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THE LIBRARY
OF
THE UNIVERSITY
OF CALIFORNIA
EMIL FISCHER COLLECTION
PRESENTED BY HIS SON
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Pro(. Heraiann Rsohii-
BbsoI
ANNALEJS
DER
CHEMIE
UND
PHARMACIE.
HERAÜSGEOEBEN UND REDIGIRT
VON
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FRIEDRICH W6ULER, JdSTlIS LIEBIG
UND HERMANN HOPP.
V. SÜPPLEMENTBAND.
(MIT EINER FIODBBNTAFEL.)
LEIPZIG UM) HEIDELBERG.
C. r. •WXSTBA'BCHX V]I!BIiA.OSHAin>IitrJlO.
18 67.
• » •
Chemlstry Lll)^
QD 1
Inhaltsanzeige des V. Supplementbandes.
Erstes Heft. bjochem.
LIBRARY
Seite
Ueber die Absorption und dialytiscbe Scheidang der Gase durch
ooUoYdale Scheidewände; Yon Th. Graham 1
Ueber Gondensation nnd Polymerie; von AdolfBaeyer. . . 79
Neues Verfahren snr Synthese der Oxalsäure uDd homologer
S&nren; von M. Berthelot 95
lieber Melilotsäure und deren künstliche Darstellung aus Cumarin ;
▼on Gonstantin Zwenger 100
Ueber die unteijodige Säure und ihre directen Verbindungeo mit
Kohlenwasserstoffen; von £. Lippmann 124
Notix über einige Goldrerbindungen ; von Dr. L. Darmstaedtur 127
Zweites Heft
Ueber die Moleoularyolumina chemischer Verbindungen ; von L o-
thar Meyer 129
Untersuchungen Über die Dichtigkeit des Ozons; von J. L. Soret 148
Untersuchungen über die Borsäureäther; von Hugo Schiff. . 154
Ueber die Aeüier der Säuren des Arsens; you J. M. Grafts 218
Ueber die Constitution des Tannenholzes; von Dr. Julius Erd-
mann 223
Ueber die bromhaltigen Derivate der Gallussäure ; von E. G r i m a u z 233
Ueber das Kohlbuoxysulfid ; von GarlThan 286
Umwandlung von Monochlorhydrin in Propylenglycol und Milch-
säure, und von Dichlorhydrin in Isopropylalkohol und Aceton ;
von H. L Buff 247
Ueber relative Gröfse der Moleoule; von Privatdocent Dr. Alex-
ander Naumann 252
Ueber den Pseudo • Ua^stoff der Hexylenreihe ; von J J. (.'hy-
denius • . • ^ £50iiWJIiC^«^ktf^ 255
•^
Seite
Drittes Heft.
Versilberung Ton Glas; von JnstnsYonLiebig 257
Nuues Verfahren zur Darstellang des Cymens aas Campher; von
Louguinine und Lippmann 260
Üeber Abscheidung des reinen Platins und Iridiums ; von Dr.
Woldemar Yon Schneider 261
Ueber die Basicität der Weinsäure; von W. H. Perkin . . . 274
lieber die Ausdehnung und das specifische Gewicht des Benzols
und seiner Homologen; von V. Louguinine 295
Bemerkungen zu der Yorhergehenden Abhandlung; Yon Hermann
Kopp 803
Ueber die Siedepunkte der Kohlenwasserstoffe €,^HsQ_e; von Her-
mann Kopp 815
Ueber Aldehydbasen; Yon Hngo Schiff 829
Ueber die chemische Constitution des Narootins und seiner Zer-
setzungsproducte ; von A. Matthiessen und G. C. Fester 832
Ueber die relative Constitution des G&hrungs-Butyl- und Amyl-
alkohols; von ßmil Erlenmeyer 837
Ueber Julin's Chlorkohlenstoff; Yon H. Bassett 840
Ueber Dissociation ; von Privatdocent Dr. Alex. Naumann 841
Ueber verschiedene Kohlenwasserstoffe in dem Steinkohlentheer ;
von M. Berthelot 867
Ueber einige Derivate der Is&thionsäure ; von J. Y. Buchanan 878
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ANNALEN
DEK
CHEMIE UND PHARMACIE
V. Snppldmentbandes erstes Heft.
üeber die Absorption und* dialytische
Scheidung der Gase durch coUoidale Scheide-
wände ;
von J%. Graham*).
I. Wirkung einer Scheidewand aus Caoutchouc.
Mit einander gemischte Gase müssen bezüglich ihrer
«
Diffnsibilität und ihres specifischen Gewichtet beträchtlich von
einander verschieden sein, dafs man sie in erheblicherem
Hafse von einander scheiden könne auf Grund des molecu-
laren Durchgangs durch eine poröse Scheidewand, wie eine
Graphitplatte oder die Wandungen einer unglasirten irdenen
Röhre, nach einem leeren Räume hin. Die Wirksamkeit der
Atmolyse ist deshalb eine sehr beschränkte bei der Sonderung
des Sauerstoffs und des Stickstoffs der atmosphärischen Luft,
da für diese Gase die Differenz der specifischen Gewichte
nur gering ist.
Substanzen, welche in dem flüssigen Zustand existiren,
gestatten oft eine vollständigere Scheidung als Gase, wenn
man für sie dialytische Scheidewände zusammen mit der
*) Ans den Philosophical Traosactions f. 1866 mitgetbeilt.
Aiiaftl. d. Ch«m. u. Pbann. V. &upplem«Dtbd. 1. Heft. 1
2 Orahamj Hier die Absorption und dialy tische
Wirksamkeit der Diffusion von Flüssigkeiten in geeigneter
Weise in Anwendung bringt.
Offenbar kann es nicht Etwas, was Dialyse der Gase
wäre, geben; denn die Dialyse involvirt den Durchgang einer
Substanz durch eine aus weichem colloidalem Material be-
stehende Scheidewand, welche ganz frei von offenen Kanälen
und deshalb undurchdringlich für Gas als solches sein mufs.
Doch läfst sich die Dialyse von Flüssigkeiten auch für die
Behandlung von Gasen in Anwendung bringen, auf Grund
davon, dafs (wie allgemein angenommen ' wird) die Gase bei
der Absorption durch wirkliche Flüssigkeiten oder durch
weiche GoUoid - Substanzen verflüssigt werden. Lufthaltiges
Wasser enthalt Sauerstoff und Stickstoff in Lösung, und die
letzteren Substanzen werden dann > der Diffusion und Dialyse
von Flüssigkeiten zugänglich, und durchdringen in solcher
Weise thierische Membran bei dem Acte der Respiration.
Bereits vor längerer Zeit entdeckte Dr. Mitchell in
Philadelphia, dafs Gase Caoutchouc in dünnen Blättern odef
in * der Form der kleinen durchsichtigen Ballons, welche er
zuerst aus dieser Substanz darstellte, zu durchdringen ver-
mögen. Er bemerkte namentlich, dafs solche Ballons rascher
zusammenfallen, wenn sie mit Wasserstoffgas aufgeblasen
sind, als wenn mit atmosphärischer Luft, und noch
rascher wenn sie mit Kohlensäure gefüllt sind; und er brachte
die letztere Thatsache mit der Beobachtung in Zusammenhang,
dafs ein massives Stück Caoutchouc fähig ist, bei genügend
langem Verweilen in reinem Kohlensäuregas ein dem seinigen
gleiches Volum von diesem Gase zu absorbiren. Mittelst
einer geeigneten Vorrichtung fand Dr. Mitchell, dafs ver-
schiedene Gase von selbst mit verschiedener Geschwindigkeit
durch die Caoutchouc-Membran hindurch gingen, wenn sich
Luft auf der andern Seite der Membran befand. ,)Von
Ammoniak ging in 1 Minute so viel hindurch, als von Schwe-
Scheidung der Oase durch coUcndale Scheidewände. 3
felwasserstoff in 27» Minuten, von Cyan in SVi Minuten, von
Kohlensaure in 57» Minuten, von Stickoxydul in 678 Minuten,
von Anienwaaserstoff in 277t Minuten, von ölbildendem Gas
in 28 Miauten, von Wasserstoff in 377s Minuten, von Sauer-
stoff in 1 Stunde und 53 Minuten, von Kohlenoxyd in 2 Stunden
und 40 Minuten/ Stickstoff erwies sich sogar als die Mem-*
bran noch langsamer durchdringend, als Kohlenoxyd *).
Man wird bemerken,. dafs diejenigen Gase am Raschesten
hindurchgehen, welche durch Druck leicht verflüssigt werdm
und welche auch „im Allgemeinen sehr löslich in Wasser
und in anderen Flässigkeiten-stnd.^ Zu Dr. Mitchell's Ab-
handlung machte, bald nach dem Erscheinen derselben, Dr«
Drap er in New -York gute Bemerkungen, unter Hinzu-
fsgnng mehrerer neuer Beobachtungen über den Durchgang
von Gasen sowohl als von Flüssigkeiten durch membranöse
Scheidewände**). Diese früheren Betrachtungen büfsen
indessen daran, dafs sie zutreffende seien, dadurch viel ein,
dafs sie nicht die zwei Erwägungen mit in Betracht ziehen,
auf welche oben bereits hingewiesen wurde : dafs nämlich
die Gase bei ihrer Absorption durch Flüssigkeiten und solche
Colloid-Substttizen wie Caoutchouc verflüssigt werden, und dafs
sie dann durch flüssige und coUoidale Scheidewaade auf Grund
der Wirksamkeit der Diffusion von Flüssigkeiten, und nicht
der von Gasen, hindurchgehen. In der That kann man das
nicht genug im Auge behalten, dafs bei dem Durchgang
durch eine colloidale Membran das Verhalten als Gas voll-
ständig suspendirt ist.
*) Od tbe Penetratiyenets. of Fluids, by J. K. Mitchell» M. D.
im Philadelphia Jonmal of Medical Sciences XIII, 86 oder im
Journal of tbe Royal Institution II, 101 u. 807 (London 1881).
**) A Treatise on tbe forces which produce the Organisation of Plauts,
with an Appendix containing several Memoirs on Gapillary
Attraction , Electricity, «nd tE^ Chemical Action of Light, by
John William Draper, M. D.
4 Graham^ über die Absorption und dialytüehc
Dr. Mitchell worde, durch eine einzelne zufällige Be-
obachtung, zu der Schlufsfoigerung veranlafst, dafs das Volum
des Caoutchoucs bei der Absorption von Kohlensaure sich
vergröfsere; dieses Resultat war zu erwarten auf Grund der
Porosität des festen Körpers, welche damals angenommen
wurde um das Vermögen, gasförmige Flüssigkeiten hindurch-
zulassen, zu erklären. Aber als 50 Grm. plattenförmigen
(0;6 HH. dicken) Caoutchoucs in Kohlensäure über Queck-
silber gebracht wurden, ergab sich, dafs allmälig' 0,78 Volume
Gas in 24 Stunden bei 15" absorbirt wurden, davon 0,7 Vo-
lume in der ersten Stunde. Das* Volum des Caoutchoucs war
vorher sorgfältig durch Ermittelung des von ihm verdrängte»
Quecksilbers in einem Gläschen zur Bestimmung des speoif.
Gewichtes gemessen worden, und wurde es dann wiederum
nach der Beladung mit Kohlensäure; die Menge des ver-
drängten Quecksilbers war bis auf Vioo Gramm dieselbe und
das Volum des Caoutchoucs hatte also keine mefsbare'Ver-
änderung erlitten. Es mag noch hinzugefugt werden, dafs
das Absorptionsvermögen des vulkanisirten Caoutchoucs für
Kohlensäure sich kleiner ergab (nur s^ 0,57 Vol. in einem
Vergleichungsweise angestellten Versuche), als ias des Caout-
choucs in dem natürlichen Zustande desselben.
Die Durchdringbarkeit des Caoutchoucs für Gase läfst
sich ebensowohl zeigen, indem man die letzteren nach einem
leeren Räume hin hindurchgehen läfst, wie bei dem Durch-
gang nach einem anderen Gase hin in Dr. HitchelTs Ver-
suchen. Man wendet zu solchen Versuchen zweckmäfsig ein
DiiTusiometer an, welches aus einer einfachen Glasröhre von
22 MM. Durchmesser und fast 1 Meter Länge besteht, die
an ihrem oberen Ende durch eine dünne Platte aus Gyps-
Stuck geschlossen und unten offen ist. Ein dünnes Caoutchouc-
Blättchen aus einem kleinen Ballon wird über das obere Ende
der Röhre ausgespannt, wo es auf der Stuck-Platte aufliegt,
Scheidung der Oase durch colloidale Scheidewände. 5
mit Kupferdraht festgebunden und an den Rändern an das
Glas mittelst Gutta- Percha, die durch Erwärmen weich ge*
macht wurde, angekittet. Wird die Röhre nun mit Queck-
silber gefüllt und umgekehrt, so erholt man oben ein Tori-
celli'sches Vacuum, in welches die atmosphärische Luft all-
mälig eindringt, indem sie durch das Caoutchouc- Blättchen
hindorchgebt und die Queoksübersdule in der Röhre herab-
sinken lafst. Um das Durchdringungs- Vermögen verscmedener
Gase zu vergleichen, wurde eine Kappe von dickem vulkani-
sirtem Caoutchouc, die mit einer engen Eingangs- und Aus-
gangs-Röhre für Gas versehen war (wie sie bei Versuchen
mit Gas oft gebraucht wird), ober dem oberen Ende des
beschriebenen Diffusiometers befestigt und mittelst geschmol-
zener Gutta -Percha angekittet. Das Gas, mit welchem ein
Versuch angestellt werden sollte, konnte so aus dem Ent-
wickelungs-Apparat oder dem es enthaltenden Gasometer in
die Kappe oder die oberste Abtheilung des DilTusiometers
geleitet werden und der Ueberschufs des zugeleifliten Gases
durch die Ausgangs - Röhre der Kappe in die Atmosphäre
entweichen. Die zur Unterstützung des Caoutchouc-Blätlchens
dienende Stuck -Platte ist so sehr porös, dafs sie den dem
Durchgang der Gase durch das Caoutchouc entgegengesetzten
Widerstand nicht bemerklich vergröfsert und, da sie für sich
kein Absorptions-Vermögen ausübt, ganz aufser Betracht ge-
lassen werden kann.
Eine vergleichende Untersuchung wurde, an demselben
Tage, ausgeführt für den Durchgang von Kohlensaure, Wasser-
stofi, Sauerstoff und Stickstoff durch das Caoutchouc -Blätt-
eben; der Barometerstand war 773 MM., das Thermometer
zeigte 23 bis 23,5^ C. Es wurde die Zeit in Secunden notirt,
während welcher die Quecksilbersaule in dem Diffusiometer
von 748 auf 723 MM. und dann von 723 auf 698 MM. fiel.
Alle Gase waren sorgfaltig getrocknet.
6 Graham, über die Absorption tmd dialytitehe
m
Takelle I : Durchgaog der Koblenddure.
Höhe der Quecksilberailiile Yersuoh Verinch Versuch
im Diffusiometer 12 8
748"™
723 107" 102" 102"
698 148 188 138
250 240 240.
Der Durchgang der Kohlensaure ergiebt sich beträchtlich
rascher, als der des Wasserstoffs und der beiden folgenden
Gase (H bedeutet die Höhe der Quecksilbersäule im Diffu-
siometer).
Tabelle II : Durchgang ron Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff.
H Wasserstoff Sauerstoff Stickstoff
Vers. 1 Vers. 2 Vers. 1 Vers. 2 Vers. 1 Vers. 2
748'
723 277" 270" 646" 664" 1413" 1428"
698 316 323 727 722 1832 1850
693 593 1272 1276 3245 3278.
Ein ejjizelner Versuch, welcher zu derselben Zeit mit
atmosphärischer Luft angestellt wurde, gab 1318^' und 1524'^
für die zwei Senkungen der Quecksilbersaule, oder 2842^^
für die ganze Senkung. Die Zeit für den Durchgang der
atmosphärischen Luft liegt somit zwischen der für den Sauer-
stoff und der für den Stickstoff gefundenen.
Obgleich diese Zahlen, aus sogleich zu erörternden
Gründen, nicht die genaue Uebereinstimmung unter einander
zeigen, welche sich bei Diffusions- und Transpirations -Ver-
suchen ergiebt, so ermöglichen sie doch eine vergleichungs-
weise Schätzung des Vermögens verschiedener Gase, durch
Caoutchouc zu gehen, welche für einige practische Zwecke
verwendet werden kann.
Bei einer anderen Gelegenheit wurde Kohlenoxyd und
Sumpfgas (CH4) mit in Vergleichung gezogen. Das Caout-
chouc-Blättchen auf dem Diffusiometer war dasselbe; der
Barometerstand war 768°"°, der Thermometerstand 19,5^ C.
Scheidung der Oase durch coüo^dale Scheidewände. 7
TaheiU III : Duro)igaBg von Kohlenozyd) WAsseratoff, Kohlensäure u.
Sumpfgas.
H Kohlenoxyd Wasserstoff Kohlensäure Sumpfgas
Vers 1 Vers. 2 Vers.l Vers. 2 Vers. 1 Vers. 2 Vers. 3 Vera. 1 Vers. 2
748™"
723 1620'' 1631" 435'' 434" 125" 119" 117" 803" 821"
698 1920 1924 505 511 170 169 172 1009 1045
3540 3555 940 945 295 288 289 1812 1866
Die Resultate lassen sich in der Art übersichtlich zu-
sammenstellen, dafs man die Zeiten ableitet, in welchen ein
und dasselbe Volom der verschiedenen Gase durch das Caout-
choüc hindurchgeht, für welche Vergleichung die Durchgangs-
zeit für Kohlensaure, als die kleinste, als Einheit ange-
nommen ist.
Durchdringung von Gaoutohouo durch gleiche Gasvolume :
Zeit
Kohlensäure 1
Wasserstoff 2,470
Sauerstoff 5,816
Sumpfgas 6,826
Atmosphäcisohe Luft 11,850
Kohlenozjd 12,208
Stickstoff 13,585
Oder wenn die Zeiten gleich genommen werden, drückt
das durchgehende. Volum jeden Gases die Durchdringungs-
Geschwindigkeit aus :
Durchdringung Yon Gaoutohouc in gleichen Zeiten :
Geschwindigkeit
Stickstoff
1
Kohlenozyd
1,118
Atmosphärische Luft
1,149
Sumpfgas
2,148
Sauerstoff
2,556
Wasserstoff
5,500
KohlonsAure
13,585
8 Oraham, über die Absorption und dialyiisohe
Wenn man die Umstände erwägt, unter welchen die
Gase durch das Caoutchouc-BIättchen hindurch in den leeren
Raum gehen, so ist nicht zu erwarten, dafs irgend eine solche
Besiehung zwischen den vorhergehenden Zahlen gefunden
werde, wie sie z. B. für die Diffusions - Coefficienten bei
Gasen existirt. Die erste Absorption des Gases durch das
Caoutchouc mufs auf einer Art von chemischer Verwandt-
schaft beruhen, welche zwischen der Substanz des Gases und
der Substanz des Caoutchoucs existirt und der Anziehung
analog ist, welche man als zwischen einem löslichen Körper
und seinem Lösungsmittel existirend und die Auflösung be-
wirkend annimmt. Da die Kohlensaure in Aether und in
flüchtigen Oelen löslich ist, so liegt darin Nichts Wunder-
bares, dafs sie auch durch die im Caoutchouc enthaltenen
Kohlenwasserstoffe gelöst wird. Wenn das Caoutchouc durch
das verflüssigte Gas durchfeuchtet ist, so dunstet das letztere
in den leeren Raum ab und kommt auf der anderen Seite
der Membran wieder als Gas zum Vorschein. Nun ist es be-
kannt, dafs ein solches Abdunsten in gleicher Weise nach
dem leeren Raum und nach einem anderen Gas hin statt-
findet, da es in beiden Fallen gleichmifsig Gas- Diffusion ist.
Es ist deshalb nicht noth wendig, dafs, so wie in den eben
beschriebenen Versuchen, auf der einen Seite der Caoutchouc-
Membran ein leerer Raum sei ; ein anderes Gas kann, wie in
Dr. MitchelTs Versuchen, den leeren Raum ersetzen.
Die Zahlen für die Dur<;hgangsgeschwindigkeit verschie-
dener Gase in der letzten Tabelle lassen sich auch nicht
entfernt als die relative Absorption und Verflüssigung der
verschiedenen Gase durch die Substanz des Caoutchoucs aus-
drückend betrachten.
Der Durchgang von Gasen durch Caoutchouc wird auch
veranschaulicht durch das rasche Zusammenfallen des kleinen
Ballons, wenn er mit Kohlensäure oder auch mit Was'serstoffgas
Scheidung der Gase durch coUoidale Scheidewände. 9
oder mit Sumpfgas gefüllt ist, im Vergleiche dazu, wenn er
mit atmosphärischer Luft gefällt ist. Das Entgegengesetzte
wird be<^bachtet, wenn der Ballon mit reinem Stickstoff auf-
geblasen ist; dann wird er im Verlauf einiger Stunden, starker
ausgedehnt, in Folge davon ^ dafs mehr Sauerstoff aus der
umgebenden atmosphärischen Luft hineintritt als Stickstoff
wahrend derselben Zeh aus dem Ballon entweicht, während
die Zusammensetzung sich auf beiden Seiten der Membran
ausgleicht und zuletzt das Gas in dem Ballon dieselbe Zu-
sammensetzung hat wie die umgebende Luft. Ein mit Stick-
stoff gefällter Gaoutchouc-Ballon vergröfserte, nach ange-
näherter Bestimmung, in der Zeit von 24 Stunden seinen
Durchmesser von 132 auf 136 MM. Bei einem mit reinem
Sauerstoff gefüllten Ballon verkleinerte sich hingegen inner-
halb derselben Zeit der Durchmesser von 150 auf 113 HM.
Innerhalb 48 Stunden wurde der Durchmesser eines mit
Wasserstoff gefüllten Ballons von 154 auf 87 MM. verkleinert,
und der Ballon enthielt dann 250 CG. Gas, von welchen 53 CC.
durch Pyrogallnssäure und Kali absorbirt wurden, was die
Anwesenheit von 21,2 pC. Sauerstoff nachweist oder nahezu
denselben Sauerstoffgehalt, welcher der atmosphärischen Luft
zukommt.
Wird das obere Ende eines Diffusiometers mit einem
dünnen Blättchen Caoutchouc verschlossen und das über
Quecksilber stehende Instrument mit Wasserstoffgas gefüllt,
so beobachtet man, dafs eine Volumverminderung langsam
eintritt, welche zuletzt mehr beträgt als der Diffusion des
Wasserstoffs als Gas entspräche. Als bei Beginn *des Ver-
suches 249 Volumtheile Gas in der Röhre waren, betrug das
Steigen der Quecksilbersäule oder die Volumverminderung
1,5 Volumtheile in der ersten Stunde, 1,5 Volumtheile in der
zweiten Stunde, 2,0 Volumtheile in der dritten Stunde, 3,0
Volumtheile in der vierten Stunde und 51 Volumtheile in den
10 Orahamj über die Absorption und dtalt/Hsehe
ersten 24 Stunden zusammengenommen. Dann war das
Steigen des Quecksilbers in den folgenden Tagen von Je
einem zum anderen : 42; 59; 37; 29; 13; 5; 1; 0,5; 0,5
(in zwei Tagen) und 0,0, und das ursprüngliche Volum von
249 Volumtheilen Wasserstoff schliefslich durch 53 Volum-
theile atmosphärischer Luft ersetzt; bei 747 MH. Barometer-
stand und 21,1^ C. Die sich, vom Anfang bis zum Ende
des Versuches, ersetzenden Gasvolume verhalten sich hier
wie 1 zu 4,7; bei Gas -Diffusion verhalten sie sich wie 1
zu 3,8.
Bin mit Luft gefüllter Ballon sank in 48 Stunden von
150 auf 147 HM. Durchmesser zusammen, nur in Folge des
mechanischen Effectes der Elasticitat der Membran, wodurch
das eingeschlossene Gas zusammengedrückt wurde. Das Ge-
wicht dieser kleinen Ballons wechselt zwischen 0,75 und
1 Grm. Bei Annahme, dafs die Form eine genau sphärische
sei, wurde ein Ballon von 150 MH. Durchmesser eine Ober-
flache von 0,0706 Quadrat -Metern haben. Nehmen wir als
das Gewicht des Ballons 1 Grm. an, so würde die Dicke
der Hembran = «Q-ggg HM. sein, wenn das specifische Ge-
wicht = 1, oder = gQ MM., wenn das specif. Gewicht
= 0,93, welche Zahl als die Dichtigkeit des reinen Caout-
choucs ausdrückend angenommen wird. Die letztere Dicke ist
is^öT ^"^'' Zoll; d. h. man müfste nahezu 2000 solcher Häut-
eben aufeinander legen, um die Dicke von 1 Zoll engl, zu
erhalten. ' Und doch scheint ein solches Caoutchouc-Hautchen
nicht porös zu sein und sich Gasen gegenüber ganz so wie
ein aus Flüssigkeit bestehendes Häutchen zu verhalten; ganz
anders in dieser Beziehung wirkend, als ein dünnes Blatt
Papier, Graphit, Irdenzeug oder selbst Gutta-Percha, wie sich
nachher ergeben wird. Die letzterwähnten Körper scheinen
Scheidunff der Gase durch coUmdcUe Scheidewand. 11
alle von oiTenen Kanälen oder Poren durchzogen zu sein, die
hinreichend weit sind, um Gasen zu erlauben, vennöge der
ihnen eigenthümlichen molecolaren Diffusionsbeweguag durch
sie hindurch geworfen au werden. Aber flüssige und colioi-
dale Substanzen haben eine ununterbrochene Textur und
bieten keine Möglichkeit für die Diffusion von Gasen ; sie bil-
den selbst als dünnestes Hautchen für Gase ein undurchdring«
liebes Hindernifs.
Auf die Durchdringbarkeit des Caoutchou^ bat die Tem-
peratur einen grofsen Einflufs, und zwar wie es scheint
gleichzeitig auf zweierlei Weise. Eine Erhöhung der Tem-
peratur lafst unzweifelhaft alle Gase weniger leicht durch
Druck verflüssigbar und somit auch durch jede flüssige oder
colloidale Substanz in geringerer Menge absorbirt werden.
Aber dieser Einflufs der Wärme scheint bei dem Caoutchouc
dadurch ausgeglichen zu werden, dafs diese Colloid-Substanz
beim Erwärmen weicher wird und mehr von den Eigen-
schaften eines flussigen und weniger von denen eines festen
Körpers annimmt Gewifs ist es, dafs das Caontchouc-Haut-
chen bei Erhöhung der Temperatur innerhalb gewisser Grenzen
mehr und mehr für Gase durchdringbar wird. Diefs wurde
mit Bestimmtheit bei Versuchen beobachtet, bei welchen mit,
einseitig mit Caoutchouc gefimifstem Seidenzeug, wie es als
wasserdichter Stoff verkauft wird, operirt wurde. Ohne hier
schon die Einzelnheiten der Versuche mittheilen zu wollen,
mag im Allgemeinen angegeben werden, dafs dasselbe Stück
solchen Zeuges durch folgende Mengen Luft, die durch es
hindurch nach einem leeren Räume ging, für 1 Quadrat-Meter
Oberfläche, durchdrungen wurde :
bei A^ C. duroh 0,56 CC. Luft in 1 Minute;
» 1^ I» II 2,25 n I» 9 » I»
»60» f» 6,68 n n n n n-
Die Gasvolume sind alle auf 760 MM. Druck und 20^^ C.
reducirt.
12 ^rahanty über die Absorption und dialytische
Diese Zahlen sind vermuthlich nicht ganz constante;
denn es ergiebt sich, dafs die Wirkung der Temperatur stark
beeinflofst wird durch die Lange der Zeit, während welcher
die Temperatur unterhalten wird, da der Wechsel in dem
Grad der Weichheit mit dem Wechsel der Temperatur
Stunden und selbst Tage braucht, um sich ganz vollstindig
herzustellen. Dafs das Starrwerden des Caoutchoucs in der
Kalte uild das Weichwerden in der Wärme nur langsam und
allmilig stattfindet, ist bekannt.
Mit dem Weiohwerden des Caoutchoucs durch Erwarmen
wird das Zurückhaünngs^yexxabgen dieser Substanz für Gase
abgeändert. Weiches Caoutchouc, welches zuerst mit Kohlen-
säure bei 20^ beladen war und dann durch Kälte starr ge-
macht wurde, verlor bei nachherigem Aussetzen an die freie
Luft die Kohlensäure weniger rasch, als dasselbe ebenso mit
Kohlensäure beladene Caoutchouc, welches sofort im weichen
Zustande der Luft ausgesetzt wurde. Die Menge der in dem
ersteren Falle zurückgehaltenen Kohlensäure war 10,76 pC.
und die der in dem letzteren Falle zurückgehaltenen 7^08 pC.
von dem Volum des Caoutchoucs, nach einem ähnlichen Aus-
setzen während 48 Stunden. Ich erwähne hier dieses, noch
nicht genügend untersuchten Umstandes wegen der Analogie,
welche zwischen Caoutchouc und den schmiedbaren Metallen
bezüglich des Vermögens zu bestehen scheint, in dem durch
Wärme erweichten Zustand ein Gas zu absorbiren und; wenn
nachher durch Kälte starr gemacht,, dasselbe Gas mit grofser
Hartnäckigkeit zurückzuhalten.
Die Verdichtung von Sauerstoffgas durch massive Stücke
Caoutchouc, welche aus einem Caoutchouc-BIock vermittelst
eines Locheisens erhalten waren, wurde zum Gegenstand der
Beobachtung in der Art gemacht, dafs 50 Grnl. solchen
Caoutchoucs während mehrerer Tage in ein mit Sauerstoffgas
gefülltes, mit Quecksilber abgesperrtes Gefäfs gebracht wurden.
Scheidung der Oase durch coll&idale Scheidewände.. 43
Von dem Caoutchoac wurden dann, mittelsl der durch 24
Stunden fortgesetzten Wirkung eines leeren Raumes, 6,21 CC.
Gas abgesaugt, von welchen 3,67 CC. Sauerstoff, 0,14 Kohlen-
saure und das Uebrige hauptsachlich Stickstoff war. Nimmt
man das Volum des Caoutchoucs zu 53,8 CC. an, so beträgt
das absorbirte Sauerstoffgas 6,82 pC. vom Volum des Caout-
choucs. Das Sauerstoffgas kann somit als reichlich zweimal
so löslich in Caontchouc betrachtet werden, als dieses Gas
in Wasser bei gewöhnlicher Temperatur ist. Es wurde kein
Versuch bei höherer Temperatur angestellt; da aber die Durch-
dringbarkeit des Caoutchoucs durch Erwärmen stark ver-
gröfsert wird, so ist es wahrscheinlich, dafs die Löslichkeit
von Gasen in Caoutchouc in demselben Grade zunimmt
Mehr als ein Versuch wurde gemacht, die Anwesenheit von
freiem Wasserstoff in der Caoutchouc-Substanz nachzuweisen,
nachdem die letztere wahrend einiger Zeit in diesem Gase
verweilt hatte; aber mit negativem Resultat. Ps kann sein,
dafs der absorbirte Wasserstoff, wegen seiner so sehr grofsen
Flüchtigkeit, allzurasch fortgeht.
Diali/tiache Scheidung des Sauerstoffs aus atmosphärischer
Luß : i) mittelst anderer Oase, 2) mittelst eines leeren
Raumes.
1) Ein mit Wasserstoffgas gefüllter Caoutchouc-Bailon;
welcher der Luft ausgesetzt ist, verliert allmalig das ihn ur-
sprünglich erfüllende Gas, welches schiiefslich durch ein
betröchtlich kleineres Volum Luft ersetzt wird; der Vorgang
gleicht täuschend dem der Diffusion von Wasserstoffgas in
Luft. Als das Portschreiten des Eintritts von Lufl zu ver-
schiedenen Zeiten des Austausches beobachtet wurde, ergab
sich, dafs nach 3 Stunden, wo sich der Durchmesser des
Ballons von 150 auf 128 HM. verkleinert hatte, die Zusam-
mensetzung des Inhalts desselben war :
14 . Graham^ über die Absorption und dialytische
Sauerstoff
8,98
41,6
Stickstoff
12,60
68,4
Wasserstoff
78,42
100,00 100,00.
Läfst man das noch vorhandene Wasserstoffgas aufser
Betracht, so enthielt also nun der Ballon ein Gemisch von
Sauerstoff und Stickstoff im Verhaltnifs von 41,6 Vol. des
ersteren auf 58,4 Vol. des letzteren. Diefs war das gröfste
Verhaltnifs, in welchem Sauerstoff gegenüber dem Stickstoff
gefunden wurde; denn das erstere Gas hat ein Bestreben,
wieder nach der äufseren atmosphärischen Luft zurückzugehen,
wenn von dem^asserstoff nur noch ein kleines Volum rück-
standig ist; und der Gehalt an Sauerstoff wird nicht gröfser
als 21 pC. von dem ganzen in dem Ballon enthaltenen Gasge-
mische, das Wasserstoffgas mitgerechnet. So war nach 6
Stunden das Verhaltnifs : 33,63 Sauerstoff zu 66,37 Stickstoff,
und nach 24 Stunden : 26,48 Sauerstoff zu 73,52 Stickstoff,
unter gleichzeitiger stetiger Abnahme des Wasserstoffgases.
Indem man durch Infiltration atmosphärische Luft in einen
mit Kohlenaäuregas aufgeblasenen Caoutchouc-Ballon eintreten
läfst, kommt man einer practisch verwerthbaren dialytischon
Scheidung der Bestandtheile der atmosphärischen Luft noch
näher, da man nach einiger Zeit die Kohlensäure mittelst
ätzenden Alkali's ganz wegschaffen und die infiltrirte, an
Sauerstoff reicher gewordene Luft für sich haben kann. Ein
mit Kohlensäure gefüllter Ballon wurde, in der Luft befind-
lich, in 4 Stunden so weit verkleinert, dafs sein Durchmesser
von 160 auf 90 HH. herabgekommen war, und er enthielt
nun 199 CG. durch Alkali nicht absorbirbares Gas. Dieses
Gas konnte einen glimmenden Holzspahn sich wieder ent-
flammen lassen, und es wurde befunden als bestehend aus :
Sauerstoff 87,1
Stickstoff 62,9
100,0.
Scheidung der Oase durch coUotdale Scheidewände. 15
Um diese Anreicherung des Sauerstoffgehaltes hervorzu-
bringen, ist es durchaus nothwendig, die Operation frähzeitig
zu unterbrechen, wie diefs bei dem eben besprochenen Ver-
suche geschab; sonst nimmt wieder der Gehalt an Sauer-
stoff im Verhältnifs zu dem an Stickstoff ab und fällt zuletzt
auf den normalen Gehalt der äufseren Luft von 21 pC. So
wurde in einem mit Kohlensdure auf 150 HH. Durchmesser
aufgeblasenen Ballon nach 24 Stunden fast keine Kohlensäure
mehr gefunden; er ergab nach der Behandlung mit Aetzkali
150 CG. Gas, weiches enthielt :
Sftoeratoflf 22,6
StickBtoft 77,4
100,0,
und also keine beträchtliche Vergröberung des Sauerstoflge-
haltes ergab.
Aus der bekannten Thatsache» dafs die in Wasser ge-
löste Luft einen so grofsen, 30 pC. betragenden Sauerstoff-
gehalt besitzt, läfst sich schliefsen, dafs, wenn Kohlensäure-
gas von atmosphärischer Luft durch ein TFa^^^r-Häutchen
getrennt wäre^ zu dem ersteren Gas durch das Häutchen
hindurch Luft mit demselben hohen, 30 pC. betragenden
Sauerstoffgehalt treten wurde. Aber es ist nicht leicht, diesen
Versuch auszuführen, aufser wenn man das als Scheidewand
dienende Häutcfaen durch eine M[pmbran irgend einer Art
unterstützt sein läfst. Die Luft, welche aus der Atmosphäre
in eine frische und feucht erhaltene Ochsenblase, welche mit
Kohlensäure aufgeblasen worden war, eintrat, ergab 24,65 pC,
Sauerstoff und 75,35 pC. Stickstofl, war also nur um Weniges
reicher an Sauerstoff geworden; aber die Membran war hier
zu dick, und auch andere Umstände waren dem Resultate
dieses* Versuches nicht günstig.
Ein mit Kohlensäure bis zu 150 MM. Durchmesser auf-
geblasener Caoutchouc - Ballon wurde 48 Stunden lang in
i6 Oraham, über die Absorption und dialytische
Wasser von 22^ C. eingetaucht. Nor wenig Kohlensäure
war in dem rückstandigen Gas enthalten, welches nach dem
Waschen mit Aetzkali enthielt :
Baaerstoff 26,77
Stickstoff 74,28
100,00
2) Mittelst einer angemessen unterstützten Colloidal-
Scheidewand, z. B. mittelst der mit einem Caoutchouc^Häut-
chen überzogenen Stuck-Platte in dem Diffusiometer (S. 4),
läfst sich eine Scheidung gemischter Gase in ansehnlichem
Betrage bewerkstelligen. Die Bestandtheile der atmosphäri-
schen Luft gehen durch ein Caoulchouc - Häutchen in den
leeren Raum nahezu in demselben Verhältnisse über, in welchem
diese Gase einzeln genommen das Caoutchouc durchdringen
(S. 7). Für die Geschwindigkeiten des Stickstoffs und des
Sauerstoffs, wenn diese Gase für sich hindurchgehen, wurde
das Verhältnifs wie 1 : 2;556 beobachtet; daraus berech-
net sich
Sauerstoff 21 X 2,566 = 63,676 40,46
Stickstoff 79 X 1 =79 69,64
100,00.
Luft, welche mittelst einer aus Caoutchouc bestehenden
Scheidewand dialysirt wurde, sollte also in 100 Volumen aus
40,46 Sauerstoff und 59,54 Stickstoff zusammengesetzt sein.
Nun wurde gefunden, dafs aus der Atmosphäre in den leeren
Raum der 48zölligen Diffusioraeter-Röhre, durch eine Caout-
chouc - Seheibe von 22 HM. Durchmesser, in 21 Stunden
3,48 CC. Luft eintraten, unter dem Druck der Atmosphäre
und bei 23 bis 24^ C. Von den so erhaltenen 3,48 CC. Gas
wurden 2 CC. durch Pyrogallussäure und Kali absorbirt, ent-
sprechend 42^53 pC. Sauerstoff in der dialysirlen Luft. Hier
wurde das Gas zum Zweck der Untersuchung aus dem
Diffusiometer in der Art übergeleitet, dafs das Diffusiometer
Scheidung der Oase durch collotdale Scheidewände* 17
in Qaeeksilber herabgedrückt und ein sehr enges Caoutchouc-
Rohr als Gas -Heber angewendet wurde, welches das Gas
aus dem Diffusiometer in ein in der Qaeeksilber- Wanne um-
gekehrtes Gefafs leitete; das Caoatchonc-Rohr wird zuerst
mit Quecksilber gefüllt und, bei der beträchtlichen Länge
desselben, ein Theti von ihm wiederholt durch die Finger
geai^en, so dafs das Quecksilber und das hineingetretene Gas
in das Sammel-Gefäfs hinübergeschafft wird. Das Ueberfüllen
▼on Gasen unter solchen Umständen läfst sich auch sehr vor-
theilhaft mittelst der von Dr. H. Sprengel erfundenen Va-
enum-Rohre bewerkstelligen, wie ich sogleich zeigen werde.
Die Ausführung der dialytischen Scheidung mittelst einer
Caoutchouc-lftheidewand läfst sich in drei Punkten abändern :
1) in der Beschaffenheit der Caoutchouc-Scheidewand; welche
ebensowohl ein aus Caoutchouc-Firnifs bestehendes Häutchen
sein wie aus dünn ausgezogenem Blatt-Caoutchouc bestehen
kann ; 2) in der Art, wie die Caoutchouc-Scheidewand unter-
stützt wird, was ebensowohl durch anliegenden Baumwolle-
oder Seidenstoff (also in der Form von wasserdichtem Zeug,
das mittelst Caoutcfaouc - Fimifs bereitet ist) als durch eine
Platte aus Stuck; Irdenzeug oder Holz geschehen kann; und
3) in den Mitteln ; welche man anwendet um einen leeren
oder mindestens sehr verdünnten Raum auf der einen
Seite der dialytisch wirkenden Scheidewand herzustellen,
während atmosphärische Luft oder ein anderes zu dialysi-
rendes Gasgemische zu der anderen Seite derselben Scheide-
wand Zutritt hat. Oder die zu dialysirende Luft kann auf der
einen Seite der Scheidewand zusammengedrückt werden,
während sie auf der anderen Seite unter dem gewöhnlichen
Druck bleibt, da es für die Einleitung des Durchgangs nur
ndthig ist, dafs auf den beiden Seiten cTer Scheidewand un-
gleicher Druck vorhanden sei.
AnoAl. d. Chem. n. Pharm. V. äapplemontbd. 1. Heft. Z
18 Graham ^ über die Absorption und dialytiscke
Dr. Sprengers pneumatisches Instrument*) ist vor-
*) Journal of the Chemical Society, new series, III, 9 (Januar 1865),
[Wir lassen nachstehend SprengeTs Beschreihung der einfachsten
Form seines, auf dem Princip des Wassertrommelgehläses be-
ruhenden Apparates folgen, welche bei den* oben beschriebenen
Versuchen in Anwendung kommt; einen etwas complicirteren,
noch besser wirkenden hat Sprengel a. a; 0. gleichfalls be-
schrieben, „c d in Fig. 1 auf Tafel I ist eine Glasröhre, lAger
als ein Barometer, an beiden Seiten offen, in welche man Queck-
silber aus einem mit der Röhre bei c verbundenen Trichter A
fallen läfst. Das untere Ende d der Röhre taucht in ein kleines
Glasgefäfs fi, in welchem es mittelst eines Korkes befestigt ist.
Dieses GlasgefftTs hat seitlich eine Ausflufsröbre, welche §ich um
einige Millimeter höher befindet als die untere Mündung der
Röhre c d. Die ersten Portionen Quecksilber, wel^e herabfliefsen,
werden also diese Röhre abschliefsen und dav^ schützen, dafs
bei einer Störung des Gleichgewichtes Luft Ton unten in sie ein-
trete. An dem oberen Theile Ton cd ist bei« eine Abzweigung
in eine Seitenröhre, an welche der Recipient R befestigt ist.
Sobald der Quetschhahn bei e geöffnet ist und das Quecksilber
herablttuft, beginnt die Luftverdünnung, und man sieht die Röhre
in ihrer ganzen Länge von x bis d mit abwärtsgleitenden Cy-
lindern von Quecksilber und Luft erfüllt. Luft und Quecksilber
entweichen durch die seitliche Ausflufsröbre des GefUfses fi, die
sich über dem Gefäfse H befindet, in welchem das Quecksilber
gesammelt wird. Dieses Quecksilber giefst man von Zeit zu Zeit
in den Trichter A zurück, damit es wieder und nochmals durch
die Röhre gehe, bis die Luftentleerung eine Yollständige geworden
ist. In dem Mafte, als dieselbe Torschreitet, bemerkt man, dafs
die zwischen den Quecksilbercy lindem eingeschlossene Luft
weniger und weniger wird , bis der untere Theil der Röhre c d
eine ununterbrochene Quecksilbersäule von etwa 80 Zoll (engl.)
Höhe zeigt Gegen das Ende der Operation macht sich ein be-
trächtliches Geräusch bemerkbar, welches dem von einem ge-
schüttelten Wasserhammer ähnlich und allen in einem leeren
Räume geschüttelten Flüssigkeiten gemeinsam ist. Die Operation
kann als vollendet angesehen werden, wenn die Quecksilbersäule
keine Luft mehr einschliefst und wenn ein Quecksilbertropfen
auf das obere Ende dieser Säule auffällt, ohne die geringste Luft-
blase einzUBchlieisen. Die Höhe dieser Quecksilbersäule ent-
spricht nun genau der Höhe der Quecksilbersäule in dem Baro-
meter; oder was dasselbe ist : sie stellt ein Barometer vor, dessen
Tor ice Hirsches Vacuum der Reoipient üist.'' D, A.]
Scheidung der Gase durclfcollotdale Scheidewände, 19
•
zogiweise zu Versachen von der Art, wie sie uns hier be-
schäftigen, geeignet Ohne die Benutzung seiner Erfindung
wären einige Theile der UnteFsuchung practisch unmöglich
gewesen. Das Instrument wurde durch den Erfinder ur-
sprunglich als ein Hölfsmittel zu der Herstellung eines leeren
Raumes oder als eine Luftpumpe in Vorschlag gebracht. Aber
durch Umbiegen des unteren Endes der aufrecht stehenden
Fallröhre kann das Instrument auch so abgeändert werden,
dafs es Gas in ein Sammelgefab leitet, und dann lafst es
sich Yortheilhaft dazu anwenden, kleine Volumen Gas aus
einem Gefafse in ein anderes überzufüllen»
Wahrend man (vgl. Fig. 2 auf Tafel I) das Quecksilber
in dem Trichter A in der Barometer - Röhre c B (welche
2,5 MM. Durchmesser hat) durch Oeffnen des Quetschhahns
an der Caoutchouc-Zuleitungs- Röhre bei C herabfliefsen lafst,
wird auch eine Verbindung mit dem zu entleerenden ge-
schlossenen Recipienten, jetzt einem luftdichten Sack £, durch
die Zweigröbre x vermittelt. Die in E befindliche Luft hat
Zutritt zu dem Tori colli 'sehen Vacuum, wird durch das
niederfallende Quecksilber mitgerissen und unten in den
kleinen Gas-Recipienten R abgegeben, welcher vorher mit
Quecksilber gefüllt und in dem Mörser B über Quecksilber
umgekehrt wurde. Die hauptsächlichste Schwierigkeit, mittelst
dieses Apparates in E ein gutes Vacuum zu erhalten, beruht
auf der Nothwendigkeit, die Glasröhren an mehr als Einer
Stelle mittelst Caoutchouc- Röhren zusammenzufügen. Man
mufs die von Dr. S p r e n g e I hierüber gegebenen Vorschriften
auf das Genaueste befolgen : ,Die Verbindungen zwischen
den Glasröhren werden mit gut passenden Röhren von
schwarzem vulkanisirtem Caoutchouc gemacht, welche unter
dw Bezeichnung : französische Röhren verkauft werden;
dieses Caoutchouc ist frei von metallischen Oxyden, welche
Beimengung die Röhren porös macht. Aufserdem werden
2»
20 ' Oraham^ über die Absorption uud diafytische
m
alle diese Verbindungen mittelst umgelegten Knpferdrahts
fest gemacht, was sich leicht mittelst einer Zange bewerk-
stelligen lärst.^ Die Verbindungen sind auch mit Gutta-Percha,
die durch Erhitzen flüssig gemacht wird, oder mit geschmol-*
zenem Caoutchouc zu luberziehen. Eine Luftpumpe lafst sich
oft mit Vortheii im Anfang des Auspumpens anwenden, um
zunächst die gröfsere Menge Luft herauszuschaffen, wenn
der Recipient E grofs ist, und die SprengeTsche Röhre
dient dann zur Vervollständigung des Auspumpens. Der
leere Raum iäfst sich auf diese Weise so voliständig her-
stellen, als in einer mit nicht ausgekochtem Quecksilber ge-
füllten Barometerröhre, und der Queoksilberstand stimmt mit
dem Barometerstand bis auf 1 MM. überein.
Die folgenden Abänderungen des Versuches zeigen die
dialytische Wirkung des Caoutchoucs in ihren verschiedenen
Formen.
i) Vtdkantairtes Caotächouc fsunsehen doppeltem Baum"
wollenzeug, — Ein gewöhnliches Luftkissen von 18 Zoll Länge
auf 15 Zoll Breite wurde angewendet; die Oberfläche auf
beiden Seiten betrug 0,3482 Quadratmeter, Das Kissen wurde
mittelst der Hände platt gedrückt und dann mittelst der
SprengeTschen Röhre weiter ausgepumpt. Nachdem das
Kissen ganz entleert und zusammengefallen war, saugte die
Sprengel'sche Röhre langsam aber äufserst regelmäfsig
immer noch Luft heraus. Eine kleine Menge Sägespäne
oder Sand, welche vorher in das Kissen gebracht worden
war, erwies sich dafür nutzlich, dafs sie die Wandungen
verhinderte sich allzu dicht an einander zu legen, war aber
nicht nothwendig. Die auf diese Art aus dem Kissen in Einer
Stunde herausgesaugte Luft betrug 15,65 CG. oder nahezu
1 Cubikzoll eng].; die Temperatur war 23 bis 24^ C. Solche
dialysirte Luft, erhalten in drei aufeinander folgenden Ver-
suchen, von welchen jeder 1 Stunde dauerte, enthielt 38;
Scheidung der Oaae durch collotdale Scheidewände. 21
40^ ond 41,2 pC. SaaerstoiF; der geringere Sauerstoffgehalt
bei den früheren Versuchen beruhte ohne Zweifel auf einem
noch vorhandenen geringen Rückstand von nicht dialysirter
Luft in dem Kissen. Diese dialysirte Luft liefs einen glim-
menden Hoizspahn sich wieder entflammen, was sehr deutlich
zeigt, wie hier der Sauerstoff direct aus der atmosphärischen
Luft ausgeschieden war. Für Verbrennungsvorgange kann
diese dialysirte Luft als solche betrachtet werden, aus welcher
die Hälfte des unthätigen Stickstoffs weggenommen ist.
Es wird angemessen sein, die Durchdringbarkeit der
coUoidalen Scheidewand gleichförmig auf 1 Quadratmeter
Flache und 1 Stunde oder 1 Hinute Zeit zu beziehen. Es be-
trug der Durchgang von Luft für 1 Quadratmeter des hier
verwendeten mit Caoutchouc praparirten Zeuges 44,95 CC.
(3 CubikzoU engl, nahezu) in der Stunde oder 0,749 CC. in
der Minute.
Nach dieser Beobachtung kann man ein solches s. g.
laftdichtes Fabrikat als wirklich für Luft nicht durchdringbar
«
betrachten, wenn die Zusammensetzung und der Druck der
Luft auf beiden Seiten des Zeuges gleich sind; aber es ist
dorchdringbar , wenn auf der einen Seite, und nicht auch
auf der anderen ; ein leerer oder luftverdünnter Raum her-
gestellt wird. Zusammendrücken der in einem solchen Kissen
eingeschlossenen Luft würde unzweifelhaft eine ahnliche
Wirkung haben, und dann der Strom nach Aufsen gehen.
Aber für solches mit Caoutchouc priparirtes Zeug lafst sich
eine poröse Struetur nicht nachweisen. Wären wirklich
Oeffnungen vorhanden, so würden die gasförmigen Bestand-
theile der atmosphärischen Luft gemäfs dem Gesetze der
Diffusion von Gasen hindurchgehen, nach welchem vorzugs-
weise der Stickstoff als das leichtere Gas hindurchgehen
müiste, während es der Sauerstoff ist, welcher bei diesen
Versuchen in der relativ gröfseren Menge hindurchging.
22 Oraham, über die Absorption und dialektische
Die Durchtränkung der Caoutchouc-Sobstanz durch das ver-
flfissigte Gas und das nachherige Abdunsten dieser Flüssigkeit
in den leeren Raum auf der anderen Seite bietet eine ganz
genügende Erklärung.
2) Röhren aus vulkanisirtem Gaoutchouc, — Eine starke
Caoutchouc-Röhre von 13 MM. (Vs Zoll) aurserem und 9 MM.
innerem Durchmesser, welche 3,658 Meter lang und am einen
Ende geschlossen, am anderen Ende mit demSprengePschen
Apparat verbunden war, wurde ausgepumpt. Das in i3 Stunden
gesammelte Gas betrug 11,25 CC. ; die Temperatur war 20
bis 23^ Dieses Gas enthielt 37,8 pC. Sauerstoff. Der Durch*
gang von Gasen ist bei einer so dicken Röhre nicht betrfichtlich,
und es liegt Grund vor zu befürchten, dafs hier auch die
Diffusion von Gasen in geringem Betrage mitwirkt. Das Ein-
treten vop Luft wurde in gleichem Grade bemerkbar sein,
wenn die Röhre nicht luftleer sondern mit Steinkohlengas
oder irgend einem fremden Gas gefüllt w^re. Da die innere
Fläche der Röhre 0,1034 Quadratmeter und der Durchgang
von Luft 0,8653 CC. in der Stunde betrug, würde der Durch-
gang für 1 Quadratmeter 8,37 CC. in 1 Stunde oder 0,14 CC.
in 1 Minute sein. Die Durchdringbarkeit der Röhrenwandung
ergiebt sich etwa zu Vs von der für das mit Caoutchouc
praparirte Baumwollenzeug.
S) Blatt-Caoutchouc von i MM, Dicke. — Wenn auch
darüber kein Zweifel sein konnte, dafs bei beträchtlicherer
Dicke des Caoutchoucs Luft langsamer hindurchgehe, war es
doch von Interesse, zu untersuchen, ob nicht auch zugleich
der Sauerstoffgehalt sich ändere. Das Blatt-Caoutchouc war
immerhin noch so dünn, als es der Fabrikant nur durch
Abschneiden von einem massiven Cylinder von bearbeitetem
Caoutchouc nach dem gewöhnlichen Verfahren erhalten
konnte. Das Caoutchouc war nicht vulkanisirt. Aus dem
Caoutchooc-Blatt wurde ein Sack von 0,149 Quadratmeter
Scheidung der Oase durch colloidale Scheidewände. 23
(231 QaadratzoU engl.) Oberflache gemacht und zwischen
die beiden Caoutchouc- Fliehen wurde eine Filzplalte in
doppelter Dicke gelegt. Eine an den Sack gekittete dünne
Glasröhre vermittelte die Verbindung zwischen dem Inneren
des Sacks und einer SprengeTschen Röhre. Nach dem
ersten Auspumpen der L^ aus dem Sack (wozu man zweck-
mafsig eine Luftpumpe anwendet) trat Luft fortwährend, aber
sehr langsam; durch das Blatt-Caoutchouc ein. Von der
dialysirten Luft wurden li,45 CC. in 4 Stunden aufgesammelt.
Diese Luft enthielt 41,48 pG. Sauerstoff, mit einer merklichen
Spur Kohlensaure. Der Durchgang betragt für 1 Quadrat*
meter 19,2 CG. Luft in 1 Stunde oder 0,32 CC. in 1 Hinute.
Derselbe Sack gab, nachdem er ausgepumpt 18 Stunden
lang stehen geblieben war, sofort 41,6 CC. Luft von 40,3 pC.
Sauerstoff, welche sich in seinem Inneren angesammelt hatte.
Die Temperatur war ungefähr 20^ C.
Bin gröfserer Sack von ahnlichem dünnem Blatt-Caout-
chouc, von 640 Quadratzoll Oberfläche, welcher durch 10
oder 12 Unzen Sagespane auseinander gehalten war; gab in
Einer Stunde 21,35 CCl dialysirter Luft; der Barometerstand
war 761 MM., die Temperatur 19,5^ C. Diese dialysirte Luft
bestand aus :
Sauerstoff
41,80
Kohlensäure
0,94
Stickstoff
67,26
100,00.
Hiernach wird durch Vergröfserung der Dicke der Caout-
chouc-Scheidewand der Sauerstoflgehalt in der dialysirten
Luft nicht vergröfsert, wahrend der Durchgang dadurch ver-
langsamt wird. Der Sauerstoflgehalt scheint, bei 20^ C, bis
zu 41,6 pC. auf 58,4 Stickstofi' zu steigen^ aber nicht hierüber
hinaufzugehen.
Das dicke Caoutchouc läfst die Kohlensäure der Luft
erheblich in Betracht kommen. Die kleine Menge, in welcher
24 Graham^ über, die Absorption und dialytüche
dieses Gas sich in der Luft vorfindet, wird vermuthlich bei
allen Versuchen mit.Caoutchouc-Scheidewand, wie dünn diese
auch sein möge, vergröfsert. Es wurde beobachtet, dafs der
Kohlensäuregehalt in einem kleinen vollgestopften Baume so
beträchlich wurde, da(s der Sauerstoff an dem Wieder-
entflammen eines glimmenden Hol^pahns verhindert wurde.
Caoutchonc scheint das Vermögen zu besitzen, sich aus der
atmosphärischen Luft allmälig mit etwa Vs pG. von seinem
Volum an Kohlensaure txx beladen. Diese Kohlensäure,
welche in dickem Blatt-Caoutchouc angehäuft ist, scheint
durch die bei einem dialytischen Versuche aufgenommenen
anderen Gase mit fortgeführt zu werden.
4) Dünne Ballons aus Gaoutchouc, — Diese kleinen
Ballons wurden für den dialytischen Durchgang der Luft in
einen leeren Baum dadurch verwendbar gemacht, dafs sie
durch einen Trichter mit gesiebten Sagespahnen angefüllt
wurden, welche Operation einige Geschicklichkeit erfordert.
Der Ballon zog sich über die Sägespahne zusammen^ welche
eine innere Kugel bildeten ; die Wandung des Ballons blieb
noch etwa V5 MM. dick. Das Gaoutchouc ist nicht vulkani-
sirt. Ein solcher Ballon, dessen Gaoutchouc 0,76 Grm. wog,
hatte nach dem Auspumpen noch 95 JIM. Durchmesser. Er
liefs ausgepumpt 19,6 CG. dialysirter Luft in 41 Minuten
durch seine Wandung gehen ; der Barometerstand war 579 MM.,
die Temperatur 19^ C. Diese Luft enthielt 41,32 pC. Sauer-
stoff. Die Oberfläche des Ballons war 0,0283 Quadratmeter
und dialysirte 0,48 CG. Luft in 1 Minute. Für 1 Quadratmeter
Oberfläche gehen also in 1 Minute 16,9 CC. hindurch. Der
Durchgang ist hier also 50 mal so rasch, als durch ein 1 MM.
dickes Caoutchouc-Blatt, während der Sauerstoffgehalt der
durchgegangenen Luft nahezu eben so grofs ist. Ein solcher
Ballon erwies sich länger als einen Monat in gleicher Weise
Scheidung der Oase durch coUotdale Scheidewände, 25
fvr die Dialyse der Luft wir^ksam, wenn er vor mechanischer
Beschädigung geschützt war.
Drei solche Ballons, von welchen jeder 23 Unzen gesiebte
Sagespähne enthielt, wurden dadurch zu gemeinsamer Wirkung
gebracht, dafs sie mit drei von derselben horizontalen Glas-
röhre sich abzweigenden Röhren in Verbindung gebracht
wurden. Die horizontale Röhre wurde am einen Ende mit
einer gewöhnlichen Luftpumpe verbunden, welche durch.
30 oder 40 Kolbenstöfse ein gutes Vacuum hervorbrachte.
Das andere Ende der horizontalen Glasröhre war mit einem
gnten SprengeTschen Apparat von der grofsten noch an-
wendbaren Art verbunden. Es ergab sich jedoch , dafs die
dialysirte Luft etwas rascher eintrat, als sie durch einen
einzelnen SprengeTschen Apparat ausgesaugt werden
konnte. Es traten etwa 5 GG. in i Minute ein; die Tem-
peratur war etwa 20^ G. Die dialysirte Luft enthielt nahezu
40,5 pG. Sauerstoff«
Die beträchtlichste Luft -Dialyse für 1 Quadratmeter
wurde mittelst eines Gaoutchouc-Ballons von gröfseren Dimen-
sionen, als gewöhnlich angewendet wurden, erhalten ; er wog
1,55 Grm. Mit Sägespahnen gefüllt und ausgepumpt behielt
er noch einen Durchmesser von 143 MM. und also 0,0642
Quadratmeter Oberflache. Die durchgegangene Luft betrug
17,05 GG. in 10 Minuten ; die Temperatur war ungefähr 20^
Diese Luft ergab 40,7 pG. Sauerstoff. Für 1' Quadratmeter
Oberfläche beläuft sich der Durchgang auf 26^5 GG., was das
Maximum ist, welches bis jetzt beobachtet wurde.
In der dünnen durchsichtigen Hülle dieser kleinen Ballons
haben wir eine Golloid-Substanz in der geeignetsten unter
den bis jetzt angewendeten Formen für die Dialyse gemisch-
ter Gatfe. Aber es bleibt noch viel in der Richtung, wie
diese dünne Scheidewand in Anwendung zu bringen ist, zu
verbessern übrig. Die Ballons ziehen sich in Folge ihrer
26 Graham, über die Absorption und dialytiache
Elflsticität bei der schon besprochenen Operation des Füllens
mit Sagespahnen stark zusammen; ihre Wandungen werden
zugleich dicker und lassen die Luft weniger rasch hindurch-
gehen. Es wäre äufserst nützlich, ein Mittel aufzufinden,
wie man der möglichst ausgespannten und dünn gemachten
Membran die Elasticitat nehmen könne, so dafs der Ballon
aufgeschnitten und die Membran ausgebreitet werden könnte
.ohne sich zusammenzuziehen. Man braucht dann sie nicht
mehr innen durch Sagespahne gespannt zu erhalten, sondern
könnte sie auf einer passenderen Unterlage aus dünnem
porösem Holz oder unglasirtem Irdenzeug oder selbst einem
Filz oder mehrfachen Lagen unplanirten Papieres, das durch
ein dünnes Gerüste getragen wäre, ausbreiten, so dafs sie
eine Höhlung bildete, welche sich auspumpen liefse. Die
Aufmerksamkeit der Caoutchouc-Fabrikanten dürfte vortheil-
h«ft auf die Darstellung und die geeignete Unterstützung
möglichst dünner Scheidewände aus diesem Material gerichtet
werden.
Der Gaoutchouc-Firnifs , welcher getrocknet die beste
Scheidewand abgab; war eine dünne Lösung von Gaoutchouc
in dem 200 fachen Gewichte Chloroform. Für die Herstellung
einer luftdichten Hülle war es nöthig, eine aus Holz oder
unglasirtem Irdenzeug bestehende Oberflache mit 4 oder 5
Ueberzügen mittelst dieses Firnisses zu versehen. Das Caout-
chouc-Häutchen war dicker als die Wandung der Caoutchouc-
Ballons und dialysirte die Luft weniger rasch. Aber ein
besseres Resultat darf erwartet werden, wenn erfahrene
Fabrikanten die Sache in die Hand nehmen.
Das dünne Häutchen von Caoutchouc-Ballons wurde über
die Mündungen von Glasröhren gezogen, die bereits mit
einer Platte von porösem Stück geschlossen weren, und auch
über die Mündungen von kugelförmigen Erweiterungen an
Röhren oder Osmometern, die mit einer Scheibe von porösem
Scheidung der Oase durch colhndale Scheidewände* ift
Hols oder unglasirtem Irdenzeug geschlossen waren and
eine Oberfläche Ton Vioo Quadratmeter boten. Die Membran
des Ballons konnte nur doppelt aufgelegt befestigt werden,
aber nachdem sie fest an das Glas gebunden und an den
Rindern mit geschmolzener Gutta •* Percha angekittet war,
wnrde das änfsere Hiutchen weggenommen, so dafs die
difllytisch wirkende Scheidewand nur die einfache Dicke des
Caoutchouc*Hautchens besafs. Ein solcher Apparat, welcher
mitteist der Sprengel'schen Röhre ausgepumpt wurde, gab
dann in 2 Stunden 16,36 CG. dialysirter Luft, welche 41,3 pC.
Sauerstofi* enthielt (die Temperatur war 23^ C.), und in den
folgenden 2 Stunden 17,35 CG. Luft, welche 42,6 pG. Sauer-
stoff enthielt.. Das letztere entspricht dem hohen Betrage
eines Durchgangs von 14,46 GG. für 1 Quadratmeter Oberfläche
in 1 Minute.
5) Seidenzeug, welches auf der einen Seite mit schwach
vulkanisirtem Caoutchouc überzogen ist — Diefs ist ein feiner
aber dichter Seidenstoff; welcher viel für die Anfertigung
wasserdichter Kleider gebraucht wird; er findet auch, in ge-
eigneter Weise gefärbt, für die Herstellung küntlicher Blumen
mid für andere Zwecke Anwendung. Das Seidengewebe ist
von einfacher Dicke ; und der schwarze Gaoutchouc-Ueberzug
bedeckt das Gewebo auf der einen Seite desselben. Dieses
Material übertrifft weit die gewöhnlichen, mit Baumwollenzeug
angefertigten Fabrikate, bei welchen das Gewebe doppelt,
mit den beiden gefimifsten Seiten an einander geprefst ist,
und man kann sich bei ihm mehr darauf verlassen, dafs der
Gaoutchouc-Ueberzug ganz und frei von Poren sei, als bei
dem wasserdichten Baumwollenzeug. Doch mufs man .auch
den Seidenstoff immer in der Art prüfen, dafs man die mittelst
desselben dialysirte Luft untersucht; wenn der Sauerstoff-
gekalt unterhalb 40 pG. ist, so ist der Stoff an einer oder
mehreren Stellen unganz. Diese Stellen lassen sich im All-
28 Oraham^ über die Absorption und dialy tische
gemeinen so finden, dafs man die eine Seite des Stoffes
mittelst eines Schwammes befeuchtet und zusieht, wo der
Durchgang von Wasser durch einen sichtbaren Flecken auf
der anderen Seite angezeigt wird. Die fehlerhafte Stelle lafst
sich mittelst einer kleinen Scheibe aus Blatt -Caoutchouc,
welche warm aufgelegt wird, bedecken. Solches gefirnifstes
Seidenzeug, wenn es auch nicht am Raschesten dialytisch
wirkt, wurde zweckmäfsiger im Gebrauche befunden, als irgend
eine andere bisher versuchte Scheidewand.
Das gefirnifste Seidenzeug, auf einer Scheibe von porösem
Irdenzeug (zum Zweck der Unterstützung) ausgebreitet,
welche die, im Querschnitt Vioo Quadratmeter messende Miin-*
düng eines kleinen glockenförmigen Glasgefäfses oder' Osmo-
meters schlofs, gab in einer Stunde 10 GC. diaiysirter Luft,
welche 42,2 pC. Sauerstoff enthielt; der Barometerstand war
767 HM., die Temperatur 23,5^. Pur ein Quadratmeter
Oberfläche ist diefs ein Durchgang von 2,77 GG. Luft in
1 Minute.
Ein kleiner, fQr Versuchszwecke geeigneter Sack wurde
aus einem Theile desselben gefirnifsten Seidenzeuges ange*
fertigt; derselbe hatte 0,53 Meter Länge und 0,27 Meter
Breite, also eine Oberfläche von 0,143 Quadratmeter. Die
gefirnifste Seite wurde nach Innen genommen. Zwischen
die beiden Flächen des Seidenzeuges wurde eine doppelte
Lage von gewöhnlichem Filz oder ein Stück Watte gelegt,
so dafs das Innere des Sacks damit ausgefüllt war. Eine dünne
Glasröhre war in den Sack einige Zoll tief eingesteckt und
trat nach Aufsen um ebensoviel hervor, so dafs sie, mittelst
einer dicht schliefsenden Gaoutchouc-Röhre, mit einem S p r e n-
gel'schen Apparat so, wie es die Figur 2 auf Tafel I zeigt, in
Verbindung gesetzt werden konnte. Die Ränder des Seiden-
zeugs wurden rings herum, 10 MM. breit, mit Gaoutchouc-
Firnifs zusammengekittet, so dafs der Sack ganz geschlossen
Scheidung der Oase durch colUndale Scheidewände. 29
wtr, und auch die Glasröhre wurde in den Sack sorgfältig
«ngeliiUet. Wenn der Sack ausgepumpt ist, so bleibt er
fast platt, und fühlt sich hart an wie ein Stück Pappendeckel.
Ein solcher Luft-Dialyaator thut noch bessere Dienste, wenn
man zwischen den Sack und den Auspump-Apparat noch ein
starkes Glasgefafs oder eine Flasche, welche 1 bis 2 Liter
fafst, einschaltet, so dafs aus beiden zugleich die Luft aus-
gepumpt wird. Die Flasche mufs stark genug sein, um ohne
zu zerbrechen den ganzen Druck der Atmosphäre auszuhalten.
Eine hülCsweise anzuwendende Luftpumpe, um das erste
Auspumpen zu bewirken, lafst sich nicht wohl entbehren,
wenn der In Aleer zu machende Raum so grofs ist; die
Sp r eng el'sche Rohre Ijfst man nachher wirksam sein. Der
Vortheil, welchen man durch die leere Flasche und auch durch
die im Innern des Sacks befindliche dicke Lage Watte ge-
winnt, besteht darin, dafs man damit ein Magazin erhält, in
welchem sich die dialysirte Luft während mehrerer Stunden
oder eines ganzen Tages ansammeln kann, und aus welchem
sie nachher mittelst der SprengeTschen Röhre rasch
herausgesaugt werden kann, um zu Versuchen zu dienen.
Ein enger glaserner Recipient, welcher sich mit dem Daumen
verschliefsen lafst, ist zum Herausnehmen von 5 bis 6 CG.
Luft anwendbar, um das Entflammen eines glimmenden Holz-
spahns in der so betrachtlich sauerstoSVeicheren Luft zu
zeigen. Wenn der Sauerstoffgehalt weniger als 33 pC. be-
trägt, so entflammt sich der Holzspahn nicht wieder; aber
bei gewöhnlicher Wirkung dieses Dialysators wird der Sauer-
stoffgehalt selten unter 40 pC. befunden. Das beste Resultat
wird erhalten, wenn so weit ausgepumpt ist, dafs der Druck
im Innern des Apparates nur noch weniger als Va Zoll
Quecksilberhöhe betragt. Wenn dieser Druck Va oder Vs
Ton Einer Atmosphäre betrug, wurde der Sauerstoffgehalt um
2 cAet 3 pC. verringert.
30 Graham, über die Absorption und dialytiache
Der Einflttfs von Hitze und Kalte auf die Durchdringbar-
keit des Caoutchoucs ist beträchtlich, wie bereits angegeben
wurde. Bei zwei auf einander folgenden Versuchen mit dem
beschriebenen Dialysator - Sack , bei welchen keine Flasche
eingeschaltet war, betrug das Volum der in 20 Minuten auf-
gesammelten Luft 6,35 und 6,57 GG., bei 760 MH. Barometer-
stand und 20^ G. Temperatur. Für 1 Quadratmeter Ober-
flache entspricht diefs dem Durchgang von 2,22 und 2,29,
im Mittel 2,25 GG. in 1 Hinute. Der Sauerstoffgehalt der
dialysirten Luft war bei dem erstell Versuche 42,5 und bei
dem zweiten 41,66 pG.
Als derselbe Dialysator-Sack bei 60^ G. erhalten wurde,
betrug das Volum der in 7 Sfinut^n aufgesammelten Luft
6,22 und 7,06 GG. Für 1 Quadratmeter Oberfläche betrag!
diefs 6,21 und 7,05, im Mittel 6,65 GG. in 1 Minute. Der
Durchgang der Luft durch Gaoutchouc erfolgt also bei 60^ G.
nahezu dreimal so rasch als bei 20^.
Als der Dialysator-Sack durch Umgebung mit Eis und
Salz bei 4^ G. erhalten wurde, betrug das Volum der in
72 Minuten durchgegangenen Luft 5,78 und 5,77 GG., oder
für 1 Quadratmeter Oberfläche 0,56 GG. in 1 Minute. Der
Durchgang der Luft durch Gaoutchouc würde hiernach bei
4^ G. viermal so langsam erfolgen, als bei 20^ Zugleich
wächst der Sauerstoffgehalt der dialysirten Luft. In den zwei
bei»4^ gesammelten Fortionen Luft betrug der Sauerstoff 46,75
4
und 47,43 pC. Dafs der Sauerstoffgehalt der dialysirten Luft
bei niedrigeren Temperaturen gröfser ist, fand sich bei
anderen Versuchen bestätigt; aber es ergab sich zugleich,
dafs das Gaoutchouc geneigt ist, bei längerem Erkaltetsein
auf etwa 0^ G. in geringem Grade eine wahre Porosität an-
zunehmen. Dann liefs das Gaoutchouc Luft durch, welche
nicht über 28 oder selbst nur 23 pG. Sauerstoff enthielt, und
deren Volum immer noch nur wenig betrug. Das Gaoutchouc
Schmdung der Gase durch coUc^ale Scheidewwände. Sl
ist durch die niedere Temperatur starr geworden und wirlit
dann schwach als ein poröser Körper, indem es etwas Gas-i-
diffnsipn durch seine Substanz hindurch zulafst. Ein solcher
Zustand, wie ihn das Caoutcbouc bei niedriger Temperatur
annimmt, ist für Gutta-Percha, ein härteres Material, bei 20^ C«
and selbst bei höheren Temperaturen der constante.
Bin gröfserer Sack aus gefirnifstem Seidenzeug, mit
1,672 Quadratmeter Oberfläche, wurde noch geeigneter be-
fanden. Doch genügte dafür, ihn auszupumpen, kaum der
gröfste SprengeTsche Apparat. Er gab, ohne dafs eine
Flasche eingeschaltet gewesen wäre, in 8 Hinuten 22; 21,55
and 21,5, im Mittel 21,68 CC. dialysirte Luft; diefs entspricht
2,71 CC. in der Minute, und für 1 Quadratmeter Oberflöche
1,62 CC. in 1 Mionte. Bs wurde noch etwa um die Hälfte
mehr dialysirte Luft erhalten worden sein, wäre das Ver-
mögen der Pumpe, sie abzusaugen, nicht gegenüber der
Menge der einströmenden Luft unzureichend gewesen. Die
zuerst und zuletzt gesammelten Portionen Luft enthielten
41,89 und 41,85 pC. Sauerstofl'.
Der gewöhnliche SauerstoflFgehalt in Luft, welche der
Dialyse durch Caoutcbouc unterworfen war, ergiebt sich zu
angefähr 41,6 pC, und man kann solche Luft betrachten als
atmosphärische Luft, welcher die Hälfte ihres gewöhnlichen
Stickstoffgehaltes genommen ist. Bine einmalige Dialyse der
Loft bringt uns also schon halbwegs auf der Bahn zur Br-
reicbang des Zieles : schliefslich aus atmosphärischer Luft
reinen Sauerstoff zu erhalten. Aber eine zweite Analyse
wurde uns nicht um ebensoviel weiter vorschreiten Isssen , da
dann nur die Hälfte von dem nach der ersten Operation dem
Sauerstoff noch beigemischt gebliebenen Stickstoff entfernt
wärde, und eine dritte Dialyse würde nur die Hälfte des nach
der zweiten Operation noch zurückgebliebenen Stickstoffs
entfernen, und so fort, so dafs jeder weitere Schritt in der
32 Graham, über die Absorption und dialyttsehe
Richtung , Sauerstoif zu erhalten , nur mit gröfseren Kosten,
als der Torhergehende, gethan und doch im besten Falle nur
eine gute Annäherung erreicht würde. Das practische Pro-
blem, zu dessen Bearbeitung die Luft -Dialyse Veranlassung
giebt, ist : die Mittel zu gewinnen, durch welche sich im
Grofsen und zu technischen Zwecken der Stickstoffgehalt der
Luft auf die Hälfte etwa verringern läfst
b) Durchseihen der Luft durch Gutta-Percha und andere
Scheidewände. Dünne durchsichtige Blätter aus einem ge-
wissen Material, welche als luft- und' wasserdicht bezeichnet
werden, sind vielfach in Gebrauch. Man sagt oft, dieses
Material sei Gaoutchouc, aber es ist Gutta-Percha, die wahr-
scheinlich durch ein trocknendes Oel erweicht ist. Wegen
seiner Weichheit und Dünne erschien ein solches Blatt aus
Gutta-Percha zuerst viel versprechend. Aber es ergab sich,
dafs es, für eine irgend beträchtlichere Fläche, nicht frei von
kleinen Oeffnungen ist. Bei Versuchen mit einem kleinen,
von Oeffnungen freien Stück ging die Luft nur sehr langsam
durch dasselbe hindurch. In einer Diffusiometer- Röhre von
1,3 Meter Länge und 20 MM. Durchmesser, welche an ihrer
Mündung mit einem solchen, durch Stuck unterstutzten Blatt
geschlossen war, fiel die Queksilbersäule in iSVs Stunden
von 28,7 auf 22,625 engl. Zoll Höhe. Das über das Queck-
silber eingetretene Gas mafs 13,54 CG. und enthielt 20,2
Sauerstoff auf 79,8 Stickstoff ; was beweist, dafs die Luft durch
Gas-Diffusion eingetreten war. Das Material ist in der That
hinlänglich porös, um den molecularen Durchgang von Gasen
langsam zu gestatten.
Ueberzüge aus Leim und aus trocknendem Oel sind auch
als Scheidewände zum Zweck der Dialyse versucht worden,
ohne dafs indessen bis jetzt bestimmte Resultate sich ergeben
hätten.
Scheidung der Gase durch colhndaie Scheidewände* 33
IL Wirkung metalliBcher Scheidewände bei Roth-
gltlhhitze.
Fhtin.
H. Sainte-Ciaire Deville und Troost haben in
der neueren Zeit die überraschende Thatsache entdeckt, dafs
Gase dorch die homogene Substanz einer Platte aus gegossenem
naiin oder aus Bisen hindurchgehen; dieser Durchgang
könnte sich möglicherweise in seiner Art des Auftretens dem
Durchgang von Gasen durch eine aus Caoutchouc bestehende
* Scheidewand analog erweisen. Zugleich wfire einzuräumen,
dafs die Hypothese von einer Verflüssigung der Gase nur in
einer allgemeinen und etwas unbestimmten Weise auf Körper
anwendbar wäre, welche bei erhöhter Temperatur so elastisch
und flüchtig sind, als diefs für Gase im Allgemeinen und für
Wasserstoff insbesondere der Fall sein mufs. Doch kann
immerhin ein gewisser Grad von Absorptions* und Ver-
flüasignngs- Vermögen für eine weiche oder flüssige Substanz,
unter welchen Umständen sie sich auch befinden mag, kaum,
gegenüber emer so offenkundigen Thatsache geläugnet werden,
dafs geschmolzenes Silber bei Rothglühhitze sein 18 bis 20-
faehes Volum Sauerstoff zurückhält. Es lafst sich mit Sicher-
heit annehmen, dafs die Neigung der Gase zur Verflüssigung,
wie sehr sie auch durch Erhöhung der Temperatur verringert
werden möge, doch eine allzu wesentliche Eigenschaft der
Materie ist, als dafs sie ganzlich ausgelöscht werden könnte.
Eine kurze Betrachtung zeigt auch, dafs die Absorption
von Gasen durch eine Flüssigkeit oder eine coUoidale Sub-
stanz nicht ein rein physikalischer Vorgang ist. Die Ab-
sorption erscheint als verknüpft mit gewissen Beziehungen in
der Zusammensetzung, so z. B. wenn sowohl das Gas als
auch die Flüssigkeit Kohlenwasserstoffe sind und die Lösungs-
AfKnität oder Lösungs- Anziehung mit in's Spiel kommen
JkMual. d. Ghem. u. Pharm. V. Bupplemeotbd. 1. Heft. 3
34 Graham, über die Absorption und dialyiische
kann. Sollte eine ähnliche Analogie za erwarten sein für
Wasserstoff und flüssige oder coUoidale Substanzen aus der
Klasse der Metalle ?
In Beziehung auf die mechanischen Poren eines festen
Körpers haben Flüssigkeiten vermuthlich ein grofseres Pene-
tmtions -Vermögen als Gase. Die ersteren zeigen sich oft
fähig, an festen Körpern zu adhäcirea, wahrend die Giase
sich wesentlich repulsiv zu verhalten scheinen« . Es lafst sich
ein Grad von Feinheit der Poren denken, welcher noch das
Eintreten einer Flüssigkeit znlafst, aber ein Gas, gerade was
die Molecular-Bewegiing desselben bei der Diffusion betrifft,
nicht mehr hindurchlafst
Endlich hat Deviile eine kühne und originelle Ver-
mutbung zur Erklärung seiner eigenen Beobachtungen auf-
gestellt, Sie ist klar ausgesprochen in der folgenden Ci-
tation aus Deville's letzter Veröffentlichung über diesen
Gegenstand :
,,La permeabUite de la mati^re est d'nne nature toute
differente dans les corps homognes, comroe le fer et le pla-
tine» et^ans des päles plus, ou moins diaeontinues, resserrees
par la cuisson ou la pression, oomme la terre k orenset, la
plombagine, dontH. Graham s'est servi dans ses m^morables
experiences. Dans les metaux, la porositö resulte de la di-
latation que la chaleur fait. eprouver aux espaces intermole-
cnlaires; eile est en relation avec la forme des molecules
que Ton peut toujours sapposer reguliöres, et avec leur
aligenement qui determine le clivage ou les plans de facile
fractnre das masses cristallisöes. G'est cet Intervalle inter-
motecnlaire que le phenomäna de la porositö des metaux purs
et fondus accuse avec une evidence eelalante, c'est aussi par
ce pbenomene qu'on peot esp^rer de calculer ia distance
das malocules s^olid^s aax lemperatares ele^ees oü les gaz
peuvent s'y uHroduirei^
Scheidung der Oase durch cotküdale Scheidewände, 96
Eine Moe Art von Porosität wird hier der Vorstelhing
geboten, welcher ein höherer Grad von Feinheit zukfime ab
der Porosität von Graphit und Irdefnzeugf. Es wire eine
intermoleeulare Porosität, weiche ganz auf der Ausdehnwigf
beruhte. Die intermoleeulare Porosität des Platins und des
Biaens iet bei niedrigen Temperaturen nicht hinreichend dafdr.
Gas durchzulassen, aber nach D e v il 1 e 's Yermuthung kann sie,
in Folge der ausdehnenden Wirkiuig der Hitze auf die Metalle,
gesteigert und bei der Glühhitze bemerkbar werden« Von
einer solchen Art von Porosität — existirt sie wirklich —
Uebe sich wohl erwarten, da& sie Licht werfe auf die Distanzen
der starren Molecüle bei erhöhten Temperaturen, wo Ga^e
durch dieselben Undurebgeben. Dafs einige Gase, namentlich
Wasserstoff, Mcht duroh Platin hiadufehgehen und andere
Gase mr schwierig, macht solche Holecakr-'Belriichlungen
um so bemerkanswertber.
Der Durchgang vent Wasserstoff durch erhitztes Platin
zeigt sich am Eialachsten, wenn man jenes Gas durch das
Metall hindurch in einen leeren Raum treten Übt De v i 1 1 e 's
Veraveh, bei welchem eine mit Stichstoff gefMlte Plalinröhre
in einer mit Wasserstoff gefällten weiten PorcoUailrdhre steh
befand, wurde in der Art abgeändert, dafis die am euien
Bade geseklessene Platiordhre aiv dem anderen Ende mk der
Sprengerseben Rohre in Verbindung gesetzt wurde, se
dafs der Wasserstoff nach einem leere» Räume statt nach
dem Stickstoff hin treten konnte. Man keimte diantf leicht
beobachten , dafs der mnere Raum Aer Platinröbre stunden'-
lang luftleer blieb, wenn das det^ rmgfdrmigen Raum zwischen
der Pfaitin^ und der Poreellanröhte erfiMleadeGas almoaphä^
risebe Lull oder Wasserstoffgas bei gewöhnlicher Temperatur
war. Das Rehrensystem ging quer dureb einen Ofen, und
der letztere wurde nun angeheizt:; es Uefa rieh beobaditen,
dafs, wenn Luft die PlatinrSbre umgab, das Vacumn innerhalb
3»
36 Graham f über die Absorption und dialytische
derselben ungeändert blieb, selbst wenn die Temperatur der
Röhren bis zum lebhaften Rothglühen gesteigert wurde. Aber
wenn der ringförmige Zwischenraum, welcher die Platinröhre
umgab, von trockenem Wasserstoff durchströmt wurde, so
begann das, bei allen Temperaturen unterhalb des dunkelen
Rothgluhens dem Gas den Durchgang nicht gestattende,
Platin, sobald die äufsere Porcellanröhre zum sichtbaren Roth-
gluhen erhitzt war, Wasserstoff in den inneren leeren Raum
durchzulassen. In 7 Minuten saugte nun die Sprengel 'sehe
Pumpe 15)47 GC. Gas ab, von welchen, nach den bei der
Explosion mit Sauerstoff erhaltenen Resultaten, 15,27 GC.
Wasserstoff waren.
Bei einer Wiederholung des letzten Versuches wurde
wiederum Wasserstoff, der mittelst Schwefelsäure getrocknet
war, im Uebersohusse aufsen um die Platinröhre herum cir-
culiren gelassen. Nachdem innerhalb der Platinröhre ein
Vacuum hergestellt war, betrug die von der SprengeTschen
Pumpe in der Kälte, innerhalb 40 Minuten abgesaugte Gas-
menge nur ein Stecknadelkopf- grofses Volum, was beweist,
wie dicht die Verbindungen des ganzen Apparates schlössen.
Während die SprengeTsche Pumpe fortwährend in Thatig-
keit war, wurden nun die Röhren zum Rothglühen und dann
aUmälig zu einer dem Wei£sglühen nahekommenden Tem-
peratur erhitzt« Das nun bei steigender Temperatur inner-
halb je 5 Hinuten ausgegebene Gas betrug 13; 15,5; 17,4;
16,9; 18,6 GG.; diese Volume gelten für 20<) G. und 760 MM.
Quecksilberdruck. Nach der letzten Beobachtung gingen in
1 Minute 3,72 GG. Wasserstoff durch das Platin hindurch.
Die angewendete Platinröhre war ohne Löthiing hergestellt,
nämlich aus einer durch Schmelzen vereinigten Platinmasse
ausgezogen; sie war in dieser Beziehung der von Deville
angewendeten Röhre ähnlich. Die Röhre war 0,812 Meter
lang, 1,1 MM. diok und von 12 MM. innerem Durchmesser.
Scheidung der Oase durch coUoidale Seheidewände. 37
Aber nnr ein etwa 300 MM. lange» Stück der Rdhre war
bei dieaem Versuche zum RothglQhen erhitzt. Die innere
Fliehe des erhitsten Theiles war also OfiWG Quadratmeter
groTs. Hiernach läfst 1 Quadratmeter erhitztes Platin in
1 Minute 480,2 CC. Wasserstoff in der Hitze hindurch. Dieses
Resultat MCst sieh mit dem Durchgang von Gasen durch eine
aus Caoutchouc bestehende Scheidewand vergleichen. Unter
den- günstigsten Umstinden, bei Anwendung der dännen
Membran efaies Caoutchouc- Ballons, betrug die Menge der
nach dem leeren Räume hin durchgegangenen Luft 26,5 CG.
für 1 Quadratmeter in 1 Minute. Der Durchgang von Wasser-
stoff kann 4,8 mal so rasch angenommen werden,' als der von
atmosphärischer Luft, oder zu i27,2 CC. in i Minute. Aber
wahrend die Dicke der Platin-Scheidewand 1,1 MM. betrug,
war die des Caoutchöuc-Hdutchens nur V70 MM. Wir haben
alsoalsschliefsliches Resultat der Vergleichung : Von Wasser-
stoffgas gehen in 1 Minute durch eine 1 Quadratmeter grofse
und 0,014 MM. dicke Scheidewand aus Caoutchouc bei 20^ C.
127,2 CC, durch eine eben so grofse und 1,1 MM. dicke
Scheidewand aus Platin bei lebhafter Rothglühhitze 489,2 CC.
— Wenn der Durchgang von Wasserstoff durch die beiden
Scheidewände auf derselben Wirksamkeit beruht, kann die
so beträchtliche Ueberlegenheit der Platin -Scheidewand als
mit der so beträchtlich höheren Temperatur derselben in Be-
ziehung stehend betrachtet werden?
Es bot Interesse, aufser dem Wasserstoffgas noch andere
Gase bezuglich ihres Vermögens, durch erhitztes Platin hin-
durchzugehen, zu untersuchen. Die Versuche wurden sämmt-
lieh in gleicher Weise und bei volter Rothglühhitze angestellt.
Diese Temperatur liegt, wie bemerkt werden mag, nicht
weü von derjenigen, bei welcher Wasser und Kohlensäure
Iheilweise zerfallen.
98 Graham, iiber die Absorption und didlytische
SoM^ratoff und Stiqkstoffi — Atmotfphäiische Luft, welche
«te diese beiden Gase reprSsentirend genommen werden kann,
Uefti man jetzt durch den ringförmigen Ranm ewischen den
beiden Rohren circuliren, wahrend das Innere d^ Platinrdhre
wie gewdhnHch luftleer erhalten wurde. Das während einer
Stunde bei anhaltender Wirkung der SprengeTschen Pumpe
gesammelte fiai betrug nur 0,3 CC. Wasserstoff wörde in
derselben Zeit 211 CC. gegeben haben. Es ist zudem sehr
zweifelhaft, ob diese unerhebliche, nur einen kleinen Bruch-
tbeil eines Cubikcentimeters betragende Menge Gas ganz durch
das Platin hindurch gegangen war; ein Theil oder das Ganze
könnte durch die Verbindungen des Apparats hineingekommen
sein. Das Platm kann somit, selbst bei voller RothglAhhitze,
nicht als bemerkbar Sauerstoff oder Sttchstoff durchlassend
betrachtet werden.
Kohlensäure. — Dieses Gas wurde aus einer Flasche
zugeleitet, in welcher es durch die Einwirkung von reiner
Salzsäure auf Marmor entwickelt wurde; es war mit Wasser
gewaschen und vor seinem Eintritt in die dufsere Porcellan-
röhre mittelst Schwefelsäure getrocknet. Die innere Platin-
röhre gab in ISiner Stunde nur Vio CC. Gas ans, von welchem
wiederum nur ein unbestimmt kleiner Theil durch Barytwasser
absorbirt wurde und sich als Kohlensäure auswies. Der
Durchgang der Kohlensäure durch Platin bei voller Roth-
glühhitze ist also unberechenbar gering.
Ohlor. — Dieses Gas wurde aus einer, Manganhyperoxyd
und Salzsäure enthaltenden Flasche entwickelt, mit Wasser
gewaschen, mittelst Schwefelsäure ge^ocknet und wie bei
den anderen Versuchen in die Porcellanröhre eingeleitet, so
dafs es den ringförmigen Zwischenraum zwischen den beiden
Röbren erfällte. Eine kleine, mit Kalkhydrat gefüllte Glas-
röhre war zwischen die Platinröhre und die Sprengel 'sehe
Pumpe eingeschaltet, so dafs etwa durch das Platin hindurch-
Scheidung der Oa$e durch coüoidale Seheidewände. 38
gedrungenes Chlor darin absorbkrt werden muble. . Nachdem
die Plalinröbre eine Stande lan|; erhilzt gewesen war^ wurde
der Kalk auf einen Chlorgehalt untersucht; aber er entUelt
keine Spur Chlor. Eine kleine, 0,15 CC. betragende Menge
Gas, yemutblich Luft, wurde während dieser 2eit au^eciam-
melL Das Platin wird also bei RolhglübhilUe durch Chlor
nicht in benMrklicher Weise durchdrungen.
Mittelst Sebwe£elsiure getrocknete QihrwaseerMoffeäure
wurde eine Stunde lang durch die Porcellanrökre geleitet
Etwa Qy5 CC. Gas wurden aus der Platinrdhre gesammelt, worin
weder Chlorwasserstoffsaure noch freier Wasserstoff enthalten
war. Das glühende Platin lifst also Chlorwasserstoffsäure
nicht hindurch und scheint auch dieses Gas bei der Yer-
snehsteraperatur nicht zum Zerfallen in seine Elemente zu
bringen.
Waeeerdampf, — Bin Strom von Wasserdampf wurde
eine Stunde lang durch die Porcellanröhre geleitet Wahrend
dieser Zeit, wurde Vt CC. Gas aus der Platinröhre abgesaugt,
welches Gas kanen Wasserstoff enthielt Es liegt Nichts
Yor, was darauf könnte sohliefsen lassen , dafs Wasserdampf
durch das Platin hindurch gegangen oder dafs er zersetzt
worden wäre.
Ammoniak. — Es zeigte sich, ddfs von diesem Gas bei
dem Durchleiten desselben durch den erhitzten ringförmigen
Zwischenraum ein beträchtlich grofser Theil zersetzt wurde,
während zugleich Wasserstoff durch das erhitzte Platin hin-
durchging. Obgleich das Ammoniak in beträchtlichem Ueber-
schusse zugeleitet wurdO; war doch keine Spur von unzer-
setztem Ammoniak neben dem freien Wasserstoff in dem
aus der Platinröhre ausgesaugten Gas nachzuweisen. Wenn
das Ammoniak langsam entwickelt wurde, betrug die Menge
des in die Platinröhre eintretenden Wasserstoffs 16,4 CC. in
5 Minuten oder nahezu ebensoviel, wie wenn reiner Wasscr-r
40 Oraham, UAer die Absorption und diafyHsche
Stoff durch den ringförmigen Zwischenraom geleitet wurde.
Das Ammoniak ist hiernach nicht fähig, durch erhitztes Platin
hindurchzugehen.
Steinkohlengas. — Als Stebikohlengas durch die Röhre
geleitet wurde, kamen in auf einander folgenden Zeitriumen
von je 20 Minuten folgende Mengen Gas durch das Platin :
13,3 CC, 5,2 CC. und 8,8 CC. Die erste Portion trfibte nach
dem Bxplodiren mitSau^stoff nicht Barytwasser; die 13,3 CC.
enthielten 13,16 CC. Wasserstoff. Hiernach war das durch-
gegangene Gas nur freier Wasserstoff, und kein in dem Stein-
kohlengas enthaltenes kohlenstofliialtiges Gas war fähig, durch
das Platin zu gehen. Kohlenoxids Sumpfgas und 'olbädendee
Oasj welche alle durch das Steinkohlengas reprisentirt
werden, sind also nicht fähig, durch das Platin hindurchzu-*
gehen.
Schwefelwasserstoff. -^ Dieses Gas wurde aus Schwefel-
antimon und Salzsaure dargestellt, gewaschen und mittelst
Chlorcalcium getrocknet, und durch die äufsere Porcellanröhre
geleitet. Fast die ganze Menge des Schwefelwasserstoffs
wurde zu Schwefel und Wasserstoff zersetzt, und letzterer
ging durch das Platin hindurch, im Betrage von 9 CC. in
5 Minuten. Auch eine Spur Schwefel Wasserstoff mag hindurch-
gegangen sein, da das Quecksilber in der Sprengel 'sehen
Pumpe etwas verunreinigt wurde ; aber kein Anzeichen dieses
Gases konnte in dem aufgesammelten Wasserstoff wahrge-
nommen werden. Hiernach ist der Schwefelwasserstoff zu
den Gasen zu rechnen, welche durch das Platin nicht hin-
durchgehen.
Die Resultate dieser Versuche sind :
Fftbig ist, doroh eine Scheidewand aus Platin von 1,1 MM. Dicke
bei ToUer Rothglfihhitze hindarcbsogehen :
»
Wasserstoff (211 GG. in der Stunde).
Nicht fähig sind, durch eine Scheidewand aus Platin Ton 1,1 MM.
Diche bei voller Roibglübhitee hindurchzugeben :
Seheidung der Gase durch colhndah Seheidewände. 4i
Smientoff (nooh nicht 0,2 CO. in der fitonde)
Stiekftoff „ „ „ „ „ „
Chlorwasserstoflf ,, „ „ „ „ „
Wagserdampf „ „ „ „ „ „
Kohlensäure „ „ „ „ „ „
Kohlenoxyd „ „ „ „ „ „
Sumpfgas „ „ „ „ „ „
Oelhildendes Gas „ «, „ „ „ ,,
Schwefelwasserstoff „ „ „ »> n n
Ammoniak „ „ „ „ „ „.
Es bleibt noch za entdecken, ob für diese Gase ein
Darcbgang durch eine Platin -Scheidewand dadurch bewirkt
werden kann, dafs man die Scheidewand viel dänner nimmt,
oder dafs man bei ungeänderter Dicke der Scheidewand die
Temperatur viel höher sein läfst. Ein trägerischer Anschein
von Dnrchgangsfähigkeit wird manchmal dadurch veranlafst,
dafs, wie sich sogleich ergeben wird, das Platin manchmal
selbst eine kleine Menge Gas entweichen lafst, welches haupt-
sächlich ans Kohlenoxyd und Wasserstoff besteht. Unzwei-
deutige Resultate bezuglich der Durchgangsfahigkeit erhält
man deshalb erst, wenn die Platin^Scheidewand schon 1 bis
2 Stunden lang erhitzt gewesen war.
Einer von den merkwürdigen Versuchen Deville's
wurde wiederholt, bei welchem Wasserstoff nahezu so aus
der Platinröhre zu entweichen scheint, wie dasselbe Gas aus
einem Graphit - Diffusiometer entweichen würde; bei diesem
Yersuche war die^ Platinröhre mit Wasserstoff angefällt,
wahrend der ringförmige Zwischenraum zwischen der Platin-
röbre und der aufseren Porcellanröhre mit atmosphärischer
Lufk angefQllt war. Bei der höchsten Temperatur wurde der
Zoflols von Wasserstoff in das eine Ende der Röhre abge-
schlossen, wiUirend das andere Ende der Platinröhre in Ver-
binduDg mit einer Barometerröhre gelassen wurde, welche
in 0 Minuten Zeit
n 10
ff ff
ff 20
ff ff
ff 30
ff ff
ff 40
» »
ff 50
» ff
42 Graham j über die Absorption und dialy tische
in eine QuecksilberwaTine eintauchte. Sofort beganif das
Quecksilber in der Barometerröhre zu steigfen, in Folgte des
Durchgangs des Wasserstoffs durch die Wandungen der
Plalinröhre nach Aufsen; und die letztere wurde zuletzt in
Folge des vollständigen Bntweichens des Wasserstoffs fast
luftleer. Es betrug das Steigen des Quecksilbers in der
Barometerröhre bei diesem Versuche :
0 MU.
115 »
245 ^
400 „
535 „
645 „
ff 60 „ „ 710 n
während der Luftdruck zur Zeit dieser Beobachtungen 750 MM.
Quecksilberhöhe entsprach. Der von dem noch rückständigen
Gas ausgeübte Druck betrug also nicht mehr als 40 HM.
Quecksilberhöhe. Das Verhältnifs zwischen den Gasvolumen
am Anfang und am Ende der Stunde ist hier wie 18;75 zu 1,
während bei einem Versuche, wo Wasserstoff in Luft diffun-
dirt, diefs Verhältnifs wie 3,8 zu 1 sein würde. Ferner ent-
hielt das in der Platinrohre noch rückständige Gas eine
kleine Menge Wasserstoff. Mittelst der SprengeTschen
Pampe abgesaugt betrug dieses rückständige Gas 3^56 CC,
und es bestand aus
Stickstoff 8,23 CC.
Wasserstoff 0»84 „
3,66
Die in Betracht kommende Gapacität der Platinrohre be-
trug 113,1 CC, und das bei dem Erhitzen der Röhre durch
Ausdehnung ausgetriebene Gas mafs in der Kälte 39,5 CC.^
so dafs in der heifsen Platinröhre 73,6 CC. Gas, gemessen
bei 20^ und unter 760 MM. Queeksilberdrnck, zurückblieben.
Es wurde bei diesen Versuchen nöthig befunden, den inner^
St^eidung der Oase durch coUotdale Scheidewände. 43
htlb des Ofens befindlichen und starkem Erhitzen ausgesetz-
ten Theil der Platinrohre mit Asbest auszustopfen, um der
dorch die Glähhitze erweichten Röhre eine Unterstützung
SU geben und sie vor dem Zusammenfallen zu bewahren«
Es ist schwer zu sagen, woher die kleine, 3,22 CG. bei-
tragende Menge Stickstoff eigentlich herkam, welche in der
Platinröhre gefunden wurde. Sie ist immerhin noch zu be-
trächtlich, als dais man annehmen könnte, sie wäre, als
Verunreinigung in dem ursprünglich angewendeten Wasser-
stoffgas enthalten gewesen, oder sie sei durch undichte Ver-
bindungen des Apparats in den leeren Raum eingedrungen.
Dieses Auftreten von Stickstoff veranlafst zur Unter-
suchung, ob dieses Gas — wenn für es anzunehmen ist, dafs
es nicht für sich allein durch Platin hindurch in einen leeren
Raum eindringen kann •*- nicht die Fähigkeit besitze, dann
in kleiner Menge durch Platin hindurch zu gehen, wenn
gleichzeitig Wasserstoff in entgegengesetzter Richtung durch
das Platin geht Der in der Platin-Scheidewand im flüssigen
oder gasförmigen Zustande enthaltene Wasserstoff gäbe dann
das Uebertragungsmittel oder den Kanal ab, dessen Beihülfe
dafür anzunehmen wäre, dafs ein anderer analoger Körper
wie Stickstoff, auf Grund der Diffusion von Flüssigkeiten oder
Gasen, in kleiner Menge durch das Platin hindurchgehen
könne.
Vermögen des PlatinSy Wasserstoff zu abeorbiren und
sstrüchzuhaUen. — Dem Durchgang eines Gases durch eine
coUoidale Scheidewand geht nach der in dieser Abhandlung
dargelegten Auffassung die Condensation des Gases durch
die Substanz der Scheidewand vorher. Ist nun eine erhitzte
Platinplatte fähig. Wasserstoffgas zu condensiren und zu ver-
flössigen? Dieser Gegenstand liefs kaum auf andere Art ex-
perimentale Untersuchung zu, als durch Anwendung desselben
nützlichen Apparates zum Aussaugen von Gas, welcher für
44 Oraham^ über die Absorption und dialytische
die Versuche mit nicht -metallischen Golloid-Sobstanzen an-
gewendet worden war. Die Versuche mit Metalien wurden
stets in derselben Weise ausgeführt, so dafs es für alle
genügt, die Binzelnheiten Eines Versuches hier zu be-
schreiben*).
Platin in Draht- oder Blattform wurde zunächst von an-
hangender fettiger Substanz durch Kochen mit ätzendem Al-
kali und dann mit destillirtem Wasser gereinigt. Das Platin,
im Allgemeinen in Drahtform, wurde (vgl. Fig. 3 auf Tafel I)
dann in eine sowohl innen als aufsen glasirte Porcellanröhre
MN gebracht, deren Lange 0,55 Meter und deren innerer
Durchmesser 23 HM. war. Diese Röhre konnte erhitzt werden
entweder mittelst eines Verbrennungsofens, wie er für or-
ganische Analysen angewendet wird, oder indem sie quer
durch einen kleinen cylindrischen Ofen gelegt wurde. Die
Porcellanröhre wurde an beiden Enden mit durchbohrten
Korkstopfen versehen, welche mit geschmolzener Gutta-Percha
gut verkittet waren und durch deren jeden eine dünne Glas-
röhre hindurchging. So war der Theil des Apparates einge-
richtet, welcher gleichsam als 'das Destillations-Gefäfs be-
trachtet werden kann. Er war an dem Ende N mittelst einer
guten Verbindung^ aus (nicht vulcanisirtem) Caoutchouc mit
der S p r e n g e Tschen Pumpe AB in Communication, welche
zum Auspumpen und zum Ueberfüllen des Gases benutzt
wurde, und an dem anderen Ende M mit dem Apparate zum
Zuleiten von trockenem Wasserstoff, atmosphärischer Luft
oder irgend einem anderen Gas. Mittelst eines Quetschhahns
an der Gaoutchouc-Verbindung bei M konnte die Röhre ab-
geschlossen werden, und nach Wegnahme des zur Zuleitung
*) Platin absorbirt iu der Form von Platinschwarz sein 745 faches
Volum Wasserstoffgas. Trait^ de ohimie g^n^rale par MM. Pe-
loose et Fremy I1I| 898.
Scheidung der Oase durch coUöidale Scheidewände. 45
TOD Chis dienenden Apparates blieb die Porcellanröhre am
einen Ende geschlossen. Eine Röhre aus dem für Ver-
brennungsanalysen angewendeten schwer-schmelzbaren Glase
kann bei mehreren derartigen Versuchen an der Stelle der
Porcellanröhre genommen werden. Ein geringerer Hitzegrad
genügt, als zuerst vermuthet wurde. — Die Porcellanröhre
wird ausgepumpt, indem man die SprengeTsche Pumpe
10 bis 15 Minuten lang wirken läfst, bis nicht mehr kleine
Gasblasen durch die Röhre A B in der unteren Quecksilber-
wanne ausgegeben werden. Dafs die Verbindungen genügend
dichi sind, wird so zuerst festgestellt. Durch nachberiges
Erhitzen der Porcellanröhre überzeugt man sich auch davon,
daft sie bei Rothglühhitze kein Gas durchlafst. — Das in die
Porcellanröhre gebrachte Platin nahm darin etwa Vs des
mittleren Theiles der Röhre ein, wo es ohne Schwierigkeit
erhitzt werden konnte. Der Apparat gewahrt olTenbar die
Mittel, sowohl das Platin im leeren Räume als auch in einer
Atmosphäre von VITasserstoff oder von einem anderen Gas
zu erhitzen, welches man in das Innere der Porcellanröhre
bei M eintreten liefs.
Oeachmolzenes Platin, — Aus Platin gearbeitete Geräth-
schaften werden jetzt ausschliefslich aus geschmolzenem
Metall angefertigt.
i) Eine Quantität reinen Platindrahts aus geschmolzenem
Metall, 0,695 Meter lang, 4,1 MM. Dick und 201 Grm. wiegend,
wurde zusammengebogen und in die Porcellanröhre gebracht,
welche dann luftleer gemacht wurde. Das Platin wurde zu-
nächst eine Stunde lang für sich erhitzt, um alle etwa von
ihm auszugebenden gasförmigen Producte auszutreiben, und
dann wurde trockenes VITasserstoffgas in die Porcellanröhre
eingelassen, welches aus reiner Schwefelsaure mittelst reinen
Zinks entwickelt war. Ein Ueberschufs von Wasserstoff
wurde bei Kirschroth-Gluhbitze in die Porcellanröhre einge-
46 Oraham^ über die Absorption und dicdytische
leitet, und dann liefs man die Temperator allmilig sinken :
ein Verfahren , welches als die Absorption des Gases begün-*
stigend befanden wurde. Das Platin wurde aof diese Art
etwa 20 Minuten lang in einer Wasserstoff-Atmosphäre er--
halten, theilweise bei einer Dunkelroth-Glähhitze übersteigen-
den und theilweise bei einer unter derselben liegenden
Temperatur, zuletzt bei der niedrigeren Temperatur. Nach-
dem das Feuer weggenommen und die Röhre erkaltet war,
wurde Luft oder Stickstoff durch sie geleitet und aller freier
Wasserstoff auf diese Art aus dem Apparat ausgetrieben.
Die geschlossene Röhre wurde nun in der Kälte ausge-
pumpt, aber das aus ihr austretende Gas enthielt keinen
Wasserstoff. Wahrend in der Porcellanröhre noch ein gutes
Vacuum erhalten blieb, wurde sie wiederum allmalig erhitzt
und die SprengeTsche Pumpe wirken gelassen. Zugleich
mit dem ersten sichtbaren Erglühen begann Gas ausgegeben
zu werden. Wahrend die Porcellanröhre zum Rothglühen
erhitzt war, wurden in einer Stunde 2,i2 CC. Gas aufge-
sammelt, davon etwa ein Dritttheil in den ersten 10 Minuten.
Dieses Gas ergab sich, durch Explosion mit Sauerstoff, als
bestehend aus :
Wasserstoff 1,93 CG.
Stickstoff 0,19 „
Nehmen wir nun das specifische Gewicht des Platins zu
21,5 an, so ist das Volum der 201 Grm. Metall 9,34 CC.
Hiernach hielt 1 Vol. Platin
0,207 Vol. Wasserstoff
absorbirt, das Gas in der Kälte gemessen. — Das Platin war
dadurch, dafs es Wasserstoff aufgenommen hatte, in seiiMm
Glans oder in irgend anderer Beaiebasg nicht benerkliok
verändert.
2) Dasselbe Stuck Platindraht wurde zu dam Vierfachen
yon seiner urstwünglichen Länge aasgeaegen' nnd der Versoab,
Scheidung der Oase durch coüotdale Scheidewände. ^
es mil Wasserstoff zu beladen , wiederholt. Das Platin gab
bei Rothglahhitze, welche man eine Stande lang andauern
liers, 1,8 CG. Gas, wovon 1,6 CG. Wasserstoff waren. Hier'^
nach hatle 1 Vol. Platin
0,171 Vol. Wasseratoff
znräckgehahen. Die Absorption des Wasserstoffs war durch
Vergröfsernng der Oberflache des Metalls nicht gesteigert
worden.
In zwei anderen Versuchen mit demselben Platindralit
war das Yolam des von 1 Vol. Platin zurückgehaltenen
Wasserstoffs :
3) 0,173 GC. Wasserstoff;
^) 0,128 „
Offenbar zeigt sich hier, was die Menge des aufge-
nommenen Wasserstoffs betrifft, eine Neigung, dafs sie kleiner
werde. Für die Vergleichung dieser Versuche mit den
früher bezuglieh des Durchgangs von Wasserstoffgas durch
eine Platm-'Scheidewand angestellten war es vortheilhaft, dafs
der hier benutzte Draht und die zu jenen Versuchen ange-
wendete Röhre aus derselben Masse geschmolzenen Platins
angefertigt waren. Diesem Platin war kein Iridium zugesetzt
worden, wie man es manchmal zur Vergröfsernng der Ela-
sÜeMI des ttetalles thut. Die Absorption von Wasserstoff
ist nur gering; sie belauft sich im Mittel der 4 Beobachtungen
auf 17 p€. von dem Volume des Platins. Bei der der Dunkel-
rolh-GlQhhitze entsprechenden Temperatur, bei welcher die
Absorption statt hatte, wfirde das Gas beträchtlich, bis auf
das Dreifache des eben angegebenen Volumes ausgedehnt
sein md etwa 51 pC. oder die Hälfte von dem Volum des
Platins betragen. Es ist in Betracht zu ziehen, ob die Ab-
sorption des halben Volums an Gas dafür hinreichend sein
mdge, den beobachteten Durchgang durch eine 1,1 MM. dicke
Platfai-Scfaeidewan^ erkliren zu lassen. Die Data scheinen
48 Oraharriy über die Absorption und dialytisehe
einer bejahenden Schlufsfolgerang günstig zu sein; aber ea
lafst sich nicht mit Bestimmtheit angeben, welcher Werth
ihnen zukommt.
Das stellt sich heraus, dafs für das Platin eine neue
Eigenschaft anzuerkennen ist : ein Vermögen, bei Rothglüh-
hitze Wasserstoff zu absorbiren und dieses Gas bei einer
Temperatur unterhalb der Rotbglühhitze unbestimmt lange
Zeit zurück zu halten. Es mag zulassig sein, dieses Vermögen
als eines, Wasserstoff einzuschliefsen (occludere), zu bezeich-
nen, und die Wirkung als die Occlusion des Wasserstoffs
durch* Platin.
Die Versuche wurden noch ausgedehnt auf Platin in
anderen Formen dieses Metalles; aber es ist zu bemerken,
dafs für diese Versuche nicht geschmolzenes sondern nur
zusammengeschweifstes Metall, welches auch schon vor
längerer Zeit dargestellt war, angewendet wurde.
5) Von dem grauen pulverigen Platinschwamm, wie
man ihn aus dem Ammoniumplatinchlorid erhalt, wurden 22,2
Grm. mittelst des Verbrennungsofens erhitzt und eine halbe
Stunde lang allmalig in trockenem Wasserstoffgas erkalten
gelassen, ganz so wie bei den vorhergehenden Versuchen^
Das Volum des Platins berechnet sich zu 1,032 CC. Bei
einem ersten Versuche gab es erhitzt und der Einwirkung
der Sprengel'schen Pumpe unterworfen 2,2 CC. eines
Gases, welches wie Wasserstoff brannte. Bei einem«zweiten
Versuche gab das Platin in einer Stunde (zu welcher Zeit
es Nichts mehr zu enthalten schien) 1,7 CC. Gas, welches
durch Explosion als aus 1,52 CC. Wasserstoff und 0,18 CC.
Stickstoff bestehend befunden wurde. Hier zeigte sich also
1 Vol. schwammförmiges Platin fähig, 1,48 Vol. Wasserstoff
einzuschliefsen.
6) Bearbeitetes Platin, in der Form einer Platte aus
einem aufgeschnittenen alten Tiegel, wurde nach dem Waschen
Scheidung der Gase durch coüotdale Scheidewände, 49
und Glühen dreimal mit Wasserstoff beladen. Das Gewicht
des Platins war 24,1 Grm. und das Volum 1,12 CC. Es gab in
75 Minuten 4,19 CC. Gas , und in weiteren 30 Minuten noch
1,5 CC, also zusammen 5,69 CC, in welchen 4,94 CC.
Wasserstoff gefunden wurden ; die Temperatur war 14,2^ der
Barometerstand 760 MM. Nicht eine Spur Kohlensäure wurde
in dem Gas gefunden, weder vor noch nach der Explosion.
Nach einer zweiten Beladung des Platins gab es in einer
Stunde 5,12 CC. Gas, von welchen 4,4 CC. Wasserstoff waren;
•
und letztlich in einer Stunde 3,76 CC. Gas, worin 3,42 CC.
Wasserstoff. Es waren also hier durch 1 Vol. Platin ein-
geschlossen :
6,58 Vol. Wassentoff
4,93 « , »
8,83 „ » • n
Das Volum des eingeschlossenen Wasserstoffs ist hier
viel gröfser, als es bei dem geschmolzenen Platin und selbst
bei dem schwammförmigen Platin gewesen war. Es zeigt
eine Neigung, bei Wiederholung des Versuches herabzugehen.
Diese Abnahme in dem Absorptionsvermögen. mag möglicher-
weise mit der Verkürzung der Zeit zusammenhangen, während
welcher das Metall bei dem Abkühlen der Einwirkung des
Wasserstoffs ausgesetzt war.
7) Bearbeitetes Platin, welches vor vielen Jahren in die
Form einer kleinen Bohre von 64,8 Grm. Gewicht, 0,322
Heter lange und 5 MM. Durchmesser gebracht worden war,
wurde in drei gleich lange Stücke zerschnitten, um das
Metall in die Porcellanröhre bringen, darin erhitzen und mit
Wasserstoff beladen zu können. Bei einstündigem Aus-
pampen gab dann das Platin 9,2 CC. GaS; worin 8,9 CC.
Wasserstoff. Das Volum des Platins selbst betrug 3,9 CC;
und 1 Vol. Metall hatte also 2,28 Vol. Wassserstoff; bei etwa
20^ C. gemessen, eingeschlossen. Bei allen solchen Ver-
Aanal. d. Ohem. u. Pharm. V. Sapplementbd. 1. Heft. 4
50 Orahatn^ über die Absorption* und dialy tische
suchen wurde, aofser dem dafs der freie Wasserstoff durch
Luft ausgetrieben wurde, der Apparat auch mittelst der
Sprengel'scben Pumpe in der Kälte vollkommen ausge-
pumpt, bevor der eingeschlossene Wasserstoff herausgezogen
wurde.
Der Glanz und das aufsere Ansehen des metallischen
Platins Wurde durch die Aufnahme von Wasserstoff nicht
abgeändert ; aber nach dem Wiederaustreten des eingeschlosse-
nen Gases war die Farbe des Platins weifser geworden und
seine Oberfläche mit kleinen Blasen bedeckt.
Bei Wiederholung des Versuches betrug das durch ein-
stundiges Aussaugen erhaltene Gas 8,7 GG., worin 8,46 GG.
Wasserstoff. Hier hatte also das Metall sein 2,8 faches
Volum Wasserstoff eingeschlossen.
Dasselbe Platin wurde noch ein drittes Mal mit Wasser-
stoff beladen; aber bei diesem Versuche befand sich das
Platin in einer Röhre von schwer-schmelzbarem Glase, welche
mit der Sp r eng el'schen Pumpe verbunden war. Die Glas-
röhre wurde in einem Oelbad erhitzt und dai^ Platin eine
■
Stunde lang im leeren Räume bei 220^ C. erhalten. Nicht eine
Gasblase wurde entwickelt. Die Glasröhre wurde nachher
mittelst eines kleinen Bunsen 'sehen Brenners erhitzt, welcher
so gewählt war, dafs er einen nur wenig unter sichtbarer
Rothglühhitze liegenden Hitzegrad gab ; noch trat kein Wasser--
Stoff aus. Die Röhre wurde nun hinreichend stark erhitzt,
um Glas zu erweichen (500^) ; Gas begann nun sich zu ent-
wickeln, von welchem in 10 Minuten 1,8 CG. gesammelt
wurden, worin 1,72 CG. Wasserstoff. Da das Glasrohr einen
Sprung bekam, liefs man den ganzen Apparat erkalten und
brachte das Platin in eine Porcellanröhre. Bei weiterem ein-
stundigem Erhitzen mittelst eines Verbrennungs- Ofens gab
das Platin 8,6 GG. Gas aus, von welchen 8,2 CG. Wasser-
Scheidung der Oase durch coUaidale Scheidewände, 51
Stoff waren. Hiernach hatte das Platin sein 3,79 faches Volum
Wasserstoff eingeschlossen.
Nach dem vorhergehenden Versuche ist zu schliefsen,
dafs der eingeschlossene Wasserstoff bei niedrigen Tempera-
turen gleichsam luftdicht verwahrt ist , sofern nämlich , ob-
{gleich das Platin nahezu sein 4faches Volum eingeschlossen
enthielt, doch unterhalb der Rothglühhitze kein Gas austrat.
Aber um den Einflufs der Zeit bei gewöhnlicher Lufttempera-
tur zn untersuchen, wurde dasselbe Platin, nochmals mit
Wasserstoff beladen, in eine Glasröhre luftdicht eingeschmolzen,
welche es nahezu ausfüllte, und diese erst nach zwei Monaten
geöffnet. Die Luft in der Röhre wurde dann übergefüllt
und untersucht. Sie erlitt bei Einwirkung electrischer Funken
oder eines Kögelchens aus Platinschwamm keine Volum-
verminderung. Die Luft enthielt hiernach keinen Wasserstoff ;
der letztere war nicht von dem Platin weggegangen, sondern,
wie anzunehmen ist, noch seiner ganzen Menge nach von
dem Platin zurückgehalten. Diese Versuche waren, wenn
sie hier auch zuletzt beschrieben wurden, die bei dieser
Untersuchung zuerst angestellten. , Der eingeschlossene
Wasserstoff wurde niemals innerhalb einer Stunde vollständig
ausgezogen, und seine Menge ist vermuthlich zu gering an-
gegeben. Das Gas ging immer nur allmalig weg, mehr als
die Hälfte des GaiTzen in den ersten 20 oder 30 Minuten.
Die zuletzt besprochenen Resultate lassen sich zusammen-
fassen :
1 Vol. gehämmertes Platin soblo/li ein 2,28 Vol. Wasserstoff
II 11 « I» » » *|OV D }|
V II 1» » » » «»'• • «
Daa beträchtliche Absorptionsvermögen des gehämmerten
Platins, oder vielmehr das geringe Absorptioosvermögen des
geichmobenen Metallea wurde dem Umstände zugeschrieben,
dafs beide mecbantsch verschieden sind : dem ersteren nam-
52 Orahatn^ über die Absorption und dialy tische
lieh eine geöffnetere Textur zukommt, welche dem, vielleicht
verflässigten Wasserstoff freieren Zutritt in das Innere des
Metalies gestattet,
8) Dafür, dafs der vom Platin eingeschlossene Wasser-
stoff aus demselben frei gemacht werden könne, war immer
eine der Rothgiühhitze nahe kommende Temperatur nöthig
gewesen, auch wenn die Herstellung eines leeren Raumes
mitwirkte; und diefs bleibt gültig für Wasserstoff, welcher
ursprünglich bei Rothglühhitze oder bei einer nahekommenden
Temperatur absorbirt worden war. Aber die Thatsache
scheint vereinbar zu sein damit, dafs Wasserstoff, unter dem
gewöhnlichen Luftdruck, bei beträchtlich niedrigerer Tempe-
ratur absorbirt wird. Dünne Piatinfolie wurde zuerst von
etwas in ihr bereits enthaltenem Gas durch Glühen in der
Porcellanröhre im leeren Räume befreit. Dann wurde diese
Platinfolie in eine Glasröhre gebracht, in einem Strome von
Wasserstoffgas in einem Oelbad drei Stunden lang auf eine
230^ C. nicht übersteigende Temperatur erhitzt und in einer
Atmosphäre desselben Gases einige Stunden lang alimalig
erkalten gelassen. Eine zweite Glasröhre, in welche die
Platinfolie gebracht worden war, wurde wie gewöhnlich bei
20^ ausgepumpt, ohne dafs sich Wasserstoff in bemerklicher
Menge entwickelt hatte. Ahet als alicb noch zum Rothglühen
erhitzt wurde, wurden in 20 Minuten (doch fast die ganze
Menge in den ersten 7 Minuten) 0,75 CG. Gas ausgegeben,
wovon 0,56 CG. Wasserstoff waren. Das Volum von 8,3 Grm.
Platin ist 0,385 CG. Hiernach hatte 1 Vol. Platinfolie in
3 Stunden 1,45 Vol. Wasserstoff bei 230^ aufgenommen.
9) Dieselbe Menge Platinfolie wurde abermals mit Wasser-
stoff 3 Stunden lang bei noch niedrigerer Temperatur, näm-
lich zwischen 97 und 100^, beladen. Bei nachherigem Aus-
pumpen bei Rothglühhitze gab nun das Platin in 35 Minuten
0,5 CG. Gas aus, wovon 0,3 CG. Wasserstoff waren. Es
Scheidung der Oase durch coüo^Uiale Scheidewände. 53
hatte also 1 Vol. Platinfolie bei 100^ 0,76 Vol. Wasserstoff
aufgenommen.
Hiernach verhält* sich das Platin dem Palladinm ähnlich,
welches unter allen Metallen im höchsten Grade das Vermögen
besitzt, Wasserstoff zu absorbfren.
Palladium,
In* den letzten Jahren ist das Palladium verhältnifsmäfsig
selten geworden, und es kostete zuerst einige Mühe, mehr
als 1 oder 2 Grm. von diesem Metalle in der Form dünner
Folie zu erhalten. Die zuerst angewendete Palladiumfolie
wog 1,58 Grm. und ihr Volum betrug 0,133 CC, wenn man
das spec. Gewicht des Metalls = 11,86 annimmt; die Ober*-
flache betrug 0,00902 Quadratmeter. Sie gab, wenn im leeren
Räume eine Stunde lang erhitzt, 1,50 CC. bereits absorbirtes
Gas aus, welches keine Kohlenstoff- Verbindung enthielt,
sondern aus Wasserstoff und Luft bestand.
i) Da vorläufige Versuche darauf schliefsen liefsen, dafs
die Occlusion von Wasserstoff durch Palladium ein schon
bei verhältnifsmäfsig niedriger Temperatur vor sich gehendes
V^änomen sei, so wurde das Metall in Wasserstoff nicht
höher als bis zu 245^ C, in einem Oelbad^ erhitzt und sehr
langsam erkalten gelassen, so dafs es durch noch niedrigere
Temperaturen hindurchging, welche der Absorption von Wasser-
stoff günstig sein mochten. Als dann das Metall in die Glas-
röhre gebracht worden war, in welcher das absorbirte Gas
wieder frei gemacht werden sollte, trat bei 17,8^ C. im leeren
Raum kein Gas auf; aber sowie der Verbrennungs- Ofen in
Brand gesetzt wurde, entwickelte sich sofort Gas. Von der
ersten aufgesammeilen Portion, 11,77 CC, bestanden 11,74 CC.
aus Wasserstoff. Die Gasentwickelung war nach 15 Minuten
beendet; 69,92 CC. Gas wurden gesammelt, wovon der
gröfsere Theil in den ersten 10 Minuten. Das Palladium
54 Graham^ über die Abearption und dialt/tische
hatte ako ein sehr betrichlliches Volum Gas aufgenommen,
bei einer Temperatur, welche niemals 245^ C. überstieg :
1 Vol. Palladium schlofs 526 Vol. Wasserstoff ein.
2) Bei einem ähnlichen Versuche wurde die Absorptions-
temperatur mit gutem Erfolge noch niedriger gehalten. Das
Palladium wurde der Einwirkung des Wasserstoffs 3 Stunden
lang bei 90 bis 97^ C. ausgesetzt und dann in dem Gase
1 V2 Stunde lang abkühlen gelassen. Als es jetzt in ein 6
Glasröhre gebracht, diese ausgepumpt und mittelst einer Gas-
flamme erhitzt wurde, gab das Palladium wahrend 12 Minuten
einen anhaltenden Gasstrom aus, welcher dann aufhörte.
Das Gas betrug 85,56 CG. und enthielt 96,8 pC. Wasserstoff;
die Temperatur war 17,5^ der Barometerstand 764 HM.
1 Vol. Palladium hatte 643,3 Vol. Wasserstoff eingeschlossen.
Der zu diesen Versuchen angewendete Wasserstoff war
durch meinen Assistenten, Herrn W. C. Roberts, mit der
gröfsten Sorgfalt gereinigt worden, indem er nach einander
durch Alkohol, Wasser, Aetzkali und durch Röhren von je
0,7 HM. Länge geleitet wurde, welche Glasstücke enthielten,
die mit salpetersaurem Blei, schwefelsaurem Silber und Vi-
triolöl du: htrankt waren. Das Gas war geruchlos und branntP
mit einer kaum sichtbaren Flamme. •
Es zeigte sich keine Aenderung in dem metallischen
Aussehen der Palladiumfolie, je nachdem sie mit Wasserstoff
beladen war oder denselben wieder abgegeben hatte. Die
Folie war sehr zusammengeknittert und nach wiederholter
Verwendung zu Versuchen ziemlich bruchig; aber diefs
konnte davon herrühren, dafs sie so oft gehandhabt worden war.
3) Das Palladium absorbirt Wasserstoff in reichlicher
Menge selbst schon bei gewöhnlichen Temperaturen, voraus-
gesetzt, dafs das Metall vorher im leeren Räume zum Glühen
erhitzt gewesen war. Als die Folie ohne diese vorgängige
Behandlung mehrere Stunden lang in einer mit reinem Wasser-
Scheidung der Oase durch coüotdede Scheidewände, 5S
stofffuft gefBIllen Flasche Terweilt hatte, gab sie bei nach*
herigem Glühen in dem mittelst einer SprengeTschen
Pumpe hervorgebrachten leeren Räume Nichts ans. Als aber
die FoKe sofort nach dem Abkühlen in eine mit Wasserstoff-
gas gefüllte Stöpselflasche gebracht worde und in derselben
eine Nacht hindurch verblieb, halte Absorption stall; bei dem
Lüften des Stöpsels drang Luft ein, wie in einen luftver-
dünnten Ranm ; die Temperatur war 19^ Als die Palladium-
folie nachher in eine Glasröhre gebracht und diese mit der
Spreng ersehen Pumpe verbunden wurde, zeigte sich
wahrend einiger Zeit eine Schwierigkeit, einen leeren Raum
zu erhalten, deshalb weil Wasserstoff schon bei der Luft-
temperatur austrat. Aber nachdem ein gutes Vacuum her-
gestellt war, wurden 6,96 CC. Gas gesammelt, von welchen
6,78 CC. als Wasserstoff befunden wurden. Dann wurde
erhitsi, und nun wurden in 5 Minuten 42 CC. Gas ausge-
geben, so dafs im Ganzen mehr als 50 CC. oder das 376-
fache Yolum an Gas von dem Palladium aufgenommen gewesen
war. Die Wasserstoff- Absorption ist also bei niedriger
Temperatur eine geringere, wenn nicht die Beschaffenheit
des Metalls sie begünstigt. Auch die Wirkung von reinem
Platinblech, die Verbrennung von Knallgas einzuleiten, ist
bei niedriger Temperatur eine unsichere.
4) Eine andere Parthie Palladium-Folie, deren Gewicht
5,76 Grm. und deren Volum 0,485 CC. war, wurde wieder-
holt nil Wasserstoff beladen und dann der letztere wieder
eatzogen. Bei dem zweiten Versuche wurde die Folie 3
Stunden lang in Wasserstoff auf 100^ erhitzt. Bei nach-
herigem Erhitzen derselben in einer PorceUanröhre zum
Rothglühen und Auspumpen in gewöhnlicher Weise ergab
sich, dafs das Palladium bei 100^ sein 347,7 faches Volum
(gemessen bei 18,2^ und unter 756 MM. Druck) Wasserstoff
absorbirl hatte.
56 Graham, über die Absorption und dialytisehe
5) Eine so beträehtlicbe Absorption von Wasserstoff
mäfste, ungeachtet de^geringen specifischen Gewichtes dieses
Gases, doch das Gewicht des Palladiams in merklicher Weise
vergröfsern. 1 Liter oder 1000 CC. Wasserstoff, bei 0^ und
unter 760 HM. Druck, wiegen 0,0896 Grm. Von neuer
PalIadium*Folie, vermuthlich aus gesehmohenem Metall, nehmen
5,9516 Grm. an Gewicht auf 5,9542 oder um 0,0026 Grm.
zu, als das Metall 4 Stunden lang bei 100^ mit Wasserstoff
beladen wurde. Diese Gewichtszunahme entspricht nur 29,01 GC.
Wasserstoff bei 0^ und unter 760 MM. Druck. Das nachher
wirklich von dem Palladium weggenommene Gas betrug nicht
mehr als 34,2 GC. bei 19^ und 758 HM. Druck, entsprechend
31,84 CC. bei (fi und 760 MH. Druck. Die ganze Menge
des abgesaugten Gases (das 68 fache Volum von dem des
•
Metalls) ergab sich hier ungewöhnlich klein, aber sie ent-
spricht nahe genug dem aus der Gewichtszunahme des Pal-
ladiums sich berechnenden Volum. Bei dem Palladium wie
bei dem Platin wird das Absorptionsvermögen für Wasser-
stoff durch die Schmelzung des Metalles verringert.
6) Für eine Quantität ahnlicher PaUadium-FoIie, welche
mit Wasserstoff beladen war, ergab sich die Menge des ein-
geschlossenen Gases nach 42 stündigem Liegen an der Luft
von 20,7 CC. auf 16,2 CC. verringert. Hiernach ist anzu-
nehmen, dafs der verflüssigte Wasserstoff, mag er nun durch
die Substanz des Metalls oder in den Poren desselben zurück-
gehalten sein, bei gewöhnlicher Lufttemperatur langsam ab-
dunstet; die Temperatur war 19®, der Barometerstand 752 MH.
7) Als schwammiges Palladium, durch Glühen der Cyan-
Verbindung erhalten, in Wasserstoffgas auf 200® erhitzt worden
und in demselben Gas 4 Stunden lang erkalten gelassen war,
ergab sich , dafs das Metall sein 686 faches Volum Wasser-
stoff aufgenommen hatte.
Scheidung der Gase durch collotdale Scheidewände. 57
Bei ähnlicher Bebandlungp mit almospharischer Luft zeigte
das schwammige Palladium kein Absorptionsvermögen für
SauerstolDP oder Stickstoff.
Der in Palladiam-Schwamm oder Palladium-Folie con-
densirte Wasserstoff zeigt sich mit gesteigerten chamischen
Verwandtschaften begabt. Als solches Palladium in verdünnten
Lösangen der folgenden Substanzen 24 Stunden lang im
Dunkeln bei gewöhnlicher Temperatur sich befand, war die
Wirkung des eingeschlossenen Wasserstoffs zu beobachten :
Eisenoxydsalze wurden zu Eisenoxydulsalzen.
Ferridcyankalium wurde zu Ferrocyankalium.-
In Wasser absorbirtes Chlor wurde zu Chlorwasserstoff.
In Wasser gelöstes Jod wurde zu Jodwasserstoff*).
Abgesehen von dem Wasserstoff zeigt das schwamm-
förmige Palladium ein besonderes Auswählungs- und Absorp-
tionsvermögen für Alkohol vor dem für Wasser. 30 Grm.
solchen Schwammes wurden mit 9,5 CC. verdünnten Alkohols
von 0,893 spec. Gew. 51 Stunden lang in einer zugeschmolzenen
Glasröhre in Berührung gelassen ; die bis auf 3,9 CC. abge-
gossene überstehende Flüssigkeit besafs nun das spec. Gew.
0^901, wahrend der von dem Palladium zurückgehaltene Theil
nach dem Abdestilliren das spec. Gew. 0,885 ergab oder
sich merklich concentrirt erwies. Diese chemische Wirkung
desPalladium-Schwammes wurde wiederholt bestätigt gefunden.
Platin-Schwamm anderer Seits ergab kein Anzeichen eines
solchen Trennungs- Vermögens; und ebensowenig das aus
dem Oxyd mittelst Wasserstoff reducirte schwammige Eisen.
8) Vielleicht mit dieser chemisch- molecularen Wirkung
des Palladiums in Zusammenhang stehend ist das ungleiche
*) Das Vermögen des mit Wasserstoff beladen en Platinschwarz, den
Wasserstoff anf eine organische Verbindung zu übertragen, ist
Tor Enrsem von P. de Wilde beobachtet worden; vgl. diese
Annalen Sappl.-Bd. IV, 878 .
58 Oraharrij über die Absorption und dialytisohe
Absorptiönsvermdgen , welches Palladiaro'- Folie gpeg>eiifiber
verschiedenen Flüssigkeiten zeigt Als eine Quantität Palladiam-»
Folie, welche durch 1000 Gew.-Theile ausgedruckt sein mag,
in verschiedene Flüssigkeiten eine Stunde lang eingetaucht
und dann durch Pressen zwischen Fliefspapier während
weniger fiecunden getrocknet wurde , ergaben sich folgende
Mengen Flüssigkeit als in den Poren des Hetalles zurCkdE^
gehallen < ,
Wasser 1,18 Qew.-Th.
Alkohol (0,802 spec. Gew.) 5,5 ^ „
Aether 1,7 » „
Aceton (0,794 spec. Gew.) 0,54 , •
Gljterin 4,5 » »
r
Benzol ! 8,5 „ „
Oel' von Büfsen Mandeln 18,1 „ „
RicSnusöl 10,2 , „
Dafs* der Alkohol in betrachtlicherem Mafse eindringt,
aR das Wasser, spricht sich hier deutlich aus. Auch für
flüssigen "Wasserstoff wurde sich herausstellen, dafs er durch
Palladium-Folie in bedeutender Menge absorbirbar ist. Er
würde dann auch von anderen Gasen (oder Flüssigkeiten)
durch die Palladium-Poren scheidbar sein, wie Alkohol vom
Wasser.
♦
Legiruny aus 5 Th. Palladium und 4 Th. Silber, —
Auch auf diese Legirung des Palladiums erstreckt sich das
Vermögen, Wasserstoff zu absorbiren. Ein etwa 180 MH.
langes, 31 MM. breites und 74,3 Grm. wiegendes Blech aus
dieser Legirung wurde gebogen, so dafs es in eine weite
Porcellanröhre hineinging, welche nöthigenfalls ausgepumpt
werden konnte. Das Volum der Palladium - Legirung war
6,21 CG. Das Metallblech wurde in die Porcellanröhre ge-
bracht und Wasserstoff eine Stunde lang bei Dunkelroth-
gluhhitze über es geleitet; dann liefs man es in demselben
Scheidung der Oase durch colUndaU Scheidewände.^ 59
6ts langsam erkalten. Als das Metall herausgenommen und
uilersucht wurde, zeigte es sich nicht bemerklich verändert.
Um das absorbirte Gas heraus zu bekommen, wurde das
Metall in der Porcellanröhre mittelst Gasflammen erhitzt, und
die Röhre war wie gewöhnlich mit der SprengeTschen
Pumpe verbanden. In 7 Minuten nach dem Anzünden des
Gasofens wurden 24 CC. Gas aufgesammelt, in weiteren
\% Minuten 80,71 CC, und dann noch in weiteren 75 Minuten
36,75 CC, also zusammen 141,16 CC Von dieser Gasmenge
wurden bei der Untersuchung 127,74 CC als Wasserstoff
befunden; das Uebrige war Stickstoff und stammte ohne
Zweifel aus der nicht vollständig ausgepumpten weiten Porcel-
lanröhre. Die Pallad ium-Legirung hatte also, in Form eines
dicken Blechs, ihr 20)5faches Volum, gemessen bei 18,2^
und 756 MM. Druck, eingeschlossen.
Diese Palladium-Legirung wird bei dem Erhitzen kry-
staliinisch und scheint zugleich von ihrem Absorptions-
vermögen beträchtlich einzubufsen.
Es lafst sich aus den hier mitgetheilten Versuchen die
Schlufsfolgerung ziehen, dafs geschweifstes Palladium, in der
Form von dünner Folie, Wasserstoff leicht und zwar mehr
als das 600 fache Volum von dem des Metalls bei einer
unterhalb des Siedepunktes des Wassers liegenden Tempe-
ratur absorbirt, mehr als das 500 fache Volum bei 245^
und weniger bei höheren Temperaturen; immer wenn das
Metall von Wasserstoff unter dem gewöhnlichen Druck der
Atmosphäre umgeben ist. Wasserstoff wird auch in beträcht-
licher Menge, wenn auch weniger constant^ bei gewöhnlicher
Temperatur absorbirt. Andererseits beginnt Palladium, wel-
ches bereits mit Wasserstoff bei oder unter 100^ und unter
dem Druck der Atmosphäre gesättigt ist, Gas auszugeben,
wenn es bei der ursprünglichen Absorptionstemperatur atmo-
• 60 ^ Orahamy über die Absorption und dialydsche
phärischer Luft oder dem leeren Räume ausgesetzt wird;
und bei 200^ C. wird das Gas willig entlassen.
Es ist wahrscheinlich , dafs der Wasserstoff in dem
physikalischen Zustand einer Flüssigkeit in das Palladium
eingeht, mag nun der Vorgang sich als ein der Dnrchtrankung
des colloidalen Caoutchoucs durch Aether. Chloroform und
solche Lösungsmittel analoger erweisen, oder mag eine ge-
wisse Porosität in der Structur des Palladiums das Bedingen<le
sein. Die Porosität des Metalles wird als der Art voraus-
gesetzt, dafs sie den Moleculen von Flüssigkeiten* aber nicht
denen von Gasen den Eintritt gestattet. Nun haben die
zahlreichen flüssigen Verbindungen, welche, aus Kohlenstoff
und Wasserstoff bestehen, alle ungefähr dieselbe Dichtigkeit :
im Allgemeinen eine etwas kleinere als die des Wassers.
Es ist kein Grund zu vermuthen, dafs die Dichtigkeit des
flüssigen Wasserstoffs beträchtlich von der der Kohlenwasser-
stoffe verschieden sei; aber das auffallend kleine specifische
Gewicht des Wasserstoffgases mufs damit im Zusammenhange
stehen, dafs flüssiger Wasserstoff im Vergleich zu jenen
Kohlenwasserstoffen oder überhaupt zu jeder anderen Sub-
stanz ein unverhältnifsmäfsig grofses Volum Dampf liefert.
Die Absorption des Wasserstoffs durch Palladium wird sich
also weniger alles Hafs übersteigend grofs ergeben, wenn
man sie als die Absorption einer höchst flüchtigen und der
Bildung eines äufserst leichten Dampfes fähigen Flüssigkeit
betrachtet, als wenn man sie als die eines Gases sich denken
will.
Eine ausgezeichnete Gelegenheit zur Beobachtung, wie
Wasserstoff durch eine compacte Platte aus Palladium von
1 MM. Dicke hindurchgeht, wurde durch eine von Hm.
Hatthey verfertigte Röhre aus diesem Metalle gewährt.
Diese Röhre soll aus Palladium nahe bei dem Schmelzpunkte
dieses Metalles geschweifst worden sein. Die Länge der
Scheidung der Oase durch coüoidale Scheidewände. 61
Röhre betrugt 115 HM., ihr innerer Durchmesser 12 MM., die
Dicke der Wandung 1 HM. und die aufsere Oberfläche
0,0053 Quadratmeter. Sie war an beiden Enden durch auf-
gelothete dicke Platinplatten geschlossen; die eine der beiden
Platten war durchbohrt und hier mit einer langen dünnen
Platinröhre versehen, durch welche der innere Baum der
Palladiumröhre luftleer gemacht werden konnte.
Die geschlossene Palladiumröhre erwies sich nun bei dem
Auspumpen mittelst der SprengeTschen Röhre als luftdicht
bei gewöhnlicher Temperatur, bei 260^ und bei einer der
Dunkelroth-Glöhhitze nahe kommenden Temperatur, wenn die
Röhre aufsen von atmosphärischer Luß umgeben war. Als
an der Stelle der letzteren Wasserstoff die Palladiumröhre
▼on Aufsen umgab; blieben die Wandungen derselben auch
noch bei niedrigeren Temperaturen undurchdringlich. Kein
Wasserstoff drang bei 100^ innerhalb 3 Stunden in das Innere
der Röhre ein. Als mittelst eines Oelbades die Temperatur
allmälig auf 240^ gesteigert wurde, begann Wasserstoff durch
das Metall hindurchzugehen, und in allmälig zunehmender
Menge bei Steigerung der Temperatur bis 265^ Der Wasser-
stoff trat dann stetig im Betrage von 8,67 CG. in 5 Minuten
m die Röhre ein; diefs entspricht einem Betrage von 327 CG.
für 1 Quadratmeter Oberfläche in 1 Minute. Als die Tem-
*
peratur bis nahe zum Rothglähen gesteigert wurde, wuchs
die Menge des eintretenden Wasserstoffs auf 11,2 CG. in
5 Minuten, entsprechend 423 GG. für 1 Quadratmeter in
1 Minute.
Als die Palladiumröhre mit Steinkohlengas umgeben war,
begann etwa bei derselben Temperatur Gas durch das Metall
hindurchzugehen, und bei 270^ betrug die Menge des hin-
durchgehenden Gases 57 GG. für 1 Quadratmeter Oberfläche
in 1 Minute. Das hindurchgegangene Gas hatte Nichts mehr
von dem Gerüche des Steinkohlengases; es enthielt keine
62 Graham t über die Abaorption und dialytiache
Spur Kohlenstoff und erwies sich als ganz reiner Wasserstoff.
Dafs man das letztere Gas mittelst einer aus Platin oder
Palladium bestehenden Scheidewand so rein abscheiden kann,
ist eine höchst merkwürdige Thatsache. Vermuthlich liefst
sich mittelst des hohlen Palladiumcylinders der in einer
gasförmigen Mischung enthaltene Wasserstoff quantitativ be-
stimmen.
bt das Vermögen, die genannten Metalle zu durchdringen,
ausschliefslich dem Wasserstoff zukommend? Vor Kurzem hat
Dr. C. Wetherill*) die Vermuthung ausgesprochen, dafa
das Aufschwellen des Ammoniumamalgams ganz und gar auf
dem Zurückhalten von Wasserstoffgasblasen beruhe; hiernach
würde der Wasserstoff eine eigenthümliche Anziehung zu
Quecksilber besitzen. Auch daraus, wie leicht dasselbe Gas
durch die Platinmetalle zu einer Flüssigkeit verdichtet wird,
ist auf eine machtige gegenseitige Anziehung zu scbliefsen.
Der einzige andere flüchtige Körper, für welchen beobachtet
wurde, dals er ahnlich wie Wasserstoff durch ein Palladium-
blech hindurchgehen könne, ist gewöhnlicher Aether, und
kommt dem letzteren diefs Vermögen bei gewöhnlicher Tem-
peratur zu, wo Wasserstoff noch nicht durch dieses Metall
hindurchgeht. Das Palladium wurde in der Form von Folie
angewendet. Wenn auch dünne Folie, welche aus Palladium
geschlagen ist, meistens sichtbar porös ist und Luft wie ein
Sieb hindurchgehen läfst, war diefs doch nicht mit dem Stück
ausgewählter Palladium - Folie der Fall, welches zu den fol-
genden Versuchen diente. In einem mittelst einer Scheibe
aus dieser Folie geschlossenen Diffusiometer blieb eine
40,5 HH. lange Luftsaule über einer verticalen Quecksilber-
saule von 155 MH. Höhe 24 Stunden lang, ohne dafs das
Quecksilber in der Röhre sank. Die Luft wurde mittelst
*) American Journal of 8ci«nce, Vol. XLU, Nr. 124.
Scheidung der Gase durch coUoidale Seheidewände. 63
Äetzki^stücken getrocknet, drang aber doch nicht dturch das
PaUadin« hindurch. Trockenes Wasserstoffgas wurde dann
auf die obere Flache der Palladiumscheibe geleitet, aber auch
dieses Gas drang wahrend mehrerer Stunden nicht hindurch.
Mü Aether befeachteto Baumwolle wurde jetzt auf die Scheibe
gelegt, und nun begann, nach 8 Minuten, die in der Röhre
enthaltene Luft sich auszudehnen; nach weiterem Verlauf
Ton 1 Stuade waren die ursprünglichen 40,5 Vol. einge-
schlossener Luft zu 90,4 Vol. geworden (die Temperatur
war 18,5^ der Barometerstand 758 MM.), und nua hörte die
Assdehjiung auf. Die Vergröfserung des Volums ergab sich
als ganz auf dem Eintreten von Aetherdampf beruhend,
welcher durch ein mit Schwefelsaure beladenes Kugelchen
absorbirbar war. Weshalb sich Wasserstoff unfähig erwies,
unter diesen Umstanden durch das Palladium zu dringen, ist
schwer zu sagen. Es lafst sich nur denken, dafs die Palla-
dium-Folie vorher an ihrer Oberfläche ein dünnes Hautchen
c
einer fremdartigen Substanz condensirt hatte, welches das
Palladium dem Wasserstofi aber nicht dem Aetherdampf gegen-
über inacUv machte.
Andererseits scheint das Durchdringungsvermögen des
Wasserstoffs, welches hier auf eine Verflüssiguiig dieses
Gases zurückgeführt wurde, nicht lediglich auf metallische
Scheidewände beschränkt zu sein. Man hat Grund zu ver-
muthen, dafs bei der Diffusion durch eine Graphitpiatte
Wasserstoff in kleiner Menge als Flüssigkeit hindurchgeht,
ohne entsprechende Diffusion von Luft im entgegengesetzten
Sinne. Daher rührt wohl, dafs der Diffusions-CoefGcient des
Wasserstoffs immer zu grofs gefunden wurde, zu 3,876; 3,993
und 4,067 *), statt der der Dichtigkeit dieses Gases in Beziehung
auf die der Luft theoretisch entsprechenden Zahl 3,8. Solche
*) Vgl. dieM Annaleu CXXXl, 89.
64 Graham^ über die Absorption und dialytische
Erscheinungen der Penetration von Gasen lassen eine Ab-
stufung in der Porosität vermuthen. Es ist anzunehmen, dafs
es 1) Poren giebt, durch welche Gase unter Druck oder in
Folge von Capillar- Transpiration hindurchgehen, wie bei
trockenem Holz und mehreren Mineralien; 2) Poren, durch
welche Gase nicht unter Druck hindurchgehen, wohl aber
auf Grund der ihnen eigenthümlichen Diffusions-Molecular-
bewegung, wie bei künstlich zubereitetem Graphit; und 3)
Poren , durch welche Gase weder auf Grund von Capillar-
Transpiration noch auf Grund der ihnen eigenthümlichen
Diffusionsbewegung hindurchgehen, sondern nur nach vor^
gängiger Verflüssigung, wie z. B. durch die Poren von ge*
hämmerten Metallen oder durch die feinsten Poren von
Graphit.
Osmium ^Iridium.
Eine 2,528 Grm. betragende Menge kleiner Körner von
Osmium -Iridium wurde in derse}ben Weise, wie sie für die
im Vorhergehenden besprochenen Metalle angewendet worden
war, bei allen Temperaturen von der Rothglühhitze abwärts
der Einwirkung von Wasserstoff ausgesetzt. Dann wurde
das Osmium-Iridium wieder in einem mittelst der Sp r en-
ge l'schen Pumpe luftleer gemachten Räume zum Rothglühen
erhitzt, um den etwa absorbirten Wasserstoff auszutreiben.
Aber nur 1 oder 2 Gasblasen, zu klein um gemessen zu
werden, gingen bei Rothglühhitze innerhalb 15 Minuten über.
Das ;Osmium- Iridium zeigt also kein Absorptionsvermögen
für Wasserstoff, und dieses Resultat steht in Ueberein-
stimmung mit dem krystallinischen Character der ersteren
Substanz.
Kupfer,
Das Vermögen, Gase einzuschliefsen; scheint nicht in
der Klasse der Metalle auf Palladium und Platin beschrankt
Scheidung der Gase durch collcndale Scheideunoände, 65
zn sein. Die so genauen Versuche von Dumas, durch
welche die Atomgewichte der wichtigsten Elemente festge-
stellt wurden^ geben eine Andeutung dafür, dafs WasserstofF-
gas durch schwammförmiges ,' aus dem Oxyde reducirtes
metallisches Kupfer absorbirt werde, in solcher Menge dafs
diefs auf das Gewicht des Metalls bis zu j,q^ etwa von
Einflufs sein kann*).
«
i) Um das für das Ausziehen von absorbirtem Gas bei
den vorstehend besprochenen Metallen befolgte Verfahren
wiederum in Anwendung zu bringen, wurde so viel Kupferoxyd
mittelst Wasserstoff reducirt, als der Rechnung nach 50 Grm.
metallisches Kupfer geben mufste. Das reducirte Metall
wurde wiederum in einem Strome von trockenem Wasserstoff
zum Rothglühen erhitzt und langsam erkalten gelassen. Dann
wurde das Metall, nachdem es einige Minuten der Luft frei
ausgesetzt gewesen war, bei Rothgluhhitze mittelst der
Sprengel'schen Pumpe auf etwa absorbirtes Gas unter-
sucht. Es gab hierbei in einer Stunde 3,35 CG. Gas (in der
Kälte gemessen) auS; welches sich als reiner Wasserstoff er-
wies (die Explosion mit Sauerstoff gab 3,4 Wasserstoff an).
Setzt man das spec. Gewicht der Kupfers zu 8,85, so wurde
das Volum von 50 Grm. dieses Metalles 5,65 CG. betragen
und das Resultat also sein, dafs 1 Vol. schwammförmiges
reducirtes Kupfer 0,6 Vol. Wasserstoff einschliefst. Da
Wasserstoff etwa 12000 mal so leicht ist als Kupfer (bei 15^),
^ Annales de chimie et de phjBique [3] ¥111,206. Melsens* Be-
obachtungen zeigen, dafs 240 Grm. Kupfer etwa 0,007 Grm.
Wasserstoff anfnehmen können, und dafs am Meisten Wasserstoff
aufgenommen wird, wenn das Kupferoxyd durch Wasserstoff bei
niedriger Temperatur reducirt wird. Bei nachheriger Oxydation
des Kupfers tritt das absorbirt gewesene Gas nicht plötzlich,
sondern nur allmälig aus.
AnoAl. d. Chem« u. Phann. V. Sapplementbd. 1. Heft. 5
66 Oraham, über die Ahsorption und diafytiache
so ist dann 1 Gew.^Theii des Gases durch 20000 Gew.-Theile
des Metalls aufgenommen worden.
2) Dasselbe Gewicht und Volum von sorgfältig gereinigtem
Kupferdraht wurde der Einwirkung von Wasserstoff bei Roth-
gltthhitze ausgesetzt and dann eine Stunde lang ebenso auf
absorbirtes Gas untersucht. Es gab 2,6 CC. Gas, von welchen
2 CC. aus Wasserstoff und die übrigen 0,6 CC. hauptsäch-
lich aus Kohlenoxyd bestanden. Es schliefst hiernach 1 Vol.
verarbeitetes Kupfer 0,306 Vol. Wasserstoff ein. - Enthält
ein solches Hetall, wie verarbeitetes Kupfer, kleine Mengen
von Kohlenstoff und Sauerstoff, so ist damit offenbar ein Grund
dafür gegeben, dafs bei dem Erhitzen sich Kohlenoxyd bilden
und entwickeln könne. In dieser Art entstandenes Gas war
wohl bei dem letzten Versuche dem eingeschlossen gewesenen
und abgesaugten Wasserstoff beigemischt.
GoU.
i) Eine gewisse Menge Gold wurde aus dem auch für
die folgenden Versuche angewendeten Scheidegold in Röll-
chen {^Cornetten) mittelst Oxalsäure ausgefällt. Das Gold
wog 93,3 Grm., und sein Volum betrug 4,83 CC, wenn man
das specif. Gewicht des Hetalles = 19,31 annimmt. Als es
ohne weitere Behandlung zum Rothglühen erhitzt und abge-
saugt wurde, gab das reducirte Gold 3,4 CC. Gas, welches
man also als gewöhnlich in Gold, das in der angegebenen
Weise reducirt wurde, enthalten betrachten kann. Diefs ent-
spricht 0,704 Vol. Gas auf 1 Vol. Gold. Das in dem ge-
fällten Golde eiageschlossen gewesene Gas ergab bei der
Analyse :
0,05 CC. Baaentoff
1,50 ff Kohknsäare
1,85 9 KohUnoxyd u. a.
8,40.
Scheidung der Oase durch coUotdale Scheidewände. 67
2) Von den ttraprönglichen, aus feinem Scheidegold be-
stehenden Cornetten, von Goldproben welche einige Monate
früher ausgeführt worden waren, wurden 93,3 Grm., also
Ton 4,83 CG. Volum, ohne irgend welche vorgangige Be^
handlung dem Absaugen bei Rothgluhbitze unterworfen. Das
Gold gab in der ersten halben Stunde 9,45 CG. Gas aus,
und in der zweiten halben Stunde 0,8 GG., also im Ganzen
10,25 CG. Es hatte hiernach 1 Vol. von dem Goldblech
2,12 Vol. Gas enthalten. Dieses Gas bestand aus
6,70 CO. Koblenoxyd
1,60 ,1 Kohlensäare
1,58 n Wasserstoff
0,44 „ Stickstoff
0,03 « Verlast
10,25
Die Gornelten scheinen nicht immer wiederum so viel
Gas aufzunehmen, als sie zuerst in der ProbirmulTel aufge-
nommen hatten. Es ergiebt sich, dafs das Gewicht einer
2
Gold-Cornette etwa um jqqqq durch das Gewicht des ein-
geschlossenen Gases vergrdfsert ist« Da das Gold auöh 7
bis 8 Theile Silber in 10000 Theilen zurückhält, so ist also
die absolute Menge Gold in einer Gornette um ,^qq kleiner,
als es die Visage angiebt. Die Genauigkeit der gewöhnlichen
Goldprobe wird hierdurch nicht widerlegt, denn die^e wird
4
immer vergleichungsweise zu Gold von bekannter Zusammen-
setzung ausgeführt und ist deshalb relativ richtig.
3) Dasselbe Volum solcher Gold - Gornetten, im Betrage
von 4,83 GG. gab, nach vorgängigem Erhitzen in Kohlen-
oxydgas, nachher 1,6 CG. eingeschlossen gewesenes Gas aus,
welches bestand aus :
1,4 OC. Kohlenozyd
0,2 „ Kohlenifture
1,6
6»
68 Graham, über die Absorption und dialytüche
4) Als dieselbe Hasse von Gold-Cornetten in Wasser-
stoffgas erhitzt worden war, gab sie dann in einer Stunde
2,7 CG. Gas aus, welches sich folgend er mafsen zusammen-
gesetzt zeigte :
2,84 CC. Wasserstoff
0,36 „ Stickstoff u. a.
2,70
Das Vermögen dieses Metalles, Wasserstoff einzuschliefsen,
macht sich hier sehr bemerklich. 1 Vol. des Metalles hatte
0,48 Vol. Wasserstoff aufgenommen. Dasselbe Gold, aufgelöst
und dann gefallt, wurde auch als fähig befunden, 0,44 Vol.
Wasserstoff einzuschliefsen.
5) Dieselbe Masse von Gold-Cornetten, in Kohlensäure-
gas erhitzt, gab nachher in einer Stunde 1,05 CC. Gas aus,
in welchem Barytwasser die Anwesenheit von 0,78 CC. Kohlen-
«
saure nachwies.
Die mit Gas beladenen Cornetten waren immer einige
Zeit dem freien Zutritt der Luft ausgesetzt gewesen, bevor
das in ihnen eingeschlossene Gas ausgetrieben und gemessen
wurde, so dafs alles nur lose anhangende Gas entweichen
konnte.
6) Dieselben Gold-Cornetten wurden in einem Strome
von trockener Luft erhitzt und abkühlen gelassen, ebenso wie
bei den Versuchen mit anderen Gasen verfahren worden
war. Die in einer Stunde ausgegebene Luft betrug in zwei
verschiedenen Versuchen 1,15 und 0,95 CC. Das bei dem
zweiten Versuch erhaltene Gas ergab :
0,82 CC. StickstofF entspr. 86,8 pC.
. 0,08 „ Kohlensäure „ 8,4 „
0,05 » Sauerstoff „ 5,3 .,
0,95 100,0.
Die ganze Menge der eingeschlossenen Luft betragt
0,2 von dem Volum des Goldes und das Gas besteht haupt-
Scheidung der Oase durch coUmdcde Scheidewände. 69
sachlich aus Stickstoff. Die In^iflFerenz des Goldes gegen-
über dem Sauerstoff ist bemerkenswerth und steht in auffal-
lendem Gegensatz zu dem Vermögen des Silbers, dasselbe
Gas einzSchliefsen.
Silber.
1) Feines Silber, in der Form von Draht, welcher 2 HM.
dick und dessen Oberfläche gehörig gereinigt war, wurde
zuerst für sich allein in der Porcellanröhre erhitzt und dann
das Gas mittelst der Sprengel 'sehen Pumpe in gewöhn-
licher M^eise abgesaugt. Das von diesem Metall in solcher
Weise erhaltene, bereits in ihm steckende Gas betrug nur
wenig und schien fast ganz innerhalb einer Stunde ausge-
geben zu werden. Der Silberdraht wog 108,8 Grm. und
sein Volum betrug 10,37 CG., wenn wir das specif. Gewicht
des reinen Silbers zu 10,49 annehmen. Das so erhaltene Gas
betrug
2,2 CC. in 80 Minaten
Ö|Ö » » » n
3,0 , in 1 Stande.
Das Gas bestand aus :
2,4 CC. Kohlensäure
0,6 Kohlenozjd
*■ 8,0.
Hiernach hielt der Silberdraht sein 0,289 faches Volum
Gas eingeschlossen und bestand dieses Gas hauptsächlich aus
Kohlensäure. Doch liegt Grund vor zu der Vermuthung^ dafs
das eingeschlossene Gas ursprünglich Sauerstoff gewesen und
dieser bei der Austreibungs- Temperatur durch Einwirkung
auf eine Spur Kohlenstoff, welche in dem Silber enthalten
war, zu Kohlensäure umgewandelt worden sei.
2) Dieselbe Quantität Silberdraht wurde nun mit Wasser-
stoff beladen , durch Erhitzen bis zum Rothgluhen und
70 Oraham, über die Absorption und diätetische
nachheriges langsames Brkaltenlassen in diesem Gas. Das
herausgezogene Gas betrug nun :
2,3 CC. in 45 Minuten
0,2 „ » 15 ^ «
2,5 ,1 in 1 Stande.
Das Gas bestand aus :
2,2 CC. Wasserstoff
0,3 „ Stickstoff Q. a.
2,5.
Das feine Silber hatte somit sein 0,211 faches Volum
Wasserstoff eingeschlossen. Das Metall hatte ein^ schönes
mattes Ansehen an seiner Oberflache angenommen, und
durch wiederholtes Erhitzen wurde ^ es krystallinisch und
spröde.
3) Dieselbe Hange Silber wurde nun mit Sauerstoff be-
laden. Das eingeschlossen gewesene Gas, welches bei dem
Absaugen austrat, betrug nun :
7.5 CC. in 30 Minuten
0,8 n n n n
7,8 „ in 1 Stande.
Das Gas bestand aus :
7.6 CC. Sauerstoff
0,2 „ Stickstoff u. a.
7,8. •
Das Silber enthielt somit sein 0,745 faches Volum Sauer-
i^toff eingeschlossen. Dieses Gas war , wie der Wasserstoff
im Platin, in dem Metall bei allen Temperaturen unterhalb
der beginnenden Rothglähhitze dauernd fixirt. Es nahm der
Oberfläche des Silbers nicht ihren blanken Hetallglanz, noch
war irgend ein anderes Anzeichen dafür bemerkbar, dafs
das Metall einer Oxydation unterlegen habe.
4) Dieselbe Portion Silber wurde, nach dem Auflösen
in SSure als Chlorsilber niedergeschlagen und wiederum zu
Metall reducirt, atmosphärischer Luft bei Roihglühhitze aus-
Scheidung der Gase durch collmdale Seheidewände. 71
gesetzt und nachher im luftleeren Raum erhitzt. Das aus-
gegebene Gas betrug :
5,56 CC. in 15 Minuten
0,30 n n r, n
5,86.
Von diesem Gas wurden 5,56 CC, oder fast die ganze
Menge, als Sauerstoff nachgewiesen; d. h. das Silber hielt
sein 0,545 faches Volum Sauerstoff eingeschlossen* Dieses
Silber war aus dem Chlorid rein dargestellt worden und ent^
hielt keine Spur Kupfer.
Wenn Silber, wie es zu englischen Silbermün^n ver*
wendet wird (d. i. 7,5 pC. Kupfer enthaltend), der Einwirliung
von Luft oder Sauerstoff bei Dunicelrothglöhhitze ausgesetzt •
wird, so färbt es sich in Folge der Oxydation des Kupfers aii
seiner Oberfläche fast schwarz. Silberdraht in diesem ge-
schwärzten Zustand gab , dann im leeren Raum erhitzt, sein
mehrfaches Volum an Sauerstoff aus. Zu gleicher Zeit ver-
schwand ein grofser Theil des oberflächlich vorhandenen
Oxydes. Es schien, als ob die Operation auf die Beduction
des an der Oberfläche befindlichen Kupferoxydes hinwirke,
Sauerstoff frei und das Kupfer durch das Silber aufgenommen
werde.
5) Aus dem Oxyd reducirtes schwammförmiges Silber,
weiches als rein betrachtet aber nicht analysirt wurde, schlofs
bei aufeinander folgenden Versuchen sein 6,15-, 8,05- und
7,47 faches Volum Sauerstoff ein, ohne dafs sich das Aus-
sehen der Oberfläche sichtlich änderte. Kann das Anziehungs-
vermögen oder die Verwandtschaft des Silbers zu Sauerstoff,
wodurch das Metall befähigt wird dieses Gas einzuschliefsen,
durch die Anwesenheit einer blofsen Spur eines positiven
Metalles wie Kupfer erhöht vi^rden?
6) Dieselbe Menge gefritteten Silbers wurde, in auf-
einander folgenden Versuchen, als die folgenden Mengen
verschiedener Gase einschliefsend befunden :
72 Graham, über die Absorption und dialytische
0,907 Vol. Wasserstoff
0,938 „ n
0,486 n Kohlensäure
0,545 ,
0,156 ri Kohlen oxyd.
Wasserstoff und Kohlensäure ebensowohl als Sauerstoff
werden also durch dieses Silber in gröfserer Menge aufge-
nommen, als durch die vorher zu den Versuchen angewendeten
Proben dieses Metalles.
7) Von stark ausgewalztem reinem Silber wurden 500
Blätter, .im Gewichte von 12,5 Grm., der Luft bei Rothgluh-
hitze ausgesetzt und dann bei derselben Temperatur abge-
saugt. 1 Vol. Silber gab 1,37 Vol. Sauerstoff, 0,20 Vol. Stick-
stoff und 0,04 Vol. Kohlensäure ab.
Es scheint, dafs Silber sich gegenüber dem Sauerstoff
in einer ähnlichen Weise verhält, wie Platin, Palladium und
Eisen sich dem Wasserstoff gegenüber verhalten. Das Ver-
mögen des Silbers und der Bleiglätte, im geschmolzenen Zu-
stande Sauerstoff zu absorbiren und bei dem Erstarren dieses
Gas entweichen zu lassen, steht vielleicht in Zusammenhang
mit dem beobachteten Vermögen des colloldalen Metalles,
durch Hitze erweicht dasselbe Gas, wenn auch in geringerer
Menge, zu absorbiren.
Eisen.
Dafs Wasserstoff durch das Eisen hindurchdringt, ist
durch Deville und Troost ebenso bestimmt erwiesen als
die Durchdringbarkeit des Platins. Eine dünne Röhre von
Gufsstahl, von 3 oder 4 HM. Dicke, welche Wasserstoffgas
enthielt, war von Luft oder Stickgas umgeben, welches letz-
tere Gas in einem ringförmigen Räume zwischen der er-
wähnten Stahlröhre und einer weiteren äufseren Porcellan-
röhre circulirte. Bei Abwesenheit irgend welcher sichtbarer
Scheidung der Gase durch coUmdale Scheidewände. 73
Poren in dem Stahl ging doch der Wasserstoff darch die
Substanz dieses Metalles hindurch und trat in den ringförmigen
Zwischenraum ein, sobald das Röhrensystem zum Rothglühen
erhitzt wurde. Ein annähernd wenn nicht vollkommen leerer
Raom stellte sich im Innern der Eisenröhre her*). Bei einer
anderen Anordnung des Versuches trat Kohlenoxyd, aus
nicht bestimmter nachgewiesener Quelle stammend, im Innern
der Eisenröhre auf, namentlich wenn die Temperatur sehr
hoch gesteigert war**).
Schmiedeeisen in der Form von dünnem, etwa 4 HM.
dickem Draht (Nr. 23) 'wurde, nach vorgängigem sorgfältigem
Reinigen mittelst ätzenden Alkali's und Wasser, für sich in
der luftleer gemachten Porcellanröhre erhitzt, um etwa bereits
in ihm enthaltenes Gas herauszuziehen.
i) Von dem eben besprochenen Eisendraht wurden
46 Grm., deren Volum 5,9 CG. betrug wenn das specifische
Gewicht des Metalles zu 7^8 angenommen wird, mittelst des
offenen Verbrennungsofens erhitzt. Gas trat bei der Roth-
glöhhitze aus :
1) in 15 Minuten 15,6 GG., worin 3,5 GG. oder 22,4 pG.
Kohlensäure;
2) in 15 Minuten 7,17 GG., worin 0,52 GG. oder 7,2 pG.
Kohlensäure. Das Gas von dieser und von den fol*
genden Stadien des Versuches brannte nun mit blauer
Flamme und bestand hauptsächlich aus Kohlcnoxydgas;
3) in 30 Minuten 10,4 GG., in welchen 6,86 CC. Kohlen-
oxyd;
4) in 30 Minuten 8,16 GG., worin 042 GG. oder 1,4 pG.
Kohlensäure;
5) in 30 Minuten 5,52 GG., worin 0,03 GG. oder 0,5 pG.
Kohlensäure.
•) Compt. rond. LVII, 965 (1863) (diese Annalen CXXX, 264).
•*) Compt. rend. LIX, 102 (1864).
74 Graham, über die Absorption und dialytiscke
Es gfaben also 46 Grm. Eisen innerhalb 2 Stunden 46,85 CC.
Gas, gemessen bei 15^ C, aus, oder 1 Vol. Eisen lieGs 7,94 YoL
Gas austreten, welches etwa zu Vs aus Kohlenoxyd bestand ;
und das Metall schien noch nicht alles Gas ausgegeben zu
haben. Das Eisen enthalt wahrscheinlich kleine Mengen
Kohlenstoff und Sauerstoff, beide in chemischer Verbindung
mit dem Eisen; und das ausgegebene Gas mag theilweise von
einer chemischen Einwirkung dieser Elemente auf einander
bei Rothglühhitze herstammen.
2) Bei einem anderen ahnlichen Versuche mit 32 Grm.
reinen Eisendrahtes (Nr. 21); dessen Volum 4,1 CC. betrug,
wurde das Eisen in einer engen Glasröhre erhitzt, um jeden
Gedanken an Durchdringbarkeit der aufseren Röhre, welche
man etwa bei Anwendung einer Porcellanröhre vermuthen
könnte, auszuschliefsen. Das Eisen gab in ziemlich gleich-
mäfsiger Weise Gas aus, und zwar in einer Stunde 29,8 CO.,
Yon welchen 4,44 CC. Kohlensaure und der Rest hauptsäch-
lich Kohlenoxyd, mit Wasserstoff und einer Spur eines Kohlen-
wasserstoffes, waren. Hier hatte das Eisen sein 7,27faches
Volum Gas ausgegeben.
3) Bei einem dritten Versuche mit dünnem Eisendraht
(Nr. 23) wurde das Herausbringen des von diesem Eisen ohne
weitere Vorbereitung bei Rothglühhitze auszugebenden Gases
weiter getrieben. Das Gewicht des Eisens war 39 Grm., sein
Volum 5 CC. Das in der ersten und der zweiten Stunde
gesammelte Gas betrug 45 CC; in der dritten Stunde kamen
10,85 CC; in der vierten und fünften Stunde 5,65 CC, in
der sechsten Stunde 0,9 CC. und in der siebenten Stunde
0,7 CC. Das Eisen schien jetzt nahezu Nichts mehr ausgeben
zu können, nachdem von ihm 63,1 CC oder sein 12,55 faches
Volun) Gas erhalten war.
Es ist klar, dafs bei Versuchen über die Durchdring-
barkeit des Eisens für Gase oder über die Absorption von
Scheidung der Oase durch coUmdale Scheidewände. 75
Gasen durch dieses Metall sichere Resultate erst dann er-
halten werden können, nachdem erst die eben besprochenen,
bei dem Erhitzen des Eisens fär sich entstehenden oder in
ihm prfiexistirendenGase herausgebracht sind. Das bei De-
ville*s Versuchen mit eisernen Röhren beobachtete Kohlen-
oxyd mag aus derselben Quelle gestammt haben.*)
4) Um die Absorption von Wasserstoff zu beobachten,
wurde die nach dem letzten Versuche hinterbliebene Masse
Eisen in Wasserstoff zum Rothglühen erhitzt und in dem-
selben Gas erkalten gelassen. Das Metall wurde alsdann
(wie gewöhnlich) der Luft frei ausgesetzt, damit es allen nur
lose anhängenden Wasserstoff abgebe. Als jetzt das darin
enthaltene Gas bei schwacher Rothglühhitze mittelst der
Sprengel'schen Pumpe abgesaugt wurde, gab das Eisen in
einer Stunde 2,5 CC* Gas aus, davon die gröfsere Menge
in den ersten 10 Minuten. Diese Gasmenge bestand aus :
2,3 CG. Wasserstoff •
0,2 „ Kohlenoxyd u. a.
2,5.
Das Eisen vermag hiernach sein 0,46 faches Volum Wasser-
stoff zu enthalten. Der Eisendraht wurde weifs, wie galva-
nisirtes Eisen. Diefs fand sich auch bei einer zweiten Be-
obachtung bestätigt, bei welcher ein dickerer Draht sein
0,42 faches Volum Wasserstoff eingeschlossen enthielt.
5) Dieselbe Portion Eisen wurde nun in derselben Weise
mit Kohlenoxydgas beladen, in welcher sie vorher mit
Wasserstoff beladen worden war. Sie wurde gleichfalls der
Lufl frei ausgesetzt. Der Eisendraht blieb weich, wurde
*) Die ans geschmolzenem Gufseisen entweichenden Gase sind durch
L. Cailletet untersucht worden. Sie ergaben 49 bis 58 pC.
Kohlenozyd, 34 bis 39 Wasserstoff, und 8 bis 12 Stickstoff.
Compt. rend. LXI, 850 (1865).
76 Oraham^ über die Absorption uud dialytisShe
auch nicht hart, als er nach dem Erhitzen zum Rothgluhen
rasch abgekühlt wurde, und zeigte keine Veränderung im
Aussehen oder in der Löslichkeit in Sauren. Das vermittelst
der SprengeTschen Pumpe aus dem Metall herausge-
schaffte Gas betrug :
9,45 CC. in 13 Minuten
2,43 >} „ 5 »
8.05 « ;, 42 «
3,15 •„ „ 60 „
23,08 CO. in 2 Stunden.
Von diesen 23,08 CC. wurden 20,76 CC. als Kohlenoxyd
nachgewiesen. Reines Eisen ist also fähig^ sein 4,15 faches
Volum Kohlenoxyd bei Dunkelrothglühhitze aufzunehmen und
nach dem Erkalten zurückzuhalten. Diese Thatsache fand
sich bei verschiedenen Versuchen bestätigt. Sie erklart theil*
weise, wenn nicht ganz, dafs Kohlenoxyd in beträchtlicher
Menge in dem Gas enthalten war, welches bei den Versuchen
f ), 2) und 3) aus dem keiner weiteren Behandlung unter-
worfenen Eisen herausgezogen wurde. Man kann annehmen,
dafs während des Verlaufes der Darstellung das Schmiede-
eisen sechs- bis achtmal sein Volum Kohlenoxydgas ein-
schliefst, welches nachher immer wieder weggeschafft wird.
Welchen Einflufs auf die Eigenschaften des Eisens die An-
wesenheit einer solchen Substanz ausübt, welche in keiner
Weise einen metallischen Charakter besitzt, in so sonderbarer
Weise eingeschlossen ist und die Fähigkeit hat, jederzeit
wieder bei Einwirkung von Hitze mit der Spannkraft eines
Gases aufzutreten — das ist ein Gegenstand, welchen Me-
tallurgen wohl als der Untersuchung würdig betrachten
mögen.
Die Beziehungen zwischen dem Eisen und dem Kohlen-
oxyd scheinen ganz eigenthümliche zu sein. Ohne Zweifel
sind sie von Bedeutung für den wichtigen Procefs der<S^aA/-
bereitung. Der Antheil des Kohlenoxyds bei dem gewöhn-
Scheidung der Oase durch collotdale Scheidewände. 77
liehen Verfahren der Cementation des Ei$ens mittelst Holz-
kohle, welcher seit lange durch genaue Beobachter erkannt
war, kann jetzt als durch die neueren schönen Untersuchungen
Ton Hargueritte *) anfser allen Zweifel gesetzt be-
trachtet werden. Bis dahin wurde angenommen, dafs die
zersetzende Wirkung des Eisens auf Kohlenoxyd nur an der
ittfseren Oberflache des Metalles ausgeübt werde. Es wurde
angenommen, dafs ein an der Oberfläche beflndliches Par-
ükelchen Eisen einem Aequivalent Kohlenoxyd (C^O^) die
Hälfte des darin enthaltenen Kohlenstoffs entziehe, während
die übrig bleibenden Elemente als Kohlensaure (CO2) weiter
gehen, aus der nachstgelegenen Kohle wiederum Kohlenstoff
aufnehmen und damit fähig werden, den ursprünglichen Vor-
gang sich wiederholen zu lassen. Man ersieht jetzt, dafs eine
solche Einwirkung keineswegs nothwendig auf die Oberfläche
der Eisenmasse beschränkt zu sein braucht, sondern durch
die Substanz des Metalles hindurch statthaben kann, in Folge
vorausgegangener Durchdringung des Metalles durch Kohlen-
oxyd. Die directe Berührung und Einwirkung zwischen
Kohlenstoff (in der Form von Diamant oder von Holzkohle)
und Eisen ist als Cufseisen, und nicht Stahl; hervorbringend
zu betrachten. Die durch die Masse hindurch vertheilte Ein-
wirkung des Kohlenoxydes erscheint als das geeignete Mittel,
dem Eisen durch die ganze Masse desselben hindurch Kohlen-
stoff zuzuführen. Das Blasigwerden der Metallstange scheint
für die Nothwendigkeit zu zeugen, dafs sich Kohlensäure
bilde und entwickele, in Folge der Zersetzung des Kohlen-
oxydes in dem Innern der Stange.
Es legt sich nahe zu untersuchen, ob die Stahlbildung
nicht durch oft wiederholten Wechsel der Temperatur be-
fordert werde. Die niedrigste Rothglühhitze, oder eine selbst
*) Annales de chimie et de pbysiqne [4] VI (1865).
78 Oraham, über die Absorption und dialytischeu.s.to.
noch etwas niedrigere Temperatur scheint die geeignetste
dafär zu sein, dafs das Eisen Kohlenoxyd absorbire oder dafs
das Metall mit diesem Gas imprägnirt werde; während eine
viel höhere Temperatur dafür nölhig zu sein scheint, dafs
das Metall das Kohlenoxyd zersetze, sich Kohlenstoff aneigne
und zu Stfthl werde. Der Einflufs einer hohen Temperatur
ist durch Margueritte sehr klar nachgewiesen worden. Der
Procefs der Stahlbereitung, scheint es hiernach, sollte in zwei
bestimm) verschiedene, bei sehr ungleichen Temperaturen
auszuführende Phasen getheilt werden : erstlich, Kohlenoxyd
in das Eisen einzuführen, und dann, das so eingeführte Kohlen-
oxyd zu zersetzen. Ware das Kohlenoxyd einmal in das
Eisen wirklich eingeschlossen, so könnte man das Metall
selbst erkalten lassen und der Luft aussetzen, und das zweite
Erhitzen auf eine irgend welche spätere Zeit verschieben.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dafs solche Temperaturwechsel
zufallig während der langen Dauer der gewöhnlichen Stahl-
bereitung vorkommen; aber es wäre vortheilhaft, sie zu re-
guliren, und die für die Stahlbereitung nöthige Zeit liefse
sich wohl abkürzen.
Antimon, als ein in hohem Grade krystallinisches Metall,
wurde sowohl über als unter der Schmelztemperatur desselben
der Einwirkung von Wasserstoff ausgesetzt und dann in ge-
wöhnlicher Weise auf etwa aufgenommenes Gas untersucht.
Es liefs sich aber kein Wasserstoff aus ihm herausziehen.
79
Ueber Condensatiou und Polymerie;
von Adolf Baeffer.
Vorläufige Mittheilnng.
Das einzige Condensationsproduct des Aldehyds, welches
bis jelzt als solches bekannt war, das Aldehydharz, entspricht
seinem Verhalten nach den pecbartigen Substanzen, die sich
neben Hesityloxyd und Phoron bei der Condensation des
Acetons bilden, und die offenbar durch Verschmelzung sehr
vieler Holecule entstanden sind. Die Aehnlichkeit in der
ConstitatioD des Aldehyds und des Acetons yeranlafste
mich, nach den einfacheren Condensationsproducten des Alde-
hyds zu suchen, und es gelang auch, ein solches auf dem-
selben Vl^ege zu erlangen, der bei dem Aceton zu diesem
Zwecke von mir eingeschlagen worden ist (diese Annalen
CXL, 297).
Sättigt man stark abgekühlten Aldehyd mit Salzsäuregas,
so wird diefs Anfangs ohne Veränderung absorbirt; bald theilt
sich die Flüssigkeit aber in zwei Schichten, in wasserige
Salzsäure und Aethylidenoxychlorür. Im Aethylidenoxychlorür
C4UKCI2O sind die beiden Aldehydmolecule offenbar durch
den Sauerstoff mit einander verbunden, da diese Substanz
mit Vl^asser wieder in Salzsäure und Aldehyd zerfällt. Bei
ihrer Bildung addirt sich erst Salzsäure und giebt gechlorten
Alkohol, der dann unter VTasseraustritt eine Art gechlorten
Aethers liefert :
CjH^O + HCl = CjH^CKOH)
. • 2CÄC1(0H) = cÄci)^ + *^«^-
Dieser mit dem durch Substitution erhaltenen gechlorten
Aetber itforner» Körper verwandelt sich unter dem Einflub
der Salzsäure rasek weiter. Die Flüssigkeit über der Salz*
80 Baeyer^ über Condensation
säure, wie sie durch Einleiten von HCl in Aldehyd erhalten
worden, bräunt sich rasch, wird immer dickflüssiger und
verharzt nach etwa 14 Tagen gänzlich. Diefs ist ein Vorgang,
der ganz dem Verhalten des Acetons entspricht, und da bei
dem letzteren eine wahre Condensation d. h. Verbindung der
Holecule durch Kohlenstoff eintritt, so wurde dieser Vor-
gang auch beim Aldehyde wahrscheinlich. Um nun Ver-
bindungen von Aldehydmoleculen, die wie im Aethyliden-
oxychlorur durch Sauerstoff zusammengehalten werden, nicht
mit Condensationsproducten zu verwechseln, wurde die
aufschwimmende Flüssigkeit nach 2 Tagen mit PCI5 behandelt
und in der That ein constant bei 150 bis 160^ siedendes
sauerstofffreies Product erhalten. Diese nach Terpentinöl
riechende Flüssigkeit hat die Zusammensetzung CeHioCI^, ent-
spricht also der Sauerstoffverbindung CeHioO^, die durch
Austritt von H2O aus drei Aldehyden entsteht :
3 C2H4O — ogO = CgHioOg«
Der Aldehyd zeigt also auch eine wahre Condensation,
wenn auch nach anderen Gesetzen wie das Aceton, da bei
diesem 3 Molecule entweder zwei oder drei Wasser ver-
lieren, um Phoron oder Mesitylcn zu geben. Vielleicht gelingt
es aber auch, beim Aldehyd die Wasserentziehung noch
weiter zu treiben, oder dem chlorhaltigen Producte HCl zu
entziehen, was auf eins herauskommt.
Ein ähnlicher Körper ist offenbar auch die Substanz,
welche Lieben durch Erhitzen von Aldehyd mit einer wässe-
rigen Lösung von essigsaurem Kali erhalten hat. Er be-
0, aber
'2"3J
mit Unrecht, da die Eigenschaften mit dieser Zusammensetzung
gar nicht übereinstimmen.* Zunächst würde ein solcher
Aether wahrscheinlich sehr flüchtig sein, dann müfste er
durch Reduction mit Natriumamalgam gewöhnlichen Aether
C H
trachtete dieselbe als den Aether des Aldehyds q^^^
und Polymerie. 81
geben; das ist aber nicht der Fall, selbst in saarer Lösung
verharzt er zum Theil und giebt aufserdem ein Oel, das
täuschend nach Pumpernickel riecht. Also ein Verhalten, wie
es die Condensationsproducte des Acetons zeigen. Ferner
verharzt die Substanz mit Chlorphosphor und liefert mit Kali
Aldehydharz. Wie man sieht spricht alles dafür, dafs im
Lieben 'sehen Aether ebenfalls der Kol^enstoff die Holecule
zusammenhält; auf welche Weise das geschieht, ist noch
nicht zu entscheiden und auch schwer zu untersuchen, da
diese Substanzen aufserordentlich veränderlich sii^d ; indessen
kennt man doch eine solche Condensation des Aldehyds,
deren Natur ganz unzweifelhaft ist; nämlich die Bildung der
Zimmtsäure.
C h io z z a (diese Ann. XCVII, 350) leitete durch ein Gemenge
von Aldehyd und Bittermandelöl Salzsfturegas und bekam
den Aldehyd der Zimmtsäure :
C,HaO + CjH^O = CjHgO + H,0.
Zwei Aldehyde geben also ein Wasser ab und liefern
einen neuen Aldehyd, gerade wie zwei Acetone ein Wasser
abgeben, um ein neues Aceton, das Mesityloxyd, zu bilden.
Dieser Vorgang kann kaum anders stattfinden, als wie ich es
in der Nachschrift meiner. Notiz über die Condensations-
producte des Acetons (diese Ann. CXL^ 297) für die Bildung des
Mesitylens auseinandergesetzt habe; so nämlich, dals der
SaaerstoflT des Bittermandelöls mit Z Wasserstoff des Methyls
im Aldehyd Wasser bildet und die dadurch freigewordenen
Affinitäten des Kohlenstoffs sich mit einander verbinden :
CeHft . CHO + CHa ', CHO = C^E^ . CH . CH . CHO + H,0
Bittermandelöl Aldehyd Zimmtaldebyd. '
So wird auch die Bildung der Zimmtsäure aus Bitter-
mandelöl und Chloracetyl erklärlich; Chloi-acetyl ist ja nichts
anderes als Aldehyd, in' dem der isolirt stehende Wasserstoff
dorch Ci ersetzt ist. Demnach würde die Reaction in zwei
Perioden vor sich gehen :
Anaal. 4* Chem. a. Pharm. V. Sapplementbd. 1. Heft. O
82 BaeyeTj über Condensation
C,H^O + CjHgOCl =. C^HtOCI + H,0
Chlorilr der Zimmtsftare
CjHyOCl 4- H»0 = CjHgO, + HCl ;
zuerst greift der Sauerstoff in das Methyl des Chloracetyls
hinein, giebt Wasser und es entsteht das Chlorur der Zimmt-
sdure, und dieses zersetzt sich erst hinterher mit dem Wasser,
om Zimmtsdure zu bilden.
Um ffir diese Ansicht noch einen weiteren Beweis bei-
zubringen, habe ich ein Gemenge von Bittermandelöl und
Aceton mit wasserentziehenden Mitteln, Salzsäure, Schwefel-
säure, Kali behandelt. Die Condensation erfolgt aufserordent-
Hch schnell, schon nach wenigen Minuten, und nach einiger
Zeit verharzt die ganze Hasse. Das Endproduct ist ein gelbes
Harz, das in Aether Idslich und durch Alkohol daraus als
gelbes Pulver gefällt wird, welches schwach nach Rhabarber
riecht. Die Analyse gab keine verständlichen Zahlen,' daher
ist die Substanz wahrscheinlich ein Gemenge. Zuerst bildet
sich aber ein öliger, unzersetzt flüchtiger Körper, der einen
an Cumarin erinnernden Geruch besitzt, und der höchst
wahrscheinlich das Methylaceton der Zimmtsäure ist :
C,HeO + CH, . CO . CHa = C.Ha . CH . CH . CO . CHa + H,0.
Das Verhalten des Bittermandelöls macht also das Con-
densationsgesetz, wonach das Kohl'enoxyd in ein Methyl
hineingreift und mit 2' Afflnitäten i Kohlenstoffatome in Ver-
bindung gesetzt werden, wenigstens Tür eine Anzahl von
Fällen in hohem Grade ^wahrscheinlich , und erlaubt diese
Ansicht ^uch auf das Mesilyloxyd und das Phoron auszudehnen,
welche, wie ich a. a. 0. schon angedeutet habe, dann als
methylhaltige geöffnete Benzolketten zu betrachten sind.
* Bemerkenswerth ist die Leichtigkeit, mit der der Alde-
hyd und das Aceton den Wasserstoff ihres Methyls verlieren,
während diese Gruppe sowohl in den Kohlenwasserstoffen
als auch in der Essigsäure eine so grofse Beständigkeit gegen
die meisten Reagentien zeigt. Die Schwefelsäure lyirkt zw^v
und Polymerie, 83
ähnlich auf diese Körper ein, indem die Bildung der Solfo-
essigsäure nnter Austritt von Wasser ja auch so stait6ndet,
dafs das Methyl angegriffen wird, und der Schwefel der
Essigsaore sich an den Kohlenstoff anlagert (wie eß bei der
Bildung der Zimmtsäure der Kohlenstoff selber thut) ; aber doch ^
scheinen die Wasserstoffiatome im Methyl der Essigsaure weit
fester gebunden« wie die im Methyl des Aldehyds oder des
Acetons. Betrachtet man die Reihe : Aethylwasserstoff, Alko-
kol, Aldehyd, Essigsäure, so kann man sich nicht des Ge*
danken« erwehren, dafs das verschiedene Verhalten des einen
Methyls in diesen Körpern nicht bloCs auf der Gegenwart des
Sauerstoffs in dem andern Methyle beruhte! Wenn diets der
Fall wäre, so mufste die Festigkeit, m\ d«r die Wasserstoff«-
atome an den Kohlenstoff gebunden sind, von einem Gliede
zum andern entweder 2u-* oder abmehmen ; in der Thai nimmt
sie aber vom Kohlenwasserstoff zum Alkohol und von diesem
zum Aldehyd ab , um vom Aldehyd zur Essigsäure wieder
bedeutend zu wachsen. Der Grund dieser Erscheinung scheint
in demE'mflusse zu liegen, welchen die verschiedene Gruppirung
der Atome auf ihre gegenseitige Anziehung ausübt, ein Ein-
fluJs, der sich besonder» deutlich herausstellt^ wenn man das
Verkalten des Aldehyds mit dem des Acetons vergleicht.
Man hat öfters dem Aldehyd eine andere Constitution wie
dem Aceton zuschreiben wolteu und ersteren als Alkohol
C3U3(0B) betrachtet; das scheint mir aber wegen der Aehnlich-^
kek der Reactionen ganz unzulässig,- man mufs dann auch
das Aceton als Alkohol C|Bft(OH) ansehen. Indessen sprechen
die Bildung des Chlorbenzoyls aus Bittermandelöl und Chlor,
die Entstehung des Acetons aus Chloracetyl und Zinkmethyl
und viele andere Reactionen für die Formeln:.
Mag die eine oder die andere Ansicht richtig sein, so
scheint die Aehnlichkeit im Verhalten des Methyls im Alde-
6» - I
84 Baeyety über Oondensation
hyd und Aceton auf der übereinstimmenden Constitution des
damit verbundenen sau erstofTha lügen Theiles zu beruhen.
Was die Frage betrifft, ob der Eintritt des Sauerstoffs in
dasMoleciil die Festigkeit, mit der der Wasserstoff am Kohlen-
stoff sitzt, vergröfsert oder vermindert, so mufs man zwei
Fälle unterscheiden, nämlich ob der Wasserstoff mit dem-
selben Kohlenstoff wie der Sauerstoff, oder mit einem anderen
verbunden ist. Der Wasserstoff, welcher im Alkohol mit dem
mit Sauerstoff verbundenen Kohlenstoff zusammenhängt, ist
offenbar durch den Eintritt des Sauerstoffs in den Kohlen-
wasserstoff gelockert worden, denn er wird durch weitere
Oxydation aufserordentlich leicht entfernt, und ebenso ist der
im Aldehyd mit CO verbundene Wasserstoff durch Sauer-
stoff sehr leicht oxydirbar. Daraus folgt, dafs die Aftziehung
des Sauerstoffs auf den Wasserstoff im umgekehrten Sinne
erfolgt, wie die des Kohlenstoffs; denn offenbar wird der-
jenige Wasserstoff von einem hinzutretenden Atom am
Leichtesten «mgegriffen, welcher im Holecul am Losesten ge-
bunden ist. Dasselbe Verhalten zeigt sich bei der Einwirkung
des Chlors auf das Chloräthyl: das Chlor gebt gerade an den-
jenigen Kohlenstoff, der schon mit Chlor verbunden ist, um
das dem Aldehyd entsprechende C2H4CI2 zu bilden. Diese
Thatsachen stehen im Widerspruch mit der Ansicht; welche
K e k ul e (diese Annalen CXXXVII, 174) über diese Frage aus-
gesprochen hat. Derselbe sagt : ^Ist ein bestimmter Ort
innerhalb eines Moleculs von Brom eingenommen, so sind
dadurch alle innerhalb der Anziehungssphäre dieses Brom-
atoms liegenden anderen Atome in Bezug auf ihre Anziehung
zu Brom gesättigt, oder diese Anziehung ist wenigstens ge-
schwächt. Ein zweites in das Monobromderivat eintretende
Bromatom wird also die Nähe des schon vorhandenen Broms
möglichst vermeiden; es wird einen möglichst entfernten
Ort aufsuchen; weil dort diei Summe der noch wirksamen
und Polymerie. 85
Ansiebangen eine möglichst grotse ist.^ Eine solche speci-
fische Bromanziehung ist schwer zo denken, und es ist
wahrscheinlicher, dafs die Anziehung, welche auf ein Wasser-
stoffatom ausgeübt wird, die Resultante der Anziehungen aller
anderen Atome ist. Je nachdem die Wirkung des eintretenden
Bromatoms in demselben Sinne vor sich geht, wie die Resul-
tante der vorhandenen Anziehungskräfte, oder im entgegen-
gesetzten, wird auch das Wasserstoffatoro dadurch entweder
befestigt oder gelockert werden. So sehen wir z. B. im
Chloröthyl, dafs der mit CGI verbundene Wasserstoff gelockert
worden und leichter angegriffen wird, wie der des unver-
sehrten Methyls. Es ist diefs auch leicht erklärlich, wenn
wir uns ein Kohlenstoffatom vorstellen, das mit Wasserstoff
verbanden ist, und nun an die Stelle eines Atomes Wasser-
stoff Chlor einfuhren. Diefs Element zieht den Wasserstoff
starker an, wie der Wasserstoff sich selber; es wird also der
noch vorhandene Wasserstoff stärker vom Kohlenstoff fort-
gezogen werden, als vorher, und wird deshalb der Ein-
wirkung eines zweiten Chloratoms um so leichter unterliegen.
Dafs das Entscheidende über die Art der Einwirkung nicht
in der Stabilität der zu bildenden Substanz, sondern in dem
Grade der Labilität der einzelnen Atome zu suchen ist, sieht
man aus der Leichtigkeit, mit der aus dem Alkohol Aldehyd
entsteht und nicht das viel beständigere Glycol. Wie sich
•
bei dem Eintritt eines Chlor- oder Sauerstoffatoms in das
Molecul die Anziehung eines Wasserstoffatomes ändert, welches
mit einem andern Atom Kohlenstoff verbunden ist, läfst sich
noch nicht übersehen, und es ist leicht möglich, dafs in dem
von Kekule besprochenen Beispiel vom Brömbenzol die dem
Brom zunäcfastliegenden Wasserstoffe fester gebunden sind
als im Benzol, wenn die Anziehung des Broms auf den be-
nachbarten Wasserstoff eine Componente in der Richtung der
auf das Wasserstoffatom* wirkenden Resultante besitzt.
86 Baeyetj über Condensatian
Von den oben besprochenen Condensationsprodacten
unterscheiden sich die polymeren Modificationen der Aldehyde
dadurch, dafs in ihnen nicht der Kohlenstoff, sondern der
Sauerstoff oder ein anderes Element, welches diesen ver-
treten hat, die einzelnen Holecule yereinigt. Der Vorgang,
welcher z. B. bei der Verdoppelung des Aldehydes stattfindet,
wird am Leichtesten klar, wenn man sich daran erinnert, dafs
der Aldehyd als das Anhydrid des Dioxyäthylwasserstoffs
•
angesehen werden kann, indem das Acetal zu dieser hypo-
thetischen Verbindung in derselben Beziehung steht, wie die
Aethor der Kohlensaure zu den entsprechenden Hydraten.
Tritt nun aus dem Hydrat CH3 . CH(HO))i Wasser aus, so
bekommt man Aldehyd CHs.CHO; findet der Wasseraustritt
aber so statt, dafs je ein HO mit einem HO aus einem zweiten
Molecttl ein Wasser bildet, so werden dadurch 2 Molecule
zweimal durch Sauerstoff mit einander verbunden und man
bekommt einen Körper, der die verdoppelte Formel des
Aldehydes besitzt : q^ ' ^»| 0 0. Betrachtet man in der-
selben Weise die Bildung des Ameisenaldohydes aus dem
Holzgeist, so würde zuerst das Dioxygrubengas CiliiüO)^
entstehen, und diefs müfste dann ebenfalls Wasser abgeben,
um den Aldehyd zu bilden. In diesem Falle scheint die
Reaction aber immer in der andern Weise vor sich zu gehen,
es treten 2 Molecule zusammen und geben de,n verdoppelten
CH \ I
Aldehyd der Ameisensäure, das Dimethylenoxyd : r«ij^ OjO.
Die entsprechenden Schwefelverbindungen zeigen bekanntlich
dieselbe Verdoppelung, z. B. das Reductionsproduct des
CH \ \
SchwefelkohlenstofiDs : qu' SjS. Das Bittermandelöl ver*
doppelt sich bei der Behandlung mit Cyahkalium ebenfalls,
und man könnte vermuthen, dafs das so erhaltene Benzofn
tmd Polymerie, 8?
aach die polymere Hodification ^^o^ * ^jj 0 j 0 wäre, wenig-
stens spricht das Zerfallen des Benzoins in Bittermandelöl
bei hoher Temperator für diese Ansicht.
Das Chloral ist der dreifach-gecfalorte Aldehyd ; es ver-
bindet sich mit Wasser zu Chloralhydrat, welches dem oben
angenommenen Aldehydhydrat entspricht : CCls . CH(H0)8.
Das Chloralid ist eine gemischte dreifach -polymere Ver-
bindung von zwei Holeculen Chloral ond einem Kohlenoxyd,
welches letztere bei der Einwirkung von Schwefelsäure auf
Chloral entsteht :
C,HC1,0 CjHClel
C^HCljO geben CuHClalO«.
CO C I
Man kann sich diese Verdreifachung so vorstellen, dafs die
Sauerstofiatome kettenförmig ein Molecul immer an das andere
heften. Die porcellanartige Hodification des Chlorals ist
wahrscheinlich eine noch complicirtere Anhäufung von Mole-
culen, die ii^ derselben Woise durch Sauerstoff verbunden
sind.
Am Zahlreichsten und Mannigfaltigsten sind die, Poly-
merieen bei den Stickstoffverbindungen, wie es bei der mehr-
werthigen Natur dieses Elementas auch nicht auffallend ist.
Die Theorie der Stickstoffpolymerie lafst sich äbfigens ganz
in derselben Weise entwickeln, wie die der Sauerstoffpoly-
merie. Dem unbekannten Hydrat der Kohlensäure C(H0)4
■ ■
entspricht das unbekannte Amid C(NR8)4. Bei der von Hof-
mann untersuchten Einwirkung vof\ Ammoniak auf Chlor-
pikrin bildet sich nicht dieser Körper sondern das um NHs
ärmere Guanidin. Das Guanidin steht also zu dem vierfachen
Amid in demselben Verhältnifs wie die Kohlensäure 'in den
Salzen zu der Kohlensäure in dem B asse tischen Aether, das
eine ist ein Anhydrid, das andere schlage ich vor Anamid zu
88 Baeyer, über QmdenscUian
nennen. Vernert das Guanidin noch ein Ammoniak, so mafs es
Cyanamid geben, entsprechend dem gewöhnlichen Kohlen-
säureanhydrid :
Tetraamid CCNH,)« ' C(H0)4 BftBset's Hydrat
Onanidin C(NHs)s(NH) €(HO)aO Hydrat der Salze
Cyanamid I^jJJ^q x CO, Kohlensäure.
