden Zusatz, ἐπεὶ — χιτῶνας die Differenz. Man kanı 
vergleichen σ 354. 355, auch M 212, wo in ähnlicher Weise 
ἐπεί die ironische Erläuterung einer überraschenden Angabe ein- 
leitet. Die ironische Auffassung der Stelle wird gestützt durch 
andere ironische Züge innerhalb des Gesanges: vgl. 162. 395. 453 f. 
Auch der Verfasser des Artikels παμφαίνω im Lexic. Hom. 
billigt die Schneidewin’sche Rıklärung. — Uebrigens ist Düntzer 
in den Jahrbb. f. Phil. Suppl. III p. 841 geneigt mit 95—98 
auch 99. 100 zu verwerfen. Mit ihm verwirft Benicken (die 
Interpolationen p. 9) V. 100, hält dagegen 99 für notwendig. 

104. Zenodot las hier ὅν ποτ᾽ statt ὥ or’, fasste danach 
106 ποιμαίνοντ᾽ als Singular und bezog σφέ 111 nur auf den einen 
Priamiden. Indessen zweifelt Brugman ein Problem der home- 
rischen Textkritik p. 20f. an der Richtigkeit dieser Angaben. Zu 
Aristonie. ed. Friedlaender p. 189 hieher gehöriger Bemerkung 
vgl. Cobet Miscellan. erit. p. 291. 

109. Die handschriftl. Lesart αὖ παρὰ οὖς hat wegen des 
Hiatus Bekker mit Heyne in αὖτε mag’ οὖς verwandelt, vgl. 
T 473 κατ᾽ οὖς. Eine Handschrift (L) bei La Roche hat παρ΄. 
Nauck vermuthet αὖτ᾽ οὖας. “Vielleicht sprach man hier einst 
παρ᾽ dag.’ G. Curtius Erläuterungen ®p. 70. — 110ff. Hier nimmt 
Düntzer in den Jahrbb. f. Philol. Suppl. III p. 840 daran An- 
stoss, dass 120f., wo gesagt ist, dass keiner der Troer den beiden 
Priamiden das Verderben abwehren konnte, erst nach der Be- 
merkung folgen, Agamemnon habe ihnen auch die Waffen abge- 
zogen, sowie dass die Gefangenschaft zweimal erwähnt ist, und 
verwirft 110—112. Zustimmt Benicken die Interpolationen p. 9; 
Giseke in den Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 506 verwirft wegen 
der Vernachlässigung des Digamma in εἶδεν 111. 112. — Ueber 
zweitheilige Vergleiche, wie den folgenden handelt Düntzer homer, 
Abhandl. p. 487 f, und über die reiche Abwechslung in den Ver- 
gleichen auch bei gleichem Süjet Nitzsch Beiträge p. 337. 

122. In der folgenden Erzählung von der grausamen Tödtung 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen. 83 


der Söhne des Antimachos 122—154 sieht Düntzer in den Jahrbb. 
£. Philol. Suppl. ΠῚ p. 841f. eine Eindichtung. Giseke in den 
Jahrbb. f. Philol. 85 p. 611 rechtfertigt die Darstellung in 
folgender Weise: “Die Lage der beiden Brüder rechtfertigt die- 
selben gegen den Vorwurf der Feigheit: ihre Pferde waren schon 
scheu, als Agamemnon auf sie los kam, ausser Stande sich zu ver- 
theidigen bitten sie sogleich um Gnade, denn Tod bloss um des 
Todes willen ist nicht homerische Art. Wir hören nur, was Aga- 
memnon selbst noch sah, als er sie überraschte, dass sie beide 
nach den Pferden griffen, weil ihnen die Zügel entfallen waren. 
In der That sind die Zügel allerdings nur einem entfallen, “ihnen” 
rechtfertigt sich aus dem Geiste Agamemnons, der sich nicht mehr 
kümmerte, welcher von beiden sie gehalten hatte?” Auch Be- 
nieken die Interpolationen p. 9. weist die Ausstellungen Dün- 
tzers zurück, hält jedoch 127 ὁμοῦ bis 129 κυχηϑήτην für un- 
echt (wo er in dem zweiten Halbverse von 129 für ἐναντίον — 
ἀντίον schreiben will) und mit Ribbeck 150—152. 

130. Gegen die Diürese der Patronymika auf — eiöng führt 
W.C. Kayser im Philol. XVIIL p. 660#. diesen Vers an, welchen 
nach Aristonikos zur Stelle Aristarch zwölfsilbig mass: vgl. 
T 178. 182. Derselbe bemerkt treffend: “In dem grösseren Theile 
des Verses spiegelt sich trefflich das ‘ängstlich zaghafte Benehmen’, 
zu welchem die Jünglinge beim Anblicke des Grimmigen aus dem 
wilden Laufe übergehen, in dem sie noch hoffen konnten ihrer 
Thiere durch Geschick und Anstrengung Herr zu werden. Ihre 
beiden Rosse stutzen, als der Gegner ihnen den Weg verlegt. 
Wie: der Schluss des vorhergehenden Verses die ersten Versuche 
Agamemnons versinnlicht, seinen Wagen in der Nühe seiner jugend- 
lichen Opfer zum Stillstande zu bringen (ὦρτο λέων ὥς), so ist 
der Molossus nicht minder geeignet, wie der Abschluss des Go- 
dankens, den Eintritt der völligen Ruhe zu bezeichnen, das Ein- 
treffen des Mannes zu markieren, der kein Bedenken trägt an den 
Kindern schonungslos zu rüchen, was vordem ihr Vater verbrochen 
hat. In ilm ist ihre Ker wirklich erschienen.” Vgl. auch Hess 
über die komischen Elemente im Homer, p. 44 und Noeldechen 
de imitatione in carminibus Hom. sono et ıhytlmo effectu. Berlin 
1864 p. 42. Gegen die Annahme rein spondeischer Hexameter 
spricht A. Nauck in den Melanges Greco-Romains IV p. 129, 
welcher ausser ”4rgelöng auch öfpgoo zu schreiben empfiehlt. 


135. Zur Auffassung von εἰ --- πεπύϑοιτ᾽ vgl. L. Lange der ho- 
merische Gebrauch der Partikel εἰ, Ip. 444 ἢ, 

138 ff. Ueber die Antwort Agamemnons “welche den Gegner 
mit seiner eignen Waffe schlägt’ vgl. Gladstone homer. Studien 
p. 3248, der damit passend χ 310—325 vergleicht. — Ueber 
die Unverletzlichkeit der Gesandten in der heroischen Zeit vgl. 

6* 


84 _ Kritischer und exegetischer Anhang. Δ. Anmerkungen. 


Sorgenfrey de vestigüs juris gentium Homerici, Leipz. 1871 
p. 43 ff. — 142. Zenodot schrieb hier nach Aristonie, ed. Fried- 
laender p. 190f. οὗ πατρός statt des aristarchischen und in allen 
Handschriften gelesenen τοῦ πατρός. Zenodots Lesart nahm sich 
schon Heyne VI p. 148 an, ‘indem er τοῦ πατρὸς — ἐκείνου τοῦ 
πατρός für kaum homerisch hielt, ebenso Voss al hymn. in Cer. 
153. Jetzt hat Brugman ein Problem der homer. Textkritik 
p- 46 (vgl. Philolog. Anzeiger VIII p. 25 ἢ.) das οὗ des Zenodot 
ὑμετέρου oder genauer σφωϊτέρου mit grosser Wahrscheinlich- 
keit als die ursprüngliche Lesart gerechtfertigt: so T 322. ß 134 
οὗ -- ἐμοῦ, π 149 οὗ —= ἡμετέρου, A 492 οὗ ἐμοῦ, wo jetzt 
überall τοῦ gelesen wird, auch ® 412 ἧς = σῆς für τῆς. Die 
ursprüngliche Beziehung des reflexiven Pronomens auf alle 
Numeri, wie auf alle Personen ist durch die vergleichende Sprach- 
wissenschaft erwiesen, Spuren dieses weiteren Gebrauchs sind im 
Griechischen in jeder Periode der Sprache zu verfolgen. Dass man 
an den angegebenen Stellen diesen freieren Gebrauch verkennend 
für οὗ und ἧς die entsprechenden Formen des Artikels τοῦ und 
τῆς einsetzte, wird abgesehen davon, dass hier ausdrücklich οὗ als 
Zenodots Lesart überliefert ist, einmal dadurch höchst wahrschein- 
lich, ‘dass die Wendungen wie τοῦ πατρός immer nur da vorkommen, 
wo Bezug auf die erste oder zweite Person stattfindet, nie da, 
wo der Ausdruck auf die dritte Person geht, wo allemal οὗ πα- 
τρός steht”, sodann dadurch, dass “einzig auf Grund der fraglichen 
Stellen dem Artikel eine Function (die possessive) substituirt 
worden ist, die er sonst bei Homer nirgends hat.” Vgl. auch 
Cauer in G. Curtius Stud. VII p. 150. Nauck hat ebenfalls 
οὗ für τοῦ in den Text gesetzt. — Ueber λώβη und Synonyma 
vgl. Mayer Studien zu Homer, Sophokles οἷο. 1874 p. 67 fl. 
146f. Bekker homer. Blätt. II p. 57 ff. stellt mit den im 
Homer vorkommenden Zügen von Rohheit, “die nicht entschuldigt 
werden, doch aber auch keine besondere und eigenthümliche Roh- 
heit der homerischen Menschen beweisen’ ähnliche aus der mittel- 
altrigen Poesie und Geschichte zusammen, wo sie viel zahlreicher 
sind. — 147. Zur Erklärung des Infinitivs »vAlvdssder vgl. 
Meierheim de infinitivo Hom. Spec. I p. 50. — 151. An Stelle 
des von den besten und meisten Handschriften gebotenen ἑππεῖς 
δ᾽ ἱππῆας ([ππῆες δ᾽ D. Schol. AD ad A 168) ὑπὸ δέ σφισιν ver- 
langte Lehrs quaest. Ep. p. 242, da die Form ἱππεῖς sich nur 
an dieser einen Stelle findet, Immijeg δ᾽ ἱππῆας ὑπὸ σφίσι δ᾽, was 
Becker und Nauck in den Text gesetzt haben. La Roche’s Be- 
denken gegen diese Emendation in der Schulausgabe Anhang A 
p- 143 sind von Ribbeck in der Zeitschr. f. G. W.XXV p. 450 
mit Recht zurückgewiesen. — 152. Ueber den Gebrauch von ἐρί- 
ydovmog und ἐρίδουπος vgl. Kopetsch de differentia orationis 
Hom. et posteriorum epicorum in usu epithetorum etc. Lyck, 1873 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen. 85 


p- 3. — 155. Zur Etymologie von ἄξυλος vgl. Clemm in G. 
Curtius Stud. VIIT p. 100, welcher die verschiedenen Erklärungs- 
versuche zusammenstellt und sich für die von H. Weber im 
Philol. XVI, 680 gegebene erklärt, wonach das Wort aus W. ak 
vermittelst ἀξ (in d$-ivn) gebildet ist und den Wald als den 
starrenden, ragenden bezeichnen soll (vgl. Hesych. ὄξος" ὅλη). 

163. Die Gründe für die Verwerfung von 163. 164 sind 
in der Einleitung p. 52 f. auseinandergesetzt. Auch Nitzsch Bei- 
träge p. 383 verwirft dieselben: “Der Diaskeuast wollte die 
Wundermacht des rettenden Zeus recht beredt und stark zeichnen.” 
Nach Düntzer in Jahrbb. ἢ Philol. Suppl. III p. 842 ff. reicht 
aber die Interpolation bis 184, nach Giseke in den Jahrbb. f. 
Philol. 85 p. 506 ff. gar bis 217, dagegen begnügt sich Benicken 
die Interpolationen p. 12 ff. mit der Ausscheidung von 163. 164. 
170. 171. 179. 180 und Ribbeck im Philol. VIII p. 483. ver- 
wirft 163—165, 179. 180 und 181—210, vgl. denselben in den 
Jahrbb. f. Philol. 85 p. 82f. und 85. Bekker hat aus dieser 
ganzen Partie nur 179. 180 unter den Text gesetzt, nach dem 
Vorgange der Alten: ᾿ἀϑετοῦνται ἀμφότεροι. καὶ ἀστερίσκοι παρά- 
κεινται, ὅτι κατὰ τὴν Hergöxkov ἀρφιστείαν τάξιν ἔχουσι, νῦν δὲ οὔ" 
προείφηται γὰρ πολλοὶ δ᾽ ἐριαυχένες ἵπποι κείν’ ὄχεα κροτά- 
λιξον ἀνὰ πτολέμοιο γεφύφας (159). Ζηνόδοτος οὐκ ἔγραφεν. 
᾿Αφιστοφάνης δὲ ἠϑέτει τὸν Argeldew ὑπὸ χερσίν A. Vgl. Ari- 
stonic. ed. Friedlaender p. 191 Nitzsch Sagenpoesie p. 132 
verwirft nur 180, Nauck nur 184. — Die ganze Partie von 150 
—180 leidet an einer auffallenden Breite und legt allerdings den 
Verdacht nahe, dass die ursprüngliche Erzählung mehrfach durch 
Zusätze erweitert ist. Viermal wird, zum Theil in sehr ähnlichen 
Wendungen, berichtet, wie Agamemnon die Feinde mordend unter 
Geschrei verfolgt, vgl. 154. 165. 168. 177. 178. Vor allen geben 
die V. 150—154 besondern Anstoss durch die hier mit einem Mal 
hervortretenden ἱππῆες, wihrend nirgend angedeutet ist, dass 
die 47 f. abgesessenen Wagenkämpfer die Wagen wieder bestiegen 
haben. Diesen Anstoss zu beseitigen würde die von Ribbeck und 
Benicken gewollte Streichung von 150—152 genügen, aber beim 
Anschluss von 153. 154 an 149 stört das rasche Umspringen der 
Erzählung von Agamemnon auf die Achaeer und wieder auf Aga- 
memnon und die unmittelbare Folge des ἐνόρουσε und αἰὲν — 
ἕπετο von Agamemnon. Dagegen ist der Anschluss des Vergleichs 
155 fl. in dem einleitenden ἐμπέσῃ an das ἐνόρουσε 149 vortrefl- 
lich: dann wird durch die Ausführung des Vergleichs 156. 157 
die verheerende Thätigkeit des Agamemnon, die 158 #. ausgeführt 
wird, passend vorbereitet, während dieselbe 153. 154 unpassend 
antieipiert wird. — Auch V. 165 kann verdichtig scheinen, aber 
nach dem of δὲ 161 würde nach Entfernung von 165 das 166 
folgende οἵ δέ keine klare Beziehung haben. In der folgenden 


86 Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen. 


Partie liegen abgesehen von 179. 180 keine entscheidenden Gründe 
für die Annahme von Interpolationen vor. 

166. Zur Interpunction der folgenden Verse vgl. Nicanor 
ed. Friedlaender p. 210 und über die localen Bestimmungen Has- 
per Beiträge zur Topographie der homer. Ilias p. 381. und den- 
selben das alte Troja und das Schlachtfeld der homerischen Helden 
p. T. — 173. Ueber νυκτὸς ἀμολγῷ vgl. den Anhang zu ὃ 841 
und dazu Oertel de chronologia Hom. III p. 38 und Bursians 
Jahresbericht 1874/75 p. 60. 


185 ff. Ueber die Sendung der Iris vgl. die Einleitung p. 53 f. 
— 186. Statt τὸν vermuthet Nauck καί. Ueber ἐνίσπες vgl. 
den Anhang zu y 101. — 187. Ueber die Verbindung von ἄν 
%ev.vgl. den Anhang zu ε 361. ὄφρ᾽ ἂν μέν κεν findet sich auch 
ausser A202 in der Odyssee ε 361 und £259. Thiersch Griech. 
Gramm. $ 346, 18 wollte an diesen Stellen κὲν in καί ändern, 
Povelsen Emendationes Hom. p. 50ff. ἄν auswerfen, wie Bothe 
& 361 gethan hat (2 Handschriften bei La Roche HL haben 
ὄφρα μέν), dagegen vermuthet Nauck in den Milanges Gröco- 
Romains etc. Tome III p. 15f., dass alte Diorthoten ὄφρ᾽ ἂν μέν 
des Metrum wegen statt ἕως μέν gesetzt hätten, und ἦος μέν her- 
zustellen sei. Vgl. auch van Herwerden quaestiunculae epicae et 
eleg. p. 20. — 189. Ueber die Form ἀνώχϑω vgl. G. Curtius 
das Verbum der griech. Spr. II p. 165f. — 192. Ueber die Bil- 
dung des Conj. Aor. ἅλεται vgl. G. Curtius das Verbum der 
griech. Sprache II p. ὅδ, auch Stier in G. Curtius Stud. II 
p. 129. — 193. 194. Zur Verwerfung dieser beiden Verse vgl. 
die Einleitung p. 54. Die Athetese ist begründet von Lach- 
mann Betrachtungen p. 38, Benicken de Iliadis carm. X p. Sf, 
angenommen von Düntzer in Jahrbb. f. Philol. Suppl. III p. 845 
vgl. Benicken die Interpolationen p. 18#., Ribbeck im Philol. 
VIII p. 481, beschränkt auf 194 von Nitzsch Sagenpoesie p. 251 
unter Zustimmung von Hiecke über Lachmanns zehntes Lied 
p. 16, bestritten von Cauer die Urform einiger Rhapsodien der 
Ilias p. 13, von Köchly diss. VII p. 35f. unter Zustimmung von 
Ribbeck in Jahrbb. f. Philol. 85 p. 73f. Die ganze Erzählung 
von der Sendung der Iris endlich wird verworfen von Giseke in 
Jahrbb. f. Philol. 85 p. 507 und 512 und von Bischoff im Phi- 
lol. XXXIV p. 18. 


199. Nauck in den Melanges Gröco-Romains IV p. 91 Β΄. 
verlangt durchweg die Herstellung der dreisilbigen Form ἀγχόϑι 
als der älteren und ausschliesslich poetischen an Stelle der zwei- 
silbigen ἀγχοῦ, der jüngern und auch von einigen Prosaikern ge- 
brauchten Form: ‘Gegen ἀγχοῦ spricht ein sehr triftiger Grund, 
dass es nämlich bei Homer nicht eine einzige Stelle giebt, welche 
die zweisilbige Form mit Nothwendigkeit fordert, wie es ohne 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen. 87 


Zweifel der Fall sein würde, wenn die jüngere Form ἀγχοῦ der 
homerischen Poesie bereits bekannt wäre.” 

201. Die von den Alten als dorisch erklärte, aber als solche 
sonst nicht nachweisbare Form des Dativs reiv findet sich ausser 
dieser Stelle nur in der Odyssee: ὃ 619. 829. 1 560. ο 119. Vgl. 
darüber Cauer in G. Curtius Stud. VII p. 104f. und Herzog 
Untersuchungen über die Bildungsgeschichte der griech. und lat. 
Sprache, Leipz. 1871 p. 125. 

218. Ueber die Anrufung der Musen vgl. den Anhang zu 
B 484 und ausserdem auch Nitzsch Beiträge p. 321. 

234. Ueber die Bedeutung von ξώνη = ξωστήρ vgl. Lehrs 
Aristarch. ®p. 122. u. Aristonic. ed. Friedlaender p. 193. Andere 
verstehen ξώνη, wie B 479, von den Weichen. — 236. Den Ge- 
brauch von πρίν im Sinne von zuvor, wie hier, erörtert Richter 
quaestt. Hom. Chemnitz 1876 p. 7. — 239. Die Worte ὥς τε Alg 
bezeichnet Nauck in der Ausgabe als verdächtig, vgl. denselben 
im Archiv ἢ, Phil. u. Pädag. VII p. 580f. 

241 ἢ, Gute Bemerkungen über die folgenden Verse giebt 
Piechowsky de ironia Iliadis p. 108. Dagegen will Düntzer 
in Jahrbb. ἔς Philol. Suppl. ΠῚ p. 846 V. 241—247 als Inter- 
polation ausgeschieden wissen, vgl. dagegen Benicken die Inter- 
polationen p. 22f. — V. 242 vermuthet Nauck οἷος ἄτερ statt 
οἰκτρός, ἀπό. Zur Interpunction vergl. Nicanor ed. Friedlaender 
p- 211, über den Begriff von dorög Riedenauer Handwerk und 
Handwerker in d. hom. Zeiten p. 174. Ueber solche Acusserungen 
des Mitgefühls, mit welchen der Dichter den Tod der Krieger be- 
gleitet, spricht Nitzsch Beiträge p. 308. — Ueber κουρίδιος vgl. 
den Anhang A 114. — Die Frage über die ἕδνα ist neuerdings 
wieder erörtert von Cobet miscellan. crit. p. 239 ff, vgl. Naegels- 
bach homer. 'Theol. ἦν. 255 fi. 

248#. Die folgende Scene, wie Koon um die Leiche seines 
Bruders Iphidamas kämpft, war auf dem Kasten des Kypselos dar- 
gestellt, vgl. Overbeck Geschichte der griech. Plastik I 7Of, 
auch Nutzhorn die Entstehungsweise der hom. Gedichte p. 56. 

261—263 werden von Düntzer in Jahrbb. ἐς Philol. Suppl. 
ΠῚ p. 847 verworfen, unter Zustimmung von Benicken die Inter- 
polationen p. 23f. 

269. Die Eileithyien treten in der Mehrzahl ausser dieser 
Stelle noch T 119 auf, sonst in der Einzahl IT 187. Τ' 108. τ΄ 188. 
Die Alten leiteten das Wort von der W. ἐλευϑ- ab, so Savels- 
berg quaestt. lex. p. 35, Legerlotz in Kuhn's Zeitschr. VIIL 
422, Welcker griech. Götterl. ΠῚ p. 113, was Preller griech. 
Myth. I p. 319 auf die Form Ἐλευϑώ anwendend auf das hülf- 
reiche Kommen der Göttin deutet, während er die Form Εἰλεί- 
ϑυιὰ von εἴλω, εἰλέω, εἰλύω ableitend auf den pressenden, drün- 
genden, wühlenden Schmerz der Entbindung bezieht. Diese Son- 


88 Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 


derung verwerfend, leitet Woerner in den sprachwissenschaftlichen 
Abhandlungen hervorgegangen aus G. Curtius’ grammatischer Ge- 
sellschaft, Leipz. 1874 p. 122 ff. beide Formen von ἐλύω winde, 
krümme ab, indem er nach μινύϑω zu μινύω ein ἐλύϑω zu ἐλύω 
voraussetzt. Danach sind ihm die Eileithyien «af εἰλείϑυιαι ὠδῖνες, 
die zusammenziehenden, krümmenden Schmerzen der Mutter, die 
Wehen der Geburt. “Von der letzten Wehe, welche das Kind zu 
Tage bringt, heisst es IT 187 woyooroxog εἰλείϑυια ἐξάγαγεν πρὸ 
φόωςδε, ähnlich T 103. — Während des Gebärens treten sie in 
der Mehrzahl auf: A 269 f. T 119. Eine ganz neue Erklärung 
giebt Fick vergleich. Wörterbuch ἽΠ p. 225 unter Ievedero frei, 
indem er Ἐλευϑώ, Εἰλείϑυια (für Ἐλλευϑυια) zu ἐλεύϑερος und 
lat. liber frei stellt und von Zu lösen ableitet. Ueber die weib- 
liche Koseform auf ὦ vgl. denselben die griechischen Personen- 
namen, Gött. 1874 p. XXII, und über die verschiedenen Formen 
des Namens Ὁ. Schneider Callimachea I p. 281. — μογοστόκος 
wird gewöhnlich erklärt aus μόγος und τίκτω und gedeutet von 
Autenrieth: schmerzschaffend, von Suhle: die mit Wehen 
gebären macht, dagegen aus magh, begaben, fördern, wozu 
helfen (vgl. μῆχος, μέγας), von Fick vgl. Wörterb. SI p. 708 

Geburt fürdernd, gebildet wie φερέσ-βιος. Meyer in G. Curtius 
Stud. V.p. 95 ist geneigt zu theilen μογο --- στόκο und den zweiten 
Theil zu W. stak contra ferire, arcere, repellere zu stellen, so dass 
der Sinn wäre: Schmerzen abwehrend oder stillend, was Brug- 
man in G. Curtius Stud. IX _p. 270 billigt. Die letztere Be- 
deutung ist hier geradezu unmöglich, an den andern Stellen un- 
wahrscheinlich. Die, welche in dem ersten Bestandtheil des Wortes 
den Begriff des Schmerzlichen finden, haben unsere Stelle für sich, 
sowie den späteren Dichtergebrauch, der das Wort in dem Sinne: 
schmerzgebärend, mit Geburtswehen verbunden kennt. Indess ist 
dieser nicht entscheidend, da ältere Worte von Spüteren nicht 
selten missverstanden wurden, und kann uns derselbe nicht hin- 
dern die Fick’sche Erklärung anzunehmen, für welche entscheidende 
Gründe sprechen. Einmal die Verbindungen μογοστόκος Εἰλείϑυια 
ἐξάγαγε πρὸ φύωσδε Π 187 und φόωσδε — ἐκφανεῖ T 103, wo 
das Attribut in dem Sinne “Geburt fürdernd’ so treffend sich in 
den Zusammenhang fügt. Wenn ferner, wie wir nach Woerner's 
Auseinandersetzung nicht zweifeln, εἰλείϑυια selbst den Begriff der 
schmerzlichen Wehen enthält, so ist die gleiche Bedeutung des 
Attributs nicht eben wahrscheinlich. Dass der von Fick gefundene 
Begriff bei den Eileithyien nahe lag, zeigt auch 7 119 ᾿Δλχμήνης 
δ᾽ ἀπέπαυσε τόκον, σχέϑε δ᾽ Εἰλειϑυίας. --- Bei βέλος 271 mag 
man erinnern, dass das alte Kultusbild der Hera zu Mycene Bogen 
und Fackel führte, welche Attribute aller Wahrscheinlichkeit nach auf 
die Verehrung derselben als Εἰλήϑυια, wie in Argos, deuten, vgl. 
Preller griech. Mythol. I p. 113. — In V. 272 nimmt Cobet 


Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen. 89 


Miscell. erit. p. 575 Anstoss an der Elision des Diphthong αἱ in 
ὀξεῖαι und schlägt vor, wie übrigens schon Bentley vermuthet 
hatte, zu schreiben: ὡς ὀξεῖ ὀδύνη δῦνεν μένος, übrigens sei der 
Vers nach 268 auch zu entbehren. Vgl. die Ausführung von 
Spitzner Exeurs. XIII p. XXIX ff: de diphthongorum elisione. 

274. Ueber ἤχϑετο κῆρ hier und 400, beidemal von Ver- 
wundeten, vgl. Fulda Untersuchungen über die Sprache der ho- 
merischen Gedichte p. 63: “die Schmerzen werden nur als so stark 
dargestellt, dass die geistigen Functionen dadurch gelähmt würden.’ 

