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Full text of "Annalen der Chemie und Pharmacie"

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THE  LIBRARY 

OF 

THE  UNIVERSITY 

OF  CALIFORNIA 

EMIL  FISCHER  COLLECTION 

PRESENTED  BY  HIS  SON 

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1 

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^'««■JJÜk.v^t.: 

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Pro(.  Heraiann  Rsohii- 
BbsoI 


ANNALEJS 


DER 


CHEMIE 


UND 


PHARMACIE. 


HERAÜSGEOEBEN    UND    REDIGIRT 

VON 

» 

FRIEDRICH  W6ULER,  JdSTlIS  LIEBIG 
UND  HERMANN  HOPP. 


V.  SÜPPLEMENTBAND. 


(MIT  EINER  FIODBBNTAFEL.) 


LEIPZIG  UM)  HEIDELBERG. 

C.   r.   •WXSTBA'BCHX   V]I!BIiA.OSHAin>IitrJlO. 

18  67. 


•  »    • 


Chemlstry  Lll)^ 


QD  1 


Inhaltsanzeige  des  V.  Supplementbandes. 


Erstes    Heft.  bjochem. 

LIBRARY 

Seite 
Ueber  die  Absorption  und  dialytiscbe  Scheidang  der  Gase  durch 

ooUoYdale  Scheidewände;  Yon  Th.  Graham 1 

Ueber  Gondensation  nnd  Polymerie;  von  AdolfBaeyer.    .    .      79 

Neues   Verfahren    snr  Synthese   der   Oxalsäure    uDd    homologer 

S&nren;  von  M.  Berthelot 95 

lieber  Melilotsäure  und  deren  künstliche  Darstellung  aus  Cumarin ; 

▼on  Gonstantin  Zwenger 100 

Ueber  die  unteijodige  Säure  und  ihre  directen  Verbindungeo  mit 

Kohlenwasserstoffen;  von  £.  Lippmann 124 

Notix  über  einige  Goldrerbindungen ;  von  Dr.  L.  Darmstaedtur     127 


Zweites     Heft 


Ueber  die  Moleoularyolumina  chemischer  Verbindungen ;  von  L  o- 

thar  Meyer 129 

Untersuchungen  Über  die  Dichtigkeit  des  Ozons;  von  J.  L.  Soret  148 

Untersuchungen  über  die  Borsäureäther;  von  Hugo  Schiff.     .  154 

Ueber  die  Aeüier  der  Säuren  des  Arsens;  you  J.  M.  Grafts  218 

Ueber  die  Constitution  des  Tannenholzes;  von  Dr.  Julius  Erd- 
mann   223 

Ueber  die  bromhaltigen  Derivate  der  Gallussäure  ;  von  E.  G  r  i  m  a  u  z    233 

Ueber  das  Kohlbuoxysulfid ;    von  GarlThan 286 

Umwandlung  von  Monochlorhydrin  in  Propylenglycol  und  Milch- 
säure, und  von  Dichlorhydrin  in  Isopropylalkohol  und  Aceton ; 
von  H.  L   Buff 247 

Ueber  relative  Gröfse  der  Moleoule;  von  Privatdocent  Dr.  Alex- 
ander Naumann 252 

Ueber  den  Pseudo •  Ua^stoff  der  Hexylenreihe ;    von    J    J.  (.'hy- 

denius    •    .     •    ^  £50iiWJIiC^«^ktf^ 255 


•^ 


Seite 

Drittes    Heft. 


Versilberung  Ton  Glas;  von  JnstnsYonLiebig 257 

Nuues  Verfahren  zur  Darstellang  des  Cymens  aas  Campher;   von 

Louguinine  und  Lippmann 260 

Üeber  Abscheidung   des   reinen  Platins    und  Iridiums ;    von  Dr. 

Woldemar  Yon  Schneider        261 

Ueber  die  Basicität  der  Weinsäure;    von  W.  H.  Perkin     .     .     .     274 

lieber  die  Ausdehnung  und  das    specifische  Gewicht  des  Benzols 

und  seiner  Homologen;    von  V.  Louguinine 295 

Bemerkungen  zu  der  Yorhergehenden  Abhandlung;  Yon  Hermann 

Kopp       803 

Ueber  die  Siedepunkte  der  Kohlenwasserstoffe  €,^HsQ_e;  von  Her- 
mann Kopp 815 

Ueber  Aldehydbasen;   Yon  Hngo  Schiff 829 

Ueber  die  chemische  Constitution  des  Narootins  und    seiner  Zer- 

setzungsproducte ;  von  A.  Matthiessen  und  G.  C.  Fester     832 

Ueber  die  relative  Constitution   des  G&hrungs-Butyl-  und  Amyl- 
alkohols;  von  ßmil  Erlenmeyer 837 

Ueber  Julin's  Chlorkohlenstoff;  Yon  H.  Bassett 840 

Ueber  Dissociation ;   von  Privatdocent  Dr.  Alex.  Naumann  841 

Ueber  verschiedene  Kohlenwasserstoffe  in  dem  Steinkohlentheer ; 

von  M.  Berthelot 867 

Ueber  einige  Derivate  der  Is&thionsäure ;    von  J.  Y.  Buchanan     878 


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ANNALEN 


DEK 


CHEMIE  UND  PHARMACIE 


V.   Snppldmentbandes    erstes    Heft. 


üeber     die      Absorption      und*     dialytische 
Scheidung  der  Gase  durch  coUoidale  Scheide- 
wände ; 

von  J%.  Graham*). 


I.     Wirkung  einer  Scheidewand  aus  Caoutchouc. 
Mit  einander   gemischte  Gase    müssen  bezüglich   ihrer 

« 

Diffnsibilität  und  ihres  specifischen  Gewichtet  beträchtlich  von 
einander  verschieden  sein,  dafs  man  sie  in  erheblicherem 
Hafse  von  einander  scheiden  könne  auf  Grund  des  molecu- 
laren  Durchgangs  durch  eine  poröse  Scheidewand,  wie  eine 
Graphitplatte  oder  die  Wandungen  einer  unglasirten  irdenen 
Röhre,  nach  einem  leeren  Räume  hin.  Die  Wirksamkeit  der 
Atmolyse  ist  deshalb  eine  sehr  beschränkte  bei  der  Sonderung 
des  Sauerstoffs  und  des  Stickstoffs  der  atmosphärischen  Luft, 
da  für  diese  Gase  die  Differenz  der  specifischen  Gewichte 
nur  gering  ist. 

Substanzen,  welche  in  dem  flüssigen  Zustand  existiren, 
gestatten  oft  eine  vollständigere  Scheidung  als  Gase,  wenn 
man  für  sie  dialytische  Scheidewände    zusammen    mit  der 


*)  Ans  den  Philosophical  Traosactions  f.  1866  mitgetbeilt. 
Aiiaftl.  d.  Ch«m.  u.  Pbann.  V.  &upplem«Dtbd.  1.  Heft.  1 


2  Orahamj  Hier  die  Absorption  und  dialy tische 

Wirksamkeit  der  Diffusion  von  Flüssigkeiten  in  geeigneter 
Weise  in  Anwendung  bringt. 

Offenbar  kann  es  nicht  Etwas,  was  Dialyse  der  Gase 
wäre,  geben;  denn  die  Dialyse  involvirt  den  Durchgang  einer 
Substanz  durch  eine  aus  weichem  colloidalem  Material  be- 
stehende Scheidewand,  welche  ganz  frei  von  offenen  Kanälen 
und  deshalb  undurchdringlich  für  Gas  als  solches  sein  mufs. 
Doch  läfst  sich  die  Dialyse  von  Flüssigkeiten  auch  für  die 
Behandlung  von  Gasen  in  Anwendung  bringen,  auf  Grund 
davon,  dafs  (wie  allgemein  angenommen '  wird)  die  Gase  bei 
der  Absorption  durch  wirkliche  Flüssigkeiten  oder  durch 
weiche  GoUoid  -  Substanzen  verflüssigt  werden.  Lufthaltiges 
Wasser  enthalt  Sauerstoff  und  Stickstoff  in  Lösung,  und  die 
letzteren  Substanzen  werden  dann  >  der  Diffusion  und  Dialyse 
von  Flüssigkeiten  zugänglich,  und  durchdringen  in  solcher 
Weise  thierische  Membran  bei  dem  Acte  der  Respiration. 

Bereits  vor  längerer  Zeit  entdeckte  Dr.  Mitchell  in 
Philadelphia,  dafs  Gase  Caoutchouc  in  dünnen  Blättern  odef 
in  *  der  Form  der  kleinen  durchsichtigen  Ballons,  welche  er 
zuerst  aus  dieser  Substanz  darstellte,  zu  durchdringen  ver- 
mögen. Er  bemerkte  namentlich,  dafs  solche  Ballons  rascher 
zusammenfallen,  wenn  sie  mit  Wasserstoffgas  aufgeblasen 
sind,  als  wenn  mit  atmosphärischer  Luft,  und  noch 
rascher  wenn  sie  mit  Kohlensäure  gefüllt  sind;  und  er  brachte 
die  letztere  Thatsache  mit  der  Beobachtung  in  Zusammenhang, 
dafs  ein  massives  Stück  Caoutchouc  fähig  ist,  bei  genügend 
langem  Verweilen  in  reinem  Kohlensäuregas  ein  dem  seinigen 
gleiches  Volum  von  diesem  Gase  zu  absorbiren.  Mittelst 
einer  geeigneten  Vorrichtung  fand  Dr.  Mitchell,  dafs  ver- 
schiedene Gase  von  selbst  mit  verschiedener  Geschwindigkeit 
durch  die  Caoutchouc-Membran  hindurch  gingen,  wenn  sich 
Luft  auf  der  andern  Seite  der  Membran  befand.  ,)Von 
Ammoniak  ging  in  1  Minute  so  viel  hindurch,  als  von  Schwe- 


Scheidung  der  Oase  durch  coUcndale  Scheidewände.      3 

felwasserstoff  in  27»  Minuten,  von  Cyan  in  SVi  Minuten,  von 
Kohlensaure  in  57»  Minuten,  von  Stickoxydul  in  678  Minuten, 
von  Anienwaaserstoff  in  277t  Minuten,  von  ölbildendem  Gas 
in  28  Miauten,  von  Wasserstoff  in  377s  Minuten,  von  Sauer- 
stoff in  1  Stunde  und  53  Minuten,  von  Kohlenoxyd  in  2  Stunden 
und  40  Minuten/  Stickstoff  erwies  sich  sogar  als  die  Mem-* 
bran  noch  langsamer  durchdringend,  als  Kohlenoxyd  *). 

Man  wird  bemerken,. dafs  diejenigen  Gase  am  Raschesten 
hindurchgehen,  welche  durch  Druck  leicht  verflüssigt  werdm 
und  welche  auch  „im  Allgemeinen  sehr  löslich  in  Wasser 
und  in  anderen  Flässigkeiten-stnd.^  Zu  Dr.  Mitchell's  Ab- 
handlung machte,  bald  nach  dem  Erscheinen  derselben,  Dr« 
Drap  er  in  New -York  gute  Bemerkungen,  unter  Hinzu- 
fsgnng  mehrerer  neuer  Beobachtungen  über  den  Durchgang 
von  Gasen  sowohl  als  von  Flüssigkeiten  durch  membranöse 
Scheidewände**).  Diese  früheren  Betrachtungen  büfsen 
indessen  daran,  dafs  sie  zutreffende  seien,  dadurch  viel  ein, 
dafs  sie  nicht  die  zwei  Erwägungen  mit  in  Betracht  ziehen, 
auf  welche  oben  bereits  hingewiesen  wurde  :  dafs  nämlich 
die  Gase  bei  ihrer  Absorption  durch  Flüssigkeiten  und  solche 
Colloid-Substttizen  wie  Caoutchouc  verflüssigt  werden,  und  dafs 
sie  dann  durch  flüssige  und  coUoidale  Scheidewaade  auf  Grund 
der  Wirksamkeit  der  Diffusion  von  Flüssigkeiten,  und  nicht 
der  von  Gasen,  hindurchgehen.  In  der  That  kann  man  das 
nicht  genug  im  Auge  behalten,  dafs  bei  dem  Durchgang 
durch  eine  colloidale  Membran  das  Verhalten  als  Gas  voll- 
ständig suspendirt  ist. 


*)  Od  tbe  Penetratiyenets.  of  Fluids,  by  J.  K.  Mitchell»  M.  D. 
im  Philadelphia  Jonmal  of  Medical  Sciences  XIII,  86  oder  im 
Journal  of  tbe  Royal  Institution  II,  101  u.  807  (London  1881). 

**)  A  Treatise  on  tbe  forces  which  produce  the  Organisation  of  Plauts, 
with  an  Appendix  containing  several  Memoirs  on  Gapillary 
Attraction ,  Electricity,  «nd  tE^  Chemical  Action  of  Light,  by 
John  William  Draper,  M.  D. 


4  Graham^  über  die  Absorption  und  dialytüehc 

Dr.  Mitchell  worde,  durch  eine  einzelne  zufällige  Be- 
obachtung, zu  der  Schlufsfoigerung  veranlafst,  dafs  das  Volum 
des  Caoutchoucs  bei  der  Absorption  von  Kohlensaure  sich 
vergröfsere;  dieses  Resultat  war  zu  erwarten  auf  Grund  der 
Porosität  des  festen  Körpers,  welche  damals  angenommen 
wurde  um  das  Vermögen,  gasförmige  Flüssigkeiten  hindurch- 
zulassen, zu  erklären.  Aber  als  50  Grm.  plattenförmigen 
(0;6  HH.  dicken)  Caoutchoucs  in  Kohlensäure  über  Queck- 
silber gebracht  wurden,  ergab  sich,  dafs  allmälig'  0,78  Volume 
Gas  in  24  Stunden  bei  15"  absorbirt  wurden,  davon  0,7  Vo- 
lume in  der  ersten  Stunde.  Das*  Volum  des  Caoutchoucs  war 
vorher  sorgfältig  durch  Ermittelung  des  von  ihm  verdrängte» 
Quecksilbers  in  einem  Gläschen  zur  Bestimmung  des  speoif. 
Gewichtes  gemessen  worden,  und  wurde  es  dann  wiederum 
nach  der  Beladung  mit  Kohlensäure;  die  Menge  des  ver- 
drängten Quecksilbers  war  bis  auf  Vioo  Gramm  dieselbe  und 
das  Volum  des  Caoutchoucs  hatte  also  keine  mefsbare'Ver- 
änderung  erlitten.  Es  mag  noch  hinzugefugt  werden,  dafs 
das  Absorptionsvermögen  des  vulkanisirten  Caoutchoucs  für 
Kohlensäure  sich  kleiner  ergab  (nur  s^  0,57  Vol.  in  einem 
Vergleichungsweise  angestellten  Versuche),  als  ias  des  Caout- 
choucs in  dem  natürlichen  Zustande  desselben. 

Die  Durchdringbarkeit  des  Caoutchoucs  für  Gase  läfst 
sich  ebensowohl  zeigen,  indem  man  die  letzteren  nach  einem 
leeren  Räume  hin  hindurchgehen  läfst,  wie  bei  dem  Durch- 
gang nach  einem  anderen  Gase  hin  in  Dr.  HitchelTs  Ver- 
suchen. Man  wendet  zu  solchen  Versuchen  zweckmäfsig  ein 
DiiTusiometer  an,  welches  aus  einer  einfachen  Glasröhre  von 
22  MM.  Durchmesser  und  fast  1  Meter  Länge  besteht,  die 
an  ihrem  oberen  Ende  durch  eine  dünne  Platte  aus  Gyps- 
Stuck  geschlossen  und  unten  offen  ist.  Ein  dünnes  Caoutchouc- 
Blättchen  aus  einem  kleinen  Ballon  wird  über  das  obere  Ende 
der  Röhre  ausgespannt,  wo  es  auf  der  Stuck-Platte  aufliegt, 


Scheidung  der  Oase  durch  colloidale  Scheidewände.       5 

mit  Kupferdraht  festgebunden  und  an  den  Rändern  an  das 
Glas  mittelst  Gutta- Percha,  die  durch  Erwärmen  weich  ge* 
macht  wurde,  angekittet.  Wird  die  Röhre  nun  mit  Queck- 
silber gefüllt  und  umgekehrt,  so  erholt  man  oben  ein  Tori- 
celli'sches  Vacuum,  in  welches  die  atmosphärische  Luft  all- 
mälig  eindringt,  indem  sie  durch  das  Caoutchouc- Blättchen 
hindorchgebt  und  die  Queoksübersdule  in  der  Röhre  herab- 
sinken lafst.  Um  das  Durchdringungs- Vermögen  verscmedener 
Gase  zu  vergleichen,  wurde  eine  Kappe  von  dickem  vulkani- 
sirtem  Caoutchouc,  die  mit  einer  engen  Eingangs-  und  Aus- 
gangs-Röhre für  Gas  versehen  war  (wie  sie  bei  Versuchen 
mit  Gas  oft  gebraucht  wird),  ober  dem  oberen  Ende  des 
beschriebenen  Diffusiometers  befestigt  und  mittelst  geschmol- 
zener Gutta -Percha  angekittet.  Das  Gas,  mit  welchem  ein 
Versuch  angestellt  werden  sollte,  konnte  so  aus  dem  Ent- 
wickelungs-Apparat  oder  dem  es  enthaltenden  Gasometer  in 
die  Kappe  oder  die  oberste  Abtheilung  des  DilTusiometers 
geleitet  werden  und  der  Ueberschufs  des  zugeleifliten  Gases 
durch  die  Ausgangs  -  Röhre  der  Kappe  in  die  Atmosphäre 
entweichen.  Die  zur  Unterstützung  des  Caoutchouc-Blätlchens 
dienende  Stuck -Platte  ist  so  sehr  porös,  dafs  sie  den  dem 
Durchgang  der  Gase  durch  das  Caoutchouc  entgegengesetzten 
Widerstand  nicht  bemerklich  vergröfsert  und,  da  sie  für  sich 
kein  Absorptions-Vermögen  ausübt,  ganz  aufser  Betracht  ge- 
lassen werden  kann. 

Eine  vergleichende  Untersuchung  wurde,  an  demselben 
Tage,  ausgeführt  für  den  Durchgang  von  Kohlensaure,  Wasser- 
stofi,  Sauerstoff  und  Stickstoff  durch  das  Caoutchouc -Blätt- 
eben; der  Barometerstand  war  773  MM.,  das  Thermometer 
zeigte  23  bis  23,5^  C.  Es  wurde  die  Zeit  in  Secunden  notirt, 
während  welcher  die  Quecksilbersaule  in  dem  Diffusiometer 
von  748  auf  723  MM.  und  dann  von  723  auf  698  MM.  fiel. 
Alle  Gase  waren  sorgfaltig  getrocknet. 


6          Graham,   über  die  Absorption  tmd  dialytitehe 

m 

Takelle  I  :  Durchgaog  der  Koblenddure. 

Höhe  der  Quecksilberailiile  Yersuoh         Verinch         Versuch 

im  Diffusiometer  12                      8 

748"™ 

723  107"                102"                102" 

698  148                  188                  138 


250  240  240. 

Der  Durchgang  der  Kohlensaure  ergiebt  sich  beträchtlich 
rascher,  als  der  des  Wasserstoffs  und  der  beiden  folgenden 
Gase  (H  bedeutet  die  Höhe  der  Quecksilbersäule  im  Diffu- 
siometer). 

Tabelle  II  :  Durchgang  ron  Wasserstoff,  Sauerstoff  und  Stickstoff. 
H  Wasserstoff  Sauerstoff  Stickstoff 

Vers.  1     Vers.  2      Vers.  1     Vers.  2       Vers.  1     Vers.  2 


748' 

723  277"  270"  646"         664"  1413"        1428" 

698       316     323      727     722      1832    1850 

693     593     1272    1276     3245    3278. 

Ein  ejjizelner  Versuch,  welcher  zu  derselben  Zeit  mit 
atmosphärischer  Luft  angestellt  wurde,  gab  1318^'  und  1524'^ 
für  die  zwei  Senkungen  der  Quecksilbersaule,  oder  2842^^ 
für  die  ganze  Senkung.  Die  Zeit  für  den  Durchgang  der 
atmosphärischen  Luft  liegt  somit  zwischen  der  für  den  Sauer- 
stoff und  der  für  den  Stickstoff  gefundenen. 

Obgleich  diese  Zahlen,  aus  sogleich  zu  erörternden 
Gründen,  nicht  die  genaue  Uebereinstimmung  unter  einander 
zeigen,  welche  sich  bei  Diffusions-  und  Transpirations -Ver- 
suchen ergiebt,  so  ermöglichen  sie  doch  eine  vergleichungs- 
weise  Schätzung  des  Vermögens  verschiedener  Gase,  durch 
Caoutchouc  zu  gehen,  welche  für  einige  practische  Zwecke 
verwendet  werden  kann. 

Bei  einer  anderen  Gelegenheit  wurde  Kohlenoxyd  und 
Sumpfgas  (CH4)  mit  in  Vergleichung  gezogen.  Das  Caout- 
chouc-Blättchen  auf  dem  Diffusiometer  war  dasselbe;  der 
Barometerstand  war  768°"°,  der  Thermometerstand  19,5^  C. 


Scheidung  der  Oase  durch  coüo^dale  Scheidewände.      7 

TaheiU  III  :  Duro)igaBg  von  Kohlenozyd)  WAsseratoff,  Kohlensäure    u. 

Sumpfgas. 

H       Kohlenoxyd       Wasserstoff  Kohlensäure  Sumpfgas 

Vers  1  Vers.  2  Vers.l  Vers.  2  Vers.  1  Vers.  2  Vers.  3  Vera.  1  Vers.  2 

748™" 

723    1620''  1631"  435''  434"  125"  119"  117"   803"   821" 
698    1920   1924   505   511    170   169   172   1009   1045 


3540   3555   940   945   295   288   289   1812   1866 

Die  Resultate  lassen  sich  in  der  Art  übersichtlich  zu- 
sammenstellen, dafs  man  die  Zeiten  ableitet,  in  welchen  ein 
und  dasselbe  Volom  der  verschiedenen  Gase  durch  das  Caout- 
choüc  hindurchgeht,  für  welche  Vergleichung  die  Durchgangs- 
zeit für  Kohlensaure,  als  die  kleinste,  als  Einheit  ange- 
nommen ist. 

Durchdringung  von  Gaoutohouo  durch  gleiche  Gasvolume  : 

Zeit 
Kohlensäure  1 

Wasserstoff  2,470 

Sauerstoff  5,816 

Sumpfgas  6,826 

Atmosphäcisohe  Luft  11,850 

Kohlenozjd  12,208 

Stickstoff  13,585 

Oder  wenn  die  Zeiten  gleich  genommen  werden,  drückt 
das  durchgehende.  Volum  jeden  Gases  die  Durchdringungs- 
Geschwindigkeit  aus  : 

Durchdringung  Yon  Gaoutohouc  in  gleichen  Zeiten  : 

Geschwindigkeit 


Stickstoff 

1 

Kohlenozyd 

1,118 

Atmosphärische  Luft 

1,149 

Sumpfgas 

2,148 

Sauerstoff 

2,556 

Wasserstoff 

5,500 

KohlonsAure 

13,585 

8  Oraham,  über  die  Absorption  und  dialyiisohe 

Wenn  man  die   Umstände   erwägt,   unter  welchen   die 
Gase  durch  das  Caoutchouc-BIättchen  hindurch  in  den  leeren 
Raum  gehen,  so  ist  nicht  zu  erwarten,  dafs  irgend  eine  solche 
Besiehung   zwischen   den    vorhergehenden  Zahlen   gefunden 
werde,  wie  sie  z.  B.   für    die   Diffusions  -  Coefficienten    bei 
Gasen  existirt.     Die  erste   Absorption   des  Gases  durch  das 
Caoutchouc   mufs   auf  einer   Art  von  chemischer  Verwandt- 
schaft beruhen,  welche  zwischen  der  Substanz  des  Gases  und 
der   Substanz    des   Caoutchoucs    existirt  und  der  Anziehung 
analog  ist,  welche  man  als  zwischen  einem  löslichen  Körper 
und  seinem  Lösungsmittel   existirend   und  die  Auflösung  be- 
wirkend  annimmt.     Da   die   Kohlensaure   in   Aether   und   in 
flüchtigen  Oelen  löslich  ist,   so  liegt  darin  Nichts  Wunder- 
bares, dafs  sie  auch   durch   die  im  Caoutchouc  enthaltenen 
Kohlenwasserstoffe  gelöst  wird.    Wenn  das  Caoutchouc  durch 
das  verflüssigte  Gas  durchfeuchtet  ist,  so  dunstet  das  letztere 
in   den    leeren   Raum  ab  und  kommt  auf  der  anderen  Seite 
der  Membran  wieder  als  Gas  zum  Vorschein.    Nun  ist  es  be- 
kannt,  dafs   ein  solches  Abdunsten  in  gleicher  Weise  nach 
dem   leeren   Raum  und   nach  einem  anderen  Gas  hin  statt- 
findet, da  es  in  beiden  Fallen  gleichmifsig  Gas- Diffusion  ist. 
Es  ist  deshalb   nicht  noth wendig,   dafs,  so  wie  in  den  eben 
beschriebenen  Versuchen,  auf  der  einen  Seite  der  Caoutchouc- 
Membran  ein  leerer  Raum  sei ;  ein  anderes  Gas  kann,  wie  in 
Dr.  MitchelTs  Versuchen,  den  leeren  Raum  ersetzen. 

Die  Zahlen  für  die  Dur<;hgangsgeschwindigkeit  verschie- 
dener Gase  in  der  letzten  Tabelle  lassen  sich  auch  nicht 
entfernt  als  die  relative  Absorption  und  Verflüssigung  der 
verschiedenen  Gase  durch  die  Substanz  des  Caoutchoucs  aus- 
drückend betrachten. 

Der  Durchgang  von  Gasen  durch  Caoutchouc  wird  auch 
veranschaulicht  durch  das  rasche  Zusammenfallen  des  kleinen 
Ballons,  wenn  er  mit  Kohlensäure  oder  auch  mit  Was'serstoffgas 


Scheidung  der  Gase  durch  coUoidale  Scheidewände.      9 

oder  mit  Sumpfgas  gefüllt  ist,  im  Vergleiche  dazu,  wenn  er 
mit  atmosphärischer  Luft  gefällt  ist.  Das  Entgegengesetzte 
wird  be<^bachtet,  wenn  der  Ballon  mit  reinem  Stickstoff  auf- 
geblasen ist;  dann  wird  er  im  Verlauf  einiger  Stunden,  starker 
ausgedehnt,  in  Folge  davon ^  dafs  mehr  Sauerstoff  aus  der 
umgebenden  atmosphärischen  Luft  hineintritt  als  Stickstoff 
wahrend  derselben  Zeh  aus  dem  Ballon  entweicht,  während 
die  Zusammensetzung  sich  auf  beiden  Seiten  der  Membran 
ausgleicht  und  zuletzt  das  Gas  in  dem  Ballon  dieselbe  Zu- 
sammensetzung hat  wie  die  umgebende  Luft.  Ein  mit  Stick- 
stoff gefällter  Gaoutchouc-Ballon  vergröfserte,  nach  ange- 
näherter Bestimmung,  in  der  Zeit  von  24  Stunden  seinen 
Durchmesser  von  132  auf  136  MM.  Bei  einem  mit  reinem 
Sauerstoff  gefüllten  Ballon  verkleinerte  sich  hingegen  inner- 
halb derselben  Zeit  der  Durchmesser  von  150  auf  113  HM. 

Innerhalb  48  Stunden  wurde  der  Durchmesser  eines  mit 
Wasserstoff  gefüllten  Ballons  von  154  auf  87  MM.  verkleinert, 
und  der  Ballon  enthielt  dann  250  CG.  Gas,  von  welchen  53  CC. 
durch  Pyrogallnssäure  und  Kali  absorbirt  wurden,  was  die 
Anwesenheit  von  21,2  pC.  Sauerstoff  nachweist  oder  nahezu 
denselben  Sauerstoffgehalt,  welcher  der  atmosphärischen  Luft 
zukommt. 

Wird  das  obere  Ende  eines  Diffusiometers  mit  einem 
dünnen  Blättchen  Caoutchouc  verschlossen  und  das  über 
Quecksilber  stehende  Instrument  mit  Wasserstoffgas  gefüllt, 
so  beobachtet  man,  dafs  eine  Volumverminderung  langsam 
eintritt,  welche  zuletzt  mehr  beträgt  als  der  Diffusion  des 
Wasserstoffs  als  Gas  entspräche.  Als  bei  Beginn  *des  Ver- 
suches 249  Volumtheile  Gas  in  der  Röhre  waren,  betrug  das 
Steigen  der  Quecksilbersäule  oder  die  Volumverminderung 
1,5  Volumtheile  in  der  ersten  Stunde,  1,5  Volumtheile  in  der 
zweiten  Stunde,  2,0  Volumtheile  in  der  dritten  Stunde,  3,0 
Volumtheile  in  der  vierten  Stunde  und  51  Volumtheile  in  den 


10         Orahamj  über  die  Absorption  und  dtalt/Hsehe 

ersten  24  Stunden  zusammengenommen.  Dann  war  das 
Steigen  des  Quecksilbers  in  den  folgenden  Tagen  von  Je 
einem  zum  anderen  :  42;  59;  37;  29;  13;  5;  1;  0,5;  0,5 
(in  zwei  Tagen)  und  0,0,  und  das  ursprüngliche  Volum  von 
249  Volumtheilen  Wasserstoff  schliefslich  durch  53  Volum- 
theile  atmosphärischer  Luft  ersetzt;  bei  747  MH.  Barometer- 
stand und  21,1^  C.  Die  sich,  vom  Anfang  bis  zum  Ende 
des  Versuches,  ersetzenden  Gasvolume  verhalten  sich  hier 
wie  1  zu  4,7;  bei  Gas -Diffusion  verhalten  sie  sich  wie  1 
zu  3,8. 

Bin  mit  Luft  gefüllter  Ballon  sank  in  48  Stunden  von 
150  auf  147  HM.  Durchmesser  zusammen,  nur  in  Folge  des 
mechanischen  Effectes  der  Elasticitat  der  Membran,  wodurch 
das  eingeschlossene  Gas  zusammengedrückt  wurde.  Das  Ge- 
wicht dieser  kleinen  Ballons  wechselt  zwischen  0,75  und 
1  Grm.  Bei  Annahme,  dafs  die  Form  eine  genau  sphärische 
sei,  wurde  ein  Ballon  von  150  MH.  Durchmesser  eine  Ober- 
flache von  0,0706  Quadrat -Metern  haben.  Nehmen  wir  als 
das  Gewicht  des  Ballons  1   Grm.   an,   so   würde   die  Dicke 

der  Hembran  =  «Q-ggg  HM.  sein,  wenn  das  specifische  Ge- 
wicht =  1,  oder  =     gQ    MM.,  wenn  das  specif.  Gewicht 

=  0,93,  welche  Zahl  als  die  Dichtigkeit  des  reinen  Caout- 
choucs  ausdrückend  angenommen  wird.    Die  letztere  Dicke  ist 

is^öT  ^"^''  Zoll;  d.  h.  man  müfste  nahezu  2000  solcher  Häut- 
eben aufeinander  legen,  um  die  Dicke  von  1  Zoll  engl,  zu 
erhalten. '  Und  doch  scheint  ein  solches  Caoutchouc-Hautchen 
nicht  porös  zu  sein  und  sich  Gasen  gegenüber  ganz  so  wie 
ein  aus  Flüssigkeit  bestehendes  Häutchen  zu  verhalten;  ganz 
anders  in  dieser  Beziehung  wirkend,  als  ein  dünnes  Blatt 
Papier,  Graphit,  Irdenzeug  oder  selbst  Gutta-Percha,  wie  sich 
nachher  ergeben  wird.    Die  letzterwähnten  Körper  scheinen 


Scheidunff  der  Gase  durch  coUmdcUe  Scheidewand.       11 

alle  von  oiTenen  Kanälen  oder  Poren  durchzogen  zu  sein,  die 
hinreichend  weit  sind,  um  Gasen  zu  erlauben,  vennöge  der 
ihnen  eigenthümlichen  molecolaren  Diffusionsbeweguag  durch 
sie  hindurch  geworfen  au  werden.  Aber  flüssige  und  colioi- 
dale  Substanzen  haben  eine  ununterbrochene  Textur  und 
bieten  keine  Möglichkeit  für  die  Diffusion  von  Gasen ;  sie  bil- 
den selbst  als  dünnestes  Hautchen  für  Gase  ein  undurchdring« 
liebes  Hindernifs. 

Auf  die  Durchdringbarkeit  des  Caoutchou^  bat  die  Tem- 
peratur einen  grofsen  Einflufs,  und  zwar  wie  es  scheint 
gleichzeitig  auf  zweierlei  Weise.  Eine  Erhöhung  der  Tem- 
peratur lafst  unzweifelhaft  alle  Gase  weniger  leicht  durch 
Druck  verflüssigbar  und  somit  auch  durch  jede  flüssige  oder 
colloidale  Substanz  in  geringerer  Menge  absorbirt  werden. 
Aber  dieser  Einflufs  der  Wärme  scheint  bei  dem  Caoutchouc 
dadurch  ausgeglichen  zu  werden,  dafs  diese  Colloid-Substanz 
beim  Erwärmen  weicher  wird  und  mehr  von  den  Eigen- 
schaften eines  flussigen  und  weniger  von  denen  eines  festen 
Körpers  annimmt  Gewifs  ist  es,  dafs  das  Caontchouc-Haut- 
chen  bei  Erhöhung  der  Temperatur  innerhalb  gewisser  Grenzen 
mehr  und  mehr  für  Gase  durchdringbar  wird.  Diefs  wurde 
mit  Bestimmtheit  bei  Versuchen  beobachtet,  bei  welchen  mit, 
einseitig  mit  Caoutchouc  gefimifstem  Seidenzeug,  wie  es  als 
wasserdichter  Stoff  verkauft  wird,  operirt  wurde.  Ohne  hier 
schon  die  Einzelnheiten  der  Versuche  mittheilen  zu  wollen, 
mag  im  Allgemeinen  angegeben  werden,  dafs  dasselbe  Stück 
solchen  Zeuges  durch  folgende  Mengen  Luft,  die  durch  es 
hindurch  nach  einem  leeren  Räume  ging,  für  1  Quadrat-Meter 
Oberfläche,  durchdrungen  wurde  : 

bei    A^  C.     duroh  0,56  CC.  Luft  in  1  Minute; 
»      1^     I»  II         2,25     n         I»       9    »        I» 

»60»  f»  6,68      n  n       n     n        n- 

Die  Gasvolume  sind  alle  auf  760  MM.  Druck  und  20^^  C. 
reducirt. 


12        ^rahanty  über  die  Absorption  und  dialytische 

Diese  Zahlen  sind  vermuthlich  nicht  ganz  constante; 
denn  es  ergiebt  sich,  dafs  die  Wirkung  der  Temperatur  stark 
beeinflofst  wird  durch  die  Lange  der  Zeit,  während  welcher 
die  Temperatur  unterhalten  wird,  da  der  Wechsel  in  dem 
Grad  der  Weichheit  mit  dem  Wechsel  der  Temperatur 
Stunden  und  selbst  Tage  braucht,  um  sich  ganz  vollstindig 
herzustellen.  Dafs  das  Starrwerden  des  Caoutchoucs  in  der 
Kalte  uild  das  Weichwerden  in  der  Wärme  nur  langsam  und 
allmilig  stattfindet,  ist  bekannt. 

Mit  dem  Weiohwerden  des  Caoutchoucs  durch  Erwarmen 
wird  das  Zurückhaünngs^yexxabgen  dieser  Substanz  für  Gase 
abgeändert.  Weiches  Caoutchouc,  welches  zuerst  mit  Kohlen- 
säure bei  20^  beladen  war  und  dann  durch  Kälte  starr  ge- 
macht wurde,  verlor  bei  nachherigem  Aussetzen  an  die  freie 
Luft  die  Kohlensäure  weniger  rasch,  als  dasselbe  ebenso  mit 
Kohlensäure  beladene  Caoutchouc,  welches  sofort  im  weichen 
Zustande  der  Luft  ausgesetzt  wurde.  Die  Menge  der  in  dem 
ersteren  Falle  zurückgehaltenen  Kohlensäure  war  10,76  pC. 
und  die  der  in  dem  letzteren  Falle  zurückgehaltenen  7^08  pC. 
von  dem  Volum  des  Caoutchoucs,  nach  einem  ähnlichen  Aus- 
setzen während  48  Stunden.  Ich  erwähne  hier  dieses,  noch 
nicht  genügend  untersuchten  Umstandes  wegen  der  Analogie, 
welche  zwischen  Caoutchouc  und  den  schmiedbaren  Metallen 
bezüglich  des  Vermögens  zu  bestehen  scheint,  in  dem  durch 
Wärme  erweichten  Zustand  ein  Gas  zu  absorbiren  und;  wenn 
nachher  durch  Kälte  starr  gemacht,,  dasselbe  Gas  mit  grofser 
Hartnäckigkeit  zurückzuhalten. 

Die  Verdichtung  von  Sauerstoffgas  durch  massive  Stücke 
Caoutchouc,  welche  aus  einem  Caoutchouc-BIock  vermittelst 
eines  Locheisens  erhalten  waren,  wurde  zum  Gegenstand  der 
Beobachtung  in  der  Art  gemacht,  dafs  50  Grnl.  solchen 
Caoutchoucs  während  mehrerer  Tage  in  ein  mit  Sauerstoffgas 
gefülltes,  mit  Quecksilber  abgesperrtes  Gefäfs  gebracht  wurden. 


Scheidung  der  Oase  durch  coll&idale  Scheidewände..     43 

Von  dem  Caoutchoac  wurden  dann,  mittelsl  der  durch  24 
Stunden  fortgesetzten  Wirkung  eines  leeren  Raumes,  6,21  CC. 
Gas  abgesaugt,  von  welchen  3,67  CC.  Sauerstoff,  0,14  Kohlen- 
saure und  das  Uebrige  hauptsachlich  Stickstoff  war.  Nimmt 
man  das  Volum  des  Caoutchoucs  zu  53,8  CC.  an,  so  beträgt 
das  absorbirte  Sauerstoffgas  6,82  pC.  vom  Volum  des  Caout- 
choucs. Das  Sauerstoffgas  kann  somit  als  reichlich  zweimal 
so  löslich  in  Caontchouc  betrachtet  werden,  als  dieses  Gas 
in  Wasser  bei  gewöhnlicher  Temperatur  ist.  Es  wurde  kein 
Versuch  bei  höherer  Temperatur  angestellt;  da  aber  die  Durch- 
dringbarkeit  des  Caoutchoucs  durch  Erwärmen  stark  ver- 
gröfsert  wird,  so  ist  es  wahrscheinlich,  dafs  die  Löslichkeit 
von  Gasen  in  Caoutchouc  in  demselben  Grade  zunimmt 

Mehr  als  ein  Versuch  wurde  gemacht,  die  Anwesenheit  von 
freiem  Wasserstoff  in  der  Caoutchouc-Substanz  nachzuweisen, 
nachdem  die  letztere  wahrend  einiger  Zeit  in  diesem  Gase 
verweilt  hatte;  aber  mit  negativem  Resultat.  Ps  kann  sein, 
dafs  der  absorbirte  Wasserstoff,  wegen  seiner  so  sehr  grofsen 
Flüchtigkeit,  allzurasch  fortgeht. 

Diali/tiache  Scheidung  des  Sauerstoffs  aus  atmosphärischer 
Luß  :    i)  mittelst   anderer   Oase,    2)  mittelst   eines    leeren 

Raumes. 

1)  Ein  mit  Wasserstoffgas  gefüllter  Caoutchouc-Bailon; 
welcher  der  Luft  ausgesetzt  ist,  verliert  allmalig  das  ihn  ur- 
sprünglich erfüllende  Gas,  welches  schiiefslich  durch  ein 
betröchtlich  kleineres  Volum  Luft  ersetzt  wird;  der  Vorgang 
gleicht  täuschend  dem  der  Diffusion  von  Wasserstoffgas  in 
Luft.  Als  das  Portschreiten  des  Eintritts  von  Lufl  zu  ver- 
schiedenen Zeiten  des  Austausches  beobachtet  wurde,  ergab 
sich,  dafs  nach  3  Stunden,  wo  sich  der  Durchmesser  des 
Ballons  von  150  auf  128  HM.  verkleinert  hatte,  die  Zusam- 
mensetzung des  Inhalts  desselben  war  : 


14     .   Graham^  über  die  Absorption  und  dialytische 


Sauerstoff 

8,98 

41,6 

Stickstoff 

12,60 

68,4 

Wasserstoff 

78,42 

100,00  100,00. 

Läfst  man  das  noch  vorhandene  Wasserstoffgas  aufser 
Betracht,  so  enthielt  also  nun  der  Ballon  ein  Gemisch  von 
Sauerstoff  und  Stickstoff  im  Verhaltnifs  von  41,6  Vol.  des 
ersteren  auf  58,4  Vol.  des  letzteren.  Diefs  war  das  gröfste 
Verhaltnifs,  in  welchem  Sauerstoff  gegenüber  dem  Stickstoff 
gefunden  wurde;  denn  das  erstere  Gas  hat  ein  Bestreben, 
wieder  nach  der  äufseren  atmosphärischen  Luft  zurückzugehen, 
wenn  von  dem^asserstoff  nur  noch  ein  kleines  Volum  rück- 
standig ist;  und  der  Gehalt  an  Sauerstoff  wird  nicht  gröfser 
als  21  pC.  von  dem  ganzen  in  dem  Ballon  enthaltenen  Gasge- 
mische, das  Wasserstoffgas  mitgerechnet.  So  war  nach  6 
Stunden  das  Verhaltnifs  :  33,63  Sauerstoff  zu  66,37  Stickstoff, 
und  nach  24  Stunden  :  26,48  Sauerstoff  zu  73,52  Stickstoff, 
unter  gleichzeitiger  stetiger  Abnahme  des  Wasserstoffgases. 

Indem  man  durch  Infiltration  atmosphärische  Luft  in  einen 
mit  Kohlenaäuregas  aufgeblasenen  Caoutchouc-Ballon  eintreten 
läfst,  kommt  man  einer  practisch  verwerthbaren  dialytischon 
Scheidung  der  Bestandtheile  der  atmosphärischen  Luft  noch 
näher,  da  man  nach  einiger  Zeit  die  Kohlensäure  mittelst 
ätzenden  Alkali's  ganz  wegschaffen  und  die  infiltrirte,  an 
Sauerstoff  reicher  gewordene  Luft  für  sich  haben  kann.  Ein 
mit  Kohlensäure  gefüllter  Ballon  wurde,  in  der  Luft  befind- 
lich, in  4  Stunden  so  weit  verkleinert,  dafs  sein  Durchmesser 
von  160  auf  90  HH.  herabgekommen  war,  und  er  enthielt 
nun  199  CG.  durch  Alkali  nicht  absorbirbares  Gas.  Dieses 
Gas  konnte  einen  glimmenden  Holzspahn  sich  wieder  ent- 
flammen lassen,  und  es  wurde  befunden  als  bestehend  aus : 

Sauerstoff  87,1 

Stickstoff  62,9 

100,0. 


Scheidung  der  Oase  durch  coUotdale  Scheidewände.     15 

Um  diese  Anreicherung  des  Sauerstoffgehaltes  hervorzu- 
bringen, ist  es  durchaus  nothwendig,  die  Operation  frähzeitig 
zu  unterbrechen,  wie  diefs  bei  dem  eben  besprochenen  Ver- 
suche geschab;  sonst  nimmt  wieder  der  Gehalt  an  Sauer- 
stoff im  Verhältnifs  zu  dem  an  Stickstoff  ab  und  fällt  zuletzt 
auf  den  normalen  Gehalt  der  äufseren  Luft  von  21  pC.  So 
wurde  in  einem  mit  Kohlensdure  auf  150  HH.  Durchmesser 
aufgeblasenen  Ballon  nach  24  Stunden  fast  keine  Kohlensäure 
mehr  gefunden;  er  ergab  nach  der  Behandlung  mit  Aetzkali 
150  CG.  Gas,  weiches  enthielt : 

Sftoeratoflf  22,6 

StickBtoft  77,4 

100,0, 

und  also  keine  beträchtliche  Vergröberung  des  Sauerstoflge- 
haltes  ergab. 

Aus  der  bekannten  Thatsache»  dafs  die  in  Wasser  ge- 
löste Luft  einen  so  grofsen,  30  pC.  betragenden  Sauerstoff- 
gehalt besitzt,  läfst  sich  schliefsen,  dafs,  wenn  Kohlensäure- 
gas von  atmosphärischer  Luft  durch  ein  TFa^^^r-Häutchen 
getrennt  wäre^  zu  dem  ersteren  Gas  durch  das  Häutchen 
hindurch  Luft  mit  demselben  hohen,  30  pC.  betragenden 
Sauerstoffgehalt  treten  wurde.  Aber  es  ist  nicht  leicht,  diesen 
Versuch  auszuführen,  aufser  wenn  man  das  als  Scheidewand 
dienende  Häutcfaen  durch  eine  M[pmbran  irgend  einer  Art 
unterstützt  sein  läfst.  Die  Luft,  welche  aus  der  Atmosphäre 
in  eine  frische  und  feucht  erhaltene  Ochsenblase,  welche  mit 
Kohlensäure  aufgeblasen  worden  war,  eintrat,  ergab  24,65  pC, 
Sauerstoff  und  75,35  pC.  Stickstofl,  war  also  nur  um  Weniges 
reicher  an  Sauerstoff  geworden;  aber  die  Membran  war  hier 
zu  dick,  und  auch  andere  Umstände  waren  dem  Resultate 
dieses*  Versuches  nicht  günstig. 

Ein  mit  Kohlensäure  bis  zu  150  MM.   Durchmesser  auf- 
geblasener  Caoutchouc  -  Ballon   wurde   48  Stunden  lang  in 


i6         Oraham,  über  die  Absorption  und  dialytische 

Wasser  von  22^  C.  eingetaucht.  Nor  wenig  Kohlensäure 
war  in  dem  rückstandigen  Gas  enthalten,  welches  nach  dem 
Waschen  mit  Aetzkali  enthielt  : 

Baaerstoff  26,77 

Stickstoff  74,28 

100,00 

2)  Mittelst  einer  angemessen  unterstützten  Colloidal- 
Scheidewand,  z.  B.  mittelst  der  mit  einem  Caoutchouc^Häut- 
chen  überzogenen  Stuck-Platte  in  dem  Diffusiometer  (S.  4), 
läfst  sich  eine  Scheidung  gemischter  Gase  in  ansehnlichem 
Betrage  bewerkstelligen.  Die  Bestandtheile  der  atmosphäri- 
schen Luft  gehen  durch  ein  Caoulchouc  -  Häutchen  in  den 
leeren  Raum  nahezu  in  demselben  Verhältnisse  über,  in  welchem 
diese  Gase  einzeln  genommen  das  Caoutchouc  durchdringen 
(S.  7).  Für  die  Geschwindigkeiten  des  Stickstoffs  und  des 
Sauerstoffs,  wenn  diese  Gase  für  sich  hindurchgehen,  wurde 
das  Verhältnifs  wie  1  :  2;556  beobachtet;  daraus  berech- 
net sich 

Sauerstoff  21  X  2,566  =  63,676  40,46 

Stickstoff   79  X  1  =79  69,64 


100,00. 

Luft,  welche  mittelst  einer  aus  Caoutchouc  bestehenden 
Scheidewand  dialysirt  wurde,  sollte  also  in  100  Volumen  aus 
40,46  Sauerstoff  und  59,54  Stickstoff  zusammengesetzt  sein. 
Nun  wurde  gefunden,  dafs  aus  der  Atmosphäre  in  den  leeren 
Raum  der  48zölligen  Diffusioraeter-Röhre,  durch  eine  Caout- 
chouc -  Seheibe  von  22  HM.  Durchmesser,  in  21  Stunden 
3,48  CC.  Luft  eintraten,  unter  dem  Druck  der  Atmosphäre 
und  bei  23  bis  24^  C.  Von  den  so  erhaltenen  3,48  CC.  Gas 
wurden  2  CC.  durch  Pyrogallussäure  und  Kali  absorbirt,  ent- 
sprechend 42^53  pC.  Sauerstoff  in  der  dialysirlen  Luft.  Hier 
wurde  das  Gas  zum  Zweck  der  Untersuchung  aus  dem 
Diffusiometer  in  der  Art  übergeleitet,    dafs  das  Diffusiometer 


Scheidung  der  Oase  durch  collotdale  Scheidewände*    17 

in  Qaeeksilber  herabgedrückt  und  ein  sehr  enges  Caoutchouc- 
Rohr   als  Gas -Heber  angewendet  wurde,   welches  das  Gas 
aus  dem  Diffusiometer  in  ein  in  der  Qaeeksilber- Wanne  um- 
gekehrtes Gefafs  leitete;  das  Caoatchonc-Rohr  wird   zuerst 
mit  Quecksilber  gefüllt  und,  bei   der  beträchtlichen   Länge 
desselben,  ein  Theti   von   ihm  wiederholt  durch  die  Finger 
geai^en,  so  dafs  das  Quecksilber  und  das  hineingetretene  Gas 
in  das  Sammel-Gefäfs  hinübergeschafft  wird.    Das  Ueberfüllen 
▼on  Gasen  unter  solchen  Umständen  läfst  sich  auch  sehr  vor- 
theilhaft  mittelst  der  von  Dr.  H.  Sprengel  erfundenen  Va- 
enum-Rohre  bewerkstelligen,  wie  ich  sogleich  zeigen  werde. 
Die  Ausführung  der  dialytischen  Scheidung  mittelst  einer 
Caoutchouc-lftheidewand  läfst  sich  in  drei  Punkten  abändern  : 
1)  in  der  Beschaffenheit  der  Caoutchouc-Scheidewand;  welche 
ebensowohl  ein  aus  Caoutchouc-Firnifs  bestehendes  Häutchen 
sein  wie  aus  dünn  ausgezogenem  Blatt-Caoutchouc  bestehen 
kann ;  2)  in  der  Art,  wie  die  Caoutchouc-Scheidewand  unter- 
stützt wird,  was  ebensowohl  durch  anliegenden  Baumwolle- 
oder  Seidenstoff  (also  in  der  Form  von  wasserdichtem  Zeug, 
das  mittelst  Caoutcfaouc  -  Fimifs  bereitet  ist)  als  durch  eine 
Platte  aus  Stuck;  Irdenzeug  oder  Holz  geschehen  kann;  und 
3)  in  den  Mitteln ;    welche  man  anwendet  um  einen  leeren 
oder    mindestens    sehr    verdünnten    Raum    auf    der   einen 
Seite   der  dialytisch    wirkenden    Scheidewand    herzustellen, 
während  atmosphärische  Luft  oder  ein   anderes   zu   dialysi- 
rendes  Gasgemische  zu  der  anderen  Seite  derselben  Scheide- 
wand Zutritt  hat.   Oder  die  zu  dialysirende  Luft  kann  auf  der 
einen    Seite    der  Scheidewand  zusammengedrückt  werden, 
während  sie  auf  der  anderen  Seite  unter  dem  gewöhnlichen 
Druck  bleibt,  da  es  für  die  Einleitung  des  Durchgangs  nur 
ndthig  ist,  dafs  auf  den  beiden  Seiten  cTer  Scheidewand  un- 
gleicher Druck  vorhanden  sei. 

AnoAl.  d.  Chem.  n.  Pharm.  V.  äapplemontbd.  1.  Heft.  Z 


18        Graham ^  über  die  Absorption  und  dialytiscke 

Dr.   Sprengers  pneumatisches  Instrument*)   ist  vor- 


*)  Journal  of  the  Chemical  Society,  new  series,  III,  9  (Januar  1865), 
[Wir  lassen  nachstehend  SprengeTs  Beschreihung  der  einfachsten 
Form  seines,  auf  dem  Princip  des  Wassertrommelgehläses  be- 
ruhenden Apparates  folgen,  welche  bei  den* oben  beschriebenen 
Versuchen  in  Anwendung  kommt;  einen  etwas  complicirteren, 
noch  besser  wirkenden  hat  Sprengel  a.  a;  0.  gleichfalls  be- 
schrieben, „c  d  in  Fig.  1  auf  Tafel  I  ist  eine  Glasröhre,  lAger 
als  ein  Barometer,  an  beiden  Seiten  offen,  in  welche  man  Queck- 
silber aus  einem  mit  der  Röhre  bei  c  verbundenen  Trichter  A 
fallen  läfst.  Das  untere  Ende  d  der  Röhre  taucht  in  ein  kleines 
Glasgefäfs  fi,  in  welchem  es  mittelst  eines  Korkes  befestigt  ist. 
Dieses  GlasgefftTs  hat  seitlich  eine  Ausflufsröbre,  welche  §ich  um 
einige  Millimeter  höher  befindet  als  die  untere  Mündung  der 
Röhre  c  d.  Die  ersten  Portionen  Quecksilber,  wel^e  herabfliefsen, 
werden  also  diese  Röhre  abschliefsen  und  dav^  schützen,  dafs 
bei  einer  Störung  des  Gleichgewichtes  Luft  Ton  unten  in  sie  ein- 
trete. An  dem  oberen  Theile  Ton  cd  ist  bei«  eine  Abzweigung 
in  eine  Seitenröhre,  an  welche  der  Recipient  R  befestigt  ist. 
Sobald  der  Quetschhahn  bei  e  geöffnet  ist  und  das  Quecksilber 
herablttuft,  beginnt  die  Luftverdünnung,  und  man  sieht  die  Röhre 
in  ihrer  ganzen  Länge  von  x  bis  d  mit  abwärtsgleitenden  Cy- 
lindern  von  Quecksilber  und  Luft  erfüllt.  Luft  und  Quecksilber 
entweichen  durch  die  seitliche  Ausflufsröbre  des  GefUfses  fi,  die 
sich  über  dem  Gefäfse  H  befindet,  in  welchem  das  Quecksilber 
gesammelt  wird.  Dieses  Quecksilber  giefst  man  von  Zeit  zu  Zeit 
in  den  Trichter  A  zurück,  damit  es  wieder  und  nochmals  durch 
die  Röhre  gehe,  bis  die  Luftentleerung  eine  Yollständige  geworden 
ist.  In  dem  Mafte,  als  dieselbe  Torschreitet,  bemerkt  man,  dafs 
die  zwischen  den  Quecksilbercy lindem  eingeschlossene  Luft 
weniger  und  weniger  wird ,  bis  der  untere  Theil  der  Röhre  c  d 
eine  ununterbrochene  Quecksilbersäule  von  etwa  80  Zoll  (engl.) 
Höhe  zeigt  Gegen  das  Ende  der  Operation  macht  sich  ein  be- 
trächtliches Geräusch  bemerkbar,  welches  dem  von  einem  ge- 
schüttelten Wasserhammer  ähnlich  und  allen  in  einem  leeren 
Räume  geschüttelten  Flüssigkeiten  gemeinsam  ist.  Die  Operation 
kann  als  vollendet  angesehen  werden,  wenn  die  Quecksilbersäule 
keine  Luft  mehr  einschliefst  und  wenn  ein  Quecksilbertropfen 
auf  das  obere  Ende  dieser  Säule  auffällt,  ohne  die  geringste  Luft- 
blase einzUBchlieisen.  Die  Höhe  dieser  Quecksilbersäule  ent- 
spricht nun  genau  der  Höhe  der  Quecksilbersäule  in  dem  Baro- 
meter; oder  was  dasselbe  ist  :  sie  stellt  ein  Barometer  vor,  dessen 
Tor  ice  Hirsches  Vacuum  der  Reoipient  üist.''     D,  A.] 


Scheidung  der  Gase  durclfcollotdale  Scheidewände,      19 

• 

zogiweise  zu  Versachen  von  der  Art,  wie  sie  uns  hier  be- 
schäftigen, geeignet  Ohne  die  Benutzung  seiner  Erfindung 
wären  einige  Theile  der  UnteFsuchung  practisch  unmöglich 
gewesen.  Das  Instrument  wurde  durch  den  Erfinder  ur- 
sprunglich als  ein  Hölfsmittel  zu  der  Herstellung  eines  leeren 
Raumes  oder  als  eine  Luftpumpe  in  Vorschlag  gebracht.  Aber 
durch  Umbiegen  des  unteren  Endes  der  aufrecht  stehenden 
Fallröhre  kann  das  Instrument  auch  so  abgeändert  werden, 
dafs  es  Gas  in  ein  Sammelgefab  leitet,  und  dann  lafst  es 
sich  Yortheilhaft  dazu  anwenden,  kleine  Volumen  Gas  aus 
einem  Gefafse  in  ein  anderes  überzufüllen» 

Wahrend  man  (vgl.  Fig.  2  auf  Tafel  I)  das  Quecksilber 
in  dem  Trichter  A  in  der  Barometer  -  Röhre  c  B  (welche 
2,5  MM.  Durchmesser  hat)  durch  Oeffnen  des  Quetschhahns 
an  der  Caoutchouc-Zuleitungs- Röhre  bei  C  herabfliefsen  lafst, 
wird  auch  eine  Verbindung  mit  dem  zu  entleerenden  ge- 
schlossenen Recipienten,  jetzt  einem  luftdichten  Sack  £,  durch 
die  Zweigröbre  x  vermittelt.  Die  in  E  befindliche  Luft  hat 
Zutritt  zu  dem  Tori  colli 'sehen  Vacuum,  wird  durch  das 
niederfallende  Quecksilber  mitgerissen  und  unten  in  den 
kleinen  Gas-Recipienten  R  abgegeben,  welcher  vorher  mit 
Quecksilber  gefüllt  und  in  dem  Mörser  B  über  Quecksilber 
umgekehrt  wurde.  Die  hauptsächlichste  Schwierigkeit,  mittelst 
dieses  Apparates  in  E  ein  gutes  Vacuum  zu  erhalten,  beruht 
auf  der  Nothwendigkeit,  die  Glasröhren  an  mehr  als  Einer 
Stelle  mittelst  Caoutchouc- Röhren  zusammenzufügen.  Man 
mufs  die  von  Dr.  S  p  r  e  n  g  e  I  hierüber  gegebenen  Vorschriften 
auf  das  Genaueste  befolgen  :  ,Die  Verbindungen  zwischen 
den  Glasröhren  werden  mit  gut  passenden  Röhren  von 
schwarzem  vulkanisirtem  Caoutchouc  gemacht,  welche  unter 
dw  Bezeichnung  :  französische  Röhren  verkauft  werden; 
dieses  Caoutchouc  ist  frei  von  metallischen  Oxyden,  welche 
Beimengung  die  Röhren  porös   macht.    Aufserdem  werden 

2» 


20      '  Oraham^  über  die  Absorption  uud  diafytische 

m 

alle  diese  Verbindungen  mittelst  umgelegten  Knpferdrahts 
fest  gemacht,  was  sich  leicht  mittelst  einer  Zange  bewerk- 
stelligen lärst.^  Die  Verbindungen  sind  auch  mit  Gutta-Percha, 
die  durch  Erhitzen  flüssig  gemacht  wird,  oder  mit  geschmol-* 
zenem  Caoutchouc  zu  luberziehen.  Eine  Luftpumpe  lafst  sich 
oft  mit  Vortheii  im  Anfang  des  Auspumpens  anwenden,  um 
zunächst  die  gröfsere  Menge  Luft  herauszuschaffen,  wenn 
der  Recipient  E  grofs  ist,  und  die  SprengeTsche  Röhre 
dient  dann  zur  Vervollständigung  des  Auspumpens.  Der 
leere  Raum  iäfst  sich  auf  diese  Weise  so  voliständig  her- 
stellen, als  in  einer  mit  nicht  ausgekochtem  Quecksilber  ge- 
füllten Barometerröhre,  und  der  Queoksilberstand  stimmt  mit 
dem  Barometerstand  bis  auf  1  MM.  überein. 

Die  folgenden  Abänderungen  des  Versuches  zeigen  die 
dialytische  Wirkung  des  Caoutchoucs  in  ihren  verschiedenen 
Formen. 

i)  Vtdkantairtes  Caotächouc  fsunsehen  doppeltem  Baum" 
wollenzeug,  —  Ein  gewöhnliches  Luftkissen  von  18  Zoll  Länge 
auf  15  Zoll  Breite  wurde  angewendet;  die  Oberfläche  auf 
beiden  Seiten  betrug  0,3482  Quadratmeter,  Das  Kissen  wurde 
mittelst  der  Hände  platt  gedrückt  und  dann  mittelst  der 
SprengeTschen  Röhre  weiter  ausgepumpt.  Nachdem  das 
Kissen  ganz  entleert  und  zusammengefallen  war,  saugte  die 
Sprengel'sche  Röhre  langsam  aber  äufserst  regelmäfsig 
immer  noch  Luft  heraus.  Eine  kleine  Menge  Sägespäne 
oder  Sand,  welche  vorher  in  das  Kissen  gebracht  worden 
war,  erwies  sich  dafür  nutzlich,  dafs  sie  die  Wandungen 
verhinderte  sich  allzu  dicht  an  einander  zu  legen,  war  aber 
nicht  nothwendig.  Die  auf  diese  Art  aus  dem  Kissen  in  Einer 
Stunde  herausgesaugte  Luft  betrug  15,65  CG.  oder  nahezu 
1  Cubikzoll  eng].;  die  Temperatur  war  23  bis  24^  C.  Solche 
dialysirte  Luft,  erhalten  in  drei  aufeinander  folgenden  Ver- 
suchen, von  welchen  jeder  1  Stunde  dauerte,  enthielt  38; 


Scheidung  der  Oaae  durch  collotdale  Scheidewände.     21 

40^  ond  41,2  pC.  SaaerstoiF;  der  geringere  Sauerstoffgehalt 
bei  den  früheren  Versuchen  beruhte  ohne  Zweifel  auf  einem 
noch  vorhandenen  geringen  Rückstand  von  nicht  dialysirter 
Luft  in  dem  Kissen.  Diese  dialysirte  Luft  liefs  einen  glim- 
menden Hoizspahn  sich  wieder  entflammen,  was  sehr  deutlich 
zeigt,  wie  hier  der  Sauerstoff  direct  aus  der  atmosphärischen 
Luft  ausgeschieden  war.  Für  Verbrennungsvorgange  kann 
diese  dialysirte  Luft  als  solche  betrachtet  werden,  aus  welcher 
die  Hälfte  des  unthätigen  Stickstoffs  weggenommen  ist. 

Es  wird  angemessen  sein,  die  Durchdringbarkeit  der 
coUoidalen  Scheidewand  gleichförmig  auf  1  Quadratmeter 
Flache  und  1  Stunde  oder  1  Hinute  Zeit  zu  beziehen.  Es  be- 
trug der  Durchgang  von  Luft  für  1  Quadratmeter  des  hier 
verwendeten  mit  Caoutchouc  praparirten  Zeuges  44,95  CC. 
(3  CubikzoU  engl,  nahezu)  in  der  Stunde  oder  0,749  CC.  in 
der  Minute. 

Nach  dieser  Beobachtung  kann  man   ein  solches  s.  g. 

laftdichtes  Fabrikat  als  wirklich  für  Luft  nicht  durchdringbar 

« 

betrachten,  wenn  die  Zusammensetzung  und  der  Druck  der 
Luft  auf  beiden  Seiten  des  Zeuges  gleich  sind;  aber  es  ist 
dorchdringbar ,  wenn  auf  der  einen  Seite,  und  nicht  auch 
auf  der  anderen ;  ein  leerer  oder  luftverdünnter  Raum  her- 
gestellt wird.  Zusammendrücken  der  in  einem  solchen  Kissen 
eingeschlossenen  Luft  würde  unzweifelhaft  eine  ahnliche 
Wirkung  haben,  und  dann  der  Strom  nach  Aufsen  gehen. 
Aber  für  solches  mit  Caoutchouc  priparirtes  Zeug  lafst  sich 
eine  poröse  Struetur  nicht  nachweisen.  Wären  wirklich 
Oeffnungen  vorhanden,  so  würden  die  gasförmigen  Bestand- 
theile  der  atmosphärischen  Luft  gemäfs  dem  Gesetze  der 
Diffusion  von  Gasen  hindurchgehen,  nach  welchem  vorzugs- 
weise der  Stickstoff  als  das  leichtere  Gas  hindurchgehen 
müiste,  während  es  der  Sauerstoff  ist,  welcher  bei  diesen 
Versuchen  in  der   relativ    gröfseren   Menge  hindurchging. 


22         Oraham,  über  die  Absorption  und  dialektische 

Die  Durchtränkung  der  Caoutchouc-Sobstanz  durch  das  ver- 
flfissigte  Gas  und  das  nachherige  Abdunsten  dieser  Flüssigkeit 
in  den  leeren  Raum  auf  der  anderen  Seite  bietet  eine  ganz 
genügende  Erklärung. 

2)  Röhren  aus  vulkanisirtem  Gaoutchouc,  —  Eine  starke 
Caoutchouc-Röhre  von  13  MM.  (Vs  Zoll)  aurserem  und  9  MM. 
innerem  Durchmesser,  welche  3,658  Meter  lang  und  am  einen 
Ende  geschlossen,  am  anderen  Ende  mit  demSprengePschen 
Apparat  verbunden  war,  wurde  ausgepumpt.  Das  in  i3  Stunden 
gesammelte  Gas  betrug  11,25  CC. ;  die  Temperatur  war  20 
bis  23^  Dieses  Gas  enthielt  37,8  pC.  Sauerstoff.  Der  Durch* 
gang  von  Gasen  ist  bei  einer  so  dicken  Röhre  nicht  betrfichtlich, 
und  es  liegt  Grund  vor  zu  befürchten,  dafs  hier  auch  die 
Diffusion  von  Gasen  in  geringem  Betrage  mitwirkt.  Das  Ein- 
treten vop  Luft  wurde  in  gleichem  Grade  bemerkbar  sein, 
wenn  die  Röhre  nicht  luftleer  sondern  mit  Steinkohlengas 
oder  irgend  einem  fremden  Gas  gefüllt  w^re.  Da  die  innere 
Fläche  der  Röhre  0,1034  Quadratmeter  und  der  Durchgang 
von  Luft  0,8653  CC.  in  der  Stunde  betrug,  würde  der  Durch- 
gang für  1  Quadratmeter  8,37  CC.  in  1  Stunde  oder  0,14  CC. 
in  1  Minute  sein.  Die  Durchdringbarkeit  der  Röhrenwandung 
ergiebt  sich  etwa  zu  Vs  von  der  für  das  mit  Caoutchouc 
praparirte  Baumwollenzeug. 

S)  Blatt-Caoutchouc  von  i  MM,  Dicke.  —  Wenn  auch 
darüber  kein  Zweifel  sein  konnte,  dafs  bei  beträchtlicherer 
Dicke  des  Caoutchoucs  Luft  langsamer  hindurchgehe,  war  es 
doch  von  Interesse,  zu  untersuchen,  ob  nicht  auch  zugleich 
der  Sauerstoffgehalt  sich  ändere.  Das  Blatt-Caoutchouc  war 
immerhin  noch  so  dünn,  als  es  der  Fabrikant  nur  durch 
Abschneiden  von  einem  massiven  Cylinder  von  bearbeitetem 
Caoutchouc  nach  dem  gewöhnlichen  Verfahren  erhalten 
konnte.  Das  Caoutchouc  war  nicht  vulkanisirt.  Aus  dem 
Caoutchooc-Blatt  wurde   ein  Sack   von  0,149  Quadratmeter 


Scheidung  der  Oase  durch  colloidale  Scheidewände.     23 

(231  QaadratzoU  engl.)  Oberflache  gemacht  und  zwischen 
die  beiden  Caoutchouc- Fliehen  wurde  eine  Filzplalte  in 
doppelter  Dicke  gelegt.  Eine  an  den  Sack  gekittete  dünne 
Glasröhre  vermittelte  die  Verbindung  zwischen  dem  Inneren 
des  Sacks  und  einer  SprengeTschen  Röhre.  Nach  dem 
ersten  Auspumpen  der  L^  aus  dem  Sack  (wozu  man  zweck- 
mafsig  eine  Luftpumpe  anwendet)  trat  Luft  fortwährend,  aber 
sehr  langsam;  durch  das  Blatt-Caoutchouc  ein.  Von  der 
dialysirten  Luft  wurden  li,45  CC.  in  4  Stunden  aufgesammelt. 
Diese  Luft  enthielt  41,48  pG.  Sauerstoff,  mit  einer  merklichen 
Spur  Kohlensaure.  Der  Durchgang  betragt  für  1  Quadrat* 
meter  19,2  CG.  Luft  in  1  Stunde  oder  0,32  CC.  in  1  Hinute. 

Derselbe  Sack  gab,  nachdem  er  ausgepumpt  18  Stunden 
lang  stehen  geblieben  war,  sofort  41,6  CC.  Luft  von  40,3  pC. 
Sauerstoff,  welche  sich  in  seinem  Inneren  angesammelt  hatte. 
Die  Temperatur  war  ungefähr  20^  C. 

Bin  gröfserer  Sack  von  ahnlichem  dünnem  Blatt-Caout- 
chouc, von  640  Quadratzoll  Oberfläche,  welcher  durch  10 
oder  12  Unzen  Sagespane  auseinander  gehalten  war;  gab  in 
Einer  Stunde  21,35  CCl  dialysirter  Luft;  der  Barometerstand 
war  761  MM.,  die  Temperatur  19,5^  C.  Diese  dialysirte  Luft 
bestand  aus : 


Sauerstoff 

41,80 

Kohlensäure 

0,94 

Stickstoff 

67,26 

100,00. 

Hiernach  wird  durch  Vergröfserung  der  Dicke  der  Caout- 
chouc-Scheidewand  der  Sauerstoflgehalt  in  der  dialysirten 
Luft  nicht  vergröfsert,  wahrend  der  Durchgang  dadurch  ver- 
langsamt wird.  Der  Sauerstoflgehalt  scheint,  bei  20^  C,  bis 
zu  41,6  pC.  auf  58,4  Stickstofi'  zu  steigen^  aber  nicht  hierüber 
hinaufzugehen. 

Das  dicke  Caoutchouc  läfst  die  Kohlensäure  der  Luft 
erheblich  in  Betracht  kommen.    Die  kleine  Menge,  in  welcher 


24        Graham^  über,  die  Absorption  und  dialytüche 

dieses  Gas  sich  in  der  Luft  vorfindet,  wird  vermuthlich  bei 
allen  Versuchen  mit.Caoutchouc-Scheidewand,  wie  dünn  diese 
auch  sein  möge,  vergröfsert.  Es  wurde  beobachtet,  dafs  der 
Kohlensäuregehalt  in  einem  kleinen  vollgestopften  Baume  so 
beträchlich  wurde,  da(s  der  Sauerstoff  an  dem  Wieder- 
entflammen  eines  glimmenden  Hol^pahns  verhindert  wurde. 
Caoutchonc  scheint  das  Vermögen  zu  besitzen,  sich  aus  der 
atmosphärischen  Luft  allmälig  mit  etwa  Vs  pG.  von  seinem 
Volum  an  Kohlensaure  txx  beladen.  Diese  Kohlensäure, 
welche  in  dickem  Blatt-Caoutchouc  angehäuft  ist,  scheint 
durch  die  bei  einem  dialytischen  Versuche  aufgenommenen 
anderen  Gase  mit  fortgeführt  zu  werden. 

4)  Dünne  Ballons  aus  Gaoutchouc,  —  Diese  kleinen 
Ballons  wurden  für  den  dialytischen  Durchgang  der  Luft  in 
einen  leeren  Baum  dadurch  verwendbar  gemacht,  dafs  sie 
durch  einen  Trichter  mit  gesiebten  Sagespahnen  angefüllt 
wurden,  welche  Operation  einige  Geschicklichkeit  erfordert. 
Der  Ballon  zog  sich  über  die  Sägespahne  zusammen^  welche 
eine  innere  Kugel  bildeten ;  die  Wandung  des  Ballons  blieb 
noch  etwa  V5  MM.  dick.  Das  Gaoutchouc  ist  nicht  vulkani- 
sirt.  Ein  solcher  Ballon,  dessen  Gaoutchouc  0,76  Grm.  wog, 
hatte  nach  dem  Auspumpen  noch  95  JIM.  Durchmesser.  Er 
liefs  ausgepumpt  19,6  CG.  dialysirter  Luft  in  41  Minuten 
durch  seine  Wandung  gehen ;  der  Barometerstand  war  579  MM., 
die  Temperatur  19^  C.  Diese  Luft  enthielt  41,32  pC.  Sauer- 
stoff. Die  Oberfläche  des  Ballons  war  0,0283  Quadratmeter 
und  dialysirte  0,48  CG.  Luft  in  1  Minute.  Für  1  Quadratmeter 
Oberfläche  gehen  also  in  1  Minute  16,9  CC.  hindurch.  Der 
Durchgang  ist  hier  also  50  mal  so  rasch,  als  durch  ein  1  MM. 
dickes  Caoutchouc-Blatt,  während  der  Sauerstoffgehalt  der 
durchgegangenen  Luft  nahezu  eben  so  grofs  ist.  Ein  solcher 
Ballon  erwies  sich  länger  als  einen  Monat  in  gleicher  Weise 


Scheidung  der  Oase  durch  coUotdale  Scheidewände,    25 

fvr  die  Dialyse  der  Luft  wir^ksam,  wenn  er  vor  mechanischer 
Beschädigung  geschützt  war. 

Drei  solche  Ballons,  von  welchen  jeder  23  Unzen  gesiebte 
Sagespähne  enthielt,  wurden  dadurch  zu  gemeinsamer  Wirkung 
gebracht,  dafs  sie  mit  drei  von  derselben  horizontalen  Glas- 
röhre sich  abzweigenden  Röhren  in  Verbindung  gebracht 
wurden.  Die  horizontale  Röhre  wurde  am  einen  Ende  mit 
einer  gewöhnlichen  Luftpumpe  verbunden,  welche  durch. 
30  oder  40  Kolbenstöfse  ein  gutes  Vacuum  hervorbrachte. 
Das  andere  Ende  der  horizontalen  Glasröhre  war  mit  einem 
gnten  SprengeTschen  Apparat  von  der  grofsten  noch  an- 
wendbaren  Art  verbunden.  Es  ergab  sich  jedoch ,  dafs  die 
dialysirte  Luft  etwas  rascher  eintrat,  als  sie  durch  einen 
einzelnen  SprengeTschen  Apparat  ausgesaugt  werden 
konnte.  Es  traten  etwa  5  GG.  in  i  Minute  ein;  die  Tem- 
peratur war  etwa  20^  G.  Die  dialysirte  Luft  enthielt  nahezu 
40,5  pG.  Sauerstoff« 

Die  beträchtlichste  Luft -Dialyse  für  1  Quadratmeter 
wurde  mittelst  eines  Gaoutchouc-Ballons  von  gröfseren  Dimen- 
sionen, als  gewöhnlich  angewendet  wurden,  erhalten ;  er  wog 
1,55  Grm.  Mit  Sägespahnen  gefüllt  und  ausgepumpt  behielt 
er  noch  einen  Durchmesser  von  143  MM.  und  also  0,0642 
Quadratmeter  Oberflache.  Die  durchgegangene  Luft  betrug 
17,05  GG.  in  10  Minuten ;  die  Temperatur  war  ungefähr  20^ 
Diese  Luft  ergab  40,7  pG.  Sauerstoff.  Für  1'  Quadratmeter 
Oberfläche  beläuft  sich  der  Durchgang  auf  26^5  GG.,  was  das 
Maximum  ist,  welches  bis  jetzt  beobachtet  wurde. 

In  der  dünnen  durchsichtigen  Hülle  dieser  kleinen  Ballons 
haben  wir  eine  Golloid-Substanz  in  der  geeignetsten  unter 
den  bis  jetzt  angewendeten  Formen  für  die  Dialyse  gemisch- 
ter Gatfe.  Aber  es  bleibt  noch  viel  in  der  Richtung,  wie 
diese  dünne  Scheidewand  in  Anwendung  zu  bringen  ist,  zu 
verbessern  übrig.    Die  Ballons   ziehen  sich  in  Folge  ihrer 


26        Graham,  über  die  Absorption  und  dialytiache 

Elflsticität  bei  der  schon  besprochenen  Operation  des  Füllens 
mit  Sagespahnen  stark  zusammen;  ihre  Wandungen  werden 
zugleich  dicker  und  lassen  die  Luft  weniger  rasch  hindurch- 
gehen. Es  wäre  äufserst  nützlich,  ein  Mittel  aufzufinden, 
wie  man  der  möglichst  ausgespannten  und  dünn  gemachten 
Membran  die  Elasticitat  nehmen  könne,  so  dafs  der  Ballon 
aufgeschnitten  und  die  Membran  ausgebreitet  werden  könnte 
.ohne  sich  zusammenzuziehen.  Man  braucht  dann  sie  nicht 
mehr  innen  durch  Sagespahne  gespannt  zu  erhalten,  sondern 
könnte  sie  auf  einer  passenderen  Unterlage  aus  dünnem 
porösem  Holz  oder  unglasirtem  Irdenzeug  oder  selbst  einem 
Filz  oder  mehrfachen  Lagen  unplanirten  Papieres,  das  durch 
ein  dünnes  Gerüste  getragen  wäre,  ausbreiten,  so  dafs  sie 
eine  Höhlung  bildete,  welche  sich  auspumpen  liefse.  Die 
Aufmerksamkeit  der  Caoutchouc-Fabrikanten  dürfte  vortheil- 
h«ft  auf  die  Darstellung  und  die  geeignete  Unterstützung 
möglichst  dünner  Scheidewände  aus  diesem  Material  gerichtet 
werden. 

Der  Gaoutchouc-Firnifs ,  welcher  getrocknet  die  beste 
Scheidewand  abgab;  war  eine  dünne  Lösung  von  Gaoutchouc 
in  dem  200  fachen  Gewichte  Chloroform.  Für  die  Herstellung 
einer  luftdichten  Hülle  war  es  nöthig,  eine  aus  Holz  oder 
unglasirtem  Irdenzeug  bestehende  Oberflache  mit  4  oder  5 
Ueberzügen  mittelst  dieses  Firnisses  zu  versehen.  Das  Caout- 
chouc-Häutchen  war  dicker  als  die  Wandung  der  Caoutchouc- 
Ballons  und  dialysirte  die  Luft  weniger  rasch.  Aber  ein 
besseres  Resultat  darf  erwartet  werden,  wenn  erfahrene 
Fabrikanten  die  Sache  in  die  Hand  nehmen. 

Das  dünne  Häutchen  von  Caoutchouc-Ballons  wurde  über 
die  Mündungen  von  Glasröhren  gezogen,  die  bereits  mit 
einer  Platte  von  porösem  Stück  geschlossen  weren,  und  auch 
über  die  Mündungen  von  kugelförmigen  Erweiterungen  an 
Röhren  oder  Osmometern,  die  mit  einer  Scheibe  von  porösem 


Scheidung  der  Oase  durch  colhndale  Scheidewände*      ift 

Hols  oder  unglasirtem  Irdenzeug  geschlossen  waren  and 
eine  Oberfläche  Ton  Vioo  Quadratmeter  boten.  Die  Membran 
des  Ballons  konnte  nur  doppelt  aufgelegt  befestigt  werden, 
aber  nachdem  sie  fest  an  das  Glas  gebunden  und  an  den 
Rindern  mit  geschmolzener  Gutta  •*  Percha  angekittet  war, 
wnrde  das  änfsere  Hiutchen  weggenommen,  so  dafs  die 
difllytisch  wirkende  Scheidewand  nur  die  einfache  Dicke  des 
Caoutchouc*Hautchens  besafs.  Ein  solcher  Apparat,  welcher 
mitteist  der  Sprengel'schen  Röhre  ausgepumpt  wurde,  gab 
dann  in  2  Stunden  16,36  CG.  dialysirter  Luft,  welche  41,3  pC. 
Sauerstofi*  enthielt  (die  Temperatur  war  23^  C.),  und  in  den 
folgenden  2  Stunden  17,35  CG.  Luft,  welche  42,6  pG.  Sauer- 
stoff enthielt..  Das  letztere  entspricht  dem  hohen  Betrage 
eines  Durchgangs  von  14,46  GG.  für  1  Quadratmeter  Oberfläche 
in  1  Minute. 

5)  Seidenzeug,  welches  auf  der  einen  Seite  mit  schwach 
vulkanisirtem  Caoutchouc  überzogen  ist  —  Diefs  ist  ein  feiner 
aber  dichter  Seidenstoff;  welcher  viel  für  die  Anfertigung 
wasserdichter  Kleider  gebraucht  wird;  er  findet  auch,  in  ge- 
eigneter Weise  gefärbt,  für  die  Herstellung  küntlicher  Blumen 
mid  für  andere  Zwecke  Anwendung.  Das  Seidengewebe  ist 
von  einfacher  Dicke ;  und  der  schwarze  Gaoutchouc-Ueberzug 
bedeckt  das  Gewebo  auf  der  einen  Seite  desselben.  Dieses 
Material  übertrifft  weit  die  gewöhnlichen,  mit  Baumwollenzeug 
angefertigten  Fabrikate,  bei  welchen  das  Gewebe  doppelt, 
mit  den  beiden  gefimifsten  Seiten  an  einander  geprefst  ist, 
und  man  kann  sich  bei  ihm  mehr  darauf  verlassen,  dafs  der 
Gaoutchouc-Ueberzug  ganz  und  frei  von  Poren  sei,  als  bei 
dem  wasserdichten  Baumwollenzeug.  Doch  mufs  man  .auch 
den  Seidenstoff  immer  in  der  Art  prüfen,  dafs  man  die  mittelst 
desselben  dialysirte  Luft  untersucht;  wenn  der  Sauerstoff- 
gekalt unterhalb  40  pG.  ist,  so  ist  der  Stoff  an  einer  oder 
mehreren  Stellen  unganz.    Diese  Stellen  lassen  sich  im  All- 


28        Oraham^  über  die  Absorption  und  dialy tische 

gemeinen  so  finden,  dafs  man  die  eine  Seite  des  Stoffes 
mittelst  eines  Schwammes  befeuchtet  und  zusieht,  wo  der 
Durchgang  von  Wasser  durch  einen  sichtbaren  Flecken  auf 
der  anderen  Seite  angezeigt  wird.  Die  fehlerhafte  Stelle  lafst 
sich  mittelst  einer  kleinen  Scheibe  aus  Blatt -Caoutchouc, 
welche  warm  aufgelegt  wird,  bedecken.  Solches  gefirnifstes 
Seidenzeug,  wenn  es  auch  nicht  am  Raschesten  dialytisch 
wirkt,  wurde  zweckmäfsiger  im  Gebrauche  befunden,  als  irgend 
eine  andere  bisher  versuchte  Scheidewand. 

Das  gefirnifste  Seidenzeug,  auf  einer  Scheibe  von  porösem 
Irdenzeug  (zum  Zweck  der  Unterstützung)  ausgebreitet, 
welche  die,  im  Querschnitt  Vioo  Quadratmeter  messende  Miin-* 
düng  eines  kleinen  glockenförmigen  Glasgefäfses  oder'  Osmo- 
meters schlofs,  gab  in  einer  Stunde  10  GC.  diaiysirter  Luft, 
welche  42,2  pC.  Sauerstoff  enthielt;  der  Barometerstand  war 
767  HM.,  die  Temperatur  23,5^.  Pur  ein  Quadratmeter 
Oberfläche  ist  diefs  ein  Durchgang  von  2,77  GG.  Luft  in 
1  Minute. 

Ein  kleiner,  fQr  Versuchszwecke  geeigneter  Sack  wurde 
aus  einem  Theile  desselben  gefirnifsten  Seidenzeuges  ange* 
fertigt;  derselbe  hatte  0,53  Meter  Länge  und  0,27  Meter 
Breite,  also  eine  Oberfläche  von  0,143  Quadratmeter.  Die 
gefirnifste  Seite  wurde  nach  Innen  genommen.  Zwischen 
die  beiden  Flächen  des  Seidenzeuges  wurde  eine  doppelte 
Lage  von  gewöhnlichem  Filz  oder  ein  Stück  Watte  gelegt, 
so  dafs  das  Innere  des  Sacks  damit  ausgefüllt  war.  Eine  dünne 
Glasröhre  war  in  den  Sack  einige  Zoll  tief  eingesteckt  und 
trat  nach  Aufsen  um  ebensoviel  hervor,  so  dafs  sie,  mittelst 
einer  dicht  schliefsenden  Gaoutchouc-Röhre,  mit  einem  S  p  r  e  n- 
gel'schen  Apparat  so,  wie  es  die  Figur  2  auf  Tafel  I  zeigt,  in 
Verbindung  gesetzt  werden  konnte.  Die  Ränder  des  Seiden- 
zeugs wurden  rings  herum,  10  MM.  breit,  mit  Gaoutchouc- 
Firnifs  zusammengekittet,  so  dafs  der  Sack  ganz  geschlossen 


Scheidung  der  Oase  durch  colUndale  Scheidewände.     29 

wtr,  und  auch  die  Glasröhre  wurde  in  den  Sack  sorgfältig 
«ngeliiUet.  Wenn  der  Sack  ausgepumpt  ist,  so  bleibt  er 
fast  platt,  und  fühlt  sich  hart  an  wie  ein  Stück  Pappendeckel. 
Ein  solcher  Luft-Dialyaator  thut  noch  bessere  Dienste,  wenn 
man  zwischen  den  Sack  und  den  Auspump-Apparat  noch  ein 
starkes  Glasgefafs  oder  eine  Flasche,  welche  1  bis  2  Liter 
fafst,  einschaltet,  so  dafs  aus  beiden  zugleich  die  Luft  aus- 
gepumpt wird.  Die  Flasche  mufs  stark  genug  sein,  um  ohne 
zu  zerbrechen  den  ganzen  Druck  der  Atmosphäre  auszuhalten. 
Eine  hülCsweise  anzuwendende  Luftpumpe,  um  das  erste 
Auspumpen  zu  bewirken,  lafst  sich  nicht  wohl  entbehren, 
wenn  der  In  Aleer  zu  machende  Raum  so  grofs  ist;  die 
Sp r eng el'sche  Rohre  Ijfst  man  nachher  wirksam  sein.  Der 
Vortheil,  welchen  man  durch  die  leere  Flasche  und  auch  durch 
die  im  Innern  des  Sacks  befindliche  dicke  Lage  Watte  ge- 
winnt, besteht  darin,  dafs  man  damit  ein  Magazin  erhält,  in 
welchem  sich  die  dialysirte  Luft  während  mehrerer  Stunden 
oder  eines  ganzen  Tages  ansammeln  kann,  und  aus  welchem 
sie  nachher  mittelst  der  SprengeTschen  Röhre  rasch 
herausgesaugt  werden  kann,  um  zu  Versuchen  zu  dienen. 
Ein  enger  glaserner  Recipient,  welcher  sich  mit  dem  Daumen 
verschliefsen  lafst,  ist  zum  Herausnehmen  von  5  bis  6  CG. 
Luft  anwendbar,  um  das  Entflammen  eines  glimmenden  Holz- 
spahns  in  der  so  betrachtlich  sauerstoSVeicheren  Luft  zu 
zeigen.  Wenn  der  Sauerstoffgehalt  weniger  als  33  pC.  be- 
trägt, so  entflammt  sich  der  Holzspahn  nicht  wieder;  aber 
bei  gewöhnlicher  Wirkung  dieses  Dialysators  wird  der  Sauer- 
stoffgehalt  selten  unter  40  pC.  befunden.  Das  beste  Resultat 
wird  erhalten,  wenn  so  weit  ausgepumpt  ist,  dafs  der  Druck 
im  Innern  des  Apparates  nur  noch  weniger  als  Va  Zoll 
Quecksilberhöhe  betragt.  Wenn  dieser  Druck  Va  oder  Vs 
Ton  Einer  Atmosphäre  betrug,  wurde  der  Sauerstoffgehalt  um 
2  cAet  3  pC.  verringert. 


30        Graham,  über  die  Absorption  und  dialytiache 

Der  Einflttfs  von  Hitze  und  Kalte  auf  die  Durchdringbar- 
keit  des  Caoutchoucs  ist  beträchtlich,  wie  bereits  angegeben 
wurde.  Bei  zwei  auf  einander  folgenden  Versuchen  mit  dem 
beschriebenen  Dialysator  -  Sack ,  bei  welchen  keine  Flasche 
eingeschaltet  war,  betrug  das  Volum  der  in  20  Minuten  auf- 
gesammelten Luft  6,35  und  6,57  GG.,  bei  760  MH.  Barometer- 
stand und  20^  G.  Temperatur.  Für  1  Quadratmeter  Ober- 
flache entspricht  diefs  dem  Durchgang  von  2,22  und  2,29, 
im  Mittel  2,25  GG.  in  1  Hinute.  Der  Sauerstoffgehalt  der 
dialysirten  Luft  war  bei  dem  erstell  Versuche  42,5  und  bei 
dem  zweiten  41,66  pG. 

Als  derselbe  Dialysator-Sack  bei  60^  G.  erhalten  wurde, 
betrug  das  Volum  der  in  7  Sfinut^n  aufgesammelten  Luft 
6,22  und  7,06  GG.  Für  1  Quadratmeter  Oberfläche  betrag! 
diefs  6,21  und  7,05,  im  Mittel  6,65  GG.  in  1  Minute.  Der 
Durchgang  der  Luft  durch  Gaoutchouc  erfolgt  also  bei  60^  G. 
nahezu  dreimal  so  rasch  als  bei  20^. 

Als  der  Dialysator-Sack  durch  Umgebung  mit  Eis  und 
Salz  bei  4^  G.  erhalten  wurde,  betrug  das  Volum  der  in 
72  Minuten  durchgegangenen  Luft  5,78  und  5,77  GG.,  oder 
für  1  Quadratmeter  Oberfläche  0,56  GG.  in  1  Minute.  Der 
Durchgang  der  Luft  durch  Gaoutchouc  würde  hiernach  bei 
4^  G.  viermal  so  langsam  erfolgen,  als  bei  20^  Zugleich 
wächst  der  Sauerstoffgehalt  der  dialysirten  Luft.  In  den  zwei 
bei»4^  gesammelten  Fortionen  Luft  betrug  der  Sauerstoff  46,75 

4 

und  47,43  pC.  Dafs  der  Sauerstoffgehalt  der  dialysirten  Luft 
bei  niedrigeren  Temperaturen  gröfser  ist,  fand  sich  bei 
anderen  Versuchen  bestätigt;  aber  es  ergab  sich  zugleich, 
dafs  das  Gaoutchouc  geneigt  ist,  bei  längerem  Erkaltetsein 
auf  etwa  0^  G.  in  geringem  Grade  eine  wahre  Porosität  an- 
zunehmen. Dann  liefs  das  Gaoutchouc  Luft  durch,  welche 
nicht  über  28  oder  selbst  nur  23  pG.  Sauerstoff  enthielt,  und 
deren  Volum  immer  noch  nur  wenig  betrug.    Das  Gaoutchouc 


Schmdung  der  Gase  durch  coUc^ale  Scheidewwände.    Sl 

ist  durch  die  niedere  Temperatur  starr  geworden  und  wirlit 
dann  schwach  als  ein  poröser  Körper,  indem  es  etwas  Gas-i- 
diffnsipn  durch  seine  Substanz  hindurch  zulafst.  Ein  solcher 
Zustand,  wie  ihn  das  Caoutcbouc  bei  niedriger  Temperatur 
annimmt,  ist  für  Gutta-Percha,  ein  härteres  Material,  bei  20^  C« 
and  selbst  bei  höheren  Temperaturen  der  constante. 

Bin  gröfserer  Sack  aus  gefirnifstem  Seidenzeug,  mit 
1,672  Quadratmeter  Oberfläche,  wurde  noch  geeigneter  be- 
fanden. Doch  genügte  dafür,  ihn  auszupumpen,  kaum  der 
gröfste  SprengeTsche  Apparat.  Er  gab,  ohne  dafs  eine 
Flasche  eingeschaltet  gewesen  wäre,  in  8  Hinuten  22;  21,55 
and  21,5,  im  Mittel  21,68  CC.  dialysirte  Luft;  diefs  entspricht 
2,71  CC.  in  der  Minute,  und  für  1  Quadratmeter  Oberflöche 
1,62  CC.  in  1  Mionte.  Bs  wurde  noch  etwa  um  die  Hälfte 
mehr  dialysirte  Luft  erhalten  worden  sein,  wäre  das  Ver- 
mögen der  Pumpe,  sie  abzusaugen,  nicht  gegenüber  der 
Menge  der  einströmenden  Luft  unzureichend  gewesen.  Die 
zuerst  und  zuletzt  gesammelten  Portionen  Luft  enthielten 
41,89  und  41,85  pC.  Sauerstofl'. 

Der  gewöhnliche  SauerstoflFgehalt  in  Luft,  welche  der 
Dialyse  durch  Caoutcbouc  unterworfen  war,  ergiebt  sich  zu 
angefähr  41,6  pC,  und  man  kann  solche  Luft  betrachten  als 
atmosphärische  Luft,  welcher  die  Hälfte  ihres  gewöhnlichen 
Stickstoffgehaltes  genommen  ist.  Bine  einmalige  Dialyse  der 
Loft  bringt  uns  also  schon  halbwegs  auf  der  Bahn  zur  Br- 
reicbang  des  Zieles  :  schliefslich  aus  atmosphärischer  Luft 
reinen  Sauerstoff  zu  erhalten.  Aber  eine  zweite  Analyse 
wurde  uns  nicht  um  ebensoviel  weiter  vorschreiten  Isssen ,  da 
dann  nur  die  Hälfte  von  dem  nach  der  ersten  Operation  dem 
Sauerstoff  noch  beigemischt  gebliebenen  Stickstoff  entfernt 
wärde,  und  eine  dritte  Dialyse  würde  nur  die  Hälfte  des  nach 
der  zweiten  Operation  noch  zurückgebliebenen  Stickstoffs 
entfernen,  und  so  fort,  so  dafs  jeder  weitere  Schritt  in  der 


32        Graham,  über  die  Absorption  und  dialyttsehe 

Richtung ,  Sauerstoif  zu  erhalten ,  nur  mit  gröfseren  Kosten, 
als  der  Torhergehende,  gethan  und  doch  im  besten  Falle  nur 
eine  gute  Annäherung  erreicht  würde.  Das  practische  Pro- 
blem, zu  dessen  Bearbeitung  die  Luft -Dialyse  Veranlassung 
giebt,  ist  :  die  Mittel  zu  gewinnen,  durch  welche  sich  im 
Grofsen  und  zu  technischen  Zwecken  der  Stickstoffgehalt  der 
Luft  auf  die  Hälfte  etwa  verringern  läfst 

b)  Durchseihen  der  Luft  durch  Gutta-Percha  und  andere 
Scheidewände.  Dünne  durchsichtige  Blätter  aus  einem  ge- 
wissen Material,  welche  als  luft-  und' wasserdicht  bezeichnet 
werden,  sind  vielfach  in  Gebrauch.  Man  sagt  oft,  dieses 
Material  sei  Gaoutchouc,  aber  es  ist  Gutta-Percha,  die  wahr- 
scheinlich durch  ein  trocknendes  Oel  erweicht  ist.  Wegen 
seiner  Weichheit  und  Dünne  erschien  ein  solches  Blatt  aus 
Gutta-Percha  zuerst  viel  versprechend.  Aber  es  ergab  sich, 
dafs  es,  für  eine  irgend  beträchtlichere  Fläche,  nicht  frei  von 
kleinen  Oeffnungen  ist.  Bei  Versuchen  mit  einem  kleinen, 
von  Oeffnungen  freien  Stück  ging  die  Luft  nur  sehr  langsam 
durch  dasselbe  hindurch.  In  einer  Diffusiometer- Röhre  von 
1,3  Meter  Länge  und  20  MM.  Durchmesser,  welche  an  ihrer 
Mündung  mit  einem  solchen,  durch  Stuck  unterstutzten  Blatt 
geschlossen  war,  fiel  die  Queksilbersäule  in  iSVs  Stunden 
von  28,7  auf  22,625  engl.  Zoll  Höhe.  Das  über  das  Queck- 
silber eingetretene  Gas  mafs  13,54  CG.  und  enthielt  20,2 
Sauerstoff  auf  79,8  Stickstoff ;  was  beweist,  dafs  die  Luft  durch 
Gas-Diffusion  eingetreten  war.  Das  Material  ist  in  der  That 
hinlänglich  porös,  um  den  molecularen  Durchgang  von  Gasen 
langsam  zu  gestatten. 

Ueberzüge  aus  Leim  und  aus  trocknendem  Oel  sind  auch 
als  Scheidewände  zum  Zweck  der  Dialyse  versucht  worden, 
ohne  dafs  indessen  bis  jetzt  bestimmte  Resultate  sich  ergeben 
hätten. 


Scheidung  der  Gase  durch  colhndaie  Scheidewände*     33 

IL    Wirkung  metalliBcher  Scheidewände  bei  Roth- 

gltlhhitze. 

Fhtin. 

H.  Sainte-Ciaire  Deville  und  Troost  haben  in 
der  neueren  Zeit  die  überraschende  Thatsache  entdeckt,  dafs 
Gase  dorch  die  homogene  Substanz  einer  Platte  aus  gegossenem 
naiin  oder  aus  Bisen  hindurchgehen;  dieser  Durchgang 
könnte  sich  möglicherweise  in  seiner  Art  des  Auftretens  dem 
Durchgang  von  Gasen  durch  eine  aus  Caoutchouc  bestehende 
*  Scheidewand  analog  erweisen.  Zugleich  wfire  einzuräumen, 
dafs  die  Hypothese  von  einer  Verflüssigung  der  Gase  nur  in 
einer  allgemeinen  und  etwas  unbestimmten  Weise  auf  Körper 
anwendbar  wäre,  welche  bei  erhöhter  Temperatur  so  elastisch 
und  flüchtig  sind,  als  diefs  für  Gase  im  Allgemeinen  und  für 
Wasserstoff  insbesondere  der  Fall  sein  mufs.  Doch  kann 
immerhin  ein  gewisser  Grad  von  Absorptions*  und  Ver- 
flüasignngs- Vermögen  für  eine  weiche  oder  flüssige  Substanz, 
unter  welchen  Umständen  sie  sich  auch  befinden  mag,  kaum, 
gegenüber  emer  so  offenkundigen  Thatsache  geläugnet  werden, 
dafs  geschmolzenes  Silber  bei  Rothglühhitze  sein  18  bis  20- 
faehes  Volum  Sauerstoff  zurückhält.  Es  lafst  sich  mit  Sicher- 
heit annehmen,  dafs  die  Neigung  der  Gase  zur  Verflüssigung, 
wie  sehr  sie  auch  durch  Erhöhung  der  Temperatur  verringert 
werden  möge,  doch  eine  allzu  wesentliche  Eigenschaft  der 
Materie  ist,  als  dafs  sie  ganzlich  ausgelöscht  werden  könnte. 
Eine  kurze  Betrachtung  zeigt  auch,  dafs  die  Absorption 
von  Gasen  durch  eine  Flüssigkeit  oder  eine  coUoidale  Sub- 
stanz nicht  ein  rein  physikalischer  Vorgang  ist.  Die  Ab- 
sorption erscheint  als  verknüpft  mit  gewissen  Beziehungen  in 
der  Zusammensetzung,  so  z.  B.  wenn  sowohl  das  Gas  als 
auch  die  Flüssigkeit  Kohlenwasserstoffe  sind  und  die  Lösungs- 
AfKnität  oder  Lösungs- Anziehung  mit  in's  Spiel  kommen 

JkMual.  d.  Ghem.  u.  Pharm.  V.  Bupplemeotbd.  1.  Heft.  3 


34        Graham,  über  die  Absorption  und  dialyiische 

kann.  Sollte  eine  ähnliche  Analogie  za  erwarten  sein  für 
Wasserstoff  und  flüssige  oder  coUoidale  Substanzen  aus  der 
Klasse  der  Metalle  ? 

In  Beziehung  auf  die  mechanischen  Poren  eines  festen 
Körpers  haben  Flüssigkeiten  vermuthlich  ein  grofseres  Pene- 
tmtions -Vermögen  als  Gase.  Die  ersteren  zeigen  sich  oft 
fähig,  an  festen  Körpern  zu  adhäcirea,  wahrend  die  Giase 
sich  wesentlich  repulsiv  zu  verhalten  scheinen« .  Es  lafst  sich 
ein  Grad  von  Feinheit  der  Poren  denken,  welcher  noch  das 
Eintreten  einer  Flüssigkeit  znlafst,  aber  ein  Gas,  gerade  was 
die  Molecular-Bewegiing  desselben  bei  der  Diffusion  betrifft, 
nicht  mehr  hindurchlafst 

Endlich  hat  Deviile  eine  kühne  und  originelle  Ver- 
mutbung  zur  Erklärung  seiner  eigenen  Beobachtungen  auf- 
gestellt, Sie  ist  klar  ausgesprochen  in  der  folgenden  Ci- 
tation  aus  Deville's  letzter  Veröffentlichung  über  diesen 
Gegenstand  : 

,,La  permeabUite  de  la  mati^re  est  d'nne  nature  toute 
differente  dans  les  corps  homognes,  comroe  le  fer  et  le  pla- 
tine»  et^ans  des  päles  plus,  ou  moins  diaeontinues,  resserrees 
par  la  cuisson  ou  la  pression,  oomme  la  terre  k  orenset,  la 
plombagine,  dontH.  Graham  s'est servi  dans ses  m^morables 
experiences.  Dans  les  metaux,  la  porositö  resulte  de  la  di- 
latation  que  la  chaleur  fait.  eprouver  aux  espaces  intermole- 
cnlaires;  eile  est  en  relation  avec  la  forme  des  molecules 
que  Ton  peut  toujours  sapposer  reguliöres,  et  avec  leur 
aligenement  qui  determine  le  clivage  ou  les  plans  de  facile 
fractnre  das  masses  cristallisöes.  G'est  cet  Intervalle  inter- 
motecnlaire  que  le  phenomäna  de  la  porositö  des  metaux  purs 
et  fondus  accuse  avec  une  evidence  eelalante,  c'est  aussi  par 
ce  pbenomene  qu'on  peot  esp^rer  de  calculer  ia  distance 
das  malocules  s^olid^s  aax  lemperatares  ele^ees  oü  les  gaz 
peuvent  s'y  uHroduirei^ 


Scheidung  der  Oase  durch  cotküdale  Scheidewände,     96 

Eine  Moe  Art  von  Porosität  wird  hier  der  Vorstelhing 
geboten,  welcher  ein  höherer  Grad  von  Feinheit  zukfime  ab 
der  Porosität  von  Graphit  und  Irdefnzeugf.  Es  wire  eine 
intermoleeulare  Porosität,  weiche  ganz  auf  der  Ausdehnwigf 
beruhte.  Die  intermoleeulare  Porosität  des  Platins  und  des 
Biaens  iet  bei  niedrigen  Temperaturen  nicht  hinreichend  dafdr. 
Gas  durchzulassen,  aber  nach  D  e  v il  1  e  's  Yermuthung  kann  sie, 
in  Folge  der  ausdehnenden  Wirkiuig  der  Hitze  auf  die  Metalle, 
gesteigert  und  bei  der  Glühhitze  bemerkbar  werden«  Von 
einer  solchen  Art  von  Porosität  —  existirt  sie  wirklich  — 
Uebe  sich  wohl  erwarten,  da&  sie  Licht  werfe  auf  die  Distanzen 
der  starren  Molecüle  bei  erhöhten  Temperaturen,  wo  Ga^e 
durch  dieselben  Undurebgeben.  Dafs  einige  Gase,  namentlich 
Wasserstoff,  Mcht  duroh  Platin  hiadufehgehen  und  andere 
Gase  mr  schwierig,  macht  solche  Holecakr-'Belriichlungen 
um  so  bemerkanswertber. 

Der  Durchgang  vent  Wasserstoff  durch  erhitztes  Platin 
zeigt  sich  am  Eialachsten,  wenn  man  jenes  Gas  durch  das 
Metall  hindurch  in  einen  leeren  Raum  treten  Übt  De  v  i  1 1  e  's 
Veraveh,  bei  welchem  eine  mit  Stichstoff  gefMlte  Plalinröhre 
in  einer  mit  Wasserstoff  gefällten  weiten  PorcoUailrdhre  steh 
befand,  wurde  in  der  Art  abgeändert,  dafis  die  am  euien 
Bade  geseklessene  Platiordhre  aiv  dem  anderen  Ende  mk  der 
Sprengerseben  Rohre  in  Verbindung  gesetzt  wurde,  se 
dafs  der  Wasserstoff  nach  einem  leere»  Räume  statt  nach 
dem  Stickstoff  hin  treten  konnte.  Man  keimte  diantf  leicht 
beobachten ,  dafs  der  mnere  Raum  Aer  Platinröbre  stunden'- 
lang  luftleer  blieb,  wenn  das  det^  rmgfdrmigen  Raum  zwischen 
der  Pfaitin^  und  der  Poreellanröhte  erfiMleadeGas  almoaphä^ 
risebe  Lull  oder  Wasserstoffgas  bei  gewöhnlicher  Temperatur 
war.  Das  Rehrensystem  ging  quer  dureb  einen  Ofen,  und 
der  letztere  wurde  nun  angeheizt:;  es  Uefa  rieh  beobaditen, 
dafs,  wenn  Luft  die  PlatinrSbre  umgab,  das  Vacumn  innerhalb 

3» 


36        Graham f  über  die  Absorption  und  dialytische 

derselben  ungeändert  blieb,  selbst  wenn  die  Temperatur  der 
Röhren  bis  zum  lebhaften  Rothglühen  gesteigert  wurde.  Aber 
wenn  der  ringförmige  Zwischenraum,  welcher  die  Platinröhre 
umgab,  von  trockenem  Wasserstoff  durchströmt  wurde,  so 
begann  das,  bei  allen  Temperaturen  unterhalb  des  dunkelen 
Rothgluhens  dem  Gas  den  Durchgang  nicht  gestattende, 
Platin,  sobald  die  äufsere  Porcellanröhre  zum  sichtbaren  Roth- 
gluhen  erhitzt  war,  Wasserstoff  in  den  inneren  leeren  Raum 
durchzulassen.  In  7  Minuten  saugte  nun  die  Sprengel  'sehe 
Pumpe  15)47  GC.  Gas  ab,  von  welchen,  nach  den  bei  der 
Explosion  mit  Sauerstoff  erhaltenen  Resultaten,  15,27  GC. 
Wasserstoff  waren. 

Bei  einer  Wiederholung  des  letzten  Versuches  wurde 
wiederum  Wasserstoff,  der  mittelst  Schwefelsäure  getrocknet 
war,  im  Uebersohusse  aufsen  um  die  Platinröhre  herum  cir- 
culiren  gelassen.  Nachdem  innerhalb  der  Platinröhre  ein 
Vacuum  hergestellt  war,  betrug  die  von  der  SprengeTschen 
Pumpe  in  der  Kälte,  innerhalb  40  Minuten  abgesaugte  Gas- 
menge nur  ein  Stecknadelkopf- grofses  Volum,  was  beweist, 
wie  dicht  die  Verbindungen  des  ganzen  Apparates  schlössen. 
Während  die  SprengeTsche  Pumpe  fortwährend  in  Thatig- 
keit  war,  wurden  nun  die  Röhren  zum  Rothglühen  und  dann 
aUmälig  zu  einer  dem  Wei£sglühen  nahekommenden  Tem- 
peratur erhitzt«  Das  nun  bei  steigender  Temperatur  inner- 
halb je  5  Hinuten  ausgegebene  Gas  betrug  13;  15,5;  17,4; 
16,9;  18,6 GG.;  diese  Volume  gelten  für  20<)  G.  und  760 MM. 
Quecksilberdruck.  Nach  der  letzten  Beobachtung  gingen  in 
1  Minute  3,72  GG.  Wasserstoff  durch  das  Platin  hindurch. 
Die  angewendete  Platinröhre  war  ohne  Löthiing  hergestellt, 
nämlich  aus  einer  durch  Schmelzen  vereinigten  Platinmasse 
ausgezogen;  sie  war  in  dieser  Beziehung  der  von  Deville 
angewendeten  Röhre  ähnlich.  Die  Röhre  war  0,812  Meter 
lang,  1,1  MM.  diok  und  von  12  MM.  innerem  Durchmesser. 


Scheidung  der  Oase  durch  coUoidale  Seheidewände.    37 

Aber  nnr  ein  etwa  300  MM.  lange»  Stück  der  Rdhre  war 
bei  dieaem  Versuche  zum  RothglQhen  erhitzt.  Die  innere 
Fliehe  des  erhitsten  Theiles  war  also  OfiWG  Quadratmeter 
groTs.  Hiernach  läfst  1  Quadratmeter  erhitztes  Platin  in 
1  Minute  480,2  CC.  Wasserstoff  in  der  Hitze  hindurch.  Dieses 
Resultat  MCst  sieh  mit  dem  Durchgang  von  Gasen  durch  eine 
aus  Caoutchouc  bestehende  Scheidewand  vergleichen.  Unter 
den-  günstigsten  Umstinden,  bei  Anwendung  der  dännen 
Membran  efaies  Caoutchouc- Ballons,  betrug  die  Menge  der 
nach  dem  leeren  Räume  hin  durchgegangenen  Luft  26,5  CG. 
für  1  Quadratmeter  in  1  Minute.  Der  Durchgang  von  Wasser- 
stoff kann  4,8  mal  so  rasch  angenommen  werden,'  als  der  von 
atmosphärischer  Luft,  oder  zu  i27,2  CC.  in  i  Minute.  Aber 
wahrend  die  Dicke  der  Platin-Scheidewand  1,1  MM.  betrug, 
war  die  des  Caoutchöuc-Hdutchens  nur  V70  MM.  Wir  haben 
alsoalsschliefsliches  Resultat  der  Vergleichung  :  Von  Wasser- 
stoffgas gehen  in  1  Minute  durch  eine  1  Quadratmeter  grofse 
und  0,014  MM.  dicke  Scheidewand  aus  Caoutchouc  bei  20^ C. 
127,2  CC,  durch  eine  eben  so  grofse  und  1,1  MM.  dicke 
Scheidewand  aus  Platin  bei  lebhafter  Rothglühhitze  489,2  CC. 
—  Wenn  der  Durchgang  von  Wasserstoff  durch  die  beiden 
Scheidewände  auf  derselben  Wirksamkeit  beruht,  kann  die 
so  beträchtliche  Ueberlegenheit  der  Platin -Scheidewand  als 
mit  der  so  beträchtlich  höheren  Temperatur  derselben  in  Be- 
ziehung stehend  betrachtet  werden? 

Es  bot  Interesse,  aufser  dem  Wasserstoffgas  noch  andere 
Gase  bezuglich  ihres  Vermögens,  durch  erhitztes  Platin  hin- 
durchzugehen, zu  untersuchen.  Die  Versuche  wurden  sämmt- 
lieh  in  gleicher  Weise  und  bei  volter  Rothglühhitze  angestellt. 
Diese  Temperatur  liegt,  wie  bemerkt  werden  mag,  nicht 
weü  von  derjenigen,  bei  welcher  Wasser  und  Kohlensäure 
Iheilweise  zerfallen. 


98        Graham,  iiber  die  Absorption  und  didlytische 

SoM^ratoff  und  Stiqkstoffi  —  Atmotfphäiische  Luft,  welche 
«te  diese  beiden  Gase  reprSsentirend  genommen  werden  kann, 
Uefti  man  jetzt  durch  den  ringförmigen  Ranm  ewischen  den 
beiden  Rohren  circuliren,  wahrend  das  Innere  d^  Platinrdhre 
wie  gewdhnHch  luftleer  erhalten  wurde.  Das  während  einer 
Stunde  bei  anhaltender  Wirkung  der  SprengeTschen  Pumpe 
gesammelte  fiai  betrug  nur  0,3  CC.  Wasserstoff  wörde  in 
derselben  Zeit  211  CC.  gegeben  haben.  Es  ist  zudem  sehr 
zweifelhaft,  ob  diese  unerhebliche,  nur  einen  kleinen  Bruch- 
tbeil  eines  Cubikcentimeters  betragende  Menge  Gas  ganz  durch 
das  Platin  hindurch  gegangen  war;  ein  Theil  oder  das  Ganze 
könnte  durch  die  Verbindungen  des  Apparats  hineingekommen 
sein.  Das  Platm  kann  somit,  selbst  bei  voller  RothglAhhitze, 
nicht  als  bemerkbar  Sauerstoff  oder  Sttchstoff  durchlassend 
betrachtet  werden. 

Kohlensäure.  —  Dieses  Gas  wurde  aus  einer  Flasche 
zugeleitet,  in  welcher  es  durch  die  Einwirkung  von  reiner 
Salzsäure  auf  Marmor  entwickelt  wurde;  es  war  mit  Wasser 
gewaschen  und  vor  seinem  Eintritt  in  die  dufsere  Porcellan- 
röhre  mittelst  Schwefelsäure  getrocknet.  Die  innere  Platin- 
röhre gab  in  ISiner  Stunde  nur  Vio  CC.  Gas  ans,  von  welchem 
wiederum  nur  ein  unbestimmt  kleiner  Theil  durch  Barytwasser 
absorbirt  wurde  und  sich  als  Kohlensäure  auswies.  Der 
Durchgang  der  Kohlensäure  durch  Platin  bei  voller  Roth- 
glühhitze ist  also  unberechenbar  gering. 

Ohlor.  —  Dieses  Gas  wurde  aus  einer,  Manganhyperoxyd 
und  Salzsäure  enthaltenden  Flasche  entwickelt,  mit  Wasser 
gewaschen,  mittelst  Schwefelsäure  ge^ocknet  und  wie  bei 
den  anderen  Versuchen  in  die  Porcellanröhre  eingeleitet,  so 
dafs  es  den  ringförmigen  Zwischenraum  zwischen  den  beiden 
Röbren  erfällte.  Eine  kleine,  mit  Kalkhydrat  gefüllte  Glas- 
röhre war  zwischen  die  Platinröhre  und  die  Sprengel  'sehe 
Pumpe  eingeschaltet,  so  dafs  etwa  durch  das  Platin  hindurch- 


Scheidung  der  Oa$e  durch  coüoidale  Seheidewände.     38 

gedrungenes  Chlor  darin  absorbkrt  werden  muble. .  Nachdem 
die  Plalinröbre  eine  Stande  lan|;  erhilzt  gewesen  war^  wurde 
der  Kalk  auf  einen  Chlorgehalt  untersucht;  aber  er  entUelt 
keine  Spur  Chlor.  Eine  kleine,  0,15  CC.  betragende  Menge 
Gas,  yemutblich  Luft,  wurde  während  dieser  2eit  au^eciam- 
melL  Das  Platin  wird  also  bei  RolhglübhilUe  durch  Chlor 
nicht  in  benMrklicher  Weise  durchdrungen. 

Mittelst  Sebwe£elsiure  getrocknete  QihrwaseerMoffeäure 
wurde  eine  Stunde  lang  durch  die  Porcellanrökre  geleitet 
Etwa  Qy5  CC.  Gas  wurden  aus  der  Platinrdhre  gesammelt,  worin 
weder  Chlorwasserstoffsaure  noch  freier  Wasserstoff  enthalten 
war.  Das  glühende  Platin  lifst  also  Chlorwasserstoffsäure 
nicht  hindurch  und  scheint  auch  dieses  Gas  bei  der  Yer- 
snehsteraperatur  nicht  zum  Zerfallen  in  seine  Elemente  zu 
bringen. 

Waeeerdampf,  —  Bin  Strom  von  Wasserdampf  wurde 
eine  Stunde  lang  durch  die  Porcellanröhre  geleitet  Wahrend 
dieser  Zeit,  wurde  Vt  CC.  Gas  aus  der  Platinröhre  abgesaugt, 
welches  Gas  kanen  Wasserstoff  enthielt  Es  liegt  Nichts 
Yor,  was  darauf  könnte  sohliefsen  lassen ,  dafs  Wasserdampf 
durch  das  Platin  hindurch  gegangen  oder  dafs  er  zersetzt 
worden  wäre. 

Ammoniak.  —  Es  zeigte  sich,  ddfs  von  diesem  Gas  bei 
dem  Durchleiten  desselben  durch  den  erhitzten  ringförmigen 
Zwischenraum  ein  beträchtlich  grofser  Theil  zersetzt  wurde, 
während  zugleich  Wasserstoff  durch  das  erhitzte  Platin  hin- 
durchging. Obgleich  das  Ammoniak  in  beträchtlichem  Ueber- 
schusse  zugeleitet  wurdO;  war  doch  keine  Spur  von  unzer- 
setztem  Ammoniak  neben  dem  freien  Wasserstoff  in  dem 
aus  der  Platinröhre  ausgesaugten  Gas  nachzuweisen.  Wenn 
das  Ammoniak  langsam  entwickelt  wurde,  betrug  die  Menge 
des  in  die  Platinröhre  eintretenden  Wasserstoffs  16,4  CC.  in 
5  Minuten  oder  nahezu  ebensoviel,  wie  wenn  reiner  Wasscr-r 


40        Oraham,  UAer  die  Absorption  und  diafyHsche 

Stoff  durch  den  ringförmigen  Zwischenraom  geleitet  wurde. 
Das  Ammoniak  ist  hiernach  nicht  fähig,  durch  erhitztes  Platin 
hindurchzugehen. 

Steinkohlengas.  —  Als  Stebikohlengas  durch  die  Röhre 
geleitet  wurde,  kamen  in  auf  einander  folgenden  Zeitriumen 
von  je  20  Minuten  folgende  Mengen  Gas  durch  das  Platin  : 
13,3  CC,  5,2  CC.  und  8,8  CC.  Die  erste  Portion  trfibte  nach 
dem  Bxplodiren  mitSau^stoff  nicht  Barytwasser;  die  13,3  CC. 
enthielten  13,16  CC.  Wasserstoff.  Hiernach  war  das  durch- 
gegangene Gas  nur  freier  Wasserstoff,  und  kein  in  dem  Stein- 
kohlengas enthaltenes  kohlenstofliialtiges  Gas  war  fähig,  durch 
das  Platin  zu  gehen.  Kohlenoxids  Sumpfgas  und  'olbädendee 
Oasj  welche  alle  durch  das  Steinkohlengas  reprisentirt 
werden,  sind  also  nicht  fähig,  durch  das  Platin  hindurchzu-* 
gehen. 

Schwefelwasserstoff.  -^  Dieses  Gas  wurde  aus  Schwefel- 
antimon und  Salzsaure  dargestellt,  gewaschen  und  mittelst 
Chlorcalcium  getrocknet,  und  durch  die  äufsere  Porcellanröhre 
geleitet.  Fast  die  ganze  Menge  des  Schwefelwasserstoffs 
wurde  zu  Schwefel  und  Wasserstoff  zersetzt,  und  letzterer 
ging  durch  das  Platin  hindurch,  im  Betrage  von  9  CC.  in 
5  Minuten.  Auch  eine  Spur  Schwefel  Wasserstoff  mag  hindurch- 
gegangen sein,  da  das  Quecksilber  in  der  Sprengel  'sehen 
Pumpe  etwas  verunreinigt  wurde ;  aber  kein  Anzeichen  dieses 
Gases  konnte  in  dem  aufgesammelten  Wasserstoff  wahrge- 
nommen werden.  Hiernach  ist  der  Schwefelwasserstoff  zu 
den  Gasen  zu  rechnen,  welche  durch  das  Platin  nicht  hin- 
durchgehen. 

Die  Resultate  dieser  Versuche  sind  : 

Fftbig  ist,  doroh  eine  Scheidewand  aus  Platin  von  1,1  MM.  Dicke 
bei  ToUer  Rothglfihhitze  hindarcbsogehen  : 

» 

Wasserstoff  (211  GG.  in  der  Stunde). 

Nicht  fähig  sind,  durch  eine  Scheidewand  aus  Platin  Ton  1,1  MM. 
Diche  bei  voller  Roibglübhitee  hindurchzugeben  : 


Seheidung  der  Gase  durch  colhndah  Seheidewände.     4i 

Smientoff  (nooh  nicht  0,2  CO.  in  der  fitonde) 

Stiekftoff  „         „       „  „     „        „ 

Chlorwasserstoflf  ,,  „  „  „  „  „ 

Wagserdampf  „  „  „  „  „  „ 

Kohlensäure  „  „  „  „  „  „ 

Kohlenoxyd  „  „  „  „  „  „ 

Sumpfgas  „  „  „  „  „  „ 

Oelhildendes  Gas  „  «,  „  „  „  ,, 

Schwefelwasserstoff  „  „  „  »>  n  n 

Ammoniak  „  „  „  „  „  „. 

Es  bleibt  noch  za  entdecken,  ob  für  diese  Gase  ein 
Darcbgang  durch  eine  Platin -Scheidewand  dadurch  bewirkt 
werden  kann,  dafs  man  die  Scheidewand  viel  dänner  nimmt, 
oder  dafs  man  bei  ungeänderter  Dicke  der  Scheidewand  die 
Temperatur  viel  höher  sein  läfst.  Ein  trägerischer  Anschein 
von  Dnrchgangsfähigkeit  wird  manchmal  dadurch  veranlafst, 
dafs,  wie  sich  sogleich  ergeben  wird,  das  Platin  manchmal 
selbst  eine  kleine  Menge  Gas  entweichen  lafst,  welches  haupt- 
sächlich ans  Kohlenoxyd  und  Wasserstoff  besteht.  Unzwei- 
deutige Resultate  bezuglich  der  Durchgangsfahigkeit  erhält 
man  deshalb  erst,  wenn  die  Platin^Scheidewand  schon  1  bis 
2  Stunden  lang  erhitzt  gewesen  war. 

Einer  von  den  merkwürdigen  Versuchen  Deville's 
wurde  wiederholt,  bei  welchem  Wasserstoff  nahezu  so  aus 
der  Platinröhre  zu  entweichen  scheint,  wie  dasselbe  Gas  aus 
einem  Graphit  -  Diffusiometer  entweichen  würde;  bei  diesem 
Yersuche  war  die^  Platinröhre  mit  Wasserstoff  angefällt, 
wahrend  der  ringförmige  Zwischenraum  zwischen  der  Platin- 
röbre  und  der  aufseren  Porcellanröhre  mit  atmosphärischer 
Lufk  angefQllt  war.  Bei  der  höchsten  Temperatur  wurde  der 
Zoflols  von  Wasserstoff  in  das  eine  Ende  der  Röhre  abge- 
schlossen, wiUirend  das  andere  Ende  der  Platinröhre  in  Ver- 
binduDg  mit  einer  Barometerröhre  gelassen  wurde,  welche 


in    0  Minuten  Zeit 

n    10 

ff           ff 

ff    20 

ff           ff 

ff    30 

ff           ff 

ff    40 

»           » 

ff    50 

»           ff 

42        Graham j  über  die  Absorption  und  dialy tische 

in  eine  QuecksilberwaTine  eintauchte.  Sofort  beganif  das 
Quecksilber  in  der  Barometerröhre  zu  steigfen,  in  Folgte  des 
Durchgangs  des  Wasserstoffs  durch  die  Wandungen  der 
Plalinröhre  nach  Aufsen;  und  die  letztere  wurde  zuletzt  in 
Folge  des  vollständigen  Bntweichens  des  Wasserstoffs  fast 
luftleer.  Es  betrug  das  Steigen  des  Quecksilbers  in  der 
Barometerröhre  bei  diesem  Versuche  : 

0  MU. 

115  » 

245  ^ 

400  „ 

535  „ 

645  „ 

ff  60    „     „       710  n 

während  der  Luftdruck  zur  Zeit  dieser  Beobachtungen  750  MM. 
Quecksilberhöhe  entsprach.  Der  von  dem  noch  rückständigen 
Gas  ausgeübte  Druck  betrug  also  nicht  mehr  als  40  HM. 
Quecksilberhöhe.  Das  Verhältnifs  zwischen  den  Gasvolumen 
am  Anfang  und  am  Ende  der  Stunde  ist  hier  wie  18;75  zu  1, 
während  bei  einem  Versuche,  wo  Wasserstoff  in  Luft  diffun- 
dirt,  diefs  Verhältnifs  wie  3,8  zu  1  sein  würde.  Ferner  ent- 
hielt das  in  der  Platinrohre  noch  rückständige  Gas  eine 
kleine  Menge  Wasserstoff.  Mittelst  der  SprengeTschen 
Pampe  abgesaugt  betrug  dieses  rückständige  Gas  3^56  CC, 
und  es  bestand  aus 

Stickstoff       8,23  CC. 
Wasserstoff    0»84    „ 

3,66 

Die  in  Betracht  kommende  Gapacität  der  Platinrohre  be- 
trug 113,1  CC,  und  das  bei  dem  Erhitzen  der  Röhre  durch 
Ausdehnung  ausgetriebene  Gas  mafs  in  der  Kälte  39,5  CC.^ 
so  dafs  in  der  heifsen  Platinröhre  73,6  CC.  Gas,  gemessen 
bei  20^  und  unter  760  MM.  Queeksilberdrnck,  zurückblieben. 
Es  wurde  bei  diesen  Versuchen  nöthig  befunden,  den  inner^ 


St^eidung  der  Oase  durch  coUotdale  Scheidewände.     43 

htlb  des  Ofens  befindlichen  und  starkem  Erhitzen  ausgesetz- 
ten Theil  der  Platinrohre  mit  Asbest  auszustopfen,  um  der 
dorch  die  Glähhitze  erweichten  Röhre  eine  Unterstützung 
SU  geben  und  sie  vor  dem  Zusammenfallen  zu  bewahren« 

Es  ist  schwer  zu  sagen,  woher  die  kleine,  3,22  CG.  bei- 
tragende Menge  Stickstoff  eigentlich  herkam,  welche  in  der 
Platinröhre  gefunden  wurde.  Sie  ist  immerhin  noch  zu  be- 
trächtlich, als  dais  man  annehmen  könnte,  sie  wäre, als 
Verunreinigung  in  dem  ursprünglich  angewendeten  Wasser- 
stoffgas enthalten  gewesen,  oder  sie  sei  durch  undichte  Ver- 
bindungen des  Apparats  in  den  leeren  Raum  eingedrungen. 
Dieses  Auftreten  von  Stickstoff  veranlafst  zur  Unter- 
suchung,  ob  dieses  Gas  —  wenn  für  es  anzunehmen  ist,  dafs 
es  nicht  für  sich  allein  durch  Platin  hindurch  in  einen  leeren 
Raum  eindringen  kann  •*-  nicht  die  Fähigkeit  besitze,  dann 
in  kleiner  Menge  durch  Platin  hindurch  zu  gehen,  wenn 
gleichzeitig  Wasserstoff  in  entgegengesetzter  Richtung  durch 
das  Platin  geht  Der  in  der  Platin-Scheidewand  im  flüssigen 
oder  gasförmigen  Zustande  enthaltene  Wasserstoff  gäbe  dann 
das  Uebertragungsmittel  oder  den  Kanal  ab,  dessen  Beihülfe 
dafür  anzunehmen  wäre,  dafs  ein  anderer  analoger  Körper 
wie  Stickstoff,  auf  Grund  der  Diffusion  von  Flüssigkeiten  oder 
Gasen,  in  kleiner  Menge  durch  das  Platin  hindurchgehen 
könne. 

Vermögen  des  PlatinSy  Wasserstoff  zu  abeorbiren  und 
sstrüchzuhaUen.  —  Dem  Durchgang  eines  Gases  durch  eine 
coUoidale  Scheidewand  geht  nach  der  in  dieser  Abhandlung 
dargelegten  Auffassung  die  Condensation  des  Gases  durch 
die  Substanz  der  Scheidewand  vorher.  Ist  nun  eine  erhitzte 
Platinplatte  fähig.  Wasserstoffgas  zu  condensiren  und  zu  ver- 
flössigen? Dieser  Gegenstand  liefs  kaum  auf  andere  Art  ex- 
perimentale  Untersuchung  zu,  als  durch  Anwendung  desselben 
nützlichen  Apparates  zum  Aussaugen   von  Gas,  welcher  für 


44        Oraham^  über  die  Absorption  und  dialytische 

die  Versuche  mit  nicht -metallischen  Golloid-Sobstanzen  an- 
gewendet worden  war.  Die  Versuche  mit  Metalien  wurden 
stets  in  derselben  Weise  ausgeführt,  so  dafs  es  für  alle 
genügt,  die  Binzelnheiten  Eines  Versuches  hier  zu  be- 
schreiben*). 

Platin  in  Draht-  oder  Blattform  wurde  zunächst  von  an- 
hangender fettiger  Substanz  durch  Kochen  mit  ätzendem  Al- 
kali und  dann  mit  destillirtem  Wasser  gereinigt.  Das  Platin, 
im  Allgemeinen  in  Drahtform,  wurde  (vgl.  Fig.  3  auf  Tafel  I) 
dann  in  eine  sowohl  innen  als  aufsen  glasirte  Porcellanröhre 
MN  gebracht,  deren  Lange  0,55  Meter  und  deren  innerer 
Durchmesser  23  HM.  war.  Diese  Röhre  konnte  erhitzt  werden 
entweder  mittelst  eines  Verbrennungsofens,  wie  er  für  or- 
ganische Analysen  angewendet  wird,  oder  indem  sie  quer 
durch  einen  kleinen  cylindrischen  Ofen  gelegt  wurde.  Die 
Porcellanröhre  wurde  an  beiden  Enden  mit  durchbohrten 
Korkstopfen  versehen,  welche  mit  geschmolzener  Gutta-Percha 
gut  verkittet  waren  und  durch  deren  jeden  eine  dünne  Glas- 
röhre hindurchging.  So  war  der  Theil  des  Apparates  einge- 
richtet, welcher  gleichsam  als  'das  Destillations-Gefäfs  be- 
trachtet werden  kann.  Er  war  an  dem  Ende  N  mittelst  einer 
guten  Verbindung^  aus  (nicht  vulcanisirtem)  Caoutchouc  mit 
der  S p r e n g e Tschen  Pumpe  AB  in  Communication,  welche 
zum  Auspumpen  und  zum  Ueberfüllen  des  Gases  benutzt 
wurde,  und  an  dem  anderen  Ende  M  mit  dem  Apparate  zum 
Zuleiten  von  trockenem  Wasserstoff,  atmosphärischer  Luft 
oder  irgend  einem  anderen  Gas.  Mittelst  eines  Quetschhahns 
an  der  Gaoutchouc-Verbindung  bei  M  konnte  die  Röhre  ab- 
geschlossen werden,  und  nach  Wegnahme  des  zur  Zuleitung 


*)  Platin  absorbirt  iu  der  Form  von  Platinschwarz  sein  745  faches 
Volum  Wasserstoffgas.  Trait^  de  ohimie  g^n^rale  par  MM.  Pe- 
loose  et  Fremy  I1I|  898. 


Scheidung  der  Oase  durch  coUöidale  Scheidewände.     45 

TOD  Chis  dienenden  Apparates  blieb  die  Porcellanröhre  am 
einen  Ende  geschlossen.  Eine  Röhre  aus  dem  für  Ver- 
brennungsanalysen angewendeten  schwer-schmelzbaren  Glase 
kann  bei  mehreren  derartigen  Versuchen  an  der  Stelle  der 
Porcellanröhre  genommen  werden.  Ein  geringerer  Hitzegrad 
genügt,  als  zuerst  vermuthet  wurde.  —  Die  Porcellanröhre 
wird  ausgepumpt,  indem  man  die  SprengeTsche  Pumpe 
10  bis  15  Minuten  lang  wirken  läfst,  bis  nicht  mehr  kleine 
Gasblasen  durch  die  Röhre  A  B  in  der  unteren  Quecksilber- 
wanne ausgegeben  werden.  Dafs  die  Verbindungen  genügend 
dichi  sind,  wird  so  zuerst  festgestellt.  Durch  nachberiges 
Erhitzen  der  Porcellanröhre  überzeugt  man  sich  auch  davon, 
daft  sie  bei  Rothglühhitze  kein  Gas  durchlafst.  —  Das  in  die 
Porcellanröhre  gebrachte  Platin  nahm  darin  etwa  Vs  des 
mittleren  Theiles  der  Röhre  ein,  wo  es  ohne  Schwierigkeit 
erhitzt  werden  konnte.  Der  Apparat  gewahrt  olTenbar  die 
Mittel,  sowohl  das  Platin  im  leeren  Räume  als  auch  in  einer 
Atmosphäre  von  VITasserstoff  oder  von  einem  anderen  Gas 
zu  erhitzen,  welches  man  in  das  Innere  der  Porcellanröhre 
bei  M  eintreten  liefs. 

Oeachmolzenes  Platin,  —  Aus  Platin  gearbeitete  Geräth- 
schaften  werden  jetzt  ausschliefslich  aus  geschmolzenem 
Metall  angefertigt. 

i)  Eine  Quantität  reinen  Platindrahts  aus  geschmolzenem 
Metall,  0,695  Meter  lang,  4,1  MM.  Dick  und  201  Grm.  wiegend, 
wurde  zusammengebogen  und  in  die  Porcellanröhre  gebracht, 
welche  dann  luftleer  gemacht  wurde.  Das  Platin  wurde  zu- 
nächst eine  Stunde  lang  für  sich  erhitzt,  um  alle  etwa  von 
ihm  auszugebenden  gasförmigen  Producte  auszutreiben,  und 
dann  wurde  trockenes  VITasserstoffgas  in  die  Porcellanröhre 
eingelassen,  welches  aus  reiner  Schwefelsaure  mittelst  reinen 
Zinks  entwickelt  war.  Ein  Ueberschufs  von  Wasserstoff 
wurde  bei  Kirschroth-Gluhbitze  in  die  Porcellanröhre  einge- 


46        Oraham^  über  die  Absorption  und  dicdytische 

leitet,  und  dann  liefs  man  die  Temperator  allmilig  sinken  : 
ein  Verfahren ,  welches  als  die  Absorption  des  Gases  begün-* 
stigend  befanden  wurde.  Das  Platin  wurde  aof  diese  Art 
etwa  20  Minuten  lang  in  einer  Wasserstoff-Atmosphäre  er-- 
halten,  theilweise  bei  einer  Dunkelroth-Glähhitze  übersteigen- 
den und  theilweise  bei  einer  unter  derselben  liegenden 
Temperatur,  zuletzt  bei  der  niedrigeren  Temperatur.  Nach- 
dem das  Feuer  weggenommen  und  die  Röhre  erkaltet  war, 
wurde  Luft  oder  Stickstoff  durch  sie  geleitet  und  aller  freier 
Wasserstoff  auf  diese  Art  aus  dem  Apparat  ausgetrieben. 

Die  geschlossene  Röhre  wurde  nun  in  der  Kälte  ausge- 
pumpt, aber  das  aus  ihr  austretende  Gas  enthielt  keinen 
Wasserstoff.  Wahrend  in  der  Porcellanröhre  noch  ein  gutes 
Vacuum  erhalten  blieb,  wurde  sie  wiederum  allmalig  erhitzt 
und  die  SprengeTsche  Pumpe  wirken  gelassen.  Zugleich 
mit  dem  ersten  sichtbaren  Erglühen  begann  Gas  ausgegeben 
zu  werden.  Wahrend  die  Porcellanröhre  zum  Rothglühen 
erhitzt  war,  wurden  in  einer  Stunde  2,i2  CC.  Gas  aufge- 
sammelt, davon  etwa  ein  Dritttheil  in  den  ersten  10  Minuten. 
Dieses  Gas  ergab  sich,  durch  Explosion  mit  Sauerstoff,  als 
bestehend  aus  : 

Wasserstoff  1,93    CG. 

Stickstoff  0,19      „ 

Nehmen  wir  nun  das  specifische  Gewicht  des  Platins  zu 
21,5  an,  so  ist  das  Volum  der  201  Grm.  Metall  9,34  CC. 
Hiernach  hielt  1  Vol.  Platin 

0,207  Vol.   Wasserstoff 

absorbirt,  das  Gas  in  der  Kälte  gemessen.  —  Das  Platin  war 
dadurch,  dafs  es  Wasserstoff  aufgenommen  hatte,  in  seiiMm 
Glans  oder  in  irgend  anderer  Beaiebasg  nicht  benerkliok 
verändert. 

2)  Dasselbe  Stuck  Platindraht  wurde  zu  dam  Vierfachen 
yon  seiner  urstwünglichen  Länge  aasgeaegen'  nnd  der  Versoab, 


Scheidung  der  Oase  durch  coüotdale  Scheidewände.     ^ 

es  mil  Wasserstoff  zu  beladen ,  wiederholt.  Das  Platin  gab 
bei  Rothglahhitze,  welche  man  eine  Stande  lang  andauern 
liers,  1,8  CG.  Gas,  wovon  1,6  CG.  Wasserstoff  waren.  Hier'^ 
nach  hatle  1  Vol.  Platin 

0,171  Vol.   Wasseratoff 

znräckgehahen.  Die  Absorption  des  Wasserstoffs  war  durch 
Vergröfsernng  der  Oberflache  des  Metalls  nicht  gesteigert 
worden. 

In  zwei  anderen  Versuchen  mit  demselben  Platindralit 
war  das  Yolam  des  von  1  Vol.  Platin  zurückgehaltenen 
Wasserstoffs  : 

3)  0,173  GC.  Wasserstoff; 

^)  0,128    „ 

Offenbar  zeigt  sich  hier,  was  die  Menge  des  aufge- 
nommenen Wasserstoffs  betrifft,  eine  Neigung,  dafs  sie  kleiner 
werde.  Für  die  Vergleichung  dieser  Versuche  mit  den 
früher  bezuglieh  des  Durchgangs  von  Wasserstoffgas  durch 
eine  Platm-'Scheidewand  angestellten  war  es  vortheilhaft,  dafs 
der  hier  benutzte  Draht  und  die  zu  jenen  Versuchen  ange- 
wendete Röhre  aus  derselben  Masse  geschmolzenen  Platins 
angefertigt  waren.  Diesem  Platin  war  kein  Iridium  zugesetzt 
worden,  wie  man  es  manchmal  zur  Vergröfsernng  der  Ela- 
sÜeMI  des  ttetalles  thut.  Die  Absorption  von  Wasserstoff 
ist  nur  gering;  sie  belauft  sich  im  Mittel  der  4  Beobachtungen 
auf  17  p€.  von  dem  Volume  des  Platins.  Bei  der  der  Dunkel- 
rolh-GlQhhitze  entsprechenden  Temperatur,  bei  welcher  die 
Absorption  statt  hatte,  wfirde  das  Gas  beträchtlich,  bis  auf 
das  Dreifache  des  eben  angegebenen  Volumes  ausgedehnt 
sein  md  etwa  51  pC.  oder  die  Hälfte  von  dem  Volum  des 
Platins  betragen.  Es  ist  in  Betracht  zu  ziehen,  ob  die  Ab- 
sorption des  halben  Volums  an  Gas  dafür  hinreichend  sein 
mdge,  den  beobachteten  Durchgang  durch  eine  1,1  MM.  dicke 
Platfai-Scfaeidewan^  erkliren  zu  lassen.     Die  Data  scheinen 


48  Oraharriy  über  die  Absorption  und  dialytisehe 

einer  bejahenden  Schlufsfolgerang  günstig  zu  sein;  aber  ea 
lafst  sich  nicht  mit  Bestimmtheit  angeben,  welcher  Werth 
ihnen  zukommt. 

Das  stellt  sich  heraus,  dafs  für  das  Platin  eine  neue 
Eigenschaft  anzuerkennen  ist  :  ein  Vermögen,  bei  Rothglüh- 
hitze Wasserstoff  zu  absorbiren  und  dieses  Gas  bei  einer 
Temperatur  unterhalb  der  Rotbglühhitze  unbestimmt  lange 
Zeit  zurück  zu  halten.  Es  mag  zulassig  sein,  dieses  Vermögen 
als  eines,  Wasserstoff  einzuschliefsen  (occludere),  zu  bezeich- 
nen, und  die  Wirkung  als  die  Occlusion  des  Wasserstoffs 
durch*  Platin. 

Die  Versuche  wurden  noch  ausgedehnt  auf  Platin  in 
anderen  Formen  dieses  Metalles;  aber  es  ist  zu  bemerken, 
dafs  für  diese  Versuche  nicht  geschmolzenes  sondern  nur 
zusammengeschweifstes  Metall,  welches  auch  schon  vor 
längerer  Zeit  dargestellt  war,  angewendet  wurde. 

5)  Von  dem  grauen  pulverigen  Platinschwamm,  wie 
man  ihn  aus  dem  Ammoniumplatinchlorid  erhalt,  wurden  22,2 
Grm.  mittelst  des  Verbrennungsofens  erhitzt  und  eine  halbe 
Stunde  lang  allmalig  in  trockenem  Wasserstoffgas  erkalten 
gelassen,  ganz  so  wie  bei  den  vorhergehenden  Versuchen^ 
Das  Volum  des  Platins  berechnet  sich  zu  1,032  CC.  Bei 
einem  ersten  Versuche  gab  es  erhitzt  und  der  Einwirkung 
der  Sprengel'schen  Pumpe  unterworfen  2,2  CC.  eines 
Gases,  welches  wie  Wasserstoff  brannte.  Bei  einem«zweiten 
Versuche  gab  das  Platin  in  einer  Stunde  (zu  welcher  Zeit 
es  Nichts  mehr  zu  enthalten  schien)  1,7  CC.  Gas,  welches 
durch  Explosion  als  aus  1,52  CC.  Wasserstoff  und  0,18  CC. 
Stickstoff  bestehend  befunden  wurde.  Hier  zeigte  sich  also 
1  Vol.  schwammförmiges  Platin  fähig,  1,48  Vol.  Wasserstoff 
einzuschliefsen. 

6)  Bearbeitetes  Platin,  in  der  Form  einer  Platte  aus 
einem  aufgeschnittenen  alten  Tiegel,  wurde  nach  dem  Waschen 


Scheidung  der  Gase  durch  coüotdale  Scheidewände,    49 

und  Glühen  dreimal  mit  Wasserstoff  beladen.  Das  Gewicht 
des  Platins  war  24,1  Grm.  und  das  Volum  1,12  CC.  Es  gab  in 
75  Minuten  4,19  CC.  Gas ,  und  in  weiteren  30  Minuten  noch 
1,5  CC,  also  zusammen  5,69  CC,  in  welchen  4,94  CC. 
Wasserstoff  gefunden  wurden ;  die  Temperatur  war  14,2^  der 
Barometerstand  760  MM.  Nicht  eine  Spur  Kohlensäure  wurde 
in  dem  Gas  gefunden,  weder  vor  noch  nach  der  Explosion. 
Nach  einer  zweiten  Beladung  des  Platins  gab  es  in  einer 
Stunde  5,12  CC.  Gas,  von  welchen  4,4  CC.  Wasserstoff  waren; 

• 

und  letztlich  in  einer  Stunde  3,76  CC.  Gas,  worin  3,42  CC. 
Wasserstoff.  Es  waren  also  hier  durch  1  Vol.  Platin  ein- 
geschlossen : 

6,58   Vol.  Wassentoff 
4,93     «         ,         » 
8,83      „  »  •       n 

Das  Volum  des  eingeschlossenen  Wasserstoffs  ist  hier 
viel  gröfser,  als  es  bei  dem  geschmolzenen  Platin  und  selbst 
bei  dem  schwammförmigen  Platin  gewesen  war.  Es  zeigt 
eine  Neigung,  bei  Wiederholung  des  Versuches  herabzugehen. 
Diese  Abnahme  in  dem  Absorptionsvermögen. mag  möglicher- 
weise mit  der  Verkürzung  der  Zeit  zusammenhangen,  während 
welcher  das  Metall  bei  dem  Abkühlen  der  Einwirkung  des 
Wasserstoffs  ausgesetzt  war. 

7)  Bearbeitetes  Platin,  welches  vor  vielen  Jahren  in  die 
Form  einer  kleinen  Bohre  von  64,8  Grm.  Gewicht,  0,322 
Heter  lange  und  5  MM.  Durchmesser  gebracht  worden  war, 
wurde  in  drei  gleich  lange  Stücke  zerschnitten,  um  das 
Metall  in  die  Porcellanröhre  bringen,  darin  erhitzen  und  mit 
Wasserstoff  beladen  zu  können.  Bei  einstündigem  Aus- 
pampen gab  dann  das  Platin  9,2  CC.  GaS;  worin  8,9  CC. 
Wasserstoff.  Das  Volum  des  Platins  selbst  betrug  3,9  CC; 
und  1  Vol.  Metall  hatte  also  2,28  Vol.  Wassserstoff;  bei  etwa 
20^  C.  gemessen,  eingeschlossen.     Bei  allen  solchen  Ver- 

Aanal.  d.  Ohem.  u.  Pharm.  V.  Sapplementbd.  1.  Heft.  4 


50        Orahatn^  über  die  Absorption* und  dialy tische 

suchen  wurde,  aofser  dem  dafs  der  freie  Wasserstoff  durch 
Luft  ausgetrieben  wurde,  der  Apparat  auch  mittelst  der 
Sprengel'scben  Pumpe  in  der  Kälte  vollkommen  ausge- 
pumpt, bevor  der  eingeschlossene  Wasserstoff  herausgezogen 
wurde. 

Der  Glanz  und  das  aufsere  Ansehen  des  metallischen 
Platins  Wurde  durch  die  Aufnahme  von  Wasserstoff  nicht 
abgeändert ;  aber  nach  dem  Wiederaustreten  des  eingeschlosse- 
nen Gases  war  die  Farbe  des  Platins  weifser  geworden  und 
seine  Oberfläche  mit  kleinen  Blasen  bedeckt. 

Bei  Wiederholung  des  Versuches  betrug  das  durch  ein- 
stundiges Aussaugen  erhaltene  Gas  8,7  GG.,  worin  8,46  GG. 
Wasserstoff.  Hier  hatte  also  das  Metall  sein  2,8  faches 
Volum  Wasserstoff  eingeschlossen. 

Dasselbe  Platin  wurde  noch  ein  drittes  Mal  mit  Wasser- 
stoff beladen;  aber  bei  diesem  Versuche  befand  sich  das 
Platin  in  einer  Röhre  von  schwer-schmelzbarem  Glase,  welche 
mit  der  Sp r eng el'schen  Pumpe  verbunden  war.  Die  Glas- 
röhre wurde  in   einem  Oelbad    erhitzt   und   dai^  Platin  eine 

■ 

Stunde  lang  im  leeren  Räume  bei  220^  C.  erhalten.  Nicht  eine 
Gasblase  wurde  entwickelt.  Die  Glasröhre  wurde  nachher 
mittelst  eines  kleinen  Bunsen 'sehen  Brenners  erhitzt,  welcher 
so  gewählt  war,  dafs  er  einen  nur  wenig  unter  sichtbarer 
Rothglühhitze  liegenden  Hitzegrad  gab ;  noch  trat  kein  Wasser-- 
Stoff  aus.  Die  Röhre  wurde  nun  hinreichend  stark  erhitzt, 
um  Glas  zu  erweichen  (500^) ;  Gas  begann  nun  sich  zu  ent- 
wickeln, von  welchem  in  10  Minuten  1,8  CG.  gesammelt 
wurden,  worin  1,72  CG.  Wasserstoff.  Da  das  Glasrohr  einen 
Sprung  bekam,  liefs  man  den  ganzen  Apparat  erkalten  und 
brachte  das  Platin  in  eine  Porcellanröhre.  Bei  weiterem  ein- 
stundigem Erhitzen  mittelst  eines  Verbrennungs- Ofens  gab 
das  Platin  8,6  GG.  Gas  aus,  von  welchen  8,2  CG.  Wasser- 


Scheidung  der  Oase  durch  coUaidale  Scheidewände,    51 

Stoff  waren.    Hiernach  hatte  das  Platin  sein  3,79  faches  Volum 
Wasserstoff  eingeschlossen. 

Nach  dem  vorhergehenden  Versuche  ist  zu  schliefsen, 
dafs  der  eingeschlossene  Wasserstoff  bei  niedrigen  Tempera- 
turen gleichsam  luftdicht  verwahrt  ist ,  sofern  nämlich ,  ob- 
{gleich  das  Platin  nahezu  sein  4faches  Volum  eingeschlossen 
enthielt,  doch  unterhalb  der  Rothglühhitze  kein  Gas  austrat. 
Aber  um  den  Einflufs  der  Zeit  bei  gewöhnlicher  Lufttempera- 
tur zn  untersuchen,  wurde  dasselbe  Platin,  nochmals  mit 
Wasserstoff  beladen,  in  eine  Glasröhre  luftdicht  eingeschmolzen, 
welche  es  nahezu  ausfüllte,  und  diese  erst  nach  zwei  Monaten 
geöffnet.  Die  Luft  in  der  Röhre  wurde  dann  übergefüllt 
und  untersucht.  Sie  erlitt  bei  Einwirkung  electrischer  Funken 
oder  eines  Kögelchens  aus  Platinschwamm  keine  Volum- 
verminderung. Die  Luft  enthielt  hiernach  keinen  Wasserstoff ; 
der  letztere  war  nicht  von  dem  Platin  weggegangen,  sondern, 
wie  anzunehmen  ist,  noch  seiner  ganzen  Menge  nach  von 
dem  Platin  zurückgehalten.  Diese  Versuche  waren,  wenn 
sie  hier  auch  zuletzt  beschrieben  wurden,  die  bei  dieser 
Untersuchung  zuerst  angestellten.  ,  Der  eingeschlossene 
Wasserstoff  wurde  niemals  innerhalb  einer  Stunde  vollständig 
ausgezogen,  und  seine  Menge  ist  vermuthlich  zu  gering  an- 
gegeben. Das  Gas  ging  immer  nur  allmalig  weg,  mehr  als 
die  Hälfte  des  GaiTzen  in  den  ersten  20  oder  30  Minuten. 
Die  zuletzt  besprochenen  Resultate  lassen  sich  zusammen- 
fassen : 

1  Vol.  gehämmertes  Platin  soblo/li  ein  2,28  Vol.  Wasserstoff 

II        11  «  I»  »  »        *|OV       D  }| 

V        II  1»  »  »  »       «»'•       •  « 

Daa  beträchtliche  Absorptionsvermögen  des  gehämmerten 
Platins,  oder  vielmehr  das  geringe  Absorptioosvermögen  des 
geichmobenen  Metallea  wurde  dem  Umstände  zugeschrieben, 
dafs  beide  mecbantsch  verschieden  sind  :  dem  ersteren  nam- 


52  Orahatn^   über  die  Absorption  und  dialy tische 

lieh  eine  geöffnetere  Textur  zukommt,  welche  dem,  vielleicht 
verflässigten  Wasserstoff  freieren  Zutritt  in  das  Innere  des 
Metalies  gestattet, 

8)  Dafür,  dafs  der  vom  Platin  eingeschlossene  Wasser- 
stoff aus  demselben  frei  gemacht  werden  könne,  war  immer 
eine  der  Rothgiühhitze  nahe  kommende  Temperatur  nöthig 
gewesen,  auch  wenn  die  Herstellung  eines  leeren  Raumes 
mitwirkte;  und  diefs  bleibt  gültig  für  Wasserstoff,  welcher 
ursprünglich  bei  Rothglühhitze  oder  bei  einer  nahekommenden 
Temperatur  absorbirt  worden  war.  Aber  die  Thatsache 
scheint  vereinbar  zu  sein  damit,  dafs  Wasserstoff,  unter  dem 
gewöhnlichen  Luftdruck,  bei  beträchtlich  niedrigerer  Tempe- 
ratur absorbirt  wird.  Dünne  Piatinfolie  wurde  zuerst  von 
etwas  in  ihr  bereits  enthaltenem  Gas  durch  Glühen  in  der 
Porcellanröhre  im  leeren  Räume  befreit.  Dann  wurde  diese 
Platinfolie  in  eine  Glasröhre  gebracht,  in  einem  Strome  von 
Wasserstoffgas  in  einem  Oelbad  drei  Stunden  lang  auf  eine 
230^  C.  nicht  übersteigende  Temperatur  erhitzt  und  in  einer 
Atmosphäre  desselben  Gases  einige  Stunden  lang  alimalig 
erkalten  gelassen.  Eine  zweite  Glasröhre,  in  welche  die 
Platinfolie  gebracht  worden  war,  wurde  wie  gewöhnlich  bei 
20^  ausgepumpt,  ohne  dafs  sich  Wasserstoff  in  bemerklicher 
Menge  entwickelt  hatte.  Ahet  als  alicb  noch  zum  Rothglühen 
erhitzt  wurde,  wurden  in  20  Minuten  (doch  fast  die  ganze 
Menge  in  den  ersten  7  Minuten)  0,75  CG.  Gas  ausgegeben, 
wovon  0,56  CG.  Wasserstoff  waren.  Das  Volum  von  8,3  Grm. 
Platin  ist  0,385  CG.  Hiernach  hatte  1  Vol.  Platinfolie  in 
3  Stunden  1,45  Vol.  Wasserstoff  bei  230^  aufgenommen. 

9)  Dieselbe  Menge  Platinfolie  wurde  abermals  mit  Wasser- 
stoff 3  Stunden  lang  bei  noch  niedrigerer  Temperatur,  näm- 
lich zwischen  97  und  100^,  beladen.  Bei  nachherigem  Aus- 
pumpen bei  Rothglühhitze  gab  nun  das  Platin  in  35  Minuten 
0,5  CG.  Gas  aus,   wovon  0,3  CG.  Wasserstoff  waren.    Es 


Scheidung  der  Oase  durch  coüo^Uiale  Scheidewände.     53 

hatte  also  1  Vol.  Platinfolie  bei  100^  0,76  Vol.  Wasserstoff 
aufgenommen. 

Hiernach  verhält* sich  das  Platin  dem  Palladinm  ähnlich, 
welches  unter  allen  Metallen  im  höchsten  Grade  das  Vermögen 
besitzt,  Wasserstoff  zu  absorbfren. 

Palladium, 

In*  den  letzten  Jahren  ist  das  Palladium  verhältnifsmäfsig 
selten  geworden,  und  es  kostete  zuerst  einige  Mühe,  mehr 
als  1  oder  2  Grm.  von  diesem  Metalle  in  der  Form  dünner 
Folie  zu  erhalten.  Die  zuerst  angewendete  Palladiumfolie 
wog  1,58  Grm.  und  ihr  Volum  betrug  0,133  CC,  wenn  man 
das  spec.  Gewicht  des  Metalls  =  11,86  annimmt;  die  Ober*- 
flache  betrug  0,00902  Quadratmeter.  Sie  gab,  wenn  im  leeren 
Räume  eine  Stunde  lang  erhitzt,  1,50  CC.  bereits  absorbirtes 
Gas  aus,  welches  keine  Kohlenstoff- Verbindung  enthielt, 
sondern  aus  Wasserstoff  und  Luft  bestand. 

i)  Da  vorläufige  Versuche  darauf  schliefsen  liefsen,  dafs 
die  Occlusion  von  Wasserstoff  durch  Palladium  ein  schon 
bei  verhältnifsmäfsig  niedriger  Temperatur  vor  sich  gehendes 
V^änomen  sei,  so  wurde  das  Metall  in  Wasserstoff  nicht 
höher  als  bis  zu  245^  C,  in  einem  Oelbad^  erhitzt  und  sehr 
langsam  erkalten  gelassen,  so  dafs  es  durch  noch  niedrigere 
Temperaturen  hindurchging,  welche  der  Absorption  von  Wasser- 
stoff günstig  sein  mochten.  Als  dann  das  Metall  in  die  Glas- 
röhre gebracht  worden  war,  in  welcher  das  absorbirte  Gas 
wieder  frei  gemacht  werden  sollte,  trat  bei  17,8^  C.  im  leeren 
Raum  kein  Gas  auf;  aber  sowie  der  Verbrennungs- Ofen  in 
Brand  gesetzt  wurde,  entwickelte  sich  sofort  Gas.  Von  der 
ersten  aufgesammeilen  Portion,  11,77  CC,  bestanden  11,74  CC. 
aus  Wasserstoff.  Die  Gasentwickelung  war  nach  15  Minuten 
beendet;  69,92  CC.  Gas  wurden  gesammelt,  wovon  der 
gröfsere  Theil  in  den  ersten   10  Minuten.     Das  Palladium 


54        Graham^  über  die  Abearption  und  dialt/tische 

hatte  ako  ein  sehr  betrichlliches  Volum  Gas  aufgenommen, 
bei  einer  Temperatur,  welche  niemals  245^  C.  überstieg  : 
1  Vol.  Palladium  schlofs  526  Vol.  Wasserstoff  ein. 

2)  Bei  einem  ähnlichen  Versuche  wurde  die  Absorptions- 
temperatur mit  gutem  Erfolge  noch  niedriger  gehalten.  Das 
Palladium  wurde  der  Einwirkung  des  Wasserstoffs  3  Stunden 
lang  bei  90  bis  97^  C.  ausgesetzt  und  dann  in  dem  Gase 
1  V2  Stunde  lang  abkühlen  gelassen.  Als  es  jetzt  in  ein 6 
Glasröhre  gebracht,  diese  ausgepumpt  und  mittelst  einer  Gas- 
flamme erhitzt  wurde,  gab  das  Palladium  wahrend  12  Minuten 
einen  anhaltenden  Gasstrom  aus,  welcher  dann  aufhörte. 
Das  Gas  betrug  85,56  CG.  und  enthielt  96,8  pC.  Wasserstoff; 
die  Temperatur  war  17,5^  der  Barometerstand  764  HM. 
1  Vol.  Palladium  hatte  643,3  Vol.  Wasserstoff  eingeschlossen. 

Der  zu  diesen  Versuchen  angewendete  Wasserstoff  war 
durch  meinen  Assistenten,  Herrn  W.  C.  Roberts,  mit  der 
gröfsten  Sorgfalt  gereinigt  worden,  indem  er  nach  einander 
durch  Alkohol,  Wasser,  Aetzkali  und  durch  Röhren  von  je 
0,7  HM.  Länge  geleitet  wurde,  welche  Glasstücke  enthielten, 
die  mit  salpetersaurem  Blei,  schwefelsaurem  Silber  und  Vi- 
triolöl  du:  htrankt  waren.  Das  Gas  war  geruchlos  und  branntP 
mit  einer  kaum  sichtbaren  Flamme.  • 

Es  zeigte  sich  keine  Aenderung  in  dem  metallischen 
Aussehen  der  Palladiumfolie,  je  nachdem  sie  mit  Wasserstoff 
beladen  war  oder  denselben  wieder  abgegeben  hatte.  Die 
Folie  war  sehr  zusammengeknittert  und  nach  wiederholter 
Verwendung  zu  Versuchen  ziemlich  bruchig;  aber  diefs 
konnte  davon  herrühren,  dafs  sie  so  oft  gehandhabt  worden  war. 

3)  Das  Palladium  absorbirt  Wasserstoff  in  reichlicher 
Menge  selbst  schon  bei  gewöhnlichen  Temperaturen,  voraus- 
gesetzt, dafs  das  Metall  vorher  im  leeren  Räume  zum  Glühen 
erhitzt  gewesen  war.  Als  die  Folie  ohne  diese  vorgängige 
Behandlung  mehrere  Stunden  lang  in  einer  mit  reinem  Wasser- 


Scheidung  der  Oase  durch  coüotdede  Scheidewände,    5S 

stofffuft  gefBIllen  Flasche  Terweilt  hatte,  gab  sie  bei  nach* 
herigem  Glühen  in  dem  mittelst  einer  SprengeTschen 
Pumpe  hervorgebrachten  leeren  Räume  Nichts  ans.  Als  aber 
die  FoKe  sofort  nach  dem  Abkühlen  in  eine  mit  Wasserstoff- 
gas gefüllte  Stöpselflasche  gebracht  worde  und  in  derselben 
eine  Nacht  hindurch  verblieb,  halte  Absorption  stall;  bei  dem 
Lüften  des  Stöpsels  drang  Luft  ein,  wie  in  einen  luftver- 
dünnten  Ranm ;  die  Temperatur  war  19^  Als  die  Palladium- 
folie  nachher  in  eine  Glasröhre  gebracht  und  diese  mit  der 
Spreng  ersehen  Pumpe  verbunden  wurde,  zeigte  sich 
wahrend  einiger  Zeit  eine  Schwierigkeit,  einen  leeren  Raum 
zu  erhalten,  deshalb  weil  Wasserstoff  schon  bei  der  Luft- 
temperatur austrat.  Aber  nachdem  ein  gutes  Vacuum  her- 
gestellt war,  wurden  6,96  CC.  Gas  gesammelt,  von  welchen 
6,78  CC.  als  Wasserstoff  befunden  wurden.  Dann  wurde 
erhitsi,  und  nun  wurden  in  5  Minuten  42  CC.  Gas  ausge- 
geben,  so  dafs  im  Ganzen  mehr  als  50  CC.  oder  das  376- 
fache  Yolum  an  Gas  von  dem  Palladium  aufgenommen  gewesen 
war.  Die  Wasserstoff- Absorption  ist  also  bei  niedriger 
Temperatur  eine  geringere,  wenn  nicht  die  Beschaffenheit 
des  Metalls  sie  begünstigt.  Auch  die  Wirkung  von  reinem 
Platinblech,  die  Verbrennung  von  Knallgas  einzuleiten,  ist 
bei  niedriger  Temperatur  eine  unsichere. 

4)  Eine  andere  Parthie  Palladium-Folie,  deren  Gewicht 
5,76  Grm.  und  deren  Volum  0,485  CC.  war,  wurde  wieder- 
holt nil  Wasserstoff  beladen  und  dann  der  letztere  wieder 
eatzogen.  Bei  dem  zweiten  Versuche  wurde  die  Folie  3 
Stunden  lang  in  Wasserstoff  auf  100^  erhitzt.  Bei  nach- 
herigem  Erhitzen  derselben  in  einer  PorceUanröhre  zum 
Rothglühen  und  Auspumpen  in  gewöhnlicher  Weise  ergab 
sich,  dafs  das  Palladium  bei  100^  sein  347,7  faches  Volum 
(gemessen  bei  18,2^  und  unter  756  MM.  Druck)  Wasserstoff 
absorbirl  hatte. 


56        Graham,  über  die  Absorption  und  dialytisehe 

5)  Eine  so  beträehtlicbe  Absorption  von  Wasserstoff 
mäfste,  ungeachtet  de^geringen  specifischen  Gewichtes  dieses 
Gases,  doch  das  Gewicht  des  Palladiams  in  merklicher  Weise 
vergröfsern.  1  Liter  oder  1000  CC.  Wasserstoff,  bei  0^  und 
unter  760  HM.  Druck,  wiegen  0,0896  Grm.  Von  neuer 
PalIadium*Folie,  vermuthlich  aus  gesehmohenem  Metall,  nehmen 
5,9516  Grm.  an  Gewicht  auf  5,9542  oder  um  0,0026  Grm. 
zu,  als  das  Metall  4  Stunden  lang  bei  100^  mit  Wasserstoff 
beladen  wurde.  Diese  Gewichtszunahme  entspricht  nur  29,01  GC. 
Wasserstoff  bei  0^  und  unter  760  MM.  Druck.  Das  nachher 
wirklich  von  dem  Palladium  weggenommene  Gas  betrug  nicht 
mehr  als  34,2  GC.  bei  19^  und  758  HM.  Druck,  entsprechend 
31,84  CC.  bei  (fi  und  760  MH.  Druck.  Die  ganze  Menge 
des  abgesaugten  Gases  (das  68  fache  Volum   von  dem  des 

• 

Metalls)  ergab  sich  hier  ungewöhnlich  klein,  aber  sie  ent- 
spricht nahe  genug  dem  aus  der  Gewichtszunahme  des  Pal- 
ladiums sich  berechnenden  Volum.  Bei  dem  Palladium  wie 
bei  dem  Platin  wird  das  Absorptionsvermögen  für  Wasser- 
stoff durch  die  Schmelzung  des  Metalles  verringert. 

6)  Für  eine  Quantität  ahnlicher  PaUadium-FoIie,  welche 
mit  Wasserstoff  beladen  war,  ergab  sich  die  Menge  des  ein- 
geschlossenen Gases  nach  42  stündigem  Liegen  an  der  Luft 
von  20,7  CC.  auf  16,2  CC.  verringert.  Hiernach  ist  anzu- 
nehmen, dafs  der  verflüssigte  Wasserstoff,  mag  er  nun  durch 
die  Substanz  des  Metalls  oder  in  den  Poren  desselben  zurück- 
gehalten sein,  bei  gewöhnlicher  Lufttemperatur  langsam  ab- 
dunstet; die  Temperatur  war  19®,  der  Barometerstand  752  MH. 

7)  Als  schwammiges  Palladium,  durch  Glühen  der  Cyan- 
Verbindung  erhalten,  in  Wasserstoffgas  auf  200®  erhitzt  worden 
und  in  demselben  Gas  4  Stunden  lang  erkalten  gelassen  war, 
ergab  sich ,  dafs  das  Metall  sein  686  faches  Volum  Wasser- 
stoff aufgenommen  hatte. 


Scheidung  der  Gase  durch  collotdale  Scheidewände.    57 

Bei  ähnlicher  Bebandlungp  mit  almospharischer  Luft  zeigte 
das  schwammige  Palladium  kein  Absorptionsvermögen  für 
SauerstolDP  oder  Stickstoff. 

Der  in  Palladiam-Schwamm  oder  Palladium-Folie  con- 
densirte  Wasserstoff  zeigt  sich  mit  gesteigerten  chamischen 
Verwandtschaften  begabt.  Als  solches  Palladium  in  verdünnten 
Lösangen  der  folgenden  Substanzen  24  Stunden  lang  im 
Dunkeln  bei  gewöhnlicher  Temperatur  sich  befand,  war  die 
Wirkung  des  eingeschlossenen  Wasserstoffs  zu  beobachten  : 

Eisenoxydsalze  wurden  zu  Eisenoxydulsalzen. 

Ferridcyankalium  wurde  zu  Ferrocyankalium.- 

In  Wasser  absorbirtes  Chlor  wurde  zu  Chlorwasserstoff. 

In  Wasser  gelöstes  Jod  wurde  zu  Jodwasserstoff*). 
Abgesehen  von  dem  Wasserstoff  zeigt  das  schwamm- 
förmige  Palladium  ein  besonderes  Auswählungs-  und  Absorp- 
tionsvermögen für  Alkohol  vor  dem  für  Wasser.  30  Grm. 
solchen  Schwammes  wurden  mit  9,5  CC.  verdünnten  Alkohols 
von  0,893  spec.  Gew.  51  Stunden  lang  in  einer  zugeschmolzenen 
Glasröhre  in  Berührung  gelassen ;  die  bis  auf  3,9  CC.  abge- 
gossene überstehende  Flüssigkeit  besafs  nun  das  spec.  Gew. 
0^901,  wahrend  der  von  dem  Palladium  zurückgehaltene  Theil 
nach  dem  Abdestilliren  das  spec.  Gew.  0,885  ergab  oder 
sich  merklich  concentrirt  erwies.  Diese  chemische  Wirkung 
desPalladium-Schwammes  wurde  wiederholt  bestätigt  gefunden. 
Platin-Schwamm  anderer  Seits  ergab  kein  Anzeichen  eines 
solchen  Trennungs- Vermögens;  und  ebensowenig  das  aus 
dem  Oxyd  mittelst  Wasserstoff  reducirte  schwammige  Eisen. 
8)  Vielleicht  mit  dieser  chemisch- molecularen  Wirkung 
des  Palladiums  in   Zusammenhang  stehend  ist  das  ungleiche 


*)  Das  Vermögen  des  mit  Wasserstoff  beladen en  Platinschwarz,  den 
Wasserstoff  anf  eine  organische  Verbindung  zu  übertragen,  ist 
Tor  Enrsem  von  P.  de  Wilde  beobachtet  worden;  vgl.  diese 
Annalen  Sappl.-Bd.  IV,  878  . 


58        Oraharrij  über  die  Absorption  und  dialytisohe 

Absorptiönsvermdgen ,  welches  Palladiaro'- Folie  gpeg>eiifiber 
verschiedenen  Flüssigkeiten  zeigt  Als  eine  Quantität  Palladiam-» 
Folie,  welche  durch  1000  Gew.-Theile  ausgedruckt  sein  mag, 
in  verschiedene  Flüssigkeiten  eine  Stunde  lang  eingetaucht 
und  dann  durch  Pressen  zwischen  Fliefspapier  während 
weniger  fiecunden  getrocknet  wurde ,  ergaben  sich  folgende 
Mengen  Flüssigkeit  als  in  den  Poren  des  Hetalles  zurCkdE^ 
gehallen  < , 

Wasser 1,18  Qew.-Th. 

Alkohol  (0,802  spec.  Gew.) 5,5  ^       „ 

Aether 1,7        »       „ 

Aceton    (0,794  spec.  Gew.) 0,54      ,        • 

Gljterin       4,5        »       » 

r 

Benzol ! 8,5        „       „ 

Oel'  von  Büfsen  Mandeln 18,1         „       „ 

RicSnusöl 10,2         ,       „ 

Dafs*  der  Alkohol  in  betrachtlicherem  Mafse  eindringt, 
aR  das  Wasser,  spricht  sich  hier  deutlich  aus.  Auch  für 
flüssigen  "Wasserstoff  wurde  sich  herausstellen,  dafs  er  durch 
Palladium-Folie  in  bedeutender  Menge  absorbirbar  ist.  Er 
würde  dann  auch  von  anderen  Gasen  (oder  Flüssigkeiten) 
durch  die  Palladium-Poren  scheidbar  sein,  wie  Alkohol  vom 

Wasser. 

♦ 

Legiruny  aus  5  Th.  Palladium  und  4  Th.  Silber,  — 
Auch  auf  diese  Legirung  des  Palladiums  erstreckt  sich  das 
Vermögen,  Wasserstoff  zu  absorbiren.  Ein  etwa  180  MH. 
langes,  31  MM.  breites  und  74,3  Grm.  wiegendes  Blech  aus 
dieser  Legirung  wurde  gebogen,  so  dafs  es  in  eine  weite 
Porcellanröhre  hineinging,  welche  nöthigenfalls  ausgepumpt 
werden  konnte.  Das  Volum  der  Palladium  -  Legirung  war 
6,21  CG.  Das  Metallblech  wurde  in  die  Porcellanröhre  ge- 
bracht und  Wasserstoff  eine  Stunde  lang  bei  Dunkelroth- 
gluhhitze  über  es  geleitet;  dann  liefs  man  es  in  demselben 


Scheidung  der  Oase  durch  colUndaU  Scheidewände.^   59 

6ts  langsam  erkalten.  Als  das  Metall  herausgenommen  und 
uilersucht  wurde,  zeigte  es  sich  nicht  bemerklich  verändert. 
Um  das  absorbirte  Gas  heraus  zu  bekommen,  wurde  das 
Metall  in  der  Porcellanröhre  mittelst  Gasflammen  erhitzt,  und 
die  Röhre  war  wie  gewöhnlich  mit  der  SprengeTschen 
Pumpe  verbanden.  In  7  Minuten  nach  dem  Anzünden  des 
Gasofens  wurden  24  CC.  Gas  aufgesammelt,  in  weiteren 
\%  Minuten  80,71  CC,  und  dann  noch  in  weiteren  75  Minuten 
36,75  CC,  also  zusammen  141,16  CC  Von  dieser  Gasmenge 
wurden  bei  der  Untersuchung  127,74  CC  als  Wasserstoff 
befunden;  das  Uebrige  war  Stickstoff  und  stammte  ohne 
Zweifel  aus  der  nicht  vollständig  ausgepumpten  weiten  Porcel- 
lanröhre. Die  Pallad ium-Legirung  hatte  also,  in  Form  eines 
dicken  Blechs,  ihr  20)5faches  Volum,  gemessen  bei  18,2^ 
und  756  MM.  Druck,  eingeschlossen. 

Diese  Palladium-Legirung  wird  bei  dem  Erhitzen  kry- 
staliinisch  und  scheint  zugleich  von  ihrem  Absorptions- 
vermögen beträchtlich  einzubufsen. 

Es  lafst  sich  aus  den  hier  mitgetheilten  Versuchen  die 
Schlufsfolgerung  ziehen,  dafs  geschweifstes  Palladium,  in  der 
Form  von  dünner  Folie,  Wasserstoff  leicht  und  zwar  mehr 
als  das  600  fache  Volum  von  dem  des  Metalls  bei  einer 
unterhalb  des  Siedepunktes  des  Wassers  liegenden  Tempe- 
ratur absorbirt,  mehr  als  das  500  fache  Volum  bei  245^ 
und  weniger  bei  höheren  Temperaturen;  immer  wenn  das 
Metall  von  Wasserstoff  unter  dem  gewöhnlichen  Druck  der 
Atmosphäre  umgeben  ist.  Wasserstoff  wird  auch  in  beträcht- 
licher Menge,  wenn  auch  weniger  constant^  bei  gewöhnlicher 
Temperatur  absorbirt.  Andererseits  beginnt  Palladium,  wel- 
ches bereits  mit  Wasserstoff  bei  oder  unter  100^  und  unter 
dem  Druck  der  Atmosphäre  gesättigt  ist,  Gas  auszugeben, 
wenn  es  bei  der  ursprünglichen  Absorptionstemperatur  atmo- 


•       60    ^    Orahamy  über  die  Absorption  und  dialydsche 

phärischer  Luft  oder   dem  leeren  Räume  ausgesetzt  wird; 
und  bei  200^  C.  wird  das  Gas  willig  entlassen. 

Es  ist  wahrscheinlich ,  dafs  der  Wasserstoff  in  dem 
physikalischen  Zustand  einer  Flüssigkeit  in  das  Palladium 
eingeht,  mag  nun  der  Vorgang  sich  als  ein  der  Dnrchtrankung 
des  colloidalen  Caoutchoucs  durch  Aether.  Chloroform  und 
solche  Lösungsmittel  analoger  erweisen,  oder  mag  eine  ge- 
wisse Porosität  in  der  Structur  des  Palladiums  das  Bedingen<le 
sein.  Die  Porosität  des  Metalles  wird  als  der  Art  voraus- 
gesetzt, dafs  sie  den  Moleculen  von  Flüssigkeiten*  aber  nicht 
denen  von  Gasen  den  Eintritt  gestattet.  Nun  haben  die 
zahlreichen  flüssigen  Verbindungen,  welche,  aus  Kohlenstoff 
und  Wasserstoff  bestehen,  alle  ungefähr  dieselbe  Dichtigkeit : 
im  Allgemeinen  eine  etwas  kleinere  als  die  des  Wassers. 
Es  ist  kein  Grund  zu  vermuthen,  dafs  die  Dichtigkeit  des 
flüssigen  Wasserstoffs  beträchtlich  von  der  der  Kohlenwasser- 
stoffe verschieden  sei;  aber  das  auffallend  kleine  specifische 
Gewicht  des  Wasserstoffgases  mufs  damit  im  Zusammenhange 
stehen,  dafs  flüssiger  Wasserstoff  im  Vergleich  zu  jenen 
Kohlenwasserstoffen  oder  überhaupt  zu  jeder  anderen  Sub- 
stanz ein  unverhältnifsmäfsig  grofses  Volum  Dampf  liefert. 
Die  Absorption  des  Wasserstoffs  durch  Palladium  wird  sich 
also  weniger  alles  Hafs  übersteigend  grofs  ergeben,  wenn 
man  sie  als  die  Absorption  einer  höchst  flüchtigen  und  der 
Bildung  eines  äufserst  leichten  Dampfes  fähigen  Flüssigkeit 
betrachtet,  als  wenn  man  sie  als  die  eines  Gases  sich  denken 
will. 

Eine  ausgezeichnete  Gelegenheit  zur  Beobachtung,  wie 
Wasserstoff  durch  eine  compacte  Platte  aus  Palladium  von 
1  MM.  Dicke  hindurchgeht,  wurde  durch  eine  von  Hm. 
Hatthey  verfertigte  Röhre  aus  diesem  Metalle  gewährt. 
Diese  Röhre  soll  aus  Palladium  nahe  bei  dem  Schmelzpunkte 
dieses  Metalles  geschweifst  worden  sein.     Die   Länge  der 


Scheidung  der  Oase  durch  coüoidale  Scheidewände.      61 

Röhre  betrugt  115  HM.,  ihr  innerer  Durchmesser  12  MM.,  die 
Dicke  der  Wandung  1  HM.  und  die  aufsere  Oberfläche 
0,0053  Quadratmeter.  Sie  war  an  beiden  Enden  durch  auf- 
gelothete  dicke  Platinplatten  geschlossen;  die  eine  der  beiden 
Platten  war  durchbohrt  und  hier  mit  einer  langen  dünnen 
Platinröhre  versehen,  durch  welche  der  innere  Baum  der 
Palladiumröhre  luftleer  gemacht  werden  konnte. 

Die  geschlossene  Palladiumröhre  erwies  sich  nun  bei  dem 
Auspumpen  mittelst  der  SprengeTschen  Röhre  als  luftdicht 
bei  gewöhnlicher  Temperatur,  bei  260^  und  bei  einer  der 
Dunkelroth-Glöhhitze  nahe  kommenden  Temperatur,  wenn  die 
Röhre  aufsen  von  atmosphärischer  Luß  umgeben  war.  Als 
an  der  Stelle  der  letzteren  Wasserstoff  die  Palladiumröhre 
▼on  Aufsen  umgab;  blieben  die  Wandungen  derselben  auch 
noch  bei  niedrigeren  Temperaturen  undurchdringlich.  Kein 
Wasserstoff  drang  bei  100^  innerhalb  3  Stunden  in  das  Innere 
der  Röhre  ein.  Als  mittelst  eines  Oelbades  die  Temperatur 
allmälig  auf  240^  gesteigert  wurde,  begann  Wasserstoff  durch 
das  Metall  hindurchzugehen,  und  in  allmälig  zunehmender 
Menge  bei  Steigerung  der  Temperatur  bis  265^  Der  Wasser- 
stoff trat  dann  stetig  im  Betrage  von  8,67  CG.  in  5  Minuten 
m  die  Röhre  ein;  diefs  entspricht  einem  Betrage  von  327  CG. 

für  1  Quadratmeter  Oberfläche  in    1  Minute.    Als  die  Tem- 

* 

peratur  bis  nahe  zum  Rothglähen  gesteigert  wurde,  wuchs 
die  Menge  des  eintretenden  Wasserstoffs  auf  11,2  CG.  in 
5  Minuten,  entsprechend  423  GG.  für  1  Quadratmeter  in 
1  Minute. 

Als  die  Palladiumröhre  mit  Steinkohlengas  umgeben  war, 
begann  etwa  bei  derselben  Temperatur  Gas  durch  das  Metall 
hindurchzugehen,  und  bei  270^  betrug  die  Menge  des  hin- 
durchgehenden Gases  57  GG.  für  1  Quadratmeter  Oberfläche 
in  1  Minute.  Das  hindurchgegangene  Gas  hatte  Nichts  mehr 
von  dem  Gerüche   des  Steinkohlengases;  es  enthielt  keine 


62        Graham t  über  die  Abaorption  und  dialytiache 

Spur  Kohlenstoff  und  erwies  sich  als  ganz  reiner  Wasserstoff. 
Dafs  man  das  letztere  Gas  mittelst  einer  aus  Platin  oder 
Palladium  bestehenden  Scheidewand  so  rein  abscheiden  kann, 
ist  eine  höchst  merkwürdige  Thatsache.  Vermuthlich  liefst 
sich  mittelst  des  hohlen  Palladiumcylinders  der  in  einer 
gasförmigen  Mischung  enthaltene  Wasserstoff  quantitativ  be- 
stimmen. 

bt  das  Vermögen,  die  genannten  Metalle  zu  durchdringen, 
ausschliefslich  dem  Wasserstoff  zukommend?  Vor  Kurzem  hat 
Dr.  C.  Wetherill*)  die  Vermuthung  ausgesprochen,  dafa 
das  Aufschwellen  des  Ammoniumamalgams  ganz  und  gar  auf 
dem  Zurückhalten  von  Wasserstoffgasblasen  beruhe;  hiernach 
würde  der  Wasserstoff  eine  eigenthümliche  Anziehung  zu 
Quecksilber  besitzen.  Auch  daraus,  wie  leicht  dasselbe  Gas 
durch  die  Platinmetalle  zu  einer  Flüssigkeit  verdichtet  wird, 
ist  auf  eine  machtige  gegenseitige  Anziehung  zu  scbliefsen. 
Der  einzige  andere  flüchtige  Körper,  für  welchen  beobachtet 
wurde,  dals  er  ahnlich  wie  Wasserstoff  durch  ein  Palladium- 
blech hindurchgehen  könne,  ist  gewöhnlicher  Aether,  und 
kommt  dem  letzteren  diefs  Vermögen  bei  gewöhnlicher  Tem- 
peratur zu,  wo  Wasserstoff  noch  nicht  durch  dieses  Metall 
hindurchgeht.  Das  Palladium  wurde  in  der  Form  von  Folie 
angewendet.  Wenn  auch  dünne  Folie,  welche  aus  Palladium 
geschlagen  ist,  meistens  sichtbar  porös  ist  und  Luft  wie  ein 
Sieb  hindurchgehen  läfst,  war  diefs  doch  nicht  mit  dem  Stück 
ausgewählter  Palladium  -  Folie  der  Fall,  welches  zu  den  fol- 
genden Versuchen  diente.  In  einem  mittelst  einer  Scheibe 
aus  dieser  Folie  geschlossenen  Diffusiometer  blieb  eine 
40,5  HH.  lange  Luftsaule  über  einer  verticalen  Quecksilber- 
saule von  155  MH.  Höhe  24  Stunden  lang,  ohne  dafs  das 
Quecksilber  in  der  Röhre  sank.     Die  Luft  wurde  mittelst 


*)  American  Journal  of  8ci«nce,  Vol.  XLU,  Nr.  124. 


Scheidung  der  Gase  durch  coUoidale  Seheidewände.     63 

Äetzki^stücken  getrocknet,  drang  aber  doch  nicht  dturch  das 
PaUadin«  hindurch.  Trockenes  Wasserstoffgas  wurde  dann 
auf  die  obere  Flache  der  Palladiumscheibe  geleitet,  aber  auch 
dieses  Gas  drang  wahrend  mehrerer  Stunden  nicht  hindurch. 
Mü  Aether  befeachteto  Baumwolle  wurde  jetzt  auf  die  Scheibe 
gelegt,  und  nun  begann,  nach  8  Minuten,  die  in  der  Röhre 
enthaltene  Luft  sich  auszudehnen;  nach  weiterem  Verlauf 
Ton  1  Stuade  waren  die  ursprünglichen  40,5  Vol.  einge- 
schlossener Luft  zu  90,4  Vol.  geworden  (die  Temperatur 
war  18,5^  der  Barometerstand  758  MM.),  und  nua  hörte  die 
Assdehjiung  auf.  Die  Vergröfserung  des  Volums  ergab  sich 
als  ganz  auf  dem  Eintreten  von  Aetherdampf  beruhend, 
welcher  durch  ein  mit  Schwefelsaure  beladenes  Kugelchen 
absorbirbar  war.  Weshalb  sich  Wasserstoff  unfähig  erwies, 
unter  diesen  Umstanden  durch  das  Palladium  zu  dringen,  ist 
schwer  zu  sagen.  Es  lafst  sich  nur  denken,  dafs  die  Palla- 
dium-Folie vorher  an  ihrer  Oberfläche  ein  dünnes  Hautchen 

c 

einer  fremdartigen  Substanz  condensirt  hatte,  welches  das 
Palladium  dem  Wasserstofi  aber  nicht  dem  Aetherdampf  gegen- 
über inacUv  machte. 

Andererseits  scheint  das  Durchdringungsvermögen  des 
Wasserstoffs,  welches  hier  auf  eine  Verflüssiguiig  dieses 
Gases  zurückgeführt  wurde,  nicht  lediglich  auf  metallische 
Scheidewände  beschränkt  zu  sein.  Man  hat  Grund  zu  ver- 
muthen,  dafs  bei  der  Diffusion  durch  eine  Graphitpiatte 
Wasserstoff  in  kleiner  Menge  als  Flüssigkeit  hindurchgeht, 
ohne  entsprechende  Diffusion  von  Luft  im  entgegengesetzten 
Sinne.  Daher  rührt  wohl,  dafs  der  Diffusions-CoefGcient  des 
Wasserstoffs  immer  zu  grofs  gefunden  wurde,  zu  3,876;  3,993 
und  4,067  *),  statt  der  der  Dichtigkeit  dieses  Gases  in  Beziehung 
auf  die  der  Luft  theoretisch  entsprechenden  Zahl  3,8.   Solche 


*)  Vgl.  dieM  Annaleu  CXXXl,  89. 


64        Graham^  über  die  Absorption  und  dialytische 

Erscheinungen  der  Penetration  von  Gasen  lassen  eine  Ab- 
stufung in  der  Porosität  vermuthen.  Es  ist  anzunehmen,  dafs 
es  1)  Poren  giebt,  durch  welche  Gase  unter  Druck  oder  in 
Folge  von  Capillar- Transpiration  hindurchgehen,  wie  bei 
trockenem  Holz  und  mehreren  Mineralien;  2)  Poren,  durch 
welche  Gase  nicht  unter  Druck  hindurchgehen,  wohl  aber 
auf  Grund  der  ihnen  eigenthümlichen  Diffusions-Molecular- 
bewegung,  wie  bei  künstlich  zubereitetem  Graphit;  und  3) 
Poren ,  durch  welche  Gase  weder  auf  Grund  von  Capillar- 
Transpiration  noch  auf  Grund  der  ihnen  eigenthümlichen 
Diffusionsbewegung  hindurchgehen,  sondern  nur  nach  vor^ 
gängiger  Verflüssigung,  wie  z.  B.  durch  die  Poren  von  ge* 
hämmerten  Metallen  oder  durch  die  feinsten  Poren  von 
Graphit. 

Osmium  ^Iridium. 
Eine  2,528  Grm.  betragende  Menge  kleiner  Körner  von 
Osmium -Iridium  wurde  in  derse}ben  Weise,  wie  sie  für  die 
im  Vorhergehenden  besprochenen  Metalle  angewendet  worden 
war,  bei  allen  Temperaturen  von  der  Rothglühhitze  abwärts 
der  Einwirkung  von  Wasserstoff  ausgesetzt.  Dann  wurde 
das  Osmium-Iridium  wieder  in  einem  mittelst  der  Sp r en- 
ge l'schen  Pumpe  luftleer  gemachten  Räume  zum  Rothglühen 
erhitzt,  um  den  etwa  absorbirten  Wasserstoff  auszutreiben. 
Aber  nur  1  oder  2  Gasblasen,  zu  klein  um  gemessen  zu 
werden,  gingen  bei  Rothglühhitze  innerhalb  15  Minuten  über. 
Das  ;Osmium- Iridium  zeigt  also  kein  Absorptionsvermögen 
für  Wasserstoff,  und  dieses  Resultat  steht  in  Ueberein- 
stimmung  mit  dem  krystallinischen  Character  der  ersteren 
Substanz. 

Kupfer, 
Das  Vermögen,   Gase  einzuschliefsen;   scheint  nicht  in 
der  Klasse  der  Metalle  auf  Palladium   und   Platin  beschrankt 


Scheidung  der  Gase  durch  collcndale  Scheideunoände,    65 

zn  sein.  Die  so  genauen  Versuche  von  Dumas,  durch 
welche  die  Atomgewichte  der  wichtigsten  Elemente  festge- 
stellt wurden^  geben  eine  Andeutung  dafür,  dafs  WasserstofF- 
gas  durch  schwammförmiges ,'  aus  dem  Oxyde  reducirtes 
metallisches  Kupfer  absorbirt  werde,  in  solcher  Menge  dafs 

diefs  auf  das  Gewicht  des  Metalls  bis  zu    j,q^        etwa    von 

Einflufs  sein  kann*). 

« 

i)  Um  das  für  das  Ausziehen  von  absorbirtem  Gas  bei 
den  vorstehend  besprochenen  Metallen  befolgte  Verfahren 
wiederum  in  Anwendung  zu  bringen,  wurde  so  viel  Kupferoxyd 
mittelst  Wasserstoff  reducirt,  als  der  Rechnung  nach  50  Grm. 
metallisches  Kupfer  geben  mufste.  Das  reducirte  Metall 
wurde  wiederum  in  einem  Strome  von  trockenem  Wasserstoff 
zum  Rothglühen  erhitzt  und  langsam  erkalten  gelassen.  Dann 
wurde  das  Metall,  nachdem  es  einige  Minuten  der  Luft  frei 
ausgesetzt  gewesen  war,  bei  Rothgluhhitze  mittelst  der 
Sprengel'schen  Pumpe  auf  etwa  absorbirtes  Gas  unter- 
sucht. Es  gab  hierbei  in  einer  Stunde  3,35  CG.  Gas  (in  der 
Kälte  gemessen)  auS;  welches  sich  als  reiner  Wasserstoff  er- 
wies (die  Explosion  mit  Sauerstoff  gab  3,4  Wasserstoff  an). 
Setzt  man  das  spec.  Gewicht  der  Kupfers  zu  8,85,  so  wurde 
das  Volum  von  50  Grm.  dieses  Metalles  5,65  CG.  betragen 
und  das  Resultat  also  sein,  dafs  1  Vol.  schwammförmiges 
reducirtes  Kupfer  0,6  Vol.  Wasserstoff  einschliefst.  Da 
Wasserstoff  etwa  12000  mal  so  leicht  ist  als  Kupfer  (bei  15^), 


^  Annales  de  chimie  et  de  phjBique  [3]  ¥111,206.  Melsens*  Be- 
obachtungen zeigen,  dafs  240  Grm.  Kupfer  etwa  0,007  Grm. 
Wasserstoff  anfnehmen  können,  und  dafs  am  Meisten  Wasserstoff 
aufgenommen  wird,  wenn  das  Kupferoxyd  durch  Wasserstoff  bei 
niedriger  Temperatur  reducirt  wird.  Bei  nachheriger  Oxydation 
des  Kupfers  tritt  das  absorbirt  gewesene  Gas  nicht  plötzlich, 
sondern  nur  allmälig  aus. 

AnoAl.  d.  Chem«  u.  Phann.  V.  Sapplementbd.  1.  Heft.  5 


66         Oraham,  über  die  Ahsorption  und  diafytiache 

so  ist  dann  1  Gew.^Theii  des  Gases  durch  20000  Gew.-Theile 
des  Metalls  aufgenommen  worden. 

2)  Dasselbe  Gewicht  und  Volum  von  sorgfältig  gereinigtem 
Kupferdraht  wurde  der  Einwirkung  von  Wasserstoff  bei  Roth- 
gltthhitze  ausgesetzt  and  dann  eine  Stunde  lang  ebenso  auf 
absorbirtes  Gas  untersucht.  Es  gab  2,6  CC.  Gas,  von  welchen 
2  CC.  aus  Wasserstoff  und  die  übrigen  0,6  CC.  hauptsäch- 
lich aus  Kohlenoxyd  bestanden.  Es  schliefst  hiernach  1  Vol. 
verarbeitetes  Kupfer  0,306  Vol.  Wasserstoff  ein.  -  Enthält 
ein  solches  Hetall,  wie  verarbeitetes  Kupfer,  kleine  Mengen 
von  Kohlenstoff  und  Sauerstoff,  so  ist  damit  offenbar  ein  Grund 
dafür  gegeben,  dafs  bei  dem  Erhitzen  sich  Kohlenoxyd  bilden 
und  entwickeln  könne.  In  dieser  Art  entstandenes  Gas  war 
wohl  bei  dem  letzten  Versuche  dem  eingeschlossen  gewesenen 
und  abgesaugten  Wasserstoff  beigemischt. 

GoU. 

i)  Eine  gewisse  Menge  Gold  wurde  aus  dem  auch  für 
die  folgenden  Versuche  angewendeten  Scheidegold  in  Röll- 
chen {^Cornetten)  mittelst  Oxalsäure  ausgefällt.  Das  Gold 
wog  93,3  Grm.,  und  sein  Volum  betrug  4,83  CC,  wenn  man 
das  specif.  Gewicht  des  Hetalles  =  19,31  annimmt.  Als  es 
ohne  weitere  Behandlung  zum  Rothglühen  erhitzt  und  abge- 
saugt wurde,  gab  das  reducirte  Gold  3,4  CC.  Gas,  welches 
man  also  als  gewöhnlich  in  Gold,  das  in  der  angegebenen 
Weise  reducirt  wurde,  enthalten  betrachten  kann.  Diefs  ent- 
spricht 0,704  Vol.  Gas  auf  1  Vol.  Gold.  Das  in  dem  ge- 
fällten Golde  eiageschlossen  gewesene  Gas  ergab  bei  der 
Analyse  : 

0,05  CC.  Baaentoff 
1,50     ff     Kohknsäare 
1,85    9     KohUnoxyd  u.  a. 

8,40. 


Scheidung  der  Oase  durch  coUotdale  Scheidewände.    67 

2)  Von  den  ttraprönglichen,  aus  feinem  Scheidegold  be- 
stehenden Cornetten,  von  Goldproben  welche  einige  Monate 
früher  ausgeführt  worden  waren,  wurden  93,3  Grm.,  also 
Ton  4,83  CG.  Volum,  ohne  irgend  welche  vorgangige  Be^ 
handlung  dem  Absaugen  bei  Rothgluhbitze  unterworfen.  Das 
Gold  gab  in  der  ersten  halben  Stunde  9,45  CG.  Gas  aus, 
und  in  der  zweiten  halben  Stunde  0,8  GG.,  also  im  Ganzen 
10,25  CG.  Es  hatte  hiernach  1  Vol.  von  dem  Goldblech 
2,12  Vol.  Gas  enthalten.    Dieses  Gas  bestand  aus 

6,70  CO.  Koblenoxyd 
1,60    ,1    Kohlensäare 
1,58    n     Wasserstoff 
0,44    „    Stickstoff 
0,03    «     Verlast 

10,25 

Die  Gornelten  scheinen  nicht  immer  wiederum  so  viel 
Gas  aufzunehmen,  als  sie  zuerst  in  der  ProbirmulTel  aufge- 
nommen hatten.     Es  ergiebt  sich,  dafs  das   Gewicht  einer 

2 

Gold-Cornette  etwa  um  jqqqq  durch  das  Gewicht  des  ein- 
geschlossenen Gases  vergrdfsert  ist«  Da  das  Gold  auöh  7 
bis  8  Theile  Silber  in  10000  Theilen   zurückhält,  so  ist  also 

die  absolute  Menge  Gold  in  einer  Gornette  um   ,^qq    kleiner, 

als  es  die  Visage  angiebt.  Die  Genauigkeit  der  gewöhnlichen 
Goldprobe  wird  hierdurch  nicht  widerlegt,   denn  die^e  wird 

4 

immer  vergleichungsweise  zu  Gold  von  bekannter  Zusammen- 
setzung ausgeführt  und  ist  deshalb  relativ  richtig. 

3)  Dasselbe  Volum  solcher  Gold  -  Gornetten,  im  Betrage 
von  4,83  GG.  gab,  nach  vorgängigem  Erhitzen  in  Kohlen- 
oxydgas,  nachher  1,6  CG.  eingeschlossen  gewesenes  Gas  aus, 
welches  bestand  aus  : 

1,4  OC.  Kohlenozyd 
0,2     „    Kohlenifture 

1,6 

6» 


68        Graham,  über  die  Absorption  und  dialytüche 

4)  Als  dieselbe  Hasse  von  Gold-Cornetten  in  Wasser- 
stoffgas erhitzt  worden  war,  gab  sie  dann  in  einer  Stunde 
2,7  CG.  Gas  aus,  welches  sich  folgend  er  mafsen  zusammen- 
gesetzt zeigte  : 

2,84  CC.  Wasserstoff 
0,36     „     Stickstoff  u.  a. 

2,70 

Das  Vermögen  dieses  Metalles,  Wasserstoff  einzuschliefsen, 
macht  sich  hier  sehr  bemerklich.  1  Vol.  des  Metalles  hatte 
0,48  Vol.  Wasserstoff  aufgenommen.  Dasselbe  Gold,  aufgelöst 
und  dann  gefallt,  wurde  auch  als  fähig  befunden,  0,44  Vol. 
Wasserstoff  einzuschliefsen. 

5)  Dieselbe  Masse  von  Gold-Cornetten,  in  Kohlensäure- 
gas erhitzt,  gab  nachher  in  einer  Stunde  1,05  CC.  Gas  aus, 
in  welchem  Barytwasser  die  Anwesenheit  von  0,78  CC.  Kohlen- 

« 

saure  nachwies. 

Die  mit  Gas  beladenen  Cornetten  waren  immer  einige 
Zeit  dem  freien  Zutritt  der  Luft  ausgesetzt  gewesen,  bevor 
das  in  ihnen  eingeschlossene  Gas  ausgetrieben  und  gemessen 
wurde,  so  dafs  alles  nur  lose  anhangende  Gas  entweichen 
konnte. 

6)  Dieselben  Gold-Cornetten  wurden  in  einem  Strome 
von  trockener  Luft  erhitzt  und  abkühlen  gelassen,  ebenso  wie 
bei  den  Versuchen  mit  anderen  Gasen  verfahren  worden 
war.  Die  in  einer  Stunde  ausgegebene  Luft  betrug  in  zwei 
verschiedenen  Versuchen  1,15  und  0,95  CC.  Das  bei  dem 
zweiten  Versuch  erhaltene  Gas  ergab  : 

0,82  CC.  StickstofF      entspr.  86,8  pC. 
.  0,08     „     Kohlensäure     „  8,4    „ 

0,05    »     Sauerstoff        „  5,3    ., 

0,95  100,0. 

Die  ganze  Menge  der  eingeschlossenen  Luft  betragt 
0,2  von  dem  Volum  des  Goldes  und  das  Gas  besteht  haupt- 


Scheidung  der  Oase  durch  coUmdcde  Scheidewände.      69 

sachlich  aus  Stickstoff.  Die  In^iflFerenz  des  Goldes  gegen- 
über dem  Sauerstoff  ist  bemerkenswerth  und  steht  in  auffal- 
lendem Gegensatz  zu  dem  Vermögen  des  Silbers,  dasselbe 
Gas  einzSchliefsen. 

Silber. 

1)  Feines  Silber,  in  der  Form  von  Draht,  welcher  2  HM. 
dick  und  dessen  Oberfläche  gehörig  gereinigt  war,  wurde 
zuerst  für  sich  allein  in  der  Porcellanröhre  erhitzt  und  dann 
das  Gas  mittelst  der  Sprengel 'sehen  Pumpe  in  gewöhn- 
licher M^eise  abgesaugt.  Das  von  diesem  Metall  in  solcher 
Weise  erhaltene,  bereits  in  ihm  steckende  Gas  betrug  nur 
wenig  und  schien  fast  ganz  innerhalb  einer  Stunde  ausge- 
geben zu  werden.  Der  Silberdraht  wog  108,8  Grm.  und 
sein  Volum  betrug  10,37  CG.,  wenn  wir  das  specif.  Gewicht 
des  reinen  Silbers  zu  10,49  annehmen.  Das  so  erhaltene  Gas 
betrug 

2,2  CC.  in  80  Minaten 
Ö|Ö     »      »      »  n 

3,0     ,    in  1  Stande. 

Das  Gas  bestand  aus  : 

2,4  CC.  Kohlensäure 
0,6  Kohlenozjd 

*■  8,0. 

Hiernach  hielt  der  Silberdraht  sein  0,289  faches  Volum 
Gas  eingeschlossen  und  bestand  dieses  Gas  hauptsächlich  aus 
Kohlensäure.  Doch  liegt  Grund  vor  zu  der  Vermuthung^  dafs 
das  eingeschlossene  Gas  ursprünglich  Sauerstoff  gewesen  und 
dieser  bei  der  Austreibungs- Temperatur  durch  Einwirkung 
auf  eine  Spur  Kohlenstoff,  welche  in  dem  Silber  enthalten 
war,  zu  Kohlensäure  umgewandelt  worden  sei. 

2)  Dieselbe  Quantität  Silberdraht  wurde  nun  mit  Wasser- 
stoff beladen ,    durch    Erhitzen    bis    zum    Rothgluhen    und 


70         Oraham,  über  die  Absorption  und  diätetische 

nachheriges  langsames  Brkaltenlassen   in  diesem  Gas.     Das 
herausgezogene  Gas  betrug  nun  : 

2,3  CC.  in  45  Minuten 

0,2     „     »    15       ^  « 

2,5     ,1    in     1  Stande. 

Das  Gas  bestand  aus  : 

2,2  CC.  Wasserstoff 
0,3     „    Stickstoff  Q.  a. 

2,5. 

Das  feine  Silber  hatte  somit  sein  0,211  faches  Volum 
Wasserstoff  eingeschlossen.  Das  Metall  hatte  ein^  schönes 
mattes  Ansehen  an  seiner  Oberflache  angenommen,  und 
durch  wiederholtes  Erhitzen  wurde ^  es  krystallinisch  und 
spröde. 

3)  Dieselbe  Hange  Silber  wurde  nun  mit  Sauerstoff  be- 
laden. Das  eingeschlossen  gewesene  Gas,  welches  bei  dem 
Absaugen  austrat,  betrug  nun  : 

7.5  CC.  in  30  Minuten 
0,8      n      n      n  n 

7,8     „     in     1  Stande. 

Das  Gas  bestand  aus  : 

7.6  CC.  Sauerstoff 

0,2     „     Stickstoff  u.  a. 

7,8.  • 

Das  Silber  enthielt  somit  sein  0,745  faches  Volum  Sauer- 
i^toff  eingeschlossen.  Dieses  Gas  war ,  wie  der  Wasserstoff 
im  Platin,  in  dem  Metall  bei  allen  Temperaturen  unterhalb 
der  beginnenden  Rothglähhitze  dauernd  fixirt.  Es  nahm  der 
Oberfläche  des  Silbers  nicht  ihren  blanken  Hetallglanz,  noch 
war  irgend  ein  anderes  Anzeichen  dafür  bemerkbar,  dafs 
das  Metall  einer  Oxydation  unterlegen  habe. 

4)  Dieselbe  Portion  Silber  wurde,  nach  dem  Auflösen 
in  SSure  als  Chlorsilber  niedergeschlagen  und  wiederum  zu 
Metall  reducirt,  atmosphärischer  Luft  bei  Roihglühhitze  aus- 


Scheidung  der  Gase  durch  collmdale  Seheidewände.    71 

gesetzt  und  nachher   im  luftleeren  Raum  erhitzt.     Das  aus- 
gegebene Gas  betrug  : 

5,56  CC.  in  15  Minuten 
0,30      n      n      r,  n 

5,86. 

Von  diesem  Gas  wurden  5,56  CC,  oder  fast  die  ganze 
Menge,  als  Sauerstoff  nachgewiesen;  d.  h.  das  Silber  hielt 
sein  0,545  faches  Volum  Sauerstoff  eingeschlossen*  Dieses 
Silber  war  aus  dem  Chlorid  rein  dargestellt  worden  und  ent^ 
hielt  keine  Spur  Kupfer. 

Wenn  Silber,  wie  es  zu  englischen  Silbermün^n  ver* 
wendet  wird  (d.  i.  7,5  pC.  Kupfer  enthaltend),  der  Einwirliung 
von  Luft  oder  Sauerstoff  bei  Dunicelrothglöhhitze  ausgesetzt  • 
wird,  so  färbt  es  sich  in  Folge  der  Oxydation  des  Kupfers  aii 
seiner  Oberfläche  fast  schwarz.  Silberdraht  in  diesem  ge- 
schwärzten Zustand  gab ,  dann  im  leeren  Raum  erhitzt,  sein 
mehrfaches  Volum  an  Sauerstoff  aus.  Zu  gleicher  Zeit  ver- 
schwand ein  grofser  Theil  des  oberflächlich  vorhandenen 
Oxydes.  Es  schien,  als  ob  die  Operation  auf  die  Beduction 
des  an  der  Oberfläche  befindlichen  Kupferoxydes  hinwirke, 
Sauerstoff  frei  und  das  Kupfer  durch  das  Silber  aufgenommen 
werde. 

5)  Aus  dem  Oxyd  reducirtes  schwammförmiges  Silber, 
weiches  als  rein  betrachtet  aber  nicht  analysirt  wurde,  schlofs 
bei  aufeinander  folgenden  Versuchen  sein  6,15-,  8,05-  und 
7,47 faches  Volum  Sauerstoff  ein,  ohne  dafs  sich  das  Aus- 
sehen der  Oberfläche  sichtlich  änderte.  Kann  das  Anziehungs- 
vermögen  oder  die  Verwandtschaft  des  Silbers  zu  Sauerstoff, 
wodurch  das  Metall  befähigt  wird  dieses  Gas  einzuschliefsen, 
durch  die  Anwesenheit  einer  blofsen  Spur  eines  positiven 
Metalles  wie  Kupfer  erhöht  vi^rden? 

6)  Dieselbe  Menge  gefritteten  Silbers  wurde,  in  auf- 
einander folgenden  Versuchen,  als  die  folgenden  Mengen 
verschiedener  Gase  einschliefsend  befunden  : 


72        Graham,  über  die  Absorption  und  dialytische 

0,907  Vol.  Wasserstoff 
0,938    „  n 

0,486    n     Kohlensäure 
0,545     , 
0,156     ri     Kohlen  oxyd. 

Wasserstoff  und  Kohlensäure  ebensowohl  als  Sauerstoff 
werden  also  durch  dieses  Silber  in  gröfserer  Menge  aufge- 
nommen, als  durch  die  vorher  zu  den  Versuchen  angewendeten 
Proben  dieses  Metalles. 

7)  Von  stark  ausgewalztem  reinem  Silber  wurden  500 
Blätter,  .im  Gewichte  von  12,5  Grm.,  der  Luft  bei  Rothgluh- 
hitze  ausgesetzt  und  dann  bei  derselben  Temperatur  abge- 
saugt. 1  Vol.  Silber  gab  1,37  Vol.  Sauerstoff,  0,20  Vol.  Stick- 
stoff und  0,04  Vol.  Kohlensäure  ab. 

Es  scheint,  dafs  Silber  sich  gegenüber  dem  Sauerstoff 
in  einer  ähnlichen  Weise  verhält,  wie  Platin,  Palladium  und 
Eisen  sich  dem  Wasserstoff  gegenüber  verhalten.  Das  Ver- 
mögen des  Silbers  und  der  Bleiglätte,  im  geschmolzenen  Zu- 
stande Sauerstoff  zu  absorbiren  und  bei  dem  Erstarren  dieses 
Gas  entweichen  zu  lassen,  steht  vielleicht  in  Zusammenhang 
mit  dem  beobachteten  Vermögen  des  colloldalen  Metalles, 
durch  Hitze  erweicht  dasselbe  Gas,  wenn  auch  in  geringerer 
Menge,  zu  absorbiren. 

Eisen. 

Dafs  Wasserstoff  durch  das  Eisen  hindurchdringt,  ist 
durch  Deville  und  Troost  ebenso  bestimmt  erwiesen  als 
die  Durchdringbarkeit  des  Platins.  Eine  dünne  Röhre  von 
Gufsstahl,  von  3  oder  4  HM.  Dicke,  welche  Wasserstoffgas 
enthielt,  war  von  Luft  oder  Stickgas  umgeben,  welches  letz- 
tere Gas  in  einem  ringförmigen  Räume  zwischen  der  er- 
wähnten Stahlröhre  und  einer  weiteren  äufseren  Porcellan- 
röhre  circulirte.    Bei  Abwesenheit  irgend  welcher  sichtbarer 


Scheidung  der  Gase  durch  coUmdale  Scheidewände.     73 

Poren  in  dem  Stahl  ging  doch  der  Wasserstoff  darch  die 
Substanz  dieses  Metalles  hindurch  und  trat  in  den  ringförmigen 
Zwischenraum  ein,  sobald  das  Röhrensystem  zum  Rothglühen 
erhitzt  wurde.  Ein  annähernd  wenn  nicht  vollkommen  leerer 
Raom  stellte  sich  im  Innern  der  Eisenröhre  her*).  Bei  einer 
anderen  Anordnung  des  Versuches  trat  Kohlenoxyd,  aus 
nicht  bestimmter  nachgewiesener  Quelle  stammend,  im  Innern 
der  Eisenröhre  auf,  namentlich  wenn  die  Temperatur  sehr 
hoch  gesteigert  war**). 

Schmiedeeisen  in  der  Form  von  dünnem,  etwa  4  HM. 
dickem  Draht  (Nr.  23)  'wurde,  nach  vorgängigem  sorgfältigem 
Reinigen  mittelst  ätzenden  Alkali's  und  Wasser,  für  sich  in 
der  luftleer  gemachten  Porcellanröhre  erhitzt,  um  etwa  bereits 
in  ihm  enthaltenes  Gas  herauszuziehen. 

i)  Von  dem  eben  besprochenen  Eisendraht  wurden 
46  Grm.,  deren  Volum  5,9  CG.  betrug  wenn  das  specifische 
Gewicht  des  Metalles  zu  7^8  angenommen  wird,  mittelst  des 
offenen  Verbrennungsofens  erhitzt.  Gas  trat  bei  der  Roth- 
glöhhitze  aus  : 

1)  in  15  Minuten  15,6  GG.,  worin  3,5  GG.  oder  22,4  pG. 
Kohlensäure; 

2)  in  15  Minuten  7,17  GG.,  worin  0,52  GG.  oder  7,2  pG. 
Kohlensäure.  Das  Gas  von  dieser  und  von  den  fol* 
genden  Stadien  des  Versuches  brannte  nun  mit  blauer 
Flamme  und  bestand  hauptsächlich  aus  Kohlcnoxydgas; 

3)  in  30  Minuten  10,4  GG.,  in  welchen  6,86  CC.  Kohlen- 
oxyd; 

4)  in  30  Minuten  8,16  GG.,  worin  042  GG.  oder  1,4  pG. 
Kohlensäure; 

5)  in  30  Minuten  5,52  GG.,  worin  0,03  GG.  oder  0,5  pG. 
Kohlensäure. 


•)  Compt.  rond.  LVII,  965  (1863)  (diese  Annalen  CXXX,  264). 
•*)  Compt.  rend.  LIX,  102  (1864). 


74        Graham,  über  die  Absorption  und  dialytiscke 

Es  gfaben  also  46  Grm.  Eisen  innerhalb  2  Stunden  46,85  CC. 
Gas,  gemessen  bei  15^  C,  aus,  oder  1  Vol.  Eisen  lieGs  7,94  YoL 
Gas  austreten,  welches  etwa  zu  Vs  aus  Kohlenoxyd  bestand ; 
und  das  Metall  schien  noch  nicht  alles  Gas  ausgegeben  zu 
haben.  Das  Eisen  enthalt  wahrscheinlich  kleine  Mengen 
Kohlenstoff  und  Sauerstoff,  beide  in  chemischer  Verbindung 
mit  dem  Eisen;  und  das  ausgegebene  Gas  mag  theilweise  von 
einer  chemischen  Einwirkung  dieser  Elemente  auf  einander 
bei  Rothglühhitze  herstammen. 

2)  Bei  einem  anderen  ahnlichen  Versuche  mit  32  Grm. 
reinen  Eisendrahtes  (Nr.  21);  dessen  Volum  4,1  CC.  betrug, 
wurde  das  Eisen  in  einer  engen  Glasröhre  erhitzt,  um  jeden 
Gedanken  an  Durchdringbarkeit  der  aufseren  Röhre,  welche 
man  etwa  bei  Anwendung  einer  Porcellanröhre  vermuthen 
könnte,  auszuschliefsen.  Das  Eisen  gab  in  ziemlich  gleich- 
mäfsiger  Weise  Gas  aus,  und  zwar  in  einer  Stunde  29,8  CO., 
Yon  welchen  4,44  CC.  Kohlensaure  und  der  Rest  hauptsäch- 
lich Kohlenoxyd,  mit  Wasserstoff  und  einer  Spur  eines  Kohlen- 
wasserstoffes, waren.  Hier  hatte  das  Eisen  sein  7,27faches 
Volum  Gas  ausgegeben. 

3)  Bei  einem  dritten  Versuche  mit  dünnem  Eisendraht 
(Nr.  23)  wurde  das  Herausbringen  des  von  diesem  Eisen  ohne 
weitere  Vorbereitung  bei  Rothglühhitze  auszugebenden  Gases 
weiter  getrieben.  Das  Gewicht  des  Eisens  war  39  Grm.,  sein 
Volum  5  CC.  Das  in  der  ersten  und  der  zweiten  Stunde 
gesammelte  Gas  betrug  45  CC;  in  der  dritten  Stunde  kamen 
10,85  CC;  in  der  vierten  und  fünften  Stunde  5,65  CC,  in 
der  sechsten  Stunde  0,9  CC.  und  in  der  siebenten  Stunde 
0,7  CC.  Das  Eisen  schien  jetzt  nahezu  Nichts  mehr  ausgeben 
zu  können,  nachdem  von  ihm  63,1  CC  oder  sein  12,55 faches 
Volun)  Gas  erhalten  war. 

Es  ist  klar,  dafs  bei  Versuchen  über  die  Durchdring- 
barkeit des  Eisens  für  Gase  oder  über   die  Absorption  von 


Scheidung  der  Oase  durch  coUmdale  Scheidewände.     75 

Gasen  durch  dieses  Metall  sichere  Resultate  erst  dann  er- 
halten werden  können,  nachdem  erst  die  eben  besprochenen, 
bei  dem  Erhitzen  des  Eisens  fär  sich  entstehenden  oder  in 
ihm  prfiexistirendenGase  herausgebracht  sind.  Das  bei  De- 
ville*s  Versuchen  mit  eisernen  Röhren  beobachtete  Kohlen- 
oxyd mag  aus  derselben  Quelle  gestammt  haben.*) 

4)  Um  die  Absorption  von  Wasserstoff  zu  beobachten, 
wurde  die  nach  dem  letzten  Versuche  hinterbliebene  Masse 
Eisen  in  Wasserstoff  zum  Rothglühen  erhitzt  und  in  dem- 
selben Gas  erkalten  gelassen.  Das  Metall  wurde  alsdann 
(wie  gewöhnlich)  der  Luft  frei  ausgesetzt,  damit  es  allen  nur 
lose  anhängenden  Wasserstoff  abgebe.  Als  jetzt  das  darin 
enthaltene  Gas  bei  schwacher  Rothglühhitze  mittelst  der 
Sprengel'schen  Pumpe  abgesaugt  wurde,  gab  das  Eisen  in 
einer  Stunde  2,5  CC*  Gas  aus,  davon  die  gröfsere  Menge 
in  den  ersten  10  Minuten.    Diese  Gasmenge  bestand  aus  : 

2,3  CG.  Wasserstoff      • 
0,2     „     Kohlenoxyd  u.  a. 

2,5. 

Das  Eisen  vermag  hiernach  sein  0,46  faches  Volum  Wasser- 
stoff zu  enthalten.  Der  Eisendraht  wurde  weifs,  wie  galva- 
nisirtes  Eisen.  Diefs  fand  sich  auch  bei  einer  zweiten  Be- 
obachtung bestätigt,  bei  welcher  ein  dickerer  Draht  sein 
0,42  faches  Volum  Wasserstoff  eingeschlossen  enthielt. 

5)  Dieselbe  Portion  Eisen  wurde  nun  in  derselben  Weise 
mit  Kohlenoxydgas  beladen,  in  welcher  sie  vorher  mit 
Wasserstoff  beladen  worden  war.  Sie  wurde  gleichfalls  der 
Lufl   frei   ausgesetzt.     Der  Eisendraht  blieb  weich,   wurde 


*)  Die  ans  geschmolzenem  Gufseisen  entweichenden  Gase  sind  durch 
L.  Cailletet  untersucht  worden.  Sie  ergaben  49  bis  58  pC. 
Kohlenozyd,  34  bis  39  Wasserstoff,  und  8  bis  12  Stickstoff. 
Compt.  rend.  LXI,  850  (1865). 


76        Oraham^  über  die  Absorption  uud  dialytisShe 

auch  nicht  hart,  als  er  nach  dem  Erhitzen  zum  Rothgluhen 
rasch  abgekühlt  wurde,  und  zeigte  keine  Veränderung  im 
Aussehen  oder  in  der  Löslichkeit  in  Sauren.  Das  vermittelst 
der  SprengeTschen  Pumpe  aus  dem  Metall  herausge- 
schaffte Gas  betrug  : 

9,45  CC.  in  13  Minuten 
2,43     >}     „      5         » 
8.05     «    ;,    42         « 
3,15   •„     „    60         „ 

23,08  CO.  in  2  Stunden. 

Von  diesen  23,08  CC.  wurden  20,76  CC.  als  Kohlenoxyd 
nachgewiesen.  Reines  Eisen  ist  also  fähig^  sein  4,15  faches 
Volum  Kohlenoxyd  bei  Dunkelrothglühhitze  aufzunehmen  und 
nach  dem  Erkalten  zurückzuhalten.  Diese  Thatsache  fand 
sich  bei  verschiedenen  Versuchen  bestätigt.  Sie  erklart  theil* 
weise,  wenn  nicht  ganz,  dafs  Kohlenoxyd  in  beträchtlicher 
Menge  in  dem  Gas  enthalten  war,  welches  bei  den  Versuchen 
f ),  2)  und  3)  aus  dem  keiner  weiteren  Behandlung  unter- 
worfenen Eisen  herausgezogen  wurde.  Man  kann  annehmen, 
dafs  während  des  Verlaufes  der  Darstellung  das  Schmiede- 
eisen sechs-  bis  achtmal  sein  Volum  Kohlenoxydgas  ein- 
schliefst, welches  nachher  immer  wieder  weggeschafft  wird. 
Welchen  Einflufs  auf  die  Eigenschaften  des  Eisens  die  An- 
wesenheit einer  solchen  Substanz  ausübt,  welche  in  keiner 
Weise  einen  metallischen  Charakter  besitzt,  in  so  sonderbarer 
Weise  eingeschlossen  ist  und  die  Fähigkeit  hat,  jederzeit 
wieder  bei  Einwirkung  von  Hitze  mit  der  Spannkraft  eines 
Gases  aufzutreten  —  das  ist  ein  Gegenstand,  welchen  Me- 
tallurgen wohl  als  der  Untersuchung  würdig  betrachten 
mögen. 

Die  Beziehungen  zwischen  dem  Eisen  und  dem  Kohlen- 
oxyd scheinen  ganz  eigenthümliche  zu  sein.  Ohne  Zweifel 
sind  sie  von  Bedeutung  für  den  wichtigen  Procefs  der<S^aA/- 
bereitung.    Der  Antheil  des  Kohlenoxyds   bei  dem  gewöhn- 


Scheidung  der  Oase  durch  collotdale  Scheidewände.     77 

liehen  Verfahren  der  Cementation  des  Ei$ens  mittelst  Holz- 
kohle, welcher  seit  lange  durch  genaue  Beobachter  erkannt 
war,  kann  jetzt  als  durch  die  neueren  schönen  Untersuchungen 
Ton  Hargueritte  *)  anfser  allen  Zweifel  gesetzt  be- 
trachtet werden.  Bis  dahin  wurde  angenommen,  dafs  die 
zersetzende  Wirkung  des  Eisens  auf  Kohlenoxyd  nur  an  der 
ittfseren  Oberflache  des  Metalles  ausgeübt  werde.  Es  wurde 
angenommen,  dafs  ein  an  der  Oberfläche  beflndliches  Par- 
ükelchen  Eisen  einem  Aequivalent  Kohlenoxyd  (C^O^)  die 
Hälfte  des  darin  enthaltenen  Kohlenstoffs  entziehe,  während 
die  übrig  bleibenden  Elemente  als  Kohlensaure  (CO2)  weiter 
gehen,  aus  der  nachstgelegenen  Kohle  wiederum  Kohlenstoff 
aufnehmen  und  damit  fähig  werden,  den  ursprünglichen  Vor- 
gang sich  wiederholen  zu  lassen.  Man  ersieht  jetzt,  dafs  eine 
solche  Einwirkung  keineswegs  nothwendig  auf  die  Oberfläche 
der  Eisenmasse  beschränkt  zu  sein  braucht,  sondern  durch 
die  Substanz  des  Metalles  hindurch  statthaben  kann,  in  Folge 
vorausgegangener  Durchdringung  des  Metalles  durch  Kohlen- 
oxyd. Die  directe  Berührung  und  Einwirkung  zwischen 
Kohlenstoff  (in  der  Form  von  Diamant  oder  von  Holzkohle) 
und  Eisen  ist  als  Cufseisen,  und  nicht  Stahl;  hervorbringend 
zu  betrachten.  Die  durch  die  Masse  hindurch  vertheilte  Ein- 
wirkung des  Kohlenoxydes  erscheint  als  das  geeignete  Mittel, 
dem  Eisen  durch  die  ganze  Masse  desselben  hindurch  Kohlen- 
stoff zuzuführen.  Das  Blasigwerden  der  Metallstange  scheint 
für  die  Nothwendigkeit  zu  zeugen,  dafs  sich  Kohlensäure 
bilde  und  entwickele,  in  Folge  der  Zersetzung  des  Kohlen- 
oxydes in  dem  Innern  der  Stange. 

Es  legt  sich  nahe  zu  untersuchen,  ob  die  Stahlbildung 
nicht  durch  oft  wiederholten  Wechsel  der  Temperatur  be- 
fordert werde.  Die  niedrigste  Rothglühhitze,  oder  eine  selbst 


*)  Annales  de  chimie  et  de  pbysiqne  [4]  VI  (1865). 


78     Oraham,  über  die  Absorption  und  dialytischeu.s.to. 

noch  etwas  niedrigere  Temperatur  scheint  die  geeignetste 
dafär  zu  sein,  dafs  das  Eisen  Kohlenoxyd  absorbire  oder  dafs 
das  Metall  mit  diesem  Gas  imprägnirt  werde;  während  eine 
viel  höhere  Temperatur  dafür  nölhig  zu  sein  scheint,  dafs 
das  Metall  das  Kohlenoxyd  zersetze,  sich  Kohlenstoff  aneigne 
und  zu  Stfthl  werde.  Der  Einflufs  einer  hohen  Temperatur 
ist  durch  Margueritte  sehr  klar  nachgewiesen  worden.  Der 
Procefs  der  Stahlbereitung,  scheint  es  hiernach,  sollte  in  zwei 
bestimm)  verschiedene,  bei  sehr  ungleichen  Temperaturen 
auszuführende  Phasen  getheilt  werden  :  erstlich,  Kohlenoxyd 
in  das  Eisen  einzuführen,  und  dann,  das  so  eingeführte  Kohlen- 
oxyd zu  zersetzen.  Ware  das  Kohlenoxyd  einmal  in  das 
Eisen  wirklich  eingeschlossen,  so  könnte  man  das  Metall 
selbst  erkalten  lassen  und  der  Luft  aussetzen,  und  das  zweite 
Erhitzen  auf  eine  irgend  welche  spätere  Zeit  verschieben. 
Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dafs  solche  Temperaturwechsel 
zufallig  während  der  langen  Dauer  der  gewöhnlichen  Stahl- 
bereitung vorkommen;  aber  es  wäre  vortheilhaft,  sie  zu  re- 
guliren,  und  die  für  die  Stahlbereitung  nöthige  Zeit  liefse 
sich  wohl  abkürzen. 

Antimon,  als  ein  in  hohem  Grade  krystallinisches  Metall, 
wurde  sowohl  über  als  unter  der  Schmelztemperatur  desselben 
der  Einwirkung  von  Wasserstoff  ausgesetzt  und  dann  in  ge- 
wöhnlicher Weise  auf  etwa  aufgenommenes  Gas  untersucht. 
Es  liefs  sich  aber  kein  Wasserstoff  aus   ihm  herausziehen. 


79 

Ueber  Condensatiou  und  Polymerie; 

von  Adolf  Baeffer. 

Vorläufige   Mittheilnng. 

Das  einzige  Condensationsproduct  des  Aldehyds,  welches 
bis  jelzt  als  solches  bekannt  war,  das  Aldehydharz,  entspricht 
seinem  Verhalten  nach  den  pecbartigen  Substanzen,  die  sich 
neben  Hesityloxyd  und  Phoron  bei  der  Condensation  des 
Acetons  bilden,  und  die  offenbar  durch  Verschmelzung  sehr 
vieler  Holecule  entstanden  sind.  Die  Aehnlichkeit  in  der 
ConstitatioD  des  Aldehyds  und  des  Acetons  yeranlafste 
mich,  nach  den  einfacheren  Condensationsproducten  des  Alde- 
hyds zu  suchen,  und  es  gelang  auch,  ein  solches  auf  dem- 
selben Vl^ege  zu  erlangen,  der  bei  dem  Aceton  zu  diesem 
Zwecke  von  mir  eingeschlagen  worden  ist  (diese  Annalen 
CXL,  297). 

Sättigt  man  stark  abgekühlten  Aldehyd  mit  Salzsäuregas, 
so  wird  diefs  Anfangs  ohne  Veränderung  absorbirt;  bald  theilt 
sich  die  Flüssigkeit  aber  in  zwei  Schichten,  in  wasserige 
Salzsäure  und  Aethylidenoxychlorür.  Im  Aethylidenoxychlorür 
C4UKCI2O  sind  die  beiden  Aldehydmolecule  offenbar  durch 
den  Sauerstoff  mit  einander  verbunden,  da  diese  Substanz 
mit  Vl^asser  wieder  in  Salzsäure  und  Aldehyd  zerfällt.  Bei 
ihrer  Bildung  addirt  sich  erst  Salzsäure  und  giebt  gechlorten 
Alkohol,  der  dann  unter  VTasseraustritt  eine  Art  gechlorten 
Aethers  liefert : 

CjH^O  +  HCl  =  CjH^CKOH) 
.       •  2CÄC1(0H)  =  cÄci)^  +  *^«^- 

Dieser  mit  dem  durch  Substitution  erhaltenen  gechlorten 
Aetber  itforner»  Körper  verwandelt  sich  unter  dem  Einflub 
der  Salzsäure  rasek  weiter.    Die  Flüssigkeit  über  der  Salz* 


80  Baeyer^  über  Condensation 

säure,  wie  sie  durch  Einleiten  von  HCl  in  Aldehyd  erhalten 
worden,  bräunt  sich  rasch,  wird  immer  dickflüssiger  und 
verharzt  nach  etwa  14  Tagen  gänzlich.  Diefs  ist  ein  Vorgang, 
der  ganz  dem  Verhalten  des  Acetons  entspricht,  und  da  bei 
dem  letzteren  eine  wahre  Condensation  d.  h.  Verbindung  der 
Holecule  durch  Kohlenstoff  eintritt,  so  wurde  dieser  Vor- 
gang auch  beim  Aldehyde  wahrscheinlich.  Um  nun  Ver- 
bindungen von  Aldehydmoleculen,  die  wie  im  Aethyliden- 
oxychlorur  durch  Sauerstoff  zusammengehalten  werden,  nicht 
mit  Condensationsproducten  zu  verwechseln,  wurde  die 
aufschwimmende  Flüssigkeit  nach  2  Tagen  mit  PCI5  behandelt 
und  in  der  That  ein  constant  bei  150  bis  160^  siedendes 
sauerstofffreies  Product  erhalten.  Diese  nach  Terpentinöl 
riechende  Flüssigkeit  hat  die  Zusammensetzung  CeHioCI^,  ent- 
spricht also  der  Sauerstoffverbindung  CeHioO^,  die  durch 
Austritt  von  H2O  aus  drei  Aldehyden  entsteht : 

3  C2H4O  —  ogO  =  CgHioOg« 

Der  Aldehyd  zeigt  also  auch  eine  wahre  Condensation, 
wenn  auch  nach  anderen  Gesetzen  wie  das  Aceton,  da  bei 
diesem  3  Molecule  entweder  zwei  oder  drei  Wasser  ver- 
lieren, um  Phoron  oder  Mesitylcn  zu  geben.  Vielleicht  gelingt 
es  aber  auch,  beim  Aldehyd  die  Wasserentziehung  noch 
weiter  zu  treiben,  oder  dem  chlorhaltigen  Producte  HCl  zu 
entziehen,  was  auf  eins  herauskommt. 

Ein  ähnlicher  Körper  ist  offenbar  auch  die  Substanz, 
welche  Lieben  durch  Erhitzen  von  Aldehyd  mit  einer  wässe- 
rigen  Lösung   von   essigsaurem   Kali   erhalten  hat.    Er  be- 

0, aber 

'2"3J 

mit  Unrecht,  da  die  Eigenschaften  mit  dieser  Zusammensetzung 
gar  nicht  übereinstimmen.*  Zunächst  würde  ein  solcher 
Aether  wahrscheinlich  sehr  flüchtig  sein,  dann  müfste  er 
durch  Reduction  mit  Natriumamalgam  gewöhnlichen  Aether 


C  H 
trachtete  dieselbe  als  den  Aether  des  Aldehyds  q^^^ 


und  Polymerie.  81 

geben;  das  ist  aber  nicht  der  Fall,  selbst  in  saarer  Lösung 
verharzt  er  zum  Theil  und  giebt  aufserdem  ein  Oel,  das 
täuschend  nach  Pumpernickel  riecht.  Also  ein  Verhalten,  wie 
es  die  Condensationsproducte  des  Acetons  zeigen.  Ferner 
verharzt  die  Substanz  mit  Chlorphosphor  und  liefert  mit  Kali 
Aldehydharz.  Wie  man  sieht  spricht  alles  dafür,  dafs  im 
Lieben 'sehen  Aether  ebenfalls  der  Kol^enstoff  die  Holecule 
zusammenhält;  auf  welche  Weise  das  geschieht,  ist  noch 
nicht  zu  entscheiden  und  auch  schwer  zu  untersuchen,  da 
diese  Substanzen  aufserordentlich  veränderlich  sii^d ;  indessen 
kennt  man  doch  eine  solche  Condensation  des  Aldehyds, 
deren  Natur  ganz  unzweifelhaft  ist;  nämlich  die  Bildung  der 
Zimmtsäure. 

C  h  io  z  z  a  (diese  Ann.  XCVII,  350)  leitete  durch  ein  Gemenge 
von  Aldehyd  und  Bittermandelöl  Salzsfturegas  und  bekam 
den  Aldehyd  der  Zimmtsäure  : 

C,HaO  +  CjH^O  =  CjHgO  +  H,0. 

Zwei  Aldehyde  geben  also  ein  Wasser  ab  und  liefern 
einen  neuen  Aldehyd,  gerade  wie  zwei  Acetone  ein  Wasser 
abgeben,  um  ein  neues  Aceton,  das  Mesityloxyd,  zu  bilden. 
Dieser  Vorgang  kann  kaum  anders  stattfinden,  als  wie  ich  es 
in  der  Nachschrift  meiner.  Notiz  über  die  Condensations- 
producte des  Acetons  (diese  Ann.  CXL^  297)  für  die  Bildung  des 
Mesitylens  auseinandergesetzt  habe;  so  nämlich,  dals  der 
SaaerstoflT  des  Bittermandelöls  mit  Z  Wasserstoff  des  Methyls 
im  Aldehyd  Wasser  bildet  und  die  dadurch  freigewordenen 
Affinitäten  des  Kohlenstoffs  sich  mit  einander  verbinden : 

CeHft .  CHO  +  CHa  ',  CHO  =  C^E^  .  CH .  CH .  CHO  +  H,0 
Bittermandelöl        Aldehyd  Zimmtaldebyd. ' 

So  wird  auch  die  Bildung  der  Zimmtsäure  aus  Bitter- 
mandelöl und  Chloracetyl  erklärlich;  Chloi-acetyl  ist  ja  nichts 
anderes  als  Aldehyd,  in'  dem  der  isolirt  stehende  Wasserstoff 
dorch  Ci  ersetzt  ist.  Demnach  würde  die  Reaction  in  zwei 
Perioden  vor  sich  gehen  : 

Anaal.  4*  Chem.  a.  Pharm.  V.  Sapplementbd.  1.  Heft.  O 


82  BaeyeTj  über  Condensation 

C,H^O  +  CjHgOCl  =.  C^HtOCI  +  H,0 

Chlorilr  der  Zimmtsftare 
CjHyOCl  4-  H»0  =  CjHgO,  +  HCl ; 

zuerst  greift  der  Sauerstoff  in  das  Methyl  des  Chloracetyls 
hinein,  giebt  Wasser  und  es  entsteht  das  Chlorur  der  Zimmt- 
sdure,  und  dieses  zersetzt  sich  erst  hinterher  mit  dem  Wasser, 
om  Zimmtsdure  zu  bilden. 

Um  ffir  diese  Ansicht  noch  einen  weiteren  Beweis  bei- 
zubringen, habe  ich  ein  Gemenge  von  Bittermandelöl  und 
Aceton  mit  wasserentziehenden  Mitteln,  Salzsäure,  Schwefel- 
säure, Kali  behandelt.  Die  Condensation  erfolgt  aufserordent- 
Hch  schnell,  schon  nach  wenigen  Minuten,  und  nach  einiger 
Zeit  verharzt  die  ganze  Hasse.  Das  Endproduct  ist  ein  gelbes 
Harz,  das  in  Aether  Idslich  und  durch  Alkohol  daraus  als 
gelbes  Pulver  gefällt  wird,  welches  schwach  nach  Rhabarber 
riecht.  Die  Analyse  gab  keine  verständlichen  Zahlen,'  daher 
ist  die  Substanz  wahrscheinlich  ein  Gemenge.  Zuerst  bildet 
sich  aber  ein  öliger,  unzersetzt  flüchtiger  Körper,  der  einen 
an  Cumarin  erinnernden  Geruch  besitzt,  und  der  höchst 
wahrscheinlich  das  Methylaceton  der  Zimmtsäure  ist : 

C,HeO   +  CH,  .  CO  .  CHa  =  C.Ha  .  CH  .  CH  .  CO  .  CHa  +  H,0. 

Das  Verhalten  des  Bittermandelöls  macht  also  das  Con- 
densationsgesetz,  wonach  das  Kohl'enoxyd  in  ein  Methyl 
hineingreift  und  mit  2'  Afflnitäten  i  Kohlenstoffatome  in  Ver- 
bindung gesetzt  werden,  wenigstens  Tür  eine  Anzahl  von 
Fällen  in  hohem  Grade  ^wahrscheinlich ,  und  erlaubt  diese 
Ansicht  ^uch  auf  das  Mesilyloxyd  und  das  Phoron  auszudehnen, 
welche,  wie  ich  a.  a.  0.  schon  angedeutet  habe,  dann  als 
methylhaltige  geöffnete  Benzolketten  zu  betrachten  sind. 

*  Bemerkenswerth  ist  die  Leichtigkeit,  mit  der  der  Alde- 
hyd und  das  Aceton  den  Wasserstoff  ihres  Methyls  verlieren, 
während  diese  Gruppe  sowohl  in  den  Kohlenwasserstoffen 
als  auch  in  der  Essigsäure  eine  so  grofse  Beständigkeit  gegen 
die  meisten  Reagentien  zeigt.    Die  Schwefelsäure  lyirkt  zw^v 


und  Polymerie,  83 

ähnlich  auf  diese  Körper  ein,  indem  die  Bildung  der  Solfo- 
essigsäure  nnter  Austritt  von  Wasser  ja  auch  so  stait6ndet, 
dafs  das  Methyl  angegriffen  wird,  und  der  Schwefel  der 
Essigsaore  sich  an  den  Kohlenstoff  anlagert  (wie  eß  bei  der 
Bildung  der  Zimmtsäure  der  Kohlenstoff  selber  thut) ;  aber  doch  ^ 
scheinen  die  Wasserstoffiatome  im  Methyl  der  Essigsaure  weit 
fester  gebunden«  wie  die  im  Methyl  des  Aldehyds  oder  des 
Acetons.  Betrachtet  man  die  Reihe :  Aethylwasserstoff,  Alko- 
kol,  Aldehyd,  Essigsäure,  so  kann  man  sich  nicht  des  Ge* 
danken«  erwehren,  dafs  das  verschiedene  Verhalten  des  einen 
Methyls  in  diesen  Körpern  nicht  bloCs  auf  der  Gegenwart  des 
Sauerstoffs  in  dem  andern  Methyle  beruhte!  Wenn  diets  der 
Fall  wäre,  so  mufste  die  Festigkeit,  m\  d«r  die  Wasserstoff«- 
atome  an  den  Kohlenstoff  gebunden  sind,  von  einem  Gliede 
zum  andern  entweder  2u-*  oder  abmehmen ;  in  der  Thai  nimmt 
sie  aber  vom  Kohlenwasserstoff  zum  Alkohol  und  von  diesem 
zum  Aldehyd  ab ,  um  vom  Aldehyd  zur  Essigsäure  wieder 
bedeutend  zu  wachsen.  Der  Grund  dieser  Erscheinung  scheint 
in  demE'mflusse  zu  liegen,  welchen  die  verschiedene  Gruppirung 
der  Atome  auf  ihre  gegenseitige  Anziehung  ausübt,  ein  Ein- 
fluJs,  der  sich  besonder»  deutlich  herausstellt^  wenn  man  das 
Verkalten  des  Aldehyds  mit  dem  des  Acetons  vergleicht. 
Man  hat  öfters  dem  Aldehyd  eine  andere  Constitution  wie 
dem  Aceton  zuschreiben  wolteu  und  ersteren  als  Alkohol 
C3U3(0B)  betrachtet;  das  scheint  mir  aber  wegen  der  Aehnlich-^ 
kek  der  Reactionen  ganz  unzulässig,-  man  mufs  dann  auch 
das  Aceton  als  Alkohol  C|Bft(OH)  ansehen.  Indessen  sprechen 
die  Bildung  des  Chlorbenzoyls  aus  Bittermandelöl  und  Chlor, 
die  Entstehung  des  Acetons  aus  Chloracetyl  und  Zinkmethyl 
und  viele  andere  Reactionen  für  die  Formeln:. 

Mag  die  eine  oder  die  andere  Ansicht  richtig  sein,  so 

scheint  die  Aehnlichkeit  im  Verhalten  des  Methyls  im  Alde- 

6»  -  I 


84  Baeyety  über  Oondensation 

hyd  und  Aceton  auf  der  übereinstimmenden  Constitution  des 
damit  verbundenen  sau erstofTha lügen  Theiles  zu  beruhen. 

Was  die  Frage  betrifft,  ob  der  Eintritt  des  Sauerstoffs  in 
dasMoleciil  die  Festigkeit,  mit  der  der  Wasserstoff  am  Kohlen- 
stoff sitzt,  vergröfsert  oder  vermindert,  so  mufs  man  zwei 
Fälle  unterscheiden,  nämlich  ob  der  Wasserstoff  mit  dem- 
selben Kohlenstoff  wie  der  Sauerstoff,  oder  mit  einem  anderen 
verbunden  ist.  Der  Wasserstoff,  welcher  im  Alkohol  mit  dem 
mit  Sauerstoff  verbundenen  Kohlenstoff  zusammenhängt,  ist 
offenbar  durch  den  Eintritt  des  Sauerstoffs  in  den  Kohlen- 
wasserstoff gelockert  worden,  denn  er  wird  durch  weitere 
Oxydation  aufserordentlich  leicht  entfernt,  und  ebenso  ist  der 
im  Aldehyd  mit  CO  verbundene  Wasserstoff  durch  Sauer- 
stoff sehr  leicht  oxydirbar.  Daraus  folgt,  dafs  die  Aftziehung 
des  Sauerstoffs  auf  den  Wasserstoff  im  umgekehrten  Sinne 
erfolgt,  wie  die  des  Kohlenstoffs;  denn  offenbar  wird  der- 
jenige Wasserstoff  von  einem  hinzutretenden  Atom  am 
Leichtesten  «mgegriffen,  welcher  im  Holecul  am  Losesten  ge- 
bunden ist.  Dasselbe  Verhalten  zeigt  sich  bei  der  Einwirkung 
des  Chlors  auf  das  Chloräthyl:  das  Chlor  gebt  gerade  an  den- 
jenigen Kohlenstoff,  der  schon  mit  Chlor  verbunden  ist,  um 
das  dem  Aldehyd  entsprechende  C2H4CI2  zu  bilden.  Diese 
Thatsachen  stehen  im  Widerspruch  mit  der  Ansicht;  welche 
K  e k ul e  (diese  Annalen  CXXXVII,  174)  über  diese  Frage  aus- 
gesprochen hat.  Derselbe  sagt :  ^Ist  ein  bestimmter  Ort 
innerhalb  eines  Moleculs  von  Brom  eingenommen,  so  sind 
dadurch  alle  innerhalb  der  Anziehungssphäre  dieses  Brom- 
atoms liegenden  anderen  Atome  in  Bezug  auf  ihre  Anziehung 
zu  Brom  gesättigt,  oder  diese  Anziehung  ist  wenigstens  ge- 
schwächt. Ein  zweites  in  das  Monobromderivat  eintretende 
Bromatom  wird  also  die  Nähe  des  schon  vorhandenen  Broms 
möglichst  vermeiden;  es  wird  einen  möglichst  entfernten 
Ort  aufsuchen;  weil  dort  diei  Summe  der   noch  wirksamen 


und  Polymerie.  85 

Ansiebangen  eine  möglichst  grotse  ist.^  Eine  solche  speci- 
fische  Bromanziehung  ist  schwer  zo  denken,  und  es  ist 
wahrscheinlicher,  dafs  die  Anziehung,  welche  auf  ein  Wasser- 
stoffatom ausgeübt  wird,  die  Resultante  der  Anziehungen  aller 
anderen  Atome  ist.  Je  nachdem  die  Wirkung  des  eintretenden 
Bromatoms  in  demselben  Sinne  vor  sich  geht,  wie  die  Resul- 
tante der  vorhandenen  Anziehungskräfte,  oder  im  entgegen- 
gesetzten, wird  auch  das  Wasserstoffatoro  dadurch  entweder 
befestigt  oder  gelockert  werden.  So  sehen  wir  z.  B.  im 
Chloröthyl,  dafs  der  mit  CGI  verbundene  Wasserstoff  gelockert 
worden  und  leichter  angegriffen  wird,  wie  der  des  unver- 
sehrten Methyls.  Es  ist  diefs  auch  leicht  erklärlich,  wenn 
wir  uns  ein  Kohlenstoffatom  vorstellen,  das  mit  Wasserstoff 
verbanden  ist,  und  nun  an  die  Stelle  eines  Atomes  Wasser- 
stoff Chlor  einfuhren.  Diefs  Element  zieht  den  Wasserstoff 
starker  an,  wie  der  Wasserstoff  sich  selber;  es  wird  also  der 
noch  vorhandene  Wasserstoff  stärker  vom  Kohlenstoff  fort- 
gezogen werden,  als  vorher,  und  wird  deshalb  der  Ein- 
wirkung eines  zweiten  Chloratoms  um  so  leichter  unterliegen. 
Dafs  das  Entscheidende  über  die  Art  der  Einwirkung  nicht 
in  der  Stabilität  der  zu  bildenden  Substanz,  sondern  in  dem 
Grade  der  Labilität  der  einzelnen  Atome  zu  suchen  ist,  sieht 
man  aus  der  Leichtigkeit,  mit  der  aus  dem  Alkohol  Aldehyd 
entsteht  und  nicht  das   viel  beständigere  Glycol.     Wie  sich 

• 

bei  dem  Eintritt  eines  Chlor-  oder  Sauerstoffatoms  in  das 
Molecul  die  Anziehung  eines  Wasserstoffatomes  ändert,  welches 
mit  einem  andern  Atom  Kohlenstoff  verbunden  ist,  läfst  sich 
noch  nicht  übersehen,  und  es  ist  leicht  möglich,  dafs  in  dem 
von  Kekule  besprochenen  Beispiel  vom  Brömbenzol  die  dem 
Brom  zunäcfastliegenden  Wasserstoffe  fester  gebunden  sind 
als  im  Benzol,  wenn  die  Anziehung  des  Broms  auf  den  be- 
nachbarten Wasserstoff  eine  Componente  in  der  Richtung  der 
auf  das  Wasserstoffatom* wirkenden  Resultante  besitzt. 