In derselben Weise kann man das freie Cyan mit der
Oxalsäure vergleichen, wenn man diese als das zweite An-
hydrid des Hydrates C2(HO)6 ansieht.
Sh^w^se^toffl^ ' C«<HO)e Hexaoxy&thylwaaBerstoff
C,(NH,)4NH C,(H0)40 .
C,(NH2),(NH), C,(H0),08 OxalsÄure
C,(NH)8(NH)N
Cyan C,!^
Man sieht, wie viel einfacher die Reihe der Oxalsäure
ist. Die Stickstoffreihe wird noch um ein Glied reicher,
wenn man die Ammoniake in anderer Reihenfolge austreten
läfst, und z. B. das eine Kohl^ifistoffatom in Cyan verwandelt,
während das andere noch unangegriffen bleibt, also in fol-
gender Weise :
C(NHO, . C(NH,)3
0(NHa), . C(NHt)(liH)
C(NHt)i • CN
C(NH,)(NH) . CN
CN . CN.
Der Mechanismus bei dem Uebergange der Hydrate der'
Kohlensäure in die Anhydride besteht darin, dafs eine HO-
Gruppe einer andern an demselben Kohlenstoff befindlichen
ein Wasserstoffatom entzieht um als Wasser auszutreten,
während der so von Wasserstoff befreite Sauerstoff sich
ganz an den Kohlenstoff anlagert und die Gruppe CO bildet.
Bei den Amidoderivaten geht dieser Procefs wegen der drei-
werthigen Natur des Stickstoffs in zwei Absätzen vor sich :
zuerst entzieht ein NUs einem andern an demselben Kohlen-
und Polymerie, 89
Stoff befindlichen einen Wasserstoff um Ammoniak 2u bilden,
und es entsteht die Imidogruppe NH, welche sich mit
2 Affinitäten an den Kohlenstoff anlagert ; ist dann noch eine
AmidogTQppe an demselben Kohlenstoff vorhanden, wie es
z. B. bei dem freien Cyan der Fall ist, so entzieht diese
der Imidogruppe den letzten Wasserstoff, es entweicht
Ammoniak und der zurückbleibende Stickstoff legt sich ganz
an den Kohlenstoff an, um Cyan zu bilden.
Der Beweis für die Richtigkeit dieser Anschauung scheint
mir darin zu liegen, dafs die Anamide, wie z. B. die Cyan-
verbindungen, Ammoniak aufnehmen, grade wie die Anhydride
Wasser binden.
Kohlensaure nimmt Kalihydrat oder Alkohol auf und
giebt ein Salz oder einen Aether; so verbindet sich auch
das der Kohlensäure entsprechende Cyanamid mit Anilin
bei der Bildung des Heianilins. Chlorcyan giebt nämlich
mit Anilin zuerst phenylbaltiges Cyanamid und dieses ver-
bindet sich zugleich mit einem zweiten Anilin und giebt
zweifach-phenylirtes Guanidin. Ferner vereinigen sich nach
Strecker Cyanamid und Glycocoü direct zu Glycocyamin;
Glycocoll ist ein Ammoniak in welchem die Essigsäure steckt,
das Glycocyamin ist also ein Guanidin. Endlich nimmt das
freie Cyan 2 Anilin auf und bildet Cyananilin, eine Ver*
bindung, die zum Guanidin in derselben Beziehung steht wie
die Oxalsäure zur Kohlensäure:
C(NH)NH,XNH,) C{NH)NHa . C(NH)(N.H,)
Gaanidin Mutteraubstanz des CyanaDilins.
Denn wie man die Oxalsäure von der Kohlensaure ab-
*
leiten kann, indem man sich aus 2CO(HO)8 2 (HO) wegdenkt
und die Beste miteinander verbindet, so braucht man im
Guanidin nur NH« fortzunehmen und dann zwei solche Reste
miteinander zu verbinden, um Cyananilin zu erhalten. Aehn-
licher Natur sind offenbar die Basen, welche man verschiedent-
90 BaeyeTy über Qmdenaation
lick dvroh Einwirkung von Blausömro auf Basen erhake« Imt,
nudem die Blanaäare bis zu einem Triamidoderivat, dem Afnido-
form, durck Eintritt von 2 Ammoniak »u^elöst werden kann :
CH.N
CH(Nfi)(NH,)
CH(NH,),.
Aufser den beiden besprochenen Fallen, wo 4 oder
3 NHs mit einem Kohlenstoif verbunden sind, können auch
nur 2 oder 1 NH« damit in Verbindung stehen. 2 NH^^ können
nur einmal NH3 .veriier<Mi und lassen die zweiwertbige
Imidogruppe zurück; 1 NHa kann natürlich kein Ammoniak
abgeben, ohne in irgend eine andere Gruppe einzugreifen.
Denken wir uns nun irgend einen Kohlenwasserstoff und
darin einen, mehrere oder alle Wasserstoffatome durch NH«
ersetzt, so können wir durch Austritt von NH3 aus solchen
NHk-Gruppen, die an einem Kohlenstoffatome sitzen, alle Ver-^
bindungen erzeugen, die den Alkoholen, Aldehyden, Acetonen
ond Säuren in der Sauerstoffreihe entsprechen. Der Carb-
oxylgruppe CO. OH entspricht die Cyangruppe, dem CO im
Aldehyd und Aceton die Gruppe C(NH) und dem HO die
Gruppe NH|.
Wenn wir diejenigen Stickstoffderivate der Kohlenwasser^
Stoffe bei Seite lassen, in denen Stickstoffatome unter ein-
ander oder mit anderweitigen Elementen, wie Sauerstoff z. B^
verbunden sind , so bleibt uns nur noch eine Klasse zu be*
sprechen übrig, die nämlich, welche Stickstoffatome in Ver-
bindung mit zwei oder mehr verschiedenen Kohlenstoffatomen
enthalt. Die entsprechende Sauerstoff- Reihe umfafst die
Aetherarten, die Anhydride und die polymeren Modificationen.
Die den Aetherarten und Anhydriden entsprechenden Stick-
stoffverbindungen sind die verschiedenen substituirten Ammo-
niake, deren Theorie durch Hofmann 's Untersuchungen
wohl als abgeschlossen betrachtet werden kann. Die poly-
und Polymerie. 9t
Bereo ModificationeD und die rieh daran sehliebenden Sub-
stanzen, wie die Mellonkörper, sind aufserordentlich zahlreich,
and ich mufs mich an dieser Stelle nur anf einige Andeu-
tangen beschränken. Die Bildung polymerer Substanzen
kann naturlich nur durch mehrwerthige Elemente oder Gruppen
erfolgen, es kann daher auch nur das Atom Stickstoff und
die lanidogruppe, nicht aber die Amidogruppe polymerisirend
auftreten (wenn man nur drei Werthigkeiten des Stickstoffs
berücksichtigt). Je nachdem die eweiwerthige NH-Grnppe
oder das dreiwerthige N-Atom mit Kohlenstoff verbunden ist,
wird daher auch eine Verdoppelung oder Verdreifachung
wahrscheinlicher sein. Man kann das Cyanamid z. B. ent-
weder als Cyanamid oder als Biimid des Kohlenstoffs be-
trachten : CN(NH2) oder C(NH)8. Letzteres kann sich sehr
einfach verdoppeln, indem die zweiwerthigen Imidogruppen
immer zwei Kohlensloffatome verbinden :
^}(NH)4 oder c(riH)K''^)«' Das so gebildete Dicyan-
amid, die Mottersubstanz der Harnsaure, nimmt dann ein
Wasser auf und giebt das dem Allantoin entsprechende
CO 1
Dicyandiamidin von Strecker: n/Mu \ [(NH)^.
Bei höherer Temperatur verhalt sich das Cyanamid wie
ein Cyanderivat : in drei Moleculen lagern sich die in Cyan-
form vorhandenen drei Stickstoffatome so um, dafs jedes mit
drei verschiedenen Kohleastoffatomen in Verbindung tritt :
C(NHt)lN, = Helamin. Hierdurch ist auch erklärlich, wes-
C(NHt)j
halb das Chlorcyan keine bestandige Verdoppelung, wohl
aber eine sehr beständige Verdreifachung zeigt, welche dem
Helamin und der Cyanursäure entspricht :
ccn c(HO))
CCl }N. Dreifach-Chlorcyan ; C(HO)yNa Cyanuraäuro.
CClJ C(HO)J
92 BaeycTy über Condensation
Dafs die Cyanursäure wirklich 80 constituirt ist, scheint
mit Sicherheit aus der Bildung von Tridthylguanidin zu folgern,
welche Hofmann bei der Einwirkung von Natriumaikoholat
auf Cyanursäureather beobachtet hat (Jahresbericht f. 1861,
S. 515). Nach obiger Formel sind mit einem Kohlenstoflatom
drei StickstoflTatome verbunden; werden nun die zwei andern
Kohlenstoffatome fortgenommen, so bleiben diese zusammen,
und erhalten den nöthigen Wasserstoff durch Bildung von
Kohlensäure. Die Cyansäure kann sich wie das Cyanamid
nicht allein verdreifachen, sondern auch verdoppeln , wenig**
stens giebt Poensgen die Existenz einer Dicyansaure an.
Diefs ist auch möglich, wenn man der Cyansäure nicht die
Formel CN(^HO), sondern CO(NH) giebt. In letzterer sind
zwei zweiwerthige Gruppen, der Sauerstoff und das NH, und
beide könnten zu einer Verdoppelung Veranlassung geben :
Was die in letzter Zeit so viel* besprochene Constitution
des Harnstoffes betrifft, so ergiebt sich aus dem Obigen Fol-
gendes. Nimmt man die Formel CO(NH) ffir die Cyansfiure
an, so kann die Imidogruppe Veranlassung geben zu der
Aufnahme von Ammoniak, indem sie selbst so wie das ein-
tretende Ammoniak in NH« verwandelt wird, und man erhalt
so das Carbamid C0(NH«)8. Geht man von der Formel CN(HO)
aus, so kann die Cyangruppe ebenfalls Ammoniak aufnehmen,
dann wird der eine Stickstoff aber in NH und der andere in
NHi verwandelt und der Harnstoff wäre dann : C(NH)(NH0(OH),
worin das OH mit dem Kohlenstoff in Verbindung ist. Wenn
diese letztere Ansicht richtig ist, so müfste der Harnstoff im
Stande sein, noch ein Ammoniak in irgend einer Form auf-
zunehmen, um ein Derivat der Verbindung : C(NHt)3(0H) zu
geben. Dabei will ich daran erinnern, dafs ich durch Er-
hitzen von Harnstoff mit Anilin das indifferente Phenylcarbamid
vnd Polymerie, 93
erhalten habe, was also für die Carbamidformel des Harn-
stofTes spricht Aufserdem muTste der aus Cyansäureäther
und Ammoniak gebildete AethylharnstofT die Zusammensetzung
C(NH)(NH2)(0C:<H6) haben und bei der Zersetzung mit Kali
Ammoniak und Alkohol geben, was bekanntlich nicht der
Fall ist. Man *kann sich am Besten über diese Körper eine
Uebersicht verschaffen, wenn man von dem Basset'schen
Hydrat der Kohlensäure ausgeht und ein HO nach dem
andern durch NH2 ersetzt, man erhalt dann folgende Reihe :
C(H0)4, C(HO),(NH.), C{HO),(NH,)„ C(HO)(NB,)a, C^NH,),
CO(HO)to COCHOXNH,), CO(NH,)t, C(HOXNBy(NH), C(NH,),(NH)
CO^ CCKNH), C(HO)N, C(NH)t.
In der ersten Reihe befinden sich die der Kohlensaure
entsprechenden Normalkörper (Orthosnbstanzen), in der zweiten
und dritten die primären und secundaren Anamide und An-
hydride, wobei angenommen ist, dafs die HO- und NHg-^ruppen
nmr antereinander zum Austritt von Wasser oder Ammoniak
Veranlassung geben.
Pafst man das ober die Polymerie Gesagte zusammen,
so ergiebt sich Folgendes : „Die Bildung polymerer Sub-
stanzen entspricht der Aufnahme von Wasser oder Ammoniak
durch die Anhydride, welche CO enthalten, oder die Anamide,
welche die Gruppe C(NU) oder CN enthalten, indem gleich-
artige Gruppen die Rolle des Wassers oder des Ammoniaks
spielen.^ Handelt es sich z. B. um den Uebergang des
Chlorcyans in das Dreifach-Chlorcyan^ so hat man :
CNCI -h 2 NHs = C(NH,)8C1
CNCl + 2 CNCI = Cb N, Ol,.
Betrachten wir noch zum Schlüsse die Stickstoffderivate
der Aldehyde. Das Hydrobenzamid entspricht einem ver-
dreifachten Aldehyd, in welchem der Sauerstoff durch Stick-
stoff vertreten ist; man kann es also mit dem Benzoin ver-
gleichen :
94 Baeyer, über Condengaiion
Das Hydrobenztniid g^ht beim Erhitzen in Amarin über,
wobei wahrscheinlich die CTHe-Gruppen unter Wasserstoff-
abscbeidong sich mit einander verbinden, indem der Wasser-
stoff an d«n Stickstoff geht. Di^e Reaction wäre also eine
Condensation ohne Austritt, entsprechend der Bildung 4e$
Benzidins aus dem Hydroazobenzol, bei welcher Reaction
die Benzole ebenso Wasserstoff abgeben, um sich mii einander
zu verbinden und den Stickstoff in die Amidogrnppe zu
verwandeln. Beim gewöhnlichen Aldehyd kannte man diese
Vorgänge noch nicht; ich habe aber durch Erhitzen von
AMehydammoniak mit Harnstoff eine neue fluchtige Base er-
hatten, die ich Aldehydin nennen will und die dem Amarin
zu entsprechen scheint. Diese Base riecht nämlich wie
Nicotin oder Coniin, und besitzt nach Versuchen, die Herr
Dr. Schult ^en die fiüte gekabt hat anzustellen, äufsersi
giftige Eigenschaften. Substanzen, die dem Hydrobenzamid
ähnlich zusammengesetzt sind und von dem noch unbe-
kannten Triätbylidenbiaroid abgeleitet werden können, sind
das Tkialdin, das Carbothialdi» und das Hydrocyanaldin :
CA) C,H,^ \'i C,H, \ C,H,^ CN
CJH4) C,H4J )SH C(8U)jj C,hJ CN
Triäthylidenbiamid. Thialdln. Carbothialdin. Hydrocjanaldio.
In dem Triäthylidenbiamid sind beide Stickstoffatome mit
je einer Affinität mit je einer der drei Aethyiidene verbunden
gedacht, im Thialdin ist der eine Stickstoff durch den zwei-
werthigen Schwefel und die einwerthige Gruppe SH ver-
treten, im Carbothialdin ist ein Aethyliden durch die zwei-
werthige Gruppe C(SH)^ ersetzt, und im Hydrocyanaldin ein
Stickstoff durch drei Cyan. Alle drei Körper haben die
Eigenschaft, in drei Theile zerfallen zu können ; wie das
Hydrobenzamid in drei Bittermandelöl mit Leichtigkeit aufgeht.
und Polymeru. AB
Das Acetammoniumoxy dhydrat Ten H e i n t z und W i s 1 i c e n a s
(Cbem. Centralblatt 1859, 61) halte ieh für einen Abkömnlin^ des
Aldehydharzes, da es mit Kali gefällt worden und Kali alle
Aethylidenderivaie in Aldehydbarz verwandelt.
Neues Verfahren zur Synthese der Oxalsäure
und homologer Säuren;
von M. Berihelot *).
i) Die Formeln des Acetylens C4H8 and der Oxalsäure
C4HtO0 mA nur um 8 Aeq. Sauerstoff Terschieden. Es isl
mir gelungen, diese Menge Sauerstoff direet dem Aeetytoo
hinzuzufügen : C^i -{~ Og 3= C4H]i0b/ Die Synthese der
Oxalsäure iifst sich also ausfuhren durch die successive
Vereinigung der drei sie zusammensetizenden Elemente :
Kohleaatoflf + Waaaeratoff ^ Aoftylea;
Acetylen 4~ Sauerstoff = OzalsAore.
Man braucht nur, bei gewöhnlicher Temperatur, eine
wasserige Lösung von reinem übermangansaurem Kali auf
Acetylengas einwirken zu lassen. Man setzt die Lösung nach
and nach zu, unter stetigem UmschüUeln und so lange sich
die Losung noch entfärbi. Wenn man nahe an der Grenze
angekommen ist, filtrirt man zur Abscheidung des Mangan-
hyperoxydes. Die Flüssigkeit enthalt alsdann, an Kali ge-*
banden, eine grofse Menge Oxalsäure, welche leichl als solche
nachzuweisen und nach den gewöhnlichen Verfahren zu
isoliren ist. — Zu gleicher Zeil entstehen Ameisensäure und
♦) Compt pcnd. LXIV, 86.
96 Berthelot, neues Verfahren zur Synthese der
Kohlensäure, welche betrachtet werden können als Uoiwand-
lungsproducte eines Theiles der Oxalsäure im Entstebongs-
zustand : *
1 Vol. Acetylen fixirt also direct, und durch einfache
Addition, 8 Aeq. d. i. 2 Vol. Sauerstoff unter Bildung von
Oxalsäure. Das ist ein neuer Beweis dafür, dafs das Acetylen
eine unvollständige Verbindung ist, worauf auch beruht, dafs
es, wie ich gezeigt habe, sich mit 1 und mit 2 Vol. Wasser-
stoff oder Wasserstoffsäure vereinigt. Das Volum des Sauer-
stoffs und das Volum des Wasserstoffs, welche im Maximum
vom Acetylen aufgenommen werden können, sind genau gleich
grofs. Hier ist auch, wenn ich mich nicht irre, das erste
Beispiel dafür gegeben, dafs ein Kohlenwasserstoff sich direct,'
und ohne dafs ein Element elinrinirt wird, mit Sauerstoff zur
Bildung einer Säure vereinigen kann.
2) Es schien mir Interesse zu bieten, in dieser Beziehung
das Acetylen mit dem Aethylen zu vergleichen, welches
letztere durch Vereinigung des Acetylens mit Wasserstoff
nach gleichen Volumen erhalten werden kann. Die Oxydation
des Aethylens mittelst übermangansauren Kali's geht eben so
leicht vor sich wie die des Acetylens, nur etwas langsamer.
Nicht nur bilden sich dabei Ameisensäure und Kohlensäure,
wie Trnchot entdeckt hat, sondern auch, und in beträcht-
licherer Menge, Oxalsäure. Die letztere Säure entsteht hier
auf Grund einer Elimination von Wasserstoff bei der Auf-
nahme von Sauerstoff :
C4H4 + Oio = C,H,Oa + H,0,;
d. h. das Endproduct der Oxydation des Acetylens und des
Aethylens ist dasselbe, da der von dem Acetylen zur Bildung
von Aethylen aufgenommene Wasserstoff eliminirt wird.
3) Die Reactionen, welche ich hier bespreche, sind
nicht nur auf das Acetylen und das Aethylen, sondern auch
auf eine Menge anderer Kohlenwasserstoffe anwendbar.
Oxalsäure und homologer Säuren. 97
Das Aliylen CeH« z. B., welches mit dem Acetylen ho-
molog ist, besitzt gieichfalis die Eigenschaft, bei Einwirkung
von übermangansaurem Kali in der Kälte, einfach durch Ver-
einigung mit Sauerstoff; eine entsprechende Säure, die Halon-
säure, entstehen zu lassen :
Bei dieser Sauerstoffaufnahme werden zugleich Essig-
säure and Kohlensaure, d. h. die Spaltungsproducte der Ma«
lonsaure gebildet :
CeH^Og = C4H4O4 + C,04.
Doch sind die mit dem Aliylen auszuführenden Reactionen
weniger glatt, als die Bildung der Oxalsäure aus dem Ace-
tylen, da der gröfsere Theil des Allylens eine tiefer gehende
Einwirkung erleidet, welche einerseits die der Halonsäure
nächst niedrigere homologe Säure, nämlich Oxalsäure, und
andererseits die der Essigsäure nächst niedrigere homologe
Säure, nämlich Ameisensäure, entstehen läfst.
4) Das Propylen CeH« liefert dieselben Producte wie
das Aliylen; nämlich Malonsäure, und zwar in reichlicherer
Menge als das Aliylen :
was die Hauptreaction repräsentirt, und aufserdem bilden
sich noch, in Folge secundärer Reactionen, Oxalsäure, Essig-
säure, Ameisensäure und Kohlensäure.
In folgender Weise kann man die mit dem Aliylen oder
mit dem Propylen hervorgebrachten Säuren, die Oxalsäure
und die Malonsäure, isoliren : Nachdem man das überman-
gansaure Kali auf den Kohlenwasserstoff einwirken liefs, filtrirt
man und erhält eine farblose Flüssigkeit; zu dieser setzt
man eine (von Schwefelsäure und Salzsäure freie) Lösung
von essigsaurem Kalk , wodurch die Kohlensäure und die
Oxalsäure in der Form von Kalksalzen ausgefällt werden,
deren Säuren sich nach bekannten Verfahren isoliren lassen ;
*..«! A m.o.M M Ok^iHM V UnnntA«nAit«'li<l 1 flol»
98 Berthelot^ neues Verfahren zur Synthese der
die Halonsäare bleibt in der Flüssigkeit. Man versetzt nun
diese mit einer Spur Essigsäure und dann mit essigsaarein
Blei, wodurch malonsaures Blei (mit einem gewissen Kalk-
gehalt) ausgefällt wird. Man zersetzt dieses Bleisalz mittelst
Schwefelwasserstoff, dampft das Filtrat im Wasserbad zur
Trockne ein, behandelt den Rückstand mit Aether und er-
hält die Malonsäure krystallisirt. Ich habe die hauptsäch-
lichsten Eigenschaften derselben verificirt.
Ich gehe auf die Essigsäure und die Ameisensäure hier
nicht weiter ein, auf welche Truchot bereits aufmerksam
gemacht hat.
5) Was die hier besprochenen Reactionen betrifit, so
scheint mir als wichtigste Thatsache die Bildung der zwei-
basischen, den ursprunglichen Kohlenwasserstoffen entspre-
chenden Säuren dazustehen. Nicht allein ist hierin eine
directe Synthese dieser Säuren gegeben, sondern, wie es
mir scheint, auch eine Erklärung der bei so vielen Oxyda-
tionen beobachteten gleichzeitigen Bildung der beiden Säure-
reihen C8nH2n04 uud C8QH2n-208. Nehmen wir als Beispiel
das Allylen. Dieser Kohlenwasserstoff liefert einerseits die
flüchtigen Säuren der ersten Reihe : Essigsäure C4H4O4 und
Ameisensäure G^HyO«, und andererseits die fixeren Säuren
der zweiten Reihe : Malonsäure G6H4O8 und Oxalsäure C4H2O3.
Nun wird unter diesen Säuren nur Eine durch normale Re-
action hervorgebracht, nämlich die Malonsäure :
CeH* + 08 = CeH^Og ;
aber die anderen leiten sich von dieser in regelmäfsiger
Weise ab. In der That erklärt die Spaltung dieser Säure
in dem Entstehungszustand die Bildung der Essigsäure
und man begreift, weshalb die erste fette Säure, die hier
auftritt, weniger Kohlenstoff in ihrer Formel enthält als der
sie erzeugende Kohlenwasserstoff. Die reguläre Oxydation
Oxalsäure und homologer Säuren» 99
der Essigsäure in dem Entstehungszustand *) erklart ferner
die Bildung der Oxalsäure :
C4H4O4 + 0« = c^HjOg 4- e,o,.
Und endlich erklart die Spaltung der Oxalsäure die Bildung
der Ameisensaure :
Man sieht hier klar, wie alle diese Bildungen unter einander
verknüpft sind.
ß) Ich will noch einiger anderer Thatsachen erwähnen.
Das Amylen CioHio giebt bei seiner Oxydation durch über-
mangansaures Kali, anfser den fluchtigen Säuren, die Reihe
der fixen Säuren von der Oxalsäure an. Man scheidet diese
letztere niach dem oben beschriebenen Verfahren mittelst
essigsauren Kalks aus, und fällt die anderen in der Form
von Bleisalzen. Ich habe ihre Existenz constatirt, aber nicht
mit einer hinreichend grofsen Menge operirt, um jede ein-
zelne nachzuweisen. Wahrscheinlich besteht das Säurege-
mische aus Pyroweinsäure GioHgOg als dem normalen Pro-
dacte, und Bernsteinsäure CsHaOs und Malonsäure G6H4O8 als
secundären Producten, in der Reihenfolge der Kette der oben
besprochenen Reactionen.
7) Das Styrolen CieHg läfst bei der Oxydation durch
übermangansaures Kali Benzoesäure und Kohlensäure ent-
stehen :
CieHg + 0,0 = C,4He04 + CjO^ + H,0,.
Das ist dieselbe Reaction, nach welcher das Aethylen Ameisen-
säure entstehen läfst. Aber ich habe bisher noch nicht auf
diesem Wege die der Oxalsäure correspondirende Phtalsäure
CißHeOs erhalten können.
^) Ist die Essigs&ure einmal vorhanden, so widersteht sie der Ein-
wirkung des übermangansauren Kaii's.
7«
100 Zwenger, über Mdilotsäure und deren
8) Aach das Terpentinöl wird durch das übermangan-
saure Kali in der Käke oxydirt; aber die Reaction ist hier
complicirter. Neben einer harzigen, in kaltem und leichter
noch in heifsem Wasser löslichen Säure, welche durch essig-
saures Blei tt. a. gefällt wird, entsteht ein neutraler flüchtiger
Körper, dessen Geruch so zu sagen von dem des Camphers
nicht zu unterscheiden ist. Ich werde darauf zurückkommen.
Abgesehen von ihrem theoretischen Interesse zeigen diese
Thatsachen, welche Resultate man von der Anwendung des
übermangansauren Kali's in der organischen Chemie erwarten
darf, von diesem Reagens, mit welchem bereits P^an de
Saint-Gilles vor einigen Jahren und Truchot vor Kurzem
so interessante Ergebnisse erhalten haben.
üeber Melilotsäure und deren künstliche
Darstellung aus Cumarin ;
von Constanün Zwenger.'
Aus dem Steinklee (Melilotus officinalis) habe ich vor
einigen Jahren in Verbindung mit Herrn Bodenbender *),
dessen Hitwirkung ich bei vorliegender Untersuchung leider
zu entbehren hatte, eine neue Saure, die den vorläufigen
Namen Melilotsäure erhalten hat, dargestellt und nachgewiesen,
dafs diese Säure theils frei, theils in Verbindung mit Cumarin
in jener Pflanze auftritt. Aus den damals mitgetheilten Ana-
lysen ging hervor, dafs die Melilotsäure der Salicylsäurereihe
angehöre und nach der Formel CigHioOe zusammengesetzt
*) Diese Annalen CXXVI, 267.
künstliche Darstellung aus Cumarin, 101
sei, sich also nur dorch zwei Atome Wasserstoff, die sie
mehr enthält, von der Cumarsaare onterscheide. Eine de-
taillirtere Beschreibung der Melilotsäure und deren Salze
und namentlich die Feststellung ihrer Beziehung zur Cumar-
saure wurde nachzuliefern versprochen, welcher Verpflichtung
ich erst jetzt durch vorliegende Abhandlung nachkommen
kann.
Bei den öfteren Darstellungen der Melilotsäure aus dem
Steinklee habe ich im Allgemeinen dieselbe Methode, die in
der erwähnten Abhandlung schon specieller mitgetheilt ward,
beibehalten; nur wurde, was sehr wesentlich ist, der aus der
wässerigen Lösung des ätherischen Auszugs durch Bleiessig
erhaltene Niederschlag nicht direct durch Schwefelwasser-
stoff zerlegt, sondern vorher so lange mit Wasser ausge-
kocht, als das heifse Filtrat nach längerem Stehen einen kry-
stallinischen Niederschlag von meliiotsaurem Blei ausschied.
Zweckmi&ig ward hierbei die Mutterlauge der ersten Ab-
kochungen immer von Neuem zum Auskochen des Rückstan-
des verwendet. Diese Behandlungsweise des Bleinieder-
schlages mit kochendem Wasser konnte, obgleich diese Me-
thode wegen der Schwerlöslichkeit des Bleisalzes etwas um-
ständlich ist, doch nicht gut umgangen werden, weil nur auf
diese Weise die fremden Stoffe, die gröfstentheils ungelöst
im Rückstände bleiben, sicher zu entfernen waren. Nach
dem Zersetzen des so erhaltenen melilotsauren Bleies durch
Schwefelwasserstoff wurde die auf dem Wasserbade concen-
trirte wässerige Lösung der Melilotsäure zum Zweck der
Reinigung mit neutralem essigsaurem Blei versetzt und da-
durch ein schwerer, krystallinischer , vollkommen weifser
Niederschlag erhalten, der nach dem Auswaschen in der
Regel als reines melilotsaures Blei betrachtet werden darf.
Sollte übrigens der Bieiniederschlag trotz dieser Behandlungs-
weise noch freies Cumarin enthalten, was leicht am Geruch
102 Zwenf/er, über Meläotsäure und deren
zu erkennen ist, so kann derselbe durch Auskochen mit Aether,
worin das Bleisalz unlöslich ist, davon befreit werden.
Das gereinigte melilotsaure Blei wurde dann abermals
durch Schwefelwasserstoff zerlegt und die Melilotsaure aus
der concentrirten wässerigen Lösung nach längerem Stehen
in der Kalte in grofsen, wohlausgebildeten Krystalien ge*
Wonnen. Auch die Mutterlauge lieferte unter der Luftpumpe
verdunstet, gewöhnlich bis. auf den letzten Tropfen Krystalle,
die sogar öfters die farbloseren und reineren waren.
Bei der Darstellung der Melilotsaure ist der unange-
nehmste Theil das langwierige und zeitraubende Ausziehen
des Steinkleeextractes mit Aether. Ich habe mich vergeblich
bemuht, einen kürzeren und bequemeren Weg aufzufinden,
was mir aber deswegen nicht gelingen wollte, weil in dem
Steinklee neben der Melilotsaure noch andere organische
Säuren, theils in freiem, theil's in gebundenem Zustande vor-
kommen, die nur auf die angegebene Weise getrennt werden
konnten. Auch durch Ausziehen der Pflanze mit einer ver*
dünnten Sodalösung in der Warme, Fällen der filtrirten Flüs-
sigkeit nach dem Neutralisiren mit Essigsäure durch Blei*-
Zucker, ward durch Auskochen des sehr voluminösen Blei-
niederschlages mit Wasser kein günstiges Resultat erzielt,
indem unter diesen Umständen das Filtrat selbst nach sehr
langer Zeit kein melilotsaures Blei ausscheiden liefs.
Uebrigens ist nach der erwähnten Methode die Ausbeute
nicht unbedeutend. 100 Pfund trockenes Kraut gaben un-
gefähr V/i bis 2 Unzen reiner Melilotsaure.
0,2564 Gtxd, lufttrockener Melilots&ure gaben 0,609 KohlenBäore
nnd 0,144 Wasser.
berechnet
geftinden
c„
108 65,06
64,78
U.0
10 6,00
6,23
0.
48 28,94
28,99
166 100,00 100,00.
künstliche Darstellung aus Cumarin. 103
Die früher niitgetheilten Analysen der Melilotaäure zeigten
immer einen kleinen Ueberschufs an Kohlenstoff, der wohl
sicher durch eine geringe Beimengung von Cumarin veran-
lafsl worden war.
Die Eigenschaften der Melilotsaure, die schon in der
erwähnten Ahhandlung kurz angegeben worden, will ich hier
noch einmal präciser wiederholen.
Sie löst sich bei 18^ C. in 20 Theilen Wasser; ihre
Löslichkeit wächst aber bei zunehmender Temperatur so be-
deutend, dafs sie schon bei 40^ C. nur 0,918 Theile (also
nicht ganz einen Theil) Wasser zur Lösung bedarf. In
Alkohol und namentlich in Aether ist ihre Löslichkeit noch
viel gröfser. Aus einer heifs gesättigten wässerigen Lösung
krystallisirt* sie bei längerem Stehen in der Kälte in zoll-
grofsen , farblos durchsichtigen , spiefsigen , dem Arragonit
ahnlichen Krystallen , die bei 82^' C. schmelzen und beim
Erkalten wieder krystallinisch erstarren. Ihre Lösungen
zeichnen sich durch ^ine stark saure Reaction aus; selbst
die verdänntesten Lösungen färben noch blaues Lackmus-
papier roth. Sie besitzt einen adstringirend sauren Geschmack
and bei gewöhnlicher Temperator einen honigartigen aroma-
tischen Geruch, der bei gelindem Erwärmen dem des Stein-
klees ähnlich wird. Sie zersetzt die kohlensauren Salze in
der Kälte mit. Leichtigkeit und löst in der Wärme Eisen und
Zink unter rascher Wasserstoffentwickelung auf. Ueber-
schttssige Alkalien ertheilen einer Lösung der Melilotsäure
bei auffallendem Lichte einen schwachen grünlichen Schein,
der um so geringer erscheint, je reiner die Säure war.
Beim mehrtägigen Stehen einer concentrirten Lösung der
Melilotsäure in überschüssigem Ammoniak tritt allroälig, auch
beim Abschlufs der Luft, eine indigblaue Färbung ein, die
erst nach sehr langer . Zeit ins Gelbliche oder Röthliche
übergeht. Beim Erwärmen einer solchen ammoniakalischen
104 Zwenger, über Meläotsäure und deren
Lösung zeigt sich dagegen gleich eine röthliche oder rothe
Färbung, wie überhaupt die Lösungen der Säure und die der
Salze mit starker Basis eine Neigung besitzen, beim Concen-
triren in der Wärme sich röthlich zu färben. Bei vorsich-
tigem tropfenweisem Zusatz einer kalten wässerigen Lösung
von Melilotsäure zu einer sehr verdünnten Eisenchloridlösung
entsteht eine bläuliche Färbung, die unter Ausscheidung
eines gelblichen oder bräunlichen Niederschlags langsam ver-
schwindet. Eisenchlorur ruft weder eine Farbenveränderung,
noch einen Niederschlag hervor. Durch Bleichkalklösung
wird eine Lösung der Melilotsäure in der Kälte gelb, in der
Wärme roth gefärbt. — Mit Kali geschmolzen liefert die
Melilotsäure unter Wasserstoffentwickelung Salicylsäure. Man
stellt diesen Versuch am Besten so an, dafs man Melilot-
säure mit concentrirter Kalilauge so lange eindampft, bis die
Anfangs gelbe Farbe der geschmolzenen Masse verschwunden
ist und dann noch etwas stärker erhitzt. Den Ruckstand über-
giefst man mit Salzsäure oder Schwefelsäure und dann mit
Aether. Aus der ätherischen Lösung scheiden sich beim
Verdunsten Krystalle in ziemlicher Menge aus, die nach dem
Umkrystallisiren aus Wasser durch den Schmelzpunkt, der
genau bei 159^ C. lag, und durch die Reaction mit Eisen-
chlorid sicher und leicht als Salicylsäure erkannt werden
konnten. Bei dieser Zersetzung entsteht zugleich Essig-
säure. Jener Rückstand gab mit Schwefelsäure destillirt eine
saure farblose Flüssigkeit, die etwas nach Holzessig roch,
Spuren von Salicylsäure enthielt und die gewöhnlichen Reac-
tionen auf Essigsäure zwar schwach, aber doch deutlich und
characteristisch zeigte.
Die Zersetzung der Melilotsäure durch Kali erfolgt dem-
nach nach folgender Gleichung :
üiaHtoOe + 4 HO = C^H^Oe + C4H4O4 + 4 H.
künstliche Darstellung aus Cumarin* 105
Anhydrid der Melilotsäure. — Erhitzt man Helilotsaure
in einer Retorte ^ so destillirt ein ölartiger Körper nebst
Wasser über, wahrend nur Spuren von Kohle im Ruckstand
bleiben. Die ersten Partien, die übergehen, sind trübe und
enthalten Wasser, das sich beim Stehen vom Oel absondert;
die spateren, die besonders aufgefangen wurden, erscheinen
hell und farblos. Das ganz zuletzt übergehende OeL ist
mitunter röthlich oder selbst violett gefärbt. Das rectificirte
farblose Oel reagirte vollkommen neutral, konnVie aber selbst
in einer Kaltemischung nicht zum Kry stall isiren gebracht
werden. Mit Walser längere Zeit erwärmt löste es sich
langsam auf und die nun stark sauer reagirende Flüssigkeit
gab beim Verdunsten Krystalle, die alle Eigenschaften der
Melilotsäure besafsen. Das Oel muTste also das Anhydrid
der Melilotsäure enthalten und es entstand nur die Frage,
ob ein oder zwei Atome Wasser aus der Melilotsäure aus-
getreten seien.
0,419 Gnn. Sobstanz gaben 1,0941 KohlenBänre und 0,2187 Walser.
berechnet nach berechnet nach
•
der Formel
der Formel
gefdnden
CwHjoOfl — 1 HO
CisHioOe - 2 HO
c
71,12
68,79
72,99
H
5,80
6,73
6,40
0
23,08
—
—
100,00.
Aus dieser Analyse ging hervor, dafs die Melilotsäure
zwar zwei Atome Wasser verloren hatte, dafs aber das er-
haltene Product noch wasserhaltig sei. Das Oel wurde des-
halb nochmals über Chlorcalcium rectificirt und auch hier
die ersten Portionen von den folgenden gesondert. Nunmehr
erstarrte die Flüssigkeit unter der Luftpumpe nach einiger
Zeit beinahe total zu einer Krystallmasse, die, #ie die Ana-
lyse bewies, nach der Formel GigHgOi zusammengesetzt war.
0,2446 Grm. lufttrockener Substanz gaben 0,6626 Kohlensäure und
0,1218 Wasser.
106 Zwenger, Über Mdilotsäure und deren
gefunden
72,74
5»53
berechnet
Ci8
108 72,99
H,
8 5,40
O4
32 21,61
148 100,00.
Das Anhydrid der Helilotsaure krystallisirt in farblosen,
glänzenden, harten, grofsen, scheinbar rhombischen Tafeln,
schmilzt schon bei 25^ C. zu einem farblosen, das Licht
stark brecherfden Oel, erstarrt beim Erkalten wieder krystal*
linisch, und siedet unzersetzt bei 272^ C. Bei gewöhnlicher
Temperatur riecht es dem Cumarin, von 'dem es sich nur
durch zwei Atome Wasserstoff unterscheidet, in hohem Grade
ähnlich; bei höherer Temperatur entwickelt es einen sehr
angenehmen Geruch , der an den des Zimmtöls und Nitro-
benzols lebhaft erinnert. In Alkohol und Aether löst es sich
zu einer vollkommen neutralen Flüssigkeit auf. In kaltem
Wasser ist es unlöslich; beim raschen Kochen wird ein Theii
gelöst, der si(^ beim Erkalten unter* milchiger Trübung als
farbloses Oel wieder ausscheidet. Bei längerem Erwärmen
löst sich dagegen das Anhydrid unter Bildung von Helilot-
saure in Wasser vollständig auf. Das Anhydrid zieht selbst,
wenn es in geschmolzenem Zustande in nicht hermetisch
verschlossenen Gefäfsen längere Zeit aufbewahrt wird, Wasser
aus der Luft an und verwandelt sich in krystallisirte Melilot-
säure.
Die Helilotsaure besitzt aber auch umgekehrt eine grofse
Neigung, selbst bei verhältnifsmäfsig niederer Temperatur
Wasser auszuscheiden und sich in Anhydrid umzuwandeln.
So tritt die Bildung von Anhydrid schon bei biofsem Schmel-
zen der Hel^tsäure auf dem Wasserbade ein. Uebergiefsl
man die längere Zeit geschmolzene Hasse mit Wasser, so
löst sich nur die unverändert gebliebene Helilotsaure auf,
während das Anhydrid als Oel ungelöst zurückbleibt.
küngüiche Darstellung aus Outnarin. 107
Salee der Mdilotsäure. ■— Die Salze der Melilotsäure
and gewöhnlich leicht krystallisirbar. Die Alkali- und alka-
lischen Erdsalze reagiren schwach alkalisch, das Ammoniak-
salz und die Salze der schweren Hetalloxyde dagegen sauer.
Die schwer löslichen wurden durch Doppelzersetzung, die
leicht löslichen durch Behandeln der entsprechenden kohlen-
sauren Salze oder der freien Basen mit Melilotsäure darge-
stellt. Sie schmelzen meistens leicht, manche schon unter
100^ C, und entwickeln bei höherer Temperatur Anhy-
drid, das als Oel in einer Vorlage aufgefangen werden kann.
Bei weiterem, sehr vorsichtigem Erhitzen färbt sich mitunter
die geschmolzene Masse erst rolh und dann prachtvoll violett.
Das Anhydrid, das in dieser Periode der Zersetzung über-
geht, ist dann roth oder violett gefärbt. Diese Erscheinung
zeigt namentlich das Barytsalz. Bei stärkerem Glühen tritt
totale Zersetzung des Salzes ein, es scheidet sich eine aufser-
ordentlich schwer verbrennbare Kohle unter Freiwerden von
Pfaenylsäure aus.
Es ist mir nicht gelungen, zweibasische Salze der Melilot-
säure darzustellen; alle Salze, die ich untersucht habe, waren
ohne Ausnahme einbasisch. Auch ist der auf gewöhnlichem
Wege dargestellte Aether keine Aethersäure, sondern eine
neutrale Aetherart. Ferner erzeugt sich bei der Einwirkung
von Ammoniak auf das Anhydrid der Melilotsäure das Amid
emer einbasischen Säure, ein Monamid. Die Melilotsäure ist
demnach einbasisch , aber zweiatomig, und enthält , wie die
meisten Säuren mit 6 Aeq. Sauerstoff, zwei ungleichwerthige
typische Wasserstoffatome. Ihre Formel läfst sich nach der
typischen Schreibweise durch CigHgOsL O« ausdrücken , worin
H )
das zweite Atom typischen Wasserstoffs, das durch Metalle
nicht vertreten werden kann, mit h bezeichnet ist. Dasselbe
108 Zwenger f über MeW^isäure und deren
wird aber unzweifelhaft, obgleich ich bis jetzt in dieser
Richtung keine Versuche angestellt habe, durch Alkohol-
oder Säureradieale leicht ersetzt werden können.
Melüotsaurea Kali, — Eine wässerige Lösung der Melilot-
säure wurde mit kohlensaurem Kali neutralisirt und der durch
Eindampfen erhaltene Rückstand mit absolutem Alkohol aus*
gezogen. — Das melilotsaure Kali ist in Wasser und Alkohol
sehr leicht löslich, krystallisirt aus einer wässerigen Lösung
strahlig- blätterig, reagirt alkalisch und schmilzt unter Verlust
des Krystallwassers bei 125^ C. Aus einer alkoholischen
Lösung wird das Salz durch Aether, worin es unlöslich ist,
als eine ölartige Schicht ausgeschieden, die in der Kälte mit
Salzsäure versetzt zu einem krystallinischen Brei von Melilot-
saure erstarrt. In dieser Beziehung verhält sich das melilot-
saure Kali also gerade wie das phloretinsaure Kali.
I. 0,4242 Grm. geBchmolzenes Sah gaben 0|1615 aohwefelsaures
Kali.
II. 0,385 Grm. Substanz gaben 0,1615 scbwefebaores Kali.
gefunden
berechnet I. IL
CigHeOe — — —
K 19,15 18,89 18,82.
Das Ammoniahsalz krystallisirt in feinen seideglänzenden
Nadeln, die in Wasser und Alkohol leicht löslich sind,
reagirt sauer und kann durch Neutralisiren der Melilotsaure
mit Ammoniak und Verdunstenlassen der Lösung an der
Luft leicht gewonnen werden.
Melüotsaurer Baryt. — Das Barytsalz wurde durch
Sättigen der Melilotsaure mit kohlensaurem Baryt dargestellt.
Es stellt feine perlmutterartig-glasglänzende Nadeln dar, ist
in Wasser und Alkohol leicht löslich, reagirt schwach alka^
lisch und enthält Krystallwasser, das bei 100^ C. entweicht.
Wird es jedoch zu lange bei dieser Temperatur erhitzt, so
färbt es sich oberflächlich gelb und entläfst Anhydrid. Bei
künstliche Darstellung aus Cumarin, 109
stirkerem -Erhitzen schmilzt es und zeigt spater die eben
erwähnte Farbenerscheinung.
I. 0,3376 Grm. bei 100^ getrocknete Substanz gaben 0,1427
kohlensauren Baryt.
II. 0,326 Grm. gaben 0,1372 kohlensauren Baryt
gefunden
berechnet I. IL
CigHjOfl — — —
Ba 29,36 29,40 29,26.
I. 0,418 Grm. lufttrockenes Salz verloren bei 100^ 0. 0,04öö
Wasser.
II. 0,4535 Grm. verloren 0,0497 Wasser.
III. 0,5373 Grm. verloren 0,0546 Wasser.
« gefunden
berechnet I. IL III.
CisHJ^aOe - -. — —
8 HO 10,36 10,36 10,95 10,16.
Eine concentrirte Lösung des melilotsauren Baryts giebt
beim Kochen mit Barytwasser keinen Niederschlag, und es
wird kein zweibasisches Salz, wie diefs unter denselben
Verhaltnissen bei dem einbasischen salicylsauren und phlore-
tinsauren Baryt der Fall ist, ausgeschieden. Auch liefert
die alkalische Lösung, nach dem Behandeln mit Kohlensäure,
wieder das gewöhnliche einbasische Barytsalz. Das unter U.
analysirte Salz war auf diese Weise gewonnen.
MeUloisaurer Kalk, — Versetzt man eine mit Ammoniak
neotralisirte Lösung der Melilotsaure mit Chlorcalcium , so
scheidet sich der melilotsaure Kalk nach längerem Stehen in
weifsen, kugeligen Aggregaten von feinfaseriger radialer
Structur ziemlich vollständig aus. War die Lösung sehr
concentrirt, so tritt die Bildung eines Niederschlags sogleich
ein. Das Kalksalz ist in Ws^er und Alkohol in der Kälte
kaum und in der Wärme nur schwierig löslich. In Essig-
säure löst es sich dagegen beim Erwärmen leicht auf, und
kann daraus unverändert wieder krystaliisirt erhalten werden.
HO Zwenger y über Melilotsäure und deren
I. 0,2846 Grm. Kalksalz, das bei 100^ C. getrocknet war, gaben
0,0631 kohlensauren Kalk.
11. 0,2464 Grm. aus Essigsäure krystallisirter melilotsaurer Kalk
gaben 0,0665 kohlensauren Kalk.
gefunden
berechnet I. II.
CigHfiOe — — —
Ca 10,81 10,76 10,79.
Der melilotsäure Kalk enthalt kein Krystallwässer.
0,2162 Grm. lufttrockenes Salz verloren bei 100° C. nur 0,0011 an
Gewicht
Melilotsäure Magnesia, — Beim Kochen einer wässerigen
Losung von Melilotsäure mit überschüssiger kohlensaurer
Magnesia wird mit der melilotsauren Magnesia zugleich eine
kleine Menge kohlensaurer Magnesia aufgelöst, die nach dem
Eindampfen der Lösung beim Behandeln des Rückstandes mit
kaltem Wasser ungelöst zurückbleibt. Das Salz ist in Wasser
leicht, etwas weniger leicht in Alkohol löslich, reagirt schwach
alkalisch, und krystallisirt in schuppigen perlmutterglänzenden
Krystallen, die sich fettartig anfühlen und leicht verwittern.
Es enthält 4 Aeq. Krystallwässer, die bei 100^ C. entweichen.
I. 0,4706 Grm. bei 100^ G. getrocknete Substanz gaben 0,0526
Magnesia.
IL 0,8392 Grm. gaben 0,0385 Magnesia.
gefunden
berecbnet I. IL
C13H9O0 — — — .
Mg 11,80 11,17 11,35.
L 0,6157 Grm. lufttrockener Substana verloren bei 100<^C. 0,1007
Wasser.
IL 0,2811 Grm. verloren 0,0448 Wasser.
geftinden
berechnet I. II.
CisHeMgOe - ^ - -
4H0 16,85 16,90 15,93.
Melilotsäure» Zinh wurde durch Kochen einer wasserigen
Lösung von Melilotsäure mit überschussigem Zinkoxyd in
künstliche Darstellung aus Cumarin. 111
roseUenfönnigen Gruppirungen scheinbar quadratischer Tafeln
erhalten, die theils glänzend durchsichtig und farblos, theils
porcellanartig weifs erschienen. Auch die durchsichtigen
Krystalle wurden mit der Zeit opak. Das Salz reagirt sauer,
ist in kaltem Wasser nur wenig, in kochendem etwas leichter
löslich. Es schmilzt schon unter 100^ C. zu einem farblosen
OeL Beim Eindampfen einer wässerigen Lösung erhält man
deswegen bei einer gewissen Concentration das melilotsaure
Zink in Oellropfen ausgeschieden, die nach längerem Stehen
krystallinisch erstarren. Es enthält 1 Aeq. Krystallwasser,
das bei 100^ C. weggeht.
0,3889 Grm. lafttrockener SubstaQzs gaben 0,7375 Kohlensäure und
0,1692 Wasser.
0,4776 Grm. Substanz gaben 0,0941 Zinkozyd.
berechnet nach der Formel
C^^HeZnOa + HO gefunden
C|8 108 ^"**T2,27 51,72
Hjo 10 4,85 4,83
Zn 82,6 15,78 15,50
0| 56 27,10 —
206,6 100,0^
0,340 Grm. lufttrockener Substanz verloren bei 100*> C. 0,0186
Wasser.
berechnet gefunden
CigHgZnO^, — —
HO 4,84 4,00.
0,2964 Grm. geschmolzenes Zinksalz gaben 0,0606 Zinkoxyd. V
berechnet gefunden
C|gH90g — —
Zn 16,49 16,43.
Melüotsaures Kupfer, — Wird eine mit kohlensaurem
Natron fast neutralisirte wässerige Lösung der Melilotsaure in
der Kälte mit schwefelsaurem Kupfer versetzt, so scheidet
sich sogleich, wenn die Lösung concentrirt war, ein krystal-
linischer, spangrüner Niederschlag aus, der aber bei ver-
dünnter Lösung erst nach längerem Stehen sich zeigt. Auch
112 Zwenger^ über Melilotsäure und deren
bildet sich das melilotsaure Kupfer, wenn eine weingeistige
Lösung der Melilotsaure mit kohlensaurem oder reinem
Kupferoxyd längere Zeit unter öfterem Schütteln in Beruh- .
rung gebracht wird. «Die Lösung färbt sich mit der Zeit
intensiv grün und durch Verdunsten des Weingeistes lafst
sich daraus das Salz in Krystallen, die aber gewöhnlich
Spuren von freier Melilotsaure enthalten, gewinnen. Bei der
Darstellung dieses Salzes ist jede höhere Temperatur sorg-
faltig zu vermeiden, weil dasselbe in Lösungen schon bei
schwachem Erwärmen leicht eine Zerlegung erfährt.
Das melilotsaure Kupfer stellt spangrüne, dem faserigen
Malachit sehr ahnliche Aggregate mit radialer Anordnung
oder Kugeln mit radial-faseriger Structur dar , ist in kaltem
Wasser unlöslich, in Weingeist dagegen mit grüner Farbe
leicht löslich. Die Lösung reagirt sauer. Beim Kochen einer
weingeistigen Lösung bildet sich ein weifs-blaulicher Nieder-
schlag, und die darüber stehende Flüssigkeit wird fast farblos.
Derselbe Niederschlag zeigt sich auch, wenn die wasserige
Lösung bei der Darstellung des melilotsauren Kupfers nach
der ersten Methode erwarnft wurde. Auch wird das Salz
durch Aether, wenn derselbe vollkommen säurefrei war,
schon bei gewöhnlicher Temperatur in dieser Weise zerlegt
Das Salz enthält 1 Aeq. Krystallwasser, das bei 100° C. aus-
gjgrieben wird.
L 0,2966 Grm. bei 100*^ C. getrooknetes Salz gaben 0,5956
Kohlensäure und 0,1234 Waaaer.
II. 0,8602 Grm. gaben 0,0728 Kupferoxyd.
HI. 0,280 Grm. naoh der zweiten Methode dargestelltes Knpfer-
salz gaben 0,0552 Kupferoxyd.
berechnet nach der gefunden
FormelCiaHöCuO^ % ' j j ' ■ jjj
Ci8 W8 54,90 54,76 — —
Hg 9 4.57 4,62 — —
Cu 81,7 16,11 — 16,02 16,74
Oe 48 24,42 _ — —
196,7.
künstliche Darstdbmg aus Cumarin. 113
0,4908 Gnn. lafttrookene Sabstanz verloren bei 100^ G. 0,0222
Wasser.
berechnet gefunden
CigHgGuOg — »^—
HO 4,87 4,62.
Der durch Kochen einer weingeistigen Lösung des
melilotsauren Kupfers erhaltene Niederschlag hinterliefs nach
einer Bestimmung 45,4 pC. Kupferoxyd, eine Zahl, die sich
auf ein einfaches Verhältnifs der Zusammensetzung nicht
zurückfuhren lafst.
MdiloUaures Bleu — Eine wasserige Lösung von Melilot-
saure wird durch neutrales und basisch-essigsaures Blei so-
gleich gefällt. Es bildet sich ein schwerer, weifser, krystal-
Unischer Niederschlag, der in überschüssigem Bleiessig
löslich ist. Bei Anwendung einer verdünnten Lösung von
Melilotsaure wird dagegen durch neutrales essigsaures Blei
erst nach längerem Stehen ein krystallinischer Niederschlag
hervorgerufen, weshalb ich früher irrthümlicher Weise angab,
dafs die Melilotsaure durch dieses Reagens nicht gefällt
werde. Das Bleisalz ist in kaltem Wasser und Alkohol un-
löslich; beim Kochen löst sich nur ein geringer Theil auf,
der beim Erkalten in farblosen, flacbprismatischen Krystallen
sich wieder langsam, aber vollständig ausscheidet. In Aether
ist es unlöslich, aber in Essigsäure leicht löslich und kann
daraus wieder unverändert krystallisirt erhalten werden.
Das Salz reagirt sauer und enthält kein Krystallwasser.
In der früheren Abhandlung sind die Analysen des
melilotsauren Blei's, das durch Fällen der Melilotsaure mit
Bleiessig erhalten worden war und die einen geringen Ueber-
schufs an Blei lieferten, mitgetheilt worden. Die hier fol-
genden Analysen sind mit einem Material angestellt , das
durch Fällen einer concentrirten wässerigen Lösung der
Melilotsaure mit neutralem essigsaurem Blei gewonnen ward.
AniukL*d. Ghem. u. Pharm. V. Sttpplementbd. 1. Heft. g
114 Zwenger^'iiber Melilotaäure und deren
I. 0,332 Grm. gaben 0,4881 Kohlens&oxe und 0,1008 Wasser
n. 0,492 Grm. gaben 0,2048 Bleiozyd.
IIL 0,418 Grm. gaben 0,1716 Bleioxyd.
berechnet nach der
FormelCjgHaPbOa
Gl, 108,0 40,22
H* 9,0 8,86
Pb 108,5 88,54 — 88,55 88,54
Oe 48,0 17,89 -^ — —
268,5 100,00.
Melilotsaures Silber wurde durch Fällen von melilot-
saurem Ammoniak mit salpetersaurem Silber als ein volumi-
nöser, weifser, käsiger Niederschlag erhalten. Da das Salz
im feuchten Zustand gegen das Licht aufseror deutlich em-
pfindlich ist, so müssen alle Operationen im Dunkeln vorge-
nommen werden. In Wasser und Alkohol ist es in der
Kalte nur sehr wenig, in 4er Wärme etwas leichter löslich
und kann beim Verdunsten dieser Lösungen in feinen, seide-
glänzenden Nadeln krystallisirt erhalten werden. Die Krystalle
erscheinen aber fast immer durch reducirtes Silber grau
gefärbt.
0,8021 Grm. Silbersalz gaben 0,4348 Kohlensftare und 0,0939
Wasser.
0,8076 Grm. gaben 0,1208 Silber.
berechnet nach der*
Formel CigH^AgO« gefunden
Cis 108,0 39,52 39,25
H9 9,0 3,29 3,45
Ag 108,0 89,52 39,27
Oa 48,0 27,67 —
273,0 100,00.
Eine wässerige Lösung von salpetersaurem Quecksilberoxydul
und ebenso von salpetersaurem Quecksilberoxyd erzeugt mit
Melilotsäure einen weifsen krystallinischen Niederschlag von
melilotsaurem Queckaüber^Oxydvd oder Oxyd, der sich aus
lamstliche Darstellung aus Cumarin. 115
verdünnten Losungen erst nach längerem Stehen ausscheidet.
— Die Phloretinsäure verhält sich gegen diese Reagentien
gerade so.
Der Melilot8äure''Aethyläther kann durch Einwirkung
von Jodäthyl auf frisch gefälltes melilotsaures Silber erhalten
werden. Die Zersetzung findet leicht, schon beim schwachen
Erwärmen auf dem Wasserbade statt. Da das frisch gefällte
Silbersalz sehr hydratisch ist, so scheidet sich der Aether
unter einer Wasserschicht als ein ölartiger Körper aus. Auch
melilotsaures Blei läfst sich zu diesem Zwecke verwenden;
jedoch tritt hier die Einwirkung erst bei höherer Temperatur
ein, so dafs man genöthigt ist, das Bleisalz mit Jodäthyl in
zngeschmolzenen Röhren so lange auf einem Sandbade zu
erhitzen, bis die gelbe Farbe des gebildeten Jodbleies die
vollständige Umsetzung anzeigt.
Später fand ich, dafs die Aetherification der Helilotsäure
aufserordentlich schnell und sehr vollständig herbeigeführt
werden kann, wenn eine starke alkoholische Lösung dieser
Säure unter Zusatz von etwas concentrirter Salzsäure einige
Zeit gekocht wird. Nach dem Erkalten der Mischung setzt
man Wasser zu, filtrirt den ölartig ausgeschiedenen Aether
ab, wascht ihn auf dem Filter erst mit einer Lösung von
kohlensaurem Natron und dann mit Wasser aus, löst ihn
hierauf in Alkohol und dampft die weingeistige Lösung auf
dem Wasserbade zu einer syrupdicken wasserfreien Flüssig-
keit ein. Bei niederer Temperatur erstarrt dann der Aether,
gewöhnlich erst nach längerer Zeit, zu einer strahlig-blät-
terigen Masse ; die durch Abpressen zwischen Fliefspapier
und Umkrystallisiren gereinigt ward. Der melilotsaure Aethyl-
alher krystallisirt aus einer ätherischen Lösung bei langsamen
Verdunsten an der Luft in farblosen grofsen klinorhombischen
Prismen, besitzt bei gewöhnlicher Temperatur einen schwa-
chen, aber feinen, zimmetartigen Geruch, entwickelt auf dem
8»
116 Zwenger^ über Mdüotsäure und deren
Platinblech erhitzt einen reizenden, stechenden Dampf, reagirt
neutral, schmilzt bei 34® C. und erstarrt beim Erkalten wie-
der krystallinisch, siedet bei 273® G. unzersetzt, ist in Alkohol
und Aetber leicht löslich, dagegen unlöslich in kaltem Wasser;
durch kochendes Wasser wird er in geringer Menge gelöst,
beim Erkalten der Lösung scheidet sich derselbe in ölartigen
Tropfen wieder aus. Der Aether erfahrt durch Alkalien,
namentlich in der Wärme, unter Entwickelung von Alkohol
eine rasche Zerlegung. Seine Zusammensetzung entspricht
der Formel : CisHgO, O4.
CA \
0,2683 Grm. Substanz gaben 0,1785 Wasser nnd 0,667 Kohlen-
säure.
berechnet gefunden
Ott 132 68,04 67,80
Hu 14 7,22 7,89
O5 48 24,74 —
194 100,00.
Bibrommelilotsäure. — Trockene, feinzerriebene Melilot-
sSure wurde mit Brom in kleinen Portionen bei gewöhnlicher
Temperatur so lange unter ständigem Umrühren betropft, bis
keine sichtbare Einwirkung mehr stattfand. Jedenfalls mufste
zuletzt ein Ueberschufs von Brom vorhanden sein. Es ent-
wickelte sich hierbei, indem die anfangs weiche taigartige
Masse nach und nach wieder fest wurde, eine grofse Menge
Bromwasserstoff. Nach dem Entfernen des überschüssigen
Broms durch Verdunstenlassen desselben an der Luft ward
der fast weifse Rückstand mit kaltem Wasser ausgewaschen
und darauf in kochendem sehr verdünntem Weingeist gelöst.
Nach dem Erkalten schieden sich unter milchiger Trübung
durchsichtige, farblose, glänzende Nadeln in grofser Menge
aus, die in der Regel, wenn bei der Darstellung ein Ueber-
schufs von Brom Anwendung gefunden hatte, vollkommen
rein waren.
^ JainsÜiche Darstellung aus Oumarin, 117
Die Bibrommelilotsaare ist in kaltem Wasser nicht, in
kochendem nur weni^ löslich und krystallisirt beim Erkalten
in sehr feinen, seideglänzenden Nadeln wieder vollständig
aas. In Alkohol und Aether ist sie sehr leicht löslich. Sie
reagirt stark sauer, schmilzt bei 115^ C. und erstarrt beim
Erkalten wieder krystallinisch. Auch lafst sie sich ohne Zer-
setzung destilliren.
0,5592 Grm. unter der Luftpampe getrockneter Substanz gaben
0,1824 Wasser und 0,679 Kofalensttnre.
0,5421 Grm. Substanz gaben 0,6828 Bromsilber.
berechnet nach der
Formel CjaHgBrgOe
gefunden
Cl8
108
33,33
33,11
Hs
8
2,46
2,63
Br,
160
49,35
49,67
0«
48
14,86
—
324 100,00.
Bibrommelilotsaurer Baryt wurde durch Kochen von
kohlensaurem Baryt mit einer wässerigen Lösung von Bi-
brommelilotsaure in stark seideglänzenden Nadeln gewonnen.
Er löst sich in kaltem Wasser nur wenig, leichter in kochen-
dem ; sehr leicht in warmem Alkohol. Das Salz reagirt neu-
tral, enthält Krystallwasser, das bei 100^ C. weggeht.
0,261 Cfrm. bei 100^ C. getrockneter Substanz gaben 0,0776
schwefelsauren Baryt.
berechnet gefunden
Cis^ß'j^e — —
Ba 17,49 17,48
100,00.
0,292 Grm. lufttrockener Krystalle verloren bei 100^ G. 0,031
Wasser.
Gi8H7Br,BaOe — —
5 HO 10,30 10,61.
Binäramehloisäure. — Uebergiefst man Helilotsäure in
der Kälte mit ungefähr dem sechsfachen Volum Salpeter-
118 Zwenger, über Meltbtsäure und deren
saure von 1,2 spec. Gew., so löst sich dieselbe Anfangs mit
dunkelrother Farbe auf, ohne dafs dabei eine besondere
Warmeentwickelung oder Bildung von rothen Dampfen be-
merkbar würde, und es scheiden sich nach längerem Stehen
gelbe oder gelbrothe Krystalle aus der Flüssigkeit aus. Kocht
man dagegen die Melilotsaure mit concentrirter Salpetersäure,
wobei ein grofser Ueberschnfs der letzteren vermieden werden
mufs, so lange, bis die heftige Entwickelung von salpetrig-
sauren Dampfen nachläfst und die Anfangs dunkebrothe Farbe
der Lösung in eine hellgelbe übergeht, so krystallisirt die
Nitroverbindung nach dem Erkalten in blafsgelben, mitunter
fast farblosen Krystallen ans. Rauchende Salpetersäure be-
wirkt schon bei gewöhnlicher Temperatur unter heftiger Re-
action dieselbe Umwandlung.
Nach der ersten Methode ist die Ausbeute zwar eine
gröfsere, aber die Krystalle sind weniger rein; nach der
zweiten Methode findet sich dagegen eine reichliche Menge
Oxalsäure in der Mutterlauge, die um so grofser ist, je con-
centrirter die Salpetersaure war und je länger die Einwir-
kung dauerte.
Die gewonnenen Krystalle wurden nach dem Abpressen
erst aus Wasser und dann aus Alkohol umkrystallisirt.
Die Binitromelilotsänre ist in kaltem Wasser nur wenig
mit gelber Farbe löslich; in kochendem löst sie sich etwas
leichter und scheidet sich beim Erkalten ziemlich vollständig
in nadeiförmigen Krystallen wieder aus. Aus kochendem
Alkohol krystallisirt sie- in stark glänzenden, scheinbar ortho-
rhombischen Prismen. Die Farbe der Krystalle ist eine
honiggelbe, mit einem Stich ins Hyacinthrothe, wenn zu ihrer
Darstellung verdünnte Salpetersäure verwendet wurde , da-
gegen eine Stroh- oder schwefelgelbe bei Anwendung von
concentrirter Salpetersäure. Die Nitromelilotsäure , die ich
früher für Pikrinsäure hielt, färbt organische Stoffe eben so
künstliche Darsielhtng aus Cumarin. 119
ifllensiv wie letztere. Sie schmeckt anfangs schwach adstrin-
girend, zaletzt bitter, löst sich in Alkalien mit gelbrother
Farbe, verpufll nicht, schmilzt bei 155^ C. und erstarrt beim
Erkalten wieder krystallinisch. Auch Idfst sie sich zwischen
zwei Uhrglasern gröfstentheils unzersetzt verfluchtigen. Das
gelbe ölige Destillat krystailislrt nach einiger Zeit wieder
vollständig. Die Salze der Nitromelilotsaure sind meistens
gelb oder roth von Farbe, krystallinisch und in Wasser
schwer löslich. So giebt die mit Ammoniak neutralisirte
Lösung der Binitromelilotsaure mit Chlorbaryum, namentlich
beim Erwärmen, einen zinnoberrothen , mit essigsaurem Blei
einen gelben, mit Chlorcalcium und salpetersaurem Silber
einen gelbrothen krystallinischen Niederschlag. Die Salze
verpuffen beim Erhitzen.
Ich habe die Binitromelilotsaure, trotz wiederholten Um-
kryatallisirens , nicht in absolut chemisch reinem Zustande
erhalten können. Die Analysen zeigten immer einen kleinen
Ueberschufs an Kohlenstoff. Wahrscheinlich haftete derselben
eine geringe Menge Hononitromelilotsäure, die sich Anfangs
gebfldet haben mochte, an und die durch blofses Umkrystal-
lisiren nicht zu entfernen war. Auch die Salze, die ich
untersucht habe, zeigten, dem entsprechend, einen geringeren
Gehalt an Basis.
I. 0,3851 Grm. durch concentrirte Salpetersäure dargestellter
Substanz, bei 100^ G. getrocknet, gaben 0,1168 Wasser
und 0,6062 Kohlens&ure.
II. 0,3571 GriD. Sabstans, durch, yerdünnte SalpaterBftnre erhalten,
gaben 0,0813 Wanser und 0,4055 Kohlenstture.
berechnet
Formel C
nach der
'isHsXgOe
gefunden
I. II.
Cts
108
42,18
42,93 43»00
He
8
3,12
8)35 3,51
N,
28
10,93
— —
Oi4
112
43,77
— —
256
100,00.
120 Zwengety über Meläotsäure und deren
0,30ßl Grm. binitromeltlotsaurer Baryt, bei 120^ C. ge-
trocknet, gaben 0,1721 schwefelsauren Baryt = 33,50 pG.
Baryum. Diese Zahl könnte der Formel CigHeXsBasOe 4~ ^ >4«
entsprechen, die 33,76 pC. Barynm verlangt.
Das Silbersalz gab mir in einem Fall 42,0 pC, in einem
andern Falle 43,2 pC. Silber. Nach der Formel CisHeXsAgsO«
müfsten aber 45,9 pC. gefunden werden.
Amid der Meläotsäure. •— Uebergiefst man das Anhy-
drid der Helilotsdure in der Kälte mit einer concentrirten
Lösung von Ammoniak, so löst sich dasselbe langsam auf
und beim Verdunsten an der Luft scheiden sich feine, stark
seideglänzende, lange Nadeln ab. Dieselbe Verbindung wird
auch durch längeres Einwirken einer concentrirten Ammoniak-
flussigkeit auf den melilotsauren Aethyläther erhalten. Die
Krystalle reagiren neutral, sind wenig in kaltem, leicht in
warmem Wasser löslich , und werden auch von Weingeist
und Aether leicht gelöst. Das Amid schmilzt bei 70^ C.
und erstarrt beim Erkalten wieder krystallinisch. Beim Er-
hitzen zerfällt es in Ammoniak und in Anhydrid. Die wäs-
serige Lösung giebt mit Eisenchlorid eineindigUaue Färbung.
Durch Säuren und Alkalien wird es in der Wärme leicht
zerlegt.
0,3467 Grm. lufttrockener Sabstanz gaben 0,2164 Wasser and
0,8286 Eoblensftare.
0,2416 Grm. Substanz gaben 0,3077 Platinsalmiak.
h I
Daraus berechnet sich die Formel CisHgOsf ' die in 100
H. P
Theilen griebt :
berechnet
gefunden
c..
108^^ ~6M6
66,86
H»,
11 6,66
6,92
N
14 8,48
8,00
0«
32 19,40
—
166 100,00.
künstliehe Darstellung aus Cumarin, 121
Bekanntlich existiren viele organische Substanzen, die
nach der empirischen Formel CigHioO« zusammengesellt
sind. Erst kürzlich hahen Ladenburg und Fitz*) nicht
weniger als zwölf solcher Körper zusammengezählt, wozu
aber noch die Melilotsaure und die Tropasaure **) zu rechnen
sind. Die dahin gehörige Phloretinsäure, die von Hlasi-
wetz***), dem Entdecker derselben, in sehr umfassender
und gründlicher Weise studirt ward, zeigt mit der Melilotsaure
in yieier Beziehung eine nicht zu verkennende Aehnlichkeit.
Diese tritt namentlich bei den Substitution^roducten sehr
deutlich hervor. Sie unterscheidet sich aber wesentlich von
der Melilotsaure durch ihren Schmelzpunkt, der bei 128 bis
130® G. liegt, durch ihre Geruchlosigkeit, durch die Leicht-
löslichkeit ihres Kalk* und Bleisalzes, durch die Fähigkeit
einzehie zweibasische Salze zu bilden, und vor allen Dingen
durch die Eigenschaft, in Verbindung mit Baryt bei der
trockenen Destillation in Kohlensaure und ein mit der Phenyl-
säure homologes Oel zu zerfallen. Die Phloretinsäure mufs
demnach als eine mit der Salicylsäure wirklich homologe
Säure betrachtet werden.
Künstliche Darstellung der Melilotsaure aus Cumarin,
' Nachdem die Formel der Melilotsaure festgestellt war,
drängte sich von selbst die Vermuthung auf, dafs in dem
Steinklee die Melilotsaure aus dem Cumarin entstanden sein
dürfte. Durch Aufnahme von 2 Aeq. Wasser konnte das Cu-
marin in Cumarsaure und durch Addition von 2 Aeq. Wasser-
stoff die Cumarsaure in Melilotsaure übergeführt worden sein :
Ct8H604 + 2 HO + 2 H = CijH^oO«.
*) Annalen d. Chem. n. Pharm. CXLI, 254.
••) Daselbst CXXXVm , 283.
) DaaelbBt OD, 146.
122 Ztoenger, über Melüotaäure und deren
Von dieser Idee ausgehend loste ich das Cumarin An-
fAgs in Kalilauge und brachte unter schwachem Erwärmen
von Zeit zu Zeit Natriumamalgam hinzu. Die Entwickelnng
von Wasserstoffgas war hierbei ziemlich heftig, aber selbst
nach längerem Einwirken hatte das Cumarin in der kaiischen
Lösung keine Veränderung erfahren. Ich konnte dasselbe
vollständig und unzersetzt wieder ausscheiden. Ich versuchte
sodann in einer wasserigen Lösung diese Umwandlung her-
beizufuhren, was mir auch in überraschend leichftr Weise
gelang. **
Uebergiefst man nämlich Cumarin mit vielem Wasser,
dem man, um die Löslichkeit des Cumarins zu erhöhen, etwas
Weingeist zusetzen kann, und bringt bei einer Temperatur
von 40 bis 60^ C. Natrinmamalgam (1 Th. Natrium und wenig-
stens 100 Th. Quecksilber) in nicht zu grofser Menge hinzu,
so wird das Cumarin nach und nach theilweise in Melilol-
säure umgewandelt. Die Anfangs stark alkalische Reaction
der Lösung wird in Folge dessen immer schwächer und ver-
schwindet beinahe zuletzt. Erst jetzt darf mit dem weiteren
Zusatz von Natriumamalgam fortgefahren werden, weil nur
dann ein sicherer Erfolg zu erwarten steht, wenn der Pro-
cefs recht langsam geleitet wird. Bei einem grofsen Ueber-
schufs von Natriumamalgam würde gleich eine zu concen-
trirte alkalische Lösung entstehen, die, wie aus dem vorher-
gehenden Versuche ersichtlich ist, die beabsichtigte Um-
wandlung nur hindert. Nach mehreren Tagen ist bei so
fortgesetzter Behandlung das Cumarin vollständig oder bei-
nahe vollständig verschwunden. Die Lösung wird dann mit
Essigsäure schwach angesäuert und auf dem Wasserbade
concentrirt, wo über Nacht gewöhnlich Erystalle von Cu-
marin sich ausscheiden. Nach dem Entfernen derselben fällt
man die Lösung mit essigsaurem Blei, filtrirt ab, kocht den
Bleiniederschlag so lange mit Wasser aus, als sich noch
künstliehe Darstellung aus Oumartn. 123
etwas löst, and läfst aus dem heifsen Filtrat das melilotsaure
Blei anskrystallisiren. Das erhaltene Bleisalas wurde erst mit
Aether, um das anhaftende Cumarin zu entfernen, ausge-
kocht und dann durch Schwefelwasserstoff zerlegt. Die aus
der wasserigen Lösung gewonnenen Krystalle zeigten genau
und vollständig alle Eigenschaften der Melilotsaure, deren
Identität auch durch die folgenden Analysen bewiesen ward.
0,2826 Grm. kfinstlioh dargestellter Melilots&ure gaben 0,6723
Kohlensäure und 0,162 Wasser.
berechnet gefunden
Gia 65,06 64,88
Bio 6,00 6,36
Og 28,94 -
100,00.
0,252 Grm. Ealksalss gaben 0,0688 kohlensauren Kalk.
berechnet gefunden
Ca 10,81 10,92.
0,6566 Grm. Bleisalz gaben 0,271 Bleiozyd.
berechnet gefunden
Pb 38,54 88,31.
Nach dem ganzen Vorgang mufste sich aber in einer
gewissen Periode des Processes hierbei Cumarsaure gebildet
haben. In der That bestand der beim Auskochen mit Wasser
unlöslich gebliebene geringe Bleiniederschlag zum gröfsten
Theil aus cumarsaurem Blei. Auch machte ich die Beob-
achtung, dafs, wenn bei der künstlichen Darstellung der
Melilotsaure die Temperatur der Flüssigkeit etwas zu stark
erhöht wurde, ein Körper sich ausschied; der in Wasser und
Aether unlöslich war, und der später als ein Umsetzungs-
prodnct der Cumarsaure von mir erkannt wurde. Eben so
habe ich in dem Steinklee die Cumarsaure unzweifelhaft
nachweisen können.
Der Procefs der Bildung der Melilotsaure ist also voll-
kommen klar und durchsichtig. . Wo Cumarin in einw Pflanze
124 Lippmann, über die unier jodige Säure
vorkommt, kann unter Umständen auch Cnmarsaure auftreten,
und die Melilotsöure selbst ist demnach, wie ich schon früher
vermuthet hatte, nichts anderes als Hydrocumarsäure.
Durch dieses Auftreten der Cumarsaure wurde ich ver-
anlafst, diese noch so wenig gekannte Saure einer genaueren
Prüfung zu unterwerfen, deren Resultate ich in einer andern
Abhandlung niederlegen werde.
Ueber die unterjodige Säure und ihre directen
Verbindungen mit Kohlenwasserstoffen;
von E. Lippmann *).
Die Einwirkung der wasserfreien unterchlorigen Säure
auf organische Substanzen ist durch Schützenberger
untersucht worden. Bei seinen Versuchen darüber, wie diese
Saure sich zu anderen wasserfreien Säuren verhält, fand er,
dafs sich hierbei, durch doppelte Zersetzung, gemischte An-
hydride bilden, wie z. B. das essigsaure Chlor. Ich habe
vor Kurzem, gemeinsam mit ihm, gezeigt, dafs das essig-
saure Chlor sich direct mit nicht gesättigten Kohlenwasser-
stoffen vereinigt, wie z. B. mit dem Aethylen unter Bildung
von Acetochlorwasserstoffsäure-Glycoläther.
Es schien mir Interesse zu bieten, die Einwirkung der
wasserfreien unterchlorigen Säure auf die Kohlenwasserstoffe
zu untersuchen, namentlich da man noch keine analogen Fälle
beobachtet hat. Carius sagt in seiner Arbeit über dasUn-
t) Compt rend« LXIII, 968.
und ihre directen Verbindungen mit Kohlenwasserstoffenm 125
terchlorigsaurehydrat, dafs die Kohlenwasserstoffe durch die
wasserfreie unterchlorige Säure lebhaft angegriffen und ver-
kohlt werden.
Der Umstand, dafs das Arbeiten mit gröfseren Mengen
wasserfreier unterchloriger Säure gefährlich ist, veranlafste
mich zu Versuchen über die Bildung der unterjodigen Säure.
Ich will zunächst die Bildung des Hydrates dieser Säure und
die Addition desselben zu dem Amylen beschreiben. Das
Jod wirkt bei Gegenwart von Wasser nicht auf das Queck-
silberoxyd ein, aber wenn man Amylen zusetzt und schüttelt,
so verschwindet es sofort unter Bildung von Jodquecksilber.
Zugleich bildet sich unterjodige Säure, welche sich direct
mit dem Amylen zu einem Jodhydrin vereinigt, das specifisch
schwerer ist als Wasser und sich bei der Destillation zer-
setzt Behandelt man dieses Jodhydrin mit essigsaurem Silber,
so bilden sich Essigsäure, Jodsilber und Amylenoxyd, welches
zwischen 95 und 100^ siedet. Bringt man Jod, Quecksilber-
oxyd und Amylen in wasserfreiem Alkohol zusammen, so
verschwindet das Jod unter Bildung von Jodquecksilber und
einer in Lösung gehenden jodhaltigen Verbindung. Diese
Verbindung ist in diesem Falle ein Gemische verschiedener
Jodhydrine, welche nur im leeren Räume destillirt werden
können. Ich habe in dieser Weise ein Jodhydrin erhalten,
^öHioj entsprach :
^jHß J
berechnet gefunden
e 46,1 46,0 46,2
H 8,0 8,3 8,4
J 40,7 41,0
O 6,1 —
99,9.
. Eine zweite Portion, welche nicht destillirt worden war,
gab mit essigsaurem Silber ein Gemische von Essigsäure-
126 Lippmann f über die unter jodige Säure
Verbindungen des Amylens und Amylenoxyd, welches ich
durch fractionirte Destillation zerlegen konnte. Bei 150^
ging ein Product über, dessen Analyse zu der Formel
{^sHiol/i
€JAor» führte :
berechnet gefunden
€ 68,8 68,4
H 11,4 11,7.
Bei 165^ habe ich das Hauptproduct aufgesammelt, dessen
{GH \ Q
G*hJ f€,Ha^ entsprechende Zahlen
ergab :
berechnet gefunden
G 62,0 61,9
H 10,3 10,4.
Als dieses Product mit Jodwasserstoffsäure auf 150^ er-
hitzt wurde, bildeten sich Aethyljodür und Amyljodur, was
beweist, dafs allerdings Aethyl in dieser Verbindung ent-
halten ist.
Bringt man Jod mit Quecksilberoxyd und Alkohol zusam-
men, so bilden sich sehr langsam Jodquecksilber und jodsaures
Quecksilber. Nur wenn die unterjodige Saure augenblicklich
fixirt werden kann, entsteht kein jodsaures Quecksilber.
Löst, man Jod in Gegenwart von Quecksilberoxyd und
Amylen in Chloroform auf, so bildet sich ein Additionspro-
duct der unterjodigen Säure mit dem letzleren Körper. Dieses
Product ist ein sehr schweres Oel, welches sich schon unter-
halb 100^ vollständig spaltet; mit essigsaurem Silber be-
handelt giebt es eine Essigsäure- Verbindung, die bei 130^
siedet und wahrscheinlich ein Derivat des Amyl- oder des
Diamylglycerins ist. Ich suche diesen Körper rein zu er-
halten und werde, was er mir an Resultaten ergiebt, bald
mittheilen und zugleich zu beweisen suchen, dafs dieses Ver-
und ihre directen Verbindungen mit Kohlenwasserstoffen. 127
fahren aach zur Bildung der Jodhydrine anderer nicht ge-«
sattigter Kohlenwasserstoffe angewendet werden kann.
Notiz über einige Goldverbindungen ;
von Dr. L. Darmstaedter.
Ich habe bei der Analyse einiger Golddoppelchloride
Resultate erhalten, welche mit den von Johnston*) an-
gegebenen nicht übereinstimmen.
KcUiumgoldcUorid bildet dünne sechsseitige Tafeln oder
gut ausgebildete Erystalle des rhombischen Systems von der
Form (X)P.ooPcx).OP.
• beobachtet
OOP:ooP im brachydiagonalen Dnrcbscfanitt =s 98^ 20'
ooP:OOPoo = 181« 5'
ooPoo:OP = ^0^ 0*
INe Zusammensetzung ist AuCls, KCl -f- 4 aq. :
berechnet gefanden
Ana, 302,6 73,23 72,92
KCl 74,6 18,06 18,27
4aq. 36,0 8,71 8,81
418,1 100,00.
Das Salz verliert sein Wasser schon bei gewöhnlicher
Temperatur über Chlorcalcium und Schwefelsaure.
AmmoniumgoldohloTid bildet Krystalle von der Form des
obigen Salzes, jedoch mit ganz verschiedenen Winkeln :
*) N. Edinb. Journ. of Science N. S. III, 181 n. 288 ff.
128 Darmstaedter , über einige Goldverbindungen,
beobachtet
OoP:ooP im bracbydiagonalen Darcfaschnltt >» 126^ 18'
OOP:ooP(X> == 116<» 84'
OOPoo:0P = 90<» 0'
Die Zusammensetzung dieses Salzes ist AuCU, NH4CI
berechnet gefanden
AuCla
302,5
73.77
7S,69
NH4CI
58,5
13,06 -
18,59
6aq.
54,0
18,17
12,72
410,0 100,00.
Heidelberg, im März 1867.
*) In seiner schon oben citirten Abhandlung spricht Johnston
Yon einer Mittbeilung Dr. Forchhammer's an ihn, wonach
Ghlorgoldammonium nngeföhr 13 pC. Wasser und 48,1 pC. Gold
enthielte, was also vollständig mit dem yon mir beschriebenen
Salze übereinstimmen würde.
Es gelang mir nicht, das von Johnston bescbriebene Sala
AuGls, NH4GI -f 2 ^' darzustellen.
•»>»»»t1<a^<<<
Ausgegeben den 27. Juni 1867.
AÄNALEN
DEK
CHEMIE UND PHARMACIE.
V. Supplementbandes zweites Heft.
üeber die Molecularvolumina chemischer
Verbindungen ;
von Lothar Meyer.
Die Constanten, von welchen die physikalischen Eigen-
schaften chemischer Verbindungen abhanden, sind sehr hauGg
der onmittelbaFen Beobachtung nicht zuganglich. Gewöhn-
lich erfordert ihre vollständige Bestimmung noch irgend eine
hypothetische, also willkürliche und nicht erwiesene An-
nahme. Ist dieses der Fall, so behalt die Bestimmung, wie
viel auch fär ihre Richtigkeit sprechen möge, immer eine
gewisse Unsicherheit. Diese wird erheblich gemindert,' wenn
es gelingt, für eine und dieselbe Constante auf mehreren ganz
verschiedenen Wegen denselben Werth herzuleiten. Erst
durch eine solche Herleitung nach verschiedenen Methoden
pflegt die allgemeine Anerkennung gewonnen zu werden;
ohne sie haben die gediegensten Ansichten oft lange Zeit
der ihnen spater zu Theil gewordenen Geltung entbehren
Blässen. So ist z. B. die Avogadro'sche Bestimmung der
Holecttlargewichte gasförmiger Körper, obschon alles für
und nichts gegen sie zu sprechen schien, doch so gut wie
unbeachtet geblieben, bis die Entwickelung der organischen
Chemie fast ein halbes Jahrhundert spater zur Annahme
Anaal. d. Chem. n. Phann. V. Snpplementbd. 8. Heft. 9
130 Meyer, über die MolecuUvrvolumma
derselben Werthe der Moleculargewichte führte, welche
auch Avogadro ermittelt hatte.
Die Bestimmung der Holecularvolume flüssiger Verbin-
dungen, wie sie H. Ko p p gegeben hat, scheint mir zwar einer
Bestätigung nicht zu bedürfen, zumal sie meist unmittelbar
der Ausdruck der Beobachtungen ist. Indessen halte ich es
doch nicht aller Beachtung unwerth, dafs diese Molecular-
volume sich auch noch auf andere Weise ermitteln lassen,
und ihre so ermittelten Werthe mit den von Kopp be-
stimmten, so viel zu erwarten war, überein kommen.
Diese Bestimmung ist u. a. möglich durch die Beobach-
tung der Reibung der Gase. Die vorhandenen Beobachtungen
und theoretischen Arbeiten gestatten dieselbe bereits für
neunzehn verschiedene Stoffe.
Bekanntlich ist von allen bis jetzt über das Wesen des
Gaszustandes aufgestellten Ansichten gegenwärtig nur eine
einzige mit allen bekannten Thatsachen vollkommen im Ein-
klänge, und zwar nur die, welche man neuerdings als die
,,Theorie der molecularen Stöfse^ bezeichnet hat *). Das
Wesentliche dieser alten, aber erst in neuerer Zeit vollstän-
diger ausgebildeten Theorie **) besteht in der Annahme,
dafs im Gaszustande die Körper durch die ihnen als Wärme
mitgetheilte Bewegung in sehr kleine materielle Theilchen,
sogenannte Molekeln oder Molecule, aufgelöst seien, und dafs
diesen räumlich von einander isolirten kleinen Massentheilchen
sehr rasche geradlinig fortschreitende Bewegungen zukommen.
*) Oskar Emil Meyer, über die innere Reibung der Gase, Pogg.
Ann. 1866, CXXY, 178. Der Ausdruck ist eine freie Ueber-
setsung des englischen „starting molecules* (Maxwell, PhiL
Mag. [4] 1860, Vol. XIX, p. 20).
**) Ueber die Geschichte dieser Theorie siehe Gehler*s pbys. Wör-
terbuch Bd. IV, Abtheil. 2, 8. 1049; Clausius, Pogg. Ann.
CXV , 2.
chemischer Verbindungen. 131
*
Nach dieser Ansicht eilt jedes Theilchen mit der ihm mit-
getheilten Geschwindigkeit geradlinig fort, bis es auf ein an-
deres Theilchen oder sonst ein Hindernifs stöfst, von dem
es in der Regel zurückprallt oder abgleitet mit mehr oder
weniger veränderter Richtung und Geschwindigkeit seiner
Bewegung. Der Druck des Gases ist die Summe aller Stöfse,
mit welchen seine Theilchen auf den Körper (ireffen, welcher
den Druck erleidet. Aus der Gröfse dieses Druckes hat
man für die den Theilchen zukommenden, im Einzelnen sehr
verschiedenen Geschwindigkeiten Mittelwerthe in absolutem
Hafse berechnen können^). Dieselben sind proportional
der Quadratwurzel aus der absoluten Temperatur, und für
gleiche Temperatur bei verschiedenen Gasen umgekehrt pro-
portional den Quadratwurzeln aus den Moleculargewichten.
Für die meisten Gase betragt bei mittlerer Temperatur die
Geschwindigkeit der geradlinig fortschreitenden Bewegung
*) Joule, Mem. of Manch. Soc [2] VoL IX, p. 118, 1851, auch
abgedruckt : Phil. Mag. [4] 1867, Vol. XIV; Glausius, Pogg.
Ann. 1857, G, 377. O. £. M e j e r, de gasorum theoria, Yratisl. 1866,
p. 14. [Da mein Bruder mir gestattet, die vorliegende Abhand-
lung vor dem Abdrucke zu lesen, so erlaube ich mir, die mir
dadurch gebotene Gelegenheit zu benutzen, um ein in der citirten
Dissertation gegen Herrn Glausius begangenes Unrecht zurück-
zunehmen. Ich habe in derselben (S. 14) behauptet, die von ihm
und Herrn Joule berechneten Mittelwerthe der molecularen Ge-
schwindigkeiten seien nicht ganz genau. Diese Behauptung ist,
wie ich aus einer freundlichen brieflichen Mittheilung des Herrn
Glausius erfahren habe, unrichtig. Es hfttte statt dessen
heifsen sollen, dafs jene Zahlen nicht arithmeUsche Mittelwerthe,
sondern, wie Glausius (Pogg. Ann. G, 872) ganz richtig angiebt,
,so gewählt sind, dafs die lebendige Kraft aller Molecule bei
der mittleren Geschwindigkeit dieselbe ist, wie bei den wirklich
stattfindenden Geschwindigkeiten. <* Glausius* Zahlen sind also
die Quadratwurzeln ans den arithmetischen Mittelwerthen der
Quadrate der Geschwindigkeiten ; die von mir berechneten Zahlen
. dagegen sind die arithmetischen Mittelwerthe der Geschwindig-
keiten selber. O. £. Meyeir.l
9
*
132 Meyer^ über die Molecularvolumina
•
einige hundert, für das WasserstoiFgas erheblich über tausend
Meter in der Secunde.
Es ist aber, wie die nähere Entwickelung der Theorie
und ihre Vergleichung mit der Beobachtung ergeben hat,
unter den gewöhnlichen Verhaltnissen den Theilchen nicht
verstattet, so grofse Strecken ungehindert zu durchlaufen.
Vielmehr stören* sie sich gegenseitig, indem sie sich begeg-
nen und sich stofsen, in so hohem Grade, dafs ihre Bahnen,
trotz der grofsen Geschwindigkeiten, nur auf sehr kleine
Entfernungen geradlinig und stetig verlaufen. Es ist zwar
der Raun), welchen die Theilchen mit ihrer Masse wirklich
erfüllen, sehr klein gegen den leeren zwischen ihnen befind-
lichen Raum; aber aus verschiedenen Eigenschaften der
Gase ergiebt sich, dafs die Anzahl der bei mäfsigem Drucke
in einem endlichen * Räume enthaltenen Theilchen so über
alle Vorstellung grofs sein mufs, dafs aufserst selten eines
derselben irgend erhebliche Strecken durchläuft, ohne auf
ein anderes Theilchen zu trefi'en und in Folge des Zusammen-
stofses seine Bewegungsrichtung zu ändern.
Man hat den Mittelwerth der Wege, welche die Theilchen
durchlaufen ohne mit anderen zusammenzuireiFen , die „mitt-
lere Weglange^. derselben genannt *). Die Grofse derselben
ist zwar noch nicht sehr genau ermittelt; aber so viel ist
nachgewiesen worden , dafs sie ungefähr -von der Ordnung
solcher Langen ist, welche wir mit den stärksten Vergröfse-
rungsmttteln noch gerade unserem Auge wahrnehmbar machen
können. Für atmosphärische Luft beim Drucke einer At-
mosphäre und der Temperatur des Gefrierpunktes beträgt
sie etwa den zehntausendsten Theil eines Millimeters **).
*) ClauBius, Pogg. Ann. 1858, CV, 289 ff.
•*) Maxwell, Phil. Mag. [4] 1860, Vol. XIX, p. 32; Clausius,
pQgg. Ann. 1862, CXV, 58; O. E. Meyer, Pogg. Ann. 1865,
CXXV, 697. . •
chemischer Verbindungen. 133
Die Dimensionen der Tbeilchen selbst müssen fast ver-
schwindend klein sein gegen diese mittlere Weglänge, folg-
lich viel kleiner als alles, was unserer Sinnesempfindung zu-
gänglich ist.
Diese Dimensionen der Theilchen lassen sich bis jetzt
noch nicht wie deren Geschwindigkeiten nach absolutem
Maafse ermitteln; relativ aber kann man sie bestimmen, indem
man alle Gase mit irgend einem willkührlich ausgewählten
vergleicht und durch die Dintensionen seiner Theilchen die
aller überigen ausdruckt. * In dieser Weise läfst sich die
relative Grdfse der Theilchen auf verschiedenen Wegen
ermitteln.
Es ist aus dem oben Gesagten ersichtlich, dafs jede Aen-
derung der Bewegungen der Theilchen, welche an irgend
einer Stelle des von einem Gase erfüllten Raumes eintritt,
sich durch den ganzen Raum verbreiten roufs. Wird z. B.
durch Zuführung von Warme an einer Stelle die Bewegung
gesteigert, so verbreitet und vertheilt sich diese gesteigerte
Bewegung durch das ganze Gas, weil die lebhafter bewegten
Theilchen nicht nur ihren Ort wechseln, sondern auch ihre
Bewegung durch die häufigen Zusammenstöfse mit anderen
auf diese übertragen. Diese Verbreitung und Uebertragung
der Bewegung geschieht um so rascher und erstreckt sich
in gleichen Zeiten um so weiter, je gröfser die Geschwindig-
keiten der Theilchen und je bedeutender ihre Weglängen
sind. Letztere hängen unmittelbar ab von den Dimensionen
der Theilchen ; denn es ist ersichtlich , dafs ein Theilchen
om so mehr Aussicht haben wird mit den ihm begegnenden
Theilchen zusammenzustofsen, je gröfser beide sind. Theil-
chen von sehr kleinen Dimensionen werden öfter an einander
vorbei gleiten und daher gröfsere Weglängen ohne Zusammen-
stofs zurücklegen , als solche von gröfseren Dimensionen.
In Gasen mit sehr kleinen Theilchen wird sich daher irgend
134 Meyevy über die Molecularvolumina
eine Aenderung der Bewegung schneller verbreiten und aus-
gleichen, als in solchen, deren Theilchen gröfser sind. Man
ersieht hieraus, wie aus mancherlei Bewegungserscheinungen
der Gase , z. B. aiis ihrer Warmeleitungsfdhigkeit, der Aen-
derung ihrer Geschwindigkeit durch Reibung u. dergl. m.,
ein Schlufs auf die Gröfse ihrer Theilchen möglich ist
Die Beobachtungen sind auf allen diesen Gebieten noch
sehr unvollständig. Nur über die Reibung der Gase liegt
eine Anzahl von Bestimmungen vor, welche einen Schlufs
auf die Gröfse der Theilchen einer Anzahl von Gasen ge-
statten.
Nach der Theorie der Reibung *) ist der Reibungs-
coefficient *♦)
mcL
WO m die Masse eines Theilchens, u seine Geschwindigkeit,
s seinen Durchmesser (das Theilchen kugelförmig gedacht) ***)
und 7t die bekannte Zahl 3,14.., das Verhaltnifs desUmfanges
zum Durchmesser des Kreises bezeichnet.
Die Werthe des Reibungscoefficienten tj sind für neun-
zehn verschiedene Gase aus den empirischen Bestimmungen
von Th. Graham t) berechnet worden ff ). Sie sind pro-
portional den Zeiten, deren unter gleichen Umstanden gleiche
•) Maxwell» Phil. Mag. [4] 1860, Vol. XIX, p.81; siehe auch Pogg.
Ann. 1866, CXXV, 697.
**) Ueber die Bedentang dieser Constante siehe Hagenhach, Pogg.
Ann. 1860, QYL, 400 u. 401; O.E. Meyer, daselbst 1861,
CXm, 70.
***) Nimmt man an, dafs die Theilchen schon auf einander einwir-
ken, ehe sie sich unmittelbar berühren, so ist s nicht der Duroh-
messer des Theilchens selbst, sondern der seiner WirkungssphAce.
t) On tbe motion of gases, Lond. phiL Trans, f. 1846, p. 673;
f. 1849, p. 849.
tt) Ueber die Strömung der Qase durch CapillarrÖhren ; von 0. E.
Meyer, Pogg. Ann. 1866, CXXVII, 263.
chemischer Verbindungen. 435
Habe verschiedener Gase bedürfen, um eine enge lang^
Röhre zu durchströmen, den von Graham sogenannten
Transpirationszei ten .
Mit alleiniger Ausnahme der Masse m eines Theilehens
sind demnach alle Data in absolutem Mafse bekannt, welche
ZOT Bestimmung des von einem Theilchen eingenommenen
Raumes erfordert werden. Wir erhalten für das Volumen
V eines Theilehens, d. h. den Raum, welchen seine Masse
erfüllt, den Ausdruck
3 6
Für gleiche Temperatur ist aber die lebendige Kraft der
geradlinig fortschreitenden Bewegung für alle Gase gleich *) ;
es ist
mu*
= const
2
fcdglich die Geschwindigkeit u umgekehrt proportional der
Quadratwurzel aus dem Mollbulargewichte. Durch Benutzung
dieser Beziehung wird das Molecularvolumen
^oY-
"^ . (8)
WO C eine noch nicht bestimmbare, für alle Gase für gleiche
Temperatur gleiche Constante bezeichnet. Da diese bis jetzt
in absolutem Mafse noch nicht angegeben werden kann, so
erlaubt die vorstehende Gleichung nicht die absolute Be-
stimmung des Molecularvolumens, d. i. des Raumes, welchen
ein Theilchen des Gases mit seiner Masse erfüllt, wohl aber
die Yergleichung der Molecularvolume verschiedener Gase.
Man hat für das Verhältnifs derselben
(4)
*) Claasiusy C^ogg. Ann. 1857, C, 876.
136 Meyetf über die Molecularvolumina
wo Vi das Molecularvolamen, mi das nach der Avoga dro-
schen Regel bestimmte Moleculargewicht und i^i die Reibungs-
constante des einen, Vg, mg und t^t die des anderen Gases
bezeichnen.
Die Richtigkeit dieser Gleichung kann durch Yergleichung
mit der Beobachtung geprüft werden. So ist z. B. nach
den von meinem Bruder berechneten *) Beobachtungen von
Graham
für Cyan bei 16<> C. ^ = 0,000156
fSr schweflige
Sttore bei 16^ C. ^ = 0,000200,
ausgedruckt in Centimetern und Zeitsecunden als Einheiten; also
-2?— = 1,290.
1i
Ferner haben wir
m, _ CgN, __ 52
= 0,8125,
n
mithin
Dieses Verhditnifs ist nahezu dasselbe, in welchem auch
die bei Temperaturen gleicher Dampfspannung, bei den Siede-
punkten, gemessenen specifischen oder Holecularvolume dieser
Stoffe zu einander stehen. Nach den von H. Kopp gegebenen
Regeln aus den Beobachtungen bestimmt, sind die spec. Vol.
bei den Siedepunkten
V(80,) = 43,9 bei -^ S««*)
VCCgN.) = 66 „ ~ 22<^»«^),
mithin
Es stehen also die Rdume, welche die Theilchen beider
Stoffe im Gaszustande mit ihrer Hasse erfüllen, (oder ihre
*) a. a. 0. S. 879.
**) Ann. d. Chem. u. Pharm. 1866, XGVI, 806.
**•) Doaelbst 1866, C, 28.
chemischer Verbindungen. 137
Wirkungssphären,) in demselben^ oder wenigstens nahezu in
demselben Verhältnisse zu einander wie die, welche sie im
flüssigen Zustande einnehmen. Es fragt sich, ob diefs allgemein
der Fall ist.
Nur für einige wenige Stoffe aufser den angeführten
beiden ist sowohl die Reibungsconstante wie auch das Mole-
Gularyolumen im flüssigen Zustande bekannt. Die neunzehn
Stoffe, für welche Graham's Beobachtungen die Reibungs-
constante ergeben, sind meist noch nicht verdichtete oder
doch nur durch sehr hohen Drück zu verdichtende Gase,
für welche das spec. Volumen im flussigen Zustande entweder
gar nicht, oder nur sehr ungenau durch unmittelbare Beob-
achtung ermittelt wurde. Durch die Erforschung der spec.
Volumina sehr vieler Stoffe wurde aber bekanntlich H. Kopp
zu Verallgemeinerungen der %eobachtungsresultate gefuhrt,
welche die bis jetzt unbekannten spec. Volumina der Ver-
bindungen gewisser Elemente mit grofser Wahrscheinlichkeit
a priori zu bestimmen erlauben. Die so bestimmten Werthe
derselben stehen unter einander grofsentheils in demselben
Verhältnisse, wie die aus der Reibung ermittelten.
Um dieses übersichtlich darzustellen drücken wir alle
aus der Reibung zu ermittelnden Molecularvolume aus durch
das der schwefligen Saure, des Körpers, dessen spec. VöI.
im flüssigen Zustande sicherer als das der übrigen Stoffe,
auf welche sich die Reibungsbeobachtungen erstrecken, be-
stimmt zu sein scheint.
Wir setzen zu dem Zwecke in Gleichung 4 die für die
schweflige Säure ermittelten Werthe ein :
Vj = 43,9 ; ms = SOj s= 64 ;
1^ = 0,000200 ;
für mi und jji je die einem der übrigen Gase zugehörigen
Werthe, und berechnen danach die Werthe von Vi für alle
diese Gase. Die so ermittelten Molecularvolumina sind in
138
Meyer ^ über die Molectdarvolumina
. den nachstehenden Tabellen mit den nach Kopp's Regeln*)
berechneten Werthen für die Molecularvolumina flüssiger Ver-
bindungen bei deren Siedepunkten zusammengestellt Die
Berechnung der letzteren gebt von der Annahme ans, dafs
den Atomen der Elemente, resp. gewissen Gruppen von Atomen,
folgende Werthe der Raumerfüllung beizulegen seien :
V(Oa = 16)
V(Oi = 16)
V(8 = 32)
V(C1 = 85,46)
V(CN = 26)
V(C = 12)
V(H = 1)
V(N = 14)
7,8 0 (i,anf86rha1b des Badicals'')
12,2 ») („im Radicale«)
22,6 2)
22,8 8)
28,0 *)
11,0 ')
5,5 ')
= 2,3 »).
1) Ann. Chem. Pharm. XGVI, 180. — *) Daselbst S. 808. — ') Daselbst
8. 313. — *) Daselbst C, 28. — ^) Daselbst S. 24.
Tabelle I. führt die Stoffe auf, für welche sich eine
nahe oder doch angenäherte Uebereinstimmung der auf beiden
Wegen, aus der Reibung der Gase und aus der Raumerfül*
lung der Flüssigkeiten, berechneten Werthe des Molecular-
volumens V ergiebt. Die Tabelle giebt aufserdem das Mole-
culajfgewicht m und die Reibungsconstante fj an.
Tabelle I.
Sauerstoff
Stickoxyd
Kohlensäure
Salzsäure
Chlor . . .
Schwefligsäure
Schwefelwasserstoff •
Cblormethyl
Ammoniak
Cyan . . .
Chloräthyl .
Methyläther
m
0 =
N0 =
C0,=
HC1 =
Cl8==
S0,=
8H,=
CHaCl =
NH8=:
C,N,=
CgHgCl =
C,HeO =
7
32
80
0,000306
269
44
231
86,5
70,9
64
225
210
200
34
188
50,3
17
167
156
52
155
64,5
46
153
148
a.d. Reibung
18,8
15,9
26,7
24,1
44,1
43,9
80,0
48,2
23,6
55,1
66,0
53,8
n. Kopp
16.6 •)
14,6 «)
31,0»)
28.8
46,6
42,6»)
83,6
60,8
18,8
56,0
72,8
62,8 ^)
*) als O» ; *) O aU Oi ; ») als Oi + Oa.
*) H. Kopp, zur Stöchiometrie der physikalischen Eigenschaften
chemischer Verbindungen; Ann. Chem. Pharm. XCVl u. G a. ». O.
chemischer Verbindungen.
139
Keine oder nur eine sehr entfernte Uebereinstiromung
zeigen dagegen die in Tabelle II. angeführten Stoffe.
Tabelle ü.
V
m
V
a. d. Reibung
n. Kopp
Luft ....
~ 28,9
0,000275
15,0
—
Btickstoff . . .
N, = 28
267
15,3
( 4,6) ')
Kohlenozyd . .
CO = 28
266
15,4
23,2
Stickozjdiil . .
N,0 = 44
231
26,7
(16,8)«)
Sampfgas . . .
CH4 — 16
174
19,4
33
Elayl ....
OsH^ — 28
158
38,6
44
Wasserstoff . .
H, - 2
134
6,0
11
') y(N) = 2,3 Ton Kopp nur im Ammoniak u. s. w. angenommen.
*) Darin 0 als Oi angenommen; für Oa ergiebt sich V = 12,4.
Für einen dieser Körper, für das Kohlenoxyd, läfst sich
eine etwas gröfsere Uebereinstimmung erreichen, wenn man
für das Sauerstoffatom in demselben das Volumen annimmt,
welches Kopp dem Sauerstoffe ^^aufserhalb des Radicales^
zuschreibt, nämlich 7,8, d. i. nahezu dasselbe, welches die
Reibung für das Volumen des freien Sauerstoffes ergiebt,
oder 6,9. Wir erhalten so :
V(CO) == n + 7,8 = 18,8
oder = 11 + 6,9 = 17,9;
ans der Reibung : = 15,4.
Macht man dieselbe Annahme nun auch für die Kohlen-
säure, giebt man also beiden Sauerstoffatomen in derselben
das Volumen 7,8 oder 6,9, so erhalt man auch für dieses
Gas eine gröfsere Uebereinstimmung als die nur sehr ent-
fernte, in Tabelle I. verzeichnete. Es ist dann nämlich :
V(COt) = 11 + 2 . 7,8 = 26,6
oder =11 + 2.6,9 = 24,8;
aus der Reibung : = 26,7.
Die übrigen in der zweiten Tabelle aufgeführten Stoffe
enthalten sämmtlich entweder Stickstoff oder Wasserstoff.
Das spec. Vol. 2,3 des Stickstoffatomes, das wir der Rechnung
zu Grunde gelegt haben, nimmt Kopp nur in dem Ammoniak
140 Meyer, über die Molecularvolumina
und einem Theile der von diesem sich ableitenden Verbin-
dungen an. Dafs dasselbe nicht für alle Stickstoffverbin-
dungen passe, hat er ausdrücklich hervorgehoben *). Legen
wir statt desselben der Rechnung das Volumen 7,7 zu Grunde,
welches sich für ein Atom des freien Stickstoffes aus der
Reibung ergiebt, und machen wir ferner die eben so unge-
zwungene Annahme, im Gaszustande komme dem Wasser-
stoffatome nicht das Volumen 5,5 zu, welches Kopp für
dasselbe in seinen flüssigen Verbindungen berechnet, sondern
das Volumen 3,0, welches sich aus der Reibung des freien
Wasserstoffgases ergiebt, so erhalten wir eine sehr viel
bessere Uebereinstimmung.
Tabelle III. giebt für alle 19 von Graham untersuchten
Stoffe in der vorletzten Columne die aus der Reibung ge-
folgerten und in der letzten die aus den so veränderten
Kopp*schen Annahmen berechneten Werthe der Molecular-
volumina. Bei der Rerechnung der letzteren ist für alle
Stickstoff oder Wasserstoff enthaltenden Verbindungen
V(N) = -i^-^ = 7,7 und V(H) = -^^- = 3,0
gesetzt worden^ mit alleiniger Ausnahme des Cyans, für
welches Kopp's Annahme beibehalten wurde. Eben so ii^t
für die schweflige Säure die Annahme beibehalten worden,
dafs dem einen Sauerstoffatome in derselben das Volumen
V(Oi) = 12,2, dem anderen V(0«) = 7,8 zukomme, und auch
dem Sauerstoffatome im Stickoxydul das Volumen V(Oi) =
12,2 zugeschrieben worden. Für alle übrigen Sauerstoffver-
bindungen, mit Einschlufs des Kohlenoxydes und der Kohlen-
säure, wurde überall V(0) = 7,8 gesetzt.
*) Ann. Cbem. Pharm. G, 81 ff. Q. a. a. 0.
chemischer Verhindungen.
141
TabeUe UI.
V
aus der Reibung
neu berecbnet
13,8
15,6
15,0
15,0 »)
15,9
15,5
15,8
15,8
15,4
18,8
26,7
26,6
26,7
27,5*)
24,1
25,8
44,1
45,6
43,9
42,6«)
80,0
28,6
19,4
23,0
48,2
42,8
88,6
84,0
23,6
16,7
55,1
56,0
66,0
59,8
58,8
47,8
6,0
6,0
Sanentoff .
Luft . . .
Stickozjd .
Stickstoff .
Kohlenozyd
Kohlens&nre
Stickozydul
Cblorwasserstoff .
CUor ....
Schwefligsfture
Schwefelwasserstoff
Sumpfgas .
CUormeihyl
Elayl . .
Ammoniak
Cyan . .
CUorätbyl
Methylather
Wasserstoff
^) nach der Zusammensetzung aus den Molecularvolumen der Be-
sUndtheüe berechnet; «) für V(Oi)=12,2; «) fiir V(Oa -h Oi ) = 20,0.
Hier ist die Uebereinstiminun(|[ so grofs, wie sie irgend
erwartet werden konnte. Nur für das Ammoniak geben die
Denen Annahmen eine gröfsere Abweichung als die älteren,
von Kopp gemachten, welche indessen auch nur angenähert
mit dem aus der Reibung des Ammoniakgases berechneten
Werthe des Molecularvolumens übereinkommen.
Sehen wir zunächst vom Wasserstoff und einigen der
Stickstoffverbindungen ab, so erscheint der Ausspruch be-
rechtigt, dafs die Atomvolume vieler Elemente in ihren flus-
sigen Verbindungen proportional sind den Räumen, welche
im Gaszustande ihre Atome wirklich erfüllen. Diese Räume
zeigen unter einander dasselbe Verhältnifs, wie die im tropf-
baren Zustande den Atomen zukommenden Volumina. Ob
aber diese Volumina in beiden Aggregatzuständen einander
gleich sind, ob also ein in einem Gastheilchen enthaltenes
Atom denselben Raum erfüllt, den es vor der Verdampfung
142 Meyer ^ über die Moleculai*volumina
in der Flüssigkeit einnahm, oder ob nur das Verhaltnifs beider
Räume für verschiedene Substanzen eines und dasselbe ist,
bei dem Uebergange aus dem einen in den anderen Aggre-
gatzustand also verschiedene Stoffe dieselbe relative Volum-
änderung zeigen, läfst sich zunächst nicht mit Sicherheit ent-
scheiden, weil wir die Atomvolumina noch nicht nach abso-
lutem Mafse ermitteln können.
Sollte aber die Gleichheit des Atomvolumens in beiden
A?8^regatzustanden in der That für die meisten Elemente
statthaben, so ergiebt sich sogleich aus den obigen Zahlen,
dafs für einige Elemente, insbesondere für den Wasserstoff,
aus der Beobachtung der Raumerfüllung der flüssigen Ver-
bindungen sich ein gröfserer Werth für das Atomvolumen
ergiebt, als ihn die Berechnung aus der Reibung der Gase
liefert. Für den W^asserstoff ist ersterer fast doppelt so grofs
(=5,5), als dieser (=3,0),
Die Erklärung dieses Unterschiedes scheint sehr nahe
zu liegen. Für dieselbe verdient besonders der Umstand
Beachtung, dafs die aus der Reibung der Gase berechneten
Holecularvolumina nur dann mit den aus der Dichte der
Flüssigkeiten gefolgerten übereinstimmen, wenn die letzteren,
wie Kopp dieses vorschreibt, für Temperaturen ermittelt
werden, bei welchen die Dampftensionen der zu vergleichenden
Stoffe gleich sind, und zwar in der Regel gleich dem Drucke
einer Atmosphäre.
Die für höhere Temperaturen ermittelten Werthe stimmen
durchaus nicht mit den aus der Reibung der Gase in der
angegebenen Weise berechneten überein, wie z. B. aus fol-
gender Zusammenstellung hervorgeht. In derselben sind die
Stoffe nach ihren Siedepunkten geordnet aufgeführt
chemischer Verbindungen.
143
Tabelle IV.
Chlorftthyl . .
Schwefligsjinre
Cjan ....
Chlor ....
Ammoniak . .
SchwefeiwasserBtoff
Kohlensäure . .
Stiokoxydiil . .
ans der Reibung beobachtet bei
66,0
43,9 »)
56,1
44,1
23,6
80,0
26,7
26,7
70«)
43,9
60»)
53*)
27»)
40»)
446)
47»)
0«C.
— 80
+ 170
+ 15<>?
0°
+ 16<>?
— 10«
0«
8iedep.
+ 120,5C.
— 10^1
— 220')
— 330,6
— 380,5
— 610,8
— 780,2
— 870,9
^) dem von Pierre beobachteten Werthe gleich angenommen,
t) Drionl859; ■) Faraday; *) Davy und Faraday; ») Jolly 1861;
*) Andreeff 1869; ') Bansen; alle übrigen Siedepunkte nach Beg-
nault 1864.
Der Unterschied des aos der Reibung der Gase und des
aus der RaumerföUüng der Flüssigkeiten hergeleiteten Werthes
des Hölecularvolumens ist um so gröfser, je höher die Tem-
peratur, bei welcher die Dichte bestimmt wurde, über der-
jenigen liegt, bei welcher die Dampfspannung dem atmo-
sphärischen Drucke gleich ist. In Uebereinstimmung mit der
mechanischen Wärmetheorie und insbesondere mil der Theorie
der molecnlaren Stöfse läfst sich dieses Verhältnifs nur durch
die Annahme erklären, dafs in Flüssigkeiten von merklicher
Dampfspannung die Atome sich nicht allseitig unmittelbar
berühren, sondern Zwischenräume zwischen sich lassen, welche
am so gröfser sind, je höher die Temperatur und je gröfse^
in Folge dessen die Dampfspannung ist. Die Entstehung
dieser nicht von Materie erfüllten Hohlräume erscheint als
eine nothwendige Folge der lebhaften, als Wärme den Theilchen
innewohnenden Bewegungen. Je mehr Wärme^ d. i. je mehr
Bewegung zugeführt wird, desto heftiger stofsen die Theilchen
znsanmien, desto mehr werden sie in Folge ihrer Zusammen-
stöfse auseinander getrieben, und desto gröfser werden ihre
Zwischenräume. Dadurch kann es geschehen , dafs bei sehr
hoher Dampfspannung die Flüssigkeiten mit steigender Tem-
144 Meyer^ über die Molecularvolwnina
peratur sich noch starker ausdehnen als die Gase, wie
solches Drion*) und Andreeff **) beobachtet haben.
Vorstehende Betrachtung gilt sowohl für die Molekeln
der Stoffe wie für die Atome. Es ist aus {jerselben leicht
ersichtlich, warum aus der Dichte der flüssigen Verbindungen
sich ein gröfseres Volumen für manche Atome berechnet,
als sich für dieselben aus der Beobachtung der Reibung der
Gase ergiebt. Im ersteren Falle wird der leere Raum mit
gemessen , welcher den Atomen für ihre Bewegungen offen
.steht, im letzteren nur das Volumen des Gastheilchens selbst
(oder seiner Wirkungssphäre), bestimmt aus der Grofse des
Hindernisses, welches jedes Theilchen für das andere bildet
Es wird hier gerade das Verhältnifs des von den Theilchen
mit ihrer Masse erfüllten Raumes zu dem leeren Räume be-
stimmt.
Dafs besonders das Wasserstoffatom in seinen flüssigen
Verbindungen ein so viel gröfseres Volumen beansprucht, als
es in gasförmigen Körpern mit seiner Masse erfüllt, erklärt
sich aus seiner geringen Masse. Je kleiner diese ist, desto
gröfser mufs die Geschwindigkeit sein, damit die lebendige
Kraft der Bewegung eine bestimmte Grofse erreiche. Die
lebendige Kraft der Bewegung aber ist das Mafs der Warme.
Wenn auch die Beziehung derselben zur Temperatur nur in
dien wenigsten Fällen genau bekannt ist, so können wir
doch annehmen, dafs bei gleicher Temperatur ein Theilchen
von geringer Masse im Allgemeinen eine gröfsere Geschwin-
digkeit, eine lebhaftere Bewegung haben wird als ein solches
von gröfserer Masse. Da nun das Wasserstoffatom von allen
die kleinste Masse besitzt, so kann es nicht verwundern, wenn
dasselbe in seinen flüssigen Verbindungen sehr viel gröfsere
*) Jahresber. für Chemie u. s. w. für 1859, 8. 19.
•*) Daselbst S. 20.
chemiacher Verbindungen. 145
Bewegungfen macht und sich dadurch ein relativ gröfserea
scheinbares Volum erzeugt, als bei derselben Temperatur
irgfend ein anderes Atom.
Wir dürfen aber nicht wohl annehmen, dafs die Atome
der fibrigen Elemente in ihren, wenn auch nicht ganz so
ausgiebigen, doch immer sehr lebhaften Bewegungen stets
mit einander in unmittelbarer Berührung verbleiben. Diefs
wäre an und für sich unwahrscheinlich, ^ird es aber noch
mehr, wenn wir die RaumerfuUung fester Körper mit der
der Flüssigkeiten vergleichen.
Wie H. Kopp bereits vor längerer Zeit gezeigt hat*),
ist es sehr wahr8cheinlich,%dafs die Atome der meisten Metalle
in ihren Verbindungen in der Regel denselben Raum erfüllen,
wie im isoUrten Zustande. Unter dieser Voraussetzung erhalt
man bekanntlich für das Atomvolumen des Sauerstoffes in
den Oxyden meistens nahezu denselben Werth, der in den
üblichen Einheiten ausgedrückt, d. h. H = 1 gesetzt, zwischen
5 und 6 betragt ; z. B.
V(PbO a= 2J3) = 24,0
V(Pb = 207) = 18,2
Differeus ¥(0 = 16) = 5,8.
Dieser Werth des Atomvolumens ist kleiner als der kleinere
der nach Kopp's Regeln für flüssige Verbindungen geltende;
mao erhält aber aus manchen Hetalloxyden einen noch kleineren,
z. B. aus dem Zinnoxyde :
V(SiiO, = 150) =21,6
V(8n = 118) = 16,2
Diflferenz ¥(0. = 82) = 5,4
V(0 = 16) = 2,7.
Danach wird es sehr wahrscheinlich, dafs allgemein die
aas der Raumerfülfung der flüssigen Verbindungen erschlos-
*) H. Kopp, über das speo. Gewicht d. ohemiaohen Verbindnngen.
Frankfurt a. M. 1841.
▲bii«1. 4. Oh«m. a. Pham. V. Snpplementbd. 9. H«ft. 10
146 Meyevy über die Molecularvolumina
senen AtoniToIamina sehr viel gfröfser sind als die Raumey
welche die Atome mit ihrer Masse wirklich erfüllen, und dafs
demnach die aus der Reibung der Gase zu berechnenden
Atomvolume nicht gleich, sondern nur proportional und sehr
erheblich kleiner sind als die von den Atomen in ihren flüs-
sigen Verbindungen durch ihre Hasse und ihre Rewegungen
eingenommenen Räume.
Es ist demnach die von uns Behufs des Vergleiches will-
kürlich gewählte Einheit, nach welcher wir das Molecular-
volumen der schwefligen Säure dem im flüssigen Zustande
beobachteten Werthe gleich setzten, jedenfalls zu groft ge-
nommen. Dieselbe würde z. B. auf etwa zwei Fünftel ihres
Werthes zu reduciren sein, wenn das dem Sauerstoflatome im
Zinnoxyde zukommende Volumen das wirkliche Atomvolumen
wäre. Hofi'entlich wird es in nicht allzuferner Zukunft mög-
lich sein , die Dimensionen der Theilchen in absolutem Mafse
anzugeben.
Wenn es nach diesen und ähnlichen Betrachtungen ver-
ständlich erscheint, warum die Atome in den flüssigen Körpern
scheinbar einen gröfseren Raum erfüllen als in den festen
und in den gasförmigen, so bleibt noch unerklärt, warum
manche derselben in einigen Verbindungen, z. B. der Sauer-
stofi*, „im RadicaP einen gröfseren Raum einnehmen als in
anderen. Auch hierfür aber braucht man nach einer ein-
leuchtenden Erklärung nicht weit zu suchen.
Was man früher ein Sauerstoffatom im Radicale einer
organischen Säure nannte, ist nach den gegenwärtig herr-
schenden Anschauungen ein Sauerstoffatom, dessen beide
Verwandtschaftseinheiten durch ein und dasselbe Kohlenstoff-
atom gesättigt werden. Sucht nun jede .der vier Verwandt-
schaftseinheiten des Kohlenstoffatomes das durch dieselbe ge-
bundene Atom an eine bestimmte Stelle des Raumes zu bringen,
so ist klar, dafs ein durch zwei solche Verwandtschaften ge-
chemischer Verbindungen. 147
bandenes Sauerstoffatom durch jede derselben in eine be-
stimmte Lage gedrängt wird. OsciUirt dasselbe in Folge
dessen zwischen diesen beiden Gleichgewichtslagen^ so wird
es scheinbar einen grofseren Baum erfüllen, als wenn es
nur von einer Verwandtschaft gefesselt wurde.
Aehnliche Verhaltnisse scheinen in anderen Verbindungen
obzuwalten, z. B. im Cyan, in welchem der Stickstoff durch
drei Affinitäten des Kohlenstoffatomes gehalten wird. In der
schwefligen Säure, dem Stickoxydul u. a. Verbindungen be-
dingt vielleicht eine ringförmige Anordnung der Atome
ähnliche Oscillationen der Atome um zwei verschiedene Gleich-
gewichtslagen und in Folge davon ein scheinbar gröfseres
Volumen des Sauerstoffatonies. Es ist aber ersichtlich, dafs
eine derartige Vergröfserung des Volumens nicht nothwendig
in allen Fällen auftreten mufs, in welchen zwei Atome durch
mehr als eine Affinität mit einander verbunden sind.
Aehnliche Hypothesen bieten sich zahlreich dar; zur
Verfolgung derselben aber wird es Zeit sein, wenn mehr
experimentelles Material vorliegen wird. Zunächst ist es sehr
wünschenswerth , dafs den Gra hämischen Beobachtungen
ahnliche an einer grofseren Anzahl von Stoffen bei Tempe-
raturen, bei welchen diese gasförmig sind, und mit Capillar-
röhren von genau bekannten Dimensionen angestellt werden.
Zum Zwecke der Messung der Atomvolume angestellt, wurden
dieselben ohne Zweifel noch manches interessante und werth-
voUe Ergebnifs liefern.
Neustadt-Eberswalde, im Juni 1867.
10*
148 Boret, Untersuchungen
Untersuchungen über die Dichtigkeit des
Ozons ;
von L. L. Saret *).
»
Zweiter TheiL
Ich habe früher **) die ersten Versuche mitgedieilt,
durch welche ich gefunden habe, dafs die Dichtigkeit des
Ozons anderthalbmal so grofs als die des gewöhnlichen Sauer-
stoffs ist. Ich habe dieses Resultat noch in der nachfolgenden
Weise zu controliren gesucht, nach einem Verfahren, welches
darauf gegründet ist, dafs die verschiedenen Gase je nach
ihrer Dichtigkeit mit ungleicher Geschwindigkeit diffun-
diren ***).
Denken wir uns zwei über einander befindliche Gefäfse,
getrennt durch eine Scheidewand, in welcher ein nach Belieben
zu öffnendes und zu schliefsendes Loch, und dafs zuerst das
untere Gefäfs ein Gemische von Sauerstoff und Chlor f) nach
einem bekannten Verhältnisse, das obere nur reinen Sauer-
stoff enthalte. Offenbar wird, so bald die Communication
zwischen den beiden Gefäfsen hergestellt wird, das Chlor
durch die Oeffnung hindurch diffundiren, und nach einer ge-
wissen Zeit wird eine bestimmbare Menge Chlor in das obere
Gefäfs eingetreten sein. Wiederholt man nun den Versuch
in solcher Weise, dafs das untere Gefäfs ein Gemische von
Sauerstoff und Ozon in demselben Verhältnisse enthält, wie
vorher das zwischen Sauerstoff und Chlor war, während alle
*) Compt rend. LXIV, 904.
**) Afinalen d. Ghem. a. Fharm. GXXXYIII, 45.
***) Ygl.GrahAm*B Unteraachaogen, Ann.. Chem. Pharm. CXXXI, 1.
t) Dm Chlor ist hier tor Yergleichnng genommen, weil seine Be-
stimmung sehr genau in derselben Weise wie die des Ozons aus-
geführt werden kann.
über die Dichtigkeit des Ozons. 149
anderen Umstilnde dieselben sind> so wird eine gewisse Menge
Ozon in das obere GefSfs durch Diffusion eintreten. Wenn
diese Menge gröfser ist, als die des diffundirten Chlors, so
wird man daraus schliefsen können^ dafs die Dichtigkeit des
Ozons geringer ist, als die des Chlors. Wäre die Zeit,
wahrend welcBer man die Communication zwischen den beiden
Gefäfsen bestehen läijst^ sehr kurz, so würden sich die Mengen
des diffundirten Chlors und des diffundirten Ozons, dem 6e*
setze nach, genau umgekehrt wie die Quadratwurzeln aus
den Dichtigkeiten dieser Gase yerhahen. Bei der Ausführung
von Versuchen mufs man die Diffusion wahrend einer er-
beblichen Zeit vor sich gehen lassen; aber wenn diese Zeit
nicht eine allzulange ist, wird das gefundene Verhaltnifs nicht
Tiei TOD dem theoretischen abweichen , es wird sich nur
etwas mehr der Einheit nähern.
Die Construction eines Apparates, mit welchem sich diese
Versuche anstellen lassen, bietet einige Schwierigkeiten. Man
darf das Ozon und das Chlor weder mit Quecksilber noch
mit Wasser in Berührung sein lassen ; man mufs concentrirte
Schwefelsaure anwenden^ welche keine merkliche Einwirkung
auf diese Gase ausübt. Andererseits werden die organischen
Substanzen und die Metalle durch das Ozon und das Chlor
angegriffen ; alle Theile der Gefäfse, welche mit diesen Gasen
in Berührung kommen, müssen deshalb aus Glas bestehen.
Ich will hier nur die wesentlichsten Einrichtungen des von
mir angewendeten Apparates beschreiben.
Als Diffusionsgefafse wurden zwei weite Glasröhren (von
etwa 45 Millimeter innerem Durchmesser) genommen, deren
Enden mittelst Glasplatten geschlossen waren. Beide Gefafse
fafsten gleich viel, jedes etwa 250 Cubikcentimeter. Die zum
Verschlusse dienenden Glasplatten hatten die Form linglicher
Vierecke, und sie waren mit einem angemessen weiten Loche
an passender Stelle versehen. Lagen die Glasplatten mit dem
150 Boret, Untersuchungen
nicht durchlöcherten Theil auf den Röhren , so waren die
letzteren vollständig verschlossen, wahrend man durch Ver-
schieben der Glasplatten, so dafs das Loch in der Platte über
eine Röhre kam, den Yersohlufs auch zu einem nur theil-
weisen machen konnte ; durch diese Löcher konnte man das
Gas eintreten, austreten und diffundiren lassen?
Dafür, dafs man die Diffusionsgefäfse handhaben und
verrücken könne ^ war es nöthig, dafs die Verschlufsplatten
stets an den Oeffnungen fest auflagen. Dieses gelang ver«
mittelst federnder Vorrichtungen, welche theilweise aus Mes-
sing und theilweise aus Platin bestanden und die Verschlufs-
platten fest angedrückt hielten, ohne an dem Verschieben
derselben zu hindern.
Um den Verschlufs luftdicht zu machen, wurden die Ver-
schlufsplatten mit einem Tropfen Schwefelsäure benetzt; es
ergab sich, dafs der auf diese Art hergestellte Verschlufs
luftdicht war, so lange der Druck im Inneren nicht gewisse
Grenzen überschritt, welche bei den Versuchen niemals er-
reicht wurden.
Wenn das eine der Geffifse mit reinem Sauerstoffgas
und das andere mit Sauerstoffgas, welchem eine gewisse
Menge Chlor oder Ozon beigemischt war, gefüllt war, wurde
das erste Gefafs auf das zweite gestellt Sie waren dann
noch durch die zwei sich berührenden Verschlufsplatten ge-
schieden, zwischen welche ein Tropfen Schwefelsäure ge-
bracht worden war. Dann wurde die Communication zwi-
schen den beiden Gefafsen durch angemessenes Verschieben
der in Berührung befindlichen Verschlufsplatten hergestellt,
so dafs das Loch in der einen sich genau über dem Loch
über der anderen befand. Nun begann die Diffusion; die
Oeffnung, durch welche sie vor sich ging, hatte 5 MM. Durch-
messer, und man liefs sie wahrend 45 Minuten dauern ; dann
iSfer die DichUgheü des Otone. 151
Terschlofs man die beiden GefkTse dorch Verschieben der
TerBcUnfspIatten.
Dm nach Bunsen's Verfahren die nach Beendigung des
VersQches in jedem Gefafse enthaltene Menge Chlor oder
Oxon 2a bestimmen, mufste man die Gase durch Jodkalium-
lösong leiten können. Zu den Ende bestand die jedes Ge-
fifs an seiner oberen Mündung verschliefsende Platte aus
einer 6 MM. dicken Glasplatte, in die ein conisches Loch
gebohrt war, in welches man das gut eingeschliffene conische
Ende einer dünnen, leichten und angemessen gekrümmten
Gasleitungsröhre einstecken konnte. Wenn nach der Diffu-
sion die Gefafse geschlossen worden waren, brachte man
jedes über eine mit Schwefelsaure gefüllte Wanne', so dafs
das, noch mit der zugehörigen Platte geschlossene, untere
Ende 2 bis 3 Centimeter unterhalb der Oberfläche der Schwe-
felsäure in der Wanne sich befand. Dann wurde die Ab-
leitungsröhre in die obere Verschlufsplatte eingesteckt, welche
letztere nun so verschoben wurde, dafs diese Ableitungsröhre
mit ihrem einen Ende mit dem Inneren des Gefafses com-
municirte, wahrend ihr anderes Ende in die Jodkaliumlösung
tauchte. Dann wurde mittelst eines Glasstabs die untere
Verschlufsplatte, unter der Schwefelsäure, so verschoben,
dafs das Gefäfs unten geöffnet wurde, und nun wurde ein
Loflstrom eingeleitet; welcher das Gas durch die Jodkaliumr
lösung hindurchtrieb. Die Bestimmung des in dieser Lösung
frei gewordenen Jods wurde dann nach Bunsen's Verfahren
ausgeführt. ~ Die Summe der in den beiden Gefäfsen ge-
tfmdeneu Mengen Chlor oder Ozon gab die Menge dieses
Gase«; welche in dem unteren Gefäfse bei dem Beginn des
Versuches enthalten gewesen war; die in dem oberen Ge-
fäfse gefundene Menge ist die durch Diffusion in dasselbe
eingetretene.
152 Boret, üntenuchungen
Indem ich in dieser Weise mit Gemischen von Chlor
und Sauerstoff operirte, habe ich die in der folgenden Tabelle
zusammengestellten Resultate erhalten. V bedeutet die Menge
Chlor , welche bei Beginn des Versuches dem Sauerstoff in
dem unteren Gefafse beigemischt war; v die Menge Chlor,
welche innerhalb 45 Hinuten durch Diffusion in das obere
Gefafs eintrat; sodann gebe ich noch das Verhaltnifs -y
und unter der Bezeichnung d die Differenz zwischen dem
direct gefundenen Werth von v und dem nach dem Mittel
der Versuche berechneten.
Di/fusian
de$ Chlor».
V
V
V
d
3,10oc
0,7400
0,2887
+ 0,04oc
4,27
1,01
0,2866
+ 0,04
6,64
1,48
0,2280
- 0,08
10,84
3,84
0,2268
— 0,01
11,18
2,51
0,2246
— 0,026
17,91
4,06
12,18
0,2261
im Mittel
—.0,016
58,44
0,2270.
Die Constanz des Verhältnisses -p- und namentlich die Klein-
heit der in der vierten Spalte der vorhergehenden Tabelle
enthaltenen Differenzen zeigen, dafs die Menge des diffun-
dirten Chlors der Menge des in dem unteren Geffifse bei
Beginn des Versuches dem Sauerstoff beigemischten Chlors
proportional ist.
Bei Versuchen taiit Gemischen von Sauerstoff und Ozon,
wie sie direct durch Electrolyse erhalten wurden, ergaben
sich die folgenden Resultate *) :
*) Die Volume dei Obodb wurden bereolmet unter der Annabme,
dafli das Volum des Ozons das Doppelte ist von dem Volum der
über die Diektigheü des Ozons, 153
Difiuian
d0$ Ounu.
F
V
V
V
d
4,68<^c
l,29co
0,2756
+ 0,02co
9,18
2,45
0,2683
— 0,02
9,49
2,68
• 0,2660
— 0,04
10,89
8,08
0,2782
+ 0,08
12,71
8,40
0,2675
-:- 0,04
46,90
12,70
im Mittel
0,2708.
Hier wie für das Chlor ist also die diffundirte Menge der
bei dem Beginn des Versuchs in dem unteren Gefäfs ent-
haltenen Menge Ozon proportional. Aber die Diffusion des
Ozons geht rascher vor sich als die des Chlors; man mufs
hieraas schliefsen, dafs die Dichtigkeit des Ozons geringer
als die des Chlors ist«
För jedes Cubikcentimeter Chlor, welches ursprünglich
in dem unteren Gefäfse enthalten ist, gehen 0,227 Cubik-
centimeter innerhalb 45 Minuten in das obere Gefafs über;«
wahrend in derselben Zeit für jedes Cubikcentimeter Ozon
in dem unteren Gefäfse 0,271 Cubikcentimeter in das obere
Gefäb übergehen. Das Verhältnifs zwischen diesen beiden
0 227
Mengen, ~^2n ^^ ^ß^^y kommt dem umgekehrten Verhältnifs
der Quadratwurzeln aus den Dichtigkeiten dieser Gase sehr
nahe, wenn man annimmt, dafs die Dichtigkeit des Ozons
das Anderthalbfache von der des gewöhnlichen Sauerstoffs
sei ; es ist nämlich ^~==^ = 0,8243, Das gefundene Ver-
Meng6 des absorbirten Sanentofib (Tgl. den ersten Theil dieser
Versuche) ; d. h. unter der Annahme , dafs die Dichtigkeit des
Ozons = 1,658 sei. Uebrigens bleibt, welche Annahme man
auch mache, das Verhältnifs -|^ dasselbe.
154 Sehiff, Untersuchungen
haltnirs nähert sich mehr der Einheit als das theoretische^
wie diefs sein mufs. Es ist liieraus zu schliefsen, dars die
Dichtigkeit des Ozons allerdings = 1,658 ist.
Alle diese Versuche zusammengenommen, und andere
Versuche, welche mit Kohlensäure angestellt wurden, be-
«
stätigen also die von mir früher aufgestellte Schlufsfolgerung :
dafs die Dichtigkeit des durch Electrolyse dargestellten Ozons
anderthalbmal so grofs als die des gewohnlichen Sauerstoffs ist.
Untersuchungen über die Borsäureäther;
von Hugo Schiff.
»
In den Comptes rendus (LXI, 697 und LXII, 397) haben
wir, E. Bechi und ich, einige Notizen über Bildung von
Borsaureathern mitgetheilt. Ich habe die aus diesen Bildungs-
weisen hervorgehenden Darstellungsmethoden in ihren ver-
schiedenen Phasen verfolgt, dieselben zur Darstellung von
Doppeläthern angewandt, femer eine Anzahl anderer Re-
actionen dieser Aether untersucht, und gebe im Folgenden
eine ausführlichere Darstellung der Methoden und der mittelst
derselben erlangten Resultate.
Betrachtet man das Bor als dreiwerthiges Radical (B^''
= 11), und nimmt man an, dafs bei der Condensation mehrerer
Aequivalente dieses Radicals sich immer zwei Einheiten ge-
genseitig binden, so werden n condensirte Elemente noch
mit einem Wirkungswerth von (n 4 2) auftreten. Mit Rück-
sicht hierauf erhält man die folgende Reihe von Borsanre-
condensationen nebst den von diesen abgeleiteten Anhydriden:
über die Borsäureäther,
155
Monobor- Dibor- Tribor- Tetrabor-
8&ore säure säure eäure Polyborsäure
BH'O* B*H*0» B^»G' B*H«0» B»Hn-»-*0*»+*
BHO* B*H*0* B»H»0« B^H^O« •) B'H» O*»
B»— O» B"H0» B*H«0' B-Hn-'O«»-^
BnH»-*^»"*'
U. 8. W.
Mittelst Substitution von Hydroxyl (OH) durch Chlor, Brom
n. 8. w. können hieraus noch weitere Reihen interessanter
Verbindungen abgeleitet werden.
Die drei alkoholischen (normalen) Borsäureäther wurden
bekanntlich zuerst im Jahre 1846 von Ebeimen und
Bonquet (Ann. d. chim. et phys. [3] XVII, 55) durch
Einwirkung des Chlorbors auf die betreffenden Alkohole
dargestellt. Ebeimen und Bouquet's Angaben bezüglich
des Triäthylborats wurden später durch Bowman (Philos.
Magaz. XXIX, 546) vollkommen bestätigt. — Ein leichter
*) Man bemerkt, dafs die ersten Anhydride der yerschiedenen Bor-
säuren unter einander polymer sind. Auf ein ähnliches Verhält-
nils bat man bereits bei einselnen mehrwerthigen Alkoholen
aufmerksam gemacht, uiod man wird solches bei den Conden-
sationen mehrwerthiger Verbindungen ganz allgemein beobachten,
wie diefs aus der folgenden einfachen Betrachtung hervorgeht
Irgend welche Condensation einer Verbindung RH» 0*" kann all-
gemein ausgedrückt werden durch die Formel :
(RHnO™ + xRBLnO» - xH»0).
Die Formel des ersten Anhydrids wird hiemach allgemein :
[(RH" O" + X RH» 0» — X H*a) - H«0] = (x + 1) X (BH» 0" -- H»0),
d. h. (x -{- l)mal die Formel des normalen ersten Anhydrids.
In einer ähnlichen Beziehung steht ohne Zweifel auch das s. g.
unlösliche WeinsSureanhydrid zum s. g. löslichen Anhydrid, der
Isotartridsäure. Die Beziehungen dieser letzteren zur Ditartryl-
säure, wie wir solche in einer früheren Abhandlung dargelegt
haben, lassen es nicht zweifelhaft erscheinen, dafs die Isotartrid-
säure mit der Formel H«[^^ ^^ erstes Anhydrid der Di-
tartrylfläure ^ ^'^'hIJo^
auizu&ssen ist.
156 Schiff, Untersuchungen
zum Ziele führendes Verfahren wurde im Jahre 1856 von
H. Rose (Pogg. Ann. XCVIII, 245) angegeben. Es bemht
dasselbe auf der trockenen Destillation eines innigen Gemenges
von Kaliumatbylsulfat mit wasserfreiem Borax. Nach dieser
Methode hat Frankland (Ann. d. Chem. u. Pharm. CXXIV, 131)
gelegentlich seiner Untersuchungen über die Einwirkung des
Zinkdthyls und Zinkmethyls auf Triäthylborat gearbeitet, und
er fand dabei Veranlassung, dieses Verfahren wesentlich zu
verbessern. Die Darstellung von Borsäureather mittelst Silber*
borat und Jodäthyl wurde durch Nason (Ann. d. Chem. n.
Pharm. CIV, 126) versucht, welcher hierbei nur Aethyloxyd er-
hielt. Wir waren zufällig gegenwärtig, als N a s o n diesen Versuch
anstellte, und wissen, dafs die Aetherbildung nur aus dem
starken Aethergeruch bei dem OeiTnen der Röhre beurtheill
wurde, dafs man aber den gelben trockenen Rückstand nicht
weiter beachtet hatte. Wir haben deshalb diesen Versuch
nochmals in etwas gröfserem Mafsstab angestellt, um zu prüfen,
ob nicht in dem Rückstand neben Jodsilber irgend ein nicht
gesättigter Borsäureäther vorhanden sei. Der Aetherauszug
enthielt indessen nichts, was auf die Bildung einer solchen
Verbindung schliefsen liefse.
Bezüglich anderer Aether der Borsäure besitzen wir
eine Untersuchung von Ebelmen aus dem Jahre 1845
(Ann. de chim. et phys. [3] XVI, 218); in dieser Abhand-
lung bespricht er die Einwirkung der verschiedenen Alkohole
auf das Borsäureanhydrid und beschreibt eine Reihe halb-
fester Borsäureäther, welche er auf das dem Borax ent-
sprechende Hydrat B^H^O'' bezieht. Was die Zusammen-
setzung dieser letzteren Aether betrifft, so behalte ich mir
eine kritische Besprechung für später vor, sobald ich das
Material für dieselbe dargelegt haben werde.
Behufs Entscheidung der Frage, ob die eben erwähnten
Aether als nicht gesättigte Verbindungen durch directe
über die Borsäureäther, 157
Addition anderer Gruppen in gesättigte Verbindungen über-
geführt werden könnten, beabsichtigte ich die Darstellung
dieser Aether, erhielt aber hierbei Körper, welche in der
Zusammensetzung sowohl bei verschiedenen Darstellungen
unter sich, als auch von der von Ebelmen angegebenen
Formel wesentlich abwichen, obwohl ich ziemlich genau nach
Eb e Im en's Angaben arbeitete. Dieser Umstand, so wie an^
dere bisher nicht gehörig gewürdigte Erscheinungen, schienen
einer eingehenderen Untersuchung nicht unwerth zu sein,
und es wurde dieselbe zum Theil in Gemeinschaft mit E.
Bechi ausgeführt.
Bringt man gepulvertes Borsaureanhydrid mit etwa dem
gleichen Gewicht absoluten Alkohols zusammen, so tritt, wie
bereits Ebelmen bemerkte, eine nicht unbedeutende Tem«
peraturerhöhung ein. Ueberlifst man das Gemenge einen
halben Tag lang sich selbst, so wird der Alkohol fast gänz-
lich von der sich hydratisirenden Borsäure eingesaugt und
man erhält eine schneeweifse schwammige Hasse. Befestigt
man dann das Gefäfs an einen Rfickflufsapparat und erhitzt
zum Sieden, so löst sich ein grofser Theil auf und man
braucht nur noch wenig Alkohol zuzusetzen, um bei fortge-
setztem Kochen alle Borsäure in Lösung zu bringen. Beim
Erkalten bedeckt sich der Boden des Gefäfses mit einer aus
zusammenhängenden warzenförmigen Aggregaten bestehenden
Krystallisation. Dieselbe besitzt durchaus nicht das Aussehen
der krystallisirten Borsäure^ wies sich aber dennoch bei der
Bestimmung des Wassergehalts der mit Alkohol gewaschenen
Erystalle als das normale Hydrat BH'O^ aus. Die Flüssigkeit,
welche sich. von der Krystallisation leicht abgiefsen läfst, ist
entweder farblos oder doch nur gelblich gefärbt. Unterwirft
man sie der Destillation und zieht den Rückstand nach Ebel-
men's Angabe mit wasserfreiem Aether aus, so erhält man
immer nur wenig glasigen Borsäureäther. Das Destillat hin-
158 Schiff y Untersuchungjsn
gegen enthält gröfsere Mengen von Borsfiareäther und zwar
nach Ebelnien's Meinung in der Form des glasigen Aethers,
welcher sich mit den Alkoholdampfen verflüchtige. Diese
Ansicht Ebelmen's mufste indessen sehr bald in Zweifel
gezogen werden. Bei dem Versuche nämlich, den glasigen
Aether zur weiteren Reinigung in absolutem Alkohol auf-
zulösen, fand sich 9 dafs der Alkohol auf den Aether
zersetzend wirkt Nach dieser Erfahrung war also die
Annahme, dafs das Destillat eine weingeistige Lösung
jenes Aethers sei, nicht mehr statthaft und der Zweifel ward
zur Gewifsheit, als es gelang, aus dem zwischen 110 und 130®
siedenden Antheil des Destillats eine nicht unbedeutende
Menge von Triäthylborat abzuscheiden, so dafa in der directen
Einwirkung Yon absolutem Alkohol auf geschmolzene Bor-
säure sehr bald eine ergiebige und leicht auszuführende Me-
thode zur Darstellung der drei alkoholischen Borsäureäther
erkannt wurde.
Während die Entstehung eines dem Borax analog zu-
sammengesetzten Aethers eine ziemlich verwickelte Bildungs-
gleichung erfordern würde, haben wir dagegen für die
primäre Reaction zwischen Alkohol und Borsäureanhydrid die
einfache Gleichung :
g|0« +8 hP = H»p + 8€«H»p •
Fär die Darstellung gröfserer Mengen von Triäthylborat
arbeitet man am Besten mit einem kupfernen Digestor von
etwa einem Liter Inhalt. Die Borsäure im gepulverten Zu-
stande anzuwenden ist nicht allein nicht nöthig, sondern viel-
mehr hinderlich, insofern als das Pulver leicht zusammenbackt
und die Einwirkung des Alkohols erschwert. .Aus demselben
Grunde wende man auch keine kleinen Stücke geschmolzener
Borsäure an, man giefse dieselbe vielmehr derart auf eine
Steinplatte aus, dafs man etwa einen Zoll breite lange Bänder
erhält, welche man dann aufrecht in den Digestor stellt, so
über die Borsäureäther, 159
dafs gehörige Zwischenräume die Circulation des Alkohols
möglich machen. Auf ein Liter Alkohol kann man 250 bis
300 Grm. Borsaureanhydrid anwenden. Den Digestor erhitze
man im Oelbade 24 Stunden lang auf 110 bis 120^ und
beachte, dafs die Temperatur 130^ nicht übersteige, da sonst
leicht eine umgekehrte Reaction den Verlust eines Theils des
bereits gebildeten Aethers verursacht. Zur Vermeidung von
Zeitverlust setzt man am Besten den Digestor gegen Abend
in das Oelbad, heizt bis zum folgenden Abend und läfst dann
während der Nacht erkalten. Die Abscheidung der gelösten
Borsaure erfolgt nämlich sehr langsam und erfordert bei den
angegebenen Verhältnissen etwa 10 Stunden. Der Digestor
enthalt dann die Borsaure zum grofsen Theil als warzig
agglomerirtes Hydrat, öfters am Boden des Gefafses mit einer
syrupösen Hasse gemengt. Die aufrecht stehenden Bänder
enthalten zum grofsen Theil noch einen Kern von nicht an-
gegriffener Substanz; sie umkleiden sich nämlich mit Bor-
säurehydrat, welches die Einwirkung verlangsamt und un-
vollständig macht. Die die Borsäure umgebende gelbe Flüs-
sigkeit giefst man so weit ab, als sich diefs mit Leichtigkeit
thon läfsl, und verschliefst das Gefäfs sogleich wieder. Man
destillirt nun von der abgegossenen Flüssigkeit, welche gegen
80<^ zu sieden anfängt, die bis gegen 100^ übergehenden An-
thefle ab, giefst dieselbe in den Digestor zurück, füllt mit
frischem absolutem Alkohol so weit auf, dafs die Borsäure .
sich gänzlich unter dem Flüssigkeitsspiegel befindet, ifnd setzt
wieder 24 Stunden lang ins Oelbad. Sollte der Digestor
nach dieser zweiten Operation noch eine irgend namhafte
Menge von Anhydrid oder von syrupösem Bodensatz enthalten,
so erhitzt man zum dritten Male 12 Stunden lang mit dem
zwischen 80 und 100<^ übergehenden Destillat von der zweiten
Operation, dtefsmal ohne oder mit nur geringem Alkoholzusatz.
Was von der aus dieser letzten Portion herrührenden Flüs-
160 Schiff, Untersuchungen
sigkeit bis gegen 100^ übergeht, wird für eine folgende
Operation aufbewahrt. Die von den zwischen 80 und 100^
destillirenden Antheiien befreiten Flüssigkeiten lafst man
mehrere Stunden ruhig stehen; es krystallisirt dann noch
eine ziemliche Menge von Borsaurehydrat aus. Die abge-
gossene Flüssigkeit wird aufs Neue der Destillation unter-
worfen, bis das sich im Dampf befindliche Thermometer 115<*
anzeigt. Man lafst nun wieder langsam erkalten und dieses
Mal scheidet sich fast die ganze Menge des noch in Lösung
befindlichen Borsäurehydrats aus, so dafs eine Behandlung
des Eiidproducts mit Aether erspart wird. Die wieder von
der Krystallisation abgegossene Flüssigkeit fangt nun bei etwa
110<> zu sieden an. Was bis H8^ übergeht fügt man dem
zwischen 100 und 115^ übergegangenen Antheile bei, und
destillirt nun bis die Dampfe unmittelbar über dem Flüssig-
keitsspiegel die Temperatur von 140 bis 150^ erreicht haben.
Das zwischen 100 und 118^ gewonnene Destillat ist eine
Mischung von Triathylborat und Alkohol. Frankland hat
zur Trennung beider Flüssigkeiten die Anwendung von ge-
schmolzenem Chlorcalcium vorgeschlagen. Es löst sich dieses
Salz indessen nur sehr langsam in dem Gemische auf und es
ist daher diese Methode sehr zeitraubend. Ich habe eine
andere aufgefunden, welche augenblicklich zum Ziele fuhrt.
Giefst man in das Gemische allmälig unter Umschütteln kleine
Mengen von concentrirter Schwefelsaure, so theilt sich die
Flüssigkeit alsbald in zwei Schichten; man fügt so lange
Schwefelsäure zu als die untere Schicht hierdurch noch
merklich an Volum zunimmt. Die untere Schicht enthalt
dann die Schwefelsäure nebst dem Alkohol und sehr wenig
Borsäureäther; die obere, nur Spuren von Schwefelsäure ent-
haltende Schicht ist Borsäureäther, welcher nur noch wenig
Alkohol enthält. Man vereinigt diese obere Schicht mit dem
früher zwischen 118 und 140^ erhaltenen Destillat; bei der
über die Borsäureäther, 161
Bectification der yereinigten Flüssigkeiten geht nur wenig
onlerhalb 115<^ über; diesen Antheil kann man nochmals mit
Schwefelsdure behandeln. Ein betrachtlicher Theil siedet
zwischen 115 und 12^^; diefs ist nahezu reiner Borsaureäther.
Was oberhalb 1!25<> übergeht, siedet bei einer zweiten Rec-
Üfication ebenfalls gegen 120<'. Die Ursache des Anfangs
erhöhten Siedepunkts ist wohl in der in dem Siedegefäfs
zorückgebliebenen sympösen, beim Erkalten erstarrenden
Substanz zu suchen. Bei wiederholter Destillation siedet der
gröfste Theil zwischen 119 und 122^; die bei 120» über*
gehenden Antheile sind vollkommen reines Triäthylborat. Bei
allen diesen Destillationen dürfen keine Caoutchoucstopfen
angewandt werden, da der Borsaureäther dieselben stark
angreift und der Aether aufserdem noch einer Verunreinigung
dorch schwefelhaltige Substanzen ausgesetzt ist.
Das Triäthylborat ist, wie bereits die früheren Autoren
angeben, eine wasserhelle, leicht bewegliche Flüssigkeit,
welche sich mit dem Wasserdunst der Atmosphäre sogleich
anter Abscheidung von Borsäure zersetzt und angezündet
ohne Vermittelang eines Dochtes mit intensiy grüner Flamme
und unter Entweichen von Borsäuredämpfen brennt. Den
Siedepunkt fand ich für 760°^ Barometerdruck bei 120»
(Thermometer ganz im Dampf und Platin in der Flüssigkeit).
Ebelmen und Bouqu et fanden den Siedepunkt zu 119<),
Bowman zu 121<^. — Es ist hier indessen zu bemerken^
dab bei jedesmaliger Destillation eine geringe Zersetzung
eintritt, vielleicht durch die Feuchtigkeit der Luft bewirkt.
Es bleibt jedesmal ein geringer Rückstand und der Siede-
punkt steigt bei den späteren Antheilen allmälig um wenige
Grade. Das specifische Gewicht bestimmte ich mit zwei
Präparaten von verschiedener Darstellung zu 0,861 bei 26^,5
und (ohne Rücksicht auf die Glasausdehnung) 0,887 bei 0^
(0,885 bei 0<^ Ebelmen u. Bouquet; 0,871 bei? Bowman).
AnnaL 4. Chem. a. Pharm. V. Sapplementbd. 8. Heft. W
162 Schiff, Untersuchungen
1 Votum bei 0^ dehnt sich hiernach bis su 26^5 auf 1,033
Volume aus, eine Ausdehnung, weiche derjenigen des essig-
sauren, Propionsäuren und Salpetersäuren Aethyls nahezu
gleichkommt. — Die froheren Angabe^ über Geruch und
Geschmack vonEbelmen und Bouquet u&dyonBowman
(eigenthümlicher stechender gewärxhafter Geruch , scharfer
bittorer Geschmack) beeiehen sich auf Präparate, die von
ihrer Darstellung her noch geringe Mengen von gechlorten
Substanzen aus der Aethylgruppe enthalten konnten. Das
reine Trlathylborat manifestirt in seinem Geschmack nur Al-
kohol und Borsaure, in seinem Geruch namentlich nur den
Alkohol Es ist diefs auch a priori zu vermuthen, denn die
Flüssigkeiten der betreffenden Sinnesorgane bewirken augen-
blickliche Zersetzung in Borsäure und Alkohol. Liefs man
durch das zwischen 110 und 130^ aufigefangene alkoholhaltige
DestiUat w^ge Blasen Chlorgas steichen, so konnte, nach-
dem die Flüssigkeit zwei Tage lang ruhig gestanden und
sich wahrend dieser Zeit nichts DifEerentes abgeschieden hatte,
bei weiterer Reinigung ein Borsiureither erhallen werden,
welcher, bei einem Siedepunkt von 130^, die früher von
Anderen beobachteten physiologisohen Eigenschaften hesafs.
Wurde dieser Aether mit kochender Kalilauge zersetzt, die
Flfissigkeil dann mit reiner Salpetersäure übersättigt und nach
d^n Erkalten von der ausgeschiedenen Borsaure abfikrirt, so
gab das Filtrat eine deutliche Reaction auf Chlor.
Wir gehen zu den Umsetzungen des Boimveäthers mit
anderen Substanzen über und haben hier zunächst zwei
Körper zu berühren, deren Einwirkung der Aether bei der
beschriebenen Darstellungsweise mehr oder weniger ausge-
setzt ist, nfimlich Borsaurehydrat und concentrirte Schwefel-
säure. Auf die Möglichkeit einer zersetzenden Wirkung
des BorsAurehydrats wurde die Aufmerksamkeit durch zwei
Darstellungen gelenkt, bei welchen durch unerwnrtet stärkeren
über die Borsäureäther, 163
Gftsdnick die Temperatur des Oelbads sich während der
Nacht auf gegen 160^ — oder auch wohl darüber hinaus —
erhoben hatte. In beiden Fällen wurde weniger Triäthylborat
erhalten als diefs gewöhnlich bei gleicher Beschickung des
Digestors der Fall war, dagegen war der bei der Destillation
bis 150^ im Destillationsgefäfs bleibende syrupöse Bückstand
Yermehrt und die abgeschiedene hydratisirte Borsäure zeigte
nicht die gewöhnlichen warzenförmigen Krystallaggloroera-
tionen; dieselbe war vielmehr zum grofsen Theil in ein fast
sendiges Pulver, zum Theil in wie geschmolzen aussehende
Tropfen umgewandelt, welche mit krystallinischem Hydrat
überdeckt waren. Verschiedenen Steilen entnommene und
mit Alkohol gewaschene Partieen erlitten bei höherer Tem-
peratur sehr verschiedene Verluste an Wasser; es schwankten
dieselben zwischen einem Minimum von 14 pC. und einem
Maximum von gegen 46 pC. (in der oberen Schichte). Es
ist hiernach gewifs, dafs bei der höheren Temperatur Hydrate
von niedrigerem Wassergehalt entstanden waren, und ohne
Zweifel lag hier ein Gemenge der drei bekannten Hydrate
BH^e^ BHe* und B*H«G' (dem Borax entsprechendes Hydrat)
vor, von welchen das letztere 11,4 pC, das erstere 43^5 pC.
Wasserverhist verlangen würde *). Ob aber die Entstehung
dieser wasserarmeren Hydrate zu der Wiederausbeote an
Triäthylborat in einer bestimmten Beziehung stehe, mufste
erst der folgende Versuch lehren. Es wurden etwa gleiche
Gewichtstheile bei 120^ siedenden Triäthylborats und Hydrat
BH^O' in eine starke Glasröhre eingeschmolzen und einen
Tag auf 160 bis 180^ erhitzt. Die Borsäure löste sich zum
*) Ueberall, wo in den folgenden Gleiobungen BHO* figurirt, han-
delt es eich um ein solches Gemenge von Hydraten. Durch
diesen einfachsten Ausdruck vermeiden wir in unnöthiger Weise
oomplicirtere und doch der WkUichkeit nicht gans entsprechende
Gleichnogen.
11*
164 Schiff, Untersuchungen
Theil auf und nach dem Erkalten fand sie sich in einem
ahnlichen Zustand , wie bei den oben erwähnten zwei Opera-
tionen. Der flüssige Inhalt der Röhre wurde in eine kleine
Retorte gebracht und so weit abdestillirt, bis der Retorten-
inhalt anfing dickflüssig zu werden« Aus diesem Rückstand
konnte mittelst Aethers eine kleine Menge des glasigen Bor-
säureäthers ausgezogen werden. Das Destillat fing bei noch-
maliger Rectification bei 80^ zu sieden ^n und es konnte
durch Destillation nur wenig reines Triäthylborat wiederge-
wonnen werden; der gröfsle Theil bestand aus einem Ge-
menge dieses Aethers mit Weingeist und auf Zusatz von
Schwefelsäure erfolgte die oben erwähnte Trennung. Bei
der angewandten hohen Temperatur erfolgt also eine Zer-
setzung des Triäthylborats durch das Borsäurehydrat nach
der Gleichung :
B(G»H»)»0» + 2BH»0» = 3BHO* + 8 €»H«0
und zum Theil wahrscheinlich nach der anderen :
Zur Vermeidung dieser Umsetzung wurde daher Yorgeschrie-
ben, die Temperatur auf 110 bis 120^ zu erbalten und 130^
nicht zu überschreiten. Nicht allein das Borsäurehydraty son-
dern auch das Anhydrid wirkt auf das Triäthylborat ein und
auch diese Reaction ist für die Darstellungsweise nicht ohne
Interesse; wir halten es indessen für passend, diese Reaction
erst später ausfuhrlicher zu besprechen.
Wir dürfen indessen gelegentlich der eben besprochenen
Deshydratation des Hydrats BH^9^ unter Rückbildung von Al-
kohol eine umgekehrte Reaction nicht * unerwähnt lassen,
welche erfolgt, wenn das Hydrat B^H'O^ mit einem gröfseren
Ueberschufs an Alkohol auf 150^ erhitzt wird. Bin Theil
dieses Hydrats wird dann In BH^O^ verwandelt und bei der
Destillation der Flüssigkeit kann eine kleine Menge von Tri-
über die Borsäureäiher, 165
itbylborat erhalten werden ; letzteres entsteht wahrscheinlich
nach der Gleichung :
Aach diese Reaction gehört zu den vielen Umsetzungen,
welche gleichzeitig und aufeinanderfolgend bei der Einwir-
kung von Alkohol auf Borsäureanhydrid stattfinden können.
Bei der Trennung von Alkohol und Triathylborat mittelst
Schwefelsaare geht, wie oben bemerkt; nur eine sehr geringe
Saoremenge in die Aetherschicht ein und diese Menge äbt
bei der nachherigen Rectification durchaus keinen schädlichen
Einflufs aus. Die untere Schicht enthält eine kleine Menge
Borsäureäther, deren Gewinnung man indessen vernachlässi-
gen darf. Versucht man das Gemenge zu destilliren, so er-
hält man zunächst Alkohol mit geringem Gehalt an Borsäure-
ather, welchen man bei späteren Operationen statt des reinen
Alkohols anwenden mag ; sehr bald beginnt indessen die Ein-
wirkung der Schwefelsäure auf die nun concentrirter gewor-
dene Losung des Aethers. Concentrirte Schwefelsäure löst
Borsäureäther leicht und unter schwacher Erwärmung *).
Die Lösung stellt nach dem Erkalten ein dickes Oel dar,
welches sich bei gewöhnlicher Temperatur auch nach län-
gerer Zeit nicht zu verändern scheint. Erst beim Erwärmen
wird der Aether zersetzt; die Lösung färbt sich dann all-
mälig braun , es entwickelt sich Wasserdampf und fast reines
Aethylengas, erst später und bei höherer Temperatur tritt
auch schweflige Säure auf. Setzt man^ noch ehe diese letz-
*) GoQcentrirte Schwefelsäure löst Boraftnreanhydrid beim Erwärmen
kioht und reioblioh auf. Beim Erkalten setzt sich nichts ab;
man erh< einen dicken Syrup, aus welchem sich erst bei all-
m&Iigem Anziehen Ton Wasser aus der Luft krystallinische Hy-
drate der Borsäure ausscheiden. Das Hydrat BH'O' giebt beim
Erwärmen einen ganz ähnlichen Syrup, während das Wasser in
Dampfform entweicht.
166 Schiffe Untersuchungen
tere sich entwickelt, Wasser zu, so scheidet sich Borsaure
ab; sättigt man nun mit Baryumcarbonat , so enthalt das Fil-
trat eine gewisse Menge von Baryumathylsulfat. Der Aus-
druck ffir die Umsetzung der Schwefelsaure mit dem Aether
findet sich in der Gleichung :
B(€«H»)»0» + ßH«0* = S(G«H*)HO* + 2€«H* + BHO* + H«0.
Erhitzt man die Lösung des Aethers in Schwefelsaure auf
etwa 140 bis 150^ und lafst tropfenweise Wasser zufliefsen,
so scheidet sich ebenfalls Borsäure ab und es entwickelt sich
Aethylätherdampf. Auch in diesem Falle enthält die Flüssig-
keit zuletzt Aethylschwefelsäure , gebildet nach der Glei-
chung :
B(€»H*)>^« + ßH«0* + H«0 = S(€»H6)HO* + BH«0» + (G«fl*)*0.
Es war zu erwarten, dafs sich statt des Aethers ein zu-
sammengesetzter Aether bilden würde, wenn man zu der Lö-
sung des Triäthylborats in Schwefelsaure statt des Wassers
ein Saurehydrat setzte. Diese Erwartung wurde durch das
Experiment auch vollkommen bestätigt. Wurde der warmen
Lösung Benzoesäure zugesetzt und die Temperatur des Ge-
menges einige Zeit auf etwa 120^ erhalten, so schied sich
nach Verdünnung mit Wasser Borsäure ab und an der Ober-
flache sammelte sich eine Schicht Benzoöäther. Mit Annahme
einer gleichzeitigen Bildung von Aethylschwefelsänre, welche
aber hier nicht besonders nachgewiesen wurde, erhalten wir
die Umsetzungsgleichung :
B(€»H»)»0«+SH»O<-f-2G'H8^*=BH«0«+ß(€*H»)H0*+2rr'H6(G«H»)O».
Diese Umsetzungsweise wurde noch mit anderen Sauren be-
stätigt, so mit Essigsäure, Buttersäure und Valeriansäure,
deren Aether an ihren characteristischen Eigenschaften leicht
erkannt werden konnten. Ich habe mich übrigens hiermit
nicht eingehender beschäftigt, da ich fand, dafs unter wenig
veränderten Umständen der Borsäureather direct ätherificirend
wirken kann. — Ehe ich hierzu übergehe, erwähne ich in-
über die Borsätireäther. 167
•
desseD noch einer heiligen Explosion, welche eintrat, ab ich
der Schwefelsaurelösung des Aethers etwas Kaliumchlorat
zusetzte ; die Hasse erhitzte sich bis zur Entzündung und
wurde zum grofsen Theil umhergeschleudert. Man kann diesen
Versuch indessen ganz gefahrlos anstellen, wenn man der
etwas erwärmten Lösung allmälig einzelne Krystalle von Ka-
lionohlorat zusetzt. Es bilden sich dann kleine Bläschen,
welche an die Oberfläche gerissen werden und dort schwach
verpuffen oder zum Theil mit rothlichem Lichte verbrennen.
Bei diesem Versuche bildet sich ohne Zweifel eine der so
leicht zersetzbaren explosiven Aethylverbindungen der Säuren
des Chlors.
Wir gehen zu den Reactionen über, in welchen der
Borsäureather direct atherificirend wirkt. Nach den im Vor-
hergehenden bezüglich der Schwefelsaure mitgetheilten Ver-
suchen lag es nahe, die Einwirkung der Salpetersaure auf
das Triäthylborat einer Prüfung zu unterwerfen , und diese
bildete dann den Ausgangspunkt für die im Folgenden zu
besprechenden Versuche. — Concentrirte Salpetersäure löst
den Aether unter schwacher Erwärmung; die Einwirkung
beginnt alsbald, es scheidet sich Borsaurehydrat aus, nach
einiger Zeit erstarrt das Ganze zu einem dicken Brei von
Borsäorekrystallen, während sich unter Aufblähen der Hasse
Salpeterälher entwickelt. Die Zersetzung des Triathylborats
ist vollständig und geschieht nach der Gleichung :
Nach einer ginz analogen Gleichung erfolgt auch die
ZerseUmig des Triathylborats durch Essigsäure. Erhitzt man
den Aether mit einer entsprechenden Menge von Eisessig
emige Stunden auf 150^^ so erhalt man eine gelbliche homo-
gene Flüssigkeit, welche beim Erkalten hydratisirte Borsäure
absetzt. Die Flüssigkeit besteht zum gröfsten Theil aus Es-
sigitber. Bei der Destillation bleibt ein geringer Ruckstand
168 Schiff j Untersuchungen
»
von glasigem Borsäureäther, welcher noch auf eine andere^
vielleicht secundäre Reaction schliefsen läfst.
Bei Versuchen aber Aetherbildung von schwierig dtheri-
ficirbaren Säuren läfst man häufig das Silbersalz auf Jodathyl
reagiren. Dieses kostspielige Verfahren kann häufig durch
die einfachere Reaction der' freien Säure auf den nach obigem
Verfahren leicht und billig zu erhaltenden Borsäureäther er-
setzt werden, namentlich dann, wenn der entstehende Aether
durch Wasser oder verdünnte Alkalien nicht zersetzt wird.
Als Beispiel von ein- und zweibasischen Säuren fähre ich
Benzoesäure und Bernsteinsäure an. — ■ Beide Säuren zer-
setzen das Triäthylborat etwas weniger leicht, als diefs bei
der Essigsäure der Fall ist. Erhitzt man aber einige Stunden
auf 180 bis 200^, so wird die ganze Menge der Säure in
Aether verwandelt. Die gelbe Flüssigkeit läfst beim Erkalten
Borsäure krystailisiren. Man fällt die Röhre, nachdem deren
Inhalt erkaltet ist, mit verdünnter Kalilauge. Diese zersetzt
den etwa noch vorhandeiftn Borsäureäther, löst die Borsäure
und einen etwaigen Rest der zu ätherificirenden Säure, und
der neue Aether schwimmt oben auf und wird nach dem
Waschen mit Wasser und Destilliren über Chlorcaloium un-
mittelbar rein erhalten. Die Umsetzung mit der Benzoesäure
erfolgt analog der obigen Gleichung für die Reaction der
Salpetersäure. Die Bernsteinsäure, als zweibasisehe Säure,
reagirt nach der Gleichung :
In ähnlicher Weise erhielt ich auch* das Aethyloxalat;
dieses bildet sich etwas leichter als das Succinat und man
braucht die Temperatur von 150® nicht zu überschreiten. Bei
höherer Temperatur erfolgt eine Zersetzung der Oxalsäure
unter Bildung gasförmiger Producte und es erfolgt Detonation
der Röhre. — Hit trockener gasförmiger Salzsäure oder
schwefliger Säure nahezu gesättigtes Triäthylborat konnte
über die Baraäureäther. 169
auf 120 bis 140^ erhitzt werden, ohne dafs Einwirkung
stattfand.
Chlor, Brom and Jod wirken anf das Triithylborat sab-
stitnirend. Der Dampf des Aethers mit trockenem Cbiorgas
gemengt, entzQndet sich nnter Absatz von Kohle. Das flüs-
sige Tridthyiborat absorbirt trockenes Chlorgas auch bei
raschem Durchströmen vollständig, indem sich die Flüssigkeit
erhitzt und Ströme von Salzsduregas entweichen. Nach 'mehr-
stündigem Durchleiten wird die Masse zuletzt so dick, dafs
sich die Röhren verstopfen. Die Masse erstarrt beim Er-
kalten zu einer gelblichen Gallerte, welche mehr als 2 Aeq.
Chlor enthält, aber nicht so viel als der Formel B(G>H«C1)80'
entspricht Bei der Zersetzung mittelst Kalilauge scheidet
sich zuerst ein chlorhaltiges, campherartig riechendes Oel
ab, wahrscheinlich ein gechlortes Aethylen. Die Verbindung
mufste zur Chlorbestimmung mit weingeistigem Kali in ge-
schlossener Röhre bei höherer Temperatur zerlegt werden. —
Brom wiriit langsamer und weit weniger energisch. Beide
Flüssigkeiten mischen sich unter geringer Erwärmung. Setzt
man das Gemenge dem Sonnenlichte aus, so bilden sich an
den Wänden allmälig perlähniiche Tröpfchen, welche sich
am Boden zu einem braunen Oel ansammeln, bis endlich
sämmtlicher Aether in die Verbindung übergeführt ist. Diese
Substanz wurde nicht analysirt — Jod löst sich nur in
mäfsiger Menge im Triäthylborat zu einer rothen Flüssigkeit
auf, welche sich im zerstreuten Licht und bei mittlerer Tem-
peratur nur äufserst langsam verändert. Selbst im Sonnen-
lichte des höchsten Sommers und bei einer zeitweilig bis
gegen 50^ C. steigenden Temperatur konnte während einiger
Monate nur eine geringe Menge eines dicken, braunen, nicht
destillirbaren Oels erhalten werden. Durch Schütteln mit
Quecksilber von aufgelöstem Jod befreit, zeigte dieses Oel
noch einen Gehalt an chemisch gebundenem Jod.
170 Schiff, Untersuchungen
Die Aethyläquivalente des Borsdtireatbers ratMlilairen
mit Leichtigkeit die basischen Wasserstoffaquivalente der
Sauren, nicht aber den typischen Wasserstoff organischer
Basen. Bei dem Erhitzen mit Anilin- ond RosaniUnsalzen
konnte keine Einwirkung constatirt werden. Bei der Ein-
wirkung des vollkommen trockenen Ammoniaks auf alkohol-
freien Borsiureäther scheint eine kleine Menge von Aethyl-
. amin zu entstehen ; jedenfalls bleibt die bei Weitem gröfste
Menge des Aethers unverändert.
Die Einwirkung der Phenylsaure auf den Borsauredther
würde eine passende Gelegenheit bieten, um zur Besprechung
der Einwirkung anderer Alkohole überzugehen. Wir behalten
uns indessen vor, diese Reaction weiter unten abzuhandeln,
und erlauben uns vorerst einen kleinen Räckschritl.
Monoäthylborat,
Wir haben im Früheren das Rohproduct der Einwirkung
des Alkohols auf das Borsäureanhydrid einer fractionirten
Destillation unterworfen , bis die sich unmittelbar aus der
Flüssigkeit entwickelnden Dampfe eine Temperatur von 140
bis 150(> zeigten. Hat man zwischen den einzelnen Frac-
tionen jedesmal die gehörige Zeit gewartet, um die Borsäure
auskrystallisiren zu lassen, so wird man nun beim Erkalten
eine gelblich bis bernsteingelb gefärbte syrupöse Flüssigkeit
erhalten, die nach einiger Zeit gar keine oder doch nur sehr
geringe Mengen von Borsäure absetzt. Diese syrupöse Flüs-
sigkeit ist der dem ersten Anhydrid der Borsäure BHO' ent-
sprechende Aether :
Monoäthylborat, B(62H^)0>,
nur noch durch eine sehr geringe Menge gelöster Borsäure
verunreinigt. Dieses Rohproduct genügt zu allen weiteren
Versuchen mit dem Aether; die zur Analyse bestimmten
über die Bor säur eäther. 171
Präparate, welche zum Theil nach der eben angegebenen,
mm Theil nach einer sogleich zu besprecheiTden synthetischen
Methode bereitet waren, wurden durch Auflösen in wasser-
freiem Aether von dem gröfsten Theil der aufgelösten Bor-
sänre getrennt ♦) :
berechnet gefanden
B 11 15,3 16,1-16,2 ♦•)
€'H* 29 40,3 —
2^ 32 4M —
72 100,0.
*) Waaserfreier Aether löst nar Sparen von wasserfreier oder ge-
w&sserter Borsäore ; etwas mehr lösen sie sich aber in der ätheri-
schen Lösung des Monoäthylborats.
**) Der Kohlenstoff des Triäthylborats kann im Verbrennungerohre
ToUst&ndig in Kohlensäure übergeffihrt werden, nicht so der
Kohlenstoff des Monoäthylborats und der anderen syrupösen und
glasigen Aether der BorsAure. Die Tendenz der Borsäure, sich
zu hydratlsiren , scheint hier zunächst Wasserstoff und Sauerstoff
zur Wasserbildung zu disponiren und eine Abscheidung von Koh-
lenstoff zu bewirken, welcher später, Ton geschmolzener Borsäure
überdeckt, nicht mehr verbrennt. Ich habe selbst bei Zersetzung
im Platintiegel unter Einleiten von Sauerstoff den Kohlenstoff
nicht vollständig verbrennen können. Die Elementaranalyse giebt
also bei diesen Aethern keinen sicheren Anhaltspunkt, und wir
muikten um so mehr an eine genauere Bestimmung des Bors,
jenen Stein des Anstofses in der analytischen Ol^mie, denken.
Wir werden weiter unten zu besprechen haben, in wie fem die
Bestimmung der Borsäure durch Verbrennen der Verbindung im
Platintiegel keine richtigen Besultate giebt Wir versuchten zu-
nächst die Borsäure als Baryumsalz abzuscheiden. Eine gewo-
gene Menge geschmolzener Borsäure wurde in Wasser gelöst,
mit überschüssigem gesättigtem Burytwasser versetzt, das Prä-
cipitat ohne aaszuwasohen auf einem Filter gesammelt und nach
dem Trocknen bis zu anfangender Schmelzung erhitzt Kohlen-
säure- und Barytgehalt bestimmte man durch zwei besondere
Analysen und erhielt als Differenz die Borsäure. 100 Theile
Borsäure gaben auf diese Weise 99,2 bis 99,4 Theile. — Es
ergab sich indessen später, dafs die Qegenwart verschiedener
organischer Substanzen zu fehlerhaften Resultaten Veranlassung
giebt; so der Alkohol wegen geringerer LösUchkeit des Baryts,
172 Schiff, Untersuchungen
Das Monoäthylborat ist eine geruchlose syrupöse Flüssig-
keit, welche bä etwa 120^ die Consistenz der rauchenden
Schwefelsaure besitzt. Es zieht die Feuchtigkeit der Atmo*
Sphäre heftig an und zersetzt sich in Alkohol und Borsäure.
das Glycerin wegen der Löslichkeit des Baryts und des Barynm-
borats in demselben. Die Löslicbkeit im Glycerin ist so bedeu-
tend, dafs oft gar keiii Niederschlag entsteht, auch dann nicht,
wenn man die Verbindung durch Ammoniak zersetzte und dann
Chlorbaryum zur Fällung anwandte. — Nach anderen vergeb-
lichen Versuchen wandten wir uns zu der zeitraubenden Methode
der Ueberfuhrung in Fluorborkalium, Auswaschen desselben mit
einer Lösung Ton Kaliumacetat und Elimination dieses letzteren
durch Weingeist, wie dieA früher ron Stromeyer (Ann. Chem.
Pharm.' C, 82) angegeben wurde. Diese Methode giebt bei
einiger Uebuug recht gute Resultate, häufig etwas zu viel. —
Wir machen ausdrücklich darauf aufmerksam, dafs der Flufsspath
zur Entwickelung der Flufssäure frei von Kietehdure sein mnfs.
Bei dieser Methode erhält man zwei Nebenproducte in grofser
Menge , nämlich Fluorborkalium und unreine Lösung von Kalium-
acetat. Letztere enthält geringe Mengen ron Kaliumsulfat und
gröfsere tou Fluorkalium. Zur Reinigung fällt man mit einer
concentrirten Lösung von Calciumacetat. Das abfiltrirte reine
Fluoroalcium dient bei weiteren Analysen zur Entwickelung der
Flufssäure. Das Filtrat wird bei Siedehitze mit kieselsäurefreiem
Kaliumcarbonat versetzt, die Lösung von dem krystaUinisch ge-
wordenen Calciumcarbonat abgegossen, mit Essigsäure übersättigt,
und dann so weit eingedampft, dafs sie nach dem Erkalten ein
specifisdies Qewicht von 1,09 (12^ B.) zeigt; diefs entspricht
etwa einem Oehalt von 20 pC. Kaliumacetat, und diese Lösung
dient, unaohtet des geringen Gehalts an Kaliumsulfat , von Neuem
zum Auswaschen des Fluorborkaliums. Das andere Nebenproduct,
das Fluorborkalinm , ist ein treffliches Material zu einer leichten
und gleichförmigen Ebtwickelung von Fiuorbor^ unter Anwen-
dung von Qlasgefäfsen. Ein Gemenge des Salze» mit 15 bis
20 pC. geschmolzener und gepulverter Borsäure, mit conoentrir-
ter Schwefelsäure, entwickelt bei geringer Erwärmung den ganzen
Fluorgehalt als Fluorbor. Die Umsetzung vollendet sich nach
der Gleichung :
6BKF1* + B«0» + 6ßH»G* = 8 BFl' + 6 SKHO« + 3 H«0.
Nach dem vorstehenden Verfahren sind die Analysen der
nicht gesättigten Borsäureäther zum gröfsten Theil vonE. Bechi
ausgeführt worden.
über die Barsäureäther. 173
Bringt man den Aether mit flüssigem Wasser zusammen, so
gebt diese Zersetzung unter starker Erwärmung vor sich.
Auf der Zunge bewirkt der Aether ebenfalls nur das von
dieser Zersetzung herrührende sehr intensive Wärmegefühl.
— Auf einem Draht in die Flamme gebracht , verbrennt er
mit grünem Lichte, unter Zurücklassung von kohlehaltiger
geschmolzener Borsaure. Der Aether kann nicht unzersetzt
destillirt werden.
Zur Darstellung eines reineren Präparats mufs, wie oben
bemerkt, wasserfreier Aether angewandt werden. Versucht
man die Reinigung unter Anwendung absoluten Alkohols, so
beobachtet man eine sogleich eintretende Umsetzung mit
demselben unter ziemlich starker Erwärmung, und die Um-
setzungsproducte sind lediglich Borsäurehydrat und Triäthyl-
borat, nach der Gleichung :
Ich führe diese interessante Reaction hier zuerst an, weil
sie geeignet ist, einiges Licht auf die Bildungsweise des
Aethers zu werfen und letztere uns eine neue Darstellungs-
weise kennen lehrt.
Die Menge von Monoäthylborat, welche bei der Ein wir-
*
kung des Alkohols auf die Borsäure entsteht, ist nicht un-
bedeutend^ und man könnte wohl geneigt sein, die primäre
Reaction in der einfacheren Gleichung :
(€*H«)HÖ + B«0» = BHO« + B(€«H5)0«
ZU sehen, in welchem Falle das Triäthylborat erst in Folge
einer secondären Reaction des Alkohols auf primär gebildetes
Monoäthylborat entstehen würde. Wenn dem so wäre, so
mü&te sich aber neben dem Hydrat BH^0' eine namhafte
Menge eines wasserärmeren Hydrates vorfinden, und diefs ist
nicht vorhanden , sobald man die Reaction bei etwa 120^ vor
sich gehen läfsl. Der gleiche Grund spricht auch gegen die
174 Schiff y Untersuchungen
Annahme zweier, gleichzeitig auftretender verschiedener
Reactionen. Es bleibt uns also nur die primäre Reaction :
und das Honoäthylborat mufs secundar entstanden sein, indem
auf ein Holecul Triathylborat ein weiteres Molecul Borsäure-
anhydrid einwirkte nach der Gleichung :
B(€«n6)»0» + B*08 = 3 B(G«H6)0«.
In der That, erhitzt man Triathylborat mit geschmolzener
Borsäure y so erfolgt vollständige Umwandlung in syrupases
Honoäthylborat. Ist Borsäure im Ueberschufs vorhanden, so
löst sich eine kleine Menge hiervon im Aether auf; wendet
man aber beide Substanzen im Verhältnifs der Mischungs-
gewichte an, so ist man im Stande, das Monoätbylborat rein
und fast ungefärbt darzustellen.
Ich habe aufserdem die Ueberführung des Mono** in
Triathylborat noch dadurch versucht, dafs ich ersteres mil
Aethyloxyd im zugeschmolzenen Rohre einer höheren Tem-
peratur aussetzte; es erfolgte indessen keine Verbindung*
Mit Jodäthyl hatte ich gehofft^ durch directe Addition ein
Jodhydrin -jl^t^^ zu erhalten, aber auch dieser Ver-
such blieb resultatlos. Derartige Hydrine scheinen sich in-
dessen durch Einwirkung der Haloidverbindungen des Bors
auf die Borsäureätber darstellen zu lassen. Triathylborat
nimmt das Fluorbor reichlich und unter Erwärmung auf und
es bildet sich eine aromatisch riechende, an der Luft rau-
chende Flüssigkeit, welche wahrscheinlich zwei verschiedene
Fluorhydrine enthält Auch das Monoätbylborat nimmt reich-
lich Fluor auf und wird dabei dünnflüssiger. Hier scheini
sich durch directe Addition ein der Diborsäure entsprechen-
des Aethyltrifluorhydrin zu bilden :
über die Borsäureäther,
175
Diborsttare
DiboTBänre-
trifluorhydrin
Fi»
Diborsäure-
äthyltrifluorbydriD.
Der Umstand , dafs diese Substanzen sehr leicht . zer-
setzbar sind und namentlich bei höherer Temperatur das Glas
sehr rasch angreifen , liefs mich auf eine eingehendere Un-
tersuchung derselben verzichten ; ich gedenke indessen diese
Reactionen spater unter Anwendung von Chlorbor weiter
zu verfolgen ♦).
*) Wir haben versnobt, tthnlicbe anorganische Verbindungen zu er-
zengen nnd fanden dabei, dafs die borsauren Alkalien sieb auf
nassem Wege nicht mit den Chlor- oder Jodalkalien verbinden
lassen. Die borsanren Alkalien lösen allerdings gröfsere Mengen
von Jod mit Leichtigkeit auf, so* dafs fast augenblicklich Ent-
färbung eintritt, aber beim Eindampfen erhält man zuerst Poly-
borate, sp&ter Jodalkalien, und in der Flüssigkeit läfst sich durch
schweflige Säure und Stärkekleister die Cregenwart von Jodsäure
darthun. Die Reaction ist also wohl :
9B*K«0' + 6 J = 12 B'HO«^ + 6KJ + JK0»
und sie findet wohl ihre Grenzen bei der Umwandlung des Borats
in Hexabomt
Oesohmolsenee Fluorkalinm löst mit Leichtigkeit Borsäure im
Verhältnifs 2KF1 : B*0' auf und bildet damit eine homogene,
zum Theil porcellanartige, zum Theil strahlige Masse. Fügt man
mehr Borsäure zu, so wird die Masse glasig nnd nicht mehr
homogen. Die nach ersterem Verhältnifs entstehende Masse
schmilzt leichter als ihre beiden Componenten ; kochender Alkohol
greift sie auch nach mehreren Stunden nur wenig an, während
die Componenten sich darin leicht lösen; sie ist wenig hygro-
scopisch, vollständig und ohne Absatz von Borsäure *in Wasser
löslich, kun sie zeigt eher die Charactere einer Verbindung als
eines Gemenges und könnte wohl als ein Kaliumfluorhydrin der
B«K«0'
Diborsäure ^— s^-" betrachtet werden. — Mit Kaliumcarbonat
Fl«
Busammengeeohmolzen treibt sie die Kohlensäure aus einem Mo-
lecul des Salzes ans und man erhält eine strahlig-kiystalliniscbe
opake Masse, welche ebenfalls mehr die Charactere eines Borats
176 Schiffe Untersuchungen
Nach dem Vorhergehenden scheint also nur die directe
Verbindung mit den Borderivaten^ nicht aber mit den Aethyl-
derivaten zu gelingen. Diefs bestätigt auch das Verhalten
zu Kaliumalkoholat bei höherer Temperatur. Es gelang
hierbei nicht, ein Kaliumäthylborat darzustellen. Es entsteht
Kaliumborat und Triäthylbörat , vielleicht nach folgender
Gleichung :
2 B(G«H'^)0« + G«H»KO = BK0« + B(€«H»)»0».
Das Monoäthylborat zersetzt sich mit den Säurehydraten
viel schwieriger als das Triäthylbörat. Die Zersetzung ver-
langt eine Temperatur von 180 bis 200*^ und es bilden sich
neben den entsprechenden Aethern wasserarme Borsäure-
hydrate, so z. B. für die Essigsäure nach der Gleichung :
B(0«H»)O« + 0«H<O« = BHO« + G«fl»(€«H»)0«.
Eine weitere interessante Reaction des Monoäthylborats
behandeln wir in dem folgenden Abschnitt
AethyUnborat.
Es ist weiter oben bemerkt worden ^ dafs das Mono-
äthylborat sich nicht, ohne Zersetzung zu erleiden, deslilliren
lasse. Läfst man bei der Destillation des Rohproducts der
Einwirkung des Alkohols auf die Borsäure, nach Ebelmen's
Angabe^ die Temperatur allmälig auf 200^ steigen, so be-
merkt man, dafs die Destillation zwischen 130 und 140^ sich
verlangsamt und gegen 150^ fast ganz aufhört. Das Ther-
mometer erhebt sich nun rasch auf 180 bis 190^ und bei
BK*0«
an siofa trägt. Man könnte sie alB — ^ — betrachten, entatan-
Fl
den nach der Gleichung :
B»K«0»F1« + €K«0« = €0» + 2 BK«0*P1.
Darob Wasser werden diese Babstanaen sersetat und es wllre
deren Eigenthfimlichkeit erst noch auf andere Weite in be-
stätigen.
über die Borsäureäther. 177
dieser Temperatur beginnt aufs Neue eine reichliche Menge
eines farblosen Destillats äberzugehen. Wir wissen aus dem
Vorhergehenden, dafs das zwischen 120 und 150^ Ueber-
^ehende fast reines Triathylborat ist; die von etwa 190^ an
übergehende Flüssigkeit destiliirt bei der Rectification voll-
ständig zwischen 120 und 130^ und erwies sich ebenfalls
als nahezu reines Triathylborat. Wir waren hierdurch ver-
anlafst, ein auf synthetischem Wege erhaltenes Honbathylborat
der trockenen Destillation zu unterwerfen, und auch dieses
entliefs gegen 190^ fast reines Triathylborat. Erhalt man
die Temperatur längere Zeit auf etwa 200^ so vollendet sich
die Reaction nicht; diefs findet erst gegen 270 bis 280^ statt,
bei welcher Temperatur die Masse unter Aufschäumen die
letzten Portionen von Triathylborat entläfst und dann beim
Erkalten zu einer rissigen glasigen Hasse gesteht. Die obere
Schicht ist gewöhnlich etwas weich , weil sie das noch im
oberen Theil der Retorte befindliche und zurückgeflossene
Triathylborat enthält; andererseits enthalten die Randschichten,
welche stärkerer Hitze ausgesetzt waren, freie Borsäure;
aofserdem schliefst die Masse kleinere Glassplitter ein , da
man gewöhnlich das Gefäfs zerschlagen und in einzelnen
Stucken loslösen mufs. Man behandelt daher die in kleine
Stücke zerschlagene Masse mit wasserfreiem Aether, welcher
sie sehr langsam auflöst, filtrirt von der ungelösten Borsäure
nnd den Glassplittern ab, dampft in einem Kochfläschchen
ab und erhitzt schliefslich bis gegen 200^; um Aether und
Triathylborat zu entfernen. Die rückständige Masse ist
Aethyltriborat, B8(G«H5)9^
eine geringe Menge freier Borsäure enthaltend , da diese in
der ätherischen Lösung des Borats sich etwas mehr löst, als
in reinem Aether.
AnaaL d. Ghem. u. Pharra. V. Sapplementbd. 2. Heft. ^2
178 Schiff y Untersuchungen
Berechnet
Gefdnden
8B
83 23,25
28,5 24,1
€«Hß
29 20,40
—
60
80 66,85
—
142 100,00.
Das in Stucke zerschlagene Aethyltriborat gleicht im
Aeufseren dem arabischen Gummi. An der Luft zieht es
deren Wasserdampf rasch an und bedeckt sich mit einer
weifsen Schicht von Borsaure, welche dann den weiteren
Fortschritt der Zersetzung sehr verzögert. Mit flussigem
Wasser geht die Zersetzung unter Temperaturerhöhung vor
sich. In die Flamme gehalten verbrennt das Präparat mit
grüner Flamme, unter Zuräcklassung von kohlehaltiger Bor-
saure. Uebrigens kann dieser Aether einer Temperatur von
300® ausgesetzt werden, ohne eine bedeutende Zersetzung zu
erleiden.
Das Aethyltriborat verdankt seine Entstehung einer Zer-
setzung des Monoathylborats, welches geradeauf zerfällt nach
der Gleichung :
4B(G*H»)0« = B(€«H'^)»0» + B»(€«H»)0».
Versuche, bei welchen ich die Zersetzung unter Be-
achtung der Gewichtsverhältnisse vornahm, gaben wegen
der secundären Reactionen mehr oder weniger abweichende
Resultate. — Wir kennen eine ganz analoge Zersetzung bei
der Diäthylphosphorsäure, welche sich in ihren Salzen eben-
falls gegen 200^ in Triäthylphosphat und Aethylphosphorsäure
spaltet :
*) In Ann. Chem. u. Pharm. GXXXIV, 347 bat Limp rieht eine
einfache DarttellnngBrnethode des Photphonftareäthers beschrie-
ben, beruhend auf der Umsetzang des PhosphorylchloridB mit
Natriomalkobolat. Ich hatte früher (daselbBt CI, 806) mitge-
theilt, daflB auch bei directer Einwirkung dei Oxychlorids «uf
absoluten Alkohol Phosphors&ureftther entstehe. Da die Eige&>
über die Borsäureäther. 179
und ähnlich ist ferner die Spaltung des Aethyldisilicats in
Kieselsaure und Diatbylsilicat :
Es ist mir nicht gelungen, das Aethyltriborat durch Ver-
einigung des Monoathylborats mit einem weiteren Holecul
Borsöureanhydrid darzustellen; andererseits gelang es auch
nicht, das Triborat direct mit Aethyloxyd oder Jodathyl zu
Terbinden.
Der absolute Alkohol wirkt auf das Triborat in ahnlicher
Weise zersetzend, wie auf das Honoborat, aber die Reaction
ist weniger energisch und vollendet sich erst bei höherer
Temperatur. Lafst man Triborat mit absolutem Alkohol in
einem Röckflufsapparat einige Stunden kochen, so krystalli-
sirt beim Erkalten Borsaurehydrat und bei der Destillation
erhält man neben Alkohol Triäthylborat, nach der Gleichung :
Die Borsäureäther von Ebelmen,
m
Wir haben im Früheren eine kritische Besprechung der
auf das Hydrat B^H^O^ zu beziehenden Borsäureather von
Schäften dieses Products Ton Limpricht's reinem Präparat
abwichen, so habe iob den Versnob nocbmala wiederholt und
gefanden, dafs die rasche Sänernng, welche bei meinem Präpa-
rat auf Zusatz von Wasser eintrat, auf einem Gehalt an Di-
äthylphospborsäure beruhte. Es entsteht dieselbe jedesmal, wenn
man das Ozjchlorid in gröfseren Mengen dem Alkohol sultigt
and wenn man die Operation nicht bei guter Abkühlung vor-
nimmt. Der Gehalt an Diäthylphospborsäure giebt sich nicht
in der concentrirten , wohl aber in der mit Wasser verdünnten
Flüssigkeit, durch die Reaction auf Lackmus, ieu erkennen. Nach
der Destillation erhält man eine Flüssigkeit, welche sich mit
Wasser erst nach einiger Zeit säuert; der Destillationsrückstand
ist meist Phosphorsäure. Oben erwähnte Umsetzungs weise der
Diätbylphospborsäure scheint also nicht allein bei dep Balsen,
sondern auch bei der freien Säure stattzufinden.
12»
180 Schiff y Untersuchungen
Ebelmen verschoben, um zuerst das Material für diese
Kritik zu sammeln. Nun da wir das Material zusammenge-
stellt haben, ist die Kritik fast unnöthig geworden. Wir
brauchen nämlich nur daran zu erinnern, dafs Ebelmen zur
Darstellung seines Aethers nur bis 200^ erhitzt, und daran,
dafs nach dem Vorhergehenden die Zersetzung des Mono-
äthylborats bei etwa 190(> beginnt und sich bei 270 bis 280<>
vollendet, und man wird sogleich erkennen, dafs Ebelmen
eine Substanz untersucht hatte, welche sich mitten in einer
Reaction befand und demnach ein Hischproduct gewesen
sein mufs. Es geht diefs auch aus E beim en*s Analysen und
sonstigen Angaben deutlich hervor. Was E b e 1 m e n 's Ana-
lysen betrifln, so wurde die Borsäure in der Art bestimmt,
dafs er die Verbindung durch Ammoniak zersetzte, ein-
dampfte und das rückständige Borsäureanhydrid wog. Nach
E b e 1 m e n 's eigener Angabe bewirkt hierbei die Verflüchtigung
der Borsäure beim Abdampfen einen Verlust von 2 bis
3,5 pC. Nach Versuchen, welche Bechi und ich mit ge-
schmolzener Borsäure und mit reinem Triäthylborat angestellt
haben, sind diese Zahlen als Minimum zu betrachten; der
Verlust kann bis gegen 5 pC. betragen und ist bei dem
Aether (wohl wegen des verdampfenden Alkohols) gröfser,
als bei Anwendung von reiner Borsäure. — Die Bestimmung
des Kohlenstofis ist mit einem Verlust verbunden, da, wie be-
reits oben bemerkt wurde, die geschmolzene Borsäure Kohle
einschliefst und vor der Verbrennung schützt Der Wasser-
stofi* könnte eher zu hoch gefunden werden, da die Substanz
sehr rasch Wasser anzieht; es ist hier aber andererseits zu
beachten, dafs bei der Umsetzung mit dem angezogenen
Wasser ein Freiwerden von Alkohol verbunden ist, welcher
sich in geringer Menge verfluchtigen und hierdurch eine
Compensation veranlassen könnte. Das Uebrige ergiebt sich
aus folgender Zusammenstellung, bei welcher wir das Bor
über die Borsäureä'iher, 181
als Borsaureanhydrid aufföhren , weil E b e 1 m e n 's Analysen
sich direct auf dieses beziehen.
a. b.
B*Et«0^ Ebelmen BEtO« B»Et0ß V4(*+8b) VsCa+^h)
Borsäure 65,4 66,8 48,6 74,0 67,7 68,9
Kohlenstoff 22,4 19,8 88,8 16,9 21,0 20,2
Wasserstoff 4,7 4,4 7,0 3,5 4,3 4,2
Säuerst. Rest 7,5 9,0 11,1 5,6 7,0 6,7
100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0.
Dafs die von Ebelmen analysirten Präparate nicht die
Verbindung B*(G*H^)*0^ gewesen sein können, ergiebt sich
zunächst aus dem Gehalt an Borsäure. Ebelmen fand
1^ pC. zu viel , trotzdem die Analyse einen Verlust von 4
bis 5 pC. bedingt und seine 66,8 pC. wohl in Wirklichkeit
einem Präparat mit 69 bis 70 pC. Borsäure entsprechen.
Wir bemerken hierzu, dafs Ebelmen 's Präparat mittelst
Aether gereinigt war und die Menge beigemengter Borsäure
also nur eine sehr geringe gewesen sein kann. Der Wasser-
stoff ist für seine Formel zu niedrig, besonders wenn man
beachtet, dafs die Natur der Verbindung ihn eher höher be-
dingen sollte und dafs aufserdem der Wasserstoff gewöhnlich
etwas zu hoch gefunden wird. Das von Ebelmen analysirte
Präparat bestand wohl zum gröfseren Theil aus Aethyltribo-
rat , welchem aber , da die Temperatur auf 200^ erhalten
wurde, noch unzersetztes Honoäthylborat beigemengt war.