275. Ueber die gegen diese Worte Agamemnons erhobenen 
Bedenken vgl. die Einleitung p. 50, insbesondere Ribbeck im Philol. 
VII p. 482 und in Jahrbb. f. Philol. 85 p. 77 und dagegen 
Düntzer in den Jahrbb. f. Philol. Suppl. III p. 847 f£. und Be- 
nicken die Interpolationen p. 24 ἢ, — Nauck in den Mtlanges 
Gröco-Romains VI p. 45 verwirft γεγωνώς, wie überhaupt das 
Perfect γέγωνα, und will dafür das sonst belegte Adjectiv γεγωνός 
“hörbar, vernehmlich’ an die Stelle setzen. 

297. “Unter den 24 Vergleichen, in welchen Hektor uns im 
Gedichte vorgeführt wird, entsprechen 17 dieser (auch in den At- 
tributen vorherrschenden) Anschauung von leidenschaftlicher 
Kampfhitze.” Happe der homerische Hektor. Coblenz 1863 p. 13. 
Vgl. N 802. 0 605. 624. 4305. M 40. A 297. N 688. 53. O 690. 
X 308. 0 605. P 565. N 53. 688. P 87. Σ 154. T 423. — 
298. Ueber ἰσειδής vgl. Goebel in Zeitschr. für Gymn. 1855. IX. 
p. 535. — 219. Ueber die formelhafte Frage vgl. Nitzsch Bei- 
träge p. 384 Anmerk. 

(801 f Friedlaender über die kritische Benutzung der 
homerischen Homonymie in den Jahrbb. für Philol. 71 p. 544 ver- 
muthet, dass das hier folgende Namensverzeichniss später sei als 
Ο 419 (KAvriog) und 525 (4όλοψ), wo die Namen fest in die 
Erzählung verflochten sind. “Dem Verfasser dieses Verzeichnisses 
im elften Gesange haben die Namen jener Verwandten des Priamos 
im funfzehnten vorgeschwebt, und er hat aus zweien derselben 
eine dritte Person zusammengesetzt um einen Vers zu füllen.” — 
Zum Vergleich 305 #. vgl. Friedlaender Beiträge zur Kenntniss 
der homer. Gleichnisse IT p. 4. — Zur Erklärung von ἀργεστής 
vgl. Fick vergl. Wörterbuch SI p. 23 unter argas und II p. 24 unter 
argos. Andere Erklärungen im Lexie. Hom. s. v. — Statt βαϑείῃ 
vermuthet Nauck in der Ausgabe zur Stelle βαρείῃ. 

319. Ueber βύλομαι vgl. Buttmann Lexilog. I p. 27 ἢν, 
G. Curtius Etym. ‘p. 539, Herzog Untersuchungen über die 
Bildungsgeschichte der griech. u. lat. Sprache p. 116. Für βούλομαι 
ist die aeolische Form βόλλομαι, beide beruhen wohl auf βόλινομαι. “Das 
homer. βόλ-ε-ται stände ganz auf einer Linie mit vol-o’ Curtius; 
dagegen sieht Herzog darin eine acolische Nebenform von βόλλομαι. 

326. Die Trennung von πάλιν ὀρμένω, wie Bekker und La 


90 Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 


Roche schreiben, ist begründet von Classen Beobachtungen über 
den homer. Sprachgebrauch p. 72 f. Vgl. auch Fedde über Wort- 
zusammensetzung im Homer. I. Breslau 1871. p.8 f. — V. 327 
vermuthet Nauck in der Ausgabe ἀσπάσιοι an Stelle von ἀσπασίως. 

328—335 werden verworfen von Düntzer in Jahrbb. f. Philol. 
Suppl. III p. 849, auch Grashof das Fuhrwerk p. 19 Anmerk. 
16, vgl. dagegen Benicken die Interpolationen p. 29 ff. und Gi- 
seke in Jahrbb. für Philol. 85 p. 511. Da hier auffallender 
Weise die Söhne des Merops nicht genannt werden, deren Namen 
der Schifiskatalog B 830 anführt, so vermuthet Bergk griech. 
Literaturgesch. I p. 566, 36, dass dem Verfasser des Katalogs 
diese Partie in vollständigerer Fassung vorlag. Den Begriff von 
κήρ erörtert Naegelsbach hom. Theol. ®p. 147 £. 

336—342 sind verworfen von Düntzer in Jahrbb. für Phil. 
Suppl. ΠῚ p. 850 und Bernhardy Grundriss d. griech. Lit. SIT, 
1, p. 166. V. 336. 337 werden dagegen von Benicken die Inter- 
polationen p. 31 gerechtfertigt, der nur 338—342 verwirft. Damit 
würden auch 368 und 373—375 fallen müssen. Vgl. die Einlei- 
tung p. 55. — 339 haben die besten Handschriften: οὐ γάρ οἵ ἵπποι, 
wie Ja Roche liest, Bekker nach einer im Venet. 4 angeführten 
Lesart οὐδὲ γὰρ ἵπποι, Bentley vermuthete οὐ δέ οἵ ἵπποι, was 
sich in H findet, vgl. La Roche. Da οὐ γάρ οἵ gegen das Di- 
gamma verstösst, das Pronomen οἷ aber kaum zu entbehren ist, 
so empfiehlt sich am meisten οὐδέ οἱ ἵπποι mit Nauck, wie M 50. 
zu lesen. Anders Meierheim de infinitivo Hom. Spec. I p. 35, 

343 ff. Bedenken gegen die Ursprünglichkeit von 343—368 
äussert Ribbeck in den Jahrbüchern für Philologie 85 p. 84. 
— 345. Das Beiwort βοὴν ἀγαθός steht hier, wie E 596, im 
Gegensatz zu der augenblicklichen Situation (ῥίγησε). Vgl. die Zu- 
sammenstellung bei Schuster Untersuchungen über die homeri- 
schen stabilen Beiwörter. I Stade 1866. p 4 ἢ 

348. Zur Lesart στέωμεν, welche die besten Handschriften 
bieten, vgl. La Roche hom. Untersuch. p. 152, über die Form 
aber Stier in G. Curtius Stud. II 134, G. Curtius in den Stud. 
ΠῚ 399, welche dieselbe als umgesprungen aus στήομεν fassen. 
Dagegen will Leo Meyer in Kuhns Zeitschr. XXIT p. 473 dafür 
στάομεν lesen. — 355. 356: ὁ ὀβελὸς καὶ ὁ ἀστερίσκος, ὅτι ἐν 
ἄλλῳ τόπῳ (Ε 309) ὀρϑῶς κεῖται, ἐνταῦϑα δὲ οὔ" οὐ γέγονε γὰρ 
σφόδρα. πληγή, ὡς ἐπ᾽ Αἰνείου" οὐ ϑλάσσε δὲ οἵ κοτύλην (E 307). 
πῶς οὖν ἐσκοτώϑη. Friedlaender Aristonie. p. 194. Schon vor 
Aristarch athetierte Aristophanes die Verse, Zenodot schrieb 
sie gar nicht. Die Neueren theilen diese Bedenken nicht. 

359. Die handschriftliche Lesart ist &uvuro. La Roche schreibt 
ἔμπνυτο, indem er in der homerischen Textkritik p. 290 diese 
Lesart als die Aristarchische zu erweisen sucht. 


Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 91 


361. An den folgenden schmähenden Worten des Diomedes 
nahm Jacob die Entstehung der Ilias und Odyssee p. 244 Anstoss, 
weil sie mit der sonstigen Mässigung des Diomedes nicht harmo- 
nierten. Die Worte sind durchaus an ihrer Stelle in Achills 
Munde 7 449 —454, wo er den Mörder des Patroklos verfolgt und 
Apollon Hektor wirklich soeben aus der drohenden Gefahr errettet 
hat. Eine weitere Stütze für die Annahme der Interpolation bietet 
auch die Differenz zwischen der Ankündigung νῦν αὖ τοὺς ἄλλους 
ἐπιείσομαι und dem Fortgang der Erzählung, wo Diomedes sich 
zunächst damit beschäftigt dem vorhergetödteten Agastrophos die 
Rüstung abzuziehen, vgl. zu 368. Daher haben auch Düntzer 
in Jahrbb. f. Philol. Suppl. III p. 851, Giseke in den Jahrbb. ἢ, 
Philol. 85 p. 508, Benicken die Interpolationen p. 33 V. 361— 
368 verworfen. 

368. ἐξενάριξεν, die Lesart des Aristarch, findet sich nur 
im Venetus A, die übrigen Handschriften bei La Roche haben 
ἐξενάριξεν, wie Zenodot las. Zur Rechtfertigung des Aorist be- 
merkt Bekker homer. Blätt. II p. 28: ‘Nachdem Diomedes gesagt 

νῦν αὖ τοὺς ἄλλους ἐπιείσομαι, ὅν κε κιχείω, 

fängt er einen neuen Abschnitt des Kampfes an, nicht aber spricht 
er jene Worte schon wieder im Spoliiren begriffen.” Auch La 
Roche hat den Aorist geschrieben. Dagegen bemerkt Aristonic, 
ed. Friedlaender p. 195 gegen Zenodot: ἄρτι δὲ ἔμελλε σχυλεύειν᾽ 
ἐπιφέρει γοῦν ἤτοι ὃ μὲν Suonza’Ayaoreöpov IpPLuoıo (373). 
Gewiss mit Recht. Die von Bekker betonte Differenz zwischen 
den Worten des Diomedes und seiner Handlung fällt eben dem 
Interpolator zur Last, der 361—368 einfügte, dieselbe wird aber 
nicht durch den Aorist ἐξενάριξεν beseitigt, weil in Wirklichkeit 
kein neuer Abschnitt des Kampfes beginnt. Das Imperfect de 
conatu ist die einzig richtige Lesart, wie die Aufnahme des Ge- 
dankens 374. 375 zeigt, denn den Aorist ἐξενάριξεν von der Tödtung 
selbst zu verstehen, verbietet doch, was vorher 342 erzählt ist. 
In der Ortsbestimmung 371. 372 sieht Ribbeck im Philol. 
VIII p. 484 und in den Jahrbb. f. Philol. 85 p. 83 einen Zusatz 
der Diaskeuasten, vgl. dagegen Düntzer in den Jahrbb. f. Philol. 
Suppl. III p. 850 ἢ, der seinerseits 373—375 wegen ihrer Be- 
siehung auf 338—342 verwirft, wie Benieken. — Die Dehnung 
der Endsilbe von κεκλιμένος erklärt Hartel homer. Studien I p. 77 
durch Annahme digammatischen Anlautes in ἀνήρ, vgl. aber G. 
Curtius Etym. p. 308. — Ueber die Bedeutung von δημογέρων 
vgl. Gladstone hom. Stud. p. 419. Dass Homer diesen Ausdruck 
niemals auf einen Griechen anwendet (auf Troer auch nur zweimal, 
ausser dieser Stelle noch Γ 149), ist wohl Zufall. Uebrigens be- 
merkt Fick in G. Curtius Stud. IX p. 171: γέρων vertritt, wenn 
es Titel ist, das homerische δημογέρων Volksültester.” 

381. Die verschiedenen Infinitivconstructionen nach ὄφελον 


92 __Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 


sind zusammengestellt bei Cavallin de temporum infinitivi usu 
Hom. p. 54 f. — 382 f. Düntzer in Jahrbb. f. Philol. Suppl. ΠῚ 
p. 852 nimmt an diesen beiden Versen Anstoss, unter Widerspruch 
von Benicken die Interpolationen p. 36. 

385. Ueber χέραι vgl. Aristonic, ed. Friedlaender p. 195: 
ἡ διπλῆ ὅτι κέραι οὐ τῇ τριχὶ ψιλῶς, ἀλλ᾽ ἐμπλοκῆς τι γένος εἰς 
πέρατος τρόπον ἀνεπλέκοντο of ἀρχαῖοι. -- ἔνιοι δέ, τῷ τόξῳ dyak- 
λόμενε᾽ προείρηκε δὲ τοξότα λωβητήφ. Die Erklärung von einem 
besondern Haarschmuck ist von den Neuern mit Ausnahme des 
Verfassers des Artikels ἀγλαύς im Lexic. Hom. allgemein verwor- 
fen. Aber auch die gewöhnliche Erklärung von χέραι ἀγλαέ = mit 
dem Bogen prunkend, bietet doppelte Schwierigkeiten. κέρας 
kommt im Singular sonst bei Homer zur Bezeichnung des Bogens 
nicht vor. Nur der Plural g 395 von den aus Horn bestehenden 
Flügeln des Bogene. Sodann heisst ἀγλαύς sonst überall splen- 
didus, illustris, conspicuus, nicht = ἀγαλλόμενος, und hat nirgend 
bei Homer einen bestimmenden Zusatz bei sich. Dazu kommt 
endlich, dass bei dieser Auffassung in χέραι ἀγλαέ im Wesentlichen 
derselbe Gedanke noch einmal wiederholt wird, der schon in τοξότα 
λωβητήρ ausgesprochen ist, während man nach den in enger Beziehung 
zu einander stehenden beiden ersten Worten überhaupt eine Zwei- 
theilung erwartet, so dass κέραι ἀγλαέ mit παρϑενοπῖπα eine be- 
sondere Beziehung hätte. Diese Zweitheilung verlangt auch 
Doederlein: Tu qui, eum nihil nisi sagittarius sis, melioribus 
maledieis, et, arcu dum militem simulas, nihil nisi molliculus puel- 
larum venator es’, indem er κέρας nur von den schön geglütteten 
und glänzenden Horntheilen versteht, welche ihm wie Elfenbein 
zum Schmuck dienten, im Gegensatz des Holzes und der Sehne 
als der wesentlicheren Theile dieser Waffe, und die Worte erläu- 
tert: κέρατι μόνῳ ἀγλαέ, ἀλλ᾽ οὐ νευρᾷ δεινέ, vgl. Glossar $ 746. 
Weder diese, noch die Erklärungen der Schol. vgl. Dindorf I p. 389, 
II p. 472 befriedigen völlig. — Zur Auffassung von 386 f. vgl. 
L. Lange der homerische Gebrauch der Partikel εἰ I p. 363 ἢ, 
über den Conjunctiv im Nachsatze Aken, die Grundzüge der 
Lehre von Tempus und Modus im Griech. p. 30. 

389. Ueber ὡς εἰ vgl. L. Lange der homer. Gebrauch der 
Partikel εἰ I p. 439 ἢ, — 390. Zu κωφός vgl. Lehrs Aristarch. 
2p. 118. — 393. Zu ἀμφίδρυφος vgl. Hoffmann Homerische Un- 
tersuchungen. No. 1. ’4upi in der Ilias. Lüneburg 1857 p. 4. 

402. Die von Aristarch (Lehrs Arist. ®p. 75) für Homer 
überall behauptete Bedeutung von @ößog — φυγή wird von La 
Roche hom. Textkritik p. 367 für manche Stellen bezweifelt; der- 
selbe nimmt hier, wie N 470 φόβος in der Bedeutung Furcht, 
indem er annimmt, dass Aristarch die für die Mehrzahl der Stellen 
richtige Beobachtung mit Unrecht verallgemeinert habe. Dagegen 
bemerkt Düntzer in seiner Ausgabe: “Auch hier läse man lieber 


Kritischer und exegetischer Auhang. 4. Anmerkungen. 98 


τρόμος, das Homer mehrfach mit ἔλλαβε, ἕλε, ἔχε verbindet,” und 
ebenso vermuthet Nauck in der Ausgabe, vgl. auch zu 544. — 
403. Statt des handschriftlichen εἶπε πρὸς ὃν μεγαλήτορα ϑυμόν 
schreibt Bekker: Feime ξεὸν μεγαλ. ϑυμ. Ueber diese und andere 
Aenderungen Bekkers behufs Wiederherstellung des Digammas 
auf dem Gebiete der persönlichen Pronomina vgl. Cauer in G. 
Curtius Stud. VII p. 115 ff. 

413. Nicanor ed. Friedlaender p. 212 vgl. 92 interpungierte 
nach σφίσι, ebenso Zenodot, der aber weiter πῆμα δὲ ἔλσαν las 
nach Aristonic. ed. Friedlaender p. 196, die neueren Heraus- 
geber verbinden dagegen μετὰ σφίσι πῆμα τιϑέντες. Gegen diese 
erklärt sich Nauck in den Mtlanges Gröco-Romains III p. 16 für 
Nicanor, indem er mit den Schol. annimmt, dass die Troer nicht 
sich damit Leid schaffen, sondern dem Odysseus, will dann aber 
die bei Nicanors Verbindung störende Praeposition &v tilgen. Be- 
denklich scheint ihm auch das “höchst unbestimmte πῆμα τιϑέντες᾽, 
das Zenodot beigelegte ἔλσαν aber ein durch das im Anfang des 
Verses stehende ἔλσαν veranlasster Schreibfehler der Scholien zu 
sein. Ebenso urtheilt Düntzer de Zenod. p. 79 ἔ,, indem er an- 
nimmt, dass Zenodot vielmehr geschrieben habe: πῆμα δὲ ϑέσσαν 
oder δὲ ἔϑηκαν. Indess scheinen mir diese Vermuthungen wenig 
begründet. Jedenfalls nahm Zenodot, wenn er den Text verbessern 
zu müssen glaubte, Anstoss an dem Partieipium τιϑέντες, welches 
nicht bloss durch die Unbestimmtheit und geringe Anschaulichkeit 
des Ausdrucks, sondern auch wegen des Tempus anstössig ist, weil 
dasselbe eine mit ἔλσαν coincidente Handlung bezeichnet. Gerade 
zum, Ausdruck der Coincidenz der Handlungen ist aber die Wieder- 
holung desselben Verbum in demselben Tempus durchaus geeignet. 

414. Eine Art Corresponsion zwischen diesem Gleichniss und 
den 474 ff. und 492 ff. folgenden sucht nachzuweisen Altum 
Similitudines Homeri cum Aeschyli, Sophoclis, Euripidis comparantur. 
Berolini 1855. p. 20 f. Eine andere Anordnung der Glieder des 
Gleichnisses giebt Doederlein in der Ausgabe, indem er V. 417 
mit γίγνεται durch Gedankenstriche als Parenthese ausscheidet, um 
die Beziehung von ἄφαρ 418 auf ὁ δέ τ᾽ εἶσι 415 zu gewinnen. 
— 416. Mommsen Entwicklung einiger Gesetze für den Gebrauch 
der griech. Praepositionen. 1874 p. 30 erkennt in Verbindungen, 
wie μετὰ γένυσσιν und ähnlichen die älteste concret-sinnliche Be- 
deutung der Praeposition ur = zwischen. — 417. Ueber den 
homerischen Gebrauch von ὑπαί vgl. La Roche Beobachtungen 
über den Gebrauch von ὑπό bei Homer. Wien 1861 p. 2. — 
418. Ueber die mit γίγνεται beginnenden Verse und daran sich 
knüpfende Verdachtsgründe vgl. Lehrs Aristarch ®p. 344. — 423. 
Ueber πρότμησις vgl. Schol. Ven. bei Dindorf I p. 392. 

427. Statt des handschriftlichen εὐηγενέος gab es wohl eine 
andere alte Lesart εὐηφενέος: denn da Rhianos und Aristophanes 


94 _ Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 


nach Didymos zu Ῥ 81 εὐηφενέων statt εὐηγενέων lasen, so 
werden sie auch hier εὐηφενέος geschrieben haben: vgl. La Roche 
hom. Textkritik p. 262. Grund zum Anstoss gab die Anomalie 
der Bildung εὐηγενής, die Doederlein hom. Glossar I p. 178 f. 
und Lobeck path. elem. I p. 434 u. A. zu rechtfertigen suchen. 
Vgl. dagegen Nauck Aristoph. p. 50, Mayhoff de Rhiani stud. 
Hom. p. 47, Curtius Etym. *p. 500, Fedde über Wortzusammen- 
setzung im Homer. I p. 25. Nach Naucks Vorschlag haben Bek- 
ker, Düntzer die Lesart des Rhianos und Aristophanes in 
ihren Text aufgenommen. ᾿ 

430. Die gewöhnliche Erklärung von «arog aus ἄατος von do 
sättigen vgl. Buttmann Lexilog. XI p. 216 ff, welche auch die 
Alten gaben, wurde von H. Sonne in Kuhns Zeitschr. XIII 1864 
p. 421 bestritten, welcher das Wort auf skr. av sich erfreuen 
zurückführte und erklärte: sich erfreuend an. Beide Erklärun- 
gen verwerfend leitet jetzt Göbel im Philol. XXXVI p. 49 ff. 
dasselbe ab aus «X wehen, mit Umspringung der Laute fa, indem 
das Adjectiv verbale F&-10g mit dem verstürkenden Praefix & = 
sa componiert &-F&-1og, &-0-1g und endlich drog ergebe = 
avidus. Dagegen spricht sich Leo Meyer in Kuhns Zeitschr. XXIT 
p- 469 entschieden für die alte Erklärung aus, indem er als 
Grundform ἄσατος annimmt und die daraus zunächst hervorgehende 
ἄατος als die allein echthomerische betrachtet. 

439. Aristarchs Lesart, welche der Venetus 4 allein 
bietet, war τέλος, die des Zenodot, welche in den übrigen Hand- 
schriften gefunden wird, βέλος: letzterer las auffallender Weise 
auch 451 βέλος Yavaroıo statt τέλος ϑανάτοιο. Gegen Zenodot wird 
hier in den Schol. bemerkt: οὐ βέβληται δέ, ἀλλ᾽ ἐκ χειρὸς πέπληγε. 
Auf Grund dieser Beobachtung ist Aristarchs Lesart empfohlen 
von Lehrs Aristarch ®p. ὅδ, aufgenommen von Bekker, La 
Roche, Baeumlein, Dindorf in der Oxforder Ausgabe, Franke, 
Düntzer, während Wolf, Spitzner, Doederlein, Nauck Ze- 
nodot gefolgt sind. Weiter schrieb aber Aristarch, nicht, wie 
Lehrs angiebt, κατακαίριον, sondern nach La Roche κατὰ καίριον 
getrennt, oder wohl zichtiger nach Friedlaender Aristonie. p. 196 
κάτα καίριον. Aristarchs Lesart wird in den Schol. ed. Dindorf I 
p. 392 erklärt: ἔγνω ὅτι οὐ κατὰ καίριον τέλος ἦλϑεν ἡ πληγήν, 
οὐκ εἰς καίριον τόπον ἐτελεύτα und III p. 473: ἔγνω ὁ Ὀδυσσεὺς 
ὅτι οὐκ εἰς καίριον ταύτῃ ἐτελεύτησεν ἡ βολή. Die besten Handschriften 
haben καταχαίριον, und so schreiben die Herausgeber, welche τέλος. 
aufgenommen haben. Es ergeben sich nun nach diesen Daten drei 
Möglichkeiten der Erklärung: 1) man schreibt τέλος κάτα καίριον. 
und versteht ἔγχος als Subject gedacht: dass der Speer nicht zum tödt- 
lichen Ziel gekommen d. i. nicht so tief eingedrungen war, dass 
er eine tödtliche Stelle getroffen hätte, 2) man schreibt τέλος κα- 
ταχαίριον und versteht dies als Acc. des Ziels in gleichem Sinne, 


Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 95 


(Franke) 3) man nimmt τέλος κατακαίριον als Subject — τέλος 
ϑανάτοιο (451) das tödtende Ende (Düntzer, Koch, La 
Roche). Von diesen drei Möglichkeiten scheint mir die erste den 
Vorzug zu verdienen. 

445. “Dass der unterirdische Zeus — die Persephone entführt, 
deutet die Ilias mit einem einzigen Wort an, durch das dem Aides 
gegebene Beiwort κλυτόπωλος᾽. — “Die Todten holte er nicht mit 
einem Wagen ab, wie ein Schlächter sein Schlachtvieh; auch sind 
die εἴδωλα καμόντων keine Last für ein Zwiegespann’” Welcker 
griech. Götterlehre I p. 395. Allgemeiner deutet das Beiwort 
Preller griech. Mythol. I p. 498: “Oder man dachte ihn auf 
schnellem Wagen mit dunklen Rossen einherfahrend und seine 
Beute entführend, in welchem Sinne der Raub der Persephone 
gedichtet ist, daher Aidoneus in der Ilias wiederholt χλυτόπωλος 
und bei Pindar χρυσήνιος heisst.’ Direct und ausschliesslich auf das 
Geleiten der Seelen in die Unterwelt wird das Epitheton bezogen 
von Bellinger Quae Homeri de orei natura et animarum post 
mortem conditione fuerit sententia. Wiesbaden 1847 p.13 f. Alle 
diese Beziehungen leugnet Ritz de Homero religionis auctore et 
varia deorum, quos finxit, origine. Pars II. Hersfeld 1878 p. 23 
und sieht in dem Beiwort nur ein ehrendes Attribut, wie ἱππότα, 
ἱππηλάτα, indem man dem Aides Wagen und Rosse beilegte, wie 
den andern Göttern. 

458. Statt δέ οἵ, der Lesart des Aristarch und der Hand- 
schriften, las Zenodot δὲ οὗ; vgl. darüber Brugman ein Pro- 
blem der homer. Textkritik p. 20 Anmerk., welcher diese Lesart 
glaubt interpretieren zu müssen: das Blut von ihm = sein Blut. 
Dagegen vermuthete Ribbeck im Philol. IX p. 51, dass Zenodot 
τοῦ, nämlich τοῦ ἔγχους, geschrieben habe. 

467. Zur Auffassung des Vergleichssatzes vgl. L. Lange der 
homer. Gebrauch der Partikel εἰ Ip. 436. — 470. Ueber δείδω 
vgl. den Anhang zu K 39. 

474 fl. La Roche und Nauck haben hier aus Conjectur statt 
des handschriftlichen ἕπονϑ᾽ nach 483 Emov geschrieben, weil das 
Medium von ἀμφιέπω nur hier stehen würde. Vgl. La Roche Ho- 
merische Studien p. 108. — Ueber ὡς εἰ vgl. L. Lange der 
homer. Gebrauch der Partikel εἰ II p. 544. — Die Bedeutung des 
Partic. Perf. βεβλημένον 475 im Vorhältniss zum aoristischen 
βλήμενος erörtert Classen Beobachtungen p. 112. — Ueber die 
an diesen Vergleich und 489 ff. sich knüpfende Vermuthung eines 
alten Liedes mit eigenthümlichen Sagenelementen vgl. die Ein- 
leitung p. 73 δ 

477. Das Plusquamperfeet ὀρώρει statt des sonst gelesenen 
und allgemein recipierten Conjunctiv ὀρώρῃ bietet hier der gute 
Laurentianus 15 (D) bei La Roche. Man kann fragen, ob hier 
in Wirklichkeit der Conjunctiv angemessen sei. Der Aorist ἔβαλε 


96 _ Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 


475 ist ohne Zweifel der gewöhnliche Aorist der Erzählung, da 
er βεβλημένον historisch erläutert. Steht aber ἤλυξε in demselben 
Sinne und nicht als gnomischer Aorist, so würde das imperfec- 
tische ὀρώρει durchaus angemessen sein. Vgl. O 274. 