86  Baeyetj  über  Condensatian 

Von  den  oben  besprochenen  Condensationsprodacten 
unterscheiden  sich  die  polymeren  Modificationen  der  Aldehyde 
dadurch,  dafs  in  ihnen  nicht  der  Kohlenstoff,  sondern  der 
Sauerstoff  oder  ein  anderes  Element,  welches  diesen  ver- 
treten hat,  die  einzelnen  Holecule  yereinigt.  Der  Vorgang, 
welcher  z.  B.  bei  der  Verdoppelung  des  Aldehydes  stattfindet, 
wird  am  Leichtesten  klar,  wenn  man  sich  daran  erinnert,  dafs 
der   Aldehyd  als   das  Anhydrid   des  Dioxyäthylwasserstoffs 

• 

angesehen  werden  kann,  indem  das  Acetal  zu  dieser  hypo- 
thetischen Verbindung  in  derselben  Beziehung  steht,  wie  die 
Aethor  der  Kohlensaure  zu  den  entsprechenden  Hydraten. 
Tritt  nun  aus  dem  Hydrat  CH3 .  CH(HO))i  Wasser  aus,  so 
bekommt  man  Aldehyd  CHs.CHO;  findet  der  Wasseraustritt 
aber  so  statt,  dafs  je  ein  HO  mit  einem  HO  aus  einem  zweiten 
Molecttl  ein  Wasser  bildet,  so  werden  dadurch  2  Molecule 
zweimal  durch  Sauerstoff  mit  einander  verbunden  und  man 
bekommt  einen   Körper,   der   die   verdoppelte   Formel   des 

Aldehydes  besitzt  :  q^  '  ^»|  0  0.  Betrachtet  man  in  der- 
selben Weise  die  Bildung  des  Ameisenaldohydes  aus  dem 
Holzgeist,  so  würde  zuerst  das  Dioxygrubengas  CiliiüO)^ 
entstehen,  und  diefs  müfste  dann  ebenfalls  Wasser  abgeben, 
um  den  Aldehyd  zu  bilden.  In  diesem  Falle  scheint  die 
Reaction  aber  immer  in  der  andern  Weise  vor  sich  zu  gehen, 
es  treten  2  Molecule  zusammen  und  geben  de,n  verdoppelten 

CH  \     I 
Aldehyd  der  Ameisensäure,  das  Dimethylenoxyd  :  r«ij^  OjO. 

Die  entsprechenden  Schwefelverbindungen  zeigen  bekanntlich 

dieselbe    Verdoppelung,  z.    B.    das    Reductionsproduct    des 

CH  \     \ 
SchwefelkohlenstofiDs  :  qu'  SjS.     Das   Bittermandelöl    ver* 

doppelt  sich  bei  der  Behandlung  mit  Cyahkalium  ebenfalls, 
und  man  könnte  vermuthen,  dafs  das  so  erhaltene  Benzofn 


tmd  Polymerie,  8? 

aach  die  polymere  Hodification  ^^o^  *  ^jj  0  j  0  wäre,  wenig- 
stens spricht  das  Zerfallen  des  Benzoins  in  Bittermandelöl 
bei  hoher  Temperator  für  diese  Ansicht. 

Das  Chloral  ist  der  dreifach-gecfalorte  Aldehyd ;  es  ver- 
bindet sich  mit  Wasser  zu  Chloralhydrat,  welches  dem  oben 
angenommenen  Aldehydhydrat  entspricht  :  CCls .  CH(H0)8. 
Das  Chloralid  ist  eine  gemischte  dreifach -polymere  Ver- 
bindung von  zwei  Holeculen  Chloral  ond  einem  Kohlenoxyd, 
welches  letztere  bei  der  Einwirkung  von  Schwefelsäure  auf 
Chloral  entsteht  : 

C,HC1,0  CjHClel 

C^HCljO       geben       CuHClalO«. 
CO  C  I 

Man  kann  sich  diese  Verdreifachung  so  vorstellen,  dafs  die 
Sauerstofiatome  kettenförmig  ein  Molecul  immer  an  das  andere 
heften.  Die  porcellanartige  Hodification  des  Chlorals  ist 
wahrscheinlich  eine  noch  complicirtere  Anhäufung  von  Mole- 
culen,  die  ii^  derselben  Woise  durch  Sauerstoff  verbunden 
sind. 

Am  Zahlreichsten  und  Mannigfaltigsten  sind  die,  Poly- 
merieen  bei  den  Stickstoffverbindungen,  wie  es  bei  der  mehr- 
werthigen  Natur  dieses  Elementas  auch  nicht  auffallend  ist. 
Die  Theorie  der  Stickstoffpolymerie  lafst  sich  äbfigens  ganz 
in  derselben  Weise  entwickeln,  wie  die  der  Sauerstoffpoly- 
merie.    Dem  unbekannten  Hydrat   der  Kohlensäure   C(H0)4 

■  ■ 

entspricht  das  unbekannte  Amid  C(NR8)4.  Bei  der  von  Hof- 
mann untersuchten  Einwirkung  vof\  Ammoniak  auf  Chlor- 
pikrin  bildet  sich  nicht  dieser  Körper  sondern  das  um  NHs 
ärmere  Guanidin.  Das  Guanidin  steht  also  zu  dem  vierfachen 
Amid  in  demselben  Verhältnifs  wie  die  Kohlensäure  'in  den 
Salzen  zu  der  Kohlensäure  in  dem  B  asse  tischen  Aether,  das 
eine  ist  ein  Anhydrid,  das  andere  schlage  ich  vor  Anamid  zu 


88  Baeyer,  über  QmdenscUian 

nennen.  Vernert  das  Guanidin  noch  ein  Ammoniak,  so  mafs  es 
Cyanamid  geben,  entsprechend  dem  gewöhnlichen  Kohlen- 
säureanhydrid : 

Tetraamid    CCNH,)«         '         C(H0)4      BftBset's  Hydrat 
Onanidin      C(NHs)s(NH)  €(HO)aO   Hydrat  der  Salze 

Cyanamid  I^jJJ^q  x  CO,  Kohlensäure. 

In  derselben  Weise  kann  man  das  freie  Cyan  mit  der 
Oxalsäure  vergleichen,  wenn  man  diese  als  das  zweite  An- 
hydrid des  Hydrates  C2(HO)6  ansieht. 

Sh^w^se^toffl^  '   C«<HO)e     Hexaoxy&thylwaaBerstoff 

C,(NH,)4NH         C,(H0)40   . 
C,(NH2),(NH),     C,(H0),08  OxalsÄure 

C,(NH)8(NH)N 
Cyan  C,!^ 

Man  sieht,  wie  viel  einfacher  die  Reihe  der  Oxalsäure 
ist.  Die  Stickstoffreihe  wird  noch  um  ein  Glied  reicher, 
wenn  man  die  Ammoniake  in  anderer  Reihenfolge  austreten 
läfst,  und  z.  B.  das  eine  Kohl^ifistoffatom  in  Cyan  verwandelt, 
während  das  andere  noch  unangegriffen  bleibt,  also  in  fol- 
gender Weise  : 

C(NHO,  .  C(NH,)3 
0(NHa),  .  C(NHt)(liH) 

C(NHt)i  •  CN 
C(NH,)(NH)  .  CN 

CN  .  CN. 

Der  Mechanismus  bei  dem  Uebergange  der  Hydrate  der' 
Kohlensäure  in  die  Anhydride  besteht  darin,  dafs  eine  HO- 
Gruppe  einer  andern  an  demselben  Kohlenstoff  befindlichen 
ein  Wasserstoffatom  entzieht  um  als  Wasser  auszutreten, 
während  der  so  von  Wasserstoff  befreite  Sauerstoff  sich 
ganz  an  den  Kohlenstoff  anlagert  und  die  Gruppe  CO  bildet. 
Bei  den  Amidoderivaten  geht  dieser  Procefs  wegen  der  drei- 
werthigen  Natur  des  Stickstoffs  in  zwei  Absätzen  vor  sich  : 
zuerst  entzieht  ein  NUs  einem  andern  an  demselben  Kohlen- 


und  Polymerie,  89 

Stoff  befindlichen  einen  Wasserstoff  um  Ammoniak  2u  bilden, 
und  es  entsteht  die  Imidogruppe  NH,  welche  sich  mit 
2  Affinitäten  an  den  Kohlenstoff  anlagert ;  ist  dann  noch  eine 
AmidogTQppe  an  demselben  Kohlenstoff  vorhanden,  wie  es 
z.  B.  bei  dem  freien  Cyan  der  Fall  ist,  so  entzieht  diese 
der  Imidogruppe  den  letzten  Wasserstoff,  es  entweicht 
Ammoniak  und  der  zurückbleibende  Stickstoff  legt  sich  ganz 
an  den  Kohlenstoff  an,  um  Cyan  zu  bilden. 

Der  Beweis  für  die  Richtigkeit  dieser  Anschauung  scheint 
mir  darin  zu  liegen,  dafs  die  Anamide,  wie  z.  B.  die  Cyan- 
verbindungen,  Ammoniak  aufnehmen,  grade  wie  die  Anhydride 
Wasser  binden. 

Kohlensaure  nimmt  Kalihydrat  oder  Alkohol  auf  und 
giebt  ein  Salz  oder  einen  Aether;  so  verbindet  sich  auch 
das  der  Kohlensäure  entsprechende  Cyanamid  mit  Anilin 
bei  der  Bildung  des  Heianilins.  Chlorcyan  giebt  nämlich 
mit  Anilin  zuerst  phenylbaltiges  Cyanamid  und  dieses  ver- 
bindet sich  zugleich  mit  einem  zweiten  Anilin  und  giebt 
zweifach-phenylirtes  Guanidin.  Ferner  vereinigen  sich  nach 
Strecker  Cyanamid  und  Glycocoü  direct  zu  Glycocyamin; 
Glycocoll  ist  ein  Ammoniak  in  welchem  die  Essigsäure  steckt, 
das  Glycocyamin  ist  also  ein  Guanidin.  Endlich  nimmt  das 
freie  Cyan  2  Anilin  auf  und  bildet  Cyananilin,  eine  Ver* 
bindung,  die  zum  Guanidin  in  derselben  Beziehung  steht  wie 
die  Oxalsäure  zur  Kohlensäure: 

C(NH)NH,XNH,)  C{NH)NHa .  C(NH)(N.H,) 

Gaanidin  Mutteraubstanz  des  CyanaDilins. 

Denn    wie  man    die  Oxalsäure    von   der   Kohlensaure    ab- 

* 

leiten  kann,  indem  man  sich  aus  2CO(HO)8  2  (HO)  wegdenkt 
und  die  Beste  miteinander  verbindet,  so  braucht  man  im 
Guanidin  nur  NH«  fortzunehmen  und  dann  zwei  solche  Reste 
miteinander  zu  verbinden,  um  Cyananilin  zu  erhalten.  Aehn- 
licher  Natur  sind  offenbar  die  Basen,  welche  man  verschiedent- 


90  BaeyeTy  über  Qmdenaation 

lick  dvroh  Einwirkung  von  Blausömro  auf  Basen  erhake«  Imt, 
nudem  die  Blanaäare  bis  zu  einem  Triamidoderivat,  dem  Afnido- 
form,  durck  Eintritt  von  2  Ammoniak  »u^elöst  werden  kann : 

CH.N 

CH(Nfi)(NH,) 
CH(NH,),. 

Aufser  den  beiden  besprochenen  Fallen,  wo  4  oder 
3  NHs  mit  einem  Kohlenstoif  verbunden  sind,  können  auch 
nur  2  oder  1  NH«  damit  in  Verbindung  stehen.  2  NH^^  können 
nur  einmal  NH3  .veriier<Mi  und  lassen  die  zweiwertbige 
Imidogruppe  zurück;  1  NHa  kann  natürlich  kein  Ammoniak 
abgeben,  ohne  in  irgend  eine  andere  Gruppe  einzugreifen. 
Denken  wir  uns  nun  irgend  einen  Kohlenwasserstoff  und 
darin  einen,  mehrere  oder  alle  Wasserstoffatome  durch  NH« 
ersetzt,  so  können  wir  durch  Austritt  von  NH3  aus  solchen 
NHk-Gruppen,  die  an  einem  Kohlenstoffatome  sitzen,  alle  Ver-^ 
bindungen  erzeugen,  die  den  Alkoholen,  Aldehyden,  Acetonen 
ond  Säuren  in  der  Sauerstoffreihe  entsprechen.  Der  Carb- 
oxylgruppe  CO. OH  entspricht  die  Cyangruppe,  dem  CO  im 
Aldehyd  und  Aceton  die  Gruppe  C(NH)  und  dem  HO  die 
Gruppe  NH|. 

Wenn  wir  diejenigen  Stickstoffderivate  der  Kohlenwasser^ 
Stoffe  bei  Seite  lassen,  in  denen  Stickstoffatome  unter  ein- 
ander oder  mit  anderweitigen  Elementen,  wie  Sauerstoff  z.  B^ 
verbunden  sind ,  so  bleibt  uns  nur  noch  eine  Klasse  zu  be* 
sprechen  übrig,  die  nämlich,  welche  Stickstoffatome  in  Ver- 
bindung mit  zwei  oder  mehr  verschiedenen  Kohlenstoffatomen 
enthalt.  Die  entsprechende  Sauerstoff- Reihe  umfafst  die 
Aetherarten,  die  Anhydride  und  die  polymeren  Modificationen. 
Die  den  Aetherarten  und  Anhydriden  entsprechenden  Stick- 
stoffverbindungen sind  die  verschiedenen  substituirten  Ammo- 
niake,  deren  Theorie  durch  Hofmann 's  Untersuchungen 
wohl  als   abgeschlossen  betrachtet  werden  kann.    Die  poly- 


und  Polymerie.  9t 

Bereo  ModificationeD  und  die  rieh  daran  sehliebenden  Sub- 
stanzen, wie  die  Mellonkörper,  sind  aufserordentlich  zahlreich, 
and  ich  mufs  mich  an  dieser  Stelle  nur  anf  einige  Andeu- 
tangen  beschränken.  Die  Bildung  polymerer  Substanzen 
kann  naturlich  nur  durch  mehrwerthige  Elemente  oder  Gruppen 
erfolgen,  es  kann  daher  auch  nur  das  Atom  Stickstoff  und 
die  lanidogruppe,  nicht  aber  die  Amidogruppe  polymerisirend 
auftreten  (wenn  man  nur  drei  Werthigkeiten  des  Stickstoffs 
berücksichtigt).  Je  nachdem  die  eweiwerthige  NH-Grnppe 
oder  das  dreiwerthige  N-Atom  mit  Kohlenstoff  verbunden  ist, 
wird  daher  auch  eine  Verdoppelung  oder  Verdreifachung 
wahrscheinlicher  sein.  Man  kann  das  Cyanamid  z.  B.  ent- 
weder als  Cyanamid  oder  als  Biimid  des  Kohlenstoffs  be- 
trachten :  CN(NH2)  oder  C(NH)8.  Letzteres  kann  sich  sehr 
einfach  verdoppeln,  indem  die  zweiwerthigen  Imidogruppen 
immer  zwei  Kohlensloffatome  verbinden  : 

^}(NH)4     oder     c(riH)K''^)«'    Das  so  gebildete  Dicyan- 

amid,   die   Mottersubstanz  der   Harnsaure,   nimmt  dann   ein 

Wasser  auf   und   giebt  das    dem  Allantoin    entsprechende 

CO        1 
Dicyandiamidin  von  Strecker:  n/Mu  \  [(NH)^. 

Bei  höherer  Temperatur  verhalt  sich  das  Cyanamid  wie 
ein  Cyanderivat :  in  drei  Moleculen  lagern  sich  die  in  Cyan- 
form  vorhandenen  drei  Stickstoffatome  so  um,  dafs  jedes  mit 
drei  verschiedenen   Kohleastoffatomen  in   Verbindung  tritt  : 

C(NHt)lN,  =  Helamin.     Hierdurch  ist  auch  erklärlich,  wes- 

C(NHt)j 

halb  das  Chlorcyan  keine  bestandige  Verdoppelung,  wohl 
aber  eine  sehr  beständige  Verdreifachung  zeigt,  welche  dem 
Helamin  und  der  Cyanursäure  entspricht : 

ccn  c(HO)) 

CCl  }N.  Dreifach-Chlorcyan ;  C(HO)yNa  Cyanuraäuro. 
CClJ  C(HO)J 


92  BaeycTy  über  Condensation 

Dafs  die  Cyanursäure  wirklich  80  constituirt  ist,  scheint 
mit  Sicherheit  aus  der  Bildung  von  Tridthylguanidin  zu  folgern, 
welche  Hofmann  bei  der  Einwirkung  von  Natriumaikoholat 
auf  Cyanursäureather  beobachtet  hat  (Jahresbericht  f.  1861, 
S.  515).  Nach  obiger  Formel  sind  mit  einem  Kohlenstoflatom 
drei  StickstoflTatome  verbunden;  werden  nun  die  zwei  andern 
Kohlenstoffatome  fortgenommen,  so  bleiben  diese  zusammen, 
und  erhalten  den  nöthigen  Wasserstoff  durch  Bildung  von 
Kohlensäure.  Die  Cyansäure  kann  sich  wie  das  Cyanamid 
nicht  allein  verdreifachen,  sondern  auch  verdoppeln ,  wenig** 
stens  giebt  Poensgen  die  Existenz  einer  Dicyansaure  an. 
Diefs  ist  auch  möglich,  wenn  man  der  Cyansäure  nicht  die 
Formel  CN(^HO),  sondern  CO(NH)  giebt.  In  letzterer  sind 
zwei  zweiwerthige  Gruppen,  der  Sauerstoff  und  das  NH,  und 
beide  könnten  zu  einer  Verdoppelung  Veranlassung  geben  : 

Was  die  in  letzter  Zeit  so  viel*  besprochene  Constitution 
des  Harnstoffes  betrifft,  so  ergiebt  sich  aus  dem  Obigen  Fol- 
gendes. Nimmt  man  die  Formel  CO(NH)  ffir  die  Cyansfiure 
an,  so  kann  die  Imidogruppe  Veranlassung  geben  zu  der 
Aufnahme  von  Ammoniak,  indem  sie  selbst  so  wie  das  ein- 
tretende Ammoniak  in  NH«  verwandelt  wird,  und  man  erhalt 
so  das  Carbamid  C0(NH«)8.  Geht  man  von  der  Formel  CN(HO) 
aus,  so  kann  die  Cyangruppe  ebenfalls  Ammoniak  aufnehmen, 
dann  wird  der  eine  Stickstoff  aber  in  NH  und  der  andere  in 
NHi  verwandelt  und  der  Harnstoff  wäre  dann :  C(NH)(NH0(OH), 
worin  das  OH  mit  dem  Kohlenstoff  in  Verbindung  ist.  Wenn 
diese  letztere  Ansicht  richtig  ist,  so  müfste  der  Harnstoff  im 
Stande  sein,  noch  ein  Ammoniak  in  irgend  einer  Form  auf- 
zunehmen, um  ein  Derivat  der  Verbindung :  C(NHt)3(0H)  zu 
geben.  Dabei  will  ich  daran  erinnern,  dafs  ich  durch  Er- 
hitzen von  Harnstoff  mit  Anilin  das  indifferente  Phenylcarbamid 


vnd  Polymerie,  93 

erhalten  habe,  was  also  für  die  Carbamidformel  des  Harn- 
stofTes  spricht  Aufserdem  muTste  der  aus  Cyansäureäther 
und  Ammoniak  gebildete  AethylharnstofT  die  Zusammensetzung 
C(NH)(NH2)(0C:<H6)  haben  und  bei  der  Zersetzung  mit  Kali 
Ammoniak  und  Alkohol  geben,  was  bekanntlich  nicht  der 
Fall  ist.  Man  *kann  sich  am  Besten  über  diese  Körper  eine 
Uebersicht  verschaffen,  wenn  man  von  dem  Basset'schen 
Hydrat  der  Kohlensäure  ausgeht  und  ein  HO  nach  dem 
andern  durch  NH2  ersetzt,  man  erhalt  dann  folgende  Reihe  : 

C(H0)4,    C(HO),(NH.),    C{HO),(NH,)„    C(HO)(NB,)a,      C^NH,), 
CO(HO)to  COCHOXNH,),       CO(NH,)t,    C(HOXNBy(NH),  C(NH,),(NH) 
CO^  CCKNH),  C(HO)N,  C(NH)t. 

In  der  ersten  Reihe  befinden  sich  die  der  Kohlensaure 
entsprechenden  Normalkörper  (Orthosnbstanzen),  in  der  zweiten 
und  dritten  die  primären  und  secundaren  Anamide  und  An- 
hydride, wobei  angenommen  ist,  dafs  die  HO- und  NHg-^ruppen 
nmr  antereinander  zum  Austritt  von  Wasser  oder  Ammoniak 
Veranlassung  geben. 

Pafst  man  das  ober  die  Polymerie  Gesagte  zusammen, 
so  ergiebt  sich  Folgendes  :  „Die  Bildung  polymerer  Sub- 
stanzen entspricht  der  Aufnahme  von  Wasser  oder  Ammoniak 
durch  die  Anhydride,  welche  CO  enthalten,  oder  die  Anamide, 
welche  die  Gruppe  C(NU)  oder  CN  enthalten,  indem  gleich- 
artige Gruppen  die  Rolle  des  Wassers  oder  des  Ammoniaks 
spielen.^  Handelt  es  sich  z.  B.  um  den  Uebergang  des 
Chlorcyans  in  das  Dreifach-Chlorcyan^  so  hat  man  : 

CNCI  -h  2  NHs    =  C(NH,)8C1 
CNCl  +  2  CNCI  =  Cb  N,  Ol,. 

Betrachten  wir  noch  zum  Schlüsse  die  Stickstoffderivate 
der  Aldehyde.  Das  Hydrobenzamid  entspricht  einem  ver- 
dreifachten Aldehyd,  in  welchem  der  Sauerstoff  durch  Stick- 
stoff vertreten  ist;  man  kann  es  also  mit  dem  Benzoin  ver- 
gleichen : 


94  Baeyer,  über  Condengaiion 


Das  Hydrobenztniid  g^ht  beim  Erhitzen  in  Amarin  über, 
wobei  wahrscheinlich  die  CTHe-Gruppen  unter  Wasserstoff- 
abscbeidong  sich  mit  einander  verbinden,  indem  der  Wasser- 
stoff an  d«n  Stickstoff  geht.  Di^e  Reaction  wäre  also  eine 
Condensation  ohne  Austritt,  entsprechend  der  Bildung  4e$ 
Benzidins  aus  dem  Hydroazobenzol,  bei  welcher  Reaction 
die  Benzole  ebenso  Wasserstoff  abgeben,  um  sich  mii  einander 
zu  verbinden  und  den  Stickstoff  in  die  Amidogrnppe  zu 
verwandeln.  Beim  gewöhnlichen  Aldehyd  kannte  man  diese 
Vorgänge  noch  nicht;  ich  habe  aber  durch  Erhitzen  von 
AMehydammoniak  mit  Harnstoff  eine  neue  fluchtige  Base  er- 
hatten,  die  ich  Aldehydin  nennen  will  und  die  dem  Amarin 
zu  entsprechen  scheint.  Diese  Base  riecht  nämlich  wie 
Nicotin  oder  Coniin,  und  besitzt  nach  Versuchen,  die  Herr 
Dr.  Schult ^en  die  fiüte  gekabt  hat  anzustellen,  äufsersi 
giftige  Eigenschaften.  Substanzen,  die  dem  Hydrobenzamid 
ähnlich  zusammengesetzt  sind  und  von  dem  noch  unbe- 
kannten Triätbylidenbiaroid  abgeleitet  werden  können,  sind 
das  Tkialdin,  das  Carbothialdi»  und  das  Hydrocyanaldin  : 

CA)  C,H,^     \'i  C,H,    \  C,H,^     CN 

CJH4)  C,H4J     )SH         C(8U)jj  C,hJ     CN 

Triäthylidenbiamid.     Thialdln.        Carbothialdin.      Hydrocjanaldio. 

In  dem  Triäthylidenbiamid  sind  beide  Stickstoffatome  mit 
je  einer  Affinität  mit  je  einer  der  drei  Aethyiidene  verbunden 
gedacht,  im  Thialdin  ist  der  eine  Stickstoff  durch  den  zwei- 
werthigen  Schwefel  und  die  einwerthige  Gruppe  SH  ver- 
treten, im  Carbothialdin  ist  ein  Aethyliden  durch  die  zwei- 
werthige  Gruppe  C(SH)^  ersetzt,  und  im  Hydrocyanaldin  ein 
Stickstoff  durch  drei  Cyan.  Alle  drei  Körper  haben  die 
Eigenschaft,  in  drei  Theile  zerfallen  zu  können ;  wie  das 
Hydrobenzamid  in  drei  Bittermandelöl  mit  Leichtigkeit  aufgeht. 


und  Polymeru.  AB 

Das  Acetammoniumoxy dhydrat  Ten  H  e  i  n  t  z  und  W  i  s  1  i  c  e  n  a  s 
(Cbem.  Centralblatt  1859, 61)  halte  ieh  für  einen  Abkömnlin^  des 
Aldehydharzes,  da  es  mit  Kali  gefällt  worden  und  Kali  alle 
Aethylidenderivaie  in  Aldehydbarz  verwandelt. 


Neues  Verfahren  zur  Synthese  der  Oxalsäure 

und  homologer  Säuren; 

von  M.  Berihelot  *). 


i)  Die  Formeln  des  Acetylens  C4H8  and  der  Oxalsäure 
C4HtO0  mA  nur  um  8  Aeq.  Sauerstoff  Terschieden.  Es  isl 
mir  gelungen,  diese  Menge  Sauerstoff  direet  dem  Aeetytoo 
hinzuzufügen  :  C^i  -{~  Og  3=  C4H]i0b/  Die  Synthese  der 
Oxalsäure  iifst  sich  also  ausfuhren  durch  die  successive 
Vereinigung  der  drei  sie  zusammensetizenden  Elemente  : 

Kohleaatoflf  +  Waaaeratoff  ^  Aoftylea; 
Acetylen  4~  Sauerstoff  =  OzalsAore. 

Man  braucht  nur,  bei  gewöhnlicher  Temperatur,  eine 
wasserige  Lösung  von  reinem  übermangansaurem  Kali  auf 
Acetylengas  einwirken  zu  lassen.  Man  setzt  die  Lösung  nach 
and  nach  zu,  unter  stetigem  UmschüUeln  und  so  lange  sich 
die  Losung  noch  entfärbi.  Wenn  man  nahe  an  der  Grenze 
angekommen  ist,  filtrirt  man  zur  Abscheidung  des  Mangan- 
hyperoxydes. Die  Flüssigkeit  enthalt  alsdann,  an  Kali  ge-* 
banden,  eine  grofse  Menge  Oxalsäure,  welche  leichl  als  solche 
nachzuweisen  und  nach  den  gewöhnlichen  Verfahren  zu 
isoliren  ist.  —  Zu  gleicher  Zeil  entstehen  Ameisensäure  und 


♦)  Compt  pcnd.  LXIV,  86. 


96         Berthelot,  neues   Verfahren  zur  Synthese  der 

Kohlensäure,  welche  betrachtet  werden  können  als  Uoiwand- 
lungsproducte  eines  Theiles  der  Oxalsäure  im  Entstebongs- 
zustand  :  * 

1  Vol.  Acetylen  fixirt  also  direct,  und  durch  einfache 
Addition,  8  Aeq.  d.  i.  2  Vol.  Sauerstoff  unter  Bildung  von 
Oxalsäure.  Das  ist  ein  neuer  Beweis  dafür,  dafs  das  Acetylen 
eine  unvollständige  Verbindung  ist,  worauf  auch  beruht,  dafs 
es,  wie  ich  gezeigt  habe,  sich  mit  1  und  mit  2  Vol.  Wasser- 
stoff oder  Wasserstoffsäure  vereinigt.  Das  Volum  des  Sauer- 
stoffs und  das  Volum  des  Wasserstoffs,  welche  im  Maximum 
vom  Acetylen  aufgenommen  werden  können,  sind  genau  gleich 
grofs.  Hier  ist  auch,  wenn  ich  mich  nicht  irre,  das  erste 
Beispiel  dafür  gegeben,  dafs  ein  Kohlenwasserstoff  sich  direct,' 
und  ohne  dafs  ein  Element  elinrinirt  wird,  mit  Sauerstoff  zur 
Bildung  einer  Säure  vereinigen  kann. 

2)  Es  schien  mir  Interesse  zu  bieten,  in  dieser  Beziehung 
das  Acetylen  mit  dem  Aethylen  zu  vergleichen,  welches 
letztere  durch  Vereinigung  des  Acetylens  mit  Wasserstoff 
nach  gleichen  Volumen  erhalten  werden  kann.  Die  Oxydation 
des  Aethylens  mittelst  übermangansauren  Kali's  geht  eben  so 
leicht  vor  sich  wie  die  des  Acetylens,  nur  etwas  langsamer. 
Nicht  nur  bilden  sich  dabei  Ameisensäure  und  Kohlensäure, 
wie  Trnchot  entdeckt  hat,  sondern  auch,  und  in  beträcht- 
licherer Menge,  Oxalsäure.  Die  letztere  Säure  entsteht  hier 
auf  Grund  einer  Elimination  von  Wasserstoff  bei  der  Auf- 
nahme von  Sauerstoff  : 

C4H4  +  Oio  =  C,H,Oa  +  H,0,; 

d.  h.  das  Endproduct  der  Oxydation  des  Acetylens  und  des 
Aethylens  ist  dasselbe,  da  der  von  dem  Acetylen  zur  Bildung 
von  Aethylen  aufgenommene  Wasserstoff  eliminirt  wird. 

3)  Die  Reactionen,  welche  ich  hier  bespreche,  sind 
nicht  nur  auf  das  Acetylen  und  das  Aethylen,  sondern  auch 
auf  eine  Menge  anderer  Kohlenwasserstoffe  anwendbar. 


Oxalsäure  und  homologer  Säuren.  97 

Das  Aliylen  CeH«  z.  B.,  welches  mit  dem  Acetylen  ho- 
molog ist,  besitzt  gieichfalis  die  Eigenschaft,  bei  Einwirkung 
von  übermangansaurem  Kali  in  der  Kälte,  einfach  durch  Ver- 
einigung mit  Sauerstoff;  eine  entsprechende  Säure,  die  Halon- 
säure,  entstehen  zu  lassen  : 

Bei  dieser  Sauerstoffaufnahme  werden  zugleich  Essig- 
säure and  Kohlensaure,  d.  h.  die  Spaltungsproducte  der  Ma« 
lonsaure  gebildet  : 

CeH^Og  =  C4H4O4  +  C,04. 

Doch  sind  die  mit  dem  Aliylen  auszuführenden  Reactionen 
weniger  glatt,  als  die  Bildung  der  Oxalsäure  aus  dem  Ace- 
tylen, da  der  gröfsere  Theil  des  Allylens  eine  tiefer  gehende 
Einwirkung  erleidet,  welche  einerseits  die  der  Halonsäure 
nächst  niedrigere  homologe  Säure,  nämlich  Oxalsäure,  und 
andererseits  die  der  Essigsäure  nächst  niedrigere  homologe 
Säure,  nämlich  Ameisensäure,  entstehen  läfst. 

4)  Das  Propylen  CeH«  liefert  dieselben  Producte  wie 
das  Aliylen;  nämlich  Malonsäure,  und  zwar  in  reichlicherer 
Menge  als  das  Aliylen  : 

was  die  Hauptreaction  repräsentirt,  und  aufserdem  bilden 
sich  noch,  in  Folge  secundärer  Reactionen,  Oxalsäure,  Essig- 
säure, Ameisensäure  und  Kohlensäure. 

In  folgender  Weise  kann  man  die  mit  dem  Aliylen  oder 
mit  dem  Propylen  hervorgebrachten  Säuren,  die  Oxalsäure 
und  die  Malonsäure,  isoliren  :  Nachdem  man  das  überman- 
gansaure Kali  auf  den  Kohlenwasserstoff  einwirken  liefs,  filtrirt 
man  und  erhält  eine  farblose  Flüssigkeit;  zu  dieser  setzt 
man  eine  (von  Schwefelsäure  und  Salzsäure  freie)  Lösung 
von  essigsaurem  Kalk ,  wodurch  die  Kohlensäure  und  die 
Oxalsäure  in  der  Form  von  Kalksalzen  ausgefällt  werden, 
deren  Säuren  sich  nach  bekannten  Verfahren  isoliren  lassen ; 


*..«!       A      m.o.M       M       Ok^iHM       V       UnnntA«nAit«'li<l       1        flol» 


98         Berthelot^  neues   Verfahren  zur  Synthese  der 

die  Halonsäare  bleibt  in  der  Flüssigkeit.  Man  versetzt  nun 
diese  mit  einer  Spur  Essigsäure  und  dann  mit  essigsaarein 
Blei,  wodurch  malonsaures  Blei  (mit  einem  gewissen  Kalk- 
gehalt)  ausgefällt  wird.  Man  zersetzt  dieses  Bleisalz  mittelst 
Schwefelwasserstoff,  dampft  das  Filtrat  im  Wasserbad  zur 
Trockne  ein,  behandelt  den  Rückstand  mit  Aether  und  er- 
hält die  Malonsäure  krystallisirt.  Ich  habe  die  hauptsäch- 
lichsten Eigenschaften  derselben  verificirt. 

Ich  gehe  auf  die  Essigsäure  und  die  Ameisensäure  hier 
nicht  weiter  ein,  auf  welche  Truchot  bereits  aufmerksam 
gemacht  hat. 

5)  Was  die  hier  besprochenen  Reactionen  betrifit,  so 
scheint  mir  als  wichtigste  Thatsache  die  Bildung  der  zwei- 
basischen, den  ursprunglichen  Kohlenwasserstoffen  entspre- 
chenden Säuren  dazustehen.  Nicht  allein  ist  hierin  eine 
directe  Synthese  dieser  Säuren  gegeben,  sondern,  wie  es 
mir  scheint,  auch  eine  Erklärung  der  bei  so  vielen  Oxyda- 
tionen beobachteten  gleichzeitigen  Bildung  der  beiden  Säure- 
reihen C8nH2n04  uud  C8QH2n-208.  Nehmen  wir  als  Beispiel 
das  Allylen.  Dieser  Kohlenwasserstoff  liefert  einerseits  die 
flüchtigen  Säuren  der  ersten  Reihe  :  Essigsäure  C4H4O4  und 
Ameisensäure  G^HyO«,  und  andererseits  die  fixeren  Säuren 
der  zweiten  Reihe  :  Malonsäure  G6H4O8  und  Oxalsäure  C4H2O3. 
Nun  wird  unter  diesen  Säuren  nur  Eine  durch  normale  Re- 
action  hervorgebracht,  nämlich  die  Malonsäure  : 

CeH*  +  08  =  CeH^Og ; 

aber  die  anderen  leiten  sich  von  dieser  in  regelmäfsiger 
Weise  ab.  In  der  That  erklärt  die  Spaltung  dieser  Säure 
in  dem  Entstehungszustand  die  Bildung  der  Essigsäure 

und  man  begreift,  weshalb  die  erste  fette  Säure,  die  hier 
auftritt,  weniger  Kohlenstoff  in  ihrer  Formel  enthält  als  der 
sie  erzeugende  Kohlenwasserstoff.    Die  reguläre  Oxydation 


Oxalsäure  und  homologer  Säuren»  99 

der  Essigsäure  in  dem  Entstehungszustand  *)  erklart  ferner 
die  Bildung  der  Oxalsäure  : 

C4H4O4  +  0«  =  c^HjOg  4-  e,o,. 

Und  endlich  erklart  die  Spaltung  der  Oxalsäure  die  Bildung 
der  Ameisensaure  : 

Man  sieht  hier  klar,  wie  alle  diese  Bildungen  unter  einander 
verknüpft  sind. 

ß)  Ich  will  noch  einiger  anderer  Thatsachen  erwähnen. 
Das  Amylen  CioHio  giebt  bei  seiner  Oxydation  durch  über- 
mangansaures Kali,  anfser  den  fluchtigen  Säuren,  die  Reihe 
der  fixen  Säuren  von  der  Oxalsäure  an.  Man  scheidet  diese 
letztere  niach  dem  oben  beschriebenen  Verfahren  mittelst 
essigsauren  Kalks  aus,  und  fällt  die  anderen  in  der  Form 
von  Bleisalzen.  Ich  habe  ihre  Existenz  constatirt,  aber  nicht 
mit  einer  hinreichend  grofsen  Menge  operirt,  um  jede  ein- 
zelne nachzuweisen.  Wahrscheinlich  besteht  das  Säurege- 
mische aus  Pyroweinsäure  GioHgOg  als  dem  normalen  Pro- 
dacte,  und  Bernsteinsäure  CsHaOs  und  Malonsäure  G6H4O8  als 
secundären  Producten,  in  der  Reihenfolge  der  Kette  der  oben 
besprochenen  Reactionen. 

7)  Das  Styrolen  CieHg  läfst  bei  der  Oxydation  durch 
übermangansaures  Kali  Benzoesäure  und  Kohlensäure  ent- 
stehen : 

CieHg  +  0,0  =  C,4He04  +  CjO^  +  H,0,. 

Das  ist  dieselbe  Reaction,  nach  welcher  das  Aethylen  Ameisen- 
säure entstehen  läfst.  Aber  ich  habe  bisher  noch  nicht  auf 
diesem  Wege  die  der  Oxalsäure  correspondirende  Phtalsäure 
CißHeOs  erhalten  können. 


^)  Ist  die  Essigs&ure  einmal  vorhanden,  so  widersteht  sie  der  Ein- 
wirkung des  übermangansauren  Kaii's. 

7« 


100  Zwenger,  über  Mdilotsäure  und  deren 

8)  Aach  das  Terpentinöl  wird  durch  das  übermangan- 
saure Kali  in  der  Käke  oxydirt;  aber  die  Reaction  ist  hier 
complicirter.  Neben  einer  harzigen,  in  kaltem  und  leichter 
noch  in  heifsem  Wasser  löslichen  Säure,  welche  durch  essig- 
saures Blei  tt.  a.  gefällt  wird,  entsteht  ein  neutraler  flüchtiger 
Körper,  dessen  Geruch  so  zu  sagen  von  dem  des  Camphers 
nicht  zu  unterscheiden  ist.   Ich  werde  darauf  zurückkommen. 

Abgesehen  von  ihrem  theoretischen  Interesse  zeigen  diese 
Thatsachen,  welche  Resultate  man  von  der  Anwendung  des 
übermangansauren  Kali's  in  der  organischen  Chemie  erwarten 
darf,  von  diesem  Reagens,  mit  welchem  bereits  P^an  de 
Saint-Gilles  vor  einigen  Jahren  und  Truchot  vor  Kurzem 
so  interessante  Ergebnisse  erhalten  haben. 


üeber    Melilotsäure    und    deren    künstliche 
Darstellung    aus    Cumarin ; 

von  Constanün  Zwenger.' 


Aus  dem  Steinklee  (Melilotus  officinalis)  habe  ich  vor 
einigen  Jahren  in  Verbindung  mit  Herrn  Bodenbender  *), 
dessen  Hitwirkung  ich  bei  vorliegender  Untersuchung  leider 
zu  entbehren  hatte,  eine  neue  Saure,  die  den  vorläufigen 
Namen  Melilotsäure  erhalten  hat,  dargestellt  und  nachgewiesen, 
dafs  diese  Säure  theils  frei,  theils  in  Verbindung  mit  Cumarin 
in  jener  Pflanze  auftritt.  Aus  den  damals  mitgetheilten  Ana- 
lysen ging  hervor,  dafs  die  Melilotsäure  der  Salicylsäurereihe 
angehöre  und  nach   der  Formel  CigHioOe  zusammengesetzt 


*)  Diese  Annalen  CXXVI,  267. 


künstliche  Darstellung  aus  Cumarin,  101 

sei,  sich  also  nur  dorch  zwei  Atome  Wasserstoff,  die  sie 
mehr  enthält,  von  der  Cumarsaare  onterscheide.  Eine  de- 
taillirtere  Beschreibung  der  Melilotsäure  und  deren  Salze 
und  namentlich  die  Feststellung  ihrer  Beziehung  zur  Cumar- 
saure  wurde  nachzuliefern  versprochen,  welcher  Verpflichtung 
ich  erst  jetzt  durch  vorliegende  Abhandlung  nachkommen 
kann. 

Bei  den  öfteren  Darstellungen  der  Melilotsäure  aus  dem 
Steinklee  habe  ich  im  Allgemeinen  dieselbe  Methode,  die  in 
der  erwähnten  Abhandlung  schon  specieller  mitgetheilt  ward, 
beibehalten;  nur  wurde,  was  sehr  wesentlich  ist,  der  aus  der 
wässerigen  Lösung  des  ätherischen  Auszugs  durch  Bleiessig 
erhaltene  Niederschlag  nicht  direct  durch  Schwefelwasser- 
stoff zerlegt,  sondern  vorher  so  lange  mit  Wasser  ausge- 
kocht, als  das  heifse  Filtrat  nach  längerem  Stehen  einen  kry- 
stallinischen  Niederschlag  von  meliiotsaurem  Blei  ausschied. 
Zweckmi&ig  ward  hierbei  die  Mutterlauge  der  ersten  Ab- 
kochungen immer  von  Neuem  zum  Auskochen  des  Rückstan- 
des verwendet.  Diese  Behandlungsweise  des  Bleinieder- 
schlages mit  kochendem  Wasser  konnte,  obgleich  diese  Me- 
thode wegen  der  Schwerlöslichkeit  des  Bleisalzes  etwas  um- 
ständlich ist,  doch  nicht  gut  umgangen  werden,  weil  nur  auf 
diese  Weise  die  fremden  Stoffe,  die  gröfstentheils  ungelöst 
im  Rückstände  bleiben,  sicher  zu  entfernen  waren.  Nach 
dem  Zersetzen  des  so  erhaltenen  melilotsauren  Bleies  durch 
Schwefelwasserstoff  wurde  die  auf  dem  Wasserbade  concen- 
trirte  wässerige  Lösung  der  Melilotsäure  zum  Zweck  der 
Reinigung  mit  neutralem  essigsaurem  Blei  versetzt  und  da- 
durch ein  schwerer,  krystallinischer ,  vollkommen  weifser 
Niederschlag  erhalten,  der  nach  dem  Auswaschen  in  der 
Regel  als  reines  melilotsaures  Blei  betrachtet  werden  darf. 
Sollte  übrigens  der  Bieiniederschlag  trotz  dieser  Behandlungs- 
weise  noch  freies  Cumarin  enthalten,  was  leicht  am  Geruch 


102  Zwenf/er,  über  Meläotsäure  und  deren 

zu  erkennen  ist,  so  kann  derselbe  durch  Auskochen  mit  Aether, 
worin  das  Bleisalz  unlöslich  ist,  davon  befreit  werden. 

Das  gereinigte  melilotsaure  Blei  wurde  dann  abermals 
durch  Schwefelwasserstoff  zerlegt  und  die  Melilotsaure  aus 
der  concentrirten  wässerigen  Lösung  nach  längerem  Stehen 
in  der  Kalte  in  grofsen,  wohlausgebildeten  Krystalien  ge* 
Wonnen.  Auch  die  Mutterlauge  lieferte  unter  der  Luftpumpe 
verdunstet,  gewöhnlich  bis. auf  den  letzten  Tropfen  Krystalle, 
die  sogar  öfters  die  farbloseren  und  reineren  waren. 

Bei  der  Darstellung  der  Melilotsaure  ist  der  unange- 
nehmste Theil  das  langwierige  und  zeitraubende  Ausziehen 
des  Steinkleeextractes  mit  Aether.  Ich  habe  mich  vergeblich 
bemuht,  einen  kürzeren  und  bequemeren  Weg  aufzufinden, 
was  mir  aber  deswegen  nicht  gelingen  wollte,  weil  in  dem 
Steinklee  neben  der  Melilotsaure  noch  andere  organische 
Säuren,  theils  in  freiem,  theil's  in  gebundenem  Zustande  vor- 
kommen, die  nur  auf  die  angegebene  Weise  getrennt  werden 
konnten.  Auch  durch  Ausziehen  der  Pflanze  mit  einer  ver* 
dünnten  Sodalösung  in  der  Warme,  Fällen  der  filtrirten  Flüs- 
sigkeit nach  dem  Neutralisiren  mit  Essigsäure  durch  Blei*- 
Zucker,  ward  durch  Auskochen  des  sehr  voluminösen  Blei- 
niederschlages mit  Wasser  kein  günstiges  Resultat  erzielt, 
indem  unter  diesen  Umständen  das  Filtrat  selbst  nach  sehr 
langer  Zeit  kein  melilotsaures  Blei  ausscheiden  liefs. 

Uebrigens  ist  nach  der  erwähnten  Methode  die  Ausbeute 
nicht  unbedeutend.  100  Pfund  trockenes  Kraut  gaben  un- 
gefähr V/i  bis  2  Unzen  reiner  Melilotsaure. 

0,2564  Gtxd,  lufttrockener   Melilots&ure   gaben   0,609  KohlenBäore 
nnd  0,144  Wasser. 


berechnet 

geftinden 

c„ 

108          65,06 

64,78 

U.0 

10            6,00 

6,23 

0. 

48           28,94 

28,99 

166         100,00  100,00. 


künstliche  Darstellung  aus  Cumarin.  103 

Die  früher  niitgetheilten  Analysen  der  Melilotaäure  zeigten 
immer  einen  kleinen  Ueberschufs  an  Kohlenstoff,  der  wohl 
sicher  durch  eine  geringe  Beimengung  von  Cumarin  veran- 
lafsl  worden  war. 

Die  Eigenschaften  der  Melilotsaure,  die  schon  in  der 
erwähnten  Ahhandlung  kurz  angegeben  worden,  will  ich  hier 
noch  einmal  präciser  wiederholen. 

Sie  löst  sich  bei  18^  C.  in  20  Theilen  Wasser;  ihre 
Löslichkeit  wächst  aber  bei  zunehmender  Temperatur  so  be- 
deutend, dafs  sie  schon  bei  40^  C.  nur  0,918  Theile  (also 
nicht  ganz  einen  Theil)  Wasser  zur  Lösung  bedarf.  In 
Alkohol  und  namentlich  in  Aether  ist  ihre  Löslichkeit  noch 
viel  gröfser.  Aus  einer  heifs  gesättigten  wässerigen  Lösung 
krystallisirt*  sie  bei  längerem  Stehen  in  der  Kälte  in  zoll- 
grofsen  ,  farblos  durchsichtigen ,  spiefsigen ,  dem  Arragonit 
ahnlichen  Krystallen ,  die  bei  82^'  C.  schmelzen  und  beim 
Erkalten  wieder  krystallinisch  erstarren.  Ihre  Lösungen 
zeichnen  sich  durch  ^ine  stark  saure  Reaction  aus;  selbst 
die  verdänntesten  Lösungen  färben  noch  blaues  Lackmus- 
papier roth.  Sie  besitzt  einen  adstringirend  sauren  Geschmack 
and  bei  gewöhnlicher  Temperator  einen  honigartigen  aroma- 
tischen Geruch,  der  bei  gelindem  Erwärmen  dem  des  Stein- 
klees ähnlich  wird.  Sie  zersetzt  die  kohlensauren  Salze  in 
der  Kälte  mit.  Leichtigkeit  und  löst  in  der  Wärme  Eisen  und 
Zink  unter  rascher  Wasserstoffentwickelung  auf.  Ueber- 
schttssige  Alkalien  ertheilen  einer  Lösung  der  Melilotsäure 
bei  auffallendem  Lichte  einen  schwachen  grünlichen  Schein, 
der  um  so  geringer  erscheint,  je  reiner  die  Säure  war. 
Beim  mehrtägigen  Stehen  einer  concentrirten  Lösung  der 
Melilotsäure  in  überschüssigem  Ammoniak  tritt  allroälig,  auch 
beim  Abschlufs  der  Luft,  eine  indigblaue  Färbung  ein,  die 
erst  nach  sehr  langer .  Zeit  ins  Gelbliche  oder  Röthliche 
übergeht.     Beim  Erwärmen  einer  solchen  ammoniakalischen 


104  Zwenger,  über  Meläotsäure  und  deren 

Lösung  zeigt  sich  dagegen  gleich  eine  röthliche  oder  rothe 
Färbung,  wie  überhaupt  die  Lösungen  der  Säure  und  die  der 
Salze  mit  starker  Basis  eine  Neigung  besitzen,  beim  Concen- 
triren  in  der  Wärme  sich  röthlich  zu  färben.  Bei  vorsich- 
tigem tropfenweisem  Zusatz  einer  kalten  wässerigen  Lösung 
von  Melilotsäure  zu  einer  sehr  verdünnten  Eisenchloridlösung 
entsteht  eine  bläuliche  Färbung,  die  unter  Ausscheidung 
eines  gelblichen  oder  bräunlichen  Niederschlags  langsam  ver- 
schwindet. Eisenchlorur  ruft  weder  eine  Farbenveränderung, 
noch  einen  Niederschlag  hervor.  Durch  Bleichkalklösung 
wird  eine  Lösung  der  Melilotsäure  in  der  Kälte  gelb,  in  der 
Wärme  roth  gefärbt.  —  Mit  Kali  geschmolzen  liefert  die 
Melilotsäure  unter  Wasserstoffentwickelung  Salicylsäure.  Man 
stellt  diesen  Versuch  am  Besten  so  an,  dafs  man  Melilot- 
säure mit  concentrirter  Kalilauge  so  lange  eindampft,  bis  die 
Anfangs  gelbe  Farbe  der  geschmolzenen  Masse  verschwunden 
ist  und  dann  noch  etwas  stärker  erhitzt.  Den  Ruckstand  über- 
giefst  man  mit  Salzsäure  oder  Schwefelsäure  und  dann  mit 
Aether.  Aus  der  ätherischen  Lösung  scheiden  sich  beim 
Verdunsten  Krystalle  in  ziemlicher  Menge  aus,  die  nach  dem 
Umkrystallisiren  aus  Wasser  durch  den  Schmelzpunkt,  der 
genau  bei  159^  C.  lag,  und  durch  die  Reaction  mit  Eisen- 
chlorid sicher  und  leicht  als  Salicylsäure  erkannt  werden 
konnten.  Bei  dieser  Zersetzung  entsteht  zugleich  Essig- 
säure. Jener  Rückstand  gab  mit  Schwefelsäure  destillirt  eine 
saure  farblose  Flüssigkeit,  die  etwas  nach  Holzessig  roch, 
Spuren  von  Salicylsäure  enthielt  und  die  gewöhnlichen  Reac- 
tionen  auf  Essigsäure  zwar  schwach,  aber  doch  deutlich  und 
characteristisch  zeigte. 

Die  Zersetzung  der  Melilotsäure  durch  Kali  erfolgt  dem- 
nach nach  folgender  Gleichung  : 

üiaHtoOe  +  4  HO  =  C^H^Oe  +  C4H4O4  +  4  H. 


künstliche  Darstellung  aus  Cumarin*  105 

Anhydrid  der  Melilotsäure.  —  Erhitzt  man  Helilotsaure 
in  einer  Retorte  ^  so  destillirt  ein  ölartiger  Körper  nebst 
Wasser  über,  wahrend  nur  Spuren  von  Kohle  im  Ruckstand 
bleiben.  Die  ersten  Partien,  die  übergehen,  sind  trübe  und 
enthalten  Wasser,  das  sich  beim  Stehen  vom  Oel  absondert; 
die  spateren,  die  besonders  aufgefangen  wurden,  erscheinen 
hell  und  farblos.  Das  ganz  zuletzt  übergehende  OeL  ist 
mitunter  röthlich  oder  selbst  violett  gefärbt.  Das  rectificirte 
farblose  Oel  reagirte  vollkommen  neutral,  konnVie  aber  selbst 
in  einer  Kaltemischung  nicht  zum  Kry stall isiren  gebracht 
werden.  Mit  Walser  längere  Zeit  erwärmt  löste  es  sich 
langsam  auf  und  die  nun  stark  sauer  reagirende  Flüssigkeit 
gab  beim  Verdunsten  Krystalle,  die  alle  Eigenschaften  der 
Melilotsäure  besafsen.  Das  Oel  muTste  also  das  Anhydrid 
der  Melilotsäure  enthalten  und  es  entstand  nur  die  Frage, 
ob  ein  oder  zwei  Atome  Wasser  aus  der  Melilotsäure  aus- 
getreten seien. 

0,419  Gnn.  Sobstanz  gaben  1,0941  KohlenBänre  und  0,2187  Walser. 

berechnet  nach        berechnet  nach 


• 

der  Formel 

der  Formel 

gefdnden 

CwHjoOfl  —  1  HO 

CisHioOe  -  2  HO 

c 

71,12 

68,79 

72,99 

H 

5,80 

6,73 

6,40 

0 

23,08 

— 

— 

100,00. 

Aus  dieser  Analyse  ging  hervor,  dafs  die  Melilotsäure 
zwar  zwei  Atome  Wasser  verloren  hatte,  dafs  aber  das  er- 
haltene Product  noch  wasserhaltig  sei.  Das  Oel  wurde  des- 
halb nochmals  über  Chlorcalcium  rectificirt  und  auch  hier 
die  ersten  Portionen  von  den  folgenden  gesondert.  Nunmehr 
erstarrte  die  Flüssigkeit  unter  der  Luftpumpe  nach  einiger 
Zeit  beinahe  total  zu  einer  Krystallmasse,  die,  #ie  die  Ana- 
lyse bewies,  nach  der  Formel  GigHgOi  zusammengesetzt  war. 

0,2446  Grm.  lufttrockener  Substanz  gaben  0,6626  Kohlensäure  und 
0,1218  Wasser. 


106  Zwenger,  Über  Mdilotsäure  und  deren 

gefunden 

72,74 
5»53 


berechnet 

Ci8 

108            72,99 

H, 

8              5,40 

O4 

32            21,61 

148  100,00. 

Das  Anhydrid  der  Helilotsaure  krystallisirt  in  farblosen, 
glänzenden,  harten,  grofsen,  scheinbar  rhombischen  Tafeln, 
schmilzt  schon  bei  25^  C.  zu  einem  farblosen,  das  Licht 
stark  brecherfden  Oel,  erstarrt  beim  Erkalten  wieder  krystal* 
linisch,  und  siedet  unzersetzt  bei  272^  C.  Bei  gewöhnlicher 
Temperatur  riecht  es  dem  Cumarin,  von  'dem  es  sich  nur 
durch  zwei  Atome  Wasserstoff  unterscheidet,  in  hohem  Grade 
ähnlich;  bei  höherer  Temperatur  entwickelt  es  einen  sehr 
angenehmen  Geruch  ,  der  an  den  des  Zimmtöls  und  Nitro- 
benzols  lebhaft  erinnert.  In  Alkohol  und  Aether  löst  es  sich 
zu  einer  vollkommen  neutralen  Flüssigkeit  auf.  In  kaltem 
Wasser  ist  es  unlöslich;  beim  raschen  Kochen  wird  ein  Theii 
gelöst,  der  si(^  beim  Erkalten  unter*  milchiger  Trübung  als 
farbloses  Oel  wieder  ausscheidet.  Bei  längerem  Erwärmen 
löst  sich  dagegen  das  Anhydrid  unter  Bildung  von  Helilot- 
saure in  Wasser  vollständig  auf.  Das  Anhydrid  zieht  selbst, 
wenn  es  in  geschmolzenem  Zustande  in  nicht  hermetisch 
verschlossenen  Gefäfsen  längere  Zeit  aufbewahrt  wird,  Wasser 
aus  der  Luft  an  und  verwandelt  sich  in  krystallisirte  Melilot- 
säure. 

Die  Helilotsaure  besitzt  aber  auch  umgekehrt  eine  grofse 
Neigung,  selbst  bei  verhältnifsmäfsig  niederer  Temperatur 
Wasser  auszuscheiden  und  sich  in  Anhydrid  umzuwandeln. 
So  tritt  die  Bildung  von  Anhydrid  schon  bei  biofsem  Schmel- 
zen der  Hel^tsäure  auf  dem  Wasserbade  ein.  Uebergiefsl 
man  die  längere  Zeit  geschmolzene  Hasse  mit  Wasser,  so 
löst  sich  nur  die  unverändert  gebliebene  Helilotsaure  auf, 
während  das  Anhydrid  als  Oel  ungelöst  zurückbleibt. 


küngüiche  Darstellung  aus  Outnarin.  107 

Salee  der  Mdilotsäure.  ■—  Die  Salze  der  Melilotsäure 
and  gewöhnlich  leicht  krystallisirbar.  Die  Alkali-  und  alka- 
lischen Erdsalze  reagiren  schwach  alkalisch,  das  Ammoniak- 
salz und  die  Salze  der  schweren  Hetalloxyde  dagegen  sauer. 
Die  schwer  löslichen  wurden  durch  Doppelzersetzung,  die 
leicht  löslichen  durch  Behandeln  der  entsprechenden  kohlen- 
sauren Salze  oder  der  freien  Basen  mit  Melilotsäure  darge- 
stellt. Sie  schmelzen  meistens  leicht,  manche  schon  unter 
100^  C,  und  entwickeln  bei  höherer  Temperatur  Anhy- 
drid, das  als  Oel  in  einer  Vorlage  aufgefangen  werden  kann. 
Bei  weiterem,  sehr  vorsichtigem  Erhitzen  färbt  sich  mitunter 
die  geschmolzene  Masse  erst  rolh  und  dann  prachtvoll  violett. 
Das  Anhydrid,  das  in  dieser  Periode  der  Zersetzung  über- 
geht, ist  dann  roth  oder  violett  gefärbt.  Diese  Erscheinung 
zeigt  namentlich  das  Barytsalz.  Bei  stärkerem  Glühen  tritt 
totale  Zersetzung  des  Salzes  ein,  es  scheidet  sich  eine  aufser- 
ordentlich  schwer  verbrennbare  Kohle  unter  Freiwerden  von 
Pfaenylsäure  aus. 

Es  ist  mir  nicht  gelungen,  zweibasische  Salze  der  Melilot- 
säure darzustellen;  alle  Salze,  die  ich  untersucht  habe,  waren 
ohne  Ausnahme  einbasisch.  Auch  ist  der  auf  gewöhnlichem 
Wege  dargestellte  Aether  keine  Aethersäure,  sondern  eine 
neutrale  Aetherart.  Ferner  erzeugt  sich  bei  der  Einwirkung 
von  Ammoniak  auf  das  Anhydrid  der  Melilotsäure  das  Amid 
emer  einbasischen  Säure,  ein  Monamid.  Die  Melilotsäure  ist 
demnach  einbasisch ,  aber  zweiatomig,  und  enthält ,  wie  die 
meisten  Säuren  mit  6  Aeq.  Sauerstoff,  zwei  ungleichwerthige 
typische  Wasserstoffatome.    Ihre  Formel  läfst  sich  nach  der 

typischen  Schreibweise  durch  CigHgOsL  O«   ausdrücken ,   worin 

H      ) 

das  zweite  Atom  typischen  Wasserstoffs,   das  durch  Metalle 
nicht  vertreten  werden  kann,  mit  h  bezeichnet  ist.    Dasselbe 


108  Zwenger f  über  MeW^isäure  und  deren 

wird  aber  unzweifelhaft,  obgleich  ich  bis  jetzt  in  dieser 
Richtung  keine  Versuche  angestellt  habe,  durch  Alkohol- 
oder Säureradieale  leicht  ersetzt  werden  können. 

Melüotsaurea  Kali,  —  Eine  wässerige  Lösung  der  Melilot- 
säure  wurde  mit  kohlensaurem  Kali  neutralisirt  und  der  durch 
Eindampfen  erhaltene  Rückstand  mit  absolutem  Alkohol  aus* 
gezogen.  —  Das  melilotsaure  Kali  ist  in  Wasser  und  Alkohol 
sehr  leicht  löslich,  krystallisirt  aus  einer  wässerigen  Lösung 
strahlig- blätterig,  reagirt  alkalisch  und  schmilzt  unter  Verlust 
des  Krystallwassers  bei  125^  C.  Aus  einer  alkoholischen 
Lösung  wird  das  Salz  durch  Aether,  worin  es  unlöslich  ist, 
als  eine  ölartige  Schicht  ausgeschieden,  die  in  der  Kälte  mit 
Salzsäure  versetzt  zu  einem  krystallinischen  Brei  von  Melilot- 
saure erstarrt.  In  dieser  Beziehung  verhält  sich  das  melilot- 
saure Kali  also  gerade  wie  das  phloretinsaure  Kali. 

I.    0,4242  Grm.  geBchmolzenes  Sah  gaben  0|1615  aohwefelsaures 
Kali. 

II.    0,385  Grm.  Substanz  gaben  0,1615  scbwefebaores  Kali. 

gefunden 
berechnet  I.  IL 

CigHeOe  —  —  — 

K  19,15  18,89         18,82. 

Das  Ammoniahsalz  krystallisirt  in  feinen  seideglänzenden 
Nadeln,  die  in  Wasser  und  Alkohol  leicht  löslich  sind, 
reagirt  sauer  und  kann  durch  Neutralisiren  der  Melilotsaure 
mit  Ammoniak  und  Verdunstenlassen  der  Lösung  an  der 
Luft  leicht  gewonnen  werden. 

Melüotsaurer  Baryt.  —  Das  Barytsalz  wurde  durch 
Sättigen  der  Melilotsaure  mit  kohlensaurem  Baryt  dargestellt. 
Es  stellt  feine  perlmutterartig-glasglänzende  Nadeln  dar,  ist 
in  Wasser  und  Alkohol  leicht  löslich,  reagirt  schwach  alka^ 
lisch  und  enthält  Krystallwasser,  das  bei  100^  C.  entweicht. 
Wird  es  jedoch  zu  lange  bei  dieser  Temperatur  erhitzt,  so 
färbt  es  sich  oberflächlich  gelb   und   entläfst  Anhydrid.    Bei 


künstliche  Darstellung  aus  Cumarin,  109 

stirkerem  -Erhitzen   schmilzt   es   und   zeigt  spater  die  eben 
erwähnte  Farbenerscheinung. 

I.     0,3376    Grm.    bei    100^   getrocknete    Substanz    gaben    0,1427 
kohlensauren  Baryt. 

II.    0,326  Grm.  gaben  0,1372  kohlensauren  Baryt 

gefunden 
berechnet  I.  IL 

CigHjOfl  —  —  — 

Ba  29,36  29,40        29,26. 

I.     0,418  Grm.    lufttrockenes   Salz   verloren    bei    100^  0.    0,04öö 
Wasser. 

II.     0,4535  Grm.  verloren  0,0497  Wasser. 

III.     0,5373  Grm.  verloren  0,0546  Wasser. 

«  gefunden 

berechnet  I.  IL  III. 

CisHJ^aOe  -  -.  —  — 

8  HO  10,36  10,36        10,95        10,16. 

Eine  concentrirte  Lösung  des  melilotsauren  Baryts  giebt 
beim  Kochen  mit  Barytwasser  keinen  Niederschlag,  und  es 
wird  kein  zweibasisches  Salz,  wie  diefs  unter  denselben 
Verhaltnissen  bei  dem  einbasischen  salicylsauren  und  phlore- 
tinsauren  Baryt  der  Fall  ist,  ausgeschieden.  Auch  liefert 
die  alkalische  Lösung,  nach  dem  Behandeln  mit  Kohlensäure, 
wieder  das  gewöhnliche  einbasische  Barytsalz.  Das  unter  U. 
analysirte  Salz  war  auf  diese  Weise  gewonnen. 

MeUloisaurer  Kalk,  —  Versetzt  man  eine  mit  Ammoniak 
neotralisirte  Lösung  der  Melilotsaure  mit  Chlorcalcium ,  so 
scheidet  sich  der  melilotsaure  Kalk  nach  längerem  Stehen  in 
weifsen,  kugeligen  Aggregaten  von  feinfaseriger  radialer 
Structur  ziemlich  vollständig  aus.  War  die  Lösung  sehr 
concentrirt,  so  tritt  die  Bildung  eines  Niederschlags  sogleich 
ein.  Das  Kalksalz  ist  in  Ws^er  und  Alkohol  in  der  Kälte 
kaum  und  in  der  Wärme  nur  schwierig  löslich.  In  Essig- 
säure löst  es  sich  dagegen  beim  Erwärmen  leicht  auf,  und 
kann  daraus  unverändert  wieder  krystaliisirt  erhalten  werden. 


HO  Zwenger y  über  Melilotsäure  und  deren 

I.     0,2846  Grm.  Kalksalz,  das  bei  100^  C.  getrocknet  war,  gaben 
0,0631  kohlensauren  Kalk. 

11.     0,2464  Grm.  aus  Essigsäure  krystallisirter  melilotsaurer  Kalk 
gaben  0,0665  kohlensauren  Kalk. 

gefunden 
berechnet  I.  II. 

CigHfiOe  —  —  — 

Ca  10,81  10,76       10,79. 

Der  melilotsäure  Kalk  enthalt  kein  Krystallwässer. 

0,2162  Grm.  lufttrockenes  Salz  verloren  bei  100°  C.  nur  0,0011  an 
Gewicht 

Melilotsäure  Magnesia,  —  Beim  Kochen  einer  wässerigen 
Losung  von  Melilotsäure  mit  überschüssiger  kohlensaurer 
Magnesia  wird  mit  der  melilotsauren  Magnesia  zugleich  eine 
kleine  Menge  kohlensaurer  Magnesia  aufgelöst,  die  nach  dem 
Eindampfen  der  Lösung  beim  Behandeln  des  Rückstandes  mit 
kaltem  Wasser  ungelöst  zurückbleibt.  Das  Salz  ist  in  Wasser 
leicht,  etwas  weniger  leicht  in  Alkohol  löslich,  reagirt  schwach 
alkalisch,  und  krystallisirt  in  schuppigen  perlmutterglänzenden 
Krystallen,  die  sich  fettartig  anfühlen  und  leicht  verwittern. 
Es  enthält  4  Aeq.  Krystallwässer,  die  bei  100^  C.  entweichen. 

I.    0,4706  Grm.    bei  100^  G.  getrocknete  Substanz   gaben   0,0526 
Magnesia. 

IL    0,8392  Grm.  gaben  0,0385  Magnesia. 

gefunden 
berecbnet  I.  IL 

C13H9O0  —  —  — . 

Mg  11,80  11,17  11,35. 

L    0,6157  Grm.  lufttrockener  Substana  verloren  bei  100<^C.  0,1007 
Wasser. 

IL    0,2811  Grm.  verloren  0,0448  Wasser. 

geftinden 
berechnet  I.  II. 

CisHeMgOe  -        ^  -  - 

4H0  16,85  16,90       15,93. 

Melilotsäure»  Zinh  wurde  durch  Kochen  einer  wasserigen 
Lösung  von  Melilotsäure   mit  überschussigem   Zinkoxyd   in 


künstliche  Darstellung  aus  Cumarin.  111 

roseUenfönnigen  Gruppirungen  scheinbar  quadratischer  Tafeln 
erhalten,  die  theils  glänzend  durchsichtig  und  farblos,  theils 
porcellanartig  weifs  erschienen.  Auch  die  durchsichtigen 
Krystalle  wurden  mit  der  Zeit  opak.  Das  Salz  reagirt  sauer, 
ist  in  kaltem  Wasser  nur  wenig,  in  kochendem  etwas  leichter 
löslich.  Es  schmilzt  schon  unter  100^  C.  zu  einem  farblosen 
OeL  Beim  Eindampfen  einer  wässerigen  Lösung  erhält  man 
deswegen  bei  einer  gewissen  Concentration  das  melilotsaure 
Zink  in  Oellropfen  ausgeschieden,  die  nach  längerem  Stehen 
krystallinisch  erstarren.  Es  enthält  1  Aeq.  Krystallwasser, 
das  bei  100^  C.  weggeht. 

0,3889  Grm.  lafttrockener  SubstaQzs  gaben  0,7375  Kohlensäure  und 

0,1692  Wasser. 
0,4776  Grm.  Substanz  gaben  0,0941  Zinkozyd. 

berechnet  nach  der  Formel 

C^^HeZnOa  +  HO  gefunden 

C|8  108  ^"**T2,27  51,72 

Hjo  10  4,85                         4,83 

Zn  82,6  15,78  15,50 

0|  56  27,10                         — 

206,6  100,0^ 

0,340  Grm.    lufttrockener   Substanz    verloren    bei    100*>    C.    0,0186 
Wasser. 

berechnet  gefunden 

CigHgZnO^,  —  — 

HO  4,84  4,00. 

0,2964  Grm.  geschmolzenes  Zinksalz  gaben  0,0606  Zinkoxyd.    V 

berechnet  gefunden 

C|gH90g  —  — 

Zn  16,49  16,43. 

Melüotsaures  Kupfer,  —  Wird  eine  mit  kohlensaurem 
Natron  fast  neutralisirte  wässerige  Lösung  der  Melilotsaure  in 
der  Kälte  mit  schwefelsaurem  Kupfer  versetzt,  so  scheidet 
sich  sogleich,  wenn  die  Lösung  concentrirt  war,  ein  krystal- 
linischer,  spangrüner  Niederschlag  aus,  der  aber  bei  ver- 
dünnter Lösung  erst  nach  längerem  Stehen  sich  zeigt.    Auch 


112  Zwenger^  über  Melilotsäure  und  deren 

bildet  sich  das  melilotsaure  Kupfer,  wenn  eine  weingeistige 
Lösung  der  Melilotsaure  mit  kohlensaurem  oder  reinem 
Kupferoxyd  längere  Zeit  unter  öfterem  Schütteln  in  Beruh-  . 
rung  gebracht  wird.  «Die  Lösung  färbt  sich  mit  der  Zeit 
intensiv  grün  und  durch  Verdunsten  des  Weingeistes  lafst 
sich  daraus  das  Salz  in  Krystallen,  die  aber  gewöhnlich 
Spuren  von  freier  Melilotsaure  enthalten,  gewinnen.  Bei  der 
Darstellung  dieses  Salzes  ist  jede  höhere  Temperatur  sorg- 
faltig zu  vermeiden,  weil  dasselbe  in  Lösungen  schon  bei 
schwachem  Erwärmen  leicht  eine  Zerlegung  erfährt. 

Das  melilotsaure  Kupfer  stellt  spangrüne,  dem  faserigen 
Malachit  sehr  ahnliche  Aggregate  mit  radialer  Anordnung 
oder  Kugeln  mit  radial-faseriger  Structur  dar ,  ist  in  kaltem 
Wasser  unlöslich,  in  Weingeist  dagegen  mit  grüner  Farbe 
leicht  löslich.  Die  Lösung  reagirt  sauer.  Beim  Kochen  einer 
weingeistigen  Lösung  bildet  sich  ein  weifs-blaulicher  Nieder- 
schlag, und  die  darüber  stehende  Flüssigkeit  wird  fast  farblos. 
Derselbe  Niederschlag  zeigt  sich  auch,  wenn  die  wasserige 
Lösung  bei  der  Darstellung  des  melilotsauren  Kupfers  nach 
der  ersten  Methode  erwarnft  wurde.  Auch  wird  das  Salz 
durch  Aether,  wenn  derselbe  vollkommen  säurefrei  war, 
schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  in  dieser  Weise  zerlegt 
Das  Salz  enthält  1  Aeq.  Krystallwasser,  das  bei  100°  C.  aus- 
gjgrieben  wird. 

L    0,2966    Grm.    bei    100*^  C.    getrooknetes    Salz   gaben    0,5956 
Kohlensäure  und  0,1234  Waaaer. 

II.     0,8602  Grm.  gaben  0,0728  Kupferoxyd. 

HI.    0,280  Grm.  naoh   der  zweiten  Methode  dargestelltes  Knpfer- 
salz  gaben  0,0552  Kupferoxyd. 

berechnet  nach  der  gefunden 

FormelCiaHöCuO^  %       '        j j    ' ■     jjj 

Ci8  W8  54,90  54,76           —           — 

Hg  9  4.57  4,62           —           — 

Cu  81,7  16,11  —  16,02  16,74 

Oe  48  24,42  _             —           — 

196,7. 


künstliche  Darstdbmg  aus  Cumarin.  113 

0,4908  Gnn.  lafttrookene   Sabstanz   verloren    bei  100^  G.  0,0222 
Wasser. 

berechnet  gefunden 

CigHgGuOg  —  »^— 

HO  4,87  4,62. 

Der  durch  Kochen  einer  weingeistigen  Lösung  des 
melilotsauren  Kupfers  erhaltene  Niederschlag  hinterliefs  nach 
einer  Bestimmung  45,4  pC.  Kupferoxyd,  eine  Zahl,  die  sich 
auf  ein  einfaches  Verhältnifs  der  Zusammensetzung  nicht 
zurückfuhren  lafst. 

MdiloUaures  Bleu  —  Eine  wasserige  Lösung  von  Melilot- 
saure  wird  durch  neutrales  und  basisch-essigsaures  Blei  so- 
gleich gefällt.  Es  bildet  sich  ein  schwerer,  weifser,  krystal- 
Unischer  Niederschlag,  der  in  überschüssigem  Bleiessig 
löslich  ist.  Bei  Anwendung  einer  verdünnten  Lösung  von 
Melilotsaure  wird  dagegen  durch  neutrales  essigsaures  Blei 
erst  nach  längerem  Stehen  ein  krystallinischer  Niederschlag 
hervorgerufen,  weshalb  ich  früher  irrthümlicher  Weise  angab, 
dafs  die  Melilotsaure  durch  dieses  Reagens  nicht  gefällt 
werde.  Das  Bleisalz  ist  in  kaltem  Wasser  und  Alkohol  un- 
löslich; beim  Kochen  löst  sich  nur  ein  geringer  Theil  auf, 
der  beim  Erkalten  in  farblosen,  flacbprismatischen  Krystallen 
sich  wieder  langsam,  aber  vollständig  ausscheidet.  In  Aether 
ist  es  unlöslich,  aber  in  Essigsäure  leicht  löslich  und  kann 
daraus  wieder  unverändert  krystallisirt  erhalten  werden. 
Das  Salz  reagirt  sauer  und  enthält  kein  Krystallwasser. 

In  der  früheren  Abhandlung  sind  die  Analysen  des 
melilotsauren  Blei's,  das  durch  Fällen  der  Melilotsaure  mit 
Bleiessig  erhalten  worden  war  und  die  einen  geringen  Ueber- 
schufs  an  Blei  lieferten,  mitgetheilt  worden.  Die  hier  fol- 
genden Analysen  sind  mit  einem  Material  angestellt ,  das 
durch  Fällen  einer  concentrirten  wässerigen  Lösung  der 
Melilotsaure  mit  neutralem  essigsaurem  Blei  gewonnen  ward. 

AniukL*d.  Ghem.  u.  Pharm.  V.  Sttpplementbd.  1.  Heft.  g 


114  Zwenger^'iiber  Melilotaäure  und  deren 

I.    0,332  Grm.  gaben  0,4881  Kohlens&oxe  und  0,1008  Wasser 
n.     0,492  Grm.  gaben  0,2048  Bleiozyd. 
IIL    0,418  Grm.  gaben  0,1716  Bleioxyd. 

berechnet  nach  der 
FormelCjgHaPbOa 

Gl,  108,0  40,22 

H*  9,0            8,86 

Pb  108,5  88,54                    —           88,55       88,54 

Oe  48,0  17,89                    -^             —            — 


268,5        100,00. 

Melilotsaures  Silber  wurde  durch  Fällen  von  melilot- 
saurem  Ammoniak  mit  salpetersaurem  Silber  als  ein  volumi- 
nöser, weifser,  käsiger  Niederschlag  erhalten.  Da  das  Salz 
im  feuchten  Zustand  gegen  das  Licht  aufseror deutlich  em- 
pfindlich ist,  so  müssen  alle  Operationen  im  Dunkeln  vorge- 
nommen werden.  In  Wasser  und  Alkohol  ist  es  in  der 
Kalte  nur  sehr  wenig,  in  4er  Wärme  etwas  leichter  löslich 
und  kann  beim  Verdunsten  dieser  Lösungen  in  feinen,  seide- 
glänzenden Nadeln  krystallisirt  erhalten  werden.  Die  Krystalle 
erscheinen  aber  fast  immer  durch  reducirtes  Silber  grau 
gefärbt. 

0,8021  Grm.   Silbersalz    gaben   0,4348   Kohlensftare    und  0,0939 
Wasser. 

0,8076  Grm.  gaben  0,1208  Silber. 

berechnet  nach  der* 

Formel  CigH^AgO«  gefunden 

Cis  108,0  39,52  39,25 

H9  9,0  3,29  3,45 

Ag  108,0  89,52  39,27 

Oa  48,0  27,67                             — 

273,0         100,00. 

Eine  wässerige  Lösung  von  salpetersaurem  Quecksilberoxydul 
und  ebenso  von  salpetersaurem  Quecksilberoxyd  erzeugt  mit 
Melilotsäure  einen  weifsen  krystallinischen  Niederschlag  von 
melilotsaurem  Queckaüber^Oxydvd  oder  Oxyd,  der  sich  aus 


lamstliche  Darstellung  aus  Cumarin.  115 

verdünnten  Losungen  erst  nach  längerem  Stehen  ausscheidet. 
—  Die  Phloretinsäure  verhält  sich  gegen  diese  Reagentien 
gerade  so. 

Der  Melilot8äure''Aethyläther  kann  durch  Einwirkung 
von  Jodäthyl  auf  frisch  gefälltes  melilotsaures  Silber  erhalten 
werden.  Die  Zersetzung  findet  leicht,  schon  beim  schwachen 
Erwärmen  auf  dem  Wasserbade  statt.  Da  das  frisch  gefällte 
Silbersalz  sehr  hydratisch  ist,  so  scheidet  sich  der  Aether 
unter  einer  Wasserschicht  als  ein  ölartiger  Körper  aus.  Auch 
melilotsaures  Blei  läfst  sich  zu  diesem  Zwecke  verwenden; 
jedoch  tritt  hier  die  Einwirkung  erst  bei  höherer  Temperatur 
ein,  so  dafs  man  genöthigt  ist,  das  Bleisalz  mit  Jodäthyl  in 
zngeschmolzenen  Röhren  so  lange  auf  einem  Sandbade  zu 
erhitzen,  bis  die  gelbe  Farbe  des  gebildeten  Jodbleies  die 
vollständige  Umsetzung  anzeigt. 

Später  fand  ich,  dafs  die  Aetherification  der  Helilotsäure 
aufserordentlich  schnell  und  sehr  vollständig  herbeigeführt 
werden  kann,  wenn  eine  starke  alkoholische  Lösung  dieser 
Säure  unter  Zusatz  von  etwas  concentrirter  Salzsäure  einige 
Zeit  gekocht  wird.  Nach  dem  Erkalten  der  Mischung  setzt 
man  Wasser  zu,  filtrirt  den  ölartig  ausgeschiedenen  Aether 
ab,  wascht  ihn  auf  dem  Filter  erst  mit  einer  Lösung  von 
kohlensaurem  Natron  und  dann  mit  Wasser  aus,  löst  ihn 
hierauf  in  Alkohol  und  dampft  die  weingeistige  Lösung  auf 
dem  Wasserbade  zu  einer  syrupdicken  wasserfreien  Flüssig- 
keit ein.  Bei  niederer  Temperatur  erstarrt  dann  der  Aether, 
gewöhnlich  erst  nach  längerer  Zeit,  zu  einer  strahlig-blät- 
terigen Masse ;  die  durch  Abpressen  zwischen  Fliefspapier 
und  Umkrystallisiren  gereinigt  ward.  Der  melilotsaure  Aethyl- 
alher  krystallisirt  aus  einer  ätherischen  Lösung  bei  langsamen 
Verdunsten  an  der  Luft  in  farblosen  grofsen  klinorhombischen 
Prismen,  besitzt  bei  gewöhnlicher  Temperatur  einen  schwa- 
chen, aber  feinen,  zimmetartigen  Geruch,  entwickelt  auf  dem 

8» 


116  Zwenger^  über  Mdüotsäure  und  deren 

Platinblech  erhitzt  einen  reizenden,  stechenden  Dampf,  reagirt 
neutral,  schmilzt  bei  34®  C.  und  erstarrt  beim  Erkalten  wie- 
der krystallinisch,  siedet  bei  273®  G.  unzersetzt,  ist  in  Alkohol 
und  Aetber  leicht  löslich,  dagegen  unlöslich  in  kaltem  Wasser; 
durch  kochendes  Wasser  wird  er  in  geringer  Menge  gelöst, 
beim  Erkalten  der  Lösung  scheidet  sich  derselbe  in  ölartigen 
Tropfen  wieder  aus.  Der  Aether  erfahrt  durch  Alkalien, 
namentlich  in  der  Wärme,  unter  Entwickelung  von  Alkohol 
eine  rasche  Zerlegung.    Seine  Zusammensetzung  entspricht 

der  Formel  :  CisHgO,  O4. 

CA    \ 

0,2683  Grm.   Substanz   gaben  0,1785  Wasser  nnd  0,667  Kohlen- 

säure. 

berechnet  gefunden 

Ott  132  68,04  67,80 

Hu  14  7,22  7,89 

O5  48  24,74  — 

194         100,00. 

Bibrommelilotsäure.  —  Trockene,  feinzerriebene  Melilot- 
sSure  wurde  mit  Brom  in  kleinen  Portionen  bei  gewöhnlicher 
Temperatur  so  lange  unter  ständigem  Umrühren  betropft,  bis 
keine  sichtbare  Einwirkung  mehr  stattfand.  Jedenfalls  mufste 
zuletzt  ein  Ueberschufs  von  Brom  vorhanden  sein.  Es  ent- 
wickelte sich  hierbei,  indem  die  anfangs  weiche  taigartige 
Masse  nach  und  nach  wieder  fest  wurde,  eine  grofse  Menge 
Bromwasserstoff.  Nach  dem  Entfernen  des  überschüssigen 
Broms  durch  Verdunstenlassen  desselben  an  der  Luft  ward 
der  fast  weifse  Rückstand  mit  kaltem  Wasser  ausgewaschen 
und  darauf  in  kochendem  sehr  verdünntem  Weingeist  gelöst. 
Nach  dem  Erkalten  schieden  sich  unter  milchiger  Trübung 
durchsichtige,  farblose,  glänzende  Nadeln  in  grofser  Menge 
aus,  die  in  der  Regel,  wenn  bei  der  Darstellung  ein  Ueber- 
schufs von  Brom  Anwendung  gefunden  hatte,  vollkommen 
rein  waren. 


^  JainsÜiche  Darstellung  aus  Oumarin,  117 

Die  Bibrommelilotsaare  ist  in  kaltem  Wasser  nicht,  in 
kochendem  nur  weni^  löslich  und  krystallisirt  beim  Erkalten 
in  sehr  feinen,  seideglänzenden  Nadeln  wieder  vollständig 
aas.  In  Alkohol  und  Aether  ist  sie  sehr  leicht  löslich.  Sie 
reagirt  stark  sauer,  schmilzt  bei  115^  C.  und  erstarrt  beim 
Erkalten  wieder  krystallinisch.  Auch  lafst  sie  sich  ohne  Zer- 
setzung destilliren. 

0,5592  Grm.  unter  der  Luftpampe  getrockneter  Substanz  gaben 
0,1824  Wasser  und  0,679  Kofalensttnre. 

0,5421  Grm.  Substanz  gaben  0,6828  Bromsilber. 

berechnet  nach  der 


Formel  CjaHgBrgOe 

gefunden 

Cl8 

108 

33,33 

33,11 

Hs 

8 

2,46 

2,63 

Br, 

160 

49,35 

49,67 

0« 

48 

14,86 

— 

324  100,00. 

Bibrommelilotsaurer  Baryt  wurde  durch  Kochen  von 
kohlensaurem  Baryt  mit  einer  wässerigen  Lösung  von  Bi- 
brommelilotsaure  in  stark  seideglänzenden  Nadeln  gewonnen. 
Er  löst  sich  in  kaltem  Wasser  nur  wenig,  leichter  in  kochen- 
dem ;  sehr  leicht  in  warmem  Alkohol.  Das  Salz  reagirt  neu- 
tral, enthält  Krystallwasser,  das  bei  100^  C.  weggeht. 

0,261   Cfrm.    bei    100^  C.    getrockneter   Substanz    gaben    0,0776 
schwefelsauren  Baryt. 

berechnet  gefunden 

Cis^ß'j^e  —  — 

Ba  17,49  17,48 


100,00. 

0,292  Grm.    lufttrockener  Krystalle   verloren    bei    100^  G.  0,031 
Wasser. 

Gi8H7Br,BaOe      —  — 

5  HO  10,30  10,61. 

Binäramehloisäure.  —   Uebergiefst  man  Helilotsäure  in 
der  Kälte  mit  ungefähr   dem  sechsfachen  Volum  Salpeter- 


118  Zwenger,  über  Meltbtsäure  und  deren 

saure  von  1,2  spec.  Gew.,  so  löst  sich  dieselbe  Anfangs  mit 
dunkelrother  Farbe  auf,  ohne  dafs  dabei  eine  besondere 
Warmeentwickelung  oder  Bildung  von  rothen  Dampfen  be- 
merkbar würde,  und  es  scheiden  sich  nach  längerem  Stehen 
gelbe  oder  gelbrothe  Krystalle  aus  der  Flüssigkeit  aus.  Kocht 
man  dagegen  die  Melilotsaure  mit  concentrirter  Salpetersäure, 
wobei  ein  grofser  Ueberschnfs  der  letzteren  vermieden  werden 
mufs,  so  lange,  bis  die  heftige  Entwickelung  von  salpetrig- 
sauren Dampfen  nachläfst  und  die  Anfangs  dunkebrothe  Farbe 
der  Lösung  in  eine  hellgelbe  übergeht,  so  krystallisirt  die 
Nitroverbindung  nach  dem  Erkalten  in  blafsgelben,  mitunter 
fast  farblosen  Krystallen  ans.  Rauchende  Salpetersäure  be- 
wirkt schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  unter  heftiger  Re- 
action  dieselbe  Umwandlung. 

Nach  der  ersten  Methode  ist  die  Ausbeute  zwar  eine 
gröfsere,  aber  die  Krystalle  sind  weniger  rein;  nach  der 
zweiten  Methode  findet  sich  dagegen  eine  reichliche  Menge 
Oxalsäure  in  der  Mutterlauge,  die  um  so  grofser  ist,  je  con- 
centrirter die  Salpetersaure  war  und  je  länger  die  Einwir- 
kung dauerte. 

Die  gewonnenen  Krystalle  wurden  nach  dem  Abpressen 
erst  aus  Wasser  und  dann  aus  Alkohol  umkrystallisirt. 

Die  Binitromelilotsänre  ist  in  kaltem  Wasser  nur  wenig 
mit  gelber  Farbe  löslich;  in  kochendem  löst  sie  sich  etwas 
leichter  und  scheidet  sich  beim  Erkalten  ziemlich  vollständig 
in  nadeiförmigen  Krystallen  wieder  aus.  Aus  kochendem 
Alkohol  krystallisirt  sie-  in  stark  glänzenden,  scheinbar  ortho- 
rhombischen  Prismen.  Die  Farbe  der  Krystalle  ist  eine 
honiggelbe,  mit  einem  Stich  ins  Hyacinthrothe,  wenn  zu  ihrer 
Darstellung  verdünnte  Salpetersäure  verwendet  wurde ,  da- 
gegen eine  Stroh-  oder  schwefelgelbe  bei  Anwendung  von 
concentrirter  Salpetersäure.  Die  Nitromelilotsäure ,  die  ich 
früher  für  Pikrinsäure  hielt,  färbt  organische  Stoffe  eben  so 


künstliche  Darsielhtng  aus  Cumarin.  119 

ifllensiv  wie  letztere.  Sie  schmeckt  anfangs  schwach  adstrin- 
girend,  zaletzt  bitter,  löst  sich  in  Alkalien  mit  gelbrother 
Farbe,  verpufll  nicht,  schmilzt  bei  155^  C.  und  erstarrt  beim 
Erkalten  wieder  krystallinisch.  Auch  Idfst  sie  sich  zwischen 
zwei  Uhrglasern  gröfstentheils  unzersetzt  verfluchtigen.  Das 
gelbe  ölige  Destillat  krystailislrt  nach  einiger  Zeit  wieder 
vollständig.  Die  Salze  der  Nitromelilotsaure  sind  meistens 
gelb  oder  roth  von  Farbe,  krystallinisch  und  in  Wasser 
schwer  löslich.  So  giebt  die  mit  Ammoniak  neutralisirte 
Lösung  der  Binitromelilotsaure  mit  Chlorbaryum,  namentlich 
beim  Erwärmen,  einen  zinnoberrothen ,  mit  essigsaurem  Blei 
einen  gelben,  mit  Chlorcalcium  und  salpetersaurem  Silber 
einen  gelbrothen  krystallinischen  Niederschlag.  Die  Salze 
verpuffen  beim  Erhitzen. 

Ich  habe  die  Binitromelilotsaure,  trotz  wiederholten  Um- 
kryatallisirens ,  nicht  in  absolut  chemisch  reinem  Zustande 
erhalten  können.  Die  Analysen  zeigten  immer  einen  kleinen 
Ueberschufs  an  Kohlenstoff.  Wahrscheinlich  haftete  derselben 
eine  geringe  Menge  Hononitromelilotsäure,  die  sich  Anfangs 
gebfldet  haben  mochte,  an  und  die  durch  blofses  Umkrystal- 
lisiren  nicht  zu  entfernen  war.  Auch  die  Salze,  die  ich 
untersucht  habe,  zeigten,  dem  entsprechend,  einen  geringeren 
Gehalt  an  Basis. 

I.  0,3851  Grm.  durch  concentrirte  Salpetersäure  dargestellter 
Substanz,  bei  100^  G.  getrocknet,  gaben  0,1168  Wasser 
und  0,6062  Kohlens&ure. 

II.    0,3571  GriD.  Sabstans,  durch,  yerdünnte  SalpaterBftnre  erhalten, 
gaben  0,0813  Wanser  und  0,4055  Kohlenstture. 


berechnet 
Formel  C 

nach  der 
'isHsXgOe 

gefunden 
I.            II. 

Cts 

108 

42,18 

42,93        43»00 

He 

8 

3,12 

8)35          3,51 

N, 

28 

10,93 

—             — 

Oi4 

112 

43,77 

—             — 

256 

100,00. 

120  Zwengety  über  Meläotsäure  und  deren 

0,30ßl  Grm.  binitromeltlotsaurer  Baryt,  bei  120^  C.  ge- 
trocknet, gaben  0,1721  schwefelsauren  Baryt  =  33,50  pG. 
Baryum.  Diese  Zahl  könnte  der  Formel  CigHeXsBasOe  4~  ^  >4« 
entsprechen,  die  33,76  pC.  Barynm  verlangt. 

Das  Silbersalz  gab  mir  in  einem  Fall  42,0  pC,  in  einem 
andern  Falle  43,2  pC.  Silber.  Nach  der  Formel  CisHeXsAgsO« 
müfsten  aber  45,9  pC.  gefunden  werden. 

Amid  der  Meläotsäure.  •—  Uebergiefst  man  das  Anhy- 
drid der  Helilotsdure  in  der  Kälte  mit  einer  concentrirten 
Lösung  von  Ammoniak,  so  löst  sich  dasselbe  langsam  auf 
und  beim  Verdunsten  an  der  Luft  scheiden  sich  feine,  stark 
seideglänzende,  lange  Nadeln  ab.  Dieselbe  Verbindung  wird 
auch  durch  längeres  Einwirken  einer  concentrirten  Ammoniak- 
flussigkeit  auf  den  melilotsauren  Aethyläther  erhalten.  Die 
Krystalle  reagiren  neutral,  sind  wenig  in  kaltem,  leicht  in 
warmem  Wasser  löslich ,  und  werden  auch  von  Weingeist 
und  Aether  leicht  gelöst.  Das  Amid  schmilzt  bei  70^  C. 
und  erstarrt  beim  Erkalten  wieder  krystallinisch.  Beim  Er- 
hitzen zerfällt  es  in  Ammoniak  und  in  Anhydrid.  Die  wäs- 
serige Lösung  giebt  mit  Eisenchlorid  eineindigUaue  Färbung. 
Durch  Säuren  und  Alkalien  wird  es  in  der  Wärme  leicht 
zerlegt. 

0,3467  Grm.   lufttrockener   Sabstanz   gaben   0,2164  Wasser  and 
0,8286  Eoblensftare. 

0,2416  Grm.  Substanz  gaben  0,3077  Platinsalmiak. 

h      I 

Daraus  berechnet  sich  die  Formel  CisHgOsf  '    die  in  100 

H.    P 


Theilen  griebt  : 

berechnet 

gefunden 

c.. 

108^^    ~6M6 

66,86 

H», 

11            6,66 

6,92 

N 

14            8,48 

8,00 

0« 

32           19,40 

— 

166        100,00. 

künstliehe  Darstellung  aus  Cumarin,  121 

Bekanntlich  existiren  viele  organische  Substanzen,  die 
nach  der  empirischen  Formel  CigHioO«  zusammengesellt 
sind.  Erst  kürzlich  hahen  Ladenburg  und  Fitz*)  nicht 
weniger  als  zwölf  solcher  Körper  zusammengezählt,  wozu 
aber  noch  die  Melilotsaure  und  die  Tropasaure  **)  zu  rechnen 
sind.  Die  dahin  gehörige  Phloretinsäure,  die  von  Hlasi- 
wetz***),  dem  Entdecker  derselben,  in  sehr  umfassender 
und  gründlicher  Weise  studirt  ward,  zeigt  mit  der  Melilotsaure 
in  yieier  Beziehung  eine  nicht  zu  verkennende  Aehnlichkeit. 
Diese  tritt  namentlich  bei  den  Substitution^roducten  sehr 
deutlich  hervor.  Sie  unterscheidet  sich  aber  wesentlich  von 
der  Melilotsaure  durch  ihren  Schmelzpunkt,  der  bei  128  bis 
130®  G.  liegt,  durch  ihre  Geruchlosigkeit,  durch  die  Leicht- 
löslichkeit  ihres  Kalk*  und  Bleisalzes,  durch  die  Fähigkeit 
einzehie  zweibasische  Salze  zu  bilden,  und  vor  allen  Dingen 
durch  die  Eigenschaft,  in  Verbindung  mit  Baryt  bei  der 
trockenen  Destillation  in  Kohlensaure  und  ein  mit  der  Phenyl- 
säure  homologes  Oel  zu  zerfallen.  Die  Phloretinsäure  mufs 
demnach  als  eine  mit  der  Salicylsäure  wirklich  homologe 
Säure  betrachtet  werden. 

Künstliche  Darstellung  der  Melilotsaure  aus  Cumarin, 

'  Nachdem  die  Formel  der  Melilotsaure  festgestellt  war, 
drängte  sich  von  selbst  die  Vermuthung  auf,  dafs  in  dem 
Steinklee  die  Melilotsaure  aus  dem  Cumarin  entstanden  sein 
dürfte.  Durch  Aufnahme  von  2  Aeq.  Wasser  konnte  das  Cu- 
marin in  Cumarsaure  und  durch  Addition  von  2  Aeq.  Wasser- 
stoff die  Cumarsaure  in  Melilotsaure  übergeführt  worden  sein : 

Ct8H604  +  2  HO  +  2  H  =  CijH^oO«. 


*)  Annalen  d.  Chem.  n.  Pharm.  CXLI,  254. 
••)  Daselbst  CXXXVm ,  283. 
)  DaaelbBt  OD,  146. 


122  Ztoenger,  über  Melüotaäure  und  deren 

Von  dieser  Idee  ausgehend  loste  ich  das  Cumarin  An- 
fAgs  in  Kalilauge  und  brachte  unter  schwachem  Erwärmen 
von  Zeit  zu  Zeit  Natriumamalgam  hinzu.  Die  Entwickelnng 
von  Wasserstoffgas  war  hierbei  ziemlich  heftig,  aber  selbst 
nach  längerem  Einwirken  hatte  das  Cumarin  in  der  kaiischen 
Lösung  keine  Veränderung  erfahren.  Ich  konnte  dasselbe 
vollständig  und  unzersetzt  wieder  ausscheiden.  Ich  versuchte 
sodann  in  einer  wasserigen  Lösung  diese  Umwandlung  her- 
beizufuhren, was  mir  auch  in  überraschend  leichftr  Weise 
gelang.  ** 

Uebergiefst  man  nämlich  Cumarin  mit  vielem  Wasser, 
dem  man,  um  die  Löslichkeit  des  Cumarins  zu  erhöhen,  etwas 
Weingeist  zusetzen  kann,  und  bringt  bei  einer  Temperatur 
von  40  bis  60^  C.  Natrinmamalgam  (1  Th.  Natrium  und  wenig- 
stens 100  Th.  Quecksilber)  in  nicht  zu  grofser  Menge  hinzu, 
so  wird  das  Cumarin  nach  und  nach  theilweise  in  Melilol- 
säure  umgewandelt.  Die  Anfangs  stark  alkalische  Reaction 
der  Lösung  wird  in  Folge  dessen  immer  schwächer  und  ver- 
schwindet beinahe  zuletzt.  Erst  jetzt  darf  mit  dem  weiteren 
Zusatz  von  Natriumamalgam  fortgefahren  werden,  weil  nur 
dann  ein  sicherer  Erfolg  zu  erwarten  steht,  wenn  der  Pro- 
cefs  recht  langsam  geleitet  wird.  Bei  einem  grofsen  Ueber- 
schufs  von  Natriumamalgam  würde  gleich  eine  zu  concen- 
trirte  alkalische  Lösung  entstehen,  die,  wie  aus  dem  vorher- 
gehenden Versuche  ersichtlich  ist,  die  beabsichtigte  Um- 
wandlung nur  hindert.  Nach  mehreren  Tagen  ist  bei  so 
fortgesetzter  Behandlung  das  Cumarin  vollständig  oder  bei- 
nahe vollständig  verschwunden.  Die  Lösung  wird  dann  mit 
Essigsäure  schwach  angesäuert  und  auf  dem  Wasserbade 
concentrirt,  wo  über  Nacht  gewöhnlich  Erystalle  von  Cu- 
marin sich  ausscheiden.  Nach  dem  Entfernen  derselben  fällt 
man  die  Lösung  mit  essigsaurem  Blei,  filtrirt  ab,  kocht  den 
Bleiniederschlag  so  lange  mit  Wasser  aus,  als  sich  noch 


künstliehe  Darstellung  aus  Oumartn.  123 

etwas  löst,  and  läfst  aus  dem  heifsen  Filtrat  das  melilotsaure 
Blei  anskrystallisiren.  Das  erhaltene  Bleisalas  wurde  erst  mit 
Aether,  um  das  anhaftende  Cumarin  zu  entfernen,  ausge- 
kocht und  dann  durch  Schwefelwasserstoff  zerlegt.  Die  aus 
der  wasserigen  Lösung  gewonnenen  Krystalle  zeigten  genau 
und  vollständig  alle  Eigenschaften  der  Melilotsaure,  deren 
Identität  auch  durch  die  folgenden  Analysen  bewiesen  ward. 

0,2826    Grm.   kfinstlioh    dargestellter   Melilots&ure   gaben   0,6723 
Kohlensäure  und  0,162  Wasser. 

berechnet  gefunden 

Gia             65,06  64,88 

Bio              6,00  6,36 

Og              28,94  - 

100,00. 
0,252  Grm.  Ealksalss  gaben  0,0688  kohlensauren  Kalk. 

berechnet  gefunden 

Ca  10,81  10,92. 

0,6566  Grm.  Bleisalz  gaben  0,271  Bleiozyd. 

berechnet  gefunden 

Pb  38,54  88,31. 

Nach  dem  ganzen  Vorgang  mufste  sich  aber  in  einer 
gewissen  Periode  des  Processes  hierbei  Cumarsaure  gebildet 
haben.  In  der  That  bestand  der  beim  Auskochen  mit  Wasser 
unlöslich  gebliebene  geringe  Bleiniederschlag  zum  gröfsten 
Theil  aus  cumarsaurem  Blei.  Auch  machte  ich  die  Beob- 
achtung, dafs,  wenn  bei  der  künstlichen  Darstellung  der 
Melilotsaure  die  Temperatur  der  Flüssigkeit  etwas  zu  stark 
erhöht  wurde,  ein  Körper  sich  ausschied;  der  in  Wasser  und 
Aether  unlöslich  war,  und  der  später  als  ein  Umsetzungs- 
prodnct  der  Cumarsaure  von  mir  erkannt  wurde.  Eben  so 
habe  ich  in  dem  Steinklee  die  Cumarsaure  unzweifelhaft 
nachweisen  können. 

Der  Procefs  der  Bildung  der  Melilotsaure  ist  also  voll- 
kommen klar  und  durchsichtig. .  Wo  Cumarin  in  einw  Pflanze 


124  Lippmann,  über  die  unier  jodige  Säure 

vorkommt,  kann  unter  Umständen  auch  Cnmarsaure  auftreten, 
und  die  Melilotsöure  selbst  ist  demnach,  wie  ich  schon  früher 
vermuthet  hatte,  nichts  anderes  als  Hydrocumarsäure. 

Durch  dieses  Auftreten  der  Cumarsaure  wurde  ich  ver- 
anlafst,  diese  noch  so  wenig  gekannte  Saure  einer  genaueren 
Prüfung  zu  unterwerfen,  deren  Resultate  ich  in  einer  andern 
Abhandlung  niederlegen  werde. 


Ueber  die  unterjodige  Säure  und  ihre  directen 
Verbindungen  mit  Kohlenwasserstoffen; 

von  E.  Lippmann  *). 


Die  Einwirkung  der  wasserfreien  unterchlorigen  Säure 
auf  organische  Substanzen  ist  durch  Schützenberger 
untersucht  worden.  Bei  seinen  Versuchen  darüber,  wie  diese 
Saure  sich  zu  anderen  wasserfreien  Säuren  verhält,  fand  er, 
dafs  sich  hierbei,  durch  doppelte  Zersetzung,  gemischte  An- 
hydride bilden,  wie  z.  B.  das  essigsaure  Chlor.  Ich  habe 
vor  Kurzem,  gemeinsam  mit  ihm,  gezeigt,  dafs  das  essig- 
saure Chlor  sich  direct  mit  nicht  gesättigten  Kohlenwasser- 
stoffen vereinigt,  wie  z.  B.  mit  dem  Aethylen  unter  Bildung 
von  Acetochlorwasserstoffsäure-Glycoläther. 

Es  schien  mir  Interesse  zu  bieten,  die  Einwirkung  der 
wasserfreien  unterchlorigen  Säure  auf  die  Kohlenwasserstoffe 
zu  untersuchen,  namentlich  da  man  noch  keine  analogen  Fälle 
beobachtet  hat.    Carius  sagt  in  seiner  Arbeit  über  dasUn- 


t)  Compt  rend«  LXIII,  968. 


und  ihre  directen  Verbindungen  mit  Kohlenwasserstoffenm    125 

terchlorigsaurehydrat,  dafs  die  Kohlenwasserstoffe  durch  die 
wasserfreie  unterchlorige  Säure  lebhaft  angegriffen  und  ver- 
kohlt werden. 

Der  Umstand,  dafs  das  Arbeiten  mit  gröfseren  Mengen 
wasserfreier  unterchloriger  Säure  gefährlich  ist,  veranlafste 
mich  zu  Versuchen  über  die  Bildung  der  unterjodigen  Säure. 
Ich  will  zunächst  die  Bildung  des  Hydrates  dieser  Säure  und 
die  Addition  desselben  zu  dem  Amylen  beschreiben.  Das 
Jod  wirkt  bei  Gegenwart  von  Wasser  nicht  auf  das  Queck- 
silberoxyd ein,  aber  wenn  man  Amylen  zusetzt  und  schüttelt, 
so  verschwindet  es  sofort  unter  Bildung  von  Jodquecksilber. 
Zugleich  bildet  sich  unterjodige  Säure,  welche  sich  direct 
mit  dem  Amylen  zu  einem  Jodhydrin  vereinigt,  das  specifisch 
schwerer  ist  als  Wasser  und  sich  bei  der  Destillation  zer- 
setzt Behandelt  man  dieses  Jodhydrin  mit  essigsaurem  Silber, 
so  bilden  sich  Essigsäure,  Jodsilber  und  Amylenoxyd,  welches 
zwischen  95  und  100^  siedet.  Bringt  man  Jod,  Quecksilber- 
oxyd und  Amylen  in  wasserfreiem  Alkohol  zusammen,  so 
verschwindet  das  Jod  unter  Bildung  von  Jodquecksilber  und 
einer  in  Lösung  gehenden  jodhaltigen  Verbindung.  Diese 
Verbindung  ist  in  diesem  Falle  ein  Gemische  verschiedener 
Jodhydrine,  welche  nur  im  leeren  Räume  destillirt  werden 
können.    Ich  habe  in   dieser  Weise  ein  Jodhydrin  erhalten, 

^öHioj      entsprach  : 

^jHß    J 
berechnet  gefunden 

e  46,1  46,0  46,2 

H  8,0  8,3  8,4 

J  40,7  41,0 

O  6,1  — 


99,9. 

.  Eine  zweite  Portion,  welche  nicht  destillirt  worden  war, 
gab  mit  essigsaurem  Silber  ein  Gemische  von  Essigsäure- 


126  Lippmann  f  über  die  unter  jodige  Säure 

Verbindungen  des  Amylens  und  Amylenoxyd,  welches  ich 
durch  fractionirte  Destillation  zerlegen  konnte.  Bei  150^ 
ging   ein   Product   über,   dessen    Analyse   zu   der    Formel 

{^sHiol/i 
€JAor»         führte  : 

berechnet  gefunden 

€  68,8  68,4 

H  11,4  11,7. 

Bei  165^  habe  ich  das  Hauptproduct  aufgesammelt,  dessen 

{GH    \  Q 
G*hJ  f€,Ha^    entsprechende     Zahlen 

ergab  : 

berechnet  gefunden 

G  62,0  61,9 


H  10,3  10,4. 


Als  dieses  Product  mit  Jodwasserstoffsäure  auf  150^  er- 
hitzt wurde,  bildeten  sich  Aethyljodür  und  Amyljodur,  was 
beweist,  dafs  allerdings  Aethyl  in  dieser  Verbindung  ent- 
halten ist. 

Bringt  man  Jod  mit  Quecksilberoxyd  und  Alkohol  zusam- 
men, so  bilden  sich  sehr  langsam  Jodquecksilber  und  jodsaures 
Quecksilber.  Nur  wenn  die  unterjodige  Saure  augenblicklich 
fixirt  werden  kann,  entsteht  kein  jodsaures  Quecksilber. 

Löst,  man  Jod  in  Gegenwart  von  Quecksilberoxyd  und 
Amylen  in  Chloroform  auf,  so  bildet  sich  ein  Additionspro- 
duct  der  unterjodigen  Säure  mit  dem  letzleren  Körper.  Dieses 
Product  ist  ein  sehr  schweres  Oel,  welches  sich  schon  unter- 
halb 100^  vollständig  spaltet;  mit  essigsaurem  Silber  be- 
handelt giebt  es  eine  Essigsäure- Verbindung,  die  bei  130^ 
siedet  und  wahrscheinlich  ein  Derivat  des  Amyl-  oder  des 
Diamylglycerins  ist.  Ich  suche  diesen  Körper  rein  zu  er- 
halten und  werde,  was  er  mir  an  Resultaten  ergiebt,  bald 
mittheilen  und  zugleich  zu  beweisen  suchen,  dafs  dieses  Ver- 


und  ihre  directen  Verbindungen  mit  Kohlenwasserstoffen.  127 

fahren  aach   zur  Bildung   der  Jodhydrine  anderer  nicht  ge-« 
sattigter  Kohlenwasserstoffe  angewendet  werden  kann. 


Notiz  über  einige  Goldverbindungen ; 
von  Dr.  L.  Darmstaedter. 


Ich  habe  bei  der  Analyse  einiger  Golddoppelchloride 
Resultate  erhalten,  welche  mit  den  von  Johnston*)  an- 
gegebenen nicht  übereinstimmen. 

KcUiumgoldcUorid  bildet  dünne  sechsseitige  Tafeln  oder 
gut  ausgebildete  Erystalle  des  rhombischen  Systems  von  der 
Form  (X)P.ooPcx).OP. 

•  beobachtet 

OOP:ooP  im  brachydiagonalen  Dnrcbscfanitt     =s      98^      20' 
ooP:OOPoo  =     181«        5' 

ooPoo:OP  =      ^0^       0* 

INe  Zusammensetzung  ist  AuCls,  KCl  -f-  4  aq.  : 

berechnet  gefanden 

Ana,  302,6  73,23  72,92 

KCl  74,6  18,06  18,27 

4aq.  36,0  8,71  8,81 

418,1  100,00. 

Das  Salz  verliert  sein  Wasser  schon  bei  gewöhnlicher 
Temperatur  über  Chlorcalcium  und  Schwefelsaure. 

AmmoniumgoldohloTid  bildet  Krystalle  von  der  Form  des 
obigen  Salzes,  jedoch  mit  ganz  verschiedenen  Winkeln  : 


*)  N.  Edinb.  Journ.  of  Science  N.  S.  III,  181  n.  288  ff. 


128    Darmstaedter ,  über  einige  Goldverbindungen, 

beobachtet 

OoP:ooP  im  bracbydiagonalen  Darcfaschnltt     >»     126^      18' 
OOP:ooP(X>  ==     116<»       84' 

OOPoo:0P  =       90<»        0' 

Die  Zusammensetzung   dieses  Salzes  ist  AuCU,  NH4CI 

berechnet  gefanden 


AuCla 

302,5 

73.77 

7S,69 

NH4CI 

58,5 

13,06  - 

18,59 

6aq. 

54,0 

18,17 

12,72 

410,0  100,00. 

Heidelberg,  im  März  1867. 


*)  In  seiner  schon  oben  citirten  Abhandlung  spricht  Johnston 
Yon  einer  Mittbeilung  Dr.  Forchhammer's  an  ihn,  wonach 
Ghlorgoldammonium  nngeföhr  13  pC.  Wasser  und  48,1  pC.  Gold 
enthielte,  was  also  vollständig  mit  dem  yon  mir  beschriebenen 
Salze  übereinstimmen  würde. 

Es  gelang  mir  nicht,    das  von  Johnston   bescbriebene  Sala 
AuGls,  NH4GI  -f  2  ^'  darzustellen. 


•»>»»»t1<a^<<< 


Ausgegeben  den  27.  Juni  1867. 


AÄNALEN 


DEK 


CHEMIE  UND  PHARMACIE. 


V.    Supplementbandes    zweites    Heft. 


üeber  die  Molecularvolumina  chemischer 

Verbindungen ; 
von   Lothar  Meyer. 


Die  Constanten,  von  welchen  die  physikalischen  Eigen- 
schaften chemischer  Verbindungen  abhanden,  sind  sehr  hauGg 
der  onmittelbaFen  Beobachtung  nicht  zuganglich.    Gewöhn- 
lich erfordert  ihre  vollständige  Bestimmung  noch  irgend  eine 
hypothetische,   also   willkürliche  und   nicht  erwiesene  An- 
nahme.   Ist  dieses  der  Fall,  so  behalt  die  Bestimmung,  wie 
viel  auch  fär  ihre  Richtigkeit  sprechen  möge,   immer  eine 
gewisse  Unsicherheit.    Diese  wird  erheblich  gemindert,'  wenn 
es  gelingt,  für  eine  und  dieselbe  Constante  auf  mehreren  ganz 
verschiedenen   Wegen  denselben  Werth    herzuleiten.     Erst 
durch  eine  solche  Herleitung  nach  verschiedenen  Methoden 
pflegt  die  allgemeine  Anerkennung  gewonnen  zu  werden; 
ohne  sie  haben   die  gediegensten  Ansichten  oft  lange  Zeit 
der  ihnen  spater  zu  Theil  gewordenen   Geltung  entbehren 
Blässen.    So  ist  z.  B.  die  Avogadro'sche  Bestimmung  der 
Holecttlargewichte    gasförmiger  Körper,    obschon  alles  für 
und  nichts  gegen  sie  zu  sprechen  schien,  doch  so  gut  wie 
unbeachtet  geblieben,  bis  die  Entwickelung  der  organischen 
Chemie   fast   ein   halbes   Jahrhundert    spater   zur  Annahme 

Anaal.  d.  Chem.  n.  Phann.  V.  Snpplementbd.  8.  Heft.  9 


130  Meyer,  über  die  MolecuUvrvolumma 

derselben  Werthe  der  Moleculargewichte  führte,  welche 
auch  Avogadro  ermittelt  hatte. 

Die  Bestimmung  der  Holecularvolume  flüssiger  Verbin- 
dungen, wie  sie  H.  Ko p p  gegeben  hat,  scheint  mir  zwar  einer 
Bestätigung  nicht  zu  bedürfen,  zumal  sie  meist  unmittelbar 
der  Ausdruck  der  Beobachtungen  ist.  Indessen  halte  ich  es 
doch  nicht  aller  Beachtung  unwerth,  dafs  diese  Molecular- 
volume  sich  auch  noch  auf  andere  Weise  ermitteln  lassen, 
und  ihre  so  ermittelten  Werthe  mit  den  von  Kopp  be- 
stimmten, so  viel  zu  erwarten  war,  überein  kommen. 

Diese  Bestimmung  ist  u.  a.  möglich  durch  die  Beobach- 
tung der  Reibung  der  Gase.  Die  vorhandenen  Beobachtungen 
und  theoretischen  Arbeiten  gestatten  dieselbe  bereits  für 
neunzehn  verschiedene  Stoffe. 

Bekanntlich  ist  von  allen  bis  jetzt  über  das  Wesen  des 
Gaszustandes  aufgestellten  Ansichten  gegenwärtig  nur  eine 
einzige  mit  allen  bekannten  Thatsachen  vollkommen  im  Ein- 
klänge, und  zwar  nur  die,  welche  man  neuerdings  als  die 
,,Theorie  der  molecularen  Stöfse^  bezeichnet  hat  *).  Das 
Wesentliche  dieser  alten,  aber  erst  in  neuerer  Zeit  vollstän- 
diger ausgebildeten  Theorie  **)  besteht  in  der  Annahme, 
dafs  im  Gaszustande  die  Körper  durch  die  ihnen  als  Wärme 
mitgetheilte  Bewegung  in  sehr  kleine  materielle  Theilchen, 
sogenannte  Molekeln  oder  Molecule,  aufgelöst  seien,  und  dafs 
diesen  räumlich  von  einander  isolirten  kleinen  Massentheilchen 
sehr  rasche  geradlinig  fortschreitende  Bewegungen  zukommen. 


*)  Oskar  Emil  Meyer,  über  die  innere  Reibung  der  Gase,  Pogg. 
Ann.  1866,  CXXY,  178.  Der  Ausdruck  ist  eine  freie  Ueber- 
setsung  des  englischen  „starting  molecules*  (Maxwell,  PhiL 
Mag.  [4]  1860,  Vol.  XIX,  p.  20). 

**)  Ueber  die  Geschichte  dieser  Theorie  siehe  Gehler*s  pbys.  Wör- 
terbuch Bd.  IV,  Abtheil.  2,  8.  1049;  Clausius,  Pogg.  Ann. 
CXV ,  2. 


chemischer  Verbindungen.  131 

* 

Nach  dieser  Ansicht  eilt  jedes  Theilchen  mit  der  ihm  mit- 
getheilten  Geschwindigkeit  geradlinig  fort,  bis  es  auf  ein  an- 
deres Theilchen  oder  sonst  ein  Hindernifs  stöfst,  von  dem 
es  in  der  Regel  zurückprallt  oder  abgleitet  mit  mehr  oder 
weniger  veränderter  Richtung  und  Geschwindigkeit  seiner 
Bewegung.  Der  Druck  des  Gases  ist  die  Summe  aller  Stöfse, 
mit  welchen  seine  Theilchen  auf  den  Körper  (ireffen,  welcher 
den  Druck  erleidet.  Aus  der  Gröfse  dieses  Druckes  hat 
man  für  die  den  Theilchen  zukommenden,  im  Einzelnen  sehr 
verschiedenen  Geschwindigkeiten  Mittelwerthe  in  absolutem 
Hafse  berechnen  können^).  Dieselben  sind  proportional 
der  Quadratwurzel  aus  der  absoluten  Temperatur,  und  für 
gleiche  Temperatur  bei  verschiedenen  Gasen  umgekehrt  pro- 
portional den  Quadratwurzeln  aus  den  Moleculargewichten. 
Für  die  meisten  Gase  betragt  bei  mittlerer  Temperatur  die 
Geschwindigkeit  der  geradlinig  fortschreitenden  Bewegung 


*)  Joule,  Mem.  of  Manch.  Soc  [2]  VoL  IX,  p.  118,  1851,  auch 
abgedruckt  :  Phil.  Mag.  [4]  1867,  Vol.  XIV;  Glausius,  Pogg. 
Ann.  1857,  G,  377.  O.  £.  M  e  j  e  r,  de  gasorum  theoria,  Yratisl.  1866, 
p.  14.  [Da  mein  Bruder  mir  gestattet,  die  vorliegende  Abhand- 
lung vor  dem  Abdrucke  zu  lesen,  so  erlaube  ich  mir,  die  mir 
dadurch  gebotene  Gelegenheit  zu  benutzen,  um  ein  in  der  citirten 
Dissertation  gegen  Herrn  Glausius  begangenes  Unrecht  zurück- 
zunehmen.  Ich  habe  in  derselben  (S.  14)  behauptet,  die  von  ihm 
und  Herrn  Joule  berechneten  Mittelwerthe  der  molecularen  Ge- 
schwindigkeiten seien  nicht  ganz  genau.  Diese  Behauptung  ist, 
wie  ich  aus  einer  freundlichen  brieflichen  Mittheilung  des  Herrn 
Glausius  erfahren  habe,  unrichtig.  Es  hfttte  statt  dessen 
heifsen  sollen,  dafs  jene  Zahlen  nicht  arithmeUsche  Mittelwerthe, 
sondern,  wie  Glausius  (Pogg.  Ann.  G,  872)  ganz  richtig angiebt, 
,so  gewählt  sind,  dafs  die  lebendige  Kraft  aller  Molecule  bei 
der  mittleren  Geschwindigkeit  dieselbe  ist,  wie  bei  den  wirklich 
stattfindenden  Geschwindigkeiten. <*  Glausius*  Zahlen  sind  also 
die  Quadratwurzeln  ans  den  arithmetischen  Mittelwerthen  der 
Quadrate  der  Geschwindigkeiten ;  die  von  mir  berechneten  Zahlen 

.  dagegen  sind  die  arithmetischen  Mittelwerthe  der  Geschwindig- 
keiten selber.  O.  £.  Meyeir.l 


9 


* 


132  Meyer^  über  die  Molecularvolumina 

• 

einige  hundert,  für  das  WasserstoiFgas  erheblich  über  tausend 
Meter  in  der  Secunde. 

Es  ist  aber,  wie  die  nähere  Entwickelung  der  Theorie 
und  ihre  Vergleichung  mit  der  Beobachtung  ergeben  hat, 
unter  den  gewöhnlichen  Verhaltnissen  den  Theilchen  nicht 
verstattet,  so  grofse  Strecken  ungehindert  zu  durchlaufen. 
Vielmehr  stören*  sie  sich  gegenseitig,  indem  sie  sich  begeg- 
nen und  sich  stofsen,  in  so  hohem  Grade,  dafs  ihre  Bahnen, 
trotz  der  grofsen  Geschwindigkeiten,  nur  auf  sehr  kleine 
Entfernungen  geradlinig  und  stetig  verlaufen.  Es  ist  zwar 
der  Raun),  welchen  die  Theilchen  mit  ihrer  Masse  wirklich 
erfüllen,  sehr  klein  gegen  den  leeren  zwischen  ihnen  befind- 
lichen Raum;  aber  aus  verschiedenen  Eigenschaften  der 
Gase  ergiebt  sich,  dafs  die  Anzahl  der  bei  mäfsigem  Drucke 
in  einem  endlichen  *  Räume  enthaltenen  Theilchen  so  über 
alle  Vorstellung  grofs  sein  mufs,  dafs  aufserst  selten  eines 
derselben  irgend  erhebliche  Strecken  durchläuft,  ohne  auf 
ein  anderes  Theilchen  zu  trefi'en  und  in  Folge  des  Zusammen- 
stofses  seine  Bewegungsrichtung  zu  ändern. 

Man  hat  den  Mittelwerth  der  Wege,  welche  die  Theilchen 
durchlaufen  ohne  mit  anderen  zusammenzuireiFen ,  die  „mitt- 
lere Weglange^.  derselben  genannt  *).  Die  Grofse  derselben 
ist  zwar  noch  nicht  sehr  genau  ermittelt;  aber  so  viel  ist 
nachgewiesen  worden ,  dafs  sie  ungefähr  -von  der  Ordnung 
solcher  Langen  ist,  welche  wir  mit  den  stärksten  Vergröfse- 
rungsmttteln  noch  gerade  unserem  Auge  wahrnehmbar  machen 
können.  Für  atmosphärische  Luft  beim  Drucke  einer  At- 
mosphäre und  der  Temperatur  des  Gefrierpunktes  beträgt 
sie   etwa   den   zehntausendsten   Theil  eines  Millimeters  **). 

*)  ClauBius,  Pogg.  Ann.  1858,  CV,  289  ff. 

•*)  Maxwell,  Phil.  Mag.  [4]  1860,  Vol.  XIX,  p.  32;  Clausius, 
pQgg.  Ann.  1862,  CXV,  58;  O.  E.  Meyer,  Pogg.  Ann.  1865, 
CXXV,  697.  .  • 


chemischer  Verbindungen.  133 

Die  Dimensionen  der  Tbeilchen  selbst  müssen  fast  ver- 
schwindend klein  sein  gegen  diese  mittlere  Weglänge,  folg- 
lich viel  kleiner  als  alles,  was  unserer  Sinnesempfindung  zu- 
gänglich ist. 

Diese  Dimensionen  der  Theilchen  lassen  sich  bis  jetzt 
noch  nicht  wie  deren  Geschwindigkeiten  nach  absolutem 
Maafse  ermitteln;  relativ  aber  kann  man  sie  bestimmen,  indem 
man  alle  Gase  mit  irgend  einem  willkührlich  ausgewählten 
vergleicht  und  durch  die  Dintensionen  seiner  Theilchen  die 
aller  überigen  ausdruckt.  *  In  dieser  Weise  läfst  sich  die 
relative  Grdfse  der  Theilchen  auf  verschiedenen  Wegen 
ermitteln. 

Es  ist  aus  dem  oben  Gesagten  ersichtlich,  dafs  jede  Aen- 
derung  der  Bewegungen  der  Theilchen,  welche  an  irgend 
einer  Stelle  des  von  einem  Gase  erfüllten  Raumes  eintritt, 
sich  durch  den  ganzen  Raum  verbreiten  roufs.  Wird  z.  B. 
durch  Zuführung  von  Warme  an  einer  Stelle  die  Bewegung 
gesteigert,  so  verbreitet  und  vertheilt  sich  diese  gesteigerte 
Bewegung  durch  das  ganze  Gas,  weil  die  lebhafter  bewegten 
Theilchen  nicht  nur  ihren  Ort  wechseln,  sondern  auch  ihre 
Bewegung  durch  die  häufigen  Zusammenstöfse  mit  anderen 
auf  diese  übertragen.  Diese  Verbreitung  und  Uebertragung 
der  Bewegung  geschieht  um  so  rascher  und  erstreckt  sich 
in  gleichen  Zeiten  um  so  weiter,  je  gröfser  die  Geschwindig- 
keiten der  Theilchen  und  je  bedeutender  ihre  Weglängen 
sind.  Letztere  hängen  unmittelbar  ab  von  den  Dimensionen 
der  Theilchen ;  denn  es  ist  ersichtlich ,  dafs  ein  Theilchen 
om  so  mehr  Aussicht  haben  wird  mit  den  ihm  begegnenden 
Theilchen  zusammenzustofsen,  je  gröfser  beide  sind.  Theil- 
chen von  sehr  kleinen  Dimensionen  werden  öfter  an  einander 
vorbei  gleiten  und  daher  gröfsere  Weglängen  ohne  Zusammen- 
stofs  zurücklegen ,  als  solche  von  gröfseren  Dimensionen. 
In  Gasen  mit  sehr  kleinen  Theilchen  wird  sich  daher  irgend 


134  Meyevy  über  die  Molecularvolumina 

eine  Aenderung  der  Bewegung  schneller  verbreiten  und  aus- 
gleichen, als  in  solchen,  deren  Theilchen  gröfser  sind.  Man 
ersieht  hieraus,  wie  aus  mancherlei  Bewegungserscheinungen 
der  Gase ,  z.  B.  aiis  ihrer  Warmeleitungsfdhigkeit,  der  Aen- 
derung  ihrer  Geschwindigkeit  durch  Reibung  u.  dergl.  m., 
ein  Schlufs  auf  die  Gröfse  ihrer  Theilchen  möglich  ist 

Die  Beobachtungen  sind  auf  allen  diesen  Gebieten  noch 
sehr  unvollständig.  Nur  über  die  Reibung  der  Gase  liegt 
eine  Anzahl  von  Bestimmungen  vor,  welche  einen  Schlufs 
auf  die  Gröfse  der  Theilchen  einer  Anzahl  von  Gasen  ge- 
statten. 

Nach  der  Theorie  der  Reibung  *)  ist  der  Reibungs- 
coefficient  *♦) 

mcL 

WO  m  die  Masse  eines  Theilchens,  u  seine  Geschwindigkeit, 
s  seinen  Durchmesser  (das  Theilchen  kugelförmig  gedacht)  ***) 
und  7t  die  bekannte  Zahl  3,14..,  das  Verhaltnifs  desUmfanges 
zum  Durchmesser  des  Kreises  bezeichnet. 

Die  Werthe  des  Reibungscoefficienten  tj  sind  für  neun- 
zehn verschiedene  Gase  aus  den  empirischen  Bestimmungen 
von  Th.  Graham  t)  berechnet  worden  ff ).  Sie  sind  pro- 
portional den  Zeiten,  deren  unter  gleichen  Umstanden  gleiche 


•)  Maxwell»  Phil. Mag.  [4]  1860,  Vol. XIX,  p.81;  siehe  auch  Pogg. 
Ann.  1866,  CXXV,  697. 

**)  Ueber  die  Bedentang  dieser  Constante  siehe  Hagenhach,  Pogg. 
Ann.  1860,  QYL,  400  u.  401;  O.E.  Meyer,  daselbst  1861, 
CXm,  70. 

***)  Nimmt  man  an,  dafs  die  Theilchen  schon  auf  einander  einwir- 
ken, ehe  sie  sich  unmittelbar  berühren,  so  ist  s  nicht  der  Duroh- 
messer  des  Theilchens  selbst,  sondern  der  seiner  WirkungssphAce. 

t)  On  tbe  motion   of  gases,   Lond.  phiL  Trans,  f.   1846,   p.  673; 
f.  1849,  p.  849. 

tt)  Ueber  die  Strömung  der  Qase  durch  CapillarrÖhren  ;  von  0.  E. 
Meyer,  Pogg.  Ann.  1866,  CXXVII,  263. 


chemischer  Verbindungen.  435 

Habe  verschiedener  Gase  bedürfen,  um  eine  enge  lang^ 
Röhre  zu  durchströmen,  den  von  Graham  sogenannten 
Transpirationszei  ten . 

Mit  alleiniger  Ausnahme  der  Masse  m  eines  Theilehens 
sind  demnach  alle  Data  in  absolutem  Mafse  bekannt,  welche 
ZOT  Bestimmung  des  von  einem  Theilchen  eingenommenen 
Raumes  erfordert  werden.  Wir  erhalten  für  das  Volumen 
V  eines  Theilehens,  d.  h.  den  Raum,  welchen  seine  Masse 
erfüllt,  den  Ausdruck 


3  6 


Für  gleiche  Temperatur  ist  aber  die  lebendige  Kraft  der 
geradlinig  fortschreitenden  Bewegung  für  alle  Gase  gleich  *) ; 
es   ist 


mu* 


=  const 


2 

fcdglich  die  Geschwindigkeit  u  umgekehrt  proportional  der 
Quadratwurzel  aus  dem  Mollbulargewichte.  Durch  Benutzung 
dieser  Beziehung  wird  das  Molecularvolumen 


^oY- 


"^         .  (8) 


WO  C  eine  noch  nicht  bestimmbare,  für  alle  Gase  für  gleiche 
Temperatur  gleiche  Constante  bezeichnet.  Da  diese  bis  jetzt 
in  absolutem  Mafse  noch  nicht  angegeben  werden  kann,  so 
erlaubt  die  vorstehende  Gleichung  nicht  die  absolute  Be- 
stimmung des  Molecularvolumens,  d.  i.  des  Raumes,  welchen 
ein  Theilchen  des  Gases  mit  seiner  Masse  erfüllt,  wohl  aber 
die  Yergleichung  der  Molecularvolume  verschiedener  Gase. 
Man  hat  für  das  Verhältnifs  derselben 


(4) 


*)  Claasiusy  C^ogg.  Ann.  1857,  C,  876. 


136  Meyetf  über  die  Molecularvolumina 

wo  Vi  das  Molecularvolamen,  mi  das  nach  der  Avoga dro- 
schen Regel  bestimmte  Moleculargewicht  und  i^i  die  Reibungs- 
constante  des  einen,  Vg,  mg  und  t^t  die  des  anderen  Gases 
bezeichnen. 

Die  Richtigkeit  dieser  Gleichung  kann  durch  Yergleichung 
mit  der  Beobachtung  geprüft  werden.  So  ist  z.  B.  nach 
den  von  meinem  Bruder  berechneten  *)  Beobachtungen  von 
Graham 

für      Cyan      bei  16<>  C.  ^  =  0,000156 

fSr  schweflige 

Sttore     bei  16^  C.  ^  =  0,000200, 

ausgedruckt  in  Centimetern  und  Zeitsecunden  als  Einheiten;  also 

-2?—  =  1,290. 
1i 


Ferner  haben  wir 

m,         _       CgN,       __       52 

=     0,8125, 

n 

mithin 


Dieses  Verhditnifs  ist  nahezu  dasselbe,  in  welchem  auch 
die  bei  Temperaturen  gleicher  Dampfspannung,  bei  den  Siede- 
punkten, gemessenen  specifischen  oder  Holecularvolume  dieser 
Stoffe  zu  einander  stehen.  Nach  den  von  H.  Kopp  gegebenen 
Regeln  aus  den  Beobachtungen  bestimmt,  sind  die  spec.  Vol. 
bei  den  Siedepunkten 

V(80,)      =      43,9    bei    -^     S««*) 
VCCgN.)    =      66        „       ~  22<^»«^), 

mithin 

Es  stehen  also  die  Rdume,  welche  die  Theilchen  beider 
Stoffe  im  Gaszustande  mit  ihrer  Hasse  erfüllen,  (oder  ihre 

*)  a.  a.  0.  S.  879. 

**)  Ann.  d.  Chem.  u.  Pharm.  1866,  XGVI,  806. 
**•)  Doaelbst  1866,  C,  28. 


chemischer  Verbindungen.  137 

Wirkungssphären,)  in  demselben^  oder  wenigstens  nahezu  in 
demselben  Verhältnisse  zu  einander  wie  die,  welche  sie  im 
flüssigen  Zustande  einnehmen.  Es  fragt  sich,  ob  diefs  allgemein 
der  Fall  ist. 

Nur  für  einige  wenige  Stoffe  aufser  den  angeführten 
beiden  ist  sowohl  die  Reibungsconstante  wie  auch  das  Mole- 
Gularyolumen  im  flüssigen  Zustande  bekannt.  Die  neunzehn 
Stoffe,  für  welche  Graham's  Beobachtungen  die  Reibungs- 
constante ergeben,  sind  meist  noch  nicht  verdichtete  oder 
doch  nur  durch  sehr  hohen  Drück  zu  verdichtende  Gase, 
für  welche  das  spec.  Volumen  im  flussigen  Zustande  entweder 
gar  nicht,  oder  nur  sehr  ungenau  durch  unmittelbare  Beob- 
achtung ermittelt  wurde.  Durch  die  Erforschung  der  spec. 
Volumina  sehr  vieler  Stoffe  wurde  aber  bekanntlich  H.  Kopp 
zu  Verallgemeinerungen  der  %eobachtungsresultate  gefuhrt, 
welche  die  bis  jetzt  unbekannten  spec.  Volumina  der  Ver- 
bindungen gewisser  Elemente  mit  grofser  Wahrscheinlichkeit 
a  priori  zu  bestimmen  erlauben.  Die  so  bestimmten  Werthe 
derselben  stehen  unter  einander  grofsentheils  in  demselben 
Verhältnisse,  wie  die  aus  der  Reibung  ermittelten. 

Um  dieses  übersichtlich  darzustellen  drücken  wir  alle 
aus  der  Reibung  zu  ermittelnden  Molecularvolume  aus  durch 
das  der  schwefligen  Saure,  des  Körpers,  dessen  spec.  VöI. 
im  flüssigen  Zustande  sicherer  als  das  der  übrigen  Stoffe, 
auf  welche  sich  die  Reibungsbeobachtungen  erstrecken,  be- 
stimmt zu  sein  scheint. 

Wir  setzen  zu  dem  Zwecke  in  Gleichung  4  die  für  die 
schweflige  Säure  ermittelten  Werthe  ein  : 

Vj  =  43,9 ;  ms  =  SOj  s=  64 ; 
1^  =  0,000200 ; 

für  mi  und  jji  je  die  einem  der  übrigen  Gase  zugehörigen 
Werthe,  und  berechnen  danach  die  Werthe  von  Vi  für  alle 
diese  Gase.    Die  so   ermittelten   Molecularvolumina   sind  in 


138 


Meyer ^  über  die  Molectdarvolumina 


.  den  nachstehenden  Tabellen  mit  den  nach  Kopp's  Regeln*) 
berechneten  Werthen  für  die  Molecularvolumina  flüssiger  Ver- 
bindungen bei  deren  Siedepunkten  zusammengestellt  Die 
Berechnung  der  letzteren  gebt  von  der  Annahme  ans,  dafs 
den  Atomen  der  Elemente,  resp.  gewissen  Gruppen  von  Atomen, 
folgende  Werthe  der  Raumerfüllung  beizulegen  seien  : 


V(Oa    =    16) 

V(Oi  =  16) 

V(8  =  32) 

V(C1  =  85,46) 
V(CN  =  26) 

V(C  =  12) 

V(H  =     1) 

V(N  =  14) 


7,8  0    (i,anf86rha1b  des  Badicals'') 
12,2  »)    („im  Radicale«) 
22,6  2) 
22,8  8) 
28,0  *) 
11,0  ') 

5,5  ') 


=       2,3  »). 

1)  Ann.  Chem.  Pharm.  XGVI,  180.  —  *)  Daselbst  S.  808.  —  ')  Daselbst 
8.  313.  —  *)  Daselbst  C,  28.  —  ^)  Daselbst  S.  24. 

Tabelle  I.  führt  die  Stoffe  auf,  für  welche  sich  eine 
nahe  oder  doch  angenäherte  Uebereinstimmung  der  auf  beiden 
Wegen,  aus  der  Reibung  der  Gase  und  aus  der  Raumerfül* 
lung  der  Flüssigkeiten,  berechneten  Werthe  des  Molecular- 
volumens  V  ergiebt.  Die  Tabelle  giebt  aufserdem  das  Mole- 
culajfgewicht  m  und  die  Reibungsconstante  fj  an. 

Tabelle  I. 


Sauerstoff 

Stickoxyd 

Kohlensäure 

Salzsäure 

Chlor    .     .     . 

Schwefligsäure 

Schwefelwasserstoff  • 

Cblormethyl 

Ammoniak 

Cyan    .     .     . 

Chloräthyl     . 

Methyläther 


m 

0  = 

N0  = 

C0,= 

HC1  = 

Cl8== 

S0,= 

8H,= 

CHaCl  = 

NH8=: 

C,N,= 

CgHgCl  = 

C,HeO  = 


7 

32 
80 

0,000306 
269 

44 

231 

86,5 

70,9 
64 

225 
210 
200 

34 

188 

50,3 
17 

167 
156 

52 

155 

64,5 
46 

153 
148 

a.d.  Reibung 

18,8 
15,9 
26,7 
24,1 
44,1 
43,9 
80,0 
48,2 
23,6 
55,1 
66,0 
53,8 


n.  Kopp 

16.6  •) 

14,6  «) 

31,0») 

28.8 

46,6 

42,6») 

83,6 

60,8 

18,8 

56,0 

72,8 

62,8  ^) 


*)  als  O» ;    *)  O  aU  Oi  ;    »)  als  Oi  +  Oa. 


*)  H.  Kopp,   zur  Stöchiometrie   der  physikalischen  Eigenschaften 
chemischer  Verbindungen;  Ann.  Chem.  Pharm.  XCVl  u.  G  a.  ».  O. 


chemischer  Verbindungen. 


139 


Keine  oder  nur  eine  sehr  entfernte  Uebereinstiromung 
zeigen  dagegen  die  in  Tabelle  II.  angeführten  Stoffe. 


Tabelle  ü. 


V 

m 

V 

a.  d.  Reibung 

n.  Kopp 

Luft      .... 

~  28,9 

0,000275 

15,0 

— 

Btickstoff  .    .    . 

N,  =  28 

267 

15,3 

(  4,6) ') 

Kohlenozyd   .    . 

CO  =  28 

266 

15,4 

23,2 

Stickozjdiil    .    . 

N,0  =  44 

231 

26,7 

(16,8)«) 

Sampfgas  .     .     . 

CH4  —  16 

174 

19,4 

33 

Elayl     .... 

OsH^  —  28 

158 

38,6 

44 

Wasserstoff    .     . 

H,  -     2 

134 

6,0 

11 

')  y(N)  =  2,3  Ton  Kopp  nur  im  Ammoniak  u.  s.  w.  angenommen. 
*)  Darin  0  als  Oi   angenommen;   für  Oa   ergiebt  sich  V  =  12,4. 

Für  einen  dieser  Körper,  für  das  Kohlenoxyd,  läfst  sich 
eine  etwas  gröfsere  Uebereinstimmung  erreichen,  wenn  man 
für  das  Sauerstoffatom  in  demselben  das  Volumen  annimmt, 
welches  Kopp  dem  Sauerstoffe  ^^aufserhalb  des  Radicales^ 
zuschreibt,  nämlich  7,8,  d.  i.  nahezu  dasselbe,  welches  die 
Reibung  für  das  Volumen  des  freien  Sauerstoffes  ergiebt, 
oder  6,9.    Wir  erhalten  so  : 

V(CO)    ==     n  +  7,8    =     18,8 
oder       =     11  +  6,9    =     17,9; 
ans  der  Reibung  :  =     15,4. 

Macht  man  dieselbe  Annahme  nun  auch  für  die  Kohlen- 
säure, giebt  man  also  beiden  Sauerstoffatomen  in  derselben 
das  Volumen  7,8  oder  6,9,  so  erhalt  man  auch  für  dieses 
Gas  eine  gröfsere  Uebereinstimmung  als  die  nur  sehr  ent- 
fernte, in  Tabelle  I.  verzeichnete.    Es  ist  dann  nämlich  : 

V(COt)  =  11  +  2  .  7,8    =     26,6 
oder      =11  +  2.6,9    =     24,8; 
aus  der  Reibung  :  =     26,7. 

Die  übrigen  in  der  zweiten  Tabelle  aufgeführten  Stoffe 
enthalten  sämmtlich  entweder  Stickstoff  oder  Wasserstoff. 
Das  spec.  Vol.  2,3  des  Stickstoffatomes,  das  wir  der  Rechnung 
zu  Grunde  gelegt  haben,  nimmt  Kopp  nur  in  dem  Ammoniak 


140  Meyer,  über  die  Molecularvolumina 

und  einem  Theile  der  von  diesem  sich  ableitenden  Verbin- 
dungen an.  Dafs  dasselbe  nicht  für  alle  Stickstoffverbin- 
dungen passe,  hat  er  ausdrücklich  hervorgehoben  *).  Legen 
wir  statt  desselben  der  Rechnung  das  Volumen  7,7  zu  Grunde, 
welches  sich  für  ein  Atom  des  freien  Stickstoffes  aus  der 
Reibung  ergiebt,  und  machen  wir  ferner  die  eben  so  unge- 
zwungene Annahme,  im  Gaszustande  komme  dem  Wasser- 
stoffatome nicht  das  Volumen  5,5  zu,  welches  Kopp  für 
dasselbe  in  seinen  flüssigen  Verbindungen  berechnet,  sondern 
das  Volumen  3,0,  welches  sich  aus  der  Reibung  des  freien 
Wasserstoffgases  ergiebt,  so  erhalten  wir  eine  sehr  viel 
bessere  Uebereinstimmung. 

Tabelle  III.  giebt  für  alle  19  von  Graham  untersuchten 
Stoffe  in  der  vorletzten  Columne  die  aus  der  Reibung  ge- 
folgerten und  in  der  letzten  die  aus  den  so  veränderten 
Kopp*schen  Annahmen  berechneten  Werthe  der  Molecular- 
volumina. Bei  der  Rerechnung  der  letzteren  ist  für  alle 
Stickstoff  oder  Wasserstoff  enthaltenden  Verbindungen 

V(N)   =  -i^-^  =    7,7    und    V(H)  =  -^^-  =  3,0 

gesetzt  worden^  mit  alleiniger  Ausnahme  des  Cyans,  für 
welches  Kopp's  Annahme  beibehalten  wurde.  Eben  so  ii^t 
für  die  schweflige  Säure  die  Annahme  beibehalten  worden, 
dafs  dem  einen  Sauerstoffatome  in  derselben  das  Volumen 
V(Oi)  =  12,2,  dem  anderen  V(0«)  =  7,8  zukomme,  und  auch 
dem  Sauerstoffatome  im  Stickoxydul  das  Volumen  V(Oi)  = 
12,2  zugeschrieben  worden.  Für  alle  übrigen  Sauerstoffver- 
bindungen, mit  Einschlufs  des  Kohlenoxydes  und  der  Kohlen- 
säure, wurde  überall  V(0)  =  7,8  gesetzt. 


*)  Ann.  Cbem.  Pharm.  G,  81  ff.  Q.  a.  a.  0. 


chemischer  Verhindungen. 


141 


TabeUe  UI. 

V 

aus  der  Reibung 

neu  berecbnet 

13,8 

15,6 

15,0 

15,0 ») 

15,9 

15,5 

15,8 

15,8 

15,4 

18,8 

26,7 

26,6 

26,7 

27,5*) 

24,1 

25,8 

44,1 

45,6 

43,9 

42,6«) 

80,0 

28,6 

19,4 

23,0 

48,2 

42,8 

88,6 

84,0 

23,6 

16,7 

55,1 

56,0 

66,0 

59,8 

58,8 

47,8 

6,0 

6,0 

Sanentoff  . 
Luft  .     .    . 
Stickozjd  . 
Stickstoff    . 
Kohlenozyd 
Kohlens&nre 
Stickozydul 
Cblorwasserstoff  . 
CUor     .... 
Schwefligsfture 
Schwefelwasserstoff 

Sumpfgas    . 

CUormeihyl 

Elayl      .     . 

Ammoniak 

Cyan      .     . 

CUorätbyl 

Methylather 

Wasserstoff 

^)  nach  der  Zusammensetzung   aus   den  Molecularvolumen   der  Be- 
sUndtheüe  berechnet;   «)  für  V(Oi)=12,2;   «)  fiir  V(Oa -h  Oi )  =  20,0. 

Hier  ist  die  Uebereinstiminun(|[  so  grofs,  wie  sie  irgend 
erwartet  werden  konnte.  Nur  für  das  Ammoniak  geben  die 
Denen  Annahmen  eine  gröfsere  Abweichung  als  die  älteren, 
von  Kopp  gemachten,  welche  indessen  auch  nur  angenähert 
mit  dem  aus  der  Reibung  des  Ammoniakgases  berechneten 
Werthe  des  Molecularvolumens  übereinkommen. 

Sehen  wir  zunächst  vom  Wasserstoff  und  einigen  der 
Stickstoffverbindungen  ab,  so  erscheint  der  Ausspruch  be- 
rechtigt, dafs  die  Atomvolume  vieler  Elemente  in  ihren  flus- 
sigen Verbindungen  proportional  sind  den  Räumen,  welche 
im  Gaszustande  ihre  Atome  wirklich  erfüllen.  Diese  Räume 
zeigen  unter  einander  dasselbe  Verhältnifs,  wie  die  im  tropf- 
baren Zustande  den  Atomen  zukommenden  Volumina.  Ob 
aber  diese  Volumina  in  beiden  Aggregatzuständen  einander 
gleich  sind,  ob  also  ein  in  einem  Gastheilchen  enthaltenes 
Atom  denselben  Raum  erfüllt,   den  es  vor  der  Verdampfung 


142  Meyer ^  über  die  Moleculai*volumina 

in  der  Flüssigkeit  einnahm,  oder  ob  nur  das  Verhaltnifs  beider 
Räume  für  verschiedene  Substanzen  eines  und  dasselbe  ist, 
bei  dem  Uebergange  aus  dem  einen  in  den  anderen  Aggre- 
gatzustand also  verschiedene  Stoffe  dieselbe  relative  Volum- 
änderung zeigen,  läfst  sich  zunächst  nicht  mit  Sicherheit  ent- 
scheiden, weil  wir  die  Atomvolumina  noch  nicht  nach  abso- 
lutem Mafse  ermitteln  können. 

Sollte  aber  die  Gleichheit  des  Atomvolumens  in  beiden 
A?8^regatzustanden  in  der  That  für  die  meisten  Elemente 
statthaben,  so  ergiebt  sich  sogleich  aus  den  obigen  Zahlen, 
dafs  für  einige  Elemente,  insbesondere  für  den  Wasserstoff, 
aus  der  Beobachtung  der  Raumerfüllung  der  flüssigen  Ver- 
bindungen sich  ein  gröfserer  Werth  für  das  Atomvolumen 
ergiebt,  als  ihn  die  Berechnung  aus  der  Reibung  der  Gase 
liefert.  Für  den  W^asserstoff  ist  ersterer  fast  doppelt  so  grofs 
(=5,5),  als  dieser  (=3,0), 

Die  Erklärung  dieses  Unterschiedes  scheint  sehr  nahe 
zu  liegen.  Für  dieselbe  verdient  besonders  der  Umstand 
Beachtung,  dafs  die  aus  der  Reibung  der  Gase  berechneten 
Holecularvolumina  nur  dann  mit  den  aus  der  Dichte  der 
Flüssigkeiten  gefolgerten  übereinstimmen,  wenn  die  letzteren, 
wie  Kopp  dieses  vorschreibt,  für  Temperaturen  ermittelt 
werden,  bei  welchen  die  Dampftensionen  der  zu  vergleichenden 
Stoffe  gleich  sind,  und  zwar  in  der  Regel  gleich  dem  Drucke 
einer  Atmosphäre. 

Die  für  höhere  Temperaturen  ermittelten  Werthe  stimmen 
durchaus  nicht  mit  den  aus  der  Reibung  der  Gase  in  der 
angegebenen  Weise  berechneten  überein,  wie  z.  B.  aus  fol- 
gender Zusammenstellung  hervorgeht.  In  derselben  sind  die 
Stoffe  nach  ihren  Siedepunkten  geordnet  aufgeführt 


chemischer   Verbindungen. 


143 


Tabelle  IV. 


Chlorftthyl       .    . 

Schwefligsjinre 
Cjan  .... 
Chlor  .... 
Ammoniak  .  . 
SchwefeiwasserBtoff 
Kohlensäure  .  . 
Stiokoxydiil     .     . 


ans  der  Reibung   beobachtet    bei 

66,0 
43,9 ») 
56,1 


44,1 
23,6 
80,0 
26,7 
26,7 


70«) 
43,9 
60») 
53*) 
27») 
40») 
446) 
47») 


0«C. 

—  80 
+  170 
+  15<>? 

0° 
+  16<>? 

—  10« 

0« 


8iedep. 

+  120,5C. 

—  10^1 

—  220') 

—  330,6 

—  380,5 

—  610,8 

—  780,2 

—  870,9 


^)  dem  von  Pierre  beobachteten  Werthe  gleich  angenommen, 
t)  Drionl859;  ■)  Faraday;  *)  Davy  und  Faraday;  »)  Jolly  1861; 
*)  Andreeff  1869;  ')  Bansen;  alle  übrigen  Siedepunkte  nach  Beg- 
nault  1864. 

Der  Unterschied  des  aos  der  Reibung  der  Gase  und  des 
aus  der  RaumerföUüng  der  Flüssigkeiten  hergeleiteten  Werthes 
des  Hölecularvolumens  ist  um  so  gröfser,  je  höher  die  Tem- 
peratur, bei  welcher  die  Dichte  bestimmt  wurde,  über  der- 
jenigen liegt,  bei  welcher  die  Dampfspannung  dem  atmo- 
sphärischen Drucke  gleich  ist.  In  Uebereinstimmung  mit  der 
mechanischen  Wärmetheorie  und  insbesondere  mil  der  Theorie 
der  molecnlaren  Stöfse  läfst  sich  dieses  Verhältnifs  nur  durch 
die  Annahme  erklären,  dafs  in  Flüssigkeiten  von  merklicher 
Dampfspannung  die  Atome  sich  nicht  allseitig  unmittelbar 
berühren,  sondern  Zwischenräume  zwischen  sich  lassen,  welche 
am  so  gröfser  sind,  je  höher  die  Temperatur  und  je  gröfse^ 
in  Folge  dessen  die  Dampfspannung  ist.  Die  Entstehung 
dieser  nicht  von  Materie  erfüllten  Hohlräume  erscheint  als 
eine  nothwendige  Folge  der  lebhaften,  als  Wärme  den  Theilchen 
innewohnenden  Bewegungen.  Je  mehr  Wärme^  d.  i.  je  mehr 
Bewegung  zugeführt  wird,  desto  heftiger  stofsen  die  Theilchen 
znsanmien,  desto  mehr  werden  sie  in  Folge  ihrer  Zusammen- 
stöfse  auseinander  getrieben,  und  desto  gröfser  werden  ihre 
Zwischenräume.  Dadurch  kann  es  geschehen ,  dafs  bei  sehr 
hoher  Dampfspannung  die  Flüssigkeiten  mit  steigender  Tem- 


144  Meyer^  über  die  Molecularvolwnina 

peratur  sich  noch   starker  ausdehnen  als   die  Gase,    wie 
solches  Drion*)  und  Andreeff  **)  beobachtet  haben. 

Vorstehende  Betrachtung  gilt  sowohl  für  die  Molekeln 
der  Stoffe  wie  für  die  Atome.  Es  ist  aus  {jerselben  leicht 
ersichtlich,  warum  aus  der  Dichte  der  flüssigen  Verbindungen 
sich  ein  gröfseres  Volumen  für  manche  Atome  berechnet, 
als  sich  für  dieselben  aus  der  Beobachtung  der  Reibung  der 
Gase  ergiebt.  Im  ersteren  Falle  wird  der  leere  Raum  mit 
gemessen ,  welcher  den  Atomen  für  ihre  Bewegungen  offen 
.steht,  im  letzteren  nur  das  Volumen  des  Gastheilchens  selbst 
(oder  seiner  Wirkungssphäre),  bestimmt  aus  der  Grofse  des 
Hindernisses,  welches  jedes  Theilchen  für  das  andere  bildet 
Es  wird  hier  gerade  das  Verhältnifs  des  von  den  Theilchen 
mit  ihrer  Masse  erfüllten  Raumes  zu  dem  leeren  Räume  be- 
stimmt. 

Dafs  besonders  das  Wasserstoffatom  in  seinen  flüssigen 
Verbindungen  ein  so  viel  gröfseres  Volumen  beansprucht,  als 
es  in  gasförmigen  Körpern  mit  seiner  Masse  erfüllt,  erklärt 
sich  aus  seiner  geringen  Masse.  Je  kleiner  diese  ist,  desto 
gröfser  mufs  die  Geschwindigkeit  sein,  damit  die  lebendige 
Kraft  der  Bewegung  eine  bestimmte  Grofse  erreiche.  Die 
lebendige  Kraft  der  Bewegung  aber  ist  das  Mafs  der  Warme. 
Wenn  auch  die  Beziehung  derselben  zur  Temperatur  nur  in 
dien  wenigsten  Fällen  genau  bekannt  ist,  so  können  wir 
doch  annehmen,  dafs  bei  gleicher  Temperatur  ein  Theilchen 
von  geringer  Masse  im  Allgemeinen  eine  gröfsere  Geschwin- 
digkeit, eine  lebhaftere  Bewegung  haben  wird  als  ein  solches 
von  gröfserer  Masse.  Da  nun  das  Wasserstoffatom  von  allen 
die  kleinste  Masse  besitzt,  so  kann  es  nicht  verwundern,  wenn 
dasselbe  in  seinen  flüssigen  Verbindungen  sehr  viel  gröfsere 


*)  Jahresber.  für  Chemie  u.  s.  w.  für  1859,  8.  19. 
•*)  Daselbst  S.  20. 


chemiacher  Verbindungen.  145 

Bewegungfen  macht  und  sich  dadurch  ein  relativ  gröfserea 
scheinbares  Volum  erzeugt,  als  bei  derselben  Temperatur 
irgfend  ein  anderes  Atom. 

Wir  dürfen  aber  nicht  wohl  annehmen,  dafs  die  Atome 
der  fibrigen  Elemente  in  ihren,  wenn  auch  nicht  ganz  so 
ausgiebigen,  doch  immer  sehr  lebhaften  Bewegungen  stets 
mit  einander  in  unmittelbarer  Berührung  verbleiben.  Diefs 
wäre  an  und  für  sich  unwahrscheinlich,  ^ird  es  aber  noch 
mehr,  wenn  wir  die  RaumerfuUung  fester  Körper  mit  der 
der  Flüssigkeiten  vergleichen. 

Wie  H.  Kopp  bereits  vor  längerer  Zeit  gezeigt  hat*), 
ist  es  sehr  wahr8cheinlich,%dafs  die  Atome  der  meisten  Metalle 
in  ihren  Verbindungen  in  der  Regel  denselben  Raum  erfüllen, 
wie  im  isoUrten  Zustande.  Unter  dieser  Voraussetzung  erhalt 
man  bekanntlich  für  das  Atomvolumen  des  Sauerstoffes  in 
den  Oxyden  meistens  nahezu  denselben  Werth,  der  in  den 
üblichen  Einheiten  ausgedrückt,  d.  h.  H  =  1  gesetzt,  zwischen 
5  und  6  betragt ;   z.  B. 

V(PbO  a=  2J3)  =  24,0 
V(Pb     =  207)  =  18,2 

Differeus    ¥(0      =     16)  =    5,8. 

Dieser  Werth  des  Atomvolumens  ist  kleiner  als  der  kleinere 
der  nach  Kopp's  Regeln  für  flüssige  Verbindungen  geltende; 
mao  erhält  aber  aus  manchen  Hetalloxyden  einen  noch  kleineren, 
z.  B.  aus  dem  Zinnoxyde  : 

V(SiiO,  =  150)  =21,6 
V(8n       =  118)  =  16,2 

Diflferenz  ¥(0.       =    82)  =    5,4 
V(0        =     16)  =    2,7. 

Danach  wird  es  sehr  wahrscheinlich,  dafs  allgemein  die 
aas  der  Raumerfülfung  der  flüssigen  Verbindungen  erschlos- 


*)  H.  Kopp,  über  das  speo.  Gewicht  d.  ohemiaohen  Verbindnngen. 
Frankfurt  a.  M.  1841. 

▲bii«1.  4.  Oh«m.  a.  Pham.  V.  Snpplementbd.  9.  H«ft.  10 


146  Meyevy  über  die  Molecularvolumina 

senen  AtoniToIamina  sehr  viel  gfröfser  sind  als  die  Raumey 
welche  die  Atome  mit  ihrer  Masse  wirklich  erfüllen,  und  dafs 
demnach  die  aus  der  Reibung  der  Gase  zu  berechnenden 
Atomvolume  nicht  gleich,  sondern  nur  proportional  und  sehr 
erheblich  kleiner  sind  als  die  von  den  Atomen  in  ihren  flüs- 
sigen Verbindungen  durch  ihre  Hasse  und  ihre  Rewegungen 
eingenommenen  Räume. 

Es  ist  demnach  die  von  uns  Behufs  des  Vergleiches  will- 
kürlich gewählte  Einheit,  nach  welcher  wir  das  Molecular- 
volumen  der  schwefligen  Säure  dem  im  flüssigen  Zustande 
beobachteten  Werthe  gleich  setzten,  jedenfalls  zu  groft  ge- 
nommen. Dieselbe  würde  z.  B.  auf  etwa  zwei  Fünftel  ihres 
Werthes  zu  reduciren  sein,  wenn  das  dem  Sauerstoflatome  im 
Zinnoxyde  zukommende  Volumen  das  wirkliche  Atomvolumen 
wäre.  Hofi'entlich  wird  es  in  nicht  allzuferner  Zukunft  mög- 
lich sein ,  die  Dimensionen  der  Theilchen  in  absolutem  Mafse 
anzugeben. 

Wenn  es  nach  diesen  und  ähnlichen  Betrachtungen  ver- 
ständlich erscheint,  warum  die  Atome  in  den  flüssigen  Körpern 
scheinbar  einen  gröfseren  Raum  erfüllen  als  in  den  festen 
und  in  den  gasförmigen,  so  bleibt  noch  unerklärt,  warum 
manche  derselben  in  einigen  Verbindungen,  z.  B.  der  Sauer- 
stofi*,  „im  RadicaP  einen  gröfseren  Raum  einnehmen  als  in 
anderen.  Auch  hierfür  aber  braucht  man  nach  einer  ein- 
leuchtenden Erklärung  nicht  weit  zu  suchen. 

Was  man  früher  ein  Sauerstoffatom  im  Radicale  einer 
organischen  Säure  nannte,  ist  nach  den  gegenwärtig  herr- 
schenden Anschauungen  ein  Sauerstoffatom,  dessen  beide 
Verwandtschaftseinheiten  durch  ein  und  dasselbe  Kohlenstoff- 
atom gesättigt  werden.  Sucht  nun  jede  .der  vier  Verwandt- 
schaftseinheiten des  Kohlenstoffatomes  das  durch  dieselbe  ge- 
bundene Atom  an  eine  bestimmte  Stelle  des  Raumes  zu  bringen, 
so  ist  klar,  dafs  ein  durch  zwei  solche  Verwandtschaften  ge- 


chemischer   Verbindungen.  147 

bandenes  Sauerstoffatom  durch  jede  derselben  in  eine  be- 
stimmte Lage  gedrängt  wird.  OsciUirt  dasselbe  in  Folge 
dessen  zwischen  diesen  beiden  Gleichgewichtslagen^  so  wird 
es  scheinbar  einen  grofseren  Baum  erfüllen,  als  wenn  es 
nur  von  einer  Verwandtschaft  gefesselt  wurde. 

Aehnliche  Verhaltnisse  scheinen  in  anderen  Verbindungen 
obzuwalten,  z.  B.  im  Cyan,  in  welchem  der  Stickstoff  durch 
drei  Affinitäten  des  Kohlenstoffatomes  gehalten  wird.  In  der 
schwefligen  Säure,  dem  Stickoxydul  u.  a.  Verbindungen  be- 
dingt vielleicht  eine  ringförmige  Anordnung  der  Atome 

ähnliche  Oscillationen  der  Atome  um  zwei  verschiedene  Gleich- 
gewichtslagen und  in  Folge  davon  ein  scheinbar  gröfseres 
Volumen  des  Sauerstoffatonies.  Es  ist  aber  ersichtlich,  dafs 
eine  derartige  Vergröfserung  des  Volumens  nicht  nothwendig 
in  allen  Fällen  auftreten  mufs,  in  welchen  zwei  Atome  durch 
mehr  als  eine  Affinität  mit  einander  verbunden  sind. 

Aehnliche  Hypothesen  bieten  sich  zahlreich  dar;  zur 
Verfolgung  derselben  aber  wird  es  Zeit  sein,  wenn  mehr 
experimentelles  Material  vorliegen  wird.  Zunächst  ist  es  sehr 
wünschenswerth ,  dafs  den  Gra hämischen  Beobachtungen 
ahnliche  an  einer  grofseren  Anzahl  von  Stoffen  bei  Tempe- 
raturen, bei  welchen  diese  gasförmig  sind,  und  mit  Capillar- 
röhren  von  genau  bekannten  Dimensionen  angestellt  werden. 
Zum  Zwecke  der  Messung  der  Atomvolume  angestellt,  wurden 
dieselben  ohne  Zweifel  noch  manches  interessante  und  werth- 
voUe  Ergebnifs  liefern. 

Neustadt-Eberswalde,  im  Juni  1867. 


10* 


148  Boret,  Untersuchungen 

Untersuchungen  über  die  Dichtigkeit  des 

Ozons ; 

von  L.  L.  Saret  *). 

» 

Zweiter  TheiL 


Ich  habe  früher  **)  die  ersten  Versuche  mitgedieilt, 
durch  welche  ich  gefunden  habe,  dafs  die  Dichtigkeit  des 
Ozons  anderthalbmal  so  grofs  als  die  des  gewöhnlichen  Sauer- 
stoffs ist.  Ich  habe  dieses  Resultat  noch  in  der  nachfolgenden 
Weise  zu  controliren  gesucht,  nach  einem  Verfahren,  welches 
darauf  gegründet  ist,  dafs  die  verschiedenen  Gase  je  nach 
ihrer  Dichtigkeit  mit  ungleicher  Geschwindigkeit  diffun- 
diren  ***). 

Denken  wir  uns  zwei  über  einander  befindliche  Gefäfse, 
getrennt  durch  eine  Scheidewand,  in  welcher  ein  nach  Belieben 
zu  öffnendes  und  zu  schliefsendes  Loch,  und  dafs  zuerst  das 
untere  Gefäfs  ein  Gemische  von  Sauerstoff  und  Chlor  f)  nach 
einem  bekannten  Verhältnisse,  das  obere  nur  reinen  Sauer- 
stoff enthalte.  Offenbar  wird,  so  bald  die  Communication 
zwischen  den  beiden  Gefäfsen  hergestellt  wird,  das  Chlor 
durch  die  Oeffnung  hindurch  diffundiren,  und  nach  einer  ge- 
wissen Zeit  wird  eine  bestimmbare  Menge  Chlor  in  das  obere 
Gefäfs  eingetreten  sein.  Wiederholt  man  nun  den  Versuch 
in  solcher  Weise,  dafs  das  untere  Gefäfs  ein  Gemische  von 
Sauerstoff  und  Ozon  in  demselben  Verhältnisse  enthält,  wie 
vorher  das  zwischen  Sauerstoff  und  Chlor  war,  während  alle 


*)  Compt  rend.  LXIV,  904. 

**)  Afinalen  d.  Ghem.  a.  Fharm.  GXXXYIII,  45. 

***)  Ygl.GrahAm*B  Unteraachaogen,  Ann..  Chem.  Pharm.  CXXXI,  1. 

t)  Dm  Chlor  ist  hier  tor  Yergleichnng  genommen,  weil  seine  Be- 
stimmung sehr  genau  in  derselben  Weise  wie  die  des  Ozons  aus- 
geführt  werden  kann. 


über  die  Dichtigkeit  des  Ozons.  149 

anderen  Umstilnde  dieselben  sind>  so  wird  eine  gewisse  Menge 
Ozon  in  das  obere  GefSfs  durch  Diffusion  eintreten.  Wenn 
diese  Menge  gröfser  ist,  als  die  des  diffundirten  Chlors,  so 
wird  man  daraus  schliefsen  können^  dafs  die  Dichtigkeit  des 
Ozons  geringer  ist,  als  die  des  Chlors.  Wäre  die  Zeit, 
wahrend  welcBer  man  die  Communication  zwischen  den  beiden 
Gefäfsen  bestehen  läijst^  sehr  kurz,  so  würden  sich  die  Mengen 
des  diffundirten  Chlors  und  des  diffundirten  Ozons,  dem  6e* 
setze  nach,  genau  umgekehrt  wie  die  Quadratwurzeln  aus 
den  Dichtigkeiten  dieser  Gase  yerhahen.  Bei  der  Ausführung 
von  Versuchen  mufs  man  die  Diffusion  wahrend  einer  er- 
beblichen Zeit  vor  sich  gehen  lassen;  aber  wenn  diese  Zeit 
nicht  eine  allzulange  ist,  wird  das  gefundene  Verhaltnifs  nicht 
Tiei  TOD  dem  theoretischen  abweichen ,  es  wird  sich  nur 
etwas  mehr  der  Einheit  nähern. 

Die  Construction  eines  Apparates,  mit  welchem  sich  diese 
Versuche  anstellen  lassen,  bietet  einige  Schwierigkeiten.  Man 
darf  das  Ozon  und  das  Chlor  weder  mit  Quecksilber  noch 
mit  Wasser  in  Berührung  sein  lassen ;  man  mufs  concentrirte 
Schwefelsaure  anwenden^  welche  keine  merkliche  Einwirkung 
auf  diese  Gase  ausübt.  Andererseits  werden  die  organischen 
Substanzen  und  die  Metalle  durch  das  Ozon  und  das  Chlor 
angegriffen ;  alle  Theile  der  Gefäfse,  welche  mit  diesen  Gasen 
in  Berührung  kommen,  müssen  deshalb  aus  Glas  bestehen. 
Ich  will  hier  nur  die  wesentlichsten  Einrichtungen  des  von 
mir  angewendeten  Apparates  beschreiben. 

Als  Diffusionsgefafse  wurden  zwei  weite  Glasröhren  (von 
etwa  45  Millimeter  innerem  Durchmesser)  genommen,  deren 
Enden  mittelst  Glasplatten  geschlossen  waren.  Beide  Gefafse 
fafsten  gleich  viel,  jedes  etwa  250  Cubikcentimeter.  Die  zum 
Verschlusse  dienenden  Glasplatten  hatten  die  Form  linglicher 
Vierecke,  und  sie  waren  mit  einem  angemessen  weiten  Loche 
an  passender  Stelle  versehen.   Lagen  die  Glasplatten  mit  dem 


150  Boret,  Untersuchungen 

nicht  durchlöcherten  Theil  auf  den  Röhren ,  so  waren  die 
letzteren  vollständig  verschlossen,  wahrend  man  durch  Ver- 
schieben der  Glasplatten,  so  dafs  das  Loch  in  der  Platte  über 
eine  Röhre  kam,  den  Yersohlufs  auch  zu  einem  nur  theil- 
weisen  machen  konnte ;  durch  diese  Löcher  konnte  man  das 
Gas  eintreten,  austreten  und  diffundiren  lassen? 

Dafür,  dafs  man  die  Diffusionsgefäfse  handhaben  und 
verrücken  könne  ^  war  es  nöthig,  dafs  die  Verschlufsplatten 
stets  an  den  Oeffnungen  fest  auflagen.  Dieses  gelang  ver« 
mittelst  federnder  Vorrichtungen,  welche  theilweise  aus  Mes- 
sing und  theilweise  aus  Platin  bestanden  und  die  Verschlufs- 
platten fest  angedrückt  hielten,  ohne  an  dem  Verschieben 
derselben  zu  hindern. 

Um  den  Verschlufs  luftdicht  zu  machen,  wurden  die  Ver- 
schlufsplatten mit  einem  Tropfen  Schwefelsäure  benetzt;  es 
ergab  sich,  dafs  der  auf  diese  Art  hergestellte  Verschlufs 
luftdicht  war,  so  lange  der  Druck  im  Inneren  nicht  gewisse 
Grenzen  überschritt,  welche  bei  den  Versuchen  niemals  er- 
reicht wurden. 

Wenn  das  eine  der  Geffifse  mit  reinem  Sauerstoffgas 
und  das  andere  mit  Sauerstoffgas,  welchem  eine  gewisse 
Menge  Chlor  oder  Ozon  beigemischt  war,  gefüllt  war,  wurde 
das  erste  Gefafs  auf  das  zweite  gestellt  Sie  waren  dann 
noch  durch  die  zwei  sich  berührenden  Verschlufsplatten  ge- 
schieden,  zwischen  welche  ein  Tropfen  Schwefelsäure  ge- 
bracht worden  war.  Dann  wurde  die  Communication  zwi- 
schen den  beiden  Gefafsen  durch  angemessenes  Verschieben 
der  in  Berührung  befindlichen  Verschlufsplatten  hergestellt, 
so  dafs  das  Loch  in  der  einen  sich  genau  über  dem  Loch 
über  der  anderen  befand.  Nun  begann  die  Diffusion;  die 
Oeffnung,  durch  welche  sie  vor  sich  ging,  hatte  5  MM.  Durch- 
messer, und  man  liefs  sie  wahrend  45  Minuten  dauern ;  dann 


iSfer  die  DichUgheü  des  Otone.  151 

Terschlofs  man  die  beiden   GefkTse  dorch  Verschieben  der 
TerBcUnfspIatten. 

Dm  nach  Bunsen's  Verfahren  die  nach  Beendigung  des 
VersQches  in  jedem  Gefafse  enthaltene  Menge  Chlor  oder 
Oxon  2a  bestimmen,  mufste  man  die  Gase  durch  Jodkalium- 
lösong  leiten  können.  Zu  den  Ende  bestand  die  jedes  Ge- 
fifs  an  seiner  oberen  Mündung  verschliefsende  Platte  aus 
einer  6  MM.  dicken  Glasplatte,  in  die  ein  conisches  Loch 
gebohrt  war,  in  welches  man  das  gut  eingeschliffene  conische 
Ende  einer  dünnen,  leichten  und  angemessen  gekrümmten 
Gasleitungsröhre  einstecken  konnte.  Wenn  nach  der  Diffu- 
sion die  Gefafse  geschlossen  worden  waren,  brachte  man 
jedes  über  eine  mit  Schwefelsaure  gefüllte  Wanne',  so  dafs 
das,  noch  mit  der  zugehörigen  Platte  geschlossene,  untere 
Ende  2  bis  3  Centimeter  unterhalb  der  Oberfläche  der  Schwe- 
felsäure in  der  Wanne  sich  befand.  Dann  wurde  die  Ab- 
leitungsröhre in  die  obere  Verschlufsplatte  eingesteckt,  welche 
letztere  nun  so  verschoben  wurde,  dafs  diese  Ableitungsröhre 
mit  ihrem  einen  Ende  mit  dem  Inneren  des  Gefafses  com- 
municirte,  wahrend  ihr  anderes  Ende  in  die  Jodkaliumlösung 
tauchte.  Dann  wurde  mittelst  eines  Glasstabs  die  untere 
Verschlufsplatte,  unter  der  Schwefelsäure,  so  verschoben, 
dafs  das  Gefäfs  unten  geöffnet  wurde,  und  nun  wurde  ein 
Loflstrom  eingeleitet;  welcher  das  Gas  durch  die  Jodkaliumr 
lösung  hindurchtrieb.  Die  Bestimmung  des  in  dieser  Lösung 
frei  gewordenen  Jods  wurde  dann  nach  Bunsen's  Verfahren 
ausgeführt.  ~  Die  Summe  der  in  den  beiden  Gefäfsen  ge- 
tfmdeneu  Mengen  Chlor  oder  Ozon  gab  die  Menge  dieses 
Gase«;  welche  in  dem  unteren  Gefäfse  bei  dem  Beginn  des 
Versuches  enthalten  gewesen  war;  die  in  dem  oberen  Ge- 
fäfse gefundene  Menge  ist  die  durch  Diffusion  in  dasselbe 
eingetretene. 


152  Boret,  üntenuchungen 

Indem  ich  in  dieser  Weise  mit  Gemischen  von  Chlor 
und  Sauerstoff  operirte,  habe  ich  die  in  der  folgenden  Tabelle 
zusammengestellten  Resultate  erhalten.  V  bedeutet  die  Menge 
Chlor ,  welche  bei  Beginn  des  Versuches  dem  Sauerstoff  in 
dem  unteren  Gefafse  beigemischt  war;  v  die  Menge  Chlor, 
welche  innerhalb  45  Hinuten  durch  Diffusion  in  das  obere 

Gefafs  eintrat;  sodann   gebe  ich  noch  das  Verhaltnifs  -y 

und  unter  der  Bezeichnung  d  die  Differenz  zwischen  dem 
direct  gefundenen  Werth  von  v  und  dem  nach  dem  Mittel 
der  Versuche  berechneten. 


Di/fusian 

de$  Chlor». 

V 

V 

V 

d 

3,10oc 

0,7400 

0,2887 

+  0,04oc 

4,27 

1,01 

0,2866 

+  0,04 

6,64 

1,48 

0,2280 

-  0,08 

10,84 

3,84 

0,2268 

—  0,01 

11,18 

2,51 

0,2246 

—  0,026 

17,91 

4,06 
12,18 

0,2261 
im  Mittel 

—.0,016 

58,44 

0,2270. 

Die  Constanz  des  Verhältnisses  -p-  und  namentlich  die  Klein- 
heit der  in  der  vierten  Spalte  der  vorhergehenden  Tabelle 
enthaltenen  Differenzen  zeigen,  dafs  die  Menge  des  diffun- 
dirten  Chlors  der  Menge  des  in  dem  unteren  Geffifse  bei 
Beginn  des  Versuches  dem  Sauerstoff  beigemischten  Chlors 
proportional  ist. 

Bei  Versuchen  taiit  Gemischen  von  Sauerstoff  und  Ozon, 
wie  sie  direct  durch  Electrolyse  erhalten  wurden,  ergaben 
sich  die  folgenden  Resultate  *)  : 


*)  Die  Volume  dei  Obodb  wurden   bereolmet  unter   der  Annabme, 
dafli  das  Volum  des  Ozons  das  Doppelte  ist  von  dem  Volum  der 


über  die  Diektigheü  des  Ozons,  153 


Difiuian 

d0$  Ounu. 

F 

V 

V 

V 

d 

4,68<^c 

l,29co 

0,2756 

+  0,02co 

9,18 

2,45 

0,2683 

—  0,02 

9,49 

2,68 

•    0,2660 

—  0,04 

10,89 

8,08 

0,2782 

+  0,08 

12,71 

8,40 

0,2675 

-:-  0,04 

46,90 

12,70 

im  Mittel 
0,2708. 

Hier  wie  für  das  Chlor  ist  also  die  diffundirte  Menge  der 
bei  dem  Beginn  des  Versuchs  in  dem  unteren  Gefäfs  ent- 
haltenen Menge  Ozon  proportional.  Aber  die  Diffusion  des 
Ozons  geht  rascher  vor  sich  als  die  des  Chlors;  man  mufs 
hieraas  schliefsen,  dafs  die  Dichtigkeit  des  Ozons  geringer 
als  die  des  Chlors  ist« 

För  jedes  Cubikcentimeter  Chlor,  welches  ursprünglich 
in  dem  unteren  Gefäfse  enthalten  ist,  gehen  0,227  Cubik- 
centimeter innerhalb  45  Minuten  in  das  obere  Gefafs  über;« 
wahrend  in  derselben  Zeit  für  jedes  Cubikcentimeter  Ozon 
in  dem  unteren  Gefäfse  0,271  Cubikcentimeter  in  das  obere 
Gefäb  übergehen.    Das  Verhältnifs  zwischen  diesen  beiden 

0  227 

Mengen,  ~^2n  ^^  ^ß^^y  kommt  dem  umgekehrten  Verhältnifs 

der  Quadratwurzeln  aus  den  Dichtigkeiten  dieser  Gase  sehr 
nahe,  wenn  man  annimmt,  dafs  die  Dichtigkeit  des  Ozons 
das  Anderthalbfache  von  der  des  gewöhnlichen  Sauerstoffs 

sei ;  es  ist  nämlich  ^~==^  =  0,8243,    Das  gefundene  Ver- 


Meng6  des  absorbirten  Sanentofib  (Tgl.  den  ersten  Theil  dieser 
Versuche) ;  d.  h.  unter  der  Annahme ,  dafs  die  Dichtigkeit  des 
Ozons  =    1,658   sei.    Uebrigens   bleibt,   welche  Annahme   man 

auch  mache,  das  Verhältnifs -|^  dasselbe. 


154  Sehiff,  Untersuchungen 

haltnirs  nähert  sich  mehr  der  Einheit  als  das  theoretische^ 
wie  diefs  sein  mufs.  Es  ist  liieraus  zu  schliefsen,  dars  die 
Dichtigkeit  des  Ozons  allerdings  =  1,658  ist. 

Alle  diese  Versuche  zusammengenommen,  und  andere 
Versuche,  welche  mit  Kohlensäure  angestellt  wurden,  be- 

« 

stätigen  also  die  von  mir  früher  aufgestellte  Schlufsfolgerung  : 
dafs  die  Dichtigkeit  des  durch  Electrolyse  dargestellten  Ozons 
anderthalbmal  so  grofs  als  die  des  gewohnlichen  Sauerstoffs  ist. 


Untersuchungen  über  die  Borsäureäther; 

von  Hugo  Schiff. 


» 

In  den  Comptes  rendus  (LXI,  697  und  LXII,  397)  haben 
wir,  E.  Bechi  und  ich,  einige  Notizen  über  Bildung  von 
Borsaureathern  mitgetheilt.  Ich  habe  die  aus  diesen  Bildungs- 
weisen hervorgehenden  Darstellungsmethoden  in  ihren  ver- 
schiedenen Phasen  verfolgt,  dieselben  zur  Darstellung  von 
Doppeläthern  angewandt,  femer  eine  Anzahl  anderer  Re- 
actionen  dieser  Aether  untersucht,  und  gebe  im  Folgenden 
eine  ausführlichere  Darstellung  der  Methoden  und  der  mittelst 
derselben  erlangten  Resultate. 

Betrachtet  man  das  Bor  als  dreiwerthiges  Radical  (B^'' 
=  11),  und  nimmt  man  an,  dafs  bei  der  Condensation  mehrerer 
Aequivalente  dieses  Radicals  sich  immer  zwei  Einheiten  ge- 
genseitig binden,  so  werden  n  condensirte  Elemente  noch 
mit  einem  Wirkungswerth  von  (n  4  2)  auftreten.  Mit  Rück- 
sicht hierauf  erhält  man  die  folgende  Reihe  von  Borsanre- 
condensationen  nebst  den  von  diesen  abgeleiteten  Anhydriden: 


über  die  Borsäureäther, 


155 


Monobor-      Dibor-          Tribor-       Tetrabor- 
8&ore  säure  säure  eäure        Polyborsäure 

BH'O*        B*H*0»        B^»G'        B*H«0»     B»Hn-»-*0*»+* 

BHO*         B*H*0*        B»H»0«        B^H^O«  •) B'H»  O*» 

B»— O»        B"H0»         B*H«0'     B-Hn-'O«»-^ 

BnH»-*^»"*' 

U.   8.  W. 

Mittelst  Substitution  von  Hydroxyl  (OH)  durch  Chlor,  Brom 
n.  8.  w.  können  hieraus  noch  weitere  Reihen  interessanter 
Verbindungen  abgeleitet  werden. 

Die  drei  alkoholischen  (normalen)  Borsäureäther  wurden 
bekanntlich  zuerst  im  Jahre  1846  von  Ebeimen  und 
Bonquet  (Ann.  d.  chim.  et  phys.  [3]  XVII,  55)  durch 
Einwirkung  des  Chlorbors  auf  die  betreffenden  Alkohole 
dargestellt.  Ebeimen  und  Bouquet's  Angaben  bezüglich 
des  Triäthylborats  wurden  später  durch  Bowman  (Philos. 
Magaz.  XXIX,  546)  vollkommen  bestätigt.  —  Ein  leichter 


*)  Man  bemerkt,  dafs  die  ersten  Anhydride  der  yerschiedenen  Bor- 
säuren unter  einander  polymer  sind.  Auf  ein  ähnliches  Verhält- 
nils  bat  man  bereits  bei  einselnen  mehrwerthigen  Alkoholen 
aufmerksam  gemacht,  uiod  man  wird  solches  bei  den  Conden- 
sationen  mehrwerthiger  Verbindungen  ganz  allgemein  beobachten, 
wie  diefs  aus  der  folgenden  einfachen  Betrachtung  hervorgeht 
Irgend  welche  Condensation  einer  Verbindung  RH»  0*"  kann  all- 
gemein ausgedrückt  werden  durch  die  Formel  : 
(RHnO™  +  xRBLnO»  -  xH»0). 
Die  Formel  des  ersten  Anhydrids  wird  hiemach  allgemein  : 
[(RH"  O"  +  X RH»  0»  —  X  H*a)  -  H«0]  =  (x  + 1)  X  (BH» 0"  --  H»0), 
d.  h.  (x  -{-  l)mal  die  Formel  des  normalen  ersten  Anhydrids. 
In  einer  ähnlichen  Beziehung  steht  ohne  Zweifel  auch  das  s.  g. 
unlösliche  WeinsSureanhydrid  zum  s.  g.  löslichen  Anhydrid,  der 
Isotartridsäure.  Die  Beziehungen  dieser  letzteren  zur  Ditartryl- 
säure,  wie  wir  solche  in  einer  früheren  Abhandlung  dargelegt 
haben,  lassen  es  nicht  zweifelhaft  erscheinen,  dafs  die  Isotartrid- 

säure  mit  der  Formel  H«[^^  ^^  erstes  Anhydrid   der  Di- 


tartrylfläure  ^  ^'^'hIJo^ 


auizu&ssen  ist. 


156  Schiff,  Untersuchungen 

zum  Ziele  führendes  Verfahren  wurde  im  Jahre  1856  von 
H.  Rose  (Pogg.  Ann.  XCVIII,  245)  angegeben.  Es  bemht 
dasselbe  auf  der  trockenen  Destillation  eines  innigen  Gemenges 
von  Kaliumatbylsulfat  mit  wasserfreiem  Borax.  Nach  dieser 
Methode  hat  Frankland  (Ann.  d.  Chem.  u.  Pharm.  CXXIV,  131) 
gelegentlich  seiner  Untersuchungen  über  die  Einwirkung  des 
Zinkdthyls  und  Zinkmethyls  auf  Triäthylborat  gearbeitet,  und 
er  fand  dabei  Veranlassung,  dieses  Verfahren  wesentlich  zu 
verbessern.  Die  Darstellung  von  Borsäureather  mittelst  Silber* 
borat  und  Jodäthyl  wurde  durch  Nason  (Ann.  d.  Chem.  n. 
Pharm.  CIV,  126)  versucht,  welcher  hierbei  nur  Aethyloxyd  er- 
hielt. Wir  waren  zufällig  gegenwärtig,  als  N  a  s  o  n  diesen  Versuch 
anstellte,  und  wissen,  dafs  die  Aetherbildung  nur  aus  dem 
starken  Aethergeruch  bei  dem  OeiTnen  der  Röhre  beurtheill 
wurde,  dafs  man  aber  den  gelben  trockenen  Rückstand  nicht 
weiter  beachtet  hatte.  Wir  haben  deshalb  diesen  Versuch 
nochmals  in  etwas  gröfserem  Mafsstab  angestellt,  um  zu  prüfen, 
ob  nicht  in  dem  Rückstand  neben  Jodsilber  irgend  ein  nicht 
gesättigter  Borsäureäther  vorhanden  sei.  Der  Aetherauszug 
enthielt  indessen  nichts,  was  auf  die  Bildung  einer  solchen 
Verbindung  schliefsen  liefse. 

Bezüglich  anderer  Aether  der  Borsäure  besitzen  wir 
eine  Untersuchung  von  Ebelmen  aus  dem  Jahre  1845 
(Ann.  de  chim.  et  phys.  [3]  XVI,  218);  in  dieser  Abhand- 
lung bespricht  er  die  Einwirkung  der  verschiedenen  Alkohole 
auf  das  Borsäureanhydrid  und  beschreibt  eine  Reihe  halb- 
fester Borsäureäther,  welche  er  auf  das  dem  Borax  ent- 
sprechende Hydrat  B^H^O''  bezieht.  Was  die  Zusammen- 
setzung dieser  letzteren  Aether  betrifft,  so  behalte  ich  mir 
eine  kritische  Besprechung  für  später  vor,  sobald  ich  das 
Material  für  dieselbe  dargelegt  haben  werde. 

Behufs  Entscheidung  der  Frage,  ob  die  eben  erwähnten 
Aether   als    nicht    gesättigte   Verbindungen    durch    directe 


über  die  Borsäureäther,  157 

Addition  anderer  Gruppen  in  gesättigte  Verbindungen  über- 
geführt werden  könnten,  beabsichtigte  ich  die  Darstellung 
dieser  Aether,  erhielt  aber  hierbei  Körper,  welche  in  der 
Zusammensetzung  sowohl  bei  verschiedenen  Darstellungen 
unter  sich,  als  auch  von  der  von  Ebelmen  angegebenen 
Formel  wesentlich  abwichen,  obwohl  ich  ziemlich  genau  nach 
Eb e Im en's  Angaben  arbeitete.  Dieser  Umstand,  so  wie  an^ 
dere  bisher  nicht  gehörig  gewürdigte  Erscheinungen,  schienen 
einer  eingehenderen  Untersuchung  nicht  unwerth  zu  sein, 
und  es  wurde  dieselbe  zum  Theil  in  Gemeinschaft  mit  E. 
Bechi  ausgeführt. 

Bringt  man  gepulvertes  Borsaureanhydrid  mit  etwa  dem 
gleichen  Gewicht  absoluten  Alkohols  zusammen,  so  tritt,  wie 
bereits  Ebelmen  bemerkte,  eine  nicht  unbedeutende  Tem« 
peraturerhöhung  ein.  Ueberlifst  man  das  Gemenge  einen 
halben  Tag  lang  sich  selbst,  so  wird  der  Alkohol  fast  gänz- 
lich von  der  sich  hydratisirenden  Borsäure  eingesaugt  und 
man  erhält  eine  schneeweifse  schwammige  Hasse.  Befestigt 
man  dann  das  Gefäfs  an  einen  Rfickflufsapparat  und  erhitzt 
zum  Sieden,  so  löst  sich  ein  grofser  Theil  auf  und  man 
braucht  nur  noch  wenig  Alkohol  zuzusetzen,  um  bei  fortge- 
setztem Kochen  alle  Borsäure  in  Lösung  zu  bringen.  Beim 
Erkalten  bedeckt  sich  der  Boden  des  Gefäfses  mit  einer  aus 
zusammenhängenden  warzenförmigen  Aggregaten  bestehenden 
Krystallisation.  Dieselbe  besitzt  durchaus  nicht  das  Aussehen 
der  krystallisirten  Borsäure^  wies  sich  aber  dennoch  bei  der 
Bestimmung  des  Wassergehalts  der  mit  Alkohol  gewaschenen 
Erystalle  als  das  normale  Hydrat  BH'O^  aus.  Die  Flüssigkeit, 
welche  sich. von  der  Krystallisation  leicht  abgiefsen  läfst,  ist 
entweder  farblos  oder  doch  nur  gelblich  gefärbt.  Unterwirft 
man  sie  der  Destillation  und  zieht  den  Rückstand  nach  Ebel- 
men's  Angabe  mit  wasserfreiem  Aether  aus,  so  erhält  man 
immer  nur  wenig  glasigen  Borsäureäther.    Das  Destillat  hin- 


158  Schiff y  Untersuchungjsn 

gegen  enthält  gröfsere  Mengen  von  Borsfiareäther  und  zwar 
nach  Ebelnien's  Meinung  in  der  Form  des  glasigen  Aethers, 
welcher  sich  mit  den  Alkoholdampfen  verflüchtige.  Diese 
Ansicht  Ebelmen's  mufste  indessen  sehr  bald  in  Zweifel 
gezogen  werden.  Bei  dem  Versuche  nämlich,  den  glasigen 
Aether  zur  weiteren  Reinigung  in  absolutem  Alkohol  auf- 
zulösen, fand  sich  9  dafs  der  Alkohol  auf  den  Aether 
zersetzend  wirkt  Nach  dieser  Erfahrung  war  also  die 
Annahme,  dafs  das  Destillat  eine  weingeistige  Lösung 
jenes  Aethers  sei,  nicht  mehr  statthaft  und  der  Zweifel  ward 
zur  Gewifsheit,  als  es  gelang,  aus  dem  zwischen  110  und  130® 
siedenden  Antheil  des  Destillats  eine  nicht  unbedeutende 
Menge  von  Triäthylborat  abzuscheiden,  so  dafa  in  der  directen 
Einwirkung  Yon  absolutem  Alkohol  auf  geschmolzene  Bor- 
säure sehr  bald  eine  ergiebige  und  leicht  auszuführende  Me- 
thode zur  Darstellung  der  drei  alkoholischen  Borsäureäther 
erkannt  wurde. 

Während  die  Entstehung  eines  dem  Borax  analog  zu- 
sammengesetzten Aethers  eine  ziemlich  verwickelte  Bildungs- 
gleichung erfordern  würde,  haben  wir  dagegen  für  die 
primäre  Reaction  zwischen  Alkohol  und  Borsäureanhydrid  die 
einfache  Gleichung  : 

g|0«  +8      hP  =  H»p  +  8€«H»p  • 

Fär  die  Darstellung  gröfserer  Mengen  von  Triäthylborat 
arbeitet  man  am  Besten  mit  einem  kupfernen  Digestor  von 
etwa  einem  Liter  Inhalt.  Die  Borsäure  im  gepulverten  Zu- 
stande anzuwenden  ist  nicht  allein  nicht  nöthig,  sondern  viel- 
mehr hinderlich,  insofern  als  das  Pulver  leicht  zusammenbackt 
und  die  Einwirkung  des  Alkohols  erschwert.  .Aus  demselben 
Grunde  wende  man  auch  keine  kleinen  Stücke  geschmolzener 
Borsäure  an,  man  giefse  dieselbe  vielmehr  derart  auf  eine 
Steinplatte  aus,  dafs  man  etwa  einen  Zoll  breite  lange  Bänder 
erhält,  welche  man  dann  aufrecht  in  den  Digestor  stellt,    so 


über  die  Borsäureäther,  159 

dafs  gehörige  Zwischenräume  die  Circulation  des  Alkohols 
möglich  machen.  Auf  ein  Liter  Alkohol  kann  man  250  bis 
300  Grm.  Borsaureanhydrid  anwenden.  Den  Digestor  erhitze 
man  im  Oelbade  24  Stunden  lang  auf  110  bis  120^  und 
beachte,  dafs  die  Temperatur  130^  nicht  übersteige,  da  sonst 
leicht  eine  umgekehrte  Reaction  den  Verlust  eines  Theils  des 
bereits  gebildeten  Aethers  verursacht.  Zur  Vermeidung  von 
Zeitverlust  setzt  man  am  Besten  den  Digestor  gegen  Abend 
in  das  Oelbad,  heizt  bis  zum  folgenden  Abend  und  läfst  dann 
während  der  Nacht  erkalten.  Die  Abscheidung  der  gelösten 
Borsaure  erfolgt  nämlich  sehr  langsam  und  erfordert  bei  den 
angegebenen  Verhältnissen  etwa  10  Stunden.  Der  Digestor 
enthalt  dann  die  Borsaure  zum  grofsen  Theil  als  warzig 
agglomerirtes  Hydrat,  öfters  am  Boden  des  Gefafses  mit  einer 
syrupösen  Hasse  gemengt.  Die  aufrecht  stehenden  Bänder 
enthalten  zum  grofsen  Theil  noch  einen  Kern  von  nicht  an- 
gegriffener Substanz;  sie  umkleiden  sich  nämlich  mit  Bor- 
säurehydrat, welches  die  Einwirkung  verlangsamt  und  un- 
vollständig macht.  Die  die  Borsäure  umgebende  gelbe  Flüs- 
sigkeit giefst  man  so  weit  ab,  als  sich  diefs  mit  Leichtigkeit 
thon  läfsl,  und  verschliefst  das  Gefäfs  sogleich  wieder.  Man 
destillirt  nun  von  der  abgegossenen  Flüssigkeit,  welche  gegen 
80<^  zu  sieden  anfängt,  die  bis  gegen  100^  übergehenden  An- 
thefle  ab,  giefst  dieselbe  in  den  Digestor  zurück,  füllt  mit 
frischem  absolutem  Alkohol  so  weit  auf,  dafs  die  Borsäure  . 
sich  gänzlich  unter  dem  Flüssigkeitsspiegel  befindet,  ifnd  setzt 
wieder  24  Stunden  lang  ins  Oelbad.  Sollte  der  Digestor 
nach  dieser  zweiten  Operation  noch  eine  irgend  namhafte 
Menge  von  Anhydrid  oder  von  syrupösem  Bodensatz  enthalten, 
so  erhitzt  man  zum  dritten  Male  12  Stunden  lang  mit  dem 
zwischen  80  und  100<^  übergehenden  Destillat  von  der  zweiten 
Operation,  dtefsmal  ohne  oder  mit  nur  geringem  Alkoholzusatz. 
Was  von  der  aus  dieser  letzten  Portion  herrührenden  Flüs- 


160  Schiff,   Untersuchungen 

sigkeit  bis  gegen  100^  übergeht,  wird  für  eine  folgende 
Operation  aufbewahrt.  Die  von  den  zwischen  80  und  100^ 
destillirenden  Antheiien  befreiten  Flüssigkeiten  lafst  man 
mehrere  Stunden  ruhig  stehen;  es  krystallisirt  dann  noch 
eine  ziemliche  Menge  von  Borsaurehydrat  aus.  Die  abge- 
gossene Flüssigkeit  wird  aufs  Neue  der  Destillation  unter- 
worfen, bis  das  sich  im  Dampf  befindliche  Thermometer  115<* 
anzeigt.  Man  lafst  nun  wieder  langsam  erkalten  und  dieses 
Mal  scheidet  sich  fast  die  ganze  Menge  des  noch  in  Lösung 
befindlichen  Borsäurehydrats  aus,  so  dafs  eine  Behandlung 
des  Eiidproducts  mit  Aether  erspart  wird.  Die  wieder  von 
der  Krystallisation  abgegossene  Flüssigkeit  fangt  nun  bei  etwa 
110<>  zu  sieden  an.  Was  bis  H8^  übergeht  fügt  man  dem 
zwischen  100  und  115^  übergegangenen  Antheile  bei,  und 
destillirt  nun  bis  die  Dampfe  unmittelbar  über  dem  Flüssig- 
keitsspiegel  die  Temperatur  von  140  bis  150^  erreicht  haben. 
Das  zwischen  100  und  118^  gewonnene  Destillat  ist  eine 
Mischung  von  Triathylborat  und  Alkohol.  Frankland  hat 
zur  Trennung  beider  Flüssigkeiten  die  Anwendung  von  ge- 
schmolzenem Chlorcalcium  vorgeschlagen.  Es  löst  sich  dieses 
Salz  indessen  nur  sehr  langsam  in  dem  Gemische  auf  und  es 
ist  daher  diese  Methode  sehr  zeitraubend.  Ich  habe  eine 
andere  aufgefunden,  welche  augenblicklich  zum  Ziele  fuhrt. 
Giefst  man  in  das  Gemische  allmälig  unter  Umschütteln  kleine 
Mengen  von  concentrirter  Schwefelsaure,  so  theilt  sich  die 
Flüssigkeit  alsbald  in  zwei  Schichten;  man  fügt  so  lange 
Schwefelsäure  zu  als  die  untere  Schicht  hierdurch  noch 
merklich  an  Volum  zunimmt.  Die  untere  Schicht  enthalt 
dann  die  Schwefelsäure  nebst  dem  Alkohol  und  sehr  wenig 
Borsäureäther;  die  obere,  nur  Spuren  von  Schwefelsäure  ent- 
haltende Schicht  ist  Borsäureäther,  welcher  nur  noch  wenig 
Alkohol  enthält.  Man  vereinigt  diese  obere  Schicht  mit  dem 
früher  zwischen  118  und  140^  erhaltenen  Destillat;    bei  der 


über  die  Borsäureäther,  161 

Bectification  der  yereinigten  Flüssigkeiten  geht  nur  wenig 
onlerhalb  115<^  über;  diesen  Antheil  kann  man  nochmals  mit 
Schwefelsdure  behandeln.  Ein  betrachtlicher  Theil  siedet 
zwischen  115  und  12^^;  diefs  ist  nahezu  reiner  Borsaureäther. 
Was  oberhalb  1!25<>  übergeht,  siedet  bei  einer  zweiten  Rec- 
Üfication  ebenfalls  gegen  120<'.  Die  Ursache  des  Anfangs 
erhöhten  Siedepunkts  ist  wohl  in  der  in  dem  Siedegefäfs 
zorückgebliebenen  sympösen,  beim  Erkalten  erstarrenden 
Substanz  zu  suchen.  Bei  wiederholter  Destillation  siedet  der 
gröfste  Theil  zwischen  119  und  122^;  die  bei  120»  über* 
gehenden  Antheile  sind  vollkommen  reines  Triäthylborat.  Bei 
allen  diesen  Destillationen  dürfen  keine  Caoutchoucstopfen 
angewandt  werden,  da  der  Borsaureäther  dieselben  stark 
angreift  und  der  Aether  aufserdem  noch  einer  Verunreinigung 
dorch  schwefelhaltige  Substanzen  ausgesetzt  ist. 

Das  Triäthylborat  ist,  wie  bereits  die  früheren  Autoren 
angeben,  eine  wasserhelle,  leicht  bewegliche  Flüssigkeit, 
welche  sich  mit  dem  Wasserdunst  der  Atmosphäre  sogleich 
anter  Abscheidung  von  Borsäure  zersetzt  und  angezündet 
ohne  Vermittelang  eines  Dochtes  mit  intensiy  grüner  Flamme 
und  unter  Entweichen  von  Borsäuredämpfen  brennt.  Den 
Siedepunkt  fand  ich  für  760°^  Barometerdruck  bei  120» 
(Thermometer  ganz  im  Dampf  und  Platin  in  der  Flüssigkeit). 
Ebelmen  und  Bouqu et  fanden  den  Siedepunkt  zu  119<), 
Bowman  zu  121<^.  —  Es  ist  hier  indessen  zu  bemerken^ 
dab  bei  jedesmaliger  Destillation  eine  geringe  Zersetzung 
eintritt,  vielleicht  durch  die  Feuchtigkeit  der  Luft  bewirkt. 
Es  bleibt  jedesmal  ein  geringer  Rückstand  und  der  Siede- 
punkt steigt  bei  den  späteren  Antheilen  allmälig  um  wenige 
Grade.  Das  specifische  Gewicht  bestimmte  ich  mit  zwei 
Präparaten  von  verschiedener  Darstellung  zu  0,861  bei  26^,5 
und  (ohne  Rücksicht  auf  die  Glasausdehnung)  0,887  bei  0^ 
(0,885  bei  0<^  Ebelmen  u.  Bouquet;  0,871  bei?  Bowman). 

AnnaL  4.  Chem.  a.  Pharm.  V.  Sapplementbd.  8.  Heft.  W 


162  Schiff,   Untersuchungen 

1  Votum  bei  0^  dehnt  sich  hiernach  bis  su  26^5  auf  1,033 
Volume  aus,  eine  Ausdehnung,  weiche  derjenigen  des  essig- 
sauren, Propionsäuren  und  Salpetersäuren  Aethyls  nahezu 
gleichkommt.  —  Die  froheren  Angabe^  über  Geruch  und 
Geschmack  vonEbelmen  und  Bouquet  u&dyonBowman 
(eigenthümlicher  stechender  gewärxhafter  Geruch ,  scharfer 
bittorer  Geschmack)  beeiehen  sich  auf  Präparate,  die  von 
ihrer  Darstellung  her  noch  geringe  Mengen  von  gechlorten 
Substanzen  aus  der  Aethylgruppe  enthalten  konnten.  Das 
reine  Trlathylborat  manifestirt  in  seinem  Geschmack  nur  Al- 
kohol und  Borsaure,  in  seinem  Geruch  namentlich  nur  den 
Alkohol  Es  ist  diefs  auch  a  priori  zu  vermuthen,  denn  die 
Flüssigkeiten  der  betreffenden  Sinnesorgane  bewirken  augen- 
blickliche Zersetzung  in  Borsäure  und  Alkohol.  Liefs  man 
durch  das  zwischen  110  und  130^  aufigefangene  alkoholhaltige 
DestiUat  w^ge  Blasen  Chlorgas  steichen,  so  konnte,  nach- 
dem die  Flüssigkeit  zwei  Tage  lang  ruhig  gestanden  und 
sich  wahrend  dieser  Zeit  nichts  DifEerentes  abgeschieden  hatte, 
bei  weiterer  Reinigung  ein  Borsiureither  erhallen  werden, 
welcher,  bei  einem  Siedepunkt  von  130^,  die  früher  von 
Anderen  beobachteten  physiologisohen  Eigenschaften  hesafs. 
Wurde  dieser  Aether  mit  kochender  Kalilauge  zersetzt,  die 
Flfissigkeil  dann  mit  reiner  Salpetersäure  übersättigt  und  nach 
d^n  Erkalten  von  der  ausgeschiedenen  Borsaure  abfikrirt,  so 
gab  das  Filtrat  eine  deutliche  Reaction  auf  Chlor. 

Wir  gehen  zu  den  Umsetzungen  des  Boimveäthers  mit 
anderen  Substanzen  über  und  haben  hier  zunächst  zwei 
Körper  zu  berühren,  deren  Einwirkung  der  Aether  bei  der 
beschriebenen  Darstellungsweise  mehr  oder  weniger  ausge- 
setzt ist,  nfimlich  Borsaurehydrat  und  concentrirte  Schwefel- 
säure. Auf  die  Möglichkeit  einer  zersetzenden  Wirkung 
des  BorsAurehydrats  wurde  die  Aufmerksamkeit  durch  zwei 
Darstellungen  gelenkt,  bei  welchen  durch  unerwnrtet  stärkeren 


über  die  Borsäureäther,  163 

Gftsdnick  die  Temperatur  des  Oelbads  sich  während  der 
Nacht  auf  gegen  160^  —  oder  auch  wohl  darüber  hinaus  — 
erhoben  hatte.  In  beiden  Fällen  wurde  weniger  Triäthylborat 
erhalten  als  diefs  gewöhnlich  bei  gleicher  Beschickung  des 
Digestors  der  Fall  war,  dagegen  war  der  bei  der  Destillation 
bis  150^  im  Destillationsgefäfs  bleibende  syrupöse  Bückstand 
Yermehrt  und  die  abgeschiedene  hydratisirte  Borsäure  zeigte 
nicht  die  gewöhnlichen  warzenförmigen  Krystallaggloroera- 
tionen;  dieselbe  war  vielmehr  zum  grofsen  Theil  in  ein  fast 
sendiges  Pulver,  zum  Theil  in  wie  geschmolzen  aussehende 
Tropfen  umgewandelt,  welche  mit  krystallinischem  Hydrat 
überdeckt  waren.  Verschiedenen  Steilen  entnommene  und 
mit  Alkohol  gewaschene  Partieen  erlitten  bei  höherer  Tem- 
peratur sehr  verschiedene  Verluste  an  Wasser;  es  schwankten 
dieselben  zwischen  einem  Minimum  von  14  pC.  und  einem 
Maximum  von  gegen  46  pC.  (in  der  oberen  Schichte).  Es 
ist  hiernach  gewifs,  dafs  bei  der  höheren  Temperatur  Hydrate 
von  niedrigerem  Wassergehalt  entstanden  waren,  und  ohne 
Zweifel  lag  hier  ein  Gemenge  der  drei  bekannten  Hydrate 
BH^e^  BHe*  und  B*H«G'  (dem  Borax  entsprechendes  Hydrat) 
vor,  von  welchen  das  letztere  11,4  pC,  das  erstere  43^5  pC. 
Wasserverhist  verlangen  würde  *).  Ob  aber  die  Entstehung 
dieser  wasserarmeren  Hydrate  zu  der  Wiederausbeote  an 
Triäthylborat  in  einer  bestimmten  Beziehung  stehe,  mufste 
erst  der  folgende  Versuch  lehren.  Es  wurden  etwa  gleiche 
Gewichtstheile  bei  120^  siedenden  Triäthylborats  und  Hydrat 
BH^O'  in  eine  starke  Glasröhre  eingeschmolzen  und  einen 
Tag  auf  160  bis  180^  erhitzt.    Die  Borsäure  löste  sich  zum 


*)  Ueberall,  wo  in  den  folgenden  Gleiobungen  BHO*  figurirt,  han- 
delt es  eich  um  ein  solches  Gemenge  von  Hydraten.  Durch 
diesen  einfachsten  Ausdruck  vermeiden  wir  in  unnöthiger  Weise 
oomplicirtere  und  doch  der  WkUichkeit  nicht  gans  entsprechende 
Gleichnogen. 

11* 


164  Schiff,   Untersuchungen 

Theil  auf  und  nach  dem  Erkalten  fand  sie  sich  in  einem 
ahnlichen  Zustand ,  wie  bei  den  oben  erwähnten  zwei  Opera- 
tionen. Der  flüssige  Inhalt  der  Röhre  wurde  in  eine  kleine 
Retorte  gebracht  und  so  weit  abdestillirt,  bis  der  Retorten- 
inhalt anfing  dickflüssig  zu  werden«  Aus  diesem  Rückstand 
konnte  mittelst  Aethers  eine  kleine  Menge  des  glasigen  Bor- 
säureäthers ausgezogen  werden.  Das  Destillat  fing  bei  noch- 
maliger Rectification  bei  80^  zu  sieden  ^n  und  es  konnte 
durch  Destillation  nur  wenig  reines  Triäthylborat  wiederge- 
wonnen werden;  der  gröfsle  Theil  bestand  aus  einem  Ge- 
menge dieses  Aethers  mit  Weingeist  und  auf  Zusatz  von 
Schwefelsäure  erfolgte  die  oben  erwähnte  Trennung.  Bei 
der  angewandten  hohen  Temperatur  erfolgt  also  eine  Zer- 
setzung des  Triäthylborats  durch  das  Borsäurehydrat  nach 
der  Gleichung  : 

B(G»H»)»0»  +  2BH»0»  =  3BHO*  +  8  €»H«0 

und  zum  Theil  wahrscheinlich  nach  der  anderen  : 

Zur  Vermeidung  dieser  Umsetzung  wurde  daher  Yorgeschrie- 
ben,  die  Temperatur  auf  110  bis  120^  zu  erbalten  und  130^ 
nicht  zu  überschreiten.  Nicht  allein  das  Borsäurehydraty  son- 
dern auch  das  Anhydrid  wirkt  auf  das  Triäthylborat  ein  und 
auch  diese  Reaction  ist  für  die  Darstellungsweise  nicht  ohne 
Interesse;  wir  halten  es  indessen  für  passend,  diese  Reaction 
erst  später  ausfuhrlicher  zu  besprechen. 

Wir  dürfen  indessen  gelegentlich  der  eben  besprochenen 
Deshydratation  des  Hydrats  BH^9^  unter  Rückbildung  von  Al- 
kohol eine  umgekehrte  Reaction  nicht  *  unerwähnt  lassen, 
welche  erfolgt,  wenn  das  Hydrat  B^H'O^  mit  einem  gröfseren 
Ueberschufs  an  Alkohol  auf  150^  erhitzt  wird.  Bin  Theil 
dieses  Hydrats  wird  dann  In  BH^O^  verwandelt  und  bei  der 
Destillation  der  Flüssigkeit  kann  eine  kleine  Menge  von  Tri- 


über  die  Borsäureäiher,  165 

itbylborat  erhalten  werden ;  letzteres  entsteht  wahrscheinlich 
nach  der  Gleichung  : 

Aach  diese  Reaction  gehört  zu  den  vielen  Umsetzungen, 
welche  gleichzeitig  und  aufeinanderfolgend  bei  der  Einwir- 
kung von  Alkohol  auf  Borsäureanhydrid  stattfinden  können. 
Bei  der  Trennung  von  Alkohol  und  Triathylborat  mittelst 
Schwefelsaare  geht,  wie  oben  bemerkt;  nur  eine  sehr  geringe 
Saoremenge  in  die  Aetherschicht  ein  und  diese  Menge  äbt 
bei  der  nachherigen  Rectification  durchaus  keinen  schädlichen 
Einflufs  aus.  Die  untere  Schicht  enthält  eine  kleine  Menge 
Borsäureäther,  deren  Gewinnung  man  indessen  vernachlässi- 
gen darf.  Versucht  man  das  Gemenge  zu  destilliren,  so  er- 
hält man  zunächst  Alkohol  mit  geringem  Gehalt  an  Borsäure- 
ather,  welchen  man  bei  späteren  Operationen  statt  des  reinen 
Alkohols  anwenden  mag ;  sehr  bald  beginnt  indessen  die  Ein- 
wirkung der  Schwefelsäure  auf  die  nun  concentrirter  gewor- 
dene Losung  des  Aethers.  Concentrirte  Schwefelsäure  löst 
Borsäureäther  leicht  und  unter  schwacher  Erwärmung  *). 
Die  Lösung  stellt  nach  dem  Erkalten  ein  dickes  Oel  dar, 
welches  sich  bei  gewöhnlicher  Temperatur  auch  nach  län- 
gerer  Zeit  nicht  zu  verändern  scheint.  Erst  beim  Erwärmen 
wird  der  Aether  zersetzt;  die  Lösung  färbt  sich  dann  all- 
mälig  braun ,  es  entwickelt  sich  Wasserdampf  und  fast  reines 
Aethylengas,  erst  später  und  bei  höherer  Temperatur  tritt 
auch  schweflige  Säure  auf.    Setzt  man^  noch  ehe  diese  letz- 


*)  GoQcentrirte  Schwefelsäure  löst  Boraftnreanhydrid  beim  Erwärmen 
kioht  und  reioblioh  auf.  Beim  Erkalten  setzt  sich  nichts  ab; 
man  erh&lt  einen  dicken  Syrup,  aus  welchem  sich  erst  bei  all- 
m&Iigem  Anziehen  Ton  Wasser  aus  der  Luft  krystallinische  Hy- 
drate der  Borsäure  ausscheiden.  Das  Hydrat  BH'O'  giebt  beim 
Erwärmen  einen  ganz  ähnlichen  Syrup,  während  das  Wasser  in 
Dampfform  entweicht. 


166  Schiffe  Untersuchungen 

tere  sich  entwickelt,  Wasser  zu,  so  scheidet  sich  Borsaure 
ab;  sättigt  man  nun  mit  Baryumcarbonat ,  so  enthalt  das  Fil- 
trat  eine  gewisse  Menge  von  Baryumathylsulfat.  Der  Aus- 
druck ffir  die  Umsetzung  der  Schwefelsaure  mit  dem  Aether 
findet  sich  in  der  Gleichung  : 

B(€«H»)»0»  +  ßH«0*  =  S(G«H*)HO*  +  2€«H*  +  BHO*  +  H«0. 

Erhitzt  man  die  Lösung  des  Aethers  in  Schwefelsaure  auf 
etwa  140  bis  150^  und  lafst  tropfenweise  Wasser  zufliefsen, 
so  scheidet  sich  ebenfalls  Borsäure  ab  und  es  entwickelt  sich 
Aethylätherdampf.  Auch  in  diesem  Falle  enthält  die  Flüssig- 
keit zuletzt  Aethylschwefelsäure ,  gebildet  nach  der  Glei- 
chung : 

B(€»H*)>^«  +  ßH«0*  +  H«0  =  S(€»H6)HO*  +  BH«0»  +  (G«fl*)*0. 

Es  war  zu  erwarten,  dafs  sich  statt  des  Aethers  ein  zu- 
sammengesetzter Aether  bilden  würde,  wenn  man  zu  der  Lö- 
sung des  Triäthylborats  in  Schwefelsaure  statt  des  Wassers 
ein  Saurehydrat  setzte.  Diese  Erwartung  wurde  durch  das 
Experiment  auch  vollkommen  bestätigt.  Wurde  der  warmen 
Lösung  Benzoesäure  zugesetzt  und  die  Temperatur  des  Ge- 
menges einige  Zeit  auf  etwa  120^  erhalten,  so  schied  sich 
nach  Verdünnung  mit  Wasser  Borsäure  ab  und  an  der  Ober- 
flache sammelte  sich  eine  Schicht  Benzoöäther.  Mit  Annahme 
einer  gleichzeitigen  Bildung  von  Aethylschwefelsänre,  welche 
aber  hier  nicht  besonders  nachgewiesen  wurde,  erhalten  wir 
die  Umsetzungsgleichung  : 

B(€»H»)»0«+SH»O<-f-2G'H8^*=BH«0«+ß(€*H»)H0*+2rr'H6(G«H»)O». 

Diese  Umsetzungsweise  wurde  noch  mit  anderen  Sauren  be- 
stätigt, so  mit  Essigsäure,  Buttersäure  und  Valeriansäure, 
deren  Aether  an  ihren  characteristischen  Eigenschaften  leicht 
erkannt  werden  konnten.  Ich  habe  mich  übrigens  hiermit 
nicht  eingehender  beschäftigt,  da  ich  fand,  dafs  unter  wenig 
veränderten  Umständen  der  Borsäureather  direct  ätherificirend 
wirken  kann.  —  Ehe  ich  hierzu  übergehe,  erwähne  ich  in- 


über  die  Borsätireäther.  167 

• 

desseD  noch  einer  heiligen  Explosion,  welche  eintrat,  ab  ich 
der  Schwefelsaurelösung  des  Aethers  etwas  Kaliumchlorat 
zusetzte ;  die  Hasse  erhitzte  sich  bis  zur  Entzündung  und 
wurde  zum  grofsen  Theil  umhergeschleudert.  Man  kann  diesen 
Versuch  indessen  ganz  gefahrlos  anstellen,  wenn  man  der 
etwas  erwärmten  Lösung  allmälig  einzelne  Krystalle  von  Ka- 
lionohlorat  zusetzt.  Es  bilden  sich  dann  kleine  Bläschen, 
welche  an  die  Oberfläche  gerissen  werden  und  dort  schwach 
verpuffen  oder  zum  Theil  mit  rothlichem  Lichte  verbrennen. 
Bei  diesem  Versuche  bildet  sich  ohne  Zweifel  eine  der  so 
leicht  zersetzbaren  explosiven  Aethylverbindungen  der  Säuren 
des  Chlors. 

Wir  gehen  zu  den  Reactionen  über,  in  welchen  der 
Borsäureather  direct  atherificirend  wirkt.  Nach  den  im  Vor- 
hergehenden bezüglich  der  Schwefelsaure  mitgetheilten  Ver- 
suchen lag  es  nahe,  die  Einwirkung  der  Salpetersaure  auf 
das  Triäthylborat  einer  Prüfung  zu  unterwerfen ,  und  diese 
bildete  dann  den  Ausgangspunkt  für  die  im  Folgenden  zu 
besprechenden  Versuche.  —  Concentrirte  Salpetersäure  löst 
den  Aether  unter  schwacher  Erwärmung;  die  Einwirkung 
beginnt  alsbald,  es  scheidet  sich  Borsaurehydrat  aus,  nach 
einiger  Zeit  erstarrt  das  Ganze  zu  einem  dicken  Brei  von 
Borsäorekrystallen,  während  sich  unter  Aufblähen  der  Hasse 
Salpeterälher  entwickelt.  Die  Zersetzung  des  Triathylborats 
ist  vollständig  und  geschieht  nach  der  Gleichung  : 

Nach  einer  ginz  analogen  Gleichung  erfolgt  auch  die 
ZerseUmig  des  Triathylborats  durch  Essigsäure.  Erhitzt  man 
den  Aether  mit  einer  entsprechenden  Menge  von  Eisessig 
emige  Stunden  auf  150^^  so  erhalt  man  eine  gelbliche  homo- 
gene Flüssigkeit,  welche  beim  Erkalten  hydratisirte  Borsäure 
absetzt.  Die  Flüssigkeit  besteht  zum  gröfsten  Theil  aus  Es- 
sigitber.    Bei  der  Destillation  bleibt  ein  geringer  Ruckstand 


168  Schiff j  Untersuchungen 

» 

von  glasigem  Borsäureäther,  welcher  noch  auf  eine  andere^ 
vielleicht  secundäre  Reaction  schliefsen  läfst. 

Bei  Versuchen  aber  Aetherbildung  von  schwierig  dtheri- 
ficirbaren  Säuren  läfst  man  häufig  das  Silbersalz  auf  Jodathyl 
reagiren.  Dieses  kostspielige  Verfahren  kann  häufig  durch 
die  einfachere  Reaction  der'  freien  Säure  auf  den  nach  obigem 
Verfahren  leicht  und  billig  zu  erhaltenden  Borsäureäther  er- 
setzt werden,  namentlich  dann,  wenn  der  entstehende  Aether 
durch  Wasser  oder  verdünnte  Alkalien  nicht  zersetzt  wird. 
Als  Beispiel  von  ein-  und  zweibasischen  Säuren  fähre  ich 
Benzoesäure  und  Bernsteinsäure  an.  — ■  Beide  Säuren  zer- 
setzen das  Triäthylborat  etwas  weniger  leicht,  als  diefs  bei 
der  Essigsäure  der  Fall  ist.  Erhitzt  man  aber  einige  Stunden 
auf  180  bis  200^,  so  wird  die  ganze  Menge  der  Säure  in 
Aether  verwandelt.  Die  gelbe  Flüssigkeit  läfst  beim  Erkalten 
Borsäure  krystailisiren.  Man  fällt  die  Röhre,  nachdem  deren 
Inhalt  erkaltet  ist,  mit  verdünnter  Kalilauge.  Diese  zersetzt 
den  etwa  noch  vorhandeiftn  Borsäureäther,  löst  die  Borsäure 
und  einen  etwaigen  Rest  der  zu  ätherificirenden  Säure,  und 
der  neue  Aether  schwimmt  oben  auf  und  wird  nach  dem 
Waschen  mit  Wasser  und  Destilliren  über  Chlorcaloium  un- 
mittelbar rein  erhalten.  Die  Umsetzung  mit  der  Benzoesäure 
erfolgt  analog  der  obigen  Gleichung  für  die  Reaction  der 
Salpetersäure.  Die  Bernsteinsäure,  als  zweibasisehe  Säure, 
reagirt  nach  der  Gleichung  : 

In  ähnlicher  Weise  erhielt  ich  auch*  das  Aethyloxalat; 
dieses  bildet  sich  etwas  leichter  als  das  Succinat  und  man 
braucht  die  Temperatur  von  150®  nicht  zu  überschreiten.  Bei 
höherer  Temperatur  erfolgt  eine  Zersetzung  der  Oxalsäure 
unter  Bildung  gasförmiger  Producte  und  es  erfolgt  Detonation 
der  Röhre.  —  Hit  trockener  gasförmiger  Salzsäure  oder 
schwefliger  Säure   nahezu   gesättigtes  Triäthylborat   konnte 


über  die  Baraäureäther.  169 

auf  120  bis  140^  erhitzt  werden,    ohne  dafs  Einwirkung 
stattfand. 

Chlor,  Brom  and  Jod  wirken  anf  das  Triithylborat  sab- 
stitnirend.  Der  Dampf  des  Aethers  mit  trockenem  Cbiorgas 
gemengt,  entzQndet  sich  nnter  Absatz  von  Kohle.  Das  flüs- 
sige Tridthyiborat  absorbirt  trockenes  Chlorgas  auch  bei 
raschem  Durchströmen  vollständig,  indem  sich  die  Flüssigkeit 
erhitzt  und  Ströme  von  Salzsduregas  entweichen.  Nach 'mehr- 
stündigem Durchleiten  wird  die  Masse  zuletzt  so  dick,  dafs 
sich  die  Röhren  verstopfen.  Die  Masse  erstarrt  beim  Er- 
kalten zu  einer  gelblichen  Gallerte,  welche  mehr  als  2  Aeq. 
Chlor  enthält,  aber  nicht  so  viel  als  der  Formel  B(G>H«C1)80' 
entspricht  Bei  der  Zersetzung  mittelst  Kalilauge  scheidet 
sich  zuerst  ein  chlorhaltiges,  campherartig  riechendes  Oel 
ab,  wahrscheinlich  ein  gechlortes  Aethylen.  Die  Verbindung 
mufste  zur  Chlorbestimmung  mit  weingeistigem  Kali  in  ge- 
schlossener Röhre  bei  höherer  Temperatur  zerlegt  werden.  — 
Brom  wiriit  langsamer  und  weit  weniger  energisch.  Beide 
Flüssigkeiten  mischen  sich  unter  geringer  Erwärmung.  Setzt 
man  das  Gemenge  dem  Sonnenlichte  aus,  so  bilden  sich  an 
den  Wänden  allmälig  perlähniiche  Tröpfchen,  welche  sich 
am  Boden  zu  einem  braunen  Oel  ansammeln,  bis  endlich 
sämmtlicher  Aether  in  die  Verbindung  übergeführt  ist.  Diese 
Substanz  wurde  nicht  analysirt  —  Jod  löst  sich  nur  in 
mäfsiger  Menge  im  Triäthylborat  zu  einer  rothen  Flüssigkeit 
auf,  welche  sich  im  zerstreuten  Licht  und  bei  mittlerer  Tem- 
peratur nur  äufserst  langsam  verändert.  Selbst  im  Sonnen- 
lichte des  höchsten  Sommers  und  bei  einer  zeitweilig  bis 
gegen  50^  C.  steigenden  Temperatur  konnte  während  einiger 
Monate  nur  eine  geringe  Menge  eines  dicken,  braunen,  nicht 
destillirbaren  Oels  erhalten  werden.  Durch  Schütteln  mit 
Quecksilber  von  aufgelöstem  Jod  befreit,  zeigte  dieses  Oel 
noch  einen  Gehalt  an  chemisch  gebundenem  Jod. 


170  Schiff,  Untersuchungen 

Die  Aethyläquivalente  des  Borsdtireatbers  ratMlilairen 
mit  Leichtigkeit  die  basischen  Wasserstoffaquivalente  der 
Sauren,  nicht  aber  den  typischen  Wasserstoff  organischer 
Basen.  Bei  dem  Erhitzen  mit  Anilin-  ond  RosaniUnsalzen 
konnte  keine  Einwirkung  constatirt  werden.  Bei  der  Ein- 
wirkung des  vollkommen  trockenen  Ammoniaks  auf  alkohol- 
freien Borsiureäther  scheint  eine  kleine  Menge  von  Aethyl- 
.  amin  zu  entstehen ;  jedenfalls  bleibt  die  bei  Weitem  gröfste 
Menge  des  Aethers  unverändert. 

Die  Einwirkung  der  Phenylsaure  auf  den  Borsauredther 
würde  eine  passende  Gelegenheit  bieten,  um  zur  Besprechung 
der  Einwirkung  anderer  Alkohole  überzugehen.  Wir  behalten 
uns  indessen  vor,  diese  Reaction  weiter  unten  abzuhandeln, 
und  erlauben  uns  vorerst  einen  kleinen  Räckschritl. 

Monoäthylborat, 

Wir  haben  im  Früheren  das  Rohproduct  der  Einwirkung 
des  Alkohols  auf  das  Borsäureanhydrid  einer  fractionirten 
Destillation  unterworfen ,  bis  die  sich  unmittelbar  aus  der 
Flüssigkeit  entwickelnden  Dampfe  eine  Temperatur  von  140 
bis  150(>  zeigten.  Hat  man  zwischen  den  einzelnen  Frac- 
tionen  jedesmal  die  gehörige  Zeit  gewartet,  um  die  Borsäure 
auskrystallisiren  zu  lassen,  so  wird  man  nun  beim  Erkalten 
eine  gelblich  bis  bernsteingelb  gefärbte  syrupöse  Flüssigkeit 
erhalten,  die  nach  einiger  Zeit  gar  keine  oder  doch  nur  sehr 
geringe  Mengen  von  Borsäure  absetzt.  Diese  syrupöse  Flüs- 
sigkeit ist  der  dem  ersten  Anhydrid  der  Borsäure  BHO'  ent- 
sprechende Aether  : 

Monoäthylborat,  B(62H^)0>, 

nur  noch  durch  eine  sehr  geringe  Menge  gelöster  Borsäure 
verunreinigt.  Dieses  Rohproduct  genügt  zu  allen  weiteren 
Versuchen  mit  dem  Aether;    die  zur  Analyse  bestimmten 


über  die  Bor  säur  eäther.  171 

Präparate,  welche  zum  Theil  nach  der  eben  angegebenen, 
mm  Theil  nach  einer  sogleich  zu  besprecheiTden  synthetischen 
Methode  bereitet  waren,  wurden  durch  Auflösen  in  wasser- 
freiem Aether  von  dem  gröfsten  Theil  der  aufgelösten  Bor- 
sänre  getrennt  ♦)  : 

berechnet  gefanden 

B  11  15,3  16,1-16,2  ♦•) 

€'H*  29  40,3  — 

2^  32  4M  — 

72  100,0. 


*)  Waaserfreier  Aether  löst  nar  Sparen  von  wasserfreier  oder  ge- 
w&sserter  Borsäore ;  etwas  mehr  lösen  sie  sich  aber  in  der  ätheri- 
schen Lösung  des  Monoäthylborats. 

**)  Der  Kohlenstoff  des  Triäthylborats  kann  im  Verbrennungerohre 
ToUst&ndig  in  Kohlensäure  übergeffihrt  werden,  nicht  so  der 
Kohlenstoff  des  Monoäthylborats  und  der  anderen  syrupösen  und 
glasigen  Aether  der  BorsAure.  Die  Tendenz  der  Borsäure,  sich 
zu  hydratlsiren ,  scheint  hier  zunächst  Wasserstoff  und  Sauerstoff 
zur  Wasserbildung  zu  disponiren  und  eine  Abscheidung  von  Koh- 
lenstoff zu  bewirken,  welcher  später,  Ton  geschmolzener  Borsäure 
überdeckt,  nicht  mehr  verbrennt.  Ich  habe  selbst  bei  Zersetzung 
im  Platintiegel  unter  Einleiten  von  Sauerstoff  den  Kohlenstoff 
nicht  vollständig  verbrennen  können.  Die  Elementaranalyse  giebt 
also  bei  diesen  Aethern  keinen  sicheren  Anhaltspunkt,  und  wir 
muikten  um  so  mehr  an  eine  genauere  Bestimmung  des  Bors, 
jenen  Stein  des  Anstofses  in  der  analytischen  Ol^mie,  denken. 
Wir  werden  weiter  unten  zu  besprechen  haben,  in  wie  fem  die 
Bestimmung  der  Borsäure  durch  Verbrennen  der  Verbindung  im 
Platintiegel  keine  richtigen  Besultate  giebt  Wir  versuchten  zu- 
nächst die  Borsäure  als  Baryumsalz  abzuscheiden.  Eine  gewo- 
gene Menge  geschmolzener  Borsäure  wurde  in  Wasser  gelöst, 
mit  überschüssigem  gesättigtem  Burytwasser  versetzt,  das  Prä- 
cipitat  ohne  aaszuwasohen  auf  einem  Filter  gesammelt  und  nach 
dem  Trocknen  bis  zu  anfangender  Schmelzung  erhitzt  Kohlen- 
säure- und  Barytgehalt  bestimmte  man  durch  zwei  besondere 
Analysen  und  erhielt  als  Differenz  die  Borsäure.  100  Theile 
Borsäure  gaben  auf  diese  Weise  99,2  bis  99,4  Theile.  —  Es 
ergab  sich  indessen  später,  dafs  die  Qegenwart  verschiedener 
organischer  Substanzen  zu  fehlerhaften  Resultaten  Veranlassung 
giebt;   so   der  Alkohol  wegen  geringerer  LösUchkeit  des  Baryts, 


172  Schiff,  Untersuchungen 

Das  Monoäthylborat  ist  eine  geruchlose  syrupöse  Flüssig- 
keit, welche  bä  etwa  120^  die  Consistenz  der  rauchenden 
Schwefelsaure  besitzt.  Es  zieht  die  Feuchtigkeit  der  Atmo* 
Sphäre  heftig  an  und  zersetzt  sich  in  Alkohol  und  Borsäure. 


das  Glycerin  wegen  der  Löslichkeit  des  Baryts  und  des  Barynm- 
borats  in  demselben.  Die  Löslicbkeit  im  Glycerin  ist  so  bedeu- 
tend, dafs  oft  gar  keiii  Niederschlag  entsteht,  auch  dann  nicht, 
wenn  man  die  Verbindung  durch  Ammoniak  zersetzte  und  dann 
Chlorbaryum  zur  Fällung  anwandte.  —  Nach  anderen  vergeb- 
lichen Versuchen  wandten  wir  uns  zu  der  zeitraubenden  Methode 
der  Ueberfuhrung  in  Fluorborkalium,  Auswaschen  desselben  mit 
einer  Lösung  Ton  Kaliumacetat  und  Elimination  dieses  letzteren 
durch  Weingeist,  wie  dieA  früher  ron  Stromeyer  (Ann.  Chem. 
Pharm.'  C,  82)  angegeben  wurde.  Diese  Methode  giebt  bei 
einiger  Uebuug  recht  gute  Resultate,  häufig  etwas  zu  viel.  — 
Wir  machen  ausdrücklich  darauf  aufmerksam,  dafs  der  Flufsspath 
zur  Entwickelung  der  Flufssäure  frei  von  Kietehdure  sein  mnfs. 
Bei  dieser  Methode  erhält  man  zwei  Nebenproducte  in  grofser 
Menge ,  nämlich  Fluorborkalium  und  unreine  Lösung  von  Kalium- 
acetat. Letztere  enthält  geringe  Mengen  ron  Kaliumsulfat  und 
gröfsere  tou  Fluorkalium.  Zur  Reinigung  fällt  man  mit  einer 
concentrirten  Lösung  von  Calciumacetat.  Das  abfiltrirte  reine 
Fluoroalcium  dient  bei  weiteren  Analysen  zur  Entwickelung  der 
Flufssäure.  Das  Filtrat  wird  bei  Siedehitze  mit  kieselsäurefreiem 
Kaliumcarbonat  versetzt,  die  Lösung  von  dem  krystaUinisch  ge- 
wordenen Calciumcarbonat  abgegossen,  mit  Essigsäure  übersättigt, 
und  dann  so  weit  eingedampft,  dafs  sie  nach  dem  Erkalten  ein 
specifisdies  Qewicht  von  1,09  (12^  B.)  zeigt;  diefs  entspricht 
etwa  einem  Oehalt  von  20  pC.  Kaliumacetat,  und  diese  Lösung 
dient,  unaohtet  des  geringen  Gehalts  an  Kaliumsulfat ,  von  Neuem 
zum  Auswaschen  des  Fluorborkaliums.  Das  andere  Nebenproduct, 
das  Fluorborkalinm ,  ist  ein  treffliches  Material  zu  einer  leichten 
und  gleichförmigen  Ebtwickelung  von  Fiuorbor^  unter  Anwen- 
dung von  Qlasgefäfsen.  Ein  Gemenge  des  Salze»  mit  15  bis 
20  pC.  geschmolzener  und  gepulverter  Borsäure,  mit  conoentrir- 
ter  Schwefelsäure,  entwickelt  bei  geringer  Erwärmung  den  ganzen 
Fluorgehalt  als  Fluorbor.  Die  Umsetzung  vollendet  sich  nach 
der  Gleichung  : 

6BKF1*  +  B«0»  +  6ßH»G*  =  8  BFl'  +  6  SKHO«  +  3  H«0. 
Nach   dem   vorstehenden   Verfahren   sind    die   Analysen   der 
nicht  gesättigten  Borsäureäther  zum  gröfsten  Theil  vonE.  Bechi 
ausgeführt  worden. 


über  die  Barsäureäther.  173 

Bringt  man  den  Aether  mit  flüssigem  Wasser  zusammen,  so 
gebt  diese  Zersetzung  unter  starker  Erwärmung  vor  sich. 
Auf  der  Zunge  bewirkt  der  Aether  ebenfalls  nur  das  von 
dieser  Zersetzung  herrührende  sehr  intensive  Wärmegefühl. 
—  Auf  einem  Draht  in  die  Flamme  gebracht ,  verbrennt  er 
mit  grünem  Lichte,  unter  Zurücklassung  von  kohlehaltiger 
geschmolzener  Borsaure.  Der  Aether  kann  nicht  unzersetzt 
destillirt  werden. 

Zur  Darstellung  eines  reineren  Präparats  mufs,  wie  oben 
bemerkt,  wasserfreier  Aether  angewandt  werden.  Versucht 
man  die  Reinigung  unter  Anwendung  absoluten  Alkohols,  so 
beobachtet  man  eine  sogleich  eintretende  Umsetzung  mit 
demselben  unter  ziemlich  starker  Erwärmung,  und  die  Um- 
setzungsproducte  sind  lediglich  Borsäurehydrat  und  Triäthyl- 
borat,  nach  der  Gleichung  : 

Ich  führe  diese  interessante  Reaction  hier  zuerst  an,  weil 
sie  geeignet  ist,  einiges  Licht  auf  die  Bildungsweise  des 
Aethers  zu  werfen  und  letztere  uns  eine  neue  Darstellungs- 
weise kennen  lehrt. 

Die  Menge  von  Monoäthylborat,  welche  bei  der  Ein  wir- 

* 

kung  des  Alkohols  auf  die  Borsäure  entsteht,  ist  nicht  un- 
bedeutend^ und  man  könnte  wohl  geneigt  sein,  die  primäre 
Reaction  in  der  einfacheren  Gleichung  : 

(€*H«)HÖ  +  B«0»  =  BHO«  +  B(€«H5)0« 

ZU  sehen,  in  welchem  Falle  das  Triäthylborat  erst  in  Folge 
einer  secondären  Reaction  des  Alkohols  auf  primär  gebildetes 
Monoäthylborat  entstehen  würde.  Wenn  dem  so  wäre,  so 
mü&te  sich  aber  neben  dem  Hydrat  BH^0'  eine  namhafte 
Menge  eines  wasserärmeren  Hydrates  vorfinden,  und  diefs  ist 
nicht  vorhanden ,  sobald  man  die  Reaction  bei  etwa  120^  vor 
sich  gehen  läfsl.    Der  gleiche  Grund  spricht  auch  gegen  die 


174  Schiff y  Untersuchungen 

Annahme  zweier,  gleichzeitig  auftretender  verschiedener 
Reactionen.    Es  bleibt  uns  also  nur  die  primäre  Reaction  : 

und  das  Honoäthylborat  mufs  secundar  entstanden  sein,  indem 
auf  ein  Holecul  Triathylborat  ein  weiteres  Molecul  Borsäure- 
anhydrid einwirkte  nach  der  Gleichung  : 

B(€«n6)»0»  +  B*08  =  3  B(G«H6)0«. 

In  der  That,  erhitzt  man  Triathylborat  mit  geschmolzener 
Borsäure  y  so  erfolgt  vollständige  Umwandlung  in  syrupases 
Honoäthylborat.  Ist  Borsäure  im  Ueberschufs  vorhanden,  so 
löst  sich  eine  kleine  Menge  hiervon  im  Aether  auf;  wendet 
man  aber  beide  Substanzen  im  Verhältnifs  der  Mischungs- 
gewichte an,  so  ist  man  im  Stande,  das  Monoätbylborat  rein 
und  fast  ungefärbt  darzustellen. 

Ich  habe  aufserdem  die  Ueberführung  des  Mono**  in 
Triathylborat  noch  dadurch  versucht,  dafs  ich  ersteres  mil 
Aethyloxyd  im  zugeschmolzenen  Rohre  einer  höheren  Tem- 
peratur aussetzte;  es  erfolgte  indessen  keine  Verbindung* 
Mit  Jodäthyl  hatte   ich  gehofft^    durch    directe  Addition  ein 

Jodhydrin  -jl^t^^  zu  erhalten,  aber  auch  dieser  Ver- 
such blieb  resultatlos.  Derartige  Hydrine  scheinen  sich  in- 
dessen durch  Einwirkung  der  Haloidverbindungen  des  Bors 
auf  die  Borsäureätber  darstellen  zu  lassen.  Triathylborat 
nimmt  das  Fluorbor  reichlich  und  unter  Erwärmung  auf  und 
es  bildet  sich  eine  aromatisch  riechende,  an  der  Luft  rau- 
chende Flüssigkeit,  welche  wahrscheinlich  zwei  verschiedene 
Fluorhydrine  enthält  Auch  das  Monoätbylborat  nimmt  reich- 
lich Fluor  auf  und  wird  dabei  dünnflüssiger.  Hier  scheini 
sich  durch  directe  Addition  ein  der  Diborsäure  entsprechen- 
des Aethyltrifluorhydrin  zu  bilden  : 


über  die  Borsäureäther, 

175 

Diborsttare 

DiboTBänre- 
trifluorhydrin 

Fi» 
Diborsäure- 
äthyltrifluorbydriD. 

Der  Umstand ,  dafs  diese  Substanzen  sehr  leicht .  zer- 
setzbar sind  und  namentlich  bei  höherer  Temperatur  das  Glas 
sehr  rasch  angreifen ,  liefs  mich  auf  eine  eingehendere  Un- 
tersuchung derselben  verzichten ;  ich  gedenke  indessen  diese 
Reactionen  spater  unter  Anwendung  von  Chlorbor  weiter 
zu  verfolgen  ♦). 


*)  Wir  haben  versnobt,  tthnlicbe  anorganische  Verbindungen  zu  er- 
zengen nnd  fanden  dabei,  dafs  die  borsauren  Alkalien  sieb  auf 
nassem  Wege  nicht  mit  den  Chlor-  oder  Jodalkalien  verbinden 
lassen.  Die  borsanren  Alkalien  lösen  allerdings  gröfsere  Mengen 
von  Jod  mit  Leichtigkeit  auf,  so*  dafs  fast  augenblicklich  Ent- 
färbung eintritt,  aber  beim  Eindampfen  erhält  man  zuerst  Poly- 
borate,  sp&ter  Jodalkalien,  und  in  der  Flüssigkeit  läfst  sich  durch 
schweflige  Säure  und  Stärkekleister  die  Cregenwart  von  Jodsäure 
darthun.    Die  Reaction  ist  also  wohl  : 

9B*K«0'  +  6  J  =  12  B'HO«^  +  6KJ  +  JK0» 

und  sie  findet  wohl  ihre  Grenzen  bei  der  Umwandlung  des  Borats 
in  Hexabomt 

Oesohmolsenee  Fluorkalinm  löst  mit  Leichtigkeit  Borsäure  im 

Verhältnifs  2KF1  :  B*0'   auf  und  bildet   damit  eine  homogene, 

zum  Theil  porcellanartige,  zum  Theil  strahlige  Masse.    Fügt  man 

mehr  Borsäure  zu,   so   wird    die  Masse    glasig   nnd   nicht  mehr 

homogen.       Die   nach  ersterem   Verhältnifs  entstehende   Masse 

schmilzt  leichter  als  ihre  beiden  Componenten  ;  kochender  Alkohol 

greift  sie  auch  nach  mehreren  Stunden  nur  wenig  an,    während 

die  Componenten  sich  darin  leicht  lösen;    sie  ist  wenig  hygro- 

scopisch,  vollständig  und  ohne  Absatz  von  Borsäure  *in  Wasser 

löslich,   kun  sie  zeigt  eher  die  Charactere  einer  Verbindung  als 

eines  Gemenges  und  könnte  wohl  als  ein  Kaliumfluorhydrin   der 

B«K«0' 
Diborsäure       ^— s^-"    betrachtet  werden.  —   Mit  Kaliumcarbonat 

Fl« 

Busammengeeohmolzen  treibt  sie  die  Kohlensäure  aus  einem  Mo- 

lecul  des  Salzes  ans  und  man  erhält  eine  strahlig-kiystalliniscbe 

opake  Masse,  welche  ebenfalls  mehr  die  Charactere  eines  Borats 


176  Schiffe   Untersuchungen 

Nach  dem  Vorhergehenden  scheint  also  nur  die  directe 
Verbindung  mit  den  Borderivaten^  nicht  aber  mit  den  Aethyl- 
derivaten  zu  gelingen.  Diefs  bestätigt  auch  das  Verhalten 
zu  Kaliumalkoholat  bei  höherer  Temperatur.  Es  gelang 
hierbei  nicht,  ein  Kaliumäthylborat  darzustellen.  Es  entsteht 
Kaliumborat  und  Triäthylbörat ,  vielleicht  nach  folgender 
Gleichung  : 

2  B(G«H'^)0«  +  G«H»KO  =  BK0«  +  B(€«H»)»0». 

Das  Monoäthylborat  zersetzt  sich  mit  den  Säurehydraten 
viel  schwieriger  als  das  Triäthylbörat.  Die  Zersetzung  ver- 
langt eine  Temperatur  von  180  bis  200*^  und  es  bilden  sich 
neben  den  entsprechenden  Aethern  wasserarme  Borsäure- 
hydrate, so  z.  B.  für  die  Essigsäure  nach  der  Gleichung  : 

B(0«H»)O«  +  0«H<O«  =  BHO«  +  G«fl»(€«H»)0«. 

Eine  weitere  interessante  Reaction  des  Monoäthylborats 
behandeln  wir  in  dem  folgenden  Abschnitt 

AethyUnborat. 

Es  ist  weiter  oben  bemerkt  worden  ^  dafs  das  Mono- 
äthylborat sich  nicht,  ohne  Zersetzung  zu  erleiden,  deslilliren 
lasse.  Läfst  man  bei  der  Destillation  des  Rohproducts  der 
Einwirkung  des  Alkohols  auf  die  Borsäure,  nach  Ebelmen's 
Angabe^  die  Temperatur  allmälig  auf  200^  steigen,  so  be- 
merkt man,  dafs  die  Destillation  zwischen  130  und  140^  sich 
verlangsamt  und  gegen  150^  fast  ganz  aufhört.  Das  Ther- 
mometer erhebt  sich   nun  rasch  auf  180  bis  190^  und   bei 


BK*0« 
an  siofa  trägt.    Man  könnte  sie  alB     — ^ —    betrachten,   entatan- 

Fl 

den  nach  der  Gleichung  : 

B»K«0»F1«  +  €K«0«  =  €0»  +  2  BK«0*P1. 

Darob  Wasser  werden  diese  Babstanaen  sersetat  und  es  wllre 
deren  Eigenthfimlichkeit  erst  noch  auf  andere  Weite  in  be- 
stätigen. 


über  die  Borsäureäther.  177 

dieser  Temperatur  beginnt  aufs  Neue  eine  reichliche  Menge 
eines  farblosen  Destillats  äberzugehen.  Wir  wissen  aus  dem 
Vorhergehenden,  dafs  das  zwischen  120  und  150^  Ueber- 
^ehende  fast  reines  Triathylborat  ist;  die  von  etwa  190^  an 
übergehende  Flüssigkeit  destiliirt  bei  der  Rectification  voll- 
ständig zwischen  120  und  130^  und  erwies  sich  ebenfalls 
als  nahezu  reines  Triathylborat.  Wir  waren  hierdurch  ver- 
anlafst,  ein  auf  synthetischem  Wege  erhaltenes  Honbathylborat 
der  trockenen  Destillation  zu  unterwerfen,  und  auch  dieses 
entliefs  gegen  190^  fast  reines  Triathylborat.  Erhalt  man 
die  Temperatur  längere  Zeit  auf  etwa  200^  so  vollendet  sich 
die  Reaction  nicht;  diefs  findet  erst  gegen  270  bis  280^  statt, 
bei  welcher  Temperatur  die  Masse  unter  Aufschäumen  die 
letzten  Portionen  von  Triathylborat  entläfst  und  dann  beim 
Erkalten  zu  einer  rissigen  glasigen  Hasse  gesteht.  Die  obere 
Schicht  ist  gewöhnlich  etwas  weich ,  weil  sie  das  noch  im 
oberen  Theil  der  Retorte  befindliche  und  zurückgeflossene 
Triathylborat  enthält;  andererseits  enthalten  die  Randschichten, 
welche  stärkerer  Hitze  ausgesetzt  waren,  freie  Borsäure; 
aofserdem  schliefst  die  Masse  kleinere  Glassplitter  ein ,  da 
man  gewöhnlich  das  Gefäfs  zerschlagen  und  in  einzelnen 
Stucken  loslösen  mufs.  Man  behandelt  daher  die  in  kleine 
Stücke  zerschlagene  Masse  mit  wasserfreiem  Aether,  welcher 
sie  sehr  langsam  auflöst,  filtrirt  von  der  ungelösten  Borsäure 
nnd  den  Glassplittern  ab,  dampft  in  einem  Kochfläschchen 
ab  und  erhitzt  schliefslich  bis  gegen  200^;  um  Aether  und 
Triathylborat  zu  entfernen.    Die  rückständige  Masse  ist 

Aethyltriborat,  B8(G«H5)9^ 

eine  geringe  Menge  freier  Borsäure  enthaltend ,  da  diese  in 
der  ätherischen  Lösung  des  Borats  sich  etwas  mehr  löst,  als 
in  reinem  Aether. 