In obiger Zusammenstellung findet sich neben der Procent-
zosammensetzung der beiden letzteren Aether noch diejenige
eines Gemenges von einem Aequivalent Honoäthylborat mit
drei und mit vier Aequivalenten Aethyltriborat. Diese Ge-
menge scheinen am Ehesten die Zusammensetzung des von
Ebelmen analysirten Präparats auszudrucken. Auf die be-
deutende Differenz im Sauerstoffrest kann natürlich kein Ge-
wicht gelegt werden, da auf diesen Posten sich alle Fehler
182 Schiff y Untersuchungen
der Analyse häufen. Auch die von Ebelmen seinem Prä-
parat zugeschriebenen Eigenschaften deuten auf ein Misch*
product hin. Das Monoäthylborat ist ein dickflüssiges Oel,
das Aethyltriborat ist ein Glas, welches unter dem Hammer
zerspringt*); Ebelmen 's Präparat dagegen war „un verre
^dejä un peu mou k la temperature ordinaire et qu'on peut
,,etirer en fils tres-fins vers 40 degres^. Eine derartige
Substanz erhielten wir in der That, als wir in zwei Versuchen
die Temperatur bei der Zersetzung des Monoathylborats auf
etwa 210^ erhielten. Diese Präparate gaben 21,1 und 22 pC.
Bor, entsprechend 67,1 und 70 pC. Borsäureanhydrid. Man
sieht hieraus, dafs unsere Analysen diejenigen von Ebel-
men nahezu bestätigen, und wenn dem von ihm analysirten
Körper die Formel B\fi'^H*)^0'' nicht zugeschrieben werden
kann und es auch uns nicht gelungen ist, Verbindungen,
welche dieser Formel entsprechen, darzustellen : so ist damit
noch keineswegs erwiesen , dafs solche Verbindungen nicht
existiren und dafs sie sich nicht in ganz ähnlicher Weise
bilden, wie die anderen nicht gesättigten Borsäureäther. —
Das hier bezuglich der Aethylverbindung Dargelegte gilt
auch fär die entsprechende Methylverbindung, welche wir
in dem folgenden Abschnitt kennen lernen werden**).
*) Wozu wir noch bemerken, dafs wir mit dieser Substanz bei der
höchsten Sommertemperatar (1865) tob 36^5 C. im Sohatten
arbeiteten, während Ebelmen 's 'Angaben sich wohl auf eine
Temperatur von unter 20^ C. beziehen.
**) Es ist hier noch an zwei Bildungsweisen der Borsäureäther zu
erinnern, bei welchen der Autor, sich auf Ebelmen's Arbeiten
stützend, die Bildung Ton Aether B^Et*0^ annimmt. Basse tt
bespricht, gelegentlich seiner Mittheilungen über Triäthjlformiat
(Jahresber. für Chemie u. s. w. 1863, 8. 484) und über Tetrftthyl-
carbonat (daselbst 1864, 8. 476), die Umsetzung beider mit
Borsäureanhydrid. Bei der Destillation bis 200*' bildet das For-
miat Aethylozyd und Aethylformiat, das Carbonat nur Aethyl-
oarbonati während in der Betorte ein syrupöser Borsäureäther
über die Borsäureäther. 183
Meihylderivate der Borsäure.
Zur Darstellung dieser Verbindungen sollte man nur voll-
kominen reinen Methylalkohol anwenden. Wir haben Holz-
ge\s\ angewandt^ welcher nur durch mehrmalige fractionirte
Deslillation und einmalige Behandlung mit Chlorcalcium ge-
reinigt worden war, und haben spater mit Wegschaffung
fremder Beimengungen und mit Analysen unreiner Producte
mehr Zeit verloren, als diefs auch bei der zeitraubendsten
Reinignngsmethode des Holzgeistes der Fall gewesen wäre.
Die Einwirkung des Holzgeistes auf die geschmolzene Bor-
säure wurde in ganz ähnlicher Weise ausgeführt, wie wir
diefs oben bei Darstellung der Aethylderivate beschrieben
haben. Die Temperatur des Oelbades wurde auf etwa 100^
erhalten. Der Digestor enthielt nach der Reaction eine
braune trübe Flüssigkeit und am Boden eine theerartige
Hasse. Man destillirte von derselben so lange ab , bis das
Thermometer 100^ zeigte. Das klare Destillat bräunte sich
bei Zusatz von Schwefelsäure und es* konnte hieraus kein
auch nur annähernd reiner Aether abgeschieden werden. Es
wurde daher der Destillationsrückstand mit dem Bodensatz im
Digestor vereinigt und zur Ueberführung des Honomethylborats
in Trimethylborat einige Stunden mit frischem Methylalkohol
auf 100^ erhitzt und von der Flüssigkeit dann aufs Neue ab-
destillirt, bis das Destillat anfing, sich dunkelgelb zu färben.
zarfickbleibt, von welchem Bassett wahrBcheinlicfa, wie früher
Ebelmen, anoimmt, er werde theilweise mit den aoderen Aber-
d«0tiUirMiden FlÜBtigkeiten übergerissen. Die Beactionen gehen
aber wahrfloheinlioh nach folgenden einfachen Gleichungen
vor sich :
2€HEt^d« + B«0« = 2BEÄ« + Et"4> + 2€HEt0^ und
6Et«0« + B«0» = 2BEtO« + CEt«0«.
Da die Erhitzung bis 200^ getrieben wurde, so ist evident,
dafs der etwa im Destillat befindliche BorsftureAther von ser-
setitem Monottthjlborat herrührt.
184 Schiffe Untersuchungen
Dieses Destillat wurde zasaromen mit dem euerst erhaltenen
mit Vio Gewicht an geschmolzener Borsanre 6 Stunden lang
auf 100^ erhitzt. Die aufs Neue rothbraun gefärbte Flüssig-
keit gab nach Destillation und Behandlung einer Probe mit
Schwefelsaure immer noch keinen reinen Borsaureäther. Es
wurde daher die Behandlung mit geschmolzener Borsaure
noch zweimal vorgenommen, um möglichst alles Trimethyl-
borat in Monom ethylborat umzuwandeln, und das so erhaltene
gefärbte Präparat wurde endlich durch nochmals gereinigten
Methylalkohol wieder in Trimethylborat übergeführt und dieses
durch Schwefelsäure und wiederholte Destillation weiter ge-
reinigt. Diese Reinigung wird durch den Umstand erschwert,
dafs das Trimethylborat gegen 65^ siedet (72^ Ebelmen und
Bouquet) und also nahezu denselben Siedepunkt hat, wie der
Methylalkohol und einige seiner gewöhnlichen Verunrei-
nigungen. In der That gab der Aether mit concentrirtör
Schwefelsäure eine röthliche Lösung und bei der Analyse
nur 10,2 pC. Bor, während die Formel B((:H«)8e» 10,6 pC.
verlangen würde. Das specifische Gewicht wurde zu 0,915
bei 20^ und 0,940 bei 0^ bestimmt ; Ebelmen und Bouquet
fanden dasselbe zu 0,955 bei 0^. Die chemischen Reactionen
dieses Aethers sind ganz dieselben wie beim Triäthylborat
Die Flamme des brennenden Trimethylborats unterscheidet
sich von derjenigen der entsprechenden Aethylverbindung
dadurch, dafs bei letzterer die Flamme noch einen unge-
färbten Kern zeigt, Während erstere eine intensiver gefärbte,
vollkommen grüne Flamme bildet. Ebelmen hatte diefs be-
reits beobachtet und daraufhin vorgeschlagen, bei der Prüfung
auf geringe Mengen von Borsäure Holzgeist statt des Wein-
geistes anzuwenden, einen Vol^chlag, welchen wir auch un-
sererseits den Mineralanalytikern angelegentlichst empfehlen
können. Ebelmen glaubt, dafs die gröfsere Intensität der
Färbung dadurch zu erklären sei, dafs der Holzgeisl schon
über die Bar säur eäiher. 185
an and f ür sich eine farblosere Flamme bilde, als der Wein-
geist. Ohne Zweifel ist auch dieser Factor zu beröcksich-
tigen, aber die Ursache des Phänomens liegt doch wohl eher
darin, dafs die Methylverbindung weit flüchtiger und weit
borsinrereicher ist, als die Aethylverbindung, so dafs in der-
selben Zeiteinheit von ersterer relativ und absolut mehr Bor-
siure zur Verbrennung gelangt^ als von letzterer.
Die oben erwähnten, vielfach wiederholten Operationen
fallen weg, wenn man zur Darstellung des Aethers voll-
kommen reinen Methylalkohol anwendet, und in diesem Falle
würd man auch direct aus dem Destillationsrückstand ein
nahezu reines Monomethylborat gewinnen können. Es ist
diefs in unserem Falle natürlich nicht gelangen; die ftück-
stande zeigten (das gefundene Bor als Monomethylborat be-
rechnet) bis zu Vs fremdartiger Beimengungen. Wir haben
daher alle bei den verschiedenen Behandlungen gesammelten
Röckstfinde durch Erhitzen mit Holzgeist in Trimethylborat
verwandelt^ und aus diesem durch Addition von Borsaure,
Reinigung durch wasserfreien Aether und schliersliches Er-
hitzen bis auf 80^ ein reineres Monomethylborat dargestellt.
Da die Beimengungen zum grofsen Theil unterhalb 8(F flüch-
tig sind, so erhält man auf diese Weise auch aus nicht ganz
reinem Trimethylborat ein Präparat, dessen Borgehalt der
Formel B(6H')0^ sehr nahe entspricht.
Berechnet
Gefunden
B
11 18,9
17,8 18,1
eH'
16 26,0
.-.
20
32 55,1
—
58 100,0.
Man sieht, dafs immer noch kleine Beimengungen zu-
gegen waren, und die Präparate waren in der That mehr
gefärbt, als die des Monoäthylborats. Von letzterem Aether -
unterscheidet sich die Methylverbindung aufserdem durch
J
186 Schiffy Untersuchungen
gröfsere Dickflussigkeit; das chemische Verhalten ist dagegen
bei beiden ganz dasselbe. Einer höheren Temperatur auft*
gesetzt beginnt die Zersetzung gegen 160^, es destillirt Tri-
methylborat, welches einen grofsen Theil der Verunrei-
nigungen des Monomethylborats enthalt, und bei etwa 250^
bleibt eine zähe Hasse , welche beim Erkalten zu einem
harten gefärbten Glase erstarrt. Mittelst Aether gereinigt
stellt dieselbe
Methyüriboraty B8(€H«)9*
reinem Zui
Stande dar.
Berechnet
Gefunden
8B 88
25,8
26,4
€H» 15
11,7
•
—
5^ 80
62,5
«MM
128 100,0.
Das chemische und physikalische Verhalten dieser Ver^
bindung ist wieder ganz dasjenige des Aethylderivats. Wie
dieses färbt es, in die Flamme gehalten, letztere grün, bildet
Trimethylborat, wenn man es mit Methylalkohol erhitzt, und
zersetzt sich mit Wasser augenblicklich unter Räokbildung
der Componenten.
Was die früher von E b e 1 m e n analysirte und auf einen
Aether B^(GH')^0^ bezogene Substanz betrifft, so kann auf
dieselbe die gleiche Argumentation angewandt werden, wie
auf das Aethylderivat. Bbelmen bestimmte in zwei Präpa-
raten den Borsauregehalt und fand etwa 70 pC; es entspricht
diefs nahezu einem Gemenge von gleichen Aequivalenten Ho-
nomethylborat und Hethyltriborat; dieses würde 71 pC. Bor-
saure verlangen. — Auf methylhaltige DoppeUther der Bor-
säure kommen wir zuräck, nachdem wir im Folgenden zu-
erst die Amylborate besprochen haben werden.
über die Borsäureäther. 187
Amylderwate der Borsäure.
Zur Darstellung der Amylather diente der nach öfterer
firactionirter Destillation zwischen 130 und 134^ siedende An-
theil des rohen Fuselöls; der gereinigte Alkohol hatte bei
180 eine Dichte von 0,819. — Auf vier Theile Amylalkohol
nimmt man einen Theil Borsaureanhydrid und erhält die
Temperatur des Oelbades zwölf Stunden . lang auf 160 bis
180^. — Von der nur schwach gelb gefärbten Flüssigkeit
destillirt man bis zu 200^ ab, benutzt das bis dahin Ueberge-
gangene zu einer zweiten Operation, und setzt, nachdem die
gelöste Borsäure auskrystallisirt ist, die Destillation fort, bis
die Flüssigkeit eine Temperatur von TSO^ besitzt. Was bei
der Rectification unter 245^ übergeht, wird zur Trennung
▼on Amylalkohol und Triamylborat mit wenig concentrirter
Schwefelsäure versetzt und die obere Schicht zusammen mit
dem über 245® siedenden Rest der ursprünglichen Flüssig-
keit so lange fractionirt destillirt , bis man daraus eine zwi-
schen 250® und 258® siedende Flüssigkeit abgesondert hat.
Nur wenn man über einige hundert Gramme des Aethers
gebietet, beobachtet man, dafs der Siedepunkt sich längere
Zeit zwischen 253 und 255® erhält, und es geht dann bei
dieser Temperatur eine gröfsere Menge über. Bei kleineren
Mengen erhält sich der Siedepunkt nicht constant, weil sich
der Aether während des Siedens etwas zersetzt. In der
That bleibt bei jedesmaliger Destillation ein sich bräunender
Rfickstand. Man kann das Triamylborat auch durch Zer-
Setzung des Triäthylborats mittelst Amylalkohol bei 160 bis
180^ erhalten, aber die Reinigung ist in diesem Falle viel
schwieriger, da die Flüssigkeit noch andere Aether enthält,
deren Trennung nur mittelst sehr häufiger fractionirter Destil-
lation einigermafsen gelingt. Wir setzen den Siedepunkt
des Triamylborats zu 254® bei 760°"°" (uncorrigirt) ; Bb e 1 m e n
und Bouquet setzen denselben allerdings viel höher, näm-
188 Schiff, Untersuchungen
lieh za 270 bis 275^, aber sie geben selbst an, dafs sie nur
eine geringe Menge des Aethers besafsen, welcher ohne
Zweifel fremdartige Beimengungen enthielt.
Die . nachfolgenden Analysen beziehen sich auf das
Destillat 253 bis 255^ (a.), auf das zwischen 255 und 262^
Uebergegangene (b,\ und auf ein aus Triöthylborat und Amyl*
alkohol dargestelltes Präparat (c).
Berechnet a.
B 11 4,1 4,10
SG'^H" 218 78,8 78,10
30 48 17.6 —
272 100,0.
6.
c.
4,26
4,15
77,80
78,50*)
*) Bei den Amylderiyaten der Borsäare wurde der bei der Zer-
setzung sich ahscheidende Amylalkohol direct bestimmt. In einer
getheilten Röhre, an welcher noch 0,02 CC. genau abgelesen
werden konnten, wurden etwa 5 Grm. Aether genau abgewogen
und dann das doppelte bis dreifache Volum einer Kalilauge au-
gefügt, welche 8 pC. käuflichen Hydrats enthielt. Die Ablesung
des ausgeschiedenen Amylalkohols wurde bei etwa 20^ vorge-
nommen , für welche Temperatur die Dichte des angewandten
Alkohols bestimmt wordep war. Von dem direct abgelesenen
Yolufli müssen, nach besonders in dieser Hinsicht vorgenom*
menen Bestimmungen, 3 pC. in Abzug gebracht werden. Der
gemessene und auf Gewicht reducirte Amylalkohol wurde dann
auf Amyl (€^H^^) umgerechnet Wir bemerken bei dieser Ge-
legenheit, dafs die 8 pC. durchaus nicht die Löslichkeit des
Wassers in Amylalkohol ausdrücken , da andererseits auch die
verdünnte Kalilauge eine sehr geringe Menge Amylalkohol auf-
löst. Schüttelt man eine gemessene Menge Amylalkohola mit
destillirtem Wasser, so wird das Volum des ersteren um etwa
6 pC. vermehrt. Andererseits löst aber auch reines Wasser mehr
Alkohol, als kalihaltiges ; auf Zusats von geringen Mengen von
Kali scheidet sich in der That etwas Alkohol aus. Bei mehr
als 10 pG. Kaligehalt nimmt das Lösungsvermögen des Amyl-
alkohols für die Kalilauge rasch und bedeutend eu, und die Tren-
nung der zwei Schichten erfolgt mit zunehmendem Kaligehalt
immer schwieriger. Der oben erwähnte Kaligehalt von 8 bis
10 pC. erlaubt eine ziemlich rasche Schichtentrennung und be-
wirkt nahezu das Minimum der Volumzunahme des Amylalkohols.
über die Barsäureäther, 189
Die specifischen Gewichte wurden bestimmt
für Präparat a. 0,840 bei 28<>; 0,872 bei 0^
für Pr¶t fr. 0,855 bei 28^
für Präparat c. 0,852 bei 24°; 0,872 bei 0^
Die Ausdehnung des Triamylborats zwischen 0^ und 30^
ist also nahezu die gleiche, wie bei den Amylathern der Ben-
zoesäure und Valeriansäure nnd bei dem Amylalkohol selbst. —
Die chemischen Reactionen des Triamylborats sind ganz die-
jenigen der cfrei-alkoholischen Borate des Aethyls und Me-
thyls. Bezüglich der Brennbarkeit unterscheidet es sich aber
Ton letzteren beiden Aethern dadurch, dafs es nur vermittelst
eines Dochtes brennt und eine leuchtende Flamme giebt,
welche nur im unteren Theil in der Nahe des Dochtes grün
gefärbt ist
Nachdem mit dem Product der Einwirkung des Amyl-
alkohols auf das Borsfiureanhydrid nach den vorstehenden
Angaben verfahren worden, kann man den Rückstand zur
Entfernung der letzten Antheile von Triamylborat noch bis
anf 290^ erhitzen. Er färbt sich dabei dunkelgelb und nach
dem Erkalten erhält man ein dickes Oel, etwa von der Con-
sistenz der concentrirten Schwefelsäure. Diefs ist nahezu
reines
MonoamylboraU B(r.ftH»Oö^
Berechnet
Gefunden
B
11 9,6
9,5
€*H"
71 62,8
63,3
20
82 28,1
—
114 100,0.
Specifisches Gewicht : 0,949 bei 20^ und 0,971 bei 0^
Obwohl dieser Aether viel flüssiger ist, als die betrefi^ende
Aethyl- und Methylverbindung, so ist er doch unter gewöhn-
lichem Luttdruck nicht unzersetzt flüchtig; wahrscheinlich
destillirt er aber im stark luflverdunnten Raum. Er destillirt
190 Schiff, Untersuchungen
ferner mit den Dfimpfen des Triamylborats, und die zwischen
260 und 280^ uberg^ehenden Portionen enthalten eine nicht
unbedeutende Heng^e von Monoamylborat , so dafs sich das
specifische Gewicht dieses Antheils bei 25^ bis auf 0,86 er-
hebt. — Das Monoamylborat ist, selbst bei Anwendung eines
Dochtes, nur wenig verbrennlich; die Flamme zeigt nur an
der Basis eine schwache grüne Zone.
Der Aether kann auch direct durch Erwärmen von Tri*
amylborat mit Borsdureanhydrid erhalten werden, sowie an«-
dererseits die Einwirkung des Amylalkohols unter Erwärmung
und nach der Gleichung :
3B(€»H")0» + 8G*H«0 = 2B(€*H")»0* + BH'O»
die Ruckbildung von Triamylborat veranlafst. Im Allgemeinen
sind die Reactionen dieser Verbindung denjenigen der an-
deren monoalkoholischen Borate ganz analog. Monoamylborat
kann bis 300<) erhitzt werden, ohne sich wesentlich zu ver-
ändern. Oberhalb dieser Temperatur erfolgt Zersetzung,
welche bei dem Siedepunkt des Quecksilbers noch nicht be-
endet ist. Es destillirt Triamylborat mit ziemlichen Mengen
von Monoamylborat, und es bleibt zuletzt eine glasige Masse,
welche Borsaure, Kohle und andere Verunreinigungen ent^
hält. Ohne Zweifel ist in dieser Masse Amyltriboral
B^(€'^H'^)0'^ enthalten; wir haben uns indessen mit seiner
Reindarstellung nicht weiter beschäftigt.
Die Analyse, welche Ebelmen von seiner Amylver-
bindung mittheilt, stimmt zwar besser mit seiner Formel
B^Am^O^ überein, als diefs bei den entsprechenden Aethyl-
und Methylderivaten der Fall ist; hingegen weichen seine
übrigen Angaben derart von unseren Beobachtungen ab, dafs
wir darauf verzichten müssen, beide durch eine genugende
Erklärung in Uebereinstimmung zu bringen. Er erhitzt zwei
Theile Amylalkohol mit einem Theil Anhydrid, destillirt dann
bis 1800, extrahirt mit Aether und destillirt den Ruckstand
über die Bor säur eäther. 191
des Aetherauszugs bis 250 bis 270o. Hierbei wird allerdings
der gröfste Theii des Triamylborats entfernt, aber der Rück-
stand hat nach unseren Beobachtungen nie die glasige Be-
schaffenheit, von welcher Ebelmen spricht. Wir erhielten
in diesem Falle immer ein flüssiges Gemenge von Mono- und
Triamylborat , welches bei 300<> eine Veränderung erleidet,
während nach Ebelmen der durch Erhitzen bis 270<> er-
haltene Rückstand sich bei 300<> nicht weiter verandern soll.
Es liegt hier also ein offenbarer Widerspruch vor.
Doppeläther der Borsäure.
Wenige Linien weiter oben haben wir nochmals die
Gleichung gegeben, nach welcher die monoalkoholischen Bo-
rale unter dem Einflars der entsprechenden Alkohole sich in
drei-alkoholische Borate umwandeln. Unterwirft man das
monoalkoholische Borat der Einwirkung eines Alkohols, ver-
schieden von demjenigen, welcher zur Darstellung des Borats
gedient hatte, so müssen mittelst einer analogen Umsetzung
entweder zwei drei-alkoholische Aether, jeder mit drei gleichen
Alkoholradicalen, entstehen*) :
SBEtO* + SAmHO = BEtaO» + BAm'O« + BH»0«,
oder es müssen sich Doppelather bilden :
8BEtO> + SAmHO = ÄEtAm'O» + BAmEt«0» + BH»0>.
Es zeigte sich , dafs die Reaclion vorzugsweise nach
letzterer Gleichung erfolgt, dafs aber ersiere dabei nicht
aosgeschlossen ist.
200 Gramme Monoäthylborat wurden in einem Kolben
mit, 300 Grammi^n Amylalkohol übergössen. Es 4ritt sogleich
starke Erwärmung ein und die Reaction beginnt unter Ab-
scbeidung von Borsäure. Zur Vervollständigung iiefs man
•) Der Kurse halber seUen wir Me = ©H», Et = €«H* und
Am e-r em^K
192 Schiff y Untersuchungen
das Gemeng[e zehn Stunden lang an einem Röckflufsapparat
sieden, gofs nach 12 stündiger Ruhe von der auskrystallisirten
Borsäure ab und unterwarf die gelbe Flüssigkeit der fractio-
nirten Destillation. Bei der ersten Destillation ging nur wenig
unterhalb 200^ über, mehr als ein Drittel der Flüssigkeit
zwischen 200» und 240% der Rest bis 280o. Neben etwas
Borsaure fand sich dann noch etwas Monoamylborat in der
Retorte; das Honoathylborat war vollständig zersetzt. Ob*
wohl wir über nahezu ein Pfund Flüssigkeit geboten, so
führte doch nur eine sehr hauGg wiederholte fractionirte
Destillation zu Producten von constantem Siedepunkt; der
gröfste Theil verlor sich dabei in Mischproducten. Aus den
ersten Portionen erhielt man Aethylalkohol und Triäthylborat,
die letzten Portionen gaben reichliche Mengen von Triamylborat.
Die im Rückstand befindliche kleine Menge von Mono*
amylborat könnte, zusammen mit der geringen Menge von
Aethylalkohol, einer Reaction
BEtO* -f AmH^ =: BAmO> -f BtHO
zugeschrieben werden, wenn man nicht vorzieht, die Bildung
beider aus secundären Umsetzungen herzuleiten*).
*) Veranlassung, dieses letztere vorzuzieben, wäre etwa die Ansicht,
dafs die Prodacte der Umsetziing sogleich wieder unter gegen-
seitiger Zersetzung auf einander jreagiren niüfst^n; aber voll-
ständig findet letztere Reaction nur dann statt, wenn keine an-
deren Körper zugegen sind. In der That findet sich in dem
Produot der Einwirkung der Alkohole auf die Borsäure noch
freier Alkohol neben monoalkobolischen Boraten, und wir haben
uns durch den Versuch überzeugt, dafs diese Borate so weit mit
drei-alkoholiscfaen Boraten vermischt werden können, dafe die
Alkohole^ nicht mehr weiter einwirken. Andererseits gelingt es
nur sehr allmälig, mit drei-alkoholischem Borat gemengte Alko-
hole mit Borsäure zu verbinden, selbst dann, wenn letztere im
Ueberschufs vorhanden ist; einen Beweis hiervon hatten wir bereits
bei der Darstellung des Trimethylborats. Unter allen diesen
Verhältnissen stellt sich also gewissermafsen ein Gleichgewicht
her, und es kann dieses in der That gestört werden, wenn mau
Alkohol oder monoalkobolischen Aether im Ueberschufs zufügt.
über die Borsäureäther. 193
Aas der angegebenen Menge Flüssigkeit konnten nur
etwa 50 Gramm mit dem constanten Siedepunkt 210 bis 21 5^
abgesondert werden. Es ist diefs das
Aethyldiamylborat, B(G2H»)(G^H")^0*.
Berechnet Gefanden
B 11 4,8 4,9
G«H* 29 12,6 --
2€«H" 142 61,7 61,8
SO 48 20,9 —
230 100,0.
Specifisches Gewicht 0,852 bei 28«; 0,876 bei 0».
Dieser Aether ist wie das Triamylborat nur mittelst Docht
entzündlich; die grüne Färbung der Flamme tritt etwas mehr
herror, als bei letzterem Aether.
Der andere Doppelalher liefs sich noch weniger leicht
abscheiden, als der vorhergehende, so dafs wir uns zuletzt
bei etwa 30 Gramm mit einem zwischen 170 und 180^ con-
stanten Siedepunkt begnügen mufsten. Diese Flüssigkeit ent-
hält, neben einer geringen Verunreinigung mit dem eben be-
schriebenen Aether, das
Amyldiäthylborat, B(€5H")(6W)*98,
dessen Siedepunkt bei etwa 173 bis 175^ zu liegen scheint.
Berechnet
Gefanden
B
11
5,9
6,05
2^H»
58
80,8
—
€»H"
71
1
87,8
40,5
SO
48
25,5
—
188 100,0.
Specifisches Gewicht 0,858 bei 26^.
Der Aether ist ohne Docht entzündlich, aber nicht so
leicht wie das Triathylborat , und brennt mit grungesäumter
Flamme. In den übrigen Reactionen verhallen sich diese
beiden Doppelather wie die übrigen drei-alkoholischen Borate,
Aiiaal. d. Chem. a. Pharm. Y. Suppleiuentbd. 2. Heft. ^3
194 Schiffe Untersuchungen
Erhitzt man sie mit überschussigem Amylalkohol auf 160 bis
180^, so werden sie unter Ausscheidung von A^thylalkohol
gröfstentheils in Triamyiborat verwandelt. Diese Reaction
erklart auch die vorhältnifsmäfsig gröfsere Menge von Tri-
amyiborat im Product der Einwirkung des Amylalkohols auf
das Monoäthylborat. Will man sämmtliche bei dieser Um-
setzung auftretenden Producte unter einer einzigen Gleichung
zusammenfassen, so kann diefs mittelst der folgenden ge-
schehen :
7BEtO« + 7AmHO = EtHO + BEt»^^ + BAmEfO» + BAm'EtO«
^ + BAm'O» rf- BAraa« + 2BH«03.
Bei der Einwirkung des Amylalkohols auf Amyldiäthyl-
borat entsteht neben Triamyiborat ohne Zweifel auch Aethyl-.
diamylborat. Da wir nicht genügend Material besafsen, um
diefs direct nachweisen zu können, so haben wir vorgezogen,
Amylalkohol bei höherer Temperatur auf Triäthylborat wirken
zu lassen. Es dienten zu diesem Versuche 250 CG. Triäthyl-
borat iy;^d eben so viel Amylalkohol. Die Temperatur wurde
80 bis 90 Stunden auf 160 bis ISO^ erhalten und hatte sich
zweimal auf nur kurze Zeit bis 230^ erhoben. Es war k^ne
Borsaure auskrystallisirt und auch in dem Rückstande der
Destillation war dieselbe nicht vorhanden. Die Flüssigkeit
Gng bei etwa 80^ zu sieden an^ aber bei der ersten Destil-
lation ging bis gegen 180^ nur ein Gemenge von Alkohol,
Triäthylborat und Amylalkohol über; letzterer war nur in
geringer Menge vorhanden. Aus dem bis 250<) übergehen-
den Antheil konnten durch weitere, sehr oft wiederholte
fractionirte Destillationen die beiden Doppelather erhalten
werden. Das Amyldiathylborat wieder nur in geringer
Menge und nicht ganz rein. Das über 250^ übergehende
enthielt noch Aethyldiamylborat und namentlich Triamyiborat.
Es blieb bei 290<) nur ein geringer Rückstand, welcher ein
über die Boraäureäther, 195
Gemenge von Monoathyl- und Honoamylborat zu sein schien.
Wir geben für diese Umsetzung die schematische Gleichung :
3BEt»0» 4- 6 AmH^ == BAmEt'O« + BAm*EtO* + BAm'O' + 6EtHO.
Wir suchen mit dieser Gleichung hier, sowie auch in
anderen bereits erwähnten und noch zu erwähnenden Fällen,
nur einen idealen Ausdruck zu geben. In der Wirklichkeit
hängen die Mengenverhältnisse der sich bildenden Producte
von der Temperatur und namentlich von der relativen Menge
von Amylalkohol ab. Es geht diefs aus einem Versuch hervor,
vrelchen wir probeweise nur im Kleinen anstellten und bei
welchem wir 100 CC. Amylalkohol auf nur 30 CC. Triäthyl-
borat zwei Tage lang bei etwa 220^ einwirken liefsen und
wobei als Hauptproduct Triamylborat erhalten wurde. Von
einer Trennung der übrigen Producte konnte nicht die
Rede sem.
Auch Triäthyiborat und Triamylborat tauschen bei höherer
Temperatur ihre Alkoholradikale theilweise aus, und es stellt
sich wahrscheinlich auch in diesem Falle allmälig ein Gleich-
gewichtszustand zwischen den einzelnen Bestandtheilen des
Gemenges her, so dafs die Gleichung :
BEt'O» + BAm«0» = BEtAm«^» + BEt«AmO«
wiederum nur ein idealer Ausdruck ist. Es. wurden bei dem
Versuche 200 Grm. von jedem Aether 100 Stunden lang auf
etwa 200^ erhitzt. Bei der mehrmals wiederholten fractio-
flirten Destillation haben wir nur Triamylborat und Aethyl-
diamylborat ziemlich rein erhalten. Wir setzten die Destil-
lation nicht weiter fort, weil es uns nur darum zu thun war,
eine ungefähre Einsicht in den Umsetzungsprocefs zu er-
langen. Wir erhielten die folgenden Destillationsantheile :
Bis 155^. Triäthyiborat neben etwas Aetbyl- und Amylalkohol.
160 bis 1900. Unreines Amyldiäthylborat ; D = 0,857 bei 29^
215 bis 230^. Ziemlich reines Aethyldiamjlborat ; D = 0,855 bei 29^.
240 bis 260^ Unreines Triamylborat.
Ueber 850^ Fast reines Triamylborat; D = 0,853 bei %%^.
Ueber 280^ 8yrupöser Rückstand.
13*
196 «Sc h iffi Untersuchungen
Wir bemerken ausdrücklich, dafs die Angaben über die
annähernde Reinheit sich weniger auf die angegebenen spe-
cifischen Gewichte, als vielmehr auf die jedesmal vorgenom-
mene quantitative Bestimmung des bei der Zersetzung auf-
tretenden Amylalkohols stützt.
Endlich haben wir noch nachgewiesen , dafs auch die
monoalkoholischen Triborate Doppelöther bilden können, wenn
man sie mit anderen Alkoholen erhitzt. Bei Anwendung von
50 Gramm. Aethyltriborat und eben so viel Amylalkohol,
welche zwei Tage auf etwa* 200^ erhitzt wurden , erhielten
wir, neben einem reichlichen Gemenge verschiedener Bor-
säurehydrate, Triäthylborat, Aethyldiamylborat und namentlich
Triamylborat annähernd rein; die Hauptreaction scheint also
zu sein :
4B«Et95 + SAraHa = BEt^a» -f- BEtAm^O» + aBAm»a« + 8BHO«.
Es tritt aber auch Alkohol auf, der Rückstand enthält
Honoamylborat und wahrscheinlich bildet sich auch Amyldi-
äthylborat, so dafs die Gleichung :
TB^EtO* + UAmHO = EtHO + BEt«G» + BEt'AmO« + BEtAm«0'
+ SBAmSa« + 2BAmO« + 13BH0*
wenigstens qualitativ der Wirklichkeit sich mehr annähert.
Bei den vielen fractionirten Destillationen , welche mit
den eben dargelegten Untersuchungen verbunden waren^ er-
hielten wir grofse Mengen von Mischproducten, welche zu
zerlegen es uns zuletzt an Geduld mangelte. Dieselben
wurden deshalb vereinigt und in mehreren Operationen unter
Zusatz von überschüssigem Amylalkohol auf 180^ bis 200^
erhitzt. Wir erhielten in dieser Weise noch eine ziemliche
Menge Triamylborat und noch etwas Aethyldiamylborat, Diese
machten indessen nur etwa ein Zehntel des Gemisches aus;
der Rest wurde zuletzt zur Wiedergewinnung der Borsäure
und des Amylalkohols mittelst heifsen Wassers zersetzt
über die Bor säur eäther. 197
Die Torstehenden Versuche hätten genügt, um die Existenz
TOn Doppelathern der Borsaure darzuthun, und um die, auch
auf andere Aether und Alkohole anwendbaren Darstellungs-
metfaoden kennen zu lehren ; da wir indessen bei der oben
beschriebenen Darstellung der Methylborate eine ziemliche
Menge sehr unreinen Monomethylborats sammelten, so haben
wir einen Theil davon bei 100^ durch absoluten Alkohol zer-
setzt und schieden aus dem Product der Einwirkung das
Meihyldiäthylborat, ^[m%Qm^yQ^
Bor berechnet 8,34. Gefunden 8,87 pC.
Man sammelt zu diesem Zwecke zunächst die zwischen
%0 und 110^ übergehenden Theile und fractionirt diese mehr-
mals, wo man dann eine zwischen 100 und 105^ siedende,
ziemliche fluchtige Substanz erhalt. Das specifische Gewicht
ist bei 200 = o,883, bei 0<> = 0,904. Der Aether ist sehr
leicht entzündlich und brennt mit intensiv grüner Flamme.
Ohne Zweifel hatte sich auch Aethyldimethylborat gebildet,
aber in zu geringer Menge, als dafs man es im Zustande der
Reinheit hätte abscheiden können.
Ceiyläther der Borsäure.
Wir hielten es der Mühe werth , zu untersuchen , wie
der in der Reihe der Alkohole €"H^+*0 so viel höher ste-
hende Cetylalkohol sich gegen Borsäure verhalte, und fan-
den in der Art der Einwirkung eine bedeutende Differenz
insofern , als aus den in der Reihe niedriger stehenden Al-
koholen Wasser nur in der Form von Borsäurehydrat eliminirt
wird , während sich aus dem Cetylalkohol direct flüssiges
Wasser abscheidet. Es hängt dieses ohne Zweifel von der
Temperatur ab , bei welcher die Einwirkung erfolgt. Die
Borsäure wirkt nämlich auf die bis jetzt behandelten Alkohole
bei einer 100<> entweder nicht erreichenden, oder nicht weit
198 Schifft Untersuchungen
überschreitenden Temperatur ein, wahrend der Cetylalkohol
bei 100^ durchaas nicht angegriffen wird. Die Reaction er«
folgt sehr allmalig erst bei der Temperatur, bei welcher ein
kleiner Theil des Cetylalkohols unverändert destillirt Man
wendet die geschmolzene Borsäure in erbsengroßen Stück-
chen an und erhitzt einen Ueberschufs davon mit dem Cetyl-
alkohol in einer kurzhalsigen Kochflasche unter häufigem Um-
schuttein so lange, als man noch Wasserausscheidung beob*
achtet. Der Alkohol ist dann vollkommen in Cetylborat um-
gewandelt. Man giefst von der überschüssigen Borsaure
ab, löst nach dem Erkalten in wasserfreiem Aether, giefst
die Lösung von der kleinen Menge ausgeschiedener Borsäure
ab und destillirt den Aether im Wasserbade ab. Es scheidet
sich hierbei gewöhnlich eine weitere kleine Menge Borsäure
aus; man giefst die geschmolzene Masse ab und läfst lang-
sam erkalten. Auf diese Weise erhält man das
Monocetylöorat, B(G"H83)0«,
in Form einer weifsen oder schwach gelblichen, dem Cetyl-
alkohol ähnlichen, aber weniger krystallinischen Masse. —
Zur Ermittelung der Zusammensetzung wurden 15 Gramm
durch verdünnte Kalilauge bei 50 bis 60^ zersetzt, die oben
sich abscheidende Schicht von Cetylalkohol nach dem Er-
starren abgewaschen, getrocknet und gewogen, und in der
alkalischen Flüssigkeit das Bor wie üblich als Fluorborkalium
bestimmt.
Berechnet
Gefunden
B
11
4,1
4,1
€"H"
225
84,0
83,4
20
82
11,9
■^^
268
100,0.
Das Cetylborat scheidet sich bei allmäligem Verdunsten
seiner ätherischen Lösung in gehäuften baumförmigen Vege-
über die Borsäureäther. 199
tationen aus; die geschmolzene Substanz kann in trockener
Luft unverändert aufbewahrt werden, in feuchter Luft über-
zieht sie sich allmälig mit einer weifsen Schicht, die dann
den Rest Yor Zersetzung schätzt; auch kaltes Wasser wirkt
nur sehr langsam zersetzend ; warmes Wasser bewirkt schnelle
Scheidung in Borsaure und CetylalkohoL Der Aether schmilzt
constant bei 58^; der Schmelzpunkt des Cetylalkohols wird
also durch den Eintritt der Borsäure nur um etwa 10^ er<-
höht. Obwohl die Verbindung ganz das Ausseben eines
Fettes hat, so unterscheidet sie sich in den Eigenschaften
von den eigentlichen Fetten; sie ist zum Beispiel auch mit-
telst eines Dochtes nur wenig entzündlich, wohl wegen der
sich in den Docht absetzenden Borsäure; auch ist der Aether
nur sehr wenig in Benzin löslich.
Das Resultat der Umsetzung zwischen Borsäure und
Cetylalkohol ist ausgedrückt in der Gleichung :
aber es scheint diefs nicht der Ausdruck für den Bildungs-
procefs zu sein. Es scheiden sich nämlich im Anfang der
Reaction Flocken von hydratisirter Borsäure aus, welche zum
Theil später und bei etwas erhöhter Temperatur wieder ver-
schwunden, zum Theil beim Ausziehen mit Aether zurück-
bleiben. Hier ist es wahrscheinlicher, dafs die Bildung des
Cetylborals in zwei Phasen erfolgt, und zwar
I. B«0« + €"H3*^ = B(G"H«3)0» + BHO«
IL BHO» + €^«H»*0 = B(€^«H3S)0« + H«0.
Andere Cetylderivate der Borsäure konnten nicht erhal-
ten werden. Wallrath wird bei höherer Temperatur durch
Borsäureanhydrid nicht zersetzt.
Olycerinderivat der Borsäure,
Die Bildung eines fettähnlichen Borsäureäthers mittelst
des Cetylalkohols mufste dazu fuhren, das Verhalten der Bor-
200 Schiff f Untersuchungen
säure gegen die eigentliche Fettbasis, das Glycerin, zu unter-
suchen. Auch in diesem Falle beobachtet man eine directe
Elimination flössigen Wassers, mit dem Unterschiede, dafs hier
Nichts darauf hindeutet, eine primäre Bildung eines Borsäure-
hydrats anzunehmen. Bringt man wasserfreies, auf etwa 200^
erhitztes Glycerin mit grob gepulvertem Borsaureanhydrid
zusammen, so entweichen sogleich Ströme von Wasserdampf,
die Borsäure löst sich allmälig auf, ohne dafs, wie bei dem
Cetylalkohol, Trübung oder Ausscheidung von Flocken er-
folgte. Setzt man die Erhitzung bei steigender Temperatur
fort, bis keine weitere Wasserausscheidung mehr stattfindet,
so haben dann zwei Molecule Glycerin nur sehr wenig mehr
als ein Molecul Anhydrid aufgenommen und damit
In nr
Glycerylborat, B(€»H*)e»,
gebildet, wie diefs aus der gefundenen Bormenge hervorgeht
Berechnet
Gefnnden
B
11 11,0
10,9-11,2
€»H«
41 41,0
—
30
48 48,0
—
100 100,0.
Diese Verbindung ist das Resultat der Umsetzung :
in ift m m
2(e»H«)H«0» + B«0« = 2B{G»H»)0» + 3H*0.
Die von der überschussigen, nicht angegrifi'enen Bor-
säure abgegossene Hasse erstarrt beim Erkalten zu einer
gelben oder bräunlichen, hornartigen, durchscheinenden Sub-
stanz, welche sehr hygroscopisch ist und sich in Aether,
Benzin und Chloroform nicht auflöst; sie löst sich dagegen
unverändert in wasserfreiem Weingeist und i^t hierdurch als
gesättigter Borsäureäther characterisirt, da, wie wir wissen,
die nicht gesättigten Aether der Borsäure sich mit den Al-
koholen umsetzen. Dunstet man den Alkohol bei SO bis 60^
ab, so bleibt die unveränderte Substanz; es konnte die Lös-
über die Boraäureäther. 201
lichkeit in Alkohol nicht daza benutzt werden, um die kleine
Menge uberschössig aufgelöster Borsäure wegzuschaffen; er-
hitzte man mit absolutem Alkohol in geschlossener Röhre auf
100 bis 120<), so zersetzte sich eine kleine Menge des Gly-
cerylborats nach der Gleichung :
Die Gegenwart der geringen Menge frei gewordenen
Glycerins scheint indessen der weiteren zersetzenden Ein-
wirkung des Alkohols das Gleichgewicht zu halten. — Das
Glycerylborat kann *9ich in einer geringen Menge kalten
Wassers zu einem sehr dickflüssigen, säuerlich schmeckenden
Syrup auflösen, ohne dafs Ausscheidung von Borsaure erfolgt ;
erwärmt man diesen Syrup, so erstarrt er durch abgeschie-
denes Borsaurehydrat und der sufse Geschmack des Glyce-
rins tritt nunmehr deutlich hervor. — Die Verbindung zeigt
keinen festen Schmelzpunkt; als ein wirkliches Glas erweicht
sie allmalig und ist selbst bei 170<> noch sehr dickflüssig. In
eine Flamme gebracht verbrennt sie mit grünem Lichte, unter
Zurücklassung von viel Kohle enthaltender Borsäure. Trockenes
Ammoniakgas wirkt auf die alkoholische Lösung selbst beim
Erwärmen nicht ein, wenn die Substanzen vollkommen wasser-
frei sind ; ist diefs nicht der Fall, so bildet sich eine gallertige
Masse, welche Ammoniumborat enthält. Concentrirte Schwe-
felsäure zersetzt das Glycerylborat bereits bei 100^ unter
Schwärzung. — Der Aether konnte durch Einwirkung von
Borsäureanhydrid auf Stearin nicht erhalten werden ; es findet
keine Reaction statt.
Nach Schützenberger (Compt. rend. LIII, p. 538)
¥erbinden sich die Anhydride von Borsäure und Essigsäure
im vVerhältnifs B'0':r>H^O' zu einer glasartigen Masse,
welche sich mit Wasser in die Hydrate beider Säuren zer-
setzt und wohl als Acetylborat, B(€'H^0)9^ zu betrachten
ist Verhielte sich, wie diefs wahrscheinliclb ist, das Anhydrid
202 Schiff, Untersuchungen
der Propionsäure wie das der Essigsäure ^ so würde man
hierbei eine dem Glycerylborat metamere Verbindung er-
halten*) :
Typus H*0». - Propionylborat B(G8H«a)0«.
Typus H«03. - Glycerylborat B(G%s)OS.
Wir können die Notiz beifügen, dafs Eisessig selbst bei
150^ nicht durch Borsäureanhydrid zersetzt wird.
Phenyläiher der Borsäure,
Bei den vorhergehenden zwei Alkoholen wurde die Bil-
dung von nur je einer Borsäureverbindung beobachtet; von
dem Phenol, welches ebenfalls unter der Einwirkung der
Borsäure direct Wasser abgiebt, lernen wir wiederum meh-
rere Borsäureäther kennen. Erhitzt man geschmolzene Bor-
säure in kleinen Stucken mit wasserfreiem Phenol bis zum
Siedepunkte des letzteren, so lost sich ersteres allmälig auf,
es entweicht Wasserdampf, die Flüssigkeit wird immer zäher
und der Siedepunkt steigt beständig. Wendet man auf zwei
Theile Borsäure drei Theile Phenol an und läfst nach halb-
stündigem Sieden erkalten, so erhält man eine zähe Flüssig-
keit, Borsäurehydrate und noch unverändertes Phenol ent-
haltend. Aus dieser Hasse kann man durch Ausziehen mit
Aether und Abdestilliren dieses letzteren sowohl, als auch
des noch unangegriffenen Phenols unreines
*) Arsenige Säure verhält sich in dieser Beziehung der Borsäure
ganz analog. Wir haben vor mehreren Jahren (Annalen d. Chem.
u. Pharm. CXVIII, S. 86) mitgetheilt, dafis arsenige Säure das
wasserfreie Qlycerin unter Wasserabscheidung zersetzt und ein
Glycerylarsenit A8(€^H'')0' bildet Nach Sohützenherger
verbindet sich arsenige Säure mit Essigsäureanhydrid zuAcetyl-
arsenit As(G'H^O)0'. Mit Propionsäureanhydrid wäre also die
Bildung eines mit dem Glycerylarsenit metameren Propionylar-
senits As(G'H*OJO' zu erwarten.
über die Borsäureäther. . 203
Monophmylborat, B(G«HS)9«,
als dicke Flüssigkeit abscheiden; dasselbe entsteht nach der
Gleichung :
I. B«08 + €«H«0 = B(€«H»)0« + BHO«.
Erhält man indessen das Phenol mit der Borsäure mehrere
Stunden im Sieden (bei aufgesetztem Kühlrohr), so wird eine
weitere Menge Anhydrid gelöst; auch das Borsäurehydrat
wird unter Wasserausscheidung von dem Phenol aufgenommen,
und es entsteht zuletzt eine auch bei hoher Temperatur ziem-
lich dickflüssige Masse. Man giefst dieselbe in eine andere
Kochflasche ab^ erhitzt zur Entfernung des noch vorhandenen
Phenols, bis die Flüssigkeit anfängt sich aufzublähen, und läfst
dann langsam erkalten. Man erhält auf diese Weise
Phenyltnborat, B3(G«H^)G*,
verunreinigt durch noch etwa 6 pC. Borsäure. Das Phenyl-
triborat entsteht aus dem Anfangs gebildeten Honophenylborat
in einer zweiten Phase der Einwirkung :
n. 2B(€«H«)0« + 2BHO« + B«0« = 2B'(G»H*)0* + H«d
und ersehen wir hieraus einen Unterschied zwischen dem Mono-
phenylborat und den früher beschriebenen entsprechenden
Boraten der Alkohole 6°H*°+*0 ; die Borate dieser letzteren
können nämlich nicht direct mit Borsäure zu den betrefl'enden
Triboraten verbunden werden.
Das mittelst wasserfreien Aethers von der beigemengten
Borsäure befreite Phenyltriborat stellt eine fast geruchlose,
orangefarbene, glasige Hasse dar, welche ganz das Aussehen
des Bernsteins besitzt.
Berechnet
Gefunden.
dB
88 17,4
17,1 17,7
€«H»
77 40,5
—
50
80 42,1
—
190 100,0.
204 Schiff, Untersuchungen
Die Verbindung bedeckt sieb an der Luft sehr bald mit
einer weifsen Haut, welche die darunter liegenden Theile
vor Zersetzung schützt. Diese erfolgt selbst unter kaltem
Wasser nur langsam, rasch aber in heifsem Wasser oder
verdännten Alkalien. Aufiallender Weise wird die Verbindung
durch concentrirte weingeistige Kalilösung fast nicht ange-
griffen. Fast unlöslich in Chloroform, Benzin und Schwefel-
kohlenstoff. Bei höherer Temperatur erfolgt gegen 80^ ein
Anfang von Erweichung und dann allmäliger Uebergang in
den flussigen Zustand.
Die Lösung in absolutem Alkohol giebt mit Eisenchlorid
nicht die violette Reaction der Phenylverbindungen ; die Farbe
erscheint erst nach Zusatz von viel Wasser*). Das Triborat
löst sich in warmer concentrirter Schwefelsaure mit schmutzig-
rother Farbe zu einer syrupösen Flüssigkeit auf; Zusatz von
Wasser bewirkt Ausscheidung von Borsäurehydrat, und die
nach dem Erkalten abfiltrirte Lösung mit Kalk gesättigt
liefert Calciumphenylsulfat. Diese Umsetzung erfolgt nach
der Gleichung :
Hit Salpetersäure erfolgt beim Erwärmen Bildung von
Pikrinsäure und von Borsäure nach der Gleichung :
B8(G«H»)06 + 3NH08 + 2H«0 = ©«»»(NO^O + 8BH»0».
■
. ■
Monophenylborat, B{G^^)QK
Wir haben bereits weiter oben angegeben^ dafs dieser
Aether in erster Reaction bei der Einwirkung des Phenols
auf das Borsäureanhydrid entsteht; da jedoch ein Theil des
gebildeten Honoborats sich durch Aufnahme von Borsäure
*) Uebrigens giebt aach das Phenol in weingeiitiger Lösung keine
violette Färbung mit Eisenchlorid.
über die Borsäureäther, 205
in Triborat umwandelt und auch dieses letztere sich in Aether
löst, so gelingl es nicht, auf diesem directen Weg ein reines
Präparat zu erzielen. Zur Uinwandlung des Triborats in
Monoborat versuchte man zunächst die Einwirkung einer con-
centrirten weingeistigen Lösung von Natriumalkoholat; es
wirkte dieses jedoch bei 100^ kaum ein. Bei 160 bis 180^
erfolgt nur sehr schwierig eine theilweise Zersetzung , es
entsteht Triäthylborat und eine kleine Menge einer aromatisch
riechenden Flüssigkeit, wahrscheinlich Aethylphenat , aber
nach dem Ausziehen mit Aether und Verdampfen der äthe-
rischen Lösung war der gröfste Theil des Triborats noch
anverändert. Ein günstigeres Resultat lieferte die Einwirkung
des Alkohols allein , welche ebenfalls erst bei etwa 150^
Blatt hat. Die gelbe Flüssigkeit setzt beim Erkalten Borsäure
ab. Bei der Destillation geht Triäthylborat über; zur völligen
Entfernung desselben läfst man die Temperatur der Masse
bis auf 180^ steigen und extrahirt dann mit Aether. Dieser
hinterläfst eine bei 20^ terpentinartige Substanz von schwachem
Phenolgeruch, welche wahrscheinlich noch eine sehr kleine
Menge eines phenylreicheren Borats enthält.
Berechnet
a.
b.
B
11 9,2
8,9-9,1
10,2-10,9
G'H'^
77 64,1
—
20
32 26,7
120 100,0.
—
—
Die Präparate a waren auf die eben angegebene Weise
dargestellt, die Präparate b waren Producte der directen Ein-
wirkung des Phenols auf die Borsäure. Die Zersetzung des
Triborat& durch den Alkohol erfolgt nach der Gleichung :
B"(6«H»)06 + SG«H«0 = B(€«H*)0« + B(G«H')308 + BH^O».
Zu den folgenden Versuchen diente direct mittelst Phenol
erhaltenes Monophenylborat.
206 Schiffy Untersuchungen
Tetraphenyldiborat.
Man kann das Monophenylborat bis auf 250° erhitzen,
ohne dafs es Zersetzung erleidet; dieselbe beginnt erst gegen
350^ und ist der Umsetzungsweise der früher behandelten
monoalkoholischen Borale gewissermafsen analog. Wie bei
diesen^ so entsteht auch hier ein Triborat, aber das andere
Product ist kein triaikoholisches Borat, sondern ein dialkoho-
lisches^ ein gesättigter Aether der Diborsäure,(2BH^G'— H*0),
und zwar
Tetraphenyldihorat, h\G^W>yQ^,
entstehend nach der Gleichung
Die Destillation ist erst weit oberhalb • des Siedepunkts
des Quecksilbers beendigt; das rückständige Triborat ist
durch secundäre Zersetzungsproducte verunreinigt und meist
von brauner Farbe. Die in der Vorlage befindliche schmutzig-
gelbe ölige Flüssigkeit wird einer zweiten Destillation unter-
worfen und alles oberhalb 300^ Uebergehende für sich auf-
gefangen»).
*) Das bis 300^ Uebergehende enthält durch secundftre Zersetzung
entstandenes Phenol, übergerissenes Phenylborat und noch eine
andere Substanz. Zersetzt man das Borat durch Schtlttelo mit
Wasser, trocknet die abgeschiedene Oelschicht durch Chlorcalcium
und unterwirft sie der Destillation, so erhält man oberhalb 200^
eine sehr angenehm nach Geranium riechende Flüssigkeit. Die-
selbe tritt ferner auf, wenn man das Phenyltriborat durch kalte
verdünnte Kalilauge zersetzt. In beiden Fällen entsteht diese
Substanz nur in sehr geringer Menge, so dais ich sie nicht toU-
ständig Tom Phenol trennen konnte. Aus den Analysen toh
zwei unreinen Producten ergiebt sich indessen, dafs diese Sub-
stanz jedenfalls reicher an Kohlenstoif ist, als das Phenol. Be-
denkt man ferner, dafs Gannizzaro durch Einwirkung der Bor-
säure auf Benzylalkobol den Benzyläther erhielt, so ist es mehr,
als wahrscheinlich, dafs diese Bubstanz Phenyläther (€^H^)'^ ist^
welcher seine Entstehung einer secundären Reaction
über die Borsäureäther. 207
Wir haben im Früheren gesehen, dafs das Triäthylborat
dnrch Säuren zersetzt wird, indem sich die Aethyläther dieser
Sauren bilden ; andererseits haben wir gefunden, dafs weniger
flüchtige Alkohole mit dem Triäthylborat einen Austausch der
Alkoholradicale eingehen , so dafs zuerst Doppelather und
schliefslich normale Aether der weniger flüchtigen Alkohole
entstehen. Das Phenol, welches zum Theil die Natur eines
Alkohols, zum Theil diejenige einer Säure besitzt, zeigt bei
seiner Einwirkung auf das Triäthylborat in der That die
beiden Arten von Reactionen. Erhitzt man eine Mischung
beider Substanzen in geschlossener Röhre bis zum Siedepunkt
des Phenols und erhält eine Temperatur von 160 bis 180^
etwa 12 Stunden lang , so entsteht eine gelbe Flüssigkeit,
welche beim Erkalten keine Borsäure ausscheidet. Bei der
Destillation geht zunächst ein Gemenge von Alkohol und Tri-
äthylborat, später ein Gemenge von Aethylphenylälher*) und
verdankt. Es ist mir bis jetzt nicht gelangen, die Bedingungen
anfznfinden, unter welchen das Monophenylborat sich Vorzugs*
weise nach dieser Gleichung zersetzt. — Bei der Einwirkung der
Bors&ure auf den Benzylalkohol hat Cannizzaro die sich in
erster Reaction bildenden Verbindungen nicht weiter beachtet.
Es wftre nützlich, diese Reactionen einer eingehenden Prüfung
EU unterwerfen; die b^trefienden Resultate könnten dann ohne
Zweifel auf das Phenol übertragen werden.
*) Ans den bei verschiedenen Operationen gesammelten Destillaten
wurde der zwischen 150 und 180^ Übergehende Antheil abge-
schieden, eine geringe Menge Triäthylborat durch Wasser zer-
stört, durch Chlorcalcium getrocknet und nach mehrmaliger
fractionirter Destillation alles zwischen 160 und 175^Uebergeheude
besonders aufgefangen. Man erhftlt in dieser Weise eine aro-
•
matiscb, zimmtähnlich riechende Flüssigkeit, welche völlig was-
serfrei bei 0^ nicht krystallisirt , aber keinen constanten Siede-
punkt zeigu Die Analysen lassen vermuthen, dafs immer noch
etwas Phenol beigemengt war; die Siedepunkte der beiden Sub-
stanzen liegen übrigens so nahe (Phenftthol 172 bis 175^, Phe-
nol 188^), dafs bei kleinen Mengen eine vollkommene Trennung
durch fractionirte Destillation schwierig oder gar nicht zu er-
208 Schiffj Untersuchungen
von Phenol über, letzteres selbst dann, wenn man auch einen
ziemlichen Ueberschufs von Triathylborat anwendet. Erhitzt
man zur Austreibung aller Nebenproducte bis gegen 300^,
so bleibt Tetraphenyldiborat in der Retorte zuräck. Die Ein-
wirkung findet nach folgender Gleichung statt :
Bezüglich der Eigenschaften und der Zusammensetzung
ist der nach beiden Weisen erhaltene Aether vollkommen
identisch.
Berechnet a. b.
2B 22 5,86 5,36 5,38
4G0H» 308 75,12 — —
5 0 80 19,62 ■— —
410 100,00.
a. Substanz aus Honophenylborat.
b. Substanz aus Phenol und Triathylborat.
Das frisch destillirte Präparat ist eine gelbgrüne di-
chroitische Flüssigkeit, von schwachem Phenolgeruch; bei
längerem Aufbewahren nimmt sie Orangefarbe an. Das spe-
cifische Gewicht wurde bei 20^ = 1,106, beiO» = 1,124 ge-
funden; die Consistenz bei diesen Temperaturen ist etwa die-
jenige des alten Ricinusöles. Der Siedepunkt für gewöhn-
lichen Luftdruck konnte mittelst des Quecksilberthermometers
nicht bestimmt werden. Bei jeder neuen Destillation wird
eine kleine Menge zersetzt und es bleibt ein Ruckstand von
reichen sein dürfte. Wie ans Folgendem hervorgeht , mag der
Phenolgehalt noch etwa 11 pC. betragen haben,
a. Phenol G«H»0 b.PhenÄtholGöH»«^ gefunden V»(a+8h)
G 76,6 78,7 78,32 78,4
H 6,4 8,2' 8,06 8,0
O 17,0 18,1 — 13,6
100,0 100,0 100,0.
Diese Analyse bezieht sich anf das Destillat 160 bis 170^.
Der Siedepunkt des Phenftthols scheint niedriger zu. Uegen, ala
diefs die bisherigen Angaben besagen.
über die Borsäureäther. 209
Phenyltriborat. Der Aetber wird durch Wasser sogleich zer-
setzt. In concentrirter Schwefelsaure löst er sich unter ge-
ringer Erwärmung mit braunrother Farbe; erwärmt man ge-
linde und setzt dann Wasser zu, so scheidet sich krystaili-
sirte Borsäure aus und die Flüssigkeit enthält Phenylschwe-
feisäure, gebildet nach der Gleichung :
Phenylhaltige Doppeläther der Borsäure konnten nicht
erhalten werden.
Anilid der Borsäure,
Das Anilin kann mit Borsäurehydrat nicht verbunden
werden und auch von dem Anhydrid kann das Anilin ab-
destiUirt werden, ohne dafs irgend welche Einwirkung statt-
findet Triäthylborat wird durch Anilin auch bei hoher Tem-
peratur nicht zersetzt, aber mit den monoalkoholischen Boraten
findet zum Theil schon bei mittlerer Temperatur eine Um-
setzung statt. Vermischt man Honoäthylborat oder Mono-
methylborat mit wasserfreiem Anilin, so bildet sich sogleich
unter schwacher Erwärmung eine harzige Substanz , welche
bei Zusatz von wasserfreiem Aether weifs und pulverig wird.
Wendet man verdünnte ätherische Lösungen der Borate und
des Anilins an, so entsteht bei deren Vermischung* eine
weifse, flockige, krystallinische Substanz der Art, dafs oft das
Gfeinze zu einem Brei gesteht. Man läfst denselben auf
einem Filter abtropfen, wascht mit Aether aus, bis die Wasch-
flässigkeit weder Anilin noch Borsäureäther mehr enthält,
prefst zwischen Löschpapier aus und trocknet im Vacuum.
Es bildet sich in dieser Weise eine weifse Substanz, fast ge-
ruchlos, leichV wie Magnesia ; mit Wasser zersetzt sie sich
sogleich in Borsäure und Anilin. Der abfiltrirte Aether ent-
halt das entsprechende drei-alkoholische Borat und die er-
haltene Substanz ist identisch, mag man Monoathylborat oder
AnQsL d Ghenn u. Pharm. V. Siipplementbd. 2. lieft. \^
210 Schiff, Untersuchungen
die entsprechende Methyl Verbindung anwenden; sie enthält
gleiche Molecule Borsaureanhydrid und Anilin und wir be-
zeichnen sie vorläufig als :
Baranüid, B^O», G^H^N.
Berechnet aus Aetbylborat aus Methylborat
B'O» 70 43,0 42,6-43,7 42,3
G^H^N 93 67,0 - —
163 100,0.
Die Verbindung zersetzt sich beim Erhitzen im Platin-
tiegel in Anilin und kohlehaltige Borsäure. Man bestimmte
auf diese Weise den Borsäuregehalt direct, nachdem man sich
überzeugt hatte, dafs Borsaureanhydrid, mit Anilin befeuchtet
und ausgeglüht, keinen wesentlichen Gewichtsverlust erleidet.
Bei den obigen Zahlen ist der Kohlegehalt der Borsäure be-
reits in Abzug gebracht. Man kann diese Verbindung, ent-
sprechend den Formeln :
BO' ^^ Ih*)
entweder als „Boranilhydrat% oder als „Borahilsäure^ be-
trachten, wobei indessen zu bemerken ist, dafs das Boranilid
weder mit Säuren, noch mit Basen verbunden werden konnte.
Die Verbindung bildet sich sehr wahrscheinlich nach der
Gleichung :
3B(G«H»)G« -f G«H^N = B«0», G«H'N + B(G«H»)80«.
Die Substanz wird bei längerem Aufbewahren in trocken^
Luft nicht verändert^ wenn sie vollkommen ausgewaschen war.
Ist diefs nicht der Fall, so bildet sich oft eine leicht zu pulvernde
amorphe Masse, ähnlich dem arabischen Gummi. — Das Bor-
anilid ist sehr leicht in Alkohol löslich: bei allmäligem Ver-
*) Die Gruppe (B«0«.OH) ist von der Diborsäure B'H^O«^ absu-
leiteo, deren Anhydrid B^O'j^^ durch Verlust von Hydrozjl
OH zur monovalenten Qmppe (B'O'.OH) umgewandelt wird.
über die Borsäureäther. 211
donsten dieser Lösung bleibt eine gummiartige feste Masse.
Erhitzt man die alkoholische Lösung im zugeschmolzenen
Rohr auf 120^, so scheidet sich etwas Borsaure aus und die
Flüssigkeit enthalt dann Triathylborat. Diese Umsetzung er-
folgt nach der Gleichung :
Concentrirte Schwefelsäure giebt eine braunrothe syru-
pöse Lösung, welche sich bei geringer Temperaturerhöhung
schwärzt, aber keine brennbaren Gase entwickelt. Die syru-
pöse Hasse, welche man erhält, wenn man Honoäthylborat
und Anilin ohne Zusatz von Aether mischt, scheint eine
Lösung des Anilids in dem bei der Umsetzung entstehenden
Triäthylborat zu sein; man kann ganz die gleiche Masse er-
hallen, wenn man Boranilid mit einigen Tropfen Triäthylborat
befeuchtet und das Gemenge schwach erwärmt. Uebrigens
kann die gummiartige Masse auch durq^ einen geringen
Ueberschufs von Anilin entstehen. — Die alkoholische Lösung
des Boranilids mit einer weingeistigen Lösung von Oxalsäure
vermischt, giebt nach kurzer Zeit Krystalle von Anilinoxalat,
frei von Borsäure. Auch in den durch Platinchlorid hervor-
gebrachten krystallinischen Niederschlag geht die Borsäure
nicht ein; es ist reines Anilinchloroplatinat.
Monoamytborat reagirt auf das Anilin erst bei etwas er-
höhter Temperatur, und die' Ausbeute ist, entsprechend dem
kleineren Borsäuregehalt, weit geringer. -- Monophenylborat
und. Anilin zersetzen sich nicht, ohne Zweifel, weil sich hier
die mehralkoholischen Aether nur sehr schwierig bilden.
Die Tendenz zur Bildung der drei-alkoholischen Borate ist
ohne Zweifel ein wichtiger Factor bei der Bildung des Bor-
anilids aus den ein-alkoholischen Boraten.
Erhitzt man das Boranilid mit Aldehyden, so setzen sich
letztere mit dem Anilin unter Bildung von Diamiden ganz in
derselben Weise um, wie wir diefs in einer früheren Ab-
14»
212 Schiff, Untersuchungen
handlang für die freie Base dargethan haben (Ann. Cbero. Pharm.
Sappl. m, S. 343 und CXL, S. 92). Das bei dieser Reactioh
frei werdende Wasser hydratisirt die Borsaure. Die Reaction
ist beispielsweise für das Oenanthol :
Wird das Boranilid im Luftbade auf 110^ erhitzt, so ent-
weicht Wasser und es entsteht eine dem arabischen Gummi
ahnliche gelbliche Hasse, welche vielleicht ein Anilid NIbO
/Be
enthält; es ist mir indessen nicht gelungen ^ eine solche Ver-
bindung rein zu erhalten. Ein Theil des «entweichenden
Wassers zersetzt nämlich einen Theil des Anilids in sich
verflüchtigendes Anilin und in Borsäure, welche zurückbleibt.
Aus diesem Grunde gab das Product der Reaction weit mehr
Borsäure, als der ^ormel des obigen Anilids entspricht.
Die Einwirkung des Honoäthylborats auf Ammoniak (in
wasserfreiem Aether gelöst) ist der Reaction mit Anilin nicht
analog. Das Product enthält auf ein Aequivalent NH' min-
destens 2B*0' oder auch mehr. Die weifse flockig-krystal-
linische Masse entläfst das Ammoniak schon unter dem
Schmelzpunkt der Borsäure. Erhitzt man jedoch rasch in
einer auf der einen Seite geschlossenen und andererseits in
eine lange Spitze ausgezogenen Röhre, so entweicht nebst
Ammoniak etwas Wasser und bei der Behandlung des Röhren-
inhalts mit kochendem Wasser bleibt eine kleine Menge einer
grauweifsen Substanz^ welche sich als Borstickstoff auswies,
wohl entstanden nach der Gleichung :
B»0» + 2 NH» = 8 H«0 + 2 NB.
Wir haben übrigens in einem gemeinschaftlich mit E.
Bechi angestellten Versuch gefunden, dafs beim Glühen von
Borsäureanhydrid in trockenem Ammoniakgas ebenfalls etwas
Borstickstoff entsteht. Die Ausbeute ist eine geringe, weil
über die Borsäureäiher. 213
die Einwirkang nor an der Oberfläche der geschmolzenen
Masse stattfindet.
Die vermeintliche Verbindung von Chlorbor mit ÄeÜier.
Vor einigen Jahren hat J.Nicki es, gelegentlich seiner
Untersuchungen , über Verbindungen von Chlormetallen mit
Aether, die Beobachtung mitgetheilt, dafs eine Lösung von
Borsaureanhydrid in wasserfreiem Alkohol reichlich Salz-
säuregas absorbire und damit eine ölige, rauchende, durch
Wasser in Borsäure, Salzsäure und Alkohol zerfallende Flössig-
keit bilde, welche er mit der Zusammensetzung 3B*0^
6 HCl, 10 6^H^0 als eine eigenthümliche chemische Verbin-
dung betrachtet. Bei der Destillation derselben gehe bei
85^ eine wasserhaltige Verbindung von Chlorbor mit Aether
über, welche die Zusammensetzung 2BCP, 5 G^H^<^9 + 9 H>9
habe und auch durch Erhitzen von Borsaureanhydrid^ Aether
und Salzsäuregas erhalten werden könne. Aus der Flüssig-
keit, welche bei Einwirkung von Bromwasserstoff auf eine
alkoholische Lösung von Borsaureanhydrid entstehe, könne
ferner eine bei 115^ siedende Verbindung von Brombor mit
Aether und Wasser von der Formel 2BBr*, 13€^H^<^e +
16H'0 erhalten werden. Alle diese Flüssigkeiten hauchen
Borsäure absetzende Dämpfe aus (Compt. rend. t. LX, p. 800).
Ich habe bereits weiter oben mitgetheilt, dafs Salzsäure-
gas selbst bei höherer Temperatur ohne erhebliche Einwir-
kung auf Triäthylborat ist. Da • nun eine alkoholische .Lö-
sung von Borsaureanhydrid nach dem früher Dargelegten
als eine Borsäurehydrat enthaltende alkoholische Lösung von
Borsäureäthern zu betrachten ist, so glaubte ich nach
Ni ekles' Mittheilungen annehmen zu dürfen, dafs das bei
Einleitung von Salzsäuregas entstehende Aethylchlorür in
alkoholischer Lösung auf einen von diesen Borsäureäthern
einwirke und etwa ein Aethylchlorhydrin der Borsäure ent-
I
214 Schiff f Untersuchungen
stehen lasse. Das Verhältnifs von Bor. Chlor und Aeihyl in
der ersten der Nick les'schen Verbindungen entspricht näm-
lich nahezu demjenigen im Diäthylchlorhydrin der Borsäure,
und die zweite hätte dann wohl ein noch Chloräthyl und
>
Weingeist enthaltendes Aethyldichlorhydrin sein können. Die
Aussicht, diese Verbindungen zu erhalten, yeranlafste mich,
die Versuche von Nicki es zu wiederholen, und diese
Wiederholung führte zu Resultaten, welche von den von
Nicki es erhaltenen wesentlich abweichen.
Ich habe Salzsäuregas in eine frisch bereitete Lösung
von Borsäureanhydrid in absolutem Alkohol eingeleitet und
habe andererseits den Versuch auch in der Weise angestellt,
dafs ich das Gas durchstreichen liefs, während das Anhydrid
sich unter Erwärmung im Alkohol auflöste. Hatte man ver-
hältnifsmäfsig wenig Borsäure angewandt, so erhielt man in
beiden Fällen eine gelbliche rauchende Flüssigkeit^ welche
sich beim Erkalten nicht weiter veränderte. Bei Anwendung
gröfserer Mengen von Borsäure und namentlich wenn man
davon so viel anwandte, dafs noch ein Theil ungelöst blieb,
erhielt man eine beim Erkalten sich in zwei Schichten spal-
tende Flüssigkeit. Die obere wasserhelle dünnfifissige Schicht
enthält nur sehr wenig Salzsäure, so dafs sie an der Luft
nicht raucht. Sie erwies sich als eine alkoholische Lösung
von Tri- und Mono-Aethylborat. Alkohol und Triäthylborat
wurden abdestillirt und die oben beschriebene Trennung mit-
telst concentrirter Schwefelsäure vorgenommen; durch noch-
malige Destillation wurde daraus das Triäthylborat im Zu-
stande der Reinheit dargestellt. Die untere gelbliche ölige,
an der Luft rauchende Schicht wurde mit Salzsäuregas ge-
sättigt, worauf sich beim Erkalten eine weitere Schicht von
Borsäureäther abschied. Bei nunmehriger Destillation der
unteren Schicht entweicht zunächst eine grofse Menge Chlor-
äthyl, sodann folgt Salzsäure und Weingeist, welchem
über die Borsäureäther. 215
letzterem sich spater Triathylborat beimengt, welches sich
bei ▼ollstandigem Erkalten des Destillats theilweise abscheidet.
Bei Gegenwart einer grdfseren Menge von Chloräthyl löst
sich nämlich der Borsäureäther in gröfserer Menge, und es
mufs sich daher ein weiterer Antheil abscheiden, sobald das
Chloräthyl entweicht. Der Rückstand der Destillation ist
Borsäure und ein wenig Honoäthylborat. Bei der Destillation
der unteren Schicht geht der gröfste Theil zwischen 85 und
95^ über; derselbe ist aber keine Verbindung von Chlorbor
mit Aeiher, wie Nicki ds glaubt, sondern ein Gemenge von
Weingeist, Borsäureäthern, Chlor äthyl j Salzsäure und etwas
^Vasser; letzteres rührt von der Einwirkung der Salzsäure
auf den Alkohol her. Die von Nicki es beobachteten, Bor-
säure absetzenden Dämpfe rühren lediglich von dem leicht
verdunstenden Borsäureäther her. Derlrrthum von Nicki es
ist zu entschuldigen, wenn man bedenkt, dafs zugleich mit
diesen Dämpfen Salzsäure entweicht und dafs man von einer
Bildung von Triathylborat bei einfacher Einwirkung von Bor-
sänreanhydrid auf Alkohol bis jetzt keine Ahnung hatte.
Nach dem Vorhergehenden hätte man also anzunehmen,
dafs das Salzsäuregas, ebenso wie die concentrirte Schwefel-
säure, die Trennung von Alkohol und Borsäureäther be-
wirken könne. Dafs dem so sei, wurde durch den directen
Versuch bestätigt. Alkohol und Triathylborat mischen sich
in jedem Verhältnifs und es Gndet auch bei Abkühlung keine
Trennung statt. VV^urde in eiq| Mischung von absolutem Al-
kohol mit dem gleichen Volum reinen Triäthylborats Salz-
sänregas geleitet, so erfolgte alsbald Ausscheidung des
Aethers. . Beim Erkalten der mit Gas nahezu gesättigten
Flüssigkeit erhält man zwei Schichten, welche sich vollkom-
men eben so verhalten, wie die bei dem früheren Experiment
erhaltenen. — Bei gewöhnlicher Temperatur gesättigte wäs-
serige Salzsäure kann ebenfalls so weit mit absolutem Alkohol
216 Schiff y Untersuchungen
verdünnt werden, dafs $ich dann Triäthylborat ohne Zer-
setzung ztt erleiden auflöst. Das . so entstehende Gemenge
hat ganz die Eigenschaften der nach dem Verfahren von
Ni ekles erhaltenen Flüssigkeit.
Ein Umstand, welcher Nicki es in seiner Ansicht von
der Natur jenes Gemenges bestätigen mufste, war derjenige,
dafs er glaubte, bei gegenseitiger Einwirkung von Aethyloxyd,
Salzsäuregas und Borsaureanhydrid die gleiche Flüssigkeit
erhalten zu haben. Nie kies giebt allerdings an, dafs sein
Aether wasserfrei gewesen sei, aber ich glaube sehr be-
zweifeln zu dürfen , dafs er auch frei von Alkohol war.
Nach meinen Versuchen wirken vollkommen getrocknete
Salzsäure, alkoholfreier Aether und Borsäureanhydrid nicht
erheblich aufeinander ein, und das gegentheilige Resultat von
Nicki es scheint mir auf einem Alkoholgehalt des Aethers
zu beruhen. Gegen Nie kl es' Ansicht spricht endlich noch
die Thatsache^ dafs das Chlorbor sich mit Alkohol sogleich
in Salzsäure und Borsäureäther zersetzt.
An die vorstehenden Versuche, welche Behufs Darstellung
von Aethylchlorhydrinen der Borsäure angestellt wurden, reihe
ich einige andere, welche denselben Zweck verfolgten , aber
eben so wenig zum gewünschten Resultate führten. Bringt man
Phosphorchlorid mit Triäthylborat oder Triamylborat zusammen,
so findet bereits bei gewöhnlicher Temperatur Einwirkung
statt, ohne dafs Salzsäure entweicht. Sucht man die Producte
dieser Reaction durch Destillation zu trennen , so findet eine
weitere Einwirkung statt, und nach dem Abdestilliren des
flüssigen Productes erhält man einen weifsen Rückstand von
Borsäureanhydrid, öfters mit monoalkoholischem Borsäure-
äther gemengt. Bei Anwendung von Triäthylborat besteht
das Destillat aus Phosphoroxychlorid ^ bei Anwendung von
Triamylborat ist dem Oxychlorid noch Amylchlorür beige-
mengt Das Endresultat der Einwirkung des Phosphorchlorids
über die Boreäureäther. 217
auf die drei-alkoholischen Borsäureäther ist ganz derjenigen
auf das Borsaurehydrat analog :
2 BEt'O» -f- S PCI» = 8 POCl» + 6 EtCl + B»0«.
2BH80» + 8 PCI» = 8POC1» + 6HC1 + B'O».
Letztere Reaction ist bekanntlich von Gerhardt zur
Darstellung des Phosphoroxychlorids vorgeschlagen worden.
Wendet man bei der Zersetzung des Aethers eine unzureichende
-Menge von Phosphorchlorid an, ao erhält man im Ruckstand
der nachherigen Destillation eine ziemliche Menge von Mono-
athylborat. Ich habe mich aufserdem überzeugt, dafs letzte-
res das Phosphorchlorid in der Kalte auflöst, ohne dadurch
zersetzt zu werden; erst beim Erwärmen findet Einwirkung
statt
Die zwei Phasen, in welchen die vollständige Zer-
setzung der drei-alkoholischen Aether erfolgt, können hier-
nach in folgender Weise aufgefafst werden :
Erste Phase, bei mittlerer Temperatur :
2 BEfO* + 2 PCI» = 2 POCl» -f- 4 EtCl -|- 2 BEtO«.
Zweite Phase, beim Erwärmen :
2BEtO« + PCI» = POCl« + 2 EtCl -|- B«0».
Auch das minder energisch wirkende Antimontrichlorur
liefert kein Aethylchlorhydrin , da die Einwirkung erst bei
einer Temperatur erfolgt, bei welcher eine derartige Ver-
■
bindung nicht mehr bestehen kann. KrystalJisirtes Antimon-
chlorur nimmt unter Triathylborat etwas von letzterem auf
und bildet damit ein schweres gelbes Oel, welches sich unter
dem übrigen Aether als besondere Schicht ablagert. Beim
Erwärmen auf. etwa 100^ findet Mischung beider Schichten
statt und beim Erkalten erfolgt aufs Neue vollständige Tren-
nung. Erhitzt man aber die Lösung einen Tag lang im ge-
schlossenen Rohr auf 150 bis 160", so gesteht das Ganze
beim Erkalten zu einem Brei von Antimonoxychiorür, und
bei der Destillation des Filtrats erhalt man zunächst Chlor-
218 OraftSy über die Aether
ithyi und Aethyloxyd; über 100^ destillirt ni^wngegriBeiieg
Triathylborat über und es bleibt ein RücksUind von Hono-
athylborat, gemengt mit dem nicht zersetzten Antimonchlorür.
Diese Reaction findet ihren Ausdruck in der Gleichung :
2 BEt»a» + ßbCl» = SbaCl + 2 EtCl + Et«^ + 2 BEtO«.
Diese Reaction ist analog derjenigen des Antimonchlor urs
auf den Alkohol. Ersteres lost sich in letzterem leicht aof,
die Lösung wird bei 100^ nicht verändert, aber bei 150^
erfolgt Zersetzung in Oxychlorür, Chlorathyl und Aethyloxyd,
wohl nach der Gleichung :
4 EtHO + SbCl< = 8bOGl + Et^O + 2 EtCl + 2 H<0.
Acetylchlorür und Benzoylchlorür reagiren allmalig schon
bei gewöhnlicher Temperatur auf Triathylborat ein. Bezüg-
lich der Darstellung von Aethylchlorhydrinen der Borsaure
verbleibt mir also noch das eingehendere Studium dieser
Reaction, so wie der bereits früher erwähnten Einwirkung
des Chlorbors auf das Triathylborat.
Schliefslich noch die Notiz, dafs das Aceton selbst bei
150^ nicht durch Borsäureanhydrid zersetzt wird.
Florenz, im Mai 1867.
Ueber die Aether der Säuren des Arsens;
von J. M. Crafls*).
Alles, was man von den Verbindungen der Säuren des
Arsens mit den Alkoholradicalen weifs, beschränkt sich auf
eine sehr kurze Angabe von d'Arcet**) bezüglich einer
•) Compt rend. LXIV, 700.
**) Journal de cbimie m^dicale, Janvier 1836 (Ann. Cham. u. Pbarm.
XIX, 202). Es scheint, dafs nur das Barytsalz dieser Stturo
analysirt wurde, und aus dieser Analyse hat man die Formel
BaO, CisHmO,, AssOft abgeleitet (0 = 100, Ba = 866,9, 0 =
38,25, As = 470,85, H = 6,25), was dem Barytsalz einer Di-
ftthylstture entspricht (Vgl. L. Qmelln^s Handb. d. Ghem., 4. Aufl.,
lY, 770. D. Red.
der Säuren des Arsens. 219
Sinre, welche er Arsenfktoeinsäure nannte und welche sich
bei Behandlunf|[ des Alkohols mit Arsensaare bilde; es ist
auffallend, dafs man niemals diese Lücke in unserer Kennt-
nifs von den Eigenschaften zwei so wichtiger und so gut
untersuchter Säuren^ wie es die Arsensaare und die arsenige
Säure sind, auszufällen suchte.
Ich bin dazu, die Darstellung dieser Verbindungen zu
Tersuchen, im Verfolge einer durch Friede! und mich*)
gemachten Beobachtung gekommen, welche uns ein Mittel
abzugeben schien, nicht nur die Aether der Arsensäure und
der arsenigen Saure, sondern auch die jeder anderen Säure
darzustellen, welche die Kieselsaure aus ihren Verbindungen
zu yerdrangen vermag. Wir hatten nämlich beobachtet, dafs
die wasserfreie Borsaure bei dem Erhitzen derselben mit
Kieselsäureäther die Kieselsäure verdrängt und die Stelle der-
selben einnimmt, so dafs man die theoretisch sich berech-
nende Menge ganz reinen Borsäureäthers erhält; und wir
glaubten, dafs dasselbe Verfahren dazu dienen könne, andere
Aether zu erhalten.
Die Säure, welche am Meisten für die Erzielung eines
guten Resultates versprach, war die Arsensäure, und der
erste Versuch wurde mit derselben angestellt, indem nicht
das normale kieselsaure Aethyl, sondern die Rückstände von
der Bereitung desselben angewendet wurden, nämlich Aether,
welche oberhalb 170® siedeten und einen gröfseren Gehalt
an Kieselsaure besafsen, als der normale Aether. Dieselbe
Reaction wurde mit anderen Säuren und namentlich mit der
arsenigen Säure versucht, aber nur mit der letzteren verlief
äe so, wie wir es als voraussichtlich stattfindend betrachteten.
Wird gut getrocknete Arsensäure mit Kieselsäureäther
in einer zugeschmolzenen Röhre erhitzt, so erfolgt unterhalb
*) Annales de cbim. et de phys. [4] IX, 5 (1866).
^■»
220 Grafts, über die Aether
220^ keine Einwirknng. Steigert man die Temperatur viel
höher, so bilden sich Gase, welche die Röhre explodiren
lassen. Läfst man die Temperatur sich zwischen 220 und
230^ haken, so vollendet sich die Reaction innerhalb 6 Stun*
den und die Röhre ist mit gallertartiger Kieselsäure erföUt.
Bei Eröffnung der Röhre bemerkt man die Entwickelung
einer betrachtlichen Menge eines Gases, welches die Eigen-
schaften des Aethylens besitzt. Wenn man den Inhalt der
Röhre in einem Kolben erhitzt, so geht zuerst, viel gewöhn-
licher Aelher über» und dann bei 150 bis 200^ eine Flässigkeit,
deren Ueberdestilliren von der Entwickelung eines Gases be-
gleitet ist. I>er Destrllationsrückstand besteht aus arseniger
Säure nebst etwas Arsensäure und beigemischter Kieselsäure.
Das flussige Destillationsproduct enthält auch nur sehr wenig
Arsensäure, aber es giebt mit Wasser eine reichliche Aus-
scheidung von arseniger Säure. Obgleich die Flüssigkeit
hauptsächlich aus Arsenigsäureäther zu bestehen scheint, ist
es doch nicht leicht, irgend ein reines Product aus ihr za
isoliren, und ich habe mich darauf beschränkt, zu constatiren,
dafs fast die ganze Menge der Arsensäure unter diesen Um-
ständen reducirt wird.
Da sich nach der eben besprochenen Reaction Arsen-
säureäther nicht erhalten liefs, habe ich versucht; denselben
durch gegenseitige Einwnrkung von arsensaurem Silber und
Aethyljodur darzustellen, und ich habe gefunden, dafs diese
letztere Reaction ganz glatt vor sich geht, und dafs man
jenen Aether leicht ganz rein und fast in der sich theoretisch
berechnenden Menge erhält, wenn man die Vorsicht beachtet,
keinen Ueberschufs von Aethyljodur anzuwenden und die
Temperatur nicht über 120^ zu steigern. Wenn ein Ueber-
schufs von Aethyljodur vorhanden ist, so tritt bei einer Tem-
peratur, welche nur wenig oberhalb der zur Bildung des
der Säuren des Arsens^ 221
Arsensaureäthers nöthigen liegt, Zersetzung ein; Jod wird
frei und Arsenjodur bildet sich.
Zar Darstellung des Arsensaureathers erhitzt man einen
kleinen Ueberschufs von arsensaurem Silber mit Aethyljodür,
welches mit seinem zweifachen Volum rectificirten gewöhn-
lichen Aethers gemischt ist, 20 Stunden lang auf 110^ Man
scheidet den entstandenen Arsensaurefither von dem Jod-
silber durch Ausziehen mittelst Aether, und nachdem man den
Aether vollständig, durch Erhitzen auf lOO^ in einem Strome
von Kohlensaure, verjagt hat, destillirt man unter einem
schwächeren Drucke als der der Atmosphäre ist. Unter einem
Drucke von 6(f^ Quecksilberhöhe destillirt die ganze Menge
des Productes bei 148 bis 153^ ohne Zersetzung. Dieselbe
Flüssigkeit geht bei der Destillation unter gewöhnlichem
Luftdruck bei 235 bis 238^ fiber, aber gegen das Ende der
Destillation findet immer Zersetzung eines kleinen Theiles
des Productes statt und in dem Kolben bleibt ein Rückstand
von Arsensaare.
Nach den Analysen kommt dem Arsensaureather die
Formel As(€sH5)304 zu. Sein specifisches Gewicht ist 1,3264
bei 0® und 1,3161 bei 8,8^. Er mischt sich mit Wasser nach
allen Yerhällnissen zu einer klaren Flüssigkeit, welche sich
gegen Reagentien wie eine Lösung von Arsensäure verhalt.
Ich weifs noch nicht, ob sich unter diesen Umstanden
eine Arsenweinsäure bildet.
Äraenigiäureäüier. — Die arsenige Säure wirkt auf den
Kieselsäureäther bei 220^ ein, indem sie Kieselsäure aus-
scheidet und an die Stelle derselben tritt; man erhält fast
die sich theoretisch berechnende Menge Arsenigsäureäther,
welchen man von der Kieselsäure durch Destillation scheiden
kann. Dieser Aether ist das normale arsenigsaure Aethyl
As(G8H5)s9s. Er siedet ohne Zersetzung bei 166 bis 168^
222 GraftSy über die Aether der Säuren des Arsens,
Seine Dampfdichte wurde bestimmt bei 209,5^ zu 7,615, bei
213« zu 7,608, bei 233<> zu 7,197, bei 267« zu 7,389. Die
Theorie verlangt, für eine Condensation auf 2 Volume, 7,267.
Das specifische Gewicht der Flüssigkeit ist bei 0« = 1,224*
Mit Wasser zersetzt sich dieser Aether augenblicklich unter
Ausscheidung von arseniger Saure.
Der Arsenigsaureather bildet sich auch bei der Ein-
wirkung von arsenigsaurem Silber auf Aethyljodür, und es
ist bemerkenswerth , dafs man durch die Einwirkung des
Aethyljodürs auf das gelbe arsenigsaure Silber, welches 2 At.
Basis enthält, den normalen Aether mit 3 At. Aethyl erhalt.
Die Verbindung des Arsenchlorürs mit Alkohol giebt bei
Behandlung mit Natriumalkoholat nicht den Arsenigsaureather;
und man erhält diesen Aetifbr auch weder durch Erhitzen
der arsenigen Saure mit Alkohol noch durch Erhitzen der-
selben mit einem Gemische von gewöhnlichem Aether und
Essigather.
.Unter den anderen Säuren, deren Aether noch unbekannt
sind, versprachen die Wolframsäure und die antimonige Säure
am Leichtesten auf den Kieselsäureäther einzuwirken; aber
beide ergaben ein negatives Resultat. Die Wolframsäure
wirkt bei 15 stündigem Erhitzen mit Kieselsäureäther auf 200^
nur theilweise ein. Die Wolframsäure wird unter Bildung
von blauem Oxyd reducirt, und es bilden sich zugleich Al-
dehyd und ein gasförmiger Körper. Das Destillat enthält
keine Spur Wolframsäureäther. Die antimonige Säure wirkt
auf den Kieselsäureäther nicht ein, wenn man sie 20 Stunden
lang mit demselben auf 300<) erhitzt. Bei .340^ entwickeln sich
gasförmige Producte, welche die Röhre explodiren lassen.
Ich beabsichtige, noch andere Aether der Arsensäure
und der arsenigen Säure darzustellen, und die Untersuchung
der bereits erhaltenen weiter fortzusetzen.
223
üeber die Constitution des Tannenholzes;
von Dr. JuUus Erdmann.
In meiner Arbeit über die Concretionen in den Birnen
(Ann. Chem. Pharm. CXXXVIII, 1), welche ich im Auszuge der
NaturforscherTersammlung zu Hannover im Jahre 1865 mit-
getheilt, habe ich dargethan, dafs die sogenannte inkrustirende
Materie Payen's^ welche bis dahin als ein Körper von un-
bestimmter Zusammensetzung, eigentlich als Unreinigkeit der
Zellen betrachtet wurde, als eine öestimmte chemische Ver-
bindung anzusehen sei, indem sie, mit Salzsaure behandelt,
Traubenzucker und einen Spaltungsruckstand liefert. Ich
habe schon damals darauf hingewiesen, dafs es die nächste
Aufgabe der Chemie sei, die sogenannte inkrustirende Materie
in einer Reihe Pflanzen zu untersuchen und ihre Verbindungs-
und Spaltungsverhaltnisse zu studiren.
Es schien mir zweckmafsig, zunächst, als Gegensatz zu
den steinharten Zellen der Concretionen, ein weiches Holz
der Untersuchung zu unterwerfen, weil ich hier mit Sicherr
heit darauf rechnen konnte, auf andere Spaltungsverhaltnisse
zu stofsen, und ich wählte dazu das Holz von „Pinus abies^.
Das zur Untersuchung verwandte Tannenholz wurde zu-
nächst fein geraspelt, dann anhaltend mit sehr verdünnter
Essigsäure gekocht, mit heifsem Wasser, Alkohol und Aether
nach einander ausgezogen und bei 100^ C. getrocknet.
Das so zubereitete Holz wurde der Elementaranalyse
unterworfen, und zwar im Luft- und Sauerstoffstrom verbrannt,
und die im Platinschiff zurückbleibende geringe Menge Asche
in Abrechnung ^ebrac&t.
Nach dem Resultate mehrerer Analysen berechnet sich die
Formel GsoHmOsi* deren Begründung ich mir im weiteren
Verlauf der Arbeit vorbehalte, und bezeichne ich diese Ver-
bindung als „Glycolignose^.
224 Erdmami, über die Constitution
9
I. 0,1900 6i-m. Substanz gaben 0,8345 Koblensänre q. 0,1107 Waaser.
II. 0,1885 Grm. gaben 0,8862 Koblensäure u. 0,1065 Wasser.
Theorie Gefunden
I.
IT.
€.0
860
48,52
48,01 •
48,64
H4«
46
6,20
6,47
6,27
^»t
836
742
. 45,28
100,00
45,52
100,00
45,09
100,00
Das gereinigte Tannenholz besitzt eine gelbweifse Farbe.
Es ist unlöslich in allen gewöhnlichen Lösungsmitteln. Durch
Kupferoxydammoniak werden nur Spuren von Cellulose gelöst.
Die Unlöslichkeit in Kupferoxydammoniak ist als ein Argu-
ment zu betrachten, dafs die primitive Cellulose ebenfalls im
Tannenholz wie in den Concretionen mit einem anderen
Körper chemisch verbunden ist^ da freie und reine Zellen-
substanz durch Kupferoxydammoniak gelöst wird.
Kocht man das Tannenholz mit Salzsäure, so tritt eine
Spaltung ein, indem einerseits Traubenzucker entsteht und
andererseits ein unlöslicher Spaltungsrückstand zurückbleibt
Die quantitativen Spaltungen wurden genau so ausgeführt,
wie es in der Arbeit über die Birnenconcretionen angegeben,
und wurde sehr fein geraspeltes, staubfreies Tannenholz zum
Versuch verwandt. Es hinterblieben bei der Behandlung mit
Salzsäure 60 bis 65 pC. Rückstand.
Das mit Salzsäure behandelte Tannenholz besitzt eine
röthlich-gelbe Farbe, welche offenbar von den bei der Spal*
tung auftretenden Nebenproducten herrührt. Es ist unlöslich
in den gewöhnlichen Lösungsmitteln. Durch Kupferoxyd-
ammoniak werden geringe Mengen Cellulose gelöst; die Haupt-
menge ist darin unlösUch. Die Lösung der Sellulose erfolgt
wahrscheinlich unter partieller Zersetzung der Verbindung;
denn das bei der Behandlung mit Kupferoxydammoniak und
nachher mit Wasser, verdünnter Salzsäure und Ammoniak-
wasser gereinigte Holz ist bedeutend dunkler gefärbt
des Tannenholzes. 225
Ans dem Mittel mehrerer Analysen berechnet sich für den
Spaltungsrückstand der Glycolignose (von verschiedenen Spal-
tungen) die Formel ^igH^eOu, und gebe ich dieser Verbin-
dang den Namen '^„Lignose^. Gefunden wurden im Mittel :
51,77 pC. Kohlenstoff und 6,53 pC. Wasserstoff, während die
Rechnung 51,67 pC. Kohlenstoff und 6,22 pC. Wasserstoff
verlangt.
Nach der Berechnung müssen 100 Theile Glycolignose
56,3 pC. Lignose hinterlassen, während, wie schon oben er-
wähnt, die Mengen der Lignose von 60 bis 65 pC. schwankten ;
defshalh wurde zu den Analysen Substanz von solchen Spal-
tungen genommen, die mir als die gelungensten erschienen.
Die bei der Behandlung mit Salzsaure entstandene Lignose
hinterläfst beim Kochen mit verdünnter Salpetersaure Cellulose.
Zar Bestätigung der Molecularformel : . <^^8oH4692i war
es erforderlich,, die Cellulose in der Glycolignose quantitativ
za bestimmen.
Nach der Methode, welche ich zur Bestimmung der Cel-
lulose in der Glycodrupose befolgte, wo mit einer verdünnten
Salpetersäure eine viertelstundige Oxydation vorgenommen
und eben bei der Schnelligkeit der Operation die zurück-*
bleibende Cellulose nur unerheblich angegriffen wurde, er-
hielt ich bei der Glycolignose keine besonders genauen Re-
soitate; es mufs dieses in der lockeren Structur des Holzes
liegen , indem die bei der Oxydation entstehenden Producte
stärker tingiren, als bei den steinharten Concretionen, und
defshalb war die bei der Behandlung mit Salpetersäure zu-
rückbleibende und nachher gereinigte Holzfaser noch inten-
siv gelb gefärbt.
iOO Theile G-lycolignose lieferten mit Balpetersäare bebandelt
46,6 bis 48,4 pC. Cellulose, während nach der Rechnang
43,67 pC. Cellulose restiren mufsten. *
Obgleich das vorstehende Resultat, wie schon erörtert,
keinen Anspruch auf Genauigkeit machen kann, so ist es doch
Annal. d. Chom. u. Pharm. V. Snpplementbd. 8. Heft. 15
226 Erdmann, über die Constitution
als annähernd richtig zu bezeichnen und lafst mit Wahr-
scheinlichkeit auf die Richtigkeit der Formel f^'8oH46^8i
schliefsen.
Da die mit der Gellulose verbunden*bn Substanzen von
der Salpetersaare bedeutend leichter angegriffen werden, als
die Holzfaser selbst, habe ich den Versuch gemacht, mit einer
äufserst verdünnten Säure zu operiren, in der Voraussetzung,
dafs die sehr verdünnte Saure nur die mit d^r Holzfaser
verbundenen Stoffe entfernen möchte und die Gellulose mög-
lichst unverletzt liefse. ^
Ein Volumen Salpetersaure von 1,2 spec. Gewicht wurde
mit 16 Volumen Wasser verdünnt und die bei 100^ getrock-
nete, staubfreie^ feingeraspelte Glycolignose genau eine halbe
Stund lang mit einer genügenden Menge der so verdünnten
Söure gekocht.. Das beim Kochen verdunstende Wasser
mufs von Zeit zu Zeit ersetzt werden, um die Salpetersäure
in derselben Goncentration zu erhalten. Der Oxydations-
rückstand wurde zuerst mit heifsem Wasser, dann mit sehr
verdünnter kochender Ammoniakflüssigkeit, abermals mit
Wasser und schliefslich mit Alkohol ausgewaschen, bei 100^
getrocknet und gewogen. Diese Operation mufs so lange
wiederholt werden, bis der Rückstand durch die Oxydation
mit der verdünnten Salpetersäure nur noch äufaerst toenig
abnimmt.
100 Theile Glycolignose hinterliefsen
nach der ersten Oxydation 93,86 pC. Rückstand
9
9
zweiten
•
67,49
II
1»
n
n
dritten
9
60,96
n
»
«
9
B
vierten
II
58,02
n
II
n
n
fünften
11
52,02
n
II
n
sechsten
n
49,21
n
II
fi
siebenten
II
47,12
9
II
»
achten
»
45,49
»
n
II
neunten
■
II
48,60
»
V
II
sehnten
Be
11
42,60
II
Holsfaser.
rechnet
48,67
pC.
• des Tannenholzes. 227
Es ist aus den vorstehenden Daten zu ersehen, dafs nach
einer sehnmaligen Oxydation das Gewicht der räckständigen
Cellolose noch sehr annähernd mit der Berechnung stimmt.
Indessen ist zu bemerken, dafs der Rückstand bei nochmaliger
Wiederholung des Oxydationsversuches sich noch um etwa
Tier bis sechs Milligramme verringert, und geht daraus her-
*
vor, dafs jetzt die Cellulose nach Entfernung der mit ihr
verbundenen Substanz etwas angegriffen wird, was bei An-
wesenheit derselben nur sehr unbedeutend sein konnte. Wäre
die Cellulose stärker angegriffen^ so würde das Gewicht des
Rückstandes nach fünfstündigem Kochen mit Salpetersäure
entschieden weit geringer sein, als die^ Rechnung verlangt.
Vielleicht wird es in der Folge gelingen, noch eine Me-
thode ausfindig zu machen, nach welcher die mit der Cellu-
lose SU Glycolignose verbundenen Körper vollständig ent-
fernt werden^ ohne die Cellulose zu verletzen. Vorläufig
müssen die Resultate dieser Versuche genügen^ namentlich
in Anbetracht der grofsen Schwierigkeit der zu lösenden
Aufgabe. *
Um über den Atomcomplex näheren Aufschlufs zu er-
ballen, welcher nach dem Austreten der zuckerbildenden
Gruppe noch -mit der Cellulose in Verbindung bleibt ^ hielt
ich es für zweckmäfsig, die Glycolignose mit schmelzendem
Kali zu behandeln, in der Hoffnung, ein Zersetzungsproduct
2Q erbalten, welches als Stützpunkt für die Theorie der Con-
stitution des Tannenholzes dienen konnte.
Zwei Theile Kali wurden in wenig Wasser gelöst und
ein Theil Glycolignose zugefügt, dann eingedampft und bis
fast zum Aufhören der Gasentwickelung geschmolzen. Ein
längeres Erhitzen und eine zu hohe Temperatur ist zu ver-
meiden. Nach dem Erkalten löst man die Schmelze in
Wasser, übersättigt mit Salzsäure und filtrirt. Das Filtrat
mufs so lange mit Aether ausgeschüttelt werden, bis eine
" • 15»
228 ErdmanUy über die Constitution •
neue Portion Aether nur noch wenig Substanz löst. Der
ätherische Auszug hinterl|irst nach dem Abdestilliren des
Aethers einen gelbbraunen Syrup, der stark nach Essigsäure
riecht.
Zunächst verjagt man einen grofsen Theil der Essigsäure
auf dem Dampfbade und läfst erkalten. Nach einiger Zeit
scheiden ' sich Krystalle aus, die man Ton der Mutterlauge
trennt und mit etwas Wasser auswascht.
Der sich ausscheidende Körper, mit dessen Untersuchung
ich noch beschäftigt bin, zeigt in seinen Reactionen grofse
Uebereinstimmung mit dem Brenzcatechin und der Protoca-
techusäure, und steht jedenfalls in naher Beziehung zum
Brenzcatechin.
Die von den Krystallen abgegossene Mutterlauge wurde
bei etwa 60 bis 70*^ C. concentrirt und aus einer Retorte im
Oelbade unter fortwährendem Durchleiten eines Kohlensäure-
stromes destillirt. Bevor die Substanz in der Retorte trocken
wurde, gingen mit den Wasserdampfen Brenzcatechin und
Essigsäure über.
Sobald der Retorteninhalt wasserfrei erschien, erhitzte
ich das Oelbad von 150 bis 200^ C. Im Halse der Retorte
setzten sich bald schön ausgebildete Krystalle von Bernstein-
säure an und' es ging ein ölförmiges Destillat über, worin
neben Bernsteinsäure wieder Brenzcatechin vorhanden war.
Es scheint, als ob das Brenzcatechin, welches mit der
Bernsteinsäure überging, zum Theil aus Brenzcatechin nahe-
stehenden Körpern unter Kohlensäureentwickelung entstanden
ist; denn die geschmolzene Masse in der Retorte blähete sich
unter Gasentwickelung stark auf. Demnach hätten wir pra*
formirtes Brenzcatechin in Lösung gehabt, welches mit den
Wasserdämpfen überging, und aufserdem Substanzen, welche
in höherer Temperatur Brenzcatechin lieferten.
des Tannenholzes, 229
Das Brenzcatechin kann man von der Bernsteinsäore
durch Destillation trennen, indem das erstere mit den Wasser-
dampfen übergeht, wenn die Lösung nicht zu vendünnt ist.
Die Bernsteinsaure wurde durch mehrfaches Umkrystallisiren
gereinigt und war in der Mutterlauge derselben immer noch
Brenzcatechin zu finden. Die letzten Spuren Brenzcatechin
lassen sich von der Bernsteinsaure durch Auswaschen der
Krystalle mit Aether entfernen. Der Schmelzpunkt der so
gereinigten Säure wurde bei 180^ C. gefunden, in Ueberein-
Stimmung mit den Angaben der Lehrbücher.
Das Auftreten der Bernsteinsaure bei der Behandlung
der Glycolignose mit schmelzendem Kali ist in der Weise zu
erklären, dafs^ die Bernsteinsaure aus s der zuckerbildenden
Gruppe des Holzes entsteht; denn es ist von Hlasiwetz
schon früher beobachtet, dafs Zucker mit schmelzendem Kali
behandelt Bernsteihsäure liefert.
Im Yerhaltnifs zu der in Arbeit genommenen Glycolig-
nose resultiren nur sehr geringe Mengen Brenzcatechin, was
bei der tief eingreifenden Zersetzung des schmelzenden Kali's
und bei der Neigung des Brenzcatechins, sich mit Alkalien
zu verändern, nicht zu verwundern ist.
Die Lignose mit Kali geschmolzen lieferte ebenfalls
Brenzcatechin-Körper. Femer behandalte ich die Glycodru-
pose mit schmelzendem Kali und «erhielt dasselbe Resultat,
indem wiederum Brenzcatechin-Körper entstanden.
Bei der Behandlung vöUig reiner Cellulose mit schmel-
ffendem Kali, wie man s^ durch wiederholte|; Auskochen
des Tannenholzes mit Salpetersäure erhält, entstehen keine
Brenzcatechin-Körper. In Beziehung auf die Reinigung der
Cellulose ist zu erwähnen^ dafs nach dem jedesmaligen Kochen
mit Salpetersäure der Rückstand mit verdünntem Ammoniak
und heifsem Wasser ausgewaschen werden mufs. Die Cel-
lulose prüft man am Besten auf ihre Reinheit, indem man sie
230 Erdmann, über die Constitution
anhaltend mit Salpetersäure kocht, wobei die Saure vollstän-
dig ungefärbt bleiben mufs.
Aus «den Resultaten der vorliegenden Arbeit ist über
die Constitution des Tannenholzes, der Concretionen und mit
gröfster Wahrscheinlichkeit aller in Kupferoxydammoniak
unlöslicher Holzfaserverbindungen folgender Schlufs zu ziehen.
Wir haben in den Celluloseverbindungen zunächst eine
zuckerhildende Gruppe^ welche durch die Spaltung mit Salz-
säure austritt; ferner eine aromatische Gruppe ^ welche mit
der Cellttlose nach der Behandlung mit Salzsäure noch ver-
bunden ist, und schliefslich die Gruppe der primitiven Cellu--
lose.
Bei der Annahme dieser drei Gruppen* im Holzkörper
können wir uns die Entstehung der Destillationsproducte des
Holzes hinreichend erklären; ich will nur auf die Entstehung
der Verbindungen hinweisen, die der aromatischen Gruppe
angehören, wie Benzol und seine Homologe und Phenylal-
kohol.
^ ^Die Constitution des Tannenholzes ist aus folgender Zu-
sammenstellung ersichtlich :
Brenzcateohin == 6« H« ^^
2 Moleoale Cellolose = GisH^Oio
CiaH^O,, — O = „Lignoao*
Lignose.
Lignose = G,eHMOit ,
2 Molecule Qlycose = Gj^H^Ois • *
— 2 H,^ = H4 O,
^aoHie^si = »Glycolignoae'*.
€aoH46Öti + 2 H,0 = 2 €flH„Oe + disEje^n.
Qljcolignose. Lignose.
Die Zusammensetzung der Glycodrupose gestaltet sich
demnach wie folgt :
des Tannenholzes. 231
BrenBoateohin = G^ H« O«
1 Molecul Cellulose = €« H«„o'
0ijHi^O^7
2 H,0 = H4O,
^i«H«o^» — ^ = »Drupese*.
€i«H,oOe + O = «eHioOfi + 2 H,0 + GeHeOfe.
Drapose.
Orupose = Gi^B^Q^
2 Molecule Glycose = Gi,Hs40|s
— 4 H,^ = He O4
6s4H,aOie = «GlycodrapoBe**.
^u^u^iB + 4 H,0 = 2 GeH„Oe + G^H^O,.
Glycodrupose. Dmpose.
Durch die Kenntnifs von der ?usaininensetzungr der Gly-
colignose und Glycodrupose gelangen wir zur Lösung einer
höchirt wichtigen Frage, welche vor etwa einem Decennium
von der medicinischen Facultät zu Göttingen gestellt wurde :
jf Woraus entsteht die Bippursäure ^ welche im Harn der
Herbrvoren enthalten ütf^
Diese Frage wurde von Weis mann dahin beantwortet,
dafs der Ursprung der Hippursaure in der sogenannten in-
krustirenden Substanz der Pflanzennahrung zu suchen sei.
hl neuerer Zeit ist diese Untersuchung durch Heifsner
und Shepard wiederaufgenommen, und haben sie das un-
zweifelhafte Resultat erhalten, dafs der Ursprung der Hippur-
saure in der Cuticularsubstanz der Pflanzen zu finden, also
in einer Substanz, welche wie die Glycolignose die Cellulose
in Verbinduig enthält.
Da nun die Constitution der Cuticularsubstanz nicht be-
kannt war, so war es auch nicht möglich, das gewonnene
Resultat weiter zu benutzen.
E0 scheint mir jatzt ungweifelhaß, dafs die Hippursaure
ihren Ursprung aus der aromcUischen Gruppe der Cuticular-
232 Erdmann, über die Constitution des Tannenhohes.
Substanz nimmt und sich diese Gruppe im Organismus zu-
nächst in Benzoesäure verwandelt, welche sich dann weiter
mit dem stickstoffhaltigen Paarling zu Hippursäure vereinigt.
Zum Nachweis der aromatischen Gruppe in den Halmen
*
der Gramineen wurde die Rohfaser von Heu und Stroh, nach-
dem sie vorher mit verdünnter Essigsäure, Wasser, Alkohol
und Aether anhaltend ausgezogen, mit schmelzendem Kali
behandelt, und würde das Entstehen der Brenzcatechin-Körper
sowohl beim Heu als auch beim Stroh nachgewiesen.
Während ich dieses schreibe, erhalte ich von Dr. F. A.
Flückiger aus Bern eine Abhandlung über die Chinarinden.
F lückiger hat die Baströhren der Chinarinde mit Salzsäure
gekocht und als Spaltun^product Traubenzucker erhalten;
ferner bestimmte er den Cellulosegehalt in den Baströhren
zu 52,5 pC. durch einmalige Oxydation mit Salpetersäure.
Ich mufs es vorläufig noch unentschieden lassen, ob die Bast-
röhren aus „Glycolignose" oder aus einer Verbindung : „Gly-
colignose -f- Cellulose** bestehen. Obgleich die Glycolignose
nur 43,67 pC. Cellulose enthält, also nahezu 9 pC. weniger
als Flückiger gefunden, so glaube ich dennoch, dafs die
Baströhren aus Glycolignose bestehen und die Entfernung
der zu oxydirenden Substanzen keine vollständige war. Bei
der Bestimmung der Holzfaser in der Glycolignose wurde
nach einmaliger Oxydation ebenfalls keine völlig reine Cel-
lulose erhalten.
Es ist jedenfalls rathsam, die zurückbleibende Cellulose
mit Salpetersäure, wie oben angegeben, auf ihr^ Reinheit zu
prüfen.
Hannover, im April 1867.
233
üeber die bromhaltigen Derivate der Gallus-
säure ;
von E. Gritnaux*).
Setzt man Brom in kleinen Portionen zu Gallussäure^ unter
Zerreiben der Masse nach jedem Zusatz um die Mischung
zu begünstigen, so beobachtet man lebhafte Einwirkung; das
Gemische entfärbt sich rasch, wahrend zugleich reichliche
Dampfß von Bromwasserstoffsaure sich entwickeln. Je nach
der angewendeten Menge Brom erhalt man die einfach- oder*
die zweifach-gebromte Gallussäure. •
Zur Darstellung der einfach-gebromten Gallussäure nimmt
man 1 Mol. Brom auf 1 Mol. Gallussäure (ungefähr gleiche
Gewichte). Das Einwirkungsproduct -wird in seinem 5- bis
6 fachen Gewichte siedenden Wassers gelöst und die filtrirte
Lösung der freiwilligen Verdampfung in trockener Luft, über
Schwefelsäure, überlassen. Nach 1 bis 2 Tagen scheiden
sich kleine hexagonale Tafeln von einfach-gebromter Gallus-
säure aus; später krystallisiren aus der Lösung farblose glän-
zende Blätter von zweifach-gebromter Gallussäure.
Die einfach-gebromte Gallussäure,
krystallisirt bei dem freiwilligen Verdunsten der wässerigen
Lösung in kleinen, glänzenden, durchsichtigen, gelben hexa-
gonalen Tafeln, welche bei lOO^ weifs und undurchsichtig
werden. Aus der siedenden concentrirten Lösung scheidet
sie sich in feinen farblosen Nadeln aus. Sie ist leicht löslich
in siedendem, wenig löslich in kaltem Wasser, löslich in Al-
kohol und inAether. Sie verändert sich erst oberhalb 200^;
•) Compt. rend. LXIV, 976.
»«) C =r 12j O = 16; H = 1.
234 Orimauxj über die bromhaltigen Derivate
sie schmilzt, färbt sich, und zersetzt sich dann anter Aos-
stofsnng Yon Bromwasserstoffsäuredämpfen und unter Hinter-
lassung eines Ruckstandes yon Kohle. Sie oxydirt sich leicht
an der Luft bei Gegenwart von Alkalien. Mit Kalkwasser
und mit Barytwasser giebt sie eine rosenrothe, dann grün-
liche, dann orangegelbe Färbung; mit Ammoniak und mit
Kali wird sie orangegelb ; mit Eisenchlorid wird sie schwarz.
— Durch zweimaliges Umkrystallisiren aus Wasser gereinigt
und bei 100<^ getrocknet ergab sie bei der Analyse die fol-
genden Zahlen :
GeftiDd^n
Berechnet
Kohlenstoff .
88,47
38,74
Wasserstoff
2,86
2,00
Brom
—
82,18
Sauerstoff
•
—
82,18
100,00.
Die zweifach-gebromte Gallussäure,
erhält man zugleich mit der yorstehend besprochenen Säure ;
aber man stellt sie leichter in der Art dar, dafs man die
Gallussäure mit einem Ueberschuss yon Brom zusammenreibt.
Nach der Constitutionsformel der Gallussäure kann es kein
dreifach -gebromtes Deriyat derselben geben; auch erhält
man nur die zweifach-gebromte Säure, in welchem Ueber-
schusse man auch das Brom anwenden möge. — Man reibt
die Gallussäure mit ihrem 2- bis 3 fachen Gewicht an Brom
zusammen, und behandelt das Einwirkungsproduct mit seinem
3 fachen Gewicht an kochendem Wasser; die Lösung giebt
bei dem Erkalten die zweifach-gebromte Gallussäure in reinem
Zustande. — Dieser Körper krystallisirt in langen Nadeln
oder in prismatischen Blättern, welche zerbrechlich, glänzend,
farblos, manchmal etwas gelblich gefärbt sind. Bei 100<> ge-
trocknet färbt er sich etwas; er hält 1 Mol. Wasser zuröck.
der OalltMsäure, 235
• »
welches er auch bei 120^ noch nicht verliert Er wird dann
undurchsichtig und gefärbt. Bei 140® beginnt er zu schmelzen
und sich zu zersetzen. Auch giebt das zwischen 135 und
140® getrocknete Product den Kohlenstoffgehalt bei der Ana-
lyse etwas üligrofs^ in Folge beginnender Zersetzung. Ober^
halb 200®. entwickelt sich eine grofse Menge Bromwasser-
sloffsiure und es bleibt ein Bäckstand von Kohle. — Die
Analysen ergaben I u. 11 für ein bei 100®, IH für ein bei
120® getrocknetes Präparat eine der Formel C7H4Br205,H20
entsprechende Zusammensetzung :
•
Geftuiden
•
Berechnet
I
II
m
•
Kohlenstoff
23,86
28,77
28,90
24,27
Wasserstoff
1,»9
1,80
i,82
1,73
Brom
—
—
—
46.24
Sauerstoff
—
—
—
27,76
100,00.
Die Zusammensetzung des bei 135® getrockneten Prä-
parates entsprach der Formel C7H4Brg06 :
Gefunden Berechnet
Kohlenstoff 26,19 26,61
Wasserstoff 1,84 1,22
Brom — 48,79
Sauerstoff — 24,38
100,00.
Die zweifach-gebromte Gallussäure ist löslich in sieden-
dem Wasser, wenig löslich in kaltem Wasser; sie löst sich
in Aether und in Alkohol. Sie Yarbt sich bei Anwesenheit
Yon Alkalien an der Luft sehr rasch. — Einige Tropfen Kalk-
oder Barytwasser färben sie lebhaft rosenroth; dann wird
auf Zusatz einer neuen Menge des Beagens die Lösung hell-
grün. Diese Lösung färbt sich an der Luft rasch dunkeler
und nimmt eine sehr reiche rothe Farbe an. — Setzt man
die ätherische Lösung der Säure zu Barytwasser, so wi*^
236 Than^ über das Kohlenoxysulfid.
das Gemische schön indigoblau; die Färbung geht auf Zusatz
von Wasser in Roth über. — Ammoniak, Kali und Natron
färben die Säure orangegelb; die Färbung wird in verdünnten
Lösungen rosenroth. — Auf Zusatz von Eisenchlorid zeigt
sich schwarzblaue Färbung.
Ueber das Kohlenoxysulfid;
von Carl Than *).
Diese neue gasartige Verbindung, von deren Eigenschaften
ich hier, eine vorläufige Anzeige mache, besteht aus einem
Atom Kohlenstoff, aus einem Atom Sauerstoff und aus einem
Atom Schwefel. Die Zusammensetzung wird daher durch die
Formel COS ausgedruckt. Dem chemischen Character nach
kann sie als das Sulfid des zweiwerthigen Radicals Kohlen-
oxyd betrachtet werden, daher nannte ich dieselbe Kohlen-
oxysulfid. Auf Grund der vierwerthigen Natur des Kohlen-
stoffatomes vermuthete ich schon vor langer Zeit die Existenz
dieser Verbindung, um so mehr, da das fragliche Gas der
chemischen Zusammensetzung nach das Mittel zwischen Koh-
lensäure und Schwefelkohlenstoff darstellt, die schon lange
bekannt sind. Sie kann als Kohlensäure angesehen werden,
in welcher ein Atom Sauerstoff durch Schwefel ersetzt ist.
Die erste Methode, nach welcher ich das Gas nach vie-
len vergeblichen Versuchen darstellen konnte, bestand darin,
dafs ich Kohlenoxyd mit überschüssigem Schwefeldampf durch
eine schwach glühende Porcellanröhre leitete. Bei diesem
Verfahren bildet sich zwar durch directe Vereinigung der
beiden Körper nach der Gleichung CO -f- S = COS eine nicht
*) Vorgetragen in der ditzung der math.-naturw. Classe der ungari-
schen Academie zu Pest am 8. Juli 1867.
Than^ über das Kohlenoxysulfid. 237
anerhebliche Menge der neuen Verbindung, allein immer mit
viel Kohlenoxyd gemengt, von welchem sie nicht getrennt
werden konnte. In dem Verlaufe dieser Untersuchung stellte
es sich heraus, dafs die neue Verbindung beim anhaltenden
Glühen umgekehrt in Kohlenoxyd und Schwefel zerlegt wird.
Aus dieser Eigenschaft ist es erklärlich, wefshalb das Gas
nach diesem Verfahren in reinem Zustande nicht erhalten
werden kann. Die Methode, nach welcher mir endlich gelang
das Gas in reinem Zustande darzustellen, beruht auf folgenden
theoretischen Betrachtungen. Es ist bekannt, dafs Cyansaure*
bydrat durch die Aufnahme der Elemente des Wassers bei
Gegenwart verdünnter Sauren in Kohlensäure und Ammoniak
verwandelt wird. Diese Metamorphose kann am einfachsten
aufgefafst werden, wenn man das Cyansäurehydrat als Imid
der Kohlensäure (CO)^'HN betrachtet. In diesem Falle kann
man sich denken, dafs bei der Zersetzung in der Cyansäure
Kohlenoxyd durch 2 Atome Wasserstoff ersetzt wird und
umgekehrt, wodurch Ammoniak und Kohlensäure gebildet
werden, nach der Gleichung
(CO)"HN + H,0 = H,N + CO,.
Ist diese Auffassung richtig, so müfste in analoger Weise
aus Sulfocyanwasserstoff bei der Einwirkung verdünnter Säu-
ren Ammoniak und Kohlenoxysulfid gebildet werden :
(CSy'HN + H,0 = HaN + CSO.
Der Versuch hat diese Voraussetzung glänzend bestätigt,
indem bei der Einwirkung von nicht zu sehr verdünnter
Schwefelsäure auf Schwefelcyankalium wirklich die fragliche
Verbindung entsteht. Bei diesem Vorgang wird aber nament-
lich beim Erwärmen, wie bereits bekannt, ein bedeutender
Theil des Schwefelcyanwasserstoffs in Ueberschwefelcyan-
wasserstoff zerlegt. Ob man diese Zersetzung durch geeignete
Bedingungen verhindern, oder ob man aus Ueberschwefelcyan-
Wasserstoff das fragliche Gas ebenfalls abscheiden könne,
werde ich durch spätere Versuche zu entscheiden suchen.
238 Tharij über das Kohlenoxysulßä.
Zur Darstellung «des Gases trägt man in ein erkaltetes
Gemisch aus 5 Vol. concentr. Schwefelsäure und 4 Vol. Wasser
so viel gepulvertes Schwefelcyankalium ein, dafs die Masse
flüssig bleibt. Die Entwickelung des Gases stellt sich von
selbst ein; sollte diese zu stärmisch sein, so kohlt man den
Kolben mit kaltem VFasser ab ; sollte dagegen später die Ent*
Wickelung nachhissen, so braucht man nur den Kolben mit
einer Gaslampe auf einige Augenblicke zu berühren und zeit-
weise tüchtig zu schütteln. Auf diese Art läfst sich ein con-
stanter und ruhiger Gasstrom erhalten. Da das Gas aufser-
dem eine Spur von Blausäure (wahrscheinlich auch Ameisen-
säure), Wasserdampf und Schwefelkohlenstoff enthält, mufs
man es durch drei U förmige Röhren leiten, von welchen die
erste mit feuchtem Quecksilberoxyd eingeriebene Baumwolle,
die zweite in möglichst kleine Splitter zerschnittenes Caout-
chouk, die dritte Chlorcalcium enthält. Das Ouecksilberoxyd
absorbirt die Säuren, das nicht vulkanisirte Caoutchouk den
Schwefelkohlenstoff so vollständige dafs ich letzteres zu diesem
Zwecke in allen ähnlichen Fällen bestens empfehlen kann.
Das so gereinigte Gas wird über Quecksilber gesammelt,
bt das Gas und das Quecksilber trocken, so üben sie auch
nach mehreren Tagen keinen Einflufs auf einander aus. Das.
feuchte Gas bewirkt aber, dafs nach einigen Stunden die
Oberfläche des Quecksilbers mit einer dünnen Schichte von
Schwefelquecksilber bedeckt wird.
Das so dargestellte .Gas hat einen der Kohlensäure nicht
unähnlichen Geruch, der zugleich aromatisch an Harze and
gewissermafsen an Schwefelwasserstoff erinnert, aber nicht
unangenehm ist. Am Meisten erinnert dieser Geruch an den
der kohlensäurereichen Schwefelwasser^ welchen man z. B.
an der neuentdeckten Harkänyer und der Paräder Quelle wahr-
nimmt Dieser aromatische Geruch ist aber nur an der Quelle
unmittelbar nach der Schöpfung des Wassers bemerkbar, und
I
Than^ über das Kohlenoxysulfid, 239
ist mit dem Oblen Geruch, welchen die genannten Wasser
einige Standen nach dem Schöpfen entwickeln, nicht zu ver-
wechseln. Dieser letztere Geruch ist nämlich entschieden
der des Schwefelwasserstoffs. Wasser absorbirt vom Gase
etwa das gleiche Volumen und nimmt dadurch den eigen-
thümlichen Geruch an. Der Geschmack der gesittigten Löspng
ist entschieden süfs; unmittelbar darauf stellt sich aber ein
prickelnder eigenthümlicher Schwefelgeschmack ein, der zu-
gleich an Schwefelwasserstoff und schweflige Säure erinftert.
Nach einigen Stunden nimmt die wässerige Lösung in Folge
der Einwirkung des Wassers starken Schwefelwasserstoffge-
mch an, gerade so wie das Harkänyer und Paräder Wasser.
Die Dichte des Gases ist doppelt so grofs (2,1046) als
die der Luft, und es kann deshalb aus einem Gefäfse in ein
anderes wie eine Flüssigkeit übergeschüttet werden. Neutraler
Lackmusauszug wird von dem Gas sehr schwach, so zu sagen
nur veilchenroth gefärbt. Es hat eine schwächere saure
Reaclion als Kohlensäure.
Angezündet verbrennt das Gas mit schön blauer, nicht
stark leuchtender Flamme zu Kohlensäure und schwefliger
Säure. Die Entzündlichkeit ist ungemein grofs, indem es nicht
blofs durch Flammen, sondern auch durch einen noch kaum
glimmenden Hoizspahn augenblicklich entzündet wird. Neigt
man das Gefäfs nach der Anzündung mit der Oeffnung ab-
wärts, so fliefst das Gas aus und verbrennt vollständig. Ist
die Oeffnung des Gefäfses nach Oben gerichtet und taucht
man. dann eine brennende Wachskerze in das Gas, so ent-
zündet sich dasselbe, während die Kerze ausgelöscht wird;
diese wird beim Herausziehen durch die brennende Gas-
schichte abermals angezündet, wie bei dem analogen Versuch
mit Wasserstoff. D^ unvollständigen Verbrennung wegen
scheidet sich bei diesem Versuch ein Theil des Schwefels
als gelber Anflug an die Gefä&wände ab. Läfst man das
240 Tharij iUer das Kohlenoxymlfid.
getrocknete Gas aus einer Röhre ausströmen und zündet an,
so brennt es continuirlich fort. Hält man über die so er-
zeugte Flamme ein trockenes Becberglas, so bildet sich nicht
die geringste Spur eines Wasserbeschlages.
Hit IV2 Vol. Sauerstoff gemischt entsteht ein Knallgas,
das angezündet mit scharfem Knall und blaulich-weifser blen-
dender Flamme explodirt. Hit sieben Volumen Luft brennt
das Gas ruhig ohne Explosion ab.
* Kaliumhydrat, sowie alkalische Uetallhydrate überhaupt
absorbiren das Gas etwas langsamer, aber elien so vollständig,
wie die Kohlensäure. Die Lösung ist ganz geruchlos und
entwickelt mit verdünnten Säuren viel Schwefelwasserstoff
und Kohlensäure, wonach es wahrscheinlich erscheint, dafs
das Gajs bei jener Absorption nach folgender Gleichung zer-
legt wird :
cos + 4 KHO = K^COs .+ K,S + 2 HjO.
Die Kalilösung giebt mit ammoniakalischer Siiberlösung
•
einen reichlichen schwarzen Niederschlag. Die hiervon ab-
filtrirte Flüssigkeit enthält keine Spur von Chlor oder Cyan.
Dasselbe Resultat stellte sich bei der Prüfung der alkalischen
Lösung auf Cyan mit Eisenoxyduloxydlösung heraus. Con-
centrirte Sodalösung absorbirt das Gas ebenfalls^ aber viel
langsamer. In Baryt- und Kalkwasser erzeugt das Gas so-
gleich einen Niederschlag von Kohlensäuresalzen, während
in der Flüssigkeit alkalische Schwefelmetalle gelöst bleiben«
Basisch- essigsaures Blei giebt Anfangs einen weifsen Nieder-
schlag, der sehr bald graubraun wird. Neutrale oder sgure
Lösungen . der Blei-, Silber- und Kupfersalze werden von
dem Gas gar nicht verändert.
Chlorgas, sowie rauchende Salpetersäure üben bei ge-
wöhnlicher Temperatur auf das Gas keine Einwirkung aus.
Mit 2 bis 3 Volumen Stickoxyd gemischt giebt das Gas kein
explosives Gemenge. Leitet man das trockene Gas durch
Than^ über das Kohlenoxysülfid, 241
eine Kugelröhre, in welcher man Quecksilber erhitzt, so be-
merkt man, dafs bis zum Siedepunkte des Quecksilbers keine
Veränderung vor sich geht. Wenn man aber das Queck-
silber längere Zeit im Gase kocht, so bildet sich ein sehr
unbedeutender Anflug von Schwefelquecksilber. Bei gleicher
Behandlung von Natrium bildet sich an der Oberflache schon
bei gewöhnlicher Temperatur eine weifse Kruste, die beim
Erhitzen leicht schmilzt und dunkel wird. Zum schwachen
Rothglühen erhitzt, entzündet sich das Natrium und brennt
dann explosionsartig mit blendendem Lichte zu einer schwarzen,
leicht schmelzbaren Masse. Diese Masse besteht aus Kohle,
Scbwefelnatrium und kohlensaurem Natrium. Sie enthalt aber
keine Spur von Cyannatrium, woraus folgt, dafs das Gas nicht
stickstofliialtig ist. Fein zertheiltes Kupfer, Silber und Eisen
zerlegen beim Erhitzen das Gas ebenfalls in der Weise, dafs
kein freier Schwefel abgeschieden wird.
Merkwürdig ist die Einwirkung des Gases auf Diäthyl-
Quecksilber Hg^^(C^H5)2, wenn man letzteres in einem Kolben
schwach erhitzt und zugleich das Gas hindurchleitet. Bei
gewöhnlicher Temperatur zeigt sich gar keine Veränderung.
In der Nähe des Siedepunktes stellt sich dagegen eine ex-
plosionsartige Wirkung ein, in Folge deren merkwürdiger-
weise sich rein metallisches Quecksilber ausscheidet, ohne
dars sich auch nur Spuren von Schwefelquecksilber bildeten.
Gleichzeitig entsteht eine gelblich gefärbte Flüssigkeit, die
stark zwiebelartig, riecht Diese Flüssigkeit ist wahrschein-
lich thiopropionsanres Aethyl, was aber noch durch spätere
Versuche zu beweisen ist.
Das Gas zerlegt sich theilweise schon beim schwachen
Rothglühen in Schwefel und Kohlenoxyd. Diese Zerlegung
beobachtet man sehr gut beim Einschmelzen des Gases in
Glasröhren, wobei sich an der Löthstelle Schwefel in Gestalt
eines reichlichen gelben Rauches ausscheidet, und sich als
AumI. d. Ohem. o. Pharm. V. Bopplementbd. S. Heft. \^
242 ThaUf über das Kohknoxysulfid.
ein Anflug von Schwefelblairien an die kälteren Stellen der
Röhre anlegt. Sehr auffallend ist diese Zerlegung bei dem
folgenden Versuch, der zugleich eine quantitative Bedeutung
hat, und ein sehr hubscher Yorlesungsversuch ist. In einer
U förmigen Glasröhre, von Vs" Durchmesser, deren oben ge-
schlossener Schenkel mit einem feinen, in die Glaswände ein-
geschmolzenen Platindraht versehen ist, wird das Gas über
Quecksilber aufgefangen, und mit Caoutchoucringen der Stand
des Quecksilbers in den beiden Schenkeln bezeichnet*).
Dann wird der eingeschmolzene Platindraht mit Hülfe von
zwei B u n s e n 'sehen Elementen in lebhaftes Glühen versetzt.
Damit die Glasröhre durch die starke Erhitzung nicht springe,
ist es rathsam, das Glühen oft zu unterbrechen und auf ein-
mal nicht lange anhalten zu lassen. Um den glühenden Draht
wird das Gas zerlegt. Schwere und dichte Wolken von
gelbem Schwefelrauch fallen in die Röhre nieder, so lange
bis das Gas zerlegt worden ist. Die vollständige Zerlegung
erfordert oft wiederholtes Glühen. Nach dem Erkalten be-
sitzt das rückständige Gas das ursprüngliche Volumen.
Dieses Gas ist geruchlos, trübt Barytwasser nicht, verbrennt
mit blauer Flamme und trübt nach der Verbrennung Baryt-
wasser sehr stark. Diese Eigenschaften zeigen, dafs das
rückständige Gas Kohlenoxyd ist. Aus diesen Daten ergiebt
sich die Zusammensetzung des Gases wie folgt :
Mllllffrm.
1 Yolam (22,33 CC.) Kohlenozysnlfid wiegt 60
1 Volum (22,38 CC.) Kohlenoxyd wiegt ..'..... 28
Die Gewichtdiff. ergiebt das Gew. des im Gase enth. Schwefels . 82
Da 28 Koblenoxyd 12 Kohlenstoff und 16 Sauerstoff
enthalten, so ist im Kohlenoxysulfid enthalten:
*) A. W. Hof mann, Einl. in die moderne Chemie, 2. Aafl. S. 44.
Tkany über das Kohlenoxyaulfid, 243
0 12
0 16
S 82
Summa 60.
Diese Zahlen sind aber gerade die Atomgewichte der be-
treffenden Bestandtheile, die Formel der Verbindung ist
daher COS.
Die Dichte des Gases ist nach der Methode Ton B u n s e n *)
zweimal bestimmt worden. Das Gas I war noch nicht ganz
rein, da es nach einem Verfahren dargestellt worden ist,
bei welchem die mit Caoutchouc gefüllte U förmige Röhre
noch nicht angewendet wurde, daher das Gas schwefeikohlen-
stoffhaltig und die Dichtigkeit desselben gröfser erschien^ als
die Tom reinen Gase U. Die Dichte des Schwefelkohlen*
Stoffdampfes (2,6) ist nämlich beträchtlich gröfser, als die
des Kohlenoxysulfids (2,08). Die bei den beiden Gasen
beobachteten Versuchsdaten waren die folgenden :
I II
Du beobacht. Volam desi^aseB V^ = 232,82 CC. 282,82 CC.
Batometeratand sn derselb. Zeit P = 0,7611 M. 0,7533 M.
Möbe der QuecksilberBAule im
Kolben ....... p = 0,0281 M. 0,0441 M.
Temperatur de« Gases . . . t = 22^7 C. 22^9 C.
Das Gewicht des mit dem Gas
gefällten Kolbens . . . . G » 45,8390 Grm. 47,1000 Grm.
Das Gewicht des mit Luft ge*
fOllten Kolbens . . . . G^ = 45,0495 Grm. 46,8305 Grm.
Barometerstand za derselben Zeit P| = 0,7612 M. 0,7564 M.
Temperatur der Luft eu der-
selben Zeit ti = 24^5 C. 28^6 C.
Ans diesen Daten berechnet sich
die Dichte 8 = 2,1152 2,1046
Diese Dichten mit 28,88 multipli-
cirt geben die Molecnlarge-
wichte M = 60,92 60,61
*) Qasometr. Methoden, 8. 124.
16*
244 Than, über die Koklenoxymlfid.
Nach diesen und den analytischen Resultaten unterlieget
es keinem Zweifel, dafs das wirkliche Holeculargewicht des
Gases = 60 ist. Hieraus lafst sich die theoretische Dichte
berechnen, welche mit der gefundenen verglichen folgende
Ergebnisse darstellt :
60 : 28,88
gefundene Dicbte theoretische Dichte Differenz
Gas I 2,1162 2,0638 + 0,0819
Gm II 2,1046 20,888 + 0,0218
Aus diesen Zahlen ist ersichtlich, dafs die gefundene
Dichte mit der theoretischen namentlich bei dem reineren
Gas 11^ innerhalb der Grenzen der bei ahnlichen Beobach-
tungen stattfindenen Abweichungen, sehr gut übereinstimmt.
Hiernach ist die Molecularformel des Kohlenoxysulfids COS
= 60.
Zur Bestätigung dieser chemischen Zusammensetzung
des Gases wurden zwei gasometrische Analysen nach der
Bunsen'schen Methode ausgeführt. Die Gase rühren von
zwei verschiedenen Darstellungen her und wurden wie oben
erwähnt gereinigt Die Resultate sind folgende :
1. Analyse. (Ohne Knallgas.)
V T« P Vo
Angewandtes Gas (getrocknet) .... 85,1 2I<^,8 0,2878 18,82
Nach Zusatz Ton Sauerstoff (getrocknet) 866,1 2l<^,8 0,5068 167,00
Nach der Explosion 842,2 22^,0 0,4924 157,00
Gefunden Berechnet
Angewandtes Gas 18,82 19,21
Contraction . . 10,00 9,66
2. Analyse. (Mit Knallgas.)
V To P Vö
Angewandtes Gas (getrocknet) .... 93,5 23<>,3 0,2576 22,21
Nach Zusatz Ton Bauerstoff (getrocknet) 479,8 28^4 0,6366 281,1
Nach der Explosion mit Knallg. (getrockn.) 469,9 24<^,8 0,627 1 270,7
Than, über das Kohlenoxysulfid. 245
GeftindeB Berechset
Angewandtes Gas 22,21 21,74
Contraotion . . 10,40 10,87
Die Bestimmung der verbrauchten SauerstoflTmenge war für
die Berechnung der Analysen nicht brauchbar, da bei der
Explosion sich immer sichtbare Mengen von Schwefel aus-
geschieden haben, wodurch die verbrauchte Sauerstoffmenge
noth wendigerweise kleiner sein mufste, als die berechnete.
Dieser Umstand hatte dagegen keinen Einfiufs auf die Con-
traction, da der nicht verbrannte Sauerstoff* dasselbe Vo-
lomen besitzt, wie die schweflige Saure, die daraus ent-
stehen sollte.
Was das Vorkommen des Gases betrifft, so scheint es
mir, dafs es in der Natur ziemlich verbreitet ist. Da aber
das Gas durch Wasser so leicht zu Kohlensaure und Schwefel-
wasserstoff umgewandelt wird, ist es wahrscheinlich, dafs
das Gas mit diesen Zersetzungsproducten verwechselt worden
ist. Nach meinen bisherigen Erfahrungen kann ich es bei-
nahe bestimmt behaupten, dafs das Gas in der neuen Thermal-
quelle zu Harkäny im Baranyaer Comitate *) enthalten ist.
Es scheint, dafs es auch in der kalten Schwefelquelle zu
Parad vorkommt, und dafs diese Quelle, wie die vorige,
ihren Schwefelgeruch dem durch die Zersetzung des frag-
*) Diese in wiasensobaftlioher Beziehung höobst interessante ar-
tesische Quelle ist durch eine glänzend gelungene Bohrung des
Herrn Bergingenienr W. Zsigmondy im Jahre 1866 entdeckt
worden. Die Quelle liefert täglich etwa 70,000 £imer Wasser,
welches die auffallend hohe Temperatur von 62^|6 (^ besitzt. Es
strömt mit dem Wasser so viel entzündliches Gas aus, dafs es
an der Oberflftche des Wassers unmittelbar angezündet werden
kann, wo es dann einige Zeit Ton selbst fortbrennt. Das Wasser,
mit dessen Analyse ich gegenwärtig beschäftigt bin, scheint aufser
dem neuen Gase keine andere Bchwefelverbindung zu enthalten
und ist an Kieselsäure auOierordentlioh reich.
246 Tharij über das Kohlenoxymlfid.
liehen Gases entstehenden Schwefelwasserstofie verdankt, wo-
durch es erklärlich wäre, warum diese Wasser an der Quelle
den entschiedenen Schwefelwasserstoff(|[eruch nicht zeigen,
den sie in einigen Stunden nach dem Schöpfen so bestimmt
annehmen. Ich halte es nicht unwahrscheinlich, auf Grund
des Verhaltens mancher Schwefelkohlensauerlinge, dafs dieses
Gas in zahlreichen anderen Schwefelquellen vorkommt.
Ferner ist es kaum zu bezweifeln, dafs es in den schwefel-
haltig^en Gasen der Vulkane , vielleicht auch in den Gasen
der* faulenden organischen Substanzen enthalten ist
In analytischer Beziehung lafst sich das neue Gas, aufser
durch seine physikalischen Eigenschaften und Verbrennungs-
erscheinungen, durch folgende Reactionen characterisiren.
Kaliumhydrat benimmt dem Gase oder der wässerigen Lo-
sung augenblicklich den eigenthfimlichen Geruch. Die Kali-
lösung braust mit verdünnter Schwefelsäure auf und ent^
wickelt einen starken Geruch nach Schwefelwasserstoff.
(Unterschied von Schwefelkohlenstoffdampf.) In sauren Lö-
sungen der Silber^ und Cadmiutns9ilze erzeugt das Kohlen-
oxysulfid keinen Niederschlag; sobald man aber die Lösungen
mit äberschüssigem Ammoniak versetzt, entstehen die be-
kannten schwarzen resp. gelben Niederschläge. (Unterschied
von Schwefelwasserstoff.) Nitraprusaidnatrium bewirkt in
neutraler oder saurer Lösung keine Veränderung; nach Zu-
satz von uberschässigem Kali oder Ammoniak entsteht aber
augenblicklich die bekannte intensiv blau-violette Färbung.
Jodstärke wird durch das Gas in kurzer Zeit entfärbt«
Ich bin mit der genaueren Bestimmung der physikalischen
und chemischen Eigenschaften des neuen Gases beschäftigt,
und behalte mir vor, die Resultate nächstens zu veröffent-
lichen.
Schliefslich erlaube ich mir, meinen beiden Schulern, Herrn
Baron LorandEötvös und HerrnBeiaLengyel, meinen
Buff^ ümuandlungi vonM(mochlorhydrinu.$,w. 247
Dank für die Hülfe auszodräcken , welche sie mir bei der
Aosfübrung dieser Versuche geleistet haben.
Pest, am 20. Juli 1867.
Umwandlung von Monochlorhydrin in Pro-
pylenglycol und Milchsäure, und von Dichlor-
hydrin in Isopropylalkohol und Aceton;
von H. L. Bvff.
Das Entstehen der Glycerinsdure aus Glycerin lehrt, dafs
letzteres einen Rest GHs-OH enthalt, indem sich diese
Gruppe bei der Oxydation in den Kohlensaurerest, €()-0H,
der Glycerinsaure verwandelt :
/€H«-OH /GO-OH
t€.H,-(OH), te,H,.(OH),
Gljcerin. Glycerinsttnre.
Wie Erlenmeyer*) schon hervorgehoben hat, fuhrt die
Bildung des Isopropyljodärs, bei der Einwirkung von Jod-
phosphor auf Glycerin, zu der Kenntnifs, dafs dieses
wenigstens einen Wasserrest an dem mittleren Kohlenstoff-
atom gebunden enthält, und hiernach können nur noch die
beiden folgenden aufgelösten Formeln für Glycerin als mög-
lich angenommen werden :
/GHs-OH /6H,-OH
{eH-OH und }G(0H),
t€Hj-OH (GH,
•) Ann. Chem. u. Fbarm. CXXXIX, 211.
248 Buff^ Umwandlung von Monochlorhydrin
Diese Formeln führen za :
GH-OH und |e(OH)s
für Glycerinsäure.
Eine Saure der letzteren Formel würde, wenn die
alkoholischen Wasserreste durch ein Atom Wasserstoff und
ein Atom Chlor substituirt würden, Chlorprop ionsäure von
der Constitution GH3-€HCl-€0aH liefern. Dieses ist die
Chlorpropionsaure , welche der gewöhnlichen Milchsäure,
GH3-€H(GH)-G02H, entspricht. Wie W i c h e 1 h a u s ♦) kürz-
lich gezeigt hat, entsteht aber bei der Einwirkung von Phos-
phorchlorid auf Glycerinsäure nicht die Chlorpropionsaure
der gewöhnlichen Milchsäure, sondern es bildet sich hierbei
eine isomere Chlorpropionsaure. Diese kann, wenn die vier
Affinitäten des Kohlenstoffs gleichwerthig sind, nur die der
Fleischmilchsäure, HG-GH2-GH2-G92H, entsprechende Chlor-
propionsaure sein; ihre Structur würde durch die Formel
C1GH8-GH2-608H ausgedrückt werden. Chlorpropionsaure
dieser Formel führt zu GH2(0H)-GH(0H)-GH(eH) für
Glycerinsäure und zu GH2(GH).GH(9H)-GH2(OH) für Gly-
cerin. Bei der Einwirkung von Phosphorchlorid auf Gly-
cerinsäure findet hiernach Substitution von Chlor fpr Wasser-
rest bei dem Kohlenstoffatom statt, welches nicht direct mit
dem Kohlensäurerest der Säure verbunden ist; es tritt also
das Entgegengesetzte von demjenigen ein, welches bei der
Einwirkung von Brom auf Propionsäure von mir**) constatiri
worden ist. Hierbei substituirt nämlich Brom ein Atom
Wasserstoff bei dem mittleren Kohlenstoffatom, so dafs Brom-
propionsäure der Formel GHs-GHBr-GOsH entsteht
*) Ann. Chem. n. Pharm. OXLIII» 1.
**) DaaelbBt CXL, 156.
th Propylenglycol und Mächsäure u. s. w. 249
Glycerin der Structor €Ht(eH)-GH(eH)-€H,(OH) läfst
für Monochlorhydrin zwei Formeln als möglich erscheinen :
ieH,Gi /eH,^H
}€H-0H nnd jeHCl
teH,-^H |€Hs-OH.
Die Ueberfuhrung des Monochlorhydrins in Propylenglycol
versprach zu entscheiden, ob das Chloratom jener Ver-
bindung durch ein aufseres oder durch das mittlere Kohien-
stoffatom gebunden sei.
Monochlorhydrin, gemischt mit unzersetztem Glycerin und
höher siedenden Producten der Einwirkung von Salzsäuregas
aaf eine Lösung von Glycerin in Essigsäure, wurde in Al-
kohol gelöst, die Lösung mit Quecksilberamalgam behandelt,
filtrirt und der Destillation unterworfen. Aus dem Destillate
wurde durch wiederholte fractionirte Destillation eine zwischen
185 und 190^ siedende dickliche Flüssigkeit isolirt; sie war
nach der Rectification über Kalihydrat farblos, wasserhell
und geruchlos.
0,17975 Qrm. derselben gaben bei der Verbrennung : 0,8125 €0,
= 0,0861S e = 47,86 pC. Kohlenstoff nnd 0,166 H,0 = 0,01844
H = 10,26 pC. Wasserstoff.
Siedepunkt und Zusammensetzung führen zu dem bekannten
Propylglycol , der nach Wurtz bei 188 bis 189^ siedet
und der 47,33 pC. Kohlenstoff und 10,52 pC. Wasserstoff
enthält.
Die Constitution des Propylenglycols ergiebt sich aus
derjenigen der gewöhnlichen Milchsäure, welche daraus
bei der Oxydation entsteht. Milchsäure der Structur
GH8-€H(OH>-eO-OH führt zu Propylenglycol der Formel
€Hs-GH(0H)-eH8-0H. Um noch bestimmter festzustellen,
dafs der erhaltene Glycol identisch mit dem schon bekannten
sei, habe ich eine wässerige Lösung desselben mit Platin-
250 Buffy Umwandlung von Monochlorhydrin
schwarz längere Zeit an der Luft stehen lassen, dann filtrirt,
gekocht, die saure Flüssigkeit mit Zinkoxyd gesättigt und
das Filtrat zur Kryslallisation eingedampft. Hierbei blieb ein
Salz zurück, welches die Eigenschaften des Zinksalzes der
gewöhnlichen Milchsäure besafs.
0,1352 Grm. desselben wogen nach dem Trocknen bei 100®
0,1106; Verlust = 0,0246 Grm. = 18,19 pC. Wasser.
Das Zinksalz der gewöhnlichen Milchsäure enthält
18,18 pC. Wasser.
Hierdurch ist festgestellt, dafs bei der Einwirkung von
Salzsäure auf Glycerin zuerst Substitution von Wasserrest
bei einem der äufseren Kohlenstoßatome stattfindet.
Man hat :
|GH,-OH
|€H-on
|gh,-gh
GH,C1
GH- GH
GHs-GH
GH,
GH-OH
[GHrOH
GH,
GH-OH
60-0H
Glycerin Monoclilorbydrin Propylengljcol Milcbsäare.
Dichlorhydrin würde, je nachdem das zweite Chloratoro
den Wasserrest des mittleren oder des anderen äufseren
KohlenstoiTatoms des Glycerins substituirte, gewöhnlichen
Propylalkohol oder Isopropylalkohol liefern :
iGHjCl iGHg iGHaCl
JGHCl = }GH, }GH-OH =
{GHj-OH \GHj-OH ^GH.Cl
Propjlalkobol Isopropylalkohol.
Eine Lösung von reinem Dichlorhydrin in alkoholfreiem
nicht entwässertem Aether wurde mit Natriumamalgam be-
handelt; filtrirt und dann der fractionirten Destillation unter-
worfen. Hierbei wurde eine leichte dünnflüssige wasserhelle,
bei 82 bis 85^ siedende Flüssigkeit isolirt Durch Rectifica-
tion über gebranntem Kalk und zuletzt über etwas Natrium,
welches sich darin löste, wurde sie wasserfrei erhalten.
in Ptopylenglyeol und Milchsäure t/. s. w. 251
0,152 Orm. derselben gaben bei der Verbrennung : 0,3343 GO^
== 0,09117 € r= 69,89 pC. Koblenstoff, und 0,1827 H,0 = 0,203
H = 18,35 pC. Wasserstoff.
Siedepunkt und Zusammensetzung entsprechen dem Iso-
propylalkohol , wekher bei 82 bis 84» siedet und 60 pC. G
und 13,33 pC. H enthalt. Der Alkohol gab bei der Behand-
lung mit einer verdünnten Lösung von Schwefelsäure und
Kaliumbichromat eine leicht fluchtige, nach Aceton riechende
FIdssigkeit, welche sich auch beim Erwärmen mit Natron-
lauge ganz wie Aceton verhielt.
Hiernach substituirt Chlor bei der Einwirkung von Salz-
saure auf Glycerin die Wasserreste der beiden Kohlenstofl*-
atome.
Man hat :
iGH,-9H i€H,Cl /GHjCl i€Ha /GH,
}€H-OH )CH.OH jGH-OH JGHOH \QQ
{eH,.OH {CH,-OH {GH,C1 {GHj {gEj
QlyciTin Monochlorhydrin Dichlorhjdrin laopropylalkohol Aceton.
Aufser Isopropylalkohol entstehen bei der Einwirkung
von Wasserstofi* im Entstehungszustande auf Dichlorhydrin
noch einige andere Producte von höheren Siedepunkten,
deren Untersuchung noch nicht beendigt ist.
Bpichlorhydrin scheint bei der Behandlung mit Natrium-
amalgam in ätherischer Lösung zuerst Wasserstoff zu addiren
und in einfach-gechlorten Isopropylalkohol überzugehen :
fG,H ;GHa
IGU-OH + H, = }GH-^H
[GH,C1 \ GH.C1
Epicblorbydrin Einfach-gechlorter Isopropylalkohol.
Zuletzt entstehen Isopropylalkohol und Condensations-
producte.
Göttingen, den 28. Juli 1867.
252 Naumann^ über relative Orö/se
üeber relative Gröfse der Molecule;
von Privatdocent Dr. Alexander Naumann.
Bedeutet fj den Reibungscoefficienten, m das Holecular-
gewicht, u die Holeculargeschwindigkeit eines Gases, r den
Halbmesser des kugelförmig vorgestellten MoleculS) so ist
nach 0. E. Meyer*)
mu
Nun hat 0. E. Meyer**) aus den von Graham durch
Versuche ermittelten Transpirationscocfficienten die absoluten
Werthe der Reibungscoefficienten verschiedener Gase be-
stimmt. Da aber die Moleculargewichte nur relative Geltung
haben, so lafst vorstehende Gleichung sich zur Ableitung
ebenfalls nur relativer Werthe der Molecularquerschnitte r%
benutzen, welche in Folgendem für diejenigen Gase, deren
Reibungscoefficienten bekannt sind, gegeben werden soll.
Es seien für verschiedene Gase fj und t/ die bezüglichen
Reibungscoefficienten, m und m' die Moleculargewichte, u
und u' die Moleculargeschwindigkeiten , r und r^ die Mole-
cularhalbmesser; so ist nach obiger Gleichung
ma
m'xk* m'u'i^
r'*#r
woraus sich als Gröfsenverhältnifs der Molecularquerschnitte
ableitet
r'* m'u'
7
(1)
♦) Pogg. Ann. CXXV, 697, 1865.
**) Daselbst CXXVII, 878, 1866.
der Molecule. 253
Bezeichnen nun r und t' die absoluten Temperaturen
der Gase, so hat nfian, da die lebendigen Kräfte der Hole-
cularbewegungen den absoluten Temperaturen proportional
sind,
mn* r , n y m'r
= — - und — r =-
m'u'«
mr*
Die Einsetzung dieses Werths in Gleichung (1) ergiebt
(2)
Vergleicht man die Gase bei gleichen Temperaturen
t = t*, etwa beim Eispunkt, so geht Gleichung (2) aber in
^ = . ?'t^. (3)
^ ,!/«■
Setzt man für Wasserstoff, für welchen ohnehin der
Molecularhalbmesser am Kleinsten ausfallt, r' = 1 und be-
rücksichtigt man, dafs m' = 2 und fj' = 0,000134 ist, so
erhalt Gleichung (8) die Gestalt
r* = 0,0000948 J-™-. (4)
-]/.,
)/.
0000948 ^ " - (5)
9
r3 = 0,0000948 J^. |/ 0,0000948-*^
(6)
Nach vorstehenden drei Gleichungen siAd die in den
drei letzten Columnen nachfolgender Tabelle aufgeführten
Wertbe berechnet.
254 Naumann^ über relative Orofse der Molecule.
•
/. .
VerhUteiBse der
ZoBammen*
1
5|
B-ß
Reibungs»
ä (D
k,u
• •
Namen der Oase.
aetaang.
«4
1
Holeo
gewio
coeffl-
clenten.
olecnl
qner-
chnitt
1^1
• 0
•
1 a -
a
a>-
Wasserstoff
H,
2
2
0,000134
1
1
1
Sauerstoff
o.
2
32
306
1,76
1,32
2,32
Stickstoff
N,
2
28
267
138
1,37
2,67
Chlor
Cl,
2
71
210
8,80
1,95
7,41
Kohlenoxyd
eo
2
28
266
1,88
1,37
2,59
Stiokoxyd
NO
2
30
269
1,93
1,39
2,68
Chlorwasserstoff
HCl
2
36,5
225
2,54
1,59
4,06
Kohlensäure
eo.
3
44
231
2,72
1,65
4,49
Stickozydul
N,0
8
44
231
2.72
1,65
4,49
Schwefelwasserstoff
H,S
3
34
188
2,94
1,71
5,04
Schweflige Säure
so.
3
64
200
8,79
1,95
7,38
Ammoniak
NU,
4
17
156
2,50
1,58
8,96
Cyan
€,N,
4
52
155
4,41
2,10
9,26
Sumpfgas
€H^
5
16
174
2,18
1,48
3,22
Methylchlorid
€HaCl
5
60,5
167
4,03
2,01
8,10
Aethylen
e,H,
6
28
158
8,17
1,78
5,66
Aethylchlorid
GjHa . Gl
8 ,
64,5
158
4,97
2,23
11.09
Methyläther
€,He,0
9
46
148
4,84
2,08
9,05
Es versteht sich nach Gleichung (4) von selbst, dafs
Körpern, welche bei gleichem Moleculargewicht auch gleiche
Reibungscoefficienten zeigen — wie Stickstoff und Kohlen-
oxyd, wie Stickoxydul und Kohlensäure — , ebenfalls gleiche
relative Zahlen für Moleculargröfse zukominen. Aethylen hat
zwar dasselbe Moleculargewicht, wie Stickstoff und Kohlen-
oxyd, aber einen anderen Reibungscoefficienten und in Folge
dessen auch eine andere relative Moleculargröfse. Für
schweflige Säure und Chlor stimmen bei allen sonstigen
Verschiedenheiten die Moleculargröfsen nahezu überein, ebenso
für Chlorwasserstoff und Ammoniak. Einfache gesetzmfifsige
Beziehungen lassen sich also nicht erkennen.
Giefsen, September 1867.
*) Unter Molecularvolam iBt hier der von einem Molecul erfUlte
Raum EU verstehen, in welchen andere Massen nicht «indringen
können, ohne das Molecul in seinem bisherigen Bestand la rer-
nichten.
255
üeber den Pseudo-Harnstoff der
Hexylenreihe ;
von J. J. Chydenius*).
Dieser Pseudo-Harnstoff gehört der neuen Classe von
zosammengesetzten Harnstoffen an, welche Wurtz in der
neuesten Zeit entdeckt hat. Um ihn darzustellen, mischt man
zunächst cyansaures Silber und jodwasserstoffsaures Hexylen,
welchesnachWankiyn und Erlenmeyer 's Verfahren durch
Destillation von Mannit mit concentrirter Jodwasserstoffsaure
dargestellt ist. Erhitzt man das Gemisch auf 50 bis 60", so
tritt eine lebhafte Einwirkung ein, und bei der Destillation
geht eine Flüssigkeit über^ welche sehr unangenehm riecht
and deren Dämpfe die Augen stark angreifen» Mit über-
schüssigem wässerigem Ammoniak geschüttelt erstarrt sie so-
fort zu einer festen Hasse, dem neuen Harnstoff. Nachdem
maa diesen von der ammoniakalischen Flüssigkeit getrennt hat,
löst man ihn in siedendem Wasserstaus welcher Lösung er
sich bei dem Erkalten derselben in Nadeln ausscheidet. Aber
um ihn ganz rein zu erhalten, mufs man ihn noch ein- oder
zweimal umkrystallisiren.
Der Pseudo-Harnstoff der Hexylenreihe bildet feine weifse
Nadeln; er löst sich leicht in siedendem Wasser, und sehr
leicht in Alkohol und in Aether bei gewöhnlicher Tempera-
tur. Bei dem Erhitzen schmilzt er bei 127<) und beginnt
bei etwa 220'^ zu sieden, unter theilweiser Zersetzung und
Bntwickelung ammoniakalischer Dämpfe. Die bei der Analyse
gefundenen Zahlen entsprechen der Formel (^6Hi2H)hIn, :
H, j
•) Compt. rend. LXIV, 976.
256 Chydenius, Pseudo- Barnstoff d. Hexylenreihe.
Gefunden
Berechnet
Kohlenstoff
68.27
58,40
WaMerstoff
11,16
11,84
Stickstoff
19,69
19,44
Erhitzt man diesen Pseudo-Harnstoff in zugeschmolzenen
Röhren mit einer sehr concentrirten Lösung von Aetzkali,
so tritt unterhalb 230 bis 250^ keine Einwirkung ein. Bei
dieser Temperatur wird Ammoniak frei und es bildet sich
eine ölige Flössigkeit, welche wahrscheinlich das Isohexyl-
amin ist. Ich habe sie nicht in hinlänglicher Menge für
eine eingehendere Untersuchung erhalten, weil die Röhren
bei dem starken Drucke der bei so hoher Temperatui^ ge-
bildeten Gase zersprangen.
Wie man sieht, unterscheidet sich dieser Pseudo-Ham-
Stoff wesentlich von dein mit ihm isomeren Hexyl- oder
Caproylharnstoff, welchen P e 1 o u z e und Cahours*) dar-
gestellt haben, sofern der letztere weifse Blättchen bildet
und sich schon bei dem Kochen mit mäfsig concentrirter
Aetzlauge zersetzt.
•) Ann. chim. phy». [4] I, 87 (vgl. Ann. Chem. n. Phaxm. CXSTII,
191).
Ansgegeben den 29. October 1867.
1
ANNALEN
DER
CHEMIE UND PHARMACIE.
V. Supplementbandes drittes Heft
Versilberung von Glas;
von Ju8tu8 eon lAebig.
Ich theile in dem Folgenden die Hischongsverhaltnisse
mit, welche ich nach einer längeren Reihe von Versuchen
für die Darstellung von Silberspiegeln als die besten ' bei-
behalten habe.
Bilberl'ösung : Man löst 1 Theil geschmolzenes salpeier-
saures Silber in 10 Theilen destillirtem Wasser.
Ammoniaklösung : a) Käufliche, chlorfreie, Salpeter-
säure wird mit Ammoniak-Sesquicarbonat neutralisirt und die
Lösung bis zum specifischen Gewicht 1,115 verdünnt. Zu
37 Theilen Salpetersäure von 1,290 hat man 14 Theile Ses-
quicarbonat nöthig; doch ist dieses Verhältnifs wegen des
nicht immer gleichen Ammoniakgehalts des Sesquicarbonats
nicht bestimmt
Das salpetersaure Ammoniak läfst sich vortheilhafl durch
schwefelsaures Ammoniak ersetzen.
b) Man löst 242 6rm. schwefelsaures Ammoniak in
Wasser und verdünnt bis zum Volumen von 1200 CC; das
specifische Gewicht der letzteren Lösung ist 1,105 bis 1,106.
Natronlauge : Die Natronlauge mufs aus chlorfreiem koh-
lensaurem Natron bereitet werden und ein specifisches Ge-
richt von 1,050 haben; 3 Volume einer Lauge von 1,035
Ano«l. d. Chem. a. Pharm. V. Sopplementbd. S. Beft. J7
258 Liebig, Versilberung van Olaa.
spec. Gewicht , so wie man sie bei ihrer Darstellung ge-
winnt, geben abgedampft auf 2 Volume eine Lauge von 1,050.
A. Versilberungsmischung :
100 Vol. Ammoniaklösung (der Lösung a oder b)
140 ,, Silberlösung
750 ,, Natronlauge
990 Volume.
Wendet man schwefelsaures Ammoniak an, so mufs in
die Silberlösung die Lösung des schwefelsauren Ammoniaks
eingegossen und sodann erst die Natronlauge in kleinen Por-
tionen zugefügt werden ; die Flüssigkeit ist nach der Mischung
trübe und mufs zur Klärung mindestens drei Tage lang ruhig
stehen bleiben, ehe sie verwendet werden kann. Die klare
Lösung wird mit einem Heber abgezogen.
Reductionsfiüssigkeit : a) 50 Grm. weifser Candiszucker
werden in W^asser zu einem dünnen Syrup aufgelöst, sodann
3,1 Grm. VITeinsäure zugesetzt und eine Stunde im Sieden ge-
halten; die Flüssigkeit wird sodann mit Wasser bis zum
Volumen von 500 CG. verdünnt.
b) Man ubergiefst 2,857 Grm. trockenes weinsaures Ka-
pferoxyd mit Wasser und setzt sodann tropfenweise so viel
Natronlauge zu, bis das blaue Pulver sich gelöst hat. Man
verdünnt die Lösung bis zum Volumen von 500 CG.
B. Beductiansmischung : 1 Vol. der Zuckerlösung (a)
mischt man mit 1 „ der Kupferlösung (b)
und setzt 8 „ Wasser zu.
C. Versilberung s/lüssigkeU :
50 Vol. Versilberungsmischung (A),
10 „ Reductionsmischung (B),
250 bis 300 Vol. Wasser.
Bei der Versilberung werden die Gläser in die Kästen
reihenweise zwei zusammen vertical eingesetzt^ die Ver-
Lieb ig, Versilberung von Olas. 259
silberangsflössigkeit (A) mit dem Wasser in einem beson- ,
deren Gefärse verdännt, sodann die Reductionsflüssigkeit
ZQgemischt und die Kästen damit gefüllt; im Winter ist es
zweckmafsig, warmes Wasser zu nehmen, so dafs die Tem-
peratur 20 bis 2S^ C. erreicht.
Gläser zu optischen Zwecken müssen in horizontaler
Lage versilbert werden , so dafs sie die Oberfläche der Flüs-
sigkeit berühren; die Siiberfläche mufs durchsichtig mit
blauer Farbe und glänzend sein und so fest haften, dafs
sie beim Poliren nicht abgerieben wird.
Diese Versilberung ist für die Fabrikation von Spiegeln
berechnet, deren Herstellungskosten die der gemeinsten
Spiegelsorten (Nürnberger Judenmafs-Spiegel) nicht überstei-
gen. Besondere Bestimmungen ergeben , dafs man mit diesen
Mischungen vollkommene Spiegel herstellen kann mit einer
Silbermenge, die auf einem Quadratmeter nicht mehr wie
3 bis 3V2 Grm. Silber beträgt.
Ohne den Kupferzusatz läfst sich diefs nicht bewerkstelli-
gen ; ich bin nicht im Stande eine Erklärung hiervon zu geben.
Die Wirkung des Kupfers giebt sich leicht zu erkennen, wenn
man eine sehr verdünnte kupferfreie Lösung in einer Glas-
röhre mit der Zuckerlösung versetzt und ruhig stehen läfst;
der Silberabsatz ist alsdann weifs gefleckt und löcherig ; ist
eine Spur Kupfer dabei, so ist der Absatz spiegelglänzend
and fehlerfrei; bei mehr Kupfer setzt sich gar kein Silber
ab. Es sind hier Adhäsionswirkungen im Spiel, die sich
theoretischen Betrachtungen entziehen; es kommt darauf an,
der Flüssigkeit eine solche Beschafl'enheit zu geben, dafs die
Flfissigkeitstheilchen weniger Adhäsion zum Silber als die
Glastheilchen haben, deren Oberfläche von der Flüssigkeit
benetzt wird; ist die Adhäsion der Flüssigkeitstheilchen
gröfser, so belegt sich das Glas nicht.
17 •
260 Louguinine u. Lippmann^ Darstellung
Hit der oben beschriebenen Methode der Versilberung
hat eine Fabrik in der Nahe Nürnbergs über ein Jahr lang
gearbeitet und sehr schöne Spiegel geliefert, sie fanden jedoch
keinen Absatz. Es ist aber zu erwarten^ dafs mit der Zeit
die Vorurtheile gegen die Silberspiegel schwinden werden *).
Neues Verfahren zur Darstellung des Cymens
aus Campher ;
von Louguinine und Lippmcum^.
Gleiche Aequivalentgewichte Campher und Phosphor-
superchlorid werden zusammengerieben, wobei sich viel
Chlorwasserstoffsäure bildet und die Masse halbflüssig wird.
Sie wird dann einer ganz langsamen Destillation im Sandbade
unterworfen, wobei sich fortwährend Chlorwasserstoflsäure
entwickelt. Das Destillat wird zur Befreiung \'on Chlorwas-
serstoflsäure und Phosphoroxychlorid mit Wasser gewaschen,
mittelst Chlorcalcium entwässert und zur Beseitigung der
letzten Spuren unangegrifl'en gebliebenen Camphers über
Natrium rectificirt. Das so erhaltene Präparat ging zwischen
175 und 178^ über und ergab 89,7 pC. C und 10,6 pC. H
(berechnet 89,6 und 10^4). Dieses Verfahren giebt minde-
stens eben so viel Cymen , als das gewöhnlich angewendete,
*) Gewisse Erfahrungen , die ich bei der Veröffentlichung anderer
Recepte machte , veranlassen luich snr Erklärung, dafs ich mich
auf die Beantwortung von Anfragen um nähere Auskunft nicht
einlassen werde.
**) Im Auszug aus dem BuUetin de la soci^t^ chimiqne de Paris
Vn, 874.
des Oymens aus Campher. 261
and ein ziemlich reines Präparat. Es berulit auf folgenden
Reactionen :
€i(>H,eO + PCU = OioH.jCl + HCl + POCl, ;
^10^16^ = ^10^14 + HCl.
Die zweite Spaltung .geht bei der langsam geleiteten
Destillation vor sich. — Die Rückbildung der Verbindung
610H15CI durch längeres Einleiten von trocknem Chlorwasser-
stoffgas in Cymen in der Kälte gelang nicht.
üeber Abscheidung des reinen Platins und
Iridiums ;
von Dr. Woldemar eon Schneider.
Die Bichloridlösungen der Platinmetalle gehen, wie be-
reits Claus in Beziehung auf das Iridium angegeben hat,
mehr oder weniger leicht bei dem Erwärmen mit Natron-
hydratlösung in niedere Chlorstufen Ober, unter Bildung von
Chlornatrium Und unterchlorigsaurem Natron. Das Platin-
chlorid erleidet diese Umwandlung erst durch sehr langes
Kochen und selbst dann nur spurenweise, während die hö-
heren Chlorverbindungen der übrigen Platinmetalle unter
denselben Umständen vollständig und in kurzer Zeit zu nie-
deren Chlorstufen reducirt werden. Da nur die Bichloride
durch Chlorkalium gefällt werden, so läfst sich das Platin
leicht auf diesem Wege von den mit ihm gemeinschaftlich
vorkommenden Metallen trennen.
Wird die möglichst salpetersäurefreie Lösung, welche
sich bei der Behandlung der Platinerze mit Königswasser
262 Schneider^ über Abscheidung
ergiebig mit kalifreier Natronhydratlösung bis zur stark alka*
lischen Reaction versetzt^ so entsteht ein hydratischer Nie-
derschlag, welcher alles Kupfer, Eisen und einen Theil der
Platinmetalle enthält. Kocht man die Lösung mit dem darin
befindlichen Niederschlage eine Zeit lang, so verschwindet
die alkalische Reaction in dem Mafse^ als die Bildung des
unterchlorigsauren Natrons erfolgt. Hat man das letztere
durch Kochen mit einigen Tropfen Alkohol zerstört, die Flüs-
sigkeit bis zur Wiederauflösung des Niederschlags mit Salz-
säure versetzt und erforderlichen Falls filtrirt, so erhält man
eine Lösung, aus der auf Zusatz einer heifs gesättigten Lö-
sung von Chlorammonium nur das Platin gefällt wird. Der
niederfallende Platinsajmiak ist hellgelb und hinterläfst beim
Glühen einen Platinschwamm , der sich leicht ohne allen
Bückstand schon in schwachem Königswasser mit hellgelber
Farbe löst. Hat man zu wenig Natron angewandt, so zeigt
das abgeschiedene Platin eine kleine Verunreinigung, die sich
J)eim Auflösen desselben als Ruckstand zu erkennen giebt;
bei zu grofsem Natronzusatz und zu anhaltendem Kochen
dagegen bildet sich etwas Platinchlorür, das sich der Fällung
durch Salmiak oder Chlorkalium entzieht.
Damit jede Verunreinigung vermieden wird, ist es am
Zweckmäfsigsten , einen nicht zu geringen Natronüberschufs
anzuwenden und das Kochen so lange fortzusetzen, dafs bei
der Fällung durch Chlorammonium ein kleiner Antheil Platin
in Lösung bleibt. Um diesen, so wie die in der Flüssigkeit
enthaltenen Platinmetalle, nicht zu verlieren^ stellt man in die
mit Salzsäure angesäuerte, bis zum Kochen erhitzte Lösung
ein Kupferblech. Das an diesem ausgeschiedene Metallpulver
wird, um zunächst das Palladium zu gewinnen, mit Salpeter-
säure behandelt, und der übrig bleibende noch etwas platin-
haltige Rückstand der nächsten, mit Königswasser zu behan-
debiden Portion Platinerz hinzugefügt. Bei einem Versuch
des reinen Platins und Iridiums. 263
wurde auf diese Weise aus einer Lösung^, die 2,5410 Gnn.
uralischem Platinerz entsprach, 2,0188 Platin als 79,45 pC.
des angewandten Erzes erhalten. Das Metall löste sich ohne
allen Rdckstand mit hellgelber Farbe in Terdunntem Königs-
wasser -schon bei roäfsigem Erwärmen auf. Die Lösung, aus
der das Platin gefallt war, gab mit einem Kupferblech dige-
rirt einen Metallniederschlag, aus dem bei Behandlung mit
Königswasser kein Fiatin mehr ausgezogen werden konnte.
Der Versuch mit einer gleichen Menge derselben Lösung
wiederholt gab 79^21 pC. Platin von gleicher Reinheit. Bei
diesem letzteren Versuche enthielt die mit Salmiak gefällte
Lösung noch eine geringe, quantitativ aber nicht mehr be-
stimmbare Menge Platin. Bei beiden Versuchen wurde der
Chlorplatinkaliumniederschlag auf einem Verdrangungsfilter
Biit gesättigter Salmiaklösung, in welcher derselbe unlöslich
ist, ausgewaschen. Die beschriebene Methode kann nicht nur
zur Gewinnung des Platins , sondern auch zur quantitativen
Scheidung desselben von den übrigen Platinmetallen mitVortheil
benutzt werden. Für diesen Fall ist es besonders nöthig , das
Kochen mit Natronlauge und Alkohol so lange fortzusetzen, dafs
sich ein kleiner Theil des Platins der Fallung durch Salmiak ent-
zieht. Ich gebe als Beispiel die nach dieser Methode in Prof.
Bunsen's Laboratorium ausgeführte Analyse einer russi-
schen Platinmünze. Dieselbe wird in Königswasser gelöst^
der noch etwas Palladium und Rhodium enthaltende Iridium-
rfickstand von der Lösung durch Filtration getrennt. Aus
dieser letzteren whrd nach dem Kochen mit Natron und Al-
kohol und nach der Wiederauflösung des entstandenen Nie-
derschlags in Salzsaure das Platin als Chlorplatinkalium ge-
fallt, der mit einer gesättigten Lösung von Chlorkalium aus-
gewaschene Niederschlag nach dem Trocknen noch unter
der Glühhitze in einem Wasserstoffstrom reducirt und das
vom Chlorkalium befreite Platin gewogen. Die von Platin
264 Schneider, über Abeekeidung
•
fast vollsltodig befreite, mit noch etwas mehr SalzsSore Ter-
setzte Flüssigkeit gab durch Behandeln mit chemisch-reinem
Zink ein schweres, leicht aussEuwaschendes Metallpulver, das
mit dem bei der Auflösung der Münze hinterbleibenden nn*
reinen Iridium vereinigt den weiter zu behandelnden, im
Folgenden mit B bezeichneten Rückstand bildete. In der
mit Zink behandelten farblosen Flüssigkeit ist das Eisen als
Chlorur enthalten und daher sogleich durch Uebermangan-
saure volumetrisch zu bestimmen. Aus dem Rückstand B
zieht Salpetersäure das Kupfer und Palladium aus, die man
am Genauesten in emer verschliefsbaren Flasche durch
Schütteln mit Quecksilber trennt, durch das nur Palladium,
nicht aber das Kupfer gefällt wird.
Die kleine Menge Platin, welche der Rückstand B jetzt
noch enthält, wird, wie Anfangs bestimmt, der früher ge-
fundenen Platinmenge hinzugefügt. Die auf diesem Wege
analysirte Münze enthielt :
I.
Platin 9%M
Palladinm 0,42
Rhodiumhaltiges Iridium 4,21
Eisen 1,26
Kupfer 0,46
100,18.
Eine Probe des in der Petersburger Münze dargestellten
iridiumhaltigen Platinschwamms zeigte, auf dieselbe Weise
analysirt, folgende Zusammenstellung :
n.
Platin 81,01
Khodiumbaltiges Iridium . . 17,85
Eisen 0,44
Sand und Tiegelmaase . . . 0,47
99,77.
des reinen Platins und Iridiums. 265
Die svlelzt anfgefdhrte Veninreinigtifigr Ton Sand mid
Tiegetanasae blieb bei dem Aafldsen einer gewogenen Menge
Plalinschwamnis in metallischem, chemisch -reinem Zink zu-
rock und enthielt keine Spar von Platinmetallen beigemischt.
Complieirter ist die folgende, nach derselben Methode
Yon Herrn B. Scheitz unter Prof. Bunsen's Leitung aus*
gefährte Analyse des Niederschlags, der in der Petersburger
Mfinze bei der Bereitung des iridiumhattigen Platins dadurch
erhalten wird, dafs man die Lösung des Platinerzes mit Kalk-
waaser füllt.
Der zur Trennung der Platinmelalle von den übrigen
Gemengtheilen des Niederschlags eingeschlagene Weg war
folgender :
Man schmilzt etwa 10 6rm. bei 100^ getrockneter Sub-
stanz mit 15 Grm. kohlensaurem Natron und 1 6rm. Salpeter
i- bis IVs Stunden lang in einem geräumigen offenen
Platintiegel vor der Glasbläserlampe und digerirt dann die
Schmelze so lange mit Wasser, bis alles Lösliche extrahirt
ist Der gelöste Theil A und der unlösliche Rückstand B
werden jeder für sich untersucht. Die Lösung A enthält
Kieselsäure^ Schwefelsäure, Chlorwasserstofisäure und Chrom-
sdure. Man wiegt die Flüssigkeit in einer Gewichtsburette
und theilt sie in drei Gewichtsportionen. In der ersten wird
Kieselerde und Chromoxyd, in der zweiten Schwefelsäure
und in der dritten Chlorwasserstoffsäure auf gewöhnliche
Weise bestimmt. Der Rückstand B enthält Kupferoxyd,
Eisenoxyd, Thonerde, Kalkerde, Magnesia und die Platin-
metalle. Man digerirt dieselben wiederholt und lange mit
Salzsäure, wobei ein Ruckstand C, der aus kupferhaltigem
Pbtin mit etwas Palladium besteht, zurückbleibt und die
übrigen Gemengtheile nebst etwas Palladium gelöst werden.
Von der so erhaltenen, gleichmäfsig gemischten und gewo-
genen Lösung wird ein Theil abgewogen und das Palladium,
266 Schneider, über Abscheidvng
wie oben angegeben, durch Quecksilber gerillt, die ab-
filtrirte Flüssigkeit mit Salzsäure etwas eingedampft, Kupfer
nebst Quecksilber aus der mit Wasser verdünnten Lösung
durch Schwefelwasserstoff gefällt und das Kupfer in dem
Niederschlage auf gewöhnliche »Weise bestimmt. Die Flüs-
sigkeit enthält jetzt nur noch Eisenoxyd, Thonerde, Kalkerde
und Magnesia, die leicht nach bekannten Methoden zu tren-
nen sind. Die Metalle im Rückstände C werden in der-
selben Weise geschieden, wie es oben bei der Analyse der
Platinmünze angegeben ist. Wasser und Kohlensäure, welche
die untersuchte Substanz aufserdem noch enthält, wurden
nicht besonders bestimmt, sondern als Verlust in Rechnung
gebracht. Von Iridium finden sich nur unwägbare Spuren.
m.
Schwefelsaurer Kalk 48,09
Kalkerde 8,24
Magnesia 0,89
Eiseoozyd 21,42
Eisenchlorid 7,14
Chromoxyd 1,41
Thonerde 0,79
Kieselerde 0,59
Knpferoxyd 9,58
Platinozyd 3,86
Palladiumozyd 1,95
Verlust (Wasser und Kohlensilare) . . 6,04
100,00.
Man wird annehmen dürfen, dafs das Eisen als Ozy-
chlorid, das Platin und Palladium als Platinoxydkalk und
Palladiumoxydkalk, ein Theil des Kalks als kohlensaures Sab
und die übrigen Oxyde als Hydrate in dem Gemenge enU
halten sind. Nach einer analogen Methode habe ich die fol-
gende Analyse eines in der Petersburger Munse im Grofsen
des reinen Fiatins und Iridiums. 267
darg^estellten onreinen Iridiums ausgeführt, aus welcher durch
Königswasser kein Platin mehr ausgezogen werden konnte :
Rhodium u. Rutheninm enthaltendes Iridinm 71,01
Palladium . 0,81
Kupfer 8,55
Eisen 8,04
Kieselerde 0,55
Thonerde 0,87
Kalkerde 4,70
Chlornatrium 14,12
Beigemengter Sand l,lo
■» ■ ■■■■ ■■■!
99,28.
Zur Darstellung des chemisch -reinen Iridiums wird am
Zweckmäbigsten der bei der Behandlung des Platinerzes mit
Königswasser hinterbleibende Ruckstand angewandt Man
schlierst denselben nach Wöhler's Methode mit Kochsalz in
einem Strome Chlorgas auf. Um sogleich ein Pfund und mehr
des Materials in Arbeit nehmen zu können, Ififst man den Kopf
einer thönemen Tabakspfeife mit der Oeffnung nach unten
auf den Boden eines grofsen hessischen Tiegels münden und
füllt denselben bis zu Va seiner Höhe mit der aufzuschliefsen-
den Mischung an. In dem Rande des mit Gyps aufgekitteten
Tiegeldeckels befindet sich ein kleiner eingefeilter Ausschnitt,
durch welchen der mif dem Chlorapparat verbundene Stiel
der Thonpfeife hervorragt; ein anderer, in ähnlicher Weise
eingekitteter, in den oberen leeren Raum des Tiegels mün-
dender Pfeifenstiel fuhrt das mit dem Chlorstrom entwei-
diende Chlorosmium durch ein mit demselben verbundenes
Gtesrohr in einen Ballon, der bis zur Hälfte mit Alkohol ge-
fällt ist. Man lafst das Chlor etwa einen halben Zoll hoch
über der Alkoholschicht ausströmen, damit kein Druck im
Apparate entsteht. Während der Behandlung mit Chlor darf
der Tiegel, welcher mit seinem oberen Rande aus einer, die
268 Schneider^ über Abscheidung
Ofenmündung verschliefsenden Blechplatte hervorragt, nur die
eben beginnende Glühhitze erreichen, da nur bei dieser Tem-
peratur innerhalb einer sehr engen Grenze das Aufschliefsen
möglichst YollstSndig erfolgt. Bei richtig geleiteten Opera-
tionen schmilzt die Kochsalzmischung nicht, sondern sintert
nur zu einer bröckeligen braunen Masse zusammen. Diese
wird mit möglichst wenig heifsem Wasser zerrieben auf einem
Extractionsfilter ausgezogen, die erhaltene Lösung mit einem
Strome Chlorgas behandelt und nach Zusatz von etwas Salz-
säure bis zur Sättigung mit fein pulverisirtem Chlorkalium
geschüttelt. Der dabei gebildete, zuerst mit Wasser, dann
mit gesättigter Chlorkaliumlosung auf einem Extractionsfilter
ausgewaschene Niederschlag besteht aus den nur noch un-
bedeutend verunreinigten Kaliumdoppelchloriden des Iridiums,
Platins und Rutheniums. Die Lösung enthält fast alles Rho-
dium, etwas Iridium nebst Eisen, Kupfer, Blei, sowie andere,
aus dem Rohmaterial stammende Verunreinigungen, und dient
zur Darstellung des Rhodiums. Die Gewinnung des chemisch-
reinen Iridiums aus dem Niederschlage B geschieht durch
Behandlung der wässerigen Lösung desselben mit Wasser-
stoffgas. Sämmtliche Platinmetalle werden durch dieses Gas
aus den wässerigen Lösungen ihrer Bichloride regulinisch
gefällt, das Iridium aber, wie Professor Bunsen beobachtet
hat, so schwierig, dafs die AbscheiÜung kleiner in Lösung
befindlichen Mengen Platin, Palladium, Rhodium, .Ruthenium
und Osmium zuerst erfolgt, indefs der gröfste Theil des
Iridiumbichlorids nur in Sesquichlorid übergeht. Finden sich
namhaftere Mengen der zu beseitigenden Platinmetalle vor,
so ist es voriheilhaft, die Einwirkung des Wasserstoffes so
lange fortzusetzen, dafs schon eine theilweise Reduction des
Iridiums zu Metall erfolgt.
Man fuhrt die Scheidung am Besten auf folgende Weise
aus: Der Niederschlag B wird in so viel kochendem Wasser
des reinen Ptatina und Iridiums» 269
gelöst, dars sich keine Chlordoppelsalze beim Erkalten mehr
aussondern, und die Lösung in einen Glaskolben gebracht,
der so geräumig ist, dafs die Flüssigkeit nur ungefähr die
Hälfte desselben ausfüllt Man versieht darauf den Kolben
mit einem dreimal durchbohrten Caoutchoucpfiropf und er-
wärmt im Wasserbade auf 40^ bis 60^ C, oder setzt die Lö-
sung besser noch der heifsen Sonne aus, nachdem man den
Luftinhalt durch Wasserstoff verdrangt hat. Diefs geschieht
einfach dadurch, dafs man das aus einem grofsen D ö b e r-
einer'schenEntwickelungsapparat ausströmende Wasserstoff-
gas durch eine unter dem Caoutchoucpfropf mündende Glas-
röhre einleitet und die im Gefafse enthaltene specifisch
acbvfrerere Luft aus einer durch den Pfropf geführten über
der Flüssigkeitsschichte endenden Röhre entweichen lafst.
In der mittleren Durchbohrung befindet sich eine etwas wei-
tere, auf beiden Seiten offene Glasröhre, die unter der Flüs-
sigkeitsschicht im Kolben mündet und die den Zweck hat,
jederzeit mittelst einer engen, als Stechheber dienenden
Glasröhre Fiüssigkeitsproben dem Kolben entnehmen zu
können. Die Röhrenmündung, aus welcher der Gasinhalt
des Kolbens in die Luft entweicht, wird durch eine Wasser-
schicht abgesperrt, die Communication des Döbereine r*-
schen Apparates mit dem Kolben dagegen offen erhalten,
damit das absorbirte Wasserstoffgas stets durch neu hinzu-
tretendes ersetzt wird.
War die Flüssigkeit zuvor durch Kochen von Luft be-
freit, so pflegt nach zwei- bis fünfstündiger Erwärmung die
Metallreduction an der Oberflache der Flüssigkeit sichtbar
zu werden. Das Platin und die übrigen eben aufgeführten
Metalle scheiden sich theils in matten, theils in metallglan-
zenden Dendriten und Blattern auf der Flüssigkeit ab, oder
bilden hie und da am Glase fest anhaftende Spiegelbele-
gungen. Die Abscheidung der zu beseitigenden Metalle
270 Sehneider, über Abscheidung
fiiiDint je nach der Menge des angewandten Materials zwei
bis acht Tage in Anspruch und kann als beendet betrachtet
werden, wenn eine Probe der von Zeit zu Zeit durch gelinde
Bewegung durchgemischten FIQssigkeit eine otivengrüne Farbe
angenommen hat, auf Zusatz von Kalihydratlösung entfärbt
und dann erst nach langer Zeit gebläut oder gefällt wird. Ent-
hält die Flüssigkeit noch Spuren ton Eisen, was gewöhnlich
der Fall ist, so entsteht zwar sogleich eine geringe Fällung
auf Zusatz von Kalihydrat, in derselben kann aber durch
Flammenreaction kein Platinmetall mehr nachgewiesen wer*
den. Aus der auf diese Weise gereinigten, in einem andern
Kolben filtrirten Lösung des Iridiumsesqnichlorids wird das
Iridium durch abermalige Behandlung mit Wasserstoffgas
chemisch rein, in oft Quadratzoll grofsen,auf der oberen Flache
metallglänzenden spröden Blättern oder dendritischen Massen
abgeschieden. Haben sich an den Wänden der Gefäfse, wor-
in die Reduction vorgenommen wurde, wie es fast immer
der Fall ist, oberhalb der Flüssigkeit kleine Mengen Metall
an den Glaswänden reducirt, so entstehen beim Entfernen
des Caoutchoucpfiropfs die heftigsten Explosionen, weil das
mit Luft sich mischende Wasserstoffgas in Berührung mit
den ausgeschiedenen Platinmetallen entzündet wird. Es ist
daher unumgänglich nothwendig, bei der Füllung und Ent-
leerung des Ballons die atmosphärische Luft oder das Was-
serstoffgas zuvor durch Kohlensäure zu verdrängen.
Das Osmium wird aus dem theilweise in Chlorsubsti-
tutionsproducte verwandelten Alkohol auf folgende Art leicht
gewonnen. Man dampft denselben mit einem Ammoniaküber-
schufs ein, löst wieder in Wasser, filtrirt die Lösung und
dampft dieselbe bis zur völligen Trockenheit ein. Sublimirt
man den so erhaltenen Salmiak in einem Strome Wasserstoff-
gas in einem weiten Glasrohr, so bleibt das metallische Os-
mium in traubig aufgeblähten metallglänzenden Massen zurück«
des reinen flcUins und Iridiums. 271
Aus dem Mitgetheilten ergeben sieb einige Folgerungen^
welche für die Metallurgie des Platins nicbt ohne Werth sind.
Die Analyse III zeigt, dafs die bei der Darstellung des
reinen Platins im Grofsen noch gegenwartig benutzte He*
thode von Döbereiner höchst nnzweckmärsig ist und durch
ein bei weitem einfacheres und vortheilhafteres Verfahren
ersetzt werden kann. Otto 'bemerkt in seinem Lehrbuch
der Chemie S. 932: ^Franz Döbereiner machte die
ittterressante Beobachtung, dafs das Platin aus den Lösungen,
in denen es als Chlorid sich findet, bei Ausschlufs von Licht
durch Kalk nicht als Oxyd gefallt wird, während die es
begleitenden Platinmetalle dadurch mehr oder weniger leicht
gefällt werden.^
Die fast völlige Abwesenheit von Iridium, Rhodium und
Ruthenium in der Analyse III, welche mit einem nach dieser
Döbereiner'schen Methode im Grofsen in der Petersburger
Mänze erhaltenen Niederschlage angestellt wurde, beweist
aber, dafs nur das Palladium und theilweise gerade das
Platin und keineswegs die übrigen Platinmetalle durch Kalk-
wasser gefällt werden. Die Rolle, welche das Kalkwasser
bei dieser Scheidung spielt, ist eine ganz andere: sie be-
ruht darauf, dafs die dem Platin beigemengten Bichloride der
übrigen Platinmetalle in der durch Kalkmilch alkalisch
gemachten Lösung in niedere Chlorstufen übergehen, die
durch Chlorkalium oder Salmiak nicht mehr fällbar sind.
Diese Reduction durch Kalkwasser ist überdiefs so unvoll-
ständig, dafs das Platin, welches man aus den mit Kalkwasser
behandelten Lösungen durch Salmiak gewinnt, noch mit einer
verh«Itnif.mäf«g sehr grofsen Menge der z« beseitigenden
Platinmetalle verunreinigt ist, wie die Analyse der Platinmünze
I zeigt, deren Metall aus einer solchen Lösung durch Fällen
mit Salmiak gewonnen worden. Noch deutlicher zeigt es
sich in der Analyse II, dafs die zu beseitigenden Platinme-
S272 Bchneiderf über Abscheidung
lalle in der mit Kalkwasser behandelten Lösung zurück-
bleiben. Der aus der Petersburger Münze in den Handel
kommende iridiumbaltige Platinschwamm, welcher zu dieser
Analyse 11 diente, wird auf die Weise bereitet, dafs man die
mit Kalkwasser gefällte Lösung abdampft und den Rückstand
einfach der Glühhitze aussetzt. Das so erhaltene Platin ist
palladiumfrei, und enthalt, wie man sieht, nicht weniger als
17,8 Procent fremde Platinmetalle, welche aus der Lösung
stammen. Die Verunreinigung des nach der Döbereiner'schen
Methode bereiteten vermünzten Platins beweist in Ueberein-
Stimmung mit Versuchen in Kleinen , die ich angestellt habe,
dafs diese Methode, wo es sich um Darstellung des reinen
Flatins handelt; nicht anwendbar ist. Aber ich glaube,
dafs selbst da , wo es Nichts verschlagt, ein unreines Metall
mit veränderlich wechselndem Platingehalt zu erhalten, diese
Methode aufgegeben werden mufs. Der als Nebenproduct
fallende Kalkniederschlag III enthält noch nahe an 4 pC.
Platin, welches in einer Mischung darin enthalten ist, ^wie sie
zur Extraction des Platins kaum ungunstiger gedacht werden
kann. Die Beimischung von 40 pC. Gyps macht die Ex-
traction des Metalls noch mehr zu einer im hohen Grade
unbequemen und kostspieligen Operation , welche nicht viel
weniger Aufwand und Arbeit in Anspruch nimmt, als die
ursprüngliche Bearbeitung des Erzes selbst Jede Methode,
welche gestattet, die bei der Scheidung des Metalls in den
Materialien unvermeidlich zurückbleibenden Mengen von Pla-
tin zu vereinigen und in einer concentrirteren Form auf ein-
fache und ökonomische Weise auszuscheiden, wird daher
diesem alten Verfahren vorzuziehen sein. Alle diese Vor-
theile finden sich bei der oben beschriebenen Methode ver-
einigt. Ohne auf die Einzelnheiten der Ausführung derselben
im Grofsen einzugehen, wozu noch vielfaltige Versuche im
Kleinen und im GruCsen unerläfslich sein würden, will ich
des reinen Piatina und Iridiums. 273
mich hier nur daraof beschränken^ ganz im Allgemeinen den
Gang der fabrikmarsigen Scheidung anzudeuten, welcher
mir der einfachste zu sein scheint. Man fällt die mit Salz-
saareüberschufs eingedampfte und dann mit Wasser ver-
dünnte Königswasserlösung des Erzes mit möglichst kali-
freier Natronhydratlösung , kocht -die Flüssigkeit mit dem
Niederschlage mit überschüssiger Natronlauge unter allmä-
ligem Zutropfen von etwas Alkohol, versetzt die heifs6 Flüs-
sigkeit bis zum Wiederauflösen des Niederschlages mit Salz-
säure, filtrirt, wenn nöthig, und sättigt das Filtrat mit Chlor-
ammonium, wobei der Platinsalmiak chemisch rein niederfällt.
Der Niederschlag läfst sich auf einem Extractionsfilter von
Filz durch Luftdruck mit gesättigter Salmiaklösung, und zwar^
wie ich mich überzeugt habe, mit weniger Wasser, als dem vier-
fachen Volumen des Niederschlags entspricht, vollständig aus-
waschen und dadurch sogleich in einem halb trockenen Zu-
stande erhalten. Das aus einer concentrirten Lösung von Salmiak
bestehende Waschwasser kann sogleich zur Fällung neuer
Portionen der ursprünglichen Erzlösung benutzt werden.
Aus der Mutterlauge lassen sich sämmtliche noch darin ent-
haltene Platinmetalle auf die einfachste Weise fast frei von
allen Verunreinigungen dadurch wiedergewinnen, dafs man
die Mutterlauge bei Salzsäureüberschufs mit Kupferblech
unter Vermeidung eines freien Luftzutritts in der Wärme
digerirt. Es werden dadurch sämmtliche Platinmetalle in
zertheiltem Zustande gefällt, und können, um die darin noch
enthaltenen Spuren von Platin nicht zu verlieren, den fol-
genden, mit Königswasser zu behandelnden Platinerzen ein-
fach wieder hinzugefügt werden. Das bei der Fällung der
Mutterlauge mittelst Kupferplatten gelöste Kupfer wird sich
leicht durch altes Eisen als Cämentkupfer wiedergewinnen
lassen. Die bei der Cämentation noch übrig bleibenden Mut-
terlaugen geben mit Kalkmilch versetzt eine Flüssigkeit, die
Annal. d. Cham. a. Ph&rm. V. BuDolementbd. 3. Heft. 18
274 Perkin, über die Baeicität
zur Wiedergewinnung^ des Salmiaks benutzt oder wohl zweck-
mdfsiger an die Salmiakfabriken abgesetzt werden kann.
Die vorstehende Untersuchung wurde unter Prof. Bnn-
sen's Leitung in dessen Laboratorium ausgeführt.
üeber die Basicität der Weinsäure;
von W. H. Perkin^y
Der vieratomige Character der Weinsäure ist durch die
künstliche Bildung derselben aus Bernsteinsäure vollständig
erwiesen worden. Von dieser Thatsache ausgehend wurden
verschiedene Chemiker dahin geführt, diese Säure auch als
vierbasisch zu betrachten, und in Bestätigung ihrer Hypo*
these erhielten sie mehrere metallhaltige Verbindungen, welche
die Formeln vierbasischer weinsaurer Salze besafeen. So
fand H. S c h i f f , dafs bei dem Erhitzen des basischen wein-
sauren Blei's auf 130^ dasselbe 1 Aeq. Wasser verlor, unter
Bildung eines Körpers, welchen er ab das vierbasische Blei-
salz betrachtet**), nämlich :
C4H4PbOe . PbO = HjO + C^HjPbjOe.
Auch Frisch hat eine bemerkenswerthe Zinkverbikidung
erhalten durch Kochen von metallischem Zink mit Kali und
Weinsäure und nachheriges sorgfältiges Neutralisiren der
Lösung mit verdünnter Salpetersäure. Das Product hat die
Zusammensetzung C4H8Zn206 -f~ VsHgO. ~ Aber wenn wir
die sonderbaren Methoden betrachten, nach welchen diese
Substanzen hervorgebracht wurden, und die hohen Tempe-
raturen, bei welchen einige derselben getrocknet wurden,
*) Ans d. Jonro. of the Chemioal Sooiety (new series) Y, isa.
•«) Ann. Ch0m. Pharm. CXXV, 146.
der Weinsäure. 275
wie auch die Thalsacbe, dafs die Weinsäure leicht 1 Aeq.
Wasser abgeben und wieder aufnehmen kann, so wird es
sehr schwierig, die wahre Constitution dieser Körper zu
beurtheilen, namentlich da sie unlöslich und nicht kryslalli-
sirbar sind. Ich habe es deshalb als Interesse bietend be-
trachtet, den ersetzbaren Wasserstoff in einer anderen Weise
zu untersuchen, und deshalb hauptsächlich neue Derivate
untersucht, welche durch die Einwirkung der Chlorverbin-
dungen von Säureradicalen auf den Weinsäureäther er-
balten waren.
Einwirkung des Benzoylchlorürs auf Weinsäure- und
Traubensäureäther,
Mit Weinsäureäther gemischtes Benzoylchlorür wirkt auf
den ersteren in der Kalte nicht ein, aber bei dem Erwärmen
entwickelt sich viel Ghlorwasserstoffsäure. Ein Gemische der
beiden Substanzen ungefähr nach gleichen Aequivalenten,
doch den Weinsäureäther in geringem Ueberschufs enthal-
tend, wurde im Wasserbade 2 bis 3 Stunden lang erhitzt.
Das Product wurde wiederholt mit einer Lösung von kohlen-
saurem Natrium gut geschüttelt, um, was etwa vom Benzoyl-
chlorür oder vom Weinsäureäther noch unangegriffen geblieben
sein mochte, zu zersetzen und zu beseitigen. Die alkalische
Losung wurde dann von der neuen Verbindung getrennt,
welche in der Form eines sehr dickflüssigen Oeles erhalten
wurde. Dieses Oel wurde dann mit Wasser gewaschen, in
Aether gelöst und zur Beseitigung von etwa noch zurück-
gebliebenem. Wasser mit trockenem kohlensaurem Natrium
geschüttelt. Die ätherische Lösung wurde dann filtrirt und
im Wasserbade abgedampft. Auf diese Art blieb der neue
Körper als ein sehr dickflüssiges aber durchsichtiges Oel
rückständig. Seine Zusammensetzung entsprach der des Wein-
276 Per hin, über die Basicttät
Säureäthers, in welchem 1 Aeq. Wasserstoff durch 1 Aeq.
Benzoyl ersetzt ist :
Berechnet Gefunden
Ci5
180
58,06
57.64 57.86
H«
18
5.80
5,90 5,83
0,
112
36,14
— —
810 100.00
Dieses Product verwandelt sich bei 2- bis Swöchent-
lichem Stehen, namentlich unter Wasser, fast gänzlich zu
einer Hasse farbloser prismatischer Krystalle, welche nach
starkem Auspressen zwischen Fliefspapier unter einer kräf-
tigen Schraubenpresse^ bis sie ganz frei von Oel ist, einem
Kuchen weifsen Wachses ähnlich aussieht. Diese Hasse
schmilzt bei dem Erwärmen leicht und erstarrt bei dem Er-
kalten allmälig zu einer schön strahlig krystallinischen Hasse.