480. Ueber Aig bemerkt Fick in G. Curtius Studien IX 
p. 176: “lg Homer — λέων Löwe, steht zu λέων wie Πάρμενις 
zu Παρμένων ovrog, und ist vielleicht als Kurzname zu λέων auf- 
zufassen, vgl. πρέσβις = πρεσβευτής, σίνις = σινάμωρος. Die Länge 
des ı in Alg erklärt sich aus Asfıg. — 486. Ueber παρέξ und 
παρέκ vgl. J. Bekker homer. Blätter II p. 18. 

490. In den vier troischen Namen Πάνδοχος, “Τὐσανδρος, 
Πύρφασος, Πυλάρτης glaubte Emperius im Rhein. Mus. 1841 p.447 
vier Beinamen des Gottes der Unterwelt zu erkennen, was Usener 
zum Ausgangspunkt seiner in der Einleitung p. 73 skizzirten Unter- 
suchung nahm. van Herwerden quaestiunculae epicae et eleg. 
p- 17 ἢ bestreitet selbst die Richtigkeit jener Beobachtung, indem 
er nur zugiebt, dass Πυλάρτης wirklich Epitheton des Pluton sei. 

493. An Stelle der Worte dmatöuevog Διὸς ὄμβρῳ vermuthet 
Nauck im Bulletin de l’Acadtmie de St. Pitersbourg Tome VI 1, 
27 (vgl. Philol. XXII p. 371) nach Quint. Smyrn. IX 45 und 
XIV 643 ἀεξόμενος Διὸς ὄμβρῳ oder nach O 383 und Theoer. 
Id. XVII 78 ὀφελλόμενος 4. 0. Auch W. C. Kayser im Philol. 
XXI p. 514 theilt den von Nauck gefundenen Anstoss. Aller- 
dings findet sich das Passiv von ὀπάζω nur hier, aber gegen die 
in dem Worte enthaltene Anschauung dürfte nichts einzuwenden 
sein, da in dem sehr ähnlichen Vergleich E 91 mit Bezug auf 
den durch Regen angeschwollenen Bergstrom gesagt wird: ἐλϑόντ᾽ 
ἐξαπίνης, ὅτ᾽ ἐπιβρίσῃ Διὸς ὄμβρος, ἐπιβρίϑω aber auch M 414 
vom wuchtigen Ansturm der Kämpfer gesagt wird. 

497 f. Die folgende Partie bis 520 wurde verworfen von 
G. Hermann de interpolationibus Hom. p. 9 f. (— Opusc. V, 61), 
Lachmann Betrachtungen p. 39, Benicken de carm. X p. 28, 
Ribbeck im Philol. VIII p. 484 f. Vgl. die Einleitung p. 60 ff. 
Gegen die Verwerfung spricht Düntzer homer. ΑΒ}... p. 67 f., 
Baeumlein in Zeitschr. f. Alt. 1850. p. 149 ἢ, Calebow Bei- 
träge zum achten Buch der Ilias, Stettin 1865 p. 10 f., Fried- 
laender die homer. Kritik von Wolf bis Grote p. 42 ἢ, — Noch 
weiter dehnt Giseke in Jahrbb. für Phil. 85 p. 508 f. die Inter- 
polation aus, indem er in 497—543 einen grösseren Üento sieht. 
Dagegen begnügt sich Düntzer in Jahrbb. f. Phil. Suppl. III p. 
854 f. und Homer. Abhandl. p. 69 mit der Ausscheidung von 501 
—503. 508. 509. 514, verwirft aber dann 521—543, vgl. dage- 
gen Benicken die Interpolationen p. 36 ἢ; Köchly verwirft 501. 
503—520 vgl. Ribbeck in Jahrbb..f. Philol. Bd. 85 p. 83 ἢ, 
Bernhardy, Grundriss der griech. Lit. °II, 1, 166 V. 502—520, 
Nauck nur V. 501—503. — 498. Zur Erklärung von μάχης ἐπ᾽ 


Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 97 


ἀριστερά vgl. Hasper Beiträge zur Topographie der hom. Ilias 
p- 21f. und Christ in den Sitzungsberichten der philos.-philol. 
histor. Classe der K. B. Academie der Wissensch. 1874 II, 2, p. 223. 

504. Lauer Geschichte der homer. Poesie p. 301, Anm. 28 
erörtert die Bedeutung von κέλευϑος und erklärt die hier und 
M 262 sich findende Wendung: ‘die Danaer geben durch ihr 
Weichen den Feinden Platz zum Vorrücken.” 

515. ᾿αἀϑετεῖται, ὅτι οὐκ ἀναγκαία ἡ ἐξαρίϑμησις" μειοῖ γὰρ, εἰ 
μόνον ἰοὺς ἐκτάμνειν καὶ φαρμακεύειν oldev. καὶ ᾿Αριστοφάνης προ- 
ηϑέτει, Ζηνόδοτος δὲ οὐδὲ ἔγραφεν. Aristonic. ed. Friedlaender 
Ρ. 197. Vgl. über diese Art der Kritik Lehrs de Aristarch. ἦρ. 
344 f. Die Neueren haben dieser Athetese meistens zugestimmt, 
auch Nitzsch Sagenpoesie p. 132. Vgl. auch Welcker klein. 
Schrift. III p. 49. 

518. Zur Etymologie von Asclepios vgl. Angermann in G. 
Curtius Stud. IX 247 f. — 521 fl. Düntzer in den’ Jahrbb. f. 
Philol. Suppl. ΠῚ p. 855 ff. verwirft 521—543, ebenso Giseke in 
Jahrbb. f. Philol. 85 p. 508 als Theil eines grösseren Cento, vgl. 
dagegen Benicken die Interpolationen p. 42 fl. 

529. Nauck in den Melanges Gröco-Romains. IV p. 144 
vermuthet, an dem vereinzelten und der Analogie entbehrenden 
προβαλόντες Anstoss nehmend, statt dessen προφέροντες vgl. Γ 7. 
€ 92. 9 210. 

.532. Ueber ἀΐοντες bemerkt Aristonikos ed. Friedlaender 
p- 197: ἡ διπλῆ ὅτι τῷ εἴδει τὸ γένος δεδήλωκε' τὸ γὰρ ἀΐοντές 
ἐστιν ἀκούοντες, ϑέλει δὲ εἰπεῖν ἐπαισϑόμενοι τῆς πληγῆς" ἡ γὰρ 
ἀκοὴ «εἶδός ἐστι τῆς αἰσϑήσεως. Indess wird diese Erklärung hier 
zweifelhaft durch das vorhergehende der Geissel gegebene Attribut 
λιγυρῇ, welches keiu epifketon ornans ist. Vgl. auch Nitzsch er- 
klärende Anmerk. zu ξ 180 £. Bd. II p. 111. 

535. &vrv& ist ausführlich erörtert von Rumpf Beiträge zur 
homer. Worterklärung. Giessen 1850 p. 18 ff. Vgl. auch Gras- 
hof das Fuhrwerk bei Homer p. 29 und wegen des Artikels αἵ 
Foerstemann Bemerkungen über den Gebrauch des Artikels bei 
Homer p. 20. — V. 537 vermuthet Nauck αἱ δ᾽ statt ai τ΄. 

540—543. Von diesen vier Versen wird der letzte in den 
Handschriften gar nicht gelesen, er berulit auf den Anführungen 
bei Aristoteles Rhet. II, 9. Plutarch. de Aud. Pott. 6, 14. Pseu- 
doplut. 137, 35 (vgl. La Roche die homer. Textkritik p. 28). 
Ueber die an die drei ersten sich knüpfenden kritischen Fragen 
vgl. die Einleitung p.55f. Als Interpolation werden die Verse be- 
trachtet von Lachmann Betrachtungen p. 39, Benicken Karl 
Lachmanns Vorschlag p. 44 und de carm. X p. 26 ff, Ribbeck 
in Philol. VIII p. 486 und in den Jahrbb. f. Phil. 85, p. 84 f. 
(nebst 538. 539), Cauer über die Urform einiger Rhapsodien der 
Ilias p. 16, 1, Giseke in Jahrbb. f. Philol. 85 p. 509, nach 


Ameis, Anhang zur Ilias, 7 


98 _Kritischer und exegetischer Anhang. 4. Anmerkungen. 


welchem 542. 543 bestimmt waren den Inhalt des ganzen Cento 
(497—541) mit dem übrigen Gedicht in Einklang zu setzen. Da- 
gegen haben den Zusammenhang zu rechtfertigen gosucht Nitzsch 
Sagenpoesie p. 228 f, Baeumlein in der Zeitschr. f. Alterth. 1850 
p- 150, Friedlaender die homer. Kritik p. 41, Happe der ho- 
merische Hektor, Koblenz 1863 p. 9 ἢ — Andrerseits wird von 
Bischoff im Philol. XXXIV p. 19 V. 544 verdächtigt, weil des 
Aias weiteres Verhalten dem in 544 Gesagten sicherlich nicht 
entspreche. 

547 #. Den Genetiv γουνός bei ἀμείβων rechnet Delbrück 
Ablativ Localis Instrumentalis p. 6 zu den ablativischen Genetiven, 
indem er übersetzt: Knie von Knie entfernend, was Heilmann de 
Genetivi Graeci maxime Homeriei usu, Marburg 1873 p. 30 da- 
durch niher begründet, dass ἀμείβω nach Curtius Etym. ’p. 301 
auf die W. mav zurückzuführen sei, die auch dem latein. mov-co 
zu Grunde liege; ἀμείβω sei ursprünglich — verschieben. So 
Fick vergl. Wörterb. II p. 192 unter mu schieben, rücken, 
wechseln. — Das folgende Gleichniss 548—557, welches sich 
P 657 wiederholt, wurde von Zenodot verworfen. Die Unver- 
einbarkeit beider Gleichnisse (548+-557 und 558—565) behaup- 
tete ferner G. Hermann de iteratis apud Hom. p. 9 wegen der 
zu grossen Verschiedenheit derselben. Nach ihm haben das zweite 
vom Esel verworfen Lachmann Betrachtungen p. 40 und 61, 
Benicken de carm. X p. 26, die Interpolat. p. 48 ff. und Karl 
Lachmanns Vorschlag ete. p. 17 4., Hoffmann quaestt. Hom. II 
p. 227, Bekker in der Ausgabe. Dagegen hält Haupt in Lach- 
manns Betrachtungen p. 102 das Gleichniss vom Esel für das ur- 
sprüngliche: “Nach dem schönen Gleichnisse vom Löwen (548) dies 
andere zu dichten oder jenes durch dieses zu ersetzen, konnte 
keinem leicht einfallen. Dagegen lässt sich denken, dass ein Sänger 
die naive Vergleichung des Aias mit einem Esel für zu schwach 
oder für unwürdig des Helden hielt und sie durch eine prächtigere 
ersetzte” In gleicher Weise urtheilen Fulda Untersuch. über die 
Sprache ἃ. hom. Ged. p. 271, Giseke in Jahrbb. f. Philol. 85 
p. 509, der im ersten Gleichniss vielmehr ein Füllstück sieht, 
Düntzer hom. Abh. p. 502 f., indem er das erste nur in P für 
ursprünglich hält. Andere halten beide Gleichnisse nebeneinander 
für wohl berechtigt und ursprünglich. An der Spitze dieser Ari- 
starch bei Aristonic. ed. Friedlaonder p. 198, der gegen Ze- 
nodot bemerkt: ἔστι δὲ πρὸς dudpoge σημαινόμενα' ὁ μὲν γὰρ 
λέων πρὸς τὴν πρᾶξιν, ὁ δὲ ὄνος πρὸς τὴν ὑπομονήν. Dagegen 
bemerkt Nitzsch Beiträge p. 337, dass das zweite Gleichniss zu 
dem innern Widerstreben des Aias die äussere Bestätigung, das 
schrittweise Weichen, hinzufüge, wie beides zusammen schon durch 
547 vorgedeutet sei; Baeumlein in der Zeitschr. für Alterth. 
'W. 1850 p. 150 f. sieht in dem Gleichniss vom Löwen vornämlich 


Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 99 


den grimmen Unmuth veranschaulicht, mit welchem Aias sich 
zurückzieht, während in dem zweiten Gleichniss die mit Wurf- 
speeren nachsetzenden Troer hervorgehoben seien. Aehnlich Nutz- 
horn die Entstehungsweise der homerischen Gedichte p. 133 ἢ, 
— 548. μέσαυλος erörtert Ahrens αὐλή und villa p. 17£.: “der 
in der Mitte der αὐλή liegende Raum’, in dem αὐλή ursprünglich 
= ἕρκος, wie E 138. ı 184. & 5. 

556. Vereinzelt ist τετιημένος ἦτορ ohne φίλον: Fulda Unter- 
such. üb. d. Sprache ἃ. hom. Ged. p. 271. Schnorr v. Carols- 
feld verborum eollocatio Hom. p. 40, 87 rügt in diesem Verse 
die Wortstellung als unhomerisch. 

559. νωϑής, welches von Doederlein Gloss. $ 233 von ὄϑε- 
σϑαι abgeleitet und erklärt wurde: unachtsam, gleichgültig, 
hier also etwa. indolent, ist wohl richtiger mit Clemm in Θ΄. Cur- 
tius Stud. ΠῚ p. 325 aus νὴ und ὠθεῖν entstanden zu denken, 
also eigentlich: der nicht von der Stelle zu bringen ist, woraus 
sich die später geläufige Bedeutung langsam, trüge, faul ebenso, 
wie die hier passende: störrig, trotzig leicht entwickeln lüsst. 
— Statt des handschriftlichen ἐάγη hat Bekker den Conjunetiv 
ἐξάγῃ geschrieben. — Eine abweichende Erklärung von περὶ dena 
ἀμφὶς ἐάγη giebt Hoffmann homer. Unters. No. 2 die Tmesis in 
der Ilias. 3. Abth. p. 8. 

564. Aristarchs Lesart war πολυηγερέες, welches Schol. V. 
erläutert ἐκ πολλῶν ἀγερϑέντες, die handschriftliche Lesart ist τη- 
λεκλειτοί in A Ambros. Ὁ. H., sonst τηλεκλητοί. Bekker schreibt 
τηλεκλειτοί, indem er Hom. Bl. p. 170, 23 keinen Grund finden 
kann, warum der Dichter gerade hier von den regelmässigen Bei- 
worten (nAsırol, ἀγακλειτοί, πολύκλητοι, τηλεκλητοί) habe abweichen 
sollen. Vgl. Lehrs de Aristarch. ἦν. 56. 

5668. Die folgende Partie bis 596 wird von Düntzer in 
Jahrbb. f. Philolog. Suppl. ΠῚ p. 859 ff. verworfen; ebenso von 
Giseke in Jahrbb. f. Philol. 85 p. 509f., die Verwundung. 'des 
Eurypylos ist auch Bernhardy Grundriss der griech. Lit. ὙΠ, 1 
p. 166 verdächtig. Vgl. dagegen Baeumlein in Zeitschr. f. 
Alterth. W. 1850 p. 151 und Benicken die Interpolationen οἷο. 
p- 498. Bekker hat ausser dem Gleichniss 558—565 auch V. 
566—574 aus dem Text ausgeschieden. 

604. Ueber solche Ausblicke über die gegenwärtige Situation 
hinaus in die Zukunft, wie hier in der zweiten Hälfte des Verses, 
und des Dichters Betheiligung an seinem Werke überhaupt vgl. 
Hess über die komischen Elemente im Homer p. 17 ff. und mehr 
bei Kraut die epische Prolepsis, nachgewiesen in der Ilias. Tü- 
bingen 1863. — V. 605—607 sind von Bekker unter den Text 
gesetzt unter Zustimmung von Düntzer in den Jahrbb. ἢ, Philol. 
Suppl. III p. 863, Giseke in den Jahrbb. f. Philol. 85 p. 514, 
Benicken die Interpolationen p. 57. Mit Recht: denn προσέειπεν 

τε 


100  Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 


602 schliesst eine vorhergehende Frage des Patroklos offenbar aus. 
Benicken möchte auch 603. 604 entfernen. 

608 ff, Ueber den in den folgenden Worten enthaltenen Wider- 
spruch mit der Presbeia des neunten Gesanges vgl. im Allgemeinen 
die Einleitung p. 66 und im Besondern die Rechtfertigungs- 
versuche von Nitzsch Sagenpoesie p. 239, Nutzhorn die Ent- 
stehungsweise der homer. Gedichte p. 175, Kiene die Komposition 
der Ilias p. 390 ἢ, und dagegen Bonitz über den Ursprung der 
homer. Gedichte °p. 54 f, Schoemann in Jahrbb. f. Phil. Bd. 69 
p- 28, Bergk griech. Literaturgesch. I p. 593, Kayser de inter- 
polatore Hom. p. 8. 

611. Ueber ἔρειο vgl. G. Curtius das Verbum II p. 46, 
welcher die Form nach der Analogie von αἰδεῖο aus ἐρέεσϑαι erklürt 
und die Betonung ἐρεῖο verlangt. — V. 613—615 verwirft Dün- 
tzer in Jahrbb. f. Philol. Suppl. III p. 863 als unnützen Zusatz, 
vgl. dagegen Benicken die Interpolationen p. 571. 

624. Parallelen zu dem hier für den Verwundeten bedenk- 
lich scheinenden Mischtrank aus mittelalterlichen Heldengedichten 
giebt Bekker hom. Blätt. II p. 198. 

629. Bei κυανόπεξα denkt Riedenauer Handwerk p. 93 an 
Beizen oder Färben und Poliren: “denn bei Vorstellung einer sel- 
teneren Holzart wäre diese vom Dichter nicht unerwähnt geblieben.” 
— Ueber die Zusammenstellung von drei Adjectiven bei einem 
Substantiv vgl. Giseke homer. Forschungen p. 40 ἢ, — Zur Er- 
klärung von ἐπί 630 vgl. Hoffmann homerische Untersuch. 2. die 
Tmesis in der Ilias. 2. Abth. p. 13. 

632. Ueber Aristarchs Erklärung des Bechers vgl. Lehrs 
de Arist. ®p. 198, sonst Vogel de supelleetili in Homeri Iliade 
et Odyssea illustranda. Halle 1866, p. 25f., Hort vom Weine 
bei Homer, p. 25, Friedreich die Realien in der Iliade und 
Odyssee p. 255. Aristarchs Erklärung von einem δέπας ἀμφικύ- 
πελλον, welche Heyne, Doederlein, Franke acceptiert haben, 
ist mit guten Gründen bestritten von La Roche und Koch zur 
Stelle. Ein von Schliemann in Hissarlik gefundener Krug aus 
Terracotta mit 4 Henkeln, von denen zwei grössere oben, zwei 
kleinere in der Mitte einander entsprechen, ist in Autenrieths 
Wörterbuch 2. Aufl. p. 229 abgebildet. — 635. Ueber die in 
guten Handschriften (CD) sich findende Lesart ὑποπυϑμένες statt 
der Aristarchischen ὑπὸ πυϑμένες vgl. Lehrs de Arist. ἦν. 110, 
und zur Erklürung La Roche Beobachtungen über den Gebrauch 
von ὑπὸ bei Homer, p. 4. — 636f. Während Gerlach im Phil. 
XXX p. 56 in dieser Bemerkung einen kostbaren und unvergleich- 
lichen Zug von der Meisterhand Homers erkennt, sieht Bergk 
griech. Literaturgesch. I p. 888, Anm. 8 und p. 601 ebendarin 
eine ungeschickte Uebertreibung und in der ganzen Trinksoene die 
Manier des Diaskeuasten; Axt conjeetan. Hom. p. 9 eine unge- 


Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 101 


schiekte Nachahmung von IT 140. — 639. Ueber den pram- 
nischen Wein und den Mischtrank vgl. Hort vom Weine p. 6 und 
ν. 18. 

642. Ueber die Ableitung von πολυκαγκής vgl. Fritzsche in 
G. Curtius Stud. VI p. 311. 335, Brugman ebendaselbst VIL 
p. 205. 

650. Axt eonjeetan. Hom. p. 9 vermuthet &yeg statt ἄγεις. 
— Zur Erklärung von ἔπος 652 vgl. Mayer Studien zu Homer, 
Sophokles etc. p. 14. — 654. Ueber τάχα vgl. Lehrs Aristarch. 
®p. 92. 

656—665. Bedenken gegen den Zusammenhang bei Cauer 
die Urform p. 21, vgl. dagegen Düntzer homer. Abh. p. 121 
und Nitzsch Sagenpoesie p. 237. — Zu V. 657 vgl. Nicanor 
ed. Friedlaender p. 214, und über die Genetiveonstruction bei οἶδα 
La Roche homer. Studien p. 164f. — 662. Dieser Vers fehlt 
in den besten Handschriften, vgl. La Roche z. St. und ist jetzt 
allgemein verworfen. Θ΄. Hermann de interpolat. Hom. p. 11 be- 
hauptete die Echtheit desselben, vgl. dagegen Schneidewin in 
Welcker und Naeke's Rhein. Mus. V p. 414, Cauer die Urform 
p- 22f., Düntzer hom. Abh. p. 122. 

664 M. Die folgende Erzhlung Nestors bis 762 ist als Inter- 
polation allgemein erkannt: Θ΄, Hermann epist. ad Iigen. p. VIII, 
Pinzger de Iliadis interpolatione XI zn quaestio aritiea, 
Ratibor 1836 p. 7f. Lachmann Betracht. p. 61, Cauer die Ur- 
form p. 24, Düntzer hom, Abl. p. 70 und in Jahrbb. f. Philol. 
Suppl. IIT p. 864#, Nitzsch Sagenpoesie p. 117. 129, Fried- 
laender die homerische Kritik p. 44, Genz zur Ilias p. 32, Gi- 
seke in Jahrbb. f. Philol. 85 p. 514, Haupt bei Lachmann 
Betracht. p. 101, Bergk griech. Literaturgesch. I 601 vgl. 522 
und 525, Bernhardy Grundriss Π, 1 p. 166 vgl. p. 53. Die 
Athetese verwirft nur Kiene die Composition der Ilias p. 106. 
Ueber Ursprung, Composition u. a. dieser Episode handeln A. 
Mommsen im Philol. VI p. 721, Friedlaender im Philol, 
IV p. 581. vgl. Nitzsch Sagenpoesie p. 146f., und Nitzsch 
Beiträge p. 159 ἢ, 

670. Ueber die Wunschsätze mit εἴθε vgl. L. Lange der 
homer. Gebrauch der Partikel εἰ I p. 3818. Nach den besten 
Handschriften habe ich mit La Roche τέ μοι, wie W629. ξ 468 
statt des gewöhnlich gelesenen δέ wos geschrieben. 

704. Die für δῆμος angenommene Bedeutung "Gomeinde- 
schatz’ ist begründet von Mangold in G. Curtius Stud. VI 
p. 410, vgl. d. Anhang zu 4 231. — 705. Der Vers wurde als 
aus ı 42 unpassend übertragen schon von den Alten verworfen: 
vgl. Friedlaender Aristonie. p. 201. 

709. Ueber die beiden Molioniden vgl. Preller griech. My- 
thol. IL p. 165, Welcker kleine Schrift, II p. ΟἹ], und V p. 36ff, 


102 _Kritischer und exegetischer Anhang. A. Anmerkungen. 


H. D. Müller Mythologie der griech. Stimme I p. 212, G. Her- 
mann de iteratis apud. Hom. p. 12f. Ueber die eigenthümliche 
Bildung der Form MoAlove vgl. Angermann in G. Curt, Stud. I 
p. 57 und eine besondere Vermuthung über die Bedeutung des 
Dual bei Wackernagel in Kuhn’s Zeitschr. XXXII p. 307. 
— 711. Ueber die Länge der Endsilbe in πόλις vgl. Hartel ho- 
merische Studien I p. 68. — 712. Ueber die localen Fragen 
handelt Bischoff Bemerkungen über homerische Topographie. 
Schweinfurt 1875 p. 6 — 714. Die handschriftliche Lesart ist 
ἀλλ᾿ ὅτε, dafür schreiben Bekker und Nauck ἄλλο re, wobei der 
Satz an das Vorhergehende angeschlossen wird. 

728. Ueber die Beziehung des Poseidon und der Flussgötter 
zum Stier vgl. Welcker griech. Götterlehre II p. 673. 

741. Statt ἤδη verlangt Cobet Miscellan. erit. p. 300 Frde. 

748. Nach Grashof das Fuhrwerk p. 19 bezeichnet δίφρος 
zwar an vielen Stellen synekdochisch den ganzen Wagen, aber 
stets mit Ausnahme der Pferde. Da hier das Wort den mit Pferden 
bespannten Wagen bezeichnen würde, so ist ihm das auch ein Be- 
weismittel für die Unechtheit der ganzen Erzählung. 

754. Die Handschriften schwanken zwischen δ ἀσπιδέος und 
διὰ σπιδέος (A. C 1 man. Apollon. Lex. 144, 3). Ersteres war 
nach La Roche die Lesart Aristarchs, letzteres die des Zeno- 
dot. Die Frage behandelt Spitzner Excurs. XXI und entscheidet 
sich für διὰ σπιδέος, welches auch die Neueren allgemein ange- 
nommen haben. Ueber Aristarch vgl. Lehrs de Arist. ®p. 153. 
Nach Clemm in G. Curtius Stud. VIII, 116 ist σπιδής am wahr- 
scheinlichsten, wie σπι-ϑ-αμή, auf W. oma (Curtius 272, 703) zu- 
rückzuführen, so dass es, wie die Alten wollten, = μακρός ex- 
tensus. 

762. Ueber die Formel εἴ ποῦ ἔον γε vgl. den Anhang zu 
0268. Auch Nauck vermuthet in der Ausgabe, wie G. Curtius, 
ἦ πού statt εἴ wor. — Zur Begründung des von Bentley ver- 
langten, von Bekker und Nauck gelesenen ἧς 763 statt der 
handschriftlichen Lesart τῆς vgl. Brugman ein Problem der hom. 
Textkritik p. 501. 