AnaaL  d.  Ghem.  u.  Pharra.  V.  Sapplementbd.  2.  Heft.  ^2 


178  Schiff y   Untersuchungen 


Berechnet 

Gefdnden 

8B 

83                   23,25 

28,5        24,1 

€«Hß 

29                    20,40 

— 

60 

80                    66,85 

— 

142  100,00. 

Das  in  Stucke  zerschlagene  Aethyltriborat  gleicht  im 
Aeufseren  dem  arabischen  Gummi.  An  der  Luft  zieht  es 
deren  Wasserdampf  rasch  an  und  bedeckt  sich  mit  einer 
weifsen  Schicht  von  Borsaure,  welche  dann  den  weiteren 
Fortschritt  der  Zersetzung  sehr  verzögert.  Mit  flussigem 
Wasser  geht  die  Zersetzung  unter  Temperaturerhöhung  vor 
sich.  In  die  Flamme  gehalten  verbrennt  das  Präparat  mit 
grüner  Flamme,  unter  Zuräcklassung  von  kohlehaltiger  Bor- 
saure.  Uebrigens  kann  dieser  Aether  einer  Temperatur  von 
300®  ausgesetzt  werden,  ohne  eine  bedeutende  Zersetzung  zu 
erleiden. 

Das  Aethyltriborat  verdankt  seine  Entstehung  einer  Zer- 
setzung des  Monoathylborats,  welches  geradeauf  zerfällt  nach 
der  Gleichung  : 

4B(G*H»)0«  =  B(€«H'^)»0»  +  B»(€«H»)0». 

Versuche,  bei  welchen  ich  die  Zersetzung  unter  Be- 
achtung der  Gewichtsverhältnisse  vornahm,  gaben  wegen 
der  secundären  Reactionen  mehr  oder  weniger  abweichende 
Resultate.  —  Wir  kennen  eine  ganz  analoge  Zersetzung  bei 
der  Diäthylphosphorsäure,  welche  sich  in  ihren  Salzen  eben- 
falls gegen  200^  in  Triäthylphosphat  und  Aethylphosphorsäure 
spaltet  : 


*)  In  Ann.  Chem.  u.  Pharm.  GXXXIV,  347  bat  Limp rieht  eine 
einfache  DarttellnngBrnethode  des  Photphonftareäthers  beschrie- 
ben, beruhend  auf  der  Umsetzang  des  PhosphorylchloridB  mit 
Natriomalkobolat.  Ich  hatte  früher  (daselbBt  CI,  806)  mitge- 
theilt,  daflB  auch  bei  directer  Einwirkung  dei  Oxychlorids  «uf 
absoluten  Alkohol  Phosphors&ureftther  entstehe.     Da  die  Eige&> 


über  die  Borsäureäther.  179 

und  ähnlich   ist   ferner   die  Spaltung  des  Aethyldisilicats  in 
Kieselsaure  und  Diatbylsilicat  : 

Es  ist  mir  nicht  gelungen,  das  Aethyltriborat  durch  Ver- 
einigung des  Monoathylborats  mit  einem  weiteren  Holecul 
Borsöureanhydrid  darzustellen;  andererseits  gelang  es  auch 
nicht,  das  Triborat  direct  mit  Aethyloxyd  oder  Jodathyl  zu 
Terbinden. 

Der  absolute  Alkohol  wirkt  auf  das  Triborat  in  ahnlicher 
Weise  zersetzend,  wie  auf  das  Honoborat,  aber  die  Reaction 
ist  weniger  energisch  und  vollendet  sich  erst  bei  höherer 
Temperatur.  Lafst  man  Triborat  mit  absolutem  Alkohol  in 
einem  Röckflufsapparat  einige  Stunden  kochen,  so  krystalli- 
sirt  beim  Erkalten  Borsaurehydrat  und  bei  der  Destillation 
erhält  man  neben  Alkohol  Triäthylborat,  nach  der  Gleichung : 

Die  Borsäureäther  von  Ebelmen, 

m 

Wir  haben  im  Früheren  eine  kritische  Besprechung  der 
auf  das  Hydrat  B^H^O^   zu  beziehenden  Borsäureather   von 


Schäften  dieses  Products  Ton  Limpricht's  reinem  Präparat 
abwichen,  so  habe  iob  den  Versnob  nocbmala  wiederholt  und 
gefanden,  dafs  die  rasche  Sänernng,  welche  bei  meinem  Präpa- 
rat auf  Zusatz  von  Wasser  eintrat,  auf  einem  Gehalt  an  Di- 
äthylphospborsäure  beruhte.  Es  entsteht  dieselbe  jedesmal,  wenn 
man  das  Ozjchlorid  in  gröfseren  Mengen  dem  Alkohol  sultigt 
and  wenn  man  die  Operation  nicht  bei  guter  Abkühlung  vor- 
nimmt. Der  Gehalt  an  Diäthylphospborsäure  giebt  sich  nicht 
in  der  concentrirten ,  wohl  aber  in  der  mit  Wasser  verdünnten 
Flüssigkeit,  durch  die  Reaction  auf  Lackmus,  ieu  erkennen.  Nach 
der  Destillation  erhält  man  eine  Flüssigkeit,  welche  sich  mit 
Wasser  erst  nach  einiger  Zeit  säuert;  der  Destillationsrückstand 
ist  meist  Phosphorsäure.  Oben  erwähnte  Umsetzungs weise  der 
Diätbylphospborsäure  scheint  also  nicht  allein  bei  dep  Balsen, 
sondern  auch  bei  der  freien  Säure  stattzufinden. 

12» 


180  Schiff y  Untersuchungen 

Ebelmen  verschoben,  um  zuerst  das  Material  für  diese 
Kritik  zu  sammeln.  Nun  da  wir  das  Material  zusammenge- 
stellt haben,  ist  die  Kritik  fast  unnöthig  geworden.  Wir 
brauchen  nämlich  nur  daran  zu  erinnern,  dafs  Ebelmen  zur 
Darstellung  seines  Aethers  nur  bis  200^  erhitzt,  und  daran, 
dafs  nach  dem  Vorhergehenden  die  Zersetzung  des  Mono- 
äthylborats  bei  etwa  190(>  beginnt  und  sich  bei  270  bis  280<> 
vollendet,  und  man  wird  sogleich  erkennen,  dafs  Ebelmen 
eine  Substanz  untersucht  hatte,  welche  sich  mitten  in  einer 
Reaction  befand  und  demnach  ein  Hischproduct  gewesen 
sein  mufs.  Es  geht  diefs  auch  aus  E beim en*s  Analysen  und 
sonstigen  Angaben  deutlich  hervor.  Was  E  b  e  1  m  e  n  's  Ana- 
lysen betrifln,  so  wurde  die  Borsäure  in  der  Art  bestimmt, 
dafs  er  die  Verbindung  durch  Ammoniak  zersetzte,  ein- 
dampfte und  das  rückständige  Borsäureanhydrid  wog.  Nach 
E  b  e  1  m  e  n  's  eigener  Angabe  bewirkt  hierbei  die  Verflüchtigung 
der  Borsäure  beim  Abdampfen  einen  Verlust  von  2  bis 
3,5  pC.  Nach  Versuchen,  welche  Bechi  und  ich  mit  ge- 
schmolzener Borsäure  und  mit  reinem  Triäthylborat  angestellt 
haben,  sind  diese  Zahlen  als  Minimum  zu  betrachten;  der 
Verlust  kann  bis  gegen  5  pC.  betragen  und  ist  bei  dem 
Aether  (wohl  wegen  des  verdampfenden  Alkohols)  gröfser, 
als  bei  Anwendung  von  reiner  Borsäure.  —  Die  Bestimmung 
des  Kohlenstofis  ist  mit  einem  Verlust  verbunden,  da,  wie  be- 
reits oben  bemerkt  wurde,  die  geschmolzene  Borsäure  Kohle 
einschliefst  und  vor  der  Verbrennung  schützt  Der  Wasser- 
stofi*  könnte  eher  zu  hoch  gefunden  werden,  da  die  Substanz 
sehr  rasch  Wasser  anzieht;  es  ist  hier  aber  andererseits  zu 
beachten,  dafs  bei  der  Umsetzung  mit  dem  angezogenen 
Wasser  ein  Freiwerden  von  Alkohol  verbunden  ist,  welcher 
sich  in  geringer  Menge  verfluchtigen  und  hierdurch  eine 
Compensation  veranlassen  könnte.  Das  Uebrige  ergiebt  sich 
aus   folgender  Zusammenstellung,  bei   welcher  wir  das  Bor 


über  die  Borsäureä'iher,  181 

als  Borsaureanhydrid  aufföhren ,  weil  E  b  e  1  m  e  n  's  Analysen 
sich  direct  auf  dieses  beziehen. 

a.  b. 

B*Et«0^  Ebelmen  BEtO«  B»Et0ß  V4(*+8b)  VsCa+^h) 

Borsäure             65,4           66,8          48,6  74,0           67,7           68,9 

Kohlenstoff       22,4           19,8           88,8  16,9           21,0           20,2 

Wasserstoff         4,7             4,4             7,0  3,5             4,3             4,2 

Säuerst.  Rest       7,5            9,0           11,1  5,6            7,0            6,7 

100,0         100,0         100,0         100,0         100,0         100,0. 

Dafs  die  von  Ebelmen  analysirten  Präparate  nicht  die 
Verbindung  B*(G*H^)*0^  gewesen  sein  können,  ergiebt  sich 
zunächst  aus  dem  Gehalt  an  Borsäure.  Ebelmen  fand 
1^  pC.  zu  viel ,  trotzdem  die  Analyse  einen  Verlust  von  4 
bis  5  pC.  bedingt  und  seine  66,8  pC.  wohl  in  Wirklichkeit 
einem  Präparat  mit  69  bis  70  pC.  Borsäure  entsprechen. 
Wir  bemerken  hierzu,  dafs  Ebelmen 's  Präparat  mittelst 
Aether  gereinigt  war  und  die  Menge  beigemengter  Borsäure 
also  nur  eine  sehr  geringe  gewesen  sein  kann.  Der  Wasser- 
stoff ist  für  seine  Formel  zu  niedrig,  besonders  wenn  man 
beachtet,  dafs  die  Natur  der  Verbindung  ihn  eher  höher  be- 
dingen sollte  und  dafs  aufserdem  der  Wasserstoff  gewöhnlich 
etwas  zu  hoch  gefunden  wird.  Das  von  Ebelmen  analysirte 
Präparat  bestand  wohl  zum  gröfseren  Theil  aus  Aethyltribo- 
rat ,  welchem  aber ,  da  die  Temperatur  auf  200^  erhalten 
wurde,  noch  unzersetztes  Honoäthylborat  beigemengt  war. 
In  obiger  Zusammenstellung  findet  sich  neben  der  Procent- 
zosammensetzung  der  beiden  letzteren  Aether  noch  diejenige 
eines  Gemenges  von  einem  Aequivalent  Honoäthylborat  mit 
drei  und  mit  vier  Aequivalenten  Aethyltriborat.  Diese  Ge- 
menge scheinen  am  Ehesten  die  Zusammensetzung  des  von 
Ebelmen  analysirten  Präparats  auszudrucken.  Auf  die  be- 
deutende Differenz  im  Sauerstoffrest  kann  natürlich  kein  Ge- 
wicht gelegt  werden,  da  auf  diesen  Posten  sich  alle  Fehler 


182  Schiff y  Untersuchungen 

der  Analyse  häufen.  Auch  die  von  Ebelmen  seinem  Prä- 
parat zugeschriebenen  Eigenschaften  deuten  auf  ein  Misch* 
product  hin.  Das  Monoäthylborat  ist  ein  dickflüssiges  Oel, 
das  Aethyltriborat  ist  ein  Glas,  welches  unter  dem  Hammer 
zerspringt*);  Ebelmen 's  Präparat  dagegen  war  „un  verre 
^dejä  un  peu  mou  k  la  temperature  ordinaire  et  qu'on  peut 
,,etirer  en  fils  tres-fins  vers  40  degres^.  Eine  derartige 
Substanz  erhielten  wir  in  der  That,  als  wir  in  zwei  Versuchen 
die  Temperatur  bei  der  Zersetzung  des  Monoathylborats  auf 
etwa  210^  erhielten.  Diese  Präparate  gaben  21,1  und  22  pC. 
Bor,  entsprechend  67,1  und  70  pC.  Borsäureanhydrid.  Man 
sieht  hieraus,  dafs  unsere  Analysen  diejenigen  von  Ebel- 
men nahezu  bestätigen,  und  wenn  dem  von  ihm  analysirten 
Körper  die  Formel  B\fi'^H*)^0''  nicht  zugeschrieben  werden 
kann  und  es  auch  uns  nicht  gelungen  ist,  Verbindungen, 
welche  dieser  Formel  entsprechen,  darzustellen  :  so  ist  damit 
noch  keineswegs  erwiesen ,  dafs  solche  Verbindungen  nicht 
existiren  und  dafs  sie  sich  nicht  in  ganz  ähnlicher  Weise 
bilden,  wie  die  anderen  nicht  gesättigten  Borsäureäther.  — 
Das  hier  bezuglich  der  Aethylverbindung  Dargelegte  gilt 
auch  fär  die  entsprechende  Methylverbindung,  welche  wir 
in  dem  folgenden  Abschnitt  kennen  lernen  werden**). 


*)  Wozu  wir  noch  bemerken,  dafs  wir  mit  dieser  Substanz  bei  der 
höchsten  Sommertemperatar  (1865)  tob  36^5  C.  im  Sohatten 
arbeiteten,  während  Ebelmen 's 'Angaben  sich  wohl  auf  eine 
Temperatur  von  unter  20^  C.  beziehen. 
**)  Es  ist  hier  noch  an  zwei  Bildungsweisen  der  Borsäureäther  zu 
erinnern,  bei  welchen  der  Autor,  sich  auf  Ebelmen's  Arbeiten 
stützend,  die  Bildung  Ton  Aether  B^Et*0^  annimmt.  Basse tt 
bespricht,  gelegentlich  seiner  Mittheilungen  über  Triäthjlformiat 
(Jahresber.  für  Chemie  u.  s.  w.  1863,  8.  484)  und  über  Tetrftthyl- 
carbonat  (daselbst  1864,  8.  476),  die  Umsetzung  beider  mit 
Borsäureanhydrid.  Bei  der  Destillation  bis  200*'  bildet  das  For- 
miat  Aethylozyd  und  Aethylformiat,  das  Carbonat  nur  Aethyl- 
oarbonati   während   in   der  Betorte  ein  syrupöser  Borsäureäther 


über  die  Borsäureäther.  183 

Meihylderivate  der  Borsäure. 

Zur  Darstellung  dieser  Verbindungen  sollte  man  nur  voll- 
kominen  reinen  Methylalkohol  anwenden.  Wir  haben  Holz- 
ge\s\  angewandt^  welcher  nur  durch  mehrmalige  fractionirte 
Deslillation  und  einmalige  Behandlung  mit  Chlorcalcium  ge- 
reinigt worden  war,  und  haben  spater  mit  Wegschaffung 
fremder  Beimengungen  und  mit  Analysen  unreiner  Producte 
mehr  Zeit  verloren,  als  diefs  auch  bei  der  zeitraubendsten 
Reinignngsmethode  des  Holzgeistes  der  Fall  gewesen  wäre. 
Die  Einwirkung  des  Holzgeistes  auf  die  geschmolzene  Bor- 
säure wurde  in  ganz  ähnlicher  Weise  ausgeführt,  wie  wir 
diefs  oben  bei  Darstellung  der  Aethylderivate  beschrieben 
haben.  Die  Temperatur  des  Oelbades  wurde  auf  etwa  100^ 
erhalten.  Der  Digestor  enthielt  nach  der  Reaction  eine 
braune  trübe  Flüssigkeit  und  am  Boden  eine  theerartige 
Hasse.  Man  destillirte  von  derselben  so  lange  ab ,  bis  das 
Thermometer  100^  zeigte.  Das  klare  Destillat  bräunte  sich 
bei  Zusatz  von  Schwefelsäure  und  es*  konnte  hieraus  kein 
auch  nur  annähernd  reiner  Aether  abgeschieden  werden.  Es 
wurde  daher  der  Destillationsrückstand  mit  dem  Bodensatz  im 
Digestor  vereinigt  und  zur  Ueberführung  des  Honomethylborats 
in  Trimethylborat  einige  Stunden  mit  frischem  Methylalkohol 
auf  100^  erhitzt  und  von  der  Flüssigkeit  dann  aufs  Neue  ab- 
destillirt,  bis  das  Destillat  anfing,  sich  dunkelgelb  zu  färben. 


zarfickbleibt,  von  welchem  Bassett  wahrBcheinlicfa,  wie  früher 
Ebelmen,  anoimmt,  er  werde  theilweise  mit  den  aoderen  Aber- 
d«0tiUirMiden  FlÜBtigkeiten  übergerissen.  Die  Beactionen  gehen 
aber  wahrfloheinlioh  nach  folgenden  einfachen  Gleichungen 
vor  sich  : 

2€HEt^d«  +  B«0«  =  2BEÄ«  +  Et"4>  +  2€HEt0^  und 
6Et«0«     +  B«0»  =  2BEtO«  +  CEt«0«. 

Da  die  Erhitzung  bis  200^  getrieben  wurde,  so  ist  evident, 
dafs  der  etwa  im  Destillat  befindliche  BorsftureAther  von  ser- 
setitem  Monottthjlborat  herrührt. 


184  Schiffe  Untersuchungen 

Dieses  Destillat  wurde  zasaromen  mit  dem  euerst  erhaltenen 
mit  Vio  Gewicht  an  geschmolzener  Borsanre  6  Stunden  lang 
auf  100^  erhitzt.  Die  aufs  Neue  rothbraun  gefärbte  Flüssig- 
keit gab  nach  Destillation  und  Behandlung  einer  Probe  mit 
Schwefelsaure  immer  noch  keinen  reinen  Borsaureäther.  Es 
wurde  daher  die  Behandlung  mit  geschmolzener  Borsaure 
noch  zweimal  vorgenommen,  um  möglichst  alles  Trimethyl- 
borat  in  Monom ethylborat  umzuwandeln,  und  das  so  erhaltene 
gefärbte  Präparat  wurde  endlich  durch  nochmals  gereinigten 
Methylalkohol  wieder  in  Trimethylborat  übergeführt  und  dieses 
durch  Schwefelsäure  und  wiederholte  Destillation  weiter  ge- 
reinigt. Diese  Reinigung  wird  durch  den  Umstand  erschwert, 
dafs  das  Trimethylborat  gegen  65^  siedet  (72^  Ebelmen  und 
Bouquet)  und  also  nahezu  denselben  Siedepunkt  hat,  wie  der 
Methylalkohol  und  einige  seiner  gewöhnlichen  Verunrei- 
nigungen. In  der  That  gab  der  Aether  mit  concentrirtör 
Schwefelsäure  eine  röthliche  Lösung  und  bei  der  Analyse 
nur  10,2  pC.  Bor,  während  die  Formel  B((:H«)8e»  10,6  pC. 
verlangen  würde.  Das  specifische  Gewicht  wurde  zu  0,915 
bei  20^  und  0,940  bei  0^ bestimmt ;  Ebelmen  und  Bouquet 
fanden  dasselbe  zu  0,955  bei  0^.  Die  chemischen  Reactionen 
dieses  Aethers  sind  ganz  dieselben  wie  beim  Triäthylborat 
Die  Flamme  des  brennenden  Trimethylborats  unterscheidet 
sich  von  derjenigen  der  entsprechenden  Aethylverbindung 
dadurch,  dafs  bei  letzterer  die  Flamme  noch  einen  unge- 
färbten Kern  zeigt,  Während  erstere  eine  intensiver  gefärbte, 
vollkommen  grüne  Flamme  bildet.  Ebelmen  hatte  diefs  be- 
reits beobachtet  und  daraufhin  vorgeschlagen,  bei  der  Prüfung 
auf  geringe  Mengen  von  Borsäure  Holzgeist  statt  des  Wein- 
geistes anzuwenden,  einen  Vol^chlag,  welchen  wir  auch  un- 
sererseits den  Mineralanalytikern  angelegentlichst  empfehlen 
können.  Ebelmen  glaubt,  dafs  die  gröfsere  Intensität  der 
Färbung  dadurch  zu  erklären  sei,   dafs  der  Holzgeisl  schon 


über  die  Bar  säur  eäiher.  185 

an  and  f  ür  sich  eine  farblosere  Flamme  bilde,  als  der  Wein- 
geist. Ohne  Zweifel  ist  auch  dieser  Factor  zu  beröcksich- 
tigen,  aber  die  Ursache  des  Phänomens  liegt  doch  wohl  eher 
darin,  dafs  die  Methylverbindung  weit  flüchtiger  und  weit 
borsinrereicher  ist,  als  die  Aethylverbindung,  so  dafs  in  der- 
selben Zeiteinheit  von  ersterer  relativ  und  absolut  mehr  Bor- 
siure  zur  Verbrennung  gelangt^  als  von  letzterer. 

Die  oben  erwähnten,  vielfach  wiederholten  Operationen 
fallen  weg,  wenn  man  zur  Darstellung  des  Aethers  voll- 
kommen reinen  Methylalkohol  anwendet,  und  in  diesem  Falle 
würd  man  auch  direct  aus  dem  Destillationsrückstand  ein 
nahezu  reines  Monomethylborat  gewinnen  können.  Es  ist 
diefs  in  unserem  Falle  natürlich  nicht  gelangen;  die  ftück- 
stande  zeigten  (das  gefundene  Bor  als  Monomethylborat  be- 
rechnet) bis  zu  Vs  fremdartiger  Beimengungen.  Wir  haben 
daher  alle  bei  den  verschiedenen  Behandlungen  gesammelten 
Röckstfinde  durch  Erhitzen  mit  Holzgeist  in  Trimethylborat 
verwandelt^  und  aus  diesem  durch  Addition  von  Borsaure, 
Reinigung  durch  wasserfreien  Aether  und  schliersliches  Er- 
hitzen bis  auf  80^  ein  reineres  Monomethylborat  dargestellt. 
Da  die  Beimengungen  zum  grofsen  Theil  unterhalb  8(F  flüch- 
tig sind,  so  erhält  man  auf  diese  Weise  auch  aus  nicht  ganz 
reinem  Trimethylborat  ein  Präparat,  dessen  Borgehalt  der 
Formel  B(6H')0^  sehr  nahe  entspricht. 


Berechnet 

Gefunden 

B 

11                18,9 

17,8        18,1 

eH' 

16                26,0 

.-. 

20 

32               55,1 

— 

58  100,0. 

Man  sieht,   dafs   immer  noch  kleine  Beimengungen  zu- 
gegen waren,  und  die  Präparate   waren   in   der  That  mehr 
gefärbt,  als  die  des  Monoäthylborats.    Von  letzterem  Aether  - 
unterscheidet   sich   die   Methylverbindung    aufserdem  durch 


J 


186  Schiffy  Untersuchungen 

gröfsere  Dickflussigkeit;  das  chemische  Verhalten  ist  dagegen 
bei  beiden  ganz  dasselbe.  Einer  höheren  Temperatur  auft* 
gesetzt  beginnt  die  Zersetzung  gegen  160^,  es  destillirt  Tri- 
methylborat,  welches  einen  grofsen  Theil  der  Verunrei- 
nigungen des  Monomethylborats  enthalt,  und  bei  etwa  250^ 
bleibt  eine  zähe  Hasse ,  welche  beim  Erkalten  zu  einem 
harten  gefärbten  Glase  erstarrt.  Mittelst  Aether  gereinigt 
stellt  dieselbe 

Methyüriboraty  B8(€H«)9* 


reinem  Zui 

Stande  dar. 

Berechnet 

Gefunden 

8B              88 

25,8 

26,4 

€H»          15 

11,7 

• 

— 

5^            80 

62,5 

«MM 

128  100,0. 

Das  chemische  und  physikalische  Verhalten  dieser  Ver^ 
bindung  ist  wieder  ganz  dasjenige  des  Aethylderivats.  Wie 
dieses  färbt  es,  in  die  Flamme  gehalten,  letztere  grün,  bildet 
Trimethylborat,  wenn  man  es  mit  Methylalkohol  erhitzt,  und 
zersetzt  sich  mit  Wasser  augenblicklich  unter  Räokbildung 
der  Componenten. 

Was  die  früher  von  E  b  e  1  m  e  n  analysirte  und  auf  einen 
Aether  B^(GH')^0^  bezogene  Substanz  betrifft,  so  kann  auf 
dieselbe  die  gleiche  Argumentation  angewandt  werden,  wie 
auf  das  Aethylderivat.  Bbelmen  bestimmte  in  zwei  Präpa- 
raten den  Borsauregehalt  und  fand  etwa  70  pC;  es  entspricht 
diefs  nahezu  einem  Gemenge  von  gleichen  Aequivalenten  Ho- 
nomethylborat  und  Hethyltriborat;  dieses  würde  71  pC.  Bor- 
saure verlangen.  —  Auf  methylhaltige  DoppeUther  der  Bor- 
säure kommen  wir  zuräck,  nachdem  wir  im  Folgenden  zu- 
erst die  Amylborate  besprochen  haben  werden. 


über  die  Borsäureäther.  187 

Amylderwate  der  Borsäure. 
Zur  Darstellung  der  Amylather  diente  der  nach  öfterer 
firactionirter  Destillation  zwischen  130  und  134^  siedende  An- 
theil  des  rohen  Fuselöls;  der  gereinigte  Alkohol  hatte  bei 
180  eine  Dichte  von  0,819.  —  Auf  vier  Theile  Amylalkohol 
nimmt  man  einen  Theil  Borsaureanhydrid  und  erhält  die 
Temperatur  des  Oelbades  zwölf  Stunden .  lang  auf  160  bis 
180^.  —  Von  der  nur  schwach  gelb  gefärbten  Flüssigkeit 
destillirt  man  bis  zu  200^  ab,  benutzt  das  bis  dahin  Ueberge- 
gangene  zu  einer  zweiten  Operation,  und  setzt,  nachdem  die 
gelöste  Borsäure  auskrystallisirt  ist,  die  Destillation  fort,  bis 
die  Flüssigkeit  eine  Temperatur  von  TSO^  besitzt.  Was  bei 
der  Rectification  unter  245^  übergeht,  wird  zur  Trennung 
▼on  Amylalkohol  und  Triamylborat  mit  wenig  concentrirter 
Schwefelsäure  versetzt  und  die  obere  Schicht  zusammen  mit 
dem  über  245®  siedenden  Rest  der  ursprünglichen  Flüssig- 
keit so  lange  fractionirt  destillirt ,  bis  man  daraus  eine  zwi- 
schen 250®  und  258®  siedende  Flüssigkeit  abgesondert  hat. 
Nur  wenn  man  über  einige  hundert  Gramme  des  Aethers 
gebietet,  beobachtet  man,  dafs  der  Siedepunkt  sich  längere 
Zeit  zwischen  253  und  255®  erhält,  und  es  geht  dann  bei 
dieser  Temperatur  eine  gröfsere  Menge  über.  Bei  kleineren 
Mengen  erhält  sich  der  Siedepunkt  nicht  constant,  weil  sich 
der  Aether  während  des  Siedens  etwas  zersetzt.  In  der 
That  bleibt  bei  jedesmaliger  Destillation  ein  sich  bräunender 
Rfickstand.  Man  kann  das  Triamylborat  auch  durch  Zer- 
Setzung  des  Triäthylborats  mittelst  Amylalkohol  bei  160  bis 
180^  erhalten,  aber  die  Reinigung  ist  in  diesem  Falle  viel 
schwieriger,  da  die  Flüssigkeit  noch  andere  Aether  enthält, 
deren  Trennung  nur  mittelst  sehr  häufiger  fractionirter  Destil- 
lation einigermafsen  gelingt.  Wir  setzen  den  Siedepunkt 
des  Triamylborats  zu  254®  bei  760°"°"  (uncorrigirt) ;  Bb  e  1  m  e n 
und  Bouquet  setzen  denselben  allerdings  viel  höher,  näm- 


188  Schiff,   Untersuchungen 

lieh  za  270  bis  275^,  aber  sie  geben  selbst  an,  dafs  sie  nur 
eine  geringe  Menge  des  Aethers  besafsen,  welcher  ohne 
Zweifel  fremdartige  Beimengungen  enthielt. 

Die .  nachfolgenden  Analysen  beziehen  sich  auf  das 
Destillat  253  bis  255^  (a.),  auf  das  zwischen  255  und  262^ 
Uebergegangene  (b,\  und  auf  ein  aus  Triöthylborat  und  Amyl* 
alkohol  dargestelltes  Präparat  (c). 

Berechnet  a. 

B                    11                4,1  4,10 

SG'^H"           218              78,8  78,10 

30                   48              17.6  — 

272  100,0. 


6. 

c. 

4,26 

4,15 

77,80 

78,50*) 

*)  Bei  den  Amylderiyaten  der  Borsäare  wurde  der  bei  der  Zer- 
setzung sich  ahscheidende  Amylalkohol  direct  bestimmt.  In  einer 
getheilten  Röhre,  an  welcher  noch  0,02  CC.  genau  abgelesen 
werden  konnten,  wurden  etwa  5  Grm.  Aether  genau  abgewogen 
und  dann  das  doppelte  bis  dreifache  Volum  einer  Kalilauge  au- 
gefügt, welche  8  pC.  käuflichen  Hydrats  enthielt.  Die  Ablesung 
des  ausgeschiedenen  Amylalkohols  wurde  bei  etwa  20^  vorge- 
nommen ,  für  welche  Temperatur  die  Dichte  des  angewandten 
Alkohols  bestimmt  wordep  war.  Von  dem  direct  abgelesenen 
Yolufli  müssen,  nach  besonders  in  dieser  Hinsicht  vorgenom* 
menen  Bestimmungen,  3  pC.  in  Abzug  gebracht  werden.  Der 
gemessene  und  auf  Gewicht  reducirte  Amylalkohol  wurde  dann 
auf  Amyl  (€^H^^)  umgerechnet  Wir  bemerken  bei  dieser  Ge- 
legenheit,  dafs  die  8  pC.  durchaus  nicht  die  Löslichkeit  des 
Wassers  in  Amylalkohol  ausdrücken ,  da  andererseits  auch  die 
verdünnte  Kalilauge  eine  sehr  geringe  Menge  Amylalkohol  auf- 
löst. Schüttelt  man  eine  gemessene  Menge  Amylalkohola  mit 
destillirtem  Wasser,  so  wird  das  Volum  des  ersteren  um  etwa 
6  pC.  vermehrt.  Andererseits  löst  aber  auch  reines  Wasser  mehr 
Alkohol,  als  kalihaltiges ;  auf  Zusats  von  geringen  Mengen  von 
Kali  scheidet  sich  in  der  That  etwas  Alkohol  aus.  Bei  mehr 
als  10  pG.  Kaligehalt  nimmt  das  Lösungsvermögen  des  Amyl- 
alkohols für  die  Kalilauge  rasch  und  bedeutend  eu,  und  die  Tren- 
nung der  zwei  Schichten  erfolgt  mit  zunehmendem  Kaligehalt 
immer  schwieriger.  Der  oben  erwähnte  Kaligehalt  von  8  bis 
10  pC.  erlaubt  eine  ziemlich  rasche  Schichtentrennung  und  be- 
wirkt nahezu  das  Minimum  der  Volumzunahme  des  Amylalkohols. 


über  die  Barsäureäther,  189 

Die  specifischen  Gewichte  wurden  bestimmt 

für  Präparat  a.  0,840  bei  28<>;  0,872  bei  0^ 

für  Pr&parat  fr.  0,855  bei  28^ 

für  Präparat  c.  0,852  bei  24°;  0,872  bei  0^ 

Die  Ausdehnung  des  Triamylborats  zwischen  0^  und  30^ 
ist  also  nahezu  die  gleiche,  wie  bei  den  Amylathern  der  Ben- 
zoesäure und  Valeriansäure  nnd  bei  dem  Amylalkohol  selbst.  — 
Die  chemischen  Reactionen  des  Triamylborats  sind  ganz  die- 
jenigen der  cfrei-alkoholischen  Borate  des  Aethyls  und  Me- 
thyls. Bezüglich  der  Brennbarkeit  unterscheidet  es  sich  aber 
Ton  letzteren  beiden  Aethern  dadurch,  dafs  es  nur  vermittelst 
eines  Dochtes  brennt  und  eine  leuchtende  Flamme  giebt, 
welche  nur  im  unteren  Theil  in  der  Nahe  des  Dochtes  grün 
gefärbt  ist 

Nachdem  mit  dem  Product  der  Einwirkung  des  Amyl- 
alkohols auf  das  Borsfiureanhydrid  nach  den  vorstehenden 
Angaben  verfahren  worden,  kann  man  den  Rückstand  zur 
Entfernung  der  letzten  Antheile  von  Triamylborat  noch  bis 
anf  290^  erhitzen.  Er  färbt  sich  dabei  dunkelgelb  und  nach 
dem  Erkalten  erhält  man  ein  dickes  Oel,  etwa  von  der  Con- 
sistenz  der  concentrirten  Schwefelsäure.  Diefs  ist  nahezu 
reines 

MonoamylboraU  B(r.ftH»Oö^ 


Berechnet 

Gefunden 

B 

11                9,6 

9,5 

€*H" 

71              62,8 

63,3 

20 

82              28,1 

— 

114  100,0. 

Specifisches  Gewicht  :  0,949  bei  20^  und  0,971  bei  0^ 
Obwohl  dieser  Aether  viel  flüssiger  ist,  als  die  betrefi^ende 
Aethyl-  und  Methylverbindung,  so  ist  er  doch  unter  gewöhn- 
lichem Luttdruck  nicht  unzersetzt  flüchtig;  wahrscheinlich 
destillirt  er  aber  im  stark  luflverdunnten  Raum.    Er  destillirt 


190  Schiff,  Untersuchungen 

ferner  mit  den  Dfimpfen  des  Triamylborats,  und  die  zwischen 
260  und  280^  uberg^ehenden  Portionen  enthalten  eine  nicht 
unbedeutende  Heng^e  von  Monoamylborat ,  so  dafs  sich  das 
specifische  Gewicht  dieses  Antheils  bei  25^  bis  auf  0,86  er- 
hebt. —  Das  Monoamylborat  ist,  selbst  bei  Anwendung  eines 
Dochtes,  nur  wenig  verbrennlich;  die  Flamme  zeigt  nur  an 
der  Basis  eine  schwache  grüne  Zone. 

Der  Aether  kann  auch  direct  durch  Erwärmen  von  Tri* 
amylborat  mit  Borsdureanhydrid  erhalten  werden,  sowie  an«- 
dererseits  die  Einwirkung  des  Amylalkohols  unter  Erwärmung 
und  nach  der  Gleichung  : 

3B(€»H")0»  +  8G*H«0  =  2B(€*H")»0*  +  BH'O» 

die  Ruckbildung  von  Triamylborat  veranlafst.  Im  Allgemeinen 
sind  die  Reactionen  dieser  Verbindung  denjenigen  der  an- 
deren monoalkoholischen  Borate  ganz  analog.  Monoamylborat 
kann  bis  300<)  erhitzt  werden,  ohne  sich  wesentlich  zu  ver- 
ändern. Oberhalb  dieser  Temperatur  erfolgt  Zersetzung, 
welche  bei  dem  Siedepunkt  des  Quecksilbers  noch  nicht  be- 
endet ist.  Es  destillirt  Triamylborat  mit  ziemlichen  Mengen 
von  Monoamylborat,  und  es  bleibt  zuletzt  eine  glasige  Masse, 
welche  Borsaure,  Kohle  und  andere  Verunreinigungen  ent^ 
hält.  Ohne  Zweifel  ist  in  dieser  Masse  Amyltriboral 
B^(€'^H'^)0'^  enthalten;  wir  haben  uns  indessen  mit  seiner 
Reindarstellung  nicht  weiter  beschäftigt. 

Die  Analyse,  welche  Ebelmen  von  seiner  Amylver- 
bindung  mittheilt,  stimmt  zwar  besser  mit  seiner  Formel 
B^Am^O^  überein,  als  diefs  bei  den  entsprechenden  Aethyl- 
und  Methylderivaten  der  Fall  ist;  hingegen  weichen  seine 
übrigen  Angaben  derart  von  unseren  Beobachtungen  ab,  dafs 
wir  darauf  verzichten  müssen,  beide  durch  eine  genugende 
Erklärung  in  Uebereinstimmung  zu  bringen.  Er  erhitzt  zwei 
Theile  Amylalkohol  mit  einem  Theil  Anhydrid,  destillirt  dann 
bis  1800,  extrahirt  mit  Aether  und  destillirt  den  Ruckstand 


über  die  Bor  säur  eäther.  191 

des  Aetherauszugs  bis  250  bis  270o.  Hierbei  wird  allerdings 
der  gröfste  Theii  des  Triamylborats  entfernt,  aber  der  Rück- 
stand hat  nach  unseren  Beobachtungen  nie  die  glasige  Be- 
schaffenheit, von  welcher  Ebelmen  spricht.  Wir  erhielten 
in  diesem  Falle  immer  ein  flüssiges  Gemenge  von  Mono-  und 
Triamylborat ,  welches  bei  300<>  eine  Veränderung  erleidet, 
während  nach  Ebelmen  der  durch  Erhitzen  bis  270<>  er- 
haltene Rückstand  sich  bei  300<>  nicht  weiter  verandern  soll. 
Es  liegt  hier  also  ein  offenbarer  Widerspruch  vor. 

Doppeläther  der  Borsäure. 

Wenige  Linien  weiter  oben  haben  wir  nochmals  die 
Gleichung  gegeben,  nach  welcher  die  monoalkoholischen  Bo- 
rale unter  dem  Einflars  der  entsprechenden  Alkohole  sich  in 
drei-alkoholische  Borate  umwandeln.  Unterwirft  man  das 
monoalkoholische  Borat  der  Einwirkung  eines  Alkohols,  ver- 
schieden von  demjenigen,  welcher  zur  Darstellung  des  Borats 
gedient  hatte,  so  müssen  mittelst  einer  analogen  Umsetzung 
entweder  zwei  drei-alkoholische  Aether,  jeder  mit  drei  gleichen 
Alkoholradicalen,  entstehen*)  : 

SBEtO*  +  SAmHO  =  BEtaO»  +  BAm'O«  +  BH»0«, 

oder  es  müssen  sich  Doppelather  bilden  : 

8BEtO>  +  SAmHO  =  ÄEtAm'O»  +  BAmEt«0»  +  BH»0>. 

Es  zeigte  sich ,  dafs  die  Reaclion  vorzugsweise  nach 
letzterer  Gleichung  erfolgt,  dafs  aber  ersiere  dabei  nicht 
aosgeschlossen  ist. 

200  Gramme  Monoäthylborat  wurden  in  einem  Kolben 
mit,  300  Grammi^n  Amylalkohol  übergössen.  Es  4ritt  sogleich 
starke  Erwärmung  ein  und  die  Reaction  beginnt  unter  Ab- 
scbeidung  von  Borsäure.     Zur   Vervollständigung  iiefs  man 


•)  Der  Kurse  halber   seUen    wir   Me   =  ©H»,    Et   =   €«H*   und 

Am  e-r  em^K 


192  Schiff y   Untersuchungen 

das  Gemeng[e  zehn  Stunden  lang  an  einem  Röckflufsapparat 
sieden,  gofs  nach  12  stündiger  Ruhe  von  der  auskrystallisirten 
Borsäure  ab  und  unterwarf  die  gelbe  Flüssigkeit  der  fractio- 
nirten  Destillation.  Bei  der  ersten  Destillation  ging  nur  wenig 
unterhalb  200^  über,  mehr  als  ein  Drittel  der  Flüssigkeit 
zwischen  200»  und  240%  der  Rest  bis  280o.  Neben  etwas 
Borsaure  fand  sich  dann  noch  etwas  Monoamylborat  in  der 
Retorte;  das  Honoathylborat  war  vollständig  zersetzt.  Ob* 
wohl  wir  über  nahezu  ein  Pfund  Flüssigkeit  geboten,  so 
führte  doch  nur  eine  sehr  hauGg  wiederholte  fractionirte 
Destillation  zu  Producten  von  constantem  Siedepunkt;  der 
gröfste  Theil  verlor  sich  dabei  in  Mischproducten.  Aus  den 
ersten  Portionen  erhielt  man  Aethylalkohol  und  Triäthylborat, 
die  letzten  Portionen  gaben  reichliche  Mengen  von  Triamylborat. 
Die  im  Rückstand  befindliche  kleine  Menge  von  Mono* 
amylborat  könnte,  zusammen  mit  der  geringen  Menge  von 
Aethylalkohol,  einer  Reaction 

BEtO*  -f  AmH^  =:  BAmO>  -f  BtHO 

zugeschrieben  werden,  wenn  man  nicht  vorzieht,  die  Bildung 
beider  aus  secundären  Umsetzungen  herzuleiten*). 

*)  Veranlassung,  dieses  letztere  vorzuzieben,  wäre  etwa  die  Ansicht, 
dafs  die  Prodacte  der  Umsetziing  sogleich  wieder  unter  gegen- 
seitiger Zersetzung  auf  einander  jreagiren  niüfst^n;  aber  voll- 
ständig  findet  letztere  Reaction  nur  dann  statt,  wenn  keine  an- 
deren Körper  zugegen  sind.  In  der  That  findet  sich  in  dem 
Produot  der  Einwirkung  der  Alkohole  auf  die  Borsäure  noch 
freier  Alkohol  neben  monoalkobolischen  Boraten,  und  wir  haben 
uns  durch  den  Versuch  überzeugt,  dafs  diese  Borate  so  weit  mit 
drei-alkoholiscfaen  Boraten  vermischt  werden  können,  dafe  die 
Alkohole^  nicht  mehr  weiter  einwirken.  Andererseits  gelingt  es 
nur  sehr  allmälig,  mit  drei-alkoholischem  Borat  gemengte  Alko- 
hole mit  Borsäure  zu  verbinden,  selbst  dann,  wenn  letztere  im 
Ueberschufs  vorhanden  ist;  einen  Beweis  hiervon  hatten  wir  bereits 
bei  der  Darstellung  des  Trimethylborats.  Unter  allen  diesen 
Verhältnissen  stellt  sich  also  gewissermafsen  ein  Gleichgewicht 
her,  und  es  kann  dieses  in  der  That  gestört  werden,  wenn  mau 
Alkohol  oder  monoalkobolischen  Aether   im  Ueberschufs  zufügt. 


über  die  Borsäureäther.  193 

Aas  der  angegebenen  Menge  Flüssigkeit  konnten  nur 
etwa  50  Gramm  mit  dem  constanten  Siedepunkt  210  bis  21 5^ 
abgesondert  werden.    Es  ist  diefs  das 

Aethyldiamylborat,  B(G2H»)(G^H")^0*. 

Berechnet  Gefanden 

B                        11                4,8  4,9 

G«H*                  29              12,6  -- 

2€«H"              142              61,7  61,8 

SO                      48              20,9  — 

230  100,0. 

Specifisches  Gewicht  0,852  bei  28«;  0,876  bei  0». 

Dieser  Aether  ist  wie  das  Triamylborat  nur  mittelst  Docht 
entzündlich;  die  grüne  Färbung  der  Flamme  tritt  etwas  mehr 
herror,  als  bei  letzterem  Aether. 

Der  andere  Doppelalher  liefs  sich  noch  weniger  leicht 
abscheiden,  als  der  vorhergehende,  so  dafs  wir  uns  zuletzt 
bei  etwa  30  Gramm  mit  einem  zwischen  170  und  180^  con- 
stanten Siedepunkt  begnügen  mufsten.  Diese  Flüssigkeit  ent- 
hält, neben  einer  geringen  Verunreinigung  mit  dem  eben  be- 
schriebenen Aether,  das 

Amyldiäthylborat,  B(€5H")(6W)*98, 

dessen  Siedepunkt  bei  etwa  173  bis  175^  zu  liegen  scheint. 


Berechnet 

Gefanden 

B 

11 

5,9 

6,05 

2^H» 

58 

80,8 

— 

€»H" 

71 

1 

87,8 

40,5 

SO 

48 

25,5 

— 

188  100,0. 

Specifisches  Gewicht  0,858  bei  26^. 

Der  Aether  ist  ohne  Docht  entzündlich,  aber  nicht  so 
leicht  wie  das  Triathylborat ,  und  brennt  mit  grungesäumter 
Flamme.  In  den  übrigen  Reactionen  verhallen  sich  diese 
beiden  Doppelather  wie  die  übrigen  drei-alkoholischen  Borate, 

Aiiaal.  d.  Chem.  a.  Pharm.  Y.  Suppleiuentbd.  2.  Heft.  ^3 


194  Schiffe   Untersuchungen 

Erhitzt  man  sie  mit  überschussigem  Amylalkohol  auf  160  bis 
180^,  so  werden  sie  unter  Ausscheidung  von  A^thylalkohol 
gröfstentheils  in  Triamyiborat  verwandelt.  Diese  Reaction 
erklart  auch  die  vorhältnifsmäfsig  gröfsere  Menge  von  Tri- 
amyiborat im  Product  der  Einwirkung  des  Amylalkohols  auf 
das  Monoäthylborat.  Will  man  sämmtliche  bei  dieser  Um- 
setzung auftretenden  Producte  unter  einer  einzigen  Gleichung 
zusammenfassen,  so  kann  diefs  mittelst  der  folgenden  ge- 
schehen : 

7BEtO«  +  7AmHO  =  EtHO  +  BEt»^^  +  BAmEfO»  +  BAm'EtO« 
^        +  BAm'O»  rf-  BAraa«  +  2BH«03. 

Bei  der  Einwirkung  des  Amylalkohols  auf  Amyldiäthyl- 
borat  entsteht  neben  Triamyiborat  ohne  Zweifel  auch  Aethyl-. 
diamylborat.  Da  wir  nicht  genügend  Material  besafsen,  um 
diefs  direct  nachweisen  zu  können,  so  haben  wir  vorgezogen, 
Amylalkohol  bei  höherer  Temperatur  auf  Triäthylborat  wirken 
zu  lassen.  Es  dienten  zu  diesem  Versuche  250  CG.  Triäthyl- 
borat iy;^d  eben  so  viel  Amylalkohol.  Die  Temperatur  wurde 
80  bis  90  Stunden  auf  160  bis  ISO^  erhalten  und  hatte  sich 
zweimal  auf  nur  kurze  Zeit  bis  230^  erhoben.  Es  war  k^ne 
Borsaure  auskrystallisirt  und  auch  in  dem  Rückstande  der 
Destillation  war  dieselbe  nicht  vorhanden.  Die  Flüssigkeit 
Gng  bei  etwa  80^  zu  sieden  an^  aber  bei  der  ersten  Destil- 
lation ging  bis  gegen  180^  nur  ein  Gemenge  von  Alkohol, 
Triäthylborat  und  Amylalkohol  über;  letzterer  war  nur  in 
geringer  Menge  vorhanden.  Aus  dem  bis  250<)  übergehen- 
den Antheil  konnten  durch  weitere,  sehr  oft  wiederholte 
fractionirte  Destillationen  die  beiden  Doppelather  erhalten 
werden.  Das  Amyldiathylborat  wieder  nur  in  geringer 
Menge  und  nicht  ganz  rein.  Das  über  250^  übergehende 
enthielt  noch  Aethyldiamylborat  und  namentlich  Triamyiborat. 
Es  blieb  bei  290<)  nur  ein  geringer  Rückstand,   welcher  ein 


über  die  Boraäureäther,  195 

Gemenge  von  Monoathyl-  und  Honoamylborat  zu  sein  schien. 
Wir  geben  für  diese  Umsetzung  die  schematische  Gleichung  : 

3BEt»0»  4-  6  AmH^  ==  BAmEt'O«  +  BAm*EtO*  +  BAm'O'  +  6EtHO. 

Wir  suchen  mit  dieser  Gleichung  hier,  sowie  auch  in 
anderen  bereits  erwähnten  und  noch  zu  erwähnenden  Fällen, 
nur  einen  idealen  Ausdruck  zu  geben.  In  der  Wirklichkeit 
hängen  die  Mengenverhältnisse  der  sich  bildenden  Producte 
von  der  Temperatur  und  namentlich  von  der  relativen  Menge 
von  Amylalkohol  ab.  Es  geht  diefs  aus  einem  Versuch  hervor, 
vrelchen  wir  probeweise  nur  im  Kleinen  anstellten  und  bei 
welchem  wir  100  CC.  Amylalkohol  auf  nur  30  CC.  Triäthyl- 
borat  zwei  Tage  lang  bei  etwa  220^  einwirken  liefsen  und 
wobei  als  Hauptproduct  Triamylborat  erhalten  wurde.  Von 
einer  Trennung  der  übrigen  Producte  konnte  nicht  die 
Rede  sem. 

Auch  Triäthyiborat  und  Triamylborat  tauschen  bei  höherer 
Temperatur  ihre  Alkoholradikale  theilweise  aus,  und  es  stellt 
sich  wahrscheinlich  auch  in  diesem  Falle  allmälig  ein  Gleich- 
gewichtszustand zwischen  den  einzelnen  Bestandtheilen  des 
Gemenges  her,  so  dafs  die  Gleichung  : 

BEt'O»  +  BAm«0»  =  BEtAm«^»  +  BEt«AmO« 

wiederum  nur  ein  idealer  Ausdruck  ist.  Es.  wurden  bei  dem 
Versuche  200  Grm.  von  jedem  Aether  100  Stunden  lang  auf 
etwa  200^  erhitzt.  Bei  der  mehrmals  wiederholten  fractio- 
flirten  Destillation  haben  wir  nur  Triamylborat  und  Aethyl- 
diamylborat  ziemlich  rein  erhalten.  Wir  setzten  die  Destil- 
lation nicht  weiter  fort,  weil  es  uns  nur  darum  zu  thun  war, 
eine  ungefähre  Einsicht  in  den  Umsetzungsprocefs  zu  er- 
langen.    Wir  erhielten  die  folgenden  Destillationsantheile  : 

Bis  155^.     Triäthyiborat  neben  etwas  Aetbyl-  und  Amylalkohol. 
160  bis  1900.     Unreines  Amyldiäthylborat ;  D  =  0,857  bei  29^ 
215  bis  230^.     Ziemlich  reines  Aethyldiamjlborat ;  D  =  0,855  bei  29^. 
240  bis  260^     Unreines  Triamylborat. 

Ueber  850^     Fast  reines  Triamylborat;  D  =  0,853  bei  %%^. 
Ueber  280^     8yrupöser  Rückstand. 

13* 


196  «Sc  h  iffi   Untersuchungen 

Wir  bemerken  ausdrücklich,  dafs  die  Angaben  über  die 
annähernde  Reinheit  sich  weniger  auf  die  angegebenen  spe- 
cifischen  Gewichte,  als  vielmehr  auf  die  jedesmal  vorgenom- 
mene quantitative  Bestimmung  des  bei  der  Zersetzung  auf- 
tretenden Amylalkohols  stützt. 

Endlich  haben  wir  noch  nachgewiesen ,  dafs  auch  die 
monoalkoholischen  Triborate  Doppelöther  bilden  können,  wenn 
man  sie  mit  anderen  Alkoholen  erhitzt.  Bei  Anwendung  von 
50  Gramm.  Aethyltriborat  und  eben  so  viel  Amylalkohol, 
welche  zwei  Tage  auf  etwa*  200^  erhitzt  wurden ,  erhielten 
wir,  neben  einem  reichlichen  Gemenge  verschiedener  Bor- 
säurehydrate, Triäthylborat,  Aethyldiamylborat  und  namentlich 
Triamylborat  annähernd  rein;  die  Hauptreaction  scheint  also 
zu  sein  : 

4B«Et95  +  SAraHa  =  BEt^a» -f- BEtAm^O»  +  aBAm»a«  + 8BHO«. 

Es  tritt  aber  auch  Alkohol  auf,  der  Rückstand  enthält 
Honoamylborat  und  wahrscheinlich  bildet  sich  auch  Amyldi- 
äthylborat,  so  dafs  die  Gleichung  : 

TB^EtO*  +  UAmHO  =  EtHO  +  BEt«G»  +  BEt'AmO«  +  BEtAm«0' 

+  SBAmSa«  +  2BAmO«  +  13BH0* 

wenigstens  qualitativ  der  Wirklichkeit  sich  mehr  annähert. 

Bei  den  vielen  fractionirten  Destillationen ,  welche  mit 
den  eben  dargelegten  Untersuchungen  verbunden  waren^  er- 
hielten wir  grofse  Mengen  von  Mischproducten,  welche  zu 
zerlegen  es  uns  zuletzt  an  Geduld  mangelte.  Dieselben 
wurden  deshalb  vereinigt  und  in  mehreren  Operationen  unter 
Zusatz  von  überschüssigem  Amylalkohol  auf  180^  bis  200^ 
erhitzt.  Wir  erhielten  in  dieser  Weise  noch  eine  ziemliche 
Menge  Triamylborat  und  noch  etwas  Aethyldiamylborat,  Diese 
machten  indessen  nur  etwa  ein  Zehntel  des  Gemisches  aus; 
der  Rest  wurde  zuletzt  zur  Wiedergewinnung  der  Borsäure 
und  des  Amylalkohols  mittelst  heifsen  Wassers  zersetzt 


über  die  Bor  säur  eäther.  197 

Die  Torstehenden  Versuche  hätten  genügt,  um  die  Existenz 
TOn  Doppelathern  der  Borsaure  darzuthun,  und  um  die,  auch 
auf  andere  Aether  und  Alkohole  anwendbaren  Darstellungs- 
metfaoden  kennen  zu  lehren ;  da  wir  indessen  bei  der  oben 
beschriebenen  Darstellung  der  Methylborate  eine  ziemliche 
Menge  sehr  unreinen  Monomethylborats  sammelten,  so  haben 
wir  einen  Theil  davon  bei  100^  durch  absoluten  Alkohol  zer- 
setzt und  schieden  aus  dem  Product  der  Einwirkung  das 

Meihyldiäthylborat,  ^[m%Qm^yQ^ 
Bor  berechnet  8,34.  Gefunden  8,87  pC. 

Man  sammelt  zu  diesem  Zwecke  zunächst  die  zwischen 
%0  und  110^  übergehenden  Theile  und  fractionirt  diese  mehr- 
mals, wo  man  dann  eine  zwischen  100  und  105^  siedende, 
ziemliche  fluchtige  Substanz  erhalt.  Das  specifische  Gewicht 
ist  bei  200  =  o,883,  bei  0<>  =  0,904.  Der  Aether  ist  sehr 
leicht  entzündlich  und  brennt  mit  intensiv  grüner  Flamme. 
Ohne  Zweifel  hatte  sich  auch  Aethyldimethylborat  gebildet, 
aber  in  zu  geringer  Menge,  als  dafs  man  es  im  Zustande  der 
Reinheit  hätte  abscheiden  können. 

Ceiyläther  der  Borsäure. 

Wir  hielten  es  der  Mühe  werth ,  zu  untersuchen ,  wie 
der  in  der  Reihe  der  Alkohole  €"H^+*0  so  viel  höher  ste- 
hende Cetylalkohol  sich  gegen  Borsäure  verhalte,  und  fan- 
den in  der  Art  der  Einwirkung  eine  bedeutende  Differenz 
insofern ,  als  aus  den  in  der  Reihe  niedriger  stehenden  Al- 
koholen Wasser  nur  in  der  Form  von  Borsäurehydrat  eliminirt 
wird ,  während  sich  aus  dem  Cetylalkohol  direct  flüssiges 
Wasser  abscheidet.  Es  hängt  dieses  ohne  Zweifel  von  der 
Temperatur  ab ,  bei  welcher  die  Einwirkung  erfolgt.  Die 
Borsäure  wirkt  nämlich  auf  die  bis  jetzt  behandelten  Alkohole 
bei  einer  100<>  entweder  nicht  erreichenden,  oder  nicht  weit 


198  Schifft   Untersuchungen 

überschreitenden  Temperatur  ein,  wahrend  der  Cetylalkohol 
bei  100^  durchaas  nicht  angegriffen  wird.  Die  Reaction  er« 
folgt  sehr  allmalig  erst  bei  der  Temperatur,  bei  welcher  ein 
kleiner  Theil  des  Cetylalkohols  unverändert  destillirt  Man 
wendet  die  geschmolzene  Borsäure  in  erbsengroßen  Stück- 
chen an  und  erhitzt  einen  Ueberschufs  davon  mit  dem  Cetyl- 
alkohol in  einer  kurzhalsigen  Kochflasche  unter  häufigem  Um- 
schuttein  so  lange,  als  man  noch  Wasserausscheidung  beob* 
achtet.  Der  Alkohol  ist  dann  vollkommen  in  Cetylborat  um- 
gewandelt. Man  giefst  von  der  überschüssigen  Borsaure 
ab,  löst  nach  dem  Erkalten  in  wasserfreiem  Aether,  giefst 
die  Lösung  von  der  kleinen  Menge  ausgeschiedener  Borsäure 
ab  und  destillirt  den  Aether  im  Wasserbade  ab.  Es  scheidet 
sich  hierbei  gewöhnlich  eine  weitere  kleine  Menge  Borsäure 
aus;  man  giefst  die  geschmolzene  Masse  ab  und  läfst  lang- 
sam erkalten.    Auf  diese  Weise  erhält  man  das 

Monocetylöorat,  B(G"H83)0«, 

in  Form  einer  weifsen  oder  schwach  gelblichen,  dem  Cetyl- 
alkohol ähnlichen,  aber  weniger  krystallinischen  Masse.  — 
Zur  Ermittelung  der  Zusammensetzung  wurden  15  Gramm 
durch  verdünnte  Kalilauge  bei  50  bis  60^  zersetzt,  die  oben 
sich  abscheidende  Schicht  von  Cetylalkohol  nach  dem  Er- 
starren abgewaschen,  getrocknet  und  gewogen,  und  in  der 
alkalischen  Flüssigkeit  das  Bor  wie  üblich  als  Fluorborkalium 
bestimmt. 


Berechnet 

Gefunden 

B 

11 

4,1 

4,1 

€"H" 

225 

84,0 

83,4 

20 

82 

11,9 

■^^ 

268 

100,0. 

Das  Cetylborat  scheidet  sich  bei  allmäligem  Verdunsten 
seiner  ätherischen  Lösung  in  gehäuften  baumförmigen  Vege- 


über  die  Borsäureäther.  199 

tationen  aus;  die  geschmolzene  Substanz  kann  in  trockener 
Luft  unverändert  aufbewahrt  werden,  in  feuchter  Luft  über- 
zieht sie  sich  allmälig  mit  einer  weifsen  Schicht,  die  dann 
den  Rest  Yor  Zersetzung  schätzt;  auch  kaltes  Wasser  wirkt 
nur  sehr  langsam  zersetzend ;  warmes  Wasser  bewirkt  schnelle 
Scheidung  in  Borsaure  und  CetylalkohoL  Der  Aether  schmilzt 
constant  bei  58^;  der  Schmelzpunkt  des  Cetylalkohols  wird 
also  durch  den  Eintritt  der  Borsäure  nur  um  etwa  10^  er<- 
höht.  Obwohl  die  Verbindung  ganz  das  Ausseben  eines 
Fettes  hat,  so  unterscheidet  sie  sich  in  den  Eigenschaften 
von  den  eigentlichen  Fetten;  sie  ist  zum  Beispiel  auch  mit- 
telst eines  Dochtes  nur  wenig  entzündlich,  wohl  wegen  der 
sich  in  den  Docht  absetzenden  Borsäure;  auch  ist  der  Aether 
nur  sehr  wenig  in  Benzin  löslich. 

Das  Resultat  der  Umsetzung  zwischen  Borsäure  und 
Cetylalkohol  ist  ausgedrückt  in  der  Gleichung  : 

aber  es  scheint  diefs  nicht  der  Ausdruck  für  den  Bildungs- 
procefs  zu  sein.  Es  scheiden  sich  nämlich  im  Anfang  der 
Reaction  Flocken  von  hydratisirter  Borsäure  aus,  welche  zum 
Theil  später  und  bei  etwas  erhöhter  Temperatur  wieder  ver- 
schwunden, zum  Theil  beim  Ausziehen  mit  Aether  zurück- 
bleiben. Hier  ist  es  wahrscheinlicher,  dafs  die  Bildung  des 
Cetylborals  in  zwei  Phasen  erfolgt,  und  zwar 

I.  B«0«    +  €"H3*^  =  B(G"H«3)0»  +  BHO« 
IL  BHO»  +  €^«H»*0  =  B(€^«H3S)0«  +  H«0. 

Andere  Cetylderivate  der  Borsäure  konnten  nicht  erhal- 
ten werden.  Wallrath  wird  bei  höherer  Temperatur  durch 
Borsäureanhydrid  nicht  zersetzt. 

Olycerinderivat  der  Borsäure, 

Die  Bildung  eines  fettähnlichen  Borsäureäthers  mittelst 
des  Cetylalkohols  mufste  dazu  fuhren,  das  Verhalten  der  Bor- 


200  Schiff f   Untersuchungen 

säure  gegen  die  eigentliche  Fettbasis,  das  Glycerin,  zu  unter- 
suchen. Auch  in  diesem  Falle  beobachtet  man  eine  directe 
Elimination  flössigen  Wassers,  mit  dem  Unterschiede,  dafs  hier 
Nichts  darauf  hindeutet,  eine  primäre  Bildung  eines  Borsäure- 
hydrats anzunehmen.  Bringt  man  wasserfreies,  auf  etwa  200^ 
erhitztes  Glycerin  mit  grob  gepulvertem  Borsaureanhydrid 
zusammen,  so  entweichen  sogleich  Ströme  von  Wasserdampf, 
die  Borsäure  löst  sich  allmälig  auf,  ohne  dafs,  wie  bei  dem 
Cetylalkohol,  Trübung  oder  Ausscheidung  von  Flocken  er- 
folgte. Setzt  man  die  Erhitzung  bei  steigender  Temperatur 
fort,  bis  keine  weitere  Wasserausscheidung  mehr  stattfindet, 
so  haben  dann  zwei  Molecule  Glycerin  nur  sehr  wenig  mehr 
als  ein  Molecul  Anhydrid  aufgenommen  und  damit 


In  nr 


Glycerylborat,  B(€»H*)e», 
gebildet,  wie  diefs  aus  der  gefundenen  Bormenge  hervorgeht 


Berechnet 

Gefnnden 

B 

11                11,0 

10,9-11,2 

€»H« 

41                41,0 

— 

30 

48                48,0 

— 

100  100,0. 

Diese  Verbindung  ist  das  Resultat  der  Umsetzung  : 

in  ift  m       m 

2(e»H«)H«0»  +  B«0«  =  2B{G»H»)0»  +  3H*0. 

Die  von  der  überschussigen,  nicht  angegrifi'enen  Bor- 
säure abgegossene  Hasse  erstarrt  beim  Erkalten  zu  einer 
gelben  oder  bräunlichen,  hornartigen,  durchscheinenden  Sub- 
stanz, welche  sehr  hygroscopisch  ist  und  sich  in  Aether, 
Benzin  und  Chloroform  nicht  auflöst;  sie  löst  sich  dagegen 
unverändert  in  wasserfreiem  Weingeist  und  i^t  hierdurch  als 
gesättigter  Borsäureäther  characterisirt,  da,  wie  wir  wissen, 
die  nicht  gesättigten  Aether  der  Borsäure  sich  mit  den  Al- 
koholen umsetzen.  Dunstet  man  den  Alkohol  bei  SO  bis  60^ 
ab,  so  bleibt  die  unveränderte  Substanz;  es  konnte  die  Lös- 


über  die  Boraäureäther.  201 

lichkeit  in  Alkohol  nicht  daza  benutzt  werden,  um  die  kleine 
Menge  uberschössig  aufgelöster  Borsäure  wegzuschaffen;  er- 
hitzte  man  mit  absolutem  Alkohol  in  geschlossener  Röhre  auf 
100  bis  120<),  so  zersetzte  sich  eine  kleine  Menge  des  Gly- 
cerylborats  nach  der  Gleichung  : 

Die  Gegenwart  der  geringen  Menge  frei  gewordenen 
Glycerins  scheint  indessen  der  weiteren  zersetzenden  Ein- 
wirkung des  Alkohols  das  Gleichgewicht  zu  halten.  —  Das 
Glycerylborat  kann  *9ich  in  einer  geringen  Menge  kalten 
Wassers  zu  einem  sehr  dickflüssigen,  säuerlich  schmeckenden 
Syrup  auflösen,  ohne  dafs  Ausscheidung  von  Borsaure  erfolgt ; 
erwärmt  man  diesen  Syrup,  so  erstarrt  er  durch  abgeschie- 
denes Borsaurehydrat  und  der  sufse  Geschmack  des  Glyce- 
rins tritt  nunmehr  deutlich  hervor.  —  Die  Verbindung  zeigt 
keinen  festen  Schmelzpunkt;  als  ein  wirkliches  Glas  erweicht 
sie  allmalig  und  ist  selbst  bei  170<>  noch  sehr  dickflüssig.  In 
eine  Flamme  gebracht  verbrennt  sie  mit  grünem  Lichte,  unter 
Zurücklassung  von  viel  Kohle  enthaltender  Borsäure.  Trockenes 
Ammoniakgas  wirkt  auf  die  alkoholische  Lösung  selbst  beim 
Erwärmen  nicht  ein,  wenn  die  Substanzen  vollkommen  wasser- 
frei sind ;  ist  diefs  nicht  der  Fall,  so  bildet  sich  eine  gallertige 
Masse,  welche  Ammoniumborat  enthält.  Concentrirte  Schwe- 
felsäure zersetzt  das  Glycerylborat  bereits  bei  100^  unter 
Schwärzung.  —  Der  Aether  konnte  durch  Einwirkung  von 
Borsäureanhydrid  auf  Stearin  nicht  erhalten  werden ;  es  findet 
keine  Reaction  statt. 

Nach  Schützenberger  (Compt.  rend.  LIII,  p.  538) 
¥erbinden  sich  die  Anhydride  von  Borsäure  und  Essigsäure 
im  vVerhältnifs  B'0':r>H^O'  zu  einer  glasartigen  Masse, 
welche  sich  mit  Wasser  in  die  Hydrate  beider  Säuren  zer- 
setzt und  wohl  als  Acetylborat,  B(€'H^0)9^  zu  betrachten 
ist    Verhielte  sich,  wie  diefs  wahrscheinliclb  ist,  das  Anhydrid 


202  Schiff,  Untersuchungen 

der  Propionsäure  wie  das  der  Essigsäure  ^  so  würde  man 
hierbei  eine  dem  Glycerylborat  metamere  Verbindung  er- 
halten*) : 

Typus  H*0».  -  Propionylborat  B(G8H«a)0«. 
Typus  H«03.  -  Glycerylborat    B(G%s)OS. 

Wir  können  die  Notiz  beifügen,  dafs  Eisessig  selbst  bei 
150^  nicht  durch  Borsäureanhydrid  zersetzt  wird. 

Phenyläiher  der  Borsäure, 

Bei  den  vorhergehenden  zwei  Alkoholen  wurde  die  Bil- 
dung von  nur  je  einer  Borsäureverbindung  beobachtet;  von 
dem  Phenol,  welches  ebenfalls  unter  der  Einwirkung  der 
Borsäure  direct  Wasser  abgiebt,  lernen  wir  wiederum  meh- 
rere Borsäureäther  kennen.  Erhitzt  man  geschmolzene  Bor- 
säure in  kleinen  Stucken  mit  wasserfreiem  Phenol  bis  zum 
Siedepunkte  des  letzteren,  so  lost  sich  ersteres  allmälig  auf, 
es  entweicht  Wasserdampf,  die  Flüssigkeit  wird  immer  zäher 
und  der  Siedepunkt  steigt  beständig.  Wendet  man  auf  zwei 
Theile  Borsäure  drei  Theile  Phenol  an  und  läfst  nach  halb- 
stündigem Sieden  erkalten,  so  erhält  man  eine  zähe  Flüssig- 
keit, Borsäurehydrate  und  noch  unverändertes  Phenol  ent- 
haltend. Aus  dieser  Hasse  kann  man  durch  Ausziehen  mit 
Aether  und  Abdestilliren  dieses  letzteren  sowohl,  als  auch 
des  noch  unangegriffenen  Phenols  unreines 


*)  Arsenige  Säure  verhält  sich  in  dieser  Beziehung  der  Borsäure 
ganz  analog.  Wir  haben  vor  mehreren  Jahren  (Annalen  d.  Chem. 
u.  Pharm.  CXVIII,  S.  86)  mitgetheilt,  dafis  arsenige  Säure  das 
wasserfreie  Qlycerin  unter  Wasserabscheidung  zersetzt  und  ein 
Glycerylarsenit  A8(€^H'')0'  bildet  Nach  Sohützenherger 
verbindet  sich  arsenige  Säure  mit  Essigsäureanhydrid  zuAcetyl- 
arsenit  As(G'H^O)0'.  Mit  Propionsäureanhydrid  wäre  also  die 
Bildung  eines  mit  dem  Glycerylarsenit  metameren  Propionylar- 
senits  As(G'H*OJO'  zu  erwarten. 


über  die  Borsäureäther.  .  203 

Monophmylborat,  B(G«HS)9«, 

als  dicke  Flüssigkeit  abscheiden;  dasselbe  entsteht  nach  der 
Gleichung  : 

I.  B«08  +  €«H«0  =  B(€«H»)0«  +  BHO«. 

Erhält  man  indessen  das  Phenol  mit  der  Borsäure  mehrere 
Stunden  im  Sieden  (bei  aufgesetztem  Kühlrohr),  so  wird  eine 
weitere  Menge  Anhydrid  gelöst;  auch  das  Borsäurehydrat 
wird  unter  Wasserausscheidung  von  dem  Phenol  aufgenommen, 
und  es  entsteht  zuletzt  eine  auch  bei  hoher  Temperatur  ziem- 
lich dickflüssige  Masse.  Man  giefst  dieselbe  in  eine  andere 
Kochflasche  ab^  erhitzt  zur  Entfernung  des  noch  vorhandenen 
Phenols,  bis  die  Flüssigkeit  anfängt  sich  aufzublähen,  und  läfst 
dann  langsam  erkalten.    Man  erhält  auf  diese  Weise 

Phenyltnborat,  B3(G«H^)G*, 

verunreinigt  durch  noch  etwa  6  pC.  Borsäure.  Das  Phenyl- 
triborat  entsteht  aus  dem  Anfangs  gebildeten  Honophenylborat 
in  einer  zweiten  Phase  der  Einwirkung  : 

n.  2B(€«H«)0«  +  2BHO«  +  B«0«  =  2B'(G»H*)0*  +  H«d 

und  ersehen  wir  hieraus  einen  Unterschied  zwischen  dem  Mono- 
phenylborat  und  den  früher  beschriebenen  entsprechenden 
Boraten  der  Alkohole  6°H*°+*0 ;  die  Borate  dieser  letzteren 
können  nämlich  nicht  direct  mit  Borsäure  zu  den  betrefl'enden 
Triboraten  verbunden  werden. 

Das  mittelst  wasserfreien  Aethers  von  der  beigemengten 
Borsäure  befreite  Phenyltriborat  stellt  eine  fast  geruchlose, 
orangefarbene,  glasige  Hasse  dar,  welche  ganz  das  Aussehen 
des  Bernsteins  besitzt. 


Berechnet 

Gefunden. 

dB 

88                17,4 

17,1         17,7 

€«H» 

77                40,5 

— 

50 

80                42,1 

— 

190  100,0. 


204  Schiff,   Untersuchungen 

Die  Verbindung  bedeckt  sieb  an  der  Luft  sehr  bald  mit 
einer  weifsen  Haut,  welche  die  darunter  liegenden  Theile 
vor  Zersetzung  schützt.  Diese  erfolgt  selbst  unter  kaltem 
Wasser  nur  langsam,  rasch  aber  in  heifsem  Wasser  oder 
verdännten  Alkalien.  Aufiallender  Weise  wird  die  Verbindung 
durch  concentrirte  weingeistige  Kalilösung  fast  nicht  ange- 
griffen.  Fast  unlöslich  in  Chloroform,  Benzin  und  Schwefel- 
kohlenstoff. Bei  höherer  Temperatur  erfolgt  gegen  80^  ein 
Anfang  von  Erweichung  und  dann  allmäliger  Uebergang  in 
den  flussigen  Zustand. 

Die  Lösung  in  absolutem  Alkohol  giebt  mit  Eisenchlorid 
nicht  die  violette  Reaction  der  Phenylverbindungen ;  die  Farbe 
erscheint  erst  nach  Zusatz  von  viel  Wasser*).  Das  Triborat 
löst  sich  in  warmer  concentrirter  Schwefelsaure  mit  schmutzig- 
rother  Farbe  zu  einer  syrupösen  Flüssigkeit  auf;  Zusatz  von 
Wasser  bewirkt  Ausscheidung  von  Borsäurehydrat,  und  die 
nach  dem  Erkalten  abfiltrirte  Lösung  mit  Kalk  gesättigt 
liefert  Calciumphenylsulfat.  Diese  Umsetzung  erfolgt  nach 
der  Gleichung  : 

Hit  Salpetersäure  erfolgt  beim  Erwärmen  Bildung  von 
Pikrinsäure  und  von  Borsäure  nach  der  Gleichung  : 

B8(G«H»)06  +  3NH08  +  2H«0  =  ©«»»(NO^O  +  8BH»0». 

■ 

.  ■ 

Monophenylborat,  B{G^^)QK 

Wir  haben  bereits  weiter  oben  angegeben^  dafs  dieser 
Aether  in  erster  Reaction  bei  der  Einwirkung  des  Phenols 
auf  das  Borsäureanhydrid  entsteht;  da  jedoch  ein  Theil  des 
gebildeten  Honoborats  sich  durch  Aufnahme   von  Borsäure 


*)  Uebrigens  giebt  aach  das  Phenol  in  weingeiitiger  Lösung  keine 
violette  Färbung  mit  Eisenchlorid. 


über  die  Borsäureäther,  205 

in  Triborat  umwandelt  und  auch  dieses  letztere  sich  in  Aether 
löst,  so  gelingl  es  nicht,  auf  diesem  directen  Weg  ein  reines 
Präparat  zu  erzielen.  Zur  Uinwandlung  des  Triborats  in 
Monoborat  versuchte  man  zunächst  die  Einwirkung  einer  con- 
centrirten  weingeistigen  Lösung  von  Natriumalkoholat;  es 
wirkte  dieses  jedoch  bei  100^  kaum  ein.  Bei  160  bis  180^ 
erfolgt  nur  sehr  schwierig  eine  theilweise  Zersetzung ,  es 
entsteht  Triäthylborat  und  eine  kleine  Menge  einer  aromatisch 
riechenden  Flüssigkeit,  wahrscheinlich  Aethylphenat ,  aber 
nach  dem  Ausziehen  mit  Aether  und  Verdampfen  der  äthe- 
rischen Lösung  war  der  gröfste  Theil  des  Triborats  noch 
anverändert.  Ein  günstigeres  Resultat  lieferte  die  Einwirkung 
des  Alkohols  allein ,  welche  ebenfalls  erst  bei  etwa  150^ 
Blatt  hat.  Die  gelbe  Flüssigkeit  setzt  beim  Erkalten  Borsäure 
ab.  Bei  der  Destillation  geht  Triäthylborat  über;  zur  völligen 
Entfernung  desselben  läfst  man  die  Temperatur  der  Masse 
bis  auf  180^  steigen  und  extrahirt  dann  mit  Aether.  Dieser 
hinterläfst  eine  bei  20^  terpentinartige  Substanz  von  schwachem 
Phenolgeruch,  welche  wahrscheinlich  noch  eine  sehr  kleine 
Menge  eines  phenylreicheren  Borats  enthält. 


Berechnet 

a. 

b. 

B 

11                9,2 

8,9-9,1 

10,2-10,9 

G'H'^ 

77               64,1 

— 

20 

32               26,7 
120             100,0. 

— 

— 

Die  Präparate  a  waren  auf  die  eben  angegebene  Weise 
dargestellt,  die  Präparate  b  waren  Producte  der  directen  Ein- 
wirkung des  Phenols  auf  die  Borsäure.  Die  Zersetzung  des 
Triborat&  durch  den  Alkohol  erfolgt  nach  der  Gleichung  : 

B"(6«H»)06  +  SG«H«0  =  B(€«H*)0«  +  B(G«H')308  +  BH^O». 

Zu  den  folgenden  Versuchen  diente  direct  mittelst  Phenol 
erhaltenes  Monophenylborat. 


206  Schiffy   Untersuchungen 

Tetraphenyldiborat. 

Man  kann  das  Monophenylborat  bis  auf  250°  erhitzen, 
ohne  dafs  es  Zersetzung  erleidet;  dieselbe  beginnt  erst  gegen 
350^  und  ist  der  Umsetzungsweise  der  früher  behandelten 
monoalkoholischen  Borale  gewissermafsen  analog.  Wie  bei 
diesen^  so  entsteht  auch  hier  ein  Triborat,  aber  das  andere 
Product  ist  kein  triaikoholisches  Borat,  sondern  ein  dialkoho- 
lisches^  ein  gesättigter  Aether  der  Diborsäure,(2BH^G'— H*0), 
und  zwar 

Tetraphenyldihorat,  h\G^W>yQ^, 
entstehend  nach  der  Gleichung 

Die  Destillation  ist  erst  weit  oberhalb  •  des  Siedepunkts 
des  Quecksilbers  beendigt;  das  rückständige  Triborat  ist 
durch  secundäre  Zersetzungsproducte  verunreinigt  und  meist 
von  brauner  Farbe.  Die  in  der  Vorlage  befindliche  schmutzig- 
gelbe ölige  Flüssigkeit  wird  einer  zweiten  Destillation  unter- 
worfen und  alles  oberhalb  300^  Uebergehende  für  sich  auf- 
gefangen»). 


*)  Das  bis  300^  Uebergehende  enthält  durch  secundftre  Zersetzung 
entstandenes  Phenol,  übergerissenes  Phenylborat  und  noch  eine 
andere  Substanz.  Zersetzt  man  das  Borat  durch  Schtlttelo  mit 
Wasser,  trocknet  die  abgeschiedene  Oelschicht  durch  Chlorcalcium 
und  unterwirft  sie  der  Destillation,  so  erhält  man  oberhalb  200^ 
eine  sehr  angenehm  nach  Geranium  riechende  Flüssigkeit.  Die- 
selbe tritt  ferner  auf,  wenn  man  das  Phenyltriborat  durch  kalte 
verdünnte  Kalilauge  zersetzt.  In  beiden  Fällen  entsteht  diese 
Substanz  nur  in  sehr  geringer  Menge,  so  dais  ich  sie  nicht  toU- 
ständig  Tom  Phenol  trennen  konnte.  Aus  den  Analysen  toh 
zwei  unreinen  Producten  ergiebt  sich  indessen,  dafs  diese  Sub- 
stanz jedenfalls  reicher  an  Kohlenstoif  ist,  als  das  Phenol.  Be- 
denkt man  ferner,  dafs  Gannizzaro  durch  Einwirkung  der  Bor- 
säure auf  Benzylalkobol  den  Benzyläther  erhielt,  so  ist  es  mehr, 
als  wahrscheinlich,  dafs  diese  Bubstanz  Phenyläther  (€^H^)'^  ist^ 
welcher  seine  Entstehung  einer  secundären  Reaction 


über  die  Borsäureäther.  207 

Wir  haben  im  Früheren  gesehen,  dafs  das  Triäthylborat 
dnrch  Säuren  zersetzt  wird,  indem  sich  die  Aethyläther  dieser 
Sauren  bilden ;  andererseits  haben  wir  gefunden,  dafs  weniger 
flüchtige  Alkohole  mit  dem  Triäthylborat  einen  Austausch  der 
Alkoholradicale  eingehen ,  so  dafs  zuerst  Doppelather  und 
schliefslich  normale  Aether  der  weniger  flüchtigen  Alkohole 
entstehen.  Das  Phenol,  welches  zum  Theil  die  Natur  eines 
Alkohols,  zum  Theil  diejenige  einer  Säure  besitzt,  zeigt  bei 
seiner  Einwirkung  auf  das  Triäthylborat  in  der  That  die 
beiden  Arten  von  Reactionen.  Erhitzt  man  eine  Mischung 
beider  Substanzen  in  geschlossener  Röhre  bis  zum  Siedepunkt 
des  Phenols  und  erhält  eine  Temperatur  von  160  bis  180^ 
etwa  12  Stunden  lang ,  so  entsteht  eine  gelbe  Flüssigkeit, 
welche  beim  Erkalten  keine  Borsäure  ausscheidet.  Bei  der 
Destillation  geht  zunächst  ein  Gemenge  von  Alkohol  und  Tri- 
äthylborat, später  ein  Gemenge  von  Aethylphenylälher*)  und 


verdankt.  Es  ist  mir  bis  jetzt  nicht  gelangen,  die  Bedingungen 
anfznfinden,  unter  welchen  das  Monophenylborat  sich  Vorzugs* 
weise  nach  dieser  Gleichung  zersetzt.  —  Bei  der  Einwirkung  der 
Bors&ure  auf  den  Benzylalkohol  hat  Cannizzaro  die  sich  in 
erster  Reaction  bildenden  Verbindungen  nicht  weiter  beachtet. 
Es  wftre  nützlich,  diese  Reactionen  einer  eingehenden  Prüfung 
EU  unterwerfen;  die  b^trefienden  Resultate  könnten  dann  ohne 
Zweifel  auf  das  Phenol  übertragen  werden. 
*)  Ans  den  bei  verschiedenen  Operationen  gesammelten  Destillaten 
wurde  der  zwischen  150  und  180^  Übergehende  Antheil  abge- 
schieden, eine  geringe  Menge  Triäthylborat  durch  Wasser  zer- 
stört, durch  Chlorcalcium  getrocknet  und  nach  mehrmaliger 
fractionirter  Destillation  alles  zwischen  160  und  175^Uebergeheude 
besonders  aufgefangen.      Man    erhftlt  in  dieser  Weise  eine   aro- 

• 

matiscb,  zimmtähnlich  riechende  Flüssigkeit,  welche  völlig  was- 
serfrei bei  0^  nicht  krystallisirt ,  aber  keinen  constanten  Siede- 
punkt zeigu  Die  Analysen  lassen  vermuthen,  dafs  immer  noch 
etwas  Phenol  beigemengt  war;  die  Siedepunkte  der  beiden  Sub- 
stanzen liegen  übrigens  so  nahe  (Phenftthol  172  bis  175^,  Phe- 
nol 188^),  dafs  bei  kleinen  Mengen  eine  vollkommene  Trennung 
durch    fractionirte   Destillation    schwierig  oder  gar   nicht  zu  er- 


208  Schiffj   Untersuchungen 

von  Phenol  über,  letzteres  selbst  dann,  wenn  man  auch  einen 
ziemlichen  Ueberschufs  von  Triathylborat  anwendet.  Erhitzt 
man  zur  Austreibung  aller  Nebenproducte  bis  gegen  300^, 
so  bleibt  Tetraphenyldiborat  in  der  Retorte  zuräck.  Die  Ein- 
wirkung findet  nach  folgender  Gleichung  statt  : 

Bezüglich  der  Eigenschaften  und  der  Zusammensetzung 
ist  der  nach  beiden  Weisen  erhaltene  Aether  vollkommen 
identisch. 

Berechnet  a.  b. 

2B  22  5,86  5,36  5,38 

4G0H»  308  75,12  —  — 

5  0  80  19,62  ■—  — 

410  100,00. 

a.  Substanz  aus  Honophenylborat. 

b.  Substanz  aus  Phenol  und  Triathylborat. 

Das  frisch  destillirte  Präparat  ist  eine  gelbgrüne  di- 
chroitische  Flüssigkeit,  von  schwachem  Phenolgeruch;  bei 
längerem  Aufbewahren  nimmt  sie  Orangefarbe  an.  Das  spe- 
cifische  Gewicht  wurde  bei  20^  =  1,106,  beiO»  =  1,124  ge- 
funden; die  Consistenz  bei  diesen  Temperaturen  ist  etwa  die- 
jenige des  alten  Ricinusöles.  Der  Siedepunkt  für  gewöhn- 
lichen Luftdruck  konnte  mittelst  des  Quecksilberthermometers 
nicht  bestimmt  werden.  Bei  jeder  neuen  Destillation  wird 
eine  kleine  Menge  zersetzt  und  es  bleibt  ein  Ruckstand  von 


reichen   sein  dürfte.     Wie  ans  Folgendem  hervorgeht ,   mag  der 
Phenolgehalt  noch  etwa  11  pC.  betragen  haben, 

a.  Phenol G«H»0     b.PhenÄtholGöH»«^    gefunden  V»(a+8h) 

G                 76,6                          78,7                        78,32  78,4 

H                   6,4                            8,2'                          8,06  8,0 

O                 17,0                          18,1                          —  13,6 

100,0                        100,0  100,0. 

Diese  Analyse    bezieht   sich    anf  das   Destillat  160   bis    170^. 

Der  Siedepunkt  des  Phenftthols  scheint  niedriger  zu.  Uegen,  ala 
diefs  die  bisherigen  Angaben  besagen. 


über  die  Borsäureäther.  209 

Phenyltriborat.  Der  Aetber  wird  durch  Wasser  sogleich  zer- 
setzt. In  concentrirter  Schwefelsaure  löst  er  sich  unter  ge- 
ringer Erwärmung  mit  braunrother  Farbe;  erwärmt  man  ge- 
linde und  setzt  dann  Wasser  zu,  so  scheidet  sich  krystaili- 
sirte  Borsäure  aus  und  die  Flüssigkeit  enthält  Phenylschwe- 
feisäure,  gebildet  nach  der  Gleichung  : 

Phenylhaltige  Doppeläther  der  Borsäure  konnten  nicht 
erhalten  werden. 

Anilid  der  Borsäure, 

Das  Anilin  kann  mit  Borsäurehydrat  nicht  verbunden 
werden  und  auch  von  dem  Anhydrid  kann  das  Anilin  ab- 
destiUirt  werden,  ohne  dafs  irgend  welche  Einwirkung  statt- 
findet Triäthylborat  wird  durch  Anilin  auch  bei  hoher  Tem- 
peratur nicht  zersetzt,  aber  mit  den  monoalkoholischen  Boraten 
findet  zum  Theil  schon  bei  mittlerer  Temperatur  eine  Um- 
setzung statt.  Vermischt  man  Honoäthylborat  oder  Mono- 
methylborat  mit  wasserfreiem  Anilin,  so  bildet  sich  sogleich 
unter  schwacher  Erwärmung  eine  harzige  Substanz ,  welche 
bei  Zusatz  von  wasserfreiem  Aether  weifs  und  pulverig  wird. 
Wendet  man  verdünnte  ätherische  Lösungen  der  Borate  und 
des  Anilins  an,  so  entsteht  bei  deren  Vermischung*  eine 
weifse,  flockige,  krystallinische  Substanz  der  Art,  dafs  oft  das 
Gfeinze  zu  einem  Brei  gesteht.  Man  läfst  denselben  auf 
einem  Filter  abtropfen,  wascht  mit  Aether  aus,  bis  die  Wasch- 
flässigkeit  weder  Anilin  noch  Borsäureäther  mehr  enthält, 
prefst  zwischen  Löschpapier  aus  und  trocknet  im  Vacuum. 
Es  bildet  sich  in  dieser  Weise  eine  weifse  Substanz,  fast  ge- 
ruchlos, leichV  wie  Magnesia ;  mit  Wasser  zersetzt  sie  sich 
sogleich  in  Borsäure  und  Anilin.  Der  abfiltrirte  Aether  ent- 
halt das  entsprechende  drei-alkoholische  Borat  und  die  er- 
haltene Substanz  ist  identisch,  mag  man  Monoathylborat  oder 

AnQsL  d    Ghenn    u.  Pharm.  V.  Siipplementbd.  2.  lieft.  \^ 


210  Schiff,   Untersuchungen 

die  entsprechende  Methyl  Verbindung  anwenden;  sie  enthält 
gleiche  Molecule  Borsaureanhydrid  und  Anilin  und  wir  be- 
zeichnen sie  vorläufig  als  : 

Baranüid,  B^O»,  G^H^N. 

Berechnet  aus  Aetbylborat      aus  Methylborat 

B'O»  70  43,0  42,6-43,7  42,3 

G^H^N  93  67,0  -  — 

163  100,0. 

Die  Verbindung  zersetzt  sich  beim  Erhitzen  im  Platin- 
tiegel in  Anilin  und  kohlehaltige  Borsäure.  Man  bestimmte 
auf  diese  Weise  den  Borsäuregehalt  direct,  nachdem  man  sich 
überzeugt  hatte,  dafs  Borsaureanhydrid,  mit  Anilin  befeuchtet 
und  ausgeglüht,  keinen  wesentlichen  Gewichtsverlust  erleidet. 
Bei  den  obigen  Zahlen  ist  der  Kohlegehalt  der  Borsäure  be- 
reits in  Abzug  gebracht.  Man  kann  diese  Verbindung,  ent- 
sprechend den  Formeln  : 

BO'  ^^  Ih*) 

entweder  als  „Boranilhydrat%  oder  als  „Borahilsäure^  be- 
trachten, wobei  indessen  zu  bemerken  ist,  dafs  das  Boranilid 
weder  mit  Säuren,  noch  mit  Basen  verbunden  werden  konnte. 
Die  Verbindung  bildet  sich  sehr  wahrscheinlich  nach  der 
Gleichung  : 

3B(G«H»)G«  -f  G«H^N  =  B«0»,  G«H'N  +  B(G«H»)80«. 

Die  Substanz  wird  bei  längerem  Aufbewahren  in  trocken^ 
Luft  nicht  verändert^  wenn  sie  vollkommen  ausgewaschen  war. 
Ist  diefs  nicht  der  Fall,  so  bildet  sich  oft  eine  leicht  zu  pulvernde 
amorphe  Masse,  ähnlich  dem  arabischen  Gummi.  —  Das  Bor- 
anilid ist  sehr  leicht  in  Alkohol  löslich:   bei  allmäligem  Ver- 


*)  Die  Gruppe  (B«0«.OH)  ist  von  der  Diborsäure  B'H^O«^  absu- 
leiteo,  deren  Anhydrid  B^O'j^^  durch  Verlust  von  Hydrozjl 
OH  zur  monovalenten  Qmppe  (B'O'.OH)  umgewandelt  wird. 


über  die  Borsäureäther.  211 

donsten  dieser  Lösung  bleibt  eine  gummiartige  feste  Masse. 
Erhitzt  man  die  alkoholische  Lösung  im  zugeschmolzenen 
Rohr  auf  120^,  so  scheidet  sich  etwas  Borsaure  aus  und  die 
Flüssigkeit  enthalt  dann  Triathylborat.  Diese  Umsetzung  er- 
folgt nach  der  Gleichung  : 

Concentrirte  Schwefelsäure  giebt  eine  braunrothe  syru- 
pöse  Lösung,  welche  sich  bei  geringer  Temperaturerhöhung 
schwärzt,  aber  keine  brennbaren  Gase  entwickelt.  Die  syru- 
pöse  Hasse,  welche  man  erhält,  wenn  man  Honoäthylborat 
und  Anilin  ohne  Zusatz  von  Aether  mischt,  scheint  eine 
Lösung  des  Anilids  in  dem  bei  der  Umsetzung  entstehenden 
Triäthylborat  zu  sein;  man  kann  ganz  die  gleiche  Masse  er- 
hallen,  wenn  man  Boranilid  mit  einigen  Tropfen  Triäthylborat 
befeuchtet  und  das  Gemenge  schwach  erwärmt.  Uebrigens 
kann  die  gummiartige  Masse  auch  durq^  einen  geringen 
Ueberschufs  von  Anilin  entstehen.  —  Die  alkoholische  Lösung 
des  Boranilids  mit  einer  weingeistigen  Lösung  von  Oxalsäure 
vermischt,  giebt  nach  kurzer  Zeit  Krystalle  von  Anilinoxalat, 
frei  von  Borsäure.  Auch  in  den  durch  Platinchlorid  hervor- 
gebrachten krystallinischen  Niederschlag  geht  die  Borsäure 
nicht  ein;  es  ist  reines  Anilinchloroplatinat. 

Monoamytborat  reagirt  auf  das  Anilin  erst  bei  etwas  er- 
höhter Temperatur,  und  die' Ausbeute  ist,  entsprechend  dem 
kleineren  Borsäuregehalt,  weit  geringer.  --  Monophenylborat 
und. Anilin  zersetzen  sich  nicht,  ohne  Zweifel,  weil  sich  hier 
die  mehralkoholischen  Aether  nur  sehr  schwierig  bilden. 
Die  Tendenz  zur  Bildung  der  drei-alkoholischen  Borate  ist 
ohne  Zweifel  ein  wichtiger  Factor  bei  der  Bildung  des  Bor- 
anilids aus  den  ein-alkoholischen  Boraten. 

Erhitzt  man  das  Boranilid  mit  Aldehyden,  so  setzen  sich 
letztere  mit  dem  Anilin  unter  Bildung  von  Diamiden  ganz  in 
derselben  Weise  um,  wie  wir  diefs  in  einer   früheren   Ab- 

14» 


212  Schiff,   Untersuchungen 

handlang  für  die  freie  Base  dargethan  haben  (Ann.  Cbero. Pharm. 
Sappl.  m,  S.  343  und  CXL,  S.  92).  Das  bei  dieser  Reactioh 
frei  werdende  Wasser  hydratisirt  die  Borsaure.  Die  Reaction 
ist  beispielsweise  für  das  Oenanthol  : 

Wird  das  Boranilid  im  Luftbade  auf  110^  erhitzt,  so  ent- 
weicht Wasser  und  es  entsteht  eine  dem  arabischen  Gummi 

ahnliche  gelbliche  Hasse,  welche  vielleicht  ein  Anilid  NIbO 

/Be 

enthält;  es  ist  mir  indessen  nicht  gelungen ^  eine  solche  Ver- 
bindung rein  zu  erhalten.  Ein  Theil  des  «entweichenden 
Wassers  zersetzt  nämlich  einen  Theil  des  Anilids  in  sich 
verflüchtigendes  Anilin  und  in  Borsäure,  welche  zurückbleibt. 
Aus  diesem  Grunde  gab  das  Product  der  Reaction  weit  mehr 
Borsäure,  als  der  ^ormel  des  obigen  Anilids  entspricht. 

Die  Einwirkung  des  Honoäthylborats  auf  Ammoniak  (in 
wasserfreiem  Aether  gelöst)  ist  der  Reaction  mit  Anilin  nicht 
analog.  Das  Product  enthält  auf  ein  Aequivalent  NH'  min- 
destens 2B*0'  oder  auch  mehr.  Die  weifse  flockig-krystal- 
linische  Masse  entläfst  das  Ammoniak  schon  unter  dem 
Schmelzpunkt  der  Borsäure.  Erhitzt  man  jedoch  rasch  in 
einer  auf  der  einen  Seite  geschlossenen  und  andererseits  in 
eine  lange  Spitze  ausgezogenen  Röhre,  so  entweicht  nebst 
Ammoniak  etwas  Wasser  und  bei  der  Behandlung  des  Röhren- 
inhalts mit  kochendem  Wasser  bleibt  eine  kleine  Menge  einer 
grauweifsen  Substanz^  welche  sich  als  Borstickstoff  auswies, 
wohl  entstanden  nach  der  Gleichung  : 

B»0»  +  2  NH»  =  8  H«0  +  2  NB. 

Wir  haben  übrigens  in  einem  gemeinschaftlich  mit  E. 
Bechi  angestellten  Versuch  gefunden,  dafs  beim  Glühen  von 
Borsäureanhydrid  in  trockenem  Ammoniakgas  ebenfalls  etwas 
Borstickstoff  entsteht.    Die  Ausbeute  ist  eine  geringe,   weil 


über  die  Borsäureäiher.  213 

die  Einwirkang  nor  an  der  Oberfläche  der  geschmolzenen 
Masse  stattfindet. 

Die  vermeintliche  Verbindung  von  Chlorbor  mit  ÄeÜier. 

Vor  einigen  Jahren  hat  J.Nicki  es,  gelegentlich  seiner 
Untersuchungen ,  über  Verbindungen  von  Chlormetallen  mit 
Aether,  die  Beobachtung  mitgetheilt,  dafs  eine  Lösung  von 
Borsaureanhydrid  in  wasserfreiem  Alkohol  reichlich  Salz- 
säuregas absorbire  und  damit  eine  ölige,  rauchende,  durch 
Wasser  in  Borsäure,  Salzsäure  und  Alkohol  zerfallende  Flössig- 
keit  bilde,  welche  er  mit  der  Zusammensetzung  3B*0^ 
6  HCl,  10  6^H^0  als  eine  eigenthümliche  chemische  Verbin- 
dung betrachtet.  Bei  der  Destillation  derselben  gehe  bei 
85^  eine  wasserhaltige  Verbindung  von  Chlorbor  mit  Aether 
über,  welche  die  Zusammensetzung  2BCP,  5  G^H^<^9  +  9  H>9 
habe  und  auch  durch  Erhitzen  von  Borsaureanhydrid^  Aether 
und  Salzsäuregas  erhalten  werden  könne.  Aus  der  Flüssig- 
keit, welche  bei  Einwirkung  von  Bromwasserstoff  auf  eine 
alkoholische  Lösung  von  Borsaureanhydrid  entstehe,  könne 
ferner  eine  bei  115^  siedende  Verbindung  von  Brombor  mit 
Aether  und  Wasser  von  der  Formel  2BBr*,  13€^H^<^e  + 
16H'0  erhalten  werden.  Alle  diese  Flüssigkeiten  hauchen 
Borsäure  absetzende  Dämpfe  aus  (Compt.  rend.  t.  LX,  p.  800). 

Ich  habe  bereits  weiter  oben  mitgetheilt,  dafs  Salzsäure- 
gas selbst  bei  höherer  Temperatur  ohne  erhebliche  Einwir- 
kung auf  Triäthylborat  ist.  Da  •  nun  eine  alkoholische  .Lö- 
sung von  Borsaureanhydrid  nach  dem  früher  Dargelegten 
als  eine  Borsäurehydrat  enthaltende  alkoholische  Lösung  von 
Borsäureäthern  zu  betrachten  ist,  so  glaubte  ich  nach 
Ni ekles'  Mittheilungen  annehmen  zu  dürfen,  dafs  das  bei 
Einleitung  von  Salzsäuregas  entstehende  Aethylchlorür  in 
alkoholischer  Lösung  auf  einen  von  diesen  Borsäureäthern 
einwirke  und  etwa  ein  Aethylchlorhydrin  der  Borsäure  ent- 


I 


214  Schiff f   Untersuchungen 

stehen  lasse.  Das  Verhältnifs  von  Bor.  Chlor  und  Aeihyl  in 
der  ersten  der  Nick les'schen  Verbindungen  entspricht  näm- 
lich nahezu  demjenigen   im  Diäthylchlorhydrin  der  Borsäure, 

und  die  zweite  hätte  dann  wohl  ein  noch    Chloräthyl    und 

> 

Weingeist  enthaltendes  Aethyldichlorhydrin  sein  können.  Die 
Aussicht,  diese  Verbindungen  zu  erhalten,  yeranlafste  mich, 
die  Versuche  von  Nicki  es  zu  wiederholen,  und  diese 
Wiederholung  führte  zu  Resultaten,  welche  von  den  von 
Nicki  es  erhaltenen  wesentlich  abweichen. 

Ich  habe  Salzsäuregas  in  eine  frisch  bereitete  Lösung 
von  Borsäureanhydrid  in  absolutem  Alkohol  eingeleitet  und 
habe  andererseits  den  Versuch  auch  in  der  Weise  angestellt, 
dafs  ich  das  Gas  durchstreichen  liefs,  während  das  Anhydrid 
sich  unter  Erwärmung  im  Alkohol  auflöste.  Hatte  man  ver- 
hältnifsmäfsig  wenig  Borsäure  angewandt,  so  erhielt  man  in 
beiden  Fällen  eine  gelbliche  rauchende  Flüssigkeit^  welche 
sich  beim  Erkalten  nicht  weiter  veränderte.  Bei  Anwendung 
gröfserer  Mengen  von  Borsäure  und  namentlich  wenn  man 
davon  so  viel  anwandte,  dafs  noch  ein  Theil  ungelöst  blieb, 
erhielt  man  eine  beim  Erkalten  sich  in  zwei  Schichten  spal- 
tende Flüssigkeit.  Die  obere  wasserhelle  dünnfifissige  Schicht 
enthält  nur  sehr  wenig  Salzsäure,  so  dafs  sie  an  der  Luft 
nicht  raucht.  Sie  erwies  sich  als  eine  alkoholische  Lösung 
von  Tri-  und  Mono-Aethylborat.  Alkohol  und  Triäthylborat 
wurden  abdestillirt  und  die  oben  beschriebene  Trennung  mit- 
telst concentrirter  Schwefelsäure  vorgenommen;  durch  noch- 
malige Destillation  wurde  daraus  das  Triäthylborat  im  Zu- 
stande der  Reinheit  dargestellt.  Die  untere  gelbliche  ölige, 
an  der  Luft  rauchende  Schicht  wurde  mit  Salzsäuregas  ge- 
sättigt, worauf  sich  beim  Erkalten  eine  weitere  Schicht  von 
Borsäureäther  abschied.  Bei  nunmehriger  Destillation  der 
unteren  Schicht  entweicht  zunächst  eine  grofse  Menge  Chlor- 
äthyl,   sodann    folgt    Salzsäure   und    Weingeist,    welchem 


über  die  Borsäureäther.  215 

letzterem  sich  spater  Triathylborat  beimengt,  welches  sich 
bei  ▼ollstandigem  Erkalten  des  Destillats  theilweise  abscheidet. 
Bei  Gegenwart  einer  grdfseren  Menge  von  Chloräthyl  löst 
sich  nämlich  der  Borsäureäther  in  gröfserer  Menge,  und  es 
mufs  sich  daher  ein  weiterer  Antheil  abscheiden,  sobald  das 
Chloräthyl  entweicht.  Der  Rückstand  der  Destillation  ist 
Borsäure  und  ein  wenig  Honoäthylborat.  Bei  der  Destillation 
der  unteren  Schicht  geht  der  gröfste  Theil  zwischen  85  und 
95^  über;  derselbe  ist  aber  keine  Verbindung  von  Chlorbor 
mit  Aeiher,  wie  Nicki  ds  glaubt,  sondern  ein  Gemenge  von 
Weingeist,  Borsäureäthern,  Chlor äthyl j  Salzsäure  und  etwas 
^Vasser;  letzteres  rührt  von  der  Einwirkung  der  Salzsäure 
auf  den  Alkohol  her.  Die  von  Nicki  es  beobachteten,  Bor- 
säure absetzenden  Dämpfe  rühren  lediglich  von  dem  leicht 
verdunstenden  Borsäureäther  her.  Derlrrthum  von  Nicki  es 
ist  zu  entschuldigen,  wenn  man  bedenkt,  dafs  zugleich  mit 
diesen  Dämpfen  Salzsäure  entweicht  und  dafs  man  von  einer 
Bildung  von  Triathylborat  bei  einfacher  Einwirkung  von  Bor- 
sänreanhydrid  auf  Alkohol  bis  jetzt  keine  Ahnung  hatte. 

Nach  dem  Vorhergehenden  hätte  man  also  anzunehmen, 
dafs  das  Salzsäuregas,  ebenso  wie  die  concentrirte  Schwefel- 
säure, die  Trennung  von  Alkohol  und  Borsäureäther  be- 
wirken könne.  Dafs  dem  so  sei,  wurde  durch  den  directen 
Versuch  bestätigt.  Alkohol  und  Triathylborat  mischen  sich 
in  jedem  Verhältnifs  und  es  Gndet  auch  bei  Abkühlung  keine 
Trennung  statt.  VV^urde  in  eiq|  Mischung  von  absolutem  Al- 
kohol mit  dem  gleichen  Volum  reinen  Triäthylborats  Salz- 
sänregas  geleitet,  so  erfolgte  alsbald  Ausscheidung  des 
Aethers.  .  Beim  Erkalten  der  mit  Gas  nahezu  gesättigten 
Flüssigkeit  erhält  man  zwei  Schichten,  welche  sich  vollkom- 
men eben  so  verhalten,  wie  die  bei  dem  früheren  Experiment 
erhaltenen.  —  Bei  gewöhnlicher  Temperatur  gesättigte  wäs- 
serige Salzsäure  kann  ebenfalls  so  weit  mit  absolutem  Alkohol 


216  Schiff y  Untersuchungen 

verdünnt  werden,  dafs  $ich  dann  Triäthylborat  ohne  Zer- 
setzung ztt  erleiden  auflöst.  Das .  so  entstehende  Gemenge 
hat  ganz  die  Eigenschaften  der  nach  dem  Verfahren  von 
Ni ekles  erhaltenen  Flüssigkeit. 

Ein  Umstand,  welcher  Nicki  es  in  seiner  Ansicht  von 
der  Natur  jenes  Gemenges  bestätigen  mufste,  war  derjenige, 
dafs  er  glaubte,  bei  gegenseitiger  Einwirkung  von  Aethyloxyd, 
Salzsäuregas  und  Borsaureanhydrid  die  gleiche  Flüssigkeit 
erhalten  zu  haben.  Nie  kies  giebt  allerdings  an,  dafs  sein 
Aether  wasserfrei  gewesen  sei,  aber  ich  glaube  sehr  be- 
zweifeln zu  dürfen ,  dafs  er  auch  frei  von  Alkohol  war. 
Nach  meinen  Versuchen  wirken  vollkommen  getrocknete 
Salzsäure,  alkoholfreier  Aether  und  Borsäureanhydrid  nicht 
erheblich  aufeinander  ein,  und  das  gegentheilige  Resultat  von 
Nicki  es  scheint  mir  auf  einem  Alkoholgehalt  des  Aethers 
zu  beruhen.  Gegen  Nie  kl  es'  Ansicht  spricht  endlich  noch 
die  Thatsache^  dafs  das  Chlorbor  sich  mit  Alkohol  sogleich 
in  Salzsäure  und  Borsäureäther  zersetzt. 

An  die  vorstehenden  Versuche,  welche  Behufs  Darstellung 
von  Aethylchlorhydrinen  der  Borsäure  angestellt  wurden,  reihe 
ich  einige  andere,  welche  denselben  Zweck  verfolgten ,  aber 
eben  so  wenig  zum  gewünschten  Resultate  führten.  Bringt  man 
Phosphorchlorid  mit  Triäthylborat  oder  Triamylborat  zusammen, 
so  findet  bereits  bei  gewöhnlicher  Temperatur  Einwirkung 
statt,  ohne  dafs  Salzsäure  entweicht.  Sucht  man  die  Producte 
dieser  Reaction  durch  Destillation  zu  trennen ,  so  findet  eine 
weitere  Einwirkung  statt,  und  nach  dem  Abdestilliren  des 
flüssigen  Productes  erhält  man  einen  weifsen  Rückstand  von 
Borsäureanhydrid,  öfters  mit  monoalkoholischem  Borsäure- 
äther gemengt.  Bei  Anwendung  von  Triäthylborat  besteht 
das  Destillat  aus  Phosphoroxychlorid  ^  bei  Anwendung  von 
Triamylborat  ist  dem  Oxychlorid  noch  Amylchlorür  beige- 
mengt   Das  Endresultat  der  Einwirkung  des  Phosphorchlorids 


über  die  Boreäureäther.  217 

auf  die  drei-alkoholischen  Borsäureäther  ist  ganz  derjenigen 
auf  das  Borsaurehydrat  analog  : 

2  BEt'O»  -f-  S  PCI»  =  8  POCl»  +  6  EtCl  +  B»0«. 
2BH80»  +  8  PCI»  =  8POC1»  +  6HC1  +  B'O». 

Letztere  Reaction  ist  bekanntlich  von  Gerhardt  zur 
Darstellung  des  Phosphoroxychlorids  vorgeschlagen  worden. 
Wendet  man  bei  der  Zersetzung  des  Aethers  eine  unzureichende 
-Menge  von  Phosphorchlorid  an,  ao  erhält  man  im  Ruckstand 
der  nachherigen  Destillation  eine  ziemliche  Menge  von  Mono- 
athylborat.  Ich  habe  mich  aufserdem  überzeugt,  dafs  letzte- 
res das  Phosphorchlorid  in  der  Kalte  auflöst,  ohne  dadurch 
zersetzt  zu  werden;  erst  beim  Erwärmen  findet  Einwirkung 
statt 

Die  zwei  Phasen,  in  welchen  die  vollständige  Zer- 
setzung der  drei-alkoholischen  Aether  erfolgt,  können  hier- 
nach in  folgender  Weise  aufgefafst  werden  : 

Erste  Phase,  bei  mittlerer  Temperatur  : 

2  BEfO*  +  2  PCI»  =  2  POCl»  -f-  4  EtCl  -|-  2  BEtO«. 

Zweite  Phase,  beim  Erwärmen  : 

2BEtO«  +  PCI»  =  POCl«  +  2  EtCl  -|-  B«0». 

Auch  das  minder  energisch  wirkende  Antimontrichlorur 
liefert  kein  Aethylchlorhydrin ,  da  die  Einwirkung  erst  bei 
einer  Temperatur  erfolgt,   bei  welcher  eine  derartige  Ver- 

■ 

bindung  nicht  mehr  bestehen  kann.  KrystalJisirtes  Antimon- 
chlorur  nimmt  unter  Triathylborat  etwas  von  letzterem  auf 
und  bildet  damit  ein  schweres  gelbes  Oel,  welches  sich  unter 
dem  übrigen  Aether  als  besondere  Schicht  ablagert.  Beim 
Erwärmen  auf.  etwa  100^  findet  Mischung  beider  Schichten 
statt  und  beim  Erkalten  erfolgt  aufs  Neue  vollständige  Tren- 
nung. Erhitzt  man  aber  die  Lösung  einen  Tag  lang  im  ge- 
schlossenen Rohr  auf  150  bis  160",  so  gesteht  das  Ganze 
beim  Erkalten  zu  einem  Brei  von  Antimonoxychiorür,  und 
bei  der  Destillation  des  Filtrats  erhalt  man  zunächst  Chlor- 


218  OraftSy  über  die  Aether 

ithyi  und  Aethyloxyd;  über  100^  destillirt  ni^wngegriBeiieg 
Triathylborat  über  und  es  bleibt  ein  RücksUind  von  Hono- 
athylborat,  gemengt  mit  dem  nicht  zersetzten  Antimonchlorür. 
Diese  Reaction  findet  ihren  Ausdruck  in  der  Gleichung  : 

2  BEt»a»  +  ßbCl»  =  SbaCl  +  2  EtCl  +  Et«^  +  2  BEtO«. 

Diese  Reaction  ist  analog  derjenigen  des  Antimonchlor urs 
auf  den  Alkohol.  Ersteres  lost  sich  in  letzterem  leicht  aof, 
die  Lösung  wird  bei  100^  nicht  verändert,  aber  bei  150^ 
erfolgt  Zersetzung  in  Oxychlorür,  Chlorathyl  und  Aethyloxyd, 
wohl  nach  der  Gleichung  : 

4  EtHO  +  SbCl<  =  8bOGl  +  Et^O  +  2  EtCl  +  2  H<0. 

Acetylchlorür  und  Benzoylchlorür  reagiren  allmalig  schon 
bei  gewöhnlicher  Temperatur  auf  Triathylborat  ein.  Bezüg- 
lich der  Darstellung  von  Aethylchlorhydrinen  der  Borsaure 
verbleibt  mir  also  noch  das  eingehendere  Studium  dieser 
Reaction,  so  wie  der  bereits  früher  erwähnten  Einwirkung 
des  Chlorbors  auf  das  Triathylborat. 

Schliefslich  noch  die  Notiz,  dafs  das  Aceton  selbst  bei 
150^  nicht  durch  Borsäureanhydrid  zersetzt  wird. 

Florenz,  im  Mai  1867. 


Ueber  die  Aether  der  Säuren  des  Arsens; 

von  J.  M.  Crafls*). 

Alles,  was  man  von  den  Verbindungen  der  Säuren  des 
Arsens  mit  den  Alkoholradicalen  weifs,  beschränkt  sich  auf 
eine  sehr  kurze  Angabe  von  d'Arcet**)  bezüglich   einer 

•)  Compt  rend.  LXIV,  700. 

**)  Journal  de  cbimie  m^dicale,  Janvier  1836  (Ann.  Cham.  u.  Pbarm. 
XIX,  202).  Es  scheint,  dafs  nur  das  Barytsalz  dieser  Stturo 
analysirt  wurde,  und  aus  dieser  Analyse  hat  man  die  Formel 
BaO,  CisHmO,,  AssOft  abgeleitet  (0  =  100,  Ba  =  866,9,  0  = 
38,25,  As  =  470,85,  H  =  6,25),  was  dem  Barytsalz  einer  Di- 
ftthylstture  entspricht  (Vgl.  L.  Qmelln^s  Handb.  d.  Ghem.,  4.  Aufl., 
lY,  770.      D.  Red. 


der  Säuren  des  Arsens.  219 

Sinre,  welche  er  Arsenfktoeinsäure  nannte  und  welche  sich 
bei  Behandlunf|[  des  Alkohols  mit  Arsensaare  bilde;  es  ist 
auffallend,  dafs  man  niemals  diese  Lücke  in  unserer  Kennt- 
nifs  von  den  Eigenschaften  zwei  so  wichtiger  und  so  gut 
untersuchter  Säuren^  wie  es  die  Arsensaare  und  die  arsenige 
Säure  sind,  auszufällen  suchte. 

Ich  bin  dazu,  die  Darstellung  dieser  Verbindungen  zu 
Tersuchen,  im  Verfolge  einer  durch  Friede!  und  mich*) 
gemachten  Beobachtung  gekommen,  welche  uns  ein  Mittel 
abzugeben  schien,  nicht  nur  die  Aether  der  Arsensäure  und 
der  arsenigen  Saure,  sondern  auch  die  jeder  anderen  Säure 
darzustellen,  welche  die  Kieselsaure  aus  ihren  Verbindungen 
zu  yerdrangen  vermag.  Wir  hatten  nämlich  beobachtet,  dafs 
die  wasserfreie  Borsaure  bei  dem  Erhitzen  derselben  mit 
Kieselsäureäther  die  Kieselsäure  verdrängt  und  die  Stelle  der- 
selben einnimmt,  so  dafs  man  die  theoretisch  sich  berech- 
nende Menge  ganz  reinen  Borsäureäthers  erhält;  und  wir 
glaubten,  dafs  dasselbe  Verfahren  dazu  dienen  könne,  andere 
Aether  zu  erhalten. 

Die  Säure,  welche  am  Meisten  für  die  Erzielung  eines 
guten  Resultates  versprach,  war  die  Arsensäure,  und  der 
erste  Versuch  wurde  mit  derselben  angestellt,  indem  nicht 
das  normale  kieselsaure  Aethyl,  sondern  die  Rückstände  von 
der  Bereitung  desselben  angewendet  wurden,  nämlich  Aether, 
welche  oberhalb  170®  siedeten  und  einen  gröfseren  Gehalt 
an  Kieselsaure  besafsen,  als  der  normale  Aether.  Dieselbe 
Reaction  wurde  mit  anderen  Säuren  und  namentlich  mit  der 
arsenigen  Säure  versucht,  aber  nur  mit  der  letzteren  verlief 
äe  so,  wie  wir  es  als  voraussichtlich  stattfindend  betrachteten. 

Wird  gut  getrocknete  Arsensäure  mit  Kieselsäureäther 
in  einer  zugeschmolzenen  Röhre  erhitzt,  so  erfolgt  unterhalb 


*)  Annales  de  cbim.  et  de  phys.  [4]  IX,  5  (1866). 


^■» 


220  Grafts,  über  die  Aether 

220^  keine  Einwirknng.  Steigert  man  die  Temperatur  viel 
höher,  so  bilden  sich  Gase,  welche  die  Röhre  explodiren 
lassen.  Läfst  man  die  Temperatur  sich  zwischen  220  und 
230^  haken,  so  vollendet  sich  die  Reaction  innerhalb  6  Stun* 
den  und  die  Röhre  ist  mit  gallertartiger  Kieselsäure  erföUt. 
Bei  Eröffnung  der  Röhre  bemerkt  man  die  Entwickelung 
einer  betrachtlichen  Menge  eines  Gases,  welches  die  Eigen- 
schaften des  Aethylens  besitzt.  Wenn  man  den  Inhalt  der 
Röhre  in  einem  Kolben  erhitzt,  so  geht  zuerst,  viel  gewöhn- 
licher Aelher  über»  und  dann  bei  150  bis  200^  eine  Flässigkeit, 
deren  Ueberdestilliren  von  der  Entwickelung  eines  Gases  be- 
gleitet ist.  I>er  Destrllationsrückstand  besteht  aus  arseniger 
Säure  nebst  etwas  Arsensäure  und  beigemischter  Kieselsäure. 
Das  flussige  Destillationsproduct  enthält  auch  nur  sehr  wenig 
Arsensäure,  aber  es  giebt  mit  Wasser  eine  reichliche  Aus- 
scheidung von  arseniger  Säure.  Obgleich  die  Flüssigkeit 
hauptsächlich  aus  Arsenigsäureäther  zu  bestehen  scheint,  ist 
es  doch  nicht  leicht,  irgend  ein  reines  Product  aus  ihr  za 
isoliren,  und  ich  habe  mich  darauf  beschränkt,  zu  constatiren, 
dafs  fast  die  ganze  Menge  der  Arsensäure  unter  diesen  Um- 
ständen reducirt  wird. 

Da  sich  nach  der  eben  besprochenen  Reaction  Arsen- 
säureäther nicht  erhalten  liefs,  habe  ich  versucht;  denselben 
durch  gegenseitige  Einwnrkung  von  arsensaurem  Silber  und 
Aethyljodur  darzustellen,  und  ich  habe  gefunden,  dafs  diese 
letztere  Reaction  ganz  glatt  vor  sich  geht,  und  dafs  man 
jenen  Aether  leicht  ganz  rein  und  fast  in  der  sich  theoretisch 
berechnenden  Menge  erhält,  wenn  man  die  Vorsicht  beachtet, 
keinen  Ueberschufs  von  Aethyljodur  anzuwenden  und  die 
Temperatur  nicht  über  120^  zu  steigern.  Wenn  ein  Ueber- 
schufs von  Aethyljodur  vorhanden  ist,  so  tritt  bei  einer  Tem- 
peratur, welche  nur  wenig  oberhalb   der   zur  Bildung  des 


der  Säuren  des  Arsens^  221 

Arsensaureäthers   nöthigen  liegt,    Zersetzung  ein;  Jod  wird 
frei  und  Arsenjodur  bildet  sich. 

Zar  Darstellung  des  Arsensaureathers  erhitzt  man  einen 
kleinen  Ueberschufs  von  arsensaurem  Silber  mit  Aethyljodür, 
welches  mit  seinem  zweifachen  Volum  rectificirten  gewöhn- 
lichen Aethers  gemischt  ist,  20  Stunden  lang  auf  110^  Man 
scheidet  den  entstandenen  Arsensaurefither  von  dem  Jod- 
silber durch  Ausziehen  mittelst  Aether,  und  nachdem  man  den 
Aether  vollständig,  durch  Erhitzen  auf  lOO^  in  einem  Strome 
von  Kohlensaure,  verjagt  hat,  destillirt  man  unter  einem 
schwächeren  Drucke  als  der  der  Atmosphäre  ist.  Unter  einem 
Drucke  von  6(f^  Quecksilberhöhe  destillirt  die  ganze  Menge 
des  Productes  bei  148  bis  153^  ohne  Zersetzung.  Dieselbe 
Flüssigkeit  geht  bei  der  Destillation  unter  gewöhnlichem 
Luftdruck  bei  235  bis  238^  fiber,  aber  gegen  das  Ende  der 
Destillation  findet  immer  Zersetzung  eines  kleinen  Theiles 
des  Productes  statt  und  in  dem  Kolben  bleibt  ein  Rückstand 
von  Arsensaare. 

Nach  den  Analysen  kommt  dem  Arsensaureather  die 
Formel  As(€sH5)304  zu.  Sein  specifisches  Gewicht  ist  1,3264 
bei  0®  und  1,3161  bei  8,8^.  Er  mischt  sich  mit  Wasser  nach 
allen  Yerhällnissen  zu  einer  klaren  Flüssigkeit,  welche  sich 
gegen  Reagentien  wie  eine  Lösung  von  Arsensäure  verhalt. 

Ich  weifs  noch  nicht,  ob  sich  unter  diesen  Umstanden 
eine  Arsenweinsäure  bildet. 

Äraenigiäureäüier.  —  Die  arsenige  Säure  wirkt  auf  den 
Kieselsäureäther  bei  220^  ein,  indem  sie  Kieselsäure  aus- 
scheidet und  an  die  Stelle  derselben  tritt;  man  erhält  fast 
die  sich  theoretisch  berechnende  Menge  Arsenigsäureäther, 
welchen  man  von  der  Kieselsäure  durch  Destillation  scheiden 
kann.  Dieser  Aether  ist  das  normale  arsenigsaure  Aethyl 
As(G8H5)s9s.     Er  siedet  ohne  Zersetzung  bei  166  bis  168^ 


222      GraftSy  über  die  Aether  der  Säuren  des  Arsens, 

Seine  Dampfdichte  wurde  bestimmt  bei  209,5^  zu  7,615,  bei 
213«  zu  7,608,  bei  233<>  zu  7,197,  bei  267«  zu  7,389.  Die 
Theorie  verlangt,  für  eine  Condensation  auf  2  Volume,  7,267. 
Das  specifische  Gewicht  der  Flüssigkeit  ist  bei  0«  =  1,224* 
Mit  Wasser  zersetzt  sich  dieser  Aether  augenblicklich  unter 
Ausscheidung  von  arseniger  Saure. 

Der  Arsenigsaureather  bildet  sich  auch  bei  der  Ein- 
wirkung von  arsenigsaurem  Silber  auf  Aethyljodür,  und  es 
ist  bemerkenswerth ,  dafs  man  durch  die  Einwirkung  des 
Aethyljodürs  auf  das  gelbe  arsenigsaure  Silber,  welches  2  At. 
Basis  enthält,   den  normalen  Aether  mit  3  At.  Aethyl  erhalt. 

Die  Verbindung  des  Arsenchlorürs  mit  Alkohol  giebt  bei 
Behandlung  mit  Natriumalkoholat  nicht  den  Arsenigsaureather; 
und  man  erhält  diesen  Aetifbr  auch  weder  durch  Erhitzen 
der  arsenigen  Saure  mit  Alkohol  noch  durch  Erhitzen  der- 
selben mit  einem  Gemische  von  gewöhnlichem  Aether  und 
Essigather. 

.Unter  den  anderen  Säuren,  deren  Aether  noch  unbekannt 
sind,  versprachen  die  Wolframsäure  und  die  antimonige  Säure 
am  Leichtesten  auf  den  Kieselsäureäther  einzuwirken;  aber 
beide  ergaben  ein  negatives  Resultat.  Die  Wolframsäure 
wirkt  bei  15  stündigem  Erhitzen  mit  Kieselsäureäther  auf  200^ 
nur  theilweise  ein.  Die  Wolframsäure  wird  unter  Bildung 
von  blauem  Oxyd  reducirt,  und  es  bilden  sich  zugleich  Al- 
dehyd und  ein  gasförmiger  Körper.  Das  Destillat  enthält 
keine  Spur  Wolframsäureäther.  Die  antimonige  Säure  wirkt 
auf  den  Kieselsäureäther  nicht  ein,  wenn  man  sie  20  Stunden 
lang  mit  demselben  auf  300<)  erhitzt.  Bei  .340^  entwickeln  sich 
gasförmige  Producte,  welche  die  Röhre  explodiren  lassen. 

Ich  beabsichtige,  noch  andere  Aether  der  Arsensäure 
und  der  arsenigen  Säure  darzustellen,  und  die  Untersuchung 
der  bereits  erhaltenen  weiter  fortzusetzen. 


223 

üeber  die  Constitution  des  Tannenholzes; 

von  Dr.  JuUus  Erdmann. 


In  meiner  Arbeit  über  die  Concretionen  in  den  Birnen 
(Ann.  Chem.  Pharm.  CXXXVIII,  1),  welche  ich  im  Auszuge  der 
NaturforscherTersammlung  zu  Hannover  im  Jahre  1865  mit- 
getheilt,  habe  ich  dargethan,  dafs  die  sogenannte  inkrustirende 
Materie  Payen's^  welche  bis  dahin  als  ein  Körper  von  un- 
bestimmter Zusammensetzung,  eigentlich  als  Unreinigkeit  der 
Zellen  betrachtet  wurde,  als  eine  öestimmte  chemische  Ver- 
bindung  anzusehen  sei,  indem  sie,  mit  Salzsaure  behandelt, 
Traubenzucker  und  einen  Spaltungsruckstand  liefert.  Ich 
habe  schon  damals  darauf  hingewiesen,  dafs  es  die  nächste 
Aufgabe  der  Chemie  sei,  die  sogenannte  inkrustirende  Materie 
in  einer  Reihe  Pflanzen  zu  untersuchen  und  ihre  Verbindungs- 
und Spaltungsverhaltnisse  zu  studiren. 

Es  schien  mir  zweckmafsig,  zunächst,  als  Gegensatz  zu 
den  steinharten  Zellen  der  Concretionen,  ein  weiches  Holz 
der  Untersuchung  zu  unterwerfen,  weil  ich  hier  mit  Sicherr 
heit  darauf  rechnen  konnte,  auf  andere  Spaltungsverhaltnisse 
zu  stofsen,  und  ich  wählte  dazu  das  Holz  von  „Pinus  abies^. 

Das  zur  Untersuchung  verwandte  Tannenholz  wurde  zu- 
nächst fein  geraspelt,  dann  anhaltend  mit  sehr  verdünnter 
Essigsäure  gekocht,  mit  heifsem  Wasser,  Alkohol  und  Aether 
nach  einander  ausgezogen  und  bei  100^  C.  getrocknet. 

Das  so  zubereitete  Holz  wurde  der  Elementaranalyse 
unterworfen,  und  zwar  im  Luft-  und  Sauerstoffstrom  verbrannt, 
und  die  im  Platinschiff  zurückbleibende  geringe  Menge  Asche 
in  Abrechnung  ^ebrac&t. 

Nach  dem  Resultate  mehrerer  Analysen  berechnet  sich  die 
Formel  GsoHmOsi*  deren  Begründung  ich  mir  im  weiteren 
Verlauf  der  Arbeit  vorbehalte,  und  bezeichne  ich  diese  Ver- 
bindung als  „Glycolignose^. 


224  Erdmami,  über  die  Constitution 

9 

I.     0,1900  6i-m.  Substanz  gaben  0,8345  Koblensänre  q.  0,1107  Waaser. 
II.     0,1885  Grm.  gaben  0,8862  Koblensäure  u.  0,1065  Wasser. 
Theorie  Gefunden 


I. 

IT. 

€.0 

860 

48,52 

48,01    • 

48,64 

H4« 

46 

6,20 

6,47 

6,27 

^»t 

836 
742 

.  45,28 
100,00 

45,52 
100,00 

45,09 
100,00 

Das  gereinigte  Tannenholz  besitzt  eine  gelbweifse  Farbe. 
Es  ist  unlöslich  in  allen  gewöhnlichen  Lösungsmitteln.  Durch 
Kupferoxydammoniak  werden  nur  Spuren  von  Cellulose  gelöst. 
Die  Unlöslichkeit  in  Kupferoxydammoniak  ist  als  ein  Argu- 
ment zu  betrachten,  dafs  die  primitive  Cellulose  ebenfalls  im 
Tannenholz  wie  in  den  Concretionen  mit  einem  anderen 
Körper  chemisch  verbunden  ist^  da  freie  und  reine  Zellen- 
substanz durch  Kupferoxydammoniak  gelöst  wird. 

Kocht  man  das  Tannenholz  mit  Salzsäure,  so  tritt  eine 
Spaltung  ein,  indem  einerseits  Traubenzucker  entsteht  und 
andererseits  ein  unlöslicher  Spaltungsrückstand  zurückbleibt 
Die  quantitativen  Spaltungen  wurden  genau  so  ausgeführt, 
wie  es  in  der  Arbeit  über  die  Birnenconcretionen  angegeben, 
und  wurde  sehr  fein  geraspeltes,  staubfreies  Tannenholz  zum 
Versuch  verwandt.  Es  hinterblieben  bei  der  Behandlung  mit 
Salzsäure  60  bis  65  pC.  Rückstand. 

Das  mit  Salzsäure  behandelte  Tannenholz  besitzt  eine 
röthlich-gelbe  Farbe,  welche  offenbar  von  den  bei  der  Spal* 
tung  auftretenden  Nebenproducten  herrührt.  Es  ist  unlöslich 
in  den  gewöhnlichen  Lösungsmitteln.  Durch  Kupferoxyd- 
ammoniak werden  geringe  Mengen  Cellulose  gelöst;  die  Haupt- 
menge ist  darin  unlösUch.  Die  Lösung  der  Sellulose  erfolgt 
wahrscheinlich  unter  partieller  Zersetzung  der  Verbindung; 
denn  das  bei  der  Behandlung  mit  Kupferoxydammoniak  und 
nachher  mit  Wasser,  verdünnter  Salzsäure  und  Ammoniak- 
wasser gereinigte  Holz  ist  bedeutend  dunkler  gefärbt 


des  Tannenholzes.  225 

Ans  dem  Mittel  mehrerer  Analysen  berechnet  sich  für  den 
Spaltungsrückstand  der  Glycolignose  (von  verschiedenen  Spal- 
tungen) die  Formel  ^igH^eOu,  und  gebe  ich  dieser  Verbin- 
dang  den  Namen '^„Lignose^.  Gefunden  wurden  im  Mittel  : 
51,77  pC.  Kohlenstoff  und  6,53  pC.  Wasserstoff,  während  die 
Rechnung  51,67  pC.  Kohlenstoff  und  6,22  pC.  Wasserstoff 
verlangt. 

Nach  der  Berechnung  müssen  100  Theile  Glycolignose 
56,3  pC.  Lignose  hinterlassen,  während,  wie  schon  oben  er- 
wähnt, die  Mengen  der  Lignose  von  60  bis  65  pC.  schwankten ; 
defshalh  wurde  zu  den  Analysen  Substanz  von  solchen  Spal- 
tungen genommen,  die  mir  als  die  gelungensten  erschienen. 
Die  bei  der  Behandlung  mit  Salzsaure  entstandene  Lignose 
hinterläfst  beim  Kochen  mit  verdünnter  Salpetersaure  Cellulose. 

Zar  Bestätigung  der  Molecularformel  : .  <^^8oH4692i  war 
es  erforderlich,,  die  Cellulose  in  der  Glycolignose  quantitativ 
za  bestimmen. 

Nach  der  Methode,  welche  ich  zur  Bestimmung  der  Cel- 
lulose in  der  Glycodrupose  befolgte,  wo  mit  einer  verdünnten 
Salpetersäure  eine  viertelstundige  Oxydation  vorgenommen 
und  eben  bei  der  Schnelligkeit  der  Operation  die  zurück-* 
bleibende  Cellulose  nur  unerheblich  angegriffen  wurde,  er- 
hielt ich  bei  der  Glycolignose  keine  besonders  genauen  Re- 
soitate;  es  mufs  dieses  in  der  lockeren  Structur  des  Holzes 
liegen ,  indem  die  bei  der  Oxydation  entstehenden  Producte 
stärker  tingiren,  als  bei  den  steinharten  Concretionen,  und 
defshalb  war  die  bei  der  Behandlung  mit  Salpetersäure  zu- 
rückbleibende und  nachher  gereinigte  Holzfaser  noch  inten- 
siv gelb  gefärbt. 

iOO  Theile  G-lycolignose  lieferten  mit  Balpetersäare  bebandelt 
46,6  bis  48,4  pC.  Cellulose,  während  nach  der  Rechnang 
43,67  pC.  Cellulose  restiren  mufsten.  * 

Obgleich  das  vorstehende  Resultat,  wie  schon  erörtert, 
keinen  Anspruch  auf  Genauigkeit  machen  kann,  so  ist  es  doch 

Annal.  d.  Chom.  u.  Pharm.  V.  Snpplementbd.  8.  Heft.  15 


226  Erdmann,  über  die  Constitution 

als  annähernd  richtig  zu  bezeichnen  und  lafst  mit  Wahr- 
scheinlichkeit auf  die  Richtigkeit  der  Formel  f^'8oH46^8i 
schliefsen. 

Da  die  mit  der  Gellulose  verbunden*bn  Substanzen  von 
der  Salpetersaare  bedeutend  leichter  angegriffen  werden,  als 
die  Holzfaser  selbst,  habe  ich  den  Versuch  gemacht,  mit  einer 
äufserst  verdünnten  Säure  zu  operiren,  in  der  Voraussetzung, 
dafs  die  sehr  verdünnte  Saure  nur  die  mit  d^r  Holzfaser 
verbundenen  Stoffe  entfernen  möchte  und  die  Gellulose  mög- 
lichst unverletzt  liefse.  ^ 

Ein  Volumen  Salpetersaure  von  1,2  spec.  Gewicht  wurde 
mit  16  Volumen  Wasser  verdünnt  und  die  bei  100^  getrock- 
nete, staubfreie^  feingeraspelte  Glycolignose  genau  eine  halbe 
Stund  lang  mit  einer  genügenden  Menge  der  so  verdünnten 
Söure  gekocht..  Das  beim  Kochen  verdunstende  Wasser 
mufs  von  Zeit  zu  Zeit  ersetzt  werden,  um  die  Salpetersäure 
in  derselben  Goncentration  zu  erhalten.  Der  Oxydations- 
rückstand  wurde  zuerst  mit  heifsem  Wasser,  dann  mit  sehr 
verdünnter  kochender  Ammoniakflüssigkeit,  abermals  mit 
Wasser  und  schliefslich  mit  Alkohol  ausgewaschen,  bei  100^ 
getrocknet  und  gewogen.  Diese  Operation  mufs  so  lange 
wiederholt  werden,  bis  der  Rückstand  durch  die  Oxydation 
mit  der  verdünnten  Salpetersäure  nur  noch  äufaerst  toenig 
abnimmt. 

100  Theile  Glycolignose  hinterliefsen 

nach  der  ersten  Oxydation     93,86  pC.  Rückstand 


9 

9 

zweiten 

• 

67,49 

II 

1» 

n 

n 

dritten 

9 

60,96 

n 

» 

« 

9 

B 

vierten 

II 

58,02 

n 

II 

n 

n 

fünften 

11 

52,02 

n 

II 

n 

sechsten 

n 

49,21 

n 

II 

fi 

siebenten 

II 

47,12 

9 

II 

» 

achten 

» 

45,49 

» 

n 

II 

neunten 

■ 

II 

48,60 

» 

V 

II 

sehnten 

Be 

11 

42,60 

II 

Holsfaser. 

rechnet 

48,67 

pC. 

•  des   Tannenholzes.  227 

Es  ist  aus  den  vorstehenden  Daten  zu  ersehen,  dafs  nach 
einer  sehnmaligen  Oxydation  das  Gewicht  der  räckständigen 
Cellolose  noch  sehr  annähernd  mit  der  Berechnung  stimmt. 
Indessen  ist  zu  bemerken,  dafs  der  Rückstand  bei  nochmaliger 
Wiederholung  des  Oxydationsversuches  sich  noch  um  etwa 
Tier  bis  sechs  Milligramme  verringert,  und  geht  daraus  her- 

* 

vor,  dafs  jetzt  die  Cellulose  nach  Entfernung  der  mit  ihr 
verbundenen  Substanz  etwas  angegriffen  wird,  was  bei  An- 
wesenheit derselben  nur  sehr  unbedeutend  sein  konnte.  Wäre 
die  Cellulose  stärker  angegriffen^  so  würde  das  Gewicht  des 
Rückstandes  nach  fünfstündigem  Kochen  mit  Salpetersäure 
entschieden  weit  geringer  sein,  als  die^  Rechnung  verlangt. 

Vielleicht  wird  es  in  der  Folge  gelingen,  noch  eine  Me- 
thode ausfindig  zu  machen,  nach  welcher  die  mit  der  Cellu- 
lose SU  Glycolignose  verbundenen  Körper  vollständig  ent- 
fernt werden^  ohne  die  Cellulose  zu  verletzen.  Vorläufig 
müssen  die  Resultate  dieser  Versuche  genügen^  namentlich 
in  Anbetracht  der  grofsen  Schwierigkeit  der  zu  lösenden 
Aufgabe.  * 

Um  über  den  Atomcomplex  näheren  Aufschlufs  zu  er- 
ballen, welcher  nach  dem  Austreten  der  zuckerbildenden 
Gruppe  noch  -mit  der  Cellulose  in  Verbindung  bleibt ^  hielt 
ich  es  für  zweckmäfsig,  die  Glycolignose  mit  schmelzendem 
Kali  zu  behandeln,  in  der  Hoffnung,  ein  Zersetzungsproduct 
2Q  erbalten,  welches  als  Stützpunkt  für  die  Theorie  der  Con- 
stitution des  Tannenholzes  dienen  konnte. 

Zwei  Theile  Kali  wurden  in  wenig  Wasser  gelöst  und 
ein  Theil  Glycolignose  zugefügt,  dann  eingedampft  und  bis 
fast  zum  Aufhören  der  Gasentwickelung  geschmolzen.  Ein 
längeres  Erhitzen  und  eine  zu  hohe  Temperatur  ist  zu  ver- 
meiden. Nach  dem  Erkalten  löst  man  die  Schmelze  in 
Wasser,  übersättigt  mit  Salzsäure  und  filtrirt.  Das  Filtrat 
mufs   so  lange  mit  Aether  ausgeschüttelt  werden,  bis  eine 

"     •  15» 


228  ErdmanUy  über  die  Constitution  • 

neue  Portion  Aether  nur  noch  wenig  Substanz  löst.  Der 
ätherische  Auszug  hinterl|irst  nach  dem  Abdestilliren  des 
Aethers  einen  gelbbraunen  Syrup,  der  stark  nach  Essigsäure 
riecht. 

Zunächst  verjagt  man  einen  grofsen  Theil  der  Essigsäure 
auf  dem  Dampfbade  und  läfst  erkalten.  Nach  einiger  Zeit 
scheiden ' sich  Krystalle  aus,  die  man  Ton  der  Mutterlauge 
trennt  und  mit  etwas  Wasser  auswascht. 

Der  sich  ausscheidende  Körper,  mit  dessen  Untersuchung 
ich  noch  beschäftigt  bin,  zeigt  in  seinen  Reactionen  grofse 
Uebereinstimmung  mit  dem  Brenzcatechin  und  der  Protoca- 
techusäure,  und  steht  jedenfalls  in  naher  Beziehung  zum 
Brenzcatechin. 

Die  von  den  Krystallen  abgegossene  Mutterlauge  wurde 
bei  etwa  60  bis  70*^  C.  concentrirt  und  aus  einer  Retorte  im 
Oelbade  unter  fortwährendem  Durchleiten  eines  Kohlensäure- 
stromes destillirt.  Bevor  die  Substanz  in  der  Retorte  trocken 
wurde,  gingen  mit  den  Wasserdampfen  Brenzcatechin  und 
Essigsäure  über. 

Sobald  der  Retorteninhalt  wasserfrei  erschien,  erhitzte 
ich  das  Oelbad  von  150  bis  200^  C.  Im  Halse  der  Retorte 
setzten  sich  bald  schön  ausgebildete  Krystalle  von  Bernstein- 
säure  an  und'  es  ging  ein  ölförmiges  Destillat  über,  worin 
neben  Bernsteinsäure   wieder  Brenzcatechin   vorhanden   war. 

Es  scheint,  als  ob  das  Brenzcatechin,  welches  mit  der 
Bernsteinsäure  überging,  zum  Theil  aus  Brenzcatechin  nahe- 
stehenden Körpern  unter  Kohlensäureentwickelung  entstanden 
ist;  denn  die  geschmolzene  Masse  in  der  Retorte  blähete  sich 
unter  Gasentwickelung  stark  auf.  Demnach  hätten  wir  pra* 
formirtes  Brenzcatechin  in  Lösung  gehabt,  welches  mit  den 
Wasserdämpfen  überging,  und  aufserdem  Substanzen,  welche 
in  höherer  Temperatur  Brenzcatechin  lieferten. 


des  Tannenholzes,  229 

Das  Brenzcatechin  kann  man  von  der  Bernsteinsäore 
durch  Destillation  trennen,  indem  das  erstere  mit  den  Wasser- 
dampfen übergeht,  wenn  die  Lösung  nicht  zu  vendünnt  ist. 
Die  Bernsteinsaure  wurde  durch  mehrfaches  Umkrystallisiren 
gereinigt  und  war  in  der  Mutterlauge  derselben  immer  noch 
Brenzcatechin  zu  finden.  Die  letzten  Spuren  Brenzcatechin 
lassen  sich  von  der  Bernsteinsaure  durch  Auswaschen  der 
Krystalle  mit  Aether  entfernen.  Der  Schmelzpunkt  der  so 
gereinigten  Säure  wurde  bei  180^  C.  gefunden,  in  Ueberein- 
Stimmung  mit  den  Angaben  der  Lehrbücher. 

Das  Auftreten  der  Bernsteinsaure  bei  der  Behandlung 
der  Glycolignose  mit  schmelzendem  Kali  ist  in  der  Weise  zu 
erklären,  dafs^  die  Bernsteinsaure  aus  s der  zuckerbildenden 
Gruppe  des  Holzes  entsteht;  denn  es  ist  von  Hlasiwetz 
schon  früher  beobachtet,  dafs  Zucker  mit  schmelzendem  Kali 
behandelt  Bernsteihsäure  liefert. 

Im  Yerhaltnifs  zu  der  in  Arbeit  genommenen  Glycolig- 
nose resultiren  nur  sehr  geringe  Mengen  Brenzcatechin,  was 
bei  der  tief  eingreifenden  Zersetzung  des  schmelzenden  Kali's 
und  bei  der  Neigung  des  Brenzcatechins,  sich  mit  Alkalien 
zu  verändern,  nicht  zu  verwundern  ist. 

Die  Lignose  mit  Kali  geschmolzen  lieferte  ebenfalls 
Brenzcatechin-Körper.  Femer  behandalte  ich  die  Glycodru- 
pose  mit  schmelzendem  Kali  und  «erhielt  dasselbe  Resultat, 
indem  wiederum  Brenzcatechin-Körper  entstanden. 

Bei  der  Behandlung  vöUig  reiner  Cellulose  mit  schmel- 
ffendem  Kali,  wie  man  s^  durch  wiederholte|;  Auskochen 
des  Tannenholzes  mit  Salpetersäure  erhält,  entstehen  keine 
Brenzcatechin-Körper.  In  Beziehung  auf  die  Reinigung  der 
Cellulose  ist  zu  erwähnen^  dafs  nach  dem  jedesmaligen  Kochen 
mit  Salpetersäure  der  Rückstand  mit  verdünntem  Ammoniak 
und  heifsem  Wasser  ausgewaschen  werden  mufs.  Die  Cel- 
lulose prüft  man  am  Besten  auf  ihre  Reinheit,  indem  man  sie 


230  Erdmann,  über  die  Constitution 

anhaltend  mit  Salpetersäure  kocht,  wobei  die  Saure  vollstän- 
dig ungefärbt  bleiben  mufs. 

Aus  «den  Resultaten  der  vorliegenden  Arbeit  ist  über 
die  Constitution  des  Tannenholzes,  der  Concretionen  und  mit 
gröfster  Wahrscheinlichkeit  aller  in  Kupferoxydammoniak 
unlöslicher  Holzfaserverbindungen  folgender  Schlufs  zu  ziehen. 

Wir  haben  in  den  Celluloseverbindungen  zunächst  eine 
zuckerhildende  Gruppe^  welche  durch  die  Spaltung  mit  Salz- 
säure austritt;  ferner  eine  aromatische  Gruppe ^  welche  mit 
der  Cellttlose  nach  der  Behandlung  mit  Salzsäure  noch  ver- 
bunden ist,  und  schliefslich  die  Gruppe  der  primitiven  Cellu-- 
lose. 

Bei  der  Annahme  dieser  drei  Gruppen* im  Holzkörper 
können  wir  uns  die  Entstehung  der  Destillationsproducte  des 
Holzes  hinreichend  erklären;  ich  will  nur  auf  die  Entstehung 
der  Verbindungen  hinweisen,  die  der  aromatischen  Gruppe 
angehören,  wie  Benzol  und  seine  Homologe  und  Phenylal- 
kohol. 

^  ^Die  Constitution  des  Tannenholzes  ist  aus  folgender  Zu- 
sammenstellung ersichtlich  : 

Brenzcateohin  ==  6«  H«  ^^ 
2  Moleoale  Cellolose  =  GisH^Oio 

CiaH^O,,  —  O  =  „Lignoao* 

Lignose. 

Lignose  =  G,eHMOit  , 
2  Molecule  Qlycose  =  Gj^H^Ois  •  * 


—    2  H,^   =  H4  O, 


^aoHie^si  =  »Glycolignoae'*. 

€aoH46Öti  +  2  H,0  =  2  €flH„Oe  +  disEje^n. 
Qljcolignose.  Lignose. 

Die  Zusammensetzung  der  Glycodrupose  gestaltet  sich 
demnach  wie  folgt  : 


des  Tannenholzes.  231 


BrenBoateohin  =  G^  H«  O« 


1  Molecul  Cellulose  =  €«  H«„o' 


0ijHi^O^7 


2  H,0  =        H4O, 


^i«H«o^»  —  ^  =  »Drupese*. 
€i«H,oOe  +  O  =  «eHioOfi  +  2  H,0  +  GeHeOfe. 
Drapose. 

Orupose  =  Gi^B^Q^ 
2  Molecule  Glycose  =  Gi,Hs40|s 

—  4  H,^  =        He  O4 


6s4H,aOie  =  «GlycodrapoBe**. 

^u^u^iB  +  4  H,0  =  2  GeH„Oe  +  G^H^O,. 
Glycodrupose.  Dmpose. 


Durch  die  Kenntnifs  von  der  ?usaininensetzungr  der  Gly- 
colignose  und  Glycodrupose  gelangen  wir  zur  Lösung  einer 
höchirt  wichtigen  Frage,  welche  vor  etwa  einem  Decennium 
von  der  medicinischen  Facultät  zu  Göttingen  gestellt  wurde  : 
jf  Woraus  entsteht  die  Bippursäure  ^  welche  im  Harn  der 
Herbrvoren  enthalten  ütf^ 

Diese  Frage  wurde  von  Weis  mann  dahin  beantwortet, 
dafs  der  Ursprung  der  Hippursaure  in  der  sogenannten  in- 
krustirenden  Substanz  der  Pflanzennahrung  zu  suchen  sei. 
hl  neuerer  Zeit  ist  diese  Untersuchung  durch  Heifsner 
und  Shepard  wiederaufgenommen,  und  haben  sie  das  un- 
zweifelhafte Resultat  erhalten,  dafs  der  Ursprung  der  Hippur- 
saure in  der  Cuticularsubstanz  der  Pflanzen  zu  finden,  also 
in  einer  Substanz,  welche  wie  die  Glycolignose  die  Cellulose 
in  Verbinduig  enthält. 

Da  nun  die  Constitution  der  Cuticularsubstanz  nicht  be- 
kannt war,  so  war  es  auch  nicht  möglich,  das  gewonnene 
Resultat  weiter  zu  benutzen. 

E0  scheint  mir  jatzt  ungweifelhaß,  dafs  die  Hippursaure 
ihren  Ursprung  aus  der  aromcUischen  Gruppe  der  Cuticular- 


232    Erdmann,  über  die  Constitution  des  Tannenhohes. 

Substanz  nimmt  und  sich  diese  Gruppe  im  Organismus  zu- 
nächst in  Benzoesäure  verwandelt,  welche  sich  dann  weiter 
mit  dem  stickstoffhaltigen  Paarling  zu  Hippursäure  vereinigt. 

Zum  Nachweis  der  aromatischen  Gruppe  in  den  Halmen 

* 

der  Gramineen  wurde  die  Rohfaser  von  Heu  und  Stroh,  nach- 
dem sie  vorher  mit  verdünnter  Essigsäure,  Wasser,  Alkohol 
und  Aether  anhaltend  ausgezogen,  mit  schmelzendem  Kali 
behandelt,  und  würde  das  Entstehen  der  Brenzcatechin-Körper 
sowohl  beim  Heu  als  auch  beim  Stroh  nachgewiesen. 

Während  ich  dieses  schreibe,  erhalte  ich  von  Dr.  F.  A. 
Flückiger  aus  Bern  eine  Abhandlung  über  die  Chinarinden. 
F  lückiger  hat  die  Baströhren  der  Chinarinde  mit  Salzsäure 
gekocht  und  als  Spaltun^product  Traubenzucker  erhalten; 
ferner  bestimmte  er  den  Cellulosegehalt  in  den  Baströhren 
zu  52,5  pC.  durch  einmalige  Oxydation  mit  Salpetersäure. 
Ich  mufs  es  vorläufig  noch  unentschieden  lassen,  ob  die  Bast- 
röhren aus  „Glycolignose"  oder  aus  einer  Verbindung  :  „Gly- 
colignose  -f-  Cellulose**  bestehen.  Obgleich  die  Glycolignose 
nur  43,67  pC.  Cellulose  enthält,  also  nahezu  9  pC.  weniger 
als  Flückiger  gefunden,  so  glaube  ich  dennoch,  dafs  die 
Baströhren  aus  Glycolignose  bestehen  und  die  Entfernung 
der  zu  oxydirenden  Substanzen  keine  vollständige  war.  Bei 
der  Bestimmung  der  Holzfaser  in  der  Glycolignose  wurde 
nach  einmaliger  Oxydation  ebenfalls  keine  völlig  reine  Cel- 
lulose erhalten. 

Es  ist  jedenfalls  rathsam,  die  zurückbleibende  Cellulose 
mit  Salpetersäure,  wie  oben  angegeben,  auf  ihr^  Reinheit  zu 
prüfen. 

Hannover,  im  April  1867. 


233 


üeber  die  bromhaltigen  Derivate  der  Gallus- 


säure ; 


von  E.  Gritnaux*). 


Setzt  man  Brom  in  kleinen  Portionen  zu  Gallussäure^  unter 
Zerreiben  der  Masse  nach  jedem  Zusatz  um  die  Mischung 
zu  begünstigen,  so  beobachtet  man  lebhafte  Einwirkung;  das 
Gemische  entfärbt  sich  rasch,  wahrend  zugleich  reichliche 
Dampfß  von  Bromwasserstoffsaure  sich  entwickeln.  Je  nach 
der  angewendeten  Menge  Brom  erhalt  man  die  einfach-  oder* 
die  zweifach-gebromte  Gallussäure.  • 

Zur  Darstellung  der  einfach-gebromten  Gallussäure  nimmt 
man  1  Mol.  Brom  auf  1  Mol.  Gallussäure  (ungefähr  gleiche 
Gewichte).  Das  Einwirkungsproduct  -wird  in  seinem  5-  bis 
6  fachen  Gewichte  siedenden  Wassers  gelöst  und  die  filtrirte 
Lösung  der  freiwilligen  Verdampfung  in  trockener  Luft,  über 
Schwefelsäure,  überlassen.  Nach  1  bis  2  Tagen  scheiden 
sich  kleine  hexagonale  Tafeln  von  einfach-gebromter  Gallus- 
säure aus;  später  krystallisiren  aus  der  Lösung  farblose  glän- 
zende Blätter  von  zweifach-gebromter  Gallussäure. 

Die  einfach-gebromte  Gallussäure, 

krystallisirt  bei  dem  freiwilligen  Verdunsten  der  wässerigen 
Lösung  in  kleinen,  glänzenden,  durchsichtigen,  gelben  hexa- 
gonalen  Tafeln,  welche  bei  lOO^  weifs  und  undurchsichtig 
werden.  Aus  der  siedenden  concentrirten  Lösung  scheidet 
sie  sich  in  feinen  farblosen  Nadeln  aus.  Sie  ist  leicht  löslich 
in  siedendem,  wenig  löslich  in  kaltem  Wasser,  löslich  in  Al- 
kohol und  inAether.    Sie  verändert  sich  erst  oberhalb  200^; 


•)  Compt.  rend.  LXIV,  976. 
»«)  C  =r  12j  O  =  16;  H  =  1. 


234  Orimauxj  über  die  bromhaltigen  Derivate 

sie  schmilzt,  färbt  sich,  und  zersetzt  sich  dann  anter  Aos- 
stofsnng  Yon  Bromwasserstoffsäuredämpfen  und  unter  Hinter- 
lassung eines  Ruckstandes  yon  Kohle.  Sie  oxydirt  sich  leicht 
an  der  Luft  bei  Gegenwart  von  Alkalien.  Mit  Kalkwasser 
und  mit  Barytwasser  giebt  sie  eine  rosenrothe,  dann  grün- 
liche, dann  orangegelbe  Färbung;  mit  Ammoniak  und  mit 
Kali  wird  sie  orangegelb ;  mit  Eisenchlorid  wird  sie  schwarz. 
—  Durch  zweimaliges  Umkrystallisiren  aus  Wasser  gereinigt 
und  bei  100<^  getrocknet  ergab  sie  bei  der  Analyse  die  fol- 
genden Zahlen  : 


GeftiDd^n 

Berechnet 

Kohlenstoff  . 

88,47 

38,74 

Wasserstoff 

2,86 

2,00 

Brom 

— 

82,18 

Sauerstoff 

• 

— 

82,18 

100,00. 

Die  zweifach-gebromte  Gallussäure, 

erhält  man  zugleich  mit  der  yorstehend  besprochenen  Säure ; 
aber  man  stellt  sie  leichter  in  der  Art  dar,  dafs  man  die 
Gallussäure  mit  einem  Ueberschuss  yon  Brom  zusammenreibt. 
Nach  der  Constitutionsformel  der  Gallussäure  kann  es  kein 
dreifach -gebromtes  Deriyat  derselben  geben;  auch  erhält 
man  nur  die  zweifach-gebromte  Säure,  in  welchem  Ueber- 
schusse  man  auch  das  Brom  anwenden  möge.  —  Man  reibt 
die  Gallussäure  mit  ihrem  2-  bis  3  fachen  Gewicht  an  Brom 
zusammen,  und  behandelt  das  Einwirkungsproduct  mit  seinem 
3 fachen  Gewicht  an  kochendem  Wasser;  die  Lösung  giebt 
bei  dem  Erkalten  die  zweifach-gebromte  Gallussäure  in  reinem 
Zustande.  —  Dieser  Körper  krystallisirt  in  langen  Nadeln 
oder  in  prismatischen  Blättern,  welche  zerbrechlich,  glänzend, 
farblos,  manchmal  etwas  gelblich  gefärbt  sind.  Bei  100<>  ge- 
trocknet färbt  er  sich  etwas;  er  hält  1  Mol.  Wasser  zuröck. 


der  OalltMsäure,  235 

• » 

welches  er  auch  bei  120^  noch  nicht  verliert  Er  wird  dann 
undurchsichtig  und  gefärbt.  Bei  140®  beginnt  er  zu  schmelzen 
und  sich  zu  zersetzen.  Auch  giebt  das  zwischen  135  und 
140®  getrocknete  Product  den  Kohlenstoffgehalt  bei  der  Ana- 
lyse etwas  üligrofs^  in  Folge  beginnender  Zersetzung.  Ober^ 
halb  200®.  entwickelt  sich  eine  grofse  Menge  Bromwasser- 
sloffsiure  und  es  bleibt  ein  Bäckstand  von  Kohle.  —  Die 
Analysen  ergaben  I  u.  11  für  ein  bei  100®,  IH  für  ein  bei 
120®  getrocknetes  Präparat  eine  der  Formel  C7H4Br205,H20 
entsprechende  Zusammensetzung  : 


• 

Geftuiden 

• 

Berechnet 

I 

II 

m 

• 

Kohlenstoff 

23,86 

28,77 

28,90 

24,27 

Wasserstoff 

1,»9 

1,80 

i,82 

1,73 

Brom 

— 

— 

— 

46.24 

Sauerstoff 

— 

— 

— 

27,76 

100,00. 

Die  Zusammensetzung  des  bei  135®  getrockneten  Prä- 
parates entsprach  der  Formel  C7H4Brg06  : 

Gefunden         Berechnet 
Kohlenstoff  26,19  26,61 

Wasserstoff  1,84  1,22 

Brom  —  48,79 

Sauerstoff  —  24,38 

100,00. 

Die  zweifach-gebromte  Gallussäure  ist  löslich  in  sieden- 
dem Wasser,  wenig  löslich  in  kaltem  Wasser;  sie  löst  sich 
in  Aether  und  in  Alkohol.  Sie  Yarbt  sich  bei  Anwesenheit 
Yon  Alkalien  an  der  Luft  sehr  rasch.  —  Einige  Tropfen  Kalk- 
oder Barytwasser  färben  sie  lebhaft  rosenroth;  dann  wird 
auf  Zusatz  einer  neuen  Menge  des  Beagens  die  Lösung  hell- 
grün. Diese  Lösung  färbt  sich  an  der  Luft  rasch  dunkeler 
und  nimmt  eine  sehr  reiche  rothe  Farbe  an.  —  Setzt  man 
die  ätherische  Lösung  der  Säure  zu  Barytwasser,  so  wi*^ 


236  Than^  über  das  Kohlenoxysulfid. 

das  Gemische  schön  indigoblau;  die  Färbung  geht  auf  Zusatz 
von  Wasser  in  Roth  über.  —  Ammoniak,  Kali  und  Natron 
färben  die  Säure  orangegelb;  die  Färbung  wird  in  verdünnten 
Lösungen  rosenroth.  —  Auf  Zusatz  von  Eisenchlorid  zeigt 
sich  schwarzblaue  Färbung. 


Ueber  das  Kohlenoxysulfid; 
von  Carl  Than  *). 


Diese  neue  gasartige  Verbindung,  von  deren  Eigenschaften 
ich  hier,  eine  vorläufige  Anzeige  mache,  besteht  aus  einem 
Atom  Kohlenstoff,  aus  einem  Atom  Sauerstoff  und  aus  einem 
Atom  Schwefel.  Die  Zusammensetzung  wird  daher  durch  die 
Formel  COS  ausgedruckt.  Dem  chemischen  Character  nach 
kann  sie  als  das  Sulfid  des  zweiwerthigen  Radicals  Kohlen- 
oxyd betrachtet  werden,  daher  nannte  ich  dieselbe  Kohlen- 
oxysulfid. Auf  Grund  der  vierwerthigen  Natur  des  Kohlen- 
stoffatomes  vermuthete  ich  schon  vor  langer  Zeit  die  Existenz 
dieser  Verbindung,  um  so  mehr,  da  das  fragliche  Gas  der 
chemischen  Zusammensetzung  nach  das  Mittel  zwischen  Koh- 
lensäure und  Schwefelkohlenstoff  darstellt,  die  schon  lange 
bekannt  sind.  Sie  kann  als  Kohlensäure  angesehen  werden, 
in  welcher  ein  Atom  Sauerstoff  durch  Schwefel  ersetzt  ist. 

Die  erste  Methode,  nach  welcher  ich  das  Gas  nach  vie- 
len vergeblichen  Versuchen  darstellen  konnte,  bestand  darin, 
dafs  ich  Kohlenoxyd  mit  überschüssigem  Schwefeldampf  durch 
eine  schwach  glühende  Porcellanröhre  leitete.  Bei  diesem 
Verfahren  bildet  sich  zwar  durch  directe  Vereinigung  der 
beiden  Körper  nach  der  Gleichung  CO  -f-  S  =  COS  eine  nicht 


*)  Vorgetragen  in  der  ditzung  der  math.-naturw.  Classe  der  ungari- 
schen Academie  zu  Pest  am  8.  Juli  1867. 


Than^  über  das  Kohlenoxysulfid.  237 

anerhebliche  Menge  der  neuen  Verbindung,  allein  immer  mit 
viel  Kohlenoxyd  gemengt,  von  welchem  sie  nicht  getrennt 
werden  konnte.  In  dem  Verlaufe  dieser  Untersuchung  stellte 
es  sich  heraus,  dafs  die  neue  Verbindung  beim  anhaltenden 
Glühen  umgekehrt  in  Kohlenoxyd  und  Schwefel  zerlegt  wird. 
Aus  dieser  Eigenschaft  ist  es  erklärlich,  wefshalb  das  Gas 
nach  diesem  Verfahren  in  reinem  Zustande  nicht  erhalten 
werden  kann.  Die  Methode,  nach  welcher  mir  endlich  gelang 
das  Gas  in  reinem  Zustande  darzustellen,  beruht  auf  folgenden 
theoretischen  Betrachtungen.  Es  ist  bekannt,  dafs  Cyansaure* 
bydrat  durch  die  Aufnahme  der  Elemente  des  Wassers  bei 
Gegenwart  verdünnter  Sauren  in  Kohlensäure  und  Ammoniak 
verwandelt  wird.  Diese  Metamorphose  kann  am  einfachsten 
aufgefafst  werden,  wenn  man  das  Cyansäurehydrat  als  Imid 
der  Kohlensäure  (CO)^'HN  betrachtet.  In  diesem  Falle  kann 
man  sich  denken,  dafs  bei  der  Zersetzung  in  der  Cyansäure 
Kohlenoxyd  durch  2  Atome  Wasserstoff  ersetzt  wird  und 
umgekehrt,  wodurch  Ammoniak  und  Kohlensäure  gebildet 
werden,  nach  der  Gleichung 

(CO)"HN  +  H,0  =  H,N  +  CO,. 

Ist  diese  Auffassung  richtig,  so  müfste  in  analoger  Weise 
aus  Sulfocyanwasserstoff  bei  der  Einwirkung  verdünnter  Säu- 
ren Ammoniak  und  Kohlenoxysulfid  gebildet  werden  : 

(CSy'HN  +  H,0  =  HaN  +  CSO. 

Der  Versuch  hat  diese  Voraussetzung  glänzend  bestätigt, 
indem  bei  der  Einwirkung  von  nicht  zu  sehr  verdünnter 
Schwefelsäure  auf  Schwefelcyankalium  wirklich  die  fragliche 
Verbindung  entsteht.  Bei  diesem  Vorgang  wird  aber  nament- 
lich beim  Erwärmen,  wie  bereits  bekannt,  ein  bedeutender 
Theil  des  Schwefelcyanwasserstoffs  in  Ueberschwefelcyan- 
wasserstoff  zerlegt.  Ob  man  diese  Zersetzung  durch  geeignete 
Bedingungen  verhindern,  oder  ob  man  aus  Ueberschwefelcyan- 
Wasserstoff  das  fragliche  Gas  ebenfalls  abscheiden  könne, 
werde  ich  durch  spätere  Versuche  zu  entscheiden  suchen. 


238  Tharij  über  das  Kohlenoxysulßä. 

Zur  Darstellung  «des  Gases  trägt  man  in   ein   erkaltetes 
Gemisch  aus  5  Vol.  concentr.  Schwefelsäure  und  4  Vol.  Wasser 
so  viel  gepulvertes  Schwefelcyankalium  ein,  dafs  die  Masse 
flüssig  bleibt.     Die  Entwickelung  des  Gases  stellt  sich  von 
selbst  ein;  sollte  diese  zu  stärmisch  sein,  so  kohlt  man  den 
Kolben  mit  kaltem  VFasser  ab ;  sollte  dagegen  später  die  Ent* 
Wickelung  nachhissen,  so  braucht  man  nur  den  Kolben  mit 
einer  Gaslampe  auf  einige  Augenblicke  zu  berühren  und  zeit- 
weise tüchtig  zu  schütteln.    Auf  diese  Art  läfst  sich  ein  con- 
stanter  und  ruhiger  Gasstrom  erhalten.    Da  das  Gas  aufser- 
dem  eine  Spur  von  Blausäure  (wahrscheinlich  auch  Ameisen- 
säure), Wasserdampf  und  Schwefelkohlenstoff  enthält,  mufs 
man  es  durch  drei  U  förmige  Röhren  leiten,  von  welchen  die 
erste  mit  feuchtem  Quecksilberoxyd  eingeriebene  Baumwolle, 
die  zweite  in  möglichst  kleine  Splitter  zerschnittenes  Caout- 
chouk,  die  dritte  Chlorcalcium  enthält.    Das  Ouecksilberoxyd 
absorbirt  die  Säuren,  das  nicht  vulkanisirte  Caoutchouk  den 
Schwefelkohlenstoff  so  vollständige  dafs  ich  letzteres  zu  diesem 
Zwecke  in  allen  ähnlichen  Fällen  bestens  empfehlen  kann. 
Das  so  gereinigte  Gas  wird    über   Quecksilber   gesammelt, 
bt  das  Gas  und  das  Quecksilber  trocken,  so  üben  sie  auch 
nach  mehreren  Tagen  keinen  Einflufs  auf  einander  aus.    Das. 
feuchte  Gas  bewirkt  aber,  dafs  nach  einigen    Stunden    die 
Oberfläche  des  Quecksilbers  mit  einer  dünnen  Schichte  von 
Schwefelquecksilber  bedeckt  wird. 

Das  so  dargestellte  .Gas  hat  einen  der  Kohlensäure  nicht 
unähnlichen  Geruch,  der  zugleich  aromatisch  an  Harze  and 
gewissermafsen  an  Schwefelwasserstoff  erinnert,  aber  nicht 
unangenehm  ist.  Am  Meisten  erinnert  dieser  Geruch  an  den 
der  kohlensäurereichen  Schwefelwasser^  welchen  man  z.  B. 
an  der  neuentdeckten  Harkänyer  und  der  Paräder  Quelle  wahr- 
nimmt Dieser  aromatische  Geruch  ist  aber  nur  an  der  Quelle 
unmittelbar  nach  der  Schöpfung  des  Wassers  bemerkbar,  und 


I 


Than^  über  das  Kohlenoxysulfid,  239 

ist  mit  dem  Oblen  Geruch,  welchen  die  genannten  Wasser 
einige  Standen  nach  dem  Schöpfen  entwickeln,  nicht  zu  ver- 
wechseln. Dieser  letztere  Geruch  ist  nämlich  entschieden 
der  des  Schwefelwasserstoffs.  Wasser  absorbirt  vom  Gase 
etwa  das  gleiche  Volumen  und  nimmt  dadurch  den  eigen- 
thümlichen  Geruch  an.  Der  Geschmack  der  gesittigten  Löspng 
ist  entschieden  süfs;  unmittelbar  darauf  stellt  sich  aber  ein 
prickelnder  eigenthümlicher  Schwefelgeschmack  ein,  der  zu- 
gleich an  Schwefelwasserstoff  und  schweflige  Säure  erinftert. 
Nach  einigen  Stunden  nimmt  die  wässerige  Lösung  in  Folge 
der  Einwirkung  des  Wassers  starken  Schwefelwasserstoffge- 
mch  an,  gerade  so  wie  das  Harkänyer  und  Paräder  Wasser. 

Die  Dichte  des  Gases  ist  doppelt  so  grofs  (2,1046)  als 
die  der  Luft,  und  es  kann  deshalb  aus  einem  Gefäfse  in  ein 
anderes  wie  eine  Flüssigkeit  übergeschüttet  werden.  Neutraler 
Lackmusauszug  wird  von  dem  Gas  sehr  schwach,  so  zu  sagen 
nur  veilchenroth  gefärbt.  Es  hat  eine  schwächere  saure 
Reaclion  als  Kohlensäure. 

Angezündet  verbrennt  das  Gas  mit  schön  blauer,  nicht 
stark  leuchtender  Flamme  zu  Kohlensäure  und  schwefliger 
Säure.  Die  Entzündlichkeit  ist  ungemein  grofs,  indem  es  nicht 
blofs  durch  Flammen,  sondern  auch  durch  einen  noch  kaum 
glimmenden  Hoizspahn  augenblicklich  entzündet  wird.  Neigt 
man  das  Gefäfs  nach  der  Anzündung  mit  der  Oeffnung  ab- 
wärts, so  fliefst  das  Gas  aus  und  verbrennt  vollständig.  Ist 
die  Oeffnung  des  Gefäfses  nach  Oben  gerichtet  und  taucht 
man.  dann  eine  brennende  Wachskerze  in  das  Gas,  so  ent- 
zündet sich  dasselbe,  während  die  Kerze  ausgelöscht  wird; 
diese  wird  beim  Herausziehen  durch  die  brennende  Gas- 
schichte abermals  angezündet,  wie  bei  dem  analogen  Versuch 
mit  Wasserstoff.  D^  unvollständigen  Verbrennung  wegen 
scheidet  sich  bei  diesem  Versuch  ein  Theil  des  Schwefels 
als  gelber  Anflug  an  die  Gefä&wände  ab.     Läfst  man  das 


240  Tharij  iUer  das  Kohlenoxymlfid. 

getrocknete  Gas  aus  einer  Röhre  ausströmen  und  zündet  an, 
so  brennt  es  continuirlich  fort.  Hält  man  über  die  so  er- 
zeugte Flamme  ein  trockenes  Becberglas,  so  bildet  sich  nicht 
die  geringste  Spur  eines  Wasserbeschlages. 

Hit  IV2  Vol.  Sauerstoff  gemischt  entsteht  ein  Knallgas, 
das  angezündet  mit  scharfem  Knall  und  blaulich-weifser  blen- 
dender Flamme  explodirt.  Hit  sieben  Volumen  Luft  brennt 
das  Gas  ruhig  ohne  Explosion  ab. 

*  Kaliumhydrat,  sowie  alkalische  Uetallhydrate  überhaupt 
absorbiren  das  Gas  etwas  langsamer,  aber  elien  so  vollständig, 
wie  die  Kohlensäure.  Die  Lösung  ist  ganz  geruchlos  und 
entwickelt  mit  verdünnten  Säuren  viel  Schwefelwasserstoff 
und  Kohlensäure,  wonach  es  wahrscheinlich  erscheint,  dafs 
das  Gajs  bei  jener  Absorption  nach  folgender  Gleichung  zer- 
legt wird  : 

cos  +  4  KHO  =  K^COs  .+  K,S  +  2  HjO. 

Die  Kalilösung  giebt  mit  ammoniakalischer  Siiberlösung 

• 

einen  reichlichen  schwarzen  Niederschlag.  Die  hiervon  ab- 
filtrirte  Flüssigkeit  enthält  keine  Spur  von  Chlor  oder  Cyan. 
Dasselbe  Resultat  stellte  sich  bei  der  Prüfung  der  alkalischen 
Lösung  auf  Cyan  mit  Eisenoxyduloxydlösung  heraus.  Con- 
centrirte  Sodalösung  absorbirt  das  Gas  ebenfalls^  aber  viel 
langsamer.  In  Baryt-  und  Kalkwasser  erzeugt  das  Gas  so- 
gleich einen  Niederschlag  von  Kohlensäuresalzen,  während 
in  der  Flüssigkeit  alkalische  Schwefelmetalle  gelöst  bleiben« 
Basisch- essigsaures  Blei  giebt  Anfangs  einen  weifsen  Nieder- 
schlag, der  sehr  bald  graubraun  wird.  Neutrale  oder  sgure 
Lösungen .  der  Blei-,  Silber-  und  Kupfersalze  werden  von 
dem  Gas  gar  nicht  verändert. 

Chlorgas,  sowie  rauchende  Salpetersäure  üben  bei  ge- 
wöhnlicher Temperatur  auf  das  Gas  keine  Einwirkung  aus. 
Mit  2  bis  3  Volumen  Stickoxyd  gemischt  giebt  das  Gas  kein 
explosives    Gemenge.    Leitet  man   das  trockene   Gas  durch 


Than^  über  das  Kohlenoxysülfid,  241 

eine  Kugelröhre,  in  welcher  man  Quecksilber  erhitzt,  so  be- 
merkt man,  dafs  bis  zum  Siedepunkte  des  Quecksilbers  keine 
Veränderung  vor  sich  geht.  Wenn  man  aber  das  Queck- 
silber längere  Zeit  im  Gase  kocht,  so  bildet  sich  ein  sehr 
unbedeutender  Anflug  von  Schwefelquecksilber.  Bei  gleicher 
Behandlung  von  Natrium  bildet  sich  an  der  Oberflache  schon 
bei  gewöhnlicher  Temperatur  eine  weifse  Kruste,  die  beim 
Erhitzen  leicht  schmilzt  und  dunkel  wird.  Zum  schwachen 
Rothglühen  erhitzt,  entzündet  sich  das  Natrium  und  brennt 
dann  explosionsartig  mit  blendendem  Lichte  zu  einer  schwarzen, 
leicht  schmelzbaren  Masse.  Diese  Masse  besteht  aus  Kohle, 
Scbwefelnatrium  und  kohlensaurem  Natrium.  Sie  enthalt  aber 
keine  Spur  von  Cyannatrium,  woraus  folgt,  dafs  das  Gas  nicht 
stickstofliialtig  ist.  Fein  zertheiltes  Kupfer,  Silber  und  Eisen 
zerlegen  beim  Erhitzen  das  Gas  ebenfalls  in  der  Weise,  dafs 
kein  freier  Schwefel  abgeschieden  wird. 

Merkwürdig  ist  die  Einwirkung  des  Gases  auf  Diäthyl- 
Quecksilber  Hg^^(C^H5)2,  wenn  man  letzteres  in  einem  Kolben 
schwach  erhitzt  und  zugleich  das  Gas  hindurchleitet.  Bei 
gewöhnlicher  Temperatur  zeigt  sich  gar  keine  Veränderung. 
In  der  Nähe  des  Siedepunktes  stellt  sich  dagegen  eine  ex- 
plosionsartige Wirkung  ein,  in  Folge  deren  merkwürdiger- 
weise sich  rein  metallisches  Quecksilber  ausscheidet,  ohne 
dars  sich  auch  nur  Spuren  von  Schwefelquecksilber  bildeten. 
Gleichzeitig  entsteht  eine  gelblich  gefärbte  Flüssigkeit,  die 
stark  zwiebelartig,  riecht  Diese  Flüssigkeit  ist  wahrschein- 
lich thiopropionsanres  Aethyl,  was  aber  noch  durch  spätere 
Versuche  zu  beweisen  ist. 

Das  Gas  zerlegt  sich  theilweise  schon  beim  schwachen 
Rothglühen  in  Schwefel  und  Kohlenoxyd.  Diese  Zerlegung 
beobachtet  man  sehr  gut  beim  Einschmelzen  des  Gases  in 
Glasröhren,  wobei  sich  an  der  Löthstelle  Schwefel  in  Gestalt 
eines   reichlichen  gelben  Rauches  ausscheidet,  und  sich  als 

AumI.  d.  Ohem.  o.  Pharm.  V.  Bopplementbd.  S.  Heft.  \^ 


242  ThaUf  über  das  Kohknoxysulfid. 

ein  Anflug  von  Schwefelblairien  an  die  kälteren  Stellen  der 
Röhre  anlegt.  Sehr  auffallend  ist  diese  Zerlegung  bei  dem 
folgenden  Versuch,  der  zugleich  eine  quantitative  Bedeutung 
hat,  und  ein  sehr  hubscher  Yorlesungsversuch  ist.  In  einer 
U  förmigen  Glasröhre,  von  Vs"  Durchmesser,  deren  oben  ge- 
schlossener Schenkel  mit  einem  feinen,  in  die  Glaswände  ein- 
geschmolzenen Platindraht  versehen  ist,  wird  das  Gas  über 
Quecksilber  aufgefangen,  und  mit  Caoutchoucringen  der  Stand 
des  Quecksilbers  in  den  beiden  Schenkeln  bezeichnet*). 
Dann  wird  der  eingeschmolzene  Platindraht  mit  Hülfe  von 
zwei  B  u  n  s  e  n 'sehen  Elementen  in  lebhaftes  Glühen  versetzt. 
Damit  die  Glasröhre  durch  die  starke  Erhitzung  nicht  springe, 
ist  es  rathsam,  das  Glühen  oft  zu  unterbrechen  und  auf  ein- 
mal nicht  lange  anhalten  zu  lassen.  Um  den  glühenden  Draht 
wird  das  Gas  zerlegt.  Schwere  und  dichte  Wolken  von 
gelbem  Schwefelrauch  fallen  in  die  Röhre  nieder,  so  lange 
bis  das  Gas  zerlegt  worden  ist.  Die  vollständige  Zerlegung 
erfordert  oft  wiederholtes  Glühen.  Nach  dem  Erkalten  be- 
sitzt das  rückständige  Gas  das  ursprüngliche  Volumen. 
Dieses  Gas  ist  geruchlos,  trübt  Barytwasser  nicht,  verbrennt 
mit  blauer  Flamme  und  trübt  nach  der  Verbrennung  Baryt- 
wasser sehr  stark.  Diese  Eigenschaften  zeigen,  dafs  das 
rückständige  Gas  Kohlenoxyd  ist.  Aus  diesen  Daten  ergiebt 
sich  die  Zusammensetzung  des  Gases  wie  folgt : 

Mllllffrm. 

1  Yolam  (22,33  CC.)  Kohlenozysnlfid  wiegt 60 

1  Volum  (22,38  CC.)  Kohlenoxyd  wiegt      ..'.....        28 

Die  Gewichtdiff.  ergiebt  das  Gew.  des  im  Gase  enth.  Schwefels  .       82 

Da    28   Koblenoxyd    12  Kohlenstoff    und  16  Sauerstoff 
enthalten,  so  ist  im  Kohlenoxysulfid  enthalten: 


*)  A.  W.  Hof  mann,  Einl.  in  die  moderne  Chemie,  2.  Aafl.  S.  44. 


Tkany  über  das  Kohlenoxyaulfid,  243 

0  12 

0  16 

S  82 

Summa  60. 

Diese  Zahlen  sind  aber  gerade  die  Atomgewichte  der  be- 
treffenden Bestandtheile,  die  Formel  der  Verbindung  ist 
daher  COS. 

Die  Dichte  des  Gases  ist  nach  der  Methode  Ton  B  u  n  s  e  n  *) 
zweimal  bestimmt  worden.  Das  Gas  I  war  noch  nicht  ganz 
rein,  da  es  nach  einem  Verfahren  dargestellt  worden  ist, 
bei  welchem  die  mit  Caoutchouc  gefüllte  U  förmige  Röhre 
noch  nicht  angewendet  wurde,  daher  das  Gas  schwefeikohlen- 
stoffhaltig  und  die  Dichtigkeit  desselben  gröfser  erschien^  als 
die  Tom  reinen  Gase  U.  Die  Dichte  des  Schwefelkohlen* 
Stoffdampfes  (2,6)  ist  nämlich  beträchtlich  gröfser,  als  die 
des  Kohlenoxysulfids  (2,08).     Die    bei    den    beiden   Gasen 

beobachteten  Versuchsdaten  waren  die  folgenden : 

I  II 

Du  beobacht.  Volam  desi^aseB    V^  =  232,82  CC.        282,82  CC. 

Batometeratand  sn  derselb.  Zeit    P    =  0,7611  M.  0,7533  M. 

Möbe    der   QuecksilberBAule   im 

Kolben      .......    p    =  0,0281  M.  0,0441  M. 

Temperatur  de«  Gases      .     .     .    t     =  22^7  C.  22^9  C. 

Das  Gewicht  des  mit  dem  Gas 

gefällten  Kolbens  .     .     .     .    G   »  45,8390  Grm.    47,1000  Grm. 

Das  Gewicht  des  mit  Luft  ge* 

fOllten  Kolbens      .    .    .     .     G^  =  45,0495  Grm.     46,8305  Grm. 

Barometerstand  za  derselben  Zeit    P|  =  0,7612  M.  0,7564  M. 

Temperatur    der  Luft    eu    der- 
selben Zeit ti    =  24^5  C.  28^6  C. 

Ans  diesen  Daten  berechnet  sich 

die  Dichte 8    =  2,1152  2,1046 

Diese  Dichten  mit  28,88  multipli- 
cirt  geben  die  Molecnlarge- 
wichte M  =  60,92  60,61 

*)  Qasometr.  Methoden,  8.  124. 

16* 


244  Than,  über  die  Koklenoxymlfid. 

Nach  diesen  und  den  analytischen  Resultaten  unterlieget 
es  keinem  Zweifel,  dafs  das  wirkliche  Holeculargewicht  des 
Gases  =  60  ist.  Hieraus  lafst  sich  die  theoretische  Dichte 
berechnen,  welche  mit  der  gefundenen  verglichen  folgende 
Ergebnisse  darstellt : 

60 :  28,88 
gefundene  Dicbte     theoretische  Dichte     Differenz 
Gas  I  2,1162  2,0638  +  0,0819 

Gm  II  2,1046  20,888  +  0,0218 

Aus  diesen  Zahlen  ist  ersichtlich,  dafs  die  gefundene 
Dichte  mit  der  theoretischen  namentlich  bei  dem  reineren 
Gas  11^  innerhalb  der  Grenzen  der  bei  ahnlichen  Beobach- 
tungen stattfindenen  Abweichungen,  sehr  gut  übereinstimmt. 
Hiernach  ist  die  Molecularformel  des  Kohlenoxysulfids  COS 
=  60. 

Zur  Bestätigung  dieser  chemischen  Zusammensetzung 
des  Gases  wurden  zwei  gasometrische  Analysen  nach  der 
Bunsen'schen  Methode  ausgeführt.  Die  Gase  rühren  von 
zwei  verschiedenen  Darstellungen  her  und  wurden  wie  oben 
erwähnt  gereinigt    Die  Resultate  sind  folgende : 

1.  Analyse.    (Ohne  Knallgas.) 

V  T«  P  Vo 
Angewandtes  Gas  (getrocknet)  ....      85,1     2I<^,8   0,2878       18,82 

Nach  Zusatz  Ton  Sauerstoff  (getrocknet)    866,1     2l<^,8   0,5068      167,00 

Nach  der  Explosion 842,2     22^,0   0,4924     157,00 

Gefunden      Berechnet 
Angewandtes  Gas         18,82  19,21 

Contraction     .    .         10,00  9,66 

2.  Analyse.    (Mit  Knallgas.) 

V  To  P  Vö 
Angewandtes  Gas  (getrocknet)  ....      93,5    23<>,3    0,2576       22,21 

Nach  Zusatz  Ton  Bauerstoff  (getrocknet)    479,8    28^4    0,6366     281,1 

Nach  der  Explosion  mit  Knallg.  (getrockn.)     469,9    24<^,8    0,627 1     270,7 


Than,   über  das  Kohlenoxysulfid.  245 

GeftindeB      Berechset 
Angewandtes  Gas         22,21  21,74 

Contraotion      .     .  10,40  10,87 

Die  Bestimmung  der  verbrauchten  SauerstoflTmenge  war  für 
die  Berechnung  der  Analysen  nicht  brauchbar,  da  bei  der 
Explosion  sich  immer  sichtbare  Mengen  von  Schwefel  aus- 
geschieden haben,  wodurch  die  verbrauchte  Sauerstoffmenge 
noth wendigerweise  kleiner  sein  mufste,  als  die  berechnete. 
Dieser  Umstand  hatte  dagegen  keinen  Einfiufs  auf  die  Con- 
traction,  da  der  nicht  verbrannte  Sauerstoff*  dasselbe  Vo- 
lomen  besitzt,  wie  die  schweflige  Saure,  die  daraus  ent- 
stehen sollte. 

Was  das  Vorkommen  des  Gases  betrifft,  so  scheint  es 
mir,  dafs  es  in  der  Natur  ziemlich  verbreitet  ist.  Da  aber 
das  Gas  durch  Wasser  so  leicht  zu  Kohlensaure  und  Schwefel- 
wasserstoff umgewandelt  wird,  ist  es  wahrscheinlich,  dafs 
das  Gas  mit  diesen  Zersetzungsproducten  verwechselt  worden 
ist.  Nach  meinen  bisherigen  Erfahrungen  kann  ich  es  bei- 
nahe bestimmt  behaupten,  dafs  das  Gas  in  der  neuen  Thermal- 
quelle zu  Harkäny  im  Baranyaer  Comitate  *)  enthalten  ist. 
Es  scheint,  dafs  es  auch  in  der  kalten  Schwefelquelle  zu 
Parad  vorkommt,  und  dafs  diese  Quelle,  wie  die  vorige, 
ihren  Schwefelgeruch  dem  durch   die  Zersetzung   des  frag- 


*)  Diese  in  wiasensobaftlioher  Beziehung  höobst  interessante  ar- 
tesische Quelle  ist  durch  eine  glänzend  gelungene  Bohrung  des 
Herrn  Bergingenienr  W.  Zsigmondy  im  Jahre  1866  entdeckt 
worden.  Die  Quelle  liefert  täglich  etwa  70,000  £imer  Wasser, 
welches  die  auffallend  hohe  Temperatur  von  62^|6  (^  besitzt.  Es 
strömt  mit  dem  Wasser  so  viel  entzündliches  Gas  aus,  dafs  es 
an  der  Oberflftche  des  Wassers  unmittelbar  angezündet  werden 
kann,  wo  es  dann  einige  Zeit  Ton  selbst  fortbrennt.  Das  Wasser, 
mit  dessen  Analyse  ich  gegenwärtig  beschäftigt  bin,  scheint  aufser 
dem  neuen  Gase  keine  andere  Bchwefelverbindung  zu  enthalten 
und  ist  an  Kieselsäure  auOierordentlioh  reich. 


246  Tharij  über  das  Kohlenoxymlfid. 

liehen  Gases  entstehenden  Schwefelwasserstofie  verdankt,  wo- 
durch es  erklärlich  wäre,  warum  diese  Wasser  an  der  Quelle 
den  entschiedenen  Schwefelwasserstoff(|[eruch  nicht  zeigen, 
den  sie  in  einigen  Stunden  nach  dem  Schöpfen  so  bestimmt 
annehmen.  Ich  halte  es  nicht  unwahrscheinlich,  auf  Grund 
des  Verhaltens  mancher  Schwefelkohlensauerlinge,  dafs  dieses 
Gas  in  zahlreichen  anderen  Schwefelquellen  vorkommt. 
Ferner  ist  es  kaum  zu  bezweifeln,  dafs  es  in  den  schwefel- 
haltig^en  Gasen  der  Vulkane ,  vielleicht  auch  in  den  Gasen 
der* faulenden  organischen  Substanzen  enthalten  ist 

In  analytischer  Beziehung  lafst  sich  das  neue  Gas,  aufser 
durch  seine  physikalischen  Eigenschaften  und  Verbrennungs- 
erscheinungen,  durch  folgende  Reactionen  characterisiren. 
Kaliumhydrat  benimmt  dem  Gase  oder  der  wässerigen  Lo- 
sung augenblicklich  den  eigenthfimlichen  Geruch.  Die  Kali- 
lösung braust  mit  verdünnter  Schwefelsäure  auf  und  ent^ 
wickelt  einen  starken  Geruch  nach  Schwefelwasserstoff. 
(Unterschied  von  Schwefelkohlenstoffdampf.)  In  sauren  Lö- 
sungen der  Silber^  und  Cadmiutns9ilze  erzeugt  das  Kohlen- 
oxysulfid  keinen  Niederschlag;  sobald  man  aber  die  Lösungen 
mit  äberschüssigem  Ammoniak  versetzt,  entstehen  die  be- 
kannten schwarzen  resp.  gelben  Niederschläge.  (Unterschied 
von  Schwefelwasserstoff.)  Nitraprusaidnatrium  bewirkt  in 
neutraler  oder  saurer  Lösung  keine  Veränderung;  nach  Zu- 
satz von  uberschässigem  Kali  oder  Ammoniak  entsteht  aber 
augenblicklich  die  bekannte  intensiv  blau-violette  Färbung. 
Jodstärke  wird  durch  das  Gas  in  kurzer  Zeit  entfärbt« 

Ich  bin  mit  der  genaueren  Bestimmung  der  physikalischen 
und  chemischen  Eigenschaften  des  neuen  Gases  beschäftigt, 
und  behalte  mir  vor,  die  Resultate  nächstens  zu  veröffent- 
lichen. 

Schliefslich  erlaube  ich  mir,  meinen  beiden  Schulern,  Herrn 
Baron  LorandEötvös  und  HerrnBeiaLengyel,  meinen 


Buff^   ümuandlungi  vonM(mochlorhydrinu.$,w.    247 

Dank  für  die  Hülfe  auszodräcken ,  welche  sie  mir  bei  der 
Aosfübrung  dieser  Versuche  geleistet  haben. 

Pest,  am  20.  Juli  1867. 


Umwandlung  von  Monochlorhydrin   in  Pro- 

pylenglycol  und  Milchsäure,  und  von  Dichlor- 

hydrin  in  Isopropylalkohol  und  Aceton; 

von  H.  L.  Bvff. 


Das  Entstehen  der  Glycerinsdure  aus  Glycerin  lehrt,  dafs 
letzteres  einen  Rest  GHs-OH  enthalt,  indem  sich  diese 
Gruppe  bei  der  Oxydation  in  den  Kohlensaurerest,  €()-0H, 
der  Glycerinsaure  verwandelt : 

/€H«-OH  /GO-OH 

t€.H,-(OH),  te,H,.(OH), 

Gljcerin.  Glycerinsttnre. 

Wie  Erlenmeyer*)  schon  hervorgehoben  hat,  fuhrt  die 
Bildung  des  Isopropyljodärs,  bei  der  Einwirkung  von  Jod- 
phosphor auf  Glycerin,  zu  der  Kenntnifs,  dafs  dieses 
wenigstens  einen  Wasserrest  an  dem  mittleren  Kohlenstoff- 
atom gebunden  enthält,  und  hiernach  können  nur  noch  die 
beiden  folgenden  aufgelösten  Formeln  für  Glycerin  als  mög- 
lich angenommen  werden  : 

/GHs-OH  /6H,-OH 

{eH-OH  und  }G(0H), 

t€Hj-OH  (GH, 


•)  Ann.  Chem.  u.  Fbarm.  CXXXIX,  211. 


248  Buff^   Umwandlung  von  Monochlorhydrin 

Diese  Formeln  führen  za  : 

GH-OH  und  |e(OH)s 

für  Glycerinsäure. 

Eine  Saure  der  letzteren  Formel  würde,  wenn  die 
alkoholischen  Wasserreste  durch  ein  Atom  Wasserstoff  und 
ein  Atom  Chlor  substituirt  würden,  Chlorprop ionsäure  von 
der  Constitution  GH3-€HCl-€0aH  liefern.  Dieses  ist  die 
Chlorpropionsaure ,  welche  der  gewöhnlichen  Milchsäure, 
GH3-€H(GH)-G02H,  entspricht.  Wie  W  i  c  h  e  1  h  a  u  s  ♦)  kürz- 
lich gezeigt  hat,  entsteht  aber  bei  der  Einwirkung  von  Phos- 
phorchlorid  auf  Glycerinsäure  nicht  die  Chlorpropionsaure 
der  gewöhnlichen  Milchsäure,  sondern  es  bildet  sich  hierbei 
eine  isomere  Chlorpropionsaure.  Diese  kann,  wenn  die  vier 
Affinitäten  des  Kohlenstoffs  gleichwerthig  sind,  nur  die  der 
Fleischmilchsäure,  HG-GH2-GH2-G92H,  entsprechende  Chlor- 
propionsaure sein;  ihre  Structur  würde  durch  die  Formel 
C1GH8-GH2-608H  ausgedrückt  werden.  Chlorpropionsaure 
dieser  Formel  führt  zu  GH2(0H)-GH(0H)-GH(eH)  für 
Glycerinsäure  und  zu  GH2(GH).GH(9H)-GH2(OH)  für  Gly- 
cerin.  Bei  der  Einwirkung  von  Phosphorchlorid  auf  Gly- 
cerinsäure  findet  hiernach  Substitution  von  Chlor  fpr  Wasser- 
rest bei  dem  Kohlenstoffatom  statt,  welches  nicht  direct  mit 
dem  Kohlensäurerest  der  Säure  verbunden  ist;  es  tritt  also 
das  Entgegengesetzte  von  demjenigen  ein,  welches  bei  der 
Einwirkung  von  Brom  auf  Propionsäure  von  mir**)  constatiri 
worden  ist.  Hierbei  substituirt  nämlich  Brom  ein  Atom 
Wasserstoff  bei  dem  mittleren  Kohlenstoffatom,  so  dafs  Brom- 
propionsäure der  Formel  GHs-GHBr-GOsH  entsteht 


*)  Ann.  Chem.  n.  Pharm.  OXLIII»  1. 
**)  DaaelbBt  CXL,  156. 


th  Propylenglycol  und  Mächsäure  u.  s.  w.  249 

Glycerin  der  Structor  €Ht(eH)-GH(eH)-€H,(OH)  läfst 
für  Monochlorhydrin  zwei  Formeln   als  möglich  erscheinen  : 

ieH,Gi  /eH,^H 

}€H-0H  nnd         jeHCl 

teH,-^H  |€Hs-OH. 

Die  Ueberfuhrung  des  Monochlorhydrins  in  Propylenglycol 
versprach  zu  entscheiden,  ob  das  Chloratom  jener  Ver- 
bindung durch  ein  aufseres  oder  durch  das  mittlere  Kohien- 
stoffatom  gebunden  sei. 

Monochlorhydrin,  gemischt  mit  unzersetztem  Glycerin  und 
höher  siedenden  Producten  der  Einwirkung  von  Salzsäuregas 
aaf  eine  Lösung  von  Glycerin  in  Essigsäure,  wurde  in  Al- 
kohol gelöst,  die  Lösung  mit  Quecksilberamalgam  behandelt, 
filtrirt  und  der  Destillation  unterworfen.  Aus  dem  Destillate 
wurde  durch  wiederholte  fractionirte  Destillation  eine  zwischen 
185  und  190^  siedende  dickliche  Flüssigkeit  isolirt;  sie  war 
nach  der  Rectification  über  Kalihydrat  farblos,  wasserhell 
und  geruchlos. 

0,17975  Qrm.  derselben  gaben  bei  der  Verbrennung  :  0,8125  €0, 
=  0,0861S  e  =  47,86  pC.  Kohlenstoff  nnd  0,166  H,0  =  0,01844 
H  =  10,26  pC.  Wasserstoff. 

Siedepunkt  und  Zusammensetzung  führen  zu  dem  bekannten 
Propylglycol ,  der  nach  Wurtz  bei  188  bis  189^  siedet 
und  der  47,33  pC.  Kohlenstoff  und  10,52  pC.  Wasserstoff 
enthält. 

Die  Constitution  des  Propylenglycols  ergiebt  sich  aus 
derjenigen  der  gewöhnlichen  Milchsäure,  welche  daraus 
bei  der  Oxydation  entsteht.  Milchsäure  der  Structur 
GH8-€H(OH>-eO-OH  führt  zu  Propylenglycol  der  Formel 
€Hs-GH(0H)-eH8-0H.  Um  noch  bestimmter  festzustellen, 
dafs  der  erhaltene  Glycol  identisch  mit  dem  schon  bekannten 
sei,  habe   ich   eine  wässerige  Lösung  desselben  mit  Platin- 


250  Buffy   Umwandlung  von  Monochlorhydrin 

schwarz  längere  Zeit  an  der  Luft  stehen  lassen,  dann  filtrirt, 
gekocht,  die  saure  Flüssigkeit  mit  Zinkoxyd  gesättigt  und 
das  Filtrat  zur  Kryslallisation  eingedampft.  Hierbei  blieb  ein 
Salz  zurück,  welches  die  Eigenschaften  des  Zinksalzes  der 
gewöhnlichen  Milchsäure  besafs. 

0,1352    Grm.    desselben    wogen    nach    dem     Trocknen    bei     100® 
0,1106;  Verlust  =  0,0246  Grm.  =  18,19  pC.  Wasser. 

Das  Zinksalz  der  gewöhnlichen  Milchsäure  enthält 
18,18  pC.  Wasser. 

Hierdurch  ist  festgestellt,  dafs  bei  der  Einwirkung  von 
Salzsäure  auf  Glycerin  zuerst  Substitution  von  Wasserrest 
bei  einem  der  äufseren  Kohlenstoßatome  stattfindet. 

Man  hat  : 


|GH,-OH 

|€H-on 
|gh,-gh 


GH,C1 
GH- GH 
GHs-GH 


GH, 
GH-OH 
[GHrOH 


GH, 

GH-OH 

60-0H 


Glycerin         Monoclilorbydrin     Propylengljcol       Milcbsäare. 


Dichlorhydrin  würde,  je  nachdem  das  zweite  Chloratoro 
den  Wasserrest  des  mittleren  oder  des  anderen  äufseren 
KohlenstoiTatoms  des  Glycerins  substituirte,  gewöhnlichen 
Propylalkohol  oder  Isopropylalkohol  liefern  : 

iGHjCl  iGHg  iGHaCl 

JGHCl         =     }GH,  }GH-OH      = 

{GHj-OH  \GHj-OH  ^GH.Cl 

Propjlalkobol  Isopropylalkohol. 

Eine  Lösung  von  reinem  Dichlorhydrin  in  alkoholfreiem 
nicht  entwässertem  Aether  wurde  mit  Natriumamalgam  be- 
handelt;  filtrirt  und  dann  der  fractionirten  Destillation  unter- 
worfen. Hierbei  wurde  eine  leichte  dünnflüssige  wasserhelle, 
bei  82  bis  85^  siedende  Flüssigkeit  isolirt  Durch  Rectifica- 
tion  über  gebranntem  Kalk  und  zuletzt  über  etwas  Natrium, 
welches  sich  darin  löste,  wurde  sie  wasserfrei  erhalten. 


in  Ptopylenglyeol  und  Milchsäure  t/.  s.  w.  251 

0,152  Orm.  derselben  gaben  bei  der  Verbrennung  :  0,3343  GO^ 
==  0,09117  €  r=  69,89  pC.  Koblenstoff,  und  0,1827  H,0  =  0,203 
H  =  18,35  pC.  Wasserstoff. 

Siedepunkt  und  Zusammensetzung  entsprechen  dem  Iso- 
propylalkohol ,  wekher  bei  82  bis  84»  siedet  und  60  pC.  G 
und  13,33  pC.  H  enthalt.  Der  Alkohol  gab  bei  der  Behand- 
lung mit  einer  verdünnten  Lösung  von  Schwefelsäure  und 
Kaliumbichromat  eine  leicht  fluchtige,  nach  Aceton  riechende 
FIdssigkeit,  welche  sich  auch  beim  Erwärmen  mit  Natron- 
lauge ganz  wie  Aceton  verhielt. 

Hiernach  substituirt  Chlor  bei  der  Einwirkung  von  Salz- 
saure auf  Glycerin  die  Wasserreste  der  beiden  Kohlenstofl*- 
atome. 

Man  hat  : 

iGH,-9H  i€H,Cl  /GHjCl  i€Ha  /GH, 

}€H-OH  )CH.OH  jGH-OH  JGHOH  \QQ 

{eH,.OH  {CH,-OH  {GH,C1  {GHj  {gEj 

QlyciTin    Monochlorhydrin     Dichlorhjdrin     laopropylalkohol    Aceton. 

Aufser  Isopropylalkohol  entstehen  bei  der  Einwirkung 
von  Wasserstofi*  im  Entstehungszustande  auf  Dichlorhydrin 
noch  einige  andere  Producte  von  höheren  Siedepunkten, 
deren  Untersuchung  noch  nicht  beendigt  ist. 

Bpichlorhydrin  scheint  bei  der  Behandlung  mit  Natrium- 
amalgam in  ätherischer  Lösung  zuerst  Wasserstoff  zu  addiren 
und  in  einfach-gechlorten  Isopropylalkohol  überzugehen  : 

fG,H  ;GHa 

IGU-OH       +       H,       =       }GH-^H 
[GH,C1  \  GH.C1 

Epicblorbydrin  Einfach-gechlorter  Isopropylalkohol. 

Zuletzt  entstehen  Isopropylalkohol  und  Condensations- 
producte. 

Göttingen,  den  28.  Juli  1867. 


252  Naumann^  über  relative  Orö/se 

üeber  relative  Gröfse  der  Molecule; 
von  Privatdocent   Dr.   Alexander  Naumann. 


Bedeutet  fj  den  Reibungscoefficienten,  m  das  Holecular- 
gewicht,  u  die  Holeculargeschwindigkeit  eines  Gases,  r  den 
Halbmesser  des  kugelförmig  vorgestellten  MoleculS)  so  ist 
nach  0.  E.  Meyer*) 

mu 

Nun  hat  0.  E.  Meyer**)  aus  den  von  Graham  durch 
Versuche  ermittelten  Transpirationscocfficienten  die  absoluten 
Werthe  der  Reibungscoefficienten  verschiedener  Gase  be- 
stimmt. Da  aber  die  Moleculargewichte  nur  relative  Geltung 
haben,  so  lafst  vorstehende  Gleichung  sich  zur  Ableitung 
ebenfalls  nur  relativer  Werthe  der  Molecularquerschnitte  r% 
benutzen,  welche  in  Folgendem  für  diejenigen  Gase,  deren 
Reibungscoefficienten  bekannt  sind,  gegeben  werden  soll. 

Es  seien  für  verschiedene  Gase  fj  und  t/  die  bezüglichen 
Reibungscoefficienten,  m  und  m'  die  Moleculargewichte,  u 
und  u'  die  Moleculargeschwindigkeiten ,  r  und  r^  die  Mole- 
cularhalbmesser;  so  ist  nach  obiger  Gleichung 

ma 


m'xk*  m'u'i^ 


r'*#r 


woraus  sich  als  Gröfsenverhältnifs  der  Molecularquerschnitte 
ableitet 


r'*  m'u' 


7 


(1) 


♦)  Pogg.  Ann.  CXXV,  697,  1865. 
**)  Daselbst  CXXVII,  878,  1866. 


der  Molecule.  253 

Bezeichnen  nun  r  und  t'  die  absoluten  Temperaturen 
der  Gase,  so  hat  nfian,  da  die  lebendigen  Kräfte  der  Hole- 
cularbewegungen  den  absoluten  Temperaturen  proportional 
sind, 

mn*  r  ,      n  y  m'r 

=    — -  und    — r    =- 


m'u'« 


mr* 


Die  Einsetzung  dieses  Werths  in  Gleichung  (1)  ergiebt 


(2) 


Vergleicht    man    die  Gase  bei  gleichen   Temperaturen 
t  =  t*,  etwa  beim  Eispunkt,  so  geht  Gleichung  (2)  aber  in 


^  =  .  ?'t^.  (3) 


^         ,!/«■ 


Setzt  man  für  Wasserstoff,  für  welchen  ohnehin  der 
Molecularhalbmesser  am  Kleinsten  ausfallt,  r'  =  1  und  be- 
rücksichtigt man,  dafs  m'  =  2  und  fj'  =  0,000134  ist,  so 
erhalt  Gleichung  (8)  die  Gestalt 

r*  =  0,0000948  J-™-.  (4) 


-]/., 


)/. 


0000948  ^  "    -  (5) 

9 


r3  =  0,0000948  J^.  |/  0,0000948-*^ 


(6) 


Nach  vorstehenden  drei  Gleichungen  siAd  die  in  den 
drei  letzten  Columnen  nachfolgender  Tabelle  aufgeführten 
Wertbe  berechnet. 


254     Naumann^  über  relative  Orofse  der  Molecule. 


• 

/.  . 

VerhUteiBse  der 

ZoBammen* 

1 

5| 

B-ß 

Reibungs» 

ä     (D 

k,u 

•   • 

Namen  der  Oase. 

aetaang. 

«4 

1 

Holeo 
gewio 

coeffl- 
clenten. 

olecnl 

qner- 

chnitt 

1^1 

•  0 

• 

1   a     - 

a 

a>- 

Wasserstoff 

H, 

2 

2 

0,000134 

1 

1 

1 

Sauerstoff 

o. 

2 

32 

306 

1,76 

1,32 

2,32 

Stickstoff 

N, 

2 

28 

267 

138 

1,37 

2,67 

Chlor 

Cl, 

2 

71 

210 

8,80 

1,95 

7,41 

Kohlenoxyd 

eo 

2 

28 

266 

1,88 

1,37 

2,59 

Stiokoxyd 

NO 

2 

30 

269 

1,93 

1,39 

2,68 

Chlorwasserstoff 

HCl 

2 

36,5 

225 

2,54 

1,59 

4,06 

Kohlensäure 

eo. 

3 

44 

231 

2,72 

1,65 

4,49 

Stickozydul 

N,0 

8 

44 

231 

2.72 

1,65 

4,49 

Schwefelwasserstoff 

H,S 

3 

34 

188 

2,94 

1,71 

5,04 

Schweflige  Säure 

so. 

3 

64 

200 

8,79 

1,95 

7,38 

Ammoniak 

NU, 

4 

17 

156 

2,50 

1,58 

8,96 

Cyan 

€,N, 

4 

52 

155 

4,41 

2,10 

9,26 

Sumpfgas 

€H^ 

5 

16 

174 

2,18 

1,48 

3,22 

Methylchlorid 

€HaCl 

5 

60,5 

167 

4,03 

2,01 

8,10 

Aethylen 

e,H, 

6 

28 

158 

8,17 

1,78 

5,66 

Aethylchlorid 

GjHa .  Gl 

8    , 

64,5 

158 

4,97 

2,23 

11.09 

Methyläther 

€,He,0 

9 

46 

148 

4,84 

2,08 

9,05 

Es  versteht  sich  nach  Gleichung  (4)  von  selbst,  dafs 
Körpern,  welche  bei  gleichem  Moleculargewicht  auch  gleiche 
Reibungscoefficienten  zeigen  —  wie  Stickstoff  und  Kohlen- 
oxyd, wie  Stickoxydul  und  Kohlensäure  — ,  ebenfalls  gleiche 
relative  Zahlen  für  Moleculargröfse  zukominen.  Aethylen  hat 
zwar  dasselbe  Moleculargewicht,  wie  Stickstoff  und  Kohlen- 
oxyd, aber  einen  anderen  Reibungscoefficienten  und  in  Folge 
dessen  auch  eine  andere  relative  Moleculargröfse.  Für 
schweflige  Säure  und  Chlor  stimmen  bei  allen  sonstigen 
Verschiedenheiten  die Moleculargröfsen  nahezu  überein,  ebenso 
für  Chlorwasserstoff  und  Ammoniak.  Einfache  gesetzmfifsige 
Beziehungen  lassen  sich  also  nicht  erkennen. 

Giefsen,  September  1867. 


*)  Unter  Molecularvolam  iBt  hier  der  von  einem  Molecul  erfUlte 
Raum  EU  verstehen,  in  welchen  andere  Massen  nicht  «indringen 
können,  ohne  das  Molecul  in  seinem  bisherigen  Bestand  la  rer- 
nichten. 


255 


üeber  den  Pseudo-Harnstoff  der 
Hexylenreihe ; 

von  J.  J.  Chydenius*). 


Dieser  Pseudo-Harnstoff  gehört  der  neuen  Classe  von 
zosammengesetzten  Harnstoffen  an,  welche  Wurtz  in  der 
neuesten  Zeit  entdeckt  hat.  Um  ihn  darzustellen,  mischt  man 
zunächst  cyansaures  Silber  und  jodwasserstoffsaures  Hexylen, 
welchesnachWankiyn  und  Erlenmeyer 's  Verfahren  durch 
Destillation  von  Mannit  mit  concentrirter  Jodwasserstoffsaure 
dargestellt  ist.  Erhitzt  man  das  Gemisch  auf  50  bis  60",  so 
tritt  eine  lebhafte  Einwirkung  ein,  und  bei  der  Destillation 
geht  eine  Flüssigkeit  über^  welche  sehr  unangenehm  riecht 
and  deren  Dämpfe  die  Augen  stark  angreifen»  Mit  über- 
schüssigem wässerigem  Ammoniak  geschüttelt  erstarrt  sie  so- 
fort zu  einer  festen  Hasse,  dem  neuen  Harnstoff.  Nachdem 
maa  diesen  von  der  ammoniakalischen  Flüssigkeit  getrennt  hat, 
löst  man  ihn  in  siedendem  Wasserstaus  welcher  Lösung  er 
sich  bei  dem  Erkalten  derselben  in  Nadeln  ausscheidet.  Aber 
um  ihn  ganz  rein  zu  erhalten,  mufs  man  ihn  noch  ein-  oder 
zweimal  umkrystallisiren. 

Der  Pseudo-Harnstoff  der  Hexylenreihe  bildet  feine  weifse 
Nadeln;  er  löst  sich  leicht  in  siedendem  Wasser,  und  sehr 
leicht  in  Alkohol  und  in  Aether  bei  gewöhnlicher  Tempera- 
tur. Bei  dem  Erhitzen  schmilzt  er  bei  127<)  und  beginnt 
bei  etwa  220'^  zu  sieden,  unter  theilweiser  Zersetzung  und 
Bntwickelung  ammoniakalischer  Dämpfe.    Die  bei  der  Analyse 

gefundenen  Zahlen  entsprechen  der  Formel  (^6Hi2H)hIn,  : 

H,     j 


•)  Compt.  rend.  LXIV,  976. 


256     Chydenius,  Pseudo- Barnstoff  d.  Hexylenreihe. 


Gefunden 

Berechnet 

Kohlenstoff 

68.27 

58,40 

WaMerstoff 

11,16 

11,84 

Stickstoff 

19,69 

19,44 

Erhitzt  man  diesen  Pseudo-Harnstoff  in  zugeschmolzenen 
Röhren  mit  einer  sehr  concentrirten  Lösung  von  Aetzkali, 
so  tritt  unterhalb  230  bis  250^  keine  Einwirkung  ein.  Bei 
dieser  Temperatur  wird  Ammoniak  frei  und  es  bildet  sich 
eine  ölige  Flössigkeit,  welche  wahrscheinlich  das  Isohexyl- 
amin  ist.  Ich  habe  sie  nicht  in  hinlänglicher  Menge  für 
eine  eingehendere  Untersuchung  erhalten,  weil  die  Röhren 
bei  dem  starken  Drucke  der  bei  so  hoher  Temperatui^  ge- 
bildeten Gase  zersprangen. 

Wie  man  sieht,  unterscheidet  sich  dieser  Pseudo-Ham- 
Stoff  wesentlich  von  dein  mit  ihm  isomeren  Hexyl-  oder 
Caproylharnstoff,  welchen  P  e  1  o  u  z  e  und  Cahours*)  dar- 
gestellt haben,  sofern  der  letztere  weifse  Blättchen  bildet 
und  sich  schon  bei  dem  Kochen  mit  mäfsig  concentrirter 
Aetzlauge  zersetzt. 


•)  Ann.  chim.  phy».  [4]  I,  87  (vgl.  Ann.  Chem.  n.  Phaxm.  CXSTII, 
191). 


Ansgegeben  den  29.  October  1867. 


1 


ANNALEN 

DER 


CHEMIE  UND  PHARMACIE. 


V.   Supplementbandes    drittes    Heft 


Versilberung  von  Glas; 
von  Ju8tu8  eon  lAebig. 


Ich  theile  in  dem  Folgenden  die  Hischongsverhaltnisse 
mit,  welche  ich  nach  einer  längeren  Reihe  von  Versuchen 
für  die  Darstellung  von  Silberspiegeln  als  die  besten '  bei- 
behalten habe. 

Bilberl'ösung  :  Man  löst  1  Theil  geschmolzenes  salpeier- 
saures  Silber  in  10  Theilen  destillirtem  Wasser. 

Ammoniaklösung  :  a)  Käufliche,  chlorfreie,  Salpeter- 
säure wird  mit  Ammoniak-Sesquicarbonat  neutralisirt  und  die 
Lösung  bis  zum  specifischen  Gewicht  1,115  verdünnt.  Zu 
37  Theilen  Salpetersäure  von  1,290  hat  man  14  Theile  Ses- 
quicarbonat  nöthig;  doch  ist  dieses  Verhältnifs  wegen  des 
nicht  immer  gleichen  Ammoniakgehalts  des  Sesquicarbonats 
nicht  bestimmt 

Das  salpetersaure  Ammoniak  läfst  sich  vortheilhafl  durch 
schwefelsaures  Ammoniak  ersetzen. 

b)  Man  löst  242  6rm.  schwefelsaures  Ammoniak  in 
Wasser  und  verdünnt  bis  zum  Volumen  von  1200  CC;  das 
specifische  Gewicht  der  letzteren  Lösung  ist  1,105  bis  1,106. 

Natronlauge  :  Die  Natronlauge  mufs  aus  chlorfreiem  koh- 
lensaurem Natron  bereitet  werden  und  ein  specifisches  Ge- 
richt von  1,050  haben;  3  Volume  einer  Lauge  von  1,035 

Ano«l.  d.  Chem.  a.  Pharm.  V.  Sopplementbd.  S.  Beft.  J7 


258  Liebig,   Versilberung  van  Olaa. 

spec.  Gewicht ,  so   wie  man   sie  bei  ihrer  Darstellung  ge- 
winnt, geben  abgedampft  auf  2  Volume  eine  Lauge  von  1,050. 

A.  Versilberungsmischung  : 

100  Vol.  Ammoniaklösung  (der  Lösung  a  oder  b) 

140    ,,     Silberlösung 
750    ,,     Natronlauge 

990  Volume. 

Wendet  man  schwefelsaures  Ammoniak  an,  so  mufs  in 
die  Silberlösung  die  Lösung  des  schwefelsauren  Ammoniaks 
eingegossen  und  sodann  erst  die  Natronlauge  in  kleinen  Por- 
tionen zugefügt  werden ;  die  Flüssigkeit  ist  nach  der  Mischung 
trübe  und  mufs  zur  Klärung  mindestens  drei  Tage  lang  ruhig 
stehen  bleiben,  ehe  sie  verwendet  werden  kann.  Die  klare 
Lösung  wird  mit  einem  Heber  abgezogen. 

Reductionsfiüssigkeit  :  a)  50  Grm.  weifser  Candiszucker 
werden  in  W^asser  zu  einem  dünnen  Syrup  aufgelöst,  sodann 
3,1  Grm.  VITeinsäure  zugesetzt  und  eine  Stunde  im  Sieden  ge- 
halten; die  Flüssigkeit  wird  sodann  mit  Wasser  bis  zum 
Volumen  von  500  CG.  verdünnt. 

b)  Man  ubergiefst  2,857  Grm.  trockenes  weinsaures  Ka- 
pferoxyd  mit  Wasser  und  setzt  sodann  tropfenweise  so  viel 
Natronlauge  zu,  bis  das  blaue  Pulver  sich  gelöst  hat.  Man 
verdünnt  die  Lösung  bis  zum  Volumen  von  500  CG. 

B.  Beductiansmischung  :     1  Vol.    der  Zuckerlösung  (a) 

mischt  man  mit 1     „      der  Kupferlösung  (b) 

und  setzt 8    „      Wasser  zu. 

C.  Versilberung s/lüssigkeU  : 

50  Vol.   Versilberungsmischung  (A), 

10     „      Reductionsmischung  (B), 
250  bis  300  Vol.  Wasser. 
Bei  der  Versilberung  werden  die  Gläser  in  die  Kästen 
reihenweise  zwei  zusammen  vertical   eingesetzt^    die  Ver- 


Lieb  ig,   Versilberung  von  Olas.  259 

silberangsflössigkeit  (A)  mit  dem  Wasser    in   einem   beson- , 
deren  Gefärse    verdännt,     sodann    die    Reductionsflüssigkeit 
ZQgemischt  und  die  Kästen  damit  gefüllt;   im  Winter   ist   es 
zweckmafsig,  warmes  Wasser  zu  nehmen,  so  dafs  die  Tem- 
peratur 20  bis  2S^  C.  erreicht. 

Gläser  zu  optischen  Zwecken  müssen  in  horizontaler 
Lage  versilbert  werden ,  so  dafs  sie  die  Oberfläche  der  Flüs- 
sigkeit berühren;  die  Siiberfläche  mufs  durchsichtig  mit 
blauer  Farbe  und  glänzend  sein  und  so  fest  haften,  dafs 
sie  beim  Poliren  nicht  abgerieben  wird. 

Diese  Versilberung  ist  für  die  Fabrikation  von  Spiegeln 
berechnet,  deren  Herstellungskosten  die  der  gemeinsten 
Spiegelsorten  (Nürnberger  Judenmafs-Spiegel)  nicht  überstei- 
gen. Besondere  Bestimmungen  ergeben ,  dafs  man  mit  diesen 
Mischungen  vollkommene  Spiegel  herstellen  kann  mit  einer 
Silbermenge,  die  auf  einem  Quadratmeter  nicht  mehr  wie 
3  bis  3V2  Grm.  Silber  beträgt. 

Ohne  den  Kupferzusatz  läfst  sich  diefs  nicht  bewerkstelli- 
gen ;  ich  bin  nicht  im  Stande  eine  Erklärung  hiervon  zu  geben. 
Die  Wirkung  des  Kupfers  giebt  sich  leicht  zu  erkennen,  wenn 
man  eine  sehr  verdünnte  kupferfreie  Lösung  in  einer  Glas- 
röhre mit  der  Zuckerlösung  versetzt  und  ruhig  stehen  läfst; 
der  Silberabsatz  ist  alsdann  weifs  gefleckt  und  löcherig ;  ist 
eine  Spur  Kupfer  dabei,  so  ist  der  Absatz  spiegelglänzend 
and  fehlerfrei;  bei  mehr  Kupfer  setzt  sich  gar  kein  Silber 
ab.  Es  sind  hier  Adhäsionswirkungen  im  Spiel,  die  sich 
theoretischen  Betrachtungen  entziehen;  es  kommt  darauf  an, 
der  Flüssigkeit  eine  solche  Beschafl'enheit  zu  geben,  dafs  die 
Flfissigkeitstheilchen  weniger  Adhäsion  zum  Silber  als  die 
Glastheilchen  haben,  deren  Oberfläche  von  der  Flüssigkeit 
benetzt  wird;  ist  die  Adhäsion  der  Flüssigkeitstheilchen 
gröfser,  so  belegt  sich  das  Glas  nicht. 

17  • 


260        Louguinine  u.  Lippmann^  Darstellung 

Hit  der  oben  beschriebenen  Methode  der  Versilberung 
hat  eine  Fabrik  in  der  Nahe  Nürnbergs  über  ein  Jahr  lang 
gearbeitet  und  sehr  schöne  Spiegel  geliefert,  sie  fanden  jedoch 
keinen  Absatz.  Es  ist  aber  zu  erwarten^  dafs  mit  der  Zeit 
die  Vorurtheile  gegen  die  Silberspiegel  schwinden  werden  *). 


Neues  Verfahren  zur  Darstellung  des  Cymens 

aus  Campher ; 

von  Louguinine  und  Lippmcum^. 


Gleiche  Aequivalentgewichte  Campher  und  Phosphor- 
superchlorid werden  zusammengerieben,  wobei  sich  viel 
Chlorwasserstoffsäure  bildet  und  die  Masse  halbflüssig  wird. 
Sie  wird  dann  einer  ganz  langsamen  Destillation  im  Sandbade 
unterworfen,  wobei  sich  fortwährend  Chlorwasserstoflsäure 
entwickelt.  Das  Destillat  wird  zur  Befreiung  \'on  Chlorwas- 
serstoflsäure und  Phosphoroxychlorid  mit  Wasser  gewaschen, 
mittelst  Chlorcalcium  entwässert  und  zur  Beseitigung  der 
letzten  Spuren  unangegrifl'en  gebliebenen  Camphers  über 
Natrium  rectificirt.  Das  so  erhaltene  Präparat  ging  zwischen 
175  und  178^  über  und  ergab  89,7  pC.  C  und  10,6  pC.  H 
(berechnet  89,6  und  10^4).  Dieses  Verfahren  giebt  minde- 
stens eben  so  viel  Cymen ,  als  das  gewöhnlich  angewendete, 


*)  Gewisse  Erfahrungen ,  die  ich  bei  der  Veröffentlichung  anderer 
Recepte  machte ,  veranlassen  luich  snr  Erklärung,  dafs  ich  mich 
auf  die  Beantwortung  von  Anfragen  um  nähere  Auskunft  nicht 
einlassen  werde. 

**)  Im  Auszug  aus  dem  BuUetin   de  la  soci^t^    chimiqne   de  Paris 
Vn,  874. 


des  Oymens  aus  Campher.  261 

and  ein  ziemlich  reines  Präparat.    Es  berulit  auf  folgenden 
Reactionen  : 

€i(>H,eO  +  PCU  =  OioH.jCl  +  HCl  +  POCl, ; 

^10^16^   =    ^10^14  +   HCl. 

Die  zweite  Spaltung  .geht  bei  der  langsam  geleiteten 
Destillation  vor  sich.  —  Die  Rückbildung  der  Verbindung 
610H15CI  durch  längeres  Einleiten  von  trocknem  Chlorwasser- 
stoffgas in  Cymen  in  der  Kälte  gelang  nicht. 


üeber  Abscheidung  des   reinen  Platins  und 

Iridiums ; 

von  Dr.  Woldemar  eon  Schneider. 


Die  Bichloridlösungen  der  Platinmetalle  gehen,  wie  be- 
reits Claus  in  Beziehung  auf  das  Iridium  angegeben  hat, 
mehr  oder  weniger  leicht  bei  dem  Erwärmen  mit  Natron- 
hydratlösung in  niedere  Chlorstufen  Ober,  unter  Bildung  von 
Chlornatrium  Und  unterchlorigsaurem  Natron.  Das  Platin- 
chlorid erleidet  diese  Umwandlung  erst  durch  sehr  langes 
Kochen  und  selbst  dann  nur  spurenweise,  während  die  hö- 
heren Chlorverbindungen  der  übrigen  Platinmetalle  unter 
denselben  Umständen  vollständig  und  in  kurzer  Zeit  zu  nie- 
deren Chlorstufen  reducirt  werden.  Da  nur  die  Bichloride 
durch  Chlorkalium  gefällt  werden,  so  läfst  sich  das  Platin 
leicht  auf  diesem  Wege  von  den  mit  ihm  gemeinschaftlich 
vorkommenden  Metallen  trennen. 

Wird  die  möglichst  salpetersäurefreie  Lösung,  welche 
sich  bei   der  Behandlung  der  Platinerze  mit  Königswasser 


262  Schneider^  über  Abscheidung 

ergiebig  mit  kalifreier  Natronhydratlösung  bis  zur  stark  alka* 
lischen  Reaction  versetzt^  so  entsteht  ein  hydratischer  Nie- 
derschlag, welcher  alles  Kupfer,  Eisen  und  einen  Theil  der 
Platinmetalle  enthält.  Kocht  man  die  Lösung  mit  dem  darin 
befindlichen  Niederschlage  eine  Zeit  lang,  so  verschwindet 
die  alkalische  Reaction  in  dem  Mafse^  als  die  Bildung  des 
unterchlorigsauren  Natrons  erfolgt.  Hat  man  das  letztere 
durch  Kochen  mit  einigen  Tropfen  Alkohol  zerstört,  die  Flüs- 
sigkeit bis  zur  Wiederauflösung  des  Niederschlags  mit  Salz- 
säure versetzt  und  erforderlichen  Falls  filtrirt,  so  erhält  man 
eine  Lösung,  aus  der  auf  Zusatz  einer  heifs  gesättigten  Lö- 
sung von  Chlorammonium  nur  das  Platin  gefällt  wird.  Der 
niederfallende  Platinsajmiak  ist  hellgelb  und  hinterläfst  beim 
Glühen  einen  Platinschwamm ,  der  sich  leicht  ohne  allen 
Bückstand  schon  in  schwachem  Königswasser  mit  hellgelber 
Farbe  löst.  Hat  man  zu  wenig  Natron  angewandt,  so  zeigt 
das  abgeschiedene  Platin  eine  kleine  Verunreinigung,  die  sich 
J)eim  Auflösen  desselben  als  Ruckstand  zu  erkennen  giebt; 
bei  zu  grofsem  Natronzusatz  und  zu  anhaltendem  Kochen 
dagegen  bildet  sich  etwas  Platinchlorür,  das  sich  der  Fällung 
durch  Salmiak  oder  Chlorkalium  entzieht. 

Damit  jede  Verunreinigung  vermieden  wird,  ist  es  am 
Zweckmäfsigsten ,  einen  nicht  zu  geringen  Natronüberschufs 
anzuwenden  und  das  Kochen  so  lange  fortzusetzen,  dafs  bei 
der  Fällung  durch  Chlorammonium  ein  kleiner  Antheil  Platin 
in  Lösung  bleibt.  Um  diesen,  so  wie  die  in  der  Flüssigkeit 
enthaltenen  Platinmetalle,  nicht  zu  verlieren^  stellt  man  in  die 
mit  Salzsäure  angesäuerte,  bis  zum  Kochen  erhitzte  Lösung 
ein  Kupferblech.  Das  an  diesem  ausgeschiedene  Metallpulver 
wird,  um  zunächst  das  Palladium  zu  gewinnen,  mit  Salpeter- 
säure behandelt,  und  der  übrig  bleibende  noch  etwas  platin- 
haltige  Rückstand  der  nächsten,  mit  Königswasser  zu  behan- 
debiden  Portion  Platinerz  hinzugefügt.    Bei  einem  Versuch 


des  reinen  Platins  und  Iridiums.  263 

wurde  auf  diese  Weise  aus  einer  Lösung^,  die  2,5410  Gnn. 
uralischem  Platinerz  entsprach,  2,0188  Platin  als  79,45  pC. 
des  angewandten  Erzes  erhalten.  Das  Metall  löste  sich  ohne 
allen  Rdckstand  mit  hellgelber  Farbe  in  Terdunntem  Königs- 
wasser -schon  bei  roäfsigem  Erwärmen  auf.  Die  Lösung,  aus 
der  das  Platin  gefallt  war,  gab  mit  einem  Kupferblech  dige- 
rirt  einen  Metallniederschlag,  aus  dem  bei  Behandlung  mit 
Königswasser  kein  Fiatin  mehr  ausgezogen  werden  konnte. 
Der  Versuch  mit  einer  gleichen  Menge  derselben  Lösung 
wiederholt  gab  79^21  pC.  Platin  von  gleicher  Reinheit.  Bei 
diesem  letzteren  Versuche  enthielt  die  mit  Salmiak  gefällte 
Lösung  noch  eine  geringe,  quantitativ  aber  nicht  mehr  be- 
stimmbare Menge  Platin.  Bei  beiden  Versuchen  wurde  der 
Chlorplatinkaliumniederschlag  auf  einem  Verdrangungsfilter 
Biit  gesättigter  Salmiaklösung,  in  welcher  derselbe  unlöslich 
ist,  ausgewaschen.  Die  beschriebene  Methode  kann  nicht  nur 
zur  Gewinnung  des  Platins ,  sondern  auch  zur  quantitativen 
Scheidung  desselben  von  den  übrigen  Platinmetallen  mitVortheil 
benutzt  werden.  Für  diesen  Fall  ist  es  besonders  nöthig ,  das 
Kochen  mit  Natronlauge  und  Alkohol  so  lange  fortzusetzen,  dafs 
sich  ein  kleiner  Theil  des  Platins  der  Fallung  durch  Salmiak  ent- 
zieht. Ich  gebe  als  Beispiel  die  nach  dieser  Methode  in  Prof. 
Bunsen's  Laboratorium  ausgeführte  Analyse  einer  russi- 
schen Platinmünze.  Dieselbe  wird  in  Königswasser  gelöst^ 
der  noch  etwas  Palladium  und  Rhodium  enthaltende  Iridium- 
rfickstand  von  der  Lösung  durch  Filtration  getrennt.  Aus 
dieser  letzteren  whrd  nach  dem  Kochen  mit  Natron  und  Al- 
kohol und  nach  der  Wiederauflösung  des  entstandenen  Nie- 
derschlags in  Salzsaure  das  Platin  als  Chlorplatinkalium  ge- 
fallt, der  mit  einer  gesättigten  Lösung  von  Chlorkalium  aus- 
gewaschene Niederschlag  nach  dem  Trocknen  noch  unter 
der  Glühhitze  in  einem  Wasserstoffstrom  reducirt  und  das 
vom  Chlorkalium  befreite  Platin   gewogen.    Die  von  Platin 


264  Schneider,  über  Abeekeidung 

• 

fast  vollsltodig  befreite,  mit  noch  etwas  mehr  SalzsSore  Ter- 
setzte  Flüssigkeit  gab  durch  Behandeln  mit  chemisch-reinem 
Zink  ein  schweres,  leicht  aussEuwaschendes  Metallpulver,  das 
mit  dem  bei  der  Auflösung  der  Münze  hinterbleibenden  nn* 
reinen  Iridium  vereinigt  den  weiter  zu  behandelnden,  im 
Folgenden  mit  B  bezeichneten  Rückstand  bildete.  In  der 
mit  Zink  behandelten  farblosen  Flüssigkeit  ist  das  Eisen  als 
Chlorur  enthalten  und  daher  sogleich  durch  Uebermangan- 
saure  volumetrisch  zu  bestimmen.  Aus  dem  Rückstand  B 
zieht  Salpetersäure  das  Kupfer  und  Palladium  aus,  die  man 
am  Genauesten  in  emer  verschliefsbaren  Flasche  durch 
Schütteln  mit  Quecksilber  trennt,  durch  das  nur  Palladium, 
nicht  aber  das  Kupfer  gefällt  wird. 

Die  kleine  Menge  Platin,  welche  der  Rückstand  B  jetzt 
noch  enthält,  wird,  wie  Anfangs  bestimmt,  der  früher  ge- 
fundenen Platinmenge  hinzugefügt.  Die  auf  diesem  Wege 
analysirte  Münze  enthielt  : 

I. 

Platin 9%M 

Palladinm 0,42 

Rhodiumhaltiges  Iridium  4,21 

Eisen 1,26 

Kupfer 0,46 

100,18. 

Eine  Probe  des  in  der  Petersburger  Münze  dargestellten 
iridiumhaltigen  Platinschwamms  zeigte,  auf  dieselbe  Weise 
analysirt,  folgende  Zusammenstellung  : 

n. 

Platin 81,01 

Khodiumbaltiges  Iridium     .    .  17,85 

Eisen 0,44 

Sand  und  Tiegelmaase    .    .    .  0,47 

99,77. 


des  reinen  Platins  und  Iridiums.  265 

Die  svlelzt  anfgefdhrte  Veninreinigtifigr  Ton  Sand  mid 
Tiegetanasae  blieb  bei  dem  Aafldsen  einer  gewogenen  Menge 
Plalinschwamnis  in  metallischem,  chemisch -reinem  Zink  zu- 
rock  und  enthielt  keine  Spar  von  Platinmetallen  beigemischt. 

Complieirter  ist  die  folgende,  nach  derselben  Methode 
Yon  Herrn  B.  Scheitz  unter  Prof.  Bunsen's  Leitung  aus* 
gefährte  Analyse  des  Niederschlags,  der  in  der  Petersburger 
Mfinze  bei  der  Bereitung  des  iridiumhattigen  Platins  dadurch 
erhalten  wird,  dafs  man  die  Lösung  des  Platinerzes  mit  Kalk- 
waaser  füllt. 

Der  zur  Trennung  der  Platinmelalle  von  den  übrigen 
Gemengtheilen  des  Niederschlags  eingeschlagene  Weg  war 
folgender  : 

Man  schmilzt  etwa  10  6rm.  bei  100^  getrockneter  Sub- 
stanz mit  15  Grm.  kohlensaurem  Natron  und  1  6rm.  Salpeter 
i-  bis  IVs  Stunden  lang  in  einem  geräumigen  offenen 
Platintiegel  vor  der  Glasbläserlampe  und  digerirt  dann  die 
Schmelze  so  lange  mit  Wasser,  bis  alles  Lösliche  extrahirt 
ist  Der  gelöste  Theil  A  und  der  unlösliche  Rückstand  B 
werden  jeder  für  sich  untersucht.  Die  Lösung  A  enthält 
Kieselsäure^  Schwefelsäure,  Chlorwasserstofisäure  und  Chrom- 
sdure.  Man  wiegt  die  Flüssigkeit  in  einer  Gewichtsburette 
und  theilt  sie  in  drei  Gewichtsportionen.  In  der  ersten  wird 
Kieselerde  und  Chromoxyd,  in  der  zweiten  Schwefelsäure 
und  in  der  dritten  Chlorwasserstoffsäure  auf  gewöhnliche 
Weise  bestimmt.  Der  Rückstand  B  enthält  Kupferoxyd, 
Eisenoxyd,  Thonerde,  Kalkerde,  Magnesia  und  die  Platin- 
metalle.  Man  digerirt  dieselben  wiederholt  und  lange  mit 
Salzsäure,  wobei  ein  Ruckstand  C,  der  aus  kupferhaltigem 
Pbtin  mit  etwas  Palladium  besteht,  zurückbleibt  und  die 
übrigen  Gemengtheile  nebst  etwas  Palladium  gelöst  werden. 
Von  der  so  erhaltenen,  gleichmäfsig  gemischten  und  gewo- 
genen Lösung  wird  ein  Theil  abgewogen  und  das  Palladium, 


266  Schneider,  über  Abscheidvng 

wie  oben  angegeben,  durch  Quecksilber  gerillt,  die  ab- 
filtrirte  Flüssigkeit  mit  Salzsäure  etwas  eingedampft,  Kupfer 
nebst  Quecksilber  aus  der  mit  Wasser  verdünnten  Lösung 
durch  Schwefelwasserstoff  gefällt  und  das  Kupfer  in  dem 
Niederschlage  auf  gewöhnliche  »Weise  bestimmt.  Die  Flüs- 
sigkeit enthält  jetzt  nur  noch  Eisenoxyd,  Thonerde,  Kalkerde 
und  Magnesia,  die  leicht  nach  bekannten  Methoden  zu  tren- 
nen sind.  Die  Metalle  im  Rückstände  C  werden  in  der- 
selben Weise  geschieden,  wie  es  oben  bei  der  Analyse  der 
Platinmünze  angegeben  ist.  Wasser  und  Kohlensäure,  welche 
die  untersuchte  Substanz  aufserdem  noch  enthält,  wurden 
nicht  besonders  bestimmt,  sondern  als  Verlust  in  Rechnung 
gebracht.    Von  Iridium  finden  sich  nur  unwägbare  Spuren. 

m. 

Schwefelsaurer  Kalk 48,09 

Kalkerde 8,24 

Magnesia        0,89 

Eiseoozyd       21,42 

Eisenchlorid 7,14 

Chromoxyd 1,41 

Thonerde         0,79 

Kieselerde       0,59 

Knpferoxyd 9,58 

Platinozyd 3,86 

Palladiumozyd 1,95 

Verlust  (Wasser  und  Kohlensilare)  .     .  6,04 

100,00. 

Man  wird  annehmen  dürfen,  dafs  das  Eisen  als  Ozy- 
chlorid,  das  Platin  und  Palladium  als  Platinoxydkalk  und 
Palladiumoxydkalk,  ein  Theil  des  Kalks  als  kohlensaures  Sab 
und  die  übrigen  Oxyde  als  Hydrate  in  dem  Gemenge  enU 
halten  sind.  Nach  einer  analogen  Methode  habe  ich  die  fol- 
gende Analyse  eines  in  der  Petersburger  Munse  im  Grofsen 


des  reinen  Fiatins  und  Iridiums.  267 

darg^estellten  onreinen  Iridiums  ausgeführt,  aus  welcher  durch 
Königswasser  kein  Platin  mehr  ausgezogen  werden  konnte  : 

Rhodium  u.  Rutheninm  enthaltendes  Iridinm  71,01 

Palladium       . 0,81 

Kupfer 8,55 

Eisen 8,04 

Kieselerde 0,55 

Thonerde 0,87 

Kalkerde 4,70 

Chlornatrium 14,12 

Beigemengter  Sand l,lo 

■»  ■  ■■■■  ■■■! 

99,28. 

Zur  Darstellung  des  chemisch -reinen  Iridiums  wird  am 
Zweckmäbigsten  der  bei  der  Behandlung  des  Platinerzes  mit 
Königswasser  hinterbleibende  Ruckstand  angewandt  Man 
schlierst  denselben  nach  Wöhler's  Methode  mit  Kochsalz  in 
einem  Strome  Chlorgas  auf.  Um  sogleich  ein  Pfund  und  mehr 
des  Materials  in  Arbeit  nehmen  zu  können,  Ififst  man  den  Kopf 
einer  thönemen  Tabakspfeife  mit  der  Oeffnung  nach  unten 
auf  den  Boden  eines  grofsen  hessischen  Tiegels  münden  und 
füllt  denselben  bis  zu  Va  seiner  Höhe  mit  der  aufzuschliefsen- 
den  Mischung  an.  In  dem  Rande  des  mit  Gyps  aufgekitteten 
Tiegeldeckels  befindet  sich  ein  kleiner  eingefeilter  Ausschnitt, 
durch  welchen  der  mif  dem  Chlorapparat  verbundene  Stiel 
der  Thonpfeife  hervorragt;  ein  anderer,  in  ähnlicher  Weise 
eingekitteter,  in  den  oberen  leeren  Raum  des  Tiegels  mün- 
dender Pfeifenstiel  fuhrt  das  mit  dem  Chlorstrom  entwei- 
diende  Chlorosmium  durch  ein  mit  demselben  verbundenes 
Gtesrohr  in  einen  Ballon,  der  bis  zur  Hälfte  mit  Alkohol  ge- 
fällt ist.  Man  lafst  das  Chlor  etwa  einen  halben  Zoll  hoch 
über  der  Alkoholschicht  ausströmen,  damit  kein  Druck  im 
Apparate  entsteht.  Während  der  Behandlung  mit  Chlor  darf 
der  Tiegel,  welcher  mit  seinem  oberen  Rande  aus  einer,  die 


268  Schneider^  über  Abscheidung 

Ofenmündung  verschliefsenden  Blechplatte  hervorragt,  nur  die 
eben  beginnende  Glühhitze  erreichen,  da  nur  bei  dieser  Tem- 
peratur innerhalb  einer  sehr  engen  Grenze  das  Aufschliefsen 
möglichst  YollstSndig  erfolgt.  Bei  richtig  geleiteten  Opera- 
tionen schmilzt  die  Kochsalzmischung  nicht,  sondern  sintert 
nur  zu  einer  bröckeligen  braunen  Masse  zusammen.  Diese 
wird  mit  möglichst  wenig  heifsem  Wasser  zerrieben  auf  einem 
Extractionsfilter  ausgezogen,  die  erhaltene  Lösung  mit  einem 
Strome  Chlorgas  behandelt  und  nach  Zusatz  von  etwas  Salz- 
säure bis  zur  Sättigung  mit  fein  pulverisirtem  Chlorkalium 
geschüttelt.  Der  dabei  gebildete,  zuerst  mit  Wasser,  dann 
mit  gesättigter  Chlorkaliumlosung  auf  einem  Extractionsfilter 
ausgewaschene  Niederschlag  besteht  aus  den  nur  noch  un- 
bedeutend verunreinigten  Kaliumdoppelchloriden  des  Iridiums, 
Platins  und  Rutheniums.  Die  Lösung  enthält  fast  alles  Rho- 
dium, etwas  Iridium  nebst  Eisen,  Kupfer,  Blei,  sowie  andere, 
aus  dem  Rohmaterial  stammende  Verunreinigungen,  und  dient 
zur  Darstellung  des  Rhodiums.  Die  Gewinnung  des  chemisch- 
reinen Iridiums  aus  dem  Niederschlage  B  geschieht  durch 
Behandlung  der  wässerigen  Lösung  desselben  mit  Wasser- 
stoffgas. Sämmtliche  Platinmetalle  werden  durch  dieses  Gas 
aus  den  wässerigen  Lösungen  ihrer  Bichloride  regulinisch 
gefällt,  das  Iridium  aber,  wie  Professor  Bunsen  beobachtet 
hat,  so  schwierig,  dafs  die  AbscheiÜung  kleiner  in  Lösung 
befindlichen  Mengen  Platin,  Palladium,  Rhodium,  .Ruthenium 
und  Osmium  zuerst  erfolgt,  indefs  der  gröfste  Theil  des 
Iridiumbichlorids  nur  in  Sesquichlorid  übergeht.  Finden  sich 
namhaftere  Mengen  der  zu  beseitigenden  Platinmetalle  vor, 
so  ist  es  voriheilhaft,  die  Einwirkung  des  Wasserstoffes  so 
lange  fortzusetzen,  dafs  schon  eine  theilweise  Reduction  des 
Iridiums  zu  Metall  erfolgt. 

Man  fuhrt  die  Scheidung  am  Besten  auf  folgende  Weise 
aus:  Der  Niederschlag  B  wird  in  so  viel  kochendem  Wasser 


des  reinen  Ptatina  und  Iridiums»  269 

gelöst,  dars  sich  keine  Chlordoppelsalze  beim  Erkalten  mehr 
aussondern,  und  die  Lösung  in  einen  Glaskolben  gebracht, 
der  so  geräumig  ist,  dafs  die  Flüssigkeit  nur  ungefähr  die 
Hälfte  desselben  ausfüllt  Man  versieht  darauf  den  Kolben 
mit  einem  dreimal  durchbohrten  Caoutchoucpfiropf  und  er- 
wärmt  im  Wasserbade  auf  40^  bis  60^  C,  oder  setzt  die  Lö- 
sung besser  noch  der  heifsen  Sonne  aus,  nachdem  man  den 
Luftinhalt  durch  Wasserstoff  verdrangt  hat.  Diefs  geschieht 
einfach  dadurch,  dafs  man  das  aus  einem  grofsen  D  ö  b  e  r- 
einer'schenEntwickelungsapparat  ausströmende  Wasserstoff- 
gas durch  eine  unter  dem  Caoutchoucpfropf  mündende  Glas- 
röhre einleitet  und  die  im  Gefafse  enthaltene  specifisch 
acbvfrerere  Luft  aus  einer  durch  den  Pfropf  geführten  über 
der  Flüssigkeitsschichte  endenden  Röhre  entweichen  lafst. 
In  der  mittleren  Durchbohrung  befindet  sich  eine  etwas  wei- 
tere,  auf  beiden  Seiten  offene  Glasröhre,  die  unter  der  Flüs- 
sigkeitsschicht im  Kolben  mündet  und  die  den  Zweck  hat, 
jederzeit  mittelst  einer  engen,  als  Stechheber  dienenden 
Glasröhre  Fiüssigkeitsproben  dem  Kolben  entnehmen  zu 
können.  Die  Röhrenmündung,  aus  welcher  der  Gasinhalt 
des  Kolbens  in  die  Luft  entweicht,  wird  durch  eine  Wasser- 
schicht abgesperrt,  die  Communication  des  Döbereine r*- 
schen  Apparates  mit  dem  Kolben  dagegen  offen  erhalten, 
damit  das  absorbirte  Wasserstoffgas  stets  durch  neu  hinzu- 
tretendes ersetzt  wird. 