Ein Theil dieser Substanz gab in Sauerstoff verbrannt
Gefunden Berechnet
Kohlenstoff 58,08 58,06
Wasserstoff 5.98 5,80
also dieselbe Zusammensetzung, wie sie för die nicht kry-
stallinische Substanz gefunden worden war. Als ich zuerst
diesen festen Körper erhielt, war ich geneigt zu glauben,
dafs er mit dem öligen Producte nur isomer sei; aber wei-
tere Betrachtung läfst mich ihn einfach als eine reinere Sub-
stanz betrachten, und diefs möchte auch daraus hervorgehen,
dafs die Analyse des festen Körpers die mit der Berechnung
am Besten übereinstimmenden Zahlen ergab. Ich habe ein
öliges Product drei Honate lang vollkommen klar stehen ge-
habt, aber nach dem Reiben der Wandung des Gefäfses mit
einem Glasstab begann es allmälig zu krystallisiren.
Ich schlage vor, diese Verbindung als Benzowefnsäure^
äiher zu bezeichnen.
Im reinen Zustande ist derselbe ein weifser, geruchloser,
der Weinsäure. 277
leicht ZQ pulyernder Körper. Er schmilzt bei 64^ C. und
kohlt zu einem zähflüssigen Oel ab, welches erst nach län-
gerem Stehen erstarrt; aber das Hineinwerfen eines kleinen
St&ckchens des festen Körpers leitet sofort den Beginn der
Krystallisation ein, welche unter beträchtlicher Temperatur-
erhöhung vor sich geht. Er krystallisirt in durchsichtigen
Prismen. Stark erhitzt destillirt er unter Zersetzung. Er ist nach
allen Verhaltnissen in Alkohol und in Aether löslich; er ist
etwas löslich in siedendem Wasser, welche Lösung bei dem
Erkalten milchig wird und ölige Tropfen ausscheidet, wäh-
rend spater schöne aber kleine prismatische Krystalle sich
absetzen. Seine wässerige Lösung schmeckt schwach bitter.
Seine Lösungen verändern nicht die Farbe von Lackmus-
papier. Wasserige Kalilösung scheint auf ihn nicht einzu-
wirken. Bei der Einwirkung von Natrium wird Wasserstoff
entwickelt und wie es scheint eine Natriumverbindung ge-
bildet. Er ist specifisch schwerer als Wasser.
Wird Benzoweinsäureäthcr in einer zugeschmolzenen
Röhre mit alkoholischer Ammoniakflussigkeit auf 100^ erhitzt,
so wird er langsam zersetzt unter Annahme einer blafs-
brdunlichgelben Farbe. Wird das Product zur Trockne ver-
dampft und dann Wasser zugesetzt, so scheiden sich einige
ölige Tropfen von unzersetzt gebliebenem Aether aus, welche
mittelst Filtriren durch ein benetztes Filter beseitigt werden
können. Das Filtrat erföllt sich bei Zusatz von Salzsaure
mit Krystallen von Benzoesäure , und wenn die von diesen
getrennte Flüssigkeit zur Trockne eingedampft wird, so
bleibt ein gummiartig aussehender und in Wasser sehr lösli-
eber Rftckstand. Nach dem Kochen desselben mit starker Kalilö-
sung (wobei beträchtlich viel Ammoniak sich entwickelt)
wiM auf Zusatz von Salzsäure wiederum viel Benzoesäure
ausgeschieden, was anzeigt, dafs bei dieser} Reaction ein,
Benzoyl enthaltendes lAmid gebildet wurde; doch entsteht
278 Per hin, über die Basicüät
dabei kein Benzamid. Die Producte dieser Reaction sind
wahrscheinlich Benzoesäure, Tartramid, Benzotartramid und
Alkohol.
Ich habe verschiedene Versuche gemacht, ein zweites
Aequivalent Wasserstoff in dem WeinsSureather durch Ben-
zoyl zu ersetzen , aber es ist mir bis jetzt nicht gelungen.
Wenn man Weinsäureäther mit 2 Aeq. Benzoylchlorur, oder
Benzoweinsäureäther mit 1 Aeq. Benzoylchlorör erhitzt, so
erhält man ein Oel; dessen ätherisehe Lösung bei dem Ein-
dampfen gelatinös wird. Ich habe mehrere Verbrennungen
verschiedener Präparate dieses Productes ausgeführt, welche
in mehrfacher Weise gereinigt waren und deren letztes durch
Erhitzen mit Benzoylchlorör bis zu ISO'^ C. dargestellt wor-
den war. Ich habe indessen keine irgend brauchbaren Re-
sultate erhalten. Die Kohlenstoffbestimmungen gaben zwischen
60,24 und 61 pC. schwankende Resultate, die Wasserstoff-
bestimmungen etwa 5,4 pC. Diesen Zuwachs im Kohlenstoff-
gehalt betrachte ich nicht als auf der Einführung von Benzoyl
beruhend, da selbst bei 240<> C. ein Gemische von Benzo-
Weinsäure und Benzoylchlorür kaum eine bemerkliche Menge
von Chlorwasserstoffsäure frei werden läfst.
Benzoylchlorör wirkt auf Traubensäureäther genau in
derselben Weise wie auf Weinsäureäther ein, unter Ersetzung
von 1 Aeq. Wasserstoff* För das Product der Einwirkung
schlage ich die Bezeichnung Benzotrauheiuäureäther vor, da
es mit dem vorhergehenden Körper isomer und nicht iden-
tisch ist. Es schmilzt bei einer beträchtlich niedrigeren Tem-
peratur, nämlich 57^, und krystallisirt nicht so leicht wie
dieser Körper.
Einwirkung alkoholischer RaliVösung auf Benzoweinsäureäthir.
Der Benzoweinsäureäther wird durch alkoholische Kaii-
iösung sehr leicht zersetzt, weiche, wenn im Ueberschusse
der WeiMäure. 279
einwirkend 9 Benzoesäure und Weinsäure entstehen lafst;
aber die Einwirkung kann auch gemäfsigt und intermediäre
Producte können erhalten werden, wenn man eine verdünnte
alkoholische Lösung des Aethers und eine schwache alkoho-
lische Kalilösung in solcher Menge, dafs das vorhandene Kali
unsureichend zur vollständigen Zersetzung des Aethers ist^
anwendet Nach der Behandlung des Benzoweinsfiureathers
in der letzteren Weise wurde mafsig erhitzt, bis der über*
schfissige Alkohol verdampft war; dann wurde Wasser zur
Ausscheidung etwaiger öliger Producte zugesetzt; die durch
ein benetztes Filier filtrirle Flüssigkeit wurde mit Salzsäure
angesäuert, wo sich ein Oel ausschied, welches wiederum
beseitigt wurde, und die klare Flüssigkeit wurde über Schwe-
felsäure unter die Glocke einer Luftpumpe gestellt. Nach
einigen Tagen bildeten sich in ihr schöne Krystallbüschel,
welche nach dem Waschen mit Wasser rein befunden wur-
den. Bei 100<> getrocknet ergaben sie bei der Verbrennung
in Sauerstoffgas die Zusammensetzung:
0 H lcA(C,H,0)Oe = C„H,A.
• Ol
Berechnet Oefhnden
i\^ 156 55,32 54,84
Hu 14 4,96 5,08
O, 112 89,72 —
282 100,00
Sie sind also Aethylöenzoweinaäure oder die Aethyl- und
Wasserstoffverbindung der Benzoweinsaure. Diese Säure ist
ein hübsches Product, in Büscheln harter Nadeln krystalli-
sirend, schwierig löslich in Wasser, aber äufserst löslich in
Alkohol und in Aether. Bei dem Verdunsten ihrer alkoho-
lischen oder ätherischen Lösung scheidet sie sich in fächer-
förmigen Krystallgruppen ab. Ihre wasserige Lösung röthet
Lackmospapier. Sie wird durch Kali leicht zersetzt und
ihre Salze scheinen ziemlich unbeständig zu sein. Ich er-
280 Perkiny über die Basicität
hielt diese Säure nur in einer für eine vollständigere Unlm*-
suohung ungenügenden Menge.
Die Mutterlaugen von der Aethylbenzoweinsäure ent-
halten beträchtliche Mengen von Dessaignes' Benzowein-
säure*). Die bevor erwähnte, bei dem Ansäuren des Rob-
productes sich ausscheidende ölige Flüssigkeit besteht aus
einem Gemische von Benzoesäure und Aethylbenzoweinsäure,
mit etwas neutralem, wie Benzoesäureäther riechendem Oel*
Bei Behandlung des Benzoweinsäureäthers mit alkoho-
lischer Kalilösung finden also die folgenden Reactionen statt :
BenzoweinBäareäther Alkohol Aethylbenzoweins&nre ;
II) c|H^]c,Ha(C,H50)Oe + 2H,0 = 2C,HeO-h J|} C,Hs(C,H50)0e
Benzoweiosftare ;
III) c*H*}c4H,rC,H,0)Oe+3H,0=2C,HflO+^|c4H40e + C^HeO,
Weinsäare Benzotoäare.
Einwirkung des Succinylchlorürs auf W einsäur eäthre.
Wenn Succinylchlorur und Weinsäureäther zusammen
erhitzt werden, so entwickelt sich Chlorwasserstoffsäure in
beträchtlicher Menge und ein neutraler öliger Körper bildet
sich. Für die Darstellung dieser Substanz habe ich im Allge-
meinen den Weinsäureäther und das Succinylchlorur in dem
Verhältnisse von 2 Aeq. des ersteren mit 1 Aeq. des letz-
teren angewendet. Diese Körper wurden zusammen in einer
weiten Reagensröhre im Wasserbade erhitzt, bis sich keine
Chlorwasserstoffsäure mehr entwickelte. Das Prodnct wurde
während einiger Stunden häufig wiederholt mit Wasser ge-
schfiUelt^ um noch vorhandenes freies Succinylchlorur zu
*) J. pharm. [3] XXXII, 47 (Jahresber. f. Chemie u. s. w. mr
1867, ß07).
der Weinsäure. 281
zersetzen und unangegriffenen Weinsäuredther zu e#fernen,
und dann in derselben Weise wie der Benzoweinsäureather
gereinigt. Die Analysen, durch Verbrennung der Substanz
in Sauerstoffgas, gaben för^sie die Zusammensetzung :
d. h. zwei Aeq. Weinsdureather vereinigt durch die Ersetzung
von 2 Aeq. Wasserstoff durch zweiatomiges Succinyi.
berechnet gefunden
c«>
2i0
48,68
47,72
47,79
H«»
80
6,07
6,81
5,81
0,4
224
46,35
—
—
494 100,00.
Der Kohlenstoff- und der Wasserstoffgehalt sind bei
diesen Analysen etwas zu niedrig erhalten worden. Es be-
ruht diefs, wie ich glaube, auf der Anwesenheit von einer
geringen Menge eines neutralen chlorhaltigen Oeles, welches
gewöhnlich in dem Succinylchlorur gefunden wird; und bei
der Natur des neuen Productes konnte ich dasselbe nicht
weiter reinigen. Eine Verbindung, welche 1 Aeq. Weinsäure-
Äther mit 1 Aeq. Succinyi an der Stelle von 2 Aeq. Wasser-
stoff wäre, wurde einen viel höheren Kohlenstoffgehall, nant-
licb 53,7 pC, verlangen.
Ich schlage vor, dieses Product als Succinoweinsäure-
äther zu bezeichnen. Es ist ein sehr dickflüssiges Oel von
blafsgelber Farbe, aber ich glaube, dafs es im vollkommen
reinen Zustande farblos ist. Es ist nach allen Verhältnissen
in Alkohol und i^ Aether löslich, und diese Lö^mgen ver-
halten sich neutral gegen Lackmuspapier. Bei dem Erhitzen
mit alkoholischer Kalilösung wird es zersetzt. Es kann nicht
destillirt werden ohne Zersetzung zu erleiden.
282 PerJctfif über du Basicäät
Eimov^kung des Äcetylchlorürs auf Benzowemsäureäther.
Da es mir nicht gelungen war, ein zweites Aeq. Was-
serstoff in dem Weinsäureather d^Tch Behandlung desselben
mit Benzoylchlorür zu ersetzen , so erschien mir die Anwen-
dung einer kräftiger wirkenden Chlorverbindung angezeigt,
und ich wählte das Acetylchlorur.
Ein Gemisch von Benzoweinsäureäther und Acetylchlorur
nach etwa gleichen Aequivalenten, doch das Chlorur in
schwachem Ueberschusse enthaltend^ wurde in einer zuge-
schmolzenen Röhre 3 bis 4 Stunden lang auf 140 bis 150^ C.
erhitzt. Be'i dem Oeffnen der Röhre entwichen grofse Men-
gen Chlorwasserstoffsäure. Das ölige Product wurde mit
Wasser gut geschüttelt und in Aether gelöst. Die ätherische
Lösung wurde dann mit trocknem kohlensaurem Natrium ge-
schüttelt, filtrirt und im Wasserbade zur Trockne eingedampft.
Die Zusammensetzung dieses Productes entsprach nahezu der
Formel :
(C,H5),.C4H,(C,H^O)(C,H,0)0« = C„H^Oa.
d. h. der des Benzoweinsäureäthers, in welchem 1 Aeq«
Wasserstoff durch Acetyl ersetzt ist.
Berechnet Gefimden
CtT
204
57»96
68,09
H,o
20
5,68
5,80
Oa
128
36»37
—
852 100,00.
Dieses Product, für welches ich die Bezeichnung ^oe^o-
benzoweinsäureäther vorschlage ^ ist ein fittfserst dickflössiges
farbloses Og), specifisch schwerer als Wasse^ Es zeigt keine
Neigung, den festen Zustand anzunehmen, sofern monatelangr
aufbewahrte Präparate vollkommen klar blieben. Bs ist sehr
leicht löslich in Alkohol und in Aether, und vollkommen neu-
tral gegen Reagenspapier. Bei dem Erhitzen mit alkoholischer
d$r Weinsäure, 283
Kalilosong wird es vollständig za Alkohol, Essigsäure, Benzoe-
säure und Weinsaure zersetzt, gemafs der Gleichung :
(CjH^), . C4Hi(C,H50)(C,H.O)Oe + 4 H,0 =
2C,HeO + C^40» + CyHeO, + 04HeOe
Alkohol Essigsäure Benzo^säare Weinsäure.
Einwirkung des Acetylchlorürs auf Weinsäure-' und Trau-
bensäureäther,
Weinsaureätber wird durch Acetylchlorür selbst bei ge-
wöhnlicher Temperatur lebhaft angegriffen; grofse Mengen
Chlorwasserstoffsäure werden entwickelt und das Gemische
wird ganz heifs. Werden gleiche Aequivalente beider Sub-
stanzen angewendet, so bildet sich ein öliger Körper. Dieser
lafst sich in derselben Weise reinigen, wie der Acetobenzo-
weinsaureather. Die bei der Verbrennung desselbe^ in Sauer-
stoffgas erhaltenen Zahlen entsprechen der Formel :
(CA),. C4H,(C,H,0)Oo = C,oH,eO„
welche die des Weinsaureathers ist, in dem 1 Aeq. Wasser-
stoff durch Acetyl ersetzt ist.
berechnet gefunden
C,o
ISO
48^8
48,17
Ht.
le
6,45
6,62
0,
112
46,17
—
248 100,00.
Diese Solotanz, fär welche ich die Bezeichnung Aceto-
weinsäureäther vorschlage, ist ein farbloses Oel, nicht ganz
so zähflüssig als die vorher beschriebenen Verbindungen,
etwa von der CoDsistenz des Olivenöls. Erhitzt man es in
einer in ein Oelbad gesetzten Retorte, so beginnt es sich
bei ziemlich hoch gesteigerter Temperatur zu zersetzen, wo-
bd sieh Essigsaure in dem Hals der Retorte verdichtet, und
bei etwa 287^ C. destillirt ein Oel über, wahrend ein Rück-
stand von Kohle bleibt.
284 Per lein, über die Basicität
Acetoweinsänreäther ist schwerer als Wasser, und etwas
löslich in dieser Flüssigkeit. Er kann aas semer wasserigen
Lösang durch Zusatz von Lösungen ver>chiedener Salze,
z. B. von Ghlornatrinm , abgeschieden werden. Er verhält
sich gegen Reagenspapiere vollkommen neutral und besitzt
einen ziemlich bittf^ren Geschmack.
Bei dem Kochen mit wasseriger Ammoniakfifissigkeit wird
der Acetoweinsäureather zersetzt, und durch Abdampfen der
Lösung wird ein gelbliches syrupartiges Product erhalten,
welches bitter und etwas brennend schmeckt.
Bei dem Erhitzen des Acetoweinsfiureöthers mit Benzoyl-
chlorfir würd Chlorwasserstoffsäure entwickelt und ein dickes
farbloses Oel, wahrscheinlich Benzoacetoweinsäureäther, ge-
bildet. 9
Natrium wirkt rasch auf diesen Aether ein, unter Ent-
Wickelung von Wasserstoffgas. Die Einwirkung wird beför*
dert durch den Zusatz von Benzol, welches den Aether
dünnflüssiger sein läfst. Das resultirende Product ist eine
durchsichtige gummiartige Substanz. Es ist wahrscheinlich
Nairacetoweinsäureäther,
Behandelt man Weinsäureäther mit 2 Aeq. Acetylchlorfir
und erhitzt, wenn die Einwirkung nachgelassen hat, das
Product in einer zugeschmoizenen Röhre kurze Zeit auf 100^,
so wird ein zweites Derivat erhalten^ welches, so wie das
vorhergehende gereinigt, bei dem Stehen zu feiner schönen
krystallinischen Hasse erstarrt, welche von einer kleinen
Menge öligen Acetoweinsäureäthers durch Auspressen zwi-
schen Pliefspapier unter einer kräftig wirkenden Presse be-
freit werden und dann aus Wasser umkrystallisirt werden
kann. Die durch Schmelzen getrocknete Substanz gab bei der
Verbrennung in Sauerstoffgas Zahlen , welche der Formel :
144
49,66
49,84
49,88
18
6,20
6,39
6,43
128
44,15
—
—
der Weinsäure. . 285
gttl entsprechen, d. i. der Formel des Weinsaureathers , in
weichem 2 Aeq. Wasserstoff durch Acetyl ersetzt sind.
berechnet gefanden
290 100,00.
Diese Substanz ist also Diacetoweinsäureätker. Sie ist
nach allen Verhaltnissen in Alkohol und in Aether lösiicb,
krystallisirt aber aus ihrer alkoholischen Lösung bei dem
Verdünnen derselben mit Wasser. Bei dem Kochen mit
Wasser löst sich eine betrachtliche Menge, und die Lösung
scheidet bei dem Erkalten glAnzende prismatische Krystalle
aus, deren Länge IV2 Zoll übersteigt. Sie ist etwas löslich
in kaltem Wasser , aber auf Zusatz einer concentrirten Chlor-
natriumlösung wird diese Lösung trübe und der Diacetowein-
Säurefither krystallisirt bei dem Stehen aus.
Der Diacetoweinsaurefither schmilzt bei 67^ C. zu einem
farblosen Oel, und er erkaltet dann ohne wieder zu erstarren ;
aber sobald ihm ein kleines Stuckchen der festen Substanz
zugesetzt wird^ so beginnt er in Büscheln von Nadeln zu
krystallisiren und erstarrt er innerhalb weniger Augenblicke
vollständig. Während des Krystallisirens entwickelt er so
viel Wärme, dafs er für die Hand ganz heifs erscheint.
Bei starkem Erhitzen destillirt dieser Aether, indem er
nur geringe Zersetzung erleidet. Sein Siedepunkt liegt zwi-
schen 294 und 298^ Die oben unter „gefunden^ zuletzt
stehenden Zahlen wurden bei der Analyse eines Präparates
prhalten, welches destillirt worden war. Ich glaube, dafs
dieses das einzige Derivat der Weinsäure ist, welches ohne
vollständig oder doch gröfstentheils zersetzt zu werden destil-
lirt werden kann.
286 . Perkin^ über die Basicüät
Der Diacetoweinsäurefitber wird durch wässerige Kali-»
lösung nicht rasch zersetzt; und wenn man ihn in kalter
alltoholischer Ammoniakflässigkeit auflöst und die Lösung
mehrere Tage lang stehen lafst, so enthält sie noch eine
sehr beträchtliche Menge der unveränderten Verbindung.
Geschmolzener Diacetoweinsäureäther entwickelt bei dem
Zusammenbringen mit Natrium nur eine sehr geringe Menge
WasserstofTgas, viel weniger als der Monoacetoweinsäureäther;
die Lösung des ersteren Aethers in Benzol entwickelt in der
That mit Natrium nur eine Spur Wasserstoffgas , und die Lö-
sung hinterläfst dann bei dem Verdampfen des Benzols die
unveränderte Verbindung. Diefs möchte dafür sprechen, dalGs
in dieser Verbindung die ganze Menge des typischen Wasser-
stoffs substituirt ist.
Traubensäureäther giebt bei der Behandlung mit Acetyl*
chlorür zwei neue Körper, nämlich Acetatraubensäureäther
und Diacetotraubenaäureäther. Sie werden genau in der-
selben Weise dargestellt, wie die beiden vorhergehenden
Körper. Den Monacetotraubensäureäther habe ich noch nicht
näher untersucht. Er ist ein farbloses Oel. — Der Diaceto-
traubensäureäther ist ein fester, bei 50^5^ C. schmelzender
Körper. Er siedet bei etwa 298^ C. und destillurt unter
schwacher Zersetzung. Er löst sich nach allen Verhältnissen
in Alkohol und in Aether. Er wird aus seiner Lösung in
siedendem Wasser bei dem Erkalten derselben in kleinen
Buschein von Nadeln ausgeschieden und bildet bei langena
Stehen manchmal kurze aber stark glänzende Prismen an
den Wandungen des Gefäfses. Er unterscheidet sich von
dem Weinsäurederivat durch seinen um 16,5^ niedrigeren
Schmelzpunkt und auch dadurch, dafs er aus seinen wässe*
rigen Lösungen anders krystallisirt. Er scheint in Wasser
etwas löslicher zu sein, aber er krystallisirt nicht so leicht
der Weinsäure, 287
ab die ihm isomere Verbindung, and nach dem Schmelzen
bleibt er viel lönger flüssig und giebt dann nicht eine so
gut krystallisirte Masse. Er ergab 49,82 pC. C und 6,29 pC.
H, und besitzt also genau dieselbe Zusammensetzung wie
Diacetoweinsäureather (berechnet 49,65 pC. C und 6,20 pC. H).
Ich hatte gerne die Dampfdichten dieser beiden Diaceto-
Aether bestimmt, weil die Formel der aus rechts- und links-
drehender Weinsäure bestehendeh Traubensaure das Doppelte
Ton der der Weinsöure sein mufste und diese Differenz durch
die Dampfdichten direct nachgewiesen wurde; aber wenn
aach jene Aether flüchtig sind , wurden sie doch bei der für
solche. Versuche nöthigen Temperatur zu stark zersetzt wer-
den, als dafs vertrauenswürdige Resultate erbalten werden
konnten. Aber der Umstand^ dafs ihre Siedepunkte nahezu
gleich sind, spricht stark dafür, dafs beiden Verbindungen
dieselbe Formel zukommt, da gewifs, wenn der einen Ver-
bindung die verdoppelte Formel zukäme, ihr Siedepunkt im
Vergleich zu dem der anderen beträchtlich viel höher liegen
würde. Ich will hier noch erwähnen ; dafs für den Diaceto-
traubensäureäther durch die Destillation die vorherigen Ei-
genschaften und der Schmelzpunkt nicht abgeändert werden.
Es ist ein sehr auffallendes Resultat, dafs die Trauben-
saore, welche rechtsdrehende und linksdrehende ViTeinsäure
giebt und wiederum bei Mischung der Lösungen dieser bei-
den Säuren selbst unter Wärmeent Wickelung gebildet wird^
nicht eine Formel besitzt, welche der von 2 Aeq. Weinsäure
gleich kommt. Es würde hieraus folgen , dafs die Trauben-
saore nicht aus diesen beiden Säuren besteht, sondern sich
bei der Umwandlung in gewisse Salze in sie verwandelt.
Einwirkung des Acetylchlorürs auf Weinsäure und Trauben'^
säure.
Wenn gepulverte trockene Weinsäure mit etwa dem
288 Perkiuf über die Baaicüäi
dreifachen Gewichte Acetylchlorür digerirt wird, so scheint
zuerst nur sehr wenig Einwirkung stattzufinden, aber wenn
man das Erwärmen während mehrerer Stunden fortsetzt, so
verschwindet sie alimäiig unter Hinterlassung einer syrup-
artigen Flüssigkeit, welche gewöhnlich bei dem Erkalten zu
einer krystallinischen Masse erstarrt; sollte diefs nicht ein-
treten, so mufs man mehr Acetylchlorür zusetzen. Das kry-^
stallinische Product läfst sich nach starkem Auspressen zwi-
schen trockenem dickem Fliefspapier durch Schmelzen in
einer offenen Schale, so dafs noch anhaftendes Acetylchlorür
u. a. verdampft, vollkommen rein erhalten. Bei dem Er-
kalten erstarrt es zu einem glänzenden weifsen krystallioischen
Körper. Die bei Verbrennung dieses Productes in Sauerstoff-
gas erhaltenen Zahlen entsprechen der Formel
d. h. der Formel des üiacetoweinsäure- Anhydrids,
berechnet gefunden
Ca
96
44,44
44,27
44,45
H«
8
3,70
3,96
3,98
Ot
112
216
61,86
100,00.
"^
-^~
Das Diacetoweinsänre-Anhydrid ist ein zäher krystaliini-
scher Körper, welcher bei 126 bis 127^ C. schmilzt. Bei
der Destillation zersetzt es sich grofsentbeils, namentlich wenn
man dieselbe langsam vor sich gehen läfst. Es siedet ober-
halb 250^ C, aber keine constante Siedetemperatur kann
erbalten werden ; Essigsäureanhydrid geht während der De-
stillation zusammen mit anderen Producten über, von wel-
chen einzelne die Augen ähnlich wie Acrolein angreifen ; ein
Rückstand, von Kohle bleibt in der Retorte. Bei mäfsigero
Erhitzen sublimirt es zu schönen aber kleinen Prismen. Es
ist etwas löslich in Benzol und krystallisirt aus diesem Lö-
der Weinsäure. 28§
sungsmittel in därmen weifsen Nadeln. Es krystalUsirt auch
aas Egsigsfiure- Anhydrid.
Wird getrocknete Traubensäure der Einwirkung von
Acetylcblorör unterworfen, so unterliegt sie genau derselben
Veränderung wie gewöhnliche Weinsäure^ aber die Reaction
geht etwas langsamer vor sich. Das Diacelotraubensäure-
Anhydrid ist ein schöner krystallinischer Körper, welcher in
seinen Eigenschaften der ihm isomeren Verbindung ähnlich
ist. Auch sein Schmelzpunkt ist derselbe, nämlich 126^ C.
— Aus Traubensäure dargestelltes Diacetoweinsäure-Anhydrid
ergab 44,12 pC. C und 3,89 pC. H ; es berechnen sich 44,44
pC. C und 3,70 pC. H.
Emwirkunff des Wassers auf Diacetaweinsäure- Anhydrid.
Der Luft ausgesetzt absorbirt dieses Anhydrid rasch
Feuchtigkeit; mit warmem Wasser zusammengebracht löst es
sich allmälig auf, unter Bildung einer stark sauren Flüssig-
keit. Diese enthält eine Säure, für welche ich die Bezeich-
nung Diacetoweinsäure vorschlage. Die Bildung derselben
erklärt sich durch die Gleichung :
C4H,(CH,0),05 + H,0 = CA(C,H,0),Oe
Diacetoweinsftiire- Diacetoweinsftare. •
anhydrid
Die durch Eindampfen ihrer wässerigen Lösung unter
der Glocke der Luftpumpe erhaltene Diacetoweinsäure bildet
gewöhnlich eine durchsichtige gummiartige Masse. Sie ist
sehr zerfliefslieh und schmeckt stark sauer. Stark erhitzt
zersetzt sie sich ohne Bildung ihres Anhydrida. Bei dem
Erhitzen mit einer Lösung von Kali oder Natron wird sie
zersetzt gemäfs der Gleichung ;
C4H4(C,H,0),06 + 2H,0 = C4HeOe + 2 C,H40,
DiMetoweinsäure Weiosäiize Essigsaure.
Diacetoweinsäure, welche aus gewöhnlicher Weinsäure
dargestellt war, wurde mittelst Kali zersetzt und nach dem
Aniwl. d. Chem u. Pharm. V. Supplementbd. 8. Heft. 1«/
290 Perkiriy über die Basicität
Neutralisiren mit einer Saure wurde die Weinsäure als Cal*
ciumsalz ausgefallt, welches dann gut ausgewaschen mittelst
verdünnter Schwefelsaure zersetzt wurde. Aus dem con*
centrirten Filtrat schieden sich grofse Kry stalle von Wein*
säure aus, weiche abgewaschen und umkrystallisirt wurden.
Die so erhaltene Säure enthält kein Krystallwa^ser und fallt
nicht Lösungen von Chlorcaicium oder salpetersaurem Cal-
cium; man möchte sie hiernach für gewöhnliche Weinsäure
halten, aber sie scheint etwas anders zu krystallisiren. Da
ich sie in quadratischen Tafeln von etwa Vi Zoll Durchmesser
erhalten habe^ hoffe ich dieses Product noch genauer unter-
suchen zu können. — Ein Theil von dieser Saure wurde zu
dem sauren Kaliumsalz umgewandelt; dieses ergab 20,47 pC.
Kalium, wahrend sich 20,74 pC. berechnen.
Diacetoweinsaure Salze. — Die Diacetoweinsäure bildet
mit Basen Salze, welche 1 und 2 Aeq. Metall enthalten; sie
ist also zweibasisch. Diese Verbindungen sind ziemlich
schwierig rein zu erhalten, und aufserst leicht löslich.
Das Natriumsalz wird erhalten durch sorgfältiges Neu-
tralisiren einer Lösung der Saure mit kohlensaurem Natrium,
(Joncentriren bei sehr gelinder Warme und schliefsliches Ein-
dampfen im leeren Raum. So erhalten ist es ein krystallini-
scher, in Wasser aufserst löslicher und sehr zerfliefslicher
Körper.
Das Kaliumsalz wird in entsprechender Weise wie das
vorhergehende Salz erhalten; es ist krystallinisch, sehr lös-
lich in Wasser und zerfliefslich^
Das saure Kaliumsalz giCsHgOs wird in der Art dar-
gestellt, dafs man von den zwei Hälften einer wässerigen
Lösung der Säure die eine mit kohlensaurem Kalium neutra-
lisirt und dann die andere zusetzt; nach dem Concentriren
der Weinsäure. 291
der Pldssigkeit in gelinder Wärme oder im leeren Räume
krystallisirt das neue Salz aus ; man befreit es durch -starkes
Pressen zwischen Pliefspapier von der Mutterlauge und reinigt
es durch eine zweite Krystaliisation^ So erhalten bildet es ein
krystaUinisches Pulver, welches in Wasser leicht löslich aber
nicht zerfliefslich ist. Es röthet stark Lackmus, und schmeckt
sauer. Bei 100^ getrocknet ergab es 14,17 pC. Kalium; es
berechnen sich 14,34 pC.
Das Gaiciumacdz CaCsHsOg wird durch Neutralisiren
einer Lösung der Säure mit kohlensaurem Calcium, Filtriren
und Concentriren des Piltrats erst in gelinder Warme und
dann im leeren Räume dargestellt. Ich konnte es nicht
krystallisirt erhalten. Seine Lösung wird bei dem Con»
centriren zu einem Syrup und dann zu einer undurch-
sichtigen zerreiblichen Masse. Es ist zerfliefslich. . Bei
100^ getrocknet gab es 14,94 pC. Calcium; es berechnen
sich 14,70 pC.
Das Baryumsalz BaCgHsOg wird in derselben Weise wie
das Caiciumsalz dargestellt. Seine bis zur Syrupconsistenz
concentrirte Lösung scheidet bei 1- bis 2tagigem Stehen
Nadeln des neu6n Salzes ab, welche bis zu Vx Zoll lang
sind. Es ist aufserst löslich in Wasser und zerfliefslich. Bei
100^ geirocknet ergab es die durch obige Formel ausge-
druckte Zusammensetzung :
berechnet.
gefiinden
c.
96
26,01
25,88
H,
8
2,17
2,84
B«
187
87,12
86,98
0,
128
84,70
—
869 100,00.
Das Kupfersalz CuCaHgOg wird durch Sattigen einer
Lösung der Säure mit kohlensaurem Kupfer und Concentriren
19»
292 Perkin, über die Baaicität
der Pldssigkeit bei niedriger Temperatur erhalten. Bs ist
ein blaues krystallinisches Salz, sehr leicht löslich in Wasser.
Bei 100® getrocknet ergab es 21,40 u. 21,22 pC. Kopfer; es
berechnen sich 21,48 pC.
Sübersah AggGgHgOs. — Die Diacetoweinsflnre ist
schwierig mit kohlensaurem Silber zu sattigen. Um dieses
Salz zu erhalten, schüttelt man am Besten eine Lösung der
Säure mit frisch gefälltem kohlensaurem Silber, filtrirt und
concentrirt das Piltrat. Nach einiger Zeit scheidet sich das
Silbersalz in Form eines albuminösen Magma's sehr kleiner
seideartiger Nadeln aus ; es wird vpn der Flüssigkeit durch
Auspressen zwischen Fliefspapier getrennt und umkrystallisiri.
So erhalten bildet das Salz eine weisse krystallinische Hasse,
welche in Wasser äufserst löslich ist und auf welche das
Licht sehr langsam einwirkt.
Quecksilberaalz. — Bei Zusatz einer Lösung von salpe-
tersaurem Qnecksilberoxydul zu der Lösung eines Salzes der
Diacetoweinsäure entsteht ein gelatinöser^ in Essigsäure lös-
licher Niederschlag *).
*) Nach der Anstellung dieser Versnohe habe ich erfahren, daft
bereits Bochleder das Verhalten der WeinsAure in Acetyl-
chlorflr untersucht und offenbar einige ron den oben beschrie-
benen Körpern erhalten hat Doch hat er keines seiner Pro-
ducte analysirt Er giebt an , da{s er die von mir als Uiaceto-
weinstture beschriebene Sanre krystallisirt erhalten hat Vgl.
Ghem. Gasette, 1859, 51. [Rochleder's MiUheilung TgL
Jahresber. f. Chem. u. s. w. fOr 1858, 247; aber auch die daran
sieh anschUefsende weitere üntersuebung der zweifach -acetylirten
Weinsfture von Pils Jahresber. fOr 1861, 868, und ans Wisli-
cenus' Untersuchungen über die durch negatire Badicale ersets-
baren Wasaerstoffatome mebräquiralentiger organischer Sauren
namentlich die über die Einwirkung des Acetylohlorürs aufWein-
sanreather Ann. Chem. Pharm. CXXIX, 184 ff. D. A.]
der Weinsäure. 293
Wird das Diacetotraubensäure* Anhydrid mit Wasser zu-
sammengebracht, so entsteht Diacetotraubenaäure. So weit
ich die letztere untersucht habe, erscheint «ie der Diaceto-
weinsaure ähnlich , aber bei dem Zersetzen durch Kali giebt
sie Essigsaure und Traubensaure. Es beweist diefs, dafs sie
und ihr Anhydrid mit den Derivaten der gewöhnKchen Wein-
säure nur isomer sind, welche Thatsache festzustellen des-
halb von Wichtigkeit war^ weil das Diaceto weinsaure- und
das Diacetotraubensaure- Anhydrid denselben Schmelzpunkt
haben. — Das Caicimnsalz der Diacetolraubensaure gab^ bei
iOO^ getrocknet, 14,33 pC. Calcium (der berechnete Procent-
gehalt ist 14,70); dieses Salz war unkrystallisirbar.
Einwirkung des Natriums auf Weinsäureäther,
Wird Weinsaureäther mit Natrium zusammengebracht,
so findet eine Entwickelung von Wasserstoff statt; aber
wegen der Zahflössigkeit des Aethers geht die Einwirkung
nur sehr langsam Tor sich« Wird jedoch der Aether durch
Zumischung seines b-* bis 6 fachen Volumes wasserfreien
Benzols dünnflüssiger gemacht^ so geht die Einwirkung sehr
rasch vor sich, und die Flüssigkeit erwärmt sich und nimmt
eine blafsgelbe Färbung an. Trennt man die Flüssigkeit von
dem überschüssigen Natrium und verdampft die erstere zur
Trockne , so wird ein blafs-gelblichbrauner unkrystallinischer
aber zerreiblicher Rückstand erhalten , welcher in Folge der
Absorption von Feuchtigkeit rasch kleberig wird ; mit Wasser
gemischt giebt er eine stark alkalische Flüssigkeit.
Eine abgewogene Menge Weinsäureäther wurde auf
diese Art in einem Apparate behandelt, welcher eine Auf-
sammlung des Wasserstoffs möglich machte. Es wurde ge-
funden^ dafs die Einwirkung etwa eine halbe Stunde lang
lebhaft vor sich ging, bis nahezu 1 Aeq. Wasserstoff ent-
294 PerktTif über die Basicität der Weinsäure.
wickelt war; dann liefs sie nach, die Lösung war noch
klar und das Natrium ganz blank. Die Einwirkung verlang-
samte sich dann noch mehr, und ein gelatinöses Product
bildete sich aUmalig auf dem Natrium, so dafs dadurch jede
weitere Einwirkung aufgehoben wurde.
Hiernach ist das erste und hauptsächliche Product dieser
Einwirkung Weinsaureäther , in welchem 1 Aeq. Wasserstoff
durch Natrium ersetzt ist, und das gelatinöse Product Wein-
säureäther, in welchem 2 Aeq. Wasserstoff durch Natrium
ersetzt sind. •
Bei dem Erhitzen des ersteren natriumhaltigen Productes
mit Jodäthyl wird ein Oel gebildet, welches wahrscheinlich
Aethylweinsäureäther ist.
Perkin knüpft an die Miltheilung dieser seiner Ex-
perimentaluntersuchungen noch eine Besprechung der Eigen-
schaften und des Verhaltens der von ihm erhaltenen Ver-
bindungen und theoretische Betrachtungen; auch er kommt
zu dem Resultat, dafs die vieratomige Weinsäure sich einer-
seits als eine zweibasische Säure, andererseits wie ein zwei-
atomiger Alkohol verhält y und dafs der von ihm in dem
Weinsäureäther durch Säureradieale ersetzte WasserstoflF
nicht basischer Wasserstoff, sondern alkoholischer Wasser-
stoff ist.
295
üeber die Ausdehnung und das specifische
Gewicht des Benzols und seiner
Homologen ;
von Y. Lougmnine^).
Daran erinnernd, welches Licht die schönen Synthesen
von Fittig und Tollens auf die Constitution der Kohlen-
wasserstoffe der aromatischen Reihe geworfen haben und
dafs nun eine grofse Zahl isomerer Kohlenwasserstoffe be-
kannt ist und vorausgesehen werden kann, bemerkt Lou-
guinine, dafs der Untersuchung der diese isomeren Körper
unterscheidenden chemischen Eigenschaften die Feststellung
einiger physikalischer Eigenschaften sehr nützlich zur Seite
stehen kann ; namentlich die der Spannkraft der Dämpfe, der
Ausdehnung, und der Wärmecapacitat. Er hat die in dieser
Richtung von ihm auszuführenden Untersuchungen, im College
de France unter Regnault's Leitung, mit der Bestimmung
des specifischen Gewichtes und der Ausdehnung des Benzols
und seiner Homologen begonnen.
Das für die Ermittelung der Ausdehnung in Anwendung
gebrachte Verfahren bestand in der Bestimmung des spec.
Gewichtes der zu untersuchenden Flüssigkeit bei verschie-
denen Temperaturen. Ein Glasgefäfs, dessen Capacitat, bis
zu verschiedenen Strichen am dünnen Halse, bekannt und
dessen Ausdehnung durch die Warme ermittelt war, wurde
mit der zu untersuchenden Flüssigkeit gefüllt und diese bei
einer längere Zeit constant erhaltenen Versuchs-Temperatur
auf einen der Striche eingestellt, das Gewicht der Flüssig-
keit dann bestimmt, hieraus das spec. Gewicht derselben
^) Im AUBzag aa« Ann. chim. phj«. [4] XI, 463.
296 Lougutnine^ speo. Gewicht u. Auadeiinung
für die Versucbstemperatur, bezogen auf das des Wassers
von 0^ als Einheit, abgeleitet. Die bei diesen Versuchen
zur Ermittelung der Ausdehnung angewendeten Glasgefifse
waren betrachtlich grofs, das kleinste fast 19, das gröfste
fast 58 CG. fassend (ein kleineres Gefafs, immer noch 12 CG.
fassend, diente einmal zur Ermittelung eines spec. Gewichtes
bei 0^).
Beträchtliche Sorgfalt wurde für die Reindarstellung der
untersuchten Kohlenwasserstoffe beabsichtigt. Das Toluol und
das Xylol wurden in der Art zum Zweck der Reinigung be*
handelt, dafs sie zu gepaarten Schwefelsauren umgewandelt
wurden , welche dann wieder durch Destillation zersetaU wur-
den. — Bei Versuchen, ob ein Gemische der homologen Koh-
lenwasserstoffe durch Erstarrenlassen desselben, partielles
Schmelzen und Absondern des Flussigen von dem noch Er-
starrten zerlegt werden könne, ergab es sich, dafs weder
das Toluol noch das Xylol, noch einer der beiden Kohlen-
wasserstoffe von der Formel des Cymols bei — 79 bis — 80^
(in einer von starrer Kohlensäure umgebenen Glasröhre) er-
starrt; und auch ein Gemische aus gleichen Theilen kry-
stallisirbarem Benzol und Toluol blieb bei dieser Temperatur
vollständig flüssig.
Benzol^ GeHe. — Benzol aus Steinkohlentheer, bei 82
bis 83^ siedend , wurde wiederholt durch Ersterrenlassen und
Beseitigen des noch Flüssigen mittelst Auspressen zwischen
Fliefspapier gereinigt, das so gereinigte Benzol auch noch
partiell erstarren gelassen und die einzelnen nach einander
krystallinisch ausgeschiedenen Portionen und das zuletzt flüssig
Gebliebene besonders untersucht. Aus Benzoesäure durch
Destillation mit dem dreifachen Gewicht Kalk^ Schütteln mit
wässerigem Kali , Entwässern mittelst Ghlorcalcinm und Rec-
tificiren dargestelltes Benzol wurde untersucht^ und eben so
das bei partieller Erstarrung sich Ausscheidende und das da
des Bensob und seiner Bomologen. 297
noch flflssig Gebliebene. Der Siedepunkt wurde fflr die ein-
Keinen Präparate nicht bestimmt, aber das spec. Gewicht bei
verschiedenen Temperaturen, uhd daraus das bei 0^ und die
Aasdehnung abgeleitet. Im Mittel aus den Resultaten ffir die
als reinste betrachteten Präparate setzt Louguininedas
spec. Gew. des Benzols bei 0^ ss 0,8995, und er betrachtet
ein solches Benzol als rein, welches dieses spec. Gewicht
besitzt und bei 0^ erstarrt (das Erstarren ist von beträcht-
lieber Contraction begleitet). Die bezuglich der Ausdehnung
mit diesen Präparaten erhaltenen Resultate stimmten auch
ziemlich nahe überein; für das aus Benzoesäure dargestellte
und krystallisirt gewesene Benzol, als das reinste, giebt
Louguinine die Ausdehnung / berechnet nach der (aus
3 Versuchen abgeleiteten) Formel
9 sx 1,0000 + 0,00116( + 0,000002226 f*,
U abgeleitet aus der nach den Versuchsresultaten graphisch
construirten Ausdehnungscurve :
tu I II in
C/^ 1,0000 1,0000 SO^ 1,0868 1,0871 60^ 1,0776 1,0774
10 1,0118 1,0122 40 1,0600 1,0500 70 1,0921 1,0919
20 1,0241 1,0245 60 1,0636 1,0622 80 1,1070 1,1066
«
Tobiol, 67H8 = €flH5(GH9). - Toluol aus Steinkohlen-
theer dargestellt^ welches bei der Destillation ohne gröfsere
Schwankung des Siedepunktes, als von 110,7.<> auf 111,3^
überging, ergab das spec. Gew. 0,8753 bei 0^. Es wurde
mit einer zur vollständigen Umwandlung desselben in eine
gepaarte Schwefelsäure unzureichenden Menge rauchender
Schwefelsäure behandelt, der unangegriffene Kohlenwasser-
stoff beseitigt, die nach einigen Stunden auskrystalllsirte
Sulfotoluolsäure auf einem Filter abtropfen gelassen, dann
dieselbe in Wasser gelöst und die Lösung der Destil-
lation unterworfen. Das hier wieder auftretende Toluol
wurde aufgesammelt, durch Schütteln mit wässerigem Kali
298 Louguinine, spec. Oewicht und Ausdehnung
von schwefliger Saure gereinigt , mittelst Chlorcalcium ge-
trocknet und rectificirt. Der Siedepunkt hatte sich nur wenig
geändert; das Meiste ging bei 111 bis Wi^b^ über, und das
zwischen diesen Temperaturen Uebergegangene. besafs das
spec. Gew. 0,8841 bei 0^. Nach den Versuchen über das
spec. Gewicht des in angegebener Art gereinigten Toluols bei
verschiedenen Temperaturen giebt Louguinine das Vo-
lum desselben, das bei 0^ = 1 gesetzt *), / berechnet nach
der Interpolationsformel :
t, = 1 + 0,001028 f + 0,000001779 /•, .
II abgeleitet aus der nach den Versuchen construirten
Ausdehnungscurve :
1
//
/
!I
/ /l
00 1,0000
1,0000
400
1,0439
1,0488
800 1,0987 1,0987
10 1,0104
1,0104
60
1,0558
1,0554
90 1,1069 1,1069
20 1,0212
1,0214
60
1,0681
1,0678
100 1,1206 1,1206
80 1,0824
1,0824
70
1,0807
1,0804
Xylol^ GsHio = GgH4(€H3)2, aus Steinkohlentheer dar-
gestellt, welches zwischen 138 und 139^ destiilirte, ergab
das spec. Gew. 0,8697 bei 0^. — Ein anderes, weniger rei-
nes, zwischen 137 und 140<' siedendes Xylol wurde in der
eben angeführten Art, durch Ueberfuhren in Sulfoxylolsaure
und Wiederabscheiden aus dieser Verbindung, gereinigt.
Dieses gereinigte Xylol destillirte vollständig zwischen 138
und 138,5^; es besafs das spec. Gew. 0,8770 bei 0^ Das
Volum desselben, das bei 0^=1 gesetzt**), ist nach Lou-
guinine, / berechnet nach der Interpolationsformel:
0=14. 0,0009506 t + 0,000001682 <*,
*) Wir geben hier Formel und Tabelle doftlr umgereohnet , dafo
das Volum bei 0^ = 1 gesetzt sei. Louguinine setst das
Volum des Beosols (spec. Qew. 0,8995) bei 0^ =s I \ind das
des Toluols (speo. Gew. 0,8841) bei 0^ = 1,0174.
*) Auch hier geben wir Formel und Tabelle dafür umgerechnet.
Louguinine setzt das Volum des Xylols bei 0^ wiederum
das des Benzols als Einheit annehmend, =s 1,0257.
/
//
(H>
1,0000
1,0000
10
1,0096
1,0094
20
1,0197
1,0195
30
1,0800
1,0297
1/
1 1/
1,0408
80» 1,0866 1,0869
1,0618
90 1,0987 1,0986
1,0626
100 1,1118 1,1118
1,0789
des BemoU und seiner Homologen. 299
II abg^eleitel aas der nach den Versuchen constrnirten Aus-
dehnungscurve : '^
l
40« 1,0407
60 1,0616
60 1,0629
70 1,0746
Cymol GioHu aus Römisch- Kümmelöl. — Aus dem unter-
halb 200^ übergehenden Antheil von kauflichem Kümmelöl
wurde das darin enthaltene Cuminol mittelst einer Lösung
von zweifach- seh wefligsaurem Natron ausgeschieden, das
Cymol wiederholt über Aetzkali und schliefslich zweimal
über Natrium rectificirt. Das Präparat destillirte grörsten-
theils zwischen 175 und 176^ über; das da Uebergegangene
(a) besafs das spec. Gew. 0,8705 bei 0^; das noch zweimal
über Natrium destillirte Präparat ergab das spec. Gew.
fast genau eben so grofs, 0,8703 bei 0^ Auch die Ausdeh-
nung beider Präparate wurde nahezu übereinstimmend ge-
fanden ; auf Grund der für das Präparat a gefundenen Re-
aoltate giebt Louguinine das Volum des Cymols, das
bei 0® = 1 gesetzt *), / berechnet nach der Interpolations-
formel :
• = 1 4- 0,00089621 + 0,000001277 <*,
II abgeleitet aus der nach den Versuchen construirten Aus-
dehnungscurve :
/
n
/ 1/
/ //
0«
1.0000
1,0000
40« 1,0878 1,0879
80« 1,0798 1,0800
10
1,0090
1,0098
60 1,0480* 1,0478
90 1,0910 1,0912
20
1,0184
1,0190
60 1,0688 1,0688
100 1,1028 1,1026
ao
1,0280
1,0286
70 1,0692 1,0690
Cymol
aus Campher, — Es wurde
auf zweierlei A
*) Anoh bler rieben wir Formel und Tabelle dafür amgerechDet
(a. a. O. p. 478 rnnfs stehen 0,00000182 sUtt 0,000000182).
LougaiDine setzt das Volam dieses Cymols bei 0«= 1,0388.
300 Louguintne, spec. Gewicht und Ausdehnung
darfjrestellt : durch die Einwirkung von geschmolzenem Chlor-
zink auf Campher und , da eine Verunreinigung dieses Prä-
parates mit gleichzeitig gebildetem Benzol, Toluol und Xylol
zu befürchten^ b durch die Einwirkung von Phosphorsuper-
chlorid auf Campher und Destillation des hierbei resultirenden
Productes*). Das erstere Präparat, welches bei 177 bis 179®
destillirte, ergab bei 0^ das spec. Gewicht 0^768 (auch die
Aenderungen des spec. Gewichtes dieses Präparates mit der
Temperatur wurden untersucht)^ und nach nochmaliger Rec-
tification über Natrium 0,8772. Das Präparat &, welches
durch einmalige Rectification über Natrium gereinigt war und
bei 174 bis 175^ destillirte, ergab das spec. Gewicht bei 0®
= 0,8732. Für das letztere^ von Louguinine als das rei-
nere betrachtete Präparat b giebt Derselbe das Volum dieser
Flüssigkeit; das bei 0<> = 1 gesetzt**), i berechnet nach
der Interpolationsformel:
o =: 1 + 0,000898 f + 0,000001811 <*,
*) Vgl. S. 260 dieses Bandes.
**) Auch hier Tersuohen wir, Formel and Tabelle dafür omin-
rechnen. Aber Unsicherheit bleibt, sofern in der Ton Lou-
guinine gegebenen Tabelle offenbare Irrthümer sind. Er
setzt das Volum bei 0^ = 1,0301 und giebt die Interpola-
tionsformel ÜQx das Volum bei 19 :
V = 1,0301 + 0,000926« + 0,00000186 «•,
welche bis 90^ Resultate giebt, die mit den yon ihm als be-
rechnete Volume angegebenen Zahlen stimmen. Aber nach
dieser Formel berechnet sich ffir 100<^ das Volum 1,1861,
während in der yon Louguinine gegebenen Tabelle als
berechnetes Volum 1,1391 steht, und die letztere Zahl wird
unterstützt durch die Angabe, das Volum leite sich (auch auf
1,0301 bei 0^ bezogen) aus der nach den Versuchen constru-
irten Ausdehnungscurre zu 1,1389 ab; und nur in neue Ver-
wickelungen kommt man, wenn man aus den für rerschiedene
Temperaturen angegebenen spec. Gewichten sieh besflglioh
des Verhältnisses der Volume für diese Temperaturen orien-
tiren will.
des Benzols und seiner Bomologen, 301
II abgeleitet aus der nach den Versuchen construirten Aus-
debnungscurve :
I II I II
400 1^0380 1,0378 80« 1,0802 1,0799
50 1,0481 1,0478 90 1,0914 1,0918
60 1,0586 1,0584 100 1,1029*) 1,1056?
70 1,0698 1,0689
„Die Vergleichung der beiden Cymole, aus Gampher
und aus Kümmelöl, zeigt, dafs dem ersteren ein gröfseres
spec. (iewicht zukommt als dem letzteren. Die Differenz
zwischen den spec. Gewichten bei 0^ ist 0,0027, viel gröfser
als die möglichen Versuchsfebler.^
1
//
0<»
1,0000
1,0000
10
1,0090
1,0092
20
1,0184
1,0186
80
1,0282
1,0282
Als Schlufsfolgerungen aus diesen Versuchen giobllAOM"
guinine Folgendes an:
„/) Die Dichtigkeiten bei 0^ nehmen für die homologen
Kohlenwasserstoffe der aromatischen Reihe in dem Mafse ab,
als man in dieser Reihe, von dem Benzol bis zu dem Cy-
raol aufsteigt.
2) Es scheint, dafs man bei Betrachtung der Dichtig-
keiten dieser Körper bei Oft fflr diese Abnahme eine gewisse
Regelmafsigkeit finden kann. Die Differenz zwischen den
Dichtigkeiten des Benzols und des Toluols bei 0^ ist
0,8995 — 0,8841 ^ 0,0154;
die zwischen den Dichtigkeiten des Toluols und des Xy-
lols bei 0^ ist :
0,8841 — 0,8770 = 0,0071,
fast gleich der Hälfte der ersteren Differenz.
Wenn diese ss a gesetzt wird, so wäre die Differenz
zwischen dem Toluol und dem Xylol = -|-, und durch Ver-
*) Naob der S. 800 gegebeneu Interpolationsformel. Vgl. die Tor-
hergeiiende Anmerkung.
302 Louguinine, spec. Gewicht und Ausdehnung
allgemeinerung würde man dazu kommen, dafs die Differenz
zwischen dem Xylol und dem Cumol -^ und die zwischen
dem Cumol und seinem oberen Homologen^ dem Gymol,
a
Man mufste also, um ausgehend von der Dichtigkeit des
Benzols die des Cymols zu berechnen , von der ersteren
abziehen :
« + "2 + ~r + 8''
d. h. 0,0164 + 0,0077 + 0,0089 + 0,0019 = 0,0289,
und man wurde für die Dichtigkeit des Cymols erhalten:
d = 0.8996 — 0,0289 = 0,8706.
Der Versuch hat für die Dichtigkeit des Cymols aus
Kümmelöl bei 0^ 0,8705 ergeben, welche Zahl fast identisch
ist mit der durch die regelmafsige Abnahme, welche ich
beobachtet zu haben glaube, geforderten. Ohne dieser That-
sache eine allzugrofse Wichtigkeit beizulegen, halte ich es
für gut, auf sie aufmerksam zu machen, sofern sie die Dich-
tigkeit noch unbekannter oberer Homologe vorauszusehen
erlaubt.
3) Die Ausdehnung ist um so kleiner, um je mehr man
in der homologen Reihe, von dem Benzol an, aufwärts steigt
Die Ausdehnungs-Coefilcienten *) sind :
^) Diese Aiudebiiungs-Co^^cienten, angebend welche Ansdelmiuig
den Flüssigkeiten bei der Erwärmung ron f^ an um dieselbe
sehr kleine TemperaturdifTerenE zukomme , sind erhalten
durch Differentiation der ron Louguinine fSr das Volum
der untersuchten Flüssigkeiten bei yerschiedenen Tempera-
turen aufgestellten Interpolationsformeln:
für Benzol : v = 1,0000 + 0,001161 + 0,000002S26f*;
, Toluol : V = 1,0174 + 0,001046 f + 0,00000181^;
« Xylol : B = 1,0257 + 0,0009761 + 0,0000016741*;
„ Cymol a : o = 1,0883 -f 0,000926 ( + 0,000001821*;
„ Cymol i : V =s 1,0801 + 0,000926 < + 0,00000186^.
Es wurde bereits in dem Vorhergehenden bemerkt, dafsLou-
deM Benzoh und seiner ßotnologen. 303
f. d. Benzol ^ = + 0,00116 + 0,000002226.2«;
f. d. Toluol: -~ = + 0,001046 + 0,00000181 . 2 i;
f. d. Xylol: -^— = + 0,000975 + 0,000001674 . 2 <;•
f.d.Cyinola: -j* = + 0,000925 + 0,0000018» . 2 < ;
dl
du
f. d. Cymol b ; = -}- 0,000925 + 0,00000135.2«.
Cymol a aus Kfimmelöl, Cymol b aus Gampher.
Es sind dieses die Resultate, zu welchen mich die jetzi-
gen Untersuchungen geführt haben, welche ich übrigens auf
die Isomeren des Toluols, Xylols, Cumols und Cymols aus-
zudehnen gedenke, die man durch Synthese darstellen kann.^
Bemerkungen zu der vorhergehenden Ab-
handlung ;
von Hermann Kopp.
Ich habe so lange und so viel über die Beziehungen
des specifischen Gewichtes zur chemischen Zusammensetzung
bei Flüssigkeiten, und im Zusammenhange damit über die
Ausdehnung der letzteren durch die Wärme; gearbeitet, dafs
ich einen Beitrag zur weiteren Erkenntnifs dieses Gegen-
standes, wie ihn die^ vorhergehende Untersuchung beab-
sichtigt, begrürsen darf. Aber ich darf mir auch einige
guinine fQr die Aufitella^g dieser Formeln dieVolnme der
von ihm anterBnchten Flüssigkeiten bei 0<^ verschieden grofs
setzt; D&mlioh diejenigen Volume fQr diese Temperaturen»
welohe gleich viel wiegen, das Volum des Benzols = 1
gesetzt.
304 Kopp^ Bemerkungen
Bemerkungen erlauben, welche vielleicht zur Aufklärung dar-
über beitragen, ob die Versuchsresultate nicht mit ungleich
gröfserer Leichtigkeit , als nach dem hier eingeschlagenen
Verfahren, gewonnen und ihnen gröfse're Zuverlässigkeit und
Brauchbarkeit gesichert werden könnten.
Louguinine bat zur Ermittelung der Ausdehnung
das mühsamste und zeitraubendste Verfahren angewendet.
Die Bestimmung des specifischen Gewichtes bei verschie-
denen Temperaturen erheischt, dafs man nach jeder Fällung
des Gefäfses bei einer gewissen Temperatur es wieder die
Temperatur der Luft annehmen lassen mufs, um es zu wägen.
Das Gefäfs mit der Flüssigkeit mufs dann wieder auf eine
andere^ genügend lange constant erhaltenen Temperatur erhitzt
werden, um es wieder bis an die Marke gefüllt sein zu lassen,
und dann mufs es wieder die Temperatur der Luft annehmen,
u. s. w. Die Ausdauer ist anzuerkennen, mit welcher Lou-
guinine nur für das Benzol (9 verschiedene Präparate des-
selben) im Ganzen 74 Versuche in dieser Art angestellt hat.
Aber da wohl jedenfalls eine geringere Zahl von Versuchen
zur Einübung dieses Verfahrens hinreicht, so fragt es sich
doch, ob dieser Aufwand von Zeit und Mühe sich etwa da-
durch lohne, dafs man damit genauere Resultate erhalte, als
nach einer anderen, rascher und leichter auszuführenden
Methode, Und diefs mufs ich gegenüber dem Verfahren, die
Ausdehnung vermitlelst thermometerförmiger Apparate (s. g.
Dilatometer) zu untersuchen, entschieden verneinen, wenn
nämlich dieses Verfahren so, wie icb es beschrieben*) und
zur Untersuchung einer sehr grofsen Zahl von Flüssigkeiten
benutzt habe, in Anwendung gebracht wird. Dieses Ver-
fahren würde auch Louguinine leicht die Ausdehnung
*) P^fiTg* ^i^ii* LXXn, 1 (1847) und namoDtlich Ann. Chem.
Pharm. XCIV, 257 (18Ö6).
zu der vorhergehenden Abhandlung. 305
hober siedender Flüssigkeiten noch oberhalb 100^ haben be-
stimmen lassen, über welche Temperatur er seine Versuche
nicht erstreckt hat.
Weshalb die Anstellung der Versuche mittelst der Di-
latometer so viel weniger Zeit und Mühe beansprucht, hat
man sich einmal genaue derartige Apparate construirt, be-
darf hier wohl nicht besonderer Besprechung. Nur das will ich
hervorheben, dafs bei Anwendung dieses Verfahrens die zu
untersuchende Flüssigkeit viel rascher die constant erhaltene
Temperatur des Bades annimmt, als bei dem von Lougui-
nine befolgten Verfahren, weil man mit viel kleineren Men-
gen arbeitet. Louguinine hat seine Versuche mit Ge-
fäfsen ausgeführt, welche etwa 18,8 bis 57,6 CG. fafsten,
die meisten mit den gröfseren; die Kugeln der zu meinen
ADsdehnungsbestimmungen angewendeten Dilatometer fassen
etwa 1 bis 1,5 GG.
Sind die mittelst der letzteren Apparate erhaltenen Aus-
debnungsbestimmungen weniger genau, als die nach der von
Louguinine befolgten Methode gewonnenen? Zweierlei
ist bezüglich der Genauigkeit bei Untersuchungen über die
Ausdehnung flüssiger Verbindungen zu unterscheiden : in
wiefern die untersuchten Flüssigkeiten wirklich reine Ver-
bindungen von der Zusammensetzung waren, welche die
ihnen beigelegten Formeln angeben, und wie grofs oder
klein die zufalligen Fehler bei den einzelnen Beobachtungen
sind. Letzteres kommt uns zunächst in Betracht. Darüber
gewahrt ein Urtheil die Uebereinstimmung der aus Inter-
polationsformeln sich berechnenden Volume mit den durch die
einzelnen Versuche ergebenen. Louguinine hat für die
Angabe des Volums bei verschiedenen Temperaturen Inter-
polationsformeln von der Form v^ = Vq -{- at -\- bfi be-
rechnet; besser hätte er, bei dem ziemlich grofsen Tempe-
raturintervall, über welches sich seine Versuche erstrecken,
Aimal. d« Chem. u. Phuin. V. Supplementbd. 8. Heft. 20
306 Kopp, Bemerhmgen
noch ein Glied cfi kinzugenommen. Zur Ableitung der Inter^
polationsformeln hat ef bei jeder Flüssigkeit nur drei seiner
experimentalen Bestimmungen benutzt und die Genauigkeit
dieser Formeln dadurch, dafs er alle anderen Versuche für
die Ableitung derselben unberücksichtigt liefs> erheblich ge-
schmälert. Ich habe schon vor langer Zeit und wiederholt*) ein
Verfahren in Anwendung gebracht und empfohlen, welches,
ohne die Langwierigkeit einer Berechnung nach der Methode
der kleinsten Quadrate zu theilen, sämmtliche Beobachtungen
in einer sehr einlachen und die Ausgleichung der Beobach-
tungsfehler befördernden Weise in Rechnung zu nehmen
gestattet. — Louguinine hat die nach den Interpolations-
formeln berechneten Resultate nicht direct mit denen seiner
Versuche verglichen, sondern — für Temperaturen, die von
5 zu 5^ steigen — mit den Ergebnissen, wie er sie aus
Curven ableitete, welche er auf Grund dar experimentalen
Resultate construirt hat. Die nach beiden Arten erhaltenen
Zahlen differiren unter einander im Allgemeinen bestimmt
nichf weniger, in vielen Fallen entschieden mehr, als für
die von mir untersuchten Verbindungen (für vielfach inner-
halb betrachtlich weiterer Grenzen auseinander liegende
Temperaturen) die nach den Interpolationsformeln berech-
neten und die direct beobachteten Volume. Einen Vorzug
gröfserer Genauigkeit hat das viel umständlichere und zeit-
raubendere Dntersuchungsverfahren , dessen sich Lougui-
nine bedient hat, verglichen mit dem von mir angewendeten
einfacheren, sicher nicht.
Unter den von Louguinine untersuchten Substanzen
sind zwei, mit welchen auch ich mich beschäftigt hatte: das
aus Benzoesäure dargestellte Benzol und das aus Römisch-
Kümmelöl dargestellte Cymol. Für das Benzol hat er die
*) An den 8. 804 angeführten Orten.
zu der vorhergehenden Abhandlung. 307
spec. Gewichte bei verschiedenen Temperaturen und damit
die Ausdehnung unter Anwendung eines fast 58 CG. fassenden
Glasgefafses untersucht und das spec. Gewicht bei 0^= 0^8995
abgeleitet. Ich*) habe das spec. Gewicht mittelst zweier^
wenig über 3,5 CG. fassender Glasgefafse, die Ausdehnung
in zwei Versuchsreihen mit zwei verschiedenen Dilatometern,
deren Kugeln nahezu 1 und 1^1 GG. fafsten, bestimmt und
das spec. Gewicht bei 0» = 0,89914 und 0,89908 erhalten.
Das Volum des Benzols, das bei 0<> = 1 gesetzt, fand Lon-
gu i n i n e Jaus der von ihm berechneten Interpolationsformel,
Jl aus der nach den Versuchsresultaten construirten Gurve,
ich aus den Interpolationsformeln i und 2 y welche ich aus
den zwei Versuchsreihen abgeleitet hatte:
L
mr 20«
400
60»
80»
1,0241
1,0245
1,0500
1,0500
1,0776
1,0774
1,1070
1,1065
1,0240
1,0242
1,0495
1,0497
1,0768
1,0770
1,1064
1,1065
Das Gymol untersuchte Louguinine mit Anwendung
eines etwa 34,6 GG. fassenden Glasgefafses; ich**) das spec.
Gewicht mit Anwendung eines nicht ganz 3,1 GG. fassenden
und die Ausdehnung mittelst eines Dilatometers, dessen Kugel
etwa 1,4 GG. fafste. Das spec. Gewicht für 0^ fand er
0,8705, ich 0,8778; das Volum (das bei 0» = 1 gesetzt):
bei 200 40« 60^ 80« 100«
,//: 1,0184 1,0378 1,0583 1,0798 1,1028
^'\U : 1,0190 1,0379 1,0588 1,0800 1,1026
Kp. : 1,0190 1,0385 1,0589 1,0801 1,1028
Toluol und Xylol habe ich liicht untersucht. Ich zweifle
nicht daran, dafs die von Louguinine erhaltenen Zahlen
das spec. Gewicht und die Ausdehnung der von ihm unter-
suchten Flüssigkeiten auch recht genau geben; aber dafür,
dafs diese durch fractionirte Destillation aus Steinkohlen-
•) Pogg. Ann. LXXn, 289 (1847).
*•) Ann. Chem. Pharm. XGIV, 319 (1855). -
20»
308 Kopp ^ Bemerhmgen
theeröl dargestellten und durch partielle Umwandlung in
eine gepaarte Schwefelsaure und Wiederabscheidung ge~
reinigten Flüssigkeiten reines Toluol und reines Xylol ge-
wesen seien, fehlt der Beweis, welcher durch nochmalige
Anwendung dieser Reinigungsmethode und Ermittelung, ob
die physikalischen Eigenschaften sich nieht ändern, hätte
erbracht werden können.
Was Louguinine über Beziehungen der von ihm
untersuchten physikalischen Eigenschaften der Kohlenwasser-
stoffe GqÜ^q^g zu der Zusammensetzung oder den Formeln
derselben angiebt, veranlafst mich zu folgenden Bemerkungen.
Ich halte e*s noch für einen Fortschritt in der Erkennt-
nifs solcher Beziehungen, dafs man das spec. Gewicht in
seinem Verhältnisse zum Molecularge wicht, d. h. das speci-
fische Volum als das eigentlich zu Betrachtende nimmt , und
zwar für die Siedetemperaturen der betreffenden Substanzen.
Was für die Richtigkeit dieser Betrachtungsweise spricht, ist
das Statthaben der Gesetzmäfsigkeiten , welche ich nachge-
wiesen habe : dafs sehr viele isomere Verbindungen bei
ihren Siedepunkten gleiches spec. Volum besitzen; dafs für,
die Siedetemperaturen in sehr vielen Fällen, bei den ver-
schiedenartigsten Klassen von Verbindungen, sich für die-
selbe Differenz in den Formeln dieselbe Differenz der spec.
Volume ergiebt und die Differenzen der spec. Volume den
Differenzen der Formeln proportional sind, u. s. w. Ich habe
festgestellt, innerhalb wie grofser Gruppen von Verbindungen
diese Regelmäfsigkeiten statthaben: bei der Vergleichung
der Substanzen nämlich , die unter sich die Art von Ueber-
einstimmung der chemischen Structur besitzen, welche man
als Zugehörigkeit zu demselben Typus bezeichnet hatte.
Ich habe jetzt noch keinen Zweifel darüber, dafs die Betrach-
tung der spec. Volume für die Vorstellung, wie die in dem
eu der vorhergehenden Abhandlung. 309
Molecal einer Verbindung enthaltenen Atome unter einander
gebunden seien ; eine wesentliche und sichere Unterstützung
abgeben wird*).
Die Betrachtung der spec. Gewichte bei derselben Tem-
peratur, 0^ z. B., zu welcher Louguinine zuräokgeht,
aeheint mir für die Erkenntnifs der Beziehungen des spec«
Gewichtes zur Zusammensetzung eine weniger richtige zu
sein, weil sie im Allgemeinen für dieselbe Zusammensetzung,
nfimlich bei isomeren Körpern (wenn diese nicht gerade
gleiche Siedetemperatur besitzen), ungleiche spec. Gewichte
ergiebt, bei der Yergleichung verschiedener Flüssigkeiten
für dieselbe Differenz der Formeln ungleiche Differenzen
der spec. Gewichte und die Differenzen der spec, Gewichte
den Differenzen der Formeln nicht proportionirt, u. s. w.
Ein Schatten der Regelmafsigkeiten, welche ich für die
spec. Volume (K) bei den Siedepunkten flüssiger Verbin-
dungen nachgewiesen habe, kann immerhin auch noch für
die spec. Gewichte bei 0^ (do) bemerkbar sein. Zwischen
beiderlei Zahlen bestehen Beziehungen, durch die Interven-
tion des Holeculargewichtes (M), der Siedetemperatur (t),
der Ausdehnung von 0^ an bis zur Siedetemperatur (sie sei
durch das Verhaltnifs Vq : v^ gegeben). Da do = — =j — und
y vq
die Contraction analoger Flüssigkeiten, welche in ihrer Zu-
sammensetzung nicht viel von einander verschieden sind,
von den Siedepunkten an um gleichviel Temperaturgrade
eine annähernd gleich grofse ist, so wird in Reihen, für
deren Glieder M und V regelmafsig wachsen und auch die
Siedepunkte mit einer gewissen Regelmafsigkeit steigen, noch
Etwas an eine Regelmafsigkeit Erinnerndes für do bemerkbar
sein. Für den Hehrgehalt um GH« in den Formeln der
*) VgL Ann. Chem. Phann. CXXVIII, 198.
310 Koppf Bemerkungen
Kohlenwasserstoffe €nH2Q-6 wächst i/ um 14, V auch hier
um etwa 22, also um mehf, und die Siedepunkte steigen
auch mit einer gewissen Regelmäfsigiseit. Darauf beruht das
von Louguinine gefolgerte allgemeinere Resultat Nr. i:
,,Die Dichtigkeiten bei 0^ nehmen für die homologen Kohlen-
wasserstoffe der aromatischen Reihe in dem Mafse ab, als
man in dieser Reihe von dem Benzol bis zu dem Cymol
aufsteigt.^ — Diese Abnahme wird mit dem Aufwärtssteigen
in der Reihe immer kleiner, da die Veränderungen von M
und V im Verhältnisse zu der Gröfse derselben immer klei-
ner werden und der Abstand der Temperatur 0^ von der
Siedetemperatur immer gröfser wird; Louguinine hat für
dieses Kleinerwerden der Differenzen zwischen den spec. Ge-
wichten einen empirischen Ausdruck gegeben (seine allge-
meinere Schlufsfolgerung Nr. 2), bezüglich dessen ich mit
ihm darüber ganz einverstanden bin , dafs demselben keine
allzugrofse Wichtigkeit beizulegen sei; ich glaube, dafs der
Satz : ,,für die Glieder einer Reihe homologer Verbindungen
bilden die Formeln eine arithmetische Reihe, die Differenzen
der spec. Gewichte bei 0^ bilden aber eine geometrische
Reihe ^ so dafs jede folgende Differenz die Hälfte der vor-
hergehenden ist,^ wirklich schwer zu deuten wäre. — Was
ich bezüglich der Contraction solcher Flüssigkeiten von den
Siedepunkten an bereits bemerkt habe, zusammen mit der
Eigenschaft solcher Flüssigkeiten, sich mit zunehmender Tem-
peratur stärker, also bei gröfserem Abstände vom Siedepunkt
weniger stark auszudehnen, und dem Steigen der Siedepunkte
bei dem Aufwärtsgehen in der Reihe, läfst endlich auch die
von Louguinine als Nr. d hingestellte allgemeinere Schlufs-
folgerung voraussehen, welche selbst bestehen bleibt, wenn
die Ausdehnungs-Coefficienten richtig angegeben werden*).
*) £■ warde S. 802 f. darauf aufmerksam gemacht, wie Loagai-
zu der vorhergehenden Abhandlunp. 311
Einige allgemeinere Schlofsfolgerungen , zu welchen
LoQguinine bei seinen Untersuchungen über isomere
Kohlenwasserstoffe GnHgQ^e kommen wird, lassen sich ebenso
mit Sicherheit voraussehen : Für isomere Kohlenwasserstoffe
▼on verschiedenen Siedepunkten wird er die spec. Gewichte
bei 0® und die Ausdehnungs-Coefficienten etwas verschieden
finden , für den Kohlenwasserstoff mit dem höheren Siedepunkt
nämlich das spec. Gewicht bei 0^ etwas gröfser und den
Ausdehnungs-Coefficient etwas kleiner; und für isomere Koh-
lenwasserstoffe von demselben Siedepunkt wird er das spec.
Gewicht bei 0^ (auch den Ausdehnungs-Coefficient) gleich
finden, und er wird diese Gleichheit selbst anzunehmen ha-
ben, wenn die an den verschiedenen Präparaten gefundenen
spec. Gewichte um 2 bis 3 in der dritten Decimalstelle
differiren*).
nine die Aofldebntings-CoSffioieiiteii abgeleitet bat. Es maobt
nun praktiBcb nicbt viel aoB, dafa er, statt sie fVa gUiche
Ausgangs- Volume (bei 0^) eu berecbneDi diefs für ungleiche
getban, z. B. die Ausdebnung von 1 Vol. Benzol (bei 0^) mit
der TOD 1,0838 Vol. Cymol (aacb bei 0^) Terglioben bat.
Aber diese Art der Ableitong der s. g. Ausdebimxigs-GoSffi-
cienten ist an sieb um Niobts ricbtiger, als wenn man, zur
Bemessung der Ausdebnung, die Volumttnderungen Ton 1,4
Vol. des Koblenwasserstoffii Oi^H^ Qüd 1 Vol. des Koblen-
wasserstoffs G^Bif^ mit einander vergleioben wollte (die speo.
Qewicbte dieser beiden Kohlenwasserstoffe sind ungefiLbr 0,84
und 0,6).
*) Wenn man zwei Stftbe beafigliob ibrer L&nge Tergleioben will,
so giebt für die Genauigkeit der Vergleicbung nicbt nur die
Empfindlichkeit des Vergleiobungs-Apparates — des Fühl-
hebels oder der Mikrometerschraube — einen Mafsstab ab, son-
dern auch, wie die Stftbe selbst an den Enden begrenzt sind ;
eine noch so groAe Empfindlichkeit des Apparates kann da-
für keinen Ersatz bieten, dalb etwa die Stabe raub, uneben
oder mit schiefer Abgrenzung enden. Die meisten chemischen
Verbindungen, um deren Untersuchung es sich hier handelt,
sind bis jetzt nicht im absolut reinen Zustande darstellbar.
312 Kopp, Bemerkungen
Aber weshalb die Schatten von Regelmafsigkeiten zu
bestimmen suchen, wenn diese selbst untersucht werden
können und Interesse darbieten? — Louguinine hat sich
um die Erkenntnifs von Regelmafsigkeiten in den spec. Vo-
lumen bei den Siedepunkten nicht gekümmert; seine Ver-
suche erstrecken sich auch nur bei dem Benzol , annähernd
etwa noch bei dem Toluol so weit, dafs man auf die spec.
Volume bei den Siedepunkten dieser Körper schliefsen möchte.
Für das Xylol, welches bei 138^ etwa, für das Cymol,
welches bei 175^ etwa siedet, gehen, wie für das bei 111^
siedende Toluol, Louguinine's Bestimmungen der Aus-
dehnung nur bis 100^ Seine Formeln zur Extrapolation so
Auch die Ton Longtiiiiiiie nntersnchten FlÜBsigkeiten waren
diefs nicht, wenn auch namentlich sein aus Benzoesäure darge-
stelltes Benzol einen hohen Grad yon Reinheit hesafs. Für alle
anderen Ton ihm untersuchten Flüssigkeiten l&fst sich aus seinen
Angaben ersehen, dafs sie keinen Constanten Siedepunkt besafsen ;
und selbst wenn man so oft, als diefs Ton Louguinine ge-
schehen ist, wiederholt, dalJB ein constanter Siedepunkt keine
Garantie für die Reinheit einer Flüssigkeit abgiebt, bleibt das
doch wahr, dafs ein nicht constanter dafür Garantie abgiebt,
dafs die Flüssigkeit nicht eine unzersetzt siedende reine chemi-
sche Verbindung ist. Es geht über das Zulässige hinaus, dafs
Louguinine, welcher das spec. Gewicht (bei 0^) des aus Rö-
misch-Eümmelöl dargestellten Cymols = 0,8705 und das des
aus Gampher dargestellten 0,8782 fand, diese beiden Cymole als
nach ihrem spec. Gewichte wesentlich verschieden betrachtet
(vgl. S. 801). Diese Behauptung hat als Unterlage die Beachtung
der Angabe, das Cymol aus dem Kümmelöl und das aus dem
Campher seien nur isomer (Fittig und F«rber, Zeitschr. £,
Chemie, 1865, S. 289), und die Nichtbeachtung der berichtigen-
den Angabe (Fittig, Köbrig und Jilke, Zeitschr. f. Chemie,
1867, S. 106), nach welcher diese beiden Cymole wahrscheinlich
identisch sind.. Dieselben Zahlen ftir die spec. Gewichte, welche
nach Louguinine die Verschiedenheit dieser beiden Cymole
beweisen, wird man wohl bald als daf^r sprechend angeführt
finden, dafs beide identisch seien.
SU der vorhergehenden Abhandlung. 313
weit über das Intervall der Versachs-Temperaturen hinaus
anzuwenden, kann bei der weniger sorgfältigen Art, wie
diese Formeln aus den Versuchen abgeleitet wurden (vgl.
S. 305), bedenklich erscheinen. Da ich aber ein wahres
Interesse daran nahm, dafs Louguinine's mühsame Arbeit
doch in Etwas zur Erkenntnirs oder Controle jener Regel-
mäfsigkeiten beitrage, und das Verfahren der Extrapolation in
anderen Fällen mit der Beobachtung gut stimmende Resultate
ergeben hat *) , so habe ich zugesehen, welche spec. Volume
*) Wo Formeln aus einer gröfseren Anzahl ron Beobachtungen unter
Ausgleichung der zufälligen Fehler der letzteren abgeleitet sind,
können dieselben allerdings zur Extrapolation auf ziemlich be-
trächtliche Temperatur - Distanzen hin benutzt werden. Einen
bemerkenswerthen Beweis dafür geben Mendelejefrs Unter-
suchungen über die Ausdehnung der Flüssigkeiten beim Erwär-
men über ihren Siedepunkt (Ann. Chem. Pharm. GXIX, 1) ab,
bei welchen bis auf beträchtlich weit oberhalb der Siedepunkte
liegende Temperaturen Volume beobachtet wurden, die mit den-
jenigen sehr wohl übereinstimmen, welche sich nach den auf
Grund meiner Beobachtungen fär Temperaturen zwischen 0^ und
dem Siedepunkt (bei Wasser zwischen 75 und 100^ von mir ab-
geleiteten Formeln berechnen. Es ist das Volum, das bei 0^
= 1 gesetzt
von Wasser von Alkohol
bei 181,00 156,8<» bei 99,87^ 130,9<>
beob. V. Mend. 1,0722 1,1016 1,1294 1,1895
her. n. Kp. 1,0716 1,1014 1,1294 1,1893
von Aether von Benzol
bei 78,21<» 99,82« 181,20 157,00 bei 99,6<>
beob. y. Mend. 1,1508 1,2091 1,3150 1,4235 1,1380
her. -n. Kp. 1,1501 1,2095 1,3155 1,4233 1,1376
Nach der von Louguinine gegebenen Interpolationsformel
(S. 297) wäre das Volum des Benzols bei 99,6«, wie nach der
meinigen, = 1,1376. — Nach den von Pierre (Ann. chim. phys.
[3] XV, 854 u. 862) aus seinen Ausdehnungsversuchen abgeleite-
ten Formeln berechnet sich das Volum des- Alkohols bei 130,9«
zu 1,1703, das des Aethers bei 157,0« zu 1,4507, stark abweichend
314 Kopp, Bemerkungen
für die von Louguinine beobachteten Siedepunkte (für das
Benzol, dessen Siedepunkt er nicht angegeben hat, setze ich
81^) sich aus den von ihm für 0^ gefundenen spec. Gewichten
nach den Interpolationsformeln , welche ich in dem vorher-
gehenden Aufsatz aus den von ihm gegebenen durch Re*-
duction auf das Volum bei 0^ = 1 abgeleitet habe, be-
rechnen. Es haben sich folgende Zahlen ergeben, welchen
ich dte von mir für Benzol und Cymol gefundenen zur Ver-
gleichung beisetze :
Spec. YoL nach Speo. Vol. nach
Lougainine^B meinen Bestimmungen
Diff. Dlff.
GeHe f. 81« 96,1 \ ^ ^ Ö.He f. 81« 96,1 ^
GfEg „111 118,2 { ' /
g^Bjo ,138 140,5 I ^*^ '4X2i,9
ansKfimmelOl.nö 184
,1*)J a.Kümmelölf.l75<' 188,5)
Ich gestehe, dafs mich eine geringere Bestätigung der von
mir **) gefundenen Regelmafsigkeit : dafs bei flüssigen Ver-
bindungen , welche demselben Typus angehören, einer Diffe-
renz um nGHs in den Formeln eine Differenz der spec.
Volume bei den Siedepunkten von n . 22 etwa entspricht, nicht
überrascht haben würde. Um so mehr bedauere ich, dafs
Louguinine's so mühsam ausgeführte Arbeit nicht, durch
Bestimmung der Ausdehnung der untersuchten Flüssigkeiten
für höhere Temperaturen und Beachtung dessen, was jetzt
als Gegenstand der Forschung angezeigt ist, directer unser
Ton Men dal e Jeffs Beobachtungen sowohl als den nach meinen
Formeln sich berechnenden Zahlen«
*) Die 8. 800 gegebene Interpolationsformel f5r das Cymol ans
Oampher g&be, aasammen mit dem fOr dieses Prftparat Ton
Longninine 'gefundenen spec. Gewichte 0,8782 bei 0^, das
spea Yolom bei 176® =s 188,7, von dem für das Cymol aas
Kümmel51 erhaltenen nur wenig abweiohend.
•*) Ann. Chem. Pharm. XCTI» 170 (18&6).
SU der vorhergehenden Abhandlung. 3iS
WüueB Torwirts bringt. Die Nichtbeachtung dessen, was
Andere gearbeitet, giebt zwar eine gewisse Unbefangenheit,
wie ich gern anerlienne, wenn ich es anch nie für recht
hieh, diesen Yortheil mir zu Gute kommen zu lassen. Aber
es kann auch zur Folge haben, dafs ein grofeer Aufwand
von Zeit und Mähe viel weniger Nutzen bringt, als es sonst
der Fall wöre. — Die Beziehung des spec. Gewichtes zum
Holeculargewicht, die Beachtung des spec. Volums läfst sich,
vorerst wenigstens, noch nicht dadurch äberflössig machen,
dafs man die Volume gleicher Gewichte solcher Kohlen-
wasserstoffe auf das des Benzols als Einheit bezieht^ wie
diefs Louguinine that. Möge die versprochene Fortsetzung
seiner Arbeit Materialien zur Entscheidung der Frage geben,
ob wirklich, wie diefs aus meinen Untersuchungen zu folgern
ist, die spec. Volume der isomeren Kohlenwasserstoffe bei
den Siedepunkten derselben gleich grofs sind.
üeber die Siedepunkte der Kohlenwasserstoffe
von Hermann Kopp.
Ich habe in dem Vorhergehenden wiederholt einer
gewissen Regelmäfsigkeit in dem Steigen des Siedepunktes
bei dem Aufwärtsgehen in der Reihe GnH^n^e erwähnt; ich
will bezuglich dieser Regelmäfsigkeit noch einige erläuternde
and frühere Auffassungen dieses Gegenstandes berichtigende
Bemerkungen beifugen.
Die schönen Arbeiten über die Kohlenwasserstoffe GJÜin^B,
mit welchen uns die letzten Jahre bekannt werden liefsen,
316 Kopp, über tue Siedepunkte
haben die ExistenE isomerer Verbindungen der ein/achsten
Art, nur aus zwei Elementen bestehender, aufser Zweifel
gesetzt. Sie haben gezeigt, dafs für Verbindungen, welche
früher als in der Beziehung wahrer Homologie zu einander
stehend betrachtet wurden, diese Beziehung streng genom-
men so nicht existire; aber sie haben dafür auch Reihen
wirklich homologer Verbindungen kennen gelehrt, der^n
Glieder gröfstentheils früher unbekannt, mindestens bezüglich
ihrer Constitution unerkannt waren.
In welchem Zusammenhange die Siedepunkte dieser Koh-
lenwasserstoffe mit den Formeln derselben stehen, ist mehr-
fach der Gegenstand von Betrachtungen gewesen. Dem frühe-
ren Stand unserer Kenntnisse über die Natur dieser Kohlen-
wasserstoffe entsprechend hatte ich vor löngerer Zeit *) für
die Betrachtung der Siedepunkte Benzol, Toluol, Xylo], Cumol
und Cymol in Eine Reihe zusammengestellt^ in welcher der
Formeldifferenz n Gü^ eine Siedepunktsdifferenz von n . 22,5^
etwa zu entsprechen schien; namentlich schienen Angaben
von Church**), welche sich spiter als ungenau erwiesen,
diese Siedepunktsdifferenz für jene Zusammensetzungsdifferenz
zu ergeben. Die neueren Untersuchungen haben sie — unter
gleichzeitigem Nachweis, in welcher Beziehung. der Consti-
«tution diese Kohlenwasserstoffe unter einander stehen —
gröfser ergeben. Beilstein *^'^) fand sie zwischen Benzol
u. Toluol und Toluol u. Xylol 29 bis 28^. Fittig und
Glinzerf) haben, nach genauer Erkenntnifs der Beziehun-
gen der Constitution der Kohlenwasserstoffe, die Reihe
•) Ann. Chem. Phann. XCVI, 29 (1866).
^) Phil. Mag. [4] IX, 266; Jahresber. f. Chemie a. s. w. fflr 1856,
8. 634.
•••) Ann. Chem. Phann. CXXXIII, 87 (1865).
t) DasulbBt CXXXVI, 817 (1866).
der Kohlenmaster Stoffe Gnftn— »•
317
Siedepunkt
82°
111
189
166
Die Be-
Benzol GeH«
Methylbenzol (Tolaol) GeHg(GH8)
Dimethylbenzol (Xylol) GeH4(GH8),
Trimethylbenaol (Cumol) QJI^J^(^^^^
hingestellt, welche grofse Regelmäfsigkeit zeigt,
trachtung, wie der Siedepunkt bei Zunahme der Formel um
nGHs steigt, wurde dadurch etwas complicirter, dafs isomere
Kohlenwasserstoffe von verschiedenen Siedepunkten bekannt
worden; der Erkenntnifs der verschiedenen Constitution der-
selben trug Kekule Rechnung*) : „Die Siedepunkte der
Kohlenwasserstoffe GQH2n-6 zeigen, obgleich unsere Kenntnisse
über diese Körper noch sehr mangelhaft sind, schon jetzt
bemerkenswerthe Regelmafsigkeiten ^ die leicht aus folgender
Tabelle ersichtlich sind :
lAt H
ersetzt
2At. H
ersetzt
8At. H
ersetzt
4At. H
ersetzt
82«
ۀ(GHa)
111»
GeH,(GH,),
189<>
GeHg(GH3)8
166°
GeU8(GH3)4
198»?
^eHftCGjHj)
138«
'GeH,(GH8)(G,H,)
I59<»
G.H3(GH3),(G,H5)
1840
GeH5(G,H,)
168<>
GeH4{GH3)(G,H,)
1770
196«
\
„Man sieht leicht, dafs in der oberen Horizontalreihe
einer Zusammensetzungsdifferenz von GH2 eine Siedepunkts-
differenz von 25 bis 29^ entspricht. Jedes eintretende Methyl
erhöht also den Siedepunkt um etwa 27^^
*) Lehrbuch d. organ. Chem. II, 524 (1866).
318 Kopp, über die Siedepunkte
^Man bemerkt ferner, dafs in den Verticalreihen die
Siedepunkte weniger rasch steigen; die Siedepanktsdifferenz
ist hier annähernd gleich 19 bis 20^. Sie ist also etwa eben
so grofs wie in der Reihe der einatomigen Alkohole oder
der fetten Säuren, deren Homologie auf derselben Ursache
beruht.*
„Aus beiden Betrachtungen ergiebt sich dann direct,
dafs isomere Kohlenwasserstoffe €QH2n~» verschiedene Siede-
punkte besitzen. So siedet das Dimethylbenzol (Xylol) um
6^ höher als das isomere Aethylbenzol ; ebenso ist der Siede-
punkt des Methylathylbenzols 6^ höher als der des isomeren
Propylbenzols (Cumols)."
Die Zahl der hierhergehörigen Kohlenwasserstoffe hat
sich jetzt vergröEsert. Bezüglich des bei ihrer Vergleichung
in Betracht zu Ziehenden scheint mir Etwas Wesentliches
mehr Berücksichtigung zu verdienen, als ihm bisher zuge-
wendet wurde. Die folgenden Zeilen sollen das über die
Regelmäfsigkeiten in den Siedepunkten der Kohlenwasserstoffe
€nH2n-6 bcroits Ausgesprochene nach beiden Richtungen
etwas ergänzen.
Derselben Formeldifferenz entspricht bekanntlich nicht
immer dieselbe Siedepunktsdifferenz , sondern nur bei ähnlich
constituirten Körpern. Wenn Wasser durch Eintreten von
GgHs an die Stelle von H in Alkohol und wenn dieser durch
gleiche Veränderung der Formel in Aether umgewandelt wird,
sind die derselben Aenderung der Formeln entsprechenden
Siedepunktsdifferenzen ganz ungleich. Eben so wenig er-
warten wir Regelmäfsigkeiten in den Siedepunktsdifferenzen
für eine bestimmte Formeldifferenz nGHg, wie sich solche
Regelmäfsigkeiten bei wirklich homologen Körpern zeigen,
zu finden bei der Vergleichung eines Alkohols und eines
Aethers, beide GnHsn+sO, oder eines Aldehyds und eines
Acetons, beide GnHsnO, oder einer Säure und eines Aethers,
der Kohtentöassersioffe 6nHan~6- 319
beide GnHsnOs, u. s. w. Aber wenn in diesen Fällen der
ganz verschiedene chemische Character der ungleich con-
stituirten Verbindungen sofort davon abhielt, bei ihrer Ver-
gleichung Siedepunktsregelmäfsigkeiten in solcher Weise zu
erwarten, wie sie sich bei der Yergleichung chemisch ähn-
lich constituirter Substanzen vielfach zeigen, so giebt es
andere Falle, in welchen ein Irrthum bezüglich dessen, was
man bei solchen Yergleichungen erwarten dürfe, naher lag :
solche Falle nämlich, wo der chemische Character ungleich
constituirter Verbindungen weniger auffallend verschieden ist.
Ich erinnere daran, wie häufig früher flüchtige Basen ganz
im Allgemeinen nach ihren Formeln, ohne Rücksicht auf ihre
Constitution, bezüglich ihrer Siedepunkte verglichen wurden,
und welche Widersprüche sich da ergaben ; während bei
der Vergleichung der einfach -substituirten Ammoniake unter
sich, dann der zweifach-!, endlich der dreifach -substituirten
unter sich solche Widersprüche zurücktraten uiid Regel-
mäfsigkeiten sich da erkennen liefsen, von welchen bei der
Vergleichung von Basen, die verschiedenen Klassen ange-
hören, sich Nichts zeigte *).
Wie der gemeinsame basische Character so verschieden
constituirter chemischer Verbindungen, wie es die einfach-,
die zweifach- und die dreifach-substituirten Ammoniake sind,
sie früher mit Unrecht unter einander bezüglich der Bezie-
hung der Siedepunktsdifferenzen zu den Formeldifferenzen
vergleicheA liefs, so hat auch die gro&e Aehnlichkeit des
chemischen Characters des Benzols und der Verbindungen,
welche sich von ihm durch Ersetzung von 1 , 2, 3 . . . At.
Wasserstoff durch 1, 2, 3 . . . At. Alkoholradical GnHgQ^i
ableiten, zur Vergleichung dieser Verbindungen unter ein-
*) TgL Ann. Chom. Pharm. XCVI, 24 (1865); Handwörterbuoh der
Chemie VII, 877 (1859).
ä2Ö Kopp, über die Siedepunkte
ander Anlafs gegeben. Aber der chemische Character dieser
verschiedenen Verbindungen ist, wenn auch ein ähnlicher,
nicht derselbe; und es gehört zu den schönsten Resultaten
der neueren Untersuchungen auf dem Gebiete der organi-
schen Chemie, wie die Verschiedenheit des chemischen
Characters dieser Verbindungen^ d. i. die Ungleichartigkeit
ihres Verhaltens bei gewissen chemischen Veränderungen
nachgewiesen worden ist.
Die Erkenntnifs, dafs bei chemisch ähnlich constituurten
Körpern aus derselben Reihe gleicher Formeldifferenz gleiche
Siedepunktsdifferenz entspricht, fordert also nicht, dafs für
dieselbe Formeldifferenz, GH^, die Differenz der Siede-
punkte von Benzol und Toluol^ Toluol und Xylol, Xylol und
Cumol gleich seien; und wenn diese Differenzen auch unter
sich nahezu gleich gefunden worden sind , so berechtigt diefs
nicht zu der Erwartung, diefs müsse sich för das Cumol
€6Hs(€Hs)3 und die noch nicht dargestellte Verbindung
€6Hs(tHs)4 auch noch zeigen; der Siedepunkt der letzteren
Verbindung kann von dem nach dieser Erwartung (vgl.
S. 317) vorausgesehenen (193^) ganz verschieden sein, ohne
dafs diefs die Richtigkeit jener Erkenntnifs beeinträchtigt
Die annähernde Gleichheit der Differenzen zwischen den Siede-
punkten von GßHe , GeHjCGHs) , €«H4(GH3)2 , e6Hs(GH3)3
erscheint jetzt für die Kenntnifs der Abhängigkeit der Siede-
punktsdifferenzen von den Fonneldifferenzen als Etwas von
ihr nicht Vorauszusehendes und insofern als btwas Zu-
fälliges ; sie findet sich auch nicht wieder für die Differenzen
der Siedepunkte von GeHe , G6H5(G2H5) , G6H4(GsH6)9 und
wird sich auch nicht wiederfinden für die Differenzen der
Siedepunkte von GeHe, G6H5(G3H7), GeHACGsH?)) ... Sie
ist Etwas Zufälliges in demselben Sinne, wie die Gleichheit
der Siedepunktsdifferenzen für Wasser, Essigsäure und Essig-
säureanhydrid (H2O 100^ HCGjHsO)^ 119«; (GjHsG)äie
der Kohlenwastserstoffe GqHsq.«- 321
138°). welche Gleichheit sich auch nicht wiederfindet für
die Differenzen der Siedepunkte von H^O^ {((GsH^G)^,
(€sH60),G oder H^G, H(G4H7G)G, (G4H7G)2G u.s.w.
Es ist von Wichtigkeit, solche bis jetzt noch als zufällige
erscheinende gleiche Siedepunktsdifferenzen nicht mit denen
zu vermengen, welche als gleiche durch die Gleichheit der
Formeldifferenzen bei gleichem chemischem Character der
Verbindungen wesentlich bedingt sind.
Für das Vorhergehende wie für einige noch folgende
Bemerkungen ist es zweckmäfsig, die Uebersicht der Siede-
punkte der Kohlenwasserstoffe ^aHsn.e von genauer be-
kannter Constitution, so wie sie K e k u 1 e gab , etwas abzu-
ändern und zu vervollständigen. Die mir für das Benzol
und die von ihm durch Substitution normaler Alkoholradicale
GBHsn4.i an die Stelle von 1, 2 und 3 At. Wasserstoff sich
ableitenden Kohlenwasserstoffe bekannten Siedepunkte sind
10 der S. 323 befindlichen Tabelle enthalten.
Autoiit&ten für die in der nachstehenden Tabelle als beobachtet
Angegebenen Siedepunkte sind (es ist nicht nöthig, noch mehr Beobaoh-
tangen ancnfOhren) :
ßeühol QJEL^, Frennd (Ann. Chem. Pharm. CXX, 77 nnd 81)
82^ für Benzol aus Benzoftsäare und für das aus Benzol-
schwefelsfture abgeschiedene. Beilstein (Ann. Chem. Pharm.
CXXXIII, 87) 82^^ für Benzol aus Steinkohlentheer. M aus-
fiel d (Ann. Chem. Pharm. LXIX, 174) : zwischen 80 und
81^ für Benzol aus Steinkohlentheer und solches aus Benzoft-
sfture. Kopp (Pogg. Ann. LXXII, 240) 80,4^ ganz constant
für Benzol aus BensoSsäure.
ToUmI €sH5(eHa). Wilbrand und Beilstein (Ann. Chem.
Pharm. CXXVIII, 259), H. Müller (Zeitschr. f. Chem. 1864,
162), Tollen 8 und Fittig (Ann. Chem. Pharm. CXXXI,
820) 111 bis 112* für Toluol aus Steinkohlentheer. Tollens
und Fittig (Ann. Chem. Pharm. CXXXI, 806) 111<^ für syn-
thetisch dargestelltes einfach-methylirtes Benzol.
Aeikylbtniol QJ^tü^^n;), Tollens und Fittig (Ann. Chem. Pharm.
CXXXI, 810) 138^ Fittig (Göttinger Nachrichten 1866,204)
185* als richtiger für synthetisch dargestelltes Aethylbenzol.
Cmiwi aui CwHinsdure G^Bi{GiHj). Gerhardt (Ann. chim. phys.
[8] XIY, 111) 158*, Fittig (Ann. Chem. Pharm. CXXXVI,
AnD»l. d. Chem. u. Pharni. V. Supptemeutbd. 3. H«ft. 21
323 Kopp, über die Siedepunkte
818) 151 bis 162^. Darüber , daf» dieses Cumol wahrscheinlioii
die angegebene Constitution babe, vgl. Fittig inAnn. Cbem.
Pharm. CXXXVI, 819 u. Kekal^*8 Lehrb. d. org. Ghem. II, 528.
Amylbeniol GJägüG^Hn). ToUens und Fittig (Ann. Cbem. Pbarm.
CXXXI, 818; Tgl. daselbst CXLI, 160) 198<> für synthetisoh
dargestelltes.
Xylol GeH^CeHg),. H. Müller (Zeitsohr. f. Chem. 1864, 161) 140<^
für Xylol aus Steinkohlentheer ; Beilstein (Ann. Chem.
Pbarm. CXXXni, 86) 189<> für aus Xylolscbwefelsäure abge-
schiedenes. Fittig (Ann. Chem. Pharm. CXXXIII, 47) 189^
Fittig u. Glinzer (CXXXVI, 308) 139 bis 140^ für ein-
fach-methylirtes Toluol o. zweifach-metfaylirtes Benzol. Uebex
gewisse Verschiedenheiten der in beiderlei Art erhaltenen
Kohlenwasserstoffe vgl. Fittig (Nachrichten y. d. K. Gesellsoh.
d. Wissensch. u. s. w. zu Oöttingen 1867, 865, 869).
Aeihyltolml 60^4(6 H,)(€8H5). Glinzer und Fittig (Ann. Chem.
Pharm. CXXXVI, 312) 159 bis 160<> für synthetisch dargestelltes.
Cymol OeH4(CH,Xe8H7). Für Cymol ans Bömisch-KümmelSl Ger-
hardt und Cahours (Ann. Chem. Pharm. XXXVIII, 846)
175<^, Kopp (daselbst XCIV, 819) 176,5<', Louguinine
(YgL S. 299 dieses Bandes) 175 bis 176<^; Kekul^ (Lehrb.
d. organ. Chem. U, 541) giebt 175 bis 178^ an. Für Cymol
aus Campher Delalande (Ann. Chem. Pharm. XXX Vm,
848)175^Lougoinine u. Lipp mann (8. 260 dieses Bandes)
175 bis 178<', Louguinine (S. 300 dieses Bandes) 174 bis
1750 ; KekuU giebt (a. a. O.) 177 bis 179^ an. Ueber die Con-
stitution des Cymols aus Bömisch - KÜmmelöl ygl. Fittig
in Ann. Chem. Pharm. CXXXVI, 319 und KekuU's Lehrb.
d. org. Chem. II, 528 f. ; über die Identität beider Cymole
Fittig in Zeitschr. f. Chem. 1867, 106,
DitUhfiben*ol GJ^i^iGfi^)^, Fittig (GSttinger Nachrichten 1866,
205) 178 bis 179<> für synthetisch dargestelltes.
Amyltoluol GJ^{GHt)(Giüu)- Bigot und Fittig (Ann. Chem.
Pharm. CXLI, 168) 2130 für synthetisch dargestelltes.
Cumol aus Stemkohieniheer G^HtiGUt)^. Beilstein (Zeitschr. f.
Chem. 1865,277) 166^ Beilstein und Kögler (Ann. Chem.
Pharm. CXXXVII, 822) I660. Ernst u. Fittig (Ann. Chem.
Pharm. CXXXIX, 186 f.) 165 bis I660 für synthetisch dar-
gestelltes Methylzylol.
Aethylofylol GsB^iGHMßfii)' Ernst und Fittig (Ann. Chem.
Pharm. CXXXIX, 193) 188 bis 1840 für synthetisch dar-
gestelltes.
Amyhyhl G^U^Güt)t(9fiii)' Bigot und Fittig (Ann. Chem.
Pharm. CXLI, 169) 282 bis 238o für synthetisch dargestelltes.
der Kotdenwaaaeratoffe fioHjn-e«
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324 Kopp^ über die Siedepunkte
Innerhalb jeder einzelnen Verticalreihe sind die beob«
achteten Siedepunkte damit in Ueb^reinstimmung, dafs gleichen
Formeldifferenzen gleiche Siedepunktsdifferenzen entsprechen.
Die als berechnete gegebenen Siedepunkte sind aUs jedem
ersten und dem letzten Glied einer solchen Reihe, für wel-
ches eine Siedepunhtsbeobachtung noch vorliegt, unter dieser
Voraussetzung abgeleitet. Der Formeldifferenz nGHs ent-
spricht in der Columne B eine Siedepunktsdiflferenz von
n X 20,50, in C von n X 18,5o, in D von n x 16,5<*.
Ich sehe diese Differenzen noch nicht als genau festgestellte
an; Fit t ig, welchem man fast alle hier in Betracht kom-
mende Beobachtungen verdankt, sagt in einer seiner neueren
Abhandlungen *), dafs alle in der da mitgetheilten und in den
früheren Untersuchungen angegebenen Siedepunkte nicht
corrigirt sind, indessen alle mit* demselben Thermometer be-
stimmt wurden, welches sich bei wiederholter Prüfung als
sehr genau erwies. Spatere Berücksichtigungen der Correc-
tion, welche für den aus dem Siedegefafs herausragenden
Theil des Quecksilberfadens des Thermometers nöthig ist,
werden die höheren Siedepunkte zunehmend noch etwas hö-
her, die Siedepunktsdifferenzen etwas gröfser sich ergeben
lassen. Aber die Vergleichbarkeit dieser Siedepunktsbe-
obachtungen für die jetzt uns beschäftigende Frage leidet
darunter nicht, und die Regelmäfsigkeit der Aenderung des
Siedepunktes m jeder VerücaUGolumne scheint mir aufser
Zweifel zu stehen.
Ich habe schon bemerkt, dafs eine Vergleichung der
Siedepunkte in schiefer Richtung (für Aa, Bb, Cc, Dd, oder
für Aa, Bc, Ce u. s. w.) jetzt a priori als unstatthaft er-
scheint, und sie giebt auch in der That im Allgemeinen für
*) Ann. Chem. Pharm CXLI, 160 (1867).
der KoMenwas^er Stoffe GnHgn.^. 325
dieselbe Formeldifferenz GH» nicht gleiche Siedepnnktsdiffe-
ranzen; diefs mufs der Fall sein, schon deshalb^ weil in den
verschiedenen Vertical-Columnen die dieser Formeldifferenz
entsprechenden Siedepunktsdifferenzen verschieden grofs sind.
Auch die Ansicht, dafs isomere Kohlenwasserstoffe
GnH2n~6 allgemein verschiedene Siedepunkte besitzen , ist
nicht richtig. Zunächst werden analog constituirte (derselben
Vertical-Coiumne zugehörige) Kohlenwasserstoffe, für welche
die Summen der Formeln der, der Zahl nach gleichen sub-
stituirenden Alkoholradicale gleich sind, denselben Siede«
punkt haben. Ebenso , wie für Methylpropyläther und für
Aethyl- (richtiger Diäthyl-) ather oder für Methylpropyl-
amin und Didthylamin derselbe Siedepunkt zu erwarten ist.
Die Beobachtungen habto auch denselben Siedepunkt er*
geben für solche isomere Kohlenwasserstoffe : für GtfHil^'Jl
und€6H4{^^„^. — Ganz nahe derselbe Siedepunkt kann aber
auch, nicht als ein wesentlich sondern mehr als ein zufällig
gleicher, isomeren Kohlenwasserstoffen von ungleicher Con-
stitution zukommen : wenn nämlich ihrer Molecularformel
nahezu die Stelle entspricht, wo sich — wenn man für die
Formeln oder Atomgewichte als Abscissen die Siedepunkte
als Ordinalen auftragt und die für Verbindungen von der-
selben Constitution geltenden Siedepunkte durch (gerade)
Linien verbindet — ungleich gegen die Abscissen- Axe ge-
neigte Siedepunktslinien schneiden; Beispiele hierfür giebt
die Betrachtung der für Bg und Cg oder der für Ch und Dh
angegebenen Siedepunkte ab.
Aber in anderen Horizontal-Reihen der Tabelle S. 323
zeigen die Siedepunkte der isomeren Kohlenwasserstoffe grö-
fsere Verschiedenheit, und gewifs ist, dafs Diefs zur Unter-
scheidung solcher Kohlenwasserstoffe von ungleicher Con-
stitution dienen kann. Der Lösung der Aufgabe : aus der
326 Kopp^ über die Siedepunkte
Molecularformel ond dem Siedepunkt eines soleben Kohlen-
wasserstoffs auf seine Constitution zu schliefsen '— ob er ein
1 fach- oder ein 2 fach- oder ein 3 fach-substituirtes Ben-
zol sei —, stehen jedoch noch Hindernisse entgegen , deren
hier zu erwähnen ist.
Eine geringere Schwierigkeit erwächst wohl daraus, dafs
vielleicht bei Ersetzung von Wasserstoff im Benzol durch
dieselben Alkoholradicale , je nach der Stelle wo diese Er-
setzung erfolgt, auch bezüglich des Siedepunktes etwas ver-
schiedene Derivate entstehen können. Eine merkliche Ver-
schiedenheit der Siedepunkte ist för den Fall von Isomerie,
welcher als hierauf beruhend betrachtet worden ist*), nicht
wahrgenommen worden.
Eine ernstlichere Schwierigkeit erwächst aber daraus,
dafs wir jetzt aufser mit den, bisher ausschliefslich betrach-
teten , s. g. normalen Alkoholradicalen auch mit isomeren,
den s. g. Pseudo- oder Iso- Alkoholradicalen bekannt sind.
Je nachdem die letzteren oder die ersteren Radicale mit
anderen Körpern vereinigt sind, entstehen isomere, d§m
chemischen Verhalten, aber namentlich auch dem Siedepunkt
nach verschiedene Verbindungen. Dafs die Pseudopropyl-
oder Isopropyl*Verbindungen niedriger sieden als die iso-
meren Verbindungen des normalen Propyls, dafs die Pseudo*
amyl- oder Isoamyl-Verbindungen niedriger sieden als die
isomeren Verbindungen des normalen Amyls, ist bekannt.
Wenn für die einfach-substituirten Ammoniake das Amyl-
amin (Siedep. 94^) sich mit den anderen, 'ihm homologen
Basen in eine auch den Siedepunkten nach Regelmifsigkeit
*) VgL Ernst und Fittig in Ann. Chem. Pharm. CXXXIX,
189 f. bezüglich der Ursache der geringen Verschiedenheiten,
welche das synthetisch dargestellte Methyltolnol im Vergleich
vom Xylol des Steinkohlentheers zeigt.
der Kohlenwasserstoffe GaHen-e« 327
zeigende Reihe stellt, dürfen wir diefs, bei Einschaltung in
dieselbe Reihe, nicht mehr erwarten für das Isoamylamin,
dessen Siedepunkt (78,5^) dem des normalen Butylamins (69^)
Riher liegt als dem des normalen Amylamins. Auch im
Benzol werden Wasserstoffatome durch Iso- oder Pseudo-
Alkoholradicale ersetzbar sein, und für die Erkenntnifs der
Constitution solcher Verbindungen geben die in der Tabelle
S. 323 als berechnete angegebenen Siedetemperaturen keine
directen Anhaltspunkte; die Siedetemperaturen dieser Ver-
bindungen werden niedriger liegen, als die der in der Tabelle
aufgeführten Verbindungen von gleicher Holecularformel und
gleicher Constitution.
Es lafst sich hiernach erwarten, dafs Kohlenwasserstoffe
eiistiren, deren Siedepunkte so von den in der obigen Ta-
belle angegebenen abweichen, dafs die Betrachtung, ob sie
überhaupt oder nur normale Alkoholradicale enthalten, damit
näher gerückt wird. In der That haben Louguinine und
Lip p m a n n *) durch Einwirkung von Chlorobenzol €eH5{€Cl8H
auf Zinkathyl einen bei i75 bis 180^ siedenden Kohlenwas-
serstoff GnHie = 66H5{€(G8H5)8H erhalten, welchen sie als
diathylirtes Toluol bezeichnen; sie heben selbst die Differenz
der Siedepunkte dieser Verbindung und des isomeren Amyl-
benzols G6H5{G5Hn (193^) hervor und schliefsen^ dafs die
Constitution des in ihrem Kohlenwasserstoff enthaltenen Ra-
dicals von der des gewöhnlichen Amyls verschieden sei. —
Ich kann gerade^ jetzt noch ein anderes Beispiel zufügen.
Nach einer Mittheilung Fittig's**) ist unter den Producten
der Zersetzung des Camphers durch schmelzendes Chlorzink
•) Compt. rend. LXV, 349.
"*) Zeitflchr. f. Chemie 1867, 106.
328 Kopp, über die Siedep, d. Kohienwasseretoffe GoHsn—«.
aoch ein Kohlenwasserstoff GnHie, welcher bei 186 bis 187®
siedet; nach der ausfuhrlicheren Abhandlung von Pitt ig,
Köbrich und Jilke über die Zersetzung des Camphers
durch schmelzendes Chlorzink*) siedet dieser, als Laurol
benannte Kohlenwasserstoff nahezu conslant bei 188® und
kommt ihm, nach der Untersuchung seiner Umwandlungs-
producte, die Constitution OeHsjOH, zu. Für einen solchen
Kohlenwasserstoff wäre, wenn er normales Propyl enthielte,
der Siedepunkt 199® zu erwarten ; ein dreifach-substituirtes
Benzol von dieser Formel, welches bei 188® siedet, kann
hiernach wohl nicht normales Propyl enthalten.
Recht complicirt wird also die Betrachtung, wie die
Siedepunkte der Kohlenwasserstoffe GoH^n-e von der Zu-
sammensetzung derselben abhängen ; namentlich im Vergleich
zu der Einfuchheit der Betrachtung, wie sie früher als zu-
lässig erschien. Aber es ist zu beachten, dafs diefs auf der
weiter vorgeschrittenen Erkenntnifs der Complication des
bedingenden Umstandes, auf der Erkenntnifs so zahlreicher
Isomerieen beruht, und dafs mit dieser Erkenntnifs das Statt-
haben der Siedepunktsregeimäfsigkeiten nur bestätigt wird
und Fälle, welche früher als diese Regelmäfsigkeiten störend
oder Ausnahmen von ihnen abgebend zu betrachten gewesen
wären, jetzt ihre genügende Erklärung finden.
*) Ann. Ühem. Pharm. CXLV, 129.
329
üeber Aldehydbasen ;
von Hugo Schiff.
Vorläufige Mittheilnng.
In dem Ende Juni ausgegebenen ersten Hefte dieses V. Sup«
plementbandes der Annalen hat Baeyer einige Betrachtun-
gen über von dem Acetaldehyd abzuleitende Basen veröffent-
licht, welche mich zu den folgenden Vorläufigen Mitlheilungen
veranlassen.
Vor nahezu drei Jahren habe ich bereits (III. Supple-
mentbd. S. 367) das Hydrönanthylamid N^(C^Hi^)' und einen
ähnlichen Amylkörper beschrieben und auf eine Verbindung
N^(C'H^)' hingewiesen. Seit dieser Zeit habe ich mich
mehrfach mit der Zersetzung des Aldehyds durch Ammoniak
beschäftigt. Aldehyd und eity Ueberschufs weingeistigen
Ammoniaks, mehrere Monate bei mittlerer Temperatur sich
selbst überlassen, geben eine gelbbraune Flüssigkeit. Diese
bei 60 bis 70^ destillirt giebt neben Ammoniak eine flüchtige
Base vom Geruch des zersetzten Coniins, löslich in Wasser
und von der Zusammensetzung C^H^ oder C^H^N (Picolin ?).
Der Rückstand der Destillation ist harzig , giebt aber nach
der Reinigung ein gelbes Pulver, welches sich in Wasser
löst, lösliche Salze und ein krystallinisches Chloroplatinat
bildet und der Zusammensetzung N'(C^H^)' entspricht. In
warmem Wasser und besonders bei Gegenwart von Sauren
zersetzt dieser Körper sich leicht :
C«H«N*, 2 HCl + H«0 = NH*C1 + C«H"NO, HCl.
Die Base C^H"NO ist zimmtfarbig, amorph und löslich
in Wasser. Die Reactionen und die Zusammensetzung der
Salze deuten an, dafs die Base kein Ammoniumhydrat sei,
sondern ein tertiäres Monamin. Man kann sie erzeugen.
330 Schiffe über Aldehydbasen,
wenn man Aldehyd aAf Aldehydammoniak bei 50 bis 60^ in
weingeistiger Lösung auf einander einwirken lafst.
jC'H^OH jC*H*.OH
N^ H + 2C«H40 = 2H«0 + N{C'^H»
l H (C*H«
Bei Zersetzung des Aldehyds durch weingeistiges Am-
moniak bei 100^ entstehen noch zwei ähnliche Basen C'^H^^NO
und C^H^^NO, von denen die letztere bereits, von Heintz
und Wislicenus beobachtet wurde.
Von dem Hydrönanthylamid ausgehend gelangt man zur
Verbindung Nicm^» , welche keine basischen Eigenschaft
ten mehr besitzt.
Hierher gehören auch das Valeralammoniak und Tri-
oxyamyliden von Er d mann :
C^H^ö OH
C»HW.OH
U
N.
.C*H^o.OH.
H
C*H*o.OH
Das Acrolein fuhrt zu einem Diamin :
jC8H*.0H |2(C«H*.0H)'
2N^ H +2C»H*0 = 2H»0 + N«^C»H*"
l H lc»H*"
Diese Base ist den Basen aus Acetaldehyd sehr ähnlich,
weniger gefärbt, bildet schwieriger Salze, mit Leichtigkeit
aber ein Chloroplalinat, welches obiger Formel entspricht.
Das Studium der Zersetzung der Aldehydammoniake
mittelst Schwefelwasserstoff statt des Wassers fährte zunächst
auf das Thialdin.
Gesättigtes wässeriges farbloses Schwefelammonium giebt
mit den Aldehyden direct die entsprechenden Thialdine, und
ich darf wohl sagen, dafs die Thialdinbildung ebensovrohl
zu dem allgemeinen Character der Aldehyde gehört^ wie die
Verbindungsfähigkeit mit alkalischen Sulfiten^ oder wie die
von mir beschriebene Bildung von Diamidcn bei Einwirkung
der primären und secundären organischen Basen.
Schiff, über Aldehydbasen. 331
Acrothialdtn C®H^*NS ist weifs , krystallinisch , weniger
fluchtig als Acetothialdin, der basische Character tritt weni-
ger hervor und es eignet sich diese Verbindung weniger
noch als Acetothialdin zum Studium der Zersetzungserschei-
nungen dieser Körperklasse.
Oenanthothialdin C"fl"NS« hingegen ist (lässig (0,986
bei 24^) , zwar nicht ohne Zersetzung destiilirbar, aber doch
von ausgesprochen basischem Character. Sulfat und Chlor-
hydrat bilden farblose Krystalle. An dieser Base nun habe
ich das Verhalten des Wassers bei höherer Temperatur, der
schwefligen Saure, des Jodwasserstoffs, des Jods, des Jod-
ithyls^ der Aldehyde, des Chlorphosphors und der Metall-
oxyde studirt.
Diese Beactionen deuten darauf hin. dafs die Thialdine
tertiäre Monamine sind (Acetothialdin, A. W. Hof mann,
1857), in welchen der Wasserstoff nicht durch ein einziges
trivalentes Radical ersetzt ist, sondern durch drei Radicale,
welche den Schwefel als Sulfhydryl SH enthalten, wie obige
Äldehydbasen den Sauerstoff als Oxhydryl OH. Die allge-
meine Thialdinformel ist hiemach :
(C»H«.8H (C'H^.SH
N^ OH"» . SH , z. B. N^ C^H " . SH
|C»H»-> ICH»
Oenanthothialdin .
Nicht alle Thialdine haben basische Eigenschaften, Benzo-
thialdin z. B. ist indifferent. Alle diese Verbindungen sind
Aldehydderivate, welche in gewissem Sinne den Oxyathylen-
basen von Wurtz analog sind. Hierher gehören vielleicht
auch Carbotbialdin und Carbothiacetonin mit den analogen
Formeln :
iC"" (CS
C»H*.8H N«^C»H«
C*HV8H (2(C»H«.SH)'
Destillirt man die Thialdine und die sauerstofllialtigen
Aldehydbasen mit Natronkalk, so bilden sich flässige, fluch-
332 Maithiessen u. Foster, über die ehem. Gonstitution
tige Basen , welche sich in Wasser lösen , alkalische Reaction
besitzen and zu den Anders on'schen Basen aus dem Kno-
chenöl jedenfalls in naher Beziehung stehen.
Die Existenz aldehydischer Harnstoffe habe ich bereits
Bd. CXL, li4 der Annalen der Cbem. u. Pharm, angezeigt.
Mit weit gröfserer Leichtigkeit als in den Harnstoff lassen
sich die Aldehydresidua in die substituirten Harnstoffe ein-
rühren, namentlich in die phenylsubstituirten Carbamide und
Sulfocarbamide. Alle diese Verbindungen sind krystallinisch.
Auch das Oxamid erlaubt den Eintritt von Aldehydresidua,
weniger leicht andere Saureamide. Auch in diesen Fallen
wird die Einführung der Aldehydresidua durch den vorheri-
gen Eintritt eines Alkoholradicals wesentlich erleichtert. Bit-
termandelöl z. B. wirkt aus leicht zu begreifenden Gründen
nicht auf Benzamid ein , wohl aber auf Benzanilid , leichter
noch auf Succinanilid.
Ich hoffe, einen Theil der hierher gehörigen Unter-
suchungen noch im Laufe dieses Jahres ausführlicher mit-
theilen zu können.
Florenz, 12. August 1867.
Ueber die chemische Constitution des Nar-
cotins und seiner Zersetzungsproducte ;
von A. Matthiessen und G. C. Fester^).
In der hier auszugsweise zu besprechenden Fortsetzung
unserer Arbeit**) sind die folgenden Reactionen untersucht
worden :
*) Proceedings of the London Royal dociety XVI, 89.
**) Frühere Mittheilungen Tgl. Ann. Chem. Pharm. 6appl.-Bd. I, 330
and Sappl.-Bd. U, 377. D. R,
des Narcottns und setner Zei'setzungsproducte, 333
1) Einwirkung der Ghlorwasserstoff'^ und der Jodwasser^^
Stoff säure auf Opiansäure.
Wenn concentrirte Chlorwasserstoff- oder Jodwasser*
stoffsaure eine Zeit lang bei iOO^ auf Opiansäure einwirkt,
so wird Methylchlorür oder Methyljodur entwickelt und eine
neue Säure gebildet :
• * ?ioHio^6 + HCl = e^HaOft + eHjCl.
Wir schlagen für diese neue Säure die Bezeichnung
Metloflnaropiansäure vor, da sie zwischen der Opiansäure
and der normalen Opiansäure intermediär ist :
Normale Opiansäure OgH^^«
MetbylDoropianBäare GgH^^^
Opiansäare oder Dimethylnoropiansäare €lioHio^s
Die neue Säure ist löslich in kaltem Wasser, aber noch
viel löslicher in heifsem, aus welcher Lösung sie bei dem
Abkühlen derselben mit 27^ Mol. Wasser krystallisirt. Wie
Hypogallussäure giebt sie mit Eisenchlorid eine dunkelblaue
Färbung, aber auf Zusatz von überschüssigem Ammoniak
entsteht eine hellrothe Lösung, wonach die blaue Färbung
in diesem Falle sich von der durch Hypogallussäure hervor-
gebrachten unterscheidet, sofern die letztere Färbung durch
Ammoniak zu Blutroth umgewandelt wird. Nach der Analyse
des Silbersalzes ist die Methylnoropiansäure als einbasisch
zu betrachten.
0) Einwirkung der Chlorwasserstoff' und der Jodwasser-^
stoffsäure auf Meconin,
Wird Heconin mit concentrirter Chlorwasserstoff- oder
Jodwasserstoffsäure einige Zeit auf 100^ erhitzt, so spaltet
es sich zu Methylchlorür oder Methyljodur und einer Säure
von der Zusammensetzung 69H8O4. Die Reaction ist :
GioHjo^4 + HCl = €^04 + GEfil.
334 Matthiessen u. Foster, über die ehern, Omstttuitott
Die neue Saure können wir Meihylnormeconsäure nennen,
da sie zwischen dem Meconin und dem normalen Meconin
steht :
Meconin Gio^io^4
Methylnormeconin oder Methylnonneoonsllare G^Hg^«
Normales Meconin €gHe^4.
Die Hethylnormeconsäure ist löslich in kaltem, aber« viel
löslicher in heifsem Wasser; sie löst sich auch leicht in AI*
kohol und etwas in Aether. Sie reducirt Lösungen von
Silbersalzen in der Kalte und verhält sich zu Bisenchlorid
genau so wie die • Methylnoropiansaure. Nach der Analyse
des Baryumsalzes ist die Methylnormeconsiure einbasisch.
III) Einwirkung der Ühlorwasaerstoff' %md der JodwasaeT'
Stoff säure auf Hemipinsäure.
Die Einwirkung der Jodwasserstoffsaure auf Hemipin-
säure wurde bereits in einer froheren Mitheilung von uns
beschrieben. Die Reaction, welche statt hat, geht nach un-
serer Untersuchung vor sich gemäfs der Gleichung :
^loHio^e + 2HJ = €^9 + 2€H^ + e^B^G^,
Den Körper G7H6O4 hatten wir als Hypogallussäure bezeichnet.
Es war auch erwähnt worden, dafs bei der Einwirkung
von Chlorwasserstoffsäure auf Hemipinsäure die folgende
Reaction vor sich geht :
Die Formel GsHsO« ist durch weitere Analysen bestätigt
worden, und die Analyse des Silbersalzes dieser Säure hat
ergeben, dafs dieselbe einbasisch ist. Diese Säure kann als
MethyUiypogallussäure bezeichnet werden, da sie 1 At
Methyl mehr enthält, als die Hypogallussäure, und in diese
letztere Säure durch lange andauernde Einwirkung von
Chlorwasserstoffsäure umgewandelt werden kann.
des Narcotins und seiner Zersetzungspro Jude, 335
Bei unseren Yersuehen mit Hemipinsäure fanden wir,
dafs diese Siare in verschiedenen Formen krystallisiren kann.
Die verschiedenen Krystalle enthalten angleiche Mengen
Wasser. So enthält die ans verdünnter Lösung bei dem frei-
willigen Verdunsten derselben krystallisy*te Saure Vs Mol.
Wasser; die aus einer übersattigten Lösung krystallisirte
i HoL Wasser; und endlich die in gewöhnlicher Weise,
durch Abkühlen einer heifs bereiteten Lösung, krystallisirte
Saure 2V« Mol. Wasser.
Aus den hier und den in unseren früheren Mittheilungen
angegebenen Versuchen ergiebt sich, dafs folgende von der
Opiansaure sich ableitende Verbindungen existiren.
^10^10^4 ^10^10^» ^toHio^e
Dimethylnormeconin DimethylnoropiansHure DimethylnorhemipinBänre
(gewöhnl. Meconin) (gewöhnl. Opiansänre) (gewöhnl. Hemipinsäure)
Methylnormeconin
69Hg05
Methylnoropianaftore
Methylnorhemipinsäure
«sHaO,
Nonueconin
GeHeO,
Noropiansftnre
Norhemipinsäare
GgHaOt
GsHaOa
MetbjlhypogallTiBsäare
e,H,d.
^THeOa
€,He04
Hypogallass&nre.
Von diesen Körpern sind die folgenden dargestellt
worden :
i) GioHioOi, GioHioOe durch die Einwirkung von
Kali auf Opiansaure :
2€|oH|o05 = €|oH|oG4 + €|oH|oGe*
2) GsHb^« durch die Einwirkung von Chlorwasserstoff-
und Jodwasserstoffsäure auf Meconin :
0,oH,oG4 + HJ = GBHa04 + €HaJ.
336 Matth%e9sen ci. Fester, über die ehern, Gonstäutian
3) GaHgOö durch die Einwirkung von Chlorwasserstoff-
oder Jodwasserstoffsäure auf Opiansaure :
CtÄoOj + HJ = G^HgO^ + OH,J.
4) GsHsOi durch die Einwirkung von Chlorwasserstoff-
säure auf Hemipinsäure :
^loHioOe *+ HCl = G8H8O4 + Öö, + GH,C1.
5) GiUß&^ durch die Einwirkung von Jodwasserstoff-
säure auf Hemipinsäure :
€>toHto^« + 2HJ = GtH«^* + GOj + SGHrJ.
Ein zweiter Theil der Untersuchungen, über welche wir
hier in Kurze Mittheilung machen , betriflit die Darstellung
und die Eigenschaften einer neuen aus dem Narcotin zu er-
haltenden Base. Wird Narcotin 6 bis 8 Tage lang mit starker
Chlorwasserstoffsäure auf iOO^ erhitzt, so werden 2 Mol.
Methylchlorür ausgegeben und die Chlorverbindung der neuen
Base gebildet. Die Reaction, welche hierbei statt hat, ist :
G^HjaNO, + 2 HCl = G^jH^^NO^ + 2GH,C1.
Diese Base haben wir als Methylnomarcotin benannt ; sie
bildet ein fast weifses amorphes Pulver, welches in Wasser
und in Aether unlöslich, in Alkohol etwas löslich ist; es ist
leicht löslich in kohlensaurem Natrium, und auf diese Art
kann die neue Base vom Narcotin getrennt werden. Keines
ihrer Salze ist krystallisirbar (die Chlorverbindung, das
schwefelsaure und das salpetersaure Salz wurden dargestellt).
— In unserer ausführlicheren Abhandlung erwähnen wir auch
zwei anderer neuer Basen, welche sich von dem Narcotin
ableiten ; diese sind bis jetzt noch nicht beschrieben worden.
Sie sind das Dimethylnornarcotin und das Nornarcotin ; das
erstere bildet sich bei kürzerer Einwirkung von Chlorwasser-
stoffsäure auf Narcotin, und das letztere bei der Einwirkung
von concentrirter Jodwasserstoffsäure auf Narcotin. Diese
Reactionen können formulirt werden :
des Narcotina und seiner Zerseizunggproducte. 33?
enH^NOf + HCl = G«H„NOt + €H,C1 ;
G«H„N^, + SHJ== €i9H„NO, + 8€H,J.
Es existiren also vier Narcotine :
/) Gtewöhnl. Narcotin o. Triinethylnornarcotin ^n^ts^^i
2) Dimetbylnornarcotin €s|H,iN07
3) Methylnomarcotin GsoHieNOf
4) Nornarcotin €i9HjfNOf.
Die Beschreibungen und Eigenschaften der erst -er-
wähnten neuen Basen werden den Gegenstand einer spateren
Mittheilung abgeben.
lieber die relative Constitution des Gährungs-
Butyl- und Amylalkohols;
von Emil Erlenmeyer.
Vor einiger Zeit habe ich in der Zeitschrift f. Chemie
1867; S. Ii7 mitgetheilt, dafs nach meinen Untersuchungen
der Gährungsbutylalkohol und der Gahrungsamylalkohol nicht,
wie man bis dahin angenommen hatte, Normalatkohole sind,
sondern zu dem Methyl- resp. Aethylalkohol in folgender
constitutionellen Relation stehen :
CHj CH,
CHj CH,
H
CH
^c^ •
1
CH,
CH,
HO— CH,
HO-CH,
Ho-in,
Butjl-
Aetbyl-
AmylalkohoL
H
HO-CH,
Metbjl*
Ich versprach in jener Mittheilung, die experimentellen
Belege in einer ausführlichen Abhandlung zu geben.
Da ich aber die Absicht habe, auch alle Zwischenpro-
ducte, welche ich bei meiner Untersuchung erhalten habe,
Aanal. d. Ohem. u. Pliarm. V. 8upplem0ntbd. 3. Heft. 22
338 Erlenmeyer ^ über die relative Constitution
in Bezug auf ihre physikalischen Eigenschaften mit den aaf
anderem Wege erhaltenen genau zu vergleichen, sowie die
übrigen Gährungsalkohole, zumal den Propyi- und Hexyl-
alkohoi, erst noch zu studiren, so halte ich es für zweck-
mafsig, vorläufig nur den Weg anzugeben, auf welchem ich
zu den oben angeführten Resultaten gelangt bin.
Der Gährungsbutylalkohol wurde oxydirt, und er lieferte
(neben Essigsäure und anderen, noch zu untersuchenden,
nicht sauren Producten) nicht Nor malöiUt er säure, sondern
hohuttersäure^ ein Beweis, dafs der Gährungsbutylalkohol
nicht Normal- sondern Isobutylalkohoi ist.
In Betreff des Gährungsamylalkohols hatte ich zwar
schon durch die Untersuchung des Amylens *), welches mit
Chlorzink daraus dargestellt war, die Ueberzeugung ge-
wonnen, dafs der Gährungsamylalkohol selbst das Radical
Pseudopropyl enthält; weil man aber sagen könnte, durch
die heftige Wirkung des Chlörzinks bei hoher Temperatur
sei neben der, welche zur Bildung des Amylens erfolgen
mufs, noch eine andere Umsetzung der Bestandtheile des
Amylalkohols vor sich gegangen, habe ich noch durch einen
weniger energischen Procefs Amylen dargestellt.
Wenn man Amyljodür, das auf gewöhnliche Weise aus
Gährungsamylalkohol gewonnen ist, mit weingeistigem Kali
auf dem Wasserbade behandelt, so bildet sich neben Amyl-
äthyläther auch Amylen. Es wird wohl Niemand daran
zweifeln , dafs dieses Amylen auf die einfachste Weise ent-
steht, indem durch das Kalihydrat Jod und Wasserstoff aus
dem Amyljodür herausgenommen werden.
Auch dieses Amylen lieferte bei der Oxydation Aceton.
Trotzdem, dafs es nach diesen Erfahrungen kaum mehr
in Frage gestellt werden konnte, dafs der Gährungsamyl-
*) Verhandl. d. oaturhist-med. Yereins zu Heidelberg III, 197.
des Oährungs'Butyl' und Amylalkohols, 339
alkohol in der That nach der obengegfebenen Formel constituirt
sei, hielt ich es doch für rathsam, noch einen^ weiteren Be-
weis dafür aufzusuchen.
Nachdem ich gefunden halte, dafs der Gährungsbutyl-
alkohol die oben angegebene Constitution besitzt, benutzte
ich hierzu die Synthese der Vaieriansaure aus dem Butyl-
cyanür. Das aus dem Butyljodur mit Cyankalium dargestellte
Valeronitrii, welches mit dem aus Leucin durch Oxydation
erhaltenen identisch zu sein scheint, wurde mit Kalihydrat
in valeriansaures Kali übergeführt. Die daraus abgeschiedene
Säure fand ich mit der aus dem Gährungsamylalkohol direct
erhaltenen in allen wesentlichen Eigenschaften und in ihren
Salzen yollkommen übereinstimmend.
Nur das Eine mufs ich gestehen, ich habe bisher das
optische Verhalten meiner künstlichen Vaieriansaure zu er-
mitteln unterlassen; einestheils, weil mir die dazu nöthigen
Instrumente nicht zu Gebote standen, anderentheils aber auch,
weil ich darauf für die Entscheidung der Frage , ob zwei
Substanzen chemisch identisch oder isomer sind, keinen Werth
lege und der Meinung bin, dafs die Resultate der bisher an-
gestellten chemischen Experimente vollkommen ausreichend
sind, um zu beweisen, dafs der Gährungsamylalkohol nichts
anderes ist, als isobutyürter Methyl- oder pseudopropylirter
Aethylalkohol.
Ich zweifle deshalb auch keinen Augenblick daran, dafs
die von Frankland und Duppa (Zeitschr. f. Chem. 1867;
120) beschriebene Isoprop essigsaure mit der Vaieriansaure
aus Gährungsamylalkohol chemisch identisch ist.
Der Vollständigkeit wegen will ich auch aus dem Butyl-
cyanür den Amylalkohol selbst darstellen, sowie die optischen
Eigenschaften dieses und aller anderen bisher erhaltenen
Producte ermitteln.
22»
340
üeber Julin's Chlorkohlenstoflf;
von H. Bassett*).
Im Anfang des Jahres 1864**) beschrieb Dr. Hugo
Malier eine durch Einwirkung von Antimonpentachlorid auf
Benzol erhaltene Substanz von der Formel GeCle« d. i. Benzol,
in welchem aller Wasserstoff durch Chlor ersetzt ist. Er wies
weiter auf die Wahrscheinlichkeit hin, dafs Julin's Chlor-
kohlenstoff dieselbe rationelle Formel habe, während Ber-
thelot demselben die weniger wahrscheinliche Formel GioCIjo
zugeschrieben hatte, wohl weil er durch Einwirkung von
Wasserstoff bei Rothgluhhitze aus demselben Naphtalin er-
halten hatte; aber da Naphtalin sich bekanntlich aus niedri-
geren Kohlenwasserstoffen bei hohen Temperaturen bildet,
konnte diese Thatsache nicht als die von Berthelot gege-
bene Formel beweisend betrachtet werden.
Ich habe einige Versuche mit Julin's Chlorkohlenstoff
angestellt, welche zeigen, dafs derselbe wirklich GeCle ist.
Diese Substanz wurde in der Art dargestellt, dafs
Chloroformdampf durch eine lange, mit Porcellanstucken ge-
füllte und bei Hellroth - Glühhitze erhaltene Röhre geleitet
wurde. Das resultirende halbfeste Product wurde in dem
Wasserbade zur Trockne gebracht, dann mit etwas ziemlich
verdünntem Alkohol gekocht, und der Rückstand einmal aus
einer Mischung von Benzol und Alkohol umkrystallisirt. Das
Product war bräunlich gefärbt, was sich durch wiederholtes
Umkrystallisiren nicht beseitigen liefs; aber durch Sublimation
wurde es vollkommen weifs und durch nochmaliges Umkry-
stallisiren ganz rein erhalten. Es ergab 75,26 pC. Chlor,
wahrend sich 74,74 berechnen. — Die so erhaltene Substanz
*) Journal of the chemical society, new series, V, 448.
•*) Zeitscbr. f. Chem. 1864, 8. 40.
Bassett, über Julin*8 Chlorkohlenstoff, 341
ist nur wenig löslich in Alkohol, sehr leicht löslich in Benzol
and Chloroforni. Man krystallisirt sie am Besten aus einer
heifsen Mischung von Benzol und Alkohol, aus welcher Lö-
sung sie sich bei dem Abkühlen derselben in farblosen feinen
langen Nadeln ausscheidet, welche geschmack* und geruchlos
sind. Sie verflüchtigt sich wenig bei 100^, und hat dann
einen, sehr schwachen eigenthümlichen Geruch. Durch sie-
dende Säuren oder Alkalien, übermangansaures Kali n. s. w.
wird sie nicht angegrifl'en. — Hit dieser Substanz konnte ich
eine Probe des von Dr. Müller dargestellten Benzol -Deri-
vates vergleichen, und ich fand zwischen beiden Körpern
schlechterdings keinen Unterschied ; beide schmelzen bei 231^
(corrigirt) und erstarren wieder bei 226^— Eine Dampfdichte-
Bestimmung der aus Chloroform dargestellten Substanz (die
Bestimmung wurde wegen des oberhalb 300^ liegenden Siede-
punktes im Quecksilberdampf ausgeführt) ergab 10,06, wäh-
rend die für GeCle sich berechnende Dampfdichte 9,87 ist;
beide Zahlen stimmen hinlänglich nahe überein , um zu zeigen,
dafs dem als Julin's Chlorkohlenstofl* bezeichneten Körper
diese Formel wirklich zukommt.
üeber Dissociation ;
von Privatdocent Dr. Alex, Naumann,
1) Berechnung der Gr'öfae der Dissociation aus dm, beob-'
achteten Dampf dichten.
Für die, verschiedenen Temperaturen zugehörige, Gröfse
der Dissociation gasförmiger Körper sind die specifischen
Gewichte der entstehenden Gasmischungen keine unmittelbar
vergleichbaren Ausdrücke. Dagegen ist als solches Gröfsen-
mafs das, zweckmafsig in Procenten anzugebende, Verhaltnifs
342 Naumann, über Dissociatum,
der dissociirten Molecule der ursprünglichen Terbindong zor
Anzahl der ursprünglich vorhandenen zu betrachten. Diese
zu suchenden Zahlenwerthe leiten sich aus dem (theoretischen)
spec. Gewicht der unzersetzten Verbindung und der beobach-
teten Dampfdichte der Gasmischung ab.
Ich halte es nicht für überflussig, Einsicht in die Ent-
Wickelung der zu den betreffenden Berechnungen ienptzten
Formel zu geben, zumal da bezüglich der Dissociationstension
vorliegende Zahlen *) geradezu falsch und bezüglich der
relativen Menge des Zersetzten aufgeführte Werthe **), wenn
sich denselben auch ein Sinn beilegen lafst, doch Das nicht
sind, was sie der gewöhnlich üblichen und Oeviile's eige-
ner Auffassung nach sein sollten. H. Deville ***) be-
zeichnete nämlich früher mit dem Worte Dissociattonstension
„die relative, mit der ganzen der Einwirkung der Hitze untere
worfenen Masse verglichene Menge eines Körpers, welcher
sich in seinem eigenen Dampfe zersetzt.^ Spater sagt
Devillef) : „Wenn man das Sieden der vollständigen Zer-
setzung vergleicht, so würde die Dampfspannung unterhalb
des Siedepunkts der Dissociationstension (der theilweisen Zer-
setzung) entsprechen.^ Deville ff) drückt dem Letzteren
gemäfs die Dissociationstension in Millimetern Quecksiiber-
höhe aus. Hat z. B. der Wasserdampf sich theilvv^ise zer-
legt, befindet sich also in einem Gefäfse Wasserdampf und
Knallgas und ist der Gesammtdruck = 760°^°", so berech-
net Deville den Partialdruck des gebildeten Knallgases und
nennt diesen die Dissociationstension des Wasserdampfs bei
•j Deville, Compt. rend. LXIV, 71.
**) Deville, daselbst nndWarts, Ann. Cbem. Pharm. CXXXY, 818.
•«•) Ann. Chem. Phann. CXXVn, 109.
t) BaU. soo. ohim. F4tt. 1866, p. 116.
tt) Siehe aach Ann. Chem. Pharm. CXLI , 46.
Naumann^ über Diasociation. 343
der herrschenden Temperatur. Deville *) hat nun in neu-
ester Zeit falsche Zahlen für die, verschiedenen Temperaturen
entsprechende , Dissociationstension des Bromiwasserstoff-
Amylens berechnet. Deville sagt nämlich : „Es sei D
die Dampfdichte des Bromwasserstoff- Amylens zwischen 113
und 153^ ; d das Mittel zwischen der Dampfdichte des Brom-
wasserstoffs und derjenigen des Amylens ; J die von 153 bis
360^ regelmäfsig abnehmenden Dampfdichten des Bromwasser-
stoff-Amylens , wie solche von Wurtz bestimmt worden
sind ; so hat man für q die dissociirte Gasmenge in diesen
verschiedenen Mischungen (on a pour q ia masse gazeuse
dissociee dan3 ces melanges divers) ;
— P""A — 5,23~zi __ 6,23— ^J
^ "" D— d" "" 5123^762 "" 2,61
Es sei 0 die Dissociationstension des Gases, so hat man
för ihren Werth, da hier D = 2 d ist :
Q = 760. ^^— = 760. - v*^;**
q -f 1
Hierauf stellt Deville die nach beiden Formeln aus
den Beobachtungsresultaten von Wurtz berechneten Zahlen-
werthe von q und Q in einer Tabelle zusammen. Wie eine
einfache Ueberlegung lehrt, hat die Deville'sche Ableitung
von Q aus q nur dann einen Sinn, wenn q das Gewichts-
verhältnifs des zersetzten Bromwasserstoff-Amylens (des ge-
bildeten Bromwasserstoffs und Amylens) zu dem gesammten,
der Einwirkung der Hitze unterworfenen oder ursprünglich
vorhandenen Brdmwasserstoff-Amylen, oder, was dasselbe
sagt, zu der gesammten Gasmischung vorstellt. Dieses Ge-
wichtsverhältnifs wird aber keineswegs durch die Devil-
le'sehe Formel q = ^^j' sondern, wie aus der nachher
q
d
q
d
^ D
•) Compt rend. ^XIV, 71.
344 Naumann, über Dissoctaiion.
folgenden Entwickelung hervorgehl, durch die Formel q= "^
ausgedrückt. Es sind somit Deviiie's Zahlen für die Disso-
ciationstension des Bromwasserstoff-Amylens unrichtig. Der
Umstand, dafs die Deville'sche Formel für q auf die Grenz-
werthe 0 und 1 pafst, scheint hinreichende Veranlassung ge-
wesen zu sein, dieselbe überhaupt aufzustellen. Will man der-
selben einen anderweitigen Sinn beilegen, so bezeichnet sie
das Verhältnifs des entstandenen Volums von BromwasserstoiT
und Amylen zu dem gesammten entstandenen Gasvolum.
Deville würde also die richtigen Werthe für die Disso-
ciatioQstension des Bromwasserstoff-Amylens erhalten haben,
wenn er einfach seine Werthe von q mit 7^ multiplicirt
hatte. In gleicher Weise kann die von Wurtz*) aus der
für 314^ stattfindenden Dampfdichte 2,98 des Bronwasserstoff-
Amylens berechnete Procentzahl 86,2 nur Volumprocente der
Zersetzungsproducte Amylen und Bromwasserstoff bezogen
auf das Gesammtvolum der entstandenen Gasmischung be-
zeichnen, und nicht, wie man glauben könnte, Gewichtspro-
cente. Für letztere würde sich aus der beobachteten Dampf-
dichte 2,98 unter gleichzeitiger Zugrundelegung der von
Wurtz benutzten theoretischen Dampfdichte 5,24 die Zahl
75,83 ergeben, wie die jetzt zu entwickelnde Formel lehrt
Das theoretische spec. Gewicht eines dissociationsfihigen
Körpers sei d = ^^^^ wo m das Moleculargewicht vorstellt
Bei der Dissociation zerfalle ein Holecul in a Holecule, so
ist die Dampfdichte der Mischung der Zersetzungsproducte — •
Es seien nun x 4* Y Holecule der ursprünglichen Verbin-
dung einer gewissen Temperatur ausgesetzt worden, x seien
*) Ann. Ghem. Pharm. CXXXV, BIS.
NaumanUf über Dissociation, 345
ansersetzt, y zersetzt in a y Holecole der Zersetzungspro-
dacte ; 80 ist das spec. Gewicht der gesammten Gasmischung :
D = (^ + 7) d
woraos
X (d-D) = y (ap-d) und -^ = ^JS--
Polgiicb ist das Verhältnirs der dissociirten Molecule
zur Anzahl der nrsprfinglich vorhandenen :
Hieraus erhält man die Zahl der dissociirten Molecule
der ursprünglichen Verbindung in Procenten der ursprünglich
Torhandenen, wenn man die Zahl der letzteren x -{- y = 100
setzt , alsdann wird y = p und Gleichung (1) geht über in :
p _ d—D
100 "" (a— 1)D'
wonach
100 (d-D)
^ (a— 1) D ^"
Ffir a s= 2 erhält diese Formel die Gestalt :
_ 100 (d-D) ,
D ist dnrch den Versach festzustellen.
Nach dieser Formel sind für die folgenden Tabellen
die den beigefugten Temperaturen und Dampfdichten ent-
sprechenden Procenttheile der zersetzten Verbindung berech-
net. Um die Uebersicht über den Verlauf der Dissociation
zu erleichtem, ist in einer ferneren Columne der bei steigen-
der Temperatur erfolgende Zuwachs der Zersetzung auf eine
Temperaturerhöhung von 10^ bezogen.
Die mir bekannten dissociationsfahigen Körper, für
welche die Zusammensetzung des Moleculs unzweifelhaft ist
und zugleich Dampfdichtebestimmungen für verschiedene,
346 Naumann^ über DissoctcUion^
innerhalb der Grenzen der Dissociation liegende Temperaturen
vorliegen, sind :
1) ßromwasserstoff^Amylen, GsHjo.HBr. — Wurlz *)
hat nachgewiesen, ^^dafs dieser Körper bei 40, 50, 60^ ober-
halb seines Siedepunkts die normale Dampfdichte zeigt, wah-
rend bei noch höherer Temperatur die Dampfdichte kleiner
wird, bis sie nur noch die Hälfte der normalen betragt."^
Bei der beim Erkalten eintretenden Wiedervereinigung der
Bestandtheile bleibt etwas Bromwasserstoff unverbunden,
„als Zeuge für die Zersetzung.** Spater hat Wurtz ♦♦)
gezeigt, dafs beim Zusammenbringen von Amylen und Brom-
wasserstoff in einem geeigneten Apparat zwischen 1120 und
130^ wo Bromwasserstoff-Amylen noch normale Dampfdichte
zeigt, eine betrachtlich gröfsere Temperaturerhöhung des
Gasgemenges eintritt, als zwischen 215 und 225^, wo die
Dampfdichte des Bromwasserstoff- Amylens auf theilweise
Zersetzung hindeutet. Dieses Ergebnifs weist darauf hin,
dafs zwischen den letzteren Temperaturen eine weniger voll-
standige Verbindung der gemischten Gase stattgefunden hat,
als zwischen den ersteren niederen. Es zerfallt sonach das
Bromwasserstoff-Amylen unzweifelhaft bei steigender Tem-
peratur allmalig in Amylen und Bromwasserstoff. Es folgen
nachstehend die Wurtz*schen Beobachtungswerthe sammt
den daraus abgeleiteten Zahlen. Das Bromwasserstoff-Amylen
siedet bei 113^ Die theoretische Dampfdichte ist 5,22.
Diejenige des Gemenges seiner Zersetzungsproducte, Amylen
6 22
und Bromwasserstoff, - '- = 2,61.
♦) Ann. Chem. Pharm. CXXXV, 316, 1865.
**) Compt. rend. LXII, 1182 and Ann. Cbem. Pharm. CXL, 171.
Naumann, über Diiaociation.
347
Temperatur
(corrig.)
/*■ ■
1520
155,8
160^
165
171,2
178,1
188,8
185,5
.193,2
195,5
205,2
215
225
236,5
248
262,5
272
295
305,8
814
319,2
360
Dampfdichte
Procenttheile der
Zersetzung
Zuwachs an Procent-
th eilen d. Zersetzung
für lO«» Temperatur-
erhöhung
^,37
5,18
5,32
5,14
5,16
5,18
5,15
5,12
4,84
4,66
4,39
4,12
4,69 i
8,68/*'
8,88
8,30
8,09
8,11
3,19
3,19
2,98
2,88
2,61
18
1,6
1.4
2
7.9
12
18,9
26,7
36,3
58,2
68,9
75,1
81,2
100
7,7
9,2
8
4,5
19
1,2
11,7
4,6
2) Jodtoasserstoff-'Amyhn^ fi^Hio . HJ. — Dieser Körper
zeigt nach den Untersiichungen von Wurtz ahnliches Ver-
halten wie der vorhergehende. Nur kann derselbe oberhalb
seines Siedepunkts gar nicht Gasform annehmen, ohne theil-
weise Zersetzung zu erleiden. Es liegen von Wurtz zwei-
mal je drei Dampfdichtebestimmungen vor. Die zuerst aufge-
führten sind die spater *), die drei letzten die früher **)
veröffentlichten. Das Jodwasserstoff-Amylen siedet bei 130".
Die theoretische Dampfdichte ist 6,84. Diejenige des Ge-
menges seiner Zersetzungsproducte, Amylen und Jodwasser-
stoff, -^ = 3,42.
*) Compt. rend. LXII, 1182, 1866 n. Chem. Centralbl. 1866, 588.
**) Abd. Chem. Pharm. CXXXV, 814, Anmerkang.
348
Naumann, über Disgociation.
Temperatar
Dampfdichte
Procenttheile der
Zersetzung
Zuwachs an Procent-
theilen d. Zersetzung
für 10° Temperatur-
erhöhung
143«
153,5
168
160
210
262
6,05
5,97
5,88
5,73
4,66
4,38
13,1
14,6
16,8
19,4
46,8
56,2
1,4
5,5
1,8
3) Phosphorchlorid, PCI5, unterliegt der Dissociation, in-
dem es in Phosphorchlorör und Chlor zerfällt. Nach Ver-
suchen von Wanklyn und Robinson *) geht bei der
Diffusion des von Phosphorchlorid gelieferten Dampfs in
Kohlensäuregas freies Chlor in dieses über und das in dem
Kolben Rückständige ginthält Phosphorchlorür. Neuerdings
erkannte H. Deville **), dafs der von Phosphorchlorid ge-
lieferte Dampf gelbgrün ist, also freies Chlor enthält, wäh-
rend nach allen Analogieen der Dampf des Phosphorchlorids
farblos sein sollte. Dabei sah man die Farbe des Chlors
sich allmälig mit steigender Temperatur mehr und mehr ent-
wickeln. Die folgenden, von Cahours ***) ausgeführten
Dampfdichtebestimmungen zeigen, dafs auch dieser Körper
oberhalb seines Siedepunkts nicht Gasform annehmen kann,
ohne dissociirt zu werden. Neuere Bestimmungen, welche
Cahours f) bei 170 und 172^ ausgeführt hat^ ergaben Zahlen,
die^ wenn auch beträchtlich gröfser als die früher bei 182
und 185^ erhaltenen, doch noch weit entfernt von den der
*) Ann. Chem. Pharm. CXXVII, HO u. 111, Anmerk. u. Jahresber.
f. Chem. u. s. w. f. 1863, 39.
**) Compt. rend. LXn, 1157, 1866; Chem. Centralbl. 1866, 686;
Ann. Chem. Pharm. CXLI, 47.
***) Jahresber. f. Chem. u. b. w. f. 1847 a. 1848, 864.
' t) Ann. Chem. Pharm. CXLI , 42.
Naumann^ über ßissoctaiton.
349
normalen Dampfdichte entsprechenden sind. Dieselben sind
bis jetzt noch nicht veröffentlicht worden. Das Phosphor-
chiorid siedet bei 160 bis 165^ Die theoretische Dampf-
dichte ist 7,2. Diejenige des Gemenges seiner Zersetzungs-
72
producte, Phosphorchlorür und Chior^ -j' = ^9^-
Zuwachs an Procent-
Temperatar
Dampfdichte
Procenttheile der
Zersetzung
theilen d. Zersetzung
für 10<> Temperatur-
erhöhung
182«
6,08
41,7
8,25
4,2
6,8
ß 3
190
4,99
44,3
200
4,85
48,5 <
230
4,30
67,4
250
4
80
D,0
D 1
274
3,84
87,5
3,1
6»2
0,9
288
3.67
96,2
289
8,69
800
3,65
97,3
4) Schtoefelsäurehydrat, SH2O4. — Nach Wanklyn
and Robinson *) geht bei der Diffusion des von Schwe-
felsänrehydrat gelieferten Dampfs in atmosphärische Luft vor-
zugsweise leichterer Wasserdampf weg und das in dem Kol-
ben Rückständige besteht dann aus Schwefelsäurehydrat und
wasserfreier Schwefelsäure. Auch hier ist die untere Tem-
peraturgrenze der Dissociation nicht bekannt, weil, wie die
nachfolgenden, von Eine au **) ausgeführten Dampfdichte-
bestfmmungen zeigen, oberhalb des Siedepunkts der Dampf
schon theilweise zersetzt ist. Die theoretische Dampfdichte
des Schwefelsäurehydrats ist 3,386. Diejenige des Gemenges
seiner Zersetzungsproducte, wasserfreie Schwefelsäure und
Wasser, ^ = 1,693.
*) Ann. Chem. Pharm. CXXVIIf, 110 u. 111, Anmerk. u. Jahresber.
t Ghem. u. s. w. £ 1863, 38.
**) Ann. Che in. Pharm. LX, 161.
350
Naumann, über JDissociation,
Temperatar , Dampfdichte
j Zuwachs an Procent-
Procenttheile der theilen d. Zersetzung
Zersetzang für 10^ Temperatar-
erhöhang
3320
345
365
416
498
2,50
2,24
2,12
1,69
1,68
35,4
51,2
69,7
100,3
12«2
4.3
5
Aus einer vergleichenden Betrachtung der, Temperatur-
erhöhungen von je 10^ entsprechenden, Zuwachse der Zer-
setzung läfst sich der Schlufs ziehen, dafs der Temperatur-
umfang der Dissociation, d. i. der Temperaturabstand des
Beginns und der Vollendung derselben für verschiedene
Körper verschieden grofs ist. lieber den Verlauf der Disso-
ciation aber, wie die Zersetzung für denselben Körper mit
der Temperatur vorschreite, darüber läfst sich bei den ver-
hältnifsmafsig wenigen vorliegenden Beobachtungswerthen
und bei der nicht grofsen Zuverlässigkeit der einzelnen
Dampfdichtebestimmungen *) noch kein sicheres Urtheil ab-
geben. Die Ergebnisse nachfolgender Betrachtungen weisen
zwar darauf hin, dafs die Zersetzung nicht genau proportional
den Temperaturunterschieden zunehmen kann, aber die bis
jetzt noch unvollkommenen Versuchswerthe reichen nicht aus,
um diefs mit Sicherheit erkennen zu lassen. Anderweitige
Beziehungen und mehrfache Anwendung in obigen Tabellen
verzeichneter Werthe werden sich in der Folge ergeben, wo
ich gemäfs der auf Grund* der mechanischen Wdrmetheorie
erwachsenen Holecularlheorie der Gase die Beziehungen,
welche zwischen den bei der Dissociation in Betracht kom-
*) Wnrte : Ann. Chem. Pharm. CXXXY, 317; man vergleiche
auch in obiger Tabelle für JodwasserstofiP-Amylen die TonWurts
bei verschiedenen Versnchs reihen fUr 160° und 168° gefundenen
Werthe.
Naumann, über Dissociatian, 351
inenden Gröfsen zwischen den Temperaturen des Beginns
und der Vollendung der Dissociation und der eigentlichen
Zersetzungstemperatur statthaben, entwickelt, ferner das Ver*
bältnifs der Temperaturumfange der Dissociation verschiedener
Körper abgeleitet und über den Verlauf der Dissociation
Andeutungen gegeben habe.
2) Eigentliche Zersetzungstemperatur disaociationafähtger
Körper,
Für gasförmige Körper wenigstens ist die lebendige
Kraft der Atombewegungen, unabhängig *) von der Natur
der Atome, der absoluten Temperatur proportional. An den
Hinweis auf die Nothwendigkeit, die Bewegungen der Atome
innerhalb des Moleculs als in Schwingungen bestehend auf-
zufassen, knüpfte ich früher**) die Folgerung : „dafs jede
Verbin^lung durch Hitze zersetzbar sein mufs, indem bei fort-
währender Vermehrung der lebendigen Kraft der Aton^n-
bewegung und damit verbundener Vergröfserung. der
Schwingungsweite die .anziehenden Kräfte von einer gewissen
Grenze ab nicht mehr im Stande sein werden, die betref-
fenden Atome innerhalb der Sphäre des Moleculs zurückzu-
halten."
Di^se Grenze ist durch die Zersetzungstemperatur be-
zeichnet, und es bietet uns die mit der letzteren gegebene
lebendige Kraft der Atombewegungen einen Anhalt zur Be-
urtheilung des Widerstands^ welchen verschiedene Körper
zersetzenden Einflüssen entgegenstellen, zur Beurtheilung der
Stärke, mit welcher die Bestandtheiie verschiedener Verbin-
dungen sich anziehen, da bei alleiniger Einwirkung der
Wärme der störende Einfiufs anderer Körper ausgeschlossen ist.
*) Ann. Chem. Pharm. CXLII, 271 n. 284, 1867.
**) Daaelbflt CXLII, 286.
352 Naumann, über Dissoeiatian,
Bis jetst sind Temperaturen, bei welchen Holecnle in
einzelne elementare Atome zerfallen, nicht ermittelt. För
Quecksilber und Cadminm liegen dieselben unterhalb der
Temperataren, bei welchen man ihre Dampfdichten anter-
sucht hat, da aus letzteren hervorgeht, dafs für beide Kör-
per das Atom zugleich auch das Molecul bildet.
Bei den gewöhnlich unter dem Namen der Dissociations-
erscheinungen zusammengefafsten Vorgangen findet ein Zer-
fallen des Moleculs in zwei oder mehrere Atomgruppen
statt, die ihrerseits die Fähigkeit besitzen, als Molecule su
bestehen. Und zwar nimmt dieses Zerfallen mit steigender
Temperatur zu, so dafs es den Anschein hat, als ob von
einer ganz bestimmten Zersetzungstemperatur nicht die Rede
sein könne. L. Pfaundler hat jedoch jüngst — auf Grund
der von Clausius in seiner Abhandlung *) : ,,Ueber die
Art der Bewegung, welche wir Warme nennen^ entwickelten
Lebten, die durch die seitherige Ausbildung der mechanischen
Warmetheorie fortwahrende Bestätigung gefunden haben, ~
der von Clausius **) gegebenen Erklärung des Vorgangs
der Verdampfung eine Theorie der Dissociationserscheinungen
nachgebildet, welche von letzteren in folgender Weise
Rechenschaft giebt ♦♦♦).
„So lange die Verbindung noch gar nicht zersetzt ist,
haben alle Molecule die Zusammensetzung A B. Sie bewegen
sich geradlinig fort. Aufserdem bewegen sich die Bestand-
theile dieser Molecule gegeneinander. Diese Bewegung der
Bestandtheile ist aber (so wenig wie die geradlinige) nicht
bei allen Moleculen gleich grofs; denn wfire sie es auch
in einem gegebenen Momente, so könnte sie es in Folge der
*) Pogg. Ann. G, 868 ff.
**) Daselbst C, 861.
•**) Daselbst CXXXI, 60, 1867.
Naumann^ über DhsockUum, 353
Zasammenstöfse und der Stöfse an die Wände nicht bleiben.
Nur die mittlere lebendige Kraft dieser Bewegung bleibt bei »
ungeanderter Temperatur gleich grofs und in bestimmtem
Yerhihnifs uar lebendigen Kraft der geradlinigen Bewegung
der Molecule. In den einzelnen Moleculen muft sie aber
bald gröfser bald kleiner sein. Wird nun die Temperatur
erhöht, so steigt die lebendige Kraft beider Bewegungen.
Es kann daher kommen, dafs die Steigerung der Inneren
Bewegung bei jenen Moleculen, bei denen sie im Momente
schon sehr grofs ist, so grofs wird, dafs sie zu einer yoU-
ständigen Trennung der Bestandtheile A und B führt. Diese
Trennung kann unmöglich alle Molecule zugleich ergreifen,
sondern mufs bei jenen zuerst eintreten, bei denen die innere
Bewegung gröCser ist als bei den übrigen. Diese getrennten
Bestandtheile, welche nun selbst freie Molecule geworden
sind, folgen von nun an ebenfalls der geradlinigen Bewegung.
Inzwischen hat eine neue Anzahl bisher unzersetzter Mole-
cule jenes Maximum innerer Bewegung erreicht, in Folge
deren sie zerfallen. Diefs wird in gleichen Zeiten eine gleiche
Anzahl treffen und die Menge der gespaltenen Molecule fort-
während vermehren. Diese werden sich aber zum Theil
wieder begegnen. Nicht alle sich begegnenden gespaltenen
Molecule können sich wieder vereinigen, sondern nur solche,
deren Bewegungszustande derartig sind, dafs aus diesen bei
der Vereinigung zur ursprünglichen Verbindung keine
gröfsere Bewegung der Bestandtheile resultirt, als jene ist,
bei der sie sich trennen mulsten. Bei einer bestimmten con-
stanten Temperatur mufs folglich die Vermehrung der freien
Theilroolecule so lange fortschreiten, tis die Zahl der sich
binnen eines Zeitraums wieder vereinigenden Molecule so
grofs geworden ist, als die Zahl der in derselben Zelt durch
Spaltung entstandenen. Von diesem Zeitpunkt an herrscht
dann Gleichgewicht zwischen den Zersetzungen und Verbin-
AoMl. d. Ob«m. u. Pharm. V. Supplementbd. S. Haft. 23
354 Naumann, über Dissodaiian.
düngen, so lange die Temperatur sich nicht ändert. Sleigt
diese aber, so mufs die Anzahl der sich spaltenden Molecule
gröfser, zugleich die der sich wieder vereinigenden Molecule
zunächst kleiner werden. Das Gleichgewicht kann erst dann
wieder hergestellt sein , wenn die Anzahl der im freien Zu-
stand befindlichen Molecule A und B so grofs geworden ist,
dafs sich wiederum eben so viele verbinden, als sieh zer-
setzen. Steigt die Temperatur immer höher , so mufs end-
lich ein Zeitpunkt kommen, wo alle Molecule sich zersetzen,
ohne sich wieder verbinden zu können. In diesem Momente
endet die Periode der Dissociation mit dem Eintritt der voll-
standigen Zersetzung.^
Es druckt Dasjenige, was wir Temperatur nennen, die
dem Bewegungszustand der Molecule entsprechende mittlere
lebendige Kraft aus und bezeichnet zugleich den mittleren
Bewegungszustand der Atome, da die lebendige Kraft der
Atombewegungen zu derjenigen der Molecularbewegungen,
wie schon Clausius*) gezeigt hat, in einem constanten
Verhiltnifs steht , als welches ich **) das Verhaltnifs von
n : 3 erkannt habe, wo n die Anzahl der das Molecul zu-
sammensetzenden Atome bezeichnet. Zum Unterschied
von dieser Mitteltemperatur möge die der lebendigen
Kraft der augenblicklichen Bewegung eines einzelnen
Holeculs entsprechende Temperatur Moleeulart&mperaiur
heifsen, die der lebendigen Kraft der Bewegungen der ein-
zelnen Bestandtheile des Moleculs innerhalb der Sphftre des
letzteren entsprechende Temperatur sei durch Atomtempe-
ratur bezeichnet. Befänden sich einerseits alle Molecule
untereinander und 'andererseits die Atome aller Molecule
in gleichen, d. h* gleiche lebendige &aft darstellenden Be-
wegungszuständen^ so wären sowohl alle Moleculartempera-
•) Pogg. Ann. C, 865, 1867.
•*) Ann. Chem. Pharm. CXLII, 271.
Naumann^ über Dissoctation. 355
turen, ak auch alle Atomtemperaturen gleich der Hittel-
temperatar. In Wirklichkeit sind aber in Folge des An-
slofsens der Molecole die Temperaturen der einzelnen IMole-
cule unter sich und diejenigen der Atome verschiedener
Molecule unter einander verschieden; beide schwanken^ je
nach der Zahl und Stärke der Molecalarstöfse, bis zu merk-
lich weiteren oder engeren Grenzen um die Mitteltemperatur,
so dafs diese einerseits das Mittel der Moleculartemperaturen
und andererseits dasjenige der Atomtemperaturen ausdrückt.
Es ist nun die eigentliche Zersetzungstemperatur die-
jenige ^tomtemperatur, welche gerade den Bewegungszustand
der Bestandtheile eines Moleculs ausdrückt, bei welchem das
in Folge der lebendigen Kraft der Atomschwingungen herr-
schende Streben zu zerfallen und der in der gegenseitigen
Anziehung der Atome liegende Widerstand gegen Zersetzung
gerade im Gleichgewicht stehen. Beim Ueberschreiten der-
selben tritt ein Zerfallen des Moleculs in solche Bestandtheile
eui, welchen bei den geänderten Verhältnissen die Fähigkeit
als Molecule zu bestehen zukommt. Es ist somit ncrath der
angeführten Pfaun dl erwachen Theorie der Dissoctation die
2^8etzungstemper€Ufir auch für dtssociations fähige Körper
ein ganz bestimmter Temperaturpunkt.
Wie weiter unten gezeigt wird, ergeben sich annähernd
folgende Zersetzungstemperaturen *) :
t T
fOr Phosphorchlorid 200<> 478
für BromwasserBtoff-Amylen 244^ 517
mr SohwefelBänrehydrat 846<^ 618.
Da nach den absoluten Zersetzungstemperaturen sich
die Widerstände gegen Zersetzung bemessen lassen, so sind
die Anziehungen zwischen Phosphorchlorur und Chlor kleiner
*) Darcb t sind hier und Id der Folge Temperaturgrade nach Cel-
sius, durch T absolute, d. h. von — 27d^C. an gezählte Tem-
peraturen beseiohnet
M ♦
356 Na umann, üher Dtssoctaäon.
als diejenigen zwischen Amylen und Bromwassersloff und
diese wiederum kleiner als diejenigen zwischen Scbwefel-
saureanhydrid und Wasser.
3) Beziehungen zwischen den Temperaturen des Beginns und
der Vollendung der Dissociation und der Zersetzungs-
temperatur.
Würden nur die Atome eines Körpers sich innerhalb
des Moleculs bewegen, die Holecule selbst aber sich in Ruhe
befinden, d. h. die Holeculartemperaturen gleich Null sein;
so wurden die Atomtemperaturen aller Holecule mit einander
übereinstimmen, und es mufsten bei der, den Atomen alier
Holecule dann gleichzeitig zukommenden, Zersetsungstenipe*
ratnr Beginn und Vollendung der Zersetzung zusammenfallen,
der Temperaturumfang der Dissociation wäre gleich Null.
Die den Holecalen zukommende fortschreitende Bewegung
führt aber ein häufiges Zusammenstofsen *) derselben und
dadurch in der Ton Pfaundler ausgeführten Weise Aen-
derungen der Atomtemperaturen mit sich , in Folge deren
schon unterhalb der eigentlichen Zersetzungstemperatur letz-
tere von einem Theil der Atome erreicht wird, also theil-
weise Zersetzung eintritt^ und andererseits oberhalb derselben
theilweises Herabdrücken der Atomtemperaturen der Bestand-
theile unter die Zersetzungstemperatur, also theilweise Wie-
dervereinigung statthat. Höglicherweise ist für einzelne
Holecule die Schwankung in der Atomtemperatur eine sehr
grofse. Hier sdll jedoch immer nur von dem merkbaren
Temperaturumfang der Dissociation die Rede sein , welcher
sich von dem durch Dampfdichtebestimuiangen nach-
*) O. £. Meyer berechnet s. B., dafs Jedes der die Laft ftUBammen-
Betzenden Molecnle bei 0° in einer Secunde etwa 3000 millioDen-
mal mit anderen zasammenstofse (Pogg. Ann. CXXV, 597, 1866).
1
Naumann, über Düsociation, 357
wei£Fbaren Beginn der Zersetzung bis zu der gleicherweise
nachweisbaren Vollendung derselben erstreckt.
Als Ursache der Dissociationserscheinungen wurde das
Zusammenstofsen der Molecule erkannt. Die Veranlassung
zur Dissociation wird deshalb für verschiedene Körper um
so gröfser sein , d. h. die Dissociation wird um so weiter
unterhalb der Zersetzungstemperatur beginnen, je stärker und
je häufiger die Molecularstöfse sind ; /und eben so wird, wenn
die Hitteltemperatur die Zersetzungstemperatur überschreitet,
um so mehr Veranlassung zur Wiedervereinigung der Zer-
setzungsproducte gegeben sein, d. h. die obere Temperatur-
grenze der Dissociation wird um so weiter von der Zer-
setzungstemperatur abstehen, je stärker und häufiger die
Molecularstöfse sind. Der Temperaturumfang der Dissociation
wird also für verschiedene Körper mit der Stärke und Zahl
der Molecularstöfse im Verhältnifs stehen, welche unter sonst
vergleichbaren Umständen erfolgen. Betrachten wir nun ein
und dasselbe Gas, aber bei verschiedenen absoluten Tempe-
rataren T' und T^', so wird der Umfang w der gröfsten
merklichen Schwankung der einzelnen Atomtemperaturen um
die Hitteltemperatur gleichfalls um so gröfser sein, je stärker
und häufiger die Molecularstöfse sind. Bedeutet s die durch
die lebendige Kraft der Molecule ausgedruckte Stärke und
z die Zahl der in der. Zeiteinheit erfolgenden Molecularstöfse,
so ist
w" s" z"
Die Zahl der in der Zeiteinheit erfolgenden Zusammen-
stöfse hängt ihrerseits wiederum ab sowohl von der mittleren
Geschwindigkeit u der Molecule, als von der Anzahl N der
in der Volumeinheit enthaltenen Molecule. (Der Querschnitt
der Molecule desselben Körpers darf als für verschiedene
358 Naumann^ über Dissociation.
Temperaturen gleich i^rofs angenommen werden und deshalb
unberücksichtigt bleiben.) Man hat daher
Die Einsetzung dieses Werthes von -77- in vorige Glei-
chung ergiebt
w" ■" %" ' u" ' N"*
Da die mittleren lebendigen Kräfte der Molecularbe-
wegungen sich wie die absoluten Temperaturen verhalten,
d. h. da
mu«
T'
mu"«
rpi« '
so ist zunächst
— T'
>ji/i
und ferner
■ /
Die Anzahl N der in der Volumeinheit enthaltenen
Molecule wird durch Temperatur und Druck p folgender-
mafsen bestimmt
Setzt man alle diese Werthe in Gleichung (4) ein, 90
erhält man
— — (5)
w"
T" J/57, p"T' p,,|/^,
Die grö/sten Atomtemperatur Schwankungen desselben
Oasea um verschiedene Mitteltemperaturen verhaken sich also
wie die Quadratwurzeln aus diesen (absoluten) JUüteltemp^'
raturen und wie die Drucke, Um nun die Beziehung der
Zersetzungstemperatur zu den Temperaturen des Beginns und
Naumann, über Disaociation, 359
der Vollendung der Dissociation zu ermitteln, wollen wir
anter T die (absolute) Zersetzungstemperatur, unter T^ die
Temperatur des Beginns, unter T^^ diejenige der Vollendung
der Dissociation verstehen. Fallt die Mitteltemperatur mit
der unteren Temperaturgrenze der Dissociation zusammen,
so werden Atomtemperaturen nach oben gerade bis zur Zer-
setzungstemperatur hinaufreichen, d..h.
T — T' = --'
2
Hat die Mitteltemperatur die obere Temperaturgrenze
der Dissociation erreicht, so werden Atomtemperaturen nach
unten gerade bis zur Zersetzungstemperatur zurückgehen, d. h.
w''
Daraus folgt unter Berücksichtigung von Gleichung (6)
T— T' _ ^' ^ P'^^
"T"-T - w'~' - ~j7^'
woraus
Für die nach dem Verfahren von Dumas ausgeführten
Dampfdichtebestimmungen ist es zulfissig, p' = p'^ zu setzen,
man hat dann
T-'— T "^ ]^"
and statt Gleichung (6)
Es ist somit durch die Oleickung (6) beziehungsweise (7)
der Zusammenhang der Zer setzungstemperatur mit den Tem-
peraturen des Beginns und der Vollendung der Dissociation
gegeben. Die Gleichung (7) ist den ausgeführten Berech-
360 Naumann, über DissociaHon»
nungen zu Grande gelegt worden, einmal weil meistens die
Angabe des Drucks, unter welchem ein Gas bei dem Ver-
suche stand, fehlt und nur die auf 0^ reducirten Werlhe
der Dampfdichten aufgeführt sind, und zum andern weil die
den Dampfdichtebestimmungen besonders der dissociations-
fähigen Körper ohnehin anhaftenden Ungenauigkeiten die
Vernachlässigung der jedenfalls geringen Druckverschieden-
heiten rechtfertigt.
Es läfst sich aber die Zersetzungstemperatur noch ander-
weitig bestimmen. Unter der einfachsten und wahrschein-
liebsten Voraussetzung^ dafs bei jeder Hitteltemperatur gleiche
Abweichungen in den Atomtemperaturen einerseits nach
oben andererseits nach unten für eine gleiche Anzahl von
Holeculen statthaben, werden auch bei der Zersetzungstem-
peratur gleich viel Molecule in ihren Atomtemperaturen nach
oben wie nach unten ausweichen; die ersteren sind zerfallen,
die letzteren unzersetzt oder wieder vereinigt. Die Anzahl
der dissociirten Molecule wird also bei der Zersetzungstem-
peratur die Hälfte der ursprünglich vorhandenen sein. Es
ist mühin die Zersetzungstemperatur zugleich auch diefenige
Temperatur, welche 50 Procenüheile der Zersetsung zeigt,
Ist diese Temperatur nicht unmittelbar beobachtet, so läfst
sie sich durch Interpolation aus den zunächst liegenden
ableiten, wofür man bei geringen in Betracht kommenden
Temperaturunterschieden die Zersetzung als dem Tempe-
raturzuwachs proportional annehmen darf.
Von den vier oben aufgeführten Körpern ist Bromwas-
serstoff' Amylen der einzige, für welchen die drei Tempe-
raturen, die Temperatur des Beginns, die Temperatur der
Vollendung der Zersetzung und die Zersetzungstemperatur
durch den Versuch bestimmbar sind. Doch reichen die von
Wurtz gegebenen Zahlen nicht aus, um dieselben genau
festzustellen. Was den Beginn anlangt , so findet sich in
Naumann y über Dissociatton, 361
obiger Tabelle schon for 155,8^ dieselbe Dampfdichte, die
sich für 173^ wiederholt, zum Beweis, dafs die Versuchs-
fehler es nicht gestatten , den Beginn der Dissociation un-
zweifelhaft festzustellen. Aus den für 236,5 und 248^ statt-
findenden Dissociationsgröfsen berechnet sich die Temperatur,
bei welcher dieselbe 50 pC. beträgt, d. h. die Zersetzungs-
temperatur, zu etwa 244^ Die Dissociation ist bei 360^ voll-
endet, ob aber nicht schon früher, ist fraglich, da zwischen
319 und 360^, also für einen Temperaturumfang von 40^
keine Bestimmung vorliegt. Die Versuchsresultate sind also
leider zu unvollständig, um mit den vorbinigen Ergebnissen
tbeoreiischer Betrachtungen entscheidend verglichen werden
zu können. Unter der Annahme, dafs der Beginn der Disso-
ciation auf 170^, die Zersetzungstemperatur auf 244^ falle,
alsoT' ^ 443, T = 517 sei, berechnet sich nach Gleichung (7;
T'^ s= 603 ; es wäre demnach die Dissociation bei 330^ voll-
endet. Der Temperaturnmfang der Dissociation betröge dann
330 - 170 = 160^ und es läge die Temperatur des Be-
ginns der Dissociation um 74^ tiefer, diejenige der Vollendung
derseften um 86^ höher als die Temperatur der halbvoll-
endeten Spaltung, d. h. als die Zersetzungstemperatur. Es
geht hieraus hervor, dafs oberhalb der Zersetzungstempe-
ratur die Zuwachse der Zersetzung kleiner sind als für
gleiche und entsprechende Temperaturunterschiede unterhalb
derselben, worauf auch die Versuchsresultate im Ganzen hin-
weisen.
•Für Jodwaaserstoff^Amylen reichen die Versuchsresul-
tate weder zur Bestimmung der Anfangstemperatur noch der
Endtemperatur der Dissociation aus; auch die Zersetzungs-
temperatur ist nicht genau genug angezeigt.
Dagegen setzen für Phosphorohlorid die Versuchsresul-
tate die Zersetzungstemperatur auf nahezu 200^, die Tempe-
ratur der vollendeten Dissociation auf etwa 300^. Es wäre
362 Naumann^ über Dissociatum,
also T = 473 und T^^ = 573. Hieraas berechnet sich nach
Gleichung (7) T' = 390. Es beginnt mithin die Dissociation
bei 117^ bei einer Temperatur, die noch um 45^ unter dem
Siedepunkt des Phosphorchlorids liegt. Der Temperatur-
umfang der Dissociation beträgt 183^ Die Anfangstemperatur
liegt um 83^ tiefer , die Endtemperatur um 100^ höher als
die Zersetzungstemperatur.
Für Schwefelsäurehydrat liegt nach den Versuchen die
Zersetzungstemperatur bei etwa 345^ Die Zersetzung ist
bei 416^ schon vollendet; es fehlt jedoch an Versuchen, um
darüber zu entscheiden, ob die Vollendung nicht schon früher
eingetreten ist. Jedenfalls ist aber der Temperatummfang
der Dissociation für Schwefelsaurehydrat geringer als für
Bromwasser^off-Amylen und Phosphorchlorid.
Endlich möchte ich für künftig anzustellende Dampf-
dichtebestimmungen dissociationsfähiger Körper noch beson-
ders darauf hinweisen, dafs nach Gleichung (6) die gröfsten
Schwankungen der Atomtemperaturen um die Mitteltempe-
raturen und ferner auch nach Gleichung (6) die Anfangs-
temperatur und Bndtemperatur der Dissociation vom Dmck
abhangen. Bei wachsendem Druck rücken die Diseociatunu-
grenzen weiter attseinander und umgekehrt^ während. die 2!er-
Setzung stempercUur eine constante ist und vom Druck Dicht
merklich beeinflofst wird.
4) Tetnperaturumfang der Dissociation für verschiedene
Körper, ^
Verschiedene dissooiationsfahige Körper befinden sich
bei den bezüglichen Zersetzungstemperaturen in unzweifelhaft
gleichen Verhältnissen. Nehmen wir vorläufig solche verschie-
dene Körper an, deren Molecule aus einer gleichen Anzahl
von Atomen bestehen, so wird, wie im vorigen Abschnitt
schon ausgeführt wurde, die Dissociation um so weiter uo-
Na umann^ über Dissociation. 363
terhalb der Zersetzungstemperatur beginnen und um so
weiter oberhalb derselben aufhören, d. h. der Temperatur-
omfang der Dissociation wird um so gröEser sein, je stärker
und je häufiger bei der Zersetzungstemperatur die Molecu-
larstöfse sind. Es ist dabei nur vorausgesetzt, dafs innerhalb
des Temperaturumfangs der Dissociation in entsprechenden
Abständen von den Zerselzungstemperaturen das Verbältnifs
von Stfirke und Zahl der Molecularstöfse für dieselben ver-
glichenen Körper dasselbe bleibe, wie bei der Zersetzungs-
temperatur. Ist nun auch die Anzahl der die Molecule ver-
schiedener Körper zusammensetzenden Atome verschieden, so
ist, da bei gleicher Temperatur allen einzelnen Atomen gleiche
lebendige Kraft zukommt und mithin bei Erhöhung der Atom-
temperatur alle einzelnen Atome gleichviel lebendige Kraft
in Anspruch nehmen, die unter sonst gleichen Umstanden
erfolgende Aenderung der Atomtemperatur und somit auch
der dadurch bedingte Temperaturumfang der Dissociation
der Anzahl der das Molecul zusammensetzenden Atome um-
gekehrt proportional. Es stelle h den Temperaturumfang
der Dissociation, d. h. den Temperaturabstand vom Beginn
der Dissociation bis zur Vollendung derselben vor, s die
Stfirke, z die Anzahl der in der Zeiteinheit erfolgenden Mole-
cularstöfse, n die Anzahl der das Molecul zusammensetzenden
Atome ; so ist also
h" *~ b" ' z" " n' •
Die Zahl der Stöfse ist ihrerseits von drei Factoren ab-
hängig : von der Geschwindigkeit u der Molecule, von der
Anzahl N der in der Volumeinheit enthaltenen Molecule und
endlich, wie eine einfache Erwägung leicht darthut, vom Qua-
drate des Querschnittes der kugelförmig vorgestellten Mole-
cnle, welches ; da hier nur Verhaltnisse und nicht die abso-
364 Naumann^ über DüsocicUion,
luten Werthe in Betracht kommen, durch die vierte Potenz
des Molecularhalbmessers r bezeichnet sei; d. h. also
z' u;^ N'_ r^*_
Durch Einsetzung dieses Werthes von —«7 in die vori^j^e
Gleichung ergiebt sich
Die lebendige Kraft der Holecularbewegungen ist aber
für alle Gase bei derselben Temperatur gleich grofs und
sonst der absoluten Temperatur proportional, oder
WO m das Moleculargewicht und T^ und T'^ absolute Zer-
setzungstemperaturen bezeichnen. Es ist daher zunächst
8'
g" ■"" T"
und ferner
■' ^T'm*/
n' V i'm'
u"
Auch ist, wenn p den Druck bezeichnet.
Setzt man diese Werthe in Gleichung (8) ein, so er-
hält man
° n P r yrjusj^s
Es ist also der Temperaturumfang der DissocüUhn
proportional dem Druck , der vierten Potenz des Moleoular^
halbmeaeersy der Quadratwuriel aus der absoltiten Zersetzungs-
temperatur und umgekehrt proportional der Quadratwurzel
aus dem Moleoulargewichty der Anzahl der das Molecul zu-^
sammensetzenden Atome, Für dissociationsfähige Körper ist
mit der atomistisohen Zusammensetzung auch das Gewichts-
verhältnifs der Holecule bekannt, der Druek leicht zu
Naumann, über Di^sociatton.
365
ermitteln, die Zersetzungstemperaturen sind diejenigen, welche
50 Procenttheile zersetzt zeigen^ und lassen sich anch nach
Gleichung (6) oder (7) aus den Temperaturen des Beginnes
und der Vollendung der Dissociation ableiten. Dagegen
haben wir über die Querschnittsverhältnisse der Molecule
noch keine Kenntnib. Ich habe zwar in einer früheren*)
Notiz die Molecularquerschnittsverhältnisse einer gröfseren Zahl
▼on Körpern bestimmt, aber unter ihnen befinden sich nicht
die betrachteten dissociationsfähigen , weil deren Reibungs-
oocfficienlen nicht bekannt sind, welche der zur Bestimmung
der Querschnittsverhältnisse eingeschlagenen Berechnung zu
Grunde liegen. Es ist deshalb ein entscheidender Vergleich
der oben abgeleiteten Temperaturumfange der Dissociation
mit Gleichung (9) vorläuOg nicht möglich. Doch seien die
bis jetzt bekannten einschlagenden Gröfsen übersichtlich zu-
sammengestellt :
Zersetzungs'-" Temperatur
BcbwefelBftorebyrftt . .
Bromwassentoff-Amylen
Phosphorchlorid . . .
Ato-
men-
sahl
Mole-
calar-
temperatur
absol.
7
17
6
98
151
208
8450
244
200
I
618<>
517
473
umfang der
Dissociation
Man könnte Ton diesen Zahlenwerthen gemäfs der Glei-
chung (0) Gebrauch machen, um rückwärts die Querschnitte
der betreffenden Körper mit einander zu vergleichen.
5) Vertauf der Dissociation.
Bezuglich des Verlaufes der Dissociation verzichte ich
vorläufig darauf, für die betreffenden Beziehungen den ma-
thematischen Ausdruck zu suchen. Doch will ich das
Ergebnifs einer ganz allgemein gehaltenen Betrachtung
*) Ann. Chem. Pharm. V. Snpplbd. 8 252.
366 Naumann f über Dtssociation.
nicht unerwähnt lassen. Setzt man gleichbleibenden Druck
voraus, so sind, wie ohnehin die Zersetzungstemperatar, auch
die Temperaturen des Beginnes und der Vollendung der
Dissociation ganz bestimmte. Bezüglich der Schwankungen
der Atomtemperaturen um die Mitteltemperatur bietet sich
als naheliegende, auch mit anderweitigen Erscheinungen in
Einklang stehende und von weiteren besonderen Voraus-
setzungen sich fernhaltende Annahme die, dafs geringere
Abweichungen in den Atomtemperaturen voii einer Mittel-
temperatur einer grofseren Anzahl von Moleculen, und grö-
fsere Abweichungen einer geringeren Anzahl von Moleculen
zukommen. Es ergiebt sich hiernach — wie sich schon durch
eine einfache graphische Darstellung nachweisen liefsC; deren
schriftliche Beschreibung und Auslegung aber immerhin etwas
umständlich sein würde — , daß die gleichen TempertUur-
unterschi'eden entsprechenden Zuwachse der Zersetzung von
der Temperatur des Beginnes der Dissociation an bis zur
Zersetzungstemperatur, d, i. bis zur halbvollendeten Zersetzung
fortwährend zunehmen und von der 2Sersetzungstemperatur an
bis zur Temperatur der Vollendung der DiasocicUum in ähn-
licher Weise abnehmen. Es findet diese Abnahme nur in
ahnlicher und nicht in gleicher Weise wie die Zunahme statt,
weil, wie oben gezeigt wurde, der Abstand der Zersetxungs-
temperatur von der Endtemperatur der Dissociation gröfser
ist, als derjenige von der Anfangstemperatur derselben.
Die in den obigen Tabellen aus den Versuchsresultaten ab-
geleiteten Werthe stehen mit diesenl Ergebnifs theoretischer
Betrachtung im Ganzen nicht in Widerspruch. Besonders
' zeigen die Zahlen der Körper, für welche die umfassendsten
Dampfdichtebestimmungen vorliegen, nämlich diejenigen für
Phosphorchlorid und die ersten Zweidrittel derjenigen für
Bromwasserstoff-Amylen genügende Uebereinstimmung. Ein-
zelnen abweichenden Zahlen ist bei der nicht grofsen Zu-
Naumann^ über Diasodatton. 367
verlässigkeit der einschlagenden Dampfdichtebestinimungen;
auf welche Ende des ersten Abschnittes naher hingewiesen
wurde, kein besonderes Gewicht beizalegen.
Giefsen, September 1867.
üeber verschiedene Kohlenwasserstoffe in
dem Steinkohlentheer ;
von M. BeriheloL
Erster Theil»).
Im Verlauf meiner Untersuchungen über die gegensei-
tigen Einwirkungen der Kohlenwasserstoffe bin ich dazu ge-
führt worden, zahlreiche Versuche mit den in dem Stein-
kohlentheer enthaltenen Producten anzustellen. Ich habe mich
namentlich bemuht, unter diesen Producten die Kohlenwasser*
Stoffe aufzusuchen, welche aus den gegenseitigen Einwir-
kungen des Benzins, des Aethyliens, des Formens resultiren,
so wie die in hoher Temperatur sich bildenden Condensa-
tionsderivate dieser Verbindungen ; ich wollte dadurch meine
ersten Arbeiten controliren und die Thatsachen und die
daraus abgeleiteten Theorieen einer unabhängigen Prüfung
unterwerfen. Diese Untersuchungen hatten mich nämlich
einerseits dazu geführt; gewisse durch die Theorie voraus-
gesehene aber bis jetzt in dem Steinkohlentheer noch nicht
beobachtet gewesene Kohlenwasserstoffe zu erkennen ^ wie
das Styrolen und das Naphtalinhydrür ; andererseits mufste
ich aufs Neue die Darstellung gewisser bestrittener Kohlen-
wasserstoffe untersuchen, wie des Cymens, oder ungenügend
*) Compt. reod. LXV, 466.
368 Berihelot^ über verschiedene Rohlenwasaerstoffe
bekannter, wie des Anthracens. Endlich haben dieselben
Untersuchung^en mich dahin gebracht, bis jetzt unbekannte
Kohlenwasserstoffe zu entdecken, wie das Fluoren und na-
mentlich das Acenaphten, welches von dem Gesichtspunkte
der allgemeinen Theorie aus betrachtet grofse Wichtigkeit
besitzt, wie auch auf Grund davon, dafs es auch synthetisch,
durch die Vereinigung des Naphtalins und des Aethylens,
darstellbar ist Ich will hier ein Resume meiner Versuche
geben ♦).
I) Slf^rolen^ CieH«. — Das Styrolen, das Naphtalinhydrür
und das Benzin sind Kohlenwasserstoffe, welche mit dem
Acetylen isomer sind, und sie können direct durch Umwand-
lung desselben erhalten werden ; da nun der Steinkoblentheer
bekanntlich Benzin enthalt, so vermuthete ich, dafs er auch
Styrolen enthalte. Diese Vermuthung ist durch den Versuch
bestätigt worden. Um das Styrolen zu gewinnen, mufs man
die Steinkohlentheer-Oele bearbeiten, bevor sie der in der
Industrie gebräuchlichen Behandlung mit concentrirter Schwe-
felsaure unterworfen sind. Man wandelt das Styrolen zu
Metastyrolen um und stellt es dann aus diesem durch die
Einwirkung der Warme wieder her, unter Befolgung eines
in meiner ausführlicheren Abhandlung beschriebenen Ver-
fahrens. Ich habe auf diese Art das Styrolen rein erhalten,
mit den characteristischen chemischen und physikalischen
Eigenschaften, welche diesem bemerkenswertben Kohlen-
wasserstoff eigenthümlich sind.
II) GymeUf C^oHu. — Die Bildung des Styrolens beruht
auf der polymeren Condensation des Acetylens, oder ein-
facher auf der gegenseitigen Einwirkung von freiem Benzin
und freiem Acetylen, wodurch zuerst Styrolen und dann durch
*) Ausfahrlicheres über diese Untersuc Lungen findet sich im Sep-
tember- und Octoberlieft der Annales de Chimie et de Physique
m dem SteinJcohlenfheer. 369
eine Aufeinanderfolge unregelmafsiger Verbindungen^ welche
ich bereits dargelegt habe, Naphtalin und Anthracen entste-
hen. An eine analoge Theorie : die der Einwirkung des
Formens im Bntstehungszustand auf das Benzin im Entste-
hungszustand wahrend der trockenen Destillation, und im
Einklang mit meinen Versuchen, knüpft sich die Bildung der
Homologen des Benzins in dem Steinkohlentheer : des Toluens,
des Xylens und des Cumolens. Dieselbe Theorie zeigt noch
das Cymen oder Tetramethylbenzin an.
Bis auf die neueste Zeit erschien das Vorhandensein des
Cymens in dem Steinkohlentheer nicht als zweifelhaft, und
man hatte selbst dem unter diesem Namen bezeichneten
Körper einen Siedepunkt, welcher nahe bei 170^ liege, bei-
gelegt. Doch sind die Ansichten der Chemiker über diese
Frage ganz kürzlich durch die mit bemerkenswerther Ge-
nauigkeit ausgeführten Arbeiten von Beilstein und Kög-
ler abgeändert worden. Diese Arbeiten haben nämlich
festgestellt, dafs der gegen 166^ Süchtige, in dem Stein-
kohlentheer enthaltene Kohlenwasserstoff mit dem Cumolen
CigHis identisch ist. Den genannten Chemikern gelang es
»nicht, einen anderen Kohlenwasserstoff aus dieser Reihe mit
höherem Aequivalentgewicht zu isoliren.
Indessen ist das Cymen doch in dem Steinkohlentheer
vorhanden. Es ist mir gelungen, es zu isoliren, in der Art,
dafs ich aufser fractionirten Destillationen noch die Fallung
des Naphtalins^ mit welchem es gemischt ist, in Anwendung
brachte. Es ist eine gegen 180^ siedende Flüssigkeit, welche
zu Schwefelsäure, Salpetersaure, Brom u. s. w. das den
Kohlenwasserstoffen der Benzinreihe gewöhnliche Verhalten
zeigt. Zur Feststellung seiner Constitution habe ich das von
mir entdeckte allgemeine Reductionsverfahren mittelst Jod-
wasserstoffsaure benutzt. Ich habe das Cymen mit 80 Theilen
gesättigter Lösung von Jodwasserstoffsäure auf 280^ erhitzt;
AniiAl. A. nhAin. n. Pharm. V. HQDDlementbd. 3. Heft. 24
370 Berthelot, über verschiedene Kohlenwasserstoffe
es wandelte sich fast vollständig zu, zwischen 155 und 160^
siedendem Decylenhydrür C20H22 um :
Diese vollständige Umwandlung unterscheidet das Tetra-
methylbenzin von den metameren Kohlenwasserstoffen, wie
dem Aethylxylen, dem Propyltoluen u. s. w., welche nur
theilweise zu Decylenhydrür umgewandelt werden wfirden,
während ein anderer Theil sich unter Bildung der zwei ge*
'sättigten Hydrüre spalten wurde, die den zwei erzeugenden
Kohlenwasserstoffen entsprechen.
III) Naphtalinhydrür CsoHio. — Noch andere Körper
werden durch die Theorie der gegenseitigen Einwirkungen
der Kohlenwasserstoffe, unter einander und mit dem Wasser-
stoff, vorausgesehen, und dieselben finden sich in der That
in dem Steinkohlentheer ; ich meine die von den unvollstän-
digen Kohlenwasserstoffen — dem Naphtalin, dem Ace-
naphten, dem Anthracen z. B. — sich ableitenden Hydrüre.
Ich will hier specieller die Hydrüre des Naphtalins besprechen.
Wird das Naphtalin der gemäfsigten Einwirkung wasser-
stoffzuführender Agentien, und speciell der der Jodwasser-
stoffsäure, unterworfen, oder auch den aufeinander folgenden'
Einwirkungen von Kalium und von Wasser, so wandelt es
sich zu dem Hydrür C20H10 um :
CsoHg + H, = G90H10.
Das Vorhandensein dieses Hydrürs in dem Steinkohlen-
theer kann also vorausgesehen werden. Es läfst sich auch
insofern voraussehen , als dieser Kohlenwasserstoff ein Po-
lymeres des Acetylens vorstellt.
Es ist mir in der That gelungen, dasselbe Naphtalin-
hydrür aus dem Steinkohlentheer zu gewinnen, unter Be-
folgung desselben Verfahrens, wie es für das Cymen ange-
wendet worden war, aber indem ich die schweren Oele
bearbeitete. Dieser Kohlenwasserstoff siedet gegen SK>5^
in dem ßteinkohUniheer. 371
er ist eine stark ond onangenehm riechende Flüssigkeit,
löslich in rauchender Salpetersäure, in rauchender und selbst
in gewöhnlicher Schwefelsäure; er wird durch Brom ange-
griffen, durch eine alkoholische Lösung von Pikrinsäure
nicht gefällt. Seine ausgezeichnetste Eigenschaft ist die
folgende : in einem zugeschmolzenen Glasrohr zum Roth-
gluben erhitzt regenerirt er Naphtalin.
Nach den von mir gemachten Erfahrungen habe ich
Grund zu der Annahme, dafs die schweren Steinkohlentheer-
öle noch ein anderes flussiges Naphtalinhydrür CsoHn ent-
halten, welches dem Naphtalinperchlorur entspricht; ferner
ein flüssiges und gegen 260^ siedendes Acenaphtenhydrür
C24H1S) ein flüssiges und gegen 285^ siedendes Anthracen-
hydrür CggHu, u. a.
IV. Fluoren. — Das Fluoren ist ein neuer krystallisirter
Kohlenwasserstoff, welcher sich bei den Rectificationen der
schweren Oele ausscheidet. Ich beschreibe in meiner aus-
führlicheren Abhandlung die Darstellung dieser Verbindung.