M. 
Einleitung. 


Literatur: Lachmann Betrachtungen p. 45 ff. Benicken 
das elfte Lied vom Zorne des Achilleus, nach Karl Lachmann aus 
dem zwölften Buche herausgegeben. Barmen 1872. — Zu Lach- 
manns Kritik vgl. Holm ad Caroli Lachmanni exemplar de ali- 
«ποὺ Niadis carminum compositione quaeritur p. 11f., Baeum- 
lein in Zeitschr. f. A. W. VII, 1850 p. 158 ἢ, Düntzer homer. 
Abhandlungen p. 71ff, Gerlach im Philolog. XXXIII p. 193 ff. 
— Faerber disputatio Homerica, p. 8f. 13. 15f. — Cauer über 
die Urform einiger Rhapsodien der Ilias, p. 12. 16. 33. 49. 53. 
Vgl. Hoffmann in der allgemeinen Monatsschrift für Wissensch. 
u. Literat. 1852 p. 289£. — Köchly Iliadis carmina XVI p. 901 ἢ, 
vgl. Ribbeck in den Jahrbh. f. Philol. 1862, Bd. 85 p. 8öfl. — 
Grote Geschichte Griechenlands, übersetzt von Meissner I p. 539. 
Friedlaender die homerische Kritik von Wolf bis Grote, p. 45ff, 
77, vgl. Ribbeck im Philol. VIII p. 491 ff. — Jacob über die 
Entstehung der Ilias und Odyssee p. 252ff. — Nitzsch die Sagen- 
poesie der Griechen, p. 282f. — Kiene die Komposition der 
Ilias, p. 93#. 106f. — Genz zur Ilias p. 32f. — Bernhardy 
Grundriss der griech. Literat. °I, 1 p. 167f. Bergk griech. Lite- 
raturgesch. I p. 602f. — Hoffmann quaestt. Homer. II p. 228f. 
Giseke homerische Forschungen p. 199 fl. 249. — Zur Kritik 
des Eingangs 1—35: Giseke homer. Forsch. p. 237f.,, Bonitz 
über den Ursprung der homer. Gedichte ®p. 57, 74, Kayser de 
interpolatore Hom. p. 10, Kraut die epische Prolepsis nachge- 
wiesen in der Ilias, Tübingen 1863 p. 26, Schoemann in Jahrbb. 
f. Philol. Bd. 69 p. 21, Gerlach im Philol. XXXIII p. 209 ff, 
Bischoff im Philol. XXXIV p. 19, Christ in den Sitzungsbe- 
richten der philos.-philolog. u. histor. Classe der k. b. Academie 
der Wissensch. in München, Bd. II, 1874, p. 206f., Hercher 
über die homerische Ebene von Troja, Berlin 1876 p. 128—131, 
Eyssenhardt die homer. Dichtung p. 16. — Ein Versuch das 
12. Buch nach Tetrastichen zu gliedem von Beloch in Rivista 
di filologia 1875 p. 305—327. 

Die Erzählung des zwölften Gesanges hat ihren einheitlichen 
Mittelpunkt in dem Kampfe um die Mauer. Aeusserlich anknüpfend 
an die den elften Gesang schliessende Eurypylosseene beginnt sie 


104 Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 


auf dem Punkte, wo nach der Niederlage und Flucht der Achaeer 
der Kampf bereits um Graben und Mauer tobt und Hektor sich 
anschickt den Graben zu überschreiten und endigt mit der Fr- 
stürmung des Mauerthors durch Hektor. Im Einzelnen ordnen sich 
die Begebenheiten in folgender Weise: 

A. Einleitung, 1—35: Rückkehr zur Schlachtbeschreibung und 
proleptische Betrachtung über das Schicksal der jetzt be- 
drohten Mauer nach der Zerstörung Trojas. 

B. Die Vorbereitungen zum Kampf um die Mauer, 35— 107: 
1. Hektor will mit dem Wagen durch den Graben setzen, 

aber die Rosse scheuen davor zurück, 35—59. 

2. Poulydamas mahnt davon ab; auf seinen Rath lassen die 

Troer die Wagen jenseit des Grabens und ordnen sich 

in 5 Haufen, um denselben zu Fuss zu überschreiten, 60 

— 107. 

C. Der Kampf um die Mauer, in 3 Acten, 108—429: 

1. Der Angriff des Asios, 108—194: Asios geht gegen Pou- 

Iydamas’ Rath mit Wagen und Rossen über den Graben 

(νηῶν ἐπὶ ἀριστερά 118); sein Sturm auf die Mauer wird 

aber von den Lapithen Polypoites und Leonteus zurück- 

geschlagen. 
2. Hektors Angriff, 195— 289: 

a, ein von Zeus gesandtes ungünstiges Zeichen verzögert 
den Angriff: Poulydamas widerräth den Uebergang 
über den Graben, Hektor weist ihn energisch zurück, 
195— 250. 

Hektors Sturm auf die Mauer wird von den beiden 
Aias abgeschlagen, 251—289. 

3. Sarpedons Angriff, 290—429: 

Von Zeus erregt, stürmt Sarpedon mit Glaukos gegen den 
Thurm des Menestheus an, welcher Aias und Teueros zu 
seiner Hülfe herbeiruft. Sarpedon reisst ein Stück der 
Brustwehr herab, wird aber von Aias und Teucros zu- 
rückgestossen. Der Kampf steht gleich. 

D. die Entscheidung, 430—471: 

Hektor zerschmettert mit einem Steinwurf das Thor der 

Mauer, die Troer dringen durch das Thor und über die 

Mauer ein, die Achaeer fliehen in das Schiffslager. 


b 


Dass die Erzählung dieser Kämpfe sich an die Schlachtbe- 
schreibung des elften Gesanges anschliesst, ist unverkennbar. Zwar 
ist zwischen dem Punkte, wo die Schlachtbeschreibung dort ab- 
bricht, 4 596, und dem, wo sie hier aufgenommen wird, eine 
Lücke in der Erzählung, indem die Niederlage und Flucht der 
Achaeer nicht bis zur letzten Consequenz verfolgt wird (vgl. die 


Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 105 


Einleitung zu 4 p. 57 £.); auch sind die Angaben im Eingange 
unseres Gesanges, welche die Situation bezeichnen, 2f. und 35 ff, 
nicht ganz in Uebereinstimmung, da jene Stelle noch vom Kampf 
im offenen Felde zu reden scheint, diese aber die Achaeer schon 
hinter Graben und Mauer weiss; aber im Uebrigen sind doch die 
Voraussetzungen des vorhergehenden Gesanges gewahrt. Die 
Leitung der Schlacht ist auch hier ausschliesslich in Zeus’ Hand; 
die Botschaft der Iris (A 200 ff.) liegt den Aeusserungen des 
Hektor (235 f.) und wohl auch des Asios (164 ff.) zu Grunde, 
wie die Angabe 173 f. mit derselben in Uebereinstimmung ist. 
Ebenso wird entsprechend der Erzählung des elften Gesanges die 
Verwundung der Haupthelden vorausgesetzt, indem von diesen 
nur die beiden Aias und der schon in Θ 324 ff. verwundete Teu- 
kros thätig vorgeführt werden. Dass Menelaos und Idomeneus 
völlig verschwinden, kann nicht sehr befremden, da beide auch 
im elften Gesange eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Auf 
troischer Seite tritt, wie im elften Gesange, vor allen Hektor 
glünzend hervor, neben ihm spielt Poulydamas als Berather eine 
Rolle, der auch 4 57 mit ihm genannt war; Kebriones wird in 
Uebereinstimmung mit A 521 ff, als sein Wagenlenker bezeichnet 
(M 91f.). Paris, dessen Hervortreten im elften Gesange zu man- 
chen Bedenken Anlass gab, wird hier zwar unter den Anführern 
genannt (93), aber nirgends in Action vorgeführt. Die übrigen 
troischen Führer entsprechen wenigstens zum Theil den A 55 ff. 
genannten. 

Neu eingeführt werden auf griechischer Seite die beiden La- 
pithen Polypoites und Leonteus, von denen vorher nur jener ein- 
mal vorübergehend genannt ist (Z 29), auf troischer Seite Asios; 
Poulydamas tritt hier zum ersten Mal bedeutsam hervor, während 
Sarpedon und Glaukos bereits im fünften und sechsten Gesange 
eine Rolle spielen. Deiphobos wird hier zum ersten Male. genannt, 
tritt aber erst im dreizehnten Gesange in Action, ebenso Helenos, 
der aber bereits im 6. und 7. Gesange als Seher und Berather 
hervorgetreten ist. 

Andere Beziehungen, welche für die Stellung des Gesanges 
innerhalb des Ganzen in Frage kommen, sind: 5ff. auf H 449, 
8 auf H443.; 336 sowie 372 werden auf Teucros’ Verwundung 
© 324 ff. bezogen; die Angabe über das Verwandtschaftsverhältniss 
des Teucros zu Aias 371 steht im Widerspruch mit © 284, wie 
die Angabe 438 mit Π 558. Vordeutungen auf die folgende Ent- 
wicklung finden sich: 113. auf N 384, 402. auf Π 480 ff., 
in Uebereinstimmung mit E 662. 674f. 

Darf man den Mauerkampf als eins der Stadien der zu- 
nehmenden Bedrängnis der Achaeer in gleicher Weise, wie die 
Verwundung der Haupthelden im elften Gesange, als von der Sage 
gegeben betrachten, so war in derselben ohne Zweifel auch schon 


„106 Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 


Hektor die entscheidende Hauptrolle zugetheilt. Ihm gegenüber 
musste nach der vorhergehenden Entwicklung auf griechischer 
Seite selbstverständlich Aias die Hauptrolle zufallen. Ob weitere 
Züge dem Dichter gegeben waren, muss zweifelhaft bleiben: in der 
Erzählung von Sarpedon und von dem Auftreten der Lycier überhaupt 
hat man jüngere Sagenelemente vermuthen zu müssen geglaubt, 
ebenso scheinen Asios, wie die ihm gegenübergestellten Lapithen 
Polypoites und Leonteus nicht der alten Sage vom Kampfe vor 
Dios anzugehören. In der Anlage des Gesanges ist nun Hektor 
durchaus in den Mittelpunkt der Handlung gestellt: er ist es, der 
im Eingang voll ungestümen Eifers zuerst die Troer zum Ueber- 
schreiten des Grabens auffordert, der dann, als ein ungünstiges 
Zeichen einen unglücklichen Ausgang des Unternehmens zu ver- 
kündigen scheint, unerschütterlich an seinem Entschluss festhält 
und die Troer mit sich fortreisst, der endlich die Entscheidung 
giebt. In enge Verbindung mit Hektors Thätigkeit ist die des 
Sarpedon gesetzt, dessen gleichzeitiger Angriff auf den Thurm des 
Menestheus dem des Hektor dadurch secundiert, dass er die Ab- 
berufung des Aias von dem von Hektor bedrohten Thor veran- 
lasst. Der diesen entscheidenden Angriffen vorausgehende Versuch 
des Asios stellt sich dazu wie eine Art Vorspiel, welches für die 
Entscheidung ohne alle Bedeutung ist und nach Art der Episode 
mit dem Ganzen in sehr lockerer Beziehung steht. Bei dieser 
Anordnung der Handlung wird die im Eingang berichtete Auf- 
stellung des troischen Heeres in fünf Haufen im Verlauf der Er- 
zählung nicht weiter berücksichtigt, denn V. 175—181, welche 
auf den Kampf der übrigen Abtheilungen hinzuweisen bestimmt 
scheinen, sind von den Alten, wie von den Neueren mit Recht 
verworfen. 

Von der Darstellung lassen sich zum Theil die gleichen Vor- 
züge rühmen, wie beim elften Gesange. Dem lebhaften Fortschritt 
der Handlung entspricht im Ganzen eine lebendige Erzählung. 
Ausgedehnte Beschreibungen fehlen, dagegen bieten die bewegten 
Kampfscenen Raum für lebendige Schilderung. In ausgedehntem 
Masse kommt dabei, wie im elften Gesange das Gleichniss zur 
Anwendung: 15 meist ausführliche Gleichnisse dienen zum Theil 
der Veranschaulichung des Kampfes, zum Theil der Auszeichnung 
der Haupthelden, des Hektor (4), Sarpedons (2) und der beiden 
Lapithen (2). Allein gerade in der Anwendung des Gleichnisses 
zeigt die Darstellung mehrfach auffallende Mängel, von denen der 
elfte Gesang frei ist. Nicht nur, dass die Gleichnisse öfter über 
die Massen weit ausgesponnen werden, es leidet unter dieser Breite 
und Ueberfülle mehrfach die Einheit der Anschauung; in andern 
wird das im Eingang eingeführte Motiv in der Ausführung so alte- 
riert, dass der Hörer bei der Aufnahme der Erzählung sich un- 
merklich zu einem ganz andern Gesichtspunkte hingeführt sieht, 


Kritischer und exegetischer Anhang. ΜΙ, Einleitung. 107 


oder es wird bei der Anwendung des Vergleichs der ursprüngliche 
Gedanke in überraschender Weise erweitert. Vgl. den Anhang zu 
V. 418. 146. 156. 277. 302. Aber auch sonst fehlt es 
der Darstellung öfter an Uebersichtlichkeit und Klarheit. So sind 
die Uebergänge zwischen den einzelnen Acten der Handlung theils 
nicht scharf genug markiert, wie 430, wo nach der Darstellung des 
Kampfes der Lykier gegen den Thurm des Menestheus eine allgemeine 
Schilderung des Kampfes um die Mauer folgt, theils ungeschickt 
in der Anknüpfung (195 £.), theils lassen sie den causalen Zu- 
sammenhang nicht genügend erkennen (vgl. 436f. mit 291 ff.), 
Aehnliche Mängel in der Entwicklung der Handlung zeigt die Dar- 
stellung auch im Einzelnen. Uebrigens überwiegt die Erzählung 
in dem Masse, dass auf die 471 Verse, welche der Gesang ent- 
hält, nur etwa 100 auf die eingefügten Reden kommen: auch diese 
bieten in Gedanken und Ausdruck manchen Anstoss, 

Manches besondere hat der Inhalt des Gesanges. Eigenthüm- 
lich und’ ohne Analogie ist sogleich im Eingang die über die Ilias 
binausweisende proleptische Verkündigung des Schicksals der grie- 
chischen Mauer, in welcher auch die nur hier vorkommende Be- 
zeichnung der vor Troja kämpfenden Helden als ἡμιϑέων γένος 
ἀνδρῶν (23) sich von der homerischen Anschauung durchaus ent- 
fernt. Eigenthümlich ist diesem Gesange femer die Einführung 
und Auszeichnung der beiden Lapithenhelden, während die Ilias 
sonst zwar die Lapithensage A 263 ἢ, berührt, aber den Namen 
Lapithen selbst nicht kennt. Einen fortgeschrittenen Standpunkt 
des socialen Lebens scheint der Vergleich von der armen Spinne- 
ıin 433 ff, zu bezeichnen, indem hier zuerst eine über den Haus- 
bedarf hinausgehende Betriebsart einer gewerblichen Thätigkeit, 
hervortritt. Als einzeln stehender terminus technicus ist endlich 
ἐξήλατος vom Schilde 295 zu erwähnen, während ἐξελαύνειν in 
diesem Sinne sonst bei Homer nicht vorkommt und erst bei 
Herodot gefunden wird. Zahlreich sind auch die Besonderheiten 
der Sprache, auf welche im Commentar und in den Anmerkungen 
des Anhangs besondere Rücksicht genommen ist. 


“Diese Teichomachie gehört zu den Liedern der Ilias, die durch 
ihre Einfügung in das Ganze am wenigsten von ihrer ursprüng- 
lichen Abrundung und Abgeschlossenheit eingebüsst haben.” — 
‘Gegen die Einheit des zwölften Buches ist im wesentlichen nichts 
einzuwenden.” So lauten die Urtheile zweier bedeutender Vertreter 
der Liedertheorie, Cauers und Ribbecks, und damit stehen 
die Herstellungsversuche von Lachmann und Köchly im Ein. 
klang, welche beide nur wenige Athetesen geringen Umfanges für 
nöthig gehalten haben. Auf der entgegengesetzten Seite steht hier 
merkwürdiger Weise der conservative Nitzsch, welcher die ganze 


108 Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 


Partie von Sarpedon 290—429 als eine mit dem Zusammenhange 
der Erzählung unvereinbare Interpolation ausscheidet. 

Prüfen wir im Hinblick auf diese einander entgegenstehenden 
Ansichten die innere Oekonomie des Gesanges. Wir gehen aus 
von der Situation, welche der Dichter im Beginn seiner Erzählung 
voraussetzt. Schon oben ist die Differenz hervorgehoben zwischen 
den einleitenden Versen 2—4 und den die Erzählung von der Zer- 
störung der Mauer abschliessenden 35—39: während dort in engem 
Anschluss an den elften Gesang, die Griechen noch im offenen 
Felde, wenn auch nahe dem Graben zu denken sind, sind sie hier 
bereits innerhalb der Mauer eingeschlossen, tobt der Kampf um 
diese, wird diese bereits von den Troern beschossen. Mit jener 
ersten Voraussetzung stimmt wieder, was von Hektor 40 ff. er- 
zählt wird, denn nach der Ausführung des Vergleichs können wir 
denselben nur in unmittelbarem Kampfe mit gegenüberstehenden 
Feinden denken, aber bei Anwendung des Vergleichs 49 f. hören 
wir zu unserer Ueberraschung, dass Hektor vor dem Graben steht 
und die Seinigen ermuntert, denselben zu überschreiten. So auf- 
fallend diese Wendung der Erzählung ist, sodass man eine Störung 
des Zusammenhanges vermuthen kann, so lässt sich doch hier 
noch eine einheitliche Anschauung voraussetzen, sobald wir an- 
nehmen, dass unter dem Kampfe die letzten Widerstandsversuche 
der Achaeer in unmittelbarer Nähe des Grabens gemeint sind, 
Hektor aber im stürmischen Kampfeifer mit Ross und Wagen den 
Graben zu durchfahren denkt, um vor oder wenigstens mit den 
fliehenden Achaeern in die Befestigung und das Lager der Achaeer 
einzudringen — eine Situation, wie sie, allerdings viel deutlicher, 
am Schluss der Schlacht des achten Gesanges V. 336— 349 ge- 
schildert ist. Auch in der folgenden Erzählung widerstrebt alles 
der Angabe, dass die Achaeer bereits innerhalb der Mauer ein- 
geschlossen sein*): so setzt Poulydamas 65 doch bei dem μά- 
χεσϑαι einen Widerstandsversuch der Achaeer offenbar noch in dem 
Raume zwischen dem Graben und der Mauer voraus, ebenso lüsst 
sich V. 79 μενέουσι doch gewiss nicht vom Standhalten hinter 
der Mauer verstehen, auch reden 106. 107 nicht vom Ansturm 
gegen die Mauer, sondern gegen die Achaeer und die den An- 
greifenden beigelegte Erwartung, dass die Achaeer nicht mehr 
Stand halten und in das Schiffslager sich stürzen werden, scheint 
unmöglich, wenn diese sich bereits hinter die schützende Mauer 
zurückgezogen haben, Ferner wird nach 121—123 auf der linken 
Seite des Schiffslagers das Thor noch offengehalten, um den Flüch- 
tigen (d. i. nach 118. 119 solchen, die mit Ross und Wagen 
zurückkehren aus dem Kampfe) noch die Möglichkeit der Rettung 


ἢ Vgl. hiezu auch Jacob p. 267 und Gerlach im Philol. XXXIII 
p- 199. 


Kritischer und exegetischer Anhang, M. Einleitung. 109 


zu bieten, wobei es zunächst unentschieden bleiben mag, ob 118, 
119 eine allgemeine Angabe enthalten, sodass viosovro — pflegten 
zurückzukehren, oder von der damaligen Situation zu verstehen 
sind. Nur unter der Voraussetzung aber, dass die Fluchtbewegung 
der Griechen noch nicht abgeschlossen ist, lässt sich, wie Ger- 
lach mit Recht gegen Lachmann bemerkt: hat, überhaupt nur 
der Versuch des Asios zu Wagen durch den Graben gegen die 
Mauer zu stürmen, begreifen: er hofft zugleich mit den Flüchtigen 
in das Schiffslager einzudringen *). 

Auf einen zu erwartenden Widerstandsversuch noch vor der 
Mauer scheinen auch 125. 126, wie 106. 107 zu weisen und wenn 
144 in causalem Zusammenhange mit einander das Anrücken der 
Troer unter Asios und die Flucht der Achaeer erwähnt werden, 
wodurch die beiden Lapithenhelden veranlasst werden vor das 
Thor zu treten, so kann man doch nicht an eine Flucht von der 
Mauer in das Schiffslager oder überhaupt innerhalb der Mauer 
denken, sondern muss annehmen, dass die Achaeer bis dahin noch 
vor der Mauer sich gehalten haben. Nach allem diesem ist die 
Situation, welche der Dichter in der Rede des Poulydamas und bei 
dem Versuch des Asios vor Augen hat, die, dass die Fluchtbe- 
wegung der Achaeer noch nicht abgeschlossen ist, vielmehr noch 
die Möglichkeit eines Widerstandes derselben zwischen Graben und 
Mauer gedacht wird. In der folgenden Partie dagegen, wo der 
Uebergang Hektors über den Graben und der Sturm auf die Mauer 
erfolgt, findet sich keinerlei Andeutung mehr von der noch an- 
dauernden Flucht der Achaeer oder einem Versuch derselben vor 
der Mauer Stand zu halten; das hier in Frage kommende Thor 
ist geschlossen, die Achacer stehen auf der Mauer, es wird über- 
all als Aufgabe der Anrückenden bezeichnet Thor und Mauer zu 
brechen (198. 223. 257. 261f. 290f. 308). Besonders klar tritt 
die Verschiedenheit des Standpunktes hervor in den beiden Reden 
des Poulydamas: 61—79 und 211—229. Das Resultat dieser 
Betrachtung ist demnach folgendes. Die 35—39 bezeichnete Situa- 
tion ist weder mit dem, was vorher erzählt ist, noch mit dem, 
was zunächst folgt, vereinbar: erst für die Erzählung von 196 an 
würde eine solche zutreffend sein. In dem ersten Theil der Er- 
zählung bis 196 finden wir dagegen zunächst allgemein angedeutet 
das letzte Stadium der Schlacht in unmittelbarer Nähe des Grabens 
(2—4), dann speciell die letzten Widerstandsversuche der Achaeer, 


*) “Im Lachmannschen Liede dagegen wird ihm der tolle Versuch 
untergelegt, mit dem Wagen über die Mauer fahren zu wollen. Be- 
nicken sagt: “natürlich erst, wenn die Mauer niedergeworfen und zer- 
stört ist”” Er meint also, dass Asios vorläufig nur zusieht, um nachher, 
wenn die Soldaten das beste gethan haben, seinen triumphierenden Ein- 
zug zu halten. Dass dies unhomerisch ist, braucht wohl kaum besonders 
constatiert zu werden.’ Gerlach. 


110 _Kritischer und exegetischer Anhang. ΔΙ, Einleitung. 


von Hektor vereitelt (41—48); die danach zu erwartende Flucht 
der Achaeer über den Graben entnehmen wir zum Theil aus 122f., 
zum Theil ist nur unter der Voraussetzung der eben sich voll- 
ziehenden Flucht zu verstehen, dass Hektor einen Augenblick 
daran denkt mit Ross und Wagen über den Graben zu setzen und 
Asios diesen Gedanken wirklich ausführt. Wenn wir endlich 143. 
144 so verstehen müssen, dass vor Asios’ Andringen die Achaeer 
aus dem Raum zwischen Graben und Mauer sich erst in die Be- 
festigungslinie selbst zurückziehen, so haben wir damit eine Reihe 
von Momenten gefunden, die eine wohl zusammenhängende Folge 
der Entwicklung darstellen, die freilich nicht überall klar hervor- 
treten und deren Zusammenhang zum Theil nur durch Combination 
zu gewinnen ist. 

Für die Oekonomie des Gesanges kommen nun als die Haupt- 
handlung vorbereitend, bedingend oder bestimmend besonders fol- 
gende Momente in Betracht: die Ordnung der Troer in fünf Haufen, 
der vergebliche Versuch des Asios in das Schiffslager einzudringen, 
die Thätigkeit des Zeus, der zwiefache Rath des Poulydamas. 

Schwer erfindlich für die Oekonomie unseres Gesanges ist der 
Zweck der Ordnung der Troer in fünf Haufen. Von diesen kommen 
überhaupt nur zwei und ein Theil des dritten in Action, von den 
übrigen ist im Verlauf der Erzählung gar nicht weiter die Rede. 
Noch auffallender aber als dies Ignorieren ist, dass die folgende 
Ausführung eigentlich nur eine Zweitheilung kennt, indem dem 
Haufen des Asios 196 nur die, welche dem Poulydamas und Hektor 
folgten, entgegengestellt werden, eine Bezeichnung, welche hier, 
da sie jedenfalls auch die Abtheilung des Sarpedon mit umfasst, 
im allgemeinsten Sinne von Troern und Hülfsvölkern mit Aus- 
nahme der Mannschaft des Asios zu verstehen ist, während die- 
selbe 88—90 nur eine der fünf Abtheilungen bezeichnet. Andrer- 
seits ist diese Fünftheilung durch nichts vorbereitet, vielmehr denkt 
Poulydamas bei seinem Rath V. 78, der späteren Auffassung ent- 
sprechend, alle, Troer wie Hülfsvölker, unter Hektors Befehl ver- 
einigt: Ἕκτορι πάντες ἐπώμεϑ' ἀολλέες. Das schwerste Bedenken 
erregt endlich der Zusammenhang der Erzählung, in welchem sich 
die Ordnung der 5 Abtheilungen findet. Vorher wird erzählt, dass 
nicht nur Hektor, sondern alle Troer dem Rath des Poulydamas 
folgend von ihren Wagen sprangen und ihre Gespanne den Wagen- 
lenkern übergaben. Dann folgt die Ordnung derselben in 5 Haufen, 
von diesen führt Asios mit andern den dritten. Schon ist damn 
erzählt, dass alle diese sich in Bewegung setzten gegen die Achaeer 
106, da heisst es plötzlich 108#.: da folgten alle die andern Troer 
und Hülfsvölker dem Rath des Poulydamas, nur Asios wollte dort 
nicht sein Gespann zurücklassen. Auf Grund dieser Bedenken hat 
Holm die Streichung von 82—107 vorgeschlagen, wodurch allerdings 
ein tadelloser Zusammenhang und Uebereinstimmung mit 195. 196 


Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 111 


gewonnen wird. Dagegen erklärt Giseke die Mängel der ganzen 
Ausführung in Bezug auf diesen Punkt aus dem Unvermögen des 
hier deutlich zu erkennenden Kunstdichters, welcher dem von ihm 
neu eingeführten Mauerkampf, um seine Kunst zu zeigen einen 
strategischen Plau zu Grunde legte, aber wie er selbst 176 an- 
deute, die Aufgabe, die er sich gestellt, zu lösen ausser Stande war. 
Die Erzihlung von Asios steht nach Kiene in wohlberech- 
netem Kontrast zum Schluss des Gesanges: ‘denn Hektor sprengt 
das geschlossene Thor, während Asios in das offene nicht ein- 
zudringen vermag. Dieser Gegensatz des ersten und letzten Gliedes 
des Kampfes um die Mauer bildet eine Hauptschönheit seiner 
Gruppierung.” Dagegen haben andere Kritiker eine Reihe gewich- 
tiger Bedenken gegen die Erzählung geltend gemacht. So findet 
Lachmann dieselbe mindestens unvollständig: nach ihm traten 
die Verse 175—181 offenbar an die Stelle der echten, in denen 
Asios wich, nachdem er einen oder den andern Achaeer getödtet 
hatte. Ausserdem gab ihm der Widerspruch wegen des hier links 
angenommenen offenen Thores theils mit M 223, theils mit N 679. 
681 vgl. 312. 675, wo das Thor in der Mitte der aufs Land 
gezogenen Schiffe ist, Anlass 118 τῇπερ-- 194 ἔχε, 127—136, 141 
—153, 162—174 auszuscheiden, womit zugleich die Hervorhebung 
der beiden Lapithenhelden beseitigt wird. Auch Bergk hebt 
hervor, dass die homerische Ilias von den Lapithen nichts wisse 
und der Angriff des Asios eigentlich ohne jedes Resultat verlaufe. 
Jacob bezeichnet daneben auch die Hervorhebung des Asios selbst 
als befremdend, da dieser nirgends so selbständig auftrete Mit 
voller. Entschiedenheit aber sieht Düntzer in der ganzen Erzählung 
von Asios eine Interpolation (116—199), indem er den Abbruch 
des Kampfes mit den Lapithen 194 und die folgende Anknüpfung 
der weiteren Erzählung von Hektor und Poulydamas als seltsam 
und abenteuerlich bezeichnet und neben anderen Unebenheiten na- 
mentlich auch den Widerspruch wegen des Thores hervorhebt. 
Auch Bernhardy ist geneigt die ganze Partie auszuscheiden. 
Bei der Entscheidung über die Ursprünglichkeit der Erzählung 
von Asios ist zunächst die Frage klarer zu stellen, ob in der 
griechischen Befestigungslinie überhaupt ein oder mehrere Thore 
angenommen werden müssen. Aristarch nahm nur ein (grösseres) 
Thor an, indem er beobachtete, dass Homer das Wort πύλαι nie 
anders als im Plural gebrauche, auch wenn er nur ein Thor be- 
zeichne, vgl. Lehrs de Aristarch. ®p. 125. Ohne Zweifel kann 
aber πύλαι auch von mehreren Thoren gebraucht werden, und in 
H 436—439 lässt der Zusammenhang offenbar nur diese Auf- 
fassung zu, da von der Mauer bestimmt die Thürme πύργους un- 
terschieden werden und in Bezug auf diese es heisst: ἐν δ᾽ auroicı 
πύλας ἐνεποίεον; und dass die Rhapsoden wenigstens von der An- 
nahme einer Mehrheit der Thore ausgiengen, zeigen die allerdings 