War  die  Flüssigkeit  zuvor  durch  Kochen  von  Luft  be- 
freit, so  pflegt  nach  zwei-  bis  fünfstündiger  Erwärmung  die 
Metallreduction  an  der  Oberflache  der  Flüssigkeit  sichtbar 
zu  werden.  Das  Platin  und  die  übrigen  eben  aufgeführten 
Metalle  scheiden  sich  theils  in  matten,  theils  in  metallglan- 
zenden  Dendriten  und  Blattern  auf  der  Flüssigkeit  ab,  oder 
bilden  hie  und  da  am  Glase  fest  anhaftende  Spiegelbele- 
gungen.    Die    Abscheidung    der    zu    beseitigenden    Metalle 


270  Sehneider,  über  Abscheidung 

fiiiDint  je  nach  der  Menge  des  angewandten  Materials  zwei 
bis  acht  Tage  in  Anspruch  und  kann  als  beendet  betrachtet 
werden,  wenn  eine  Probe  der  von  Zeit  zu  Zeit  durch  gelinde 
Bewegung  durchgemischten  FIQssigkeit  eine  otivengrüne  Farbe 
angenommen  hat,  auf  Zusatz  von  Kalihydratlösung  entfärbt 
und  dann  erst  nach  langer  Zeit  gebläut  oder  gefällt  wird.  Ent- 
hält die  Flüssigkeit  noch  Spuren  ton  Eisen,  was  gewöhnlich 
der  Fall  ist,  so  entsteht  zwar  sogleich  eine  geringe  Fällung 
auf  Zusatz  von  Kalihydrat,  in  derselben  kann  aber  durch 
Flammenreaction  kein  Platinmetall  mehr  nachgewiesen  wer* 
den.  Aus  der  auf  diese  Weise  gereinigten,  in  einem  andern 
Kolben  filtrirten  Lösung  des  Iridiumsesqnichlorids  wird  das 
Iridium  durch  abermalige  Behandlung  mit  Wasserstoffgas 
chemisch  rein,  in  oft  Quadratzoll  grofsen,auf  der  oberen  Flache 
metallglänzenden  spröden  Blättern  oder  dendritischen  Massen 
abgeschieden.  Haben  sich  an  den  Wänden  der  Gefäfse,  wor- 
in die  Reduction  vorgenommen  wurde,  wie  es  fast  immer 
der  Fall  ist,  oberhalb  der  Flüssigkeit  kleine  Mengen  Metall 
an  den  Glaswänden  reducirt,  so  entstehen  beim  Entfernen 
des  Caoutchoucpfiropfs  die  heftigsten  Explosionen,  weil  das 
mit  Luft  sich  mischende  Wasserstoffgas  in  Berührung  mit 
den  ausgeschiedenen  Platinmetallen  entzündet  wird.  Es  ist 
daher  unumgänglich  nothwendig,  bei  der  Füllung  und  Ent- 
leerung des  Ballons  die  atmosphärische  Luft  oder  das  Was- 
serstoffgas zuvor  durch  Kohlensäure  zu  verdrängen. 

Das  Osmium  wird  aus  dem  theilweise  in  Chlorsubsti- 
tutionsproducte  verwandelten  Alkohol  auf  folgende  Art  leicht 
gewonnen.  Man  dampft  denselben  mit  einem  Ammoniaküber- 
schufs  ein,  löst  wieder  in  Wasser,  filtrirt  die  Lösung  und 
dampft  dieselbe  bis  zur  völligen  Trockenheit  ein.  Sublimirt 
man  den  so  erhaltenen  Salmiak  in  einem  Strome  Wasserstoff- 
gas in  einem  weiten  Glasrohr,  so  bleibt  das  metallische  Os- 
mium in  traubig  aufgeblähten  metallglänzenden  Massen  zurück« 


des  reinen  flcUins  und  Iridiums.  271 

Aus  dem  Mitgetheilten  ergeben  sieb  einige  Folgerungen^ 
welche  für  die  Metallurgie  des  Platins  nicbt  ohne  Werth  sind. 

Die  Analyse  III  zeigt,  dafs  die  bei  der  Darstellung  des 
reinen  Platins  im  Grofsen  noch  gegenwartig  benutzte  He* 
thode  von  Döbereiner  höchst  nnzweckmärsig ist  und  durch 
ein  bei  weitem  einfacheres  und  vortheilhafteres  Verfahren 
ersetzt  werden  kann.  Otto  'bemerkt  in  seinem  Lehrbuch 
der  Chemie  S.  932:  ^Franz  Döbereiner  machte  die 
ittterressante  Beobachtung,  dafs  das  Platin  aus  den  Lösungen, 
in  denen  es  als  Chlorid  sich  findet,  bei  Ausschlufs  von  Licht 
durch  Kalk  nicht  als  Oxyd  gefallt  wird,  während  die  es 
begleitenden  Platinmetalle  dadurch  mehr  oder  weniger  leicht 
gefällt  werden.^ 

Die  fast  völlige  Abwesenheit  von  Iridium,  Rhodium  und 
Ruthenium  in  der  Analyse  III,  welche  mit  einem  nach  dieser 
Döbereiner'schen  Methode  im  Grofsen  in  der  Petersburger 
Mänze  erhaltenen  Niederschlage  angestellt  wurde,  beweist 
aber,  dafs  nur  das  Palladium  und  theilweise  gerade  das 
Platin  und  keineswegs  die  übrigen  Platinmetalle  durch  Kalk- 
wasser gefällt  werden.  Die  Rolle,  welche  das  Kalkwasser 
bei  dieser  Scheidung  spielt,  ist  eine  ganz  andere:  sie  be- 
ruht darauf,  dafs  die  dem  Platin  beigemengten  Bichloride  der 
übrigen  Platinmetalle  in  der  durch  Kalkmilch  alkalisch 
gemachten  Lösung  in  niedere  Chlorstufen  übergehen,  die 
durch  Chlorkalium  oder  Salmiak  nicht  mehr  fällbar  sind. 
Diese  Reduction  durch  Kalkwasser  ist  überdiefs  so  unvoll- 
ständig, dafs  das  Platin,  welches  man  aus  den  mit  Kalkwasser 
behandelten  Lösungen  durch  Salmiak  gewinnt,  noch  mit  einer 
verh«Itnif.mäf«g  sehr  grofsen  Menge  der  z«  beseitigenden 
Platinmetalle  verunreinigt  ist,  wie  die  Analyse  der  Platinmünze 
I  zeigt,  deren  Metall  aus  einer  solchen  Lösung  durch  Fällen 
mit  Salmiak  gewonnen  worden.  Noch  deutlicher  zeigt  es 
sich  in  der  Analyse  II,  dafs  die  zu  beseitigenden  Platinme- 


S272  Bchneiderf  über  Abscheidung 

lalle  in  der  mit  Kalkwasser  behandelten  Lösung  zurück- 
bleiben. Der  aus  der  Petersburger  Münze  in  den  Handel 
kommende  iridiumbaltige  Platinschwamm,  welcher  zu  dieser 
Analyse  11  diente,  wird  auf  die  Weise  bereitet,  dafs  man  die 
mit  Kalkwasser  gefällte  Lösung  abdampft  und  den  Rückstand 
einfach  der  Glühhitze  aussetzt.  Das  so  erhaltene  Platin  ist 
palladiumfrei,  und  enthalt,  wie  man  sieht,  nicht  weniger  als 
17,8  Procent  fremde  Platinmetalle,  welche  aus  der  Lösung 
stammen.  Die  Verunreinigung  des  nach  der  Döbereiner'schen 
Methode  bereiteten  vermünzten  Platins  beweist  in  Ueberein- 
Stimmung  mit  Versuchen  in  Kleinen ,  die  ich  angestellt  habe, 
dafs  diese  Methode,  wo  es  sich  um  Darstellung  des  reinen 
Flatins  handelt;  nicht  anwendbar  ist.  Aber  ich  glaube, 
dafs  selbst  da ,  wo  es  Nichts  verschlagt,  ein  unreines  Metall 
mit  veränderlich  wechselndem  Platingehalt  zu  erhalten,  diese 
Methode  aufgegeben  werden  mufs.  Der  als  Nebenproduct 
fallende  Kalkniederschlag  III  enthält  noch  nahe  an  4  pC. 
Platin,  welches  in  einer  Mischung  darin  enthalten  ist,  ^wie  sie 
zur  Extraction  des  Platins  kaum  ungunstiger  gedacht  werden 
kann.  Die  Beimischung  von  40  pC.  Gyps  macht  die  Ex- 
traction des  Metalls  noch  mehr  zu  einer  im  hohen  Grade 
unbequemen  und  kostspieligen  Operation ,  welche  nicht  viel 
weniger  Aufwand  und  Arbeit  in  Anspruch  nimmt,  als  die 
ursprüngliche  Bearbeitung  des  Erzes  selbst  Jede  Methode, 
welche  gestattet,  die  bei  der  Scheidung  des  Metalls  in  den 
Materialien  unvermeidlich  zurückbleibenden  Mengen  von  Pla- 
tin zu  vereinigen  und  in  einer  concentrirteren  Form  auf  ein- 
fache und  ökonomische  Weise  auszuscheiden,  wird  daher 
diesem  alten  Verfahren  vorzuziehen  sein.  Alle  diese  Vor- 
theile  finden  sich  bei  der  oben  beschriebenen  Methode  ver- 
einigt. Ohne  auf  die  Einzelnheiten  der  Ausführung  derselben 
im  Grofsen  einzugehen,  wozu  noch  vielfaltige  Versuche  im 
Kleinen  und   im  GruCsen  unerläfslich   sein  würden,  will   ich 


des  reinen  Piatina  und  Iridiums.  273 

mich  hier  nur  daraof  beschränken^  ganz  im  Allgemeinen  den 
Gang  der  fabrikmarsigen  Scheidung  anzudeuten,  welcher 
mir  der  einfachste  zu  sein  scheint.  Man  fällt  die  mit  Salz- 
saareüberschufs  eingedampfte  und  dann  mit  Wasser  ver- 
dünnte Königswasserlösung  des  Erzes  mit  möglichst  kali- 
freier Natronhydratlösung ,  kocht  -die  Flüssigkeit  mit  dem 
Niederschlage  mit  überschüssiger  Natronlauge  unter  allmä- 
ligem  Zutropfen  von  etwas  Alkohol,  versetzt  die  heifs6  Flüs- 
sigkeit bis  zum  Wiederauflösen  des  Niederschlages  mit  Salz- 
säure, filtrirt,  wenn  nöthig,  und  sättigt  das  Filtrat  mit  Chlor- 
ammonium, wobei  der  Platinsalmiak  chemisch  rein  niederfällt. 
Der  Niederschlag  läfst  sich  auf  einem  Extractionsfilter  von 
Filz  durch  Luftdruck  mit  gesättigter  Salmiaklösung,  und  zwar^ 
wie  ich  mich  überzeugt  habe,  mit  weniger  Wasser,  als  dem  vier- 
fachen Volumen  des  Niederschlags  entspricht,  vollständig  aus- 
waschen und  dadurch  sogleich  in  einem  halb  trockenen  Zu- 
stande erhalten.  Das  aus  einer  concentrirten  Lösung  von  Salmiak 
bestehende  Waschwasser  kann  sogleich  zur  Fällung  neuer 
Portionen  der  ursprünglichen  Erzlösung  benutzt  werden. 
Aus  der  Mutterlauge  lassen  sich  sämmtliche  noch  darin  ent- 
haltene Platinmetalle  auf  die  einfachste  Weise  fast  frei  von 
allen  Verunreinigungen  dadurch  wiedergewinnen,  dafs  man 
die  Mutterlauge  bei  Salzsäureüberschufs  mit  Kupferblech 
unter  Vermeidung  eines  freien  Luftzutritts  in  der  Wärme 
digerirt.  Es  werden  dadurch  sämmtliche  Platinmetalle  in 
zertheiltem  Zustande  gefällt,  und  können,  um  die  darin  noch 
enthaltenen  Spuren  von  Platin  nicht  zu  verlieren,  den  fol- 
genden, mit  Königswasser  zu  behandelnden  Platinerzen  ein- 
fach wieder  hinzugefügt  werden.  Das  bei  der  Fällung  der 
Mutterlauge  mittelst  Kupferplatten  gelöste  Kupfer  wird  sich 
leicht  durch  altes  Eisen  als  Cämentkupfer  wiedergewinnen 
lassen.  Die  bei  der  Cämentation  noch  übrig  bleibenden  Mut- 
terlaugen geben  mit  Kalkmilch  versetzt  eine  Flüssigkeit,  die 

Annal.  d.  Cham.  a.  Ph&rm.  V.  BuDolementbd.  3.  Heft.  18 


274  Perkin,  über  die  Baeicität 

zur  Wiedergewinnung^  des  Salmiaks  benutzt  oder  wohl  zweck- 
mdfsiger  an  die  Salmiakfabriken  abgesetzt  werden  kann. 

Die  vorstehende  Untersuchung  wurde  unter  Prof.  Bnn- 
sen's  Leitung  in  dessen  Laboratorium  ausgeführt. 


üeber  die  Basicität  der  Weinsäure; 
von  W.  H.  Perkin^y 


Der  vieratomige  Character  der  Weinsäure  ist  durch  die 
künstliche  Bildung  derselben  aus  Bernsteinsäure  vollständig 
erwiesen  worden.  Von  dieser  Thatsache  ausgehend  wurden 
verschiedene  Chemiker  dahin  geführt,  diese  Säure  auch  als 
vierbasisch  zu  betrachten,  und  in  Bestätigung  ihrer  Hypo* 
these  erhielten  sie  mehrere  metallhaltige  Verbindungen,  welche 
die  Formeln  vierbasischer  weinsaurer  Salze  besafeen.  So 
fand  H.  S  c  h  i  f  f ,  dafs  bei  dem  Erhitzen  des  basischen  wein- 
sauren Blei's  auf  130^  dasselbe  1  Aeq.  Wasser  verlor,  unter 
Bildung  eines  Körpers,  welchen  er  ab  das  vierbasische  Blei- 
salz betrachtet**),  nämlich : 

C4H4PbOe  .  PbO  =  HjO  +    C^HjPbjOe. 

Auch  Frisch  hat  eine  bemerkenswerthe  Zinkverbikidung 
erhalten  durch  Kochen  von  metallischem  Zink  mit  Kali  und 
Weinsäure  und  nachheriges  sorgfältiges  Neutralisiren  der 
Lösung  mit  verdünnter  Salpetersäure.  Das  Product  hat  die 
Zusammensetzung  C4H8Zn206  -f~  VsHgO.  ~  Aber  wenn  wir 
die  sonderbaren  Methoden  betrachten,  nach  welchen  diese 
Substanzen  hervorgebracht  wurden,  und  die  hohen  Tempe- 
raturen, bei   welchen  einige   derselben  getrocknet  wurden, 


*)    Ans  d.  Jonro.  of  the  Chemioal  Sooiety  (new  series)  Y,  isa. 
•«)    Ann.  Ch0m.  Pharm.  CXXV,  146. 


der  Weinsäure.  275 

wie  auch  die  Thalsacbe,  dafs  die  Weinsäure  leicht  1  Aeq. 
Wasser  abgeben  und  wieder  aufnehmen  kann,  so  wird  es 
sehr  schwierig,  die  wahre  Constitution  dieser  Körper  zu 
beurtheilen,  namentlich  da  sie  unlöslich  und  nicht  kryslalli- 
sirbar  sind.  Ich  habe  es  deshalb  als  Interesse  bietend  be- 
trachtet, den  ersetzbaren  Wasserstoff  in  einer  anderen  Weise 
zu  untersuchen,  und  deshalb  hauptsächlich  neue  Derivate 
untersucht,  welche  durch  die  Einwirkung  der  Chlorverbin- 
dungen von  Säureradicalen  auf  den  Weinsäureäther  er- 
balten waren. 

Einwirkung   des   Benzoylchlorürs   auf    Weinsäure-   und 

Traubensäureäther, 

Mit  Weinsäureäther  gemischtes  Benzoylchlorür  wirkt  auf 
den  ersteren  in  der  Kalte  nicht  ein,  aber  bei  dem  Erwärmen 
entwickelt  sich  viel  Ghlorwasserstoffsäure.  Ein  Gemische  der 
beiden  Substanzen  ungefähr  nach  gleichen  Aequivalenten, 
doch  den  Weinsäureäther  in  geringem  Ueberschufs  enthal- 
tend, wurde  im  Wasserbade  2  bis  3  Stunden  lang  erhitzt. 
Das  Product  wurde  wiederholt  mit  einer  Lösung  von  kohlen- 
saurem Natrium  gut  geschüttelt,  um,  was  etwa  vom  Benzoyl- 
chlorür oder  vom  Weinsäureäther  noch  unangegriffen  geblieben 
sein  mochte,  zu  zersetzen  und  zu  beseitigen.  Die  alkalische 
Losung  wurde  dann  von  der  neuen  Verbindung  getrennt, 
welche  in  der  Form  eines  sehr  dickflüssigen  Oeles  erhalten 
wurde.  Dieses  Oel  wurde  dann  mit  Wasser  gewaschen,  in 
Aether  gelöst  und  zur  Beseitigung  von  etwa  noch  zurück- 
gebliebenem. Wasser  mit  trockenem  kohlensaurem  Natrium 
geschüttelt.  Die  ätherische  Lösung  wurde  dann  filtrirt  und 
im  Wasserbade  abgedampft.  Auf  diese  Art  blieb  der  neue 
Körper  als  ein  sehr  dickflüssiges  aber  durchsichtiges  Oel 
rückständig.  Seine  Zusammensetzung  entsprach  der  des  Wein- 


276  Per  hin,  über  die  Basicttät 

Säureäthers,   in  welchem  1  Aeq.  Wasserstoff  durch  1  Aeq. 
Benzoyl  ersetzt  ist : 

Berechnet  Gefunden 


Ci5 

180 

58,06 

57.64  57.86 

H« 

18 

5.80 

5,90   5,83 

0, 

112 

36,14 

—    — 

810    100.00 

Dieses  Product  verwandelt  sich  bei  2-  bis  Swöchent- 
lichem  Stehen,  namentlich  unter  Wasser,  fast  gänzlich  zu 
einer  Hasse  farbloser  prismatischer  Krystalle,  welche  nach 
starkem  Auspressen  zwischen  Fliefspapier  unter  einer  kräf- 
tigen Schraubenpresse^  bis  sie  ganz  frei  von  Oel  ist,  einem 
Kuchen  weifsen  Wachses  ähnlich  aussieht.  Diese  Hasse 
schmilzt  bei  dem  Erwärmen  leicht  und  erstarrt  bei  dem  Er- 
kalten allmälig  zu  einer  schön  strahlig  krystallinischen  Hasse. 
Ein  Theil  dieser  Substanz  gab  in  Sauerstoff  verbrannt 

Gefunden  Berechnet 

Kohlenstoff     58,08  58,06 

Wasserstoff       5.98  5,80 

also  dieselbe  Zusammensetzung,  wie  sie  för  die  nicht  kry- 
stallinische  Substanz  gefunden  worden  war.  Als  ich  zuerst 
diesen  festen  Körper  erhielt,  war  ich  geneigt  zu  glauben, 
dafs  er  mit  dem  öligen  Producte  nur  isomer  sei;  aber  wei- 
tere Betrachtung  läfst  mich  ihn  einfach  als  eine  reinere  Sub- 
stanz betrachten,  und  diefs  möchte  auch  daraus  hervorgehen, 
dafs  die  Analyse  des  festen  Körpers  die  mit  der  Berechnung 
am  Besten  übereinstimmenden  Zahlen  ergab.  Ich  habe  ein 
öliges  Product  drei  Honate  lang  vollkommen  klar  stehen  ge- 
habt, aber  nach  dem  Reiben  der  Wandung  des  Gefäfses  mit 
einem  Glasstab  begann  es  allmälig  zu  krystallisiren. 

Ich  schlage  vor,  diese  Verbindung  als  Benzowefnsäure^ 
äiher  zu  bezeichnen. 

Im  reinen  Zustande  ist  derselbe  ein  weifser,  geruchloser, 


der  Weinsäure.  277 

leicht  ZQ  pulyernder  Körper.  Er  schmilzt  bei  64^  C.  und 
kohlt  zu  einem  zähflüssigen  Oel  ab,  welches  erst  nach  län- 
gerem Stehen  erstarrt;  aber  das  Hineinwerfen  eines  kleinen 
St&ckchens  des  festen  Körpers  leitet  sofort  den  Beginn  der 
Krystallisation  ein,  welche  unter  beträchtlicher  Temperatur- 
erhöhung vor  sich  geht.  Er  krystallisirt  in  durchsichtigen 
Prismen.  Stark  erhitzt  destillirt  er  unter  Zersetzung.  Er  ist  nach 
allen  Verhaltnissen  in  Alkohol  und  in  Aether  löslich;  er  ist 
etwas  löslich  in  siedendem  Wasser,  welche  Lösung  bei  dem 
Erkalten  milchig  wird  und  ölige  Tropfen  ausscheidet,  wäh- 
rend spater  schöne  aber  kleine  prismatische  Krystalle  sich 
absetzen.  Seine  wässerige  Lösung  schmeckt  schwach  bitter. 
Seine  Lösungen  verändern  nicht  die  Farbe  von  Lackmus- 
papier. Wasserige  Kalilösung  scheint  auf  ihn  nicht  einzu- 
wirken. Bei  der  Einwirkung  von  Natrium  wird  Wasserstoff 
entwickelt  und  wie  es  scheint  eine  Natriumverbindung  ge- 
bildet.   Er  ist  specifisch  schwerer  als  Wasser. 

Wird  Benzoweinsäureäthcr  in  einer  zugeschmolzenen 
Röhre  mit  alkoholischer  Ammoniakflussigkeit  auf  100^  erhitzt, 
so  wird  er  langsam  zersetzt  unter  Annahme  einer  blafs- 
brdunlichgelben  Farbe.  Wird  das  Product  zur  Trockne  ver- 
dampft und  dann  Wasser  zugesetzt,  so  scheiden  sich  einige 
ölige  Tropfen  von  unzersetzt  gebliebenem  Aether  aus,  welche 
mittelst  Filtriren  durch  ein  benetztes  Filter  beseitigt  werden 
können.  Das  Filtrat  erföllt  sich  bei  Zusatz  von  Salzsaure 
mit  Krystallen  von  Benzoesäure ,  und  wenn  die  von  diesen 
getrennte  Flüssigkeit  zur  Trockne  eingedampft  wird,  so 
bleibt  ein  gummiartig  aussehender  und  in  Wasser  sehr  lösli- 
eber Rftckstand.  Nach  dem  Kochen  desselben  mit  starker  Kalilö- 
sung (wobei  beträchtlich  viel  Ammoniak  sich  entwickelt) 
wiM  auf  Zusatz  von  Salzsäure  wiederum  viel  Benzoesäure 
ausgeschieden,  was  anzeigt,  dafs  bei  dieser} Reaction  ein, 
Benzoyl   enthaltendes  lAmid  gebildet  wurde;   doch  entsteht 


278  Per  hin,  über  die  Basicüät 

dabei  kein  Benzamid.  Die  Producte  dieser  Reaction  sind 
wahrscheinlich  Benzoesäure,  Tartramid,  Benzotartramid  und 
Alkohol. 

Ich  habe  verschiedene  Versuche  gemacht,  ein  zweites 
Aequivalent  Wasserstoff  in  dem  WeinsSureather  durch  Ben- 
zoyl  zu  ersetzen ,  aber  es  ist  mir  bis  jetzt  nicht  gelungen. 
Wenn  man  Weinsäureäther  mit  2  Aeq.  Benzoylchlorur,  oder 
Benzoweinsäureäther  mit  1  Aeq.  Benzoylchlorör  erhitzt,  so 
erhält  man  ein  Oel;  dessen  ätherisehe  Lösung  bei  dem  Ein- 
dampfen gelatinös  wird.  Ich  habe  mehrere  Verbrennungen 
verschiedener  Präparate  dieses  Productes  ausgeführt,  welche 
in  mehrfacher  Weise  gereinigt  waren  und  deren  letztes  durch 
Erhitzen  mit  Benzoylchlorör  bis  zu  ISO'^  C.  dargestellt  wor- 
den war.  Ich  habe  indessen  keine  irgend  brauchbaren  Re- 
sultate erhalten.  Die  Kohlenstoffbestimmungen  gaben  zwischen 
60,24  und  61  pC.  schwankende  Resultate,  die  Wasserstoff- 
bestimmungen etwa  5,4  pC.  Diesen  Zuwachs  im  Kohlenstoff- 
gehalt betrachte  ich  nicht  als  auf  der  Einführung  von  Benzoyl 
beruhend,  da  selbst  bei  240<>  C.  ein  Gemische  von  Benzo- 
Weinsäure  und  Benzoylchlorür  kaum  eine  bemerkliche  Menge 
von  Chlorwasserstoffsäure  frei  werden  läfst. 

Benzoylchlorör  wirkt  auf  Traubensäureäther  genau  in 
derselben  Weise  wie  auf  Weinsäureäther  ein,  unter  Ersetzung 
von  1  Aeq.  Wasserstoff*  För  das  Product  der  Einwirkung 
schlage  ich  die  Bezeichnung  Benzotrauheiuäureäther  vor,  da 
es  mit  dem  vorhergehenden  Körper  isomer  und  nicht  iden- 
tisch ist.  Es  schmilzt  bei  einer  beträchtlich  niedrigeren  Tem- 
peratur, nämlich  57^,  und  krystallisirt  nicht  so  leicht  wie 
dieser  Körper. 

Einwirkung  alkoholischer  RaliVösung  auf  Benzoweinsäureäthir. 

Der  Benzoweinsäureäther  wird  durch  alkoholische  Kaii- 
iösung  sehr  leicht  zersetzt,  weiche,  wenn  im  Ueberschusse 


der  WeiMäure.  279 

einwirkend  9  Benzoesäure  und  Weinsäure  entstehen  lafst; 
aber  die  Einwirkung  kann  auch  gemäfsigt  und  intermediäre 
Producte  können  erhalten  werden,  wenn  man  eine  verdünnte 
alkoholische  Lösung  des  Aethers  und  eine  schwache  alkoho- 
lische Kalilösung  in  solcher  Menge,  dafs  das  vorhandene  Kali 
unsureichend  zur  vollständigen  Zersetzung  des  Aethers  ist^ 
anwendet  Nach  der  Behandlung  des  Benzoweinsfiureathers 
in  der  letzteren  Weise  wurde  mafsig  erhitzt,  bis  der  über* 
schfissige  Alkohol  verdampft  war;  dann  wurde  Wasser  zur 
Ausscheidung  etwaiger  öliger  Producte  zugesetzt;  die  durch 
ein  benetztes  Filier  filtrirle  Flüssigkeit  wurde  mit  Salzsäure 
angesäuert,  wo  sich  ein  Oel  ausschied,  welches  wiederum 
beseitigt  wurde,  und  die  klare  Flüssigkeit  wurde  über  Schwe- 
felsäure unter  die  Glocke  einer  Luftpumpe  gestellt.  Nach 
einigen  Tagen  bildeten  sich  in  ihr  schöne  Krystallbüschel, 
welche  nach  dem  Waschen  mit  Wasser  rein  befunden  wur- 
den. Bei  100<>  getrocknet  ergaben  sie  bei  der  Verbrennung 
in  Sauerstoffgas  die  Zusammensetzung: 

0  H  lcA(C,H,0)Oe  =  C„H,A. 

•  Ol 

Berechnet  Oefhnden 


i\^       156  55,32  54,84 

Hu       14  4,96  5,08 

O,        112  89,72  — 

282         100,00 

Sie  sind  also  Aethylöenzoweinaäure  oder  die  Aethyl-  und 
Wasserstoffverbindung  der  Benzoweinsaure.  Diese  Säure  ist 
ein  hübsches  Product,  in  Büscheln  harter  Nadeln  krystalli- 
sirend,  schwierig  löslich  in  Wasser,  aber  äufserst  löslich  in 
Alkohol  und  in  Aether.  Bei  dem  Verdunsten  ihrer  alkoho- 
lischen oder  ätherischen  Lösung  scheidet  sie  sich  in  fächer- 
förmigen Krystallgruppen  ab.  Ihre  wasserige  Lösung  röthet 
Lackmospapier.  Sie  wird  durch  Kali  leicht  zersetzt  und 
ihre   Salze   scheinen  ziemlich  unbeständig  zu  sein.    Ich  er- 


280  Perkiny  über  die  Basicität 

hielt  diese  Säure  nur  in  einer  für  eine  vollständigere  Unlm*- 
suohung  ungenügenden  Menge. 

Die  Mutterlaugen  von  der  Aethylbenzoweinsäure  ent- 
halten beträchtliche  Mengen  von  Dessaignes'  Benzowein- 
säure*).  Die  bevor  erwähnte,  bei  dem  Ansäuren  des  Rob- 
productes  sich  ausscheidende  ölige  Flüssigkeit  besteht  aus 
einem  Gemische  von  Benzoesäure  und  Aethylbenzoweinsäure, 
mit  etwas  neutralem,  wie  Benzoesäureäther  riechendem  Oel* 

Bei  Behandlung  des  Benzoweinsäureäthers  mit  alkoho- 
lischer Kalilösung  finden  also  die  folgenden  Reactionen  statt : 

BenzoweinBäareäther  Alkohol        Aethylbenzoweins&nre ; 

II)  c|H^]c,Ha(C,H50)Oe  +  2H,0  =  2C,HeO-h  J|}  C,Hs(C,H50)0e 

Benzoweiosftare ; 

III)  c*H*}c4H,rC,H,0)Oe+3H,0=2C,HflO+^|c4H40e  +  C^HeO, 

Weinsäare    Benzotoäare. 

Einwirkung  des  Succinylchlorürs  auf  W einsäur eäthre. 

Wenn  Succinylchlorur  und  Weinsäureäther  zusammen 
erhitzt  werden,  so  entwickelt  sich  Chlorwasserstoffsäure  in 
beträchtlicher  Menge  und  ein  neutraler  öliger  Körper  bildet 
sich.  Für  die  Darstellung  dieser  Substanz  habe  ich  im  Allge- 
meinen den  Weinsäureäther  und  das  Succinylchlorur  in  dem 
Verhältnisse  von  2  Aeq.  des  ersteren  mit  1  Aeq.  des  letz- 
teren angewendet.  Diese  Körper  wurden  zusammen  in  einer 
weiten  Reagensröhre  im  Wasserbade  erhitzt,  bis  sich  keine 
Chlorwasserstoffsäure  mehr  entwickelte.  Das  Prodnct  wurde 
während  einiger  Stunden  häufig  wiederholt  mit  Wasser  ge- 
schfiUelt^   um   noch   vorhandenes  freies  Succinylchlorur   zu 


*)    J.  pharm.   [3]  XXXII,    47   (Jahresber.  f.  Chemie   u.  s.  w.  mr 
1867,  ß07). 


der   Weinsäure.  281 

zersetzen  und  unangegriffenen  Weinsäuredther  zu  e#fernen, 
und  dann  in  derselben  Weise  wie  der  Benzoweinsäureather 
gereinigt.  Die  Analysen,  durch  Verbrennung  der  Substanz 
in  Sauerstoffgas,  gaben  för^sie  die  Zusammensetzung  : 

d.  h.  zwei  Aeq.  Weinsdureather  vereinigt  durch  die  Ersetzung 
von  2  Aeq.  Wasserstoff  durch  zweiatomiges  Succinyi. 

berechnet  gefunden 


c«> 

2i0 

48,68 

47,72 

47,79 

H«» 

80 

6,07 

6,81 

5,81 

0,4 

224 

46,35 

— 

— 

494  100,00. 

Der  Kohlenstoff-  und  der  Wasserstoffgehalt  sind  bei 
diesen  Analysen  etwas  zu  niedrig  erhalten  worden.  Es  be- 
ruht diefs,  wie  ich  glaube,  auf  der  Anwesenheit  von  einer 
geringen  Menge  eines  neutralen  chlorhaltigen  Oeles,  welches 
gewöhnlich  in  dem  Succinylchlorur  gefunden  wird;  und  bei 
der  Natur  des  neuen  Productes  konnte  ich  dasselbe  nicht 
weiter  reinigen.  Eine  Verbindung,  welche  1  Aeq.  Weinsäure- 
Äther  mit  1  Aeq.  Succinyi  an  der  Stelle  von  2  Aeq.  Wasser- 
stoff wäre,  wurde  einen  viel  höheren  Kohlenstoffgehall,  nant- 
licb  53,7  pC,  verlangen. 

Ich  schlage  vor,  dieses  Product  als  Succinoweinsäure- 
äther  zu  bezeichnen.  Es  ist  ein  sehr  dickflüssiges  Oel  von 
blafsgelber  Farbe,  aber  ich  glaube,  dafs  es  im  vollkommen 
reinen  Zustande  farblos  ist.  Es  ist  nach  allen  Verhältnissen 
in  Alkohol  und  i^  Aether  löslich,  und  diese  Lö^mgen  ver- 
halten sich  neutral  gegen  Lackmuspapier.  Bei  dem  Erhitzen 
mit  alkoholischer  Kalilösung  wird  es  zersetzt.  Es  kann  nicht 
destillirt  werden  ohne  Zersetzung  zu  erleiden. 


282  PerJctfif  über  du  Basicäät 

Eimov^kung  des  Äcetylchlorürs  auf  Benzowemsäureäther. 

Da  es  mir  nicht  gelungen  war,  ein  zweites  Aeq.  Was- 
serstoff in  dem  Weinsäureather  d^Tch  Behandlung  desselben 
mit  Benzoylchlorür  zu  ersetzen ,  so  erschien  mir  die  Anwen- 
dung einer  kräftiger  wirkenden  Chlorverbindung  angezeigt, 
und  ich  wählte  das  Acetylchlorur. 

Ein  Gemisch  von  Benzoweinsäureäther  und  Acetylchlorur 
nach  etwa  gleichen  Aequivalenten,  doch  das  Chlorur  in 
schwachem  Ueberschusse  enthaltend^  wurde  in  einer  zuge- 
schmolzenen Röhre  3  bis  4  Stunden  lang  auf  140  bis  150^  C. 
erhitzt.  Be'i  dem  Oeffnen  der  Röhre  entwichen  grofse  Men- 
gen Chlorwasserstoffsäure.  Das  ölige  Product  wurde  mit 
Wasser  gut  geschüttelt  und  in  Aether  gelöst.  Die  ätherische 
Lösung  wurde  dann  mit  trocknem  kohlensaurem  Natrium  ge- 
schüttelt, filtrirt  und  im  Wasserbade  zur  Trockne  eingedampft. 
Die  Zusammensetzung  dieses  Productes  entsprach  nahezu  der 
Formel  : 

(C,H5),.C4H,(C,H^O)(C,H,0)0«  =  C„H^Oa. 

d.  h.   der  des  Benzoweinsäureäthers,   in  welchem   1  Aeq« 
Wasserstoff  durch  Acetyl  ersetzt  ist. 

Berechnet  Gefimden 


CtT 

204 

57»96 

68,09 

H,o 

20 

5,68 

5,80 

Oa 

128 

36»37 

— 

852  100,00. 

Dieses  Product,  für  welches  ich  die  Bezeichnung ^oe^o- 
benzoweinsäureäther  vorschlage  ^  ist  ein  fittfserst  dickflössiges 
farbloses  Og),  specifisch  schwerer  als  Wasse^  Es  zeigt  keine 
Neigung,  den  festen  Zustand  anzunehmen,  sofern  monatelangr 
aufbewahrte  Präparate  vollkommen  klar  blieben.  Bs  ist  sehr 
leicht  löslich  in  Alkohol  und  in  Aether,  und  vollkommen  neu- 
tral gegen  Reagenspapier.    Bei  dem  Erhitzen  mit  alkoholischer 


d$r  Weinsäure,  283 

Kalilosong  wird  es  vollständig  za  Alkohol,  Essigsäure,  Benzoe- 
säure und  Weinsaure  zersetzt,  gemafs  der  Gleichung  : 

(CjH^), .  C4Hi(C,H50)(C,H.O)Oe  +  4  H,0  = 

2C,HeO       +      C^40»      +      CyHeO,      +      04HeOe 
Alkohol  Essigsäure         Benzo^säare        Weinsäure. 

Einwirkung  des  Acetylchlorürs  auf  Weinsäure-'  und  Trau- 

bensäureäther, 

Weinsaureätber  wird  durch  Acetylchlorür  selbst  bei  ge- 
wöhnlicher Temperatur  lebhaft  angegriffen;  grofse  Mengen 
Chlorwasserstoffsäure  werden  entwickelt  und  das  Gemische 
wird  ganz  heifs.  Werden  gleiche  Aequivalente  beider  Sub- 
stanzen angewendet,  so  bildet  sich  ein  öliger  Körper.  Dieser 
lafst  sich  in  derselben  Weise  reinigen,  wie  der  Acetobenzo- 
weinsaureather.  Die  bei  der  Verbrennung  desselbe^  in  Sauer- 
stoffgas erhaltenen  Zahlen  entsprechen  der  Formel  : 

(CA),.  C4H,(C,H,0)Oo  =  C,oH,eO„ 

welche  die  des  Weinsaureathers  ist,  in  dem  1  Aeq.  Wasser- 
stoff durch  Acetyl  ersetzt  ist. 

berechnet  gefunden 


C,o 

ISO 

48^8 

48,17 

Ht. 

le 

6,45 

6,62 

0, 

112 

46,17 

— 

248  100,00. 

Diese  Solotanz,  fär  welche  ich  die  Bezeichnung  Aceto- 
weinsäureäther  vorschlage,  ist  ein  farbloses  Oel,  nicht  ganz 
so  zähflüssig  als  die  vorher  beschriebenen  Verbindungen, 
etwa  von  der  CoDsistenz  des  Olivenöls.  Erhitzt  man  es  in 
einer  in  ein  Oelbad  gesetzten  Retorte,  so  beginnt  es  sich 
bei  ziemlich  hoch  gesteigerter  Temperatur  zu  zersetzen,  wo- 
bd  sieh  Essigsaure  in  dem  Hals  der  Retorte  verdichtet,  und 
bei  etwa  287^  C.  destillirt  ein  Oel  über,  wahrend  ein  Rück- 
stand von  Kohle  bleibt. 


284  Per  lein,  über  die  Basicität 

Acetoweinsänreäther  ist  schwerer  als  Wasser,  und  etwas 
löslich  in  dieser  Flüssigkeit.  Er  kann  aas  semer  wasserigen 
Lösang  durch  Zusatz  von  Lösungen  ver>chiedener  Salze, 
z.  B.  von  Ghlornatrinm ,  abgeschieden  werden.  Er  verhält 
sich  gegen  Reagenspapiere  vollkommen  neutral  und  besitzt 
einen  ziemlich  bittf^ren  Geschmack. 

Bei  dem  Kochen  mit  wasseriger  Ammoniakfifissigkeit  wird 
der  Acetoweinsäureather  zersetzt,  und  durch  Abdampfen  der 
Lösung  wird  ein  gelbliches  syrupartiges  Product  erhalten, 
welches  bitter  und  etwas  brennend  schmeckt. 

Bei  dem  Erhitzen  des  Acetoweinsfiureöthers  mit  Benzoyl- 
chlorfir  würd  Chlorwasserstoffsäure  entwickelt  und  ein  dickes 
farbloses  Oel,  wahrscheinlich  Benzoacetoweinsäureäther,  ge- 
bildet.       9 

Natrium  wirkt  rasch  auf  diesen  Aether  ein,  unter  Ent- 
Wickelung  von  Wasserstoffgas.  Die  Einwirkung  wird  beför* 
dert  durch  den  Zusatz  von  Benzol,  welches  den  Aether 
dünnflüssiger  sein  läfst.  Das  resultirende  Product  ist  eine 
durchsichtige  gummiartige  Substanz.  Es  ist  wahrscheinlich 
Nairacetoweinsäureäther, 

Behandelt  man  Weinsäureäther  mit  2  Aeq.  Acetylchlorfir 
und  erhitzt,  wenn  die  Einwirkung  nachgelassen  hat,  das 
Product  in  einer  zugeschmoizenen  Röhre  kurze  Zeit  auf  100^, 
so  wird  ein  zweites  Derivat  erhalten^  welches,  so  wie  das 
vorhergehende  gereinigt,  bei  dem  Stehen  zu  feiner  schönen 
krystallinischen  Hasse  erstarrt,  welche  von  einer  kleinen 
Menge  öligen  Acetoweinsäureäthers  durch  Auspressen  zwi- 
schen Pliefspapier  unter  einer  kräftig  wirkenden  Presse  be- 
freit werden  und  dann  aus  Wasser  umkrystallisirt  werden 
kann.  Die  durch  Schmelzen  getrocknete  Substanz  gab  bei  der 
Verbrennung  in  Sauerstoffgas  Zahlen ,  welche  der  Formel  : 


144 

49,66 

49,84 

49,88 

18 

6,20 

6,39 

6,43 

128 

44,15 

— 

— 

der   Weinsäure.  .  285 

gttl  entsprechen,   d.  i.   der  Formel  des  Weinsaureathers ,  in 
weichem  2  Aeq.  Wasserstoff  durch  Acetyl  ersetzt  sind. 

berechnet  gefanden 

290  100,00. 

Diese  Substanz  ist  also  Diacetoweinsäureätker.  Sie  ist 
nach  allen  Verhaltnissen  in  Alkohol  und  in  Aether  lösiicb, 
krystallisirt  aber  aus  ihrer  alkoholischen  Lösung  bei  dem 
Verdünnen  derselben  mit  Wasser.  Bei  dem  Kochen  mit 
Wasser  löst  sich  eine  betrachtliche  Menge,  und  die  Lösung 
scheidet  bei  dem  Erkalten  glAnzende  prismatische  Krystalle 
aus,  deren  Länge  IV2  Zoll  übersteigt.  Sie  ist  etwas  löslich 
in  kaltem  Wasser ,  aber  auf  Zusatz  einer  concentrirten  Chlor- 
natriumlösung  wird  diese  Lösung  trübe  und  der  Diacetowein- 
Säurefither  krystallisirt  bei  dem  Stehen  aus. 

Der  Diacetoweinsaurefither  schmilzt  bei  67^  C.  zu  einem 
farblosen  Oel,  und  er  erkaltet  dann  ohne  wieder  zu  erstarren ; 
aber  sobald  ihm  ein  kleines  Stuckchen  der  festen  Substanz 
zugesetzt  wird^  so  beginnt  er  in  Büscheln  von  Nadeln  zu 
krystallisiren  und  erstarrt  er  innerhalb  weniger  Augenblicke 
vollständig.  Während  des  Krystallisirens  entwickelt  er  so 
viel  Wärme,  dafs  er  für  die  Hand  ganz  heifs  erscheint. 

Bei  starkem  Erhitzen  destillirt  dieser  Aether,  indem  er 
nur  geringe  Zersetzung  erleidet.  Sein  Siedepunkt  liegt  zwi- 
schen 294  und  298^  Die  oben  unter  „gefunden^  zuletzt 
stehenden  Zahlen  wurden  bei  der  Analyse  eines  Präparates 
prhalten,  welches  destillirt  worden  war.  Ich  glaube,  dafs 
dieses  das  einzige  Derivat  der  Weinsäure  ist,  welches  ohne 
vollständig  oder  doch  gröfstentheils  zersetzt  zu  werden  destil- 
lirt werden  kann. 


286  .  Perkin^  über  die  Basicüät 

Der  Diacetoweinsäurefitber  wird  durch  wässerige  Kali-» 
lösung  nicht  rasch  zersetzt;  und  wenn  man  ihn  in  kalter 
alltoholischer  Ammoniakflässigkeit  auflöst  und  die  Lösung 
mehrere  Tage  lang  stehen  lafst,  so  enthält  sie  noch  eine 
sehr  beträchtliche  Menge  der  unveränderten  Verbindung. 

Geschmolzener  Diacetoweinsäureäther  entwickelt  bei  dem 
Zusammenbringen  mit  Natrium  nur  eine  sehr  geringe  Menge 
WasserstofTgas,  viel  weniger  als  der  Monoacetoweinsäureäther; 
die  Lösung  des  ersteren  Aethers  in  Benzol  entwickelt  in  der 
That  mit  Natrium  nur  eine  Spur  Wasserstoffgas ,  und  die  Lö- 
sung hinterläfst  dann  bei  dem  Verdampfen  des  Benzols  die 
unveränderte  Verbindung.  Diefs  möchte  dafür  sprechen,  dalGs 
in  dieser  Verbindung  die  ganze  Menge  des  typischen  Wasser- 
stoffs substituirt  ist. 

Traubensäureäther  giebt  bei  der  Behandlung  mit  Acetyl* 
chlorür  zwei  neue  Körper,  nämlich  Acetatraubensäureäther 
und  Diacetotraubenaäureäther.  Sie  werden  genau  in  der- 
selben Weise  dargestellt,  wie  die  beiden  vorhergehenden 
Körper.  Den  Monacetotraubensäureäther  habe  ich  noch  nicht 
näher  untersucht.  Er  ist  ein  farbloses  Oel.  —  Der  Diaceto- 
traubensäureäther  ist  ein  fester,  bei  50^5^  C.  schmelzender 
Körper.  Er  siedet  bei  etwa  298^  C.  und  destillurt  unter 
schwacher  Zersetzung.  Er  löst  sich  nach  allen  Verhältnissen 
in  Alkohol  und  in  Aether.  Er  wird  aus  seiner  Lösung  in 
siedendem  Wasser  bei  dem  Erkalten  derselben  in  kleinen 
Buschein  von  Nadeln  ausgeschieden  und  bildet  bei  langena 
Stehen  manchmal  kurze  aber  stark  glänzende  Prismen  an 
den  Wandungen  des  Gefäfses.  Er  unterscheidet  sich  von 
dem  Weinsäurederivat  durch  seinen  um  16,5^  niedrigeren 
Schmelzpunkt  und  auch  dadurch,  dafs  er  aus  seinen  wässe* 
rigen  Lösungen  anders  krystallisirt.  Er  scheint  in  Wasser 
etwas  löslicher  zu  sein,  aber  er  krystallisirt  nicht  so  leicht 


der  Weinsäure,  287 

ab  die  ihm  isomere  Verbindung,  and  nach  dem  Schmelzen 
bleibt  er  viel  lönger  flüssig  und  giebt  dann  nicht  eine  so 
gut  krystallisirte  Masse.  Er  ergab  49,82  pC.  C  und  6,29  pC. 
H,  und  besitzt  also  genau  dieselbe  Zusammensetzung  wie 
Diacetoweinsäureather  (berechnet  49,65  pC.  C  und  6,20  pC.  H). 

Ich  hatte  gerne  die  Dampfdichten  dieser  beiden  Diaceto- 
Aether  bestimmt,  weil  die  Formel  der  aus  rechts-  und  links- 
drehender  Weinsäure  bestehendeh  Traubensaure  das  Doppelte 
Ton  der  der  Weinsöure  sein  mufste  und  diese  Differenz  durch 
die  Dampfdichten  direct  nachgewiesen  wurde;  aber  wenn 
aach  jene  Aether  flüchtig  sind ,  wurden  sie  doch  bei  der  für 
solche.  Versuche  nöthigen  Temperatur  zu  stark  zersetzt  wer- 
den, als  dafs  vertrauenswürdige  Resultate  erbalten  werden 
konnten.  Aber  der  Umstand^  dafs  ihre  Siedepunkte  nahezu 
gleich  sind,  spricht  stark  dafür,  dafs  beiden  Verbindungen 
dieselbe  Formel  zukommt,  da  gewifs,  wenn  der  einen  Ver- 
bindung die  verdoppelte  Formel  zukäme,  ihr  Siedepunkt  im 
Vergleich  zu  dem  der  anderen  beträchtlich  viel  höher  liegen 
würde.  Ich  will  hier  noch  erwähnen ;  dafs  für  den  Diaceto- 
traubensäureäther  durch  die  Destillation  die  vorherigen  Ei- 
genschaften und  der  Schmelzpunkt  nicht  abgeändert  werden. 

Es  ist  ein  sehr  auffallendes  Resultat,  dafs  die  Trauben- 
saore,  welche  rechtsdrehende  und  linksdrehende  ViTeinsäure 
giebt  und  wiederum  bei  Mischung  der  Lösungen  dieser  bei- 
den Säuren  selbst  unter  Wärmeent Wickelung  gebildet  wird^ 
nicht  eine  Formel  besitzt,  welche  der  von  2  Aeq.  Weinsäure 
gleich  kommt.  Es  würde  hieraus  folgen ,  dafs  die  Trauben- 
saore  nicht  aus  diesen  beiden  Säuren  besteht,  sondern  sich 
bei  der  Umwandlung  in  gewisse  Salze  in  sie  verwandelt. 

Einwirkung  des  Acetylchlorürs  auf  Weinsäure  und  Trauben'^ 

säure. 

Wenn   gepulverte   trockene   Weinsäure   mit   etwa    dem 


288  Perkiuf  über  die  Baaicüäi 

dreifachen  Gewichte  Acetylchlorür  digerirt  wird,  so  scheint 
zuerst  nur  sehr  wenig  Einwirkung  stattzufinden,  aber  wenn 
man  das  Erwärmen  während  mehrerer  Stunden  fortsetzt,  so 
verschwindet  sie  alimäiig  unter  Hinterlassung  einer  syrup- 
artigen  Flüssigkeit,  welche  gewöhnlich  bei  dem  Erkalten  zu 
einer  krystallinischen  Masse  erstarrt;  sollte  diefs  nicht  ein- 
treten, so  mufs  man  mehr  Acetylchlorür  zusetzen.  Das  kry-^ 
stallinische  Product  läfst  sich  nach  starkem  Auspressen  zwi- 
schen trockenem  dickem  Fliefspapier  durch  Schmelzen  in 
einer  offenen  Schale,  so  dafs  noch  anhaftendes  Acetylchlorür 
u.  a.  verdampft,  vollkommen  rein  erhalten.  Bei  dem  Er- 
kalten erstarrt  es  zu  einem  glänzenden  weifsen  krystallioischen 
Körper.  Die  bei  Verbrennung  dieses  Productes  in  Sauerstoff- 
gas erhaltenen  Zahlen  entsprechen  der  Formel 

d.  h.  der  Formel  des  üiacetoweinsäure-  Anhydrids, 

berechnet  gefunden 


Ca 

96 

44,44 

44,27 

44,45 

H« 

8 

3,70 

3,96 

3,98 

Ot 

112 
216 

61,86 
100,00. 

"^ 

-^~ 

Das  Diacetoweinsänre-Anhydrid  ist  ein  zäher  krystaliini- 
scher  Körper,  welcher  bei  126  bis  127^  C.  schmilzt.  Bei 
der  Destillation  zersetzt  es  sich  grofsentbeils,  namentlich  wenn 
man  dieselbe  langsam  vor  sich  gehen  läfst.  Es  siedet  ober- 
halb 250^  C,  aber  keine  constante  Siedetemperatur  kann 
erbalten  werden ;  Essigsäureanhydrid  geht  während  der  De- 
stillation zusammen  mit  anderen  Producten  über,  von  wel- 
chen einzelne  die  Augen  ähnlich  wie  Acrolein  angreifen ;  ein 
Rückstand,  von  Kohle  bleibt  in  der  Retorte.  Bei  mäfsigero 
Erhitzen  sublimirt  es  zu  schönen  aber  kleinen  Prismen.  Es 
ist  etwas  löslich   in  Benzol  und  krystallisirt  aus  diesem  Lö- 


der   Weinsäure.  28§ 

sungsmittel  in  därmen  weifsen  Nadeln.    Es  krystalUsirt  auch 
aas  Egsigsfiure- Anhydrid. 

Wird  getrocknete  Traubensäure  der  Einwirkung  von 
Acetylcblorör  unterworfen,  so  unterliegt  sie  genau  derselben 
Veränderung  wie  gewöhnliche  Weinsäure^  aber  die  Reaction 
geht  etwas  langsamer  vor  sich.  Das  Diacelotraubensäure- 
Anhydrid  ist  ein  schöner  krystallinischer  Körper,  welcher  in 
seinen  Eigenschaften  der  ihm  isomeren  Verbindung  ähnlich 
ist.  Auch  sein  Schmelzpunkt  ist  derselbe,  nämlich  126^  C. 
—  Aus  Traubensäure  dargestelltes  Diacetoweinsäure-Anhydrid 
ergab  44,12  pC.  C  und  3,89  pC.  H ;  es  berechnen  sich  44,44 
pC.  C  und  3,70  pC.  H. 

Emwirkunff  des   Wassers  auf  Diacetaweinsäure-  Anhydrid. 

Der  Luft  ausgesetzt  absorbirt  dieses  Anhydrid  rasch 
Feuchtigkeit;  mit  warmem  Wasser  zusammengebracht  löst  es 
sich  allmälig  auf,  unter  Bildung  einer  stark  sauren  Flüssig- 
keit. Diese  enthält  eine  Säure,  für  welche  ich  die  Bezeich- 
nung Diacetoweinsäure  vorschlage.  Die  Bildung  derselben 
erklärt  sich  durch  die  Gleichung  : 

C4H,(CH,0),05    +  H,0  =  CA(C,H,0),Oe 

Diacetoweinsftiire-  Diacetoweinsftare.  • 

anhydrid 

Die  durch  Eindampfen  ihrer  wässerigen  Lösung  unter 
der  Glocke  der  Luftpumpe  erhaltene  Diacetoweinsäure  bildet 
gewöhnlich  eine  durchsichtige  gummiartige  Masse.  Sie  ist 
sehr  zerfliefslieh  und  schmeckt  stark  sauer.  Stark  erhitzt 
zersetzt  sie  sich  ohne  Bildung  ihres  Anhydrida.  Bei  dem 
Erhitzen  mit  einer  Lösung  von  Kali  oder  Natron  wird  sie 
zersetzt  gemäfs  der  Gleichung  ; 

C4H4(C,H,0),06   +   2H,0    =     C4HeOe    +     2  C,H40, 
DiMetoweinsäure  Weiosäiize        Essigsaure. 

Diacetoweinsäure,  welche  aus  gewöhnlicher  Weinsäure 
dargestellt  war,  wurde  mittelst  Kali  zersetzt  und  nach  dem 

Aniwl.  d.  Chem    u.  Pharm.  V.  Supplementbd.  8.  Heft.  1«/ 


290  Perkiriy  über  die  Basicität 

Neutralisiren  mit  einer  Saure  wurde  die  Weinsäure  als  Cal* 
ciumsalz  ausgefallt,  welches  dann  gut  ausgewaschen  mittelst 
verdünnter  Schwefelsaure  zersetzt  wurde.  Aus  dem  con* 
centrirten  Filtrat  schieden  sich  grofse  Kry stalle  von  Wein* 
säure  aus,  weiche  abgewaschen  und  umkrystallisirt  wurden. 
Die  so  erhaltene  Säure  enthält  kein  Krystallwa^ser  und  fallt 
nicht  Lösungen  von  Chlorcaicium  oder  salpetersaurem  Cal- 
cium; man  möchte  sie  hiernach  für  gewöhnliche  Weinsäure 
halten,  aber  sie  scheint  etwas  anders  zu  krystallisiren.  Da 
ich  sie  in  quadratischen  Tafeln  von  etwa  Vi  Zoll  Durchmesser 
erhalten  habe^  hoffe  ich  dieses  Product  noch  genauer  unter- 
suchen zu  können.  —  Ein  Theil  von  dieser  Saure  wurde  zu 
dem  sauren  Kaliumsalz  umgewandelt;  dieses  ergab  20,47  pC. 
Kalium,  wahrend  sich  20,74  pC.  berechnen. 

Diacetoweinsaure  Salze.  —  Die  Diacetoweinsäure  bildet 
mit  Basen  Salze,  welche  1  und  2  Aeq.  Metall  enthalten;  sie 
ist  also  zweibasisch.  Diese  Verbindungen  sind  ziemlich 
schwierig  rein  zu  erhalten,  und  aufserst  leicht  löslich. 

Das  Natriumsalz  wird  erhalten  durch  sorgfältiges  Neu- 
tralisiren einer  Lösung  der  Saure  mit  kohlensaurem  Natrium, 
(Joncentriren  bei  sehr  gelinder  Warme  und  schliefsliches  Ein- 
dampfen im  leeren  Raum.  So  erhalten  ist  es  ein  krystallini- 
scher,  in  Wasser  aufserst  löslicher  und  sehr  zerfliefslicher 
Körper. 

Das  Kaliumsalz  wird  in  entsprechender  Weise  wie  das 
vorhergehende  Salz  erhalten;  es  ist  krystallinisch,  sehr  lös- 
lich in  Wasser  und  zerfliefslich^ 

Das  saure  Kaliumsalz  giCsHgOs  wird  in  der  Art  dar- 
gestellt, dafs  man  von  den  zwei  Hälften  einer  wässerigen 
Lösung  der  Säure  die  eine  mit  kohlensaurem  Kalium  neutra- 
lisirt  und  dann  die  andere  zusetzt;   nach   dem  Concentriren 


der   Weinsäure.  291 

der  Pldssigkeit  in  gelinder  Wärme  oder  im  leeren  Räume 
krystallisirt  das  neue  Salz  aus ;  man  befreit  es  durch  -starkes 
Pressen  zwischen  Pliefspapier  von  der  Mutterlauge  und  reinigt 
es  durch  eine  zweite  Krystaliisation^  So  erhalten  bildet  es  ein 
krystaUinisches  Pulver,  welches  in  Wasser  leicht  löslich  aber 
nicht  zerfliefslich  ist.  Es  röthet  stark  Lackmus,  und  schmeckt 
sauer.  Bei  100^  getrocknet  ergab  es  14,17  pC.  Kalium;  es 
berechnen  sich  14,34  pC. 

Das  Gaiciumacdz  CaCsHsOg  wird  durch  Neutralisiren 
einer  Lösung  der  Säure  mit  kohlensaurem  Calcium,  Filtriren 
und  Concentriren  des  Piltrats  erst  in  gelinder  Warme  und 
dann  im  leeren  Räume  dargestellt.  Ich  konnte  es  nicht 
krystallisirt  erhalten.  Seine  Lösung  wird  bei  dem  Con» 
centriren  zu  einem  Syrup  und  dann  zu  einer  undurch- 
sichtigen zerreiblichen  Masse.  Es  ist  zerfliefslich.  .  Bei 
100^  getrocknet  gab  es  14,94  pC.  Calcium;  es  berechnen 
sich  14,70  pC. 

Das  Baryumsalz  BaCgHsOg  wird  in  derselben  Weise  wie 
das  Caiciumsalz  dargestellt.  Seine  bis  zur  Syrupconsistenz 
concentrirte  Lösung  scheidet  bei  1-  bis  2tagigem  Stehen 
Nadeln  des  neu6n  Salzes  ab,  welche  bis  zu  Vx  Zoll  lang 
sind.  Es  ist  aufserst  löslich  in  Wasser  und  zerfliefslich.  Bei 
100^  geirocknet  ergab  es  die  durch  obige  Formel  ausge- 
druckte Zusammensetzung  : 


berechnet. 

gefiinden 

c. 

96 

26,01 

25,88 

H, 

8 

2,17 

2,84 

B« 

187 

87,12 

86,98 

0, 

128 

84,70 

— 

869  100,00. 

Das   Kupfersalz    CuCaHgOg   wird    durch   Sattigen   einer 
Lösung  der  Säure  mit  kohlensaurem  Kupfer  und  Concentriren 

19» 


292  Perkin,  über  die  Baaicität 

der  Pldssigkeit  bei  niedriger  Temperatur  erhalten.  Bs  ist 
ein  blaues  krystallinisches  Salz,  sehr  leicht  löslich  in  Wasser. 
Bei  100®  getrocknet  ergab  es  21,40  u.  21,22  pC.  Kopfer;  es 
berechnen  sich  21,48  pC. 

Sübersah  AggGgHgOs.  —  Die  Diacetoweinsflnre  ist 
schwierig  mit  kohlensaurem  Silber  zu  sattigen.  Um  dieses 
Salz  zu  erhalten,  schüttelt  man  am  Besten  eine  Lösung  der 
Säure  mit  frisch  gefälltem  kohlensaurem  Silber,  filtrirt  und 
concentrirt  das  Piltrat.  Nach  einiger  Zeit  scheidet  sich  das 
Silbersalz  in  Form  eines  albuminösen  Magma's  sehr  kleiner 
seideartiger  Nadeln  aus ;  es  wird  vpn  der  Flüssigkeit  durch 
Auspressen  zwischen  Fliefspapier  getrennt  und  umkrystallisiri. 
So  erhalten  bildet  das  Salz  eine  weisse  krystallinische  Hasse, 
welche  in  Wasser  äufserst  löslich  ist  und  auf  welche  das 
Licht  sehr  langsam  einwirkt. 

Quecksilberaalz.  —  Bei  Zusatz  einer  Lösung  von  salpe- 
tersaurem Qnecksilberoxydul  zu  der  Lösung  eines  Salzes  der 
Diacetoweinsäure  entsteht  ein  gelatinöser^  in  Essigsäure  lös- 
licher Niederschlag  *). 


*)  Nach  der  Anstellung  dieser  Versnohe  habe  ich  erfahren,  daft 
bereits  Bochleder  das  Verhalten  der  WeinsAure  in  Acetyl- 
chlorflr  untersucht  und  offenbar  einige  ron  den  oben  beschrie- 
benen Körpern  erhalten  hat  Doch  hat  er  keines  seiner  Pro- 
ducte  analysirt  Er  giebt  an ,  da{s  er  die  von  mir  als  Uiaceto- 
weinstture  beschriebene  Sanre  krystallisirt  erhalten  hat  Vgl. 
Ghem.  Gasette,  1859,  51.  [Rochleder's  MiUheilung  TgL 
Jahresber.  f.  Chem.  u.  s.  w.  fOr  1858,  247;  aber  auch  die  daran 
sieh  anschUefsende  weitere  üntersuebung  der  zweifach -acetylirten 
Weinsfture  von  Pils  Jahresber.  fOr  1861,  868,  und  ans  Wisli- 
cenus'  Untersuchungen  über  die  durch  negatire  Badicale  ersets- 
baren  Wasaerstoffatome  mebräquiralentiger  organischer  Sauren 
namentlich  die  über  die  Einwirkung  des  Acetylohlorürs  aufWein- 
sanreather  Ann.  Chem.  Pharm.  CXXIX,  184  ff.        D.  A.] 


der  Weinsäure.  293 

Wird  das  Diacetotraubensäure* Anhydrid  mit  Wasser  zu- 
sammengebracht,  so  entsteht  Diacetotraubenaäure.  So  weit 
ich  die  letztere  untersucht  habe,  erscheint  «ie  der  Diaceto- 
weinsaure  ähnlich ,  aber  bei  dem  Zersetzen  durch  Kali  giebt 
sie  Essigsaure  und  Traubensaure.  Es  beweist  diefs,  dafs  sie 
und  ihr  Anhydrid  mit  den  Derivaten  der  gewöhnKchen  Wein- 
säure nur  isomer  sind,  welche  Thatsache  festzustellen  des- 
halb von  Wichtigkeit  war^  weil  das  Diaceto weinsaure-  und 
das  Diacetotraubensaure- Anhydrid  denselben  Schmelzpunkt 
haben.  —  Das  Caicimnsalz  der  Diacetolraubensaure  gab^  bei 
iOO^  getrocknet,  14,33  pC.  Calcium  (der  berechnete  Procent- 
gehalt ist  14,70);  dieses  Salz  war  unkrystallisirbar. 

Einwirkung  des  Natriums  auf  Weinsäureäther, 

Wird  Weinsaureäther  mit  Natrium  zusammengebracht, 
so  findet  eine  Entwickelung  von  Wasserstoff  statt;  aber 
wegen  der  Zahflössigkeit  des  Aethers  geht  die  Einwirkung 
nur  sehr  langsam  Tor  sich«  Wird  jedoch  der  Aether  durch 
Zumischung  seines  b-*  bis  6  fachen  Volumes  wasserfreien 
Benzols  dünnflüssiger  gemacht^  so  geht  die  Einwirkung  sehr 
rasch  vor  sich,  und  die  Flüssigkeit  erwärmt  sich  und  nimmt 
eine  blafsgelbe  Färbung  an.  Trennt  man  die  Flüssigkeit  von 
dem  überschüssigen  Natrium  und  verdampft  die  erstere  zur 
Trockne ,  so  wird  ein  blafs-gelblichbrauner  unkrystallinischer 
aber  zerreiblicher  Rückstand  erhalten ,  welcher  in  Folge  der 
Absorption  von  Feuchtigkeit  rasch  kleberig  wird ;  mit  Wasser 
gemischt  giebt  er  eine  stark  alkalische  Flüssigkeit. 

Eine  abgewogene  Menge  Weinsäureäther  wurde  auf 
diese  Art  in  einem  Apparate  behandelt,  welcher  eine  Auf- 
sammlung des  Wasserstoffs  möglich  machte.  Es  wurde  ge- 
funden^ dafs  die  Einwirkung  etwa  eine  halbe  Stunde  lang 
lebhaft  vor  sich  ging,  bis  nahezu  1  Aeq.  Wasserstoff  ent- 


294        PerktTif  über  die  Basicität  der   Weinsäure. 

wickelt  war;  dann  liefs  sie  nach,  die  Lösung  war  noch 
klar  und  das  Natrium  ganz  blank.  Die  Einwirkung  verlang- 
samte sich  dann  noch  mehr,  und  ein  gelatinöses  Product 
bildete  sich  aUmalig  auf  dem  Natrium,  so  dafs  dadurch  jede 
weitere  Einwirkung  aufgehoben  wurde. 

Hiernach  ist  das  erste  und  hauptsächliche  Product  dieser 
Einwirkung  Weinsaureäther ,  in  welchem  1  Aeq.  Wasserstoff 
durch  Natrium  ersetzt  ist,  und  das  gelatinöse  Product  Wein- 
säureäther, in  welchem  2  Aeq.  Wasserstoff  durch  Natrium 
ersetzt  sind.  • 

Bei  dem  Erhitzen  des  ersteren  natriumhaltigen  Productes 
mit  Jodäthyl  wird  ein  Oel  gebildet,  welches  wahrscheinlich 
Aethylweinsäureäther  ist. 


Perkin  knüpft  an  die  Miltheilung  dieser  seiner  Ex- 
perimentaluntersuchungen  noch  eine  Besprechung  der  Eigen- 
schaften und  des  Verhaltens  der  von  ihm  erhaltenen  Ver- 
bindungen und  theoretische  Betrachtungen;  auch  er  kommt 
zu  dem  Resultat,  dafs  die  vieratomige  Weinsäure  sich  einer- 
seits als  eine  zweibasische  Säure,  andererseits  wie  ein  zwei- 
atomiger Alkohol  verhält y  und  dafs  der  von  ihm  in  dem 
Weinsäureäther  durch  Säureradieale  ersetzte  WasserstoflF 
nicht  basischer  Wasserstoff,  sondern  alkoholischer  Wasser- 
stoff ist. 


295 


üeber   die  Ausdehnung  und   das  specifische 
Gewicht    des    Benzols    und    seiner 

Homologen  ; 

von  Y.  Lougmnine^). 


Daran  erinnernd,  welches  Licht  die  schönen  Synthesen 
von  Fittig  und  Tollens  auf  die  Constitution  der  Kohlen- 
wasserstoffe der  aromatischen  Reihe  geworfen  haben  und 
dafs  nun  eine  grofse  Zahl  isomerer  Kohlenwasserstoffe  be- 
kannt ist  und  vorausgesehen  werden  kann,  bemerkt  Lou- 
guinine,  dafs  der  Untersuchung  der  diese  isomeren  Körper 
unterscheidenden  chemischen  Eigenschaften  die  Feststellung 
einiger  physikalischer  Eigenschaften  sehr  nützlich  zur  Seite 
stehen  kann ;  namentlich  die  der  Spannkraft  der  Dämpfe,  der 
Ausdehnung,  und  der  Wärmecapacitat.  Er  hat  die  in  dieser 
Richtung  von  ihm  auszuführenden  Untersuchungen,  im  College 
de  France  unter  Regnault's  Leitung,  mit  der  Bestimmung 
des  specifischen  Gewichtes  und  der  Ausdehnung  des  Benzols 
und  seiner  Homologen  begonnen. 

Das  für  die  Ermittelung  der  Ausdehnung  in  Anwendung 
gebrachte  Verfahren  bestand  in  der  Bestimmung  des  spec. 
Gewichtes  der  zu  untersuchenden  Flüssigkeit  bei  verschie- 
denen Temperaturen.  Ein  Glasgefäfs,  dessen  Capacitat,  bis 
zu  verschiedenen  Strichen  am  dünnen  Halse,  bekannt  und 
dessen  Ausdehnung  durch  die  Warme  ermittelt  war,  wurde 
mit  der  zu  untersuchenden  Flüssigkeit  gefüllt  und  diese  bei 
einer  längere  Zeit  constant  erhaltenen  Versuchs-Temperatur 
auf  einen  der  Striche  eingestellt,  das  Gewicht  der  Flüssig- 
keit dann  bestimmt,   hieraus  das   spec.  Gewicht   derselben 

^)  Im  AUBzag  aa«  Ann.  chim.  phj«.  [4]  XI,  463. 


296         Lougutnine^  speo.  Gewicht  u.  Auadeiinung 

für  die  Versucbstemperatur,  bezogen  auf  das  des  Wassers 
von  0^  als  Einheit,  abgeleitet.  Die  bei  diesen  Versuchen 
zur  Ermittelung  der  Ausdehnung  angewendeten  Glasgefifse 
waren  betrachtlich  grofs,  das  kleinste  fast  19,  das  gröfste 
fast  58  CG.  fassend  (ein  kleineres  Gefafs,  immer  noch  12  CG. 
fassend,  diente  einmal  zur  Ermittelung  eines  spec.  Gewichtes 
bei  0^). 

Beträchtliche  Sorgfalt  wurde  für  die  Reindarstellung  der 
untersuchten  Kohlenwasserstoffe  beabsichtigt.  Das  Toluol  und 
das  Xylol  wurden  in  der  Art  zum  Zweck  der  Reinigung  be* 
handelt,  dafs  sie  zu  gepaarten  Schwefelsauren  umgewandelt 
wurden ,  welche  dann  wieder  durch  Destillation  zersetaU  wur- 
den. —  Bei  Versuchen,  ob  ein  Gemische  der  homologen  Koh- 
lenwasserstoffe durch  Erstarrenlassen  desselben,  partielles 
Schmelzen  und  Absondern  des  Flussigen  von  dem  noch  Er- 
starrten zerlegt  werden  könne,  ergab  es  sich,  dafs  weder 
das  Toluol  noch  das  Xylol,  noch  einer  der  beiden  Kohlen- 
wasserstoffe von  der  Formel  des  Cymols  bei  —  79  bis  —  80^ 
(in  einer  von  starrer  Kohlensäure  umgebenen  Glasröhre)  er- 
starrt; und  auch  ein  Gemische  aus  gleichen  Theilen  kry- 
stallisirbarem  Benzol  und  Toluol  blieb  bei  dieser  Temperatur 
vollständig  flüssig. 

Benzol^  GeHe.  —  Benzol  aus  Steinkohlentheer,  bei  82 
bis  83^  siedend ,  wurde  wiederholt  durch  Ersterrenlassen  und 
Beseitigen  des  noch  Flüssigen  mittelst  Auspressen  zwischen 
Fliefspapier  gereinigt,  das  so  gereinigte  Benzol  auch  noch 
partiell  erstarren  gelassen  und  die  einzelnen  nach  einander 
krystallinisch  ausgeschiedenen  Portionen  und  das  zuletzt  flüssig 
Gebliebene  besonders  untersucht.  Aus  Benzoesäure  durch 
Destillation  mit  dem  dreifachen  Gewicht  Kalk^  Schütteln  mit 
wässerigem  Kali ,  Entwässern  mittelst  Ghlorcalcinm  und  Rec- 
tificiren  dargestelltes  Benzol  wurde  untersucht^  und  eben  so 
das  bei  partieller  Erstarrung  sich  Ausscheidende  und  das  da 


des  Bensob  und  seiner  Bomologen.  297 

noch  flflssig  Gebliebene.  Der  Siedepunkt  wurde  fflr  die  ein- 
Keinen  Präparate  nicht  bestimmt,  aber  das  spec.  Gewicht  bei 
verschiedenen  Temperaturen,  uhd  daraus  das  bei  0^  und  die 
Aasdehnung  abgeleitet.  Im  Mittel  aus  den  Resultaten  ffir  die 
als  reinste  betrachteten  Präparate  setzt  Louguininedas 
spec.  Gew.  des  Benzols  bei  0^  ss  0,8995,  und  er  betrachtet 
ein  solches  Benzol  als  rein,  welches  dieses  spec.  Gewicht 
besitzt  und  bei  0^  erstarrt  (das  Erstarren  ist  von  beträcht- 
lieber  Contraction  begleitet).  Die  bezuglich  der  Ausdehnung 
mit  diesen  Präparaten  erhaltenen  Resultate  stimmten  auch 
ziemlich  nahe  überein;  für  das  aus  Benzoesäure  dargestellte 
und  krystallisirt  gewesene  Benzol,  als  das  reinste,  giebt 
Louguinine  die  Ausdehnung  /  berechnet  nach  der  (aus 
3  Versuchen  abgeleiteten)  Formel 

9  sx  1,0000  +  0,00116(  +  0,000002226 f*, 

U  abgeleitet  aus  der  nach  den  Versuchsresultaten  graphisch 
construirten  Ausdehnungscurve : 

tu  I        II  in 

C/^  1,0000  1,0000  SO^  1,0868  1,0871  60^  1,0776  1,0774 
10  1,0118  1,0122  40  1,0600  1,0500  70  1,0921  1,0919 
20  1,0241  1,0245     60  1,0636  1,0622     80  1,1070  1,1066 

« 

Tobiol,  67H8  =  €flH5(GH9).  -  Toluol  aus  Steinkohlen- 
theer  dargestellt^  welches  bei  der  Destillation  ohne  gröfsere 
Schwankung  des  Siedepunktes,  als  von  110,7.<>  auf  111,3^ 
überging,  ergab  das  spec.  Gew.  0,8753  bei  0^.  Es  wurde 
mit  einer  zur  vollständigen  Umwandlung  desselben  in  eine 
gepaarte  Schwefelsäure  unzureichenden  Menge  rauchender 
Schwefelsäure  behandelt,  der  unangegriffene  Kohlenwasser- 
stoff beseitigt,  die  nach  einigen  Stunden  auskrystalllsirte 
Sulfotoluolsäure  auf  einem  Filter  abtropfen  gelassen,  dann 
dieselbe  in  Wasser  gelöst  und  die  Lösung  der  Destil- 
lation unterworfen.  Das  hier  wieder  auftretende  Toluol 
wurde  aufgesammelt,  durch  Schütteln  mit  wässerigem  Kali 


298        Louguinine,  spec.  Oewicht  und  Ausdehnung 

von  schwefliger  Saure  gereinigt ,  mittelst  Chlorcalcium  ge- 
trocknet und  rectificirt.  Der  Siedepunkt  hatte  sich  nur  wenig 
geändert;  das  Meiste  ging  bei  111  bis  Wi^b^  über,  und  das 
zwischen  diesen  Temperaturen  Uebergegangene.  besafs  das 
spec.  Gew.  0,8841  bei  0^.  Nach  den  Versuchen  über  das 
spec.  Gewicht  des  in  angegebener  Art  gereinigten  Toluols  bei 
verschiedenen  Temperaturen  giebt  Louguinine  das  Vo- 
lum desselben,  das  bei  0^  =  1  gesetzt  *),  /  berechnet  nach 
der  Interpolationsformel : 

t,  =  1  +  0,001028  f  +  0,000001779 /•,  . 

II  abgeleitet  aus  der  nach  den  Versuchen  construirten 
Ausdehnungscurve  : 


1 

// 

/ 

!I 

/     /l 

00  1,0000 

1,0000 

400 

1,0439 

1,0488 

800  1,0987  1,0987 

10   1,0104 

1,0104 

60 

1,0558 

1,0554 

90  1,1069  1,1069 

20   1,0212 

1,0214 

60 

1,0681 

1,0678 

100  1,1206  1,1206 

80   1,0824 

1,0824 

70 

1,0807 

1,0804 

Xylol^  GsHio  =  GgH4(€H3)2,  aus  Steinkohlentheer  dar- 
gestellt, welches  zwischen  138  und  139^  destiilirte,  ergab 
das  spec.  Gew.  0,8697  bei  0^.  —  Ein  anderes,  weniger  rei- 
nes, zwischen  137  und  140<'  siedendes  Xylol  wurde  in  der 
eben  angeführten  Art,  durch  Ueberfuhren  in  Sulfoxylolsaure 
und  Wiederabscheiden  aus  dieser  Verbindung,  gereinigt. 
Dieses  gereinigte  Xylol  destillirte  vollständig  zwischen  138 
und  138,5^;  es  besafs  das  spec.  Gew.  0,8770  bei  0^  Das 
Volum  desselben,  das  bei  0^=1  gesetzt**),  ist  nach  Lou- 
guinine, /  berechnet  nach  der  Interpolationsformel: 

0=14.  0,0009506  t  +  0,000001682  <*, 


*)  Wir  geben  hier  Formel  und  Tabelle  doftlr  umgereohnet ,  dafo 
das  Volum  bei  0^  =  1  gesetzt  sei.  Louguinine  setst  das 
Volum  des  Beosols  (spec.  Qew.  0,8995)  bei  0^  =s  I  \ind  das 
des  Toluols  (speo.  Gew.  0,8841)  bei  0^  =  1,0174. 

*)  Auch  hier  geben  wir  Formel  und  Tabelle  dafür  umgerechnet. 
Louguinine  setzt  das  Volum  des  Xylols  bei  0^  wiederum 
das  des  Benzols  als  Einheit  annehmend,  =s  1,0257. 


/ 

// 

(H> 

1,0000 

1,0000 

10 

1,0096 

1,0094 

20 

1,0197 

1,0195 

30 

1,0800 

1,0297 

1/ 

1           1/ 

1,0408 

80»  1,0866  1,0869 

1,0618 

90    1,0987  1,0986 

1,0626 

100    1,1118  1,1118 

1,0789 

des  BemoU  und  seiner  Homologen.  299 

II  abg^eleitel  aas  der  nach  den  Versuchen  constrnirten  Aus- 
dehnungscurve :    '^ 

l 

40«  1,0407 
60  1,0616 
60  1,0629 
70  1,0746 

Cymol  GioHu  aus  Römisch- Kümmelöl.  —  Aus  dem  unter- 
halb 200^  übergehenden  Antheil  von  kauflichem  Kümmelöl 
wurde  das  darin  enthaltene  Cuminol  mittelst  einer  Lösung 
von  zweifach- seh wefligsaurem  Natron  ausgeschieden,  das 
Cymol  wiederholt  über  Aetzkali  und  schliefslich  zweimal 
über  Natrium  rectificirt.  Das  Präparat  destillirte  grörsten- 
theils  zwischen  175  und  176^  über;  das  da  Uebergegangene 
(a)  besafs  das  spec.  Gew.  0,8705  bei  0^;  das  noch  zweimal 
über  Natrium  destillirte  Präparat  ergab  das  spec.  Gew. 
fast  genau  eben  so  grofs,  0,8703  bei  0^  Auch  die  Ausdeh- 
nung beider  Präparate  wurde  nahezu  übereinstimmend  ge- 
fanden ;  auf  Grund  der  für  das  Präparat  a  gefundenen  Re- 
aoltate  giebt  Louguinine  das  Volum  des  Cymols,  das 
bei  0®  =  1  gesetzt  *),  /  berechnet  nach  der  Interpolations- 
formel : 

•  =  1  4-  0,00089621  +  0,000001277  <*, 

II  abgeleitet  aus  der  nach  den  Versuchen  construirten  Aus- 
dehnungscurve : 


/ 

n 

/           1/ 

/           // 

0« 

1.0000 

1,0000 

40«  1,0878     1,0879 

80«  1,0798  1,0800 

10 

1,0090 

1,0098 

60    1,0480*    1,0478 

90    1,0910  1,0912 

20 

1,0184 

1,0190 

60    1,0688     1,0688 

100    1,1028  1,1026 

ao 

1,0280 

1,0286 

70    1,0692     1,0690 

Cymol 

aus   Campher,   —   Es   wurde 

auf  zweierlei  A 

*)  Anoh  bler  rieben  wir  Formel  und  Tabelle  dafür  amgerechDet 
(a.  a.  O.  p.  478  rnnfs  stehen  0,00000182  sUtt  0,000000182). 
LougaiDine  setzt  das  Volam  dieses  Cymols  bei 0«=  1,0388. 


300       Louguintne,  spec.  Gewicht  und  Ausdehnung 

darfjrestellt :  durch  die  Einwirkung  von  geschmolzenem  Chlor- 
zink  auf  Campher  und ,  da  eine  Verunreinigung  dieses  Prä- 
parates mit  gleichzeitig  gebildetem  Benzol,  Toluol  und  Xylol 
zu  befürchten^  b  durch  die  Einwirkung  von  Phosphorsuper- 
chlorid auf  Campher  und  Destillation  des  hierbei  resultirenden 
Productes*).  Das  erstere  Präparat,  welches  bei  177  bis  179® 
destillirte,  ergab  bei  0^  das  spec.  Gewicht  0^768  (auch  die 
Aenderungen  des  spec.  Gewichtes  dieses  Präparates  mit  der 
Temperatur  wurden  untersucht)^  und  nach  nochmaliger  Rec- 
tification  über  Natrium  0,8772.  Das  Präparat  &,  welches 
durch  einmalige  Rectification  über  Natrium  gereinigt  war  und 
bei  174  bis  175^  destillirte,  ergab  das  spec.  Gewicht  bei  0® 
=  0,8732.  Für  das  letztere^  von  Louguinine  als  das  rei- 
nere betrachtete  Präparat  b  giebt  Derselbe  das  Volum  dieser 
Flüssigkeit;  das  bei  0<>  =  1  gesetzt**),  i  berechnet  nach 
der  Interpolationsformel: 

o  =:  1  +  0,000898  f  +  0,000001811  <*, 


*)     Vgl.  S.  260  dieses  Bandes. 

**)  Auch  hier  Tersuohen  wir,  Formel  and  Tabelle  dafür  omin- 
rechnen.  Aber  Unsicherheit  bleibt,  sofern  in  der  Ton  Lou- 
guinine gegebenen  Tabelle  offenbare  Irrthümer  sind.  Er 
setzt  das  Volum  bei  0^  =  1,0301  und  giebt  die  Interpola- 
tionsformel ÜQx  das  Volum  bei  19  : 

V  =  1,0301  +  0,000926«    +    0,00000186  «•, 

welche  bis  90^  Resultate  giebt,  die  mit  den  yon  ihm  als  be- 
rechnete Volume  angegebenen  Zahlen  stimmen.  Aber  nach 
dieser  Formel  berechnet  sich  ffir  100<^  das  Volum  1,1861, 
während  in  der  yon  Louguinine  gegebenen  Tabelle  als 
berechnetes  Volum  1,1391  steht,  und  die  letztere  Zahl  wird 
unterstützt  durch  die  Angabe,  das  Volum  leite  sich  (auch  auf 
1,0301  bei  0^  bezogen)  aus  der  nach  den  Versuchen  constru- 
irten  Ausdehnungscurre  zu  1,1389  ab;  und  nur  in  neue  Ver- 
wickelungen kommt  man,  wenn  man  aus  den  für  rerschiedene 
Temperaturen  angegebenen  spec.  Gewichten  sieh  besflglioh 
des  Verhältnisses  der  Volume  für  diese  Temperaturen  orien- 
tiren  will. 


des  Benzols  und  seiner  Bomologen,  301 

II  abgeleitet  aus  der  nach  den  Versuchen  construirten  Aus- 

debnungscurve : 

I  II  I         II 

400  1^0380  1,0378     80«  1,0802  1,0799 

50  1,0481  1,0478     90  1,0914  1,0918 

60  1,0586  1,0584  100  1,1029*)  1,1056? 

70  1,0698  1,0689 

„Die  Vergleichung  der  beiden  Cymole,  aus  Gampher 
und  aus  Kümmelöl,  zeigt,  dafs  dem  ersteren  ein  gröfseres 
spec.  (iewicht  zukommt  als  dem  letzteren.  Die  Differenz 
zwischen  den  spec.  Gewichten  bei  0^  ist  0,0027,  viel  gröfser 
als  die  möglichen  Versuchsfebler.^ 


1 

// 

0<» 

1,0000 

1,0000 

10 

1,0090 

1,0092 

20 

1,0184 

1,0186 

80 

1,0282 

1,0282 

Als  Schlufsfolgerungen  aus  diesen  Versuchen  giobllAOM" 
guinine  Folgendes  an: 

„/)  Die  Dichtigkeiten  bei  0^  nehmen  für  die  homologen 
Kohlenwasserstoffe  der  aromatischen  Reihe  in  dem  Mafse  ab, 
als  man  in  dieser  Reihe,  von  dem  Benzol  bis  zu  dem  Cy- 
raol  aufsteigt. 

2)  Es  scheint,  dafs  man  bei  Betrachtung  der  Dichtig- 
keiten dieser  Körper  bei  Oft  fflr  diese  Abnahme  eine  gewisse 
Regelmafsigkeit  finden  kann.  Die  Differenz  zwischen  den 
Dichtigkeiten  des  Benzols  und  des  Toluols  bei  0^  ist 

0,8995  —  0,8841  ^  0,0154; 

die   zwischen   den   Dichtigkeiten  des   Toluols   und  des  Xy- 
lols  bei  0^  ist : 

0,8841  —  0,8770  =  0,0071, 

fast  gleich  der  Hälfte  der  ersteren  Differenz. 

Wenn  diese  ss  a  gesetzt  wird,  so  wäre  die  Differenz 
zwischen  dem  Toluol  und  dem  Xylol  =  -|-,  und  durch  Ver- 


*)    Naob  der  S.  800  gegebeneu  Interpolationsformel.  Vgl.  die  Tor- 
hergeiiende  Anmerkung. 


302         Louguinine,  spec.  Gewicht  und  Ausdehnung 

allgemeinerung  würde  man  dazu  kommen,  dafs  die  Differenz 
zwischen  dem  Xylol  und  dem  Cumol  -^  und  die  zwischen 
dem  Cumol  und  seinem    oberen  Homologen^    dem    Gymol, 

a 

Man  mufste  also,  um  ausgehend  von  der  Dichtigkeit  des 
Benzols  die  des  Cymols  zu  berechnen ,  von  der  ersteren 
abziehen : 

«  +   "2    +  ~r  +    8'' 

d.  h.  0,0164  +  0,0077  +  0,0089  +  0,0019  =  0,0289, 

und  man  wurde  für  die  Dichtigkeit  des  Cymols  erhalten: 

d  =  0.8996  —  0,0289  =  0,8706. 

Der  Versuch  hat  für  die  Dichtigkeit  des  Cymols  aus 
Kümmelöl  bei  0^  0,8705  ergeben,  welche  Zahl  fast  identisch 
ist  mit  der  durch  die  regelmafsige  Abnahme,  welche  ich 
beobachtet  zu  haben  glaube,  geforderten.  Ohne  dieser  That- 
sache  eine  allzugrofse  Wichtigkeit  beizulegen,  halte  ich  es 
für  gut,  auf  sie  aufmerksam  zu  machen,  sofern  sie  die  Dich- 
tigkeit noch  unbekannter  oberer  Homologe  vorauszusehen 
erlaubt. 

3)  Die  Ausdehnung  ist  um  so  kleiner,  um  je  mehr  man 
in  der  homologen  Reihe,  von  dem  Benzol  an,  aufwärts  steigt 
Die  Ausdehnungs-Coefilcienten  *)  sind  : 


^)  Diese  Aiudebiiungs-Co^^cienten,  angebend  welche  Ansdelmiuig 
den  Flüssigkeiten  bei  der  Erwärmung  ron  f^  an  um  dieselbe 
sehr  kleine  TemperaturdifTerenE  zukomme ,  sind  erhalten 
durch  Differentiation  der  ron  Louguinine  fSr  das  Volum 
der  untersuchten  Flüssigkeiten  bei  yerschiedenen  Tempera- 
turen aufgestellten  Interpolationsformeln: 

für  Benzol  :  v  =  1,0000  +  0,001161    +  0,000002S26f*; 

,     Toluol  :  V  =  1,0174  +  0,001046  f  +  0,00000181^; 

«     Xylol  :  B  =  1,0257  +  0,0009761  +  0,0000016741*; 

„     Cymol  a  :  o  =  1,0883  -f  0,000926  (  +  0,000001821*; 

„     Cymol  i  :  V  =s  1,0801  +  0,000926  <  +  0,00000186^. 
Es  wurde  bereits  in  dem  Vorhergehenden  bemerkt,  dafsLou- 


deM  Benzoh  und  seiner  ßotnologen.  303 

f.  d.  Benzol      ^        =  +  0,00116     +  0,000002226.2«; 

f.  d.  Toluol:  -~  =  +  0,001046  +  0,00000181  .  2  i; 

f.  d.  Xylol:   -^—  =  +  0,000975  +  0,000001674  .  2  <;• 

f.d.Cyinola:   -j*      =  +  0,000925  +  0,0000018»  .  2  < ; 
dl 

du 

f. d.  Cymol b ;  =  -}-  0,000925  +  0,00000135.2«. 

Cymol  a  aus  Kfimmelöl,  Cymol  b  aus  Gampher. 

Es  sind  dieses  die  Resultate,  zu  welchen  mich  die  jetzi- 
gen Untersuchungen  geführt  haben,  welche  ich  übrigens  auf 
die  Isomeren  des  Toluols,  Xylols,  Cumols  und  Cymols  aus- 
zudehnen gedenke,  die  man  durch  Synthese  darstellen  kann.^ 


Bemerkungen    zu    der    vorhergehenden   Ab- 
handlung ; 

von  Hermann  Kopp. 


Ich  habe  so  lange  und  so  viel  über  die  Beziehungen 
des  specifischen  Gewichtes  zur  chemischen  Zusammensetzung 
bei  Flüssigkeiten,  und  im  Zusammenhange  damit  über  die 
Ausdehnung  der  letzteren  durch  die  Wärme;  gearbeitet,  dafs 
ich  einen  Beitrag  zur  weiteren  Erkenntnifs  dieses  Gegen- 
standes, wie  ihn  die^  vorhergehende  Untersuchung  beab- 
sichtigt,  begrürsen   darf.     Aber  ich   darf  mir    auch  einige 


guinine  fQr  die  Aufitella^g  dieser  Formeln  dieVolnme  der 
von  ihm  anterBnchten  Flüssigkeiten  bei  0<^  verschieden  grofs 
setzt;  D&mlioh  diejenigen  Volume  fQr  diese  Temperaturen» 
welohe  gleich  viel  wiegen,  das  Volum  des  Benzols  =  1 
gesetzt. 


304  Kopp^  Bemerkungen 

Bemerkungen  erlauben,  welche  vielleicht  zur  Aufklärung  dar- 
über beitragen,  ob  die  Versuchsresultate  nicht  mit  ungleich 
gröfserer  Leichtigkeit ,  als  nach  dem  hier  eingeschlagenen 
Verfahren,  gewonnen  und  ihnen  gröfse're  Zuverlässigkeit  und 
Brauchbarkeit  gesichert  werden  könnten. 

Louguinine  bat  zur  Ermittelung  der  Ausdehnung 
das  mühsamste  und  zeitraubendste  Verfahren  angewendet. 
Die  Bestimmung  des  specifischen  Gewichtes  bei  verschie- 
denen Temperaturen  erheischt,  dafs  man  nach  jeder  Fällung 
des  Gefäfses  bei  einer  gewissen  Temperatur  es  wieder  die 
Temperatur  der  Luft  annehmen  lassen  mufs,  um  es  zu  wägen. 
Das  Gefäfs  mit  der  Flüssigkeit  mufs  dann  wieder  auf  eine 
andere^  genügend  lange  constant  erhaltenen  Temperatur  erhitzt 
werden,  um  es  wieder  bis  an  die  Marke  gefüllt  sein  zu  lassen, 
und  dann  mufs  es  wieder  die  Temperatur  der  Luft  annehmen, 
u.  s.  w.  Die  Ausdauer  ist  anzuerkennen,  mit  welcher  Lou- 
guinine nur  für  das  Benzol  (9  verschiedene  Präparate  des- 
selben) im  Ganzen  74  Versuche  in  dieser  Art  angestellt  hat. 
Aber  da  wohl  jedenfalls  eine  geringere  Zahl  von  Versuchen 
zur  Einübung  dieses  Verfahrens  hinreicht,  so  fragt  es  sich 
doch,  ob  dieser  Aufwand  von  Zeit  und  Mühe  sich  etwa  da- 
durch lohne,  dafs  man  damit  genauere  Resultate  erhalte,  als 
nach  einer  anderen,  rascher  und  leichter  auszuführenden 
Methode,  Und  diefs  mufs  ich  gegenüber  dem  Verfahren,  die 
Ausdehnung  vermitlelst  thermometerförmiger  Apparate  (s.  g. 
Dilatometer)  zu  untersuchen,  entschieden  verneinen,  wenn 
nämlich  dieses  Verfahren  so,  wie  icb  es  beschrieben*)  und 
zur  Untersuchung  einer  sehr  grofsen  Zahl  von  Flüssigkeiten 
benutzt  habe,  in  Anwendung  gebracht  wird.  Dieses  Ver- 
fahren  würde   auch  Louguinine   leicht  die  Ausdehnung 


*)    P^fiTg*    ^i^ii*   LXXn,    1    (1847)   und   namoDtlich   Ann.    Chem. 
Pharm.  XCIV,  257  (18Ö6). 


zu  der  vorhergehenden  Abhandlung.  305 

hober  siedender  Flüssigkeiten  noch  oberhalb  100^  haben  be- 
stimmen lassen,  über  welche  Temperatur  er  seine  Versuche 
nicht  erstreckt  hat. 

Weshalb  die  Anstellung  der  Versuche  mittelst  der  Di- 
latometer  so  viel  weniger  Zeit  und  Mühe  beansprucht,  hat 
man  sich  einmal  genaue  derartige  Apparate  construirt,  be- 
darf hier  wohl  nicht  besonderer  Besprechung.  Nur  das  will  ich 
hervorheben,  dafs  bei  Anwendung  dieses  Verfahrens  die  zu 
untersuchende  Flüssigkeit  viel  rascher  die  constant  erhaltene 
Temperatur  des  Bades  annimmt,  als  bei  dem  von  Lougui- 
nine  befolgten  Verfahren,  weil  man  mit  viel  kleineren  Men- 
gen arbeitet.  Louguinine  hat  seine  Versuche  mit  Ge- 
fäfsen  ausgeführt,  welche  etwa  18,8  bis  57,6  CG.  fafsten, 
die  meisten  mit  den  gröfseren;  die  Kugeln  der  zu  meinen 
ADsdehnungsbestimmungen  angewendeten  Dilatometer  fassen 
etwa  1  bis  1,5  GG. 

Sind  die  mittelst  der  letzteren  Apparate  erhaltenen  Aus- 
debnungsbestimmungen  weniger  genau,  als  die  nach  der  von 
Louguinine  befolgten  Methode  gewonnenen?  Zweierlei 
ist  bezüglich  der  Genauigkeit  bei  Untersuchungen  über  die 
Ausdehnung  flüssiger  Verbindungen  zu  unterscheiden  :  in 
wiefern  die  untersuchten  Flüssigkeiten  wirklich  reine  Ver- 
bindungen von  der  Zusammensetzung  waren,  welche  die 
ihnen  beigelegten  Formeln  angeben,  und  wie  grofs  oder 
klein  die  zufalligen  Fehler  bei  den  einzelnen  Beobachtungen 
sind.  Letzteres  kommt  uns  zunächst  in  Betracht.  Darüber 
gewahrt  ein  Urtheil  die  Uebereinstimmung  der  aus  Inter- 
polationsformeln sich  berechnenden  Volume  mit  den  durch  die 
einzelnen  Versuche  ergebenen.  Louguinine  hat  für  die 
Angabe  des  Volums  bei  verschiedenen  Temperaturen  Inter- 
polationsformeln von  der  Form  v^  =  Vq  -{-  at  -\-  bfi  be- 
rechnet; besser  hätte  er,  bei  dem  ziemlich  grofsen  Tempe- 
raturintervall,  über  welches  sich  seine  Versuche  erstrecken, 

Aimal.  d«  Chem.  u.  Phuin.  V.  Supplementbd.  8.  Heft.  20 


306  Kopp,  Bemerhmgen 

noch  ein  Glied  cfi  kinzugenommen.  Zur  Ableitung  der  Inter^ 
polationsformeln  hat  ef  bei  jeder  Flüssigkeit  nur  drei  seiner 
experimentalen  Bestimmungen  benutzt  und  die  Genauigkeit 
dieser  Formeln  dadurch,  dafs  er  alle  anderen  Versuche  für 
die  Ableitung  derselben  unberücksichtigt  liefs>  erheblich  ge- 
schmälert. Ich  habe  schon  vor  langer  Zeit  und  wiederholt*)  ein 
Verfahren  in  Anwendung  gebracht  und  empfohlen,  welches, 
ohne  die  Langwierigkeit  einer  Berechnung  nach  der  Methode 
der  kleinsten  Quadrate  zu  theilen,  sämmtliche  Beobachtungen 
in  einer  sehr  einlachen  und  die  Ausgleichung  der  Beobach- 
tungsfehler befördernden  Weise  in  Rechnung  zu  nehmen 
gestattet.  —  Louguinine  hat  die  nach  den  Interpolations- 
formeln berechneten  Resultate  nicht  direct  mit  denen  seiner 
Versuche  verglichen,  sondern  —  für  Temperaturen,  die  von 
5  zu  5^  steigen  —  mit  den  Ergebnissen,  wie  er  sie  aus 
Curven  ableitete,  welche  er  auf  Grund  dar  experimentalen 
Resultate  construirt  hat.  Die  nach  beiden  Arten  erhaltenen 
Zahlen  differiren  unter  einander  im  Allgemeinen  bestimmt 
nichf  weniger,  in  vielen  Fallen  entschieden  mehr,  als  für 
die  von  mir  untersuchten  Verbindungen  (für  vielfach  inner- 
halb betrachtlich  weiterer  Grenzen  auseinander  liegende 
Temperaturen)  die  nach  den  Interpolationsformeln  berech- 
neten und  die  direct  beobachteten  Volume.  Einen  Vorzug 
gröfserer  Genauigkeit  hat  das  viel  umständlichere  und  zeit- 
raubendere Dntersuchungsverfahren ,  dessen  sich  Lougui- 
nine bedient  hat,  verglichen  mit  dem  von  mir  angewendeten 
einfacheren,  sicher  nicht. 

Unter  den  von  Louguinine  untersuchten  Substanzen 
sind  zwei,  mit  welchen  auch  ich  mich  beschäftigt  hatte:  das 
aus  Benzoesäure  dargestellte  Benzol  und  das  aus  Römisch- 
Kümmelöl  dargestellte  Cymol.    Für  das  Benzol  hat  er  die 


*)  An  den  8.  804  angeführten  Orten. 


zu  der  vorhergehenden  Abhandlung.  307 

spec.  Gewichte  bei  verschiedenen  Temperaturen  und  damit 
die  Ausdehnung  unter  Anwendung  eines  fast  58  CG.  fassenden 
Glasgefafses  untersucht  und  das  spec.  Gewicht  bei  0^= 0^8995 
abgeleitet.  Ich*)  habe  das  spec.  Gewicht  mittelst  zweier^ 
wenig  über  3,5  CG.  fassender  Glasgefafse,  die  Ausdehnung 
in  zwei  Versuchsreihen  mit  zwei  verschiedenen  Dilatometern, 
deren  Kugeln  nahezu  1  und  1^1  GG.  fafsten,  bestimmt  und 
das  spec.  Gewicht  bei  0»  =  0,89914  und  0,89908  erhalten. 
Das  Volum  des  Benzols,  das  bei  0<>  =  1  gesetzt,  fand  Lon- 
gu  i  n i  n e  Jaus  der  von  ihm  berechneten  Interpolationsformel, 
Jl  aus  der  nach  den  Versuchsresultaten  construirten  Gurve, 
ich  aus  den  Interpolationsformeln  i  und  2  y  welche  ich  aus 
den  zwei  Versuchsreihen  abgeleitet  hatte: 


L 


mr  20« 

400 

60» 

80» 

1,0241 
1,0245 

1,0500 
1,0500 

1,0776 
1,0774 

1,1070 
1,1065 

1,0240 
1,0242 

1,0495 
1,0497 

1,0768 
1,0770 

1,1064 
1,1065 

Das  Gymol  untersuchte  Louguinine  mit  Anwendung 
eines  etwa  34,6  GG.  fassenden  Glasgefafses;  ich**)  das  spec. 
Gewicht  mit  Anwendung  eines  nicht  ganz  3,1  GG.  fassenden 
und  die  Ausdehnung  mittelst  eines  Dilatometers,  dessen  Kugel 
etwa  1,4  GG.  fafste.  Das  spec.  Gewicht  für  0^  fand  er 
0,8705,  ich  0,8778;  das  Volum  (das  bei  0»  =  1  gesetzt): 

bei  200    40«      60^      80«     100« 

,//:    1,0184    1,0378    1,0583    1,0798    1,1028 
^'\U  :    1,0190    1,0379    1,0588    1,0800    1,1026 

Kp.  :      1,0190    1,0385    1,0589    1,0801    1,1028 

Toluol  und  Xylol  habe  ich  liicht  untersucht.  Ich  zweifle 
nicht  daran,  dafs  die  von  Louguinine  erhaltenen  Zahlen 
das  spec.  Gewicht  und  die  Ausdehnung  der  von  ihm  unter- 
suchten Flüssigkeiten  auch  recht  genau  geben;  aber  dafür, 
dafs  diese  durch  fractionirte  Destillation  aus  Steinkohlen- 


•)  Pogg.  Ann.  LXXn,  289  (1847). 
*•)  Ann.  Chem.  Pharm.  XGIV,  319  (1855).  - 

20» 


308  Kopp  ^  Bemerhmgen 

theeröl  dargestellten  und  durch  partielle  Umwandlung  in 
eine  gepaarte  Schwefelsaure  und  Wiederabscheidung  ge~ 
reinigten  Flüssigkeiten  reines  Toluol  und  reines  Xylol  ge- 
wesen seien,  fehlt  der  Beweis,  welcher  durch  nochmalige 
Anwendung  dieser  Reinigungsmethode  und  Ermittelung,  ob 
die  physikalischen  Eigenschaften  sich  nieht  ändern,  hätte 
erbracht  werden  können. 

Was  Louguinine  über  Beziehungen  der  von  ihm 
untersuchten  physikalischen  Eigenschaften  der  Kohlenwasser- 
stoffe GqÜ^q^g  zu  der  Zusammensetzung  oder  den  Formeln 
derselben  angiebt,  veranlafst  mich  zu  folgenden  Bemerkungen. 

Ich  halte  e*s  noch  für  einen  Fortschritt  in  der  Erkennt- 
nifs  solcher  Beziehungen,  dafs  man  das  spec.  Gewicht  in 
seinem  Verhältnisse  zum  Molecularge wicht,  d.  h.  das  speci- 
fische  Volum  als  das  eigentlich  zu  Betrachtende  nimmt ,  und 
zwar  für  die  Siedetemperaturen  der  betreffenden  Substanzen. 
Was  für  die  Richtigkeit  dieser  Betrachtungsweise  spricht,  ist 
das  Statthaben  der  Gesetzmäfsigkeiten ,  welche  ich  nachge- 
wiesen habe  :  dafs  sehr  viele  isomere  Verbindungen  bei 
ihren  Siedepunkten  gleiches  spec.  Volum  besitzen;  dafs  für, 
die  Siedetemperaturen  in  sehr  vielen  Fällen,  bei  den  ver- 
schiedenartigsten Klassen  von  Verbindungen,  sich  für  die- 
selbe Differenz  in  den  Formeln  dieselbe  Differenz  der  spec. 
Volume  ergiebt  und  die  Differenzen  der  spec.  Volume  den 
Differenzen  der  Formeln  proportional  sind,  u.  s.  w.  Ich  habe 
festgestellt,  innerhalb  wie  grofser  Gruppen  von  Verbindungen 
diese  Regelmäfsigkeiten  statthaben:  bei  der  Vergleichung 
der  Substanzen  nämlich ,  die  unter  sich  die  Art  von  Ueber- 
einstimmung  der  chemischen  Structur  besitzen,  welche  man 
als  Zugehörigkeit  zu  demselben  Typus  bezeichnet  hatte. 
Ich  habe  jetzt  noch  keinen  Zweifel  darüber,  dafs  die  Betrach- 
tung der  spec.  Volume  für  die  Vorstellung,  wie  die  in  dem 


eu  der  vorhergehenden  Abhandlung.  309 

Molecal  einer  Verbindung  enthaltenen  Atome  unter  einander 
gebunden  seien ;  eine  wesentliche  und  sichere  Unterstützung 
abgeben  wird*). 

Die  Betrachtung  der  spec.  Gewichte  bei  derselben  Tem- 
peratur, 0^  z.  B.,  zu  welcher  Louguinine  zuräokgeht, 
aeheint  mir  für  die  Erkenntnifs  der  Beziehungen  des  spec« 
Gewichtes  zur  Zusammensetzung  eine  weniger  richtige  zu 
sein,  weil  sie  im  Allgemeinen  für  dieselbe  Zusammensetzung, 
nfimlich  bei  isomeren  Körpern  (wenn  diese  nicht  gerade 
gleiche  Siedetemperatur  besitzen),  ungleiche  spec.  Gewichte 
ergiebt,  bei  der  Yergleichung  verschiedener  Flüssigkeiten 
für  dieselbe  Differenz  der  Formeln  ungleiche  Differenzen 
der  spec.  Gewichte  und  die  Differenzen  der  spec,  Gewichte 
den  Differenzen  der  Formeln  nicht  proportionirt,  u.  s.  w. 

Ein  Schatten  der  Regelmafsigkeiten,  welche  ich  für  die 
spec.  Volume  (K)  bei  den  Siedepunkten  flüssiger  Verbin- 
dungen nachgewiesen  habe,  kann  immerhin  auch  noch  für 
die  spec.  Gewichte  bei  0^  (do)  bemerkbar  sein.  Zwischen 
beiderlei  Zahlen  bestehen  Beziehungen,  durch  die  Interven- 
tion des  Holeculargewichtes  (M),  der  Siedetemperatur  (t), 
der  Ausdehnung  von  0^  an  bis  zur  Siedetemperatur  (sie  sei 

durch  das  Verhaltnifs  Vq  :  v^  gegeben).  Da  do  = — =j —  und 

y    vq 

die  Contraction  analoger  Flüssigkeiten,  welche  in  ihrer  Zu- 
sammensetzung nicht  viel  von  einander  verschieden  sind, 
von  den  Siedepunkten  an  um  gleichviel  Temperaturgrade 
eine  annähernd  gleich  grofse  ist,  so  wird  in  Reihen,  für 
deren  Glieder  M  und  V  regelmafsig  wachsen  und  auch  die 
Siedepunkte  mit  einer  gewissen  Regelmafsigkeit  steigen,  noch 
Etwas  an  eine  Regelmafsigkeit  Erinnerndes  für  do  bemerkbar 
sein.    Für  den  Hehrgehalt   um   GH«   in    den   Formeln   der 


*)    VgL  Ann.  Chem.  Phann.  CXXVIII,  198. 


310  Koppf  Bemerkungen 

Kohlenwasserstoffe  €nH2Q-6  wächst  i/  um  14,  V  auch  hier 
um  etwa  22,  also  um  mehf,  und  die  Siedepunkte  steigen 
auch  mit  einer  gewissen  Regelmäfsigiseit.  Darauf  beruht  das 
von  Louguinine  gefolgerte  allgemeinere  Resultat  Nr.  i: 
,,Die  Dichtigkeiten  bei  0^  nehmen  für  die  homologen  Kohlen- 
wasserstoffe der  aromatischen  Reihe  in  dem  Mafse  ab,  als 
man  in  dieser  Reihe  von  dem  Benzol  bis  zu  dem  Cymol 
aufsteigt.^  —  Diese  Abnahme  wird  mit  dem  Aufwärtssteigen 
in  der  Reihe  immer  kleiner,  da  die  Veränderungen  von  M 
und  V  im  Verhältnisse  zu  der  Gröfse  derselben  immer  klei- 
ner werden  und  der  Abstand  der  Temperatur  0^  von  der 
Siedetemperatur  immer  gröfser  wird;  Louguinine  hat  für 
dieses  Kleinerwerden  der  Differenzen  zwischen  den  spec.  Ge- 
wichten einen  empirischen  Ausdruck  gegeben  (seine  allge- 
meinere Schlufsfolgerung  Nr.  2),  bezüglich  dessen  ich  mit 
ihm  darüber  ganz  einverstanden  bin ,  dafs  demselben  keine 
allzugrofse  Wichtigkeit  beizulegen  sei;  ich  glaube,  dafs  der 
Satz :  ,,für  die  Glieder  einer  Reihe  homologer  Verbindungen 
bilden  die  Formeln  eine  arithmetische  Reihe,  die  Differenzen 
der  spec.  Gewichte  bei  0^  bilden  aber  eine  geometrische 
Reihe ^  so  dafs  jede  folgende  Differenz  die  Hälfte  der  vor- 
hergehenden ist,^  wirklich  schwer  zu  deuten  wäre.  —  Was 
ich  bezüglich  der  Contraction  solcher  Flüssigkeiten  von  den 
Siedepunkten  an  bereits  bemerkt  habe,  zusammen  mit  der 
Eigenschaft  solcher  Flüssigkeiten,  sich  mit  zunehmender  Tem- 
peratur stärker,  also  bei  gröfserem  Abstände  vom  Siedepunkt 
weniger  stark  auszudehnen,  und  dem  Steigen  der  Siedepunkte 
bei  dem  Aufwärtsgehen  in  der  Reihe,  läfst  endlich  auch  die 
von  Louguinine  als  Nr.  d  hingestellte  allgemeinere  Schlufs- 
folgerung voraussehen,  welche  selbst  bestehen  bleibt,  wenn 
die  Ausdehnungs-Coefficienten  richtig  angegeben  werden*). 


*)  £■  warde  S.  802  f.  darauf  aufmerksam  gemacht,  wie  Loagai- 


zu  der  vorhergehenden  Abhandlunp.  311 

Einige  allgemeinere  Schlofsfolgerungen ,  zu  welchen 
LoQguinine  bei  seinen  Untersuchungen  über  isomere 
Kohlenwasserstoffe  GnHgQ^e  kommen  wird,  lassen  sich  ebenso 
mit  Sicherheit  voraussehen  :  Für  isomere  Kohlenwasserstoffe 
▼on  verschiedenen  Siedepunkten  wird  er  die  spec.  Gewichte 
bei  0®  und  die  Ausdehnungs-Coefficienten  etwas  verschieden 
finden ,  für  den  Kohlenwasserstoff  mit  dem  höheren  Siedepunkt 
nämlich  das  spec.  Gewicht  bei  0^  etwas  gröfser  und  den 
Ausdehnungs-Coefficient  etwas  kleiner;  und  für  isomere  Koh- 
lenwasserstoffe von  demselben  Siedepunkt  wird  er  das  spec. 
Gewicht  bei  0^  (auch  den  Ausdehnungs-Coefficient)  gleich 
finden,  und  er  wird  diese  Gleichheit  selbst  anzunehmen  ha- 
ben, wenn  die  an  den  verschiedenen  Präparaten  gefundenen 
spec.  Gewichte  um  2  bis  3  in  der  dritten  Decimalstelle 
differiren*). 


nine  die  Aofldebntings-CoSffioieiiteii  abgeleitet  bat.  Es  maobt 
nun  praktiBcb  nicbt  viel  aoB,  dafa  er,  statt  sie  fVa  gUiche 
Ausgangs- Volume  (bei  0^)  eu  berecbneDi  diefs  für  ungleiche 
getban,  z.  B.  die  Ausdebnung  von  1  Vol.  Benzol  (bei  0^)  mit 
der  TOD  1,0838  Vol.  Cymol  (aacb  bei  0^)  Terglioben  bat. 
Aber  diese  Art  der  Ableitong  der  s.  g.  Ausdebimxigs-GoSffi- 
cienten  ist  an  sieb  um  Niobts  ricbtiger,  als  wenn  man,  zur 
Bemessung  der  Ausdebnung,  die  Volumttnderungen  Ton  1,4 
Vol.  des  Koblenwasserstoffii  Oi^H^  Qüd  1  Vol.  des  Koblen- 
wasserstoffs  G^Bif^  mit  einander  vergleioben  wollte  (die  speo. 
Qewicbte  dieser  beiden  Kohlenwasserstoffe  sind  ungefiLbr  0,84 
und  0,6). 

*)  Wenn  man  zwei  Stftbe  beafigliob  ibrer  L&nge  Tergleioben  will, 
so  giebt  für  die  Genauigkeit  der  Vergleicbung  nicbt  nur  die 
Empfindlichkeit  des  Vergleiobungs-Apparates  —  des  Fühl- 
hebels oder  der  Mikrometerschraube —  einen  Mafsstab  ab,  son- 
dern auch,  wie  die  Stftbe  selbst  an  den  Enden  begrenzt  sind ; 
eine  noch  so  groAe  Empfindlichkeit  des  Apparates  kann  da- 
für keinen  Ersatz  bieten,  dalb  etwa  die  Stabe  raub,  uneben 
oder  mit  schiefer  Abgrenzung  enden.  Die  meisten  chemischen 
Verbindungen,  um  deren  Untersuchung  es  sich  hier  handelt, 
sind   bis  jetzt   nicht   im  absolut  reinen  Zustande  darstellbar. 


312  Kopp,  Bemerkungen 

Aber  weshalb  die  Schatten  von  Regelmafsigkeiten  zu 
bestimmen  suchen,  wenn  diese  selbst  untersucht  werden 
können  und  Interesse  darbieten?  —  Louguinine  hat  sich 
um  die  Erkenntnifs  von  Regelmafsigkeiten  in  den  spec.  Vo- 
lumen bei  den  Siedepunkten  nicht  gekümmert;  seine  Ver- 
suche erstrecken  sich  auch  nur  bei  dem  Benzol ,  annähernd 
etwa  noch  bei  dem  Toluol  so  weit,  dafs  man  auf  die  spec. 
Volume  bei  den  Siedepunkten  dieser  Körper  schliefsen  möchte. 
Für  das  Xylol,  welches  bei  138^  etwa,  für  das  Cymol, 
welches  bei  175^  etwa  siedet,  gehen,  wie  für  das  bei  111^ 
siedende  Toluol,  Louguinine's  Bestimmungen  der  Aus- 
dehnung nur  bis  100^    Seine  Formeln  zur  Extrapolation  so 


Auch  die  Ton  Longtiiiiiiie  nntersnchten  FlÜBsigkeiten  waren 
diefs  nicht,  wenn  auch  namentlich  sein  aus  Benzoesäure  darge- 
stelltes Benzol  einen  hohen  Grad  yon  Reinheit  hesafs.  Für  alle 
anderen  Ton  ihm  untersuchten  Flüssigkeiten  l&fst  sich  aus  seinen 
Angaben  ersehen,  dafs  sie  keinen  Constanten  Siedepunkt  besafsen ; 
und  selbst  wenn  man  so  oft,  als  diefs  Ton  Louguinine  ge- 
schehen ist,  wiederholt,  dalJB  ein  constanter  Siedepunkt  keine 
Garantie  für  die  Reinheit  einer  Flüssigkeit  abgiebt,  bleibt  das 
doch  wahr,  dafs  ein  nicht  constanter  dafür  Garantie  abgiebt, 
dafs  die  Flüssigkeit  nicht  eine  unzersetzt  siedende  reine  chemi- 
sche Verbindung  ist.  Es  geht  über  das  Zulässige  hinaus,  dafs 
Louguinine,  welcher  das  spec.  Gewicht  (bei  0^)  des  aus  Rö- 
misch-Eümmelöl  dargestellten  Cymols  =  0,8705  und  das  des 
aus  Gampher  dargestellten  0,8782  fand,  diese  beiden  Cymole  als 
nach  ihrem  spec.  Gewichte  wesentlich  verschieden  betrachtet 
(vgl.  S.  801).  Diese  Behauptung  hat  als  Unterlage  die  Beachtung 
der  Angabe,  das  Cymol  aus  dem  Kümmelöl  und  das  aus  dem 
Campher  seien  nur  isomer  (Fittig  und  F«rber,  Zeitschr.  £, 
Chemie,  1865,  S.  289),  und  die  Nichtbeachtung  der  berichtigen- 
den Angabe  (Fittig,  Köbrig  und  Jilke,  Zeitschr.  f.  Chemie, 
1867,  S.  106),  nach  welcher  diese  beiden  Cymole  wahrscheinlich 
identisch  sind..  Dieselben  Zahlen  ftir  die  spec.  Gewichte,  welche 
nach  Louguinine  die  Verschiedenheit  dieser  beiden  Cymole 
beweisen,  wird  man  wohl  bald  als  daf^r  sprechend  angeführt 
finden,  dafs  beide  identisch  seien. 


SU  der  vorhergehenden  Abhandlung.  313 

weit  über  das  Intervall  der  Versachs-Temperaturen  hinaus 
anzuwenden,  kann  bei  der  weniger  sorgfältigen  Art,  wie 
diese  Formeln  aus  den  Versuchen  abgeleitet  wurden  (vgl. 
S.  305),  bedenklich  erscheinen.  Da  ich  aber  ein  wahres 
Interesse  daran  nahm,  dafs  Louguinine's  mühsame  Arbeit 
doch  in  Etwas  zur  Erkenntnirs  oder  Controle  jener  Regel- 
mäfsigkeiten  beitrage,  und  das  Verfahren  der  Extrapolation  in 
anderen  Fällen  mit  der  Beobachtung  gut  stimmende  Resultate 
ergeben  hat  *) ,  so  habe  ich  zugesehen,  welche  spec.  Volume 


*)  Wo  Formeln  aus  einer  gröfseren  Anzahl  ron  Beobachtungen  unter 
Ausgleichung  der  zufälligen  Fehler  der  letzteren  abgeleitet  sind, 
können  dieselben  allerdings  zur  Extrapolation  auf  ziemlich  be- 
trächtliche Temperatur  -  Distanzen  hin  benutzt  werden.  Einen 
bemerkenswerthen  Beweis  dafür  geben  Mendelejefrs  Unter- 
suchungen über  die  Ausdehnung  der  Flüssigkeiten  beim  Erwär- 
men über  ihren  Siedepunkt  (Ann.  Chem.  Pharm.  GXIX,  1)  ab, 
bei  welchen  bis  auf  beträchtlich  weit  oberhalb  der  Siedepunkte 
liegende  Temperaturen  Volume  beobachtet  wurden,  die  mit  den- 
jenigen sehr  wohl  übereinstimmen,  welche  sich  nach  den  auf 
Grund  meiner  Beobachtungen  fär  Temperaturen  zwischen  0^  und 
dem  Siedepunkt  (bei  Wasser  zwischen  75  und  100^  von  mir  ab- 
geleiteten Formeln  berechnen.  Es  ist  das  Volum,  das  bei  0^ 
=  1  gesetzt 

von  Wasser  von  Alkohol 

bei     181,00         156,8<»        bei     99,87^         130,9<> 
beob.  V.  Mend.  1,0722         1,1016  1,1294         1,1895 

her.  n.  Kp.  1,0716         1,1014  1,1294         1,1893 

von  Aether  von  Benzol 


bei     78,21<»     99,82«     181,20     157,00      bei     99,6<> 
beob.  y.  Mend.      1,1508     1,2091     1,3150     1,4235  1,1380 

her.  -n.  Kp.  1,1501     1,2095     1,3155     1,4233  1,1376 

Nach  der  von  Louguinine  gegebenen  Interpolationsformel 
(S.  297)  wäre  das  Volum  des  Benzols  bei  99,6«,  wie  nach  der 
meinigen,  =  1,1376.  —  Nach  den  von  Pierre  (Ann.  chim.  phys. 
[3]  XV,  854  u.  862)  aus  seinen  Ausdehnungsversuchen  abgeleite- 
ten Formeln  berechnet  sich  das  Volum  des-  Alkohols  bei  130,9« 
zu  1,1703,  das  des  Aethers  bei  157,0«  zu  1,4507,  stark  abweichend 


314  Kopp,  Bemerkungen 

für  die  von  Louguinine  beobachteten  Siedepunkte  (für  das 
Benzol,  dessen  Siedepunkt  er  nicht  angegeben  hat,  setze  ich 
81^)  sich  aus  den  von  ihm  für  0^  gefundenen  spec.  Gewichten 
nach  den  Interpolationsformeln ,  welche  ich  in  dem  vorher- 
gehenden Aufsatz  aus  den  von  ihm  gegebenen  durch  Re*- 
duction  auf  das  Volum  bei  0^  =  1  abgeleitet  habe,  be- 
rechnen. Es  haben  sich  folgende  Zahlen  ergeben,  welchen 
ich  dte  von  mir  für  Benzol  und  Cymol  gefundenen  zur  Ver- 
gleichung  beisetze  : 

Spec.  YoL  nach  Speo.  Vol.  nach 

Lougainine^B  meinen  Bestimmungen 

Diff.  Dlff. 

GeHe      f.   81«     96,1    \       ^  ^  Ö.He      f.  81«    96,1  ^ 

GfEg       „111     118,2    {  '  / 

g^Bjo     ,138     140,5    I       ^*^  '4X2i,9 

ansKfimmelOl.nö     184 


,1*)J  a.Kümmelölf.l75<'  188,5) 


Ich  gestehe,  dafs  mich  eine  geringere  Bestätigung  der  von 
mir  **)  gefundenen  Regelmafsigkeit  :  dafs  bei  flüssigen  Ver- 
bindungen ,  welche  demselben  Typus  angehören,  einer  Diffe- 
renz um  nGHs  in  den  Formeln  eine  Differenz  der  spec. 
Volume  bei  den  Siedepunkten  von  n .  22  etwa  entspricht,  nicht 
überrascht  haben  würde.  Um  so  mehr  bedauere  ich,  dafs 
Louguinine's  so  mühsam  ausgeführte  Arbeit  nicht,  durch 
Bestimmung  der  Ausdehnung  der  untersuchten  Flüssigkeiten 
für  höhere  Temperaturen  und  Beachtung  dessen,  was  jetzt 
als  Gegenstand  der  Forschung  angezeigt  ist,  directer  unser 


Ton  Men dal e Jeffs  Beobachtungen  sowohl  als  den  nach  meinen 
Formeln  sich  berechnenden  Zahlen« 

*)  Die   8.   800   gegebene    Interpolationsformel  f5r  das  Cymol  ans 

Oampher   g&be,    aasammen   mit  dem   fOr   dieses  Prftparat  Ton 

Longninine  'gefundenen    spec.  Gewichte   0,8782   bei   0^,  das 

spea  Yolom  bei  176®  =s  188,7,   von   dem   für  das  Cymol  aas 
Kümmel51  erhaltenen  nur  wenig  abweiohend. 

•*)  Ann.  Chem.  Pharm.  XCTI»  170  (18&6). 


SU  der  vorhergehenden  Abhandlung.  3iS 

WüueB  Torwirts  bringt.  Die  Nichtbeachtung  dessen,  was 
Andere  gearbeitet,  giebt  zwar  eine  gewisse  Unbefangenheit, 
wie  ich  gern  anerlienne,  wenn  ich  es  anch  nie  für  recht 
hieh,  diesen  Yortheil  mir  zu  Gute  kommen  zu  lassen.  Aber 
es  kann  auch  zur  Folge  haben,  dafs  ein  grofeer  Aufwand 
von  Zeit  und  Mähe  viel  weniger  Nutzen  bringt,  als  es  sonst 
der  Fall  wöre.  —  Die  Beziehung  des  spec.  Gewichtes  zum 
Holeculargewicht,  die  Beachtung  des  spec.  Volums  läfst  sich, 
vorerst  wenigstens,  noch  nicht  dadurch  äberflössig  machen, 
dafs  man  die  Volume  gleicher  Gewichte  solcher  Kohlen- 
wasserstoffe auf  das  des  Benzols  als  Einheit  bezieht^  wie 
diefs Louguinine  that.  Möge  die  versprochene  Fortsetzung 
seiner  Arbeit  Materialien  zur  Entscheidung  der  Frage  geben, 
ob  wirklich,  wie  diefs  aus  meinen  Untersuchungen  zu  folgern 
ist,  die  spec.  Volume  der  isomeren  Kohlenwasserstoffe  bei 
den  Siedepunkten  derselben  gleich  grofs  sind. 


üeber  die  Siedepunkte  der  Kohlenwasserstoffe 

von  Hermann  Kopp. 


Ich  habe  in  dem  Vorhergehenden  wiederholt  einer 
gewissen  Regelmäfsigkeit  in  dem  Steigen  des  Siedepunktes 
bei  dem  Aufwärtsgehen  in  der  Reihe  GnH^n^e  erwähnt;  ich 
will  bezuglich  dieser  Regelmäfsigkeit  noch  einige  erläuternde 
and  frühere  Auffassungen  dieses  Gegenstandes  berichtigende 
Bemerkungen  beifugen. 

Die  schönen  Arbeiten  über  die  Kohlenwasserstoffe  GJÜin^B, 
mit  welchen  uns  die  letzten  Jahre  bekannt  werden  liefsen, 


316  Kopp,  über  tue  Siedepunkte 

haben  die  ExistenE  isomerer  Verbindungen  der  ein/achsten 
Art,  nur  aus  zwei  Elementen  bestehender,  aufser  Zweifel 
gesetzt.  Sie  haben  gezeigt,  dafs  für  Verbindungen,  welche 
früher  als  in  der  Beziehung  wahrer  Homologie  zu  einander 
stehend  betrachtet  wurden,  diese  Beziehung  streng  genom- 
men so  nicht  existire;  aber  sie  haben  dafür  auch  Reihen 
wirklich  homologer  Verbindungen  kennen  gelehrt,  der^n 
Glieder  gröfstentheils  früher  unbekannt,  mindestens  bezüglich 
ihrer  Constitution  unerkannt  waren. 

In  welchem  Zusammenhange  die  Siedepunkte  dieser  Koh- 
lenwasserstoffe mit  den  Formeln  derselben  stehen,  ist  mehr- 
fach der  Gegenstand  von  Betrachtungen  gewesen.  Dem  frühe- 
ren Stand  unserer  Kenntnisse  über  die  Natur  dieser  Kohlen- 
wasserstoffe entsprechend  hatte  ich  vor  löngerer  Zeit  *)  für 
die  Betrachtung  der  Siedepunkte  Benzol,  Toluol,  Xylo],  Cumol 
und  Cymol  in  Eine  Reihe  zusammengestellt^  in  welcher  der 
Formeldifferenz  n  Gü^  eine  Siedepunktsdifferenz  von  n .  22,5^ 
etwa  zu  entsprechen  schien;  namentlich  schienen  Angaben 
von  Church**),  welche  sich  spiter  als  ungenau  erwiesen, 
diese  Siedepunktsdifferenz  für  jene  Zusammensetzungsdifferenz 
zu  ergeben.  Die  neueren  Untersuchungen  haben  sie  —  unter 
gleichzeitigem  Nachweis,  in  welcher  Beziehung. der  Consti- 
«tution  diese  Kohlenwasserstoffe  unter  einander  stehen  — 
gröfser  ergeben.  Beilstein  *^'^)  fand  sie  zwischen  Benzol 
u.  Toluol  und  Toluol  u.  Xylol  29  bis  28^.  Fittig  und 
Glinzerf)  haben,  nach  genauer  Erkenntnifs  der  Beziehun- 
gen der  Constitution  der  Kohlenwasserstoffe,  die  Reihe 


•)  Ann.  Chem.  Phann.  XCVI,  29  (1866). 

^)  Phil.  Mag.  [4]  IX,  266;  Jahresber.  f.  Chemie  a.  s.  w.  fflr  1856, 
8.  634. 

•••)  Ann.  Chem.  Phann.  CXXXIII,  87  (1865). 

t)  DasulbBt  CXXXVI,  817  (1866). 


der  Kohlenmaster  Stoffe  Gnftn— »• 


317 


Siedepunkt 


82° 
111 
189 
166 


Die   Be- 


Benzol GeH« 

Methylbenzol  (Tolaol)  GeHg(GH8) 

Dimethylbenzol  (Xylol)  GeH4(GH8), 

Trimethylbenaol  (Cumol)  QJI^J^(^^^^ 

hingestellt,  welche  grofse  Regelmäfsigkeit  zeigt, 
trachtung,  wie  der  Siedepunkt  bei  Zunahme  der  Formel  um 
nGHs  steigt,  wurde  dadurch  etwas  complicirter,  dafs  isomere 
Kohlenwasserstoffe  von  verschiedenen  Siedepunkten  bekannt 
worden;  der  Erkenntnifs  der  verschiedenen  Constitution  der- 
selben trug  Kekule  Rechnung*)  :  „Die  Siedepunkte  der 
Kohlenwasserstoffe  GQH2n-6  zeigen,  obgleich  unsere  Kenntnisse 
über  diese  Körper  noch  sehr  mangelhaft  sind,  schon  jetzt 
bemerkenswerthe  Regelmafsigkeiten  ^  die  leicht  aus  folgender 
Tabelle  ersichtlich  sind  : 


lAt  H 
ersetzt 

2At.  H 
ersetzt 

8At.  H 
ersetzt 

4At.  H 
ersetzt 

82« 

ۀ(GHa) 
111» 

GeH,(GH,), 
189<> 

GeHg(GH3)8 
166° 

GeU8(GH3)4 
198»? 

^eHftCGjHj) 
138« 

'GeH,(GH8)(G,H,) 
I59<» 

G.H3(GH3),(G,H5) 

1840 

GeH5(G,H,) 
168<> 

GeH4{GH3)(G,H,) 
1770 

196« 

\ 

„Man  sieht  leicht,  dafs  in  der  oberen  Horizontalreihe 
einer  Zusammensetzungsdifferenz  von  GH2  eine  Siedepunkts- 
differenz von  25  bis  29^  entspricht.  Jedes  eintretende  Methyl 
erhöht  also  den  Siedepunkt  um  etwa  27^^ 


*)  Lehrbuch  d.  organ.  Chem.  II,  524  (1866). 


318  Kopp,  über  die  Siedepunkte 

^Man  bemerkt  ferner,  dafs  in  den  Verticalreihen  die 
Siedepunkte  weniger  rasch  steigen;  die  Siedepanktsdifferenz 
ist  hier  annähernd  gleich  19  bis  20^.  Sie  ist  also  etwa  eben 
so  grofs  wie  in  der  Reihe  der  einatomigen  Alkohole  oder 
der  fetten  Säuren,  deren  Homologie  auf  derselben  Ursache 
beruht.* 

„Aus  beiden  Betrachtungen  ergiebt  sich  dann  direct, 
dafs  isomere  Kohlenwasserstoffe  €QH2n~»  verschiedene  Siede- 
punkte besitzen.  So  siedet  das  Dimethylbenzol  (Xylol)  um 
6^  höher  als  das  isomere  Aethylbenzol ;  ebenso  ist  der  Siede- 
punkt des  Methylathylbenzols  6^  höher  als  der  des  isomeren 
Propylbenzols  (Cumols)." 

Die  Zahl  der  hierhergehörigen  Kohlenwasserstoffe  hat 
sich  jetzt  vergröEsert.  Bezüglich  des  bei  ihrer  Vergleichung 
in  Betracht  zu  Ziehenden  scheint  mir  Etwas  Wesentliches 
mehr  Berücksichtigung  zu  verdienen,  als  ihm  bisher  zuge- 
wendet wurde.  Die  folgenden  Zeilen  sollen  das  über  die 
Regelmäfsigkeiten  in  den  Siedepunkten  der  Kohlenwasserstoffe 
€nH2n-6  bcroits  Ausgesprochene  nach  beiden  Richtungen 
etwas  ergänzen. 

Derselben  Formeldifferenz  entspricht  bekanntlich  nicht 
immer  dieselbe  Siedepunktsdifferenz ,  sondern  nur  bei  ähnlich 
constituirten  Körpern.  Wenn  Wasser  durch  Eintreten  von 
GgHs  an  die  Stelle  von  H  in  Alkohol  und  wenn  dieser  durch 
gleiche  Veränderung  der  Formel  in  Aether  umgewandelt  wird, 
sind  die  derselben  Aenderung  der  Formeln  entsprechenden 
Siedepunktsdifferenzen  ganz  ungleich.  Eben  so  wenig  er- 
warten wir  Regelmäfsigkeiten  in  den  Siedepunktsdifferenzen 
für  eine  bestimmte  Formeldifferenz  nGHg,  wie  sich  solche 
Regelmäfsigkeiten  bei  wirklich  homologen  Körpern  zeigen, 
zu  finden  bei  der  Vergleichung  eines  Alkohols  und  eines 
Aethers,  beide  GnHsn+sO,  oder  eines  Aldehyds  und  eines 
Acetons,  beide  GnHsnO,  oder  einer  Säure  und  eines  Aethers, 


der  Kohtentöassersioffe  6nHan~6-  319 

beide  GnHsnOs,  u.  s.  w.  Aber  wenn  in  diesen  Fällen  der 
ganz  verschiedene  chemische  Character  der  ungleich  con- 
stituirten  Verbindungen  sofort  davon  abhielt,  bei  ihrer  Ver- 
gleichung  Siedepunktsregelmäfsigkeiten  in  solcher  Weise  zu 
erwarten,  wie  sie  sich  bei  der  Yergleichung  chemisch  ähn- 
lich constituirter  Substanzen  vielfach  zeigen,  so  giebt  es 
andere  Falle,  in  welchen  ein  Irrthum  bezüglich  dessen,  was 
man  bei  solchen  Yergleichungen  erwarten  dürfe,  naher  lag : 
solche  Falle  nämlich,  wo  der  chemische  Character  ungleich 
constituirter  Verbindungen  weniger  auffallend  verschieden  ist. 
Ich  erinnere  daran,  wie  häufig  früher  flüchtige  Basen  ganz 
im  Allgemeinen  nach  ihren  Formeln,  ohne  Rücksicht  auf  ihre 
Constitution,  bezüglich  ihrer  Siedepunkte  verglichen  wurden, 
und  welche  Widersprüche  sich  da  ergaben ;  während  bei 
der  Vergleichung  der  einfach -substituirten  Ammoniake  unter 
sich,  dann  der  zweifach-!,  endlich  der  dreifach -substituirten 
unter  sich  solche  Widersprüche  zurücktraten  uiid  Regel- 
mäfsigkeiten  sich  da  erkennen  liefsen,  von  welchen  bei  der 
Vergleichung  von  Basen,  die  verschiedenen  Klassen  ange- 
hören, sich  Nichts  zeigte  *). 

Wie  der  gemeinsame  basische  Character  so  verschieden 
constituirter  chemischer  Verbindungen,  wie  es  die  einfach-, 
die  zweifach-  und  die  dreifach-substituirten  Ammoniake  sind, 
sie  früher  mit  Unrecht  unter  einander  bezüglich  der  Bezie- 
hung der  Siedepunktsdifferenzen  zu  den  Formeldifferenzen 
vergleicheA  liefs,  so  hat  auch  die  gro&e  Aehnlichkeit  des 
chemischen  Characters  des  Benzols  und  der  Verbindungen, 
welche  sich  von  ihm  durch  Ersetzung  von  1 ,  2,  3  . . .  At. 
Wasserstoff  durch  1,  2,  3  . . .  At.  Alkoholradical  GnHgQ^i 
ableiten,  zur  Vergleichung  dieser  Verbindungen  unter  ein- 


*)  TgL  Ann.  Chom.  Pharm.  XCVI,  24  (1865);  Handwörterbuoh  der 
Chemie  VII,  877  (1859). 


ä2Ö  Kopp,  über  die  Siedepunkte 

ander  Anlafs  gegeben.  Aber  der  chemische  Character  dieser 
verschiedenen  Verbindungen  ist,  wenn  auch  ein  ähnlicher, 
nicht  derselbe;  und  es  gehört  zu  den  schönsten  Resultaten 
der  neueren  Untersuchungen  auf  dem  Gebiete  der  organi- 
schen Chemie,  wie  die  Verschiedenheit  des  chemischen 
Characters  dieser  Verbindungen^  d.  i.  die  Ungleichartigkeit 
ihres  Verhaltens  bei  gewissen  chemischen  Veränderungen 
nachgewiesen  worden  ist. 

Die  Erkenntnifs,  dafs  bei  chemisch  ähnlich  constituurten 
Körpern  aus  derselben  Reihe  gleicher  Formeldifferenz  gleiche 
Siedepunktsdifferenz  entspricht,  fordert  also  nicht,  dafs  für 
dieselbe  Formeldifferenz,  GH^,  die  Differenz  der  Siede- 
punkte von  Benzol  und  Toluol^  Toluol  und  Xylol,  Xylol  und 
Cumol  gleich  seien;  und  wenn  diese  Differenzen  auch  unter 
sich  nahezu  gleich  gefunden  worden  sind ,  so  berechtigt  diefs 
nicht  zu  der  Erwartung,  diefs  müsse  sich  för  das  Cumol 
€6Hs(€Hs)3  und  die  noch  nicht  dargestellte  Verbindung 
€6Hs(tHs)4  auch  noch  zeigen;  der  Siedepunkt  der  letzteren 
Verbindung  kann  von  dem  nach  dieser  Erwartung  (vgl. 
S.  317)  vorausgesehenen  (193^)  ganz  verschieden  sein,  ohne 
dafs  diefs  die  Richtigkeit  jener  Erkenntnifs  beeinträchtigt 
Die  annähernde  Gleichheit  der  Differenzen  zwischen  den  Siede- 
punkten von  GßHe ,  GeHjCGHs) ,  €«H4(GH3)2 ,  e6Hs(GH3)3 
erscheint  jetzt  für  die  Kenntnifs  der  Abhängigkeit  der  Siede- 
punktsdifferenzen von  den  Fonneldifferenzen  als  Etwas  von 
ihr  nicht  Vorauszusehendes  und  insofern  als  btwas  Zu- 
fälliges ;  sie  findet  sich  auch  nicht  wieder  für  die  Differenzen 
der  Siedepunkte  von  GeHe ,  G6H5(G2H5) ,  G6H4(GsH6)9  und 
wird  sich  auch  nicht  wiederfinden  für  die  Differenzen  der 
Siedepunkte  von  GeHe,  G6H5(G3H7),  GeHACGsH?))  ...  Sie 
ist  Etwas  Zufälliges  in  demselben  Sinne,  wie  die  Gleichheit 
der  Siedepunktsdifferenzen  für  Wasser,  Essigsäure  und  Essig- 
säureanhydrid (H2O  100^      HCGjHsO)^  119«;     (GjHsG)äie 


der  Kohlenwastserstoffe  GqHsq.«-  321 

138°).  welche  Gleichheit  sich  auch  nicht  wiederfindet  für 
die  Differenzen  der  Siedepunkte  von  H^O^  {((GsH^G)^, 
(€sH60),G  oder  H^G,  H(G4H7G)G,  (G4H7G)2G  u.s.w. 
Es  ist  von  Wichtigkeit,  solche  bis  jetzt  noch  als  zufällige 
erscheinende  gleiche  Siedepunktsdifferenzen  nicht  mit  denen 
zu  vermengen,  welche  als  gleiche  durch  die  Gleichheit  der 
Formeldifferenzen  bei  gleichem  chemischem  Character  der 
Verbindungen  wesentlich  bedingt  sind. 

Für  das  Vorhergehende  wie  für  einige  noch  folgende 
Bemerkungen  ist  es  zweckmäfsig,  die  Uebersicht  der  Siede- 
punkte der  Kohlenwasserstoffe  ^aHsn.e  von  genauer  be- 
kannter Constitution,  so  wie  sie  K  e  k  u  1  e  gab ,  etwas  abzu- 
ändern und  zu  vervollständigen.  Die  mir  für  das  Benzol 
und  die  von  ihm  durch  Substitution  normaler  Alkoholradicale 
GBHsn4.i  an  die  Stelle  von  1,  2  und  3  At.  Wasserstoff  sich 
ableitenden  Kohlenwasserstoffe  bekannten  Siedepunkte  sind 
10  der  S.  323  befindlichen  Tabelle  enthalten. 

Autoiit&ten  für  die  in  der  nachstehenden  Tabelle  als  beobachtet 
Angegebenen  Siedepunkte  sind  (es  ist  nicht  nöthig,  noch  mehr  Beobaoh- 
tangen  ancnfOhren)  : 

ßeühol  QJEL^,  Frennd  (Ann.  Chem.  Pharm.  CXX,  77  nnd  81) 
82^  für  Benzol  aus  Benzoftsäare  und  für  das  aus  Benzol- 
schwefelsfture  abgeschiedene.  Beilstein  (Ann.  Chem. Pharm. 
CXXXIII,  87)  82^^  für  Benzol  aus  Steinkohlentheer.  M aus- 
fiel d  (Ann.  Chem.  Pharm.  LXIX,  174)  :  zwischen  80  und 
81^  für  Benzol  aus  Steinkohlentheer  und  solches  aus  Benzoft- 
sfture.  Kopp  (Pogg.  Ann.  LXXII,  240)  80,4^  ganz  constant 
für  Benzol  aus  BensoSsäure. 

ToUmI  €sH5(eHa).  Wilbrand  und  Beilstein  (Ann.  Chem. 
Pharm.  CXXVIII,  259),  H.  Müller  (Zeitschr.  f.  Chem.  1864, 
162),  Tollen  8  und  Fittig  (Ann.  Chem.  Pharm.  CXXXI, 
820)  111  bis  112*  für  Toluol  aus  Steinkohlentheer.  Tollens 
und  Fittig  (Ann.  Chem.  Pharm.  CXXXI,  806)  111<^  für  syn- 
thetisch dargestelltes  einfach-methylirtes  Benzol. 

Aeikylbtniol  QJ^tü^^n;),  Tollens  und  Fittig  (Ann.  Chem.  Pharm. 
CXXXI,  810)  138^  Fittig  (Göttinger  Nachrichten  1866,204) 
185*  als  richtiger  für  synthetisch   dargestelltes  Aethylbenzol. 

Cmiwi  aui  CwHinsdure  G^Bi{GiHj).  Gerhardt  (Ann.  chim.  phys. 
[8]  XIY,   111)  158*,   Fittig   (Ann.  Chem.  Pharm.  CXXXVI, 

AnD»l.  d.  Chem.  u.  Pharni.  V.  Supptemeutbd.  3.  H«ft.  21 


323  Kopp,  über  die  Siedepunkte 

818)  151  bis  162^.  Darüber ,  daf»  dieses  Cumol  wahrscheinlioii 
die  angegebene  Constitution  babe,  vgl.  Fittig  inAnn.  Cbem. 
Pharm.  CXXXVI,  819  u.  Kekal^*8  Lehrb.  d.  org.  Ghem. II, 528. 

Amylbeniol  GJägüG^Hn).  ToUens  und  Fittig  (Ann.  Cbem.  Pbarm. 
CXXXI,  818;  Tgl.  daselbst  CXLI,  160)  198<>  für  synthetisoh 
dargestelltes. 

Xylol  GeH^CeHg),.  H.  Müller  (Zeitsohr.  f.  Chem.  1864,  161)  140<^ 
für  Xylol  aus  Steinkohlentheer ;  Beilstein  (Ann.  Chem. 
Pbarm.  CXXXni,  86)  189<>  für  aus  Xylolscbwefelsäure  abge- 
schiedenes. Fittig  (Ann.  Chem.  Pharm.  CXXXIII,  47)  189^ 
Fittig  u.  Glinzer  (CXXXVI,  308)  139  bis  140^  für  ein- 
fach-methylirtes  Toluol  o.  zweifach-metfaylirtes  Benzol.  Uebex 
gewisse  Verschiedenheiten  der  in  beiderlei  Art  erhaltenen 
Kohlenwasserstoffe  vgl.  Fittig  (Nachrichten  y.  d.  K.  Gesellsoh. 
d.  Wissensch.  u.  s.  w.  zu  Oöttingen  1867,  865,  869). 

Aeihyltolml  60^4(6 H,)(€8H5).  Glinzer  und  Fittig  (Ann.  Chem. 
Pharm.  CXXXVI,  312)  159  bis  160<>  für  synthetisch  dargestelltes. 

Cymol  OeH4(CH,Xe8H7).  Für  Cymol  ans  Bömisch-KümmelSl  Ger- 
hardt und  Cahours  (Ann.  Chem.  Pharm.  XXXVIII,  846) 
175<^,  Kopp  (daselbst  XCIV,  819)  176,5<',  Louguinine 
(YgL  S.  299  dieses  Bandes)  175  bis  176<^;  Kekul^  (Lehrb. 
d.  organ.  Chem.  U,  541)  giebt  175  bis  178^  an.  Für  Cymol 
aus  Campher  Delalande  (Ann.  Chem.  Pharm.  XXX Vm, 
848)175^Lougoinine  u.  Lipp mann  (8. 260  dieses  Bandes) 
175  bis  178<',  Louguinine  (S.  300  dieses  Bandes)  174  bis 
1750  ;  KekuU  giebt  (a.  a.  O.)  177  bis  179^  an.  Ueber  die  Con- 
stitution des  Cymols  aus  Bömisch - KÜmmelöl  ygl.  Fittig 
in  Ann.  Chem.  Pharm.  CXXXVI,  319  und  KekuU's  Lehrb. 
d.  org.  Chem.  II,  528  f. ;  über  die  Identität  beider  Cymole 
Fittig  in  Zeitschr.  f.  Chem.  1867,  106, 

DitUhfiben*ol  GJ^i^iGfi^)^,  Fittig  (GSttinger  Nachrichten  1866, 
205)  178  bis  179<>  für  synthetisch  dargestelltes. 

Amyltoluol  GJ^{GHt)(Giüu)-  Bigot  und  Fittig  (Ann.  Chem. 
Pharm.  CXLI,  168)  2130  für  synthetisch  dargestelltes. 

Cumol  aus  Stemkohieniheer  G^HtiGUt)^.  Beilstein  (Zeitschr.  f. 
Chem.  1865,277)  166^  Beilstein  und  Kögler  (Ann.  Chem. 
Pharm.  CXXXVII,  822)  I660.  Ernst  u.  Fittig  (Ann.  Chem. 
Pharm.  CXXXIX,  186  f.)  165  bis  I660  für  synthetisch  dar- 
gestelltes  Methylzylol. 

Aethylofylol  GsB^iGHMßfii)'  Ernst  und  Fittig  (Ann.  Chem. 
Pharm.  CXXXIX,  193)  188  bis  1840  für  synthetisch  dar- 
gestelltes. 

Amyhyhl  G^U^Güt)t(9fiii)'  Bigot  und  Fittig  (Ann.  Chem. 
Pharm.  CXLI,  169)  282  bis  238o  für  synthetisch  dargestelltes. 


der  Kotdenwaaaeratoffe  fioHjn-e« 


323 


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9A  * 


324  Kopp^  über  die  Siedepunkte 

Innerhalb  jeder  einzelnen  Verticalreihe  sind  die  beob« 
achteten  Siedepunkte  damit  in  Ueb^reinstimmung,  dafs  gleichen 
Formeldifferenzen  gleiche  Siedepunktsdifferenzen  entsprechen. 
Die  als  berechnete  gegebenen  Siedepunkte  sind  aUs  jedem 
ersten  und  dem  letzten  Glied  einer  solchen  Reihe,  für  wel- 
ches eine  Siedepunhtsbeobachtung  noch  vorliegt,  unter  dieser 
Voraussetzung  abgeleitet.  Der  Formeldifferenz  nGHs  ent- 
spricht in  der  Columne  B  eine  Siedepunktsdiflferenz  von 
n  X  20,50,  in  C  von  n  X  18,5o,  in  D  von  n  x  16,5<*. 
Ich  sehe  diese  Differenzen  noch  nicht  als  genau  festgestellte 
an;  Fit t ig,  welchem  man  fast  alle  hier  in  Betracht  kom- 
mende Beobachtungen  verdankt,  sagt  in  einer  seiner  neueren 
Abhandlungen  *),  dafs  alle  in  der  da  mitgetheilten  und  in  den 
früheren  Untersuchungen  angegebenen  Siedepunkte  nicht 
corrigirt  sind,  indessen  alle  mit*  demselben  Thermometer  be- 
stimmt wurden,  welches  sich  bei  wiederholter  Prüfung  als 
sehr  genau  erwies.  Spatere  Berücksichtigungen  der  Correc- 
tion,  welche  für  den  aus  dem  Siedegefafs  herausragenden 
Theil  des  Quecksilberfadens  des  Thermometers  nöthig  ist, 
werden  die  höheren  Siedepunkte  zunehmend  noch  etwas  hö- 
her, die  Siedepunktsdifferenzen  etwas  gröfser  sich  ergeben 
lassen.  Aber  die  Vergleichbarkeit  dieser  Siedepunktsbe- 
obachtungen für  die  jetzt  uns  beschäftigende  Frage  leidet 
darunter  nicht,  und  die  Regelmäfsigkeit  der  Aenderung  des 
Siedepunktes  m  jeder  VerücaUGolumne  scheint  mir  aufser 
Zweifel  zu  stehen. 

Ich  habe  schon  bemerkt,  dafs  eine  Vergleichung  der 
Siedepunkte  in  schiefer  Richtung  (für  Aa,  Bb,  Cc,  Dd,  oder 
für  Aa,  Bc,  Ce  u.  s.  w.)  jetzt  a  priori  als  unstatthaft  er- 
scheint,  und  sie  giebt  auch  in  der  That  im  Allgemeinen  für 


*)    Ann.  Chem.  Pharm    CXLI,  160  (1867). 


der  KoMenwas^er Stoffe  GnHgn.^.  325 

dieselbe  Formeldifferenz  GH»  nicht  gleiche  Siedepnnktsdiffe- 
ranzen;  diefs  mufs  der  Fall  sein,  schon  deshalb^  weil  in  den 
verschiedenen  Vertical-Columnen  die  dieser  Formeldifferenz 
entsprechenden  Siedepunktsdifferenzen  verschieden  grofs  sind. 
Auch  die  Ansicht,  dafs  isomere  Kohlenwasserstoffe 
GnH2n~6  allgemein  verschiedene  Siedepunkte  besitzen ,  ist 
nicht  richtig.  Zunächst  werden  analog  constituirte  (derselben 
Vertical-Coiumne  zugehörige)  Kohlenwasserstoffe,  für  welche 
die  Summen  der  Formeln  der,  der  Zahl  nach  gleichen  sub- 
stituirenden  Alkoholradicale  gleich  sind,  denselben  Siede« 
punkt  haben.  Ebenso ,  wie  für  Methylpropyläther  und  für 
Aethyl-  (richtiger  Diäthyl-)  ather  oder  für  Methylpropyl- 
amin  und  Didthylamin  derselbe  Siedepunkt  zu  erwarten  ist. 
Die  Beobachtungen    habto    auch   denselben   Siedepunkt  er* 

geben  für  solche  isomere  Kohlenwasserstoffe  :  für  GtfHil^'Jl 

und€6H4{^^„^.  —  Ganz  nahe  derselbe  Siedepunkt  kann  aber 

auch,  nicht  als  ein  wesentlich  sondern  mehr  als  ein  zufällig 
gleicher,  isomeren  Kohlenwasserstoffen  von  ungleicher  Con- 
stitution zukommen  :  wenn  nämlich  ihrer  Molecularformel 
nahezu  die  Stelle  entspricht,  wo  sich  —  wenn  man  für  die 
Formeln  oder  Atomgewichte  als  Abscissen  die  Siedepunkte 
als  Ordinalen  auftragt  und  die  für  Verbindungen  von  der- 
selben Constitution  geltenden  Siedepunkte  durch  (gerade) 
Linien  verbindet  —  ungleich  gegen  die  Abscissen- Axe  ge- 
neigte Siedepunktslinien  schneiden;  Beispiele  hierfür  giebt 
die  Betrachtung  der  für  Bg  und  Cg  oder  der  für  Ch  und  Dh 
angegebenen  Siedepunkte  ab. 

Aber  in  anderen  Horizontal-Reihen  der  Tabelle  S.  323 
zeigen  die  Siedepunkte  der  isomeren  Kohlenwasserstoffe  grö- 
fsere  Verschiedenheit,  und  gewifs  ist,  dafs  Diefs  zur  Unter- 
scheidung solcher  Kohlenwasserstoffe  von  ungleicher  Con- 
stitution  dienen  kann.    Der  Lösung   der  Aufgabe  :  aus  der 


326  Kopp^  über  die  Siedepunkte 

Molecularformel  ond  dem  Siedepunkt  eines  soleben  Kohlen- 
wasserstoffs auf  seine  Constitution  zu  schliefsen  '—  ob  er  ein 
1  fach-  oder  ein  2  fach-  oder  ein  3  fach-substituirtes  Ben- 
zol sei  —,  stehen  jedoch  noch  Hindernisse  entgegen ,  deren 
hier  zu  erwähnen  ist. 

Eine  geringere  Schwierigkeit  erwächst  wohl  daraus,  dafs 
vielleicht  bei  Ersetzung  von  Wasserstoff  im  Benzol  durch 
dieselben  Alkoholradicale ,  je  nach  der  Stelle  wo  diese  Er- 
setzung erfolgt,  auch  bezüglich  des  Siedepunktes  etwas  ver- 
schiedene Derivate  entstehen  können.  Eine  merkliche  Ver- 
schiedenheit der  Siedepunkte  ist  för  den  Fall  von  Isomerie, 
welcher  als  hierauf  beruhend  betrachtet  worden  ist*),  nicht 
wahrgenommen  worden. 

Eine  ernstlichere  Schwierigkeit  erwächst  aber  daraus, 
dafs  wir  jetzt  aufser  mit  den,  bisher  ausschliefslich  betrach- 
teten ,  s.  g.  normalen  Alkoholradicalen  auch  mit  isomeren, 
den  s.  g.  Pseudo-  oder  Iso- Alkoholradicalen  bekannt  sind. 
Je  nachdem  die  letzteren  oder  die  ersteren  Radicale  mit 
anderen  Körpern  vereinigt  sind,  entstehen  isomere,  d§m 
chemischen  Verhalten,  aber  namentlich  auch  dem  Siedepunkt 
nach  verschiedene  Verbindungen.  Dafs  die  Pseudopropyl- 
oder  Isopropyl*Verbindungen  niedriger  sieden  als  die  iso- 
meren Verbindungen  des  normalen  Propyls,  dafs  die  Pseudo* 
amyl-  oder  Isoamyl-Verbindungen  niedriger  sieden  als  die 
isomeren  Verbindungen  des  normalen  Amyls,  ist  bekannt. 
Wenn  für  die  einfach-substituirten  Ammoniake  das  Amyl- 
amin  (Siedep.  94^)  sich  mit  den  anderen,  'ihm  homologen 
Basen  in   eine  auch  den  Siedepunkten  nach  Regelmifsigkeit 


*)  VgL  Ernst  und  Fittig  in  Ann.  Chem.  Pharm.  CXXXIX, 
189  f.  bezüglich  der  Ursache  der  geringen  Verschiedenheiten, 
welche  das  synthetisch  dargestellte  Methyltolnol  im  Vergleich 
vom  Xylol  des  Steinkohlentheers  zeigt. 


der  Kohlenwasserstoffe  GaHen-e«  327 

zeigende  Reihe  stellt,  dürfen  wir  diefs,  bei  Einschaltung  in 
dieselbe  Reihe,  nicht  mehr  erwarten  für  das  Isoamylamin, 
dessen  Siedepunkt  (78,5^)  dem  des  normalen  Butylamins  (69^) 
Riher  liegt  als  dem  des  normalen  Amylamins.  Auch  im 
Benzol  werden  Wasserstoffatome  durch  Iso-  oder  Pseudo- 
Alkoholradicale  ersetzbar  sein,  und  für  die  Erkenntnifs  der 
Constitution  solcher  Verbindungen  geben  die  in  der  Tabelle 
S.  323  als  berechnete  angegebenen  Siedetemperaturen  keine 
directen  Anhaltspunkte;  die  Siedetemperaturen  dieser  Ver- 
bindungen werden  niedriger  liegen,  als  die  der  in  der  Tabelle 
aufgeführten  Verbindungen  von  gleicher  Holecularformel  und 
gleicher  Constitution. 

Es  lafst  sich  hiernach  erwarten,  dafs  Kohlenwasserstoffe 
eiistiren,  deren  Siedepunkte  so  von  den  in  der  obigen  Ta- 
belle angegebenen  abweichen,  dafs  die  Betrachtung,  ob  sie 
überhaupt  oder  nur  normale  Alkoholradicale  enthalten,  damit 
näher  gerückt  wird.    In  der  That  haben  Louguinine  und 

Lip  p  m  a  n  n  *)  durch  Einwirkung  von  Chlorobenzol  €eH5{€Cl8H 
auf  Zinkathyl  einen  bei  i75  bis  180^  siedenden  Kohlenwas- 
serstoff GnHie  =  66H5{€(G8H5)8H  erhalten,  welchen  sie  als 
diathylirtes  Toluol  bezeichnen;  sie  heben  selbst  die  Differenz 
der  Siedepunkte  dieser  Verbindung  und  des  isomeren  Amyl- 

benzols  G6H5{G5Hn  (193^)  hervor  und  schliefsen^  dafs  die 
Constitution  des  in  ihrem  Kohlenwasserstoff  enthaltenen  Ra- 
dicals  von  der  des  gewöhnlichen  Amyls  verschieden  sei.  — 
Ich  kann  gerade^  jetzt  noch  ein  anderes  Beispiel  zufügen. 
Nach  einer  Mittheilung  Fittig's**)  ist  unter  den  Producten 
der  Zersetzung  des  Camphers  durch  schmelzendes  Chlorzink 


•)  Compt.  rend.  LXV,  349. 

"*)  Zeitflchr.  f.  Chemie  1867,  106. 


328  Kopp,  über  die  Siedep,  d.  Kohienwasseretoffe  GoHsn—«. 

aoch  ein  Kohlenwasserstoff  GnHie,  welcher  bei  186  bis  187® 
siedet;  nach  der  ausfuhrlicheren  Abhandlung  von  Pitt  ig, 
Köbrich  und  Jilke  über  die  Zersetzung  des  Camphers 
durch  schmelzendes  Chlorzink*)  siedet  dieser,  als  Laurol 
benannte  Kohlenwasserstoff  nahezu  conslant  bei  188®  und 
kommt  ihm,  nach   der  Untersuchung  seiner  Umwandlungs- 

producte,   die  Constitution  OeHsjOH,   zu.    Für  einen  solchen 

Kohlenwasserstoff  wäre,  wenn  er  normales  Propyl  enthielte, 
der  Siedepunkt  199®  zu  erwarten ;  ein  dreifach-substituirtes 
Benzol  von  dieser  Formel,  welches  bei  188®  siedet,  kann 
hiernach  wohl  nicht  normales  Propyl  enthalten. 

Recht  complicirt  wird  also  die  Betrachtung,  wie  die 
Siedepunkte  der  Kohlenwasserstoffe  GoH^n-e  von  der  Zu- 
sammensetzung derselben  abhängen ;  namentlich  im  Vergleich 
zu  der  Einfuchheit  der  Betrachtung,  wie  sie  früher  als  zu- 
lässig erschien.  Aber  es  ist  zu  beachten,  dafs  diefs  auf  der 
weiter  vorgeschrittenen  Erkenntnifs  der  Complication  des 
bedingenden  Umstandes,  auf  der  Erkenntnifs  so  zahlreicher 
Isomerieen  beruht,  und  dafs  mit  dieser  Erkenntnifs  das  Statt- 
haben der  Siedepunktsregeimäfsigkeiten  nur  bestätigt  wird 
und  Fälle,  welche  früher  als  diese  Regelmäfsigkeiten  störend 
oder  Ausnahmen  von  ihnen  abgebend  zu  betrachten  gewesen 
wären,  jetzt  ihre  genügende  Erklärung  finden. 


*)  Ann.  Ühem.  Pharm.  CXLV,  129. 


329 

üeber   Aldehydbasen  ; 
von  Hugo  Schiff. 

Vorläufige  Mittheilnng. 


In  dem  Ende  Juni  ausgegebenen  ersten  Hefte  dieses  V.  Sup« 
plementbandes  der  Annalen  hat  Baeyer  einige  Betrachtun- 
gen über  von  dem  Acetaldehyd  abzuleitende  Basen  veröffent- 
licht, welche  mich  zu  den  folgenden  Vorläufigen  Mitlheilungen 
veranlassen. 

Vor  nahezu  drei  Jahren  habe  ich  bereits  (III.  Supple- 
mentbd.  S.  367)  das  Hydrönanthylamid  N^(C^Hi^)'  und  einen 
ähnlichen  Amylkörper  beschrieben  und  auf  eine  Verbindung 
N^(C'H^)'  hingewiesen.  Seit  dieser  Zeit  habe  ich  mich 
mehrfach  mit  der  Zersetzung  des  Aldehyds  durch  Ammoniak 
beschäftigt.  Aldehyd  und  eity  Ueberschufs  weingeistigen 
Ammoniaks,  mehrere  Monate  bei  mittlerer  Temperatur  sich 
selbst  überlassen,  geben  eine  gelbbraune  Flüssigkeit.  Diese 
bei  60  bis  70^  destillirt  giebt  neben  Ammoniak  eine  flüchtige 
Base  vom  Geruch  des  zersetzten  Coniins,  löslich  in  Wasser 
und  von  der  Zusammensetzung  C^H^  oder  C^H^N  (Picolin  ?). 
Der  Rückstand  der  Destillation  ist  harzig ,  giebt  aber  nach 
der  Reinigung  ein  gelbes  Pulver,  welches  sich  in  Wasser 
löst,  lösliche  Salze  und  ein  krystallinisches  Chloroplatinat 
bildet  und  der  Zusammensetzung  N'(C^H^)'  entspricht.  In 
warmem  Wasser  und  besonders  bei  Gegenwart  von  Sauren 
zersetzt  dieser  Körper  sich  leicht  : 

C«H«N*,  2  HCl  +  H«0  =  NH*C1  +  C«H"NO,  HCl. 

Die  Base  C^H"NO  ist  zimmtfarbig,  amorph  und  löslich 
in  Wasser.  Die  Reactionen  und  die  Zusammensetzung  der 
Salze  deuten  an,  dafs  die  Base  kein  Ammoniumhydrat  sei, 
sondern  ein  tertiäres   Monamin.      Man   kann  sie  erzeugen. 


330  Schiffe  über  Aldehydbasen, 

wenn  man  Aldehyd  aAf  Aldehydammoniak  bei  50  bis  60^  in 
weingeistiger  Lösung  auf  einander  einwirken  lafst. 

jC'H^OH  jC*H*.OH 

N^     H         +  2C«H40  =  2H«0  +  N{C'^H» 
l     H  (C*H« 

Bei  Zersetzung  des  Aldehyds  durch  weingeistiges  Am- 
moniak bei  100^  entstehen  noch  zwei  ähnliche  Basen  C'^H^^NO 
und  C^H^^NO,  von  denen  die  letztere  bereits,  von  Heintz 
und  Wislicenus  beobachtet  wurde. 

Von  dem  Hydrönanthylamid  ausgehend  gelangt  man  zur 
Verbindung  Nicm^»       ,   welche  keine  basischen  Eigenschaft 

ten  mehr  besitzt. 

Hierher  gehören  auch  das  Valeralammoniak  und  Tri- 
oxyamyliden  von  Er d mann  : 


C^H^ö  OH 

C»HW.OH 

U 

N. 

.C*H^o.OH. 

H 

C*H*o.OH 

Das  Acrolein  fuhrt  zu  einem  Diamin  : 

jC8H*.0H  |2(C«H*.0H)' 

2N^     H  +2C»H*0  =  2H»0  +  N«^C»H*" 

l     H  lc»H*" 

Diese  Base  ist  den  Basen  aus  Acetaldehyd  sehr  ähnlich, 
weniger  gefärbt,  bildet  schwieriger  Salze,  mit  Leichtigkeit 
aber  ein  Chloroplalinat,  welches  obiger  Formel  entspricht. 

Das  Studium  der  Zersetzung  der  Aldehydammoniake 
mittelst  Schwefelwasserstoff  statt  des  Wassers  fährte  zunächst 
auf  das  Thialdin. 

Gesättigtes  wässeriges  farbloses  Schwefelammonium  giebt 
mit  den  Aldehyden  direct  die  entsprechenden  Thialdine,  und 
ich  darf  wohl  sagen,  dafs  die  Thialdinbildung  ebensovrohl 
zu  dem  allgemeinen  Character  der  Aldehyde  gehört^  wie  die 
Verbindungsfähigkeit  mit  alkalischen  Sulfiten^  oder  wie  die 
von  mir  beschriebene  Bildung  von  Diamidcn  bei  Einwirkung 
der  primären  und  secundären  organischen  Basen. 


Schiff,  über  Aldehydbasen.  331 

Acrothialdtn  C®H^*NS  ist  weifs ,  krystallinisch ,  weniger 
fluchtig  als  Acetothialdin,  der  basische  Character  tritt  weni- 
ger hervor  und  es  eignet  sich  diese  Verbindung  weniger 
noch  als  Acetothialdin  zum  Studium  der  Zersetzungserschei- 
nungen  dieser  Körperklasse. 

Oenanthothialdin  C"fl"NS«  hingegen  ist  (lässig  (0,986 
bei  24^) ,  zwar  nicht  ohne  Zersetzung  destiilirbar,  aber  doch 
von  ausgesprochen  basischem  Character.  Sulfat  und  Chlor- 
hydrat bilden  farblose  Krystalle.  An  dieser  Base  nun  habe 
ich  das  Verhalten  des  Wassers  bei  höherer  Temperatur,  der 
schwefligen  Saure,  des  Jodwasserstoffs,  des  Jods,  des  Jod- 
ithyls^  der  Aldehyde,  des  Chlorphosphors  und  der  Metall- 
oxyde studirt. 

Diese  Beactionen  deuten  darauf  hin.  dafs  die  Thialdine 
tertiäre  Monamine  sind  (Acetothialdin,  A.  W.  Hof  mann, 
1857),  in  welchen  der  Wasserstoff  nicht  durch  ein  einziges 
trivalentes  Radical  ersetzt  ist,  sondern  durch  drei  Radicale, 
welche  den  Schwefel  als  Sulfhydryl  SH  enthalten,  wie  obige 
Äldehydbasen  den  Sauerstoff  als  Oxhydryl  OH.  Die  allge- 
meine Thialdinformel  ist  hiemach  : 

(C»H«.8H  (C'H^.SH 

N^ OH"» .  SH  ,  z.  B.  N^  C^H " .  SH 

|C»H»->  ICH» 

Oenanthothialdin . 

Nicht  alle  Thialdine  haben  basische  Eigenschaften,  Benzo- 
thialdin  z.  B.  ist  indifferent.  Alle  diese  Verbindungen  sind 
Aldehydderivate,  welche  in  gewissem  Sinne  den  Oxyathylen- 
basen  von  Wurtz  analog  sind.  Hierher  gehören  vielleicht 
auch  Carbotbialdin  und  Carbothiacetonin  mit  den  analogen 
Formeln  : 

iC""  (CS 

C»H*.8H  N«^C»H« 

C*HV8H  (2(C»H«.SH)' 

Destillirt  man  die  Thialdine  und  die  sauerstofllialtigen 
Aldehydbasen  mit  Natronkalk,  so  bilden  sich  flässige,  fluch- 


332     Maithiessen  u.  Foster,  über  die  ehem.  Gonstitution 

tige  Basen ,  welche  sich  in  Wasser  lösen ,  alkalische  Reaction 
besitzen  and  zu  den  Anders on'schen  Basen  aus  dem  Kno- 
chenöl  jedenfalls  in  naher  Beziehung  stehen. 


Die  Existenz  aldehydischer  Harnstoffe  habe  ich  bereits 
Bd.  CXL,  li4  der  Annalen  der  Cbem.  u.  Pharm,  angezeigt. 
Mit  weit  gröfserer  Leichtigkeit  als  in  den  Harnstoff  lassen 
sich  die  Aldehydresidua  in  die  substituirten  Harnstoffe  ein- 
rühren, namentlich  in  die  phenylsubstituirten  Carbamide  und 
Sulfocarbamide.    Alle  diese  Verbindungen  sind  krystallinisch. 

Auch  das  Oxamid  erlaubt  den  Eintritt  von  Aldehydresidua, 
weniger  leicht  andere  Saureamide.  Auch  in  diesen  Fallen 
wird  die  Einführung  der  Aldehydresidua  durch  den  vorheri- 
gen Eintritt  eines  Alkoholradicals  wesentlich  erleichtert.  Bit- 
termandelöl z.  B.  wirkt  aus  leicht  zu  begreifenden  Gründen 
nicht  auf  Benzamid  ein ,  wohl  aber  auf  Benzanilid ,  leichter 
noch  auf  Succinanilid. 

Ich  hoffe,  einen  Theil  der  hierher  gehörigen  Unter- 
suchungen noch  im  Laufe  dieses  Jahres  ausführlicher  mit- 
theilen zu  können. 

Florenz,  12.  August  1867. 


Ueber  die  chemische  Constitution   des  Nar- 

cotins  und  seiner  Zersetzungsproducte ; 

von  A.  Matthiessen  und  G.  C.  Fester^). 


In  der  hier  auszugsweise  zu  besprechenden  Fortsetzung 
unserer  Arbeit**)  sind  die  folgenden  Reactionen  untersucht 
worden  : 


*)  Proceedings  of  the  London  Royal  dociety  XVI,  89. 

**)  Frühere  Mittheilungen  Tgl.  Ann.  Chem.  Pharm.  6appl.-Bd.  I,  330 
and  Sappl.-Bd.  U,  377.  D.  R, 


des  Narcottns  und  setner  Zei'setzungsproducte,        333 

1)    Einwirkung   der  Ghlorwasserstoff'^   und  der  Jodwasser^^ 

Stoff  säure  auf  Opiansäure. 

Wenn  concentrirte  Chlorwasserstoff-  oder  Jodwasser* 
stoffsaure  eine  Zeit  lang  bei  iOO^  auf  Opiansäure  einwirkt, 
so  wird  Methylchlorür  oder  Methyljodur  entwickelt  und  eine 
neue  Säure  gebildet  : 

•       *  ?ioHio^6  +  HCl  =  e^HaOft  +  eHjCl. 

Wir  schlagen  für  diese  neue  Säure  die  Bezeichnung 
Metloflnaropiansäure  vor,  da  sie  zwischen  der  Opiansäure 
and  der  normalen  Opiansäure  intermediär  ist  : 

Normale  Opiansäure OgH^^« 

MetbylDoropianBäare GgH^^^ 

Opiansäare  oder  Dimethylnoropiansäare    €lioHio^s 

Die  neue  Säure  ist  löslich  in  kaltem  Wasser,  aber  noch 
viel  löslicher  in  heifsem,  aus  welcher  Lösung  sie  bei  dem 
Abkühlen  derselben  mit  27^  Mol.  Wasser  krystallisirt.  Wie 
Hypogallussäure  giebt  sie  mit  Eisenchlorid  eine  dunkelblaue 
Färbung,  aber  auf  Zusatz  von  überschüssigem  Ammoniak 
entsteht  eine  hellrothe  Lösung,  wonach  die  blaue  Färbung 
in  diesem  Falle  sich  von  der  durch  Hypogallussäure  hervor- 
gebrachten unterscheidet,  sofern  die  letztere  Färbung  durch 
Ammoniak  zu  Blutroth  umgewandelt  wird.  Nach  der  Analyse 
des  Silbersalzes  ist  die  Methylnoropiansäure  als  einbasisch 
zu  betrachten. 

0)    Einwirkung  der  Chlorwasserstoff'    und   der  Jodwasser-^ 

stoffsäure  auf  Meconin, 

Wird  Heconin  mit  concentrirter  Chlorwasserstoff-  oder 
Jodwasserstoffsäure  einige  Zeit  auf  100^  erhitzt,  so  spaltet 
es  sich  zu  Methylchlorür  oder  Methyljodur  und  einer  Säure 
von  der  Zusammensetzung  69H8O4.    Die  Reaction  ist  : 

GioHjo^4  +  HCl  =  €^04  +  GEfil. 


334     Matthiessen  u.  Foster,  über  die  ehern,  Omstttuitott 

Die  neue  Saure  können  wir  Meihylnormeconsäure  nennen, 
da  sie  zwischen  dem  Meconin  und  dem  normalen  Meconin 
steht  : 

Meconin Gio^io^4 

Methylnormeconin  oder  Methylnonneoonsllare     G^Hg^« 
Normales  Meconin        €gHe^4. 

Die  Hethylnormeconsäure  ist  löslich  in  kaltem,  aber«  viel 
löslicher  in  heifsem  Wasser;  sie  löst  sich  auch  leicht  in  AI* 
kohol  und  etwas  in  Aether.  Sie  reducirt  Lösungen  von 
Silbersalzen  in  der  Kalte  und  verhält  sich  zu  Bisenchlorid 
genau  so  wie  die  •  Methylnoropiansaure.  Nach  der  Analyse 
des  Baryumsalzes  ist  die  Methylnormeconsiure  einbasisch. 

III)     Einwirkung  der  Ühlorwasaerstoff'  %md  der  JodwasaeT' 

Stoff  säure  auf  Hemipinsäure. 

Die  Einwirkung  der  Jodwasserstoffsaure  auf  Hemipin- 
säure wurde  bereits  in  einer  froheren  Mitheilung  von  uns 
beschrieben.  Die  Reaction,  welche  statt  hat,  geht  nach  un- 
serer Untersuchung  vor  sich  gemäfs  der  Gleichung  : 

^loHio^e  +  2HJ  =  €^9  +  2€H^  +  e^B^G^, 

Den  Körper  G7H6O4  hatten  wir  als  Hypogallussäure  bezeichnet. 
Es  war  auch  erwähnt  worden,  dafs  bei  der  Einwirkung 
von  Chlorwasserstoffsäure    auf   Hemipinsäure    die   folgende 
Reaction  vor  sich  geht  : 

Die  Formel  GsHsO«  ist  durch  weitere  Analysen  bestätigt 
worden,  und  die  Analyse  des  Silbersalzes  dieser  Säure  hat 
ergeben,  dafs  dieselbe  einbasisch  ist.  Diese  Säure  kann  als 
MethyUiypogallussäure  bezeichnet  werden,  da  sie  1  At 
Methyl  mehr  enthält,  als  die  Hypogallussäure,  und  in  diese 
letztere  Säure  durch  lange  andauernde  Einwirkung  von 
Chlorwasserstoffsäure  umgewandelt  werden  kann. 


des  Narcotins  und  seiner  Zersetzungspro  Jude,         335 

Bei  unseren  Yersuehen  mit  Hemipinsäure  fanden  wir, 
dafs  diese  Siare  in  verschiedenen  Formen  krystallisiren  kann. 
Die  verschiedenen  Krystalle  enthalten  angleiche  Mengen 
Wasser.  So  enthält  die  ans  verdünnter  Lösung  bei  dem  frei- 
willigen Verdunsten  derselben  krystallisy*te  Saure  Vs  Mol. 
Wasser;  die  aus  einer  übersattigten  Lösung  krystallisirte 
i  HoL  Wasser;  und  endlich  die  in  gewöhnlicher  Weise, 
durch  Abkühlen  einer  heifs  bereiteten  Lösung,  krystallisirte 
Saure  2V«  Mol.  Wasser. 


Aus  den  hier  und  den  in  unseren  früheren  Mittheilungen 
angegebenen  Versuchen  ergiebt  sich,  dafs  folgende  von  der 
Opiansaure  sich  ableitende  Verbindungen  existiren. 

^10^10^4  ^10^10^»  ^toHio^e 

Dimethylnormeconin    DimethylnoropiansHure   DimethylnorhemipinBänre 
(gewöhnl.  Meconin)      (gewöhnl.  Opiansänre)     (gewöhnl.  Hemipinsäure) 


Methylnormeconin 

69Hg05 
Methylnoropianaftore 

Methylnorhemipinsäure 

«sHaO, 
Nonueconin 

GeHeO, 
Noropiansftnre 

Norhemipinsäare 

GgHaOt 

GsHaOa 

MetbjlhypogallTiBsäare 

e,H,d. 

^THeOa 

€,He04 
Hypogallass&nre. 

Von    diesen    Körpern    sind    die    folgenden    dargestellt 
worden  : 

i)    GioHioOi,      GioHioOe    durch   die   Einwirkung   von 
Kali  auf  Opiansaure  : 

2€|oH|o05  =  €|oH|oG4  +  €|oH|oGe* 

2)    GsHb^«  durch  die  Einwirkung  von  Chlorwasserstoff- 
und  Jodwasserstoffsäure  auf  Meconin  : 

0,oH,oG4  +  HJ  =  GBHa04  +  €HaJ. 


336    Matth%e9sen  ci.  Fester,  über  die  ehern,  Gonstäutian 

3)  GaHgOö  durch  die  Einwirkung  von  Chlorwasserstoff- 

oder Jodwasserstoffsäure  auf  Opiansaure  : 

CtÄoOj  +  HJ  =  G^HgO^  +  OH,J. 

4)  GsHsOi  durch  die  Einwirkung  von  Chlorwasserstoff- 

säure auf  Hemipinsäure  : 

^loHioOe  *+  HCl  =  G8H8O4  +  Öö,  +  GH,C1. 

5)  GiUß&^  durch  die  Einwirkung  von  Jodwasserstoff- 

säure auf  Hemipinsäure  : 

€>toHto^«  +  2HJ  =  GtH«^*  +  GOj  +  SGHrJ. 


Ein  zweiter  Theil  der  Untersuchungen,  über  welche  wir 
hier  in  Kurze  Mittheilung  machen ,  betriflit  die  Darstellung 
und  die  Eigenschaften  einer  neuen  aus  dem  Narcotin  zu  er- 
haltenden Base.  Wird  Narcotin  6  bis  8  Tage  lang  mit  starker 
Chlorwasserstoffsäure  auf  iOO^  erhitzt,  so  werden  2  Mol. 
Methylchlorür  ausgegeben  und  die  Chlorverbindung  der  neuen 
Base  gebildet.    Die  Reaction,  welche  hierbei  statt  hat,  ist  : 

G^HjaNO,  +  2  HCl  =  G^jH^^NO^  +  2GH,C1. 

Diese  Base  haben  wir  als  Methylnomarcotin  benannt ;  sie 
bildet  ein  fast  weifses  amorphes  Pulver,  welches  in  Wasser 
und  in  Aether  unlöslich,  in  Alkohol  etwas  löslich  ist;  es  ist 
leicht  löslich  in  kohlensaurem  Natrium,  und  auf  diese  Art 
kann  die  neue  Base  vom  Narcotin  getrennt  werden.  Keines 
ihrer  Salze  ist  krystallisirbar  (die  Chlorverbindung,  das 
schwefelsaure  und  das  salpetersaure  Salz  wurden  dargestellt). 
—  In  unserer  ausführlicheren  Abhandlung  erwähnen  wir  auch 
zwei  anderer  neuer  Basen,  welche  sich  von  dem  Narcotin 
ableiten ;  diese  sind  bis  jetzt  noch  nicht  beschrieben  worden. 
Sie  sind  das  Dimethylnornarcotin  und  das  Nornarcotin ;  das 
erstere  bildet  sich  bei  kürzerer  Einwirkung  von  Chlorwasser- 
stoffsäure auf  Narcotin,  und  das  letztere  bei  der  Einwirkung 
von  concentrirter  Jodwasserstoffsäure  auf  Narcotin.  Diese 
Reactionen  können  formulirt  werden  : 


des  Narcotina  und  seiner  Zerseizunggproducte.        33? 

enH^NOf  +  HCl  =  G«H„NOt  +  €H,C1 ; 
G«H„N^,  +  SHJ==  €i9H„NO,  +  8€H,J. 

Es  existiren  also  vier  Narcotine  : 

/)  Gtewöhnl.  Narcotin    o.  Triinethylnornarcotin  ^n^ts^^i 

2)  Dimetbylnornarcotin  €s|H,iN07 

3)  Methylnomarcotin  GsoHieNOf 

4)  Nornarcotin  €i9HjfNOf. 

Die  Beschreibungen  und  Eigenschaften  der  erst -er- 
wähnten neuen  Basen  werden  den  Gegenstand  einer  spateren 
Mittheilung  abgeben. 


lieber  die  relative  Constitution  des  Gährungs- 
Butyl-  und  Amylalkohols; 

von  Emil  Erlenmeyer. 


Vor  einiger  Zeit  habe  ich  in  der  Zeitschrift  f.  Chemie 
1867;  S.  Ii7  mitgetheilt,  dafs  nach  meinen  Untersuchungen 
der  Gährungsbutylalkohol  und  der  Gahrungsamylalkohol  nicht, 
wie  man  bis  dahin  angenommen  hatte,  Normalatkohole  sind, 
sondern  zu  dem  Methyl-  resp.  Aethylalkohol  in  folgender 
constitutionellen  Relation  stehen  : 


CHj  CH, 

CHj  CH, 

H 

CH 

^c^        • 

1 
CH, 

CH, 

HO— CH, 

HO-CH, 

Ho-in, 

Butjl- 

Aetbyl- 

AmylalkohoL 

H 

HO-CH, 

Metbjl* 

Ich  versprach  in  jener  Mittheilung,  die  experimentellen 
Belege  in  einer  ausführlichen  Abhandlung  zu  geben. 

Da  ich  aber  die  Absicht  habe,  auch  alle  Zwischenpro- 
ducte,  welche   ich  bei    meiner  Untersuchung  erhalten  habe, 

Aanal.  d.  Ohem.  u.  Pliarm.  V.  8upplem0ntbd.  3.  Heft.  22 


338         Erlenmeyer ^  über  die  relative  Constitution 

in  Bezug  auf  ihre  physikalischen  Eigenschaften  mit  den  aaf 
anderem  Wege  erhaltenen  genau  zu  vergleichen,  sowie  die 
übrigen  Gährungsalkohole,  zumal  den  Propyi-  und  Hexyl- 
alkohoi,  erst  noch  zu  studiren,  so  halte  ich  es  für  zweck- 
mafsig,  vorläufig  nur  den  Weg  anzugeben,  auf  welchem  ich 
zu  den  oben  angeführten  Resultaten  gelangt  bin. 

Der  Gährungsbutylalkohol  wurde  oxydirt,  und  er  lieferte 
(neben  Essigsäure  und  anderen,  noch  zu  untersuchenden, 
nicht  sauren  Producten)  nicht  Nor  malöiUt  er  säure,  sondern 
hohuttersäure^  ein  Beweis,  dafs  der  Gährungsbutylalkohol 
nicht  Normal-  sondern  Isobutylalkohoi  ist. 

In  Betreff  des  Gährungsamylalkohols  hatte  ich  zwar 
schon  durch  die  Untersuchung  des  Amylens  *),  welches  mit 
Chlorzink  daraus  dargestellt  war,  die  Ueberzeugung  ge- 
wonnen, dafs  der  Gährungsamylalkohol  selbst  das  Radical 
Pseudopropyl  enthält;  weil  man  aber  sagen  könnte,  durch 
die  heftige  Wirkung  des  Chlörzinks  bei  hoher  Temperatur 
sei  neben  der,  welche  zur  Bildung  des  Amylens  erfolgen 
mufs,  noch  eine  andere  Umsetzung  der  Bestandtheile  des 
Amylalkohols  vor  sich  gegangen,  habe  ich  noch  durch  einen 
weniger  energischen  Procefs  Amylen  dargestellt. 

Wenn  man  Amyljodür,  das  auf  gewöhnliche  Weise  aus 
Gährungsamylalkohol  gewonnen  ist,  mit  weingeistigem  Kali 
auf  dem  Wasserbade  behandelt,  so  bildet  sich  neben  Amyl- 
äthyläther  auch  Amylen.  Es  wird  wohl  Niemand  daran 
zweifeln ,  dafs  dieses  Amylen  auf  die  einfachste  Weise  ent- 
steht, indem  durch  das  Kalihydrat  Jod  und  Wasserstoff  aus 
dem  Amyljodür  herausgenommen  werden. 

Auch  dieses  Amylen  lieferte  bei  der  Oxydation  Aceton. 

Trotzdem,  dafs  es  nach  diesen  Erfahrungen  kaum  mehr 
in  Frage  gestellt  werden  konnte,    dafs    der    Gährungsamyl- 


*)    Verhandl.  d.  oaturhist-med.  Yereins  zu  Heidelberg  III,  197. 


des  Oährungs'Butyl'  und  Amylalkohols,  339 

alkohol  in  der  That  nach  der  obengegfebenen  Formel  constituirt 
sei,  hielt  ich  es  doch  für  rathsam,  noch  einen^  weiteren  Be- 
weis dafür  aufzusuchen. 

Nachdem  ich  gefunden  halte,  dafs  der  Gährungsbutyl- 
alkohol  die  oben  angegebene  Constitution  besitzt,  benutzte 
ich  hierzu  die  Synthese  der  Vaieriansaure  aus  dem  Butyl- 
cyanür.  Das  aus  dem  Butyljodur  mit  Cyankalium  dargestellte 
Valeronitrii,  welches  mit  dem  aus  Leucin  durch  Oxydation 
erhaltenen  identisch  zu  sein  scheint,  wurde  mit  Kalihydrat 
in  valeriansaures  Kali  übergeführt.  Die  daraus  abgeschiedene 
Säure  fand  ich  mit  der  aus  dem  Gährungsamylalkohol  direct 
erhaltenen  in  allen  wesentlichen  Eigenschaften  und  in  ihren 
Salzen  yollkommen  übereinstimmend. 

Nur  das  Eine  mufs  ich  gestehen,  ich  habe  bisher  das 
optische  Verhalten  meiner  künstlichen  Vaieriansaure  zu  er- 
mitteln unterlassen;  einestheils,  weil  mir  die  dazu  nöthigen 
Instrumente  nicht  zu  Gebote  standen,  anderentheils  aber  auch, 
weil  ich  darauf  für  die  Entscheidung  der  Frage ,  ob  zwei 
Substanzen  chemisch  identisch  oder  isomer  sind,  keinen  Werth 
lege  und  der  Meinung  bin,  dafs  die  Resultate  der  bisher  an- 
gestellten chemischen  Experimente  vollkommen  ausreichend 
sind,  um  zu  beweisen,  dafs  der  Gährungsamylalkohol  nichts 
anderes  ist,  als  isobutyürter  Methyl-  oder  pseudopropylirter 
Aethylalkohol. 

Ich  zweifle  deshalb  auch  keinen  Augenblick  daran,  dafs 
die  von  Frankland  und  Duppa  (Zeitschr.  f.  Chem.  1867; 
120)  beschriebene  Isoprop essigsaure  mit  der  Vaieriansaure 
aus  Gährungsamylalkohol  chemisch  identisch  ist. 

Der  Vollständigkeit  wegen  will  ich  auch  aus  dem  Butyl- 
cyanür  den  Amylalkohol  selbst  darstellen,  sowie  die  optischen 
Eigenschaften  dieses  und  aller  anderen  bisher  erhaltenen 
Producte  ermitteln. 


22» 


340 


üeber  Julin's  Chlorkohlenstoflf; 
von  H.  Bassett*). 


Im  Anfang  des  Jahres  1864**)  beschrieb  Dr.  Hugo 
Malier  eine  durch  Einwirkung  von  Antimonpentachlorid  auf 
Benzol  erhaltene  Substanz  von  der  Formel  GeCle«  d.  i.  Benzol, 
in  welchem  aller  Wasserstoff  durch  Chlor  ersetzt  ist.  Er  wies 
weiter  auf  die  Wahrscheinlichkeit  hin,  dafs  Julin's  Chlor- 
kohlenstoff dieselbe  rationelle  Formel  habe,  während  Ber- 
thelot demselben  die  weniger  wahrscheinliche  Formel  GioCIjo 
zugeschrieben  hatte,  wohl  weil  er  durch  Einwirkung  von 
Wasserstoff  bei  Rothgluhhitze  aus  demselben  Naphtalin  er- 
halten hatte;  aber  da  Naphtalin  sich  bekanntlich  aus  niedri- 
geren Kohlenwasserstoffen  bei  hohen  Temperaturen  bildet, 
konnte  diese  Thatsache  nicht  als  die  von  Berthelot  gege- 
bene Formel  beweisend  betrachtet  werden. 

Ich  habe  einige  Versuche  mit  Julin's  Chlorkohlenstoff 
angestellt,  welche  zeigen,  dafs  derselbe  wirklich  GeCle  ist. 

Diese  Substanz  wurde  in  der  Art  dargestellt,  dafs 
Chloroformdampf  durch  eine  lange,  mit  Porcellanstucken  ge- 
füllte und  bei  Hellroth  -  Glühhitze  erhaltene  Röhre  geleitet 
wurde.  Das  resultirende  halbfeste  Product  wurde  in  dem 
Wasserbade  zur  Trockne  gebracht,  dann  mit  etwas  ziemlich 
verdünntem  Alkohol  gekocht,  und  der  Rückstand  einmal  aus 
einer  Mischung  von  Benzol  und  Alkohol  umkrystallisirt.  Das 
Product  war  bräunlich  gefärbt,  was  sich  durch  wiederholtes 
Umkrystallisiren  nicht  beseitigen  liefs;  aber  durch  Sublimation 
wurde  es  vollkommen  weifs  und  durch  nochmaliges  Umkry- 
stallisiren ganz  rein  erhalten.  Es  ergab  75,26  pC.  Chlor, 
wahrend  sich  74,74  berechnen.  —  Die  so  erhaltene  Substanz 


*)  Journal  of  the  chemical  society,  new  series,  V,  448. 
•*)  Zeitscbr.  f.  Chem.  1864,  8.  40. 


Bassett,  über  Julin*8  Chlorkohlenstoff,  341 

ist  nur  wenig  löslich  in  Alkohol,  sehr  leicht  löslich  in  Benzol 
and  Chloroforni.  Man  krystallisirt  sie  am  Besten  aus  einer 
heifsen  Mischung  von  Benzol  und  Alkohol,  aus  welcher  Lö- 
sung sie  sich  bei  dem  Abkühlen  derselben  in  farblosen  feinen 
langen  Nadeln  ausscheidet,  welche  geschmack*  und  geruchlos 
sind.  Sie  verflüchtigt  sich  wenig  bei  100^,  und  hat  dann 
einen,  sehr  schwachen  eigenthümlichen  Geruch.  Durch  sie- 
dende Säuren  oder  Alkalien,  übermangansaures  Kali  n.  s.  w. 
wird  sie  nicht  angegrifl'en.  —  Hit  dieser  Substanz  konnte  ich 
eine  Probe  des  von  Dr.  Müller  dargestellten  Benzol -Deri- 
vates vergleichen,  und  ich  fand  zwischen  beiden  Körpern 
schlechterdings  keinen  Unterschied ;  beide  schmelzen  bei  231^ 
(corrigirt)  und  erstarren  wieder  bei  226^—  Eine  Dampfdichte- 
Bestimmung  der  aus  Chloroform  dargestellten  Substanz  (die 
Bestimmung  wurde  wegen  des  oberhalb  300^  liegenden  Siede- 
punktes im  Quecksilberdampf  ausgeführt)  ergab  10,06,  wäh- 
rend die  für  GeCle  sich  berechnende  Dampfdichte  9,87  ist; 
beide  Zahlen  stimmen  hinlänglich  nahe  überein ,  um  zu  zeigen, 
dafs  dem  als  Julin's  Chlorkohlenstofl*  bezeichneten  Körper 
diese  Formel  wirklich  zukommt. 


üeber  Dissociation ; 
von  Privatdocent  Dr.  Alex,  Naumann, 


1)     Berechnung  der  Gr'öfae  der  Dissociation   aus  dm,  beob-' 

achteten  Dampf  dichten. 
Für  die,  verschiedenen  Temperaturen  zugehörige,  Gröfse 
der  Dissociation  gasförmiger  Körper  sind  die  specifischen 
Gewichte  der  entstehenden  Gasmischungen  keine  unmittelbar 
vergleichbaren  Ausdrücke.  Dagegen  ist  als  solches  Gröfsen- 
mafs  das,  zweckmafsig  in  Procenten  anzugebende,  Verhaltnifs 


342  Naumann,  über  Dissociatum, 

der  dissociirten  Molecule  der  ursprünglichen  Terbindong  zor 
Anzahl  der  ursprünglich  vorhandenen  zu  betrachten.  Diese 
zu  suchenden  Zahlenwerthe  leiten  sich  aus  dem  (theoretischen) 
spec.  Gewicht  der  unzersetzten  Verbindung  und  der  beobach- 
teten Dampfdichte  der  Gasmischung  ab. 

Ich  halte  es  nicht  für  überflussig,  Einsicht  in  die  Ent- 
Wickelung  der  zu  den  betreffenden  Berechnungen  ienptzten 
Formel  zu  geben,  zumal  da  bezüglich  der  Dissociationstension 
vorliegende  Zahlen  *)  geradezu  falsch  und  bezüglich  der 
relativen  Menge  des  Zersetzten  aufgeführte  Werthe  **),  wenn 
sich  denselben  auch  ein  Sinn  beilegen  lafst,  doch  Das  nicht 
sind,  was  sie  der  gewöhnlich  üblichen  und  Oeviile's  eige- 
ner Auffassung  nach  sein  sollten.  H.  Deville  ***)  be- 
zeichnete nämlich  früher  mit  dem  Worte  Dissociattonstension 
„die  relative,  mit  der  ganzen  der  Einwirkung  der  Hitze  untere 
worfenen  Masse  verglichene  Menge  eines  Körpers,  welcher 
sich  in  seinem  eigenen  Dampfe  zersetzt.^  Spater  sagt 
Devillef)  :  „Wenn  man  das  Sieden  der  vollständigen  Zer- 
setzung vergleicht,  so  würde  die  Dampfspannung  unterhalb 
des  Siedepunkts  der  Dissociationstension  (der  theilweisen  Zer- 
setzung) entsprechen.^  Deville  ff)  drückt  dem  Letzteren 
gemäfs  die  Dissociationstension  in  Millimetern  Quecksiiber- 
höhe  aus.  Hat  z.  B.  der  Wasserdampf  sich  theilvv^ise  zer- 
legt, befindet  sich  also  in  einem  Gefäfse  Wasserdampf  und 
Knallgas  und  ist  der  Gesammtdruck  =  760°^°",  so  berech- 
net Deville  den  Partialdruck  des  gebildeten  Knallgases  und 
nennt  diesen  die  Dissociationstension  des  Wasserdampfs  bei 


•j  Deville,  Compt.  rend.  LXIV,  71. 
**)  Deville,  daselbst  nndWarts,  Ann.  Cbem.  Pharm.  CXXXY, 818. 
•«•)  Ann.  Chem.  Phann.  CXXVn,  109. 
t)  BaU.  soo.  ohim.    F4tt.  1866,  p.  116. 
tt)  Siehe  aach  Ann.  Chem.  Pharm.  CXLI ,  46. 


Naumann^  über  Diasociation.  343 

der  herrschenden  Temperatur.  Deville  *)  hat  nun  in  neu- 
ester Zeit  falsche  Zahlen  für  die,  verschiedenen  Temperaturen 
entsprechende ,  Dissociationstension  des  Bromiwasserstoff- 
Amylens  berechnet.  Deville  sagt  nämlich  :  „Es  sei  D 
die  Dampfdichte  des  Bromwasserstoff- Amylens  zwischen  113 
und  153^ ;  d  das  Mittel  zwischen  der  Dampfdichte  des  Brom- 
wasserstoffs und  derjenigen  des  Amylens ;  J  die  von  153  bis 
360^  regelmäfsig  abnehmenden  Dampfdichten  des  Bromwasser- 
stoff-Amylens ,  wie  solche  von  Wurtz  bestimmt  worden 
sind ;  so  hat  man  für  q  die  dissociirte  Gasmenge  in  diesen 
verschiedenen  Mischungen  (on  a  pour  q  ia  masse  gazeuse 
dissociee  dan3  ces  melanges  divers)  ; 

—    P""A    —       5,23~zi  __       6,23— ^J 

^  ""    D— d"    ""       5123^762        ""  2,61 

Es  sei  0  die  Dissociationstension  des  Gases,  so  hat  man 
för  ihren  Werth,  da  hier  D  =  2  d  ist  : 

Q  =  760. ^^— =  760.  -  v*^;** 

q  -f  1 

Hierauf  stellt  Deville  die  nach  beiden  Formeln  aus 
den  Beobachtungsresultaten  von  Wurtz  berechneten  Zahlen- 
werthe  von  q  und  Q  in  einer  Tabelle  zusammen.  Wie  eine 
einfache  Ueberlegung  lehrt,  hat  die  Deville'sche  Ableitung 
von  Q  aus  q  nur  dann  einen  Sinn,  wenn  q  das  Gewichts- 
verhältnifs  des  zersetzten  Bromwasserstoff-Amylens  (des  ge- 
bildeten Bromwasserstoffs  und  Amylens)  zu  dem  gesammten, 
der  Einwirkung  der  Hitze  unterworfenen  oder  ursprünglich 
vorhandenen  Brdmwasserstoff-Amylen,  oder,  was  dasselbe 
sagt,  zu  der  gesammten  Gasmischung  vorstellt.  Dieses  Ge- 
wichtsverhältnifs  wird  aber  keineswegs  durch  die  Devil- 
le'sehe  Formel  q  =  ^^j'  sondern,   wie  aus  der  nachher 


q 

d 

q 

d 

^         D 

•)  Compt  rend.  ^XIV,  71. 


344  Naumann,  über  Dissoctaiion. 

folgenden  Entwickelung hervorgehl,  durch  die  Formel  q=    "^ 

ausgedrückt.  Es  sind  somit  Deviiie's  Zahlen  für  die  Disso- 
ciationstension  des  Bromwasserstoff-Amylens  unrichtig.  Der 
Umstand,  dafs  die  Deville'sche  Formel  für  q  auf  die  Grenz- 
werthe  0  und  1  pafst,  scheint  hinreichende  Veranlassung  ge- 
wesen zu  sein,  dieselbe  überhaupt  aufzustellen.  Will  man  der- 
selben einen  anderweitigen  Sinn  beilegen,  so  bezeichnet  sie 
das  Verhältnifs  des  entstandenen  Volums  von  BromwasserstoiT 
und  Amylen  zu  dem  gesammten  entstandenen  Gasvolum. 
Deville  würde  also  die  richtigen  Werthe  für  die  Disso- 
ciatioQstension  des  Bromwasserstoff-Amylens  erhalten  haben, 
wenn  er  einfach  seine  Werthe  von  q  mit  7^  multiplicirt 
hatte.  In  gleicher  Weise  kann  die  von  Wurtz*)  aus  der 
für  314^  stattfindenden  Dampfdichte  2,98  des  Bronwasserstoff- 
Amylens  berechnete  Procentzahl  86,2  nur  Volumprocente  der 
Zersetzungsproducte  Amylen  und  Bromwasserstoff  bezogen 
auf  das  Gesammtvolum  der  entstandenen  Gasmischung  be- 
zeichnen, und  nicht,  wie  man  glauben  könnte,  Gewichtspro- 
cente.  Für  letztere  würde  sich  aus  der  beobachteten  Dampf- 
dichte 2,98  unter  gleichzeitiger  Zugrundelegung  der  von 
Wurtz  benutzten  theoretischen  Dampfdichte  5,24  die  Zahl 
75,83  ergeben,  wie  die  jetzt  zu   entwickelnde   Formel  lehrt 

Das  theoretische  spec.  Gewicht  eines  dissociationsfihigen 

Körpers  sei  d  =  ^^^^  wo  m  das  Moleculargewicht  vorstellt 

Bei  der   Dissociation   zerfalle  ein  Holecul  in  a  Holecule,  so 

ist  die  Dampfdichte  der  Mischung  der  Zersetzungsproducte  — • 

Es   seien  nun  x  4*  Y  Holecule  der  ursprünglichen  Verbin- 
dung einer  gewissen  Temperatur  ausgesetzt  worden,  x  seien 


*)  Ann.  Ghem.  Pharm.  CXXXV,  BIS. 


NaumanUf  über  Dissociation,  345 

ansersetzt,  y  zersetzt  in  a  y  Holecole  der  Zersetzungspro- 
dacte ;  80  ist  das  spec.  Gewicht  der  gesammten  Gasmischung  : 

D  =        (^  +  7)  d 

woraos 

X  (d-D)  =  y  (ap-d)  und  -^     =      ^JS-- 

Polgiicb  ist  das  Verhältnirs  der  dissociirten  Molecule 
zur  Anzahl  der  nrsprfinglich  vorhandenen  : 

Hieraus  erhält  man  die  Zahl  der  dissociirten  Molecule 
der  ursprünglichen  Verbindung  in  Procenten  der  ursprünglich 
Torhandenen,  wenn  man  die  Zahl  der  letzteren  x  -{-  y  =  100 
setzt ,   alsdann  wird  y  =  p  und  Gleichung  (1)  geht  über  in  : 

p        _        d—D 
100       ""      (a— 1)D' 

wonach 

100  (d-D) 
^  (a— 1)  D  ^" 

Ffir  a  s=  2  erhält  diese  Formel  die  Gestalt  : 

_     100  (d-D)  , 

D  ist  dnrch  den  Versach  festzustellen. 

Nach  dieser  Formel  sind  für  die  folgenden  Tabellen 
die  den  beigefugten  Temperaturen  und  Dampfdichten  ent- 
sprechenden Procenttheile  der  zersetzten  Verbindung  berech- 
net. Um  die  Uebersicht  über  den  Verlauf  der  Dissociation 
zu  erleichtem,  ist  in  einer  ferneren  Columne  der  bei  steigen- 
der Temperatur  erfolgende  Zuwachs  der  Zersetzung  auf  eine 
Temperaturerhöhung  von  10^  bezogen. 

Die  mir  bekannten  dissociationsfahigen  Körper,  für 
welche  die  Zusammensetzung  des  Moleculs  unzweifelhaft  ist 
und    zugleich    Dampfdichtebestimmungen    für   verschiedene, 


346  Naumann^  über  DissoctcUion^ 

innerhalb  der  Grenzen  der  Dissociation  liegende  Temperaturen 
vorliegen,  sind  : 

1)  ßromwasserstoff^Amylen,  GsHjo.HBr.  —  Wurlz  *) 
hat  nachgewiesen,  ^^dafs  dieser  Körper  bei  40,  50,  60^  ober- 
halb seines  Siedepunkts  die  normale  Dampfdichte  zeigt,  wah- 
rend bei  noch  höherer  Temperatur  die  Dampfdichte  kleiner 
wird,  bis  sie  nur  noch  die  Hälfte  der  normalen  betragt."^ 
Bei  der  beim  Erkalten  eintretenden  Wiedervereinigung  der 
Bestandtheile  bleibt  etwas  Bromwasserstoff  unverbunden, 
„als  Zeuge  für  die  Zersetzung.**  Spater  hat  Wurtz  ♦♦) 
gezeigt,  dafs  beim  Zusammenbringen  von  Amylen  und  Brom- 
wasserstoff in  einem  geeigneten  Apparat  zwischen  1120  und 
130^  wo  Bromwasserstoff-Amylen  noch  normale  Dampfdichte 
zeigt,  eine  betrachtlich  gröfsere  Temperaturerhöhung  des 
Gasgemenges  eintritt,  als  zwischen  215  und  225^,  wo  die 
Dampfdichte  des  Bromwasserstoff- Amylens  auf  theilweise 
Zersetzung  hindeutet.  Dieses  Ergebnifs  weist  darauf  hin, 
dafs  zwischen  den  letzteren  Temperaturen  eine  weniger  voll- 
standige  Verbindung  der  gemischten  Gase  stattgefunden  hat, 
als  zwischen  den  ersteren  niederen.  Es  zerfallt  sonach  das 
Bromwasserstoff-Amylen  unzweifelhaft  bei  steigender  Tem- 
peratur allmalig  in  Amylen  und  Bromwasserstoff.  Es  folgen 
nachstehend  die  Wurtz*schen  Beobachtungswerthe  sammt 
den  daraus  abgeleiteten  Zahlen.  Das  Bromwasserstoff-Amylen 
siedet  bei  113^  Die  theoretische  Dampfdichte  ist  5,22. 
Diejenige  des  Gemenges  seiner  Zersetzungsproducte,  Amylen 

6  22 

und  Bromwasserstoff,  - '-     =  2,61. 


♦)  Ann.  Chem.  Pharm.  CXXXV,  316,  1865. 
**)  Compt.  rend.  LXII,  1182  and  Ann.  Cbem.  Pharm.  CXL,  171. 


Naumann,  über  Diiaociation. 


347 


Temperatur 
(corrig.) 


/*■  ■ 
1520 
155,8 
160^ 
165 
171,2 
178,1 
188,8 
185,5 
.193,2 
195,5 
205,2 
215 

225 

236,5 

248 

262,5 

272 

295 

305,8 

814 

319,2 

360 


Dampfdichte 


Procenttheile  der 
Zersetzung 


Zuwachs  an  Procent- 
th  eilen  d.  Zersetzung 
für  lO«»  Temperatur- 
erhöhung 


^,37 
5,18 
5,32 
5,14 
5,16 
5,18 
5,15 
5,12 
4,84 
4,66 
4,39 
4,12 
4,69  i 
8,68/*' 
8,88 
8,30 
8,09 
8,11 
3,19 
3,19 
2,98 
2,88 
2,61 


18 


1,6 


1.4 
2 

7.9 
12 
18,9 
26,7 


36,3 
58,2 
68,9 


75,1 
81,2 
100 


7,7 

9,2 
8 

4,5 

19 

1,2 

11,7 
4,6 


2)  Jodtoasserstoff-'Amyhn^  fi^Hio .  HJ.  —  Dieser  Körper 
zeigt  nach  den  Untersiichungen  von  Wurtz  ahnliches  Ver- 
halten wie  der  vorhergehende.  Nur  kann  derselbe  oberhalb 
seines  Siedepunkts  gar  nicht  Gasform  annehmen,  ohne  theil- 
weise  Zersetzung  zu  erleiden.  Es  liegen  von  Wurtz  zwei- 
mal je  drei  Dampfdichtebestimmungen  vor.  Die  zuerst  aufge- 
führten sind  die  spater  *),  die  drei  letzten  die  früher  **) 
veröffentlichten.  Das  Jodwasserstoff-Amylen  siedet  bei  130". 
Die  theoretische  Dampfdichte  ist  6,84.  Diejenige  des  Ge- 
menges seiner  Zersetzungsproducte,  Amylen  und  Jodwasser- 
stoff, -^  =  3,42. 


*)  Compt.  rend.  LXII,  1182,  1866  n.  Chem.  Centralbl.  1866,  588. 
**)  Abd.  Chem.  Pharm.  CXXXV,  814,  Anmerkang. 


348 


Naumann,  über  Disgociation. 


Temperatar 

Dampfdichte 

Procenttheile  der 
Zersetzung 

Zuwachs  an  Procent- 
theilen  d.  Zersetzung 
für  10°  Temperatur- 
erhöhung 

143« 

153,5 

168 

160 

210 

262 

6,05 
5,97 
5,88 
5,73 
4,66 
4,38 

13,1 
14,6 
16,8 
19,4 
46,8 
56,2 

1,4 

5,5 
1,8 

3)  Phosphorchlorid,  PCI5,  unterliegt  der  Dissociation,  in- 
dem es  in  Phosphorchlorör  und  Chlor  zerfällt.  Nach  Ver- 
suchen von  Wanklyn  und  Robinson  *)  geht  bei  der 
Diffusion  des  von  Phosphorchlorid  gelieferten  Dampfs  in 
Kohlensäuregas  freies  Chlor  in  dieses  über  und  das  in  dem 
Kolben  Rückständige  ginthält  Phosphorchlorür.  Neuerdings 
erkannte  H.  Deville  **),  dafs  der  von  Phosphorchlorid  ge- 
lieferte Dampf  gelbgrün  ist,  also  freies  Chlor  enthält,  wäh- 
rend nach  allen  Analogieen  der  Dampf  des  Phosphorchlorids 
farblos  sein  sollte.  Dabei  sah  man  die  Farbe  des  Chlors 
sich  allmälig  mit  steigender  Temperatur  mehr  und  mehr  ent- 
wickeln. Die  folgenden,  von  Cahours  ***)  ausgeführten 
Dampfdichtebestimmungen  zeigen,  dafs  auch  dieser  Körper 
oberhalb  seines  Siedepunkts  nicht  Gasform  annehmen  kann, 
ohne  dissociirt  zu  werden.  Neuere  Bestimmungen,  welche 
Cahours  f)  bei  170  und  172^  ausgeführt  hat^  ergaben  Zahlen, 
die^  wenn  auch  beträchtlich  gröfser  als  die  früher  bei  182 
und  185^  erhaltenen,  doch  noch  weit  entfernt  von  den  der 


*)  Ann.  Chem.  Pharm.  CXXVII,  HO  u.  111,  Anmerk.  u.  Jahresber. 
f.  Chem.  u.  s.  w.  f.  1863,  39. 

**)  Compt.  rend.  LXn,    1157,    1866;     Chem.  Centralbl.  1866,   686; 
Ann.  Chem.  Pharm.  CXLI,  47. 

***)  Jahresber.  f.  Chem.  u.  b.  w.  f.  1847  a.  1848,  864. 

'  t)  Ann.  Chem.  Pharm.  CXLI ,  42. 


Naumann^  über  ßissoctaiton. 


349 


normalen  Dampfdichte  entsprechenden  sind.  Dieselben  sind 
bis  jetzt  noch  nicht  veröffentlicht  worden.  Das  Phosphor- 
chiorid  siedet  bei  160  bis  165^  Die  theoretische  Dampf- 
dichte ist  7,2.    Diejenige  des  Gemenges  seiner  Zersetzungs- 

72 

producte,  Phosphorchlorür  und  Chior^  -j'  =  ^9^- 


Zuwachs  an  Procent- 

Temperatar 

Dampfdichte 

Procenttheile  der 
Zersetzung 

theilen  d.  Zersetzung 
für  10<>  Temperatur- 

erhöhung 

182« 

6,08 

41,7 

8,25 
4,2 
6,8 
ß  3 

190 

4,99 

44,3 

200 

4,85 

48,5          < 

230 

4,30 

67,4 

250 

4 

80 

D,0 

D    1 

274 

3,84 

87,5 

3,1 
6»2 

0,9 

288 

3.67 

96,2 

289 

8,69 

800 

3,65 

97,3 

4)  Schtoefelsäurehydrat,  SH2O4.  —  Nach  Wanklyn 
and  Robinson  *)  geht  bei  der  Diffusion  des  von  Schwe- 
felsänrehydrat  gelieferten  Dampfs  in  atmosphärische  Luft  vor- 
zugsweise leichterer  Wasserdampf  weg  und  das  in  dem  Kol- 
ben Rückständige  besteht  dann  aus  Schwefelsäurehydrat  und 
wasserfreier  Schwefelsäure.  Auch  hier  ist  die  untere  Tem- 
peraturgrenze der  Dissociation  nicht  bekannt,  weil,  wie  die 
nachfolgenden,  von  Eine  au  **)  ausgeführten  Dampfdichte- 
bestfmmungen  zeigen,  oberhalb  des  Siedepunkts  der  Dampf 
schon  theilweise  zersetzt  ist.  Die  theoretische  Dampfdichte 
des  Schwefelsäurehydrats  ist  3,386.  Diejenige  des  Gemenges 
seiner   Zersetzungsproducte,    wasserfreie  Schwefelsäure  und 

Wasser,  ^  =  1,693. 


*)  Ann.  Chem.  Pharm.  CXXVIIf,  110  u.  111,  Anmerk.  u.  Jahresber. 
t  Ghem.  u.  s.  w.  £  1863,  38. 

**)  Ann.  Che  in.  Pharm.  LX,  161. 


350 


Naumann,  über  JDissociation, 


Temperatar      ,     Dampfdichte 


j  Zuwachs  an  Procent- 

Procenttheile  der  theilen  d.  Zersetzung 

Zersetzang       für  10^  Temperatar- 

erhöhang 


3320 

345 

365 

416 

498 


2,50 
2,24 
2,12 
1,69 
1,68 


35,4 

51,2 

69,7 

100,3 


12«2 
4.3 
5 


Aus  einer  vergleichenden  Betrachtung  der,  Temperatur- 
erhöhungen von  je  10^  entsprechenden,  Zuwachse  der  Zer- 
setzung läfst  sich  der  Schlufs  ziehen,  dafs  der  Temperatur- 
umfang  der  Dissociation,  d.  i.  der  Temperaturabstand  des 
Beginns  und  der  Vollendung  derselben  für  verschiedene 
Körper  verschieden  grofs  ist.  lieber  den  Verlauf  der  Disso- 
ciation  aber,  wie  die  Zersetzung  für  denselben  Körper  mit 
der  Temperatur  vorschreite,  darüber  läfst  sich  bei  den  ver- 
hältnifsmafsig  wenigen  vorliegenden  Beobachtungswerthen 
und  bei  der  nicht  grofsen  Zuverlässigkeit  der  einzelnen 
Dampfdichtebestimmungen  *)  noch  kein  sicheres  Urtheil  ab- 
geben. Die  Ergebnisse  nachfolgender  Betrachtungen  weisen 
zwar  darauf  hin,  dafs  die  Zersetzung  nicht  genau  proportional 
den  Temperaturunterschieden  zunehmen  kann,  aber  die  bis 
jetzt  noch  unvollkommenen  Versuchswerthe  reichen  nicht  aus, 
um  diefs  mit  Sicherheit  erkennen  zu  lassen.  Anderweitige 
Beziehungen  und  mehrfache  Anwendung  in  obigen  Tabellen 
verzeichneter  Werthe  werden  sich  in  der  Folge  ergeben,  wo 
ich  gemäfs  der  auf  Grund*  der  mechanischen  Wdrmetheorie 
erwachsenen  Holecularlheorie  der  Gase  die  Beziehungen, 
welche  zwischen   den  bei  der  Dissociation  in  Betracht  kom- 


*)  Wnrte  :  Ann.  Chem.  Pharm.  CXXXY,  317;  man  vergleiche 
auch  in  obiger  Tabelle  für  JodwasserstofiP-Amylen  die  TonWurts 
bei  verschiedenen  Versnchs reihen  fUr  160°  und  168°  gefundenen 
Werthe. 


Naumann,  über  Dissociatian,  351 

inenden  Gröfsen  zwischen  den  Temperaturen  des  Beginns 
und  der  Vollendung  der  Dissociation  und  der  eigentlichen 
Zersetzungstemperatur  statthaben,  entwickelt,  ferner  das  Ver* 
bältnifs  der  Temperaturumfange  der  Dissociation  verschiedener 
Körper  abgeleitet  und  über  den  Verlauf  der  Dissociation 
Andeutungen  gegeben  habe. 

2)     Eigentliche  Zersetzungstemperatur    disaociationafähtger 

Körper, 

Für  gasförmige  Körper  wenigstens  ist  die  lebendige 
Kraft  der  Atombewegungen,  unabhängig  *)  von  der  Natur 
der  Atome,  der  absoluten  Temperatur  proportional.  An  den 
Hinweis  auf  die  Nothwendigkeit,  die  Bewegungen  der  Atome 
innerhalb  des  Moleculs  als  in  Schwingungen  bestehend  auf- 
zufassen, knüpfte  ich  früher**)  die  Folgerung  :  „dafs  jede 
Verbin^lung  durch  Hitze  zersetzbar  sein  mufs,  indem  bei  fort- 
währender Vermehrung  der  lebendigen  Kraft  der  Aton^n- 
bewegung  und  damit  verbundener  Vergröfserung.  der 
Schwingungsweite  die  .anziehenden  Kräfte  von  einer  gewissen 
Grenze  ab  nicht  mehr  im  Stande  sein  werden,  die  betref- 
fenden Atome  innerhalb  der  Sphäre  des  Moleculs  zurückzu- 
halten." 

Di^se  Grenze  ist  durch  die  Zersetzungstemperatur  be- 
zeichnet, und  es  bietet  uns  die  mit  der  letzteren  gegebene 
lebendige  Kraft  der  Atombewegungen  einen  Anhalt  zur  Be- 
urtheilung  des  Widerstands^  welchen  verschiedene  Körper 
zersetzenden  Einflüssen  entgegenstellen,  zur  Beurtheilung  der 
Stärke,  mit  welcher  die  Bestandtheiie  verschiedener  Verbin- 
dungen sich  anziehen,  da  bei  alleiniger  Einwirkung  der 
Wärme  der  störende  Einfiufs  anderer  Körper  ausgeschlossen  ist. 


*)  Ann.  Chem.  Pharm.  CXLII,  271  n.  284,  1867. 
**)  Daaelbflt  CXLII,  286. 


352  Naumann,  über  Dissoeiatian, 

Bis  jetst  sind  Temperaturen,  bei  welchen  Holecnle  in 
einzelne  elementare  Atome  zerfallen,  nicht  ermittelt.  För 
Quecksilber  und  Cadminm  liegen  dieselben  unterhalb  der 
Temperataren,  bei  welchen  man  ihre  Dampfdichten  anter- 
sucht  hat,  da  aus  letzteren  hervorgeht,  dafs  für  beide  Kör- 
per das  Atom  zugleich  auch  das  Molecul  bildet. 

Bei  den  gewöhnlich  unter  dem  Namen  der  Dissociations- 
erscheinungen  zusammengefafsten  Vorgangen  findet  ein  Zer- 
fallen des  Moleculs  in  zwei  oder  mehrere  Atomgruppen 
statt,  die  ihrerseits  die  Fähigkeit  besitzen,  als  Molecule  su 
bestehen.  Und  zwar  nimmt  dieses  Zerfallen  mit  steigender 
Temperatur  zu,  so  dafs  es  den  Anschein  hat,  als  ob  von 
einer  ganz  bestimmten  Zersetzungstemperatur  nicht  die  Rede 
sein  könne.  L.  Pfaundler  hat  jedoch  jüngst  —  auf  Grund 
der  von  Clausius  in  seiner  Abhandlung  *)  :  ,,Ueber  die 
Art  der  Bewegung,  welche  wir  Warme  nennen^  entwickelten 
Lebten,  die  durch  die  seitherige  Ausbildung  der  mechanischen 
Warmetheorie  fortwahrende  Bestätigung  gefunden  haben,  ~ 
der  von  Clausius  **)  gegebenen  Erklärung  des  Vorgangs 
der  Verdampfung  eine  Theorie  der  Dissociationserscheinungen 
nachgebildet,  welche  von  letzteren  in  folgender  Weise 
Rechenschaft  giebt  ♦♦♦). 

„So  lange  die  Verbindung  noch  gar  nicht  zersetzt  ist, 
haben  alle  Molecule  die  Zusammensetzung  A  B.  Sie  bewegen 
sich  geradlinig  fort.  Aufserdem  bewegen  sich  die  Bestand- 
theile  dieser  Molecule  gegeneinander.  Diese  Bewegung  der 
Bestandtheile  ist  aber  (so  wenig  wie  die  geradlinige)  nicht 
bei  allen  Moleculen  gleich  grofs;  denn  wfire  sie  es  auch 
in  einem  gegebenen  Momente,  so  könnte  sie  es  in  Folge  der 


*)  Pogg.  Ann.  G,  868  ff. 
**)  Daselbst  C,  861. 
•**)  Daselbst  CXXXI,  60,  1867. 


Naumann^  über  DhsockUum,  353 

Zasammenstöfse  und  der  Stöfse  an  die  Wände  nicht  bleiben. 
Nur  die  mittlere  lebendige  Kraft  dieser  Bewegung  bleibt  bei  » 
ungeanderter  Temperatur  gleich  grofs  und  in  bestimmtem 
Yerhihnifs  uar  lebendigen  Kraft  der  geradlinigen  Bewegung 
der  Molecule.  In  den  einzelnen  Moleculen  muft  sie  aber 
bald  gröfser  bald  kleiner  sein.  Wird  nun  die  Temperatur 
erhöht,  so  steigt  die  lebendige  Kraft  beider  Bewegungen. 
Es  kann  daher  kommen,  dafs  die  Steigerung  der  Inneren 
Bewegung  bei  jenen  Moleculen,  bei  denen  sie  im  Momente 
schon  sehr  grofs  ist,  so  grofs  wird,  dafs  sie  zu  einer  yoU- 
ständigen  Trennung  der  Bestandtheile  A  und  B  führt.  Diese 
Trennung  kann  unmöglich  alle  Molecule  zugleich  ergreifen, 
sondern  mufs  bei  jenen  zuerst  eintreten,  bei  denen  die  innere 
Bewegung  gröCser  ist  als  bei  den  übrigen.  Diese  getrennten 
Bestandtheile,  welche  nun  selbst  freie  Molecule  geworden 
sind,  folgen  von  nun  an  ebenfalls  der  geradlinigen  Bewegung. 
Inzwischen  hat  eine  neue  Anzahl  bisher  unzersetzter  Mole- 
cule jenes  Maximum  innerer  Bewegung  erreicht,  in  Folge 
deren  sie  zerfallen.  Diefs  wird  in  gleichen  Zeiten  eine  gleiche 
Anzahl  treffen  und  die  Menge  der  gespaltenen  Molecule  fort- 
während vermehren.  Diese  werden  sich  aber  zum  Theil 
wieder  begegnen.  Nicht  alle  sich  begegnenden  gespaltenen 
Molecule  können  sich  wieder  vereinigen,  sondern  nur  solche, 
deren  Bewegungszustande  derartig  sind,  dafs  aus  diesen  bei 
der  Vereinigung  zur  ursprünglichen  Verbindung  keine 
gröfsere  Bewegung  der  Bestandtheile  resultirt,  als  jene  ist, 
bei  der  sie  sich  trennen  mulsten.  Bei  einer  bestimmten  con- 
stanten  Temperatur  mufs  folglich  die  Vermehrung  der  freien 
Theilroolecule  so  lange  fortschreiten,  tis  die  Zahl  der  sich 
binnen  eines  Zeitraums  wieder  vereinigenden  Molecule  so 
grofs  geworden  ist,  als  die  Zahl  der  in  derselben  Zelt  durch 
Spaltung  entstandenen.  Von  diesem  Zeitpunkt  an  herrscht 
dann  Gleichgewicht  zwischen  den  Zersetzungen   und  Verbin- 

AoMl.  d.  Ob«m.  u.  Pharm.  V.  Supplementbd.  S.  Haft.  23 


354  Naumann,  über  Dissodaiian. 

düngen,  so  lange  die  Temperatur  sich  nicht  ändert.  Sleigt 
diese  aber,  so  mufs  die  Anzahl  der  sich  spaltenden  Molecule 
gröfser,  zugleich  die  der  sich  wieder  vereinigenden  Molecule 
zunächst  kleiner  werden.  Das  Gleichgewicht  kann  erst  dann 
wieder  hergestellt  sein ,  wenn  die  Anzahl  der  im  freien  Zu- 
stand befindlichen  Molecule  A  und  B  so  grofs  geworden  ist, 
dafs  sich  wiederum  eben  so  viele  verbinden,  als  sieh  zer- 
setzen. Steigt  die  Temperatur  immer  höher ,  so  mufs  end- 
lich ein  Zeitpunkt  kommen,  wo  alle  Molecule  sich  zersetzen, 
ohne  sich  wieder  verbinden  zu  können.  In  diesem  Momente 
endet  die  Periode  der  Dissociation  mit  dem  Eintritt  der  voll- 
standigen  Zersetzung.^ 

Es  druckt  Dasjenige,  was  wir  Temperatur  nennen,  die 
dem  Bewegungszustand  der  Molecule  entsprechende  mittlere 
lebendige  Kraft  aus  und  bezeichnet  zugleich  den  mittleren 
Bewegungszustand  der  Atome,  da  die  lebendige  Kraft  der 
Atombewegungen  zu  derjenigen  der  Molecularbewegungen, 
wie  schon  Clausius*)  gezeigt  hat,  in  einem  constanten 
Verhiltnifs  steht ,  als  welches  ich  **)  das  Verhaltnifs  von 
n  :  3  erkannt  habe,  wo  n  die  Anzahl  der  das  Molecul  zu- 
sammensetzenden Atome  bezeichnet.  Zum  Unterschied 
von  dieser  Mitteltemperatur  möge  die  der  lebendigen 
Kraft  der  augenblicklichen  Bewegung  eines  einzelnen 
Holeculs  entsprechende  Temperatur  Moleeulart&mperaiur 
heifsen,  die  der  lebendigen  Kraft  der  Bewegungen  der  ein- 
zelnen Bestandtheile  des  Moleculs  innerhalb  der  Sphftre  des 
letzteren  entsprechende  Temperatur  sei  durch  Atomtempe- 
ratur  bezeichnet.  Befänden  sich  einerseits  alle  Molecule 
untereinander  und  'andererseits  die  Atome  aller  Molecule 
in  gleichen,  d.  h*  gleiche  lebendige  &aft  darstellenden  Be- 
wegungszuständen^   so  wären  sowohl  alle  Moleculartempera- 


•)  Pogg.  Ann.  C,  865,  1867. 
•*)  Ann.  Chem.  Pharm.  CXLII,  271. 


Naumann^  über  Dissoctation.  355 

turen,  ak  auch  alle  Atomtemperaturen  gleich  der  Hittel- 
temperatar.  In  Wirklichkeit  sind  aber  in  Folge  des  An- 
slofsens  der  Molecole  die  Temperaturen  der  einzelnen  IMole- 
cule  unter  sich  und  diejenigen  der  Atome  verschiedener 
Molecule  unter  einander  verschieden;  beide  schwanken^  je 
nach  der  Zahl  und  Stärke  der  Molecalarstöfse,  bis  zu  merk- 
lich weiteren  oder  engeren  Grenzen  um  die  Mitteltemperatur, 
so  dafs  diese  einerseits  das  Mittel  der  Moleculartemperaturen 
und  andererseits  dasjenige  der  Atomtemperaturen  ausdrückt. 

Es  ist  nun  die  eigentliche  Zersetzungstemperatur  die- 
jenige ^tomtemperatur,  welche  gerade  den  Bewegungszustand 
der  Bestandtheile  eines  Moleculs  ausdrückt,  bei  welchem  das 
in  Folge  der  lebendigen  Kraft  der  Atomschwingungen  herr- 
schende Streben  zu  zerfallen  und  der  in  der  gegenseitigen 
Anziehung  der  Atome  liegende  Widerstand  gegen  Zersetzung 
gerade  im  Gleichgewicht  stehen.  Beim  Ueberschreiten  der- 
selben tritt  ein  Zerfallen  des  Moleculs  in  solche  Bestandtheile 
eui,  welchen  bei  den  geänderten  Verhältnissen  die  Fähigkeit 
als  Molecule  zu  bestehen  zukommt.  Es  ist  somit  ncrath  der 
angeführten  Pfaun  dl  erwachen  Theorie  der  Dissoctation  die 
2^8etzungstemper€Ufir  auch  für  dtssociations fähige  Körper 
ein  ganz  bestimmter  Temperaturpunkt. 

Wie  weiter  unten  gezeigt  wird,  ergeben  sich  annähernd 
folgende  Zersetzungstemperaturen  *)  : 

t  T 

fOr  Phosphorchlorid  200<>  478 

für  BromwasserBtoff-Amylen      244^  517 

mr  SohwefelBänrehydrat  846<^  618. 

Da  nach  den  absoluten  Zersetzungstemperaturen  sich 
die  Widerstände  gegen  Zersetzung  bemessen  lassen,  so  sind 
die  Anziehungen  zwischen  Phosphorchlorur  und  Chlor  kleiner 

*)  Darcb  t  sind  hier  und  Id  der  Folge  Temperaturgrade  nach  Cel- 
sius, durch  T  absolute,  d.  h.  von  —  27d^C.  an  gezählte  Tem- 
peraturen beseiohnet 

M  ♦ 


356  Na umann,  üher  Dtssoctaäon. 

als  diejenigen  zwischen  Amylen  und  Bromwassersloff  und 
diese  wiederum  kleiner  als  diejenigen  zwischen  Scbwefel- 
saureanhydrid  und  Wasser. 

3)  Beziehungen  zwischen  den  Temperaturen  des  Beginns  und 
der   Vollendung  der  Dissociation  und  der  Zersetzungs- 
temperatur. 

Würden   nur   die  Atome  eines  Körpers    sich  innerhalb 
des  Moleculs  bewegen,  die  Holecule  selbst  aber  sich  in  Ruhe 
befinden,  d.  h.  die  Holeculartemperaturen   gleich  Null  sein; 
so  wurden  die  Atomtemperaturen  aller  Holecule  mit  einander 
übereinstimmen,  und  es  mufsten  bei  der,    den  Atomen  alier 
Holecule  dann  gleichzeitig  zukommenden,  Zersetsungstenipe* 
ratnr  Beginn  und  Vollendung  der  Zersetzung  zusammenfallen, 
der  Temperaturumfang   der  Dissociation   wäre   gleich  Null. 
Die   den  Holecalen   zukommende   fortschreitende  Bewegung 
führt  aber  ein  häufiges  Zusammenstofsen  *)   derselben  und 
dadurch  in  der  Ton  Pfaundler  ausgeführten  Weise  Aen- 
derungen   der  Atomtemperaturen  mit  sich ,   in   Folge  deren 
schon  unterhalb  der  eigentlichen  Zersetzungstemperatur  letz- 
tere von  einem  Theil  der  Atome  erreicht  wird,   also  theil- 
weise  Zersetzung  eintritt^  und  andererseits  oberhalb  derselben 
theilweises  Herabdrücken  der  Atomtemperaturen  der  Bestand- 
theile  unter  die  Zersetzungstemperatur,  also  theilweise  Wie- 
dervereinigung   statthat.      Höglicherweise    ist    für    einzelne 
Holecule  die  Schwankung  in  der  Atomtemperatur   eine  sehr 
grofse.    Hier  sdll  jedoch  immer   nur   von   dem  merkbaren 
Temperaturumfang  der  Dissociation   die  Rede  sein ,  welcher 
sich     von     dem     durch    Dampfdichtebestimuiangen     nach- 


*)  O.  £.  Meyer  berechnet  s.  B.,  dafs  Jedes  der  die  Laft  ftUBammen- 
Betzenden  Molecnle  bei  0°  in  einer  Secunde  etwa  3000  millioDen- 
mal  mit  anderen  zasammenstofse  (Pogg.  Ann.  CXXV,  597,  1866). 


1 


Naumann,  über  Düsociation,  357 

wei£Fbaren  Beginn   der  Zersetzung   bis   zu  der  gleicherweise 
nachweisbaren  Vollendung  derselben  erstreckt. 

Als  Ursache  der  Dissociationserscheinungen  wurde  das 
Zusammenstofsen  der  Molecule  erkannt.  Die  Veranlassung 
zur  Dissociation  wird  deshalb  für  verschiedene  Körper  um 
so  gröfser  sein ,  d.  h.  die  Dissociation  wird  um  so  weiter 
unterhalb  der  Zersetzungstemperatur  beginnen,  je  stärker  und 
je  häufiger  die  Molecularstöfse  sind ;  /und  eben  so  wird,  wenn 
die  Hitteltemperatur  die  Zersetzungstemperatur  überschreitet, 
um  so  mehr  Veranlassung  zur  Wiedervereinigung  der  Zer- 
setzungsproducte  gegeben  sein,  d.  h.  die  obere  Temperatur- 
grenze der  Dissociation  wird  um  so  weiter  von  der  Zer- 
setzungstemperatur abstehen,  je  stärker  und  häufiger  die 
Molecularstöfse  sind.  Der  Temperaturumfang  der  Dissociation 
wird  also  für  verschiedene  Körper  mit  der  Stärke  und  Zahl 
der  Molecularstöfse  im  Verhältnifs  stehen,  welche  unter  sonst 
vergleichbaren  Umständen  erfolgen.  Betrachten  wir  nun  ein 
und  dasselbe  Gas,  aber  bei  verschiedenen  absoluten  Tempe- 
rataren T'  und  T^',  so  wird  der  Umfang  w  der  gröfsten 
merklichen  Schwankung  der  einzelnen  Atomtemperaturen  um 
die  Hitteltemperatur  gleichfalls  um  so  gröfser  sein,  je  stärker 
und  häufiger  die  Molecularstöfse  sind.  Bedeutet  s  die  durch 
die  lebendige  Kraft  der  Molecule  ausgedruckte  Stärke  und 
z  die  Zahl  der  in  der.  Zeiteinheit  erfolgenden  Molecularstöfse, 
so  ist 


w"  s"        z" 


Die  Zahl  der  in  der  Zeiteinheit  erfolgenden  Zusammen- 
stöfse  hängt  ihrerseits  wiederum  ab  sowohl  von  der  mittleren 
Geschwindigkeit  u  der  Molecule,  als  von  der  Anzahl  N  der 
in  der  Volumeinheit  enthaltenen  Molecule.  (Der  Querschnitt 
der  Molecule   desselben   Körpers    darf  als    für    verschiedene 


358  Naumann^  über  Dissociation. 

Temperaturen  gleich  i^rofs  angenommen  werden  und  deshalb 
unberücksichtigt  bleiben.)    Man  hat  daher 

Die  Einsetzung  dieses  Werthes  von  -77-  in  vorige  Glei- 
chung ergiebt 


w"    ■"      %"  '    u"   '    N"* 


Da  die  mittleren  lebendigen  Kräfte  der  Molecularbe- 
wegungen  sich  wie  die  absoluten  Temperaturen  verhalten, 
d.  h.  da 


mu« 

T' 

mu"« 

rpi«    ' 

so  ist  zunächst 

—     T' 
>ji/i 

und  ferner 

■  / 

Die  Anzahl  N  der  in  der  Volumeinheit  enthaltenen 
Molecule  wird  durch  Temperatur  und  Druck  p  folgender- 
mafsen  bestimmt 

Setzt  man  alle  diese  Werthe  in  Gleichung  (4)  ein,  90 
erhält  man 

—  —  (5) 


w" 


T"      J/57,  p"T'  p,,|/^, 

Die  grö/sten  Atomtemperatur  Schwankungen  desselben 
Oasea  um  verschiedene  Mitteltemperaturen  verhaken  sich  also 
wie  die  Quadratwurzeln  aus  diesen  (absoluten)  JUüteltemp^' 
raturen  und  wie  die  Drucke,  Um  nun  die  Beziehung  der 
Zersetzungstemperatur  zu  den  Temperaturen  des  Beginns  und 


Naumann,  über  Disaociation,  359 

der  Vollendung  der  Dissociation  zu  ermitteln,  wollen  wir 
anter  T  die  (absolute)  Zersetzungstemperatur,  unter  T^  die 
Temperatur  des  Beginns,  unter  T^^  diejenige  der  Vollendung 
der  Dissociation  verstehen.  Fallt  die  Mitteltemperatur  mit 
der  unteren  Temperaturgrenze  der  Dissociation  zusammen, 
so  werden  Atomtemperaturen  nach  oben  gerade  bis  zur  Zer- 
setzungstemperatur  hinaufreichen,  d..h. 

T  — T'  =  --' 
2 

Hat  die  Mitteltemperatur  die  obere  Temperaturgrenze 
der  Dissociation  erreicht,  so  werden  Atomtemperaturen  nach 
unten  gerade  bis  zur  Zersetzungstemperatur  zurückgehen,  d.  h. 


w'' 


Daraus  folgt  unter  Berücksichtigung  von  Gleichung  (6) 

T— T'       _      ^'     ^     P'^^ 
"T"-T      -     w'~'    -     ~j7^' 

woraus 

Für  die  nach  dem  Verfahren  von  Dumas  ausgeführten 
Dampfdichtebestimmungen  ist  es  zulfissig,  p'  =  p'^  zu  setzen, 
man  hat  dann 

T-'— T      "^     ]^" 

and  statt  Gleichung  (6) 

Es  ist  somit  durch  die  Oleickung  (6)  beziehungsweise  (7) 
der  Zusammenhang  der  Zer setzungstemperatur  mit  den  Tem- 
peraturen des  Beginns  und  der  Vollendung  der  Dissociation 
gegeben.    Die  Gleichung  (7)   ist   den  ausgeführten  Berech- 


360  Naumann,  über  DissociaHon» 

nungen  zu  Grande  gelegt  worden,  einmal  weil  meistens  die 
Angabe  des  Drucks,  unter  welchem  ein  Gas  bei  dem  Ver- 
suche stand,  fehlt  und  nur  die  auf  0^  reducirten  Werlhe 
der  Dampfdichten  aufgeführt  sind,  und  zum  andern  weil  die 
den  Dampfdichtebestimmungen  besonders  der  dissociations- 
fähigen  Körper  ohnehin  anhaftenden  Ungenauigkeiten  die 
Vernachlässigung  der  jedenfalls  geringen  Druckverschieden- 
heiten  rechtfertigt. 

Es  läfst  sich  aber  die  Zersetzungstemperatur  noch  ander- 
weitig bestimmen.  Unter  der  einfachsten  und  wahrschein- 
liebsten  Voraussetzung^  dafs  bei  jeder  Hitteltemperatur  gleiche 
Abweichungen  in  den  Atomtemperaturen  einerseits  nach 
oben  andererseits  nach  unten  für  eine  gleiche  Anzahl  von 
Holeculen  statthaben,  werden  auch  bei  der  Zersetzungstem- 
peratur gleich  viel  Molecule  in  ihren  Atomtemperaturen  nach 
oben  wie  nach  unten  ausweichen;  die  ersteren  sind  zerfallen, 
die  letzteren  unzersetzt  oder  wieder  vereinigt.  Die  Anzahl 
der  dissociirten  Molecule  wird  also  bei  der  Zersetzungstem- 
peratur die  Hälfte  der  ursprünglich  vorhandenen  sein.  Es 
ist  mühin  die  Zersetzungstemperatur  zugleich  auch  diefenige 
Temperatur,  welche  50  Procenüheile  der  Zersetsung  zeigt, 
Ist  diese  Temperatur  nicht  unmittelbar  beobachtet,  so  läfst 
sie  sich  durch  Interpolation  aus  den  zunächst  liegenden 
ableiten,  wofür  man  bei  geringen  in  Betracht  kommenden 
Temperaturunterschieden  die  Zersetzung  als  dem  Tempe- 
raturzuwachs proportional  annehmen  darf. 

Von  den  vier  oben  aufgeführten  Körpern  ist  Bromwas- 
serstoff' Amylen  der  einzige,  für  welchen  die  drei  Tempe- 
raturen, die  Temperatur  des  Beginns,  die  Temperatur  der 
Vollendung  der  Zersetzung  und  die  Zersetzungstemperatur 
durch  den  Versuch  bestimmbar  sind.  Doch  reichen  die  von 
Wurtz  gegebenen  Zahlen  nicht  aus,  um  dieselben  genau 
festzustellen.    Was  den  Beginn  anlangt ,    so   findet  sich   in 


Naumann y  über  Dissociatton,  361 

obiger  Tabelle  schon  for  155,8^  dieselbe  Dampfdichte,  die 
sich  für  173^  wiederholt,  zum  Beweis,  dafs  die  Versuchs- 
fehler  es  nicht  gestatten ,  den  Beginn  der  Dissociation  un- 
zweifelhaft festzustellen.  Aus  den  für  236,5  und  248^  statt- 
findenden Dissociationsgröfsen  berechnet  sich  die  Temperatur, 
bei  welcher  dieselbe  50  pC.  beträgt,  d.  h.  die  Zersetzungs- 
temperatur, zu  etwa  244^  Die  Dissociation  ist  bei  360^  voll- 
endet, ob  aber  nicht  schon  früher,  ist  fraglich,  da  zwischen 
319  und  360^,  also  für  einen  Temperaturumfang  von  40^ 
keine  Bestimmung  vorliegt.  Die  Versuchsresultate  sind  also 
leider  zu  unvollständig,  um  mit  den  vorbinigen  Ergebnissen 
tbeoreiischer  Betrachtungen  entscheidend  verglichen  werden 
zu  können.  Unter  der  Annahme,  dafs  der  Beginn  der  Disso- 
ciation auf  170^,  die  Zersetzungstemperatur  auf  244^  falle, 
alsoT'  ^  443,  T  =  517  sei,  berechnet  sich  nach  Gleichung  (7; 
T'^  s=  603 ;  es  wäre  demnach  die  Dissociation  bei  330^  voll- 
endet. Der  Temperaturnmfang  der  Dissociation  betröge  dann 
330  -  170  =  160^  und  es  läge  die  Temperatur  des  Be- 
ginns der  Dissociation  um  74^  tiefer,  diejenige  der  Vollendung 
derseften  um  86^  höher  als  die  Temperatur  der  halbvoll- 
endeten Spaltung,  d.  h.  als  die  Zersetzungstemperatur.  Es 
geht  hieraus  hervor,  dafs  oberhalb  der  Zersetzungstempe- 
ratur  die  Zuwachse  der  Zersetzung  kleiner  sind  als  für 
gleiche  und  entsprechende  Temperaturunterschiede  unterhalb 
derselben,  worauf  auch  die  Versuchsresultate  im  Ganzen  hin- 
weisen. 

•Für  Jodwaaserstoff^Amylen  reichen  die  Versuchsresul- 
tate weder  zur  Bestimmung  der  Anfangstemperatur  noch  der 
Endtemperatur  der  Dissociation  aus;  auch  die  Zersetzungs- 
temperatur ist  nicht  genau  genug  angezeigt. 

Dagegen  setzen  für  Phosphorohlorid  die  Versuchsresul- 
tate die  Zersetzungstemperatur  auf  nahezu  200^,  die  Tempe- 
ratur der  vollendeten  Dissociation  auf  etwa  300^.    Es  wäre 


362  Naumann^  über  Dissociatum, 

also  T  =  473  und  T^^  =  573.  Hieraas  berechnet  sich  nach 
Gleichung  (7)  T'  =  390.  Es  beginnt  mithin  die  Dissociation 
bei  117^  bei  einer  Temperatur,  die  noch  um  45^  unter  dem 
Siedepunkt  des  Phosphorchlorids  liegt.  Der  Temperatur- 
umfang der  Dissociation  beträgt  183^  Die  Anfangstemperatur 
liegt  um  83^  tiefer ,  die  Endtemperatur  um  100^  höher  als 
die  Zersetzungstemperatur. 

Für  Schwefelsäurehydrat  liegt  nach  den  Versuchen  die 
Zersetzungstemperatur  bei  etwa  345^  Die  Zersetzung  ist 
bei  416^  schon  vollendet;  es  fehlt  jedoch  an  Versuchen,  um 
darüber  zu  entscheiden,  ob  die  Vollendung  nicht  schon  früher 
eingetreten  ist.  Jedenfalls  ist  aber  der  Temperatummfang 
der  Dissociation  für  Schwefelsaurehydrat  geringer  als  für 
Bromwasser^off-Amylen  und  Phosphorchlorid. 

Endlich  möchte  ich  für  künftig  anzustellende  Dampf- 
dichtebestimmungen dissociationsfähiger  Körper  noch  beson- 
ders darauf  hinweisen,  dafs  nach  Gleichung  (6)  die  gröfsten 
Schwankungen  der  Atomtemperaturen  um  die  Mitteltempe- 
raturen und  ferner  auch  nach  Gleichung  (6)  die  Anfangs- 
temperatur  und  Bndtemperatur  der  Dissociation  vom  Dmck 
abhangen.  Bei  wachsendem  Druck  rücken  die  Diseociatunu- 
grenzen  weiter  attseinander  und  umgekehrt^  während. die  2!er- 
Setzung stempercUur  eine  constante  ist  und  vom  Druck  Dicht 
merklich  beeinflofst  wird. 