Das Fluoren ist ein schöner weifser, blatteriger krystalli-
nischer Körper, welcher prachtig violett fluorescirt und süfs-
lich und reizend riecht. Es schmilzt bei 113^ und siedet
bei 305^, welche Zahlen eine ganz bestimmte Verschieden-
heit zwischen dem Fluoren und allen bekannten Kohlen-
wasserstoffen feststellen. Es ist ziemlich löslich in siedendem
Alkohol, aber nur wenig löslich in kaltem. Die Analysen
ergaben 93,5 bis 94 pC. Kohlenstoff und 6,5 bis 6,2 pC.
Wasserstoff, d. h. nahezu dieselben Zahlen, wie für die
meisten der bei hoher Temperatur gebildeten Kohlenwasser-
stoffe; auch wage ich es noch nicht, dem Fluoren eine
Formel beizulegen. Schwefelsaure, Salpetersaure, Brom, Jod,
Kalium wirken auf es in derselben Weise ein, wie auf die
anderen festen derartigen Kohlenwasserstoffe. — Die schwe-
felsaure Lösung ist fast farblos, wenn die Saure rein ist;
372 Berthelot, Über verschiedene Kohlenwasserstoffe
aber die geringste Spur einer salpetrigen Verbindung färbt
sie grün, und eine etwas merklichere Menge violett. Ich
habe mich davon überzeugt, dafs die grünen, blauen oder
violetten Färbungen, welche die schwefelsauren Lösungen
verschiedener bei hoher Temperatur entstandener Kohlen-
wasserstoffe zeigen , auf der Anwesenheit einer Spur salpe^
triger Verbindungen beruhen.
Das Fluoren bildet mit der Pikrinsäure eine in schönen
rothen Nadeln krystallisirende^ in Steinkohlentheeröl leicht
lösliche, durch Alhohol sehr leicht zersetzbare Verbindung.
Hit Fritzsche's neuem Reagens, welches nitrirtes An-
thracen enthalt, bildet das Fluoren characteristische rhombische
Täfelchen, deren Farbe gelb mit einer braunlichen Nuanci-
rung ist, die sich aber kastanienbraun gefärbt zeigen, wenn
man sie durch den Rand hindurch unter dem Mikroscop be-
trachtet. — Das Fluoren scheint mir ein Kohlenwasserstoff
von einiger Wichtigkeit zu sein ; es bildet sich bei der Zer-
setzung des Retens durch die Hitze, zugleich mit Anthracen,
und bei einigen anderen bei hoher Temperatur vor sich
gehenden Reactionen.
Zweiter Theil*).
V) Acenaphten (Acetylonaphtalin), C24H10. — Das Ace-
naphten ist ein schöner krystallisirter Kohlenwasserstoff, wel-
chen ich in dem Steinkohlentheer entdeckt habe und den
ich auch synthetisch durch die Einwirkung des freien Naph-
talins auf das Aethylen bei Rothgluhhitze gebildet habe :
^«oHg + C4H4 = C84H10 + Hj.
Das Acenaphten entsteht auch, aber in Folge secundarer
Reactionen welche sich von der vorhergehenden ableiten,
*} Compt rend. LXV, 507.
m dem SieinkohkntAeer. 873
bei , der Einwirkung* des Benzins auf das Aetbylen und auf
das Acetylen.
Ich werde in meiner ausführlicheren Abhandlung den
Gang beschreiben, welchen ich für die Darstellung des
Aeenaphtens aus dem Steinkohlentheer befolgt habe. Die
Formel des Acenaphtens wurde festgei>lellt auf Grund der
Analyse desselben und der seiner Pikrinsäure* Verbindung
CsiHio, CjsHs(N04)508. Es bildet schöne farblose glanzende,
nadelforroige und abgeplattete Prismen^ welche an beiden
Enden durch eine doppelte Zuscharfung begrenzt sind ; ihre
Länge erreicht manchmal 8 bis 10 Centimeter. Der Geruch
dieses Körpers ist dem des Naphtalins ähnlich, aber schwächer
und weniger aromatisch. Sein spec. Gewicht ist für den
festen sowohl als auch für den geschmolzenen Zustand
gröfser als dad des Wassers bei derselben Temperatur.
Sein Schmelzpunkt liegt bei 93^, und sein Siedepunkt zwi-
schen 284 und 285^ Es ist sehr löslich in siedendem Al-
kohol; aber die erkaltete Lösung enthalt nur noch Bin
Hundertstel ihres Gewichtes an Acenaphten gelöst.
Es verbindet sich mit Pikrinsäure unter Bildung schöner
orangefarbener Nadeln, welche der Verbindung der Chrom-
säiire mit Chlorkalium ähnlich aussehen und deren Formel
oben angegeben ist.
Rauchende und selbst gewöhnliche Schwefelsäure lösen
das Acenaphten unter Bildung einer gepaarten Säure, deren
Salze äufserst löslich in Wasser sind. Mit rauchender
Salpetersäure habe ich das zweifach -nitrirte Acenaphten
C24H8(N04)s erhalten, welches in feinen gelben Nadeln kry-
stallisirt und fast unlöslich in Alkohol ist.
Natrium ist ohne Einwirkung auf das geschmolzene Ace-
naphten. Kalium hingegen wirkt auf das letztere ein , unter
Entwicklung von Wasserstoff und Bildung der Verbindung
374 Berthelot, über verschiedene Kohlenwasserstoffe
Brom greift das Acenaphten mit Heftigkeit an. Bei Be-
folgung gewisser Vorsichtsmafsregeln , welche ich in meiner
ausführlicheren Abhandlung beschreibe, erhalt man ein Bro-
mür G84HioBr6«
Die Einwirkung des Jods ist sehr merkwürdig. Wird
dieser Körper mit dem Acenaphten aber freiem Feuer oder
selbst im Wasserbade erhitet, so wandelt er es zu einem
braunen und zähen Polymeren um. Das Jod wirkt also auf
das Acenaphten wie auf das Styrolen und auf verschiedene
andere Kohlenwasserstoffe, in einer Weise, welche man der
Einwirkung desselben Körpers auf den Schwefel und den
Phosphor vergleichen kann.
Jodwasserstoffsaure wirkt auf das Acenaphten schon bei
100^ ein, unter Freiwerden von Jod und Bildung eines
flüssigen, gegen 270^ flüchtigen Kohlenwasseristoffs (C24H19?)*).
Wird das Acenaphten mit 20 Theilen derselben Wasserstoff-
saure auf 280^ erhitzt, so bilden sich als Hauptproducte
Naphtalinhydrür und Aethylenhydrür :
Sind 80 Theile Jodwasserstoffsaure vorhanden, so wird
die Zuführung von Wasserstoff vollständig und man erhalt
als Hauptproduct Decylenhydrür :
CS4H10 -\- 9 H| =^ C20 Hjj -|- C4H0.
Nach diesen analytischen und synthetischen Resultaten
mufs das Acenaphten durch die Formel C4H^(C2oH8) ausge-
drückt werden« Es ist eine Verbindung von Naphtalin und
Acetylen , so wie das Styrolen als eine Verbindung von
Benzin und Acetylen, C4H8(CisH6), betrachtet werden kann.
*) Ich habe auch beobachtet, dafs die JodwaBserstoffsftnre ihre
Wirkang, Wasserstoff sazuAhren, anf eine grofse Zahl bei hoher
Temperatür gebildeter Kohlenwasserstoffe schon bei 100^ aus-
übt; aber die Resaltato sind hier weniger glatt als bei stArkerem
Erhitzen.
in dem Steinkohlentheer, 375
Diese Formel zeiget klar, welche Verschiedenheit zwischen
dem Acenaphten und dem isomeren Phenyl besteht, welches
letztere sich von 2 Molecnlen Benzin durch Substitution des
Wasserstoffs ableitet und als Formel hat : Gi8H4(CiaH6), ab*
geleitet von Ci«H4(H8). Die oben für das Acenaphten gege-
bene Formel entspricht auch den Reactionen und der Sdtti-
gongscapacität desselben, wie ich diefs in meiner ausführliche-
ren Abhandlung unter Zugrundelegung einer neuen Theorie der
aromatischen Verbindungen nachweise, welche zugleich das
Benzin, seine Homologe und Derivate, das Styrolen, das
Naphtalin u. a. umfafst.
VI) Anthracen^ CsgHio* — Als Anthracen bezeichne ich
einen in folgender Weise erhaltenen Kohlenwasserstoff. Man
nimmt die festen Kohlenwasserstoffe des Steinkoblentheers
in Arbeit, welche weniger jQüchtig sind als das Naphtalin,
und unterwirft sie der Destillation; man sammelt das von
340^ bis zum Siedepunkt des Quecksilbers und etwas darüber
Uebergehende besonders auf. Dieses Product unterwirft man
abermals der Destillation, bis das Thermometer 350^ zeigt;
der Rückstand in der Retorte besteht dann grofsentheils aus
Anthracen. Diese Masse lafst man 4- bis 5 mal aus leichtem
Steinkohlentheer-Oel krystallisiren ; dann wechselt man das
Lösungsmittel und krystallisirt ein einzigesmal aus Alkohol
um. Dann sublimirt maii den Kohlenwasserstoff in einer
Retorte bei einer Temperatur, welche kaum den Schmelz-
punkt desselben übersteigt.
Man erhalt auf diese Art einen blendend weifsen, blat-
terigen, in rhombischen, oft an den beiden Spitzen abge-
stumpften und deshalb sechseckig aussehenden Tafeln kry-
stallisirten Kohlenwasserstoff. Wenn er vollkommen rein ist,
besitzt er violette Fluorescenz. Sein Erstarrungspunkt liegt
376 Berthelot, über verschiedene Kohlenwasserstoffe
geg^en 210^ (corrigirt), ond sein Siedepunkt sehr nahe dem
des Quecksilbers *).
Die Zusammensetzung dieses Körpers entspricht der
Farmei CagHio; seine Reactionen und seine allgemeinen Ei*
genschaflen sind die des Anthracens von Anderson, und
er scheint mir ganz identisch zu sein mit einem kürzlich von
Fritzsche untersuchten Kohlenwasserstoff, welcher mit dem
neuen Reagens des letzteren Chemikers violett -rosenrothe
rhombische Tafeln bildet. Dieselben Tafeln können mit dem
von mir aus dem Steinkohlentheer dargestellten Kohlenwasser*
Stoff erhalten werden, aber nur, wenn man die Reinigung
desselben bis zum Ende durchführt **). Es ist mir auch in
der letzten Zeit gelungen^ dieselben Tafeln mit ihrer charac-
teristischen Farbe sowohl mit dem durch die Zersetzung des
Toluens bei hoher Temperatur erhaltenen Anthracen darzu-
stellen, als auch mit dem durch die Einwirkung des Styrolens
auf das Benzin gebildeten Kohlenwasserstoff*^*). Man gelangt
dazu , indem man diese Körper durch eine methodische Auf-
*) Meine YeTsucbe machen mich geneigt zu glauben, dafs das An-
thracen bei Einwirkung der Hitee eine ähnliche Yerändernng
erleidet, wie sie der Schwefel, der Phosphor, das Styrolen
zeigen.
**) Bei den ersten Versuchen, welche ich mit Fritzich e*s Reagens
und zwar mit einer mir Ton diesem Chemiker gegebenen Probe
desselben angestellt habe, habe ich wiederholt beobacbtet, dafs
Proben von Anthracen, welches bei 210^ scbmolz und mit den
gewöhnlichen Eigenschaften begabt war, blaue Tafeln gaben,
was mir einige Zweifel bezüglich der Identität des Anthracens
mit Fritzsche*s Kohlenwasserstoff einflöfste. Aber ich habe
seitdem erkannt, dafs ein einmaliges Umkrystallisiren meiner
Proben ans Alkohol genügt, um einen Kohlenwasserstoff zu er-
halten, welcher violctt-rosenrothe Tafeln ohne irgend welche Bei-
mischung giebt
***) Ich habe auch noch diese Reaotion bestätigt gefänden für An-
thracen, welches nach L i m p r i c h t's Verfahren, durch Zersetsung
des gechlorten Toluens mittelst Wasser, dargesteUt war.
in dem Steinkohlentheer, 377
einanderfolge von Behandlungen reinigt, entsprechend den
so eben beschriebenen.
Ich habe geglaubt, mit vollkommen reinem Anthracen
die Reactionen und Zuführungen von Wasserstoff mittelst
Jodwasserstoffsäure wiederholen zu müssen, welche ich vor
einigen Monaten *) mit einem weniger vollständig gereinigten
Product ausgeführt hatte. Ich habe genau dieselben Resultate
erhalten , nämlich die Bildung der Hydröre C^bH^o und C14H16.
Ich beschreibe in meiner ausführlicheren Abhandlung diese
Versuche, wie auch verschiedene andere, welche die Formel
und die Constitution des Anlhracens zu C4Hx(CiyH4[Ci2H4])
vollends feststellen.
Die Anwesenheit des Acenaphtens und des Anthracens
in dem Steinkohlentheer, wie auch die synthetische Bildung
des Acenaphtens mittelst freien Naphtalins und freien Aethy-
lens und die synthetische Bildung des Anthracens sowohl aus
freiem Styrolen und freiem Benzin als aus Toluen allein,
geben zahlreiche neue Beweise zur Unterstützung der
Gesetze ab, welche ich, als die gegenseitigen und directen
Einwirkungen der Kohlenwasserstoffe beherrschend , ausge-
sprochen habe. Es ist klar, dafs die Reactionen, welche ich
als zwischen dem Benzin und dem Aethylen stattfindend be-
obachtet habe, die Typen einer Menge ihnUcher Reactionen
sind, welche zuerst zwischen diesen nämlichen erzeugenden
Kohlenwasserstoffen und den ersten Umwandlungsproducten
derselben, wie dem Styrolen, dem Naphlalin, dem Phenyl,
dem Anthracen, dem Chrysen u. s. w. statthaben, und dann
zwischen diesen neuen Kohlenwasserstoffen selbst, welche
zwei zu zwei, drei zu drei u. s. w. einwirken. Eine un-
begrenzte Zahl bestimmter Kohlenwasserstoffe entsteht suc-
cessive durch diese methodische Verkettung der nothwendi-
gen Reactionen.
*) Compt. rend. LXIV. 788.
378 Buchanan, über einige Derivate
Ueber einige Derivate der Tsäthionsänre ;
von J. Y. Buchanan *).
Die nachstehenden Versuche sind in der Absicht unter-
nommen worden , von der Isathionsäure Derivate zu erhalten,
welche den schon seit mehreren Jahren bekannten, durch
Wurtz entdeckten Derivaten der Milchsaure analog seien.
Wurtz hat gefunden, dafs bei Behandlung eines Hilchsäure-
(u
Ql . CO . Cl
erhalten wird , welches seinerseits bei Behandlung mit
absolutem Alkohol den Aether der Chlorpropionsäure
CAq^ . CO . OC2H5 und bei der Behandlung mit Natrium-
dthylat den Aether derAethylmilchsdurecJ^^lj q.CO.OC^Hs
giebt. Durch Behandlung eines Salzes der Isathionsäure
Cslll^ . SOg . OH mit Phosphorsuperchlorid hat Kolbe**)
das Chlorür C2IQ1 . SO2 . Cl erhalten, und bei Behandlung
dieses Körpers mit Wasser die Chloröthylschwefelsöare
Csj^^ . SO9 . OH. Als Kolbe an der Stelle des Wassers
Alkohol einwirken liefs, liefs sich^ selbst nach Erhitzen in
einer zugeschmolzenen Röhre auf 100^, kein Aether ab-
scheiden.
In der Absicht, Natriumathylat auf das Chlorär der
Chloräthylschwefelsäure einwirken zu lassen, setzte ich zu
dem letzteren vollkommen wasserfreien Alkohol, und ich war
*) Compt. rend. LXY, 417.
**; Ann. Chem. Pharm. CXXU, 87.
der häthionaäure. 379
erstaunt, eine sehr deutliche Temperaturerhöhung wahrzu-
nehmen. Bei dem Erhitzen dieses Gemisches entwici&elte
sich viel Chloräthyl, und nach Entfernung des Alkohols
durch Destillation und im leeren Raum blieb eine wenig ge-
färbte, zugleich atherartig und sauer riechende Flüssigkeit.
Es liefs sich diese Flüssigkeit , selbst im leeren Räume, nicht
destilliren und die Analysen der von verschiedenen Darstel-
lungen herrührenden Substanz ergaben nur sehr wenig unter
einander übereinstimmende Zahlen. Die Resultate stellten
diese Flüssigkeit zwischen den Aether und die Chlorathyl-
schwefelsaure. Ich glaube, dafs die Reaction in der fol-
genden Art vor sich gegangen ist Es bilden sich zuerst
dieser Aether und Chlorwasserstoffsöure ; dann wirkt die
Chlorwasserstoffsaure auf den überschüssigen Alkohol ein
und es bilden sich Wasser und sich entwickelndes Chlor-
äthyl ; und dann zersetzt das Wasser den Aether unter theil-
weiser Wiederbildung von Alkohol und Chloräthylschwefel-
saure.
Mischt man diese Flüssigkeit mit Wasser, so erwärmt
sich die Mischung und wird stark sauer. Ich habe damit
das Kupfersalz und das Kalksalz dargestellt, aber es war
mir unmöglich, sie rein zu erhalten; sie scheinen die Eigen-
schaft zu besitzen, sich selbst im Wasserbade zu zersetzen.
Einwirkung des Natriumäthylata auf das Chkrur der
ChbräthyUchwefelsäure, — Ich habe das Natriumäthylat stark
mit wasserfreiem Alkohol verdünnt auf das Chlorür der Chlor-
äthylschwefelsäure einwirken lassen, bis die Flüssigkeit eine
alkalische Reaction angenommen hatte. Es scheidet sich Chlor-
natrium in grofser Menge aus; man beseitigt es, indem man
die heifse Flüssigkeit durch ein trockenes Filter filtrirt. In
dem Filtrat scheiden sich bei dem Erkalten desselben weifse
zerfliefsliche, iu kaltem absolutem Alkohol wenig lösliche Kry-
stalle aus. Sie sind das Natriumsalz der Aethylisäthionsäure.
380 Buchanarit über einige Derivate der Isäihionsäure.
Ich habe bei den Analysen zweier Präparate von verschie-
denen Darstellungen folgende Zahlen erhalten :
Gefanden
Berechnet
I.
II.
Mcko-SO'^Na
c
26,36
26,21
27,27
H
5,14
6,25
5,11
8
18,88
—
18,18
Na
12,88
13,07
0
—
36,26
100,00.
Bei der Darstellung des Chlorurs bilden sich immer, wie
diefs Kolbe bemerkt hat, kleine Mengen des Chlorürs der
Isäthionsäure, welche natürlich auf das Natriumathylat einwir-
ken, indem sie isäthionsaures Natrium entstehen lassen. Die
Anwesenheit des letzteren Körpers ist wahrscheinlich die Ur-
sache davon, dafs der gefundene und der berechnete Kohlen-
stofTgehalt um 1 pC. dUTeriren.
Durch Erhitzen dieses Salzes mit einem grofsen lieber-
Schusse sehr concentrirter Jodwasserstoflsaure in zngescbmol-
zenen Röhren auf 150^ erhielt ich Aethyljodur und eine
Säure, von letzterer jedoch eine zu geringe Menge als dafs
ich mit Bestimmtheit hatte ermitteln können, ob es Isäthion-
säure oder Aethylschwefelsäure war.— Gestützt auf diese That-
Sachen glaube ich mich berechtigt^ diesem Körper die Formel
beizulegen. Ich beschäftige mich jetzt mit der weiteren Un-
tersuchung dieser Säure und hoffe nächstens die Resultate
derselben mittheilen zu können.
Diese Versuche wurden in dem Laboratorium von Kolbe
begonnen, und in dem von Wurtz fortgesetzt.
Ausgegeben den 21. December 1867.
0niek TOD Wilhelm Keiler in Glefoen.
ANNALEN
DER
CHEMIE
UND
PHARMACIE.
HERAUSGEGEBEN UND REDIGIRT
VON
FRIEDRIGH WÖHIER, JUSTCS LIEBIG
UND HERMANN HOPP.
VI. SÜPPLEMENTBAND.
(MIT DBEI FIGÜBENTAFELN.)
LEIPZIG UND HEIDELBERG.
186 8.
Inhaltsanzeige des VL Supplementbandes.
Erstes Heft.
Seite
Ueber Ozyaldine und Thkldine; ron HngeBekiff . . . . 1
Ueber die Beüehangeii Ewisohen Moleenlargewicht und apec. Ge-
wicht elaatiBch-flüBsigex Körper; Ton Dr. Ang. Horstmann 61
Ueber die Dampfdicbte des Sdhwef elamnKmifiiDB ; Ton Demselben 74
UntersQcbnngen über Tanadin; Ton H, E.Bo8coe 77
Ueber die' Byntheie diBsNbiirfii«; ton A. Wurts . . : . . 116
Bjntbese der CapronsSnre; ron J. A^Wanklyn und R. Schenk 120
Ueber die Art der Einwirknng der £!rdrotation anf die Kicbtnng
des Windes; von H. Bn ff .121
Ueber die Identität des Körpers in der Atmosphftre, welcher Jod-
kaliomzersetxt,' mit Oson;Ton Tb. Andrews 125
Zweites Heft.
Untersachongen Über die Dampf tensionen homologer Verbindungen ;
Yon H. Landolt 129
Ueber die Oxydation der orgsnischen Sftnren; yon M. Berthelot 181
Berechnung gemischter Feldspathe^ von B-Bansen 188
Ueber die Identität des künstlichen und des natflrlichen Nenrins;
von A. Wurtz . . •. 197
Ueber Dissodation der Untersalpetersftnre; Ton Priratdocent Dr.
Alex. Naumann 203
Ueber Chloranil; von J. Stenhonse 208
Ueber die Einwirkung von Zinn und Salzsfture auf Balpetersäure«
Aethjläther; ron W. Lossen 220
Seite
Ueber die bei bober Temperatar entetebenden Koblenwasserstoffe ;
Ton M. Berthelot 247
Ueber pTrogallossaures Ammoniak; ron V. de Lnynes imd
G. Esperandien 252
Ueber die direete Umwandlnzi^ des Aethylencbloroiodida za GItoqI; *
Ton Maxwell Simpson 253
Notas über das Hydraoetamid von Schiff; von A. Strecker • 255
♦ . . *
Drittes Heft
Ueber die Yerbindimgea des Phosphors; von H. Wichelhaas , 357
Ufejber die. Isompiie äfis Bicarbonsitaren- des A^thylens nnd Aethy-
lidens; von Demselben . . « .. ^ 281
Ueber die EinschJiefenng des Wasaer^toffgases durch Metalle; Ton
Tb. Graham 284
Die Wärmeentwickelimg bei chemischen Umsetztingen in ihrer Ab-
hfingigkeit yon der Aendenmg der Molecnhsahl; von Privat-
docent Dr. Alex. Naumann 295
Ueber die Yerbrennmig von Wasserstoff und Kohlenoxyd in Sauer-
stoff unter hohem Druck; von E. Frankland 808
Ueber die Dampfspannung des ameisensauren Aethyls und des
essigsauren Methyls; von C. W. Dittmar 813
Ueber die künstliche Bildung des Pyridins;, von £. Th. Ghapman
und M. H. Smith 329
Beziehungen zwischen chemischer Zusammensetzung und Ertrags-
fUiigkeit des Bodens; von W. Schütze 332
Ueber das Ammonium- Amalgam; von H. Landolt 346
Ueber isomere Altyl« and Propylenderivate ; von Alphons Oppen-
heim,,, •.« 353
Ueber eine neue Bildungsweise des ResoroiDs; von Alphons
Oppenheim, und Geor^ Yo^t. ^ ,.. ^ ,.••.. * 376
» » » •
ANNALEIS
DEB
CHEMIE UND PHARMACIE.
VI. Snpplementbandei erstes Heft.
üeber Oxyaldine und Thialdine;
von Hugo Sch^.
Im ersten Theile meiner Abhandlang aber die Producte
der Einwirkung der Aldehyde auf organische B^sen (Ann,
Chem. Pharm, Supplementbd. III, 343) wiirdQ auch üuf das
Verhatten der Fettsäure -Aldehyde zu Ainmoniak hinge-
wiesen. Es wur^e die Existenz des Hydrönanthiimids
N^(C^H'^)^ dargethan und auf ein ähnliches Derivat des Vale-
rals aufmerksam gemacht. Als Argument Xür die Existenz
dieses Valeralderivates und eines ähnlichen Derivates des
{3 CH
Qri5^io und
Q P2II4 ^nSfofui^r^ 9 welche aus Aldehyd, Blausäure und
Ammoniak entstehen und deren Bildung in der Weise auf-
zufassen wäre, dafs zwischen die Aldehydresidua der Hydra-
mide im Momente der Bildung je dreimal die Gruppe N<CH
eingeschaltet würde.
Hydracetamid.
{C»H*
G*H^ kann in
der That erzeugt werden, wenn man Acetaldehyd bei mitt-
Annal. d. Chem. a. Pharm. VI. Supplemenibd. 1. Heft. \
2 Schiff, über Oxyaldine
lerer Temperatur allmälig durch Ammoniak zersetzt; aber die
Verbindung verändert sich bei der Abscheidung so leicht,
dafs ich sie bis jetzt nicht vollkommen rein erhalten konnte.
Ueberiafst man Aldehyd in überschüssigem, nicht zu concen-
trirtem weingeistigem Ammoniak gelöst 5 bis 6 Monate in
verschlossenen Flaschen bei mittlerer Temperatur sich selbst,
so nimmt der Inhalt Orangefarbe und einen eigenthümlichen
Geruch nach festem Chlorcyan an. Man destillirt bei 60 bis
70^ Weingeist, Acetal, Ammoniak und flüchtige Basen ab,
und lafst das letzte Sechstel in flachen Gefafsen bei mittlerer
Temperatur verdunsten. Es scheidet sich eine zimmtbranne
Masse ab, welche den schon erwähnten Geruch in hohem
Mafse besitzt. Man wascht mit kleinen Mengen Aether^
und erwfirmt die nach etwa 24 Stunden hart und pulvertsir-
bar gewordene Masse mit einer sehr verdünnten Lösung
1
von Kali ^ in absolutem Weingeist^ wodurch anhängendes Am-
moniak gänzlich entfernt wird. Man scheidet das Kali durch
einen Kohlensiurestrom ab; verdunstet im Wasserbade zur
Syrupconsistenz und trocknet dann im Vacuo über Schwefel-
saure. — ^ine Operation wurde auch mit einem Gemenge
von Weingeist, Aldehyd, Salpeterather und Salpetrigather
ausi^eführt, wie es bei der Darstellung von Glyoxal als
Nebennrodact erhalten wird. Durch einen besonderen Ver-
sqch hatte ich mich überzeugt, dafs die beiden Salpeterather
unter den gegebenen Verhältnissen wohl Aethylbasen, aber
kein dem Hydracetamid ähnliches Product liefern.
Die im Vacuo getrocknete schwammig aufgeblähte Sub-
stanz zerfällt leicht zu einem graugelben hygroscopischen
amorphen Pulver, welches sich leicht in Wasser und Wein-
geist löst; die Lösung schmeckt intensiv bitter. Das Pulver
ist bei gewöhnlicher Temperatur nahezu geruchlos, nimmt
aber beim Erwärmen einen eigenthümlichen Geruch nach
flüchtigen Basen an. Die Analysen lieferten Kohlen- und
und Thioldine, 3
Wasserstoflbestimmungen, die sehr wohl mit der Formel C^H^^^
fltimmten, aber bei den Stickstoffbestiromungren zeigten alle
Präparate einen mehr oder minder bedeutenden Ausfall,
welcher sich aus dem weiter unten Anzuführenden erklären
wird.
Das Hydracetamid hat ausgesprochen basische Eigen-
schaften; die wasserige Lösung ist swar gegen Lachmus in-
different, aber sie grönt schwach das Malvenpapier. Die
ebenfalls amorphen Salze sind in Wasser reichlich, in Wein-
geist wenig löslich. Das stickstoffreichste Präparat gab ein
Sulfat, welches sehr nahe C^H^>NS SH^O« enthielt Die
Base verbindet sich mit 2 HCL
1,708 Grm. des stickstoffreichsten Präparats in Salzsäure
gelöst und über Kalistücke verdunstet hielten 1,060 Grm.
Säure zurück, während 2 HCl 1,113 Grm. verlangen. Diese
Verbindung gab dann im Vacuo über Kalistücke allniMig
noch ein Holecul Säure ab. Das Gewicht blieb bei 0,550
bis 0^545 Grm. nahezu constant, aber ein Molecul HCl ver-
langt für obige Menge der Base 0,556 Grm. Beim Erwärmen
im Luftbad erfolgt bei 110^ keine weitere Veränderung.
Das Ckloroplatinat ist ein körniges oder sandiges Kry-*
Stallpulver und entspricht der Formel PtCH,2C%^^N^ 2HC1.
Dieses Salz ist nicht in Wasser, wohl aber etwas in Wein-
geist löslich und verliert schon unter 120^ einen Theil der
Salzsäure, In verschiedenen Platinsalzen wurde 30,9 bis
32 pC. Platin gefunden, während die Formel 31,1 pC. ver-
langt. Die Base verbindet sich auch mit den Chloriden von
Gold und von Quecksilber« Die Goldverbindung wird in
kochendem Wasser theilweise metallisch reducirt. ^ Das
Oxalat ist ein in Wasser lösliches kömiges Pulver. Mit
Pikrinsäure entsteht ein flockiger gelber Niederschlag.
In einem Falle hatte man das gefällte Chloroplatinat
nebst der noch überschussiges Plaünchlurid enthaltenden
1»
4 Schiffe über Oxyaldine
Flüssigkeit mehrere Tage bedeckt stehen lassen, am in die-
ser Weise vielleicht ein deutlich krystallisirtes Chloroplatinat
zu erhalten. Es setzten sich in der That kleine glanzende
Krystalle ab, welche sich aber als Platinsalmiak auswiesen.
In der Meinung, das Chloroplatinat enthalte noch Platinsalmiak,
wurde es nun mit der platinhaltigen Lösung ausgekocht und
diese letztere setzte jedesmal beim Erkalten krystallisirten
Platinsalmiak ab. Auffallend war es hierbei, dars der aus-
gekochte Rückstand keinen kleineren, ja in einigen Fallen
einen gröfseren Platingehalt ergab.
Der letztere Umstand führte auf die Frage, ob das Am-
moniak nicht als Zersetzungsproduct der Base auftrete, und
diese Frage mufs nach weiteren Versuchen bejahend beant-
wortet werden. Ein sorgfaltig mittelst Aether - Alkohol ge-
reinigtes Präparat, welches mit schwach erwärmter Kalilauge
kein Ammoniak entwickelt , wird theils in Salzsäure, theils
in Schwefelsäure gelöst und die Lösungen werden einige
Zeit siedend erhalten. Nach einiger Concentration entwickelt
sich auf Zusatz von Kali reichlich Ammoniak und zugleich
entsteht ein brauner, in der Wärme harzartiger Niederschlag.
Aus der schwefelsauren Lösung wurde das Ammoniumsulfat
aufserdem krystallisirt erhalten. Es zeigte sich ferner, dab
auch die wässerige Lösung der Base sich beim Kochen unter
Ammoniakentwickelung zersetzt. Diese Zersetzung findet
ihren Ausdruck in der Gleichung :
C«H"N«, 2 HCl -f H«0 = NH*C1 + C«H"NO, HCl.
Diese Zersetzung scheint in geringer Menge schon bei
wenig erhöhter Temperatur stattzufinden, und die Base
C^H^^NO war es ohne Zweifel, welche alle Präparate des
Hydracetamids verunreinigte. Hierauf deutet der jedesmalige
Ausfall an Stickstoff und der Mangel an Salzsäure in dem
zweisäurigen Chlorhydrat.
und ThüJdine, 6
Oxytrialdtn.
Die Base C^H^^NO , welche wir Oxytrialdin nennen
wollen , entsteht sehr leicht aus dem Hydracetamid. Dampft
man die bei Einwirkung des alkoholischen Ammoniaks auf
Aldehyd entstehende Lösung beim Siedepunkte derselben
ein, so findet fast vollständige Umwandlung in die Oxybase
statt
Die Darstellung des Oxytrialdins gelingt sehr leicht, da
hierbei keine weitere Vorsicht nöthig ist; man destillirt das
Rohproduct der Einwirkung des weingeistigen Ammoniaks
auf Aldehyd über freiem Feuer und versetzt die stark con-
centrirte Flüssigkeit nach dem Erkalten mit Kalilauge. Da
das Oxytrialdin sich in letzterer nicht löst, so wird eine
braune harzige Masse abgeschieden, welche man in ver-
dünnter Salzsaure auflöst; diese Lösung wird einige Zeit auf
dem Wasserbade erwärmt und dabei zugleich concentrirt.
Man fallt dann aufs Neue durch Kalilauge, löst in Weingeist,
fällt das Alkali durch Kohlensaure, concentrirt die wein-
geistige Lösung und trocknet schliefslich im Yacuo über
Schwefelsaure. Die in dieser Weise dargestellte Substanz
enthält noch eine geringe Menge Chlorkalium, Die zur
Analyse und zur Darstellung des Chloroplatinats dienenden
Präparate werden daher nochmals aus Aether -Alkohol ge-
reinigt. Die so behandelte freie Base führte dann zu den
folgenden analytischen Resultaten :
berechnet gefdnden
6 C 72 68,7 68,7 bis 64,1
11 H 11 9,7 9,2 biB 9,6
N 14 12,4 12,9
O 16 14,2 —
118 100,0.
Im Aeufseren ist das Oxytrialdin der vorher beschrie-
benen Base sehr ähnlich ^ nur ist sie von mehr braungelber
6 Schiffe über Oxyaldine
Farbe, etwas weniger hygroscopisoh , weniger aber immer
noch leicht löslich in Wasser, sehr löslich in Weingeist,
kaum lösMch in Aether and Schwefelkohlenstoff, sehr wenig
in Benzin, mehr in Chloroform. Wässerige Salzsaure ent-
zieht dem Chloroform die darin gelöste Base. Die Salze
sind ebenfalls meist in Wasser, wenig in Weingeist, nicht
in Aether löslich.
Das aus der Lösung der Base in absolutem Alkohol
durch verdünnte Schwefelsäure gefällte Sulfat entspricht der
Formel SH«OS 2 C«Hi^NO.
Die Base mit Salzsäure über Kali verdunstet nimmt
32,1 pC. Säure auf. Die Bildung von C^^H^^NO, HCl ver-
langt 32,3 pC.
Das braunrothe amorphe, in Wasser lösliche Oxalat,
dargestellt wie das Sulfat und bei 140^ getrocknet, enthält
C«H^»NO, C«H^O*.
berechnet geftmden
Kohlenstoff 47,8 47,2
Wasserstoff 6,4 6,6.
In dem bei 110^ getrockneten Chloroplatinat wurden
zwischen 30,4 und 31,2 pC. Platin gefunden, während die
Formel PtClS 2 (C«H"NO, HCl) 31 pC. verlangt. Es ist ein
flockiger rothbrauner Niederschlag, welcher sich weder in
Wasser noch in Weingeist löst.
Die Zusammensetzung der Salze des Oxytrialdins deutet
bereits an, dafs der Sauerstoff in demselben nicht in der
Form enthalten ist, wie in den Ammoniumhydraten. Die
organischen Animoniumhydrate zersetzen sich bei höherer
Temperatur leicht in Wasser, Kohlenwasserstoff und ein
tertiäres Amin, während das Oxytrialdin sich auch bei 150®
nicht wesentlich verändert und sich bei noch höherer Tem-
peratur vollständig zersetzt Phosphorchlorid wirkt sehr
leicht auf die Hydrate ein, während es auf unsere Base beim
und Thialdine. 7
ErhiUen nur sehr langsam reagirt. Ein Theil wird verkohlt;
unter den wenigen flüssigen Producten findet sich etwas
Pbosphoroxychlorid und eine kleine Menge einer in kaltem
Wasser nicht löslichen chlorhaltigen Substanz (C^H^Cl^ öden
CHHül). Jodwasserstoff löst die Base in der Kalte ohne
Veränderung auf. Erhitzt man aber die mafsig concentrirte
und noch etwas öberschussigen Jodwasserstoff enthaltende
Lösung, so scheidet sich zuerst Jod und eine flockige Sub-
stanz ab, welche sich aber beide alsbald wieder auflösen.
Auf Zusatz Yon Kali fallt dann eine viel Jod enthaltende
harzige Substanz, deren Analyse nicht zu übereinstimmenden
Resultaten führte.
Um zu einer Ansicht über die Function des Sauerstoffs
im Oxytrialdin zu gelangen, mufs man zunächst auf das
Hydracetamid zurückgehen, aus welchem das Oxytrialdin
dadurch entsteht, dafs die einwerthige Gruppe NH^ durch
Oxhydryl ersetzt wird :
Man kann auch zu einer ähnlichen Formel gelangen,
wenn man die Base von dem Aldehydammoniak ableitet. Die
Aldehydammoniake sind Körper von schwach basischen
Eigenschaften, wie diefs namentlich bei den höheren Gliedern
hervortritt; so in dem Valerammoniak (H. Strecker, Ann.
Chem. Pharm. CXXX, 217) und dem Trioxyamyliden von
J. Erdmann (Ann. Chem. Pharm. CXXX, 211), welche
beide Verbindungen sich entsprechend den Formehi :
|C»H".OH |C»H»o.OH
N{H Ni0»H".OH
(H lC»Hw.OH
auffassen lassen. Das Acelaldehydammoniak mit der Formel
l(:«H*.OH
wäre hiernach das dem Oxyäthylenamin von
Wurtz entsprechende Aethylidenderivat.
8 Schiffe über Oxyaldme
Das Oxytrialdin wurde sich dann von dem Aldehyd-
ammoniak ableiten nach der Gleichung :
{C«H* . OH rC«H* . OH
H + 2C«H*0 = N{C«H» + 2H«0*).
H lC«H8
Das Oxytrialdin kann in der That erhalten werden, wenn
man eine mit Aldehyd gemengte weingeistige Lösung von
Aldehydammoniak in einer verschlossenen Flasche einige
Zeit einer Temperatur von etwa 50 bis 60^ aussetzt. Bei
kleinen Mengen ist die Reaction nach wenigen Stunden be-
endigt und man kann die Base nach den oben gemachten
Angabenabscheiden. Es wurde die auf diese' Weise dar-
gestellte freie Base und auch das Chloroplatinat analysirt.
Zersetzung des wemgeistigen Äldehydammoniaks,
Die eben beschriebene Bildungsweise des Oxytrialdins
führte auf die Untersuchung der Producte, welche wein-
*) Nach dieser Betrachtnogsweise w&re die Base als DtdihenyloxydihtfK^
didenamin aufzufassen. loh habe zwar früher (Ann. Chem. Pharm«
CXL, 116) die BezeichnuDg Fmy/ sowohl für das rom Aethyl als auch
für das vom Aldehyd abgeleitete Radioal C'H^ gebraucht. Es ist aber
wohl passender, dem ein- nnd dreiwerthigen Radical CH' . CH die
Bezeichnung Vinyl zn lassen und für das ein- und dreiwerthi'ge
rom Aldehyd abgeleitete CH^.C. die Hofmann^sche Bezeich-
nung Aeihenyl anzunehmen. Es Terhalten sich dann diese
lUdioale zu einander wie AHyl, Glyceryl und Propenylf letzteres
sowohl ein- als dreiwerthig. Hof mann scheint allerdings
seine Namen für die ron den Alkoholradicalen abgeleiteten nor-
malen Radicale vorgeschlagen zu haben; aber in der Praxis
bezeichnet er als Aethenyl den Rückstand des S&ureradicals
CH'.CO, also das Radical (CH»C/". Wie Vinyl zu Aethenyl
verhält sich anchFusyl (Qathrie) znm Quintenyl Hofmann^s.
Die Yon Gerhardt gegebene Bildnngsweise des Benzyldiphenyl-
diamins zeigt bereits, dafs die in diesen Basen enthaltenen drei-
werthigen Radicale noch dieselbe Constitution besitzen, wie in
den entsprechenden Nitrilen, also wie die Derivate der Säure-
radicale und nicht wie diejenigen der Alkoholradioale.
und Thtaldine. 9
geistiges Aldehydamrooniak bei höherer Temperatur liefert.
Basen aus Aldehydammoniak sind bereits im Jahre 1857 von
Babo und von Heintz und Wislicenus beschrieben
worden *). Babo erhitzt die Substanz im geschlossenen
Rohre auf 120" und erhält zwei Basen, deren Platinsalze zu
den Formeln :
C»«H«N«0, 2 HCl, PtCi* und
C*>H*»N«0, 2 HCl. PtCl*
führten. Mit Rücksicht auf diese Chloroplatinate und wohl
in der Meinung, die freien Basen seien als Ammoniumhydrate
zu betrachten 9 schlagt Babo für die Basen die Formeln
Cm^^m und C^oH^^NO vor. Babo fällt das Chloroplatinat
der C^-Base aus der salzsauren (wohl wässerigen) Lösung,
während das Chloroplatinat der C^^-Base aus weingeistiger
mit Salzsäure versetzter Lösung abgeschieden wurde. Hier-
aus scheint hervorzugehen, dafs die C'^-Base als in Wasser
nicht oder wenig löslich befunden wurde.
Heintz und Wislicenus zersetzen das Aldehyd-
ammoniak in offenen Gefäfsen und bei der Temperatur des
Wasserbades (90 bis 100^), und obwohl sie unter anderen
Bedingungen arbeiteten, obwohl sie bei ihrem Product kleine
Verschiedenheiten in den Löslichkeitsverhältnissen wahr-
nehmen, obwohl sie den Kohlenstoff stets um ein Geringes
zu hoch finden; so glauben sie dennoch berechtigt zu sein,
die Existenz der C^^-Base von Babo leugnen und nur die-
jenige der C^-Base annehmen zu können. Dennoch scheint
es mir sehr wahrscheinlich, dafs die Base von Heintz und
Wislicenus eine geringe Menge der C^^-Base enthielt. Dafs
*) Ueber Babo ^8 UnterBaChungen sind mir nur die Angaben im
Jahresbericht 1857, S.#887 nnd über die Arbeit von Heintz und
V^islicenus der Bericht im Supplementband zu Grmelin
8. 448 sugftoglich.
10 Schifff über Oxyaldme
ihr Product fast ausschliefslich aus der C^-Base bestand, liegt
daran, dafs sie ohne Druck und bei mafsiger Temperatur
arbeiteten.
Bei 50 bis 60^ und bei Gegenwart von Aldehyd und
Weingeist entsteht das oben beschriebene Oxytriaidin C^H^^NO,
bei 90 bis 100<) hauptsächlich die Base C^H^^NO, und ober-
halb 100^ in verschlossenem Gefarse erhält man die letztere
Base zusammen mit der Base C^^H^^NO. Wenn ich nach
meinen Versuchen die Angaben von Babo aufrecht erhalte,
so bestätige ich damit zugleich diejenigen von Heintz und
Wislicenus, so weit dieselben aus ihren Versuchen her-
vorgehen. So weit diefs nicht der Fall zu sein scheint, wider-
spreche ich nicht, glaube aber, dafs sie, als unter anderen
Bedingungen experimentirend, durchaus nicht im Falle waren,
sich ein Urtheil über die nach einer anderen Methode zu
erhaltenden Resultate zu bilden. Ich bezeichne die Base
C^H^'NO, als von vier Moleculen Aldehyd abstammend, als
Oxytetraldin , und aus ähnlichem Grunde die Base C^^^^NO
als Oxypentaldin*
Oxytetraldin,
Ein verzinnter Bronzedigestor von etwa V4 Liter Inhalt
wurde zur Hälfte mit einem Gemenge von reinem Aldehyd-
ammoniak mit dem gleichen Gewicht Weingeist gefüllt und das
Gefäfs im Oelbad 24 Stunden lang auf 110 bis 120'' erhitzt.
Beim Oeffnen entwich eine reichliche Menge Ammoniak, mit
welchem auch die braune Flüssigkeit gesättigt war. Der Wein-
geist wurde im Wasserbade abdestillirt und der syrupöse
Rückstand mit verdünnter Kalilauge im Destillirapparat be-
handelt , so lange noch erhebliche Mengen von Ammoniak
übergingen. Auch in diesem Falle enthält das Destillat die
schon früher erwähnte stark riechende flüchtige Base. Der
braune weiche Rückstand wird mit einer Losung von Kalium-
und Thtaldine, li
carbonat (jrewaachen und in Weingeist gelöst. Diese Lösung
wird mit Kohlensäure behandelt, um alles noch in Lösung
befindliche Freie Alkali abzuscheiden. Man destillirt den
Weingeist ab und behandelt den Ruckstand nochmals in
gleicher Weise mit Aetheralkohol. Das zum dicken Syrup
verdunstete Fihrai bringt man noch warm unter die Luft-
pumpe über Schwefelsaure. Beim Auspumpen schwillt die
Masse schwammig an und Utst sich dann mit dem Glasstab
sehr leicht zu einem glänzenden gelbbraunen Pulver zer-
drücken. Man behandelt nun wiederholt mit kaltem Wasser,
welches nur langsam den gelbbraunen löslichen Antheil aus-
zieht und einen braunen Räckstand lafst.
Die in Wasser lösliche Base ist Oxytetraldin C^H'^NO.
berechnet Schiff H. u. W.
8C
96
69,1
69,8
69,11
ISH
18
9,3
9,2
9,86
N
14
10,1
10,8
10,10
0
16
11,6
—
—
139 100,0.
Der von Heintz und Wislicenus gegebenen Be-
schreibung der Base habe ich nur wenig zuzufügen. Man
kann nicht sagen, dafs sie in kaltem Wasser nur wenig lös-
lich sei; sie ist allerdings weniger löslich als Oxytrialdin,
löst sich aber doch noch in ziemlicher Menge. Die Lösung
gränt Malvenpapier schwach und ist auf Lackmus ohne
Wirkung. Die Verbindbarkeit mit Kohlensaure kann eben-
falls nicht geradezu verneint werden. Die Base löst sich
reichlich in Wasser, durch welches man Kohlensaure strei-
chen läfst, und die Kohlensaure scheint bei gewöhnlicher
Temperatur durch die Base gebunden zu werden. Bei
sehwachem Erwärmen entwickelt sich Gas und ein Theil
der Base scheidet sich in Hauten ab, welche sich in der
abgekühlten Flüssigkeit nicht wieder auflösen. Die Abschei-
12 Schiff j über Oxyaldme
düng war also nicht nur durch . die Temperatnrerhöhang
bewirkt worden.
Das Oxytetraldin verbindet sich direct mit Salzsäaregas
ohne Wasserabscheidung. Gegen Jodwasserstoff und gegen
Phosphorchlorid verhalt es sich ähnlich wie das Oxytrialdin.
Das Phosphorchlorid wirkt aber noch schwieriger ein.
Bei der Fällung der weingeistigen Lösung der Base mit
weingeistiger Oxalsäure erhielten Heintz und Wislicenus
ein Oxalat von der Formel C^ßH^N^O, C^O» (also dem Chloro-
platinat von Babo entsprechend), wahrend sie für ihr
Chloroplalinat .die Zusammensetzung PtCH, 2 C^H^^NCl fanden.
Für das Oxalat, welches ich ebenfalls mit weingeisliger
entwässerter Oxalsäure fällte, fand ich eine Zusammen-
setzung, welche sehr nahe mit der Formel C^H^^O, C^*0*
übereinstimmt.
berechnet
gefanden
IOC
120
52,4
51.8
15 H
15
6,6
6.4
N
14
6,2
—
50
80
34,8
—
229 100,0.
Die Präparate waren bei 140^ getrocknet. Das Oxalat
ist amorph, hygroscopisch und leicht in Wasser löslich. Die
Lösung ist sehr bitter.
Das bei etwa 130* getrocknete Chloroplatinat entspricht
der Formel PtCl*, 2 CSH^^NOCl.
berechnet gefunden
Kohlenstoff 27,9 27,6
WasBerstoff 4,1 4,0
Platin 28,7 28,8.
Heintz und Wislicenus analysirten ein bei 150^ ge-
trocknetes Salz. Bei dieser Temperatur aber färbt sich das
zimmtbraune Salz fast schwarzbraun und verliert Salzsäure.
Einem Verlust von einem halben Molecul Salzsäure enl-
und Thialdine^ 13
spricht im Rückstand 30^ pC. Platin; gefunden wurden
30,6 pC.
Hit Pikrinsäure bildet die Base eine schön gelbe flockige
Verbindung, welche beim Erhitzen langsam abbrennt. Die
Base verbindet sich auch mit Quecksilberchlorid, nicht aber
mit den Chloriden von Eisen , Kupfer , Zinn oder mit Ferro-
cyankalium.
Heintz und Wislicenus nehmen an, die Base werde
nach längerem Erhitzen auf 140 bis 160^ oder durch Be-
handlung mit Kali weniger löslich. Ich habe nicht gefunden,
dafs die Base beim Erwarmen oder durch Kali ihre Löslich-
keit einböfst, so weit nämlich die Base unverändert bleibt.
Thatsache ist es aber, dafs die Base nach der erwähnten
Behandlung ein weniger lösliches Product liefert. Wenn
Heintz und Wislicenus noch von der Base als solcher
reden und sie also sonst nicht verändert glauben, so liegt
diefs daran, dafs die Veränderung eine quantitativ unbedeu-
tende ist. Es entwickelt sich nämlich langsam etwas Wasser
urfd Ammoniak, indem ein Theil des Oxytetraldins sich in
weniger lösliches Oxypentaldin verwandelt.
6C«H«N0 = 4CWH»*N0 + NH» + H«0.
Würde die Umwandlung sich über die ganze Masse
erstrecken, so würde der Verlust nur etwa 5 pC. betragen.
Aber die bei 140 bis 150^ häutig aufgetriebene Masse wird
nur zum kleineren Theil umgewandelt und die Umwandlung
findet vorzugsweise an der Oberfläche der Häute statt. Hier
ist also unlöslich Gewordenes mit Löslichem innig gemengt.
Behandelt man die Masse nun mit Alkohol oder mit Wasser,
so braucht es einige Zeit, bis die halbgeschmolzene Masse
sich imbibirt uhd der lösliche Antheil ausgezogen wird.
Für diese AuSassungsweise spricht der Umstand, dafs die
Losung viel rascher eintritt, wenn man die Masse in ein
feines Pulver verwandelt. Eben so ist wohl die Erscheinung
14 Schiff, über Oxyaldine
bei der Einwirkung von Kali zu erklären. Ich habe übrigens
gefunden, dafs nur durch Erhitzen mit mafsig concentrirtem
Kali der Versuch {gelingt. Die Losung erfolgt übrigens hier
leichter als nach dem Erhitzen auf 140 bis 150". Man darf
aber dabei den Umstand nicht anfser Augen lassen, dafs
diese Basen in Kalilauge überhaupt nur sehr wenig löslich
sind, und dafs die in der heifsen Lauge erweichte Masse
Kali einschliefst. Man mufs also mehrmals mit Wasser
waschen, ehe man zur Beuriheilung der Löslichkeit in reinem
Wasser schreitet.
Ich habe bei dieser Gelegenheit gefunden, dafs auch
Oxytrialdin sich bei höherer Temperatur (160") theilweise
umwandelt. Ich erhielt auf diese Weise Mischproducte mit
67 bis 68 pC. Kohlenstoff, welche aufser der C^* und der
C^-Base auch noch einen in Wasser nicht löslichen Theil,
also wohl C^^-Base enthielten :
4 C«H"NO = 8 C8H»«N0 + NH» + HH).
5C«H"N0 = 8C"H'*N0 -f 2 NH« -h 2 H*0.
Der Verlust sollte nach diesen Gleichungen 8 bis 9 pC.
betragen; da ich aber rasch 4 bis 6 Stunden auf 150 bis
160^ erhitzte, so betrug derselbe immer bedeutend mehr.
Oxypentaldin.
Verschiedene Präparate der nach dem oben angegebenen
Verfahren dargestellten Base gaben ziemlich nahe überein-
stimmenden Gehalt an Kohlenstoff und Wasserstoff. Der
Stickstoff, als Gas bestimmt, fällt im Allgemeinen bei der
angewandten Methode etwas zu hoch aus.
berechnet gefunden
)0C 120 72,7 72,6 bis 72,7
15 H 15 9,1 8,9 bU 9,1
N 14 8,5 9,02
O 16 9,7 —
165 100,0.
und Thialdine. 16
Die Base isl eine glänzende dunkelbraune amorphe Sub-
stanz, nicht hygroscopisch und kaum löslich in Wasser^ lös-
lich jedoch in Alkohol, in kohlensaurehalligem Wasser und
in den wasserigen Säuren. Geruchlos und von schwach
bitterem Geschmack. Chlorwasserstoff verbindet sich direct
ohne Wasserabscheidung. Phosphorchlorid wirkt selbst
in der Wärme nur wenig ein und es bildet sich dabei das
Chlorhydrat der Base^ während ein anderer Theil zerstört
wird.
Die Salze können durch Zusatz der Säuren zur wein-
geistigen Lösung der Base als braune amorphe, in Wasser
lösliche Substanzen gefällt werden. Ueberschüssiges Wasser
entzieht Säure. •
Das Pikrat wird aus der wässerigen Lösung des Chlor-
hydrats durch Natriumpikrat in gelben Flocken gefällt, welche
der Zusammensetzung C*<^H**NO, C«H8(N02)«0 entsprechen.
berechnet gefunden
KohlenstofiP 48,7 48,7
Wasserstoff 4,6 5,1.
Das Chloroplatinat ist ein brauner amorpher, in Wasser
and in Weingeist nicht löslicher flockiger Niederschlag, wel-
cher bei 140^ getrocknet die Formel PtCl*, 2 C^onieuoci
hat und bei höherer Temperatur Salzsäure verliert.
berecLnet gefunden
Kohlenstoff
32,4
'31,9
Wasserstoff
■
4,8
4,2
Platin
26,7
26,5 bis 27,03.
Es war wohl noch etwas Chloroplatinat von Oxytetraldin
beigemengt.
Das Oxypentaldin kann mit ziemlich concentrirter Kali-
lauge längere Zeit erhitzt werden, ohne dafs eine wesent-
liche Veränderung eintritt. Ein so behandeltes Präparat ergab :
Kohlenstoff 78,8
Wasserstoff 9,1.
16 Schiff, über Oxydldine
Es hatte also der Kohlenstoff nur um 0^ pC. zage*
nommen. Vielleicht geht anch die Aldebydcondensation
noch weiter und es sind höhere Condensationen zu erlangen,
wenn man das Aldehy^ammoniak bei 150 bis 160^ zersetzt.
Auf höhere Condensationen deutet auch der etwas zu niedrig
gefundene Wasserstoff der Base , und diefs um so mehr, als
der Wasserstoff im Allgemeinen etwas zu hoch ausfallt und
aufserdem noch eine kleine Beimengung von Oxytetraldin (mit
9,35 pC. Wasserstoff) nicht unwahrscheinlich ist Ich habe
in dieser Richtung keine Versuche angestellt. Sollte aber
etwa ein Oxyhexaldin darstellbar sein, so ist dasselbe ohne
Zweifel ebenfalls unlöslich im Wasser. Man müfste also, um
eine schwierige Trennung zu vermeiden, unter Verhaltnissen
arbeiten, welche einer vollständigen Umwandlung des Alde-
hydammoniaks in ein einziges höheres Condensationsproduct
günstig sind.
■
Icn will hier noch bemerken , dafs ein Gemenge der
beschriebenen Basen auch durch Zersetzung des Acetals
durch weingeistiges Ammoniak bei höherer Temperatur ge-
wonnen werden kann. Es dienten zu diesen Versuchen die
nicht weiter gereinigten Nebenproducte von der Darstellung
des Aldehyds.
Wir haben weiter oben für das Oxytrialdin die Formel
NJo^H^ gegeben und diese Base, wie üblich, auf den
Ammoniaktypus bezogen. Wollten wir ahnliche Formeln
auch für die beiden anderen Oxybasen aufstellen, so bliebe
uns nur für das Oxytetraldin die frühere Formel von Heints
und Wislicenus N(C^H')^.HO und demnach für das Oxy-
pentaldin die Formel N(Cm»)^ G^H^ 0. Letzteres wire
hiernach eine Art substituirten Aldehydammoniaks. Es ent-
und Thialdine,
17
sprechen jedoch diese Formeln dem ganzen Verhalten der
Basen durchaus nicht und sie geben aufserdem nur über
einen Theil der darin enthaltenen Affinivalente Rechenschaft.
Beachten wir die Resistenz dieser Basen gegen die Einwir-
kung von sonst energisch wirkenden Reagentien und ihre
feste Form bei yerhältnifsmäfsig niedrigem Moleculargewicbt,
so hat die Annahme mehr Wahrscheinlichkeit, es werden
die bei der Condensation der Aldehydmolecule durch den
Austritt von Sauerstoff und Wasserstoff frei gewordenen
Affinivalente nur zum Theil durch Stickstoff und den zurück-
gebliebenen Sauerstoff gesättigt, wahrend ein anderer Theil
dazu verwendet werde, die Alkoholresidua unter sich zu
einem stabileren Complex zusammenzuschweifsen. Diese
Auffassung wurde etwa auf die folgenden Formeln führen :
Oxytrialdin
'"C*H»
II
Oxjrpentaldiii.
Ox^traldin
Gehen wir mit dieser Formulirungsweise rückwärts, so
gelangen wir zu den beiden vorhergehenden Gliedern :
"C*H* — NH
Oxydialdin
(fehlendes Glied)
\0H
Aldehydammoniak.
Mit diesen Formeln erscheinen sämmtliche darin figu-
rirende Affinivalente als gesättigt, und wir ersehen, dafs der
Sauerstoff darin nicht die Function hat, wie in den Ammo-
nimnhydraten. Der Sauerstoff wird auch durch Phosphor-
chlorid nur sehr schwierig eliminirt, weil er in der Verbin-
dung durch zwei Gruppen festgehalten wird, wovon die eine
(der Stickstoff) nur sehr wenig Neigung hat, sich mit dem
Chlor des Phosphorchlorids zu verbinden.
A«k«*ai <i. rrki
OkavtM VT RnnnlAmAtithH. 1. Haft.
18 Schiffe über Oxyaldine
Was nun die thatsächlichen Beziehungen dieser Basen
zum Aldehyd einerseits und zum Aidehydammoniak anderer-
seits betrifft^ so übersehen wir dieselben mittelst der folgen-*
den Fonnelgleicbungen :
C«H*0 + NH» = C«H^NO
Aldehydammoniak.
2 C*H^O + NH« — H«0 = C*HöNO = 2 (C«H^O, NH») - NH* . OH
Oxydialdin (?).
8 C«H*0 + NH» - 2 H»0 = C^H^NO = 3 (C«H*0, NH») - 2 NH* . OH
Oxytiialdiii.
4 C«fl*0 + NH» — 3 H«0 = C^H^NÖ = 4 (C«H*0, NH») — 8 NE* . OH
Oxytetraldin.
5 C«H*0 -[- NH' — 4 H«0 = C^ogiöNO = 5 (C«H*0, NH») - 4 NH* . OH
Ozypentaldin.
Die allgemeine Formel für das aus der Condensation
von n Aldehydmoleculen hervorgehende Oxyaldin wäre hier-
nach C2"H»°+^N0.
In einer vergleichenden Betrachtung der für die Alde-
hyde aufgestellten Formeln (Ann. Chem. Pharm. CXL, 117)
habe ich die früher von Heintz und Wislicenus für das
Oxytetraldin angenommene Formel, für den Fall dieselbe
als zulässig befunden würde , als die einzige zu Gunsten
einer etwaigen Alkoholfunction des Aldehyds sprechende
Verbindung zugelassen. Wir können uns nun Betreffs dieses
Gegenstands in bestimmterer Weise dahin aussprechen, dafis,
wenn auch für die Formulirung der Oxyaldine dreiwerthige
Radicale C^H' angenommen werden können, diese Annahme
doch für den fraglichen Gegenstand keine Argumente abgiebt.
Welches nun auch die Constitution der Oxyaldine sein möge,
so ist so viel gewifs, dafs sie zum Aldehyd nicht in einer
Beziehung stehen, wie etwa die alkoholischen Amüibasen su
den Alkoholen.
Die Annahme der Aethenylgruppe in den Oxyaldinbasen
läfst wohl zu^ dafs eine derartige Gruppe gelegentlich auch
und Thialdine. 19
für die Formulation des Aldehyds benutzt werden kann, aber
sie enthölt Nichts, was etwa zu Gunsten einer angeblichen
Alkoholfunction des Aldehyds zu schliefsen berechtigte.
Die flüchtigen Nebenproducte,
Sowohl Babo als auch Heintz und Wislicenus
haben bereits die bei der Darstellung obiger Basen als
Nebenproduct auftretende flüchtige, penetrant riechende Sub-
stanz beobachtet, und Babo hebt noch bestimmter hervor^
dafs bei der Zersetzung des trockenen Aidehydammoniaks in
geschlossener Röhre auch noch ein klares dünnflüssiges, sehr
fluchtiges und stark ammoniakalisch riechendes Liquidum auf-
trete, und dafs bei der Destillation des Röhreninhalts bis auf
200^ neben Ammoniak auch noch geringe Mengen flüchtiger,
dem DippeTschen Oele ahnlich riechender Basen über-
gingen. Bei meiner Methode der Zersetzung in weingeisti-
ger Lösung konnte ich natürlich das dünnflüssige Liquidum
nicht beobachten. Aber ich habe bereits erwähnt^ dafs bei
der Destillation des Alkohols neben Ammoniak noch Basen
übergehen, welche den Geruch des DippeTschen Oeles^
des Chinolins und des etwas verharzten Coniins in hohem
Grade besitzen. Weitere geringe Mengen können noch
durch Destillation des Rückstands mit Kali gewonnen werden.
Alle diese Destillate wurden vereinigt und zur spateren
Untersuchung aufbewahrt.
Inzwischen hatte ich beobachtet, dafs das Oxytrialdin
und das Oxytetraldin beim Sieden mit ziemlich concentrirter
Kalilauge dieselben Basen in kleiner Menge auftreten lassen.
Destillation der Basen mit unter geringem Wasserzusatz ge-
schmolzenem Kali gab keine günstigen Resultate; bessere
wurden mit Natronkalk erzielt, aber auch hier ist die Aus-
beute immer nur eine kleine. Alles was ich an Hischpro-
dttcten besafs, sowie auch die weniger reinen, mit acetal-
20 Schiffy über Oxyaldine
hal%er Flüssigkeit bereiteten Basen, im Ganzen etwa
120 Grm., wurden in kleinen Portionen mit Natronkalk destil-
lirt. Hierbei scheidet sich Kohle ab, es entweicht viel Am-
moniak und, wie sich spater zeigte, geht ein Theil in theer-
artige und ölige nicht basische Producte über. Alles Flüch-
tige wurde in Liebi gesehen Kugelapparaten in Weingeist
condensirt und die weingeistigen Lösungen mit den obigen
weingeistigen Destillaten vereinigt.
Die weingeistige Flüssigkeit wurde zunächst mit Salz-
säure übersättigt, wobei sie zu einem Brei von Salmiakkry-
stallen gestand. Der Erystallbrei wurde ausgeprefst, der
Rückstand noch zweimal mit Alkohol angerührt und die
abgeprefsten Flüssigkeiten mit der ersten vereinigt Die
braungelbe weingeistige Lösung der löslichen Chlorverbin-
dungen wurde zur Wiedergewinnung des Alkohols destillirt
und zuletzt auf dem Wasserbade eingedunstet. Hier zeigten
sich nun zunächst die bei der Destillation mit Natronkalk
gebildeten theerartigen und öligen Substanzen, welche man
mittelst eines Gemenges von Benzin und Aether entfernte.
Der gelbe Salzrückstand wurde noch zweimal mit nahezu
absolutem Alkohol behandelt und eingedampft, um allen
Salmiak wegzuschaffen. Es blieben auf diese Weise etwa 8
bis 10 Grm. eines gelblichen, schwach riechenden, etwas
hygroscopischen Gemisches von Chlorverbindungen, welche
man in einer kleinen Retorte mit concentrirter Kalilauge
zersetzte. Man erwärmte zunächst gelinde im Wasserbade;
hier ging schon unterhalb 70 bis 80^ ein stark nach festem
Chlorcyan und nach Trimethylamin riechender, brennbarer
Dampf über, welchen man in Salzsäure auffing. Der Rest
ging zwischen 80 und 180® über, nebst etwas Wffsserdampf.
Die mittlere Portion zeigte vorzugsweise den Geruch nach
zersetztem Coniin, und die zuletzt übergehende hatte inten-
siven Chinolingeruch, zugleich etwas an gewisse Chocoiade-
und Thialdine. - 21
Sorten erinnernd. Die ganze Menge des Destillates zwischen
80 und 180^ betrog kaum drei Cubikcentimeter. Man schied
dieselben durch Wasser in den darin leicht löslichen Antheil
und löste den Rest besonders in verdünnter Salzsäure. Die
Lösung des flüchtigsten Productes war kaum gefärbt, die
zweite wässerige hatte eine gelbe, die dritte salzsaure eine
orangegelbe Farbe. Aus jeder der drei Lösungen wurden
fractionirt zwei Platinsalze ausgefällt, welche von der flüch-
tigsten zur weniger flüchtigen Portion in krystallinischer
Beschafl'enheit und Löslichkeit und Platingehalt abnahmen.
Es wurden nämlich folgende Platingehalte gefunden :
1. 2. 3. 4. 5. 6.
38,4 86,5 35,7 34,8 88,4 30,9.
Die Base von Nr. 1 , in Anbetracht ihrer Flüchtigkeit,
der Brennbarkeit, des characteristischen Geruches, der kry-
stallinischen Beschaffenheit und der Löslichkeit des Platin-
salzes, kann mit gröfster Wahrscheinlichkeit für TrimethyU
amin gehalten werden. Es verlangt dessen Chloroplatinat
37,4 pC. Platin, und der ersten Fällung war vielleicht noch
etwas Chloroplatinat einer primären oder secundären Methyl-
base oder von Ammoniak beigemengt und dadurch ein er-
höhter Platingehalt bedingt. Das Salz Nr. 2 enthielt wohl
im Wesentlichen dieselbe Base, und diese ist es wohl auch,
welche Babo als klares, sehr fluchtiges ammoniakalisch rie-
chendes Liquidum beobachtete. Die Salze Nr. 3 und 4
waren ohne Zweifel sehr gemengte Producte, in welchen neben
einem Theil der Basen 1 und 2, sowie 3 und 4, vielleicht
als eigenthümlichen Bestandtheil an Pyridin C^H^N gedacht
werden kann , dessen Chloroplatinat 34,74 pC. Platin ver-
langt. Die Base ist in Wasser löslich und in unserem Falle
hätte sie wohl nach der Gleichung :
C«H"NO = C»H*N + CH* + H«0
aus dem Oxytrialdin entstehen können. Dem dabei auf-
22 Schiff, über Oxyaldine
tretenden Methylhydrur wäre dann ein Antheil bei der Bil-
dung der flüchtigsten Basen zuzuschreiben, sofern dieselbe
aus Trimethylamin besteht.
Wenn aus dem Oxytrialdin und dem Oxytetraldin der
Sauerstoff als Wasser austritt, so könnten dabei zwei Basen
C^H^N und C^H^^N entstehen, deren Chloroplatinate 32^9 und
30,3 pC. Platin verlangen würden. Solche Basen und viel-
leicht auch etwas Chinolin (mit 30 pC. Platin) konnten in
den Salzen Nr. 5 und 6 enthalten gewesen sein. Von dem
Platinsalz Nr. 5 blieb mir eine geringe Menge (0,317 Grm.)
für eine Kohlen- und Wasserstoffbestimmung, und diese ergab
Zahlen, welche der Formel des Pikolins C^H^N ziemlich nahe
, kommen :
berechnet gefuDdexi
Kohlenstoff 24,1 24,0
Wasserstoff 2,8 2,9
Platin 88,1 33,4.
Ich habe diese unvollständigen Resultate hier mitgetheilt,
weil bezüglich der Constitution der Basen der Chinolin-,
Leukolin- und Pyridin -Reihe bis jetzt noch nichts erkannt
ist und Versuche zu deren Synthese nicht vorliegen. Es
wäre wohl möglich, dafs die mitgetheilten Notizen hierzu
einen Weg eröffnen, und es ist nicht unwahrscheinlich, dafs
auch die von Baeyer (Ann. Chem. Pharm. Suppl. V, d4)
beobachtete flüchtige Base in eine dieser Reihen gehört.
Was die bei der Destillation mit Natronkalk entstehenden
theerigen und öligen nicht basischen Producte betrifll, so
waren dieselben zu einer eingehenderen Untersuchung nicht
einladend. Ich erinnere hier an eine Notiz von Berthelot
(Ann. Chem. Pharm. CXXVIII, 256), welcher durch Zer-
setzung des Aldehyds bei 160^ theerartige polymere Kohlen-
wasserstoffe n C^U' erhielt. Solche Kohlenwasserstoffe bilden
und Thialdine, 23
sich wohl auch aus den Oxyaldinen unter Austritt von Was-
ser uni Ammoniak, z. B. :
C« H"NO — (NH«, H«0) = C« H«
C» H"NO - (NH», H*0) = C8 H«
C"H"NO — (NH», H«0) = C*oH»o,
welche Kohlenwasserstoffe sich dann noch zu höheren Poly*
merieen vereinigen.
Ich habe den Versuch angestellt, ob etwa die Schwefel-
saureverbindung des Hydracetamids bei der trockenen Destil-
lation gerade auf nach der Gleichung :
fC«H*
N«{C^H\ SH«0* = N«H*, SH*Ü* + 8 C«H«
in Ammmoniumsulfat und Acetylen zerfalle. Ich erhielt aber
dabei kein Gas, welches die characteristische rothe Kupfer-
verbindung lieferte. Aus der stark aufgeblähten und theil-
weise unter Kohleabscheidung zersetzten Hasse konnten durch
angesäuertes Wasser ölige basische Körper von intensivem
Chinolingeruch ausgezogen werden. Alkohol entzog dann
noch halbflüssige theerartige Substanzen *).
*) Der Unterschied in der Constitution zwischen dem Alkohol- und
dem Aldehydderivat scheint sich auch bei den letzten Producten
der Zersetzang noch zu erhalten. Das dem Acetylen entspre-
chende Aldehydderivat C=:CH* scheint sich wohl zu bilden,
aber es kann wohl bei seiner nicht Aquilibrirten Zasammen-
setzungsweise ebensowenig frei 'auftreten , als das Aethyliden
CH — CH'. Die zwei freien Affinivalente des einen Atoms
Kohlenstoff sftttigen sich sogleich durch Verbindung mit anderen
Gruppen und es bilden sich Polymerieen und Additionsproducte :
C = CH« C = CH« H — C = CH»
II 1>C = CH» I
C = CH* C = CH« H — C = CH«
und durch Vereinigung rieler Elemente in obiger Weise ent-
stehen die theerigen Massen C*»H«» und C«»H«"-I-«.
Das Acetylen dagegen als Aquilibrirte Verbindung HC — CH
tritt frei auf und liefert, wie Berthelot gezeigt hat, durch
Polymerisirung bei hoher Temperatur wohl oharaoterisirte aro-
matische Verbindungen. Wie in anderen Fällen, so auch bei
24 Schiff, über Oxyaldine
Derivate des Oenanthols.
Bei der Beschreibung des Hydrönanthylamids N^^CH^*)*
im IIL Supplementbd., S. 367 der Ann. Chem. Pharm, habe ich
nur die gut stimmende Kohlen- und Wasserstoffbestimmung
mitgetheilt, die StickstoflFbestimmung aber unterdrückt. Ich
hatte etwa 1 pC. zu wenig erhalten, und wenn Aiir auch jene
Bestimmung, in Anbetracht des Stimmens des Kohlenstoffs
und Wasserstoffs, genügenden Aufschlufs über die Natur der
Verbindung zu geben schien, so hielt ich sie doch für wei-
tere Mittheilung nicht geeignet. Ich habe bereits damals
diesen Polymerieen , zeigen die Alkoholderirate bestimmter aas-
gebildete physikalische Charaktere , als die theerigen Aldehyd-
deriyate. Ich brauche hier nur an die Hofmann^schen Aethy-
l^nderivate nnd an meine Aethylidenderivate des AniUns zn er-
innern. Berthelot hat mittelst der Polymerisirang des Acety-
lens faotisch dargethan, da(s dieser Kohlenwasserstoff als die
Basis der aromatischen Yerbindungen zu betrachten ist. Der
Kohlenwasserstoff C^H^ und die Sfture C^H^O' von Carins
treten dann der Hypothese nicht mehr hindernd in den Weg, und
ich will hier den drei von Erlenmeyer (Ann. Chem. Pharm,
CXXXVII, 345) vorgeschlagenen Ableitungsweisen noch die fol-
gende ansohllefsen :
HC = CH HC = C HC = C
I I I 1>CH« I |>CH — CO.OH,
HC=CH HC==C HC = C^
über welche Tielleicht durch das Stadium der Oxydati onsproducte
entschieden werden kann. Diesen Verbindongen sohliefsen sich
dann noch an :
HC = C — CO.H HC = C- CO.OH
L ' II
HC = C-OH HC = C — OH
Farfnrol Pyroschleimsäare,
welche letztere gleichsam die SaUcylsfture des Diacetylens bildet
Es ist bekannt, dalj» das Forfurol sich in seinem Verhalten ganz
den aromatischen Aldehyden anschliefst. Hieran reihen sich noch
die Amide : Carbopyrrolsäure , Oarbopyrrolamid und Pyrrol mit
den Pormehl C*H«l^^i^°, C*H«|^2«* ^^^ und C^HMSTH«.
und Thialdine. 25
angegeben, dafs bei der Destillation des Hydronanthamids
chinolinahnlich riechende Substanzen entstehen, und ich
glaubte den Ausfall an Stickstoff in einer geringen Beimen-
gung eines solchen stickstoifärmeren Products begründet.
Durch die bei dem Acetaldehyd erlangten Resultate wurde
ich von Neuem auf den Stickstoffausfall bei dem Oenanthol-
derivat aufmerksam , und , wie spatere Versuche lehrten^
scheint es in der That, entweder dafs die bei der Einwirkung
des Ammoniaks auf das Oenanthol freiwerdende Warme^
oder dafs die dem Chlorcalcium entgangene geringe Wasser-
menge bei der nachherigen Destillation einen kleinen Antheil
des Hydrönanthamids in, den Oxyaldinen analoge Oenanthol-
derivate umgewandelt habe.
Dasselbe Präparat, welches mir vor drei Jahren zur
Analyse gedient und welches sich in der Zwischenzeit röth-
lieh gefärbt hatte, sonst aber nicht verändert war, wurde
zum Theil mit Wasser an einem Condensationsapparat meh-
rere Stunden zum Kochen erhitzt, zum Theil mit Wasser in
geschlossener Röhre einen Tag lang auf 120 bis 130^ er-
halten. In beiden Fallen war Ammoniakentwickelung nach-
weisbar, ohne dafs die öligen Substanzen im Aeufseren ver-
ändert schienen. Die mittelst Chlorcalcium getrockneten
Oele destillirten bei sehr hoher Temperatur und nahmen
dabei einen eigenthümlichen Geruch an.
Das nur mit Wasser gekochte Präparat war fast voll-
ständig in TriönarUhoxaldin C^^H^^NO umgewandelt, wäh-
rend der mit Wasser von 120 bis 130® behandelte Antheil
wohl ein Gemenge von diesem Körper mit Tetrönanthoxaldin
C^H^^NO darstellt, wie diefs die folgenden analytischen Re-
sultate darthun :
26 Schiffe über Oxyaldme
C"H"NO
C«HWNO
bei 100«*)
bei 120-1300
c
78.0
80,2
77,9
79,8
H
12,7
1-2,6
12,6
12,5
N
4,8
3,4
4,9
—
0
5,0
100,0
3,8
100,0.
~—
—
Wurde die nur mit Wasser gekochte Verbindunf^ dann
in geschlossener Röhre mit Wasser einer höheren Tempe-
ratur ausgesetzt, so trat weitere Veränderung ein.
Die Oenanthaidine sind gelbe ölige Flüssigkeiten, welche
sich allmälig röthlich färben, sich in Wasser nicht lösen und
keine basischen Eigenschaften mehr besitzen. Die mit Salz-
säure versetzte weingeistige Lösung giebt auch mit Platin-
chlorid kein Chloroplatinat. In dieser Beziehung verhält sich
also das Oenanthotrialdin zum Oxytrialdin wie das Hydrö-
nanthaniid zum Hydracetamid oder wie Diönanthylidendifen-
amin zu Diäthylidendifenamin.
Die Destillation der Oenantholderivate mit Kalk liefert
ebenfalls dem Chinolin sehr ähnlich riechende Substanzen in
geringer Menge, der gröfste Theil verwandelt sich in Koh-
lenwasserstoffe. — Bei der Oxydation mit Salpetersäure
bilden sich Fettsäuren.
Derivate des Acrolems,
Die Einwirkung des weingeistigen Ammoniaks auf Acre-
lein ist bereits von Hübner und Geuther (Ann. Chem.
Pharm. CXIV, 43) untersucht worden. Was Darstellung und
Eigenschaften der Verbindung betrifft, kann ich vollständig
auf die vorliegenden Angaben dieser Chemiker verweisen.
Hübner und Geuther betrachten die Verbindung als ein
Ammoniumhydrat und geben ihr die Formel C^H'^NO' (C = 12,
*) Hatte das specifiscbe Qewiobt 0,878 bei 26^
und Thtaldine, 27
0 = 8). Sie glauben, ein halbes Holecul Wasser gehöre
der Verbindung Constitutionen an, sofern dasselbe erst bei
100^ unter partieller Zersetzung der Base eliminirt werden
kann. Die Tbatsache ist richtig, sofern bei Zutritt der Luft
erhitzt wurde. Ich habe die nach der Angabe von Hüb-
ner und Geuther bereitete und über Schwefelsäure ge-
trocknete Verbindung in einer U-Röhre in einem langsamen
Strom trockener Kohlensäure auf etwa 60^ erhitzt, und in
diesem Falle entweicht nahezu der ganze Wassergehalt; ohne
dafs bedeutende Zersetzung eintritt. Der Verlust betrug
7,1 pC, während die Rechnung für ein halbes Molecul Was-
ser 7,5 pC. Verlust verlangt.
Die so getrocknete Substanz ist eine tiefgelbe hornige
Hasse, welche sich nicht mehr in Wasser und Säuren löst.
Die Analyse stimmt sehr nahe mit einer von Hübner und
Geuther einer zersetzten Substanz zugeschriebenen Zu*
sammensetzung.
berechnet
6C 72 64,9
Hübn. u. Gen
(bei 100«)
63,7
th.
Schiff
(80«)
64,50
9H 9
8,1
8,6
8,85
N 14
12,6
—
—
0 16
14,4
—
—
111
100,0.
Mit Zugrundelegung
der
Formel
von
H
übner
Geuther wäre also die Base als C^H^NO zu betrachten;
man könnte sie dann als ein dem in der Acetylgruppe feh-
C«H* - NH
lenden Oxydialdin analoges Diacryloxaldin i i an»
sprechen und die Base müfste noch ein Atom ersetzbaren
Wasserstoffs enthalten. Gegen diese Annahme spricht aber,
dafs ich weder mit Jodäthyl noch mit Aldehyden Substi-
tutionsproducte erhalten konnte. Die Base erscheint hiernach
als tertiäres Amin.
28 Schiffe über Oxyaldine
Wir werden später sehen, dafs auch andere vom Acro«
lein abgeleitete Basen Wasser chemisch binden; es steht
diefs vielleicht damit in Zusammenhangs dafs das Acroiein
noch über nicht gesättigte Affinivalente verfugt.
Die mit H'O verbundene Menge der Base ist ausge-
dräckt durch C^^H^^^O^ und dieselbe Menge verbindet sich
auch mit zwei Moleculen Salzsäure. Nach Hühner und
Geuther beträgt die Gewichtszunahme bei Behandlung mit
Salzsäuregas 23,4 pC. Nach der Gleichung :
C«H»8N80«, H«0 + 2HC1 = H«0 + C»*H*«N«0«, 2 HCl
sollte, die Gewichtszunahme 23,9 pC. betragen. Dieselbe
Menge verbindet sich ferner mit einem Molecul Platinchlorid
zum Chloroplatinat PtClS C^^H^^N^O^, 2 HCl.
Die Acroleinbase entsteht nach Hühner und Geuther
auch. bei Einwirkung von Ammoniak auf die Verbindung von
Acroiein mit Salzsäure, hier aber erst beim Erhitzen und
nur allmälig. Wäre die Verbindung C^H^O, HCl nur eine
lose Vereinigung der Componenten, so ist nicht einzusehen,
warum das Ammoniak nicht sogleich die Salzsäure eliminiren
und sich spontan mit dem Acroiein umsetzen sollte. Die
Salzsäure mufs also in anderer Weise fester gebunden sein.
Ihr Verhalten gegen Phosphorchlorid characterisirt die Ver-
" rOH
bindung als Allylidenchlorhydrin C^H^j^i . Die erste Ein-
wirkung des Ammoniaks ist ohne Zweifel die Elimination
des Chlors :
C»H*|^j^ + 2NH8 = NH*C1 + C»H*|^]^
und auf dieses primäre Monamin wirkt dann das Acroiein
sogleich ein, wie ich diefs im Früheren für andere primäre
Basen dargethan habe :
i
C«H» |2C«H»'
H + 2C»H*0 = 2H*0 + N*|C8H*"
H Ich*"
Diallylid^i^eoAmin.
und Thialdine, 29
rC'H*.OH f2(C»H*.0H)'
1//
2 N^ H +2 C8H*0 = 2 H«0 + NV C»H*'
[H l(^H*'
Dialljlid^ndioxyallylamin
Ich habe auch hier versucht, durch Erhitzen mit Jod-
wasserstoff das Oxhydryl durch Jod zu ersetzen; es scheint
indessen, dafs die von den Aldehyden abgeleiteten Oxybasen
sich zu einer derartigen Substitution nicht eignen. Wie in
früheren Fällen erhielt ich auch hier nur harzige, mit Jod
gemengte Hassen, welche keine Resultate versprachen.
A. Claus (Ann. Chem. Pharm. Suppl. II, 117) bat bei
Behandlung von Acrolein mit einer vor längerer Zeit be-
reiteten und veränderten Lösung von Ammoniumsulfit einer
gelben amorphen Körper C^^H^^N^SO^ erhalten; es könnte
diefs recht wohl das Sulfit der Acröleinbase C'>H'»N^O^ SH^O»
gewesen sein. Ich habe gefunden, dafs die frisch bereitete
noch feuchte Base schweflige Säure absorbirt und sich in|^
ein amorphes orangegelbes Sulfit verwandelt.
Ein der Acröleinbase analoges Benzoylderivat ist wohl
das von Robson (Ann. Chem. Pharm. LXXXI, 122) durch
Einwirkung von Ammoniak auf weingeistiges Bittermandelöl
dargestellte
(2 (C^H« . OH)
Dibenzoylimid N'^Cm«
Basische Eigenschaften fehlen , wie diefs bei allen di*
recten Ammoniakderivaten der aromatischen Aldehyde der
Fall ist
Acrothialdin.
Es ist bereits fräher angeführt worden, dafs das Oxy-
trialdin und die ihm analog zusammengesetzten Basen als
Producte der Einwirkung des Wassers auf die Hydramide
betrachtet werden können. Diese Betrachtungsweise führt
auf die Untersuchung der Einwirkung des Schwefelwasser-
30 Schiffe über Oxyaldine
Stoffs auf die Aldehydammoniake. Wir gelangen auf diese
Weise von den Oxyaldinen zu den Tkialdinen^ und an die
Oxybase aus Acrolein reihe ich sogleich das von diesem
Aldehyd abgeleitete Acrothialdin.
Ein Kolben mit mäfsig concentrirtem , mit Schwefel-
wasserstoff übersättigtem farblosem wasserigem Schwefel-
ammonium wird mittelst eines Verbindungsstuckes aus schwar-
zem Caoutchouc beweglich mit einem Räckflufsapparat ver-
bunden. Man setzt den Kolben in Eiswasser und läfst durch
das Schlangenrohr des Condensators kleine Mengen möglichst
frischen Acroleins zufliefsen, während man zugleich den In-
halt des Kolbens in drehende Bewegung setzt. Jeder Acro-
leinzusatz bewirkt die Bildung einer weifsen Masse. Kühlt
man nicht ab, so findet bedeutende Temperaturerhöhung statt.
Man giebt so viel Acrolein zu, dafs jedenfalls am Ende der
^Operation noch überschüssiges Schwefelammonium vorhanden
ist. Die weifse Masse wird ^erstofsen und mit neuem
Schwefelammonium mehrere Tage lang digerirt, um etwas
mechanisch beigemengten Schwefel auszuziehen. Man wascht
dann mit ammoniakalischem Wasser, dann mit Weingeist und
endlich mit etwas Aether.
Man erhält auf diese Weise rein weifse campherartige,
undeutlich krystailinische Stücke, welche zwischen den Zäh-
nen knirschen und fast keinen Geschmack haben. Der Ge-
ruch ist schwach knobiauchartig, lange nicht so stark wie
der des Thialdins; auch ertheilt die Substanz den Fingern
keinen so unangenehmen Geruch, wie diefs beim Thialdin
der Fall ist« Das specifische Gewicht ist etwa dasjenige des
Wassers. Es ist diese Substanz eben so indifferent, wie das
Acrobmmoniak und wie die Disacrylkörper (wohl condensirte
Acroleine). Wie diese Körper, so ist auch das getrocknete
Acrothialdin unlöslich in Wasser; es wird von Alkohol,
Aether, Benzin und Chloroform kaum angegriffen. Am Lös»
und Thialdine. 31
lichsten ist es noch in Schwefelkohlenstoff; aber auch hierin
löst sich nur wenig und die Lösung giebt beim Verdunsten
glasartige farblose Stücke, welche auch bei längerem Stehen
nicht krystallinisch wurden.
Zur Analyse wurde ein mehrmals mit Schwefelammonium,
Weingeist und Aether behandeltes Pulver benutzt. Die er-
haltenen Zahlen entsprechen der Formel C^H^^NS^ + 5 H^O
für die bei mittlerer Temperatur. getrocknete Substanz.
bereofanet gefandeu
9C
108
87,4
37,6 bis 88,1
23 H
28
7,9
7,8 bis 7,9
N
14
4,9
5,2
2S
64
22,1
21,1 bis 22,4
50
80
27,7
—
289 100,0.
Trocknet man das Acrothialdin unter der Luftpumpe
über Schwefelsäure, so verliert es 2H'0, ohne sich sonst
merklich zu verändern (Analyse I). Eine einen Monat lang
mit Wasser behandelte Substanz, über Schwefelsaure ge-
trocknet, hatte sich nicht wesentlich verändert (Analyse II).
Dieselbe Zusammensetzung zeigt die glasige Substanz aus
Schwefelkohlenstoff (Analyse III).
Berechnet
I.
Tl.
III.
9C
108
42,7
41,6 'bis 42,7
41,8
43,4
19 H
19
7.6
7,8
7,0
7,1
N
14
6i&
—
—
—
28
64
26,8
24,8 bis 25,8
—
80
48
19,0
—
—
—
2^3 100,0.
Die Verbindung C^H'^NS» + 3 H^O erleidet auch bei
100^ keinen Wasser Verlust. Erhitzt man auf 120 bis 140^
im Kohlensaurestrom , so entweicht Wasser und Schwefel*
Wasserstoff. Der amorphe gelbe Rückstand gab keine über-
einstimmenden analytischen Resultate. So viel nur scheint
32 Schiffe über Oxyaldme
#
mir festzustehen, dafs allmälig die Hälfte des Schwefels als
Schwefelwasserstoff entweicht
Die getrocknete Substanz ist auch in Säuren nur sehr
wenig löslich. Verdünnte Salzsäure löst von dem frisch be-
reiteten Acrothialdin kaum 1 pC. Die Lösung fällt mit
Platinchlorid und Quecksilberchlorid. Der Quecksilbemieder-
schlag ist weifs, färbt sich aber bald gelb. Auch der Platin-
niederschlag ist sehr veränderlich. — Erwärmt man das Acro-
thialdin mit concentrirter Salzsäure, so zersetzt es sich wie
das Acrolammoniak. Die Lösung enthält dann Salmiak. Auch
bei längerem Kochen mit Wasser erfolgt Zersetzung. Freies
Acrolein konnte dabei nicht bemerkt werden; aber es ent-
wickelt sich ein unangenehm riechender Dampf, welcher,
abgesehen von einer geringen Beimengung eines schwefel-
haltigen Körpers, im Geruch dem Dampf des sich mit ver-
dünnten Säuren zersetzenden Acrolammoniaks sehr ähnlich
ist. Mit einer alkalischen Lösung von Bleioxyd bildet sich
beim Erhitzen Schwefelblei. — Rauchende Salpetersäure
zersetzt das Acrothialdin mit explosionsartiger Einwirkung.
Auch gewöhnliche concentrirte Säure wirkt sehr energisch
und verwandelt den Schwefel vollständig in Schwefelsäure,
ohne dafs man nöthig hätte, die Zersl^tzung in geschlossener
Röhre vorzunehmen.
Das Acrothialdin entsteht aus dem Acrylaldehyd, ähnlich
wie das (Aceto)thialdin von Lieb ig und Wo hl er aus dem
Acetaldehyd :
8 C«H*0 + NH* + 2Bre = C«H»»N8« + 8H«0
Acelothlaldin •
8 C»H*0 + NH« + 2 H«S = C»H«N8" + 3 H«0
Acrothialdin
nur mit dem Unterschiede, dafs das Acroleinderivat , als
nicht gesättigte Verbindung, das bei der Reaction entstehende
Wasser zurückhält, wie diefs auch bei der Oxybase aus
Acrolein der Fall ist
-
I
und Thialdine. 33
Bei dem indifferenten Verhalten des Acrothialdins und
bei der leichten Zersetzbarkeit des Acroleins gaben Ver-
suche bezüglich der Einwirkung von Jodwasserstoff, von
Hetalloxyden, von schwefliger Saure u. s. w. keine bemer-
kenswerthen Resultate. Auch das Acetothialdin zeigte sich
für solche Versuche nicht geeignet. Es mufste deshalb eine
leichter zu behandelnde Thialdinbase aufgesucht werden.
Oenanthoihialdin.
Die Bereitung dieses Körpers ist sehr einfach. Reines,
bei 151^ siedendes und frisch in einer Kohlensaureatmosphare
rectificirtes Oenanthol wird mittelst einer Pipette über etwa
10 bis 15 Volume ziemlich concentrirten farblosen Schwefel-
ammoniums geschichtet. An der Berührungsfläche wird so-
gleich Wasserausscheidung beobachtet. Man verschliefst nun
das dickwandige Gefäfs mittelst eines guten Korkstopfens und
schüttelt die Flüssigkeiten durcheinander. Es tritt starke
Warmeentwickelung ein und das Oenanthol ist fast ganz
ganzlich umgewandelt. Nach dem Abkühlen fugt man wenig
concentrirten Ammoniaks zu, sättigt von Neuem mit Schwefel-
wasserstoff und lafst die Flüssigkeiten unter öfterem Um*
schütteln noch einige Tage in Berührung. Die Umwandlung
ist danü vollständig. Die abgehobene ölige Schicht wird mit
Wasser gewaschen , dann mehrere Tage an einem warmen
Orte mit Chlorcalcium ausgetrocknet und schliefslich von
anhangendem Schwefelwasserstoff durch einen Kohlensäure*
Strom befreit. Man erkennt die Reinheit der Verbindung
daran, dafs sie sich mit verdünnter Salzsäure geschüttelt im
Verlauf von etwa 12 Stunden vollständig in eine weifse
Krystallmasse verwandelt War das Oenanthol nicht rein
oder die Umwandlung nicht vollständig, so entsteht bei der
Behandlung mit Salzsäure eine mehr oder weniger weiche
Masse.
•H
1 « j rtt .. rku XTX a...^_.f <kx#.^AV J « «-«_.
34 Schifft über Oxyaldine
Das Oenanthothialdin ist ein farbloses Oel von 0^896 bei
2A\ riecht eigenthümlich fade und zugleich lauchartig, ist
unlöslich in Wasser, löslich in Weingeist, nicht ohne Zer-
setzung destillirbar, ohne Reaction auf Lackmuspapier. An
der Luft scheint es sich nicht wesentlich zu verändern. Die
Analyse giebt Zahlen , welche der Formel C"H«NS« ent-
sprechen :
Berechnet Gefunden
21 C 252 67,56 67,85
43 H 48 11,53 11,68
2 8 64 17,15 . 17,00
N 14 8,76 —
873 100,00.
Dem mit der öligen Base befeuchteten Chlorcalcium
scheint eine kleine Menge Wasser entgangen zu sein.
Das Oenanthothialdin hat ausgesprochen basische Eigen-
schaften, aber es verbindet sich öder bildet wenigstens keine
Constanten Verbindungen mit den schwächeren Sauren; mit
einzelnen Sauren bildet es nur flüssige oder halbfeste Ver-
bindungen, z. 6. mit Salpetersaure und Phosphorsäure.
Das Chlorhydrat bildet sich, wenn man die Base mit
nicht zu verdünnter Salzsaure schüttelt und damit in Be-
rührung läfst, bis Alles in eine weifse Krystallmasse verwan-
delt ist. Man wascht dieselbe mit Wasser, worin sie sich
nicht löst, und läfst dann die weingeistige Lösung langsam
verdunsten. Das Ghlorhydrat krystallisirt dann in langen
farblosen Nadeln, welche leicht schmelzen und krystallinisch
erstarren. Das Salz in geschlossener Röhre mit Salpeter-
säure zersetzt gab eine 8,6 pC. Chlor entsprechende Menge
Chlorsilber. Die Formel C»H^NSS HCl verlangt 8,67 pC.
Chlor.
Das Sulfat, ebenso dargestellt wie das Chlorhydrat, bildet
gleichfalls eine weifse Krystallmasse, welche sich mit einer
j
und Thialdine. 35
warmeo Chlorbaryumlösung in Baryumsulfat und Oenantho-
thialdin-Chlorhydrat umsetzt. Die Analyse ergab 9,6 pC.
Anhydrid, während die Formel SH«OS 2C"H*»NS» 9,5 pC.
SO» verlangt ♦).
*) Ich beabsichtigte, die Thialdine durch Einwirkung von Ammo-
niak auf die geschwefelten Aldehyde darzustellen, fand aber, dafs
die aus Valeral, Benzaldehyd and Oenanthol mittelst Schwefel-
wasserstoff erhaltenen Snbstitationsprodacte Töllig indifferent
sind, Yon Ammoniak nicht yerändert werden, sich nicht mit den
alkalischen Bisnlfiten verbinden und überhaupt nicht mehr die
Eigenschaften der Aldehyde besitzen. Hiermit steht es auch
wohl im Zusammenhang, dals man aus den Mercaptanen bis jetzt
keine entsprechenden Aldehyde darstellen konnte.
Das mittelst Oenanthol und trockenem Schwefelwasserstoff
unter schwacher Erwärmung und Wasserabscheidung entstehende
geschwefelte Derivat habe ich näher untersucht Die Einwirkung
des Schwefelwasserstoffs auf das Oenanthol geht sehr langsam
Tor sich; etwas schneller, wenn man durch Auflösen von etwa
1 Procent Phosphorchlorid etwas C^H^^Cl' erzeugt. Da sich bei
nachheriger Einwirkung des Schwefelwasserstoffs keine Salzsäure
entbindet, so ist zu vermuthen, da& das Chlorür C'H^^Cl' sich
beständig zersetzt und die Salzsäure im Entstehungszustande
neues Oenanthol in Chlorür verwandelt u. s. f. — Bei der Destil-
lation geht zuerst etwas unverändertes Oenanthol und etwas
Chlorür über, dann folgt gegen 200^ eine gelbe Flüssigkeit; ihre
Farbe wird bis gegen 800^ immer mehr orangegelb. Der Siede-
punkt ist nie längere Zeit oonstant und es entwickelt sich be-
standig etwas Schwefelwasserstoff. Bei nachheriger Bectification
bemerkt man wiederum Schwefelwasserstoffentwickelung , ein
grofser Theil geht zwischen 200^ und 250^ über, wiegt 0,875 bei
23<> und hat nahezu die Zusammensetzung C^H'^0, C^H^^S (Ana-
lyse I). Mehrtägige Digestion mit concentrirtem Schwefelammo-
nium bewirkt kaum eine Veränderung (Analyse 11). Eine nicht
sehr abweichende Zusammensetzung zeigt das Destillat zwischen
250° und 270<^ (Analyse III), während der zwischen 270<' und SOO^^
übergehende Antheil eine gröfsere Abweichung zeigt (Analyse lY).
I. II. III. IV.
200-250<> 250-270° 270-300°
69,0 69,2 69,6 70,7
11,9 11,8 11,8 11,7
Berechnet
14 C
168 69,0
28 H
28 11,5
OS
48 19,5
244 100,0.
a»
36 Schiff, über Oxyaldine
Platinchlorid bewirkt in der äther-alkoholischen Lösang
des Chlorhydrats im ersten Moment einen gelben Nieder-
schlag, der sieh aber rasch dunkler und endlich braun färbt.
Verschiedene Proben gaben bis gegen 30 pC. Platin , wäh*
rend das Chloroplatinat der Base 16,1 pC. erfordert.
Mit Natron entwickelt der getrocknete Niederschlag
Ammoniak, beim Trocknen im Wasserbade entwickelt sich
Oenantholdampf; es ist also offenbar, dafs der Niederschlag
ein Gemenge von Platinsalmiak, Schwefelplatin und unver-
ändertem Tbialdinchloroplatinat ist, und dafs das Platinchlorid
verändernd auf die Base einwirkt, in der Tbat, dunstet man
die äther-alkoholische Flüssigkeit, aus welcher die Fallung
erfolgte, ein, so kann man daraus mit Natriumbisulfit Krystalle
der betreffenden Oenantholverbindung erhalten. Versetzt
man die stark concenlrirte Flüssigkeit mit etwas Anilin, so
bemerkt man sogleich den eigenthümlichen Geruch, welcher
beim Zusammenbringen von Oenanthol mit Anilin entsteht.
Nach dem Waschen mit Essigsäure bleibt Diseptendifenamin
zuräck *). Es geht hieraus hervor, dafs die in dem Oenan-
tholthialdin enthaltenen Oenantholresidua sich mit Leichtigkeit
wieder in Oenanthol überführen lassen.
Q7g^i4[0 kann die Verbindung als eine
gesättigte betrachtet werden. Es wftre dann ein aldehydiBcbea
Bolfinoxyd und es gäbe diese Betrachtungsweise einen Ausdmck
für die Thatsaohe, dafs die Verbindung nicht mehr den Character
eines Aldehyds besitzt.
*) Limpricht hat früher als Oenanthylen den Kohlenwasserstoff
C^H^* aus Oenanthol bezeichnet, welchem heute die Bezeichnung
Oenanthyliden angehört. Aber neuerdings ist Bubien der philo-
logische Lapsus calami widerfahreUi als Oenanthyliden den Koh-
lenwasserstoff C^H^' zu bezeichnen, ganz vergessend, dals die
Endigung — iden — sich auf tlSw; oder löo^ bezieht Um dieser
Confnsion zu entgehen und um die langen Oenanthylidennamen
zu vermeiden, bezeichne ich nach Hof mannte Vorschlag C^H^^
als Sepien, C^H" als Seplenyl und C'H" als Septin. Das Product
aus Oenanthol und Anilin wird daher zu Diseptendifenamin.
und Thialdine. 37
LSfst man einige Tropfen des Thialdins auf gepulvertes
Silbernitrat fallen^ so erfolgt Deflagration, welche sich bis
zum Erglühen der Masse steigern kann. Es entwickeln sich
dabei Oenantholdampfe und der Bückstand besteht aus
Schwefelsilber. Mehr oder weniger erhitzt sich das Thiaidin
auch mit dem Nitrat, dem Chlorid und dem gelben Oxyd
des Quecksilbers und mit Bleisuperoxyd. Energische Beaction
mit diesen letzteren erfolgt übrigens erst bei schwachem Er-
wärmen. — Die Beduction mittelst Platinchlorid findet ihren
Ausdruck in der Gleichung :
C5«H^«NS« + 2 PtCl« + 8 H'O = 2 PtS + NH*C1 + 3 C^H"0 4 3 HCl.
Die Bückbildung des Oenanthols gelingt sehr leicht auch
mit wässeriger schwefliger Säure und selbst mit schwach
amrooniakalischem Wasser. Erhitzt man die Base mit einer
concentrirten Lösung von Natriumbisulfit, so sclieidet sich
Schwefel ab, welcher dann wieder von dem überschüssigen
Sulfit aufgenommen wird. Beim Erkalten erhält man eine
reichliche Krystallisation von Natriumönantholbisulfit. Erhitzt
man mit concentrirter wässeriger schwefliger Säure in ge-
schlossener Bohre auf etwa 110^, so scheidet sich ebenfalls
Schwefel ab, die untere wässerige Schicht enthält schweflig-
saures und schwefelsaures Ammoniak ,. und wenn man die
obere orangefarbene ölige Schicht mit Natriumbisulfit schüt-
telt, so entsteht eine Krystallisation der Oenantholverbindung.
Neben dem Oenanthol findet sich aber, sowohl bei Behand-
lung mit schwefliger Säure, als auch bei derjenigen mit Bi-
sulfiten, noch eine andere Flüssigkeit, welche mittelst Aether
von den Krystallen getrennt werden kann. Nach dem Ab-
dunsten des Aethers zeigt sich die Flüssigkeit destillirbar,
geht oberhalb 200^ unter schwacher Schwefelwasserstofi^ent-
^ickelung über und zeigt sich schwefelhaltig. Sie hat alle
Eigenschaften des oben (in der Note) erwähnten Products
38 Schiff y über Oxyaldine
der Einwirkung des Schwefelwasserstoffs auf Oenanthol, und
dannit stimmt auch die Analyse ziemlich nahe überein.
Gefunden C^H'^OS
Kohlenstoff 69,6 69,0
Wasserstoff 11,4 11,5
Das Endresultat der Umsetzung mit schwefliger Säure
kann also ausgedrückt werden durch die Gleichung :
C««H«NS« + 2 S0« + 2 H«0 = C'H"0 + C"H««OS + S(NH*)HO^ + 2 S.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dafs sich zuerst nur
Oenanthol und Schwefelwasserstoff bilden und sich letzterer
sogleich einerseits mit einem Tbeil des Oenanthols, anderer-
seits mit schwefliger Saure umsetzt.
Bei dem Erhitzen mit überschössigem schwach ammo-
niakalischem Wasser in zugeschmolzener Röhre giebt das
Oenanthothialdin den Stickstoff ebenfalls als Ammoniak, den
Schwefel aber als Schwefelwasserstoff ab, und beide finden
sich in der unteren wässerigen Schicht als Schwefelammo-
hium. Die obere röthlicbe ölige Schicht enthält Oenanthol
und Diseptenoxysulfür, welche, wie oben angegeben, getrennt
werden. Das bei dieser Umsetzung erhaltene Oxysulfur gab
bei der Analyse 70,9 Kohlenstoff und 12 pC. Wasserstoff.
Der Ueberschufs an beiden Bestandtheilen ist in einer Bei-
mengung eines Oxyaldins zu suchen, welches bei der Ein-
wirkung des Ammoniaks auf einen Theil de^ Oenanthols ent-
steht. Das ammoniakalische Wasser zersetzt das Oenantho-
thialdin in primärer Umsetzung wohl nach der Gleichung :
C«iH"NS« + 3 H«0 + NH' = 3 C'H"0 + 2 NH«, H«S.
Man bemerkt, dafs diese Umsetzung gerade die Umkehr
der Bildungsgleichung der Verbindung ist, denn letztere ent-
steht bei der Einwirkung des Schwefelwasserstoffs und des
Ammoniaks auf Oenanthol nach der Gleichung :
3 C^H"0 + NH» + 2 H«S = C*>H**NS« + 8 H*0.
Die Einwirkung von Jod und von Jodwasserstoff führte
nicht zu bestimmten Resultaten. Die Base verbindet sich in
und Thialdine, 39
der Kälte mit dem Jodwasserstoff zu einem krystallinischen
Jodhydrat. Beim Erwarmen mit ziemlich concentrirtem was-
serigem Jodwasserstoff erfolgt zuerst Abscheidung von Jod,
welches aber alsbald wieder aufgenommen wird, wahrend
Schwefel sich abscheidet. Eine Lösung von Jod in Jod-
wasserstoff bewirkt sogleich Erwärmung und Abscheidung
von Schwefel. Das dickflüssige Product wurde zuerst mit
Jodkaliumlösung, dann mit verdünnter Salzsäure und endlich
mit etwas Kali gewaschen und letzteres durch Wasser ent-
fernt. Es blieb ein braunes Oel, welches bei Zusatz von
concentrirter Salpetersäure reichlich Jod abschied, Stickstoff
enthielt, aber keine basischen Eigenschaften hatte. Die Ana-
lysen zweier Präparate führten nicht zu'übereinstimmenden
Resultaten. Es wurde erhalten :
I. II.
Kohlenstoff 66,6 pC. 69,0 pC.
Wasserstoff 10,2 „ 9,7 „
Die Analyse II könnte auf eine Verbindung C^^H^^JN
bezogen werden , welche 58,2 Kohlen- und 9,3 Wasserstoff
verlangt und welche nach den Gleichungen :
C«iH*8NS« + J* = C««H*<>JN + 3 HJ + 2 S,
C««H*«NS« + HJ = C*»H"JN + 2 H«S,
entstehen konnte. Es zeigt diese letztere Beobachtung nur,
mit welcher Leichtigkeit der Schwefel aus dem Oenantho-
thialdin abgeschieden werden kann. Die geschwefelten Alde-
hyde werden durch Jod oder durch Jodwasserstoff kaum
verändert. Es ist noch zu bemerken, dafs beide der Analyse
unterworfenen Präparate noch Schwefelreaction gaben, also
wohl Hischproducte waren.
Aldehyde wirken bei 100^ nicht auf das Oenanthothialdin
ein. Mit«Oenanthol in geschlossenem Rohr auf 160^ erhitzt
erfolgt gänzliche Zersetzung unter Bildung von Oenanlhoxal-
dinen und von Diseptenoxysulfür :
C«*H«NS» + 4 C^H"0 = 2 C"H«H)S + C"H*»NO + H«0.
40 Schiffe über Oxyaldine
Jodätby) vereinipfi sich in gelinder Warme direct mit
dem Thialdin zu einer nicht krystallisirenden Jodverbindang.
Erhitzt man mit Jodäthyl auf 100^, so erfolgt Abscheidung
von Jod und tiefer gehende Zersetzung. Hof mann hat
bereits früher (Ann. Chem. Pharm*. CHI, 93) dargethan, dafs
sich das Acetothialdin direct mit Jodmethyl verbinden kann.
Auch er beobachtete weitergehende Zersetzung bei zu star-
ker Erhitzung. Nach längerem Erhitzen von Jodmethyl mit
Oenanthothialdin auf etwa. 110^ bemerkt man beim Oeffnen
der Röhre starken Mercaptangeruch ; es ist mir indessen nicht
gelungen, Mercaptan oder Schwefeläthyl aus der braunen
Hasse darzustellen. Auch in diesem Falle scheint das Jod
die Abscheidung des Schwefels mit Leichtigkeit zu bewirken.
Oenanthothialdin und Anilin mischen sich in jedem Ver-
hältnifs, ohne dafs Erwärmung zu bemerken wäre. Das Ge-
mische entwickelt bei mittlerer Temperatur sehr langsam
Ammoniak und Schwefelwasserstoff. Rasch erfolgt die Reac-
tion bei 100" und es tritt dabei sämmtlicher Schwefel als
Schwefelwasserstoff aus. Erhitzt man ein Molecul Oenantho-
thialdins mit zwei Holeculen gewöhnlichen rectificirten Anilins
(noch wasserhaltig), so sind die Producte der Reaction Di-
septendifenamin und etwas Diseptenoxysulfur, welches letztere
auf Kosten des Wassergehaltes des Anilins entsteht :
Dafs in diesem Falle das Oxysulfur nur ein secundäres
Product ist, geht zwar schon aus der Zusammensetzung der
einwirkenden (sauerstofffreien) Stoffe selbst hervor, aber es
erhellt diefs noch deutlicher aus Versuchen, bei welchen
Anilin angewandt wurde, welches durch zweimalige RecU-
fication über entwässerfes Kalihydrat von Wasser ganzlich
befreit worden war. Bei Anwendung überschüssigen Anilins
ist dann Diseptendifenamin das einzige flüssige Product der
Reactioui nach der Gleichung :
und Thialdine. ^ 41
Wendet man dagegen das Oenanthothialdin im Ueber-
schufs an und erwärmt das Gemische in einem mit Bück*
flufsapparat verbundenen Gefafs, so entweicht ebenfalls
Ammoniak und Schwefelwasserstoff, zugleich aber bildet sich
neben dem Diseptendifenamin noch ein bei etwa 100^ sie«
dender, wie die Base selbst riechender Kohlenwasserstoff.
20 Grm. Oenanthothialdin gaben nur etwa 3 GC. desselben,
und da dieselben zur Befreiung von Ammoniak^ Schwefel-
wasserstoff und etwaiger Spuren von Oenanthol mit Salzsaure,
Quecksilberchlorid und Natriumbisulfit behandelt, mehrmals
gewaschen und endlich über Chlorcalcium getrocknet wer-
den mufsten, so blieb nach Anstellung qualitativer Proben
zam Nachweis der Abwesenheit von Stickstoff und von
Schwefel nur das Material für zwei Analysen , welche
83,2 pC. Kohlenstoff und 11,2 pC. Wasserstoff, also einen
Verlust von 5,6 pC. ergaben. Diese Zahlen stimmen für
keinen Kohlenwasserstoff der Oenanthgruppe. Dem Siede-
punkt, der Leichtfluchtigkeit und dem Geruch nach halte ich
den Kohlenwasserstoff für den von Bubien beschriebenen
Kohlenwasserstoff C^H^^ *) (Septin). Die Umsetzung erfolgte
dann nach der einfachen Gleichung :
Phosphorchlorid wirkt auf Oenanthothialdin eben so
schwierig ein, wie auf die Oxyaldine. Es tritt schwache
Erwärmung ein; vermeidet man dieselbe, so löst sich allmälig
etwa ein gleiches Gewicht Phosphorchlorid , ohne dafs sich
*) Die im AufbewahningBgefäfse zurückgebliebenen wenigen Tropfen
gaben Oilorreaction. Es war also möglicber Weise Snlzsilure
im KohlenwasscrstofT aufgelöst, oder es hatte sich vielleicht ein
kleiner Tbeil desselben bei der Behandlung mit Salzsäure und
den Chloriden in eine BalzsUureverbindung yerwaudelt.
42 Schiffe über Oxyaldine
Salzsaure entwickelte. Die Flüssigkeit wird ölig, gelb bis
rothgelb, verändert sich aber auch nach mehreren Tagen
nicht weiter. Versetzt man dann allmalig mit kleinen Wasser-
mengen, so tritt Erhitzung und Entwickelung von Salzsaure
ein und die am Boden sich sammelnde dicke Flüssigkeit,
mehrmals mit Wasser gewaschen, durch Aether ausgezogen
und nach dem Verdunsten desselben im Vacuo über Schwefel-
saure getrocknet, besteht zum gröfsten Theil aus phosphor-
saurem Oenanthothialdin , welchem allerdings eine kleine
Menge eines kohlenstoffreicheren und schwefelarmeren Pro-
ducts beigemengt war. Vermeidet man jegliche Temperatur-
erhöhung, so löst sich wohl das Phosphorchlorid im Oenan-
thothialdin auf, ohne dasselbe zu zersetzen. Bei der Zer-
setzung mit Wasser war Schwefelwasserstoff durch die
Reaction auf Bleipapier , nicht abör durch den Geruch zu
erkennen; es konnte sich also nur eine sehr geringe Menge
Phosphorsulfochlprid gebildet haben.
Wird nun das unreine phosphorsaure Oenanthothialdin
in der Warme mit Phosphorchlorid bebandelt, so ist die
Reaction ebenfalls eine sehr trage. Es entwickelt sich reich-
lich Salzsäure, etwas Phosphorsulfochlorid und, dem Geruch
nach zu urtheilen, auch eine Spur Chlorschwefel. Bei der
Zersetzung mit Wasser nimmt letzteres aufser Salzsäure und
Phosphorsäure auch phosphorige Säure auf. Aber das mehr-
mals gewaschene und dünnflüssiger gewordene Oel giebt
immer noch eine ziemlich starke Reaction auf Schwefel; es
enthält noch Phosphorsäure, wohl in der Form eines nicht
zersetzten Thialdinsalzes , und Chlor in der Form von Sep-
tendichlorür C^H^^Cl^. Letzteres konnte durch Destillation
getrennt werden und zeigte nach der Reinigung die ihm von
Limpricht zugeschriebenen Eigenschaften. — Es geht aus
diesem Versuche hervor, dafs das Phosphorchlorid nicht in
einfacher Weise auf das Oenanthothialdin einwirkt. Diese
und Thialdme. 43
Reaction kann also höchstens zu negativen Schlüssen bezüg-
lich der Constitution dieser Base benutzt werden.
Valerothialdin.
Diese jBase ist im Jahre 1854 fast gleichzeitig von
Parkinson (Ann. Chem. Pharm. XC, 114) und von Beifsen-
hirtz (daselbst XC, 109) nach demselben Verfahren darge-
stellt worden^ nach welchem Lieb ig und Wähler das
Acetothialdin erhielten , nämlich durch Einwirkung von
Schwefelwasserstoff auf krystalljsirtes Valeralammoniak.
Beifsenhirtz hat aus der Analyse des Salzsäuresajzes
für die Base die Formel G^^H^^NS^ erschlossen. Ich habe
gefunden, dafs die Base, eben so leicht wie das Oenantho-
thialdin, durch directe Einwirkung von überschüssigem ge-
sättigtem farblosem Schwefelammonium auf Valeraldehyd
erhalten werden kann, und ich habe zugleich die so darge-
stellte und bis jetzt noch nicht analysirte freie Base der
Analyse unterworfen.
berechnet gefhnden
15 C 180 62,3 62,1
31 H 31 10,7 10,8
2S 64 22,1 ' 21,9
N 14 4,9 —
289 100,0.
Die Base ist dickflüssiger als Oenanthothialdin und wird,
Beifsenhirtz's Angabe entgegen, bei der Destillation theil-
weise zersetzt.
Bei den characteristischen Eigenschaften des Valeralde-
hyds hatte ich bei der Darstellung des Valerothialdins nur
die Absicht zu prüfen^ ob auch hier die Rückbildung des
Aldehyds mit Leichtigkeit erfolgt. Ich fand, dafs auch hier
dnrch Platinchlorid sehr leicht Valeral zurückgebildet wird.
Bei der Einwirkung von gepulvertem Silbernitrat erfolgt
ebenfalls energische Reaction , welche das Valeral zu Vale-
44 Schiffe über Oxyäldine
ransäure oxydirt. Bei dem Erhitzen mit verdünnter wässe-
riger schwefliger Säure oder mit wässerigem Ammoniak
bildet sich Valeral neben geschwefelten Derivaten desselben
und neben Oxy valeraldinen , welche ich bis jetzt noch nicht
eingehender untersucht habe. Auch mit Anilin ist die Reac-
tion ganz analog dem Verhalten des Oenanthothialdins und
(2 C^H*^
or^eus 1 wel-
ches ich früher durch directe Einwirkung des Anilins auf
Valeraldehyd erhalten und als Diamylidcndifenamin beschrie-
ben habe (Ann. Chem. Pharm. Suppl. III, 350).
Valerothialdin verbindet sich mit Jodäthyl zu einer nicht
krystallisirten Jodverbindung. Bei 100^ erfolgt Abscheidung
von Jod. Oenanthol ist auf Valerothialdin ohne Einwirkung.
Auch das Thiacetonin kann direct durch Einwirkung von
gesättigtem concentrirtem Schwefelammonium auf Aceton er-
halten werden. Es scheidet sich in den meisten Fällen in
öliger Form ab und mufs nach Städeler's Vorschrift ge-
reinigt werden. Einige Haie schied sich zuerst ein Oel ab,
welchem nach etwa 14 Tagen eine ziemlich reichliche Ery-
stallisation nachfolgte.
Constitution der Thialdine.
In einer Mittheilung von A. W. Hofmann (Ann. Chem.
Pharm. CHI, 93), worin er die Angabe von Göfsmann
widerlegt, dafs Acetothialdin durch Entschwefelung in Leucin
verwandelt werden könne, beschreibt er zugleich eine Ver-
bindung des Thialdins mit Jodmethyl C^H'»NS',CH'J, welche
ihn zu dem Schlüsse berechtigte, das Thialdin sei als tertiäres
Amin N(C^H>»S^) zu betrachten *). Dafs die Thialdine keinen
*) Die Allgaben von Hof mann bezüglich der Redaction der Sil-
bersalze unter Bildung von Silberspiegel und besüglloh des Auf-
tretens von Aldehjdgeruch , deuten auch hier auf leichte Bück-
und Thialdme. 45
typischen Wasserstoff mehr enthalten, geht aufserdem aus
dem Verhalten des Jodathyls und der Aldehyde zu den oben
beschriebenen Thialdinen hervor. Ohne Zweifel hat Hof-
mann mit obiger Formel auch nur die negative Bedeutung
derselben hervorheben wollen, nämlich dafs das Acetothialdin
keinen typischen Wasserstoff mehr enthalte.
Wollten wir auf die positive Bedeutung näher eingehen,
nämlich dafs die drei Wasserstoffatome des Ammoniaks
durch eine aus der Condensation mehrerer Molecule eines
geschwefelten Aldehyds hervorgegangene Gruppe ersetzt
seien, so könnte das Thialdin aufgefafst werden entweder als
Ammoniakverbindung eines dreifach condensirten Thialdehyds :
d C«H*S — H*3 = C«H»oß»
oder als Amidderivat eines sechsfach condensirten Thialdehyds :
6 C«H*ß — H«S = C"H«S»
C«H«S» + 2 NHS = C»«H"(NH«)«S* + H«S.
Gegen die erste Ableitung ist anzuführen^ dafs die sulfo-
substituirten Aldehyde, wie bereits oben angegeben^ durch-
aas nicht mehr die Eigenschaften der Aldehyde besitzen,
sich ganz indifferent verhalten und es speciell auch gegen
das Ammoniak und die ammoniakalischen Basen sind. Die
condensirten Producte sind aber gewöhnlich noch bei Weitem
indifferenter als die Stammsubstanz.
Die zweite Ableitung wird schon durch die verdoppelte
Formel unwahrscheinlich, und sie mufs schon deshalb ver-
worfen werden, weil sie das Vorhandensein von typischem
Wasserstoff erfordert. — Beide Ableitungen verlangen übri-
gens, dafs der Schwefel darin in einer Form enthalten sei,
bildang des Aldehyds. Das Auftreten von Tetramethylammo-
niumhydrat bei Zersetzung des Methylthialdins erinnert an das
Auftreten yon Trimetfaylamin bei der Zersetzung der Ozyaldine.
46 Schiffe über Oxyaldine
welche, wie wir bald sehen werden, nicht wohl zu den
Beactionen der Thialdine stimmt.
Wenn es aber nicht annehmbar erscheint^ die Thialdine
als Derivate condensirter Aldehyde za betrachten, so ist es
andererseits sehr wahrscheinlich, dafs die drei Aldehydmole«-
cule, welche zur Bildung eines jeden Thialdins dienen, die
Bestandtheile zu drei verschiedenen Badicalen liefern, welche
nicht unter sich durch freie Affinivalente zusammengekettet
sind, wie ich diefs für die Oxyaldine angenommen habe,
sondern welche in dem dreiwerthigen Stickstoff nur ihren
gemeinschaftlichen Stützpunkt finden. Für die relative Selbst-
ständigkeit der einzelnen Aldehydresidua ist das hauptsach-
lichste Argument eben die Leichtigkeit der Bfickbildung der
Aldehyde, wie dieselbe oben in verschiedener Weise erläu-
tert wurde. Die Leichtigkeit, mit welcher diese Bfickbildung
erfolgt, kann eben als Ausdruck dafür gelten, dafs hier nur
der gemeinschaftliche Stützpunkt zu eliminiren , nicht aber
aufserdem noch die Arbeit der Spaltung eines Condensations-
productes zu verrichten ist In allen Fallen; in welchen der
Stickstoff eliminirt wird, zerfallen die Thialdine in der That
unter Bückbildung der betreffenden Aldehyde oder deren
Derivate.
Hit der Annahme von drei verschiedenen, nicht unter
sich zusammengeketteten Badicalen in den Thialdinen bleiben
für die Discussion der Function des Schwefels nur die fol-
genden Falle :
1) Die ältere Annahme, der Schwefel sei in der Form
von Sulfür oder Sulfhydrat vorhanden.
2) Die unter sich freien Badicale sind zwar durch den
Stickstoff zusammengehalten , aber zum Theil erst mittelbar
durch den Schwefel, in welchem Falle die Aldehydresidua
{8 — C»H»
8 — C«H».
und Thialdine. 47
3) Die Thialdine enthalten zam Theil die zweiwerthigen
Aldehydresidua^ die Radicale sind auch direct durch den
Stickstoff vereinigt, aber «s findet andererseits auch Bindung
IC*H* . S
4) Die drei Radicale sind von gleicher Function und
zweiwerthig, aber zwei werden durch Schwefel zusammenge-
{C«H* . 8H
c?H% (Baeyer,
Ann. Chem. Pharm. Suppl. V, 94).
5) Beide Schwefelatome haben die gleiche chemische
C«H* . SH
Die erste Hypothese bleibt von vornherein ausgeschlossen,
sofern das ganze Verhalten der Thialdine und die Zusammen-
setzung der Salze dagegen spricht. — Die zweite Hypothese
entspricht weder der Rückbildung der Aldehyde, noch der
Reaction des Anilins, noch derjenigen des Jods und des
Jodwasserstoffs, da sich dabei auch nicht eine Spur eines
Joddthers bildet. -~ Derselbe Umstand spricht auch zum
Theil gegen die dritte Hypothese ; ein wichtigeres Argument
gegen die Formel 3 ist aber die Form, wie darin der
Schwefel angenommen wird, und die durch diese Form be-
dingte gegenseitige Bindung der zwei Schwefelatome. Es
ist bereits oben erwähnt worden ^ dafs die geschwefelten
Aldehyde den Einwirkungen der Reagentien wenig zugäng-
lich sind und sich daraus der Schwefel nicht so leicht ab-
scheiden läfst, wie diefs bei den Thialdinen der Fall ist.
Nur ein einziger Körper bewirkt die Schwefelabscheidung
ziemlich leicht, nämlich Phosphorchlorid. Ich habe mich
fiberzeugt 9 dafs es sich mit sulfosubstituirtem Acetaldehyd
obne Schwierigkeit nach der Gleichung :
48 Schiff, über Oxyaldine
C«H*S + PCI» == C«H*C1« + PSCl»
umsetzt. Nun haben wir aber gefunden, dafs gerade Phos-
phorchlorid nur sehr schwierig auf die Thialdine einwirkt
und in der Kalte fast gar nicht. Die Formeln 4 und 5
nehmen beide die Aldehydresidua mit dem Stickstoff direct
verbunden an; in beiden befinden sich die Residua in einer
Form, welche die Rückbildung der Aldehyde ohne Schwie-
rigkeit gestattet. Aber Formel 4 nimmt den Schwefel in
zwei verschiedenen Functionen an, und zwar zum Theil in
der schwierig abscheidbaren Form. Nun ist aber bis jetzt
durchaus kein Grund vorhanden, den beiden Schwefelatomen
' verschiedene Functionen zuzuschreiben. Es empfiehlt sich
also zumeist die Formel 5, welche beitie Schwefelatome
in der leicht abscheidbaren Sulfhydrylform annimmt; auch
das Auftreten des Kohlenwasserstoffs C^H^^ bei der Zer-
setzung des Oenanthothialdins mit Anilin ist nur nach dieser
Formel leicht erklärbar.
Das Aethylenchlorür kann nach den Untersuchungen von
Hof mann mit einem Holecul Ammoniak eine Base liefern,
in welcher eine Affinivalenz des zweiwerthigen Glycolradi-
cals durch Chlor gesattigt bleibt :
(C«H*.C1
C«H*C1« + NH3 == N{ H , HCl.
IH
Die entsprechenden zweiwerthigen Aldehydresidua schei-
nen keine solche Basen bilden zu können, und diefs ist wohi
auch der Grund, weshalb das Sulfhydryl, welches sonst die
Einwirkung des Phosphorchlorids leicht zuläfst, in den Thi-
aldinen diesem Reagenz widersteht. Die Umsetzung nach der
Gleichung :
C'H**.SH + 2 PCI* = 2PSC18 + 2HC1 + Nicm»*!ci
CT!" (C'H"
kann nicht stattfinden, oder sie könnte es nur, wenn zugleich
die letztere Verbindung sich in N(C^H^^)^ und 2 HCl spaltete,
und Thialdine. 49
aber diese Spaltung scheint nur sehr schwer vor sieh zu
gehen. In der That ist es mir sehr wahrscheinlich, dafs
der dem phosphorsauren Oenanthothialdin beigemengte koh-
lenstoffreichere Körper ein wenig von der Verbindung
N(C^H^^)' gewesen ist. Auch der bei der Reduction mittelst
Jodwasserstoff erhaltene Körper kann in analoger Weise als
N(Cm")3, HJ aufgefafsl werden.
Die wahrscheinlichste Formel für die von den Aldehyden
C°irO abgeleiteten Thialdine ist also :
rc»H™ . SH
Die Bildung derselben erfolgt nach der allgemeinen
Gleichung :
3 C-H-^O + NH» + 2 H«S = C»"H»°»+*NS« + 3 H«0.
Wir kennen aus der Reihe der Thialdine bis jetzt das Aceto-,
Valero-, Oenantho-, Acro- und Benzothialdin und das Selen-
aldin. Das Acrothialdin ist das einzige, welches aufserdem
noch Wasser enthält und dessen basische Eigenschaften dagegen
sehr zurücktreten. Dem Benzothialdin fehlen die basischen
Eigenschaften. Die Bildung der Thialdine scheint eine allge-
meine Reaction der Aldehyde zu sein, aber sie ist nicht
unbedingt characteristisch für dieselben^ da das Thiacetonin
fC»H«.SH
mit der Formel N{C»h^8H ein von dem Aceton abgeleitetes
Thialdin reprasentirt. Die Isomerie des Thiacetonins mit dem
Propiothialdin findet ihren Ausdruck in den Formeln :
tcH . o lc(CH»)0 Ich . o
Aldehyd Aceton Propylaldehyd
{CH . CH« . SH rC . CH8 . CH» . 8H rCH(CH« . CH8)SH
CH . CH» . SH N ^ C . CH3 . CH» . SH N ^ CH(CH« . CH»)SH
C . CH» (C . CH» . CH« ICCCH« . CH»)
Thialdin Thiacetonin Propiothialdin.
Man hat früher das Thiacetonin wohl auch als trimethy"
lirtes Thialdin auffassen wollen; aber man sieht wohl ein,
Anoal. d. Cham. u. PliArm. VI. Sapplementbd. 1. Heft. 4
50 Schiff j über Oxyaldine
dafs es nicht in demselben Sinne als Methylsubstitot be-
trachtet werden kann^ wie etwa das Dimethylanilin in seiner
Baziehung eum Anilin.
Die allgemeine Thialdinformel deutet an, dafs die Er-
setzung des Schwefels durch Sauerstoff nur zu Oxyaldinen
fuhren kann , dafs also die Umwandlung des Acetothialdins
zu Leucfai auf diesem Wege unmöglich ist. Auch die von
Wagner aus Amylamin und Schwefelkohlenstoff dargestellte
Amylsulfocarbaminsaure steht zum Acetothialdin in keiner
Beziehung. Die Verschiedenheit in der relativen Constitution
dieser drei Körper ergiebt sich aus folgenden Formeln :
f C«H* . ßH f CS . ßH ,^„,
N^C»H» N^C^H" C*H»o|f|° __
IC«H*.SH [ H (I.U.UH
Thialdin Amylsulfocarb- Leucin
aminsäure (Amidovalcri^nsAure).
An die Thialdine schliefsen sich zwei Körper, welche
aus Aldehyd und Aceton unter gleichzeitiger Einwirkung
von Ammoniak und Schwefelkohlenstoff entstehen :
2C«H*0 + CS« + 2 NH» = C»H»W8« + 2 H«0
Carbo thialdin.
8C8H«Ü + 2C8« + 4NH» = C"H«>N«S» + H«0 -f- CS(NH*)*0*
Carbothiacetonin Aramoniamoxystüfa-
carbonat.
Auch das Oenanthol bildet mit Ammoniak und Schwefel-
kohlenstoff farblose Prismen eines ähnlichen Körpers , wel-
chem der Schwefel mit Leichtigkeit, unter Rückbildung von
Oenanthol, entzogen werden kann. Sollten diese Körper* den
Schwefel ebenfalls als Sulfhydryl enthalten, so hatten die
Formeln :
, _ /C'H« . SH
r«M^N — C«H*.ßH "/NC «
a CSC ^C^H«
\C»H« . SH
einige Wahrscheinlichkeit. Vorerst fehlen mir eingehendere
Versuche hierüber.
und Thialdine. 51
Die Thialdine geben bei der trockenen Destillation mit
Kalk ein Gemenge von KohlenwasserstoiTen , etwas Aldehyd
und von verschiedenen flüchtigen Basen. Für das Acetothial-
din ist diefs bereits von Wohl er und Lieb ig beobachtet,
welche die Base, dem damaligen Standpunkte gemäfs, ge-
radezu als Chinolin ansprachen. Im Allgemeinen sind die
bei der Zerstörung der Thialdine auftretenden flüchtigen
Basen dieselben, welche auch bei der Zersetzung der ent-
sprechenden Oxyaldine erhalten werden.
Florenz, Istituto superiore, December 1867.
Ucber die Beziehungen zwischen Molecular-
gewicht und spec. Gewicht elastisch - flüs-
siger Körper;
von Dr. Aug. Horstmann.
(Hienu Tafel I).
Der einfachste Ausdruck für die Beziehung zwischen
der Zusammensetzung gasförmiger Körper nach Gewicht
und nach Volum ist die Avogadro'sche Hypothese :
Gleiche Volume aller gasförmigen Körper enthalten bei
gleichem Druck und gleicher Temperatur gleichviel Molecule,
oder :
Die Moleculargewichte aller Körper verhalten sich wie
ihre Dichtigkeiten im Gaszustand.
Bezeichnet man mit M das Holeculargewicht und mit
D die Dichte, so ist :
M
= CoXlBt.
4<^
52 Horstmann, Beziehungen zwischen Molectdargewicht
Der Werth der Constanten ist bei den üblichen Einheiten
28^4. Wollte man allgemein bei der Bestimmung der Werthe
von M und D denselben Körper, z. B. Wasserstoff, zur Ver-
gleichung nehmen, so wäre viel einfacher M = D.
Die Beobachtung ergiebt Abweichungen von diesem Ge-
setze nach verschiedenen Richtungen. Für eine Reihe von Ver-
bindungen ist der Quotient -=r- zu klein gefunden worden.
Nach den Versuchen von Pebal*), Than **), Robinson
und Wanklyn***), Wurtzf), Erlenmeyer ff) u. A.
kann es wohl kaum mehr bezweifelt werden, dafs die Er-
klärung für diese sogenannten abnormen Drmpfdichten , die
fast gleichzeitig von H. Kopp, Cannizzaro und Kekule,
veranlafst durch eine Beobachtung von H. Sainte-Claire
Deville, gegeben wurde^ richtig ist. Die betreffenden Kör-
per können nicht unzersetzt in Dampf verwandelt werden.
Ihr Dampf besteht aus einem Gemenge der Zersetzungspro-
ducte. Sie können als Beispiele dienen für den allgemeinen
Satz, dafs die Verbindungsgesetze, die eine Atomgruppe
(Molecule) zusammenhalten, sich andern mit dem Aggregat-
zustand und überhaupt mit den physikalischen und chemischen
Bedingungen.
Für einige Elemente findet sich der Quotient zu grots;
die Dichte bleibt aber innerhalb gröfserer Temperaturinter-
valle constant (Phosphor und Arsen), und der Relation, welche
die Avogadro'sche Hypothese ausspricht, wird genügt
durch die Annahme, dafs die Molecule dieser Körper in Gasge-
*) Ann. Chem. Pharm. CXXIII, 199.
♦*) Daselbst CXXXI, 129.
•*•) Daselbst CXXVII, 110.
t) Daselbst CXXXIV, 314 und GXL, 161.
tt) Daselbst CXXXI, 124.
und apec. Gewicht elastisch'-^ flüssig er Körper, 53
8lalt statt aus 2, aus 4 Atomen besteben. Das Molecul des
Schwefeldampfes besteht unter 500^ sogar aus 6 Atomen,
es zerfällt aber in höheren Temperaturen, die Dichte nimmt
ab, bis sie der normalen Condensation entspricht.
Man hat weiter bei einer Anzahl organischer Körper
die Erscheinung beobachtet, dafs sich die Dampfdichte bei
niederen Temperaturen zu grofs ergiebt, so dafs man auf
eine unrichtige Condensation schliel^en könnte, und dann
mit steigender Temperatur abnimmt, bis sie der normalen
Condensation entspricht. So fand z. B. Dumas die Öichte
des Essigsauredampfes = 2,7, was einer Condensation auf
3 Volume ungefähr entspräche. Cahours wies aber nach,
dafs man gegen 230^ die richtige Dichte erhält. Von dieser
Temperatur abwärts wächst die Dichtigkeit, ohne aber den
doppelten Werih zu erreichen» Die Versuche von Cahours
sind nach Dumas* Methode ausgeführt, also bei constantem
Druck. Bineau *) stellte ähnliche Beobachtungen nach
einer Methode an, die im Wesentlichen mit der Gay-Lus-
sac'schen übereinkommt, und konnte dabei auch Verände-
rungen der Dichte mit dem Drucke constatiren. Ich habe
aas später anzuführenden Gründen für die Essigsäure einige
weitere Versuche nach der ausgezeichneten Methode von
Bansen gemacht. Die beifolgenden Tabellen geben aus
allen vorhandenen Daten ein Bild der Veränderungen der
Dampfdichte bei diesem Körper.
Dichte des Essigsäuredampfes.
B ine au.
Dichte
8,88
3,76
8,72
*) Ann. chim. pbys. [8] XVIU.
Temp.
SpaoDkraft
11,6«
3,7=™
19,0
4,0
21,0
•
*A
54 Borstmann, Beziehungen zioischen MoUculargetoicht
Temp.
12,00
Spannkraft
Dichte
8,92
20,0
5,6
3,77
24,0
5,7
3,70
80,0
6,0
8,60
20,0
8,6
8,88
22.0
8,6
8,86
20,5
10,0
8,96
28,0
10,0
3,76
86,0
11,2
8,64
86,6
11,3
8,62.
r
Femp.
160
•
Ddaz. cL Spannkraft
22
14,6
82
28,0.
Gabours
Horstmann
Temp
1260
).
Dichte
8,20
Temp.
128,60
Dichte
3,079
180
8,12
181,8
8,070
140
2,90
184,3
8,108
160
2,76
160,3
2,649
160
2,48
165,0
2,647
171
2,42
181,7
2,419
190
2,80
288,6
2,195
200
2,22
264,6
2,185
219
2,17
280
2,09
250
2,08
280
2,08
800
2,0B
821
2,08
827
2,08
888
2,08.
.Den Angaben von Bineau ist für einige Versochs-
temperaturen das Maximum der Spannung beigefugt, damit
man sehen kann, wie weit der Dampf von demselben entfernt
war. Die Beobachtungen Cahours' sind auf Taf. I, Fig. 2
und apec, Oewicht elastisch^ flüssig er Körper. 55
noch graphisch dargestellt and die von mir gefundenen
Sohlen in dasselbe Coordinatennetz eingetragen worden.
Ein ahnliches -Verhalten wie bei der Essigsäure wurde
auch bei anderen Gliedern der Fettsäurereihe s ferner bei
einigen ätherischen Oelen u. s. w. nachgewiesen. Ca-
hours*) hat zu zeigen versucht, dafs auch bei den Deri-
vaten solcher Korper jene Eigenschaft einer veränderlichen
Dichte noch zu finden ist, wenn eine Substitution in dem
Badical stattgefunden hat; sie soll jedoch verschwinden,
wenn der extraradicale Wasserstoff vertreten ist.
Es ist für einige dieser Körper auch die Ansicht aus-
gesprochen worden, dafs wie bei dem Schwefel der Dampf
derselben zuerst gröfsere Molecule enthalte. Für die Essig-
säure stützten Play fair und Wanklyn **) z. B. diese
Hypothese auf Dichtebestimmungen bei Temperaturen unter
deta Siedepunkt, wobei der Dampf mit einem permanenten
Gase gemischt war. Die erhaltenen Zahlen liegen dem dop-
pelten Holeculargewicht noch näher als die oben angeführ-
ten, erreichen es jedoch ebenfalls nicht vollständig. Man
kann für jene Ansicht ferner die Eigenschaft dieser Säure
anführen, doppelt-saure Salze zu bilden, indem dadurch be-
wiesen wird, dafs die Molecule derselben auch im nicht gas-
förmigen Zustand leicht sich zu Gruppen vereinigen.
Die Dichte dieser Körper wäre nach dieser Hypothese,
wie bei dem bromwasserstoffsauren Amylen^ veränderlich
in dem Temperaturintervall , in welchem sich die gröfseren
Molecule zerlegen.
Indessen kann man andererseits die veränderliche Dampf-
dichte einfach aus der Annahme ableiten, dafs der Dampf
dem G a y- Lu SS ac-Hariotte 'sehen Gesetze nicht folgt.
•) Ann. Chem. Pharm. CXXYU, 68.
*») Daselbst CXXII, 247.
■.h.'^-«<P"
56 Horstmann, Beziehungen zwischen Molecular gewicht
Denn die Dichte kann nur constant sein, so lange der Dampf
jenem Gesetze gehorcht, wie schon hervorgehoben worden ist.
Um zu entscheiden, welche von beiden Ansichten rich-
tiger, ist es nothig zu untersuchen, ob sich der Essigsaure-
dampf wesentlich von anderen Dämpfen verschieden verhält
Schon der Entdecker des Ausdehnungsgesetzes der
Gase, Gay-Lussac, hat beobachtet*), dafs sich das Volum
des Aetherdampfes in der Nähe des Siedepunktes rascher
ändert, als das Volum eines .anderen Gases. Nach ihm
machte Cagniard de la Tour einige hierher gehörige
Versuche, auf die ich unten zurückkommen werde. Sie
zeigten namentlich auch den Einflufs des Drucks auf die
Dampfdichte. Später wurde es, besonders nach den schon
angeführten Untersuchungen von Cahours und Bineau,
zur empirischen Regel, die Dampfdichte bei Temperaturen
mindestens 30 bis 40^ über dem Siedepunkt zu bestimmen,
weil sich bei allen Dämpfen die Dichtebestimmung in der
Nahe jener Temperatur unsicher zeigte.
Genauere Untersuchungen dieser Erscheinung liegen
jedoch nur von Regnault**) für den Wasserdampf vqr,
deren Resultat in der folgenden Tabelle enthalten ist :
Wasser,
Temp.
Spannung
Dichte
30,8<>
32,1™°»
0,647
81,2
32,6
0,638
31,5
33,2
0,628
32,4
38,5
0,625
37;o
34,2
0,621
41,5
84,6
0,622
41,8
34,6
0,623
45,8
35,2
0,620
48,4
35,5
0,620
65,4
36,2
0,621.
*) Ann. chim. XHII, 173.
**) M^m. de TAcad. XXVI, 700.
und spee. Gewicht elastisch^flüssiger Körper, 57
Ich hatte mir zur Aufgabe gemacht, die Aenderungen
der Dichte einiger Dämpfe genauer zu untersuchen, und
führte zu diesem Zweck auf Veranlassung des Herrn Prof.
Landolt in Bonn in dessen Laboratorium einige Versuchs-
reihen aus, nach einer Methode, die im Princip der 6a y-
Lussac'schen gleichkommt. Der Apparat bestand im
Wesentlichen aus einer U förmigen Röhre, die an der Bie-
gung auseinander genommen und nach dem Füllen mit
Queckstiber und Einbringen des Substanzkugelchens zusam-
mengesetzt werden konnte. Bei einigen Versuchen waren
die beiden Röhrenstucke auf einander geschoben und einge-
schliffen, bei anderen war die Verbindung durch Caoutchouc
hergestellt. Der Druck konnte in dem offenen Schenkel
durch eine Hebervorrichtung oder durch eine Luftpumpe
geändert werden; im letzteren Falle diente zur Messung
desselben ein besonderes Manometer. Gewöhnlich wurde
Druck und Volum direct an den auf den Röhren angebrachten
Skalen abgelesen. Die Erwärmung geschah in einem grofsen
Wasserbade oder bei einigen Versuchen in einem grofsen
Luftbade. Die Temperatur wurde durch ein Luflthermometer
gemessen, das ganz dieselbe Einrichtung hatte wie die Sub-
stanzröhre und symmetrisch mit derselben aufgestellt war.
Mehrere Quecksilberlhermometer controlirten seine Angaben.
Ich unterlasse an dieser Stelle eine genauere Beschreibung
der Versuche, und gebe in folgenden Tabellen nur einige
der erhaltenen Resultate.
L Schwefelkohlenstoff,
Temp.
Druck
Dichte
46,0<>
721,4°^
2,711
49,9
789,5
2,695
49»8
781,7
2,685
55,7
798,7
2,687
54,8
729,1
2,681
58 HoTstmanny Beziehungen zwischen Moleculargewickt
Temp.
Druck
Dichte
60,2»
801,0«^
2,684
60,1
781,0
2,672
65,2
805,4
2,677
65,6
788,8
2,704
70,6
814,0
2,676
72,3
764,0
2,672.
IL Schwefelkohlenstoff.
Temp.
Druck
Dichte
47,90
759,8™
2,710
48,6
767,1
2,704
52,0
765,6
2,707
54,7
755,8
2,706
58,7
754,7
2,708
62,7
755,8
2,699
66,8
758,1
2,699
72,0
758,9
2,696
76,5
754,6
2,689
85,7
765,1
2,686.
in. Schwefelkohlenstoff.
Temp.
Druck
Dichte
60,70
756,1"™
2,691
71,8
768,6
2,686
86,8
754,4
2,678
93,1
761,8
2,662
95,1
822,2
2,682
103,6
761,5
2,655
115,8
752,0
2,665
127,6
765,1
2,660
186,0
772,7
2,661.
IV. Schwefelkohlenstoff.
Temp.
Druck
Dichte
46,1»
748,8«»
2,788
—
718,9
2,697
und spec. Gewicht elastiach^flüssiger Körper. 59
Temp. ^
46,1»
Druck
698,6™»
Dichte
2,709
—
678,0
2,702
—
663,1
2,697
—
621,8
2,696.
V. Schwefelkohlenstoff.
Temp.
Druck
Dichte
650
871,0™»
2,713
—
844,2
2,711
—
827,0
2,672
—
784,6
2,704
—
745,0
2,698
«
711,1
2,692
1
678,0
2,692
1
638,5
2,691.
VI. Schwefelkohlenstoff,
Temp.
Druck
Dichte
116,20
665,9»^»
2.632
118,9
695,9
2,658
119,6
891,7
2,665
119,2
1040,8
2,668
119,2
1110,4
2,676
118,9
1194,6
2,649
117,5
1443,3
•
Vn. Aether.
2,703.
Temp.
Druck
Dichte
37,40
748,8=^"»
2,690
87,2
646,7
2,661
41,5
747,4
2,672
41,0
650,6
2,657
45,5
741,6
2,660
45,2
642.7
2,645
50,0
742,9
2,657
60 Horsimannf Beziehungen zwischen Molecular gewicht
Temp.
50,00
Druck ^
646,9™"» •
^ Dichte
2,637
55,5
652,6
2,634
60,1
658,6
2,626
66,6
664,2
VIII. Aether.
2,623.
Temp.
36,40
Druck
747,2"»"»
Dichte
2,682
42,2
746,7
2,670
45,2
747,2
2,658
50,1
747,9
2,656
54,6
748,0
2,647
58,6
746,3
2,646
60,0
746,7
2,646
65,1
747,4
2,638
70,1
746,7
2,634
74,8
746,3
2,630.
Man .sieht besonders in den Versuchsreihen II, III
(Schwefelkohlenstoff) und VIII (Aether) die Veränderungen
bei constantem Druck mit der Temperatur, und bei IV, V
und VI bei constanter Temperatur mit dem Druck. Es er*
giebt sich jedoch sofort aus der Unregelmäfsigkeit der Diffe-
renzen, dafs eine Gesetzmäfsigkeit aus diesen Zahlen nicht
abgeleitet werden darf. Mit allen anderen bisher üblichen
Methoden der Dampfdichtebestimmung theilt die angewendete
den Mangel, dafs die Temperatur nur äufserst schwierig
einige Zeit constant erhalten werden kann. Es wäre aber
sehr wohl denkbar , dafs ein Dampf erst bei längerer Ein-
wirkung der Warme das der Temperatur ent3prechende
Maximum der Spannung erreichte.
Bei den angestellten Versuchen waren überdiefs die
Grenzen zu enge. Das W^asserbad konnte nicht über 85^
erhitzt werden, ohne ein Zerspringen seiner Glaswände
und spec. Gewicht elastisch^ flussig er Körper, 61
befürchten zu müssen^ und bei dem Luftbad war die Regu-
lirung der Temperatur zu schwierige um genaue Resultate
erhalten zu können.
Die inzwischen von Bunsen*) beschriebene Methode
gestattet solche Fehlerquellen mit Leichtigkeit zu vermeiden.
Sie bot mir daher ein werthvolles Mittel zur Fortsetzung
meiner Versuche. Herr Geheime-Rath Bunsen hatte die
Gute, mich persönlich in die Handhabung seiner Methode
einzufuhren und mich auch während der Ausführung der
Versuche durch seinen freundlichen Rath zu unterstützen,
wofür ich ihm hiermit meinen besten Dank sage.
Das von Bunsen beschriebene Verfahren wurde im
Wesentlichen vollständig eingehalten. Kleine Abänderungen
werden im Folgenden erwähnt.
Die zu den VeriSuchen angewendeten Substanzen waren
Aether, Wasser und Essigsäure.
Der Aether war durch SOmaliges Waschen mit Wasser
gereinigt^ durch 2monatliches Stehen über Kalk getrocknet
und destillirte bei 34^6 bis 35«,0 unter 743,7™'" Druck.
Das Wasser war frei aufgefangenes Regen wasser, aus
einer Glasretorte destillirt, das mittlere Drittel des Destillats
wurde verwendet.
Die Essigsäure war von Merck in Darmstadt bezogen
and von mir durch Umkrystallisiren noch weiter gereinigt
worden. Sie zeigte einen Schmelzpunkt von 14^,0.
Ich wendete zwei Sätze von Gefäfsen an. Die bei dem
Aether und der Essigsäure verwendeten fafsten 198,45 CC,
die bei dem Wasser 335,26 CC. Es wurden jedesmal circa
30 CG. Substanz zum Verdampfen gebracht.
Meine Versuche sollen zunächst zeigen, dafs auch bei
*) Ann. Chem. Pharm. CXLl, 273.
62 Horstmanrif Beziehungen zwischen Molecidargewicht
längerem Erhitzen der Dampf in der Nähe des Condensations-
punktes eine mit der Temperatur veränderliche Dichte zeigt.
Zu diesem Zweck wurde jedesmal auf eine Temperatur er-
hitzt weit über diejenige, bei der der Dampf gewogen wer-
den sollte , und dann gewartet , bis sich nach vollständigem
Verdampfen der Hals des Gefäfses durch einen Flüssigkeits-
faden verschlossen hatte *). Dann liefs man langsam die
Temperatur sinken. Der Flüssigkeitsfaden wurde dadurch
zurückgesaugt und bei dem erhitzten Drahte d in dem Mafse
in Dampf verwandelt, als es nöthig war, um das Dampfvolum
in dem Gefäfs constant zu erhalten. Um den verschliefsen-
den Flössigkeitsfaden zu ergänzen (er verdampft bei leicht-
flüchtigen Körpern auch nach der andern Seite; selbst wenn
man die Wärmestrahlung von dem Apparat durch Schirme
möglichst verhindert), war an dem, zur Ableitung der Dämpfe
nach dem Condensationsgefäfs dienenden Rohre c b (Taf. I,
Fig.*3) in der Gegend f nach oben ein seitliches kurzes
Röhrchen angesetzt, durch welches von der Flüssigkeit mit
einem Tropfglase nachgefüllt werden konnte. Durch ein
Glashütchen war die OefTnung gewöhnlich verschlossen.
Die Temperatur, für welche die Bestimmung ausgeführt
werden sollte, wurde dann 40 bis 50 Minuten so constant
gehalten, wie es allein durch den Bunsen'schen Thermo-
staten möglich ist. Um bei diesem Apparate mit weniger
Lampen höhere Temperaturen zu erreichen , ist es zweck-
mäfsigi denselben noch mit einer dritten Hülle von Eisenblech
zu umgeben, die von dem äufseren Kupfercylinder etwa 6
bis 8 MH. absteht. Sie besteht aus zwei Hälften, die von
beiden Seiten über den Apparat geschoben und vom und
hinten durch übergreifende Deckel zusammengehalten werden.
*) Vgl. Ann. Chem. Pharm. CXLI, Taf. II.
und spec. Gewicht elastisch^ flüssig er Körper, 63
I. Aeiker,
Temp. Druck Dichte
89,7 762,9 2,649
46.1 764,5 2,662
52.2 740,5 2,639
58,7 745,0 2,651
66,1 754,8 2,649
81,1 762,6 2,610
93,1 762,4 2,603
102,8 756,2 2,597
115,3 755,8 2,578
130,6 756,7 2,588
132,6 742,5 2,566
204,5 757,1 2,565.
Die Zahlen der Tabelle I sind auf Taf. I, Fig. 1 zur
graphischen Darstellung der Veränderlichkeit der Dichte be-
nutzt. Der wahrscheinlichste Gang der Veränderung ist
durch die Curve angezeigt.
Der Curve entspricht die Formel
D = 2,528 + '-ij^ - ^^
deren Constanten nach der Methode der kleinsten Quadrate
berechnet sind. Die Tabelle II enthält die durch diese For-
mel gegebenen Dichten für gleiche Temperaturintervalle.
II.
Aether,
Temp.
Dichte
40
2,660
50
2,644
60
2,630
70
2,618
80
2,610
90
2,602
100
2,595
110
2,590
120
2,585
130
2,581
64 Horstmanriy Beziehungen zmschen Moleculargewicht
Temp.
Dichte
140
2,578
150
2,576
160
2,672
170
2,670
180
2,§68
190
2,666
200
2,565.
theor.
2,567
111.
Wasser.
Temp.
Druck
Dichte
108,8
752,7
0,653
129,1
740,3
0,633
175,4
764,1
0,625
200,2
766,9
0,626.
Die Abweichnngfen erstrecken sieb weniger weit als bei
dem Aelher und habe ich sie deshalb vorlaufig nicht weiter
verfolgl.
Es ergeben sich, nach einer ähnlichen Formel wie bei
dem Aether , für gleiche Temperaturintervalle die Zahlen,
welche die Tabelle IV enthält.
IV.
Wasser.
Temp.
Dichte
100
0,667
HO
0,648
120
0,640
180
0,633
140
0,628
150
0,625
160
0,625
170
0,625
180
0,625
190
0,625
200
0,625.
theor.
0,622
und spec. Oewicht elastisch^ flüssig er Körper. 65
Es ist zu beachten 9 dafs der Dampf bei 129^,1 noch
keine constante Dichte zeigt, während seine Tension zu dem
der Temperatur entsprechenden Maximum der Spannung sich
verhält wie 740,3 : 2010.5 = 0,368 : 1. R egnault folgerte
aus der weiter oben angeführten Tabelle, dafs der Wasser-
dampf sich wie ein permanentes Gas verhält, wenn seine
Spannung 0,8 von dem der Temperatur entsprechenden
Maximum ist. Er beschrankte jedoch diese Behauptung auf
das Verhalten bei dem niederen Druck und den niederen
Temperaturen, die er bei seinen Versuchen angewendet, und
mit Recht, wie meine Versuche für den Druck einer Atmo-
sphäre beweisen. Es wird die Beschrankung in den Lehr-
buchern der Physik hier und da übersehen.
V. Essiijüäure.
Texnp.
Druck.
Dichte.
128,6°
752,9
8,079
131,3
754,1
3,070
134,3
748,8
3,108
160,3
751,6
2,649
165,0
754,1
2,647
181,7
749,7
2,419
233,5
762,8
2,195
254,6
747,2
2,135.
Die Curve auf Taf. I, Fig. 2 ist, in einem kleineren
Mafsstabe als bei dem Aether, nach den Beobachtungen von
Cahours conslruirt. Die von mir erhaltenen Zahlen sind
in demselben Coordinatennetz durch Sternchen angedeutet.
Sie liegen offenbar in einer ähnlichen Curve , die etwas
höher läuft, ein Unterschied, der wahrscheinlich durch das
Material bedingt ist.
Die Wahrscheinlichkeitsrechnung lieferte daraus die Con>
stanten folgender Interpoiationsformel, die zur Berechnung
der Tabelle VI diente :
66 Horstmann, Beziehungen zwischen Motecular gewicht
T. \ Ao, X 124,7 , 12000
— A|-X«/*
i rp 1 rpl
VI.
Essigsättre,
Temp.
Dichte.
1200
3,308
130
8,100
140
2,984
150
2,795
160
2,679
170
2,680
180
2,494
190
2,419
200
2,854
210
2,297
220
2,246
280
2,200
240
2,159
250
2,122.
theor.
2,078
Die Dichtebestimmung bei 160",3 ist mit einem Gefäfse
angestellt, dessen innere Oberfläche durch hineingebrachte
dünne Glasröhren etwa 5mal vergröfsert war. Die gefundene
Zahl ist nur innerhalb der Fehlergrenzen von dem der Tem-
peratur entsprechenden Werthe verschieden. Man sieht daraus,
dafs eine Condensation des Dampfes auf den Wanden bei der-
artigen Versuchen nur einen unmerklichen Einflufs hat *).
Wenn man die Möglichkeit der Annahme zugiebt, dafs
der Dampf der Essigsaure in der Nähe des Condensations-
punktes complicirtere Molecule enthält als bei höheren Tem-
peraturen, so schien es mir um so wahrscheinlicher, dafs
längere Einwirkung der Wärme die Dichte kleiner machen
könne. Ich erhitzte daher bei allen Versuchen mit Essigsäure
•) Vgl. Cahours, Ann. Chem. Pharm. CXXVIII, 68.
und spec. Gewicht elastiach-^fläsaiger Körper. 67
auf 230^, bei welcher Temperatur die Dichte fast normal ist,
und fing erst an auf die Versuchstemperatur abzukühlen,
nachdem Alles verdampft war. Die Versuchstemperatur
wurde dann eine volle Stunde constant erhalten. Dennoch
liegen die beobachteten Dichten auf einer Curve wie die von
Cahours.
Durch das Experiment läfst sich also zwischen dem
Verhalten verschiedener Dampfe^ die unzersetzt flüchtig sind,
in Bezug auf die Veränderlichkeit der Dichte nur ein quan-
titativer Unterschied erkennen.
Weiter folgt aus den Beobachtungen von Cagniard
de la Tour*), dafs die Gröfse der Veränderungen der
Dampfdichte bei einem bestimmten Körper von Druck und
Temperatur abhangig ist.
Cagniard de la Tour erhitzte die zu verdampfende
Flüssigkeit in einem verschlossenen Gefafs, in welchem der
Druck gemessen werden konnte. Eine gewisse Menge Aelher
verwandelte sich z. B. unter solchen Umständen bei 187^
vollständig in Dampf, der einen Druck von 37,5 Atmosphären
20
ausübte. Der Dampf nahm ein ymal gröfseres Volum ein^
als der flussige Aether. Die Dichtigkeit des Aetliers ist nun
0,72, daher war die des Dampfes 0,25 bezogen auf Wasser
oder 8,15 bezogen auf Luft von gleicher Temperatur und
gleichem Druck. Die Dampfdichte war also in diesem Bei-
spiel über 3mal gröfser als die theoretische 2,56. Die Ab-
weichung ist gröfser als man sie bei dem Schwefel annehmen
müfste, wenn man dessen abnorme Dampfdichte auf ähnliche
Weise erklären wollte, und viel gröfser als man sie bei
irgend einem andern Dampf bei gewöhnlichem Druck beob-
achtet hat. Wenn man für den Aether die Dampfdichte für
verschiedene Temperaturen unter einem Drucke von 37,5
*) Ann. cbim. phys. XXI u. XXII.
5*
68 HorstmanUy Beziehungen zvnschen Moleculargewicht
Atmosphären bestimmen könnte, so fände man sie jedenfalls
veränderlich in einem gröfseren Temperaturintervall, als bei
der Essigsäure unter gewöhnlichem Druck.
Wenn die Gröfse der Abweichung aber bei demselben
Körper von den physikalischen Bedingungen abhängig ist,
so wird die Gröfse der Abweichung bei verschiedenen
Dämpfen unter dem gleichen Druck durch die Natur der
Körper bestimmt. Es verändert sich die Dichte aller Gase
mit Druck und Temperatur, wenn auch nur wenig; die mei-
sten Gase können zu Flüssigkeiten verdichtet werden, und
die Dämpfe aller untersuchten Flüssigkeiten zeigen in der
Nähe des Siedepunktes eine veränderliche Dichte. Die Ab-
weichung ist bei den meisten Dämpfen schon 30^ bis .40^
über dem Siedepunkt verschwindend klein ; bei einigen andern,
darunter der Essigsäuredampf, ist sie noch 100^ über jener
Temperatur bemerkbar.
Nun kennen wir aber in dem bromwasserstofTsauren
Amylen einen Körper , der eine veränderliche Dichte zeigt,
die sicher ihren Grund in einer mit der Temperatur fort-
schreitenden Zersetzung hat. Auf Taf. I, Fig. 2 ist die Ver-
änderlichkeit der Dichte für diesen Körper nach den Angaben
von Wurtz graphisch dargestellt Die Vergleichung der
Curve mit derjenigen für Essigsäure zeigt einen bestimmten
. Unterschied. Die erstere ist am Anfang und Ende mit der
Abscissenaxe parallel, eine gerade Linie^ und ändert in ihrem
Verlaufe den Sinn ihrer Krümmung, eine Eigonthumlichkeit.
die sich wohl überall da angedeutet finden mufs, wo eine
Zersetzung die Ursache der veränderlichen Dampfdichte ist*).
*) Die Angaben von Deville und Troost (Compt. rend. LXIV, 237)
über den Dampf der Untorsalpeters&ure lassen deutlich den in
Rede stehenden Verlauf der Curve der Veränderlichkeit erkennen.
Die UntersalpetersAure zersetzt sieb mit steigender Temperatur
und zwar geht, wie bei dem bromwasserstoff^auren Amylen, in
und apec. Gewicht elastisch flüssiger Körper. 69
Die Curven für Essigsäure und Aether sind im ganzen Ver-
lauf convex 'gegen die Abscissenaxe.
einem bestimmten Temperaturinteryall die Zersetzung am Schnell-
sten vor sich. Daher das Maximum des AusdehnungscoSfficienten,
über das sich Deville und Troost so sehr wundem.
In ihrer Tabelle für die Ausdehnungsooefficienten der Unter-
salpetersAure geben Deville und Troost zwischen den drei
letzten Beobachtungen 100^ = 100 a = 0,367. Dieser Werth
ist offenbar nicht mehr berechnet. Denn die angewendete For-
V — V 1 1
mel ß = — Y" - -^ (der Factor — ist in den Compt. rend. weg-
gelassen) mit den Werth en Yon Y aus der Tabelle ergiebt für
ß zwischen jenen Beobachtungen Zahlen, die kleiner sind als a»
wie man in der beigefögten vervollständigten Tabelle sieht
Uniersalpetersdure nach Deville und Troost.
Temp. Dichte. V.
26,7
2,65
820,36
35,4
2,53
345,12
39,8
2,46
360,42
49,6
2,27
403,33
60,2
2,08
454,95
70,0
1,92
505,85
60,6
1,80
556,37
90,0
1,72
597,22
100,1
1,68
629,23
111,8
1,65
660,29
121,6
1,62
688,74
135,0
1,60
723,84
154,0
1,58
664,40
163,2
1,57
824,77
*\/v a *■
--^^/'-l+at
0,888
0,384
1,008
0,325
1,215
0,320
1,207
0,310
1,137
0,300
0,946
0,291
0,781
0.283
0,531
0,275
0,441
0,268
0,422
0,260
0,378
0,253
0|295
0,245
0,270
0,234
So lange aber die Dichte des Dampfes noch abnimmt, könnte
ß nicht kleiner als a werden, wenn die Definition von ß in
obiger Formel die gleiche wäre, wie sie das Gay-Lussac'sche
Gesetz für a giebt. Der AusdehnungscoSfficient a bedeutet die
Yolumzunahme f(ir 1^ Temperaturerhöhung in Bruchtheilen des
Volums bei 0^, dieses gleich / geselUf während in obiger Formel
das Volum bei t^ (bei der niederen Temperatur) gleich 1 gesetzt
und ß in Bruchtheilen dieser Einheit ausgedrückt wird. Man
sieht den Unterschied zwischen beiden Definitionen sofort, wenn
man für V in die von Deville und Troost angewendete For-
mel die nach dem Gay-Lussa ersehen Gesetz berechneten Vo-
70 Horstmann, Beziehungen zwischen Molecuiargewicht
FQr die Dampfe der meisten Körper scheint es mir nach
dem Vorhergehenden wahrscheinlicher, dafs die gröfsere
lame V und Y^ einBotzt, iRrelche von derjenigen Menge eines
permanenten Gases bei t und t' erfüllt werden, die bei 0^ die
Yolameinbeit einnimmt. Es ist, gleicben Druck vorausgesetzt,
V = 1 + at,
V» = 1 + a t*
__ V'~- V £ _ (l + gt*) — (l + gt) _1
^ ■" t* — f V"" t» — t • i + af
^ " 1+ af
Man erbftlt einen von t abhängigen Ausdruck , der nur für
t = 0^ y^ = « giebt, für t = 1540 aber nicht ^ = a geben
kann. Die letzte Columne der beigefügten Tabelle enth< die
danach bereohneten Werthe von ß für ein permanentes Gas bei
den betreffenden Temperaturen , und mit diesen Werthen kann
man allenfalls die Zahlen von Deville und Troost verglei-
chen, nicht aber mit a. Es findet sich dann, wie es sein mufs,
ß für den Dampf, so lange dessen Dichte abnimmt, grOlker als
iilr das permanente Gas.
Die Werthe von ß sind auch unter einander nicht vergleich-
bar, da sie sich auf verschiedene Einheiten beziehen. Man kann
die mittlereren Ausdehnungsco&fficienten, die sich aus der Formel
_ V^-V 1
P — ti — t ' V
berechnen, nur mit einander vergleichen, so lange man für V
und folglich auch für t denselben Werth beibehRlt, d. h. nur für
Temperaturintervalle, die von derselben Anfangstemperatur ge-
rechnet sind. Einen Ausdehnungscoöfficiente n , der mit a ver-
gleichbar ist und in irgend welche andere Rechnungen einge-
führt werden kann, erhält man für einen Dampf, dessen Volum-
änderung nicht als lineare Function der Temperatur dargestellt
dV
werden kann , offenbar nur aus dem Differentialquotienten j— .
Eine Berechnung desselben scheint mir aber hier überflüssig, da
die unregolmAfsige Voluro&nderung eben so g^t durch die Ver-
änderlichkeit der Dichte veranschaulicht wird.
Man berechnet die Dichtigkeit eines Gases bei einer bestimm-
ten Temperatur durchaus nicht, wie Deville und Troost
angeben, unter der Annahme, dafs der Dampf den normalen Aus-
dehnungscoSfficienten a besitzt und dafs er dem Mariotte^schen
Gesetze folgt. Das spec. Gewicht eines Gases wird überall de6-
nirt als das Verhältnifs der Gewichte gleicher Volume des Gases
und spee. Gewicht elaatisch^flüssiger Körper, 71
Dichte in der Nähe der Siedetemperatur nicht durch die
Bildung von complicirteren Holeculen oder von Molecul-
gruppen veranlafst wird. Die veränderliche Dichte roufs
daraus erklärt werden, dafs der Dampf nicht dem Gay-
Lussac-Mariotte'schen Gesetze folgt, oder, wenn man
sich eine Vorstellung mit Hülfe der Moleculartheorie bilden
will, dadurch, dafs die mittlere Entfernung der Molecule
in Folge von gegenseitigen Anziehungen kleiner wird, als
bei gleichem Druck und gleicher Temperatur in anderen
Gasen, die dem Gay-Lussac-Mariotte'schen Gesetze
gehorchen.
Aus den vorstehenden Betrachtungen ergeben sich die
Bedingungen, unter welchen eine Dampfdichtebestimmung
zur Berechnung des Moleculargewichtes vermittelst der A v o-
gadro'schen Hypothese verwendet werden darf.
Die Dichtigkeit mufs vor allem während eines gröfseren
Temperaturintervalles constanl bleiben. Findet man bei einem
Dampf aber eine veränderliche Dichte, so ist zu untersuchen,
ob die Veränderlichkeit auf einer Zersetzung beruht. Kann
eine Zersetzung nachgewiesen werden, so mufs die Dampf-
dichte, wenn möglich, unter der Temperatur, bei der die
Zersetzung beginnt, genommen werden.
and der atmosphärischen Luft bei gleicher Temperatur und glei-
chem Druck. Ist demnach G das Gewicht des Gases von dem
Yolum y bei dem Druck P und der Temperatur t, so hat man :
G
D =
0,001293
1 + o t 760
G und Y werden durch das Experiment bestimmt und der
AusdehnungscoSfficient des Gases kommt in der Formel nicht
Tor, ebensowenig wird eine Annahme Über dessen Verhalten
gegen den Druck gemacht. Wenn sich aber das Volum des
Gases nach einem andern Gesetze ändert, als nach dem Gay-
Lussac-Mariotte'sohen, so seigt sich diefs in einer Veränder-
lichkeit der Dichte mit Druck und Temperatur.
72 Borstmann, Beziehungen zwischen Molecular gewicht
Ist die Dichte aber veränderlich, weil der Dampf wie
meistens in der Nähe des Siedepunktes nicht dem Gay-
Lussae-Mariotte'schen Gesetze folgt, was man schon
aus der Gestalt der Curve der Veränderlichkeit, wie oben
bemerkt, erkennen kann, so mufs die Temperatur so lange
erhöht werden, bis die Dichligkeit constant wird.
Der Werth einer Dampfdichte zur Bestimmung des
Moleculargewichtos richtet sich danach, wie weit man sich
versichern kann, ob jene Bedingungen erfüllt sind. Selten
darf man sich auf die Dampfdichte allein verlassen. Nur
die Uebereinstimmung zwischen dem auf physikalischem und
dem auf chemischem Wege gefundenen Moleculargewicht
gewährt Sicherheit.
Ich glaube schliefslich noch eine Folgerung anderer
Art, die sich aus meinen Versuchen ergiebt, nicht unerwähnt
lassen zu sollen. Die Formeln der mechanischen Wärme-
theorie gestatten bekanntlich aus der Verdampfungswärme r
und der Spannung p resp. dem Differentialquotienten -r^, die
Dichtigkeit eines gesättigten Dampfes zu berechnen. Man
hat nämlich :
worin s das Volum der Gewichtseinheit des gesättigten Dam-
pfes, a das Volum der Gewichtseinheit Flüssigkeit, A das
Wärmeäquivalent der Arbeit und T die absolute Temperatur
bedeuten. Es ergiebt sich daraus D für Aether 2,567 und
für Wasser = 0,640, für den Druck einer Atmosphäre ♦).
Wenn man die Curve, welche ich für die Veränderung
der Dichte mit der Temperatur bei dem Druck einer Atmo-
*) Zenner, Grundzüge der mech. Wärtnetheorie. 1866. S. 290.
und spec. Gewicht elastisch^ ftiissig er Körper, 73
Sphäre fand, verlängert bis zur Siedetemperatur, so erhält
man auch einen Werth für die Dichtigkeit des gesättigten
Dampfes. Ich finde für Aetlier 2,67, für Wasser 0,66 etwa,
welche Zahlen wohl eher kleiner, denn gröfser als die wahren
Werthe sein werden. Für beide Körper sind aber die Werthe
gröfser, bei dem Aether ziemlich beträchtlich^ als obige
Formel verlangt. Da die geringen Fehler, mit welchen A
und -.^ etwa behaftet sind, bei weitem nicht ausreichen diese
Differenzen zu erklären^ so mufs der Grund derselben wohl
in r liegen, r wird bestimmt aus der Gleichung :
t
r = A — /cdt
o
X bedeutet die Gesammtwärme , die nöthig ist, um die
Gewichtseinheit Flüssigkeit von 0^ in Dampf von \^ zu ver-
t
wandeln und wird durch den Versuch bestimmt. CcAx stellt
o
die s. g. Flüssigkeitswärme dar, die zur Erwärmung der
Flüssigkeit von 0^ auf t^ verbraucht wird, ehe die Verdam-
pfung beginnt. Die Differenz zwischen beiden Wärmemengen
wird als Verdampfungswärme betrachtet. Der Sinn der Nicht-
übereinstimmung zwischen den Werthen von D deutet darauf
hin, dafs r zu grofs angenommen wird. Es scheint, dafs ein
gröfserer Theil der Gesammtwärme A zu innerer Arbeit ver-
wendet wird, als in den Formeln angenommen wird *).
Es sind zur Begründung dieser Annahme noch weitere
Versuche nöthig. Ich werde deshalb bei einer späteren Ge-
legenheit auf diesen Gegenstand zurückkommen.
*) Vgl. ZeuDer, ö. 263.
74 Horstmann^ über die Dampfdtchte
lieber die Dampfdichte des Schwefel-
ammoniums ;
von Demselben.
Ueber die Dampfdichten der Verbindungfen des Ammo-
niaks mit Schwefelwasserstoff liegen folgende Angaben vor :
NH4SH 0,884 »x
NH^SH 0,89 bei 56^6 ••),
(NH4),S 1,26 » 99^6**).
Es würde nach diesen Zahlen ein Gemisch von gleichen
Volumen NH3 und HgS keine Contraction zeigen, vollständig
unverbunden bleiben; ein Gemisch dagegen von 2 Vol. NH3
und 1 Vol. H2S sollte sich auf 2 Vol. verdichten , es fände
theilweise Verbindung statt. Ein solches Verhalten würde
in mehrfacher Beziehung Interesse bieten, und ich führte
deshalb im Anschlufs an die vorhergehenden Untersuchungen
über die Veränderlichkeit der Dampfdichten einige Versuche
aus, deren Resultat ich hier mittheile. Es stimmt dasselbe
nicht mit der Angabe von Deville und Troost überein.
Aus welchem Grunde, kann ich nicht entscheiden, da eine
detaillirte Beschreibung der betreffenden Versuche nicht
vorliegt.
Ich bediente mich der Bunsen'schen Methode zur
Dampfdichtebestimmung ***). Das Dampfgefafs wurde zu-
erst mit Ammoniak gefüllt und dann Schwefelwasserstoff in
beliebiger Menge mit geeigneter Geschwindigkeit zutreten
gelassen.
Das Ammoniak wurde während des Versuchs aus Am-
•) Bineau, Ann. ahim. phy». [2] LXVm, 418.
•*) DeTille und Troost, Compt. rend. LVI, 895.
*••) Ann. Chem. Pharm. CXLI, 278.
des Schwefelammomumt. 75
moniakflüssigkeit entwickelt. Es strich zuerst durch einen
Liebig'schen Kühler, durch ein Gelärs mit gebrannlem
Kalk und schlierslich durch Kaliröhren, aus welchen us voll-
ständig trocken aastrat.
Der Scbwerelwasserstoff war ans Schwefelantimon dar-
gestellt und in einem Glasgasometer mit gesätligteni Sclm-e-
Telwasserstoffwasser als Sperrflüssigkeit aufgerangcn ; liurch
Cblorcaicium getrocknet gelangte es in das DampFg>'f»rs.
Um die während des Versuchs austretenden Gjse un-
schädlich zu machen und um den Sauerstoff der Luft, u t-kbur
das Schwefelammonium bei den angewendeten Teiniiirühtr-
momenten zersetzt, möglichst auszuschliefsen, traf icli >\ui Ein-
richtung, welche Fig. 4 auf Taf. I deutlich machen sull. Auf
dem Hals a des Dampfgefäfses , der aus dem Thrrnioslnlin
hervorragt, sitzt mittelst eines kleinen Korkes die Ghishiilso b;
das andere Ende dieser Hülse ist durch einen Kork ver-
schlossen, durch welchen die beiden capillaren Ziiliitunijs-
rfihren in das Innere des Apparates gehen. Die G^isi' mi-
weichen durch das seitliche Rohr c, welches unter WüsstT
mündete.
Die Gase konnten auf diese Weise vollstSndii^ rein in
den Apparat gebracht werden. Die gebildete Vcrliiniluni»
setzte sich nach dem Erkalten in völlig farbloseo Krysl<illen
an die Wände des Gefäfses, und es füllte sieb die.^e.s lieiin
Oeffaen onter Wasser, ohne dafs eine Luftblase zurückbliib.
Die erhaltenen Dampfdichten kann ich bis auf 4 bis 5
Einheiten der dritten Decimale verbürgen. Um dii; Zusam-
mensetzung des Gemisches mit entsprechender Gi'TiauiL'kiit
zu ermitteln, genügte es, in das Dampfgefäfs Chlurw^i'^^i'r-
Btoffsäure eintreten zu lassen, und nach dem Vcnliiinpfen
and Trocknen auf dem Wasserbade den entstandenen S^ilitiiak
ZD wiegen. Die Uebereinstimmung der Resullele beweist.
dafs die Genauigkeit dieser Methode ausreichend ist.
76 Borstmann^ Dampfdichie des Schwefelammoniums,
Die folgende Tabelle giebt die gewonnenen Zahlen«
Die beiden ersten Columnen enthalten die beobachteten Dich-
ten mit den zugehörigen Versuchstemperaturen; die beiden
folgenden die procentische Zusammensetzung nach dem Vo-
lum; die fünfte die daraus berechnete Dichte unter der
Voraussetzung, dafs die beiden Gase unverbunden in dem
Gemisch enthalten sind und mit Zugrundelegung der theore-
tischen Dichten der Bestandtheile (1,175 für H^S, 0,587 für
NHs); die sechste die Dichte berechnet für die Annahme,
dafs in dem Gemisch eine Verbindung von 2 Vol. NHs und
1 Vol. H^S mit der Dichte 1,26, wie sie Deville u. Troost
angeben, enthalten sei. Für Gemische, wie sie den Verbin-
dungen NH4SH und (NH4)2S genau entsprächen, habe ich
die berechneten Dichten zur Vergleichung beigefügt.
1.
2,
8.
4.
6.
6.
Temp.
Beobacbt
Volumprocente
Berechnete Dichte.
•
Dichte.
NHs
H,8
I.
IL
85^,9
0,622
93,67
6,48
0,625
0,68
800,0
0,653
89,28
10,72
0,660
0,76
85^6
0,750
72,24
27,76
0,750
1,10
560,4
0,768
71,66
28,35
0,754
1,12
—
—
66,66
33,33
0,783
1,26
84M
0,832
69,90
40,10
0,828
1,25
50,00
50,00
0,881
1,22
56^,9 1
0,947
89,93
60,07
0,940
1,22
Die Uebereinstimmung zwischen der zweiten und fünften
Columne beweist, dafs bei den Temperaturen und sonstigen
Umständen der beschriebenen Versuche Ammoniak und
Schwefelwasserstoff sich nicht verbinden, in welchem Ver-
hältnifs sie auch gemischt sein mögen.
Heidelberg, den 7. April 1868.
7pr;^^\:^r^. .
Roscoe, Untersuchungen iiher Vanadin. 77
Untersuchungen über Vanadin;
von H. E. Roscoe.
L Einleitung,
Unter den physikalischen Eig^enschaften; welche man zu
Bathe zieht, um die verwandtschaftlichen Beziehungen der
einfachen Körper und die Constitution chemischer Verbindun-
gen festzustellen, besitzt wohl keine in so hohem Grade das
Vertrauen des Chemikers, als die des Isomorphismus. Um so
merkwürdiger ist daher die Ausnahme, welche die Vanadin-
verbindungen bisher in dieser Beziehung gemacht haben.
Es wurde von Rammeisberg und spater ausführlicher
von Schab US nachgewiesen, dafs das Mineral Vanadinit
(eine Verbindung von Bleivanadat mit Bleichlorid) iso-
morph ist mit Apatit i 3 (CasIp^O + CaCl«) , Pyromorphit
(3(Pb3(jQ* ) + PbClO und Mimetesit (3(Pb8{JgoO+^'^^''^-
Die Krystallform dieser Mineralien ist ein hexagonales
Prisma mit der hexagonalen Pyramide combinirt. Die End-
winkel P : P sind :
1) Vanadinit 142080' S) Pyromorphit 1420l5'
2) Apatit 142<>20' 4) Mimetesit 142» V
und die Axenverhaltnisse :
1) 1 : 0,727 8) 1 : 0,736
2) 1 : 0,782 4) 1 : 0,739.
Der Isomorphismus dieser Verbindungen wird ferner
dadurch bewiesen, dafs dieselben in verschiedenen Exem-
plaren in allen Verhältnissen zusammenkrystallisirt aufge-
funden worden sind ; H e d d 1 e *) beschreibt einen Krystall
*) Greg and Lettsom*8 Britsb Mineraloge 1858, p. 409 u. 410.
78 Boscoe, Untersuchungen über Vanadin,
in seinem Besitze, dessen eine Hälfte aus Vanadinit und die
andere aus Apatit besteht.
Fast Alles, was wir über Vanadin und seine Verbindun-
gen wissen, verdanken wir der klassischen Untersuchung,
welche Berzelius 1831 ausführte*). Aus diesen Ver-
suchen, welche später von Schafarik**) und von Czud-
nowicz***) bestätigt wurden, ergab sich, dafs der Yana-
dinsäure die Formel VOs zukomme. Es liegt also hier ent-
weder der Fall vor, dafs chemische Verbindungen, welche
verschieden constituirt sind , Isomorphismus zeigen und zu-
sammenkrystallisiren, oder die Schlösse, welche Berzelius
aus seinen Resultaten zog, sind falsch und die Vanadinsäure
hat die Formel VgO^, entsprechend den Pentoxiden des Phos-
phors und des Arsens.
Die meisten Chemiker haben sich bis jetzt für die erste
Annahme erklärt, als einzige Lösung dieser Schwierigkeit,
indem die genauen experimentellen Daten, welche Berze-
lius gegeben hat, keine andere Formel als VO3 für wahr-
scheinlich erscheinen lassen.
Die Versuche, aus welchen Berzelius seine Schlüsse
zog, sind :
1) Der constante Gewichtsverlust, welchen Vanadinsäure
erleidet, wenn sie bei Rothglöhhitze durch WasserstofT redu-
cirt wird.
2) Wenn Chlor auf dieses reducirte Oxyd einwirkt,
bilden sich ein flüchtiges Chlorid und ein Rückstand von
Vanadinsäure, deren Gewicht genau ein Drittel der Menge
beträgt, welche ursprünglich zum Versuche genommen wurde.
*) Pogg, Ann. XXII, 1 (1831).
**) Ann. Chem. Pharm. CIX, 84.
***) Pogg- Ann. CXX, 38.
Boscoe, Untersuchungen über Vanadin, 79
Berzelius zog hieraas den Schlufs, dafs die Zahl der
Sanerstoffatome im Oxyd sich za der in der Saure wie 1 zu
3 verhalt, und nimmt im niedersten Oxyde ein Atom Sauer-
stoff an ; so mufs die Saure 3 Atome Sauerstoff enthalten.
Eine Bestätigung dieser Annahme fand er in der Sattigungs-
capacitat der Saure. Die Frage, ob in derselben ein oder
oder zwei Atome Metall enthalten seien, entschied Berze-
lius zu Gunsten der ersteren Ansicht, indem er fand, dafs
keine den Alaunen entsprechende Verbindung entsteht, wenn
man Vanadinsäure mit Schwefelsäure und Kali zusammenbringt«
Eine weitere Bestätigung für diese Annahme ergab sich
aus der Zusammensetzung des flüchtigen Chlorids, welches
von Berzelius und Schafarik analysirt wurde, und wo-
nach kein Zweifel mehr sein konnte, dafs, wenn das Atom-
gewicht des Vanadins zu 68,5 und das des Sauerstoffs zu 8
angenommen wird, der Vanadinsäure die Formel VOs zu-
kommen mufs, das reducirte Oxyd VO und das Chlorid
VCU ist.
In der vorliegenden Mittheilung werde ich zeigen, dafs,
obgleich ich Berzelihs' Resultate in allen Einzelnheiten
vollständig bestätige, ich dennoch zu ganz verschiedenen
Schlufsfolgerungen gelange, indem ich beweisen werde, dafs
die richtige Formel für Vanadinsäure V2O5 ist (0 = 16)
und das wahre Atomgewicht des Vanadins durch die Zahl
51,3 ausgedrückt wird; dafs die Substanz^ welche Berze-
lius als Metall betrachtete, ein Oxyd von der Formel VO
= 67,3 ist, und dafs das sogenannte Vanadinchlorid ein
Oxychlorid VOCI3 ist.
Die Gründe, auf welche ich diese Schlüsse basire, sind
im Folgenden zusammengestellt; die experimentellen Beweise
werden weiter unten folgen :
1) Es existirt ein Oxyd des Vanadins, welches das Ver-
bindungsgewicht 67,3 hat (Berzelius' Metall); die Vanadin-
80 RoscoSy Untersuchungen über Vanadin,
säure mars demnach mehr als 3 Atome Sauerstoff ent-
halten.
2) Die folgenden Oxyde sind sowohl auf trockenem als
auf nassem Wege erhalten und ihre Zusammensetzung fest-
gestellt worden :
Verbindungsgewicbt
1) y,0, Vanadindioxyd oder Vanady] 184,6.
2) V,0, Vanadin trioxyd (Baboxyd von BerzeliuB) 150,6.
3) VsO« Yanadintetroxyd 166,6.
4) YgOs Vanadinpen toxyd (Vanadinsäare) 182,6.
3) Das sogenannte Vanadinchlorid enthalt Sauerstoff; es
ist ein Oxychlorid mit der Formel VOCls. Man kann dasselbe
Vanadyltrichlorid oder Vanadinoxytrichlortd benennen; diese
Verbindung entspricht dem Phosphoroxychlorid POCls.
4) Es existiren noch drei feste Oxychloride :
VOClf Vanadyldicfalorid oder Vanadinoxydichlorid.
VOCl Vanadylmonocblorid oder Vanadinoxymonochlorid.
VgOjiCl Divanadylmonochlorid.
5) Alle naturlich vorkömmenden Vanadate sind drei-
basisch :
a) Vanadinit von Zimapan, von Berzelius analysirt (Pogg. Ann.
XXII, 68), enthält nahezu 8 Aeqoivalente fileioxyd auf
1 Aeq. Vanadins&ure.
b) Ensynchit, von Czndnowics analysirt (Pogg. Ann. CXX, 27),
enthält 8 Aeq. eines Gemisches von Bleioxyd und Zink-
oxyd auf 1 Aeq. Vanadins&ure.
c) Arftoxen hat nach v. Kobell's Analyse (Joom. f. pract. Cbem.
L, 496) eine ähnliche Zusammensetzung wie Eusynchit.
d) Amerikanischer Vanadinit, von 8mith analysirt (Journ. f. pract
Chem. LXVI, 483), ist eine dreibasische Verbindung.
e) Dechenit aus der Pfalz, ist nach Brush (Bill. Am. Jouni.
[2] XXXIV, 116) identisch mit Aräoxen und daher eben-
falls eine dreibasische Verbindung.
f) Volborthit enthält nach Credner^s Analyse (Pogg. Auo.
LXXIV, 646) auf 1 Aeq. Vanadinsäure 8 Aeq. basischer
Oxyde.
Boscoe, Untersuchungen über Vanadin. 81
6) Schmilzt man Vanadinsäare mit Natriumcarbonat zu-
sammen^ so entweichen 3 Molecule Kohlensaure für je
1 Molecul Vanadinsäure; das normale Natriumvanadat hat
daher die Formel NasVO^.
7) Die einbasischen Vanadate entsprechen den einbasi-
schen oder Metaphosphaten ; man kann dieselben mit dem
Namen Metavanadate bezeichnen; wie NaVOa, NH4yOs,
Ba2V08.
8) Die zweibasischen Vanadate haben eine ähnliche Con-
stitution wie die sogenannten sauren Chromate und Borate.
9) Ein Vanadinnitrid wurde dargestellt, dessen Analyse
ergab, dafs es auf 51,3 Gewichtstheile Vanadin 14 Gewichts-
theile Stickstoff enthalt.
Alle Reactionen der Vanadinsäure lassen sich mit der-
selben Leichtigkeit erklären^ wenn man die Formel Vs05
(V = 51,3) annimmt, als wenn man die alte Berzeiius'-
sche Ansicht, dafs in derselben 3 Aeq. Sauerstoff enthalten
seien und V das Atomgewicht 67,3 hat, beibehält.
Alte Formeln Neae Formeln
{W = 68,6; O = 8) (V = 51,8; O = 16)
1) VO, + Hg = VO + H,Og. V,05+ 2 H, = V^O, + 2 H,0.
2) 8 VO + Cle= VOa + 2 VClj. 8 VjO, + 6 Cl, = V.Og + 4 VOCi,.
n. Vorkommen und Darstellung der Vanadinverbindungen.
Vanadin hat bis jetzt zu den chemischen Seltenheiten
gehört; vanadinhaltige Mineralien sind zwar ziemlich ver-
breitet, aber keines derselben enthalt dieses Element in
irgend beträchtlicher Menge. Eine ausführliche Untersuchung
der Verbindungen dieses Körpers war daher bis jetzt nicht
ausführbar, und selbst in den letzten Untersuchungen ver-
schiedener Chemiker, welche diesen Gegenstand bearbeitet
haben, finden sich widersprechende Angaben über Punda-
roentalpunkte.
AnoaL d. Cham. a. Pharm. VI. Supplementbd. 1. Heft. 6
82 Boscoey Untersuchungen über Vanadirim
Vor einiger Zeit wurde meine Aufmerksamkeit gelenkt
auf das Vorkommen von Vanadin in den kupferhalügen
Schichten des unteren Keupersandsteins der Trias, welche in
Alderley und in Mottram St. Andrews in Cheshire berg-
männisch bearbeitet werden, und ich war so glücklich^ mir
eine reichliche Quelle des seltenen Metalles zu verschaffen.
Es war diefs ein kalkhaltiger Niederschlag , welcher als
Rückstand erhalten wurde bei der Gewinnung von Kobalt
aus den kobaltfährenden Schichten des obigen Sandsteins.
Die geologischen Verhältnisse dieser merkwürdigen metall-
reichen Sandsteinformation sind von Hüll genau beschrieben
worden *). Die horizontalen Sandsteinschichten enthalten
Malachit, Kupferlasur, Weifsbleierz, Bleiglanz, Kobalt und
Nickel als schwarze Oxyde, eine kleine Menge von Silber,
aufserdem Brauneisenstein, Pyrolusit und Schwerspath. Der
Sandstein ist weich und hat eine gleichförmige Textur;
die Farbe desselben wechselt von Grün und Braun zu
Schwarz, je nachdem das eine oder andere der obigen Mine*
ralien vorherrscht. Hüll unterscheidet die folgenden
Schichten :
• Dicke der Schichte
1) Gelblicher SAndBteiD 4 Fafo 0 ZoU
2) Schieferiger Thon, unten durch ein Band
▼on kupferführendem Sandstein begrenst 2 „ 6 „
8) Eisen 8cb Aasiger Sandstein mit grofsen Nie-
ren Ton Weiftbleierz 6 n 0 •
4) KobaltfQhrende Schichte. Gestreifter Sand-
stein mit Erdkobalt 4 „ 6 n
5) Weifser dichter Sandstein mit Weifsbleierz . & n ^ »
6) Sandstein, durch Eisenozyd, Braunstein und
Erdkobalt gefiirbt 12 , 0 „
Um das Kupfer abzuscheiden, welches im Sandstein in
wechselnder Menge enthalten ist und von 0,5 bis 2,5 pC.
»
*) Geological Magazine vol. I, pag. 65 (1864).
Boscoey Untersuchungen über Vanadin. 83
betragt, wird der durch Pochen zerkleinerte Stein mit Salz-
säure ausgezogen und aus dieser Lösung das Kupfer durch
Eisen gefällt.
Der Sandstein, in welchem das Vanadin enthalten ist,
hat eine helle Farbe und enthäll 0^1 bis 0,3 pC. der Oxyde
des Kobalts, Nickels und Kupfers, welche in der Felsmasse
als kleine schwarze, grüne und rothe Flecke auftreten. Die-
selben wurden aus dem gepochten Sandstein durch Salzsäure
ausgezogen und zu dieser Lösung wurde Chlorkalk gesetzt,
und durch Kalkmilch dann alles Blei, Eisen, Arsen (aus
der rohen Salzsäure) Vanadin, und ein kleiner Theil des
Kupfers gefallt ^ während Nickel, Kobalt und der gröfsere
Theil des Kupfers in Lösung blieben.
Das Bergwerk in Mottram wird nicht mehr bebaut, und
es war mir daher unmöglich, eine Probe dieses Sandsteines
zu verschaffen, uro denselben näher zu untersuchen. Ich
kann daher nicht mit Sicherheit behaupten, dafs derselbe
Vanadinit enthält, was ,mir aus gewissen Gründen höchst
wahrscheinlich erscheint^
Der Werkführer des Bergwerkes glaubte, dafs der Kalk-
niederschlag gegen 10 pC. Kupfer enthalte. Als ein Theil
desselben in Salzsäure gelöst und das Kupfer mit Zink ge-
fällt worden, behielt die Flüssigkeit immer noch eine blaue
Farbe; deren Ursache ich bald als von Vanadin herrührend
erkannte.
Der Kalkniederschlag enthält gegen 2 pC. Vanadin,
aufserdem Blei, Arsen, Eisen, Kalk, Schwefelsäure und Phos-
phorsäure.
Um aus diesem Rohmaterial das Vanadin abzuscheiden,
mnfste im Grofsen gearbeitet werden. Dafs ich dieses aus-
führen konnte, verdanke ich der Freundlichkeit der Herren
Roberts, Dale k Comp., welche mir bereitwillig ihre
Fabrik zur Verfügung stellten. Drei Centner des getrock-
6*
84 JRoscoe, Untersuchungen über Vanadin.
neten Niederschlages wurden mit dem vierfachen Gewichte
Steinkohle fein zermahlen und das Gemisch wurde in einem
verschlossenen Ofen mehrere Tage geglüht, um die gröCste
Menge des Arsens zu verflüchtigen. Die Hasse wurde so-
dann mit einem Viertel ihres Gewichtes calcinirter Soda innig
gemischt und zwei Tage lang in einem Röstofen unter Luft*
zutritt erhitzt, um das Vanadin in lösliches Natriumvanadat
zu verwandeln, welches durch Auslaugen in Lösung ge-
bracht wurde. Diese Lösung wurde sodann mit Salzsäure
angesäuert und schweflige Säure eingeleitet, om die Arsen-
säure zu reduciren. Das Arsen wurde durch Schwefelwas-
serstoff gefällt, und die davon abfiltrirte blaue Lösung sorg-
fältig mit Ainmoniak neutralisirt, wodurch das Vanadin gefällt
wird. (Ein Ammoniaküberschufs mufs vermieden werden,
weil sich sonst ein Theil des Vanadinoxyds wieder löst)
Das ausgeschiedene Vanadinoxyd wurde auf grofsen Lein-
wandfiltern gut mit Wasser ausgewaschen, dann mit Salpeter-
säure oxydirt und zur Trockne verdampft. Die so erhaltene
rohe Vanadinsäure wurde mit einer concentrirten Ammonium-
•
carbonatlösung gekocht^ wobei Eisenoxyd, Calciumsulfat und
Alaunerde zurückblieben, und die Lösung eingedampft, bis
sich Ammoniumvanadat ausschied. Dieses Rohproduct wurde
mit gesättigter Salmiaklösung gewaschen und mehrmals um-
krystallisirt. Um aus diesem Salz reine Vanadinsäure dar-
zustellen, wurde es unter Luftzutritt geröstet und das rück-
ständige Pulver in Wasser vertheilt, in welches Ammoniakgas
geleitet wurde, wobei die Vanadinsäure sich löste und ein
Rückstand von Kieselerde, Phosphaten u. s. w. blieb. Durch
Eindampfen der Lösung in Platingefäfsen wurde reines phos-
phorfreies Ammoniumvanadat erhalten.
Eine andere Methode, um vollkommen reine Vanadinsäure
zu erhalten, bestand darin, das reine Oxychlorid mit Wasser
zu zersetzen und das ausgeschiedene hell orangefarbene
Roscoe^ Untersuchungen über Vanadin. 85
Puker Ton Yanadinsaure zu trocknen und dann mit Schwe-
felsäure befeuchtet der Einwirkung von Fluorwasserstoff
auszusetzen, um die geringe Menge hartnäckig anhaftender
Kieselerde zu entfernen. Der Rückstand wurde erhitzt, um
die Schwefelsäure zu verflüchtigen, und geschmolzen; beim
Erkalten erstarrte die Hasse zu prachtigen durchsichtigen
Krystallen von reiner Yanadinsaure.
Es scheint, dafs alle Yanadinmineralien mehr oder weni-
ger Phosphor enthalten, und schon hieraus scheint eine nahe
Yerwandtschaft zwischen diesen beiden Elementen hervorzu-
gehen. — Die vollständige Trennung des Yanadins von Phosphor
ist ziemlich schwierig; ist viel vom letzteren Elemente vor-
handen , so gelingt die Trennung am Besten dadurch , dafs
man die unreine Säure mit ihrem gleichen Gewichte Natrium
in einem eisernen Tiegel verpufil und den Rückstand mit
VTasser wascht, bis dasselbe nicht mehr alkalisch reagirt.
In einigen Fällen mufste diese Operation dreimal wiederholt
werden, ehe die Molybdänsäurereaction keinen Phosphor
mehr anzeigte. Enthält die Säure nur Spuren von Phosphor,
so reicht wiederholtes Umkrystaliisiren des Ammoniumsalzes
hin, um ein Präparat zu erhalten, in welchem man durch
Molybdänsäure keinen Phosphor mehr nachweisen kann.
Enthält Yanadinsaure mehr als ein Procent Phosphor-
säure, so nimmt dieselbe nach dem Schmelzen keine kry-
stallinische Beschaffenheit an, sondern erstarrt zu einer dun-
kelglänzenden Masse mit muscheligem Bruch. Höchst eigen-
thümlich ist der beschützende Einflufs, welchen die Phos-
phorsäure auf Yanadinsaure bei der Reduction mit Wasserstoff
ausübt. Ein Gemisch von Yanadinsaure mit 1 pC. Phosphor-
söure, welches 1,5888 Grm. wog, wurde im Wasserstoffstrome
geglüht und verlor nur 0,0007 an Gewicht, während reine
Yanadinsaure einen Verlust von 0,2784 erlitten haben würde.
86 Roscoe, ünierBuchungen Ober Vanadin.
in. Ermittdung des Atomgewichtes des Vanadins durch
Beduction des Vanadinpentoxyds mä Wasserstoff.
Um das Atomgewicht des Vanadins zu ermitteln, erhitzte
Berzelius die VanadinsSure zu Rothglühhitze in einem
Wasserstoffstrome. Diese Methode ist sehr zuverlässig und
giebt sehr genaue Resultate , indem das reducirte - Trioxyd
(Suboxyd nach Berzelius) keine weitere Veränderung er-
leidet, wenn man die Temperatur bis zur hellen Rothglühhitze
steigert, und die Reduction des Pentoxyds zu Trioxyd schon
bei einer viel niedrigeren Temperatur vollständig stattfindet
Berzelius fand mittelst dieses Verfahrens als Atomgewicht
die Zahl 68^5; der richtige Werth ist, wenn man die nach-
stehenden Versuche nach Berzelius* Hypothese berechnet,
etwas kleiner, nämlich 67»3.
Zu einem jeden Versuche wurden immer mehr als 5 Grm.
Pentoxyd genommen *) ; die Reduction wurde entweder in
einer gebogenen Röhre von schwer schmelzbarem Glase vor-
genommen , welche in einem Hagnesiabade erhitzt wurde,
und welche nach wiederholtem Erhitzen nur 0,0001 Grm. an
Gewicht verlor, oder das Pentoxyd wurde in ein Platinschiffchen
gebracht und dasselbe in eine Verbrennungsröhre einge-
schoben. Vor der Reduction wurde das fein gepulverte Vana-
dinpentoxyd erst in einem trockenen Luflstrome so lange
gelinde erwärmt, bis das Gewicht vollkommen constant ge-
worden war. Das reducirte Oxyd wurde in dem Wasser-
*) Um übereinBtiinmende Zahlen bu erhalten, ist es durchaus noth-
wendig, gröfsere Mengen anzuwenden, ale Berzelius zu seinen
Versuchen nahm. Die gröfste Menge Vanadinsäure , welche er
anwendete, war 2,2666 Grm. und die kleinste 0,6409. Ein Irrthom
▼on 1 Milligrm. hei dem ersten Gewicht yerursacht eine Varia-
tion Ton +, 0,2 im Atomgewicht, und bei dem zweiten eine Ton
^ 0,7; während bei Anwendung Ton 6 Qrammen derselbe Irr-
thum nur +, 0,086 yerursacht.