112 _ Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 


ungehörigen Verse M 175 δ. In der Erzählung des zwölften 
Buches werden nun offenbar zwei Thore unterschieden, denn dass 
Hektor mit seiner Abtheilung einen andern Theil des Lagers an- 
greift, als Asios, ergiebt sich aus der Verschiedenheit der an 
beiden Stellen gegenüberstehenden griechischen Führer, auch zeigen 
N 675. 679 vgl. mit 751. 767, dass die linke Seite, wo Asios 
anstürmte, ziemlich entfernt von der Stelle ist, wo Hektor eindrang. 
Hienach haben Lenz die Ebene von Troja p. 207, Grossmann 
Homerica p. 22, Hasper das alte Troja p. 13, Schoemann de 
reticentia Homeri p. 17 Anmerk. 17, Jacob über die Entstehung 
der Ilias und Odyssee p. 261 sich für die Annahme mehrerer 
Thore erklärt. Nun werden allerdings sonst mehrere Thore nicht 
unterschieden, es ist sonst überall nur von einem Thore die Rede, 
dem Thore, welches Hektor erstürmt und welches nach N 312 
und 679—681 in der Mitte sich befindet. Danach könnte man 
allerdings mit Lachmann und Friedlaender vermuthen, dass 
das Thor auf der linken Seite hier nachträglich eingeschwärzt sei, 
aber dieser Annahme stehen die schwersten Bedenken entgegen. 
Schon Holm machte namentlich geltend, dass mit dieser Annahme 
die Erzählung von dem Kampfe der beiden Lapithen 182 ἢ, un- 
vereinbar sei: wie können dieselben, von der Mauer aus, wo sie 
nach Beseitigung des Thores allein gedacht werden können (vgl. 
154) nicht nur mit dem Schwerte kämpfen (190), sondern gar 
durch die Schaar hin anstürmen (191) und den Erlegten die 
Rüstungen abziehen (195)? Um diesen Fehler in Lachmanns Com- 
bination zu corrigieren sieht sich dann Benicken zu der weiteren 
Annahme genöthigt, dass 190—192 nicht in ihrer ursprünglichen 
Fassung auf uns gekommen sein, sondern von demselben, der die 
übrigen Einschiebsel in die Erzählung von Asios einfügte, in die 
jetzt vorliegende Gestalt gebracht sein, sowie dass der zweite 
Halbvers von 165 ursprünglich gelautet habe ἐνὲ κρατερῇ ὑσμίνῃ. 
Ein anderes Bedenken gegen die Lachmannsche Combination macht 
Gerlach geltend: “In unserer Ilias wird der Umstand, dass dieser 
Anführer allein zu Wagen kimpft, ausreichend motiviert. Auf der 
linken Seite des Schiffslagers, wohin Asios sich begiebt, flüchten 
die Griechen auf ihren Streitwagen durch das offene Thor, er 
darf also wohl hoffen, mit den Flüchtigen zugleich in das Lager 
einzudringen. Im Lachmannschen Liede dagegen wird ihm der 
tolle Versuch untergelegt, mit dem Wagen über die Mauer fahren 
zu wollen. Benicken sagt: natürlich erst, wenn die Mauer nie- 
dergeworfen und zerstört ist”. Er meint also, dass Asios vorläufig 
nur zusieht, um nachher, wenn die Soldaten das beste gethan 
haben, seinen triumphierenden Einzug zu halten. Dass dies un- 
homerisch ist, braucht wohl kaum besonders constatiert zu werden.” 

Von der Ausscheidung der Stellen, welche das Thor erwähnen, 
kann demnach nicht wohl mehr die Rede sein, und es handelt sich 


Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 113 


vielmehr um die Frage, ob der Erzählung im Ganzen eine sichere 
Stelle in der Oekonomie des Gesanges zukommt oder nicht. Aus 
der Annahme mehrerer Thore scheint jedenfalls kein entscheidendes 
Argument gegen dieselbe hergenommen werden zu können: diese 
Annahme ist an sich so natürlich, dass man eher sich wundern 
inüsste, wenn in der ausgedehnten Befestigungslinie nur ein ein- 
ziges Thor vorausgesetzt wäre. Dass das hier erwähnte Thor auf 
der linken Seite im dreizehnten Gesange und sonst nicht weiter 
vorkoinmt, erklärt sich daraus genügend, dass der Dichter dort 
keinen besonderen Anlass hatte dasselbe zu erwähnen. Im Uebri- 
gen sind die gegen die Erzählung von Asios erhobenen Bedenken 
anzuerkennen. Zunächst die besondere Stelle, welche die Lapithen, 
so wie Asios in dem in der Ilias verarbeiteten Sagengehalt ein- 
nehmen. Von grösserem Gewicht ist, dass, wie die Erzählung ohne 
rechten Abschluss ist, so der Angriff des Asios an sich ohne ei- 
gentliches Resultat bleibt und für die folgende Entwicklung keine 
weitere Bedeutung hat, denn der von Kiene belobte, aber von 
dem Hörer kaum empfundene Kontrast der Erzühlung mit der 
Schlussscene des Gesanges ist schwerlich ein genügendes Moment, 
um der Episode ihre Stelle im Gesange zu sichern. Sehr auf- 
fallend ist ferner die Art, wie dieselbe in den Zusammenhang des 
Ganzen eingeordnet ist, und die dabei hervortretenden Mängel. 
Die Anknüpfung der 200—250 erzählten Vorgänge an unsere 
Erzählung in 195 ff. vermittelst des Parallelismus von ὄφρα — τόφρα 
zeigt, dass nach Absicht des Dichters der Angriff des Asios mit 
diesen zeitlich parallel verlaufend gedacht werden soll: während 
Asios durch den Graben stürmt und vergeblich in das Thor ein- 
zudringen sucht, erscheint den diesseits des Grabens zum Ueber- 
gang sich ordnenden Troern das Zeichen, welches zunächst die 
abmahnende Rede des Poulydamas und die Gegenrede Hektors her- 
vorruft, worauf dann erst Hektors Angriff erfolgt. Mit der hier 
gegebenen Anordnung der Begebenheiten steht aber die die Er- 
zählung von Asios einleitende Partie im Widerspruch, Wenn es 
106 von allen in fünf Haufen bereits geordneten Troern heisst: 
βάν δ᾽ ἰθὺς Δαναῶν und 108—112 dazu das Verfahren des Asios 
in Gegensatz gestellt wird, so ist hier der Angriff der übrigen 
Troer mit dem des Asios offenbar gleichzeitig erfolgend gedacht. 
Dazu kommt hier der weitere Widerspruch, dass nach 83 und 95 
Asios unter denen mit genannt ist, welche auf Poulydamas Rath 
den Wagen verliessen. Indess brauchen diese Differenzen nicht auf 
Rechnung dessen zu kommen, welcher die Episode von Asios 
dichtete, ebensowohl können sie durch die von Hölm vermuthete 
Einschiebung von 82—107 verschuldet sein. Diese Vermuthung 
wird wesentlich verstärkt durch folgende Betrachtung. Es kann 
verständiger Weise nicht die Absicht des Dichters sein das Zeichen 
200 ff. nur dem einen Haufen der Troer erscheinen zu lassen, 
Ameis, Anhang zur Ilias. 8 


114 Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 


sondern offenbar allen Troern mit Ausnahme des Asios und der 
Seinen, die nur deshalb es nicht sehen, weil sie vor dem Erschei- 
nen desselben den Graben bereits überschritten haben. Müssen 
demnach 196—198 von der Gesammtheit der Troer mit Ausnahme 
jener verstanden werden, so kann derselbe Dichter nicht die 
fast wörtlich übereinstimmende Bezeichnung 88—90 nur von einem 
Haufen der Troer verstanden haben. Da aber die ganze Fünf- 
theilung im weiteren Verlauf der Erzählung gänzlich wunbeachtet 
bleibt, auch bei der Einführung Sarpedons 290, und da mit der 
Beseitigung von 82—107 alle erwähnten Widersprüche schwinden, 
so wird die Annahme dieser Interpolation im höchsten Grade 
wahrscheinlich. Aber auch die Anknüpfung der parallelen Hand- 
lung selbst 195 f. ist getadelt und nicht mit Unrecht. Zwar ist 
der von Düntzer erhobene Vorwurf, dass man nicht sehe, was 
denn Hektor und Poulydamas zurückgehalten habe, nachdem sie 
sich einmal entschlossen hatten ohne Wagen überzusetzen, unbe- 
rechtigt, da ja 200 ff. die Erklärung folgt. Aber die Parallelisie- 
rung des ἔτι μερμήριξον mit dem untergeordneten einzelnen Moment 
des erzühlten Kampfes (τοὺς ἐνάριξον ἀπ᾽ ἔντεα μαρμαίροντα) ist 
jedenfalls nicht geschickt, und das Nachbringen der Haupthand- 
lung, das Vordrängen der Episode scheint sich von der Kunst, 
womit z. B. im ersten Gesange Haupthandlung und Episode ver- 
schlungen sind, weit zu entfernen. Endlich bietet die Darstellung 
der Episode selbst mannigfachen Anstoss. So wird die Entwicklung 
und der Fortschritt der Handlung mehrfach gestört theils durch 
Wiederholungen, die auf doppelte Recensionen führen können, vgl. 
120—123, 124 ff. 137 Ε΄, theils durch ein Nachbringen von dem, 
was der augenblicklichen Situation vorausgeht, vgl. 141 ff,, auch 
durch Uebergehen von nicht unwesentlichen Zügen, wie dass Asios 
seinen Wagen verlässt 136. Gerade in dieser Episode treten auch 
die schon oben im Allgemeinen erwähnten Mängel in dem Gebrauch 
der Gleichnisse besonders hervor, indem dieselben theils durch die 
überraschende Wendung, die sich in der Ausführung vollzieht (vgl. 
148 8), theils durch die bei Aufnahme der Erzählung gemachte 
Anwendung derselben (vgl. 159 f. 171 £.) befremden. 

Die Leitung des Kampfes durch Zeus ist gleichmässig darauf 
gerichtet Hektor zu fördern und ihm Ruhm zu verleihen: vgl. 
173 £. 252 ἢ, 290—292. 437. 450. Befremden kann hier nur das 
200 ff. erscheinende Zeichen namentlich im Hinblick auf das un- 
mittelbar folgende 252. Jenes erste zeigt sich in dem Augen- 
blicke, wo Hek4or mit den Seinen im Begriff steht den Graben zu 
überschreiten, und scheint, indem es nach Poulydamas’ Deutung 
nach anfangs glücklichem Erfolg einen verderblichen Rückzug in 
Aussicht stellt, vor dem Uebergange zu warnen; dieses, ein gegen 
das Schiffslager brausender Sturmwind, unterstützt in dem Augen- 
blick, wo Hektor den Graben überschreitet, denselben in der wirk- 


Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 115 


samsten Weise. Man kann fragen: wozu hier das abmahnende 
Zeichen? steht dasselbe nicht mit der gesammten Thätigkeit des 
Zeus seit Beginn des achten Gesanges, wie mit der folgenden in 
Widerspruch, da es die Verwirklichung seiner Absicht ernstlich in 
Frage stellt? Man kann allerdings zweifeln, ob der Dichter den 
Adler wirklich als von Zeus gesendet betrachtet wissen will, da 
er denselben nur da, wo er den erschreckenden Eindruck seines 
Erscheinens auf die Troer darstellt, als Διὸς τέρας bezeichnet (209): 
nach dem Zusammenhange lässt sich diese Bezeichnung als die 
Auffassung der Troer deuten, während Hektor dieselbe nicht zu 
theilen braucht, vgl. 235—237 mit 241 f. Aber es knüpfen sich 
an diese Partie noch andere Bedenken. So ist in den Eingangs- 
worten des Poulydamas der gereizte, bittere Ton gegen Hektor, 
der Vorwurf, dass er, eifersüchtig auf seine Auctorität, seinen 
wohlgemeinten Rathschlägen immer entgegentrete, nach dem, was 
vorausgegangen ist, ganz unbegreiflich: hat doch Hektor unmittel- 
bar vorher dem Rath des Poulydamas, die Wagen zu verlassen, sich 
willig und ohne alle Widerrede sofort gefügt. Auch sonst bietet 
die Rede auffallendes: der Ausdruck, mit dem Poulydamas den 
nach seiner Deutung des Zeichens zu erwartenden verderblichen 
Rückzug bezeichnet (225), ist sehr seltsam und kaum verständlich, 
man erwartet einen viel stürkern Ausdruck (vgl. 10--- 14), der 
wirksamer die Abmahnung begründete. In der folgenden Rede 
Hektors endlich sind die Verse 244—250 sehr anstössig und von 
Bekker, Köchly u. A. verworfen. 

In der Erzählung des Kampfes selbst ist, wie schon oben 
bemerkt wurde, von Nitzsch eine grosse Interpolation angenommen; 
er verwirft die ganze Partie von Sarpedon 290—429, welche ihm 
aus einem älteren Liede von Sarpedon entnommen und mit den 
nöthigen Einfügungsgliedern in den Zusammenhang eingereiht scheint. 
Seine Gründe sind folgende. Zunichst und vor allem der Wider- 
spruch, dass während nach der Haupterzählung Zeus dem Hektor 
die Ehre des ersten Rindringens zugedacht hat, hier dem Sarpedon 
dieselbe zugetheilt wird, 397—399 in Uebereinstimmung mit IT 
558 vgl. M 438. Ferner kommt innerhalb der Erzählung von 
Sarpedon der grosse Aias, der mit dem andern Aias Hektor ge- 
genüber steht, von Menestheus (dessen Thurm Sarpedon bedroht) 
gerufen diesem zu Hülfe: dagegen finden wir in N beide Aias wie 
im ersten Theil von M beisammen oder in Nähe bei einander 
Hektor gegenüber, ohne dass erzählt wäre, dass der grosse Aias 
vom Thurm des Menestheus wieder an seinen früheren Standort 
zurückgekehrt sei. Endlich bieten die Uebergänge von der Haupt- 
erzählung zu Sarpedon und umgekehrt besondern Anstoss. V. 290 
kommt das Abbrechen und Unterbrechen der bisherigen Schilderung 
völlig unerwartet; während hier aber für die schliessliche Erstür- 
mung des 'Thores durch Hektor dem Sarpedon ein wesentlicher 

8: 


116 _ Kritischer und exegetischer Anhang. ΜΙ, Einleitung. 


Antheil zugeschrieben ist, wird beim Abschluss 437 fl. Hektors 
Erfolg als die Folge eines frischen Entschlusses des Zeus bezeichnet. 
“Andrerseits ist hier der Satzverlauf unklar, da 417 die Lykier es 
sind, welche im harten Kampfe ohne Erfolg gegen die Achaeer 
angehn, nachmals aber eben mit der Stelle 437 ff. die Scene zu Hektor 
und seinen Troern zurückversetzt wird.” Die auf diesen Gründen 
berubende Annahme einer umfassenden Interpolation wird auch 
unterstützt durch die Untersuchungen von Giseke über die Sage 
von Sarpedon, welcher freilich zu dem viel weitergehenden Resultat 
gelangt, dass in der alten Sage Sarpedon überhaupt gar nicht vor 
Troja gewesen sei und die troische Hülfsleistung desselben mit 
allem, was sich an sie knüpfe, wie der Bau und die Erstürmung 
der Schiffsmauer, ein neueres Element in der homerischen Sage, 
künstlich eingefügt und noch in ihren Fugen erkennbar sei. Auch 
Bernhardy scheint der von Nitzsch vorgeschlagenen Athetese 
zuzustimmen. Dagegen haben Andere sich gegen Nitzsch’s An- 
nahme erklärt und die gefundenen Widersprüche in verschiedener 
Weise zu lösen versucht. Gegen den an erster Stelle hervor- 
gehobenen Widerspruch von 397—399 mit der übrigen Erzählung 
macht Kiene geltend, dass der Satz πολέεσσι δὲ ϑῆκε κέλευϑον 
dadurch genügend gerechtfertigt werde, dass der Angriff des Sar- 
pedon den Telamonier entferne und dadurch den Sieg des Hektor 
erleichtere und vorbereite, während IT 550 eben nur eine fehl- 
greifende Vermuthung des Patroklos sei. Danach scheint Kiene 
in ϑῆκε Sarpedon als Subject vorauszusetzen, was aber nach dem 
Zusammenhang der vorangehenden Worte nicht wohl möglich ist. 
Richtig scheint Nitzsch die entblösste Mauer als Subject zu fassen. 
wenn er sagt: vielen Bahn machen ist ein Factum, ein Erfolg an 
der Mauer; auch giebt derselbe, namentlich wenn man πρυλέεσσι 
statt πολέεσσι vermuthen dürfe, zu, dass der Satz eine Beschaffen- 
heit, eine Möglichkeit ausdrücken könne, deren Erfolg nicht ein- 
zutreten brauche. Dass der Satz nur so gemeint ist: die Ent- 
blössung der Mauer von der Brustwehr gab vielen die Möglichkeit 
einzudringen, deren Verwirklichung aber zunächst durch den Wider- 
stand des Aias und Teueros vereitelt wurde, zeigt deutlich die 
Aeusserung Sarpedons 410 f. Jedenfalls wird durch die Worte 
dem Sarpedon nicht die Ehre des ersten Eindringens beigelegt 
und ein so schroffer Widerspruch, wie ihn Nitzsch fand, ist nicht 
anzuerkennen. Die zweite Differenz sodann, welche auf der Be- 
rufung des Aias zum Thurm des Menestheus und dem in N trotz- 
dem unveränderten Standort desselben beruht, hat Friedlaender 
durch die Annahme zu beseitigen gesucht, dass der Dichter sich 
den Thurm des Menestheus in unmittelbarer Nähe bei dem Thor 
in der Mitte gedacht habe, wofür er einmal ἐγγύϑεν 337 geltend 
macht, sodann den Zusammenhang der folgenden Erzählung, welche 
den Eindruck mache, als wenn der Dichter den Thurm des Me- 


Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 117 


nestheus und das Thor in der Mitte nicht als zwei von einander 
getrennte Punkte betrachtet habe. In der That genügt das ἐγγύϑεν, 
um den bezeichneten Widerspruch nicht gerade bedeutend zu finden, 
auch ohne dass wir mit Friedlaender anzunehmen brauchen, 
dass die Verse, worin die wenngleich geringe Ortsveränderung des 
Aias, Teucros und Menestheus angegeben sein musste, verloren 
sein. Nach dem Erfolg des allgemeinen letzten entscheidenden 
Sturmes (443 ff.) ist es selbstverstündlich, dass auch der Thurm 
des Menestheus nicht behauptet werden konnte, und zumal nach 
Aias’ Zusage 369 die nun erfolgende Rückkehr desselben an seinen 
früheren Standort, wo seine Hülfe Hektor gegenüber vor allem 
nothwendig war, eine Voraussetzung, die der Dichter wohl still- 
schweigend seinen Hörern zumuthen durfte. Eine andere Lösung 
des Widerspruchs giebt Düntzer, indem er nach dem Vorgange 
von Schöll zu Sophokles’ Aias p. 60 f. die Berufung des Aias 
durch Menestheus für eingeschoben erklärt. Vom Lachmannschen 
Standpunkt endlich macht Benicken geltend, dass zur Beseitigung 
des Widerspruchs mit N ein viel einfacheres Mittel die Annahme 
verschiedener Verfasser der beiden Gesänge sei, gegen die Athetese 
überhaupt aber die Trefllichkeit der Erzühlung, deren Beseitigung 
einen fühlbaren Mangel zurücklasse, die Uebereinstimmung des 
Stückes nach Inhalt und Form mit den übrigen Theilen des zwölf- 
ten Buches, endlich die Beziehungslosigkeit von πάντῃ 430, da 
vor 289 nur von einer oder zwei Seiten die Rede sei. 

Sind nach der vorstehenden Ausführung die von Nitzsch 
besonders betonten Widersprüche an sich nicht von der Art, dass 
sie die Unvereinbarkeit der Erzählung von Sarpedon mit der Haupt- 
erzählung erweisen, so haben dagegen die dem Zusammenhang und 
Fortschritt der Erzählung entnommenen Bedenken ein bedeutendes 
Gewicht. Da, wo die Erzählung von Sarpedon einsetzt (290), ist 
kurz vorher (251 8.) der Uebergang über den Graben und der 
Angriff auf die Mauer erfolgt; beide Aias haben die Achaeer an- 
gefeuert, und eben ist ausführlich geschildert, wie von beiden 
Seiten die Steinwürfe zahlreich hin- und herfliegen.*) Bei dieser 
Lage der Dinge, wo wir eben in den Beginn des Kampfes versetzt 
sind, ist nun die Wendung, mit der der Uebergang zu Sarpedon 
gemacht wird (290 £.), in hohem Masse überraschend und durchaus 
wnvermittelt, da wohl kein Hörer in diesem Augenblick (τότε γε) 


*) V. 258—262, welche unmittelbar nach dem Uebergang über den 
Graben bereits die detaillierte Ausführung der Versuche die Mauer zu 
stürmen enthalten, greifen der natürlichen Entwicklung der Dinge selt- 
sam vor, da wir 278—289 offenbar in ein früheres Stadium zurück- 
versetzt werden. Man beachte auch, dass 264 in den Worten ὑπὸ τεῖχος 
ἰόντας nur erst von der Annäherung an die Mauer die Rede ist, sodann, 
dass auch die weiter folgenden mahnenden Worte der beiden Aias für 
diesen Moment passender sind. 


118 Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 


bereits die Erstürmung der Mauer, geschweige denn des Thores, 
von dessen Bedrohung überhaupt noch nicht die Rede gewesen 
ist, erwarten wird. Dazu kommt die Differenz, welche die Ueber- 
gangswendung in den Worten μακρὸν ὀχῆα verglichen mit δοιοὶ 
ὀχῆες 455 bietet und welche Benicken zu der Annahme ver- 
anlasst, dass 290. 291 von einem Ordner eingeschoben seien und 
nach Streichung derselben V. 292 δὴ τότ᾽ ἄρ᾽ statt ei μὴ ἄρ᾽ zu 
lesen sei. Derselbe begründet diese Annahme auch dadurch, dass 
in den folgenden Theilen des Liedes keine Spur darauf führe, dass 
Sarpedon ausser jenem allgemeinen und natürlichen, daher auch 
selbstverständlichen Einfluss einen besondern und daher bestimmter 
hervorzuhebenden auf die Brechung des Thores gehabt habe. In 
der That weiss die Schlusserzählung nichts von einem directen 
Einfluss Sarpedons auf die Erstürmung des Thores: diese wird 
436 f. durch eine völlig neue, von der vorhergehenden Entwick- 
lung durchaus unabhängige Entscheidung des Zeus motiviert; auch 
die Entfernung des Aias zeigt sich nirgends wirksam, nichts von 
einem Ermatten oder von Muthlosigkeit der Achaeer, vielmehr 
wird die Gleichheit der Kräfte nachdrücklich betont, und nur der 
durch Zeus neuerweckte Kampfeifer Hektors und die Zerschmet- 
terung des Thores giebt die Entscheidung. Die Ungeschicklichkeit 
der Anknüpfung verräth sich 290 zumal durch das betonte τότε 
γε. welches ebenso bestimmt eine unmittelbar durch Sarpedon 
herbeigeführte Entscheidung verlangt, als in der Ausführung diese 
in der That nicht erfolgt. Ebenso schwer wiegen die Bedenken, 
welche der Uebergang zur Haupterzählung am Schluss erregt. 
Der erfolgreiche Sturm des Sarpedon führt zu einem blutigen, 
aber gleichstehenden Nahkampf der nur durch die Brustwehren 
getrennten Lykier und Danaer (417—429). Diese Schilderung 
wird plötzlich 430 verallgemeinert und auf die Troer und Danaer 
übertragen, ohne dass zwischen der 288 f. bezeichneten Situation, 
wo wir Troer und Achaeer im ersten Stadium des Kampfes ver- 
liessen, und der hier gezeichneten irgend ein Zwischenglied den 
Fortschritt der Handlung vermittelte. Ja noch mehr, die eben 
geschilderte Situation ist gleich darauf 442 f. wie völlig vergessen, 
denn erst jetzt erfolgt, wie es scheint, auf Hektors ermunternden 
Zuruf ein eigentlicher Sturm auf die Mauer (ἴϑυσαν δ᾽ ἐπὶ τεῖχος 
ἀολλέες), wie er der 288 f. bezeichneten Situation sich passend 
anschliessen würde, aber nicht vereinbar ist mit dem vorher- 
geschilderten Nahkampf an und auf der Mauer selbst. 

Die nachgewiesenen inneren Widersprüche der Erzählung stellen 
doch die Einheitlichkeit derselben ernstlich in Frage: in Verbin- 
dung mit diesen gewinnen auch die übrigen an sich nicht so schwer 
wiegenden Bedenken, wie der Umstand, dass Sarpedon im drei- 
zehnten Gesange völlig vergessen ist, und die Vermuthungen Gi- 
sekes über den jüngeren Ursprung der Sarpedonsage, grössere 


Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 119 


Bedeutung. Was gegen die Annahme der Interpolation von Be- 
nicken vorgebracht ist, wird vor einer genaueren Prüfung nicht 
bestehen. So wird die von demselben betonte Uebereinstimmung 
des Stücks nach Inhalt und Form mit den übrigen Theilen des 
Gedichtes sich reducieren auf eine Uebereinstimmung gerade mit 
der ebenfalls mit Grund beanstandeten Erzählung von Asios: mit 
dieser theilt dasselbe den μακρὸς ὀχεὺς (121. 291), ferner zum 
Theil dieselben Mängel in der Anwendung des Gleichnisses: so 
führt der Vergleich 298—307 die Erzählung statt vorwärts zurück 
(vgl. 299 mit 330), 432—436 wird der bei der Einleitung nur 
auf die Achaeer berechnete Vergleich bei der Aufnahme ver- 
allgemeinert und auf beide Parteien angewandt. 