4)  Tetnperaturumfang  der  Dissociation  für  verschiedene 

Körper,  ^ 

Verschiedene  dissooiationsfahige  Körper  befinden  sich 
bei  den  bezüglichen  Zersetzungstemperaturen  in  unzweifelhaft 
gleichen  Verhältnissen.  Nehmen  wir  vorläufig  solche  verschie- 
dene Körper  an,  deren  Molecule  aus  einer  gleichen  Anzahl 
von  Atomen  bestehen,  so  wird,  wie  im  vorigen  Abschnitt 
schon  ausgeführt  wurde,   die  Dissociation  um  so  weiter  uo- 


Na  umann^  über  Dissociation.  363 

terhalb  der  Zersetzungstemperatur  beginnen  und  um  so 
weiter  oberhalb  derselben  aufhören,  d.  h.  der  Temperatur- 
omfang  der  Dissociation  wird  um  so  gröEser  sein,  je  stärker 
und  je  häufiger  bei  der  Zersetzungstemperatur  die  Molecu- 
larstöfse  sind.  Es  ist  dabei  nur  vorausgesetzt,  dafs  innerhalb 
des  Temperaturumfangs  der  Dissociation  in  entsprechenden 
Abständen  von  den  Zerselzungstemperaturen  das  Verbältnifs 
von  Stfirke  und  Zahl  der  Molecularstöfse  für  dieselben  ver- 
glichenen Körper  dasselbe  bleibe,  wie  bei  der  Zersetzungs- 
temperatur. Ist  nun  auch  die  Anzahl  der  die  Molecule  ver- 
schiedener Körper  zusammensetzenden  Atome  verschieden,  so 
ist,  da  bei  gleicher  Temperatur  allen  einzelnen  Atomen  gleiche 
lebendige  Kraft  zukommt  und  mithin  bei  Erhöhung  der  Atom- 
temperatur alle  einzelnen  Atome  gleichviel  lebendige  Kraft 
in  Anspruch  nehmen,  die  unter  sonst  gleichen  Umstanden 
erfolgende  Aenderung  der  Atomtemperatur  und  somit  auch 
der  dadurch  bedingte  Temperaturumfang  der  Dissociation 
der  Anzahl  der  das  Molecul  zusammensetzenden  Atome  um- 
gekehrt proportional.  Es  stelle  h  den  Temperaturumfang 
der  Dissociation,  d.  h.  den  Temperaturabstand  vom  Beginn 
der  Dissociation  bis  zur  Vollendung  derselben  vor,  s  die 
Stfirke,  z  die  Anzahl  der  in  der  Zeiteinheit  erfolgenden  Mole- 
cularstöfse, n  die  Anzahl  der  das  Molecul  zusammensetzenden 
Atome ;  so  ist  also 

h"  *~   b"    '    z"   "    n'   • 

Die  Zahl  der  Stöfse  ist  ihrerseits  von  drei  Factoren  ab- 
hängig :  von  der  Geschwindigkeit  u  der  Molecule,  von  der 
Anzahl  N  der  in  der  Volumeinheit  enthaltenen  Molecule  und 
endlich,  wie  eine  einfache  Erwägung  leicht  darthut,  vom  Qua- 
drate des  Querschnittes  der  kugelförmig  vorgestellten  Mole- 
cnle,  welches ;  da  hier  nur  Verhaltnisse  und  nicht  die  abso- 


364  Naumann^  über  DüsocicUion, 

luten  Werthe  in  Betracht  kommen,   durch  die   vierte  Potenz 
des  Molecularhalbmessers  r  bezeichnet  sei;  d.  h.  also 

z' u;^  N'_  r^*_ 

Durch  Einsetzung  dieses  Werthes  von  —«7  in  die  vori^j^e 
Gleichung  ergiebt  sich 

Die  lebendige  Kraft  der  Holecularbewegungen  ist  aber 
für  alle  Gase  bei  derselben  Temperatur  gleich  grofs  und 
sonst  der  absoluten  Temperatur  proportional,  oder 


WO    m  das  Moleculargewicht  und  T^  und  T'^  absolute  Zer- 
setzungstemperaturen bezeichnen.    Es  ist  daher  zunächst 


8' 


g"      ■""      T" 

und  ferner 


■'  ^T'm*/ 


n'  V  i'm' 


u" 


Auch  ist,  wenn  p  den  Druck  bezeichnet. 

Setzt  man  diese  Werthe  in  Gleichung  (8)  ein,  so  er- 
hält man 

°  n  P   r     yrjusj^s 

Es  ist  also  der  Temperaturumfang  der  DissocüUhn 
proportional  dem  Druck ,  der  vierten  Potenz  des  Moleoular^ 
halbmeaeersy  der  Quadratwuriel  aus  der  absoltiten  Zersetzungs- 
temperatur und  umgekehrt  proportional  der  Quadratwurzel 
aus  dem  Moleoulargewichty  der  Anzahl  der  das  Molecul  zu-^ 
sammensetzenden  Atome,  Für  dissociationsfähige  Körper  ist 
mit  der  atomistisohen  Zusammensetzung  auch  das  Gewichts- 
verhältnifs    der    Holecule    bekannt,    der    Druek    leicht  zu 


Naumann,  über  Di^sociatton. 


365 


ermitteln,  die  Zersetzungstemperaturen  sind  diejenigen,  welche 
50  Procenttheile  zersetzt  zeigen^  und  lassen  sich  anch  nach 
Gleichung  (6)  oder  (7)  aus  den  Temperaturen  des  Beginnes 
und  der  Vollendung  der  Dissociation  ableiten.  Dagegen 
haben  wir  über  die  Querschnittsverhältnisse  der  Molecule 
noch  keine  Kenntnib.  Ich  habe  zwar  in  einer  früheren*) 
Notiz  die  Molecularquerschnittsverhältnisse  einer  gröfseren  Zahl 
▼on  Körpern  bestimmt,  aber  unter  ihnen  befinden  sich  nicht 
die  betrachteten  dissociationsfähigen ,  weil  deren  Reibungs- 
oocfficienlen  nicht  bekannt  sind,  welche  der  zur  Bestimmung 
der  Querschnittsverhältnisse  eingeschlagenen  Berechnung  zu 
Grunde  liegen.  Es  ist  deshalb  ein  entscheidender  Vergleich 
der  oben  abgeleiteten  Temperaturumfange  der  Dissociation 
mit  Gleichung  (9)  vorläuOg  nicht  möglich.  Doch  seien  die 
bis  jetzt  bekannten  einschlagenden  Gröfsen  übersichtlich  zu- 
sammengestellt : 


Zersetzungs'-"  Temperatur 


BcbwefelBftorebyrftt  .  . 
Bromwassentoff-Amylen 
Phosphorchlorid     .    .     . 


Ato- 
men- 
sahl 


Mole- 
calar- 


temperatur 
absol. 


7 

17 

6 


98 
151 
208 


8450 
244 

200 


I 


618<> 

517 

473 


umfang  der 
Dissociation 


Man  könnte  Ton  diesen  Zahlenwerthen  gemäfs  der  Glei- 
chung (0)  Gebrauch  machen,  um  rückwärts  die  Querschnitte 
der  betreffenden  Körper  mit  einander  zu  vergleichen. 

5)    Vertauf  der  Dissociation. 

Bezuglich  des  Verlaufes  der  Dissociation  verzichte  ich 
vorläufig  darauf,  für  die  betreffenden  Beziehungen  den  ma- 
thematischen Ausdruck  zu  suchen.  Doch  will  ich  das 
Ergebnifs    einer    ganz    allgemein    gehaltenen    Betrachtung 


*)  Ann.  Chem.  Pharm.  V.  Snpplbd.  8    252. 


366  Naumann f  über  Dtssociation. 

nicht  unerwähnt  lassen.  Setzt  man  gleichbleibenden  Druck 
voraus,  so  sind,  wie  ohnehin  die  Zersetzungstemperatar,  auch 
die  Temperaturen  des  Beginnes  und  der  Vollendung  der 
Dissociation  ganz  bestimmte.  Bezüglich  der  Schwankungen 
der  Atomtemperaturen  um  die  Mitteltemperatur  bietet  sich 
als  naheliegende,  auch  mit  anderweitigen  Erscheinungen  in 
Einklang  stehende  und  von  weiteren  besonderen  Voraus- 
setzungen sich  fernhaltende  Annahme  die,  dafs  geringere 
Abweichungen  in  den  Atomtemperaturen  voii  einer  Mittel- 
temperatur einer  grofseren  Anzahl  von  Moleculen,  und  grö- 
fsere  Abweichungen  einer  geringeren  Anzahl  von  Moleculen 
zukommen.  Es  ergiebt  sich  hiernach  —  wie  sich  schon  durch 
eine  einfache  graphische  Darstellung  nachweisen  liefsC;  deren 
schriftliche  Beschreibung  und  Auslegung  aber  immerhin  etwas 
umständlich  sein  würde  — ,  daß  die  gleichen  TempertUur- 
unterschi'eden  entsprechenden  Zuwachse  der  Zersetzung  von 
der  Temperatur  des  Beginnes  der  Dissociation  an  bis  zur 
Zersetzungstemperatur,  d,  i.  bis  zur  halbvollendeten  Zersetzung 
fortwährend  zunehmen  und  von  der  2Sersetzungstemperatur  an 
bis  zur  Temperatur  der  Vollendung  der  DiasocicUum  in  ähn- 
licher Weise  abnehmen.  Es  findet  diese  Abnahme  nur  in 
ahnlicher  und  nicht  in  gleicher  Weise  wie  die  Zunahme  statt, 
weil,  wie  oben  gezeigt  wurde,  der  Abstand  der  Zersetxungs- 
temperatur  von  der  Endtemperatur  der  Dissociation  gröfser 
ist,  als  derjenige  von  der  Anfangstemperatur  derselben. 

Die  in  den  obigen  Tabellen  aus  den  Versuchsresultaten  ab- 
geleiteten Werthe  stehen  mit  diesenl  Ergebnifs  theoretischer 
Betrachtung  im  Ganzen  nicht  in  Widerspruch.  Besonders 
'  zeigen  die  Zahlen  der  Körper,  für  welche  die  umfassendsten 
Dampfdichtebestimmungen  vorliegen,  nämlich  diejenigen  für 
Phosphorchlorid  und  die  ersten  Zweidrittel  derjenigen  für 
Bromwasserstoff-Amylen  genügende  Uebereinstimmung.  Ein- 
zelnen abweichenden   Zahlen  ist  bei  der  nicht  grofsen  Zu- 


Naumann^  über  Diasodatton.  367 

verlässigkeit  der  einschlagenden  Dampfdichtebestinimungen; 
auf  welche  Ende  des  ersten  Abschnittes  naher  hingewiesen 
wurde,  kein  besonderes  Gewicht  beizalegen. 

Giefsen,  September  1867. 


üeber    verschiedene    Kohlenwasserstoffe    in 

dem  Steinkohlentheer ; 

von  M.  BeriheloL 
Erster    Theil»). 


Im  Verlauf  meiner  Untersuchungen  über  die  gegensei- 
tigen Einwirkungen  der  Kohlenwasserstoffe  bin  ich  dazu  ge- 
führt worden,  zahlreiche  Versuche  mit  den  in  dem  Stein- 
kohlentheer enthaltenen  Producten  anzustellen.  Ich  habe  mich 
namentlich  bemuht,  unter  diesen  Producten  die  Kohlenwasser* 
Stoffe  aufzusuchen,  welche  aus  den  gegenseitigen  Einwir- 
kungen des  Benzins,  des  Aethyliens,  des  Formens  resultiren, 
so  wie  die  in  hoher  Temperatur  sich  bildenden  Condensa- 
tionsderivate  dieser  Verbindungen ;  ich  wollte  dadurch  meine 
ersten  Arbeiten  controliren  und  die  Thatsachen  und  die 
daraus  abgeleiteten  Theorieen  einer  unabhängigen  Prüfung 
unterwerfen.  Diese  Untersuchungen  hatten  mich  nämlich 
einerseits  dazu  geführt;  gewisse  durch  die  Theorie  voraus- 
gesehene aber  bis  jetzt  in  dem  Steinkohlentheer  noch  nicht 
beobachtet  gewesene  Kohlenwasserstoffe  zu  erkennen  ^  wie 
das  Styrolen  und  das  Naphtalinhydrür ;  andererseits  mufste 
ich  aufs  Neue  die  Darstellung  gewisser  bestrittener  Kohlen- 
wasserstoffe untersuchen,  wie  des  Cymens,  oder  ungenügend 


*)  Compt.  reod.  LXV,  466. 


368    Berihelot^  über  verschiedene  Rohlenwasaerstoffe 

bekannter,  wie  des  Anthracens.  Endlich  haben  dieselben 
Untersuchung^en  mich  dahin  gebracht,  bis  jetzt  unbekannte 
Kohlenwasserstoffe  zu  entdecken,  wie  das  Fluoren  und  na- 
mentlich das  Acenaphten,  welches  von  dem  Gesichtspunkte 
der  allgemeinen  Theorie  aus  betrachtet  grofse  Wichtigkeit 
besitzt,  wie  auch  auf  Grund  davon,  dafs  es  auch  synthetisch, 
durch  die  Vereinigung  des  Naphtalins  und  des  Aethylens, 
darstellbar  ist  Ich  will  hier  ein  Resume  meiner  Versuche 
geben  ♦). 

I)  Slf^rolen^  CieH«.  —  Das  Styrolen,  das  Naphtalinhydrür 
und  das  Benzin  sind  Kohlenwasserstoffe,  welche  mit  dem 
Acetylen  isomer  sind,  und  sie  können  direct  durch  Umwand- 
lung desselben  erhalten  werden ;  da  nun  der  Steinkoblentheer 
bekanntlich  Benzin  enthalt,  so  vermuthete  ich,  dafs  er  auch 
Styrolen  enthalte.  Diese  Vermuthung  ist  durch  den  Versuch 
bestätigt  worden.  Um  das  Styrolen  zu  gewinnen,  mufs  man 
die  Steinkohlentheer-Oele  bearbeiten,  bevor  sie  der  in  der 
Industrie  gebräuchlichen  Behandlung  mit  concentrirter  Schwe- 
felsaure unterworfen  sind.  Man  wandelt  das  Styrolen  zu 
Metastyrolen  um  und  stellt  es  dann  aus  diesem  durch  die 
Einwirkung  der  Warme  wieder  her,  unter  Befolgung  eines 
in  meiner  ausführlicheren  Abhandlung  beschriebenen  Ver- 
fahrens. Ich  habe  auf  diese  Art  das  Styrolen  rein  erhalten, 
mit  den  characteristischen  chemischen  und  physikalischen 
Eigenschaften,  welche  diesem  bemerkenswertben  Kohlen- 
wasserstoff eigenthümlich  sind. 

II)  GymeUf  C^oHu.  —  Die  Bildung  des  Styrolens  beruht 
auf  der  polymeren  Condensation  des  Acetylens,  oder  ein- 
facher auf  der  gegenseitigen  Einwirkung  von  freiem  Benzin 
und  freiem  Acetylen,  wodurch  zuerst  Styrolen  und  dann  durch 


*)  Ausfahrlicheres  über  diese    Untersuc Lungen  findet  sich  im    Sep- 
tember- und  Octoberlieft  der  Annales   de  Chimie  et  de  Physique 


m  dem  SteinJcohlenfheer.  369 

eine  Aufeinanderfolge  unregelmafsiger  Verbindungen^  welche 
ich  bereits  dargelegt  habe,  Naphtalin  und  Anthracen  entste- 
hen. An  eine  analoge  Theorie  :  die  der  Einwirkung  des 
Formens  im  Bntstehungszustand  auf  das  Benzin  im  Entste- 
hungszustand  wahrend  der  trockenen  Destillation,  und  im 
Einklang  mit  meinen  Versuchen,  knüpft  sich  die  Bildung  der 
Homologen  des  Benzins  in  dem  Steinkohlentheer  :  des  Toluens, 
des  Xylens  und  des  Cumolens.  Dieselbe  Theorie  zeigt  noch 
das  Cymen  oder  Tetramethylbenzin  an. 

Bis  auf  die  neueste  Zeit  erschien  das  Vorhandensein  des 
Cymens  in  dem  Steinkohlentheer  nicht  als  zweifelhaft,  und 
man  hatte  selbst  dem  unter  diesem  Namen  bezeichneten 
Körper  einen  Siedepunkt,  welcher  nahe  bei  170^  liege,  bei- 
gelegt. Doch  sind  die  Ansichten  der  Chemiker  über  diese 
Frage  ganz  kürzlich  durch  die  mit  bemerkenswerther  Ge- 
nauigkeit ausgeführten  Arbeiten  von  Beilstein  und  Kög- 
ler abgeändert  worden.  Diese  Arbeiten  haben  nämlich 
festgestellt,  dafs  der  gegen  166^  Süchtige,  in  dem  Stein- 
kohlentheer enthaltene  Kohlenwasserstoff  mit  dem  Cumolen 
CigHis  identisch  ist.  Den  genannten  Chemikern  gelang  es 
»nicht,  einen  anderen  Kohlenwasserstoff  aus  dieser  Reihe  mit 
höherem  Aequivalentgewicht  zu  isoliren. 

Indessen  ist  das  Cymen  doch  in  dem  Steinkohlentheer 
vorhanden.  Es  ist  mir  gelungen,  es  zu  isoliren,  in  der  Art, 
dafs  ich  aufser  fractionirten  Destillationen  noch  die  Fallung 
des  Naphtalins^  mit  welchem  es  gemischt  ist,  in  Anwendung 
brachte.  Es  ist  eine  gegen  180^  siedende  Flüssigkeit,  welche 
zu  Schwefelsäure,  Salpetersaure,  Brom  u.  s.  w.  das  den 
Kohlenwasserstoffen  der  Benzinreihe  gewöhnliche  Verhalten 
zeigt.  Zur  Feststellung  seiner  Constitution  habe  ich  das  von 
mir  entdeckte  allgemeine  Reductionsverfahren  mittelst  Jod- 
wasserstoffsaure benutzt.  Ich  habe  das  Cymen  mit  80  Theilen 
gesättigter  Lösung  von  Jodwasserstoffsäure  auf  280^  erhitzt; 

AniiAl.  A.  nhAin.  n.  Pharm.  V.  HQDDlementbd.  3.  Heft.  24 


370      Berthelot,  über  verschiedene  Kohlenwasserstoffe 

es  wandelte  sich  fast  vollständig  zu,  zwischen  155  und  160^ 
siedendem  Decylenhydrür  C20H22  um  : 

Diese  vollständige  Umwandlung  unterscheidet  das  Tetra- 
methylbenzin von  den  metameren  Kohlenwasserstoffen,  wie 
dem  Aethylxylen,  dem  Propyltoluen  u.  s.  w.,  welche  nur 
theilweise  zu  Decylenhydrür  umgewandelt  werden  wfirden, 
während  ein  anderer  Theil  sich  unter  Bildung  der  zwei  ge* 
'sättigten  Hydrüre  spalten  wurde,  die  den  zwei  erzeugenden 
Kohlenwasserstoffen  entsprechen. 

III)  Naphtalinhydrür  CsoHio.  —  Noch  andere  Körper 
werden  durch  die  Theorie  der  gegenseitigen  Einwirkungen 
der  Kohlenwasserstoffe,  unter  einander  und  mit  dem  Wasser- 
stoff, vorausgesehen,  und  dieselben  finden  sich  in  der  That 
in  dem  Steinkohlentheer ;  ich  meine  die  von  den  unvollstän- 
digen Kohlenwasserstoffen  —  dem  Naphtalin,  dem  Ace- 
naphten,  dem  Anthracen  z.  B.  —  sich  ableitenden  Hydrüre. 
Ich  will  hier  specieller  die  Hydrüre  des  Naphtalins  besprechen. 

Wird  das  Naphtalin  der  gemäfsigten  Einwirkung  wasser- 
stoffzuführender  Agentien,    und  speciell  der  der  Jodwasser- 
stoffsäure, unterworfen,  oder  auch  den  aufeinander  folgenden' 
Einwirkungen  von  Kalium  und  von  Wasser,    so  wandelt  es 
sich  zu  dem  Hydrür  C20H10  um  : 

CsoHg  +  H,  =  G90H10. 

Das  Vorhandensein  dieses  Hydrürs  in  dem  Steinkohlen- 
theer kann  also  vorausgesehen  werden.  Es  läfst  sich  auch 
insofern  voraussehen ,  als  dieser  Kohlenwasserstoff  ein  Po- 
lymeres  des  Acetylens  vorstellt. 

Es  ist  mir  in  der  That  gelungen,  dasselbe  Naphtalin- 
hydrür aus  dem  Steinkohlentheer  zu  gewinnen,  unter  Be- 
folgung desselben  Verfahrens,  wie  es  für  das  Cymen  ange- 
wendet worden  war,  aber  indem  ich  die  schweren  Oele 
bearbeitete.     Dieser   Kohlenwasserstoff  siedet  gegen   SK>5^ 


in  dem  ßteinkohUniheer.  371 

er  ist  eine  stark  ond  onangenehm  riechende  Flüssigkeit, 
löslich  in  rauchender  Salpetersäure,  in  rauchender  und  selbst 
in  gewöhnlicher  Schwefelsäure;  er  wird  durch  Brom  ange- 
griffen, durch  eine  alkoholische  Lösung  von  Pikrinsäure 
nicht  gefällt.  Seine  ausgezeichnetste  Eigenschaft  ist  die 
folgende  :  in  einem  zugeschmolzenen  Glasrohr  zum  Roth- 
gluben  erhitzt  regenerirt  er  Naphtalin. 

Nach  den  von  mir  gemachten  Erfahrungen  habe  ich 
Grund  zu  der  Annahme,  dafs  die  schweren  Steinkohlentheer- 
öle  noch  ein  anderes  flussiges  Naphtalinhydrür  CsoHn  ent- 
halten, welches  dem  Naphtalinperchlorur  entspricht;  ferner 
ein  flüssiges  und  gegen  260^  siedendes  Acenaphtenhydrür 
C24H1S)  ein  flüssiges  und  gegen  285^  siedendes  Anthracen- 
hydrür  CggHu,  u.  a. 

IV.  Fluoren.  —  Das  Fluoren  ist  ein  neuer  krystallisirter 
Kohlenwasserstoff,  welcher  sich  bei  den  Rectificationen  der 
schweren  Oele  ausscheidet.  Ich  beschreibe  in  meiner  aus- 
führlicheren Abhandlung  die  Darstellung  dieser  Verbindung. 
Das  Fluoren  ist  ein  schöner  weifser,  blatteriger  krystalli- 
nischer  Körper,  welcher  prachtig  violett  fluorescirt  und  süfs- 
lich  und  reizend  riecht.  Es  schmilzt  bei  113^  und  siedet 
bei  305^,  welche  Zahlen  eine  ganz  bestimmte  Verschieden- 
heit zwischen  dem  Fluoren  und  allen  bekannten  Kohlen- 
wasserstoffen feststellen.  Es  ist  ziemlich  löslich  in  siedendem 
Alkohol,  aber  nur  wenig  löslich  in  kaltem.  Die  Analysen 
ergaben  93,5  bis  94  pC.  Kohlenstoff  und  6,5  bis  6,2  pC. 
Wasserstoff,  d.  h.  nahezu  dieselben  Zahlen,  wie  für  die 
meisten  der  bei  hoher  Temperatur  gebildeten  Kohlenwasser- 
stoffe; auch  wage  ich  es  noch  nicht,  dem  Fluoren  eine 
Formel  beizulegen.  Schwefelsaure,  Salpetersaure,  Brom,  Jod, 
Kalium  wirken  auf  es  in  derselben  Weise  ein,  wie  auf  die 
anderen  festen  derartigen  Kohlenwasserstoffe.  —  Die  schwe- 
felsaure Lösung  ist  fast   farblos,    wenn  die  Saure  rein  ist; 


372      Berthelot,  Über  verschiedene  Kohlenwasserstoffe 

aber  die  geringste  Spur  einer  salpetrigen  Verbindung  färbt 
sie  grün,  und  eine  etwas  merklichere  Menge  violett.  Ich 
habe  mich  davon  überzeugt,  dafs  die  grünen,  blauen  oder 
violetten  Färbungen,  welche  die  schwefelsauren  Lösungen 
verschiedener  bei  hoher  Temperatur  entstandener  Kohlen- 
wasserstoffe zeigen ,  auf  der  Anwesenheit  einer  Spur  salpe^ 
triger  Verbindungen  beruhen. 

Das  Fluoren  bildet  mit  der  Pikrinsäure  eine  in  schönen 
rothen  Nadeln  krystallisirende^  in  Steinkohlentheeröl  leicht 
lösliche,  durch  Alhohol  sehr  leicht  zersetzbare  Verbindung. 
Hit  Fritzsche's  neuem  Reagens,  welches  nitrirtes  An- 
thracen  enthalt,  bildet  das  Fluoren  characteristische  rhombische 
Täfelchen,  deren  Farbe  gelb  mit  einer  braunlichen  Nuanci- 
rung  ist,  die  sich  aber  kastanienbraun  gefärbt  zeigen,  wenn 
man  sie  durch  den  Rand  hindurch  unter  dem  Mikroscop  be- 
trachtet. —  Das  Fluoren  scheint  mir  ein  Kohlenwasserstoff 
von  einiger  Wichtigkeit  zu  sein ;  es  bildet  sich  bei  der  Zer- 
setzung des  Retens  durch  die  Hitze,  zugleich  mit  Anthracen, 
und  bei  einigen  anderen  bei  hoher  Temperatur  vor  sich 
gehenden  Reactionen. 


Zweiter    Theil*). 

V)  Acenaphten  (Acetylonaphtalin),  C24H10.  —  Das  Ace- 
naphten  ist  ein  schöner  krystallisirter  Kohlenwasserstoff,  wel- 
chen ich  in  dem  Steinkohlentheer  entdeckt  habe  und  den 
ich  auch  synthetisch  durch  die  Einwirkung  des  freien  Naph- 
talins  auf  das  Aethylen  bei  Rothgluhhitze  gebildet  habe  : 

^«oHg    +    C4H4    =     C84H10    +    Hj. 

Das  Acenaphten  entsteht  auch,  aber  in  Folge  secundarer 
Reactionen    welche  sich  von   der  vorhergehenden  ableiten, 


*}  Compt  rend.  LXV,  507. 


m  dem  SieinkohkntAeer.  873 

bei ,  der  Einwirkung*  des  Benzins  auf  das  Aetbylen  und  auf 
das  Acetylen. 

Ich  werde  in  meiner  ausführlicheren  Abhandlung  den 
Gang  beschreiben,  welchen  ich  für  die  Darstellung  des 
Aeenaphtens  aus  dem  Steinkohlentheer  befolgt  habe.  Die 
Formel  des  Acenaphtens  wurde  festgei>lellt  auf  Grund  der 
Analyse  desselben  und  der  seiner  Pikrinsäure* Verbindung 
CsiHio,  CjsHs(N04)508.  Es  bildet  schöne  farblose  glanzende, 
nadelforroige  und  abgeplattete  Prismen^  welche  an  beiden 
Enden  durch  eine  doppelte  Zuscharfung  begrenzt  sind ;  ihre 
Länge  erreicht  manchmal  8  bis  10  Centimeter.  Der  Geruch 
dieses  Körpers  ist  dem  des  Naphtalins  ähnlich,  aber  schwächer 
und  weniger  aromatisch.  Sein  spec.  Gewicht  ist  für  den 
festen  sowohl  als  auch  für  den  geschmolzenen  Zustand 
gröfser  als  dad  des  Wassers  bei  derselben  Temperatur. 
Sein  Schmelzpunkt  liegt  bei  93^,  und  sein  Siedepunkt  zwi- 
schen 284  und  285^  Es  ist  sehr  löslich  in  siedendem  Al- 
kohol; aber  die  erkaltete  Lösung  enthalt  nur  noch  Bin 
Hundertstel  ihres  Gewichtes  an  Acenaphten  gelöst. 

Es  verbindet  sich  mit  Pikrinsäure  unter  Bildung  schöner 
orangefarbener  Nadeln,  welche  der  Verbindung  der  Chrom- 
säiire  mit  Chlorkalium  ähnlich  aussehen  und  deren  Formel 
oben  angegeben  ist. 

Rauchende  und  selbst  gewöhnliche  Schwefelsäure  lösen 
das  Acenaphten  unter  Bildung  einer  gepaarten  Säure,  deren 
Salze  äufserst  löslich  in  Wasser  sind.  Mit  rauchender 
Salpetersäure  habe  ich  das  zweifach -nitrirte  Acenaphten 
C24H8(N04)s  erhalten,  welches  in  feinen  gelben  Nadeln  kry- 
stallisirt  und  fast  unlöslich  in  Alkohol  ist. 

Natrium  ist  ohne  Einwirkung  auf  das  geschmolzene  Ace- 
naphten. Kalium  hingegen  wirkt  auf  das  letztere  ein ,  unter 
Entwicklung   von   Wasserstoff  und  Bildung    der  Verbindung 


374     Berthelot,  über  verschiedene  Kohlenwasserstoffe 

Brom  greift  das  Acenaphten  mit  Heftigkeit  an.  Bei  Be- 
folgung gewisser  Vorsichtsmafsregeln ,  welche  ich  in  meiner 
ausführlicheren  Abhandlung  beschreibe,  erhalt  man  ein  Bro- 
mür  G84HioBr6« 

Die  Einwirkung  des  Jods  ist  sehr  merkwürdig.  Wird 
dieser  Körper  mit  dem  Acenaphten  aber  freiem  Feuer  oder 
selbst  im  Wasserbade  erhitet,  so  wandelt  er  es  zu  einem 
braunen  und  zähen  Polymeren  um.  Das  Jod  wirkt  also  auf 
das  Acenaphten  wie  auf  das  Styrolen  und  auf  verschiedene 
andere  Kohlenwasserstoffe,  in  einer  Weise,  welche  man  der 
Einwirkung  desselben  Körpers  auf  den  Schwefel  und  den 
Phosphor  vergleichen  kann. 

Jodwasserstoffsaure  wirkt  auf  das  Acenaphten  schon  bei 
100^  ein,  unter  Freiwerden  von  Jod  und  Bildung  eines 
flüssigen,  gegen  270^  flüchtigen  Kohlenwasseristoffs  (C24H19?)*). 
Wird  das  Acenaphten  mit  20  Theilen  derselben  Wasserstoff- 
saure auf  280^  erhitzt,  so  bilden  sich  als  Hauptproducte 
Naphtalinhydrür  und  Aethylenhydrür  : 

Sind  80  Theile  Jodwasserstoffsaure  vorhanden,  so  wird 
die  Zuführung  von  Wasserstoff  vollständig  und  man  erhalt 
als  Hauptproduct  Decylenhydrür  : 

CS4H10  -\-  9  H|  =^  C20  Hjj  -|-  C4H0. 

Nach  diesen  analytischen  und  synthetischen  Resultaten 
mufs  das  Acenaphten  durch  die  Formel  C4H^(C2oH8)  ausge- 
drückt werden«  Es  ist  eine  Verbindung  von  Naphtalin  und 
Acetylen ,  so  wie  das  Styrolen  als  eine  Verbindung  von 
Benzin  und  Acetylen,  C4H8(CisH6),  betrachtet  werden  kann. 


*)  Ich  habe  auch  beobachtet,  dafs  die  JodwaBserstoffsftnre  ihre 
Wirkang,  Wasserstoff  sazuAhren,  anf  eine  grofse  Zahl  bei  hoher 
Temperatür  gebildeter  Kohlenwasserstoffe  schon  bei  100^  aus- 
übt; aber  die  Resaltato  sind  hier  weniger  glatt  als  bei  stArkerem 
Erhitzen. 


in  dem  Steinkohlentheer,  375 

Diese  Formel  zeiget  klar,  welche  Verschiedenheit  zwischen 
dem  Acenaphten  und  dem  isomeren  Phenyl  besteht,  welches 
letztere  sich  von  2  Molecnlen  Benzin  durch  Substitution  des 
Wasserstoffs  ableitet  und  als  Formel  hat  :  Gi8H4(CiaH6),  ab* 
geleitet  von  Ci«H4(H8).  Die  oben  für  das  Acenaphten  gege- 
bene Formel  entspricht  auch  den  Reactionen  und  der  Sdtti- 
gongscapacität  desselben,  wie  ich  diefs  in  meiner  ausführliche- 
ren Abhandlung  unter  Zugrundelegung  einer  neuen  Theorie  der 
aromatischen  Verbindungen  nachweise,  welche  zugleich  das 
Benzin,  seine  Homologe  und  Derivate,  das  Styrolen,  das 
Naphtalin  u.  a.  umfafst. 

VI)  Anthracen^  CsgHio*  —  Als  Anthracen  bezeichne  ich 
einen  in  folgender  Weise  erhaltenen  Kohlenwasserstoff.  Man 
nimmt  die  festen  Kohlenwasserstoffe  des  Steinkoblentheers 
in  Arbeit,  welche  weniger  jQüchtig  sind  als  das  Naphtalin, 
und  unterwirft  sie  der  Destillation;  man  sammelt  das  von 
340^  bis  zum  Siedepunkt  des  Quecksilbers  und  etwas  darüber 
Uebergehende  besonders  auf.  Dieses  Product  unterwirft  man 
abermals  der  Destillation,  bis  das  Thermometer  350^  zeigt; 
der  Rückstand  in  der  Retorte  besteht  dann  grofsentheils  aus 
Anthracen.  Diese  Masse  lafst  man  4-  bis  5  mal  aus  leichtem 
Steinkohlentheer-Oel  krystallisiren ;  dann  wechselt  man  das 
Lösungsmittel  und  krystallisirt  ein  einzigesmal  aus  Alkohol 
um.  Dann  sublimirt  maii  den  Kohlenwasserstoff  in  einer 
Retorte  bei  einer  Temperatur,  welche  kaum  den  Schmelz- 
punkt desselben  übersteigt. 

Man  erhalt  auf  diese  Art  einen  blendend  weifsen,  blat- 
terigen, in  rhombischen,  oft  an  den  beiden  Spitzen  abge- 
stumpften und  deshalb  sechseckig  aussehenden  Tafeln  kry- 
stallisirten  Kohlenwasserstoff.  Wenn  er  vollkommen  rein  ist, 
besitzt  er   violette  Fluorescenz.    Sein  Erstarrungspunkt  liegt 


376     Berthelot,  über  verschiedene  Kohlenwasserstoffe 

geg^en  210^  (corrigirt),  ond   sein  Siedepunkt  sehr  nahe  dem 
des  Quecksilbers  *). 

Die  Zusammensetzung  dieses  Körpers  entspricht  der 
Farmei  CagHio;  seine  Reactionen  und  seine  allgemeinen  Ei* 
genschaflen  sind  die  des  Anthracens  von  Anderson,  und 
er  scheint  mir  ganz  identisch  zu  sein  mit  einem  kürzlich  von 
Fritzsche  untersuchten  Kohlenwasserstoff,  welcher  mit  dem 
neuen  Reagens  des  letzteren  Chemikers  violett -rosenrothe 
rhombische  Tafeln  bildet.  Dieselben  Tafeln  können  mit  dem 
von  mir  aus  dem  Steinkohlentheer  dargestellten  Kohlenwasser* 
Stoff  erhalten  werden,  aber  nur,  wenn  man  die  Reinigung 
desselben  bis  zum  Ende  durchführt  **).  Es  ist  mir  auch  in 
der  letzten  Zeit  gelungen^  dieselben  Tafeln  mit  ihrer  charac- 
teristischen  Farbe  sowohl  mit  dem  durch  die  Zersetzung  des 
Toluens  bei  hoher  Temperatur  erhaltenen  Anthracen  darzu- 
stellen, als  auch  mit  dem  durch  die  Einwirkung  des  Styrolens 
auf  das  Benzin  gebildeten  Kohlenwasserstoff*^*).  Man  gelangt 
dazu ,  indem  man  diese  Körper  durch  eine  methodische  Auf- 


*)  Meine  YeTsucbe  machen  mich  geneigt  zu  glauben,  dafs  das  An- 
thracen bei  Einwirkung  der  Hitee  eine  ähnliche  Yerändernng 
erleidet,  wie  sie  der  Schwefel,  der  Phosphor,  das  Styrolen 
zeigen. 

**)  Bei  den  ersten  Versuchen,  welche  ich  mit  Fritzich e*s  Reagens 
und  zwar  mit  einer  mir  Ton  diesem  Chemiker  gegebenen  Probe 
desselben  angestellt  habe,  habe  ich  wiederholt  beobacbtet,  dafs 
Proben  von  Anthracen,  welches  bei  210^  scbmolz  und  mit  den 
gewöhnlichen  Eigenschaften  begabt  war,  blaue  Tafeln  gaben, 
was  mir  einige  Zweifel  bezüglich  der  Identität  des  Anthracens 
mit  Fritzsche*s  Kohlenwasserstoff  einflöfste.  Aber  ich  habe 
seitdem  erkannt,  dafs  ein  einmaliges  Umkrystallisiren  meiner 
Proben  ans  Alkohol  genügt,  um  einen  Kohlenwasserstoff  zu  er- 
halten, welcher  violctt-rosenrothe  Tafeln  ohne  irgend  welche  Bei- 
mischung giebt 

***)  Ich  habe  auch  noch  diese  Reaotion  bestätigt  gefänden  für  An- 
thracen, welches  nach  L  i  m  p  r  i  c  h  t's  Verfahren,  durch  Zersetsung 
des  gechlorten  Toluens  mittelst  Wasser,  dargesteUt  war. 


in  dem  Steinkohlentheer,  377 

einanderfolge  von  Behandlungen  reinigt,  entsprechend  den 
so  eben  beschriebenen. 

Ich  habe  geglaubt,  mit  vollkommen  reinem  Anthracen 
die  Reactionen  und  Zuführungen  von  Wasserstoff  mittelst 
Jodwasserstoffsäure  wiederholen  zu  müssen,  welche  ich  vor 
einigen  Monaten  *)  mit  einem  weniger  vollständig  gereinigten 
Product  ausgeführt  hatte.  Ich  habe  genau  dieselben  Resultate 
erhalten ,  nämlich  die  Bildung  der  Hydröre  C^bH^o  und  C14H16. 
Ich  beschreibe  in  meiner  ausführlicheren  Abhandlung  diese 
Versuche,  wie  auch  verschiedene  andere,  welche  die  Formel 
und  die  Constitution  des  Anlhracens  zu  C4Hx(CiyH4[Ci2H4]) 
vollends  feststellen. 

Die  Anwesenheit  des  Acenaphtens  und  des  Anthracens 
in  dem  Steinkohlentheer,  wie  auch  die  synthetische  Bildung 
des  Acenaphtens  mittelst  freien  Naphtalins  und  freien  Aethy- 
lens  und  die  synthetische  Bildung  des  Anthracens  sowohl  aus 
freiem  Styrolen  und  freiem  Benzin  als  aus  Toluen  allein, 
geben  zahlreiche  neue  Beweise  zur  Unterstützung  der 
Gesetze  ab,  welche  ich,  als  die  gegenseitigen  und  directen 
Einwirkungen  der  Kohlenwasserstoffe  beherrschend ,  ausge- 
sprochen habe.  Es  ist  klar,  dafs  die  Reactionen,  welche  ich 
als  zwischen  dem  Benzin  und  dem  Aethylen  stattfindend  be- 
obachtet habe,  die  Typen  einer  Menge  ihnUcher  Reactionen 
sind,  welche  zuerst  zwischen  diesen  nämlichen  erzeugenden 
Kohlenwasserstoffen  und  den  ersten  Umwandlungsproducten 
derselben,  wie  dem  Styrolen,  dem  Naphlalin,  dem  Phenyl, 
dem  Anthracen,  dem  Chrysen  u.  s.  w.  statthaben,  und  dann 
zwischen  diesen  neuen  Kohlenwasserstoffen  selbst,  welche 
zwei  zu  zwei,  drei  zu  drei  u.  s.  w.  einwirken.  Eine  un- 
begrenzte Zahl  bestimmter  Kohlenwasserstoffe  entsteht  suc- 
cessive  durch  diese  methodische  Verkettung  der  nothwendi- 
gen  Reactionen. 


*)  Compt.  rend.  LXIV.  788. 


378  Buchanan,  über  einige  Derivate 

Ueber  einige  Derivate  der  Tsäthionsänre ; 

von  J.  Y.  Buchanan  *). 


Die  nachstehenden  Versuche  sind  in  der  Absicht  unter- 
nommen worden ,  von  der  Isathionsäure  Derivate  zu  erhalten, 
welche  den  schon  seit  mehreren  Jahren  bekannten,  durch 
Wurtz  entdeckten  Derivaten  der  Milchsaure  analog  seien. 
Wurtz  hat  gefunden,  dafs  bei  Behandlung  eines  Hilchsäure- 

(u 
Ql  .  CO  .  Cl 

erhalten  wird ,  welches  seinerseits  bei  Behandlung  mit 
absolutem     Alkohol     den     Aether     der     Chlorpropionsäure 

CAq^  .  CO  .  OC2H5   und    bei  der  Behandlung   mit  Natrium- 

dthylat  den  Aether  derAethylmilchsdurecJ^^lj  q.CO.OC^Hs 
giebt.  Durch  Behandlung  eines  Salzes  der  Isathionsäure 
Cslll^ .  SOg .  OH    mit   Phosphorsuperchlorid   hat  Kolbe**) 

das  Chlorür  C2IQ1 .  SO2 .  Cl   erhalten,    und    bei   Behandlung 

dieses    Körpers    mit  Wasser    die    Chloröthylschwefelsöare 

Csj^^ .  SO9 .  OH.     Als  Kolbe  an   der  Stelle   des  Wassers 

Alkohol  einwirken  liefs,  liefs  sich^  selbst  nach  Erhitzen  in 
einer  zugeschmolzenen  Röhre  auf  100^,  kein  Aether  ab- 
scheiden. 

In  der  Absicht,  Natriumathylat  auf  das  Chlorär  der 
Chloräthylschwefelsäure  einwirken  zu  lassen,  setzte  ich  zu 
dem  letzteren  vollkommen  wasserfreien  Alkohol,  und  ich  war 


*)  Compt.  rend.  LXY,  417. 
**;  Ann.  Chem.  Pharm.  CXXU,  87. 


der  häthionaäure.  379 

erstaunt,  eine  sehr  deutliche  Temperaturerhöhung  wahrzu- 
nehmen. Bei  dem  Erhitzen  dieses  Gemisches  entwici&elte 
sich  viel  Chloräthyl,  und  nach  Entfernung  des  Alkohols 
durch  Destillation  und  im  leeren  Raum  blieb  eine  wenig  ge- 
färbte, zugleich  atherartig  und  sauer  riechende  Flüssigkeit. 
Es  liefs  sich  diese  Flüssigkeit ,  selbst  im  leeren  Räume,  nicht 
destilliren  und  die  Analysen  der  von  verschiedenen  Darstel- 
lungen herrührenden  Substanz  ergaben  nur  sehr  wenig  unter 
einander  übereinstimmende  Zahlen.  Die  Resultate  stellten 
diese  Flüssigkeit  zwischen  den  Aether  und  die  Chlorathyl- 
schwefelsaure.  Ich  glaube,  dafs  die  Reaction  in  der  fol- 
genden Art  vor  sich  gegangen  ist  Es  bilden  sich  zuerst 
dieser  Aether  und  Chlorwasserstoffsöure ;  dann  wirkt  die 
Chlorwasserstoffsaure  auf  den  überschüssigen  Alkohol  ein 
und  es  bilden  sich  Wasser  und  sich  entwickelndes  Chlor- 
äthyl ;  und  dann  zersetzt  das  Wasser  den  Aether  unter  theil- 
weiser  Wiederbildung  von  Alkohol  und  Chloräthylschwefel- 
saure. 

Mischt  man  diese  Flüssigkeit  mit  Wasser,  so  erwärmt 
sich  die  Mischung  und  wird  stark  sauer.  Ich  habe  damit 
das  Kupfersalz  und  das  Kalksalz  dargestellt,  aber  es  war 
mir  unmöglich,  sie  rein  zu  erhalten;  sie  scheinen  die  Eigen- 
schaft zu  besitzen,   sich  selbst  im  Wasserbade  zu  zersetzen. 

Einwirkung  des  Natriumäthylata  auf  das  Chkrur  der 
ChbräthyUchwefelsäure,  —  Ich  habe  das  Natriumäthylat  stark 
mit  wasserfreiem  Alkohol  verdünnt  auf  das  Chlorür  der  Chlor- 
äthylschwefelsäure einwirken  lassen,  bis  die  Flüssigkeit  eine 
alkalische  Reaction  angenommen  hatte.  Es  scheidet  sich  Chlor- 
natrium in  grofser  Menge  aus;  man  beseitigt  es,  indem  man 
die  heifse  Flüssigkeit  durch  ein  trockenes  Filter  filtrirt.  In 
dem  Filtrat  scheiden  sich  bei  dem  Erkalten  desselben  weifse 
zerfliefsliche,  iu  kaltem  absolutem  Alkohol  wenig  lösliche  Kry- 
stalle  aus.    Sie  sind  das  Natriumsalz  der  Aethylisäthionsäure. 


380     Buchanarit  über  einige  Derivate  der  Isäihionsäure. 

Ich  habe  bei  den  Analysen  zweier  Präparate  von   verschie- 
denen Darstellungen  folgende  Zahlen  erhalten  : 


Gefanden 

Berechnet 

I. 

II. 

Mcko-SO'^Na 

c 

26,36 

26,21 

27,27 

H 

5,14 

6,25 

5,11 

8 

18,88 

— 

18,18 

Na 

12,88 

13,07 

0 

— 

36,26 

100,00. 

Bei  der  Darstellung  des  Chlorurs  bilden  sich  immer,  wie 
diefs  Kolbe  bemerkt  hat,  kleine  Mengen  des  Chlorürs  der 
Isäthionsäure,  welche  natürlich  auf  das  Natriumathylat  einwir- 
ken, indem  sie  isäthionsaures  Natrium  entstehen  lassen.  Die 
Anwesenheit  des  letzteren  Körpers  ist  wahrscheinlich  die  Ur- 
sache davon,  dafs  der  gefundene  und  der  berechnete  Kohlen- 
stofTgehalt  um  1  pC.  dUTeriren. 

Durch  Erhitzen  dieses  Salzes  mit  einem  grofsen  lieber- 
Schusse  sehr  concentrirter  Jodwasserstoflsaure  in  zngescbmol- 
zenen  Röhren  auf  150^  erhielt  ich  Aethyljodur  und  eine 
Säure,  von  letzterer  jedoch  eine  zu  geringe  Menge  als  dafs 
ich  mit  Bestimmtheit  hatte  ermitteln  können,  ob  es  Isäthion- 
säure oder  Aethylschwefelsäure  war.—  Gestützt  auf  diese  That- 
Sachen  glaube  ich  mich  berechtigt^  diesem  Körper  die  Formel 

beizulegen.  Ich  beschäftige  mich  jetzt  mit  der  weiteren  Un- 
tersuchung dieser  Säure  und  hoffe  nächstens  die  Resultate 
derselben  mittheilen  zu  können. 

Diese  Versuche  wurden  in  dem  Laboratorium  von  Kolbe 
begonnen,  und  in  dem  von  Wurtz  fortgesetzt. 


Ausgegeben  den  21.  December  1867. 


0niek  TOD  Wilhelm  Keiler  in  Glefoen. 


ANNALEN 


DER 


CHEMIE 


UND 


PHARMACIE. 


HERAUSGEGEBEN    UND    REDIGIRT 

VON 

FRIEDRIGH  WÖHIER,  JUSTCS  LIEBIG 
UND  HERMANN  HOPP. 


VI.  SÜPPLEMENTBAND. 


(MIT  DBEI  FIGÜBENTAFELN.) 


LEIPZIG  UND  HEIDELBERG. 

186  8. 


Inhaltsanzeige  des  VL  Supplementbandes. 


Erstes    Heft. 

Seite 

Ueber  Ozyaldine  und  Thkldine;  ron  HngeBekiff      .    .    .    .  1 

Ueber  die  Beüehangeii  Ewisohen  Moleenlargewicht  und  apec.  Ge- 
wicht elaatiBch-flüBsigex  Körper;  Ton  Dr.  Ang.  Horstmann  61 

Ueber  die Dampfdicbte  des  Sdhwef elamnKmifiiDB ;  Ton  Demselben  74 

UntersQcbnngen  über  Tanadin;  Ton  H,  E.Bo8coe 77 

Ueber  die' Byntheie  diBsNbiirfii«;  ton  A.  Wurts       .    .    :    .    .  116 

Bjntbese  der  CapronsSnre;  ron  J.  A^Wanklyn  und  R.  Schenk  120 

Ueber  die  Art  der  Einwirknng  der  £!rdrotation  anf  die  Kicbtnng 

des  Windes;  von  H.  Bn ff .121 

Ueber  die  Identität  des  Körpers  in  der  Atmosphftre,  welcher  Jod- 

kaliomzersetxt,' mit  Oson;Ton  Tb.  Andrews 125 


Zweites     Heft. 


Untersachongen  Über  die  Dampf  tensionen  homologer  Verbindungen ; 

Yon  H.  Landolt 129 

Ueber  die  Oxydation  der  orgsnischen  Sftnren;  yon  M.  Berthelot    181 

Berechnung  gemischter  Feldspathe^  von  B-Bansen 188 

Ueber  die  Identität  des  künstlichen  und  des  natflrlichen  Nenrins; 

von  A.  Wurtz  .     .    •. 197 

Ueber  Dissodation  der  Untersalpetersftnre;   Ton  Priratdocent  Dr. 

Alex.  Naumann 203 

Ueber  Chloranil;  von  J.  Stenhonse 208 

Ueber  die  Einwirkung  von  Zinn  und  Salzsfture  auf  Balpetersäure« 

Aethjläther;  ron  W.  Lossen 220 


Seite 

Ueber  die  bei  bober  Temperatar  entetebenden  Koblenwasserstoffe ; 

Ton  M.  Berthelot 247 

Ueber    pTrogallossaures   Ammoniak;    ron    V.    de   Lnynes  imd 

G.  Esperandien 252 

Ueber  die  direete  Umwandlnzi^  des  Aethylencbloroiodida  za  GItoqI;  * 
Ton  Maxwell  Simpson 253 

Notas  über  das  Hydraoetamid  von  Schiff;   von  A.  Strecker      •    255 


♦  .    .    * 


Drittes    Heft 


Ueber  die  Yerbindimgea  des  Phosphors;  von  H.  Wichelhaas     ,    357 

Ufejber  die.  Isompiie  äfis  Bicarbonsitaren-  des  A^thylens  nnd  Aethy- 

lidens;  von  Demselben    .    .    «  ..  ^ 281 

Ueber  die  EinschJiefenng  des  Wasaer^toffgases  durch  Metalle;  Ton 

Tb.  Graham 284 

Die  Wärmeentwickelimg  bei  chemischen  Umsetztingen  in  ihrer  Ab- 
hfingigkeit  yon  der  Aendenmg  der  Molecnhsahl;  von  Privat- 
docent  Dr.  Alex.  Naumann 295 

Ueber  die  Yerbrennmig  von  Wasserstoff  und  Kohlenoxyd  in  Sauer- 
stoff unter  hohem  Druck;  von  E.  Frankland 808 

Ueber   die   Dampfspannung   des   ameisensauren   Aethyls  und    des 

essigsauren  Methyls;   von  C.  W.  Dittmar 813 

Ueber  die  künstliche  Bildung  des  Pyridins;,  von  £.  Th.  Ghapman 

und  M.  H.  Smith 329 

Beziehungen  zwischen  chemischer  Zusammensetzung  und  Ertrags- 

fUiigkeit  des  Bodens;  von  W.  Schütze 332 

Ueber  das  Ammonium-  Amalgam;   von  H.  Landolt 346 

Ueber  isomere  Altyl«  and Propylenderivate ;  von  Alphons  Oppen- 
heim,,,     •.« 353 

Ueber    eine   neue  Bildungsweise    des   ResoroiDs;    von   Alphons 

Oppenheim,  und  Geor^  Yo^t.    ^    ,..    ^    ,.••..    *    376 


»    »    »    • 


ANNALEIS 

DEB 


CHEMIE  UND  PHARMACIE. 


VI.    Snpplementbandei    erstes    Heft. 


üeber  Oxyaldine  und  Thialdine; 
von  Hugo  Sch^. 


Im  ersten  Theile  meiner  Abhandlang  aber  die  Producte 
der  Einwirkung  der  Aldehyde  auf  organische  B^sen  (Ann, 
Chem.  Pharm,  Supplementbd.  III,  343)  wiirdQ  auch  üuf  das 
Verhatten  der  Fettsäure -Aldehyde  zu  Ainmoniak  hinge- 
wiesen. Es  wur^e  die  Existenz  des  Hydrönanthiimids 
N^(C^H'^)^  dargethan  und  auf  ein  ähnliches  Derivat  des  Vale- 
rals  aufmerksam  gemacht.  Als  Argument  Xür  die  Existenz 
dieses  Valeralderivates   und  eines  ähnlichen  Derivates    des 

{3  CH 
Qri5^io  und 

Q  P2II4  ^nSfofui^r^  9   welche  aus  Aldehyd,   Blausäure  und 

Ammoniak  entstehen  und  deren  Bildung  in  der  Weise  auf- 
zufassen wäre,  dafs  zwischen  die  Aldehydresidua  der  Hydra- 

mide  im  Momente  der  Bildung  je  dreimal  die  Gruppe  N<CH 

eingeschaltet  würde. 

Hydracetamid. 

{C»H* 
G*H^    kann  in 

der  That  erzeugt  werden,    wenn  man  Acetaldehyd  bei  mitt- 

Annal.  d.  Chem.  a.  Pharm.  VI.  Supplemenibd.  1.  Heft.  \ 


2  Schiff,  über  Oxyaldine 

lerer  Temperatur  allmälig  durch  Ammoniak  zersetzt;  aber  die 
Verbindung  verändert  sich  bei  der  Abscheidung  so  leicht, 
dafs  ich  sie  bis  jetzt  nicht  vollkommen  rein  erhalten  konnte. 
Ueberiafst  man  Aldehyd  in  überschüssigem,  nicht  zu  concen- 
trirtem  weingeistigem  Ammoniak  gelöst  5  bis  6  Monate  in 
verschlossenen  Flaschen  bei  mittlerer  Temperatur  sich  selbst, 
so  nimmt  der  Inhalt  Orangefarbe  und  einen  eigenthümlichen 
Geruch  nach  festem  Chlorcyan  an.  Man  destillirt  bei  60  bis 
70^  Weingeist,  Acetal,  Ammoniak  und  flüchtige  Basen  ab, 
und  lafst  das  letzte  Sechstel  in  flachen  Gefafsen  bei  mittlerer 
Temperatur  verdunsten.  Es  scheidet  sich  eine  zimmtbranne 
Masse  ab,  welche  den  schon  erwähnten  Geruch  in  hohem 
Mafse  besitzt.  Man  wascht  mit  kleinen  Mengen  Aether^ 
und  erwfirmt  die  nach  etwa  24  Stunden  hart  und  pulvertsir- 
bar  gewordene  Masse    mit   einer   sehr  verdünnten   Lösung 

1 

von  Kali  ^  in  absolutem  Weingeist^  wodurch  anhängendes  Am- 
moniak gänzlich  entfernt  wird.  Man  scheidet  das  Kali  durch 
einen  Kohlensiurestrom  ab;  verdunstet  im  Wasserbade  zur 
Syrupconsistenz  und  trocknet  dann  im  Vacuo  über  Schwefel- 
saure. —  ^ine  Operation  wurde  auch  mit  einem  Gemenge 
von  Weingeist,  Aldehyd,  Salpeterather  und  Salpetrigather 
ausi^eführt,  wie  es  bei  der  Darstellung  von  Glyoxal  als 
Nebennrodact  erhalten  wird.  Durch  einen  besonderen  Ver- 
sqch  hatte  ich  mich  überzeugt,  dafs  die  beiden  Salpeterather 
unter  den  gegebenen  Verhältnissen  wohl  Aethylbasen,  aber 
kein  dem  Hydracetamid  ähnliches  Product  liefern. 

Die  im  Vacuo  getrocknete  schwammig  aufgeblähte  Sub- 
stanz zerfällt  leicht  zu  einem  graugelben  hygroscopischen 
amorphen  Pulver,  welches  sich  leicht  in  Wasser  und  Wein- 
geist löst;  die  Lösung  schmeckt  intensiv  bitter.  Das  Pulver 
ist  bei  gewöhnlicher  Temperatur  nahezu  geruchlos,  nimmt 
aber  beim  Erwärmen  einen  eigenthümlichen  Geruch  nach 
flüchtigen  Basen  an.      Die  Analysen  lieferten  Kohlen-   und 


und  Thioldine,  3 

Wasserstoflbestimmungen,  die  sehr  wohl  mit  der  Formel  C^H^^^ 
fltimmten,  aber  bei  den  Stickstoffbestiromungren  zeigten  alle 
Präparate  einen  mehr  oder  minder  bedeutenden  Ausfall, 
welcher  sich  aus  dem  weiter  unten  Anzuführenden  erklären 
wird. 

Das  Hydracetamid  hat  ausgesprochen  basische  Eigen- 
schaften; die  wasserige  Lösung  ist  swar  gegen  Lachmus  in- 
different, aber  sie  grönt  schwach  das  Malvenpapier.  Die 
ebenfalls  amorphen  Salze  sind  in  Wasser  reichlich,  in  Wein- 
geist wenig  löslich.  Das  stickstoffreichste  Präparat  gab  ein 
Sulfat,  welches  sehr  nahe  C^H^>NS  SH^O«  enthielt  Die 
Base  verbindet  sich  mit  2  HCL 

1,708  Grm.  des  stickstoffreichsten  Präparats  in  Salzsäure 
gelöst  und  über  Kalistücke  verdunstet  hielten  1,060  Grm. 
Säure  zurück,  während  2  HCl  1,113  Grm.  verlangen.  Diese 
Verbindung  gab  dann  im  Vacuo  über  Kalistücke  allniMig 
noch  ein  Holecul  Säure  ab.  Das  Gewicht  blieb  bei  0,550 
bis  0^545  Grm.  nahezu  constant,  aber  ein  Molecul  HCl  ver- 
langt für  obige  Menge  der  Base  0,556  Grm.  Beim  Erwärmen 
im  Luftbad  erfolgt  bei  110^  keine  weitere  Veränderung. 

Das  Ckloroplatinat  ist  ein  körniges  oder  sandiges  Kry-* 
Stallpulver  und  entspricht  der  Formel  PtCH,2C%^^N^  2HC1. 
Dieses  Salz  ist  nicht  in  Wasser,  wohl  aber  etwas  in  Wein- 
geist löslich  und  verliert  schon  unter  120^  einen  Theil  der 
Salzsäure,  In  verschiedenen  Platinsalzen  wurde  30,9  bis 
32  pC.  Platin  gefunden,  während  die  Formel  31,1  pC.  ver- 
langt. Die  Base  verbindet  sich  auch  mit  den  Chloriden  von 
Gold  und  von  Quecksilber«  Die  Goldverbindung  wird  in 
kochendem  Wasser  theilweise  metallisch  reducirt.  ^  Das 
Oxalat  ist  ein  in  Wasser  lösliches  kömiges  Pulver.  Mit 
Pikrinsäure  entsteht  ein  flockiger  gelber  Niederschlag. 

In  einem  Falle  hatte  man  das  gefällte  Chloroplatinat 
nebst    der    noch    überschussiges   Plaünchlurid    enthaltenden 

1» 


4  Schiffe  über  Oxyaldine 

Flüssigkeit  mehrere  Tage  bedeckt  stehen  lassen,  am  in  die- 
ser Weise  vielleicht  ein  deutlich  krystallisirtes  Chloroplatinat 
zu  erhalten.  Es  setzten  sich  in  der  That  kleine  glanzende 
Krystalle  ab,  welche  sich  aber  als  Platinsalmiak  auswiesen. 
In  der  Meinung,  das  Chloroplatinat  enthalte  noch  Platinsalmiak, 
wurde  es  nun  mit  der  platinhaltigen  Lösung  ausgekocht  und 
diese  letztere  setzte  jedesmal  beim  Erkalten  krystallisirten 
Platinsalmiak  ab.  Auffallend  war  es  hierbei,  dars  der  aus- 
gekochte  Rückstand  keinen  kleineren,  ja  in  einigen  Fallen 
einen  gröfseren  Platingehalt  ergab. 

Der  letztere  Umstand  führte  auf  die  Frage,  ob  das  Am- 
moniak nicht  als  Zersetzungsproduct  der  Base  auftrete,  und 
diese  Frage  mufs  nach  weiteren  Versuchen  bejahend  beant- 
wortet  werden.  Ein  sorgfaltig  mittelst  Aether  -  Alkohol  ge- 
reinigtes Präparat,  welches  mit  schwach  erwärmter  Kalilauge 
kein  Ammoniak  entwickelt ,  wird  theils  in  Salzsäure,  theils 
in  Schwefelsäure  gelöst  und  die  Lösungen  werden  einige 
Zeit  siedend  erhalten.  Nach  einiger  Concentration  entwickelt 
sich  auf  Zusatz  von  Kali  reichlich  Ammoniak  und  zugleich 
entsteht  ein  brauner,  in  der  Wärme  harzartiger  Niederschlag. 
Aus  der  schwefelsauren  Lösung  wurde  das  Ammoniumsulfat 
aufserdem  krystallisirt  erhalten.  Es  zeigte  sich  ferner,  dab 
auch  die  wässerige  Lösung  der  Base  sich  beim  Kochen  unter 
Ammoniakentwickelung  zersetzt.  Diese  Zersetzung  findet 
ihren  Ausdruck  in  der  Gleichung  : 

C«H"N«,  2  HCl  -f  H«0  =  NH*C1  +  C«H"NO,  HCl. 

Diese  Zersetzung  scheint  in  geringer  Menge  schon  bei 
wenig  erhöhter  Temperatur  stattzufinden,  und  die  Base 
C^H^^NO  war  es  ohne  Zweifel,  welche  alle  Präparate  des 
Hydracetamids  verunreinigte.  Hierauf  deutet  der  jedesmalige 
Ausfall  an  Stickstoff  und  der  Mangel  an  Salzsäure  in  dem 
zweisäurigen  Chlorhydrat. 


und  ThüJdine,  6 

Oxytrialdtn. 

Die  Base  C^H^^NO ,  welche  wir  Oxytrialdin  nennen 
wollen ,  entsteht  sehr  leicht  aus  dem  Hydracetamid.  Dampft 
man  die  bei  Einwirkung  des  alkoholischen  Ammoniaks  auf 
Aldehyd  entstehende  Lösung  beim  Siedepunkte  derselben 
ein,  so  findet  fast  vollständige  Umwandlung  in  die  Oxybase 
statt 

Die  Darstellung  des  Oxytrialdins  gelingt  sehr  leicht,  da 
hierbei  keine  weitere  Vorsicht  nöthig  ist;  man  destillirt  das 
Rohproduct  der  Einwirkung  des  weingeistigen  Ammoniaks 
auf  Aldehyd  über  freiem  Feuer  und  versetzt  die  stark  con- 
centrirte  Flüssigkeit  nach  dem  Erkalten  mit  Kalilauge.  Da 
das  Oxytrialdin  sich  in  letzterer  nicht  löst,  so  wird  eine 
braune  harzige  Masse  abgeschieden,  welche  man  in  ver- 
dünnter Salzsaure  auflöst;  diese  Lösung  wird  einige  Zeit  auf 
dem  Wasserbade  erwärmt  und  dabei  zugleich  concentrirt. 
Man  fallt  dann  aufs  Neue  durch  Kalilauge,  löst  in  Weingeist, 
fällt  das  Alkali  durch  Kohlensaure,  concentrirt  die  wein- 
geistige Lösung  und  trocknet  schliefslich  im  Yacuo  über 
Schwefelsaure.  Die  in  dieser  Weise  dargestellte  Substanz 
enthält  noch  eine  geringe  Menge  Chlorkalium,  Die  zur 
Analyse  und  zur  Darstellung  des  Chloroplatinats  dienenden 
Präparate  werden  daher  nochmals  aus  Aether -Alkohol  ge- 
reinigt. Die  so  behandelte  freie  Base  führte  dann  zu  den 
folgenden  analytischen  Resultaten  : 

berechnet  gefdnden 

6  C        72  68,7  68,7  bis  64,1 

11 H        11  9,7  9,2  biB    9,6 

N        14  12,4  12,9 

O        16  14,2  — 

118  100,0. 

Im  Aeufseren  ist  das  Oxytrialdin  der  vorher  beschrie- 
benen Base  sehr  ähnlich  ^   nur  ist  sie  von  mehr  braungelber 


6  Schiffe  über  Oxyaldine 

Farbe,  etwas  weniger  hygroscopisoh ,  weniger  aber  immer 
noch  leicht  löslich  in  Wasser,  sehr  löslich  in  Weingeist, 
kaum  lösMch  in  Aether  and  Schwefelkohlenstoff,  sehr  wenig 
in  Benzin,  mehr  in  Chloroform.  Wässerige  Salzsaure  ent- 
zieht dem  Chloroform  die  darin  gelöste  Base.  Die  Salze 
sind  ebenfalls  meist  in  Wasser,  wenig  in  Weingeist,  nicht 
in  Aether  löslich. 

Das  aus  der  Lösung  der  Base  in  absolutem  Alkohol 
durch  verdünnte  Schwefelsäure  gefällte  Sulfat  entspricht  der 
Formel  SH«OS  2  C«Hi^NO. 

Die  Base  mit  Salzsäure  über  Kali  verdunstet  nimmt 
32,1  pC.  Säure  auf.  Die  Bildung  von  C^^H^^NO,  HCl  ver- 
langt 32,3  pC. 

Das  braunrothe  amorphe,  in  Wasser  lösliche  Oxalat, 
dargestellt  wie  das  Sulfat  und  bei  140^  getrocknet,  enthält 
C«H^»NO,  C«H^O*. 

berechnet  geftmden 

Kohlenstoff        47,8  47,2 

Wasserstoff         6,4  6,6. 

In  dem  bei  110^  getrockneten  Chloroplatinat  wurden 
zwischen  30,4  und  31,2  pC.  Platin  gefunden,  während  die 
Formel  PtClS  2  (C«H"NO,  HCl)  31  pC.  verlangt.  Es  ist  ein 
flockiger  rothbrauner  Niederschlag,  welcher  sich  weder  in 
Wasser  noch  in  Weingeist  löst. 

Die  Zusammensetzung  der  Salze  des  Oxytrialdins  deutet 
bereits  an,  dafs  der  Sauerstoff  in  demselben  nicht  in  der 
Form  enthalten  ist,  wie  in  den  Ammoniumhydraten.  Die 
organischen  Animoniumhydrate  zersetzen  sich  bei  höherer 
Temperatur  leicht  in  Wasser,  Kohlenwasserstoff  und  ein 
tertiäres  Amin,  während  das  Oxytrialdin  sich  auch  bei  150® 
nicht  wesentlich  verändert  und  sich  bei  noch  höherer  Tem- 
peratur  vollständig  zersetzt  Phosphorchlorid  wirkt  sehr 
leicht  auf  die  Hydrate  ein,  während  es  auf  unsere  Base  beim 


und  Thialdine.  7 

ErhiUen  nur  sehr  langsam  reagirt.  Ein  Theil  wird  verkohlt; 
unter  den  wenigen  flüssigen  Producten  findet  sich  etwas 
Pbosphoroxychlorid  und  eine  kleine  Menge  einer  in  kaltem 
Wasser  nicht  löslichen  chlorhaltigen  Substanz  (C^H^Cl^  öden 
CHHül).  Jodwasserstoff  löst  die  Base  in  der  Kalte  ohne 
Veränderung  auf.  Erhitzt  man  aber  die  mafsig  concentrirte 
und  noch  etwas  öberschussigen  Jodwasserstoff  enthaltende 
Lösung,  so  scheidet  sich  zuerst  Jod  und  eine  flockige  Sub- 
stanz ab,  welche  sich  aber  beide  alsbald  wieder  auflösen. 
Auf  Zusatz  Yon  Kali  fallt  dann  eine  viel  Jod  enthaltende 
harzige  Substanz,  deren  Analyse  nicht  zu  übereinstimmenden 
Resultaten  führte. 

Um  zu  einer  Ansicht  über  die  Function  des  Sauerstoffs 
im  Oxytrialdin  zu  gelangen,  mufs  man  zunächst  auf  das 
Hydracetamid  zurückgehen,  aus  welchem  das  Oxytrialdin 
dadurch  entsteht,  dafs  die  einwerthige  Gruppe  NH^  durch 
Oxhydryl  ersetzt  wird  : 

Man  kann  auch  zu  einer  ähnlichen  Formel  gelangen, 
wenn  man  die  Base  von  dem  Aldehydammoniak  ableitet.  Die 
Aldehydammoniake  sind  Körper  von  schwach  basischen 
Eigenschaften,  wie  diefs  namentlich  bei  den  höheren  Gliedern 
hervortritt;  so  in  dem  Valerammoniak  (H.  Strecker,  Ann. 
Chem.  Pharm.  CXXX,  217)  und  dem  Trioxyamyliden  von 
J.  Erdmann  (Ann.  Chem.  Pharm.  CXXX,  211),  welche 
beide  Verbindungen  sich  entsprechend  den  Formehi  : 

|C»H".OH  |C»H»o.OH 

N{H  Ni0»H".OH 

(H  lC»Hw.OH 

auffassen  lassen.    Das  Acelaldehydammoniak  mit  der  Formel 

l(:«H*.OH 

wäre    hiernach   das    dem   Oxyäthylenamin    von 


Wurtz  entsprechende  Aethylidenderivat. 


8  Schiffe  über  Oxyaldme 

Das  Oxytrialdin  wurde  sich  dann  von  dem  Aldehyd- 
ammoniak ableiten  nach  der  Gleichung  : 

{C«H* .  OH  rC«H* .  OH 

H  +  2C«H*0  =   N{C«H»  +  2H«0*). 

H  lC«H8 

Das  Oxytrialdin  kann  in  der  That  erhalten  werden,  wenn 
man  eine  mit  Aldehyd  gemengte  weingeistige  Lösung  von 
Aldehydammoniak  in  einer  verschlossenen  Flasche  einige 
Zeit  einer  Temperatur  von  etwa  50  bis  60^  aussetzt.  Bei 
kleinen  Mengen  ist  die  Reaction  nach  wenigen  Stunden  be- 
endigt und  man  kann  die  Base  nach  den  oben  gemachten 
Angabenabscheiden.  Es  wurde  die  auf  diese' Weise  dar- 
gestellte freie  Base  und  auch  das  Chloroplatinat  analysirt. 

Zersetzung  des  wemgeistigen  Äldehydammoniaks, 

Die  eben  beschriebene  Bildungsweise  des  Oxytrialdins 
führte  auf  die  Untersuchung  der  Producte,    welche  wein- 


*)  Nach  dieser  Betrachtnogsweise  w&re  die  Base  als  DtdihenyloxydihtfK^ 
didenamin  aufzufassen.  loh  habe  zwar  früher  (Ann.  Chem.  Pharm« 
CXL,  116)  die  BezeichnuDg  Fmy/ sowohl  für  das  rom  Aethyl  als  auch 
für  das  vom  Aldehyd  abgeleitete  Radioal  C'H^  gebraucht.  Es  ist  aber 
wohl  passender,  dem  ein-  nnd  dreiwerthigen  Radical  CH' .  CH  die 
Bezeichnung  Vinyl  zn  lassen  und  für  das  ein-  und  dreiwerthi'ge 
rom  Aldehyd  abgeleitete  CH^.C.  die  Hofmann^sche  Bezeich- 
nung Aeihenyl  anzunehmen.  Es  Terhalten  sich  dann  diese 
lUdioale  zu  einander  wie  AHyl,  Glyceryl  und  Propenylf  letzteres 
sowohl  ein-  als  dreiwerthig.  Hof  mann  scheint  allerdings 
seine  Namen  für  die  ron  den  Alkoholradicalen  abgeleiteten  nor- 
malen Radicale  vorgeschlagen  zu  haben;  aber  in  der  Praxis 
bezeichnet  er  als  Aethenyl  den  Rückstand  des  S&ureradicals 
CH'.CO,  also  das  Radical  (CH»C/".  Wie  Vinyl  zu  Aethenyl 
verhält  sich  anchFusyl  (Qathrie)  znm  Quintenyl  Hofmann^s. 
Die  Yon  Gerhardt  gegebene Bildnngsweise  des  Benzyldiphenyl- 
diamins  zeigt  bereits,  dafs  die  in  diesen  Basen  enthaltenen  drei- 
werthigen Radicale  noch  dieselbe  Constitution  besitzen,  wie  in 
den  entsprechenden  Nitrilen,  also  wie  die  Derivate  der  Säure- 
radicale  und  nicht  wie  diejenigen  der  Alkoholradioale. 


und  Thtaldine.  9 

geistiges  Aldehydamrooniak  bei  höherer  Temperatur  liefert. 
Basen  aus  Aldehydammoniak  sind  bereits  im  Jahre  1857  von 
Babo  und  von  Heintz  und  Wislicenus  beschrieben 
worden  *).  Babo  erhitzt  die  Substanz  im  geschlossenen 
Rohre  auf  120"  und  erhält  zwei  Basen,  deren  Platinsalze  zu 
den  Formeln  : 

C»«H«N«0,  2  HCl,  PtCi*   und 
C*>H*»N«0,  2  HCl.  PtCl* 

führten.  Mit  Rücksicht  auf  diese  Chloroplatinate  und  wohl 
in  der  Meinung,  die  freien  Basen  seien  als  Ammoniumhydrate 
zu  betrachten  9  schlagt  Babo  für  die  Basen  die  Formeln 
Cm^^m  und  C^oH^^NO  vor.  Babo  fällt  das  Chloroplatinat 
der  C^-Base  aus  der  salzsauren  (wohl  wässerigen)  Lösung, 
während  das  Chloroplatinat  der  C^^-Base  aus  weingeistiger 
mit  Salzsäure  versetzter  Lösung  abgeschieden  wurde.  Hier- 
aus scheint  hervorzugehen,  dafs  die  C'^-Base  als  in  Wasser 
nicht  oder  wenig  löslich  befunden  wurde. 

Heintz  und  Wislicenus  zersetzen  das  Aldehyd- 
ammoniak in  offenen  Gefäfsen  und  bei  der  Temperatur  des 
Wasserbades  (90  bis  100^),  und  obwohl  sie  unter  anderen 
Bedingungen  arbeiteten,  obwohl  sie  bei  ihrem  Product  kleine 
Verschiedenheiten  in  den  Löslichkeitsverhältnissen  wahr- 
nehmen, obwohl  sie  den  Kohlenstoff  stets  um  ein  Geringes 
zu  hoch  finden;  so  glauben  sie  dennoch  berechtigt  zu  sein, 
die  Existenz  der  C^^-Base  von  Babo  leugnen  und  nur  die- 
jenige der  C^-Base  annehmen  zu  können.  Dennoch  scheint 
es  mir  sehr  wahrscheinlich,  dafs  die  Base  von  Heintz  und 
Wislicenus  eine  geringe  Menge  der  C^^-Base  enthielt.  Dafs 


*)  Ueber  Babo ^8  UnterBaChungen  sind  mir  nur  die  Angaben  im 
Jahresbericht  1857,  S.#887  nnd  über  die  Arbeit  von  Heintz  und 
V^islicenus  der  Bericht  im  Supplementband  zu  Grmelin 
8.  448  sugftoglich. 


10  Schifff  über  Oxyaldme 

ihr  Product  fast  ausschliefslich  aus  der  C^-Base  bestand,  liegt 
daran,  dafs  sie  ohne  Druck  und  bei  mafsiger  Temperatur 
arbeiteten. 

Bei  50  bis  60^  und  bei  Gegenwart  von  Aldehyd  und 
Weingeist  entsteht  das  oben  beschriebene  Oxytriaidin  C^H^^NO, 
bei  90  bis  100<)  hauptsächlich  die  Base  C^H^^NO,  und  ober- 
halb 100^  in  verschlossenem  Gefarse  erhält  man  die  letztere 
Base  zusammen  mit  der  Base  C^^H^^NO.  Wenn  ich  nach 
meinen  Versuchen  die  Angaben  von  Babo  aufrecht  erhalte, 
so  bestätige  ich  damit  zugleich  diejenigen  von  Heintz  und 
Wislicenus,  so  weit  dieselben  aus  ihren  Versuchen  her- 
vorgehen. So  weit  diefs  nicht  der  Fall  zu  sein  scheint,  wider- 
spreche ich  nicht,  glaube  aber,  dafs  sie,  als  unter  anderen 
Bedingungen  experimentirend,  durchaus  nicht  im  Falle  waren, 
sich  ein  Urtheil  über  die  nach  einer  anderen  Methode  zu 
erhaltenden  Resultate  zu  bilden.  Ich  bezeichne  die  Base 
C^H^'NO,  als  von  vier  Moleculen  Aldehyd  abstammend,  als 
Oxytetraldin ,  und  aus  ähnlichem  Grunde  die  Base  C^^^^NO 
als  Oxypentaldin* 

Oxytetraldin, 

Ein  verzinnter  Bronzedigestor  von  etwa  V4  Liter  Inhalt 
wurde  zur  Hälfte  mit  einem  Gemenge  von  reinem  Aldehyd- 
ammoniak mit  dem  gleichen  Gewicht  Weingeist  gefüllt  und  das 
Gefäfs  im  Oelbad  24  Stunden  lang  auf  110  bis  120''  erhitzt. 
Beim  Oeffnen  entwich  eine  reichliche  Menge  Ammoniak,  mit 
welchem  auch  die  braune  Flüssigkeit  gesättigt  war.  Der  Wein- 
geist wurde  im  Wasserbade  abdestillirt  und  der  syrupöse 
Rückstand  mit  verdünnter  Kalilauge  im  Destillirapparat  be- 
handelt ,  so  lange  noch  erhebliche  Mengen  von  Ammoniak 
übergingen.  Auch  in  diesem  Falle  enthält  das  Destillat  die 
schon  früher  erwähnte  stark  riechende  flüchtige  Base.  Der 
braune  weiche  Rückstand  wird  mit  einer  Losung  von  Kalium- 


und  Thtaldine,  li 

carbonat  (jrewaachen  und  in  Weingeist  gelöst.  Diese  Lösung 
wird  mit  Kohlensäure  behandelt,  um  alles  noch  in  Lösung 
befindliche  Freie  Alkali  abzuscheiden.  Man  destillirt  den 
Weingeist  ab  und  behandelt  den  Ruckstand  nochmals  in 
gleicher  Weise  mit  Aetheralkohol.  Das  zum  dicken  Syrup 
verdunstete  Fihrai  bringt  man  noch  warm  unter  die  Luft- 
pumpe über  Schwefelsaure.  Beim  Auspumpen  schwillt  die 
Masse  schwammig  an  und  Utst  sich  dann  mit  dem  Glasstab 
sehr  leicht  zu  einem  glänzenden  gelbbraunen  Pulver  zer- 
drücken. Man  behandelt  nun  wiederholt  mit  kaltem  Wasser, 
welches  nur  langsam  den  gelbbraunen  löslichen  Antheil  aus- 
zieht und  einen  braunen  Räckstand  lafst. 

Die  in  Wasser  lösliche  Base   ist  Oxytetraldin  C^H'^NO. 

berechnet  Schiff  H.  u.  W. 


8C 

96 

69,1 

69,8 

69,11 

ISH 

18 

9,3 

9,2 

9,86 

N 

14 

10,1 

10,8 

10,10 

0 

16 

11,6 

— 

— 

139  100,0. 

Der  von  Heintz  und  Wislicenus  gegebenen  Be- 
schreibung der  Base  habe  ich  nur  wenig  zuzufügen.  Man 
kann  nicht  sagen,  dafs  sie  in  kaltem  Wasser  nur  wenig  lös- 
lich sei;  sie  ist  allerdings  weniger  löslich  als  Oxytrialdin, 
löst  sich  aber  doch  noch  in  ziemlicher  Menge.  Die  Lösung 
gränt  Malvenpapier  schwach  und  ist  auf  Lackmus  ohne 
Wirkung.  Die  Verbindbarkeit  mit  Kohlensaure  kann  eben- 
falls nicht  geradezu  verneint  werden.  Die  Base  löst  sich 
reichlich  in  Wasser,  durch  welches  man  Kohlensaure  strei- 
chen läfst,  und  die  Kohlensaure  scheint  bei  gewöhnlicher 
Temperatur  durch  die  Base  gebunden  zu  werden.  Bei 
sehwachem  Erwärmen  entwickelt  sich  Gas  und  ein  Theil 
der  Base  scheidet  sich  in  Hauten  ab,  welche  sich  in  der 
abgekühlten  Flüssigkeit  nicht  wieder  auflösen.    Die  Abschei- 


12  Schiff j  über  Oxyaldme 

düng  war  also  nicht  nur  durch .  die  Temperatnrerhöhang 
bewirkt  worden. 

Das  Oxytetraldin  verbindet  sich  direct  mit  Salzsäaregas 
ohne  Wasserabscheidung.  Gegen  Jodwasserstoff  und  gegen 
Phosphorchlorid  verhalt  es  sich  ähnlich  wie  das  Oxytrialdin. 
Das  Phosphorchlorid  wirkt  aber  noch  schwieriger  ein. 

Bei  der  Fällung  der  weingeistigen  Lösung  der  Base  mit 
weingeistiger  Oxalsäure  erhielten  Heintz  und  Wislicenus 
ein  Oxalat  von  der  Formel  C^ßH^N^O,  C^O»  (also  dem  Chloro- 
platinat  von  Babo  entsprechend),  wahrend  sie  für  ihr 
Chloroplalinat  .die  Zusammensetzung  PtCH,  2  C^H^^NCl  fanden. 

Für  das  Oxalat,  welches  ich  ebenfalls  mit  weingeisliger 
entwässerter  Oxalsäure  fällte,  fand  ich  eine  Zusammen- 
setzung, welche  sehr  nahe  mit  der  Formel  C^H^^O,  C^*0* 
übereinstimmt. 


berechnet 

gefanden 

IOC 

120 

52,4 

51.8 

15  H 

15 

6,6 

6.4 

N 

14 

6,2 

— 

50 

80 

34,8 

— 

229  100,0. 

Die  Präparate  waren  bei  140^  getrocknet.  Das  Oxalat 
ist  amorph,  hygroscopisch  und  leicht  in  Wasser  löslich.  Die 
Lösung  ist  sehr  bitter. 

Das  bei  etwa  130*  getrocknete  Chloroplatinat  entspricht 
der  Formel  PtCl*,  2  CSH^^NOCl. 

berechnet  gefunden 

Kohlenstoff        27,9  27,6 

WasBerstoff  4,1  4,0 

Platin  28,7  28,8. 

Heintz  und  Wislicenus  analysirten  ein  bei  150^ ge- 
trocknetes Salz.  Bei  dieser  Temperatur  aber  färbt  sich  das 
zimmtbraune  Salz  fast  schwarzbraun  und  verliert  Salzsäure. 
Einem  Verlust    von   einem    halben  Molecul  Salzsäure  enl- 


und  Thialdine^  13 

spricht  im  Rückstand  30^  pC.  Platin;  gefunden  wurden 
30,6  pC. 

Hit  Pikrinsäure  bildet  die  Base  eine  schön  gelbe  flockige 
Verbindung,  welche  beim  Erhitzen  langsam  abbrennt.  Die 
Base  verbindet  sich  auch  mit  Quecksilberchlorid,  nicht  aber 
mit  den  Chloriden  von  Eisen ,  Kupfer ,  Zinn  oder  mit  Ferro- 
cyankalium. 

Heintz  und  Wislicenus  nehmen  an,  die  Base  werde 
nach  längerem  Erhitzen  auf  140  bis  160^  oder  durch  Be- 
handlung  mit  Kali  weniger  löslich.  Ich  habe  nicht  gefunden, 
dafs  die  Base  beim  Erwarmen  oder  durch  Kali  ihre  Löslich- 
keit einböfst,  so  weit  nämlich  die  Base  unverändert  bleibt. 
Thatsache  ist  es  aber,  dafs  die  Base  nach  der  erwähnten 
Behandlung  ein  weniger  lösliches  Product  liefert.  Wenn 
Heintz  und  Wislicenus  noch  von  der  Base  als  solcher 
reden  und  sie  also  sonst  nicht  verändert  glauben,  so  liegt 
diefs  daran,  dafs  die  Veränderung  eine  quantitativ  unbedeu- 
tende ist.  Es  entwickelt  sich  nämlich  langsam  etwas  Wasser 
urfd  Ammoniak,  indem  ein  Theil  des  Oxytetraldins  sich  in 
weniger  lösliches  Oxypentaldin  verwandelt. 

6C«H«N0  =  4CWH»*N0  +  NH»  +  H«0. 

Würde  die  Umwandlung  sich  über  die  ganze  Masse 
erstrecken,  so  würde  der  Verlust  nur  etwa  5  pC.  betragen. 
Aber  die  bei  140  bis  150^  häutig  aufgetriebene  Masse  wird 
nur  zum  kleineren  Theil  umgewandelt  und  die  Umwandlung 
findet  vorzugsweise  an  der  Oberfläche  der  Häute  statt.  Hier 
ist  also  unlöslich  Gewordenes  mit  Löslichem  innig  gemengt. 
Behandelt  man  die  Masse  nun  mit  Alkohol  oder  mit  Wasser, 
so  braucht  es  einige  Zeit,  bis  die  halbgeschmolzene  Masse 
sich  imbibirt  uhd  der  lösliche  Antheil  ausgezogen  wird. 
Für  diese  AuSassungsweise  spricht  der  Umstand,  dafs  die 
Losung  viel  rascher  eintritt,  wenn  man  die  Masse  in  ein 
feines  Pulver  verwandelt.    Eben  so  ist  wohl  die  Erscheinung 


14  Schiff,  über  Oxyaldine 

bei  der  Einwirkung  von  Kali  zu  erklären.  Ich  habe  übrigens 
gefunden,  dafs  nur  durch  Erhitzen  mit  mafsig  concentrirtem 
Kali  der  Versuch  {gelingt.  Die  Losung  erfolgt  übrigens  hier 
leichter  als  nach  dem  Erhitzen  auf  140  bis  150".  Man  darf 
aber  dabei  den  Umstand  nicht  anfser  Augen  lassen,  dafs 
diese  Basen  in  Kalilauge  überhaupt  nur  sehr  wenig  löslich 
sind,  und  dafs  die  in  der  heifsen  Lauge  erweichte  Masse 
Kali  einschliefst.  Man  mufs  also  mehrmals  mit  Wasser 
waschen,  ehe  man  zur  Beuriheilung  der  Löslichkeit  in  reinem 
Wasser  schreitet. 

Ich  habe  bei  dieser  Gelegenheit  gefunden,  dafs  auch 
Oxytrialdin  sich  bei  höherer  Temperatur  (160")  theilweise 
umwandelt.  Ich  erhielt  auf  diese  Weise  Mischproducte  mit 
67  bis  68  pC.  Kohlenstoff,  welche  aufser  der  C^*  und  der 
C^-Base  auch  noch  einen  in  Wasser  nicht  löslichen  Theil, 
also  wohl  C^^-Base  enthielten  : 

4  C«H"NO  =  8  C8H»«N0  +  NH»  +  HH). 
5C«H"N0  =  8C"H'*N0  -f  2  NH«  -h  2  H*0. 

Der  Verlust  sollte  nach  diesen  Gleichungen  8  bis  9  pC. 
betragen;  da  ich  aber  rasch  4  bis  6  Stunden  auf  150  bis 
160^  erhitzte,  so  betrug  derselbe  immer  bedeutend  mehr. 

Oxypentaldin. 

Verschiedene  Präparate  der  nach  dem  oben  angegebenen 
Verfahren  dargestellten  Base  gaben  ziemlich  nahe  überein- 
stimmenden Gehalt  an  Kohlenstoff  und  Wasserstoff.  Der 
Stickstoff,  als  Gas  bestimmt,  fällt  im  Allgemeinen  bei  der 
angewandten  Methode  etwas  zu  hoch  aus. 

berechnet  gefunden 

)0C  120  72,7  72,6  bis  72,7 

15  H  15  9,1  8,9  bU    9,1 

N  14  8,5  9,02 

O  16  9,7  — 

165  100,0. 


und  Thialdine.  16 

Die  Base  isl  eine  glänzende  dunkelbraune  amorphe  Sub- 
stanz, nicht  hygroscopisch  und  kaum  löslich  in  Wasser^  lös- 
lich jedoch  in  Alkohol,  in  kohlensaurehalligem  Wasser  und 
in  den  wasserigen  Säuren.  Geruchlos  und  von  schwach 
bitterem  Geschmack.  Chlorwasserstoff  verbindet  sich  direct 
ohne  Wasserabscheidung.  Phosphorchlorid  wirkt  selbst 
in  der  Wärme  nur  wenig  ein  und  es  bildet  sich  dabei  das 
Chlorhydrat  der  Base^  während  ein  anderer  Theil  zerstört 
wird. 

Die  Salze  können  durch  Zusatz  der  Säuren  zur  wein- 
geistigen Lösung  der  Base  als  braune  amorphe,  in  Wasser 
lösliche  Substanzen  gefällt  werden.  Ueberschüssiges  Wasser 
entzieht  Säure.  • 

Das  Pikrat  wird  aus  der  wässerigen  Lösung  des  Chlor- 
hydrats durch  Natriumpikrat  in  gelben  Flocken  gefällt,  welche 
der  Zusammensetzung  C*<^H**NO,  C«H8(N02)«0  entsprechen. 

berechnet  gefunden 

KohlenstofiP  48,7  48,7 

Wasserstoff  4,6  5,1. 

Das  Chloroplatinat  ist  ein  brauner  amorpher,  in  Wasser 
and  in  Weingeist  nicht  löslicher  flockiger  Niederschlag,  wel- 
cher bei  140^  getrocknet  die  Formel  PtCl*,  2  C^onieuoci 
hat  und  bei  höherer  Temperatur  Salzsäure  verliert. 

berecLnet  gefunden 


Kohlenstoff 

32,4 

'31,9 

Wasserstoff 

■ 

4,8 

4,2 

Platin 

26,7 

26,5  bis  27,03. 

Es  war  wohl  noch  etwas  Chloroplatinat  von  Oxytetraldin 
beigemengt. 

Das  Oxypentaldin  kann  mit  ziemlich  concentrirter  Kali- 
lauge  längere  Zeit  erhitzt  werden,  ohne  dafs  eine  wesent- 
liche Veränderung  eintritt.    Ein  so  behandeltes  Präparat  ergab  : 

Kohlenstoff  78,8 

Wasserstoff  9,1. 


16  Schiff,  über  Oxydldine 

Es  hatte  also  der  Kohlenstoff  nur  um  0^  pC.  zage* 
nommen.  Vielleicht  geht  anch  die  Aldebydcondensation 
noch  weiter  und  es  sind  höhere  Condensationen  zu  erlangen, 
wenn  man  das  Aldehy^ammoniak  bei  150  bis  160^  zersetzt. 
Auf  höhere  Condensationen  deutet  auch  der  etwas  zu  niedrig 
gefundene  Wasserstoff  der  Base ,  und  diefs  um  so  mehr,  als 
der  Wasserstoff  im  Allgemeinen  etwas  zu  hoch  ausfallt  und 
aufserdem  noch  eine  kleine  Beimengung  von  Oxytetraldin  (mit 
9,35  pC.  Wasserstoff)  nicht  unwahrscheinlich  ist  Ich  habe 
in  dieser  Richtung  keine  Versuche  angestellt.  Sollte  aber 
etwa  ein  Oxyhexaldin  darstellbar  sein,  so  ist  dasselbe  ohne 
Zweifel  ebenfalls  unlöslich  im  Wasser.  Man  müfste  also,  um 
eine  schwierige  Trennung  zu  vermeiden,  unter  Verhaltnissen 
arbeiten,  welche  einer  vollständigen  Umwandlung  des  Alde- 
hydammoniaks in  ein  einziges  höheres  Condensationsproduct 
günstig  sind. 

■ 

Icn  will  hier  noch  bemerken ,  dafs  ein  Gemenge  der 
beschriebenen  Basen  auch  durch  Zersetzung  des  Acetals 
durch  weingeistiges  Ammoniak  bei  höherer  Temperatur  ge- 
wonnen werden  kann.  Es  dienten  zu  diesen  Versuchen  die 
nicht  weiter  gereinigten  Nebenproducte  von  der  Darstellung 
des  Aldehyds. 


Wir  haben  weiter  oben  für  das  Oxytrialdin  die  Formel 

NJo^H^         gegeben  und   diese  Base,   wie  üblich,  auf  den 

Ammoniaktypus  bezogen.  Wollten  wir  ahnliche  Formeln 
auch  für  die  beiden  anderen  Oxybasen  aufstellen,  so  bliebe 
uns  nur  für  das  Oxytetraldin  die  frühere  Formel  von  Heints 
und  Wislicenus  N(C^H')^.HO  und  demnach  für  das  Oxy- 
pentaldin  die  Formel  N(Cm»)^  G^H^  0.  Letzteres  wire 
hiernach  eine  Art  substituirten  Aldehydammoniaks.    Es  ent- 


und  Thialdine, 


17 


sprechen  jedoch  diese  Formeln  dem  ganzen  Verhalten  der 
Basen  durchaus  nicht  und  sie  geben  aufserdem  nur  über 
einen  Theil  der  darin  enthaltenen  Affinivalente  Rechenschaft. 
Beachten  wir  die  Resistenz  dieser  Basen  gegen  die  Einwir- 
kung von  sonst  energisch  wirkenden  Reagentien  und  ihre 
feste  Form  bei  yerhältnifsmäfsig  niedrigem  Moleculargewicbt, 
so  hat  die  Annahme  mehr  Wahrscheinlichkeit,  es  werden 
die  bei  der  Condensation  der  Aldehydmolecule  durch  den 
Austritt  von  Sauerstoff  und  Wasserstoff  frei  gewordenen 
Affinivalente  nur  zum  Theil  durch  Stickstoff  und  den  zurück- 
gebliebenen Sauerstoff  gesättigt,  wahrend  ein  anderer  Theil 
dazu  verwendet  werde,  die  Alkoholresidua  unter  sich  zu 
einem  stabileren  Complex  zusammenzuschweifsen.  Diese 
Auffassung  wurde  etwa  auf  die  folgenden  Formeln  führen  : 


Oxytrialdin 


'"C*H» 

II 

Oxjrpentaldiii. 


Ox^traldin 

Gehen  wir  mit  dieser  Formulirungsweise  rückwärts,  so 
gelangen  wir  zu  den  beiden  vorhergehenden  Gliedern  : 
"C*H*  —  NH 


Oxydialdin 
(fehlendes  Glied) 


\0H 

Aldehydammoniak. 


Mit  diesen  Formeln  erscheinen  sämmtliche  darin  figu- 
rirende  Affinivalente  als  gesättigt,  und  wir  ersehen,  dafs  der 
Sauerstoff  darin  nicht  die  Function  hat,  wie  in  den  Ammo- 
nimnhydraten.  Der  Sauerstoff  wird  auch  durch  Phosphor- 
chlorid nur  sehr  schwierig  eliminirt,  weil  er  in  der  Verbin- 
dung durch  zwei  Gruppen  festgehalten  wird,  wovon  die  eine 
(der  Stickstoff)  nur  sehr  wenig  Neigung  hat,  sich  mit  dem 
Chlor  des  Phosphorchlorids  zu  verbinden. 


A«k«*ai    <i.  rrki 


OkavtM     VT     RnnnlAmAtithH.  1.   Haft. 


18  Schiffe  über  Oxyaldine 

Was  nun  die  thatsächlichen  Beziehungen  dieser  Basen 
zum  Aldehyd  einerseits  und  zum  Aidehydammoniak  anderer- 
seits betrifft^  so  übersehen  wir  dieselben  mittelst  der  folgen-* 
den  Fonnelgleicbungen  : 

C«H*0  +  NH»  =  C«H^NO 

Aldehydammoniak. 

2  C*H^O  +  NH«  —     H«0  =  C*HöNO    =  2  (C«H^O,  NH»)  -     NH*  .  OH 

Oxydialdin  (?). 

8  C«H*0  +  NH»  -  2  H»0  =  C^H^NO  =  3  (C«H*0,  NH»)  -  2  NH* .  OH 

Oxytiialdiii. 

4  C«fl*0  +  NH»  —  3  H«0  =  C^H^NÖ  =  4  (C«H*0,  NH»)  —  8  NE* .  OH 

Oxytetraldin. 

5  C«H*0  -[-  NH'  —  4  H«0  =  C^ogiöNO  =  5  (C«H*0,  NH»)  -  4  NH* .  OH 

Ozypentaldin. 

Die  allgemeine  Formel  für  das  aus  der  Condensation 
von  n  Aldehydmoleculen  hervorgehende  Oxyaldin  wäre  hier- 
nach C2"H»°+^N0. 

In  einer  vergleichenden  Betrachtung  der  für  die  Alde- 
hyde aufgestellten  Formeln  (Ann.  Chem.  Pharm.  CXL,  117) 
habe  ich  die  früher  von  Heintz  und  Wislicenus  für  das 
Oxytetraldin  angenommene  Formel,  für  den  Fall  dieselbe 
als  zulässig  befunden  würde ,  als  die  einzige  zu  Gunsten 
einer  etwaigen  Alkoholfunction  des  Aldehyds  sprechende 
Verbindung  zugelassen.  Wir  können  uns  nun  Betreffs  dieses 
Gegenstands  in  bestimmterer  Weise  dahin  aussprechen,  dafis, 
wenn  auch  für  die  Formulirung  der  Oxyaldine  dreiwerthige 
Radicale  C^H'  angenommen  werden  können,  diese  Annahme 
doch  für  den  fraglichen  Gegenstand  keine  Argumente  abgiebt. 
Welches  nun  auch  die  Constitution  der  Oxyaldine  sein  möge, 
so  ist  so  viel  gewifs,  dafs  sie  zum  Aldehyd  nicht  in  einer 
Beziehung  stehen,  wie  etwa  die  alkoholischen  Amüibasen  su 
den  Alkoholen. 

Die  Annahme  der  Aethenylgruppe  in  den  Oxyaldinbasen 
läfst  wohl  zu^   dafs  eine  derartige  Gruppe  gelegentlich  auch 


und  Thialdine.  19 

für  die  Formulation  des  Aldehyds  benutzt  werden  kann,  aber 
sie  enthölt  Nichts,  was  etwa  zu  Gunsten  einer  angeblichen 
Alkoholfunction  des  Aldehyds  zu  schliefsen  berechtigte. 

Die  flüchtigen  Nebenproducte, 

Sowohl  Babo  als  auch  Heintz  und  Wislicenus 
haben  bereits  die  bei  der  Darstellung  obiger  Basen  als 
Nebenproduct  auftretende  flüchtige,  penetrant  riechende  Sub- 
stanz beobachtet,  und  Babo  hebt  noch  bestimmter  hervor^ 
dafs  bei  der  Zersetzung  des  trockenen  Aidehydammoniaks  in 
geschlossener  Röhre  auch  noch  ein  klares  dünnflüssiges,  sehr 
fluchtiges  und  stark  ammoniakalisch  riechendes  Liquidum  auf- 
trete, und  dafs  bei  der  Destillation  des  Röhreninhalts  bis  auf 
200^  neben  Ammoniak  auch  noch  geringe  Mengen  flüchtiger, 
dem  DippeTschen  Oele  ahnlich  riechender  Basen  über- 
gingen. Bei  meiner  Methode  der  Zersetzung  in  weingeisti- 
ger Lösung  konnte  ich  natürlich  das  dünnflüssige  Liquidum 
nicht  beobachten.  Aber  ich  habe  bereits  erwähnt^  dafs  bei 
der  Destillation  des  Alkohols  neben  Ammoniak  noch  Basen 
übergehen,  welche  den  Geruch  des  DippeTschen  Oeles^ 
des  Chinolins  und  des  etwas  verharzten  Coniins  in  hohem 
Grade  besitzen.  Weitere  geringe  Mengen  können  noch 
durch  Destillation  des  Rückstands  mit  Kali  gewonnen  werden. 
Alle  diese  Destillate  wurden  vereinigt  und  zur  spateren 
Untersuchung  aufbewahrt. 

Inzwischen  hatte  ich  beobachtet,  dafs  das  Oxytrialdin 
und  das  Oxytetraldin  beim  Sieden  mit  ziemlich  concentrirter 
Kalilauge  dieselben  Basen  in  kleiner  Menge  auftreten  lassen. 
Destillation  der  Basen  mit  unter  geringem  Wasserzusatz  ge- 
schmolzenem Kali  gab  keine  günstigen  Resultate;  bessere 
wurden  mit  Natronkalk  erzielt,  aber  auch  hier  ist  die  Aus- 
beute immer  nur  eine  kleine.  Alles  was  ich  an  Hischpro- 
dttcten  besafs,  sowie  auch  die  weniger  reinen,  mit  acetal- 


20  Schiffy  über  Oxyaldine 

hal%er  Flüssigkeit  bereiteten  Basen,  im  Ganzen  etwa 
120  Grm.,  wurden  in  kleinen  Portionen  mit  Natronkalk  destil- 
lirt.  Hierbei  scheidet  sich  Kohle  ab,  es  entweicht  viel  Am- 
moniak und,  wie  sich  spater  zeigte,  geht  ein  Theil  in  theer- 
artige  und  ölige  nicht  basische  Producte  über.  Alles  Flüch- 
tige wurde  in  Liebi gesehen  Kugelapparaten  in  Weingeist 
condensirt  und  die  weingeistigen  Lösungen  mit  den  obigen 
weingeistigen  Destillaten  vereinigt. 

Die  weingeistige  Flüssigkeit  wurde  zunächst  mit  Salz- 
säure übersättigt,  wobei  sie  zu  einem  Brei  von  Salmiakkry- 
stallen  gestand.  Der  Erystallbrei  wurde  ausgeprefst,  der 
Rückstand  noch  zweimal  mit  Alkohol  angerührt  und  die 
abgeprefsten  Flüssigkeiten  mit  der  ersten  vereinigt  Die 
braungelbe  weingeistige  Lösung  der  löslichen  Chlorverbin- 
dungen wurde  zur  Wiedergewinnung  des  Alkohols  destillirt 
und  zuletzt  auf  dem  Wasserbade  eingedunstet.  Hier  zeigten 
sich  nun  zunächst  die  bei  der  Destillation  mit  Natronkalk 
gebildeten  theerartigen  und  öligen  Substanzen,  welche  man 
mittelst  eines  Gemenges  von  Benzin  und  Aether  entfernte. 
Der  gelbe  Salzrückstand  wurde  noch  zweimal  mit  nahezu 
absolutem  Alkohol  behandelt  und  eingedampft,  um  allen 
Salmiak  wegzuschaffen.  Es  blieben  auf  diese  Weise  etwa  8 
bis  10  Grm.  eines  gelblichen,  schwach  riechenden,  etwas 
hygroscopischen  Gemisches  von  Chlorverbindungen,  welche 
man  in  einer  kleinen  Retorte  mit  concentrirter  Kalilauge 
zersetzte.  Man  erwärmte  zunächst  gelinde  im  Wasserbade; 
hier  ging  schon  unterhalb  70  bis  80^  ein  stark  nach  festem 
Chlorcyan  und  nach  Trimethylamin  riechender,  brennbarer 
Dampf  über,  welchen  man  in  Salzsäure  auffing.  Der  Rest 
ging  zwischen  80  und  180®  über,  nebst  etwas  Wffsserdampf. 
Die  mittlere  Portion  zeigte  vorzugsweise  den  Geruch  nach 
zersetztem  Coniin,  und  die  zuletzt  übergehende  hatte  inten- 
siven Chinolingeruch,  zugleich  etwas  an  gewisse  Chocoiade- 


und  Thialdine.  -  21 

Sorten  erinnernd.  Die  ganze  Menge  des  Destillates  zwischen 
80  und  180^  betrog  kaum  drei  Cubikcentimeter.  Man  schied 
dieselben  durch  Wasser  in  den  darin  leicht  löslichen  Antheil 
und  löste  den  Rest  besonders  in  verdünnter  Salzsäure.  Die 
Lösung  des  flüchtigsten  Productes  war  kaum  gefärbt,  die 
zweite  wässerige  hatte  eine  gelbe,  die  dritte  salzsaure  eine 
orangegelbe  Farbe.  Aus  jeder  der  drei  Lösungen  wurden 
fractionirt  zwei  Platinsalze  ausgefällt,  welche  von  der  flüch- 
tigsten zur  weniger  flüchtigen  Portion  in  krystallinischer 
Beschafl'enheit  und  Löslichkeit  und  Platingehalt  abnahmen. 
Es  wurden  nämlich  folgende  Platingehalte  gefunden  : 

1.  2.  3.  4.  5.  6. 

38,4         86,5         35,7         34,8         88,4         30,9. 

Die  Base  von  Nr.  1 ,  in  Anbetracht  ihrer  Flüchtigkeit, 
der  Brennbarkeit,  des  characteristischen  Geruches,  der  kry- 
stallinischen  Beschaffenheit  und  der  Löslichkeit  des  Platin- 
salzes, kann  mit  gröfster  Wahrscheinlichkeit  für  TrimethyU 
amin  gehalten  werden.  Es  verlangt  dessen  Chloroplatinat 
37,4  pC.  Platin,  und  der  ersten  Fällung  war  vielleicht  noch 
etwas  Chloroplatinat  einer  primären  oder  secundären  Methyl- 
base  oder  von  Ammoniak  beigemengt  und  dadurch  ein  er- 
höhter Platingehalt  bedingt.  Das  Salz  Nr.  2  enthielt  wohl 
im  Wesentlichen  dieselbe  Base,  und  diese  ist  es  wohl  auch, 
welche  Babo  als  klares,  sehr  fluchtiges  ammoniakalisch  rie- 
chendes Liquidum  beobachtete.  Die  Salze  Nr.  3  und  4 
waren  ohne  Zweifel  sehr  gemengte  Producte,  in  welchen  neben 
einem  Theil  der  Basen  1  und  2,  sowie  3  und  4,  vielleicht 
als  eigenthümlichen  Bestandtheil  an  Pyridin  C^H^N  gedacht 
werden  kann ,  dessen  Chloroplatinat  34,74  pC.  Platin  ver- 
langt. Die  Base  ist  in  Wasser  löslich  und  in  unserem  Falle 
hätte  sie  wohl  nach  der  Gleichung  : 

C«H"NO  =  C»H*N  +  CH*  +  H«0 

aus  dem  Oxytrialdin   entstehen  können.      Dem   dabei  auf- 


22  Schiff,  über  Oxyaldine 

tretenden  Methylhydrur  wäre  dann  ein  Antheil  bei  der  Bil- 
dung der  flüchtigsten  Basen  zuzuschreiben,  sofern  dieselbe 
aus  Trimethylamin  besteht. 

Wenn  aus  dem  Oxytrialdin  und  dem  Oxytetraldin  der 
Sauerstoff  als  Wasser  austritt,  so  könnten  dabei  zwei  Basen 
C^H^N  und  C^H^^N  entstehen,  deren  Chloroplatinate  32^9  und 
30,3  pC.  Platin  verlangen  würden.  Solche  Basen  und  viel- 
leicht auch  etwas  Chinolin  (mit  30  pC.  Platin)  konnten  in 
den  Salzen  Nr.  5  und  6  enthalten  gewesen  sein.  Von  dem 
Platinsalz  Nr.  5  blieb  mir  eine  geringe  Menge  (0,317  Grm.) 
für  eine  Kohlen-  und  Wasserstoffbestimmung,  und  diese  ergab 
Zahlen,  welche  der  Formel  des  Pikolins  C^H^N  ziemlich  nahe 
,  kommen  : 

berechnet  gefuDdexi 

Kohlenstoff         24,1  24,0 

Wasserstoff  2,8  2,9 

Platin  88,1  33,4. 

Ich  habe  diese  unvollständigen  Resultate  hier  mitgetheilt, 
weil  bezüglich  der  Constitution  der  Basen  der  Chinolin-, 
Leukolin-  und  Pyridin -Reihe  bis  jetzt  noch  nichts  erkannt 
ist  und  Versuche  zu  deren  Synthese  nicht  vorliegen.  Es 
wäre  wohl  möglich,  dafs  die  mitgetheilten  Notizen  hierzu 
einen  Weg  eröffnen,  und  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dafs 
auch  die  von  Baeyer  (Ann.  Chem.  Pharm.  Suppl.  V,  d4) 
beobachtete  flüchtige  Base  in  eine  dieser  Reihen  gehört. 

Was  die  bei  der  Destillation  mit  Natronkalk  entstehenden 
theerigen  und  öligen  nicht  basischen  Producte  betrifll,  so 
waren  dieselben  zu  einer  eingehenderen  Untersuchung  nicht 
einladend.  Ich  erinnere  hier  an  eine  Notiz  von  Berthelot 
(Ann.  Chem.  Pharm.  CXXVIII,  256),  welcher  durch  Zer- 
setzung des  Aldehyds  bei  160^  theerartige  polymere  Kohlen- 
wasserstoffe n  C^U'  erhielt.    Solche  Kohlenwasserstoffe  bilden 


und  Thialdine,  23 

sich  wohl  auch  aus  den  Oxyaldinen  unter  Austritt  von  Was- 
ser uni  Ammoniak,  z.  B.  : 

C«  H"NO  —  (NH«,  H«0)  =  C«  H« 
C»  H"NO  -  (NH»,  H*0)  =  C8  H« 
C"H"NO  —  (NH»,  H«0)  =  C*oH»o, 

welche  Kohlenwasserstoffe  sich  dann  noch  zu  höheren  Poly* 
merieen  vereinigen. 

Ich  habe  den  Versuch  angestellt,  ob  etwa  die  Schwefel- 
saureverbindung  des  Hydracetamids  bei  der  trockenen  Destil- 
lation gerade  auf  nach  der  Gleichung  : 

fC«H* 

N«{C^H\  SH«0*  =  N«H*,  SH*Ü*  +  8  C«H« 

in  Ammmoniumsulfat  und  Acetylen  zerfalle.  Ich  erhielt  aber 
dabei  kein  Gas,  welches  die  characteristische  rothe  Kupfer- 
verbindung lieferte.  Aus  der  stark  aufgeblähten  und  theil- 
weise  unter  Kohleabscheidung  zersetzten  Hasse  konnten  durch 
angesäuertes  Wasser  ölige  basische  Körper  von  intensivem 
Chinolingeruch  ausgezogen  werden.  Alkohol  entzog  dann 
noch  halbflüssige  theerartige  Substanzen  *). 


*)  Der  Unterschied  in  der  Constitution  zwischen  dem  Alkohol-  und 
dem  Aldehydderivat  scheint  sich  auch  bei  den  letzten  Producten 
der  Zersetzang  noch  zu  erhalten.  Das  dem  Acetylen  entspre- 
chende Aldehydderivat  C=:CH*  scheint  sich  wohl  zu  bilden, 
aber  es  kann  wohl  bei  seiner  nicht  Aquilibrirten  Zasammen- 
setzungsweise  ebensowenig  frei  'auftreten ,  als  das  Aethyliden 
CH  —  CH'.  Die  zwei  freien  Affinivalente  des  einen  Atoms 
Kohlenstoff  sftttigen  sich  sogleich  durch  Verbindung  mit  anderen 
Gruppen  und  es  bilden  sich  Polymerieen  und  Additionsproducte  : 

C  =  CH«  C  =  CH«  H  —  C  =  CH» 

II  1>C  =  CH»  I 

C  =  CH*  C  =  CH«  H  — C  =  CH« 

und   durch    Vereinigung   rieler  Elemente   in   obiger  Weise   ent- 
stehen die  theerigen  Massen  C*»H«»  und  C«»H«"-I-«. 

Das  Acetylen  dagegen  als  Aquilibrirte  Verbindung  HC — CH 
tritt  frei  auf  und  liefert,  wie  Berthelot  gezeigt  hat,  durch 
Polymerisirung  bei  hoher  Temperatur  wohl  oharaoterisirte  aro- 
matische Verbindungen.    Wie  in  anderen  Fällen,   so  auch  bei 


24  Schiff,  über  Oxyaldine 

Derivate  des  Oenanthols. 

Bei  der  Beschreibung  des  Hydrönanthylamids  N^^CH^*)* 
im  IIL  Supplementbd.,  S.  367  der  Ann.  Chem.  Pharm,  habe  ich 
nur  die  gut  stimmende  Kohlen-  und  Wasserstoffbestimmung 
mitgetheilt,  die  StickstoflFbestimmung  aber  unterdrückt.  Ich 
hatte  etwa  1  pC.  zu  wenig  erhalten,  und  wenn  Aiir  auch  jene 
Bestimmung,  in  Anbetracht  des  Stimmens  des  Kohlenstoffs 
und  Wasserstoffs,  genügenden  Aufschlufs  über  die  Natur  der 
Verbindung  zu  geben  schien,  so  hielt  ich  sie  doch  für  wei- 
tere Mittheilung   nicht   geeignet.    Ich   habe   bereits   damals 


diesen  Polymerieen ,  zeigen  die  Alkoholderirate  bestimmter  aas- 
gebildete physikalische  Charaktere ,  als  die  theerigen  Aldehyd- 
deriyate.  Ich  brauche  hier  nur  an  die  Hofmann^schen  Aethy- 
l^nderivate  nnd  an  meine  Aethylidenderivate  des  AniUns  zn  er- 
innern. Berthelot  hat  mittelst  der  Polymerisirang  des  Acety- 
lens  faotisch  dargethan,  da(s  dieser  Kohlenwasserstoff  als  die 
Basis  der  aromatischen  Yerbindungen  zu  betrachten  ist.  Der 
Kohlenwasserstoff  C^H^  und  die  Sfture  C^H^O'  von  Carins 
treten  dann  der  Hypothese  nicht  mehr  hindernd  in  den  Weg,  und 
ich  will  hier  den  drei  von  Erlenmeyer  (Ann.  Chem.  Pharm, 
CXXXVII,  345)  vorgeschlagenen  Ableitungsweisen  noch  die  fol- 
gende ansohllefsen  : 

HC  =  CH  HC  =  C  HC  =  C 

I        I  I        1>CH«  I        |>CH  — CO.OH, 

HC=CH  HC==C  HC  =  C^ 

über  welche  Tielleicht  durch  das  Stadium  der  Oxydati onsproducte 

entschieden   werden  kann.    Diesen  Verbindongen  sohliefsen  sich 

dann  noch  an  : 

HC  =  C  — CO.H  HC  =  C-  CO.OH 

L      '  II 

HC  =  C-OH  HC  =  C  — OH 

Farfnrol  Pyroschleimsäare, 

welche  letztere  gleichsam  die  SaUcylsfture  des  Diacetylens  bildet 
Es  ist  bekannt,  dalj»  das  Forfurol  sich  in  seinem  Verhalten  ganz 
den  aromatischen  Aldehyden  anschliefst.  Hieran  reihen  sich  noch 
die  Amide  :  Carbopyrrolsäure ,  Oarbopyrrolamid  und  Pyrrol  mit 

den   Pormehl    C*H«l^^i^°,  C*H«|^2«*  ^^^  und  C^HMSTH«. 


und  Thialdine.  25 

angegeben,  dafs  bei  der  Destillation  des  Hydronanthamids 
chinolinahnlich  riechende  Substanzen  entstehen,  und  ich 
glaubte  den  Ausfall  an  Stickstoff  in  einer  geringen  Beimen- 
gung eines  solchen  stickstoifärmeren  Products  begründet. 
Durch  die  bei  dem  Acetaldehyd  erlangten  Resultate  wurde 
ich  von  Neuem  auf  den  Stickstoffausfall  bei  dem  Oenanthol- 
derivat  aufmerksam ,  und ,  wie  spatere  Versuche  lehrten^ 
scheint  es  in  der  That,  entweder  dafs  die  bei  der  Einwirkung 
des  Ammoniaks  auf  das  Oenanthol  freiwerdende  Warme^ 
oder  dafs  die  dem  Chlorcalcium  entgangene  geringe  Wasser- 
menge bei  der  nachherigen  Destillation  einen  kleinen  Antheil 
des  Hydrönanthamids  in,  den  Oxyaldinen  analoge  Oenanthol- 
derivate  umgewandelt  habe. 

Dasselbe  Präparat,  welches  mir  vor  drei  Jahren  zur 
Analyse  gedient  und  welches  sich  in  der  Zwischenzeit  röth- 
lieh  gefärbt  hatte,  sonst  aber  nicht  verändert  war,  wurde 
zum  Theil  mit  Wasser  an  einem  Condensationsapparat  meh- 
rere Stunden  zum  Kochen  erhitzt,  zum  Theil  mit  Wasser  in 
geschlossener  Röhre  einen  Tag  lang  auf  120  bis  130^  er- 
halten. In  beiden  Fallen  war  Ammoniakentwickelung  nach- 
weisbar, ohne  dafs  die  öligen  Substanzen  im  Aeufseren  ver- 
ändert schienen.  Die  mittelst  Chlorcalcium  getrockneten 
Oele  destillirten  bei  sehr  hoher  Temperatur  und  nahmen 
dabei  einen  eigenthümlichen  Geruch  an. 

Das  nur  mit  Wasser  gekochte  Präparat  war  fast  voll- 
ständig in  TriönarUhoxaldin  C^^H^^NO  umgewandelt,  wäh- 
rend der  mit  Wasser  von  120  bis  130®  behandelte  Antheil 
wohl  ein  Gemenge  von  diesem  Körper  mit  Tetrönanthoxaldin 
C^H^^NO  darstellt,  wie  diefs  die  folgenden  analytischen  Re- 
sultate darthun  : 


26  Schiffe  über  Oxyaldme 


C"H"NO 

C«HWNO 

bei  100«*) 

bei  120-1300 

c 

78.0 

80,2 

77,9 

79,8 

H 

12,7 

1-2,6 

12,6 

12,5 

N 

4,8 

3,4 

4,9 

— 

0 

5,0 
100,0 

3,8 
100,0. 

~— 

— 

Wurde  die  nur  mit  Wasser  gekochte  Verbindunf^  dann 
in  geschlossener  Röhre  mit  Wasser  einer  höheren  Tempe- 
ratur ausgesetzt,  so  trat  weitere  Veränderung  ein. 

Die  Oenanthaidine  sind  gelbe  ölige  Flüssigkeiten,  welche 
sich  allmälig  röthlich  färben,  sich  in  Wasser  nicht  lösen  und 
keine  basischen  Eigenschaften  mehr  besitzen.  Die  mit  Salz- 
säure versetzte  weingeistige  Lösung  giebt  auch  mit  Platin- 
chlorid kein  Chloroplatinat.  In  dieser  Beziehung  verhält  sich 
also  das  Oenanthotrialdin  zum  Oxytrialdin  wie  das  Hydrö- 
nanthaniid  zum  Hydracetamid  oder  wie  Diönanthylidendifen- 
amin  zu  Diäthylidendifenamin. 

Die  Destillation  der  Oenantholderivate  mit  Kalk  liefert 
ebenfalls  dem  Chinolin  sehr  ähnlich  riechende  Substanzen  in 
geringer  Menge,  der  gröfste  Theil  verwandelt  sich  in  Koh- 
lenwasserstoffe. —  Bei  der  Oxydation  mit  Salpetersäure 
bilden  sich  Fettsäuren. 

Derivate  des  Acrolems, 

Die  Einwirkung  des  weingeistigen  Ammoniaks  auf  Acre- 
lein  ist  bereits  von  Hübner  und  Geuther  (Ann.  Chem. 
Pharm.  CXIV,  43)  untersucht  worden.  Was  Darstellung  und 
Eigenschaften  der  Verbindung  betrifft,  kann  ich  vollständig 
auf  die  vorliegenden  Angaben  dieser  Chemiker  verweisen. 
Hübner  und  Geuther  betrachten  die  Verbindung  als  ein 
Ammoniumhydrat  und  geben  ihr  die  Formel  C^H'^NO'  (C  =  12, 


*)  Hatte  das  specifiscbe  Qewiobt  0,878  bei  26^ 


und  Thtaldine,  27 

0  =  8).  Sie  glauben,  ein  halbes  Holecul  Wasser  gehöre 
der  Verbindung  Constitutionen  an,  sofern  dasselbe  erst  bei 
100^  unter  partieller  Zersetzung  der  Base  eliminirt  werden 
kann.  Die  Tbatsache  ist  richtig,  sofern  bei  Zutritt  der  Luft 
erhitzt  wurde.  Ich  habe  die  nach  der  Angabe  von  Hüb- 
ner und  Geuther  bereitete  und  über  Schwefelsäure  ge- 
trocknete Verbindung  in  einer  U-Röhre  in  einem  langsamen 
Strom  trockener  Kohlensäure  auf  etwa  60^  erhitzt,  und  in 
diesem  Falle  entweicht  nahezu  der  ganze  Wassergehalt;  ohne 
dafs  bedeutende  Zersetzung  eintritt.  Der  Verlust  betrug 
7,1  pC,  während  die  Rechnung  für  ein  halbes  Molecul  Was- 
ser 7,5  pC.  Verlust  verlangt. 

Die  so  getrocknete  Substanz  ist  eine  tiefgelbe  hornige 
Hasse,  welche  sich  nicht  mehr  in  Wasser  und  Säuren  löst. 
Die  Analyse  stimmt  sehr  nahe  mit  einer  von  Hübner  und 
Geuther  einer  zersetzten  Substanz  zugeschriebenen  Zu* 
sammensetzung. 


berechnet 
6C         72             64,9 

Hübn.  u.  Gen 
(bei  100«) 

63,7 

th. 

Schiff 
(80«) 

64,50 

9H          9 

8,1 

8,6 

8,85 

N         14 

12,6 

— 

— 

0          16 

14,4 

— 

— 

111 

100,0. 

Mit    Zugrundelegung 

der 

Formel 

von 

H 

übner 

Geuther  wäre  also  die  Base  als  C^H^NO  zu  betrachten; 
man  könnte  sie  dann  als  ein    dem  in  der  Acetylgruppe  feh- 

C«H*  -  NH 

lenden   Oxydialdin   analoges  Diacryloxaldin     i  i       an» 

sprechen  und  die  Base  müfste  noch  ein  Atom  ersetzbaren 
Wasserstoffs  enthalten.  Gegen  diese  Annahme  spricht  aber, 
dafs  ich  weder  mit  Jodäthyl  noch  mit  Aldehyden  Substi- 
tutionsproducte  erhalten  konnte.  Die  Base  erscheint  hiernach 
als  tertiäres  Amin. 


28  Schiffe  über  Oxyaldine 

Wir  werden  später  sehen,  dafs  auch  andere  vom  Acro« 
lein  abgeleitete  Basen  Wasser  chemisch  binden;  es  steht 
diefs  vielleicht  damit  in  Zusammenhangs  dafs  das  Acroiein 
noch  über  nicht  gesättigte  Affinivalente  verfugt. 

Die  mit  H'O  verbundene  Menge  der  Base  ist  ausge- 
dräckt  durch  C^^H^^^O^  und  dieselbe  Menge  verbindet  sich 
auch  mit  zwei  Moleculen  Salzsäure.  Nach  Hühner  und 
Geuther  beträgt  die  Gewichtszunahme  bei  Behandlung  mit 
Salzsäuregas  23,4  pC.    Nach  der  Gleichung  : 

C«H»8N80«,  H«0  +  2HC1  =  H«0  +  C»*H*«N«0«,  2  HCl 

sollte,  die  Gewichtszunahme  23,9  pC.  betragen.  Dieselbe 
Menge  verbindet  sich  ferner  mit  einem  Molecul  Platinchlorid 
zum  Chloroplatinat  PtClS  C^^H^^N^O^,  2  HCl. 

Die  Acroleinbase  entsteht  nach  Hühner  und  Geuther 
auch. bei  Einwirkung  von  Ammoniak  auf  die  Verbindung  von 
Acroiein  mit  Salzsäure,  hier  aber  erst  beim  Erhitzen  und 
nur  allmälig.  Wäre  die  Verbindung  C^H^O,  HCl  nur  eine 
lose  Vereinigung  der  Componenten,  so  ist  nicht  einzusehen, 
warum  das  Ammoniak  nicht  sogleich  die  Salzsäure  eliminiren 
und  sich  spontan  mit  dem  Acroiein  umsetzen  sollte.  Die 
Salzsäure  mufs  also  in  anderer  Weise  fester  gebunden  sein. 
Ihr  Verhalten  gegen  Phosphorchlorid  characterisirt  die  Ver- 

"  rOH 
bindung  als  Allylidenchlorhydrin  C^H^j^i  .     Die  erste  Ein- 
wirkung des  Ammoniaks   ist  ohne   Zweifel   die  Elimination 
des  Chlors  : 

C»H*|^j^  +  2NH8    =    NH*C1    +    C»H*|^]^ 

und  auf  dieses  primäre  Monamin  wirkt  dann  das  Acroiein 
sogleich  ein,  wie  ich  diefs  im  Früheren  für  andere  primäre 
Basen  dargethan  habe  : 


i 


C«H»  |2C«H»' 

H      +   2C»H*0   =    2H*0  +   N*|C8H*" 

H  Ich*" 

Diallylid^i^eoAmin. 


und  Thialdine,  29 


rC'H*.OH  f2(C»H*.0H)' 


1// 


2  N^  H  +2  C8H*0  =  2  H«0  +  NV  C»H*' 

[H  l(^H*' 

Dialljlid^ndioxyallylamin 

Ich  habe  auch  hier  versucht,  durch  Erhitzen  mit  Jod- 
wasserstoff das  Oxhydryl  durch  Jod  zu  ersetzen;  es  scheint 
indessen,  dafs  die  von  den  Aldehyden  abgeleiteten  Oxybasen 
sich  zu  einer  derartigen  Substitution  nicht  eignen.  Wie  in 
früheren  Fällen  erhielt  ich  auch  hier  nur  harzige,  mit  Jod 
gemengte  Hassen,  welche  keine  Resultate  versprachen. 

A.  Claus  (Ann.  Chem.  Pharm.  Suppl.  II,  117)  bat  bei 
Behandlung  von  Acrolein  mit  einer  vor  längerer  Zeit  be- 
reiteten und  veränderten  Lösung  von  Ammoniumsulfit  einer 
gelben  amorphen  Körper  C^^H^^N^SO^  erhalten;  es  könnte 
diefs  recht  wohl  das  Sulfit  der  Acröleinbase  C'>H'»N^O^  SH^O» 
gewesen  sein.  Ich  habe  gefunden,  dafs  die  frisch  bereitete 
noch  feuchte  Base  schweflige  Säure  absorbirt  und  sich  in|^ 
ein  amorphes  orangegelbes  Sulfit  verwandelt. 

Ein  der  Acröleinbase  analoges  Benzoylderivat  ist  wohl 
das  von  Robson  (Ann.  Chem.  Pharm.  LXXXI,  122)  durch 
Einwirkung  von  Ammoniak  auf  weingeistiges  Bittermandelöl 
dargestellte 

(2  (C^H« .  OH) 
Dibenzoylimid  N'^Cm« 

Basische  Eigenschaften  fehlen ,  wie  diefs  bei  allen  di* 
recten  Ammoniakderivaten  der  aromatischen  Aldehyde  der 
Fall  ist 

Acrothialdin. 

Es  ist  bereits  fräher  angeführt  worden,  dafs  das  Oxy- 
trialdin  und  die  ihm  analog  zusammengesetzten  Basen  als 
Producte  der  Einwirkung  des  Wassers  auf  die  Hydramide 
betrachtet  werden  können.  Diese  Betrachtungsweise  führt 
auf  die  Untersuchung  der  Einwirkung  des  Schwefelwasser- 


30  Schiffe  über  Oxyaldine 

Stoffs  auf  die  Aldehydammoniake.  Wir  gelangen  auf  diese 
Weise  von  den  Oxyaldinen  zu  den  Tkialdinen^  und  an  die 
Oxybase  aus  Acrolein  reihe  ich  sogleich  das  von  diesem 
Aldehyd  abgeleitete  Acrothialdin. 

Ein  Kolben  mit  mäfsig  concentrirtem ,  mit  Schwefel- 
wasserstoff übersättigtem  farblosem  wasserigem  Schwefel- 
ammonium wird  mittelst  eines  Verbindungsstuckes  aus  schwar- 
zem Caoutchouc  beweglich  mit  einem  Räckflufsapparat  ver- 
bunden. Man  setzt  den  Kolben  in  Eiswasser  und  läfst  durch 
das  Schlangenrohr  des  Condensators  kleine  Mengen  möglichst 
frischen  Acroleins  zufliefsen,  während  man  zugleich  den  In- 
halt des  Kolbens  in  drehende  Bewegung  setzt.  Jeder  Acro- 
leinzusatz  bewirkt  die  Bildung  einer  weifsen  Masse.  Kühlt 
man  nicht  ab,  so  findet  bedeutende  Temperaturerhöhung  statt. 
Man  giebt  so  viel  Acrolein  zu,  dafs  jedenfalls  am  Ende  der 
^Operation  noch  überschüssiges  Schwefelammonium  vorhanden 
ist.  Die  weifse  Masse  wird  ^erstofsen  und  mit  neuem 
Schwefelammonium  mehrere  Tage  lang  digerirt,  um  etwas 
mechanisch  beigemengten  Schwefel  auszuziehen.  Man  wascht 
dann  mit  ammoniakalischem  Wasser,  dann  mit  Weingeist  und 
endlich  mit  etwas  Aether. 

Man  erhält  auf  diese  Weise  rein  weifse  campherartige, 
undeutlich  krystailinische  Stücke,  welche  zwischen  den  Zäh- 
nen knirschen  und  fast  keinen  Geschmack  haben.  Der  Ge- 
ruch ist  schwach  knobiauchartig,  lange  nicht  so  stark  wie 
der  des  Thialdins;  auch  ertheilt  die  Substanz  den  Fingern 
keinen  so  unangenehmen  Geruch,  wie  diefs  beim  Thialdin 
der  Fall  ist«  Das  specifische  Gewicht  ist  etwa  dasjenige  des 
Wassers.  Es  ist  diese  Substanz  eben  so  indifferent,  wie  das 
Acrobmmoniak  und  wie  die  Disacrylkörper  (wohl  condensirte 
Acroleine).  Wie  diese  Körper,  so  ist  auch  das  getrocknete 
Acrothialdin  unlöslich  in  Wasser;  es  wird  von  Alkohol, 
Aether,  Benzin  und  Chloroform  kaum  angegriffen.    Am  Lös» 


und  Thialdine.  31 

lichsten  ist  es  noch  in  Schwefelkohlenstoff;  aber  auch  hierin 
löst  sich  nur  wenig  und  die  Lösung  giebt  beim  Verdunsten 
glasartige  farblose  Stücke,  welche  auch  bei  längerem  Stehen 
nicht  krystallinisch  wurden. 

Zur  Analyse  wurde  ein  mehrmals  mit  Schwefelammonium, 
Weingeist  und  Aether  behandeltes  Pulver  benutzt.  Die  er- 
haltenen Zahlen  entsprechen  der  Formel  C^H^^NS^  +  5  H^O 
für  die  bei  mittlerer  Temperatur. getrocknete  Substanz. 

bereofanet  gefandeu 


9C 

108 

87,4 

37,6  bis  88,1 

23  H 

28 

7,9 

7,8  bis     7,9 

N 

14 

4,9 

5,2 

2S 

64 

22,1 

21,1  bis  22,4 

50 

80 

27,7 

— 

289  100,0. 

Trocknet  man  das  Acrothialdin  unter  der  Luftpumpe 
über  Schwefelsäure,  so  verliert  es  2H'0,  ohne  sich  sonst 
merklich  zu  verändern  (Analyse  I).  Eine  einen  Monat  lang 
mit  Wasser  behandelte  Substanz,  über  Schwefelsaure  ge- 
trocknet, hatte  sich  nicht  wesentlich  verändert  (Analyse  II). 
Dieselbe  Zusammensetzung  zeigt  die  glasige  Substanz  aus 
Schwefelkohlenstoff  (Analyse  III). 


Berechnet 

I. 

Tl. 

III. 

9C 

108 

42,7 

41,6 'bis  42,7 

41,8 

43,4 

19  H 

19 

7.6 

7,8 

7,0 

7,1 

N 

14 

6i& 

— 

— 

— 

28 

64 

26,8 

24,8  bis  25,8 

— 

80 

48 

19,0 

— 

— 

— 

2^3         100,0. 

Die  Verbindung  C^H'^NS»  +  3  H^O  erleidet  auch  bei 
100^  keinen  Wasser  Verlust.  Erhitzt  man  auf  120  bis  140^ 
im  Kohlensaurestrom ,  so  entweicht  Wasser  und  Schwefel* 
Wasserstoff.  Der  amorphe  gelbe  Rückstand  gab  keine  über- 
einstimmenden  analytischen  Resultate.    So  viel   nur   scheint 


32  Schiffe  über  Oxyaldme 


# 


mir  festzustehen,  dafs  allmälig  die  Hälfte  des  Schwefels  als 
Schwefelwasserstoff  entweicht 

Die  getrocknete  Substanz  ist  auch  in  Säuren  nur  sehr 
wenig  löslich.  Verdünnte  Salzsäure  löst  von  dem  frisch  be- 
reiteten Acrothialdin  kaum  1  pC.  Die  Lösung  fällt  mit 
Platinchlorid  und  Quecksilberchlorid.  Der  Quecksilbemieder- 
schlag  ist  weifs,  färbt  sich  aber  bald  gelb.  Auch  der  Platin- 
niederschlag ist  sehr  veränderlich.  —  Erwärmt  man  das  Acro- 
thialdin mit  concentrirter  Salzsäure,  so  zersetzt  es  sich  wie 
das  Acrolammoniak.  Die  Lösung  enthält  dann  Salmiak.  Auch 
bei  längerem  Kochen  mit  Wasser  erfolgt  Zersetzung.  Freies 
Acrolein  konnte  dabei  nicht  bemerkt  werden;  aber  es  ent- 
wickelt sich  ein  unangenehm  riechender  Dampf,  welcher, 
abgesehen  von  einer  geringen  Beimengung  eines  schwefel- 
haltigen Körpers,  im  Geruch  dem  Dampf  des  sich  mit  ver- 
dünnten Säuren  zersetzenden  Acrolammoniaks  sehr  ähnlich 
ist.  Mit  einer  alkalischen  Lösung  von  Bleioxyd  bildet  sich 
beim  Erhitzen  Schwefelblei.  —  Rauchende  Salpetersäure 
zersetzt  das  Acrothialdin  mit  explosionsartiger  Einwirkung. 
Auch  gewöhnliche  concentrirte  Säure  wirkt  sehr  energisch 
und  verwandelt  den  Schwefel  vollständig  in  Schwefelsäure, 
ohne  dafs  man  nöthig  hätte,  die  Zersl^tzung  in  geschlossener 
Röhre  vorzunehmen. 

Das  Acrothialdin  entsteht  aus  dem  Acrylaldehyd,  ähnlich 
wie  das  (Aceto)thialdin  von  Lieb  ig  und  Wo  hl  er  aus  dem 
Acetaldehyd  : 

8  C«H*0  +  NH*  +  2Bre  =  C«H»»N8«  +  8H«0 

Acelothlaldin  • 

8  C»H*0  +  NH«  +  2  H«S  =  C»H«N8"  +  3  H«0 

Acrothialdin 

nur  mit  dem  Unterschiede,  dafs  das  Acroleinderivat ,  als 
nicht  gesättigte  Verbindung,  das  bei  der  Reaction  entstehende 
Wasser  zurückhält,  wie  diefs  auch  bei  der  Oxybase  aus 
Acrolein  der  Fall  ist 


- 

I 


und  Thialdine.  33 

Bei  dem  indifferenten  Verhalten  des  Acrothialdins  und 
bei  der  leichten  Zersetzbarkeit  des  Acroleins  gaben  Ver- 
suche bezüglich  der  Einwirkung  von  Jodwasserstoff,  von 
Hetalloxyden,  von  schwefliger  Saure  u.  s.  w.  keine  bemer- 
kenswerthen  Resultate.  Auch  das  Acetothialdin  zeigte  sich 
für  solche  Versuche  nicht  geeignet.  Es  mufste  deshalb  eine 
leichter  zu  behandelnde  Thialdinbase  aufgesucht  werden. 

Oenanthoihialdin. 

Die  Bereitung  dieses  Körpers  ist  sehr  einfach.  Reines, 
bei  151^  siedendes  und  frisch  in  einer  Kohlensaureatmosphare 
rectificirtes  Oenanthol  wird  mittelst  einer  Pipette  über  etwa 
10  bis  15  Volume  ziemlich  concentrirten  farblosen  Schwefel- 
ammoniums geschichtet.  An  der  Berührungsfläche  wird  so- 
gleich Wasserausscheidung  beobachtet.  Man  verschliefst  nun 
das  dickwandige  Gefäfs  mittelst  eines  guten  Korkstopfens  und 
schüttelt  die  Flüssigkeiten  durcheinander.  Es  tritt  starke 
Warmeentwickelung  ein  und  das  Oenanthol  ist  fast  ganz 
ganzlich  umgewandelt.  Nach  dem  Abkühlen  fugt  man  wenig 
concentrirten  Ammoniaks  zu,  sättigt  von  Neuem  mit  Schwefel- 
wasserstoff und  lafst  die  Flüssigkeiten  unter  öfterem  Um* 
schütteln  noch  einige  Tage  in  Berührung.  Die  Umwandlung 
ist  danü  vollständig.  Die  abgehobene  ölige  Schicht  wird  mit 
Wasser  gewaschen ,  dann  mehrere  Tage  an  einem  warmen 
Orte  mit  Chlorcalcium  ausgetrocknet  und  schliefslich  von 
anhangendem  Schwefelwasserstoff  durch  einen  Kohlensäure* 
Strom  befreit.  Man  erkennt  die  Reinheit  der  Verbindung 
daran,  dafs  sie  sich  mit  verdünnter  Salzsäure  geschüttelt  im 
Verlauf  von  etwa  12  Stunden  vollständig  in  eine  weifse 
Krystallmasse  verwandelt  War  das  Oenanthol  nicht  rein 
oder  die  Umwandlung  nicht  vollständig,  so  entsteht  bei  der 
Behandlung  mit  Salzsäure  eine  mehr  oder  weniger  weiche 
Masse. 


•H 


1 «      j     rtt ..      rku XTX     a...^_.f  <kx#.^AV  J      «      «-«_. 


34  Schifft  über  Oxyaldine 

Das  Oenanthothialdin  ist  ein  farbloses  Oel  von  0^896  bei 
2A\  riecht  eigenthümlich  fade  und  zugleich  lauchartig,  ist 
unlöslich  in  Wasser,  löslich  in  Weingeist,  nicht  ohne  Zer- 
setzung destillirbar,  ohne  Reaction  auf  Lackmuspapier.  An 
der  Luft  scheint  es  sich  nicht  wesentlich  zu  verändern.  Die 
Analyse  giebt  Zahlen ,  welche  der  Formel  C"H«NS«  ent- 
sprechen : 

Berechnet  Gefunden 

21 C  252  67,56  67,85 

43  H  48  11,53  11,68 

2  8  64  17,15  .    17,00 

N  14  8,76  — 

873  100,00. 

Dem  mit  der  öligen  Base  befeuchteten  Chlorcalcium 
scheint  eine  kleine  Menge  Wasser  entgangen  zu  sein. 

Das  Oenanthothialdin  hat  ausgesprochen  basische  Eigen- 
schaften, aber  es  verbindet  sich  öder  bildet  wenigstens  keine 
Constanten  Verbindungen  mit  den  schwächeren  Sauren;  mit 
einzelnen  Sauren  bildet  es  nur  flüssige  oder  halbfeste  Ver- 
bindungen, z.  6.  mit  Salpetersaure  und  Phosphorsäure. 

Das  Chlorhydrat  bildet  sich,  wenn  man  die  Base  mit 
nicht  zu  verdünnter  Salzsaure  schüttelt  und  damit  in  Be- 
rührung läfst,  bis  Alles  in  eine  weifse  Krystallmasse  verwan- 
delt ist.  Man  wascht  dieselbe  mit  Wasser,  worin  sie  sich 
nicht  löst,  und  läfst  dann  die  weingeistige  Lösung  langsam 
verdunsten.  Das  Ghlorhydrat  krystallisirt  dann  in  langen 
farblosen  Nadeln,  welche  leicht  schmelzen  und  krystallinisch 
erstarren.  Das  Salz  in  geschlossener  Röhre  mit  Salpeter- 
säure zersetzt  gab  eine  8,6  pC.  Chlor  entsprechende  Menge 
Chlorsilber.  Die  Formel  C»H^NSS  HCl  verlangt  8,67  pC. 
Chlor. 

Das  Sulfat,  ebenso  dargestellt  wie  das  Chlorhydrat,  bildet 
gleichfalls  eine  weifse  Krystallmasse,  welche  sich  mit  einer 


j 


und  Thialdine.  35 

warmeo  Chlorbaryumlösung  in  Baryumsulfat  und  Oenantho- 
thialdin-Chlorhydrat  umsetzt.  Die  Analyse  ergab  9,6  pC. 
Anhydrid,  während  die  Formel  SH«OS  2C"H*»NS»  9,5  pC. 
SO»  verlangt  ♦). 


*)  Ich  beabsichtigte,  die  Thialdine  durch  Einwirkung  von  Ammo- 
niak auf  die  geschwefelten  Aldehyde  darzustellen,  fand  aber,  dafs 
die  aus  Valeral,  Benzaldehyd  and  Oenanthol  mittelst  Schwefel- 
wasserstoff erhaltenen  Snbstitationsprodacte  Töllig  indifferent 
sind,  Yon  Ammoniak  nicht  yerändert  werden,  sich  nicht  mit  den 
alkalischen  Bisnlfiten  verbinden  und  überhaupt  nicht  mehr  die 
Eigenschaften  der  Aldehyde  besitzen.  Hiermit  steht  es  auch 
wohl  im  Zusammenhang,  dals  man  aus  den  Mercaptanen  bis  jetzt 
keine  entsprechenden  Aldehyde  darstellen  konnte. 

Das  mittelst  Oenanthol  und  trockenem  Schwefelwasserstoff 
unter  schwacher  Erwärmung  und  Wasserabscheidung  entstehende 
geschwefelte  Derivat  habe  ich  näher  untersucht  Die  Einwirkung 
des  Schwefelwasserstoffs  auf  das  Oenanthol  geht  sehr  langsam 
Tor  sich;  etwas  schneller,  wenn  man  durch  Auflösen  von  etwa 
1  Procent  Phosphorchlorid  etwas  C^H^^Cl'  erzeugt.  Da  sich  bei 
nachheriger  Einwirkung  des  Schwefelwasserstoffs  keine  Salzsäure 
entbindet,  so  ist  zu  vermuthen,  da&  das  Chlorür  C'H^^Cl'  sich 
beständig  zersetzt  und  die  Salzsäure  im  Entstehungszustande 
neues  Oenanthol  in  Chlorür  verwandelt  u.  s.  f.  —  Bei  der  Destil- 
lation geht  zuerst  etwas  unverändertes  Oenanthol  und  etwas 
Chlorür  über,  dann  folgt  gegen  200^  eine  gelbe  Flüssigkeit;  ihre 
Farbe  wird  bis  gegen  800^  immer  mehr  orangegelb.  Der  Siede- 
punkt ist  nie  längere  Zeit  oonstant  und  es  entwickelt  sich  be- 
standig etwas  Schwefelwasserstoff.  Bei  nachheriger  Bectification 
bemerkt  man  wiederum  Schwefelwasserstoffentwickelung ,  ein 
grofser  Theil  geht  zwischen  200^  und  250^  über,  wiegt  0,875  bei 
23<>  und  hat  nahezu  die  Zusammensetzung  C^H'^0,  C^H^^S  (Ana- 
lyse I).  Mehrtägige  Digestion  mit  concentrirtem  Schwefelammo- 
nium bewirkt  kaum  eine  Veränderung  (Analyse  11).  Eine  nicht 
sehr  abweichende  Zusammensetzung  zeigt  das  Destillat  zwischen 
250°  und  270<^  (Analyse  III),  während  der  zwischen  270<'  und  SOO^^ 
übergehende  Antheil  eine  gröfsere  Abweichung  zeigt  (Analyse  lY). 

I.  II.  III.  IV. 

200-250<>  250-270°      270-300° 

69,0         69,2  69,6  70,7 

11,9         11,8  11,8  11,7 


Berechnet 

14  C 

168        69,0 

28  H 

28        11,5 

OS 

48         19,5 

244       100,0. 


a» 


36  Schiff,  über  Oxyaldine 

Platinchlorid  bewirkt  in  der  äther-alkoholischen  Lösang 
des  Chlorhydrats  im  ersten  Moment  einen  gelben  Nieder- 
schlag, der  sieh  aber  rasch  dunkler  und  endlich  braun  färbt. 
Verschiedene  Proben  gaben  bis  gegen  30  pC.  Platin ,  wäh* 
rend  das  Chloroplatinat  der  Base  16,1  pC.  erfordert. 

Mit  Natron  entwickelt  der  getrocknete  Niederschlag 
Ammoniak,  beim  Trocknen  im  Wasserbade  entwickelt  sich 
Oenantholdampf;  es  ist  also  offenbar,  dafs  der  Niederschlag 
ein  Gemenge  von  Platinsalmiak,  Schwefelplatin  und  unver- 
ändertem Tbialdinchloroplatinat  ist,  und  dafs  das  Platinchlorid 
verändernd  auf  die  Base  einwirkt,  in  der  Tbat,  dunstet  man 
die  äther-alkoholische  Flüssigkeit,  aus  welcher  die  Fallung 
erfolgte,  ein,  so  kann  man  daraus  mit  Natriumbisulfit  Krystalle 
der  betreffenden  Oenantholverbindung  erhalten.  Versetzt 
man  die  stark  concenlrirte  Flüssigkeit  mit  etwas  Anilin,  so 
bemerkt  man  sogleich  den  eigenthümlichen  Geruch,  welcher 
beim  Zusammenbringen  von  Oenanthol  mit  Anilin  entsteht. 
Nach  dem  Waschen  mit  Essigsäure  bleibt  Diseptendifenamin 
zuräck  *).  Es  geht  hieraus  hervor,  dafs  die  in  dem  Oenan- 
tholthialdin  enthaltenen  Oenantholresidua  sich  mit  Leichtigkeit 
wieder  in  Oenanthol  überführen  lassen. 


Q7g^i4[0   kann   die  Verbindung  als  eine 

gesättigte  betrachtet  werden.  Es  wftre  dann  ein  aldehydiBcbea 
Bolfinoxyd  und  es  gäbe  diese  Betrachtungsweise  einen  Ausdmck 
für  die  Thatsaohe,  dafs  die  Verbindung  nicht  mehr  den  Character 
eines  Aldehyds  besitzt. 
*)  Limpricht  hat  früher  als  Oenanthylen  den  Kohlenwasserstoff 
C^H^*  aus  Oenanthol  bezeichnet,  welchem  heute  die  Bezeichnung 
Oenanthyliden  angehört.  Aber  neuerdings  ist  Bubien  der  philo- 
logische Lapsus  calami  widerfahreUi  als  Oenanthyliden  den  Koh- 
lenwasserstoff C^H^'  zu  bezeichnen,  ganz  vergessend,  dals  die 
Endigung  —  iden  —  sich  auf  tlSw;  oder  löo^  bezieht  Um  dieser 
Confnsion  zu  entgehen  und  um  die  langen  Oenanthylidennamen 
zu  vermeiden,  bezeichne  ich  nach  Hof  mannte  Vorschlag  C^H^^ 
als  Sepien,  C^H"  als  Seplenyl  und  C'H"  als  Septin.  Das  Product 
aus  Oenanthol  und  Anilin  wird  daher  zu  Diseptendifenamin. 


und  Thialdine.  37 

LSfst  man  einige  Tropfen  des  Thialdins  auf  gepulvertes 
Silbernitrat  fallen^  so  erfolgt  Deflagration,  welche  sich  bis 
zum  Erglühen  der  Masse  steigern  kann.  Es  entwickeln  sich 
dabei  Oenantholdampfe  und  der  Bückstand  besteht  aus 
Schwefelsilber.  Mehr  oder  weniger  erhitzt  sich  das  Thiaidin 
auch  mit  dem  Nitrat,  dem  Chlorid  und  dem  gelben  Oxyd 
des  Quecksilbers  und  mit  Bleisuperoxyd.  Energische  Beaction 
mit  diesen  letzteren  erfolgt  übrigens  erst  bei  schwachem  Er- 
wärmen. —  Die  Beduction  mittelst  Platinchlorid  findet  ihren 
Ausdruck  in  der  Gleichung  : 

C5«H^«NS«  +  2  PtCl«  +  8  H'O  =  2  PtS  +  NH*C1  +  3  C^H"0  4  3  HCl. 

Die  Bückbildung  des  Oenanthols  gelingt  sehr  leicht  auch 
mit  wässeriger  schwefliger  Säure  und  selbst  mit  schwach 
amrooniakalischem  Wasser.  Erhitzt  man  die  Base  mit  einer 
concentrirten  Lösung  von  Natriumbisulfit,  so  sclieidet  sich 
Schwefel  ab,  welcher  dann  wieder  von  dem  überschüssigen 
Sulfit  aufgenommen  wird.  Beim  Erkalten  erhält  man  eine 
reichliche  Krystallisation  von  Natriumönantholbisulfit.  Erhitzt 
man  mit  concentrirter  wässeriger  schwefliger  Säure  in  ge- 
schlossener Bohre  auf  etwa  110^,  so  scheidet  sich  ebenfalls 
Schwefel  ab,  die  untere  wässerige  Schicht  enthält  schweflig- 
saures und  schwefelsaures  Ammoniak ,.  und  wenn  man  die 
obere  orangefarbene  ölige  Schicht  mit  Natriumbisulfit  schüt- 
telt, so  entsteht  eine  Krystallisation  der  Oenantholverbindung. 
Neben  dem  Oenanthol  findet  sich  aber,  sowohl  bei  Behand- 
lung mit  schwefliger  Säure,  als  auch  bei  derjenigen  mit  Bi- 
sulfiten,  noch  eine  andere  Flüssigkeit,  welche  mittelst  Aether 
von  den  Krystallen  getrennt  werden  kann.  Nach  dem  Ab- 
dunsten des  Aethers  zeigt  sich  die  Flüssigkeit  destillirbar, 
geht  oberhalb  200^  unter  schwacher  Schwefelwasserstofi^ent- 
^ickelung  über  und  zeigt  sich  schwefelhaltig.  Sie  hat  alle 
Eigenschaften   des   oben   (in   der  Note)  erwähnten  Products 


38  Schiff y  über  Oxyaldine 

der  Einwirkung  des  Schwefelwasserstoffs  auf  Oenanthol,  und 
dannit  stimmt  auch  die  Analyse  ziemlich  nahe  überein. 

Gefunden  C^H'^OS 

Kohlenstoff  69,6  69,0 

Wasserstoff  11,4  11,5 

Das  Endresultat  der  Umsetzung  mit  schwefliger  Säure 
kann  also  ausgedrückt  werden  durch  die  Gleichung  : 

C««H«NS«  +  2  S0«  +  2  H«0  =  C'H"0  +  C"H««OS  +  S(NH*)HO^  +  2  S. 

Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dafs  sich  zuerst  nur 
Oenanthol  und  Schwefelwasserstoff  bilden  und  sich  letzterer 
sogleich  einerseits  mit  einem  Tbeil  des  Oenanthols,  anderer- 
seits mit  schwefliger  Saure  umsetzt. 

Bei  dem  Erhitzen  mit  überschössigem  schwach  ammo- 
niakalischem  Wasser  in  zugeschmolzener  Röhre  giebt  das 
Oenanthothialdin  den  Stickstoff  ebenfalls  als  Ammoniak,  den 
Schwefel  aber  als  Schwefelwasserstoff  ab,  und  beide  finden 
sich  in  der  unteren  wässerigen  Schicht  als  Schwefelammo- 
hium.  Die  obere  röthlicbe  ölige  Schicht  enthält  Oenanthol 
und  Diseptenoxysulfür,  welche,  wie  oben  angegeben,  getrennt 
werden.  Das  bei  dieser  Umsetzung  erhaltene  Oxysulfur  gab 
bei  der  Analyse  70,9  Kohlenstoff  und  12  pC.  Wasserstoff. 
Der  Ueberschufs  an  beiden  Bestandtheilen  ist  in  einer  Bei- 
mengung eines  Oxyaldins  zu  suchen,  welches  bei  der  Ein- 
wirkung des  Ammoniaks  auf  einen  Theil  de^  Oenanthols  ent- 
steht. Das  ammoniakalische  Wasser  zersetzt  das  Oenantho- 
thialdin in  primärer  Umsetzung  wohl  nach  der  Gleichung : 

C«iH"NS«  +  3  H«0  +  NH'  =  3  C'H"0  +  2  NH«,  H«S. 

Man  bemerkt,  dafs  diese  Umsetzung  gerade  die  Umkehr 
der  Bildungsgleichung  der  Verbindung  ist,  denn  letztere  ent- 
steht bei  der  Einwirkung  des  Schwefelwasserstoffs  und  des 
Ammoniaks  auf  Oenanthol  nach  der  Gleichung  : 

3  C^H"0  +  NH»  +  2  H«S  =  C*>H**NS«  +  8  H*0. 

Die  Einwirkung  von  Jod  und  von  Jodwasserstoff  führte 
nicht  zu  bestimmten  Resultaten.    Die  Base  verbindet  sich  in 


und  Thialdine,  39 

der  Kälte  mit  dem  Jodwasserstoff  zu  einem  krystallinischen 
Jodhydrat.  Beim  Erwarmen  mit  ziemlich  concentrirtem  was- 
serigem Jodwasserstoff  erfolgt  zuerst  Abscheidung  von  Jod, 
welches  aber  alsbald  wieder  aufgenommen  wird,  wahrend 
Schwefel  sich  abscheidet.  Eine  Lösung  von  Jod  in  Jod- 
wasserstoff bewirkt  sogleich  Erwärmung  und  Abscheidung 
von  Schwefel.  Das  dickflüssige  Product  wurde  zuerst  mit 
Jodkaliumlösung,  dann  mit  verdünnter  Salzsäure  und  endlich 
mit  etwas  Kali  gewaschen  und  letzteres  durch  Wasser  ent- 
fernt. Es  blieb  ein  braunes  Oel,  welches  bei  Zusatz  von 
concentrirter  Salpetersäure  reichlich  Jod  abschied,  Stickstoff 
enthielt,  aber  keine  basischen  Eigenschaften  hatte.  Die  Ana- 
lysen zweier  Präparate  führten  nicht  zu'übereinstimmenden 

Resultaten.    Es  wurde  erhalten  : 

I.  II. 

Kohlenstoff  66,6  pC.  69,0  pC. 

Wasserstoff  10,2     „  9,7     „ 

Die  Analyse  II  könnte  auf  eine  Verbindung  C^^H^^JN 
bezogen  werden ,  welche  58,2  Kohlen-  und  9,3  Wasserstoff 
verlangt  und  welche  nach  den  Gleichungen  : 

C«iH*8NS«  +  J*  =  C««H*<>JN  +  3  HJ  +  2  S, 
C««H*«NS«  +  HJ  =  C*»H"JN  +  2  H«S, 

entstehen  konnte.  Es  zeigt  diese  letztere  Beobachtung  nur, 
mit  welcher  Leichtigkeit  der  Schwefel  aus  dem  Oenantho- 
thialdin  abgeschieden  werden  kann.  Die  geschwefelten  Alde- 
hyde werden  durch  Jod  oder  durch  Jodwasserstoff  kaum 
verändert.  Es  ist  noch  zu  bemerken,  dafs  beide  der  Analyse 
unterworfenen  Präparate  noch  Schwefelreaction  gaben,  also 
wohl  Hischproducte  waren. 

Aldehyde  wirken  bei  100^  nicht  auf  das  Oenanthothialdin 
ein.  Mit«Oenanthol  in  geschlossenem  Rohr  auf  160^  erhitzt 
erfolgt  gänzliche  Zersetzung  unter  Bildung  von  Oenanlhoxal- 
dinen  und  von  Diseptenoxysulfür  : 

C«*H«NS»  +  4  C^H"0  =  2  C"H«H)S  +  C"H*»NO  +  H«0. 


40  Schiffe  über  Oxyaldine 

Jodätby)  vereinipfi  sich  in  gelinder  Warme  direct  mit 
dem  Thialdin  zu  einer  nicht  krystallisirenden  Jodverbindang. 
Erhitzt  man  mit  Jodäthyl  auf  100^,  so  erfolgt  Abscheidung 
von  Jod  und  tiefer  gehende  Zersetzung.  Hof  mann  hat 
bereits  früher  (Ann.  Chem.  Pharm*.  CHI,  93)  dargethan,  dafs 
sich  das  Acetothialdin  direct  mit  Jodmethyl  verbinden  kann. 
Auch  er  beobachtete  weitergehende  Zersetzung  bei  zu  star- 
ker Erhitzung.  Nach  längerem  Erhitzen  von  Jodmethyl  mit 
Oenanthothialdin  auf  etwa.  110^  bemerkt  man  beim  Oeffnen 
der  Röhre  starken  Mercaptangeruch ;  es  ist  mir  indessen  nicht 
gelungen,  Mercaptan  oder  Schwefeläthyl  aus  der  braunen 
Hasse  darzustellen.  Auch  in  diesem  Falle  scheint  das  Jod 
die  Abscheidung  des  Schwefels  mit  Leichtigkeit  zu  bewirken. 

Oenanthothialdin  und  Anilin  mischen  sich  in  jedem  Ver- 
hältnifs,  ohne  dafs  Erwärmung  zu  bemerken  wäre.  Das  Ge- 
mische entwickelt  bei  mittlerer  Temperatur  sehr  langsam 
Ammoniak  und  Schwefelwasserstoff.  Rasch  erfolgt  die  Reac- 
tion  bei  100"  und  es  tritt  dabei  sämmtlicher  Schwefel  als 
Schwefelwasserstoff  aus.  Erhitzt  man  ein  Molecul  Oenantho- 
thialdins  mit  zwei  Holeculen  gewöhnlichen  rectificirten  Anilins 
(noch  wasserhaltig),  so  sind  die  Producte  der  Reaction  Di- 
septendifenamin  und  etwas  Diseptenoxysulfur,  welches  letztere 
auf  Kosten  des  Wassergehaltes  des  Anilins  entsteht : 

Dafs  in  diesem  Falle  das  Oxysulfur  nur  ein  secundäres 
Product  ist,  geht  zwar  schon  aus  der  Zusammensetzung  der 
einwirkenden  (sauerstofffreien)  Stoffe  selbst  hervor,  aber  es 
erhellt  diefs  noch  deutlicher  aus  Versuchen,  bei  welchen 
Anilin  angewandt  wurde,  welches  durch  zweimalige  RecU- 
fication  über  entwässerfes  Kalihydrat  von  Wasser  ganzlich 
befreit  worden  war.  Bei  Anwendung  überschüssigen  Anilins 
ist  dann  Diseptendifenamin  das  einzige  flüssige  Product  der 
Reactioui  nach  der  Gleichung  : 


und  Thialdine.  ^  41 

Wendet  man  dagegen  das  Oenanthothialdin  im  Ueber- 
schufs  an  und  erwärmt  das  Gemische  in  einem  mit  Bück* 
flufsapparat  verbundenen  Gefafs,  so  entweicht  ebenfalls 
Ammoniak  und  Schwefelwasserstoff,  zugleich  aber  bildet  sich 
neben  dem  Diseptendifenamin  noch  ein  bei  etwa  100^  sie« 
dender,  wie  die  Base  selbst  riechender  Kohlenwasserstoff. 
20  Grm.  Oenanthothialdin  gaben  nur  etwa  3  GC.  desselben, 
und  da  dieselben  zur  Befreiung  von  Ammoniak^  Schwefel- 
wasserstoff und  etwaiger  Spuren  von  Oenanthol  mit  Salzsaure, 
Quecksilberchlorid  und  Natriumbisulfit  behandelt,  mehrmals 
gewaschen  und  endlich  über  Chlorcalcium  getrocknet  wer- 
den mufsten,  so  blieb  nach  Anstellung  qualitativer  Proben 
zam  Nachweis  der  Abwesenheit  von  Stickstoff  und  von 
Schwefel  nur  das  Material  für  zwei  Analysen ,  welche 
83,2  pC.  Kohlenstoff  und  11,2  pC.  Wasserstoff,  also  einen 
Verlust  von  5,6  pC.  ergaben.  Diese  Zahlen  stimmen  für 
keinen  Kohlenwasserstoff  der  Oenanthgruppe.  Dem  Siede- 
punkt, der  Leichtfluchtigkeit  und  dem  Geruch  nach  halte  ich 
den  Kohlenwasserstoff  für  den  von  Bubien  beschriebenen 
Kohlenwasserstoff  C^H^^  *)  (Septin).  Die  Umsetzung  erfolgte 
dann  nach  der  einfachen  Gleichung  : 

Phosphorchlorid  wirkt  auf  Oenanthothialdin  eben  so 
schwierig  ein,  wie  auf  die  Oxyaldine.  Es  tritt  schwache 
Erwärmung  ein;  vermeidet  man  dieselbe,  so  löst  sich  allmälig 
etwa  ein  gleiches  Gewicht  Phosphorchlorid ,  ohne  dafs  sich 


*)  Die  im  AufbewahningBgefäfse  zurückgebliebenen  wenigen  Tropfen 
gaben  Oilorreaction.  Es  war  also  möglicber  Weise  Snlzsilure 
im  KohlenwasscrstofT  aufgelöst,  oder  es  hatte  sich  vielleicht  ein 
kleiner  Tbeil  desselben  bei  der  Behandlung  mit  Salzsäure  und 
den  Chloriden  in  eine  BalzsUureverbindung  yerwaudelt. 


42  Schiffe  über  Oxyaldine 

Salzsaure  entwickelte.  Die  Flüssigkeit  wird  ölig,  gelb  bis 
rothgelb,  verändert  sich  aber  auch  nach  mehreren  Tagen 
nicht  weiter.  Versetzt  man  dann  allmalig  mit  kleinen  Wasser- 
mengen, so  tritt  Erhitzung  und  Entwickelung  von  Salzsaure 
ein  und  die  am  Boden  sich  sammelnde  dicke  Flüssigkeit, 
mehrmals  mit  Wasser  gewaschen,  durch  Aether  ausgezogen 
und  nach  dem  Verdunsten  desselben  im  Vacuo  über  Schwefel- 
saure getrocknet,  besteht  zum  gröfsten  Theil  aus  phosphor- 
saurem Oenanthothialdin ,  welchem  allerdings  eine  kleine 
Menge  eines  kohlenstoffreicheren  und  schwefelarmeren  Pro- 
ducts beigemengt  war.  Vermeidet  man  jegliche  Temperatur- 
erhöhung, so  löst  sich  wohl  das  Phosphorchlorid  im  Oenan- 
thothialdin auf,  ohne  dasselbe  zu  zersetzen.  Bei  der  Zer- 
setzung mit  Wasser  war  Schwefelwasserstoff  durch  die 
Reaction  auf  Bleipapier ,  nicht  abör  durch  den  Geruch  zu 
erkennen;  es  konnte  sich  also  nur  eine  sehr  geringe  Menge 
Phosphorsulfochlprid  gebildet  haben. 

Wird  nun  das  unreine  phosphorsaure  Oenanthothialdin 
in  der  Warme  mit  Phosphorchlorid  bebandelt,  so  ist  die 
Reaction  ebenfalls  eine  sehr  trage.  Es  entwickelt  sich  reich- 
lich Salzsäure,  etwas  Phosphorsulfochlorid  und,  dem  Geruch 
nach  zu  urtheilen,  auch  eine  Spur  Chlorschwefel.  Bei  der 
Zersetzung  mit  Wasser  nimmt  letzteres  aufser  Salzsäure  und 
Phosphorsäure  auch  phosphorige  Säure  auf.  Aber  das  mehr- 
mals gewaschene  und  dünnflüssiger  gewordene  Oel  giebt 
immer  noch  eine  ziemlich  starke  Reaction  auf  Schwefel;  es 
enthält  noch  Phosphorsäure,  wohl  in  der  Form  eines  nicht 
zersetzten  Thialdinsalzes ,  und  Chlor  in  der  Form  von  Sep- 
tendichlorür  C^H^^Cl^.  Letzteres  konnte  durch  Destillation 
getrennt  werden  und  zeigte  nach  der  Reinigung  die  ihm  von 
Limpricht  zugeschriebenen  Eigenschaften.  —  Es  geht  aus 
diesem  Versuche  hervor,  dafs  das  Phosphorchlorid  nicht  in 
einfacher  Weise  auf  das  Oenanthothialdin    einwirkt.    Diese 


und  Thialdme.  43 

Reaction  kann  also  höchstens  zu  negativen  Schlüssen  bezüg- 
lich der  Constitution  dieser  Base  benutzt  werden. 

Valerothialdin. 

Diese  jBase  ist  im  Jahre  1854  fast  gleichzeitig  von 
Parkinson  (Ann.  Chem.  Pharm.  XC,  114)  und  von  Beifsen- 
hirtz  (daselbst  XC,  109)  nach  demselben  Verfahren  darge- 
stellt worden^  nach  welchem  Lieb  ig  und  Wähler  das 
Acetothialdin  erhielten ,  nämlich  durch  Einwirkung  von 
Schwefelwasserstoff  auf  krystalljsirtes  Valeralammoniak. 
Beifsenhirtz  hat  aus  der  Analyse  des  Salzsäuresajzes 
für  die  Base  die  Formel  G^^H^^NS^  erschlossen.  Ich  habe 
gefunden,  dafs  die  Base,  eben  so  leicht  wie  das  Oenantho- 
thialdin,  durch  directe  Einwirkung  von  überschüssigem  ge- 
sättigtem farblosem  Schwefelammonium  auf  Valeraldehyd 
erhalten  werden  kann,  und  ich  habe  zugleich  die  so  darge- 
stellte und  bis  jetzt  noch  nicht  analysirte  freie  Base  der 
Analyse  unterworfen. 

berechnet  gefhnden 

15  C  180  62,3  62,1 

31 H  31  10,7  10,8 

2S  64  22,1  '  21,9 

N  14  4,9  — 

289  100,0. 

Die  Base  ist  dickflüssiger  als  Oenanthothialdin  und  wird, 
Beifsenhirtz's  Angabe  entgegen,  bei  der  Destillation  theil- 
weise  zersetzt. 

Bei  den  characteristischen  Eigenschaften  des  Valeralde- 
hyds  hatte  ich  bei  der  Darstellung  des  Valerothialdins  nur 
die  Absicht  zu  prüfen^  ob  auch  hier  die  Rückbildung  des 
Aldehyds  mit  Leichtigkeit  erfolgt.  Ich  fand,  dafs  auch  hier 
dnrch  Platinchlorid  sehr  leicht  Valeral  zurückgebildet  wird. 
Bei  der  Einwirkung  von  gepulvertem  Silbernitrat  erfolgt 
ebenfalls  energische  Reaction ,  welche  das  Valeral  zu  Vale- 


44  Schiffe  über  Oxyäldine 

ransäure  oxydirt.  Bei  dem  Erhitzen  mit  verdünnter  wässe- 
riger schwefliger  Säure  oder  mit  wässerigem  Ammoniak 
bildet  sich  Valeral  neben  geschwefelten  Derivaten  desselben 
und  neben  Oxy valeraldinen ,  welche  ich  bis  jetzt  noch  nicht 
eingehender  untersucht  habe.  Auch  mit  Anilin  ist  die  Reac- 
tion  ganz  analog  dem  Verhalten  des  Oenanthothialdins  und 

(2  C^H*^ 
or^eus  1  wel- 
ches ich   früher  durch  directe  Einwirkung  des  Anilins  auf 
Valeraldehyd  erhalten  und  als  Diamylidcndifenamin  beschrie- 
ben habe  (Ann.  Chem.  Pharm.  Suppl.  III,  350). 

Valerothialdin  verbindet  sich  mit  Jodäthyl  zu  einer  nicht 
krystallisirten  Jodverbindung.  Bei  100^  erfolgt  Abscheidung 
von  Jod.    Oenanthol  ist  auf  Valerothialdin  ohne  Einwirkung. 

Auch  das  Thiacetonin  kann  direct  durch  Einwirkung  von 
gesättigtem  concentrirtem  Schwefelammonium  auf  Aceton  er- 
halten werden.  Es  scheidet  sich  in  den  meisten  Fällen  in 
öliger  Form  ab  und  mufs  nach  Städeler's  Vorschrift  ge- 
reinigt werden.  Einige  Haie  schied  sich  zuerst  ein  Oel  ab, 
welchem  nach  etwa  14  Tagen  eine  ziemlich  reichliche  Ery- 
stallisation  nachfolgte. 

Constitution  der  Thialdine. 

In  einer  Mittheilung  von  A.  W.  Hofmann  (Ann.  Chem. 
Pharm.  CHI,  93),  worin  er  die  Angabe  von  Göfsmann 
widerlegt,  dafs  Acetothialdin  durch  Entschwefelung  in  Leucin 
verwandelt  werden  könne,  beschreibt  er  zugleich  eine  Ver- 
bindung des  Thialdins  mit  Jodmethyl  C^H'»NS',CH'J,  welche 
ihn  zu  dem  Schlüsse  berechtigte,  das  Thialdin  sei  als  tertiäres 
Amin  N(C^H>»S^)  zu  betrachten  *).   Dafs  die  Thialdine  keinen 


*)  Die  Allgaben  von  Hof  mann  bezüglich  der  Redaction  der  Sil- 
bersalze  unter  Bildung  von  Silberspiegel  und  besüglloh  des  Auf- 
tretens von  Aldehjdgeruch ,  deuten  auch  hier  auf  leichte  Bück- 


und  Thialdme.  45 

typischen  Wasserstoff  mehr  enthalten,  geht  aufserdem  aus 
dem  Verhalten  des  Jodathyls  und  der  Aldehyde  zu  den  oben 
beschriebenen  Thialdinen  hervor.  Ohne  Zweifel  hat  Hof- 
mann  mit  obiger  Formel  auch  nur  die  negative  Bedeutung 
derselben  hervorheben  wollen,  nämlich  dafs  das  Acetothialdin 
keinen  typischen  Wasserstoff  mehr  enthalte. 

Wollten  wir  auf  die  positive  Bedeutung  näher  eingehen, 
nämlich  dafs  die  drei  Wasserstoffatome  des  Ammoniaks 
durch  eine  aus  der  Condensation  mehrerer  Molecule  eines 
geschwefelten  Aldehyds  hervorgegangene  Gruppe  ersetzt 
seien,  so  könnte  das  Thialdin  aufgefafst  werden  entweder  als 
Ammoniakverbindung  eines  dreifach  condensirten  Thialdehyds : 

d  C«H*S  —  H*3  =  C«H»oß» 

oder  als  Amidderivat  eines  sechsfach  condensirten  Thialdehyds : 

6  C«H*ß  —  H«S  =  C"H«S» 

C«H«S»  +  2  NHS  =  C»«H"(NH«)«S*  +  H«S. 

Gegen  die  erste  Ableitung  ist  anzuführen^  dafs  die  sulfo- 
substituirten  Aldehyde,  wie  bereits  oben  angegeben^  durch- 
aas nicht  mehr  die  Eigenschaften  der  Aldehyde  besitzen, 
sich  ganz  indifferent  verhalten  und  es  speciell  auch  gegen 
das  Ammoniak  und  die  ammoniakalischen  Basen  sind.  Die 
condensirten  Producte  sind  aber  gewöhnlich  noch  bei  Weitem 
indifferenter  als  die  Stammsubstanz. 

Die  zweite  Ableitung  wird  schon  durch  die  verdoppelte 
Formel  unwahrscheinlich,  und  sie  mufs  schon  deshalb  ver- 
worfen werden,  weil  sie  das  Vorhandensein  von  typischem 
Wasserstoff  erfordert.  —  Beide  Ableitungen  verlangen  übri- 
gens,   dafs  der  Schwefel  darin  in  einer  Form  enthalten  sei, 


bildang  des  Aldehyds.  Das  Auftreten  von  Tetramethylammo- 
niumhydrat  bei  Zersetzung  des  Methylthialdins  erinnert  an  das 
Auftreten  yon  Trimetfaylamin  bei  der  Zersetzung  der  Ozyaldine. 


46  Schiffe  über  Oxyaldine 

welche,  wie  wir  bald  sehen  werden,  nicht  wohl  zu  den 
Beactionen  der  Thialdine  stimmt. 

Wenn  es  aber  nicht  annehmbar  erscheint^  die  Thialdine 
als  Derivate  condensirter  Aldehyde  za  betrachten,  so  ist  es 
andererseits  sehr  wahrscheinlich,  dafs  die  drei  Aldehydmole«- 
cule,  welche  zur  Bildung  eines  jeden  Thialdins  dienen,  die 
Bestandtheile  zu  drei  verschiedenen  Badicalen  liefern,  welche 
nicht  unter  sich  durch  freie  Affinivalente  zusammengekettet 
sind,  wie  ich  diefs  für  die  Oxyaldine  angenommen  habe, 
sondern  welche  in  dem  dreiwerthigen  Stickstoff  nur  ihren 
gemeinschaftlichen  Stützpunkt  finden.  Für  die  relative  Selbst- 
ständigkeit der  einzelnen  Aldehydresidua  ist  das  hauptsach- 
lichste Argument  eben  die  Leichtigkeit  der  Bfickbildung  der 
Aldehyde,  wie  dieselbe  oben  in  verschiedener  Weise  erläu- 
tert wurde.  Die  Leichtigkeit,  mit  welcher  diese  Bfickbildung 
erfolgt,  kann  eben  als  Ausdruck  dafür  gelten,  dafs  hier  nur 
der  gemeinschaftliche  Stützpunkt  zu  eliminiren ,  nicht  aber 
aufserdem  noch  die  Arbeit  der  Spaltung  eines  Condensations- 
productes  zu  verrichten  ist  In  allen  Fallen;  in  welchen  der 
Stickstoff  eliminirt  wird,  zerfallen  die  Thialdine  in  der  That 
unter  Bückbildung  der  betreffenden  Aldehyde  oder  deren 
Derivate. 

Hit  der  Annahme  von  drei  verschiedenen,  nicht  unter 
sich  zusammengeketteten  Badicalen  in  den  Thialdinen  bleiben 
für  die  Discussion  der  Function  des  Schwefels  nur  die  fol- 
genden Falle  : 

1)  Die  ältere  Annahme,  der  Schwefel  sei  in  der  Form 
von  Sulfür  oder  Sulfhydrat  vorhanden. 

2)  Die  unter  sich  freien  Badicale  sind  zwar  durch  den 
Stickstoff  zusammengehalten ,  aber  zum  Theil  erst  mittelbar 
durch  den  Schwefel,   in  welchem  Falle  die  Aldehydresidua 

{8  — C»H» 
8  — C«H». 


und  Thialdine.  47 

3)  Die  Thialdine  enthalten  zam  Theil  die  zweiwerthigen 
Aldehydresidua^  die  Radicale  sind  auch  direct  durch  den 
Stickstoff  vereinigt,  aber  «s  findet  andererseits  auch  Bindung 

IC*H* .  S 

4)  Die  drei  Radicale  sind  von  gleicher  Function  und 
zweiwerthig,  aber  zwei  werden  durch  Schwefel  zusammenge- 

{C«H* .  8H 
c?H%  (Baeyer, 

Ann.  Chem.  Pharm.  Suppl.  V,  94). 

5)  Beide  Schwefelatome  haben  die  gleiche  chemische 

C«H* .  SH 

Die  erste  Hypothese  bleibt  von  vornherein  ausgeschlossen, 
sofern  das  ganze  Verhalten  der  Thialdine  und  die  Zusammen- 
setzung der  Salze  dagegen  spricht.  —  Die  zweite  Hypothese 
entspricht  weder  der  Rückbildung  der  Aldehyde,  noch  der 
Reaction  des  Anilins,  noch  derjenigen  des  Jods  und  des 
Jodwasserstoffs,  da  sich  dabei  auch  nicht  eine  Spur  eines 
Joddthers  bildet.  -~  Derselbe  Umstand  spricht  auch  zum 
Theil  gegen  die  dritte  Hypothese ;  ein  wichtigeres  Argument 
gegen  die  Formel  3  ist  aber  die  Form,  wie  darin  der 
Schwefel  angenommen  wird,  und  die  durch  diese  Form  be- 
dingte gegenseitige  Bindung  der  zwei  Schwefelatome.  Es 
ist  bereits  oben  erwähnt  worden  ^  dafs  die  geschwefelten 
Aldehyde  den  Einwirkungen  der  Reagentien  wenig  zugäng- 
lich sind  und  sich  daraus  der  Schwefel  nicht  so  leicht  ab- 
scheiden läfst,  wie  diefs  bei  den  Thialdinen  der  Fall  ist. 
Nur  ein  einziger  Körper  bewirkt  die  Schwefelabscheidung 
ziemlich  leicht,  nämlich  Phosphorchlorid.  Ich  habe  mich 
fiberzeugt  9  dafs  es  sich  mit  sulfosubstituirtem  Acetaldehyd 
obne  Schwierigkeit  nach  der  Gleichung  : 


48  Schiff,  über  Oxyaldine 

C«H*S  +  PCI»  ==  C«H*C1«  +  PSCl» 

umsetzt.  Nun  haben  wir  aber  gefunden,  dafs  gerade  Phos- 
phorchlorid nur  sehr  schwierig  auf  die  Thialdine  einwirkt 
und  in  der  Kalte  fast  gar  nicht.  Die  Formeln  4  und  5 
nehmen  beide  die  Aldehydresidua  mit  dem  Stickstoff  direct 
verbunden  an;  in  beiden  befinden  sich  die  Residua  in  einer 
Form,  welche  die  Rückbildung  der  Aldehyde  ohne  Schwie- 
rigkeit gestattet.  Aber  Formel  4  nimmt  den  Schwefel  in 
zwei  verschiedenen  Functionen  an,  und  zwar  zum  Theil  in 
der  schwierig  abscheidbaren  Form.  Nun  ist  aber  bis  jetzt 
durchaus  kein  Grund  vorhanden,  den  beiden  Schwefelatomen 
'  verschiedene  Functionen  zuzuschreiben.  Es  empfiehlt  sich 
also  zumeist  die  Formel  5,  welche  beitie  Schwefelatome 
in  der  leicht  abscheidbaren  Sulfhydrylform  annimmt;  auch 
das  Auftreten  des  Kohlenwasserstoffs  C^H^^  bei  der  Zer- 
setzung des  Oenanthothialdins  mit  Anilin  ist  nur  nach  dieser 
Formel  leicht  erklärbar. 

Das  Aethylenchlorür  kann  nach  den  Untersuchungen  von 
Hof  mann  mit  einem  Holecul  Ammoniak  eine  Base  liefern, 
in  welcher  eine  Affinivalenz  des  zweiwerthigen  Glycolradi- 
cals  durch  Chlor  gesattigt  bleibt  : 

(C«H*.C1 
C«H*C1«  +  NH3  ==  N{  H  ,  HCl. 

IH 

Die  entsprechenden  zweiwerthigen  Aldehydresidua  schei- 
nen keine  solche  Basen  bilden  zu  können,  und  diefs  ist  wohi 
auch  der  Grund,  weshalb  das  Sulfhydryl,  welches  sonst  die 
Einwirkung  des  Phosphorchlorids  leicht  zuläfst,  in  den  Thi- 
aldinen  diesem  Reagenz  widersteht.  Die  Umsetzung  nach  der 
Gleichung  : 

C'H**.SH  +  2  PCI*  =  2PSC18  +  2HC1  +  Nicm»*!ci 
CT!"  (C'H" 

kann  nicht  stattfinden,  oder  sie  könnte  es  nur,  wenn  zugleich 
die  letztere  Verbindung  sich  in  N(C^H^^)^  und  2  HCl  spaltete, 


und  Thialdine.  49 

aber  diese  Spaltung  scheint  nur  sehr  schwer  vor  sieh  zu 
gehen.  In  der  That  ist  es  mir  sehr  wahrscheinlich,  dafs 
der  dem  phosphorsauren  Oenanthothialdin  beigemengte  koh- 
lenstoffreichere Körper  ein  wenig  von  der  Verbindung 
N(C^H^^)'  gewesen  ist.  Auch  der  bei  der  Reduction  mittelst 
Jodwasserstoff  erhaltene  Körper  kann  in  analoger  Weise  als 
N(Cm")3,  HJ  aufgefafsl  werden. 

Die  wahrscheinlichste  Formel  für  die  von  den  Aldehyden 

C°irO  abgeleiteten  Thialdine  ist  also  : 

rc»H™ .  SH 

Die  Bildung  derselben    erfolgt    nach    der  allgemeinen 
Gleichung  : 

3  C-H-^O  +  NH»  +  2  H«S  =  C»"H»°»+*NS«  +  3  H«0. 

Wir  kennen  aus  der  Reihe  der  Thialdine  bis  jetzt  das  Aceto-, 
Valero-,  Oenantho-,  Acro-  und  Benzothialdin  und  das  Selen- 
aldin.  Das  Acrothialdin  ist  das  einzige,  welches  aufserdem 
noch  Wasser  enthält  und  dessen  basische  Eigenschaften  dagegen 
sehr  zurücktreten.  Dem  Benzothialdin  fehlen  die  basischen 
Eigenschaften.  Die  Bildung  der  Thialdine  scheint  eine  allge- 
meine Reaction  der  Aldehyde  zu  sein,  aber  sie  ist  nicht 
unbedingt  characteristisch  für  dieselben^  da  das  Thiacetonin 

fC»H«.SH 

mit  der  Formel  N{C»h^8H  ein  von  dem  Aceton  abgeleitetes 

Thialdin  reprasentirt.  Die  Isomerie  des  Thiacetonins  mit  dem 
Propiothialdin  findet  ihren  Ausdruck  in  den  Formeln  : 

tcH .  o  lc(CH»)0  Ich  .  o 

Aldehyd  Aceton  Propylaldehyd 

{CH  .  CH«  .  SH  rC .  CH8 .  CH»  .  8H  rCH(CH« .  CH8)SH 

CH .  CH»  .  SH  N  ^  C  .  CH3  .  CH»  .  SH  N  ^  CH(CH«  .  CH»)SH 

C .  CH»  (C  .  CH»  .  CH«  ICCCH«  .  CH») 

Thialdin  Thiacetonin  Propiothialdin. 

Man  hat  früher  das  Thiacetonin  wohl  auch  als  trimethy" 
lirtes  Thialdin  auffassen  wollen;   aber  man  sieht  wohl  ein, 

Anoal.  d.  Cham.  u.  PliArm.  VI.  Sapplementbd.  1.  Heft.  4 


50  Schiff j  über  Oxyaldine 

dafs  es  nicht  in  demselben  Sinne  als  Methylsubstitot  be- 
trachtet werden  kann^  wie  etwa  das  Dimethylanilin  in  seiner 
Baziehung  eum  Anilin. 

Die  allgemeine  Thialdinformel  deutet  an,  dafs  die  Er- 
setzung des  Schwefels  durch  Sauerstoff  nur  zu  Oxyaldinen 
fuhren  kann ,  dafs  also  die  Umwandlung  des  Acetothialdins 
zu  Leucfai  auf  diesem  Wege  unmöglich  ist.  Auch  die  von 
Wagner  aus  Amylamin  und  Schwefelkohlenstoff  dargestellte 
Amylsulfocarbaminsaure  steht  zum  Acetothialdin  in  keiner 
Beziehung.  Die  Verschiedenheit  in  der  relativen  Constitution 
dieser  drei  Körper  ergiebt  sich  aus  folgenden  Formeln  : 

f  C«H* .  ßH  f  CS  .  ßH  ,^„, 

N^C»H»  N^C^H"  C*H»o|f|°    __ 

IC«H*.SH  [  H  (I.U.UH 

Thialdin  Amylsulfocarb-  Leucin 

aminsäure  (Amidovalcri^nsAure). 

An  die  Thialdine  schliefsen  sich  zwei  Körper,  welche 
aus  Aldehyd  und  Aceton  unter  gleichzeitiger  Einwirkung 
von  Ammoniak  und  Schwefelkohlenstoff  entstehen  : 

2C«H*0  +  CS«  +  2  NH»  =  C»H»W8«  +  2  H«0 

Carbo  thialdin. 

8C8H«Ü  +  2C8«  +  4NH»  =  C"H«>N«S»  +  H«0     -f-     CS(NH*)*0* 

Carbothiacetonin  Aramoniamoxystüfa- 

carbonat. 

Auch  das  Oenanthol  bildet  mit  Ammoniak  und  Schwefel- 
kohlenstoff  farblose  Prismen  eines  ähnlichen  Körpers ,  wel- 
chem der  Schwefel  mit  Leichtigkeit,  unter  Rückbildung  von 
Oenanthol,  entzogen  werden  kann.  Sollten  diese  Körper*  den 
Schwefel  ebenfalls  als  Sulfhydryl  enthalten,  so  hatten  die 
Formeln  : 

,      _  /C'H« .  SH 

r«M^N  — C«H*.ßH  "/NC      « 

a  CSC      ^C^H« 

\C»H« .  SH 

einige  Wahrscheinlichkeit.  Vorerst  fehlen  mir  eingehendere 
Versuche  hierüber. 


und  Thialdine.  51 

Die  Thialdine  geben  bei  der  trockenen  Destillation  mit 
Kalk  ein  Gemenge  von  KohlenwasserstoiTen ,  etwas  Aldehyd 
und  von  verschiedenen  flüchtigen  Basen.  Für  das  Acetothial- 
din  ist  diefs  bereits  von  Wohl  er  und  Lieb  ig  beobachtet, 
welche  die  Base,  dem  damaligen  Standpunkte  gemäfs,  ge- 
radezu als  Chinolin  ansprachen.  Im  Allgemeinen  sind  die 
bei  der  Zerstörung  der  Thialdine  auftretenden  flüchtigen 
Basen  dieselben,  welche  auch  bei  der  Zersetzung  der  ent- 
sprechenden Oxyaldine  erhalten  werden. 

Florenz,  Istituto  superiore,  December  1867. 


Ucber  die  Beziehungen  zwischen  Molecular- 
gewicht    und  spec.    Gewicht  elastisch  -  flüs- 
siger Körper; 

von  Dr.  Aug.  Horstmann. 

(Hienu  Tafel  I). 


Der  einfachste  Ausdruck  für  die  Beziehung  zwischen 
der  Zusammensetzung  gasförmiger  Körper  nach  Gewicht 
und  nach  Volum  ist  die  Avogadro'sche  Hypothese  : 

Gleiche  Volume  aller  gasförmigen  Körper  enthalten  bei 
gleichem  Druck  und  gleicher  Temperatur  gleichviel  Molecule, 
oder  : 

Die  Moleculargewichte  aller  Körper  verhalten  sich  wie 
ihre  Dichtigkeiten  im  Gaszustand. 

Bezeichnet  man  mit  M  das  Holeculargewicht  und  mit 
D  die  Dichte,  so  ist  : 

M 


=    CoXlBt. 


4<^ 


52   Horstmann,  Beziehungen  zwischen  Molectdargewicht 

Der  Werth  der  Constanten  ist  bei  den  üblichen  Einheiten 
28^4.  Wollte  man  allgemein  bei  der  Bestimmung  der  Werthe 
von  M  und  D  denselben  Körper,  z.  B.  Wasserstoff,  zur  Ver- 
gleichung  nehmen,  so  wäre  viel  einfacher  M  =  D. 

Die  Beobachtung  ergiebt  Abweichungen  von  diesem  Ge- 
setze nach  verschiedenen  Richtungen.  Für  eine  Reihe  von  Ver- 

bindungen  ist  der  Quotient  -=r-   zu  klein    gefunden    worden. 

Nach  den  Versuchen  von  Pebal*),  Than  **),  Robinson 
und  Wanklyn***),  Wurtzf),  Erlenmeyer  ff)  u.  A. 
kann  es  wohl  kaum  mehr  bezweifelt  werden,  dafs  die  Er- 
klärung  für  diese  sogenannten  abnormen  Drmpfdichten ,  die 
fast  gleichzeitig  von  H.  Kopp,  Cannizzaro  und  Kekule, 
veranlafst  durch  eine  Beobachtung  von  H.  Sainte-Claire 
Deville,  gegeben  wurde^  richtig  ist.  Die  betreffenden  Kör- 
per können  nicht  unzersetzt  in  Dampf  verwandelt  werden. 
Ihr  Dampf  besteht  aus  einem  Gemenge  der  Zersetzungspro- 
ducte.  Sie  können  als  Beispiele  dienen  für  den  allgemeinen 
Satz,  dafs  die  Verbindungsgesetze,  die  eine  Atomgruppe 
(Molecule)  zusammenhalten,  sich  andern  mit  dem  Aggregat- 
zustand und  überhaupt  mit  den  physikalischen  und  chemischen 
Bedingungen. 

Für  einige  Elemente  findet  sich  der  Quotient  zu  grots; 
die  Dichte  bleibt  aber  innerhalb  gröfserer  Temperaturinter- 
valle constant  (Phosphor  und  Arsen),  und  der  Relation,  welche 
die  Avogadro'sche  Hypothese  ausspricht,  wird  genügt 
durch  die  Annahme,  dafs  die  Molecule  dieser  Körper  in  Gasge- 


*)  Ann.  Chem.  Pharm.  CXXIII,  199. 
♦*)  Daselbst  CXXXI,  129. 
•*•)  Daselbst  CXXVII,  110. 

t)  Daselbst  CXXXIV,  314  und  GXL,  161. 
tt)  Daselbst  CXXXI,  124. 


und  apec.  Gewicht  elastisch'-^ flüssig  er  Körper,  53 

8lalt  statt  aus  2,  aus  4  Atomen  besteben.  Das  Molecul  des 
Schwefeldampfes  besteht  unter  500^  sogar  aus  6  Atomen, 
es  zerfällt  aber  in  höheren  Temperaturen,  die  Dichte  nimmt 
ab,  bis  sie  der  normalen  Condensation  entspricht. 

Man  hat  weiter  bei  einer  Anzahl  organischer  Körper 
die  Erscheinung  beobachtet,  dafs  sich  die  Dampfdichte  bei 
niederen  Temperaturen  zu  grofs  ergiebt,  so  dafs  man  auf 
eine  unrichtige  Condensation  schliel^en  könnte,  und  dann 
mit  steigender  Temperatur  abnimmt,  bis  sie  der  normalen 
Condensation  entspricht.  So  fand  z.  B.  Dumas  die  Öichte 
des  Essigsauredampfes  =  2,7,  was  einer  Condensation  auf 
3  Volume  ungefähr  entspräche.  Cahours  wies  aber  nach, 
dafs  man  gegen  230^  die  richtige  Dichte  erhält.  Von  dieser 
Temperatur  abwärts  wächst  die  Dichtigkeit,  ohne  aber  den 
doppelten  Werih  zu  erreichen»  Die  Versuche  von  Cahours 
sind  nach  Dumas*  Methode  ausgeführt,  also  bei  constantem 
Druck.  Bineau  *)  stellte  ähnliche  Beobachtungen  nach 
einer  Methode  an,  die  im  Wesentlichen  mit  der  Gay-Lus- 
sac'schen  übereinkommt,  und  konnte  dabei  auch  Verände- 
rungen der  Dichte  mit  dem  Drucke  constatiren.  Ich  habe 
aas  später  anzuführenden  Gründen  für  die  Essigsäure  einige 
weitere  Versuche  nach  der  ausgezeichneten  Methode  von 
Bansen  gemacht.  Die  beifolgenden  Tabellen  geben  aus 
allen  vorhandenen  Daten  ein  Bild  der  Veränderungen  der 
Dampfdichte  bei  diesem  Körper. 

Dichte  des  Essigsäuredampfes. 
B  ine  au. 

Dichte 
8,88 

3,76 

8,72 

*)  Ann.  chim.  pbys.  [8]  XVIU. 


Temp. 

SpaoDkraft 

11,6« 

3,7=™ 

19,0 

4,0 

21,0 

• 

*A 

54      Borstmann,    Beziehungen  zioischen  MoUculargetoicht 


Temp. 
12,00 

Spannkraft 

Dichte 
8,92 

20,0 

5,6 

3,77 

24,0 

5,7 

3,70 

80,0 

6,0 

8,60 

20,0 

8,6 

8,88 

22.0 

8,6 

8,86 

20,5 

10,0 

8,96 

28,0 

10,0 

3,76 

86,0 

11,2 

8,64 

86,6 

11,3 

8,62. 

r 

Femp. 
160 

• 

Ddaz.  cL  Spannkraft 

22 

14,6 

82 

28,0. 

Gabours 

Horstmann 

Temp 
1260 

). 

Dichte 
8,20 

Temp. 
128,60 

Dichte 
3,079 

180 

8,12 

181,8 

8,070 

140 

2,90 

184,3 

8,108 

160 

2,76 

160,3 

2,649 

160 

2,48 

165,0 

2,647 

171 

2,42 

181,7 

2,419 

190 

2,80 

288,6 

2,195 

200 

2,22 

264,6 

2,185 

219 

2,17 

280 

2,09 

250 

2,08 

280 

2,08 

800 

2,0B 

821 

2,08 

827 

2,08 

888 

2,08. 

.Den  Angaben  von  Bineau  ist  für  einige  Versochs- 
temperaturen das  Maximum  der  Spannung  beigefugt,  damit 
man  sehen  kann,  wie  weit  der  Dampf  von  demselben  entfernt 
war.    Die  Beobachtungen  Cahours'  sind  auf  Taf.  I,  Fig.  2 


und  apec,  Oewicht  elastisch^ flüssig  er  Körper.  55 

noch  graphisch  dargestellt  and  die  von  mir  gefundenen 
Sohlen  in  dasselbe  Coordinatennetz  eingetragen  worden. 

Ein  ahnliches -Verhalten  wie  bei  der  Essigsäure  wurde 
auch  bei  anderen  Gliedern  der  Fettsäurereihe  s  ferner  bei 
einigen  ätherischen  Oelen  u.  s.  w.  nachgewiesen.  Ca- 
hours*)  hat  zu  zeigen  versucht,  dafs  auch  bei  den  Deri- 
vaten solcher  Korper  jene  Eigenschaft  einer  veränderlichen 
Dichte  noch  zu  finden  ist,  wenn  eine  Substitution  in  dem 
Badical  stattgefunden  hat;  sie  soll  jedoch  verschwinden, 
wenn  der  extraradicale  Wasserstoff  vertreten  ist. 

Es  ist  für  einige  dieser  Körper  auch  die  Ansicht  aus- 
gesprochen worden,  dafs  wie  bei  dem  Schwefel  der  Dampf 
derselben  zuerst  gröfsere  Molecule  enthalte.  Für  die  Essig- 
säure stützten  Play  fair  und  Wanklyn  **)  z.  B.  diese 
Hypothese  auf  Dichtebestimmungen  bei  Temperaturen  unter 
deta  Siedepunkt,  wobei  der  Dampf  mit  einem  permanenten 
Gase  gemischt  war.  Die  erhaltenen  Zahlen  liegen  dem  dop- 
pelten Holeculargewicht  noch  näher  als  die  oben  angeführ- 
ten, erreichen  es  jedoch  ebenfalls  nicht  vollständig.  Man 
kann  für  jene  Ansicht  ferner  die  Eigenschaft  dieser  Säure 
anführen,  doppelt-saure  Salze  zu  bilden,  indem  dadurch  be- 
wiesen wird,  dafs  die  Molecule  derselben  auch  im  nicht  gas- 
förmigen Zustand  leicht  sich  zu  Gruppen  vereinigen. 

Die  Dichte  dieser  Körper  wäre  nach  dieser  Hypothese, 
wie  bei  dem  bromwasserstoffsauren  Amylen^  veränderlich 
in  dem  Temperaturintervall ,  in  welchem  sich  die  gröfseren 
Molecule  zerlegen. 

Indessen  kann  man  andererseits  die  veränderliche  Dampf- 
dichte einfach  aus  der  Annahme  ableiten,  dafs  der  Dampf 
dem  G a y- Lu SS ac-Hariotte 'sehen   Gesetze  nicht  folgt. 


•)  Ann.  Chem.  Pharm.  CXXYU,  68. 
*»)  Daselbst  CXXII,  247. 


■.h.'^-«<P" 


56    Horstmann,  Beziehungen  zwischen  Molecular gewicht 

Denn  die  Dichte  kann  nur  constant  sein,  so  lange  der  Dampf 
jenem  Gesetze  gehorcht,  wie  schon  hervorgehoben  worden  ist. 

Um  zu  entscheiden,  welche  von  beiden  Ansichten  rich- 
tiger, ist  es  nothig  zu  untersuchen,  ob  sich  der  Essigsaure- 
dampf  wesentlich  von  anderen  Dämpfen  verschieden  verhält 

Schon  der  Entdecker  des  Ausdehnungsgesetzes  der 
Gase,  Gay-Lussac,  hat  beobachtet*),  dafs  sich  das  Volum 
des  Aetherdampfes  in  der  Nähe  des  Siedepunktes  rascher 
ändert,  als  das  Volum  eines  .anderen  Gases.  Nach  ihm 
machte  Cagniard  de  la  Tour  einige  hierher  gehörige 
Versuche,  auf  die  ich  unten  zurückkommen  werde.  Sie 
zeigten  namentlich  auch  den  Einflufs  des  Drucks  auf  die 
Dampfdichte.  Später  wurde  es,  besonders  nach  den  schon 
angeführten  Untersuchungen  von  Cahours  und  Bineau, 
zur  empirischen  Regel,  die  Dampfdichte  bei  Temperaturen 
mindestens  30  bis  40^  über  dem  Siedepunkt  zu  bestimmen, 
weil  sich  bei  allen  Dämpfen  die  Dichtebestimmung  in  der 
Nahe  jener  Temperatur  unsicher  zeigte. 

Genauere  Untersuchungen  dieser  Erscheinung  liegen 
jedoch  nur  von  Regnault**)  für  den  Wasserdampf  vqr, 
deren  Resultat  in  der  folgenden  Tabelle  enthalten  ist  : 

Wasser, 


Temp. 

Spannung 

Dichte 

30,8<> 

32,1™°» 

0,647 

81,2 

32,6 

0,638 

31,5 

33,2 

0,628 

32,4 

38,5 

0,625 

37;o 

34,2 

0,621 

41,5 

84,6 

0,622 

41,8 

34,6 

0,623 

45,8 

35,2 

0,620 

48,4 

35,5 

0,620 

65,4 

36,2 

0,621. 

*)  Ann.  chim.  XHII,  173. 
**)  M^m.  de  TAcad.  XXVI,  700. 


und  spee.  Gewicht  elastisch^flüssiger  Körper,  57 

Ich  hatte  mir  zur  Aufgabe  gemacht,  die  Aenderungen 
der  Dichte  einiger  Dämpfe  genauer  zu  untersuchen,  und 
führte  zu  diesem  Zweck  auf  Veranlassung  des  Herrn  Prof. 
Landolt  in  Bonn  in  dessen  Laboratorium  einige  Versuchs- 
reihen aus,  nach  einer  Methode,  die  im  Princip  der  6a y- 
Lussac'schen  gleichkommt.  Der  Apparat  bestand  im 
Wesentlichen  aus  einer  U förmigen  Röhre,  die  an  der  Bie- 
gung auseinander  genommen  und  nach  dem  Füllen  mit 
Queckstiber  und  Einbringen  des  Substanzkugelchens  zusam- 
mengesetzt werden  konnte.  Bei  einigen  Versuchen  waren 
die  beiden  Röhrenstucke  auf  einander  geschoben  und  einge- 
schliffen, bei  anderen  war  die  Verbindung  durch  Caoutchouc 
hergestellt.  Der  Druck  konnte  in  dem  offenen  Schenkel 
durch  eine  Hebervorrichtung  oder  durch  eine  Luftpumpe 
geändert  werden;  im  letzteren  Falle  diente  zur  Messung 
desselben  ein  besonderes  Manometer.  Gewöhnlich  wurde 
Druck  und  Volum  direct  an  den  auf  den  Röhren  angebrachten 
Skalen  abgelesen.  Die  Erwärmung  geschah  in  einem  grofsen 
Wasserbade  oder  bei  einigen  Versuchen  in  einem  grofsen 
Luftbade.  Die  Temperatur  wurde  durch  ein  Luflthermometer 
gemessen,  das  ganz  dieselbe  Einrichtung  hatte  wie  die  Sub- 
stanzröhre und  symmetrisch  mit  derselben  aufgestellt  war. 
Mehrere  Quecksilberlhermometer  controlirten  seine  Angaben. 
Ich  unterlasse  an  dieser  Stelle  eine  genauere  Beschreibung 
der  Versuche,  und  gebe  in  folgenden  Tabellen  nur  einige 
der  erhaltenen  Resultate. 

L     Schwefelkohlenstoff, 


Temp. 

Druck 

Dichte 

46,0<> 

721,4°^ 

2,711 

49,9 

789,5 

2,695 

49»8 

781,7 

2,685 

55,7 

798,7 

2,687 

54,8 

729,1 

2,681 

58     HoTstmanny   Beziehungen  zwischen  Moleculargewickt 


Temp. 

Druck 

Dichte 

60,2» 

801,0«^ 

2,684 

60,1 

781,0 

2,672 

65,2 

805,4 

2,677 

65,6 

788,8 

2,704 

70,6 

814,0 

2,676 

72,3 

764,0 

2,672. 

IL    Schwefelkohlenstoff. 

Temp. 

Druck 

Dichte 

47,90 

759,8™ 

2,710 

48,6 

767,1 

2,704 

52,0 

765,6 

2,707 

54,7 

755,8 

2,706 

58,7 

754,7 

2,708 

62,7 

755,8 

2,699 

66,8 

758,1 

2,699 

72,0 

758,9 

2,696 

76,5 

754,6 

2,689 

85,7 

765,1 

2,686. 

in.     Schwefelkohlenstoff. 


Temp. 

Druck 

Dichte 

60,70 

756,1"™ 

2,691 

71,8 

768,6 

2,686 

86,8 

754,4 

2,678 

93,1 

761,8 

2,662 

95,1 

822,2 

2,682 

103,6 

761,5 

2,655 

115,8 

752,0 

2,665 

127,6 

765,1 

2,660 

186,0 

772,7 

2,661. 

IV.     Schwefelkohlenstoff. 


Temp. 

Druck 

Dichte 

46,1» 

748,8«» 

2,788 

— 

718,9 

2,697 

und  spec.  Gewicht  elastiach^flüssiger  Körper.  59 


Temp.     ^ 
46,1» 

Druck 
698,6™» 

Dichte 
2,709 

— 

678,0 

2,702 

— 

663,1 

2,697 

— 

621,8 

2,696. 

V.    Schwefelkohlenstoff. 


Temp. 

Druck 

Dichte 

650 

871,0™» 

2,713 

— 

844,2 

2,711 

— 

827,0 

2,672 

— 

784,6 

2,704 

— 

745,0 

2,698 

« 

711,1 

2,692 

1 

678,0 

2,692 

1 

638,5 

2,691. 

VI.    Schwefelkohlenstoff, 


Temp. 

Druck 

Dichte 

116,20 

665,9»^» 

2.632 

118,9 

695,9 

2,658 

119,6 

891,7 

2,665 

119,2 

1040,8 

2,668 

119,2 

1110,4 

2,676 

118,9 

1194,6 

2,649 

117,5 

1443,3 

• 

Vn.     Aether. 

2,703. 

Temp. 

Druck 

Dichte 

37,40 

748,8=^"» 

2,690 

87,2 

646,7 

2,661 

41,5 

747,4 

2,672 

41,0 

650,6 

2,657 

45,5 

741,6 

2,660 

45,2 

642.7 

2,645 

50,0 

742,9 

2,657 

60     Horsimannf    Beziehungen  zwischen  Molecular gewicht 


Temp. 
50,00 

Druck                  ^ 
646,9™"»    • 

^     Dichte 
2,637 

55,5 

652,6 

2,634 

60,1 

658,6 

2,626 

66,6 

664,2 

VIII.     Aether. 

2,623. 

Temp. 
36,40 

Druck 
747,2"»"» 

Dichte 

2,682 

42,2 

746,7 

2,670 

45,2 

747,2 

2,658 

50,1 

747,9 

2,656 

54,6 

748,0 

2,647 

58,6 

746,3 

2,646 

60,0 

746,7 

2,646 

65,1 

747,4 

2,638 

70,1 

746,7 

2,634 

74,8 

746,3 

2,630. 

Man  .sieht  besonders  in  den  Versuchsreihen  II,  III 
(Schwefelkohlenstoff)  und  VIII  (Aether)  die  Veränderungen 
bei  constantem  Druck  mit  der  Temperatur,  und  bei  IV,  V 
und  VI  bei  constanter  Temperatur  mit  dem  Druck.  Es  er* 
giebt  sich  jedoch  sofort  aus  der  Unregelmäfsigkeit  der  Diffe- 
renzen, dafs  eine  Gesetzmäfsigkeit  aus  diesen  Zahlen  nicht 
abgeleitet  werden  darf.  Mit  allen  anderen  bisher  üblichen 
Methoden  der  Dampfdichtebestimmung  theilt  die  angewendete 
den  Mangel,  dafs  die  Temperatur  nur  äufserst  schwierig 
einige  Zeit  constant  erhalten  werden  kann.  Es  wäre  aber 
sehr  wohl  denkbar ,  dafs  ein  Dampf  erst  bei  längerer  Ein- 
wirkung der  Warme  das  der  Temperatur  ent3prechende 
Maximum  der  Spannung  erreichte. 

Bei  den  angestellten  Versuchen  waren  überdiefs  die 
Grenzen  zu  enge.  Das  W^asserbad  konnte  nicht  über  85^ 
erhitzt  werden,    ohne    ein   Zerspringen    seiner  Glaswände 


und  spec.  Gewicht  elastisch^ flussig  er  Körper,  61 

befürchten  zu  müssen^  und  bei  dem  Luftbad  war  die  Regu- 
lirung  der  Temperatur  zu  schwierige  um  genaue  Resultate 
erhalten  zu  können. 

Die  inzwischen  von  Bunsen*)  beschriebene  Methode 
gestattet  solche  Fehlerquellen  mit  Leichtigkeit  zu  vermeiden. 
Sie  bot  mir  daher  ein  werthvolles  Mittel  zur  Fortsetzung 
meiner  Versuche.  Herr  Geheime-Rath  Bunsen  hatte  die 
Gute,  mich  persönlich  in  die  Handhabung  seiner  Methode 
einzufuhren  und  mich  auch  während  der  Ausführung  der 
Versuche  durch  seinen  freundlichen  Rath  zu  unterstützen, 
wofür  ich  ihm  hiermit  meinen  besten  Dank  sage. 

Das  von  Bunsen  beschriebene  Verfahren  wurde  im 
Wesentlichen  vollständig  eingehalten.  Kleine  Abänderungen 
werden  im  Folgenden  erwähnt. 

Die  zu  den  VeriSuchen  angewendeten  Substanzen  waren 
Aether,  Wasser  und  Essigsäure. 

Der  Aether  war  durch  SOmaliges  Waschen  mit  Wasser 
gereinigt^  durch  2monatliches  Stehen  über  Kalk  getrocknet 
und  destillirte  bei  34^6  bis  35«,0  unter   743,7™'"  Druck. 

Das  Wasser  war  frei  aufgefangenes  Regen wasser,  aus 
einer  Glasretorte  destillirt,  das  mittlere  Drittel  des  Destillats 
wurde  verwendet. 

Die  Essigsäure  war  von  Merck  in  Darmstadt  bezogen 
and  von  mir  durch  Umkrystallisiren  noch  weiter  gereinigt 
worden.    Sie  zeigte  einen  Schmelzpunkt  von  14^,0. 

Ich  wendete  zwei  Sätze  von  Gefäfsen  an.  Die  bei  dem 
Aether  und  der  Essigsäure  verwendeten  fafsten  198,45  CC, 
die  bei  dem  Wasser  335,26  CC.  Es  wurden  jedesmal  circa 
30  CG.  Substanz  zum  Verdampfen  gebracht. 

Meine  Versuche  sollen  zunächst   zeigen,  dafs  auch  bei 


*)  Ann.  Chem.  Pharm.  CXLl,  273. 


62     Horstmanrif  Beziehungen  zwischen  Molecidargewicht 

längerem  Erhitzen  der  Dampf  in  der  Nähe  des  Condensations- 
punktes  eine  mit  der  Temperatur  veränderliche  Dichte  zeigt. 
Zu  diesem  Zweck  wurde  jedesmal  auf  eine  Temperatur  er- 
hitzt weit  über  diejenige,  bei  der  der  Dampf  gewogen  wer- 
den sollte ,  und  dann  gewartet ,  bis  sich  nach  vollständigem 
Verdampfen  der  Hals  des  Gefäfses  durch  einen  Flüssigkeits- 
faden verschlossen  hatte  *).  Dann  liefs  man  langsam  die 
Temperatur  sinken.  Der  Flüssigkeitsfaden  wurde  dadurch 
zurückgesaugt  und  bei  dem  erhitzten  Drahte  d  in  dem  Mafse 
in  Dampf  verwandelt,  als  es  nöthig  war,  um  das  Dampfvolum 
in  dem  Gefäfs  constant  zu  erhalten.  Um  den  verschliefsen- 
den Flössigkeitsfaden  zu  ergänzen  (er  verdampft  bei  leicht- 
flüchtigen Körpern  auch  nach  der  andern  Seite;  selbst  wenn 
man  die  Wärmestrahlung  von  dem  Apparat  durch  Schirme 
möglichst  verhindert),  war  an  dem,  zur  Ableitung  der  Dämpfe 
nach  dem  Condensationsgefäfs  dienenden  Rohre  c  b  (Taf.  I, 
Fig.*3)  in  der  Gegend  f  nach  oben  ein  seitliches  kurzes 
Röhrchen  angesetzt,  durch  welches  von  der  Flüssigkeit  mit 
einem  Tropfglase  nachgefüllt  werden  konnte.  Durch  ein 
Glashütchen  war  die  OefTnung  gewöhnlich  verschlossen. 

Die  Temperatur,  für  welche  die  Bestimmung  ausgeführt 
werden  sollte,  wurde  dann  40  bis  50  Minuten  so  constant 
gehalten,  wie  es  allein  durch  den  Bunsen'schen  Thermo- 
staten möglich  ist.  Um  bei  diesem  Apparate  mit  weniger 
Lampen  höhere  Temperaturen  zu  erreichen ,  ist  es  zweck- 
mäfsigi  denselben  noch  mit  einer  dritten  Hülle  von  Eisenblech 
zu  umgeben,  die  von  dem  äufseren  Kupfercylinder  etwa  6 
bis  8  MH.  absteht.  Sie  besteht  aus  zwei  Hälften,  die  von 
beiden  Seiten  über  den  Apparat  geschoben  und  vom  und 
hinten  durch  übergreifende  Deckel  zusammengehalten  werden. 


*)  Vgl.  Ann.  Chem.  Pharm.  CXLI,  Taf.  II. 


und  spec.  Gewicht  elastisch^ flüssig  er  Körper,  63 

I.     Aeiker, 

Temp.  Druck  Dichte 

89,7  762,9  2,649 

46.1  764,5  2,662 

52.2  740,5  2,639 
58,7  745,0  2,651 
66,1  754,8  2,649 
81,1  762,6  2,610 
93,1  762,4  2,603 

102,8  756,2  2,597 

115,3  755,8  2,578 

130,6  756,7  2,588 

132,6  742,5  2,566 

204,5  757,1  2,565. 

Die  Zahlen  der  Tabelle  I  sind  auf  Taf.  I,  Fig.  1  zur 
graphischen  Darstellung  der  Veränderlichkeit  der  Dichte  be- 
nutzt. Der  wahrscheinlichste  Gang  der  Veränderung  ist 
durch  die  Curve  angezeigt. 

Der  Curve  entspricht  die  Formel 

D  =  2,528  +  '-ij^  -  ^^ 

deren  Constanten  nach  der  Methode  der  kleinsten  Quadrate 
berechnet  sind.  Die  Tabelle  II  enthält  die  durch  diese  For- 
mel gegebenen  Dichten  für  gleiche  Temperaturintervalle. 


II. 

Aether, 

Temp. 

Dichte 

40 

2,660 

50 

2,644 

60 

2,630 

70 

2,618 

80 

2,610 

90 

2,602 

100 

2,595 

110 

2,590 

120 

2,585 

130 

2,581 

64     Horstmanriy   Beziehungen  zmschen  Moleculargewicht 


Temp. 

Dichte 

140 

2,578 

150 

2,576 

160 

2,672 

170 

2,670 

180 

2,§68 

190 

2,666 

200 

2,565. 

theor. 

2,567 

111. 

Wasser. 

Temp. 

Druck 

Dichte 

108,8 

752,7 

0,653 

129,1 

740,3 

0,633 

175,4 

764,1 

0,625 

200,2 

766,9 

0,626. 

Die  Abweichnngfen  erstrecken  sieb  weniger  weit  als  bei 
dem  Aelher  und  habe  ich  sie  deshalb  vorlaufig  nicht  weiter 
verfolgl. 

Es  ergeben  sich,  nach  einer  ähnlichen  Formel  wie  bei 
dem  Aether ,  für  gleiche  Temperaturintervalle  die  Zahlen, 
welche  die  Tabelle  IV  enthält. 


IV. 

Wasser. 

Temp. 

Dichte 

100 

0,667 

HO 

0,648 

120 

0,640 

180 

0,633 

140 

0,628 

150 

0,625 

160 

0,625 

170 

0,625 

180 

0,625 

190 

0,625 

200 

0,625. 

theor. 

0,622 

und  spec.  Oewicht  elastisch^ flüssig  er  Körper.  65 

Es  ist  zu  beachten  9  dafs  der  Dampf  bei  129^,1  noch 
keine  constante  Dichte  zeigt,  während  seine  Tension  zu  dem 
der  Temperatur  entsprechenden  Maximum  der  Spannung  sich 
verhält  wie  740,3  :  2010.5  =  0,368  :  1.  R  egnault  folgerte 
aus  der  weiter  oben  angeführten  Tabelle,  dafs  der  Wasser- 
dampf sich  wie  ein  permanentes  Gas  verhält,  wenn  seine 
Spannung  0,8  von  dem  der  Temperatur  entsprechenden 
Maximum  ist.  Er  beschrankte  jedoch  diese  Behauptung  auf 
das  Verhalten  bei  dem  niederen  Druck  und  den  niederen 
Temperaturen,  die  er  bei  seinen  Versuchen  angewendet,  und 
mit  Recht,  wie  meine  Versuche  für  den  Druck  einer  Atmo- 
sphäre beweisen.  Es  wird  die  Beschrankung  in  den  Lehr- 
buchern der  Physik  hier  und  da  übersehen. 


V.     Essiijüäure. 

Texnp. 

Druck. 

Dichte. 

128,6° 

752,9 

8,079 

131,3 

754,1 

3,070 

134,3 

748,8 

3,108 

160,3 

751,6 

2,649 

165,0 

754,1 

2,647 

181,7 

749,7 

2,419 

233,5 

762,8 

2,195 

254,6 

747,2 

2,135. 

Die  Curve  auf  Taf.  I,  Fig.  2  ist,  in  einem  kleineren 
Mafsstabe  als  bei  dem  Aether,  nach  den  Beobachtungen  von 
Cahours  conslruirt.  Die  von  mir  erhaltenen  Zahlen  sind 
in  demselben  Coordinatennetz  durch  Sternchen  angedeutet. 
Sie  liegen  offenbar  in  einer  ähnlichen  Curve ,  die  etwas 
höher  läuft,  ein  Unterschied,  der  wahrscheinlich  durch  das 
Material  bedingt  ist. 

Die  Wahrscheinlichkeitsrechnung  lieferte  daraus  die  Con> 
stanten  folgender  Interpoiationsformel,  die  zur  Berechnung 
der  Tabelle  VI  diente  : 


66     Horstmann,  Beziehungen  zwischen  Motecular gewicht 

T.       \  Ao,     X    124,7    ,    12000 


—       A|-X«/* 

i           rp           1          rpl 

VI. 

Essigsättre, 

Temp. 

Dichte. 

1200 

3,308 

130 

8,100 

140 

2,984 

150 

2,795 

160 

2,679 

170 

2,680 

180 

2,494 

190 

2,419 

200 

2,854 

210 

2,297 

220 

2,246 

280 

2,200 

240 

2,159 

250 

2,122. 

theor. 

2,078 

Die  Dichtebestimmung  bei  160",3  ist  mit  einem  Gefäfse 
angestellt,  dessen  innere  Oberfläche  durch  hineingebrachte 
dünne  Glasröhren  etwa  5mal  vergröfsert  war.  Die  gefundene 
Zahl  ist  nur  innerhalb  der  Fehlergrenzen  von  dem  der  Tem- 
peratur entsprechenden  Werthe  verschieden.  Man  sieht  daraus, 
dafs  eine  Condensation  des  Dampfes  auf  den  Wanden  bei  der- 
artigen Versuchen  nur  einen  unmerklichen  Einflufs  hat  *). 

Wenn  man  die  Möglichkeit  der  Annahme  zugiebt,  dafs 
der  Dampf  der  Essigsaure  in  der  Nähe  des  Condensations- 
punktes  complicirtere  Molecule  enthält  als  bei  höheren  Tem- 
peraturen, so  schien  es  mir  um  so  wahrscheinlicher,  dafs 
längere  Einwirkung  der  Wärme  die  Dichte  kleiner  machen 
könne.   Ich  erhitzte  daher  bei  allen  Versuchen  mit  Essigsäure 


•)  Vgl.  Cahours,   Ann.  Chem.  Pharm.  CXXVIII,  68. 


und  spec.  Gewicht  elastiach-^fläsaiger  Körper.  67 

auf  230^,  bei  welcher  Temperatur  die  Dichte  fast  normal  ist, 
und  fing  erst  an  auf  die  Versuchstemperatur  abzukühlen, 
nachdem  Alles  verdampft  war.  Die  Versuchstemperatur 
wurde  dann  eine  volle  Stunde  constant  erhalten.  Dennoch 
liegen  die  beobachteten  Dichten  auf  einer  Curve  wie  die  von 
Cahours. 

Durch  das  Experiment  läfst  sich  also  zwischen  dem 
Verhalten  verschiedener  Dampfe^  die  unzersetzt  flüchtig  sind, 
in  Bezug  auf  die  Veränderlichkeit  der  Dichte  nur  ein  quan- 
titativer Unterschied  erkennen. 

Weiter  folgt  aus  den  Beobachtungen  von  Cagniard 
de  la  Tour*),  dafs  die  Gröfse  der  Veränderungen  der 
Dampfdichte  bei  einem  bestimmten  Körper  von  Druck  und 
Temperatur  abhangig  ist. 

Cagniard  de  la  Tour  erhitzte  die  zu  verdampfende 
Flüssigkeit  in  einem  verschlossenen  Gefafs,  in  welchem  der 
Druck  gemessen  werden  konnte.  Eine  gewisse  Menge  Aelher 
verwandelte  sich  z.  B.  unter  solchen  Umständen  bei  187^ 
vollständig  in  Dampf,  der  einen  Druck  von  37,5  Atmosphären 

20 

ausübte.  Der  Dampf  nahm  ein  ymal  gröfseres  Volum  ein^ 
als  der  flussige  Aether.  Die  Dichtigkeit  des  Aetliers  ist  nun 
0,72,  daher  war  die  des  Dampfes  0,25  bezogen  auf  Wasser 
oder  8,15  bezogen  auf  Luft  von  gleicher  Temperatur  und 
gleichem  Druck.  Die  Dampfdichte  war  also  in  diesem  Bei- 
spiel über  3mal  gröfser  als  die  theoretische  2,56.  Die  Ab- 
weichung ist  gröfser  als  man  sie  bei  dem  Schwefel  annehmen 
müfste,  wenn  man  dessen  abnorme  Dampfdichte  auf  ähnliche 
Weise  erklären  wollte,  und  viel  gröfser  als  man  sie  bei 
irgend  einem  andern  Dampf  bei  gewöhnlichem  Druck  beob- 
achtet hat.  Wenn  man  für  den  Aether  die  Dampfdichte  für 
verschiedene  Temperaturen   unter   einem    Drucke   von   37,5 


*)  Ann.  cbim.  phys.  XXI  u.  XXII. 

5* 


68     HorstmanUy  Beziehungen  zvnschen  Moleculargewicht 

Atmosphären  bestimmen  könnte,  so  fände  man  sie  jedenfalls 
veränderlich  in  einem  gröfseren  Temperaturintervall,  als  bei 
der  Essigsäure  unter  gewöhnlichem  Druck. 

Wenn  die  Gröfse  der  Abweichung  aber  bei  demselben 
Körper  von  den  physikalischen  Bedingungen  abhängig  ist, 
so  wird  die  Gröfse  der  Abweichung  bei  verschiedenen 
Dämpfen  unter  dem  gleichen  Druck  durch  die  Natur  der 
Körper  bestimmt.  Es  verändert  sich  die  Dichte  aller  Gase 
mit  Druck  und  Temperatur,  wenn  auch  nur  wenig;  die  mei- 
sten Gase  können  zu  Flüssigkeiten  verdichtet  werden,  und 
die  Dämpfe  aller  untersuchten  Flüssigkeiten  zeigen  in  der 
Nähe  des  Siedepunktes  eine  veränderliche  Dichte.  Die  Ab- 
weichung ist  bei  den  meisten  Dämpfen  schon  30^  bis  .40^ 
über  dem  Siedepunkt  verschwindend  klein ;  bei  einigen  andern, 
darunter  der  Essigsäuredampf,  ist  sie  noch  100^  über  jener 
Temperatur  bemerkbar. 

Nun  kennen  wir  aber  in  dem  bromwasserstofTsauren 
Amylen  einen  Körper ,  der  eine  veränderliche  Dichte  zeigt, 
die  sicher  ihren  Grund  in  einer  mit  der  Temperatur  fort- 
schreitenden Zersetzung  hat.  Auf  Taf.  I,  Fig.  2  ist  die  Ver- 
änderlichkeit der  Dichte  für  diesen  Körper  nach  den  Angaben 
von  Wurtz  graphisch  dargestellt  Die  Vergleichung  der 
Curve  mit  derjenigen  für  Essigsäure  zeigt  einen  bestimmten 
.  Unterschied.  Die  erstere  ist  am  Anfang  und  Ende  mit  der 
Abscissenaxe  parallel,  eine  gerade  Linie^  und  ändert  in  ihrem 
Verlaufe  den  Sinn  ihrer  Krümmung,  eine  Eigonthumlichkeit. 
die  sich  wohl  überall  da  angedeutet  finden  mufs,  wo  eine 
Zersetzung  die  Ursache  der  veränderlichen  Dampfdichte  ist*). 


*)  Die  Angaben  von  Deville  und  Troost  (Compt.  rend.  LXIV,  237) 
über  den  Dampf  der  Untorsalpeters&ure  lassen  deutlich  den  in 
Rede  stehenden  Verlauf  der  Curve  der  Veränderlichkeit  erkennen. 
Die  UntersalpetersAure  zersetzt  sieb  mit  steigender  Temperatur 
und  zwar  geht,   wie   bei  dem  bromwasserstoff^auren  Amylen,  in 


und  apec.  Gewicht  elastisch  flüssiger  Körper.  69 

Die  Curven  für  Essigsäure  und  Aether  sind  im  ganzen  Ver- 
lauf convex 'gegen  die  Abscissenaxe. 


einem  bestimmten  Temperaturinteryall  die  Zersetzung  am  Schnell- 
sten vor  sich.  Daher  das  Maximum  des  AusdehnungscoSfficienten, 
über  das  sich  Deville  und  Troost  so  sehr  wundem. 

In  ihrer  Tabelle  für  die  Ausdehnungsooefficienten  der  Unter- 
salpetersAure  geben  Deville  und  Troost  zwischen  den  drei 
letzten  Beobachtungen  100^  =  100  a  =  0,367.  Dieser  Werth 
ist  offenbar  nicht  mehr   berechnet.     Denn  die  angewendete  For- 

V  — V    1  1 

mel  ß  =  — Y"   -  -^  (der  Factor  —  ist  in  den  Compt.  rend.  weg- 

gelassen)  mit  den  Werth en  Yon  Y  aus  der  Tabelle  ergiebt  für 
ß  zwischen  jenen  Beobachtungen  Zahlen,  die  kleiner  sind  als  a» 
wie  man  in  der  beigefögten  vervollständigten  Tabelle  sieht 

Uniersalpetersdure  nach  Deville  und  Troost. 
Temp.        Dichte.  V. 


26,7 

2,65 

820,36 

35,4 

2,53 

345,12 

39,8 

2,46 

360,42 

49,6 

2,27 

403,33 

60,2 

2,08 

454,95 

70,0 

1,92 

505,85 

60,6 

1,80 

556,37 

90,0 

1,72 

597,22 

100,1 

1,68 

629,23 

111,8 

1,65 

660,29 

121,6 

1,62 

688,74 

135,0 

1,60 

723,84 

154,0 

1,58 

664,40 

163,2 

1,57 

824,77 

*\/v  a     *■ 

--^^/'-l+at 

0,888 

0,384 

1,008 

0,325 

1,215 

0,320 

1,207 

0,310 

1,137 

0,300 

0,946 

0,291 

0,781 

0.283 

0,531 

0,275 

0,441 

0,268 

0,422 

0,260 

0,378 

0,253 

0|295 

0,245 

0,270 

0,234 

So  lange  aber  die  Dichte  des  Dampfes  noch  abnimmt,  könnte 
ß  nicht  kleiner  als  a  werden,  wenn  die  Definition  von  ß  in 
obiger  Formel  die  gleiche  wäre,  wie  sie  das  Gay-Lussac'sche 
Gesetz  für  a  giebt.  Der  AusdehnungscoSfficient  a  bedeutet  die 
Yolumzunahme  f(ir  1^  Temperaturerhöhung  in  Bruchtheilen  des 
Volums  bei  0^,  dieses  gleich  /  geselUf  während  in  obiger  Formel 
das  Volum  bei  t^  (bei  der  niederen  Temperatur)  gleich  1  gesetzt 
und  ß  in  Bruchtheilen  dieser  Einheit  ausgedrückt  wird.  Man 
sieht  den  Unterschied  zwischen  beiden  Definitionen  sofort,  wenn 
man  für  V  in  die  von  Deville  und  Troost  angewendete  For- 
mel die  nach  dem  Gay-Lussa ersehen  Gesetz  berechneten  Vo- 


70    Horstmann,   Beziehungen   zwischen  Molecuiargewicht 

FQr  die  Dampfe  der  meisten  Körper  scheint  es  mir  nach 
dem    Vorhergehenden    wahrscheinlicher,   dafs    die    gröfsere 


lame  V  und  Y^  einBotzt,  iRrelche  von  derjenigen  Menge  eines 
permanenten  Gases  bei  t  und  t'  erfüllt  werden,  die  bei  0^  die 
Yolameinbeit  einnimmt.     Es  ist,  gleicben  Druck  vorausgesetzt, 

V  =  1  +  at, 
V»  =  1  +  a  t* 

__  V'~- V       £   _  (l  +  gt*)  — (l  +  gt)        _1 

^  ■"    t*  — f      V""  t»  — t  •      i  +  af 

^  "  1+  af 

Man  erbftlt  einen  von  t  abhängigen  Ausdruck ,  der  nur  für 
t  =  0^  y^  =  «  giebt,  für  t  =  1540  aber  nicht  ^  =  a  geben 
kann.  Die  letzte  Columne  der  beigefügten  Tabelle  enth&lt  die 
danach  bereohneten  Werthe  von  ß  für  ein  permanentes  Gas  bei 
den  betreffenden  Temperaturen ,  und  mit  diesen  Werthen  kann 
man  allenfalls  die  Zahlen  von  Deville  und  Troost  verglei- 
chen, nicht  aber  mit  a.  Es  findet  sich  dann,  wie  es  sein  mufs, 
ß  für  den  Dampf,  so  lange  dessen  Dichte  abnimmt,  grOlker  als 
iilr  das  permanente  Gas. 

Die  Werthe  von  ß  sind  auch  unter  einander  nicht  vergleich- 
bar, da  sie  sich  auf  verschiedene  Einheiten  beziehen.  Man  kann 
die  mittlereren  Ausdehnungsco&fficienten,  die  sich  aus  der  Formel 

_  V^-V  1 
P  —  ti  —  t  '  V 
berechnen,  nur  mit  einander  vergleichen,  so  lange  man  für  V 
und  folglich  auch  für  t  denselben  Werth  beibehRlt,  d.  h.  nur  für 
Temperaturintervalle,  die  von  derselben  Anfangstemperatur  ge- 
rechnet sind.  Einen  Ausdehnungscoöfficiente  n ,  der  mit  a  ver- 
gleichbar ist  und  in  irgend  welche  andere  Rechnungen  einge- 
führt werden  kann,  erhält  man  für  einen  Dampf,  dessen  Volum- 
änderung  nicht  als   lineare  Function   der  Temperatur  dargestellt 

dV 

werden  kann ,   offenbar   nur  aus  dem  Differentialquotienten  j— . 

Eine  Berechnung  desselben  scheint  mir  aber  hier  überflüssig,  da 
die  unregolmAfsige  Voluro&nderung  eben  so  g^t  durch  die  Ver- 
änderlichkeit der  Dichte  veranschaulicht  wird. 

Man  berechnet  die  Dichtigkeit  eines  Gases  bei  einer  bestimm- 
ten Temperatur  durchaus  nicht,  wie  Deville  und  Troost 
angeben,  unter  der  Annahme,  dafs  der  Dampf  den  normalen  Aus- 
dehnungscoSfficienten  a  besitzt  und  dafs  er  dem  Mariotte^schen 
Gesetze  folgt.  Das  spec.  Gewicht  eines  Gases  wird  überall  de6- 
nirt  als  das  Verhältnifs  der  Gewichte  gleicher  Volume  des  Gases 


und  spee.  Gewicht  elaatisch^flüssiger  Körper,  71 

Dichte  in  der  Nähe  der  Siedetemperatur  nicht  durch  die 
Bildung  von  complicirteren  Holeculen  oder  von  Molecul- 
gruppen  veranlafst  wird.  Die  veränderliche  Dichte  roufs 
daraus  erklärt  werden,  dafs  der  Dampf  nicht  dem  Gay- 
Lussac-Mariotte'schen  Gesetze  folgt,  oder,  wenn  man 
sich  eine  Vorstellung  mit  Hülfe  der  Moleculartheorie  bilden 
will,  dadurch,  dafs  die  mittlere  Entfernung  der  Molecule 
in  Folge  von  gegenseitigen  Anziehungen  kleiner  wird,  als 
bei  gleichem  Druck  und  gleicher  Temperatur  in  anderen 
Gasen,  die  dem  Gay-Lussac-Mariotte'schen  Gesetze 
gehorchen. 

Aus  den  vorstehenden  Betrachtungen  ergeben  sich  die 
Bedingungen,  unter  welchen  eine  Dampfdichtebestimmung 
zur  Berechnung  des  Moleculargewichtes  vermittelst  der  A  v  o- 
gadro'schen  Hypothese  verwendet  werden  darf. 

Die  Dichtigkeit  mufs  vor  allem  während  eines  gröfseren 
Temperaturintervalles  constanl  bleiben.  Findet  man  bei  einem 
Dampf  aber  eine  veränderliche  Dichte,  so  ist  zu  untersuchen, 
ob  die  Veränderlichkeit  auf  einer  Zersetzung  beruht.  Kann 
eine  Zersetzung  nachgewiesen  werden,  so  mufs  die  Dampf- 
dichte, wenn  möglich,  unter  der  Temperatur,  bei  der  die 
Zersetzung  beginnt,  genommen  werden. 


and  der  atmosphärischen  Luft  bei  gleicher  Temperatur  und  glei- 
chem Druck.  Ist  demnach  G  das  Gewicht  des  Gases  von  dem 
Yolum  y  bei  dem  Druck  P  und  der  Temperatur  t,  so  hat  man  : 

G 


D  = 


0,001293 


1  +  o  t     760 

G  und  Y  werden  durch  das  Experiment  bestimmt  und  der 
AusdehnungscoSfficient  des  Gases  kommt  in  der  Formel  nicht 
Tor,  ebensowenig  wird  eine  Annahme  Über  dessen  Verhalten 
gegen  den  Druck  gemacht.  Wenn  sich  aber  das  Volum  des 
Gases  nach  einem  andern  Gesetze  ändert,  als  nach  dem  Gay- 
Lussac-Mariotte'sohen,  so  seigt  sich  diefs  in  einer  Veränder- 
lichkeit der  Dichte  mit  Druck  und  Temperatur. 


72     Borstmann,  Beziehungen  zwischen  Molecular gewicht 

Ist  die  Dichte  aber  veränderlich,  weil  der  Dampf  wie 
meistens  in  der  Nähe  des  Siedepunktes  nicht  dem  Gay- 
Lussae-Mariotte'schen  Gesetze  folgt,  was  man  schon 
aus  der  Gestalt  der  Curve  der  Veränderlichkeit,  wie  oben 
bemerkt,  erkennen  kann,  so  mufs  die  Temperatur  so  lange 
erhöht  werden,  bis  die  Dichligkeit  constant  wird. 

Der  Werth  einer  Dampfdichte  zur  Bestimmung  des 
Moleculargewichtos  richtet  sich  danach,  wie  weit  man  sich 
versichern  kann,  ob  jene  Bedingungen  erfüllt  sind.  Selten 
darf  man  sich  auf  die  Dampfdichte  allein  verlassen.  Nur 
die  Uebereinstimmung  zwischen  dem  auf  physikalischem  und 
dem  auf  chemischem  Wege  gefundenen  Moleculargewicht 
gewährt  Sicherheit. 


Ich  glaube  schliefslich  noch  eine  Folgerung  anderer 
Art,  die  sich  aus  meinen  Versuchen  ergiebt,  nicht  unerwähnt 
lassen  zu  sollen.  Die  Formeln  der  mechanischen  Wärme- 
theorie gestatten  bekanntlich  aus   der  Verdampfungswärme  r 

und  der  Spannung  p  resp.  dem  Differentialquotienten  -r^,  die 

Dichtigkeit  eines  gesättigten  Dampfes  zu  berechnen.  Man 
hat  nämlich  : 

worin  s  das  Volum  der  Gewichtseinheit  des  gesättigten  Dam- 
pfes, a  das  Volum  der  Gewichtseinheit  Flüssigkeit,  A  das 
Wärmeäquivalent  der  Arbeit  und  T  die  absolute  Temperatur 
bedeuten.  Es  ergiebt  sich  daraus  D  für  Aether  2,567  und 
für  Wasser  =  0,640,  für  den  Druck  einer  Atmosphäre  ♦). 

Wenn  man  die  Curve,  welche  ich  für  die  Veränderung 
der  Dichte  mit  der  Temperatur  bei  dem  Druck  einer  Atmo- 


*)  Zenner,  Grundzüge  der  mech.  Wärtnetheorie.  1866.  S.  290. 


und  spec.  Gewicht  elastisch^ ftiissig er  Körper,  73 

Sphäre  fand,  verlängert  bis  zur  Siedetemperatur,  so  erhält 
man  auch  einen  Werth  für  die  Dichtigkeit  des  gesättigten 
Dampfes.  Ich  finde  für  Aetlier  2,67,  für  Wasser  0,66  etwa, 
welche  Zahlen  wohl  eher  kleiner,  denn  gröfser  als  die  wahren 
Werthe  sein  werden.  Für  beide  Körper  sind  aber  die  Werthe 
gröfser,  bei  dem  Aether  ziemlich  beträchtlich^  als  obige 
Formel  verlangt.    Da   die   geringen  Fehler,   mit  welchen  A 

und  -.^  etwa  behaftet  sind,  bei  weitem  nicht  ausreichen  diese 

Differenzen  zu  erklären^  so  mufs  der  Grund  derselben  wohl 

in  r  liegen,    r  wird  bestimmt  aus  der  Gleichung  : 

t 

r  =  A  —   /cdt 
o 

X  bedeutet  die  Gesammtwärme ,   die  nöthig  ist,  um  die 

Gewichtseinheit  Flüssigkeit  von  0^  in  Dampf  von  \^  zu  ver- 

t 
wandeln  und  wird  durch  den  Versuch  bestimmt.    CcAx  stellt 

o 

die  s.  g.  Flüssigkeitswärme  dar,  die  zur  Erwärmung  der 
Flüssigkeit  von  0^  auf  t^  verbraucht  wird,  ehe  die  Verdam- 
pfung beginnt.  Die  Differenz  zwischen  beiden  Wärmemengen 
wird  als  Verdampfungswärme  betrachtet.  Der  Sinn  der  Nicht- 
übereinstimmung zwischen  den  Werthen  von  D  deutet  darauf 
hin,  dafs  r  zu  grofs  angenommen  wird.  Es  scheint,  dafs  ein 
gröfserer  Theil  der  Gesammtwärme  A  zu  innerer  Arbeit  ver- 
wendet wird,  als  in  den  Formeln  angenommen  wird  *). 

Es  sind  zur  Begründung  dieser  Annahme  noch  weitere 
Versuche  nöthig.  Ich  werde  deshalb  bei  einer  späteren  Ge- 
legenheit auf  diesen  Gegenstand  zurückkommen. 


*)  Vgl.  ZeuDer,  ö.  263. 


74  Horstmann^  über  die  Dampfdtchte 

lieber  die  Dampfdichte  des  Schwefel- 
ammoniums ; 

von  Demselben. 


Ueber  die  Dampfdichten  der  Verbindungfen  des  Ammo- 
niaks mit  Schwefelwasserstoff  liegen  folgende  Angaben  vor  : 

NH4SH     0,884  »x 

NH^SH     0,89  bei  56^6  ••), 

(NH4),S     1,26     »     99^6**). 

Es  würde  nach  diesen  Zahlen  ein  Gemisch  von  gleichen 
Volumen  NH3  und  HgS  keine  Contraction  zeigen,  vollständig 
unverbunden  bleiben;  ein  Gemisch  dagegen  von  2  Vol.  NH3 
und  1  Vol.  H2S  sollte  sich  auf  2  Vol.  verdichten ,  es  fände 
theilweise  Verbindung  statt.  Ein  solches  Verhalten  würde 
in  mehrfacher  Beziehung  Interesse  bieten,  und  ich  führte 
deshalb  im  Anschlufs  an  die  vorhergehenden  Untersuchungen 
über  die  Veränderlichkeit  der  Dampfdichten  einige  Versuche 
aus,  deren  Resultat  ich  hier  mittheile.  Es  stimmt  dasselbe 
nicht  mit  der  Angabe  von  Deville  und  Troost  überein. 
Aus  welchem  Grunde,  kann  ich  nicht  entscheiden,  da  eine 
detaillirte  Beschreibung  der  betreffenden  Versuche  nicht 
vorliegt. 

Ich  bediente  mich  der  Bunsen'schen  Methode  zur 
Dampfdichtebestimmung  ***).  Das  Dampfgefafs  wurde  zu- 
erst mit  Ammoniak  gefüllt  und  dann  Schwefelwasserstoff  in 
beliebiger  Menge  mit  geeigneter  Geschwindigkeit  zutreten 
gelassen. 

Das  Ammoniak  wurde  während  des  Versuchs  aus  Am- 


•)  Bineau,  Ann.  ahim.  phy».  [2]  LXVm,  418. 
•*)  DeTille  und  Troost,  Compt.  rend.  LVI,  895. 
*••)  Ann.  Chem.  Pharm.  CXLI,  278. 


des  Schwefelammomumt.  75 

moniakflüssigkeit  entwickelt.  Es  strich  zuerst  durch  einen 
Liebig'schen  Kühler,  durch  ein  Gelärs  mit  gebrannlem 
Kalk  und  schlierslich  durch  Kaliröhren,  aus  welchen  us  voll- 
ständig trocken  aastrat. 

Der  Scbwerelwasserstoff  war  ans  Schwefelantimon  dar- 
gestellt und  in  einem  Glasgasometer  mit  gesätligteni  Sclm-e- 
Telwasserstoffwasser  als  Sperrflüssigkeit  aufgerangcn  ;  liurch 
Cblorcaicium  getrocknet  gelangte  es  in  das  DampFg>'f»rs. 

Um  die  während  des  Versuchs  austretenden  Gjse  un- 
schädlich zu  machen  und  um  den  Sauerstoff  der  Luft,  u  t-kbur 
das  Schwefelammonium  bei  den  angewendeten  Teiniiirühtr- 
momenten  zersetzt,  möglichst  auszuschliefsen,  traf  icli  >\ui  Ein- 
richtung, welche  Fig.  4  auf  Taf.  I  deutlich  machen  sull.  Auf 
dem  Hals  a  des  Dampfgefäfses ,  der  aus  dem  Thrrnioslnlin 
hervorragt,  sitzt  mittelst  eines  kleinen  Korkes  die  Ghishiilso  b; 
das  andere  Ende  dieser  Hülse  ist  durch  einen  Kork  ver- 
schlossen, durch  welchen  die  beiden  capillaren  Ziiliitunijs- 
rfihren  in  das  Innere  des  Apparates  gehen.  Die  G^isi'  mi- 
weichen  durch  das  seitliche  Rohr  c,  welches  unter  WüsstT 
mündete. 

Die  Gase  konnten  auf  diese  Weise  vollstSndii^  rein  in 
den  Apparat  gebracht  werden.  Die  gebildete  Vcrliiniluni» 
setzte  sich  nach  dem  Erkalten  in  völlig  farbloseo  Krysl<illen 
an  die  Wände  des  Gefäfses,  und  es  füllte  sieb  die.^e.s  lieiin 
Oeffaen  onter  Wasser,  ohne  dafs  eine  Luftblase  zurückbliib. 

Die  erhaltenen  Dampfdichten  kann  ich  bis  auf  4  bis  5 
Einheiten  der  dritten  Decimale  verbürgen.  Um  dii;  Zusam- 
mensetzung des  Gemisches  mit  entsprechender  Gi'TiauiL'kiit 
zu  ermitteln,  genügte  es,  in  das  Dampfgefäfs  Chlurw^i'^^i'r- 
Btoffsäure  eintreten  zu  lassen,  und  nach  dem  Vcnliiinpfen 
and  Trocknen  auf  dem  Wasserbade  den  entstandenen  S^ilitiiak 
ZD  wiegen.  Die  Uebereinstimmung  der  Resullele  beweist. 
dafs  die  Genauigkeit  dieser  Methode  ausreichend  ist. 


76     Borstmann^  Dampfdichie  des  Schwefelammoniums, 

Die  folgende  Tabelle  giebt  die  gewonnenen  Zahlen« 
Die  beiden  ersten  Columnen  enthalten  die  beobachteten  Dich- 
ten mit  den  zugehörigen  Versuchstemperaturen;  die  beiden 
folgenden  die  procentische  Zusammensetzung  nach  dem  Vo- 
lum; die  fünfte  die  daraus  berechnete  Dichte  unter  der 
Voraussetzung,  dafs  die  beiden  Gase  unverbunden  in  dem 
Gemisch  enthalten  sind  und  mit  Zugrundelegung  der  theore- 
tischen Dichten  der  Bestandtheile  (1,175  für  H^S,  0,587  für 
NHs);  die  sechste  die  Dichte  berechnet  für  die  Annahme, 
dafs  in  dem  Gemisch  eine  Verbindung  von  2  Vol.  NHs  und 
1  Vol.  H^S  mit  der  Dichte  1,26,  wie  sie  Deville  u.  Troost 
angeben,  enthalten  sei.  Für  Gemische,  wie  sie  den  Verbin- 
dungen NH4SH  und  (NH4)2S  genau  entsprächen,  habe  ich 
die  berechneten  Dichten  zur  Vergleichung  beigefügt. 