■¥:.; ^
BoscoBj Untersuchungen über Vanadin. 87
stoffstrome vollkommen erkalten lassen^ und dieses Gas so-
dann darch trockene Luft verdränget. So lange das reducirte
Oxyd noch nicht vollständig erkaltet ist, absorbirt es, der
Luft ausgesetzt; rasch Sauerstoff, fangt an zu glühen und
verwandelt sich oberflächlich in das blaue Oxyd; das voll-
kommen erkaltete Oxyd erleidet keine Veränderung in trocke-
ner Luft während einiger Zeit. In einem Versuche wurde
der Wasserstoff statt durch Luft durch Stickstoff verdrängt
und hierbei genau dieselbe Zahl erhalten, wie in den Ver-
suchen, wo Luft angewendet wurde.
Die gebogene Glasröhre, welche das reducirte Oxyd
enthielt, wurde wohl verstopft, in den Kasten der Wage
gebracht und daselbst vor dem Wägen eine halbe Stunde
gelassen. Das Platinschiffchen wurde nach dem Erkalten
rasch in ein Probirröhr chen gebracht und dasselbe gut ver-
stopft. Diese Vorsichtsmafsregeln sind durchaus nothwendig,
um genaue Resultate zu erhalten, indem das Trioxyd sehr
bygroscopisch ist
Der Wasserstoff, welcher zur Reduction diente, wurde
auf das Sorgfältigste gereinigt und getrocknet; alle Caout-
cfaoucverbindungen und Korke des Apparates wurden mit
Kupferdraht fest verbunden und mit geschmolzenem Paraffin
überstrichen. Das Gas wurde durch Lösungen von Silber-
nitrat und Natriumpyrogallat, Natronlauge und Schwefelsäure
geleitet, ging dann durch eine rothgluhende 'Röhre, welche
Kupferdrehspäne enthielt, und zuletzt nochmals durch einen
Trockenapparat. Um sich zu vergewissern, dafs kein atmo-
sphärischer Sauerstoff in den Apparat diffundire , wurde das
andere Ende der Verbrennungsröhre mit einer Röhre, welche
Phosphorpentoxyd enthielt, verbunden^ die Verbrennungs-
röhre erhitzt und sodann 4 Stunden lang Wasserstoff durch
den Apparat geleitet. Die Röhre, welche das Phosphor-
pentoxyd enthielt, hatte während dieser Zeit nur 0,0002 Grm.
88 Ro 8 coe, Untersuchungen über Vanadin.
an Gewicht zugenommen. Um den Wasserstoff zu trocknen,
kann man nur durch Kochen concentrirte Schwefelsäure an-
wenden. Bei den ersten Versuchen wurden die Trocken-
röhren mit Phosphorpentoxyd gefüllt ; in keinem dieser Falle
konnte eine vollständige Reduction erzielt werden ; das Atom-
gewicht wurde stets zu hoch gefunden. Nach vieler Ifuhe
und Arbeit ergab sich die Ursache davon darin, dafs kleine
Mengen des leichten Phosphorpentoxyds , trotz der Baum-
wollestopfen, durch den Gasstrom zu dem Vanadinpentoxyd
übergerissen wurden. Die kleinste Menge Phosphorpentoxyd
verhindert aber eine vollständige Reduction des Vanadinpent-
oxyds.
So gaben in einem Versuche 2,9232 Grm. Vanadinpentoxyd 2,4840
Vanadintrioxyd oder V = 65,4.
I
Bei einem iweiten Yersache erhielt man aus 4,2826 Grm. des
Pentoxyds 8,6649 Trioxyd oder Y = 55,4.
Das reducirte Oxyd wurde auf Phosphor untersucht,
wobei sich ergab, dafs die oberen Schichten Phosphorpent-
oxyd enthielten, während die unteren frei davon waren. Um
ferner zu zeigen, wie unvollständig die Reduction des phos-
phorhaltigen Oxyds ist, wurden 3,4886 Grm. eines solchen in
einem trockenen Chlorstrome erhitzt; es blieben 2,165 Grm.
Vanadinpentoxyd zurück, wahrend bei vollständiger Reduction
nur 1,407 hdtten erhalten werden sollen.
Es wurden nicht weniger als 9 Atomgewichtsbestimmun-
gen mit aller möglichen Sorgfalt ausgeführt, in welchen das
Resultat zwischen 52,2 und 65,4 schwankte, welches nur
davon herrührte, dafs die Trockenröhre Phosphorpentoxyd
enthielt. Sobald diese Fehlerquelle aufgefunden und Schwe-
felsaure als Trockenmittel substituirt wurde, fand vollständige
Reduction statt und die Resultate wurden constant Nimmt
man als Formel der Säure V^Os und als die des reducirten
Eos CO e, Untersuchungen über Vanadin, 89
Oxyds VyOs, so erhalt man das Atomgewicht nach folgender
Gleichung :
_ 8J6 b — 3 a)
* "~ a~b '
worin a das Gewicht der angewandten Saure und b das des
reducirten Oxyds bedeutet.
1. Bestimmung.
Die Säure, welche für diesen, sowie für die folgenden
Versuche benutzt wurde, war durch Rösten von Ammonium-
yanadat erhalten worden. Dieselbe enthielt Spuren von
Phosphor und Kieselerde. Um sie davon zu befreien, wurde
sie fein gepulvert mit dem gleichen Gewichte Natrium in
einem eisernen Tiegel verpuflTl, das reducirte Oxyd sorg-
fältig mit Wasser gewaschen und dann mit Salzsäure be-
handelt, um Eisen zu entfernen. Durch Oxydation mit Sal-
petersäure wurde das Oxyd wieder in Vanadinsäure ver-
wandelt, dieselbe im Wasserstoffstrome reducirt. Durch
Ueberleiten von Chlor wurde hieraus das Oxychlorur darge-
stellt, dasselbe mehreremale rectificirt und dann durch Was-
ser zersetzt. Die so erhaltene Säure wurde getrocknet und
mit concentrirter reiner Schwefelsäure befeuchtet in einem
Platingefäfse 10 Tage lang Fluorwasserstoffdämpfen ausgesetzt.
Die so gereinigte Säure wurde geschmolzen ; sie gab beim
Erkalten dunkelrothe durchsichtige Krystalle von 5 bis 6
Centimeter Länge.
Gewicht des Platinscbiffchens nach dem ersten Er-
hitzen in der Luft + Röhre*) = 19,6287
*) Diese Glasröhre nebst Stopfen wurden häufig wieder gewogen.
Dieselben hatten nach Beendigung der Versuchsreihe nur 0,0004
Grm. abgenommen. Dieses Gewicht, welche die Wage noch
ganz gnt anzeigte, ist ohne Einflufs auf das Endresultat. Eine
ähnliche Abnahme im Gewichte einer rerstopften Röhre ist von
Stas beobachtet worden; dieselbe rührt ron der Reibung des
Stopfens her.
nt ■•••:=' "»^-^
90 RoacoCf Untersuchungen über Vanadin.
Gewicht des Platinscfaiffobons nach dem sweiten Er-
hitzen in der Lnft -|- Rohre = 19,6287
Schiffchen , Röhre und Vanadinsäare nach einstün-
digem Erhitzen in trockener Luft = 27,368
Schiffchen, B5hre und Vanadinsäure' nach zweistün-
digem Erhitzen in trockener Luft .....= 27,3684
Schiffchen, Röhre und Vanadinstture nach dreistün-
digem Erhitzen in trockener Luft = 27,3684
Gewicht des angewandten Pentoxyds sc 7,7397.
Nach stattgehabter Reduclion wurde nicht eher ge-
wogen, bis jede Spur Wasser aus der Röhre verschwunden
war. Zwei Wägungen reichen daher hin, uro zu zeigen, ob
das Gewicht constant geworden ist.
Schiffchen, Röhre und reducirtes Oxyd nach fünf-
stündigem Erhitzen = 26,0120
Schiffchen, Röhre und reducirtes Oxyd 3Vs Stunden
länger erhitzt = 26,0114.
Nach obiger Formel berechnet sich hieraus das Atom-
gewicht 51,267.
2. Bestimmung.
Röhre -f- Schiffchen nach dem ersten Erhitzen in
Luft = 19,6268
Röhre -|- Schiffchen nach dem zweiten Erhitsen in
Luft =r 19,6269
Röhre -f Schiffchen -|- Sftnre nach 2V4 stündigem
Erhitzen =: 26,2074
Röhre -^ Schiffchen -f Sfture nach 2Vtitündigem
Erhitzen = 26,2077
Gewicht der angewandten S&ure ....... = 6,5819
Röhre -f- Schiffchen -f reducirtes Oxyd SVs Stun-
den im Wasserstoff erhitzt = 26,058
Röhre -^ Schiffchen -|~ reducirtes Oxyd 8 weitere
Stunden erhitzt , = 25,0569
Röhre -\- Schiffchen -^ reducirtes Oxyd 8 weitere
Stunden erhitzt := 25,0560
Röhre -\- Schiffchen -}- reducirtes Oxyd 8 weitere
Stunden erhitzt = 25,0556.
Aus diesen Zahlen ergiebt sich das Atomgewicht zu
51^91.
Roscoe, Untersuchungen über Vanadin. 91
Um dieses Resultat zu bestätigen , wurde das reducirte
Oxyd durch Erhitzen in einem trockenen Luflstrome wie-
der oxydirt; die pulverförmige Saure, welche dadurch er-
halten wurde, hatte eine glänzend orangerotha Farbe; ihr
Gewicht kam dem der ursprünglich genommeaen innerhalb
Q»0004 nahe :
Platinscbiffchen, Röhre uod Yanadinsftare nach 14 stün-
digem gelindem Erhitzen 26,2075
Platinschiffchen, Röhre und YanadinBAure nach 8 stftn-
digem weiterem Erhitssen 26,2073.
3, Bestimmung,
Das Pentoxyd, welches zu diesem Versuche diente, war
durch Zersetzen von Oxychlorid von einer anderen Dar-
stellung mit Wasser erhalten worden. Es war frei von
Phosphor, war aber nicht mit Fluorwasserstoff behandelt
worden. Die Reduction wurde in einer U förmigen Röhre
von hartem Glase, welche in einem Magnesiabade erhitzt
wurde, vorgenommen.
Röhre nach dem ersten Erhitzen 88,4666
Röhre nach dem zweiten Erhitzen 88,4667
Röhre und Vanadinsäure nach einstündigem Erhitzen
in trockener Luft 48,6562
Gewicht der angewandten Sftnre 5,1895
Röhre und redncirtes Oxyd nach 8 stündigem Erhitzen
im Wasserstoff Aber 8 Bunsen'schen Brennern 42,7689
Röhre nnd redncirtes Oxyd im Yerbrennangsofen er-
hitzt 42,7678
Röhre nnd redncirtes Oxyd nach zweitem Erhitzen 42,7511
Röhre und redncirtes Oxyd nach drittem Erhitzen . 42,7486.
Hieraus ergiebt sich das Atomgewicht zu 51,485.
4« Bestimmung.
Für diesen Versuch wurde Oxychlorid durch Wasser
zersetzt, die erhaltene Saure in Ammoniumvanadat verwan-
delt , dieses Salz viermal umkrystallisirt, sodann geröstet und
92 Roscoe^ Untersuchungen über Vanadin,
der Rückstand mit Salpetersaure vollstfindig oxydirt. Die
Säure war frei von Phosphor; durch Behandeln mit Fluor-
wasserstoff wurde jede Spur von Kieselerde entfernt. Durch
einen besonderen Versuch wurde ermittelt, dafs die Schwe-
felsäure, womit die Yanadinsäure befeuchtet wurde, ehe man
sie den Flufssäuredämpfen aussetzte, beim nochmaligen
Glühen vollständig entweicht.
Constantes Gewicht der Röhre und des SchiffohenB . 25,2680
Dieselben mit Pentozyd nach dem ersten Erhitzen in
Luft 30,3109
Dieselben mit Pentozyd nach dem zweiten Erhitzen in
Luft 30,8074
Dieselben mit Pentozyd nach dem dritten Erhitzen in
Luft 30,3088
Dieselben mit Pentoxyd nach dem Yierten Erhitzen in
Luft 30,3080
Gewicht des Vanadinpentozyds 5,0450
Rdbre und Schiffchen mit reducirtem Oxyd nach dem
ersten Erhitzen 29,4290
Röhre und Schiffchen mit reducirtem Oxyd nach dem
zweiten Erhitzen 29,4252
Röhre und Schiffchen mit reducirtem Oxyd nach dem
dritten Erhitzen 29,4244
Röhre und Schiffchen mit reducirtem Oxyd nach dem
vierten Erhitzen 29,4244.
Hieraus ergiebt sich das Atomgewicht zu 51,353.
Das reducirte Oxyd wurde in einem trockenen Luft-
strome durch gelindes Erhitzen wieder oxydirt; der Apparat
erlangte das constante Gewicht 30,3074, welches innerhalb
0,0006 6rm. das ursprüngliche ist.
Das Mittel aus diesen vier Versuchen ist 51,371. Das
Atomgewicht des Vanadins aus der Reduction des Pentoxy des
zu Trioxyd kann man daher gleich 51,4 setzen , mit dem
wahrscheinlichen Fehler ± 0,07.
Roscoe, Ünl er stichungen über Vanadin. 93
1. Bestimmung 51,257 Abweichoog vom Mittel — 0,114
2. , 51,391 „ n n + 0,020
3. „ 51,486 , „ , +0,114
4. „ 51,358 „ ^' ^ ^ 0,018
Mittel 51,371 Mittlerer Fehler ±_ 0,066.
Das Mittel aus den Versuchszahlen von B e r z e I i u s ist für
VgOö berechnet 52,55, mit dem wahrscheinlichen Fehler von
0^2; wahrend die spateren Bestimmungen von Czudno-
wicz die höhere Zahl 55,35 mit einem wahrscheinlichen
Fehler von 2,33 ergeben.
Die Thatsache, dafs diese alteren Versuche eine höhere
Zahl als die von mir gefundene ergeben, deutet entweder
darauf hin, dafs die angewandte Saure noch niedere Oxyde
enthielt, oder, was wahrscheinlicher ist, dafs dieselbe nicht
vollständig reducirt wurde. Es wurde schon oben darauf
hingewiesen, dafs die geringste Spur Phosphor die vollstän-
dige Reduction des Pentoxyds zu Trioxyd verhindert. Alle
in der Natur vorkommenden Vanadinerze enthalten aber
Phosphor, welcher, wenn nur in kleiner Menge vorhanden,
nur durch Molybdänsäure nachgewiesen werden kann, eine
Reaction, welche zu Berzelius' Zeit nicht bekannt war.
Da nun eine vollständige Trennung von Vanadin und
Phosphor mit vielen Schwierigkeiten verbunden ist, so darf
man wohl mit Recht annehmen, dafs die höhere Zahl, welche
der berühmte schwedische Chemiker fand, davon herrührt,
dafs seine Vanadinsäure Phosphor enthielt*).
*) Seitdem ich das Obige niedergeschrieben, habe ich eine kleine
Menge von Ammoniummetayanadat erhalten, welches 1831 Ber-
selins au Faraday geschickt hat. Dieses Präparat ist jetzt
im Besitze meines Freundes Frankland. Derselbe war so
gfitig , mir Etwas davon abzugeben , um es auf Pbosphorsäure
zu untersuchen. Die klare Lösung des Salzes gab mit Molyb-
dänsftureldsung bei gelindem Erw&rmen den charaoteristischen
gelben Niederschlag; derselbe wurde gewaschen, in Ammoniak
94 Boscoe, Untersuchungen über Vanadin.
IV. Die Oxyde des Vanadins.
Berzelius bestimmte die Zusammensetzung von drei
Oxyden des Vanadins.
1) Das Suboxyd, welches durch Reduction der Saure
in Wasserstoff entsteht. Berzelius nahm in dieser Ver-
bindung ein Atom Sauerstoff und ein Atom Vanadin an und
gab ihm daher die Formel VO = 76.5.
2) Ein Oxyd von der Formel VO2 = 84,5. Diese For-
mel leitete er aus der Analyse eines wasserhaltigen Sulfates
ab, sowie aus der des präcipitirten Oxyds, welches im luft-
leeren Räume getrocknet worden war.
3) Vanadinsfiure VOs =: 92,5, welche dreimal so viel
Sauerstoff als das Suboxyd enthält.
Aufserdem erwähnt Berzelius noch einige dazwischen
liegende Oxyde, welche er aber weder isolirte, noch ana-
lysirte. Die drei erwähnten Oxyde existiren und besitzen
im Allgemeinen die von Berzelius angegebenen Eigen-
schaften; aber sie alle enthalten in jedem Atom von Ber-
zelius' Vanadin (68,5) noch ein Atom Sauerstoff (0 = 16)^
dessen Gegenwart Berzelius nicht vermuthete. Aufser
diesen Oxyden giebt es noch ein sauerstoffärmeres, welches
das Atomgewicht des metallischen Vanadins von Berze-
lius hat und welches die Rolle eines zusammengesetzten
Radicales spielt. Man kann dasselbe mit dem Namen Vana-
dyl bezeichnen*
Wir haben demnach folgende Oxyde (V = 51,3) :
gelöst und die Lösang mit Magnesiumsolfat u. s. w. Tersetst,
wodurch ein nicht unbeträchtlicher Niederschlag von Ammonium-
Maguesiumphosphat erhalten wurde. Das obige Vanadat ist
demnach stark mit Phosphorsilure verunreinigt Es versteht sich
von selbst, dafs das Präparat auf Arsen geprüft wurde und
keine Spur desselben nachgewiesen werden konnte.
Roscoe, Untersuchungen über Vanadin. 95
1) Yiuiadindioxyd oder Vanadyl Yfi^,
2) Yanadintrioxyd (Subozyd von B er« e Hub) VjOb oder VjOj + 0.
8) Vanadintetroxyd V,04 oder V,0, + O,.
4) Vanadin pentoxyd (Yanadins&ure) YgOs oder YjOs -|- Og.
1) Vanadin dioxyd oder Vanadyl \%0i. — In seinem
Bestreben, sich mit Sauerstoff zu verbinden, übertrifft das
Vanadin sogar das Uran. Wie dieses letztere Metall (siehe
Peligot, Ann. chim. phys. [3], Tomes V et XII), so lafst
sich auch das Vanadin nur mit der gröfsten Schwierigkeit
von dem letzten Sauerstoffatome losreifsen^ und das niederste
Oxyd hat ein so grofses Bestreben, als Radical in viele Ver-
bindungen einzutreten, dafs man dasselbe mit Recht als das
Radical Vanadyl bezeichnen kann. Vanadindioxyd wird im
trockenen Zustande als ein graues metallglanzendes Pulver
erhalten, wenn man den Dampf des Vanadyltrichlorids
(VOCU) mit einem Ueberschusse von Wasserstoff gemischt
durch eine mit Kohle gefüllte rothgluhende Verbrennungs-
röhre leitet. Chlorarmere feste Oxychloride setzen sich bei
dieser Reaction im dufseren Ende der Röhre ab^ während
das Monoxyd als ein glänzend metallisch graues Pulver^ mit
dem Ueberschufs von Kohle gemischt, zurückbleibt. Erhitzt
man dieses Gemisch heftig in einem Wasserstoffstrome, so
wird jede Spur von Chlor ausgetrieben und ein reines Ge-
misch von Dioxyd und Kohle bleibt zurück. Das Vanadin-
dioxyd löst sich unter Entwickelung von Wasserstoff in ver-
dünnten Säuren und bildet dne lavendelblaue Lösung, welche
organische Farbstoffe durch Reduction bleicht. In Wasser
ist es unlöslich.
Anabfte i.
0,8660 Grm. eines Gemisches von Eoble und Vanadindioxyd
wurden mit Salzsäure behandelt, die Kohle auf einem gewoge-
nen Filter ausgewaschen und bei 120° getrocknet; dieselbe
wog 0,6126. Das Filtrat wurde, mit Salpetersaure yersetzt,
zur Trockne Terdampft. Der Rückstand wog nach dem
Schmelzen 0,8605.
.'vi*..»-.«5> .
96 Roacoe^ Untersuchungen über Vanadin.
Analyse 2.
0,0996 Grm. desselben Gemische« wurden in einem Sanentoffistrome
erhitzt, die Kohlensäure in einem Kaliapparate aufgefangen
and die Kuruokbleibende Vanadinsäure gewogen. Es wurden
erhalten :
Kohlensäure 0,2482
Vanadinsäure 0,0416.
Der Procentgehalt an Vanadindioxyd ist daher im grauen
Pulver :
I. IL
106,8 96,1.
Vanadindioxyd in Lösung. — Vanadinpentoxyd wird
von kochender concentrirter Schwefelsaure mit dunkelrother
Farbe gelöst. Verdünnt man diese Lösung mit der fünfzig-
fachen Menge Wasser und erwärmt dieselbe gelinde mit
Zink, so ändert sich die Farbe der Flüssigkeit rasch und
geht durch alle Schattirungen von Blau und Grün, bis sie
endlich eine bleibende violette oder Lavendelfarbe annimmt.
Die Lösung enthalt sodann Dioxyd als schwefelsaures Salz.
Diese Verbindung absorbirt Sauerstoff mit solcher Gierigkeit,
dafs sie Indigo und andere Pflanzenfarben so rasch wie
Chlor bleicht, und ihre Wirkung scheint kräftiger wie die
irgend eines anderen reducirenden Mittels zu sein. Um die
Oxydationsstufe des gelösten Vanadins festzustellen, wurde
titrirte Kaliumpermanganatlösung so lange hinzugesetzt, bis
eine bleibende röthliche Färbung eintrat.
Versuche, welche mit Vanadintrioxyd, dessen Zusammen-
setzung auf anderem Wege ermittelt worden war, gemacht
wurden , haben gezeigt , dafs sich hierbei Vanadinpentoxyd
bildet, und dafs wenn Schwefelsaure im Ueberschufs vor-
handen ist, man sehr genaue Resultate erhält *).
*) Diese Methode der Analyse wurde von Czudnowics Yorge-
schlagen (Pogg. Ann. CXX, 87). Die Resultate, welche er er-
hielt, stimmt indessen durchaus nicht mit den meinigen. Der-
selbe erhielt keine violette Lösung bei der Einwirkung Ton Zink,
indem er die Reductiou nicht lange genug andauern liefs.
Roseoe, Untersuchungen über Vanadin, 97
Der Titer der Kaliumpermanganallösiing , welche ans
reinen Krystallen bereitet worden war, wurde sowohl mittelst
Eisen , als auch mittelst Oxalsäure festgestellt. 1 CG. ent-
sprach 0,001413 Grm. Sauerstoff im Mittel von drei gut stim*
menden Versuchen :
1. 2. 8.
Gewicht des angewandten Yanadinpentoxyds 0,1088 0,0968 0,1672
CO. der Permanganatlösnng 19,4 18,2 81,6
Sanerstoffrerliut auf 100 Theile des Pentozyds 26,4 26,6 26,6.
100 Theile Pentoxyden geben, zu Dioxyd reducirt,
26,3 Th. Sauerstoff ab ; die Hittelzahl aus obigen Versuchen
ist 26,53. — Um diese Analysen zu controliren, wurde eine
frische Permanganatlösang dargestellt. 1 CC. derselben ent-
sprach 0,001301 Grm. Sauerstoff.
0,1897 Grm. Yanadinpentoxyd in Schwefelsäure gelöst nnd doroh
Zink reducirt erforderten zur Oxydation 27,7 CC. obiger
Lösong, entsprechend 25,8 Th. Sanerstoflf aaf 100 Th. der
angewandten Substanz.
Um über die Zuverlafslichkeit dieser Methode keinen
Zweifel zu lassen , wurde 0,1 Grm. Yanadinpentoxyd in
Schwefelsäure gelöst und zu der mit Wasser verdünnten
Lösung Permanganatlösung zugesetzt, bis deutliche Rothfarbung
eintrat; es waren dazu 0^3 CC. erforderlich. 5 Grm. des
zur Reduction dienenden Zinks wurden in Schwefelsaure
gelöst; diese Lösung wurde durch einen Tropfen der Per-
manganatlösung deutlich geröthet.
Die schwefelsaure Lösung des Vanadinpentoxyds wird
durch Cadmium und durch Natriumamalgam auf dieselbe Weise
wie durch Zink in die violette des Dioxyds verwandelt.
Bei der Reduction mit Cadmium wurden, um die Wasserstoff-
entbindung zu erleichtern, Platinschnitzel zugesetzt.
Reduction
darch Cadmium durch Natriumamalgam
Gewicht Ton VjO» 0,0897 0,0681
CC. ▼onKMnO^ (1 CC. = 0,001413 0) 16,4 12,8
SauerstofipTerlast auf 100 yfi^ 25,8 26,6.
Die Mittelsahl aus den 6 Analysen iat 26,8.
Annal. d. Chem. a. Pb«nn. VI. Sapplementbd. 1. Hell. 7
98 Roacoe, Untersuchungen über Vanadin,
Die violette Lösung enthfilt sehr wahrscheinlich Vana-
dinsalfat oder Schwefelsäure, in welcher 1 oder mehrere
Atome Wasserstoff durch das Mtftall ersetzt sind. Die For-
mel für diese Salze ist durch weitere Versuche noch fest-
«
zustellen.
Setzt man zu der Flüssigkeit Ammoniak oder Ealilauge,
so erhält man einen braunen Niederschlag von Vanadin-
hydroxyd, welches augenblicklich Sauerstoff absorbirt
Setzt man die möglichst neutralisirte Lösung des Hon-
oxyds einige Secunden der Luft aus, so ffirbt sie sich rasch
dunkelchocoladebraun. Diese Parbenveranderung findet so
schnell statt, wenn die freie Säure durch Zink nahezu neu-
tralisirt ist, dafs dieselbe ein vortreffliches Reagens auf
freien Sauerstoff abgiebt, welches in Nichts einer alkalischen
Pyrogallussäurelösung nachsteht.
Leitet man einen Luflstrom durch die saure Lösung des
Dioxyds, so verändert die Flüssigkeit ihre Farbe alkndiig
zu einem reinen Blau und enthält alsdann Vanadintetroxyd.
Die braune Lösung, welche sich bildet, wenn die neutrale
Lösung der Luft ausgesetzt wird, enthält Vanadintrioxyd ;
auf Zusatz einer Säure wird dieselbe gVun.
Den Punkt, wenn die Flüssigkeit anfängt organische
Farbstoffe zu bleichen, kann man leicht feststellen, indem
man dieselbe von Zeit zu Zeit mit Lackmuspapier prüft
Bei der Farben Veränderung, welche die Lösung des
Pentoxyds unter Elnflufs von Zink erleidet, kann man 8 Phasen
unterscheiden :
Farbe
Reaction
Oxydationsstnfe
1) grün
saaer
Pentozyd und Tetroxyd
2) blaugrün
ff
ff ff ff
8) blaa
11
Tetroxyd
4) grflnlich-blau
9
Tetrozyd und Trioxyd
5) grün
bleicht schwach
Triozyd mit wenig Dioxyd
6) grünlich-Tiolett
bleicht stark
Trioxyd and Dioxyd
7) bmolich-riolett
*
ff ff «
8) Yiolett
9
Dioxyd.
Roacoe, Untersuchungen über Vanadin. 99
Die Flüssigkeit wirkt demnach bleichend, sobald die
Bildung des Dioxyds anfangt. Ein quantitativer Versuch
zeigte^ dafs die bleichende Wirkung der Lösung aufhört,
wenn 100 Theile Dioxyd 9,5 Tbeile Sauerstoff aufgenommen
haben; zur vollständigen Ueberführung in Trioxyd sind 11,9
Theile Sauerstoff erforderlich. — Die leichte Reduction des
Vanadinpentoxyds durch Zink in Dioxyd, dessen Menge durch
Permanganat genau festgestellt werden kann, giebt eine ein-
fache Methode zur quantitativen Bestimmung von Vanadin bei
Gegenwart anderer Metalle.
2) Vanadintrioxyd (Suboxyd von Berzelius), VjOs. —
Das wasserfreie Trioxyd wird bekanntlich dadurch erhalten^
dafs man Vanadinpentoxyd durch Wasserstoff bei Rothglüh-
hitze reducirt. Man kann dasselbe im Wasserstoffstrome zu
Weifsgluth erhitzen, ohne dafs ein Gewichtsverlust stattfindet.
0,411 Grm. Vanadinpentoxyd worden durch Wasserstoff reducirt
nnd dabei zwei Stunden lang in einem Windofen zur Weifs-
gluth erhitzt; es worden 0,366 Trioxyd erhalten, anstatt der
berechneten Menge 0,868.
Berzelius hat die Eigenschaften dieses Oxyds genau
und vollständig beschrieben; ich habe seinen Angaben nur
noch hinzuzufügen, dafs dasselbe sich nicht nur unter Glühen
oxydirt^ wenn man es noch warm der Luft aussetzt, sondern
dafs es auch bei gewöhnlicher Temperatur langsam Sauer-
stoff aufnimmt. Nach mehreren Monaten verwandelt sich
das schwarze amorphe Trioxyd unter Aufnahme eines Atoms
Sauerstoffs in kleine indigoblaue Krystalle von Tetroxyd.
Vanadintrioxyd in Lösung, — Das Trioxyd ist unlöslich
in Säuren; es lafst sich aber auf folgende Weise in Lösung
bringen. Man setzt zu der verdünnten schwefelsauren Lösung
des Pentoxyds einen Ueberschufs von Magnesium. Die Far*
benveranderung, welche eintritt, ist dieselbe, wie bei der
Reduction mit Zink, Cadmium und Natriumamalgam, geht aber
7*
100 Roscoe, Untersuchungen über Vanadin.
nicht bis Violett, sondern bleibt bei Grün stehen, und die
Lösung enthalt alsdann Vanadintrioxyd. — Um sich zu Yer-
gewissern, dafs die oben beschriebene Methode der Analyse
durch Oxydation mit Permanganat zuverlässig ist, wurden
0,4043 Grm. Vanadinpentoxyd durch Wasserstoff reducirt
und das reducirte Trioxyd in eine Kochfiasche gebracht,
welche verdünnte Schwefelsäure enthielt und mit Kohlen-
saure gefüllt war. Auf Zusatz der titrirten Permanganat-
lösung trat rasche Oxydation ein, und das gebildete Pent*
oxyd löste sich in der Schwefelsaure. Es wurden zur voll-
ständigen Oxydation 50,4 CG. Permanganatlösung (1 CG.
= 0,001413 Grm. 0) verbraucht, was 21,35 pG. Sauerstoff
entspricht, vvahrend die Theorie 21,24 pG. verlangt.
Das durch Reduction mit Magnesium in Lösung erhaltene
Trioxyd wurde mit derselben Permanganatlösung oxydirt
mit den nachfolgenden Resultaten :
1. 2. 8. 4.
Gewicht des Vanadinpentoxyds 0,0759 0,1598 0,1025 0,1187
CG. der PermanganaÜösuDg 9,4 19,6 18,0 15,0
SauerstoffVerlust auf 100 Th. des
Pentozyds 17,5 17,88 17,9 17,9
SauerstoffYerlust aaf 100 Th. des
Pentoxyds berechnet 17,5 — — —
Eine Lösung des Trioxyds kann ferner dadurch erhalten
werden, dafs man die violette Lösung des Dioxyds durch einen
Ueberschufs von Zink neutraiisirt , und nachdem man das
Qberschässige Zink entfernt hat, einen Luflstrom durch die
Lösung leitet, bis dieselbe eine dunkelbraune Farbe ange-
nommen, welche auf Zusatz einiger Tropfen Sdure in Gräo
übergeht, und, wie folgende Analysen zeigen, Trioxyd enthält
1) Durch die yiolette Lösung, welche durch Reduction Ton
0,1672 Grm. ^%0^ erhalten worden, wurde eine Stunde
lang Luft geleitet Zur Oxydation wurden 21,9 CC. der
obigen Permanganatlösung verbraucht.
2) Eine Lösung, welche aus 0,1652 Grm. VgOe bereitet worden
war, wurde ozjdirt, indem man Luft 4 Stunden lang durch-
Roacoßj Untersuchungen über Vanadin. 101
leitete. Zur Oxydation waren 21,0 CG. der Permanganat-
lösong (1 CG. = 0,001320 Qtxm. O) erforderlich.
Hiernach nahmen 100 Theile des Dioxyds im ersten Falle
13,05 pC. und im zweiten 12,96 pC. Sauerstoff auf; die be-
rechnete Menge ist 11,9 pC.
Wie schon erwähnt ist die neutrale Lösung des Trioxyds
braun und wird durch Sauren grün; beide Lösungen ent-
halten dasselbe Oxyd. Eine braune Lösung wurde in zwei
gleiche Theile getheilt, der eine mit Säuren versetzt und beide
durch Permanganat oxydirt. Die braune nahm 12,13 pC. und
die grüne 10,82 pC. Sauerstoff auf.
Wirkung von Chlor auf Vanadmtrioxyd, — Berze-
lios gab diesem Oxyd die Formel VO (V == 68,5), welche
er aus der Veränderung, die es bei Einwirkung von Chlor
erleidet, ableitete. Es wurde schon oben erwähnt, dafs das
bei dieser Reaction sich bildende Chlorid ein Oxychlorid ist
und die stattfindende, Zersetzung durch folgende Gleichung
ausgedruckt wird :
8 v,o, + 6 Gl, = VjOg + 4 voa».
Um die Reinheit des durch Reduction erhaltenen Trioxyds
zu prüfen, wurde eine gewogene Menge desselben in einem
trockenen Chlorstrome erwärmt und das zurückbleibende
Pentoxyd gewogen :
1) 4,6004 Grm. V^Og gaben 1,8807 YgO» anstatt 1,8597. '
2) 2,686 Grm. V^Os gaben 0,992 Yfi^ anitatt 1,0858.
Die . in der grünen Lösung enthaltene salzartige Ver-
bindung ist bis jetzt nicht isolirt worden ; ihre Formel konnte
daher noch nicht festgestellt werden.
3) Vanadintetroosyd ^ VgOi. — Die wasserfreie Verbin-
dung erhielt Rerzelius, indem er die schwefelsaure Lösung
mit Natriumcarbonat fällte und den Niederschlag im luftver-
dännten Räume trocknete. Er 'fand , dafs 100 Theile der-
selben in Wasserstoff rjeducirt 90,67 seines Suboxyds hinter-
102 Rosöoe, Untersuchunpen über Vanadin.
liefsen, und schlofs hieraus, dafs das „Vanadinoxyd^ doppelt
so viel Sauerstoff enthalte^ als das Suboxyd, und g^ab ihm die
Formel VO«.
Wie oben schon erwähnt, läfsi sich das wasserfreie
Tetroxyd auch dadurch erhalten, dafs man das Trioxyd meh-
rere Monate lang[ der Einwirkung des atmosphärischen Sauer-
stoffs aussetzt.
1,1686 Grm. der so erhaltenen blauen Krystalle,- welche unter der
Glocke der Luftpumpe Yollkommen getrocknet waren, gaben
beim Erhitzen an der Luft 1|2688 Vanadinpentoxyd oder
nahmen 8,57 pC. Sauerstoff auf, statt der berechneten 9,69 pC.
Am 13. November 1866 wurden 0,7507 Grm. des
schwarzen Vanadintrioxyds der Luft augg^esetzt und von Zeit
zu Zeit g^etrocknet und wieder gewogen.
Am 4. Februar 1867 hatte es seine Farbe in Schwarz-
blau verändert und wog nun 0,8112 Grm.
Am 25. März 1867 wog es 0,8267 Grm. und hatte nun
10,13 pC. Sauerstoff aufgenommen, oder nahezu 1 Atom, für
welches sich 11,87 pC. Sauerstoff berechnen. Seine Farbe,
welche jetzt dunkelblau war, änderte sich bei weiterer Ein-
wirkung in dunkles Olivengrön, was auf Aufnahme von
Wasser und Bildung eines Hydrats beruht.
Vanadintetroxyd in Lösung. — Die Lösungen dieses
Oxyds in Säuren sind rein blau gefärbt. Man erhält dieselben
durch Reduction der Lösung des Pentoxyds in Schwefelsäure
vermittelst schwefliger Säure, Schwefelwasserstoff und wahr-
scheinlich auch Oxalsäure, Alkohol und Zucker, oder indem
man die saure Lösung der niederen Oxyde durch einen
Luftstrom oxydirt.
Um die durch Reduction durch Schwefelwasserstoff und
durch schweflige Säure erhaltene Oxydationsstufe zu bestim-
men, wurde die Lösung in einer Atmosphäre von Kohlensäure
Rosooej Untersuchungen über Vanadin^ 103
Cfekocht, um den Uebersobufs des redvcirenden Mittels zu
entfernen , und nach dem Erkalten mit Permanganat oxydirt.
Darch schweflige Bäure reducirt
1. 2. 3.
Gewicht ron V,05 0,1062 0,1106 0,1060
CC. Permanguiat (1 CC.=: 0,001418 Gnn.) 6,7 7,0 6,8
Baaerstoffyerlast auf 100 Theile V,05 8,91 8,94 8,97
Durch Schwefelwasserstoff redacirt
4. 6. 6.
Gewicht Ton V^Ob 0,1248 0,1489 0,1289
CC. Permanganat (1CC. = 0,001413 Orrn.) 8,8 9,6 7,9
Sanerstoffyerlast auf 100 Theile ¥,0, 9,39 9,01 9,00.
Das Mittel aus diesen Zahlen ist 9,03; die Rechnung
verlangt 8,75 pG.
0,1149 Gnn. Vanadinpentozyd wurden dnreh Zink redacirt und
durch die saure Lösung ein Luftstrom wfthrend 15 Stunden
geleitet. Es wurden 9,6 00. Permanganatldsung rerhraucht
(1 00. = 0,00182 Grm.).
0,0919 Grm. des Pentoxyds eben so behandelt verlangten 6,8 CO.
2ur ToUstftndigen Wiederoxydation.
Hiemach nahmen 100 Theile des Dioxyds im ersten Fi^Ue 20,9
und im sweiten 23,4 Theile Bauerstoff auf, während sich
28,78 berechnen.
Das Sulfat, welches man durch Verdampfen der blauen
Lösung erhält, wurde von Berzelius analysirt. Man kann
dasselbe als Vanadylsulfat betrachten, oder Schwefelsäure, in
welcher Wasserstoff durch das Radical VO ersetzt ist :
4) Vanadinpentozyd ( Vanadinaäure) j VgOs. •— Die
Eigenschaften dieses Oxyds hat Berzelius ausführlich be-
schrieben. Nordenskiöld hat später noch die Krystallform
(rhombisches Prisma) bestimmt *), In der vorliegenden Hit-
theilung beabsichtige ich, die Eigenschaften und die Zusam-
*) Pogg. Annr CXU, leO.
104 Boseoe, Untersuchungen über Vanadin,
mensetzung dieses Oxyds und der Vanadate nur in so fern
zu besprechen, als es noth wendig ist, um das wahre Atom-
gewicht des Metalls zu bestimmen.
Constitution der sogenannten Monovanadate, — Die Ana-
lysen des Ammonium- und Baryumvanadats , welche Ber-
zelius ausgeführt hat, genügen, um die Constitution dieser
Salze festzustellen. Aus den Formeln^ welche er giebt, das
Atomgewicht des Metalls zu 68,5 angenommen^ geht hervor,
dafs dieselben als Metavanadate betrachtet werden müssen,
wenn man das richtige Atomgewicht 51,3 gebraucht.
Berzelius' Formeln
(V = 68,5 ; O = 8)
Monoammonium-VaDadat NHsVOs -f- HO.
Monobaryum-Vanadat BaOVOa.
Neue Formeln
(V = 61,3; 0 == 16)
NH4VO8 Ammonium-Metavanadat
Ba(V08)8 Barjrnm-Metavanadat.
Um Berzelitts' Analysen des Ammoniumsalzes zu be-
stätigen, wurden folgende Analysen des weifsen wasserfreien
Salzes gemacht, welches man erhalt, wenn man Vanadin-
pentoxyd in Wasser suspendirt; Ammoniak einleitet und das
Salz wiederholt umkrystallisirt. Erhitzt man das Salz in
einem Sauerstoffstrome, so bildet sich Vanadinpentoxyd, wel-
ches geschmolzen und gewogen wurde.
Angewandtes Vanadinpentoxyd Procentgehalt
Salz gefanden an Vanadinpentoxyd
1. 6,8581 5«8263 77,72
3. 3,0446 1,6903 77,78
8. 2,6129 3,0814 77,75.
Der berechnete Procentgehalt ist 77,82; Berzelius
fand 77,59.
Constittäion der sogenannten Bivanadate, — Die Bi-
vanadate, welche man aus den Monovanadaten nach Ber-
zelius' Angabe dadurch erhalt, dafs man die Monovana-
Roacoey Untersuchungen über Vanadin, 105
date vorsichtig mit Essigsäure behandelt, sind durch v. Hauer
analysirt worden *). Das Ammonium- und das Natriumsalz
entsprechen den Formeln NH4O, 2VO3 und NaO, 2VO3,
wenn V = 68,5 und 0 = 8. Unter Zugrundelegung der
neuen Atomgewichte werden dieselben :
(NH^,V40a und Na,V40u ,
d. h. Verbindungen der Metavanadate mit Pentoxyd :
2 (NH4VO,) + V.Og und 2 (NaVO,) + VgOg.
Gonstitution der normalen Vanadate. — Dafs die nor-
noiale Vanadinsaure dreibasisch ist, geht aus der zuerst von
Czudnowicz **) beobachteten Thatsache hervor, dafs
wenn man Vanadinpentoxyd mit Natriumcarbonat zusammen-
schmilzt, für jedes V^Os 3 CO2 entweichen.
0,4323 Grm. Yanadinpentoxyd worden mit wasaerfreiem Sodium-
carbonat so lange erhitzt, bis kein Gewichtsverlust mehr
stattfand; das Gewicht der entwichenen Kohlensäure betrug
0,3078, oder 1 Mol. Pentoxyd verdrängte 2,957 oder nahezu
3 Mol. Kohlensäure. Das normale Sodinmvanadat ist daher
NaaVO*.
V. Die Oxychlaride des Vanadins.
1) Vanadinoxychhrrid oder VanadyUrichlorid^ VOCI3. —
Dafs das hellgelbe Chlorid , welches bei Einwirkung von
Chlor auf Vanadintrioxyd entsteht, Sauerstoff enthält, wurde
auf verschiedene Weise ermittelt.
1) Einige Gramme des Chlorids wurden in eine Kugel-
röhre gefüllt und dieselbe mit einer langen Verbrennungs-
röhre verbunden, welche zur Hälfte mit reiner Zuckerkohle
and zur anderen Hälfte mit Kupferdrehspänen gefüllt war.
Das andere Ende der Kugelröhre wurde dann mit einem
Apparate verbunden^ welcher vollkommen reinen und trocke-
nen Wasserstoff lieferte. Der Wasserstoff wurde auf die
•) Journ. f. pract. Chem. LXIX, 888.
♦•) Pogg. Ann. CXX, 38.
106 Roscoej Untersuchungen über Vanadin.
oben beschriebene Weise vollständig von Sauerstoff befreü
und in der Kalte so lange durch den Apparat geleitet^ bis
jede Spur Luft daraus verdrängt war. Kohle und Kupfer
wurden sodann zum Glühen erhitzt und das entweichende
Gas in Barytwasser geleitet Sobald in demselben auch nach
15 minutigem Durchleiten keine Trübung mehr eintrat, wurde
ein Liebig 'scher Kugelapparat^ welcher klares Barytwasser
enthielt, mit dem Apparate in Verbindung gebracht. Die Kugel,
welche das Oxychlorid enthielt und bis dahin kalt gehalten
worden war, wurde nun erwärmt, um das Chlorid in die
Röhre überzudestilliren. Die Dämpfe kamen mit der glühen-
den Kohle in Berührung und bald darauf entstand im Baryt-
wasser ein dicker Niederschlag von Baryumcarbonat , wo-
durch bewiesen ist, dafs das Chlorid sauerstoflfhallig ist und
in Berührung mit Wasserstoff und glühender Kohle theil-
weise Zersetzung erleidet.
Dieser Versuch wurde zweimal genau mit denselben
Resultaten wiederholt. Es ist indessen anmöglich, den
Sauerstoff quantitativ zu bestimmen, da nur ein kleiner Bruch-
theil sich mit Kohlenstoff verbindet und die bei Weitem
gröfsere Menge mit dem Metall verbunden bleibt und Vana-
dindioxyd sowie die weiter unten beschriebenen festen Oxy-
chloride entstehen.
2) Leitet man die Dämpfe des gelben Chlorids über
Magnesium, welches in einer Atmosphäre von reinem Wasser-
stoff erhitzt wird, so tritt eine heftige Reaction ein und das
Metall verbrennt. Nach dem Erkalten wurde das überschüs-
sige Metall sorgfältig entfernt Das zurückbleibende dunkle
Pulver wurde wiederholt mit kochendem Wasser ausgezogen,
um Magnesiumchlorid zu entfernen und das Ungelöstblei-
bende mit Salzsäure behandelt, welche eine grofse Menge
Magnesia aufnahm, deren Sauerstoff nur aus dem Oxychlorid
stammen konnte.
Roscoe, Untersuchungen über Vanadin. 107
3) Ein ähnlicher Versuch wurde mit Natriom ausgeführt.
Es bildete sich dabei nahe bei dem Platinschiffchen, in wel-
chem das Metall enthalten war, eine dicke Kruste von Natron«
4) Die Dampfe des Oxychlorids wurden mit Wasserstoff
gemengt durch eine rothglühende Röhre geleitet. Das
Chlorid wurde zersetzt; im vorderen Theile der Röhre bil-
deten sich schwarze glänzende Krystalle von Vanadintrioxyd,
weiter hinten setzten sich fesle Oxychloride ab und aufser-
dem bildete sich eine kleine Menge einer dunkelrothen Flüs-
sigkeit; die schwarzen Krystalle enthielten kein Chlor.
0,0860 Grm. derselben gaben bei der Oxydation 0,1051 Yanadin-
pentoxyd, entsprechend 99,2 pC. Trioxyd.
5) Destillirt man das Oxychlorid rasch über rothglühende
Kohle, oder stellt man dasselbe dar, indem man ein Gemisch
von Trioxyd und Kohle mit Chlor behandelt^ so erhält man
eine dunkel - braunrothe Flüssigkeit, welche ein Gemisch
von Oxychlorid mit anderen Chloriden ist. Bestimmt man
in demselben Chlor und Vanadyl (VO = 67,3), so er-
hält man Zahlen , welche addirt 103 bis 105 pC. geben.
Diese Flüssigkeit mufs neben dem Oxychlorid noch ein
sauerstoflTfreies Chlorid enthalten.
Darstellung des Vanadj/ltrichlorids.
1) Man mischt feingepulvertes Vanadinpentoxyd mit reiner,
aus Zucker bereiteter Kohle und erhitzt das Gemenge in
einem Wasserstoffslrome zum Glühen. Man läfst im Wasser-
stofTstrome erkalten und bringt dann die Substanz in eine Retorte
aus schwer schmelzbarem Glase, welche durch einen grofsen
Bunsen 'sehen Brenner erhitzt wird, und leidet sodann durch
den Tubulus trockenes Chlor ein. Auf diese Weise wurden
in einer Operation 180 Grm. von rohem röthlich gefärbtem
Oxychloride erhalten.
Um daraus die reine Verbindung abzuscheiden , erhitzt
man dieselbe zum Sieden in einem Kolben, welcher mit einer
aufwärts gerichteten Kühlröhre verbunden ist, und leitet durch
108 Roscoe, Untersuchungen Über Vanadin*
Dann rectificirt man wiederholt über Natrium in einem
Strome von Kohlensanre ; kleine Hengen anderer Chloride,
welche beigemischt sind, werden dabei zersetzt und das
Natrium bedeckt sich mit einer dunkeln Kruste. Die Flüs-
sigkeit nimmt nach und nach eine bernsteingelbe Farbe an
und bildet zuletzt eine citronengelbe Flüssigkeit mit con-
stantem Siedepunkte.
2) Als hellgelbe Flüssigkeit erhält man das Oxychlorid
in der ersten Operation , wenn man trockenes Chlor über
gelinde erhitztes Sesquioxyd leitet. Um einen Ueberschufs von
Chlor daraus zu entfernen, erhitzt man es, wie oben ange-
geben , unter Durchleiten von trockener Kohlensäure und
erhält es dann durch einmalige Rectification über Natrium rein.
Der Siedepunkt des reinen Chlorids wurde bei einem
Barometerstand von 767 MM. zu 126^,7 gefunden; zu dieser
Bestimmung wurden 100 Grm. der Flüssigkeit verwandt
Das specifische Gewicht ergab sich :
bei 140,5 1,841
bei 170,5 1,836
bei 240,0 1,828.
Das Vanadinoxychlorid bleibt bei — 15^ noch flüssig.
Da der Ausdehnungscoefficient dieser Flüssigkeit noch
•
nicht bei einer Temperatur oberhalb 24^ bestimmt worden ist,
so konnte das Atomvolum nicht festgestellt und mit dem des
Phosphoroxychlorids verglichen werden. — Die Dampfdichte
wurde nach Dumas' Methode bestimmt und dabei die folgen-
den Zahlen erhalten :
Gewicht des Ballons mit Luft bei lio ....=: 6,5178
Barometerstand =: 776,5 MM.
Gewicht des Ballons mit Dampf bei I860 . . . = 7,0003
Barometerstand = 780 MM.
Rauminhalt des Ballons =r 185,18 CG.
Gefunden Berechnet
H = 1 88,20 86,80
Luft = 1 6,108 6,000.
Boacoe, Untersuchungen über Vanadin* 109
Analyae des Vanadyltrichlorids. Zweite Methode der
Atomgewichtsbesümmung. — Die BestimmuTig des Atomge-
wichts der Metalle durch Analyse der flüchtigen Chloride
hat den Uebelstand, auf welchen schon Pierre aufmerksam
gemacht hat *), dafs diese hygroscopischen Körper mit
grofser Begierde den Wasserdampf der Luft an sich ziehen.
Diese Fehlerquelle kann indessen dadurch vermieden wer-
den, dafs man eine grofsere Menge des Chlorids darstellt
und dasselbe schnell in mehrere gewogene kleine Glaskugeln
einschmilzt.
Die nachstehenden AI Bestimmungen wurden mit der
gröfsten Sorgfalt ausgeführt; die erhaltenen Zahlen stimmen
gut mit denen, welche die Reductionsmethode ergab, und dienen
daher als wichtige Controle für die Zuverlässigkeit der ur-
sprünglich angewandten Methode.
Volttmetrische Bestimmung des Chlors. — Durch beson-
dere Versuche wurde ermittelt, dafs wenn man das Oxy-
chlorid durch Wasser bei Gegenwart von Silbernitrat und
Salpetersäure zersetzt, das ausgeschiedene Silberchlorid keine
Spur Vanadinpentoxyd mit niederreifst.
Bei der Darstellung von reinem Silber, sowie bei der
Analyse selbst, wurde genau nach Stas* Vorschrift ver-
fahren **), Die Salpetersäure wurde so dargestellt, dafs
man vpn einer grofsen Menge reiner Säure V5 abdestillirte
und das darauf folgende Destillat getrennt auffing. Dasselbe
war ganz frei von Chlor; eben so das destillirte Wasser,
welches durch zweimalige Destillation erhalten worden war.
Das Gewicht des anzuwendenden Silbers wurde aus einer
vorausgehenden Gewichtsanalyse berechnet und es wurden
jedesmal mehrere Titrirungen auf einmal ausgeführt. Die
•) Ann. chim. phys. [8] XX, 257.
*) KechercheB sur les rapports eto. 1860, p. 26.
110 Roscoej Untersuchungen über Vanadin.
abgewogfene Menge reinen Silbers wurde mit der zehnfachen
Menge reiner Salpetersäure vom specifischen Gewichte 1,2
in eine gut verstopfte Glasflasche von 300 CG. Inhalt ge-
bracht und das Ganze so lange auf ungefähr 40° erhitzt, bis
das Silber gelöst war. Nach dem Erkalten wurde die Glas-
kugel^ welche die abgewogene Menge von Vanadyltrichlorid
enthielt, in die Flasche gebracht, dieselbe verstopft ond die
Kugel durch Schütteln zerbrochen. Sodann wurde so viel
destillirtes Wasser zugesetzt, dafs das Gewicht der gesamm-
ten Flüssigkeit das 40- bis 50 fache des Silbers betrug. Die
niederen Oxyde des Stickstoffs, welche in der Flüssigkeit
vorhanden sind, reduciren das Vanadinpentoxyd, und es bil-
det sich eine rein blaue Flüssigkeit, in welcher sich leicht
die geringste Trübung von Silberchlorid erkennen liefs.
Gay-Lussac und Stas haben beobachtet, dafs, wenn
bei volumetriscfeen Chlorbestimmungen die Flüssigkeit noch
1 bis 2 Milligramme Silber im Liter in Lösung enthalt, so-
wohl eine Silberlösung, wie eine Chloridlösung darin eine
Trübung erzeugt. Dasselbe wurde bei den volumetrischen
Analysen des Vanadyltrichlorids beobachtet, und um die Re-
sultate vergleichbar zu machen, wurde, genau nach der An-
gabe von Stas, die Decimalkochsalzlösung so lange hinzu-
gefügt, bis keine weitere Trübung sich zeigte. Der Fehler,
welcher hierdurch entsteht, ist so gering, dafs er noch
nicht 0,0005 beträgt, und wird aufserdem zum Theil
dadurch aufgehoben, dafs das Silber noch eine Spur Ver-
unreinigung enthalt. Das im Filtrat enthaltene Vanadin
wurde bei mehreren Versuchen dadurch bestimmt, dafs man
den Ueberschufs des Silbers durch Salzsäure ausfällte, ein-
dampfte, um den gröfsten Theil der Säure zu entfernen^ so-
dann vom Silberchlorid abfiltrirte und das Filtrat in einer
Porcellanschale zur Trockne verdampfte^ den Rückstand in
RoscoBy Untersuchungen über Vanadin.
m
einer Platinschale mit Satpetersäure oxydirte und die ge-
schmolzene Saure wog.
Es wurden im Ganzen 9 volumetrische Bestimmungen
gemacht; die Resultate sind im Folgenden zusammengestellt.
Zu den Analysen 1 bis 4 wurde dasselbe Chlorid- genom-
men , zu 5 und 6 das von einer zweiten Darstellung und
zu 7 und 8 das ?on einer dritten Darstellung.
Gewicht des
Gewicht des zur Fftllang
Procente*)
•
Trieb lorids
erforderten Silbers
Chlor
1.
2,4322
4,5525
61,49
2.
4,6840
8,7505
61,37
3.
4,2188
7,8807
61,37
4.
8,9490
7,8792
61,39
5.
0,9248
1,7267
61,37
6.
1,4330
2,6769
61,87
7.
2,8580
5,2853
60,86
8.
2,1252
2,9535
61,11
9.
1,4248
2,6642
61,43
Im Mittel 61,306.
Gewkhtsbeatimmung des Chlors. — Um die volumetri-
sehen Chlorbestimmungen zu controliren , wurden einige
Gewichtsanalysen auf gewöhnliche Weise ausgeführt. Wie
besondere Versuche ergaben, ist das gefällte Silberchlorid
frei von Vanadin.
Gewicht des ange-
Gewicht d. gebildeten
Procentgehalt
wandten Trichlorids
Silberchlorids
an Chlor
1.
1,8521
4,5932
61,33
2.
0,7013
1,7803
61,01
3.
0,7486
1,8467
61,00
4.
1,4408
3,5719
61,30
5.
0,9453
2,3399
61,21
6.
1,6188
4,0282
61,55
7.
2,1936
5,4809
61,22
8.
2,5054
6,2118
Im i
61,31
iittel 61,241.
*) Bei dar Berechnung wurden die Zahlen von Stas angewendet,
nimlioh O = 16; Ag =: 107,93; Cl = 35,457.
112 Roscoe, Untersuchungen über Vanadin,
Die obigen 17 Bestimmangen ergeben im Mittel 61,276 pC.
Chlor; hieraus berechnet sich das Atomgewicht des Vana-
dins :
(106,371 X 100) - (122,371 X 61,276) ^. _.
61,276 ^^'^^•
Die Reduction des Pentoxyds in Wasserstoff gab 51,37.
Im Mittel aller Bestimmungen ergiebt sich daher die Zahl
5i,33 als Atomgewicht des Vanadins.
Bestimmung des Vanadins. — In einigen Fällen wurde
das Vanadin im Vanadyltrichlorid direct bestimmt (Analysen
1 und 4)^ während in anderen (2 und 3) die vom Silber-
chlorid abfiltrirte Flüssigkeit dazu verwendet wurde.
Gewicht des Procentgehalt
Pentoxyds an Vanadin
0,7868 29,20
0,3679 29,47
0,8959 29,71
0,6252 29,94
Gewicht des
Trichlorids
1.
1,4188
2.
0,7013
8.
0,7486
4.
1,1731
Mittel 29,58.
Hieraus ergiebt sich die Zusammensetzung des Vanadyl-
trichlorids :
Berechnet Gefunden
y 51,3 29,54 29,58
Clj 106,37 61,25 61,27
O 16,00 9,21 —
173,67 100,00.
2) Vanadyldichlorid oder Vanadinoxydichlorid, VOCIj. —
Diese Verbindung entsteht neben anderen festen Oxychlori*
den, wenn der Dampf des Vanadyltrichlorids mit Wasserstoff
gemischt durch eine glühende Glasröhre geleitet wird.
Leichter und ganz rein erhält man diesen Körper, wenn
das flussige Oxychlorid mit Zink in zugeschmolzenen
Glasröhren auf 400^ erhitzt wird. Hierbei entstehen Zink-
chlorid, ein schwarzes Oxyd des Vanadins und ein Sublimat
Roscoey Untersuchungen über Vanadin. 113
von glänzend grasgrünen, tafelförmigen Krystallen, welche
aus dem Dichlorid bestehen. Um dasselbe rein zu erhalten,
wurde der Theil der Röhre , welcher die Verbindung ent-
hielt, abgeschnitten, und schnell in eine weitere Röhre ge-
bracht, durch welche, während dieselbe im ParafQnbade auf
130^ erhitzt wurde, man einen Ström von trockener Kohlen-
säure leitete, wodurch das anhängende flüssige Oxychlorid
vollständig entfernt wurde. Das schwarze Oxyd besteht aus
YyO^; mit verdünnter Salzsäure behandelt erhält man eine
Lösung, welche organische Farbstofi'e bleicht. — Vanadinoxy-
dichlorid wird von Wasser langsam zersetzt; es zerfliefst
wenn der Luft ausgesetzt; von verdünnter Salpetersäure wird
es leicht gelöst. Das specifische Gewicht ist 2,88 bei 15^
Die Analyse gab folgende Resultate :
Grewicbt des
Diohlorids AgCl y,Oe
1. 0,3765 0,7688 0,2498
2. 0,3207 0,6631 0,2160
Berechnet
V 61,8 87,12
Clfl 70,91 61,89
O 16,0 11,59 —
188,21 100,00.
3) Vanadinoxymonochlorid oder Vanadylmanochloridj
VOCl. — Diese Verbindung ist ein braunes, leichtes Pulver,
welches sich bei der Einwirkung von Wasserstoff auf das
Oxytrichlorid in der Röhre da absetzt, wo das Gasgemisch
eintritt. Es ist in Wasser unlöslich, aber leicht löslich in
Salpetersäure. Es bildet eine leichte flockige Masse, wo-
durch es sich von dem vorhergehenden, so wie den anderen
festen Oxychloriden unterscheidet und leicht getrennt werden
kann.
Die zur Analyse verwandte Substanz wurde bei 130^
im Kohlensäurestrome getrocknet.
Prooentgehalt
Cl V
60,40
87,80
51,07
87,87.
Gefunden
87,68
60,78
414 Roscoe, Untersuchungen über Vanadin.
Angewar
idte Snbstans
Oefnnden
AgCl V,05
Procentgehalt
Cl V
1.
0,1393
0,1823
0,1240
32,85
50,03
2.
0,2631
0,3912
0,2285
86,71
48,82
Berechnet
Grefunden
V
51,3
49,92
50,21
Cl
35,46
84,51
84,53
0
16.0
102,76
15,57
100,00.
-
■*~
4) Divanadylmonockloridy VaOgCl. — Diese Verbindang,
welche sich immer am äufsersten Ende der erhitzten Röhre
absetzt und fest am Glase haftet, hat eine Bronzefarbe und
grofse Aehnlichkeit mit dem sogenannten Musivgold. Unter
dem Hikroscop erscheint es in metallglanzenden gelben
Kry stallen. Schafarik hielt es für metallisches Vanadin.
Unlöslich in Wasser, löst es sich leicht in Salpetersaure.
Die zur Analyse verwandte Substanz wurde bei 140^ in einem
Strome von Kohlensaure erhitzt, bis das Gewicht constant
blieb.
Angewandte
Bubstans
AgCl V,0«
Procentgehalt
Cl V
0,2130
0,1777 0,2443
19,72 64,48^
0,6098
0,4767 0,6390
18,15 58,91.
Berechnet
Gefanden
V,
102,6 60,88
61,69
Cl
85,46 20,84
18,98
0,
82,0 18,83
—
170,06 100,00.
VI. Vanadinnitride,
1) Vanadinmononürid^ VN. — Das Verfahren, welches
Berzelius beschreibt, um das metallische Vanadin zu er-
halten , giebt nicht das Metall , sondern Stickstoffvanadin.
Man erhalt dasselbe auf die Art, dafs man Ammoniakgas
über Vanadyltrichlorid leitet, welches in einer Kugelröbre
Boscoe, Untersuchungen über Vanadin^ 115
enthalten ist, nnd das so gebildete Ammoniumoxychlorid er-
hitzt, bis sich aller Salmiak yerfldchtigt hat. Das zurück-
bleibende schwarze Pulver (Vanadindinitrid ?) wird in ein
PlatinschifTchen gebracht und dieses in einer Porcellanröhre
im Windofen mehrere Standen zur ToUen Weifsgluth erhitzt,
wahrend Ammoniakgas (oder vielmehr ein Gemisch von
Wasserstoff und Stickstofl) darüber geleitet wird. Man er-
halt so ein graubraunes Pulver, welches metallglänzende
Theilchen enthält. An der Luft ist es unveränderlich bei
gewöhnlicher Temperatur; beim Erhitzen wird es unter Er-
glühen in das blaue Oxyd verwandelt, welches bei weiterem
Erhitzen schmilzt und zu Pentoxyd oxydirt wird. Nit Natron-
kalk erhitzt entwickelt es Ammoniak. Das zur Analyse die-
nende Nitrid war wiederholt im Ammoniakstrome zur Weifs-
gluth erhitzt worden, bis das Gewicht constant blieb.
1) BcBtlmniung des Vanadins :
Angewandte Substanz Vanadinpentoxyd erhalten
0,3126 0,4859.
2) Bestimmung des Stickstoffs nach Simpson ^s Methode :
a) Angewandte Substanz 0,2688.
Volumina Stickstoff Druck Tempe- Volum bei 0^
(trocken gemessen) in MM. ratur und 760 MM.
142,1 718,0 90,2 48.2 CO.
1 Vol. = 0,881 CC.
b) Angewandte Substanz 0,2000.
(feucht gemessen)
112,0 Vol. 682,1 180,0 81,8 CC.
Berechnet Gefunden
V 61,8 78,56 77,8 — —
N 14,0 21,44 — 20,8 20,0
65,8 100,00.
Vanadindinitrid^ YNg. — Diese Verbindung wurde 1858
von Uhrlaub*) erhalten, indem er das durch Einwirkung
*) Pogg. Ann. cm, 184.
8*
116 IVurtZf über die Synthese
von Ammoniak auf Vanadyltrichlorid erhaltene Pulver erhitzte,
bis sich aller Salmiak verflöchtigt hatte, dann mit wasserigem
Ammoniak wusch und über Schwefelsaure im luftleeren
Räume trocknete. Derselbe konnte ans seinen Analysen
keine einfache Formel ableiten , da er das Atomgewicht su
68,5 annahm.
Berechnet man aber dieselben mit dem richtigen Atom-
gewichte 51,3, so ergiebt sich der Procentgehalt an Vanadin
zu 64,1 ; die Formel VN^ erfordert 64,6 pC, V.
Die Existenz des Mononitrids bestätigt nicht nur mit der
gröfsten Sicherheit das wahre Atomgewicht des Metalls, son-
dern dasselbe bildet auch den Ausgangspunkt für die Unter-
suchung des Metalls selbst, und einer neuen sauerstofiFfreien
Reihe von Vanadinverbindungen.
üeber die Synthese des Neurins;
von A. Wurtz*).
Bekanntlich hat 0. Liebreich aus dem Gehirn eine
krystallisirbare, bestimmte Verbindung dargestellt, unter deren
Elementen sich auch Phosphor und Stickstoff befinden, tind
welche er als Protagon benannt hat **). Bei der Einwirkung
von concentrirtem Barytwasser spaltet sich dieser Körper zu
Glycerinphosphorsdure und einer starken Base, welcher Lieb-
reich die Benennung Neurin gegeben hat. A. B e e y er***)
hat kürzlich gezeigt, dafs das Neurin eine Oxithylenbase ist,
•) Compt. rend. LXV, 1016.
••) Ann. Chem. Pharm. CXXXIV, 29.(1866).
••*) DaBolbst CXL, 806; CXLII, 822.
des Neuritis. H7
and dafs es als Oxäthylammonium' Hydrat betrachtet werden
kann, in welchem 3 At. Wasserstoff durch 3 At. Methyl er-
setzt sind :
H
H
H
CÄ(OH)
CH3
^NOH ^^» [NOH
C,H4(()H).
OxäthylammoniTim- Oxfttbyltrimetliyl-
Hydrat ammoniam-Hydrat
Darauf hin hat Baeyer vermuthet, dafs man die Syn-
these des Neorins in der Art realisiren könne, dafs man
Methyljodür auf Oxäthylammonium-Hydrat einwirken läfst,
welches letztere, wie ich gezeigt habe, zugleich mit anderen
Oxäthylenbasen sich bei der Einwirkung ?on Aethylenoxyd
auf Ammoniak bildet. Aber bis jetzt habe ich diese Base
oder ihre Chlorverbindung nur in kleinen Mengen erhalten,
welche letztere von der Chlorverbindung des Dioxathyl-
aromoniums zu scheiden schwierig ist. Ich habe für die
Darstellung der Oxäthylenbasen noch ein anderes Verfahren
angegeben, welches auf der Behandlung des einfach-chlor-
wasserstoffsauren Glycoläthers mit Ammoniak beruht. Dieses
Verfahren hat mich zu einer sehr eleganten Synthese des
Nenrins geführt Das chlorwasserstoffsaure Salz dieser Base^
d. h. die Chlorverbindung des Oxäthyltrimetbylammoniums,
entsteht durch directe Addition der Elemente des Glycol-
Chlorhydrins (des einfach-chlorwasserstoffsauren Glycoläthers)
und des Trimethylamins :
^ ^* CH.
r 1 CHg
In - ^^>
»f - CH,
mci
i(OH))
einfaoh-ohlorwasser^ Chlorverbindnog d. Trimethyl-
Btoffs. Glycolftther ox&thylammoniams.
5 Grm. Trimethylamin wurden mit 10 Grm. Glycol-
Chlorhydrin in einer geschlossenen Röhre im Wasserbad
erhitzt. Als nach 24 Stunden die Röhre erkalten gelassen
wurde, erfüllte sie sich mit schönen prismatischen, voUkom-
118 Wurtsiy über die Synthese
men farblosen Krystallen. Diese Krystalle lösen sich reich-
lich in siedendem wasserfreiem Alkohol und scheiden sich
bei dem Erkalten der Lösung, wenn diese sehr concentrirt
ist, theilweise wieder aus. Durch Aether wird diese Lösung
gefällt ; aber wenn die Flüssigkeit auch nur eine Spur Was-
ser enthalt, sammelt sich das Ausgeschiedene am Boden des
Gefäfses in Form einer dicken Flüssigkeit. Die Krystalle,
um die es sich handelt und welche die Chlorverbindung
des Oxäthyltrimethylammoniums sind, sind nämlich sehr zer-
fliefslich.
Setzt man der wässerigen Lösung dieser Chlor?erbindung
eine Lösung von Goldchlorid von mittlerer Concentration za,
so bildet sich sofort ein krystallinischer Niederschlag von
rein gelber Farbe. Dieser Niederschlag, welcher, wie
A. Baeyer gezeigt hat, characteristisch ist, löst sich in sie-
dendem Wasser, und scheidet sich bei dem Erkalten dieser
Lösung in Form kleiner gelber Nadeln aus. Er ist eine
Chlor -Doppelverbindung von Gold und Oxätbyltrimethyl-
ammonium :
(CH,),(C,H40H)'NC1 + AnOg •).
Ich habe diese Chlor-Doppelverbindung mit einem Prä-
parat verglichen, welches mir Liebreich mitgetheiit hatte
und das mit Neurin aus Gehirn dargestellt worden war. Diese
*) Ich lasse die Zahlen folgen, welche mir dieses Säle bei der Ana-
lyse ergeben hat :
berechnet
^
gefunden
C5
60 ^^*
13,64
18,72 13,27
Ht4
14
8,16
8,22 8,28
0
16
8,61
— —
N
14
8,16
8,84 —
CI4
142
32,08
^ — .
Au
197
44,45
44,90 —
448 100,00. *
des Neurins. 119
beiden Salze krystallisirten auf dem ObjecUrager des Mikro-
scops in rhombischen Blattern, welche, bis auf die Dimen-
sionen der Krystalle, als identisch erschienen.-
Setzt man zu einer concentrirten Lösung der Chlorverbin-
dung des Oxäthyltrimethylammoniums eine Platinchloridlösung,
so entsteht kein Niederschlag, und die Flüssigkeit läfst erst
Krystalle ausscheiden, wenn sie bis zu Syrupconsistenz con*
centrirt ist; aber auf Zusatz von Alkohol entsteht ein Nieder-
schlag, welcher bei der Analyse 31,8 pC. Platin ergab. Nach
der Formel :
(CH8)8(CsH40H)N, Cl + PtCl,
berechnen sich 31,8 pC. Platin.
Zersetzt man die Chlorverbindung des Oxathyltrimethyl-
ammoniums mittelst feuchten Silberoxyds, so läfst man das
Oxäthyltrimethylammonium-Hydrat frei werden, welches nach
dem Eindampfen in Form einer syrupdicken Flüssigkeit bleibt.
«
Slärker erhitzt zersetzt sich dieselbe unter Ausstofsung eines
starken ammoniakalischen Geruches.
Die von mir mitgetheilten Analysen eben so wie die
Bildungsweise der Oxäthylenbase , welche den Gegenstand
der vorliegenden Hittheilung abgiebt, scheinen mir jeden
Zweifel bezüglich der Zusammensetzung derselben zu heben,
welche allerdings die des Neurins ist. Es bleibt jetzt noch
übrig, eine sehr genaue Vergleichung der beiden Körper
vorzunehmen , um die .Frage zu entscheiden , ob nicht hier
ein Fall von Isomerie doch vorliege.
Ich beabsichtige, die Untersuchung des Oxäthyltrimethyl-
ammonium - Hydrats weiter zu führen, wie auch die der
analogen Basen, welche sich durch Ersetzung des Trimethyl-
amins und des Glycol-Chlorhydrins durch die Homologen
dieser Substanzen erhalten lassen werden.
120 Wanhlyn u. Schenk, Synthese
Synthese der Capronsäure;
von J. A. Wanklyn und R. Schenk*).
Kohlensäure wirkt auf Natriumäthyl und Natriummethyl
ein, und bildet im ersteren Falle propionsaures , im zweiten
Falle essigsaures Natrium. Es schien uns wflnschenswerth
zu sein, eine parallele Reaction höher in der Reibe zu er-
halten. Wir haben hierfür die Amylgruppe gewählt.
Quecksilberamyl wurde nach Frankland und Duppa's
Verfahren dargestellt^ aus Jodamyl und verdünntem Natrium-
amalgam, unter Zusatz von etwas Essigdther um die Reaction
einzuleiten. Die Reinheit des Quecksilberamyls wurde durch
eine Quecksilberbestimmung festgestellt; es ergab 58,09 pG. Hg,
wahrend sich 58,50 pC. berechnen. — Aus diesem Queck-
silberamyl wurde nach dem von Frankland und Duppa
empfohlenen Verfahren, durch Digeriren desselben mit Zink,
Zinkamyl dargestellt. Das letztere wurde zusammen mit Natrium
in eine Glasröhre eingeschmolzen und im Wasserbad erhitzt;
es bildete sich Natriumamyl und Zink wurde ausgeschieden.
— Bei dem Zuleiten von Kohlensaure fand Wärmeentwicke-
lung statt, gerade so wie bei Anwendung von Natriumäthyl
oder Natriummethyl. — Nach beendeter Einwirkung wurde
Wasser zugesetzt, und die resultironde Lösung des Natrium-
salzes im Wasserbade zur Trockne eingedampft. Der Rück-
stand gab bei der Destillation mit verdünnter Schwefelsäure
eine ölige, nach Capronsäure riechende Flüssigkeit. Letztere
wurde in Barytwasser gelöst; etwa 3 Grm. eines Baryumsalzes
wurden erhalten. Das getrocknete Baryumsalz ergab 37,56 pC.
Ba, während sich für capronsaures Baryum 37,33 pC. berechnen.
*) Journal of the Chemical Society [new serieB] Vol. VI, p. 31.
der Capronsäure. 121
Auch ein Silbersalz wurde dargestellt ; es ergab 48,53 pC. Ag,
während sich für capronsaures Silber 48,43 pC. berechnen.
Die Einwirkung der Kohlensäure auf das Natriumamyl
erfolgt gemäfs der Gleichung :
NaCftH,, + COg = CflHjtNaOj.
üeber die Art der Einwirkung der Erdrota-
tion auf die Richtung des Windes;
von H. Bftff.
Jeder Erdkörper, der sich in gerader Linie, wagerecht^
gleichgültig übrigens nach welcher Himmelsgegend zu be-
wegen strebt, erfährt bekanntlich in Folge der Axenumdrehung
der Erde eine Ablenkung, zur rechten Seite auf der nörd-
lichen Erdhälfte, zur linken Seite auf der südlichen, welche
ganz allgemein durch die Formel :
u = o I « sin y^
bestimmt ist *). In derselben bedeutet w = —^^-rwr- den
oolo4
Drehungsbogen für die Zeit einer Secunde des Sternentags^
oder der Periode einer vollständigen Umwälzung der Erde
um ihre Axe; t die Dauer der Bewegung, a den Weg, wel-
chen der bewegte Körper während der Zeit t zurückgelegt
hat, endlich ß die geographische Breite des Ortes.
Als Hadley gelegentlich seiner Erklärung der Fassat-
winde den Einflufs der Erdumwälzung auf irdische Bewegun-
gen zum erstenmal zur Geltung brachte, versuchte er die
westliche Ablenkung des Polarstroms, oder dessen Umwand-
lung in einen Nordostwind davon abhängig zu machen , dafs
*) Zu Tergleiohen Ann. Chem. Pharm., Supplementband IV, 8. 207.
122
Buff^ über (He Art der Einwirkung
die von Nord nach Süd bewegte Lufl ans Breiten geringerer
Rolationsgeschwindigkeit in Breiten gröfserer Rotationsge-
schwindigkeit gelangt.
Es entsteht nun die Frage, ob diese Ablenkung eines
bewegten Körpers in Folge seines Uebergangs aus einer
Breite in die andere durch den Ausdruck obiger , Formel
bereits genügend berücksichtigt, oder ob sie etwas Anderes,
in jenem Ausdruck nicht Mitbegriffenes ist. Letzteres könnte
man aus dem Grunde vermuthen, weil die Bewegungsbabn
eines Körpers, auch ohne dafs derselbe aus seiner Breite
merklich heraustritt (wie z. B. die Schwingungsebene des
Pendels), durch die Erdrotation eine Drehung erfahren kann.
Da die Beantwortung dieser Frage ein allgemeines
Interesse bietet, so dürfte sie den Lesern dieser BUtter will-
kommen sein.
Es mag der Kreis abq einen
Erdmeridian vorstellen, ao = r einen
Radius des Aequators, ferner be
= rcosß den Radius eines Breite-
grades in der Breite ab=^(fi. Ein
Körper bewege sich entlang des
Meridians durch die Wegesstrecke c b
= 8, d. h. aus der Breite ac zur
Breite ab Es isi cd = o g -^ be und cg = «sin/?;
daher :
cd =^ stan fi + r cos jS.
Die Rotationsgeschwindigkeit des Punktes a ist s= oi r,
des Punktes b = cj r cos ß^ des Punktes c = oi (« sin /?
+ r cos ß). Der Unterschied der Rotatiorisgeschwindigkeiten
der Punkte c und b ist folglich :
Angenommen, der Körper bewege sich in der Richtung
des Meridians gleichförmig von c nach b. Im Augenblicke
der Erdrotation auf die Richtung des Windes, 123
seines Abgangs von c besitzt er gerade die erforderliche
Rotationsgeschwindigkeit, um die geographische Lange seines
Ausgangsortes behaupten zu können. Nachdem er aber
bei X {ex ^=: x) angekommen, x
c » ■ ~t
wurde er dazu nur noch der
Rotationsgeschwindigkeit w sin ß (x b) ^= w sin ß (s — x)
bedürfen, und wird folglich mit dem Geschwindigkeitsuber-
Schüsse (0 sinß X von seiner geradiinigten Bahn östlich ab-
getrieben. Es bedeutet o; sin /3 or den Weg , der von dem
Punkte X aus winkelrecht auf c ^ in einer Secunde beschrie-
ben werden könnte. Die Beschleunigung an dieser Stel!0
ist daher = 2(a8\nßx; sie ist, wie man leicht sieht, die
Summe aller von c bis x gewonnenen Beschleunigungen^ also
die Geschwindigkeit, womit die Ablenkung nach Rechts in
diesem Augenblicke vor sich geht.
Man darf daher setzen, indem man mit u die Gröfse der
Ablenkung bezeichnet :
du = 2 o Bin fix dt;
oder auch , da die Bewegung nach Annahme gleichförmig,
also X = V t ist,
du = 2oB'infividi,
Der Integralwerth dieses Ausdrucks zwischen den Grenzen
X = 0 bis X = 8 ist :
u = Gf ainiSv^,
und indem vi =^ s gesetzt wird,
u := a ts fiin 3.
Dieser Ausdruck ist identisch mit dem am Eingange
dieses Aufsatzes hervorgehobenen. Man erkennt daraus, dafs
die Ablenkung u eines horizontal bewegten Körpers nur von
derjenigen Breite abhängig ist, in welcher derselbe im
Augenblicke des Schlusses der Beobachtung anlangt.
Die nach der Formel u berechnete Abweichung eines
Körpers aus der ursprünglichen Richtung seiner Bewegung
kann naturlich nur dann eintreten, wenn derselbe rechts zu
124 Buff^ über die Art der Einwirhung
seiner Bahn freie Beweglichkeit besitzt. Für die Luft findet
eine freie Beweglichkeit in diesem Sinne keineswegs statt.
Ein Luftstrom kann nicht aus seiner Richtung ablenken,
ohne auf die zur Seite liegenden Lufllheile zu drücken, und
diese folglich wie sich selbst zu verdichten. Jede durch
die Umdrehung der Erde um ihre Axe bewirkte Veränderung
in der Richtung des Windes wird ako durch Druck und
Verdichtung eingeleitet; wahrend die durch Temperaturver-
schiedenheit erzeugte Kraft eine saugende ist und vor dem
Winde liegt. Es ist einleuchtend, dafs in jenem Drucke alle
(«ufttheile durch die ganze Breite {b) des Stroms sich be-
theiligen müssen ; dafs folglich die verdichtende Kraft in
ihrem Grenzwerthe {P) von der Mächtigkeit des Stroms ab-
hängig ist.
Der Werth von P auf die Flächeneinheit bezogen, er-
giebt sich aus der Erwägung, dafs die demselben ent-
sprechende Beschleunigung :
p
Gleichung, in welcher t; den Weg in der Zeiteinheit, also
die Geschwindigkeit des Luftstroms, d das Gewicht von
1 Cubikfufs Luft, db somit die der beschleunigenden Kraft
ausgesetzte LuflmassC; soweit sie in einem Cylinder von der
Länge b uud einem Querschnitte = der Flächeneinheit ent-
halten ist, vorstellt. Man findet hieraus :
S ' 9
^bezeichnet die Höhe einer Luftsäule, deren Druck sich
mit dem von der Erdrotation abhängigen von dem Luftstrom
winkelrecht zur Richtung seiner Bewegung ausgeübten Drucke
ins Gleichgewicht setzen würde.
Man denke sich z. B. einen Wind^ der aus Süd- West
mit einer Geschwindigkeit von 30 Pariser Fufs gegen den
der Erdrotation auf die Richtung des Windes. 125
50. Breitegrad binblasl, so zeigt die Rechnung, dafs derselbe
unter Annahme einer Breite von 30 geographischen Meilen
seines Bettes^ an seiner Ostgrenze eine Anstauung bewirken
kann, deren Kraft dem Drucke einer Luftsäule von 76,5 FufS;
oder dem einer Quecksilbersäule von 1 Pariser Linie gleich
kommt.
Es ist selbstverständlich, dafs die Wirksamkeit derartiger
Kräfte bei einem Luftstrome von immerwährender Dauer, wie
dem Passate, durch eine mittlere Richtung der Bewegung
längst ihre Ausgleichung gefunden hat. Anders aber mufs
es sich bei einem Wechsel der Windesrichtung zeigen, oder
bei entgegengesetzt gerichteten Winden, deren Bette nicht
aber, sondern nebeneinander liegen. Sollte nicht bei wech-
selnder Witterung in den europaischen Ebenen' der soge-
nannte Kampf des Sud- West- mit dem Nord -Ost -Strome,
und die denselben so häufig begleitenden Wirbelwinde vor-
zugsweise von dem bezeichneten Einflüsse abstammen?
üeber die Identität des Körpers in der Atmo-
sphäre, welcher Jodkalium zersetzt, mit
Ozon ;
von Th. Andrews *).
Es ist eine Reihe von Jahren, namentlich auf die Auto-
rität von Schönbein hin, angenommen worden, dafs der
in der Atmosphäre enthaltene Körper, welcher Jodkaliutn-
*) ProoeedingB of the Eoyal Society, Vol. XVI, p. 68.
126 AndretoSy über die Anwesenheit
Papier färbt, mit Ozon identisch ist; aber diese Identität ist
neuerlich in Zweifel gezogen worden, und da der Gegenstand
erhebliche Wichtigkeit hat, so unterwarf ich ihn einer sorg-
fältigen Untersuchung. Die einzige Eigenschaft des Ozons,
welche bis jetzt auch für den in der Atmosphäre enthaltenen
Körper nachgewiesen worden ist, ist die, Jod aus Jodkalium
frei zu machen ; da aber auch andere Substanzen, wie z. B.
Salpetersäure und Chlor, dieselbe Eigenschaft besitzen, liefs
sich aus dieser Thatsache allein kein sicherer Schlafs
ziehen.
Eine der auffallendsten Eigenschaften des Ozons ist sein
Vermögen, Quecksilber zu oxydiren, und wenige Experi-
mente sind auffallender, als das, einige Blasen electrolytisch
entwickelten Sauerstoffgases auf die Oberfläche von 1 bis
2 Pfund Quecksilber einwirken zu lassen. Das Metall ver-
liert sofort seinen Glanz ^ seine Beweglichkeit und die Con-
vexität der Oberfläche , und bewegt haftet es in dünnen
spiegelartigen Häutchen an der Wandung des es enthalten-
den Glasgefäfses. — Der in der Atmosphäre enthaltene Kör-
per wirkt in derselben Weise auf reines Quecksilber ein ;
aber bei der äufserst geringen Menge, welche überhaupt in
der Luft anwesend ist, erfordert der Versuch einige Sorg-
falt dafür, dafs diese Wirkung zur Wahrnehmung gebracht
werde. Bei mehrstündigem Ueberleiten eines Stromes von
atmosphärischer Luft, welche mit Jodkalium-Papier die ge-
wöhnliche Reaction gab, über die Oberfläche von Queck-
silber in einer U-Röhre, wurde das Metall deutlich an dem
Ende oxydirt, an welchem die Luft zuerst in Berührung mit
ihm kam.
Dieser Versuch kann jedoch nicht als ein streng be-
weisender betrachtet werden , da das Quecksilber auch in
Folge der Einwirkung mehrerer anderer Körper, aufser
Ozon, anlaufen und seine Beweglichkeit verlieren kann.
von Ozon in der Atmosphäre^ 127
Bekanntlich verschwinden alle Reactionen des Ozons,
wenn das letztere durch eine Röhre geleitet wird, welche
Stückchen trockenen Manganhyperoxyds oder eines anderen
Körpers aus derselben Klasse enthalt. Dasselbe hat statt für
die in der Atmosphäre enthaltene, als Ozon betrachtete Sub-
stanz. Etwa 80 Liter atmosphärischer Luft wurden in gleich-
förmigem Strome durch eine, Hanganhyperoxyd enthaltende
Röhre gesaugt und dann auf sehr empfindliches Reagens-
papier einwirken gelassen. Nicht die leiseste Färbung des
letzteren trat ein, obgleich dasselbe Papier deutlich gefärbt
wurde, als 10 Liter derselben Luft, ohne Einschaltung der
mit Manganhyperoxyd gefällten Röhre, über es geleitet
wurden.
Aber die Einwirkung der Hitze giebt den unzweideu-?
tigsten Beweis ab für die Identität des in der Atmosphäre
enthaltenen Körpers mit Ozon. In einer früheren Hitthei-
lung *) habe ich gezeigt, dafs das Ozon , mag es durch
Electrolyse oder durch die Einwirkung electrischer Funken
auf Sauerstoff erhalten sein, bei 237^ C. rasch zu gewöhn-
lichem Sauerstoff umgewandelt wird. Ein Apparat wurde
zusammengestellt, mittelst dessen ein Strom atmosphärischer
Luft in einem kugelförmigen Gefäfse von 5 Liter Inhalt auf
260<^ C. erhitzt werden konnte. Nach dem Austreten aus
diesem Gefäfse strich die Luft durch eine U-förmige Röhre,
deren Wandung innen mit Wasser benetzt war, während
die Röhre selbst durch Eintauchen in ein Gefäfs mit kaltem
Wasser abgekühlt wurde. Als atmosphärische Luft von
günstiger Beschaffenheit durch diesen Apparat geleitet wurde,
mit einer Geschwindigkeit von 3 Liter in der Minute, wurde
das Reagenspapier innerhalb 2 bis 3 Minuten deutlich gefärbt,
*) Pfailosophical Transactions for 1856, p. 12 (vgl. Ann. Chem.
rharm. XCVII, 873).
128 Andrews, Anwesenheit von Ozon in der Atmosphäre.
vorausgesetzt dafs das kugelförmige Gefafs nicht erhitzt war.
Aber wenn die Temperatur der Luft bei dem Durchgehen
durch dieses Gefäfs auf 260^ gebracht war, zeigte sich nicht
die leiseste Einwirkung auf das Reagenspapier, wie lange
auch das Durchströmen von Luft andauerte. Aehnliche Ver-
suche mit künstlich ozonhaltig gemachter Luft — nämlich
mit der Luft eines grofsen Zimmers, welche eine kleine
Menge electroly tisch dargestellten Ozons erhielt — gaben ge-
nau dieselben Resultate. Andererseits wurde das Reagens-
papier gefärbt, die Glaskugel mochte erhitzt sein oder nicht,
als kleine Mengen Chlorgas oder Salpetersauredampf, mit
sehr viel Luft verdfinnt, durch denselben Apparat gesaugt
wurden.
Auf Grund dieser Versuche betrachte ich die Schlufs-
folgerung als gerechtfertigt, dafs der in der Atmosphäre
enthaltene Körper, welcher Jodkalium zersetzt, mit Ozon
identisch ist.
Ausgegeben den 28. Mai 1868.
ANNALE»
D£B
CHEMIE UND PHARMACIE.
VI. Supplementbandes sweites Heft
Untersuchungen über die Dampftensionen
homologer Verbindungen ;
von H. LandoU.
(HierKu'Taf. ü).
1« Dalton *) hatte im Jahre 1801 aus seinen Versuchen
über die Spannkräfte der Dampfe einer Anzahl von Flüssig-
keiten das Gesetz ableiten zu können geglaubt, dafs allen
Substanzen bei Temperaturen, welche eine gleiche Anzahl
von Graden über oder unter dem Siedepunkte bei gewöhn-
lichem Atmosphärendnick liegen, eine übereinstimmende
DampftcQsion zukomme.
Diesem Gesetze Dalton's wurde jedoch bald von einer
Hange von Forschern widersprochen; es hatten sich nament-
lich Ure, Despretz, Avogadro, Faraday u. A. gegen
die Gültigkeit desselben erklärt, und schliefslich fand die
Frage ihre Tollständige Erledigung durch die zahlreichen
Spannkraftmessungen Regnault's **). Es wies Dieser be-
stimmt nach, dafs verschiedene Flüssigkeiten bei gleichen
Temperaturabständen vom Siedepunkt Differenzen in den
Pampftensionen zeigen, welche die Beobachtungsfehler weit
*) Mem. of the literary and philos. Society of Manchester V, 550.
••) M&n. de FAcad. T. XXI u. XXVL
130 Landoltf Unterauchtmgen über die DampfteMionen
überragen, ond dafs dieselben um so beträchtlicher werden,
je mehr man sich vom Siedepunkte entfernt*).' Zu dem-
selben Resultate kam auch Clausius **), welcher bei einer
Anzahl der von Regnaul t untersuchten Substanzen die
Differenzen zwischen den Siedetemperaturen bei den Span-
nungen von 1 und von 5 Atmosphären bildete, und keine
Uebereinstimmung unter denselben fand, wie es nach D al-
ten hatte der Fall sein müssen.
Dafs das Gesetz keine allgemeine Gültigkeit besitzt, ist
somit erwiesen. Wenn man aber die Körper betrachtet,
deren Dampflensionen zur Prüfung desselben dienten, so
finden sich unter denselben die gröfsten Verschiedenartig-
keiten in Bezug auf alle ihre physikalischen und chemischen
Eigenschaften. Für Körper von ahnlicher Natur und gleich-
artiger chemischer Constitution ist das Dalton'sche Gesetz
nicht erprobt. Es lag immer noch die Möglichkeit offen,
dafs dasselbe bei solchen Substanzen, und zwar bei den
Gliedern homologer Reihen, welche bekanntlich schon mehr-
fach Beziehungen zwischen ihrer Zusammensetzung und den
physikalischen Eigenschaften zu erkennen gegeben haben,
sich bewahrheiten würde. Diese Frage ist bis jetzt nicht
erledigt, es sind noch keine Spannkraflmessungen der Dampfe
solcher Körper bekannt.
Der Gegenstand ist ferner in einer anderen Beziehung
von Interesse. Bekanntlich hat Kopp in den Siedepunkten
der Glieder homologer Reihen bestimmte Regelmafsigkeiten
nachgewiesen, die zwar bisweilen nicht unerhebliche Ab-
weichungen zeigen, aber doch im Grofsen und Ganzen nicht
zu verkennen sind. So hat er gezeigt, dafs bei den Gliedern
der Ameisensäure - Reihe einer Zusammensetzungsdifferenz
*) M^m. de TAcad. XXVl, 662.
**) AbhandluDg ftber die mechaniache Wftrmetheorie I, 131.
homologer Verbindungen. 131
▼on CH2 ein constanter Unterschied im Siedepunkt entspricht,
weicher im Mittel 19^ beträgt, und dafs dieselbe Differenz
auch bei den Alicoholen auftritt. Es liegen nun noch keine
Erfahrungen darüber vor, ob diese Beziehungen sich nur auf
die Siedepunkte beschränken, welche dem zufälligen Atmo-
sphärendrucke von 760 MM. entsprechen, und dieselben dem-
nach blofs einen empirischen Werth be^en, oder ob sie
auch bei Temperaturen sich zeigen, die anderen Spannungen
zugehören. Das letztere wird der Fall sein, wenn, wie es
das Dalton'sche Gesetz fordert, die Siedepunkte verschie-
dener Körper für die- nämliche Druckveränderung sich um
eine gleiche Anzahl von Graden verschieben. Es ist also
die Frage an die Existenz dieses Gesetzes gebunden.
Die obigen Grunde bestimmten mich, für eine Anzahl
von Körpern, und zwar zunächst für die Anfangsglieder der
Ameisensäure-Reihe,' die Spannkräfte ihrer Dämpfe bei ver-
schiedenen Temperaturen zu ermitteln. Ich lege in Folgen-
dem . die mit Ameisensäure, Essigsäure, Propionsäure, Butter-
saure und Valeriansäure angestellten Beobachtungen vor.
Apparate und Methoden.
%• Zu den Tensionsbestimmungen sind zwei verschiedene
Apparate gebraucht worden, welche beide so eingerichtet
werden mufsteu; dafs sie mit kleinen Mengen Flüssigkeit zu
arbeiten erlaubten. Der eine war für Versuche bei niedrigen
Temperaturen, der andeire für solche bei höheren bestimmt.
Zu dem ersten Zwecke wurde eine Vorrichtung benutzt,
welche aus zwei in einem Wasserbad befindlichen Baro-
metern bestand, von denen das eine die zu untersuchende
Flüssigkeit enthielt; die Differenz der Quecksilberstände gab
die Tension. Der angewandte Apparat ist Fig. 1 dargestellt.
In dem kupfernen Wasserbade A , welches auf der Vorder-
9»
132 Landolt, Untersuchungen über die Dampftensionen
and Rückseite mit abnehmbaren Spiegelglasscheiben ge-
schlossen ist , befinden sich zwei Röhren a b von 850 HM.
Länge und 18 HM. innerem Durchmesser. Dieselben gehen
durch Gaouichoucpfropfen am Boden des Wasserbades durch,
und tauchen mit ihren ofi'enen Enden gemeinschaftlich in die
Quecksilberwanne c. Das Rohr a wurde bleibend zum Baro-
meter hergestellt. Zu diesem Zwecke war an das obere
Ende desselben ein enges Capillarrohr f angebracht, wel-
ches mit Hülfe eines angeschmolzenen Glasröhrenstücks mit
der zum Theil aus Blei bestehenden Leitung d e , und durch
diese weiter mit einer Geifsler'schen Quecksilberluftpumpe
B in Verbindung gesetzt werden konnte. Um zunächst die
Innenwände des Rohrs von aller Feuchtigkeit zu befreien,
wurde ungefähr 20 mal leer gepumpt, und durch die Trocken-
apparate mm, welche mit Schwefelsäure befeuchtete Glas-
perlen enthielten, Luft einströmen gelassen. Die untere Oeff-
nung der Röhre a war hierbei durch eine luftdicht anliegende
Platte geschlossen. Nachdem dieselbe entfernt worden war,
hob man durch abermaliges Pumpen das Quecksilber in dem
Rohre, stellte das Vacuum so vollständig wie möglich her
und schmolz schliefslich mittelst eines Gaslöthrohrs die Capil-
larröhre bei f ab. Ob das so entstandene Barometer luftfrei
war oder nichts blieb sich, wie aus dem ferneren Bericht
ersichtlich , gleichgültig ; an dem Manometer der Luftpumpe
liefs sich vor dem Abschmelzen durchaus keine Differenz
der beiden Quecksilberstände erkennen.
Die Röhre b, welche ob.en ebenfalls ein Capillarrohr
besafs und durch Anschmelzen mit der Lösung d e und der
Pumpe in Verbindung gesetzt werden konnte, wurde dann
ganz auf die nämliche Weise behandelt. Nachdem sie ge-
trocknet worden war, pumpte man das Quecksilber in der-
selben so weit empor, dafs es genau auf gleiche Höhe wie
im Barometerrohr a zu stehen kam. Zur Beobachtung der
homologer Verbindungen. 133
Ouecksilberstände diente ein vor beiden Rödren aufgestelltes
Kathetometer. War keine Niveaudifferenz mehr mefsbar, so
wurde die Capillarröhre bei g entzwei geschmolzen.
Um die zu untersuchende Flüssigkeit luflfrei in die
Röhre b zu bringen, wurde folgendes Verfahren angewandt :
Man verfertigte vor der Lampe Röhren von der Form Fig. 2
und füllte sie auf die gewöhnliche Weise durch abwechseln-
des Erhitzen und Erkaltenlassen gröfstentheils aus der Flüs-
sigkeit an. Dieselbe wurde dann längere Zeit zum Sieden
erwärmt und nach dem vollständigen Austreiben der Luft
die Spitze zugeschmolzen. Die erkaltete Röhre tauchte man
mit dem umgebogenen Ende in die Quecksilberwanne c,
Fig. 1 und brach die Spitze ab, wobei das eindringende
Quecksilber die Flüssigkeit, wenn das Auskochen gut vor-
genommen worden war^ bis an das obere Ende hob. Die
Spitze wurde jetzt unter die Oeffnung des Rohres b ge-
schoben, und der obere Theil des Gefäfses Fig. 2 so lange
erwärmt, bis durch die sich entwickelnden Dämpfe das Queck-
silber und ein Theil der Flüssigkeit ausgetreten waren. Die
letztere stieg durch das Quecksilber in das Rohr b empor
und sammelte sich im Vacuum an.
Nachdem man die beiden Barometerröhren auf diese
Weise vorgerichtet hatte, \|urde die vordere Glasplatte des
Wasserbades, welche bis dahin abgenommen worden war,
an ihre Stelle gebracht. Hit Hülfe untergelegter Caoutchouc-
ringe und eines eisernen, mit Schrauben versehenen Rah-
mens liefs sich dieselbe wasserdicht befestigen. Behufs Er-
wärmung des Wasserbades besafs der kupferne Kasten auf
beiden schmalen Seiten längs der ganzen Höhe Hohlräume
von halbkreisförmigem Querschnitt, welche durch aufge-
nietetes Kupferblech hergestellt, und an dem oberen Ende
geschlossen, am unteren offen waren. Indem man zwei
Bunsen'sche Gaslampen ii unter den Oeffnungen brennen
134 L an doli, Untersuchungen über die Dampßenafonen
liefS) heizte di$ sta^irende heifse Luft das Wasserbad Ton
beiden Seiten der ganzen Höhe nach. Es gelang auf diese
Weise, die Temperatur des Wassers bis zu 80^ zu steigern.
Durch den mit 6 Schaufeln versehenen Rubrer k, welcher
an dem Seil 1 1 auf und nieder gezogen werden konnte^
liefs sich das Wasser rasch bewegen und durcheinander
mischen. Drei Thermometer , die zwischen beiden Röhren
in verschiedenen Höhen befestigt waren, gaben die Tempe-
ratur an.
Bei Ausführung der Versuchsreihen wurde das Wasser
allmalig erwärmt, wobei wegen der grofsen Hasse desselben
die Temperatur nur äufserst langsam stieg. War die Er-
wärmung bis auf 1 oder 2 Grade unter den Temperatnrpunkt
vorgerückt, für welchen eine Spannkraftmessung vorgenom-
men werden sollte, so schwächte man die Flammen der Gas-
lampen und setzte den Rührer in raschere Bewegung. Die
Temperatur des Wassers erreichte nach und nach ein Maxi-
mum, welches sich einige Hinuten constant erhielt, so dafs
hinlänglich Zeit blieb, die Ablesungen mehrmals vorzunehmen.
Dieselben sind von zwei Beobachtern in der Weise ausge-
führt worden, dafs der eine die Thermometer, der andere
gleichzeitig den Stand des Quecksilbers im Flüssigkeitsrohr b
und nachher das Barometer a#iblas. Die beiden letzteren
Beobachtungen geschahen mittelst eines von Univ.-Mechanicus
Epkens in Bonn verfertigten Kathetometers, welches V«o MM.
angab und mit den nöthigen Correctionsvorrichtungen zur
genauen Einstellung versehen war. Die Unterschiede in den
Beobachtungen betrugen im Uaximum 0,1 HM.
Waren die Beobachtungen für eine Substanz beendigt,
so entleerte man das Wasserbad, nahm die Glasscheibe ab,
und liefs in die Flüssigkeitsröhre b von unten Luft einsteigen,
worauf man sie aus dem Apparate entfernte.. Um dieselbe
für neue Versuche zuzurichten, wurde die obere Spitze ab-
homologer Verbindungen* 135
gebrochen and ein neues Capillarrohr an^elothet, welches
nian, nachdem die Röhre wieder in den Apparat eingesetzt
worden war, abermals mit der Leitung d e durch Anschmel-
zen in Verbindung brachte. Es erforderte diese Operation
immer einige Sorgfalt. Die Röhre wurde dann aufs Neue
mit Hülfe der Luftpumpe eben so hoch mit Quecksilber an-
gefüllt ^ wie das Barometer a. Dieses letztere blieb bei
sämmtlichen Versuchen unverändert.
Bei den Versuchen mit dem obigen sowie auch mit
dem für höhere Temperaturen bestimmten Apparate waren
zwei Beobachter nöthig. Herr Dr. Bettender ff hatte die
Güte, mir behülflich zu sein und bei sammtlichen Spannkraft-
messungen die Ablesung der Thermometer zu übernehmen.
3. Zur Berechnung der Spannkräfte waren an den Be-
obachtungen folgende Correctionen anzubringen :
1) Reduction der Höhe der Flüssigkeitssdule im Rohre b
auf Quecksilber.
2) Reduction der Quecksilbersäulen auf 0^.
3) Correction der Kathetometerbeobachtungen der Queck-
silberkuppen in Folge der Lichtbrechung durch die Wasser-
und Glasschicht. Um diese Correction zu bestimmen, wurde
nachstehendes Verfahren*) benutzt. An dem Barometer a
war etwas oberhalb der Quecksilberkuppe mittelst eines
Diamanten ein feiner Strich gezogen, und ferner an der
Flüssigkeitsröhre b von derselben Höhe an nach unten eine
Centimetertheilung angebracht. Man ermittelte nun mittelst
des Kathetometers die Abstände der Centimetertheilstriche
von der Marke am* Barometer erstens bei abgenommener
Glasplatte, und zweitens bei vorgelegter Glasplatte und ge-
fülltem Wasserbade. Diese Beobachtungsreihen mufsten
selbstverständlich jedesmal dann wiederholt werden, wenn
*) Vgl. Regnaalt, M^m. de FAcad. ZXI, 482.
B1M>
MM
466,00
0,05
462,45
0,10
452,40
0,15
442,35
0,15
432,85
0,20.
136 Landolty Untersuchungen über die Dampftensionen
die Flüssigkeitsröhre und die Glasplatte Yon Neuem in den
Apparat eingesetzt worden waren. Beispielsweise wurden
folgende Zahlen erhalten :
Kathetometerablesang Yeracbie-
durch durch bang des
Luft Wasser u. Glas Tbeilstrichs
MM.
Marke am Barometer 465*05
Theilstricb 1 am Flüssigkeiterobr 462,55
TheiUtricb 2 am Flfissigkeitsrohr 452,55
Theilstricb 8 am Flüssigkeiterobr 442,50
Theilstricb 4 am FlfissigkeiUrobr 432,55
Die bei den Versuchen erhaltenen Ablesungen am Baro-
■
meter mufsten also um 0,05 HH. und diejenigen am Flussig-
keitsrohr, wenn z. B. das Quecksilber ungefähr beim Theil-
striche 3 stand, um 0,15 HM. erhöht werden. 'Oder es war
die Differenz der Quecksilberstande um 0,10 MM. zu yer-
mindern.
Diese Correction war namentlich bei den späteren Ver-
suchen, bei welchen wegen des häufigen Springens der
Glasplatten solche von dünnerem Glase eingesetzt wurden,
nicht unbeträchtlich, indem diese durch den Druck der Was-
sersäule offenbar eine Krümmung erlitten. Es konnte hier
die absolute Verschiebung auf 0,7 MM. , die relative bis zu
0,4 MM. steigen.
4) Correction betreffend die Hebung der Quecksilber-
säule im Rohre b durch die Capillarität der Flüssigkeit
Hierfür konnte ohne erheblichen Fehler der Werth 0,1 MM.
in Rechnung genommen werden, welcher aus den von Reg -
nault*) mit Wasser ausgeführten Versuchen hervorgeht.
In Betreff der angewandten drei Thermometer führe ich
schliefslich an, dafs dieselben wiederholt auf die Verände-
rung ihrer Fundamentalpunkte geprüft und zu jedem Cor-
*) M^m. de FAcacL XXI, 486.
homologer Verbindung en. 137
rectionstabellen angeferti^ waren. Nr. I stammte von Mecha-
nicQS Geifsler in Berlin, Nr. II und III von Hechanicus
Geifsler in Bonn. Sie besafsen Theilung in 5tel Grade.
Die Calibrirung des Rohrs war bei allen schon bei der Con-
struction der Scala in Betracht gezogen worden.
4« Zar Bestimmung der Spannkräfte bei Temperaturen
die über 80^ lagen, wurde ein anderer Apparat benutzt,
dessen Einrichtung zürn Theil durch den anfanglichen Mangel
eines Kathetometers bedingt worden war, und der später
verändert wurde. Derselbe ist Fig. 3 dargestellt. Die zu
erhitzende Flüssigkeit befindet sich über Quecksilber in dem
cylindrischen Glasgefäfse a, welches durch die enge Röhre b
und die etwas weitere c mit dem Manometer d communicirt.
An das Gefäfs a ist oben eine gebogene und mit Glashähn-
chen e versehene Röhre angebracht, und ferner das unten
geschlossene dünnwandige Rohr f eingeschmolzen, welches
mit Quecksilber angefüllt wird und zur Aufnahme des Ther-
mometers bestimmt ist. An der mit Millimetertheilung ver-
sehenen Steigröhre d befinden sich die Hähne k und 1. Zur
Erhitzung von a dient ein Luftbad g, welches aus zwei in
einander gesetzten Kasten von Eisenblech besteht, die auf
dei^ Vorder- und Rückseite mit Glasscheiben versehen sind,
und von denen der äufsere bei h und i einen unten ofi'enen,
oben geschlossenen Hohlraum besitzt. Die Luft in diesen
letzteren wird wie bei Apparat Fig. 1 durch untergestellte
Gaslampen erhitzt , und so von beiden Seiten die Wärme
gleichförmig dem Inneren mitgetheilt. Der Apparat zeigte
im Allgemeinen Aehnlichkeit mit demjenigen , welchen
Plücker zur Bestimmung der Spannkraft des Alkoholdampfs
benutzt hatte*). Er war wie dieser von Herrn Geifsler
mit grofser Geschicklichkeit ganz aus Glas hergestellt worden.
*) Pogg. Ann. XCU, 198.
138 Landolt^ Untersuchungen über die Dampf tenatonen
Das Hanipuliren mit diesem Apparate geschah in folgen-
der Weise : In das Manometer d wurde so lange Queck-
silber gegossen^ bis dasselbe durch c und b in das Gefäfs «
eingetreten und bis über das Hähnchen e gestiegen war.
Da das Röhrenstuck b blofs etwas über 1 MM. innere Weite
besafs, so flofs das Quecksilber, ohne dafs sich Luft ab-
sperrte, hindurch und bildete in dem ganzen Apparate eine
zusammenhängende Säule. Die zu untersuchende Flüssigkeit
wurde in den oberhalb des Hähnchens e befindlichen kleinen
Trichter gegossen, und durch Oefi'nen des Hahnes k am
Manometer, während 1 geschlossen blieb, in das Erhitzungs-
gefäCs a eingesogen. Durch Erwärmen des letzteren brachte
man die Flüssigkeit längere Zeit zum Kochen, um alle ab-
sorbirte Luft auszutreiben , und schlofs hierauf das Hähn-
chen e , nachdem man etwas Quecksilber in die unterhalb
desselben befindliche enge Röhre hatte einfliefsen lassen.
Wenn nach dem Abkühlen das Gefäfs a durch eintretendes
Quecksilber vollständig angefüllt war, konnten die Spann-
kraftmessungen beginnen. Zu diesem Zwecke wurde das
Quecksilber in der Steigröhre d bis nahe an den Nullpunkt
der Theilung sinken gelassen, die Erwärmung des Gefäfses a
bis zu der gewünschten Temperatur langsam vorgenommen,
und wenn diese erreicht war, der Abstand zwischen den
Quecksilberkuppen in a und d gemessen. Hierzu waren an
dem Gefäfs a zwei Marken angebracht ^ auf deren eine man
das Quecksilber durch Oefi'nen des Hahnes k genau einstellte,
wobei die Kuppe mittelst eines Femrohrs beobachtet wurde.
Darauf folgte die Ablesung des Quecksilberstandes in d^
Steigröhre. Gleichzeitig wurde von einem zweiten Beob-
achter die Temperatur an dem in die Röhre f eintauchenden
Thermometer notirt.
Um die dem Stand des Quecksilbers in a entsprechende
Höhe in der Steigröhre d bei den verschiedenen Tempera-
homologer Verbindungen» 139
tnren zn erbalten, war eine Reihe vorläufiger Versuche
nöthig. Man füllte den Apparat soweit mit Quecksilber, bis
dasselbe an einer der Marken in dem Gefäfs a stand, und
erhitzte das letztere nach und nach bis zu 200^, während
das Hähnchen e fortwährend geöffnet blieb. Bei einer An-
zahl von Temperaturen wurde nun der Stand des Queck-
silbers in d, welcher Anfangs im Niveau mit dem in a sich
befand, beobachtet, wobei man die Kuppe in a durch Regu-
liren mittelst des Hahnes k fortwährend an der Harke tan-
giren liefs. Dieselben Beobachtungen wurden an der zweiten
Marke wiederholt, und aus den erhaltenen Zahlen eine von
5 zu 5^ steigende Tabelle über den Nullpunkt des Queck-
silbers in der Hanometerröhre d berechnet. Auf diese
Weise war der Einflufs der ungleichen Erwärmung des
Quecksilbers in den verschiedenen Theilen des Apparats
eliminirt. Wie leicht ersichtlich schlössen die Zahlen auch
noch den Einflufs der Capillarität der ungleich weiten Röh-
ren a und d ein.
Der Apparat wurde später in der Weise verändert, dafs
man als Erhitzungsgefäfs ein an beiden Schenkeln gleich-
weites U-förmiges Rohr anwandte, welches durch eine lufl-
haltende Röhre mit dem Manometer communicirte. Das
Zwischenstück konnte durch einen seitlichen Ansatz mit einer
Luftpumpe in Verbindung gesetzt werden. Diese Form
stimmt überein mit derjenigen der Apparate von Magnus*)
und WüUner**).
5« Bei der Berechnung der Tensionen, welche sich aus
dem Unterschied der Quecksilberstände in a und d, und dem
Barometerstand ergaben, waren noch folgende Correctionen
zu berücksichtigen :
*) Pogg. Ann. LXI, 226.
••) DaMlbflt CHI, 529.
140 L an doli, Untersuchungen über die Dampftenaionen
1) Die Tension des Quecksilberdampfes. Diese wurde
aus der von Regnault (Hem. de TAcad. XXVI , 250) ge-
gebenen Tabelle entnommen.
2) Reduction der Höhe der Flüssigkeitssäule auf Queck-
silber.
3) Reduction der Quecksilbersaulen auf 0^
6. Eine weitere, viel wichtigere Correction betraf die
Thermometerablesung. Wie schon oben bemerkt, tauchte
das Thermometer mit seinem Reservoir in die dünnwandige
Röhre f, in welche man etwas Quecksilber gegossen hatte,
ladem dieselbe überall vom Dampfe umspült war, konnte
man sicher sein, dafs das Thermometer an seinem unteren
•
Ende die richtige Temperatur erhielt. Da aber ein bedeu-
tender Theil des Stieles aus dem Erhitzungsgefdfs heraus-
ragte, mufste durch die geringere Temperatur desselben der
Thermometerstand sich zu niedrig ergeben. Zur Berechnung
dieser immer etwas mifslichen Correction sind verschiedene
Formeln in Vorschlag gebracht worden, von welchen ich
drei einer näheren Prüfung unterzogen habe. Kopp*) be-
stimmt die gesuchte corrigirte Temperatur T durch die
Gleichung :
T = t + 0,000164 . n (t — t,),
in welcher
t der abgelesene Thermometerstand,
t, die Temperatur des herausragenden Quecksilberfadens, bestimmt
durch ein an die Mitte desselben angelegtes zweites Thermo-
meter,
n die Anzahl herausragender Grade,
0,000154 den AusdehnungscoSfficient des Quecksilbers im Glase
für 10
bedeutet.
H 0 1 1 z m a n n **) findet in Folge einer Reihe von Be-
») Kopp, Pogg. Ann. LXXII, 27 und Ann. Chem. Pharm. XCIV, 862.
**) Handwörterbuch der Chemie VII, 868.
homologer Verbindungen. 141
obachtungen des Siedepunktes des Wassers mit yerschieden
tief eingesenktem Thermometer, dafs man der richtigen
Temperatur näher kommt, wenn man setzt :
T = t + 0,000185 n (t - t^). ^
Eine dritte Formel ist von Prof. Wüllner berechnet
worden. Sie stützt sich auf Versuche über die Wärmeleitung
des Quecksilbers in einer Glasröhre, welche ich mit dem-
selben gemeinschaftlich angestellt habe. In Betreff deren
Ableitung mufs auf die ausfuhrliche Abhandlung verwiesen
werden. Nach derselben ist :
T =t+ 0,000164. ii(t—to){l—-- (l —
. 4,185 \
— — .4,185>
e *'
worin t und n, sowie die Zahl 0,000154 dieselbe Bedeutung
wie oben haben, und ferner :
to die Temperatur des Endes des heransragenden Qaeoksilberfadens,
oder bei gröfseren Längen desselben die Temperatur der um-
gebenden Luft,
V die Anzahl auf 1 Deoimeter Scalenlftnge gehender Thermometer--
grade,
e die Grundzahl des natürlichen Logarithmensystems (log e =
0,48429),
4,185 eine aus dem Umfang (0,8 MM.) und Querschnitt (V48 MM.)
der Quecksilbersäule in den von mir benutzten Geifsler*-
schen Thermometern sich ergebende Constante
bezeichnet.
Zur Prüfung dieser verschiedenen Correctionsformeln
sind folgende Versuche angestellt worden.
In einem Rudberg 'sehen Apparat zum Bestimmen des
Siedepunkts des Wassers wurde ein Geifsler'sches Ther-
mometer^ welches unmittelbar 0^,1 angab und 0^,01 schätzen
liefs, zuerst ganz in den Wasserdampf eingetaucht, so dafs
der Punkt 100^ eben noch abzulesen war. Hierauf zog man
das Thermometer successiv um 20^ empor und beobachtete
den Stand t desselben, so wie die Temperatur der den
142 Landolty Untersuchungen über die Dampftensionen
Quecksilberfaden umgebenden Luft. Diese letztere Beob-
achtung geschah mit Hälfe von zwei kleinen Thermometern,
von welchen das eine mit seiner Kugel an die Mitte des
herausragenden Fadens, das andere an das Ende desselben
sich anlegte. Die Temperatur des ersten ist nachstehend
mit ti bezeichnet^ des zweiten, welches immer niedriger
stand, mit to* Um Luftströmungen von dem Erhitzungsappa-
rate aus abzuhalten, war der Stiel des Hauptthermometers
sammt den beiden kleinen Thermometern in eine weite Glas-
röhre eingeschlossen. Vor jedem Versuch wurden die In-
strumente auf die gewöhnliche Lufttemperatur erkalten ge-
lassen. Der Barometerstand betrug während den Beob-
achtungen 762,5 BfJU.
Zu einer zweiten Versuchsreihe, die sich auf höhere
Temperaturen erstri^ckte^ diente ein Paraffinbad, welches in
einem kupfernen Knssel von 0,45 Meter Höhe und 0,1 Meter
Durchmesser enthalten war und sich durch einen Gasofen
heizen liefs. Zwei in ganze Grade getheilte Thermometer
wurden so eingetaucht, dafs der herausragende Faden bei
dem einen nur sehr kurz, bei dem anderen lang war. Den
Stiel des letzteren liefs man wieder durch einen Kork in
einen Glascylinder eintreten, in welchem die Temperatur der*
Luft einmal in der Mitte des Fadens (ti) und femer am
Ende (to) bestimmt wurde. Während der Erhitzung erhielt
man das Paraffin durch einen Bührer fortwährend in Be-
wegung. Nach Beendigung der Versuchsreihe wurden die
beiden Thermometer bei denjenigen Temperaturen, für
welche Beobachtungen ausgeführt worden waren, mit ein-
ander verglichen, indem man sie gleich tief in das Paraffin
eintauchte und die kleinen; Abweichungen, welche sie zeigten,
bestimmte.
In der folgenden Ta belle sind die erhaltenen Resultate
zur Prüfung der verschiedenen Correctionsformeln benatst
homologer Verbindungen.
143
För die Formeln von Kopp and Holtzmann war bei der
Rechnung dje Temperatur ti zu benutzen, bei derjenigen
▼on Wällner dagegen to. n ist wie früher die Länge des
berausragenden Fadens. Bei dem för niedrige Temperaturen
gebrauchten Thermometer war v =: 29^^ bei dem für höhere
» «: 120^.
•
WirkUcbe
Correctionsformel Ton
n
t.
to
t
Tempe-
ratur
Wüll-
ner
• Holtz-
mann
Kopp
0
0
0
0
. 0
0
0
100,09
100,09
-»
—
—
20
27,6
27
99,92
100,09
100,11
100,12
100,14
40
24,5
24
99,70
100,09
100,09
100,11
100,16
60
21.9
20
99,42
100,09
100,07
100,05
100,14
80
21,8
30
99,20
100,09
100,09
100,04
100,16
0
0
0
100,09
100,09
•
*
^__
■^
20
25,5
25
99,86
100.09
100,06
100,06
100,09
40
25,6
24
99,68
100,09
100,07
100,08
136.2
100,14
134
88
27
138,5
135,4
135,3
135,5
161
85
25
161,0
163,9
163,8
163.7
164,1
196
42
84
196,2
200,4
200,4
200,3
200,9
318
51
40
218,0
223,1
223,2
222,9
223,6
166
58
45
246,0
250,4
250,3
250,3
250,9
Es folgt aus dieser Tabelle, dafs die Wöllner'sche
Formel sich immer am Nächsten den wirklichen Tempera-
turen anschliefst. Die Formel von Kopp giebt durchgängig
etwas zu hohe Werthe, diejenige von Holtzmann bei län-
geren Quecksilberfäden dagegen zu niedrige.
Bei den Thermometerbeobachtungen an dem Dampften-
aionsapparat II habe ich für kurze herausragende Fäden die
Holtzmann'sche Formel, für längere die Wüllner*sche
benutzt
7« Die Temperatarbestimmungen bei dem Apparate II
flind mit Hilfe zweier Geifsler'scher Thermometer ausge-
ffihrt worden, welche eine Theilung in 0,2^ besafsen. Das
144 Landolt^ Untersuchungen über die Dampftensionen
erste (Nr. 4) zeigte von 0® bis 100^ das zweite (Nr. 5) von
100^ bis 200^ Die Prüfung des letzteren wurde in der
Weise vorgenommen, dafs man dasselbe erst den Dämpfen
kochenden Wassers aussetzte, wobei es bei dem Druck
759,9 MM. den Stand 100,3^ zeigte, und hierauf gleichzeitig
mit einem Quecksilberausflufsthermometer in einem Paraffin-
bade auf eine höhere Temperatur erhitzte. Der Versuch
gab als Angabe des Ausflufsthermometers 178,89^ und des
Thermometers. Nr. 5 179,20^. Aus diesen Bestimmungen
folgte ein constanter Fehler von 0,3^, welcher von allen
Angaben des Thermometers abzuziehen war. Ein späterer
Versuch, welcher nach sehr häufigem Gebrauch des Ther-
mometers angestellt wurde, führte zu der nämlichen Cor-
rection.
S. Da es für mehrere Zwecke wünschenswerth war, die
den Spannkräften entsprechenden Temperaturen in Graden
des Luftthermometers ausdrücken zu können, so habe ich
das Thermometer Nr. 5 mit einem solchen verglichen. Für
eine erste Reihe von Versuchen wurde das Regnault-
sehe Verfahren benutzt Als Luflthermometer dienten cylin-
drische Glasgefäfse von 200 MM. Länge und 25 HM. innerem
Durchmesser, an welche ein Capillarrohr geschmolzen war.
Nach dem Anfüllen mit trockener Luft wurden dieselben in
dem früher erwähnten Paraffinbade gleichzeitig mit dem
Quecksilberthermometer erhitzt und das letztere so tief ein-
*
getaucht; dafs keine Correction wegen des herausragenden
Fadens nöthig war. Ein rasch auf und nieder gehender
Rubrer sorgte für gleichförmige Temperatur. Es folgte nach
bekannten Verfahrungsweisen : 1) Das Zuschmelzen der
Spitze des Capillarrohrs , unter gleichzeitiger Ablesung des
Quecksilberthermometers und des Barometers. Die Höhe des
letzteren sei H. 2) Abbrechen der Spitze unter Quecksilber
und Umgeben des Luftthermometers mit Eis. 3) Messung
homologer Verbindungen. 145
der Höhe (h) der ein^i^edrungenen Quecksilbersäule mittelst
des Kathetometers und Ablesung des Barometers (H').
4) Wagung des eingedrungenen Quecksilbers. Das Gewicht
desselben sei p. 5) Füllen des ganzen Thermometers mit
Quecksilber bei 0^, und Bestimmung des Gewichtes P des
eingedrungenen Metalls *).
Hieraus ergiebt sich, wenn endlich a den Ausdehnungs-
Goefficienten der Luft und ß den cubischen Ausdehnungscoef-
ficienten des Glases für 1^ bedeutet; die Temperatur nach der
Formel :
T =
_ PH — (P~p)(H^~-h)
a(P — p)(H'-h) — /?P.H
Zur Ermittelung des cubischen Ausdehnungscoefflcienten
des Glases wurden drei der obigen Luflthermometer, nachdem
sie bei 0^ mit Quecksilber angefüllt worden waren, der
Siedehitze des Wassers ausgesetzt und die ausgeflossene
Qnecksilbermenge bestimmt. Man erhielt im Mittel für ß
die Zahl 0,0000257.
Nach dem Regnaul tischen Verfahren sind vier Tempe-
raturbestimmungen ausgeführt worden. Man tauchte dabei
gleichzeitig mit dem Thermometer Nr. 5, für welches die
Vergleichung vorzunehmen war, noch zwei andere Thermo-
meter (Nr. a und b) in das Paraffinbad ein, um die Abwei-
chungen, welche verschiedene Instrumente bei höheren Tem-
peraturen geben können, kennen zu lernen.
Die vier Versuche gaben folgende Zahlen :
*) Alle WttgQDgen worden selbstverständlich anf den luftleeren
Kaum reducirt.
Annal. d. Ohom. a. Pharm. VI. Snpplemflntbd. 2. Haft. lU
146 Landoltj Untersuchungen über die Dampftensionen
Luftthermo-
A.
B.
C.
D.
meter Nr.
P. Gramm
.959,7789
962,1974
961,8958
*
982,5707
p. Gramm
151,0753
186,6194
211,3095
259,1604
H. MM. bei 0^
765,6
758,4
757,4
764,3
H'. MM. bei 0^
751,0
749,3
748,9
750,5
fa. MM. bei 0<>
123,8
144,9
169,2
151,6
T.
123,68
153,58
178,31
302,45
Qaecksilber-
Thermo-
meter
fNr. 5
123,95
154,25
179,26
203,60
Nr. a
123,90
164,50
179,40
203,80
[Nr. b
123,76
163,96
178,95
' 203,50
Eine zweite Reibe von Versuchen ist mit einem Mag-
nus'schen Luftthermometer *) ausgeführt worden.' Das an-
gewandte Instrument besafs ein cylindriscbes Luftreservoir
von 260 MM. Lange und 25 MM. Durchmesser , und eine in
Millimeter getheilte Steigrohre von 1 Meter Höhe. Die capil-
lare Depression (e) des Quecksilbers in der zum Luflbehälter
führenden Röhre betrug an der Stelle der Marke 0,6 MM.
Man bestimmte erst durch Umgeben des Thermometergefafses
mit Eis die Spannkraft der Luft bei 0^; sie ergab sich aus
dem Barometerstand H und der Manometerablesung h ein für
allemal zu H + h — e = 752,05 MM. = A. Es wurde
hierauf das Luftreservoir in ein Paraffinbad gebracht, darin
gleichzeitig mit dem Quecksilberthermometer erhitzt, und bei
einer Anzahl Temperaturen wieder die Höhe h' des Queck-
silbers in der Steigröhre, sowie der Barometerstand H^ be-
obachtet. Es sei H' 4* **' "" e = B. Man erhält dann,
wenn wie gewöhnlich a den Ausdehnungscoefficient der Luft
*) Magnus, über die Ansdehnung der Luft in böheren Tempera-
turen, Pogg. Ann. LVII, 177. Die Besorgung des benutsten
Instrumentes verdanke ich der Gefälligkeit des Herrn Qeb.-Bath
Magnus.
homologer Verbindungen,
147
und ß den des Glases (im vorliegenden Falle = 0,0000257)
bezeichnet, die Temperatur aus der Gleichung :
B — A
T ==
ak — ßh
Die Correction, betreffend die niedrigere Temperatur
der Luft, welche in der zum Thermometergefäfs führenden
Capillarröhre sowie in dem kleinen Raum über der Marke
enthalten ist, ergab sich in Folge der bedeutenden Gröfse
des Luftreservoirs so gering, dafs sie wegfallen konnte.
Man erhielt :
B.
Luftthermo-
Quecksilber-
A.
(auf 0® re-
meter
thermometer
ducirt)
T.
Nr. 5
•
MM.
0
0
1066,39
115,10
115,3
1067,19
115,39
115,6
o
1111,02
131,49
182,0
C4
1216,19
170,18
171,1
r*
1256,48
184,66
185,6
Aus den in den beiden Versuchsreihen erhaltenen Zahlen
wurde endlich folgende Interpolationsformel zur Uebertragung
der Grade (Q) des Quecksilberthermometers Nr. 5 in die
des Luftthermometers (L) berechnet, wobei wie erlaubt an-
genommen wurde, dafs bis zu der Temperatur 100^ beide
Instrumente miteinander übereinstimmen :
L = 100 + 0,98288 ^Q — 100) + 0,000078357 (Q — 100/.
Diese Formel giebt, wie die nachstehende Yergleichung
zeigt, Werthe, welche mit den beobachteten gut überein-
stimmen :
10
148 Landolty Untersuchungen über die Dampftensionen
Qaecksil-
1 Lufttherm-
bertherm.
berechnet
Lafttherm.
1 Differenz.
Nr. 5
Q.
L.
beobachtet
Beob.-Bech.
1
llö^S
115^05
! 0
115,10
+ 0,05
115,6
115,35
115,39
+ 0,04
123,95
123,58
123,66
+ 0,10
132,0
131,53
131,49
— 0,04
154,25
153,53
153,58
+ 0,05
171,1
170,25
170,18
— 0,07
179,25
178,85
178,31
— 0,04
185,6
184,67
184,66
- 0,01
203,5
202,50
202,45
— 0,05
9« Zur Interpolation der Spannkraftbestimmungen hatte
ich Anfangs die Absicht, lediglich die graphische Methode
zu benutzen, bin aber spater zur Anwendung von Formeln
übergegangen. Wie Regnault *) gezeigt hat, schliefst sich
die von Biot**) für den Wasserdampf gegebene Inter-
polationsformel mit 5 Constanten (a b c or /!?) :
log E = a + ha* + c^i
bei den verschiedensten Substanzen den Beobachtungen in
befriedigender Weise an, und es kann sogar, wenn die Ver-
suche sich innerhalb kleiner Druckgrenzen bewegen, das
letzte Glied vernachlässigt und die einfachere Formel :
log E = a -f- ba*
angewandt werden, deren Werthe von denen der ersteren
um Gröfsen abweichen, welche meist ganz innerhalb der
Beobachtungsfehler liegen ***). Für die nachstehenden
Tensionsbeslimmungen der Sauren , die sich blofs auf zwei
Atmosphären erstrecken, genügte die einfachere Formel voll-
ständig.
Die Beobachtungen wurden zunächst in ein Coordinaten-
netz eingetragen, bei welchem jeder Theilstrich der Abscissen
•) M^m. de TAcad. XXVI, 861.
**) Connaissaace des temps pour 1844.
***) M^m. de TAcad. XXVI, 368.
homologer Verbindungen, 149
0,2^ Temperatur , jeder Theilstrich der Ordinalen 2 MM.
Spannkraft repräsentirte. Die Versuche bei niedrigen Tem-
peraturen wurden aufserdem noch in dem zehnfachen Mafs-
stabe ausgedruckt. Man zog durch die Beobachtungspunkte
eine stetig gekrümmte Curve, so dafs sie möglichst viele
derselben berührte, und entnahm aus dieser die Spannkräfte
für drei gleich weit von einander abstehende Temperaturen,
die dann zur Berechnung der Constanten a b a der Inter-
polationsformel dienten. Die der letzteren entsprechende
Curve wurde nun neben die Beobachtungscurve gezeichnet,
und wenn erhebliche Abweichungen sich ergaben, durch
Wahl anderer Rechnungselemente eine neue Interpolations-
formel abgeleitet, bis genügender Anschlufs erzielt war*).
In Bezug auf die Berechnungsart der drei Conslanten ver-
weise ich auf Regnault, Mem. de l'Acad. XXI, 593. Herr
Dr. Bettendorff hatte die Gefälligkeit, einen Theil der
Rechnungen zu übernehmen.
In den nachfolgenden Versuchstabellen sind durchgängig
die berechneten Spannkräfte mit den beobachteten zusammen-
gestellt. Man wird in den meisten Fällen eine befriedigende
Uebereinstimmung finden; nur in höheren Temperaturen treten
bisweilen, wie es in der Natur der Sache liegt ^ gröfsere
Differenzen auf. Die Abweichungen, welche hier die Beob-
achtungen untereinander sowie von der Rechnung zeigen,
rühren theils von der Schwierigkeit einer genauen Tempe-
raturbestimmung her, zum Theil sind sie durch den Umstand
hervorgerufen, dafs es bei Apparat II in Folge des engen
Röhrenstücks bc Fig. 3 immer einige Zeit dauerte, bis völ-
liger Gleichgewichtszustand der Quecksilbersäulen eintrat,
und mitunter Ablesungen vorgenommen wurden, bei welchen
dieser noch nicht erreicht war. Indefs verschwinden alle
*) Vgl. Regnault, Mto. de TAcad. XXVI, 358.
150 Landolt, Untersuchungen über die Dampftensionen
diese Beobachtungsfehler vor denjenigen, welche dnrch die
Ungleichheit der Substanz bedingt werden. Regnault*)
hat schon hervorgehoben, wie bedeutend der Einflufs selbst
der kleinsten Verunreinigungen auf die Spannkraflbestim-
mungen ist : dafj^ , selbst Mengen von Viooo einer fluchtigen
Substanz, welche z. B. Alkohol oder Schwefelkohlenstoff
zugefügt werden, eine Aenderung der Tension bewirken.
Von einer so scharfen Uebereinstimmung, wie sie die Spann-
kraftmessungen des Wasserdampfs von Magnus und Reg-
nault zeigen, kann bei eigentlichen chemischen Präparaten
keine Rede sein; man erhält hier bei verschiedenen Proben
derselben Substanz oft beträchtliche Differenzen, ohne dafs
es möglich wäre, durch Analyse bestimmt eine Verunreini-
gung nachzuweisen. In welchem Grade die Verschiedenheit
der Präparate von Einflufs sein kann, geht aus mehreren der
später angeführten Beobachtungstabellen hervor.
lO« Zur Prüfung der beiden Apparate wurden zunächst
einige Bestimmungen der Spannkraft des Wasserdampfs aus-
geführt und die erhaltenen Resultate mit denjenigen von
Magnus**) und Regnault***) verglichen. Es ergaben
sich folgende Zahlen :
Apparat L
Thermometer
Spannkraft
Temp.
Spann-
Nr. 1
1
Nr. 2
Mittel
kraft
nach
Magnus
nach
Regnault
0
0
0
MM.
MM.
MM.
17,97
17,91
17,94
15,25
15,29
15,30
24,84
24,83
24,84
23,44
23,86
23,83
30,90
31,00
30,96
32,97
33,37
33,81
36,85
86,89
86,87
45,72
46,43
46,37
45,00
44,96
44,98
71,81
71,86
71,32
45,13
45,03
45,08
71,66
71,72
71,69
•) M^m. de l'Acad. XXVI, 648.
•*) Pogg. Ann. LXI, 225.
•*♦) M^m. de l'Acad. XXI, 624 bia 688.
homologer Verbindungen^
151
Apparat IL
Thermo-
Tempe-
Spann-
Spannkraft
meter
ratur
kraft
nach
nach
Magnus
Begnanlt
«
0
MM.
MM.
MM.
78,1
826,4
327,5
828,2
80,8
865,2
365,6
866,4
83,4
404,9
405,8
406,6
Nr 4
85,2
436,9
485,8
436,5
X^l • T
90,6
538,0
537,0
537,6
94,1
615,8
612,5
613,0
97,0
680.5
681,7
682,0
100,8
102,7
768,8
838,0
768,4
837,1
768,3
836,5
105,2
' 915,3
913,9
912,8
Nr. 5
109,9
1069,2
1078,7
1071,8
111,8
1130,7
1128,1
1123,4
114,0
1224,6
1233,7
1228,5
Die von Mafirnas und Regnault für die obigen Tem-
peraturen gefundenen Spannkräfte des Wasserdampfs wurden
aus den von den Beobachtern gegebenen Tabellen unter der
zulässigen Annahme berechnet, dafs innerhalb eines Grades
die Spannkraft proportional der Temperaturzunahme steige.
Diese Versuche zeigen, dafs der Apparat I Resultate
lieferte, welche sehr befriedigend mit den Zahlen von Mag-
nus und Regnault zusammenfallen. Weniger grofs ist
dagegen die Uebereinstimmung bei Apparat II; hier treten
ofk Differenzen von mehreren Millimetern auf. Dieselben
erscheinen jedoch nicht sehr bedeutend, wenn man bedenkt,
dafs ein Unterschied in der Temperatur von 0,1^ z. B. bei
80^ einer Spannkrafldifferenz von 1,5 MM., bei 100^ von
2,7 MM. und bei 115^ von über 4 MM. entspricht. Bei einem
Thermometer, dessen Scale stark aus dem Erhitzungsgefäfs
herausragt, ist man aber, wie schon früher hervorgehoben
wurde, kaum auf diese Gröfse sicher. Da die Abweichungen
von den Magnus*- und Regnault'schen Beobachtungen,
welche übrigens einigemale eben so grofse Differenzen
untereinander zeigen, bald positiv, bald negativ sind, so geht
i. r- .; s*>
:*«;;:■.,
162 Landoltj Unter stichungen über die Dampftensionen
daraus hervor, dafs die liesultate, die der Apparat 11 lieferte,
nicht etwa mit einem constanten Fehler behaftet waren.
11. Um ferner zu prüfen, ob die beiden Apparate in
ihrem Gange übereinstimmten und anschliefsende Resultate
lieferten, wurde eine besondere Versuchsreihe angestellt.
Es mufste zu derselben ein Körper gewählt werden, dessen
Dampflensionen so lagen, dafs sie für eine gröfsere Reihe
von Temperaturen mit beiden Apparaten gemessen werden
konnten, was bei den Sauren nicht der Fall war. Der
Apparat I erlaubte Tensionen von 0 bis ungefähr 340 HM.
zu messen , während der Apparat 11 von 200 bis 1400 MM.
arbeiten liefs; es blieb also eine Strecke von 140 MM. ge-
meinsam. Ich wandte zu den Versuchen reinen Metht/l-
aJkohol an, einen Körper, welcher auch bereits von Regnault
untersucht worden ist und somit noch eine Vergleichung
der verschiedenen Beslimmungen zutiefs. Das benutzte Prä-
parat war aus oxalsaurem Methyl durch Zersetzung mit Kali-
lauge dargestellt und mit Hülfe von Aetzkalk sorgfältig ent-
wässert worden. Bei der Destillation zeigte die Flüssigkeit
den constanten Siedepunkt 66,0^ während des Barometer-
standes 753 MM.
Man führte zunächst eine Anzahl Beobachtungen mit
Apparat I aus, welche folgende Zahlen ergaben :
Thermometer
Nr. 1
Nr. 2
0
11,92
12,02
16,33
16,38
19,83
19,89
24,34
24,35
29,80
29,81
84,86
85,02
39,47
89,43
44,83
44,74
Tempe-
Spannkraft
Spannkraft
T\\«
ratur
beobachtet
berechnet
«^««>.
T.
£b
Er
Eb'^-Er
0
MM.
MM.
MM.
11,97
63,96
64,28
— 0,82
16,36
80,82
81,22
— 0,40
19,86
96,70
97,43
— 0,78
24,35
121,59
122,40
— 0,81
29,81
160,06
160,26
- 0,20
84,94
206,07
204,88
- 1,19
39,45
252,85
252,76
- 0,09
44,79
322,15
821,81
- 0,34
homologer Verbindungen,
153
Diese Beobachtungfen wurden in eine Curve übertragen
und ans derselben folgende drei Elemente entnommen, welche
zu der Berechnung der Constanten der Interpolationsformel
log E s= a 4~ ba* dienten :
T
E
15«
75,60 MM.
80
161,76
45
824,88
Hieraus findet man :
a =
6,8472828
b= —
3,9687610;
log b = 0,5986549
log a =
0,9974888-
1
t = T
— 15.
Die mit Hülfe dieser Zahlen berechneten Spannkräfte
sind in der obigen Tabelle mit den Beobachtungen zusam-
mengestellt.
Es wurde nun eine Versuchsreihe mit Apparat II aus-
geführt und geprüft, ob die erhaltenen Zahlen an die frühere
Curve sich anschlössen und demgemäfs die Interpolations-
formel noch zu denselben stimmte. Man erhielt :
Temp.
Spannkraft
Spannkraft ,
Diffflrens
Therm.
beobachtet
berechnet
Nr. 5
£b
Er I
1
Eb — Er
0
MM.
MM.
MM.
35,92
214,05
214,56
— 0,55
87,40
280,00
229,91
-- 0,09
-- 1,08
39,64
256,06
254,98
41,66
279,42
279,61
— 0,19
43,61
306,85
308,07
— 2,22
46,03
341,00
340,07
+ 0,93
Die Zahlen genügen, wie man sieht, der angegebenen
Prüfung; die beiden Apparate lieferten übereinstimmende
Resultate.
Mit Hülfe der Interpolationsformel habe ich schliefslich
die Spannkräfte des Hethylalkoholdampfs von 5 zu 5 Graden
154 Land alt, Untersuchungen Hier die Dampftensionen
berechnet Sie sind in der folgenden Tabelle mit den von
Regnault*) erhaltenen Resultaten zusammengestellt :
Temp.
SpanDkraft
Spannkraft
nach
Differeni
To
E
Regnault
MM.
MM.
MM.
0<»
82,90
26,82
6,08
5
48,77
86,89
6,88
10
57,76
50,18
7,63
15
75,60
67,11
8,49
20
98,14
88,67
9,47
25
126,45
115,99
10,46
30
161,75
149,99
11,76
85
205,46
192,01
13,45
40
259,20
248,51
15,69
45
824,84
306,13
18,71
50
404,56
881,68
22,88
Aus der starken Differenz der obigen Zahlen geht her-
vor, wie bedeutend die Spannkraflbestimmungen verschie-
dener Beobachter von einander abweichen können. Die auf
die gegebenen Temperaturen bezüglichen Messungen R^g-
nault*s sind ebenfalls nach der statischen Methode ausge-
führt worden, bei welcher nicht etwa Unregelmafsigkeiten
in Folge Stofsens der Flüssigkeit vorkamen. Die Ursache
der Differenzen kann also nur in der Verschiedenheit der
Präparate liegen.
Dampftensionen der Säuren CnH2n02.
Ameisensäure.
IS. Das zu den Versuchen benutzte Präparat war durch
Zersetzung von sorgfältig getrocknetem ameisensaurem Blei
mit Schwefelwasserstoffgas dargestellt und durch Destillation
über eine neue Quantität des Bleisalzes von Schwefelwasser-
*) U4m. de TAcad. XXVI, 460.
homologer Verbindungen^
155
Stoff befreit worden. Dasselbe raacbte an der Luft. Beim
Destiliiren ging der gröfste Theil der Säure bei dem con-
stanten Thermometerstand 99,4® ober, Barometerstand 746,8 MM.
Diese Portion gab in Apparat I folgende Dampflensionen :
1. Beobachtungsreihe.
Thermometer
T
E
E
Nr. 1
Nr. 2
Nr. 3
beobachtet
berechnet
0
MM.
MM.
14,83
14,93
14,95
14,90
25,1
24,0
24,04
24,05
24,05
24,05-
41,4
40,3
24,94
24,95
25,00
24,96
89,0
38,5
30,85
30,36
30,30
30,34
54,4
52,5
35,26
36,37
35,30
35,31
67,7
66,4
40,87
40,36
40,30
40,35
84,6
83,6
45,08
45,09
45,00
45,06
103,5
103,0
60,29
50,30
50,25
50,26
128,6
128,7
60,09
50,00
1 50,10
50,06
127,5
127,5
2. Beobachtungsreihe.
13,02
29,85
40,57
49,89
49,49
56,15
61,91
66,22
69,63
76,24
78,72
79,64
13,18
14,93
29,86
40,58
49,80
49,40
56,07
61,83
66.24
69,64
76,16
78,86
79,67
13,15
29,75
40,52
49,71
49,33
56,04
61,87
66,27
69,68
76,10
78,80
79,76
Siedepunkt
13,12
14,93
29,82
40,56
49,80
49,41
56,09
61,87
66,24
69,26
76,17
78,79
79,69
99,40
20,9
23,4
52,6
85,4
126,7
124,8
162,3
202,8
238,6
270,5
847,4
383,7
894,4
746,8
21,8
24,0
51,2
84,4
126,2
124,1
168,6
201,1
243,3
276,4
349,8
383,6
395,6
748,4
Als die Saure in Apparat II einer von 75^ bis 105^
gehenden Versuchsreihe unterworfen wurde, zeigte sich,
dafs nach dem Erkalten über der Flüssigkeit in dem Ge-
fafse a Fig. 3 eine betrachtliche Gasblase blieb und demnach
die Tensionen zu hoch ausgefallen sein mufsten. Das Gas
liefs sich entzünden , als man es aus dem Hähnchen e aus-
156 L an doli ^'^■^ Untersuchungen über die Dampftensionen
strömen liefs , und verbrannte mit blauer Flamme ; es war
offenbar Zersetzung der Ameisensäure in Kohlensäure und
Wasser eingetreten. Berthelot*) hat bereits eine solche
Zerlegung eintreten sehen , als er Ameisensäure in einem
zugeschmolzenen Rohr mehrere Stunden auf 260^ erhitzte ;
die obige Wahrnehmung zeigt aber, dafs das Zerfallen schon
bei viel niedrigeren Temperaturen und zwar wenige Grade
über dem Siedepunkte vor sich gehen kann.
Aus den obigen Beobachtungen wurden mit Hinzunahme
der Siedepunktsbestimmung durch graphische Interpolation
folgende Werthe ermittelt, welche zur Berechnung der Con-
slanten der Formel :
log E = a -|- bat
dienten : .
T
E
10«
18,4 MM.
65°
156,5 MM.
100<»
762,0 MM.
Hieraus ergiebt sich :
a = 4,832728
6
b= — 3,5679108; log b = 0,5524140
log a = 0,9970865-»
t = T — 10.
Mit Hülfe dieser Zahlen ist folgende, von 5 zu 5 Graden
des Quecksilberthermometers gehende Tabelle berechnet
worden :
T
E
t
T
E
1
T
E
•
MM.
MM.
MM.
10^
18,4
45<>
102,7
800
899,8
15
24,1
50
127,2
85
473,7
20
31,4
55
156,5
90
558,0
25
40,4
60
191,2
95
653.8
30
51,6
65
232,1
100
762,0
85
65,4
70
280,0
40
1
82,3
76
335,6
*) Compt. rend. LIX, 861.
homologer Verbindungen,
157
Essigsäure.
13« Die Säure warde nach dem M eis ens'schen Ver-
fahren durch Erhitzen von zweifach- essigsaurem Kali auf
ungefähr 200^ dargestellt. Bildung von Aceton ist dabei,
wenn man die Temperatur nicht höher als wie angegeben
treibt, nicht zu befurchten; es wurde übrigens das Präparat
auf die Gegenwart dieses Körpers geprüft^ indem man einen
Theil desselben in einer Retorte mit Kali neutralisirte und
erwärmte, wobei keine Spur von Aceton überging. Bei der
Rectification begann die Flüssigkeit bei 117^ an zu sieden,
die Hauptmenge (VO derselben destillirte zwischen 118,5"
und 119^0^ Man spaltete diesen Theil in zwei neue, indem
man die Flüssigkeit durch Abkühlung erstarren, hierauf wie-
der theilweise schmelzen liefs und mittelst Abgiefsen trennte.
Diese beiden Fractionen zeigten während der Destillation
einen übereinstimmenden Siedepunkt von 118,7^ bis 119,0^
bei 752,5 MM. Barometerstand. Sie dienten zu folgenden
Versuchen :
Apparat L
Thermometer
£
Nr. 1
Nr. 2
Nr. 3
T
beobachtet
0
0
0
MM.
2,00
■'
2,38
2,19
9,4
2,20
—
2,48
2,34
9.9
6,01
—
6,23
6,12
10,9
10,72
10,87
10,79
12.4
16,48
15,52
15,50
14,8
20,33
20.34
20,27
20,31
18,5
25,55
25,55
25,41
25,50
21,8
81,30
31,36
31,14
81,26
29,0
40,17
40,13
39,98
40,09
39,1
60,79
50,70
50,60
50,69
64,9
60,11
60,03
60,00
60,04
92,5
66,92
66,04
66,08
65,99
119,5
71,98
71,95
71,87
71,75
151,2
77,94
77,96
78,08
77,99
190,9
£
berechnet
MM.
8,5
12,5
19,1
30,7
67,8
122,3
190,2
158 Landolty Untersuchungen über die Dampftensionen
Die im Barometerrohr befindliche Säure blieb flüssig,
als man die Temperatur des Wasserbades durch eingeworfe-
nes Eis bis nahe an 0^ abkühlte, und es war auch durch
Erschüttern des Apparates nicht möglich, dieselbe zum Er-
starren zu bringen.
Apparat IL
1
Beobachtongsreihe
2
. Beobacbtangsreifae
T
E
beobachtet
E
berecbnet
T
B
beobachtet
berechnet
0
MM.
MM.
0
MM.
law*
99,0
393,6
395,2
94,6
839,2
340,5
lOM
420,6
—
99,9
407,9
—
108,9
464,1
465,8
102,9
454,6
450,1
104,9
482,6
—
105,0
485,5
—
106,0
504,0
498,7
108,0
534,9
582,4
110,0
567,0
—
118,1
623,1
^^
115,1
670,9
669,1
115,5
683,6
677,6
119,1
762,8
—
119,1
765,4
—
121,1
811,9
808,5
122,0
841,7
831,4
123,2
869,6
—
122,6
854,0
—
126,2
919,4
917,9
129,3
1038,0
1040,S
127.2
980,7
—
130,2
1089,0
—
180,1
1078,8
1066,1
134,8
1200,2
1209,5
132,3
1144,4
—
137,8
1330,1
—
136,3
1290,0
1283,5
138,4
1374,2
1865,5
187,4
1842,4
—
Zur Berechnung der Constanten der Interpolationsformel
sind aus der Beobachtungscurve folgende Werthe entnommen
worden :
T E
W 12,1 MM.
74 165,45
188 1857,0,
welche ergeben :
a =: 6.9378154
b = — 5,8550300; log b » 0,7675291
log a = 0,9985402-^
t = T - 10.
homologer V erhindungen.
159
Die Formel lieferte mit Hülfe dieser Zahlen nachstehende
Tensionen für Grade des Quecksilberthermometers :
T
E
T
1
E
T
£
MM.
MM»
MM.
QO
7,6
600
66,0
1000
408,5
6
9,6
55
80,8
105
482,5
10
12,1
60 1
97,4
HO
667,8
16
15,1
65
117,8
115
667,0
20
18,9
70
142,0
120
781,1
25
23,5
75
170,6
125
912,3
80
29,1
80
204,8
130
1062,8
85
85,9
85
244,1
135
1234,9
40
44,1
90 ;
290,6
140
1431,8
45
54,0
95 ,
845,2
14» Bestimmungen der Spannkraft der Essigsauredämpfe
sind bereits von Regnault und von Wüllner ausgeführt
worden, und es ist daher bei dieser Substanz eine Verglei-
chung der Resultate verschiedener Beobachter möglich.
Regnault*) hat mehrere Präparate untersucht. Das
erste war aus festem Eisessig durch theilweises Schmelzen
und Entfernen der flüssigen Masse gewonnen (Präparat I).
Dasselbe wurde dann, um Spuren von Wasser zu entfernen,
zuerst einmal (Präparat II) und hierauf ein zweites Mal (Prä-
parat III) über wasserfreie Phosphorsäure destillirt. Aus den
mitgetheilten Beobachtungsreihen für die Spannkraft der
flüssigen Säure (Serie 1, 3 und 4) habe ich die in der nach-
stehenden Tabelle enthaltenen Zahlen durch graphische Inter-
polation abgeleitet.
Die Versuche von Prof. Wüllner, welche noch nicht
veröffentlicht sind, wurden mit dem Apparate ausgeführt,
welchen dieser Physiker zur Bestimmung der Spannkraft des
Wasserdampfs aus Salzlösungen **) benutzt hatte. Aus den
mir bereitwilligst zur Verfügung gestellten Beobachtungs-
*) M^m. de TAcad. XXVI, 755.
•♦) Pogg. Ann. cm, 529.
■ "'^
160 Landoltj Untersuchungen über die Dampftensionen
daten sind durch graphische Interpolation für folgende Tem-
peraturen die Tensionen bestimmt worden, welche ich mit
den meinigen in
Parallele
setze :
1
Tension i
•
Tension nach Begnaolt
T
1
1
Differenz
1
i 1
Landolt
WüIIner
1
Präp. I
Pr&p. II
Prftp. III
"~liM. '
MM.
MM.
MM. ,
MM.
MM.
8«
11,1
—
—
6,9 i
6,4
5.9
10
12,1
—
—
7,8
7,1
6,5
12
18,2
—
—
8,8
7,9
7,3
14
14,5
15,7
1,2
9,8
8,8
8,2
16
15,8
16.9
1,1
11.0
9,8
9,2
18
17,8
• 17,7
0,4
12,2
10,9
10,3
20
18,9
19.0
0,1
13,6
12,8
11,6
30
29,1
80,6
1,4
—
—
—
40
44,1
45,5
1,4
—
—
—
50
66,0 72,0
6,0
—
—
60
97,4
107,8
9,9
—
—
—
70
142,0
155,2 !
18,2
—
—
80
204,8
232,9
28,9
—
—
—
90
290,6
346,7
56,1
—
—
•—
100
480,5
473,0
64,5
—
—
—
110
567,8 1 638,0
65,2
—
tmm^
—
115
667,0
735,0
i
68,0
^■^"
!
i
~^
Die obigen Zahlen zeigen, dafs bei niedrigen Tempe-
raturen eine nahe Uebereinstimmung zwischen den Wüll-
ner'schen Beobachtungen und den meinigen stattGndel.
Von ungefähr 40^ an beginnen jedoch die beiden Curven
auseinander zu gehen, und entnimmt man aus denselben die
dem Druck 760 HM. entsprechenden Siedepunkte, so ergiebt
sich für die von Wüllner benutzte Essigsäure die Zahl
116,2^, für die meinige 119,1^ Dieser niedrige Siedepunkt
des Wüllner 'sehen Präparates und das raschere Steigen
der Curve lassen vermuthen, dafs in demselben noch eine
kleine Menge Wasser enthalten war. Die Regnault*schen
Beobachtungen haben, wie die Tabelle zeigte nicht unbe-
trächtlich kleinere Spannkräfte ergeben.
homologer Verbindungen.
161
Propionsäure.
15. Zur Darstellung des Präparats wurde Cyanäthyl,
welches durch Einwirkung von Jodäthyl auf reines Cyan-
kalium gewonnen worden war, mit Kalilauge zersetzt, die
erhaltene Lösung von propionsaurem Kali zur Trockne ab-
gedampft, und der Rückstand mit der äquivalenten Menge
zweifach - schwefelsaurem Kali erhitzt. Aus 400 Grm. er-
haltenen rohen Products liefsen sich durch fractionirte Destil-
lation 300 Grm. Flüssigkeit abscheiden, welche zwischen
1390 und 140^ bei 758,1 HM. Barometerstand übergingen.
Bei einer nochmaligen Bectification wurde der bei 139,5^
destillirende Antheil, dessen Gewicht 200 Grm. betrug, be-
sonders aufgefangen. Derselbe gab folgende Dampfspan-
nungen :
Apparat L
1. Beobachtungsreihe.
Thermometer
£
£
Nr. 1
Nr. 2
T
beob-
achtet
berechnet
0
0
0
MM.
11,87
12,02
11,94
6,2
5,9
16,98
16,08
16,00
7,7
7.0
20,18
20,24
20,21
8,8
8,4
25,04
25,05
25,04
10,2
10,3
29,95
29,96
29,95
11,9
12,7
85,86
85,82
85,84
15,5
16,2
40,67
40,63
40,65
18,8
19,7
45,08
44,99
45,08
20,4
28,5
11,27
20,28
81,80
40,87
49,49
59,36
69,12
78,28
2. Beobachtungsreihe.
11,87
11,82
5,9
20,29
20,26
9,1
81,81
81,80
12,8
40,88
40,87
17,7
49,85
49,42
26,9
59,22
59,29
40,8
69,04
69,08
58,8
78,25
78,24
69,6
6.7
8,4
18,8
19,5
28,1
41,5
60,7
71,2
3. Beobachtungsreihe. Sinkende Temperatur.
40,87
81,86
26,70
40,88
40,85
18,6
81,36
80,35
12,4
25,56
25,62
10,2
Alt««.!, d. (IhATn. li. Pfi»mi. VT. Knnn1«iman*h4 9 Naf*
19,8
18,4
10,5
44
I
162 Landoit, Untersuchungen über die Dampftensumen
Apparat 11.
1. Beobachtangsreihe
2. Beobachtungareihe
T
E
beobaohtet
E
berechnet
T
E
beobachtet
E
berechnet
0
MM.
MM.
0
MM.
MM.
92,4
146,2
146,8
120,1
892,9
890,7
98,1
^60,8
148,6
121,1
406,8
99,6
190,8
188,8
123,2
480,6
484,4
104,8
231,4
228,8
128,2
502,0
—
116,1
826,1
828,2
184,8
682.5
632,9
118,1
869,8
364,4
135,8
657,0
—
122.1
416,6
417,9
189,4
770,9
780,9
130,8
640,8
662,7
148,4
880,0
—
186,8
676,8
676,6
146,6
958,4
946,9
140,4
788,7
776,1
147,6
982,3
— '
146,6
960,1
946,9
149,6
1045,5
1044.8
148,6
1011,6
1010,8
150,5
1076,9
—
162,6
1147,4
1156,8
151,6
1108,8
1118,6
156,7
1287,6
1818,5
166,6
1247,4
—
168,7
1872,8
1405,0
157,7
1836,1
1860,4
Diese Beobachtungen boten Schwierigkeiten in Bezug
auf eine gehörig sich anpassende Interpolationsformel. Es
wurden deren mehrere berechnet und schliefslich die aus
folgenden der Curve entnommenen Werthen hergeleitete
ausgewählt :
T E
W 5,4 MM.
80 92,0 „
160 1062,0 „
Diese geben :
a = 9,7017878
b = — 8,9698440; log b = 0,9527607
log a = 0,9990888->
t = T -» 10.
Mit Hülfe dieser Zahlen ist folgende Tabelle berechnet
worden, welche die Dampftensionen der Propionsäure für
Grade des Quecksilberthermometers angiebt :
homologer Verbindungen.
163
T
E
T
E
T
E
Ja All»
MM.
MM«
10»
6,4
60<>
42,7
110°
274,4
15
6,7
65
. 51,9
115
327,1
20
8,8
70
62,9
120
389,0
25
10,8
75
76,2
125
462,0
30
12,7
80
92,0
130
547,5
35
15,6
85
110,8
135
650,2
40
19,2
90
133,5
140
765,2
45
23,5
95
160,3
145
902,8
50
28,7
100
192,1
150
1062,0
55
85,0
105
229,7
155
1248,6
Butter&äure.
16. Zur Darstellung eines reinen Präparats wurde käufliebe
Buttersäure destillirt und das zwischen 161 und 163^ lieber-
gehende besonders aufgefangen. Diese Portion vermischte
man mit Wasser, neutralisirte mit kohlensaurem Kali und
zersetzte das zur Trockne abgedampfte Salz durch Destillation
mit concentrirter Schwefelsäure. Die erhaltene Flüssigkeit ging
bei der Rectification vollständig zwischen 162,5 und 163^
über. Sie wurde in folgenden zwei Portionen aufgefangen :
Portion A 162,5 bis 168<>. Barometerstand 765,8
9 B 163,0 constant. „ „
Präparat B.
Apparat L
1. Beobachtungsreihe.
Thermometer
m
E
£
Nr. 1
Nr. 2
T
beobachtet
berechnet
0
0
0
MM.
AsM.
15,23
15,33
15,28
6,5
6,2
19,88
—
19,88
6,9
24,33
24,85
24,34
7,9
8,5
24,69
24,95
24,82
8,4
—
29,65
29,66
29,65
9,6
10,2
84,26
84,22
34,24
11,1
—
39,52
39,48
39,50
12,5
14,8
44,13
44,09
44,11
15,6
• —
50,09
50,00
50,05
19,9
20,5
54,50
54,41
54,45
20,2
59,11
59,02
59,06
25,8
27,7
66,62
66,54
66,58
88,8
35,7
i\ *
164 Landolt, Untersuchungen über die Dampftensionen
2. Beobachtungsreibe.
Thermometer
T
E
E
Nr. 1
Nr. 2
beobachtet
berechnet
0
f,
0
MM.
MM.
2,06
2,20
2,12
4,4
4,0
10,22
10,87
10,30
6,2
—
18,SS
18,44
18,38
6,4
6,9
19,83
19,94
19,88
6,9
29.80
29,26
29,28
9,5
10,1
39,87
39,78
39,82
12,6
—
46,38
46,80
46,84
16,9
18,1
52,39
52,26
52,32
19,6
—
59,26
59,22
59,24
25,9
27,9
65,92
65,84
65,88
32,8
34,8
71,93
71,85
71,89
40,6
42,5
80,19
80,22
80,20
53,4
66,0
Apparat 11.
1. BeobachtuDgBreibe
2. Beobaohtungtreihe
T
E
beobachtet
E
berechnet
T
E
beobachtet
E
berechnet
0
MM.
MM.
0
MM.
MM.
96,8
95,0
96,5
184,4
324,4
322.7
97,2
96,2
97,7
144,6
440,6
446,9
102,6
112,5
—
149,7
502,9
—
108,4
188,9
140,6
154,3
697,8
606,0
117,6
192,6
—
156,8
676,7
—
126,0
256,1
247,7
166,1
866,1
846,4
127,8
270,8
^mmm
177,0
1212,0
1219,9
133,9
827,3
818,2
—
—
—
138,6
368,5
367,8
—
—
—
151,3
645,1
560,9
—
^^^^
—
170,7
1014,8
1004,5
—
—
—
181,7
1388,9
1414,0
—
—
Die mit Präparat B erbaltenen Resultate wurden sur
Aufstellung der Interpolationsformel benutzt. Man wandle
folgende drei der Beobachtungscurve entnommene Werihe an :
T E
100 6,2 MM.
96 91,0 „
180 1842,0 «
homologer Verbindungen.
165
woraus sich ergiebt :
a = 21,5043266
b = — 20,7883233; log b = 1,8178195
log a = 0,9996850-*
t = T — 10^.
Wie eine Vergleichung der berechneten Tensionen mit
den beobachteten ergiebt, liefert die Formel wenigstens bei
niedrigen Temperaturen durchgehend etwas zu grofse Werthe.
Bei den mit Apparat II ausgeführten Bestimmungen sind da-
gegen die Differenzen zwischen Beobachtung und Rechnung
bald positiv, bald negativ.
Aus der obigen Interpolationsformei ist nachstehende,
auf Grade des Quecksilberthermometers sich beziehende
Tabelle berechnet worden :
T
B
" MM."
T
E
"" mm: "
T
£
MM.
I0<>
6,2
70^
89,9
130<^
281,2
15
6,2-
75
47,1
135
329,8
20
7,8
80
55,6
140
886,1
25
8,7
85
65,5
145
450,8
80
10.8
90
77,3
150
529,1
85
12,2
95
91,0
155
617,9
40
14,5
100
107,1
160
723,1
45
17,2
105
125,9
165
844,4
50
20,4
110
148,1
170
986,2
55
24,2
115
173,0
175
1151,4
60
28,6
120
204,1
180
1342,0
65
83,7
125
240,0
17« Durchgehend höhere Dampfspannungen und 7.war
meist ziemlich betrachtliche zeigte das Präparat A, mit wel-
chem die folgenden Versuche angestellt worden sind :
Apparat I.
Apparat IL
Tbennometer
T
E
E
T
E
E
Nr. 1 Nr. 2
beobachtet
berechnet
beobachtet berechnet
0 0
0
MM.
MM.
0
MM.
MM.
13,82; 13,93
18,88
6,8
6,0
154,0
610,6
601,4
14,83' 14,93
14,88
6,4
6,2
156,8
655,0
644,4
22,24 : 22,35
22,80
8,6
7,9
157,7
686,6
672,8
80,05
80,16
30,10
11,8
10,4
161,8
791,3
762,4
89,77
RA 00
39,78
Knon
89,77
15,6
QUO
14,5
91 1
162,1
IAA A
800,8
QAQ A
770,5
ftfift Q
»7
166 Landolif Untersuchungen über die Dampf tensimien
Valerianeäure.
19. Aus Amylalkohol durch Einwirkung von chrom-
saurem Kali und Schwefelsäure dargestellte Valeriansäure
wurde in das Kalisalz übergeführt, und dieses in gut getrock-
netem Zustande durch Destillation mit concentrirter Schwefel-
saure zersetzt. Das Präparat ging beim Rectificiren zum
gröfsten Theil zwischen 175,6^ und 176,1 bei 766,2 HM.
Barometerstand über. Diese Portion gab folgende Zahlen :
Apparat I.
1. Beobachtungsreihe.
Thermometer
T
E
E
Nr. 1
Nr. 2
beobachtet
berechnet
0
0
0
MM
n^U*
15,78
15,78
15,75
5.7
6,6
20,38
20,84
20,88
6,5
M
25,55
25,55
25,55
9,9
80,95
80,96
80,95
10,9
86,26
86,28
36,27
11,8
10,6
41,17
41,19
41,18
18,8
12,4
44,98
44,89
44,91
14,5
14,0
50,99
50,90
50,95
16,7
16,9
59,91
59,82
59,86
21,8
22,5
69,72
69,44
69,58
29,7
30,6
78,94
79,17
79,05
89,2
41,1
2. Beobachtungsreihe.
6,41
10,12
15,78
20,54
1 6,56
6,48
10,27
10,20
15,88
15,78
20,59
20,56
5,0
5,8
6,1
6,6
4,1
5,5
6.4
homologer Verbindungen.
167
Apparat n.
1. Beobachtangsreihe
2. BeobaohtungBreihe
T
E E
beobachtet berechnet
T
E
beobachtet
£
berechnet
0
MM.
MM.
0
MM.
MM.
110,8
108,3
110,4
148,4
349,6
»47,5
114,8
121,2
122,7
150,7
373,2
371,7
120,1
148,8
—
166,6
427,6
444,5
120,8
154,6
147,8
171,1
677,5
685,8
132,4
232,6
—
178,7
845,3
861,7
136,7
248,7
243,8
189,0
1156,5
1170,0
148,6
346,9
—
—
_
—
158,0
452,9
464,1
—
—
—
166,8
684,2
—
—
■
r
181,8
966,1
948,8
—
—
188,5
1176,2
—
—
^"~
190,5
1239,4
1227,4
—
—
—
Die durch diese Beobachtungen laufende mittlere Curve
lieferte folgende Elemente zur Berechnung der Interpolations-
formel *) :
T E
200 6^3 if^
105 92,0 .
190 1208,0 n
Hieraus resultirt :
a = 29,0659805
b= — 28,266640; log b := 1,4512742
log a = 0,9997851-*
t = T —
Diese Zahlen lieferten folgende Tabelle
*) Die Berechnung einer annehmbaren Interpolationsformel bot in-
sofern Schwierigkeiten , als in den Beobachtungen die den Tem-
peraturen zwischen 80^ und 110^ entsprechenden Tensionen
fehlen. Die Spannung fOr die Temperatur 105^ muDrte aus diesem
freien Currenstück genommen werden, über dessen Verlauf indefs
keine erhebliche Unsicherheit obwalten konnte.
168 Landoltj Untersuchungen über die Dampftenaionen
T
E
T
£
T
£
MM.
MM>
MM.
10°
4,6
70°
30,9
1300
198,1
15
5.4
75
86,2
135
231.5
20
6,3
80
42,3
140
268,5
25
7.4
85
49,4
145
313,5
30
8,7
90
57,8
160 ,
368,4
35
10,2
95
67,4
155
421,9
40
12,0
100
78,8
160
491,2
45
14,0
105
92,0
165
571,4
50
16,4
110
107,3
170
662,9
55
19,3
115
125,6
175
810,1
60
22,«
120
145,9
180
893,3
65
27,6
125
170,6
186
190
1048,7
1203,0
19. Ein zweites Präparat, welches bei der Destillation
den Constanten Siedepunkt 175,1^ bei 752,8 HM. Barometer-
stand gezeigt hatte, gab beträchtlich höhere Tensionen.
Wahrscheinlich enthielt dasselbe noch eine Spur Wasser.
Es wurden nachstehende Beobachtungen erhalten , welche
ich mit den für Präparat 1 mittelst der Interpolationsrormel
bestimmten Spannkräften für die nämlichen Temperaturen
zusammenstelle :
Apparat I.
Thennometer
£
beobachtet
£
Nr. 1
Nr. 2
T
berechnet
för PrÄp. 1
DifferooB
0
0
0
AlM.
MM.
MM.
11,32
11,43
11,37
6,9
4,8
2,1
20,08
20,04
20,08
9.7
6,8
3.4
31,40
81,41
81,40
14,4
9,1
5,3
39,97
89,98
89,97
18,9
12,0
6,9
Apparat H.
—
— .
159,1
471,2
482,4
11,2
—
—
167,1
627,1
609,2
17,9
—
—
168,2
648,9
629,4
19,5
—
—
178,9
919,4
869,9
49,5
""■
"■"
180,4
969,0
905,9
68,1
homologer Verbindungen, 169
Resultate.
SO. Die vorstehenden Bestimmungen sind hinreichend,
um nun die Eingangs erwähnten Fragen, und zwar zunächst
diejenige, ob das Dal ton'sche Gesetz bei homologen Reihen
Gültigkeit besitze oder nicht, zu erörtern.
Die Prüfung des Dal ton 'sehen Gesetzes lafst sich auf
zwei Arten vornehmen. Man kann erstens die Tensionen
der verschiedenen Substanzen für Temperaturen, welche um
eine gleiche Anzahl Grade von ihren Siedepunkten entfernt
sind, berechnen; es sollen diese Spannungen übereinstimmen.
Oder zweitens man berechnet die einer Anzahl gleicher
Spannungen zugehörigen Siedepunkte (die sogenannten enU
sprechenden Temperaturen) \ ist das D alt on 'sehe Gesetz
richtig, so müssen die Differenzen zwischen zwei ent-
sprechenden Temperaturen bei allen Flüssigkeiten gleich
grofs sein.
Ich habe die letztere Form gewählt, da die erhaltenen
Zahlen noch zu einer weiteren Betrachtung anwendbar waren.
Die folgende Tabelle enthalt die mittelst der Interpolations-
formeln berechneten Siedepunkte für den Normaldruck
760 MM. und einige 200 MM. von demselben abstehenden
Spannungen. Alle diejenigen Temperaturen , welche über
100^ lagen, wurden, um eine sichere Vergleichung zu er-
möglichen, mittelst der $. 8 angegebenen Formel in Grade
des Luftthermometers umgerechnet :
170 Landolt, Unlersuchtnigen über die Damjiftension
. .2
i
1"
1
19°1
ao,7
51,1
61,4
18,9
- 1
•i i ? t i
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1
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£
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160,8
178,7
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1
1 t 1 1 1
^1
1 -5 ;- :- i
+1
1
, t 1 t g-
■ S ■• 1 1
'S 1 g. rS f
'3
8
homologer Verbindungen, 171
Vergleicht man bei den fünf Säuren die Differenzen J
zwischen zwei entsprechenden Temperaturen, so ergiebt sich
Folgendes :
Bei niedrigen Spannungen bis zu 560 HM. zeigen die
Zahlen durchaus keine Uebereinslimmung , es wei^den die-
selben vielmehr um so gröfser, je weiter man von der
Ameisensaure an in der Reihe emporsteigt, je schwerer
fluchtig also die Substanz wird. Das stetige Zunehmen der
Differenzen tritt um so bestimmter hervor, je niedriger die
Spannungen sind, welchen die entsprechenden Temperaturen
angehören.
Von der Gegend der Siedepunkte bei 760 MM. an wer-
den bei zunehmendem Druck die Differenzen übereinstim-
mender, und es scheint hier das Dalton'sche Gesetz sich
zu bewahren. Man hat bei den fünf Säuren :
swischen 560 MM. und 760 MM. im Mittel die Differenz 9,6^ +. 0,b^
, 760 „ „ 960 „ « „ , „ 7.50 + 0,3«
960 „ , 1160 n n fi n n 6,1° + 0,8«
Es fragt sich, ob die Abweichungen von ± 0,3^ bis 0,5^
als Versuchsfehler angesehen werden dürfen, die namentlich
bei Anwendung anderer Präparate vielleicht geringer aus-
gefallen wären. Vergleicht man die früher angegebenen
Tensionsbestimmungen verschiedener Präparate von Essig-
säure, Buttersäure und Valeriansäure , so ergiebt sich, dafs
bei der Temperatur der Siedepunkte und höher die Dampf-
spannungen um 30 bis sogar 50 MM. von einander abweichen
können. Nimmt man als höchste erlaubte Verschiedenheit
in der Tension ± 15 MM. an^ so würde diese im Mittel fol-
genden Differenzen in den Temperaturen entsprechen :
zwischen 560 MM. und 760 MM. Druok : +, 0,72<^
' , 760 ^ , 960 n » : + 0,56«
960 , , 1160 « n : ± 0,46«.
172 LandoU, ünteriuchungen über die Dampflemtonen
Diese Differenzen sind höher als die ob«i gefundenen,
und es können daher die letzteren in der That von Ver-
suchsrehlern herrühren.
Um einen weiteren Anhaltspunkt zur Beurtheilung der
DilTtTeiizon zwischen entsprechenden Temperaturen zu er-
halten, Imbe ich für einige der von Regnault untersuchten
Subsl)iriz{;ii, welche keine chemische Gleichartigkeit unler-
etnnrider zeigen, die verschiedenen Drucken zugehörigen
Siedepunkte berechnet. Die Werthe wurden für diejenigen
SpaiinuDiren, welche sich nahe an eine in den Regnault'-
schen von 5 zu 5° gehenden Tabellen enthaltenen Zahl an-
schlössen, unter der zulässigen Annahme abgeleitet, dafs
innerliiilb kleiner Grenzen die Temperatur proportional der
SpBiinunn; sich ändere; für die weiter entfernten Werthe
sind da^regen die Interpolationsformeln zu Hülfe genommen
worden. Die Rechnung wurde für folgende Kdrper, welch«
nach steigendem Siedepunkte geordnet sind, ausgeführt :
homologer Verbindungen.
173
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CO
WH
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174 Landolty Untersuchungen über die Dampflenaionen
Vergleicht man hier die Differenzen zwischen den ent-
sprechenden Temperaturen, so zeigt sich, dafs dieselben auch
in der Nähe des gewöhnlichen Siedepunktes sehr von ein-
ander abweichen; es beträgt die Verschiedenheit vom Mittel
± 2^, also eine Zahl, welche die Beobachtungsfehler weit
überragt. Hier hat also das Dalton'sche Gesetz entschieden
keine Gültigkeit.
Die vorstehenden Betrachtungen führen demnach zu
folgenden Resultaten :
Bei den Gliedern der Ameisensäure-Reihe sind bei nie-
drigen Spannungen die Difl^erenzen zwischen entsprechenden
Temperaturen ungleich; sie wachsen mit der Schwerflüchtig-
keit der Substanz. Bei Spannungen zwischen 560 und
1160 HH. werden dieselben dagegen übereinstimmend; es
ist also das Dalton*sche Gesetz bei dieser homologen Reihe
in der Nähe des gewöhnlichen Siedepunktes zulässig. Ob
diese Regelmäfsigkeiten sich nun auch oberhalb 1160 MM.
weiter fortsetzen, lassen die Versuche unentschieden. Wenn
man indefs die Spannkraftcurven der 5 Säuren, welche in
Fig. 4 dargestellt sind , betrachtet , so läfst sich aus dem
Parallelismus ^ den dieselben in ihren höheren Theilen an-
nehmen, schliefsen, dafs das Gesetz auch in Bezug auf die
darüber liegenden Tensionen seine Gültigkeit bewahren
werde.
91« Die mitgetheilten Beobachtungen gestatten noch
die weitere Frage zu erörtern, ob die gleichen Difl*erenzen,
welche die für den Druck 760 HM. geltenden Siedepunkte
der Glieder homologer Reihen untereinander zeigen, auch
bei Temperaturen auftreten, die anderen Spannungen zuge-
hören?
Berechnet man zunächst für die untersuchten Säuren mit
Hülfe der Interpolationsformeln die Siedepunkte bei 760 MM.
Druck, so ergeben sich nachstehende Zahlen :
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homologer Verbindungen.
175
"
Quecksilber-
thermometer
Luft-
thermometer
Ameisensäure .
. 99,9>
99,91
EBsigB&are . .
. 119»12
118,82
Propionsttore
. 139,79
139,22
Buttersäure . .
. 161,61
160,83
Valerianaätire
. 174,58
173,71.
Ferner findet man für die Veränderungen, welche die
Siedepunkte erleiden , wenn der Luftdruck von 760 MM. um
je 1 HM. abweicht, .die Werthe :
Ameisens. Essigs. Propions. Batters. Valerians. Mittel
0,046<> 0,044<> 0,043° 0,0410 0,044° 0,043°.
Hit Hülfe dieser Zahlen lassen sich Siedepunktsbestim-
mungen der Säuren, welche bei verschiedenem Barometer-
stand ausgeführt worden sind, auf den Normaldruck 760 MM.
reduciren, indem man, was bei Abweichungen bis zu 10 MM.
zulässig ist, die Aenderung der Temperatur derjenigen des
Drucks proportional setzt. Auf diese Weise sind die nach-
stehenden, von verschiedenen Beobachtern mitgetheilten Siede-
punktsbestimmungen der Säuren berechnet, welche ich zur
Vergieichung mit den Obigen beifuge *). Die Temperaturen
beziehen sich sämmtlich auf das Quecksilberthermometer :
Liebig . . .
Kopp ....
Rosooe . . .
Landolt, Prttp. 1
n 2
n 8
n 4
n
Ameisensäure,
redao. aiif760MM.
98,6° bei 753 MM.
Bar.
98,8°
106,4 „ 764
n
106,2
101,1 „ 768
n
101,2
101,1 „ 764,3
n
100,3
104,9 ^ 766,7
n
106,0
101,8 „ 762
n
101,7
99,4 n 746,8
n
100,0
*) Dieselben sind grofstentheils der Zusammensetaung, welobe Kopp
(Ann. Chem. Pharm. XCVI, 9) gegeben bat, entnommen und
durch die neueren Beobachtungen ergänzt. Die meinigen siebe
Pogg. Ann. CXYII, 363.
I
176 Landolt, Untersuchungen über die Dampftensumen
Bineau 100°
Favre a. 8ilbermann 100
Wurtz 100
bei
n
n
?
?
?
redao.auf760MM.
Essigsäure,
Delfffl ....
Kopp .....
Oudemans . .
Landolt, Fräp. 1
jt »2
. 8
Sybille Aoger .
Favre u. Silbermann
Dumas
116«
116,9
118,2
118,7
117,8
118,8
119
120
120
bei 754 MM.
750
768
762
766,7
752,5
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?
9
n
n
n
ff
ff
9
Bar.
ff
ff
ff
ff
ff
116,8«
117,8
118,1
118,6
117,9
119,2
Propionsäure (aus Cyanathyl).
Kopp 141,6«
Landolt, Präp. 1 . . 140,8
„ 2 . . 140,1
„ „ 3 . . 189,5
Limpriobt a. Uslar . 142
bei 754,6 MM. Bar.
141,8«
. 755,7
141,0
ff 754,7 „
140,8
ff 758,1
189,6
Buttersäure (Gahrangs-).
Kopp 156« bei 788 MM.
Delffs 156 n 759
Piorre 168 »751
Landolt, Präp. 1 . . 161,75 „ 754,7
n 2 . . 162 „ 758,7
n „ 8 . . 168 n 765,8
Favre u. Silbermann 164 „ ?
Bar.
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167,1«
166,0
168,4
162,0
162,1
162,8
Vakriansäure (aus Amylalkohol).
Kopp ....
Delffs ....
Landolt, Prttp. 1
ff ff 2
ff 8
Dumas a. Stas .
Favre u. Silbermann
175,8« bei 746,5 MM. Bar.
174,5
175,1
174
175,85
175
175
ff
ff
9
ff
ff
ff
762
752,8
751,9
766,2
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ff
176,3«
174,4
175,4
174,8
175,6
homologer Verbindungen» 177
Capronsäure (auB Cyanamyl).
Rossi 195« bei 746 MM. Bar.
Landolt 198,9 „ 761 „
Wurt« . . 198 „ ?
Brasier u. Gosleth . 198 ,, ?
OenanthyUäure (aus Ricinusöl mit Salpetersaure).
8t&deler 218« bei 725 MM. Bar.
Landolt 218,5 bis 220 „ 756,5 „
In der folgenden Tabelle sind diejenigen Siedepunkte
der Sfiuren, welche nach den obigen Beobachtungen als
feststehend angenommen werden müssen, zusammengestellt
und die Differenzen für das Increment CHs aus denselben'
gezogen. Die Tabelle enthalt zugleich die sogenannten theo-
retischen Siedepunkte von Kopp, berechnet unter der An-
nahme der Constanten Differenzen von 19^ und 19,5^ für CHg
und ausgehend von dem Siedepunkt der Ameisensäure = 100^
Beob-
Berechnete Siedepunkte
Diff.
achtete
fOr
Diflf.
Ab-
•
Diff.
Ab-
•
Siede-
pnnkte
CH,
ffir
GH,
= 19«
wei-
ohung
▼. d.
Beob.
für
GH,
= 19,5
wei-
chnng
▼. d.
Beob.
Ameisens&nre (/H,0,
100^
19«
100«
0«
100«
0«
EsaigaAure CtH40t
119
21
119
0
119,5
+0.5
Propiona&ure Cfifi^
140
188
—2
189
—1
22
Batters&ore C4H0O,
162
18
157
—6
158,5
-8,5
Valerianaftore Cfiiffl%
175
28
176
+1
178
+8
Caprons&nre CJäxfi^
198
21
195
—8
197,5
—0,5
OenantbylsAiure CrH^Ot
219
V
214
—5
217
—2
Vergleicht man die Differenzen der beobachteten Siede-
punkte, so ergeben sich dieselben meist ziemlich überein-
Anmal A <1)tam n Pha.in« VI fiimnlAiMAm*!« J o n-«b
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178 Landoltj Unter suchungen über die Dampfteneionen
stimmend , nur zwischen Buttersäure und Valeriansaure ist
der Unterschied betrachtlich geringer. Das Mittel derselben
beträgt 19 bis 20^ und den nämlichen Werth findet man, wie
Kopp bekanntlich nachgewiesen hat, noch bei sehr vielen
anderen homologen Verbindungen , welche sich am CH^
unterscheiden, wie bei den Alkoholen, Aetherarten u. s. w.
Wenn auch manchmal erhebliche Abweichungen auftreten,
so mufs doch im Allgemeinen das Stattfinden dieser Regel-
mäfsigkeit anerkannt werden.
Es fragt sich nun aber, ob auch bei anderen Tempera-
turen gleichen Druckes diese annähernd übereinstimmenden
Dififerenzen für das Increment CH^ hervortreten. Da nach
dem Dal ton 'sehen Gesetze für die nämliche Druckänderung
die Siedepunkte verschiedener Substanzen sich um eine
gleiche Anzahl von Graden verschieben sollen, dieses Gesetz
aber bei homologen Reihen innerhalb gewisser Spannungen
als zulässig sich erwiesen hat, so ist damit die Frage eigent-
lich schon entschieden. Zur näheren Beurlheilung der Gren-
zen, zwischen welchen die Regelmäfsigkeiten noch erscheinen,
führe ich nachstehende Tabelle an, welche die auf das Luft-
thermometer bezogenen Siedepunkte bei verschiedenem
Drucke in runden Zahlen, sowie die Differenzen für CHf
enthält :
homologer Verbindungen.
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ganzen Spannkraftcurven der übrigen berechnen zu können.
Dagegen ist es, wie aus den oben erhaltenen Resultaten über
das Dalton'sche Gesetz hervorgeht, mit Hülfe desselben
möglich, von der Spannung 560 HH. an wenigstens an-
nähernd die Tensionen der Sauren gegenseitig abzuleiten,
und ohne Zweifel wird diefs auch bei den Gliedern anderer
homologer Reihen sich erreichen lassen.
Eine Anzahl weiterer Beobachtungen über die Spann-
kräfte der Alkohole der Methylreihe lege ich noch zurück,
da die Untersuchung wegen der Schwierigkeit, genügend
reinen Propyl- und Butylalkohol zu erhalten, bis jetzt un-
vollständig geblieben ist.
üeber die Oxydation der organischen Säuren ;
von M. Berthelot*).
Ich habe constatirt, dafs bei der Oxydation des Acety-
lens, des Aethylens und der homologen Kohlenwasserstoffe
Oxalsdnre und im Allgemeinen zweibasische Säuren sich
bilden, welche dieselbe Menge Kohlenstoff, wie der an-
gewendete Kohlenwasserstoff, enthalten **). Indessen ist
die Bildung der jedem Kohlenwasserstoff entsprechenden
zweibasischen Saure immer begleitet von der homologer,
zweibasischer und einbasischer Säuren, welche eine gerin-
gere Menge Kohlenstoff enthalten. Es findet diefs übrigens
bekanntlich meistens bei der Oxydation organischer Sub-
*) Bulletin.de la societ^ chimique, nohvelle s^rie, T. VUI, p. 390.
**) Ann. Chem. Pharm. 8iippl.-Bd. V, 95.
182 Berthelot^ über die Oxydation
stanzen statt. — Die Erklärung der Thatsache schien mir in
einer zweifachen Reihe von Phänomenen gesucht werden za
müssen. Einerseits spaltet sich die normale zweibasische
Säure, theilweise, im Entstehungszustande, zu einer niederen
einbasischen Saure und Kohlensaure :
CÄOg == C4H4O4 + C,04.
Malonsäure fissigs&ure Kohlensäure
Andererseits oxydirt sich die so hervorgebrachte ein-
basische Säure wiederum, im Entstehungszustand, um sich in
die entsprechende zweibasische Säure umzuwandeln :
C4H4O4 + 3 0t = C4HJO8 + HgO,.
Essigsäure Oxalsätire
Dieselbe Kette von Reactionen wiederholt sich dann für
die neue zweibasische Säure.
Diese Auffassung ist der treue Ausdruck der beobach-
teten Thatsachen. Doch schien es mir, dafs sie einen an-
schaulicheren Character gewinnen würde, wenn es gelänge,
die einbasischen Säuren direct, auch durch die Einwirkung
des übermangansauren Kali's , zu entsprechenden zweibasi-
schen Säuren umzuwandeln.
Ich habe constatirt, dafs diefs der Fall ist.
Keine organische Säure, und selbst keine organische
Substanz, widersteht in definitiver Weise der Einwirkung
des übermangansauren Kali's, weder in saurer, noch in al-
kalischer Lösung; aber die Dauer der Reactionen ist sehr
wechselnd , je nach der Natur der zum Versuche angewen-
deten Körper , und dieser Umstand gestattet , die nach ein-
ander sich bildenden Producte zu isoliren.
Die Einzelnheiten der Versuche sind folgende :
Ameisensäure C2H8O4. — Man nimmt im Allgemeinen
an, dafs die Ameisensäure durch das übermangansaure Kali
in alkalischer Lösung oxydirt wird, während sie einer sauren
Lösung widerstehe. Ich habe nun einerseits beobachtet.
der organischen Säuren. 183
dafs die Oxydation in einer alkalischen Lösung nicht sofort
erfolgt, so dafs man gewisse Bildungen der Ameisensäure
constatiren kann , wenn man in der Költe und mit schwach
alkalischen Lösungen operirt. Andererseits entfärbt die
Ameisensäure, wenn mit mittelst Schwefelsaure stark ange-
säuertem übermangansaurem Kali zum Kochen erhitzt, das-
selbe ziemlich rasch. Die Anwendung dieses Reagens zur
Bestimmung der Ameisensaure macht also Behutsamkeit
nöthig.
Essigsäure C4H4O4. — Die Essigsaure scheint zunächst
auf das übermangansaure Kali; in saurer oder alkalischer
Lösung, ohne Einwirkung zu sein. — Erhitzt man jedoch
einen langhalsigen Kolben, welcher Essigsaure und eine ver-
dünnte Lösung von übermangansaurem Kali enthalt, im
Wasserbade auf 100^, so macht sich bald Reduction bemerk-
lich. Nach 15 bis 20 Stunden ist dieselbe bereits beträcht-
lich; es bildet sich dabei nur Wasser und Kohlensäure.
Essigsaures Natron, in einer neutralen Lösung von über-
mangansaurem Kali gelöst, übt in der Kälte während der
ersten Tage keine bemerkliche Wirkung aus. Aber nach
dreimonatlichem Stehen hat man ersichtliche Reduction, mit
Bildung von etwas kohlensaurem Salz. Bei dem Kochen ist
die Reduction schon nach einigen Stunden erheblich; sie
wird es namentlich, wenn man bei Gegenwart einer beträcht-
lichen Menge Kali operirt. Nach 10 stündigem Erhitzen auf
100^ beobachtet man die Bildung einer sehr beträchtlichen
Menge Oxalsäure. ' Also wird die Essigsäure durch das
übermangansaure Kali, in alkalischer Lösung, bei 100^ lang-
sam zu Oxalsäure umgewandelt :
C4H4O4 + 3 0j = C4HSO8 + HjOg.
Edsigsäure Oxalsäure
Das ist gerade die Reaction^ deren Existenz ich für den
Entstehungszustand angenommen hatte; man sieht, dafs sie
184 Berthelot, über die Oxydation
auch für die bereits gebildete Essigsaure, wenn auch lang-
samer, statthat.
Oxalsäure CiHgOs« — Man weifs, wie rasch die Oxal-
säure durch das übermangansaure Kali in saurer Lösung
oxydirt wird. Ich habe erkannt, dafs sie auch in stark al-
kalischer Lösung bei 100^ oxydirt werden kann. Aber die
Reaction geht ungemein langsam vor sich und erfordert viele
Stunden, um erheblich zu werden; sie kann für die Mehr-
zahl der Umstände vernachlässigt werden. Aber die Thal-
sache an sich verdient nicht weniger Interesse.
Die Homologen der Essigsaure und der Oxalsäure wer-
den durch das übermangansaure Kali leichter oxydirt, wenn
gleich auch sie noch diesem Reagens einen gewissen Wider-
stand entgegensetzen.
Ohne auf die Malonsäure einzugehen, deren langsame
Einwirkung auf das übermangansaure Kali in saurer Lösung
sowohl als in alkalischer bei 100^ ich constatirt habe, vrill
ich hier das Verhalten der Buttersaure und der Bernstein-
saure besprechen.
ßuttersäure CgHsOi. — Die Buttersäure wird durch neu-
trales übermangansaures Kali langsam oxydirt. Aber ich
habe namentlich die Oxydation in einer alkalischen Flüssig-
keit untersucht, um möglichst die Zerstörung der zweibasi-
schen Säuren zu vermeiden. Zu diesem Zwecke habe ich
10 Th. Buttersäure in 1200 Th. Wasser gelöst, bei Anwesen-
heit von 60 Th. Kali. Diese Lösung entfärbt allmälig das
übermangansaure Kali, sowohl in der Kalte, als auch (und
besser) bei 100^ Ich habe den Versuch bei 100^ mehrere
Tage lang andauern lassen, bis die B.uttersaure etwas mehr
als ein dem ihrigen gleiches Gewicht übermangansaures
Kali zerstört hatte. Die Flüssigkeit enthielt dann eine be-
trächtliche Menge kohlensaures und oxalsaures und eine
4
kleine Menge bernsteinsaures Salz, abgesehen von dem essig-
sauren und Propionsäuren Salze.
der organischen Säuren* 185
In folgender Weise habe ich diese verschiedenen Säuren
isoUrt. Ich habe zunächst die Flüssigkeit mit Salzsäure an-
gesäuert; ich habe einen Augenblick sieden lassen, dann
einen Tropfen Ammoniak zugesetzt und mittelst Chlorcaicium
gefällt; der so erhaUene Niederschlag bestand aus oxal-
saurem Kalk, welchem eine kleine Menge eines ähnlichen
aber kohlenstoSreicheren, wahrscheinlich malonsauren Salzes
beigemengt war. Ich habe aus diesem Salze die Oxalsäure
im freien Znstande dargestellt. — Andererseits habe ich die
Tom Oxalsäuren Salze getrennte und filtrirte Flüssigkeit im
Wasserbad eingedampft, wobei ich das Chlorkalium successive
durch Krystallisation ausschied. Was zuletzt auf ein kleines
Volum gebracht rückständig blieb und zur Trockne gebracht
war, wurde mittelst einigen Tropfen Salzsäure stark ange-
säuert und wiederholt mit einem beträchtlichen Volum ge-
reinigten Aethers geschüUelt. Der letztere hinterliefs bei
dem Verdampfen eine krystallinische Säure, welche die
Eigenschaften (Krystallisation, Sublimation) und die Reac-
tionen der Bernsteinsäure besafs. Ich habe aufserdem die
Löslichkeit des Kalksalzes in Wasser und seine Fallung
durch Alkohol festgestellt, dieselben Eigenschaften für das
Magnesiasalz, die Fällung des neutralen Eisenchlorids durch
die bernsteinsaure Magnesia, u. s. w.
Die Menge der auf diese Weise aus der Buttersaure
gebildeten Bernsteinsäure ist sehr wenig beträchtlich; die
Erklärung dafür werde ich sogleich geben. Dafs sie sich
überhaupt bildet, ist das wesentliche Resultat, auf welches
ich aufmerksam mache.
CgHeO* + 3O2 = CgHeOa + H,Oj.
Battergfture BeniBteinsäure
Ihre Bildung unter diesen Umständen steht im Einklang
mit der von Dessaignes beobachteten Bildung der Bern-
sleinsäure bei Einwirkung der Salpetersäure auf Buttersäure,
186 Berthelotj über die Oxydation
und andererseits mit der oben besprochenen Bildung der
Oxalsäure aus Essigsäure.
Zugleich mit der Bernsteinsäure entstehen auch die
flüchtigen Säuren, welche niedere Homologe zur Buttersäure
sind, wie ich mich in einem speciellen Versuche und durch
die Analyse der mittelst dieser flüchtigen Säuren dargestellten
Barytsalze überzeugt habe, weiche durch fractionirte Sätti-
gung gewonnen waren. Diese Scheidung wird nach einem
allgemein bekannten Verfahren ausgeführt. Aber die Menge
der auf diese Art gebildeten Propionsäure und Essigsäure
überstieg nicht den fünften Theil des Gewichtes der ur-
sprünglichen Säure. Zur Erklärung dafür, dafs sich nur so
wenig von diesen Säuren bildete, braucht man nur zu be-
achten, dafs die Homologen der Buttersäure durch das über-
mangansaure Kali stufenweise oxydirt und zu oxalsaurem,
dann zu kohlensaurem Salz umgewandelt werden, unter den
Bedingungen, wie sie bei diesem Versuche statthaben. Die
schliefslich vorhandene Menge ist also nur die Differenz
dieser beiden Reactionen.
Ich will nun darthun , dafs dieselbe Bemerkung erklärt,
weshalb die Bernsteinsäure nur in wenig beträchtlicher
Menge auftritt.
Bernsteinsäure CgHeOg. — Die Bemsteinsäure reducirt
nämlich bei dem Kochen mit einer neutralen Lösung von
übermangansaurem Kali dasselbe langsam. Die Reduction
geht bei 100^ auch bei Anwesenheit von Schwefelsäure vor
sich. Operirt man bei Anwesenheit einer grofsen Menge
Kali, so läfst sich schon nach 2 Stunden bei 100^ die Bildung
einer sehr beträchtlichen Menge Oxalsäure beobachten.
Ich brauche mich bei diesen Resultaten nicht länger
aufzuhalten; sie rechtfertigen die Auffassungen, welche ich
im Eingange dieser Mittheilung dargelegt habe. ,
Man sieht also, und ich wiederhole diefs^ dafs die Eio-
der organiachen Säuren, 187
Wirkung des äbermangansanren Kali's auf die organischen
Substanzen unbegrenzt ist. Man kann in der That mittelst
des genannten Reagens diese Substanzen ganz oder fast ganz
zu Wasser und Kohlensäure umwandeln. Als ein Beispiel
f3r solche bis zum Ende getriebenen Reactionen nenne ich
das Terpentinöl. Indem ich die Einwirkung in der Kalte
and in sehr saurer Flüssigkeit ein Jahr lang andauern liefs,
habe ich diesen Kohlenwasserstoff fast seiner ganzen Menge
nach zu Wasser und Kohlensäure umgewandelt. Ich habe
Aehnliches für das Aceton beobachtet, mit welchem ich in
der Kälte und in stark alkalischer Flüssigkeit operirte.
Die so energisch oxydirende Wirkung^ welche das
übermangansaure Kali zeigt, scheint mir durch thermo-
chemische Betrachtungen erklart werden zu müssen. Sie
liefs sich voraussehen. Die freie Uebermangansaure ent-
wickelt nämlich bei ihrer Zersetzung zu Sauerstoff und
Manganoxyd eine grofse Menge Wärme ; ihr Dampf detonirt
sogar freiwillig. Die bei der Oxydation irgend eines Körpers
durch Uebermangansaure frei werdende Wärmemenge ist
also beträchtlicher, als die, welche durch freien Sauerstoff
entwickelt würde. Es gebt aus der oben angeführten That-
sache hervor, dafs die Menge der bei einer Oxydation mit-
telst übermangansauren Kali's frei gemachten Warme auch
beträchtlicher ist, als diejenige, welche unter denselben Um-
ständen durch Manganhyperoxyd entwickelt würde; mit Un-
recht hat man also manchmal die Wirkung des Hangan-
hyperoxyds als der der Uebermangansaure ähnlich betrachtet;
die letztere ist ein energischeres Oxydationsmittel als das
Manganhyperoxyd.
Die Verschiedenheiten zwischen den Wirkungen des
übermangansauren Kali's in saurer und in alkalischer Flüs-
sigkeit erklären sich eben so. Wird ein Körper unter Bil-
dung derselben Producte oxydirt, so läfst sich durch Rech-
188 Bunserij Berechnung gemisckter Feldspathe.
tiungr darthun, dafs die durch ein gegebenes Gewicht ober«*
mangansaures Kali in stark saurer Flässigkeil entwickelte
Wärmemenge gröfser ist, als die in stark alkalischer Flüssig-
keit entwickelte Wärmemenge *).
Es würde sich vermuthlich eben so darthun lassen, dab
für die Uebermangansäure die Menge der entwickelten Wärme
gröfser ist, als für die Chromsäure^ wenn man für die letz-
tere Säure die nöthigen thermochomischen Data besäfse.
Ich sage, dafs diefs für die Uebermangansäure zu vermuthen
ist, weil die Cbromsäure ihre oxydirenden Wirkungen in
alkalischen Flüssigkeiten nicht mehr ausübt. Selbst in sauren
Flüssigkeiten ist ihre Wirkung begrenzter, wie aus einer
Vergleichung der Versuche von Chapmau mit den hier
von mir dargelegten hervorgeht.
Berechnung gemischter Feldspathe;
von R. Bansen.
Tschermak hat in seiner wichtigen Arbeit über die
Feldspathgruppe eine Reihe von Thatsachen hervorgehoben,
welche dafür sprechen, dafs die Kalk-Natron-Feldspathe als
isomorphe Mischungen von Anorthit und Albit zu betrachten
sind. Er hat insbesondere darauf aufmerksam gemacht, dafs
die Aequivalentformeln :
CaO, Al^Os, 2 SiO,
NaO, AljO,, 6 SiOg
*) Aber diejenige Menge Wärme , welche durch die Fixining des-
selben Gewichtes Sauerstoff auf die oxydirbare Substanz ent-
wickelt wird, ist wahrscheinlich in alkalischer Flüssigkeit gröfser,
als in saurer.