Die Prüfung des innern Zusammenbanges des zwölften Buches 
exgiebt abweichend von der Kritik der Vertreter der Liedertheorie 
ein nicht sehr günstiges Resultat, Schwere Störungen des regel- 
rechten Fortschritts der Handlung, Widersprüche in der Motivie- 
rung, Unklarheiten und Ungeschicklichkeiten in den Uebergängen 
der einzelnen Partieen, wie sie sich namentlich an die fünffache Ord- 
mung der Troer, sowie an die Erzählungen von Asios und Sarpedon 
knüpfen, machen es wahrscheinlich, dass die ursprüngliche Gestalt 
des Gesanges unter Erweiterungen und Zusätzen, welche ein rei- 
cheres Bild von dem um die Mauer entbrannten Kampfe geben 
sollten, vielfach gelitten hat. 

Endlich müssen wir noch zurückkommen auf die am Eingange 
des Gesanges enthaltene Erzählung von der späteren Zerstörung 
der Mauer. Dieselbe bietet nach Inhalt und Ausdruck viel Eigen- 
thümliehes., Die darin enthaltene proleptische Betrachtung des 
spätern Schicksals der Mauer befremdet insofern, als wir in der- 
selben ‘nicht einen Vorblick auf den grossen Erfüllungsmoment 
haben, den uns das Gedicht sonst als äusserste Perspective eröffnet, 
sondern einen Rückblick auf denselben aus einer dem Gedichte 
ganz fremden Zukunft’ (Kraut) und weicht von der homerischen 
Weise darin ab, dass sie nicht einem Gott in den Mund gelegt 
wird, sondern der Erzähler selbst die Zukunft verkündet. Ausser- 
halb der homerischen Vorstellungsweise liegt auch die Bezeichnung 
der Helden vor Troja ἡμιϑέων γένος ἀνδρῶν. Die Ansichten nun über 
dies eigenthümliche Stück gehen in der seltsamsten Weise aus- 
einander. Nicht beanstandet ist dasselbe von Lachmann und 
Köchly, weil sie auf ihrem Standpunkte darin einen erwünschten 
selbständigen Liedanfang, eine Einleitung für ein Einzellied finden. 
Auch von andern Standpunkten aus nehmen manche an den Eigen- 
thünnlichkeiten der Erzählung keinen Anstoss, indem sie dieselbe 
dadurch motiviert finden, dass der Dichter ängstlich bemüht den 
Zweifeln derer zu begegnen, welche zu ihrer Zeit nichts mehr von 
der Mauer am Hellespont bemerkten, sie selber zerstörte, damit sie 
Niemand später suchen sollte. Gerlach findet darin gar die Spuren 


120 Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 


eines älteren Gedichtes, welches Homer benutzt habe. Andern 
dagegen sind die Eigenthümlichkeiten des Stückes ein Grund in 
demselben vielmehr eine spätere Interpolation zu sehen: so Schoe- 
mann, welcher 2—36 ausscheidet und die Verbindung vorschlägt: 
ἰᾶτ᾽ Εὐρύπυλον βεβλημένον" αὐτὰρ ᾽Αχαιοὶ Νηυσὶν ἐπὶ γλαφυρῇσιν 
ἐελμένοι ἰσχανόωντο, Friedlaender, der darin eine Einleitung 
sieht, wie sie der Vortrag ausserhalb des Zusammenhangs erfor- 
derte, welche dann den ursprünglichen Anfang des zwölften Ge- 
sanges, der den Rückzug hinter die Mauer erzühlte, verdrängte 
(ähnlich Hercher), und Düntzer, der 5—40 ausscheiden will. 
Wir führen schliesslich die Ansichten der bedeutendsten Kritiker 
über den zwölften Gesang an. Lachmann constituiert sein elftes 
Lied aus V. 3 (οὐδ᾽ ἄρ᾽ ἔμελλεν) bis 118 (bis ἀριστερά). 124 (τοὶ 
δὲ ἕποντο) --- 126. 137—140. 154—161. Lücke. 182—471, ver- 
wirft also ausser den ersten Uebergangsversen alle die, in denen 
das Thor auf der linken Seite erwähnt und die Lapithen Leonteus 
und Polypoithes hervorgehoben werden. Das so constituierte Lied 
sondert sich nach ihm auf das bestimmteste vom zehnten, welches 
gar keine Mauer kennt. Die vorausgesetzte Situation ist, dass die 
Achaeer auf das Schiffslager beschränkt sind, und zwar gilt dieser 
Zustand der Einschliessung als ein dauernder. Nicht die leiseste An- 
deutung, dass den hier erzählten Begebenheiten etwa unmittelbar eine 
Schlacht ausserhalb des Lagers vorangegangen sei. Ob die Verwun- 
dung der drei Helden vorausgesetzt sei, ist nicht zu entscheiden, eben- 
sowenig, ob die 236 und 164 ff. erwähnten Versprechen des Zeus 
identisch sind und auf das in 4 191 zurückweisen. An Lach- 
mann schliessen sich auf das engste an Benicken, welcher nur 
ausser den von Lachmann verworfenen Theilen noch 190—192 
und die letzte Hälfte von 195, sowie 290. 291 für nicht ursprüng- 
lich hält, und Cauer, welcher über das Verhältniss des 11. und 
12. Gesanges urtheilt: “Die Begebenheiten beider Bücher in ihrer 
wahren Bedeutung aufgefasst, sind also nicht auf einander folgende, 
sondern parallel neben einander hergehende.” — und ‘Die Zusam- 
menfügung so durchaus heterogener Elemente, wie sie in der 
Schlacht des elften Buches und in der Teichomachie vor uns liegen, 
hätte sich bei alledem Jedem auf die erste Berührung hin fühlbar 
machen müssen, wenn beide Theile unmittelbar an einander stiessen. 
Aber die Ordner haben Sorge getragen durch eine zwischen- 
geschobene Episode (die Sendung des Patroklos) unsere Aufmerk- 
samkeit für einen Augenblick auf ganz andere Kreise zu lenken.’ 
— Abweichend von Lachmann constituiert Köchly sein Lied 
aus folgenden Stücken: A 596. M 3—83. 86—112. 118—130. 
141— 174. 182—243. 251—284. 287—289. 339—341. 290- 
338. 342—431. Lücke, 432—436. 175. 437—449. 451—471. 
0 381—389. 696 — 703. M 8. - O 405. O 406—414. Auch 
Jacob löst das zwölfte Buch aus seinem Zusammenhange mit dem 


Kritischer und exegetischer Anhang. M. Einleitung. 121 


elften und sieht darin ein besonderes Lied ‘nach seiner Vortrefi- 
lichkeit Homers vollkommen würdig und doch nach der Art seiner 
Darstellung wohl nicht von ihm.” Alles, was im Eingange des 
Gesanges uns die Schlacht wieder vergegenwärtigt, schreibt der- 
selbe den Ordnern zu. Dagegen nimmt Hoffmann, obwohl er 
eine sichtbare Abrundung und Abgeschlossenheit des Gesanges 
anerkennt, doch an, dass derselbe gleich von Anfang an auf seine 
jetzige Stelle berechnet war, also nur eine formelle Selbständig- 
keit besitzt. “Dafür spricht besonders die grosse Ueberein- 
stimmung in so vielen Detailangaben, die zwischen diesem und 
dem folgenden Buche stattfindet” Doch scheint ihm das zwölfte 
Buch jünger als das dreizehnte, und wohl eine Ergänzung von 
diesem. Wahrscheinlich hat der Dichter des zwölften Gesanges 
auch die Patroklie gekannt und auf sie hingearbeitet: für den 
Kampf des Patroklos mit Sarpedon liefert das zwölfte Buch die 
Vorbereitung, indem es dem Sarpedon eine wichtige Rolle zutheilt. 
Der Dichter des zwölften Buches scheint auch der Verfasser des 
funfzehnten zu sein. — Eine Abhängigkeit des zwölften Gesanges 
vom elften nimmt auch Gentz an: ihm scheinen die wirren Massen 
von M—O aus mehreren parallelen, von einander, aber nicht von 
A wmabhängigen Liedern zusammengewachsen. Der zwölfte Gesang 
scheint stark interpoliert. Dagegen erkennt Bergk in den Ge- 
sängen 12—15 zum grossen Theil eine ganz selbständige Arbeit 
des Diaskeuasten. Das zwölfte Buch insbesondere verwirft er 
schon deshalb, weil die alte Ilias keine derartige Befestigung 
kenne; dass einzelne Bruchstücke älterer Poesie von dem Dia- 
skeuasten für seinen Zweck verwendet sein, wird zugegeben. Auch 
Giseke erkennt in der Teichomachie ein Stück jüngern Ursprungs, 
welches er der entstehenden Kunstdichtung glaubt zuschreiben zu 
müssen. In dem von Faerber angenommenen selbständigen Ge- 
dichte, welches die Bücher A— Z umfasst, hat das zwölfte seine 
feste, unbestrittene Stelle; er verwirft nur 1—34. 


Anmerkungen. 


2. Ueber den Eingang des Gesanges vgl. die Einleitung p. 
119f. — 9. Dies causale τό behandelt La Roche homer. Stud. 
p- 73f. Die Verbindung mit dem die Uebereinstimmung von Ur- 
sache und Folge andeutenden καί zeigen noch [176 und 9. 332, 
das umgekehrte Gedankenverhältniss kommt in der entsprechenden 
relativen Anknüpfung mit ὃ καί σ 332 und ὃ 206 zum Ausdruck, 
worüber Pfudel Beiträge zur Syntax der Causalsätze bei Homer 
p- 39 handelt. Die übrigen von La Roche hieher gerechneten 


122 _Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 


Fülle eines causalen τό sind H 238 (Ὁ vgl. den Anhang zur Stelle), 
P 403 (?), T 213, Ψ 546, das einzige Beispiel der Odyssee ist 
9 332. — 17. Dass hier von der Zerstörung der Mauer so ge- 
sprochen wird, als ob die Sache vorher noch gar nicht erwähnt 
wäre, benutzte Aristarch mit als Argument für die Athetese der 
Unterredung des Poseidon und Zeus in H: vgl. Aristonie. ed. 
Friedlaender p. 205. — 20fl. Zu der Aufzählung der Flüsse 
vgl. Hesiod. theog. 337 f. — 23. "Eine veränderte religiöse Vor- 
stellung zeigt sich unzweifelhaft in ἡμίϑεος M 23, da Homer 
übrigens noch keine Halbgötter oder vergötterte Menschen kennt.” 
Friedlaender in Jahrbb. f. Phil. III Suppl. p. 781. Ebenso ur- 
theilt Schuster über die kritische Benutzung homerischer Adjec- 
tive. Clausthal 1859 p. 18. Uebrigens vermuthete Axt coniectan. 
Hom. p. 9: κονίῃ καὶ ἀρηιϑόων für κονίῃσι καὶ ἡμιϑέων, so auch 
Nauck jetzt in der Ausgabe. — 25. ἐννῆμαρ ohne ein nachfol- 
gendes δεκάτῃ nur hier und 2 107. Vgl. Anh. zu ἡ 253. — 
26. Ueber die Dehnung der ersten Silbe von συνεχές vgl. Anh. 
zu ı 74. Der erste Bestandtheil von ἁλίπλοος wird als localer 
Dativ aufgefasst wie in ἁλιαής, ἁλιμυρήεις, = im Meere schwim- 
mend, von Lehmann zur Lehre vom Locativ bei Homer p. 7, 
Weissenborn über die Zusammensetzung der Nomina p. 6, als 
Locativ des Ziels = ins Meer hinabschwimmend von Meiring 
de verb. cop. II p. 29. Dagegen erkennen andere jetzt mit mehr 
Recht in ἅλι- ein wahrscheinlich aus λο abgeschwächtes Thema 
(vgl. ἁλιεύς) und das ı als stammhaft: so Fedde über Wort- 
zusammensetzung im Homer I p. 21, Meyer in G. Curtius Stud. 
V p. 85. — 28. Trefiend bemerkt Welcker griech. Götterl. I 
p- 628, indem er das ἐκπέμπειν auf die Handhabung des Drei- 
zacks zurückführt: “das unmittelbare Ansetzen und Handhaben 
hütet die Poesie sich auszudrücken.” Vgl. auch Doederlein zur 
Stelle und e 291. d 506. In der Ilias kommt der Dreizack nur 
hier vor. — Andere, wie Düntzer, verstehen ἡγεῖτο so, dass 
Poseidon die Meereswogen gegen die Mauer leite und durch diese 
deren Grundfeste aus der Erde treibe. Aber da vorher nur von 
der Vereinigung der Flussmündungen die Rede gewesen, τεῖχος 
ἀμαλδῦναι ποταμῶν μένος εἰσαγαγόντες (18) auf Poseidon, wie auf 
Apollo bezogen ist, so ist unmöglich bei ἡγεῖτο an die Wogen 
des Meeres zu denken. Dazu kommt, dass auch zuletzt nur von 
der Zurückführung der Flüsse in ihr Bett (89 8), nicht von der 
der Meereswogen in das Meer die Rede ist, man müsste denn 
V. 31 dahin deuten wollen, was aber durch die Zurückführung 
der Flüsse in ihr Bett genügend erklärt wird, während nichts auf 
eine Einwirkung des Meeres hindeutet. ἐχπέμπειν, zumal in der 
Tmesis, umfasst in prägnanter Kürze eine doppelte Thätigkeit des 
Poseidon: das Herausheben der Fundamente aus dem Boden, wo- 
bei derselbe besonders als ἐννοσίγαιος ἔχων χείρεσσι τρίαιναν thätig 


Kritischer und exegetischer Anhang. M, Anmerkungen. 123 


zu denken ist, und das Fortschwemmen derselben vermittelst der 
Wogen der Flüsse. Uebrigens legen die bezeichneten Schwierig- 
keiten die Vermuthung nahe, dass 25. 26 einen ungehörigen Zu- 
satz bilden. Nach Beseitigung dieser beiden Verse würde die Be- 
ziehung von ἡγεῖτο klar sein und ebenso κύμασι keinen Anlass 
mehr zu Zweifeln geben. Diese Vermuthung wird überdies da- 
durch gestützt, dass die neuntügige Dauer des Zerstörungswerkes 
der Götter in einem argen Missverhältniss steht zu dem Aufbau 
der Mauer in einem Tage durch die Hand der Menschen, so wie 
dadurch, dass die Theilnahme des Zeus an der Zerstörung nieht 
wohl motiviert ist. Jener erstere Anstoss veranlasste übrigens 
schon Callistratos zu schreiben: ὃν δ᾽ ἦμαρ. — 32. Zur Erklärung 
solcher Infinitive bei Verben der Bewegung vgl. Meierheim de 
Infinitivo Hom. I. Göttingae 1875 p. 50. 

37. Διὸς μάστιξ wird von den Alten zum 'Theil vom Blitz 
verstanden, so von Putzsche commentatt. Hom. I Lips. 1832 
p. 23 unter Vergleich von O 17. Θ 10f. © 455, eine andere 
Erklärung lautet in Schol. bei Dindorf I p. 417: τῇ Διὸς γνώμῃ 
τὰς ψυχὰς κεκακωμένοι, mit der Kraut die epische Prolepsis p. 18 
übereinkommt: Διὸς μάστιξ der gegen die Achaeer feindselige 
Rathschluss des Zeus, der wie eine drohende Geissel stets über 
ihnen schwebt und sie beim Kampf mit den Troern in die Flucht 
treibt”, unter Vergleich von Jesaias 14, 26 und 10, 26. — Für 
die erstere Erklärung liegt weder hier, noch N 812 im Zusammen- 
hang irgend welcher Anhaltspunkt vor. Bei der zweiten bleibt 
doch sehr zweifelhaft, ob der Dichter die μάστιξ als Zuchtruthe 
gefasst und so bestimmt an den Rathschluss des Zeus die Achaeer 
für die Krünkung des Achill zu züchtigen gedacht habe. Man 
wird sich bescheiden müssen die μάστιξ zunächst als treibendes 
Mittel zu fassen und in dem sinnlichen Bilde die schreckende Ein- 
wirkung des Zeus, der zur Flucht treibt, veranschaulicht zu finden. 
Vgl. Διὸς ἱρὰ τάλαντα II 658. 

418. “Nach den dem Gleichniss zunächst vorhergehenden Worten 
YV. 40: ἐμάρνατο ἶσος ἀέλλῃ, erwartet man ein Gleichniss kriege- 
rischer Tendenz, wie etwa P 109, 657. M 299. Θ 338. 4 414, 
während die Absicht des Gleichnisses sich darauf beschränkt das 
Hin- und Herwenden und die παράκλησις ἑταίρων hervorzuheben.” 
Friedlaender Beiträge zur Kenntniss der hom. Gleichnisse II 
p- 25. Innerhalb des Gleichnisses selbst sodann hat derselbe, wie 
auch Düntzer zur Stelle, nicht ohne Grund an 47. 48 Anstoss 
genommen, weil, nachdem mit dem Aorist ἀγηνορίη δέ μιν ἔκτα 
46 entsprechend dem sonstigen Gebrauch (II 753. M 305. P 112. 
664. A 555) nach den vorhergehenden Praesentia in dem End- 
resultat des ganzen Vorganges ein passender Abschluss gewonnen 
ist, mit V. 47 wider Erwarten στρέφεται wieder aufgenommen wird, 
hier in unpassender Weise, weil in στρέφεται kein Detailzug zur 


124 _Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 


Ausführung der Schilderung, sondern die dem ganzen Gleichniss 
zu Grunde liegende, im Conjunctiv ausgedrückte Vorstellung ent- 
halten ist. Friedlaender empfiehlt diese beiden Verse zwischen 
42 und 43 einzuschieben, wodurch einerseits der Abschluss des 
Gleichnisses in ἔχτα wiederhergestellt, andrerseits dem οἵ δέ re 
und dem πυργηδόν ein krüftigerer Gegensatz (in dem wiederholten 
στίχες) gegenübergestellt werden würde. Aber auch damit würde 
schwerlich eine befriedigende Gestaltung gewonnen und die nöthige 
Einheit in das Ganze gebracht werden. Nauck bezeichnet V. 47. 
48 als spurü? Innerhalb derselben befremdet die Wiederholung 
von στίχες ἀνδρῶν und die nur hier vorkommende Construction 
von πειρητίξω mit Acc. das Hemistich στίχας — πειρητίξων kehrt 
wieder O 615, wo aber στέχας von ῥῆξαι und nicht von πειρητίξων 
abhängt. Bei der entschieden anzunehmenden Störung des Zu- 
sammenhanges der ganzen Stelle ist es auch schwer über die in V. 49 
vorliegenden Lesarten zu entscheiden: nach La Roche haben die 
Handschr. theils ἐλίσσεϑ᾽ oder ἐλίσεϑ᾽, dagegen ἑλίσσεϑ᾽ H, ἐλλέσσεϑ᾽ 
und εἴλίσσεϑ᾽ Nicanor. Die letztere Lesart = ἐστρέφετο, wobei 
dann ἑταίρους zum folgenden ἐποτρύνων gezogen werden muss, 
haben von den neueren Herausgebern nur Heyne, Bothe, Spitz- 
ner, Doederlein und Baeumlein aufgenommen, indem sie 
M 467 ἑλιξάμενος καϑ' ὅμιλον vergleichen und nur bei dieser Les- 
art eine angemessene Aufnahme des Vergleichs zu gewinnen 
glauben. Für εἰλίσσετο haben sich auch ausgesprochen Passow 
de comparationibus Hom. p. 44 und Cobet Miscellan. οὐδ, p. 277, 
welcher aber ἐξελίσσεϑ᾽ geschrieben wissen will. Gerhard lect. 
Apoll. p. 224 vermuthete ἑταίρων, um die so erschwerte Bezie- 
hung von ἑταίρους zum folgenden Verse zu beseitigen, und so hat 
jetzt Nauck neben εἱλίσσεϑ᾽ geschrieben. Allerdings wird durch 
die Lesart ἐλλίσσετο der Zusammenhang zwischen der Anwendung 
des Vergleichs und diesem selbst bis auf ein Minimum reduciert, 
indem der Begriff des lebhaften Hin- und Hersichwenden nur in 
ἀν᾽ ὅμιλον ἰών noch schwach vertreten ist, aber wenn auch εἴς 
λίσσετο formell eine Beziehung herstellt, ein wirklicher Zusammen- 
hang wird auch durch diese Lesart nicht gewonnen, und geradezu 
gegen dieselbe spricht einmal, wie auch Friedlaender bemerkt, 
das Ungewöhnliche des Ausdrucks für das Umhergehen zum Zweck 
der Bitte und Ermuthigung, sodann die so störende Interpunetion 
im fünften Fusse, da bei dieser Lesart ἑταίρους mit ἐποτρύνων zu 
verbinden wäre. Auch Hoffmann quaestt. Hom. I p. 145 Anmerk. 
hat sich für ἐλλίσσεϑ᾽ erklärt. 

45. Die Grundlagen für die bei κυδάλιμος angenommene 
Bedeutung muthig statt der hergebrachten ruhmvoll sind ge- 
geben im Anhang zu @ 51. — 46. Aristarch bei Aristonic. ed. 
Friedlaender p. 206 verlangt auch hier für φοβεῖται die Be- 
deutung φεύγει. Vgl. Lehrs de Aristarch. ®p. Τό ἡ 160. 


Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 125 


56. Ueber ἔστασαν, welches bei La Roche alle Handschr. 
ausser H. (ἕστασαν) haben, vgl. den Anhang zu y 182. Die nur 
hier und y 182 von Bekker beibehaltene Form fehlt bei G. Cur- 
tius das Verbum der griech. Sprache I p. 184. Nauck schreibt 
ἔστασαν, vermuthet aber ἤραρον. --- 58. Um den anstössigen Hiatus 
zu beseitigen, verlangt Ahrens Ρᾷ, Beitrag zur griech. Etymo- 
logie und Lexicographie, Hannover 1873 p. 8 dei” statt 6a. Ueber- 
haupt erscheint demselben ein echt zweisilbiges δέα sehr proble- 
matisch; einsilbig ist dasselbe nothwendig zu lesen M 381. N 144. 
P 461. 7101. 263, auch E 304. M 449. 7227 und Θ 179 steht 
der einsilbigen Lesung kein triftiger Grund entgegen. 

62. Die kurze Verbindung des Urtheils des Redenden mit der 
beurtheilten Thatsache in demselben Satze findet sich so noch o 10. 
β 63. g 483. y 27; in Form einer prädicativen Bestimmung zum 
Objeet ist das Urtheil häufiger, wie I 115. β 122. Vgl. auch 
Schneider Callimachea I p. 313 f., der hierher auch B 253 
rechnet und erklärt: rectene an male faciamus, quod redibimus. 

65f. Franke bei Faesi sieht in diesen beiden Versen einen 
späteren Zusatz: “da nach 67— 74 seine Besorgniss wegen des 
Grabens viel mehr auf den etwaigen Rückzug gerichtet ist, falls 
sie besiegt den Graben noch einmal zu passieren haben. Denn diese 
letzten Verse als einen zweiten Grund seiner Besorgniss zu 
fassen, sodass γάρ 67 unmittelbar wieder an 62 anknüpfte, geht 
doch wohl kaum.’ — In V. 67 ist die Lesart zweifelhaft. Die besten 
Handschriften haben εἰ μὲν γὰρ δή, die allgemein reeipierte Les- 
art el μὲν γὰρ τούς wird als die des Aristophanes, in den Schol. 
V. als die des Aristarch bezeichnet. 


69. 70 werden von Doederlein, Franke, Koch als Paren- 
these gefasst. Dagegen spricht der stehende Gebrauch von ἦ τ᾽ 
ἄν zu Anfang des Nachsatzes nach conditionalem Vordersatze, 
wozu die Belege zu α 288 gegeben sind, und nach der im Com- 
mentar gegebenen Erklärung des Gedankenzusammenhanges scheint 
auch sonst kein Grund zu der Annahme der Parenthese vorzu- 
liegen. — In νώνυμνος V. 70 liegt nach G. Curtius Etym. 
ἥν. 322 der Stamm dvouav (vgl. ονομαίνω) in syneopierter Form 
zu Grunde (aus νωνύμανος). Vgl. auch Hinrichs de Hom. elo- 
cutionis vestigiis Aeol. p. 70 und Herzog Untersuchungen über 
die Bildungsgesch. ἃ. griech. und lat. Sprache p. 116: ἱνώνυμνος 
und die verwandten Bildungen sind componiert mit der aeolischen 
Form ὄνυμα, aber dann allgemein recipiert.” — 71. Ueber den 
Begriff von παλίωξις vgl. Aristonic. ed. Friedlaender p. 206: 
«ὅτι ἐστὶ πάλιν δίωξις, ὅταν μεταβαλλόμενοι διώκωσιν οἵ διωκόμενοι. 
Vgl. ἑτεραλκὴς νίκη im Anhang zu Η 26. — V. 84. 85 sind von 
Köchly Iliadis carmm. XVI p. 204 verworfen. 

88 δ᾽, Ueber die folgende Fünftheilung vgl. Gladstone hom. 


126 _Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 


Studien p. 406f., auch Nügelsbach homer, Theolog. ?p. 275, 
und zur Kritik Holm ad Caroli Lachmanni exemplar de aliquot 
Tliadis carmm. compos. p. 12 und die Einleitung p. 110. 

101. Nur Vind. 5 hat ἡγεῖτο, alle übrigen Handschr. den Aor. 
Das Imperfeet wird wegen der vorhergehenden gleichen Tempora 
(93. 98) und wegen des überwiegenden homerischen Gebrauchs 
bei solchen Aufzählungen empfohlen von Ahrens de hiatus Hom. 
legitimis quibusdam generibus p. 24. — V. 104 wird von Nauck 
als spurius? bezeichnet. — 105. Statt βύεσσιν will Grashof das 
Schiff bei Homer p. 25 βοῇσιν oder βοέῃσιν mit Synizese lesen, 
vgl. aber den Anhang zu H 238. 

113—117 sind von Köchly Iliadis carmm. XVI p. 205 
verworfen, unter Widerspruch von Benicken das elfte Lied 
ν. 17. 

118. Ueber die hier in Betracht kommende Frage wegen der 
Thore vgl. die Einleitung p. 111f. — 119. Die Auffassung des 
Imperf. visoovro in iterativem Sinne ist begründet von Grossmann 
Homerica p. 26. — 122. Zur Auffassung von εἰ σαώσειαν vgl. 
L. Lange der homer. Gebrauch der Partik. εἰ I p. 407. 