1. 

2, 

8. 

4. 

6. 

6. 

Temp. 

Beobacbt 

Volumprocente 

Berechnete  Dichte. 

• 

Dichte. 

NHs 

H,8 

I. 

IL 

85^,9 

0,622 

93,67 

6,48 

0,625 

0,68 

800,0 

0,653 

89,28 

10,72 

0,660 

0,76 

85^6 

0,750 

72,24 

27,76 

0,750 

1,10 

560,4 

0,768 

71,66 

28,35 

0,754 

1,12 

— 

— 

66,66 

33,33 

0,783 

1,26 

84M 

0,832 

69,90 

40,10 

0,828 

1,25 

50,00 

50,00 

0,881 

1,22 

56^,9       1 

0,947 

89,93 

60,07 

0,940 

1,22 

Die  Uebereinstimmung  zwischen  der  zweiten  und  fünften 
Columne  beweist,  dafs  bei  den  Temperaturen  und  sonstigen 
Umständen  der  beschriebenen  Versuche  Ammoniak  und 
Schwefelwasserstoff  sich  nicht  verbinden,  in  welchem  Ver- 
hältnifs  sie  auch  gemischt  sein  mögen. 

Heidelberg,  den  7.  April  1868. 


7pr;^^\:^r^.  . 


Roscoe,   Untersuchungen  iiher    Vanadin.  77 

Untersuchungen  über  Vanadin; 
von  H.  E.  Roscoe. 


L     Einleitung, 

Unter  den  physikalischen  Eig^enschaften;  welche  man  zu 
Bathe  zieht,  um  die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  der 
einfachen  Körper  und  die  Constitution  chemischer  Verbindun- 
gen festzustellen,  besitzt  wohl  keine  in  so  hohem  Grade  das 
Vertrauen  des  Chemikers,  als  die  des  Isomorphismus.  Um  so 
merkwürdiger  ist  daher  die  Ausnahme,  welche  die  Vanadin- 
verbindungen bisher  in  dieser  Beziehung  gemacht  haben. 

Es  wurde  von  Rammeisberg  und  spater  ausführlicher 
von  Schab  US  nachgewiesen,  dafs  das  Mineral  Vanadinit 
(eine  Verbindung  von  Bleivanadat  mit  Bleichlorid)  iso- 
morph ist  mit  Apatit  i  3  (CasIp^O   +  CaCl«) ,   Pyromorphit 

(3(Pb3(jQ* )  +  PbClO  und  Mimetesit  (3(Pb8{JgoO+^'^^''^- 
Die  Krystallform  dieser  Mineralien   ist   ein  hexagonales 
Prisma  mit  der  hexagonalen  Pyramide  combinirt.    Die  End- 
winkel P  :  P  sind  : 

1)  Vanadinit      142080'  S)    Pyromorphit      1420l5' 

2)  Apatit  142<>20'  4)    Mimetesit  142»  V 

und  die  Axenverhaltnisse  : 

1)  1  :  0,727  8)     1  :  0,736 

2)  1  :  0,782  4)     1  :  0,739. 

Der  Isomorphismus  dieser  Verbindungen  wird  ferner 
dadurch  bewiesen,  dafs  dieselben  in  verschiedenen  Exem- 
plaren in  allen  Verhältnissen  zusammenkrystallisirt  aufge- 
funden worden  sind ;   H  e  d  d  1  e  *)  beschreibt  einen  Krystall 


*)  Greg  and  Lettsom*8  Britsb  Mineraloge  1858,  p.  409    u.   410. 


78  Boscoe,   Untersuchungen  über   Vanadin, 

in  seinem  Besitze,  dessen  eine  Hälfte  aus  Vanadinit  und  die 
andere  aus  Apatit  besteht. 

Fast  Alles,  was  wir  über  Vanadin  und  seine  Verbindun- 
gen wissen,  verdanken  wir  der  klassischen  Untersuchung, 
welche  Berzelius  1831  ausführte*).  Aus  diesen  Ver- 
suchen, welche  später  von  Schafarik**)  und  von  Czud- 
nowicz***)  bestätigt  wurden,  ergab  sich,  dafs  der  Yana- 
dinsäure  die  Formel  VOs  zukomme.  Es  liegt  also  hier  ent- 
weder der  Fall  vor,  dafs  chemische  Verbindungen,  welche 
verschieden  constituirt  sind ,  Isomorphismus  zeigen  und  zu- 
sammenkrystallisiren,  oder  die  Schlösse,  welche  Berzelius 
aus  seinen  Resultaten  zog,  sind  falsch  und  die  Vanadinsäure 
hat  die  Formel  VgO^,  entsprechend  den  Pentoxiden  des  Phos- 
phors und  des  Arsens. 

Die  meisten  Chemiker  haben  sich  bis  jetzt  für  die  erste 
Annahme  erklärt,  als  einzige  Lösung  dieser  Schwierigkeit, 
indem  die  genauen  experimentellen  Daten,  welche  Berze- 
lius gegeben  hat,  keine  andere  Formel  als  VO3  für  wahr- 
scheinlich erscheinen  lassen. 

Die  Versuche,  aus  welchen  Berzelius  seine  Schlüsse 
zog,  sind  : 

1)  Der  constante  Gewichtsverlust,  welchen  Vanadinsäure 
erleidet,  wenn  sie  bei  Rothglöhhitze  durch  WasserstofT  redu- 
cirt  wird. 

2)  Wenn  Chlor  auf  dieses  reducirte  Oxyd  einwirkt, 
bilden  sich  ein  flüchtiges  Chlorid  und  ein  Rückstand  von 
Vanadinsäure,  deren  Gewicht  genau  ein  Drittel  der  Menge 
beträgt,  welche  ursprünglich  zum  Versuche  genommen  wurde. 


*)  Pogg,  Ann.  XXII,  1  (1831). 
**)  Ann.  Chem.  Pharm.  CIX,  84. 
***)  Pogg-  Ann.  CXX,  38. 


Boscoe,   Untersuchungen  über   Vanadin,  79 

Berzelius  zog  hieraas  den  Schlufs,  dafs  die  Zahl  der 
Sanerstoffatome  im  Oxyd  sich  za  der  in  der  Saure  wie  1  zu 
3  verhalt,  und  nimmt  im  niedersten  Oxyde  ein  Atom  Sauer- 
stoff an ;  so  mufs  die  Saure  3  Atome  Sauerstoff  enthalten. 
Eine  Bestätigung  dieser  Annahme  fand  er  in  der  Sattigungs- 
capacitat  der  Saure.  Die  Frage,  ob  in  derselben  ein  oder 
oder  zwei  Atome  Metall  enthalten  seien,  entschied  Berze- 
lius zu  Gunsten  der  ersteren  Ansicht,  indem  er  fand,  dafs 
keine  den  Alaunen  entsprechende  Verbindung  entsteht,  wenn 
man  Vanadinsäure  mit  Schwefelsäure  und  Kali  zusammenbringt« 

Eine  weitere  Bestätigung  für  diese  Annahme  ergab  sich 
aus  der  Zusammensetzung  des  flüchtigen  Chlorids,  welches 
von  Berzelius  und  Schafarik  analysirt  wurde,  und  wo- 
nach kein  Zweifel  mehr  sein  konnte,  dafs,  wenn  das  Atom- 
gewicht des  Vanadins  zu  68,5  und  das  des  Sauerstoffs  zu  8 
angenommen  wird,  der  Vanadinsäure  die  Formel  VOs  zu- 
kommen mufs,  das  reducirte  Oxyd  VO  und  das  Chlorid 
VCU  ist. 

In  der  vorliegenden  Mittheilung  werde  ich  zeigen,  dafs, 
obgleich  ich  Berzelihs'  Resultate  in  allen  Einzelnheiten 
vollständig  bestätige,  ich  dennoch  zu  ganz  verschiedenen 
Schlufsfolgerungen  gelange,  indem  ich  beweisen  werde,  dafs 
die  richtige  Formel  für  Vanadinsäure  V2O5  ist  (0  =  16) 
und  das  wahre  Atomgewicht  des  Vanadins  durch  die  Zahl 
51,3  ausgedrückt  wird;  dafs  die  Substanz^  welche  Berze- 
lius als  Metall  betrachtete,  ein  Oxyd  von  der  Formel  VO 
=  67,3  ist,  und  dafs  das  sogenannte  Vanadinchlorid  ein 
Oxychlorid  VOCI3  ist. 

Die  Gründe,  auf  welche  ich  diese  Schlüsse  basire,  sind 
im  Folgenden  zusammengestellt;  die  experimentellen  Beweise 
werden  weiter  unten  folgen  : 

1)  Es  existirt  ein  Oxyd  des  Vanadins,  welches  das  Ver- 
bindungsgewicht 67,3  hat  (Berzelius'  Metall);  die  Vanadin- 


80  RoscoSy   Untersuchungen  über   Vanadin, 

säure    mars    demnach    mehr   als   3   Atome   Sauerstoff    ent- 
halten. 

2)  Die  folgenden  Oxyde  sind  sowohl  auf  trockenem  als 
auf  nassem  Wege  erhalten  und  ihre  Zusammensetzung  fest- 
gestellt worden  : 

Verbindungsgewicbt 

1)  y,0,  Vanadindioxyd  oder  Vanady]  184,6. 

2)  V,0,  Vanadin trioxyd  (Baboxyd  von  BerzeliuB)    150,6. 

3)  VsO«  Yanadintetroxyd  166,6. 

4)  YgOs  Vanadinpen toxyd  (Vanadinsäare)  182,6. 

3)  Das  sogenannte  Vanadinchlorid  enthalt  Sauerstoff;  es 
ist  ein  Oxychlorid  mit  der  Formel  VOCls.  Man  kann  dasselbe 
Vanadyltrichlorid  oder  Vanadinoxytrichlortd  benennen;  diese 
Verbindung  entspricht  dem  Phosphoroxychlorid  POCls. 

4)  Es  existiren  noch  drei  feste  Oxychloride  : 

VOClf    Vanadyldicfalorid  oder  Vanadinoxydichlorid. 
VOCl     Vanadylmonocblorid  oder  Vanadinoxymonochlorid. 
VgOjiCl  Divanadylmonochlorid. 

5)  Alle  naturlich  vorkömmenden  Vanadate  sind  drei- 
basisch : 

a)  Vanadinit  von  Zimapan,  von  Berzelius  analysirt  (Pogg.  Ann. 

XXII,   68),   enthält  nahezu    8  Aeqoivalente   fileioxyd   auf 
1  Aeq.  Vanadins&ure. 

b)  Ensynchit,  von  Czndnowics  analysirt  (Pogg.  Ann.  CXX,  27), 

enthält  8  Aeq.   eines   Gemisches  von  Bleioxyd  und  Zink- 
oxyd auf  1  Aeq.  Vanadins&ure. 

c)  Arftoxen  hat  nach  v.  Kobell's  Analyse  (Joom.  f.  pract.  Cbem. 

L,  496)  eine  ähnliche  Zusammensetzung  wie  Eusynchit. 

d)  Amerikanischer  Vanadinit,  von  8mith  analysirt  (Journ.  f.  pract 

Chem.  LXVI,  483),  ist  eine  dreibasische  Verbindung. 

e)  Dechenit  aus    der  Pfalz,    ist   nach    Brush     (Bill.   Am.    Jouni. 

[2]  XXXIV,  116)  identisch  mit  Aräoxen  und  daher  eben- 
falls eine  dreibasische  Verbindung. 

f)  Volborthit    enthält    nach     Credner^s     Analyse    (Pogg.     Auo. 

LXXIV,   646)    auf  1  Aeq.  Vanadinsäure    8  Aeq.  basischer 
Oxyde. 


Boscoe,   Untersuchungen  über   Vanadin.  81 

6)  Schmilzt  man  Vanadinsäare  mit  Natriumcarbonat  zu- 
sammen^ so  entweichen  3  Molecule  Kohlensaure  für  je 
1  Molecul  Vanadinsäure;  das  normale  Natriumvanadat  hat 
daher  die  Formel  NasVO^. 

7)  Die  einbasischen  Vanadate  entsprechen  den  einbasi- 
schen oder  Metaphosphaten ;  man  kann  dieselben  mit  dem 
Namen  Metavanadate  bezeichnen;  wie  NaVOa,  NH4yOs, 
Ba2V08. 

8)  Die  zweibasischen  Vanadate  haben  eine  ähnliche  Con- 
stitution wie  die  sogenannten  sauren  Chromate  und  Borate. 

9)  Ein  Vanadinnitrid  wurde  dargestellt,  dessen  Analyse 
ergab,  dafs  es  auf  51,3  Gewichtstheile  Vanadin  14  Gewichts- 
theile  Stickstoff  enthalt. 

Alle  Reactionen  der  Vanadinsäure  lassen  sich  mit  der- 
selben Leichtigkeit  erklären^  wenn  man  die  Formel  Vs05 
(V  =  51,3)  annimmt,  als  wenn  man  die  alte  Berzeiius'- 
sche  Ansicht,  dafs  in  derselben  3  Aeq.  Sauerstoff  enthalten 
seien  und  V  das  Atomgewicht  67,3  hat,  beibehält. 

Alte  Formeln  Neae  Formeln 

{W  =  68,6;  O  =  8)  (V  =  51,8;  O  =  16) 

1)  VO,  +  Hg  =  VO  +  H,Og.  V,05+  2  H,  =  V^O,  +  2  H,0. 

2)  8  VO  +  Cle=  VOa  +  2  VClj.       8  VjO,  +  6  Cl,  =  V.Og  +  4  VOCi,. 

n.     Vorkommen   und  Darstellung  der   Vanadinverbindungen. 

Vanadin  hat  bis  jetzt  zu  den  chemischen  Seltenheiten 
gehört;  vanadinhaltige  Mineralien  sind  zwar  ziemlich  ver- 
breitet, aber  keines  derselben  enthalt  dieses  Element  in 
irgend  beträchtlicher  Menge.  Eine  ausführliche  Untersuchung 
der  Verbindungen  dieses  Körpers  war  daher  bis  jetzt  nicht 
ausführbar,  und  selbst  in  den  letzten  Untersuchungen  ver- 
schiedener Chemiker,  welche  diesen  Gegenstand  bearbeitet 
haben,  finden  sich  widersprechende  Angaben  über  Punda- 
roentalpunkte. 

AnoaL  d.  Cham.  a.  Pharm.  VI.  Supplementbd.  1.  Heft.  6 


82  Boscoey  Untersuchungen  über   Vanadirim 

Vor  einiger  Zeit  wurde  meine  Aufmerksamkeit  gelenkt 
auf  das  Vorkommen  von  Vanadin  in  den  kupferhalügen 
Schichten  des  unteren  Keupersandsteins  der  Trias,  welche  in 
Alderley  und  in  Mottram  St.  Andrews  in  Cheshire  berg- 
männisch bearbeitet  werden,  und  ich  war  so  glücklich^  mir 
eine  reichliche  Quelle  des  seltenen  Metalles  zu  verschaffen. 
Es  war  diefs  ein  kalkhaltiger  Niederschlag ,  welcher  als 
Rückstand  erhalten  wurde  bei  der  Gewinnung  von  Kobalt 
aus  den  kobaltfährenden  Schichten  des  obigen  Sandsteins. 

Die  geologischen  Verhältnisse  dieser  merkwürdigen  metall- 
reichen Sandsteinformation  sind  von  Hüll  genau  beschrieben 
worden  *).  Die  horizontalen  Sandsteinschichten  enthalten 
Malachit,  Kupferlasur,  Weifsbleierz,  Bleiglanz,  Kobalt  und 
Nickel  als  schwarze  Oxyde,  eine  kleine  Menge  von  Silber, 
aufserdem  Brauneisenstein,  Pyrolusit  und  Schwerspath.  Der 
Sandstein  ist  weich  und  hat  eine  gleichförmige  Textur; 
die  Farbe  desselben  wechselt  von  Grün  und  Braun  zu 
Schwarz,  je  nachdem  das  eine  oder  andere  der  obigen  Mine* 
ralien  vorherrscht.  Hüll  unterscheidet  die  folgenden 
Schichten  : 

•  Dicke  der  Schichte 

1)  Gelblicher  SAndBteiD 4  Fafo   0  ZoU 

2)  Schieferiger  Thon,   unten   durch    ein    Band 

▼on  kupferführendem  Sandstein  begrenst    2      „      6    „ 

8)     Eisen 8cb Aasiger  Sandstein   mit  grofsen  Nie- 
ren Ton  Weiftbleierz 6     n      0    • 

4)  KobaltfQhrende  Schichte.    Gestreifter  Sand- 

stein mit  Erdkobalt 4      „      6     n 

5)  Weifser  dichter  Sandstein  mit  Weifsbleierz .     &     n      ^    » 

6)  Sandstein,  durch  Eisenozyd,  Braunstein  und 

Erdkobalt  gefiirbt 12     ,      0    „ 

Um  das  Kupfer  abzuscheiden,  welches   im  Sandstein  in 
wechselnder  Menge  enthalten  ist  und  von  0,5  bis  2,5  pC. 


» 


*)  Geological  Magazine  vol.  I,  pag.  65  (1864). 


Boscoey  Untersuchungen  über  Vanadin.  83 

betragt,  wird  der  durch  Pochen  zerkleinerte  Stein  mit  Salz- 
säure ausgezogen  und  aus  dieser  Lösung  das  Kupfer  durch 
Eisen  gefällt. 

Der  Sandstein,  in  welchem  das  Vanadin  enthalten  ist, 
hat  eine  helle  Farbe  und  enthäll  0^1  bis  0,3  pC.  der  Oxyde 
des  Kobalts,  Nickels  und  Kupfers,  welche  in  der  Felsmasse 
als  kleine  schwarze,  grüne  und  rothe  Flecke  auftreten.  Die- 
selben wurden  aus  dem  gepochten  Sandstein  durch  Salzsäure 
ausgezogen  und  zu  dieser  Lösung  wurde  Chlorkalk  gesetzt, 
und  durch  Kalkmilch  dann  alles  Blei,  Eisen,  Arsen  (aus 
der  rohen  Salzsäure)  Vanadin,  und  ein  kleiner  Theil  des 
Kupfers  gefallt ^  während  Nickel,  Kobalt  und  der  gröfsere 
Theil  des  Kupfers  in  Lösung  blieben. 

Das  Bergwerk  in  Mottram  wird  nicht  mehr  bebaut,  und 
es  war  mir  daher  unmöglich,  eine  Probe  dieses  Sandsteines 
zu  verschaffen,  uro  denselben  näher  zu  untersuchen.  Ich 
kann  daher  nicht  mit  Sicherheit  behaupten,  dafs  derselbe 
Vanadinit  enthält,  was  ,mir  aus  gewissen  Gründen  höchst 
wahrscheinlich  erscheint^ 

Der  Werkführer  des  Bergwerkes  glaubte,  dafs  der  Kalk- 
niederschlag gegen  10  pC.  Kupfer  enthalte.  Als  ein  Theil 
desselben  in  Salzsäure  gelöst  und  das  Kupfer  mit  Zink  ge- 
fällt worden,  behielt  die  Flüssigkeit  immer  noch  eine  blaue 
Farbe;  deren  Ursache  ich  bald  als  von  Vanadin  herrührend 
erkannte. 

Der  Kalkniederschlag  enthält  gegen  2  pC.  Vanadin, 
aufserdem  Blei,  Arsen,  Eisen,  Kalk,  Schwefelsäure  und  Phos- 
phorsäure. 

Um  aus  diesem  Rohmaterial  das  Vanadin  abzuscheiden, 
mnfste  im  Grofsen  gearbeitet  werden.  Dafs  ich  dieses  aus- 
führen konnte,  verdanke  ich  der  Freundlichkeit  der  Herren 
Roberts,  Dale  k  Comp.,  welche  mir  bereitwillig  ihre 
Fabrik  zur  Verfügung  stellten.    Drei  Centner  des  getrock- 

6* 


84  JRoscoe,   Untersuchungen  über   Vanadin. 

neten  Niederschlages  wurden  mit  dem  vierfachen  Gewichte 
Steinkohle  fein  zermahlen  und  das  Gemisch  wurde  in  einem 
verschlossenen  Ofen  mehrere  Tage  geglüht,  um  die  gröCste 
Menge  des  Arsens  zu  verflüchtigen.  Die  Hasse  wurde  so- 
dann mit  einem  Viertel  ihres  Gewichtes  calcinirter  Soda  innig 
gemischt  und  zwei  Tage  lang  in  einem  Röstofen  unter  Luft* 
zutritt  erhitzt,  um  das  Vanadin  in  lösliches  Natriumvanadat 
zu  verwandeln,  welches  durch  Auslaugen  in  Lösung  ge- 
bracht wurde.  Diese  Lösung  wurde  sodann  mit  Salzsäure 
angesäuert  und  schweflige  Säure  eingeleitet,  om  die  Arsen- 
säure zu  reduciren.  Das  Arsen  wurde  durch  Schwefelwas- 
serstoff gefällt,  und  die  davon  abfiltrirte  blaue  Lösung  sorg- 
fältig mit  Ainmoniak  neutralisirt,  wodurch  das  Vanadin  gefällt 
wird.  (Ein  Ammoniaküberschufs  mufs  vermieden  werden, 
weil  sich  sonst  ein  Theil  des  Vanadinoxyds  wieder  löst) 
Das  ausgeschiedene  Vanadinoxyd  wurde  auf  grofsen  Lein- 
wandfiltern gut  mit  Wasser  ausgewaschen,  dann  mit  Salpeter- 
säure oxydirt  und  zur  Trockne  verdampft.  Die  so  erhaltene 
rohe  Vanadinsäure  wurde  mit  einer  concentrirten  Ammonium- 

• 

carbonatlösung  gekocht^  wobei  Eisenoxyd,  Calciumsulfat  und 
Alaunerde  zurückblieben,  und  die  Lösung  eingedampft,  bis 
sich  Ammoniumvanadat  ausschied.  Dieses  Rohproduct  wurde 
mit  gesättigter  Salmiaklösung  gewaschen  und  mehrmals  um- 
krystallisirt.  Um  aus  diesem  Salz  reine  Vanadinsäure  dar- 
zustellen, wurde  es  unter  Luftzutritt  geröstet  und  das  rück- 
ständige Pulver  in  Wasser  vertheilt,  in  welches  Ammoniakgas 
geleitet  wurde,  wobei  die  Vanadinsäure  sich  löste  und  ein 
Rückstand  von  Kieselerde,  Phosphaten  u.  s.  w.  blieb.  Durch 
Eindampfen  der  Lösung  in  Platingefäfsen  wurde  reines  phos- 
phorfreies Ammoniumvanadat  erhalten. 

Eine  andere  Methode,  um  vollkommen  reine  Vanadinsäure 
zu  erhalten,  bestand  darin,  das  reine  Oxychlorid  mit  Wasser 
zu  zersetzen    und  das   ausgeschiedene    hell    orangefarbene 


Roscoe^  Untersuchungen  über   Vanadin.  85 

Puker  Ton  Yanadinsaure  zu  trocknen  und  dann  mit  Schwe- 
felsäure befeuchtet  der  Einwirkung  von  Fluorwasserstoff 
auszusetzen,  um  die  geringe  Menge  hartnäckig  anhaftender 
Kieselerde  zu  entfernen.  Der  Rückstand  wurde  erhitzt,  um 
die  Schwefelsäure  zu  verflüchtigen,  und  geschmolzen;  beim 
Erkalten  erstarrte  die  Hasse  zu  prachtigen  durchsichtigen 
Krystallen  von  reiner  Yanadinsaure. 

Es  scheint,  dafs  alle  Yanadinmineralien  mehr  oder  weni- 
ger Phosphor  enthalten,  und  schon  hieraus  scheint  eine  nahe 
Yerwandtschaft  zwischen  diesen  beiden  Elementen  hervorzu- 
gehen. —  Die  vollständige  Trennung  des  Yanadins  von  Phosphor 
ist  ziemlich  schwierig;  ist  viel  vom  letzteren  Elemente  vor- 
handen ,  so  gelingt  die  Trennung  am  Besten  dadurch ,  dafs 
man  die  unreine  Säure  mit  ihrem  gleichen  Gewichte  Natrium 
in  einem  eisernen  Tiegel  verpufil  und  den  Rückstand  mit 
VTasser  wascht,  bis  dasselbe  nicht  mehr  alkalisch  reagirt. 
In  einigen  Fällen  mufste  diese  Operation  dreimal  wiederholt 
werden,  ehe  die  Molybdänsäurereaction  keinen  Phosphor 
mehr  anzeigte.  Enthält  die  Säure  nur  Spuren  von  Phosphor, 
so  reicht  wiederholtes  Umkrystaliisiren  des  Ammoniumsalzes 
hin,  um  ein  Präparat  zu  erhalten,  in  welchem  man  durch 
Molybdänsäure  keinen  Phosphor  mehr  nachweisen  kann. 

Enthält  Yanadinsaure  mehr  als  ein  Procent  Phosphor- 
säure, so  nimmt  dieselbe  nach  dem  Schmelzen  keine  kry- 
stallinische  Beschaffenheit  an,  sondern  erstarrt  zu  einer  dun- 
kelglänzenden Masse  mit  muscheligem  Bruch.  Höchst  eigen- 
thümlich  ist  der  beschützende  Einflufs,  welchen  die  Phos- 
phorsäure auf  Yanadinsaure  bei  der  Reduction  mit  Wasserstoff 
ausübt.  Ein  Gemisch  von  Yanadinsaure  mit  1  pC.  Phosphor- 
söure,  welches  1,5888  Grm.  wog,  wurde  im  Wasserstoffstrome 
geglüht  und  verlor  nur  0,0007  an  Gewicht,  während  reine 
Yanadinsaure  einen  Verlust  von  0,2784  erlitten  haben  würde. 


86  Roscoe,   ünierBuchungen  Ober  Vanadin. 

in.       Ermittdung   des  Atomgewichtes    des    Vanadins    durch 
Beduction  des   Vanadinpentoxyds  mä   Wasserstoff. 

Um  das  Atomgewicht  des  Vanadins  zu  ermitteln,  erhitzte 
Berzelius  die  VanadinsSure  zu  Rothglühhitze  in  einem 
Wasserstoffstrome.  Diese  Methode  ist  sehr  zuverlässig  und 
giebt  sehr  genaue  Resultate ,  indem  das  reducirte  -  Trioxyd 
(Suboxyd  nach  Berzelius)  keine  weitere  Veränderung  er- 
leidet, wenn  man  die  Temperatur  bis  zur  hellen  Rothglühhitze 
steigert,  und  die  Reduction  des  Pentoxyds  zu  Trioxyd  schon 
bei  einer  viel  niedrigeren  Temperatur  vollständig  stattfindet 
Berzelius  fand  mittelst  dieses  Verfahrens  als  Atomgewicht 
die  Zahl  68^5;  der  richtige  Werth  ist,  wenn  man  die  nach- 
stehenden Versuche  nach  Berzelius*  Hypothese  berechnet, 
etwas  kleiner,  nämlich  67»3. 

Zu  einem  jeden  Versuche  wurden  immer  mehr  als  5  Grm. 
Pentoxyd  genommen  *) ;  die  Reduction  wurde  entweder  in 
einer  gebogenen  Röhre  von  schwer  schmelzbarem  Glase  vor- 
genommen ,  welche  in  einem  Hagnesiabade  erhitzt  wurde, 
und  welche  nach  wiederholtem  Erhitzen  nur  0,0001  Grm.  an 
Gewicht  verlor,  oder  das  Pentoxyd  wurde  in  ein  Platinschiffchen 
gebracht  und  dasselbe  in  eine  Verbrennungsröhre  einge- 
schoben. Vor  der  Reduction  wurde  das  fein  gepulverte  Vana- 
dinpentoxyd  erst  in  einem  trockenen  Luflstrome  so  lange 
gelinde  erwärmt,  bis  das  Gewicht  vollkommen  constant  ge- 
worden war.    Das  reducirte  Oxyd  wurde  in  dem  Wasser- 


*)  Um  übereinBtiinmende  Zahlen  bu  erhalten,  ist  es  durchaus  noth- 
wendig,  gröfsere  Mengen  anzuwenden,  ale  Berzelius  zu  seinen 
Versuchen  nahm.  Die  gröfste  Menge  Vanadinsäure ,  welche  er 
anwendete,  war  2,2666  Grm.  und  die  kleinste  0,6409.  Ein  Irrthom 
▼on  1  Milligrm.  hei  dem  ersten  Gewicht  yerursacht  eine  Varia- 
tion Ton  +,  0,2  im  Atomgewicht,  und  bei  dem  zweiten  eine  Ton 
^  0,7;  während  bei  Anwendung  Ton  6  Qrammen  derselbe  Irr- 
thum  nur  +,  0,086  yerursacht. 


■¥:.;  ^ 


BoscoBj  Untersuchungen  über   Vanadin.  87 

stoffstrome  vollkommen  erkalten  lassen^  und  dieses  Gas  so- 
dann darch  trockene  Luft  verdränget.  So  lange  das  reducirte 
Oxyd  noch  nicht  vollständig  erkaltet  ist,  absorbirt  es,  der 
Luft  ausgesetzt;  rasch  Sauerstoff,  fangt  an  zu  glühen  und 
verwandelt  sich  oberflächlich  in  das  blaue  Oxyd;  das  voll- 
kommen erkaltete  Oxyd  erleidet  keine  Veränderung  in  trocke- 
ner Luft  während  einiger  Zeit.  In  einem  Versuche  wurde 
der  Wasserstoff  statt  durch  Luft  durch  Stickstoff  verdrängt 
und  hierbei  genau  dieselbe  Zahl  erhalten,  wie  in  den  Ver- 
suchen, wo  Luft  angewendet  wurde. 

Die  gebogene  Glasröhre,  welche  das  reducirte  Oxyd 
enthielt,  wurde  wohl  verstopft,  in  den  Kasten  der  Wage 
gebracht  und  daselbst  vor  dem  Wägen  eine  halbe  Stunde 
gelassen.  Das  Platinschiffchen  wurde  nach  dem  Erkalten 
rasch  in  ein  Probirröhr chen  gebracht  und  dasselbe  gut  ver- 
stopft. Diese  Vorsichtsmafsregeln  sind  durchaus  nothwendig, 
um  genaue  Resultate  zu  erhalten,  indem  das  Trioxyd  sehr 
bygroscopisch  ist 

Der  Wasserstoff,  welcher  zur  Reduction  diente,  wurde 
auf  das  Sorgfältigste  gereinigt  und  getrocknet;  alle  Caout- 
cfaoucverbindungen  und  Korke  des  Apparates  wurden  mit 
Kupferdraht  fest  verbunden  und  mit  geschmolzenem  Paraffin 
überstrichen.  Das  Gas  wurde  durch  Lösungen  von  Silber- 
nitrat und  Natriumpyrogallat,  Natronlauge  und  Schwefelsäure 
geleitet,  ging  dann  durch  eine  rothgluhende 'Röhre,  welche 
Kupferdrehspäne  enthielt,  und  zuletzt  nochmals  durch  einen 
Trockenapparat.  Um  sich  zu  vergewissern,  dafs  kein  atmo- 
sphärischer Sauerstoff  in  den  Apparat  diffundire ,  wurde  das 
andere  Ende  der  Verbrennungsröhre  mit  einer  Röhre,  welche 
Phosphorpentoxyd  enthielt,  verbunden^  die  Verbrennungs- 
röhre erhitzt  und  sodann  4  Stunden  lang  Wasserstoff  durch 
den  Apparat  geleitet.  Die  Röhre,  welche  das  Phosphor- 
pentoxyd enthielt,  hatte  während  dieser  Zeit  nur  0,0002  Grm. 


88  Ro 8 coe,   Untersuchungen  über   Vanadin. 

an  Gewicht  zugenommen.  Um  den  Wasserstoff  zu  trocknen, 
kann  man  nur  durch  Kochen  concentrirte  Schwefelsäure  an- 
wenden. Bei  den  ersten  Versuchen  wurden  die  Trocken- 
röhren mit  Phosphorpentoxyd  gefüllt ;  in  keinem  dieser  Falle 
konnte  eine  vollständige  Reduction  erzielt  werden ;  das  Atom- 
gewicht wurde  stets  zu  hoch  gefunden.  Nach  vieler  Ifuhe 
und  Arbeit  ergab  sich  die  Ursache  davon  darin,  dafs  kleine 
Mengen  des  leichten  Phosphorpentoxyds ,  trotz  der  Baum- 
wollestopfen, durch  den  Gasstrom  zu  dem  Vanadinpentoxyd 
übergerissen  wurden.  Die  kleinste  Menge  Phosphorpentoxyd 
verhindert  aber  eine  vollständige  Reduction  des  Vanadinpent- 
oxyds. 

So  gaben  in  einem  Versuche  2,9232  Grm.  Vanadinpentoxyd  2,4840 
Vanadintrioxyd  oder  V  =  65,4. 

I 

Bei   einem  iweiten  Yersache    erhielt    man   aus  4,2826   Grm.    des 
Pentoxyds  8,6649  Trioxyd  oder  Y  =  55,4. 

Das  reducirte  Oxyd  wurde  auf  Phosphor  untersucht, 
wobei  sich  ergab,  dafs  die  oberen  Schichten  Phosphorpent- 
oxyd enthielten,  während  die  unteren  frei  davon  waren.  Um 
ferner  zu  zeigen,  wie  unvollständig  die  Reduction  des  phos- 
phorhaltigen  Oxyds  ist,  wurden  3,4886  Grm.  eines  solchen  in 
einem  trockenen  Chlorstrome  erhitzt;  es  blieben  2,165  Grm. 
Vanadinpentoxyd  zurück,  wahrend  bei  vollständiger  Reduction 
nur  1,407  hdtten  erhalten  werden  sollen. 

Es  wurden  nicht  weniger  als  9  Atomgewichtsbestimmun- 
gen mit  aller  möglichen  Sorgfalt  ausgeführt,  in  welchen  das 
Resultat  zwischen  52,2  und  65,4  schwankte,  welches  nur 
davon  herrührte,  dafs  die  Trockenröhre  Phosphorpentoxyd 
enthielt.  Sobald  diese  Fehlerquelle  aufgefunden  und  Schwe- 
felsaure als  Trockenmittel  substituirt  wurde,  fand  vollständige 
Reduction  statt  und  die  Resultate  wurden  constant  Nimmt 
man  als  Formel  der  Säure  V^Os  und  als  die  des  reducirten 


Eos  CO e,   Untersuchungen  über   Vanadin,  89 

Oxyds  VyOs,  so  erhalt  man  das  Atomgewicht  nach  folgender 
Gleichung  : 

_  8J6  b  —  3  a) 
*  "~         a~b       ' 

worin  a  das  Gewicht  der  angewandten  Saure  und  b  das  des 
reducirten  Oxyds  bedeutet. 
1.  Bestimmung. 
Die  Säure,  welche  für  diesen,  sowie  für  die  folgenden 
Versuche  benutzt  wurde,  war  durch  Rösten  von  Ammonium- 
yanadat  erhalten  worden.  Dieselbe  enthielt  Spuren  von 
Phosphor  und  Kieselerde.  Um  sie  davon  zu  befreien,  wurde 
sie  fein  gepulvert  mit  dem  gleichen  Gewichte  Natrium  in 
einem  eisernen  Tiegel  verpuflTl,  das  reducirte  Oxyd  sorg- 
fältig mit  Wasser  gewaschen  und  dann  mit  Salzsäure  be- 
handelt, um  Eisen  zu  entfernen.  Durch  Oxydation  mit  Sal- 
petersäure wurde  das  Oxyd  wieder  in  Vanadinsäure  ver- 
wandelt, dieselbe  im  Wasserstoffstrome  reducirt.  Durch 
Ueberleiten  von  Chlor  wurde  hieraus  das  Oxychlorur  darge- 
stellt, dasselbe  mehreremale  rectificirt  und  dann  durch  Was- 
ser zersetzt.  Die  so  erhaltene  Säure  wurde  getrocknet  und 
mit  concentrirter  reiner  Schwefelsäure  befeuchtet  in  einem 
Platingefäfse  10  Tage  lang  Fluorwasserstoffdämpfen  ausgesetzt. 
Die  so  gereinigte  Säure  wurde  geschmolzen ;  sie  gab  beim 
Erkalten  dunkelrothe  durchsichtige  Krystalle  von  5  bis  6 
Centimeter  Länge. 

Gewicht  des  Platinscbiffchens  nach   dem  ersten  Er- 
hitzen in  der  Luft  +  Röhre*) =  19,6287 


*)  Diese  Glasröhre  nebst  Stopfen  wurden  häufig  wieder  gewogen. 
Dieselben  hatten  nach  Beendigung  der  Versuchsreihe  nur  0,0004 
Grm.  abgenommen.  Dieses  Gewicht,  welche  die  Wage  noch 
ganz  gnt  anzeigte,  ist  ohne  Einflufs  auf  das  Endresultat.  Eine 
ähnliche  Abnahme  im  Gewichte  einer  rerstopften  Röhre  ist  von 
Stas  beobachtet  worden;  dieselbe  rührt  ron  der  Reibung  des 
Stopfens  her. 


nt  ■•••:='  "»^-^ 


90  RoacoCf  Untersuchungen  über  Vanadin. 

Gewicht  des  Platinscfaiffobons  nach  dem  sweiten  Er- 
hitzen in  der  Lnft  -|-  Rohre       =  19,6287 

Schiffchen ,    Röhre  und  Vanadinsäare  nach  einstün- 
digem Erhitzen  in  trockener  Luft =  27,368 

Schiffchen,  B5hre  und  Vanadinsäure' nach  zweistün- 
digem Erhitzen  in  trockener  Luft   .....=  27,3684 

Schiffchen,  Röhre  und  Vanadinstture  nach  dreistün- 
digem Erhitzen  in  trockener  Luft =  27,3684 

Gewicht  des  angewandten  Pentoxyds sc    7,7397. 

Nach  stattgehabter  Reduclion  wurde  nicht  eher  ge- 
wogen, bis  jede  Spur  Wasser  aus  der  Röhre  verschwunden 
war.  Zwei  Wägungen  reichen  daher  hin,  uro  zu  zeigen,  ob 
das  Gewicht  constant  geworden  ist. 

Schiffchen,   Röhre   und  reducirtes  Oxyd  nach  fünf- 
stündigem Erhitzen =  26,0120 

Schiffchen,  Röhre  und  reducirtes  Oxyd  3Vs  Stunden 

länger  erhitzt =  26,0114. 

Nach  obiger  Formel  berechnet  sich  hieraus  das  Atom- 
gewicht 51,267. 

2.  Bestimmung. 

Röhre  -f-  Schiffchen  nach   dem  ersten  Erhitzen   in 

Luft =  19,6268 

Röhre  -|-  Schiffchen   nach  dem  zweiten  Erhitsen  in 

Luft =r  19,6269 

Röhre  -f  Schiffchen  -|-  Sftnre   nach   2V4  stündigem 

Erhitzen =:  26,2074 

Röhre  -^  Schiffchen  -f  Sfture   nach  2Vtitündigem 

Erhitzen =  26,2077 

Gewicht  der  angewandten  S&ure    .......    =    6,5819 

Röhre  -f-  Schiffchen  -f  reducirtes  Oxyd  SVs  Stun- 
den im  Wasserstoff  erhitzt =  26,058 

Röhre  -^  Schiffchen   -|~   reducirtes  Oxyd   8  weitere 

Stunden  erhitzt   , =  25,0569 

Röhre  -\-  Schiffchen  -^   reducirtes  Oxyd   8  weitere 

Stunden  erhitzt :=  25,0560 

Röhre  -\-  Schiffchen  -}-  reducirtes  Oxyd   8  weitere 

Stunden  erhitzt =  25,0556. 

Aus  diesen  Zahlen  ergiebt  sich  das  Atomgewicht  zu 
51^91. 


Roscoe,  Untersuchungen  über  Vanadin.  91 

Um  dieses  Resultat  zu  bestätigen ,  wurde  das  reducirte 
Oxyd  durch  Erhitzen  in  einem  trockenen  Luflstrome  wie- 
der oxydirt;  die  pulverförmige  Saure,  welche  dadurch  er- 
halten wurde,  hatte  eine  glänzend  orangerotha  Farbe;  ihr 
Gewicht  kam  dem  der  ursprünglich  genommeaen  innerhalb 
Q»0004  nahe  : 

Platinscbiffchen,  Röhre  uod  Yanadinsftare  nach  14  stün- 

digem  gelindem  Erhitzen       26,2075 

Platinschiffchen,  Röhre  und  YanadinBAure  nach  8  stftn- 

digem  weiterem  Erhitssen 26,2073. 

3,  Bestimmung, 
Das  Pentoxyd,  welches  zu  diesem  Versuche  diente,  war 
durch  Zersetzen  von  Oxychlorid  von  einer  anderen  Dar- 
stellung mit  Wasser  erhalten  worden.  Es  war  frei  von 
Phosphor,  war  aber  nicht  mit  Fluorwasserstoff  behandelt 
worden.  Die  Reduction  wurde  in  einer  U  förmigen  Röhre 
von  hartem  Glase,  welche  in  einem  Magnesiabade  erhitzt 
wurde,  vorgenommen. 

Röhre  nach  dem  ersten  Erhitzen 88,4666 

Röhre  nach  dem  zweiten  Erhitzen 88,4667 

Röhre  und  Vanadinsäure  nach   einstündigem  Erhitzen 

in  trockener  Luft 48,6562 

Gewicht  der  angewandten  Sftnre 5,1895 

Röhre  und  redncirtes  Oxyd  nach  8  stündigem  Erhitzen 

im  Wasserstoff  Aber  8  Bunsen'schen  Brennern    42,7689 

Röhre  nnd  redncirtes  Oxyd  im  Yerbrennangsofen  er- 
hitzt    42,7678 

Röhre  nnd  redncirtes  Oxyd  nach  zweitem  Erhitzen         42,7511 

Röhre  und  redncirtes  Oxyd  nach  drittem  Erhitzen       .    42,7486. 

Hieraus  ergiebt  sich  das  Atomgewicht  zu  51,485. 

4«  Bestimmung. 
Für  diesen  Versuch   wurde  Oxychlorid   durch   Wasser 
zersetzt,  die  erhaltene  Saure  in  Ammoniumvanadat  verwan- 
delt ,  dieses  Salz  viermal  umkrystallisirt,  sodann  geröstet  und 


92  Roscoe^  Untersuchungen  über   Vanadin, 

der  Rückstand  mit  Salpetersaure  vollstfindig  oxydirt.  Die 
Säure  war  frei  von  Phosphor;  durch  Behandeln  mit  Fluor- 
wasserstoff wurde  jede  Spur  von  Kieselerde  entfernt.  Durch 
einen  besonderen  Versuch  wurde  ermittelt,  dafs  die  Schwe- 
felsäure, womit  die  Yanadinsäure  befeuchtet  wurde,  ehe  man 
sie  den  Flufssäuredämpfen  aussetzte,  beim  nochmaligen 
Glühen  vollständig  entweicht. 

Constantes  Gewicht  der  Röhre  und  des  SchiffohenB    .     25,2680 

Dieselben  mit  Pentozyd   nach  dem  ersten  Erhitzen  in 

Luft 30,3109 

Dieselben  mit  Pentozyd  nach  dem  zweiten  Erhitzen  in 

Luft 30,8074 

Dieselben  mit  Pentozyd  nach  dem  dritten  Erhitzen  in 

Luft 30,3088 

Dieselben  mit  Pentoxyd  nach  dem  Yierten  Erhitzen  in 

Luft 30,3080 

Gewicht  des  Vanadinpentozyds 5,0450 

Rdbre  und  Schiffchen  mit  reducirtem  Oxyd  nach  dem 

ersten  Erhitzen 29,4290 

Röhre  und  Schiffchen  mit  reducirtem  Oxyd  nach  dem 

zweiten  Erhitzen       29,4252 

Röhre  und  Schiffchen   mit  reducirtem  Oxyd  nach  dem 

dritten  Erhitzen 29,4244 

Röhre  und  Schiffchen  mit  reducirtem  Oxyd  nach  dem 

vierten  Erhitzen 29,4244. 

Hieraus  ergiebt  sich  das  Atomgewicht  zu  51,353. 

Das  reducirte  Oxyd  wurde  in  einem  trockenen  Luft- 
strome durch  gelindes  Erhitzen  wieder  oxydirt;  der  Apparat 
erlangte  das  constante  Gewicht  30,3074,  welches  innerhalb 
0,0006  6rm.  das  ursprüngliche  ist. 

Das  Mittel  aus  diesen  vier  Versuchen  ist  51,371.  Das 
Atomgewicht  des  Vanadins  aus  der  Reduction  des  Pentoxy  des 
zu  Trioxyd  kann  man  daher  gleich  51,4  setzen ,  mit  dem 
wahrscheinlichen  Fehler  ±  0,07. 


Roscoe,    Ünl  er  stichungen  über   Vanadin.  93 

1.  Bestimmung    51,257  Abweichoog  vom  Mittel    —  0,114 

2.  ,  51,391                              „                n  n  +  0,020 

3.  „  51,486                            ,               „  ,  +0,114 

4.  „  51,358                            „               ^'  ^  ^  0,018 
Mittel  51,371  Mittlerer  Fehler  ±_  0,066. 

Das  Mittel  aus  den  Versuchszahlen  von  B  e  r  z  e  I  i  u  s  ist  für 
VgOö  berechnet  52,55,  mit  dem  wahrscheinlichen  Fehler  von 
0^2;  wahrend  die  spateren  Bestimmungen  von  Czudno- 
wicz  die  höhere  Zahl  55,35  mit  einem  wahrscheinlichen 
Fehler  von  2,33  ergeben. 

Die  Thatsache,  dafs  diese  alteren  Versuche  eine  höhere 
Zahl  als  die  von  mir  gefundene  ergeben,  deutet  entweder 
darauf  hin,  dafs  die  angewandte  Saure  noch  niedere  Oxyde 
enthielt,  oder,  was  wahrscheinlicher  ist,  dafs  dieselbe  nicht 
vollständig  reducirt  wurde.  Es  wurde  schon  oben  darauf 
hingewiesen,  dafs  die  geringste  Spur  Phosphor  die  vollstän- 
dige Reduction  des  Pentoxyds  zu  Trioxyd  verhindert.  Alle 
in  der  Natur  vorkommenden  Vanadinerze  enthalten  aber 
Phosphor,  welcher,  wenn  nur  in  kleiner  Menge  vorhanden, 
nur  durch  Molybdänsäure  nachgewiesen  werden  kann,  eine 
Reaction,  welche  zu  Berzelius'  Zeit  nicht  bekannt  war. 
Da  nun  eine  vollständige  Trennung  von  Vanadin  und 
Phosphor  mit  vielen  Schwierigkeiten  verbunden  ist,  so  darf 
man  wohl  mit  Recht  annehmen,  dafs  die  höhere  Zahl,  welche 
der  berühmte  schwedische  Chemiker  fand,  davon  herrührt, 
dafs  seine  Vanadinsäure  Phosphor  enthielt*). 


*)  Seitdem  ich  das  Obige  niedergeschrieben,  habe  ich  eine  kleine 
Menge  von  Ammoniummetayanadat  erhalten,  welches  1831  Ber- 
selins  au  Faraday  geschickt  hat.  Dieses  Präparat  ist  jetzt 
im  Besitze  meines  Freundes  Frankland.  Derselbe  war  so 
gfitig ,  mir  Etwas  davon  abzugeben ,  um  es  auf  Pbosphorsäure 
zu  untersuchen.  Die  klare  Lösung  des  Salzes  gab  mit  Molyb- 
dänsftureldsung  bei  gelindem  Erw&rmen  den  charaoteristischen 
gelben  Niederschlag;   derselbe  wurde  gewaschen,    in  Ammoniak 


94  Boscoe,   Untersuchungen  über   Vanadin. 

IV.     Die  Oxyde  des   Vanadins. 

Berzelius  bestimmte  die  Zusammensetzung  von  drei 
Oxyden  des  Vanadins. 

1)  Das  Suboxyd,  welches  durch  Reduction  der  Saure 
in  Wasserstoff  entsteht.  Berzelius  nahm  in  dieser  Ver- 
bindung ein  Atom  Sauerstoff  und  ein  Atom  Vanadin  an  und 
gab  ihm  daher  die  Formel  VO  =  76.5. 

2)  Ein  Oxyd  von  der  Formel  VO2  =  84,5.  Diese  For- 
mel leitete  er  aus  der  Analyse  eines  wasserhaltigen  Sulfates 
ab,  sowie  aus  der  des  präcipitirten  Oxyds,  welches  im  luft- 
leeren Räume  getrocknet  worden  war. 

3)  Vanadinsfiure  VOs  =:  92,5,  welche  dreimal  so  viel 
Sauerstoff  als  das  Suboxyd  enthält. 

Aufserdem  erwähnt  Berzelius  noch  einige  dazwischen 
liegende  Oxyde,  welche  er  aber  weder  isolirte,  noch  ana- 
lysirte.  Die  drei  erwähnten  Oxyde  existiren  und  besitzen 
im  Allgemeinen  die  von  Berzelius  angegebenen  Eigen- 
schaften; aber  sie  alle  enthalten  in  jedem  Atom  von  Ber- 
zelius' Vanadin  (68,5)  noch  ein  Atom  Sauerstoff  (0  =  16)^ 
dessen  Gegenwart  Berzelius  nicht  vermuthete.  Aufser 
diesen  Oxyden  giebt  es  noch  ein  sauerstoffärmeres,  welches 
das  Atomgewicht  des  metallischen  Vanadins  von  Berze- 
lius hat  und  welches  die  Rolle  eines  zusammengesetzten 
Radicales  spielt.  Man  kann  dasselbe  mit  dem  Namen  Vana- 
dyl  bezeichnen* 

Wir  haben  demnach  folgende  Oxyde  (V  =  51,3)  : 


gelöst  und  die  Lösang  mit  Magnesiumsolfat  u.  s.  w.  Tersetst, 
wodurch  ein  nicht  unbeträchtlicher  Niederschlag  von  Ammonium- 
Maguesiumphosphat  erhalten  wurde.  Das  obige  Vanadat  ist 
demnach  stark  mit  Phosphorsilure  verunreinigt  Es  versteht  sich 
von  selbst,  dafs  das  Präparat  auf  Arsen  geprüft  wurde  und 
keine  Spur  desselben  nachgewiesen  werden  konnte. 


Roscoe,   Untersuchungen  über   Vanadin.  95 

1)  Yiuiadindioxyd  oder  Vanadyl  Yfi^, 

2)  Yanadintrioxyd  (Subozyd  von B er« e Hub)  VjOb  oder  VjOj  +  0. 
8)     Vanadintetroxyd  V,04  oder  V,0,  +  O,. 

4)     Vanadin  pentoxyd  (Yanadins&ure)  YgOs  oder  YjOs  -|-  Og. 

1)  Vanadin dioxyd  oder  Vanadyl  \%0i.  —  In  seinem 
Bestreben,  sich  mit  Sauerstoff  zu  verbinden,  übertrifft  das 
Vanadin  sogar  das  Uran.  Wie  dieses  letztere  Metall  (siehe 
Peligot,  Ann.  chim.  phys.  [3],  Tomes  V  et  XII),  so  lafst 
sich  auch  das  Vanadin  nur  mit  der  gröfsten  Schwierigkeit 
von  dem  letzten  Sauerstoffatome  losreifsen^  und  das  niederste 
Oxyd  hat  ein  so  grofses  Bestreben,  als  Radical  in  viele  Ver- 
bindungen einzutreten,  dafs  man  dasselbe  mit  Recht  als  das 
Radical  Vanadyl  bezeichnen  kann.  Vanadindioxyd  wird  im 
trockenen  Zustande  als  ein  graues  metallglanzendes  Pulver 
erhalten,  wenn  man  den  Dampf  des  Vanadyltrichlorids 
(VOCU)  mit  einem  Ueberschusse  von  Wasserstoff  gemischt 
durch  eine  mit  Kohle  gefüllte  rothgluhende  Verbrennungs- 
röhre leitet.  Chlorarmere  feste  Oxychloride  setzen  sich  bei 
dieser  Reaction  im  dufseren  Ende  der  Röhre  ab^  während 
das  Monoxyd  als  ein  glänzend  metallisch  graues  Pulver^  mit 
dem  Ueberschufs  von  Kohle  gemischt,  zurückbleibt.  Erhitzt 
man  dieses  Gemisch  heftig  in  einem  Wasserstoffstrome,  so 
wird  jede  Spur  von  Chlor  ausgetrieben  und  ein  reines  Ge- 
misch von  Dioxyd  und  Kohle  bleibt  zurück.  Das  Vanadin- 
dioxyd löst  sich  unter  Entwickelung  von  Wasserstoff  in  ver- 
dünnten Säuren  und  bildet  dne  lavendelblaue  Lösung,  welche 
organische  Farbstoffe  durch  Reduction  bleicht.  In  Wasser 
ist  es  unlöslich. 

Anabfte  i. 
0,8660  Grm.  eines  Gemisches  von  Eoble  und  Vanadindioxyd 
wurden  mit  Salzsäure  behandelt,  die  Kohle  auf  einem  gewoge- 
nen Filter  ausgewaschen  und  bei  120°  getrocknet;  dieselbe 
wog  0,6126.  Das  Filtrat  wurde,  mit  Salpetersaure  yersetzt, 
zur  Trockne  Terdampft.  Der  Rückstand  wog  nach  dem 
Schmelzen  0,8605. 


.'vi*..»-.«5>  . 


96  Roacoe^   Untersuchungen  über    Vanadin. 

Analyse  2. 
0,0996  Grm.  desselben  Gemische«  wurden  in  einem  Sanentoffistrome 
erhitzt,    die  Kohlensäure   in   einem  Kaliapparate  aufgefangen 
and  die  Kuruokbleibende  Vanadinsäure  gewogen.     Es  wurden 
erhalten  : 

Kohlensäure  0,2482 

Vanadinsäure  0,0416. 

Der  Procentgehalt  an  Vanadindioxyd  ist  daher  im  grauen 

Pulver  : 

I.  IL 

106,8  96,1. 

Vanadindioxyd  in  Lösung.  —  Vanadinpentoxyd  wird 
von  kochender  concentrirter  Schwefelsaure  mit  dunkelrother 
Farbe  gelöst.  Verdünnt  man  diese  Lösung  mit  der  fünfzig- 
fachen  Menge  Wasser  und  erwärmt  dieselbe  gelinde  mit 
Zink,  so  ändert  sich  die  Farbe  der  Flüssigkeit  rasch  und 
geht  durch  alle  Schattirungen  von  Blau  und  Grün,  bis  sie 
endlich  eine  bleibende  violette  oder  Lavendelfarbe  annimmt. 
Die  Lösung  enthalt  sodann  Dioxyd  als  schwefelsaures  Salz. 
Diese  Verbindung  absorbirt  Sauerstoff  mit  solcher  Gierigkeit, 
dafs  sie  Indigo  und  andere  Pflanzenfarben  so  rasch  wie 
Chlor  bleicht,  und  ihre  Wirkung  scheint  kräftiger  wie  die 
irgend  eines  anderen  reducirenden  Mittels  zu  sein.  Um  die 
Oxydationsstufe  des  gelösten  Vanadins  festzustellen,  wurde 
titrirte  Kaliumpermanganatlösung  so  lange  hinzugesetzt,  bis 
eine  bleibende  röthliche  Färbung  eintrat. 

Versuche,  welche  mit  Vanadintrioxyd,  dessen  Zusammen- 
setzung auf  anderem  Wege  ermittelt  worden  war,  gemacht 
wurden ,  haben  gezeigt ,  dafs  sich  hierbei  Vanadinpentoxyd 
bildet,  und  dafs  wenn  Schwefelsaure  im  Ueberschufs  vor- 
handen ist,  man  sehr  genaue  Resultate  erhält  *). 


*)  Diese  Methode  der  Analyse  wurde  von  Czudnowics  Yorge- 
schlagen  (Pogg.  Ann.  CXX,  87).  Die  Resultate,  welche  er  er- 
hielt, stimmt  indessen  durchaus  nicht  mit  den  meinigen.  Der- 
selbe erhielt  keine  violette  Lösung  bei  der  Einwirkung  Ton  Zink, 
indem  er  die  Reductiou  nicht  lange  genug  andauern  liefs. 


Roseoe,   Untersuchungen  über   Vanadin,  97 

Der  Titer  der  Kaliumpermanganallösiing ,  welche  ans 
reinen  Krystallen  bereitet  worden  war,  wurde  sowohl  mittelst 
Eisen ,  als  auch  mittelst  Oxalsäure  festgestellt.  1  CG.  ent- 
sprach 0,001413  Grm.  Sauerstoff  im  Mittel  von  drei  gut  stim* 
menden  Versuchen  : 

1.  2.  8. 

Gewicht  des  angewandten  Yanadinpentoxyds     0,1088    0,0968    0,1672 

CO.  der  Permanganatlösnng  19,4        18,2        81,6 

Sanerstoffrerliut  auf  100  Theile  des  Pentozyds    26,4        26,6        26,6. 

100  Theile  Pentoxyden  geben,  zu  Dioxyd  reducirt, 
26,3  Th.  Sauerstoff  ab ;  die  Hittelzahl  aus  obigen  Versuchen 
ist  26,53.  —  Um  diese  Analysen  zu  controliren,  wurde  eine 
frische  Permanganatlösang  dargestellt.  1  CC.  derselben  ent- 
sprach 0,001301  Grm.  Sauerstoff. 

0,1897  Grm.  Yanadinpentoxyd  in  Schwefelsäure  gelöst  nnd  doroh 
Zink  reducirt  erforderten  zur  Oxydation  27,7  CC.  obiger 
Lösong,  entsprechend  25,8  Th.  Sanerstoflf  aaf  100  Th.  der 
angewandten  Substanz. 

Um  über  die  Zuverlafslichkeit  dieser  Methode  keinen 
Zweifel  zu  lassen ,  wurde  0,1  Grm.  Yanadinpentoxyd  in 
Schwefelsäure  gelöst  und  zu  der  mit  Wasser  verdünnten 
Lösung  Permanganatlösung  zugesetzt,  bis  deutliche  Rothfarbung 
eintrat;  es  waren  dazu  0^3  CC.  erforderlich.  5  Grm.  des 
zur  Reduction  dienenden  Zinks  wurden  in  Schwefelsaure 
gelöst;  diese  Lösung  wurde  durch  einen  Tropfen  der  Per- 
manganatlösung deutlich  geröthet. 

Die  schwefelsaure  Lösung  des  Vanadinpentoxyds  wird 
durch  Cadmium  und  durch  Natriumamalgam  auf  dieselbe  Weise 
wie  durch  Zink  in  die  violette  des  Dioxyds  verwandelt. 
Bei  der  Reduction  mit  Cadmium  wurden,  um  die  Wasserstoff- 
entbindung  zu  erleichtern,  Platinschnitzel  zugesetzt. 

Reduction 
darch  Cadmium      durch  Natriumamalgam 
Gewicht  Ton  VjO»  0,0897  0,0681 

CC.  ▼onKMnO^  (1  CC.  =  0,001413  0)     16,4  12,8 

SauerstofipTerlast  auf  100  yfi^  25,8  26,6. 

Die  Mittelsahl  aus  den  6  Analysen  iat  26,8. 

Annal.  d.  Chem.  a.  Pb«nn.  VI.  Sapplementbd.  1.  Hell.  7 


98  Roacoe,   Untersuchungen  über   Vanadin, 

Die  violette  Lösung  enthfilt  sehr  wahrscheinlich  Vana- 
dinsalfat  oder  Schwefelsäure,  in  welcher  1  oder  mehrere 
Atome  Wasserstoff  durch  das  Mtftall  ersetzt  sind.  Die  For- 
mel für  diese  Salze  ist  durch  weitere  Versuche  noch  fest- 

« 

zustellen. 

Setzt  man  zu  der  Flüssigkeit  Ammoniak  oder  Ealilauge, 
so  erhält  man  einen  braunen  Niederschlag  von  Vanadin- 
hydroxyd, welches  augenblicklich  Sauerstoff  absorbirt 

Setzt  man  die  möglichst  neutralisirte  Lösung  des  Hon- 
oxyds  einige  Secunden  der  Luft  aus,  so  ffirbt  sie  sich  rasch 
dunkelchocoladebraun.  Diese  Parbenveranderung  findet  so 
schnell  statt,  wenn  die  freie  Säure  durch  Zink  nahezu  neu- 
tralisirt  ist,  dafs  dieselbe  ein  vortreffliches  Reagens  auf 
freien  Sauerstoff  abgiebt,  welches  in  Nichts  einer  alkalischen 
Pyrogallussäurelösung  nachsteht. 

Leitet  man  einen  Luflstrom  durch  die  saure  Lösung  des 
Dioxyds,  so  verändert  die  Flüssigkeit  ihre  Farbe  alkndiig 
zu  einem  reinen  Blau  und  enthält  alsdann  Vanadintetroxyd. 
Die  braune  Lösung,  welche  sich  bildet,  wenn  die  neutrale 
Lösung  der  Luft  ausgesetzt  wird,  enthält  Vanadintrioxyd ; 
auf  Zusatz  einer  Säure  wird  dieselbe  gVun. 

Den  Punkt,  wenn  die  Flüssigkeit  anfängt  organische 
Farbstoffe  zu  bleichen,  kann  man  leicht  feststellen,  indem 
man  dieselbe  von  Zeit  zu  Zeit  mit  Lackmuspapier  prüft 

Bei  der  Farben  Veränderung,  welche  die  Lösung  des 
Pentoxyds  unter  Elnflufs  von  Zink  erleidet,  kann  man  8  Phasen 
unterscheiden  : 


Farbe 

Reaction 

Oxydationsstnfe 

1)            grün 

saaer 

Pentozyd  und  Tetroxyd 

2)        blaugrün 

ff 

ff            ff          ff 

8)            blaa 

11 

Tetroxyd 

4)    grflnlich-blau 

9 

Tetrozyd  und  Trioxyd 

5)            grün 

bleicht  schwach 

Triozyd  mit  wenig  Dioxyd 

6)  grünlich-Tiolett 

bleicht  stark 

Trioxyd  and  Dioxyd 

7)  bmolich-riolett 

* 

ff          ff          « 

8)         Yiolett 

9 

Dioxyd. 

Roacoe,  Untersuchungen  über   Vanadin.  99 

Die  Flüssigkeit  wirkt  demnach  bleichend,  sobald  die 
Bildung  des  Dioxyds  anfangt.  Ein  quantitativer  Versuch 
zeigte^  dafs  die  bleichende  Wirkung  der  Lösung  aufhört, 
wenn  100  Theile  Dioxyd  9,5  Tbeile  Sauerstoff  aufgenommen 
haben;  zur  vollständigen  Ueberführung  in  Trioxyd  sind  11,9 
Theile  Sauerstoff  erforderlich.  —  Die  leichte  Reduction  des 
Vanadinpentoxyds  durch  Zink  in  Dioxyd,  dessen  Menge  durch 
Permanganat  genau  festgestellt  werden  kann,  giebt  eine  ein- 
fache Methode  zur  quantitativen  Bestimmung  von  Vanadin  bei 
Gegenwart  anderer  Metalle. 

2)  Vanadintrioxyd  (Suboxyd  von  Berzelius),  VjOs.  — 
Das  wasserfreie  Trioxyd  wird  bekanntlich  dadurch  erhalten^ 
dafs  man  Vanadinpentoxyd  durch  Wasserstoff  bei  Rothglüh- 
hitze reducirt.  Man  kann  dasselbe  im  Wasserstoffstrome  zu 
Weifsgluth  erhitzen,  ohne  dafs  ein  Gewichtsverlust  stattfindet. 

0,411  Grm.  Vanadinpentoxyd  worden  durch  Wasserstoff  reducirt 
nnd  dabei  zwei  Stunden  lang  in  einem  Windofen  zur  Weifs- 
gluth erhitzt;  es  worden  0,366  Trioxyd  erhalten,  anstatt  der 
berechneten  Menge  0,868. 

Berzelius  hat  die  Eigenschaften  dieses  Oxyds  genau 
und  vollständig  beschrieben;  ich  habe  seinen  Angaben  nur 
noch  hinzuzufügen,  dafs  dasselbe  sich  nicht  nur  unter  Glühen 
oxydirt^  wenn  man  es  noch  warm  der  Luft  aussetzt,  sondern 
dafs  es  auch  bei  gewöhnlicher  Temperatur  langsam  Sauer- 
stoff aufnimmt.  Nach  mehreren  Monaten  verwandelt  sich 
das  schwarze  amorphe  Trioxyd  unter  Aufnahme  eines  Atoms 
Sauerstoffs  in  kleine  indigoblaue  Krystalle  von  Tetroxyd. 

Vanadintrioxyd  in  Lösung,  —  Das  Trioxyd  ist  unlöslich 
in  Säuren;  es  lafst  sich  aber  auf  folgende  Weise  in  Lösung 
bringen.  Man  setzt  zu  der  verdünnten  schwefelsauren  Lösung 
des  Pentoxyds  einen  Ueberschufs  von  Magnesium.  Die  Far* 
benveranderung,  welche  eintritt,  ist  dieselbe,  wie  bei  der 
Reduction  mit  Zink,  Cadmium  und  Natriumamalgam,  geht  aber 

7* 


100  Roscoe,  Untersuchungen  über   Vanadin. 

nicht  bis  Violett,  sondern  bleibt  bei  Grün  stehen,  und  die 
Lösung  enthalt  alsdann  Vanadintrioxyd.  —  Um  sich  zu  Yer- 
gewissern,  dafs  die  oben  beschriebene  Methode  der  Analyse 
durch  Oxydation  mit  Permanganat  zuverlässig  ist,  wurden 
0,4043  Grm.  Vanadinpentoxyd  durch  Wasserstoff  reducirt 
und  das  reducirte  Trioxyd  in  eine  Kochfiasche  gebracht, 
welche  verdünnte  Schwefelsäure  enthielt  und  mit  Kohlen- 
saure gefüllt  war.  Auf  Zusatz  der  titrirten  Permanganat- 
lösung  trat  rasche  Oxydation  ein,  und  das  gebildete  Pent* 
oxyd  löste  sich  in  der  Schwefelsaure.  Es  wurden  zur  voll- 
ständigen Oxydation  50,4  CG.  Permanganatlösung  (1  CG. 
=  0,001413  Grm.  0)  verbraucht,  was  21,35  pG.  Sauerstoff 
entspricht,  vvahrend  die  Theorie  21,24  pG.  verlangt. 

Das  durch  Reduction  mit  Magnesium  in  Lösung  erhaltene 
Trioxyd  wurde  mit  derselben  Permanganatlösung  oxydirt 
mit  den  nachfolgenden  Resultaten  : 

1.  2.  8.  4. 

Gewicht  des  Vanadinpentoxyds        0,0759    0,1598    0,1025    0,1187 

CG.  der  PermanganaÜösuDg  9,4        19,6        18,0         15,0 

SauerstoffVerlust  auf  100  Th.  des 

Pentozyds  17,5        17,88       17,9         17,9 

SauerstoffYerlust  aaf  100  Th.  des 

Pentoxyds  berechnet  17,5  —         —  — 

Eine  Lösung  des  Trioxyds  kann  ferner  dadurch  erhalten 
werden,  dafs  man  die  violette  Lösung  des  Dioxyds  durch  einen 
Ueberschufs  von  Zink  neutraiisirt ,  und  nachdem  man  das 
Qberschässige  Zink  entfernt  hat,  einen  Luflstrom  durch  die 
Lösung  leitet,  bis  dieselbe  eine  dunkelbraune  Farbe  ange- 
nommen, welche  auf  Zusatz  einiger  Tropfen  Sdure  in  Gräo 
übergeht,  und,  wie  folgende  Analysen  zeigen,  Trioxyd  enthält 

1)  Durch    die    yiolette   Lösung,    welche    durch   Reduction    Ton 

0,1672  Grm.  ^%0^  erhalten  worden,  wurde  eine  Stunde 
lang  Luft  geleitet  Zur  Oxydation  wurden  21,9  CC.  der 
obigen  Permanganatlösung  verbraucht. 

2)  Eine  Lösung,   welche  aus  0,1652  Grm.  VgOe   bereitet  worden 

war,  wurde  ozjdirt,  indem  man  Luft  4  Stunden  lang  durch- 


Roacoßj   Untersuchungen  über   Vanadin.  101 

leitete.    Zur  Oxydation  waren  21,0  CG.  der  Permanganat- 
lösong  (1  CG.  =  0,001320  Qtxm.  O)  erforderlich. 

Hiernach  nahmen  100  Theile  des  Dioxyds  im  ersten  Falle 
13,05  pC.  und  im  zweiten  12,96  pC.  Sauerstoff  auf;  die  be- 
rechnete Menge  ist  11,9  pC. 

Wie  schon  erwähnt  ist  die  neutrale  Lösung  des  Trioxyds 
braun  und  wird  durch  Sauren  grün;  beide  Lösungen  ent- 
halten dasselbe  Oxyd.  Eine  braune  Lösung  wurde  in  zwei 
gleiche  Theile  getheilt,  der  eine  mit  Säuren  versetzt  und  beide 
durch  Permanganat  oxydirt.  Die  braune  nahm  12,13  pC.  und 
die  grüne  10,82  pC.  Sauerstoff  auf. 

Wirkung  von  Chlor  auf  Vanadmtrioxyd,  —  Berze- 
lios  gab  diesem  Oxyd  die  Formel  VO  (V  ==  68,5),  welche 
er  aus  der  Veränderung,  die  es  bei  Einwirkung  von  Chlor 
erleidet,  ableitete.  Es  wurde  schon  oben  erwähnt,  dafs  das 
bei  dieser  Reaction  sich  bildende  Chlorid  ein  Oxychlorid  ist 
und  die  stattfindende,  Zersetzung  durch  folgende  Gleichung 
ausgedruckt  wird  : 

8  v,o,  +  6  Gl,  =  VjOg  +  4  voa». 

Um  die  Reinheit  des  durch  Reduction  erhaltenen  Trioxyds 
zu  prüfen,  wurde  eine  gewogene  Menge  desselben  in  einem 
trockenen  Chlorstrome  erwärmt  und  das  zurückbleibende 
Pentoxyd  gewogen  : 

1)  4,6004  Grm.  V^Og  gaben  1,8807  YgO»  anstatt  1,8597.  ' 

2)  2,686  Grm.  V^Os  gaben  0,992  Yfi^  anitatt  1,0858. 

Die  .  in  der  grünen  Lösung  enthaltene  salzartige  Ver- 
bindung ist  bis  jetzt  nicht  isolirt  worden ;  ihre  Formel  konnte 
daher  noch  nicht  festgestellt  werden. 

3)  Vanadintetroosyd  ^  VgOi.  —  Die  wasserfreie  Verbin- 
dung erhielt  Rerzelius,  indem  er  die  schwefelsaure  Lösung 
mit  Natriumcarbonat  fällte  und  den  Niederschlag  im  luftver- 
dännten  Räume  trocknete.  Er  'fand ,  dafs  100  Theile  der- 
selben in  Wasserstoff  rjeducirt  90,67  seines  Suboxyds  hinter- 


102  Rosöoe,   Untersuchunpen  über   Vanadin. 

liefsen,  und  schlofs  hieraus,  dafs  das  „Vanadinoxyd^  doppelt 
so  viel  Sauerstoff  enthalte^  als  das  Suboxyd,  und  g^ab  ihm  die 
Formel  VO«. 

Wie  oben  schon  erwähnt,  läfsi  sich  das  wasserfreie 
Tetroxyd  auch  dadurch  erhalten,  dafs  man  das  Trioxyd  meh- 
rere Monate  lang[  der  Einwirkung  des  atmosphärischen  Sauer- 
stoffs aussetzt. 

1,1686  Grm.  der  so  erhaltenen  blauen  Krystalle,-  welche  unter  der 
Glocke  der  Luftpumpe  Yollkommen  getrocknet  waren,  gaben 
beim  Erhitzen  an  der  Luft  1|2688  Vanadinpentoxyd  oder 
nahmen  8,57  pC.  Sauerstoff  auf,  statt  der  berechneten  9,69  pC. 

Am  13.  November  1866  wurden  0,7507  Grm.  des 
schwarzen  Vanadintrioxyds  der  Luft  augg^esetzt  und  von  Zeit 
zu  Zeit  g^etrocknet  und  wieder  gewogen. 

Am  4.  Februar  1867  hatte  es  seine  Farbe  in  Schwarz- 
blau verändert  und  wog  nun  0,8112  Grm. 

Am  25.  März  1867  wog  es  0,8267  Grm.  und  hatte  nun 
10,13  pC.  Sauerstoff  aufgenommen,  oder  nahezu  1  Atom,  für 
welches  sich  11,87  pC.  Sauerstoff  berechnen.  Seine  Farbe, 
welche  jetzt  dunkelblau  war,  änderte  sich  bei  weiterer  Ein- 
wirkung in  dunkles  Olivengrön,  was  auf  Aufnahme  von 
Wasser  und  Bildung  eines  Hydrats  beruht. 

Vanadintetroxyd  in  Lösung.  —  Die  Lösungen  dieses 
Oxyds  in  Säuren  sind  rein  blau  gefärbt.  Man  erhält  dieselben 
durch  Reduction  der  Lösung  des  Pentoxyds  in  Schwefelsäure 
vermittelst  schwefliger  Säure,  Schwefelwasserstoff  und  wahr- 
scheinlich auch  Oxalsäure,  Alkohol  und  Zucker,  oder  indem 
man  die  saure  Lösung  der  niederen  Oxyde  durch  einen 
Luftstrom  oxydirt. 

Um  die  durch  Reduction  durch  Schwefelwasserstoff  und 
durch  schweflige  Säure  erhaltene  Oxydationsstufe  zu  bestim- 
men, wurde  die  Lösung  in  einer  Atmosphäre  von  Kohlensäure 


Rosooej   Untersuchungen  über   Vanadin^  103 

Cfekocht,  um  den  Uebersobufs  des  redvcirenden  Mittels  zu 
entfernen ,  und  nach  dem  Erkalten  mit  Permanganat  oxydirt. 

Darch  schweflige  Bäure  reducirt 
1.  2.  3. 

Gewicht  ron  V,05  0,1062      0,1106      0,1060 

CC.  Permanguiat  (1  CC.=: 0,001418  Gnn.)    6,7  7,0  6,8 

Baaerstoffyerlast  auf  100  Theile  V,05  8,91  8,94  8,97 

Durch  Schwefelwasserstoff  redacirt 
4.  6.  6. 

Gewicht  Ton  V^Ob  0,1248      0,1489      0,1289 

CC.  Permanganat  (1CC.  =  0,001413  Orrn.)     8,8  9,6  7,9 

Sanerstoffyerlast  auf  100  Theile  ¥,0,  9,39  9,01  9,00. 

Das  Mittel  aus  diesen  Zahlen  ist  9,03;  die  Rechnung 
verlangt  8,75  pG. 

0,1149  Gnn.  Vanadinpentozyd  wurden  dnreh  Zink  redacirt  und 
durch  die  saure  Lösung  ein  Luftstrom  wfthrend  15  Stunden 
geleitet.  Es  wurden  9,6  00.  Permanganatldsung  rerhraucht 
(1  00.  =  0,00182  Grm.). 

0,0919  Grm.  des  Pentoxyds  eben  so  behandelt  verlangten  6,8  CO. 
2ur  ToUstftndigen  Wiederoxydation. 

Hiemach  nahmen  100  Theile  des  Dioxyds  im  ersten  Fi^Ue  20,9 
und  im  sweiten  23,4  Theile  Bauerstoff  auf,  während  sich 
28,78  berechnen. 

Das  Sulfat,  welches  man  durch  Verdampfen  der  blauen 
Lösung  erhält,  wurde  von  Berzelius  analysirt.  Man  kann 
dasselbe  als  Vanadylsulfat  betrachten,  oder  Schwefelsäure,  in 
welcher  Wasserstoff  durch  das  Radical  VO  ersetzt  ist  : 

4)  Vanadinpentozyd  ( Vanadinaäure)  j  VgOs.  •—  Die 
Eigenschaften  dieses  Oxyds  hat  Berzelius  ausführlich  be- 
schrieben. Nordenskiöld  hat  später  noch  die  Krystallform 
(rhombisches  Prisma)  bestimmt  *),  In  der  vorliegenden  Hit- 
theilung  beabsichtige  ich,  die  Eigenschaften  und  die  Zusam- 


*)  Pogg.  Annr  CXU,  leO. 


104  Boseoe,  Untersuchungen  über   Vanadin, 

mensetzung  dieses  Oxyds  und  der  Vanadate  nur  in  so  fern 
zu  besprechen,  als  es  noth wendig  ist,  um  das  wahre  Atom- 
gewicht des  Metalls  zu  bestimmen. 

Constitution  der  sogenannten  Monovanadate,  —  Die  Ana- 
lysen des  Ammonium-  und  Baryumvanadats ,  welche  Ber- 
zelius  ausgeführt  hat,  genügen,  um  die  Constitution  dieser 
Salze  festzustellen.  Aus  den  Formeln^  welche  er  giebt,  das 
Atomgewicht  des  Metalls  zu  68,5  angenommen^  geht  hervor, 
dafs  dieselben  als  Metavanadate  betrachtet  werden  müssen, 
wenn  man  das  richtige  Atomgewicht  51,3  gebraucht. 

Berzelius'  Formeln 
(V  =  68,5 ;    O  =  8) 
Monoammonium-VaDadat  NHsVOs  -f-  HO. 

Monobaryum-Vanadat  BaOVOa. 

Neue  Formeln 
(V  =  61,3;    0  ==  16) 
NH4VO8  Ammonium-Metavanadat 

Ba(V08)8  Barjrnm-Metavanadat. 

Um  Berzelitts'  Analysen  des  Ammoniumsalzes  zu  be- 
stätigen, wurden  folgende  Analysen  des  weifsen  wasserfreien 
Salzes  gemacht,  welches  man  erhalt,  wenn  man  Vanadin- 
pentoxyd  in  Wasser  suspendirt;  Ammoniak  einleitet  und  das 
Salz  wiederholt  umkrystallisirt.  Erhitzt  man  das  Salz  in 
einem  Sauerstoffstrome,  so  bildet  sich  Vanadinpentoxyd,  wel- 
ches geschmolzen  und  gewogen  wurde. 

Angewandtes  Vanadinpentoxyd  Procentgehalt 

Salz  gefanden  an  Vanadinpentoxyd 

1.  6,8581  5«8263  77,72 

3.  3,0446  1,6903  77,78 

8.  2,6129  3,0814  77,75. 

Der  berechnete  Procentgehalt  ist  77,82;  Berzelius 
fand  77,59. 

Constittäion  der  sogenannten  Bivanadate,  —  Die  Bi- 
vanadate,  welche  man  aus  den  Monovanadaten  nach  Ber- 
zelius' Angabe  dadurch  erhalt,   dafs  man  die  Monovana- 


Roacoey  Untersuchungen  über   Vanadin,  105 

date  vorsichtig  mit  Essigsäure  behandelt,  sind  durch  v.  Hauer 
analysirt  worden  *).  Das  Ammonium-  und  das  Natriumsalz 
entsprechen  den  Formeln  NH4O,  2VO3  und  NaO,  2VO3, 
wenn  V  =  68,5  und  0  =  8.  Unter  Zugrundelegung  der 
neuen  Atomgewichte  werden  dieselben  : 

(NH^,V40a  und  Na,V40u , 

d.  h.  Verbindungen  der  Metavanadate  mit  Pentoxyd  : 

2  (NH4VO,)  +  V.Og  und  2  (NaVO,)  +  VgOg. 
Gonstitution  der  normalen  Vanadate.  —  Dafs  die  nor- 
noiale  Vanadinsaure  dreibasisch  ist,  geht  aus  der  zuerst  von 
Czudnowicz  **)  beobachteten  Thatsache  hervor,  dafs 
wenn  man  Vanadinpentoxyd  mit  Natriumcarbonat  zusammen- 
schmilzt, für  jedes  V^Os  3  CO2  entweichen. 

0,4323  Grm.  Yanadinpentoxyd  worden  mit  wasaerfreiem  Sodium- 
carbonat  so  lange  erhitzt,  bis  kein  Gewichtsverlust  mehr 
stattfand;  das  Gewicht  der  entwichenen  Kohlensäure  betrug 
0,3078,  oder  1  Mol.  Pentoxyd  verdrängte  2,957  oder  nahezu 
3  Mol.  Kohlensäure.  Das  normale  Sodinmvanadat  ist  daher 
NaaVO*. 

V.     Die  Oxychlaride  des   Vanadins. 

1)  Vanadinoxychhrrid  oder  VanadyUrichlorid^  VOCI3.  — 
Dafs  das  hellgelbe  Chlorid ,  welches  bei  Einwirkung  von 
Chlor  auf  Vanadintrioxyd  entsteht,  Sauerstoff  enthält,  wurde 
auf  verschiedene  Weise  ermittelt. 

1)  Einige  Gramme  des  Chlorids  wurden  in  eine  Kugel- 
röhre gefüllt  und  dieselbe  mit  einer  langen  Verbrennungs- 
röhre  verbunden,  welche  zur  Hälfte  mit  reiner  Zuckerkohle 
and  zur  anderen  Hälfte  mit  Kupferdrehspänen  gefüllt  war. 
Das  andere  Ende  der  Kugelröhre  wurde  dann  mit  einem 
Apparate  verbunden^  welcher  vollkommen  reinen  und  trocke- 
nen Wasserstoff  lieferte.     Der  Wasserstoff  wurde   auf  die 

•)  Journ.  f.  pract.  Chem.  LXIX,  888. 
♦•)  Pogg.  Ann.  CXX,  38. 


106  Roscoej   Untersuchungen  über   Vanadin. 

oben  beschriebene  Weise  vollständig  von  Sauerstoff  befreü 
und  in  der  Kalte  so  lange  durch  den  Apparat  geleitet^  bis 
jede  Spur  Luft  daraus  verdrängt  war.  Kohle  und  Kupfer 
wurden  sodann  zum  Glühen  erhitzt  und  das  entweichende 
Gas  in  Barytwasser  geleitet  Sobald  in  demselben  auch  nach 
15  minutigem  Durchleiten  keine  Trübung  mehr  eintrat,  wurde 
ein  Liebig 'scher  Kugelapparat^  welcher  klares  Barytwasser 
enthielt,  mit  dem  Apparate  in  Verbindung  gebracht.  Die  Kugel, 
welche  das  Oxychlorid  enthielt  und  bis  dahin  kalt  gehalten 
worden  war,  wurde  nun  erwärmt,  um  das  Chlorid  in  die 
Röhre  überzudestilliren.  Die  Dämpfe  kamen  mit  der  glühen- 
den Kohle  in  Berührung  und  bald  darauf  entstand  im  Baryt- 
wasser ein  dicker  Niederschlag  von  Baryumcarbonat ,  wo- 
durch bewiesen  ist,  dafs  das  Chlorid  sauerstoflfhallig  ist  und 
in  Berührung  mit  Wasserstoff  und  glühender  Kohle  theil- 
weise  Zersetzung  erleidet. 

Dieser  Versuch  wurde  zweimal  genau  mit  denselben 
Resultaten  wiederholt.  Es  ist  indessen  anmöglich,  den 
Sauerstoff  quantitativ  zu  bestimmen,  da  nur  ein  kleiner  Bruch- 
theil  sich  mit  Kohlenstoff  verbindet  und  die  bei  Weitem 
gröfsere  Menge  mit  dem  Metall  verbunden  bleibt  und  Vana- 
dindioxyd sowie  die  weiter  unten  beschriebenen  festen  Oxy- 
chloride  entstehen. 

2)  Leitet  man  die  Dämpfe  des  gelben  Chlorids  über 
Magnesium,  welches  in  einer  Atmosphäre  von  reinem  Wasser- 
stoff erhitzt  wird,  so  tritt  eine  heftige  Reaction  ein  und  das 
Metall  verbrennt.  Nach  dem  Erkalten  wurde  das  überschüs- 
sige Metall  sorgfältig  entfernt  Das  zurückbleibende  dunkle 
Pulver  wurde  wiederholt  mit  kochendem  Wasser  ausgezogen, 
um  Magnesiumchlorid  zu  entfernen  und  das  Ungelöstblei- 
bende mit  Salzsäure  behandelt,  welche  eine  grofse  Menge 
Magnesia  aufnahm,  deren  Sauerstoff  nur  aus  dem  Oxychlorid 
stammen  konnte. 


Roscoe,   Untersuchungen  über   Vanadin.  107 

3)  Ein  ähnlicher  Versuch  wurde  mit  Natriom  ausgeführt. 
Es  bildete  sich  dabei  nahe  bei  dem  Platinschiffchen,  in  wel- 
chem das  Metall  enthalten  war,  eine  dicke  Kruste  von  Natron« 

4)  Die  Dampfe  des  Oxychlorids  wurden  mit  Wasserstoff 
gemengt  durch  eine  rothglühende  Röhre  geleitet.  Das 
Chlorid  wurde  zersetzt;  im  vorderen  Theile  der  Röhre  bil- 
deten sich  schwarze  glänzende  Krystalle  von  Vanadintrioxyd, 
weiter  hinten  setzten  sich  fesle  Oxychloride  ab  und  aufser- 
dem  bildete  sich  eine  kleine  Menge  einer  dunkelrothen  Flüs- 
sigkeit; die  schwarzen  Krystalle  enthielten  kein  Chlor. 

0,0860  Grm.  derselben   gaben    bei  der   Oxydation  0,1051  Yanadin- 
pentoxyd,  entsprechend  99,2  pC.  Trioxyd. 

5)  Destillirt  man  das  Oxychlorid  rasch  über  rothglühende 
Kohle,  oder  stellt  man  dasselbe  dar,  indem  man  ein  Gemisch 
von  Trioxyd  und  Kohle  mit  Chlor  behandelt^  so  erhält  man 
eine  dunkel  -  braunrothe  Flüssigkeit,  welche  ein  Gemisch 
von  Oxychlorid  mit  anderen  Chloriden  ist.  Bestimmt  man 
in  demselben  Chlor  und  Vanadyl  (VO  =  67,3),  so  er- 
hält man  Zahlen ,  welche  addirt  103  bis  105  pC.  geben. 
Diese  Flüssigkeit  mufs  neben  dem  Oxychlorid  noch  ein 
sauerstoflTfreies  Chlorid  enthalten. 

Darstellung  des    Vanadj/ltrichlorids. 

1)  Man  mischt  feingepulvertes  Vanadinpentoxyd  mit  reiner, 
aus  Zucker  bereiteter  Kohle  und  erhitzt  das  Gemenge  in 
einem  Wasserstoffslrome  zum  Glühen.  Man  läfst  im  Wasser- 
stofTstrome  erkalten  und  bringt  dann  die  Substanz  in  eine  Retorte 
aus  schwer  schmelzbarem  Glase,  welche  durch  einen  grofsen 
Bunsen 'sehen  Brenner  erhitzt  wird,  und  leidet  sodann  durch 
den  Tubulus  trockenes  Chlor  ein.  Auf  diese  Weise  wurden 
in  einer  Operation  180  Grm.  von  rohem  röthlich  gefärbtem 
Oxychloride  erhalten. 

Um  daraus  die  reine  Verbindung  abzuscheiden ,  erhitzt 
man  dieselbe  zum  Sieden  in  einem  Kolben,  welcher  mit  einer 
aufwärts  gerichteten  Kühlröhre  verbunden  ist,  und  leitet  durch 


108  Roscoe,  Untersuchungen  Über  Vanadin* 

Dann  rectificirt  man  wiederholt  über  Natrium  in  einem 
Strome  von  Kohlensanre ;  kleine  Hengen  anderer  Chloride, 
welche  beigemischt  sind,  werden  dabei  zersetzt  und  das 
Natrium  bedeckt  sich  mit  einer  dunkeln  Kruste.  Die  Flüs- 
sigkeit nimmt  nach  und  nach  eine  bernsteingelbe  Farbe  an 
und  bildet  zuletzt  eine  citronengelbe  Flüssigkeit  mit  con- 
stantem  Siedepunkte. 

2)  Als  hellgelbe  Flüssigkeit  erhält  man  das  Oxychlorid 
in  der  ersten  Operation ,  wenn  man  trockenes  Chlor  über 
gelinde  erhitztes  Sesquioxyd  leitet.  Um  einen  Ueberschufs  von 
Chlor  daraus  zu  entfernen,  erhitzt  man  es,  wie  oben  ange- 
geben ,  unter  Durchleiten  von  trockener  Kohlensäure  und 
erhält  es  dann  durch  einmalige  Rectification  über  Natrium  rein. 

Der  Siedepunkt  des  reinen  Chlorids  wurde  bei  einem 
Barometerstand  von  767  MM.  zu  126^,7  gefunden;  zu  dieser 
Bestimmung  wurden  100  Grm.  der  Flüssigkeit  verwandt 
Das  specifische  Gewicht  ergab  sich  : 

bei  140,5  1,841 

bei  170,5  1,836 

bei  240,0  1,828. 

Das  Vanadinoxychlorid  bleibt  bei  —  15^  noch  flüssig. 
Da  der  Ausdehnungscoefficient   dieser  Flüssigkeit  noch 

• 

nicht  bei  einer  Temperatur  oberhalb  24^  bestimmt  worden  ist, 
so  konnte  das  Atomvolum  nicht  festgestellt  und  mit  dem  des 
Phosphoroxychlorids  verglichen  werden.  —  Die  Dampfdichte 
wurde  nach  Dumas'  Methode  bestimmt  und  dabei  die  folgen- 
den Zahlen  erhalten  : 

Gewicht  des  Ballons  mit  Luft  bei  lio     ....=:  6,5178 

Barometerstand =:  776,5  MM. 

Gewicht  des  Ballons  mit  Dampf  bei  I860    .     .     .    =  7,0003 

Barometerstand =  780  MM. 

Rauminhalt  des  Ballons =r  185,18  CG. 

Gefunden  Berechnet 

H  =  1  88,20  86,80 

Luft  =  1  6,108  6,000. 


Boacoe,  Untersuchungen  über   Vanadin*  109 

Analyae  des  Vanadyltrichlorids.  Zweite  Methode  der 
Atomgewichtsbesümmung.  —  Die  BestimmuTig  des  Atomge- 
wichts der  Metalle  durch  Analyse  der  flüchtigen  Chloride 
hat  den  Uebelstand,  auf  welchen  schon  Pierre  aufmerksam 
gemacht  hat  *),  dafs  diese  hygroscopischen  Körper  mit 
grofser  Begierde  den  Wasserdampf  der  Luft  an  sich  ziehen. 
Diese  Fehlerquelle  kann  indessen  dadurch  vermieden  wer- 
den, dafs  man  eine  grofsere  Menge  des  Chlorids  darstellt 
und  dasselbe  schnell  in  mehrere  gewogene  kleine  Glaskugeln 
einschmilzt. 

Die  nachstehenden  AI  Bestimmungen  wurden  mit  der 
gröfsten  Sorgfalt  ausgeführt;  die  erhaltenen  Zahlen  stimmen 
gut  mit  denen,  welche  die  Reductionsmethode  ergab,  und  dienen 
daher  als  wichtige  Controle  für  die  Zuverlässigkeit  der  ur- 
sprünglich angewandten  Methode. 

Volttmetrische  Bestimmung  des  Chlors.  —  Durch  beson- 
dere Versuche  wurde  ermittelt,  dafs  wenn  man  das  Oxy- 
chlorid  durch  Wasser  bei  Gegenwart  von  Silbernitrat  und 
Salpetersäure  zersetzt,  das  ausgeschiedene  Silberchlorid  keine 
Spur  Vanadinpentoxyd  mit  niederreifst. 

Bei  der  Darstellung  von  reinem  Silber,  sowie  bei  der 
Analyse  selbst,  wurde  genau  nach  Stas*  Vorschrift  ver- 
fahren **),  Die  Salpetersäure  wurde  so  dargestellt,  dafs 
man  vpn  einer  grofsen  Menge  reiner  Säure  V5  abdestillirte 
und  das  darauf  folgende  Destillat  getrennt  auffing.  Dasselbe 
war  ganz  frei  von  Chlor;  eben  so  das  destillirte  Wasser, 
welches  durch  zweimalige  Destillation  erhalten  worden  war. 
Das  Gewicht  des  anzuwendenden  Silbers  wurde  aus  einer 
vorausgehenden  Gewichtsanalyse  berechnet  und  es  wurden 
jedesmal  mehrere  Titrirungen  auf  einmal   ausgeführt.    Die 


•)  Ann.  chim.  phys.  [8]  XX,  257. 

*)  KechercheB  sur  les  rapports  eto.  1860,  p.  26. 


110  Roscoej    Untersuchungen  über   Vanadin. 

abgewogfene  Menge  reinen  Silbers  wurde  mit  der  zehnfachen 
Menge  reiner  Salpetersäure  vom  specifischen  Gewichte  1,2 
in  eine  gut  verstopfte  Glasflasche  von  300  CG.  Inhalt  ge- 
bracht und  das  Ganze  so  lange  auf  ungefähr  40°  erhitzt,  bis 
das  Silber  gelöst  war.  Nach  dem  Erkalten  wurde  die  Glas- 
kugel^ welche  die  abgewogene  Menge  von  Vanadyltrichlorid 
enthielt,  in  die  Flasche  gebracht,  dieselbe  verstopft  ond  die 
Kugel  durch  Schütteln  zerbrochen.  Sodann  wurde  so  viel 
destillirtes  Wasser  zugesetzt,  dafs  das  Gewicht  der  gesamm- 
ten  Flüssigkeit  das  40-  bis  50  fache  des  Silbers  betrug.  Die 
niederen  Oxyde  des  Stickstoffs,  welche  in  der  Flüssigkeit 
vorhanden  sind,  reduciren  das  Vanadinpentoxyd,  und  es  bil- 
det sich  eine  rein  blaue  Flüssigkeit,  in  welcher  sich  leicht 
die  geringste  Trübung  von  Silberchlorid  erkennen  liefs. 

Gay-Lussac  und  Stas  haben  beobachtet,  dafs,  wenn 
bei  volumetriscfeen  Chlorbestimmungen  die  Flüssigkeit  noch 
1  bis  2  Milligramme  Silber  im  Liter  in  Lösung  enthalt,  so- 
wohl eine  Silberlösung,  wie  eine  Chloridlösung  darin  eine 
Trübung  erzeugt.  Dasselbe  wurde  bei  den  volumetrischen 
Analysen  des  Vanadyltrichlorids  beobachtet,  und  um  die  Re- 
sultate vergleichbar  zu  machen,  wurde,  genau  nach  der  An- 
gabe von  Stas,  die  Decimalkochsalzlösung  so  lange  hinzu- 
gefügt, bis  keine  weitere  Trübung  sich  zeigte.  Der  Fehler, 
welcher  hierdurch  entsteht,  ist  so  gering,  dafs  er  noch 
nicht  0,0005  beträgt,  und  wird  aufserdem  zum  Theil 
dadurch  aufgehoben,  dafs  das  Silber  noch  eine  Spur  Ver- 
unreinigung enthalt.  Das  im  Filtrat  enthaltene  Vanadin 
wurde  bei  mehreren  Versuchen  dadurch  bestimmt,  dafs  man 
den  Ueberschufs  des  Silbers  durch  Salzsäure  ausfällte,  ein- 
dampfte, um  den  gröfsten  Theil  der  Säure  zu  entfernen^  so- 
dann vom  Silberchlorid  abfiltrirte  und  das  Filtrat  in  einer 
Porcellanschale  zur  Trockne  verdampfte^   den  Rückstand  in 


RoscoBy    Untersuchungen  über   Vanadin. 


m 


einer  Platinschale  mit  Satpetersäure  oxydirte  und   die  ge- 
schmolzene Saure  wog. 

Es  wurden  im  Ganzen  9  volumetrische  Bestimmungen 
gemacht;  die  Resultate  sind  im  Folgenden  zusammengestellt. 
Zu  den  Analysen  1  bis  4  wurde  dasselbe  Chlorid-  genom- 
men ,  zu  5  und  6  das  von  einer  zweiten  Darstellung  und 
zu  7  und  8  das  ?on  einer  dritten  Darstellung. 


Gewicht  des 

Gewicht  des  zur  Fftllang 

Procente*) 

• 

Trieb  lorids 

erforderten  Silbers 

Chlor 

1. 

2,4322 

4,5525 

61,49 

2. 

4,6840 

8,7505 

61,37 

3. 

4,2188 

7,8807 

61,37 

4. 

8,9490 

7,8792 

61,39 

5. 

0,9248 

1,7267 

61,37 

6. 

1,4330 

2,6769 

61,87 

7. 

2,8580 

5,2853 

60,86 

8. 

2,1252 

2,9535 

61,11 

9. 

1,4248 

2,6642 

61,43 

Im  Mittel     61,306. 

Gewkhtsbeatimmung  des  Chlors.  —  Um  die  volumetri- 
sehen  Chlorbestimmungen  zu  controliren ,  wurden  einige 
Gewichtsanalysen  auf  gewöhnliche  Weise  ausgeführt.  Wie 
besondere  Versuche  ergaben,  ist  das  gefällte  Silberchlorid 
frei  von  Vanadin. 


Gewicht  des  ange- 

Gewicht d.  gebildeten 

Procentgehalt 

wandten  Trichlorids 

Silberchlorids 

an  Chlor 

1. 

1,8521 

4,5932 

61,33 

2. 

0,7013 

1,7803 

61,01 

3. 

0,7486 

1,8467 

61,00 

4. 

1,4408 

3,5719 

61,30 

5. 

0,9453 

2,3399 

61,21 

6. 

1,6188 

4,0282 

61,55 

7. 

2,1936 

5,4809 

61,22 

8. 

2,5054 

6,2118 

Im  i 

61,31 

iittel     61,241. 

*)  Bei  dar  Berechnung   wurden   die  Zahlen  von  Stas   angewendet, 
nimlioh  O  =  16;   Ag  =:  107,93;   Cl  =  35,457. 


112  Roscoe,   Untersuchungen  über   Vanadin, 

Die  obigen  17  Bestimmangen  ergeben  im  Mittel  61,276  pC. 
Chlor;  hieraus  berechnet  sich  das  Atomgewicht  des  Vana- 
dins : 

(106,371  X  100)  -  (122,371  X  61,276)         ^.  _. 

61,276  ^^'^^• 

Die  Reduction  des  Pentoxyds  in  Wasserstoff  gab  51,37. 
Im  Mittel  aller  Bestimmungen  ergiebt  sich  daher  die  Zahl 
5i,33  als  Atomgewicht  des   Vanadins. 

Bestimmung  des  Vanadins.  —  In  einigen  Fällen  wurde 
das  Vanadin  im  Vanadyltrichlorid  direct  bestimmt  (Analysen 
1  und  4)^  während  in  anderen  (2  und  3)  die  vom  Silber- 
chlorid abfiltrirte  Flüssigkeit  dazu  verwendet  wurde. 

Gewicht  des  Procentgehalt 

Pentoxyds  an  Vanadin 

0,7868  29,20 

0,3679  29,47 

0,8959  29,71 

0,6252  29,94 


Gewicht  des 

Trichlorids 

1. 

1,4188 

2. 

0,7013 

8. 

0,7486 

4. 

1,1731 

Mittel    29,58. 

Hieraus  ergiebt  sich  die  Zusammensetzung  des  Vanadyl- 
trichlorids  : 

Berechnet  Gefunden 

y  51,3  29,54  29,58 

Clj       106,37  61,25  61,27 

O  16,00  9,21  — 

173,67  100,00. 

2)  Vanadyldichlorid  oder  Vanadinoxydichlorid,  VOCIj.  — 
Diese  Verbindung  entsteht  neben  anderen  festen  Oxychlori* 
den,  wenn  der  Dampf  des  Vanadyltrichlorids  mit  Wasserstoff 
gemischt  durch  eine  glühende  Glasröhre  geleitet  wird. 
Leichter  und  ganz  rein  erhält  man  diesen  Körper,  wenn 
das  flussige  Oxychlorid  mit  Zink  in  zugeschmolzenen 
Glasröhren  auf  400^  erhitzt  wird.  Hierbei  entstehen  Zink- 
chlorid, ein  schwarzes  Oxyd  des  Vanadins  und  ein  Sublimat 


Roscoey  Untersuchungen  über   Vanadin.  113 

von  glänzend  grasgrünen,  tafelförmigen  Krystallen,  welche 
aus  dem  Dichlorid  bestehen.  Um  dasselbe  rein  zu  erhalten, 
wurde  der  Theil  der  Röhre ,  welcher  die  Verbindung  ent- 
hielt, abgeschnitten,  und  schnell  in  eine  weitere  Röhre  ge- 
bracht, durch  welche,  während  dieselbe  im  ParafQnbade  auf 
130^  erhitzt  wurde,  man  einen  Ström  von  trockener  Kohlen- 
säure leitete,  wodurch  das  anhängende  flüssige  Oxychlorid 
vollständig  entfernt  wurde.  Das  schwarze  Oxyd  besteht  aus 
YyO^;  mit  verdünnter  Salzsäure  behandelt  erhält  man  eine 
Lösung,  welche  organische  Farbstofi'e  bleicht.  —  Vanadinoxy- 
dichlorid  wird  von  Wasser  langsam  zersetzt;  es  zerfliefst 
wenn  der  Luft  ausgesetzt;  von  verdünnter  Salpetersäure  wird 
es  leicht  gelöst.  Das  specifische  Gewicht  ist  2,88  bei  15^ 
Die  Analyse  gab  folgende  Resultate  : 

Grewicbt  des 
Diohlorids  AgCl  y,Oe 

1.  0,3765  0,7688  0,2498 

2.  0,3207  0,6631  0,2160 

Berechnet 
V  61,8  87,12 

Clfl  70,91  61,89 

O  16,0  11,59  — 

188,21  100,00. 

3)  Vanadinoxymonochlorid  oder  Vanadylmanochloridj 
VOCl.  —  Diese  Verbindung  ist  ein  braunes,  leichtes  Pulver, 
welches  sich  bei  der  Einwirkung  von  Wasserstoff  auf  das 
Oxytrichlorid  in  der  Röhre  da  absetzt,  wo  das  Gasgemisch 
eintritt.  Es  ist  in  Wasser  unlöslich,  aber  leicht  löslich  in 
Salpetersäure.  Es  bildet  eine  leichte  flockige  Masse,  wo- 
durch es  sich  von  dem  vorhergehenden,  so  wie  den  anderen 
festen  Oxychloriden  unterscheidet  und  leicht  getrennt  werden 
kann. 

Die  zur  Analyse  verwandte  Substanz  wurde  bei  130^ 
im  Kohlensäurestrome  getrocknet. 


Prooentgehalt 
Cl                 V 

60,40 

87,80 

51,07 

87,87. 

Gefunden 

87,68 

60,78 

414  Roscoe,   Untersuchungen  über   Vanadin. 


Angewar 

idte  Snbstans 

Oefnnden 
AgCl           V,05 

Procentgehalt 
Cl             V 

1. 

0,1393 

0,1823 

0,1240 

32,85 

50,03 

2. 

0,2631 

0,3912 

0,2285 

86,71 

48,82 

Berechnet 

Grefunden 

V 

51,3 

49,92 

50,21 

Cl 

35,46 

84,51 

84,53 

0 

16.0 
102,76 

15,57 
100,00. 

- 

■*~ 

4)  Divanadylmonockloridy  VaOgCl.  —  Diese  Verbindang, 
welche  sich  immer  am  äufsersten  Ende  der  erhitzten  Röhre 
absetzt  und  fest  am  Glase  haftet,  hat  eine  Bronzefarbe  und 
grofse  Aehnlichkeit  mit  dem  sogenannten  Musivgold.  Unter 
dem  Hikroscop  erscheint  es  in  metallglanzenden  gelben 
Kry stallen.  Schafarik  hielt  es  für  metallisches  Vanadin. 
Unlöslich  in  Wasser,  löst  es  sich  leicht  in  Salpetersaure. 
Die  zur  Analyse  verwandte  Substanz  wurde  bei  140^  in  einem 
Strome  von  Kohlensaure  erhitzt,  bis  das  Gewicht  constant 
blieb. 


Angewandte 
Bubstans 

AgCl           V,0« 

Procentgehalt 
Cl             V 

0,2130 

0,1777         0,2443 

19,72         64,48^ 

0,6098 

0,4767         0,6390 

18,15        58,91. 

Berechnet 

Gefanden 

V, 

102,6              60,88 

61,69 

Cl 

85,46            20,84 

18,98 

0, 

82,0               18,83 

— 

170,06  100,00. 

VI.     Vanadinnitride, 

1)  Vanadinmononürid^  VN.  —  Das  Verfahren,  welches 
Berzelius  beschreibt,  um  das  metallische  Vanadin  zu  er- 
halten ,  giebt  nicht  das  Metall ,  sondern  Stickstoffvanadin. 
Man  erhalt  dasselbe  auf  die  Art,  dafs  man  Ammoniakgas 
über  Vanadyltrichlorid  leitet,  welches  in  einer    Kugelröbre 


Boscoe,   Untersuchungen  über   Vanadin^  115 

enthalten  ist,  nnd  das  so  gebildete  Ammoniumoxychlorid  er- 
hitzt, bis  sich  aller  Salmiak  yerfldchtigt  hat.  Das  zurück- 
bleibende schwarze  Pulver  (Vanadindinitrid  ?)  wird  in  ein 
PlatinschifTchen  gebracht  und  dieses  in  einer  Porcellanröhre 
im  Windofen  mehrere  Standen  zur  ToUen  Weifsgluth  erhitzt, 
wahrend  Ammoniakgas  (oder  vielmehr  ein  Gemisch  von 
Wasserstoff  und  Stickstofl)  darüber  geleitet  wird.  Man  er- 
halt so  ein  graubraunes  Pulver,  welches  metallglänzende 
Theilchen  enthält.  An  der  Luft  ist  es  unveränderlich  bei 
gewöhnlicher  Temperatur;  beim  Erhitzen  wird  es  unter  Er- 
glühen in  das  blaue  Oxyd  verwandelt,  welches  bei  weiterem 
Erhitzen  schmilzt  und  zu  Pentoxyd  oxydirt  wird.  Nit  Natron- 
kalk erhitzt  entwickelt  es  Ammoniak.  Das  zur  Analyse  die- 
nende Nitrid  war  wiederholt  im  Ammoniakstrome  zur  Weifs- 
gluth erhitzt  worden,  bis  das  Gewicht  constant  blieb. 

1)  BcBtlmniung  des  Vanadins  : 

Angewandte  Substanz  Vanadinpentoxyd  erhalten 

0,3126  0,4859. 

2)  Bestimmung  des  Stickstoffs  nach  Simpson ^s  Methode  : 

a)  Angewandte  Substanz  0,2688. 

Volumina  Stickstoff        Druck        Tempe-        Volum  bei  0^ 
(trocken  gemessen)        in  MM.         ratur  und  760  MM. 

142,1  718,0  90,2  48.2  CO. 

1  Vol.  =  0,881  CC. 

b)  Angewandte  Substanz  0,2000. 

(feucht  gemessen) 

112,0  Vol.  682,1         180,0  81,8  CC. 

Berechnet  Gefunden 

V  61,8  78,56  77,8  —  — 

N  14,0  21,44  —  20,8         20,0 

65,8  100,00. 

Vanadindinitrid^  YNg.  —  Diese  Verbindung  wurde  1858 
von  Uhrlaub*)  erhalten,  indem  er  das  durch  Einwirkung 


*)  Pogg.  Ann.  cm,  184. 

8* 


116  IVurtZf  über  die  Synthese 

von  Ammoniak  auf  Vanadyltrichlorid  erhaltene  Pulver  erhitzte, 
bis  sich  aller  Salmiak  verflöchtigt  hatte,  dann  mit  wasserigem 
Ammoniak  wusch  und  über  Schwefelsaure  im  luftleeren 
Räume  trocknete.  Derselbe  konnte  ans  seinen  Analysen 
keine  einfache  Formel  ableiten ,  da  er  das  Atomgewicht  su 
68,5  annahm. 

Berechnet  man  aber  dieselben  mit  dem  richtigen  Atom- 
gewichte 51,3,  so  ergiebt  sich  der  Procentgehalt  an  Vanadin 
zu  64,1 ;  die  Formel  VN^  erfordert  64,6  pC,  V. 

Die  Existenz  des  Mononitrids  bestätigt  nicht  nur  mit  der 
gröfsten  Sicherheit  das  wahre  Atomgewicht  des  Metalls,  son- 
dern dasselbe  bildet  auch  den  Ausgangspunkt  für  die  Unter- 
suchung des  Metalls  selbst,  und  einer  neuen  sauerstofiFfreien 
Reihe  von  Vanadinverbindungen. 


üeber  die  Synthese  des  Neurins; 

von  A.  Wurtz*). 


Bekanntlich  hat  0.  Liebreich  aus  dem  Gehirn  eine 
krystallisirbare,  bestimmte  Verbindung  dargestellt,  unter  deren 
Elementen  sich  auch  Phosphor  und  Stickstoff  befinden,  tind 
welche  er  als  Protagon  benannt  hat  **).  Bei  der  Einwirkung 
von  concentrirtem  Barytwasser  spaltet  sich  dieser  Körper  zu 
Glycerinphosphorsdure  und  einer  starken  Base,  welcher  Lieb- 
reich die  Benennung  Neurin  gegeben  hat.  A.  B e e y  er***) 
hat  kürzlich  gezeigt,  dafs  das  Neurin  eine  Oxithylenbase  ist, 


•)  Compt.  rend.  LXV,  1016. 
••)  Ann.  Chem.  Pharm.  CXXXIV,  29.(1866). 
••*)  DaBolbst  CXL,  806;  CXLII,  822. 


des  Neuritis.  H7 

and  dafs  es  als  Oxäthylammonium' Hydrat  betrachtet  werden 
kann,  in  welchem  3  At.  Wasserstoff  durch  3  At.  Methyl  er- 
setzt sind  : 


H 
H 
H 

CÄ(OH) 


CH3 
^NOH  ^^»       [NOH 

C,H4(()H). 

OxäthylammoniTim-  Oxfttbyltrimetliyl- 

Hydrat  ammoniam-Hydrat 


Darauf  hin  hat  Baeyer  vermuthet,  dafs  man  die  Syn- 
these des  Neorins  in  der  Art  realisiren  könne,  dafs  man 
Methyljodür  auf  Oxäthylammonium-Hydrat  einwirken  läfst, 
welches  letztere,  wie  ich  gezeigt  habe,  zugleich  mit  anderen 
Oxäthylenbasen  sich  bei  der  Einwirkung  ?on  Aethylenoxyd 
auf  Ammoniak  bildet.  Aber  bis  jetzt  habe  ich  diese  Base 
oder  ihre  Chlorverbindung  nur  in  kleinen  Mengen  erhalten, 
welche  letztere  von  der  Chlorverbindung  des  Dioxathyl- 
aromoniums  zu  scheiden  schwierig  ist.  Ich  habe  für  die 
Darstellung  der  Oxäthylenbasen  noch  ein  anderes  Verfahren 
angegeben,  welches  auf  der  Behandlung  des  einfach-chlor- 
wasserstoffsauren Glycoläthers  mit  Ammoniak  beruht.  Dieses 
Verfahren  hat  mich  zu  einer  sehr  eleganten  Synthese  des 
Nenrins  geführt  Das  chlorwasserstoffsaure  Salz  dieser  Base^ 
d.  h.  die  Chlorverbindung  des  Oxäthyltrimetbylammoniums, 
entsteht  durch  directe  Addition  der  Elemente  des  Glycol- 
Chlorhydrins  (des  einfach-chlorwasserstoffsauren  Glycoläthers) 
und  des  Trimethylamins  : 


^  ^*  CH. 


r  1  CHg 

In  -     ^^> 
»f  -      CH, 


mci 


i(OH)) 

einfaoh-ohlorwasser^        Chlorverbindnog  d.  Trimethyl- 
Btoffs.  Glycolftther  ox&thylammoniams. 

5   Grm.   Trimethylamin    wurden    mit  10  Grm.   Glycol- 

Chlorhydrin    in   einer    geschlossenen   Röhre  im   Wasserbad 

erhitzt.    Als  nach  24  Stunden  die  Röhre  erkalten  gelassen 

wurde,  erfüllte  sie  sich  mit  schönen  prismatischen,  voUkom- 


118  Wurtsiy  über  die  Synthese 

men  farblosen  Krystallen.  Diese  Krystalle  lösen  sich  reich- 
lich in  siedendem  wasserfreiem  Alkohol  und  scheiden  sich 
bei  dem  Erkalten  der  Lösung,  wenn  diese  sehr  concentrirt 
ist,  theilweise  wieder  aus.  Durch  Aether  wird  diese  Lösung 
gefällt ;  aber  wenn  die  Flüssigkeit  auch  nur  eine  Spur  Was- 
ser enthalt,  sammelt  sich  das  Ausgeschiedene  am  Boden  des 
Gefäfses  in  Form  einer  dicken  Flüssigkeit.  Die  Krystalle, 
um  die  es  sich  handelt  und  welche  die  Chlorverbindung 
des  Oxäthyltrimethylammoniums  sind,  sind  nämlich  sehr  zer- 
fliefslich. 

Setzt  man  der  wässerigen  Lösung  dieser  Chlor?erbindung 
eine  Lösung  von  Goldchlorid  von  mittlerer  Concentration  za, 
so  bildet  sich  sofort  ein  krystallinischer  Niederschlag  von 
rein  gelber  Farbe.  Dieser  Niederschlag,  welcher,  wie 
A.  Baeyer  gezeigt  hat,  characteristisch  ist,  löst  sich  in  sie- 
dendem Wasser,  und  scheidet  sich  bei  dem  Erkalten  dieser 
Lösung  in  Form  kleiner  gelber  Nadeln  aus.  Er  ist  eine 
Chlor -Doppelverbindung  von  Gold  und  Oxätbyltrimethyl- 
ammonium  : 

(CH,),(C,H40H)'NC1  +  AnOg  •). 

Ich  habe  diese  Chlor-Doppelverbindung  mit  einem  Prä- 
parat verglichen,  welches  mir  Liebreich  mitgetheiit  hatte 
und  das  mit  Neurin  aus  Gehirn  dargestellt  worden  war.    Diese 


*)  Ich  lasse  die  Zahlen  folgen,  welche  mir  dieses  Säle  bei  der  Ana- 
lyse ergeben  hat  : 


berechnet 

^ 

gefunden 

C5 

60     ^^* 

13,64 

18,72         13,27 

Ht4 

14 

8,16 

8,22           8,28 

0 

16 

8,61 

—             — 

N 

14 

8,16 

8,84          — 

CI4 

142 

32,08 

^             — . 

Au 

197 

44,45 

44,90           — 

448  100,00.  * 


des  Neurins.  119 

beiden  Salze  krystallisirten  auf  dem  ObjecUrager  des  Mikro- 
scops  in  rhombischen  Blattern,  welche,  bis  auf  die  Dimen- 
sionen der  Krystalle,  als  identisch  erschienen.- 

Setzt  man  zu  einer  concentrirten  Lösung  der  Chlorverbin- 
dung des  Oxäthyltrimethylammoniums  eine  Platinchloridlösung, 
so  entsteht  kein  Niederschlag,  und  die  Flüssigkeit  läfst  erst 
Krystalle  ausscheiden,  wenn  sie  bis  zu  Syrupconsistenz  con* 
centrirt  ist;  aber  auf  Zusatz  von  Alkohol  entsteht  ein  Nieder- 
schlag, welcher  bei  der  Analyse  31,8  pC.  Platin  ergab.  Nach 
der  Formel  : 

(CH8)8(CsH40H)N,  Cl  +  PtCl, 

berechnen  sich  31,8  pC.  Platin. 

Zersetzt  man  die  Chlorverbindung  des  Oxathyltrimethyl- 
ammoniums  mittelst  feuchten  Silberoxyds,  so  läfst  man  das 
Oxäthyltrimethylammonium-Hydrat  frei  werden,  welches  nach 
dem  Eindampfen  in  Form  einer  syrupdicken  Flüssigkeit  bleibt. 

« 

Slärker  erhitzt  zersetzt  sich  dieselbe  unter  Ausstofsung  eines 
starken  ammoniakalischen  Geruches. 

Die  von  mir  mitgetheilten  Analysen  eben  so  wie  die 
Bildungsweise  der  Oxäthylenbase ,  welche  den  Gegenstand 
der  vorliegenden  Hittheilung  abgiebt,  scheinen  mir  jeden 
Zweifel  bezüglich  der  Zusammensetzung  derselben  zu  heben, 
welche  allerdings  die  des  Neurins  ist.  Es  bleibt  jetzt  noch 
übrig,  eine  sehr  genaue  Vergleichung  der  beiden  Körper 
vorzunehmen ,  um  die  .Frage  zu  entscheiden ,  ob  nicht  hier 
ein  Fall  von  Isomerie  doch  vorliege. 

Ich  beabsichtige,  die  Untersuchung  des  Oxäthyltrimethyl- 
ammonium -  Hydrats  weiter  zu  führen,  wie  auch  die  der 
analogen  Basen,  welche  sich  durch  Ersetzung  des  Trimethyl- 
amins  und  des  Glycol-Chlorhydrins  durch  die  Homologen 
dieser  Substanzen  erhalten  lassen  werden. 


120  Wanhlyn  u.  Schenk,  Synthese 

Synthese  der  Capronsäure; 
von  J.  A.  Wanklyn  und  R.  Schenk*). 


Kohlensäure  wirkt  auf  Natriumäthyl  und  Natriummethyl 
ein,  und  bildet  im  ersteren  Falle  propionsaures ,  im  zweiten 
Falle  essigsaures  Natrium.  Es  schien  uns  wflnschenswerth 
zu  sein,  eine  parallele  Reaction  höher  in  der  Reibe  zu  er- 
halten.   Wir  haben  hierfür  die  Amylgruppe  gewählt. 

Quecksilberamyl  wurde  nach  Frankland  und  Duppa's 
Verfahren  dargestellt^  aus  Jodamyl  und  verdünntem  Natrium- 
amalgam, unter  Zusatz  von  etwas  Essigdther  um  die  Reaction 
einzuleiten.  Die  Reinheit  des  Quecksilberamyls  wurde  durch 
eine  Quecksilberbestimmung  festgestellt;  es  ergab  58,09 pG.  Hg, 
wahrend  sich  58,50  pC.  berechnen.  —  Aus  diesem  Queck- 
silberamyl wurde  nach  dem  von  Frankland  und  Duppa 
empfohlenen  Verfahren,  durch  Digeriren  desselben  mit  Zink, 
Zinkamyl  dargestellt.  Das  letztere  wurde  zusammen  mit  Natrium 
in  eine  Glasröhre  eingeschmolzen  und  im  Wasserbad  erhitzt; 
es  bildete  sich  Natriumamyl  und  Zink  wurde  ausgeschieden. 
—  Bei  dem  Zuleiten  von  Kohlensaure  fand  Wärmeentwicke- 
lung statt,  gerade  so  wie  bei  Anwendung  von  Natriumäthyl 
oder  Natriummethyl.  —  Nach  beendeter  Einwirkung  wurde 
Wasser  zugesetzt,  und  die  resultironde  Lösung  des  Natrium- 
salzes im  Wasserbade  zur  Trockne  eingedampft.  Der  Rück- 
stand gab  bei  der  Destillation  mit  verdünnter  Schwefelsäure 
eine  ölige,  nach  Capronsäure  riechende  Flüssigkeit.  Letztere 
wurde  in  Barytwasser  gelöst;  etwa  3  Grm.  eines  Baryumsalzes 
wurden  erhalten.  Das  getrocknete  Baryumsalz  ergab  37,56  pC. 
Ba,  während  sich  für  capronsaures  Baryum  37,33  pC.  berechnen. 


*)  Journal  of  the  Chemical  Society  [new  serieB]  Vol.  VI,  p.  31. 


der  Capronsäure.  121 

Auch  ein  Silbersalz  wurde  dargestellt ;  es  ergab  48,53  pC.  Ag, 
während   sich  für  capronsaures  Silber  48,43  pC.  berechnen. 
Die  Einwirkung   der  Kohlensäure  auf  das  Natriumamyl 
erfolgt  gemäfs  der  Gleichung  : 

NaCftH,,  +  COg  =  CflHjtNaOj. 


üeber  die  Art  der  Einwirkung  der  Erdrota- 
tion auf  die  Richtung  des  Windes; 

von  H.  Bftff. 

Jeder  Erdkörper,  der  sich  in  gerader  Linie,  wagerecht^ 
gleichgültig  übrigens  nach  welcher  Himmelsgegend  zu  be- 
wegen strebt,  erfährt  bekanntlich  in  Folge  der  Axenumdrehung 
der  Erde  eine  Ablenkung,  zur  rechten  Seite  auf  der  nörd- 
lichen Erdhälfte,  zur  linken  Seite  auf  der  südlichen,  welche 
ganz  allgemein  durch  die  Formel  : 

u  =  o  I  «  sin  y^ 

bestimmt  ist  *).      In  derselben  bedeutet  w  =  —^^-rwr-    den 

oolo4 

Drehungsbogen  für  die  Zeit  einer  Secunde  des  Sternentags^ 
oder  der  Periode  einer  vollständigen  Umwälzung  der  Erde 
um  ihre  Axe;  t  die  Dauer  der  Bewegung,  a  den  Weg,  wel- 
chen der  bewegte  Körper  während  der  Zeit  t  zurückgelegt 
hat,  endlich  ß  die  geographische  Breite  des  Ortes. 

Als  Hadley  gelegentlich  seiner  Erklärung  der  Fassat- 
winde den  Einflufs  der  Erdumwälzung  auf  irdische  Bewegun- 
gen zum  erstenmal  zur  Geltung  brachte,  versuchte  er  die 
westliche  Ablenkung  des  Polarstroms,  oder  dessen  Umwand- 
lung in  einen  Nordostwind  davon  abhängig  zu  machen ,  dafs 


*)  Zu  Tergleiohen  Ann.  Chem.  Pharm.,  Supplementband  IV,  8.  207. 


122 


Buff^  über  (He  Art  der  Einwirkung 


die  von  Nord  nach  Süd  bewegte  Lufl  ans  Breiten  geringerer 
Rolationsgeschwindigkeit  in  Breiten  gröfserer  Rotationsge- 
schwindigkeit  gelangt. 

Es  entsteht  nun  die  Frage,  ob  diese  Ablenkung  eines 
bewegten  Körpers  in  Folge  seines  Uebergangs  aus  einer 
Breite  in  die  andere  durch  den  Ausdruck  obiger ,  Formel 
bereits  genügend  berücksichtigt,  oder  ob  sie  etwas  Anderes, 
in  jenem  Ausdruck  nicht  Mitbegriffenes  ist.  Letzteres  könnte 
man  aus  dem  Grunde  vermuthen,  weil  die  Bewegungsbabn 
eines  Körpers,  auch  ohne  dafs  derselbe  aus  seiner  Breite 
merklich  heraustritt  (wie  z.  B.  die  Schwingungsebene  des 
Pendels),  durch  die  Erdrotation  eine  Drehung  erfahren  kann. 

Da  die  Beantwortung  dieser  Frage  ein  allgemeines 
Interesse  bietet,  so  dürfte  sie  den  Lesern  dieser  BUtter  will- 
kommen sein. 

Es  mag  der  Kreis  abq  einen 
Erdmeridian  vorstellen,  ao  =  r  einen 
Radius  des  Aequators,  ferner  be 
=  rcosß  den  Radius  eines  Breite- 
grades in  der  Breite  ab=^(fi.  Ein 
Körper  bewege  sich  entlang  des 
Meridians  durch  die  Wegesstrecke  c  b 
=  8,  d.  h.  aus  der  Breite  ac  zur 
Breite  ab  Es  isi  cd  =  o g  -^  be  und  cg  =  «sin/?; 
daher  : 

cd  =^  stan  fi  +  r  cos  jS. 

Die  Rotationsgeschwindigkeit  des  Punktes  a  ist  s=  oi  r, 
des  Punktes  b  =  cj  r  cos  ß^  des  Punktes  c  =  oi  («  sin  /? 
+  r  cos  ß).  Der  Unterschied  der  Rotatiorisgeschwindigkeiten 
der  Punkte  c  und  b  ist  folglich  : 

Angenommen,  der  Körper  bewege  sich  in  der  Richtung 
des  Meridians  gleichförmig  von  c  nach  b.      Im  Augenblicke 


der  Erdrotation  auf  die  Richtung  des   Windes,      123 

seines  Abgangs   von   c  besitzt  er   gerade    die  erforderliche 

Rotationsgeschwindigkeit,  um  die  geographische  Lange  seines 

Ausgangsortes  behaupten   zu   können.      Nachdem    er   aber 

bei  X  {ex  ^=:  x)  angekommen,  x 

c »  ■      ~t 

wurde  er  dazu  nur  noch  der 

Rotationsgeschwindigkeit  w  sin  ß  (x  b)  ^=  w  sin  ß  (s  —  x) 
bedürfen,  und  wird  folglich  mit  dem  Geschwindigkeitsuber- 
Schüsse  (0  sinß  X  von  seiner  geradiinigten  Bahn  östlich  ab- 
getrieben. Es  bedeutet  o;  sin  /3  or  den  Weg ,  der  von  dem 
Punkte  X  aus  winkelrecht  auf  c  ^  in  einer  Secunde  beschrie- 
ben werden  könnte.  Die  Beschleunigung  an  dieser  Stel!0 
ist  daher  =  2(a8\nßx;  sie  ist,  wie  man  leicht  sieht,  die 
Summe  aller  von  c  bis  x  gewonnenen  Beschleunigungen^  also 
die  Geschwindigkeit,  womit  die  Ablenkung  nach  Rechts  in 
diesem  Augenblicke  vor  sich  geht. 

Man  darf  daher  setzen,  indem  man  mit  u  die  Gröfse  der 
Ablenkung  bezeichnet  : 

du  =  2  o  Bin  fix  dt; 

oder  auch ,  da  die  Bewegung  nach  Annahme  gleichförmig, 
also  X  =  V  t  ist, 

du  =  2oB'infividi, 

Der  Integralwerth  dieses  Ausdrucks  zwischen  den  Grenzen 
X  =  0  bis  X  =  8  ist  : 

u  =  Gf  ainiSv^, 

und  indem  vi  =^  s  gesetzt  wird, 

u  :=  a  ts fiin  3. 

Dieser  Ausdruck  ist  identisch  mit  dem  am  Eingange 
dieses  Aufsatzes  hervorgehobenen.  Man  erkennt  daraus,  dafs 
die  Ablenkung  u  eines  horizontal  bewegten  Körpers  nur  von 
derjenigen  Breite  abhängig  ist,  in  welcher  derselbe  im 
Augenblicke  des  Schlusses  der  Beobachtung  anlangt. 

Die  nach  der  Formel  u  berechnete  Abweichung  eines 
Körpers  aus  der  ursprünglichen  Richtung  seiner  Bewegung 
kann  naturlich  nur  dann  eintreten,  wenn  derselbe  rechts  zu 


124  Buff^  über  die  Art  der  Einwirhung 

seiner  Bahn  freie  Beweglichkeit  besitzt.  Für  die  Luft  findet 
eine  freie  Beweglichkeit  in  diesem  Sinne  keineswegs  statt. 
Ein  Luftstrom  kann  nicht  aus  seiner  Richtung  ablenken, 
ohne  auf  die  zur  Seite  liegenden  Lufllheile  zu  drücken,  und 
diese  folglich  wie  sich  selbst  zu  verdichten.  Jede  durch 
die  Umdrehung  der  Erde  um  ihre  Axe  bewirkte  Veränderung 
in  der  Richtung  des  Windes  wird  ako  durch  Druck  und 
Verdichtung  eingeleitet;  wahrend  die  durch  Temperaturver- 
schiedenheit erzeugte  Kraft  eine  saugende  ist  und  vor  dem 
Winde  liegt.  Es  ist  einleuchtend,  dafs  in  jenem  Drucke  alle 
(«ufttheile  durch  die  ganze  Breite  {b)  des  Stroms  sich  be- 
theiligen müssen ;  dafs  folglich  die  verdichtende  Kraft  in 
ihrem  Grenzwerthe  {P)  von  der  Mächtigkeit  des  Stroms  ab- 
hängig ist. 

Der  Werth  von  P  auf  die  Flächeneinheit  bezogen,  er- 
giebt  sich  aus  der  Erwägung,  dafs  die  demselben  ent- 
sprechende Beschleunigung  : 

p 

Gleichung,  in  welcher  t;  den  Weg  in  der  Zeiteinheit,  also 
die  Geschwindigkeit  des  Luftstroms,  d  das  Gewicht  von 
1  Cubikfufs  Luft,  db  somit  die  der  beschleunigenden  Kraft 
ausgesetzte  LuflmassC;  soweit  sie  in  einem  Cylinder  von  der 
Länge  b  uud  einem  Querschnitte  =  der  Flächeneinheit  ent- 
halten ist,  vorstellt.    Man  findet  hieraus  : 

S  '       9 

^bezeichnet  die  Höhe  einer  Luftsäule,  deren  Druck  sich 
mit  dem  von  der  Erdrotation  abhängigen  von  dem  Luftstrom 
winkelrecht  zur  Richtung  seiner  Bewegung  ausgeübten  Drucke 
ins  Gleichgewicht  setzen  würde. 

Man  denke  sich  z.  B.  einen  Wind^  der  aus  Süd- West 
mit  einer  Geschwindigkeit   von  30  Pariser  Fufs  gegen  den 


der  Erdrotation  auf  die  Richtung  des  Windes.       125 

50.  Breitegrad  binblasl,  so  zeigt  die  Rechnung,  dafs  derselbe 
unter  Annahme  einer  Breite  von  30  geographischen  Meilen 
seines  Bettes^  an  seiner  Ostgrenze  eine  Anstauung  bewirken 
kann,  deren  Kraft  dem  Drucke  einer  Luftsäule  von  76,5  FufS; 
oder  dem  einer  Quecksilbersäule  von  1  Pariser  Linie  gleich 
kommt. 

Es  ist  selbstverständlich,  dafs  die  Wirksamkeit  derartiger 
Kräfte  bei  einem  Luftstrome  von  immerwährender  Dauer,  wie 
dem  Passate,  durch  eine  mittlere  Richtung  der  Bewegung 
längst  ihre  Ausgleichung  gefunden  hat.  Anders  aber  mufs 
es  sich  bei  einem  Wechsel  der  Windesrichtung  zeigen,  oder 
bei  entgegengesetzt  gerichteten  Winden,  deren  Bette  nicht 
aber,  sondern  nebeneinander  liegen.  Sollte  nicht  bei  wech- 
selnder Witterung  in  den  europaischen  Ebenen'  der  soge- 
nannte Kampf  des  Sud- West-  mit  dem  Nord -Ost -Strome, 
und  die  denselben  so  häufig  begleitenden  Wirbelwinde  vor- 
zugsweise von  dem  bezeichneten  Einflüsse  abstammen? 


üeber  die  Identität  des  Körpers  in  der  Atmo- 
sphäre,   welcher    Jodkalium    zersetzt,     mit 

Ozon ; 

von  Th.  Andrews  *). 


Es  ist  eine  Reihe  von  Jahren,  namentlich  auf  die  Auto- 
rität von  Schönbein  hin,  angenommen  worden,  dafs  der 
in  der  Atmosphäre  enthaltene  Körper,  welcher  Jodkaliutn- 


*)  ProoeedingB  of  the  Eoyal  Society,  Vol.  XVI,  p.  68. 


126  AndretoSy  über  die  Anwesenheit 

Papier  färbt,  mit  Ozon  identisch  ist;  aber  diese  Identität  ist 
neuerlich  in  Zweifel  gezogen  worden,  und  da  der  Gegenstand 
erhebliche  Wichtigkeit  hat,  so  unterwarf  ich  ihn  einer  sorg- 
fältigen Untersuchung.  Die  einzige  Eigenschaft  des  Ozons, 
welche  bis  jetzt  auch  für  den  in  der  Atmosphäre  enthaltenen 
Körper  nachgewiesen  worden  ist,  ist  die,  Jod  aus  Jodkalium 
frei  zu  machen ;  da  aber  auch  andere  Substanzen,  wie  z.  B. 
Salpetersäure  und  Chlor,  dieselbe  Eigenschaft  besitzen,  liefs 
sich  aus  dieser  Thatsache  allein  kein  sicherer  Schlafs 
ziehen. 

Eine  der  auffallendsten  Eigenschaften  des  Ozons  ist  sein 
Vermögen,  Quecksilber  zu  oxydiren,  und  wenige  Experi- 
mente sind  auffallender,  als  das,  einige  Blasen  electrolytisch 
entwickelten  Sauerstoffgases  auf  die  Oberfläche  von  1  bis 
2  Pfund  Quecksilber  einwirken  zu  lassen.  Das  Metall  ver- 
liert sofort  seinen  Glanz  ^  seine  Beweglichkeit  und  die  Con- 
vexität  der  Oberfläche ,  und  bewegt  haftet  es  in  dünnen 
spiegelartigen  Häutchen  an  der  Wandung  des  es  enthalten- 
den Glasgefäfses.  —  Der  in  der  Atmosphäre  enthaltene  Kör- 
per wirkt  in  derselben  Weise  auf  reines  Quecksilber  ein  ; 
aber  bei  der  äufserst  geringen  Menge,  welche  überhaupt  in 
der  Luft  anwesend  ist,  erfordert  der  Versuch  einige  Sorg- 
falt dafür,  dafs  diese  Wirkung  zur  Wahrnehmung  gebracht 
werde.  Bei  mehrstündigem  Ueberleiten  eines  Stromes  von 
atmosphärischer  Luft,  welche  mit  Jodkalium-Papier  die  ge- 
wöhnliche Reaction  gab,  über  die  Oberfläche  von  Queck- 
silber in  einer  U-Röhre,  wurde  das  Metall  deutlich  an  dem 
Ende  oxydirt,  an  welchem  die  Luft  zuerst  in  Berührung  mit 
ihm  kam. 

Dieser  Versuch  kann  jedoch  nicht  als  ein  streng  be- 
weisender betrachtet  werden ,  da  das  Quecksilber  auch  in 
Folge  der  Einwirkung  mehrerer  anderer  Körper,  aufser 
Ozon,  anlaufen  und  seine  Beweglichkeit  verlieren  kann. 


von  Ozon  in  der  Atmosphäre^  127 

Bekanntlich  verschwinden  alle  Reactionen  des  Ozons, 
wenn  das  letztere  durch  eine  Röhre  geleitet  wird,  welche 
Stückchen  trockenen  Manganhyperoxyds  oder  eines  anderen 
Körpers  aus  derselben  Klasse  enthalt.  Dasselbe  hat  statt  für 
die  in  der  Atmosphäre  enthaltene,  als  Ozon  betrachtete  Sub- 
stanz. Etwa  80  Liter  atmosphärischer  Luft  wurden  in  gleich- 
förmigem Strome  durch  eine,  Hanganhyperoxyd  enthaltende 
Röhre  gesaugt  und  dann  auf  sehr  empfindliches  Reagens- 
papier einwirken  gelassen.  Nicht  die  leiseste  Färbung  des 
letzteren  trat  ein,  obgleich  dasselbe  Papier  deutlich  gefärbt 
wurde,  als  10  Liter  derselben  Luft,  ohne  Einschaltung  der 
mit  Manganhyperoxyd  gefällten  Röhre,  über  es  geleitet 
wurden. 

Aber  die  Einwirkung  der  Hitze  giebt  den  unzweideu-? 
tigsten  Beweis  ab  für  die  Identität  des  in  der  Atmosphäre 
enthaltenen  Körpers  mit  Ozon.  In  einer  früheren  Hitthei- 
lung  *)  habe  ich  gezeigt,  dafs  das  Ozon ,  mag  es  durch 
Electrolyse  oder  durch  die  Einwirkung  electrischer  Funken 
auf  Sauerstoff  erhalten  sein,  bei  237^  C.  rasch  zu  gewöhn- 
lichem Sauerstoff  umgewandelt  wird.  Ein  Apparat  wurde 
zusammengestellt,  mittelst  dessen  ein  Strom  atmosphärischer 
Luft  in  einem  kugelförmigen  Gefäfse  von  5  Liter  Inhalt  auf 
260<^  C.  erhitzt  werden  konnte.  Nach  dem  Austreten  aus 
diesem  Gefäfse  strich  die  Luft  durch  eine  U-förmige  Röhre, 
deren  Wandung  innen  mit  Wasser  benetzt  war,  während 
die  Röhre  selbst  durch  Eintauchen  in  ein  Gefäfs  mit  kaltem 
Wasser  abgekühlt  wurde.  Als  atmosphärische  Luft  von 
günstiger  Beschaffenheit  durch  diesen  Apparat  geleitet  wurde, 
mit  einer  Geschwindigkeit  von  3  Liter  in  der  Minute,  wurde 
das  Reagenspapier  innerhalb  2  bis  3  Minuten  deutlich  gefärbt, 


*)  Pfailosophical  Transactions   for    1856,    p.  12    (vgl.    Ann.    Chem. 
rharm.  XCVII,  873). 


128    Andrews,   Anwesenheit  von  Ozon  in  der  Atmosphäre. 

vorausgesetzt  dafs  das  kugelförmige  Gefafs  nicht  erhitzt  war. 
Aber  wenn  die  Temperatur  der  Luft  bei  dem  Durchgehen 
durch  dieses  Gefäfs  auf  260^  gebracht  war,  zeigte  sich  nicht 
die  leiseste  Einwirkung  auf  das  Reagenspapier,  wie  lange 
auch  das  Durchströmen  von  Luft  andauerte.  Aehnliche  Ver- 
suche mit  künstlich  ozonhaltig  gemachter  Luft  —  nämlich 
mit  der  Luft  eines  grofsen  Zimmers,  welche  eine  kleine 
Menge  electroly tisch  dargestellten  Ozons  erhielt  —  gaben  ge- 
nau dieselben  Resultate.  Andererseits  wurde  das  Reagens- 
papier gefärbt,  die  Glaskugel  mochte  erhitzt  sein  oder  nicht, 
als  kleine  Mengen  Chlorgas  oder  Salpetersauredampf,  mit 
sehr  viel  Luft  verdfinnt,  durch  denselben  Apparat  gesaugt 
wurden. 

Auf  Grund  dieser  Versuche  betrachte  ich  die  Schlufs- 
folgerung  als  gerechtfertigt,  dafs  der  in  der  Atmosphäre 
enthaltene  Körper,  welcher  Jodkalium  zersetzt,  mit  Ozon 
identisch  ist. 


Ausgegeben  den  28.  Mai  1868. 


ANNALE» 

D£B 


CHEMIE  UND  PHARMACIE. 


VI.    Supplementbandes   sweites   Heft 


Untersuchungen    über   die    Dampftensionen 

homologer  Verbindungen ; 

von  H.  LandoU. 

(HierKu'Taf.  ü). 


1«  Dalton  *)  hatte  im  Jahre  1801  aus  seinen  Versuchen 
über  die  Spannkräfte  der  Dampfe  einer  Anzahl  von  Flüssig- 
keiten das  Gesetz  ableiten  zu  können  geglaubt,  dafs  allen 
Substanzen  bei  Temperaturen,  welche  eine  gleiche  Anzahl 
von  Graden  über  oder  unter  dem  Siedepunkte  bei  gewöhn- 
lichem Atmosphärendnick  liegen,  eine  übereinstimmende 
DampftcQsion  zukomme. 

Diesem  Gesetze  Dalton's  wurde  jedoch  bald  von  einer 
Hange  von  Forschern  widersprochen;  es  hatten  sich  nament- 
lich Ure,  Despretz,  Avogadro,  Faraday  u.  A.  gegen 
die  Gültigkeit  desselben  erklärt,  und  schliefslich  fand  die 
Frage  ihre  Tollständige  Erledigung  durch  die  zahlreichen 
Spannkraftmessungen  Regnault's  **).  Es  wies  Dieser  be- 
stimmt nach,  dafs  verschiedene  Flüssigkeiten  bei  gleichen 
Temperaturabständen  vom  Siedepunkt  Differenzen  in  den 
Pampftensionen  zeigen,  welche  die  Beobachtungsfehler  weit 


*)  Mem.  of  the  literary  and   philos.  Society  of  Manchester  V,  550. 
••)  M&n.  de  FAcad.  T.  XXI  u.  XXVL 


130    Landoltf  Unterauchtmgen  über  die  DampfteMionen 

überragen,  ond  dafs  dieselben  um  so  beträchtlicher  werden, 
je  mehr  man  sich  vom  Siedepunkte  entfernt*).'  Zu  dem- 
selben Resultate  kam  auch  Clausius  **),  welcher  bei  einer 
Anzahl  der  von  Regnaul t  untersuchten  Substanzen  die 
Differenzen  zwischen  den  Siedetemperaturen  bei  den  Span- 
nungen von  1  und  von  5  Atmosphären  bildete,  und  keine 
Uebereinstimmung  unter  denselben  fand,  wie  es  nach  D al- 
ten hatte  der  Fall  sein  müssen. 

Dafs  das  Gesetz  keine  allgemeine  Gültigkeit  besitzt,  ist 
somit  erwiesen.  Wenn  man  aber  die  Körper  betrachtet, 
deren  Dampflensionen  zur  Prüfung  desselben  dienten,  so 
finden  sich  unter  denselben  die  gröfsten  Verschiedenartig- 
keiten in  Bezug  auf  alle  ihre  physikalischen  und  chemischen 
Eigenschaften.  Für  Körper  von  ahnlicher  Natur  und  gleich- 
artiger chemischer  Constitution  ist  das  Dalton'sche  Gesetz 
nicht  erprobt.  Es  lag  immer  noch  die  Möglichkeit  offen, 
dafs  dasselbe  bei  solchen  Substanzen,  und  zwar  bei  den 
Gliedern  homologer  Reihen,  welche  bekanntlich  schon  mehr- 
fach Beziehungen  zwischen  ihrer  Zusammensetzung  und  den 
physikalischen  Eigenschaften  zu  erkennen  gegeben  haben, 
sich  bewahrheiten  würde.  Diese  Frage  ist  bis  jetzt  nicht 
erledigt,  es  sind  noch  keine  Spannkraflmessungen  der  Dampfe 
solcher  Körper  bekannt. 

Der  Gegenstand  ist  ferner  in  einer  anderen  Beziehung 
von  Interesse.  Bekanntlich  hat  Kopp  in  den  Siedepunkten 
der  Glieder  homologer  Reihen  bestimmte  Regelmafsigkeiten 
nachgewiesen,  die  zwar  bisweilen  nicht  unerhebliche  Ab- 
weichungen zeigen,  aber  doch  im  Grofsen  und  Ganzen  nicht 
zu  verkennen  sind.  So  hat  er  gezeigt,  dafs  bei  den  Gliedern 
der   Ameisensäure  -  Reihe    einer  Zusammensetzungsdifferenz 


*)  M^m.  de  TAcad.  XXVl,  662. 
**)  AbhandluDg  ftber  die  mechaniache  Wftrmetheorie  I,  131. 


homologer   Verbindungen.  131 

▼on  CH2  ein  constanter  Unterschied  im  Siedepunkt  entspricht, 
weicher  im  Mittel  19^  beträgt,  und  dafs  dieselbe  Differenz 
auch  bei  den  Alicoholen  auftritt.  Es  liegen  nun  noch  keine 
Erfahrungen  darüber  vor,  ob  diese  Beziehungen  sich  nur  auf 
die  Siedepunkte  beschränken,  welche  dem  zufälligen  Atmo- 
sphärendrucke von  760  MM.  entsprechen,  und  dieselben  dem- 
nach blofs  einen  empirischen  Werth  be^en,  oder  ob  sie 
auch  bei  Temperaturen  sich  zeigen,  die  anderen  Spannungen 
zugehören.  Das  letztere  wird  der  Fall  sein,  wenn,  wie  es 
das  Dalton'sche  Gesetz  fordert,  die  Siedepunkte  verschie- 
dener Körper  für  die-  nämliche  Druckveränderung  sich  um 
eine  gleiche  Anzahl  von  Graden  verschieben.  Es  ist  also 
die  Frage  an  die  Existenz  dieses  Gesetzes  gebunden. 

Die  obigen  Grunde  bestimmten  mich,  für  eine  Anzahl 
von  Körpern,  und  zwar  zunächst  für  die  Anfangsglieder  der 
Ameisensäure-Reihe,'  die  Spannkräfte  ihrer  Dämpfe  bei  ver- 
schiedenen Temperaturen  zu  ermitteln.  Ich  lege  in  Folgen- 
dem .  die  mit  Ameisensäure,  Essigsäure,  Propionsäure,  Butter- 
saure  und  Valeriansäure  angestellten  Beobachtungen  vor. 

Apparate  und  Methoden. 

%•  Zu  den  Tensionsbestimmungen  sind  zwei  verschiedene 
Apparate  gebraucht  worden,  welche  beide  so  eingerichtet 
werden  mufsteu;  dafs  sie  mit  kleinen  Mengen  Flüssigkeit  zu 
arbeiten  erlaubten.  Der  eine  war  für  Versuche  bei  niedrigen 
Temperaturen,  der  andeire  für  solche  bei  höheren  bestimmt. 
Zu  dem  ersten  Zwecke  wurde  eine  Vorrichtung  benutzt, 
welche  aus  zwei  in  einem  Wasserbad  befindlichen  Baro- 
metern bestand,  von  denen  das  eine  die  zu  untersuchende 
Flüssigkeit  enthielt;  die  Differenz  der  Quecksilberstände  gab 
die  Tension.  Der  angewandte  Apparat  ist  Fig.  1  dargestellt. 
In  dem  kupfernen  Wasserbade  A ,  welches  auf  der  Vorder- 

9» 


132     Landolt,    Untersuchungen  über  die  Dampftensionen 

and  Rückseite  mit  abnehmbaren  Spiegelglasscheiben  ge- 
schlossen ist ,  befinden  sich  zwei  Röhren  a  b  von  850  HM. 
Länge  und  18  HM.  innerem  Durchmesser.  Dieselben  gehen 
durch  Gaouichoucpfropfen  am  Boden  des  Wasserbades  durch, 
und  tauchen  mit  ihren  ofi'enen  Enden  gemeinschaftlich  in  die 
Quecksilberwanne  c.  Das  Rohr  a  wurde  bleibend  zum  Baro- 
meter hergestellt.  Zu  diesem  Zwecke  war  an  das  obere 
Ende  desselben  ein  enges  Capillarrohr  f  angebracht,  wel- 
ches mit  Hülfe  eines  angeschmolzenen  Glasröhrenstücks  mit 
der  zum  Theil  aus  Blei  bestehenden  Leitung  d  e ,  und  durch 
diese  weiter  mit  einer  Geifsler'schen  Quecksilberluftpumpe 
B  in  Verbindung  gesetzt  werden  konnte.  Um  zunächst  die 
Innenwände  des  Rohrs  von  aller  Feuchtigkeit  zu  befreien, 
wurde  ungefähr  20  mal  leer  gepumpt,  und  durch  die  Trocken- 
apparate mm,  welche  mit  Schwefelsäure  befeuchtete  Glas- 
perlen enthielten,  Luft  einströmen  gelassen.  Die  untere  Oeff- 
nung  der  Röhre  a  war  hierbei  durch  eine  luftdicht  anliegende 
Platte  geschlossen.  Nachdem  dieselbe  entfernt  worden  war, 
hob  man  durch  abermaliges  Pumpen  das  Quecksilber  in  dem 
Rohre,  stellte  das  Vacuum  so  vollständig  wie  möglich  her 
und  schmolz  schliefslich  mittelst  eines  Gaslöthrohrs  die  Capil- 
larröhre  bei  f  ab.  Ob  das  so  entstandene  Barometer  luftfrei 
war  oder  nichts  blieb  sich,  wie  aus  dem  ferneren  Bericht 
ersichtlich ,  gleichgültig ;  an  dem  Manometer  der  Luftpumpe 
liefs  sich  vor  dem  Abschmelzen  durchaus  keine  Differenz 
der  beiden  Quecksilberstände  erkennen. 

Die  Röhre  b,  welche  ob.en  ebenfalls  ein  Capillarrohr 
besafs  und  durch  Anschmelzen  mit  der  Lösung  d  e  und  der 
Pumpe  in  Verbindung  gesetzt  werden  konnte,  wurde  dann 
ganz  auf  die  nämliche  Weise  behandelt.  Nachdem  sie  ge- 
trocknet worden  war,  pumpte  man  das  Quecksilber  in  der- 
selben so  weit  empor,  dafs  es  genau  auf  gleiche  Höhe  wie 
im  Barometerrohr  a  zu  stehen  kam.     Zur  Beobachtung  der 


homologer  Verbindungen.  133 

Ouecksilberstände  diente  ein  vor  beiden  Rödren  aufgestelltes 
Kathetometer.  War  keine  Niveaudifferenz  mehr  mefsbar,  so 
wurde  die  Capillarröhre  bei  g  entzwei  geschmolzen. 

Um  die  zu  untersuchende  Flüssigkeit  luflfrei  in  die 
Röhre  b  zu  bringen,  wurde  folgendes  Verfahren  angewandt : 
Man  verfertigte  vor  der  Lampe  Röhren  von  der  Form  Fig.  2 
und  füllte  sie  auf  die  gewöhnliche  Weise  durch  abwechseln- 
des Erhitzen  und  Erkaltenlassen  gröfstentheils  aus  der  Flüs- 
sigkeit an.  Dieselbe  wurde  dann  längere  Zeit  zum  Sieden 
erwärmt  und  nach  dem  vollständigen  Austreiben  der  Luft 
die  Spitze  zugeschmolzen.  Die  erkaltete  Röhre  tauchte  man 
mit  dem  umgebogenen  Ende  in  die  Quecksilberwanne  c, 
Fig.  1  und  brach  die  Spitze  ab,  wobei  das  eindringende 
Quecksilber  die  Flüssigkeit,  wenn  das  Auskochen  gut  vor- 
genommen worden  war^  bis  an  das  obere  Ende  hob.  Die 
Spitze  wurde  jetzt  unter  die  Oeffnung  des  Rohres  b  ge- 
schoben, und  der  obere  Theil  des  Gefäfses  Fig.  2  so  lange 
erwärmt,  bis  durch  die  sich  entwickelnden  Dämpfe  das  Queck- 
silber und  ein  Theil  der  Flüssigkeit  ausgetreten  waren.  Die 
letztere  stieg  durch  das  Quecksilber  in  das  Rohr  b  empor 
und  sammelte  sich  im  Vacuum  an. 

Nachdem  man  die  beiden  Barometerröhren  auf  diese 
Weise  vorgerichtet  hatte,  \|urde  die  vordere  Glasplatte  des 
Wasserbades,  welche  bis  dahin  abgenommen  worden  war, 
an  ihre  Stelle  gebracht.  Hit  Hülfe  untergelegter  Caoutchouc- 
ringe  und  eines  eisernen,  mit  Schrauben  versehenen  Rah- 
mens liefs  sich  dieselbe  wasserdicht  befestigen.  Behufs  Er- 
wärmung des  Wasserbades  besafs  der  kupferne  Kasten  auf 
beiden  schmalen  Seiten  längs  der  ganzen  Höhe  Hohlräume 
von  halbkreisförmigem  Querschnitt,  welche  durch  aufge- 
nietetes Kupferblech  hergestellt,  und  an  dem  oberen  Ende 
geschlossen,  am  unteren  offen  waren.  Indem  man  zwei 
Bunsen'sche  Gaslampen  ii  unter  den  Oeffnungen  brennen 


134      L an  doli,    Untersuchungen  über  die  Dampßenafonen 

liefS)  heizte  di$  sta^irende  heifse  Luft  das  Wasserbad  Ton 
beiden  Seiten  der  ganzen  Höhe  nach.  Es  gelang  auf  diese 
Weise,  die  Temperatur  des  Wassers  bis  zu  80^  zu  steigern. 
Durch  den  mit  6  Schaufeln  versehenen  Rubrer  k,  welcher 
an  dem  Seil  1 1  auf  und  nieder  gezogen  werden  konnte^ 
liefs  sich  das  Wasser  rasch  bewegen  und  durcheinander 
mischen.  Drei  Thermometer ,  die  zwischen  beiden  Röhren 
in  verschiedenen  Höhen  befestigt  waren,  gaben  die  Tempe- 
ratur an. 

Bei  Ausführung  der  Versuchsreihen  wurde  das  Wasser 
allmalig  erwärmt,  wobei  wegen  der  grofsen  Hasse  desselben 
die  Temperatur  nur  äufserst  langsam  stieg.  War  die  Er- 
wärmung bis  auf  1  oder  2  Grade  unter  den  Temperatnrpunkt 
vorgerückt,  für  welchen  eine  Spannkraftmessung  vorgenom- 
men werden  sollte,  so  schwächte  man  die  Flammen  der  Gas- 
lampen und  setzte  den  Rührer  in  raschere  Bewegung.  Die 
Temperatur  des  Wassers  erreichte  nach  und  nach  ein  Maxi- 
mum, welches  sich  einige  Hinuten  constant  erhielt,  so  dafs 
hinlänglich  Zeit  blieb,  die  Ablesungen  mehrmals  vorzunehmen. 
Dieselben  sind  von  zwei  Beobachtern  in  der  Weise  ausge- 
führt worden,  dafs  der  eine  die  Thermometer,  der  andere 
gleichzeitig  den  Stand  des  Quecksilbers  im  Flüssigkeitsrohr  b 
und  nachher  das  Barometer  a#iblas.  Die  beiden  letzteren 
Beobachtungen  geschahen  mittelst  eines  von  Univ.-Mechanicus 
Epkens  in  Bonn  verfertigten  Kathetometers,  welches  V«o  MM. 
angab  und  mit  den  nöthigen  Correctionsvorrichtungen  zur 
genauen  Einstellung  versehen  war.  Die  Unterschiede  in  den 
Beobachtungen  betrugen  im  Uaximum  0,1  HM. 

Waren  die  Beobachtungen  für  eine  Substanz  beendigt, 
so  entleerte  man  das  Wasserbad,  nahm  die  Glasscheibe  ab, 
und  liefs  in  die  Flüssigkeitsröhre  b  von  unten  Luft  einsteigen, 
worauf  man  sie  aus  dem  Apparate  entfernte..  Um  dieselbe 
für  neue  Versuche  zuzurichten,  wurde  die  obere  Spitze  ab- 


homologer  Verbindungen*  135 

gebrochen  and  ein  neues  Capillarrohr  an^elothet,  welches 
nian,  nachdem  die  Röhre  wieder  in  den  Apparat  eingesetzt 
worden  war,  abermals  mit  der  Leitung  d  e  durch  Anschmel- 
zen in  Verbindung  brachte.  Es  erforderte  diese  Operation 
immer  einige  Sorgfalt.  Die  Röhre  wurde  dann  aufs  Neue 
mit  Hülfe  der  Luftpumpe  eben  so  hoch  mit  Quecksilber  an- 
gefüllt ^  wie  das  Barometer  a.  Dieses  letztere  blieb  bei 
sämmtlichen  Versuchen  unverändert. 

Bei  den  Versuchen  mit  dem  obigen  sowie  auch  mit 
dem  für  höhere  Temperaturen  bestimmten  Apparate  waren 
zwei  Beobachter  nöthig.  Herr  Dr.  Bettender  ff  hatte  die 
Güte,  mir  behülflich  zu  sein  und  bei  sammtlichen  Spannkraft- 
messungen  die  Ablesung  der  Thermometer  zu  übernehmen. 

3.  Zur  Berechnung  der  Spannkräfte  waren  an  den  Be- 
obachtungen folgende  Correctionen  anzubringen  : 

1)  Reduction  der  Höhe  der  Flüssigkeitssdule  im  Rohre  b 
auf  Quecksilber. 

2)  Reduction  der  Quecksilbersäulen  auf  0^. 

3)  Correction  der  Kathetometerbeobachtungen  der  Queck- 
silberkuppen in  Folge  der  Lichtbrechung  durch  die  Wasser- 
und  Glasschicht.  Um  diese  Correction  zu  bestimmen,  wurde 
nachstehendes  Verfahren*)  benutzt.  An  dem  Barometer  a 
war  etwas  oberhalb  der  Quecksilberkuppe  mittelst  eines 
Diamanten  ein  feiner  Strich  gezogen,  und  ferner  an  der 
Flüssigkeitsröhre  b  von  derselben  Höhe  an  nach  unten  eine 
Centimetertheilung  angebracht.  Man  ermittelte  nun  mittelst 
des  Kathetometers  die  Abstände  der  Centimetertheilstriche 
von  der  Marke  am* Barometer  erstens  bei  abgenommener 
Glasplatte,  und  zweitens  bei  vorgelegter  Glasplatte  und  ge- 
fülltem Wasserbade.  Diese  Beobachtungsreihen  mufsten 
selbstverständlich  jedesmal  dann  wiederholt  werden,  wenn 


*)  Vgl.  Regnaalt,  M^m.  de  FAcad.  ZXI,  482. 


B1M> 

MM 

466,00 

0,05 

462,45 

0,10 

452,40 

0,15 

442,35 

0,15 

432,85 

0,20. 

136    Landolty   Untersuchungen  über  die  Dampftensionen 

die  Flüssigkeitsröhre  und  die  Glasplatte  Yon  Neuem  in  den 
Apparat  eingesetzt  worden  waren.  Beispielsweise  wurden 
folgende  Zahlen  erhalten  : 

Kathetometerablesang  Yeracbie- 

durch  durch  bang  des 

Luft       Wasser  u.  Glas  Tbeilstrichs 
MM. 

Marke  am  Barometer  465*05 

Theilstricb  1  am  Flüssigkeiterobr  462,55 

TheiUtricb  2  am  Flfissigkeitsrohr  452,55 

Theilstricb  8  am  Flüssigkeiterobr  442,50 

Theilstricb  4  am  FlfissigkeiUrobr  432,55 

Die  bei  den  Versuchen  erhaltenen  Ablesungen  am  Baro- 

■ 

meter  mufsten  also  um  0,05  HH.  und  diejenigen  am  Flussig- 
keitsrohr,  wenn  z.  B.  das  Quecksilber  ungefähr  beim  Theil- 
striche  3  stand,  um  0,15  HM.  erhöht  werden.  'Oder  es  war 
die  Differenz  der  Quecksilberstande  um  0,10  MM.  zu  yer- 
mindern. 

Diese  Correction  war  namentlich  bei  den  späteren  Ver- 
suchen, bei  welchen  wegen  des  häufigen  Springens  der 
Glasplatten  solche  von  dünnerem  Glase  eingesetzt  wurden, 
nicht  unbeträchtlich,  indem  diese  durch  den  Druck  der  Was- 
sersäule offenbar  eine  Krümmung  erlitten.  Es  konnte  hier 
die  absolute  Verschiebung  auf  0,7  MM. ,  die  relative  bis  zu 
0,4  MM.  steigen. 

4)  Correction  betreffend  die  Hebung  der  Quecksilber- 
säule im  Rohre  b  durch  die  Capillarität  der  Flüssigkeit 
Hierfür  konnte  ohne  erheblichen  Fehler  der  Werth  0,1  MM. 
in  Rechnung  genommen  werden,  welcher  aus  den  von  Reg - 
nault*)  mit  Wasser  ausgeführten   Versuchen   hervorgeht. 

In  Betreff  der  angewandten  drei  Thermometer  führe  ich 
schliefslich  an,  dafs  dieselben  wiederholt  auf  die  Verände- 
rung ihrer  Fundamentalpunkte  geprüft  und  zu  jedem  Cor- 


*)  M^m.  de  FAcacL  XXI,  486. 


homologer   Verbindung en.  137 

rectionstabellen  angeferti^  waren.  Nr.  I  stammte  von  Mecha- 
nicQS  Geifsler  in  Berlin,  Nr.  II  und  III  von  Hechanicus 
Geifsler  in  Bonn.  Sie  besafsen  Theilung  in  5tel  Grade. 
Die  Calibrirung  des  Rohrs  war  bei  allen  schon  bei  der  Con- 
struction  der  Scala  in  Betracht  gezogen  worden. 

4«  Zar  Bestimmung  der  Spannkräfte  bei  Temperaturen 
die  über  80^  lagen,  wurde  ein  anderer  Apparat  benutzt, 
dessen  Einrichtung  zürn  Theil  durch  den  anfanglichen  Mangel 
eines  Kathetometers  bedingt  worden  war,  und  der  später 
verändert  wurde.  Derselbe  ist  Fig.  3  dargestellt.  Die  zu 
erhitzende  Flüssigkeit  befindet  sich  über  Quecksilber  in  dem 
cylindrischen  Glasgefäfse  a,  welches  durch  die  enge  Röhre  b 
und  die  etwas  weitere  c  mit  dem  Manometer  d  communicirt. 
An  das  Gefäfs  a  ist  oben  eine  gebogene  und  mit  Glashähn- 
chen  e  versehene  Röhre  angebracht,  und  ferner  das  unten 
geschlossene  dünnwandige  Rohr  f  eingeschmolzen,  welches 
mit  Quecksilber  angefüllt  wird  und  zur  Aufnahme  des  Ther- 
mometers bestimmt  ist.  An  der  mit  Millimetertheilung  ver- 
sehenen Steigröhre  d  befinden  sich  die  Hähne  k  und  1.  Zur 
Erhitzung  von  a  dient  ein  Luftbad  g,  welches  aus  zwei  in 
einander  gesetzten  Kasten  von  Eisenblech  besteht,  die  auf 
dei^  Vorder-  und  Rückseite  mit  Glasscheiben  versehen  sind, 
und  von  denen  der  äufsere  bei  h  und  i  einen  unten  ofi'enen, 
oben  geschlossenen  Hohlraum  besitzt.  Die  Luft  in  diesen 
letzteren  wird  wie  bei  Apparat  Fig.  1  durch  untergestellte 
Gaslampen  erhitzt ,  und  so  von  beiden  Seiten  die  Wärme 
gleichförmig  dem  Inneren  mitgetheilt.  Der  Apparat  zeigte 
im  Allgemeinen  Aehnlichkeit  mit  demjenigen ,  welchen 
Plücker  zur  Bestimmung  der  Spannkraft  des  Alkoholdampfs 
benutzt  hatte*).  Er  war  wie  dieser  von  Herrn  Geifsler 
mit  grofser  Geschicklichkeit  ganz  aus  Glas  hergestellt  worden. 


*)  Pogg.  Ann.  XCU,  198. 


138     Landolt^  Untersuchungen  über  die  Dampf tenatonen 

Das  Hanipuliren  mit  diesem  Apparate  geschah  in  folgen- 
der Weise  :  In  das  Manometer  d   wurde  so  lange  Queck- 
silber gegossen^  bis  dasselbe  durch  c  und  b  in  das  Gefäfs  « 
eingetreten   und   bis   über   das   Hähnchen  e   gestiegen  war. 
Da  das  Röhrenstuck  b  blofs  etwas  über  1  MM.  innere  Weite 
besafs,  so  flofs  das  Quecksilber,  ohne   dafs  sich  Luft  ab- 
sperrte, hindurch  und    bildete  in  dem  ganzen  Apparate  eine 
zusammenhängende  Säule.    Die  zu  untersuchende  Flüssigkeit 
wurde  in  den  oberhalb  des  Hähnchens  e  befindlichen  kleinen 
Trichter  gegossen,   und   durch   Oefi'nen   des  Hahnes  k  am 
Manometer,  während  1  geschlossen  blieb,  in  das  Erhitzungs- 
gefäCs  a  eingesogen.    Durch  Erwärmen  des  letzteren  brachte 
man  die  Flüssigkeit  längere  Zeit  zum  Kochen,   um  alle  ab- 
sorbirte  Luft  auszutreiben ,  und  schlofs  hierauf  das  Hähn- 
chen e ,   nachdem   man  etwas  Quecksilber  in  die  unterhalb 
desselben   befindliche    enge   Röhre   hatte   einfliefsen   lassen. 
Wenn  nach  dem  Abkühlen  das  Gefäfs  a   durch  eintretendes 
Quecksilber  vollständig  angefüllt  war,  konnten  die  Spann- 
kraftmessungen beginnen.      Zu  diesem  Zwecke  wurde   das 
Quecksilber  in  der  Steigröhre  d  bis  nahe  an  den  Nullpunkt 
der  Theilung  sinken  gelassen,  die  Erwärmung  des  Gefäfses  a 
bis  zu  der  gewünschten  Temperatur  langsam  vorgenommen, 
und  wenn  diese  erreicht  war,   der  Abstand   zwischen   den 
Quecksilberkuppen  in  a  und  d  gemessen.    Hierzu  waren  an 
dem  Gefäfs  a  zwei  Marken  angebracht ^  auf  deren  eine  man 
das  Quecksilber  durch  Oefi'nen  des  Hahnes  k  genau  einstellte, 
wobei  die  Kuppe  mittelst  eines  Femrohrs  beobachtet  wurde. 
Darauf  folgte  die  Ablesung   des  Quecksilberstandes  in  d^ 
Steigröhre.      Gleichzeitig   wurde  von  einem  zweiten  Beob- 
achter die  Temperatur  an  dem  in  die  Röhre  f  eintauchenden 
Thermometer  notirt. 

Um  die  dem  Stand  des  Quecksilbers  in  a  entsprechende 
Höhe  in  der  Steigröhre  d  bei  den  verschiedenen  Tempera- 


homologer  Verbindungen»  139 

tnren  zn  erbalten,  war  eine  Reihe  vorläufiger  Versuche 
nöthig.  Man  füllte  den  Apparat  soweit  mit  Quecksilber,  bis 
dasselbe  an  einer  der  Marken  in  dem  Gefäfs  a  stand,  und 
erhitzte  das  letztere  nach  und  nach  bis  zu  200^,  während 
das  Hähnchen  e  fortwährend  geöffnet  blieb.  Bei  einer  An- 
zahl von  Temperaturen  wurde  nun  der  Stand  des  Queck- 
silbers in  d,  welcher  Anfangs  im  Niveau  mit  dem  in  a  sich 
befand,  beobachtet,  wobei  man  die  Kuppe  in  a  durch  Regu- 
liren mittelst  des  Hahnes  k  fortwährend  an  der  Harke  tan- 
giren  liefs.  Dieselben  Beobachtungen  wurden  an  der  zweiten 
Marke  wiederholt,  und  aus  den  erhaltenen  Zahlen  eine  von 
5  zu  5^  steigende  Tabelle  über  den  Nullpunkt  des  Queck- 
silbers in  der  Hanometerröhre  d  berechnet.  Auf  diese 
Weise  war  der  Einflufs  der  ungleichen  Erwärmung  des 
Quecksilbers  in  den  verschiedenen  Theilen  des  Apparats 
eliminirt.  Wie  leicht  ersichtlich  schlössen  die  Zahlen  auch 
noch  den  Einflufs  der  Capillarität  der  ungleich  weiten  Röh- 
ren a  und  d  ein. 

Der  Apparat  wurde  später  in  der  Weise  verändert,  dafs 
man  als  Erhitzungsgefäfs  ein  an  beiden  Schenkeln  gleich- 
weites U-förmiges  Rohr  anwandte,  welches  durch  eine  lufl- 
haltende  Röhre  mit  dem  Manometer  communicirte.  Das 
Zwischenstück  konnte  durch  einen  seitlichen  Ansatz  mit  einer 
Luftpumpe  in  Verbindung  gesetzt  werden.  Diese  Form 
stimmt  überein  mit  derjenigen  der  Apparate  von  Magnus*) 
und  WüUner**). 

5«  Bei  der  Berechnung  der  Tensionen,  welche  sich  aus 
dem  Unterschied  der  Quecksilberstände  in  a  und  d,  und  dem 
Barometerstand  ergaben,  waren  noch  folgende  Correctionen 
zu  berücksichtigen  : 


*)  Pogg.  Ann.  LXI,  226. 
••)  DaMlbflt  CHI,  529. 


140     L an  doli,   Untersuchungen  über  die  Dampftenaionen 

1)  Die  Tension  des  Quecksilberdampfes.  Diese  wurde 
aus  der  von  Regnault  (Hem.  de  TAcad.  XXVI ,  250)  ge- 
gebenen Tabelle  entnommen. 

2)  Reduction  der  Höhe  der  Flüssigkeitssäule  auf  Queck- 
silber. 

3)  Reduction  der  Quecksilbersaulen  auf  0^ 

6.  Eine  weitere,  viel  wichtigere  Correction  betraf  die 
Thermometerablesung.  Wie  schon  oben  bemerkt,  tauchte 
das  Thermometer  mit  seinem  Reservoir  in  die  dünnwandige 
Röhre  f,  in  welche  man  etwas  Quecksilber  gegossen  hatte, 
ladem  dieselbe  überall  vom  Dampfe  umspült  war,  konnte 
man  sicher  sein,   dafs  das  Thermometer  an  seinem  unteren 

• 

Ende  die  richtige  Temperatur  erhielt.  Da  aber  ein  bedeu- 
tender Theil  des  Stieles  aus  dem  Erhitzungsgefdfs  heraus- 
ragte, mufste  durch  die  geringere  Temperatur  desselben  der 
Thermometerstand  sich  zu  niedrig  ergeben.  Zur  Berechnung 
dieser  immer  etwas  mifslichen  Correction  sind  verschiedene 
Formeln  in  Vorschlag  gebracht  worden,  von  welchen  ich 
drei  einer  näheren  Prüfung  unterzogen  habe.  Kopp*)  be- 
stimmt die  gesuchte  corrigirte  Temperatur  T  durch  die 
Gleichung  : 

T  =  t  +  0,000164 .  n  (t  —  t,), 

in  welcher 

t    der  abgelesene  Thermometerstand, 

t,  die  Temperatur  des  herausragenden  Quecksilberfadens,  bestimmt 
durch  ein  an  die  Mitte  desselben  angelegtes  zweites  Thermo- 
meter, 

n   die  Anzahl  herausragender  Grade, 

0,000154  den  AusdehnungscoSfficient  des  Quecksilbers  im  Glase 
für  10 

bedeutet. 

H  0 1 1  z  m  a  n  n  **)  findet  in  Folge  einer  Reihe  von  Be- 


»)  Kopp,  Pogg. Ann. LXXII,  27  und  Ann. Chem. Pharm. XCIV, 862. 
**)  Handwörterbuch  der  Chemie  VII,  868. 


homologer  Verbindungen.  141 

obachtungen  des  Siedepunktes  des  Wassers  mit  yerschieden 
tief  eingesenktem  Thermometer,  dafs  man  der  richtigen 
Temperatur  näher  kommt,  wenn  man  setzt  : 

T  =  t  +  0,000185  n  (t  -  t^).  ^ 

Eine  dritte  Formel  ist  von  Prof.  Wüllner  berechnet 
worden.  Sie  stützt  sich  auf  Versuche  über  die  Wärmeleitung 
des  Quecksilbers  in  einer  Glasröhre,  welche  ich  mit  dem- 
selben gemeinschaftlich  angestellt  habe.  In  Betreff  deren 
Ableitung  mufs  auf  die  ausfuhrliche  Abhandlung  verwiesen 
werden.    Nach  derselben  ist  : 


T =t+ 0,000164.  ii(t—to){l—-- (l  — 

.  4,185  \ 


—  — .4,185> 
e       *' 


worin  t  und  n,  sowie  die  Zahl  0,000154  dieselbe  Bedeutung 
wie  oben  haben,  und  ferner  : 

to  die  Temperatur  des  Endes  des  heransragenden  Qaeoksilberfadens, 
oder  bei  gröfseren  Längen  desselben  die  Temperatur  der  um- 
gebenden Luft, 

V  die  Anzahl  auf  1  Deoimeter  Scalenlftnge  gehender  Thermometer-- 
grade, 

e  die  Grundzahl  des  natürlichen  Logarithmensystems  (log  e  = 
0,48429), 

4,185  eine  aus  dem  Umfang  (0,8  MM.)  und  Querschnitt  (V48  MM.) 
der  Quecksilbersäule  in  den  von  mir  benutzten  Geifsler*- 
schen  Thermometern  sich  ergebende  Constante 

bezeichnet. 

Zur  Prüfung  dieser  verschiedenen  Correctionsformeln 
sind  folgende  Versuche  angestellt  worden. 

In  einem  Rudberg 'sehen  Apparat  zum  Bestimmen  des 
Siedepunkts  des  Wassers  wurde  ein  Geifsler'sches  Ther- 
mometer^ welches  unmittelbar  0^,1  angab  und  0^,01  schätzen 
liefs,  zuerst  ganz  in  den  Wasserdampf  eingetaucht,  so  dafs 
der  Punkt  100^  eben  noch  abzulesen  war.  Hierauf  zog  man 
das  Thermometer  successiv  um  20^  empor  und  beobachtete 
den  Stand  t  desselben,    so  wie  die   Temperatur  der   den 


142     Landolty  Untersuchungen  über  die  Dampftensionen 

Quecksilberfaden  umgebenden  Luft.  Diese  letztere  Beob- 
achtung geschah  mit  Hälfe  von  zwei  kleinen  Thermometern, 
von  welchen  das  eine  mit  seiner  Kugel  an  die  Mitte  des 
herausragenden  Fadens,  das  andere  an  das  Ende  desselben 
sich  anlegte.  Die  Temperatur  des  ersten  ist  nachstehend 
mit  ti  bezeichnet^  des  zweiten,  welches  immer  niedriger 
stand,  mit  to*  Um  Luftströmungen  von  dem  Erhitzungsappa- 
rate aus  abzuhalten,  war  der  Stiel  des  Hauptthermometers 
sammt  den  beiden  kleinen  Thermometern  in  eine  weite  Glas- 
röhre eingeschlossen.  Vor  jedem  Versuch  wurden  die  In- 
strumente auf  die  gewöhnliche  Lufttemperatur  erkalten  ge- 
lassen. Der  Barometerstand  betrug  während  den  Beob- 
achtungen 762,5  BfJU. 

Zu  einer  zweiten  Versuchsreihe,  die  sich  auf  höhere 
Temperaturen  erstri^ckte^  diente  ein  Paraffinbad,  welches  in 
einem  kupfernen  Knssel  von  0,45  Meter  Höhe  und  0,1  Meter 
Durchmesser  enthalten  war  und  sich  durch  einen  Gasofen 
heizen  liefs.  Zwei  in  ganze  Grade  getheilte  Thermometer 
wurden  so  eingetaucht,  dafs  der  herausragende  Faden  bei 
dem  einen  nur  sehr  kurz,  bei  dem  anderen  lang  war.  Den 
Stiel  des  letzteren  liefs  man  wieder  durch  einen  Kork  in 
einen  Glascylinder  eintreten,  in  welchem  die  Temperatur  der* 
Luft  einmal  in  der  Mitte  des  Fadens  (ti)  und  femer  am 
Ende  (to)  bestimmt  wurde.  Während  der  Erhitzung  erhielt 
man  das  Paraffin  durch  einen  Bührer  fortwährend  in  Be- 
wegung. Nach  Beendigung  der  Versuchsreihe  wurden  die 
beiden  Thermometer  bei  denjenigen  Temperaturen,  für 
welche  Beobachtungen  ausgeführt  worden  waren,  mit  ein- 
ander verglichen,  indem  man  sie  gleich  tief  in  das  Paraffin 
eintauchte  und  die  kleinen;  Abweichungen,  welche  sie  zeigten, 
bestimmte. 

In  der  folgenden  Ta  belle  sind  die  erhaltenen  Resultate 
zur  Prüfung  der  verschiedenen  Correctionsformeln  benatst 


homologer   Verbindungen. 


143 


För  die  Formeln  von  Kopp  and  Holtzmann  war  bei  der 
Rechnung  dje  Temperatur  ti  zu  benutzen,  bei  derjenigen 
▼on  Wällner  dagegen  to.  n  ist  wie  früher  die  Länge  des 
berausragenden  Fadens.  Bei  dem  för  niedrige  Temperaturen 
gebrauchten  Thermometer  war  v  =:  29^^  bei  dem  für  höhere 
»  «:  120^. 


• 

WirkUcbe 

Correctionsformel  Ton 

n 

t. 

to 

t 

Tempe- 

ratur 

Wüll- 
ner 

•  Holtz- 
mann 

Kopp 

0 

0 

0 

0 

.  0 

0 

0 

100,09 

100,09 

-» 

— 

— 

20 

27,6 

27 

99,92 

100,09 

100,11 

100,12 

100,14 

40 

24,5 

24 

99,70 

100,09 

100,09 

100,11 

100,16 

60 

21.9 

20 

99,42 

100,09 

100,07 

100,05 

100,14 

80 

21,8 

30 

99,20 

100,09 

100,09 

100,04 

100,16 

0 

0 

0 

100,09 

100,09 

• 

* 

^__ 

■^ 

20 

25,5 

25 

99,86 

100.09 

100,06 

100,06 

100,09 

40 

25,6 

24 

99,68 

100,09 

100,07 

100,08 
136.2 

100,14 

134 

88 

27 

138,5 

135,4 

135,3 

135,5 

161 

85 

25 

161,0 

163,9 

163,8 

163.7 

164,1 

196 

42 

84 

196,2 

200,4 

200,4 

200,3 

200,9 

318 

51 

40 

218,0 

223,1 

223,2 

222,9 

223,6 

166 

58 

45 

246,0 

250,4 

250,3 

250,3 

250,9 

Es  folgt  aus  dieser  Tabelle,  dafs  die  Wöllner'sche 
Formel  sich  immer  am  Nächsten  den  wirklichen  Tempera- 
turen anschliefst.  Die  Formel  von  Kopp  giebt  durchgängig 
etwas  zu  hohe  Werthe,  diejenige  von  Holtzmann  bei  län- 
geren Quecksilberfäden  dagegen  zu  niedrige. 

Bei  den  Thermometerbeobachtungen  an  dem  Dampften- 
aionsapparat  II  habe  ich  für  kurze  herausragende  Fäden  die 
Holtzmann'sche  Formel,  für  längere  die  Wüllner*sche 
benutzt 

7«  Die  Temperatarbestimmungen  bei  dem  Apparate  II 
flind  mit  Hilfe  zweier  Geifsler'scher  Thermometer  ausge- 
ffihrt  worden,   welche  eine  Theilung  in  0,2^  besafsen.    Das 


144     Landolt^  Untersuchungen  über  die  Dampftensionen 

erste  (Nr.  4)  zeigte  von  0®  bis  100^  das  zweite  (Nr.  5)  von 
100^  bis  200^  Die  Prüfung  des  letzteren  wurde  in  der 
Weise  vorgenommen,  dafs  man  dasselbe  erst  den  Dämpfen 
kochenden  Wassers  aussetzte,  wobei  es  bei  dem  Druck 
759,9  MM.  den  Stand  100,3^  zeigte,  und  hierauf  gleichzeitig 
mit  einem  Quecksilberausflufsthermometer  in  einem  Paraffin- 
bade auf  eine  höhere  Temperatur  erhitzte.  Der  Versuch 
gab  als  Angabe  des  Ausflufsthermometers  178,89^  und  des 
Thermometers.  Nr.  5  179,20^.  Aus  diesen  Bestimmungen 
folgte  ein  constanter  Fehler  von  0,3^,  welcher  von  allen 
Angaben  des  Thermometers  abzuziehen  war.  Ein  späterer 
Versuch,  welcher  nach  sehr  häufigem  Gebrauch  des  Ther- 
mometers angestellt  wurde,  führte  zu  der  nämlichen  Cor- 
rection. 

S.  Da  es  für  mehrere  Zwecke  wünschenswerth  war,  die 
den  Spannkräften  entsprechenden  Temperaturen  in  Graden 
des  Luftthermometers  ausdrücken  zu  können,  so  habe  ich 
das  Thermometer  Nr.  5  mit  einem  solchen  verglichen.  Für 
eine  erste  Reihe  von  Versuchen  wurde  das  Regnault- 
sehe  Verfahren  benutzt  Als  Luflthermometer  dienten  cylin- 
drische  Glasgefäfse  von  200  MM.  Länge  und  25  HM.  innerem 
Durchmesser,  an  welche  ein  Capillarrohr  geschmolzen  war. 
Nach  dem  Anfüllen  mit  trockener  Luft  wurden  dieselben  in 
dem   früher    erwähnten   Paraffinbade    gleichzeitig    mit   dem 

Quecksilberthermometer  erhitzt  und  das  letztere  so  tief  ein- 

* 

getaucht;  dafs  keine  Correction  wegen  des  herausragenden 
Fadens  nöthig  war.  Ein  rasch  auf  und  nieder  gehender 
Rubrer  sorgte  für  gleichförmige  Temperatur.  Es  folgte  nach 
bekannten  Verfahrungsweisen  :  1)  Das  Zuschmelzen  der 
Spitze  des  Capillarrohrs ,  unter  gleichzeitiger  Ablesung  des 
Quecksilberthermometers  und  des  Barometers.  Die  Höhe  des 
letzteren  sei  H.  2)  Abbrechen  der  Spitze  unter  Quecksilber 
und  Umgeben  des  Luftthermometers  mit  Eis.     3)  Messung 


homologer    Verbindungen.  145 

der  Höhe  (h)  der  ein^i^edrungenen  Quecksilbersäule  mittelst 
des  Kathetometers  und  Ablesung  des  Barometers  (H'). 
4)  Wagung  des  eingedrungenen  Quecksilbers.  Das  Gewicht 
desselben  sei  p.  5)  Füllen  des  ganzen  Thermometers  mit 
Quecksilber  bei  0^,  und  Bestimmung  des  Gewichtes  P  des 
eingedrungenen  Metalls  *). 

Hieraus  ergiebt  sich,  wenn  endlich  a  den  Ausdehnungs- 
Goefficienten  der  Luft  und  ß  den  cubischen  Ausdehnungscoef- 
ficienten  des  Glases  für  1^  bedeutet;  die  Temperatur  nach  der 
Formel  : 


T  = 


_        PH  — (P~p)(H^~-h) 


a(P  — p)(H'-h)  — /?P.H 

Zur  Ermittelung  des  cubischen  Ausdehnungscoefflcienten 
des  Glases  wurden  drei  der  obigen  Luflthermometer,  nachdem 
sie  bei  0^  mit  Quecksilber  angefüllt  worden  waren,  der 
Siedehitze  des  Wassers  ausgesetzt  und  die  ausgeflossene 
Qnecksilbermenge  bestimmt.  Man  erhielt  im  Mittel  für  ß 
die  Zahl  0,0000257. 

Nach  dem  Regnaul  tischen  Verfahren  sind  vier  Tempe- 
raturbestimmungen ausgeführt  worden.  Man  tauchte  dabei 
gleichzeitig  mit  dem  Thermometer  Nr.  5,  für  welches  die 
Vergleichung  vorzunehmen  war,  noch  zwei  andere  Thermo- 
meter (Nr.  a  und  b)  in  das  Paraffinbad  ein,  um  die  Abwei- 
chungen, welche  verschiedene  Instrumente  bei  höheren  Tem- 
peraturen geben  können,  kennen  zu  lernen. 

Die  vier  Versuche  gaben  folgende  Zahlen  : 


*)  Alle   WttgQDgen    worden    selbstverständlich    anf  den   luftleeren 
Kaum  reducirt. 


Annal.  d.  Ohom.  a.  Pharm.  VI.  Snpplemflntbd.  2.  Haft.  lU 


146     Landoltj  Untersuchungen  über  die  Dampftensionen 


Luftthermo- 

A. 

B. 

C. 

D. 

meter  Nr. 

P.  Gramm 

.959,7789 

962,1974 

961,8958 

* 

982,5707 

p.  Gramm 

151,0753 

186,6194 

211,3095 

259,1604 

H.  MM.  bei  0^ 

765,6 

758,4 

757,4 

764,3 

H'.  MM.  bei  0^ 

751,0 

749,3 

748,9 

750,5 

fa.  MM.  bei  0<> 

123,8 

144,9 

169,2 

151,6 

T. 

123,68 

153,58 

178,31 

302,45 

Qaecksilber- 

Thermo- 
meter 

fNr.  5 

123,95 

154,25 

179,26 

203,60 

Nr.  a 

123,90 

164,50 

179,40 

203,80 

[Nr.  b 

123,76 

163,96 

178,95 

'     203,50 

Eine  zweite  Reibe  von  Versuchen  ist  mit  einem  Mag- 
nus'schen  Luftthermometer  *)  ausgeführt  worden.'  Das  an- 
gewandte Instrument  besafs  ein  cylindriscbes  Luftreservoir 
von  260  MM.  Lange  und  25  MM.  Durchmesser ,  und  eine  in 
Millimeter  getheilte  Steigrohre  von  1  Meter  Höhe.  Die  capil- 
lare  Depression  (e)  des  Quecksilbers  in  der  zum  Luflbehälter 
führenden  Röhre  betrug  an  der  Stelle  der  Marke  0,6  MM. 
Man  bestimmte  erst  durch  Umgeben  des  Thermometergefafses 
mit  Eis  die  Spannkraft  der  Luft  bei  0^;  sie  ergab  sich  aus 
dem  Barometerstand  H  und  der  Manometerablesung  h  ein  für 
allemal  zu  H  +  h  —  e  =  752,05  MM.  =  A.  Es  wurde 
hierauf  das  Luftreservoir  in  ein  Paraffinbad  gebracht,  darin 
gleichzeitig  mit  dem  Quecksilberthermometer  erhitzt,  und  bei 
einer  Anzahl  Temperaturen  wieder  die  Höhe  h'  des  Queck- 
silbers in  der  Steigröhre,  sowie  der  Barometerstand  H^  be- 
obachtet. Es  sei  H'  4*  **'  ""  e  =  B.  Man  erhält  dann, 
wenn  wie  gewöhnlich  a  den  Ausdehnungscoefficient  der  Luft 


*)  Magnus,  über  die  Ansdehnung  der  Luft  in  böheren  Tempera- 
turen, Pogg.  Ann.  LVII,  177.  Die  Besorgung  des  benutsten 
Instrumentes  verdanke  ich  der  Gefälligkeit  des  Herrn  Qeb.-Bath 
Magnus. 


homologer   Verbindungen, 


147 


und  ß  den  des  Glases  (im  vorliegenden  Falle  =  0,0000257) 

bezeichnet,  die  Temperatur  aus  der  Gleichung  : 

B  — A 

T  == 

ak  —  ßh 

Die  Correction,  betreffend  die  niedrigere  Temperatur 
der  Luft,  welche  in  der  zum  Thermometergefäfs  führenden 
Capillarröhre  sowie  in  dem  kleinen  Raum  über  der  Marke 
enthalten  ist,  ergab  sich  in  Folge  der  bedeutenden  Gröfse 
des  Luftreservoirs  so  gering,  dafs  sie  wegfallen  konnte. 
Man  erhielt  : 


B. 

Luftthermo- 

Quecksilber- 

A. 

(auf  0®  re- 

meter 

thermometer 

ducirt) 

T. 

Nr.  5 

• 

MM. 

0 

0 

1066,39 

115,10 

115,3 

1067,19 

115,39 

115,6 

o 

1111,02 

131,49 

182,0 

C4 

1216,19 

170,18 

171,1 

r* 

1256,48 

184,66 

185,6 

Aus  den  in  den  beiden  Versuchsreihen  erhaltenen  Zahlen 
wurde  endlich  folgende  Interpolationsformel  zur  Uebertragung 
der  Grade  (Q)  des  Quecksilberthermometers  Nr.  5  in  die 
des  Luftthermometers  (L)  berechnet,  wobei  wie  erlaubt  an- 
genommen wurde,  dafs  bis  zu  der  Temperatur  100^  beide 
Instrumente  miteinander  übereinstimmen  : 

L  =  100  +  0,98288  ^Q  —  100)  +  0,000078357  (Q  —  100/. 

Diese  Formel  giebt,  wie  die  nachstehende  Yergleichung 
zeigt,  Werthe,  welche  mit  den  beobachteten  gut  überein- 
stimmen : 


10 


148     Landolty  Untersuchungen  über  die  Dampftensionen 


Qaecksil- 

1    Lufttherm- 

bertherm. 

berechnet 

Lafttherm. 

1    Differenz. 

Nr.  5 

Q. 

L. 

beobachtet 

Beob.-Bech. 

1 

llö^S 

115^05 

!              0 
115,10 

+  0,05 

115,6 

115,35 

115,39 

+  0,04 

123,95 

123,58 

123,66 

+  0,10 

132,0 

131,53 

131,49 

—  0,04 

154,25 

153,53 

153,58 

+  0,05 

171,1 

170,25 

170,18 

—  0,07 

179,25 

178,85 

178,31 

—  0,04 

185,6 

184,67 

184,66 

-  0,01 

203,5 

202,50 

202,45 

—  0,05 

9«  Zur  Interpolation  der  Spannkraftbestimmungen  hatte 
ich  Anfangs  die  Absicht,  lediglich  die  graphische  Methode 
zu  benutzen,  bin  aber  spater  zur  Anwendung  von  Formeln 
übergegangen.  Wie  Regnault  *)  gezeigt  hat,  schliefst  sich 
die  von  Biot**)  für  den  Wasserdampf  gegebene  Inter- 
polationsformel mit  5  Constanten  (a  b  c  or  /!?)  : 

log  E  =  a  +  ha*  +  c^i 

bei  den  verschiedensten  Substanzen  den  Beobachtungen  in 
befriedigender  Weise  an,  und  es  kann  sogar,  wenn  die  Ver- 
suche sich  innerhalb  kleiner  Druckgrenzen  bewegen,  das 
letzte  Glied  vernachlässigt  und  die  einfachere  Formel  : 

log  E  =  a  -f-  ba* 

angewandt  werden,  deren  Werthe  von  denen  der  ersteren 
um  Gröfsen  abweichen,  welche  meist  ganz  innerhalb  der 
Beobachtungsfehler  liegen  ***).  Für  die  nachstehenden 
Tensionsbeslimmungen  der  Sauren ,  die  sich  blofs  auf  zwei 
Atmosphären  erstrecken,  genügte  die  einfachere  Formel  voll- 
ständig. 

Die  Beobachtungen  wurden  zunächst  in  ein  Coordinaten- 
netz  eingetragen,  bei  welchem  jeder  Theilstrich  der  Abscissen 


•)  M^m.  de  TAcad.  XXVI,  861. 
**)  Connaissaace  des  temps  pour  1844. 
***)  M^m.  de  TAcad.  XXVI,  368. 


homologer   Verbindungen,  149 

0,2^  Temperatur ,  jeder  Theilstrich  der  Ordinalen  2  MM. 
Spannkraft  repräsentirte.  Die  Versuche  bei  niedrigen  Tem- 
peraturen wurden  aufserdem  noch  in  dem  zehnfachen  Mafs- 
stabe  ausgedruckt.  Man  zog  durch  die  Beobachtungspunkte 
eine  stetig  gekrümmte  Curve,  so  dafs  sie  möglichst  viele 
derselben  berührte,  und  entnahm  aus  dieser  die  Spannkräfte 
für  drei  gleich  weit  von  einander  abstehende  Temperaturen, 
die  dann  zur  Berechnung  der  Constanten  a  b  a  der  Inter- 
polationsformel dienten.  Die  der  letzteren  entsprechende 
Curve  wurde  nun  neben  die  Beobachtungscurve  gezeichnet, 
und  wenn  erhebliche  Abweichungen  sich  ergaben,  durch 
Wahl  anderer  Rechnungselemente  eine  neue  Interpolations- 
formel abgeleitet,  bis  genügender  Anschlufs  erzielt  war*). 
In  Bezug  auf  die  Berechnungsart  der  drei  Conslanten  ver- 
weise ich  auf  Regnault,  Mem.  de  l'Acad.  XXI,  593.  Herr 
Dr.  Bettendorff  hatte  die  Gefälligkeit,  einen  Theil  der 
Rechnungen  zu  übernehmen. 

In  den  nachfolgenden  Versuchstabellen  sind  durchgängig 
die  berechneten  Spannkräfte  mit  den  beobachteten  zusammen- 
gestellt. Man  wird  in  den  meisten  Fällen  eine  befriedigende 
Uebereinstimmung  finden;  nur  in  höheren  Temperaturen  treten 
bisweilen,  wie  es  in  der  Natur  der  Sache  liegt ^  gröfsere 
Differenzen  auf.  Die  Abweichungen,  welche  hier  die  Beob- 
achtungen untereinander  sowie  von  der  Rechnung  zeigen, 
rühren  theils  von  der  Schwierigkeit  einer  genauen  Tempe- 
raturbestimmung her,  zum  Theil  sind  sie  durch  den  Umstand 
hervorgerufen,  dafs  es  bei  Apparat  II  in  Folge  des  engen 
Röhrenstücks  bc  Fig.  3  immer  einige  Zeit  dauerte,  bis  völ- 
liger Gleichgewichtszustand  der  Quecksilbersäulen  eintrat, 
und  mitunter  Ablesungen  vorgenommen  wurden,  bei  welchen 
dieser  noch  nicht  erreicht  war.    Indefs  verschwinden   alle 

*)  Vgl.  Regnault,  Mto.  de  TAcad.  XXVI,  358. 


150    Landolt,   Untersuchungen  über  die  Dampftensionen 

diese  Beobachtungsfehler  vor  denjenigen,  welche  dnrch  die 
Ungleichheit  der  Substanz  bedingt  werden.  Regnault*) 
hat  schon  hervorgehoben,  wie  bedeutend  der  Einflufs  selbst 
der  kleinsten  Verunreinigungen  auf  die  Spannkraflbestim- 
mungen  ist  :  dafj^ ,  selbst  Mengen  von  Viooo  einer  fluchtigen 
Substanz,  welche  z.  B.  Alkohol  oder  Schwefelkohlenstoff 
zugefügt  werden,  eine  Aenderung  der  Tension  bewirken. 
Von  einer  so  scharfen  Uebereinstimmung,  wie  sie  die  Spann- 
kraftmessungen des  Wasserdampfs  von  Magnus  und  Reg- 
nault  zeigen,  kann  bei  eigentlichen  chemischen  Präparaten 
keine  Rede  sein;  man  erhält  hier  bei  verschiedenen  Proben 
derselben  Substanz  oft  beträchtliche  Differenzen,  ohne  dafs 
es  möglich  wäre,  durch  Analyse  bestimmt  eine  Verunreini- 
gung nachzuweisen.  In  welchem  Grade  die  Verschiedenheit 
der  Präparate  von  Einflufs  sein  kann,  geht  aus  mehreren  der 
später  angeführten  Beobachtungstabellen  hervor. 

lO«  Zur  Prüfung  der  beiden  Apparate  wurden  zunächst 
einige  Bestimmungen  der  Spannkraft  des  Wasserdampfs  aus- 
geführt und  die  erhaltenen  Resultate  mit  denjenigen  von 
Magnus**)  und  Regnault***)  verglichen.  Es  ergaben 
sich  folgende  Zahlen  : 

Apparat  L 


Thermometer 

Spannkraft 

Temp. 

Spann- 

Nr. 1 

1 

Nr.  2 

Mittel 

kraft 

nach 
Magnus 

nach 
Regnault 

0 

0 

0 

MM. 

MM. 

MM. 

17,97 

17,91 

17,94 

15,25 

15,29 

15,30 

24,84 

24,83 

24,84 

23,44 

23,86 

23,83 

30,90 

31,00 

30,96 

32,97 

33,37 

33,81 

36,85 

86,89 

86,87 

45,72 

46,43 

46,37 

45,00 

44,96 

44,98 

71,81 

71,86 

71,32 

45,13 

45,03 

45,08 

71,66 

71,72 

71,69 

•)  M^m.  de  l'Acad.  XXVI,  648. 
•*)  Pogg.  Ann.  LXI,  225. 
•*♦)  M^m.  de  l'Acad.  XXI,  624  bia  688. 


homologer   Verbindungen^ 


151 


Apparat  IL 


Thermo- 

Tempe- 

Spann- 

Spannkraft 

meter 

ratur 

kraft 

nach 

nach 

Magnus 

Begnanlt 

« 

0 

MM. 

MM. 

MM. 

78,1 

826,4 

327,5 

828,2 

80,8 

865,2 

365,6 

866,4 

83,4 

404,9 

405,8 

406,6 

Nr    4 

85,2 

436,9 

485,8 

436,5 

X^l  •     T 

90,6 

538,0 

537,0 

537,6 

94,1 

615,8 

612,5 

613,0 

97,0 

680.5 

681,7 

682,0 

100,8 
102,7 

768,8 
838,0 

768,4 
837,1 

768,3 

836,5 

105,2 

'     915,3 

913,9 

912,8 

Nr.  5 

109,9 

1069,2 

1078,7 

1071,8 

111,8 

1130,7 

1128,1 

1123,4 

114,0 

1224,6 

1233,7 

1228,5 

Die  von  Mafirnas  und  Regnault  für  die  obigen  Tem- 
peraturen gefundenen  Spannkräfte  des  Wasserdampfs  wurden 
aus  den  von  den  Beobachtern  gegebenen  Tabellen  unter  der 
zulässigen  Annahme  berechnet,  dafs  innerhalb  eines  Grades 
die  Spannkraft  proportional   der  Temperaturzunahme  steige. 

Diese  Versuche  zeigen,  dafs  der  Apparat  I  Resultate 
lieferte,  welche  sehr  befriedigend  mit  den  Zahlen  von  Mag- 
nus und  Regnault  zusammenfallen.  Weniger  grofs  ist 
dagegen  die  Uebereinstimmung  bei  Apparat  II;  hier  treten 
ofk  Differenzen  von  mehreren  Millimetern  auf.  Dieselben 
erscheinen  jedoch  nicht  sehr  bedeutend,  wenn  man  bedenkt, 
dafs  ein  Unterschied  in  der  Temperatur  von  0,1^  z.  B.  bei 
80^  einer  Spannkrafldifferenz  von  1,5  MM.,  bei  100^  von 
2,7  MM.  und  bei  115^  von  über  4  MM.  entspricht.  Bei  einem 
Thermometer,  dessen  Scale  stark  aus  dem  Erhitzungsgefäfs 
herausragt,  ist  man  aber,  wie  schon  früher  hervorgehoben 
wurde,  kaum  auf  diese  Gröfse  sicher.  Da  die  Abweichungen 
von  den  Magnus*-  und  Regnault'schen  Beobachtungen, 
welche  übrigens  einigemale  eben  so  grofse  Differenzen 
untereinander  zeigen,  bald  positiv,  bald  negativ  sind,  so  geht 


i.  r-  .;  s*> 


:*«;;:■., 


162     Landoltj  Unter  stichungen  über  die  Dampftensionen 

daraus  hervor,  dafs  die  liesultate,  die  der  Apparat  11  lieferte, 
nicht  etwa  mit  einem  constanten  Fehler  behaftet  waren. 

11.  Um  ferner  zu  prüfen,  ob  die  beiden  Apparate  in 
ihrem  Gange  übereinstimmten  und  anschliefsende  Resultate 
lieferten,  wurde  eine  besondere  Versuchsreihe  angestellt. 
Es  mufste  zu  derselben  ein  Körper  gewählt  werden,  dessen 
Dampflensionen  so  lagen,  dafs  sie  für  eine  gröfsere  Reihe 
von  Temperaturen  mit  beiden  Apparaten  gemessen  werden 
konnten,  was  bei  den  Sauren  nicht  der  Fall  war.  Der 
Apparat  I  erlaubte  Tensionen  von  0  bis  ungefähr  340  HM. 
zu  messen ,  während  der  Apparat  11  von  200  bis  1400  MM. 
arbeiten  liefs;  es  blieb  also  eine  Strecke  von  140  MM.  ge- 
meinsam. Ich  wandte  zu  den  Versuchen  reinen  Metht/l- 
aJkohol  an,  einen  Körper,  welcher  auch  bereits  von  Regnault 
untersucht  worden  ist  und  somit  noch  eine  Vergleichung 
der  verschiedenen  Beslimmungen  zutiefs.  Das  benutzte  Prä- 
parat war  aus  oxalsaurem  Methyl  durch  Zersetzung  mit  Kali- 
lauge dargestellt  und  mit  Hülfe  von  Aetzkalk  sorgfältig  ent- 
wässert worden.  Bei  der  Destillation  zeigte  die  Flüssigkeit 
den  constanten  Siedepunkt  66,0^  während  des  Barometer- 
standes 753  MM. 

Man  führte  zunächst  eine  Anzahl  Beobachtungen  mit 
Apparat  I  aus,  welche  folgende  Zahlen  ergaben  : 


Thermometer 


Nr.   1 


Nr.  2 


0 

11,92 

12,02 

16,33 

16,38 

19,83 

19,89 

24,34 

24,35 

29,80 

29,81 

84,86 

85,02 

39,47 

89,43 

44,83 

44,74 

Tempe- 

Spannkraft 

Spannkraft 

T\\« 

ratur 

beobachtet 

berechnet 

«^««>. 

T. 

£b 

Er 

Eb'^-Er 

0 

MM. 

MM. 

MM. 

11,97 

63,96 

64,28 

—  0,82 

16,36 

80,82 

81,22 

—  0,40 

19,86 

96,70 

97,43 

—  0,78 

24,35 

121,59 

122,40 

—  0,81 

29,81 

160,06 

160,26 

-  0,20 

84,94 

206,07 

204,88 

-  1,19 

39,45 

252,85 

252,76 

-  0,09 

44,79 

322,15 

821,81 

-  0,34 

homologer   Verbindungen, 


153 


Diese  Beobachtungfen  wurden  in  eine  Curve  übertragen 
und  ans  derselben  folgende  drei  Elemente  entnommen,  welche 
zu  der  Berechnung  der  Constanten  der  Interpolationsformel 
log  E  s=  a  4~  ba*  dienten  : 


T 

E 

15« 

75,60  MM. 

80 

161,76 

45 

824,88 

Hieraus  findet  man  : 

a  = 

6,8472828 

b=  — 

3,9687610; 

log  b  =  0,5986549 

log  a  = 

0,9974888- 

1 

t  =  T 

—  15. 

Die  mit  Hülfe  dieser  Zahlen  berechneten  Spannkräfte 
sind  in  der  obigen  Tabelle  mit  den  Beobachtungen  zusam- 
mengestellt. 

Es  wurde  nun  eine  Versuchsreihe  mit  Apparat  II  aus- 
geführt und  geprüft,  ob  die  erhaltenen  Zahlen  an  die  frühere 
Curve  sich  anschlössen  und  demgemäfs  die  Interpolations- 
formel noch  zu  denselben  stimmte.    Man  erhielt  : 


Temp. 

Spannkraft 

Spannkraft    , 

Diffflrens 

Therm. 

beobachtet 

berechnet 

Nr.  5 

£b 

Er          I 

1 

Eb — Er 

0 

MM. 

MM. 

MM. 

35,92 

214,05 

214,56 

—  0,55 

87,40 

280,00 

229,91 

--  0,09 
--  1,08 

39,64 

256,06 

254,98 

41,66 

279,42 

279,61 

—  0,19 

43,61 

306,85 

308,07 

—  2,22 

46,03 

341,00 

340,07 

+  0,93 

Die  Zahlen  genügen,  wie  man  sieht,  der  angegebenen 
Prüfung;  die  beiden  Apparate  lieferten  übereinstimmende 
Resultate. 

Mit  Hülfe  der  Interpolationsformel  habe  ich  schliefslich 
die  Spannkräfte  des  Hethylalkoholdampfs  von  5  zu  5  Graden 


154     Land  alt,   Untersuchungen  Hier  die  Dampftensionen 

berechnet    Sie  sind  in  der  folgenden  Tabelle  mit  den  von 
Regnault*)  erhaltenen  Resultaten  zusammengestellt  : 


Temp. 

SpanDkraft 

Spannkraft 
nach 

Differeni 

To 

E 

Regnault 

MM. 

MM. 

MM. 

0<» 

82,90 

26,82 

6,08 

5 

48,77 

86,89 

6,88 

10 

57,76 

50,18 

7,63 

15 

75,60 

67,11 

8,49 

20 

98,14 

88,67 

9,47 

25 

126,45 

115,99 

10,46 

30 

161,75 

149,99 

11,76 

85 

205,46 

192,01 

13,45 

40 

259,20 

248,51 

15,69 

45 

824,84 

306,13 

18,71 

50 

404,56 

881,68 

22,88 

Aus  der  starken  Differenz  der  obigen  Zahlen  geht  her- 
vor, wie  bedeutend  die  Spannkraflbestimmungen  verschie- 
dener Beobachter  von  einander  abweichen  können.  Die  auf 
die  gegebenen  Temperaturen  bezüglichen  Messungen  R^g- 
nault*s  sind  ebenfalls  nach  der  statischen  Methode  ausge- 
führt worden,  bei  welcher  nicht  etwa  Unregelmafsigkeiten 
in  Folge  Stofsens  der  Flüssigkeit  vorkamen.  Die  Ursache 
der  Differenzen  kann  also  nur  in  der  Verschiedenheit  der 
Präparate  liegen. 


Dampftensionen  der  Säuren  CnH2n02. 

Ameisensäure. 

IS.  Das  zu  den  Versuchen  benutzte  Präparat  war  durch 
Zersetzung  von  sorgfältig  getrocknetem  ameisensaurem  Blei 
mit  Schwefelwasserstoffgas  dargestellt  und  durch  Destillation 
über  eine  neue  Quantität  des  Bleisalzes  von  Schwefelwasser- 


*)  U4m.  de  TAcad.  XXVI,  460. 


homologer  Verbindungen^ 


155 


Stoff  befreit  worden.  Dasselbe  raacbte  an  der  Luft.  Beim 
Destiliiren  ging  der  gröfste  Theil  der  Säure  bei  dem  con- 
stanten  Thermometerstand  99,4®  ober,  Barometerstand  746,8  MM. 
Diese  Portion  gab   in  Apparat  I  folgende  Dampflensionen  : 

1.  Beobachtungsreihe. 


Thermometer 

T 

E 

E 

Nr.  1 

Nr.  2 

Nr.  3 

beobachtet 

berechnet 

0 

MM. 

MM. 

14,83 

14,93 

14,95 

14,90 

25,1 

24,0 

24,04 

24,05 

24,05 

24,05- 

41,4 

40,3 

24,94 

24,95 

25,00 

24,96 

89,0 

38,5 

30,85 

30,36 

30,30 

30,34 

54,4 

52,5 

35,26 

36,37 

35,30 

35,31 

67,7 

66,4 

40,87 

40,36 

40,30 

40,35 

84,6 

83,6 

45,08 

45,09 

45,00 

45,06 

103,5 

103,0 

60,29 

50,30 

50,25 

50,26 

128,6 

128,7 

60,09 

50,00 

1      50,10 

50,06 

127,5 

127,5 

2.  Beobachtungsreihe. 


13,02 

29,85 
40,57 
49,89 
49,49 
56,15 
61,91 
66,22 
69,63 
76,24 
78,72 
79,64 


13,18 
14,93 
29,86 
40,58 
49,80 
49,40 
56,07 
61,83 
66.24 
69,64 
76,16 
78,86 
79,67 


13,15 

29,75 
40,52 
49,71 
49,33 
56,04 
61,87 
66,27 
69,68 
76,10 
78,80 
79,76 


Siedepunkt 


13,12 
14,93 
29,82 
40,56 
49,80 
49,41 
56,09 
61,87 
66,24 
69,26 
76,17 
78,79 
79,69 

99,40 


20,9 

23,4 

52,6 

85,4 

126,7 

124,8 

162,3 

202,8 

238,6 

270,5 

847,4 

383,7 

894,4 

746,8 


21,8 

24,0 

51,2 

84,4 

126,2 

124,1 

168,6 

201,1 

243,3 

276,4 

349,8 

383,6 

395,6 

748,4 


Als  die  Saure  in  Apparat  II  einer  von  75^  bis  105^ 
gehenden  Versuchsreihe  unterworfen  wurde,  zeigte  sich, 
dafs  nach  dem  Erkalten  über  der  Flüssigkeit  in  dem  Ge- 
fafse  a  Fig.  3  eine  betrachtliche  Gasblase  blieb  und  demnach 
die  Tensionen  zu  hoch  ausgefallen  sein  mufsten.  Das  Gas 
liefs  sich  entzünden ,   als  man  es  aus  dem  Hähnchen  e  aus- 


156      L  an  doli ^'^■^  Untersuchungen  über  die  Dampftensionen 

strömen  liefs ,  und  verbrannte  mit  blauer  Flamme ;  es  war 
offenbar  Zersetzung  der  Ameisensäure  in  Kohlensäure  und 
Wasser  eingetreten.  Berthelot*)  hat  bereits  eine  solche 
Zerlegung  eintreten  sehen ,  als  er  Ameisensäure  in  einem 
zugeschmolzenen  Rohr  mehrere  Stunden  auf  260^  erhitzte ; 
die  obige  Wahrnehmung  zeigt  aber,  dafs  das  Zerfallen  schon 
bei  viel  niedrigeren  Temperaturen  und  zwar  wenige  Grade 
über  dem  Siedepunkte  vor  sich  gehen  kann. 

Aus  den  obigen  Beobachtungen  wurden  mit  Hinzunahme 
der  Siedepunktsbestimmung  durch  graphische  Interpolation 
folgende  Werthe  ermittelt,  welche  zur  Berechnung  der  Con- 
slanten  der  Formel  : 

log  E  =  a  -|-  bat 


dienten  :     . 

T 

E 

10« 

18,4  MM. 

65° 

156,5  MM. 

100<» 

762,0  MM. 

Hieraus  ergiebt  sich  : 

a  =        4,832728 

6 

b=  —  3,5679108;  log  b  =  0,5524140 
log  a  =        0,9970865-» 

t  =  T  —  10. 

Mit  Hülfe  dieser  Zahlen  ist  folgende,  von  5  zu  5  Graden 
des  Quecksilberthermometers  gehende  Tabelle  berechnet 
worden  : 


T 

E 

t 

T 

E 

1 

T 

E 

• 

MM. 

MM. 

MM. 

10^ 

18,4 

45<> 

102,7 

800 

899,8 

15 

24,1 

50 

127,2 

85 

473,7 

20 

31,4 

55 

156,5 

90 

558,0 

25 

40,4 

60 

191,2 

95 

653.8 

30 

51,6 

65 

232,1 

100 

762,0 

85 

65,4 

70 

280,0 

40 

1 

82,3 

76 

335,6 

*)  Compt.  rend.  LIX,  861. 


homologer   Verbindungen, 


157 


Essigsäure. 

13«  Die  Säure  warde  nach  dem  M eis ens'schen  Ver- 
fahren durch  Erhitzen  von  zweifach- essigsaurem  Kali  auf 
ungefähr  200^  dargestellt.  Bildung  von  Aceton  ist  dabei, 
wenn  man  die  Temperatur  nicht  höher  als  wie  angegeben 
treibt,  nicht  zu  befurchten;  es  wurde  übrigens  das  Präparat 
auf  die  Gegenwart  dieses  Körpers  geprüft^  indem  man  einen 
Theil  desselben  in  einer  Retorte  mit  Kali  neutralisirte  und 
erwärmte,  wobei  keine  Spur  von  Aceton  überging.  Bei  der 
Rectification  begann  die  Flüssigkeit  bei  117^  an  zu  sieden, 
die  Hauptmenge  (VO  derselben  destillirte  zwischen  118,5" 
und  119^0^  Man  spaltete  diesen  Theil  in  zwei  neue,  indem 
man  die  Flüssigkeit  durch  Abkühlung  erstarren,  hierauf  wie- 
der theilweise  schmelzen  liefs  und  mittelst  Abgiefsen  trennte. 
Diese  beiden  Fractionen  zeigten  während  der  Destillation 
einen  übereinstimmenden  Siedepunkt  von  118,7^  bis  119,0^ 
bei  752,5  MM.  Barometerstand.  Sie  dienten  zu  folgenden 
Versuchen  : 


Apparat  L 


Thermometer 

£ 

Nr.  1 

Nr.  2 

Nr.  3 

T 

beobachtet 

0 

0 

0 

MM. 

2,00 

■' 

2,38 

2,19 

9,4 

2,20 

— 

2,48 

2,34 

9.9 

6,01 

— 

6,23 

6,12 

10,9 

10,72 

10,87 

10,79 

12.4 

16,48 

15,52 

15,50 

14,8 

20,33 

20.34 

20,27 

20,31 

18,5 

25,55 

25,55 

25,41 

25,50 

21,8 

81,30 

31,36 

31,14 

81,26 

29,0 

40,17 

40,13 

39,98 

40,09 

39,1 

60,79 

50,70 

50,60 

50,69 

64,9 

60,11 

60,03 

60,00 

60,04 

92,5 

66,92 

66,04 

66,08 

65,99 

119,5 

71,98 

71,95 

71,87 

71,75 

151,2 

77,94 

77,96 

78,08 

77,99 

190,9 

£ 


berechnet 


MM. 

8,5 
12,5 
19,1 
30,7 
67,8 
122,3 
190,2 


158     Landolty   Untersuchungen  über  die  Dampftensionen 

Die  im  Barometerrohr  befindliche  Säure  blieb  flüssig, 
als  man  die  Temperatur  des  Wasserbades  durch  eingeworfe- 
nes Eis  bis  nahe  an  0^  abkühlte,  und  es  war  auch  durch 
Erschüttern  des  Apparates  nicht  möglich,  dieselbe  zum  Er- 
starren zu  bringen. 


Apparat  IL 


1 

Beobachtongsreihe 

2 

.  Beobacbtangsreifae 

T 

E 

beobachtet 

E 
berecbnet 

T 

B 

beobachtet 

berechnet 

0 

MM. 

MM. 

0 

MM. 

law* 

99,0 

393,6 

395,2 

94,6 

839,2 

340,5 

lOM 

420,6 

— 

99,9 

407,9 

— 

108,9 

464,1 

465,8 

102,9 

454,6 

450,1 

104,9 

482,6 

— 

105,0 

485,5 

— 

106,0 

504,0 

498,7 

108,0 

534,9 

582,4 

110,0 

567,0 

— 

118,1 

623,1 

^^ 

115,1 

670,9 

669,1 

115,5 

683,6 

677,6 

119,1 

762,8 

— 

119,1 

765,4 

— 

121,1 

811,9 

808,5 

122,0 

841,7 

831,4 

123,2 

869,6 

— 

122,6 

854,0 

— 

126,2 

919,4 

917,9 

129,3 

1038,0 

1040,S 

127.2 

980,7 

— 

130,2 

1089,0 

— 

180,1 

1078,8 

1066,1 

134,8 

1200,2 

1209,5 

132,3 

1144,4 

— 

137,8 

1330,1 

— 

136,3 

1290,0 

1283,5 

138,4 

1374,2 

1865,5 

187,4 

1842,4 

— 

Zur  Berechnung  der  Constanten  der  Interpolationsformel 

sind  aus  der  Beobachtungscurve  folgende  Werthe  entnommen 

worden  : 

T  E 

W  12,1  MM. 

74  165,45 

188  1857,0, 

welche  ergeben  : 

a  =:        6.9378154 

b  =  —  5,8550300;  log  b  »  0,7675291 
log  a  =         0,9985402-^ 

t  =  T  -    10. 


homologer   V erhindungen. 


159 


Die  Formel  lieferte  mit  Hülfe  dieser  Zahlen  nachstehende 
Tensionen  für  Grade  des  Quecksilberthermometers  : 


T 

E 

T 

1 

E 

T 

£ 

MM. 

MM» 

MM. 

QO 

7,6 

600 

66,0 

1000 

408,5 

6 

9,6 

55 

80,8 

105 

482,5 

10 

12,1 

60   1 

97,4 

HO 

667,8 

16 

15,1 

65 

117,8 

115 

667,0 

20 

18,9 

70 

142,0 

120 

781,1 

25 

23,5 

75 

170,6 

125 

912,3 

80 

29,1 

80 

204,8 

130 

1062,8 

85 

85,9 

85 

244,1 

135 

1234,9 

40 

44,1 

90  ; 

290,6 

140 

1431,8 

45 

54,0 

95   , 

845,2 

14»  Bestimmungen  der  Spannkraft  der  Essigsauredämpfe 
sind  bereits  von  Regnault  und  von  Wüllner  ausgeführt 
worden,  und  es  ist  daher  bei  dieser  Substanz  eine  Verglei- 
chung  der  Resultate  verschiedener  Beobachter  möglich. 

Regnault*)  hat  mehrere  Präparate  untersucht.  Das 
erste  war  aus  festem  Eisessig  durch  theilweises  Schmelzen 
und  Entfernen  der  flüssigen  Masse  gewonnen  (Präparat  I). 
Dasselbe  wurde  dann,  um  Spuren  von  Wasser  zu  entfernen, 
zuerst  einmal  (Präparat  II)  und  hierauf  ein  zweites  Mal  (Prä- 
parat III)  über  wasserfreie  Phosphorsäure  destillirt.  Aus  den 
mitgetheilten  Beobachtungsreihen  für  die  Spannkraft  der 
flüssigen  Säure  (Serie  1,  3  und  4)  habe  ich  die  in  der  nach- 
stehenden Tabelle  enthaltenen  Zahlen  durch  graphische  Inter- 
polation abgeleitet. 

Die  Versuche  von  Prof.  Wüllner,  welche  noch  nicht 
veröffentlicht  sind,  wurden  mit  dem  Apparate  ausgeführt, 
welchen  dieser  Physiker  zur  Bestimmung  der  Spannkraft  des 
Wasserdampfs  aus  Salzlösungen  **)  benutzt  hatte.  Aus  den 
mir  bereitwilligst  zur  Verfügung   gestellten   Beobachtungs- 


*)  M^m.  de  TAcad.  XXVI,  755. 
•♦)  Pogg.  Ann.  cm,  529. 


■  "'^ 


160     Landoltj   Untersuchungen  über  die  Dampftensionen 

daten  sind  durch  graphische  Interpolation  für  folgende  Tem- 
peraturen  die  Tensionen  bestimmt  worden,   welche  ich  mit 


den  meinigen  in 

Parallele 

setze  : 

1 

Tension            i 

• 

Tension  nach  Begnaolt 

T 

1 
1 

Differenz 

1 
i                         1 

Landolt 

WüIIner 

1 

Präp.  I 

Pr&p.  II 

Prftp.  III 

"~liM.  ' 

MM. 

MM. 

MM.     , 

MM. 

MM. 

8« 

11,1 

— 

— 

6,9     i 

6,4 

5.9 

10 

12,1 

— 

— 

7,8 

7,1 

6,5 

12 

18,2 

— 

— 

8,8 

7,9 

7,3 

14 

14,5 

15,7 

1,2 

9,8 

8,8 

8,2 

16 

15,8 

16.9 

1,1 

11.0 

9,8 

9,2 

18 

17,8 

•     17,7 

0,4 

12,2 

10,9 

10,3 

20 

18,9 

19.0 

0,1 

13,6 

12,8 

11,6 

30 

29,1 

80,6 

1,4 

— 

— 

— 

40 

44,1 

45,5 

1,4 

— 

— 

— 

50 

66,0            72,0 

6,0 

— 

— 

60 

97,4 

107,8 

9,9 

— 

— 

— 

70 

142,0 

155,2     ! 

18,2 

— 

— 

80 

204,8 

232,9 

28,9 

— 

— 

— 

90 

290,6 

346,7 

56,1 

— 

— 

•— 

100 

480,5 

473,0 

64,5 

— 

— 

— 

110 

567,8     1     638,0 

65,2 

— 

tmm^ 

— 

115 

667,0 

735,0 

i 

68,0 

^■^" 

!        

i 

~^ 

Die  obigen  Zahlen  zeigen,  dafs  bei  niedrigen  Tempe- 
raturen eine  nahe  Uebereinstimmung  zwischen  den  Wüll- 
ner'schen  Beobachtungen  und  den  meinigen  stattGndel. 
Von  ungefähr  40^  an  beginnen  jedoch  die  beiden  Curven 
auseinander  zu  gehen,  und  entnimmt  man  aus  denselben  die 
dem  Druck  760 HM.  entsprechenden  Siedepunkte,  so  ergiebt 
sich  für  die  von  Wüllner  benutzte  Essigsäure  die  Zahl 
116,2^,  für  die  meinige  119,1^  Dieser  niedrige  Siedepunkt 
des  Wüllner 'sehen  Präparates  und  das  raschere  Steigen 
der  Curve  lassen  vermuthen,  dafs  in  demselben  noch  eine 
kleine  Menge  Wasser  enthalten  war.  Die  Regnault*schen 
Beobachtungen  haben,  wie  die  Tabelle  zeigte  nicht  unbe- 
trächtlich kleinere  Spannkräfte  ergeben. 


homologer  Verbindungen. 


161 


Propionsäure. 
15.  Zur  Darstellung  des  Präparats  wurde  Cyanäthyl, 
welches  durch  Einwirkung  von  Jodäthyl  auf  reines  Cyan- 
kalium  gewonnen  worden  war,  mit  Kalilauge  zersetzt,  die 
erhaltene  Lösung  von  propionsaurem  Kali  zur  Trockne  ab- 
gedampft, und  der  Rückstand  mit  der  äquivalenten  Menge 
zweifach  -  schwefelsaurem  Kali  erhitzt.  Aus  400  Grm.  er- 
haltenen rohen  Products  liefsen  sich  durch  fractionirte  Destil- 
lation 300  Grm.  Flüssigkeit  abscheiden,  welche  zwischen 
1390  und  140^  bei  758,1  HM.  Barometerstand  übergingen. 
Bei  einer  nochmaligen  Bectification  wurde  der  bei  139,5^ 
destillirende  Antheil,  dessen  Gewicht  200  Grm.  betrug,  be- 
sonders aufgefangen.  Derselbe  gab  folgende  Dampfspan- 
nungen : 

Apparat  L 

1.  Beobachtungsreihe. 


Thermometer 

£ 

£ 

Nr.  1 

Nr.  2 

T 

beob- 
achtet 

berechnet 

0 

0 

0 

MM. 

11,87 

12,02 

11,94 

6,2 

5,9 

16,98 

16,08 

16,00 

7,7 

7.0 

20,18 

20,24 

20,21 

8,8 

8,4 

25,04 

25,05 

25,04 

10,2 

10,3 

29,95 

29,96 

29,95 

11,9 

12,7 

85,86 

85,82 

85,84 

15,5 

16,2 

40,67 

40,63 

40,65 

18,8 

19,7 

45,08 

44,99 

45,08 

20,4 

28,5 

11,27 
20,28 
81,80 
40,87 
49,49 
59,36 
69,12 
78,28 


2.  Beobachtungsreihe. 


11,87 

11,82 

5,9 

20,29 

20,26 

9,1 

81,81 

81,80 

12,8 

40,88 

40,87 

17,7 

49,85 

49,42 

26,9 

59,22 

59,29 

40,8 

69,04 

69,08 

58,8 

78,25 

78,24 

69,6 

6.7 

8,4 
18,8 
19,5 
28,1 
41,5 
60,7 
71,2 


3.  Beobachtungsreihe.    Sinkende  Temperatur. 


40,87 
81,86 

26,70 


40,88 

40,85 

18,6 

81,36 

80,35 

12,4 

25,56 

25,62 

10,2 

Alt««.!,   d.    (IhATn.   li.   Pfi»mi.   VT.   Knnn1«iman*h4     9     Naf* 


19,8 
18,4 
10,5 

44 


I 


162     Landoit,   Untersuchungen  über  die  Dampftensumen 


Apparat  11. 


1.  Beobachtangsreihe 

2.  Beobachtungareihe 

T 

E 

beobaohtet 

E 
berechnet 

T 

E 

beobachtet 

E 
berechnet 

0 

MM. 

MM. 

0 

MM. 

MM. 

92,4 

146,2 

146,8 

120,1 

892,9 

890,7 

98,1 

^60,8 

148,6 

121,1 

406,8 

99,6 

190,8 

188,8 

123,2 

480,6 

484,4 

104,8 

231,4 

228,8 

128,2 

502,0 

— 

116,1 

826,1 

828,2 

184,8 

682.5 

632,9 

118,1 

869,8 

364,4 

135,8 

657,0 

— 

122.1 

416,6 

417,9 

189,4 

770,9 

780,9 

130,8 

640,8 

662,7 

148,4 

880,0 

— 

186,8 

676,8 

676,6 

146,6 

958,4 

946,9 

140,4 

788,7 

776,1 

147,6 

982,3 

— ' 

146,6 

960,1 

946,9 

149,6 

1045,5 

1044.8 

148,6 

1011,6 

1010,8 

150,5 

1076,9 

— 

162,6 

1147,4 

1156,8 

151,6 

1108,8 

1118,6 

156,7 

1287,6 

1818,5 

166,6 

1247,4 

— 

168,7 

1872,8 

1405,0 

157,7 

1836,1 

1860,4 

Diese  Beobachtungen  boten  Schwierigkeiten  in  Bezug 
auf  eine  gehörig  sich  anpassende  Interpolationsformel.  Es 
wurden  deren  mehrere  berechnet  und  schliefslich  die  aus 
folgenden  der  Curve  entnommenen  Werthen  hergeleitete 
ausgewählt  : 

T  E 

W  5,4  MM. 

80  92,0     „ 

160  1062,0     „ 

Diese  geben  : 

a  =        9,7017878 

b  =  —  8,9698440;  log  b  =  0,9527607 
log  a  =        0,9990888-> 

t  =  T  -»  10. 

Mit  Hülfe  dieser  Zahlen  ist  folgende  Tabelle  berechnet 
worden,  welche  die  Dampftensionen  der  Propionsäure  für 
Grade  des  Quecksilberthermometers  angiebt  : 


homologer   Verbindungen. 


163 


T 

E 

T 

E 

T 

E 

Ja  All» 

MM. 

MM« 

10» 

6,4 

60<> 

42,7 

110° 

274,4 

15 

6,7 

65 

.   51,9 

115 

327,1 

20 

8,8 

70 

62,9 

120 

389,0 

25 

10,8 

75 

76,2 

125 

462,0 

30 

12,7 

80 

92,0 

130 

547,5 

35 

15,6 

85 

110,8 

135 

650,2 

40 

19,2 

90 

133,5 

140 

765,2 

45 

23,5 

95 

160,3 

145 

902,8 

50 

28,7 

100 

192,1 

150 

1062,0 

55 

85,0 

105 

229,7 

155 

1248,6 

Butter&äure. 
16.  Zur  Darstellung  eines  reinen  Präparats  wurde  käufliebe 
Buttersäure  destillirt  und  das  zwischen  161  und  163^  lieber- 
gehende  besonders  aufgefangen.  Diese  Portion  vermischte 
man  mit  Wasser,  neutralisirte  mit  kohlensaurem  Kali  und 
zersetzte  das  zur  Trockne  abgedampfte  Salz  durch  Destillation 
mit  concentrirter  Schwefelsäure.  Die  erhaltene  Flüssigkeit  ging 
bei  der  Rectification  vollständig  zwischen  162,5  und  163^ 
über.    Sie  wurde  in  folgenden  zwei  Portionen  aufgefangen  : 

Portion  A  162,5  bis  168<>.     Barometerstand  765,8 
9       B  163,0  constant.  „  „ 

Präparat   B. 

Apparat  L 
1.  Beobachtungsreihe. 


Thermometer 

m 

E 

£ 

Nr.  1 

Nr.  2 

T 

beobachtet 

berechnet 

0 

0 

0 

MM. 

AsM. 

15,23 

15,33 

15,28 

6,5 

6,2 

19,88 

— 

19,88 

6,9 



24,33 

24,85 

24,34 

7,9 

8,5 

24,69 

24,95 

24,82 

8,4 

— 

29,65 

29,66 

29,65 

9,6 

10,2 

84,26 

84,22 

34,24 

11,1 

— 

39,52 

39,48 

39,50 

12,5 

14,8 

44,13 

44,09 

44,11 

15,6 

•  — 

50,09 

50,00 

50,05 

19,9 

20,5 

54,50 

54,41 

54,45 

20,2 

59,11 

59,02 

59,06 

25,8 

27,7 

66,62 

66,54 

66,58 

88,8 

35,7 

i\  * 


164     Landolt,     Untersuchungen  über  die  Dampftensionen 


2.  Beobachtungsreibe. 


Thermometer 

T 

E 

E 

Nr.  1 

Nr.  2 

beobachtet 

berechnet 

0 

f, 

0 

MM. 

MM. 

2,06 

2,20 

2,12 

4,4 

4,0 

10,22 

10,87 

10,30 

6,2 

— 

18,SS 

18,44 

18,38 

6,4 

6,9 

19,83 

19,94 

19,88 

6,9 



29.80 

29,26 

29,28 

9,5 

10,1 

39,87 

39,78 

39,82 

12,6 

— 

46,38 

46,80 

46,84 

16,9 

18,1 

52,39 

52,26 

52,32 

19,6 

— 

59,26 

59,22 

59,24 

25,9 

27,9 

65,92 

65,84 

65,88 

32,8 

34,8 

71,93 

71,85 

71,89 

40,6 

42,5 

80,19 

80,22 

80,20 

53,4 

66,0 

Apparat  11. 


1.  BeobachtuDgBreibe 

2.  Beobaohtungtreihe 

T 

E 

beobachtet 

E 

berechnet 

T 

E 
beobachtet 

E 

berechnet 

0 

MM. 

MM. 

0 

MM. 

MM. 

96,8 

95,0 

96,5 

184,4 

324,4 

322.7 

97,2 

96,2 

97,7 

144,6 

440,6 

446,9 

102,6 

112,5 

— 

149,7 

502,9 

— 

108,4 

188,9 

140,6 

154,3 

697,8 

606,0 

117,6 

192,6 

— 

156,8 

676,7 

— 

126,0 

256,1 

247,7 

166,1 

866,1 

846,4 

127,8 

270,8 

^mmm 

177,0 

1212,0 

1219,9 

133,9 

827,3 

818,2 

— 

— 

— 

138,6 

368,5 

367,8 

— 

— 

— 

151,3 

645,1 

560,9 

— 

^^^^ 

— 

170,7 

1014,8 

1004,5 

— 

— 

— 

181,7 

1388,9 

1414,0 

— 

— 

Die  mit  Präparat  B   erbaltenen  Resultate    wurden    sur 

Aufstellung   der  Interpolationsformel   benutzt.    Man    wandle 

folgende  drei  der  Beobachtungscurve  entnommene  Werihe  an  : 

T  E 

100  6,2  MM. 

96  91,0    „ 

180  1842,0    « 


homologer   Verbindungen. 


165 


woraus  sich  ergiebt  : 

a  =    21,5043266 

b  =  —  20,7883233;  log  b  =  1,8178195 
log  a   =     0,9996850-* 

t  =  T  —  10^. 

Wie  eine  Vergleichung  der  berechneten  Tensionen  mit 
den  beobachteten  ergiebt,  liefert  die  Formel  wenigstens  bei 
niedrigen  Temperaturen  durchgehend  etwas  zu  grofse  Werthe. 
Bei  den  mit  Apparat  II  ausgeführten  Bestimmungen  sind  da- 
gegen die  Differenzen  zwischen  Beobachtung  und  Rechnung 
bald  positiv,  bald  negativ. 

Aus  der  obigen  Interpolationsformei  ist  nachstehende, 
auf  Grade  des  Quecksilberthermometers  sich  beziehende 
Tabelle  berechnet  worden  : 


T 

B 
"   MM." 

T 

E 

""    mm:  " 

T 

£ 

MM. 

I0<> 

6,2 

70^ 

89,9 

130<^ 

281,2 

15 

6,2- 

75 

47,1 

135 

329,8 

20 

7,8 

80 

55,6 

140 

886,1 

25 

8,7 

85 

65,5 

145 

450,8 

80 

10.8 

90 

77,3 

150 

529,1 

85 

12,2 

95 

91,0 

155 

617,9 

40 

14,5 

100 

107,1 

160 

723,1 

45 

17,2 

105 

125,9 

165 

844,4 

50 

20,4 

110 

148,1 

170 

986,2 

55 

24,2 

115 

173,0 

175 

1151,4 

60 

28,6 

120 

204,1 

180 

1342,0 

65 

83,7 

125 

240,0 

17«  Durchgehend  höhere  Dampfspannungen  und  7.war 
meist  ziemlich  betrachtliche  zeigte  das  Präparat  A,  mit  wel- 
chem die  folgenden  Versuche  angestellt  worden  sind  : 


Apparat  I. 

Apparat  IL 

Tbennometer 

T 

E 

E 

T 

E 

E 

Nr.  1    Nr.  2 

beobachtet 

berechnet 

beobachtet  berechnet 

0               0 

0 

MM. 

MM. 

0 

MM. 

MM. 

13,82;  13,93 

18,88 

6,8 

6,0 

154,0 

610,6 

601,4 

14,83' 14,93 

14,88 

6,4 

6,2 

156,8 

655,0 

644,4 

22,24 :  22,35 

22,80 

8,6 

7,9 

157,7 

686,6 

672,8 

80,05 

80,16 

30,10 

11,8 

10,4 

161,8 

791,3 

762,4 

89,77 

RA  00 

39,78 
Knon 

89,77 

15,6 
QUO 

14,5 

91   1 

162,1 

IAA  A 

800,8 

QAQ  A 

770,5 

ftfift  Q 

»7 


166      Landolif    Untersuchungen  über  die  Dampf tensimien 

Valerianeäure. 

19.  Aus  Amylalkohol  durch  Einwirkung  von  chrom- 
saurem  Kali  und  Schwefelsäure  dargestellte  Valeriansäure 
wurde  in  das  Kalisalz  übergeführt,  und  dieses  in  gut  getrock- 
netem Zustande  durch  Destillation  mit  concentrirter  Schwefel- 
saure zersetzt.  Das  Präparat  ging  beim  Rectificiren  zum 
gröfsten  Theil  zwischen  175,6^  und  176,1  bei  766,2  HM. 
Barometerstand  über.    Diese  Portion   gab   folgende  Zahlen  : 

Apparat  I. 
1.  Beobachtungsreihe. 


Thermometer 

T 

E 

E 

Nr.  1 

Nr.  2 

beobachtet 

berechnet 

0 

0 

0 

MM 

n^U* 

15,78 

15,78 

15,75 

5.7 

6,6 

20,38 

20,84 

20,88 

6,5 

M 

25,55 

25,55 

25,55 

9,9 

80,95 

80,96 

80,95 

10,9 



86,26 

86,28 

36,27 

11,8 

10,6 

41,17 

41,19 

41,18 

18,8 

12,4 

44,98 

44,89 

44,91 

14,5 

14,0 

50,99 

50,90 

50,95 

16,7 

16,9 

59,91 

59,82 

59,86 

21,8 

22,5 

69,72 

69,44 

69,58 

29,7 

30,6 

78,94 

79,17 

79,05 

89,2 

41,1 

2.  Beobachtungsreihe. 


6,41 
10,12 
15,78 
20,54 


1       6,56 

6,48 

10,27 

10,20 

15,88 

15,78 

20,59 

20,56 

5,0 
5,8 
6,1 
6,6 


4,1 

5,5 

6.4 


homologer   Verbindungen. 


167 


Apparat  n. 


1.  Beobachtangsreihe 

2.  BeobaohtungBreihe 

T 

E                  E 

beobachtet    berechnet 

T 

E 
beobachtet 

£ 

berechnet 

0 

MM. 

MM. 

0 

MM. 

MM. 

110,8 

108,3 

110,4 

148,4 

349,6 

»47,5 

114,8 

121,2 

122,7 

150,7 

373,2 

371,7 

120,1 

148,8 

— 

166,6 

427,6 

444,5 

120,8 

154,6 

147,8 

171,1 

677,5 

685,8 

132,4 

232,6 

— 

178,7 

845,3 

861,7 

136,7 

248,7 

243,8 

189,0 

1156,5 

1170,0 

148,6 

346,9 

— 

— 

_ 

— 

158,0 

452,9 

464,1 

— 

— 

— 

166,8 

684,2 

— 

— 

■ 

r 

181,8 

966,1 

948,8 

— 

— 

188,5 

1176,2 

— 

— 

^"~ 

190,5 

1239,4 

1227,4 

— 

— 

— 

Die  durch  diese  Beobachtungen  laufende  mittlere  Curve 
lieferte  folgende  Elemente  zur  Berechnung  der  Interpolations- 
formel *)  : 

T  E 

200  6^3  if^ 

105  92,0    . 

190  1208,0    n 

Hieraus  resultirt  : 

a  =        29,0659805 

b=  —  28,266640;  log  b  :=  1,4512742 
log  a  =  0,9997851-* 

t  =  T  — 


Diese  Zahlen  lieferten  folgende  Tabelle 


*)  Die  Berechnung  einer  annehmbaren  Interpolationsformel  bot  in- 
sofern Schwierigkeiten ,  als  in  den  Beobachtungen  die  den  Tem- 
peraturen zwischen  80^  und  110^  entsprechenden  Tensionen 
fehlen.  Die  Spannung  fOr  die  Temperatur  105^  muDrte  aus  diesem 
freien  Currenstück  genommen  werden,  über  dessen  Verlauf  indefs 
keine  erhebliche  Unsicherheit  obwalten  konnte. 


168    Landoltj  Untersuchungen  über  die  Dampftenaionen 


T 

E 

T 

£ 

T 

£ 

MM. 

MM> 

MM. 

10° 

4,6 

70° 

30,9 

1300 

198,1 

15 

5.4 

75 

86,2 

135 

231.5 

20 

6,3 

80 

42,3 

140 

268,5 

25 

7.4 

85 

49,4 

145 

313,5 

30 

8,7 

90 

57,8 

160  , 

368,4 

35 

10,2 

95 

67,4 

155 

421,9 

40 

12,0 

100 

78,8 

160 

491,2 

45 

14,0 

105 

92,0 

165 

571,4 

50 

16,4 

110 

107,3 

170 

662,9 

55 

19,3 

115 

125,6 

175 

810,1 

60 

22,« 

120 

145,9 

180 

893,3 

65 

27,6 

125 

170,6 

186 
190 

1048,7 
1203,0 

19.  Ein  zweites  Präparat,  welches  bei  der  Destillation 
den  Constanten  Siedepunkt  175,1^  bei  752,8  HM.  Barometer- 
stand gezeigt  hatte,  gab  beträchtlich  höhere  Tensionen. 
Wahrscheinlich  enthielt  dasselbe  noch  eine  Spur  Wasser. 
Es  wurden  nachstehende  Beobachtungen  erhalten ,  welche 
ich  mit  den  für  Präparat  1  mittelst  der  Interpolationsrormel 
bestimmten  Spannkräften  für  die  nämlichen  Temperaturen 
zusammenstelle  : 


Apparat  I. 


Thennometer 

£ 
beobachtet 

£ 

Nr.  1 

Nr.  2 

T 

berechnet 
för  PrÄp.  1 

DifferooB 

0 

0 

0 

AlM. 

MM. 

MM. 

11,32 

11,43 

11,37 

6,9 

4,8 

2,1 

20,08 

20,04 

20,08 

9.7 

6,8 

3.4 

31,40 

81,41 

81,40 

14,4 

9,1 

5,3 

39,97 

89,98 

89,97 

18,9 

12,0 

6,9 

Apparat  H. 

— 

— . 

159,1 

471,2 

482,4 

11,2 

— 

— 

167,1 

627,1 

609,2 

17,9 

— 

— 

168,2 

648,9 

629,4 

19,5 

— 

— 

178,9 

919,4 

869,9 

49,5 

""■ 

"■" 

180,4 

969,0 

905,9 

68,1 

homologer   Verbindungen,  169 

Resultate. 

SO.  Die  vorstehenden  Bestimmungen  sind  hinreichend, 
um  nun  die  Eingangs  erwähnten  Fragen,  und  zwar  zunächst 
diejenige,  ob  das  Dal ton'sche  Gesetz  bei  homologen  Reihen 
Gültigkeit  besitze  oder  nicht,  zu  erörtern. 

Die  Prüfung  des  Dal  ton 'sehen  Gesetzes  lafst  sich  auf 
zwei  Arten  vornehmen.  Man  kann  erstens  die  Tensionen 
der  verschiedenen  Substanzen  für  Temperaturen,  welche  um 
eine  gleiche  Anzahl  Grade  von  ihren  Siedepunkten  entfernt 
sind,  berechnen;  es  sollen  diese  Spannungen  übereinstimmen. 
Oder  zweitens  man  berechnet  die  einer  Anzahl  gleicher 
Spannungen  zugehörigen  Siedepunkte  (die  sogenannten  enU 
sprechenden  Temperaturen) \  ist  das  D alt on 'sehe  Gesetz 
richtig,  so  müssen  die  Differenzen  zwischen  zwei  ent- 
sprechenden Temperaturen  bei  allen  Flüssigkeiten  gleich 
grofs  sein. 

Ich  habe  die  letztere  Form  gewählt,  da  die  erhaltenen 
Zahlen  noch  zu  einer  weiteren  Betrachtung  anwendbar  waren. 
Die  folgende  Tabelle  enthalt  die  mittelst  der  Interpolations- 
formeln berechneten  Siedepunkte  für  den  Normaldruck 
760  MM.  und  einige  200  MM.  von  demselben  abstehenden 
Spannungen.  Alle  diejenigen  Temperaturen ,  welche  über 
100^  lagen,  wurden,  um  eine  sichere  Vergleichung  zu  er- 
möglichen, mittelst  der  $.  8  angegebenen  Formel  in  Grade 
des  Luftthermometers  umgerechnet  : 


170     Landolt,    Unlersuchtnigen  über  die  Damjiftension 


.    .2 

i 

1" 

1 

19°1 

ao,7 

51,1 
61,4 
18,9 

-  1 

•i      i      ?      t      i 

+1 

1 

•ä  s  S-  S  i- 

£ 

'     1 

°a    3    s    g    s 

+1 

"^    1   ä    s-   i- 

5-  J 
+1 

1 

=^-  i-   1  t   1 

^  i 

"2'     2"     2"     S-     ^ 

+1 

i 

s 

"s-  1  1  t  1 

"  1 

=S-    5    S"    S-    o- 

s  s- 

+1 

1 

99°9 

ns.B 

139,2 

160,8 
178,7 

^1 

,".      -.      •.      -. 
1        r-       r-       t-       - 

;-  s- 
+1 

1 

1  t  1   1   1 

^1 

1  -5  ;-  :-  i 

+1 

1 

,  t  1  t  g- 

■        S     ■•     1      1 

'S    1    g.    rS    f 

'3 

8 

homologer   Verbindungen,  171 

Vergleicht  man  bei  den  fünf  Säuren  die  Differenzen  J 
zwischen  zwei  entsprechenden  Temperaturen,  so  ergiebt  sich 
Folgendes  : 

Bei  niedrigen  Spannungen  bis  zu  560  HM.  zeigen  die 
Zahlen  durchaus  keine  Uebereinslimmung ,  es  wei^den  die- 
selben vielmehr  um  so  gröfser,  je  weiter  man  von  der 
Ameisensaure  an  in  der  Reihe  emporsteigt,  je  schwerer 
fluchtig  also  die  Substanz  wird.  Das  stetige  Zunehmen  der 
Differenzen  tritt  um  so  bestimmter  hervor,  je  niedriger  die 
Spannungen  sind,  welchen  die  entsprechenden  Temperaturen 
angehören. 

Von  der  Gegend  der  Siedepunkte  bei  760  MM.  an  wer- 
den bei  zunehmendem  Druck  die  Differenzen  übereinstim- 
mender, und  es  scheint  hier  das  Dalton'sche  Gesetz  sich 
zu  bewahren.    Man  hat  bei  den  fünf  Säuren  : 

swischen  560  MM.  und  760  MM.  im  Mittel  die  Differenz  9,6^  +.  0,b^ 

,         760     „        „     960     „       «        „         ,  „  7.50  +   0,3« 

960     „        ,   1160     n       n        fi         n  n  6,1°   +    0,8« 

Es  fragt  sich,  ob  die  Abweichungen  von  ±  0,3^  bis  0,5^ 
als  Versuchsfehler  angesehen  werden  dürfen,  die  namentlich 
bei  Anwendung  anderer  Präparate  vielleicht  geringer  aus- 
gefallen wären.  Vergleicht  man  die  früher  angegebenen 
Tensionsbestimmungen  verschiedener  Präparate  von  Essig- 
säure, Buttersäure  und  Valeriansäure ,  so  ergiebt  sich,  dafs 
bei  der  Temperatur  der  Siedepunkte  und  höher  die  Dampf- 
spannungen um  30  bis  sogar  50  MM.  von  einander  abweichen 
können.  Nimmt  man  als  höchste  erlaubte  Verschiedenheit 
in  der  Tension  ±  15  MM.  an^  so  würde  diese  im  Mittel  fol- 
genden Differenzen  in  den  Temperaturen  entsprechen  : 

zwischen  560  MM.  und  760  MM.  Druok  :  +,  0,72<^ 

'  ,    760  ^    ,  960  n    »    :  +  0,56« 

960  ,    ,  1160  «    n        :  ±  0,46«. 