BunseUy Berechnung gemischter Feldspathe. 189
dieser beiden , gleiche KrystaUform zeigenden Verbindungen
den Holecularformeln :
entsprechen^ in welchen die für eine isomorphe Vertretung
erforderlichen Bedingungen erfüllt sind.
Wenn diese besonders für die Kenntnifs der plutonischen
Gesteine höchst wichtige Frage trotz des überreichen Mate*
rials an vorhandenen Analysen noch keine erschöpfende
Behandlung gefunden hat, so dürfte der Grund davon wohl
yomehmlich in der Scheu vor den sich dabei ergebenden
höchst weitläufigen numerischen Rechnungen liegen. Diese
Bechnungen auf eine einfachere und exactere Form zurück-
zuführen, um die Tschermak'sche Theorie nach einer
strengeren Methode, als der bisherigen, mit der Erfahrung
vergleichen zu können, ist der Zweck dieser Notiz.
Nennt man die Gewichte der einzebien Bestandtheile in
der Gewichtseinheit :
des AnorthitB % -h ^ 4~ ^ 4~ ^»
des Albits W + m-^s + W»
des ans beiden gemischten Feldspaths C| -[- ^2 -[~ ^ 4~ ^4>
80 dafs :
ai + a« + a8 + »4 = l»
b, + b, + b, + b, = 1,
Ci + c« + Ca + C4 = 1,
SO ergeben sich die Gleichungen :
Cj =2 a aj + (1 — a) bi,
Ct = aa, + (1— a) b^
oder :
Ci = ö (ai— bi) + bi,
C = ö (a, — b,) + b,,
WO er die Gewichtsmenge des Anorthits und (1 — a) die
Gewichtsmenge des Albits bedeutet, welche die Einheit des
gemischten Feldspaths zusammensetzen. Da im Anorthit und
190 Bunserty Berechnung gemischter Feldspaihe^
Albit nach Substitution der für Thonerde, Kalkerde and
Natron vicariirenden Basen vier dem Gewichte nach ver-
schiedene Bestandtheile vorhanden sind, so erhfilt man zur
Bestimmung von a die vier Gleichungen :
a
a =■
a» — bt
c, — b«
a =
% — bj
c»— bg
«8 — bs
C4 — b4
f^ — \
Setzt man für] Anorthit gemafs der aus der stöchio-
metrischen Formel berechneten Zusammensetzung :
i.
Kieselerde 0,4301 = %
Thonerde 0,3692 = a,
Kalkerde 0,2007 = a,
Natron 0,0000 = a«
und eben so für Albit :
Ihit •
1,0000
LiUli •
n.
Kieselerde
0,6857 = b.
Thonerde
0,1962 = b.
Kalkerde
0,0000 = b.
Natron
0,1181 = b4
1,0000,
so ergiebt sich aus der folgenden nach den gegebenen For-
meln berechneten Tabelle die theoretische Zusammen-
setzung derjenigen gemischten Feldspathe, welche den von
0 bis 1 nach Intervallen von Ja = 0,05 wachsenden Werthen
von a entsprechen *) :
*) Bei diesen nnd den folgenden Bereohnungen sind die Bfisohnngs-
gewichte Si = 14, AI = 13,75, Ca = 20, Ba s= 68,6, Ka s 89,
Na = 23, Fe s= 28, Mg s= 12, Mn = 27,6 zu Grunde gelegt
Bansen, Berechnung gemischter Feldspathe. 191
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192 B unselig Bereclinung gemischter FeldapaÜie,
Wie man mit Hülfe dieser Tabelle findet, ob ein Kalk-
Natron-Feldspath als durch gemeinschaftliche Ausacheidungf
von Anorthit und Albit entstanden betrachtet werden kann,
und in welchem Verhältnifs für diesen Fall die Aasscbeidung-
beider erfolgte, zeigt folgendes Beispiel.
Die Zusammensetzung eines Oligoklases von Elba ist
nach Damour :
m.
Kieselerde
62,30
Thonerde
22,00
Eisenoxyd
0,44
Kalkerde
4,86
Natron
8,20
Kali
0,94
98,74.
Substituirt man dem Eisenoxyd die demselben äquivalente
Menge Thonerde und dem Kali die diesem äquivalente Menge
Natron, so erhält man :
IV.
Kieselerde
0,6340 = Ci
Thonerde
0,2267 = c,
Kalkerde
0,0495 = c.
Natron
0,0898 = C4
1,0000.
Aus jedem dieser vier Bestandtbeile Mfst sich a auf
folgende Weise berechnen : Die Zahl 0,6340 konunt dem
für a sss 0,2 in der Tabelle berechneten Kieselerdegehalt
0,6346 am Nächsten und weicht von demselben nur am
— 0,0006 ab. Der in der Tabelle nach Differenzen von
Jc^ = 0,0128 abnehmende Kieselerdegehalt entspricht einer
Zunahme des a nach Differenzen von Ja = 0,05. Man
findet daher den 0,6340 genau entsprechenden Werth von
a durch Interpolation, indem man die Differenz ^ 0,0006 mit
dem Werthe der Tabelle ^ = p;^??^- = - 3,906
Jci 0^0128 '
Bun Serif Berechnung gemischter Feldspathe^ t93
muUipIicirt und das erhaltene Product 0,023 dem obigfen
Werthe von a = 0,2 hinzuaddirt. Auf diese Weise ergeben
sich die nachstehenden, den einzelnen Bestandtheilen Ci, c^,
Cs, C4 entsprechenden Werthe für a :
ai = 0,2023
a« = 0,1764
«8 = 0,2465
a^ = 0,2390
und aus jedem dieser a die nachstehenden Zusammensetzun-
gen, die alle hätten gleich gefunden werden müssen, wenn
der gemischte Feldspath frei von jeder Verunreinigung und
die Analyse desselben frei von allen Beobachtungsfehlern
gewesen wäre :
Berechnet Bereclinet Berechnet Berechnet
aus Kieselerde aus Thonerde aus Kalkerde aus Natron
17,64 24,65 23,90
82,36 75,35 76,10
100,00 100,00 100,00.
1,00 1,00 * 1,00
4,96 3,25 3,38.
Nimmt man an, dafs bei der Bestimmung der einzelnen
Bestandtheile des analysirten Fossils gleich grofse Fehler
gleich wahrscheinlich sind, und berechnet man die Gewichte
gl, g2 . . ., welche dieser Annahme zufolge den Werthen
von ai, % . . . beizulegen sind, so erhalt man :
Auorthit
20,23
Albit
79,77
100,00
Anorthitmolecule
1,00
Albitmolecule
4,19
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S
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s
wo S = (ai - bi)«+ (a2 - b^Y + (as - bs)^ + (a4 - b^)^.
Bei der als Beispiel gewählten Analyse giebt die nume-
rische Rechnung :
Aunal. d. Chetn. u. Pharm. VI. 8upplementbd. 2. Heft. lu
194 Bünden, Berechnung gemischter Feldspaihe.
gj = 0,4368
g, = 0,2001
g, = 0,2694
g4 = 0,0933.
Mit Hülfe dieser g findet man als wahrscheinlichsten
Werth von a :
also für den vorliegenden Fall :
a^ =r 0,2124,
and daravs die wahrscheinlichste Zusammensetziing :
Anorthit 21,24 1,00 Moleoule
Albit 78,76 3,94 Molecule
100,00.
Um beurtheilen zu können, in wie weit diese wahr-
scheinlichste Mischung mit den durch die Analyse gefunde-
nen Zahlen übereinstimmt, hat man, und zwar wieder mit
Hülfe der Tabelle, die dem Werthe «o = 0,2124 entspre-
chenden Gewichtsmengen der einzelnen Bestaudiheile fol-
gendermafsen durch Interpolation zu berechnen.
Die Zahl a» tm 0,3124 kommt dem Werthe a tm 0,2 in
der Tabelle am Nächsten und ist um 0,0124 gröfser als
dieser. Multiplicirl man daher 0,0124 der Reihe nach mit
den für —p-, ~~- . . . gegebenen Zahlen und addirt man
die erhaltenen Producte zu den entsprechenden Zahlen der
unter a = 0,2 in der Tabelle stehenden Analyse, so erhalt
man diejenige berechnete Zusammensetzung, welche mit
gröfster Wahrscheinlichkeit der durch den Versuch gefun-
denen am Nächsten kommt, nämlich :
V.
Kieselerde 0,6314
Thonerde 0,2330
Külkerde 0,0426
Natron 0,0930
1,0000.~
Bunsen^ Berechnung gemischter Feldspathe» 195
Um dieselbe mit dem Resultate des Versachs III ver-
gleichen za können; mufs noch der Bisenoxyd- und Kalige-
halt in dem Verhältnifs, wie ihn die Analyse III ergeben
hat, in der Zusammensetzung V wieder hergestellt werden.
In dem aus Analyse III berechneten Thonerdegehalt der Zu-
sammensetzung IV sind 0,00316 Thonerde als für Eisenoxyd
yicariirender Bestandtheil vorhanden. Daraus ergiebt sich
die proportional in V dem Eisenoxyd substituirt anzunehmende
Thonerde zu 0^00324 und die diesen 0,00324 zu substituirende
äquivalente Menge Eisenoxyd zu 0,00505. Man hat daher
von der Thonerde der Zusammensetzung V 0,00324 abzu-
ziehen und dafür 0,00505 Eisenoxyd aufzuführen. In der-
selben Weise restituirt man den Kaligehalt, für welchen die
Rechnung 0,0102 giebt. Reducirt man die durch den Ver-
such (III) gefundene und die berechnete wahrscheinlichste
Zusammensetzung beide auf 100, so erhält man :
Berechnet
V.
Versuch
VI.
Abweichung
des Versuchs
Kieselerde
62,38
63,10
+ 0,72
Thonerde
22,70
22,28
— 0,42
Elisenoxyd
0,49
0,45
— 0,04
Kalkerde
4,89
4,92
+ 0,03
Natron
8,53
8,30
— 0,17
KaU
1,01
0,95
— 0,06
100,00 100,00.
Zur Berechnung der in den Feldspathen auftretenden
vicariirenden Bestandtheile kann man folgende mit nur vier-
stelligen Logarithmen berechnete Tabelle benutzen, deren
Einrichtung einer Erläuterung nicht bedarf.
43 ♦
196 Bunsen^ Berechnung gemiscIUer FeldapcUhe.
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1
197
üeber die Identität des künstlichen und des
natürlichen Neurins;
von A. Wurtz*).
Ich habe vor einiger Zeit **) die ersten Resultate meiner
Versuche über das^Neurin roitgetheilt, welches ich, nach
einem synthetischen Verfahren erhalten habe, indem ich Tri-
methylamin auf einfach - chlorwassersto&saures Glycol ein-
wirken liefs. Das chlorwasserstoffsaure Salz des Trimethyl-
oxäthylammoniums, welches auf diese Weise erhalten wird ***),
schien mir mit dem chlorwasserstoffsauren Salze des Neurins
identisch zu sein, welches mit dem aus Gehirn dargestellten
Neurin bereitet war. Ich habe das eine Salz wie das andere
in langen zerfliefslichen Nadeln erhalten , indem ich das
trockene Salz in wasserfreiem Alkohol löste und vorsichtig
eine Schiphte wasserfreien Aethers auf die mafsig concen-
trirte alkoholische Lösung gofs. Das chlorwasserstoffsaure
Salz des naturlichen Neurins war aus dem Goldchlorid-Dop-
pelsalze mittelst Schwefelwasserstoffs abgeschieden; die vom
Schwefelgold befreite Flüssigkeit war erst im Wasserbade,
dann im leeren Räume eingedampft werden.
Das Platinchlorid-Doppelsalz des Trimethyloxathylammo-
niums ist sehr leicht löslich in Wasser, unlöslich in Alkohol.
Löst man den mittelst Alkohol hervorgebrachten Niederschlag
*) Compt. rend. LXVI, 772.
**) Ann. Chem. Pharm. Suppl. VI, 116.
*•*) Ich gebe hier eine Analyse dieses Salzes^ welches eine Temperatur
von 180° ohne merkliche Zersetzung verträgt :
Gefanden Berechnet
Kohlenstoff 42,67 42,70
Wasserstoff 10,28 10,67.
198 WuTtz, über die Identität
wieder in Wasser auf und überlftfsl die Lösung dem frei-
willigen Verdunsten , so scheiden sich prächtige orangerothe
klinorhombische Prismen aus, welche man sehr gut ausge-*
bildet und von beträchtlicher Gröfse erhalten kann.
Ich habe das aus dem reinen Goldchlorid -Doppelsalz
dargestellte chlorwasserstoffsaure Salz des natürlichen Neu-
rins zu Platinchlorid -Doppelsalz umgewandelt und Krystalle
erhalten, welche mit den eben besprochenen nach der Form,
der Löslichkeit in Wasser und der Unlöslichkeit in Alkohol
vollkommen identisch waren. Die Identität der Form wurde
durch genaue Messungen constatirt, welche Friedel näch-
stens veröffentlichen wird *).
Unter den von Baeyer für das chlorwasserstoffsaure
Salz des Neurins angegebenen Eigenschaften ist eine der
characteristischsten die Reduction desselben durch Jodwasser-
stoffsäure. Die Oxäthylbase **) wandelt sich hierbei zu
einer Jodäthylbase um :
(C.SJ**OH)'}n • « + 2HJ = (®'y}N. J + H.0 + HCl.
Trimethyloxäthyl- Trimethyljodäthyl-
ammoniamohlorilr ammoniainjodür
Das auf diese Art gebildete Trimethyljodäthylammonium-
jodür ist wenig löslich in kaltem Wasser und scheidet sich
aus seiner Lösung in siedendem Wasser in prächtigen Kry-
stallen aus. Ich habe es in reichlicher Menge aus dem
*) Ich habe bereits eine Bestimmung des Platingehaltes des Platin-
chlorid-Doppelsalzes des Trimethyloxäthylammoniums veröffentlicht,
loh lasse hier eine vollständige Analyse dieses schönen Salzes
folgen :
Geftinden Berechnet
Kohlenstoff 19,04 19,41
Wasserstoff 4,62 4,53
Platin 31,88 31,87.
^*) Die Hydroxätiiylengruppe C ^ . OH ist hier abgekürzt als OzAthyl
bezeichnet.
des künstlichen und des natürlichen Neurins. 199
cUorwagflarstoffsauren Salie des kunstlichen Nearins *)
erhalten, durch Reduction desselben mittelst Jodwasserstoffe
saure bei Anwesenheit von Phosphor und bei 140^.
Durch Kochen mit Wasser und Silberoxyd wird das
Jodflr der jodathylirten Base bekanntlich zu dem Hydrate
der entsprechenden Yinylbase umgewandelt :
Trimetliyljodäthyl- Trimethylvinyl-
ammomuinjodfir ammoniiuiihjdrat.
Ich habe das Zutreffen dieser Reaction, welche Baeyer
für das natürliche Neurin angegeben hat, bei Anstellung
des Versuches mit der von dem künstlichen Neurin aus
dargestellten Jodverbindung bestätigt gefunden. Neutrallsirt
man das aus der Einwirkung des Silberoxydes auf diese
Jodverbindung resultirende Hydrat mit Ghlorwasserstoffsäure
und setzt dann Goldchlorid zu, so bildet sich ein gelber
Miederschlag, welcher in siedendem Wasser löslich ist und
bei dem Erkalten dieser Lösung sich in kleinen Krystallen
ausscheidet, die die Zusammensetzung des Goldchlorid-Dop-
pelsalzes des trimethylvinylammoniums ergaben **) , näm-
lich die der Formel :
Si'}N ■ Cl + AuCl,
entsprechende.
*) Ich gebe hier eine Analyse dieser Verbindung :
Gefnnden Berechnet
Kohlenstoff 17,78 17,59
Wasserstoff 4,13 3,81.
**) Die ZusammensctBung ergab sich :
Gefunden Berechnet
Kohlenstoff 13,81 14,18
Wasserstoff 8,02 2,8
Oold 46,61 46»3.
200 Wurtz, über die Identität
Die verdünnte Lösung des Trimethyloxäthylammoniam-
hydrates (des freien Neurins) kann zum Kochen erhitzt
werden, ohne sich beinerklich zu zersetzen. Anders aber
verhalt sich die concentrirte Lösung ; sie entwickelt bei dem
Sieden Trimethylamin , wie diefs für das natürliche Neurin
angegeben worden ist. Dieses ist jedoch nicht das einzige
Product dieser Zersetzung. Läfst man den Kolben erkalten,
in welchem die Lösung vollständig eingedampft worden war
und in welchem sich kein Neurin mehr befindet, so condensirt
sich eine kleine Menge einer dicken, schwach braun ge-
färbten Flüssigkeit. Dieser Körper kocht erst bei hoher
Temperatur. Ich habe aus ihm eine kleine Menge einer
oberhalb 190^ siedenden Flüssigkeit isolirt, welche die
Eigenschaften des Glycols zeigte. Mit festem Kalihydrat er-
hitzt entwickelte dieser Körper nämlich reines WasserstofT-
gas; durch Salpetersäure wurde er mit Lebhaftigkeit oxydirt
Die Bildung dieses Körpers erklärt sich leicht. Das Tri-
methyloxäthylammoniumhydrat kann durch Hitze zu Trimethyl-
amin und Glycol gespalten werden :
TrimethyloxSthyl- Trimethylamin Glycol
am moniumliy drat
Diese Reaction glebt das erste Beispiel ab für eine Bil-
dung des Glycols aus einem natürlich vorkommenden Producte.
Ich glaube jedoch nicht, dafs sie so einfach vor sich
geht, wie diefs die vorhergehende Gleichung ausdrückt. Sie
kann zu gleicher Zeit eine gewisse Menge Aethylenoxyd
entstehen lassen. Ich habe in der That constatirt, dafs die
dicke Flüssigkeit, deren ich oben erwähnte, bei der Siede-
temperatur des Glycols nicht vollständig übergeht, sondern
dafs die letzten Portionen erst oberhalb 200^ überdestilliren,
wie wenn dem Glycol eine geringe Menge von Polyäthylen-
alkoholen beigemengt wäre« Bekanntlich wandelt sich das
des künstlichen und des natürlichen Neurins. 201
Glycol durch Fixining von Aethyienoxyd zu Polyäthylen-
alkoholen um.
Andererseits ist das Trimethylaroin nicht das einzige
Product, welches sich in dem während des Siedens der
Neurinlösung condensirenden Wasser gelöst findet. Lärst
man die destillirte Flüssigkeit sieden, so dafs der gröfste
Theil derselben verdampft^ so kann man leicht das Trimethyl-
amin austreiben und dasselbe in verdünnter Chlorwasser-
stoffsäure condensiren. Es bleibt dann eine Flüssigkeit rück-
ständig , welche mit Chlorwasserstoffsäure neutralisirt und
mit Goldchlorid versetzt den fär das Neurin characteristischen
gelben Niederschlag giebt.
Es schien mir, als ob das Neurin hier durch die Ein-
wirkung des Aethylenoxyds auf das Trimethylamin wieder
gebildet würde^ denn man kann unmöglich annehmen, dafs
eine solche Ammoniumbase, wie das Neurin, unverändert
uberdestilliren könne.
Dieses führte mich dazu, eine neue Synthese des Neu-
rins zu versuchen. Ich schlofs in einen Kolben eine con-
centrirte Lösung von Trimethylamin mit Aethyienoxyd ein
und liefs das Ganze bei gewöhnlicher Temperatur stehen.
Bis zu dem anderen Tage war die Flüssigkeit dicklich ge-
worden und der Geruch des Trimethylamins gänzlich ver-
schwunden. Nach dem Neutralisiren der stark alkalischen
Flüssigkeil schied sich auf Zusatz von Goldchlorid der
characterislische gelbe, aus dem Goldchlorid-Doppelsalz des
Neurins bestehende Niederschlag aus *).
Bei dieser Reaction bildet sich das Neurin direct durch
das Zusammenfügen der Elemente des Trimethylamins , des
Aethylenoxyds und des Wassers :
*) Er gab bei der Analyse 44,28 pC. Gold, während sich 44,45 be-
rechnen.
202 Wurtz, Identität d. künaüichen u, MatürBehen Neurias.
(CH,).N + cäo + h,o = ci^on}'***^
Trimethyl- Aethjlen- NemiiL
amin oxyd
Die in dieser Mittheilung beschriebenen Versuche schei-
nen mir alle Zweifel bezuglich der Identität des künstlichen
und des natürlichen Neurins zu beseitigen. Die in meiner
vorhergehenden Mittheilung offen gehaltene Frage ^ ob hier
Isomerie vorliege, ist also jetzt beantwortet Ich füge hinzu,
dafs das Offenhalten dieser Frage nothwendig war, da sich
theoretisch die Existenz einer grofsen Zahl von Basen vor-
aussehen lafst, welche mit dem Neorin isomer sind* Die
folgenden Formeln geben die Constitution einiger dieser
Basen an :
CHgl
H
CjjH, . OHJ
N.OH
C,H4 . oh; CjH« . OHJ
MethyläthyloxÄthyl- Propyloxftthyl- Aeihyloxypropyl-
ammoniumhydrat ammoniumhydrat ammonlnmhydnit
CHaj H
^^»[n.oh ^
N.OH
CA . OH; C5H10 . OHJ
Dimethyloxypropyl> Oxamylammoniiim-
ammoniumhydrat hydrat
Von diesen Basen habe ich die letzte darzustellen ge-
sucht, indem ich einfach - chlorwasserstoffsaures Amylglycol
auf Ammoniak einwirken liefs. Ich habe ein krystallisiries
Platinchlorid -Doppelsalz erhalten, welches vollständig von
dem Platinchlorid - Doppelsalze des Neurins verschieden ist
und die Zusammensetzung der entsprechenden Vinylbase zu
besitzen scheint.
Ich habe auch eine dem Neurin homologe Verbindung
erhalten, indem ich Triäthylamin auf Glycol-Chlorhydrin
einwirken liefs. Ich werde diese Körper bald in einer wei-
teren Mittheilung beschreiben.
ao3
Üeber Dissociation der Untersalpetersäure ;
- von Privatdocent Dr. Alex. Naumann.
Machfolgende Bemerkungen, welche sich vorzugsweise
auf die Ergebnisse der neuerdings von H. Sainte-CIaire
Deville und L. Troost*) ausgeführten Bestimmungen der
Dampfdichte der Untersalpetersöure stützen , bezwecken den
Nachweis, dafs das Molecul der Untersalpetersäurb in Gas-
form bei niederer Temperatur als NtO« aufzufassen ist und
der Untersalpeteraiuredampf bei steigender Temperatur eine
bei etwa 140 bis 150*^ vollendete Dissociation in zwei Atom-
.gruppen von der Zusammensetzung NOt erleidet.
A. Playfair und J. A. Wanklyu **) fanden die
Dichten des Untersalpetersäuredampfs, indem bei Ausführung
der Bestimmungen demselben unter Anwendung des von
ihnen ***) beschriebenen Verfahrens Stickgas beigemengt
war, bei 4,2» zu 2,588; bei 11,3<> zu 2,645; bei 24,5» zu
2,520; bei 97,5» zu 1,783. Sie schlössen aus diesen Ergeb-
nissen^ dafs sowohl die durch die FcMrmel Ji&% (welcher
die Dampfdichte 1,589 entspricht), als auch die durch die
Formel Ji^&i (welcher die Dampfdichte 3,179 entspricht)
ausgedrückte Substanz existire, und dafs beide bei Tempe-
raturwechsel in einander übergehen; dafs bei 100» der so-
genannte Untersalpetersfiuredampf hauptsachlich aus NO^^
bei gewöhnlicher Temperatur hauptsichlich aus NaO^ bestehe.
B. Müller t) fand die Dichten des Untersalpetersaure-
*) Compt rend. LXIV, 237; Instit. 1867, 49; im Ausz. N. Arch. pb.
nat XXVUI, 269; Zeitschr. Chem. 1867, 149.
**) Ann. Chem. Pharm. CXXU, 249.
**•) Daselhst CXXI, 102.
t) Daselbst CX&U, 15.
204 Naumann^ über Dissociation
dampfs bei 28» zu 2,70; bei 32» zu 2,65; bei 52» zu 2,26;
bei 70» zu 1,95; bei 79» zu 1,84*). In Rucksicht auf diese
Ergebnisse, sowie auf die von ihm untersuchten Reactionen
der flussigen Untersalpetersaure, bei welchen allen die beiden
Atorogruppen NO und NOa auftraten oder stets die durch
N2O4 ausgedrückte Untersalpetersauremenge einwirkte, hat
Muller für die flussige Untersalpetersaure die rationelle
NO 1
Formel |jj(0 aufgestellt, mithin das Molecul der flüssigen
Untersalpetersaure durch die Formel N^O« ausgedrückt.
Nach Delafontaine **) zeigen die Versuche von
H. Deville und Troost, dafs die Untersalpetersaure zwei
Dampfdichten besitzt, von weichen die eine die Hälfte der
anderen ist. Delafontaine weist noch besonders auf die
Beobachtung beider hin , dafs der bei — 10» kaum gelbe
Untersalpetersäuredampf bei steigender Temperatur allmilig
dunkler wird, bei 183» mehr schwarz als roth ist und selbst
in dünnen Schichten das Licht kaum durchläfst.
Ich habe unter der Voraussetzung, dafs die bei hin-
reichend niedriger Temperatur als N2O4 aufzufassende Unter-
petersäure bei höherer Temperatur eine theilweise mit stei-
gender Temperatur zunehmende Zersetzung erleidet,' wobei ein
Holecul sich in deren zwei spaltet, aus der in nachfolgender
Tabelle enthaltenen Versuchsreihe von H. Deville und
Troost die den einzelnen Beobachtungstemperaturen und
zugehörigen Dampfdichten entsprechenden Procente der zer-
setzten Untersalpetersäuremolecule berechnet nach der von
*) Es zeigen dieBO Zahlen grofse Uebereinstimmung mit denjenigen
der unten verzeichneten, von H. Deville und Troost ausge-
führten umfassenderen Versuchsreihe.
**) N. Arch. ph. nat. XXVIII, 271; Instit 1867, 136.
der Unfersalpetersäure.
205
mir *) früher entwickelten Formel p =
lOO(d-D)
D
worin
für d das der Untersalpetersaure == N294 entsprechende
theoretische spec. Gew. 3^179 und fär D der Reihe nach die
beobachteten Dampfdichten g;esetzt' wurden. Zugleich habe
ich behufs Beurtheilung des Ganges der Zersetzung den je
zwei aufeinander folgenden Temperaturen entsprechenden
Zuwachs der Zersetzung auf eine Temperaturerhöhung von
10^ bezogen unter der Annahme, dafs zwischen diesen
Teroperaturgrenzen der Zuwachs der Zersetzung der Tempe-
raturzunahme proportional sei.
Tempe-
ratur
Dampfdichte
der Unter-
I
salpeterBäure
j Zuwachs an
Procente der IProcenten der
Zersetzung für
Zersetzung
10« Tempera-
turerhöhung
26,7^
35,4
39,8
49,6
60,2
70,0
80,6
90,0
100,1
111,3
121,5
135,0
154,0
188,2
2,65"
2,53
2,46
2,27
2,08
1,92
1,80
1,72
1,68
1,66
1,62
1,60
1,58
1,67
19,96
25,65
29,23
40,04
62,84
65,57
76,61
84,83
89,23
92,67
96,23
98,69
6,6
8,1
11,0
12,1
13,0
10,4
8,8
4,4
3,1
3,5
1,8
Eine Betrachtung des in der letzten Verticalreihe vor-
stehender Tabelle sich darstellenden Ganges der Zersetzung
der Untersalpetersäure NgO« ergiebt — unter Berücksich-
tigung» dafs bei dem nicht unbedeutenden Einflufs, welchen
innerhalb der Fehlergrenzen liegende Schwankungen einer
einzelnen Dampfdichte auf die Bestimmung des Betrags der
Zersetzung ausüben , nur der Verlauf der Zersetzung im
^) Ann. Chcm. Pharm. Suppl. V, 344.
206 Naumann^ über Düsociatum
Ganzen als roabgebend zu betrachten ist — eine befriedi-
gende Uebereinstimmang mit dem, unter Zugrundelegung der
auf dem Boden der mechanischen Wfirmetbeorie erwachse-
nen Moleculartheorie der Gase ^ früher Ton mir*) bezüglich
des allgemeinen Yerlaufs der Dissociation gasförmiger Kdrper
abgeleiteten Ergebnifs : „dafs die gleichen Temperaturunter-
schieden entsprechenden Zuwachse der Zersetzung Ton der
Temperatur des Beginnes der Dissociation an bis zur Zer-
setzungstemperatur, d. i. bis zur halbTollendeten Zersetzung
fortwährend zunehmen und von der Zersetzungstemperatur
an bis zur Temperatur der Vollendung der Dissociation in
ahnlicher Weise abnehmen.^ Diese Uebereinstimmung glaube
ich für die Richtigkeit der der Berechnung der Tabelle zu
Grunde liegenden Voraussetzung in Anspruch nehmen su
dürfen , dafs nämlich die Untersalpetersaure bei niederer
Temperatur als N^O« aufzufassen sei und in höherer Tem-
peratur eine theilweise bei steigender Temperatur zunehmende
Zersetzung in zwei Molecule erleide. Nach dem ganzen
Verhalten der Untersalpetersäure mufs man ferner schlieben,
dafs bei der Spaltung des Moleculs NaO« durch Hitze NO«
-j- NOs gebildet wird. Die Untersalpetersäure wäre somit
bei Temperaturen über 150^ dem Quecksilber und Cadmium
zu vergleichen y für welche im Dampfzustand das Atom zu-
gleich das Molecul bildet. Für die Untersalpetersäure ist
Tollständige Spaltung erst oberhalb 150* eingetreten; theil-
weise'Spaltung findet zwischen etwa — 11^ und ISO* statt,
wie sich aus den von mir ^ früher abgeleiteten Beziehungen
der Temperaturen des Beginnes und der Vollendung der
Dissociation zu der eigentlichen Zersetzongstemperatur er-
*) Ann. Chem. Pharm. Suppl. V, 366.
**) DagelUt Suppl. V, 356.
der üntersalpetersäure. 207
giebt; unterhalb — 11^ ist der Untersalpeterafiuredampf als
NfO« aa betrachten.
H. Deville und Troost geben der Untersalpetersäure
die Formel NO^ mit der Dampfdichte 1,589 und schreiben
dia Yer&nderliohkeit des AasdehnangscoSfficienten unterhalb
150^ der NälM des Condensationspunktes au. Unerklärt bleibt
aber dann» warum der AusdehnungsooefGcient anfänglich mit
steigender Temperatar sanimmt, ein Maximum erreicht und
dann für gleiche Temperatarerhebnngen um immer weniger
abnimmt, bis er den weiterhin constanten Werth 0,00367
erhält Bei der Annahme einer Dissociation dagegen ist ein
aolches Verhalten des AusdehnungscodfBcienten eine noth-
wendige Folge des über den allgemeinen Verlauf der Dis-
sociation oben Mitgetheilten, wonach die fär gleiche Tempe-
raturerhebungen zunehmenden Zuwachse der Zersetzung,
und mit ihnen die Ausdehnung, bei der eigentlichen Zer-
setzungstemperatur, als welche früher *) die 50 Procente
der Zersetzung zeigende Temperatur erkannt wurde und
die für die Untersalpetersäare nach obiger Tabelle gegen
60^**) fällt, ein Maximum erreichen und von da ab bis
*) Ann. Ghem. Phann. Bnppl. V, 360.
**) Wenn Deville und Troost das Maxirnnm der AoBdehnung
gegen 50^ finden, während nach obiger Tabelle das Maximum des
Zersetzungszuwaohses später eintritt, so hat diefs seinen Grund
darin, dafs Deville tmd Troost die Ausdehnung auf das jedes-
maHge unmittelbar vorbeigehende Volum beziehen, während der
von mir berechnete Betrag der Zersetzung sich in Procenten der
urspiüngliehen UnterBalpetersäuremenge ausdrückt. AuTserdem ist
aa bemerken, dafii die von Deville und Troost in ihrer Ab-
handhmg angegebenen AusdehnungBcoSffidenten für zwei auf ein-
tttder folgende Beobachtungstemperaturen theHweise nicht ganz
genau den aufgeführten Volumen ent^rechen, wenn auch die
Abweichvoigen die dort gezogenen BohUisse nicht beeinflussen. Fer-
ner mag bei dieser (Gelegenheit auch darauf aufmerksam gemacht
208 Stenkouse^ über Chlor aniL
■
zur vollendeten Zersetzung allmalig wieder abnehmen, und
wonach also allgemein das vorbeschriebene Verhalten des
Ausdehnungscoefficienten als ein Merkmal stattfindender Dis-
sociation zu betrachten ist.
Nach Vorstehendem finden die Eigenschaften der Unter*
salpetersaure und insbesondere das Verhalten des Untersal-
petersäuredampfs hinsichtlich seiner verschiedenen Tempe-
raturen zugehörigen Dichten ihre einfache Erklärung in der
Annahme, dafs die Untersalpetersaure bei gewöhnlichem
Druck zwischen den ungefähren Temperaturgrenzen — 11
und 150^ eine Dissociation erleidet, wobei das Holecul von
der Zusammensetzung Ns04 sich in zwei Atomgruppen von
der Zusammensetzung N0s spaltet.
üeber Chloranil;
von J. Slenhouae*).
I.
Darstellung des Chloranils, — Das beste bis jetzt ver-
öflentlichte Verfahren fär die Darstellung von Chloranil ist
werden, dafs in den von Deville und Troost zmn Zweck der
Berechnung der zrwei auf einander folgenden Temperaturen ent-
sprechenden Ausdehnungscoefficienten aus rorliegenden Dampf-
dichten aufgestellten allgemeinen Formebi in dem Ausdruck fiir
das Volum der Gewichtseinheit des Dampfes der auf die Ans-
dehnung des Glases sich beziehende Factor zu streichen und dem
Ausdruck für den Ausdehnungscoefficienten das anfängliche Volum
als Divisor beizufügen ist.
*) Aus dem Journal of the ChemicAl Society, new series, VI, 141 mit-
getheilt
Stenhouse, über Chbrantl. 209
das von Hofmann*), welches darin besteht, eine siedend
gesattigte wässerige Lösung von Phenol mit einem Gemische
von chlorsaurem Kalium und Chlorwasserstoffsäure zu dige-
riren.
Wenn zu einer Lösung von chlorsaurem Kalium und
Phenol in heifsem Wasser eine hinreichende Menge von
Chlorwasserstoffsaure gesetzt wird, so wird die Lösung dun-
kelfarbig und trübe, und nach wenigen Minuten tritt eine
lebhafte Reaction ein, unter Entwickelung stechender Dampfe
und Ausscheidung gelber krystallinischer Blattchen, welche
jedoch durch eine betrachtliche Menge eines dunkelrothen
Oeles verunreinigt sind. Diese Masse wird, wenn erkaltet,
möglichst von Wasser befreit und zur Beseitigung des rolhen
Oeles mit heifsem Weingeist ausgezogen. Die so erhaltenen
blafsgelben krystallinischen Blattchen bestehen aus dreifach-
gechlortem Chinon, welchem 20 bis 25 pC. Chloranil beige-
mengt sind. Durch wiederholte Behandlung mit kochendem
Weingeist lafst sich das in dieser Flüssigkeit ziemlich lösliche
dreifach-gechlorte Chinon entfernen und das Chloranil ziem-
lich rein erhalten. Das auf diese Art ausgezogene dreifach-
gechlorte Chinon enthält Chloranil, und obwohl ich mit sehr
grofsen Mengen arbeitete, habe ich es doch nie von anhän-
genden Spuren der letzteren Substanz frei erhalten können,
weder durch Sublimation noch durch Umkrystallisiren aus
Weingeist oder Benzol; aber nach dem sogleich Mitzutheilen-
den ist es mir doch gelungen, es auf einem Umwege rein
zu erhalten.
Nach zahlreichen Versuchen, um die vortheilhaflesten
Verhältnisse für die Darstellung des Chloranils nach dem
eben besprochenen Verfahren zu bestimmen, wurde folgen-
der Procefs als der beste befunden : 3 Theile chlorsauren
*) Ann. Chem. Pharm. LH, 55.
210 Stenhousey über ChloraniL
Kaliums wurden in 70 Theilen siedenden Wassers gelöst,
und 1 Theil Phenol zugesetzt. Dieses Gemische hatte in ein,
etwa das zweifache Volum der Flüssigkeit fassendes irdenes
Gefafs gegossen, die Temperatur von 90^ C. ; 14 Theiie Chlor-
wasserstoffsäure von 1,16 spec. Gew. wurden dann auf ein-
mal hinzugesetzt und das Ganze gut umgerührt. Innerhalb
weniger Hinuten war die klare, braun lichrothe Flüssigkeit
trübe und sehr heifs, Chlor und ein stechender Dampf von
sehr unangenehmem und beständigem Geruch wurden unter
heftigem Aufbrausen entwickelt, und Chloranil wurde in
gelben Blättchen, verunreinigt mit dem oben erwähnten rothen
Oele, ausgeschieden. Wird dieses mittelst einer grofsen
Menge siedenden Weingeistes ausgezogen, so bleibt das
Chloranil ungelöst; aber selbst bei Anwendung eines grofsen
Ueberschusses von chlorsaurem Kalium und Chlorwasserstofl'-
säure gelang es mir nie , mehr als 40 Theiie Chloranil aus
100 Theilen Phenol zu erhalten. Doch schien es mir, als
ob das dreifach - gechlorte Chinon und das chlorhaltige Oel,
welche zwischen dem Phenol und dem Chloranil stehen,
durch angemessene Behandlung in das letztere umgewandelt
werden könnten;^ und da ich durch einen vorläufigen Ver-
such fand , dafs Chlorjod beide Körper rasch zu Chloranil
umwandelt, beschlofs ich, diese Reaction zur Darstellung der
letzteren Substanz zu benutzen.
Das oben erwähnte Gemische von rohem Chloranil, drei-
fach-gechlortem Chinon und rothem Oel, welches aus Phenol
mittelst chlorsauren Kaliums und Chlorwasserstoffsäure er-
halten war, wurde nach 12- bis 24 stundigem Stehen auf
einem Filtrirtuche gesammelt, durch Auspressen mögliebst
von Wasser befreit, und mit einem gleichen Gewichte Was-
ser und etwa dem halben Gewichte Jod in einen Kolben
gebracht. Auf diesen Kolben wurde ein Stopfen mit zwei
Röhren gesetzt, deren eine als Condensationsröhre diente
Stenhouse, über Chloranil. 211
und die andere zum Einleiten eines Stromes von Chlorgas
in das Gemische, wahrend das letztere in einem Paraffinbade
erhitzt wurde. Der Chlorstrom, welcher zuerst sehr rasch
absorbirt wurde, wurde so regulirt, dafs immer ein geringer
Ueberschufs von Jod vorhanden war. Diefs liefs sich leicht
an der violetten Farbe des Dampfes in dem Kolben erkennen.
Nach 10 bis 12 Stunden, wo die Absorption des Chlors
nur noch sehr langsam vor sich ging, wurde die Digestion
unterbrochen, an die Stelle der Condensattonsröhre eine um-
gebogene Kühlröhre aufgesetzt, und die Chlorjodlösung mög-
lichst abdestillirt, wobei wahrend des letzten Theiles dieser
Operation ein mafsiger Chlorstrom durch den Apparat geleitet
wurde. Der Rückstand wurde nach dem Erkalten mit Was-
ser aufgekocht, und die, von öliger Substanz nun fast freien
gelben Blättchen mit kaltem Wasser gut ausgewaschen, aus-
gepreist und wiederholt mit kleinen Mengen Weingeist aus-
gezogen. Das Product zeigte sich nun in der Form bräun-
lichgelber Blättchen und war leidlich reines Chloranil ; sein
Gewicht betrug beträchtlich viel mehr (das 1,25 fache), als
das des angewendeten Phenols gewesen war.
Versuche wurden auch gemacht, das rothe Oel und das
dreifach-gechlorte Chinon durch Behandlung mit chlorsaurem
Kalium und Chlorwasserstoffsäure, oder durch Digeriren mit
Fünffach - Chlorantimon und Eisenchlorid in einem Strome
von Chlorgas zu Chloranil umzuwandeln; aber diese Versuche
gaben sehr wenig genügende Resultate, und kein besserer
Erfolg wurde erzielt bei dem Durchleilen von Chlor durch
die Lpsung jener Körper in Vierfach- ChlorkohlenstoS, mit
oder ohne Zusatz von Wasser.
Um das nach dem beschriebenen Verfahren erhaltene
Chloranil zu reinigen, wurde 1 Theil desselben in 20 Theilen
heifsen Benzols gelöst, die Lösung filtrirt und das über-
schüssige Benzol abdestillirt, bis in der heifsen Lösung Blätt-
212 Stenhousef über Chloranü.
chen sich abzuscheiden begannen; die Destillation wurde
dann unterbrochen, und nach dem Erkalten das Chloranil auf
einem Tuche gesammelt und stark ausgeprefst. Durch eine
oder zwei Krystallisationen wurde es so vollkommen rein
erhalten. Es ist nöthig, dafs das Benzol mittelst Schwefel-
säure gereinigt sei *) , da sonst das Chloranil mit einer
grofsen Menge schwarzer harziger Substanz verunreinigt
wird. Diefs ist ein besseres Verfahren zum Reinigen des
Chloranils, als das Umkrystallisiren aus siedendem Alkohol,
da dasselbe in dieser Flüssigkeit nur wenig löslich ist.
Die Analysen von Chloranil : I erhalten durch die Ein-
wirkung von Chlorjod auf das dunkelrothe Oel, II dargestellt
aus dreifach -gechlortem Chinon mit Spuren von Chloranil
nach demselben Verfahren, ergaben :
berechnet gofUnden
Ce 72 29,26 — —
CU 142 57,73 57,65 57,73
O, 32 13,01 — —
246 100,00.
Als Phenol, welches vorher mit Schwefelsaure (nach
gleichen Volumen) verbunden worden, in einer grofsen
Menge heifsen Wassers gelöst und der Einwirkung von
chlorsaurem Kalium und Chlorwasserstoffsäure unterworfen
wurde, bildete sich kein rothes Oel, aber die Ausbeute an
Chloranil und dreifach-gechlortem Chinon war geringer, als
bei gleicher Behandlung einer Lösung von reinem Phenol in
Wasser.
Darstellung von Chloranil aus Pikrinsäure, — Als
gleiche Theile Pikrinsäure und cMorsaures Kalium in 30 Thei-
len siedenden Wassers gelöst wurden, bildete sich eine be-
trächtliche Menge des schwerlöslichen pikrinsauren Kaliums,
") Ann. Chem. Pharm. CXL, 284.
Sienhouse, über Chlaranä. 213
und der Zusatz von Chlorwasserstoffsäure (7 Theilen) ver-
ursachte eine heftige Reaction; Chlorpikrin destillirte über
und Chloranil blieb in der Retorte rückständig, dessen Ge-
wicht etwa Vis von dem der ursprunglich angewendeten
Pikrinsäure betrug, also nur 12 pC. von der theoretisch sich
berechnenden Menge. Es ist dieses Verfahren somit in
keiner Weise ein vorth eilhaftes.
Chloranil ist nur wenig löslich in Schwefelkohlenstoff,
Yierfach-Chlorkohlenstoff, Aether, Chloroform und Erdöl.
ChlorhydraniL — Stadeler stellte 1849*) das Chlor-
hydranil in der Art dar, dafs er Chloranil mit wässeriger
schwefliger JSaure kochen liefs, bis die Farbe desselben sich
nicht weiter veränderte. Er war der Ansicht, dafs Chlor-
hydranil das einzige Product dieser Reaction sei. Diefs war
jedoch ein Irrthum, da ich bei sorgfältiger Wiederholung
seines Verfahrens gefunden habe, dafs 100 Theile Chloranil
nur 70 Theile Chlorhydranil, statt 101 Theilen desselben,
gaben, und dafs das so erhaltene rohe Chlorhydranil eine
braune Farbe besitzt, welche nur sehr schwierig zu beseiti-
gen ist. Als ein viel besseres Verfahren, welches die theo-
retisch sich berechnende Menge farblosen Chlorhydranils in
Einer Operation ergabt wurde das befunden, fein gepulvertes
reines Chloranil mit mäfsig concentrirter Jodwasserstoffsäure
und etwa Vio seines Gewichtes gewöhnlichem Phosphor 30
bis 40 Minuten lang zu digeriren, das Product mit kaltem
Wasser gut auszuwaschen und aus siedendem Alkohol
(5 Theilen) umzukrystallisiren. Das so erhaltene Präparat war
ganz farblos und stark glänzend. Es war jedoch noch mit
Spuren von Phosphor verunreinigt, welche bei dem Aussetzen
an die Luft bald oxydirt wurden, und die resultirende phos-
phorige Säure wurde durch Waschen mit kaltem Wasser
«
) Ann. Ghem. Pharm. LXIX, 327.
214 Stenhouse, über ChloraniL
entfernt. Diese Verunreinigung kann auch durch Kochen
mit wasserigem schwefelsaurem Kupfer und Umkrystallisiren
beseitigt werden. Es ist nicht rathsam, an der Steile von
gewöhnlichem Phosphor bei diesem Verfahren amorphen an-
zuwenden, da dann die Krystalle etwas gefärbt sind.
Das Ghlorhydranil , CeCUOsHs, ist fast unlöslich in
Schwefelkohlenstoff, Vierfach - Ghlorkohlenstoff und Benzol,
aber leicht löslich in Aether. Es löst sich in einer Lösung
von kohlensaurem Natrium mit schöner grüner Farbe, welche
sich rasch zu Braun umändert, und zu derselben Zeit werden
einige grüne Nadeln ausgeschieden. Durch Erhitzen mit
concentrirter Salpetersäure^ oder besser mit einem Gemische
von Salpetersaure und Schwefelsaure, wird es leicht wieder
zu Ghloranil umgewandelt. Dieses Verfahren lafst sich zur
Reinigung von rohem Ghloranil anwenden, an Stelle des
Krystallisirens aus Benzol.
Einwirkung der schwefligen Säure auf ChloraniL Drei-
fach'gechlortes Hydrochinon. — Wenn auch Chlorhydranil das
hauptsächlichste Product war, als ein Strom von schwefliger
Saure durch siedendes, Ghloranil suspendirt enthaltendes
Wasser geleitet wurde, so wurden doch, wie bereits oben
erwähnt, etwa 30 pG. des Chloranils zu anderen Verbindun-
gen umgewandelt, welche > verunreinigt mit Schwefelsäure
und Ghlorwasserstoffsöure, in der wässerigen Lösung blieben.
Diese Lösung wurde mit kohlensaurem Blei (das vorher
mit Wasser zu einem Rahm angerührt war) neutralisirt und
filtrirt. Die Schwefelsäure wurde auf diese Art als schwefel-
saures Blei entfernt, wahrend das Bleichlorid zusammen mit
einem organischen Bleisalz in Lösung blieb. Das Blei wurde
aus dieser Lösung mittelst Schwefelwasserstoff ausgefällt,
das Filtrat im Wasserbad zur Trockne eingedampft, und der
aus einer organischen Saure bestehende Rückstand der
Sublimation unterworfen, was sich am Besten in der Art
Stenhouse^ über Chloranil 215
ausfahren liefs, dafs die Substanz in einem bedeckten Becher-
glase mittelst eines Paraffinbades auf 120 bis 130^ C. erhitzt
wurde, wobei glanzende Krystalle erhalten wurden. Diese
wurden von anhängender ChlorwasserstofTsaure durch ein-
oder zweimaliges Umsublimiren, oder durch Umkrystallisiren
aus Schwefelkohlenstoff und nachheriges Subliroiren gereinigt.
Der Rückstand in dem Sublimationsgefafs enthielt freie
Schwefelsaure. Die Krystalle sind mafsig löslich in heifsem
Wasser, Alkohol, Schwefelkohlenstoff* und Vierfach -Chlor-
kohlenstoff, und sehr löslich in Aether. Die Analyse ergab
Resultate, welche der Formel CeClsHsOj entsprechen :
berechnet gefunden
— 49,76
<^'6
72
33,72
33,59
33,70
Gl,
106,5
49,89
u.
3
Ml
1,45
1,45
0,
32
14,98
—
213,5 100,00.
Man ersieht aus diesen Resultaten, dafs das krystallini-
sehe Sublimat die Zusammensetzung des dreifach-gechlorten
Hydrochinons, CtiClsHsOi, besitzt. Auch die Eigenschaften
stimmten mit den für diese Substanz von Städeler*) an-
gegebenen überein.
Bei Zusatz von salpetersaurem Silber zu einer warmen
Lösung dieser Krystalle wurde ein weifser Niederschlag ge-
bildet, welcher 50 pC. Silber enthielt. Derselbe scheint
jedoch ein Gemenge einer Silberverbindung mit dreifach-
gechlortem Chinon zu sein.
Salpetersäure wirkte auf dreifach -gechlortes Hydro-
chinon energisch ein, wobei rothe Dämpfe sich entwickelten,
Chlorpikrin überdestillirte und die Lösung bei dem Erkalten
gelbe Krystalle absetzte, von welchen noch eine weitere
*) Ann. Chem. Phann. LXIX, 322.
216 Stenhouae, über OhloraniL
Menge auf Zusatz von Wasser erbalten wurde. Dieselben
wurden mit Wasser gut abgewaschen und aus Alkohol um-
hrystallisirt. Wie sich erwarten liefs, ergab die Analyse für
dieses Product die Zusammensetzung des dreifach-geohlorten
Ghinons, GeCIsHO, :
__
berechnet
geftinden
c.
72 34,04
33,88
Cl,
106,5 50,36
—
u
1 0,47
0,55
0,
32 15,13
211,6 100,00.
^^~
Die Entfernung des Chlors aus dem Chloranil mittelst
schwefliger Säure und die Bildung von dreifach -gechlortem
Chinon aus den resultirenden Producten bietet viel Interesse,
da sich hierauf wahrscheinlich ein Verfahren gründen läfst,
zweifach- und einfach -gechlortes Chinon im Zustand abso-
luter Reinheit zu erhalten, was Städeler durch die von
ihm angewendeten Mittel, nämlich fractionirte^Krystallisation,
nicht erreichen konnte.
Die Substanz, aus welcher das dreifach-gechlorte Hydro-
chinon durch Sublimation erhalten wurde, scheint eine ge-
paarte Saure zu sein, aber es ist mir bisher nicht gelungen,
sie oder eines ihrer Salze in einem für die Analyse genägend
reinen Zustande zu erhalten. Sie ist aufserordentlich löslich
in Wasser, Alkohol und Aether, und krystallisirt aus dem
letzteren in grofsen Prismen.
Dreifach-gechloTtea Chinon. — Wenn es mir auch, wie
bereits angegeben, nicht gelang, durch Krystallisation oder
durch Sublimation das dreifach-gechlorte Chinon frei -von
Chloranil zu erhalten, so bot doch die Erkenntnifs, wie die
Wasserstoff- Verbindungen dieser Korper leicht von einander
geschieden werden können, eine Methode, grofse Quantitfitan
dreifach-gechlorten Chinons im reinen Zustande zu erhalten.
Stenhouse, über ChloraniL 217
Diefs ist um so wichtiger, als Stade 1er, welcher diesen
Körper entdeckte^ ihn nicht in einer zar Analyse genügenden
Menge erhielt.
Die bei der Darsteilnng des Chloranils nach dem jn dem
ersten Theile der vorliegenden Abhandlung beschriel;^enen
Verfahren erhaltene rohe Masse wurde 3- bis 4 mal mit
kleinen Mengen siedenden Alkohols behandelt, um das rothe
Oel zu beseitigen, und dann mit einer beträchtlichen Menge
(dem 6 fachen Gewicht) desselben Lösungsmittels ausgezogen.
Die Flüssigkeit wurde heifs filtrirt; das bei dem Erkalten
derselben auskrystallisirende unreine dreifach - gechlorte
Chinon gesammelt, und die von den Krystallen getrennte
Flüssigkeit noch einmal mit dem auf dem Filter gebliebenen
ungelösten Theile aufgekocht. Auf diese Art wurde das
ursprüngliche Gemische in drei Theile zerlegt : I. das rothe
Oel, welches durch Behandeln mit einer Lösung von Chlor-
jod zu Chloranil umgewandelt werden konnte; IL den in
Weingeist fast unlöslichen Theil, welcher aus beinahe reinem
Chloranil bestand; und HL das rohe dreifach - gechlorte
Chinon, welches jedoch noch eine beträchtliche Menge
Chloranil zurückhielt. — Um die letzteren beiden Substanzen
von einander zu trennen, wurde dieser Theil III in kleinen
Portionen nach und nach siedender mäfsig concentrirter Jod-
wasserstoffsaure zugesetzt, welche einige Stücke Phosphor
enthielt. Das Chloranil und das dreifach-gechlorte Chinon
wurden auf diese Art zu Chlorhydranil und dreifach -ge-
chlortem Hydrochinon umgewandelt, welches letztere als
ein Oel zu Boden sank^ und bei dem Erkalten krystallisirte
noch eine beträchtliche weitere Menge von dreifach -ge-
chlortem Hydrochinon aus. Dieses wurde dann gesammelt,
etwas mit kaltem Wasser gewaschen, mit Weingeist gekocht
und von dem ungelösten Phosphor abfiltrirt. Die Lösung
wurde bei geluider Hitze zur Trockne abgedampft, und der
218 Stenhouse, über GhloraniL
Rückstand der Luft ausgesetzt, bis der darin enthaltene Phos-
phor oxydirt war. Die weifse krystallinische Hasse wurde
dann gepulvert und in einem, in einem Paraffinbad auf 120
bis 130^ erhitzten Glasgefafse der Sublimation unterworfen.
Das dreifach-gechlorte Hydrochinon sublimirte in gliazenden
Tafeln^ während das Chlorhydranil rückstandig blieb, welches
bei dieser Temperatur nicht flüchtig ist Nach 1- bis 2 mali-
gem Umkrystallisiren aus heifsem Wasser (10 Theilen) wurde
es vollkommen rein befunden, wie auch aus den Resultaten
der nachstehenden Analyse hervorgeht :
berechnet
gefunden
C6
72
83,72
33,81
ci.
106,5
49,89
—
Hb
a
1,41
1,70
0,
32
14,89
—
213,5 100,00.
Manchmal schied die wässerige Lösung selbst bei tage-
langcm Stehen keine Krystalle aus, aber der Zusatz einiger
Krystalle oder das Eintauchen des Gefäfses in eine Kalte-
mischung liefs die Lösung zu einer Masse von Krystallnadeln
erstarren. — Das dreifach -gechlorte Hydrochinon braucht
bei 15^ C. 160 Theile Wasser zur Lösung.
Da das dreifach -gechlorte Chinon bei dem Digeriren
mit starker Salpetersäure unter Bildung von Chlorpikrin und
Entwickelung von Kohlensäure und salpetrigen Dämpfen
langsam zersetzt wird, fand ich es rathsam, die Umwandlung
des dreifach-gechlorten Hydrochinons zu dreifach-geohlortem
Chinon in der Art zu bewirken, dafs das erstere in heifsem,
mit Schwefelsäure stark angesäuertem Wasser gelöst und
dann eine Lösung von saurem chromsaurem Kalium zuge-
setzt wurde, wo das dreifach-gechlorte Chinon sich im kry-
stallinischen Zustande ausschied.
Stenhousej über Ghloranil. 219
Dreifach^ gechlortes und emfaeh^gebromtes Ghinan, —
Werden dreifach-gecblortes Chinon und Brom einige Stunden
lang in einer zugeschmolzenen Glasröhre auf 120 bis 130^ C.
erhitzt, so entweicht bei dem nachherigen Oeffnen der Röhre
betrachtlich viel Bromwasserstoffsaure, und das Rückständige
ist nach dem Waschen mit Wasser sehr wenig löslich in
heifsem Alkohol, aus welchem es in gelben Tafeln, ahnlich
wie Chloranil auskrystallisirt. Das Product enthält Brom;
bei 100^ C. getrocknet ergab es bei der Analyse Zahlen,
welche zeigen, dafs es dreifacb-gechlortes und einfach-ge-
bromtes Chinon, CeClsBrOs, ist. Es ergab 24,71 pC. Kohlen-
stoff und nur 0,13 pG. Wasserstoff; nach der eben ange-
gebenen Formel berechnen sich 24,78 pC. Kohlenstoff.
Dreifach-gechlortes und emfach^gehromtes Hydrochinony
CeClsBrOsHs. — Bei dem Digeriren der vorstehend beschrie-
benen Verbindung mit Jodwasserstoffsäure und Phosphor,
wie bei der Darstellung des Chlorhydranils aus Chloranil,
wurde die eben genannte Verbindung CeCUBrO^H^ gebildet.
Sie war sehr löslich in Alkohol, aus welcher Lösung sie in
langen Prismen krystallisirte, und sie wurde durch Kochen
mit Salpetersäure leicht wieder zu der Verbindung CgCIsBrO^t
umgewandelt.
Die in dieser Abhandlung mitgetheilten Analysen wurden
für mich durch meinen Assistenten, Herrn C. E. Groves,
ausgeführt.
220 Lassen^ über die EHnwirkung von Zinn
Ueber die Einwirkung von Zinn und Salz-
säure auf Salpetersäure- Aethyläther;
von W. Lassen.
Bei der Beduction des Salpetersäure-^Aethyläthers durch
Zinn und Salzsäure entsteht, wie ich bereits früher*) vor-
laufig mitgetheilt habe, neben Salmiak ein Körper von der
Zusammensetzung NH3OHCI, das salzsaure Salz einer Base
NHsO, welche ich Hydroxylamin genannt habe. Bei Wieder-
holung meiner Versuche habe ich beobachtet, dafs aufserdem
auch noch kohlenstoffhaltige Producte gebildet werden;
freilich ist deren Quantität — wenigstens bei der bisher
eingeschlagenen Darstellungsmethode — eine sehr geringe
im Verhältnifs zur Quantität des gebildeten Ammoniak- und
Hydroxylaminsalzes. Genauer untersucht habe ich bis jetzt
nur eines dieser kohlenstoffhaltigen Producte; dasselbe ist
eine Base NC4H11O, hat also die Zusammensetzung eines
zweifach-äthylirten Hydroxylamins. Ich will im Nachstehen-
den zuerst die Darstellung der genannten Körper, dann
letztere selbst beschreiben.
Darstellung von Salpetersäureäther ♦♦).
Nur reine Salpetersäure von 1,4 spec. Gew., welche
vorher mit salpetersaurem Harnstoff (15 Grm. auf 1 Liter)
bis zum lebhaften Kochen erhitzt und dann wieder abge-
kühlt wurde ; kommt zur Verwendung. 400 Grm. dieser
Säure werden mit 300 Grm. käuflichem absolutem Alkohol
gemischt, der Mischung 100 Grm. salpetersaurer Harnstoff
zugesetzt und aus einer tubulirten Retorte destillirt; sobald
*) Zeitschr. f. Chemie, neue Folge, I, 551.
**) Vgl. Heintz, Ann. Chem. Pharm. CXXVIl, 43.
tmd Sahsäure auf Salpetersäure - Aethyläther. 221
etwa die Hälfle bis zwei Drittel abdestillirtsind, setzt man in die
Tobuiatur einen mit Hahn versehenen Trichter, der wiederum
eine frisch bereitete Mischung von 400 6rm. Salpetersaure
mit 300 Grm. Alkohol enthält, und lafst dieses Gemisch in dem
Mafse in die Retorte tropfen, als deren Inhalt abdestillirl. Der
Trichter wird jedesmal, wenn er leer geworden ist, mit
neuer, frisch bereiteter Mischung aufgefüllt. So erhalt man
leicht in einem Tage mehrere Pfunde Salpetersaureather.
Der Retorteninhalt kann auch über Nacht erkalten und am
folgenden Tage frisch angeheizt werden. Die ursprunglich
zugesetzten 100 Grm. salpetersaurer Harnstoff reichen für
10 bis 15 Pfd. Aether aus; allmdlig wird er indessen doch
verbraucht, und wenn man nicht nach einigen Tagen neue
Mengen zusetzt, so tritt es ein, dafs der Inhalt der Retorte
unter lebhafter Bildung von rothen Dampfen und völliger
Zerstörung des etwa noch vorhandenen Harnstoffs zersetzt
wird. — Der Salpetersaureather wird nach dem Waschen
mit Wasser direct verwendet.
ReducHon des Salpetersäureäthers,
Bisher habe ich stets die nämliche Methode der Reduc-
tion des Salpetersaureäthers und der Gewinnung der dabei
entstehenden Basen angewendet, und dabei hauptsächlich
eine möglichst günstige Ausbeute an Hydroxylaminsalz zu
erzielen gesucht; die kohlenstoffhaltigen Körper wurden nur
als Nebenproducte gewonnen. Mehrere grofse Kolben wer-
den mit je 120 Grm. Salpetersaureather , 400 Grm. granu-
lirtem Zinn; 800 bis 1000 CG. Salzsäure von 1,19 spec. Gew.
und deren dreifachem Volum Wasser beschickt. Bald tritt
von selbst Reaction ein, die man durch Umschütteln be-
fördert und ohne äufsere Erwärmung sich vollenden läfst.
Der Inhalt sämmtlicher Kolben wird dann zusamniengegossen,
mit mindestens dem gleichen Volum Wasser verdünnt, das
222 Lassen^ über die Einwirkung von Zinn
Zinn durch Schwefelwasserstoff gefallt, und das Filtrat vom
Schwefelzinn Anfangs über freiem Feuer, dann auf dem
Wasserbad eingedampft. Zuerst krystallisirt Salmiak, häufig
auch eine Verbindung von Salmiak mit Chlorzinn, da das
Zinn nur sehr schwierig vollständig durch Schwefelwasser*
Stoff gefallt wird; bei gröfseren Quantitäten entfernt man
am Besten die ersten Krystallisationen. Bei weiterem Ein-
dampfen erhält man ein Gemisch von Salmiak und salzsaurem
Hydroxylamin ; die letzten Mutterhingen enthalten die kohlen-
stoffhaltigen Producte, daneben Eisenchlorid und Chloride
anderer, durch Schwefelwasserstoff nicht fällbarer Metalle,
die aus der Salzsaure, dem Zinn oder dem Wasser stammen.
Wendet man rohe Salzsaure an, so häufen sich aus den
sehr grofsen Quantitäten derselben in der letzten Mutterhiuge
die Verunreinigungen sehr reichlich an; ich wende daher
kaufliche reine Salzsäure an ; es finden sich in den letzten
Mutterlaugen trotzdem ziemliche Quantitäten von Metall-
Chloriden, namentlich von Eisenchlorid. Am Besten rdhrt
man die nach möglichst weitem Eindampfen erhaltene Sals-
masse von Salmiak und salzsaurem Hydroxylamin vor der
weiteren Verarbeitung mit möglichst wenig kaltem absolutem
Alkohol an, lafst die Mutterlauge abtropfen und verdrängt
die letzten Reste derselben durch absoluten Alkohol. Das
Gemisch von Salmiak und salzsaurem Hydroxylamin wird
dann mit käuflichem absolutem Alkohol bis zur völligen
Lösung des Hydroxylaminsalzes ausgekocht, und die flltrirte
Lösung noch heifs mit Platinchlorid bis zur völligen Ab-
scheidung des Salmiaks versetzt; das salzsaure Hydroxyl-
amin wird nicht durch Platinchlorid gefällt, krystallisirt daher
aus dem Filtrat vom Platinsalmiak entweder direct beim Er-
kalten oder nach einigem Eindampfen. Die erste Krystalli-
sation ist meist fast ganz rein; die späteren, durch Abdampfen
und Salzsäure auf Salpetersäure- Aethyläther. 223
der Mutterlauge gewonnenen Krystallisationen müssen durch
Umkrystallisiren gereinigt werden.
Bei einigen Versachen cur Ermittelung der Verhaltnisse,
unter welchen die Ausbeute an salzsaurem Hydroxylamin am
Grofsten iat, wurden stets 400 Grm. Zinn und 120 Grm. Sal-
petersauredther angewendet; die Quantitäten der Salzsaure
und des Wassers wechselten. Das am Ende der Reaction
nicht aufgelöste Zinn und das entstandene Hydroxylaminsalz
wurden gewogen. Folgende Zusammenstellung enthält die
Resultate der bemerkenswerthesten Versuche :
Angewandt :
Salpeter- i
sänretttlier!
120 Grm.
Zinn
Salzsäure
von 1,19
spec. Gew.
Wasser
Nicht aufge-
löstes Zinn
Gebildetes
Hydroxyl-
aminsalz
120
120
120
120
»
n
400 Grm.
400
400
400
I 400
n
ff
0
1000 CG.
3750 CG.
1000 ,
3000 „
1000 ,
2000 ,,
750 n
2250 „
666 „
2000 „
135 Grm.
123
120
156
166
ff
w
»
43 Grm.
47 ,,
32,5 „
44
41
Daraus ergiebt sich, dafs die Salzsäure von 1,19 spec.
Gew. etwa mit dem dreifachen Volum Wasser verdünnt
werden mufs, und dafs auf 120 Grm. Salpetersäureäther 800
bis 1000 CG. anzuwenden sind. Das gebildete Hydroxyl-
aminsalz wurde bei diesen Versuchen nicht vollständig ge*
reinigt, da es nur auf eine Vergleichung der Versuche unter-
einander ankam und deshalb das Salz nur bei den verschie-
denen Versuchen annähernd gleich rein sein mufste. Ich be-
merke indessen, dafs in der Regel die erste Krystalilisation,
welche die Hälfte bis Zweidrittel des Ganzen betrugt fast
gau rein war« Die letzten Reste sind auch aus den Mutter-
laugen nicht zu gewinnen^ und so werden die gefundenen
Zahlen doch sehr aanähernd richtige sein; ich werde später
auf dieselben zuräckkommen.
Die bei der Reduction des Salpetersäureäthers ent-
stehenden kohlenstoffhaltigen Körper finden sich in der
224 Lassen, über die Einwirkung von Zinn
Mutterlauge vom salzsauren Hydroxylamin und Salmiak. Hat
man letztere vor ihrer Trennung von einander mit kaitem
absolutem Alkohol ausgelaugt, so enthalt diese Lauge neben
den kohlenstoffhaltigen Körpern und Metallchloriden noch
etwas salzsaures Hydroxylamin und etwas Salmiak; hat man
dagegen Salmiak und salzsaures Hydroxylamin sammt der
letzten Mutterlauge in absolutem Alkohol gelöst und diese
Lösung mit Platinchlorid behandelt, so finden sich die kohlen-
stoffhaltigen Körper in den letzten Mutterlaugen des Filtrats
vom Platinsalmiak, auch hier begleitet von HetällchlorideD,
etwas salzsaurem Hydroxylamin und vielleicht einem lieber-
schufs von Platinchlorid. Zur Auffindung und Gewinnung
der kohlenstofihaltigen Körper wurde eine wie die andere
Mutterlauge auf die nämliche Weise behandelt. Sie wurde
mit Wasser stark verdünnt, mäfsig erwärmt und dann durch
kohlensaures Natrium die schweren Metalle ausgefällt. Das
Filtrat von dem Niederschlag wurde mit Salzsaure schwach
angesäuert, wieder eingeengt, das mit harzartigen Verun-
reinigungen auskrystallisirende Kochsalz so viel als möglich
entfernt, die schliefslich auf dem Wasserbad ganz einge-
dampfte Flüssigkeit mit absolutem Alkohol ausgezogen, noch-
mals auf dem Wasserbad eingedampft und nochmals mit ab-
solutem Alkohol ausgezogen. Beim Verdampfen der letzteren
Lösung hinterblieb ein- Syrup, aus welchem sich auch bei
monatelangem Stehen über Schwefelsaure nur wenige Kry-
stalle abschieden, die sich als salzsaures Hydroxylamin er-
wiesen. Die Hauptmenge des Syrups löste sich mit der
gröfsten Leichtigkeit wieder in vollkommen absolutem Alko-
hol, Aether schied aus dieser Lösung wieder nur einen
halbflüssigen Syrup und höchstens noch einige Krystilichen
von Hydroxylaminsalz aus. Der Syrup wurde daher in
Wasser gelöst, in einem kleinen Bruchtheil der Flüssigkeit
und Salzsäure auf Salpetersäure- Aethyläther. 225
der Salzsauregehalt bestimmt und dann die ganze Flüssigkeit
mit einer der darin enthaltenen Salzsäure äquivalenten Menge
Schwefelsäure auf dem Wasserbad eingedampft. Auch das
so erhaltene Sulfat war syrupartig und löste sich zum gröfs-
ten Theil in absolutem Alkohol; der ungelöste Theil war
wenigstens theilweise anorganischer Natur. Letzteres erklärt
sich leicht daraus, dafs bei der Fällung mit kohlensaurem
Natrium manche kohlensaure Salze, wie z. B. das kohlen-
saure Calcium, nicht vollständig niederfallen^ wenn maU; wie
in unserem Fall^ das Kochen der Lösung vermeiden mufs.
Der in Alkohol gelöste Theil des Sulfats wurde mit einer
der darin enthaltenen Schwefelsäure äquivalenten Menge
Oxalsäure versetzt und dann die Schwefelsäure durch Baryum-
bydrat ausgefällt. Das Filtrat wurde im Wasserbad abge-
dampft und dann mit etwas absolutem Alkohol vermischt.
Beim Erkalten und ruhigem Stehen setzten sich • Krystall-
massen ab, oft noch -stark verunreinigt durch dunkle amorphe
Substanzen. Sie wurden nach einigen Tagen herausgenom-
men, mit absolutem Alkohol gewaschen, zwischen Papier
ausgeprefst, in wenig Wasser gelöst, die erkaltete, von den
Verunreinigungen abfiltrirte Lösung auf dem Wasserbad zur
Trockne gebracht, und die rückständige Krystallmasse aus
kochendem, beinahe absolutem Alkohol umkrystallisirt. Sie
löst sich darin zwar schwierig, aber fast vollständig, und
beim Erkalten krystallisirt ein Gemisch mehrerer Oxalate,
auf deren Trennung ich weiter unten zurückkomme. Die
erste Mutterlauge von den unreinen Oxalaten setzte meist
nach einiger Zeit oder nach erneutem Abdampfen, wobei
es vortheilhaft erschien, noch etwas Oxalsäure zuzusetzen,
neue Krystallrinden ab; schliefslich blieb aber immer noch
ein unkrystallisirter Syrup, den ich noch nicht näher unter-
sucht habe.
Annal. d. Ohem. u. Pharm. VI. Supplementbd. X. Heft. 15
226 Lassen, über die Einwirkung von Zinn
Bydroonflaminsalze und Hydroxylamin.
Ich habe weder Hydroxylamin noch Hydroxylammoniam-
hydrat dargestellt, kann auch noch nicht sagen , ob sich ein
Weg auffinden läfst, sie darzustellen. Lösungen des Hydro-
xylamins dagegen lassen sich leicht erhalten. Ehe ich auf
deren Reaction eingehe, will ich einige Hydroxylaminsalze
beschreiben. Alle Salze zersetzen sich in höherer Tempe-
ratur unter sturmischer Gasentwickelung. Alle bisher unter-
suchten Salze sind krystallwasserfrei.
Balzsaures Hydroxylamin^ NH^OHCi. — Krystallisirt aus
heifs gesättigter alkoholischer Lösung in langen Spiefsen oder
Prismen, bisweilen auch in dünnen facherartigen Blättern,
aus wasseriger Lösung dagegen in tafelförmigen Krystallen ;
kleine , aber nach den verschiedenen Dimensionen gleich-
mafsig ausgebildete Krystalle bilden sich beim langsamen
Verdunsten seiner Lösung in absolutem Alkohol. Der Güte
des Herrn Prof. V. v. Lang verdanke ich die nähere kry-
stallographische Bestimmung dieses Salzes, sowie des Sulfats
und Oxalats, und spreche ich demselben meinen verbind-
lichsten Dank für seine Bemühung aus.
Krystallsystem : monoklinisch.
a : b : c = 1,0058 : 1 : 0,6626.
a c = 102044',
Beobachtete Formen : 100, 001, 110,011,121,321,121.
berechnet beobachtet
100 .
001 = 87«16'
87*16'
110 .
100 = 4508'
40*8'
110 .
001 = 88*^4'
011 .
100 — 88<>30'
011 .
001 — 33030'
33»30'
110 .
01*1 = 68*43'
69*10'
110 .
121" == 4101Ö'
40*
121 .
011 = 27«28'
28V,*
321 .
110 = 2604'
26*40'
und Salzsäure auf Salpetersäure- Aethyläiher. 227
berechnet beobachtet
ri21 . 100 = 66''59' —
121 . 100 = 66^65' 66°50'
821 . 100 = 89<>9' —
.121 . 121 = 46«>6' Uyj^
121 . 121 = 84044' 8400'
821 . 321 == 119^42' —
121 . 121 = 9702' —
Die durch langsames' Verdunsten alkoholischer Lösung
erhaltenen kleinen Krystalle zeigen sämmtliche angegebenen
Formen bis auf { 121 } und zwar in ziemlich gleichförmiger
Entwickelung. Die aus wässeriger Lösung dargestellten
Krystalle sind tafelförmig durch das Vorherrschen der Flachen
{100}; aufserdem wurden an ihnen die Formen {001},
{110}, {121} und {121} beobachtet. Die aus heifs ge-
sättigter alkoholischer Lösung dargestellten Krystalle sind
dagegen prismatisch, indem die Flächen {100} und {001}
nach der Symmetrieaxe verlängert sind; sonst wurden nur
noch die Flächen {110} und {011} an letzteren Krystallen
beobachtet.
Das Salz ist in Wasser sehr leicht und unter starker
Temperaturerniedrigung löslich, und bildet, wie auch manche
andere Hydroxylaminsalze, sehr leicht übersättigte Lösungen.
Ganz trocken wird es von absolutem Alkohol ziemlich schwer
gelöst, durch Aether aus dieser Lösung ausgefällt. Das über
Schwefelsäure getrocknete Salz erfährt bei HO bis 120^
keine Gewichtsabnahme; es schmilzt bei circa 15P und zer-
setzt sich dann plötzlich sehr lebhaft unter Bildung von
Wasser, Salzsäure, Salmiak und Stickstoff; vielleicht ent-
halten die Gase auch etwas Stickoxydul. — Bei der Analyse
dieses, wie der folgenden Salze hat man besonders auf die
plötzliche lebhafte Zersetzung bei verhältnifsmäfsig niedriger
Temperatur Röcksicht zu nehmen. Die Stickstoffbestimmungen
15*
228 Lassen^ über die Einwirkung von Zinn
können nur nach der Dumas'schen Methode ausgeführt
werden ; dabei darf das salzsaure Hydroxylamin nicht mit
Kupferoxyd gemischt werden, weil ein inniges Gemisch von
salzsaurem Hydroxylamin und trockenem Kupferoxyd schon
in der Kalte Stickoxyd enthaltendes Gas entwickelt. Am
Einfachsten mischt man das Salz mit etwas trockenem, reinem
Sand. Die WasserstoflTbestimmungen sind wie bei den ge-
wöhnlichen Elementaranalysen ausgeführt :
1. 0,2266 Grm. gaben 0,1237 H,0.
2. 0,2076 Grm. gaben 0,0909 H,0.
8. 0,3238 Grm. gaben 0,6700 AgCl.
4. 0,6025 Grm. gaben 1,2414 AgCi.
6. 0,3082 Grm. gaben öö,ö CC. feucbt gemessenes Stickgas bei
748 MM. und 23^
Berechnet fOr NH,0HC1 Gefanden
1. u. 3. 2. u. 4. ö.
IN 14 20,14 — — 20,33
4H 4 6,76 6,07 5,73 —
ICl 35,6 51,08 61,19 50,97 —
10 16 23,02 — . _ ^
69,5 100,00.
4
Schwefelsaures Hydroocylamin^ {^lAfi)S^%^i* — Wird
leicht aus dem salzsauren Salz erhalten durch Abdampfen
mit der äquivalenten Menge Schwefelsaure auf dem Wasser-
bad, Fällen und Auskochen des Rückstandes mit Alkohol.
Es wird durch Alkohol aus concentrirter wasseriger Lösung
in Nadeln gefallt, löst sich leicht in Wasser, krystallisirt beim
Erkalten heifser wasseriger Lösungen in Prismen, bei lang-
samem Verdunsten kalt gesättigter Lösungen werden grofse,
wohlausgebildete Krystalle erhalten. Prof. v. Lang theilte
mir über die Form Folgendes mit :
Krystallsystem : monoklinisch.
a : b : c = 1,0883 : 1 : 0,7321.
ac = 108n4'.
Beobachteto Formen : 100 , 001 , 101 , iOl , 201 , 021,
HO, 221.
und Sahsäure Muf Salpetersäure' Aethyläther. 229
bereohnet
beobachtet
100 .
001 = 71046'
7103'
101 .
100 = 43056'
440
101 .
100 = 69*15'
69015'
201 .
100 = 42036'
43020'
,110 .
100 = 45057'
45057'
021 .
100 =s 79060'
—
221 .
100 = 58029'
58018'
221 .
021 = 41041'
—
110 .
001 = 77026'
—
221 .
001 = 7304'
720
110 .
221 = 2903O'
3002'
021 .
001 = 55040'
—
110 .
101 = 75013'
—
IIb .
101 = 75044'
75037'
221 .
201 = 44046'
4403O'
021 .
101 = 6400'
63«.
Die beim Erkalten heifs gesättigter wasseriger Lösungen
erhaltenen grofsen Krystalle sind verlängert in der Riebtang
der Axe c und sind bisweilen tafelförmig durch Vorherrschen
der Flachen {100}. Die Winkel konnten nicht mit grofser
Genauigkeit gemessen werden.
Das über Schwefelsöure getrocknete Salz verliert bei
110^ nicht an Gewicht; es schmilzt und zersetzt sich bei
circa 170^
1. 0,2221 Grm. gaben 0,1067 H,0.
2. 0,2016 Grm. gaben 0,0909 H,0.
3. 0,2984 Grm. gaben 0,4222 BaSO«.
4. 0,5352 Grm. gaben 0,7549 BaSO^.
Berechnet für (NH80),SH,04 GeAmden
I.IL8.
2. u. 4.
2N
28
17,07
—
—
8H
8
4,88
5,84
5,01
IS
32
19,51
19,46
19,37
60
96
58,54
—
—
164
100»00.
230 Los 8 efij über die Einmrkung van Zinn
Aus dem Sulfat wurden die meisten anderen Salze durch
doppelte Umsetzung nach den gebräuchlichen Methoden dar-
gestellt.
Salpeter saures Bydroxylamin , NHsO NHO3. — Die
Lösung des Salzes hinterlärst beim Verdunsten über Schwe-
felsäure eine Flüssigkeit von ölartiger Consistenz, welche
nach mehrmonatlichem Stehen über Schwefelsaure nicht er-
starrt. In einer Kaltemischung von — 10^ erstarrt sie zu
einer weifsen Krystallmasse , welche schon bei der Tempe-
ratur eines geheizten Zimmers wieder flüssig wird. Sie ist
sehr leicht löslich in Wasser und absolutem Alkohol, zer-
setzt sich*schon auf dem Wasserbald allmälig, bei höherer
Temperatur unter plötzlicher sehr stürmischer Entwickelung
von rothen Dämpfen. Das Salz war wahrscheinlich noch
etwas wasserhaltig, gab daher nur ein annähernd stimmendes
Resultat bei der Analyse. Bei der stürmischen Zersetzung,
die bei mäfsig erhöhter Temperatur eintritt, konnte eine
WasserstoiT- oder Stickstoffbestimmung nicht nach den ge-
wöhnlichen Methoden ausgeführt werden. Ich habe daher
aus der Lösung des Salzes in absolutem Alkohol die Sal-
petersäure durch eine Lösung von essigsaurem Kalium in
absolutem Alkohol als Salpeter ausgefällt, den Salpeter nach
dem Auswaschen in schwefelsaures Kalium verwandelt und
dieses gewogen.
0,920 Grm. gaben 0,7599 SOA, entsprechend 13,26 pC. N (als
Salpetersäure). Die Formel verlangt li,58 pC.
Phosphorsaures Bydroxylamin, (NH80)3 PO4H8. — Ist
in kaltem Wasser schwer löslich, wird daher auch erhalten
beim Vermischen der Lösungen von neutralem Natriumphos-
phat und salzsaurem oder schwefelsaurem Hydroxylamin.
Scheidet es sich rasch aus seinen Lösungen ab, so krystalli-
sirt es oft in federähnlichen Krystallaggregaten, die manchen
Krystallisationen des Salmiaks gleichen. Auch bei langsamer
und Salzsäure auf Salpetersäure» Aethyläther. 231
Krystallbildung sind die Krystalle meist klein and trüb ; an
mikroscopisohen Krystallen habe ich würfelahnliche Formen
beobachtet. Beim Abdampfen der Lösungen, selbst beim
Verdunsten bei gewöhnlicher Temperatur, scheint sich ein
Theil des Hydroxylamins zu verfluchtigen und man erhält
einen unkrystallinischen syrupartigen Rückstand. — Bei der
Analyse wurde das über Schwefelsaure getrocknete Salz mit
einer gewogenen Menge reinem Aetzkalk abgedampft; die
Gewichtszunahme ergab den Phosphorsauregehalt direct.
0,3262 Grm. gaben 0,1183 PgOg, entsprechend 15,83 pC. P; die
FoiTOel verlangt 15,74 pC.
Essigsaures Bydroxylamin, NH3O CgHiOg. — Beim Ver-
dunsten über Schwefelsaure blieb ein Syrup, der, nachdem
er mit absolutem Alkohol angerührt war^ nach einigen Tagen
zu einer krystallinischen Masse erstarrte, die von einer roth-
gefärbten Mutterlauge durchtränkt war. Letztere wurde
durch Pressen mit Fliefspapier entfernt, das Salz in absolutem
Alkohol gelöst und die Lösung über Schwefelsaure ver-
dunstet; es blieb ein Syrup, der bei Zumischung von wenig
absolutem Alkohol und Durchrühren mit einem Glasstab
plötzlich zu einem Krystallbrei erstarrte. Das Salz kann
indessen leicht in gut ausgebildeten Prismen aus seiner Lösung
in heifsem absolutem Alkohol erhalten werden, wenn man
durch einen ungelösten oder in die Lösung hineingelegten
Krystall die Krystallbildung einleitet. Es schmilzt bei 87 bis
88^. und zerfliefst nicht an der Luft.
»
0,2739 Grm. gaben 0,2622 COj und 0,1948 HgO.
Berechnet filr NH3O C,H40, Gefunden
IN
14
15,05
7H
7
7,53
7,91
2C
24
25,81
26,11
30
48
51,61
—
93 100,00.
232 Losserfj über die Einwirkung von Zinn
Oxahattres Bydroxylamin , (NHsO)« C2H2O1. — Ist in
kaltem Wasser schwerlöslich, krystallisirt aus heifs gesfiUig^ter
Lösung in meist trüben flachen Prismen; klare Krystalle er-
hält man bei langsamem Verdunsten kalter Lösungen bei g-e-
wohnlicher Temperatur.
Krystallsystem triklinisch.
Beobachtete Formen : 100, 010, 001, HO, 110, 011.
berechnet beobachtet
100 .
110 — 45030'
45010
110 .
010 — 23^16'
230I6
100 .
010 = 68<>46'
68046'
010 .
110 = 32037'
82087
110 .
ilO = 78^43'
78010
100 .
001 = 86<'45'
86045
101 .
001 = 63^15'
63015
101 .
100 — 30*0'
—
010 .
001 = 84«8'
—
110 .
001 — 84022'
—
110 .
001 = 85048'
85043
Die beim langsamen Verdunsten wasseriger Lösungen
erhaltenen Krystalle sind tafelförmig durch Vorherrschen der
Flachen {010}, welche letztere jedoch besonders bei dicke-
ren Krystallen. stark abgerundet sind. Die Krystalle sind
sehr vollkommen spaltbar nach der Fläche {lOO}, weniger
gut nach {001}.
Das Salz ist in Alkohol unlöslich.
1. 0,2107 arm, gaben 0,1221 CO, und 0,1012 H,0.
2. 0,3094 Grm. gaben 47,9 CC. Stickstoff bei 16,40 nnd 749,8 MM.
Berechnet füi- (NH^O), C8HJO4 Geftinden
2N 28 17,95 17,76
8H 8 • 5,18 5,34
2C 24 15,38 15,80
6 0 96 61,54 —
156 100,00.
ttnd Salzsäure auf Salpetersäure-Aethyläther. 233
Weinsaures Eydroxylamm ^ (NH30)2 C4H6O«. — Die
Lösung erstarrt beim Verdunsten über Schwefelsaure zu
einer faserigen Krystallmasse , welche von einer rotben
Mutterlauge durch Abpressen zwischen Fliefspapier befreit
wurde. Die Krystalle lösen sich schwierig in 95 procent. Wein-
geist, indem sie zuerst unter demselben schmelzen. Beim
Erkalten schied sich ein Theil in Oeltropfen ab, die allmalig
erstarrten; ein anderer Theil krystallisirte in sehr dünnen
perlmuttergUnzenden Blattern. Die letzteren wurden ana-
lysirt.
1. 0,3443 Grm. gaben 0,2868 COg und 0,1812 H,0.
2. 0,3832 Grm. gaben 44 CG. Stickfitoff bei 12<> und 759 MM.
Berechnet für (NEgO), C4HeOa Gefunden
2N
28
12,96
13,60
12 H
12
5,66
5,85
4C
48
22,22
22,68
80
128
59,26
—
216 100,00.
Pikrinsaures Bydroxylamin ^ NH3O C6H8(NO«)30. — Ist
in Wasser und in Alkohol mit tief gelbrother Färbung leicht
löslich 9 und krystallisirt aus diesen Lösungen nicht in wohl-
ausgebildeten Krystallen; beim langsamen Verdunsten schei-
den sich goldgelbe kugelige Aggregate von faseriger Struc-
tur ab; dampft man die Lösung auf dem Wasserbad ein, so
schmilzt das Salz, beginnt beim Erkalten auch zuweilen besser
ausgebildete Prismen abzusetzen , verwandet sich aber dann
plötzlich wieder in eine kugelige aufgeblähte ferystallinische
Masse; zuweilen erstarrt das geschmolzene Salz auch zu
einem braunrothen Kuchen von krystallinischem Gefüge. Es
ist auch in Aether und Benzol etwas löslich und krystalli-
sirt beim Verdunsten dieser Lösungen in Nadeln.
0,5832 Gnn. gaben 0,5560 CO, und 0,0132 H,0.
Kotaen, über die Emxoirlcung von Zinn
BerwJmBt für MH,0 C,H,(NO,),0
4N m 21,37
362 100,00.
CyaiiwasserstoSsäure vereinig! sich mit Hydroxylamin
zu einem gut krystallisirten Körper von der Zusammensetzung
det; cyanwassersloffsauren Hydroxylamins , der indefs weder
die Reaolionen des Hydroxylamins, noch diejenigen der Cyan-
wasseislüirsäure zeigt. Er ist eine dem Harnstoff isomere
Base (— Hydrocyanhydroxylamin? — ), und verbindet sich
iiiil Süiiren zu gut krystallisirenden Salzen. Ich hoffe, über
A'wsna Körper und seine ümsetzungsproducte in einer beson-
deren Arlieit bald zn berichten.
Cyünsnares Kalium setzt sich mit Hydroxyiaminsalzen
unter leblisfter ErwäriDong um. Herr Stud. Dresler hat
unter den Umsetzungsproducleii Hydroxylharnstoff NiH^COt
gefunden, der indessen schwierig zu erhalten ist.
Lösungen des Hydroxylamins können leicht dargestellt
werden; eine wässerige Lösung erhält man durch Zerlegung
des Sulfais mit der erforderlichen Menge Baryumhydrat, eine
alkoliolischü durch Zerlegung des in möglichst wenig Wasser
gelösten Sulfats oder des in Alkohol gelösten Nitrats durch
alkohulisclie Kalilauge. Aach kohlensaure Alkalien scheiden
direcl Hydroxylamin untn Kohlensäureentwickelung ab. Die
Lösunt>en des Hydroxylamins hinterlassen beim Verdunsten
keinen HückMand. Setzt man zu einem Hydroxylaminsdi
einen Ueberschufs von mäfsig ooncentrirter Kali- oder
Natronlauge, so wird das freiwerdende Hydroxylamin zer-
setzt. Ich habe einen Versuch gemacht, die ganz conceu-
trirte Lösung des Balzsauren Salzes durch Magnesia za zer-
legen, um durch das entstehende Chlormagnesium das Wasser
zu bindet! und so die Base vielleicht in wasserfreiem Zustand
und Salzsäure auf Salpetersäure-Aethyläther. 235
zu erhahen; bei gewöhnlicher Temperatur fand keine Ein-
wirkung statt, beim Erwärmen dagegen sturmische Gas- und
Ammoniakentwickelung. — Die Lösung des Hydroxylamins
ist geruchlos, reagirt alkalisch; bei alkoholischen Lösungen
wurde die Beobachtung gemacht, dafs sie die Haut schmerz-
haft reizen und röthen. Bei der Destillation der wasserigen
Lösung geht ein Theil der Base unzersetzt mit den Wasser-
dampfen über, ein anderer Theil wird unter Bildung von
Ammoniak zersetzt. Die Lösung des Hydroxylamins föllt
nicht die Lösungen der Baryum-, Strontium-, Calcium- und
Hagnesiumsalze; sie erzeugt in den Lösungen von Zinksulfat,
Nickelsulfat, Bleiacetat, Eisenchlorid, Alaun und Chromalaun
Niederschläge, die im Ueberschufs des Hydroxylamins unlös-
lich sind ; der in Kobaltlösungen entstehende schmutzig
pfirsichfarbene Niederschlag löst sich dagegen im Ueber-
schufs 'wenigstens theilweise wieder auf. Allen diesen Salzen
gegenüber verhält das Hydroxylamin sich demnach einfach als
stärkere Base. — Anders und sehr characteristisch dagegen
ist das Verhalten gegenüber den Lösungen einiger leicht
reducirbaren Metalle. Setzt man Hydroxylaminlösung zu
einer wässerigen Lösung von Kupfervitriol, so entsteht ein
schön grasgrüner Niederschlag, der bei weiterem Zusatz
leicht schmutzig kupferfarben wird. Ein Ueberschufs von
Hydroxylaminlösung dagegen löst den Niederschlag ohne merk-
liche Gasentwickelung zu einer vollkommen farblosen Flüssigkeit.
Tritt die Luft zu dieser Lösung, so scheidet sich an der
Oberfläche wieder ein schmutzig braungrüner Niederschlag
ab, der sich bei Umschütteln oder ganz gelindem Erwärmen
wieder auflöst, so lange überschüssiges Hydroxylamin vor-
handen isU Wird die Lösung erhitzt , so tritt Gasentwicke-
luDg ein. Setzt man zu der farblosen Lösung einen Tropfen
Kalilauge oder Barytwasser, so fällt ein orangegelber Nieder-^
schlag, wohl Kupferoxydulhydrat. Ammoniakalische Kupfer-
236 Zossen^ über die Etnwtrkunff von Zinn
lösung wird durch Hydroxylamin entfärbt; aach ans der so
erhaltenen Lösung scheidet Kalilauge den gelben Nieder-*
schlag ab, jedoch augenscheinlich schwieriger als aus der
ammoniakfreien Lösung. — Eine weingeistige Hydroxylamin-'
lösung fallt ans der Lösung von Kupfervitriol ebenfalls zuerst
den grasgrünen Niederschlag; in derselben ist er 'etwas
weniger veränderlich, wird leicht pulverig, ist aber meisl
verunreinigt durch mitgefällten Kupfervitriol. Ein grofser
Ueberschufs von weingeistiger Hydroxylaminlösung fuhrt den
grünen Niederschlag in einen dunkel lasurblauen über, der
aber beim Trocknen über Schwefelsäure wieder grün wird.
Kocht man diese Niederschläge mit Wasser, so wird unter
Gasentwickelung Kupferoxydul gebildet. — Setzt man Hydroxyl-
aminlösung zu einer Lösung von Quecksilberchlorid, so ent»
steht ein Niederschlag, der einen Moment lang gelblich ist,
sich aber sofort in weifses Quecksilberchlorür verwandelt.
Ein Ueberschufs führt letzteres in metallisches Quecksilber
über, indem zugleich Gas entwickelt wird. — In der Lösung
von Silbernitrat entsteht durch Hydroxylaminlösung zuerst
ein schwarzer Niederschlags der sodann unter heftiger Gas-
entwickelung zu metallischem Silber wird. — Neutrales chrom-
saures Kalium wird in der Kälte nicht verändert; beim Er-
wärmen färbt die Lösung sich dunkel; Zusatz von wenig
Schwefelsäure bewirkt lebhafte Gasentwickelung und Ab-
scheidung eines braunen Niederschlags, der sich in mehr
Schwefelsäure mit der dunkelen Färbung theilweise redn-
cirter Chromsäurelösungen wieder auflöst. — Ich habe noch
keine dieser Reactionen so weit verfolgt, dafs ich über die
stattGndenden Vorgänge genauere Mittheilung machen könnte.
Bei manchen, namentlich bei denen, die von lebhafter Gas-
entwickelung begleitet sind, scheint das Hydroxylamin voll-
ständig zerstört zu werden, unter Bildung von Stickstofl' oder
und Balzsäure auf Salpetersäure- Aeiht/läther, 237
Stickoxydul. Bei anderen lassen sich dagegen gut charac-
terisirte Umsetzungsproducte erhallen.
Wird die Lösung eines Hydroxylaminsalzes mit concen-
irirter Kali- oder Natronlauge übersättigt, so entwickelt sich
reichlich Stickstoff und gleichzeitig Ammoniak. Ich habe in
meiner früheren Mittheilung die Ansicht ausgesprochen, diese
Zersetzung finde wesentlich nach der Gleichung :
3NH,0 = N, + NH, + 8H,0
Statt. Es mufsten nach dieser Gleichung Vs des Stickstoffs
als Stickstoff, Vs ttls Ammoniak entwickelt werden. Eine
genaue Bestimmung des entwickelten Ammoniaks zeigt in-
dessen, dafs die obige Gleichung nicht in aller Strenge richtig
ist; es wird nämlich stets etwas mehr als Vs vom ganzen
Stickstoffgehalt als Ammoniak entwickelt. Die Bestimmungen
wurden in der Art ausgeführt, dafs das durch Kochen der
alkalischen Lösung entwickelte Ammoniak in Salzsäure auf-
gefangen, diese sodann auf dem Wasserbad vollständig zur
Trockne verdampft und das Chlor im ruckständigen Salmiak
als Chlorsilber bestimmt wurde.
1,4318 Grm. ealzsaures Hydroxjlamin gaben 1,1329 AgCl, ent-
sprechend 7,72 pC. N oder 38,33 pC. vom ganzen Stickstoflf-
gebalt
1,3444 Grm. schwefelsaures Hydroxylamin gaben 0,9226 AgCl, ent-
sprechend 6,69 pC. N oder 39,19 pC. vom ganzen Stickstoff-
gehalt.
1,533 Grm. phosphorsaures Hydroxylamin gaben 1,1974 AgCl, ent-
sprechend 7,62 pC. N oder 35,74 pC. vom ganzen Stickstoff-
gehalt
Unzersetztes Hydroxylamin destiUirt aus einer mit überschüs-
sigem Kaliumhydrat versetzten Lösung nicht ab. — Das Gas,
welches sich entwickelt, hat im Allgemeinen die Eigenschaften
des Stickgases; liest man dasselbe über Wasser ab, so be-
merkt man nach einiger Zeit eine sehr merkliche Verminde-
rung des Volums, weit bedeutender als sie bei reinem Stick-
stoff stattfindet. So nahmen z. B. 285 CG. des vorher durch
238 Losserij über die Einwirkung von Zinn
Schwefelsäure geleiteten Gases in einem Ta(fe um etwa 80 CC. )
ab; ohne dafs Temperatur und Druck sich wesentlich ander- }
ten. Diers deutet auf Beimischung eines anderen, von Wasser )
leichter absorbirbaren Gases , vermuthlich Stickoxydul, denn
Stickoxyd lafst sich nicht nachweisen. Wenn die Haupl-
menge des Hydroxylamins nach der obigen Gleichung, ein
kleinerer Theil nach der Gleichung :
4NH,0 = NgO + 2 NHa + 3 H,0
zersetzt wird, so mufs etwas mehr als Vs des Stickstoffge-
halts in Form von Ammoniak entwickelt werden, wie die
Versuche es ergeben haben.
Ein sehr scharfes Reagens zur Nachweisung des Hydro-
xylamins ist Kali- oder Natronlauge, die mit ein wenig
Kupferiösung versetzt ist; in starker käuflicher Lauge lost
sich stets ein wenig des gefällten Kupferoxyds auf. Setzt
man zu dieser Lösung nur eine Spur eines Hydroxylamin-
Salzes, so entsteht sofort der gelbe Kupferoxydulniederschlag.
Mit 1 bis 2 CC. einer Lösung von 1 Theil salzsaurem Hydro-
xylamin in 10000 Theilen Wasser läfst sich diese Reaction
noch deutlich wahrnehmbar hervorbringen.
Base NC4H11O.
Oben wurde die Gewinnung der organischen Verbindun-
gen, die durch Reduction des Salpetersäureäthers entstehen,
und zwar bis zur Abscheidung derselben in Form von Oxa-
laten beschrieben. Die weitere Trennung der letzteren geschah
durch Umkrystallisiren aus Wasser und mechanisches Auslesen
der verschiedenen Krystalle. Beim Verdunsten der wässerigen
Lösung krystallisirten zuerst sternförmig vereinigte Prismen,
gemischt mit gröfseren rhombischen Tafeln. Ist die Lösung
nicht ganz farblos, so sind die erstgenannten Krystalle etwas
gelblich gefärbt, während die rhombischen Tafeln vollkommen
farblos sind; letztere enthalten Krystallwasser, erstere nicht.
und Salzsäure auf Salpetersäure- Aethi/läther» 239
Bei weiterem Verdunsten der Lösung bilden sich neue Quan-
titäten der sternförmig vereinigten Prismen; die letzten Mutter-
laugen enthalten noch ein in dünnen Blättchen ahschiefsendes,
in Wasser sehr leicht lösliches Salz. Dieses letztere und
die krystallwasserhaltigen rhombischen Tafeln habe ich nicht
untersucht, da deren Quantität zu einer eingehenderen
Untersuchung nicht ausreichte. Die sternförmig vereinigten
Prismen, welche durch Umkrystallisiren leicht rein zu er-
halten sind, haben die Zusammensetzung NC4H11O, C2H2O4,
sind also das saure Oxalat der Base NC4H11O. In käuf-
lichem absolutem Alkohol löst sich das Salz beim Kochen
schwierig, und krystallisirt daraus beim Erkalten in kleinen
Nadeln. Im Wasser löst das Salz sich leicht und krystallisirt
gereinigt in schönen, glänzenden, linealförmigen Prismen, die
aber stets zu sternförmigen Häufchen vereinigt sind. Bei
100 bis 110^ erfährt dasselbe keinen Gewichtsverlust; auch
keines der im Folgenden beschriebenen Salze nimmt bei
100 bis 110^ an Gewicht ab. In höherer Temperatur
schmilzt das Salz und zersetzt sich ohne Schwärzung unter
Entwickelung ammoniakalisch rietheoder Dämpfe.
1. 0,2191 Grm. gaben 0,3273 CO, und 0,1432 HgO.
2. 0,1935 GiTQ. gaben 0,2867 COg und 0,1302 H,0.
3. 0,2464 Grm. gaben 17,4 CC. Stickstoff, feucht gemessen, bei
12,7« und 766,5<>.
Berechnet für NC4H11O 0,11,04 Gefunden
l.u. 3.
2.
IN
14
7,82
8,43
6C
72
40,22
40,74
40,41
13 H
13
7,26
7,26
7,48
50
80
44,70
—
179 100,00.
Ein Drittel des Kohlenstoffs oder 13^41 pC. sind als
Oxalsäure vorhanden , wie folgende Bestimmungen zeigen.
0,2064 Grm. gaben durch Fällen mit Chlorcalcium und heftiges
Glühen des Niederschlags 0,0640 CaO, entsprechend 13,29 pC. C.
0,2942 Grm. gaben 0,0914 CaO, entsprechend 13,32 pG. C.
2N
28
10,46
IOC
120
44,78
24 H
24
8,95
60
96
35,82
240 Lossen, über die Einwirkung von Zinn
Neutrales Oxalat (NCaHuO)« dtiiO^. — Leicht zu er-
hallen aus dem sauren Salz durch Ausfällen der Hälfte der
Saure mit Kalkmilch. Krystallisirt aus Wasser in gröfseren,
anscheinend schief rhombischen Prismen.
0,2392 Grm. gaben 0,3870 CO, und 0,196 H,0. ^
Berechnet für (NC^HuO), CjHjO* Gefunden
44,12
9,10
. 268 100,00.
Sulfat (NC4H„0)2 SH2O4. — Wurde durch Zerlegung
des neutralen Oxalats mit Zinksulfat, Abdampfen der Lösung,
Auflösen des syrupartigen Rückstandes in absolutem Alkohol
und Fällen dieser Lösung durch Aether in sehr zarten dün-
nen Krystallblattchen erhalten. Einmal krystallisirt löst das
Salz sich in kaltem absolutem Alkohol schwierig, beim Er-
wärmen dagegen sehr leicht und krystallisirt beim Erkalten
wieder in dünnen Blattchen.
0,2794 Qrm. gaben 0,2362 SBaO«, entsprechend 11,61 pC. Schwefel ;
die Formel verlangt 11,59 pC.
Ein Phosphat von der Zusammensetzung (NC4HiiO)s PHs04
wurde erhalten durch Zerlegung des Oxalats mit Kalkmilch
und Zusatz der entsprechenden Menge Phosphorsaure. Es
waren zwar auf 1 Mol. Phosphorsaure 3 Mol. der Base an-
gewendet, 1 Mol. verflüchtigte sich beim Abdampfen der
Lösung. Die abgedampfte Lösung erstarrte über Schwefel-
säure zu einer Krystallmasse, in welcher einzelne Prismen
erkennbar waren. In nahezu absolutem Alkohol löste das
Salz sich beim Kochen nur sehr schwierig, krystallisirte beim
Erkalten der Lösung in sehr voluminösen zarten Nadeln.
Die Analyse geschah wie beim phosphorsauren Hydroxylamin.
0,2013 Grm. gaben 0,0521 PgO«, entsprechend 11,30 pC. P; die
Formel verlangt 11,23 pC.
und Salzsäure auf Salpetersäure- Aetkyläther. 241
Chloroplatinat, (NC4HiiOHCl)2 PICI4. - Durch Zerlegrung
des Sulfats mit der erforderlichen Menge von Chlorbaryum
wurde das Chlorhydrat als Syrup erhalten^ der nicht zum
Krystallisiren gebracht werden konnte. Er löste sich voll-
kommen in absolutem Alkohol und wurde aus dieser Lösung
durch Aether wieder syrupartig gefällt. .Setzt man zu einer
alkoholischen Lösung alkoholisch-ätherische Platinlösung, so
entstehen nur in concentrirter Lösung allmälig Krystalle ; ver-
dänntero Lösungen setzen beim Verdunsten kreuzweise durch-
einander gewachsene orangegelbe Blättchen ab, die sich leicht
in warmem absolutem Alkohol lösen, eben so in Wasser, und
beim freiwilligen Verdunsten der wässerigen Lösung in
stumpf zugeschärflen Prismen krystallisiren.
1. 0,2478 Gnn. gaben 0,0823 Pt
2. 0,1787 Orm. gaben 0,0696 Pt.
8. 0,5424 Grm. gaben 22 CG. Stickstoff, feuoht gemessen bei 11<*
und l^^im.
Berecbnet für (NCtHiiO . HCl), PtCl« Gefunden
2N
28
4,78
80
96
16,26
24 H
24
4,07
20
82
6,42
IPt
197,4
86,08
6 01
218
83,44
1. u. 8. 2.
4,88 —
83,21 83,29
Versetzt man die Lösung eines Salzes der Base NC4H11O
mit Kalilauge^ so scheidet sich die frei gewordene Base nicht
aus der Lösung ab. Schuttelt man die übersättigte Lösung
mit Aether, so nimmt dieser die Base auf und hinterläfst die-
selbe beim Verdunsten über Schwefelsäure als zähflüssigen,
stark alkalisch reagirenden, mild schmeckenden Syrop, der
sich leicht in Wasser und Alkohol löst. Mit Wasserdämpfen
ist die Base flüchtig , aber nur schwierig; eine Lösung von
etwa 0,3 Grm. der Base in 100 bis 150 CG. Wasser wurde
AaaaL d. ObMo. u. PhArm. VI. SnDDlemttntbd. fi. HafL 46
242 Losserij über die Einwirkung van Zinn
bis fast zur Trockne destillirt, dann nochmals mit der gleichen
Quantität Wasser verdünnt und wieder fast zur Trockne
verdunstet. Die nicht destillirte Flüssigkeit enthielt noch etwa
die Hälfte der 0,3 Grm. Base, aus dem Destillat wurde nach
Uebersättigen mit Salzsaure und Abdampfen der Lösung
durch Platinchlorid das Chloroplatinat erhalten; die oben mit-
getheiite zweite Platinbestimmung bezieht sich auf ein Platin-
salz, welches aus der mit Wasser uberdestillirten Base dar-
gestellt war. — Die wasserige Lösung der Base fallt aus
den Lösungen von Eisenchiorid, Bieiacetat, Chromalaun und
Kobaltnitrat Niederschläge, die im Ueberschufs unlöslich sind.
— In der Lösung von Kupfervitriol entsteht ein blauweifser
Niederschlag, der im Ueberschufs mit blauvioletter Farbe
löslich ist; die blaue Lösung ändert sich nicht beim Erhitzen,
auch nicht, wenn etwas Kalilauge zugesetzt wurde. — In
einer Lösung von Quecksilberchlorid entsteht zunächst ein
nicht sehr bedeutender Niederschlag, der sich in einem Ueber-
schufs der Base sehr leicht auflöst; kocht man die klare
Lösung , so fällt ein sehr dicker flockiger Niederschlag,
kocht man die Lösung mit Kalilauge, so findet Reduction des
Quecksilbers statt. In einer Lösung von salpetersaurem
Silber erzeugt eine Lösung der Base einen weifsen Nieder-
schlag, der im Ueberschufs löslich ist; die Lösung ändert
sich beim Kochen für sich nicht; beim Kochen mit Kalilauge
tritt dagegen Reduction des Silbersalzes ein.
Wenn man die mitgetheilten Eigenschaften der Base
NC4H11O berücksichtigt, so ist leicht ersichtlich, dafs der
oben mitgetheilte Weg , welcher zu ihrer Auffindung führte,
durch eine weit einfachere Darstellungsmethode zu ersetzen
sein wird.
Zur Beantwortung der Frage, welche rationelle Formel
der Base NC4H11O zukomme, stehen einstweilen nur die Er-
und Salzsäure auf Salpetersäure" Aetht/lätker. 243
fahrungen über die Bildung derselben zu Gebote, und aus
diesen läfst sich nur eine Vermuthnng über die chemische*
Structur der Base ableiten. Man darf wohl als gewifs an-
nehmen, dafs dieselbe ein zweifach-äthylirtes Hydroxylamin
ist; allein es bleibt dann noch zweifelhaft, ob sie Aethoxyl^
OC,H^ ^ OH
äthylamin NCgH^ , oder aber Diäthylhydroxylamin NCjHj
H ^tHs
ist. Di€^ Bildung der letzteren Base erscheint unter den Ver-
hältnissen, unter welchen die Base gebildet wird, wenig
wahrscheinlich. Die Bildung eines Aethoxylathylamins da-
gegen wäre leicht erklärlich dui'ch die Annahme, dafs die
durch die folgenden Gleichungen ausgedruckten Processe
nach einander stattfinden ;
NOCÄ +3H. = nHj^^ +2H,0
Salpetersanreäther Aethoxylamin
2N^^„ = N^a + NCÄ
OCjHs — "^ OH
OC,H5
Aethoxylamin Hydroxylamin AethoxyUtthylamin.
Diese Gleichungen enthalten zugleich eine Erklärung
der Hydroxylaminbildung, welche abweicht von derjenigen,
die 'ich in meiner früheren Mittheilung gegeben habe, und
welche durch folgende Gleichungen ausgedrückt wifd :
n8c.h, + H»^ = Not + «AO
Ng|j + 3H, = N^ + 2H,0.
Findet der Vorgang nach diesen letzteren Gleichungen
statt, so mufs 1 Mol. Salpetersaureäther 1 Mol. Hydroxyl-
amin liefern, während nach den obigen Gleichungen 2 Mol.
Salpetersäureäther 1 Mol. Hydroxylamin liefern müssen. Ich
habe eine Zeit lang geglaubt, der erst erwähnten Erklärungs-
wejise den Vorzug geben zu müssen , und zwar einmal des-
halb, weil in der That bei den am Besten gelungenen Ope-
rationen nur die Hälfte vom Stickstoff des Salpetersäureathers
16»
244 Loasen, über die Einwirkung von Zinn
in Form von Hydroxylamin erhalten wurde. Ich verweise
in dieser Beziehung auf die oben mitgclheilten Bestimmungen
der Quantität des salzsauren Hydroxylamins ; der Theorie
nach müssen 120 Grm. Salpetersäureälher circa 92 Grm.
salzsaures Hydroxylamin Hefern, wenn der ganze StickstoiF-
gehalt des Saipetersäureäthers in Hydroxylamin übergeht;
der Versuch hat unter bezuglich der Quantität der Salzsäure
und des Wassers ziemlich wechselnden Bedingungen er-
geben, dafs etwa die Hälfte, circa 46 Grm., oder aber aus
2 Mol. Salpetersaurcäther 1 Mol. Hydroxylamin gebildet wird.
Auf der anderen Seite haße ich mehrmals vergeblich ver*
sucht, Hydroxylamin aus Salpetersaure zu erhalten; während
bei Anwendung von 400 Grm. Zinn, 120 Grm. Salpetersäure-
ätber, 1 Liter Salzsäure von 1,19 und 3 Liter Wasser die
Reaction unter bedeutender Wärmeentwickelung verläuft, ist
die Reaction träge und nicht von einer merklichen Tempe-
raturerhöhung begleitet, wenn alle anderen Verhältnisse
dieselben bleiben und nur die 120 Grm. Salpetersäureäther
durch eine äquivalente Menge Salpetersäure ersetzt werden.
Bei der Einwirkung von Zinn und Salzsäure auf Salpeter-
Säureäther wird vorzugsweise Zinnchlorid gebildet; der
durch Schwefelwasserstoff entstehende Niederschlag ist gelbes
Schwefelzinn, mag man auch einen Ueberschufs von Zinn
anwenden. Zur Reduction von 120 Grm. Salpetersäureäther
zu Hydroxylamin würden 467 Grm. Sn nöthig sein , wenn je
1 At. Zinn (= 119) 2 At. Wasserstoff entwickelte, sich also
zu Zinnchlorür löste; es wurden dagegen nur 233 Grm.
Zinn erforderlich sein, wenn 1 At. Zinn 4 At. Wasserstoff
entwickelte, sich also zu Zinnchlorid löste. Bei den oben
mitgetheilten Versuchen wurden höchstens 280 Grm. Zinn
gelöst, und doch war dabei die Zersetzung des Salpetersäure-
äthers beinahe vollständig erreicht. — Ersetzt man dagegen
ceteris paribus den Saipetersäureäther durch Salpetersäure,
und Salzsäure auf Salpeter säur e^Aethyläiher. 245
SO wird wesentlich Zinnchlorür gebildet; das niederfallende
Schwefelzinn ist braunes Schwefelzinn, selbstverständlich, wenn
die Concentration der Salpetersäure und Salzsäure enthaltenden
Beductionsmischung nicht zu grofs ist. Es verläuft demnach die
Beaction von Zinn, Salzsäure und Salpctcrsäureälher etwas an-
ders, als die Beaction von Zinn, Salzsäure und Salpetersäure. Ver-
fährt man ferner bei der letzteren so, dafs die vom Schwefelzinn
abfiltrirte Flüssigkeit eingedampft wird, so erhält man gar kein
Hydroxylamin. Aus allen diesen Beobachtungen glaubte ich
schliefsen zu können, dafs aus Salpetersäure durch Zinn und
Salzsäure überhaupt kein Hydroxylamin entstehen könne, dafs
bei Einwirkung von Zinn und Salzsäure auf Salpetersäure-
äther zuerst Aethoxylamin N u^ * gebildet werde , und
dann 2 Mol. des letzteren sich umsetzen nach der Gleichung :
Das Hydroxylamin war in einer dieser Gleichung ent-
sprechenden Quantität nachzuweisen, vom Aethoxyläthylamin
waren freilich nur Spuren zu finden, und es blieb zu unter-
suchen, ob ursprünglich gröfsere Quantitäten vorhanden , ob
und wie diese weiter zersetzt würden. Allein ein Ver-
such, den ich während des Niederschreibens dieser Mitthei-
lung noch anstellte, macht es mindestens sehr wahr-
scheinlich, dafs dennoch Hydroxylamin aus Salpßtersänre
gebildet werden kann. Ich habe mich dabei der oben
erwähnten scharfen Beaction einer alkalischen Kupferlösung
auf Hydroxylamin bedient , um den Verlauf des Processes
genauer zu controliren. Salzsäure , Salpetersäure und Zinn
wurden in solchen Quantitäten zusammengebracht, dafs eine
mäfsig lebhafte Einwirkung erfolgte. Das unmittelbare Pro-
duct der Einwirkung zeigte starke Beduction der alkalischen
Kupferlösung. Da übrigens auch Zinnchlorür wenigstens in
246 Lo3sen, über die Einwirkung von Zinn
concentrirteren Lösungen alkalische Kupferlösung redocirt^
so wurde das Zinn durch kohlensaures Natrium ausgefällt;
das Filtrat reducirte stark. Eben so reducirt die durch
Schwefelwasserstoff vom Zinn befreite Lösung direct stark
die alkalische Kupferlösung; dampft man aber diese Lösung-
ein, so wird die Hydroxylaminreaction immer schwacher und
verschwindet schliefslich ganz, indem sich fortwahrend Gas
entwickelt. Es röhrt diefs offenbar daher, dafs bei der Ein-
wirkung von Zinn auf verdünnte Salzsaure und Salpetersäure
die Salpetersäure nur theilweise reducirt wird; der nichl
reducirte Theil bildet beim Abdampfen mit der Salzsäure
Königswasser und zerstört das Hydroxylamin. Sättigt man
die freie Säure vor dem Abdampfen, so bleibt das Hydroxyl-
amin unzersetzt. Eine allzu concentrirte Lösung zu voll-
ständiger Reduction der Salpetersäure darf auch nicht ange-
wendet werden, weil Zinn und Salzsäure im Ueberschufs das
Hydroxylamin zu Ammoniak reduciren. Sehr leicht findet
diese Reduction nicht statt; ich habe 1,376 Grm. salzsaures
Hydroxylamin mit concentrirter Salzsäure und 7 Grm. Zinn,
also mit dreimal so viel als zur vollständigen Reduction nöthig
ist, in der Siedehitze behandelt, bis alles Zinn gelöst war,
das Zinn durch Schwefelwasserstoff ausgefällt und die Lösung
eingedampft. Der Abdampfruckstand enthielt viel Salmiak,
aber auch noch unzersetztes Hydroxylamin. — Nachdem es
aber gelungen ist, aus Salpetersäure Hydroxylamin zu er-
halten, ist wenigstens die Annahme nicht mehr zu verwerfen,
dafs bei der Reduction des Salpetersäureäthers zuerst Sal-
petersäure und Alkohol entstehen. Allein die Quantitäten
der Säure, welche dabei frei werden, scheinen auch sofort
Reduction 9U erleiden, so dafs man nach Ausfällen des Zinns
keine öberschüssige . Königswasser bildende Salpetersäure
in Lösung hat. Die Base NC4H11O entsteht natürlich nur aus
dem Salpetersäureäther, und die Bildung des Hydroxylamins
r
I
und Salzsäure auf Salpetersäure- Aethyläiher, 247
aus Salpetersaure schliefst die Annahme nicht aus, dieselbe
sei Aetboxylathylamin und nach der oben gepfebenen Glei-
chung entstanden. Ob aber zur Darstellung von Hydroxylamin
Salpetersaure vortheilhafter zu verwenden ist als Salpeter-
saureäther, darüber müssen weitere Versuche entscheiden,
da die Beobachtung, dafs aus Salpetersäure Hydroxylamin
gebildet werde, wie bereits bemerkt, erst wahrend des Nie-
derschreibens dieser Mittheilung gemacht wurde.
In der Base NC4HnO haben wir eine kohlenstoffhaltige
Base aus einer Klasse von Nitroproducten. aus welchen bis-
her keine kohlenstoffhaltigen Basen erhalten wurden ; aus
einem derjenigen Nitroproducte , die man als Aether der
Salpetersäure auffafst, zu welchen beispielsweise Nitroglycerin,
Nitroerythrit und Nitromannit gerechnet werden. Es kann
sich demnach wohl der Muhe lohnen, die Producte, die bei
der Reduction dieser Körper entstehen, nochmals einer ge-
nauen Prüfung zu unterwerfen.
Heidelberg, 18. März 1868.
Lieber die bei hoher Temperatur entstehen-
den Kohlenwasserstoffe;
von M, Bertkelot*).
Die bei hoher Temperatur entstehenden Kohlenwasser-
stoffe bilden sich in Folge der gegenseitigen und directen
Einwirkung einfacherer Kohlenwasserstoffe , wie z. B. des
ölbildenden Gases, des Acetylens, des Benzins u. g. w. Ich
0 Compt rend. LXVl, 624.
248 Berthelot, über die bei hoher Temperatur
habe dieses allgemeine Resultat daroh sehr deatlich be-
weisende Versuche mit den freien Kohlenwasserstoffen fest*
gestellt, welche ich je zwei und zwei auf einander einwirken
liefs. Ich habe z. B. erkannt, dafs das bis zum Dunkelroth*
glühen erhitzte Acetylen sich allmalig zu Benzin umwandelt^
durch das Zusammentreten von 3 Moleculen :
Das Benzin wiederum wirkt sowohl auf das Acetylen
als auf das ölbildende Gas ein, um Styrolen zu geben :
Das Styrolen vereinigt sich mit dem Acetylen, um zu-
erst Naphtalinhydrur zu bilden, dessen Existenz nur vor*
übergehend ist :
und dann das viel stabilere Naphtalin selbst :
Das Naphtalin wirkt auch noch auf freies Acetylen und
auf freies Aethylen ein, um Acenaphten zu bilden, den
schönsten vielleicht der in dem Steinkohlentheer enthaltenen
Kohlenwasserstoffe :
C4H, 4" ^^'«Ä = Ct4H|0.
Und so ins Unbestimmte weiter. Jede dieser Reactionen ist
für sich festgestellt worden. Alle gehen, wie ich es wieder-
hole, direct und für die Kohlenwasserstoffe im freien Zu-
stande vor sich.
Aber wenn dem so ist, wenn die gegenseitigen und
directen Einwirkungen der bei hoher Temperatur entstehen^
den Kohlenwasserstoffe mit eben solcher Nothwendigkeit statt-
finden, wie die gewöhnlichen Beactionen der Mineralchemie,
so geht daraus auch hervor, dafs überall da, wo daa Ace-
tylen bei Rothglühhitze entsteht, man dieselbe Reihenfolge
von Reactionen erhalten und die methodische Bildung von
der Reihe von Kohlenwasserstoffen beobachten mufs, an
welche ich eben erinnerte.
entstehenden Kohlentoaaserstoffe. 249
Ich hielt es fär nützlich, diese Schlursfolgerung durch
directe Versuche zu bestätigen , angestellt mit den Kohlen-
wasserstoffen , welche das Acetylen auf Grund der regel-
mflfsigsten Reactionen liefern; ich meine das olbildende Gas
oder Aelhylen, welches durch eine einfache Abgabe von
Wasserstoff Acetylen giebt :
C4H4 = G4H« -f- Hf,
und das Formen oder Sumpfgas^ welche das Acetylen durch
eine regelmäfsige Condensation giebt :
2 C1H4 = C^Hg -p 8 Mg.
I. Ich liefs also reines und trockenes Ölbildendes Gas
durch eine rothglahende Porcellanröhre streichen, unter Ver-
meidung allzuhoher Steigerung der Temperatur. Leitet man
dann das Gas in rauchende Salpetersaure, um den Benzin-
dampf absorbiren zu lassen, so braucht man nur einige Liter
ölbildendes Gas zu zersetzen, um das Benzin mit aller Be-
stimmtheit nachweisen zu können. Zu dem Ende scheidet
man das Nitrobenzin mittelst Wasser aus, sammelt es durch
Schötteln der Flüssigkeit mit etwas Aether, destillirt in einer
kleinen Retorte den Aether ab und setzt dann Eisenfeile und
Essigsäure zu. Man destillirt mit Vorsicht , neulralisirt dus
Destillat mit etwas Kalk, und kann dann mittelst Chlorkalk
die prflchtige blaue Färbung hervorbringen, welche das
Anilin characterisirt. Sie tritt mit solcher Intensität auf,
wenn man die bei hoher Temperatur entstehenden Producte
des ölbildenden Gases diesem Verfahren unterwirft, dafs es
hinreichen würde, etwa 100 Cubikcentimeter dieses Gases in
der angegebenen Weise zu behandeln, und vielleicht noch
weniger, um die Reactionen des Benzins zu erhallen.
Doch glaubte ich den Versuch in einem gröfseren Hafs-
stab wiederholen zu sollen ^ um das Benzin selbst zu isoliren
und wo möglich auch die anderen Kohlenwasserstoffe, welche
die Theorie voraussehen Ufst. Ich liefs die bei der Reaction
250 Berthelot, über die bei hoher Temperatur
resultirenden Gase durch ein U förmiges Rohr streichen,
welches erkaltet gehalten wurde und mit einem Recipienten
durch eine verticale Tubulatur in Verbindung stand , die
an dem mittleren and unteren Theile des U förmigen Rohres
angebracht war. Ich habe auf diese Art eine gewisse Menge
einer theerartigen Flüssigkeit gesammelt, welche ich dann
fractionirten Rectificationen unterworfen habe. Ich habe
daraus folgende Körper isolirt :
1) Reines Benzin CisH,}, dessen characteristische Eigen-
schaften leicht festzustellen sind.
2) Reines Styrolen CieHs. Ich habe diesen Kohlenwas-
serstoff identificirt nach seinem Aggregatzustand, seinem Ge-
ruch, seinem Siedepunkt (etwa 145^), der raschen Umwand-
lung zu Polymeren, welche er bei Berührung mit Jod und
mit Schwefelsaure erleidet , endlich und hauptsächlich durch
die Bildung der krystallisirten Jodverbindung, welche das
Styrolen giebt, wenn man es mit einer concentrirten wasse-
rigen Lösung von Jod und Jodkalium schüttelt und fast so-
fort die Flüssigkeit verdünnt. Die, unter dem Mikroscope
zu beobachtende, Krystallform dieser Jodverbindung und ihre
freiwillige Umwandlung zu Jod und Polystyrolen, innerhalb
einiger Stunden , sind aufserst characteristisch ; denn alle
diese Eigenschaften zeigt nur das Styrolen und selbst nur
das sehr reine Styrolen. Ich habe auf diese Art die Bildung
des Styrolens aus ölbildendem Gase constatirt. Bei der an-
gegebenen Zersetzung des letzteren ist die Menge des Styro-
lens geringer als die des Benzins.
Das Benzin und das Styrolen sind, die einzigen unter-
halb 200^ flüchtigen Kohlenwasserstoffe, welche in bemerk-
licher Menge entstehen; was eine Bestätigung abgiebt für
die Regelmafsigkeit der Beziehungen, welche zwischen dem
zersetzten Körper und den Producten der Umwandlung des-
selben existiren.
entstehenden Rohlenwasser Stoffe. 251
3) Bei etwa 200^ und höherer Temperatur gehen ver-
schiedene Flüssigkeiten über, welche bald zu einer krystal-
linischen Masse erstarren. Ich glaube, dafs der fluchtigere
Theü dieser Flüssigkeiten aus Naphtalinhydrür besteht, dessen
Geruch und Flüssigkeitsgrad er besitzt. Aber ich kenne bis
jetzt keine Reaction, welche geeignet wäre, kleine Mengen
dieses Kohlenwasserstofl*s nachweisen zu lassen ; die Bildung
desselben ist also noch nicht bewiesen. Hingegen lafst sieb
leicht feststellen, dafs die in dem flüchtigeren Theile con-
densirten Krystalle aus Naphtalin bestehen. Dieser Kohlen-
wasserstoff tritt übrigens auch mit seinem gewöhnlichen
Aussehen und in seinen gewöhnlichen Formen in dem Vor-
stofse auf, durch welchen der Strom des zersetzten Gases
hindurchgeht. Ich verweile hierbei- um so weniger, als
Magnus bereits vor langer Zeit die Bildung des Naphtalins
bei der Zersetzung des ölbildenden Gases beobachtet hat.
IL Ich will jetzt noch die Zersetzung besprechen,
welche das Formen oder Sumpfgas bei Rothgluhhitze erleidet.
Diese Zersetzung liefert, wie ich bereits vor sieben Jahren
constatirt habe, zunächst Acetylen, aber in geringerer Menge
als die des ölbildenden Gases. Auch Benzin entsteht, wie
man leicht feststellen kann, indem man einige Liter Sumpf-
gas durch eine rothglühende Röhre und dann in rau-
chende Salpetersaure leitet; ich habe auf diese Art nach
einander Nitrobenzin, Anilin und die das letztere characteri-
sirende schöne blaue Färbung erhalten. Endlich verdichtet
sich auch Naphtalin in dem Vorstofs, mit den diesem Kohlen-
wasserstoff gewöhnlich zukommenden Eigenschaften; was in
Uebereinstimmung steht mit dem von mir vor mehreren
Jahren bezüglich der Zersetzung des Sumpfgases Veröffent-
lichten.
Aus dem Vorhergehenden ergiebt sich : Die Bildung
des Acetylens C!4Hj , welches das Endproduct der bei hoher
.. . _ y
252 Luynes tf. EsperandieUj über
Temperatur vor sich gehenden. Zersetzangen ist, hat sar
nothwendigen Folge, dafs sich eine gewisse Menge Benzin
CisHo durch polymere Condensalion bildet. Aber wenn
Benzin und Acetylen bei Rothglühhitze zusammen sind, ist
die Bildung von Styrolen CieHg wiederum eine nothwendige
Folge ihrer gegenseitigen Einwirkung. Die Bildung des
Naphtalins resultirt ihrerseits aus der gegenseitigen Einwir-
kung des Acetylens und des Slyrolens oder, in entfernterer
Weisc^ des Benzins und des Acetylens.
Diese fast allgemein sich zeigende Bildung des Naphta-
lins, welche von so vielen Beobachtern bemerkt wurde , ist
von Anfang an wahrgenommen worden, weil dieser Kohlen-
wasserstoff krystallisirt und mit sehr characteristischen Eigen-
schaften begabt ist; aber sie blieb bisher unerklärt, weil man
das nicht weniger allgemeine Auftreten des Benzins und
namentlich die Anwesenheit und die directen Einwirkungen
des Acetylens nicht erkannt hätte, welches letzlere der fun-
damentale Erzeuger der bei hoher Temperatur entstehenden
Kohlenwasserstoffe ist
üeber pyrogallussaures Ammoniak;
von V. de Luynes und G. Esperandieu*).
Pyrogallussaures Ammoniak lafst sich im krystallisirten
Zustand in der Art erhalten , dafs man Pyrogallussiure in
Aether löst und die Flüssigkeit mit Ammoniakgas sättigt.
Es scheidet sich ein weifses, sehr deutlich krystallisirtes Salz
*) Ann. ohim. phyB. [4] XU, 120.
pyrogallussaurea Ammoniak, 253
aus, welches eine bestimmte Verbindung von Pyrogallnssäure
and Ammoniak ist. Es ergab in drei Bestimmungen 11;80;
11,80 und 12,00 pC. Ammoniak; nach der Formel CxkHoOuNHs
berechnen sich 11,88 pC.
üeber die directe Umwandlung des Aethylen-
chlorojodids zu Glycol;
von Maxwell Simpson*).
Vor einigen Jahren **) entdeckte ich eine Verbindung yon
{CI
j , welche ich als Aethylen-
chlorojodid bezeichnete. Ich habe mit diesem Körper sehr
viele Versuche angestellt, in der Hoffnung, dafs es mir ge-
lingen möge, unter Beibehaltung des einen der halogenen
Elemente in der Verbindung das andere gegen ein mono-
valentes Radical, wie Hydroxyl, Cyan o. a., auszuwechseln.
Alle diese Versuche haben nicht zu dem gewünschten Re-
sultate gefuhrt. Ich habe gefunden, dafs die beiden halo-
genen Elemente in jener Verbindung stets in Gemeinschafk
wirken, so dafs es unmöglich ist, das eine von ihnen durch
ein Radical zu ersetzen, ohne dafs die Ersetzung sich auch
auf das andere erstreckt. Einen dieser Versuche will ich
hier beschreiben, da er ein bestimmtes Resultat ergab.
In der Hoffnung, einen gechlorten Alkohol entstehen
zu lassen, erhitzte ich i Mol. Aethylenchlorojodid mit 1 Hol.
*) Philosophical Magazine [4] XXXV, 282.
**) VgL Ann. Ghem. Phamu GXXVn, 872.
r ' ■
r
354 StinpsoTif üher die directe Umwandlung
feuchtem Silberoxyd, wobei ich erwartete, dafs die Einwir-
kung gemäfs der Gleichung : ^
0,H/']^^. + ^^|o = GÄCl. OH + AgJ
vor sich gehen werde. Meine Erwartung bestätigte sich
jedoch nicht. Anstatt eines gechlorten Alkohols erhielt ich
Aethylglycol als das Product der Einwirkung, indem beide
halogene Elemente durch Hydroxyl ersetzt wurden :
Glycol.
Der Versuch wurde in folgender Art angestellt. In
einen starken Glaskolben mit langem Halse brachte ich 1 Mol.
Aethylenchlorojodid und 1 Mol. feuchtes Silberoxyd. Der
Kolben wurde dann zugeschmolzen und 24 Stunden lang
einer zwischen 160 und 200^ wechselnden Temperatur aus-
gesetzt. Machher wurde der Kolben geöffnet und der Inhalt
desselben filtrirt. Das Filtrat, welches vollkommen klar und
farblos war , wurde der Destillation unterworfen. Sobald
das Wasser übergegangen war, stieg das Thermometer rasch
auf 180^ und zwischen dieser Temperatur und 220" C. ging
eine beträchtliche Menge einer syrupdicken Flüssigkeit über,
welche ich an folgenden Eigenschaften als Glycol erkannte :
Sie besafs einen süfsen Geschmack ^ war löslich in Wasser,
siedete zwischen 195 und 200^, und gab bei Behandlung
mit Jodwasserstofl*säure Aethylenjodid. — Dieselben Resul-
tate wurden erhalten , als 1 Mol. Aethylenchlorojodid der
Einwirkung von 2 Mol. Silberoxydhydrat unterworfen wurde.
Bei der Destillation des Productes der eben besproche-
nen Reaction bemerkte ich , dafs nach dem Wasser eine
kleine Menge ChlorwasserstofTsäure überging. Das Auftreten
dieser Säure konnte ich mir nur durch die Annahme er-
klären, dafs das Aethylenchlorojodid das anwesende Wasser
eben so wohl als das Silberoxyd (von welchen nur 1 Mol.
des Aethylenchlorojodida zu OlycoL 255
zugegen war) zersetze, und dafs bei beiden Einwirkungen
dasselbe Product entstehe. Folgende Gleichungen machen
diefs verständlich :
G,H/'{^' + 2]^jO = €,H/'{^]^ + HCl + HJ.
Um hierüber ins Reine zu kommen, erhitzte ich 1 Ge-
wichtstheil Aethylenchlorojodid mit 5 Theilen Wasser in
einer zugeschmolzenen Röhre auf eine zwischen 160. und
220^0. wechselnde Temperatur, bis die ganze Menge der
ersteren Verbindung verschwunden war. Die Röhre wurde
dann geöffnet und das Product (welches Chlorwasserstoff-
und Jodwasserstoffsäure enthielt und durch etwas freies Jod
gefärbt war) mittelst verdünnter Kalilösung neutralisirt. Bei
der Destillation erhielt ich , wie vorher , eine syrupartige
Flüssigkeit, welche zwischen 180 und 220^* C. überging und
alle Eigenschaften des Glycols besafs. Die erhaltene Menge
war gering, da ein Theil des Glycols durch die bei der
Reaction entstandene Jodwasserstoffsäure zu Aethylenjodid
umgewandelt worden war.
Notiz über das Hydracetamid von Schiff;
von A. Strecker,
Die kürzlich von Schiff*) als Hydracetamid beschrie-
bene Base G6H18N2 habe ich schon vor 12 Jahren in der
scandinavischen Naturforscherversammlung in Christiania
'') Ann. Chem. Pharm. SuppL VI, 1.
1
256 Strecker, Notiz über das Bydracetamid von Schiff.
(1856) als Aldehydin characterisirt. Aus dem ofBciellen
Bericht *) S. 272 entnehme ich folgenden Auszug meines
Vortrags :
Wenn Aldehydammoniak in Berührung mit wenig Was-
ser, Alkohol oder Aether stehen bleibt, zerfliefst es zn
einer braunen syrupartigen Flüssigkeit. Dieses ist eine neue
Base von der Zusammensetzung CisHisN^, welche man Alde-
hydin nennen kann und deren Bildung durch die Gleichung :
3 {C4H4O, . NH,) =: C„Hi^, + 6 HO + NH.
sich erklärt.
Aldehydin ist in Wasser und Alkohol leicht löslich, in
Aether unlöslich, von alkalischer Reaction. Es vereinig! sich
mit Sauren zu neutralen, unkrystallinischen Salzen. Mit
Plalinchlorid giebt es einen amorphen Niederschlag von der
Formel C^HuN, . HCl + PtCl«.
Tübingen, 24. Juni 1868.
*) Forhandl. Ted de skaadinavske Natarfotskeres sjnrende Mode i
Christiama.
▲oBgeg^ben am 8. Angaat 1868.
ANNALEN
DER
CHEMIE UND PHARMACIE.
VI. Supplementbandes drittes Heft
üeber die Verbindungen des Phosphors;
von H. Wichelhaus.
Die nachfolgende Untersuchung hat den Zweck, die Un-
nöthigkeit der Annahme, dafs die Atome des Phosphors in
manchen ihrer Verbindungen anders, als dreiwerthig, seien,
darzuthun; sie berührt somit die allgemeine Frage, ob man
die Valenzgröfse der Atome constant oder wechselnd anzu-
nehmen habe.
Es sei mir gestattet, vorher mit wenig Worten zu er-
örtern, in wie weit diese Frage eine offene zu nennen ist.
Gebraucht man ^Valenz^ als kürzeres Wort an Stelle
des von A. W.Hof mann*) eingeführten „Quantivalenz^
in demselben Sinne, so ist es zunächst klar, dafs zur Bestim-
mung der relativen Gröfse dieser ^atomfesselnden Kraft^ nur
diejenigen Verbindungen dienen können, welche ein Molecul
reprasentiren.
Weiter wird wohl aligemein zugegeben werden, dafs, wenn
nicht die einzig mafsgebenden, so doch die sichersten Schlüsse
auf die Molecularconstitution der chemischenVerbindungen unter
Annahme der Avogadro'schen Hypothese**) aus ihrer
*) Modem chemistry (London 1865), S. 169.
**) Siehe L. Meyer, moderne Theorieen der Chemie, S. 20 ff.
AnnAl. a. Gham. n. Pharm. VI. annolflmAntbd. 3. Hflft. 17
258 Wichelkaus, über die Verhindungen
relativen Raumerföllang im Gas«- oder Dampfzustände gezogen
werden, und dafs es daher einer ganz besonderen Begrün-
dung bedarf, wenn man solche Körper zur Ableitung der
Valenzgröfse eines ihrer conslituirenden Atome benutzt, die
sich im Dampfzustande als je zwei oder mehr verschiedene
Holecule darstellen.
Erkennt man daher zunächst nur diejenigen Verbindan-
gen als mafsgebend an , welche unzweifelhaft — auf Grand
der Dampfdichte — einheitliche Molecule reprasentiren, so
fehlt zur Entscheidung der Frage, welches die Valenz der
Atome sei, nicht viel.
Die Atome des N z. B. sind von diesem Standpunkte in
allen ihren Verbindungen dreiwerlhig *) ; mit derselben Folge-
richtigkeit im Stickoxyd und im Salmiak, wie im Ammoniak
selbst.
In Betreff des Stickoxyds mag es. dann wohl ials abge-
kürzte Ausdrucksweise gelten , wenn man sagt : „Der Stick-
stoff ist in dieser Verbindung zweiwerthig^ anstatt : „die
Atome des Stickstoffs geben nur zwei ihrer Valenzen zu er-
kennen^ ; dafs dieselben aber in der That noch eine dritte
besitzen, geht mit Sicherheit daraus hervor, dafs das Stick-
oxyd ohne Austausch und ohne sein Volumen- im Gaszustände
zu verändern ein einzelnes, einwertbiges Atom (Gl) aufnimmt
— ein Fall, der einzig **) dasteht .und als dio unzweideu-
tigste Hanifestirung einer freien Valenz hervorgehoben zu
werden verdient.
*) Die Valenz der H -Atome als Einheit genommen.
^'^) Audi Eohlenozyd nimmt ein einzelnes Atoin (0) ohne Verftnderang
in den Bestand seines Molcculs auf; da aber dieses Atom zwei-
werthig ist, so ist der Fall, wie man leicht sieht, nicht so bewei-
send, wie dor des Stickoxyds.
des Phasphgre. 25&
Beim Salmiak ist es schon in keinem Sinne mehr ein
blofser Wortstreit, der sich darum dreht, ob die Sticks.loiiatome
in demselben drei- oder funfwerthig za nennen seien.
Denn die letztere Bezeichnnng schliefst die Annahme in
sich, dafs bei der Vereinigung von NHs und HCl das Stick-
stoffatom des ersteren Molecub Anziebungskräfle auf die
Atome des andern aufsere, die hinreichen, dessen Zusammen-
hall zu zerreifsen , so dafs die einzelnen Atome H und Cl
an Stickstoff gebunden werden, wie die bereits vorher da^u
gehörigen 3 H.
Da nun die durch die empirische Formel NH4CI bezeichnete
Gewichtsmenge Salmiak durch ihre Raumerfüllung im Dampf-
zustände andeutet, dafs sie eine doppelt so grofse Anzahl
von Moleculen umfafst, wie H« oder NHs 9 so ist die erwähnte
Annahme und Bezeichnung für das Sticksloffatom in gas-
oder dampfförmigen Verbindungen unhaltbar; so lange man
also seine Schlüsse vorzugsweise aus den Beobachtungen
ableitet, die der Dampfzustand gestattet, bleibt als atomisti-
sehe Molecularformiel des Salmiaks NHs, HCl als die einzig
richtige und damit die Dreiwerthigkeit der darin enthaltenen
N-Atome bestehen.
Nur unter den Phosphorverbindungen giebt es solche,
die nachgewiesenermafsen nur ein Molecul darstellen und
dennoch Veranlassung zur Annahme euier anderen Valenz
geben könnten, als die aus den einfachsten Verbindungen
(PClt und PH«) abgeleitete ist, weil sie neben dem Phosphor
mehr als drei andere Atome oder Gruppen enthalten.
Solche Verbindungen sind Phosphoroxychlorid und Tri-
äthylphosphinoxyd, sowie deren Analoge; sie enthalten aufser
dem Phosphor noch andere mehrwerthige Elemente (0 oder S),
lassen in Folge dessen verschiedene Auffassungen zu und
haben zum Theil bereits rationelle Formeln erhalten, welche
17»
260 W%chelhau$f über die Verbindungen
die darin enthaltenen Phosphoratome als dreiwerthig fest-
halten *).
Die Frage, welche Annahme hier die richtige sei, wird
also zu einer Frage nach der Constitution dieser Körper :
sie hat sich experimentell entscheiden lassen, und zwar zu
Gunsten der Trivalenz des Phosphors.
Eben so wird es wohl gelingen ^ etwaige Zweifel in
Betreff der Constitution ähnlicher Verbindungen anderer Ele-
mente zu heben, und es dürfte dann der Satz allgemeine An-
nahme finden, dafs in den auf Qrund ihrer Dampfdichte
unzweifelhaft aus einheitlichen Moleculen besiehenden Kör'^
pem die Valenz der Atome eine constante Oröfse ist.
Wenn man nun weiter , diesen Boden verlassend, solche
Verbindungen in die Betrachtung einfuhrt, deren Molecnlar-
gröfse zum Mindesten zweifelhaft ist, so erhält diese Gesetz-
mäfsigkeit allerdings zunächst den Anschein der Zufälligkeit.
Aber selbst in dem Falle, dafs z. B. der Salmiak und
der s. g. Fünffach - Chlorphosphor im festen Zustande anders
constituirt sind, als sie sich im dampfförmigen darstellen,
selbst wenn diese Körper in dem ersteren Zustande dennoch
einheitliche Molecule reprasentiren , obwohl ihre Dampfdichte
dagegen spricht, enthalt der obige Satz eine Wahrheit, die
sich in folgender Form aussprechen läfst :
Als unabhängig von den Aggregatzuständen ergiebt sich
nur eine einzige constante Valenz der Atome,
Hält man dann die Valenz der H- Atome als Einheit
fest, so sind in diesem Sinne diejenigen des 0, S u. s. w.
unabänderlich tweiwerthig^ des N, P, As u. s. w. dreiwerthig
und die des C, Si vierwerthig.
^) Keknld, Lehrbuch der org. Chemie I, 444.
des Phosphors^ 261
Diefs zugegeben^ wäre es doch wohl richtiger, die ad-
ditioneilen Kräfte , die in keiner gasförmigen Verbindung sich
kund thun, die aber nach der Ansicht vieler bedeutender
Chemiker den Atomen des N z. B. beim Uebergange ihrer
Verbindungen in den festen Zustand erwachsen und bei der
Verwandlung in Dampf wieder verloren gehen , mit einem
besonderen Namen zu belegen, denn sie sind jedenfalls ver-
schieden von der Valenz, die im Gas- oder Dampfzustände
ungemindert bestehen kann.
Wenn man sich ferner fragt, welcher Art diese Kräfte,
deren Wirkung im gas- oder dampfförmigen Zustande auf-
gehoben ist, seien, so dürfte wohl die Vorstellung, die man
sich von dem Wesen des Unterschiedes der Aggregatzustände
machen darf, unmittelbar darauf hinführen, dieselben für
moleculare zu erklaren.
Dazu kommt, dafs die entgegengesetzte Annahme, nach
welcher die dem Salmiak und Phosphorsuperchlorid entspre-
chenden Körper im festen Zustande atomistisch anders con-
stituirt sind, als im dampfförmigen, bis heute jeder stich-
haltigen Begründung entbehrt Denn die Ansicht von
Wurtz*), dafs die Dämpfe dieser Körper in demselben
Sinne abnorm zu nennen seien , wie die des Bromwasser-
stoffamylens bei Temperaturen über 360^, läfst sich, wie
C a h 0 u r s durch neue Versuche gezeigt hat *^) , nicht
halten, weil für die erwähnten Verbindungen die ent-
sprechende normale Dampfdichte fehlt, welche das Bromamyl
bei 40 bis 60^ oberhalb seines Siedepunktes zeigt.
Während daher die dem ^Bromwasserstoflamylen^ ana-
logen Körper nur eine Bestätigung für den wahrscheinlich
allgemein gültigen Satz liefern, dafs es für zusammengesetzte
*) Ann. Chem. Pliarm. CXXXV, 818.
**) Daselbst CXLI, 44.
262 Wichelhaus, über die Verbindungen
Gase oder Dditipfe irgend eine Temperatur der Spaltongr in
mehrere Molecule gicbt, müfste fQr Salmiak and Phosphor*
superchlorid ersi bewiesen werden ^ dafs ihre Dampfdichten
etwas anderes als die normale Raumerfflllung bimolecularer
Körper bedeuten.
Die Anziehtingskrdfle zwischen Moleculen bestehen im
Gaszustände nicht und werden bei der Ueberführung fester
oder flussiger Körper in Dampf aufgehoben : der nach der
Ansicht von Cannizzaro, Kopp und Kekule aus PCI3
und Clj bestehende Dampf des Phosphorsuperchlorids ist also
normal) wenn man annimmt, dafs dieser Körper auch im
festen Zustande ein bimolecularer ist.
Doch ist diese Anschauung ebenfalls unbewiesen und
wird des directen Beweises entbehren , so lange es nicht ein
eben so sicheres Mittel zur Feststellung der Moleculargröfse
fester oder flüssiger Körper giebt, wie die Dampfdichte für
den dritten Aggregatzustand ist.
Lassen sich nun aber auch ans dem Verhalten und den
Roactionen der fraglichen Körper Bestätigungen ihrer bi-
molecularen Natur ableiten, so durfte die Wahrscheinlichkeit
der Annahme , dafs die Valenz wechseln oder bei manchen
Elementen immer über das Hafs der im Dampfzustände er-
kennbaren hinausgehe*), sehr reducirt werden.
Da es gelungen ist, das Pbosphorsuperchlorid in diesem
Sinne aufzuklaren , so darf ich bofl'en , die Frage nach der
Valenz der Atome zunächst für den Phosphor durch die foU
gendcn Darlegungen zu entscheiden.
1) Darstellung der 4^thoxylderivate des Phosphors; Ker-
suche mit Mercaptan und Chlorj)ho8phor,
Die Chlorverbindungen des Phosphors zersetzen sich
bekanntlich mit Alkohol eben so, wie mit Wasser, unter
*) Siehe Erlonmcyor, Lehrb. d. org. Chemie, S. 41 ff.
dea Phosphors, 263
Ausgabe von Salzsaarc ; die Reste von Wasser und Alkohol,
die dabei mit dem Phosphor direct oder indirect in Verbin-
dung treten, sind Hydroxyl (OH) und' Aethoxyl (OCslis).
Man kann daher die Producte der Einwirkung von Alkohol
unter dem Namen Aethoxylderivate zusammenfassen.
Um dieselben in gröfseren Mengen zu erhalten, verfährt
majfi am Besten in folgender Weise.
Je nach den anzuwendenden Mengenverhältnissen läfst
man Alkohol^ der absolut wasserfrei sein mofs, zu PCIs^ be-
ziehungsweise POCI3 , oder die letzteren Körper zu Alkohol
tropfenweise zufliefsen, während mit Eis stark abgekühlt und
60 das Entweichen von Salzsäure während der Reaction bei-
nahe vollständig vermieden wird.
Aus dem so erhaltenen Gemische wird dann die Salz-
säure durch einen anhaltenden Strom trockener Kohlensäure
verdrängt, und während die letztere noch durchstreicht, auf
dem Wasserbade gelinde erwärmt, wenn in der Kälte kein
Entweichen mehr stattfindet.
Die rückständigen Producte werden, so weit diefs mög-
lich ist, im WasserstoiTstrom destillirt und durch Rcctification
gereinigt.
Bei genauer Beobachtung dieser Vorsichtsmafsregeln,
deren Zweck wesentlich darin besteht, die zersetzende Ein-
wirkung der Salzsäure auf die Aethoxylgruppcn der ent-
stehenden Körper und die Oxydation in der Hitze zu ver-
meiden, erhält man die chlorfreien Producte in nahezu
theoretischen Mengen, und die noch chlorhaltigen^ sofern sie
sich ohne vollständige Zersetzung destilliren lassen, ziemlich
leicht und annähernd rein.
Die entstehenden Körper sind folgende :
1) aus PClj durch Einwirkung von 1 C^Ufi : HCl + PCl,(0C,n5) I.
n n n n n 2 C,HeO : 2 HCl + rCl(OC,II,), H.
, n n . n 3 C^H^O : 3 HCl + P(0C,H5)s lU.
264 Wichelhaus, über die Verbindungen
2) aus POCls durchEinwirkung von 1 C,HeO : HCl + POCl«(OC,Hft) IV.
• n . n n 2 C^O : 2 HCl + POCl(OCÄ)g V.
n !> » . !> n 3CäO:8HC1 + PO(OC,H*), VL
Phosphorsuperchlorid PCI5 bildet keine, ihm zugehörigen
Derivate, sondern gebt bei der ersten Einwirkung von Al-
kohol in Phospboroxychlorid üben
I und III Aethylphosphorigsiurechlorfir und Phosphorig-
saure - AethylSther sind von Menschutkin*) und von
Railton^*) beschrieben.
II und Y. Die durch Einwirkung von 2 Hol. Alkohol
entstehenden Körper PCl(OC2H5)s und POC](OC2H5)2 lassen
sich nicht unzersetzt destilliren und daher als solche nicht
wohl reinigen.
Die Existenz des ersteren wurde durch ein Umwand-
lungsproduct und dessen Ueberführung in Aethylphosphor-
saure festgestellt (siehe weiter unten).
Eben so geht die des zweiten aus der Bildung dialhyl-
phosphorsaurer Salze hervor. Man braucht nur das noch
unreine Product der Einwirkung von 2 Hol. Alkohol auf
1 Hol. Phosphoroxychlorid vorsichtig in Wasser einzutragen
und mit kohlensaurem Blei zu neutralisiren , um alsbald be-
trächtliche Hengen eines in Wasser und Alkohol löslichen
Bleisalzes zu erhalten , dafs im Aussehen demjenigen der
Diöthylphosphorsaure völlig gleicht.
0,1546 Grm. dieseB Salzes gaben 0,0911 PbS04; daraus borocbnon
sich 40,23 pC. Pb ; die Formel P04(CsH5},Pbv, verlangt 40,35
pC. Pb.
Han hat also ?Oi{CS^)tll, entstanden durch Zusatz von
Wasser aus POCl(OC2H5)8 nach der Gleichung :
Pp,Cl(CA)« + H,0 = HCl + P04(CA),H.
*) Ann. Chem. Pharm. CXXXIX, 843.
**) Daselbst XCH, 348.
des Phosphors. 265
IV. P0CIs(0CsH5) , Aelhylphosphorsiurechlorid^ ist ein
dünnflüssiges, in Wasser unlösliches , aber damit leicht zer-
setzliches Oel, das im Wasserstoffstrom deslillirt werden
kann und ziemlich constant bei 167^ siedet. Dabei findet
immer eine geringe Zersetzung statt ; doch bezeugt die Chlor-
bestimmung eine sehr annähernde Reinheit des Körpers«
0,2764 Grm. Chlorid gaben 0,4700 AgCl tmd 0,0062 Ag.
Daraas berechnen sich 42,9 pC. Gl ; die Formel FOjfilffifi^ verlangt
43,5 pC. C.
Das Chlorid zerflierst an feuchter Luft unter Ausgabe
von Salzsaure zu einer syrupartigen Säure und liefert Salze,
die gleiche Löslichkeit und sonstige Eigenschaften zeigen,
wie die der bekannten Aethylphosphorsäure.
Auch die Zusammensetzung ist die gleiche.
0,1992 Grm. des bei 100^ getrockneten Ba- Salzes gaben 0,1768
BaSO«.
Daraus berechnen sich 52,16 pC. Ba; die Formel POfCsHgBa ver-
langt 52,49 pC. Ba.
Bei der Zersetzung des Chlorids mit Wasser, ja sogar
beim Zerfliefsen an der Luft, bildet sich immer neben Aethyl-
phosphorsäure eine krystallinische Substanz in geringer Menge,
die an ihren Eigenschaften als Oxalsäure erkannt wurde.
Die Analyse eines Salzes hat diefs bestätigt.
0,2055 Grm. Ba-Salz dieser krjstallinischen Bäure ^ gaben 0,2015
BaSO«; daraus berechnen sich 56,38 pC. Ba; die Formel
C,04Ba, H,0 verlangt 56,37 pC. Ba.
VL PO(OC8H5)3, Phosphorsäureäthyläther, der schon
▼on Schiff in dieser Weise erhalten wurde, siedet im
Wasserstoffstrom constant bei 203^
Wenn es noch besonderer Darlegung bedarf, dafs diese
Körper Aelhoxylgruppen enthalten, so ist für die Hehrzahl
derselben characteristisch, dafs sie äthylirte Säuren des Phos-
phors sind oder bei der Zersetzung mit Wasser liefern.
1
266 WichelhauSf über die Verbindungen
Aelhylphosphorige Säure ist nicht bekannt ond hat sich auch,
nach Menschutkin's Angabe, nicht aus dem Aetfaylphos-
phorigsfiurechlorur erhalten lassen ; dafs dieser letztere Kör*
per aber nichtsdestoweniger ein Aethoxylderivat ist^ kann
wohl nicht bezweifelt werden ; wenn man die Analogie seiner
Bildungsweise mit derjenigen der anderen , so wie die Ge-
setzmarsigkeit der SiedepunktsdiiTerenzen in Betracht zieht,
die ich schon *) hervorhob : Der Eintritt von 1 OC2H5 an
die Stelle. von Cl im Phosphorchlorid PCI3 erhöht den Siede-
punkt um 390 und der von 3 OC2H5 um 114^ also 3 x 38^
Man erhalt :
OCjHj OCjHft
PCI (Siedep. 117<>) ond POCjHj (Siedep. 192«).
Cl OCjH,
Wendet man an Stelle des Alkohols Hercaptan an, so
verlaufen diese Reactionen in ahnlicher Weise und bilden
sich ohne Zweifel analoge schwefelhaltige Producte.
Doch zersetzen sich diese letzteren nicht nur bei noch
so vorsichtiger Destillation unter Ausscheidung von Phosphor
und Schwefel : sie zeigen diese leichte Zersetzbarkeit
auch noch in den Umwandlungsproducten^ deren Darstellung
nach Analogie der Aethoxylderivate versucht wurde und die
jetzt naher beschrieben werden solle».
2) Umwandlung sproducte der Aethoxylderivate durch Chlor
und Brom'; Constitution des Phosphoroxychlorids,
Aus dem ersten Product der Einwirkung von Alkohol
auf PCI3, dem Aethylphosphorigsaurecblorür, wird die Aethyl*
gruppe durch Chlor und Brom mit Leichtigkeit eliminirt; es
entstehen Phosphoroxychlorbromür und Phosphoroxychlorid**).
*) Berichte d. d. ehem. Gesellsch. 1868, S. 77.
**) Siehe d. vorlaufige Notiz über diesen Gegenstand in der Zeitschrift
für Chemie, Juni 1867.
des Phosphors. 267
Diese Umwandlungen verlaufen sehr glatt und beinahe
quantitativ ; man kann daher die Constitution des Phosphor-
oxycblorids mit ziemlicher Sicherheit daraus ableiten :
OCjHß OCl
PCI + eil = CICÄ + PCI
Cl Cl
(Aothylphosphorig- (Phoaphoroxy-
BäurechlorÜr) chlorld).
Doch sind die Reactionon ungewöhnlich und es erschien
daher wünschenswertb, die in dieser Gleichung angenommene
Art ihres Verlaufs durch weitere Belege zu stützen.
In der That hat sich dieselbe an den beiden anderen
Derivaten des Phosphorchlorids verfolgen lassen.
Leitet man Chlor in das Product der Einwirkung von
2 C^H^O auf PCI3, so entweicht unter Erwärmung der Flüs-
sigkeit ein Gas, welches an seiner grün gesäumten Flamme
leicikt als Chlorathyl erkannt wird. Nach beendigter Gas-
entwickelung lafst sich die nunmehr schwach grün gefärbte
Flüssigkeit destilliren und geht zum gröfsten Thoile zwischen
140 und 160^' über. Bei der Rectification steigt der Siede-
punkt und wird bei 167^ (im WasserslofTstrom) constant.
Obwohl immerhin eine geringe Zersetzung stattfindet,
lallst sich leicht ein ziemlich reines Product in gröfscrer
Menge erhalten.
Die Analyse dieses an der Lufl rauchenden und zu einer
syruparligen Saure zcrfliefsenden Körpers hat folgende Re-
sultate gegeben :
1) 0,2484 Grm. gaben 0,1644 PAMg,.
2) 0,3331 Grm. gaben 0,1193 U,0 und 0,1748 CO,.
3) 0,2366 Qnn. gaben 0,0647 H^O und 0,1297 COs.
Die daraus berechneten Zahlen führen zu der Formel
FO2CI2C2H5.
1
berechnet
p
31 19,02
0,
32 19,63
CI,
71 43,56
c.
24 14,73
H,
5 8,06
268 WiohelhauSf über die Verbindungen
gefunden
1. 2. 3. 4.»)
18,5 — — —
— — — 44,0
— 14,29 14,37 —
— 3,9 3,04 —
100,00.
Der so erhaltene Körper ist also nach Zusammensetzang
und Siedepunkt identisch mit dem oben beschriebenen Pro-
duct der Einwirkung von 1 CaHuO auf PÜCI3 ; er zersetzt
sich ganz in derselben Weise mit Wasser, unter Bildung
einer geringen Menge Oxalsäure, zu einer syrupförmigen
Säure, deren Salze keine Verschiedenheit von denen der be-
kannten Aethylphosphorsäure zeigen.
Die Salzbildung geschieht am Besten, indem man das
Chlorid in Wasser eintragt, welches kohlensaures Silber
suspendirt enthalt.
Zwei Ag- Bestimmungen des bei 100^ getrockneten lös-
liehen Salzes ergaben 63,1 und 63,5 pG. Ag; die Formel
P04(C2H5)Aga verlangt 63,5 pC. Ag.
Demnach führen die besprochenen Verwandlungen des
ff
Phosphoroxychlorids und des Phosphorchlorids PCls zu den-
selben Producten und ist die Verbindung PO2CI2C2H5 das
Chlorid der Aethylphosphorsäure.
Dasselbe unterscheidet sich, wie aus der ersteren Bil-
dungsweise hervorgeht, von dem Phosphoroxychlorid dadurch,
dafs es ein Cl-Atom des letzteren durch Aethoxyl ersetzt
*) Die Clüorbestimmtuigen fallen stets zu hoch aus, wenn man nach
Garius im Kugeschmolzencn Rohr oxjdirt; anch beim FftUen in
ganz verdünnter Lösung erhält man das Chlorsilber nicht absolut
rein; daher etwas zu viel Chlor gefunden wurde.
des Phosphor». 269
enthalt; andererseits bildet es sich durch Binwirkong von
Chlor auf ein Bialhoxylderivat des Phosphors neben Chlor-
atfayl, so dars der Vorgang seinen einfachsten Ausdruck in
einer Gleichung erhalt, die der oben bei der Bildung des
Phosphoroxychlorids aus Aethylphosphorigsaurechlorür auf-
gestellten völlig analog ist :
OCjHj OCl
POCA + Cla = CICÄ + POCÄ
Cl Cl
(Diftfhylpliospliorig- (Aethylphoaphor-
silureohlorär) säuredilorid).
Danach wird die Constitution der Aelhylphosphorsaure
O.OH
angedeutet durch die Formel POCaH« and die Bildung ihres
Chlorids aus dem Phosphoroxychlorid durch die Gleichung :
OCl OCl
PCI + CjHeO = HCl + POCgH«
Cl Cl
Das einfachste Triathoxylderivat des Phosphors, der Phos-
phorigsdnre-Aethyldther, wird durch Chlor und Brom in
ahnlicher Weise verändert.
25 Grm. P(OC8H5)3 (Siedepunkt 192^) nahmen 24 Grm.
Brom unter Entfärbung auf und gaben bei der Destillation
auf dem Wasserbade 15 Grm. Bromäthyl.
Diese Mengen entsprechen den nach der Gleichung
P(OCjae)s + Br, = BrCA + P(0C,H5),0Br
berechneten.
Das auf dem Wasserbade rückständige Product läfst sich
nicht ohne Zersetzung destilliren; eben so wenig das durch
Einleiten von Chlor bis zur leichten Grflnfärbung der Flüs-
sigkeit erhaltene.
Beide rauchen an der Luft und geben, mit Wasser und
kohlensaurem Silber zersetzt, diäthylphosphorsaure Salze.
Der Schmelzpunkt des so dargestellten Bleisalzes wurde bei
270 Wtchelhaua, über die Verbindungen
180^ beobachtet; stimmte also mit dem des bekannten SaUes
überein.
0)5216 Giin. desselben, mit Schwefelsäure zersetzt, gaben 0,8022
PbS04; daraus berechuen sich 39,61 pC. Fb, während die
Formel P04(C,H5)2Pbt/3 40,25 pC. Pb verlangt.
Es geht hieraus hervor, dafs der durch Einwirkung von
Chlor unter Austritt von Chlorathyl aus dem Phosphorigsäure-
Aethylather erhaltene Körper wiederum identisch ist mit dem
Producte der Einwirkung von 2 Hol. Alkohol auf Phosphor-
oxychlorid; man wird von Neuem auf die den oben ange-
nommenen Verlauf bestätigenden Gleichungen geführt :
OCjHj OCl
POGjHg + pi, = ClCgH« + POCjHg
OCgHj OCjHb
(Phosphorigsäure' (Diäthylphosphors&ure-
Aethyiather) chlorür).
und
OCl
'
■
OCl
PCI
+
2 CÄO
s=
2 HCl
+
POCjHj.
Cl
OCA
Die daraus abgeleitete Constitution der Diathylphosphor-
O.OH
säure wird durch die Formel POCgHs angedeutet.
OCjHß ^
So läfst sich also die Reaction von Chlor und Brom auf
alle drei Aethoxylderivate des Phosphorchlorids PCls anwen-
den ; sie fuhrt zu Verbindungen , die sich andererseits von
dem Phosphoroxychlorid ableiten und die man als Aethyl-
und Diäthylphosphorsäurechlorür bezeichnen kann.
Auf diese letzteren Körper findet dieselbe Reaction dann
keine Anwendung mehr ; Chlor ist ohne Einwirkung und Brom
hat Zersetzung zur Folge. Hit Hülfe des letzteren laftt sich
zwar, durch Erhitzen auf 100^ in zugeschmolzenen Röhren,
noch weiter Aelhyl in Form von Bromäthyl abspalten; aber
es bilden sich dabei schon in den Röhren klebrige Hassen
und die an der Luft stark rauchenden Producte geben mit
des Phosphors, 27t
Wasser Phosphorsäure, als Beweis einer eingreifenderen Um-
wandlung.
Dabei tritt der Geruch und die bleichende Reaction der
unterchlorigen Säure auf.
Dasselbe Verhalten gegen Brom zeigt das vom Phosphor-
oxychlorid abgeleitete Triäthoxylderivat, der Phosphorsäure-
Aethylather.
Auch diese Zersetzungen erklären sich näturgemäfs, wenn
man die Formel PGl8(0CI) für das Phosphoroxychlorid an-
nimmt und die Einwirkung von ChloV und Brom auf die zu-
erst besprochenen Derivate als Verwandlungen je einer
Aethoxylgruppe dieser Körper in Chloroxyl (OCl) oder Brom-
oxyl (OBr) aufTafst.
Es ist a priori unwahrscheinlich, dafs zwei solcher (der
letztgenannten) Gruppen neben einander an demselben P-Atom
OCl
bestehen können, und es zersetzt sich daher der aus poc,H0
ci
durch Einwirkung von Brom etwa entstehende Körper
OCl
poBr mit Wasser unter Ausgabe von unterchlorigcr Saure
HOCI.
Aus dem Phosphorsaure -Aethylather wird vermuthlich
OOBr
POCsHj gebildet, also eine Atomgruppe -OOBr, die der-
OC5H5
fenigen der chlorigen Saure -OOCI entspricht und leicht zur
Zersetzung Veranlassung giebt.
Die Annahme von Chloroxyl im Phosphoroxychlorid kann
ferner die oxydirende Wirkung erklären , die sich beim Zer-
fliefsen des äthylhaltigen Derivats durch die Bildung einer
kleinen Menge Oxalsäure zu erkennen giebt.
Dazu kommt nun noch die Beziehung des Phosphoroxy-
chlorids zur Phosphorsaure.
272 Wickelhaus'f über die Verbindungen
Es warde oben gezeigt, dafs sich darch eine quantitativ
verlaufende klare Reaction eine Aethylgruppe im Phosphörig-
säure-Aethylather durch Brom ersetzen läfst, und dafs dann
ein Derivat der Phosphorsaure entsteh!, indem Hydroxyl an
die Stelle des Broms tritt.
Danach kann man die Oxydation der phosphorigen Saure
zu Phosphorsäure nicht anders auffassen, als dafs ein H-Atom
der ersteren durch Hydroxyl ersetzt wird ; die Folge davon
ist die Ungleichwerthigkeit der Wasserstoffatome in dem
Oxydationsproduct.
Man hat :
OH O.OH
2P0H + Ot = 2P0H
OH OH
(phosphorige (Phosphor-
Säure) säure).
Diese Constitutionsformel der Phosphorsaure, die ahnliche
Isomerieen unter ihren Derivaten voraussehen Ififst, vrie sie
Kolbe an denjenigen der schwefligen Saure nachgewiesen
hat^), steht mit dem ganzen Verhalten bei der Salzbildung
im besten Einklänge und erklärt namentlich ihre Neigung
zu polymerisiren , wodurch sie sich von der phosphorigen
Säure unterscheidet :
O.OH O.OH 0-0-0
POH + POH = HjO + POH OHP
OH OH OH OH
(Pyrophosphor-
sfture).
Da nun das Phosphoroxychlorid das Trichlorid von
O.OH
POH ist, SO wird man auch durch diese Beziehung darauf
OH ^
OCl
geführt, dasselbe durch die Formel ^oi zu bezeichnen.
^) Ann. Chem. Pharm. CXLHI, 72.
des Phosphors. 273
3) Einwirkung von Zinkäthyl auf Äeihylphosphorigsäure^
chlorür; Constitution des Triäthylphosphinoxyds.
Nachdem der eigenihümliche Cbaracter und das normale
Dampfvolamen des Triäthylphosphinoxyds durch Hof mann
hervorgehoben war, hat Pebal die Constitution desselben
als eine ketonartige angenommen *).
Der Versuch , diese Annahme durch eine künstliche Bil-
dung aus Phosphoroxychlorid und Zinkithyl zu bestätigen,
nahm jedoch einen unerwarteten Verlauf.
Diefs erklart sich unter Annahme der eben begründeten
Constitution des Phosphoroxychlorids durch folgende Glei-
chungen :
I. 2 PCa,(OCl) + 3 ZnCCjHj), = 2 PCCÄ)« + 2 ZnCl, + Zn(OCl),.
IL Zii(OCl), + ZnCCA), = 2 ClCjHs + 2 ZnO.
(nnterchlorigs. Zink)
In der That erhielt Pebal eine Verbindung von Tri-
Sthylphosphin mit Chlordthyl und Chlorzink neben basischem
Chlorzink :
[P(CjB[e)a • ClCjHskZnCl, + (ZnCl),0,
also genau die diesem Verlaufe der Reaction entsprechenden
Producte.
Nichtsdestoweniger sind Phosphoroxychlorid und Triathyl-
phosphinoxyd analog constituirte Verbindungen, wie die fol-
gende Bildung des letzteren aus Aethylphosphorigsäurechlorär
and Zinkathyl^ zeigt.
Die Mischung dieser beiden Körper wurde, um jede
Oxydation während des Versuches zu vermeiden, in einem
mit Leuchtgas gefällten Apparate vorgenommen : Anfangs
ruft jeder Tropfen des Chlorürs. lebhaftes. Zischen in dem
*) Ann. Chem. Pharm. CXX, 194.
**) Konce Angabe über dessen^Darstellung siehe Ber. d. d. chem. Qes.
1868, S. 140.
4fi
a • M 4^1.^_ _ «*!..__. TIT a»~^1>>_A~AU J O ITj^M
f
274 Wichelhaus^ über die Verbindungen
Zinkäthyl hervor und mufs die Masse aufserlich abgekühlt
werden; gegen Ende unterstützt man die Einwirkung durch
gelindes Erwärmen.
Das Product aus je 1 Hol. PCIsCOCsHs) und Zn(CsH5)i
ist eine klare dicke Flüssigkeit ; es löst sich in Wasser ohne
Reaction und ohne Ausscheidung auf, enthält also weder
Triäthylpbosphin, noch Zinkoxyd.
Dagegen liers sich leicht Chlorzink nachweisen und
schied sich auf Zusatz von festem Kali Triäthylphosphinoxyd
als dickes Oel auf der Oberfläche aus, indem zugleich der
widrige Geruch der Phosphorbasen deutlich auftrat. Das Tri-
äthylphosphinoxyd destillirte zwischen 240 und 245^ gab die
characteristische Fällung mit Jodzink und besafs alle Eigen-
schaften des von Hof mann beschriebenen Körpers.
Da nun nach dem ganzen Verlaufe der Reaction nicht,
wie bei dem Versuche von Pebal, eine secundäre Bildung
desselben angenommen werden kann, so hat man fQr die
Entstehung die einfache Gleichung :
OCgHj OCÄ
Pa + Zn(Q|H5)g = ZnCl, + PC^
Cl C,Hj
(ActhylpLosphorig- (TriAthylpho^liin-
stturechlorür) ozyd).
Das Triäthylphosphinoxyd ist also Diäthyläthoxylphosphin,
ein Mittelglied zwischen Triäthylpbosphin und Phosphorigsänre-
Aethylälher ; seine Consitution ist derjenigen des Phosphor-
oxychlorids analog und beide entstehen aus dem intermediären
Aethylphosphorigsäurechlorür 9 je nachdem C^Vk durch Cl,
oder umgekehrt 2 Gl durch 2 C2H5 ersetzt werden.
Beide Körper bilden sich bekanntlich auch durch directe
Einwirkung des Sauerstofl*s auf Phosphorchlorid PCls und
Triäthylpbosphin V{C^U^)s; man hat dabei eine Einschiebung
des Sauerstoffs zwischen zwei vorher direct verbundene
Atome oder Gruppen anzunehmen, wie sie bei der Bildung
I
dea Phosphors* 275
Ton unterchloriger Saure HOCl aus HCl und von Zinkalkoholat
Zn(OC8H5)9 aus Zinkäthyl Zn(GiH5)t stattfindet.
Auch die Bildung der dem Triäthylphospfiinoxyd ent-
sprechenden Schwefelverbindung durch directe Einwirkung
dieses Elements auf TriSthyiphosphin (Hof mann) hat ihre
Analogie in der Umwandlung von Zinkathyl zu Zinkmercaptid
Zn(SQ,H6)s (Frankland).
4) Bimoleculare Natur des Phosphorsuperchlorids,
Die Verbindung des Phosphorchlorids mit Chlor, das
sogenannte Phosphorsuperchlorid PCI5, zeigt dreierlei wichtige
Reactionen :
1) Substitution von H durch Cl, unter Entwickelung von
Salzsaure und Hinterlassung von Phosphorchlorid ; z. B. :
CeH« . SO,H + PCI5 = CA . flOtCl + HCl + PCI«
(benzolschwefllge (Sulfobenzol-
8äare) chlorür).
2) Einführung von Chlor an die Stelle von Sauerstofi* in
Verbindungen, wie Aceton oder Chinon unter Bildung von
Phosphoroxy Chlorid ; z. B. :
CO(CH,), + PCI5 = POCl, + CCl^CCHs),
Aceton Methylchloracetol.
3) Ersetzung von Sauerstoff und Wasserstoff (Hydroxyl)
in Sauren oder Alkoholen durch Chlor, wobei Phosphoroxy-
chlorid und Salzsaure entstehen; z. B. :
CjHaO . OH + PCI5 = Cj^jO . Cl + POCl« + HCl
(Essigsäure) (Chloracetyl).
Die erste und einfachste dieser Reactionen wird, wie
R. Otto gezeigt hat*), in derselben Weise durch freies
Chlor zu Stande gebracht, wenn sich Phenyl an der Stelle
des zu ersetzenden H-Atoms befindet :
CeHg.SOj.CA + Cl, = aCeHj + CÄ-SO^Cl
(Sulfobenzid) (Solfobenzolofalorür).
^) Ann. Chem. Phann. CXLI, 97.
276 Wichelhaus, über die Verbindungen
In dieser Abhandlung sind ferner drei Fälle besprochen,
in denen die Ersetzung des Aethyls, welches den Platz
eines HydroxylwasserstoiFs einnimmt, durch Chlor geschieht.
Sofern also die Substitution des Wasserstoffs oder einer
dessen Stelle einnehmenden Gruppe mittelst Phosphorsuper-
chlorid bewirkt wird, kann man das Phosphorchlorid, welches
dabei zurückbleibt, als Träger von Chlor ansehen, der dessen
Wirkung verstärkt, ähnlich wie das Chlorjod JCl durch vor-
übergehende Bildung von JCI.CI2 die Verwandlung der
Essigsäure in Chloressigsäure durch Chlor erldchtert (H.
Hüller).
Die zweite Reaction des Phosphorsuperchlorids besteht
offenbar in einer Verdrängung des Sauerstoffs durch Chlor
und schliefst die Veränderung des rückstandigen Phosphor-
chlorids, nämlich die Oxydation desselben zu Phosphoroxy-
chlorid in sich.
Danach kann man die dritte Art der Einwirkung in ver-
schiedener Weise auffassen.
Gewöhnlich wird angenommen , dafs bei der Verwand-
lung von Essigsäure in Chloracetyl das Sauerstoffatom des
Uydroxyls der Säure durch Cl« ersetzt wird, so dafs C^HsO . CI u.
CIH resultiren, während gleichzeitig der freiwerdende Sauer-
stoff zur Bildung von Phosphoroxychlorid Veranlassung giebt
Man kann aber eben sowohl sich denken, dafs zunächst
die mit 1) bezeichnete Reaction, nämlich Substitution des
H- Atoms im Hydroxyl durch Cl, eintritt und dafs die so ent-
standenen Körper :
CÄO.OCl + PCI,
sich umsetzen zu
cAo.ci + pci,(oa).
Der letztere Verlauf ist wahrscheinlicher, wenn man an-
nimmt, dafs in den Wirkungen des Phosphorsaperchlorids in
erster Linie eine durch die Anwesenheit von PCI3 versttrkte
des Phosphors. 277
und bestimmte Wirkung den Chlors hervortritt ; er mufs sich
erkennen lassen, wenn man das Phosphorchlorid zum Trager
Ton z« B. Brom, statt von Chlor macht.
Das ist nun leicht möglich : Phosphorchlorid geht mit
Brom wie mit Chlor unter Erwärmung eine in starken Kalte-
mischungen krystallinisch erstarrende Verbindung ein und
dieser Körper ist bereits von Friedel und Ladenburg*)
mit Erfolg zur Ersetzung des Aceton-Sauerstoirs durch Brom
benutzt worden.
Dieses bei gewöhnlicher Temperatur aus zwei flussigen
Schichten bestehende Gemenge wirkt, wie sich bald ergab,
eben so auf hydroxylhaltige Körper ein, wie Phosphorsuper-
chlorid.
Man sieht nun leicht, wie der Verlauf einer solchen
Reaction die obige Frage beantworten mufs.
Erfolgt in dem hydroxylhaltigen Körper die Ersetzung
des Sauerstoffs durch Chlor oder Brom, wie im Aceton, so
entsteht z. B. aus Essigsäure C2HSO . OH durch PClaBr« :
C ^0 . Br Q. BrH neben POCl«.
Im anderen Falle dagegen, wenn zuerst die Substitution
des Wasserstoffs im Hydroxyl erfolgt, sind die Mittelglieder :
CtH,0 . OBr und PG]„
die schliefslich resultirenden Producte :
CjiHjO . Cl nnd PCl,(OBr).
Essigsäure war zu dem Versuche weniger geeignet,
weil Phosphorchlorid PCls an und für sich darauf einwirkt;
Benzoesäure aber wird durch letzteres nicht verändert und
hat daher bald zur Entscheidung geführt.
Lafst man Brom zu einem Gemenge von je 1 Mol. C7H6O2
und PCls tropfenweise zufliefsen, so beginnt gleich eine heftige
Reaction : es entweichen rauchende Dampfe, die Chlbrwasser
*) BoU. SOG. ofaim. Vm» 146.
278 WichelhauSf Über die Verbindungen
braun färben, also jSromwasserstoff sind, und es tritt all-
mälig Verflussigong ein. Die nach Zusatz von 1 Mol. Brom
schwach gefärbte Masse lafst sich ohne Rückstand destUlireii,
enthält also nicht etwa Brombenzoesäure. Man erhält neben
Bemoylchlorid einen höher als Phosphoroxychlorid siedenden
Körper, der bei der Rectifiatlon den von Menschotkin
für Phosphoroxychlorbromfir angegebenen Siedepunkt (135
bis 137^) zeigt und die entsprechende Zusammensetzung hat,
wie aus der folgenden Analyse hervorgeht
1) 0,8119 Grm. des Körpers gaben 1,9646 AgCl + AgBr.
2) 1,6291 Gnn. dieses Qemenges verloren beim Glühen im Cblor>
Strom 0,1497 an Gewicht
Danach berechnen sich 40,64 pC. Br xmd 36,66 pC. Cl.
Die Formel POCI^Br verlangt 40,40 pC. Br und ,35,85 pC. CL
So erhält man also aus
PCyBr, + CH*0 . OH : C^H^O . Cl und PCl,(QBi)
und ist der Verlauf der Reaction so anzunehmen y dafs als
Zwischenproducte entstehen :
C^HgO.OBr und PCI,.
Was nun hier erkennbar ist, wird natürlich verdeckt,
wenn kein Brom, sondern nur Chlor an dem Processe Theil
nimmt; es erscheint aber um so mehr gerechtfertigt, ent-
sprechende, OCl an der Stelle von OH enthaltende Mittel-
glieder als Producte der ersten Phase der Reaction von
Phosphorsuperchlorid aufHydroxylverbindungen anzunehmen,
weil derartige Körper nicht nur überhaupt darstellbar sind
— C2H3O.OCI Essigsäure-Chlor von Schützenberger —
sondern, insofern sie neben PCls beständig sind, aus dem in
Rede stehenden Processe selbst hervorgehen | die mit 1) be-
zeichnete Reaction].
Man hat daher allen Grund , die Einwirkung von Phos-
phorsuperchlorid auf Hydroxylverbindungen als eine SabsU-
tution des Hydroxylwasserstoffs durch Chlor aufzufassen, der
des Phosphors» ' 279
dann in vielen — nicht in allen — Fallen eine weitere Um-
setzung der entstandenen Producte folgt«
In allen Fällen hat man :
X.OH + PCU.Cl, = PCls + X,0C1 + HCl,
dann weiter in den meisten :
X , OCl + PCI, == X . Cl + PC1,(0C1).
Die Wirkung des gewöhnlich gasförmigen Chlors, die
in manchen Fallen eine gleiche ist, wird natürlich durch die
Existenz desselben in einer festen Verbindung verstärkt und
durch die Gegenwart von PCU bestimmt.
Der Vergleich des Fhosphorsuperchlorids mit Chlor-
phosphor-Brom FCI9 . Br^ hat noch eine andere Bedeutung.
Die letztere Verbindung ist bereits als Flüssigkeit unverkenn-
bar in demselben Zustande, wie die erstere als Dampf. Die
Holecule FCls und Br^ , die zusammen krystallisiren, verlieren
ihren Zusammenhalt schon bei der Verflüssigung , so wie die
Holecule PCls und Cls bei der Verwandlung in Dampf.
Nichtsdestoweniger reagirt das blofse Gemenge Chlor-
phosphor-Brom eben so wie Cblorphosphor-Chlor, dessen
empirische Formel PCI5 ist und das man daher gewöhnlich
FuniFach-Chlorphosphor nennt.
So wird also die vonCannizzaro, Kekule und Kopp
auf Grund der Dampf dichte ausgesprochene Ansicht, dafs der
letztere Körper eine moleculare Verbindung sei, bestätigt
durch die Art und Weise seiner Reactionen, so wie durch
die Analogie mit einer Verbindung, deren Zusammenhalt be-
reits im flüssigen Zustande aufgehoben ist und die dennoch
auf den ersten Blick einheitlich zu wirken scheint.
Danach ist die atomistische Molecularformel des Phos-
phorsuperchlorids PCls . eis und das Phosphoratom in dem-
selben nicht anders, als dreiwerthig anzunehmen.
280 WiohelhauSf über die Verbindungen des Phosphors.
Die im Vorhergebenden besprochenen Körper sind die
Prototypen derjenigen Phosphorverbindungen, welche zur
Annahme einer Valenzgröfse dieses Elements geführt haben,
die von der durch die Dampfdichte angezeigten abweicht.
Da sich diese Annahme nun bei näherer Betrachtung
dieser Körper als unnöthig erweist, so erscheint die Trivalenz
der Phosphoralome in allen ihren Verbindungen nunmehr
hinlänglich begründet.
Da aber ferner Phosphoroxychlorid und Triäthylphosphin-
oxyd streng genommen die einzigen Körper sind, welche
sich gegen den in der Einleitung aufgestellten allgemeinen
Satz anführen liefsen , so gewinnt derselbe einen hohen Grad
von Wahrscheinlichkeit :
Als unabhängig von den Aggregatssusiänden ergiebt sich
nur eine einzige constante Valenz der Atome.
Zieht man dann weiter die Bestätigung in Betracht, welche
die bimoleculare Natur des s. g. Fünffach - Chlorphosphors
durch dessen Reactionen erfährt, so sieht man eine Hebung
der Schwierigkeiten voraus, welche bis jetzt noch der An-
nahme je zweier oder mehrerer unter einander verbundener
Holecule in solchen Körpern entgegenstehen, die scheinbar
einheitlich sich verhalten.
Wenn aber diese Schwierigkeiten sich heben lassen, so
darf man wohl annehmen, dafs die von den Aggregatzustän-
den der Körper abhängigen Kräfte überhaupt den Moleculen
als in sich geschlossenen Systemen, nicht aber einzelnen in
denselben enthaltenen Atomen individuell angehören.
Berlin, am 1. Juli 1868.
281
üeber die Isomerie der Bicarbonsäuren des
Aethylens und Aethylidens;
von Demselben.
Vor einiger Zeit habe ich gezeigt*), dafs die von
IL Hüll er aus Cyanpropionsiure dorch Kochen mit Kalilauge
erhaltene Saure nicht die Eigenschaften der Bernsteinsäure
hat und daher nicht mit derselben identificirt werden darf;
dafs dagegen Bernsteinsäure erhalten wird, wenn man als
Ausgangspunkt /9 Jodpropionsäure statt der aus Milchsäure
entstehenden a Ghlorpropionsäure wählt.
Die Säure von H. Muller hat nichtsdestoweniger die
Zusammensetzung der Bernsteinsäure, wie eine von Hrn.
A. Ell er in meuiem Laboratorium gemachte Analyse ^zeigt**)
und ist die derselben isomere Biearbäthylidensäure :
CH, . CO . OH , CHa
und
CH, . CO . OH CH(CO . OH),
(Bemsteinsäure) (Biearbäthylidensäure).
Sie löst sich in etwa 5 Theilen Wasser, schmilzt schon
bei 129 bis 130^ und giebt keine Fällung mit Eisenchlorid.
Die Isomerie der beiden Säuren ist eine natürliche Con-
scquenz derjenigen der Ghlorpropionsäure, so wie der Koh-
lenwasserstoffe Aethylen und Aethyliden.
Doch hat sich der Parallelismus der Reactionen mit den
letzteren nicht in gleicher Weise zu dem gewünschten Ende
führen lassen, wie mit den ersteren.
Erlenmeyer und Simpson haben mit gleich ungün-
stigem Erfolge versucht, Aethylidenchlorür in das entspre-
chende Cyanür und die zugehörige Bicarbonsäure zu ver-
wandeln.
*) Z«itBchr. f. Chemie, neue Folge, HI, 347.
**) Ber. d. d. ehem. GesellBchaffc 1868, S. 98.
98l£ Wichelhaus j über die Isomerie
Daran knüpft der Erslere *) eine Zusammenstellung der
möglichen Gründe, weshalb in diesem Falle gewöhnliche
Bernsteinsaure anstatt der zu erwartenden Bicarbathyliden-
saure erhalten wird, und entscheidet sich für die Annahme,
dafs das Aethylidenchlorür bei der zur Einleitung der Reac-
tion nöthigen Temperatur eine Zersetzung in Chlorwasserstoff
und Yinylchlorfir erfahre, aus welchem dann Aethylencyanür
durch einen complicirteren Procefs entstehe«
Ich will die Wahrscheinlichkeit dieser Erklärung nicht
bestreiten, obwohl es immerhin auffallend ist, dafs Simpson
die Umwandlung in Cyanür bei einer Temperatur (160 bis
180^) zu Stande gebracht hat, welche gerade noch unterhalb
derjenigen liegt, welche Erlenmeyer als für die von ihm
angenommene Bildung des Vinylchlorfirs erforderlich an-
giebt (180<>).
Nur scheint mir die einfachste Annahme, welche Er-
lenmeyer nur kurz erwähnt, mindestens eben so berech-
tigt, nämlich, dafs Aethylidencyanür zwar gebildet wird,
aber eine Umsetzung zu Aethylencyanür erfahrt.
Es ist eine bemerkenswerthe Thatsache, dafs es bisher
nicht gelungen ist, Körper darzustellen, in welchen zwei
oder mehr Cyangruppen an dasselbe OAtom gebunden an-
zunehmen wären.
Ich habe selbst viele vergebliche Versuche in dieser
Richtung angestellt, dabei auch die früheren Angaben über
derartige Verbindungen, z. B. Cyanoform, zu bestätigen mich
umsonst bemüht.
Das Mifslingen der Versuche von Erlenmeyer und
Simpson liefert einen neuen Beleg dafür ^ dafs die Darstel-
lung solcher Körper aus den entsprechenden Chlorverbin-
dungen mittelst Cyankalium nicht geräth.
*) Ann. Chom. Pharm. GXLY, 865.
der Bicarbansäuren des Aeihylens und Aethyltdens. 283
Wenn nun aber, wie ich auch häufig beobachtet habe,
die Bildung von Chlorkalium bei diesen Versuchen vor sich
geht, ohne dafs man die gewünschten Cyänüre erhielte, so
geht daraus hervor, dafs die letzteren als solche unbeständig
sind und sich weiter umwandeln. Diese Umwandlung, d. h. die
Veränderung in dem Verhaltnisse der näheren Bestandtheile
der Körper, führt dann entweder zu einer ganzlichen Spal-
tung, oder zu einer anderen Gruppimng derselben Atom-
gruppen, d. h. zur Bildung von isomeren Körpern.
Nun erhalt man statt des Aethylidencyanürs dessen Iso-
meres. Soll man da nicht annehmen, dafs die Umwandlung
des ersteren auf das andere hingeführt hat ?
Erlenmeyer erwähnt selbst die Aehnlichkeit, die in
der Umwandlang von Aetbylidenbromur zu Aethylenbromür
liegt; tragt aber Bedenken, die Anschauung auf das Cyanür
zu übertragen, wahrscheinlich, weil es sich da um Kohlcn-
stoffgruppen handelt und deren Zusammenhalt immer für be-
sonders fest gehalten wird.
Nun hat Baeyer vor Kurzem einen neuen Fall dieser
Art beobachtet , in dem die Umlagerung von untereinander
verbundenen Kohlenstoffgruppen vorliegt ^).
Es scheint mir daher, dafs man die Bildung von Bern-
steinsäure aus Aethylidenchlorür so auffassen darf, wie es
am Einfachsten ist : das Aethylidencyanür wird zwar gebildet,
verwandelt sich aber in das isomere Aethylencyanur.
^) Ber. d. d. ehem. GeeellBchoft 1868, 6. 120.
284 Graham^ über die Einachliefsung
Ueber die Einschliefsung des Wasserstoff-
gases durch Metalle ;
von Th. Graham *).
Bei meinen früher veröffentlichten Versuchen**) über
die Einschliefsung des Wasserstoffgases durch die Metalle
Palladium, Platin und Eisen wurde die Gasabsorption als etwas
bei niedrigeren Temperaturen nur in ungewisser Weise sich
Zeigfendes beobachtet, aber als etwas sicher Eintretendes,
wenn das Metall , in der Form von Schwamm oder gehäm-
mert, erhitzt und dann in einer Atmosphäre von Wasserstoff
langsam und vollständig abkühlen gelassen wurde. Diese
Thatsache wurde als darauf beruhend betrachtet, dafs abso*
lute Reinheit der Oberflache des Metalls für die erste absor-
birende Wirkung wesentliche Bedingung sei, wie nach Fara-
day's Beobachtung für die Wirkung von Platinfolie oder
Platindrahl, das Gasgemische von Sauerstoff und Wasserstoff
sich entzünden zu lassen. Ein neues Verfahren, die Metalle
bei niedrigen Temperaturen mit Wasserstoff zu beladen, mit
welchem ich in letzterer Zeit bekannt geworden bin, ist nicht
ohne Interesse.
Wenn eine Zinkplatte in verdünnte Schwefelsäure ge-
bracht wird, so wird Wasserstoff von der Oberfliche des
Metalls aus entwickelt, aber kein Wasserstoff wird zu der-
selben Zeit eingeschlossen und zurückgehalten. Ein negatives
Resultat war in der That wegen der krystallinischen Structur
des Zinks zu erwarten. Bringt man aber eine dünne Palla-
diumplatte in dieselbe Saure und mit dem Zink in metallische
*) Aus den Proceedings of the Rojol Society XVI, 422 mitgetheOt
•*) Vgl. Ann. Chem. Pharm. Bapplementbd. V, 1. D. IL
des JVasaerstoffgasea durch Metalle. 285
Berührung, so wird dieselbe bald stark mit dem Wasserstoff
beladen, welcher dann an ihrer Oberflache auftritt. Die in
einer Stunde von einer ziemlich dicken Palladiumplatte bei
12^ aufgenommene Ladung betrug das 173 fache Volum der-
selben.
Die Absorption von Wasserstoff zeigte sich noch stärker,
wenn die Palladiumplatte die negative Eiectrode in ange-
säuertem Wasser für eine Batterie von sechs Bunse naschen
Elementen abgab. Wahrend die Entwickeiung von Sauer-
sloffgas an der positiven Eiectrode fortwährend reichlich vor
sich ging, blieb die Gasentwickelung an der negativen Eiec-
trode während der ersten zwanzig Secunden gänzlich aus, in
Folge der Einschliefsung des Wasserstoffs durch das Palla-
dium. Die Absorption betrug schliefslich das 200,4 fache
Volum, und betrug also mehr als das Wasserstoffvolum, wel-
ches durch dieselbe Plätte eingeschlossen wurde, als dieselbe
nach dem Erhitzen in einer Atmosphäre dieses Gases er-
kaltete ; im letzteren Falle wurde nicht mehr als das 90 fache
Volum eingeschlossen.
Es ist bemerkenswerth, dafs, obgleich der Wasserstoff
unter diesen Umständen in das Metall tritt und ohne Zweifel
sich durch die ganze Masse desselben verbreitet, das Gas
doch keine Neigung zeigte bei der Absorptionstemperatur
von dem Metalle weg zu gehen und in einen leeren Raum
zu entweichen. So wurde eine dünne, in der eben angege-
benen Weise mit Wasserstoff beladene Palladiumplatte ge-
waschen, mit einem Tuch abgetrocknet, und dann in eine
ausgepumpte Glasröhre eingeschmolzen. Als die Spitze der
Glasröhre nach zwei Monaten unter Quecksilber abgebrochen
wurde, fand sich das Vacuum noch vollkommen erhalten.
Kein Wasserstoff war in der Kälte (bei ungefähr 12^) ver-
dampft; aber bei nachherigem Erhitzen auf 100^ und darüber
wurde aus dem Metall das 333 fache Volum an Gas entmckelt.
286 Oraham, über die EinscUiefsung
Ein ähnliches Resultat wurde erhalten, als ein hohler
Palladiumcylinder von 115 Millimeter Lange, 12 MM. Durch-
messer und 1 HM. Wanddicke als negative Electrode in eine
saure Flüssigkeit gebracht wurde, während die abgeschlossene
Höhlung des Cylinders mittelst eines SprengeTschen Aspira-
tors ausgepumpt erhalten wurde. Kein Wasserstoff drang im
Verlaufe mehrerer Stunden in die luftleere Höhlung ein, wäh-
rend das Gas ohne Zweifel durch die äufsere Oberfläche des
Cylinders reichlich absorbirt wurde und sich in die ganze
Masse des Metalls verbreitete.
Es ergiebt sich hieraus, dafs bei der Absorption des
Wasserstofi's durch Palladium die Flüchtigkeit des ersteren
Körpers gänzlich unterdrückt werde; und Wasserstoff kann
in beträchtlicher Menge in Metallen anwesend sein, ohne
eine irgend bemerkliche Tension bei niedrigen Temperatoren
zu äufsern. Eingeschlossener Wasserstoff ist gewifs nicht
mehr ein Gas, was man auch bezüglich seines physikalischen
Zustandes denken möge. Dieselbe Schlufsfolgerung wurde
angezeigt durch eine andere Reihe von Versuchen, in wel-
chen gefunden wurde, dafs für die Einschliefsung des Was-
serstoffs durch Palladium und selbst durch Eisen es nidit
nöthig ist, das Gas unter stärkerem Druck einwirken zu las-
sen, sondern dafs dasselbe selbst noch in stark verdünntem
Zustande durch diese Metalle leicht absorbirt wird.
Der eingeschlossene Wasserstoff wird leicht in der Art
aus dem Palladium wieder entfernt, dafs man die Stellung des
letzteren in der Zersetzungszelle der Batterie umkehrt, so
dafs man nun Sauerstoff an der Oberfläche des Metalies sich
entwickeln läfst. Der Wasserstoff wird dann aus dem Palla-
dium eben so rasch entfernt, als er vorher in dasselbe ein-
getreten war, und das Metall wird durch diese Behandlung
vollkommen wasserstofffreL Wenn mit Wasserstoff, belade&es
Palladium der Atmosphäre ausgesetzt bleibt, so ist das Metall
des Wasserstoffgases durch Metalle. 287
fähige plötzlich heifs zu werden und das in ihm enthaltene
Gas gänzlich durch freiwillige Oxydation zu verlieren.
Das Platin kann durch die Wirkung der Vol tauschen
Batterie eben so wie das Palladium, nur mit dem wie ge-
wöhnlich geringeren Betrage an Gas, mit Wasserstoff bela-
den werden. Die von altem Platin, welches in Form einer
Röhre von der Dicke eines kleinen Tiegels angewendet wurde,
in einer Zersetzungzelle aufgenommene Beladung betrug 2,19
Volume. Das absorbirte Gas wurde auch wiederum rasch
ans dem Platin entfernt und oxydirt, als die Stelle des Me-
talles in der Zersetzungszelle umgekehrt wurde. Das Platin
erhielt in Folge der Einschliefsung von Wasserstoff das be-
kannte Polarisationsvermögen. Dieses Vermögen wurde auch
durch das Metall noch zuräckgehalten , nachdem das letztere
mit reinem Wasser abgewaschen und mit einem Tuch abge-
wischt war, und kam bei dem Eintauchen des Metalle» in
verdünnte Säure zu Wirksamkeit. Die zum Austreiben des
Wasserstoffs, welcher in solcher Weise durch Platin absorbirt
war, nöthige Temperatur wurde als nur wenig unterhalb der
Rothglühhitze liegend befunden, obgleich das Gas in das
Metall bei niedriger Temperatur eingetreten war.
Weiches Eisen, welches während einiger Zeit in ver-
dünnter Säure gelassen war, schlofs 0,57 Vol. Wasserstoff
ein. Diese Beladung mit Gas wurde auch bei niedrigen Tem-
peraturen zurückgehalten, und entwich in ein Vacuum erst,
als die Temperatur bis nahezu zum Rothglühen gesteigert
wurde. Es beweist diefs, dafs das Eisen wie das Platin durch
Wasserstoff in der Kälte nicht durchdrungen wird, da die
Temperatur, bei weTcher Abgabe des Gases erfolgt^ beträcht-
lich hoch liegt *).
*) In Cailletet^B Yersuch, bei welchem ein dünnes Eisenblech der
Einwirkung einer Säure ausgesetzt wird, wird das Metall ohne
288 Oraham, über die Einschliefsunff
Während Wasserstoff darch Palladium und Platin, wenn
diese Metalle als negative Polplatten angewendet werden,
reichlich absorbirt wird, wird gar kein Sauerstoff absorbirt,
wenn Platten ans denselben Metallen als positive Blectroden
angewendet werden. Sauerstoffgas wurde an der Oberfläche
der letzteren reichlich entwickelt, ohne condensirt zu werden.
Eine Platinplatte, welche während mehrerer Stunden als posi-
tive Electrode gewirkt hatte, gab nachher, dem Erhitzen
unter Auspumpen unterworfen, nur eine geringe Spur von
Kohlensäure aber keinen Sauerstoff aus.
Das bekannte Bntzändungsvermdgen , welches Platin-
schwamm (oder reines Platinblech) für einen Strom Y(m Was-
serstoffgas in der Luft besitzt, scheint lediglich auf der Ein-
wirkung des Metalles auf den in ihm eingeschloss^en Was-
serstoff zu beruhen. Der Wasserstoff scheint polarisirt und
seine Anziehung zum Sauerstoff beträchtlich vergröfsert zu
sein. Ich erlaube mir folgende Vorstellung bezflglich dieses
Phänomens hier darzulegen, mit einer Entschuldigung dafür,
dafs die Erklärung einen rein speculativen Character hat.