125. κεκλήγοντες ist, die Lesart der besten Handschriften, an- 
dere haben κεκληγότες. Neben κεκλήγοντες wird auch κεκληγῶτες 
als Aristarch. Lesart und zwar in seiner zweiten Recension an- 
gegeben, vgl. La Roche Annotat. crit. und homer. Textkritik 
p. 296. Die Form κεκλήγοντες wird von Bekker homer. Blätt. I 
p- 94 verworfen, vgl. dagegen G. Curtius das Verbum der griech. 
Sprache II p. 24 und 180, der die Form als Perfect mit Präsens- 
flexion auffasst. Vgl. auch Kühner ausführl. Gramm. ἃ. griech. 
Spr. ?I p. 578. Ueber die präsentische Bedeutung aber vgl. 
Classen Beobachtungen p. 98 und dazu Phil. XXVII p. 5221. 
Fritzsche in den Sprachwissensch. Abhandl. hervorgegangen aus, 
G. Curtius grammat. Gesellschaft. Leipz. 1874 p. 45 fl. 

127f. Zenodot und Aristophanes lasen hier ἀνέρε statt 
ἀνέρας und im folgenden ἀρίστω, υἷε ὑπερϑύμω, was Ahrens de 
hiat. Hom. p. 30 billigt. — 128. Zur Deutung des Namens der 
Lapithen vgl. Preller griech. Mythol. II p. 10: *Felsenmänner 
(λᾶς) und Recken der felsigen Berge und Burgen, ja Personifi- 
cationen dieser ragenden und starrenden Felsen selbst, die im wil- 
desten Kampfe der Elemente unerschütterlich ihren Platz behaupten, 
wie jene beiden Lapithen (Il. XII 127 fl.) in dem Kampfe um die 
Mauer des griech. Lagers im heftigsten Andrange der Schlacht, 
wie eingewurzelt vor den Thoren stehen.” — V. 128 wird von 
Nauck als spurius? bezeichnet. — 131—136 hat Köchly Iliadis 
carmm. XVI p. 205 als andere Recension der Verse 145—153 
ausgeschieden. — 132. Zur Erklärung von ὡς ὅτε vgl. L. Lange 
der homer. Gebrauch der Partikel εἰ I p. 440. — 135. Nach 
Delbrück Ablativ, Localis, Instrumentalis p. 34 werden die Verba 


Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 127 


des Vertrauens, wie die des sich Stützens auf, im Sanskrit mit 
dem Localis verbunden, danach sieht auch Moller über den 
Instrumentalis im Heliand und das hom. Suffix' gu p. 24 in βίηφι 
an den hierhergehörigen Stellen einen Vertreter des Localis. — 
137—140 scheinen nach der Schutzrede_des Cod. Venet.: “ἐν δὲ 
τῇ προκειμένῃ τάξει (95) οὐκ ἀναγκαῖον ἦν καὶ τούτους καταλέγειν 
κτλ. schon im Alterthum angezweifelt zu sein, vgl. Ribbeck in 
den Jahrbb. f. Philol. Bd. 85 p. 86, der auch auf die gleichen 
Anfänge 137 und 141 aufmerksam macht. — 138. Nach Mayer 
zweiter Beitrag zu einer homer. Synonymik p. 18 steht ἀλαλητὸς 
nur vom Kriegsgeschrei, so jedoch, dass nicht sowohl das Dyna- 
mische der Stimme bezeichnet wird, wie bei βοή, ἰαχή, dur, ἠχή, 
als das Tumultuarische und Vieltönende des Geschreis, am deut- 
lichsten 4 436, ausserdem in sieben Stellen, in denen der plötz- 
liche Lärm, das ungeordnete, vieltönende Geschrei entweder beim 
Angriff oder bei der Flucht gleichsam gemalt werden soll: M 138. 
#393. IT 78. B149. ® 10. ὦ 463. 

141ff. Das richtige Verhältniss der verschiedenen, nicht in 
chronologischer Folge sich aufnehmenden Momente der Erzählung 
ist erörtert von Goebel in der Zeitschrift f. Gymnasialwesen 1860, 
p. 260 £. Aehnlich ist der Gang der Erzählung Z 156 ff. 

146 #. Ueber die Doppelseitigkeit des Gleichnisses vgl. Düntzer 
homer. Abhandl. p. 492. Derselbe hält 152. 153 für einen spü- 
teren Zusatz. Als die ursprüngliche Lesart sucht Ahrens de 
hiatu Hom. p. 35 zu erweisen ἐοικότε, & τ᾽ ἐν ὄρεσσιν. --- 147. In 
ϑέχαται erkennt auch G. Curtius das Verbum der griech. Spr. I 
151, Π᾿ 144 ein Perfect mit Verlust der Reduplicatiin. Nauck 
vermuthet δέχεται κολοσυρτὸς ἐόντε statt δέχαται κολοσυρτὸν ἰόντα, 
vgl. auch Kayser im Philol. XVII 692. — 149. Die Bedeutung 
von πρυμνός erörtert Eiekholt quaestt. Hom. spec. 1860 p. 46f. 
— 150. Passow de comparationibus Homerieis p. 48 vermuthete 
εἰς ὅτε τίς κε statt εἰς ὅ κέ τίς τε. 

156 ff. Düntzer zur St. nimmt hier an der Anwendung des 
Gleichnisses 159—161 Anstoss, theils wegen des ganz ungewöhn- 
lichen ῥέειν 159 vom Fliegen der Steine, theils wegen der auf- 
fallenden Erweiterung des τῶν 159 durch Hinzufügung der Troer 
und der. Wiederholung des ἐκ vor Τρώων. Weiter geht Altum 
similitudines Homeri cum Aeschyli, Sophoclis, Euripidis compa- 
rantur. Berolin. 1855 p. 23, indem er das ganze Gleichniss als 
Interpolation, nach M 278ff. gebildet, verwirft und an νηῶν τ᾽ 
ὠκυπόρων 156 unmittelbar κόρυϑες δ᾽ ἀμφ᾽’ αὖον ἀύτευν 160 
schliessen will. Neben den von Düntzer gegen 159—161 geltend 
gemachten Bedenken ist von entscheidendem Gewicht, dass in Folge 
der Erweiterung von τῶν 159 durch ἠδὲ καὶ ἐκ Τρώων in der fol- 
genden Wendung die von den Steinen getroffenen Helme und Schilde 
ebensowohl die der Achaeer, wie der Troer sind, mithin die fol- 


128 Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 


gende Wehklage des Asios durch 1591. ihre richtige Motivierung 
verliert. — 161. Ueber μύλακες vgl. Blümner Technologie und 
Terminologie der Gewerbe und Künste bei den Griechen und Römern. 
Leipz. 1875 I p. 28, 3. 

167. #. Zur Erklärung von μέσον αἰόλοι vgl. Buttmann 
Lexilog. ®IT p. 65 und Aristophan. Vesp. 1072 μέσον διεσφηκω- 
μένον. — Ueber die in die Reden der handelnden Personen ein- 
gefügten Vergleiche redet Nitzsch Beiträge p. 329, wo er den 
Satz aufstellt: “Wo Personen in ausgeführteren Bildern sich aus- 
sprechen, wird es immer eine Heftigkeit des Gemüths sein, welcher 
sie nun eben diese Form geben, was nicht häufig vorkommt’, und 
ausser diesem Gleichniss folgende aufzählt: N 102 ---104, N 41 
- 48. ὃ 335—339. (g 126.) τ 518—523. v 66 ff. Hinzuzufügen 
ist 1 323f. Vgl. darüber auch Remacly de generibus compa- 
rationum Hom. Part. II, Bonn 1846 p. 26 und Kiene die Kom- 
position der Ilias p. 244 ff. 

174. Die Verbindung ϑυμὸς ἐβούλετο, παν hier und O 596, 
scheint Fulda Untersuchungen über die Sprache der homer. Ge- 
dichte p. 263 f. nicht der Rest einer älteren semasiologischen Ent- 
wieklung, sondern eine unorganische Neubildung, veranlasst durch 
die häufige Verbindung von ἐθέλειν mit ϑυμός. 

175—180 wurden schon von den Alten verworfen, vgl. Ari- 
stonic. ed. Friedlaender p. 209: “ὅτι παρῴδηνται ἐκ τοῦ ἄλλοι 
> ἀμφ᾽ ἄλλῃσι μάχην ἐμάχοντο νέεσσι (O 414). πρὸς ποίας 
δὲ πύλας ἐμάχοντο; οὐδέπω γὰρ διαβεβήκασι τὴν τάφρον. γελοῖον 
δὲ καὶ τὸ ἀργαλέον δέ μὲ ταῦτα ϑεὸν ὡς πάντ᾽ ἀγορεῦσαι" 
τί γὰρ εἴρηται ἤδη τῆς τειχομαχίας; πόϑεν δὲ ϑεσπιδαὲς πῦρ; 
οὐδέπω γὰρ πυρὶ κέχρηνται, ἀλλ᾿ ὕστερον λέγει ὃ Ἕκτωρ οἴσετε πῦρ 
(118). εὔηϑες δὲ καὶ τὸ λέγειν ὅτι ἠνιῶντο οἵ βοηϑοῦντες τοῖς Ἕλ- 
Anoı ϑεοὶ ἐπὶ τῷ ἐλαττοῦσϑαι αὐτούς. τῷ δὲ λάϊνον ᾿Αργεῖοι δὲ 
(178) διπλῆν παρατιϑέασιν ἔνιοι διὰ τὸ ὑπερβατόν, περὶ τεῖχος Adi- 
νον. ἠϑετοῦντο δὲ καὶ παρὰ ᾿Δριστοφάνει" παρὰ Ζηνοδότῳ δὲ οὐδὲ 
Zygdpovro.” Unter Anerkennung dieser Gründe haben die Neueren 
dieser Athetese mit Recht zugestimmt, auch Nitzsch Sagenpoesie 
Ρ. 132. Im Alterthum wurde sie mit unzureichenden Gründen von 
dem Grammatiker Pius bekämpft, vgl. Hiller im Philol. XXVIII 
p. 87 und 91f. Zweifelhaft in der Begründung der Athetese 
scheint nur die Auffassung von πῦρ, vgl. den Commentar. Auch 
Nicanor ed. Friedlaender p. 219 bezieht λάϊνον auf τεῖχος. Nauck 
vermuthet drjov statt Adıvov. — 179. Ueber ἀκαχείατο (Bekker 
ἀκαχήατο) vgl. G. Curtius Verbum der griech. Sprache I 345 f. 

190—192 werden von Benicken das elfte Lied p. 37 und 
p. 61 verworfen, ebenso die zweite Hälfte von 195, welcher wohl 
ursprünglich gelautet habe: ὄφρ᾽ οἵ τοὺς ἐνάριξον ἐνὶ κρατερῇ 
ὑσμίνῃ. Vgl. die Einleitung p. 112. 

200 ff. Ueber das Zeichen und seine Deutung vgl. Naegels- 


=, 


Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 129 


bach homer. Theolog. ἦν. 177f. 179. 180. Die Bedeutung der 
Richtung, in welcher die Zeichen erscheinen, erörtert Wacker- 
nagel ἔπεα πτερόεντα. Basel 1860 p. 28f. Vgl. auch den Anhang 
zu ß 154. Die homerische Darstellung schwebte Vergil. Aen. XI 
151 ff. vor, auch Cie. de divinat. I 47, 106. — Ueber die Be- 
deutung des τέρας für die Handlung des Epos selbst und das Ver- 
hültniss desselben zu der durch Iris dem Hektor 4 186—209 
verkündeten βουλή des Zeus spricht Happe der homerische Hektor, 
ν. 14. — Für ἐέργων 201 werden in den Schol. Ven. ed. Dindorf I 
p. 4231. folgende Erklärungen gegeben: 1, ὑποχωρῆσαι συμφέρον 
προσημαίνων. 2, βέλτιον μέσον μὲν τὸν ἀετὸν ἔρχεσθαι τοῦ πλήϑους, 
ἀνείργειν δὲ αὐτοὺς ἐπὶ τὰ ἀριστερὰ φερομένους" διὸ συναπτέον ἐπ᾽ 
ἀφιστερὰ λαὸν ἐέργων und ὅτι ἀφορίζων ἔφη, ἐπὶ τὰ ξαυτοῦ ἀρι- 
στερὰ ὁ ἀετός. Auf der letzten in Verbindung mit dem bei Hero- 
dot (vgl. Stein zu VIL 43, und Schweighaeuser Lexic. Herod. 
s. v. ἀπέργειν) ausgebildeten Gebrauch von ἀπέργειν beruht die 
gegebene Deutung, welche von Doederlein zur Stelle und 
La Roche in der Schulausgabe bestritten wird. — 204. Die zu 
αὐτὸν ἔχοντα gegebene Erklärung ist begründet von G. Hermann 
Opuse. 1 p. 331. Doederlein zur Stelle vermuthet ohne Grund 
αὖ τὸν statt αὐτόν. Vgl. auch zu A 218. 

208. Die ungewöhnliche Dehnung der ersten Silbe von ὄφιν 
führte zu verschiedenen Vermuthungen: Hermann Metr. p. 57 
ὄπφιν, was sich übrigens in einer Handschr. bei La Roche findet 
und bei Eustath. als Lesart erwähnt wird, Bentley οὖφιν, Doeder- 
lein zur Stelle ὦφιν. Vgl. dagegen La Roche in der Schulaus- 
gabe zur Stelle, und Roscher in G. Curtius Stud. I 2, p. 124, 
die aus Homer vergleichen ἡ 119 ξεφυρίη, K 418 πιφαύσκω. 
G. Curtius Etym. 'p. 457 vermuthet als ursprüngliche Form 
Ör-Fi-g aus W, ὧκ = dm(schen) vgl. dgdx-av. 

213. Ueber δῆμος nach Etymologie und Bedeutung vgl. Man- 
gold in G. Curtius Stud. VI p. 403#. Derselbe erklärt die hier 
allein vorkommende Bedeutung des Wortes = δημότης nach Ana- 
logie der deutschen Ausdrücke ‘Frauenzimmer’ ‘Rath’ ‘Wache’, 
welche zunächst collectiv eine Gesammtheit von Personen bezeichnen, 
dann aber auch ein einzelnes Mitglied der Gesammtheit. Dagegen 
zählt Fick in G. Curtius Stud. IX p. 193f. das Wort δῆμος in 
dieser Bedeutung zu den Fällen, wo Namenbildung anzunehmen 
ist. Uebrigens vermuthete Bentley statt δῆμον — δήμου. 

218. Ueber die Länge des ı in ὄρνις vgl. Hartel hom. Stu- 
dien I p. 68. 

222. In der Erklärung der Stelle bin ich im Wesentlichen 
Meierheim de Infinitivo Homerico capita ΠῚ spec. I, Gotting. 
1875 p. 63f. gefolgt. — 225. Die Bedeutung von χκέλευϑος und 
χέλευϑα im Verhältniss zu ὁδός erörtert Lauer Geschichte der 
homer. Poesie p. 302 f. 


Ameis, Anhang zur Dias, 9 


130  Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 


227. δῃώσωσιν statt des gewöhnlich gelesenen Futurum giebt 
La Roche nach guten Handschriften, Venet. A. aber hat das 
Futurum. | 

231 ff. Ueber das Verhältniss zwischen Poulydamas und Hektor 
vgl. Gladstone homer. Stud. p. 416. — Ueber die Form des 
Vocativs von Πουλυδάμας vgl. den Anhang zu & 141. — 237. Ueber 
die Form τύνη vgl. Cauer in G. Curtius Stud. VII p. 104. Die 
Form kommt nur in der Ilias an 6 Stellen vor. — 239. Ari- 
starch beobachtete, dass Homer nur zwei Himmelsgegenden unter- 
scheide, Sonnenaufgang und Untergang, vgl. Lehrs de Arist. 
2p. 174 und den Anh. zu #29 nnd über die Bedeutung der Rich- 
tungen nach rechts und links im Augurium und im Auspieium 
Wackernagel ἔπεα πτερύεντα p. 29. Eine von der gewöhnlichen 
abweichende Ansicht über die Bezeichnungen πρὸς ἠῶ τ᾽ ἠέλιόν 
τε und ποτὶ ξόφον sucht Bischoff Bemerkungen über homer. 
Topographie. Schweinfurt 1875 p. 16f. zu begründen: jene be- 
deute gegen Osten und Süden (da der Standpunkt der Sonne den 
grössten Theil des Tages hindurch auch für den iomischen Singer 
im Süden sei), zusammen also die Gegend des Lichts, ξόφος theils 
mur den Gegensatz zu ἠώς, theils zu beiden, so dass es auch den 
Norden bezeichnen könne; speciell hier bezeichne der erste Aus- 
druck die Licht-, die Sonnenseite überhaupt, der letztere die 
Nachtseite. 

243. Zeugnisse über die nationale Geltung dieser berühmten 
Gnome bei Nitzsch Sagenpoesie p. 335. Vgl. über dieselbe auch 
Bergk griech. Literaturgesch. I p. 803 und 832. — 248. Doeder- 
lein zur Stelle nimmt an der Schärfe der Drohung Anstoss, zumal 
sie mit den vorhergehenden Worten im Widerspruch stehe, und 
vermuthet deshalb: “εἰ δὲ σὺ δηιοτῆτος ἀφέξεαι — εἰ δέ tn? ἄλλον, 
h.s. fu si pugna abstinebis, bene erit ac per me licebit; sin autem 
alium quempiam avertes a pugnando, peribis’ εἴ τέ τιν hat C bei 
La Roche. — Bekker hat 244—250 unter den Text gesetzt, 
ebenso Köchly Iliadis carmm. XVI p. 208. 

254. Doederlein interpungiert nach ϑύελλαν mit Punkt, 
nach φέρεν mit Komma, so dass ϑύελλα, nicht Zeus das Subject 
zu ϑέλγε und ὄπαζε wird: aber weder ϑέλγω noch ὑπάξω werden 
anders als von Personen gebraucht. 

258. κρόσσαι verstand Aristarch vgl. Lehrs °p. 225 in 
dem Sinne von κλίμακες, wogegen, wie Doederlein Glossar $ 2457 
vichtig bemerkt, schon entschieden das Imperfect Zgvov spricht, 
welches im Einklang mit dem vorhergehenden πειρήτιξον de conatır 
zu verstehen ist. Er selbst versteht κρόσσαι von den Zinnen der 
Mauer, ἔπαλξις die Maner sammt der Brüstung. Etymologisch 
wird das Wort von Lobeck Path. Elem. I p. 500 mit κόρση, 
κάρα zusammengestellt und danach von Autenrieth im Wörterb. 
gedeutet: die Wände der Thürme zwischen Zinnen und Grund- 


Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 181 


bau. Fritzsche in Curtius Stud. VI p. 340 führt dasselbe auf 
die Wurzel κολ in #0A-wvög, #04-0-pdv, κορ-υφή, und κολοσσός lat. 
cel-sus, col-umna, col-lis zurück und versteht es von den Zinnen, 
so auch Stein zu Herod. VII, 188. Köppen endlich erklärt mit 
Bezug auf Herod. II 125: Vorsprünge der Mauer, die hervor- 
ragenden Steine der Mauer, auf denen man wie auf Stufen hinauf- 
steigen konnte, was Seiler im Lexicon, Düntzer, Koch so modi- 
ficieren: Kragsteine, worauf die eigentliche Zinne, ἔπαλξις, ruhte, 
ähnlich La Roche: das Gesimse, auf welchem die Brustwehren 
ruhten, Schmalfeld in Zeitschr. f. Gymnasialwes. 1858 p. 556ff.: 
“die hervorstehenden Köpfe der Steine oder Balken, auf denen die 
Brustwehren ruhten.” — Die letzteren Erklärungen werden dem 
Richtigen am nächsten kommen, weil sie zugleich den durch die 
Etymologie gegebenen Sinn des Hervorragenden und den in πρό- 
κροσσος # 35 wahrscheinlichen und bei Herodot II 125 nothwen- 
digen des Stufenartigen (er erklärt damit ἀναβαϑμαΐῦ vereinigen 
und das Wort auch von ἐπάλξεις gehörig unterscheiden. — V. 260 
wird gewöhnlich nach πύργων mit Punkt interpungiert: richtiger 
setzt Düntzer Kolon, da das an αὐέρυον parataktisch ange- 
schlossene ἔλποντο (— ἐλπόμενοι) doch nicht bloss für αὐέρυον die 
die Handlung begleitende Stimmung angiebt, sondern für alle vor- 
hergehende Handlungen von 258 an. Ein zweiter Grund für eine 
engere Verbindung von 261 mit den vorhergehenden Sätzen liegt 
in der engen Beziehung von dvd (in αὐέρυον) = zurück zu 
dem πρό in προβλῆτας und πρώτας. Die Aufnahme von ἐμόχλεον nach 
dem Relativsatze durch τὰς οἵγ᾽ αὐέρυον dient also zugleich dem 
Zweck, jenen allgemeinen Ausdruck mit Bezug auf den Inhalt des 
Relativsatzes zu präeisieren, und ἔλποντο dem Zusammenhang aller 
vorhergehenden Verba einzufügen. — Zu αὐέρυον vgl. Cobet Mis- 
cellan. erit. p. 266, welcher die Schreibung dF£ovov verlangt statt 
Bekkers &Figvov. — Uebrigens vgl. über diese Verse die Ein- 
leitung p. 117. 

265 f. Man interpungiert allgemein mit Punkt nach "4yeuöv, 
so dass im folgenden Satze μειλιχίοις zeugmatisch mit νείκεον ver- 
bunden und aus diesem für μειλιχίοις ein Verbum allgemeineren 
Sinnes, wie ὥτρυνον entnommen wird. Eine seltsame Erschwerung 
der Construction, da man in dem vorhergehenden ὀτρύνοντες das 
Verbum für ἄλλον μειλιχίοις hat, sobald man nur nach ᾿ἡχαιῶν 
statt Punkt Komma setzt. Sehr ähnlich gebaut ist 2 535—537: 
ἐν δ᾽ Ἔρις, ἐν δὲ Κυδοιμὸς ὁμίλεον, ἐν δ᾽ ὁλοὴ Κήρ, ἄλλον ξωὸν 
ἔχουσα νεούτατον, ἄλλον ἄουτον, ἄλλον τεϑνηῶτα κατὰ μόϑον ἕλκε 
ποδοῖν, wo kein Herausgeber daran gedacht hat nach Κήρ eine 
stärkere Interpunktion zu setzen, und nur Doederlein nach öuf- 
Asov ein Kolon gesetzt hat, wodurch die Zugehörigkeit von ἔχουσα 
zu beiden Hauptverben, ὁμέλεον, wie ἕλκε beseitigt wird. Aber eine 
solche mittlere schwebende Stellung eines Particips zwischen zwei 

95: 


132 _ Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 


Hauptverben ist gerade bei Homer eine nicht ungewöhnliche, vgl. 
mein Programm: zur Periodenbildung bei Homer p. 24f., wo 
folgende Beispiele behandelt sind: @ 345—347 = Ο 368— 370. 
T79f.1 82. 83. ν 66. 110. 111. ψ 350—352. 0 6—7. g 577, vgl. 
auch Bekker hom, Blütt. II p. 19f. An unserer Stelle dachte 
auch Nicanor ed. Friedlaender p. 221 an die Möglichkeit der 
Verbindung von ἄλλον μειλιχίοις mit ὀτρύνοντες, stiess sich aber 
an dem Wechsel des Particips und des Verbum finitum. Uebrigens 
sind die beiden Verse 267. 268 selbst nicht ohne Anstoss, da die 
Anrede 269 ff. nur eine mildere Fassung giebt, welche durch 
267. 268 doch wenig passend eingeleitet wird. Nauck ver- 
wirft 268. 

269. An der Bildung von μεσήεις nahm Goebel de epithetis 
Hom. in εἰς desinentibus p. 42 derart Anstoss, dass er vorschlug, 
μεσηγύς zu lesen. Allein genügende Analogien sind φαιδιμόεις, 
ὀξυόεις, φοινήεις, ὑψιπετήεις neben ὑψιπετής, welche zeigen, dass 
das “εἰς zuweilen gegen seine ursprüngliche Bedeutung zur Er- 
weiterung von Adjeetiven verwendet worden ist, vergl. Leskien 
in G. Curtius Stud. II p. 99 f. Nach Meyer in G. Curtius Stud, 
VI p. 384 dagegen lüge in μεσήεις ein μέση zu Grunde, wovon 
der Locativ μεσαι — in μεσαιπόλιος vorliegt. 

273. La Roche schreibt ποτὶ nach dem Venet. A. und andern 
guten Handschr. statt des gewöhnlichen προτέ, welches auch der 
Syrische Palimpsest hat. Vgl. dagegen Kayser im Philol. X p. 
313 ἢ — V. 274 will van Herwerden Quaestiunculae epicae et 
elegiacae. Utrecht 1876 p. 19 die Worte πρόσσω ἵεσϑε umgestellt 
wissen in ἴεσϑε πρόσω: ‘versus exibit modulatior” Im Medium 
ἴεσϑαι findet sich der Vocal ı nur zweimal kurz, hier und X 304, 
der Venet. A. hat Zeode (auch C bei La Roche, und Ὁ: ἴεσϑαι), 
daher empfiehlt G. Curtius im Philol. III p. 6 ἴεσϑε (von εἶμι) 
zu schreiben. Vgl. dagegen L. Meyer in Bezzenbergers Beiträgen 
zur Kunde der indogerman. Sprachen I p. 306. 

277 #. Nach Didymos gab es statt προβοῶντε eine Lesart 
προβάοντε, οἷον προβαίνοντες καὶ ἀμείβοντες τόπον ἐκ τόπου. Die 
Lesart würde zurückweisen auf πάντοσε φοιτήτην 266. Ueber 
Spuren eines Verbum βάω gehen vgl. G. Curtius das Verbum 
der griech. Spr. I p. 213. Nauck vermuthet: προβιβάντε. --- In 
dem folgenden Gleichniss nimmt Friedlaender Beiträge zur 
Kenntniss der hom. Gleichn. II p. 24 f. an der übermässigen Aus- 
dehnung desselben mit Recht Anstoss. Er bemerkt: “Die Aehn- 
lichkeit von V. 278 νιφάδες χιόνος πίπτωσι ϑαμειαί und 287 λίθοι 
πωτῶντο ϑαμειαί, verbunden mit dem Gleichklang und der syn- 
tactischen Congruenz der Versanfinge 278 τῶν δ᾽ ὥς re und 287 
ὡς τῶν ist so in das Gehör fallend, dass eine so breite Ausführung, 
wie sie 281—286 enthalten ist, den Eindruck machen kann, als 
sei sie nicht zugleich mit den ersten drei Versen des Bildes ent- 


Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 133 


standen; denn der Gleichklang von 278 und 287 hat offenbar, wie 

‚in vielen andern Beispielen, auch hier den Zweck durch einen 
sinnlichen Eindruck auf das Gehör die Vorstellung der Zusammen- 
gehörigkeit des Bildes mit der verglichenen Situation zu stützen 
und zu vertiefen; nach einem so langen Intervall aber, wie 278 
und 286 ihn bieten, ist Vers 278 viel zu sehr‘ verklungen, um 
durch 287 wieder in der Vorstellung wach gerufen zu werden. 
Der Zweck des Gleichnisses, die lebhafte Vorstellung von dem 
Herabfallen einer Menge Pfeile hervorzurufen, ist in 278—281 
vollkommen erreicht. Die breite Ausführung 281—286 enthält 
den durch den Inhalt des Vorigen hervorgerufenen Zustand, dessen 
Bild, je amschaulicher es hervortritt, um so mehr jene in der 
Absicht des Gleichnisses liegende Vorstellung zu verwischen geeignet 
ist.” Nauck bezeichnet 284—286 als spurii? — Für πίπτουσι statt 
des gewöhnlich gelesenen Conjunctiv πίπτωσι spricht Friedlaender 
de conjunet. ὅτε p. 22. Den Indicatiy hat Ὁ (Laurentianus 15) 
bei La Roche. — 279. Bei &gero erhob sich liegt, wie Meier- 
heim de infinitivo Hom. spec. I p. 73 bemerkt, die Vorstellung 
zu Grunde, dass Zeus, wenn er die Naturkräfte in Bewegung setzt, 
nicht ruhig unter den Olympiern sitzend gedacht wird. 