172     LandoU,   ünteriuchungen  über  die  Dampflemtonen 

Diese  Differenzen  sind  höher  als  die  ob«i  gefundenen, 
und  es  können  daher  die  letzteren  in  der  That  von  Ver- 
suchsrehlern  herrühren. 

Um  einen  weiteren  Anhaltspunkt  zur  Beurtheilung  der 
DilTtTeiizon  zwischen  entsprechenden  Temperaturen  zu  er- 
halten, Imbe  ich  für  einige  der  von  Regnault  untersuchten 
Subsl)iriz{;ii,  welche  keine  chemische  Gleichartigkeit  unler- 
etnnrider  zeigen,  die  verschiedenen  Drucken  zugehörigen 
Siedepunkte  berechnet.  Die  Werthe  wurden  für  diejenigen 
SpaiinuDiren,  welche  sich  nahe  an  eine  in  den  Regnault'- 
schen  von  5  zu  5°  gehenden  Tabellen  enthaltenen  Zahl  an- 
schlössen, unter  der  zulässigen  Annahme  abgeleitet,  dafs 
innerliiilb  kleiner  Grenzen  die  Temperatur  proportional  der 
SpBiinunn;  sich  ändere;  für  die  weiter  entfernten  Werthe 
sind  da^regen  die  Interpolationsformeln  zu  Hülfe  genommen 
worden.  Die  Rechnung  wurde  für  folgende  Kdrper,  welch« 
nach  steigendem  Siedepunkte  geordnet  sind,  ausgeführt  : 


homologer  Verbindungen. 


173 


o 

CO 

WH 

o» 

CO^ 

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P4 

P4 

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•  M 

174     Landolty   Untersuchungen  über  die  Dampflenaionen 

Vergleicht  man  hier  die  Differenzen  zwischen  den  ent- 
sprechenden Temperaturen,  so  zeigt  sich,  dafs  dieselben  auch 
in  der  Nähe  des  gewöhnlichen  Siedepunktes  sehr  von  ein- 
ander abweichen;  es  beträgt  die  Verschiedenheit  vom  Mittel 
±  2^,  also  eine  Zahl,  welche  die  Beobachtungsfehler  weit 
überragt.  Hier  hat  also  das  Dalton'sche  Gesetz  entschieden 
keine  Gültigkeit. 

Die  vorstehenden  Betrachtungen  führen  demnach  zu 
folgenden  Resultaten  : 

Bei  den  Gliedern  der  Ameisensäure-Reihe  sind  bei  nie- 
drigen Spannungen  die  Difl^erenzen  zwischen  entsprechenden 
Temperaturen  ungleich;  sie  wachsen  mit  der  Schwerflüchtig- 
keit  der  Substanz.  Bei  Spannungen  zwischen  560  und 
1160  HH.  werden  dieselben  dagegen  übereinstimmend;  es 
ist  also  das  Dalton*sche  Gesetz  bei  dieser  homologen  Reihe 
in  der  Nähe  des  gewöhnlichen  Siedepunktes  zulässig.  Ob 
diese  Regelmäfsigkeiten  sich  nun  auch  oberhalb  1160  MM. 
weiter  fortsetzen,  lassen  die  Versuche  unentschieden.  Wenn 
man  indefs  die  Spannkraftcurven  der  5  Säuren,  welche  in 
Fig.  4  dargestellt  sind ,  betrachtet ,  so  läfst  sich  aus  dem 
Parallelismus  ^  den  dieselben  in  ihren  höheren  Theilen  an- 
nehmen, schliefsen,  dafs  das  Gesetz  auch  in  Bezug  auf  die 
darüber  liegenden  Tensionen  seine  Gültigkeit  bewahren 
werde. 

91«  Die  mitgetheilten  Beobachtungen  gestatten  noch 
die  weitere  Frage  zu  erörtern,  ob  die  gleichen  Difl*erenzen, 
welche  die  für  den  Druck  760  HM.  geltenden  Siedepunkte 
der  Glieder  homologer  Reihen  untereinander  zeigen,  auch 
bei  Temperaturen  auftreten,  die  anderen  Spannungen  zuge- 
hören? 

Berechnet  man  zunächst  für  die  untersuchten  Säuren  mit 
Hülfe  der  Interpolationsformeln  die  Siedepunkte  bei  760  MM. 
Druck,  so  ergeben  sich  nachstehende  Zahlen  : 


i       .^ 


homologer   Verbindungen. 


175 


" 

Quecksilber- 
thermometer 

Luft- 
thermometer 

Ameisensäure     . 

.      99,9> 

99,91 

EBsigB&are      .     . 

.     119»12 

118,82 

Propionsttore 

.     139,79 

139,22 

Buttersäure    .     . 

.     161,61 

160,83 

Valerianaätire 

.     174,58 

173,71. 

Ferner  findet  man  für  die  Veränderungen,  welche  die 
Siedepunkte  erleiden ,  wenn  der  Luftdruck  von  760  MM.  um 
je  1  HM.  abweicht,  .die  Werthe  : 

Ameisens.     Essigs.    Propions.    Batters.     Valerians.    Mittel 
0,046<>         0,044<>         0,043°         0,0410  0,044°      0,043°. 

Hit  Hülfe  dieser  Zahlen  lassen  sich  Siedepunktsbestim- 
mungen  der  Säuren,  welche  bei  verschiedenem  Barometer- 
stand ausgeführt  worden  sind,  auf  den  Normaldruck  760  MM. 
reduciren,  indem  man,  was  bei  Abweichungen  bis  zu  10  MM. 
zulässig  ist,  die  Aenderung  der  Temperatur  derjenigen  des 
Drucks  proportional  setzt.  Auf  diese  Weise  sind  die  nach- 
stehenden, von  verschiedenen  Beobachtern  mitgetheilten  Siede- 
punktsbestimmungen der  Säuren  berechnet,  welche  ich  zur 
Vergieichung  mit  den  Obigen  beifuge  *).  Die  Temperaturen 
beziehen  sich  sämmtlich  auf  das   Quecksilberthermometer  : 


Liebig  .  .  . 
Kopp  .... 
Rosooe  .  .  . 
Landolt,  Prttp.  1 

n      2 
n       8 

n       4 


n 


Ameisensäure, 

redao.  aiif760MM. 

98,6°    bei  753  MM. 

Bar. 

98,8° 

106,4       „     764 

n 

106,2 

101,1        „     768 

n 

101,2 

101,1       „     764,3 

n 

100,3 

104,9       ^     766,7 

n 

106,0 

101,8       „     762 

n 

101,7 

99,4        n     746,8 

n 

100,0 

*)  Dieselben  sind  grofstentheils  der  Zusammensetaung,  welobe  Kopp 
(Ann.  Chem.  Pharm.  XCVI,  9)  gegeben  bat,  entnommen  und 
durch  die  neueren  Beobachtungen  ergänzt.  Die  meinigen  siebe 
Pogg.  Ann.  CXYII,  363. 


I 


176     Landolt,  Untersuchungen  über  die  Dampftensumen 


Bineau 100° 

Favre  a.  8ilbermann     100 
Wurtz 100 


bei 


n 
n 


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redao.auf760MM. 


Essigsäure, 


Delfffl  .... 
Kopp  ..... 
Oudemans  .  . 
Landolt,  Fräp.  1 

jt  »2 

.      8 
Sybille  Aoger    . 

Favre  u.  Silbermann 

Dumas     


116« 

116,9 

118,2 

118,7 

117,8 

118,8 

119 

120 

120 


bei  754  MM. 

750 

768 

762 

766,7 

752,5 

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n 
n 

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9 


Bar. 


ff 
ff 
ff 
ff 

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116,8« 

117,8 

118,1 

118,6 

117,9 

119,2 


Propionsäure  (aus  Cyanathyl). 


Kopp 141,6« 

Landolt,  Präp.  1       .     .  140,8 

„       2      .    .  140,1 

„  „       3     .     .  189,5 

Limpriobt  a.  Uslar  .  142 


bei  754,6  MM.  Bar. 

141,8« 

.    755,7 

141,0 

ff    754,7             „ 

140,8 

ff    758,1 

189,6 

Buttersäure  (Gahrangs-). 

Kopp 156«  bei  788  MM. 

Delffs 156  n    759 

Piorre 168  »751 

Landolt,  Präp.  1      .    .  161,75  „    754,7 

n       2      .    .  162  „    758,7 

n  „       8      .     .  168  n    765,8 

Favre  u.  Silbermann  164  „      ? 


Bar. 


ff 

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ff 
ff 

ff 


167,1« 

166,0 

168,4 

162,0 

162,1 

162,8 


Vakriansäure  (aus  Amylalkohol). 


Kopp       .... 

Delffs     .... 

Landolt,  Prttp.  1 

ff  ff       2 

ff       8 
Dumas  a.  Stas   . 

Favre  u.  Silbermann 


175,8«    bei  746,5  MM.  Bar. 


174,5 

175,1 

174 

175,85 

175 

175 


ff 

ff 

9 
ff 

ff 
ff 


762 
752,8 
751,9 
766,2 

1 

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ff 

ff 


176,3« 

174,4 

175,4 

174,8 

175,6 


homologer   Verbindungen»  177 

Capronsäure  (auB  Cyanamyl). 

Rossi 195«     bei  746  MM.  Bar. 

Landolt 198,9    „     761  „ 

Wurt«   .    . 198      „      ? 

Brasier  u.  Gosleth      .  198      ,,      ? 

OenanthyUäure  (aus  Ricinusöl  mit  Salpetersaure). 

8t&deler 218«  bei  725  MM.  Bar. 

Landolt 218,5  bis  220      „    756,5  „ 

In  der  folgenden  Tabelle  sind  diejenigen  Siedepunkte 
der  Sfiuren,  welche  nach  den  obigen  Beobachtungen  als 
feststehend  angenommen  werden  müssen,  zusammengestellt 
und  die  Differenzen  für  das  Increment  CHs  aus  denselben' 
gezogen.  Die  Tabelle  enthalt  zugleich  die  sogenannten  theo- 
retischen Siedepunkte  von  Kopp,  berechnet  unter  der  An- 
nahme der  Constanten  Differenzen  von  19^  und  19,5^  für  CHg 
und  ausgehend  von  dem  Siedepunkt  der  Ameisensäure  =  100^ 


Beob- 

Berechnete Siedepunkte 

Diff. 

achtete 

fOr 

Diflf. 

Ab- 

• 

Diff. 

Ab- 

• 

Siede- 
pnnkte 

CH, 

ffir 

GH, 

=  19« 

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ohung 

▼.  d. 
Beob. 

für 

GH, 

=  19,5 

wei- 
chnng 

▼.  d. 
Beob. 

Ameisens&nre  (/H,0, 

100^ 

19« 

100« 

0« 

100« 

0« 

EsaigaAure  CtH40t 

119 

21 

119 

0 

119,5 

+0.5 

Propiona&ure  Cfifi^ 

140 

188 

—2 

189 

—1 

22 

Batters&ore  C4H0O, 

162 

18 

157 

—6 

158,5 

-8,5 

Valerianaftore  Cfiiffl% 

175 

28 

176 

+1 

178 

+8 

Caprons&nre  CJäxfi^ 

198 

21 

195 

—8 

197,5 

—0,5 

OenantbylsAiure  CrH^Ot 

219 

V 

214 

—5 

217 

—2 

Vergleicht  man  die  Differenzen  der  beobachteten  Siede- 
punkte, so  ergeben  sich  dieselben  meist  ziemlich  überein- 


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178     Landoltj   Unter  suchungen  über  die  Dampfteneionen 

stimmend ,  nur  zwischen  Buttersäure  und  Valeriansaure  ist 
der  Unterschied  betrachtlich  geringer.  Das  Mittel  derselben 
beträgt  19  bis  20^  und  den  nämlichen  Werth  findet  man,  wie 
Kopp  bekanntlich  nachgewiesen  hat,  noch  bei  sehr  vielen 
anderen  homologen  Verbindungen ,  welche  sich  am  CH^ 
unterscheiden,  wie  bei  den  Alkoholen,  Aetherarten  u.  s.  w. 
Wenn  auch  manchmal  erhebliche  Abweichungen  auftreten, 
so  mufs  doch  im  Allgemeinen  das  Stattfinden  dieser  Regel- 
mäfsigkeit  anerkannt  werden. 

Es  fragt  sich  nun  aber,  ob  auch  bei  anderen  Tempera- 
turen gleichen  Druckes  diese  annähernd  übereinstimmenden 
Dififerenzen  für  das  Increment  CH^  hervortreten.  Da  nach 
dem  Dal  ton 'sehen  Gesetze  für  die  nämliche  Druckänderung 
die  Siedepunkte  verschiedener  Substanzen  sich  um  eine 
gleiche  Anzahl  von  Graden  verschieben  sollen,  dieses  Gesetz 
aber  bei  homologen  Reihen  innerhalb  gewisser  Spannungen 
als  zulässig  sich  erwiesen  hat,  so  ist  damit  die  Frage  eigent- 
lich schon  entschieden.  Zur  näheren  Beurlheilung  der  Gren- 
zen, zwischen  welchen  die  Regelmäfsigkeiten  noch  erscheinen, 
führe  ich  nachstehende  Tabelle  an,  welche  die  auf  das  Luft- 
thermometer  bezogenen  Siedepunkte  bei  verschiedenem 
Drucke  in  runden  Zahlen,  sowie  die  Differenzen  für  CHf 
enthält  : 


homologer   Verbindungen. 


179 


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homologer   Verbindungen,  181 

ganzen  Spannkraftcurven  der  übrigen  berechnen  zu  können. 
Dagegen  ist  es,  wie  aus  den  oben  erhaltenen  Resultaten  über 
das  Dalton'sche  Gesetz  hervorgeht,  mit  Hülfe  desselben 
möglich,  von  der  Spannung  560  HH.  an  wenigstens  an- 
nähernd die  Tensionen  der  Sauren  gegenseitig  abzuleiten, 
und  ohne  Zweifel  wird  diefs  auch  bei  den  Gliedern  anderer 
homologer  Reihen  sich  erreichen  lassen. 


Eine  Anzahl  weiterer  Beobachtungen  über  die  Spann- 
kräfte der  Alkohole  der  Methylreihe  lege  ich  noch  zurück, 
da  die  Untersuchung  wegen  der  Schwierigkeit,  genügend 
reinen  Propyl-  und  Butylalkohol  zu  erhalten,  bis  jetzt  un- 
vollständig geblieben  ist. 


üeber  die  Oxydation  der  organischen  Säuren ; 

von  M.  Berthelot*). 


Ich  habe  constatirt,  dafs  bei  der  Oxydation  des  Acety- 
lens,  des  Aethylens  und  der  homologen  Kohlenwasserstoffe 
Oxalsdnre  und  im  Allgemeinen  zweibasische  Säuren  sich 
bilden,  welche  dieselbe  Menge  Kohlenstoff,  wie  der  an- 
gewendete Kohlenwasserstoff,  enthalten  **).  Indessen  ist 
die  Bildung  der  jedem  Kohlenwasserstoff  entsprechenden 
zweibasischen  Saure  immer  begleitet  von  der  homologer, 
zweibasischer  und  einbasischer  Säuren,  welche  eine  gerin- 
gere Menge  Kohlenstoff  enthalten.  Es  findet  diefs  übrigens 
bekanntlich  meistens   bei  der  Oxydation    organischer  Sub- 


*)  Bulletin.de  la  societ^  chimique,  nohvelle  s^rie,  T.  VUI,  p.  390. 
**)  Ann.  Chem.  Pharm.  8iippl.-Bd.  V,  95. 


182  Berthelot^  über  die  Oxydation 

stanzen  statt.  —  Die  Erklärung  der  Thatsache  schien  mir  in 
einer  zweifachen  Reihe  von  Phänomenen  gesucht  werden  za 
müssen.  Einerseits  spaltet  sich  die  normale  zweibasische 
Säure,  theilweise,  im  Entstehungszustande,  zu  einer  niederen 
einbasischen  Saure  und  Kohlensaure  : 

CÄOg    ==    C4H4O4    +    C,04. 
Malonsäure       fissigs&ure    Kohlensäure 

Andererseits  oxydirt  sich  die  so  hervorgebrachte  ein- 
basische Säure  wiederum,  im  Entstehungszustand,  um  sich  in 
die  entsprechende  zweibasische  Säure  umzuwandeln  : 

C4H4O4    +     3  0t    =    C4HJO8    +    HgO,. 
Essigsäure  Oxalsätire 

Dieselbe  Kette  von  Reactionen  wiederholt  sich  dann  für 
die  neue  zweibasische  Säure. 

Diese  Auffassung  ist  der  treue  Ausdruck  der  beobach- 
teten Thatsachen.  Doch  schien  es  mir,  dafs  sie  einen  an- 
schaulicheren Character  gewinnen  würde,  wenn  es  gelänge, 
die  einbasischen  Säuren  direct,  auch  durch  die  Einwirkung 
des  übermangansauren  Kali's ,  zu  entsprechenden  zweibasi- 
schen Säuren  umzuwandeln. 

Ich  habe  constatirt,  dafs  diefs  der  Fall  ist. 

Keine  organische  Säure,  und  selbst  keine  organische 
Substanz,  widersteht  in  definitiver  Weise  der  Einwirkung 
des  übermangansauren  Kali's,  weder  in  saurer,  noch  in  al- 
kalischer Lösung;  aber  die  Dauer  der  Reactionen  ist  sehr 
wechselnd ,  je  nach  der  Natur  der  zum  Versuche  angewen- 
deten Körper ,  und  dieser  Umstand  gestattet ,  die  nach  ein- 
ander sich  bildenden  Producte  zu  isoliren. 

Die  Einzelnheiten  der  Versuche  sind  folgende  : 

Ameisensäure  C2H8O4.  —  Man  nimmt  im  Allgemeinen 
an,  dafs  die  Ameisensäure  durch  das  übermangansaure  Kali 
in  alkalischer  Lösung  oxydirt  wird,  während  sie  einer  sauren 
Lösung  widerstehe.      Ich  habe   nun   einerseits  beobachtet. 


der  organischen  Säuren.  183 

dafs  die  Oxydation  in  einer  alkalischen  Lösung  nicht  sofort 
erfolgt,  so  dafs  man  gewisse  Bildungen  der  Ameisensäure 
constatiren  kann ,  wenn  man  in  der  Költe  und  mit  schwach 
alkalischen  Lösungen  operirt.  Andererseits  entfärbt  die 
Ameisensäure,  wenn  mit  mittelst  Schwefelsaure  stark  ange- 
säuertem übermangansaurem  Kali  zum  Kochen  erhitzt,  das- 
selbe ziemlich  rasch.  Die  Anwendung  dieses  Reagens  zur 
Bestimmung  der  Ameisensaure  macht  also  Behutsamkeit 
nöthig. 

Essigsäure  C4H4O4.  —  Die  Essigsaure  scheint  zunächst 
auf  das  übermangansaure  Kali;  in  saurer  oder  alkalischer 
Lösung,  ohne  Einwirkung  zu  sein.  —  Erhitzt  man  jedoch 
einen  langhalsigen  Kolben,  welcher  Essigsaure  und  eine  ver- 
dünnte Lösung  von  übermangansaurem  Kali  enthalt,  im 
Wasserbade  auf  100^,  so  macht  sich  bald  Reduction  bemerk- 
lich. Nach  15  bis  20  Stunden  ist  dieselbe  bereits  beträcht- 
lich; es  bildet  sich  dabei  nur  Wasser  und  Kohlensäure. 

Essigsaures  Natron,  in  einer  neutralen  Lösung  von  über- 
mangansaurem Kali  gelöst,  übt  in  der  Kälte  während  der 
ersten  Tage  keine  bemerkliche  Wirkung  aus.  Aber  nach 
dreimonatlichem  Stehen  hat  man  ersichtliche  Reduction,  mit 
Bildung  von  etwas  kohlensaurem  Salz.  Bei  dem  Kochen  ist 
die  Reduction  schon  nach  einigen  Stunden  erheblich;  sie 
wird  es  namentlich,  wenn  man  bei  Gegenwart  einer  beträcht- 
lichen Menge  Kali  operirt.  Nach  10  stündigem  Erhitzen  auf 
100^  beobachtet  man  die  Bildung  einer  sehr  beträchtlichen 
Menge  Oxalsäure.  '  Also  wird  die  Essigsäure  durch  das 
übermangansaure  Kali,  in  alkalischer  Lösung,  bei  100^  lang- 
sam zu  Oxalsäure  umgewandelt  : 

C4H4O4    +     3  0j    =    C4HSO8    +    HjOg. 
Edsigsäure  Oxalsäure 

Das  ist  gerade  die  Reaction^  deren  Existenz  ich  für  den 
Entstehungszustand  angenommen  hatte;   man  sieht,   dafs  sie 


184  Berthelot,  über  die  Oxydation 

auch  für  die  bereits  gebildete  Essigsaure,  wenn  auch  lang- 
samer, statthat. 

Oxalsäure  CiHgOs«  —  Man  weifs,  wie  rasch  die  Oxal- 
säure durch  das  übermangansaure  Kali  in  saurer  Lösung 
oxydirt  wird.  Ich  habe  erkannt,  dafs  sie  auch  in  stark  al- 
kalischer Lösung  bei  100^  oxydirt  werden  kann.  Aber  die 
Reaction  geht  ungemein  langsam  vor  sich  und  erfordert  viele 
Stunden,  um  erheblich  zu  werden;  sie  kann  für  die  Mehr- 
zahl der  Umstände  vernachlässigt  werden.  Aber  die  Thal- 
sache an  sich  verdient  nicht  weniger  Interesse. 

Die  Homologen  der  Essigsaure  und  der  Oxalsäure  wer- 
den durch  das  übermangansaure  Kali  leichter  oxydirt,  wenn 
gleich  auch  sie  noch  diesem  Reagens  einen  gewissen  Wider- 
stand entgegensetzen. 

Ohne  auf  die  Malonsäure  einzugehen,  deren  langsame 
Einwirkung  auf  das  übermangansaure  Kali  in  saurer  Lösung 
sowohl  als  in  alkalischer  bei  100^  ich  constatirt  habe,  vrill 
ich  hier  das  Verhalten  der  Buttersaure  und  der  Bernstein- 
saure  besprechen. 

ßuttersäure  CgHsOi.  —  Die  Buttersäure  wird  durch  neu- 
trales übermangansaures  Kali  langsam  oxydirt.  Aber  ich 
habe  namentlich  die  Oxydation  in  einer  alkalischen  Flüssig- 
keit untersucht,  um  möglichst  die  Zerstörung  der  zweibasi- 
schen Säuren  zu  vermeiden.  Zu  diesem  Zwecke  habe  ich 
10  Th.  Buttersäure  in  1200  Th.  Wasser  gelöst,  bei  Anwesen- 
heit von  60  Th.  Kali.  Diese  Lösung  entfärbt  allmälig  das 
übermangansaure  Kali,  sowohl  in  der  Kalte,  als  auch  (und 
besser)  bei  100^  Ich  habe  den  Versuch  bei  100^  mehrere 
Tage  lang  andauern  lassen,  bis  die  B.uttersaure  etwas  mehr 
als  ein  dem  ihrigen  gleiches  Gewicht  übermangansaures 
Kali  zerstört  hatte.  Die  Flüssigkeit  enthielt  dann  eine  be- 
trächtliche Menge    kohlensaures    und   oxalsaures   und   eine 

4 

kleine  Menge  bernsteinsaures  Salz,  abgesehen  von  dem  essig- 
sauren und  Propionsäuren  Salze. 


der  organischen  Säuren*  185 

In  folgender  Weise  habe  ich  diese  verschiedenen  Säuren 
isoUrt.  Ich  habe  zunächst  die  Flüssigkeit  mit  Salzsäure  an- 
gesäuert; ich  habe  einen  Augenblick  sieden  lassen,  dann 
einen  Tropfen  Ammoniak  zugesetzt  und  mittelst  Chlorcaicium 
gefällt;  der  so  erhaUene  Niederschlag  bestand  aus  oxal- 
saurem  Kalk,  welchem  eine  kleine  Menge  eines  ähnlichen 
aber  kohlenstoSreicheren,  wahrscheinlich  malonsauren  Salzes 
beigemengt  war.  Ich  habe  aus  diesem  Salze  die  Oxalsäure 
im  freien  Znstande  dargestellt.  —  Andererseits  habe  ich  die 
Tom  Oxalsäuren  Salze  getrennte  und  filtrirte  Flüssigkeit  im 
Wasserbad  eingedampft,  wobei  ich  das  Chlorkalium  successive 
durch  Krystallisation  ausschied.  Was  zuletzt  auf  ein  kleines 
Volum  gebracht  rückständig  blieb  und  zur  Trockne  gebracht 
war,  wurde  mittelst  einigen  Tropfen  Salzsäure  stark  ange- 
säuert und  wiederholt  mit  einem  beträchtlichen  Volum  ge- 
reinigten Aethers  geschüUelt.  Der  letztere  hinterliefs  bei 
dem  Verdampfen  eine  krystallinische  Säure,  welche  die 
Eigenschaften  (Krystallisation,  Sublimation)  und  die  Reac- 
tionen  der  Bernsteinsäure  besafs.  Ich  habe  aufserdem  die 
Löslichkeit  des  Kalksalzes  in  Wasser  und  seine  Fallung 
durch  Alkohol  festgestellt,  dieselben  Eigenschaften  für  das 
Magnesiasalz,  die  Fällung  des  neutralen  Eisenchlorids  durch 
die  bernsteinsaure  Magnesia,  u.  s.  w. 

Die  Menge  der  auf  diese  Weise  aus  der  Buttersaure 
gebildeten  Bernsteinsäure  ist  sehr  wenig  beträchtlich;  die 
Erklärung  dafür  werde  ich  sogleich  geben.  Dafs  sie  sich 
überhaupt  bildet,  ist  das  wesentliche  Resultat,  auf  welches 
ich  aufmerksam  mache. 

CgHeO*    +     3O2     =     CgHeOa    +     H,Oj. 
Battergfture  BeniBteinsäure 

Ihre  Bildung  unter  diesen  Umständen  steht  im  Einklang 
mit  der  von  Dessaignes  beobachteten  Bildung  der  Bern- 
sleinsäure bei  Einwirkung  der  Salpetersäure  auf  Buttersäure, 


186  Berthelotj  über  die  Oxydation 

und  andererseits  mit  der  oben  besprochenen  Bildung  der 
Oxalsäure  aus  Essigsäure. 

Zugleich  mit  der  Bernsteinsäure  entstehen  auch  die 
flüchtigen  Säuren,  welche  niedere  Homologe  zur  Buttersäure 
sind,  wie  ich  mich  in  einem  speciellen  Versuche  und  durch 
die  Analyse  der  mittelst  dieser  flüchtigen  Säuren  dargestellten 
Barytsalze  überzeugt  habe,  weiche  durch  fractionirte  Sätti- 
gung gewonnen  waren.  Diese  Scheidung  wird  nach  einem 
allgemein  bekannten  Verfahren  ausgeführt.  Aber  die  Menge 
der  auf  diese  Art  gebildeten  Propionsäure  und  Essigsäure 
überstieg  nicht  den  fünften  Theil  des  Gewichtes  der  ur- 
sprünglichen Säure.  Zur  Erklärung  dafür,  dafs  sich  nur  so 
wenig  von  diesen  Säuren  bildete,  braucht  man  nur  zu  be- 
achten, dafs  die  Homologen  der  Buttersäure  durch  das  über- 
mangansaure Kali  stufenweise  oxydirt  und  zu  oxalsaurem, 
dann  zu  kohlensaurem  Salz  umgewandelt  werden,  unter  den 
Bedingungen,  wie  sie  bei  diesem  Versuche  statthaben.  Die 
schliefslich  vorhandene  Menge  ist  also  nur  die  Differenz 
dieser  beiden  Reactionen. 

Ich  will  nun  darthun ,  dafs  dieselbe  Bemerkung  erklärt, 
weshalb  die  Bernsteinsäure  nur  in  wenig  beträchtlicher 
Menge  auftritt. 

Bernsteinsäure  CgHeOg.  —  Die  Bemsteinsäure  reducirt 
nämlich  bei  dem  Kochen  mit  einer  neutralen  Lösung  von 
übermangansaurem  Kali  dasselbe  langsam.  Die  Reduction 
geht  bei  100^  auch  bei  Anwesenheit  von  Schwefelsäure  vor 
sich.  Operirt  man  bei  Anwesenheit  einer  grofsen  Menge 
Kali,  so  läfst  sich  schon  nach  2  Stunden  bei  100^  die  Bildung 
einer  sehr  beträchtlichen  Menge  Oxalsäure  beobachten. 

Ich  brauche  mich  bei  diesen  Resultaten  nicht  länger 
aufzuhalten;  sie  rechtfertigen  die  Auffassungen,  welche  ich 
im  Eingange  dieser  Mittheilung  dargelegt  habe.  , 

Man  sieht  also,  und  ich  wiederhole  diefs^  dafs  die  Eio- 


der  organiachen  Säuren,  187 

Wirkung  des  äbermangansanren  Kali's  auf  die  organischen 
Substanzen  unbegrenzt  ist.  Man  kann  in  der  That  mittelst 
des  genannten  Reagens  diese  Substanzen  ganz  oder  fast  ganz 
zu  Wasser  und  Kohlensäure  umwandeln.  Als  ein  Beispiel 
f3r  solche  bis  zum  Ende  getriebenen  Reactionen  nenne  ich 
das  Terpentinöl.  Indem  ich  die  Einwirkung  in  der  Kalte 
and  in  sehr  saurer  Flüssigkeit  ein  Jahr  lang  andauern  liefs, 
habe  ich  diesen  Kohlenwasserstoff  fast  seiner  ganzen  Menge 
nach  zu  Wasser  und  Kohlensäure  umgewandelt.  Ich  habe 
Aehnliches  für  das  Aceton  beobachtet,  mit  welchem  ich  in 
der  Kälte  und  in  stark  alkalischer  Flüssigkeit  operirte. 

Die  so  energisch  oxydirende  Wirkung^  welche  das 
übermangansaure  Kali  zeigt,  scheint  mir  durch  thermo- 
chemische  Betrachtungen  erklart  werden  zu  müssen.  Sie 
liefs  sich  voraussehen.  Die  freie  Uebermangansaure  ent- 
wickelt nämlich  bei  ihrer  Zersetzung  zu  Sauerstoff  und 
Manganoxyd  eine  grofse  Menge  Wärme ;  ihr  Dampf  detonirt 
sogar  freiwillig.  Die  bei  der  Oxydation  irgend  eines  Körpers 
durch  Uebermangansaure  frei  werdende  Wärmemenge  ist 
also  beträchtlicher,  als  die,  welche  durch  freien  Sauerstoff 
entwickelt  würde.  Es  gebt  aus  der  oben  angeführten  That- 
sache  hervor,  dafs  die  Menge  der  bei  einer  Oxydation  mit- 
telst übermangansauren  Kali's  frei  gemachten  Warme  auch 
beträchtlicher  ist,  als  diejenige,  welche  unter  denselben  Um- 
ständen durch  Manganhyperoxyd  entwickelt  würde;  mit  Un- 
recht hat  man  also  manchmal  die  Wirkung  des  Hangan- 
hyperoxyds  als  der  der  Uebermangansaure  ähnlich  betrachtet; 
die  letztere  ist  ein  energischeres  Oxydationsmittel  als  das 
Manganhyperoxyd. 

Die  Verschiedenheiten  zwischen  den  Wirkungen  des 
übermangansauren  Kali's  in  saurer  und  in  alkalischer  Flüs- 
sigkeit erklären  sich  eben  so.  Wird  ein  Körper  unter  Bil- 
dung derselben  Producte  oxydirt,  so  läfst  sich  durch  Rech- 


188        Bunserij  Berechnung  gemisckter  Feldspathe. 

tiungr  darthun,  dafs  die  durch  ein  gegebenes  Gewicht  ober«* 
mangansaures  Kali  in  stark  saurer  Flässigkeil  entwickelte 
Wärmemenge  gröfser  ist,  als  die  in  stark  alkalischer  Flüssig- 
keit entwickelte  Wärmemenge  *). 

Es  würde  sich  vermuthlich  eben  so  darthun  lassen,  dab 
für  die  Uebermangansäure  die  Menge  der  entwickelten  Wärme 
gröfser  ist,  als  für  die  Chromsäure^  wenn  man  für  die  letz- 
tere Säure  die  nöthigen  thermochomischen  Data  besäfse. 
Ich  sage,  dafs  diefs  für  die  Uebermangansäure  zu  vermuthen 
ist,  weil  die  Cbromsäure  ihre  oxydirenden  Wirkungen  in 
alkalischen  Flüssigkeiten  nicht  mehr  ausübt.  Selbst  in  sauren 
Flüssigkeiten  ist  ihre  Wirkung  begrenzter,  wie  aus  einer 
Vergleichung  der  Versuche  von  Chapmau  mit  den  hier 
von  mir  dargelegten  hervorgeht. 


Berechnung  gemischter  Feldspathe; 

von  R.  Bansen. 


Tschermak  hat  in  seiner  wichtigen  Arbeit  über  die 
Feldspathgruppe  eine  Reihe  von  Thatsachen  hervorgehoben, 
welche  dafür  sprechen,  dafs  die  Kalk-Natron-Feldspathe  als 
isomorphe  Mischungen  von  Anorthit  und  Albit  zu  betrachten 
sind.  Er  hat  insbesondere  darauf  aufmerksam  gemacht,  dafs 
die  Aequivalentformeln  : 

CaO,  Al^Os,  2  SiO, 
NaO,  AljO,,  6  SiOg 


*)  Aber  diejenige  Menge  Wärme ,  welche  durch  die  Fixining  des- 
selben Gewichtes  Sauerstoff  auf  die  oxydirbare  Substanz  ent- 
wickelt wird,  ist  wahrscheinlich  in  alkalischer  Flüssigkeit  gröfser, 
als  in  saurer. 


BunseUy  Berechnung  gemischter  Feldspathe.         189 

dieser  beiden ,  gleiche  KrystaUform  zeigenden  Verbindungen 
den  Holecularformeln  : 

entsprechen^  in  welchen  die  für  eine  isomorphe  Vertretung 
erforderlichen  Bedingungen  erfüllt  sind. 

Wenn  diese  besonders  für  die  Kenntnifs  der  plutonischen 
Gesteine  höchst  wichtige  Frage  trotz  des  überreichen  Mate* 
rials  an  vorhandenen  Analysen  noch  keine  erschöpfende 
Behandlung  gefunden  hat,  so  dürfte  der  Grund  davon  wohl 
yomehmlich  in  der  Scheu  vor  den  sich  dabei  ergebenden 
höchst  weitläufigen  numerischen  Rechnungen  liegen.  Diese 
Bechnungen  auf  eine  einfachere  und  exactere  Form  zurück- 
zuführen, um  die  Tschermak'sche  Theorie  nach  einer 
strengeren  Methode,  als  der  bisherigen,  mit  der  Erfahrung 
vergleichen  zu  können,  ist  der  Zweck  dieser  Notiz. 

Nennt  man  die  Gewichte  der  einzebien  Bestandtheile  in 
der  Gewichtseinheit  : 

des  AnorthitB  % -h  ^  4~  ^  4~  ^» 

des  Albits  W  +  m-^s  +  W» 

des  ans  beiden  gemischten  Feldspaths    C|  -[-  ^2  -[~  ^  4~  ^4> 

80  dafs  : 

ai  +  a«  +  a8  +  »4  =  l» 
b,  +  b,  +  b,  +  b,  =  1, 

Ci  +  c«  +  Ca  +  C4  =  1, 

SO  ergeben  sich  die  Gleichungen  : 

Cj  =2  a  aj  +  (1  —  a)  bi, 
Ct  =  aa,  +  (1— a)  b^ 

oder  : 

Ci  =  ö  (ai— bi)  +  bi, 
C  =  ö  (a,  —  b,)  +  b,, 

WO  er  die  Gewichtsmenge  des  Anorthits  und  (1  —  a)  die 
Gewichtsmenge  des  Albits  bedeutet,  welche  die  Einheit  des 
gemischten  Feldspaths  zusammensetzen.    Da  im  Anorthit  und 


190         Bunserty    Berechnung  gemischter  Feldspaihe^ 

Albit  nach  Substitution  der  für  Thonerde,  Kalkerde  and 
Natron  vicariirenden  Basen  vier  dem  Gewichte  nach  ver- 
schiedene Bestandtheile  vorhanden  sind,  so  erhfilt  man  zur 
Bestimmung  von  a  die  vier  Gleichungen  : 


a 


a  =■ 


a»  — bt 
c,  — b« 


a  = 


%  — bj 
c»— bg 
«8  — bs 
C4  — b4 


f^  —  \ 

Setzt  man  für]  Anorthit   gemafs    der  aus  der  stöchio- 

metrischen  Formel  berechneten  Zusammensetzung  : 

i. 

Kieselerde  0,4301  =  % 

Thonerde  0,3692  =  a, 

Kalkerde  0,2007  =  a, 

Natron  0,0000  =  a« 


und  eben  so  für  Albit  : 


Ihit   • 

1,0000 

LiUli     • 

n. 

Kieselerde 

0,6857  =  b. 

Thonerde 

0,1962  =  b. 

Kalkerde 

0,0000  =  b. 

Natron 

0,1181  =  b4 

1,0000, 

so  ergiebt  sich  aus  der  folgenden  nach  den  gegebenen  For- 
meln berechneten  Tabelle  die  theoretische  Zusammen- 
setzung derjenigen  gemischten  Feldspathe,  welche  den  von 
0  bis  1  nach  Intervallen  von  Ja  =  0,05  wachsenden  Werthen 
von  a  entsprechen  *)  : 


*)  Bei  diesen  nnd  den  folgenden  Bereohnungen  sind  die  Bfisohnngs- 
gewichte  Si  =  14,  AI  =  13,75,  Ca  =  20,  Ba  s=  68,6,  Ka  s  89, 
Na  =  23,  Fe  s=  28,  Mg  s=  12,  Mn  =  27,6  zu  Grunde  gelegt 


Bansen,  Berechnung  gemischter  Feldspathe.       191 


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192      B unselig  Bereclinung  gemischter  FeldapaÜie, 

Wie  man  mit  Hülfe  dieser  Tabelle  findet,  ob  ein  Kalk- 

Natron-Feldspath  als   durch  gemeinschaftliche  Ausacheidungf 

von  Anorthit  und  Albit  entstanden  betrachtet  werden  kann, 
und  in  welchem  Verhältnifs  für  diesen  Fall  die  Aasscbeidung- 
beider  erfolgte,  zeigt  folgendes  Beispiel. 

Die  Zusammensetzung  eines  Oligoklases  von  Elba  ist 
nach  Damour  : 


m. 

Kieselerde 

62,30 

Thonerde 

22,00 

Eisenoxyd 

0,44 

Kalkerde 

4,86 

Natron 

8,20 

Kali 

0,94 

98,74. 

Substituirt  man  dem  Eisenoxyd  die  demselben  äquivalente 
Menge  Thonerde  und  dem  Kali  die  diesem  äquivalente  Menge 
Natron,  so  erhält  man  : 


IV. 

Kieselerde 

0,6340  =  Ci 

Thonerde 

0,2267  =  c, 

Kalkerde 

0,0495  =  c. 

Natron 

0,0898  =  C4 

1,0000. 

Aus  jedem  dieser  vier  Bestandtbeile  Mfst  sich  a  auf 
folgende  Weise  berechnen  :  Die  Zahl  0,6340  konunt  dem 
für  a  sss  0,2  in  der  Tabelle  berechneten  Kieselerdegehalt 
0,6346  am  Nächsten  und  weicht  von  demselben  nur  am 
—  0,0006  ab.  Der  in  der  Tabelle  nach  Differenzen  von 
Jc^  =  0,0128  abnehmende  Kieselerdegehalt  entspricht  einer 
Zunahme  des  a  nach  Differenzen  von  Ja  =  0,05.  Man 
findet  daher  den  0,6340  genau  entsprechenden  Werth  von 
a  durch  Interpolation,  indem  man  die  Differenz  ^  0,0006  mit 

dem  Werthe  der  Tabelle   ^  = p;^??^-  =  -  3,906 

Jci  0^0128  ' 


Bun Serif  Berechnung  gemischter  Feldspathe^         t93 

muUipIicirt  und  das  erhaltene  Product  0,023  dem  obigfen 
Werthe  von  a  =  0,2  hinzuaddirt.  Auf  diese  Weise  ergeben 
sich  die  nachstehenden,  den  einzelnen  Bestandtheilen  Ci,  c^, 
Cs,  C4  entsprechenden  Werthe  für  a  : 

ai  =  0,2023 
a«  =  0,1764 
«8  =  0,2465 
a^   =  0,2390 

und  aus  jedem  dieser  a  die  nachstehenden  Zusammensetzun- 
gen, die  alle  hätten  gleich  gefunden  werden  müssen,  wenn 
der  gemischte  Feldspath  frei  von  jeder  Verunreinigung  und 
die  Analyse  desselben  frei  von  allen  Beobachtungsfehlern 
gewesen  wäre  : 

Berechnet        Bereclinet         Berechnet         Berechnet 
aus  Kieselerde  aus  Thonerde   aus  Kalkerde      aus  Natron 

17,64  24,65  23,90 

82,36  75,35  76,10 

100,00  100,00  100,00. 

1,00  1,00       *  1,00 

4,96  3,25  3,38. 

Nimmt  man  an,  dafs  bei  der  Bestimmung  der  einzelnen 
Bestandtheile  des  analysirten  Fossils  gleich  grofse  Fehler 
gleich  wahrscheinlich  sind,  und  berechnet  man  die  Gewichte 
gl,  g2  .  .  .,  welche  dieser  Annahme  zufolge  den  Werthen 
von  ai,  %  .  .  .  beizulegen  sind,  so  erhalt  man  : 


Auorthit 

20,23 

Albit 

79,77 

100,00 

Anorthitmolecule 

1,00 

Albitmolecule 

4,19 

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wo  S  =  (ai  -  bi)«+  (a2  -  b^Y  +  (as  -  bs)^  +  (a4  -  b^)^. 
Bei  der  als  Beispiel  gewählten  Analyse  giebt  die  nume- 
rische Rechnung  : 

Aunal.  d.  Chetn.  u.  Pharm.  VI.  8upplementbd.  2.  Heft.  lu 


194      Bünden,    Berechnung  gemischter  Feldspaihe. 

gj  =  0,4368 
g,  =  0,2001 
g,  =  0,2694 
g4  =  0,0933. 

Mit  Hülfe  dieser  g  findet  man  als  wahrscheinlichsten 
Werth  von  a  : 

also  für  den  vorliegenden  Fall  : 

a^  =r  0,2124, 

and  daravs  die  wahrscheinlichste  Zusammensetziing  : 

Anorthit  21,24  1,00  Moleoule 

Albit  78,76  3,94  Molecule 

100,00. 

Um  beurtheilen  zu  können,  in  wie  weit  diese  wahr- 
scheinlichste Mischung  mit  den  durch  die  Analyse  gefunde- 
nen Zahlen  übereinstimmt,  hat  man,  und  zwar  wieder  mit 
Hülfe  der  Tabelle,  die  dem  Werthe  «o  =  0,2124  entspre- 
chenden Gewichtsmengen  der  einzelnen  Bestaudiheile  fol- 
gendermafsen  durch  Interpolation  zu  berechnen. 

Die  Zahl  a»  tm  0,3124  kommt  dem  Werthe  a  tm  0,2  in 
der  Tabelle  am  Nächsten  und  ist  um  0,0124  gröfser  als 
dieser.    Multiplicirl  man  daher  0,0124  der  Reihe  nach  mit 

den  für  —p-,   ~~-  .  .  .  gegebenen  Zahlen  und  addirt  man 

die  erhaltenen  Producte  zu  den  entsprechenden  Zahlen  der 
unter  a  =  0,2  in  der  Tabelle  stehenden  Analyse,  so  erhalt 
man  diejenige  berechnete  Zusammensetzung,  welche  mit 
gröfster  Wahrscheinlichkeit  der  durch  den  Versuch  gefun- 
denen am  Nächsten  kommt,  nämlich  : 

V. 

Kieselerde  0,6314 

Thonerde  0,2330 

Külkerde  0,0426 

Natron  0,0930 

1,0000.~ 


Bunsen^   Berechnung  gemischter  Feldspathe»       195 

Um  dieselbe  mit  dem  Resultate  des  Versachs  III  ver- 
gleichen za  können;  mufs  noch  der  Bisenoxyd-  und  Kalige- 
halt in  dem  Verhältnifs,  wie  ihn  die  Analyse  III  ergeben 
hat,  in  der  Zusammensetzung  V  wieder  hergestellt  werden. 
In  dem  aus  Analyse  III  berechneten  Thonerdegehalt  der  Zu- 
sammensetzung IV  sind  0,00316  Thonerde  als  für  Eisenoxyd 
yicariirender  Bestandtheil  vorhanden.  Daraus  ergiebt  sich 
die  proportional  in  V  dem  Eisenoxyd  substituirt  anzunehmende 
Thonerde  zu  0^00324  und  die  diesen  0,00324  zu  substituirende 
äquivalente  Menge  Eisenoxyd  zu  0,00505.  Man  hat  daher 
von  der  Thonerde  der  Zusammensetzung  V  0,00324  abzu- 
ziehen und  dafür  0,00505  Eisenoxyd  aufzuführen.  In  der- 
selben Weise  restituirt  man  den  Kaligehalt,  für  welchen  die 
Rechnung  0,0102  giebt.  Reducirt  man  die  durch  den  Ver- 
such (III)  gefundene  und  die  berechnete  wahrscheinlichste 
Zusammensetzung  beide  auf  100,  so  erhält  man  : 


Berechnet 
V. 

Versuch 
VI. 

Abweichung 
des  Versuchs 

Kieselerde 

62,38 

63,10 

+  0,72 

Thonerde 

22,70 

22,28 

—  0,42 

Elisenoxyd 

0,49 

0,45 

—  0,04 

Kalkerde 

4,89 

4,92 

+  0,03 

Natron 

8,53 

8,30 

—  0,17 

KaU 

1,01 

0,95 

—  0,06 

100,00  100,00. 

Zur  Berechnung  der  in  den  Feldspathen  auftretenden 
vicariirenden  Bestandtheile  kann  man  folgende  mit  nur  vier- 
stelligen Logarithmen  berechnete  Tabelle  benutzen,  deren 
Einrichtung  einer  Erläuterung  nicht  bedarf. 


43  ♦ 


196         Bunsen^  Berechnung  gemiscIUer  FeldapcUhe. 


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197 

üeber  die  Identität  des  künstlichen  und  des 

natürlichen  Neurins; 

von  A.   Wurtz*). 

Ich  habe  vor  einiger  Zeit  **)  die  ersten  Resultate  meiner 
Versuche  über  das^Neurin  roitgetheilt,  welches  ich,  nach 
einem  synthetischen  Verfahren  erhalten  habe,  indem  ich  Tri- 
methylamin  auf  einfach  -  chlorwassersto&saures  Glycol  ein- 
wirken liefs.  Das  chlorwasserstoffsaure  Salz  des  Trimethyl- 
oxäthylammoniums,  welches  auf  diese  Weise  erhalten  wird  ***), 
schien  mir  mit  dem  chlorwasserstoffsauren  Salze  des  Neurins 
identisch  zu  sein,  welches  mit  dem  aus  Gehirn  dargestellten 
Neurin  bereitet  war.  Ich  habe  das  eine  Salz  wie  das  andere 
in  langen  zerfliefslichen  Nadeln  erhalten ,  indem  ich  das 
trockene  Salz  in  wasserfreiem  Alkohol  löste  und  vorsichtig 
eine  Schiphte  wasserfreien  Aethers  auf  die  mafsig  concen- 
trirte  alkoholische  Lösung  gofs.  Das  chlorwasserstoffsaure 
Salz  des  naturlichen  Neurins  war  aus  dem  Goldchlorid-Dop- 
pelsalze mittelst  Schwefelwasserstoffs  abgeschieden;  die  vom 
Schwefelgold  befreite  Flüssigkeit  war  erst  im  Wasserbade, 
dann  im  leeren  Räume  eingedampft  werden. 

Das  Platinchlorid-Doppelsalz  des  Trimethyloxathylammo- 
niums  ist  sehr  leicht  löslich  in  Wasser,  unlöslich  in  Alkohol. 
Löst  man  den  mittelst  Alkohol  hervorgebrachten  Niederschlag 


*)  Compt.  rend.  LXVI,  772. 

**)  Ann.  Chem.  Pharm.  Suppl.  VI,  116. 

*•*)  Ich  gebe  hier  eine  Analyse  dieses  Salzes^  welches  eine  Temperatur 
von  180°  ohne  merkliche  Zersetzung  verträgt  : 

Gefanden  Berechnet 

Kohlenstoff  42,67  42,70 

Wasserstoff  10,28  10,67. 


198  WuTtz,  über  die  Identität 

wieder  in  Wasser  auf  und  überlftfsl  die  Lösung  dem  frei- 
willigen Verdunsten ,  so  scheiden  sich  prächtige  orangerothe 
klinorhombische  Prismen  aus,  welche  man  sehr  gut  ausge-* 
bildet  und  von  beträchtlicher  Gröfse  erhalten  kann. 

Ich  habe  das  aus  dem  reinen  Goldchlorid -Doppelsalz 
dargestellte  chlorwasserstoffsaure  Salz  des  natürlichen  Neu- 
rins  zu  Platinchlorid -Doppelsalz  umgewandelt  und  Krystalle 
erhalten,  welche  mit  den  eben  besprochenen  nach  der  Form, 
der  Löslichkeit  in  Wasser  und  der  Unlöslichkeit  in  Alkohol 
vollkommen  identisch  waren.  Die  Identität  der  Form  wurde 
durch  genaue  Messungen  constatirt,  welche  Friedel  näch- 
stens veröffentlichen  wird  *). 

Unter  den  von  Baeyer  für  das  chlorwasserstoffsaure 
Salz  des  Neurins  angegebenen  Eigenschaften  ist  eine  der 
characteristischsten  die  Reduction  desselben  durch  Jodwasser- 
stoffsäure. Die  Oxäthylbase  **)  wandelt  sich  hierbei  zu 
einer  Jodäthylbase  um  : 

(C.SJ**OH)'}n  •  «  +  2HJ  =  (®'y}N.  J  +  H.0  +  HCl. 

Trimethyloxäthyl-  Trimethyljodäthyl- 

ammoniamohlorilr  ammoniainjodür 

Das  auf  diese  Art  gebildete  Trimethyljodäthylammonium- 
jodür  ist  wenig  löslich  in  kaltem  Wasser  und  scheidet  sich 
aus  seiner  Lösung  in  siedendem  Wasser  in  prächtigen  Kry- 
stallen  aus.     Ich  habe  es  in   reichlicher  Menge  aus  dem 


*)  Ich  habe  bereits  eine  Bestimmung  des  Platingehaltes  des  Platin- 
chlorid-Doppelsalzes  des  Trimethyloxäthylammoniums  veröffentlicht, 
loh  lasse  hier  eine  vollständige  Analyse  dieses  schönen  Salzes 
folgen  : 

Geftinden  Berechnet 

Kohlenstoff  19,04  19,41 

Wasserstoff  4,62  4,53 

Platin  31,88  31,87. 

^*)  Die  Hydroxätiiylengruppe  C ^ .  OH  ist  hier  abgekürzt  als  OzAthyl 
bezeichnet. 


des  künstlichen  und  des  natürlichen  Neurins.        199 

cUorwagflarstoffsauren  Salie  des  kunstlichen  Nearins  *) 
erhalten,  durch  Reduction  desselben  mittelst  Jodwasserstoffe 
saure  bei  Anwesenheit  von  Phosphor  und  bei  140^. 

Durch  Kochen  mit  Wasser  und  Silberoxyd  wird  das 
Jodflr  der  jodathylirten  Base  bekanntlich  zu  dem  Hydrate 
der  entsprechenden  Yinylbase  umgewandelt  : 

Trimetliyljodäthyl-  Trimethylvinyl- 

ammomuinjodfir  ammoniiuiihjdrat. 

Ich  habe  das  Zutreffen  dieser  Reaction,  welche  Baeyer 
für  das  natürliche  Neurin  angegeben  hat,  bei  Anstellung 
des  Versuches  mit  der  von  dem  künstlichen  Neurin  aus 
dargestellten  Jodverbindung  bestätigt  gefunden.  Neutrallsirt 
man  das  aus  der  Einwirkung  des  Silberoxydes  auf  diese 
Jodverbindung  resultirende  Hydrat  mit  Ghlorwasserstoffsäure 
und  setzt  dann  Goldchlorid  zu,  so  bildet  sich  ein  gelber 
Miederschlag,  welcher  in  siedendem  Wasser  löslich  ist  und 
bei  dem  Erkalten  dieser  Lösung  sich  in  kleinen  Krystallen 
ausscheidet,  die  die  Zusammensetzung  des  Goldchlorid-Dop- 
pelsalzes des  trimethylvinylammoniums  ergaben  **) ,  näm- 
lich die  der  Formel  : 

Si'}N  ■  Cl  +  AuCl, 

entsprechende. 


*)  Ich  gebe  hier  eine  Analyse  dieser  Verbindung  : 

Gefnnden  Berechnet 

Kohlenstoff           17,78  17,59 

Wasserstoff             4,13  3,81. 

**)  Die  ZusammensctBung  ergab  sich  : 

Gefunden  Berechnet 

Kohlenstoff           13,81  14,18 

Wasserstoff             8,02  2,8 

Oold                     46,61  46»3. 


200  Wurtz,  über  die  Identität 

Die  verdünnte  Lösung  des  Trimethyloxäthylammoniam- 
hydrates  (des  freien  Neurins)  kann  zum  Kochen  erhitzt 
werden,  ohne  sich  beinerklich  zu  zersetzen.  Anders  aber 
verhalt  sich  die  concentrirte  Lösung ;  sie  entwickelt  bei  dem 
Sieden  Trimethylamin ,  wie  diefs  für  das  natürliche  Neurin 
angegeben  worden  ist.  Dieses  ist  jedoch  nicht  das  einzige 
Product  dieser  Zersetzung.  Läfst  man  den  Kolben  erkalten, 
in  welchem  die  Lösung  vollständig  eingedampft  worden  war 
und  in  welchem  sich  kein  Neurin  mehr  befindet,  so  condensirt 
sich  eine  kleine  Menge  einer  dicken,  schwach  braun  ge- 
färbten Flüssigkeit.  Dieser  Körper  kocht  erst  bei  hoher 
Temperatur.  Ich  habe  aus  ihm  eine  kleine  Menge  einer 
oberhalb  190^  siedenden  Flüssigkeit  isolirt,  welche  die 
Eigenschaften  des  Glycols  zeigte.  Mit  festem  Kalihydrat  er- 
hitzt entwickelte  dieser  Körper  nämlich  reines  WasserstofT- 
gas;  durch  Salpetersäure  wurde  er  mit  Lebhaftigkeit  oxydirt 
Die  Bildung  dieses  Körpers  erklärt  sich  leicht.  Das  Tri- 
methyloxäthylammoniumhydrat  kann  durch  Hitze  zu  Trimethyl- 
amin und  Glycol  gespalten  werden  : 

TrimethyloxSthyl-  Trimethylamin         Glycol 

am  moniumliy  drat 

Diese  Reaction  glebt  das  erste  Beispiel  ab  für  eine  Bil- 
dung des  Glycols  aus  einem  natürlich  vorkommenden  Producte. 

Ich  glaube  jedoch  nicht,  dafs  sie  so  einfach  vor  sich 
geht,  wie  diefs  die  vorhergehende  Gleichung  ausdrückt.  Sie 
kann  zu  gleicher  Zeit  eine  gewisse  Menge  Aethylenoxyd 
entstehen  lassen.  Ich  habe  in  der  That  constatirt,  dafs  die 
dicke  Flüssigkeit,  deren  ich  oben  erwähnte,  bei  der  Siede- 
temperatur des  Glycols  nicht  vollständig  übergeht,  sondern 
dafs  die  letzten  Portionen  erst  oberhalb  200^  überdestilliren, 
wie  wenn  dem  Glycol  eine  geringe  Menge  von  Polyäthylen- 
alkoholen beigemengt  wäre«    Bekanntlich  wandelt  sich  das 


des  künstlichen  und  des  natürlichen  Neurins.        201 

Glycol   durch   Fixining   von   Aethyienoxyd   zu  Polyäthylen- 
alkoholen  um. 

Andererseits  ist  das  Trimethylaroin  nicht  das  einzige 
Product,  welches  sich  in  dem  während  des  Siedens  der 
Neurinlösung  condensirenden  Wasser  gelöst  findet.  Lärst 
man  die  destillirte  Flüssigkeit  sieden,  so  dafs  der  gröfste 
Theil  derselben  verdampft^  so  kann  man  leicht  das  Trimethyl- 
amin  austreiben  und  dasselbe  in  verdünnter  Chlorwasser- 
stoffsäure condensiren.  Es  bleibt  dann  eine  Flüssigkeit  rück- 
ständig ,  welche  mit  Chlorwasserstoffsäure  neutralisirt  und 
mit  Goldchlorid  versetzt  den  fär  das  Neurin  characteristischen 
gelben  Niederschlag  giebt. 

Es  schien  mir,  als  ob  das  Neurin  hier  durch  die  Ein- 
wirkung des  Aethylenoxyds  auf  das  Trimethylamin  wieder 
gebildet  würde^  denn  man  kann  unmöglich  annehmen,  dafs 
eine  solche  Ammoniumbase,  wie  das  Neurin,  unverändert 
uberdestilliren  könne. 

Dieses  führte  mich  dazu,  eine  neue  Synthese  des  Neu- 
rins zu  versuchen.  Ich  schlofs  in  einen  Kolben  eine  con- 
centrirte  Lösung  von  Trimethylamin  mit  Aethyienoxyd  ein 
und  liefs  das  Ganze  bei  gewöhnlicher  Temperatur  stehen. 
Bis  zu  dem  anderen  Tage  war  die  Flüssigkeit  dicklich  ge- 
worden und  der  Geruch  des  Trimethylamins  gänzlich  ver- 
schwunden. Nach  dem  Neutralisiren  der  stark  alkalischen 
Flüssigkeil  schied  sich  auf  Zusatz  von  Goldchlorid  der 
characterislische  gelbe,  aus  dem  Goldchlorid-Doppelsalz  des 
Neurins  bestehende  Niederschlag  aus  *). 

Bei  dieser  Reaction  bildet  sich  das  Neurin  direct  durch 
das  Zusammenfügen  der  Elemente  des  Trimethylamins ,  des 
Aethylenoxyds  und  des  Wassers  : 


*)  Er  gab  bei  der  Analyse  44,28  pC.  Gold,   während   sich  44,45  be- 
rechnen. 


202  Wurtz,  Identität  d.  künaüichen  u,  MatürBehen  Neurias. 

(CH,).N  +  cäo  +  h,o  =  ci^on}'***^ 

Trimethyl-      Aethjlen-  NemiiL 

amin  oxyd 

Die  in  dieser  Mittheilung  beschriebenen  Versuche  schei- 
nen mir  alle  Zweifel  bezuglich  der  Identität  des  künstlichen 
und  des  natürlichen  Neurins  zu  beseitigen.  Die  in  meiner 
vorhergehenden  Mittheilung  offen  gehaltene  Frage  ^  ob  hier 
Isomerie  vorliege,  ist  also  jetzt  beantwortet  Ich  füge  hinzu, 
dafs  das  Offenhalten  dieser  Frage  nothwendig  war,  da  sich 
theoretisch  die  Existenz  einer  grofsen  Zahl  von  Basen  vor- 
aussehen lafst,  welche  mit  dem  Neorin  isomer  sind*  Die 
folgenden  Formeln  geben  die  Constitution  einiger  dieser 
Basen  an  : 


CHgl 

H 
CjjH, .  OHJ 


N.OH 


C,H4  .  oh;  CjH«  .  OHJ 

MethyläthyloxÄthyl-  Propyloxftthyl-  Aeihyloxypropyl- 

ammoniumhydrat  ammoniumhydrat  ammonlnmhydnit 


CHaj  H 

^^»[n.oh  ^ 


N.OH 


CA .  OH;  C5H10 .  OHJ 

Dimethyloxypropyl>  Oxamylammoniiim- 

ammoniumhydrat  hydrat 

Von  diesen  Basen  habe  ich  die  letzte  darzustellen  ge- 
sucht, indem  ich  einfach  -  chlorwasserstoffsaures  Amylglycol 
auf  Ammoniak  einwirken  liefs.  Ich  habe  ein  krystallisiries 
Platinchlorid -Doppelsalz  erhalten,  welches  vollständig  von 
dem  Platinchlorid  -  Doppelsalze  des  Neurins  verschieden  ist 
und  die  Zusammensetzung  der  entsprechenden  Vinylbase  zu 
besitzen  scheint. 

Ich  habe  auch  eine  dem  Neurin  homologe  Verbindung 
erhalten,  indem  ich  Triäthylamin  auf  Glycol-Chlorhydrin 
einwirken  liefs.  Ich  werde  diese  Körper  bald  in  einer  wei- 
teren Mittheilung  beschreiben. 


ao3 

Üeber   Dissociation   der   Untersalpetersäure ; 
-  von  Privatdocent  Dr.  Alex.  Naumann. 


Machfolgende  Bemerkungen,  welche  sich  vorzugsweise 
auf  die  Ergebnisse  der  neuerdings  von  H.  Sainte-CIaire 
Deville  und  L.  Troost*)  ausgeführten  Bestimmungen  der 
Dampfdichte  der  Untersalpetersöure  stützen ,  bezwecken  den 
Nachweis,  dafs  das  Molecul  der  Untersalpetersäurb  in  Gas- 
form bei  niederer  Temperatur  als  NtO«  aufzufassen  ist  und 
der  Untersalpeteraiuredampf  bei  steigender  Temperatur  eine 
bei  etwa  140  bis  150*^  vollendete  Dissociation  in  zwei  Atom- 
.gruppen  von  der  Zusammensetzung  NOt  erleidet. 

A.  Playfair  und  J.  A.  Wanklyu  **)  fanden  die 
Dichten  des  Untersalpetersäuredampfs,  indem  bei  Ausführung 
der  Bestimmungen  demselben  unter  Anwendung  des  von 
ihnen  ***)  beschriebenen  Verfahrens  Stickgas  beigemengt 
war,  bei  4,2»  zu  2,588;  bei  11,3<>  zu  2,645;  bei  24,5»  zu 
2,520;  bei  97,5»  zu  1,783.  Sie  schlössen  aus  diesen  Ergeb- 
nissen^ dafs  sowohl  die  durch  die  FcMrmel  Ji&%  (welcher 
die  Dampfdichte  1,589  entspricht),  als  auch  die  durch  die 
Formel  Ji^&i  (welcher  die  Dampfdichte  3,179  entspricht) 
ausgedrückte  Substanz  existire,  und  dafs  beide  bei  Tempe- 
raturwechsel in  einander  übergehen;  dafs  bei  100»  der  so- 
genannte Untersalpetersfiuredampf  hauptsachlich  aus  NO^^ 
bei  gewöhnlicher  Temperatur  hauptsichlich  aus  NaO^  bestehe. 

B.  Müller  t)  fand  die  Dichten  des  Untersalpetersaure- 


*)  Compt  rend.  LXIV,  237;  Instit.  1867,  49;  im  Ausz.  N.  Arch.  pb. 
nat  XXVUI,  269;  Zeitschr.  Chem.  1867,  149. 

**)  Ann.  Chem.  Pharm.  CXXU,  249. 

**•)  Daselhst  CXXI,  102. 

t)  Daselbst  CX&U,  15. 


204  Naumann^  über  Dissociation 

dampfs  bei  28»  zu  2,70;  bei  32»  zu  2,65;  bei  52»  zu  2,26; 

bei  70»  zu  1,95;  bei  79»  zu  1,84*).    In  Rucksicht  auf  diese 

Ergebnisse,   sowie  auf  die  von  ihm  untersuchten  Reactionen 

der  flussigen  Untersalpetersaure,  bei  welchen  allen  die  beiden 

Atorogruppen  NO  und  NOa   auftraten  oder  stets  die   durch 

N2O4  ausgedrückte  Untersalpetersauremenge  einwirkte,  hat 

Muller   für   die  flussige   Untersalpetersaure   die   rationelle 

NO  1 
Formel    |jj(0  aufgestellt,  mithin  das  Molecul  der  flüssigen 

Untersalpetersaure  durch  die  Formel  N^O«  ausgedrückt. 

Nach  Delafontaine  **)  zeigen  die  Versuche  von 
H.  Deville  und  Troost,  dafs  die  Untersalpetersaure  zwei 
Dampfdichten  besitzt,  von  weichen  die  eine  die  Hälfte  der 
anderen  ist.  Delafontaine  weist  noch  besonders  auf  die 
Beobachtung  beider  hin ,  dafs  der  bei  —  10»  kaum  gelbe 
Untersalpetersäuredampf  bei  steigender  Temperatur  allmilig 
dunkler  wird,  bei  183»  mehr  schwarz  als  roth  ist  und  selbst 
in  dünnen  Schichten  das  Licht  kaum  durchläfst. 

Ich  habe  unter  der  Voraussetzung,  dafs  die  bei  hin- 
reichend niedriger  Temperatur  als  N2O4  aufzufassende  Unter- 
petersäure bei  höherer  Temperatur  eine  theilweise  mit  stei- 
gender Temperatur  zunehmende  Zersetzung  erleidet,'  wobei  ein 
Holecul  sich  in  deren  zwei  spaltet,  aus  der  in  nachfolgender 
Tabelle  enthaltenen  Versuchsreihe  von  H.  Deville  und 
Troost  die  den  einzelnen  Beobachtungstemperaturen  und 
zugehörigen  Dampfdichten  entsprechenden  Procente  der  zer- 
setzten Untersalpetersäuremolecule  berechnet  nach  der  von 


*)  Es  zeigen  dieBO  Zahlen  grofse  Uebereinstimmung  mit  denjenigen 
der  unten  verzeichneten,  von  H.  Deville  und  Troost  ausge- 
führten umfassenderen  Versuchsreihe. 

**)  N.  Arch.  ph.  nat.  XXVIII,  271;  Instit  1867,  136. 


der  Unfersalpetersäure. 


205 


mir  *)  früher   entwickelten  Formel  p  = 


lOO(d-D) 
D 


worin 


für  d  das  der  Untersalpetersaure  ==  N294  entsprechende 
theoretische  spec.  Gew.  3^179  und  fär  D  der  Reihe  nach  die 
beobachteten  Dampfdichten  g;esetzt'  wurden.  Zugleich  habe 
ich  behufs  Beurtheilung  des  Ganges  der  Zersetzung  den  je 
zwei  aufeinander  folgenden  Temperaturen  entsprechenden 
Zuwachs  der  Zersetzung  auf  eine  Temperaturerhöhung  von 
10^  bezogen  unter  der  Annahme,  dafs  zwischen  diesen 
Teroperaturgrenzen  der  Zuwachs  der  Zersetzung  der  Tempe- 
raturzunahme  proportional  sei. 


Tempe- 
ratur 


Dampfdichte 
der  Unter- 

I 

salpeterBäure 


j  Zuwachs  an 
Procente  der  IProcenten  der 
Zersetzung  für 


Zersetzung 


10«  Tempera- 
turerhöhung 


26,7^ 

35,4 

39,8 

49,6 

60,2 

70,0 

80,6 

90,0 

100,1 

111,3 

121,5 

135,0 

154,0 

188,2 


2,65" 

2,53 

2,46 

2,27 

2,08 

1,92 

1,80 

1,72 

1,68 

1,66 

1,62 

1,60 

1,58 

1,67 


19,96 
25,65 
29,23 
40,04 
62,84 
65,57 
76,61 
84,83 
89,23 
92,67 
96,23 
98,69 


6,6 

8,1 

11,0 

12,1 

13,0 

10,4 

8,8 

4,4 

3,1 

3,5 

1,8 


Eine  Betrachtung  des  in  der  letzten  Verticalreihe  vor- 
stehender Tabelle  sich  darstellenden  Ganges  der  Zersetzung 
der  Untersalpetersäure  NgO«  ergiebt  —  unter  Berücksich- 
tigung» dafs  bei  dem  nicht  unbedeutenden  Einflufs,  welchen 
innerhalb  der  Fehlergrenzen  liegende  Schwankungen  einer 
einzelnen  Dampfdichte  auf  die  Bestimmung  des  Betrags  der 
Zersetzung   ausüben ,    nur   der   Verlauf  der  Zersetzung   im 


^)  Ann.  Chcm.  Pharm.  Suppl.  V,  344. 


206  Naumann^    über  Düsociatum 

Ganzen  als  roabgebend  zu  betrachten  ist  —  eine  befriedi- 
gende Uebereinstimmang  mit  dem,  unter  Zugrundelegung  der 
auf  dem  Boden  der  mechanischen  Wfirmetbeorie  erwachse- 
nen Moleculartheorie  der  Gase ^  früher  Ton  mir*)  bezüglich 
des  allgemeinen  Yerlaufs  der  Dissociation  gasförmiger  Kdrper 
abgeleiteten  Ergebnifs  :  „dafs  die  gleichen  Temperaturunter- 
schieden entsprechenden  Zuwachse  der  Zersetzung  Ton  der 
Temperatur  des  Beginnes  der  Dissociation  an  bis  zur  Zer- 
setzungstemperatur, d.  i.  bis  zur  halbTollendeten  Zersetzung 
fortwährend  zunehmen  und  von  der  Zersetzungstemperatur 
an  bis  zur  Temperatur  der  Vollendung  der  Dissociation  in 
ahnlicher  Weise  abnehmen.^  Diese  Uebereinstimmung  glaube 
ich  für  die  Richtigkeit  der  der  Berechnung  der  Tabelle  zu 
Grunde  liegenden  Voraussetzung  in  Anspruch  nehmen  su 
dürfen ,  dafs  nämlich  die  Untersalpetersaure  bei  niederer 
Temperatur  als  N^O«  aufzufassen  sei  und  in  höherer  Tem- 
peratur eine  theilweise  bei  steigender  Temperatur  zunehmende 
Zersetzung  in  zwei  Molecule  erleide.  Nach  dem  ganzen 
Verhalten  der  Untersalpetersäure  mufs  man  ferner  schlieben, 
dafs  bei  der  Spaltung  des  Moleculs  NaO«  durch  Hitze  NO« 
-j-  NOs  gebildet  wird.  Die  Untersalpetersäure  wäre  somit 
bei  Temperaturen  über  150^  dem  Quecksilber  und  Cadmium 
zu  vergleichen  y  für  welche  im  Dampfzustand  das  Atom  zu- 
gleich das  Molecul  bildet.  Für  die  Untersalpetersäure  ist 
Tollständige  Spaltung  erst  oberhalb  150*  eingetreten;  theil- 
weise'Spaltung  findet  zwischen  etwa  —  11^  und  ISO*  statt, 
wie  sich  aus  den  von  mir  ^  früher  abgeleiteten  Beziehungen 
der  Temperaturen  des  Beginnes  und  der  Vollendung  der 
Dissociation  zu  der  eigentlichen  Zersetzongstemperatur  er- 


*)  Ann.  Chem.  Pharm.  Suppl.  V,  366. 
**)  DagelUt  Suppl.  V,  356. 


der  üntersalpetersäure.  207 

giebt;   unterhalb  —  11^  ist  der  Untersalpeterafiuredampf  als 
NfO«  aa  betrachten. 

H.  Deville  und  Troost  geben  der  Untersalpetersäure 
die  Formel  NO^  mit  der  Dampfdichte  1,589  und  schreiben 
dia  Yer&nderliohkeit  des  AasdehnangscoSfficienten  unterhalb 
150^  der  NälM  des  Condensationspunktes  au.  Unerklärt  bleibt 
aber  dann»  warum  der  AusdehnungsooefGcient  anfänglich  mit 
steigender  Temperatar  sanimmt,  ein  Maximum  erreicht  und 
dann  für  gleiche  Temperatarerhebnngen  um  immer  weniger 
abnimmt,  bis  er  den  weiterhin  constanten  Werth  0,00367 
erhält  Bei  der  Annahme  einer  Dissociation  dagegen  ist  ein 
aolches  Verhalten  des  AusdehnungscodfBcienten  eine  noth- 
wendige  Folge  des  über  den  allgemeinen  Verlauf  der  Dis- 
sociation oben  Mitgetheilten,  wonach  die  fär  gleiche  Tempe- 
raturerhebungen zunehmenden  Zuwachse  der  Zersetzung, 
und  mit  ihnen  die  Ausdehnung,  bei  der  eigentlichen  Zer- 
setzungstemperatur, als  welche  früher  *)  die  50  Procente 
der  Zersetzung  zeigende  Temperatur  erkannt  wurde  und 
die  für  die  Untersalpetersäare  nach  obiger  Tabelle  gegen 
60^**)  fällt,    ein  Maximum  erreichen   und   von  da  ab  bis 


*)  Ann.  Ghem.  Phann.  Bnppl.  V,  360. 

**)  Wenn  Deville  und  Troost  das  Maxirnnm  der  AoBdehnung 
gegen  50^  finden,  während  nach  obiger  Tabelle  das  Maximum  des 
Zersetzungszuwaohses  später  eintritt,  so  hat  diefs  seinen  Grund 
darin,  dafs  Deville  tmd  Troost  die  Ausdehnung  auf  das  jedes- 
maHge  unmittelbar  vorbeigehende  Volum  beziehen,  während  der 
von  mir  berechnete  Betrag  der  Zersetzung  sich  in  Procenten  der 
urspiüngliehen  UnterBalpetersäuremenge  ausdrückt.  AuTserdem  ist 
aa  bemerken,  dafii  die  von  Deville  und  Troost  in  ihrer  Ab- 
handhmg  angegebenen  AusdehnungBcoSffidenten  für  zwei  auf  ein- 
tttder  folgende  Beobachtungstemperaturen  theHweise  nicht  ganz 
genau  den  aufgeführten  Volumen  ent^rechen,  wenn  auch  die 
Abweichvoigen  die  dort  gezogenen  BohUisse  nicht  beeinflussen.  Fer- 
ner mag  bei  dieser  (Gelegenheit  auch  darauf  aufmerksam  gemacht 


208  Stenkouse^  über  Chlor aniL 

■ 

zur  vollendeten  Zersetzung  allmalig  wieder  abnehmen,  und 
wonach  also  allgemein  das  vorbeschriebene  Verhalten  des 
Ausdehnungscoefficienten  als  ein  Merkmal  stattfindender  Dis- 
sociation  zu  betrachten  ist. 

Nach  Vorstehendem  finden  die  Eigenschaften  der  Unter* 
salpetersaure  und  insbesondere  das  Verhalten  des  Untersal- 
petersäuredampfs hinsichtlich  seiner  verschiedenen  Tempe- 
raturen zugehörigen  Dichten  ihre  einfache  Erklärung  in  der 
Annahme,  dafs  die  Untersalpetersaure  bei  gewöhnlichem 
Druck  zwischen  den  ungefähren  Temperaturgrenzen  —  11 
und  150^  eine  Dissociation  erleidet,  wobei  das  Holecul  von 
der  Zusammensetzung  Ns04  sich  in  zwei  Atomgruppen  von 
der  Zusammensetzung  N0s  spaltet. 


üeber  Chloranil; 
von  J.  Slenhouae*). 


I. 

Darstellung  des  Chloranils,  —  Das  beste   bis  jetzt  ver- 
öflentlichte   Verfahren   fär  die  Darstellung  von  Chloranil  ist 


werden,  dafs  in  den  von  Deville  und  Troost  zmn  Zweck  der 
Berechnung  der  zrwei  auf  einander  folgenden  Temperaturen  ent- 
sprechenden Ausdehnungscoefficienten  aus  rorliegenden  Dampf- 
dichten aufgestellten  allgemeinen  Formebi  in  dem  Ausdruck  fiir 
das  Volum  der  Gewichtseinheit  des  Dampfes  der  auf  die  Ans- 
dehnung  des  Glases  sich  beziehende  Factor  zu  streichen  und  dem 
Ausdruck  für  den  Ausdehnungscoefficienten  das  anfängliche  Volum 
als  Divisor  beizufügen  ist. 

*)  Aus  dem  Journal  of  the  ChemicAl  Society,  new  series,  VI,  141  mit- 
getheilt 


Stenhouse,  über  Chbrantl.  209 

das  von  Hofmann*),  welches  darin  besteht,  eine  siedend 
gesattigte  wässerige  Lösung  von  Phenol  mit  einem  Gemische 
von  chlorsaurem  Kalium  und  Chlorwasserstoffsäure  zu  dige- 
riren. 

Wenn  zu  einer  Lösung  von  chlorsaurem  Kalium  und 
Phenol  in  heifsem  Wasser  eine  hinreichende  Menge  von 
Chlorwasserstoffsaure  gesetzt  wird,  so  wird  die  Lösung  dun- 
kelfarbig und  trübe,  und  nach  wenigen  Minuten  tritt  eine 
lebhafte  Reaction  ein,  unter  Entwickelung  stechender  Dampfe 
und  Ausscheidung  gelber  krystallinischer  Blattchen,  welche 
jedoch  durch  eine  betrachtliche  Menge  eines  dunkelrothen 
Oeles  verunreinigt  sind.  Diese  Masse  wird,  wenn  erkaltet, 
möglichst  von  Wasser  befreit  und  zur  Beseitigung  des  rolhen 
Oeles  mit  heifsem  Weingeist  ausgezogen.  Die  so  erhaltenen 
blafsgelben  krystallinischen  Blattchen  bestehen  aus  dreifach- 
gechlortem Chinon,  welchem  20  bis  25  pC.  Chloranil  beige- 
mengt sind.  Durch  wiederholte  Behandlung  mit  kochendem 
Weingeist  lafst  sich  das  in  dieser  Flüssigkeit  ziemlich  lösliche 
dreifach-gechlorte  Chinon  entfernen  und  das  Chloranil  ziem- 
lich rein  erhalten.  Das  auf  diese  Art  ausgezogene  dreifach- 
gechlorte Chinon  enthält  Chloranil,  und  obwohl  ich  mit  sehr 
grofsen  Mengen  arbeitete,  habe  ich  es  doch  nie  von  anhän- 
genden Spuren  der  letzteren  Substanz  frei  erhalten  können, 
weder  durch  Sublimation  noch  durch  Umkrystallisiren  aus 
Weingeist  oder  Benzol;  aber  nach  dem  sogleich  Mitzutheilen- 
den  ist  es  mir  doch  gelungen,  es  auf  einem  Umwege  rein 
zu  erhalten. 

Nach  zahlreichen  Versuchen,  um  die  vortheilhaflesten 
Verhältnisse  für  die  Darstellung  des  Chloranils  nach  dem 
eben  besprochenen  Verfahren  zu  bestimmen,  wurde  folgen- 
der Procefs  als   der  beste  befunden  :  3  Theile  chlorsauren 

*)  Ann.  Chem.  Pharm.  LH,  55. 


210  Stenhousey  über  ChloraniL 

Kaliums  wurden   in   70  Theilen   siedenden  Wassers   gelöst, 
und  1  Theil  Phenol  zugesetzt.    Dieses  Gemische  hatte  in  ein, 
etwa  das  zweifache  Volum  der  Flüssigkeit  fassendes  irdenes 
Gefafs  gegossen,  die  Temperatur  von  90^  C. ;  14  Theiie  Chlor- 
wasserstoffsäure von  1,16  spec.  Gew.  wurden  dann  auf  ein- 
mal hinzugesetzt   und  das  Ganze  gut  umgerührt.    Innerhalb 
weniger  Hinuten  war  die  klare,   braun lichrothe   Flüssigkeit 
trübe  und  sehr  heifs,   Chlor  und  ein  stechender  Dampf  von 
sehr  unangenehmem  und  beständigem  Geruch    wurden  unter 
heftigem   Aufbrausen   entwickelt,    und    Chloranil   wurde    in 
gelben  Blättchen,  verunreinigt  mit  dem  oben  erwähnten  rothen 
Oele,   ausgeschieden.      Wird   dieses   mittelst   einer   grofsen 
Menge   siedenden   Weingeistes   ausgezogen,    so   bleibt   das 
Chloranil  ungelöst;  aber  selbst  bei  Anwendung  eines  grofsen 
Ueberschusses  von  chlorsaurem  Kalium  und  Chlorwasserstofl'- 
säure  gelang   es  mir  nie ,    mehr  als  40  Theiie  Chloranil  aus 
100  Theilen  Phenol  zu   erhalten.    Doch  schien   es  mir,  als 
ob  das  dreifach  -  gechlorte  Chinon  und  das  chlorhaltige  Oel, 
welche   zwischen   dem    Phenol   und   dem    Chloranil    stehen, 
durch  angemessene  Behandlung  in  das  letztere  umgewandelt 
werden  könnten;^  und  da  ich  durch  einen  vorläufigen  Ver- 
such fand ,    dafs   Chlorjod   beide  Körper  rasch  zu  Chloranil 
umwandelt,  beschlofs  ich,  diese  Reaction  zur  Darstellung  der 
letzteren  Substanz  zu  benutzen. 

Das  oben  erwähnte  Gemische  von  rohem  Chloranil,  drei- 
fach-gechlortem  Chinon  und  rothem  Oel,  welches  aus  Phenol 
mittelst  chlorsauren  Kaliums  und  Chlorwasserstoffsäure  er- 
halten war,  wurde  nach  12-  bis  24  stundigem  Stehen  auf 
einem  Filtrirtuche  gesammelt,  durch  Auspressen  mögliebst 
von  Wasser  befreit,  und  mit  einem  gleichen  Gewichte  Was- 
ser und  etwa  dem  halben  Gewichte  Jod  in  einen  Kolben 
gebracht.  Auf  diesen  Kolben  wurde  ein  Stopfen  mit  zwei 
Röhren  gesetzt,    deren  eine   als   Condensationsröhre  diente 


Stenhouse,  über  Chloranil.  211 

und  die  andere  zum  Einleiten  eines  Stromes  von  Chlorgas 
in  das  Gemische,  wahrend  das  letztere  in  einem  Paraffinbade 
erhitzt  wurde.  Der  Chlorstrom,  welcher  zuerst  sehr  rasch 
absorbirt  wurde,  wurde  so  regulirt,  dafs  immer  ein  geringer 
Ueberschufs  von  Jod  vorhanden  war.  Diefs  liefs  sich  leicht 
an  der  violetten  Farbe  des  Dampfes  in  dem  Kolben  erkennen. 
Nach  10  bis  12  Stunden,  wo  die  Absorption  des  Chlors 
nur  noch  sehr  langsam  vor  sich  ging,  wurde  die  Digestion 
unterbrochen,  an  die  Stelle  der  Condensattonsröhre  eine  um- 
gebogene Kühlröhre  aufgesetzt,  und  die  Chlorjodlösung  mög- 
lichst abdestillirt,  wobei  wahrend  des  letzten  Theiles  dieser 
Operation  ein  mafsiger  Chlorstrom  durch  den  Apparat  geleitet 
wurde.  Der  Rückstand  wurde  nach  dem  Erkalten  mit  Was- 
ser aufgekocht,  und  die,  von  öliger  Substanz  nun  fast  freien 
gelben  Blättchen  mit  kaltem  Wasser  gut  ausgewaschen,  aus- 
gepreist und  wiederholt  mit  kleinen  Mengen  Weingeist  aus- 
gezogen. Das  Product  zeigte  sich  nun  in  der  Form  bräun- 
lichgelber Blättchen  und  war  leidlich  reines  Chloranil ;  sein 
Gewicht  betrug  beträchtlich  viel  mehr  (das  1,25 fache),  als 
das  des  angewendeten  Phenols  gewesen  war. 

Versuche  wurden  auch  gemacht,  das  rothe  Oel  und  das 
dreifach-gechlorte  Chinon  durch  Behandlung  mit  chlorsaurem 
Kalium  und  Chlorwasserstoffsäure,  oder  durch  Digeriren  mit 
Fünffach  -  Chlorantimon  und  Eisenchlorid  in  einem  Strome 
von  Chlorgas  zu  Chloranil  umzuwandeln;  aber  diese  Versuche 
gaben  sehr  wenig  genügende  Resultate,  und  kein  besserer 
Erfolg  wurde  erzielt  bei  dem  Durchleilen  von  Chlor  durch 
die  Lpsung  jener  Körper  in  Vierfach- ChlorkohlenstoS,  mit 
oder  ohne  Zusatz  von  Wasser. 

Um  das  nach  dem  beschriebenen  Verfahren  erhaltene 
Chloranil  zu  reinigen,  wurde  1  Theil  desselben  in  20  Theilen 
heifsen  Benzols  gelöst,  die  Lösung  filtrirt  und  das  über- 
schüssige Benzol  abdestillirt,  bis  in  der  heifsen  Lösung  Blätt- 


212  Stenhousef  über  Chloranü. 

chen  sich  abzuscheiden  begannen;  die  Destillation  wurde 
dann  unterbrochen,  und  nach  dem  Erkalten  das  Chloranil  auf 
einem  Tuche  gesammelt  und  stark  ausgeprefst.  Durch  eine 
oder  zwei  Krystallisationen  wurde  es  so  vollkommen  rein 
erhalten.  Es  ist  nöthig,  dafs  das  Benzol  mittelst  Schwefel- 
säure gereinigt  sei  *) ,  da  sonst  das  Chloranil  mit  einer 
grofsen  Menge  schwarzer  harziger  Substanz  verunreinigt 
wird.  Diefs  ist  ein  besseres  Verfahren  zum  Reinigen  des 
Chloranils,  als  das  Umkrystallisiren  aus  siedendem  Alkohol, 
da  dasselbe  in  dieser  Flüssigkeit  nur  wenig  löslich  ist. 

Die  Analysen  von  Chloranil  :  I  erhalten  durch  die  Ein- 
wirkung von  Chlorjod  auf  das  dunkelrothe  Oel,  II  dargestellt 
aus  dreifach -gechlortem  Chinon  mit  Spuren  von  Chloranil 
nach  demselben  Verfahren,  ergaben  : 

berechnet  gofUnden 

Ce  72  29,26  —  — 

CU  142  57,73  57,65         57,73 

O,  32  13,01  —  — 

246  100,00. 

Als  Phenol,  welches  vorher  mit  Schwefelsaure  (nach 
gleichen  Volumen)  verbunden  worden,  in  einer  grofsen 
Menge  heifsen  Wassers  gelöst  und  der  Einwirkung  von 
chlorsaurem  Kalium  und  Chlorwasserstoffsäure  unterworfen 
wurde,  bildete  sich  kein  rothes  Oel,  aber  die  Ausbeute  an 
Chloranil  und  dreifach-gechlortem  Chinon  war  geringer,  als 
bei  gleicher  Behandlung  einer  Lösung  von  reinem  Phenol  in 
Wasser. 

Darstellung  von  Chloranil  aus  Pikrinsäure,  —  Als 
gleiche  Theile  Pikrinsäure  und  cMorsaures  Kalium  in  30  Thei- 
len  siedenden  Wassers  gelöst  wurden,  bildete  sich  eine  be- 
trächtliche Menge  des  schwerlöslichen  pikrinsauren  Kaliums, 


")  Ann.  Chem.  Pharm.  CXL,  284. 


Sienhouse,  über  Chlaranä.  213 

und  der  Zusatz  von  Chlorwasserstoffsäure  (7  Theilen)  ver- 
ursachte eine  heftige  Reaction;  Chlorpikrin  destillirte  über 
und  Chloranil  blieb  in  der  Retorte  rückständig,  dessen  Ge- 
wicht etwa  Vis  von  dem  der  ursprunglich  angewendeten 
Pikrinsäure  betrug,  also  nur  12  pC.  von  der  theoretisch  sich 
berechnenden  Menge.  Es  ist  dieses  Verfahren  somit  in 
keiner  Weise  ein  vorth eilhaftes. 

Chloranil  ist  nur  wenig  löslich  in  Schwefelkohlenstoff, 
Yierfach-Chlorkohlenstoff,  Aether,  Chloroform  und  Erdöl. 

ChlorhydraniL  —  Stadeler  stellte  1849*)  das  Chlor- 
hydranil in  der  Art  dar,  dafs  er  Chloranil  mit  wässeriger 
schwefliger  JSaure  kochen  liefs,  bis  die  Farbe  desselben  sich 
nicht  weiter  veränderte.  Er  war  der  Ansicht,  dafs  Chlor- 
hydranil das  einzige  Product  dieser  Reaction  sei.  Diefs  war 
jedoch  ein  Irrthum,  da  ich  bei  sorgfältiger  Wiederholung 
seines  Verfahrens  gefunden  habe,  dafs  100  Theile  Chloranil 
nur  70  Theile  Chlorhydranil,  statt  101  Theilen  desselben, 
gaben,  und  dafs  das  so  erhaltene  rohe  Chlorhydranil  eine 
braune  Farbe  besitzt,  welche  nur  sehr  schwierig  zu  beseiti- 
gen ist.  Als  ein  viel  besseres  Verfahren,  welches  die  theo- 
retisch sich  berechnende  Menge  farblosen  Chlorhydranils  in 
Einer  Operation  ergabt  wurde  das  befunden,  fein  gepulvertes 
reines  Chloranil  mit  mäfsig  concentrirter  Jodwasserstoffsäure 
und  etwa  Vio  seines  Gewichtes  gewöhnlichem  Phosphor  30 
bis  40  Minuten  lang  zu  digeriren,  das  Product  mit  kaltem 
Wasser  gut  auszuwaschen  und  aus  siedendem  Alkohol 
(5  Theilen)  umzukrystallisiren.  Das  so  erhaltene  Präparat  war 
ganz  farblos  und  stark  glänzend.  Es  war  jedoch  noch  mit 
Spuren  von  Phosphor  verunreinigt,  welche  bei  dem  Aussetzen 
an  die  Luft  bald  oxydirt  wurden,  und  die  resultirende  phos- 
phorige Säure  wurde  durch  Waschen   mit  kaltem   Wasser 


« 


)  Ann.  Ghem.  Pharm.  LXIX,  327. 


214  Stenhouse,  über  ChloraniL 

entfernt.  Diese  Verunreinigung  kann  auch  durch  Kochen 
mit  wasserigem  schwefelsaurem  Kupfer  und  Umkrystallisiren 
beseitigt  werden.  Es  ist  nicht  rathsam,  an  der  Steile  von 
gewöhnlichem  Phosphor  bei  diesem  Verfahren  amorphen  an- 
zuwenden,  da  dann  die  Krystalle  etwas  gefärbt  sind. 

Das  Ghlorhydranil ,  CeCUOsHs,  ist  fast  unlöslich  in 
Schwefelkohlenstoff,  Vierfach  -  Ghlorkohlenstoff  und  Benzol, 
aber  leicht  löslich  in  Aether.  Es  löst  sich  in  einer  Lösung 
von  kohlensaurem  Natrium  mit  schöner  grüner  Farbe,  welche 
sich  rasch  zu  Braun  umändert,  und  zu  derselben  Zeit  werden 
einige  grüne  Nadeln  ausgeschieden.  Durch  Erhitzen  mit 
concentrirter  Salpetersäure^  oder  besser  mit  einem  Gemische 
von  Salpetersaure  und  Schwefelsaure,  wird  es  leicht  wieder 
zu  Ghloranil  umgewandelt.  Dieses  Verfahren  lafst  sich  zur 
Reinigung  von  rohem  Ghloranil  anwenden,  an  Stelle  des 
Krystallisirens  aus  Benzol. 

Einwirkung  der  schwefligen  Säure  auf  ChloraniL  Drei- 
fach'gechlortes  Hydrochinon.  —  Wenn  auch  Chlorhydranil  das 
hauptsächlichste  Product  war,  als  ein  Strom  von  schwefliger 
Saure  durch  siedendes,  Ghloranil  suspendirt  enthaltendes 
Wasser  geleitet  wurde,  so  wurden  doch,  wie  bereits  oben 
erwähnt,  etwa  30  pG.  des  Chloranils  zu  anderen  Verbindun- 
gen umgewandelt,  welche  >  verunreinigt  mit  Schwefelsäure 
und  Ghlorwasserstoffsöure,  in  der  wässerigen  Lösung  blieben. 

Diese  Lösung  wurde  mit  kohlensaurem  Blei  (das  vorher 
mit  Wasser  zu  einem  Rahm  angerührt  war)  neutralisirt  und 
filtrirt.  Die  Schwefelsäure  wurde  auf  diese  Art  als  schwefel- 
saures Blei  entfernt,  wahrend  das  Bleichlorid  zusammen  mit 
einem  organischen  Bleisalz  in  Lösung  blieb.  Das  Blei  wurde 
aus  dieser  Lösung  mittelst  Schwefelwasserstoff  ausgefällt, 
das  Filtrat  im  Wasserbad  zur  Trockne  eingedampft,  und  der 
aus  einer  organischen  Saure  bestehende  Rückstand  der 
Sublimation  unterworfen,    was  sich  am  Besten  in  der  Art 


Stenhouse^  über  Chloranil  215 

ausfahren  liefs,  dafs  die  Substanz  in  einem  bedeckten  Becher- 
glase  mittelst  eines  Paraffinbades  auf  120  bis  130^  C.  erhitzt 
wurde,  wobei  glanzende  Krystalle  erhalten  wurden.  Diese 
wurden  von  anhängender  ChlorwasserstofTsaure  durch  ein- 
oder  zweimaliges  Umsublimiren,  oder  durch  Umkrystallisiren 
aus  Schwefelkohlenstoff  und  nachheriges  Subliroiren  gereinigt. 
Der  Rückstand  in  dem  Sublimationsgefafs  enthielt  freie 
Schwefelsaure.  Die  Krystalle  sind  mafsig  löslich  in  heifsem 
Wasser,  Alkohol,  Schwefelkohlenstoff*  und  Vierfach -Chlor- 
kohlenstoff, und  sehr  löslich  in  Aether.  Die  Analyse  ergab 
Resultate,  welche  der  Formel  CeClsHsOj  entsprechen  : 

berechnet  gefunden 


—  49,76 


<^'6 

72 

33,72 

33,59 

33,70 

Gl, 

106,5 

49,89 

u. 

3 

Ml 

1,45 

1,45 

0, 

32 

14,98 

— 

213,5  100,00. 

Man  ersieht  aus  diesen  Resultaten,  dafs  das  krystallini- 
sehe  Sublimat  die  Zusammensetzung  des  dreifach-gechlorten 
Hydrochinons,  CtiClsHsOi,  besitzt.  Auch  die  Eigenschaften 
stimmten  mit  den  für  diese  Substanz  von  Städeler*)  an- 
gegebenen überein. 

Bei  Zusatz  von  salpetersaurem  Silber  zu  einer  warmen 
Lösung  dieser  Krystalle  wurde  ein  weifser  Niederschlag  ge- 
bildet, welcher  50  pC.  Silber  enthielt.  Derselbe  scheint 
jedoch  ein  Gemenge  einer  Silberverbindung  mit  dreifach- 
gechlortem Chinon  zu  sein. 

Salpetersäure  wirkte  auf  dreifach -gechlortes  Hydro- 
chinon  energisch  ein,  wobei  rothe  Dämpfe  sich  entwickelten, 
Chlorpikrin  überdestillirte  und  die  Lösung  bei  dem  Erkalten 
gelbe  Krystalle  absetzte,    von  welchen  noch   eine  weitere 


*)  Ann.  Chem.  Phann.  LXIX,  322. 


216  Stenhouae,  über  OhloraniL 

Menge  auf  Zusatz  von  Wasser  erbalten  wurde.  Dieselben 
wurden  mit  Wasser  gut  abgewaschen  und  aus  Alkohol  um- 
hrystallisirt.  Wie  sich  erwarten  liefs,  ergab  die  Analyse  für 
dieses  Product  die  Zusammensetzung  des  dreifach-geohlorten 
Ghinons,  GeCIsHO,  : 


__ 

berechnet 

geftinden 

c. 

72                34,04 

33,88 

Cl, 

106,5             50,36 

— 

u 

1                   0,47 

0,55 

0, 

32                 15,13 
211,6            100,00. 

^^~ 

Die  Entfernung  des  Chlors  aus  dem  Chloranil  mittelst 
schwefliger  Säure  und  die  Bildung  von  dreifach -gechlortem 
Chinon  aus  den  resultirenden  Producten  bietet  viel  Interesse, 
da  sich  hierauf  wahrscheinlich  ein  Verfahren  gründen  läfst, 
zweifach-  und  einfach -gechlortes  Chinon  im  Zustand  abso- 
luter Reinheit  zu  erhalten,  was  Städeler  durch  die  von 
ihm  angewendeten  Mittel,  nämlich  fractionirte^Krystallisation, 
nicht  erreichen  konnte. 

Die  Substanz,  aus  welcher  das  dreifach-gechlorte  Hydro- 
chinon  durch  Sublimation  erhalten  wurde,  scheint  eine  ge- 
paarte Saure  zu  sein,  aber  es  ist  mir  bisher  nicht  gelungen, 
sie  oder  eines  ihrer  Salze  in  einem  für  die  Analyse  genägend 
reinen  Zustande  zu  erhalten.  Sie  ist  aufserordentlich  löslich 
in  Wasser,  Alkohol  und  Aether,  und  krystallisirt  aus  dem 
letzteren  in  grofsen  Prismen. 

Dreifach-gechloTtea  Chinon.  —  Wenn  es  mir  auch,  wie 
bereits  angegeben,  nicht  gelang,  durch  Krystallisation  oder 
durch  Sublimation  das  dreifach-gechlorte  Chinon  frei  -von 
Chloranil  zu  erhalten,  so  bot  doch  die  Erkenntnifs,  wie  die 
Wasserstoff- Verbindungen  dieser  Korper  leicht  von  einander 
geschieden  werden  können,  eine  Methode,  grofse  Quantitfitan 
dreifach-gechlorten  Chinons  im  reinen  Zustande  zu  erhalten. 


Stenhouse,  über  ChloraniL  217 

Diefs  ist  um  so  wichtiger,  als  Stade  1er,  welcher  diesen 
Körper  entdeckte^  ihn  nicht  in  einer  zar  Analyse  genügenden 
Menge  erhielt. 

Die  bei  der  Darsteilnng  des  Chloranils  nach  dem  jn  dem 
ersten  Theile  der  vorliegenden  Abhandlung  beschriel;^enen 
Verfahren  erhaltene  rohe  Masse  wurde  3-  bis  4  mal  mit 
kleinen  Mengen  siedenden  Alkohols  behandelt,  um  das  rothe 
Oel  zu  beseitigen,  und  dann  mit  einer  beträchtlichen  Menge 
(dem  6  fachen  Gewicht)  desselben  Lösungsmittels  ausgezogen. 
Die  Flüssigkeit  wurde  heifs  filtrirt;  das  bei  dem  Erkalten 
derselben  auskrystallisirende  unreine  dreifach  -  gechlorte 
Chinon  gesammelt,  und  die  von  den  Krystallen  getrennte 
Flüssigkeit  noch  einmal  mit  dem  auf  dem  Filter  gebliebenen 
ungelösten  Theile  aufgekocht.  Auf  diese  Art  wurde  das 
ursprüngliche  Gemische  in  drei  Theile  zerlegt  :  I.  das  rothe 
Oel,  welches  durch  Behandeln  mit  einer  Lösung  von  Chlor- 
jod zu  Chloranil  umgewandelt  werden  konnte;  IL  den  in 
Weingeist  fast  unlöslichen  Theil,  welcher  aus  beinahe  reinem 
Chloranil  bestand;  und  HL  das  rohe  dreifach  -  gechlorte 
Chinon,  welches  jedoch  noch  eine  beträchtliche  Menge 
Chloranil  zurückhielt.  —  Um  die  letzteren  beiden  Substanzen 
von  einander  zu  trennen,  wurde  dieser  Theil  III  in  kleinen 
Portionen  nach  und  nach  siedender  mäfsig  concentrirter  Jod- 
wasserstoffsaure zugesetzt,  welche  einige  Stücke  Phosphor 
enthielt.  Das  Chloranil  und  das  dreifach-gechlorte  Chinon 
wurden  auf  diese  Art  zu  Chlorhydranil  und  dreifach -ge- 
chlortem Hydrochinon  umgewandelt,  welches  letztere  als 
ein  Oel  zu  Boden  sank^  und  bei  dem  Erkalten  krystallisirte 
noch  eine  beträchtliche  weitere  Menge  von  dreifach -ge- 
chlortem Hydrochinon  aus.  Dieses  wurde  dann  gesammelt, 
etwas  mit  kaltem  Wasser  gewaschen,  mit  Weingeist  gekocht 
und  von  dem  ungelösten  Phosphor  abfiltrirt.  Die  Lösung 
wurde  bei  geluider  Hitze  zur  Trockne  abgedampft,  und  der 


218  Stenhouse,   über  GhloraniL 

Rückstand  der  Luft  ausgesetzt,  bis  der  darin  enthaltene  Phos- 
phor oxydirt  war.  Die  weifse  krystallinische  Hasse  wurde 
dann  gepulvert  und  in  einem,  in  einem  Paraffinbad  auf  120 
bis  130^  erhitzten  Glasgefafse  der  Sublimation  unterworfen. 
Das  dreifach-gechlorte  Hydrochinon  sublimirte  in  gliazenden 
Tafeln^  während  das  Chlorhydranil  rückstandig  blieb,  welches 
bei  dieser  Temperatur  nicht  flüchtig  ist  Nach  1-  bis  2  mali- 
gem Umkrystallisiren  aus  heifsem  Wasser  (10  Theilen)  wurde 
es  vollkommen  rein  befunden,  wie  auch  aus  den  Resultaten 
der  nachstehenden  Analyse  hervorgeht  : 


berechnet 

gefunden 

C6 

72 

83,72 

33,81 

ci. 

106,5 

49,89 

— 

Hb 

a 

1,41 

1,70 

0, 

32 

14,89 

— 

213,5  100,00. 

Manchmal  schied  die  wässerige  Lösung  selbst  bei  tage- 
langcm  Stehen  keine  Krystalle  aus,  aber  der  Zusatz  einiger 
Krystalle  oder  das  Eintauchen  des  Gefäfses  in  eine  Kalte- 
mischung  liefs  die  Lösung  zu  einer  Masse  von  Krystallnadeln 
erstarren.  —  Das  dreifach -gechlorte  Hydrochinon  braucht 
bei  15^  C.  160  Theile  Wasser  zur  Lösung. 

Da  das  dreifach -gechlorte  Chinon  bei  dem  Digeriren 
mit  starker  Salpetersäure  unter  Bildung  von  Chlorpikrin  und 
Entwickelung  von  Kohlensäure  und  salpetrigen  Dämpfen 
langsam  zersetzt  wird,  fand  ich  es  rathsam,  die  Umwandlung 
des  dreifach-gechlorten  Hydrochinons  zu  dreifach-geohlortem 
Chinon  in  der  Art  zu  bewirken,  dafs  das  erstere  in  heifsem, 
mit  Schwefelsäure  stark  angesäuertem  Wasser  gelöst  und 
dann  eine  Lösung  von  saurem  chromsaurem  Kalium  zuge- 
setzt wurde,  wo  das  dreifach-gechlorte  Chinon  sich  im  kry- 
stallinischen  Zustande  ausschied. 


Stenhousej  über  Ghloranil.  219 

Dreifach^ gechlortes  und  emfaeh^gebromtes  Ghinan,  — 
Werden  dreifach-gecblortes  Chinon  und  Brom  einige  Stunden 
lang  in  einer  zugeschmolzenen  Glasröhre  auf  120  bis  130^  C. 
erhitzt,  so  entweicht  bei  dem  nachherigen  Oeffnen  der  Röhre 
betrachtlich  viel  Bromwasserstoffsaure,  und  das  Rückständige 
ist  nach  dem  Waschen  mit  Wasser  sehr  wenig  löslich  in 
heifsem  Alkohol,  aus  welchem  es  in  gelben  Tafeln,  ahnlich 
wie  Chloranil  auskrystallisirt.  Das  Product  enthält  Brom; 
bei  100^  C.  getrocknet  ergab  es  bei  der  Analyse  Zahlen, 
welche  zeigen,  dafs  es  dreifacb-gechlortes  und  einfach-ge- 
bromtes  Chinon,  CeClsBrOs,  ist.  Es  ergab  24,71  pC.  Kohlen- 
stoff und  nur  0,13  pG.  Wasserstoff;  nach  der  eben  ange- 
gebenen Formel  berechnen  sich  24,78  pC.  Kohlenstoff. 

Dreifach-gechlortes  und  emfach^gehromtes  Hydrochinony 
CeClsBrOsHs.  —  Bei  dem  Digeriren  der  vorstehend  beschrie- 
benen Verbindung  mit  Jodwasserstoffsäure  und  Phosphor, 
wie  bei  der  Darstellung  des  Chlorhydranils  aus  Chloranil, 
wurde  die  eben  genannte  Verbindung  CeCUBrO^H^  gebildet. 
Sie  war  sehr  löslich  in  Alkohol,  aus  welcher  Lösung  sie  in 
langen  Prismen  krystallisirte,  und  sie  wurde  durch  Kochen 
mit  Salpetersäure  leicht  wieder  zu  der  Verbindung  CgCIsBrO^t 
umgewandelt. 

Die  in  dieser  Abhandlung  mitgetheilten  Analysen  wurden 
für  mich  durch  meinen  Assistenten,  Herrn  C.  E.  Groves, 
ausgeführt. 


220  Lassen^  über  die  EHnwirkung  von  Zinn 

Ueber  die  Einwirkung   von  Zinn   und  Salz- 
säure auf  Salpetersäure- Aethyläther; 

von  W.  Lassen. 


Bei  der  Beduction  des  Salpetersäure-^Aethyläthers  durch 
Zinn  und  Salzsäure  entsteht,  wie  ich  bereits  früher*)  vor- 
laufig mitgetheilt  habe,  neben  Salmiak  ein  Körper  von  der 
Zusammensetzung  NH3OHCI,  das  salzsaure  Salz  einer  Base 
NHsO,  welche  ich  Hydroxylamin  genannt  habe.  Bei  Wieder- 
holung meiner  Versuche  habe  ich  beobachtet,  dafs  aufserdem 
auch  noch  kohlenstoffhaltige  Producte  gebildet  werden; 
freilich  ist  deren  Quantität  —  wenigstens  bei  der  bisher 
eingeschlagenen  Darstellungsmethode  —  eine  sehr  geringe 
im  Verhältnifs  zur  Quantität  des  gebildeten  Ammoniak-  und 
Hydroxylaminsalzes.  Genauer  untersucht  habe  ich  bis  jetzt 
nur  eines  dieser  kohlenstoffhaltigen  Producte;  dasselbe  ist 
eine  Base  NC4H11O,  hat  also  die  Zusammensetzung  eines 
zweifach-äthylirten  Hydroxylamins.  Ich  will  im  Nachstehen- 
den zuerst  die  Darstellung  der  genannten  Körper,  dann 
letztere  selbst  beschreiben. 

Darstellung  von  Salpetersäureäther  ♦♦). 

Nur  reine  Salpetersäure  von  1,4  spec.  Gew.,  welche 
vorher  mit  salpetersaurem  Harnstoff  (15  Grm.  auf  1  Liter) 
bis  zum  lebhaften  Kochen  erhitzt  und  dann  wieder  abge- 
kühlt wurde ;  kommt  zur  Verwendung.  400  Grm.  dieser 
Säure  werden  mit  300  Grm.  käuflichem  absolutem  Alkohol 
gemischt,  der  Mischung  100  Grm.  salpetersaurer  Harnstoff 
zugesetzt  und  aus  einer  tubulirten  Retorte  destillirt;   sobald 


*)  Zeitschr.  f.  Chemie,  neue  Folge,  I,  551. 
**)  Vgl.  Heintz,  Ann.  Chem.  Pharm.  CXXVIl,  43. 


tmd  Sahsäure  auf  Salpetersäure  -  Aethyläther.        221 

etwa  die  Hälfle  bis  zwei  Drittel  abdestillirtsind,  setzt  man  in  die 
Tobuiatur  einen  mit  Hahn  versehenen  Trichter,  der  wiederum 
eine  frisch  bereitete  Mischung  von  400  6rm.  Salpetersaure 
mit  300  Grm.  Alkohol  enthält,  und  lafst  dieses  Gemisch  in  dem 
Mafse  in  die  Retorte  tropfen,  als  deren  Inhalt  abdestillirl.  Der 
Trichter  wird  jedesmal,  wenn  er  leer  geworden  ist,  mit 
neuer,  frisch  bereiteter  Mischung  aufgefüllt.  So  erhalt  man 
leicht  in  einem  Tage  mehrere  Pfunde  Salpetersaureather. 
Der  Retorteninhalt  kann  auch  über  Nacht  erkalten  und  am 
folgenden  Tage  frisch  angeheizt  werden.  Die  ursprunglich 
zugesetzten  100  Grm.  salpetersaurer  Harnstoff  reichen  für 
10  bis  15  Pfd.  Aether  aus;  allmdlig  wird  er  indessen  doch 
verbraucht,  und  wenn  man  nicht  nach  einigen  Tagen  neue 
Mengen  zusetzt,  so  tritt  es  ein,  dafs  der  Inhalt  der  Retorte 
unter  lebhafter  Bildung  von  rothen  Dampfen  und  völliger 
Zerstörung  des  etwa  noch  vorhandenen  Harnstoffs  zersetzt 
wird.  —  Der  Salpetersaureather  wird  nach  dem  Waschen 
mit  Wasser  direct  verwendet. 

ReducHon  des  Salpetersäureäthers, 

Bisher  habe  ich  stets  die  nämliche  Methode  der  Reduc- 
tion  des  Salpetersaureäthers  und  der  Gewinnung  der  dabei 
entstehenden  Basen  angewendet,  und  dabei  hauptsächlich 
eine  möglichst  günstige  Ausbeute  an  Hydroxylaminsalz  zu 
erzielen  gesucht;  die  kohlenstoffhaltigen  Körper  wurden  nur 
als  Nebenproducte  gewonnen.  Mehrere  grofse  Kolben  wer- 
den mit  je  120  Grm.  Salpetersaureather ,  400  Grm.  granu- 
lirtem  Zinn;  800  bis  1000  CG.  Salzsäure  von  1,19  spec.  Gew. 
und  deren  dreifachem  Volum  Wasser  beschickt.  Bald  tritt 
von  selbst  Reaction  ein,  die  man  durch  Umschütteln  be- 
fördert und  ohne  äufsere  Erwärmung  sich  vollenden  läfst. 
Der  Inhalt  sämmtlicher  Kolben  wird  dann  zusamniengegossen, 
mit  mindestens  dem  gleichen  Volum  Wasser  verdünnt,  das 


222  Lassen^  über  die  Einwirkung  von  Zinn 

Zinn  durch  Schwefelwasserstoff  gefallt,  und  das  Filtrat  vom 
Schwefelzinn  Anfangs  über  freiem  Feuer,  dann  auf  dem 
Wasserbad  eingedampft.  Zuerst  krystallisirt  Salmiak,  häufig 
auch  eine  Verbindung  von  Salmiak  mit  Chlorzinn,  da  das 
Zinn  nur  sehr  schwierig  vollständig  durch  Schwefelwasser* 
Stoff  gefallt  wird;  bei  gröfseren  Quantitäten  entfernt  man 
am  Besten  die  ersten  Krystallisationen.  Bei  weiterem  Ein- 
dampfen erhält  man  ein  Gemisch  von  Salmiak  und  salzsaurem 
Hydroxylamin ;  die  letzten  Mutterhingen  enthalten  die  kohlen- 
stoffhaltigen Producte,  daneben  Eisenchlorid  und  Chloride 
anderer,  durch  Schwefelwasserstoff  nicht  fällbarer  Metalle, 
die  aus  der  Salzsaure,  dem  Zinn  oder  dem  Wasser  stammen. 
Wendet  man  rohe  Salzsaure  an,  so  häufen  sich  aus  den 
sehr  grofsen  Quantitäten  derselben  in  der  letzten  Mutterhiuge 
die  Verunreinigungen  sehr  reichlich  an;  ich  wende  daher 
kaufliche  reine  Salzsäure  an ;  es  finden  sich  in  den  letzten 
Mutterlaugen  trotzdem  ziemliche  Quantitäten  von  Metall- 
Chloriden,  namentlich  von  Eisenchlorid.  Am  Besten  rdhrt 
man  die  nach  möglichst  weitem  Eindampfen  erhaltene  Sals- 
masse  von  Salmiak  und  salzsaurem  Hydroxylamin  vor  der 
weiteren  Verarbeitung  mit  möglichst  wenig  kaltem  absolutem 
Alkohol  an,  lafst  die  Mutterlauge  abtropfen  und  verdrängt 
die  letzten  Reste  derselben  durch  absoluten  Alkohol.  Das 
Gemisch  von  Salmiak  und  salzsaurem  Hydroxylamin  wird 
dann  mit  käuflichem  absolutem  Alkohol  bis  zur  völligen 
Lösung  des  Hydroxylaminsalzes  ausgekocht,  und  die  flltrirte 
Lösung  noch  heifs  mit  Platinchlorid  bis  zur  völligen  Ab- 
scheidung des  Salmiaks  versetzt;  das  salzsaure  Hydroxyl- 
amin wird  nicht  durch  Platinchlorid  gefällt,  krystallisirt  daher 
aus  dem  Filtrat  vom  Platinsalmiak  entweder  direct  beim  Er- 
kalten oder  nach  einigem  Eindampfen.  Die  erste  Krystalli- 
sation  ist  meist  fast  ganz  rein;  die  späteren,  durch  Abdampfen 


und  Salzsäure  auf  Salpetersäure- Aethyläther.        223 


der  Mutterlauge  gewonnenen  Krystallisationen  müssen  durch 
Umkrystallisiren  gereinigt  werden. 

Bei  einigen  Versachen  cur  Ermittelung  der  Verhaltnisse, 
unter  welchen  die  Ausbeute  an  salzsaurem  Hydroxylamin  am 
Grofsten  iat,  wurden  stets  400  Grm.  Zinn  und  120  Grm.  Sal- 
petersauredther  angewendet;  die  Quantitäten  der  Salzsaure 
und  des  Wassers  wechselten.  Das  am  Ende  der  Reaction 
nicht  aufgelöste  Zinn  und  das  entstandene  Hydroxylaminsalz 
wurden  gewogen.  Folgende  Zusammenstellung  enthält  die 
Resultate  der  bemerkenswerthesten  Versuche  : 


Angewandt  : 


Salpeter-  i 
sänretttlier! 

120  Grm. 


Zinn 


Salzsäure 

von  1,19 

spec.  Gew. 


Wasser 


Nicht  aufge- 
löstes Zinn 


Gebildetes 
Hydroxyl- 
aminsalz 


120 
120 
120 
120 


» 
n 


400  Grm. 
400 
400 
400 
I  400 


n 
ff 
0 


1000  CG. 

3750  CG. 

1000  , 

3000  „ 

1000  , 

2000  ,, 

750  n 

2250  „ 

666  „ 

2000  „ 

135  Grm. 

123 

120 

156 

166 


ff 

w 
» 


43  Grm. 
47   ,, 
32,5  „ 
44 

41 


Daraus  ergiebt  sich,  dafs  die  Salzsäure  von  1,19  spec. 
Gew.  etwa  mit  dem  dreifachen  Volum  Wasser  verdünnt 
werden  mufs,  und  dafs  auf  120  Grm.  Salpetersäureäther  800 
bis  1000  CG.  anzuwenden  sind.  Das  gebildete  Hydroxyl- 
aminsalz wurde  bei  diesen  Versuchen  nicht  vollständig  ge* 
reinigt,  da  es  nur  auf  eine  Vergleichung  der  Versuche  unter- 
einander ankam  und  deshalb  das  Salz  nur  bei  den  verschie- 
denen Versuchen  annähernd  gleich  rein  sein  mufste.  Ich  be- 
merke indessen,  dafs  in  der  Regel  die  erste  Krystalilisation, 
welche  die  Hälfte  bis  Zweidrittel  des  Ganzen  betrugt  fast 
gau  rein  war«  Die  letzten  Reste  sind  auch  aus  den  Mutter- 
laugen nicht  zu  gewinnen^  und  so  werden  die  gefundenen 
Zahlen  doch  sehr  aanähernd  richtige  sein;  ich  werde  später 
auf  dieselben  zuräckkommen. 

Die  bei  der  Reduction  des  Salpetersäureäthers  ent- 
stehenden   kohlenstoffhaltigen    Körper    finden    sich    in    der 


224  Lassen,   über  die  Einwirkung  von  Zinn 

Mutterlauge  vom  salzsauren  Hydroxylamin  und  Salmiak.  Hat 
man  letztere  vor  ihrer  Trennung  von  einander  mit  kaitem 
absolutem  Alkohol  ausgelaugt,  so  enthalt  diese  Lauge  neben 
den  kohlenstoffhaltigen  Körpern  und  Metallchloriden  noch 
etwas  salzsaures  Hydroxylamin  und  etwas  Salmiak;  hat  man 
dagegen  Salmiak  und  salzsaures  Hydroxylamin  sammt  der 
letzten  Mutterlauge  in  absolutem  Alkohol  gelöst  und  diese 
Lösung  mit  Platinchlorid  behandelt,  so  finden  sich  die  kohlen- 
stoffhaltigen Körper  in  den  letzten  Mutterlaugen  des  Filtrats 
vom  Platinsalmiak,  auch  hier  begleitet  von  HetällchlorideD, 
etwas  salzsaurem  Hydroxylamin  und  vielleicht  einem  lieber- 
schufs  von  Platinchlorid.  Zur  Auffindung  und  Gewinnung 
der  kohlenstofihaltigen  Körper  wurde  eine  wie  die  andere 
Mutterlauge  auf  die  nämliche  Weise  behandelt.  Sie  wurde 
mit  Wasser  stark  verdünnt,  mäfsig  erwärmt  und  dann  durch 
kohlensaures  Natrium  die  schweren  Metalle  ausgefällt.  Das 
Filtrat  von  dem  Niederschlag  wurde  mit  Salzsaure  schwach 
angesäuert,  wieder  eingeengt,  das  mit  harzartigen  Verun- 
reinigungen auskrystallisirende  Kochsalz  so  viel  als  möglich 
entfernt,  die  schliefslich  auf  dem  Wasserbad  ganz  einge- 
dampfte Flüssigkeit  mit  absolutem  Alkohol  ausgezogen,  noch- 
mals auf  dem  Wasserbad  eingedampft  und  nochmals  mit  ab- 
solutem Alkohol  ausgezogen.  Beim  Verdampfen  der  letzteren 
Lösung  hinterblieb  ein- Syrup,  aus  welchem  sich  auch  bei 
monatelangem  Stehen  über  Schwefelsaure  nur  wenige  Kry- 
stalle  abschieden,  die  sich  als  salzsaures  Hydroxylamin  er- 
wiesen. Die  Hauptmenge  des  Syrups  löste  sich  mit  der 
gröfsten  Leichtigkeit  wieder  in  vollkommen  absolutem  Alko- 
hol, Aether  schied  aus  dieser  Lösung  wieder  nur  einen 
halbflüssigen  Syrup  und  höchstens  noch  einige  Krystilichen 
von  Hydroxylaminsalz  aus.  Der  Syrup  wurde  daher  in 
Wasser  gelöst,  in  einem  kleinen  Bruchtheil  der  Flüssigkeit 


und  Salzsäure  auf  Salpetersäure- Aethyläther.        225 

der  Salzsauregehalt  bestimmt  und  dann  die  ganze  Flüssigkeit 
mit  einer  der  darin  enthaltenen  Salzsäure  äquivalenten  Menge 
Schwefelsäure  auf  dem  Wasserbad  eingedampft.  Auch  das 
so  erhaltene  Sulfat  war  syrupartig  und  löste  sich  zum  gröfs- 
ten  Theil  in  absolutem  Alkohol;  der  ungelöste  Theil  war 
wenigstens  theilweise  anorganischer  Natur.  Letzteres  erklärt 
sich  leicht  daraus,  dafs  bei  der  Fällung  mit  kohlensaurem 
Natrium  manche  kohlensaure  Salze,  wie  z.  B.  das  kohlen- 
saure Calcium,  nicht  vollständig  niederfallen^  wenn  maU;  wie 
in  unserem  Fall^  das  Kochen  der  Lösung  vermeiden  mufs. 
Der  in  Alkohol  gelöste  Theil  des  Sulfats  wurde  mit  einer 
der  darin  enthaltenen  Schwefelsäure  äquivalenten  Menge 
Oxalsäure  versetzt  und  dann  die  Schwefelsäure  durch  Baryum- 
bydrat  ausgefällt.  Das  Filtrat  wurde  im  Wasserbad  abge- 
dampft und  dann  mit  etwas  absolutem  Alkohol  vermischt. 
Beim  Erkalten  und  ruhigem  Stehen  setzten  sich  •  Krystall- 
massen  ab,  oft  noch  -stark  verunreinigt  durch  dunkle  amorphe 
Substanzen.  Sie  wurden  nach  einigen  Tagen  herausgenom- 
men, mit  absolutem  Alkohol  gewaschen,  zwischen  Papier 
ausgeprefst,  in  wenig  Wasser  gelöst,  die  erkaltete,  von  den 
Verunreinigungen  abfiltrirte  Lösung  auf  dem  Wasserbad  zur 
Trockne  gebracht,  und  die  rückständige  Krystallmasse  aus 
kochendem,  beinahe  absolutem  Alkohol  umkrystallisirt.  Sie 
löst  sich  darin  zwar  schwierig,  aber  fast  vollständig,  und 
beim  Erkalten  krystallisirt  ein  Gemisch  mehrerer  Oxalate, 
auf  deren  Trennung  ich  weiter  unten  zurückkomme.  Die 
erste  Mutterlauge  von  den  unreinen  Oxalaten  setzte  meist 
nach  einiger  Zeit  oder  nach  erneutem  Abdampfen,  wobei 
es  vortheilhaft  erschien,  noch  etwas  Oxalsäure  zuzusetzen, 
neue  Krystallrinden  ab;  schliefslich  blieb  aber  immer  noch 
ein  unkrystallisirter  Syrup,  den  ich  noch  nicht  näher  unter- 
sucht habe. 

Annal.  d.  Ohem.  u.  Pharm.  VI.  Supplementbd.  X.  Heft.  15 


226  Lassen,  über  die  Einwirkung  von  Zinn 

Bydroonflaminsalze  und  Hydroxylamin. 

Ich  habe  weder  Hydroxylamin  noch  Hydroxylammoniam- 
hydrat  dargestellt,  kann  auch  noch  nicht  sagen ,  ob  sich  ein 
Weg  auffinden  läfst,  sie  darzustellen.  Lösungen  des  Hydro- 
xylamins  dagegen  lassen  sich  leicht  erhalten.  Ehe  ich  auf 
deren  Reaction  eingehe,  will  ich  einige  Hydroxylaminsalze 
beschreiben.  Alle  Salze  zersetzen  sich  in  höherer  Tempe- 
ratur unter  sturmischer  Gasentwickelung.  Alle  bisher  unter- 
suchten Salze  sind  krystallwasserfrei. 

Balzsaures  Hydroxylamin^  NH^OHCi.  —  Krystallisirt  aus 
heifs  gesättigter  alkoholischer  Lösung  in  langen  Spiefsen  oder 
Prismen,  bisweilen  auch  in  dünnen  facherartigen  Blättern, 
aus  wasseriger  Lösung  dagegen  in  tafelförmigen  Krystallen ; 
kleine ,  aber  nach  den  verschiedenen  Dimensionen  gleich- 
mafsig  ausgebildete  Krystalle  bilden  sich  beim  langsamen 
Verdunsten  seiner  Lösung  in  absolutem  Alkohol.  Der  Güte 
des  Herrn  Prof.  V.  v.  Lang  verdanke  ich  die  nähere  kry- 
stallographische  Bestimmung  dieses  Salzes,  sowie  des  Sulfats 
und  Oxalats,  und  spreche  ich  demselben  meinen  verbind- 
lichsten Dank  für  seine  Bemühung  aus. 
Krystallsystem  :  monoklinisch. 

a  :  b  :  c  =  1,0058  :  1  :  0,6626. 
a  c  =  102044', 

Beobachtete  Formen  :  100,  001,  110,011,121,321,121. 

berechnet     beobachtet 


100  . 

001  =  87«16' 

87*16' 

110  . 

100  =  4508' 

40*8' 

110  . 

001  =  88*^4' 

011  . 

100  —  88<>30' 

011  . 

001  —  33030' 

33»30' 

110  . 

01*1  =  68*43' 

69*10' 

110  . 

121"  ==  4101Ö' 

40* 

121  . 

011  =  27«28' 

28V,* 

321  . 

110  =  2604' 

26*40' 

und  Salzsäure  auf  Salpetersäure- Aethyläiher.        227 

berechnet  beobachtet 

ri21  .  100  =  66''59'  — 

121  .  100  =  66^65'  66°50' 

821  .  100  =  89<>9'  — 

.121  .  121  =  46«>6'  Uyj^ 

121  .  121  =  84044'  8400' 

821  .  321  ==  119^42'  — 

121  .  121  =  9702'  — 

Die  durch  langsames' Verdunsten  alkoholischer  Lösung 
erhaltenen  kleinen  Krystalle  zeigen  sämmtliche  angegebenen 
Formen  bis  auf  { 121 }  und  zwar  in  ziemlich  gleichförmiger 
Entwickelung.  Die  aus  wässeriger  Lösung  dargestellten 
Krystalle  sind  tafelförmig  durch  das  Vorherrschen  der  Flachen 
{100};    aufserdem    wurden   an   ihnen   die   Formen   {001}, 

{110},  {121}  und  {121}  beobachtet.  Die  aus  heifs  ge- 
sättigter alkoholischer  Lösung  dargestellten  Krystalle  sind 
dagegen  prismatisch,  indem  die  Flächen  {100}  und  {001} 
nach  der  Symmetrieaxe  verlängert  sind;  sonst  wurden  nur 
noch  die  Flächen  {110}  und  {011}  an  letzteren  Krystallen 
beobachtet. 

Das  Salz  ist  in  Wasser  sehr  leicht  und  unter  starker 
Temperaturerniedrigung  löslich,  und  bildet,  wie  auch  manche 
andere  Hydroxylaminsalze,  sehr  leicht  übersättigte  Lösungen. 
Ganz  trocken  wird  es  von  absolutem  Alkohol  ziemlich  schwer 
gelöst,  durch  Aether  aus  dieser  Lösung  ausgefällt.  Das  über 
Schwefelsäure  getrocknete  Salz  erfährt  bei  HO  bis  120^ 
keine  Gewichtsabnahme;  es  schmilzt  bei  circa  15P  und  zer- 
setzt sich  dann  plötzlich  sehr  lebhaft  unter  Bildung  von 
Wasser,  Salzsäure,  Salmiak  und  Stickstoff;  vielleicht  ent- 
halten die  Gase  auch  etwas  Stickoxydul.  —  Bei  der  Analyse 
dieses,  wie  der  folgenden  Salze  hat  man  besonders  auf  die 
plötzliche  lebhafte  Zersetzung  bei  verhältnifsmäfsig  niedriger 
Temperatur  Röcksicht  zu  nehmen.    Die  Stickstoffbestimmungen 

15* 


228  Lassen^  über  die  Einwirkung  von  Zinn 

können  nur  nach  der  Dumas'schen  Methode  ausgeführt 
werden ;  dabei  darf  das  salzsaure  Hydroxylamin  nicht  mit 
Kupferoxyd  gemischt  werden,  weil  ein  inniges  Gemisch  von 
salzsaurem  Hydroxylamin  und  trockenem  Kupferoxyd  schon 
in  der  Kalte  Stickoxyd  enthaltendes  Gas  entwickelt.  Am 
Einfachsten  mischt  man  das  Salz  mit  etwas  trockenem,  reinem 
Sand.  Die  WasserstoflTbestimmungen  sind  wie  bei  den  ge- 
wöhnlichen Elementaranalysen  ausgeführt  : 

1.  0,2266  Grm.  gaben  0,1237  H,0. 

2.  0,2076  Grm.  gaben  0,0909  H,0. 

8.  0,3238  Grm.  gaben  0,6700  AgCl. 

4.  0,6025  Grm.  gaben  1,2414  AgCi. 

6.    0,3082  Grm.   gaben   öö,ö  CC.    feucbt   gemessenes   Stickgas    bei 
748  MM.  und  23^ 

Berechnet  fOr  NH,0HC1  Gefanden 

1.  u.  3.  2.  u.  4.           ö. 

IN            14                 20,14                           —  —  20,33 

4H             4                   6,76                          6,07  5,73  — 

ICl           35,6              51,08                        61,19  50,97  — 

10            16                23,02                          — .  _  ^ 


69,5  100,00. 

4 

Schwefelsaures  Hydroocylamin^  {^lAfi)S^%^i*  —  Wird 
leicht  aus  dem  salzsauren  Salz  erhalten  durch  Abdampfen 
mit  der  äquivalenten  Menge  Schwefelsaure  auf  dem  Wasser- 
bad, Fällen  und  Auskochen  des  Rückstandes  mit  Alkohol. 
Es  wird  durch  Alkohol  aus  concentrirter  wasseriger  Lösung 
in  Nadeln  gefallt,  löst  sich  leicht  in  Wasser,  krystallisirt  beim 
Erkalten  heifser  wasseriger  Lösungen  in  Prismen,  bei  lang- 
samem Verdunsten  kalt  gesättigter  Lösungen  werden  grofse, 
wohlausgebildete  Krystalle  erhalten.  Prof.  v.  Lang  theilte 
mir  über  die  Form  Folgendes  mit  : 

Krystallsystem  :  monoklinisch. 

a  :  b  :  c  =  1,0883  :  1  :  0,7321. 
ac  =  108n4'. 

Beobachteto  Formen  :  100 ,  001 ,  101 ,  iOl ,  201 ,  021, 
HO,  221. 


und  Sahsäure  Muf  Salpetersäure' Aethyläther.        229 


bereohnet 

beobachtet 

100  . 

001  =  71046' 

7103' 

101  . 

100  =  43056' 

440 

101  . 

100  =  69*15' 

69015' 

201  . 

100  =  42036' 

43020' 

,110  . 

100  =  45057' 

45057' 

021  . 

100  =s  79060' 

— 

221  . 

100  =  58029' 

58018' 

221  . 

021  =  41041' 

— 

110  . 

001  =  77026' 

— 

221  . 

001  =  7304' 

720 

110  . 

221  =  2903O' 

3002' 

021  . 

001  =  55040' 

— 

110  . 

101  =  75013' 

— 

IIb  . 

101  =  75044' 

75037' 

221  . 

201  =  44046' 

4403O' 

021  . 

101  =  6400' 

63«. 

Die  beim  Erkalten  heifs  gesättigter  wasseriger  Lösungen 
erhaltenen  grofsen  Krystalle  sind  verlängert  in  der  Riebtang 
der  Axe  c  und  sind  bisweilen  tafelförmig  durch  Vorherrschen 
der  Flachen  {100}.  Die  Winkel  konnten  nicht  mit  grofser 
Genauigkeit  gemessen  werden. 

Das  über  Schwefelsöure  getrocknete  Salz  verliert  bei 
110^  nicht  an  Gewicht;  es  schmilzt  und  zersetzt  sich  bei 
circa  170^ 

1.  0,2221  Grm.  gaben  0,1067  H,0. 

2.  0,2016  Grm.  gaben  0,0909  H,0. 

3.  0,2984  Grm.  gaben  0,4222  BaSO«. 

4.  0,5352  Grm.  gaben  0,7549  BaSO^. 

Berechnet  für  (NH80),SH,04  GeAmden 


I.IL8. 

2.  u.  4. 

2N 

28 

17,07 

— 

— 

8H 

8 

4,88 

5,84 

5,01 

IS 

32 

19,51 

19,46 

19,37 

60 

96 

58,54 

— 

— 

164 


100»00. 


230  Los 8 efij  über  die  Einmrkung  van  Zinn 

Aus  dem  Sulfat  wurden  die  meisten  anderen  Salze  durch 
doppelte  Umsetzung  nach  den  gebräuchlichen  Methoden  dar- 
gestellt. 

Salpeter  saures  Bydroxylamin ,  NHsO  NHO3.  —  Die 
Lösung  des  Salzes  hinterlärst  beim  Verdunsten  über  Schwe- 
felsäure eine  Flüssigkeit  von  ölartiger  Consistenz,  welche 
nach  mehrmonatlichem  Stehen  über  Schwefelsaure  nicht  er- 
starrt. In  einer  Kaltemischung  von  —  10^  erstarrt  sie  zu 
einer  weifsen  Krystallmasse ,  welche  schon  bei  der  Tempe- 
ratur eines  geheizten  Zimmers  wieder  flüssig  wird.  Sie  ist 
sehr  leicht  löslich  in  Wasser  und  absolutem  Alkohol,  zer- 
setzt sich*schon  auf  dem  Wasserbald  allmälig,  bei  höherer 
Temperatur  unter  plötzlicher  sehr  stürmischer  Entwickelung 
von  rothen  Dämpfen.  Das  Salz  war  wahrscheinlich  noch 
etwas  wasserhaltig,  gab  daher  nur  ein  annähernd  stimmendes 
Resultat  bei  der  Analyse.  Bei  der  stürmischen  Zersetzung, 
die  bei  mäfsig  erhöhter  Temperatur  eintritt,  konnte  eine 
WasserstoiT-  oder  Stickstoffbestimmung  nicht  nach  den  ge- 
wöhnlichen Methoden  ausgeführt  werden.  Ich  habe  daher 
aus  der  Lösung  des  Salzes  in  absolutem  Alkohol  die  Sal- 
petersäure durch  eine  Lösung  von  essigsaurem  Kalium  in 
absolutem  Alkohol  als  Salpeter  ausgefällt,  den  Salpeter  nach 
dem  Auswaschen  in  schwefelsaures  Kalium  verwandelt  und 
dieses  gewogen. 

0,920  Grm.  gaben    0,7599   SOA,    entsprechend    13,26  pC.  N    (als 
Salpetersäure).    Die  Formel  verlangt  li,58  pC. 

Phosphorsaures  Bydroxylamin,  (NH80)3  PO4H8.  —  Ist 
in  kaltem  Wasser  schwer  löslich,  wird  daher  auch  erhalten 
beim  Vermischen  der  Lösungen  von  neutralem  Natriumphos- 
phat und  salzsaurem  oder  schwefelsaurem  Hydroxylamin. 
Scheidet  es  sich  rasch  aus  seinen  Lösungen  ab,  so  krystalli- 
sirt  es  oft  in  federähnlichen  Krystallaggregaten,  die  manchen 
Krystallisationen  des  Salmiaks  gleichen.    Auch  bei  langsamer 


und  Salzsäure  auf  Salpetersäure» Aethyläther.        231 

Krystallbildung  sind  die  Krystalle  meist  klein  and  trüb ;  an 
mikroscopisohen  Krystallen  habe  ich  würfelahnliche  Formen 
beobachtet.  Beim  Abdampfen  der  Lösungen,  selbst  beim 
Verdunsten  bei  gewöhnlicher  Temperatur,  scheint  sich  ein 
Theil  des  Hydroxylamins  zu  verfluchtigen  und  man  erhält 
einen  unkrystallinischen  syrupartigen  Rückstand.  —  Bei  der 
Analyse  wurde  das  über  Schwefelsaure  getrocknete  Salz  mit 
einer  gewogenen  Menge  reinem  Aetzkalk  abgedampft;  die 
Gewichtszunahme  ergab  den  Phosphorsauregehalt  direct. 

0,3262  Grm.    gaben    0,1183   PgOg,    entsprechend    15,83  pC.  P;    die 
FoiTOel  verlangt  15,74  pC. 

Essigsaures  Bydroxylamin,  NH3O  CgHiOg.  —  Beim  Ver- 
dunsten über  Schwefelsaure  blieb  ein  Syrup,  der,  nachdem 
er  mit  absolutem  Alkohol  angerührt  war^  nach  einigen  Tagen 
zu  einer  krystallinischen  Masse  erstarrte,  die  von  einer  roth- 
gefärbten  Mutterlauge  durchtränkt  war.  Letztere  wurde 
durch  Pressen  mit  Fliefspapier  entfernt,  das  Salz  in  absolutem 
Alkohol  gelöst  und  die  Lösung  über  Schwefelsaure  ver- 
dunstet; es  blieb  ein  Syrup,  der  bei  Zumischung  von  wenig 
absolutem  Alkohol  und  Durchrühren  mit  einem  Glasstab 
plötzlich  zu  einem  Krystallbrei  erstarrte.  Das  Salz  kann 
indessen  leicht  in  gut  ausgebildeten  Prismen  aus  seiner  Lösung 
in  heifsem  absolutem  Alkohol  erhalten  werden,  wenn  man 
durch  einen  ungelösten  oder  in  die  Lösung  hineingelegten 
Krystall  die  Krystallbildung  einleitet.  Es  schmilzt  bei  87  bis 
88^.  und  zerfliefst  nicht  an  der  Luft. 

» 

0,2739  Grm.  gaben  0,2622  COj  und  0,1948  HgO. 

Berechnet  filr  NH3O  C,H40,  Gefunden 


IN 

14 

15,05 

7H 

7 

7,53 

7,91 

2C 

24 

25,81 

26,11 

30 

48 

51,61 

— 

93  100,00. 


232  Losserfj  über  die  Einwirkung  von  Zinn 

Oxahattres  Bydroxylamin ,  (NHsO)«  C2H2O1.  —  Ist  in 
kaltem  Wasser  schwerlöslich,  krystallisirt  aus  heifs  gesfiUig^ter 
Lösung  in  meist  trüben  flachen  Prismen;  klare  Krystalle  er- 
hält man  bei  langsamem  Verdunsten  kalter  Lösungen  bei  g-e- 
wohnlicher  Temperatur. 

Krystallsystem  triklinisch. 

Beobachtete  Formen  :  100,  010,  001,  HO,  110,  011. 

berechnet     beobachtet 


100  . 

110  —  45030' 

45010 

110  . 

010  —  23^16' 

230I6 

100  . 

010  =  68<>46' 

68046' 

010  . 

110  =  32037' 

82087 

110  . 

ilO  =  78^43' 

78010 

100  . 

001  =  86<'45' 

86045 

101  . 

001  =  63^15' 

63015 

101  . 

100  —  30*0' 

— 

010  . 

001  =  84«8' 

— 

110  . 

001  —  84022' 

— 

110  . 

001  =  85048' 

85043 

Die  beim  langsamen  Verdunsten  wasseriger  Lösungen 
erhaltenen  Krystalle  sind  tafelförmig  durch  Vorherrschen  der 
Flachen  {010},  welche  letztere  jedoch  besonders  bei  dicke- 
ren Krystallen.  stark  abgerundet  sind.  Die  Krystalle  sind 
sehr  vollkommen  spaltbar  nach  der  Fläche  {lOO},  weniger 
gut  nach    {001}. 

Das  Salz  ist  in  Alkohol  unlöslich. 

1.  0,2107  arm,  gaben  0,1221  CO,  und  0,1012  H,0. 

2.  0,3094  Grm.  gaben  47,9  CC.  Stickstoff  bei  16,40  nnd  749,8  MM. 

Berechnet  füi-  (NH^O),  C8HJO4  Geftinden 

2N  28  17,95  17,76 

8H  8  •           5,18  5,34 

2C  24  15,38  15,80 

6  0  96  61,54  — 

156  100,00. 


ttnd  Salzsäure  auf  Salpetersäure-Aethyläther.        233 

Weinsaures  Eydroxylamm  ^  (NH30)2  C4H6O«.  —  Die 
Lösung  erstarrt  beim  Verdunsten  über  Schwefelsaure  zu 
einer  faserigen  Krystallmasse ,  welche  von  einer  rotben 
Mutterlauge  durch  Abpressen  zwischen  Fliefspapier  befreit 
wurde.  Die  Krystalle  lösen  sich  schwierig  in  95  procent.  Wein- 
geist, indem  sie  zuerst  unter  demselben  schmelzen.  Beim 
Erkalten  schied  sich  ein  Theil  in  Oeltropfen  ab,  die  allmalig 
erstarrten;  ein  anderer  Theil  krystallisirte  in  sehr  dünnen 
perlmuttergUnzenden  Blattern.  Die  letzteren  wurden  ana- 
lysirt. 

1.  0,3443  Grm.  gaben  0,2868  COg  und  0,1812  H,0. 

2.  0,3832  Grm.  gaben  44  CG.  Stickfitoff  bei  12<>  und  759  MM. 

Berechnet  für  (NEgO),  C4HeOa  Gefunden 


2N 

28 

12,96 

13,60 

12  H 

12 

5,66 

5,85 

4C 

48 

22,22 

22,68 

80 

128 

59,26 

— 

216  100,00. 

Pikrinsaures  Bydroxylamin  ^  NH3O  C6H8(NO«)30.  —  Ist 
in  Wasser  und  in  Alkohol  mit  tief  gelbrother  Färbung  leicht 
löslich  9  und  krystallisirt  aus  diesen  Lösungen  nicht  in  wohl- 
ausgebildeten Krystallen;  beim  langsamen  Verdunsten  schei- 
den sich  goldgelbe  kugelige  Aggregate  von  faseriger  Struc- 
tur  ab;  dampft  man  die  Lösung  auf  dem  Wasserbad  ein,  so 
schmilzt  das  Salz,  beginnt  beim  Erkalten  auch  zuweilen  besser 
ausgebildete  Prismen  abzusetzen ,  verwandet  sich  aber  dann 
plötzlich  wieder  in  eine  kugelige  aufgeblähte  ferystallinische 
Masse;  zuweilen  erstarrt  das  geschmolzene  Salz  auch  zu 
einem  braunrothen  Kuchen  von  krystallinischem  Gefüge.  Es 
ist  auch  in  Aether  und  Benzol  etwas  löslich  und  krystalli- 
sirt  beim  Verdunsten  dieser  Lösungen  in  Nadeln. 

0,5832  Gnn.  gaben  0,5560  CO,  und  0,0132  H,0. 


Kotaen,  über  die  Emxoirlcung  von  Zinn 


BerwJmBt  für  MH,0  C,H,(NO,),0 
4N  m  21,37 


362  100,00. 

CyaiiwasserstoSsäure  vereinig!  sich  mit  Hydroxylamin 
zu  einem  gut  krystallisirten  Körper  von  der  Zusammensetzung 
det;  cyanwassersloffsauren  Hydroxylamins ,  der  indefs  weder 
die  Reaolionen  des  Hydroxylamins,  noch  diejenigen  der  Cyan- 
wasseislüirsäure  zeigt.  Er  ist  eine  dem  Harnstoff  isomere 
Base  (—  Hydrocyanhydroxylamin?  — ),  und  verbindet  sich 
iiiil  Süiiren  zu  gut  krystallisirenden  Salzen.  Ich  hoffe,  über 
A'wsna  Körper  und  seine  ümsetzungsproducte  in  einer  beson- 
deren Arlieit  bald  zn  berichten. 

Cyünsnares  Kalium  setzt  sich  mit  Hydroxyiaminsalzen 
unter  leblisfter  ErwäriDong  um.  Herr  Stud.  Dresler  hat 
unter  den  Umsetzungsproducleii  Hydroxylharnstoff  NiH^COt 
gefunden,  der  indessen  schwierig  zu  erhalten  ist. 

Lösungen  des  Hydroxylamins  können  leicht  dargestellt 
werden;  eine  wässerige  Lösung  erhält  man  durch  Zerlegung 
des  Sulfais  mit  der  erforderlichen  Menge  Baryumhydrat,  eine 
alkoliolischü  durch  Zerlegung  des  in  möglichst  wenig  Wasser 
gelösten  Sulfats  oder  des  in  Alkohol  gelösten  Nitrats  durch 
alkohulisclie  Kalilauge.  Aach  kohlensaure  Alkalien  scheiden 
direcl  Hydroxylamin  untn  Kohlensäureentwickelung  ab.  Die 
Lösunt>en  des  Hydroxylamins  hinterlassen  beim  Verdunsten 
keinen  HückMand.  Setzt  man  zu  einem  Hydroxylaminsdi 
einen  Ueberschufs  von  mäfsig  ooncentrirter  Kali-  oder 
Natronlauge,  so  wird  das  freiwerdende  Hydroxylamin  zer- 
setzt. Ich  habe  einen  Versuch  gemacht,  die  ganz  conceu- 
trirte  Lösung  des  Balzsauren  Salzes  durch  Magnesia  za  zer- 
legen, um  durch  das  entstehende  Chlormagnesium  das  Wasser 
zu  bindet!  und  so  die  Base  vielleicht  in  wasserfreiem  Zustand 


und  Salzsäure  auf  Salpetersäure-Aethyläther.        235 

zu  erhahen;  bei  gewöhnlicher  Temperatur  fand  keine  Ein- 
wirkung statt,  beim  Erwärmen  dagegen  sturmische  Gas-  und 
Ammoniakentwickelung.  —  Die  Lösung  des  Hydroxylamins 
ist  geruchlos,  reagirt  alkalisch;  bei  alkoholischen  Lösungen 
wurde  die  Beobachtung  gemacht,  dafs  sie  die  Haut  schmerz- 
haft reizen  und  röthen.  Bei  der  Destillation  der  wasserigen 
Lösung  geht  ein  Theil  der  Base  unzersetzt  mit  den  Wasser- 
dampfen über,  ein  anderer  Theil  wird  unter  Bildung  von 
Ammoniak  zersetzt.  Die  Lösung  des  Hydroxylamins  föllt 
nicht  die  Lösungen  der  Baryum-,  Strontium-,  Calcium-  und 
Hagnesiumsalze;  sie  erzeugt  in  den  Lösungen  von  Zinksulfat, 
Nickelsulfat,  Bleiacetat,  Eisenchlorid,  Alaun  und  Chromalaun 
Niederschläge,  die  im  Ueberschufs  des  Hydroxylamins  unlös- 
lich sind ;  der  in  Kobaltlösungen  entstehende  schmutzig 
pfirsichfarbene  Niederschlag  löst  sich  dagegen  im  Ueber- 
schufs 'wenigstens  theilweise  wieder  auf.  Allen  diesen  Salzen 
gegenüber  verhält  das  Hydroxylamin  sich  demnach  einfach  als 
stärkere  Base.  —  Anders  und  sehr  characteristisch  dagegen 
ist  das  Verhalten  gegenüber  den  Lösungen  einiger  leicht 
reducirbaren  Metalle.  Setzt  man  Hydroxylaminlösung  zu 
einer  wässerigen  Lösung  von  Kupfervitriol,  so  entsteht  ein 
schön  grasgrüner  Niederschlag,  der  bei  weiterem  Zusatz 
leicht  schmutzig  kupferfarben  wird.  Ein  Ueberschufs  von 
Hydroxylaminlösung  dagegen  löst  den  Niederschlag  ohne  merk- 
liche Gasentwickelung  zu  einer  vollkommen  farblosen  Flüssigkeit. 
Tritt  die  Luft  zu  dieser  Lösung,  so  scheidet  sich  an  der 
Oberfläche  wieder  ein  schmutzig  braungrüner  Niederschlag 
ab,  der  sich  bei  Umschütteln  oder  ganz  gelindem  Erwärmen 
wieder  auflöst,  so  lange  überschüssiges  Hydroxylamin  vor- 
handen isU  Wird  die  Lösung  erhitzt ,  so  tritt  Gasentwicke- 
luDg  ein.  Setzt  man  zu  der  farblosen  Lösung  einen  Tropfen 
Kalilauge  oder  Barytwasser,  so  fällt  ein  orangegelber  Nieder-^ 
schlag,  wohl  Kupferoxydulhydrat.    Ammoniakalische  Kupfer- 


236  Zossen^  über  die  Etnwtrkunff  von  Zinn 

lösung  wird  durch  Hydroxylamin  entfärbt;  aach  ans  der  so 
erhaltenen  Lösung  scheidet  Kalilauge  den  gelben  Nieder-* 
schlag  ab,  jedoch  augenscheinlich  schwieriger  als  aus  der 
ammoniakfreien  Lösung.  —  Eine  weingeistige  Hydroxylamin-' 
lösung  fallt  ans  der  Lösung  von  Kupfervitriol  ebenfalls  zuerst 
den  grasgrünen  Niederschlag;  in  derselben  ist  er 'etwas 
weniger  veränderlich,  wird  leicht  pulverig,  ist  aber  meisl 
verunreinigt  durch  mitgefällten  Kupfervitriol.  Ein  grofser 
Ueberschufs  von  weingeistiger  Hydroxylaminlösung  fuhrt  den 
grünen  Niederschlag  in  einen  dunkel  lasurblauen  über,  der 
aber  beim  Trocknen  über  Schwefelsäure  wieder  grün  wird. 
Kocht  man  diese  Niederschläge  mit  Wasser,  so  wird  unter 
Gasentwickelung  Kupferoxydul  gebildet.  —  Setzt  man  Hydroxyl- 
aminlösung zu  einer  Lösung  von  Quecksilberchlorid,  so  ent» 
steht  ein  Niederschlag,  der  einen  Moment  lang  gelblich  ist, 
sich  aber  sofort  in  weifses  Quecksilberchlorür  verwandelt. 
Ein  Ueberschufs  führt  letzteres  in  metallisches  Quecksilber 
über,  indem  zugleich  Gas  entwickelt  wird.  —  In  der  Lösung 
von  Silbernitrat  entsteht  durch  Hydroxylaminlösung  zuerst 
ein  schwarzer  Niederschlags  der  sodann  unter  heftiger  Gas- 
entwickelung  zu  metallischem  Silber  wird.  —  Neutrales  chrom- 
saures Kalium  wird  in  der  Kälte  nicht  verändert;  beim  Er- 
wärmen färbt  die  Lösung  sich  dunkel;  Zusatz  von  wenig 
Schwefelsäure  bewirkt  lebhafte  Gasentwickelung  und  Ab- 
scheidung eines  braunen  Niederschlags,  der  sich  in  mehr 
Schwefelsäure  mit  der  dunkelen  Färbung  theilweise  redn- 
cirter  Chromsäurelösungen  wieder  auflöst.  —  Ich  habe  noch 
keine  dieser  Reactionen  so  weit  verfolgt,  dafs  ich  über  die 
stattGndenden  Vorgänge  genauere  Mittheilung  machen  könnte. 
Bei  manchen,  namentlich  bei  denen,  die  von  lebhafter  Gas- 
entwickelung begleitet  sind,  scheint  das  Hydroxylamin  voll- 
ständig zerstört  zu  werden,  unter  Bildung  von  Stickstofl'  oder 


und  Balzsäure  auf  Salpetersäure- Aeiht/läther,        237 

Stickoxydul.  Bei  anderen  lassen  sich  dagegen  gut  charac- 
terisirte  Umsetzungsproducte  erhallen. 

Wird  die  Lösung  eines  Hydroxylaminsalzes  mit  concen- 
irirter  Kali-  oder  Natronlauge  übersättigt,  so  entwickelt  sich 
reichlich  Stickstoff  und  gleichzeitig  Ammoniak.  Ich  habe  in 
meiner  früheren  Mittheilung  die  Ansicht  ausgesprochen,  diese 
Zersetzung  finde  wesentlich  nach  der  Gleichung  : 

3NH,0  =  N,  +  NH,  +  8H,0 

Statt.  Es  mufsten  nach  dieser  Gleichung  Vs  des  Stickstoffs 
als  Stickstoff,  Vs  ttls  Ammoniak  entwickelt  werden.  Eine 
genaue  Bestimmung  des  entwickelten  Ammoniaks  zeigt  in- 
dessen, dafs  die  obige  Gleichung  nicht  in  aller  Strenge  richtig 
ist;  es  wird  nämlich  stets  etwas  mehr  als  Vs  vom  ganzen 
Stickstoffgehalt  als  Ammoniak  entwickelt.  Die  Bestimmungen 
wurden  in  der  Art  ausgeführt,  dafs  das  durch  Kochen  der 
alkalischen  Lösung  entwickelte  Ammoniak  in  Salzsäure  auf- 
gefangen, diese  sodann  auf  dem  Wasserbad  vollständig  zur 
Trockne  verdampft  und  das  Chlor  im  ruckständigen  Salmiak 
als  Chlorsilber  bestimmt  wurde. 

1,4318  Grm.  ealzsaures  Hydroxjlamin  gaben  1,1329  AgCl,  ent- 
sprechend 7,72  pC.  N  oder  38,33  pC.  vom  ganzen  Stickstoflf- 
gebalt 

1,3444  Grm.  schwefelsaures  Hydroxylamin  gaben  0,9226  AgCl,  ent- 
sprechend 6,69  pC.  N  oder  39,19  pC.  vom  ganzen  Stickstoff- 
gehalt. 

1,533  Grm.  phosphorsaures  Hydroxylamin  gaben  1,1974  AgCl,  ent- 
sprechend 7,62  pC.  N  oder  35,74  pC.  vom  ganzen  Stickstoff- 
gehalt 

Unzersetztes  Hydroxylamin  destiUirt  aus  einer  mit  überschüs- 
sigem Kaliumhydrat  versetzten  Lösung  nicht  ab.  —  Das  Gas, 
welches  sich  entwickelt,  hat  im  Allgemeinen  die  Eigenschaften 
des  Stickgases;  liest  man  dasselbe  über  Wasser  ab,  so  be- 
merkt man  nach  einiger  Zeit  eine  sehr  merkliche  Verminde- 
rung des  Volums,  weit  bedeutender  als  sie  bei  reinem  Stick- 
stoff stattfindet.    So  nahmen  z.  B.  285  CG.  des  vorher  durch 


238  Losserij   über  die  Einwirkung  von  Zinn 

Schwefelsäure  geleiteten  Gases  in  einem  Ta(fe  um  etwa  80  CC.  ) 
ab;  ohne  dafs  Temperatur  und  Druck  sich  wesentlich  ander-  } 
ten.  Diers  deutet  auf  Beimischung  eines  anderen,  von  Wasser  ) 
leichter  absorbirbaren  Gases ,  vermuthlich  Stickoxydul,  denn 
Stickoxyd  lafst  sich  nicht  nachweisen.  Wenn  die  Haupl- 
menge  des  Hydroxylamins  nach  der  obigen  Gleichung,  ein 
kleinerer  Theil  nach  der  Gleichung  : 

4NH,0  =  NgO  +  2  NHa  +  3  H,0 

zersetzt  wird,  so  mufs  etwas  mehr  als  Vs  des  Stickstoffge- 
halts  in  Form  von  Ammoniak  entwickelt  werden,  wie  die 
Versuche  es  ergeben  haben. 

Ein  sehr  scharfes  Reagens  zur  Nachweisung  des  Hydro- 
xylamins ist  Kali-  oder  Natronlauge,  die  mit  ein  wenig 
Kupferiösung  versetzt  ist;  in  starker  käuflicher  Lauge  lost 
sich  stets  ein  wenig  des  gefällten  Kupferoxyds  auf.  Setzt 
man  zu  dieser  Lösung  nur  eine  Spur  eines  Hydroxylamin- 
Salzes,  so  entsteht  sofort  der  gelbe  Kupferoxydulniederschlag. 
Mit  1  bis  2  CC.  einer  Lösung  von  1  Theil  salzsaurem  Hydro- 
xylamin  in  10000  Theilen  Wasser  läfst  sich  diese  Reaction 
noch  deutlich  wahrnehmbar  hervorbringen. 

Base  NC4H11O. 

Oben  wurde  die  Gewinnung  der  organischen  Verbindun- 
gen, die  durch  Reduction  des  Salpetersäureäthers  entstehen, 
und  zwar  bis  zur  Abscheidung  derselben  in  Form  von  Oxa- 
laten beschrieben.  Die  weitere  Trennung  der  letzteren  geschah 
durch  Umkrystallisiren  aus  Wasser  und  mechanisches  Auslesen 
der  verschiedenen  Krystalle.  Beim  Verdunsten  der  wässerigen 
Lösung  krystallisirten  zuerst  sternförmig  vereinigte  Prismen, 
gemischt  mit  gröfseren  rhombischen  Tafeln.  Ist  die  Lösung 
nicht  ganz  farblos,  so  sind  die  erstgenannten  Krystalle  etwas 
gelblich  gefärbt,  während  die  rhombischen  Tafeln  vollkommen 
farblos  sind;  letztere  enthalten  Krystallwasser,  erstere  nicht. 


und  Salzsäure  auf  Salpetersäure- Aethi/läther»         239 

Bei  weiterem  Verdunsten  der  Lösung  bilden  sich  neue  Quan- 
titäten der  sternförmig  vereinigten  Prismen;  die  letzten  Mutter- 
laugen enthalten  noch  ein  in  dünnen  Blättchen  ahschiefsendes, 
in  Wasser  sehr  leicht  lösliches  Salz.  Dieses  letztere  und 
die  krystallwasserhaltigen  rhombischen  Tafeln  habe  ich  nicht 
untersucht,  da  deren  Quantität  zu  einer  eingehenderen 
Untersuchung  nicht  ausreichte.  Die  sternförmig  vereinigten 
Prismen,  welche  durch  Umkrystallisiren  leicht  rein  zu  er- 
halten sind,  haben  die  Zusammensetzung  NC4H11O,  C2H2O4, 
sind  also  das  saure  Oxalat  der  Base  NC4H11O.  In  käuf- 
lichem absolutem  Alkohol  löst  sich  das  Salz  beim  Kochen 
schwierig,  und  krystallisirt  daraus  beim  Erkalten  in  kleinen 
Nadeln.  Im  Wasser  löst  das  Salz  sich  leicht  und  krystallisirt 
gereinigt  in  schönen,  glänzenden,  linealförmigen  Prismen,  die 
aber  stets  zu  sternförmigen  Häufchen  vereinigt  sind.  Bei 
100  bis  110^  erfährt  dasselbe  keinen  Gewichtsverlust;  auch 
keines  der  im  Folgenden  beschriebenen  Salze  nimmt  bei 
100  bis  110^  an  Gewicht  ab.  In  höherer  Temperatur 
schmilzt  das  Salz  und  zersetzt  sich  ohne  Schwärzung  unter 
Entwickelung  ammoniakalisch  rietheoder  Dämpfe. 

1.  0,2191  Grm.  gaben  0,3273  CO,  und  0,1432  HgO. 

2.  0,1935  GiTQ.  gaben  0,2867  COg  und  0,1302  H,0. 

3.  0,2464  Grm.    gaben   17,4  CC.  Stickstoff,    feucht  gemessen,    bei 

12,7«  und  766,5<>. 

Berechnet  für  NC4H11O  0,11,04  Gefunden 


l.u.  3. 

2. 

IN 

14 

7,82 

8,43 

6C 

72 

40,22 

40,74 

40,41 

13  H 

13 

7,26 

7,26 

7,48 

50 

80 

44,70 

— 

179  100,00. 

Ein    Drittel    des   Kohlenstoffs   oder    13^41  pC.   sind    als 
Oxalsäure  vorhanden ,   wie   folgende  Bestimmungen   zeigen. 

0,2064   Grm.    gaben   durch  Fällen   mit    Chlorcalcium    und   heftiges 
Glühen  des  Niederschlags  0,0640  CaO,  entsprechend  13,29  pC.  C. 

0,2942  Grm.  gaben  0,0914  CaO,  entsprechend  13,32  pG.  C. 


2N 

28 

10,46 

IOC 

120 

44,78 

24  H 

24 

8,95 

60 

96 

35,82 

240  Lossen,    über  die  Einwirkung  von  Zinn 

Neutrales  Oxalat  (NCaHuO)«  dtiiO^.  —  Leicht  zu  er- 
hallen aus  dem  sauren  Salz  durch  Ausfällen  der  Hälfte  der 
Saure  mit  Kalkmilch.  Krystallisirt  aus  Wasser  in  gröfseren, 
anscheinend  schief  rhombischen  Prismen. 

0,2392  Grm.  gaben  0,3870  CO,  und  0,196  H,0.  ^ 

Berechnet  für  (NC^HuO),  CjHjO*  Gefunden 


44,12 
9,10 


.  268  100,00. 

Sulfat  (NC4H„0)2  SH2O4.  —  Wurde  durch  Zerlegung 
des  neutralen  Oxalats  mit  Zinksulfat,  Abdampfen  der  Lösung, 
Auflösen  des  syrupartigen  Rückstandes  in  absolutem  Alkohol 
und  Fällen  dieser  Lösung  durch  Aether  in  sehr  zarten  dün- 
nen Krystallblattchen  erhalten.  Einmal  krystallisirt  löst  das 
Salz  sich  in  kaltem  absolutem  Alkohol  schwierig,  beim  Er- 
wärmen dagegen  sehr  leicht  und  krystallisirt  beim  Erkalten 
wieder  in  dünnen  Blattchen. 

0,2794  Qrm.  gaben  0,2362  SBaO«,  entsprechend  11,61  pC.  Schwefel ; 
die  Formel  verlangt  11,59  pC. 

Ein  Phosphat  von  der  Zusammensetzung  (NC4HiiO)s  PHs04 
wurde  erhalten  durch  Zerlegung  des  Oxalats  mit  Kalkmilch 
und  Zusatz  der  entsprechenden  Menge  Phosphorsaure.  Es 
waren  zwar  auf  1  Mol.  Phosphorsaure  3  Mol.  der  Base  an- 
gewendet, 1  Mol.  verflüchtigte  sich  beim  Abdampfen  der 
Lösung.  Die  abgedampfte  Lösung  erstarrte  über  Schwefel- 
säure zu  einer  Krystallmasse,  in  welcher  einzelne  Prismen 
erkennbar  waren.  In  nahezu  absolutem  Alkohol  löste  das 
Salz  sich  beim  Kochen  nur  sehr  schwierig,  krystallisirte  beim 
Erkalten  der  Lösung  in  sehr  voluminösen  zarten  Nadeln. 
Die  Analyse  geschah  wie  beim  phosphorsauren  Hydroxylamin. 

0,2013  Grm.  gaben  0,0521   PgO«,    entsprechend  11,30  pC.  P;    die 
Formel  verlangt  11,23  pC. 


und  Salzsäure  auf  Salpetersäure- Aetkyläther.  241 

Chloroplatinat,  (NC4HiiOHCl)2  PICI4.  -  Durch  Zerlegrung 
des  Sulfats  mit  der  erforderlichen  Menge  von  Chlorbaryum 
wurde  das  Chlorhydrat  als  Syrup  erhalten^  der  nicht  zum 
Krystallisiren  gebracht  werden  konnte.  Er  löste  sich  voll- 
kommen in  absolutem  Alkohol  und  wurde  aus  dieser  Lösung 
durch  Aether  wieder  syrupartig  gefällt.  .Setzt  man  zu  einer 
alkoholischen  Lösung  alkoholisch-ätherische  Platinlösung,  so 
entstehen  nur  in  concentrirter  Lösung  allmälig  Krystalle ;  ver- 
dänntero  Lösungen  setzen  beim  Verdunsten  kreuzweise  durch- 
einander gewachsene  orangegelbe  Blättchen  ab,  die  sich  leicht 
in  warmem  absolutem  Alkohol  lösen,  eben  so  in  Wasser,  und 
beim  freiwilligen  Verdunsten  der  wässerigen  Lösung  in 
stumpf  zugeschärflen  Prismen  krystallisiren. 

1.  0,2478  Gnn.  gaben  0,0823  Pt 

2.  0,1787  Orm.  gaben  0,0696  Pt. 

8.    0,5424  Grm.  gaben  22  CG.  Stickstoff,   feuoht  gemessen  bei  11<* 
und  l^^im. 

Berecbnet  für  (NCtHiiO .  HCl),  PtCl«  Gefunden 


2N 

28 

4,78 

80 

96 

16,26 

24  H 

24 

4,07 

20 

82 

6,42 

IPt 

197,4 

86,08 

6  01 

218 

83,44 

1.  u.  8.  2. 

4,88  — 


83,21         83,29 

Versetzt  man  die  Lösung  eines  Salzes  der  Base  NC4H11O 
mit  Kalilauge^  so  scheidet  sich  die  frei  gewordene  Base  nicht 
aus  der  Lösung  ab.  Schuttelt  man  die  übersättigte  Lösung 
mit  Aether,  so  nimmt  dieser  die  Base  auf  und  hinterläfst  die- 
selbe beim  Verdunsten  über  Schwefelsäure  als  zähflüssigen, 
stark  alkalisch  reagirenden,  mild  schmeckenden  Syrop,  der 
sich  leicht  in  Wasser  und  Alkohol  löst.  Mit  Wasserdämpfen 
ist  die  Base  flüchtig ,  aber  nur  schwierig;  eine  Lösung  von 
etwa  0,3  Grm.  der  Base  in   100  bis  150  CG.  Wasser  wurde 

AaaaL  d.  ObMo.  u.  PhArm.  VI.  SnDDlemttntbd.  fi.  HafL  46 


242  Losserij  über  die  Einwirkung  van  Zinn 

bis  fast  zur  Trockne  destillirt,  dann  nochmals  mit  der  gleichen 
Quantität  Wasser  verdünnt  und  wieder  fast  zur  Trockne 
verdunstet.  Die  nicht  destillirte  Flüssigkeit  enthielt  noch  etwa 
die  Hälfte  der  0,3  Grm.  Base,  aus  dem  Destillat  wurde  nach 
Uebersättigen  mit  Salzsaure  und  Abdampfen  der  Lösung 
durch  Platinchlorid  das  Chloroplatinat  erhalten;  die  oben  mit- 
getheiite  zweite  Platinbestimmung  bezieht  sich  auf  ein  Platin- 
salz, welches  aus  der  mit  Wasser  uberdestillirten  Base  dar- 
gestellt  war.  —  Die  wasserige  Lösung  der  Base  fallt  aus 
den  Lösungen  von  Eisenchiorid,  Bieiacetat,  Chromalaun  und 
Kobaltnitrat  Niederschläge,  die  im  Ueberschufs  unlöslich  sind. 
—  In  der  Lösung  von  Kupfervitriol  entsteht  ein  blauweifser 
Niederschlag,  der  im  Ueberschufs  mit  blauvioletter  Farbe 
löslich  ist;  die  blaue  Lösung  ändert  sich  nicht  beim  Erhitzen, 
auch  nicht,  wenn  etwas  Kalilauge  zugesetzt  wurde.  —  In 
einer  Lösung  von  Quecksilberchlorid  entsteht  zunächst  ein 
nicht  sehr  bedeutender  Niederschlag,  der  sich  in  einem  Ueber- 
schufs der  Base  sehr  leicht  auflöst;  kocht  man  die  klare 
Lösung ,  so  fällt  ein  sehr  dicker  flockiger  Niederschlag, 
kocht  man  die  Lösung  mit  Kalilauge,  so  findet  Reduction  des 
Quecksilbers  statt.  In  einer  Lösung  von  salpetersaurem 
Silber  erzeugt  eine  Lösung  der  Base  einen  weifsen  Nieder- 
schlag, der  im  Ueberschufs  löslich  ist;  die  Lösung  ändert 
sich  beim  Kochen  für  sich  nicht;  beim  Kochen  mit  Kalilauge 
tritt  dagegen  Reduction  des  Silbersalzes  ein. 

Wenn  man  die  mitgetheilten  Eigenschaften  der  Base 
NC4H11O  berücksichtigt,  so  ist  leicht  ersichtlich,  dafs  der 
oben  mitgetheilte  Weg ,  welcher  zu  ihrer  Auffindung  führte, 
durch  eine  weit  einfachere  Darstellungsmethode  zu  ersetzen 
sein  wird. 


Zur  Beantwortung  der  Frage,   welche  rationelle  Formel 
der  Base  NC4H11O  zukomme,  stehen  einstweilen  nur  die  Er- 


und  Salzsäure  auf  Salpetersäure" Aetht/lätker.         243 

fahrungen   über   die  Bildung  derselben  zu  Gebote,   und  aus 
diesen  läfst  sich  nur  eine  Vermuthnng  über  die  chemische* 
Structur  der  Base  ableiten.    Man  darf  wohl  als  gewifs  an- 
nehmen,  dafs  dieselbe  ein  zweifach-äthylirtes  Hydroxylamin 
ist;  allein  es  bleibt  dann  noch  zweifelhaft,  ob  sie  Aethoxyl^ 

OC,H^  ^         OH 

äthylamin     NCgH^   ,   oder  aber  Diäthylhydroxylamin    NCjHj 

H  ^tHs 

ist.  Di€^  Bildung  der  letzteren  Base  erscheint  unter  den  Ver- 
hältnissen, unter  welchen  die  Base  gebildet  wird,  wenig 
wahrscheinlich.  Die  Bildung  eines  Aethoxylathylamins  da- 
gegen wäre  leicht  erklärlich  dui'ch  die  Annahme,  dafs  die 
durch  die  folgenden  Gleichungen  ausgedruckten  Processe 
nach  einander  stattfinden  ; 

NOCÄ   +3H.  =  nHj^^    +2H,0 
Salpetersanreäther  Aethoxylamin 

2N^^„        =     N^a  +         NCÄ 


OCjHs       —     "^  OH 


OC,H5 


Aethoxylamin      Hydroxylamin    AethoxyUtthylamin. 

Diese  Gleichungen  enthalten  zugleich  eine  Erklärung 
der  Hydroxylaminbildung,  welche  abweicht  von  derjenigen, 
die 'ich  in  meiner  früheren  Mittheilung  gegeben  habe,  und 
welche  durch  folgende  Gleichungen  ausgedrückt  wifd  : 

n8c.h, +  H»^  =  Not  +   «AO 

Ng|j  +  3H,  =   N^    +     2H,0. 

Findet  der  Vorgang  nach  diesen  letzteren  Gleichungen 
statt,  so  mufs  1  Mol.  Salpetersaureäther  1  Mol.  Hydroxyl- 
amin liefern,  während  nach  den  obigen  Gleichungen  2  Mol. 
Salpetersäureäther  1  Mol.  Hydroxylamin  liefern  müssen.  Ich 
habe  eine  Zeit  lang  geglaubt,  der  erst  erwähnten  Erklärungs- 
wejise  den  Vorzug  geben  zu  müssen ,  und  zwar  einmal  des- 
halb, weil  in  der  That  bei  den  am  Besten  gelungenen  Ope- 
rationen nur  die  Hälfte  vom  Stickstoff  des  Salpetersäureathers 

16» 


244  Loasen,  über  die  Einwirkung  von  Zinn 

in  Form  von  Hydroxylamin  erhalten  wurde.  Ich  verweise 
in  dieser  Beziehung  auf  die  oben  mitgclheilten  Bestimmungen 
der  Quantität  des  salzsauren  Hydroxylamins ;  der  Theorie 
nach  müssen  120  Grm.  Salpetersäureälher  circa  92  Grm. 
salzsaures  Hydroxylamin  Hefern,  wenn  der  ganze  StickstoiF- 
gehalt  des  Saipetersäureäthers  in  Hydroxylamin  übergeht; 
der  Versuch  hat  unter  bezuglich  der  Quantität  der  Salzsäure 
und  des  Wassers  ziemlich  wechselnden  Bedingungen  er- 
geben, dafs  etwa  die  Hälfte,  circa  46  Grm.,  oder  aber  aus 
2  Mol.  Salpetersaurcäther  1  Mol.  Hydroxylamin  gebildet  wird. 
Auf  der  anderen  Seite  haße  ich  mehrmals  vergeblich  ver* 
sucht,  Hydroxylamin  aus  Salpetersaure  zu  erhalten;  während 
bei  Anwendung  von  400  Grm.  Zinn,  120  Grm.  Salpetersäure- 
ätber,  1  Liter  Salzsäure  von  1,19  und  3  Liter  Wasser  die 
Reaction  unter  bedeutender  Wärmeentwickelung  verläuft,  ist 
die  Reaction  träge  und  nicht  von  einer  merklichen  Tempe- 
raturerhöhung begleitet,  wenn  alle  anderen  Verhältnisse 
dieselben  bleiben  und  nur  die  120  Grm.  Salpetersäureäther 
durch  eine  äquivalente  Menge  Salpetersäure  ersetzt  werden. 
Bei  der  Einwirkung  von  Zinn  und  Salzsäure  auf  Salpeter- 
Säureäther  wird  vorzugsweise  Zinnchlorid  gebildet;  der 
durch  Schwefelwasserstoff  entstehende  Niederschlag  ist  gelbes 
Schwefelzinn,  mag  man  auch  einen  Ueberschufs  von  Zinn 
anwenden.  Zur  Reduction  von  120  Grm.  Salpetersäureäther 
zu  Hydroxylamin  würden  467  Grm.  Sn  nöthig  sein ,  wenn  je 
1  At.  Zinn  (=  119)  2  At.  Wasserstoff  entwickelte,  sich  also 
zu  Zinnchlorür  löste;  es  wurden  dagegen  nur  233  Grm. 
Zinn  erforderlich  sein,  wenn  1  At.  Zinn  4  At.  Wasserstoff 
entwickelte,  sich  also  zu  Zinnchlorid  löste.  Bei  den  oben 
mitgetheilten  Versuchen  wurden  höchstens  280  Grm.  Zinn 
gelöst,  und  doch  war  dabei  die  Zersetzung  des  Salpetersäure- 
äthers beinahe  vollständig  erreicht.  —  Ersetzt  man  dagegen 
ceteris  paribus  den  Saipetersäureäther  durch  Salpetersäure, 


und  Salzsäure  auf  Salpeter  säur  e^Aethyläiher.        245 

SO  wird  wesentlich  Zinnchlorür  gebildet;  das  niederfallende 
Schwefelzinn  ist  braunes  Schwefelzinn,  selbstverständlich,  wenn 
die  Concentration  der  Salpetersäure  und  Salzsäure  enthaltenden 
Beductionsmischung  nicht  zu  grofs  ist.  Es  verläuft  demnach  die 
Beaction  von  Zinn,  Salzsäure  und  Salpctcrsäureälher  etwas  an- 
ders, als  die  Beaction  von  Zinn,  Salzsäure  und  Salpetersäure.  Ver- 
fährt man  ferner  bei  der  letzteren  so,  dafs  die  vom  Schwefelzinn 
abfiltrirte  Flüssigkeit  eingedampft  wird,  so  erhält  man  gar  kein 
Hydroxylamin.  Aus  allen  diesen  Beobachtungen  glaubte  ich 
schliefsen  zu  können,  dafs  aus  Salpetersäure  durch  Zinn  und 
Salzsäure  überhaupt  kein  Hydroxylamin  entstehen  könne,  dafs 
bei  Einwirkung  von  Zinn  und  Salzsäure  auf  Salpetersäure- 
äther zuerst  Aethoxylamin  N  u^  *  gebildet  werde ,  und 
dann  2  Mol.  des  letzteren  sich  umsetzen  nach  der  Gleichung  : 

Das  Hydroxylamin  war  in  einer  dieser  Gleichung  ent- 
sprechenden Quantität  nachzuweisen,  vom  Aethoxyläthylamin 
waren  freilich  nur  Spuren  zu  finden,  und  es  blieb  zu  unter- 
suchen, ob  ursprünglich  gröfsere  Quantitäten  vorhanden ,  ob 
und  wie  diese  weiter  zersetzt  würden.  Allein  ein  Ver- 
such, den  ich  während  des  Niederschreibens  dieser  Mitthei- 
lung  noch  anstellte,  macht  es  mindestens  sehr  wahr- 
scheinlich, dafs  dennoch  Hydroxylamin  aus  Salpßtersänre 
gebildet  werden  kann.  Ich  habe  mich  dabei  der  oben 
erwähnten  scharfen  Beaction  einer  alkalischen  Kupferlösung 
auf  Hydroxylamin  bedient ,  um  den  Verlauf  des  Processes 
genauer  zu  controliren.  Salzsäure ,  Salpetersäure  und  Zinn 
wurden  in  solchen  Quantitäten  zusammengebracht,  dafs  eine 
mäfsig  lebhafte  Einwirkung  erfolgte.  Das  unmittelbare  Pro- 
duct  der  Einwirkung  zeigte  starke  Beduction  der  alkalischen 
Kupferlösung.     Da  übrigens  auch  Zinnchlorür  wenigstens  in 


246  Lo3sen,  über  die  Einwirkung  von  Zinn 

concentrirteren  Lösungen  alkalische  Kupferlösung  redocirt^ 
so  wurde  das  Zinn  durch  kohlensaures  Natrium  ausgefällt; 
das  Filtrat  reducirte  stark.  Eben  so  reducirt  die  durch 
Schwefelwasserstoff  vom  Zinn  befreite  Lösung  direct  stark 
die  alkalische  Kupferlösung;  dampft  man  aber  diese  Lösung- 
ein, so  wird  die  Hydroxylaminreaction  immer  schwacher  und 
verschwindet  schliefslich  ganz,  indem  sich  fortwahrend  Gas 
entwickelt.  Es  röhrt  diefs  offenbar  daher,  dafs  bei  der  Ein- 
wirkung von  Zinn  auf  verdünnte  Salzsaure  und  Salpetersäure 
die  Salpetersäure  nur  theilweise  reducirt  wird;  der  nichl 
reducirte  Theil  bildet  beim  Abdampfen  mit  der  Salzsäure 
Königswasser  und  zerstört  das  Hydroxylamin.  Sättigt  man 
die  freie  Säure  vor  dem  Abdampfen,  so  bleibt  das  Hydroxyl- 
amin unzersetzt.  Eine  allzu  concentrirte  Lösung  zu  voll- 
ständiger Reduction  der  Salpetersäure  darf  auch  nicht  ange- 
wendet werden,  weil  Zinn  und  Salzsäure  im  Ueberschufs  das 
Hydroxylamin  zu  Ammoniak  reduciren.  Sehr  leicht  findet 
diese  Reduction  nicht  statt;  ich  habe  1,376  Grm.  salzsaures 
Hydroxylamin  mit  concentrirter  Salzsäure  und  7  Grm.  Zinn, 
also  mit  dreimal  so  viel  als  zur  vollständigen  Reduction  nöthig 
ist,  in  der  Siedehitze  behandelt,  bis  alles  Zinn  gelöst  war, 
das  Zinn  durch  Schwefelwasserstoff  ausgefällt  und  die  Lösung 
eingedampft.  Der  Abdampfruckstand  enthielt  viel  Salmiak, 
aber  auch  noch  unzersetztes  Hydroxylamin.  —  Nachdem  es 
aber  gelungen  ist,  aus  Salpetersäure  Hydroxylamin  zu  er- 
halten, ist  wenigstens  die  Annahme  nicht  mehr  zu  verwerfen, 
dafs  bei  der  Reduction  des  Salpetersäureäthers  zuerst  Sal- 
petersäure und  Alkohol  entstehen.  Allein  die  Quantitäten 
der  Säure,  welche  dabei  frei  werden,  scheinen  auch  sofort 
Reduction  9U  erleiden,  so  dafs  man  nach  Ausfällen  des  Zinns 
keine  öberschüssige .  Königswasser  bildende  Salpetersäure 
in  Lösung  hat.  Die  Base  NC4H11O  entsteht  natürlich  nur  aus 
dem  Salpetersäureäther,  und  die  Bildung  des  Hydroxylamins 


r 
I 


und  Salzsäure  auf  Salpetersäure- Aethyläiher,         247 

aus  Salpetersaure  schliefst  die  Annahme  nicht  aus,  dieselbe 
sei  Aetboxylathylamin  und  nach  der  oben  gepfebenen  Glei- 
chung entstanden.  Ob  aber  zur  Darstellung  von  Hydroxylamin 
Salpetersaure  vortheilhafter  zu  verwenden  ist  als  Salpeter- 
saureäther,  darüber  müssen  weitere  Versuche  entscheiden, 
da  die  Beobachtung,  dafs  aus  Salpetersäure  Hydroxylamin 
gebildet  werde,  wie  bereits  bemerkt,  erst  wahrend  des  Nie- 
derschreibens dieser  Mittheilung  gemacht  wurde. 

In  der  Base  NC4HnO  haben  wir  eine  kohlenstoffhaltige 
Base  aus  einer  Klasse  von  Nitroproducten.  aus  welchen  bis- 
her keine  kohlenstoffhaltigen  Basen  erhalten  wurden ;  aus 
einem  derjenigen  Nitroproducte ,  die  man  als  Aether  der 
Salpetersäure  auffafst,  zu  welchen  beispielsweise  Nitroglycerin, 
Nitroerythrit  und  Nitromannit  gerechnet  werden.  Es  kann 
sich  demnach  wohl  der  Muhe  lohnen,  die  Producte,  die  bei 
der  Reduction  dieser  Körper  entstehen,  nochmals  einer  ge- 
nauen Prüfung  zu  unterwerfen. 

Heidelberg,  18.  März  1868. 


Lieber  die  bei  hoher  Temperatur  entstehen- 
den Kohlenwasserstoffe; 

von  M,  Bertkelot*). 


Die  bei  hoher  Temperatur  entstehenden  Kohlenwasser- 
stoffe bilden  sich  in  Folge  der  gegenseitigen  und  directen 
Einwirkung  einfacherer  Kohlenwasserstoffe ,  wie  z.  B.  des 
ölbildenden  Gases,  des  Acetylens,  des  Benzins  u.  g.  w.    Ich 


0  Compt  rend.  LXVl,  624. 


248        Berthelot,  über  die  bei  hoher  Temperatur 

habe  dieses  allgemeine  Resultat  daroh  sehr  deatlich  be- 
weisende Versuche  mit  den  freien  Kohlenwasserstoffen  fest* 
gestellt,  welche  ich  je  zwei  und  zwei  auf  einander  einwirken 
liefs.  Ich  habe  z.  B.  erkannt,  dafs  das  bis  zum  Dunkelroth* 
glühen  erhitzte  Acetylen  sich  allmalig  zu  Benzin  umwandelt^ 
durch  das  Zusammentreten  von  3  Moleculen  : 

Das  Benzin  wiederum  wirkt  sowohl  auf  das  Acetylen 
als  auf  das  ölbildende  Gas  ein,  um  Styrolen  zu  geben  : 

Das  Styrolen  vereinigt  sich  mit  dem  Acetylen,  um  zu- 
erst Naphtalinhydrur  zu  bilden,  dessen  Existenz  nur  vor* 
übergehend  ist  : 

und  dann  das  viel  stabilere  Naphtalin  selbst  : 

Das  Naphtalin  wirkt  auch  noch  auf  freies  Acetylen  und 
auf  freies  Aethylen  ein,  um  Acenaphten  zu  bilden,  den 
schönsten  vielleicht  der  in  dem  Steinkohlentheer  enthaltenen 
Kohlenwasserstoffe  : 

C4H,  4"  ^^'«Ä  =  Ct4H|0. 

Und  so  ins  Unbestimmte  weiter.  Jede  dieser  Reactionen  ist 
für  sich  festgestellt  worden.  Alle  gehen,  wie  ich  es  wieder- 
hole, direct  und  für  die  Kohlenwasserstoffe  im  freien  Zu- 
stande vor  sich. 

Aber  wenn  dem  so  ist,  wenn  die  gegenseitigen  und 
directen  Einwirkungen  der  bei  hoher  Temperatur  entstehen^ 
den  Kohlenwasserstoffe  mit  eben  solcher  Nothwendigkeit  statt- 
finden, wie  die  gewöhnlichen  Beactionen  der  Mineralchemie, 
so  geht  daraus  auch  hervor,  dafs  überall  da,  wo  daa  Ace- 
tylen bei  Rothglühhitze  entsteht,  man  dieselbe  Reihenfolge 
von  Reactionen  erhalten  und  die  methodische  Bildung  von 
der  Reihe  von  Kohlenwasserstoffen  beobachten  mufs,  an 
welche  ich  eben  erinnerte. 


entstehenden  Kohlentoaaserstoffe.  249 

Ich  hielt  es  fär  nützlich,  diese  Schlursfolgerung  durch 
directe  Versuche  zu  bestätigen ,  angestellt  mit  den  Kohlen- 
wasserstoffen ,  welche  das  Acetylen  auf  Grund  der  regel- 
mflfsigsten  Reactionen  liefern;  ich  meine  das  olbildende  Gas 
oder  Aelhylen,  welches  durch  eine  einfache  Abgabe  von 
Wasserstoff  Acetylen  giebt  : 

C4H4  =  G4H«  -f-  Hf, 

und  das  Formen  oder  Sumpfgas^  welche  das  Acetylen  durch 
eine  regelmäfsige  Condensation  giebt  : 

2  C1H4  =  C^Hg  -p  8  Mg. 

I.  Ich  liefs  also  reines  und  trockenes  Ölbildendes  Gas 
durch  eine  rothglahende  Porcellanröhre  streichen,  unter  Ver- 
meidung allzuhoher  Steigerung  der  Temperatur.  Leitet  man 
dann  das  Gas  in  rauchende  Salpetersaure,  um  den  Benzin- 
dampf absorbiren  zu  lassen,  so  braucht  man  nur  einige  Liter 
ölbildendes  Gas  zu  zersetzen,  um  das  Benzin  mit  aller  Be- 
stimmtheit nachweisen  zu  können.  Zu  dem  Ende  scheidet 
man  das  Nitrobenzin  mittelst  Wasser  aus,  sammelt  es  durch 
Schötteln  der  Flüssigkeit  mit  etwas  Aether,  destillirt  in  einer 
kleinen  Retorte  den  Aether  ab  und  setzt  dann  Eisenfeile  und 
Essigsäure  zu.  Man  destillirt  mit  Vorsicht ,  neulralisirt  dus 
Destillat  mit  etwas  Kalk,  und  kann  dann  mittelst  Chlorkalk 
die  prflchtige  blaue  Färbung  hervorbringen,  welche  das 
Anilin  characterisirt.  Sie  tritt  mit  solcher  Intensität  auf, 
wenn  man  die  bei  hoher  Temperatur  entstehenden  Producte 
des  ölbildenden  Gases  diesem  Verfahren  unterwirft,  dafs  es 
hinreichen  würde,  etwa  100  Cubikcentimeter  dieses  Gases  in 
der  angegebenen  Weise  zu  behandeln,  und  vielleicht  noch 
weniger,  um  die  Reactionen  des  Benzins  zu  erhallen. 

Doch  glaubte  ich  den  Versuch  in  einem  gröfseren  Hafs- 
stab  wiederholen  zu  sollen  ^  um  das  Benzin  selbst  zu  isoliren 
und  wo  möglich  auch  die  anderen  Kohlenwasserstoffe,  welche 
die  Theorie  voraussehen  Ufst.    Ich  liefs  die  bei  der  Reaction 


250         Berthelot,  über  die  bei  hoher  Temperatur 

resultirenden  Gase  durch  ein  U  förmiges  Rohr  streichen, 
welches  erkaltet  gehalten  wurde  und  mit  einem  Recipienten 
durch  eine  verticale  Tubulatur  in  Verbindung  stand ,  die 
an  dem  mittleren  and  unteren  Theile  des  U  förmigen  Rohres 
angebracht  war.  Ich  habe  auf  diese  Art  eine  gewisse  Menge 
einer  theerartigen  Flüssigkeit  gesammelt,  welche  ich  dann 
fractionirten  Rectificationen  unterworfen  habe.  Ich  habe 
daraus  folgende  Körper  isolirt  : 

1)  Reines  Benzin  CisH,},  dessen  characteristische  Eigen- 
schaften leicht  festzustellen  sind. 

2)  Reines  Styrolen  CieHs.  Ich  habe  diesen  Kohlenwas- 
serstoff identificirt  nach  seinem  Aggregatzustand,  seinem  Ge- 
ruch, seinem  Siedepunkt  (etwa  145^),  der  raschen  Umwand- 
lung zu  Polymeren,  welche  er  bei  Berührung  mit  Jod  und 
mit  Schwefelsaure  erleidet ,  endlich  und  hauptsächlich  durch 
die  Bildung  der  krystallisirten  Jodverbindung,  welche  das 
Styrolen  giebt,  wenn  man  es  mit  einer  concentrirten  wasse- 
rigen Lösung  von  Jod  und  Jodkalium  schüttelt  und  fast  so- 
fort die  Flüssigkeit  verdünnt.  Die,  unter  dem  Mikroscope 
zu  beobachtende,  Krystallform  dieser  Jodverbindung  und  ihre 
freiwillige  Umwandlung  zu  Jod  und  Polystyrolen,  innerhalb 
einiger  Stunden ,  sind  aufserst  characteristisch ;  denn  alle 
diese  Eigenschaften  zeigt  nur  das  Styrolen  und  selbst  nur 
das  sehr  reine  Styrolen.  Ich  habe  auf  diese  Art  die  Bildung 
des  Styrolens  aus  ölbildendem  Gase  constatirt.  Bei  der  an- 
gegebenen Zersetzung  des  letzteren  ist  die  Menge  des  Styro- 
lens geringer  als  die  des  Benzins. 

Das  Benzin  und  das  Styrolen  sind,  die  einzigen  unter- 
halb 200^  flüchtigen  Kohlenwasserstoffe,  welche  in  bemerk- 
licher Menge  entstehen;  was  eine  Bestätigung  abgiebt  für 
die  Regelmafsigkeit  der  Beziehungen,  welche  zwischen  dem 
zersetzten  Körper  und  den  Producten  der  Umwandlung  des- 
selben existiren. 


entstehenden  Rohlenwasser Stoffe.  251 

3)  Bei  etwa  200^  und  höherer  Temperatur  gehen  ver- 
schiedene Flüssigkeiten  über,  welche  bald  zu  einer  krystal- 
linischen  Masse  erstarren.  Ich  glaube,  dafs  der  fluchtigere 
Theü  dieser  Flüssigkeiten  aus  Naphtalinhydrür  besteht,  dessen 
Geruch  und  Flüssigkeitsgrad  er  besitzt.  Aber  ich  kenne  bis 
jetzt  keine  Reaction,  welche  geeignet  wäre,  kleine  Mengen 
dieses  Kohlenwasserstofl*s  nachweisen  zu  lassen ;  die  Bildung 
desselben  ist  also  noch  nicht  bewiesen.  Hingegen  lafst  sieb 
leicht  feststellen,  dafs  die  in  dem  flüchtigeren  Theile  con- 
densirten  Krystalle  aus  Naphtalin  bestehen.  Dieser  Kohlen- 
wasserstoff tritt  übrigens  auch  mit  seinem  gewöhnlichen 
Aussehen  und  in  seinen  gewöhnlichen  Formen  in  dem  Vor- 
stofse  auf,  durch  welchen  der  Strom  des  zersetzten  Gases 
hindurchgeht.  Ich  verweile  hierbei-  um  so  weniger,  als 
Magnus  bereits  vor  langer  Zeit  die  Bildung  des  Naphtalins 
bei  der  Zersetzung  des  ölbildenden  Gases  beobachtet  hat. 

IL  Ich  will  jetzt  noch  die  Zersetzung  besprechen, 
welche  das  Formen  oder  Sumpfgas  bei  Rothgluhhitze  erleidet. 
Diese  Zersetzung  liefert,  wie  ich  bereits  vor  sieben  Jahren 
constatirt  habe,  zunächst  Acetylen,  aber  in  geringerer  Menge 
als  die  des  ölbildenden  Gases.  Auch  Benzin  entsteht,  wie 
man  leicht  feststellen  kann,  indem  man  einige  Liter  Sumpf- 
gas durch  eine  rothglühende  Röhre  und  dann  in  rau- 
chende Salpetersaure  leitet;  ich  habe  auf  diese  Art  nach 
einander  Nitrobenzin,  Anilin  und  die  das  letztere  characteri- 
sirende  schöne  blaue  Färbung  erhalten.  Endlich  verdichtet 
sich  auch  Naphtalin  in  dem  Vorstofs,  mit  den  diesem  Kohlen- 
wasserstoff gewöhnlich  zukommenden  Eigenschaften;  was  in 
Uebereinstimmung  steht  mit  dem  von  mir  vor  mehreren 
Jahren  bezüglich  der  Zersetzung  des  Sumpfgases  Veröffent- 
lichten. 

Aus  dem  Vorhergehenden  ergiebt  sich  :  Die  Bildung 
des  Acetylens  C!4Hj ,  welches  das  Endproduct  der  bei  hoher 


.. .  _  y 


252  Luynes  tf.  EsperandieUj  über 

Temperatur  vor  sich  gehenden.  Zersetzangen  ist,  hat  sar 
nothwendigen  Folge,  dafs  sich  eine  gewisse  Menge  Benzin 
CisHo  durch  polymere  Condensalion  bildet.  Aber  wenn 
Benzin  und  Acetylen  bei  Rothglühhitze  zusammen  sind,  ist 
die  Bildung  von  Styrolen  CieHg  wiederum  eine  nothwendige 
Folge  ihrer  gegenseitigen  Einwirkung.  Die  Bildung  des 
Naphtalins  resultirt  ihrerseits  aus  der  gegenseitigen  Einwir- 
kung des  Acetylens  und  des  Slyrolens  oder,  in  entfernterer 
Weisc^  des  Benzins  und  des  Acetylens. 

Diese  fast  allgemein  sich  zeigende  Bildung  des  Naphta- 
lins, welche  von  so  vielen  Beobachtern  bemerkt  wurde ,  ist 
von  Anfang  an  wahrgenommen  worden,  weil  dieser  Kohlen- 
wasserstoff krystallisirt  und  mit  sehr  characteristischen  Eigen- 
schaften begabt  ist;  aber  sie  blieb  bisher  unerklärt,  weil  man 
das  nicht  weniger  allgemeine  Auftreten  des  Benzins  und 
namentlich  die  Anwesenheit  und  die  directen  Einwirkungen 
des  Acetylens  nicht  erkannt  hätte,  welches  letzlere  der  fun- 
damentale Erzeuger  der  bei  hoher  Temperatur  entstehenden 
Kohlenwasserstoffe  ist 


üeber  pyrogallussaures  Ammoniak; 
von  V.  de  Luynes  und  G.  Esperandieu*). 


Pyrogallussaures  Ammoniak  lafst  sich  im  krystallisirten 
Zustand  in  der  Art  erhalten ,  dafs  man  Pyrogallussiure  in 
Aether  löst  und  die  Flüssigkeit  mit  Ammoniakgas  sättigt. 
Es  scheidet  sich  ein  weifses,  sehr  deutlich  krystallisirtes  Salz 


*)  Ann.  ohim.  phyB.  [4]  XU,  120. 


pyrogallussaurea  Ammoniak,  253 

aus,  welches  eine  bestimmte  Verbindung  von  Pyrogallnssäure 
and  Ammoniak  ist.  Es  ergab  in  drei  Bestimmungen  11;80; 
11,80  und  12,00  pC.  Ammoniak;  nach  der  Formel  CxkHoOuNHs 
berechnen  sich  11,88  pC. 


üeber  die  directe  Umwandlung  des  Aethylen- 

chlorojodids  zu  Glycol; 

von  Maxwell  Simpson*). 


Vor  einigen  Jahren  **)  entdeckte  ich  eine  Verbindung  yon 

{CI 
j  ,   welche  ich  als  Aethylen- 

chlorojodid  bezeichnete.  Ich  habe  mit  diesem  Körper  sehr 
viele  Versuche  angestellt,  in  der  Hoffnung,  dafs  es  mir  ge- 
lingen möge,  unter  Beibehaltung  des  einen  der  halogenen 
Elemente  in  der  Verbindung  das  andere  gegen  ein  mono- 
valentes Radical,  wie  Hydroxyl,  Cyan  o.  a.,  auszuwechseln. 
Alle  diese  Versuche  haben  nicht  zu  dem  gewünschten  Re- 
sultate gefuhrt.  Ich  habe  gefunden,  dafs  die  beiden  halo- 
genen Elemente  in  jener  Verbindung  stets  in  Gemeinschafk 
wirken,  so  dafs  es  unmöglich  ist,  das  eine  von  ihnen  durch 
ein  Radical  zu  ersetzen,  ohne  dafs  die  Ersetzung  sich  auch 
auf  das  andere  erstreckt.  Einen  dieser  Versuche  will  ich 
hier  beschreiben,  da  er  ein  bestimmtes  Resultat  ergab. 

In  der  Hoffnung,   einen   gechlorten   Alkohol   entstehen 
zu  lassen,  erhitzte  ich  i  Mol.  Aethylenchlorojodid  mit  1  Hol. 


*)  Philosophical  Magazine  [4]  XXXV,  282. 
**)  VgL  Ann.  Ghem.  Phamu  GXXVn,  872. 


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354  StinpsoTif  üher  die  directe  Umwandlung 

feuchtem  Silberoxyd,  wobei  ich  erwartete,  dafs  die  Einwir- 
kung gemäfs  der  Gleichung  :  ^ 

0,H/']^^.  +  ^^|o  =  GÄCl.  OH   +  AgJ 

vor  sich  gehen  werde.  Meine  Erwartung  bestätigte  sich 
jedoch  nicht.  Anstatt  eines  gechlorten  Alkohols  erhielt  ich 
Aethylglycol  als  das  Product  der  Einwirkung,  indem  beide 
halogene  Elemente  durch  Hydroxyl  ersetzt  wurden  : 

Glycol. 

Der  Versuch  wurde  in  folgender  Art  angestellt.  In 
einen  starken  Glaskolben  mit  langem  Halse  brachte  ich  1  Mol. 
Aethylenchlorojodid  und  1  Mol.  feuchtes  Silberoxyd.  Der 
Kolben  wurde  dann  zugeschmolzen  und  24  Stunden  lang 
einer  zwischen  160  und  200^  wechselnden  Temperatur  aus- 
gesetzt. Machher  wurde  der  Kolben  geöffnet  und  der  Inhalt 
desselben  filtrirt.  Das  Filtrat,  welches  vollkommen  klar  und 
farblos  war ,  wurde  der  Destillation  unterworfen.  Sobald 
das  Wasser  übergegangen  war,  stieg  das  Thermometer  rasch 
auf  180^  und  zwischen  dieser  Temperatur  und  220"  C.  ging 
eine  beträchtliche  Menge  einer  syrupdicken  Flüssigkeit  über, 
welche  ich  an  folgenden  Eigenschaften  als  Glycol  erkannte  : 
Sie  besafs  einen  süfsen  Geschmack  ^  war  löslich  in  Wasser, 
siedete  zwischen  195  und  200^,  und  gab  bei  Behandlung 
mit  Jodwasserstofl*säure  Aethylenjodid.  —  Dieselben  Resul- 
tate wurden  erhalten ,  als  1  Mol.  Aethylenchlorojodid  der 
Einwirkung  von  2  Mol.  Silberoxydhydrat  unterworfen  wurde. 

Bei  der  Destillation  des  Productes  der  eben  besproche- 
nen Reaction  bemerkte  ich ,  dafs  nach  dem  Wasser  eine 
kleine  Menge  ChlorwasserstofTsäure  überging.  Das  Auftreten 
dieser  Säure  konnte  ich  mir  nur  durch  die  Annahme  er- 
klären, dafs  das  Aethylenchlorojodid  das  anwesende  Wasser 
eben  so  wohl   als  das  Silberoxyd    (von  welchen   nur  1  Mol. 


des  Aethylenchlorojodida  zu  OlycoL  255 

zugegen  war)  zersetze,  und  dafs  bei  beiden  Einwirkungen 
dasselbe  Product  entstehe.  Folgende  Gleichungen  machen 
diefs  verständlich  : 

G,H/'{^'  +   2]^jO   =   €,H/'{^]^  +  HCl  +  HJ. 

Um  hierüber  ins  Reine  zu  kommen,  erhitzte  ich  1  Ge- 
wichtstheil  Aethylenchlorojodid  mit  5  Theilen  Wasser  in 
einer  zugeschmolzenen  Röhre  auf  eine  zwischen  160.  und 
220^0.  wechselnde  Temperatur,  bis  die  ganze  Menge  der 
ersteren  Verbindung  verschwunden  war.  Die  Röhre  wurde 
dann  geöffnet  und  das  Product  (welches  Chlorwasserstoff- 
und  Jodwasserstoffsäure  enthielt  und  durch  etwas  freies  Jod 
gefärbt  war)  mittelst  verdünnter  Kalilösung  neutralisirt.  Bei 
der  Destillation  erhielt  ich ,  wie  vorher ,  eine  syrupartige 
Flüssigkeit,  welche  zwischen  180  und  220^*  C.  überging  und 
alle  Eigenschaften  des  Glycols  besafs.  Die  erhaltene  Menge 
war  gering,  da  ein  Theil  des  Glycols  durch  die  bei  der 
Reaction  entstandene  Jodwasserstoffsäure  zu  Aethylenjodid 
umgewandelt  worden  war. 


Notiz  über  das  Hydracetamid   von  Schiff; 

von  A.  Strecker, 

Die  kürzlich  von  Schiff*)  als  Hydracetamid  beschrie- 
bene Base  G6H18N2  habe  ich  schon  vor  12  Jahren  in  der 
scandinavischen     Naturforscherversammlung     in     Christiania 


'')  Ann.  Chem.  Pharm.  SuppL  VI,  1. 


1 


256    Strecker,  Notiz  über  das  Bydracetamid  von  Schiff. 

(1856)  als  Aldehydin  characterisirt.  Aus  dem  ofBciellen 
Bericht  *)  S.  272  entnehme  ich  folgenden  Auszug  meines 
Vortrags  : 

Wenn  Aldehydammoniak  in  Berührung  mit  wenig  Was- 
ser, Alkohol  oder  Aether  stehen  bleibt,  zerfliefst  es  zn 
einer  braunen  syrupartigen  Flüssigkeit.  Dieses  ist  eine  neue 
Base  von  der  Zusammensetzung  CisHisN^,  welche  man  Alde- 
hydin nennen  kann  und  deren  Bildung  durch  die  Gleichung  : 

3  {C4H4O, .  NH,)  =:  C„Hi^,  +  6  HO  +  NH. 

sich  erklärt. 

Aldehydin  ist  in  Wasser  und  Alkohol  leicht  löslich,  in 
Aether  unlöslich,  von  alkalischer  Reaction.  Es  vereinig!  sich 
mit  Sauren  zu  neutralen,  unkrystallinischen  Salzen.  Mit 
Plalinchlorid  giebt  es  einen  amorphen  Niederschlag  von  der 
Formel  C^HuN, .  HCl  +  PtCl«. 

Tübingen,  24.  Juni  1868. 


*)  Forhandl.    Ted    de   skaadinavske  Natarfotskeres   sjnrende   Mode  i 
Christiama. 


▲oBgeg^ben  am  8.  Angaat  1868. 


ANNALEN 

DER 


CHEMIE  UND  PHARMACIE. 


VI.    Supplementbandes    drittes    Heft 

üeber  die  Verbindungen  des  Phosphors; 

von  H.  Wichelhaus. 


Die  nachfolgende  Untersuchung  hat  den  Zweck,  die  Un- 
nöthigkeit  der  Annahme,  dafs  die  Atome  des  Phosphors  in 
manchen  ihrer  Verbindungen  anders,  als  dreiwerthig,  seien, 
darzuthun;  sie  berührt  somit  die  allgemeine  Frage,  ob  man 
die  Valenzgröfse  der  Atome  constant  oder  wechselnd  anzu- 
nehmen habe. 

Es  sei  mir  gestattet,  vorher  mit  wenig  Worten  zu  er- 
örtern, in  wie  weit  diese  Frage  eine  offene  zu  nennen  ist. 

Gebraucht  man  ^Valenz^  als  kürzeres  Wort  an  Stelle 
des  von  A.  W.Hof  mann*)  eingeführten  „Quantivalenz^ 
in  demselben  Sinne,  so  ist  es  zunächst  klar,  dafs  zur  Bestim- 
mung der  relativen  Gröfse  dieser  ^atomfesselnden  Kraft^  nur 
diejenigen  Verbindungen  dienen  können,  welche  ein  Molecul 
reprasentiren. 

Weiter  wird  wohl  aligemein  zugegeben  werden,  dafs,  wenn 
nicht  die  einzig  mafsgebenden,  so  doch  die  sichersten  Schlüsse 
auf  die  Molecularconstitution  der  chemischenVerbindungen  unter 
Annahme  der  Avogadro'schen  Hypothese**)  aus  ihrer 


*)  Modem  chemistry  (London  1865),  S.  169. 
**)  Siehe  L.  Meyer,  moderne  Theorieen  der  Chemie,  S.  20  ff. 

AnnAl.  a.  Gham.  n.  Pharm.  VI.  annolflmAntbd.  3.  Hflft.  17 


258  Wichelkaus,  über  die  Verhindungen 

relativen  Raumerföllang  im  Gas«-  oder  Dampfzustände  gezogen 
werden,  und  dafs  es  daher  einer  ganz  besonderen  Begrün- 
dung bedarf,  wenn  man  solche  Körper  zur  Ableitung  der 
Valenzgröfse  eines  ihrer  conslituirenden  Atome  benutzt,  die 
sich  im  Dampfzustande  als  je  zwei  oder  mehr  verschiedene 
Holecule  darstellen. 

Erkennt  man  daher  zunächst  nur  diejenigen  Verbindan- 
gen  als  mafsgebend  an ,  welche  unzweifelhaft  —  auf  Grand 
der  Dampfdichte  —  einheitliche  Molecule  reprasentiren,  so 
fehlt  zur  Entscheidung  der  Frage,  welches  die  Valenz  der 
Atome  sei,  nicht  viel. 

Die  Atome  des  N  z.  B.  sind  von  diesem  Standpunkte  in 
allen  ihren  Verbindungen  dreiwerlhig  *)  ;  mit  derselben  Folge- 
richtigkeit im  Stickoxyd  und  im  Salmiak,  wie  im  Ammoniak 
selbst. 

In  Betreff  des  Stickoxyds  mag  es. dann  wohl  ials  abge- 
kürzte Ausdrucksweise  gelten ,  wenn  man  sagt  :  „Der  Stick- 
stoff ist  in  dieser  Verbindung  zweiwerthig^  anstatt  :  „die 
Atome  des  Stickstoffs  geben  nur  zwei  ihrer  Valenzen  zu  er- 
kennen^ ;  dafs  dieselben  aber  in  der  That  noch  eine  dritte 
besitzen,  geht  mit  Sicherheit  daraus  hervor,  dafs  das  Stick- 
oxyd ohne  Austausch  und  ohne  sein  Volumen-  im  Gaszustände 
zu  verändern  ein  einzelnes,  einwertbiges  Atom  (Gl)  aufnimmt 
—  ein  Fall,  der  einzig  **)  dasteht  .und  als  dio  unzweideu- 
tigste Hanifestirung  einer  freien  Valenz  hervorgehoben  zu 
werden  verdient. 


*)  Die  Valenz  der  H -Atome  als  Einheit  genommen. 

^'^)  Audi  Eohlenozyd  nimmt  ein  einzelnes  Atoin  (0)  ohne  Verftnderang 
in  den  Bestand  seines  Molcculs  auf;  da  aber  dieses  Atom  zwei- 
werthig  ist,  so  ist  der  Fall,  wie  man  leicht  sieht,  nicht  so  bewei- 
send, wie  dor  des  Stickoxyds. 


des  Phasphgre.  25& 

Beim  Salmiak  ist  es  schon  in  keinem  Sinne  mehr  ein 
blofser  Wortstreit,  der  sich  darum  dreht,  ob  die  Sticks.loiiatome 
in  demselben  drei-  oder  funfwerthig  za  nennen  seien. 

Denn  die  letztere  Bezeichnnng  schliefst  die  Annahme  in 
sich,  dafs  bei  der  Vereinigung  von  NHs  und  HCl  das  Stick- 
stoffatom des  ersteren  Molecub  Anziebungskräfle  auf  die 
Atome  des  andern  aufsere,  die  hinreichen,  dessen  Zusammen- 
hall zu  zerreifsen ,  so  dafs  die  einzelnen  Atome  H  und  Cl 
an  Stickstoff  gebunden  werden,  wie  die  bereits  vorher  da^u 
gehörigen  3  H. 

Da  nun  die  durch  die  empirische  Formel  NH4CI  bezeichnete 
Gewichtsmenge  Salmiak  durch  ihre  Raumerfüllung  im  Dampf- 
zustände andeutet,  dafs  sie  eine  doppelt  so  grofse  Anzahl 
von  Moleculen  umfafst,  wie  H«  oder  NHs  9  so  ist  die  erwähnte 
Annahme  und  Bezeichnung  für  das  Sticksloffatom  in  gas- 
oder  dampfförmigen  Verbindungen  unhaltbar;  so  lange  man 
also  seine  Schlüsse  vorzugsweise  aus  den  Beobachtungen 
ableitet,  die  der  Dampfzustand  gestattet,  bleibt  als  atomisti- 
sehe  Molecularformiel  des  Salmiaks  NHs,  HCl  als  die  einzig 
richtige  und  damit  die  Dreiwerthigkeit  der  darin  enthaltenen 
N-Atome  bestehen. 

Nur  unter  den  Phosphorverbindungen  giebt  es  solche, 
die  nachgewiesenermafsen  nur  ein  Molecul  darstellen  und 
dennoch  Veranlassung  zur  Annahme  euier  anderen  Valenz 
geben  könnten,  als  die  aus  den  einfachsten  Verbindungen 
(PClt  und  PH«)  abgeleitete  ist,  weil  sie  neben  dem  Phosphor 
mehr  als  drei  andere  Atome  oder  Gruppen  enthalten. 

Solche  Verbindungen  sind  Phosphoroxychlorid  und  Tri- 
äthylphosphinoxyd,  sowie  deren  Analoge;  sie  enthalten  aufser 
dem  Phosphor  noch  andere  mehrwerthige  Elemente  (0  oder  S), 
lassen  in  Folge  dessen  verschiedene  Auffassungen  zu  und 
haben  zum  Theil  bereits  rationelle  Formeln  erhalten,  welche 

17» 


260  W%chelhau$f  über  die  Verbindungen 

die  darin  enthaltenen  Phosphoratome  als  dreiwerthig  fest- 
halten *). 

Die  Frage,  welche  Annahme  hier  die  richtige  sei,  wird 
also  zu  einer  Frage  nach  der  Constitution  dieser  Körper  : 
sie  hat  sich  experimentell  entscheiden  lassen,  und  zwar  zu 
Gunsten  der  Trivalenz  des  Phosphors. 

Eben  so  wird  es  wohl  gelingen  ^  etwaige  Zweifel  in 
Betreff  der  Constitution  ähnlicher  Verbindungen  anderer  Ele- 
mente zu  heben,  und  es  dürfte  dann  der  Satz  allgemeine  An- 
nahme finden,  dafs  in  den  auf  Qrund  ihrer  Dampfdichte 
unzweifelhaft  aus  einheitlichen  Moleculen  besiehenden  Kör'^ 
pem  die  Valenz  der  Atome  eine  constante  Oröfse  ist. 

Wenn  man  nun  weiter ,  diesen  Boden  verlassend,  solche 
Verbindungen  in  die  Betrachtung  einfuhrt,  deren  Molecnlar- 
gröfse  zum  Mindesten  zweifelhaft  ist,  so  erhält  diese  Gesetz- 
mäfsigkeit  allerdings  zunächst  den  Anschein  der  Zufälligkeit. 

Aber  selbst  in  dem  Falle,  dafs  z.  B.  der  Salmiak  und 
der  s.  g.  Fünffach  -  Chlorphosphor  im  festen  Zustande  anders 
constituirt  sind,  als  sie  sich  im  dampfförmigen  darstellen, 
selbst  wenn  diese  Körper  in  dem  ersteren  Zustande  dennoch 
einheitliche  Molecule  reprasentiren ,  obwohl  ihre  Dampfdichte 
dagegen  spricht,  enthalt  der  obige  Satz  eine  Wahrheit,  die 
sich  in  folgender  Form  aussprechen  läfst  : 

Als  unabhängig  von  den  Aggregatzuständen  ergiebt  sich 
nur  eine  einzige  constante  Valenz  der  Atome, 

Hält  man  dann  die  Valenz  der  H- Atome  als  Einheit 
fest,  so  sind  in  diesem  Sinne  diejenigen  des  0,  S  u.  s.  w. 
unabänderlich  tweiwerthig^  des  N,  P,  As  u.  s.  w.  dreiwerthig 
und  die  des  C,  Si  vierwerthig. 


^)  Keknld,  Lehrbuch  der  org.  Chemie  I,  444. 


des  Phosphors^  261 

Diefs  zugegeben^  wäre  es  doch  wohl  richtiger,  die  ad- 
ditioneilen Kräfte ,  die  in  keiner  gasförmigen  Verbindung  sich 
kund  thun,  die  aber  nach  der  Ansicht  vieler  bedeutender 
Chemiker  den  Atomen  des  N  z.  B.  beim  Uebergange  ihrer 
Verbindungen  in  den  festen  Zustand  erwachsen  und  bei  der 
Verwandlung  in  Dampf  wieder  verloren  gehen ,  mit  einem 
besonderen  Namen  zu  belegen,  denn  sie  sind  jedenfalls  ver- 
schieden von  der  Valenz,  die  im  Gas-  oder  Dampfzustände 
ungemindert  bestehen  kann. 

Wenn  man  sich  ferner  fragt,  welcher  Art  diese  Kräfte, 
deren  Wirkung  im  gas-  oder  dampfförmigen  Zustande  auf- 
gehoben ist,  seien,  so  dürfte  wohl  die  Vorstellung,  die  man 
sich  von  dem  Wesen  des  Unterschiedes  der  Aggregatzustände 
machen  darf,  unmittelbar  darauf  hinführen,  dieselben  für 
moleculare  zu  erklaren. 

Dazu  kommt,  dafs  die  entgegengesetzte  Annahme,  nach 
welcher  die  dem  Salmiak  und  Phosphorsuperchlorid  entspre- 
chenden Körper  im  festen  Zustande  atomistisch  anders  con- 
stituirt  sind,  als  im  dampfförmigen,  bis  heute  jeder  stich- 
haltigen Begründung  entbehrt  Denn  die  Ansicht  von 
Wurtz*),  dafs  die  Dämpfe  dieser  Körper  in  demselben 
Sinne  abnorm  zu  nennen  seien ,  wie  die  des  Bromwasser- 
stoffamylens  bei  Temperaturen  über  360^,  läfst  sich,  wie 
C  a  h  0  u  r  s  durch  neue  Versuche  gezeigt  hat  *^) ,  nicht 
halten,  weil  für  die  erwähnten  Verbindungen  die  ent- 
sprechende normale  Dampfdichte  fehlt,  welche  das  Bromamyl 
bei  40  bis  60^  oberhalb  seines  Siedepunktes  zeigt. 

Während  daher  die  dem  ^Bromwasserstoflamylen^  ana- 
logen Körper  nur  eine  Bestätigung  für  den  wahrscheinlich 
allgemein  gültigen  Satz  liefern,  dafs  es  für  zusammengesetzte 


*)  Ann.  Chem.  Pliarm.  CXXXV,  818. 
**)  Daselbst  CXLI,  44. 


262  Wichelhaus,  über  die   Verbindungen 

Gase  oder  Dditipfe  irgend  eine  Temperatur  der  Spaltongr  in 
mehrere  Molecule  gicbt,  müfste  fQr  Salmiak  and  Phosphor* 
superchlorid  ersi  bewiesen  werden  ^  dafs  ihre  Dampfdichten 
etwas  anderes  als  die  normale  Raumerfflllung  bimolecularer 
Körper  bedeuten. 

Die  Anziehtingskrdfle  zwischen  Moleculen  bestehen  im 
Gaszustände  nicht  und  werden  bei  der  Ueberführung  fester 
oder  flussiger  Körper  in  Dampf  aufgehoben  :  der  nach  der 
Ansicht  von  Cannizzaro,  Kopp  und  Kekule  aus  PCI3 
und  Clj  bestehende  Dampf  des  Phosphorsuperchlorids  ist  also 
normal)  wenn  man  annimmt,  dafs  dieser  Körper  auch  im 
festen  Zustande  ein  bimolecularer  ist. 

Doch  ist  diese  Anschauung  ebenfalls  unbewiesen  und 
wird  des  directen  Beweises  entbehren ,  so  lange  es  nicht  ein 
eben  so  sicheres  Mittel  zur  Feststellung  der  Moleculargröfse 
fester  oder  flüssiger  Körper  giebt,  wie  die  Dampfdichte  für 
den  dritten  Aggregatzustand  ist. 

Lassen  sich  nun  aber  auch  ans  dem  Verhalten  und  den 
Roactionen  der  fraglichen  Körper  Bestätigungen  ihrer  bi- 
molecularen  Natur  ableiten,  so  durfte  die  Wahrscheinlichkeit 
der  Annahme ,  dafs  die  Valenz  wechseln  oder  bei  manchen 
Elementen  immer  über  das  Hafs  der  im  Dampfzustände  er- 
kennbaren hinausgehe*),  sehr  reducirt  werden. 

Da  es  gelungen  ist,  das  Pbosphorsuperchlorid  in  diesem 
Sinne  aufzuklaren ,  so  darf  ich  bofl'en ,  die  Frage  nach  der 
Valenz  der  Atome  zunächst  für  den  Phosphor  durch  die  foU 
gendcn  Darlegungen  zu  entscheiden. 

1)     Darstellung   der   4^thoxylderivate   des  Phosphors;    Ker- 
suche  mit  Mercaptan  und  Chlorj)ho8phor, 

Die  Chlorverbindungen  des  Phosphors  zersetzen  sich 
bekanntlich   mit  Alkohol  eben   so,   wie   mit  Wasser,   unter 

*)  Siehe  Erlonmcyor,  Lehrb.  d.  org.  Chemie,  S.  41  ff. 


dea  Phosphors,  263 

Ausgabe  von  Salzsaarc ;  die  Reste  von  Wasser  und  Alkohol, 
die  dabei  mit  dem  Phosphor  direct  oder  indirect  in  Verbin- 
dung treten,  sind  Hydroxyl  (OH)  und'  Aethoxyl  (OCslis). 
Man  kann  daher  die  Producte  der  Einwirkung  von  Alkohol 
unter  dem  Namen  Aethoxylderivate  zusammenfassen. 

Um  dieselben  in  gröfseren  Mengen  zu  erhalten,  verfährt 
majfi  am  Besten  in  folgender  Weise. 

Je  nach  den  anzuwendenden  Mengenverhältnissen  läfst 
man  Alkohol^  der  absolut  wasserfrei  sein  mofs,  zu  PCIs^  be- 
ziehungsweise POCI3 ,  oder  die  letzteren  Körper  zu  Alkohol 
tropfenweise  zufliefsen,  während  mit  Eis  stark  abgekühlt  und 
60  das  Entweichen  von  Salzsäure  während  der  Reaction  bei- 
nahe vollständig  vermieden  wird. 

Aus  dem  so  erhaltenen  Gemische  wird  dann  die  Salz- 
säure durch  einen  anhaltenden  Strom  trockener  Kohlensäure 
verdrängt,  und  während  die  letztere  noch  durchstreicht,  auf 
dem  Wasserbade  gelinde  erwärmt,  wenn  in  der  Kälte  kein 
Entweichen  mehr  stattfindet. 

Die  rückständigen  Producte  werden,  so  weit  diefs  mög- 
lich ist,  im  WasserstoiTstrom  destillirt  und  durch  Rcctification 
gereinigt. 

Bei  genauer  Beobachtung  dieser  Vorsichtsmafsregeln, 
deren  Zweck  wesentlich  darin  besteht,  die  zersetzende  Ein- 
wirkung der  Salzsäure  auf  die  Aethoxylgruppcn  der  ent- 
stehenden Körper  und  die  Oxydation  in  der  Hitze  zu  ver- 
meiden, erhält  man  die  chlorfreien  Producte  in  nahezu 
theoretischen  Mengen,  und  die  noch  chlorhaltigen^  sofern  sie 
sich  ohne  vollständige  Zersetzung  destilliren  lassen,  ziemlich 
leicht  und  annähernd  rein. 

Die  entstehenden  Körper  sind  folgende  : 

1)  aus  PClj  durch  Einwirkung  von  1  C^Ufi  :    HCl  +  PCl,(0C,n5)     I. 
n       n         n  n  n     2  C,HeO :  2  HCl  +  rCl(OC,II,),     H. 

,      n         n  .  n     3  C^H^O :  3  HCl  +  P(0C,H5)s        lU. 


264  Wichelhaus,  über  die   Verbindungen 

2)  aus  POCls  durchEinwirkung  von  1  C,HeO :    HCl  +  POCl«(OC,Hft)   IV. 
•         n         .  n  n     2  C^O :  2  HCl  +  POCl(OCÄ)g   V. 

n         !>         »       .      !>  n     3CäO:8HC1  +  PO(OC,H*),       VL 

Phosphorsuperchlorid  PCI5  bildet  keine,  ihm  zugehörigen 
Derivate,  sondern  gebt  bei  der  ersten  Einwirkung  von  Al- 
kohol in  Phospboroxychlorid  üben 

I  und  III  Aethylphosphorigsiurechlorfir  und  Phosphorig- 
saure  -  AethylSther  sind  von  Menschutkin*)  und  von 
Railton^*)  beschrieben. 

II  und  Y.  Die  durch  Einwirkung  von  2  Hol.  Alkohol 
entstehenden  Körper  PCl(OC2H5)s  und  POC](OC2H5)2  lassen 
sich  nicht  unzersetzt  destilliren  und  daher  als  solche  nicht 
wohl  reinigen. 

Die  Existenz  des  ersteren  wurde  durch  ein  Umwand- 
lungsproduct  und  dessen  Ueberführung  in  Aethylphosphor- 
saure  festgestellt  (siehe  weiter  unten). 

Eben  so  geht  die  des  zweiten  aus  der  Bildung  dialhyl- 
phosphorsaurer  Salze  hervor.  Man  braucht  nur  das  noch 
unreine  Product  der  Einwirkung  von  2  Hol.  Alkohol  auf 
1  Hol.  Phosphoroxychlorid  vorsichtig  in  Wasser  einzutragen 
und  mit  kohlensaurem  Blei  zu  neutralisiren ,  um  alsbald  be- 
trächtliche Hengen  eines  in  Wasser  und  Alkohol  löslichen 
Bleisalzes  zu  erhalten ,  dafs  im  Aussehen  demjenigen  der 
Diöthylphosphorsaure  völlig  gleicht. 

0,1546  Grm.  dieseB  Salzes  gaben  0,0911  PbS04;  daraus  borocbnon 
sich  40,23  pC.  Pb ;  die  Formel  P04(CsH5},Pbv,  verlangt  40,35 
pC.  Pb. 

Han  hat  also  ?Oi{CS^)tll,  entstanden  durch  Zusatz  von 
Wasser  aus  POCl(OC2H5)8  nach  der  Gleichung  : 

Pp,Cl(CA)«  +  H,0  =  HCl  +  P04(CA),H. 


*)  Ann.  Chem.  Pharm.  CXXXIX,  843. 
**)  Daselbst  XCH,  348. 


des  Phosphors.  265 

IV.  P0CIs(0CsH5) ,  Aelhylphosphorsiurechlorid^  ist  ein 
dünnflüssiges,  in  Wasser  unlösliches ,  aber  damit  leicht  zer- 
setzliches  Oel,  das  im  Wasserstoffstrom  deslillirt  werden 
kann  und  ziemlich  constant  bei  167^  siedet.  Dabei  findet 
immer  eine  geringe  Zersetzung  statt ;  doch  bezeugt  die  Chlor- 
bestimmung eine  sehr  annähernde  Reinheit  des  Körpers« 

0,2764  Grm.  Chlorid  gaben  0,4700  AgCl  tmd  0,0062  Ag. 

Daraas  berechnen  sich  42,9  pC.  Gl ;  die  Formel  FOjfilffifi^  verlangt 
43,5  pC.  C. 

Das  Chlorid  zerflierst  an  feuchter  Luft  unter  Ausgabe 
von  Salzsaure  zu  einer  syrupartigen  Säure  und  liefert  Salze, 
die  gleiche  Löslichkeit  und  sonstige  Eigenschaften  zeigen, 
wie  die  der  bekannten  Aethylphosphorsäure. 

Auch  die  Zusammensetzung  ist  die  gleiche. 

0,1992  Grm.   des  bei  100^   getrockneten  Ba- Salzes   gaben   0,1768 
BaSO«. 

Daraus  berechnen  sich  52,16  pC.  Ba;  die  Formel  POfCsHgBa  ver- 
langt 52,49  pC.  Ba. 

Bei  der  Zersetzung  des  Chlorids  mit  Wasser,  ja  sogar 
beim  Zerfliefsen  an  der  Luft,  bildet  sich  immer  neben  Aethyl- 
phosphorsäure eine  krystallinische  Substanz  in  geringer  Menge, 
die  an  ihren  Eigenschaften  als  Oxalsäure  erkannt  wurde. 

Die  Analyse  eines  Salzes  hat  diefs  bestätigt. 

0,2055  Grm.  Ba-Salz  dieser  krjstallinischen  Bäure  ^  gaben  0,2015 
BaSO«;  daraus  berechnen  sich  56,38  pC.  Ba;  die  Formel 
C,04Ba,  H,0  verlangt  56,37  pC.  Ba. 

VL  PO(OC8H5)3,  Phosphorsäureäthyläther,  der  schon 
▼on  Schiff  in  dieser  Weise  erhalten  wurde,  siedet  im 
Wasserstoffstrom  constant  bei  203^ 


Wenn  es  noch  besonderer  Darlegung  bedarf,  dafs  diese 
Körper  Aelhoxylgruppen  enthalten,  so  ist  für  die  Hehrzahl 
derselben  characteristisch,  dafs  sie  äthylirte  Säuren  des  Phos- 
phors sind  oder   bei  der  Zersetzung  mit  Wasser    liefern. 


1 


266  WichelhauSf  über  die  Verbindungen 

Aelhylphosphorige  Säure  ist  nicht  bekannt  ond  hat  sich  auch, 
nach  Menschutkin's  Angabe,  nicht  aus  dem  Aetfaylphos- 
phorigsfiurechlorur  erhalten  lassen ;  dafs  dieser  letztere  Kör* 
per  aber  nichtsdestoweniger  ein  Aethoxylderivat  ist^  kann 
wohl  nicht  bezweifelt  werden ;  wenn  man  die  Analogie  seiner 
Bildungsweise  mit  derjenigen  der  anderen ,  so  wie  die  Ge- 
setzmarsigkeit  der  SiedepunktsdiiTerenzen  in  Betracht  zieht, 
die  ich  schon  *)  hervorhob  :  Der  Eintritt  von  1  OC2H5  an 
die  Stelle. von  Cl  im  Phosphorchlorid  PCI3  erhöht  den  Siede- 
punkt um  390  und  der  von  3  OC2H5  um  114^  also  3  x  38^ 
Man  erhalt  : 

OCjHj  OCjHft 

PCI  (Siedep.  117<>)  ond  POCjHj  (Siedep.  192«). 

Cl  OCjH, 

Wendet  man  an  Stelle  des  Alkohols  Hercaptan  an,  so 
verlaufen  diese  Reactionen  in  ahnlicher  Weise  und  bilden 
sich  ohne  Zweifel  analoge  schwefelhaltige  Producte. 

Doch  zersetzen  sich  diese  letzteren  nicht  nur  bei  noch 
so  vorsichtiger  Destillation  unter  Ausscheidung  von  Phosphor 
und  Schwefel  :  sie  zeigen  diese  leichte  Zersetzbarkeit 
auch  noch  in  den  Umwandlungsproducten^  deren  Darstellung 
nach  Analogie  der  Aethoxylderivate  versucht  wurde  und  die 
jetzt  naher  beschrieben  werden  solle». 

2)     Umwandlung sproducte  der  Aethoxylderivate  durch  Chlor 
und  Brom';  Constitution  des  Phosphoroxychlorids, 

Aus  dem  ersten  Product  der  Einwirkung  von  Alkohol 
auf  PCI3,  dem  Aethylphosphorigsaurecblorür,  wird  die  Aethyl* 
gruppe  durch  Chlor  und  Brom  mit  Leichtigkeit  eliminirt;  es 
entstehen  Phosphoroxychlorbromür  und  Phosphoroxychlorid**). 


*)  Berichte  d.  d.  ehem.  Gesellsch.  1868,  S.  77. 

**)  Siehe  d.  vorlaufige  Notiz  über  diesen  Gegenstand  in  der  Zeitschrift 
für  Chemie,  Juni  1867. 


des  Phosphors.  267 

Diese  Umwandlungen  verlaufen  sehr  glatt  und  beinahe 
quantitativ ;  man  kann  daher  die  Constitution  des  Phosphor- 
oxycblorids  mit  ziemlicher  Sicherheit  daraus  ableiten  : 

OCjHß  OCl 

PCI  +    eil  =  CICÄ    +    PCI 

Cl  Cl 

(Aothylphosphorig-  (Phoaphoroxy- 

BäurechlorÜr)  chlorld). 

Doch  sind  die  Reactionon  ungewöhnlich  und  es  erschien 
daher  wünschenswertb,  die  in  dieser  Gleichung  angenommene 
Art  ihres  Verlaufs  durch  weitere  Belege  zu  stützen. 

In  der  That  hat  sich  dieselbe  an  den  beiden  anderen 
Derivaten  des  Phosphorchlorids  verfolgen  lassen. 

Leitet  man  Chlor  in  das  Product  der  Einwirkung  von 
2  C^H^O  auf  PCI3,  so  entweicht  unter  Erwärmung  der  Flüs- 
sigkeit ein  Gas,  welches  an  seiner  grün  gesäumten  Flamme 
leicikt  als  Chlorathyl  erkannt  wird.  Nach  beendigter  Gas- 
entwickelung lafst  sich  die  nunmehr  schwach  grün  gefärbte 
Flüssigkeit  destilliren  und  geht  zum  gröfsten  Thoile  zwischen 
140  und  160^'  über.  Bei  der  Rectification  steigt  der  Siede- 
punkt und  wird  bei  167^  (im  WasserslofTstrom)  constant. 

Obwohl  immerhin  eine  geringe  Zersetzung  stattfindet, 
lallst  sich  leicht  ein  ziemlich  reines  Product  in  gröfscrer 
Menge  erhalten. 

Die  Analyse  dieses  an  der  Lufl  rauchenden  und  zu  einer 
syruparligen  Saure  zcrfliefsenden  Körpers  hat  folgende  Re- 
sultate gegeben  : 

1)  0,2484  Grm.  gaben  0,1644  PAMg,. 

2)  0,3331  Grm.  gaben  0,1193  U,0  und  0,1748  CO,. 

3)  0,2366  Qnn.  gaben  0,0647  H^O  und  0,1297  COs. 

Die  daraus  berechneten  Zahlen  führen  zu  der  Formel 
FO2CI2C2H5. 


1 


berechnet 

p 

31            19,02 

0, 

32            19,63 

CI, 

71             43,56 

c. 

24             14,73 

H, 

5              8,06 

268  WiohelhauSf  über  die  Verbindungen 

gefunden 

1.  2.         3.        4.») 

18,5        —        —        — 

—  —        —      44,0 

—  14,29  14,37      — 

—  3,9       3,04      — 

100,00. 

Der  so  erhaltene  Körper  ist  also  nach  Zusammensetzang 
und  Siedepunkt  identisch  mit  dem  oben  beschriebenen  Pro- 
duct  der  Einwirkung  von  1  CaHuO  auf  PÜCI3 ;  er  zersetzt 
sich  ganz  in  derselben  Weise  mit  Wasser,  unter  Bildung 
einer  geringen  Menge  Oxalsäure,  zu  einer  syrupförmigen 
Säure,  deren  Salze  keine  Verschiedenheit  von  denen  der  be- 
kannten Aethylphosphorsäure  zeigen. 

Die  Salzbildung  geschieht  am  Besten,  indem  man  das 
Chlorid  in  Wasser  eintragt,  welches  kohlensaures  Silber 
suspendirt  enthalt. 

Zwei  Ag- Bestimmungen  des  bei  100^  getrockneten  lös- 
liehen  Salzes  ergaben  63,1  und  63,5  pG.  Ag;  die  Formel 
P04(C2H5)Aga  verlangt  63,5  pC.  Ag. 

Demnach  führen  die  besprochenen  Verwandlungen  des 

ff 

Phosphoroxychlorids  und  des  Phosphorchlorids  PCls  zu  den- 
selben Producten  und  ist  die  Verbindung  PO2CI2C2H5  das 
Chlorid  der  Aethylphosphorsäure. 

Dasselbe  unterscheidet  sich,  wie  aus  der  ersteren  Bil- 
dungsweise hervorgeht,  von  dem  Phosphoroxychlorid  dadurch, 
dafs  es  ein  Cl-Atom  des  letzteren   durch  Aethoxyl  ersetzt 


*)  Die  Clüorbestimmtuigen  fallen  stets  zu  hoch  aus,  wenn  man  nach 
Garius  im  Kugeschmolzencn  Rohr  oxjdirt;  anch  beim  FftUen  in 
ganz  verdünnter  Lösung  erhält  man  das  Chlorsilber  nicht  absolut 
rein;  daher  etwas  zu  viel  Chlor  gefunden  wurde. 


des  Phosphor».  269 

enthalt;  andererseits  bildet  es  sich  durch  Binwirkong  von 
Chlor  auf  ein  Bialhoxylderivat  des  Phosphors  neben  Chlor- 
atfayl,  so  dars  der  Vorgang  seinen  einfachsten  Ausdruck  in 
einer  Gleichung  erhalt,  die  der  oben  bei  der  Bildung  des 
Phosphoroxychlorids  aus  Aethylphosphorigsaurechlorür  auf- 
gestellten völlig  analog  ist  : 

OCjHj  OCl 

POCA  +  Cla  =  CICÄ  +        POCÄ 

Cl  Cl 

(Diftfhylpliospliorig-  (Aethylphoaphor- 

silureohlorär)  säuredilorid). 

Danach  wird  die  Constitution  der  Aelhylphosphorsaure 

O.OH 

angedeutet  durch  die  Formel  POCaH«  and  die  Bildung  ihres 
Chlorids  aus  dem  Phosphoroxychlorid  durch  die  Gleichung  : 

OCl  OCl 

PCI     +  CjHeO  =  HCl  +  POCgH« 
Cl  Cl 

Das  einfachste  Triathoxylderivat  des  Phosphors,  der  Phos- 
phorigsdnre-Aethyldther,  wird  durch  Chlor  und  Brom  in 
ahnlicher  Weise  verändert. 

25  Grm.  P(OC8H5)3  (Siedepunkt  192^)  nahmen  24  Grm. 
Brom  unter  Entfärbung  auf  und  gaben  bei  der  Destillation 
auf  dem  Wasserbade  15  Grm.  Bromäthyl. 

Diese  Mengen  entsprechen  den  nach  der  Gleichung 

P(OCjae)s  +  Br,  =  BrCA  +  P(0C,H5),0Br 

berechneten. 

Das  auf  dem  Wasserbade  rückständige  Product  läfst  sich 
nicht  ohne  Zersetzung  destilliren;  eben  so  wenig  das  durch 
Einleiten  von  Chlor  bis  zur  leichten  Grflnfärbung  der  Flüs- 
sigkeit erhaltene. 

Beide  rauchen  an  der  Luft  und  geben,  mit  Wasser  und 
kohlensaurem  Silber  zersetzt,  diäthylphosphorsaure  Salze. 
Der  Schmelzpunkt  des  so  dargestellten  Bleisalzes  wurde  bei 


270  Wtchelhaua,  über  die  Verbindungen 

180^  beobachtet;  stimmte  also  mit  dem  des  bekannten  SaUes 
überein. 

0)5216  Giin.  desselben,  mit  Schwefelsäure  zersetzt,  gaben  0,8022 
PbS04;  daraus  berechuen  sich  39,61  pC.  Fb,  während  die 
Formel  P04(C,H5)2Pbt/3  40,25  pC.  Pb  verlangt. 

Es  geht  hieraus  hervor,  dafs  der  durch  Einwirkung  von 
Chlor  unter  Austritt  von  Chlorathyl  aus  dem  Phosphorigsäure- 
Aethylather  erhaltene  Körper  wiederum  identisch  ist  mit  dem 
Producte  der  Einwirkung  von  2  Hol.  Alkohol  auf  Phosphor- 
oxychlorid;  man  wird  von  Neuem  auf  die  den  oben  ange- 
nommenen Verlauf  bestätigenden  Gleichungen  geführt  : 

OCjHj  OCl 

POGjHg     +    pi,    =    ClCgH«    +    POCjHg 
OCgHj  OCjHb 

(Phosphorigsäure'  (Diäthylphosphors&ure- 

Aethyiather)  chlorür). 

und 


OCl 

' 

■ 

OCl 

PCI 

+ 

2  CÄO 

s= 

2  HCl 

+ 

POCjHj. 

Cl 

OCA 

Die  daraus  abgeleitete  Constitution  der  Diathylphosphor- 

O.OH 

säure  wird  durch  die  Formel  POCgHs  angedeutet. 

OCjHß        ^ 

So  läfst  sich  also  die  Reaction  von  Chlor  und  Brom  auf 
alle  drei  Aethoxylderivate  des  Phosphorchlorids  PCls  anwen- 
den ;  sie  fuhrt  zu  Verbindungen ,  die  sich  andererseits  von 
dem  Phosphoroxychlorid  ableiten  und  die  man  als  Aethyl- 
und  Diäthylphosphorsäurechlorür  bezeichnen  kann. 

Auf  diese  letzteren  Körper  findet  dieselbe  Reaction  dann 
keine  Anwendung  mehr ;  Chlor  ist  ohne  Einwirkung  und  Brom 
hat  Zersetzung  zur  Folge.  Hit  Hülfe  des  letzteren  laftt  sich 
zwar,  durch  Erhitzen  auf  100^  in  zugeschmolzenen  Röhren, 
noch  weiter  Aelhyl  in  Form  von  Bromäthyl  abspalten;  aber 
es  bilden  sich  dabei  schon  in  den  Röhren  klebrige  Hassen 
und  die  an  der  Luft  stark  rauchenden  Producte  geben  mit 


des  Phosphors,  27t 

Wasser  Phosphorsäure,  als  Beweis  einer  eingreifenderen  Um- 
wandlung. 

Dabei  tritt  der  Geruch  und  die  bleichende  Reaction  der 
unterchlorigen  Säure  auf. 

Dasselbe  Verhalten  gegen  Brom  zeigt  das  vom  Phosphor- 
oxychlorid  abgeleitete  Triäthoxylderivat,  der  Phosphorsäure- 
Aethylather. 

Auch  diese  Zersetzungen  erklären  sich  näturgemäfs,  wenn 
man  die  Formel  PGl8(0CI)  für  das  Phosphoroxychlorid  an- 
nimmt und  die  Einwirkung  von  ChloV  und  Brom  auf  die  zu- 
erst besprochenen  Derivate  als  Verwandlungen  je  einer 
Aethoxylgruppe  dieser  Körper  in  Chloroxyl  (OCl)  oder  Brom- 
oxyl  (OBr)  aufTafst. 

Es  ist  a  priori  unwahrscheinlich,  dafs  zwei  solcher  (der 
letztgenannten)  Gruppen  neben  einander  an  demselben  P-Atom 

OCl 

bestehen  können,  und  es  zersetzt  sich  daher  der  aus  poc,H0 

ci 

durch    Einwirkung    von    Brom    etwa    entstehende    Körper 

OCl 

poBr  mit  Wasser  unter  Ausgabe  von  unterchlorigcr  Saure 

HOCI. 

Aus   dem  Phosphorsaure -Aethylather  wird  vermuthlich 

OOBr 

POCsHj   gebildet,    also    eine  Atomgruppe -OOBr,  die   der- 
OC5H5 

fenigen  der  chlorigen  Saure -OOCI  entspricht  und  leicht  zur 
Zersetzung  Veranlassung  giebt. 

Die  Annahme  von  Chloroxyl  im  Phosphoroxychlorid  kann 
ferner  die  oxydirende  Wirkung  erklären ,  die  sich  beim  Zer- 
fliefsen  des  äthylhaltigen  Derivats  durch  die  Bildung  einer 
kleinen  Menge  Oxalsäure  zu  erkennen  giebt. 

Dazu  kommt  nun  noch  die  Beziehung  des  Phosphoroxy- 
chlorids  zur  Phosphorsaure. 


272  Wickelhaus'f  über  die  Verbindungen 

Es  warde  oben  gezeigt,  dafs  sich  darch  eine  quantitativ 
verlaufende  klare  Reaction  eine  Aethylgruppe  im  Phosphörig- 
säure-Aethylather  durch  Brom  ersetzen  läfst,  und  dafs  dann 
ein  Derivat  der  Phosphorsaure  entsteh!,  indem  Hydroxyl  an 
die  Stelle  des  Broms  tritt. 

Danach  kann  man  die  Oxydation  der  phosphorigen  Saure 
zu  Phosphorsäure  nicht  anders  auffassen,  als  dafs  ein  H-Atom 
der  ersteren  durch  Hydroxyl  ersetzt  wird ;  die  Folge  davon 
ist  die  Ungleichwerthigkeit  der  Wasserstoffatome  in  dem 
Oxydationsproduct. 

Man  hat  : 

OH  O.OH 

2P0H    +  Ot    =    2P0H 
OH  OH 

(phosphorige  (Phosphor- 

Säure)  säure). 

Diese  Constitutionsformel  der  Phosphorsaure,  die  ahnliche 
Isomerieen  unter  ihren  Derivaten  voraussehen  Ififst,  vrie  sie 
Kolbe  an  denjenigen  der  schwefligen  Saure  nachgewiesen 
hat^),  steht  mit  dem  ganzen  Verhalten  bei  der  Salzbildung 
im  besten  Einklänge  und  erklärt  namentlich  ihre  Neigung 
zu  polymerisiren ,  wodurch  sie  sich  von  der  phosphorigen 
Säure  unterscheidet  : 

O.OH      O.OH  0-0-0 

POH    +  POH    =  HjO  +  POH  OHP 
OH        OH  OH  OH 

(Pyrophosphor- 
sfture). 

Da   nun    das   Phosphoroxychlorid    das    Trichlorid    von 

O.OH 

POH       ist,  SO  wird  man  auch  durch  diese  Beziehung  darauf 

OH  ^ 

OCl 

geführt,  dasselbe  durch  die  Formel    ^oi     zu  bezeichnen. 


^)  Ann.  Chem.  Pharm.  CXLHI,  72. 


des  Phosphors.  273 

3)    Einwirkung   von  Zinkäthyl  auf  Äeihylphosphorigsäure^ 
chlorür;  Constitution  des  Triäthylphosphinoxyds. 

Nachdem  der  eigenihümliche  Cbaracter  und  das  normale 
Dampfvolamen  des  Triäthylphosphinoxyds  durch  Hof  mann 
hervorgehoben  war,  hat  Pebal  die  Constitution  desselben 
als  eine  ketonartige  angenommen  *). 

Der  Versuch ,  diese  Annahme  durch  eine  künstliche  Bil- 
dung aus  Phosphoroxychlorid  und  Zinkithyl  zu  bestätigen, 
nahm  jedoch  einen  unerwarteten  Verlauf. 