Wird angenommen , dafs das Molecul des gasförmigen Was-
serstoffs eine Verbindung von zwei Atomen dieses Elementes,
ein Wasserstoff hydrur ist, so wäre zu folgern, dafs die An-
ziehung des Platins zu dem negativen Atom des Wasserstoff-
moleculs das letztere mit dem Metalle sich vereinigen läfsl.
Das nur unvollkommen befriedigte Bestreben geht auf die
Bildung eines Platinhydrürs. Das Wasserstoffmolecul ist dem-
gemäfs polarisirt oder orientirt, mit seiner positiven Seite
einwärts gekehrt und im Besitz einer Verwandtschaft zu
Zweifel vom Wasserstoff in der Kälte durchdrangen, aber wie es
scheint in Folge der durchdringenden Wirkung der Sltoro, welche
gleichzeitig ihren Weg in das Metall findet. — Comptes rendus,
4. Mai 1868.
des Wasserstoff gasea durch Metalle. 289
Saaerstoff, welche beträchtlich gesteigert ist. Allerdings
werden die beiden Atome eines Wasserstoffmolecnls als un-
zertrennbar betrachtet, aber diefs ist doch wohl nicht unver-
triglich mit der Annahme, dafs solche Wasserstoffatome,
welche durch Verbindung mit Sauerstoff entzogen werden^
durch andere Wasserstoffatome ans den [benachbarten Mole-
culen ersetzt werden. Es ist nur die Voraussetzung nöthig,
dab zwei neben einander befindliche Wasserstoffmolecule
zusammen auf ein einzelnes aufseres Sauerstoffmolecul [ein-
wirken. Sie würden Wasser bilden und noch zwei Wasser-
stoffatome oder ein Wassersti^molecnl an das Platin ange-
lagert zurücklassen.
Die Oxydation des Alkohols, des Aethers und ähnlicher
Substanzen unter Mitwirkung des Platins scheint gleichfalls
eine unmittelbare Folge einer ähnlichen Polarisation des Was-
serstoffs dieser Verbindungen oder eines anderen oxydir-
baren Bestandtheiles derselben zu sein.
Wie bereits bemerkt wurde , folgt daraus ^ dafs ein Gas
durch ein Metall unter dem Druck einer Atmosphäre bei
einer niedrigen Temperatur eingeschlossen wird, noch nicht,
dafs das Gas bei derselben Temperatur aus dem Metall in
ein Vacuum austreten wird , sofern oft eine viel höhere Tem-
peratur für die Austreibung eines Gases als für die erste
Absorption desselben erforderlich ist. Diefs gilt namentlich
für die Einschliefsung des Kohlenoxydes durch Eisen. Gufs-
eisen ist viel zu porös für solche Versuche und läfst Kohlen-
oxyd eben so wie andere Gase auf Grund der Diffusion von
Gasen reichlich hindurchgehen. Selbst Schmiedeeisen bietet
Schwierigkeiten für die Beobachtung, wegen der Lange der
Zeit, während welcher dieses Metall fortfährt, Kohlenoxyd
aus seinem eigenen Vorrath an diesem Gase zu entwickeln.
Aber für eine Röhre aus Schmiedeeisen, welche zuerst von
dem bereits in ihr enthaltenen Gase vollständig befreit war,
290 Graham^ über die Etnschliefsung
ergab es sich, däfs sie Kohlenoxyd nach eir a Vacunm lut.
nur sehr langsam im Vergleich zu Wassei^foflf hindurchgehen
liers, obgleich das Volum des Kohlenoxydgases^ welches das
Metall zu absorbiren im Stande ist, ein recht erhebliches
ist, sofern es 4 Volume betragt und gröfser ist, ab das Volum
des Wasserstoffgases, welches dasselbe Metall einsohliefsen kann.
Kohlenoxyd ging nicht in merklicher Menge durch Eisen von
1,7 MM. Dicke, bis die Temperatur betrachtlich erhöht war,
und dann betrug, bei voller Rothglühhitze, der Durehgang des
Gases für eine Minute und ein Quadratmeter Flache :
für Kohlenozyd : 0,284 GC. ;
für Wasserstoff : 76,5 „ .
Der Zustand des durch ein colloidales Metall eingeschlos-
senen Wasserstoffs Mfst sich wohl amVortheilhaftesten in der
Vereinigung des letzjeren mit Palladium untersuchen, wo die
Menge des eingeschlossenen Gases eine beträchtliche ist In
dem pulverig -schwammigen Zustand nahm Palladium 655
Volume Wasserstoff auf, und so beladen gab es kein Gas
nach dem Vacuum hin bei gewöhnlicher Temperator ab,
sondern erst, als die Temperatur bis nahezu auf 100^ erhöht
wurde. Für gehämmerte Palladiumfolie ist beobachtet wor-
den, dars sie ganz eben so viel Gas aufnimmt. Aber den
Zustand, in welchem das Palladium mit dem gröGsten Ab-
sorptionsvermögen ausgestattet zu sein scheint, nimmt es an,
wenn es aus einer etwa 1,6 procentigen Lösung des Chlorids
durch die Einwirkung einer Volta' sehen Batterie in der
Form eines compacten Metalles ausgefällt wird. Das Palla-
dium gehört nicht zu den Metallen, welche in solcher Weise
leicht ausgefallt werden; aber es läfst sich durch die Wir-
kung einer einzelnen grofsen Zelle auf einem dünnen Platin-
draht in glänzenden Blättchen ausscheiden. Das Palladium
löst sich nach einiger Zeit von dem Draht ab, und zeigt da,
wo es mit dem Platin in Berührung gewesen war, eine glän-
des Wasserstoff gases durch Metalle. 291
zende weifse metallische Oberfläche, während es auf der
Seite, wo es der Säare ausgesetzt war, eine matte, an metal-
lisches Arsen erinnernde Oberfläche zeigt. So dargestellt
enthalt es keinen eingeschlossenen Wasserstofi*. Aber als die
metallischen Blattchen in Wasserstoff auf 100^ erhitzt und in
demselben Gas eine Stunde lang langsam erkalten gelassen
wurden, so ergab sich, dafs sie nun 982,14 Volume Gas,
gemessen bei 11^ und 756 MM. Barometerstand, eingeschlos-
sen hatten. Diefs ist die beträchtlichste Wasserstoffabsorption,
welche beobachtet worden ist. So stark beladenes Palladium
gab ein geringes Anzeichen dafür, dafs es Wasserstoff nach
einem Yacuum hin mit fiufserster Langsamkeit in der Kälte
entweichen läfst. Die Beladung dieses Palladiums ist, nach
Gewichten ausgedrückt :
Palladium 1,0020 Gnn 99)277
Wasserstoff 0,0073 „ 0,728
100,000.
Das Yerhältnifs ist das von 1 Aeq. Palladium zu 0,772
Aeq. Wasserstoff*), oder es entspricht einer Annäherung
zu einer Verbindung nach gleichen Aequivalenten^ PdH. Aber
der Auffassung, es handle sich hier um eine bestimmte che-
mische Verbindung, stehen mehrere Betrachtungen entgegen.
Das metallische Palladium erleidet keine sichtbare Verände-
rung durch die Vereinigung mit Wasserstoff. Hydrure eini-
ger Metalle sind bekannt : so das des Kupfers (Wurtz) und
das des Eisens (Wanklyn); aber diese Verbindungen sind
braune puWerige Substanzen ohne metallischen Character.
In der That kann auch ein Palladiumhydrür gebildet aber
seiner grofsen Unbeständigkeit wegen nicht aufbewahrt wer-
den. In Befolgung des von Wurtz für die Darstellung
des Kupferhydrürs angegebenen Verfahrens wurde salpeler-
saures Palladium mit Schwefelsäure gekocht und das schwefel-
•) H = 1 ; Pd = 106,5.
19»
292 Oraham, über die Einschließung
saure Palladium (ein rothes krystallinisches Salz) dargestellt.
Eine Lösung dieses Salzes mit einem Ueberschusse von
Schwefelsaure wurde mittelst unterphosphorigsauren Natrons
gefallt; ein schwarzes Pulver wurde ausgeschieden , welches
bei 0^ rasch, unter reichlicher Entwickelung von Wasserstoff-
gas, sich zersetzte. Was schliefslich zurückblieb ergab sich
als reines Palladium; mit dem gewöhnlichen schwarzen amcNr-
phen Aussehen desselben und mit keiner Spur von KrystalU-
sation. Es ist sonderbar , dafs dieser Palladiumniederschlag
keinen Wasserstoff eingeschlossen enthielt, und selbst, als das
so dargestellte Palladiumschwarz getrocknet einer Atmo-
sphäre von Wasserstoffgas in gewöhnlicher Weise ausgesetzt
wurde, condensirte es keine merkliche Menge dieses Gases.
Es erlangte jedoch diese Eigenschaft durch Erhitzen bis zum
Rolhgluhen und Umwandlung in graues Palladium.
Ich bin zu der Schlufsfolge^ung geneigt, dafs dem Durch-
gang von Wasserstoff durch eine Metallplatte immer eine Con-
densatioiL oder Einschliefsung des Gases vorhergeht Aber
es mufs auch zugegeben werden, dafs die Schnelligkeit des
Durchgangs nicht dem Volum des eingeschlossenen Gases
proportional ist ; sonst würde der Durchgang durch Palladium
bei niedriger Temperatur ein viel beträchtlicherer sein, ab
bei hoher. Eine aus diesem Metalle bestehende Platte war
bei 267^ nahezu von eingeschlossenem Wasserstoffgas frei
gemacht > aber sie gestattete diesem Gas noch den Durch-
gang und zwar bei noch höheren Temperaturen in erheblich
erhöhtem Grade, und ohne dafs sie gleichzeitig anderen
Gasen den Durchgang gestattet hätte. In einem auffallenden
Versuche wurde ein Gemische von gleichen Volumen Wasser-
stoff und Kohlensäure durch eine kleine Palladiumröhre ge-
leitet, deren innerer Durchmesser 3 MM. und deren Wand-
dicke 0,3 MM. betrug. Von der äufsei-en Oberfläche dieser
Röhre entwich bei Rothgluhhitze Gas in ein Vacuum mit der
des Wasserstoff gasea durch Metalle, 293
ungemein grofsen Geschwindigkeit von 1017,54 CG. in der
Minute für 1 Quadratmeter Oberfläche. Dieses Gas trübte
nicht Barytwasser; es war reines Wasserstoffgas.
Ein noch rascherer Durchgang von Wasserstoffgas durch
Palladium wurde beobachtet für einen hohlen Cylinder aus
diesem Metall von 1 MM. Dicke bei höherer^ dem Schmelz-
punkte des Goldes nahe kommender Temperatur. Der Palla-
dinmcylinder war in eine, reines Wasserstoffgas enthaltende
Porcellanröhre eingeschlossen; er wurde wie gewöhnlich
ausgepumpt und gab innerhalb , fünf Minuten 105,8 CG. Gas,
gemessen bei 10^ und 753 MM. Barometerstand. Da die
äufsere Oberflache der Palladiumröhre 0,0053 Quadratmeter
betrug, so berechnet sich der Durchgang von Gas in der
Minute für 1 Quadratmeter Oberflache auf 3992,22 GG. (nahezu
4 Liter). Vorher war für dieselbe Palladiumröhre beobachtet
worden, dafs der Durchgang von Wasserstoff bei der nie-
drigeren Temperatur 26b^ C. 327 GG. in der Minute für
1 Quadratmeter Oberfläche beträgt. Die Geschwindijgkeit des
Durchgangs wächst hiernach rasch mit der Temperatur.
Als Kohlensäure an der Stelle von Wasserstoff ange-
wendet wurde, war bei derselben hohen Temperatur nur ein
sehr geringer Durchgang wahrzunehmen, welcher 1,86 GG.
in der Minute für 1 Quadratmeter Oberfläche betrug. Diefs
ergiebt für Kohlensäure nur V20000 von dem für Wasserstoff
gefundenen Betrag. Ob der Durchgang der Kohlensäure
eine, nur in viel geringerem Mafsstab stattfindende Erschei-
nung derselben Art ist oder aber auf einer merklichen Poro-
sität des Palladiums beruht (für welche sie ein Mafs abgeben
würde), bleibt ungewifs.
Die Menge Wasserstoff, welche durch das Metall bei
diesen hohen Temperaturen zurückgehalten wird, mag zu
klein geworden sein, als dafs sie noch bestimmt werden
könnte; aber ich vermuthe, dafs eine solche Menge noch
294 Graham^ über die Einschliefeung
vorhanden ist und durch eine Art rascher Camentation durch
das Metall hindurch wandert. Diese äufserste Leichlbeweg-
keit ist eine sonderbare Eigenschaft des Wasserstoffs, welche
mit enthalten war in der durch H. Sainte-ClaireDeville
und Troost gemachten fundamentalen Entdeckung des
Durchgangs dieses Gases durch Platten von Eisen und Platin
bei hohen Temperaturen.
Die beträchtliche Geschwindigkeit, mit welcher dasselbe
Gas durch ein dünnes Caoutchoucblatt hindurchgeht, scheint
einer Erklärung von bekannter Grundlage aus fähiger zu
sein. Caoutchouc von weniger als 0,1 HH. Dicke verliert»
wenn vorher mit Wasserstoff beladen, dieses Gas gfinzlicb,
wenn es auch nur augenblicklich der Luft ausgesetzt wird.
Eine Röhre von 2 MM. Dicke, durch welche Wasserstoff und
Kohlensäure, jedes Gas für sich und zwar eine Stunde lang,
hindurchgeleitet wurden, ergab als Menge des zurftck-
gehaltenen Gases :
Tom Wasserstoff 0,0118 Volome;
Ton der Kohlensttore 0,2200 „
Die Absorption findet also im Verhältnisse von 1 Wasser-
stoff zu 20 Kohlensäure statt ; aber der relative Betrag des
Durchgangs der beiden Gase durch ein Caoutchoucblatt ist
wie 1 Wasserstoff zu 2Vs Kohlensäure ; oder der Wasserstoff
bewegt sich 8 mal so rasch als nach der Dichtigkeit der Lö-
sung zu schliefsen wäre. Aber die Diffusibilitit dieser Gase
ist verschieden im Verhältnisse von 1 für Kohlensäure zu 4,7
für Wasserstoff. Der rasche Durchgang des Wasserstoffs
durch Caoutchouc erklärt sich so theil weise daraus, wie
rasch dieses Gas durch Gasdiffusion an eine Oberfläche des
Caoutchoucblatts gebracht und von der anderen weggeführt
wird. Andererseits wandern beide Körper durch die Sub-
stanz des Caoutchoucs auf Grund der Diffusibilität, welche
ihnen als Flüssigkeiten zukommt. Nehmen wir an, dafs für
des Waaserstoffgasea durch Metalle. 295
diesen Zosland die Diffusibilitat des Wasserstoffs ungefähr
in demselben Verhältnisse gröfser sei, als die des anderen
Korpers, wie diefs für beide Körper in dem gasförmigen
Zustande derselben der Fall ist^ so wurde die durch die
Beobachtung ergebene Raschheit des Durchgangs des Was-
serstoffs durch Caoutchouc vollständig erklärt sein.
Die Diffusion im flössigen Zustand ist auch von Bedeu-
tung für die rasche Verbreitung des Wasserstoffs durch ein
weiches colloidales Metall, wie Palladium oder Platin, bei
hoher Temperatur. Bekanntlich ist die Diffusion von Salzen
in Wasser bei 100^ 6 mal so grofs, als bei 0^. Wenn die
Diffusion des flussigen Wasserstoffs in gleichem Verhältnisse
bei steigender Temperatur wächst; so mufs sie bei Rothglöh-
hitze eine sehr rasche Bewegung werden. Wenn auch die
absorbirte Menge verringert (oder der Canal verengert) sein
mag, kann doch die Strömung der Flüssigkeit so der Ge-
schwindigkeit nach verstärkt sein. Die ganze Erscheinung
scheint in Einklang zu stehen mit der Lösung von flussigem
Wasserstoff in dem coUoidalen Metall. Die „Lösungsaffinität^
der Metalle scheint nahezu auf Wasserstoff und Kohlenoxyd
beschränkt zu sein, so dafs die Metalle von anderen Gasen,
als den eben genannten, nicht merklich durchdrungen werden.
Die Wärmeentwickelung bei chemischen Um-
setzungen in ihrer Abhängigkeit von der Aen-
derung der Moleculzahl;
von Privatdocent Dr. Alex. Naumann.
Die mit chemischen Vorgängen verbundenen Wärme-
erscheinungen hängen im Allgemeinen von vielerlei Umstän-
den ab. Um aus den Beobachtungsergebnissen Zahlen zu
296 Naumann, Wärmeentwickelung bei ehem. Umsetzungen
gewinnen , welche nur aaf die bei Trennung und VereinigUDg
von Moleculbestandlheilen absorbirten und entbundenen
Wärmemengen Bezug haben, sind die Einflösse der gewöhn-
lich begleitenden Nebenumstande so weit möglich auszu-
schliefsen oder der Gröfse nach zu bestimmen.
Bertheiot*) hat den Einflufs verschiedener Bedin-
düngen j unter welchen chemische Umsetzungen statthaben,
auf die gesammte Wärmeentwickelung in Betracht gezogen.
Insbesondere hat Berthelot den Zuslandsfinderungen und
den Warroecapacitäten der vor der chemischen Umsetzung
vorhandenen Körper zwischen der Anfangstemperatur und
der Umsetzungstemperatur sowie den Zustandsänderungen
und denWärmecapacit&ten der Umsetzungsproducte zwischen
der Umsetzungstemperatur und der Endtemperatur Rechnung
getragen. Die nach der betreiTenden Correction der Yer-
suchswerthe sich ergebende WSrmeentwickelung bezeichnet
B e r t h e 1 0 1 als die Verbindungsw&rme bei der betrefl'enden
Umsetzungstemperatur. Wenn bei der Umsetzungstemperatur
den sich umsetzenden Körpern und den Umsetzungsproducten
der vollkommene Gaszustand zukommt, so ist nach Ber-
thelot die auf diese Temperatur zurückgeführte Verbin-
dungswärme die eigentliche, der alleinigen Wirkung der
AfGnitälen entstammende Yerbindungswärme.
Wie aus den folgenden Betrachtungen hervorgeht ist
dieser Berthelot 'sehe Satz nur für den besonderen
Fall gültig, dafs bei der chemischen Umsetzung sich die
Zahl der Molecule nicht ändert« Auch die weitere Ansicht
Berthclot's, dafs für dieselben Körper die Verbindungs-
wärme bei allen Umsetzungstemperaturen gleich grofs sei,
wenn nur den sich umsetzenden Körpern und den Umsetzungs-
*) Ann. chim. phys. [4] VI, 290 ff.; im Außz. Jahresber. f. Chemie
f. 1865, S. 47 ff.
m ihrer Ähhängtgkeit von d. Aendenmg d. Molectdzahl SI97
prodncten der vollkommene Gaszustand zukomme, ist nur
für den erwähnten besonderen Fall und selbst dann nur
unter der nach den seitherigen Erfahrungen noch berech-
tigten Voraussetzung richtig, dafs bei Temperaturerhöhung
die Holeculbestandtheile nur an lebendiger Kraft ihrer Be-
wegungen gewinnen , ohne dafs dabei allmaiig schon ein
merklicher Theil ihrer chemischen Anziehung überwunden
wird.
Die einfachsten Verhältnisse würde eine Umsetzung voll-
k'^mmener Gase bieten, aus weicher wiederum nur vollkom-
mene Gase hervorgehen. Unter den in dieser Hinsicht
möglichen Fällen würden diejenigen die einfachsten sein, bei
welchen vor und nach der Umsetzung eine gleiche Anzahl
von Moleculen sich vorfindet. Wenn sich unter der Vor-
aussetzung des vollkommenen Gaszustands z. B. ein Holecul
AA mit einem Molecul BB zu zwei Moleculen AB umsetzt,
so würde — indem man eine absorbirte Wärmemenge als
negative entwickelte in Rechnung bringt — die dadurch
entwickelte Wärmemenge gleich sein dem Doppelten der bei
der Vereinigung eines Atoms A mit einem Atom B ent-
wickelten Wärmemenge,, welche durch ab bezeichnet sei^
vermindert um die Summe der bei der Vereinigung eines
Atoms A mit einem Atom A und eines Atoms B mit einem
Atom B entwickelten Wärmemengen, welche durch aa und
bb bezeichnet seien. Es wäre die ganze entwickelte Wärme-
menge W = 2a b — aa — b1). Dieselbe hängt also nur ab
von den durch Trennung und Vereinigung von elementaren
Atomen oder in anderen Fällen von Gruppen elementarer
Atome bedingten Wärmeentwickelungen.
Anders jedoch gestaltet sich , unter fortwährender Vor-
aussetzung des vollkommenen Gaszustands, der Ausdruck für
die Abhängigkeit der bei chemischen Umsetzungen entwickel-
ten Wärmemenge, wenn die Zahl der M olecule eine Aende-
^
^
298 Naumann, fFärmeenhvickelung bei ehem. Umsetzungen
rung erleidet; sei es eine Verminderung oder eine Vermeh-^
rung, welch letztere in der Folge als negative Verminderung
in Rechnung kommen soll, so dafs die abzuleilenden Aus-
drucke für beide Fälle Gültigkeit haben. Nach den Anschau-
ungen der mechanischen Warmetheorie befinden sich die
Molecole aller Gase in gradlinig fortschreitender Bewegung,
und zwar ist die mittlere lebendige Kraft dieser Bewegung,
oder, was dasselbe ist, die iii der fortschreitenden Bewe-
gung eines Holeculs im Mittel sich darstellende Wärmemenge
der s. g. absoluten (von — 274^6 C, wofür in ganzer Zahl
künftig — 275^ gesetzt werden soll, an gezahlten) Tempera-
tur T proportional. Diese Wärmemenge ist unabhängig von
der Zusammensetzung des Moleculs, also auch für verschiedene
Gase bei gleicher Temperatur gleich grofis und sonst der
absoluten Temperatur proportional. Es lifst sich nun der
absolute Werth der in der fortschreitenden Bewegung eines
Holeculs von einer beliebigen absoluten Temperatur T^ sich
darstellenden Wärmemenge bestimmen.
Vor einiger Zeit habe ich *) aus einem von Clausius
entwickelten Ausdruck für das Verhaltnifs der lebendigen
Kraft der fortschreitenden Molecularbewegung zur gesammten
in einem Gase vorhandenen lebendigen Kraft direct abgeleitet,
dafs die Ausdehnungswärme für vollkommene Gase, d. L die
Wärmemenge, welche bei der Ausdehnung des Gases unter
constantem Druck in fiufsere Arbeit umgesetzt wird, zur
Molecularbewegungswärme, d. i. zu der die lebendige Kraft
der fortschreitenden Bewegung der Molecule vermehrenden
Wärmemenge, in dem constanten Verhaltnifs von 2 : 3 steht
Nun ist aber für gleiche Temperaturerhöhung die Ausdeh-
nungswärme, wie Du long**) durch den Versuch dargethan.
*) Ann. Chem. Pharm. CXLII, 267.
**) Pogg. Ann. 1829, XVI, 476.
in ihrer Abhängigkeit von d. Äenderung d, MoleculzahL 299
aber Clausius*) zuerst erklärt hat, für gleiche Volume
aller Gase bei gleichem Druck gleich grofs und beträgt für
eine Temperaturerhöhung von i^ G. bei einem Druck von
76(r° Quecksilberhöhe 0,0691 *♦) Wärmeeinheiten, wenn
man als Volumeinheit den von der Gewichtseinheit Luft bei
(fi und 760°^ Druck erföllten Raum nimmt. Mithin beträgt
die in dem constanten Verhältnifs von 3 : 2 su ihr stehende
Holecularbewegungswärme vorbezeichneter Volumeinheit für
eine Temperaturerhöhung von 1^ C. = — ^-~ = 0,10365
Wärmeeinheiten. Da es nun im Begriff des absoluten Null-
punkts liegt, dafs bei ihm die Molecularbewegung gleich
Null ist, und da die Festsetzung desselben auf — 275^ G.
die Voraussetzung in sich schliefst, dafs die lebendige Kraft
der Molecularbewegung von da ab der absoluten Temperatur
proportional wachse, so müssen bei der Erwärmung des be-
zeichneten Volums eines Gases vom absoluten Nullpunkt bis
zu der absoluten Temperatur T^ (= 275 4~ 0 ^^^ ^^^ ^^^^~
schreitende Molecularbewegung aufgewandt werden 0,10365 T
Wärmeeinheiten. Polglich ist die in der lebendigen Kraft
der fortschreitenden Molecularbewegung der obigen Volum-
einheit eines Gases bei 760°^ Druck und der absoluten Tem-
peratur T^ sich darstellende Wärmemenge ebenfalls =
0;i0365 T Wärmeeinheiten.
*) PoSfii- ^ii^* l^^O, LXXIK, 397; siehe auch Ann. Chem. Pharm.
CXVm, 115.
•*) Ann. Chem. Pharm. CXVm, 116. Dieser Werth für die Aus-
dehnnngswarme geht herror ans dem Mttelwerfh 0,23773 der
nahezu gleich gefnndenen, auf die angegebene Yolmneinheit be-
zogenen spec. Wärmen der drei permanenten Gase (Wasserstoff,
Sanerstoff nnd Stickstoff) nnd dem ans der Fortpflanznngsgeschwin-
dlgkeit des Schalls (vgL Pogg. Ann. CXIX, 393) und anderen
(vgL Ann. Chem. Pharm. CVm, 113) Beobachtungen zu 1,41 be-
stimmten VerhAltnifs der spec. Wärme bei constantcm Druck zu
derjenigen l>ei constantem Volum.
300 Naumann^ Wärmeentwickelung bei chem* Umsetzungen
Für chemische Zwecke ist es passender, den Inhalt an
Molecularbewegungswärme auf die durch die Molecularge-
Wichte bezeichneten Gasmengen zu beziehen^ Die vorste-
hende Zahl für den Inhalt an Molecularbewegungswärme
irgend eines Gases bezieht sich auf das von der Gewichts-
einheit Luft bei 0^ und 760°'°' Druck erfüllte Volum , welches
also, da die spec. Gewichte der Gase auf dasjenige der Luft
als Einheit bezogen sind^ für jedes Gas die durch die be-
treffende, das spec. Gewicht angebende Zahl ausgedrückte
Gewichtsmenge bezeichnet. Da nun für jedes Gas nach den
für die spec. Gewichte und die Moleculargewichte üblichen
Einheiten das Holeculargewicbt das 28,94 fache des spec.
Gewichts beträgt, so ist auch der auf die Moleculargewichte
sich beziehende Inhalt an Molecularbewegungswärme für alle
Gase gleich dem 28,94 fachen des obigen Zahlen werths. Mit-
hin ist — indem in der Folge die durch das Molecularge-
wicht gegebene relative Menge eines Gases kurzweg als ein
Gasmolecul bezeichnet werden soll — bei dem durch die
absolute Temperatur T^ bezeichneten Bewegungszustand der
Inhalt irgend eines Gasmoleculs an Molecularbewegungswärme
J„ = 28,94.0,10365 T = 2,999631 T, also ist
J„ = 3 T Wanneeinheiten. (1)
Hat man nun m^ gleichartige *oder ungleichartige Gas-
molecule von der absoluten Temperatur T% so ist deren Ge-
sammtinhalt an Molecularbewegungswärme = m'. 3 T^ Ent-
stehen aus diesen m^ Gasmoleculen von der absoluten Tem-
peratur T' bei chemischer Umsetzung m^' Gasmolecule von
der absoluten Temperatur T^% so ist ferner der jetzige Ge-
sammtinhalt an Molecularbewegungswärme = m". 3 T^^ Folg^
lieh ist die durch Aenderung der Zahl und der Temperatur
der Molecule entwickelte Wärmemenge
A„t = m' . 3 T' — m" . 3 T" = 3 (mT' — m"T") VTarmeeinheiten. (2)
Unter der vereinfachenden Voraussetzung, dafs die An-
fangs- und die Endtemperatur, d. h. die Temperatur der vor
in ihrer Abhängigkeit von d. Äendevtmg d, MolectdzahL SOI
und der nach der Umsetzung yorbandenen Körper die Zer-
setonngstemperatur T„ selbst, also T'' = T' = T„ sei, ist
die durch Aenderung der Moleculzahl entwiciLelte Wärme«-
menge
A„ = m' . 3 T„ — m" . 3 Tu = (m' — m") - 8 T« Wänneeinheiten. (3)
Ist m' = m'', so ist Am = 0, wie diefs auch schon in
der Einleitung hervorgehoben wurde. Ist m' !>m'% so ist
Am positiv ; es findet dann durch Verringerung der Molecul-
zahl eine Wärmeentbindung, also ein Zuwachs zu der durch
Trennung und Vereinigung von Moleculbestandtheilen sich
ergebenden Warmeentwickelung statt, Ist m'<Cm^', so ist
Am negativ ; es findet dann durch die Vermehrung der Mo-
lecule eine Wärmeabsorption, als6 eine Verringerung der
durch Trennung und Vereinigung von Moleculbestandtheilen
ohnehin sich ergebenden Wärmeentwickelung statt.
Vorstehende Ergebnisse für den Einflnfs der Aenderung
der Moleculzahl auf die Wärmeentwickelung bei chemischen
Vorgängen finden gleichfalls auf die Umsetzung unvollkom-
mener Gftse Anwendung, da die mittlere lebendige Kraft der
fortschreitenden Molecularbewegung für alle Gase, seien die-
selben vollkommene oder unvollkommene, durch die absolute
Temperatur bezeichnet wird.
Wasserstoff und Sauerstoff setzen sich oberhalb der Roth-
glühe *) des Eisens zu Wassergas um. Schätzt man diesen
Wärmegrad zu 500^ G., d. h. setzt man T = 775, so ist
bei der Umsetzung 2 H2 -h O2 = 2 H^O die allein auf Rech-
nung der Aenderung der Moleculzahl kommende Wärme-
entwickelung nach Gleichung (8) = 3 . 775 = 2325 Wärme-
einheiten.
Für dissocia^ionsfähige Körper leitet sich aus hin-
reichend vorliegenden Dampfdichtebestimmungen die Zer-
*) £. Frankland, Ann. Chem. Pharm. CXXIY, 103.
302 Naumann^ Wärmeentwichdung bei chem.Umsetzungen
setznngstemperatur *) T^ als die Temperatur der halbvollen-
deten Zersetzung ab, und ist sonach der Zahlenwerth Am
des Einflusses der Aenderung der Moleculzahl auf die Wirme-
ent Wickelung bei der Umsetzungstemperatur bestimmbar. Der-
selbe hat wegen der Vermehrung der Molecule stets einen
negativen Werth, d« h. es findet durch die Aenderung der
Moleculzahl allein eine Warmeabsorption statt, wie auch
folgende Zusammenstellung zeigt :
Zusammen-
UmsetKongs-
Namen der Gflse
setzung
prodnete
m' — m"
T„
A.
Bromwasflerstoffamy-
len**) ....
65H10 . HBr
GÄo+HBr
— 1
619«
— 1567
Jodwasserstoffamv-
len***) ....
€Ao+HJ
— 1
600
— 1600
Phosphorchlorid f )
PCI5
PCI, + Cl,
— 1
476
— 1425
Sohwefelsäurehy-
dratft) • • .
8H,04
NO,-j-N0,
— 1
620
— 1860
UnteiBalpeierBänre *)
N.O4
— 1
336
— 1006
Das Ozonmolecul ist nach Versuchen von Sorot**) ans
drei Sauerstoffatomen zusammengesetzt. Bei der Bildung von
gewöhnlichem Sauerstoff aus Ozon entstünden demnach ge-
mafs der Umsetzungsgieichung 2 Os = 3 O9 aus zwei Mole-
culen drei Molecule und durch diese Aenderung der Molecul-
zahl würden mithin bei der unbekannten Umsetzungstem-
*) A. Naumann, Ann. Chem. Pharm. Supplementbd. V, 860.
**) Daselbst ßuppl. V, 347 u. 361.
***) Daselbst. Für diesen Körper ist die 25ahl für T« weniger genau
als für die übrigen.
t) Daselbst Suppl. V, 348 u. 861.
tt) Daselbst Suppl. V, 349 u. 362.
*) Daselbst Suppl. VI, 203 u. 206.
**) Ann. Chem. Pharm. CXXXVUI, 46, und Ann. Chem. Pharm. SuppL
V, 148.
in ihrer Äbhängigheit von d, Aenderung d, MolecuhahL 303
peralar T nach Gleichung (3) = 3 (2 — 3) T = — 3 T
Wärmeeinheiten entwickelt , d. h. 3 T Wärmeeinheiten ab-
sorbirt, abgesehen von den aus sonstigen Gründen etwa
stattfindenden Warmevorgangen.
Für die Anwendung der Gleichung (8) ist die Kenntnifs
der Umsetzungstemperatur erforderlich, die nun meistens
mangelt. Es ist aber die Bestimmung des Einflusses der
Aenderung der Holeculzahl auf die Wdrmeentwickelung unter
gegebenen Verhältnissen auch möglich, wenn die Umsetzungs-
temperatur nicht bekannt ist. Es werde, wie bei den von
Favre und Silbermann und von Anderen vorliegenden
Versuchen, als Anfangstemperatur, d. h. als Temperatur der
vor der Umsetzung vorhandenen Körper, und zugleich als
Endtemperatur, d. h. als Temperatur der nach der Umsetzung
vorhandenen Körper , die gleiche unterhalb der Umsetzungs-
temperatur liegende Temperatur vorausgesetzt. Nach dem
die Aequivalenz zwischen Wärme und zwischen chemischer
und physikalischer Arbeit ausdrückenden Satze *) : „wenn
ein System einfacher oder zusammengesetzter Körper unter
bestimmten Verhältnissen gegeben ist und dasselbe physika-
lische oder chemische Aenderungen erfährt, welche das
System in einen neuen Zustand überfuhren , ohne dafs dabei
äufsere mechanische Wirkungen vollbracht werden, so hängt
die bei diesen Aenderungen erzeugte oder absorbirte Wärme-
menge einzig und allein von dem Anfangszustande und dem
Endzustande des Systems ab, ist aber dieselbe, welches auch
die Art und die Folge der Zwischenzustände sein raag^ , ist
es alsdann für die gesammte Wärmeentwickelung, für die
ganze Energiedifferenz zwischen den vor und den nach der
Umsetzung vorhandenen Körpern, vollkommen gleichgültig,
*) Berthelot, Ann. chim. phys. [4] VI, 294; Jahresber. f. Chem.
f. 1865, S. 47.
304 Na umanrif Wärmeentwichelung hei ehem. ümaeUsu ngen
bei welcher Temperatur die Umsetzung stattgefunden liaf.
Um nun die für die Wärmeentwickelung gefundene Zahl des
Einflusses der Aenderung der Moleculzahl bei der vorlie-
genden Anfangs- und Endtemperalur zu entkleiden, bat man
in Gleichung (3) für T eben diese Temperatur einzusetzen.
So entspringen bei der durch die Gleichung 2 H2 + ^a
= 2HsO ausgedruckten Umsetzung, wenn man als Anfangs-
und als Endtemperatur die gewöhnliche Temperatur von 15®
G. annimmt, von der gesammten Wärmeentwickelung der
Aenderung der Moleculzahl (3 — 2) . 3 . (275 + 15) = 870
Wärmeeinheiten. Oder mit anderen Worten : von der ge-
sammten EnergiedifTerenz zwischen 4 Gewichtseinheiten Was-
serstoff und 32 Gewichtseinheiten Sauerstoff von 15® einer-
seits und 36 Gewichtseinheiten Wassergas von derselben
Temperatur andererseits kommen 870 Wärmeeinheiten auf
Rechnung der Aenderung der Moleculzahl.
Für die Aenderung der Moleculzahl bei vollständiger
Verbrennung durch Sauerstoff lassen sich für sämr^üiche
Glieder derselben homologen Reihe gültige Formeln aufstellen
und hiernach auch entsprechende Ausdrucke för die durch
alleinige Aenderung der Moleculzahl bedingte Wärmeent-
wickelung gewinnen, wenn diese bei einer beliebigen abso-
luten Temperatur T als Anfangs- nnd Bndtemperatur, wofür
selbstverständlich auch jede Verbrennungstemperatur gesetzt
werden darf, betrachtet wird. In der folgenden Tabelle ist
die Verbrennung von je einem Molecul, d. h. von der durch
das Holecnlargewicht ausgedruckten Menge in Betracht ge-
zogen. Es wird hierdurch die vergleichende Uebersicht er-
leichtert, wenn auch in den Umsetzungsgleichungen und für
die Aenderung der Moleculzahl (vielleicht die Vorstellung
etwas störende, aber die Richtigkeit der Ergebnisse nicht
beeinträchtigende) Bruchtheile von Moleculen vorkommen.
in ihrer Abhängigkeit von d. Aenderung d, MoUcuhahl 305
!
m*
m
n
m'— m"
Kohlenwawerstoffs
Kohlenwassentoffe
Koh lenwassers toffe
Alkohole )/j „ cl
Aldehyde QJä^Q
Ä}«-«-^'
3 ^n^
2" + 2
2" "~ *2
3X1
1 + -2-
1 , 3n
2'' + T
8n
2
2ii+l
2ii
2n--3
2n+l
2n
2n
2
2
5 — n
n
— 2
2
n
J — n
2" ~
2 — n
2
6 — n
.ST
.3T
.3T
--2^.8T
1 — n
.8T
-.— .8T
Wie die Tabelle lehrt, findet för Alkohole 1 Säuren und
Aether schon bei der Verbrennong des Anfangsgflieds eine
Vermehruug der Holecule und hierdurch eine Verringerung
der sonstigen Wdrmeentwickelung statt. Dasselbe tritt auch
für die höheren Glieder der übrigen Reihen ein. Fdr sammt-
liehe Reiben entspricht einem Zuwachs von n GH» ein Zu-
wachs der durch alleinige Aenderung der Moleculxahl be-
dingten Warmeentwickelung von — -^ • T- Diefs Ergebnifs
lärst sich auch dircct aus der Yerbrennungsgicichung
(n€H,) + nO, + -g- ^t = n€0, + nHtO
ableiten, nach welcher
n
m'-m- = ii+- -(n + ii) = ~
2
Aus dem Umstände, daFs bei bestimmter Anfangs- und
Endtemperalur die gesammte Warmeentwickelung d. h. die
EnergiedifTerenz der vor und der nach der Umsetzung vor-
handenen Körper dieselbe ist, bei welcher Temperatur die
Aanal. i. Cham. o. Phann. VI. 8nppl«in«Dfcbd. t. Haft. 20
30i^ Naumann^ Wärmeentwkkelu^g bei ckemMm^eimmgem
Umsetzung auch stattfinde, darf man jedoch nicht scKliefseii,
dafs die gcsammte Wärmeentwickelung bei verschiedenea
Umsetzttngstemperaturcn gleich grofs sei. indem in dieser
Hinsicht B e r t h e I o t *) die Abhängigkeit der Umset^ungs-
wärme von der Umsetzungstemperatur durch die folgende
Gleichung (4) ausdrückt, behauptet derselbe dagegen ande-
rerseits die Unabhängigkeit der Wärmeentwickelung von der
Uinsetzungstemperatur für den Fall , dafs sowohl den vor als
den nach der Umsetzung vorhandenen Körpern der voll-
kommene Gaszustand zukomme. Es kann dieb schon des*
halb nicht allgemein richtig sein, da nach Gleichung (3) aach
für vollkommene Gase der Eiaflufs der Aenderung der Ho-
leculzahl mit der Temperatur zunimoit. Ist Qt die Wärme-
entwickßlung b«i der Umsctzungstemperatur t^, Q«- diejenige
bei der Umsetzungstemperatur v^, so ist
Qr :« Q, + ü - V, (i)
worin U die Summe der Wärmeeapacitäten der vor der Um-
setauiig und V diejenige der nach der Umsetzung vorhan-
denen Gase zwischen den Temperatnrgrenien 1^ imd %^
bezetchnen. Die Differenz U— V schliefst den mit der Ten-
peratur steigenden Zuwachs des Einflusses der Aenderung
der Molecttlzahl in sich, da die Zunahme der Moleoolar-
bewegungs wärme für 1^ Temperaturerhöhung in der spec.
Wärme einbegriffen ist. Berthelot**) ist der Meinung,
dafs für vollkommene Gase die Summe der Wärmeeapacitäten
der vor der Umsetzung vorhandenen Körper gleich sei der
Summe der Wärmeeapacitäten der Umsetzungsproducte ***),
*) Ann. eh. phys. [4] VI, 803; Jahresber. f. Cbem. u. 8. w. f. 1865fe
& 49.
**) Ann. eh. phys. [4] VI, 816; Jahnsber. f. Cbem. h. 8. w. L 1965»
S. 62.
***) In Anwendung dieses Satzes aof die UmsetEong Ton Wasserstoff und
Sauerstoff m Wasserdampf nimmt Berthelot aa, dmüi die swi-
m ikrer AhhämpgkeU v<m> d. AentUrunig d. MolecuUald. 307
daft also föf den voUkommenen Gaszqstand U -- V = 0, folg-
lieh Qr =*= Ot sei« Da aber die Wännccapacililt auch von
<lef Zahl der Malscide abhängt , so trifft die Annahme von
BeKlbei^ot jedenihlls nichi zo, wenn die Maleculzahl bei
A&r UrasMziflig' eine Aenderiuig erlcMet , und es \¥ird dana
die Warmeentwickelong fär verschiedene Umsetzungstem-
peraluren ebenfalls verschieden grofs sein.
Es Idfst sich die Gleichung Q«. = Q^ 4. U — Y auch
anwenden^ wenn t und % nicht Umsetzungstemperaturen, son-
dern t eine gewisse Anfangs- und Endtemperatur, r eine
andere Anfangs- und Endtemperatur bezeichnen, und man
dia fikiergiedifferenz der vor und nach der Umsetzung vor-
handenen Körper bei der Temperatur t^ auf diejenige bei
der Temperatur t^ beziehen will. In dem ganz allgemeinen
Fall, dafs zwischen t^ und %^ auch Zustandsanderungen so-
wohl der vor der ITmaetzMg als der naich der Umsetzung
vorhandenen Körper stattfinden können, bedeutet dann U den
(durch Zttslandsanderungen und Wdrmecapacitaten) sich er-
gebenden, in Wirmeeinhciten ausgedruckten Bnergiezuwacha
der vor der Umsetzung vorhandenen Körper bei einer Tem-
f eraturerhöbong von i^ auf t^ ; und V bedeutet den (durch
2ustand5änderungen und Warniecapacitäten) sich ergebenden
Energiezuwachs der nach der Umsetzung vorhandenen Körper
ibei einer Temperaturerhöhung von i^ auf t^ Bs ist dann in
sehen 120 imd 220^ 0,48 betragende spco. Wftrme des Wasser-
dampfs für den Tonkommenen Gaaznatand anf 0»67 steige (vgi
Ann. ohim. phys. [4] VI, 301, 819). Es ist aber in Hinsicht anf
die darch die mechanische Wärmeiheorie über das Wesen der
Gase ausgebildeten Vorstellongen durchaus nnzulftssig, anzunehmen,
daft die spec. WErme desselben Körpers im ToUkomraenen Gas-
zustand, wo keine Molecularanaehnngen mehr sa überwinden sind,
f:rGiser sei ak im nnroUkommenen Gasiustaaid, in welchem Ar
Ueberwindung der wechselseitigen Axuiehnsg der llole<nde noch
Wftrme yerbraucht wird.
30»
308 Franklandj über du Verlrennnng vcn WasBergtoff
der Differenz U — V der Unterschied des bei den verschie-
denen Temperaturen t^ und x^ auch verschieden gr<rfsen Ein-
flos^ses der Aendemng der Moleculzahl auf die gesaminte
Warmeentwickelung mit berCk$ksichtigrt, da die betreffenden
Wfirmecapacitaten die Aenderungen derMolecularbewegungs-*
wflrmen in sich schliefsen.
Gicfsen, Juli 1868.
Ueber die Verbrennung von Wasserstoff und
Kohlenoxyd in Sauerstoff unter hohem
Druck ;
von E. Franktand*).
- In eirier früheren Miltheilung **) beschrieb ich Unter-*
fachungen über den Einflufs der Verminderung des Drucks
auf einige Verbrennungserscheinungen, und leitete aus den*
telben das Gesetz ab, da/a die Verringenmg der Leuchtkraft
der Verminderung dea atmosphärischen Drucks direct pro^
portional ist.
Weitere Versuche , welche vor linger als einem Jahre
über die Natur des das Leuchten Bedingenden in einer Stein-
kohlengas-FIamme ***) angestellt wurden, liefsen mich die
Richtigkeit des von Humphry Davyf) zuerst aufgestellten
und seitdem allgemein angenommenen Satzes bezweifeln^
*) Frooeedings of the £07«! Society XVX, 419.
••) Phil. Trans. CLI, 629 (1861).
***) Vorlesungen Aber Bteinkohlengas, gehalten in der Bojal Institu-
tion im MArs 1867. Journal of gas-lighting.
t) PhiL Trans, for 1817, 75.
0
und Kohlenoxyd in Sauersk^ unter hohem Druck. 909
^rs 4u Liohl einer Gasfli^iiiüe und von leuchtenden Flammaa
im Allgemeinen auf dem Vorhnndensein fesler Tbeilchen
bemhe. Was Gas- und Keraenflammen betrifit^ so ist ea
jetzt wohlbekannt, dafs die bei dem Niederdrücken eines
iStttckea Drahtgewebe auf solche Flammen sich ausscheidende
rnfsige Substanz und die ruTsigo Ausscheidung , welche ein
in dhnUcher Weise in eine solche Flamme gebrachtes Slfick
weifiies Porcellan bekleidet/ nicht rdner Kohlenstoff sind,
sondern Wasserstoff enthalten , der nur bei Mngerem Ver-
weilen in einer Chlorgas-Atmosphäre bei Weifsglühhitze ganz
weggeschafft werden kann. Bei weiterer Verfolgung dieses
Gegenstandes fand ich, dafs es mehrere Flammen giebt,
welche in hohem Grade leuchtende sind und doch unmöglicher
Weise feste Tbeilchen enthalten können. So strahlt die
Flamme des in Sauerstoffgas verbrennenden metallischen
Arsens ein bemerkenswerth intensives weifses Licht aus;
und. da metallisches Arsen sich bei 180^ G. verflüchtigt und
sein Verbrennungsproduct(Arsenigsättre- Anhydrid) bei 218^0«,
wfihrend die Ergiuhungstemperatur fester Körper mindestens
500^ C. ist, so ergiebt sich die Unmöglichkeit, hier die An-
wesenheit gluhetfder fester Tbeilchen in der Flamme anzu-
nehmen. Wiederum : wenn man Schwefelkohlenstoffdampf in
Sauerstoff verbrennen lafst, oder Sauerstoff in Schwefelkoh-
lenstoffdampf, so wird ein fast unerträglich glänzendes Lichl
entwickelt; nun ist niemals in dieser Flamme, in keinem
Theile derselben, rufsige Substanz vorhanden^ und der Siede-
punkt des Schwefels (440^ C.) ist unterhalb der Glöhtem-
peratur, so dafs die Annahme der Gegenwart fester Tbeil-
-cihen in der Flamme auch hier unzulässig ist. Aendert man
den letzten Versuch in der Art ab, dafs man Stickoxyd aa
4er Stelle von Sauerstoff anwendet, so ist das Resultat noch
dasselbe; und das blendende Licht, welches bei der Ver-
brennung dieser Verbindungen hervorgebracht wird^ ist auch
810 Frankland^ über du Verbrennung wm Wet^etratoff
m reich «n «Mrker breebbar«n ^Slralileii , Ms >es clava be-
nnlzl worden ist, in efnem Atfenblicke pholografrfiiselie
Bilder erhallen za lassen und die Erscheking der Phi»-
reaoenz herverziriMrinifen.
Hehrere andere ilmtiche FSlfe der Henrorl^ringiiiig gMn-
senden Lichtes durch ^Ohende fas- oder dampISmige Kee-
per kdnnlen hier anfeführl werden ; dock will ieh wir noch
Eines erwtbnen. Unter den ebenrisehen Reaettenen, welche
heflfiglich der Hervorbringfing blendenden Li^es kerihmU
sind^ übertreffen nur wenige die rasche Verbrennung dos
Phoq[>hers in Sauerstoff. Nun ist das Phosphorsfiure-Anhydrid,
das Preduct dieser Verbrennung, bei Rothgli^hitce fiöehlfg;
und es ist also offenbar unmöglich, dafs diese Suhstanz bei
der TemperaAnr der Phospherflanraie , welche den Schineh-
ponkt des Platins weit übersteigt, in fester Perm exisKre.
Aus diesen Gründen , und anderen in den oben erwihnlen
Vorlesungen engeführten, bin ich der Ansicht, dafs nicM
glühende Kehlethcilcfaen in Gas- und Kersenfianmien die
ihielle des Lichtes sind, sondern dafs das Leuchten dieser
Ftemmen auf Ausstrahlungen von dichten aber durchsichtigen
Dämpfen von KohlenwasserstolTen beruht. *AIs eine weitere
Verallgemeinerung aus dem oben erwähnten Versuche ergab,
sich mir die Schlursfolgerung, dafs dichte Gase und Dfimpfe
bei viel niedrigeren Temperaturen leuchtend werden, ab
elastisch - flüssige Körper von verhfiltnifsmtfsig niedrigem
specißschem Gewicht, und dafs dieses Resuhat grefseMhefls,
wenn nicht ganz, unabhängig ist von der Natur des Gases
oder Dampfes, sofern ich fand, dafs Gase von niedrigem
speciüschem Gewicht, welche bei ctner gewissen Temperatur
nicht leuchtend sind, wenn sie unter dem gewöhnlichen Druck*
der Atmosphäre verbrannt werden, leuchtend werden^ wenn
sie zugleich slfirker zusammengedrückt sind. So geben die
Gemischo von Wasserstoff und Koblenoxyd mit Sauerstoff nur
un4 fiokknostpd fft Sauerstoff unter hohem Drutk. 81i
WMiif Uclftl, i^Mh iito In frerer Ltf ft vctl^nimtt odvt cxpItMJirt
werden, über sie zeigen intensives LeucMen, wenn mM Sril»
itt f evchtüSMWMfi CMa^gfelftrsen ^xpUAik-en liFs! , so dtifi^ ihre
AwdehMmfr im Aagenbllek« der Verbterm«n^ Vcfhindert iirt.
leb Mibe In neuerer Zeil dte^ Versnehe Busged^nt attf
*e Vei1!)renn<ii»g' toh Wftssers^otf- und ton Kohlenoxydga*,
w«iGhos in SoU0r»to(F{^as mvter einom «nmMttJif b\6 tti 20 AI*
niDBphirMi wadisenden Draelc strömt Z« diesen Tersuchetl
^ente ein iffftrkes GeflFs ans Bfsen, welches mit einer dichen
filtspiatto VOM gcnigimder Gräfte rcf sehen war, um die
vplisobd Untersvehung der t^Iammo tn efmögliehen. Die
Resultfite aind so bemei*kenswef ih , itafs ieh sie , wenn sto
gieiek noeh nidbt gana voilständige sind, hier mittheile)i will.
Wie ebi in Saaersteffgaa imler <h9m geivAhftitthtm Druck 4cir
Atmos^ro brcmiendar Strom von Wasserstoffgas BussteM,
iai M bekannt, als dafs es einer Beschreibung bedQrfte»
Lftfai man den Druck auf iKwei Atmosphären steigen^ so wird
das ?orber schwache Leocblen sichtbar verstärkt ^ wahrend^
«titer dem Druck von 10 Atmosphären das von einem Was«
aerstoffatrom von etwa 1 Zoll Linge ausgegebene Licht reiche
Koii genügt, den Beobachter in einer Bnlfefnüng von 2 FiA
von der Flamme «4na Zeitung les^n tu lassen , und zwaf
Ohne dafe sich eine reÜeetfa-endc Fliehe hinter der Fiamma
feefindet. Durch das Speßtrosoop beobachtet erscheint dM
SpectruiH dietef Flamme Kell und vollkorftmfn tontlnuitUek
vom Soifi bis «um Violetf.
m
Bei stärkarem anfiingliehem Leuchten wird die Flamma
des Kohlenoxyds in Sauerstoff unter einem Druck von zehn
Atmosphären viel leuchtender, als eine Flamme des Wasser-
Mffs von gleicher Grdrse unter demselben Druck ist. Von
dem Spectrum des in Luft brennenden Kohlenoxyds ist ea
bekannt, dafs es ein continuirliches ist; brennt das Kohlen«
oxyd in Sauerstoff unter einem Druck von vierzehn Aimo-
312 Frankland, über du Vtrbrennunff van Wasserstoff
q>h§ren , so ist das Spectnim der FlamiAe sehr gUnzend und
voUkoinmen conlinuirlich. ,
Wenn es richtig ist, dafs dichte Gase mehr Licht aus-
strahlen als weniger dichte» wenn sie zum Glühen erhilsK
sind, so murste der Durchgang des electrischen Fankens
durch verschiedene Gase einen Betrag an Licht hervorbrin-
gen^ welcher n^it der Dichtigkeit des Gases variirt; und
diefs ist in der That der Fall, denn wenn man unter mög-
lichst gleichen Umständen electrische Funken durch Wasser-
stoff, Sauerstoff, Chlor und Schwefligsaure-Anhydrid schlagen
Urst, so wird im Wasserstoff Licht von nur sehr geringer
Intensität hervorgebracht, während die des Lichtes im
Sauerstoff betrachtlich und die des Lichtes im Chlor und im
Schwefligsaure -Anhydrid sehr grors ist. Wird zur Flds-
sigkeit condensirtes Schwefligsfiuro - Anhydrid - in eine mit
jPlatindrähten versehene starke Glasröhre eingeschmolzen,
und lafst man dann die Temperatur steigen bis der innere
Druck drei bis vier Atmosphären beträgt, so ist der Durch-
gang von Inductionsfunken durch das eingeschlossene Gas
von stark glänzenden Licbtblitzen begleitet. Wenn man fer-
ner einen Strom von Inductionsfunken durch Luft gehen lafsli
welche in einer, mit einer Verdichtungspumpe in Verbindung
stehenden Glasröhre eingeschlossen ist; und den Druck der
Luft allmälig auf zwei bis drei Atmosphären steigert, so be-
obachtet man eine sehr deutliche Zunahme in dem Leuchten
der Funken, während, wenn man die verdichtete Luft ent-
weichen läfst, die Erscheinung in umgekehrter Richtung be-
obachtet wird.
Der durch 50 Zellen der Grove 'sehen Batterie her-
vorgebrachte Lichtbogen ist unvergleichlich starker leuchtend^
wenn sich Quecksilberdampf an der Stelle von atmosphäri-
scher Luft zwischen den Kohlespitzen befindet.— Die im Vor-
und Kohlenaxyd in Sauerstoff unter hohem Druck, 313
hergehenden erwähnten Gase and Dampfe haben folgende
relaliYe Dichtigkeiten :
Wusentoff 1,0
Luft 14,6
BftQontofl 16^
ScbwefligsäUEfi- Anhydrid 32,0
Chlor 36,5
Quecksilber 100,0.
Efl ist klar, dafs die hier mitgetheiUen Resnllate in sehr
naher Beziehung stehen zu dei^ jetzt allgemein angenommenen
Ansichten bezuglich der Constitution der Sonne, der Sterne
nnd der Nebelflecken ; aber ich enthalte mich eines näheren
Eingehens bis zu der vollständigeren Vorlage dieser Versuche.
Ueber die Dampfspannuug des ameisensauren
Aethyls und des essigsauren Methyls;
von C. W. DiUmar.
H.'Kopp hat au« seinen umfassenden Untersuchungen
dber die Beziehungen zwischen Siedepunkt und Zusammen-
setzung der KohlenstofTverbindungen eine Anzahl von Er-*
fahrungssatzen abgeleitet, welche es erlauben , je innerhalb
einer gewissen Reihe chemisch^-ahnlicher Substanzen, Siede*
jmnktsdiOerenzen aus Zusammensetzungsdifferenzen zu be^
rechnen. Kopp giebt seine Siedepunktsregeln nur als eine
annähernd richtige Formulirung des thalsächlich Gefundenen,
und hat die sich hie und da zeigenden Ausnahmen beson-
ders hervorgehoben. Wenn man indessen die im Allgemeinen
befriedigende Uebereinstimmung der Regeln mit der Erfah-
SM JXttmtLTy aber die Bwnfftepnnftmg
dafs dieselben mindestens die richtigen f^^MehsFpilAkte hh*-
reits treffen., und mit .wirklieb bestehenden Nmllirgcsetzen in
directem logischem Zusammenhange -stehen.
Es wird woiil noch lange dauern, bis diese, die wahren
Beziehungen 2wiScheil ^hemischeir Constitution, Temperator
und Dampfspannung ausdrüc^kenden' Formeln gefanden sein
werden, oder bis auch nur das nothige ungeheuere Hateriai
an experimentellen Daten sich wird angehänft haben. — Bs
schien mir indessen , dal^ bei einigen der aus den Siede-
punklsregeln sich ableitcTiden specielleren Polgerungen eine
Erweiterung zu noch allgemeinereti , die Dampfspannung
betreffenden Sätzen schon jetzt, mit vcrh<nifismärsig gerin-
gem Aufwende an experimenteller Arbeit versucht werden
könnte. So z. B. bei dem, in einer bekannten Siedepunkts*
regel enthaltenen Satze, dafs motamere , mit dem ameisen-
sauren Methyl homologe Ester gleiche Siedepunkte besitzen.
Wenn die thatsdcblich beobachtete annähernde GfoicMiiHi der
Siedepunkte nur ein zufälliges ZusaimnenCraffon ist, so Iirst
es sich erwarten, dafs unter höherem oder geringerem Druck,
als dem der Atmosphäre, die Siedepunkte erheblich ausein-
ander rucken werden. Ist es dagegen eine naturgesetzliche
Tbaisiiche, dafs 4ie chemischen Verschiedenh^ilen metafncrer
Ssier keine Differenz im Siedepunkte bedingen , so ialt es
lehwer einzusehen, warum das, wenn auch nnbehannte, Ma*»
Iwrgeselz, bei nllen hieriicrgehörigen Oroppen ton MelftmerMi,
die Gleichheit der Siedepunkte nvr fftr den zvffiilig gewählt
ten Druck ton 760^" terlangen sollle. Bs ist «fsdamt ticl«
mehr mit gmfser Wahrscheinlichkeit anzunehtntfi, dafit solche
inetamcre Ester bei alten Temperaturen gleiche DampCspan-^
nmg besitzen. Die Hypothese sdiren mir plausibel genug,
am eine experimentelle Prüfung zu terdienen. Ich habe ^
deshalb unternommen, die Dampfspannung des ameisensaiiren
des ameisens. Aethyls und des esriyv, Methyls. 31^
Aefhyls mit der de« essigsauren IRetbyls bei einer Heike von
Temperaturen direct tu vergfeidiem. Das Volg^^e ist ein
Bericirt Aber zwei txl diesem Zwecite aasgefOhrte Versuchs«
reihen.
;•. Erai€ Meihe.
In der ersten Versuchsreihe worden die Dampftensionen
der beiden Ester bei «iner Reihe identischer Tempcraturan
(zwischen 16 und 56^ gleichzeitig bestimmt und so mit ein^-
ander rerglichcn. Das Verfahren war im Priacrp dasaelbA,
wie das von Magnus zur Messung -der Spanrnkrirte der
Wasserdftmpfo angewandte.
Zur Aufnahme einer jeden der beiden FlasMgfkefrten diente
ein Ciasapparat, wie er in Fig. t auf TaTel III dargestelk Ut
Eine U«^ Röhre von circa 1 Centimeter innerem Durchmesser
wttrde nah« an dem einen End^ stark terengl und in die
Verengung ein Glasstoprcn etngeschliiTen. Auf jeden der bet^
den Zweige war eine Millimeterscale eingeatzt. — Der Ap*-
parat wurde in genau senkrechte Stellung eingespannt m4
dann bis nahe an die Verengung in b in der Art mit Queok«-
sHber gefüllt, dafs man this Metall aus einem in emeCapillar-
spttte auslaufenden Trichterrohr in a einffiefsen liefs. (Bei
Gelegenheit des Eiirfüllens wurden wiederholt die berden
Quecksilberkuppen abgelesen und so die «inander in betdun
Scalen entsprechenden Nivcaupunfcte gefunden.) Es wurden
nun einige CC. der betreffenden Substanz auf die Queck^
silberoberflache in ö gegossen, einige Zeit im Sieden erhalten
und dann durch Emsetzen des Stopfens zum Theil innerhalb
des Apparats abgeschlossen, wahrend der Rest in dem Trichter
b blieb. Man gofs jetzt etwas Quecksilber in diesen Trichter,
schob eine cyKndrische Spiralfeder aus Stahldralit ein und
schlors endlich das Ende der Rohre mittelst eines Korkes ift
der Art, dafs derselbe zugleich die Spiralfeder gegen den
3i6 Ditimar, über die Dampfspannung
Stopfen anprefste. Endlich wurde der gröfsle Theil des in
a entballenen Quecksilbers mittelst einer Pipette heraus--
genommen. Zwei solcher Apparate, der eine mit Aelhyl-
forroiat, der andere mit Hethylacetat beschickt, wurden inner-
Ailb desselben Wasserbades in der Art befestigt, dafs die
Röhren genau senkrecht standen und die zwei Ester sich
dicht neben einander befanden, und die beiden offenes En-
den der U- Röhren mit demselben Ueberbarometer in Yer-
i>indung gesetzt. Ein von einer der Verbindungsröhren ab-
gehender Ansatz führte zu einer Luftpumpe. Das Barometer
war aus einem Frankland'schen Gasapparate hergestellt,
der zu diesem Zwecke selbstverständlich mit voUkonunen
trockenem Quecksilber gefüllt war. Die Manometerröhre
dieses Apparats war über 1"" lang, so dafs also selbst bei
einem inneren Druck von einer Atmosphäre noch ein erheb-
liches Vacuum übrig blieb. — Zur Ausführung einer Bestim*
mung wurde zunächst die verlangte Temperatur im Wasser-
bade hergestellt und der Druck im Inneren des Apparats so
adjustirt, dafs sich von jeder der beiden Substanzen ein ge-
eignetes Volum Dampf bildete. Ein continuirlicher Strom von
Kohlensaure hielt den Inhalt des Bades in beständiger Be-
wegung. Nachdem das Thermometer hinlänglich lang con-
stant geblieben war, um anzunehmen, dafs Temperaturgleich-
gewicht hergestellt sei, wurden zuerst die vier Niveau in
den U- Röhren und dann die beiden im Manometer abgelesen
und so alle zur Berechnung der Tensionen der beiden Dämpfe
Aöthigen Elemente erhalten.
Ehe ich die Resultate mittbeile, will ich über die zur
Reindarstellung der beiden Ester angewandten Methoden
berichten.
Das Formiat wurde, nach Löwig's Verfahren, durch
Destillation von oxalsaurem Aethyl (1 Mol.) mit entwässerter
Oxalsäure (1 Mol.) dargestellt. Der hierbei vor sich gebende
des ametsens* Adhyh und des essigs, Meihyh, 317
Procefs besteht bekanntlich darin, daft die erst gebildete
Aethyloxalsiure in CO« und ameisensaures Aethy! zerfillt.
Der Apparat war so construirt, dafs die Dampfe, ehe sie den
KQUapparat erreichten, erst innerhalb eines aufsteigenden,
in einem offenen Wasserbade liegenden Rohres bei 56^
partiell condensirt wurden. Das rohe Formiat wurde wie-
derholt mit Wasser gewaschen, mit Chlorcaicium getrocknet
und nochmals (mit fractionirler Condensation der Dämpfe bei
56^) destillirt. Das Destillat wurde in mehreren Fractionen
aufgefangen und jede derselben mittelst titrirten Barytwassers
analysirt, wobei es sich herausstellte, dafs die beste Fraction
nur circa 99 pC. der reinen Verbindung enthielt* Jfachdem
ich vergebens versuch! hatte > das Residuum von Verunrei-
nigungen durch abermaliges Waschen mit Wasser, Trocknen
mit CaCli und Destillation zu entfernen, gelang diefs zuletzt
durch längere Digestion des Esters mit wasserfreiem Kupfer-
vitriol uQd Rectification des Decanlates. Das so erhaltene
Froduct titrirte 100,3 pC.
Für die Darstellung des essigsauren Methyls diente als
Rohmaterial eine Art von gereinigtem Holzgeist, die damals
in England unter dem Namen „Eschwege's purifiedWood«
Spirit^ im Handel vorkam. Der Holzgeist wurde durch De-
stillation über Kalk entwässert und aus dem Producte, durch
rasche Destillation mit dem gleichen Gewichte entwässerter
0.xalsaure, oxalsaures Methyl dargestellt. Daa krystallisirte
Oxalat wurde durch scharfes Auspressen von der Mutter-
lauge befreit und zu weiterer Reinigung geschmolzen und
bei einer dem Siedepunkte nahen Temperatur eine Zeit lang
im WasserstoOgasstrome erhitzt, wobei indefs kein flössiges
Destillat erhalten wurde. Ich beabsichtigte Anfangs, aus dem
Oxalat zunächst Methylalkohol darzustellen, fand aber bald,
dafs dasselbe durch Destillation mit Eisessig und (einer kleinen
Sjß Diitmar, über die Dampf ftpannunß
Menge) rauchender Salzsäure direct in Acetat umgewandelt
werden kann»
Man eriiält ftast die berechnete Menge Acetat Die Salz-
säure wird, wie es scheint, nicht permanent irerandert, ist
aber wesentlich, da C2H40i und Gfi^Ai^^Cji , wenn für sieh
«rhitzt, kaum auf einander einwirken. Nach einigen Tast-
versuchen wurde das folgende Verfahren als praktisch adop-
tirt. lOOCIrm. Oxalat, 100 Grni. Eisessig^ ond 8 CC. fast
gesättigte Salzsäure wurden in einem , auf fmctionirte Ceit^
densation der DämpfV^ eingerichteten DesttlKrapparraie^ erhitzt.
Der YorVühler wird erst eine Zeit lang kalt gehalten , daim
aber auf 50 bis 58^ erhitzt, so Aafs das essigsaure Methyl^
in dem Hafse als es sich bildet, QberdesttIHrt. I>as I>eslHfart
wird mit einer Lösung ton esstgsaurenr Natron gewaschen
(die weniger Ton dem Ester auflöst als reines Wasser) , mit
Chlorcalcium getrocknet und destillirt. — Eine »gröfsere
Quantität in dieser Weise dargestellten essigsauren Hethyb
wurde, mit partieller Condensation der Dämpfe bei 56^, de-
«lillirt und das Destillat in mehreren FVactionen aufgefangen.
Eine der Fractionen stellte sich bei der Titrirung als fast
chemisch - rein heraus und wurde deshalb für die Tensions-
bestimmungen verwandt.
Die folgende Tabelle giebt die Resultate der in der oben
beschriebenen Weise ausgeführten Tensionsbestimmungen :
des ameisen^, Aeiluft^ und de^ e^^igiS* M$lhyU. 3tft
Tabelle I.
Dampfspannung *)
»
Nr.
des
Temp.
(red. auf lö"
C.) iu MM.
f— a
MM.**)
f~Ä
entspr.
Tbv^
Gmdep
Formiat Acctat
Celsius
f a
l
16,70
174,1
16Ö,a
8,8.
0,9
la
16,76
174,5 165,2
9,3
8
K^O
257,T
248,9
18,8
h^
3
8a
28,65
28,6
300,8
282,3
17,7
18,2
1,5
4
38,3^
435,8
421»7
144
0^7
5
60,1
670,9
663,8
7,1
0,3
6a.
a»,6
680,7
672^5
8,2
0,8
6
6a
56,3
66,2
1
828^3
1>6
0,7
0,06
; 0,03
1
Aus. den obig^en Zalilen- scheint rieh tölgenäes zu er-
geben : Dia Dampfspannung des ameisensaiiren Aethyls ist
schon bei i6^ erheblich gröfscr als die des essigsauren
Methyls bei derselben Temperatur. Bei steigender Temperatur
wächst die Differenz der Tensionen , erreicht zwischen 38
und 38^4 ein Maximum und nimmt dann wieder ab, so dafs sie
bei 56^,2 gleich Null oder wenigstens (durch die angewandte
Methode) unbestimmbar wird.
Bin Versuch, die Tensionen der beiden Ester bei einer
dber S6^ liegenden Temperatur zu bestimmen, vorunglOekte
md konnte nicht wiederholt werden, da ich gerade damals
genöthigt war, diese Cntersuchong^ fir längere Zeil zu
smpendircn.
*) Die für f und a gegebenen Zahlen können nur ab annähernd
richtig betrachtet werden, da die zu den Versuchen rerwandten
Thermometer nwAl eorngiri waten»
^ (f— -*) ist nnabhftngig Ton den f&r f imd a gefundenen
Wertfaeo.
320 Dittmar, über die Dampfspannung
Zweite Reihe,
Da wir durch die Erfahrungen von Regnault wissen,
wie sehr die Dampfspannung einer Substanz durch selbst
geringe Spuren von Verunreinigungen modificirt werden kann,
so wäre es voreilig, die oben aufgeführten Resultate ohne
Weiteres auf die idealen Substanzen auszudehnen; zumal es
sich hier um zwei Präparate handelt, deren beiderseitige
Verunreinigungen auf die Tensionen in entgegengesetztem
Sinne einwirken konnten. — Als ich meine Arbeit wieder
aufnahm, hielt ich es deshalb für nöthig, vor Allem neue
Präparate nach verbesserten Methoden darzustellen und die-
selben noch strenger, als diefs vorher geschehen war, auf
ihre Reinheit zu prüfen. Zur Analyse der Ester adoptirle
ich wieder die acidimetrische Titrirmethode ; ich bemühte
mich aber, die derselben anhaftenden Fehler möglichst za
eliminiren. Die Hauptfehlerquelle dieser Methode liegt darin,
dafs, bei der Titrirung schwacher Sauren, der Sättigungs-
punkt nie vollkommen scharf definirt ist. Die hierdurch ver-
aniafste Unsicherheit wird bei dem gewöhnlichen Verfahren
der Aethertitrirung noch dadurch vermehrt, dab, selbst bei
kurzer Digestion caustischer Alkalien in Glasgefäfsen bei 100^,
sich immer etwas Kieselsäure auflöst, die bei beginnender
Neutralität gefällt wird, den Lackmus mit niederreifst und
denselben seiner Empfindlichkeit als Indicaior beraubt. Bei
den hier in Betracht kommenden Estern läfst sich dieser
Fehler dadurch auf ein Minimum reduciren, dafs man die
Alkalien in der Kälte einwirken läfst. Die Zersetzung ist,
wie ich mich durch directe Versuche überzeugt habe, schon
nach wenigen Stunden vollkommen beendigt. Dafs es hierbei
nötbig ist, reine Lösungen zu verwendea (die nicht durch
sehr lange Aufbewahrung in Glasgefäfsen SiO< oder Al<Os
aufgenommen haben), versteht sich von selbst. Barytwasser
des ameisens^ Aetkyls und dee esnge. Methyls. 331
bietet (KHO und NaHO gegenüber) den Vortheil, dafs es
keine Kohlensäure enthalten kann; Aetznatron auf der än-
deret! Seite den, dafs es rascher auf die Ester einwirkt
und bei der Titrirnng vielleicht etwas nettere Resultate giebt.
Eine Lösung von chemisch - reinem (aus Natrium bereitetem)
Natronhydrat, durch Erhitzen mit einem geringen Ueberschufa
von Baryt (in einer silbernen Schale) von Carbonat befreiti
und so weit verdünnt, dafs sie circa — ^— Grm. per Liter
enthalt, vereinigt die Vorzüge beider.
Bei dem hier angedeuteten Verfahren bietet die Titri-
rnng des Formiats keine Schwierigkeit; die Endreaction ist
fast so scharf markirt, wie bei einer Mineralsaure; bei der
Analyse des Acetats indessen bleibt immer noch eine geringe
Unsicherheit. Ich habe dieselbe dadurch möglichst zu elimi-
niren gesucht, dafs ich erst durch Uebungsversuche an Lö-
sungen, die neutralen essigsauren Baryt und gemessene kleine
Mengen Normalsalzsäure enthielten, den richtigen Sättigungs-
punkt finden lernte^ und denselben dann bei jeder Analyse,
durch abwechselndes Zufügen von tilrirter Säure und tilrirtem
Alkali, mehrmals bestimmte. Aus den reducirten Resultaten
wurde das Mittel genommen und der Berechnung zu Grunde
gelegt *).
Wenn ein Ester freie Säure enthält, so wird die Titri-
rung den Reingebalt zu hoch bestimmen. Da ich es nun sehr
schwer fand, aus den Estern, besonders aus dem Formiat,
*) Ich hatte gehofft, hei der Analyse des Acetats die Unsicherheit
in der Titrirung der Essigsaure dadurch vermeiden zu können,
dafs ich den Ester mit einem Ueherscfaufs von titrtrtem Baryt-
wasser zersetzte, den Baiytüberschnfs durch CO^ in der Hitze
füllte und den geHlUten BnCOg bestimmte, fand aber bald, dafs
selbst eine neutrale Lösung von Barytacetat (aus saurer Lösung
durch Alkohol geflült) unter diesen UmstSudon etwas BaCOt
liefert
▲nnal. d. Chem. a. Pharm. 71. Bupplemcntbd. 8. lieft. 21
2^22 Diitüfiar^ über die Dampfspannung
jede Spur freier SSare fernzuhallen, so sucjite rch nach
einer Methode ^u deren quantitaüTer Beslimmong. Durch
f itriren mft Buryt oder Natron kattn der Zweck nicht er«*-
reicht werden , da diese Alkalien auf Ester und Säure gleich-
zeitig einwirken ; die Bestimmung gelingt indessen Ternntlelst
einer sehr verdünnten AmmoniakflussigkeH. Eine circa
—j^ Grm. per Liter enthaltende Lösung wirkt auf die Ester
so langsam ein, da{s es beim Zutropfen der ersteren zu der
mit etwas Lackmus gefärbten Substanz leicht ist, den Punkt
2tt treffen, wenn d!e freie Säure gerade gesättigt ist.
In der Darstellung des Formiats wurde die frfihere Me-
thode zunächst nur insofern abgeändert, als das erste De-
stillat, vor dem Waschen mit Wasser, mit Ammoniak ge-
schulten wurde, wobei sich etwas Oxamld abschied. Das,
wie frfiher, durch successive Behandlung mit Chlorcalcium
und caicinirtem Kupfervitriol entwässerte Präparat wurde
(mit partieller Condensation der Dämpfe bei 56®) destillirt
und das Destillat in vier Fractionen gesammelt. Fraction I
und III wurden titrirt; die Resultate berechneten sich auf
beziehungsweise :
i. m.
98,5 99,9 pC. Aetbylformiat
Bei Prüfung mit tilrirtem Ammoniak wurde in I nur eine
Spur, in III aber eine 1,4 pC. zersetzten Esters entsprechende
Menge freier Säure gefunden. Die Proben waren also beide
gleich unrein. — Nachdem ich mich so überzeugt hatte, dafs
auf diesem Wege kein vollkommen reines Formiat zu er-
langen sei, versuchte ich das noch vorhandene Residuum
von H^O, CsHeO und CH2O« durch Behandlung mit concen-
trirter Schwefelsäure zu entfernen, was auch über alle Er-
wartung gut gelang. Die vier Fractionen von DestUlat wur-
den zusammengegossen, mit Vs Vol. destillirter Schwefel«
des umBÜens* AMyls tmd dt$ enig^* Methyls.
«ilare irorsiehlif gemiscliti dlie Mischung aas einem Paraffin«*
*iaF4e (4etsen Teraferatur unter 100°,, meist bei 70 bis 80^
gehalten wurde) destillirt, und das Destillat, da es stark
^uef reagirte, über frisch geschmolzenes Kalinmformiat ree**
Ufidn. In Widen Desiilltftionen wurde die Methode der
fraetionidon Condensatlon (bei 55 bis W) in Anv^endung
Ifebra^ht «nd die Destillation nicht ganz zu Ende gefuhrt. —
Das M erhaltene Product war absolut neotral und gab bei
4ei* Titrirung genau richtige Zahlen* (Gefundeii 922,3 Mi(L
(n 922,0 Substanz.) Als dieses Präparat unmittelbar vor der
YcffweVidiing Mcbmals mit Ammoniak geprüft wnrde, stellt»
M ^ich heraas, dafs es V400 seines Gewichts zersetzten Ester
«nttielt* Idi 4iielt es nicht für gerathen , eine Entfernung
dieser get^ingen Verunreinigung zu versuchen.
Bei der Darsteihing des essigsauren Methyls mu&te ich
^iefsmai, da ^Eschwege's Spirit^ nicht mehr zu haben
"war, von rohem Holzgeist ausgehen* Derselbe wnrde aus
«einer in einem ParafRnbade stehenden kupfernen Blase erst
sweimal über geschmolzenes Nalronhydrat, nnd dann einmal
^ber gebrannten Kalk dostilKrt, und hierdurch nicht nur ent«
Wassert, sondern auch von einem Theile der anderen Ver-
unreinigungen befreit. VTdhrend das Rohmaterial beim Ver->
<Iünnen mit Wasser eine erhebliche Menge von Oel abschied^
lieferte der absolute Holzgeist nur eine schwach opalescirende
Sfischung.
Das wie früher dargestellte Oxalat wurde nach dem
Pressen gepulvert und durch mehrtägiges Stehen im Vacuum
über Schwefelsaure getrocknet. Bei der Umwandlung des
Oxalats in Acetat wurde die Mischung des ersteren mit Es-
sigsfiure und Salzsäure in einem Paraffinbade erhitzt, um
Ueberhilzung zu vermeiden, die möglicher Weise die Bil-
dung von Methylformiat hätte veranlassen können. Das rohe
essigsaure Methyl wurde sofort auf eine grofse Menge von
21 ♦
324 Diitmar, Hier die Dampfspannung
frisch geschmolzenem essigsaurem Kali gegossen, und di»
nach mehrslündigem Slphen gebildete feste Masse aus einem
Parafßnbade (dessen Temperatur nie auf 100^ stieg) destillirL
Das Destillat war neutral und vollkommen frei von Oxalat
und Chlormethyl ; die Titrirprobe bewies aber die Gegenwart
Ton 2,6 pC. anderer Verunreinigungen. Diese hätten wohl
durch successives Behandeln mit Wasser, Chlorcalciooi and
Kupfervitriol beseitigt werden können; nach den mit dem
Formiat gemachten Erfährungen aber zog ic)i es vor, die
Reinigung des Präparats durch Destillation mit Schwefelsäure
und Reclifrcation über essigsaures Kali zu versuchen, was
auch vollständig gelang. Das Verfahren war in allen Ein-
aelheiten dem beim Formiat angewandten analog. Der ge-
reinigte Ester zeigte bei der Titrirprobe einen Reingehalt
von 99,8 pC. ; er war und blieb bis zur Vollendung absolut
neutral.
In dem physikalischen Theile der Arbeit beschränkte
ich mich diefsmal auf blofse Vergleichungen der Tensionen
der beiden Dämpfe. Der Apparat war so constrnirt, dafa
die TensionsdifTerenz der Dämpfe sich mit der Niveaudiffe-
renz zweier Quecksilberkuppen idenliGcirt, und diese wurde
vermiltelst eines vorzüglichen^ von Meyerstein construirten
Cathetometers gemessen.
Zur Aufnahme der Flüssigkeiten und Erzeugung der
Dämpfe diente ein aus einer Glasröhre von circa 12°^ inne*
rem Durchmesser angefertigter Apparat von der Geslalt einer
dreizinkigen Gabel (Fig. 2 auf Taf. 111). Der Apparat wurde
etwa zur Hälfte mit Quecksilber gefüllt, evacuirt und das
Quecksilber dann im Vacuum ausgekocht. Nach dem Er*
kalten wurden die beiden seitlichen Röhren (a und b) nahe
an den Enden stark verengt, und es wurde dann mittelst
eines langen, in eine capillare Spitze endigenden Trichter-
rohrs, durch C; mehr Quecksilber eingegossen, bis die
des ameisens. Aethyh und des essigs. MMyls. 329!
Seilenrohren bis nahe an die Yerengfnngen toll waren* a
«nd h wurden dann nach einander mit besiehungsweise For-
miat and Acetat beschickt, in der Art, dafi man je IVs CGI
der betreffenden FIfissigkeit einfahrte und, nach dem Weg-»
fcocheil der Luft, einschmolz. Endlmh wurde der gröfste'
Theil des in c enthaltenen QaeoksHbers mittelst einer Pipette
beransgenommen. — Die so vorgeHohtete W- Röhre wurde
innerhalb eines an «wei einander gegenüber liegendeaSeitea
mit ebenen Glasplatten versehenen Wasserbads so befestigt^
dafs die Axen der drei Rdhren senkrecht und su der Tor-^
d^en Glaswand parallel standen, und vermittelst einer +ßr«,
migen Glasröhre mit einem Manometer, einer Hahnluftpuinpe
Qhil einer circa 5 Liter haltenden kupfernen Hohlkugel in
Verbindung gesetzt. Zwischen dieW- und die-] — Röhre war
tin stählerner Hahn mit >^- Bohrung eingesetzt , welcher es
gestattete, den Inhalt der W- Röhre nach Belieben mit der
Atmosphäre oder den ah die ^''^i^f^W® Röhre angehängten
Apparaten in Verbindung zu setzen oder gans abzuschliefsen«
Das Manometer diente nur zur Pröfung des Apparats auf lofk«
dichten Schlufs aller Verbindungen und zur. annähernden
Benrtheilung des Drucks; der Zweck der Hohlkugel war,
kleme Undicfatkeiten im Apparat und etwaige plötzliche Tem«
peraturschwankuttgen in der Atmosphäre unschädlich sii
«lachen. Die Verbindungen wurden, abgesehen von einen
in c eingefügten Korke, theiis mittelst der bekannten Reg-
naul t'schen Kuppelungen, theiis durx^h Röhren aus unvul«'
kanisirtem Caoutchouc hergestellt. Bei Versuchen änter
höherem Druck, als denl der Atmosphäre, wurden die Iota«*'
leren durch eng anliegende und mit Eisendraht befestigte
Bandagen aus Banmwollenzeug druckfest gemacht
Die Ausführung der Versuche bedarf kaum einer Be^
sdbreibung. Nachdem die gewQnschte Temperatur im Was^
•erbade hergestellt und der Druck im Innern des' Apparats»
396^ Dittmar, über die Dampfspannmnff^
vichtigr adjuslirt war, wurde die TeMperaHir Mf Uttg^re 20it
eoDStaiil and gleichförmig erfceUe» , und , «raliraid bini ei»
Beobachter das Waflier beständig in Bewegiui|( erhielA miffc
die Thermometer ablas, nahm ein anderer die QueekaiibQi^
kdppen in den die Ester enthaltenden Röhren auf; erst in a^
dam^ in b, und antelzt noch einmal in o.
Die Temperaturen unterhalb fiO^ wurden mittelst einMi
feinen, in V^ Grade fetheütan Geisler*achm Tharmometiaff«
beobachtet und für eine kleine Veraohiebung iaa OrPimht doa
Instruments (4^ 0^^2) oorrigirt; zur Bestimmung der
perateren tiber SO^ diante ein anderes, in gamse Grade
th^tef. Thermometer. Dieses tweite Thermometer war Clr
eine Beihe von Temperaturen unter 50® mit dati GeialerV
nahen verglichen worden; und da hierbei seine Angabe»
eonstant um 1® zu hoch gefunden worden waren (gegen din
um QP,2 verminderten des Geister 'sehen Inabrnments)^ a%
wurde dieser Betrag auch von den Ableatuigen ober 50^ ab-
gezogen. Hiernach brauche ich nidit noch besonders n
bemerken, dais die Temperalurbestimmungen keinen Anspruek
auT Priciaien machen. Da indessen , wie die unten folgend
Tabelle zeigt, die DiiTerena der Tensionen der beifien Mnpfe
sidi mit der Temperatur nur sehr langsam tedert, so darf
man wohl annehmen, dab die Scale der Temperaturen iurdk
die in derselben vorhandenen Fehler aus Ihrer richtigem
Stellung gegen die Scale der Tensionsdifferenzen nicht
sentlich verschoben ist.
Die folgende Tabelle giebt die BesnUate Ten 30 in
beechriekeneit Weise ausgefilhrten Bestimmungen, f und •
bedeuten die Oueckmlbemtveau in beziehungsweise der PoraMi^
und der Acetat- Bohre, von dem ^benn Endpunkte der
KatbetosMCeracale gerechnet ; t das Mülel der wfthrend eines
Versuchs beobachteten Temperaturen; Ji diegröfste beel^
aohtete Abweichung von diesem Mittel. Demanck giebl die
Jt^ a^ f iMtrs^liriffieiie Colii(nit^ dw Ve^inrii^Ii der T^^
mit Quecksilberfaul^ von t^; dif C^lgf«^^ Coh)inna gi«))!
dieselbe Driickdifi^rßn?) in Queq^sUber von 15^
Tabelle ü.
Nr. des
n.
Ul
IV.
V.
%
4»
f— Ä
MM.
f— «
15« C.
18,0
0
15,85
15,35
ia,e
0
15,82
15,22
28,3
0,3
8,02(7)
18,0«l(?)
24,4
0
18,40
18,40
«M
0
16,77
1^,77
24,3
0,03
17,15
17,15
S9,ö
0,M
81,67
31,61
29,6
0,03
21,75
?1,69
29,75
0,05
91,85
21,79
S9,8
Q
21,70
21,64
84,4
0
t 24,90
24,81
34,4
0
25,10
26,01
39,3
0,07
28,47
28,34
88,9
0,1
28,00
27,87
43,5
0,1
81,75
31,59
48,4
80,75
30,59
42,95
0,05
81,01
80,85
48,0
0t03
30,80
30,64
48,55
0,05
85,52
85,29
48»6
0
36,37
36,14
55,0
0
40,87
40,58
55,15
0,05
41,75
41,4^
55,85
0,05
41,25
40,96
54,05
0,16
38,89
38^
53,7
0,03
39,40
39,11
55,2
0,3
40,56
40,26
54,4
0,03
89,95
89,06
63,7
0
48,85
47,91
63,7
0,03
48,20
47,76
69,0
0
58)27
52,74
78,95
0,05
59,90
59,18
78,75
0,15
60,80
60,09
1
8
8
4
6
6
7
8
9
10
11
18
18
14
15
15»
16
17
18
19
90
21
21a
22
28
^4
25
86
27
28
29
80
Ein Blick auf die Tabelle zeigt, dafs die Resallate von
denen der ersten Reihe bedeutend differiren« Die Abwei-»
cbungen sind zu grofs, um anders als durch die Annahme
S28 DittmaTj über die Dampfspannung u, e. w.
chemischer Verschiedenheiten zwischen den beiderseits an-
gewandten gleichnamigen Substanzen erlilirt werden xa
können. Da ich nun dberzeugt bin, dafs die Ester, welche
fQr die neueren Versuche dienten, dem Zustande * absololer
Reinheit mindestens sehr nahe liommen , so nehme ich keinen
Anstand, die Resultate derselben auch auf die idealen Sub-
stanzen auszudehnen und zu schliefsen : dafs bei Tempera-
turen zwischen* 18 und 80^ die Tension des ameisensaaren
Aethyls gröfser 4st, als die des essigsauren Methyls, und daGi
die Differenz bei steigender Temperatur wichst
Mit Bttlfe der in der ersten Reibe ausgeführten abso-
luten Tensionsbestimmungen lassen sich die für Temperaluren
unter 56^ gefundenen Werlhe fflr ,,f — a^ auf Temperatur-
differenzen reduciren. Einige, auf die fär das Acetat ge-
fundenen Tensionen basirte Rechnungen haben folgende Re-
sultate gegeben, die ich indessen nur als nahe Annäherungen
betrachte.
Temperataren gleicher Dampfspannung.
Fonniat
Nach H. Kopp
20« 26« 88« 43« 68« 64,9
Aoetet
21,7 27,8 S4»7 44,5 M,4 56,8.
Ich kann nicht schliefsen, ohne den Herren Cranslon
und Dewar fQr die mir im Verlauf dieser Arbeit geleistete
Hülfe meinen Dank auszusprechen.
Universitfils- Laboratorium Edinburg, August 1868.
Üeber die künstliche Bildung des Pyridins;
von E. Th. Chapman und M. H. Smith.
Das Pyridin Int Perkin *) ans Axedinapktyldiamin
(CfoHuNt) durch ü» Binwirkimg Ton Wasaersloff im Eni»
atebungszofltande dargesleUl. Di6M R^ction bal auf dia
Stmotnr der in Rede stehenden Base nicht viel Lieht ge*
werfen. Sonst wird noch dieser Körper durch trockene
Deslilintion verschiedener slicksloffhait^er Sobslanzen er-
balten. Er tndet sich im Tbieröl nnd in den Destillalions-
prodQcten von Torf, bituminösem Schiefer u. a« Aber für
keinen dieser Falle ist die Bilduogsweise genauer erkannt.
In einem Aufsatse, welcher vor der Chemical Society
in London gelesen und in dem Journal derselben (für Au-
gust 1866) veroiTentlicbt wurde (von Chapman : ^Ueber
die Bildung der Essigsiure und der Propionsäure aus AmyU
nlkohol^), kommt folgende Stelle vor : ^Phosphorsiure wirkt
auf Salpetersflnre- Verbindungen eben so wohl wie auf
Salpetrigsfiure- Verbindungen ein, obscbon nicht so leichli
nnd darauf lafst sieh wohl ein Verfahren grfinden, Verbin-
dungen aus derselben Klasse, in welche das Picolin gehört,
xn erhalten :
(yiiiNOs könnte geben GAN + 8 H,0.«
Salpeteis. Amyl Pyridin.
Diese vermulhungsweise aufgestellte Gleichung ist genau
in der angegebenen Weise realisirt worden.
Wird ein Ueberschufs von vollkommen entwässertem
salpetersaurem Amyl auf wasserfreie Phosphorsaure gegossen,
so ist zuerst keine Einwirkung bemerkbar, aber bei längerem
Stehen oder bei gelindem Erwarmen sieht man, dafs die Phos»
*) PieM AfiBAlen CXXXVH, ass.
SSO Chapman u. Smithy über die künstliche
fkof$iuie e(wM ftusammdnrilft odet Ihr JLossehen veriodfir^
Gewöhnlich beginnt diese Veränderung an der einen Seite
des GefSfses, und verbreitet sich alimällg durch die ganze
Masse. Kein Gas irgend welcher Art wird entwickelt, ob-
gieicb betröefatttdi viel Hitse ft'ei wird. Behandelt ma» dann
das G<»misohe mit Wasser, so wird lieine Wärme iBebr frei,
sondern die feste Masse in dem GeMse IM aioh iümilig
auf, der Ueibersohulli des angewendeten salpeleraamren Amjkf
scheidet sich ab und kann abgegossen werden, ud die let»^
ten Spuren desselben können veüstindi^ in der Art enlilBfiit
werden, dafs man während einiger Minuten kecken UfaL
Setzt man jetzt einen Ueborsekufs ven Kali zu der FiaaigfT
keit, so tritt sofort der Geruch nack Pyridin auf. Aber ohn
gleich wir mit mehreren Unnen wasserfreier PhespfaorsAure
operirten , konnten wir doch auf dieiie Weise nyr gani ge«
ringe Spuren von dieser Base erhatten. Als HauptprodmA
der Einwirkung entstand ziemlich viel von einer dunkel«*
braunen peebartigen Substanz, welche sobwieb basische B^
genschaften an besitzen scheint. Diese Substanz s4fht ver«*
mutklich in Beziehung auf ihre ZSosammensetzong iwisobnn
dem Pyridin und dem salpetersanron Amyi Dieser Ansehan«
ungsweise entsprechend beschlossen wir einen Uebersoiinfb
von wasserfreier Phospborsäure anzuwenden. Wir sind jedock
einer anderen Sehwierigkeit begegnet, sofern die Einwirkung^
zwischen der wasserfreien Phosphorsäure und dem salpeter-
sauren Amyl unter diesen Umständen eine äufserst heftige
und nicht zu mafsigende ist, obgleich sie erst einige Zeit
nach dem Zusammenbringen der beiden Substanzen eintritt,
oder wenn dieselben mafsig erwärmt worden sind. Wir
fanden, dafs nur in der Art sich zweckmafsig operiren lasse,
dafs man einen Kolben mit sehr langem Halse nimmt und in
ihn 2 bis 3 Grm. wasserfreie Phospborsäure mit IVs bis
2 Grm. salpetersaurem Amyl bringt. Das Gemiscke wurde
Bü4tm§. d^s Pyridin^, ^9A
sorgfältig * zu einer dfinnen Schichte in dem Kolben aosge*
bmilBl. Vakreikd dessen oiub maik dien Kolben , durch Uwt
gehen d^Melben mit JOunrettier, hall halten* Ein in Ei$wa39iQ^
getauchtes Tuch wird nun um den Hals des Kolbens ge*
wickelt und der Bauch desselben während einiger Minuten
in das Wasserbad eingetaucht, bis die ersten Anseigen der
Blnviriuuig heaMrkbnr aind« Der Kolben wird imn am dem
Wasserhtd hcraosgenomnien undi in dier Luft hin unA bet
kevegtL fibbahl die BimiviriHiBg^ auok gtöTaeren Tfceiki vocn
iber ist» wivd dnrt Kolben wieder Or eJnigQ Mineltwi in. diu
Wasserbad getaucht. Dieses Verfahren wivd mit neuen Uwrt
gen Materinls in reinen Kolben wiederholt» Der Inbntl der
Kolbce wir< nnn in Wasser gelesi und die ao echaltene idn
sang wük einem üehenichusfe ven Kali dealiMirt. Diese LSr
sung ist sehr stark dunkel gefürbt. Das alkaliaehe Dealäla^
wekhes atairk nach Pyridin riecht^ wird mütelat Schwefel-
siore aagesiaeri wiA aum Anstaeiben ven S|Hiren nenlraltr
Uiger Sidrstansen gekocht Es wird dann durch Bbidampte
nof dem Wasserbade betrflcMich concesdrirt., und snletat
werden Slucke von Kali fugeselat Die an die Oberfliehe
der FHasigkeil skb erhebende ölige Sohiohle hrt Pyridin.
Daasebe wurde al« soichea erkannt dorch seine grofse Sb^
htlMt, durch seinen Gemch und dnrch eine Analyse eeibee
ehferwasseratofiiMiiren Salaee, wekhe folgende Besnlietei
ergab :
0,4024 Gm. C^HftN.HGl gal^tte 0,4982 ChlotnUrar» f»IIVfltA«nd
30,Q9 pC. Chlor. Nach der Fonnel berechnen sich 30,74 pC.
Chlor.
Nach dem hier besprochenen Verflihren erhAlt man auch
nicht annähernd die theoretisch sich berechnende Menge
Pyridin. Dunkel gefftrbte neutrale oder schwach alkalische
Substanz bildet sich in grofser Menge.
Laboratorium der London Institution.
$32 Schüine, Beziehungen zwischen chemischer
Besiehungen zwisehen chemischer Zasam-
mensetzung und Ertragsföhigkeit des Bodens ;
von W* Schütze.
Eine jede Pflance bedarf zo ihrer voUslindigen Bot-
Wickelung gewisser mineralisolier Stoffe. Ein Boden ist nor
dann fmclitbar, wenn er diese in geiiögender Ooentilil mul
In Verbindungen y welche von der Pflanze anfgenomneB
werden iLÖnnen, enlhSlt.
Es ist L i e b i g*s grofses. Verdienst , eine Folge seines
rasUosen Strebens und Kdmpfens, dass diese Sitze ia der
Wissenschaft wie in der Praxis aUgemeane Anerkcnnong
gefunden haben.
Der Umstand , daiSi ein Boden ; wenn er fruchtbar sein
soll, gewisse Stoffe in bestimmler Menge und Fern enthalten
nittls, eröffnet der Anwendung der Cbewie anf Forst* und
Landwirthschaft ein weites Feld. Man sollte meinen, ea
mfisse leicht gelingen, ans den Resultaten der chemischen
Analyse des Bodens sichere Schlösse auf das Ertragsver-
mögen desselben zu ziehen. Die Aufgabe der chemiscken
Bodenanalyse ist es, zu bestimmen, wieviel von einem jeden
mineralischen Nährstoff und in welcher Verbindung ein jeder
sich im Boden vorfinden mufs, damit dieser zur Cultur ein^r
bestimmten Pflanze geeignet sei.
Die grofse Zahl der ausgeführten Analysen hat aber diese
Aufgaben nicht zu lösen vermocht. Ja, weil die Boden*
analyse bis jetzt nicht die erwarteten Resultate erzielt bat,
so findet sie — auch unter vielen Chemikern — nicht die
Beachtung, welche sie verdient. Namentlich aber die Land-
wirthe unterschätzen gegenwartig die Bedeutung der Boden-
analyse, und Peters findet sich daher (Jahresbericht der
Zusammensetzung und Ertragsfähigkeit des Badens. 833
Agricullurcbemie VIII, 43) zu der Erklärung veranlarsl : ^!n
Deutochland ist in neuerer Zeil die Bodenanalyse mit Unrecht
in Mifscredit gekommen , nachdem man früher die Erwar-
tungen gar zu hoch gespannt halle/
Für die Wissenschaft hat es allerdings zur Zeit wenig
Interesse, zu bestimmen , wieviel von einem jeden Bestand-
theil in einem beliebigen Boden enthalten ist. Allein dafs
Bodenanalysen, die zur Beantwortung einer bestimmten Frage
ausgeföhrt werden« doch wichtige Resultate erzielen können,
beweisen mehrfache Untersuchungen der letzten Jahre.
So fand z. B. von Schorlemmer (Jahresbericht der
Agriculturchemie VIII, 44) für mehrere Reihen von Böden,
dafs der Phosphorsiuregehalt sich fast genau parallel den
einzelnen Bodenklassen stellt, wie diese durch die Bonitimng
bei Veranlagung der Grundsteuer angenommen sind. Jeden-
falls ein ganz beachtenswerthes Resultat.
Wollte man jedoch auch zugeben, dafs es zur Zeit nicht
möglich sei, aus der chemischen Analyse des Bodens auf
dessen gröfsere oder geringere Fruchtbarkeit zu schliefsen,
so dürfte diefs doch nur ein Antrieb zu weiteren Versuchen
sein, diesem Mangel unseres Wissens abzuhelfen. Die Lösung
jener oben erwähnten Aufgabe der Bodenanalyse wird sich
jedenfaUs finden lassen.
Soli die Bodenanalyse diesen Erfolg erzielen, so mufs
man deren Resultate mit den auf demselben Boden erzielten
Ernten vergleichen. Dafs sich aus einer solchen richtig
durchgeführten Vergleichung ein Zusammenhang zwischen
chemischer Zusammensetzung und Ertragsfahigkeit des Bodens
ergiebt, zeigen die oben angeführten, ihrer Zahl nach aller-
dings noch unzureichenden Untersuchungen von v. Schor-
lemmer. Ein solcher Zusammenhang kann sich nur bei
den StoiTen ergeben, die im Boden nicht im Ueberflufs, son-
dern nur in so geringer Menge vorkommen, dafs die Pflanze
ää4 ßchiitz^^ Bniehm^ isufüü^n ^hrnniifiskur
hicfaft so viel voto ihnen vorfindet, wie sie fltihiinebmeh T«r-
tnag , sondern mehr oder weniger Mangel an iliiiM leidet
Da 2. B. fast jeder Boden 60 tiel Biscin enthllll, dafe jete
Pflanze leicht ihren Bedatf an dieseni Stoff deokeü kann, io
wifd der Eisfengeha^lt verschiedener Böden tiie al» llafs*
8tab ihrer Fruchlharkeit dienen können. Seine SchwankmH
geti fiben in dfer Regel kefnen Einfloni auf die Vegetation.
Phosphate hingegen finden sich im Boden meist nur In
dnfterst geringen Mengen vor, nnJ idaher wird schon oft
Mangel «n Fhosphors&are eintreten , wdhrend alle fihrigen
Nihrsloffe noch in relativ grolher Menge vorbanden sind ; im
letzteren Falle aber wird det Boden <ier fhichtbarsl^ seiB)
Welcher die grollte Mehge von Phosphaten enlhSl : to*
Gehalt an Phosphorsatire wh-d dann als Maßstab seiner Br-
fragsrfihigkcit dienen können.
Ich habe eine ganze Reihe den Porsten der hiesigen
Academie entnommener Waldböden, die ein sehr verschie-
denes Ertragsvermögen zeigen, auf Ihren Phosphorsauregebalt
«intersucht. Der Waldboden schien mir vorzugsweise zn
diesen Untersachungen geeignet, 2onSchst weil die Staats-
Torsten nach ihren Erträgen in verschiedene Bodenklassen
getheilt sind, ein Vergleich zwischen chemischer Zusammen-
setzung und Ertragsfahigkeit des Bodens also leicht aasza-
föhren ist; ferner, weil gerade in den Wäldern sich grofse
FMchen darbieten , die seit langer Zeit eine gleichartige Be-
liandlong erfahren haben; und endlich, weil der Waldboden
(wenigstens in hiesiger Gegend) auf gröfsere Strecken eine
gleiche Znsammensetzung zu haben scheint.
Andererseits war es zwar wieder fraglich, ob der Wald-
boden ein seinem Phosphorsauregehalte proportionales Ertrags-
vermögen zeigen wüfde. Die Entnahme der Phosphate durch
den forstlichen Betrieb betragt nur etwa den achten Theil
von dem; was ekier gleich gfofsen FMche in derselben Zeil
Zusammeiue^sunff und Ertrug^fakifluiL dtä Badtna. 888
durch h\M Rog'gfeiicrrnto entcogeii wird. Bringen wir in An-
rechnan^, dafs der Forstmann deh Boden bis so einer Tiefe
Yon etwii 5 Fofa (s* B. bei der Kiefer), der Landwirth aber
Yorzugsweise nur eine Schicht von ungefihr einem Pufs be-
tiolEl, so sehen wir, dafs durch eine Roggenernte einem
gleichen Ranmtheile des Badens m derselben Zeit eine dOmal
grOftere Quantität Phoiphorsiore als durch die Holzproduction
Mtzogem Wird. Der Bamn, namenllich die Kiefer, stellt hin«*
sichtltoh des Phosphorsduregehaltes weit geringere Anfor-*
demngen an den Boden als andere Cnllorgewfichse , und es
wäre möglich, dhlb Auch im trmsten Sande sich noch eine
solche Quantität PhosphorsSure vorfinde, dafs kein fühlbarer
Mangel an diesem Stoff eintreten könnte.
Wollte man aber diesen Bedenken Raum geben, dann
mOfste man sie auch auf alle übrigen Nährstoffe anwenden,
weil diese sämmtüch durch die Forstwirthschaft dem Boden
in viel geringerer Menge als durch die landwirthschafiliche
Praxis entzogen werden. Man müfste dann jener Ansicht,
der man zuweilen in forstlichen Kreisen begegnet, beipflich-
ten, dafs es für den forstlichen Betrieb nicht oder doch nur
wenig auf die chemische Zusammensetzung, vielmehr aber
auf die physikalischen Eigenschaften des Bodens ankomme.
Bei der Ausführung von Bodenanalysen pflegen die
Agriculturchemiker in der Regel die Phosphorsäure nur in
dem kalt bereiteten salzsauren Auszuge zu bestimmen. Bei-
nahe sämmtliche Angaben über den Phosphorsäuregehalt des
Bodens beziehen sich nur auf die in kalter Salzsäure lös-
liche Phosphorsäure. Knop schlägt vor, die Phosphorsäure,
wie die übrigen Bestandtheile, in einem Auszuge zu bestim-
men, der durch mehrstündiges Kochen des Bodens mit ver-
dünnter Salpetersäure hergestellt ist (Landwirthscbaftliche
Yersuchstationen VIU , 38). Mohr empfiehlt (Titrirmethode,
336 Schütze, Begiekungen ewüehen ckemiseher
2. Aufl., S. 487), ,,den Boden mit Salpetersfiure eu koeheB,
bis alle phosphorsavren Salze sicherlieh gelöst sind/
Bei näherer Prufong ergab sich aber, dafs die Tollstan-
dige Lösung der Phosphate nur aufserst schwierig zu er-
zielen ist. Eine Probe eines Sandbodens wurde zwei Tage
mit concentrirter Salpetersäure gekocht, dann wurde abfiitrhrl
und der Rfickstand ausgewaschen. Letzterer wurde noch
dreimal mit concentrirter Salpetersäure ausgekocht Die vier
Filtrate wurden dann zur Abscheidung der gelösten Kiesel-*
säure getrennt zur Trockne verdampft, mit Terdönnter Sal-
petersäure aufgenommen und das Filtrat mit Holybdänlösung
auf Phosphorsäure geprüft.
In allen vier Auszügen entstand ein Niederschlag, alle
enthielten also Phosphorsäure. Die Menge des Niederschlags
war, wie zu erwarten stand, im ersten Auszuge am Erheb-
lichsten. Der zweite und dritte Auszug enthielt etwa gleiche,
nicht unbeträchtliche Mengen Phosphorsäure; erst im vierten
Auszuge zeigte sich der Pbosphorsäuregehalt geringer; er
gab aber immer noch eine bestimmbare Menge Phosphor-
säure.
Eine zweite Bodenprobe, die gleichfalb viermal hinter-
einander mit starker Salpetersäure ausgekocht wurde, gab
genau dieselben Resultate; alle vier Auszuge enthielten
Phosphorsäure.
Es ist also aufserst schwierig, die im Boden vorhandenen
Phosphate vollständig in Lösung zu bringen. Beim Kochen
eines Bodens mit Salpetersäure zeigt sich aufscrdem noch
der Uebelstand, dafs nach Zerstörung der organischen Sub-
stanzen ein heftiges Stofsen eintritt. Ich versuchte daher
die Phosphate des Bodens durch ein anderes Verfahren in
Lösung zu bringen, nämlich durch längeres Erhitzen des
Bodens mit concentrirter Salpetersäure unter starkem Druck.
Zusammensetzunff und Ertrag sfähigTceit des Bodens. SST
Das Erhitzen fand in Kolben von schwer schmelzbarem Glase
statt, die etwa IVs Liter und 3 bis 4 MM. Wandstärke zeigten.
In diesen Kolben wurden 200 Grm. der zu untersuchenden'
Erde mit ungefähr ^4 Liter Salpetersäure Übergossen und
der Hals, den man etwa 25 Centimeter lang anfertigen läfst,'
ausgezogen und zugeschmolzen. Enthält ein Boden erheb«^
fiche Mengen humoser Substanzen, so ist es zweckmäfsig,
um Explosionen zu vermeiden, den Kolben so lange offen zu
erhitzen, bis alle organischen Substanzen zerstört sind, und
dann erst die Spitze zuzuschmelzen. Die zugeschmolzenen
Ballons erhitzte ich 72 Stunden auf 160^; zu empfehlen ist
es, den Ballon einigemale zu öffnen, umzuschüttein und wie-
der zuzuschmelzen. Hat man den Kolben so lange offen. er-
hitzt, bis alle organischen Substanzen oxydirt sind, so zeigt
sich übrigens beim Oeffnen des erkalteten Ballons nicht der
geringste Druck. Zum Erhitzen der zugeschmolzenen Kolben
bediente ich mich des von Stas in seinen klassischen „Un-
tersuchungen über die Gesetze der chemischen Proportionen^
(deutsche Ausgabe S. 126 u. 210) beschriebenen Luftbades*)«
Mittelst desselben kann man, so lange der Gasdruck sich
nicht merklich ändert, auf unbegrenzte Zeit eine constante
Temperatur erzielen.
Nach vollendeter Einwirkung der Säure «uf den Boden
öffnet man den erkalteten Ballon, giefst die Säure möglichst
klar ab und wascht mit kochendem Wasser aus, bis "der
Boden keine saure Reaction mehr zeigt. Da sich die Filter
durch die abgeschlämmten Bodentheile sehr schnell ver-
stopfen, so ist es zweckmäfsiger, nur durch Decantiren aus-
ziüvaschen. Man läfst die erhaltene Lösung einige Zeit lang
absetzen ; vollständige Klärung tritt indefs meist auch nach
*) A. Dnbbick tind Sohn in Neustadt -Ebenwailde liefern diese
Lnftb&der su sehr mäfiugeih Preise.
Aniua. d. Cham. a. Phurm. VI. Sapplementbd. 8. Heft. 22
338 Schütze, Beziehungen mviechen chemischer
längerer Zeil nicht ein und ist dann auch durch Filtration
nicht zu erreichen. Dampft man aber die Flüssigkeit auf ein
kleines Volum ein, so läfst sie sich leicht klar fillriren.
Das klare Filtrat wird dann zur Trockne verdampft, um
die gelöste Kieselsäure abzuscheiden; der bei circa 110^
getrocknete Röckstand — man wendet mit Vorlheil zum
Trocknen das Sias 'sehe Luftbad an — wird dann mit ver-
dünnter Salpetersäure aufgenommen und das Filtrat mit
Molybdänflüssigkeit gefällt. Da in den Bodenauszugen sehr
viel Eisen und Thonerde enthalten ist, so mufs man bedeu-
tende Mengen der Molybdänlösung anwenden.
Der Molybdänniederschlag wurde dann in bekannter
Weise behandelt, nämlich in Ammoniak gelöst und dann die
Phosphorsäure durch Magnesivmsulfat unter Zusatz von Sal-
miak gefällt und schliefslich als Magnesiumpyrophosphat ge-
wogen.
Auf diese Weise wurden aus 200 Grm. Boden 0,164 Grm.
Mg^P^O? erhalten. Dieselbe Quantität desselben Bodens mit
Salpetersäure im offenen Kolben sechs Tage erhitzt, gab
0,156 Grm. Mg2P807.
Eine zweite Probe gab im offenen Kolben sechs Tago
erhitzt 0,0143 Grm., im zugeschmolzenen Kolben erhitzt
0,154 Grm.
Eine dritte Probe gab bei sechstägigem Kochen im offe-
nen Kolben 0,095 Grm., im zugeschmolzenen Kolben erUtzl
0,095 Grm. MggPsOT.
Eine vierte Probe, Lehmboden , wurde 48 Stundfen im
zugeschmolzenen Kolben erhitzt und gab 0,193 Grm. MgaP^O^.
Dieselbe Menge wurde dann im offenen Kolben drei Tijge
mit Salpetersäure gekocht, dann einige Wochen digcrirl and
noch sechs Tage gekocht; es wurden erhalten 0,207 Grm.
Mg,P,07.
Zusammensetzung und ErtragsfähigJceU des Badens. 989
Wie aus der folgenden Tabelle leicht ersichllteli tat, gab
«Iso nur die vierte Bodenprobe beim Kochen im offenen
Kolben an Salpetersäare mehr Phosphorsiure ab, als im zu-
l^escbmolzenen Ballon :
200 Gnn. Boden gaben Grm. Mg^P^Of
im offenen Kolben mit
HNO, gekocht
im zugeschmokenen BalloB
mit HNO, ttuf 100<^ eihitrt
1. 0,156
0,164
2. 0,143
0,154
3. 0,095
0,095
4
4. 0,207
0,193.
Bei der letzten Bestimmung aber war die Einwirkung
der Salpetersäare auf den Boden im offenen Kolben eine
«urserordentlich lange; hingegen wurde der Boden im xu-
geschmolzenen Ballon 24 Stunden weniger erhitzt, als es bei
den drei ersten Bestimmungen geschah. Ungeachtet die
Proben 1 und 2 sechs Tage im offenen Kolben mit Salpeter-
säure gekocht waren, fand sich doch weniger Fhosphorsäure
in der Lösung als in den unter Druck bereiteten Auszügen,
Es ist also selbst bei sechs- bis achttägigem Kochen im
offenen Kolben nicht alle vorhandene Phosphorsäure gelöst
worden. Bei einer Reihe von Phosphorsäurebestimmungen
wäre es kaum auszuführen^ einen Boden so lange im offenen
Kolben zu kochen, wie diefs bei den eben angeführten Be-
stimmungen geschehen ist. Das Erhitzen des zugeschmol-
zcnen Ballons im Stas' sehen Ofen kann hingegen ohne
grofse Mühe beliebig lange fortgesetzt werden; sorgt man
nur für einen gleichmäfsigen Gasdruck, so ist gar keine
Aufsicht nöthig.
Ich führte noch einige Versuche aus, um festzustellen,
ob durch dreitägiges Erhitzen im zugcschmolzenen Kolben
wirklich die ganze Menge der im Boden vorhandenen Fhos-
phorsäure gelöst wird.
22*
^M6 ' ' Sthutse, Bfztehungen twiidhen chemischer
' ' iOO Gim. eines Sandbodens drei Tage im zngescbmol-
%enen Ballon erhitzt, gaben 0,0963 Grm. Mg^PsO?. Der
Bftckstand von Nenem 60 Standen im zageschmolzenen Kol-
ben erhitzt gab nicht mehr quantitativ nachweisbare Mengen
von Phosphorsfiure.
. 100 Grm. eines etwas lebmigen Sandbodens gaben nach
dreitägiger Einwirkung der Salpetersäure unter Druck 0,077
Grm. MgsP207. Der Rückstand auf gleiche Weise behandelt
gab 0,002 Grm. HgsP^O?.
200 Grm. eines sehr lehmigen Bodens gaben nach drei-
ISgigem Erhitzen im zugeschmolzenen Ballon 0,146 Grm.; der
Hockstand eben so behandelt gab 0,015 Grm. NgsP^O?.
Bei thonigen Boden wird es daher zweckmarsig sein,
die Salpetersaure Ifingere Zeit einwirken zu lassen ; nament-
lich ist bei diesen mehrfaches OeflTnen und Umschütteln zu
empfehlen.
Die unten angegebenen Phosphorsäurebestimmungen sind
afimmtlich' nach dem eben beschriebenen Verfahren ausge-
führt Die Bodenproben sind aus einer solchen Tiefe ent-
nommen, dafs die obere humusreiche Bodenschicht ausge-
schlossen wurde, weil diese nicht die Zusammensetzung des
Bodens reprfisentirt, sondern durch den Abfall von Nadeln
u. s. w. wesentlich modificirt ist. Heine Bestimmungen er-
strecken sich nur auf Kiefernboden zweiter bis fünfler Klasse.
Sine Anzahl Bodenproben erster Klasse stand mir bis zum
Abschlufs dieser Untersuchung nicht zur Verfugung. Zar
Analyse wurden immer 200 Grm. lufttrockener Boden ver-
wendet und in einer besonderen Probe durch Trocknen bei
i25^ C. der Wassergehalt bestimmt. Sämmtliche Angaben
sind auf 100 Grm. wasserfreien Boden umgerechnet.
Kiefemhoden zweiter Klasse.
1. 100 Onn. Boden gaben 0,0946 Mg^PtOy. — - Durch Hnmoa nur
wenig geftrbter Bandboden.
Zusammenaeizwiff und ErtragsifShigMit des Bodens. %^\
2. 100 Grm. Boden gaben 0»0903 Mg,PgOy. Durch Honraa Aor
schwach gefärbter Sand; enthält Spuren yon Kalkcarbonat
8. 100 Grm. wenig Lehm enthaltender, durch Hnmos ziemlich
donkel gefSr)>ter, an Kalkcarbonat sehr reicher Sandboden
gaben 0,0809 Mg,PtOr.
4^ lOO Gm. Boden ^aj^ea. (]|»096f| V-Zt^J^^ *XieAii»ger Band, ^doreh
Humus nur wenig gefärbt; Probe von einer Streufläche ent;
nommeiL
6. 100 Grm. Boden gaben 0,0782 MgiP^Of. Lehmiger Sand. Ha>
musOrbung achwach. Gehalt an CaCOf äufaerst gezing.
Kiefernboden dritter Klasse.
6. 100 Grm. Boden gaben 0,1050 Mg^P^Of«. Humusarmer Sand.
7. 100 Grm. Boden gaben 0,1019 Mg^P^Ov. Durch humoae Bei-
mengtmgen graubrauä gefBSrbter Sand.
8. 100 Grm. Boden gaben 0,0919 Mg^gOf. Humusanner Sand.
9. 100 Grm. lehmiger humusarmer Sandboden gaben 0,0508
Mg,PA.
10. 100 Grm. Boden gaben 0,0401. Lehmiger Sand ; von einer Sti»a-
fläche entnommen.
11. 100 Grm. Boden gaben -0,0465 Hg^PfOf. Humusarmer lehmiger
Sand, Ton einer Streufläche entnommen.
Kiefemhoden vierter Klasse.
12. 100 Grm. Boden gaben 0t0473 MggPgOy. Sehr lehmiger, fein-
körniger, humusarmer Sand.
18. 100 Grm. Boden gaben 0,0660 Mg,P,C^. Gelber, ziemlich fein»
körniger, durch Humus etwas dunkel gefärbter Sand.
14. lOÖ Grm. Boden gaben 0,0707 Mg,PgOr. Grobkttmigear hnmna*
armer -Sand.
15. 100 Grm. Boden gftben 0,0736 Mg^PgOi. Durch Humus etwa»
gefärbter gelber Sand.
16. 100 Grm. Boden gaben 0,0682 MggPgO,. Gelber, grobkCmiger»
humusarmer Sand.
Kiefetnhoden fünfter Klasse.
17. 100 Grm. Boden gaben 0,0658 Mg^P^Of. Humusarmer Sand«
18. 100 Grm. Boden gaben 0,0401 Mg,P|OT. Durch Humus ziem-
lich idvnkel giBftrbter grobkörniger Saad.
1% 1Q<^ <jkBi. 3odei| gab^n 0,0789 Mg,P,0|. Dardf Hoaus «•&%
gefärbter Sand.
942 SehütBey Beafehungen ewüehen ehemücher
90. 100 (hm. Boden gaben 0,0477 Mg,P,07. Durcli Hnmiu nem-
lieh dunkel gefKrbter Sand.
I
21. 100 Gnn. Boden gaben 0|0486 Mg^^Oy. Qelber hnmnsanner
Sand.
Die folgende Tabelle wird eilten Vergleich des Fboe-»
pborsinregebaits der verschiedenen Bodenklassen leicht
stalten.
100 Gnn. Boden bei 125^ getrocknet gaben Gnn. HgiPfOf :
Zweite Klasse
Dritte Klasse
Vierte Klasse
FünOe Klasse
1
0,0946
6
0,1050
12
0,0473
17
0,0658
2
0,0908
7
0,1019
18
0,0660
18
0,0401
3
0,0809
8
0,0919
14
0,0707
19
0,07j»
4
0,0660 t
9
0,0508
15
0,0736
20
0,0477
5
0,0732t
10
0,0401 1
16
0,0682
21
0,0486
-
11
0,0436t
[ 0,0886
Im Dnrdisolinitt
0,0874
0,0651 II j 0,0550
Das Zeichen t bedeutet, dafs die analjsirten Proben Ton Stieii-
flllchen entnommen sind. Diese Bostimmmigen sind bei der
Berechnung der Dnrchtduuttsuhlen nicht berfickaichtigl
Aus der vorstehenden Tabelle ergiebt sich, dafs der
Phosphorsaaregehalt innerhalb der einseinen Bodenklassen
zwar nicht unerheblich schwankt ; der aus mehreren Analysen
sich ergebende Durchschnittsgehalt stellt sich aber paraHel
den Ertragsklassen, so dafs die bessere Bodenklasse auch
den höheren PhosphorsSuregehalt zeigt. Bme grftfsere Re-
gelmäfsigkeit , als sie die angefflhrten Zahlen ergeben^ war
durchaus nicht zu erwarten. Einmal beruht die Eintheilung
des Bodens nach seinem Erlragsvermögen in verschiedene
Bodenklassen doch mehr oder weniger auf subjectiver
Schitzutog ; dann aber mu&ten bei dieser Dntersschung viele
andere Factoren, von denen die Fruchtbarkeit einlas Bodens
Zusammensetzung und ErtragsfähigJceii des Bodens, 343
abhängt, Ternacbldssigt werden. Es kann ja immerhin vor-
kommen, dafs ein Boden genfigende Mengen von Phosphor-
siure enthält, aber durch Mangel an einem anderen Nähr-
stoffe, oder auch durch seine ungünstige Lage nur dürftige
Erträge liefert. Immerhin wfa*d man aber aus den obigen
Zahlen schKefsen können, dafs im Allgemeinen ein Wald«
boden einen um so höheren Ertrag liefern wird, je mehr
Phosphate er enthält. Unmittelbar ergiebt sich hieraus die
Unhaltbarkeit jener oben besprochenen Ansicht, dafs ffir den
forstlichen Betrieb vorzugsweise die physikalischen Verhält-
nisse, nicht aber die chemische Zusamniensetzung des Bodens
in Betracht komme.
Man ersieht femer aus jenen Zahlet, dafs die Waldböden
aufserordentllch arm an Phosphorsäure sind. Berechnen wir
die oben gefundenen Durchschnittszahlen auf Phosphorsäure-
anhydrid, so ergiebt sich för die einzelnen Bodenklassen ela
Procentgehalt von durchschnittlich
n. rn. iv. v.
0^567 .. 0^00^69 0^1« ;0,085b.
Man kann annehmen, dafs in kalter Salzsäure sich hur
etwa die Hälfte der Phosphorsäure atiAöst.
Bei der Bestimmung Nr. 1 gaben nämlich fOO 6rm.
Boden unter Druck mit Salpetersaure ausgezogen 0,0946 Grraf.
MgsP^O?. Mit kalter concentrirter Salzsäure 48 StundeA
digerirt gab dieselbe Menge dieses Bodens 0,0471 Orm.
Mg,P,0.
' Nach der Analyse Nr. 10 gaben 100 Grm. Boden mft
Salpetersäure im zugeschmolzenen Kolben erhitzt 0,0401 Grm.
MgsPgO?; 100 Grm. desselben Bodens, mit kaller • Salzsäure
behandelt, gaboi 0,019 Grm. MgaPsO?.— Nach diesen beiden
Bestimmungen löst sieh also nur ungefähr die Hälfte der
vorhandenen Phosphorsäure in kalter Säure. Bin Kiefem-
boden zweiter Klasse wArde m kalte Sabsäure nur 0,0283 pC*
^44 8chütz€f Bm$kung€n twüchen chemüeher
P4O5 abgeben. Nach tbeoreUsohen Berechnangen Liebig's
(Anwendung der Cbevie auf Agricaltur u. 8. w. 8. Aufl^ O»
S, 134) muTs im Waisenboden wenigstens 0,0S5 pC. Phos-
phorsfiure enthalten sein^ und Zoeller fand in zwei Waisen-
^öden 0;219 und 0,129 pC« in kalter Salsstere löaliehe Pboa-
pborsAure (Lieb ig, a. a. 0. 8. 123). In der That könnes
,wohl simmlliche analysirlen Kiefernböden zum Getreidebav
picht mehr dienea;< sie würden keine lohnenden Ernten lie-
fern .komiiea.
Bemerkenswertb ist auch, dafs die Streuflfichen — Ter-
juchsflficben, welchen die abgefallenen Nadeln n. s. w., ^die
Waldstreu^, in bestimmten Zeitrfinmen genommen werden
^— einen bedeutend niedrigeren Phospborsaurgehalt zeigen.
Bei SOjahrigem Umtriebe wArde nach annähernder Berech-
nung durch die Entnahme der Waldstreu einem Morgen Kie-
^ernboden dritter Klasse allerdings 1 Ctr. Phosphorsftnre ent-
zogen werden. Der nachth.eilige SinfluCs, den die Waldstren-
entnahme auf den Bodqn und dadurch auch auf den Zuwachs
des Holzes ausfibt, ist dadurch leiehl erklärliche Wie schon
4ie Erfahrung gelehrt, wird ein Waldboden in verhfiltnifsaiftrsig
kurzer Zeit durch die Entziehung der Waldslren erschöpft.
Der gerffige Gehalt der Waldböiden an Phesphorsiore
dringt uns die Frage auf, ob nicht der Waldboden auch
«chon durch die Wegnahme lier im Holze enthaltenen Asche»-
jbestandthetle in absehbarer Zeit erschöpft werden kann. Diene
Frage lafst sich zur Zeit nicht mit Sicherheit beantworten.
f&T unsere hiesigen Sandböden dürfle dieselbe höchst wahr-
.s^einlich zu bejahen sein« Die bis jetzt vorliegenden Er-
fahrungen können uns darüber nicht belehren, weil die ben-
age intensive ForslwirtbsohafI noch zu jung ist, um über
fragen zu entscheiden , . welche , wenn sie auf rein empiri-
schem Wege gelöst werden sollen, vielleicht Jahrhunderte
^u ihrer Lösung in Anspruch nehmM dürfien.
ZmammeMeUnmg, und Ertrag^ähifkpü den Bodena, jM5
Durch das Holz der Kiefer wird bei lOu jäliriger Um-
Iriebfxeit dem* Morgen etw« ein Centoer PhospbGfrsHtre ent^
sogen.' Nehmen wir an, die Wurzel der Kiefer komme mit
dem hundertsten Theil des Bodens, wichen sie dorchdringl,
kl Berührung, — eine Annahme, welche Lieb ig für die
flaUngewiehse SMiehf -^ so nnili. dbr Boden, in wi^Ichem
uriir üe II4brst#ffe als untieweglifh annehmen mdiisen^ vcenig^
^ens hundertmal so viel Nihiisiatra enthaHeir, ris ihm die
Kiefer enlsieht. Denmaeh mOfsle der Ifergen Klefcmboden
400 Cemner Mosj^horsfiure embaken. 'Vku Morgen Kiefern^
tredeft dritter Ktsese eiflhill aber bis m einer Tiefe fM
4Fttfo, so irell wird die Wurzel der Kiefer etwa eindringen,
nw eirca SO Cenlner' Phosphorsdure ;- in der Thai finden sich
Meitittde, bei denen der Ferstnumn Tom „Verhrnfem^ der
fiiefer q^richt.
Das Lieb ig 'sehe Postulat i dem Boden die entzogefaen
MineralstoiTe zu ersetzen , wird gegehwIiHg, allerdbige liaeh
kertem Kampfe , von den gebildeten Landwirthen als voll-
ettadtjK* h^reehligt Aneilraniil« Es ist erwiesen, dnfli die Ep-
fillung durch ihr eigenes peeuniires Interesse gefordert
wird. (^ sieh nicht einst herausstellen wird, dab aneh
«fuhren' sandigen WnMböden in der Bbene diä entzogenen
^ftsdienbestandtheile wieder ersetzt werden mQisen, wenn
dem Boden sein sehen jetzt gerkiges BrtragsvermAgen er*
iMAen bleiben soll, ist eine Frage, deren Lösung erst ferf*»
Ifesetzte Untersnähungen ergeben klimen.
Neustädt-Eberswalde, Juli 1:868.
346 Lan doli, über das
4
üeber das Ammoiiium - Amalgam ;
* * *
., von H. Landolt.
Du merkwfirdige yerdkken «nd Aofsdiwelleii, wdehet
das Onocksilber.Beigt, went» man dtiaeibe alt negaliTai P«l
cor Bieclrolyse d^r Lösmg eines Ammoniakaabsaa anwendet»
eder ea anf eine Boich» in Form tm Nairilini-»Amalgam ein-
wirken lifet, ist udrsivenBeffzeliaa deai BntaieheB ehea
AnmoDiam-Aafttlgama angesebrieben worden» Er nabai be-
kannlli^b an^ dafa dal Radioai NH« ein ansimiieiigeaeUtei
MetaU darstelle, weickes aiob beider Abacbeidang ans aeiaea
Verbindungen, mit .dem Qneckailber legine. Diese Aaaiahl
bat allgemeine Verbreitung gefunden, und es ist das Aitf*»
treten des Amalgta» immer tils eine der weaenUichsten
SUUaen der Ammeninmtb^gorje betraeklet werden*
In neuerer Zeit apraeh Wetherill *) die Meinang aiia»
iialb das Amalgam kein Ammunium aAübaltei sondern nor ein
durch Absorption iton Gaablasea (MHs und H) schwammfdrmig
an%etriebenes QoeeksUber aei« Er schliefst diefs aus eimgen
qnalitattTen Beobachtungen, welche ergaben i dafs wenn mm
%. B. das Anschwellen des Quecksilbers duriih Pressen ver-
hindert oder dem Hetall Platinsckwamm auaelit « sich kais
Aaunoniumr-Amaligam bildet Dieselbe Ansicht theilen aueh
Pfeil und Lipp mann **),. indem sie fanden t. dab die
chlorwasserstoffsauren Salze organischer Basen, wie AniUa,
Coniin, Morphin und Chinin kein Amalgam geben ***), eine
*) Sfllim. Amer. Jonni. [2] XL, 160 ; Zeitiöhr. t Ghun. ISSfi» S. 650.
**) BUlim. Amer. Jonm. [2] XLII, 72; Jaliresber. f. Caiemie n. il w.
f. 1866, 8. 144.
*^ Blofii du Balssanre Trimethylamm soll noh nach Pfeil a. Lipp-
mann ge^^ Natrium-Amalgam wie Ralmiak Terhaltea. loii liab»
Afnmonium-'Amalgam. 347
Beobachtung, die flbrig^ens schon im Jahre 1831 von Brande*)
gemacht worden ist, und zudem in der betreffenden Frage
nichts beweist.
Die bisherigen Versuche geben ober die Natur des Am-
monium-Amalgams noch durchaus keinen entscheidenden
Aufschiurs: Seitdem Graham^ das betrdchtliche Ab-
sorptionsvermogen verschiedener Metalle für Gase und na--
inentlich Wasserstoff kennen gelehrt hat, liegt allerdings die
Möglichkeit nicht fern, dafs auch bei Ooeck^ilber ähnliche
Erscheinungen auftreten können. Da indefs wedef Ammoniak
noch Wasserstoff, wenn sie einzeln entweder im fireienr Zu-
stande oder auch im Entslehungsmomcnte auf QuecksHbef
einwirken, von diesem absorbirt werden, vielmehr eine Auf-^
nähme nur dann stattfindet, wenn man sie gemeinschaftlich
aus Ammoniaksalzen abscheidet, so scheint es, dafs die Ver-
bindung NHi als Ganzes die Amalgam bildende Substahs
darstellt. Ist diefs der Fäll, so werden bei der Zersetzung
des Ammonium-Amalgams Wasserstoff und Ammoniak steUr
in dem '^olumverhältnifs von 1 : 2 sich ausscheiden mfissen^
i
Während; wenn eine getrennte Absorption der beiden Gase
stattfindet^ ganz andere Mengen derselben auftreten können;
lieber diesen Punkt sind schon von Davy •♦♦) Ver-*
suche angestellt worden, welche ergaben , dafs in der Thal
auf 1 Vol. H 2 Vol. NHs frei werden. Gay-Lussac und
Thenardf), die ebenfalls das Verhältnifs zu bestimmen
suchten, fähren dagegen verschiedene Zahlen an. Bei dem
den Verauch wiederholt, indefB gefunden, das ein Aufschwellen
des Quecksilbers nur dann stattfindet, wenn das PMparat noch
Chlorawunonlim eotlüUi JHe reiiie Yerbindiiiig giehi kein Amalgam,
*) P<^gi Ann. XXTT^ 30a
**) Ann. Chem. Phann. Snpplementbd. Y, 46.
*^ Fhilos. Trsnsact 1808, 858; 1810, 55; Gmelin*s Handh. m; 526-
t) Bacherches phjsioo-chinuqaes I, 68-78.
948 Landolt. über da$
auf elecirolytiscbeiii Wege darffestellten Amalgam ergab em
Yerauch auf 23 VoL H 28 VoL NH», während bei dem miiietel
Kalium-Amalgam bereiteten auf 1 VoK H 2,5 VoL NH« frei
jirm^den. In Betreff der Menge von Ammoniom, welchedas
ilaeckailber aiffzunehmen vermag, fahrt Davy an, dafa das
AnMilgam bei der Zersetzang aaf 1 VqI Metall 6 VoL Müg
7f H gebe, wonach 100 Gewicbtstbeile Quecksilber 0^0239
Crewichtfitheile MH4 binden würden. Gay-Laaaac und
Thenard fanden in veracbiedenen Amalgamen auf 100 TL
Hg 0,Q55> bi3 0,07 Tb. NU».
lu Folge dieser abweichenden Resnltata war es BÖlbig«
einige neue Beatimmuogen voraunehmen und ich habe die^
|i.eU>en auf feigende Weise ausgeführt :
Das au verwendende Ammonium- Amalgam mubte mit
Bftife der galvanischen Säule dargestellt werden, da das mit
llatrium erzeugte stets noch kleine Mengen dieses Metalls
enIbfUeu kamt Det angewandte Apparat bestand aus zwei
in einander gesetzten und duroh einen niedrigen Dreifub
getrennten Schaalen, von weloben die iufsero aus Glas, die
innere aus porAsem Thon (der Boden mit Vs Zoll hohem
Rande einer Balteriezelle) bestand. In beide wurde eine
Schicht OoecksUber und darüber Ldsung von Salmiak oder
schwefelsaurem Ammoniak gegossen. Indem man die in
Platindrähte endigefiden Pole einer aus 6 bis 10 Grove*-
sehen Elementen bestehenden Sfiule in der Weise eintauchloi
dafs das Quecksilber in der Thonzelle die negative Electrode
bildete, fand hier die Bildung des Ammonium -Amalgams
statt, wfihrend der andere Pol sich mit einer Schicht von
Calomel überzog. Das Aufschwellen des Quecksilbers ging
dabei langsam mid ganz ohne Entwiekelmig vott Gasblasen
vor sich ; eine solche trat erst ein , wenn der Ponkl der
Sättigung erreicht war.
Ammonium - Amalgam. 349
Vm sutiächst das Verhfiltnifs zwischen Ammoniak und
Wasserstoff bei der Zersetzung des Amalgams zu bestimmen,
worde dasselbe in verdünnte Salzsaore von bekanntem Gehalt
eingeworfen, das frei werdende Wasserstoffgas in einem
gradiiirten Cylinder aufgefangen nnd schllefslich der nicht
neulralisirte Tbeil der Säure durch titrirung bestimmt. Dabet
war es nöthig, das Amalgam möglichst rasch von der an-
bftngenden Salmiaklösung, weiche freies Ammoniak enthielt,
wa trennen, was durch Wasdien desselben unter eia^em Strahl
Wasser geschah. So schnell man iadefs diese Operation
luafflhren mag, so kann , da das Aouilgam sich fortwährend
zersetzt, dock nicht verhindert werden, dafs das anhängenda
Wasser etwas neues Ammoniak aufnimmt, wahrend der Was*
s^stoff ^tweicht. Man wird daher nothwendig den fiehalt
an ersterem Zersetzungsproduct etwas zu hoch finden müssen.
Bei einem ersten Versuch wurden 850 CC. verdännta
Salzsäure; welche 1,8233 Grm. Chlorwasserstoff enthielten^
angewandt und damit eine Glasschale sammt einer darin
stehenden graduirten Röhre gefällt. Die letztere lief unten
in einen Trichter aus, welcher über des eingeworfene und
sich zersetzende Ammonium-^Anuilgam geschoben wurde. Die
erhaltene Menge von Wasserstoffgas, reducirt auf 0^ und
760 MM. Druck, betrug 13,85 CG. Die Menge der über-
schüssig gebliebenen Säure wurde durch Titriren zu 1)7745
Grm. gefunden. Hiernach waren von der Flüssigkeit 0,0227
Grm. Ammoniak aufgenommen worden, welche 29^76 CC. Gas
von 0^ und 760 MM. entsprechen. Der Versuch ergab somit,
dafs auf 1 Vol. H 2,15 VoL NH3 aus dem Amalgam frei ge-
worden waren.
Eine zweite Bestimmung, bei welcher das Ammonium-
Amalgam weniger rasch in den Zersetzungsapparat gebracht
werden konnte, ergab auf 1 Vol. H 2,4 Vol. NHs.
350 Landolt^ über das
Nach diesen Resullaten, welche die früher von Dtvy
erhaltenen Tollkommen betätigen, ist es nBZweifelhaft , dab
4las Amalgam NHs und H genau in dem ammoniambildendea
Verhältnisse enthält. Diefs spricht entschieden dafür, dab
4lie Verbindung NH4 als Ganzes direct von dem Quecksilber
aufgenommen wird, und nicht etwa eine getrennte Absorption
von Ammoniak und Wasserstoff die Amalgambildung ver-
ursacht.
Durch einige weitere Versuche habe ich die Menge des
Ammoniums in dem Amalgam zu bestimmen gesucht Das»
selbe wurde wieder auf electrolytisohem Wege mit Hülfe
^es oben angegebenen Apparats dargestellt Wenn die SiU
tigung des Quecksilbers vollständig eingetreten war, wusch
man die Masse durch euffliefsendes Wasser^ und brachte sie
rasch in verdünnte Salzsäure von bekanntem Gehalt. Nach
beendigter Zersetzung wurde der Ueberschufs an Säure durch
Titriren bestimmt und das abgeschiedene Quecksilber ge*
iiammelt und gewogen.
Bekanntlich nimmt das Quecksilber bei der Darstellung
des Ammonium-Amalgams zuerst eine bulterartige Consistenz
an, und wird, wenn die Sättigung erreicht ist und sich
Ammoniak und Wasserstoif zu entwickeln beginnen , durch
die Gasblasen schwammförmig aufgetrieben, während zugleich
das Metall eine dunkelgraue Färbung annimmt. Die mit Gas
erfüllten Hohlräume sinken rasch zusammen, sowie man den
electrischen Strom unterbricht, und die Hasse wird wieder
metallglänzend und butterartig. In diesem letzteren Zustande
wurde sie zu den Versuchen benutzt
Man erhielt folgende Zahlen :
Ammonium • Amalgam»
351
Versuch
Erhaltene Mengen
Ton
QueduUbor Ammonium
100 Gewichtstheile Qaeck-
BÜber nehmen auf :
L
II.
IIL
IV.
V.
VI.
Gramm
20,397
24,931
68,070
66,916
63,984
87,972
Gramm
0,0118
0,0200
0,0626
0,0660
0,0384
0,0478
0,068 Th. Ammonium
0,080 ^ „
0»090 a n
0,083 ^ „
0,071 ^
0,064 ^ ,
Die Schwankungen, welche die Zahlen zeigen, rühren
von der mehr oder minder raschen Zersetzung des Amalgams
her, und es wird diejenige Bestimmung als die richtigste zu
betrachten sein , welche den gröfsten Ammoniumgehalt ergab.
Nimmt man hiernach an, dars 100 Gewichtsthcile Hg 0,09
Gewichtstheile NH4 aufnehmen, so wurde das Amalgam bei
seiner Zersetzung auf 1 Vol. Hg 15,2 Vol. NH3 und 7,6 Vol.
H geben. Diese Zahlen gellen für die bei gewöhnlicher
Temperatur dargestellte Substanz; in der Kälte treten wahr-
scheinlich grörsere Mengen von Ammonium mit dem Queck-
silber in Verbindung.
Wenn das Amalgam wirklich Ammonium enthält, so
entsteht weiter die Frage, ob diesem letzteren nun auch die
metallartige Natur ^ wie sie von Berzelius, Davy u. A.
vermuthet wurde, zukommt *). Hierüber habe ich auf fol-
gendem Wege Aufschlufs zu erhalten gesucht :
Wie schon vor langer Zeit Klauer**) und Bött-
^ Weyl (Pogg. Ann. CXXIII, 368) giebt an, durch Einwirkung
Yon Natrium - Ammonium auf Natronhydrat die Verbindung NH4
gemengt mit condonsirtem Ammoniak als blaue Flüssigkeit erhal-
ten zu haben, welche mit Quecksilber in Berührung gebracht, sich
entfUrbte» allein dabei keine dem gew(^hnfichen Ammonium-Amal»
gam ähnliche Blasse lieferte.
**) Ann. Chom. Pharm. X, 90.
3512 Landolij über das
ger*) nachgewiesen haben, werden beim Zusammenbringeii
von Kalium- oder Natriumamalgam mit der Lösung ¥«r»
schiedener Salze die in diesen enthaltenen Metalle reducirl
und in Verbindung mit Quecksilber übergeführt Auf diesem
Wege lassen sich bekanntlich Amalgame der meisten Metalle
darstellen. Es ist nun offenbar zu erwarten, dafs, wenn das
Ammonjum in seiner Legirung mit Quecksilber wirklich
metallische Eigenschanen besitzt, es sich ganz analog ver-
halten murs und ihm die Eigenschaft zukommen wird, z. B»
Silber, Kupfer, Eisen u. s. w. aus ihren Salzen leicht abzu-
scheiden. Diese Prüfung, obschon sie sehr nahe liegt, ist
bis jetzt noch nicht angestellt worden.
Zur Ausführung der Versuche mufste wieder das auf
eleclrolytischem Wege erzeugte Amalgam benutzt werdeiu
Die frisch dargestellte Substanz wurde in die Lösung des
Salzes eingeworfen ; das abgeschiedene Quecksilber mit
Wasser gewaschen und hierauf vollständig in Salpetersäure
aufgelöst. Die Flüssigkeit prüfte man dann auf das Vorhan-
densein des betreffenden Metalls. Die Menge des Ammonium-
Amalgams betrug stets mindestens 100 Grm.
Diese Proben sind zunächst unter Anwendung von Kupfer-
sulfatlösungen, und zwar sowohl sauren wie ammoniakalischen
ausgeführt worden. Dabei konnte nie Abscheidung von
Kupfer resp. Bildung von Kupferamalgam nachgewiesen wer-
den.' Eben so wenig liefsen sich aus Silbernitrat- und
Eisenchloridlösungen durch das Ammonium -Amalgam die
Metalle reduciren; es zersetzte sich dieses vielmehr stets in
derselben Weise wie unter gewöhnlichen Verhiltniasen,
nfimlich in Ammoniak und Wasserstoffgas.
Diese Versuche sprechen gegen die Ansicht, dafs das
Ammonium ein zusammengesetztes Metall darstelle, welches
•) Ann. Chcm. Pharm. XU, 240 ; Jouxn. f. prakt Chem. I, 802.
Ammonium - Amalgam. 353
fibnlioh dem Kalium oder Natriam sich verhalte. Dessen
«igfeacbtet vereinigt sich, wie wir oben gesehen haben, die
Verbindung NH4 als solche mit dem Quecksilber. Die Natur
dieses Körpers und die Bildung des Amalgams wird dadurch
noch rfithselbaner , und es mufs ferneren Untersuchungen
vorbehalten bleiben, die Frage weiter aufeukMren.
Ueber isomere AUyl- und Propylen-
derivate ;
von Alphorn Oppenheim^
Piiviado«ftnft d«r Chtml« In Berlin.
Allylverbindungen und damit gleich zusammengesetzte
Propylenderivate sind lange Zeit für identisch gehalten worden,
weil die in beiden Reihen bekannten Verbindungen einander
nicht entsprachen. Aus der Allylreihe nämlich war vor Allem
das Jodid bekannt; das gejodete Propylen C3H5J aber hat auch
bis heute nicht erhalten werden können, weil die Einwirkung
von alkoholischer Ealilösung auf Propylenjodid diese Verbin-
dung unter gleichzeitiger Bildung von Jodisopropyl verkohlt *)•
Andererseils sind das gechlorte und das gebromte Propylen seit
längerer Zeit freilich wohl bekannt. Aber das entsprechende
Allylchlorid und Allylbromid sind nur auf schwierigen Wegen
aus Allylalkohol in so kleinen Mengen erhalten worden, dafs
die Entdecker nur ihre Entstehungsweise, nicht aber ihre Ei-
genschaften beschrieben haben **).
*) Mündliche Mittheilimg nnveroffentlichter Versuche von Herrn
Wnrtz.
**) Hofmann u. Gahonrs, Ann. Chem. Phann. CH, 285 iF.
AaiuL 4. Cham. v. Phtfin. VI. 8npp]«m«ntbd. t« H«ft. 23
854 Oppenheim^ über isomere Aüyl^
Ich habe in vorläufigen Minheiloogen über diesen Ge-
genstand deshalb ziuifiehst mehrere Wege milgetheiU, uoi
das dem gechlorten Propylen entsprechende Allylchlorid in
gröfseren Mengen darzustellen, und ich theile im Eingänge
dieser ausführlicheren Darlegung meiner Arbeit die Methode
mit , welche zu seiner Darstellung am Geeignetsten erseheinL
Den Ausgangspunkt bildet das Allyljodid, von dem ich
mehrere Kilogramme nach verschiedenen Methoden bereitet
habe. Um dasselbe möglichst frei von Jodisopropyl zn er-
halteu; habe ich die von Claus*) angegebene Methode am
Vorth eilhaftesten gefunden, und dieselbe nur dahin abgeändert,
dafs ich statt der Retorten Kochfiaschen mit weiten Destilla-
tionsröhren (Verbrennungsröhren) anwendete, welche in die
tnbulirte Vorlage luftdicht einpafsten» Aus dem Tubulus der
Vorlage führte ein Gasableitungsrohr in ein System von drei
Gefäfsen. Das erste derselben war leer^ um übergerissenes
Jodallyl aufzunehmen. Die beiden anderen enthielten Brom,
um das als Nebenproduct auftretende Propylengas zu ge-
winnen. Man sättigt so für jedes angewandte Kilogramm
Jod etwa 100 Grm. Brom mit Propylengas. Die angewandten
Kochflaschen von 3 bis 4 Liter Inhalt wurden jede mit nur
100 Grm. Jod und der entsprechenden Menge Glycerin
(150 Grm.) und Phosphor (60 Grm.) beschickt, um das Ueber-
steigen der stark schäumenden Hasse möglichst zu verhin-
dern. Es ist sehr rathsam, die Destillation nicht bis zur
letzten Grenze der Möglichkeit fortzusetzen, weil dabei nidit
nur die Flaschen springen, sondern auch ein unreineres Pro-
duct erhalten wird. Das braunrothe Destillat, durch Schütteln
mit verdünnter Kalilauge farblos erhalten, wird zuerst mit
Wasserdampfen destillirt, um Ueberschäumen der letzten An-
theile zu vermeiden , und dann mehrmals fractionirt Ein
*) Ann. Chem. Pharm. CXTCXI, 68.
und Prapylenderivalte, 955
KSogramm Jod liefert so darcbscbnittKch 750 Grm. Jodallyl
Tom Siedepunkt 98 bis iOS^, und 200 Grm. eines Gemenges
Ton Jodisopropyl mit Jodallyl , das bei 90 bis 98^ übergebt«
Andere Metboden, bei welcben verbaltnifsmftfsig weniger
Pbosphor verwandt wird , liefern verbiltnibmafsig mehr Jod^
isopropyL Oasselbe Resultat ergiebt sich , wenn man das
rohe Jodallyl aur Reinigung über Zink destillirt, 4>der wenn
statt Glasgefafse eiserne Gefifse angewendet werden , wie
es Behufs der Bereitung grölserer Mengen die Herren Hen-
ner und Hobenhausen in Wyl versucht haben.
D9S so erhaltene Jodallyl kann unmittelbar in Chlorür
lungewandelt werden, nach denselben Grundsätzen, welche
BerthoUet über die Umsetzung von Metallsalzen ansge-
sprochen, und welche Wurtz zuerst in der organischen
Chemie durch Umwandlung der Jodüre in Acetate zur An-
wendung gebracht hat. Man' kann allgemein sagen, dafs
zusammengesetzte Aether und Salze einander zersetzen,
wenn die Sdure des Aethers mit dem Metalle des Salzes ein
unlösliches oder wenig lösliches Salz liefert Nicht immer
freilich geht die Sfture des Salzes mit dem Alkoholrad icale
eine Verbindung ein. Zuweilen trennt sie sich unter Aether--
bildung, wie es früher Nason bei seinen Versuchen zur
Darstellung zusammengesetzter Aether widerfahren ist (Ann.
Chem. Pharm. CIV, 126). So giebt Cyanquecksilber mit Jod-
älhyl und Alkohol Jodquecksilber, Aether und Blausäure«
Aber in vielen Fällen bleiben die freiwerdenden Reste ver-
einigt.
Oxalsaures Allyl und Chlorcaicium in alkoholischer Lö-
sung bilden Oxalsäuren Kalk und ChlorallyL Einfacher und
ergiebiger ist die directe Umsetzung von Jodallyl mit Qaeck-
siUrerchlorid. Als Lösungsmittel kann Alkohol, Glycerin und
Aether dienen. Um die Einwirkung einzuleiten ist bei der
Anwendung von Alkohol Schütteln hinreichend. — Man mischt
23»
S56 Oppenheim^ über isomere AUyl-
in einer Eochflascho Jodallyl mit seinem Tolom Alkohol ond
etwas mehr als der theoretischen Menge feingepulverten
Onecksilberchlorids. Die Hasse erwSrmt sich lebhaft; man
Terbindet deshalb die Flasche mit einem gnt gekdhiten
Schlangenrohr, um die Dampfe za condensiren. Wenn das
Qnecksilbersalz in rothes Jodür verwandelt ist, destilllrt man
ab. Zusatz von Wasser zum Destillat trennt eine Flüssige
keitsschicht , die zwischen 40 und 75* übergeht Der grofste
Theil, der zwischen 43 und 50* destillirt, ist fast reines CUor-
allyl. Die erste Portion und die letzten Portionen dieses
Destillats geben jedoch bei der Analyse zu viel Kohlenstoff,
weil die erstere Aelher, die letzteren Allyläthyläther bei-
gemengt enthalten, wie die folgenden Analysen ergeben :
Crefunden
Berechn. f. Clilorallyl 43^4« 44-46<> 40-46<> 45-47« 46-47*
C, 47,06 46,91 47,41 48,13 48,30 49,80
H5 6,54 7,16 6,64 6,86 7,82 7,80
Cl 46,40 46,42 — — — —
Bereclinet für Allyl&thyläther Gefunden
(Siddeptmkt 62<>,5) 59-65«
C« 69,77 .63,28
H|9 11,63 9,86
O 18,60 —
Mau sieht also, dafs bei der beschriebenen Operation
die folgenden Reactionen neben einander Plali haben :
2C8H5J + HgCI, = HgJ, + gCgHjCl
C,H,C1 + CäO = (CaH.)(CtH.)0 + HCl
HCl + CAO =s H,0 + C,H,C1
CACl + CAO = (CgH5),0 + HCl.
Von dem beigemischten Aether iSftt sich das Chlorallyl
durch Schfittebi mit der zwanzigfachen Menge Wasser be-
freien, welches letztere freilich auch (%Iorallyl in gerbigem
Mafiie auflöst.
und Prapjflenderivaie» 3$T
Die Sraieiigttng von AUyliUiyläiber dageg^en fahrt einen
unabwendbaren Verlust herbei« Ich habe deshalb statt AI-*
kohol Aether ak Lösungsmittel immer dann angewandt, wenn
für die weitere Verwendung des Chlorallyls die Gegenwart
von Aetber gleichgültig mrschieii.
Um die Eigenschaften dieses Körpers mit denen des ge-r
chlorten^ Pr^ylens zu vergleichen, habe ich darauf gröfsere
Mengen des letxteren nach der von Frie.de 1 und Ladent
bürg fOr Methylcfaloraeetol besebriebenen Methode . darge«
«teilt (Ann. Chem. Pharm. CXLII, 315). Beide Körper bilden
^ch bekanntlich gleicfazeitq; bei der Einwirkung von. Aceton
auf Phosphorpentachlorld in wechselnden jlengen, ohne daft
es bisher möglich gewesen wäre, wilikarlicb mehr von die*
sem oder jenem zu bereiten. Aus 3500 GrsL Chlorphesphor
und 1000 Grm. Aceton wurden erhalten 740 Grm, gemischte
Chlorüre und durch Fractipnirung daraus :.
196 Grm. C,HsCl siedend awiBohen 23 und 88*
875 n C«HeC]t » » 60 » 80<^
90 f, Zwiflchenproduct » . 88 « 60*
wahrend 79 Grm. beim Fractioniren , Umgiefsen u. s. w. bei
hoher Sommertemperatur verloren gingen. 4000 Grm. PCU
und 1200 Grm. Aceton lieferten 225 Grm. CnH^Cl (23-36^),
375 Grm. CaHeCla (60-78<^) und 100 Grm. Zwisohenproduct.
Das reine gechlorte Propylen C^HfiCl siedet bei. 23® und
hat bei 0® die Dichti^eit 0,931. Es liefert mit Natrium-
ithylat in zugeschmolzenen Röhren auf 120® erhitzt Allylengaa.
Das reine Chtorallyl CsU&Cl siedet bei 44-45® und ha,t
bei 0® die Dichtigkeit 0,934. Es wirkt nicht nur auf
Matriumdthylat, sondern auch auf alkoholische Kalilauge schon
unterhalb 100® ein und biUet dabei nicht Allylen , sondern
Allylathylather.
Durch diese Versuche ist genügend dargethan, dafs diese
beiden Chlorflre nicht identisch, sondern isomer sind.
35ä Oppenheim, über isomere ÄllyU
Es erschien mir aber wicbtig^, diese Untersuchung noch
weiter fortzuführen, um dadurch mto möglich Aufklarung
über die Existenz einer noch unbekannten KörperUasse : der
gechlorten Alkohole der gewöhnlichen Reihe tu erhalten»
Die Entdeckung solcher Körper wfirde auch beute noch Yon
hohem Interesse sein. Man wfirde dadurch auf einfachereai
Wege eu Synthesen von secundfiren Alkoholen und AnEObol-«
derivaten gelangen, wie sie neuerdings auf verschiedene
Weise von Btttlerow, Prankland u. Duppa und Li e-^
ben entdeckt worden sind.
Der einsige gechlorte Alkohol, welcher bisher beschrie-
ben ist, gehört der aromatischen Reihe an. Ich meine Neu-
hof's Mereaplan aus Chlorbenzyl (Zeitschr. f. Chemie 1866,
S. 655). Vergebliche, obgleich sehr sorgfaltig ausgeführte
Versnobe zur Bildung ähnlicher Körper iti der fetten Reihe
liegen von Pfaundler vor (Bull. soc. chim. 1865, p. 242).
Derselbe hat aus gebromtem Aelhylen und Jodwasserstoff-
säure eine Verbindung erhalten, welche durch essigsaures
s
Kali auf compifcirte Welse zersetzt wird, indem sowohl Jod
wie Brom darin ausgetauscht wird. Es frug sich nun, ob
Chlorfire hierin von Bromuren, ob koblenstoffreichere Ver-*
bindungen darin von Aethylenderivaten abweichen, und welche
Unterschiede in dieser Hinsicht unsere beiden * isomeren
Chlorfire unter einander zeigen.
Ferner erschien es nützlich, nicht nur dievon Pfaund-^
ler angewandte Reaction, sondern alle diejenigen anzuwen-
den, durch welche man bisher ungesättigte Kohlenwasser-
stoffe in Alkohole übergeführt hat. Nachdem ich festgestellt,
dafi^ Wasserstoffsuperoxyd bei dreiwöchentlichem Contacte
auf beide Chlorfire nicht einwirkt, beschränkte ich mich zu-
nächst darauf, die Einwirkung von Jodwasserstoffsäure, von
Schwefelsäure und von Brom auf beide Körper zu studiren.
tmd Propylenderioate. 359
I. £Snwirkung van JodwasBersioffsäure,
Eine in Eis gesättigte, nur schwach gefärbte, rauchende,
sehr concenlrirte Lösung von Jodwasserstoff, wie sie durch-
gehends angewendet wurde, ward mit Chlorallyl zusammen-
geschüttelt. Es trat sofort starke Erwärmung und Jodaus-
scheidung ein. Man entfärbte und neutralisirte die Flfissig-
keit mittelst einer verdünnten Lösung von kohlensaurem
Natron, und erhielt so eine schwere Flüssigkeit, welche
gröfstentheils zwischen 88 und 92^ kochte und sich durch
•die Analyse ab Jodisopropyl (Siedepunkt 89^) erwies.
0,322 Grm. Sabstanz gaben 0,117 H,0 und 0,261 CO,.
Berecbnet Gefunden
c.
36
22,50
22,14
H,
7
4,37
4,04
J
127
73,13
160 100,00.
■
Jodwasserstoffsäure und Chlorallyl setzen sich also zu
Chlorwnsserstoffsäure und Jodallyl um, und von dem letzteren
ist es bekannt, dafs es durch überschüssige Jodwasserstoff-
säure hydrogenirt wird (Simpson, Erlenmeyer) :
C.HftCl -f 3 HJ = C^Hy J + HCl + Jj.
Diese Reaction ist also derjenigen , welcher das Chlor-
ally) seine Entstehung verdankt, gerade entgegengesetzt.
Mit dem gechlorten Fropylen verbindet sich die Jod-
WRSserstoffsäure direct. Ein Ueberschufs derselben wurde
mit dem Chlorfir in einen starken birnförmigen Kolben
(„Matras^) eingeschlossen und mehrere Stunden lang im
Wasserbflde erhitzt. Dabei färbte sich die Jodwasserstoff-^
säure kaum und am Boden des Gefäfses fand sich eine ölige
Flüssigkeit, welche beim Desiaiiren auch im leeren Ravm
zersetzt wird. Sie geht unter 1 CM. Druck zwischen HO
«nd 150^ über. Der zwischen liO und iSO^ aüfgeftingene
360 Oppenheim^ über isomere Allyl'-
Theil zeigt die der Formel CaHsCl.HJ entfiprediende Zu-
sammensetzung :
0,488 Gnn. Substanz gaben 0,140 VLfi und 0,317 CDs.
^Berechnet Gefunden
C, 36 17,64 17,71
H^ 6 2,44 2,89
Cl 36,6 — —
J 127 — —
Die Verbindung hat bei 0^ das spec. Gewicht 1^24.
Da nun das gechlorte Propylen sich auch bei anhalten*
dem starkem Erhitzea mit Kali- oder Silbersalzen «lichi ver*
änderte, hofiPle ich durch Einwirkung seiner Jodwasserstoff-
verbindung auf ein Aequivalent dieser Salze das Jod auszu-
tauschen, ohne das Chlor der Verbindung anzugreifen. So-
wohl bei der Anwendung von trockenem Silberacetat als
auch von einer alkoholischen Lösung von Kaliumacetat im
angegebenen Verhältnifs erhalt man jedoch ein jodhaltiges
Product und im ersteren Falle einen Rückstand, der aus
Chlorsilber und Jodsilber besteht, zum Beweis, dafs gegen
die gehegte Erwartung das Jod und das Chlor der Verbin-
dung gleichzeitig angegriffen werden. Der Zweck, ein ge-
chlortes Acetat zu erhalten, war also auf diesem Wege un-
durchführbar. Es erschien aber wunschenswerth, zu erfor-
schen, ob durch gleichzeitige Vertretung von Chlor und
Jod Derivate des Propylglycols entstehen , d. h. ob das Jod-
hydrat des gechlorten Propylens identisch ist mit Chlorjod-
propylen.
Aus der bekannten Constitution des gechlorten Propylens
CHt
cci würde dann auch die Lagerung der Hydroxyle im Propyl-
CH|
glycol erkannt werden kAnneu.
Hau liefs deshalb auf das Chlorojodür awei Aequivulrate
SQberteetai einwirken , und ab auf diese Weise eine reine
und IVopylenderivate* 361
Yerbiodungf nicht erhalten werden konnte, wurde .statt des
Acetatft Silberbenzoat angewendet! indem man hebufa einer
gleicbmifsigen Einwirkung völlig was$erfreien Adher hinxa«*
Mtzte. Die Reaotion findet unter lebhafter ErwiroMing au*
IfenblicUiob statt Um sie xu.Ende su führen erhitzt man
jcinige Stunden kng im Wasserbade mit aufsteigendem Kühler.
Der Aether wird darauf abfiltrirt und der Ruckstand wieder-
holt mit Aether ausgezogen. Beim Verdampfen des Lösungs-
mittels bleiben nun ungewöhnlich schöne farblose, durchs
«iohtige, glänzende KrystaUe zurück, die leicht mehr als
1 Centimeter lang werden.
Dieselben sind bei sehr hober Temperatur nnzersetzt
flüchtig. Im luflverdünnten Raum, bei 1 CH. Quecksilberdruck,
destilliren sie zwischen 230 und 240^. Ihr Sehmelzpunkt
liegt zwischen 69 und 71^; ihr Erstarrungspunkt zwischen
50 und 58^ Sie sind aufserordentlich schwer verbrennlich,
selbst bei Anwendung von chromsaurem Blei.
1. 0,2075 Grm. Substans gaben 0|107 H,0 und 0,5485 €0«.
2. 0,236 n „ n 0,127 „ „ 0,6176 .
Hieraus berechnet sich die dem zweifach -benzoesauren
Propylen entsprechende Zusammensetzung :
Berechnet Gefunden
c„
204
71,83
71,69
71,37
Hl.
16
5^63
5,72
5,96
O4
64
22,54
—
—
284 100,00.
Diese Uebereinstimmung mit dem.benzoesauren Propylen
aber ist nur eine ganz fiufserliche.
Mit dem von A.. Kay er (Compt. rend. LIX, 244) aus
Brompropylen dargestellten benzocsauren Propylen hat die
neue Verbindung freilich annähernd den Schmelzpunkt (72^
Mayer) und vielleicht den Siedepunkt gemeinsam; aber in
krystallographiseher und chemischer Hinsicht weicht sie yon
362 OppeHheim, über iiomgrt AllyU
demselben ab. Sohon der infiere Habitos der KrysUUe iit
ein ganz verschiedener. Die Kryitallform des benxo<Sniir«B
Propyiens iat wie die der AelhylenTerbindangr orlhorb«aibiich
mit Torwaltendem Frisma. Herr Friedet, welcher die
Form dieser Verbindungen besclirieben hat *), unteriog nA
aneh der Messung meinw KrystaUe und gelangte dabei zh
folgenden Resnllaten :
„Das ans dem Jodhydrat des gechlorten Propyleni ge«
wonnene Benzoat bildet Uinorhombifohd Octaeder, deren
Flächen a', o' und e' stark ausgebildet sind, während die
Flächen />, b'l* und g' zurücktreten. Die FUchen lind glin-
send aber wellenförmig gebogen , so dals die Strenge der
Hessnngen dadurch leUel."
„Die Winkel sind :
f' =
126°15'
fa' =
129» i'
0.' =
109"2B'
«'e' =
106'i4'
«'«' über p =
63"54'
oVlfcer f =t
10<»68'
lOi'Bl')
„Die Octaeder sind fast orthorhombisch. Aber ihre
optische Untersuchung Ififst keinen Zweifel darüber, dafs sie
klinorhombisch sind. Eine der Fläche p' parallele Platte
zeigt ein einziges System von Bingen, die so gestellt sind,
dafs sie beweisen, dafs die optischen Axen der Symmetrie-
ebene parallel sind."
Dazu kommt, dafs bei der Versclfnng mit Kali unser
Benzoat nicht Propylglycol liefert, wie es der Natur des
*) Siehe die oben uigefQhrtc Arbeit Majrer'a und Wai
buidlnng aber (Hycole, Ann. cbim. pbT*. [S] LT.
und Propylenderivaie, 869
benzo^aoren Propylens entspricht , sondern dne Fldsrigkeit,
welche SHbersalse beim Erhitzen redacirl und den Geruch
des Acetons besitzt.
Eine gröfsere Menge dieser Flössigkeil, welche sieh
dann durch ihren Siedepunkt und durch ihre Verbindung mit
doppell - schwefligsaurem Natron unzweifelhaft als Aceton
characterisirte, erhielt ich direct durch ErwSrmen von feuch*
fem Sflberoxyd mit dem Jodhydrat des gechlorten Propylens,
AbdestHliren und Trocknen Aber Ealthydrat. Ziehen wir nun
noch in Betracht, daTs Simpson kQrzßch durch Einwirkung
Yon Chlorjodithylen CsH^GlJ auf feuchtes Silberoxyd Glycol
erhalten hat (Ann. Ghem. Pharm. Suppl.*Bd. VI, 358), so beweisen
■
diese Versuche strenge, dafs unser Jodbydrat nicht Propylen«
chlorojodflr, sondern eine damit isomere Verbindung ist.
Das wahre Propylenchlorojodör, das Simpson flrAher
durch Einwirkung von Chlorjod auf Propylen erhalten hat,
besitzt das specifische Gewicht 1,932 ; für die damit isomere
Verbindung fand ich die Dichtigkeit 1,824.
Das Jod und Chlor der letzteren nehmen , wie ihre Unw^
Wandlung zeigt, die Stelle des SauerstofTs hn Aceton ein. Sie
entspricht also völlig dem Fried ersehen Methylchloracelal und
mnfs demnach die Bezeichnung Methylchlorjodacetol erhalten.
Ihre Bildung und Umsetzung Ififst sich durch folgende For*
mein anschaulich machen :
CH^ CH,
CCl + HJ = CCU
CHg CHy
gechlorteB Propylen MethylchloijodacetoL
CH3 CH|
CCU + AgjO = ho -\' AgJ + Aga
in, in, *
Aceton. - '
864 Oppenheim^ über isomere AUyl-
YxL der Benzoesflureverbindang siod Cblor und Jod durch
BenzoesSurereste CtH^Os vertreten. Es kommt ilir also der
Name Methylbenzacetol, die Formel
CH^ CH»
I ^ I
C(G9H50,)t nicht CH.CtH»Ob n
OHg GHg • Cf H^Of
MethylbeDzacetol (bensote. Propylon)
und sie steht in derselben Besiehung zum Aoeloip , in wel-
cher Geuther's essigsaures Aldehyden zum Aldehyd steht
Eine Bestätigung dieser Auflieissung liegt in der Um<»
Wandlung des Jodhydrats des gebromten Aethylens in Aldehyd
durob Pfaundler und in der neuen DarsteHung der von
mir beschriebenen Verbindung, welche bald nachher Fried el
und Ladenburg aiis Metfaylbromacetol gelang (Ann. Chem.
Pharm. CXLV, 195). Der von diesen Chemikern angewandte
Name benzoesaures Propyliden hat den NachtheU, zu der Yer-
muihung zu führen, dafs dieser Körper zu dem noch unbe*
kannten Propylaldehyd in näherer Beziehung steht, da
Aethyliden und Aldehyden synonyme Bezeichnungen des
zweiatomigen Aldehydradicals sind, entsprechende Namen
für Acetonradicale aber nicht vorhanden sind.
Durch directe Einwirkung von Saureanhydriden auf
Aceton Verbindungen zu erzeugen^ ist mir bisher noch nich
gelungen. Auch die weiter folgenden Versuche stützen
jedoch die eben besprochene Anschauung.
IL Einwirkung von Schwefelsäure auf Chlarallyl und
gechlortes Propylen,
Die Einwirkung von Schwefelsäure auf zweiatomige
Carbüre ist bekanntlich in Berthelot's Händen das erste
Mittel gewesen, um Kohlenwasserstoffe in Aethylalkohol and
höhere Pseudoalkohole zu verwandeln (1855). Dafs sich
und Propylenderivate, 865
ftberbanpl da« Aetliylen und die Homologen mit Schwefel-
siore verbfnden, ist schon seit 1825 durch Faraday*s Un**
tersuchungen bekannt. Daher ist es anffallend/ dafsdie
gechlorten Carbflre der Fettreihe bisher auf ihr Verhalte»
gegen Schwefelsäure noch nicht geprüft worden sind. Hier
teg ein völlig unberührtes und ein viel versprechendes Cre*
biet zur Untersuchung 'offen, und schon die ersten Schritte
über seine Grenzen sollten* zu bemerkenswerthen und uner'^
warteten Ergebnissen fuhren.
Dafs das gechlorte Propylen eben so wie das Propyleo
mit Schwefelsfiure eine directe Verbindung eingehen werde^
erschien um so wahrscheinlicher, als die eben beschriebenen
Versuche die leichte Verbindbarkeit dieses Chlorör» mit Jod«
wasserstöfTsäure kennen gelehrt hatten.
Ich liefs deshalb durch einen Scheid etriehter einen lang-
# sam fliefsenden Strom frisch destillirter Sohwefelsüure HsSO«
in eine gut abgekühlte Flasche fliefsen, welche gechlortes
Propylen enthielt. Ein Gasleitungsrohr führte aus dem doppelt
durchbohrten Kork die entsprechenden Gase durch ein von
Eis umgebenes Schlangenrohr ab.
Diese Gase entwickelten sich in Hasse und bestanden
aus nichts Anderem als aus Chlorwasserstoffsfiure. Im Ganzen
wurde etwa das Doppelte der theoretischen Menge Schwefel-
säure zugesetzt. Die Einwirkung geschieht sofort und in
der Kilte. Nach 24 Stunden erwärmte man im Wasserbade,
um die Einwirkung zu vollenden. Dann wurde das Gemisch
unter guter Abkühlung in Wasser gegossen und ein Theil
mit Baryumcarbonat neutralisirt , um die etwa entstehende
SCure von der Schwefelsaure zu trennen. In der That be-
kam man so ein lösliches Barytsalz, das nicht gut genug
krystallisirt erhalten worden ist, um es zu analysiren. Es
ist stark hygroscopisch , bitter und vöIUg chlorfrei. Eine
directe Verbindung von gechlortem Propylen und Schwefel-
966 Oppenheim^ vJber isomere AüyU
säure findet also aulTaUender Weise nicht atftit. Die Schwefel-
siure treibt vielmehr das Chlor in der Form tod Salzsäure
aus, in einer Weise, die gleich näher besprochen werden
soll — Der gfröfsere Tfaeil des Gemisches ward mit der
8- bis lOfachen Wassermenge destillirt. Kohlensaures Kali
schied aus dem Destillat eine leichte Flüssigkeit ab, die voll-
ständig zwischen 56 und 58^ überging, den Geruch, die
Zusammensetzung, den Siedepunkt, die chemischen Eigen-
schaften des Acetons zeigte. Dieselbe wurde behufs völliger
Reinigung zur Analyse mit doppelt- seh wefiigsaurem Natron
verbunden, mit Aether gewaschen und mit kohlensaurem Kali
wieder zersetzt. Diefs Verfahren wurde dreimal wiederholt.
Endlich wurde das reine Aceton, iwelches die letzten Reste
Wasser sehr hartnäckig zurückhielt, über Stücken von koh<»
lensaurem Kalium getrocknet. Die folgenden Analysen sind
mit Substanz von verschiedener Trockne ausgeführt worden«
1) 0,2815 Grm. Subetanz gaben 0,211 H,0 und 0,525 CO«.
2) 0,282 , • „ 0,227 , , 0,520 ,
8) 0,2465 , » n 0,237 , , 0,650 ,
Berechnet (xefünden
c.
86
62,07
1)
61,85
2)
61,10
60,95
H.
6
10,34
10,38
10,68
10,40
0
16
27,69
—
—
—
58 100,00.
Um keinen Zweifel darüber zu lassen, dafs die Substanz
wirklich Aceton und nicht etwa das noch unbekannte damit
isomere Propylaldehyd sei, wurde sie durch Kochen mit
Silberoxyd in einem geschlossenen Gefäfs oxydirt. Dabei
sollte Propylaldehyd Propionsäure, Aceton dagegen^ein Ge-
menge von Ameisensäure und Essigsäure liefern. DasGefifis
(Matras) fand sich nach dem Erhitzen von einem Silberspiegel
ausgekleidet. Das entstandene Salzgemenge schied beim Ein*
und Prapylenderivaie* 367
dampfen and Stehenlassen an der Luft fortwihrend Silber
ab, Beweis, dafs es zum grofsen Theil aus ameisensaurem
Silber bestand, wihrend endlich nach wiederholtem Filtriren
und Stehenlassen eine kleine Menge eines beständigen Silber-*
Salzes (Acetat) übrig blieb *).
Die Besprechung der in dieser Reaction entstehenden
Sulfosinre soll einer weiteren Mittheilung vorbehalten blei-
ben. Nehmen wir an, dab zwei Molecnle Schwefelsäure
auf ein Moleeul des Chlorids einwirken, so können wir die
eben besprochene Reaction durch die Formeln
CH. CHaH
I I
Cd +2 HtS04 = C(H804), + HCl
I I
CHg OH,
und
CH, CH,
C(HS04)j + H,0 s= CO + 2 H,S04
CH, CH,
ausdrücken.
Wenn man reines oder ätherhaltiges Chlorallyl in ganz
derselben Weise mit Schwefelsäure behandelt, wie sie oben
für das isomere Cblorür beschrieben worden, so zeigt schon
das äufsere Verhalten einen nennbaren Unterschied an. Wih-
rend in der oben beschriebenen Reaction die Flüssigkeit
kaum gefärbt wird, wird sie hier dunkel und undurchsichtig.
Wahrend dort Ströme von Salzsaure entweichen, findet hier
keine Gasentwickelung statt. Um die Reaction zu vollenden
liefs man auch hier das Gemisch von Saure und Chlorallyl
einen Tag lang stehen und erwärmte dann im Wasserbade
mit vorgelegtem Kühler, um etwa entweichende Producte auf-
zufangen.
*) Die Silberbestimmung dieses Bückstandes wurde leider durch einen
Unfall Terdorben.
366 Oppenheim^ Mber immtrt Ali^
Dabei tdhrinia sich die Hasse maä mut img einige
GranuD dner klaren farblosen Flnssifkeit anf, die Dach
mehreren Fradionimigen iwisehen 93 and 96^ kochte, wwh-
rend ein kleiner Thdl zwischen 40 nnd 93, nnd einige
Tropfen zwischen 130 nnd 140^ nbergingen *). Nach P r i e
del liegt der Siedepunkt des wahrem Pn^jlenchlorvrs zwi-
schen 93 und 98^. Mit diesem Körper stimmt nach die Zo-
sammensetznng des betreffenden Destillats ▼ollig' iberein.
0,180 Gm. ßolisteas gaben 0,099 HfO imd 0,210 CtV
c.
36
31,86
31,82
H«
6
5,31
5»S2
ci.
71
62,83
—
113 100,00.
Offenbar hatte sich ein Theil des Chlorallyls mit Chlor-
wasserstoSisänre verbunden, welche durch Zerstörung eines
anderen Theiles frei geworden war.
CH, CH,
CH + Ha == cHa
I I
CH,a cH,a.
Auch hier liegt also wiederum ein Unterschied des Güor-
allyls Ton seinem Isomeren vor, das sich mit Jodwasserstoff-
saure nicht zu wahrem Propylenchlorojodur , sondern sa
Methylchlorjodacetol verbindet.
Dieser Unterschied findet sich auch bei den Homologen.
Das gebromte Aethylen verbindet sich mit Bromwassostoff-
säure nach Reboul nicht zu Bromathylen, sondern n denn
isomeren gebromten Bromäthyl (Compt rend. 1867).
Die ChlorallylschwefelsBure wurde mit der 8- bis 10-
fachen Menge Wasser destillirt Hierbei erhielt man ohne
*) Der niedrig siedende Theil ist ein Gemisch ans Aetfaer, CUor-
allyl (?) nnd Pfopylenchlorür ; der hoch siedende wird weiter
besprochen werden.
und Ptopyknd^ioaU. 309^
i!; 3 Eniwi^heluiig von soh welliger Sasre ein DestiUat^ das darch
0
i". ] Auflösen darin von koUensmireai Kalium in Wasser und eine
r^. I leichlere Flflssigkeit getrennt wurde. ' Die letztere ging
:.« awischen )20 und 180^, ihr bei weitem grö&ter Tbeil zwi-
,::'• sehen 126 und 128^ 4ber. Dieselbe ist chlorhaltig und ent-
min ? spricht ihrer Zusammensetzung tt^ch dem gesuchten ge-
chlorten Alkohol.
1. 0,245 Grm. Substenz gaben 0,148 H,0 und 0,341 COf
2. 0,244 , , , 0,162
•* 't
>»
0,244 ,
w
^
Beieciinet
c,
86
88,09
Hr
7
7,40
Cl
35,5
37,56
0
16
16,96
n 11
0,388 n
Gefanden *)
1.
2.
67,91
37,78
6,79
7,37
3.
4. . 6.
■35,64
85,29 35,59
Cl
94,5 100,00.
Alle Eigenschaften zeigen jedoch, dafs diese Verbindung
das mit dem gesuchten Alkohol isomere Chlorhydrin des
Propylglycols ist In der That hat Herr Oeser den Siede-
punkt des letzteren == 127^ angegeben. Das spec. Gewicht
ist nach Herrn Oeser = 1,1302. Ich fand die Dichtigkeit
meiner Substanz = 1,247. Mit Kalihydrat scheidet sie sofort
Chlorkalium ab und giebt eine leicht flöchtige chlorfreie
Flüssigkeit, deren Eigenschaften Tollkommen mit Propylen-
oxyd fibereinstimmen. Es siedet wie dieses genau bei 35^
und scheidet beim Kochen m verschlossenen Gefäfsen aus
Chlorma^nesiumlögung Magnesia ah.
Die eben besprochene Synthese Idfst Aber die beiden
möglichen Formeln des Propylenchlorhydrins wenig Zweifel
mehr. Das Chlor eines primären Alkoholradicalchlorürs hängt
nach den heute geltenden Anschauungen an einem Kohlen-
stofiatom des Endes , nicht der Mitte. Der Allylalkohol mufs
*) lieber den Grund der zu geringen Chlormenge siehe weiter unten.
Anoal. d.Chem. a. PhArm. VI. Bapplemsntbd. 8. Heft. 24
370 Oppenheim, über isomere AllyU
ftber ein primärer Alkabol, sein CUorfir ein primires Chlorür
sein ; denn der erstere geht dnrcli Oxydation in die entspre-»
chende Säure üben Es kann daher, wenn man nicht Umla-
gerang während der Reaction annimmt) waza hier keine
Yeranlasaong ist, die relative Stellung des Hydroxyls und des
Chlors im Propylchlorhydrin nar die folgende sein :
CH«
CH.HO
I
CHjCI.
Es ist Jedenfalls sehr bemerkenswerth, daCs wir aof die
beschriebene Weise durch Addition Yon CUorwasserstoffisäare
oder ron Wasser an Chlorallyl in die Reäe der Propyl?er^
bindungen hinäbergehen, indem wir im ersteren Falle Pro-
pylenchlorfir, im zweiten Falle ein GlyoolderiTat erhalten,
das mit dem aus Propylenbromür dargestellten ide&tisoh ist,
während umgekehrt das gechlorte Propylen Additionsproducte
liefert 9 welche den Propylenverbindungen nicht zugezahlt
werden können. Da die Homologen des Chlorallyls nichl
bekannt sind, läfst sich nicht entscheiden^ ob diefs Verhatten
ein generelles ist.
Das so Terschiedene Verhalten der beiden isomeren
Chlorüre gegen Schwefelsäure ladet jedoch vuTs Neue dazu
ein, das Verhalten Terwandtec Substanzen zu untersuchen.
Hierzu nahm ich zunächst die einfachsten Monochlorüre^
welche zur Hand waren. Nur wenige derselben scheinen
ohne Einwirkung auf Schwefelsäure zu sein ; diejenigen näm-
lich, welche zu dem Terpentinöl in näherer oder fernerer
Beziehung stehen, wie das Monochlorhydrat desselben und
das Chlormenthyl *).
*) Die beobachtete Erw&rmmig dieser Snbstuos mit Schwefebftiira
rührte ron der iCnwesenheit toh Menthen her, ron der das un-
destillirbare Chlorür nicht völlig frei war.
und I^BpylenderwaU. 371
Die übrigen serfellen ia drei KburaeD :
i. . In solche, welcbe nnter Wa9seraiistritt gepblorte
Sulfo$äuren liefern^ die sich daher nicht mehr Yon der Schwe-
felsaure» sondern Ton der schwefligen Sänre ableiten* In
diese Klasse gehören die Monochlorfire der aromatischen
Reihe, welche das Chlor in der Hanptlcette enthalten. Diese
Klasse ist die einzige, welche in ihrem Verhalten gegen
SchwefebSnre bereits frftber (1857) dnrcb Hntchings
uat^rsncht worden ist.
2. In solche, welche sich mit Schwefebinre dlreet Ter*
bhiden. Hierf&r ist das Chlorallyl bisher das einsige Beispiel.
3. In solche; welche sich mit SchwefelsSure unter
Chlorwasserstoffanstritt verbinden. Hierhm gehören, so weit
es bisher möglich ist zu urtheilen, alle sauerstofifireien Mono-
chloräre der fetten Reihe, einerlei ob dieselben gesättigt oder
ungesittigt sind. Chloramyl verhält sich nämlich, wie ich
gefunden, gegen Schwefelsaure ganz ähnlich wie das ge-
chlorte Propylen. Es entsteht eine chlorfreie conjngirte
Schwefelsäure (Amylschwefelsäure) , die mit Wasser zersetzt
den characteristii^chen Geruch nach Amylalkohol entwickelt
Das Chlor dieser Chloräre verhält sich also völlig wie das
Hydroxyl der Alkohole, das mit einem Wasserstoff der
Schwefelsäure zusammentritt, während der organische Rest
mit dem Schwefelsäurerest HSO4 eine conjngirte Säure liefert.
Die Allgemeinheit dieser Reaction verspricht von Wichtigkeit
zu werden, und, um nur eine Anwendung hier anzudeuten,
hoffe ich aus der Umwandlung gechlorter Kohlenwasserstoffe
in Ketone Schlüsse auf ihre Constitution ziehen zu können.
Was endlich die sauerstoffhaltigen Monochlorfire angeht,
80 kann ich aus ihrem Verhalten noch keine allgemeinen
Schlflsse ziehen.
Monochloressigsäure wirkt auf Schwefelsäure selbst beim
Kochen nicht merklich ein. Das Monochlorhydrin des Glycols
24»
ZTit Oppenheim f über ieomere AHyl-^
aber entwickelt damit schon in der Kille Ströme von Chlor—
wasserstoffsanre und geht dabei sehr wahrscheinlich in die
iron Simpson untersachte Salfoglycolsänre ober. Durch
Zersetsnng einer ahnlichen Säure mit Wasser erlüftrl siok
die Terunreinigong , welche in dem oben beschriebenen
Chlorhydrin des Propylglycols die Chlormenge zd gering
tusfallen liefe. ^
Weitere Untersuchungen der Einwirkung von Schwefel-
saure auf andere noch chlorreichere (Alor^e hoffe ich biM
veröffentlichen 2ti können.
Evmirkung vcn Brom auf GhloraUyl und gechlortes
Pfopylen.
Die Einwirkung von Brom auf gechlortes Propylen ist
durch FriedeTs Untersuchungen bekannt. Es entsteht
dabei das Additionsproduct CsHsClBr», welches bei 170^
kocht.
Ich liefjß auf diesen Körper zuerst wenig, dann einen
Ueberschufs von essigsaurem Kalium in alkoholischer Lösung
einwirken. Die Einwirkung ist schwierig. Die entstehende
Flüssigkeit wurde durch Zusatz von Wasser vom Alkohol
getrennt. Sie siedet zwischen 70 und 170^. Die ersten
Portionen ergaben durch den Geruch eine starke Beimen-
gung von Essigathei;. Die durch Fractionirung getrennten
Portionen, siedend von 103 bis 112^, von 120 bis 130% von
130 bis 150% von 150 bis 160^ wurden untersucht. Sie
enthielten sammtlich Chlor und Brom. Die erste ergab sich
als fast reines CsHiClBr, dessen Siedepunkt nach Friedet
bei 105^ liegt :
Berechnet Gefunden
C 23,15 22,64
. H 2,67 2,64,
und Pfopylenderwai0. 373
die leiste als wenig Terindertes BibromQr C8H5ClBr2 :
Btrecfanet Qeftmden
C lbß% ie,89
H 2,11 2,78,
die dazwischen liegenden Producle als Gemenge ans beiden*
Ein Acetat hatte sich bei dieser Reaction nicht gebildet.
Dieselbe bestand vielmehr in der Abtrennung von einem
Molecnl Bromwasserstoffsäure nach der Gleichung :
CAClBr, + CÄKO, = KBr + CÄO, + CgH^ClBr.
Bei länger andauerndem Erhitzen (12 Stunden auf 130^)
mit einem grofsen Ueberschufs von Kaliumacetat in alkoho-
lischer Lösung wird auch das zweite Molecul BrH abge-
spalten und gleichzeitig das Chlor durch Oxftthyl ersetzt.
Es entsteht also Propargyläther, leicht erkennbar an seinen
Reactionen mit ammoniakalischer Silberlösung und mit Silber-
nitrat. Mit einer Lösung des letzteren Salzes entsteht ein
krystallinischer glänzender weifser Niederschlag, den ich
erwähne, weil er in den bisherigen Angaben über diesen
merkwürdigen Aether noch nicht beschrieben ist. Er ent-
steht bei der obigen Reaction in ansehnlicher Menge, so dafs
man diese verhältnifsmäfsig einfache Methode zu seiner Dar-
stellung empfehlen kann. Wir können sie uns in folgender
Weise versinnlichen :
CÄClBrg + 2 C,H,KOg + 2 0^0
= CJH,(CÄ)0 + 2 CÄO, + 2 KBr + CAd + H«0.
Die saure wässerig - alkoholische Flüssigkeit enthält den
Propargyläther in Lösung. Bei Wasserzusalz hllen Tropfen
davon heraus, die nahezu dasselbe spec. Gewicht wie die
umgebende Flüssigkeit haben. Sie enthalten brom- oder
chlorhaltige Beimengungen , von denen sie durch Destillation
nicht zu trennen sind.
Eben sowie das gechlorte Propylen verbindet sich^äucfi
das Chlorallyl mit Brom unter lebhafter Erwärmung, lii das
gut abgekühlte Chlorfir, das mittelst alkoholiseher Sublimat-
874 Oppenheim, über isomere Allyl-
löflung dargestellt, dureh DestiUation geremigt war und zwl<-
sehen 42 and 46^ siedete, wurden zwei Aeqpiiyalente Brom
langsam eingetropft. Die entstehende kaum geßrbte Flfis-
sigkeit wird durch verdünnte Kalilauge ganz farblos erhalten.
Sie geht vollständig zwischen 194 und 197^ die Hauptmenge
constänt bei 195^ Ober. Bs ist diefs auffallender Weise der-
selbe Siedepunkt, den Horkownikoff für das Bromür des
Allyläthyläthers gefunden hat. Die Analysen stimmen mit
der l^ormel C^HsQBrs sehr nahe überein, obgleich der
etwas zu hohe Kohlenstoffgehalt auf eine geringe Verunrei-
nigiing mit dem Morkownikoff'schen Körper hinweist,
wie sie bei der oben beschriebenen Darstellungsweise des
Chlorailyls leicht erklärlich ist
1. 0,444 Grm. Substans gaben 0,099 H^Ound 0,257 00$.
2. 0,624 „ „ , 0,132 ^ „ 0,3608 „
3. 0,698 „ ri n Ö,150Ö , , 0,408 ,
Gefunden
Berechnet
1.
2.
3.
c
15,22
15,77
15,68
15,92
u
2,11
2,48
2,35
2,39.
Das Allyiäthylätherbromür enthalt 24,39 pC. Kohlenstoff
Und 4,05 pC. I/Tasserstoff. Das speeifische Gewicht des
Bibromchlorallyls wurde = 2,088 gefunden. Sein Siedepunkt
195^ unterscheidet es von dem Chlordibromhydrin RebouFs
und Berthelot's, das bei 202 bis 203^ kocht. Nach
Wurtz' Versuchen mit Tribromallyl ist mit Wahrsehein*
iichkeit voraoszlisetzen , dafs auch diese Verbiadung durch
Kaljumacetal in Glycerinither übergeführt wird. Ich habe
mich deshalb auf die Untersuchung seines Verhaltens gegen
Kalihydrat beschränkt. Alkoholische Kalilosung führt e^
sofort in Propargylather über. Mit festem KaUhydrat erhitzt
es sich, indem Brpmwasserstoffsaure abgespalten wird. Die
über festes Kalihydrat destillnrte Flüssigkeit siedete swischea
und PropyUni^rivate.
m
120 ond 130^ und der zwischen 120 und 12S<> übergehende
Theil enthielt 26^6 pC. Kohlenstoff imd 3,14 pC. Wasserstoff,
während der Formel CsH^ClBr 23,15 pC. Kohlenstoff und
2y57 pC. WffSserstoff entsprechen. Die Analyse der höheren
Producta ergab eben so weflfig eine rebi4 - Verbindung.
Die Abspaltung von Bromwassersloffsaure war also weiter
gegangen, ond alinlioh; wie ick isa früher bei dem Tridilor-
eUyl beobaehtet halte, war es nieht leicht, die Beadion: in der
beabsiobUgten Weise su besehrtoken. Offenbar siedet das
Brottiür des gecblotten Allyls CsH4ClBr über ISS^ und stimmt
dar!» mit der gleich zuiammengesetzleii GlyeidverhiMhing
überehi,' welehe Reboul aus dem Bromehlorhydrin des
Glycerins erhalten hat
Bs zeigt alch somit dorchgehends, wie die folgende
Tabelle ergiebt, dafs das ChloraUyl und seine Derivate um
21 bis 25^ höher sieden als das geehlorto Propylen und die
daraus erhaltenen Verbindungen :
Fozmd
Derivate des
ChlozaUyla
siedend bei
Derivate des ge-
ohloYten Ftopyleaa
siedend bei
DiSbrens
OjK^aBr,
CAClBr
ChloraDyl 440,5
Chlorpro-
pylen Sß*
— 195°
— 1260 (?)
gechlortes Propy«
kn . . 23^6
Meihylchlor-
acetol . 78<»
— 170»
— 105°
210
28«
25<»
210
376 Oppenheim u, Voyt^ über eine neue
Ueber eine neue Bildungs weise des
Resorcins;
von .^fhüM Oppeuhmm und Geotg Vogt
Iii dem vorhergebeaden Aabatze sind die einfach*
gechlorten Kohlenwasserstoffe je nach ihrem Verhalten sn
Schnrefelsänre in drei Gruppen gebracht and die Binwirhnngr
Ton Wasser aof die Mitglieder dieser Gruppen beschrieben
worden. Die Aufgabe, welche wir ans in der vorliegenden
Versachsreihe gestellt haben 5 betrifft die Ergftnzang der
angedeuteten Untersuchung : ihre Ausdehnung auf die in
ihrem Verhalten gegen Schwefelsaure am Längsten behannte
Gruppe von Chlorflren, nämlich die der aromatischen Reihe,
welche das Chlor in der Hauptkette enthalten.
Der sich darbietenden Fragen waren swei :
1. bt es möglich, den Schwefligsäurerest der Mono-
chlorbenzolsulfosäure durch Hydroxyl zu ersetzen, um so
zu einem, und zwar zu was fQr einem Chlorphenol zu ge-
langen? und
2. Ist es möglich, sowohl Chlor wie SchwefligsXurerest
durch Hydroxyl zu ersetzen, und welche der drei Bihydr-
oxylTerbinduogeo bildet sich auf diese Weise ?
Durch Erhitzen mit Wasser wird die Monochlorbenzol-
sulfosfiure nicht angegriffen. Wir bedienten uns deshalb der
von Dusardy Wurtz und Kekulö auf Sulfosiuren ange-
wandten Reaction : Schmelzen mit Kali.
Wir bereiteten Monochlorbenzol auf dem von Kekulö
angegebenen Wege : Auflösen von Jod in Benzol und mehr-
stündiges Einleiten von Chlor. Das Product wurde fr«ctiomrt
und der von 130 bis 140^ übergehende Theil als genügend
rein angesehen und in Sulfosfiure verwandelt. Wir erhitzten
Büdung9v>ei9ß des Besorcins* ST?
zu diesem Zweck mit etwas ine)ir ils. einem Aequivalent
Schwefelsäare in einem Geffifs mit aufsteigendem KflUrohr.
Die Hasse erstarrte beim Erkalten. Sie wurde darauf in
Wasser gelöst und durch Mischen mit festem kohlensaurem
Baryum von Schwefelsäure befreit. Das Filtrat wurde dann
mit kohlensaurem ffa|ium yerselzt, bis kein Baryumcarbonat
mehr gefällt wurde, und die so entstandene filtrirte Lösung
von monochlorbenzelsulfosaurem Kalium eingedampft. Dieses
Sals wurde nun mit Kali in verschiedenen Verhältnissen ge-
schmolzen. Wir bedienten uns dazu einer silbernen oder
eben so vortheilhaft einer eisernen Schale md rflhrten die
aohmelzende Hasse mit einem Olasstabe um. Hierbei nimmt
dieselbe eine schön kirschiiothe Pirbuiig an. Niaiwit man
von vorn berein nur wenig Kali und unterbricht man die
Operation in dieseni Zeitpunkte, indem man die Schmelze in
Wasser löst, mit Salzsäure neutralisirt und die Lösung ^nit
Aether scböttelt, so erhält man in diesem gelöst ein chlor-
haltiges Product. Dieses konnte nicht rein erbalten werden.
Dafs es kein HonöcUorpbenol sei, ergab sich mit grofser
Wahrscheinlichkeit erstens aus der besprochenen rothen
Färbung» die es an der Luft annimmt, und ferner durch sein
Verhalten gegen Kali.
Wenn man nämlich das Sdimelzen mit Kaii weiter fort^
setzt, oder von vorn herein unter Anwendung gröfserer
.Mengen Kali's schmilzt, so verschwindet die rolhe Färbung
wieder und man erhält dann aus der Lösung^ der Sobmelie,
wenn man sie wie oben mit Salissäure neutralisirt und mit
Aether schfltielt , ein« chtorfreie Lösung. . Diese «eist beim
langsamen Verdunsten sänlenförmige oder plittenförmige
farblose Krystalle ab. iJm dieselben rein zu erhalten mutb
man sie mit Benzol waschen, abfvessen, deetilliren und um^
krystallisiren. Sie liefern dann bei der Analyse Zahlen,
9T8 Oppenheim u» Vogt^ Ober eine neue
die mit einer BibydroxylTertimdoiiff des Phesyls Abereüt*
stimaien»
1. 0>209 Grm. Sulisteiut gaben 0,130 B^O und 0^508 CO,:
2. 0,3806 a >*i » 0,184 » ^ 0,566 »
CtcftniniMi
Boroohiiet
1.
2.
c
66,46
66,64
66,29
H,
6,46
6,82
6,37
0*
29,08
—
—
100,00.
Bei wenqier volbtindiger Reinigniig gaben die farbloiea
Kryatalle mehrfach 2 pC. Kohleoitoff zu viel. Sie hallen
Phenol mil grober Harlnicki^eit BirQcL
Sie behallen den Genieh dee Phenols tueh im reinen
Znstande, sind von sflfsem Geschmack, in Wasser, Alkohol
nnd Aether Idslich. Ihr Schmelapairicl, 104^ ist «m S^ hoher
als der von HlasiweCz und Barth angegebene SchmeLB-
psnkt des Resoorcins.
Ihr Siedepankl» 270 bis 276^ stimmt mit dem des Re-
soreins uberein, während Hydroehinon nicht nnsersetst,
Brenzeatecbin bei 243^ siedet. Die violette Färbung, welche
seine Lösung mit Eisenchlorid annimmt, vervollständigt den
Beweis für die Identität unseres Körpers.
Um ihn in möglichst grofsen Mengen zu erhalten schmol-
zen wir das sulfosamre Salz mit dem doppelten Gewicht KaU,
ohne das völlige Verschwinden der rothen Färbung aban«-
warten. Zuweilen bleibt die erhaltene Lösung Monate lang
lyrupartig. In einem solchen FaUe hiMeten sich die Ery-
stalle um so vollkommener aus und erreiehten eine Länge
von oirca 2 MM. Hrn. Prof. Rammeisberg verdanken
wir die feigende Bestimmnng. derselben :
Bildungsweüe des Besarcins.
S?9
^Die Krystelle sind rBom-
bisehe Prismen p - mit einer
taf die scharfen Kanten auf»
geseta^n Znschfirfung q. Ibr
mnagelliafler GittAz gestattete nur
annfthemde Messnngen t
p : p = 118 bis 1190
9:9= 83 bis 840
p : 9 = 112 bis liao.
^Kante — ist anscheinend rechtwinkelig gegen — ,
das System wahrscheinlicL. sweigUedrig/ (Nach H I a s i w e t z
und Barth ist dasselbe eingliedrig.) Bisher ist das Resorcin
synthetisch nnr von Körner ans Parajodphenol erhalten
worden. Seine neue Bildungsweise führt dazu, die relative
Stellung von Chlor und HSOs in der Monochlorbenzolsulfo-
säure entsprechend, also die letztere als Paraverbindung an-
zunehmen.
Aufserdem ladet diese Darstellung zu folgender Reflexion
ein. Chlorphenyl erleidet Kbine Einwirkung durch schmel-
zendes KaU, sobald aber Hydroxyl oder Schwefligsäurerest
eintritt, lafst sich durch schmelzendes Kali Hydroxyl leicht
für Chlor und in dem letzteren Falle zugleich für HSO3
substituuren. Diese Facta stehen aber nicht allein da. In
ganz ähnlicher Weise kann das Chlor des gechlorten Pro-
pylens durch Hydroxyl oder Sfiurereste nicht vertreten werden.
Sobald aber Jodwasserstofibiure hinzutritt, werden sowohl
Chlor wie Jod in der Verbindung leicht substituirt. Hier liegt
also eine allgemeine Erscheinung vor, die klar in ein Gesetz
zu fassen noch weitere Erfahrungen nöthig sein werden.
380. Oppenheim u« Vcffi, neue Büdung d. Reearcins»
Die Homologen der HeoMklorbeiisoIsulfDfiiure werden
höchst wahrscheinlich in ihnlicheir Weise. Heiliöioge des
RewH'cins liefern. Von gröCserem- lata^tese dürfte die Bin«»
whrknng der Schwefeisinre «ef solche aroinfttifiche (UdorOra
sein ; die das Chlor in einer Seilenkette entiidlea « und auf
diese werden wir znnfichst unsere AufmerksandLeit ridilen.
Ausgegeben den 14. December 1868.
Druck TOD Wilhelm Keller in Qiefsen.
MI.
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