284. Ueber die Dativformen auf αἷς vgl. La Roche hom. 
Textkritik p. 279, — 285. Aristonic. ed. Friedlaender p. 210: 
ἐφύκεται" ἡ διπλῆ ὅτι ἀντὶ τοῦ ἐρύκει᾽. Dieser Gebrauch des Med. 
ἐφύκεσθαι steht vereinzelt da. Statt des handschriftlichen ἄλλα re 
(La Roche: ἄλλά ze) hat Bekker nach Heynes Vorschlag ἄλλα 
δέ geschrieben, dem ich gefolgt bin. Wer ἄλλα re beibehalten will, 
muss mit Doederlein u. A. κῦμα δέ bis ἐρύκεται parenthetisch 
fassen, 

289. Für βαλλομένων vermisste Heyne eine passende Be- 
ziehung, da dasselbe bei Homer nur in passivem Sinne gebräuch- 
lich, und kam auf die Vermuthung: βαλλομένων δὲ τὸ τεῖχος κτέ, 
die er jedoch wegen des nichthomerischen Gebrauchs des Artikels 
selbst wieder verwarf. Doederlein empfiehlt dieselbe in dem 
Sinne: ietibus omnis murus resonabat. Köchly Iliadis carmina XVI 
νι. 210 schreibt βαλλόντων' τὸ δὲ τεῖχος wre und schliesst daran 
339— 341. Gewöhnlich wird βαλλομένων in passivem Sinne auf 
τῶν 287 bezogen und erklärt: indem sie (zugleich, selbst auch) 
getroffen wurden — ein seltsamer Gedanke, der sich weder zum 
Vorhergehenden noch zum Folgenden passend schickt. Das Richtige 
sah La Roche, der in der Schulausgabe die zwar sonst nicht bei 
βάλλεσθαι vorkommende reeiproke Bedeutung annimmt, welche durch 
ἀμφοτέρωσε vorbereitet ist. — Vereinzelt ist die Erscheinung, dass 
ein mit Artikel versehener Accusativ von einer nachgestellten 
Praeposition abhängig ist: τὸ δὲ τεῖχος ὕπερ: vgl. Foerstemann 
Bemerkungen über den Gebrauch des Artikels bei Homer p. 31. 

290 ff. In der folgenden Partie bis 429 vermuthet Nitzsch 


134 Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 


Sagenpoesie 282 f. eine Interpolation. Vgl. die Einleitung p. 115 f. 
und dagegen Benicken das elfte Lied p. 20 fi, welcher 290. 
291 p. 65 verwirft und 293 εἰ μὴ ἄρ᾽ in δὴ τότ᾽ ἄρ᾽ verwan- 
deln will. 

294 ἢ. Statt ἐξήλατον 295, der Lesart des Zenodot und 
Nicanor, las Aristarch ξξήλατον = aus 6 Schichten oder Blech- 
platten bestehend. Von den neueren Herausgebern hat nur Doe- 
derlein Aristarchs Schreibung aufgenommen, verbindet das Wort 
aber mit dem folgenden Relativsatze, in welchem es proleptisch 
stehen soll. — ἐξήλατον erklärte Niecanor falsch τὴν ἔξω ἔλασμα 
χαλκοῦ ἔχουσαν vgl. Friedlaender p. 222, wohl durch den fol- 
genden Gegensatz ἔντοσθεν δέ veranlasst. ἐξελαύνειν ist, wie es 
auch Herod. I 50 gebraucht, mit dem Hammer treiben, schmieden, 
ἐξήλατος daher in emphatischem Sinne wie ποιητός, τυχτός u. a. zu 
verstehen — wohl geschmiedet. Nauck vermuthet: ἐυήλατον. 
Beachtenswerth ist im folgenden Verse die Lesart Zenodots, welche 
Düntzer in den Text aufgenommen hat, ἐξέλασ᾽ (statt ἤλασεν), 
wodurch die Epexegese sich genauer dem erläuterten Begriff 
anschliesst. 

302. Die Form αὐτόφε, welche an 6 Stellen bei Homer, nur 
in der Ilias, stets von Praepositionen abhängig sich findet, ist 
besonders erörtert von Lucas philologische Bemerkungen, Bonn 
1839 p. 11 ff. und Jahn in Zeitschr. f. A. W. 1841 p. 688. 
Neben ϑεόφι ist αὐτόφι die einzige Personenbezeichnung, welche 
mit diesem Suffix gebildet wird, so Τ 255 ἐπ᾽ αὐτόφιν — ἐφ᾽ 
αὑτῶν vgl. H 195. — Α 44 ist dm’ αὐτόφιν nach K 152 f. am 
natürlichsten auf die Speere zu beziehen = ἀπ᾿ αὐτῶν. An den 
andern vier Stellen, deren Interpretation schwieriger ist, hat Bekker 
παραυτόϑι geschrieben: M 302. N 42. T 140. Ψ 640. Diese 
Form ist an den letzten 3 Stellen handschriftlich bezeugt, nament- 
lich durch den guten Laurentianus 3 (C) nach La Roche, # 147 
aber auch durch den Venet. Analoge Bildungen sind καταυϑύτι 
φ 90. K 273. Φ 201 und καταῦϑι, παραῦϑι, κατόπισϑε, μετόπισϑε. 
An unserer Stelle ist allseitig bezeugt παρ᾽ αὐτόφι, nur der Lips. 
hat παρ᾽ αὐτόν; αὐτόφι aber wird von Lucas verstanden — αὐτοῖς 
und auf μῆλα bezogen, alle neueren Herausgeber beziehen es auf 
δόμον und nur diese Beziehung verträgt sich mit dem Folgenden 
φυλάσσοντας περὶ μῆλα, vgl. auch Lissner zur Erklärung des 
Gebrauchs des Casussuffixes piv, φὶ bei Homer. Olmütz 1865 
ν. 10. — Beim Rückblick auf den Vergleich und der Betrachtung 
des Folgenden ergeben sich folgende Bedenken. Von Zeus ge- 
trieben macht sich Sarpedon kampfbereit (294); den Schild vor 
sich haltend, seine beiden Speere schwingend schreitet er aus, 
kampfbegierig, wie ein Löwe, der im Begriff ist in den Viehhof 
einzudringen, jeder Gefahr trotzend. Nach solchen Vorbereitungen 
können wir nicht anders denken, als dass er im nächsten Augen- 


Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 135 


blick gegen die Mauer stürmen wird: statt dessen erfolgt die mit 
dem entworfenen Bilde seltsam contrastierende, elegisch gefärbte 
Anrede an Glaukos und erst nach dieser heisst es 330 τὼ δ᾽ ἰϑὺς 
βήτην Λυκίων μέγα ἔϑνος ἄγοντε. Man kann zweifeln, ob beide 
Erzählungen ursprünglich sind, Verdacht erregt der gleichlautende 
Eingang beider mit αὐτίκα δέ 294 und 309. Gegen die erste 
spricht 1, dass dieselbe sachlich und sprachlich manches Verein- 
zelte bietet, sachlich in der Beschreibung des Schildes, sprachlich 
ἐξήλατον 295, δίεσϑαι 304, διαρήξασϑαι 808; 2, dass der das 
kurze Bild 293 ausführende Vergleich zum Theil auf anderen 
Stellen beruht: 299—301 auf ξ 130—134, 300 auf A 675 mit 
ganz unpassender Verwendung von ἐν πρώτοισι; 3, dass der Ver- 
gleich in jener Ausführung und Anwendung (vgl. ϑυμὸς ἀνῆκεν 
307 mit κέλεται δέ ὃ ϑυμὸς ἀγήνωρ 300) die Erzählung vielmehr 
einen Schritt weiter zurück als vorwärts führt. 

309. Nach Nauck Melanges Greco-Romains Tome IV p. 100 £. 
ist die dem fast durchgängig bei Homer entweder nothwendigen 
oder doch zulässigen Nominativ πάις entsprechende Aceusativform 
πάιν, die in der späteren Poesie nicht selten, der üblichen Form 
παῖδα hier und M 387. ὦ 289. Z 432. ψ 56 gewichen, an an- 
deren Stellen auch dem jetzt gelesenen υἱόν. 

318. ἀκληεῖς ist die Lesart der besten Handschriften bei La 
Roche, andere haben ἀκλειεῖς, Aristarch las nach ihm ἄκλεες. Ueber 
die Formen der mit κλέος zusammengesetzten Adjectiva handelt Spitz- 
ner Excurs. XXIT, welcher ἀκληεῖς begründet. Dagegen will van 
Herwerden Quaestiuneulae epieae et elegiacae p. 19 f. ἀκλεέες 
geschrieben wissen, wie α 241 und ξ 371 mit Nauck ἀκλεέως für 
ἀκλειῶς, ebenso P 304, X 110 ἐϊκλεέως, K 281 und φ 331 
ἐὐκλεέας etc. 

322. Τὶ Lange der homer. Gebrauch der Partikel εἰ I p. 367 
zählt den Satz εἰ μὲν γάρ — μέλλοιμεν zu den bedingenden Fall- 
setzungssätzen, giebt aber die Möglichkeit zu denselben noch als 
Wunschsatz aufzufassen. Vgl. auch Capelle im Philol. XXXVI 
p. 709. — 326. Ueber das Verhültniss des yagsatzes zum Haupt- 
satze vgl. Pfudel Beiträge zur Syntax der Kausalsütze bei Homer 
p- 15 und dazu Capelle im Philol. XXXVI p. 704 ἢ 

333 f. Statt des handschriftlichen ἀνὰ πύργον schreiben 
Bekker, Franke und Nauck aus Conjeetur ἀνὰ τεῖχος, vgl. 352 
παρὰ τεῖχος ᾿ἀχαιῶν; Anstoss gab die Wiederholung desselben 
Wortes in zwei auf einander folgenden Versen in ganz verschie- 
denem Sinne, zuerst πύργος — Thurm, dann = Schaar oder Mauer. 
Anders suchte Doederlein zu helfen: er verband ᾿Δχαιῶν mit 
ἡγεμόνων und setate nach πύργον Komma, eine Verbindung, die 
Nicanor ed. Friedlaender p. 223 mit Recht verwarf, eben weil 
noch ἡγεμόνων folgt. Gegen Bekkers Emendation spricht L. Lan ge 
der homer. Gebrauch der Part. εἰ I p. 413, jedenfalls kann sie 


136 Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 


nicht durch Nieanor gestützt werden, der βῆ δὲ ϑέειν κατὰ τεῖχος 
᾿Αχαιῶν nur anführt, um die Verbindung von ᾿Αχαιῶν mit dem 
vorhergehenden πύργον zu rechtfertigen. 

334. Als Lesart des Aristarch vermuthet hier und empfiehlt 
W. C. Kayser im Philol. X p. 375 "Agnv statt ἀρήν, wie nach 
den Scholien Σ 100 ”4gew und auch handschriftlich 7 485 "Ageo 
und Σ 213 άρεω (’Agewg) Aristarchs Lesart war. Vgl. La Roche 
hom. Textkritik p. 203. — 336. Ueber ἑσταότας vgl. den Anhang 
zu ὃ. 380. — 338. Eine von der gewöhnlichen abweichende Er- 
klürung der Verbindung βώσαντι γεγωνεῖν giebt Ahrens δρῦς und 
seine Sippe. Hannover 1866 p. 5 f. G. Meyer in Bezzenbergers 
Beiträgen zur Kunde der indogermanischen Sprachen I p. 224 führt 
βώσαντι auf eine Praesensbildung βώω oder βόω für βοξ-ὦ 
zurück. — 339. Ueber die participialen Genetive der vorliegenden 
Art vgl. Classen Beobachtungen p. 172 ἢ 

340. πᾶσαι giebt Ven. A., die übrigen Handschriften fast alle 
πάσας, ferner hat der Ven. A. ἐπῴχατο, Harl. Apoll. Lex. 75, 16 
ἐπώχατο, andere ἐπῴχετο, vgl. La Roche. Aristarch las nach 
demselben πᾶσαι ἐπώχατο, vgl. aber Friedlaender zu Ariston. 
p- 211, Zenodot nach Aristonikos ἐπῴχετο, mit πάσας. Ari- 
starchs Lesart πᾶσαι — ἐπώχατο ist von den Neueren allgemein 
aufgenommen, nur Düntzer schreibt ἐπῴχατο als Plur. von ἐπῴ- 
χετοῦ ἐπώχατο wird auch von G. Curtius das Verbum der griech. 
Spr. ΠῚ p. 218 ἢ zu ἐπέχω gestellt, Buttmann vergleicht ὄκωχα. 
Vgl. auch Bekker hom. Blätt. II p. 43. — Auch hier fasste 
Aristarch πυλέων, wie πᾶσαι von einem Thor: vgl. Lehrs de 
Arist. ?p. 125. Diese Auffassung bestreitet Düntzer zur Stelle 
mit Recht. — Düntzer verwirft 340. 341, ebenso Holm ad 
Caxoli Lachmanni exemplar etc. p. 12. 

342. Zenodots Lesart Alkvre, welche nur der Syrische Pa- 
limpsest bietet, wird von Düntzer wegen 335 und 354 der ge- 
wöhnlichen Aiavre vorgezogen. — In Betreff des Namens Θοώτης 
vgl. die Zusammenstellung ähnlicher mit Bezug auf die Eigen: 
schaften, Zustände und Verhältnisse der Personen frei erfundenen 
bei Friedlaender über die kritische Benutzung der homerischen 
Homonymie in Jahrbb. f. Phil. LXXI p. 537 f. und über den An- 
klang Θοῶτα, ϑέων 343 Lehrs de Arist. ἦν. 457 f. 

350. Dieser Vers und ebenso 363 wurde von Aristarch 
verworfen: ‘od γὰρ πιϑανὸν ὥσπερ ἐξ ἐπιτάγματος παρεῖναι τὸν 
Τεῦκρον᾽ [διὰ παντὸς γὰρ ὑπασπιστὴς Αἴαντος φαίνεται]. Aristonic. 
ed. Friedlaender p. 212, vgl. denselben zu 371. Auch Aristo- 
phanes verwarf die Verse. Aus andern Gründen verdächtigt 350 
Wackernagel in Kuhns Zeitschr. XXIII p. 304. 

372. ᾿ἀϑετεῖται" διὰ τί γὰρ μὴ ἑαυτῷ βαστάξει; Aristonic. 
ed. Friedlaender p. 213. Pandion kommt nur hier vor. Man hat 
vermuthet, dass Teukros’ Verwundung der Grund gewesen, dass 


Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 137 


Pandion ihm den Bogen nachtrug. — 374. Die Verbindung solcher 
partieipialen Dative mit dem Hauptsatz erörtert Classen Be- 
obachtungen p. 155 fl. 

381. An dem Gebrauch der Praeposition παρά nimmt hier 
Anstoss Giseke die allmähliche Entstehung der Gesänge der Ilias 
p- 108. 

386 M. Die Wendung λίπε ϑυμός erörtert Doberenz inter- 
pretationes Hom. p. 8 f. — 390. Ueber die Verbindung von λαϑὼν 
mit dem Hauptverbum vgl. Classen Beobachtungen p. 87. — 
392. Ueber die Verbindung solcher den absoluten sich nähernden 
partieipialen Genetive mit dem 'Hauptsatz vgl. Classen Beobach- 
tungen p. 171. — 393. ὅμως findet sich nur A 565 und hier, und 
zwar hier ohne Variante überliefert. Da die homerische Sprache 
in diesem Sinne sonst nur ἔμπης kennt, so vermuthete Lehrs de 
Aristarch. ®p. 157 an Stelle von ὅμως δ᾽ οὐ als ursprüngliche Les- 
art ὁ δ᾽ οὐδ᾽ ὡς unter Zustimmung von Nitzsch Sagenpoesie 
p. 174. Düntzer vermuthet: ἐνόησ᾽" οὐδ᾽ ὡς ὅγε oder ἀλλ᾽ οὐδ᾽ 
ὧς. Doederlein schreibt ὁμῶς und erklärt: “sed aequali atque 
ante Glauci discessum ardore pugnabat’ Vgl. aber auch Fried- 
laender in den Jahrbb. f. class. Philolog. Suppl. III p. 773. — 
Wegen der an V. 399 sich knüpfenden kritischen Fragen vgl. 
Nitzsch Sagenpoesie p. 283 f. 

400. Zur Erklärung des Nominativ des Ganzen mit Parti- 
cipium und nachfolgender Theilung vgl. Classen Beobachtungen 
p. 136 f. — 406. Zum Gebrauch von τυτϑόν vgl. Nitzsch Sagen- 
poesie p. 175. Unserer Stelle sehr ähnlich ist % 730, danach ist 
die hier übliche starke Interpunction nach ἐπάλξιος (Bekker Punkt, 
sonst Kolon) entfernt. 

412. Die handschriftlich am besten beglaubigte Lesart ist 
πλεόνων δέ τοι; dagegen haben bei La Roche δέ τι 8. Cant. Mor. 
Barocc. und δέ τ᾽ G. Da τοῦ gegen das Digamma in ἔργον ver- 
stösst, so vermuthete Bentley δέ τε, was Heyne, Spitzner, 
auch La Roche in der Schulausgabe, gebilligt haben, Hoffmann 
aber (unter Wegfall des δέ) und ebenso Nauck πλεόνων τοῖς wie 
Bekker geschrieben hat. Der homerische Gebrauch scheint δέ re 
zu fordern, wodurch gerade in kurzen Sentenzen der vorangestellte 
Begriff hervorgehoben zu werden pflegt, La Roche führt dafür 
an I 497. P 32. T 198. ὃ 379. λ 537. Vgl. auch A 801. 

415 fl. In der folgenden Partie bis 435 erkennt Fried- 
laender im Philol. IV p. 587 die Spuren einer doppelten Re- 
cension: ‘die eine 416. 417—29. 436 ff., die andere A416. 430 ff. 
Dagegen sucht Nitzsch Sagenpoesie p. 166f. die Verbindung 
beider Gleichnisse zu rechtfertigen und jedem seine besondere Be- 
deutung für die Darstellung zuzuweisen. Dem Dichter kam zuerst 
die schmale Schranke in die Gedanken, welche die beiden strei- 
tenden Parteien trennt und die jede zu überschreiten strebt und 

Ameis, Anhang zur Ilias. g+* 


138 _Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 


so zeigt das erste Bild nur das Verhältniss des Streitobjects und 
das Räumliche der Streitenden: den Streit um einen kleinen Raum. 
“Von hieraus sagt der Dichter, wie sie nun über das schmale 
Trennende, ob sie gleich sich einander immer Wunden beibringen 
und auf beiden Seiten viel Blut fliesst, doch οὐδ᾽ ὡς Zduvarıo — 
ἀλλ ἔχον ὥς τε τάλαντα γυνὴ —, 436 ὡς μὲν τῶν ἐπὶ ἶσα μάχη —. 
Und das logische Skelett der Stelle ist ihm: ‘Sondern sie standen 
sich zwar ganz nahe einander gegenüber und jede Partei hatte 
vor sich nur ein wenig Umfängliches zu überwinden, dennoch, in- 
dem es sehr blutig hergieng, stand der Kampf immer gleich, 
bis —.’ Uebrigens weicht das erste Gleichniss in der Stellung des 
Relativsatzes 423 & τ᾽ — ἐρίξητον von dem regelmässigen Bau 
der Gleichnisse ab. Nach Friedlaender Beiträge zur Kenntniss 
der homer. Gleichnisse II p. 18 ist die Regel, dass derartige Re- 
lativsätze entweder unmittelbar an das bezügliche Nomen ange- 
schlossen werden oder von dem Nomen nur getrennt sind durch 
ein zu demselben gehöriges Attribut. Um unser Gleichniss mit 
dieser Regel in Einklang zu setzen,‘ schlägt derselbe die Um- 
stellung von V. 422 und 423 vor: “Dann würde das tertium com- 
paralionis im Gleiehniss (ἐπιξύνῳ ἐν ἀρούρῃ) und in der Apodosis 
(διέεργον ἐπάλξεις) einander näher gerückt und das Gleichniss selbst 
würde grössere Continuität gewinnen, indem das Partieip ἔχοντες, 
welches der Beschreibung des Einzelnen dient, nach homerischem 
Sprachgebrauch demjenigen Satzgliede (ὦὥ τ᾽ — ἐρίξητον) folgen 
würde, welches die Bestimmung hat, den in dem Eingange ἀμφ᾽ 
οὔροισι δηριάασϑον allgemein angedeuteten Vorgang zu individuali- 
sieren.’ Das tertium comparationis im Gleichniss wird man richtiger 
in der Bestimmung ὀλίγῳ ἐνὶ χώρῳ (Zenodot las ὀλίγῃ ἐνὶ χώρῃ, 
was Düntzer vorzieht) finden, dem im Nachsatz entspricht διέερ- 
γον ἐπάλξιες = es trennten sie nur die Brustwehren, zu welcher 
Uebersetzung die nachdrückliche Stellung des Subjects nach dem 
Prädicat berechtigt. — Die Worte ἐπιξύνῳ ἐν ἀρούρῃ werden von 
Hermann Griech. Privatalterth. $ 15, 4 und Günther der Acker- 
bau bei Homer. Bernburg 1866 p. 7 vom Grenzrain verstanden. 
— Uebrigens bezeichnet Nauck V. 426. 428 und 429 als spu- 


rü? — 429. Ueber die Stellung solcher partieipialer Gene- 
tive, wie μαρναμένων, im Satze vergl. Classen Beobachtungen 
p. 167. 


433 ff. Ueber die Beseelung der Gleichnisse durch Bezüge 
auf das menschliche Leben vgl. Nitzsch Beiträge p. 333 f. — 
Als vereinzeltes Zeugniss dafür, dass schon in althomerischer Zeit 
banausische Arbeit, hier die des Spinnens (oder Webens?) auch 
ausser dem Hausbedarf, für Fremde und um einen bestimmten 
kargen Lohn, zur Fristung der eigenen Existenz von Frauen be- 
trieben wurde, und als ältesten Anknüpfungspunkt in der Ueber- 
lieferung für die über den Hausbebarf hinausgehende Betriebsart 


Kritischer und exegetischer Anhang. M. Anmerkungen. 139 


behandelt die Stelle Riedenauer Handwerk und Handwerker in 
den hom. Zeiten p. 80 ἢ, Vgl. auch Bergk griech. Literaturgesch. 
I p. 412, Anmerk. 2. In dem μισϑός glaubt Riedenaner a. Ὁ. 
p. 16 nichts anderes vermuthen zu dürfen, als was σ 358 ἢ, von 
Eurymachos versprochen wird, wenn Odyss. in seinen Dienst trete: 
Nahrung für das Jahr, Kleider und Schuhe. — 437. Zur Erklä- 
rung der Verbindung πρίν γ᾽ ὅτε vgl. Capelle im Philol. XXXVI 
p. 8085 

439. Das ἤυσεν wird von Aristarch seltsamer Weise auf 
Zeus bezogen, nicht auf Hektor, und damit begründet, dass es 
442 heisst πάντες ἄκουον, was bei einem Rufen des Hektor un- 
möglich gewesen wäre: vgl. Aristonic. ed. Friedlaender p. 213 f. 
Daher auch Zenodots Lesart 444 ἐπεὶ ϑεοῦ ἔκλυον αὐδήν statt 
ἀκαχμένα δούρατ ἔχοντες. 

4498. V. 450 wurde von Aristophanes, Aristarch und 
Zenodot verworfen, vgl. Aristonic. ed. Friedlaender p. 214: 
“ὅτι ἐκλύει τὴν τοῦ βαστάξοντος δύναμιν. Vgl. auch Schwidop de 
versibus quos Aristarchus in Homeri Iliade obelo signavit p. 37. 
Nitzsch Beiträge p. 132, Anm. 2 dehnt diese Athetese auch auf 
den vorhergehenden Vers 449 aus, wogegen Lachmann Betrach- 
tungen p. 46 V. 450 nicht beschwerlich findet, wenn man nur 
das vorhergehende οἷοι νῦν βροτοί εἰσι streiche, das aus 383 gar 
armselig wiederholt sei. Ebenso urtheilt Benicken das elfte Lied 
p. 23f. — 452. ὀλίγον τε statt des gewöhnlich gelesenen δέ ist 
die Lesart der besten Handschriften, während δέ nach La Roche 
fast gar keine handschriftliche Stützen hat. 

458. Zu ἀφαυρός vgl. jetzt auch Schmalfeld in Jahrbb. £. 
Phil. Suppl. VIII p. 306, welcher aus der Glosse des Hesychius 
ἀφάρυμος" ἄτολμος die W. Pag entnimmt und diese —= ϑαρ in 
ϑάρσος, ϑρασύς setzt. Danach ist ihm ἀφαυρός aus ἀφαξρός, 
wie ἀμαυρός aus ἀμαβρός, durch Metathesis entstanden, und 
die Bedeutung des Wortes: “im Gefühl der Schwäche ohne Muth 
zum Handeln, ohne Thatkraft, matt.” Die Anwendung dieser Be- 
deutung auf βέλος an dieser Stelle aber erklärt derselbe daraus, 
dass Homer auch Dingen Eigenschaften leiht, die nur den die- 
selben handhabenden Menschen zukommen. Dagegen bezeichnet 
Nauck V. 458 als spurius? 

463 ff. Gerlach im Philol. XXX p. 55 sieht das tertium 
comparationis in νυκτὶ ϑοῇ ἀτάλαντος ὑπώπεα in dem schnellen 
unwiderstehlichen Hereinbrechen; aber wie ist damit ὑπώπια zu 
vereinigen? — Die herkömmliche Interpunktion, Kolon nach ὑπώ- 
πιὰ, hat zweierlei gegen sich: einmal, dass λάμπε δέ durch den 
Gegensatz des Gedankens mit dem vorhergehenden das finstere 
Antlitz malenden Bilde eng verbunden ist, sodann dass die in 
dem Satze οὔ κέν τίς μὲν ἐρύκακεν asyndetisch angeschlossene Fol- 
gerung nicht sowohl das Glänzen der Rüstung und das Führen