Diefs  erklart  sich  unter  Annahme  der  eben  begründeten 
Constitution  des  Phosphoroxychlorids  durch  folgende  Glei- 
chungen : 

I.    2  PCa,(OCl)  +  3  ZnCCjHj),  =  2  PCCÄ)«  +  2  ZnCl,  +  Zn(OCl),. 

IL       Zii(OCl),    +     ZnCCA),  =  2  ClCjHs  +  2  ZnO. 
(nnterchlorigs.  Zink) 

In  der  That  erhielt  Pebal  eine  Verbindung  von  Tri- 
Sthylphosphin  mit  Chlordthyl  und  Chlorzink  neben  basischem 
Chlorzink  : 

[P(CjB[e)a  •  ClCjHskZnCl,  +  (ZnCl),0, 

also  genau  die  diesem  Verlaufe  der  Reaction  entsprechenden 
Producte. 

Nichtsdestoweniger  sind  Phosphoroxychlorid  und  Triathyl- 
phosphinoxyd  analog  constituirte  Verbindungen,  wie  die  fol- 
gende Bildung  des  letzteren  aus  Aethylphosphorigsäurechlorär 
and  Zinkathyl^  zeigt. 

Die  Mischung  dieser  beiden  Körper  wurde,  um  jede 
Oxydation  während  des  Versuches  zu  vermeiden,  in  einem 
mit  Leuchtgas  gefällten  Apparate  vorgenommen  :  Anfangs 
ruft  jeder  Tropfen   des  Chlorürs. lebhaftes.  Zischen  in  dem 


*)  Ann.  Chem.  Pharm.  CXX,  194. 
**)  Konce  Angabe  über  dessen^Darstellung  siehe  Ber.  d.  d.  chem.  Qes. 
1868,  S.  140. 

4fi 


a •        M       4^1.^_        _       «*!..__.       TIT       a»~^1>>_A~AU  J       O       ITj^M 


f 


274  Wichelhaus^  über  die  Verbindungen 

Zinkäthyl  hervor  und  mufs  die  Masse  aufserlich  abgekühlt 
werden;  gegen  Ende  unterstützt  man  die  Einwirkung  durch 
gelindes  Erwärmen. 

Das  Product  aus  je  1  Hol.  PCIsCOCsHs)  und  Zn(CsH5)i 
ist  eine  klare  dicke  Flüssigkeit ;  es  löst  sich  in  Wasser  ohne 
Reaction  und  ohne  Ausscheidung  auf,  enthält  also  weder 
Triäthylpbosphin,  noch  Zinkoxyd. 

Dagegen  liers  sich  leicht  Chlorzink  nachweisen  und 
schied  sich  auf  Zusatz  von  festem  Kali  Triäthylphosphinoxyd 
als  dickes  Oel  auf  der  Oberfläche  aus,  indem  zugleich  der 
widrige  Geruch  der  Phosphorbasen  deutlich  auftrat.  Das  Tri- 
äthylphosphinoxyd destillirte  zwischen  240  und  245^  gab  die 
characteristische  Fällung  mit  Jodzink  und  besafs  alle  Eigen- 
schaften des  von  Hof  mann  beschriebenen  Körpers. 

Da  nun  nach  dem  ganzen  Verlaufe  der  Reaction  nicht, 
wie  bei  dem  Versuche  von  Pebal,  eine  secundäre  Bildung 
desselben  angenommen  werden  kann,  so  hat  man  fQr  die 
Entstehung  die  einfache  Gleichung  : 

OCgHj  OCÄ 

Pa  +  Zn(Q|H5)g  =  ZnCl,    +        PC^ 

Cl  C,Hj 

(ActhylpLosphorig-  (TriAthylpho^liin- 

stturechlorür)  ozyd). 

Das  Triäthylphosphinoxyd  ist  also  Diäthyläthoxylphosphin, 
ein  Mittelglied  zwischen  Triäthylpbosphin  und  Phosphorigsänre- 
Aethylälher ;  seine  Consitution  ist  derjenigen  des  Phosphor- 
oxychlorids  analog  und  beide  entstehen  aus  dem  intermediären 
Aethylphosphorigsäurechlorür  9  je  nachdem  C^Vk  durch  Cl, 
oder  umgekehrt  2  Gl  durch  2  C2H5  ersetzt  werden. 

Beide  Körper  bilden  sich  bekanntlich  auch  durch  directe 
Einwirkung  des  Sauerstofl*s  auf  Phosphorchlorid  PCls  und 
Triäthylpbosphin  V{C^U^)s;  man  hat  dabei  eine  Einschiebung 
des  Sauerstoffs  zwischen  zwei  vorher  direct  verbundene 
Atome  oder  Gruppen  anzunehmen,   wie  sie  bei  der  Bildung 


I 


dea  Phosphors*  275 

Ton  unterchloriger  Saure  HOCl  aus  HCl  und  von  Zinkalkoholat 
Zn(OC8H5)9  aus  Zinkäthyl  Zn(GiH5)t  stattfindet. 

Auch  die  Bildung  der  dem  Triäthylphospfiinoxyd  ent- 
sprechenden Schwefelverbindung  durch  directe  Einwirkung 
dieses  Elements  auf  TriSthyiphosphin  (Hof mann)  hat  ihre 
Analogie  in  der  Umwandlung  von  Zinkathyl  zu  Zinkmercaptid 
Zn(SQ,H6)s  (Frankland). 

4)    Bimoleculare  Natur  des  Phosphorsuperchlorids, 

Die  Verbindung  des  Phosphorchlorids  mit  Chlor,  das 
sogenannte  Phosphorsuperchlorid  PCI5,  zeigt  dreierlei  wichtige 
Reactionen  : 

1)  Substitution  von  H  durch  Cl,  unter  Entwickelung  von 
Salzsaure  und  Hinterlassung  von  Phosphorchlorid ;  z.  B.  : 

CeH« .  SO,H      +    PCI5    =      CA .  flOtCl      +    HCl  +  PCI« 

(benzolschwefllge  (Sulfobenzol- 

8äare)  chlorür). 

2)  Einführung  von  Chlor  an  die  Stelle  von  Sauerstofi*  in 
Verbindungen,  wie  Aceton  oder  Chinon  unter  Bildung  von 
Phosphoroxy Chlorid ;  z.  B.  : 

CO(CH,),    +    PCI5    =    POCl,    +    CCl^CCHs), 
Aceton  Methylchloracetol. 

3)  Ersetzung  von  Sauerstoff  und  Wasserstoff  (Hydroxyl) 
in  Sauren  oder  Alkoholen  durch  Chlor,  wobei  Phosphoroxy- 
chlorid  und  Salzsaure  entstehen;  z.  B.  : 

CjHaO .  OH    +    PCI5    =    Cj^jO .  Cl    +  POCl«  +  HCl 
(Essigsäure)  (Chloracetyl). 

Die  erste  und  einfachste  dieser  Reactionen  wird,  wie 
R.  Otto  gezeigt  hat*),  in  derselben  Weise  durch  freies 
Chlor  zu  Stande  gebracht,  wenn  sich  Phenyl  an  der  Stelle 
des  zu  ersetzenden  H-Atoms  befindet  : 

CeHg.SOj.CA  +    Cl,    =    aCeHj    +      CÄ-SO^Cl 
(Sulfobenzid)  (Solfobenzolofalorür). 


^)  Ann.  Chem.  Phann.  CXLI,  97. 


276  Wichelhaus,  über  die  Verbindungen 

In  dieser  Abhandlung  sind  ferner  drei  Fälle  besprochen, 
in  denen  die  Ersetzung  des  Aethyls,  welches  den  Platz 
eines  HydroxylwasserstoiFs  einnimmt,  durch  Chlor  geschieht. 

Sofern  also  die  Substitution  des  Wasserstoffs  oder  einer 
dessen  Stelle  einnehmenden  Gruppe  mittelst  Phosphorsuper- 
chlorid  bewirkt  wird,  kann  man  das  Phosphorchlorid,  welches 
dabei  zurückbleibt,  als  Träger  von  Chlor  ansehen,  der  dessen 
Wirkung  verstärkt,  ähnlich  wie  das  Chlorjod  JCl  durch  vor- 
übergehende Bildung  von  JCI.CI2  die  Verwandlung  der 
Essigsäure  in  Chloressigsäure  durch  Chlor  erldchtert  (H. 
Hüller). 

Die  zweite  Reaction  des  Phosphorsuperchlorids  besteht 
offenbar  in  einer  Verdrängung  des  Sauerstoffs  durch  Chlor 
und  schliefst  die  Veränderung  des  rückstandigen  Phosphor- 
chlorids, nämlich  die  Oxydation  desselben  zu  Phosphoroxy- 
chlorid  in  sich. 

Danach  kann  man  die  dritte  Art  der  Einwirkung  in  ver- 
schiedener Weise  auffassen. 

Gewöhnlich  wird  angenommen ,  dafs  bei  der  Verwand- 
lung von  Essigsäure  in  Chloracetyl  das  Sauerstoffatom  des 
Uydroxyls  der  Säure  durch  Cl«  ersetzt  wird,  so  dafs  C^HsO .  CI  u. 
CIH  resultiren,  während  gleichzeitig  der  freiwerdende  Sauer- 
stoff zur  Bildung  von  Phosphoroxychlorid  Veranlassung  giebt 

Man  kann  aber  eben  sowohl  sich  denken,  dafs  zunächst 
die  mit  1)  bezeichnete  Reaction,  nämlich  Substitution  des 
H- Atoms  im  Hydroxyl  durch  Cl,  eintritt  und  dafs  die  so  ent- 
standenen Körper  : 

CÄO.OCl    +    PCI, 

sich  umsetzen  zu 

cAo.ci     +  pci,(oa). 

Der  letztere  Verlauf  ist  wahrscheinlicher,  wenn  man  an- 
nimmt, dafs  in  den  Wirkungen  des  Phosphorsaperchlorids  in 
erster  Linie  eine  durch  die  Anwesenheit  von  PCI3  versttrkte 


des  Phosphors.  277 

und  bestimmte  Wirkung  den  Chlors  hervortritt ;  er  mufs  sich 
erkennen  lassen,  wenn  man  das  Phosphorchlorid  zum  Trager 
Ton  z«  B.  Brom,  statt  von  Chlor  macht. 

Das  ist  nun  leicht  möglich  :  Phosphorchlorid  geht  mit 
Brom  wie  mit  Chlor  unter  Erwärmung  eine  in  starken  Kalte- 
mischungen  krystallinisch  erstarrende  Verbindung  ein  und 
dieser  Körper  ist  bereits  von  Friedel  und  Ladenburg*) 
mit  Erfolg  zur  Ersetzung  des  Aceton-Sauerstoirs  durch  Brom 
benutzt  worden. 

Dieses  bei  gewöhnlicher  Temperatur  aus  zwei  flussigen 
Schichten  bestehende  Gemenge  wirkt,  wie  sich  bald  ergab, 
eben  so  auf  hydroxylhaltige  Körper  ein,  wie  Phosphorsuper- 
chlorid. 

Man  sieht  nun  leicht,  wie  der  Verlauf  einer  solchen 
Reaction  die  obige  Frage  beantworten  mufs. 

Erfolgt  in  dem  hydroxylhaltigen  Körper  die  Ersetzung 
des  Sauerstoffs  durch  Chlor  oder  Brom,  wie  im  Aceton,  so 
entsteht  z.  B.  aus  Essigsäure  C2HSO .  OH  durch  PClaBr«  : 

C ^0 .  Br  Q.  BrH  neben  POCl«. 

Im  anderen  Falle  dagegen,  wenn  zuerst  die  Substitution 
des  Wasserstoffs  im  Hydroxyl  erfolgt,  sind  die  Mittelglieder  : 

CtH,0 .  OBr  und  PG]„ 

die  schliefslich  resultirenden  Producte  : 

CjiHjO .  Cl  nnd  PCl,(OBr). 

Essigsäure  war  zu  dem  Versuche  weniger  geeignet, 
weil  Phosphorchlorid  PCls  an  und  für  sich  darauf  einwirkt; 
Benzoesäure  aber  wird  durch  letzteres  nicht  verändert  und 
hat  daher  bald  zur  Entscheidung  geführt. 

Lafst  man  Brom  zu  einem  Gemenge  von  je  1  Mol.  C7H6O2 
und  PCls  tropfenweise  zufliefsen,  so  beginnt  gleich  eine  heftige 
Reaction  :  es  entweichen  rauchende  Dampfe,  die  Chlbrwasser 


*)  BoU.  SOG.  ofaim.  Vm»  146. 


278  WichelhauSf  Über  die  Verbindungen 

braun  färben,  also  jSromwasserstoff  sind,  und  es  tritt  all- 
mälig  Verflussigong  ein.  Die  nach  Zusatz  von  1  Mol.  Brom 
schwach  gefärbte  Masse  lafst  sich  ohne  Rückstand  destUlireii, 
enthält  also  nicht  etwa  Brombenzoesäure.  Man  erhält  neben 
Bemoylchlorid  einen  höher  als  Phosphoroxychlorid  siedenden 
Körper,  der  bei  der  Rectifiatlon  den  von  Menschotkin 
für  Phosphoroxychlorbromfir  angegebenen  Siedepunkt  (135 
bis  137^)  zeigt  und  die  entsprechende  Zusammensetzung  hat, 
wie  aus  der  folgenden  Analyse  hervorgeht 

1)  0,8119  Grm.  des  Körpers  gaben  1,9646  AgCl  +  AgBr. 

2)  1,6291  Gnn.  dieses  Qemenges  verloren  beim  Glühen  im  Cblor> 

Strom  0,1497  an  Gewicht 

Danach  berechnen  sich  40,64  pC.  Br  xmd  36,66  pC.  Cl. 

Die  Formel  POCI^Br  verlangt  40,40  pC.  Br  und  ,35,85  pC.  CL 

So  erhält  man  also  aus 

PCyBr,  +  CH*0 .  OH  :  C^H^O .  Cl  und  PCl,(QBi) 

und  ist  der  Verlauf  der  Reaction  so  anzunehmen  y  dafs  als 
Zwischenproducte  entstehen  : 

C^HgO.OBr    und    PCI,. 

Was  nun  hier  erkennbar  ist,  wird  natürlich  verdeckt, 
wenn  kein  Brom,  sondern  nur  Chlor  an  dem  Processe  Theil 
nimmt;  es  erscheint  aber  um  so  mehr  gerechtfertigt,  ent- 
sprechende, OCl  an  der  Stelle  von  OH  enthaltende  Mittel- 
glieder als  Producte  der  ersten  Phase  der  Reaction  von 
Phosphorsuperchlorid  aufHydroxylverbindungen  anzunehmen, 
weil  derartige  Körper  nicht  nur  überhaupt  darstellbar  sind 
—  C2H3O.OCI  Essigsäure-Chlor  von  Schützenberger — 
sondern,  insofern  sie  neben  PCls  beständig  sind,  aus  dem  in 
Rede  stehenden  Processe  selbst  hervorgehen  |  die  mit  1)  be- 
zeichnete Reaction]. 

Man  hat  daher  allen  Grund ,  die  Einwirkung  von  Phos- 
phorsuperchlorid auf  Hydroxylverbindungen  als  eine  SabsU- 
tution  des  Hydroxylwasserstoffs  durch  Chlor  aufzufassen,  der 


des  Phosphors»  '  279 

dann  in  vielen  —  nicht  in  allen  —  Fallen  eine  weitere  Um- 
setzung der  entstandenen  Producte  folgt« 
In  allen  Fällen  hat  man  : 

X.OH  +  PCU.Cl,  =  PCls  +  X,0C1  +  HCl, 

dann  weiter  in  den  meisten  : 

X ,  OCl  +  PCI,  ==  X .  Cl  +  PC1,(0C1). 

Die  Wirkung  des  gewöhnlich  gasförmigen  Chlors,  die 
in  manchen  Fallen  eine  gleiche  ist,  wird  natürlich  durch  die 
Existenz  desselben  in  einer  festen  Verbindung  verstärkt  und 
durch  die  Gegenwart  von  PCU  bestimmt. 

Der  Vergleich  des  Fhosphorsuperchlorids  mit  Chlor- 
phosphor-Brom FCI9 .  Br^  hat  noch  eine  andere  Bedeutung. 
Die  letztere  Verbindung  ist  bereits  als  Flüssigkeit  unverkenn- 
bar in  demselben  Zustande,  wie  die  erstere  als  Dampf.  Die 
Holecule  FCls  und  Br^ ,  die  zusammen  krystallisiren,  verlieren 
ihren  Zusammenhalt  schon  bei  der  Verflüssigung ,  so  wie  die 
Holecule  PCls  und  Cls  bei  der  Verwandlung  in  Dampf. 

Nichtsdestoweniger  reagirt  das  blofse  Gemenge  Chlor- 
phosphor-Brom eben  so  wie  Cblorphosphor-Chlor,  dessen 
empirische  Formel  PCI5  ist  und  das  man  daher  gewöhnlich 
FuniFach-Chlorphosphor  nennt. 

So  wird  also  die  vonCannizzaro,  Kekule  und  Kopp 
auf  Grund  der  Dampf  dichte  ausgesprochene  Ansicht,  dafs  der 
letztere  Körper  eine  moleculare  Verbindung  sei,  bestätigt 
durch  die  Art  und  Weise  seiner  Reactionen,  so  wie  durch 
die  Analogie  mit  einer  Verbindung,  deren  Zusammenhalt  be- 
reits im  flüssigen  Zustande  aufgehoben  ist  und  die  dennoch 
auf  den  ersten  Blick  einheitlich  zu  wirken  scheint. 

Danach  ist  die  atomistische  Molecularformel  des  Phos- 
phorsuperchlorids PCls .  eis  und  das  Phosphoratom  in  dem- 
selben nicht  anders,  als  dreiwerthig  anzunehmen. 


280     WiohelhauSf  über  die  Verbindungen  des  Phosphors. 

Die  im  Vorhergebenden  besprochenen  Körper  sind  die 
Prototypen  derjenigen  Phosphorverbindungen,  welche  zur 
Annahme  einer  Valenzgröfse  dieses  Elements  geführt  haben, 
die  von  der  durch  die  Dampfdichte  angezeigten  abweicht. 

Da  sich  diese  Annahme  nun  bei  näherer  Betrachtung 
dieser  Körper  als  unnöthig  erweist,  so  erscheint  die  Trivalenz 
der  Phosphoralome  in  allen  ihren  Verbindungen  nunmehr 
hinlänglich  begründet. 

Da  aber  ferner  Phosphoroxychlorid  und  Triäthylphosphin- 
oxyd  streng  genommen  die  einzigen  Körper  sind,  welche 
sich  gegen  den  in  der  Einleitung  aufgestellten  allgemeinen 
Satz  anführen  liefsen ,  so  gewinnt  derselbe  einen  hohen  Grad 
von  Wahrscheinlichkeit  : 

Als  unabhängig  von  den  Aggregatssusiänden  ergiebt  sich 
nur   eine   einzige   constante  Valenz   der  Atome. 

Zieht  man  dann  weiter  die  Bestätigung  in  Betracht,  welche 
die  bimoleculare  Natur  des  s.  g.  Fünffach  -  Chlorphosphors 
durch  dessen  Reactionen  erfährt,  so  sieht  man  eine  Hebung 
der  Schwierigkeiten  voraus,  welche  bis  jetzt  noch  der  An- 
nahme je  zweier  oder  mehrerer  unter  einander  verbundener 
Holecule  in  solchen  Körpern  entgegenstehen,  die  scheinbar 
einheitlich  sich  verhalten. 

Wenn  aber  diese  Schwierigkeiten  sich  heben  lassen,  so 
darf  man  wohl  annehmen,  dafs  die  von  den  Aggregatzustän- 
den der  Körper  abhängigen  Kräfte  überhaupt  den  Moleculen 
als  in  sich  geschlossenen  Systemen,  nicht  aber  einzelnen  in 
denselben  enthaltenen  Atomen  individuell  angehören. 

Berlin,  am  1.  Juli  1868. 


281 

üeber  die  Isomerie  der  Bicarbonsäuren  des 
Aethylens   und  Aethylidens; 

von  Demselben. 


Vor  einiger  Zeit  habe  ich  gezeigt*),  dafs  die  von 
IL  Hüll  er  aus  Cyanpropionsiure  dorch  Kochen  mit  Kalilauge 
erhaltene  Saure  nicht  die  Eigenschaften  der  Bernsteinsäure 
hat  und  daher  nicht  mit  derselben  identificirt  werden  darf; 
dafs  dagegen  Bernsteinsäure  erhalten  wird,  wenn  man  als 
Ausgangspunkt  /9  Jodpropionsäure  statt  der  aus  Milchsäure 
entstehenden  a  Ghlorpropionsäure  wählt. 

Die  Säure  von  H.  Muller  hat  nichtsdestoweniger  die 
Zusammensetzung  der  Bernsteinsäure,  wie  eine  von  Hrn. 
A.  Ell  er  in  meuiem  Laboratorium  gemachte  Analyse ^zeigt**) 
und  ist  die  derselben  isomere  Biearbäthylidensäure  : 

CH, .  CO .  OH  ,  CHa 

und 
CH, .  CO .  OH  CH(CO .  OH), 

(Bemsteinsäure)  (Biearbäthylidensäure). 

Sie  löst  sich  in  etwa  5  Theilen  Wasser,  schmilzt  schon 
bei  129  bis  130^  und  giebt  keine  Fällung  mit  Eisenchlorid. 

Die  Isomerie  der  beiden  Säuren  ist  eine  natürliche  Con- 
scquenz  derjenigen  der  Ghlorpropionsäure,  so  wie  der  Koh- 
lenwasserstoffe Aethylen  und  Aethyliden. 

Doch  hat  sich  der  Parallelismus  der  Reactionen  mit  den 
letzteren  nicht  in  gleicher  Weise  zu  dem  gewünschten  Ende 
führen  lassen,  wie  mit  den  ersteren. 

Erlenmeyer  und  Simpson  haben  mit  gleich  ungün- 
stigem Erfolge  versucht,  Aethylidenchlorür  in  das  entspre- 
chende Cyanür  und  die  zugehörige  Bicarbonsäure  zu  ver- 
wandeln. 


*)  Z«itBchr.  f.  Chemie,  neue  Folge,  HI,  347. 
**)  Ber.  d.  d.  ehem.  GesellBchaffc  1868,  S.  98. 


98l£  Wichelhaus j  über  die  Isomerie 

Daran  knüpft  der  Erslere  *)  eine  Zusammenstellung  der 
möglichen  Gründe,  weshalb  in  diesem  Falle  gewöhnliche 
Bernsteinsaure  anstatt  der  zu  erwartenden  Bicarbathyliden- 
saure  erhalten  wird,  und  entscheidet  sich  für  die  Annahme, 
dafs  das  Aethylidenchlorür  bei  der  zur  Einleitung  der  Reac- 
tion  nöthigen  Temperatur  eine  Zersetzung  in  Chlorwasserstoff 
und  Yinylchlorfir  erfahre,  aus  welchem  dann  Aethylencyanür 
durch  einen  complicirteren  Procefs  entstehe« 

Ich  will  die  Wahrscheinlichkeit  dieser  Erklärung  nicht 
bestreiten,  obwohl  es  immerhin  auffallend  ist,  dafs  Simpson 
die  Umwandlung  in  Cyanür  bei  einer  Temperatur  (160  bis 
180^)  zu  Stande  gebracht  hat,  welche  gerade  noch  unterhalb 
derjenigen  liegt,  welche  Erlenmeyer  als  für  die  von  ihm 
angenommene  Bildung  des  Vinylchlorfirs  erforderlich  an- 
giebt  (180<>). 

Nur  scheint  mir  die  einfachste  Annahme,  welche  Er- 
lenmeyer  nur  kurz  erwähnt,  mindestens  eben  so  berech- 
tigt, nämlich,  dafs  Aethylidencyanür  zwar  gebildet  wird, 
aber  eine  Umsetzung  zu  Aethylencyanür  erfahrt. 

Es  ist  eine  bemerkenswerthe  Thatsache,  dafs  es  bisher 
nicht  gelungen  ist,  Körper  darzustellen,  in  welchen  zwei 
oder  mehr  Cyangruppen  an  dasselbe  OAtom  gebunden  an- 
zunehmen wären. 

Ich  habe  selbst  viele  vergebliche  Versuche  in  dieser 
Richtung  angestellt,  dabei  auch  die  früheren  Angaben  über 
derartige  Verbindungen,  z.  B.  Cyanoform,  zu  bestätigen  mich 
umsonst  bemüht. 

Das  Mifslingen  der  Versuche  von  Erlenmeyer  und 
Simpson  liefert  einen  neuen  Beleg  dafür ^  dafs  die  Darstel- 
lung solcher  Körper  aus  den  entsprechenden  Chlorverbin- 
dungen mittelst  Cyankalium  nicht  geräth. 


*)  Ann.  Chom.  Pharm.  GXLY,  865. 


der  Bicarbansäuren  des  Aeihylens  und  Aethyltdens.    283 

Wenn  nun  aber,  wie  ich  auch  häufig  beobachtet  habe, 
die  Bildung  von  Chlorkalium  bei  diesen  Versuchen  vor  sich 
geht,  ohne  dafs  man  die  gewünschten  Cyänüre  erhielte,  so 
geht  daraus  hervor,  dafs  die  letzteren  als  solche  unbeständig 
sind  und  sich  weiter  umwandeln.  Diese  Umwandlung,  d.  h.  die 
Veränderung  in  dem  Verhaltnisse  der  näheren  Bestandtheile 
der  Körper,  führt  dann  entweder  zu  einer  ganzlichen  Spal- 
tung, oder  zu  einer  anderen  Gruppimng  derselben  Atom- 
gruppen, d.  h.  zur  Bildung  von  isomeren  Körpern. 

Nun  erhalt  man  statt  des  Aethylidencyanürs  dessen  Iso- 
meres. Soll  man  da  nicht  annehmen,  dafs  die  Umwandlung 
des  ersteren  auf  das  andere  hingeführt  hat  ? 

Erlenmeyer  erwähnt  selbst  die  Aehnlichkeit,  die  in 
der  Umwandlang  von  Aetbylidenbromur  zu  Aethylenbromür 
liegt;  tragt  aber  Bedenken,  die  Anschauung  auf  das  Cyanür 
zu  übertragen,  wahrscheinlich,  weil  es  sich  da  um  Kohlcn- 
stoffgruppen  handelt  und  deren  Zusammenhalt  immer  für  be- 
sonders fest  gehalten  wird. 

Nun  hat  Baeyer  vor  Kurzem  einen  neuen  Fall  dieser 
Art  beobachtet ,  in  dem  die  Umlagerung  von  untereinander 
verbundenen  Kohlenstoffgruppen  vorliegt  ^). 

Es  scheint  mir  daher,  dafs  man  die  Bildung  von  Bern- 
steinsäure aus  Aethylidenchlorür  so  auffassen  darf,  wie  es 
am  Einfachsten  ist  :  das  Aethylidencyanür  wird  zwar  gebildet, 
verwandelt  sich  aber  in  das  isomere  Aethylencyanur. 


^)  Ber.  d.  d.  ehem.  GeeellBchoft  1868,  6.  120. 


284  Graham^  über  die  Einachliefsung 

Ueber  die  Einschliefsung  des   Wasserstoff- 

gases  durch  Metalle ; 

von  Th.  Graham  *). 


Bei  meinen  früher  veröffentlichten  Versuchen**)  über 
die  Einschliefsung  des  Wasserstoffgases  durch  die  Metalle 
Palladium,  Platin  und  Eisen  wurde  die  Gasabsorption  als  etwas 
bei  niedrigeren  Temperaturen  nur  in  ungewisser  Weise  sich 
Zeigfendes  beobachtet,  aber  als  etwas  sicher  Eintretendes, 
wenn  das  Metall ,  in  der  Form  von  Schwamm  oder  gehäm- 
mert, erhitzt  und  dann  in  einer  Atmosphäre  von  Wasserstoff 
langsam  und  vollständig  abkühlen  gelassen  wurde.  Diese 
Thatsache  wurde  als  darauf  beruhend  betrachtet,  dafs  abso* 
lute  Reinheit  der  Oberflache  des  Metalls  für  die  erste  absor- 
birende  Wirkung  wesentliche  Bedingung  sei,  wie  nach  Fara- 
day's  Beobachtung  für  die  Wirkung  von  Platinfolie  oder 
Platindrahl,  das  Gasgemische  von  Sauerstoff  und  Wasserstoff 
sich  entzünden  zu  lassen.  Ein  neues  Verfahren,  die  Metalle 
bei  niedrigen  Temperaturen  mit  Wasserstoff  zu  beladen,  mit 
welchem  ich  in  letzterer  Zeit  bekannt  geworden  bin,  ist  nicht 
ohne  Interesse. 

Wenn  eine  Zinkplatte  in  verdünnte  Schwefelsäure  ge- 
bracht wird,  so  wird  Wasserstoff  von  der  Oberfliche  des 
Metalls  aus  entwickelt,  aber  kein  Wasserstoff  wird  zu  der- 
selben Zeit  eingeschlossen  und  zurückgehalten.  Ein  negatives 
Resultat  war  in  der  That  wegen  der  krystallinischen  Structur 
des  Zinks  zu  erwarten.  Bringt  man  aber  eine  dünne  Palla- 
diumplatte in  dieselbe  Saure  und  mit  dem  Zink  in  metallische 


*)  Aus  den  Proceedings  of  the  Rojol  Society  XVI,  422  mitgetheOt 
•*)  Vgl.  Ann.  Chem.  Pharm.  Bapplementbd.  V,  1.  D.  IL 


des  JVasaerstoffgasea  durch  Metalle.  285 

Berührung,  so  wird  dieselbe  bald  stark  mit  dem  Wasserstoff 
beladen,  welcher  dann  an  ihrer  Oberflache  auftritt.  Die  in 
einer  Stunde  von  einer  ziemlich  dicken  Palladiumplatte  bei 
12^  aufgenommene  Ladung  betrug  das  173  fache  Volum  der- 
selben. 

Die  Absorption  von  Wasserstoff  zeigte  sich  noch  stärker, 
wenn  die  Palladiumplatte  die  negative  Eiectrode  in  ange- 
säuertem Wasser  für  eine  Batterie  von  sechs  Bunse  naschen 
Elementen  abgab.  Wahrend  die  Entwickeiung  von  Sauer- 
sloffgas  an  der  positiven  Eiectrode  fortwährend  reichlich  vor 
sich  ging,  blieb  die  Gasentwickelung  an  der  negativen  Eiec- 
trode während  der  ersten  zwanzig  Secunden  gänzlich  aus,  in 
Folge  der  Einschliefsung  des  Wasserstoffs  durch  das  Palla- 
dium. Die  Absorption  betrug  schliefslich  das  200,4  fache 
Volum,  und  betrug  also  mehr  als  das  Wasserstoffvolum,  wel- 
ches durch  dieselbe  Plätte  eingeschlossen  wurde,  als  dieselbe 
nach  dem  Erhitzen  in  einer  Atmosphäre  dieses  Gases  er- 
kaltete ;  im  letzteren  Falle  wurde  nicht  mehr  als  das  90  fache 
Volum  eingeschlossen. 

Es  ist  bemerkenswerth,  dafs,  obgleich  der  Wasserstoff 
unter  diesen  Umständen  in  das  Metall  tritt  und  ohne  Zweifel 
sich  durch  die  ganze  Masse  desselben  verbreitet,  das  Gas 
doch  keine  Neigung  zeigte  bei  der  Absorptionstemperatur 
von  dem  Metalle  weg  zu  gehen  und  in  einen  leeren  Raum 
zu  entweichen.  So  wurde  eine  dünne,  in  der  eben  angege- 
benen Weise  mit  Wasserstoff  beladene  Palladiumplatte  ge- 
waschen, mit  einem  Tuch  abgetrocknet,  und  dann  in  eine 
ausgepumpte  Glasröhre  eingeschmolzen.  Als  die  Spitze  der 
Glasröhre  nach  zwei  Monaten  unter  Quecksilber  abgebrochen 
wurde,  fand  sich  das  Vacuum  noch  vollkommen  erhalten. 
Kein  Wasserstoff  war  in  der  Kälte  (bei  ungefähr  12^)  ver- 
dampft; aber  bei  nachherigem  Erhitzen  auf  100^  und  darüber 
wurde  aus  dem  Metall  das  333  fache  Volum  an  Gas  entmckelt. 


286  Oraham,  über  die  EinscUiefsung 

Ein  ähnliches  Resultat  wurde  erhalten,  als  ein  hohler 
Palladiumcylinder  von  115  Millimeter  Lange,  12  MM.  Durch- 
messer und  1  HM.  Wanddicke  als  negative  Electrode  in  eine 
saure  Flüssigkeit  gebracht  wurde,  während  die  abgeschlossene 
Höhlung  des  Cylinders  mittelst  eines  SprengeTschen  Aspira- 
tors  ausgepumpt  erhalten  wurde.  Kein  Wasserstoff  drang  im 
Verlaufe  mehrerer  Stunden  in  die  luftleere  Höhlung  ein,  wäh- 
rend das  Gas  ohne  Zweifel  durch  die  äufsere  Oberfläche  des 
Cylinders  reichlich  absorbirt  wurde  und  sich  in  die  ganze 
Masse  des  Metalls  verbreitete. 

Es  ergiebt  sich  hieraus,  dafs  bei  der  Absorption  des 
Wasserstofi's  durch  Palladium  die  Flüchtigkeit  des  ersteren 
Körpers  gänzlich  unterdrückt  werde;  und  Wasserstoff  kann 
in  beträchtlicher  Menge  in  Metallen  anwesend  sein,  ohne 
eine  irgend  bemerkliche  Tension  bei  niedrigen  Temperatoren 
zu  äufsern.  Eingeschlossener  Wasserstoff  ist  gewifs  nicht 
mehr  ein  Gas,  was  man  auch  bezüglich  seines  physikalischen 
Zustandes  denken  möge.  Dieselbe  Schlufsfolgerung  wurde 
angezeigt  durch  eine  andere  Reihe  von  Versuchen,  in  wel- 
chen gefunden  wurde,  dafs  für  die  Einschliefsung  des  Was- 
serstoffs durch  Palladium  und  selbst  durch  Eisen  es  nidit 
nöthig  ist,  das  Gas  unter  stärkerem  Druck  einwirken  zu  las- 
sen, sondern  dafs  dasselbe  selbst  noch  in  stark  verdünntem 
Zustande  durch  diese  Metalle  leicht  absorbirt  wird. 

Der  eingeschlossene  Wasserstoff  wird  leicht  in  der  Art 
aus  dem  Palladium  wieder  entfernt,  dafs  man  die  Stellung  des 
letzteren  in  der  Zersetzungszelle  der  Batterie  umkehrt,  so 
dafs  man  nun  Sauerstoff  an  der  Oberfläche  des  Metalies  sich 
entwickeln  läfst.  Der  Wasserstoff  wird  dann  aus  dem  Palla- 
dium eben  so  rasch  entfernt,  als  er  vorher  in  dasselbe  ein- 
getreten war,  und  das  Metall  wird  durch  diese  Behandlung 
vollkommen  wasserstofffreL  Wenn  mit  Wasserstoff,  belade&es 
Palladium  der  Atmosphäre  ausgesetzt  bleibt,  so  ist  das  Metall 


des  Wasserstoffgases  durch  Metalle.  287 

fähige  plötzlich  heifs  zu  werden  und  das  in  ihm  enthaltene 
Gas  gänzlich  durch  freiwillige  Oxydation  zu  verlieren. 

Das  Platin  kann  durch  die  Wirkung  der  Vol tauschen 
Batterie  eben  so  wie  das  Palladium,  nur  mit  dem  wie  ge- 
wöhnlich geringeren  Betrage  an  Gas,  mit  Wasserstoff  bela- 
den werden.  Die  von  altem  Platin,  welches  in  Form  einer 
Röhre  von  der  Dicke  eines  kleinen  Tiegels  angewendet  wurde, 
in  einer  Zersetzungzelle  aufgenommene  Beladung  betrug  2,19 
Volume.  Das  absorbirte  Gas  wurde  auch  wiederum  rasch 
ans  dem  Platin  entfernt  und  oxydirt,  als  die  Stelle  des  Me- 
talles in  der  Zersetzungszelle  umgekehrt  wurde.  Das  Platin 
erhielt  in  Folge  der  Einschliefsung  von  Wasserstoff  das  be- 
kannte Polarisationsvermögen.  Dieses  Vermögen  wurde  auch 
durch  das  Metall  noch  zuräckgehalten ,  nachdem  das  letztere 
mit  reinem  Wasser  abgewaschen  und  mit  einem  Tuch  abge- 
wischt war,  und  kam  bei  dem  Eintauchen  des  Metalle»  in 
verdünnte  Säure  zu  Wirksamkeit.  Die  zum  Austreiben  des 
Wasserstoffs,  welcher  in  solcher  Weise  durch  Platin  absorbirt 
war,  nöthige  Temperatur  wurde  als  nur  wenig  unterhalb  der 
Rothglühhitze  liegend  befunden,  obgleich  das  Gas  in  das 
Metall  bei  niedriger  Temperatur  eingetreten  war. 

Weiches  Eisen,  welches  während  einiger  Zeit  in  ver- 
dünnter Säure  gelassen  war,  schlofs  0,57  Vol.  Wasserstoff 
ein.  Diese  Beladung  mit  Gas  wurde  auch  bei  niedrigen  Tem- 
peraturen zurückgehalten,  und  entwich  in  ein  Vacuum  erst, 
als  die  Temperatur  bis  nahezu  zum  Rothglühen  gesteigert 
wurde.  Es  beweist  diefs,  dafs  das  Eisen  wie  das  Platin  durch 
Wasserstoff  in  der  Kälte  nicht  durchdrungen  wird,  da  die 
Temperatur,  bei  weTcher  Abgabe  des  Gases  erfolgt^  beträcht- 
lich hoch  liegt  *). 


*)  In  Cailletet^B  Yersuch,  bei  welchem  ein  dünnes  Eisenblech  der 
Einwirkung  einer  Säure  ausgesetzt  wird,   wird   das  Metall   ohne 


288  Oraham,  über  die  Einschliefsunff 

Während  Wasserstoff  darch  Palladium  und  Platin,  wenn 
diese  Metalle  als  negative  Polplatten  angewendet  werden, 
reichlich  absorbirt  wird,  wird  gar  kein  Sauerstoff  absorbirt, 
wenn  Platten  ans  denselben  Metallen  als  positive  Blectroden 
angewendet  werden.  Sauerstoffgas  wurde  an  der  Oberfläche 
der  letzteren  reichlich  entwickelt,  ohne  condensirt  zu  werden. 
Eine  Platinplatte,  welche  während  mehrerer  Stunden  als  posi- 
tive Electrode  gewirkt  hatte,  gab  nachher,  dem  Erhitzen 
unter  Auspumpen  unterworfen,  nur  eine  geringe  Spur  von 
Kohlensäure  aber  keinen  Sauerstoff  aus. 

Das  bekannte  Bntzändungsvermdgen ,  welches  Platin- 
schwamm (oder  reines  Platinblech)  für  einen  Strom  Y(m  Was- 
serstoffgas in  der  Luft  besitzt,  scheint  lediglich  auf  der  Ein- 
wirkung des  Metalles  auf  den  in  ihm  eingeschloss^en  Was- 
serstoff zu  beruhen.  Der  Wasserstoff  scheint  polarisirt  und 
seine  Anziehung  zum  Sauerstoff  beträchtlich  vergröfsert  zu 
sein.  Ich  erlaube  mir  folgende  Vorstellung  bezflglich  dieses 
Phänomens  hier  darzulegen,  mit  einer  Entschuldigung  dafür, 
dafs  die  Erklärung  einen  rein  speculativen  Character  hat. 
Wird  angenommen ,  dafs  das  Molecul  des  gasförmigen  Was- 
serstoffs eine  Verbindung  von  zwei  Atomen  dieses  Elementes, 
ein  Wasserstoff hydrur  ist,  so  wäre  zu  folgern,  dafs  die  An- 
ziehung des  Platins  zu  dem  negativen  Atom  des  Wasserstoff- 
moleculs  das  letztere  mit  dem  Metalle  sich  vereinigen  läfsl. 
Das  nur  unvollkommen  befriedigte  Bestreben  geht  auf  die 
Bildung  eines  Platinhydrürs.  Das  Wasserstoffmolecul  ist  dem- 
gemäfs  polarisirt  oder  orientirt,  mit  seiner  positiven  Seite 
einwärts   gekehrt   und  im  Besitz  einer  Verwandtschaft  zu 


Zweifel  vom  Wasserstoff  in  der  Kälte  durchdrangen,  aber  wie  es 
scheint  in  Folge  der  durchdringenden  Wirkung  der  Sltoro,  welche 
gleichzeitig  ihren  Weg  in  das  Metall  findet.  —  Comptes  rendus, 
4.  Mai  1868. 


des  Wasserstoff gasea  durch  Metalle.  289 

Saaerstoff,  welche  beträchtlich  gesteigert  ist.  Allerdings 
werden  die  beiden  Atome  eines  Wasserstoffmolecnls  als  un- 
zertrennbar betrachtet,  aber  diefs  ist  doch  wohl  nicht  unver- 
triglich  mit  der  Annahme,  dafs  solche  Wasserstoffatome, 
welche  durch  Verbindung  mit  Sauerstoff  entzogen  werden^ 
durch  andere  Wasserstoffatome  ans  den  [benachbarten  Mole- 
culen  ersetzt  werden.  Es  ist  nur  die  Voraussetzung  nöthig, 
dab  zwei  neben  einander  befindliche  Wasserstoffmolecule 
zusammen  auf  ein  einzelnes  aufseres  Sauerstoffmolecul  [ein- 
wirken. Sie  würden  Wasser  bilden  und  noch  zwei  Wasser- 
stoffatome oder  ein  Wassersti^molecnl  an  das  Platin  ange- 
lagert zurücklassen. 

Die  Oxydation  des  Alkohols,  des  Aethers  und  ähnlicher 
Substanzen  unter  Mitwirkung  des  Platins  scheint  gleichfalls 
eine  unmittelbare  Folge  einer  ähnlichen  Polarisation  des  Was- 
serstoffs dieser  Verbindungen  oder  eines  anderen  oxydir- 
baren  Bestandtheiles  derselben  zu  sein. 

Wie  bereits  bemerkt  wurde ,  folgt  daraus  ^  dafs  ein  Gas 
durch  ein  Metall  unter  dem  Druck  einer  Atmosphäre  bei 
einer  niedrigen  Temperatur  eingeschlossen  wird,  noch  nicht, 
dafs  das  Gas  bei  derselben  Temperatur  aus  dem  Metall  in 
ein  Vacuum  austreten  wird ,  sofern  oft  eine  viel  höhere  Tem- 
peratur für  die  Austreibung  eines  Gases  als  für  die  erste 
Absorption  desselben  erforderlich  ist.  Diefs  gilt  namentlich 
für  die  Einschliefsung  des  Kohlenoxydes  durch  Eisen.  Gufs- 
eisen  ist  viel  zu  porös  für  solche  Versuche  und  läfst  Kohlen- 
oxyd eben  so  wie  andere  Gase  auf  Grund  der  Diffusion  von 
Gasen  reichlich  hindurchgehen.  Selbst  Schmiedeeisen  bietet 
Schwierigkeiten  für  die  Beobachtung,  wegen  der  Lange  der 
Zeit,  während  welcher  dieses  Metall  fortfährt,  Kohlenoxyd 
aus  seinem  eigenen  Vorrath  an  diesem  Gase  zu  entwickeln. 
Aber  für  eine  Röhre  aus  Schmiedeeisen,  welche  zuerst  von 
dem  bereits  in  ihr  enthaltenen  Gase  vollständig  befreit  war, 


290  Graham^  über  die  Etnschliefsung 

ergab  es  sich,  däfs  sie  Kohlenoxyd  nach  eir  a  Vacunm  lut. 
nur  sehr  langsam  im  Vergleich  zu  Wassei^foflf  hindurchgehen 
liers,  obgleich  das  Volum  des  Kohlenoxydgases^  welches  das 
Metall  zu  absorbiren  im  Stande  ist,  ein  recht  erhebliches 
ist,  sofern  es  4  Volume  betragt  und  gröfser  ist,  ab  das  Volum 
des  Wasserstoffgases,  welches  dasselbe  Metall  einsohliefsen  kann. 
Kohlenoxyd  ging  nicht  in  merklicher  Menge  durch  Eisen  von 
1,7  MM.  Dicke,  bis  die  Temperatur  betrachtlich  erhöht  war, 
und  dann  betrug,  bei  voller  Rothglühhitze,  der  Durehgang  des 
Gases  für  eine  Minute  und  ein  Quadratmeter  Flache  : 

für  Kohlenozyd  :  0,284  GC. ; 

für  Wasserstoff  :  76,5        „    . 

Der  Zustand  des  durch  ein  colloidales  Metall  eingeschlos- 
senen Wasserstoffs  Mfst  sich  wohl  amVortheilhaftesten  in  der 
Vereinigung  des  letzjeren  mit  Palladium  untersuchen,  wo  die 
Menge  des  eingeschlossenen  Gases  eine  beträchtliche  ist  In 
dem  pulverig -schwammigen  Zustand  nahm  Palladium  655 
Volume  Wasserstoff  auf,  und  so  beladen  gab  es  kein  Gas 
nach  dem  Vacuum  hin  bei  gewöhnlicher  Temperator  ab, 
sondern  erst,  als  die  Temperatur  bis  nahezu  auf  100^  erhöht 
wurde.  Für  gehämmerte  Palladiumfolie  ist  beobachtet  wor- 
den, dars  sie  ganz  eben  so  viel  Gas  aufnimmt.  Aber  den 
Zustand,  in  welchem  das  Palladium  mit  dem  gröGsten  Ab- 
sorptionsvermögen ausgestattet  zu  sein  scheint,  nimmt  es  an, 
wenn  es  aus  einer  etwa  1,6  procentigen  Lösung  des  Chlorids 
durch  die  Einwirkung  einer  Volta' sehen  Batterie  in  der 
Form  eines  compacten  Metalles  ausgefällt  wird.  Das  Palla- 
dium gehört  nicht  zu  den  Metallen,  welche  in  solcher  Weise 
leicht  ausgefallt  werden;  aber  es  läfst  sich  durch  die  Wir- 
kung einer  einzelnen  grofsen  Zelle  auf  einem  dünnen  Platin- 
draht in  glänzenden  Blättchen  ausscheiden.  Das  Palladium 
löst  sich  nach  einiger  Zeit  von  dem  Draht  ab,  und  zeigt  da, 
wo  es  mit  dem  Platin  in  Berührung  gewesen  war,  eine  glän- 


des  Wasserstoff gases  durch  Metalle.  291 

zende  weifse  metallische  Oberfläche,  während  es  auf  der 
Seite,  wo  es  der  Säare  ausgesetzt  war,  eine  matte,  an  metal- 
lisches Arsen  erinnernde  Oberfläche  zeigt.  So  dargestellt 
enthalt  es  keinen  eingeschlossenen  Wasserstofi*.  Aber  als  die 
metallischen  Blattchen  in  Wasserstoff  auf  100^  erhitzt  und  in 
demselben  Gas  eine  Stunde  lang  langsam  erkalten  gelassen 
wurden,  so  ergab  sich,  dafs  sie  nun  982,14  Volume  Gas, 
gemessen  bei  11^  und  756  MM.  Barometerstand,  eingeschlos- 
sen hatten.  Diefs  ist  die  beträchtlichste  Wasserstoffabsorption, 
welche  beobachtet  worden  ist.  So  stark  beladenes  Palladium 
gab  ein  geringes  Anzeichen  dafür,  dafs  es  Wasserstoff  nach 
einem  Yacuum  hin  mit  fiufserster  Langsamkeit  in  der  Kälte 
entweichen  läfst.  Die  Beladung  dieses  Palladiums  ist,  nach 
Gewichten  ausgedrückt  : 

Palladium  1,0020  Gnn 99)277 

Wasserstoff        0,0073     „       0,728 

100,000. 

Das  Yerhältnifs  ist  das  von  1  Aeq.  Palladium  zu  0,772 
Aeq.  Wasserstoff*),  oder  es  entspricht  einer  Annäherung 
zu  einer  Verbindung  nach  gleichen  Aequivalenten^  PdH.  Aber 
der  Auffassung,  es  handle  sich  hier  um  eine  bestimmte  che- 
mische Verbindung,  stehen  mehrere  Betrachtungen  entgegen. 
Das  metallische  Palladium  erleidet  keine  sichtbare  Verände- 
rung durch  die  Vereinigung  mit  Wasserstoff.  Hydrure  eini- 
ger Metalle  sind  bekannt  :  so  das  des  Kupfers  (Wurtz)  und 
das  des  Eisens  (Wanklyn);  aber  diese  Verbindungen  sind 
braune  puWerige  Substanzen  ohne  metallischen  Character. 
In  der  That  kann  auch  ein  Palladiumhydrür  gebildet  aber 
seiner  grofsen  Unbeständigkeit  wegen  nicht  aufbewahrt  wer- 
den. In  Befolgung  des  von  Wurtz  für  die  Darstellung 
des  Kupferhydrürs  angegebenen  Verfahrens  wurde  salpeler- 
saures  Palladium  mit  Schwefelsäure  gekocht  und  das  schwefel- 


•)  H  =  1 ;    Pd  =  106,5. 

19» 


292  Oraham,  über  die  Einschließung 

saure  Palladium  (ein  rothes  krystallinisches  Salz)  dargestellt. 
Eine  Lösung  dieses  Salzes  mit  einem  Ueberschusse  von 
Schwefelsaure  wurde  mittelst  unterphosphorigsauren  Natrons 
gefallt;  ein  schwarzes  Pulver  wurde  ausgeschieden ,  welches 
bei  0^  rasch,  unter  reichlicher  Entwickelung  von  Wasserstoff- 
gas, sich  zersetzte.  Was  schliefslich  zurückblieb  ergab  sich 
als  reines  Palladium;  mit  dem  gewöhnlichen  schwarzen  amcNr- 
phen  Aussehen  desselben  und  mit  keiner  Spur  von  KrystalU- 
sation.  Es  ist  sonderbar ,  dafs  dieser  Palladiumniederschlag 
keinen  Wasserstoff  eingeschlossen  enthielt,  und  selbst,  als  das 
so  dargestellte  Palladiumschwarz  getrocknet  einer  Atmo- 
sphäre von  Wasserstoffgas  in  gewöhnlicher  Weise  ausgesetzt 
wurde,  condensirte  es  keine  merkliche  Menge  dieses  Gases. 
Es  erlangte  jedoch  diese  Eigenschaft  durch  Erhitzen  bis  zum 
Rolhgluhen  und  Umwandlung  in  graues  Palladium. 

Ich  bin  zu  der  Schlufsfolge^ung  geneigt,  dafs  dem  Durch- 
gang von  Wasserstoff  durch  eine  Metallplatte  immer  eine  Con- 
densatioiL  oder  Einschliefsung  des  Gases  vorhergeht  Aber 
es  mufs  auch  zugegeben  werden,  dafs  die  Schnelligkeit  des 
Durchgangs  nicht  dem  Volum  des  eingeschlossenen  Gases 
proportional  ist ;  sonst  würde  der  Durchgang  durch  Palladium 
bei  niedriger  Temperatur  ein  viel  beträchtlicherer  sein,  ab 
bei  hoher.  Eine  aus  diesem  Metalle  bestehende  Platte  war 
bei  267^  nahezu  von  eingeschlossenem  Wasserstoffgas  frei 
gemacht >  aber  sie  gestattete  diesem  Gas  noch  den  Durch- 
gang und  zwar  bei  noch  höheren  Temperaturen  in  erheblich 
erhöhtem  Grade,  und  ohne  dafs  sie  gleichzeitig  anderen 
Gasen  den  Durchgang  gestattet  hätte.  In  einem  auffallenden 
Versuche  wurde  ein  Gemische  von  gleichen  Volumen  Wasser- 
stoff und  Kohlensäure  durch  eine  kleine  Palladiumröhre  ge- 
leitet, deren  innerer  Durchmesser  3  MM.  und  deren  Wand- 
dicke 0,3  MM.  betrug.  Von  der  äufsei-en  Oberfläche  dieser 
Röhre  entwich  bei  Rothgluhhitze  Gas  in  ein  Vacuum  mit  der 


des   Wasserstoff gasea  durch  Metalle,  293 

ungemein  grofsen  Geschwindigkeit  von  1017,54  CG.  in  der 
Minute  für  1  Quadratmeter  Oberfläche.  Dieses  Gas  trübte 
nicht  Barytwasser;  es  war  reines  Wasserstoffgas. 

Ein  noch  rascherer  Durchgang  von  Wasserstoffgas  durch 
Palladium  wurde  beobachtet  für  einen  hohlen  Cylinder  aus 
diesem  Metall  von  1  MM.  Dicke  bei  höherer^  dem  Schmelz- 
punkte des  Goldes  nahe  kommender  Temperatur.  Der  Palla- 
dinmcylinder  war  in  eine,  reines  Wasserstoffgas  enthaltende 
Porcellanröhre  eingeschlossen;  er  wurde  wie  gewöhnlich 
ausgepumpt  und  gab  innerhalb ,  fünf  Minuten  105,8  CG.  Gas, 
gemessen  bei  10^  und  753  MM.  Barometerstand.  Da  die 
äufsere  Oberflache  der  Palladiumröhre  0,0053  Quadratmeter 
betrug,  so  berechnet  sich  der  Durchgang  von  Gas  in  der 
Minute  für  1  Quadratmeter  Oberflache  auf  3992,22  GG.  (nahezu 
4  Liter).  Vorher  war  für  dieselbe  Palladiumröhre  beobachtet 
worden,  dafs  der  Durchgang  von  Wasserstoff  bei  der  nie- 
drigeren Temperatur  26b^  C.  327  GG.  in  der  Minute  für 
1  Quadratmeter  Oberfläche  beträgt.  Die  Geschwindijgkeit  des 
Durchgangs  wächst  hiernach  rasch  mit  der  Temperatur. 

Als  Kohlensäure  an  der  Stelle  von  Wasserstoff  ange- 
wendet wurde,  war  bei  derselben  hohen  Temperatur  nur  ein 
sehr  geringer  Durchgang  wahrzunehmen,  welcher  1,86  GG. 
in  der  Minute  für  1  Quadratmeter  Oberfläche  betrug.  Diefs 
ergiebt  für  Kohlensäure  nur  V20000  von  dem  für  Wasserstoff 
gefundenen  Betrag.  Ob  der  Durchgang  der  Kohlensäure 
eine,  nur  in  viel  geringerem  Mafsstab  stattfindende  Erschei- 
nung derselben  Art  ist  oder  aber  auf  einer  merklichen  Poro- 
sität des  Palladiums  beruht  (für  welche  sie  ein  Mafs  abgeben 
würde),  bleibt  ungewifs. 

Die  Menge  Wasserstoff,  welche  durch  das  Metall  bei 
diesen  hohen  Temperaturen  zurückgehalten  wird,  mag  zu 
klein  geworden  sein,  als  dafs  sie  noch  bestimmt  werden 
könnte;  aber  ich  vermuthe,  dafs   eine  solche  Menge  noch 


294  Graham^  über  die  Einschliefeung 

vorhanden  ist  und  durch  eine  Art  rascher  Camentation  durch 
das  Metall  hindurch  wandert.  Diese  äufserste  Leichlbeweg- 
keit  ist  eine  sonderbare  Eigenschaft  des  Wasserstoffs,  welche 
mit  enthalten  war  in  der  durch  H.  Sainte-ClaireDeville 
und  Troost  gemachten  fundamentalen  Entdeckung  des 
Durchgangs  dieses  Gases  durch  Platten  von  Eisen  und  Platin 
bei  hohen  Temperaturen. 

Die  beträchtliche  Geschwindigkeit,  mit  welcher  dasselbe 
Gas  durch  ein  dünnes  Caoutchoucblatt  hindurchgeht,  scheint 
einer  Erklärung  von  bekannter  Grundlage  aus  fähiger  zu 
sein.  Caoutchouc  von  weniger  als  0,1  HH.  Dicke  verliert» 
wenn  vorher  mit  Wasserstoff  beladen,  dieses  Gas  gfinzlicb, 
wenn  es  auch  nur  augenblicklich  der  Luft  ausgesetzt  wird. 
Eine  Röhre  von  2  MM.  Dicke,  durch  welche  Wasserstoff  und 
Kohlensäure,  jedes  Gas  für  sich  und  zwar  eine  Stunde  lang, 
hindurchgeleitet  wurden,  ergab  als  Menge  des  zurftck- 
gehaltenen  Gases  : 

Tom  Wasserstoff  0,0118  Volome; 

Ton  der  Kohlensttore  0,2200        „ 

Die  Absorption  findet  also  im  Verhältnisse  von  1  Wasser- 
stoff zu  20  Kohlensäure  statt ;  aber  der  relative  Betrag  des 
Durchgangs  der  beiden  Gase  durch  ein  Caoutchoucblatt  ist 
wie  1  Wasserstoff  zu  2Vs  Kohlensäure ;  oder  der  Wasserstoff 
bewegt  sich  8  mal  so  rasch  als  nach  der  Dichtigkeit  der  Lö- 
sung zu  schliefsen  wäre.  Aber  die  Diffusibilitit  dieser  Gase 
ist  verschieden  im  Verhältnisse  von  1  für  Kohlensäure  zu  4,7 
für  Wasserstoff.  Der  rasche  Durchgang  des  Wasserstoffs 
durch  Caoutchouc  erklärt  sich  so  theil weise  daraus,  wie 
rasch  dieses  Gas  durch  Gasdiffusion  an  eine  Oberfläche  des 
Caoutchoucblatts  gebracht  und  von  der  anderen  weggeführt 
wird.  Andererseits  wandern  beide  Körper  durch  die  Sub- 
stanz des  Caoutchoucs  auf  Grund  der  Diffusibilität,  welche 
ihnen  als  Flüssigkeiten  zukommt.    Nehmen  wir  an,  dafs  für 


des   Waaserstoffgasea  durch  Metalle.  295 

diesen  Zosland  die  Diffusibilitat  des  Wasserstoffs  ungefähr 
in  demselben  Verhältnisse  gröfser  sei,  als  die  des  anderen 
Korpers,  wie  diefs  für  beide  Körper  in  dem  gasförmigen 
Zustande  derselben  der  Fall  ist^  so  wurde  die  durch  die 
Beobachtung  ergebene  Raschheit  des  Durchgangs  des  Was- 
serstoffs durch  Caoutchouc  vollständig  erklärt  sein. 

Die  Diffusion  im  flössigen  Zustand  ist  auch  von  Bedeu- 
tung für  die  rasche  Verbreitung  des  Wasserstoffs  durch  ein 
weiches  colloidales  Metall,  wie  Palladium  oder  Platin,  bei 
hoher  Temperatur.  Bekanntlich  ist  die  Diffusion  von  Salzen 
in  Wasser  bei  100^  6  mal  so  grofs,  als  bei  0^.  Wenn  die 
Diffusion  des  flussigen  Wasserstoffs  in  gleichem  Verhältnisse 
bei  steigender  Temperatur  wächst;  so  mufs  sie  bei  Rothglöh- 
hitze  eine  sehr  rasche  Bewegung  werden.  Wenn  auch  die 
absorbirte  Menge  verringert  (oder  der  Canal  verengert)  sein 
mag,  kann  doch  die  Strömung  der  Flüssigkeit  so  der  Ge- 
schwindigkeit nach  verstärkt  sein.  Die  ganze  Erscheinung 
scheint  in  Einklang  zu  stehen  mit  der  Lösung  von  flussigem 
Wasserstoff  in  dem  coUoidalen  Metall.  Die  „Lösungsaffinität^ 
der  Metalle  scheint  nahezu  auf  Wasserstoff  und  Kohlenoxyd 
beschränkt  zu  sein,  so  dafs  die  Metalle  von  anderen  Gasen, 
als  den  eben  genannten,  nicht  merklich  durchdrungen  werden. 


Die  Wärmeentwickelung  bei  chemischen  Um- 
setzungen in  ihrer  Abhängigkeit  von  der  Aen- 

derung  der  Moleculzahl; 

von  Privatdocent  Dr.  Alex.  Naumann. 


Die  mit  chemischen  Vorgängen  verbundenen  Wärme- 
erscheinungen hängen  im  Allgemeinen  von  vielerlei  Umstän- 
den ab.    Um  aus  den  Beobachtungsergebnissen  Zahlen   zu 


296    Naumann,  Wärmeentwickelung  bei  ehem.  Umsetzungen 

gewinnen ,  welche  nur  aaf  die  bei  Trennung  und  VereinigUDg 
von  Moleculbestandlheilen  absorbirten  und  entbundenen 
Wärmemengen  Bezug  haben,  sind  die  Einflösse  der  gewöhn- 
lich begleitenden  Nebenumstande  so  weit  möglich  auszu- 
schliefsen  oder  der  Gröfse  nach  zu  bestimmen. 

Bertheiot*)  hat  den  Einflufs  verschiedener  Bedin- 
düngen  j  unter  welchen  chemische  Umsetzungen  statthaben, 
auf  die  gesammte  Wärmeentwickelung  in  Betracht  gezogen. 
Insbesondere  hat  Berthelot  den  Zuslandsfinderungen  und 
den  Warroecapacitäten  der  vor  der  chemischen  Umsetzung 
vorhandenen  Körper  zwischen  der  Anfangstemperatur  und 
der  Umsetzungstemperatur  sowie  den  Zustandsänderungen 
und  denWärmecapacit&ten  der  Umsetzungsproducte  zwischen 
der  Umsetzungstemperatur  und  der  Endtemperatur  Rechnung 
getragen.  Die  nach  der  betreiTenden  Correction  der  Yer- 
suchswerthe  sich  ergebende  WSrmeentwickelung  bezeichnet 
B  e  r  t h  e  1 0 1  als  die  Verbindungsw&rme  bei  der  betrefl'enden 
Umsetzungstemperatur.  Wenn  bei  der  Umsetzungstemperatur 
den  sich  umsetzenden  Körpern  und  den  Umsetzungsproducten 
der  vollkommene  Gaszustand  zukommt,  so  ist  nach  Ber- 
thelot die  auf  diese  Temperatur  zurückgeführte  Verbin- 
dungswärme die  eigentliche,  der  alleinigen  Wirkung  der 
AfGnitälen  entstammende  Yerbindungswärme. 

Wie  aus  den  folgenden  Betrachtungen  hervorgeht  ist 
dieser  Berthelot 'sehe  Satz  nur  für  den  besonderen 
Fall  gültig,  dafs  bei  der  chemischen  Umsetzung  sich  die 
Zahl  der  Molecule  nicht  ändert«  Auch  die  weitere  Ansicht 
Berthclot's,  dafs  für  dieselben  Körper  die  Verbindungs- 
wärme bei  allen  Umsetzungstemperaturen  gleich  grofs  sei, 
wenn  nur  den  sich  umsetzenden  Körpern  und  den  Umsetzungs- 


*)  Ann.  chim.  phys.  [4]  VI,  290  ff.;    im  Außz.  Jahresber.  f.  Chemie 
f.  1865,  S.  47  ff. 


m  ihrer  Ähhängtgkeit  von  d.  Aendenmg  d.  Molectdzahl    SI97 

prodncten  der  vollkommene  Gaszustand  zukomme,  ist  nur 
für  den  erwähnten  besonderen  Fall  und  selbst  dann  nur 
unter  der  nach  den  seitherigen  Erfahrungen  noch  berech- 
tigten Voraussetzung  richtig,  dafs  bei  Temperaturerhöhung 
die  Holeculbestandtheile  nur  an  lebendiger  Kraft  ihrer  Be- 
wegungen gewinnen ,  ohne  dafs  dabei  allmaiig  schon  ein 
merklicher  Theil  ihrer  chemischen  Anziehung  überwunden 
wird. 

Die  einfachsten  Verhältnisse  würde  eine  Umsetzung  voll- 
k'^mmener  Gase  bieten,  aus  weicher  wiederum  nur  vollkom- 
mene Gase  hervorgehen.  Unter  den  in  dieser  Hinsicht 
möglichen  Fällen  würden  diejenigen  die  einfachsten  sein,  bei 
welchen  vor  und  nach  der  Umsetzung  eine  gleiche  Anzahl 
von  Moleculen  sich  vorfindet.  Wenn  sich  unter  der  Vor- 
aussetzung des  vollkommenen  Gaszustands  z.  B.  ein  Holecul 
AA  mit  einem  Molecul  BB  zu  zwei  Moleculen  AB  umsetzt, 
so  würde  —  indem  man  eine  absorbirte  Wärmemenge  als 
negative  entwickelte  in  Rechnung  bringt  —  die  dadurch 
entwickelte  Wärmemenge  gleich  sein  dem  Doppelten  der  bei 
der  Vereinigung  eines  Atoms  A  mit  einem  Atom  B  ent- 
wickelten Wärmemenge,,  welche  durch  ab  bezeichnet  sei^ 
vermindert  um  die  Summe  der  bei  der  Vereinigung  eines 
Atoms  A  mit  einem  Atom  A  und  eines  Atoms  B  mit  einem 
Atom  B  entwickelten  Wärmemengen,  welche  durch  aa  und 
bb  bezeichnet  seien.  Es  wäre  die  ganze  entwickelte  Wärme- 
menge W  =  2a  b  —  aa —  b1).  Dieselbe  hängt  also  nur  ab 
von  den  durch  Trennung  und  Vereinigung  von  elementaren 
Atomen  oder  in  anderen  Fällen  von  Gruppen  elementarer 
Atome  bedingten  Wärmeentwickelungen. 

Anders  jedoch  gestaltet  sich ,  unter  fortwährender  Vor- 
aussetzung des  vollkommenen  Gaszustands,  der  Ausdruck  für 
die  Abhängigkeit  der  bei  chemischen  Umsetzungen  entwickel- 
ten Wärmemenge,  wenn  die  Zahl  der  M olecule  eine  Aende- 


^ 

^ 


298    Naumann,  fFärmeenhvickelung  bei  ehem.  Umsetzungen 

rung  erleidet;  sei  es  eine  Verminderung  oder  eine  Vermeh-^ 
rung,  welch  letztere  in  der  Folge  als  negative  Verminderung 
in  Rechnung  kommen  soll,  so  dafs  die  abzuleilenden  Aus- 
drucke für  beide  Fälle  Gültigkeit  haben.  Nach  den  Anschau- 
ungen der  mechanischen  Warmetheorie  befinden  sich  die 
Molecole  aller  Gase  in  gradlinig  fortschreitender  Bewegung, 
und  zwar  ist  die  mittlere  lebendige  Kraft  dieser  Bewegung, 
oder,  was  dasselbe  ist,  die  iii  der  fortschreitenden  Bewe- 
gung eines  Holeculs  im  Mittel  sich  darstellende  Wärmemenge 
der  s.  g.  absoluten  (von  —  274^6  C,  wofür  in  ganzer  Zahl 
künftig  —  275^  gesetzt  werden  soll,  an  gezahlten)  Tempera- 
tur T  proportional.  Diese  Wärmemenge  ist  unabhängig  von 
der  Zusammensetzung  des  Moleculs,  also  auch  für  verschiedene 
Gase  bei  gleicher  Temperatur  gleich  grofis  und  sonst  der 
absoluten  Temperatur  proportional.  Es  lifst  sich  nun  der 
absolute  Werth  der  in  der  fortschreitenden  Bewegung  eines 
Holeculs  von  einer  beliebigen  absoluten  Temperatur  T^  sich 
darstellenden  Wärmemenge  bestimmen. 

Vor  einiger  Zeit  habe  ich  *)  aus  einem  von  Clausius 
entwickelten  Ausdruck  für  das  Verhaltnifs  der  lebendigen 
Kraft  der  fortschreitenden  Molecularbewegung  zur  gesammten 
in  einem  Gase  vorhandenen  lebendigen  Kraft  direct  abgeleitet, 
dafs  die  Ausdehnungswärme  für  vollkommene  Gase,  d.  L  die 
Wärmemenge,  welche  bei  der  Ausdehnung  des  Gases  unter 
constantem  Druck  in  fiufsere  Arbeit  umgesetzt  wird,  zur 
Molecularbewegungswärme,  d.  i.  zu  der  die  lebendige  Kraft 
der  fortschreitenden  Bewegung  der  Molecule  vermehrenden 
Wärmemenge,  in  dem  constanten  Verhaltnifs  von  2 : 3  steht 
Nun  ist  aber  für  gleiche  Temperaturerhöhung  die  Ausdeh- 
nungswärme, wie  Du  long**)  durch  den  Versuch  dargethan. 


*)  Ann.  Chem.  Pharm.  CXLII,  267. 
**)  Pogg.  Ann.  1829,  XVI,  476. 


in  ihrer  Abhängigkeit  von  d.  Äenderung  d,  MoleculzahL    299 

aber  Clausius*)  zuerst  erklärt  hat,  für  gleiche  Volume 
aller  Gase  bei  gleichem  Druck  gleich  grofs  und  beträgt  für 
eine  Temperaturerhöhung  von  i^  G.  bei  einem  Druck  von 
76(r°  Quecksilberhöhe  0,0691  *♦)  Wärmeeinheiten,  wenn 
man  als  Volumeinheit  den  von  der  Gewichtseinheit  Luft  bei 
(fi  und  760°^  Druck  erföllten  Raum  nimmt.  Mithin  beträgt 
die  in  dem  constanten  Verhältnifs  von  3 :  2  su  ihr  stehende 
Holecularbewegungswärme  vorbezeichneter  Volumeinheit  für 

eine  Temperaturerhöhung  von  1^  C.  =  — ^-~ =  0,10365 

Wärmeeinheiten.  Da  es  nun  im  Begriff  des  absoluten  Null- 
punkts liegt,  dafs  bei  ihm  die  Molecularbewegung  gleich 
Null  ist,  und  da  die  Festsetzung  desselben  auf  —  275^  G. 
die  Voraussetzung  in  sich  schliefst,  dafs  die  lebendige  Kraft 
der  Molecularbewegung  von  da  ab  der  absoluten  Temperatur 
proportional  wachse,  so  müssen  bei  der  Erwärmung  des  be- 
zeichneten Volums  eines  Gases  vom  absoluten  Nullpunkt  bis 
zu  der  absoluten  Temperatur  T^  (=  275  4~  0  ^^^  ^^^  ^^^^~ 
schreitende  Molecularbewegung  aufgewandt  werden  0,10365  T 
Wärmeeinheiten.  Polglich  ist  die  in  der  lebendigen  Kraft 
der  fortschreitenden  Molecularbewegung  der  obigen  Volum- 
einheit eines  Gases  bei  760°^  Druck  und  der  absoluten  Tem- 
peratur T^  sich  darstellende  Wärmemenge  ebenfalls  = 
0;i0365  T  Wärmeeinheiten. 


*)  PoSfii-  ^ii^*  l^^O,  LXXIK,  397;   siehe  auch  Ann.  Chem.  Pharm. 
CXVm,  115. 

•*)  Ann.  Chem.  Pharm.  CXVm,  116.  Dieser  Werth  für  die  Aus- 
dehnnngswarme  geht  herror  ans  dem  Mttelwerfh  0,23773  der 
nahezu  gleich  gefnndenen,  auf  die  angegebene  Yolmneinheit  be- 
zogenen spec.  Wärmen  der  drei  permanenten  Gase  (Wasserstoff, 
Sanerstoff  nnd  Stickstoff)  nnd  dem  ans  der  Fortpflanznngsgeschwin- 
dlgkeit  des  Schalls  (vgL  Pogg.  Ann.  CXIX,  393)  und  anderen 
(vgL  Ann.  Chem.  Pharm.  CVm,  113)  Beobachtungen  zu  1,41  be- 
stimmten VerhAltnifs  der  spec.  Wärme  bei  constantcm  Druck  zu 
derjenigen  l>ei  constantem  Volum. 


300    Naumann^  Wärmeentwickelung  bei  chem*  Umsetzungen 

Für  chemische  Zwecke  ist  es  passender,  den  Inhalt  an 
Molecularbewegungswärme  auf  die  durch  die  Molecularge- 
Wichte  bezeichneten  Gasmengen  zu  beziehen^  Die  vorste- 
hende Zahl  für  den  Inhalt  an  Molecularbewegungswärme 
irgend  eines  Gases  bezieht  sich  auf  das  von  der  Gewichts- 
einheit Luft  bei  0^  und  760°'°'  Druck  erfüllte  Volum ,  welches 
also,  da  die  spec.  Gewichte  der  Gase  auf  dasjenige  der  Luft 
als  Einheit  bezogen  sind^  für  jedes  Gas  die  durch  die  be- 
treffende, das  spec.  Gewicht  angebende  Zahl  ausgedrückte 
Gewichtsmenge  bezeichnet.  Da  nun  für  jedes  Gas  nach  den 
für  die  spec.  Gewichte  und  die  Moleculargewichte  üblichen 
Einheiten  das  Holeculargewicbt  das  28,94  fache  des  spec. 
Gewichts  beträgt,  so  ist  auch  der  auf  die  Moleculargewichte 
sich  beziehende  Inhalt  an  Molecularbewegungswärme  für  alle 
Gase  gleich  dem  28,94  fachen  des  obigen  Zahlen werths.  Mit- 
hin ist  —  indem  in  der  Folge  die  durch  das  Molecularge- 
wicht  gegebene  relative  Menge  eines  Gases  kurzweg  als  ein 
Gasmolecul  bezeichnet  werden  soll  —  bei  dem  durch  die 
absolute  Temperatur  T^  bezeichneten  Bewegungszustand  der 
Inhalt  irgend  eines  Gasmoleculs  an  Molecularbewegungswärme 
J„  =  28,94.0,10365  T  =  2,999631  T,  also  ist 

J„  =  3  T  Wanneeinheiten.  (1) 

Hat  man  nun  m^  gleichartige  *oder  ungleichartige  Gas- 
molecule  von  der  absoluten  Temperatur  T%  so  ist  deren  Ge- 
sammtinhalt  an  Molecularbewegungswärme  =  m'. 3  T^  Ent- 
stehen aus  diesen  m^  Gasmoleculen  von  der  absoluten  Tem- 
peratur T'  bei  chemischer  Umsetzung  m^'  Gasmolecule  von 
der  absoluten  Temperatur  T^%  so  ist  ferner  der  jetzige  Ge- 
sammtinhalt  an  Molecularbewegungswärme  =  m". 3 T^^  Folg^ 
lieh  ist  die  durch  Aenderung  der  Zahl  und  der  Temperatur 
der  Molecule  entwickelte  Wärmemenge 

A„t  =  m' .  3  T'  —  m" .  3  T"  =  3  (mT'  —  m"T")  VTarmeeinheiten.      (2) 

Unter  der  vereinfachenden  Voraussetzung,  dafs  die  An- 
fangs- und  die  Endtemperatur,  d.  h.  die  Temperatur  der  vor 


in  ihrer  Abhängigkeit  von  d.  Äendevtmg  d,  MolectdzahL    SOI 

und  der  nach  der  Umsetzung  yorbandenen  Körper  die  Zer- 
setonngstemperatur  T„  selbst,  also  T''  =  T'  =  T„  sei,  ist 
die  durch  Aenderung  der  Moleculzahl  entwiciLelte  Wärme«- 
menge 

A„  =  m' .  3  T„  —  m" .  3  Tu  =  (m'  —  m")  -  8  T«  Wänneeinheiten.      (3) 

Ist  m'  =  m'',  so  ist  Am  =  0,  wie  diefs  auch  schon  in 
der  Einleitung  hervorgehoben  wurde.  Ist  m'  !>m'%  so  ist 
Am  positiv ;  es  findet  dann  durch  Verringerung  der  Molecul- 
zahl eine  Wärmeentbindung,  also  ein  Zuwachs  zu  der  durch 
Trennung  und  Vereinigung  von  Moleculbestandtheilen  sich 
ergebenden  Warmeentwickelung  statt,  Ist  m'<Cm^',  so  ist 
Am  negativ ;  es  findet  dann  durch  die  Vermehrung  der  Mo- 
lecule  eine  Wärmeabsorption,  als6  eine  Verringerung  der 
durch  Trennung  und  Vereinigung  von  Moleculbestandtheilen 
ohnehin  sich  ergebenden  Wärmeentwickelung  statt. 

Vorstehende  Ergebnisse  für  den  Einflnfs  der  Aenderung 
der  Moleculzahl  auf  die  Wärmeentwickelung  bei  chemischen 
Vorgängen  finden  gleichfalls  auf  die  Umsetzung  unvollkom- 
mener Gftse  Anwendung,  da  die  mittlere  lebendige  Kraft  der 
fortschreitenden  Molecularbewegung  für  alle  Gase,  seien  die- 
selben vollkommene  oder  unvollkommene,  durch  die  absolute 
Temperatur  bezeichnet  wird. 

Wasserstoff  und  Sauerstoff  setzen  sich  oberhalb  der  Roth- 
glühe  *)  des  Eisens  zu  Wassergas  um.  Schätzt  man  diesen 
Wärmegrad  zu  500^  G.,  d.  h.  setzt  man  T  =  775,  so  ist 
bei  der  Umsetzung  2  H2  -h  O2  =  2  H^O  die  allein  auf  Rech- 
nung der  Aenderung  der  Moleculzahl  kommende  Wärme- 
entwickelung nach  Gleichung  (8)  =  3 .  775  =  2325  Wärme- 
einheiten. 

Für  dissocia^ionsfähige  Körper  leitet  sich  aus  hin- 
reichend   vorliegenden    Dampfdichtebestimmungen    die   Zer- 


*)  £.  Frankland,  Ann.  Chem.  Pharm.  CXXIY,  103. 


302    Naumann^  Wärmeentwichdung  bei  chem.Umsetzungen 

setznngstemperatur  *)  T^  als  die  Temperatur  der  halbvollen- 
deten  Zersetzung  ab,  und  ist  sonach  der  Zahlenwerth  Am 
des  Einflusses  der  Aenderung  der  Moleculzahl  auf  die  Wirme- 
ent Wickelung  bei  der  Umsetzungstemperatur  bestimmbar.  Der- 
selbe hat  wegen  der  Vermehrung  der  Molecule  stets  einen 
negativen  Werth,  d«  h.  es  findet  durch  die  Aenderung  der 
Moleculzahl  allein  eine  Warmeabsorption  statt,  wie  auch 
folgende  Zusammenstellung  zeigt  : 


Zusammen- 

UmsetKongs- 

Namen  der  Gflse 

setzung 

prodnete 

m'  —  m" 

T„ 

A. 

Bromwasflerstoffamy- 

len**)     .... 

65H10 .  HBr 

GÄo+HBr 

—  1 

619« 

—  1567 

Jodwasserstoffamv- 

len***)  .... 

€Ao+HJ 

—  1 

600 

—  1600 

Phosphorchlorid  f ) 

PCI5 

PCI,  +  Cl, 

—  1 

476 

—  1425 

Sohwefelsäurehy- 

dratft)      •    •    . 

8H,04 

NO,-j-N0, 

—  1 

620 

—  1860 

UnteiBalpeierBänre  *) 

N.O4 

—  1 

336 

—  1006 

Das  Ozonmolecul  ist  nach  Versuchen  von  Sorot**)  ans 
drei  Sauerstoffatomen  zusammengesetzt.  Bei  der  Bildung  von 
gewöhnlichem  Sauerstoff  aus  Ozon  entstünden  demnach  ge- 
mafs  der  Umsetzungsgieichung  2  Os  =  3  O9  aus  zwei  Mole- 
culen  drei  Molecule  und  durch  diese  Aenderung  der  Molecul- 
zahl würden  mithin  bei   der   unbekannten  Umsetzungstem- 


*)  A.  Naumann,  Ann.  Chem.  Pharm.  Supplementbd.  V,  860. 

**)  Daselbst  ßuppl.  V,  347  u.  361. 

***)  Daselbst.    Für  diesen  Körper  ist  die  25ahl  für  T«  weniger  genau 
als  für  die  übrigen. 

t)  Daselbst  Suppl.  V,  348  u.  861. 

tt)  Daselbst  Suppl.  V,  349  u.  362. 

*)  Daselbst  Suppl.  VI,  203  u.  206. 

**)  Ann.  Chem.  Pharm.  CXXXVUI,  46, und  Ann.  Chem.  Pharm.  SuppL 
V,  148. 


in  ihrer  Äbhängigheit  von  d,  Aenderung  d,  MolecuhahL   303 

peralar  T  nach  Gleichung  (3)  =  3  (2  —  3)  T  =  —  3  T 
Wärmeeinheiten  entwickelt ,  d.  h.  3  T  Wärmeeinheiten  ab- 
sorbirt,  abgesehen  von  den  aus  sonstigen  Gründen  etwa 
stattfindenden  Warmevorgangen. 

Für  die  Anwendung  der  Gleichung  (8)  ist  die  Kenntnifs 
der  Umsetzungstemperatur  erforderlich,  die  nun  meistens 
mangelt.  Es  ist  aber  die  Bestimmung  des  Einflusses  der 
Aenderung  der  Holeculzahl  auf  die  Wdrmeentwickelung  unter 
gegebenen  Verhältnissen  auch  möglich,  wenn  die  Umsetzungs- 
temperatur nicht  bekannt  ist.  Es  werde,  wie  bei  den  von 
Favre  und  Silbermann  und  von  Anderen  vorliegenden 
Versuchen,  als  Anfangstemperatur,  d.  h.  als  Temperatur  der 
vor  der  Umsetzung  vorhandenen  Körper,  und  zugleich  als 
Endtemperatur,  d.  h.  als  Temperatur  der  nach  der  Umsetzung 
vorhandenen  Körper ,  die  gleiche  unterhalb  der  Umsetzungs- 
temperatur liegende  Temperatur  vorausgesetzt.  Nach  dem 
die  Aequivalenz  zwischen  Wärme  und  zwischen  chemischer 
und  physikalischer  Arbeit  ausdrückenden  Satze  *)  :  „wenn 
ein  System  einfacher  oder  zusammengesetzter  Körper  unter 
bestimmten  Verhältnissen  gegeben  ist  und  dasselbe  physika- 
lische oder  chemische  Aenderungen  erfährt,  welche  das 
System  in  einen  neuen  Zustand  überfuhren ,  ohne  dafs  dabei 
äufsere  mechanische  Wirkungen  vollbracht  werden,  so  hängt 
die  bei  diesen  Aenderungen  erzeugte  oder  absorbirte  Wärme- 
menge einzig  und  allein  von  dem  Anfangszustande  und  dem 
Endzustande  des  Systems  ab,  ist  aber  dieselbe,  welches  auch 
die  Art  und  die  Folge  der  Zwischenzustände  sein  raag^ ,  ist 
es  alsdann  für  die  gesammte  Wärmeentwickelung,  für  die 
ganze  Energiedifferenz  zwischen  den  vor  und  den  nach  der 
Umsetzung  vorhandenen  Körpern,  vollkommen   gleichgültig, 


*)  Berthelot,  Ann.  chim.  phys.  [4]  VI,  294;   Jahresber.  f.  Chem. 
f.  1865,  S.  47. 


304    Na umanrif  Wärmeentwichelung  hei  ehem. ümaeUsu ngen 

bei  welcher  Temperatur  die  Umsetzung  stattgefunden  liaf. 
Um  nun  die  für  die  Wärmeentwickelung  gefundene  Zahl  des 
Einflusses  der  Aenderung  der  Moleculzahl  bei  der  vorlie- 
genden Anfangs-  und  Endtemperalur  zu  entkleiden,  bat  man 
in  Gleichung  (3)  für  T  eben   diese  Temperatur  einzusetzen. 

So  entspringen  bei  der  durch  die  Gleichung  2  H2  +  ^a 
=  2HsO  ausgedruckten  Umsetzung,  wenn  man  als  Anfangs- 
und als  Endtemperatur  die  gewöhnliche  Temperatur  von  15® 
G.  annimmt,  von  der  gesammten  Wärmeentwickelung  der 
Aenderung  der  Moleculzahl  (3  —  2) .  3 .  (275  +  15)  =  870 
Wärmeeinheiten.  Oder  mit  anderen  Worten  :  von  der  ge- 
sammten EnergiedifTerenz  zwischen  4  Gewichtseinheiten  Was- 
serstoff und  32  Gewichtseinheiten  Sauerstoff  von  15®  einer- 
seits und  36  Gewichtseinheiten  Wassergas  von  derselben 
Temperatur  andererseits  kommen  870  Wärmeeinheiten  auf 
Rechnung  der  Aenderung  der  Moleculzahl. 

Für  die  Aenderung  der  Moleculzahl  bei  vollständiger 
Verbrennung  durch  Sauerstoff  lassen  sich  für  sämr^üiche 
Glieder  derselben  homologen  Reihe  gültige  Formeln  aufstellen 
und  hiernach  auch  entsprechende  Ausdrucke  för  die  durch 
alleinige  Aenderung  der  Moleculzahl  bedingte  Wärmeent- 
wickelung gewinnen,  wenn  diese  bei  einer  beliebigen  abso- 
luten Temperatur  T  als  Anfangs-  nnd  Bndtemperatur,  wofür 
selbstverständlich  auch  jede  Verbrennungstemperatur  gesetzt 
werden  darf,  betrachtet  wird.  In  der  folgenden  Tabelle  ist 
die  Verbrennung  von  je  einem  Molecul,  d.  h.  von  der  durch 
das  Holecnlargewicht  ausgedruckten  Menge  in  Betracht  ge- 
zogen. Es  wird  hierdurch  die  vergleichende  Uebersicht  er- 
leichtert, wenn  auch  in  den  Umsetzungsgleichungen  und  für 
die  Aenderung  der  Moleculzahl  (vielleicht  die  Vorstellung 
etwas  störende,  aber  die  Richtigkeit  der  Ergebnisse  nicht 
beeinträchtigende)  Bruchtheile  von  Moleculen  vorkommen. 


in  ihrer  Abhängigkeit  von  d.  Aenderung  d,  MoUcuhahl    305 


! 


m* 


m 


n 


m'— m" 


Kohlenwawerstoffs 
Kohlenwassentoffe 
Koh  lenwassers  toffe 


Alkohole  )/j  „        cl 


Aldehyde  QJä^Q 


Ä}«-«-^' 


3         ^n^ 

2"  +      2 

2"  "~  *2 

3X1 
1  +  -2- 

1      ,    3n 
2''  +  T 

8n 
2 


2ii+l 


2ii 


2n--3 


2n+l 


2n 


2n 


2 

2 
5  — n 


n 
—     2 

2 
n 


J  — n 
2"  ~ 

2  — n 
2 

6  — n 


.ST 


.3T 


.3T 


--2^.8T 


1  — n 


.8T 


-.— .8T 


Wie  die  Tabelle  lehrt,  findet  för  Alkohole  1  Säuren  und 
Aether  schon  bei  der  Verbrennong  des  Anfangsgflieds  eine 
Vermehruug  der  Holecule  und  hierdurch  eine  Verringerung 
der  sonstigen  Wdrmeentwickelung  statt.  Dasselbe  tritt  auch 
für  die  höheren  Glieder  der  übrigen  Reihen  ein.  Fdr  sammt- 
liehe  Reiben  entspricht  einem  Zuwachs  von  n  GH»  ein  Zu- 
wachs der   durch   alleinige  Aenderung  der  Moleculxahl  be- 

dingten  Warmeentwickelung  von  —  -^    •  T-     Diefs  Ergebnifs 

lärst  sich  auch  dircct  aus  der  Yerbrennungsgicichung 

(n€H,)  +  nO,  +  -g-  ^t  =  n€0,  +  nHtO 

ableiten,  nach  welcher 


n 


m'-m-  =  ii+-       -(n  +  ii)  =  ~ 


2 


Aus  dem  Umstände,  daFs  bei  bestimmter  Anfangs-  und 
Endtemperalur  die  gesammte  Warmeentwickelung  d.  h.  die 
EnergiedifTerenz  der  vor  und  der  nach  der  Umsetzung  vor- 
handenen Körper  dieselbe   ist,  bei  welcher  Temperatur  die 

Aanal.  i.  Cham.  o.  Phann.  VI.  8nppl«in«Dfcbd.  t.  Haft.  20 


30i^    Naumann^  Wärmeentwkkelu^g  bei  ckemMm^eimmgem 

Umsetzung  auch  stattfinde,  darf  man  jedoch  nicht  scKliefseii, 
dafs  die  gcsammte  Wärmeentwickelung  bei  verschiedenea 
Umsetzttngstemperaturcn  gleich  grofs  sei.  indem  in  dieser 
Hinsicht  B  e  r  t  h  e  I  o  t  *)  die  Abhängigkeit  der  Umset^ungs- 
wärme  von  der  Umsetzungstemperatur  durch  die  folgende 
Gleichung  (4)  ausdrückt,  behauptet  derselbe  dagegen  ande- 
rerseits die  Unabhängigkeit  der  Wärmeentwickelung  von  der 
Uinsetzungstemperatur  für  den  Fall ,  dafs  sowohl  den  vor  als 
den  nach  der  Umsetzung  vorhandenen  Körpern  der  voll- 
kommene Gaszustand  zukomme.  Es  kann  dieb  schon  des* 
halb  nicht  allgemein  richtig  sein,  da  nach  Gleichung  (3)  aach 
für  vollkommene  Gase  der  Eiaflufs  der  Aenderung  der  Ho- 
leculzahl  mit  der  Temperatur  zunimoit.  Ist  Qt  die  Wärme- 
entwickßlung  b«i  der  Umsctzungstemperatur  t^,  Q«-  diejenige 
bei  der  Umsetzungstemperatur  v^,  so  ist 

Qr  :«  Q,  +  ü  -  V,  (i) 

worin  U  die  Summe  der  Wärmeeapacitäten  der  vor  der  Um- 
setauiig  und  V  diejenige  der  nach  der  Umsetzung  vorhan- 
denen Gase  zwischen  den  Temperatnrgrenien  1^  imd  %^ 
bezetchnen.  Die  Differenz  U— V  schliefst  den  mit  der  Ten- 
peratur  steigenden  Zuwachs  des  Einflusses  der  Aenderung 
der  Molecttlzahl  in  sich,  da  die  Zunahme  der  Moleoolar- 
bewegungs wärme  für  1^  Temperaturerhöhung  in  der  spec. 
Wärme  einbegriffen  ist.  Berthelot**)  ist  der  Meinung, 
dafs  für  vollkommene  Gase  die  Summe  der  Wärmeeapacitäten 
der  vor  der  Umsetzung  vorhandenen  Körper  gleich  sei  der 
Summe  der  Wärmeeapacitäten  der  Umsetzungsproducte  ***), 


*)  Ann.  eh.  phys.  [4]  VI,  803;  Jahresber.  f.  Cbem.  u.  8.  w.  f.  1865fe 
&  49. 

**)  Ann.  eh.  phys.  [4]  VI,  816;  Jahnsber.  f.  Cbem.  h.  8.  w.  L  1965» 
S.  62. 

***)  In  Anwendung  dieses  Satzes  aof  die  UmsetEong  Ton  Wasserstoff  und 
Sauerstoff  m  Wasserdampf  nimmt  Berthelot  aa,  dmüi  die  swi- 


m  ikrer  AhhämpgkeU  v<m>  d.  AentUrunig  d.  MolecuUald.      307 

daft  also  föf  den  voUkommenen  Gaszqstand  U  --  V  =  0,  folg- 
lieh  Qr  =*=  Ot  sei«  Da  aber  die  Wännccapacililt  auch  von 
<lef  Zahl  der  Malscide  abhängt ,  so  trifft  die  Annahme  von 
BeKlbei^ot  jedenihlls  nichi  zo,  wenn  die  Maleculzahl  bei 
A&r  UrasMziflig'  eine  Aenderiuig  erlcMet ,  und  es  \¥ird  dana 
die  Warmeentwickelong  fär  verschiedene  Umsetzungstem- 
peraluren  ebenfalls  verschieden  grofs  sein. 

Es  Idfst  sich  die  Gleichung  Q«.  =  Q^  4.  U  —  Y  auch 
anwenden^  wenn  t  und  %  nicht  Umsetzungstemperaturen,  son- 
dern t  eine  gewisse  Anfangs-  und  Endtemperatur,  r  eine 
andere  Anfangs-  und  Endtemperatur  bezeichnen,  und  man 
dia  fikiergiedifferenz  der  vor  und  nach  der  Umsetzung  vor- 
handenen Körper  bei  der  Temperatur  t^  auf  diejenige  bei 
der  Temperatur  t^  beziehen  will.  In  dem  ganz  allgemeinen 
Fall,  dafs  zwischen  t^  und  %^  auch  Zustandsanderungen  so- 
wohl der  vor  der  ITmaetzMg  als  der  naich  der  Umsetzung 
vorhandenen  Körper  stattfinden  können,  bedeutet  dann  U  den 
(durch  Zttslandsanderungen  und  Wdrmecapacitaten)  sich  er- 
gebenden, in  Wirmeeinhciten  ausgedruckten  Bnergiezuwacha 
der  vor  der  Umsetzung  vorhandenen  Körper  bei  einer  Tem- 
f  eraturerhöbong  von  i^  auf  t^  ;  und  V  bedeutet  den  (durch 
2ustand5änderungen  und  Warniecapacitäten)  sich  ergebenden 
Energiezuwachs  der  nach  der  Umsetzung  vorhandenen  Körper 
ibei  einer  Temperaturerhöhung  von  i^  auf  t^    Bs  ist  dann  in 


sehen  120  imd  220^  0,48  betragende  spco.  Wftrme  des  Wasser- 
dampfs  für  den  Tonkommenen  Gaaznatand  anf  0»67  steige  (vgi 
Ann.  ohim.  phys.  [4]  VI,  301,  819).  Es  ist  aber  in  Hinsicht  anf 
die  darch  die  mechanische  Wärmeiheorie  über  das  Wesen  der 
Gase  ausgebildeten  Vorstellongen  durchaus  nnzulftssig,  anzunehmen, 
daft  die  spec.  WErme  desselben  Körpers  im  ToUkomraenen  Gas- 
zustand, wo  keine  Molecularanaehnngen  mehr  sa  überwinden  sind, 
f:rGiser  sei  ak  im  nnroUkommenen  Gasiustaaid,  in  welchem  Ar 
Ueberwindung  der  wechselseitigen  Axuiehnsg  der  llole<nde  noch 
Wftrme  yerbraucht  wird. 

30» 


308    Franklandj  über  du  Verlrennnng  vcn  WasBergtoff 

der  Differenz  U  —  V  der  Unterschied  des  bei  den  verschie- 
denen Temperaturen  t^  und  x^  auch  verschieden  gr<rfsen  Ein- 
flos^ses  der  Aendemng  der  Moleculzahl  auf  die  gesaminte 
Warmeentwickelung  mit  berCk$ksichtigrt,  da  die  betreffenden 
Wfirmecapacitaten  die  Aenderungen  derMolecularbewegungs-* 
wflrmen  in  sich  schliefsen. 

Gicfsen,  Juli  1868. 


Ueber  die  Verbrennung  von  Wasserstoff  und 
Kohlenoxyd  in  Sauerstoff  unter  hohem 

Druck ; 

von  E.  Franktand*). 


-  In  eirier  früheren  Miltheilung  **)  beschrieb  ich  Unter-* 
fachungen  über  den  Einflufs  der  Verminderung  des  Drucks 
auf  einige  Verbrennungserscheinungen,  und  leitete  aus  den* 
telben  das  Gesetz  ab,  da/a  die  Verringenmg  der  Leuchtkraft 
der  Verminderung  dea  atmosphärischen  Drucks  direct  pro^ 
portional  ist. 

Weitere  Versuche ,  welche  vor  linger  als  einem  Jahre 
über  die  Natur  des  das  Leuchten  Bedingenden  in  einer  Stein- 
kohlengas-FIamme  ***)  angestellt  wurden,  liefsen  mich  die 
Richtigkeit  des  von  Humphry  Davyf)  zuerst  aufgestellten 
und    seitdem   allgemein    angenommenen   Satzes    bezweifeln^ 


*)  Frooeedings  of  the  £07«!  Society  XVX,  419. 

••)  Phil.  Trans.  CLI,  629  (1861). 

***)  Vorlesungen  Aber  Bteinkohlengas,    gehalten  in  der  Bojal  Institu- 
tion im  MArs  1867.    Journal  of  gas-lighting. 

t)  PhiL  Trans,  for  1817,  75. 


0 

und  Kohlenoxyd  in  Sauersk^  unter  hohem  Druck.    909 

^rs  4u  Liohl  einer  Gasfli^iiiüe  und  von  leuchtenden  Flammaa 
im  Allgemeinen  auf  dem  Vorhnndensein  fesler  Tbeilchen 
bemhe.  Was  Gas-  und  Keraenflammen  betrifit^  so  ist  ea 
jetzt  wohlbekannt,  dafs  die  bei  dem  Niederdrücken  eines 
iStttckea  Drahtgewebe  auf  solche  Flammen  sich  ausscheidende 
rnfsige  Substanz  und  die  ruTsigo  Ausscheidung ,  welche  ein 
in  dhnUcher  Weise  in  eine  solche  Flamme  gebrachtes  Slfick 
weifiies  Porcellan  bekleidet/  nicht  rdner  Kohlenstoff  sind, 
sondern  Wasserstoff  enthalten ,  der  nur  bei  Mngerem  Ver- 
weilen in  einer  Chlorgas-Atmosphäre  bei  Weifsglühhitze  ganz 
weggeschafft  werden  kann.  Bei  weiterer  Verfolgung  dieses 
Gegenstandes  fand  ich,  dafs  es  mehrere  Flammen  giebt, 
welche  in  hohem  Grade  leuchtende  sind  und  doch  unmöglicher 
Weise  feste  Tbeilchen  enthalten  können.  So  strahlt  die 
Flamme  des  in  Sauerstoffgas  verbrennenden  metallischen 
Arsens  ein  bemerkenswerth  intensives  weifses  Licht  aus; 
und. da  metallisches  Arsen  sich  bei  180^  G.  verflüchtigt  und 
sein  Verbrennungsproduct(Arsenigsättre- Anhydrid)  bei  218^0«, 
wfihrend  die  Ergiuhungstemperatur  fester  Körper  mindestens 
500^  C.  ist,  so  ergiebt  sich  die  Unmöglichkeit,  hier  die  An- 
wesenheit gluhetfder  fester  Tbeilchen  in  der  Flamme  anzu- 
nehmen.  Wiederum  :  wenn  man  Schwefelkohlenstoffdampf  in 
Sauerstoff  verbrennen  lafst,  oder  Sauerstoff  in  Schwefelkoh- 
lenstoffdampf, so  wird  ein  fast  unerträglich  glänzendes  Lichl 
entwickelt;  nun  ist  niemals  in  dieser  Flamme,  in  keinem 
Theile  derselben,  rufsige  Substanz  vorhanden^  und  der  Siede- 
punkt des  Schwefels  (440^  C.)  ist  unterhalb  der  Glöhtem- 
peratur,  so  dafs  die  Annahme  der  Gegenwart  fester  Tbeil- 
-cihen  in  der  Flamme  auch  hier  unzulässig  ist.  Aendert  man 
den  letzten  Versuch  in  der  Art  ab,  dafs  man  Stickoxyd  aa 
4er  Stelle  von  Sauerstoff  anwendet,  so  ist  das  Resultat  noch 
dasselbe;  und  das  blendende  Licht,  welches  bei  der  Ver- 
brennung dieser  Verbindungen  hervorgebracht  wird^  ist  auch 


810    Frankland^  über  du  Verbrennung  wm  Wet^etratoff 

m  reich  «n  «Mrker  breebbar«n  ^Slralileii ,  Ms  >es  clava  be- 
nnlzl  worden  ist,  in  efnem  Atfenblicke  pholografrfiiselie 
Bilder  erhallen  za  lassen  und  die  Erscheking  der  Phi»- 
reaoenz  herverziriMrinifen. 

Hehrere  andere  ilmtiche  FSlfe  der  Henrorl^ringiiiig  gMn- 
senden  Lichtes  durch  ^Ohende  fas-  oder  dampISmige  Kee- 
per kdnnlen  hier  anfeführl  werden ;  dock  will  ieh  wir  noch 
Eines  erwtbnen.  Unter  den  ebenrisehen  Reaettenen,  welche 
heflfiglich  der  Hervorbringfing  blendenden  Li^es  kerihmU 
sind^  übertreffen  nur  wenige  die  rasche  Verbrennung  dos 
Phoq[>hers  in  Sauerstoff.  Nun  ist  das  Phosphorsfiure-Anhydrid, 
das  Preduct  dieser  Verbrennung,  bei  Rothgli^hitce  fiöehlfg; 
und  es  ist  also  offenbar  unmöglich,  dafs  diese  Suhstanz  bei 
der  TemperaAnr  der  Phospherflanraie ,  welche  den  Schineh- 
ponkt  des  Platins  weit  übersteigt,  in  fester  Perm  exisKre. 
Aus  diesen  Gründen ,  und  anderen  in  den  oben  erwihnlen 
Vorlesungen  engeführten,  bin  ich  der  Ansicht,  dafs  nicM 
glühende  Kehlethcilcfaen  in  Gas-  und  Kersenfianmien  die 
ihielle  des  Lichtes  sind,  sondern  dafs  das  Leuchten  dieser 
Ftemmen  auf  Ausstrahlungen  von  dichten  aber  durchsichtigen 
Dämpfen  von  KohlenwasserstolTen  beruht.  *AIs  eine  weitere 
Verallgemeinerung  aus  dem  oben  erwähnten  Versuche  ergab, 
sich  mir  die  Schlursfolgerung,  dafs  dichte  Gase  und  Dfimpfe 
bei  viel  niedrigeren  Temperaturen  leuchtend  werden,  ab 
elastisch  -  flüssige  Körper  von  verhfiltnifsmtfsig  niedrigem 
specißschem  Gewicht,  und  dafs  dieses  Resuhat  grefseMhefls, 
wenn  nicht  ganz,  unabhängig  ist  von  der  Natur  des  Gases 
oder  Dampfes,  sofern  ich  fand,  dafs  Gase  von  niedrigem 
speciüschem  Gewicht,  welche  bei  ctner  gewissen  Temperatur 
nicht  leuchtend  sind,  wenn  sie  unter  dem  gewöhnlichen  Druck* 
der  Atmosphäre  verbrannt  werden,  leuchtend  werden^  wenn 
sie  zugleich  slfirker  zusammengedrückt  sind.  So  geben  die 
Gemischo  von  Wasserstoff  und  Koblenoxyd  mit  Sauerstoff  nur 


un4  fiokknostpd  fft  Sauerstoff  unter  hohem  Drutk.    81i 

WMiif  Uclftl,  i^Mh  iito  In  frerer  Ltf ft  vctl^nimtt  odvt  cxpItMJirt 
werden,  über  sie  zeigen  intensives  LeucMen,  wenn  mM  Sril» 
itt  f  evchtüSMWMfi  CMa^gfelftrsen  ^xpUAik-en  liFs! ,  so  dtifi^  ihre 
AwdehMmfr  im  Aagenbllek«  der  Verbterm«n^  Vcfhindert  iirt. 
leb  Mibe  In  neuerer  Zeil  dte^  Versnehe  Busged^nt  attf 
*e  Vei1!)renn<ii»g'  toh  Wftssers^otf-  und  ton  Kohlenoxydga*, 
w«iGhos  in  SoU0r»to(F{^as  mvter  einom  «nmMttJif  b\6  tti  20  AI* 
niDBphirMi  wadisenden  Draelc  strömt  Z«  diesen  Tersuchetl 
^ente  ein  iffftrkes  GeflFs  ans  Bfsen,  welches  mit  einer  dichen 
filtspiatto  VOM  gcnigimder  Gräfte  rcf sehen  war,  um  die 
vplisobd  Untersvehung  der  t^Iammo  tn  efmögliehen.  Die 
Resultfite  aind  so  bemei*kenswef ih ,  itafs  ieh  sie ,  wenn  sto 
gieiek  noeh  nidbt  gana  voilständige  sind,  hier  mittheile)i  will. 
Wie  ebi  in  Saaersteffgaa  imler  <h9m  geivAhftitthtm  Druck  4cir 
Atmos^ro  brcmiendar  Strom  von  Wasserstoffgas  BussteM, 
iai  M  bekannt,  als  dafs  es  einer  Beschreibung  bedQrfte» 
Lftfai  man  den  Druck  auf  iKwei  Atmosphären  steigen^  so  wird 
das  ?orber  schwache  Leocblen  sichtbar  verstärkt  ^  wahrend^ 
«titer  dem  Druck  von  10  Atmosphären  das  von  einem  Was« 
aerstoffatrom  von  etwa  1  Zoll  Linge  ausgegebene  Licht  reiche 
Koii  genügt,  den  Beobachter  in  einer  Bnlfefnüng  von  2  FiA 
von  der  Flamme  «4na  Zeitung  les^n  tu  lassen ,  und  zwaf 
Ohne  dafe  sich  eine  reÜeetfa-endc  Fliehe  hinter  der  Fiamma 
feefindet.  Durch  das  Speßtrosoop  beobachtet  erscheint  dM 
SpectruiH  dietef  Flamme  Kell  und  vollkorftmfn  tontlnuitUek 
vom  Soifi  bis  «um  Violetf. 

m 

Bei  stärkarem  anfiingliehem  Leuchten  wird  die  Flamma 
des  Kohlenoxyds  in  Sauerstoff  unter  einem  Druck  von  zehn 
Atmosphären  viel  leuchtender,  als  eine  Flamme  des  Wasser- 
Mffs  von  gleicher  Grdrse  unter  demselben  Druck  ist.  Von 
dem  Spectrum  des  in  Luft  brennenden  Kohlenoxyds  ist  ea 
bekannt,  dafs  es  ein  continuirliches  ist;  brennt  das  Kohlen« 
oxyd    in  Sauerstoff  unter   einem  Druck   von  vierzehn  Aimo- 


312    Frankland,  über  du   Vtrbrennunff  van  Wasserstoff 

q>h§ren ,  so  ist  das  Spectnim  der  FlamiAe  sehr  gUnzend  und 
voUkoinmen  conlinuirlich.  , 

Wenn  es  richtig  ist,  dafs  dichte  Gase  mehr  Licht  aus- 
strahlen als  weniger  dichte»  wenn  sie  zum  Glühen  erhilsK 
sind,  so  murste  der  Durchgang  des  electrischen  Fankens 
durch  verschiedene  Gase  einen  Betrag  an  Licht  hervorbrin- 
gen^ welcher  n^it  der  Dichtigkeit  des  Gases  variirt;  und 
diefs  ist  in  der  That  der  Fall,  denn  wenn  man  unter  mög- 
lichst gleichen  Umständen  electrische  Funken  durch  Wasser- 
stoff, Sauerstoff,  Chlor  und  Schwefligsaure-Anhydrid  schlagen 
Urst,  so  wird  im  Wasserstoff  Licht  von  nur  sehr  geringer 
Intensität  hervorgebracht,  während  die  des  Lichtes  im 
Sauerstoff  betrachtlich  und  die  des  Lichtes  im  Chlor  und  im 
Schwefligsaure -Anhydrid  sehr  grors  ist.  Wird  zur  Flds- 
sigkeit  condensirtes  Schwefligsfiuro  -  Anhydrid  -  in  eine  mit 
jPlatindrähten  versehene  starke  Glasröhre  eingeschmolzen, 
und  lafst  man  dann  die  Temperatur  steigen  bis  der  innere 
Druck  drei  bis  vier  Atmosphären  beträgt,  so  ist  der  Durch- 
gang von  Inductionsfunken  durch  das  eingeschlossene  Gas 
von  stark  glänzenden  Licbtblitzen  begleitet.  Wenn  man  fer- 
ner einen  Strom  von  Inductionsfunken  durch  Luft  gehen  lafsli 
welche  in  einer,  mit  einer  Verdichtungspumpe  in  Verbindung 
stehenden  Glasröhre  eingeschlossen  ist;  und  den  Druck  der 
Luft  allmälig  auf  zwei  bis  drei  Atmosphären  steigert,  so  be- 
obachtet man  eine  sehr  deutliche  Zunahme  in  dem  Leuchten 
der  Funken,  während,  wenn  man  die  verdichtete  Luft  ent- 
weichen läfst,  die  Erscheinung  in  umgekehrter  Richtung  be- 
obachtet wird. 

Der  durch  50  Zellen  der  Grove 'sehen  Batterie  her- 
vorgebrachte Lichtbogen  ist  unvergleichlich  starker  leuchtend^ 
wenn  sich  Quecksilberdampf  an  der  Stelle  von  atmosphäri- 
scher Luft  zwischen  den  Kohlespitzen  befindet.— Die  im  Vor- 


und  Kohlenaxyd  in  Sauerstoff  unter  hohem  Druck,    313 

hergehenden  erwähnten  Gase  and  Dampfe  haben  folgende 
relaliYe  Dichtigkeiten  : 

Wusentoff 1,0 

Luft 14,6 

BftQontofl 16^ 

ScbwefligsäUEfi- Anhydrid 32,0 

Chlor 36,5 

Quecksilber 100,0. 

Efl  ist  klar,  dafs  die  hier  mitgetheiUen  Resnllate  in  sehr 
naher  Beziehung  stehen  zu  dei^  jetzt  allgemein  angenommenen 
Ansichten  bezuglich  der  Constitution  der  Sonne,  der  Sterne 
nnd  der  Nebelflecken ;  aber  ich  enthalte  mich  eines  näheren 
Eingehens  bis  zu  der  vollständigeren  Vorlage  dieser  Versuche. 


Ueber  die  Dampfspannuug  des  ameisensauren 
Aethyls  und  des  essigsauren  Methyls; 

von  C.   W.  DiUmar. 


H.'Kopp  hat  au«  seinen  umfassenden  Untersuchungen 
dber  die  Beziehungen  zwischen  Siedepunkt  und  Zusammen- 
setzung der  KohlenstofTverbindungen  eine  Anzahl  von  Er-* 
fahrungssatzen  abgeleitet,  welche  es  erlauben ,  je  innerhalb 
einer  gewissen  Reihe  chemisch^-ahnlicher  Substanzen,  Siede* 
jmnktsdiOerenzen  aus  Zusammensetzungsdifferenzen  zu  be^ 
rechnen.  Kopp  giebt  seine  Siedepunktsregeln  nur  als  eine 
annähernd  richtige  Formulirung  des  thalsächlich  Gefundenen, 
und  hat  die  sich  hie  und  da  zeigenden  Ausnahmen  beson- 
ders hervorgehoben.  Wenn  man  indessen  die  im  Allgemeinen 
befriedigende  Uebereinstimmung  der  Regeln  mit  der  Erfah- 


SM  JXttmtLTy  aber  die  Bwnfftepnnftmg 


dafs  dieselben  mindestens  die  richtigen  f^^MehsFpilAkte  hh*- 
reits  treffen.,  und  mit  .wirklieb  bestehenden  Nmllirgcsetzen  in 
directem  logischem  Zusammenhange  -stehen. 

Es  wird  woiil  noch  lange  dauern,  bis  diese,  die  wahren 
Beziehungen  2wiScheil  ^hemischeir  Constitution,  Temperator 
und  Dampfspannung  ausdrüc^kenden'  Formeln  gefanden  sein 
werden,  oder  bis  auch  nur  das  nothige  ungeheuere  Hateriai 
an  experimentellen  Daten  sich  wird  angehänft  haben.  —  Bs 
schien  mir  indessen ,  dal^  bei  einigen  der  aus  den  Siede- 
punklsregeln  sich  ableitcTiden  specielleren  Polgerungen  eine 
Erweiterung  zu  noch  allgemeinereti ,  die  Dampfspannung 
betreffenden  Sätzen  schon  jetzt,  mit  vcrh&ltnifismärsig  gerin- 
gem Aufwende  an  experimenteller  Arbeit  versucht  werden 
könnte.  So  z.  B.  bei  dem,  in  einer  bekannten  Siedepunkts* 
regel  enthaltenen  Satze,  dafs  motamere ,  mit  dem  ameisen- 
sauren Methyl  homologe  Ester  gleiche  Siedepunkte  besitzen. 
Wenn  die  thatsdcblich  beobachtete  annähernde  GfoicMiiHi  der 
Siedepunkte  nur  ein  zufälliges  ZusaimnenCraffon  ist,  so  Iirst 
es  sich  erwarten,  dafs  unter  höherem  oder  geringerem  Druck, 
als  dem  der  Atmosphäre,  die  Siedepunkte  erheblich  ausein- 
ander rucken  werden.  Ist  es  dagegen  eine  naturgesetzliche 
Tbaisiiche,  dafs  4ie  chemischen  Verschiedenh^ilen  metafncrer 
Ssier  keine  Differenz  im  Siedepunkte  bedingen ,  so  ialt  es 
lehwer  einzusehen,  warum  das,  wenn  auch  nnbehannte,  Ma*» 
Iwrgeselz,  bei  nllen  hieriicrgehörigen  Oroppen  ton  MelftmerMi, 
die  Gleichheit  der  Siedepunkte  nvr  fftr  den  zvffiilig  gewählt 
ten  Druck  ton  760^"  terlangen  sollle.  Bs  ist  «fsdamt  ticl« 
mehr  mit  gmfser  Wahrscheinlichkeit  anzunehtntfi,  dafit  solche 
inetamcre  Ester  bei  alten  Temperaturen  gleiche  DampCspan-^ 
nmg  besitzen.  Die  Hypothese  sdiren  mir  plausibel  genug, 
am  eine  experimentelle  Prüfung  zu  terdienen.  Ich  habe  ^ 
deshalb  unternommen,  die  Dampfspannung  des  ameisensaiiren 


des  ameisens.  Aethyls  und  des  esriyv,  Methyls.      31^ 

Aefhyls  mit  der  de«  essigsauren  IRetbyls  bei  einer  Heike  von 
Temperaturen  direct  tu  vergfeidiem.  Das  Volg^^e  ist  ein 
Bericirt  Aber  zwei  txl  diesem  Zwecite  aasgefOhrte  Versuchs« 
reihen. 

;•.        Erai€  Meihe. 

In  der  ersten  Versuchsreihe  worden  die  Dampftensionen 
der  beiden  Ester  bei  «iner  Reihe  identischer  Tempcraturan 
(zwischen  16  und  56^  gleichzeitig  bestimmt  und  so  mit  ein^- 
ander  rerglichcn.  Das  Verfahren  war  im  Priacrp  dasaelbA, 
wie  das  von  Magnus  zur  Messung  -der  Spanrnkrirte  der 
Wasserdftmpfo  angewandte. 

Zur  Aufnahme  einer  jeden  der  beiden  FlasMgfkefrten  diente 
ein  Ciasapparat,  wie  er  in  Fig.  t  auf  TaTel  III  dargestelk  Ut 
Eine  U«^  Röhre  von  circa  1  Centimeter  innerem  Durchmesser 
wttrde  nah«  an  dem  einen  End^  stark  terengl  und  in  die 
Verengung  ein  Glasstoprcn  etngeschliiTen.  Auf  jeden  der  bet^ 
den  Zweige  war  eine  Millimeterscale  eingeatzt.  —  Der  Ap*- 
parat  wurde  in  genau  senkrechte  Stellung  eingespannt  m4 
dann  bis  nahe  an  die  Verengung  in  b  in  der  Art  mit  Queok«- 
sHber  gefüllt,  dafs  man  this Metall  aus  einem  in  emeCapillar- 
spttte  auslaufenden  Trichterrohr  in  a  einffiefsen  liefs.  (Bei 
Gelegenheit  des  Eiirfüllens  wurden  wiederholt  die  berden 
Quecksilberkuppen  abgelesen  und  so  die  «inander  in  betdun 
Scalen  entsprechenden  Nivcaupunfcte  gefunden.)  Es  wurden 
nun  einige  CC.  der  betreffenden  Substanz  auf  die  Queck^ 
silberoberflache  in  ö  gegossen,  einige  Zeit  im  Sieden  erhalten 
und  dann  durch  Emsetzen  des  Stopfens  zum  Theil  innerhalb 
des  Apparats  abgeschlossen,  wahrend  der  Rest  in  dem  Trichter 
b  blieb.  Man  gofs  jetzt  etwas  Quecksilber  in  diesen  Trichter, 
schob  eine  cyKndrische  Spiralfeder  aus  Stahldralit  ein  und 
schlors  endlich  das  Ende  der  Rohre  mittelst  eines  Korkes  ift 
der  Art,  dafs  derselbe  zugleich  die  Spiralfeder  gegen  den 


3i6  Ditimar,  über  die  Dampfspannung 

Stopfen  anprefste.    Endlich  wurde  der  gröfsle  Theil  des    in 
a  entballenen   Quecksilbers  mittelst    einer   Pipette    heraus-- 
genommen.    Zwei  solcher  Apparate,  der  eine  mit  Aelhyl- 
forroiat,  der  andere  mit  Hethylacetat  beschickt,  wurden  inner- 
Ailb  desselben  Wasserbades  in   der  Art  befestigt,   dafs  die 
Röhren  genau  senkrecht  standen  und   die   zwei  Ester  sich 
dicht  neben  einander  befanden,  und  die  beiden  offenes  En- 
den der  U- Röhren  mit  demselben  Ueberbarometer  in  Yer- 
i>indung  gesetzt.    Ein  von  einer  der  Verbindungsröhren  ab- 
gehender Ansatz  führte  zu  einer  Luftpumpe.    Das  Barometer 
war  aus   einem  Frankland'schen  Gasapparate  hergestellt, 
der  zu  diesem   Zwecke  selbstverständlich    mit   voUkonunen 
trockenem    Quecksilber  gefüllt  war.     Die  Manometerröhre 
dieses  Apparats  war  über  1""  lang,   so  dafs  also  selbst  bei 
einem  inneren  Druck  von  einer  Atmosphäre  noch  ein  erheb- 
liches Vacuum  übrig  blieb.  —  Zur  Ausführung  einer  Bestim* 
mung  wurde  zunächst  die  verlangte  Temperatur  im  Wasser- 
bade hergestellt  und  der  Druck  im  Inneren  des  Apparats  so 
adjustirt,  dafs  sich  von  jeder  der  beiden  Substanzen  ein  ge- 
eignetes Volum  Dampf  bildete.    Ein  continuirlicher  Strom  von 
Kohlensaure  hielt  den  Inhalt  des  Bades  in  beständiger  Be- 
wegung.   Nachdem  das  Thermometer  hinlänglich  lang  con- 
stant  geblieben  war,  um  anzunehmen,  dafs  Temperaturgleich- 
gewicht hergestellt  sei,  wurden  zuerst  die   vier  Niveau  in 
den  U- Röhren  und  dann  die  beiden  im  Manometer  abgelesen 
und  so  alle  zur  Berechnung  der  Tensionen  der  beiden  Dämpfe 
Aöthigen  Elemente  erhalten. 

Ehe  ich  die  Resultate  mittbeile,  will  ich  über  die  zur 
Reindarstellung  der  beiden  Ester  angewandten  Methoden 
berichten. 

Das  Formiat  wurde,  nach  Löwig's  Verfahren,  durch 
Destillation  von  oxalsaurem  Aethyl  (1  Mol.)  mit  entwässerter 
Oxalsäure  (1  Mol.)  dargestellt.    Der  hierbei  vor  sich  gebende 


des  ametsens*  Adhyh  und  des  essigs,  Meihyh,      317 

Procefs  besteht  bekanntlich  darin,  daft  die  erst  gebildete 
Aethyloxalsiure  in  CO«  und  ameisensaures  Aethy!  zerfillt. 
Der  Apparat  war  so  construirt,  dafs  die  Dampfe,  ehe  sie  den 
KQUapparat  erreichten,  erst  innerhalb  eines  aufsteigenden, 
in  einem  offenen  Wasserbade  liegenden  Rohres  bei  56^ 
partiell  condensirt  wurden.  Das  rohe  Formiat  wurde  wie- 
derholt mit  Wasser  gewaschen,  mit  Chlorcaicium  getrocknet 
und  nochmals  (mit  fractionirler  Condensation  der  Dämpfe  bei 
56^)  destillirt.  Das  Destillat  wurde  in  mehreren  Fractionen 
aufgefangen  und  jede  derselben  mittelst  titrirten  Barytwassers 
analysirt,  wobei  es  sich  herausstellte,  dafs  die  beste  Fraction 
nur  circa  99  pC.  der  reinen  Verbindung  enthielt*  Jfachdem 
ich  vergebens  versuch!  hatte  >  das  Residuum  von  Verunrei- 
nigungen durch  abermaliges  Waschen  mit  Wasser,  Trocknen 
mit  CaCli  und  Destillation  zu  entfernen,  gelang  diefs  zuletzt 
durch  längere  Digestion  des  Esters  mit  wasserfreiem  Kupfer- 
vitriol uQd  Rectification  des  Decanlates.  Das  so  erhaltene 
Froduct  titrirte  100,3  pC. 

Für  die  Darstellung  des  essigsauren  Methyls  diente  als 
Rohmaterial  eine  Art  von  gereinigtem  Holzgeist,  die  damals 
in  England  unter  dem  Namen  „Eschwege's  purifiedWood« 
Spirit^  im  Handel  vorkam.  Der  Holzgeist  wurde  durch  De- 
stillation über  Kalk  entwässert  und  aus  dem  Producte,  durch 
rasche  Destillation  mit  dem  gleichen  Gewichte  entwässerter 
0.xalsaure,  oxalsaures  Methyl  dargestellt.  Daa  krystallisirte 
Oxalat  wurde  durch  scharfes  Auspressen  von  der  Mutter- 
lauge befreit  und  zu  weiterer  Reinigung  geschmolzen  und 
bei  einer  dem  Siedepunkte  nahen  Temperatur  eine  Zeit  lang 
im  WasserstoOgasstrome  erhitzt,  wobei  indefs  kein  flössiges 
Destillat  erhalten  wurde.  Ich  beabsichtigte  Anfangs,  aus  dem 
Oxalat  zunächst  Methylalkohol  darzustellen,  fand  aber  bald, 
dafs  dasselbe  durch  Destillation  mit  Eisessig  und  (einer  kleinen 


Sjß  Diitmar,  über  die  Dampf ftpannunß 

Menge)  rauchender  Salzsäure  direct  in  Acetat  umgewandelt 
werden  kann» 

Man  eriiält  ftast  die  berechnete  Menge  Acetat  Die  Salz- 
säure wird,  wie  es  scheint,  nicht  permanent  irerandert,  ist 
aber  wesentlich,  da  C2H40i  und  Gfi^Ai^^Cji ,  wenn  für  sieh 
«rhitzt,  kaum  auf  einander  einwirken.  Nach  einigen  Tast- 
versuchen wurde  das  folgende  Verfahren  als  praktisch  adop- 
tirt.  lOOCIrm.  Oxalat,  100  Grni.  Eisessig^  ond  8  CC.  fast 
gesättigte  Salzsäure  wurden  in  einem ,  auf  fmctionirte  Ceit^ 
densation  der  DämpfV^  eingerichteten  DesttlKrapparraie^  erhitzt. 
Der  YorVühler  wird  erst  eine  Zeit  lang  kalt  gehalten ,  daim 
aber  auf  50  bis  58^  erhitzt,  so  Aafs  das  essigsaure  Methyl^ 
in  dem  Hafse  als  es  sich  bildet,  QberdesttIHrt.  I>as  I>eslHfart 
wird  mit  einer  Lösung  ton  esstgsaurenr  Natron  gewaschen 
(die  weniger  Ton  dem  Ester  auflöst  als  reines  Wasser) ,  mit 
Chlorcalcium  getrocknet  und  destillirt.  —  Eine  »gröfsere 
Quantität  in  dieser  Weise  dargestellten  essigsauren  Hethyb 
wurde,  mit  partieller  Condensation  der  Dämpfe  bei  56^,  de- 
«lillirt  und  das  Destillat  in  mehreren  FVactionen  aufgefangen. 
Eine  der  Fractionen  stellte  sich  bei  der  Titrirung  als  fast 
chemisch  -  rein  heraus  und  wurde  deshalb  für  die  Tensions- 
bestimmungen verwandt. 

Die  folgende  Tabelle  giebt  die  Resultate  der  in  der  oben 
beschriebenen  Weise  ausgeführten  Tensionsbestimmungen  : 


des  ameisen^,  Aeiluft^  und  de^  e^^igiS*  M$lhyU.     3tft 


Tabelle  I. 

Dampfspannung  *) 

» 

Nr. 

des 

Temp. 

(red.  auf  lö" 

C.)  iu  MM. 

f— a 
MM.**) 

f~Ä 
entspr. 

Tbv^ 

Gmdep 

Formiat            Acctat 

Celsius 

f                     a 

l 

16,70 

174,1 

16Ö,a 

8,8. 

0,9 

la 

16,76 

174,5                165,2 

9,3 

8 

K^O 

257,T 

248,9 

18,8 

h^ 

3 

8a 

28,65 
28,6 

300,8 

282,3 

17,7 
18,2 

1,5 

4 

38,3^ 

435,8 

421»7 

144 

0^7 

5 

60,1 

670,9 

663,8 

7,1 

0,3 

6a. 

a»,6 

680,7 

672^5 

8,2 

0,8 

6 
6a 

56,3 
66,2 

1 

828^3 

1>6 

0,7 

0,06 
;      0,03 

1 

Aus.  den  obig^en  Zalilen-  scheint  rieh  tölgenäes  zu  er- 
geben :  Dia  Dampfspannung  des  ameisensaiiren  Aethyls  ist 
schon  bei  i6^  erheblich  gröfscr  als  die  des  essigsauren 
Methyls  bei  derselben  Temperatur.  Bei  steigender  Temperatur 
wächst  die  Differenz  der  Tensionen ,  erreicht  zwischen  38 
und  38^4  ein  Maximum  und  nimmt  dann  wieder  ab,  so  dafs  sie 
bei  56^,2  gleich  Null  oder  wenigstens  (durch  die  angewandte 
Methode)  unbestimmbar  wird. 

Bin  Versuch,  die  Tensionen  der  beiden  Ester  bei  einer 
dber  S6^  liegenden  Temperatur  zu  bestimmen,  vorunglOekte 
md  konnte  nicht  wiederholt  werden,  da  ich  gerade  damals 
genöthigt  war,  diese  Cntersuchong^  fir  längere  Zeil  zu 
smpendircn. 


*)  Die  für  f  und  a  gegebenen  Zahlen  können  nur  ab  annähernd 
richtig  betrachtet  werden,  da  die  zu  den  Versuchen  rerwandten 
Thermometer  nwAl  eorngiri  waten» 

^  (f— -*)    ist    nnabhftngig  Ton    den    f&r    f    imd    a   gefundenen 
Wertfaeo. 


320  Dittmar,  über  die  Dampfspannung 

Zweite  Reihe, 

Da  wir  durch  die  Erfahrungen  von  Regnault  wissen, 
wie   sehr   die  Dampfspannung   einer    Substanz   durch  selbst 
geringe  Spuren  von  Verunreinigungen  modificirt  werden  kann, 
so  wäre  es  voreilig,   die  oben   aufgeführten  Resultate  ohne 
Weiteres  auf  die  idealen  Substanzen  auszudehnen;   zumal  es 
sich  hier  um  zwei  Präparate  handelt,   deren  beiderseitige 
Verunreinigungen   auf  die  Tensionen  in   entgegengesetztem 
Sinne  einwirken  konnten.  —    Als  ich  meine  Arbeit  wieder 
aufnahm,   hielt  ich  es  deshalb  für  nöthig,   vor  Allem  neue 
Präparate  nach  verbesserten  Methoden  darzustellen  und  die- 
selben noch  strenger,  als  diefs  vorher  geschehen  war,  auf 
ihre  Reinheit  zu  prüfen.     Zur  Analyse  der  Ester  adoptirle 
ich   wieder  die  acidimetrische  Titrirmethode ;    ich   bemühte 
mich  aber,  die  derselben  anhaftenden  Fehler   möglichst  za 
eliminiren.    Die  Hauptfehlerquelle  dieser  Methode  liegt  darin, 
dafs,  bei  der  Titrirung  schwacher  Sauren,  der  Sättigungs- 
punkt nie  vollkommen  scharf  definirt  ist.    Die  hierdurch  ver- 
aniafste  Unsicherheit  wird  bei  dem  gewöhnlichen  Verfahren 
der  Aethertitrirung  noch  dadurch  vermehrt,  dab,  selbst  bei 
kurzer  Digestion  caustischer  Alkalien  in  Glasgefäfsen  bei  100^, 
sich  immer  etwas  Kieselsäure  auflöst,  die   bei  beginnender 
Neutralität  gefällt  wird,   den  Lackmus   mit  niederreifst  und 
denselben  seiner  Empfindlichkeit  als  Indicaior  beraubt.    Bei 
den  hier  in  Betracht  kommenden  Estern  läfst  sich   dieser 
Fehler  dadurch  auf  ein  Minimum  reduciren,   dafs  man   die 
Alkalien  in  der  Kälte  einwirken  läfst.    Die  Zersetzung  ist, 
wie  ich  mich  durch  directe  Versuche  überzeugt  habe,  schon 
nach  wenigen  Stunden  vollkommen  beendigt.    Dafs  es  hierbei 
nötbig  ist,   reine  Lösungen  zu  verwendea  (die  nicht  durch 
sehr  lange  Aufbewahrung  in  Glasgefäfsen  SiO<   oder  Al<Os 
aufgenommen  haben),  versteht  sich  von  selbst.    Barytwasser 


des  ameisens^  Aetkyls  und  dee  esnge.  Methyls.       331 

bietet  (KHO  und  NaHO  gegenüber)  den  Vortheil,  dafs  es 
keine  Kohlensäure  enthalten  kann;  Aetznatron  auf  der  än- 
deret! Seite  den,  dafs  es  rascher  auf  die  Ester  einwirkt 
und  bei  der  Titrirnng  vielleicht  etwas  nettere  Resultate  giebt. 
Eine  Lösung  von  chemisch  -  reinem  (aus  Natrium  bereitetem) 
Natronhydrat,  durch  Erhitzen  mit  einem  geringen  Ueberschufa 
von  Baryt  (in  einer  silbernen  Schale)  von  Carbonat  befreiti 

und  so  weit  verdünnt,  dafs  sie  circa  — ^—  Grm.  per  Liter 

enthalt,  vereinigt  die  Vorzüge  beider. 

Bei  dem  hier  angedeuteten  Verfahren  bietet  die  Titri- 
rnng des  Formiats  keine  Schwierigkeit;  die  Endreaction  ist 
fast  so  scharf  markirt,  wie  bei  einer  Mineralsaure;  bei  der 
Analyse  des  Acetats  indessen  bleibt  immer  noch  eine  geringe 
Unsicherheit.  Ich  habe  dieselbe  dadurch  möglichst  zu  elimi- 
niren  gesucht,  dafs  ich  erst  durch  Uebungsversuche  an  Lö- 
sungen, die  neutralen  essigsauren  Baryt  und  gemessene  kleine 
Mengen  Normalsalzsäure  enthielten,  den  richtigen  Sättigungs- 
punkt finden  lernte^  und  denselben  dann  bei  jeder  Analyse, 
durch  abwechselndes  Zufügen  von  tilrirter  Säure  und  tilrirtem 
Alkali,  mehrmals  bestimmte.  Aus  den  reducirten  Resultaten 
wurde  das  Mittel  genommen  und  der  Berechnung  zu  Grunde 
gelegt  *). 

Wenn  ein  Ester  freie  Säure  enthält,  so  wird  die  Titri- 
rung  den  Reingebalt  zu  hoch  bestimmen.  Da  ich  es  nun  sehr 
schwer   fand,  aus  den  Estern,  besonders  aus  dem  Formiat, 


*)  Ich  hatte  gehofft,  hei  der  Analyse  des  Acetats  die  Unsicherheit 
in  der  Titrirung  der  Essigsaure  dadurch  vermeiden  zu  können, 
dafs  ich  den  Ester  mit  einem  Ueherscfaufs  von  titrtrtem  Baryt- 
wasser zersetzte,  den  Baiytüberschnfs  durch  CO^  in  der  Hitze 
füllte  und  den  geHlUten  BnCOg  bestimmte,  fand  aber  bald,  dafs 
selbst  eine  neutrale  Lösung  von  Barytacetat  (aus  saurer  Lösung 
durch  Alkohol  geflült)  unter  diesen  UmstSudon  etwas  BaCOt 
liefert 

▲nnal.  d.  Chem.  a.  Pharm.  71.  Bupplemcntbd.  8.  lieft.  21 


2^22  Diitüfiar^  über  die  Dampfspannung 

jede  Spur  freier  SSare  fernzuhallen,  so  sucjite  rch  nach 
einer  Methode  ^u  deren  quantitaüTer  Beslimmong.  Durch 
f itriren  mft  Buryt  oder  Natron  kattn  der  Zweck  nicht  er«*- 
reicht  werden ,  da  diese  Alkalien  auf  Ester  und  Säure  gleich- 
zeitig einwirken ;  die  Bestimmung  gelingt  indessen  Ternntlelst 
einer    sehr    verdünnten    AmmoniakflussigkeH.      Eine    circa 

—j^  Grm.  per  Liter  enthaltende  Lösung  wirkt  auf  die  Ester 

so  langsam  ein,  da{s  es  beim  Zutropfen  der  ersteren  zu  der 
mit  etwas  Lackmus  gefärbten  Substanz  leicht  ist,  den  Punkt 
2tt  treffen,  wenn  d!e  freie  Säure  gerade  gesättigt  ist. 

In  der  Darstellung  des  Formiats  wurde  die  frfihere  Me- 
thode zunächst  nur  insofern  abgeändert,  als  das  erste  De- 
stillat, vor  dem  Waschen  mit  Wasser,  mit  Ammoniak  ge- 
schulten wurde,  wobei  sich  etwas  Oxamld  abschied.  Das, 
wie  frfiher,  durch  successive  Behandlung  mit  Chlorcalcium 
und  caicinirtem  Kupfervitriol  entwässerte  Präparat  wurde 
(mit  partieller  Condensation  der  Dämpfe  bei  56®)  destillirt 
und  das  Destillat  in  vier  Fractionen  gesammelt.  Fraction  I 
und  III  wurden  titrirt;  die  Resultate  berechneten  sich  auf 
beziehungsweise  : 

i.  m. 

98,5  99,9  pC.  Aetbylformiat 

Bei  Prüfung  mit  tilrirtem  Ammoniak  wurde  in  I  nur  eine 
Spur,  in  III  aber  eine  1,4  pC.  zersetzten  Esters  entsprechende 
Menge  freier  Säure  gefunden.  Die  Proben  waren  also  beide 
gleich  unrein.  —  Nachdem  ich  mich  so  überzeugt  hatte,  dafs 
auf  diesem  Wege  kein  vollkommen  reines  Formiat  zu  er- 
langen sei,  versuchte  ich  das  noch  vorhandene  Residuum 
von  H^O,  CsHeO  und  CH2O«  durch  Behandlung  mit  concen- 
trirter  Schwefelsäure  zu  entfernen,  was  auch  über  alle  Er- 
wartung gut  gelang.  Die  vier  Fractionen  von  DestUlat  wur- 
den zusammengegossen,   mit  Vs  Vol.   destillirter  Schwefel« 


des  umBÜens*  AMyls  tmd  dt$  enig^*  Methyls. 

«ilare  irorsiehlif  gemiscliti  dlie  Mischung  aas  einem  Paraffin«* 
*iaF4e  (4etsen  Teraferatur  unter  100°,,  meist  bei  70  bis  80^ 
gehalten  wurde)  destillirt,  und  das  Destillat,  da  es  stark 
^uef  reagirte,  über  frisch  geschmolzenes  Kalinmformiat  ree** 
Ufidn.  In  Widen  Desiilltftionen  wurde  die  Methode  der 
fraetionidon  Condensatlon  (bei  55  bis  W)  in  Anv^endung 
Ifebra^ht  «nd  die  Destillation  nicht  ganz  zu  Ende  gefuhrt.  — 
Das  M  erhaltene  Product  war  absolut  neotral  und  gab  bei 
4ei*  Titrirung  genau  richtige  Zahlen*  (Gefundeii  922,3  Mi(L 
(n  922,0  Substanz.)  Als  dieses  Präparat  unmittelbar  vor  der 
YcffweVidiing  Mcbmals  mit  Ammoniak  geprüft  wnrde,  stellt» 
M  ^ich  heraas,  dafs  es  V400  seines  Gewichts  zersetzten  Ester 
«nttielt*  Idi  4iielt  es  nicht  für  gerathen ,  eine  Entfernung 
dieser  get^ingen  Verunreinigung  zu  versuchen. 

Bei  der  Darsteihing  des  essigsauren  Methyls  mu&te  ich 
^iefsmai,  da  ^Eschwege's  Spirit^  nicht  mehr  zu  haben 
"war,  von  rohem  Holzgeist  ausgehen*  Derselbe  wnrde  aus 
«einer  in  einem  ParafRnbade  stehenden  kupfernen  Blase  erst 
sweimal  über  geschmolzenes  Nalronhydrat,  nnd  dann  einmal 
^ber  gebrannten  Kalk  dostilKrt,  und  hierdurch  nicht  nur  ent« 
Wassert,  sondern  auch  von  einem  Theile  der  anderen  Ver- 
unreinigungen befreit.  VTdhrend  das  Rohmaterial  beim  Ver-> 
<Iünnen  mit  Wasser  eine  erhebliche  Menge  von  Oel  abschied^ 
lieferte  der  absolute  Holzgeist  nur  eine  schwach  opalescirende 
Sfischung. 

Das  wie  früher  dargestellte  Oxalat  wurde  nach  dem 
Pressen  gepulvert  und  durch  mehrtägiges  Stehen  im  Vacuum 
über  Schwefelsaure  getrocknet.  Bei  der  Umwandlung  des 
Oxalats  in  Acetat  wurde  die  Mischung  des  ersteren  mit  Es- 
sigsfiure  und  Salzsäure  in  einem  Paraffinbade  erhitzt,  um 
Ueberhilzung  zu  vermeiden,  die  möglicher  Weise  die  Bil- 
dung von  Methylformiat  hätte  veranlassen  können.  Das  rohe 
essigsaure  Methyl  wurde  sofort  auf  eine  grofse  Menge  von 

21  ♦ 


324  Diitmar,  Hier  die  Dampfspannung 

frisch  geschmolzenem  essigsaurem  Kali  gegossen,  und  di» 
nach  mehrslündigem  Slphen  gebildete  feste  Masse  aus  einem 
Parafßnbade  (dessen  Temperatur  nie  auf  100^  stieg)  destillirL 
Das  Destillat  war  neutral  und  vollkommen  frei  von  Oxalat 
und  Chlormethyl ;  die  Titrirprobe  bewies  aber  die  Gegenwart 
Ton  2,6  pC.  anderer  Verunreinigungen.  Diese  hätten  wohl 
durch  successives  Behandeln  mit  Wasser,  Chlorcalciooi  and 
Kupfervitriol  beseitigt  werden  können;  nach  den  mit  dem 
Formiat  gemachten  Erfährungen  aber  zog  ic)i  es  vor,  die 
Reinigung  des  Präparats  durch  Destillation  mit  Schwefelsäure 
und  Reclifrcation  über  essigsaures  Kali  zu  versuchen,  was 
auch  vollständig  gelang.  Das  Verfahren  war  in  allen  Ein- 
aelheiten  dem  beim  Formiat  angewandten  analog.  Der  ge- 
reinigte Ester  zeigte  bei  der  Titrirprobe  einen  Reingehalt 
von  99,8  pC. ;  er  war  und  blieb  bis  zur  Vollendung  absolut 
neutral. 

In  dem  physikalischen  Theile  der  Arbeit  beschränkte 
ich  mich  diefsmal  auf  blofse  Vergleichungen  der  Tensionen 
der  beiden  Dämpfe.  Der  Apparat  war  so  constrnirt,  dafa 
die  TensionsdifTerenz  der  Dämpfe  sich  mit  der  Niveaudiffe- 
renz zweier  Quecksilberkuppen  idenliGcirt,  und  diese  wurde 
vermiltelst  eines  vorzüglichen^  von  Meyerstein  construirten 
Cathetometers  gemessen. 

Zur  Aufnahme  der  Flüssigkeiten  und  Erzeugung  der 
Dämpfe  diente  ein  aus  einer  Glasröhre  von  circa  12°^  inne* 
rem  Durchmesser  angefertigter  Apparat  von  der  Geslalt  einer 
dreizinkigen  Gabel  (Fig.  2  auf  Taf.  111).  Der  Apparat  wurde 
etwa  zur  Hälfte  mit  Quecksilber  gefüllt,  evacuirt  und  das 
Quecksilber  dann  im  Vacuum  ausgekocht.  Nach  dem  Er* 
kalten  wurden  die  beiden  seitlichen  Röhren  (a  und  b)  nahe 
an  den  Enden  stark  verengt,  und  es  wurde  dann  mittelst 
eines  langen,  in  eine  capillare  Spitze  endigenden  Trichter- 
rohrs, durch   C;    mehr   Quecksilber   eingegossen,    bis  die 


des  ameisens.  Aethyh  und  des  essigs.  MMyls.      329! 

Seilenrohren  bis  nahe  an  die  Yerengfnngen  toll  waren*  a 
«nd  h  wurden  dann  nach  einander  mit  besiehungsweise  For- 
miat  and  Acetat  beschickt,  in  der  Art,  dafi  man  je  IVs  CGI 
der  betreffenden  FIfissigkeit  einfahrte  und,  nach  dem  Weg-» 
fcocheil  der  Luft,  einschmolz.  Endlmh  wurde  der  gröfste' 
Theil  des  in  c  enthaltenen  QaeoksHbers  mittelst  einer  Pipette 
beransgenommen.  —  Die  so  vorgeHohtete  W- Röhre  wurde 
innerhalb  eines  an  «wei  einander  gegenüber  liegendeaSeitea 
mit  ebenen  Glasplatten  versehenen  Wasserbads  so  befestigt^ 
dafs  die  Axen  der  drei  Rdhren  senkrecht  und  su  der  Tor-^ 
d^en  Glaswand  parallel  standen,  und  vermittelst  einer  +ßr«, 
migen  Glasröhre  mit  einem  Manometer,  einer  Hahnluftpuinpe 
Qhil  einer  circa  5  Liter  haltenden  kupfernen  Hohlkugel  in 
Verbindung  gesetzt.  Zwischen  dieW-  und  die-] — Röhre  war 
tin  stählerner  Hahn  mit  >^- Bohrung  eingesetzt ,  welcher  es 
gestattete,  den  Inhalt  der  W- Röhre  nach  Belieben  mit  der 
Atmosphäre  oder  den  ah  die  ^''^i^f^W®  Röhre  angehängten 
Apparaten  in  Verbindung  zu  setzen  oder  gans  abzuschliefsen« 
Das  Manometer  diente  nur  zur  Pröfung  des  Apparats  auf  lofk« 
dichten  Schlufs  aller  Verbindungen  und  zur.  annähernden 
Benrtheilung  des  Drucks;  der  Zweck  der  Hohlkugel  war, 
kleme  Undicfatkeiten  im  Apparat  und  etwaige  plötzliche  Tem« 
peraturschwankuttgen  in  der  Atmosphäre  unschädlich  sii 
«lachen.  Die  Verbindungen  wurden,  abgesehen  von  einen 
in  c  eingefügten  Korke,  theiis  mittelst  der  bekannten  Reg- 
naul t'schen  Kuppelungen,  theiis  durx^h  Röhren  aus  unvul«' 
kanisirtem  Caoutchouc  hergestellt.  Bei  Versuchen  änter 
höherem  Druck,  als  denl  der  Atmosphäre,  wurden  die  Iota«*' 
leren  durch  eng  anliegende  und  mit  Eisendraht  befestigte 
Bandagen  aus  Banmwollenzeug  druckfest  gemacht 

Die  Ausführung  der  Versuche  bedarf  kaum  einer  Be^ 
sdbreibung.  Nachdem  die  gewQnschte  Temperatur  im  Was^ 
•erbade  hergestellt  und  der  Druck  im  Innern  des' Apparats» 


396^  Dittmar,  über  die  Dampfspannmnff^ 

vichtigr  adjuslirt  war,  wurde  die  TeMperaHir  Mf  Uttg^re  20it 
eoDStaiil  and  gleichförmig  erfceUe» ,  und ,  «raliraid  bini  ei» 
Beobachter  das  Waflier  beständig  in  Bewegiui|(  erhielA  miffc 
die  Thermometer  ablas,  nahm  ein  anderer  die  QueekaiibQi^ 
kdppen  in  den  die  Ester  enthaltenden  Röhren  auf;  erst  in  a^ 
dam^  in  b,  und  antelzt  noch  einmal  in  o. 

Die  Temperaturen  unterhalb  fiO^  wurden  mittelst  einMi 
feinen,  in  V^  Grade  fetheütan  Geisler*achm  Tharmometiaff« 
beobachtet  und  für  eine  kleine  Veraohiebung  iaa  OrPimht  doa 
Instruments  (4^  0^^2)  oorrigirt;  zur  Bestimmung  der 
perateren  tiber  SO^  diante  ein  anderes,  in  gamse  Grade 
th^tef.  Thermometer.  Dieses  tweite  Thermometer  war  Clr 
eine  Beihe  von  Temperaturen  unter  50®  mit  dati  GeialerV 
nahen  verglichen  worden;  und  da  hierbei  seine  Angabe» 
eonstant  um  1®  zu  hoch  gefunden  worden  waren  (gegen  din 
um  QP,2  verminderten  des  Geister 'sehen  Inabrnments)^  a% 
wurde  dieser  Betrag  auch  von  den  Ableatuigen  ober  50^  ab- 
gezogen. Hiernach  brauche  ich  nidit  noch  besonders  n 
bemerken,  dais  die  Temperalurbestimmungen  keinen  Anspruek 
auT  Priciaien  machen.  Da  indessen ,  wie  die  unten  folgend 
Tabelle  zeigt,  die  DiiTerena  der  Tensionen  der  beifien  Mnpfe 
sidi  mit  der  Temperatur  nur  sehr  langsam  tedert,  so  darf 
man  wohl  annehmen,  dab  die  Scale  der  Temperaturen  iurdk 
die  in  derselben  vorhandenen  Fehler  aus  Ihrer  richtigem 
Stellung  gegen  die  Scale  der  Tensionsdifferenzen  nicht 
sentlich  verschoben  ist. 

Die  folgende  Tabelle  giebt  die  BesnUate  Ten  30  in 
beechriekeneit  Weise  ausgefilhrten  Bestimmungen,  f  und  • 
bedeuten  die  Oueckmlbemtveau  in  beziehungsweise  der  PoraMi^ 
und  der  Acetat- Bohre,  von  dem  ^benn  Endpunkte  der 
KatbetosMCeracale  gerechnet ;  t  das  Mülel  der  wfthrend  eines 
Versuchs  beobachteten  Temperaturen;  Ji  diegröfste  beel^ 
aohtete  Abweichung  von  diesem  Mittel.    Demanck  giebl  die 


Jt^  a^  f iMtrs^liriffieiie  Colii(nit^  dw  Ve^inrii^Ii  der  T^^ 

mit  Quecksilberfaul^  von  t^;  dif  C^lgf«^^  Coh)inna  gi«))! 
dieselbe  Driickdifi^rßn?)  in  Queq^sUber  von  15^ 

Tabelle  ü. 


Nr.  des 


n. 

Ul 

IV. 

V. 

% 

4» 

f— Ä 
MM. 

f— « 

15«  C. 

18,0 

0 

15,85 

15,35 

ia,e 

0 

15,82 

15,22 

28,3 

0,3 

8,02(7) 

18,0«l(?) 

24,4 

0 

18,40 

18,40 

«M 

0 

16,77 

1^,77 

24,3 

0,03 

17,15 

17,15 

S9,ö 

0,M 

81,67 

31,61 

29,6 

0,03 

21,75 

?1,69 

29,75 

0,05 

91,85 

21,79 

S9,8 

Q 

21,70 

21,64 

84,4 

0 

t  24,90 

24,81 

34,4 

0 

25,10 

26,01 

39,3 

0,07 

28,47 

28,34 

88,9 

0,1 

28,00 

27,87 

43,5 

0,1 

81,75 

31,59 

48,4 

80,75 

30,59 

42,95 

0,05 

81,01 

80,85 

48,0 

0t03 

30,80 

30,64 

48,55 

0,05 

85,52 

85,29 

48»6 

0 

36,37 

36,14 

55,0 

0 

40,87 

40,58 

55,15 

0,05 

41,75 

41,4^ 

55,85 

0,05 

41,25 

40,96 

54,05 

0,16 

38,89 

38^ 

53,7 

0,03 

39,40 

39,11 

55,2 

0,3 

40,56 

40,26 

54,4 

0,03 

89,95 

89,06 

63,7 

0 

48,85 

47,91 

63,7 

0,03 

48,20 

47,76 

69,0 

0 

58)27 

52,74 

78,95 

0,05 

59,90 

59,18 

78,75 

0,15 

60,80 

60,09 

1 

8 

8 

4 

6 
6 
7 
8 
9 

10 

11 

18 

18 

14 

15 

15» 

16 

17 

18 

19 

90 

21 

21a 

22 

28 

^4 
25 
86 
27 
28 
29 
80 


Ein  Blick  auf  die  Tabelle  zeigt,  dafs  die  Resallate  von 
denen  der  ersten  Reihe  bedeutend  differiren«  Die  Abwei-» 
cbungen  sind  zu  grofs,  um  anders  als  durch  die  Annahme 


S28      DittmaTj  über  die  Dampfspannung  u,  e.  w. 

chemischer  Verschiedenheiten  zwischen  den  beiderseits  an- 
gewandten gleichnamigen  Substanzen  erlilirt  werden  xa 
können.  Da  ich  nun  dberzeugt  bin,  dafs  die  Ester,  welche 
fQr  die  neueren  Versuche  dienten,  dem  Zustande  *  absololer 
Reinheit  mindestens  sehr  nahe  liommen ,  so  nehme  ich  keinen 
Anstand,  die  Resultate  derselben  auch  auf  die  idealen  Sub- 
stanzen auszudehnen  und  zu  schliefsen  :  dafs  bei  Tempera- 
turen zwischen*  18  und  80^  die  Tension  des  ameisensaaren 
Aethyls  gröfser  4st,  als  die  des  essigsauren  Methyls,  und  daGi 
die  Differenz  bei  steigender  Temperatur  wichst 

Mit  Bttlfe  der  in  der  ersten  Reibe  ausgeführten  abso- 
luten Tensionsbestimmungen  lassen  sich  die  für  Temperaluren 
unter  56^  gefundenen  Werlhe  fflr  ,,f  —  a^  auf  Temperatur- 
differenzen  reduciren.  Einige,  auf  die  fär  das  Acetat  ge- 
fundenen Tensionen  basirte  Rechnungen  haben  folgende  Re- 
sultate gegeben,  die  ich  indessen  nur  als  nahe  Annäherungen 
betrachte. 


Temperataren  gleicher  Dampfspannung. 

Fonniat 

Nach  H.  Kopp 
20«        26«        88«        43«        68«                       64,9 

Aoetet 

21,7       27,8      S4»7       44,5      M,4                     56,8. 

Ich  kann  nicht  schliefsen,  ohne  den  Herren  Cranslon 
und  Dewar  fQr  die  mir  im  Verlauf  dieser  Arbeit  geleistete 
Hülfe  meinen  Dank  auszusprechen. 

Universitfils- Laboratorium  Edinburg,  August  1868. 


Üeber  die  künstliche  Bildung  des  Pyridins; 
von  E.  Th.  Chapman  und  M.  H.  Smith. 


Das  Pyridin  Int  Perkin  *)  ans  Axedinapktyldiamin 
(CfoHuNt)  durch  ü»  Binwirkimg  Ton  Wasaersloff  im  Eni» 
atebungszofltande  dargesleUl.  Di6M  R^ction  bal  auf  dia 
Stmotnr  der  in  Rede  stehenden  Base  nicht  viel  Lieht  ge* 
werfen.  Sonst  wird  noch  dieser  Körper  durch  trockene 
Deslilintion  verschiedener  slicksloffhait^er  Sobslanzen  er- 
balten. Er  tndet  sich  im  Tbieröl  nnd  in  den  Destillalions- 
prodQcten  von  Torf,  bituminösem  Schiefer  u.  a«  Aber  für 
keinen  dieser  Falle  ist  die  Bilduogsweise  genauer  erkannt. 

In  einem  Aufsatse,  welcher  vor  der  Chemical  Society 
in  London  gelesen  und  in  dem  Journal  derselben  (für  Au- 
gust 1866)  veroiTentlicbt  wurde  (von  Chapman  :  ^Ueber 
die  Bildung  der  Essigsiure  und  der  Propionsäure  aus  AmyU 
nlkohol^),  kommt  folgende  Stelle  vor  :  ^Phosphorsiure  wirkt 
auf  Salpetersflnre- Verbindungen  eben  so  wohl  wie  auf 
Salpetrigsfiure- Verbindungen  ein,  obscbon  nicht  so  leichli 
nnd  darauf  lafst  sieh  wohl  ein  Verfahren  grfinden,  Verbin- 
dungen aus  derselben  Klasse,  in  welche  das  Picolin  gehört, 
xn  erhalten  : 

(yiiiNOs     könnte  geben      GAN  +  8  H,0.« 
Salpeteis.  Amyl  Pyridin. 

Diese  vermulhungsweise  aufgestellte  Gleichung  ist  genau 
in  der  angegebenen  Weise  realisirt  worden. 

Wird  ein  Ueberschufs  von  vollkommen  entwässertem 
salpetersaurem  Amyl  auf  wasserfreie  Phosphorsaure  gegossen, 
so  ist  zuerst  keine  Einwirkung  bemerkbar,  aber  bei  längerem 
Stehen  oder  bei  gelindem  Erwarmen  sieht  man,  dafs  die  Phos» 


*)  PieM  AfiBAlen  CXXXVH,  ass. 


SSO  Chapman  u.  Smithy  über  die  künstliche 

fkof$iuie  e(wM  ftusammdnrilft  odet  Ihr  JLossehen  veriodfir^ 
Gewöhnlich  beginnt  diese  Veränderung  an  der  einen  Seite 
des  GefSfses,  und  verbreitet  sich  alimällg  durch  die  ganze 
Masse.  Kein  Gas  irgend  welcher  Art  wird  entwickelt,  ob- 
gieicb  betröefatttdi  viel  Hitse  ft'ei  wird.  Behandelt  ma»  dann 
das  G<»misohe  mit  Wasser,  so  wird  lieine  Wärme  iBebr  frei, 
sondern  die  feste  Masse  in  dem  GeMse  IM  aioh  iümilig 
auf,  der  Ueibersohulli  des  angewendeten  salpeleraamren  Amjkf 
scheidet  sich  ab  und  kann  abgegossen  werden,  ud  die  let»^ 
ten  Spuren  desselben  können  veüstindi^  in  der  Art  enlilBfiit 
werden,  dafs  man  während  einiger  Minuten  kecken  UfaL 
Setzt  man  jetzt  einen  Ueborsekufs  ven  Kali  zu  der  FiaaigfT 
keit,  so  tritt  sofort  der  Geruch  nack  Pyridin  auf.  Aber  ohn 
gleich  wir  mit  mehreren  Unnen  wasserfreier  PhespfaorsAure 
operirten ,  konnten  wir  doch  auf  dieiie  Weise  nyr  gani  ge« 
ringe  Spuren  von  dieser  Base  erhatten.  Als  HauptprodmA 
der  Einwirkung  entstand  ziemlich  viel  von  einer  dunkel«* 
braunen  peebartigen  Substanz,  welche  sobwieb  basische  B^ 
genschaften  an  besitzen  scheint.  Diese  Substanz  s4fht  ver«* 
mutklich  in  Beziehung  auf  ihre  ZSosammensetzong  iwisobnn 
dem  Pyridin  und  dem  salpetersanron  Amyi  Dieser  Ansehan« 
ungsweise  entsprechend  beschlossen  wir  einen  Uebersoiinfb 
von  wasserfreier  Phospborsäure  anzuwenden.  Wir  sind  jedock 
einer  anderen  Sehwierigkeit  begegnet,  sofern  die  Einwirkung^ 
zwischen  der  wasserfreien  Phosphorsäure  und  dem  salpeter- 
sauren Amyl  unter  diesen  Umständen  eine  äufserst  heftige 
und  nicht  zu  mafsigende  ist,  obgleich  sie  erst  einige  Zeit 
nach  dem  Zusammenbringen  der  beiden  Substanzen  eintritt, 
oder  wenn  dieselben  mafsig  erwärmt  worden  sind.  Wir 
fanden,  dafs  nur  in  der  Art  sich  zweckmafsig  operiren  lasse, 
dafs  man  einen  Kolben  mit  sehr  langem  Halse  nimmt  und  in 
ihn  2  bis  3  Grm.  wasserfreie  Phospborsäure  mit  IVs  bis 
2  Grm.  salpetersaurem  Amyl  bringt.    Das  Gemiscke  wurde 


Bü4tm§.  d^s  Pyridin^,  ^9A 

sorgfältig  *  zu  einer  dfinnen  Schichte  in  dem  Kolben  aosge* 
bmilBl.  Vakreikd  dessen  oiub  maik  dien  Kolben ,  durch  Uwt 
gehen  d^Melben  mit  JOunrettier,  hall  halten*  Ein  in  Ei$wa39iQ^ 
getauchtes  Tuch  wird  nun  um  den  Hals  des  Kolbens  ge* 
wickelt  und  der  Bauch  desselben  während  einiger  Minuten 
in  das  Wasserbad  eingetaucht,  bis  die  ersten  Anseigen  der 
Blnviriuuig  heaMrkbnr  aind«  Der  Kolben  wird  imn  am  dem 
Wasserhtd  hcraosgenomnien  undi  in  dier  Luft  hin  unA  bet 
kevegtL  fibbahl  die  BimiviriHiBg^  auok  gtöTaeren  Tfceiki  vocn 
iber  ist»  wivd  dnrt  Kolben  wieder  Or  eJnigQ  Mineltwi  in.  diu 
Wasserbad  getaucht.  Dieses  Verfahren  wivd  mit  neuen  Uwrt 
gen  Materinls  in  reinen  Kolben  wiederholt»  Der  Inbntl  der 
Kolbce  wir<  nnn  in  Wasser  gelesi  und  die  ao  echaltene  idn 
sang  wük  einem  üehenichusfe  ven  Kali  dealiMirt.  Diese  LSr 
sung  ist  sehr  stark  dunkel  gefürbt.  Das  alkaliaehe  Dealäla^ 
wekhes  atairk  nach  Pyridin  riecht^  wird  mütelat  Schwefel- 
siore  aagesiaeri  wiA  aum  Anstaeiben  ven  S|Hiren  nenlraltr 
Uiger  Sidrstansen  gekocht  Es  wird  dann  durch  Bbidampte 
nof  dem  Wasserbade  betrflcMich  concesdrirt.,  und  snletat 
werden  Slucke  von  Kali  fugeselat  Die  an  die  Oberfliehe 
der  FHasigkeil  skb  erhebende  ölige  Sohiohle  hrt  Pyridin. 
Daasebe  wurde  al«  soichea  erkannt  dorch  seine  grofse  Sb^ 
htlMt,  durch  seinen  Gemch  und  dnrch  eine  Analyse  eeibee 
ehferwasseratofiiMiiren  Salaee,  wekhe  folgende  Besnlietei 
ergab  : 

0,4024  Gm.  C^HftN.HGl  gal^tte  0,4982  ChlotnUrar»  f»IIVfltA«nd 

30,Q9  pC.  Chlor.    Nach  der  Fonnel  berechnen   sich  30,74  pC. 
Chlor. 

Nach  dem  hier  besprochenen  Verflihren  erhAlt  man  auch 
nicht  annähernd  die  theoretisch  sich  berechnende  Menge 
Pyridin.  Dunkel  gefftrbte  neutrale  oder  schwach  alkalische 
Substanz  bildet  sich  in  grofser  Menge. 

Laboratorium  der  London  Institution. 


$32        Schüine,  Beziehungen  zwischen  chemischer 

Besiehungen    zwisehen    chemischer  Zasam- 
mensetzung  und  Ertragsföhigkeit  des  Bodens ; 

von  W*  Schütze. 


Eine  jede  Pflance  bedarf  zo  ihrer  voUslindigen  Bot- 
Wickelung  gewisser  mineralisolier  Stoffe.  Ein  Boden  ist  nor 
dann  fmclitbar,  wenn  er  diese  in  geiiögender  Ooentilil  mul 
In  Verbindungen  y  welche  von  der  Pflanze  anfgenomneB 
werden  iLÖnnen,  enlhSlt. 

Es  ist  L  i  e  b  i  g*s  grofses.  Verdienst ,  eine  Folge  seines 
rasUosen  Strebens  und  Kdmpfens,  dass  diese  Sitze  ia  der 
Wissenschaft  wie  in  der  Praxis  aUgemeane  Anerkcnnong 
gefunden  haben. 

Der  Umstand ,  daiSi  ein  Boden ;  wenn  er  fruchtbar  sein 
soll,  gewisse  Stoffe  in  bestimmler  Menge  und  Fern  enthalten 
nittls,  eröffnet  der  Anwendung  der  Cbewie  anf  Forst*  und 
Landwirthschaft  ein  weites  Feld.  Man  sollte  meinen,  ea 
mfisse  leicht  gelingen,  ans  den  Resultaten  der  chemischen 
Analyse  des  Bodens  sichere  Schlösse  auf  das  Ertragsver- 
mögen desselben  zu  ziehen.  Die  Aufgabe  der  chemiscken 
Bodenanalyse  ist  es,  zu  bestimmen,  wieviel  von  einem  jeden 
mineralischen  Nährstoff  und  in  welcher  Verbindung  ein  jeder 
sich  im  Boden  vorfinden  mufs,  damit  dieser  zur  Cultur  ein^r 
bestimmten  Pflanze  geeignet  sei. 

Die  grofse  Zahl  der  ausgeführten  Analysen  hat  aber  diese 
Aufgaben  nicht  zu  lösen  vermocht.  Ja,  weil  die  Boden* 
analyse  bis  jetzt  nicht  die  erwarteten  Resultate  erzielt  bat, 
so  findet  sie  —  auch  unter  vielen  Chemikern  —  nicht  die 
Beachtung,  welche  sie  verdient.  Namentlich  aber  die  Land- 
wirthe  unterschätzen  gegenwartig  die  Bedeutung  der  Boden- 
analyse,  und  Peters  findet  sich   daher  (Jahresbericht  der 


Zusammensetzung  und  Ertragsfähigkeit  des  Badens.    833 

Agricullurcbemie  VIII,  43)  zu  der  Erklärung  veranlarsl :  ^!n 
Deutochland  ist  in  neuerer  Zeil  die  Bodenanalyse  mit  Unrecht 
in  Mifscredit  gekommen ,  nachdem  man  früher  die  Erwar- 
tungen gar  zu  hoch  gespannt  halle/ 

Für  die  Wissenschaft  hat  es  allerdings  zur  Zeit  wenig 
Interesse,  zu  bestimmen ,  wieviel  von  einem  jeden  Bestand- 
theil  in  einem  beliebigen  Boden  enthalten  ist.  Allein  dafs 
Bodenanalysen,  die  zur  Beantwortung  einer  bestimmten  Frage 
ausgeföhrt  werden«  doch  wichtige  Resultate  erzielen  können, 
beweisen  mehrfache  Untersuchungen  der  letzten  Jahre. 

So  fand  z.  B.  von  Schorlemmer  (Jahresbericht  der 
Agriculturchemie  VIII,  44)  für  mehrere  Reihen  von  Böden, 
dafs  der  Phosphorsiuregehalt  sich  fast  genau  parallel  den 
einzelnen  Bodenklassen  stellt,  wie  diese  durch  die  Bonitimng 
bei  Veranlagung  der  Grundsteuer  angenommen  sind.  Jeden- 
falls ein  ganz  beachtenswerthes  Resultat. 

Wollte  man  jedoch  auch  zugeben,  dafs  es  zur  Zeit  nicht 
möglich  sei,  aus  der  chemischen  Analyse  des  Bodens  auf 
dessen  gröfsere  oder  geringere  Fruchtbarkeit  zu  schliefsen, 
so  dürfte  diefs  doch  nur  ein  Antrieb  zu  weiteren  Versuchen 
sein,  diesem  Mangel  unseres  Wissens  abzuhelfen.  Die  Lösung 
jener  oben  erwähnten  Aufgabe  der  Bodenanalyse  wird  sich 
jedenfaUs  finden  lassen. 

Soli  die  Bodenanalyse  diesen  Erfolg  erzielen,  so  mufs 
man  deren  Resultate  mit  den  auf  demselben  Boden  erzielten 
Ernten  vergleichen.  Dafs  sich  aus  einer  solchen  richtig 
durchgeführten  Vergleichung  ein  Zusammenhang  zwischen 
chemischer  Zusammensetzung  und  Ertragsfahigkeit  des  Bodens 
ergiebt,  zeigen  die  oben  angeführten,  ihrer  Zahl  nach  aller- 
dings noch  unzureichenden  Untersuchungen  von  v.  Schor- 
lemmer. Ein  solcher  Zusammenhang  kann  sich  nur  bei 
den  StoiTen  ergeben,  die  im  Boden  nicht  im  Ueberflufs,  son- 
dern nur  in  so  geringer  Menge  vorkommen,  dafs  die  Pflanze 


ää4       ßchiitz^^  Bniehm^  isufüü^n  ^hrnniifiskur 

hicfaft  so  viel  voto  ihnen  vorfindet,  wie  sie  fltihiinebmeh  T«r- 
tnag ,  sondern  mehr  oder  weniger  Mangel  an  iliiiM  leidet 
Da  2.  B.  fast  jeder  Boden  60  tiel  Biscin  enthllll,  dafe  jete 
Pflanze  leicht  ihren  Bedatf  an  dieseni  Stoff  deokeü  kann,  io 
wifd  der  Eisfengeha^lt  verschiedener  Böden  tiie  al»  llafs* 
8tab  ihrer  Fruchlharkeit  dienen  können.  Seine  SchwankmH 
geti  fiben  in  dfer  Regel  kefnen  Einfloni  auf  die  Vegetation. 

Phosphate  hingegen  finden  sich  im  Boden  meist  nur  In 
dnfterst  geringen  Mengen  vor,  nnJ  idaher  wird  schon  oft 
Mangel  «n  Fhosphors&are  eintreten ,  wdhrend  alle  fihrigen 
Nihrsloffe  noch  in  relativ  grolher  Menge  vorbanden  sind ;  im 
letzteren  Falle  aber  wird  det  Boden  <ier  fhichtbarsl^  seiB) 
Welcher  die  grollte  Mehge  von  Phosphaten  enlhSl  :  to* 
Gehalt  an  Phosphorsatire  wh-d  dann  als  Maßstab  seiner  Br- 
fragsrfihigkcit  dienen  können. 

Ich  habe  eine  ganze  Reihe  den  Porsten  der  hiesigen 
Academie  entnommener  Waldböden,  die  ein  sehr  verschie- 
denes Ertragsvermögen  zeigen,  auf  Ihren  Phosphorsauregebalt 
«intersucht.  Der  Waldboden  schien  mir  vorzugsweise  zn 
diesen  Untersachungen  geeignet,  2onSchst  weil  die  Staats- 
Torsten  nach  ihren  Erträgen  in  verschiedene  Bodenklassen 
getheilt  sind,  ein  Vergleich  zwischen  chemischer  Zusammen- 
setzung und  Ertragsfahigkeit  des  Bodens  also  leicht  aasza- 
föhren  ist;  ferner,  weil  gerade  in  den  Wäldern  sich  grofse 
FMchen  darbieten ,  die  seit  langer  Zeit  eine  gleichartige  Be- 
liandlong  erfahren  haben;  und  endlich,  weil  der  Waldboden 
(wenigstens  in  hiesiger  Gegend)  auf  gröfsere  Strecken  eine 
gleiche  Znsammensetzung  zu  haben  scheint. 

Andererseits  war  es  zwar  wieder  fraglich,  ob  der  Wald- 
boden ein  seinem  Phosphorsauregehalte  proportionales  Ertrags- 
vermögen  zeigen  wüfde.  Die  Entnahme  der  Phosphate  durch 
den  forstlichen  Betrieb  betragt  nur  etwa  den  achten  Theil 
von  dem;  was  ekier  gleich  gfofsen  FMche  in  derselben  Zeil 


Zusammeiue^sunff  und  Ertrug^fakifluiL  dtä  Badtna.    888 

durch  h\M  Rog'gfeiicrrnto  entcogeii  wird.  Bringen  wir  in  An- 
rechnan^,  dafs  der  Forstmann  deh  Boden  bis  so  einer  Tiefe 
Yon  etwii  5  Fofa  (s*  B.  bei  der  Kiefer),  der  Landwirth  aber 
Yorzugsweise  nur  eine  Schicht  von  ungefihr  einem  Pufs  be- 
tiolEl,  so  sehen  wir,  dafs  durch  eine  Roggenernte  einem 
gleichen  Ranmtheile  des  Badens  m  derselben  Zeit  eine  dOmal 
grOftere  Quantität  Phoiphorsiore  als  durch  die  Holzproduction 
Mtzogem  Wird.  Der  Bamn,  namenllich  die  Kiefer,  stellt  hin«* 
sichtltoh  des  Phosphorsduregehaltes  weit  geringere  Anfor-* 
demngen  an  den  Boden  als  andere  Cnllorgewfichse ,  und  es 
wäre  möglich,  dhlb  Auch  im  trmsten  Sande  sich  noch  eine 
solche  Quantität  PhosphorsSure  vorfinde,  dafs  kein  fühlbarer 
Mangel  an  diesem  Stoff  eintreten  könnte. 

Wollte  man  aber  diesen  Bedenken  Raum  geben,  dann 
mOfste  man  sie  auch  auf  alle  übrigen  Nährstoffe  anwenden, 
weil  diese  sämmtüch  durch  die  Forstwirthschaft  dem  Boden 
in  viel  geringerer  Menge  als  durch  die  landwirthschafiliche 
Praxis  entzogen  werden.  Man  müfste  dann  jener  Ansicht, 
der  man  zuweilen  in  forstlichen  Kreisen  begegnet,  beipflich- 
ten, dafs  es  für  den  forstlichen  Betrieb  nicht  oder  doch  nur 
wenig  auf  die  chemische  Zusammensetzung,  vielmehr  aber 
auf  die  physikalischen  Eigenschaften  des  Bodens  ankomme. 

Bei  der  Ausführung  von  Bodenanalysen  pflegen  die 
Agriculturchemiker  in  der  Regel  die  Phosphorsäure  nur  in 
dem  kalt  bereiteten  salzsauren  Auszuge  zu  bestimmen.  Bei- 
nahe sämmtliche  Angaben  über  den  Phosphorsäuregehalt  des 
Bodens  beziehen  sich  nur  auf  die  in  kalter  Salzsäure  lös- 
liche Phosphorsäure.  Knop  schlägt  vor,  die  Phosphorsäure, 
wie  die  übrigen  Bestandtheile,  in  einem  Auszuge  zu  bestim- 
men, der  durch  mehrstündiges  Kochen  des  Bodens  mit  ver- 
dünnter Salpetersäure  hergestellt  ist  (Landwirthscbaftliche 
Yersuchstationen  VIU ,  38).    Mohr  empfiehlt  (Titrirmethode, 


336        Schütze,  Begiekungen  ewüehen  ckemiseher 

2.  Aufl.,  S.  487),  ,,den  Boden  mit  Salpetersfiure  eu  koeheB, 
bis  alle  phosphorsavren  Salze  sicherlieh  gelöst  sind/ 

Bei  näherer  Prufong  ergab  sich  aber,  dafs  die  Tollstan- 
dige  Lösung  der  Phosphate  nur  aufserst  schwierig  zu  er- 
zielen ist.  Eine  Probe  eines  Sandbodens  wurde  zwei  Tage 
mit  concentrirter  Salpetersäure  gekocht,  dann  wurde  abfiitrhrl 
und  der  Rfickstand  ausgewaschen.  Letzterer  wurde  noch 
dreimal  mit  concentrirter  Salpetersäure  ausgekocht  Die  vier 
Filtrate  wurden  dann  zur  Abscheidung  der  gelösten  Kiesel-* 
säure  getrennt  zur  Trockne  verdampft,  mit  Terdönnter  Sal- 
petersäure aufgenommen  und  das  Filtrat  mit  Holybdänlösung 
auf  Phosphorsäure  geprüft. 

In  allen  vier  Auszügen  entstand  ein  Niederschlag,  alle 
enthielten  also  Phosphorsäure.  Die  Menge  des  Niederschlags 
war,  wie  zu  erwarten  stand,  im  ersten  Auszuge  am  Erheb- 
lichsten. Der  zweite  und  dritte  Auszug  enthielt  etwa  gleiche, 
nicht  unbeträchtliche  Mengen  Phosphorsäure;  erst  im  vierten 
Auszuge  zeigte  sich  der  Pbosphorsäuregehalt  geringer;  er 
gab  aber  immer  noch  eine  bestimmbare  Menge  Phosphor- 
säure. 

Eine  zweite  Bodenprobe,  die  gleichfalb  viermal  hinter- 
einander mit  starker  Salpetersäure  ausgekocht  wurde,  gab 
genau  dieselben  Resultate;  alle  vier  Auszuge  enthielten 
Phosphorsäure. 

Es  ist  also  aufserst  schwierig,  die  im  Boden  vorhandenen 
Phosphate  vollständig  in  Lösung  zu  bringen.  Beim  Kochen 
eines  Bodens  mit  Salpetersäure  zeigt  sich  aufscrdem  noch 
der  Uebelstand,  dafs  nach  Zerstörung  der  organischen  Sub- 
stanzen ein  heftiges  Stofsen  eintritt.  Ich  versuchte  daher 
die  Phosphate  des  Bodens  durch  ein  anderes  Verfahren  in 
Lösung  zu  bringen,  nämlich  durch  längeres  Erhitzen  des 
Bodens  mit  concentrirter  Salpetersäure  unter  starkem  Druck. 


Zusammensetzunff  und  Ertrag sfähigTceit  des  Bodens.    SST 

Das  Erhitzen  fand  in  Kolben  von  schwer  schmelzbarem  Glase 
statt,  die  etwa  IVs  Liter  und  3  bis  4  MM.  Wandstärke  zeigten. 
In  diesen  Kolben  wurden  200  Grm.  der  zu  untersuchenden' 
Erde  mit  ungefähr  ^4  Liter  Salpetersäure  Übergossen  und 
der  Hals,  den  man  etwa  25  Centimeter  lang  anfertigen  läfst,' 
ausgezogen  und  zugeschmolzen.  Enthält  ein  Boden  erheb«^ 
fiche  Mengen  humoser  Substanzen,  so  ist  es  zweckmäfsig, 
um  Explosionen  zu  vermeiden,  den  Kolben  so  lange  offen  zu 
erhitzen,  bis  alle  organischen  Substanzen  zerstört  sind,  und 
dann  erst  die  Spitze  zuzuschmelzen.  Die  zugeschmolzenen 
Ballons  erhitzte  ich  72  Stunden  auf  160^;  zu  empfehlen  ist 
es,  den  Ballon  einigemale  zu  öffnen,  umzuschüttein  und  wie- 
der zuzuschmelzen.  Hat  man  den  Kolben  so  lange  offen. er- 
hitzt, bis  alle  organischen  Substanzen  oxydirt  sind,  so  zeigt 
sich  übrigens  beim  Oeffnen  des  erkalteten  Ballons  nicht  der 
geringste  Druck.  Zum  Erhitzen  der  zugeschmolzenen  Kolben 
bediente  ich  mich  des  von  Stas  in  seinen  klassischen  „Un- 
tersuchungen über  die  Gesetze  der  chemischen  Proportionen^ 
(deutsche  Ausgabe  S.  126  u.  210)  beschriebenen  Luftbades*)« 
Mittelst  desselben  kann  man,  so  lange  der  Gasdruck  sich 
nicht  merklich  ändert,  auf  unbegrenzte  Zeit  eine  constante 
Temperatur  erzielen. 

Nach  vollendeter  Einwirkung  der  Säure  «uf  den  Boden 
öffnet  man  den  erkalteten  Ballon,  giefst  die  Säure  möglichst 
klar  ab  und  wascht  mit  kochendem  Wasser  aus,  bis  "der 
Boden  keine  saure  Reaction  mehr  zeigt.  Da  sich  die  Filter 
durch  die  abgeschlämmten  Bodentheile  sehr  schnell  ver- 
stopfen, so  ist  es  zweckmäfsiger,  nur  durch  Decantiren  aus- 
ziüvaschen.  Man  läfst  die  erhaltene  Lösung  einige  Zeit  lang 
absetzen ;  vollständige  Klärung  tritt  indefs  meist  auch  nach 


*)  A.  Dnbbick  tind  Sohn   in  Neustadt -Ebenwailde   liefern  diese 
Lnftb&der  su  sehr  mäfiugeih  Preise. 

Aniua.  d.  Cham.  a.  Phurm.  VI.  Sapplementbd.  8.  Heft.  22 


338        Schütze,  Beziehungen  mviechen  chemischer 

längerer  Zeil  nicht  ein  und  ist  dann  auch  durch  Filtration 
nicht  zu  erreichen.  Dampft  man  aber  die  Flüssigkeit  auf  ein 
kleines  Volum  ein,   so  läfst  sie  sich  leicht  klar  fillriren. 

Das  klare  Filtrat  wird  dann  zur  Trockne  verdampft,  um 
die  gelöste  Kieselsäure  abzuscheiden;  der  bei  circa  110^ 
getrocknete  Röckstand  —  man  wendet  mit  Vorlheil  zum 
Trocknen  das  Sias 'sehe  Luftbad  an  —  wird  dann  mit  ver- 
dünnter Salpetersäure  aufgenommen  und  das  Filtrat  mit 
Molybdänflüssigkeit  gefällt.  Da  in  den  Bodenauszugen  sehr 
viel  Eisen  und  Thonerde  enthalten  ist,  so  mufs  man  bedeu- 
tende Mengen  der  Molybdänlösung  anwenden. 

Der  Molybdänniederschlag  wurde  dann  in  bekannter 
Weise  behandelt,  nämlich  in  Ammoniak  gelöst  und  dann  die 
Phosphorsäure  durch  Magnesivmsulfat  unter  Zusatz  von  Sal- 
miak gefällt  und  schliefslich  als  Magnesiumpyrophosphat  ge- 
wogen. 

Auf  diese  Weise  wurden  aus  200  Grm.  Boden  0,164  Grm. 
Mg^P^O?  erhalten.  Dieselbe  Quantität  desselben  Bodens  mit 
Salpetersäure  im  offenen  Kolben  sechs  Tage  erhitzt,  gab 
0,156  Grm.  Mg2P807. 

Eine  zweite  Probe  gab  im  offenen  Kolben  sechs  Tago 
erhitzt  0,0143  Grm.,  im  zugeschmolzenen  Kolben  erhitzt 
0,154  Grm. 

Eine  dritte  Probe  gab  bei  sechstägigem  Kochen  im  offe- 
nen Kolben  0,095  Grm.,  im  zugeschmolzenen  Kolben  erUtzl 
0,095  Grm.  MggPsOT. 

Eine  vierte  Probe,  Lehmboden ,  wurde  48  Stundfen  im 
zugeschmolzenen  Kolben  erhitzt  und  gab  0,193  Grm.  MgaP^O^. 
Dieselbe  Menge  wurde  dann  im  offenen  Kolben  drei  Tijge 
mit  Salpetersäure  gekocht,  dann  einige  Wochen  digcrirl  and 
noch  sechs  Tage  gekocht;  es  wurden  erhalten  0,207  Grm. 
Mg,P,07. 


Zusammensetzung  und  ErtragsfähigJceU  des  Badens.    989 

Wie  aus  der  folgenden  Tabelle  leicht  ersichllteli  tat,  gab 
«Iso  nur  die  vierte  Bodenprobe  beim  Kochen  im  offenen 
Kolben  an  Salpetersäare  mehr  Phosphorsiure  ab,  als  im  zu- 
l^escbmolzenen  Ballon  : 

200  Gnn.  Boden  gaben  Grm.  Mg^P^Of 


im  offenen  Kolben  mit 
HNO,  gekocht 

im  zugeschmokenen  BalloB 
mit  HNO,  ttuf  100<^  eihitrt 

1.                  0,156 

0,164 

2.                  0,143 

0,154 

3.                  0,095 

0,095 

4 

4.                  0,207 

0,193. 

Bei  der  letzten  Bestimmung  aber  war  die  Einwirkung 
der  Salpetersäare  auf  den  Boden  im  offenen  Kolben  eine 
«urserordentlich  lange;  hingegen  wurde  der  Boden  im  xu- 
geschmolzenen  Ballon  24  Stunden  weniger  erhitzt,  als  es  bei 
den  drei  ersten  Bestimmungen  geschah.  Ungeachtet  die 
Proben  1  und  2  sechs  Tage  im  offenen  Kolben  mit  Salpeter- 
säure gekocht  waren,  fand  sich  doch  weniger  Fhosphorsäure 
in  der  Lösung  als  in  den  unter  Druck  bereiteten  Auszügen, 
Es  ist  also  selbst  bei  sechs-  bis  achttägigem  Kochen  im 
offenen  Kolben  nicht  alle  vorhandene  Phosphorsäure  gelöst 
worden.  Bei  einer  Reihe  von  Phosphorsäurebestimmungen 
wäre  es  kaum  auszuführen^  einen  Boden  so  lange  im  offenen 
Kolben  zu  kochen,  wie  diefs  bei  den  eben  angeführten  Be- 
stimmungen geschehen  ist.  Das  Erhitzen  des  zugeschmol- 
zcnen  Ballons  im  Stas' sehen  Ofen  kann  hingegen  ohne 
grofse  Mühe  beliebig  lange  fortgesetzt  werden;  sorgt  man 
nur  für  einen  gleichmäfsigen  Gasdruck,  so  ist  gar  keine 
Aufsicht  nöthig. 

Ich  führte  noch  einige  Versuche  aus,  um  festzustellen, 
ob  durch  dreitägiges  Erhitzen  im  zugcschmolzenen  Kolben 
wirklich  die  ganze  Menge  der  im  Boden  vorhandenen  Fhos- 
phorsäure gelöst  wird. 

22* 


^M6    '   '  Sthutse,  Bfztehungen  twiidhen  chemischer 

'  '  iOO  Gim.  eines  Sandbodens  drei  Tage  im  zngescbmol- 
%enen  Ballon  erhitzt,  gaben  0,0963  Grm.  Mg^PsO?.  Der 
Bftckstand  von  Nenem  60  Standen  im  zageschmolzenen  Kol- 
ben erhitzt  gab  nicht  mehr  quantitativ  nachweisbare  Mengen 
von  Phosphorsfiure. 

.  100  Grm.  eines  etwas  lebmigen  Sandbodens  gaben  nach 
dreitägiger  Einwirkung  der  Salpetersäure  unter  Druck  0,077 
Grm.  MgsP207.  Der  Rückstand  auf  gleiche  Weise  behandelt 
gab  0,002  Grm.  HgsP^O?. 

200  Grm.  eines  sehr  lehmigen  Bodens  gaben  nach  drei- 
ISgigem  Erhitzen  im  zugeschmolzenen  Ballon  0,146  Grm.;  der 
Hockstand  eben  so  behandelt  gab  0,015  Grm.  NgsP^O?. 

Bei  thonigen  Boden  wird  es  daher  zweckmarsig  sein, 
die  Salpetersaure  Ifingere  Zeit  einwirken  zu  lassen ;  nament- 
lich ist  bei  diesen  mehrfaches  OeflTnen  und  Umschütteln  zu 
empfehlen. 

Die  unten  angegebenen  Phosphorsäurebestimmungen  sind 
afimmtlich'  nach  dem  eben  beschriebenen  Verfahren  ausge- 
führt Die  Bodenproben  sind  aus  einer  solchen  Tiefe  ent- 
nommen, dafs  die  obere  humusreiche  Bodenschicht  ausge- 
schlossen wurde,  weil  diese  nicht  die  Zusammensetzung  des 
Bodens  reprfisentirt,  sondern  durch  den  Abfall  von  Nadeln 
u.  s.  w.  wesentlich  modificirt  ist.  Heine  Bestimmungen  er- 
strecken sich  nur  auf  Kiefernboden  zweiter  bis  fünfler  Klasse. 
Sine  Anzahl  Bodenproben  erster  Klasse  stand  mir  bis  zum 
Abschlufs  dieser  Untersuchung  nicht  zur  Verfugung.  Zar 
Analyse  wurden  immer  200  Grm.  lufttrockener  Boden  ver- 
wendet und  in  einer  besonderen  Probe  durch  Trocknen  bei 
i25^  C.  der  Wassergehalt  bestimmt.  Sämmtliche  Angaben 
sind  auf  100  Grm.  wasserfreien  Boden  umgerechnet. 

Kiefemhoden  zweiter  Klasse. 

1.    100  Onn.  Boden  gaben  0,0946  Mg^PtOy.  — -   Durch  Hnmoa  nur 
wenig  geftrbter  Bandboden. 


Zusammenaeizwiff  und  ErtragsifShigMit  des  Bodens.    %^\ 

2.  100  Grm.  Boden  gaben  0»0903  Mg,PgOy.  Durch  Honraa  Aor 
schwach  gefärbter  Sand;   enthält  Spuren  yon  Kalkcarbonat 

8.  100  Grm.  wenig  Lehm  enthaltender,  durch  Hnmos  ziemlich 
donkel  gefSr)>ter,  an  Kalkcarbonat  sehr  reicher  Sandboden 
gaben  0,0809  Mg,PtOr. 

4^  lOO  Gm.  Boden  ^aj^ea.  (]|»096f|  V-Zt^J^^  *XieAii»ger  Band,  ^doreh 
Humus  nur  wenig  gefärbt;  Probe  von  einer  Streufläche  ent; 
nommeiL 

6.  100  Grm.  Boden  gaben  0,0782  MgiP^Of.  Lehmiger  Sand.  Ha> 
musOrbung  achwach.    Gehalt  an  CaCOf  äufaerst  gezing. 

Kiefernboden  dritter  Klasse. 

6.  100  Grm.  Boden  gaben  0,1050  Mg^P^Of«.    Humusarmer  Sand. 

7.  100  Grm.  Boden  gaben   0,1019  Mg^P^Ov.    Durch   humoae  Bei- 

mengtmgen  graubrauä  gefBSrbter  Sand. 

8.  100  Grm.  Boden  gaben  0,0919  Mg^gOf.    Humusanner  Sand. 

9.  100   Grm.    lehmiger     humusarmer    Sandboden    gaben    0,0508 

Mg,PA. 

10.  100  Grm.  Boden  gaben  0,0401.    Lehmiger  Sand ;  von  einer  Sti»a- 

fläche  entnommen. 

11.  100  Grm.  Boden  gaben  -0,0465  Hg^PfOf.  Humusarmer  lehmiger 

Sand,  Ton  einer  Streufläche  entnommen. 

Kiefemhoden  vierter  Klasse. 

12.  100  Grm.  Boden  gaben  0t0473  MggPgOy.    Sehr  lehmiger,   fein- 

körniger, humusarmer  Sand. 

18.     100  Grm.  Boden  gaben  0,0660  Mg,P,C^.    Gelber,  ziemlich  fein» 
körniger,  durch  Humus  etwas  dunkel  gefärbter  Sand. 

14.  lOÖ  Grm.  Boden  gaben  0,0707  Mg,PgOr.    Grobkttmigear  hnmna* 

armer  -Sand. 

15.  100  Grm.  Boden  gftben  0,0736  Mg^PgOi.    Durch  Humus  etwa» 

gefärbter  gelber  Sand. 

16.  100  Grm.  Boden  gaben  0,0682  MggPgO,.    Gelber,  grobkCmiger» 

humusarmer  Sand. 

Kiefetnhoden  fünfter  Klasse. 

17.  100  Grm.  Boden  gaben  0,0658  Mg^P^Of.    Humusarmer  Sand« 

18.  100  Grm.  Boden  gaben  0,0401  Mg,P|OT.    Durch  Humus  ziem- 

lich idvnkel  giBftrbter  grobkörniger  Saad. 

1%    1Q<^  <jkBi.  3odei|  gab^n  0,0789  Mg,P,0|.    Dardf  Hoaus  «•&% 

gefärbter  Sand. 


942         SehütBey  Beafehungen  ewüehen  ehemücher 


90.     100  (hm.  Boden  gaben   0,0477  Mg,P,07.    Durcli  Hnmiu  nem- 
lieh  dunkel  gefKrbter  Sand. 

I 

21.    100  Gnn.   Boden  gaben  0|0486  Mg^^Oy.    Qelber  hnmnsanner 
Sand. 

Die  folgende  Tabelle  wird  eilten  Vergleich  des   Fboe-» 
pborsinregebaits  der  verschiedenen  Bodenklassen  leicht 
stalten. 


100  Gnn.  Boden  bei  125^  getrocknet  gaben  Gnn.  HgiPfOf  : 


Zweite  Klasse 

Dritte  Klasse 

Vierte  Klasse 

FünOe  Klasse 

1 

0,0946 

6 

0,1050 

12 

0,0473 

17 

0,0658 

2 

0,0908 

7 

0,1019 

18 

0,0660 

18 

0,0401 

3 

0,0809 

8 

0,0919 

14 

0,0707 

19 

0,07j» 

4 

0,0660  t 

9 

0,0508 

15 

0,0736 

20 

0,0477 

5 

0,0732t 

10 

0,0401 1 

16 

0,0682 

21 

0,0486 

- 

11 

0,0436t 

[      0,0886 


Im  Dnrdisolinitt 


0,0874 


0,0651       II       j      0,0550 


Das  Zeichen  t  bedeutet,  dafs  die  analjsirten  Proben  Ton  Stieii- 
flllchen  entnommen  sind.  Diese  Bostimmmigen  sind  bei  der 
Berechnung  der  Dnrchtduuttsuhlen  nicht  berfickaichtigl 

Aus  der  vorstehenden  Tabelle  ergiebt  sich,  dafs  der 
Phosphorsaaregehalt  innerhalb  der  einseinen  Bodenklassen 
zwar  nicht  unerheblich  schwankt ;  der  aus  mehreren  Analysen 
sich  ergebende  Durchschnittsgehalt  stellt  sich  aber  paraHel 
den  Ertragsklassen,  so  dafs  die  bessere  Bodenklasse  auch 
den  höheren  PhosphorsSuregehalt  zeigt.  Bme  grftfsere  Re- 
gelmäfsigkeit ,  als  sie  die  angefflhrten  Zahlen  ergeben^  war 
durchaus  nicht  zu  erwarten.  Einmal  beruht  die  Eintheilung 
des  Bodens  nach  seinem  Erlragsvermögen  in  verschiedene 
Bodenklassen  doch  mehr  oder  weniger  auf  subjectiver 
Schitzutog ;  dann  aber  mu&ten  bei  dieser  Dntersschung  viele 
andere  Factoren,  von  denen  die  Fruchtbarkeit  einlas  Bodens 


Zusammensetzung  und  ErtragsfähigJceii  des  Bodens,    343 

abhängt,  Ternacbldssigt  werden.  Es  kann  ja  immerhin  vor- 
kommen, dafs  ein  Boden  genfigende  Mengen  von  Phosphor- 
siure  enthält,  aber  durch  Mangel  an  einem  anderen  Nähr- 
stoffe, oder  auch  durch  seine  ungünstige  Lage  nur  dürftige 
Erträge  liefert.  Immerhin  wfa*d  man  aber  aus  den  obigen 
Zahlen  schKefsen  können,  dafs  im  Allgemeinen  ein  Wald« 
boden  einen  um  so  höheren  Ertrag  liefern  wird,  je  mehr 
Phosphate  er  enthält.  Unmittelbar  ergiebt  sich  hieraus  die 
Unhaltbarkeit  jener  oben  besprochenen  Ansicht,  dafs  ffir  den 
forstlichen  Betrieb  vorzugsweise  die  physikalischen  Verhält- 
nisse, nicht  aber  die  chemische  Zusamniensetzung  des  Bodens 
in  Betracht  komme. 

Man  ersieht  femer  aus  jenen  Zahlet,  dafs  die  Waldböden 
aufserordentllch  arm  an  Phosphorsäure  sind.  Berechnen  wir 
die  oben  gefundenen  Durchschnittszahlen  auf  Phosphorsäure- 
anhydrid, so  ergiebt  sich  för  die  einzelnen  Bodenklassen  ela 
Procentgehalt  von  durchschnittlich 

n.  rn.  iv.  v. 

0^567  ..    0^00^69  0^1«  ;0,085b. 

Man  kann  annehmen,  dafs  in  kalter  Salzsäure  sich  hur 
etwa  die  Hälfte  der  Phosphorsäure  atiAöst. 

Bei  der  Bestimmung  Nr.  1  gaben  nämlich  fOO  6rm. 
Boden  unter  Druck  mit  Salpetersaure  ausgezogen  0,0946  Grraf. 
MgsP^O?.  Mit  kalter  concentrirter  Salzsäure  48  StundeA 
digerirt  gab  dieselbe  Menge  dieses  Bodens  0,0471  Orm. 
Mg,P,0. 

'  Nach  der  Analyse  Nr.  10  gaben  100  Grm.  Boden  mft 
Salpetersäure  im  zugeschmolzenen  Kolben  erhitzt  0,0401  Grm. 
MgsPgO?;  100  Grm.  desselben  Bodens,  mit  kaller •  Salzsäure 
behandelt,  gaboi  0,019  Grm.  MgaPsO?.—  Nach  diesen  beiden 
Bestimmungen  löst  sieh  also  nur  ungefähr  die  Hälfte  der 
vorhandenen  Phosphorsäure  in  kalter  Säure.  Bin  Kiefem- 
boden  zweiter  Klasse  wArde  m  kalte  Sabsäure  nur  0,0283  pC* 


^44        8chütz€f  Bm$kung€n  twüchen  chemüeher 

P4O5  abgeben.  Nach  tbeoreUsohen  Berechnangen  Liebig's 
(Anwendung  der  Cbevie  auf  Agricaltur  u.  8.  w.  8.  Aufl^  O» 
S,  134)  muTs  im  Waisenboden  wenigstens  0,0S5  pC.  Phos- 
phorsfiure  enthalten  sein^  und  Zoeller  fand  in  zwei  Waisen- 
^öden  0;219  und  0,129  pC«  in  kalter  Salsstere  löaliehe  Pboa- 
pborsAure  (Lieb ig,  a.  a.  0.  8.  123).  In  der  That  könnes 
,wohl  simmlliche  analysirlen  Kiefernböden  zum  Getreidebav 
picht  mehr  dienea;<  sie  würden  keine  lohnenden  Ernten  lie- 
fern .komiiea. 

Bemerkenswertb  ist  auch,  dafs  die  Streuflfichen  —  Ter- 
juchsflficben,  welchen  die  abgefallenen  Nadeln  n.  s.  w.,  ^die 
Waldstreu^,  in  bestimmten  Zeitrfinmen  genommen  werden 
^—  einen  bedeutend  niedrigeren  Phospborsaurgehalt  zeigen. 
Bei  SOjahrigem  Umtriebe  wArde  nach  annähernder  Berech- 
nung durch  die  Entnahme  der  Waldstreu  einem  Morgen  Kie- 
^ernboden  dritter  Klasse  allerdings  1  Ctr.  Phosphorsftnre  ent- 
zogen werden.  Der  nachth.eilige  SinfluCs,  den  die  Waldstren- 
entnahme  auf  den  Bodqn  und  dadurch  auch  auf  den  Zuwachs 
des  Holzes  ausfibt,  ist  dadurch  leiehl  erklärliche  Wie  schon 
4ie  Erfahrung  gelehrt,  wird  ein  Waldboden  in  verhfiltnifsaiftrsig 
kurzer  Zeit  durch  die  Entziehung  der  Waldslren  erschöpft. 

Der  gerffige  Gehalt  der  Waldböiden  an  Phesphorsiore 
dringt  uns  die  Frage  auf,  ob  nicht  der  Waldboden  auch 
«chon  durch  die  Wegnahme  lier  im  Holze  enthaltenen  Asche»- 
jbestandthetle  in  absehbarer  Zeit  erschöpft  werden  kann.  Diene 
Frage  lafst  sich  zur  Zeit  nicht  mit  Sicherheit  beantworten. 
f&T  unsere  hiesigen  Sandböden  dürfle  dieselbe  höchst  wahr- 
.s^einlich  zu  bejahen  sein«  Die  bis  jetzt  vorliegenden  Er- 
fahrungen können  uns  darüber  nicht  belehren,  weil  die  ben- 
age intensive  ForslwirtbsohafI  noch  zu  jung  ist,  um  über 
fragen  zu  entscheiden , .  welche ,  wenn  sie  auf  rein  empiri- 
schem Wege  gelöst  werden  sollen,  vielleicht  Jahrhunderte 
^u  ihrer  Lösung  in  Anspruch  nehmM  dürfien. 


ZmammeMeUnmg,  und  Ertrag^ähifkpü  den  Bodena,    jM5 

Durch  das  Holz  der  Kiefer  wird  bei  lOu  jäliriger  Um- 
Iriebfxeit  dem*  Morgen  etw«  ein  Centoer  PhospbGfrsHtre  ent^ 
sogen.'  Nehmen  wir  an,  die  Wurzel  der  Kiefer  komme  mit 
dem  hundertsten  Theil  des  Bodens,  wichen  sie  dorchdringl, 
kl  Berührung,  —  eine  Annahme,  welche  Lieb  ig  für  die 
flaUngewiehse  SMiehf  -^  so  nnili.  dbr  Boden,  in  wi^Ichem 
uriir  üe  II4brst#ffe  als  untieweglifh  annehmen  mdiisen^  vcenig^ 
^ens  hundertmal  so  viel  Nihiisiatra  enthaHeir,  ris  ihm  die 
Kiefer  enlsieht.  Denmaeh  mOfsle  der  Ifergen  Klefcmboden 
400  Cemner  Mosj^horsfiure  embaken.  'Vku  Morgen  Kiefern^ 
tredeft  dritter  Ktsese  eiflhill  aber  bis  m  einer  Tiefe  fM 
4Fttfo,  so  irell  wird  die  Wurzel  der  Kiefer  etwa  eindringen, 
nw  eirca  SO  Cenlner' Phosphorsdure ;-  in  der  Thai  finden  sich 
Meitittde,  bei  denen  der  Ferstnumn  Tom  „Verhrnfem^  der 
fiiefer  q^richt. 

Das  Lieb  ig 'sehe  Postulat  i  dem  Boden  die  entzogefaen 
MineralstoiTe  zu  ersetzen ,  wird  gegehwIiHg,  allerdbige  liaeh 
kertem  Kampfe ,  von  den  gebildeten  Landwirthen  als  voll- 
ettadtjK*  h^reehligt  Aneilraniil«  Es  ist  erwiesen,  dnfli  die  Ep- 
fillung  durch  ihr  eigenes  peeuniires  Interesse  gefordert 
wird.  (^  sieh  nicht  einst  herausstellen  wird,  dab  aneh 
«fuhren'  sandigen  WnMböden  in  der  Bbene  diä  entzogenen 
^ftsdienbestandtheile  wieder  ersetzt  werden  mQisen,  wenn 
dem  Boden  sein  sehen  jetzt  gerkiges  BrtragsvermAgen  er* 
iMAen  bleiben  soll,  ist  eine  Frage,  deren  Lösung  erst  ferf*» 
Ifesetzte  Untersnähungen  ergeben  klimen. 

Neustädt-Eberswalde,  Juli  1:868. 


346  Lan doli,  über  das 

4 


üeber  das  Ammoiiium  -  Amalgam ; 

*    *  * 

.,  von  H.  Landolt. 


Du  merkwfirdige  yerdkken  «nd  Aofsdiwelleii,  wdehet 
das  Onocksilber.Beigt,  went»  man  dtiaeibe  alt  negaliTai  P«l 
cor  Bieclrolyse  d^r  Lösmg  eines  Ammoniakaabsaa  anwendet» 
eder  ea  anf  eine  Boich»  in  Form  tm  Nairilini-»Amalgam  ein- 
wirken lifet,  ist  udrsivenBeffzeliaa  deai  BntaieheB  ehea 
AnmoDiam-Aafttlgama  angesebrieben  worden»  Er  nabai  be- 
kannlli^b  an^  dafa  dal  Radioai  NH«  ein  ansimiieiigeaeUtei 
MetaU  darstelle,  weickes  aiob  beider  Abacbeidang  ans  aeiaea 
Verbindungen,  mit  .dem  Qneckailber  legine.  Diese  Aaaiahl 
bat  allgemeine  Verbreitung  gefunden,  und  es  ist  das  Aitf*» 
treten  des  Amalgta»  immer  tils  eine  der  weaenUichsten 
SUUaen  der  Ammeninmtb^gorje  betraeklet  werden* 

In  neuerer  Zeit  apraeh  Wetherill  *)  die  Meinang  aiia» 
iialb  das  Amalgam  kein  Ammunium  aAübaltei  sondern  nor  ein 
durch  Absorption  iton  Gaablasea  (MHs  und  H)  schwammfdrmig 
an%etriebenes  QoeeksUber  aei«  Er  schliefst  diefs  aus  eimgen 
qnalitattTen  Beobachtungen,  welche  ergaben  i  dafs  wenn  mm 
%.  B.  das  Anschwellen  des  Quecksilbers  duriih  Pressen  ver- 
hindert oder  dem  Hetall  Platinsckwamm  auaelit «  sich  kais 
Aaunoniumr-Amaligam  bildet  Dieselbe  Ansicht  theilen  aueh 
Pfeil  und  Lipp mann  **),.  indem  sie  fanden t.  dab  die 
chlorwasserstoffsauren  Salze  organischer  Basen,  wie  AniUa, 
Coniin,  Morphin  und  Chinin  kein  Amalgam  geben  ***),  eine 


*)  Sfllim.  Amer.  Jonni.  [2]  XL,  160 ;  Zeitiöhr.  t  Ghun.  ISSfi»  S.  650. 

**)  BUlim.  Amer.  Jonm.  [2]  XLII,  72;  Jaliresber.  f.  Caiemie  n.  il  w. 
f.  1866,  8.  144. 

*^  Blofii  du  Balssanre  Trimethylamm  soll  noh  nach  Pfeil  a.  Lipp- 
mann  ge^^  Natrium-Amalgam  wie  Ralmiak  Terhaltea.    loii  liab» 


Afnmonium-'Amalgam.  347 

Beobachtung,  die  flbrig^ens  schon  im  Jahre  1831  von  Brande*) 
gemacht  worden  ist,  und  zudem  in  der  betreffenden  Frage 
nichts  beweist. 

Die  bisherigen  Versuche  geben  ober  die  Natur  des  Am- 
monium-Amalgams noch  durchaus  keinen  entscheidenden 
Aufschiurs:  Seitdem  Graham^  das  betrdchtliche  Ab- 
sorptionsvermogen  verschiedener  Metalle  für  Gase  und  na-- 
inentlich  Wasserstoff  kennen  gelehrt  hat,  liegt  allerdings  die 
Möglichkeit  nicht  fern,  dafs  auch  bei  Ooeck^ilber  ähnliche 
Erscheinungen  auftreten  können.  Da  indefs  wedef  Ammoniak 
noch  Wasserstoff,  wenn  sie  einzeln  entweder  im  fireienr  Zu- 
stande oder  auch  im  Entslehungsmomcnte  auf  QuecksHbef 
einwirken,  von  diesem  absorbirt  werden,  vielmehr  eine  Auf-^ 
nähme  nur  dann  stattfindet,  wenn  man  sie  gemeinschaftlich 
aus  Ammoniaksalzen  abscheidet,  so  scheint  es,  dafs  die  Ver- 
bindung NHi  als  Ganzes  die  Amalgam  bildende  Substahs 
darstellt.  Ist  diefs  der  Fäll,  so  werden  bei  der  Zersetzung 
des  Ammonium-Amalgams  Wasserstoff  und  Ammoniak  steUr 

in  dem  '^olumverhältnifs  von  1  :  2  sich  ausscheiden  mfissen^ 

i 

Während;  wenn  eine  getrennte  Absorption  der  beiden  Gase 
stattfindet^  ganz  andere  Mengen  derselben  auftreten  können; 
lieber  diesen  Punkt  sind  schon  von  Davy  •♦♦)  Ver-* 
suche  angestellt  worden,  welche  ergaben ,  dafs  in  der  Thal 
auf  1  Vol.  H  2  Vol.  NHs  frei  werden.  Gay-Lussac  und 
Thenardf),  die  ebenfalls  das  Verhältnifs  zu  bestimmen 
suchten,  fähren  dagegen  verschiedene  Zahlen  an.    Bei  dem 


den  Verauch  wiederholt,  indefB  gefunden,  das  ein  Aufschwellen 
des  Quecksilbers  nur  dann  stattfindet,  wenn  das  PMparat  noch 
Chlorawunonlim  eotlüUi  JHe  reiiie  Yerbindiiiig  giehi  kein  Amalgam, 

*)  P<^gi  Ann.  XXTT^  30a 

**)  Ann.  Chem.  Phann.  Snpplementbd.  Y,  46. 

*^  Fhilos.  Trsnsact  1808,  858;  1810,  55;  Gmelin*s  Handh.  m;  526- 

t)  Bacherches  phjsioo-chinuqaes  I,  68-78. 


948  Landolt.  über  da$ 

auf  elecirolytiscbeiii  Wege  darffestellten  Amalgam  ergab  em 
Yerauch  auf  23  VoL  H  28  VoL  NH»,  während  bei  dem  miiietel 
Kalium-Amalgam  bereiteten  auf  1  VoK  H  2,5  VoL  NH«  frei 
jirm^den.  In  Betreff  der  Menge  von  Ammoniom,  welchedas 
ilaeckailber  aiffzunehmen  vermag,  fahrt  Davy  an,  dafa  das 
AnMilgam  bei  der  Zersetzang  aaf  1  VqI  Metall  6  VoL  Müg 
7f  H  gebe,  wonach  100  Gewicbtstbeile  Quecksilber  0^0239 
Crewichtfitheile  MH4  binden  würden.  Gay-Laaaac  und 
Thenard  fanden  in  veracbiedenen  Amalgamen  auf  100  TL 
Hg  0,Q55>  bi3  0,07  Tb.  NU». 

lu  Folge  dieser  abweichenden  Resnltata  war  es  BÖlbig« 
einige  neue  Beatimmuogen  voraunehmen  und  ich  habe  die^ 
|i.eU>en  auf  feigende  Weise  ausgeführt  : 

Das  au  verwendende  Ammonium- Amalgam  mubte  mit 
Bftife  der  galvanischen  Säule  dargestellt  werden,  da  das  mit 
llatrium  erzeugte  stets  noch  kleine  Mengen  dieses  Metalls 
enIbfUeu  kamt  Det  angewandte  Apparat  bestand  aus  zwei 
in  einander  gesetzten  und  duroh  einen  niedrigen  Dreifub 
getrennten  Schaalen,  von  weloben  die  iufsero  aus  Glas,  die 
innere  aus  porAsem  Thon  (der  Boden  mit  Vs  Zoll  hohem 
Rande  einer  Balteriezelle)  bestand.  In  beide  wurde  eine 
Schicht  OoecksUber  und  darüber  Ldsung  von  Salmiak  oder 
schwefelsaurem  Ammoniak  gegossen.  Indem  man  die  in 
Platindrähte  endigefiden  Pole  einer  aus  6  bis  10  Grove*- 
sehen  Elementen  bestehenden  Sfiule  in  der  Weise  eintauchloi 
dafs  das  Quecksilber  in  der  Thonzelle  die  negative  Electrode 
bildete,  fand  hier  die  Bildung  des  Ammonium -Amalgams 
statt,  wfihrend  der  andere  Pol  sich  mit  einer  Schicht  von 
Calomel  überzog.  Das  Aufschwellen  des  Quecksilbers  ging 
dabei  langsam  mid  ganz  ohne  Entwiekelmig  vott  Gasblasen 
vor  sich ;  eine  solche  trat  erst  ein ,  wenn  der  Ponkl  der 
Sättigung  erreicht  war. 


Ammonium  -  Amalgam.  349 

Vm  sutiächst  das  Verhfiltnifs  zwischen  Ammoniak  und 
Wasserstoff  bei  der  Zersetzung  des  Amalgams  zu  bestimmen, 
worde  dasselbe  in  verdünnte  Salzsaore  von  bekanntem  Gehalt 
eingeworfen,  das  frei  werdende  Wasserstoffgas  in  einem 
gradiiirten  Cylinder  aufgefangen  nnd  schllefslich  der  nicht 
neulralisirte  Tbeil  der  Säure  durch  titrirung  bestimmt.  Dabet 
war  es  nöthig,  das  Amalgam  möglichst  rasch  von  der  an- 
bftngenden  Salmiaklösung,  weiche  freies  Ammoniak  enthielt, 
wa  trennen,  was  durch  Wasdien  desselben  unter  eia^em  Strahl 
Wasser  geschah.  So  schnell  man  iadefs  diese  Operation 
luafflhren  mag,  so  kann ,  da  das  Aouilgam  sich  fortwährend 
zersetzt,  dock  nicht  verhindert  werden,  dafs  das  anhängenda 
Wasser  etwas  neues  Ammoniak  aufnimmt,  wahrend  der  Was* 
s^stoff  ^tweicht.  Man  wird  daher  nothwendig  den  fiehalt 
an  ersterem  Zersetzungsproduct  etwas  zu  hoch  finden  müssen. 

Bei  einem  ersten  Versuch  wurden  850  CC.  verdännta 
Salzsäure;  welche  1,8233  Grm.  Chlorwasserstoff  enthielten^ 
angewandt  und  damit  eine  Glasschale  sammt  einer  darin 
stehenden  graduirten  Röhre  gefällt.  Die  letztere  lief  unten 
in  einen  Trichter  aus,  welcher  über  des  eingeworfene  und 
sich  zersetzende  Ammonium-^Anuilgam  geschoben  wurde.  Die 
erhaltene  Menge  von  Wasserstoffgas,  reducirt  auf  0^  und 
760  MM.  Druck,  betrug  13,85  CG.  Die  Menge  der  über- 
schüssig gebliebenen  Säure  wurde  durch  Titriren  zu  1)7745 
Grm.  gefunden.  Hiernach  waren  von  der  Flüssigkeit  0,0227 
Grm.  Ammoniak  aufgenommen  worden,  welche  29^76  CC.  Gas 
von  0^  und  760  MM.  entsprechen.  Der  Versuch  ergab  somit, 
dafs  auf  1  Vol.  H  2,15  VoL  NH3  aus  dem  Amalgam  frei  ge- 
worden waren. 

Eine  zweite  Bestimmung,  bei  welcher  das  Ammonium- 
Amalgam  weniger  rasch  in  den  Zersetzungsapparat  gebracht 
werden  konnte,  ergab  auf  1  Vol.  H  2,4  Vol.  NHs. 


350  Landolt^  über  das 

Nach  diesen  Resullaten,  welche  die  früher  von  Dtvy 
erhaltenen  Tollkommen  betätigen,  ist  es  nBZweifelhaft ,  dab 
4las  Amalgam  NHs  und  H  genau  in  dem  ammoniambildendea 
Verhältnisse  enthält.  Diefs  spricht  entschieden  dafür,  dab 
4lie  Verbindung  NH4  als  Ganzes  direct  von  dem  Quecksilber 
aufgenommen  wird,  und  nicht  etwa  eine  getrennte  Absorption 
von  Ammoniak  und  Wasserstoff  die  Amalgambildung  ver- 
ursacht. 

Durch  einige  weitere  Versuche  habe  ich  die  Menge  des 
Ammoniums  in  dem  Amalgam  zu  bestimmen  gesucht  Das» 
selbe  wurde  wieder  auf  electrolytisohem  Wege  mit  Hülfe 
^es  oben  angegebenen  Apparats  dargestellt  Wenn  die  SiU 
tigung  des  Quecksilbers  vollständig  eingetreten  war,  wusch 
man  die  Masse  durch  euffliefsendes  Wasser^  und  brachte  sie 
rasch  in  verdünnte  Salzsäure  von  bekanntem  Gehalt.  Nach 
beendigter  Zersetzung  wurde  der  Ueberschufs  an  Säure  durch 
Titriren  bestimmt  und  das  abgeschiedene  Quecksilber  ge* 
iiammelt  und  gewogen. 

Bekanntlich  nimmt  das  Quecksilber  bei  der  Darstellung 
des  Ammonium-Amalgams  zuerst  eine  bulterartige  Consistenz 
an,  und  wird,  wenn  die  Sättigung  erreicht  ist  und  sich 
Ammoniak  und  Wasserstoif  zu  entwickeln  beginnen ,  durch 
die  Gasblasen  schwammförmig  aufgetrieben,  während  zugleich 
das  Metall  eine  dunkelgraue  Färbung  annimmt.  Die  mit  Gas 
erfüllten  Hohlräume  sinken  rasch  zusammen,  sowie  man  den 
electrischen  Strom  unterbricht,  und  die  Hasse  wird  wieder 
metallglänzend  und  butterartig.  In  diesem  letzteren  Zustande 
wurde  sie  zu  den  Versuchen  benutzt 

Man  erhielt  folgende  Zahlen  : 


Ammonium  •  Amalgam» 


351 


Versuch 

Erhaltene  Mengen 

Ton 

QueduUbor        Ammonium 

100  Gewichtstheile  Qaeck- 
BÜber  nehmen  auf  : 

L 

II. 

IIL 

IV. 

V. 
VI. 

Gramm 

20,397 
24,931 
68,070 
66,916 
63,984 
87,972 

Gramm 

0,0118 
0,0200 
0,0626 
0,0660 
0,0384 
0,0478 

0,068  Th.  Ammonium 
0,080     ^             „ 
0»090     a               n 
0,083     ^              „ 
0,071     ^ 
0,064     ^             , 

Die  Schwankungen,  welche  die  Zahlen  zeigen,  rühren 
von  der  mehr  oder  minder  raschen  Zersetzung  des  Amalgams 
her,  und  es  wird  diejenige  Bestimmung  als  die  richtigste  zu 
betrachten  sein ,  welche  den  gröfsten  Ammoniumgehalt  ergab. 
Nimmt  man  hiernach  an,  dars  100  Gewichtsthcile  Hg  0,09 
Gewichtstheile  NH4  aufnehmen,  so  wurde  das  Amalgam  bei 
seiner  Zersetzung  auf  1  Vol.  Hg  15,2  Vol.  NH3  und  7,6  Vol. 
H  geben.  Diese  Zahlen  gellen  für  die  bei  gewöhnlicher 
Temperatur  dargestellte  Substanz;  in  der  Kälte  treten  wahr- 
scheinlich grörsere  Mengen  von  Ammonium  mit  dem  Queck- 
silber in  Verbindung. 

Wenn  das  Amalgam  wirklich  Ammonium  enthält,  so 
entsteht  weiter  die  Frage,  ob  diesem  letzteren  nun  auch  die 
metallartige  Natur ^  wie  sie  von  Berzelius,  Davy  u.  A. 
vermuthet  wurde,  zukommt  *).  Hierüber  habe  ich  auf  fol- 
gendem Wege  Aufschlufs  zu  erhalten  gesucht  : 

Wie  schon  vor  langer  Zeit  Klauer**)  und  Bött- 


^  Weyl  (Pogg.  Ann.  CXXIII,  368)  giebt  an,  durch  Einwirkung 
Yon  Natrium  -  Ammonium  auf  Natronhydrat  die  Verbindung  NH4 
gemengt  mit  condonsirtem  Ammoniak  als  blaue  Flüssigkeit  erhal- 
ten  zu  haben,  welche  mit  Quecksilber  in  Berührung  gebracht,  sich 
entfUrbte»  allein  dabei  keine  dem  gew(^hnfichen  Ammonium-Amal» 
gam  ähnliche  Blasse  lieferte. 

**)  Ann.  Chom.  Pharm.  X,  90. 


3512  Landolij  über  das 

ger*)  nachgewiesen  haben,  werden  beim  Zusammenbringeii 
von  Kalium-  oder  Natriumamalgam  mit  der  Lösung  ¥«r» 
schiedener  Salze  die  in  diesen  enthaltenen  Metalle  reducirl 
und  in  Verbindung  mit  Quecksilber  übergeführt  Auf  diesem 
Wege  lassen  sich  bekanntlich  Amalgame  der  meisten  Metalle 
darstellen.  Es  ist  nun  offenbar  zu  erwarten,  dafs,  wenn  das 
Ammonjum  in  seiner  Legirung  mit  Quecksilber  wirklich 
metallische  Eigenschanen  besitzt,  es  sich  ganz  analog  ver- 
halten murs  und  ihm  die  Eigenschaft  zukommen  wird,  z.  B» 
Silber,  Kupfer,  Eisen  u.  s.  w.  aus  ihren  Salzen  leicht  abzu- 
scheiden. Diese  Prüfung,  obschon  sie  sehr  nahe  liegt,  ist 
bis  jetzt  noch  nicht  angestellt  worden. 

Zur  Ausführung  der  Versuche  mufste  wieder  das  auf 
eleclrolytischem  Wege  erzeugte  Amalgam  benutzt  werdeiu 
Die  frisch  dargestellte  Substanz  wurde  in  die  Lösung  des 
Salzes  eingeworfen ;  das  abgeschiedene  Quecksilber  mit 
Wasser  gewaschen  und  hierauf  vollständig  in  Salpetersäure 
aufgelöst.  Die  Flüssigkeit  prüfte  man  dann  auf  das  Vorhan- 
densein des  betreffenden  Metalls.  Die  Menge  des  Ammonium- 
Amalgams  betrug  stets  mindestens  100  Grm. 

Diese  Proben  sind  zunächst  unter  Anwendung  von  Kupfer- 
sulfatlösungen, und  zwar  sowohl  sauren  wie  ammoniakalischen 
ausgeführt  worden.  Dabei  konnte  nie  Abscheidung  von 
Kupfer  resp.  Bildung  von  Kupferamalgam  nachgewiesen  wer- 
den.' Eben  so  wenig  liefsen  sich  aus  Silbernitrat-  und 
Eisenchloridlösungen  durch  das  Ammonium -Amalgam  die 
Metalle  reduciren;  es  zersetzte  sich  dieses  vielmehr  stets  in 
derselben  Weise  wie  unter  gewöhnlichen  Verhiltniasen, 
nfimlich  in  Ammoniak  und  Wasserstoffgas. 

Diese  Versuche  sprechen  gegen  die  Ansicht,  dafs  das 
Ammonium  ein  zusammengesetztes  Metall  darstelle,  welches 


•)  Ann.  Chcm.  Pharm.  XU,  240 ;  Jouxn.  f.  prakt  Chem.  I,  802. 


Ammonium  -  Amalgam.  353 

fibnlioh  dem  Kalium  oder  Natriam  sich  verhalte.  Dessen 
«igfeacbtet  vereinigt  sich,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  die 
Verbindung  NH4  als  solche  mit  dem  Quecksilber.  Die  Natur 
dieses  Körpers  und  die  Bildung  des  Amalgams  wird  dadurch 
noch  rfithselbaner ,  und  es  mufs  ferneren  Untersuchungen 
vorbehalten  bleiben,  die  Frage  weiter  aufeukMren. 


Ueber  isomere  AUyl-  und  Propylen- 

derivate ; 
von  Alphorn  Oppenheim^ 

Piiviado«ftnft  d«r  Chtml«  In  Berlin. 


Allylverbindungen  und  damit  gleich  zusammengesetzte 
Propylenderivate  sind  lange  Zeit  für  identisch  gehalten  worden, 
weil  die  in  beiden  Reihen  bekannten  Verbindungen  einander 
nicht  entsprachen.  Aus  der  Allylreihe  nämlich  war  vor  Allem 
das  Jodid  bekannt;  das  gejodete  Propylen  C3H5J  aber  hat  auch 
bis  heute  nicht  erhalten  werden  können,  weil  die  Einwirkung 
von  alkoholischer  Ealilösung  auf  Propylenjodid  diese  Verbin- 
dung unter  gleichzeitiger  Bildung  von  Jodisopropyl  verkohlt  *)• 
Andererseils  sind  das  gechlorte  und  das  gebromte  Propylen  seit 
längerer  Zeit  freilich  wohl  bekannt.  Aber  das  entsprechende 
Allylchlorid  und  Allylbromid  sind  nur  auf  schwierigen  Wegen 
aus  Allylalkohol  in  so  kleinen  Mengen  erhalten  worden,  dafs 
die  Entdecker  nur  ihre  Entstehungsweise,  nicht  aber  ihre  Ei- 
genschaften beschrieben  haben  **). 


*)  Mündliche    Mittheilimg    nnveroffentlichter   Versuche    von    Herrn 
Wnrtz. 

**)  Hofmann  u.  Gahonrs,  Ann.  Chem.  Phann.  CH,  285  iF. 
AaiuL  4.  Cham.  v.  Phtfin.  VI.  8npp]«m«ntbd.  t«  H«ft.  23 


854  Oppenheim^  über  isomere  Aüyl^ 

Ich  habe  in  vorläufigen  Minheiloogen  über  diesen  Ge- 
genstand deshalb  ziuifiehst  mehrere  Wege  milgetheiU,  uoi 
das  dem  gechlorten  Propylen  entsprechende  Allylchlorid  in 
gröfseren  Mengen  darzustellen,  und  ich  theile  im  Eingänge 
dieser  ausführlicheren  Darlegung  meiner  Arbeit  die  Methode 
mit ,  welche  zu  seiner  Darstellung  am  Geeignetsten  erseheinL 

Den  Ausgangspunkt  bildet  das  Allyljodid,  von  dem  ich 
mehrere  Kilogramme  nach  verschiedenen  Methoden  bereitet 
habe.  Um  dasselbe  möglichst  frei  von  Jodisopropyl  zn  er- 
halteu;  habe  ich  die  von  Claus*)  angegebene  Methode  am 
Vorth eilhaftesten  gefunden,  und  dieselbe  nur  dahin  abgeändert, 
dafs  ich  statt  der  Retorten  Kochfiaschen  mit  weiten  Destilla- 
tionsröhren (Verbrennungsröhren)  anwendete,  welche  in  die 
tnbulirte  Vorlage  luftdicht  einpafsten»  Aus  dem  Tubulus  der 
Vorlage  führte  ein  Gasableitungsrohr  in  ein  System  von  drei 
Gefäfsen.  Das  erste  derselben  war  leer^  um  übergerissenes 
Jodallyl  aufzunehmen.  Die  beiden  anderen  enthielten  Brom, 
um  das  als  Nebenproduct  auftretende  Propylengas  zu  ge- 
winnen. Man  sättigt  so  für  jedes  angewandte  Kilogramm 
Jod  etwa  100  Grm.  Brom  mit  Propylengas.  Die  angewandten 
Kochflaschen  von  3  bis  4  Liter  Inhalt  wurden  jede  mit  nur 
100  Grm.  Jod  und  der  entsprechenden  Menge  Glycerin 
(150  Grm.)  und  Phosphor  (60  Grm.)  beschickt,  um  das  Ueber- 
steigen  der  stark  schäumenden  Hasse  möglichst  zu  verhin- 
dern. Es  ist  sehr  rathsam,  die  Destillation  nicht  bis  zur 
letzten  Grenze  der  Möglichkeit  fortzusetzen,  weil  dabei  nidit 
nur  die  Flaschen  springen,  sondern  auch  ein  unreineres  Pro- 
duct  erhalten  wird.  Das  braunrothe  Destillat,  durch  Schütteln 
mit  verdünnter  Kalilauge  farblos  erhalten,  wird  zuerst  mit 
Wasserdampfen  destillirt,  um  Ueberschäumen  der  letzten  An- 
theile  zu  vermeiden ,  und  dann  mehrmals  fractionirt    Ein 


*)  Ann.  Chem.  Pharm.  CXTCXI,  68. 


und  Prapylenderivalte,  955 

KSogramm  Jod  liefert  so  darcbscbnittKch  750  Grm.  Jodallyl 
Tom  Siedepunkt  98  bis  iOS^,  und  200  Grm.  eines  Gemenges 
Ton  Jodisopropyl  mit  Jodallyl ,  das  bei  90  bis  98^  übergebt« 
Andere  Metboden,  bei  welcben  verbaltnifsmftfsig  weniger 
Pbosphor  verwandt  wird ,  liefern  verbiltnibmafsig  mehr  Jod^ 
isopropyL  Oasselbe  Resultat  ergiebt  sich ,  wenn  man  das 
rohe  Jodallyl  aur  Reinigung  über  Zink  destillirt,  4>der  wenn 
statt  Glasgefafse  eiserne  Gefifse  angewendet  werden ,  wie 
es  Behufs  der  Bereitung  grölserer  Mengen  die  Herren  Hen- 
ner  und  Hobenhausen  in  Wyl  versucht  haben. 

D9S  so  erhaltene  Jodallyl  kann  unmittelbar  in  Chlorür 
lungewandelt  werden,  nach  denselben  Grundsätzen,  welche 
BerthoUet  über  die  Umsetzung  von  Metallsalzen  ansge- 
sprochen,  und  welche  Wurtz  zuerst  in  der  organischen 
Chemie  durch  Umwandlung  der  Jodüre  in  Acetate  zur  An- 
wendung gebracht  hat.  Man'  kann  allgemein  sagen,  dafs 
zusammengesetzte  Aether  und  Salze  einander  zersetzen, 
wenn  die  Sdure  des  Aethers  mit  dem  Metalle  des  Salzes  ein 
unlösliches  oder  wenig  lösliches  Salz  liefert  Nicht  immer 
freilich  geht  die  Sfture  des  Salzes  mit  dem  Alkoholrad icale 
eine  Verbindung  ein.  Zuweilen  trennt  sie  sich  unter  Aether-- 
bildung,  wie  es  früher  Nason  bei  seinen  Versuchen  zur 
Darstellung  zusammengesetzter  Aether  widerfahren  ist  (Ann. 
Chem.  Pharm.  CIV,  126).  So  giebt  Cyanquecksilber  mit  Jod- 
älhyl  und  Alkohol  Jodquecksilber,  Aether  und  Blausäure« 
Aber  in  vielen  Fällen  bleiben  die  freiwerdenden  Reste  ver- 
einigt. 

Oxalsaures  Allyl  und  Chlorcaicium  in  alkoholischer  Lö- 
sung bilden  Oxalsäuren  Kalk  und  ChlorallyL  Einfacher  und 
ergiebiger  ist  die  directe  Umsetzung  von  Jodallyl  mit  Qaeck- 
siUrerchlorid.  Als  Lösungsmittel  kann  Alkohol,  Glycerin  und 
Aether  dienen.  Um  die  Einwirkung  einzuleiten  ist  bei  der 
Anwendung  von  Alkohol  Schütteln  hinreichend.  —  Man  mischt 

23» 


S56  Oppenheim^  über  isomere  AUyl- 

in  einer  Eochflascho  Jodallyl  mit  seinem  Tolom  Alkohol  ond 
etwas  mehr  als  der  theoretischen  Menge  feingepulverten 
Onecksilberchlorids.  Die  Hasse  erwSrmt  sich  lebhaft;  man 
Terbindet  deshalb  die  Flasche  mit  einem  gnt  gekdhiten 
Schlangenrohr,  um  die  Dampfe  za  condensiren.  Wenn  das 
Qnecksilbersalz  in  rothes  Jodür  verwandelt  ist,  destilllrt  man 
ab.  Zusatz  von  Wasser  zum  Destillat  trennt  eine  Flüssige 
keitsschicht ,  die  zwischen  40  und  75*  übergeht  Der  grofste 
Theil,  der  zwischen  43  und  50*  destillirt,  ist  fast  reines  CUor- 
allyl.  Die  erste  Portion  und  die  letzten  Portionen  dieses 
Destillats  geben  jedoch  bei  der  Analyse  zu  viel  Kohlenstoff, 
weil  die  erstere  Aelher,  die  letzteren  Allyläthyläther  bei- 
gemengt enthalten,  wie  die  folgenden  Analysen  ergeben  : 

Crefunden 


Berechn.  f.  Clilorallyl      43^4«        44-46<>        40-46<>         45-47«         46-47* 
C,        47,06  46,91  47,41  48,13  48,30  49,80 

H5         6,54  7,16  6,64  6,86  7,82  7,80 

Cl        46,40  46,42  —  —  —  — 

Bereclinet  für  Allyl&thyläther  Gefunden 

(Siddeptmkt  62<>,5)  59-65« 

C«         69,77  .63,28 

H|9        11,63  9,86 

O  18,60  — 

Mau  sieht  also,  dafs  bei  der  beschriebenen  Operation 
die  folgenden  Reactionen  neben  einander  Plali  haben  : 

2C8H5J  +  HgCI,  =  HgJ,    +    gCgHjCl 

C,H,C1  +  CäO  =  (CaH.)(CtH.)0    +    HCl 

HCl  +  CAO  =s  H,0      +       C,H,C1 

CACl  +  CAO  =  (CgH5),0     +    HCl. 

Von  dem  beigemischten  Aether  iSftt  sich  das  Chlorallyl 
durch  Schfittebi  mit  der  zwanzigfachen  Menge  Wasser  be- 
freien, welches  letztere  freilich  auch  (%Iorallyl  in  gerbigem 
Mafiie  auflöst. 


und  Prapjflenderivaie»  3$T 

Die  Sraieiigttng  von  AUyliUiyläiber  dageg^en  fahrt  einen 
unabwendbaren  Verlust  herbei«  Ich  habe  deshalb  statt  AI-* 
kohol  Aether  ak  Lösungsmittel  immer  dann  angewandt,  wenn 
für  die  weitere  Verwendung  des  Chlorallyls  die  Gegenwart 
von  Aetber  gleichgültig  mrschieii. 

Um  die  Eigenschaften  dieses  Körpers  mit  denen  des  ge-r 
chlorten^  Pr^ylens  zu  vergleichen,  habe  ich  darauf  gröfsere 
Mengen  des  letxteren  nach  der  von  Frie.de  1  und  Ladent 
bürg  fOr  Methylcfaloraeetol  besebriebenen  Methode .  darge« 
«teilt  (Ann.  Chem.  Pharm.  CXLII,  315).  Beide  Körper  bilden 
^ch  bekanntlich  gleicfazeitq;  bei  der  Einwirkung  von.  Aceton 
auf  Phosphorpentachlorld  in  wechselnden  jlengen,  ohne  daft 
es  bisher  möglich  gewesen  wäre,  wilikarlicb  mehr  von  die* 
sem  oder  jenem  zu  bereiten.  Aus  3500  GrsL  Chlorphesphor 
und  1000  Grm.  Aceton  wurden  erhalten  740  Grm,  gemischte 
Chlorüre  und  durch  Fractipnirung  daraus  :. 

196  Grm.  C,HsCl   siedend  awiBohen  23  und  88* 

875     n     C«HeC]t       »  »  60    »    80<^ 

90     f,     Zwiflchenproduct        »    .      88    «     60* 

wahrend  79  Grm.  beim  Fractioniren ,  Umgiefsen  u.  s.  w.  bei 
hoher  Sommertemperatur  verloren  gingen.  4000  Grm.  PCU 
und  1200  Grm.  Aceton  lieferten  225  Grm.  CnH^Cl  (23-36^), 
375  Grm.  CaHeCla  (60-78<^)  und  100  Grm.  Zwisohenproduct. 

Das  reine  gechlorte  Propylen  C^HfiCl  siedet  bei.  23®  und 
hat  bei  0®  die  Dichti^eit  0,931.  Es  liefert  mit  Natrium- 
ithylat  in  zugeschmolzenen  Röhren  auf  120®  erhitzt  Allylengaa. 

Das  reine  Chtorallyl  CsU&Cl  siedet  bei  44-45®  und  ha,t 
bei  0®  die  Dichtigkeit  0,934.  Es  wirkt  nicht  nur  auf 
Matriumdthylat,  sondern  auch  auf  alkoholische  Kalilauge  schon 
unterhalb  100®  ein  und  biUet  dabei  nicht  Allylen ,  sondern 
Allylathylather. 

Durch  diese  Versuche  ist  genügend  dargethan,  dafs  diese 
beiden  Chlorflre  nicht  identisch,  sondern  isomer  sind. 


35ä  Oppenheim,  über  isomere  ÄllyU 

Es  erschien  mir  aber  wicbtig^,  diese  Untersuchung  noch 
weiter  fortzuführen,  um  dadurch  mto  möglich  Aufklarung 
über  die  Existenz  einer  noch  unbekannten  KörperUasse  :  der 
gechlorten  Alkohole  der  gewöhnlichen  Reihe  tu  erhalten» 
Die  Entdeckung  solcher  Körper  wfirde  auch  beute  noch  Yon 
hohem  Interesse  sein.  Man  wfirde  dadurch  auf  einfachereai 
Wege  eu  Synthesen  von  secundfiren  Alkoholen  und  AnEObol-« 
derivaten  gelangen,  wie  sie  neuerdings  auf  verschiedene 
Weise  von  Btttlerow,  Prankland  u.  Duppa  und  Li e-^ 
ben  entdeckt  worden  sind. 

Der  einsige  gechlorte  Alkohol,  welcher  bisher  beschrie- 
ben ist,  gehört  der  aromatischen  Reihe  an.  Ich  meine  Neu- 
hof's  Mereaplan  aus  Chlorbenzyl  (Zeitschr.  f.  Chemie  1866, 
S.  655).  Vergebliche,  obgleich  sehr  sorgfaltig  ausgeführte 
Versnobe  zur  Bildung  ähnlicher  Körper  iti  der  fetten  Reihe 
liegen  von  Pfaundler  vor  (Bull.  soc.  chim.  1865,  p.  242). 
Derselbe  hat  aus  gebromtem  Aelhylen  und  Jodwasserstoff- 
säure eine  Verbindung  erhalten,  welche  durch   essigsaures 

s 

Kali  auf  compifcirte  Welse  zersetzt  wird,  indem  sowohl  Jod 
wie  Brom  darin  ausgetauscht  wird.  Es  frug  sich  nun,  ob 
Chlorfire  hierin  von  Bromuren,  ob  koblenstoffreichere  Ver-* 
bindungen  darin  von  Aethylenderivaten  abweichen,  und  welche 
Unterschiede  in  dieser  Hinsicht  unsere  beiden  *  isomeren 
Chlorfire  unter  einander  zeigen. 

Ferner  erschien  es  nützlich,  nicht  nur  dievon  Pfaund-^ 
ler  angewandte  Reaction,  sondern  alle  diejenigen  anzuwen- 
den, durch  welche  man  bisher  ungesättigte  Kohlenwasser- 
stoffe in  Alkohole  übergeführt  hat.  Nachdem  ich  festgestellt, 
dafi^  Wasserstoffsuperoxyd  bei  dreiwöchentlichem  Contacte 
auf  beide  Chlorfire  nicht  einwirkt,  beschränkte  ich  mich  zu- 
nächst darauf,  die  Einwirkung  von  Jodwasserstoffsäure,  von 
Schwefelsäure  und  von  Brom  auf  beide  Körper  zu  studiren. 


tmd  Propylenderioate.  359 

I.    £Snwirkung  van  JodwasBersioffsäure, 

Eine  in  Eis  gesättigte,  nur  schwach  gefärbte,  rauchende, 
sehr  concenlrirte  Lösung  von  Jodwasserstoff,  wie  sie  durch- 
gehends  angewendet  wurde,  ward  mit  Chlorallyl  zusammen- 
geschüttelt. Es  trat  sofort  starke  Erwärmung  und  Jodaus- 
scheidung ein.  Man  entfärbte  und  neutralisirte  die  Flfissig- 
keit  mittelst  einer  verdünnten  Lösung  von  kohlensaurem 
Natron,  und  erhielt  so  eine  schwere  Flüssigkeit,  welche 
gröfstentheils  zwischen  88  und  92^  kochte  und  sich  durch 
•die  Analyse  ab  Jodisopropyl  (Siedepunkt  89^)  erwies. 

0,322  Grm.  Sabstanz  gaben  0,117  H,0  und  0,261  CO,. 

Berecbnet  Gefunden 


c. 

36 

22,50 

22,14 

H, 

7 

4,37 

4,04 

J 

127 

73,13 

160  100,00. 

■ 

Jodwasserstoffsäure  und  Chlorallyl  setzen  sich  also  zu 
Chlorwnsserstoffsäure  und  Jodallyl  um,  und  von  dem  letzteren 
ist  es  bekannt,  dafs  es  durch  überschüssige  Jodwasserstoff- 
säure hydrogenirt  wird  (Simpson,  Erlenmeyer)  : 

C.HftCl  -f  3  HJ  =  C^Hy J  +  HCl  +  Jj. 

Diese  Reaction  ist  also  derjenigen ,  welcher  das  Chlor- 
ally)  seine  Entstehung  verdankt,  gerade  entgegengesetzt. 

Mit  dem  gechlorten  Fropylen  verbindet  sich  die  Jod- 
WRSserstoffsäure  direct.  Ein  Ueberschufs  derselben  wurde 
mit  dem  Chlorfir  in  einen  starken  birnförmigen  Kolben 
(„Matras^)  eingeschlossen  und  mehrere  Stunden  lang  im 
Wasserbflde  erhitzt.  Dabei  färbte  sich  die  Jodwasserstoff-^ 
säure  kaum  und  am  Boden  des  Gefäfses  fand  sich  eine  ölige 
Flüssigkeit,  welche  beim  Desiaiiren  auch  im  leeren  Ravm 
zersetzt  wird.  Sie  geht  unter  1  CM.  Druck  zwischen  HO 
«nd  150^  über.    Der  zwischen  liO  und  iSO^  aüfgeftingene 


360  Oppenheim^  über  isomere  Allyl'- 

Theil  zeigt  die  der  Formel  CaHsCl.HJ  entfiprediende  Zu- 
sammensetzung : 

0,488  Gnn.  Substanz  gaben  0,140  VLfi  und  0,317  CDs. 
^Berechnet Gefunden 

C,  36  17,64  17,71 

H^  6  2,44  2,89 

Cl  36,6  —  — 

J  127  —  — 

Die  Verbindung  hat  bei  0^  das  spec.  Gewicht  1^24. 

Da  nun  das  gechlorte  Propylen  sich  auch  bei  anhalten* 
dem  starkem  Erhitzea  mit  Kali-  oder  Silbersalzen  «lichi  ver* 
änderte,  hofiPle  ich  durch  Einwirkung  seiner  Jodwasserstoff- 
verbindung auf  ein  Aequivalent  dieser  Salze  das  Jod  auszu- 
tauschen, ohne  das  Chlor  der  Verbindung  anzugreifen.  So- 
wohl bei  der  Anwendung  von  trockenem  Silberacetat  als 
auch  von  einer  alkoholischen  Lösung  von  Kaliumacetat  im 
angegebenen  Verhältnifs  erhalt  man  jedoch  ein  jodhaltiges 
Product  und  im  ersteren  Falle  einen  Rückstand,  der  aus 
Chlorsilber  und  Jodsilber  besteht,  zum  Beweis,  dafs  gegen 
die  gehegte  Erwartung  das  Jod  und  das  Chlor  der  Verbin- 
dung gleichzeitig  angegriffen  werden.  Der  Zweck,  ein  ge- 
chlortes Acetat  zu  erhalten,  war  also  auf  diesem  Wege  un- 
durchführbar. Es  erschien  aber  wunschenswerth,  zu  erfor- 
schen, ob  durch  gleichzeitige  Vertretung  von  Chlor  und 
Jod  Derivate  des  Propylglycols  entstehen ,  d.  h.  ob  das  Jod- 
hydrat des  gechlorten  Propylens  identisch  ist  mit  Chlorjod- 
propylen. 

Aus  der  bekannten  Constitution  des  gechlorten  Propylens 

CHt 

cci  würde  dann  auch  die  Lagerung  der  Hydroxyle  im  Propyl- 

CH| 

glycol  erkannt  werden  kAnneu. 

Hau  liefs  deshalb  auf  das  Chlorojodür  awei  Aequivulrate 
SQberteetai  einwirken ,  und  ab  auf  diese  Weise  eine  reine 


und  IVopylenderivate*  361 

Yerbiodungf  nicht  erhalten  werden  konnte,  wurde  .statt  des 
Acetatft  Silberbenzoat  angewendet!  indem  man  hebufa  einer 
gleicbmifsigen  Einwirkung  völlig  was$erfreien  Adher  hinxa«* 
Mtzte.  Die  Reaotion  findet  unter  lebhafter  ErwiroMing  au* 
IfenblicUiob  statt  Um  sie  xu.Ende  su  führen  erhitzt  man 
jcinige  Stunden  kng  im  Wasserbade  mit  aufsteigendem  Kühler. 
Der  Aether  wird  darauf  abfiltrirt  und  der  Ruckstand  wieder- 
holt mit  Aether  ausgezogen.  Beim  Verdampfen  des  Lösungs- 
mittels bleiben  nun  ungewöhnlich  schöne  farblose,  durchs 
«iohtige,  glänzende  KrystaUe  zurück,  die  leicht  mehr  als 
1  Centimeter  lang  werden. 

Dieselben  sind  bei  sehr  hober  Temperatur  nnzersetzt 
flüchtig.  Im  luflverdünnten  Raum,  bei  1  CH.  Quecksilberdruck, 
destilliren  sie  zwischen  230  und  240^.  Ihr  Sehmelzpunkt 
liegt  zwischen  69  und  71^;  ihr  Erstarrungspunkt  zwischen 
50  und  58^  Sie  sind  aufserordentlich  schwer  verbrennlich, 
selbst  bei  Anwendung  von  chromsaurem  Blei. 

1.  0,2075  Grm.  Substans  gaben  0|107  H,0  und  0,5485  €0«. 

2.  0,236         n  „  n       0,127      „       „      0,6176     . 

Hieraus  berechnet  sich  die  dem  zweifach -benzoesauren 
Propylen  entsprechende  Zusammensetzung  : 

Berechnet  Gefunden 


c„ 

204 

71,83 

71,69 

71,37 

Hl. 

16 

5^63 

5,72 

5,96 

O4 

64 

22,54 

— 

— 

284  100,00. 

Diese  Uebereinstimmung  mit  dem.benzoesauren  Propylen 
aber  ist  nur  eine  ganz  fiufserliche. 

Mit  dem  von  A..  Kay  er  (Compt.  rend.  LIX,  244)  aus 
Brompropylen  dargestellten  benzocsauren  Propylen  hat  die 
neue  Verbindung  freilich  annähernd  den  Schmelzpunkt  (72^ 
Mayer)  und  vielleicht  den  Siedepunkt  gemeinsam;  aber  in 
krystallographiseher  und  chemischer  Hinsicht  weicht  sie  yon 


362  OppeHheim,  über  iiomgrt  AllyU 

demselben  ab.  Sohon  der  infiere  Habitos  der  KrysUUe  iit 
ein  ganz  verschiedener.  Die  Kryitallform  des  benxo<Sniir«B 
Propyiens  iat  wie  die  der  AelhylenTerbindangr  orlhorb«aibiich 
mit  Torwaltendem  Frisma.  Herr  Friedet,  welcher  die 
Form  dieser  Verbindungen  besclirieben  hat  *),  unteriog  nA 
aneh  der  Messung  meinw  KrystaUe  und  gelangte  dabei  zh 
folgenden  Resnllaten  : 

„Das  ans  dem  Jodhydrat  des  gechlorten  Propyleni  ge« 
wonnene  Benzoat  bildet  Uinorhombifohd  Octaeder,  deren 
Flächen  a',  o'  und  e'  stark  ausgebildet  sind,  während  die 
Flächen  />,  b'l*  und  g'  zurücktreten.  Die  FUchen  lind  glin- 
send  aber  wellenförmig  gebogen ,  so  dals  die  Strenge  der 
Hessnngen  dadurch  leUel." 

„Die  Winkel  sind  : 


f'  = 

126°15' 

fa'     = 

129»  i' 

0.'       = 

109"2B' 

«'e'   = 

106'i4' 

«'«'  über  p     = 

63"54' 

oVlfcer  f     =t 

10<»68' 

lOi'Bl') 

„Die  Octaeder  sind  fast  orthorhombisch.  Aber  ihre 
optische  Untersuchung  Ififst  keinen  Zweifel  darüber,  dafs  sie 
klinorhombisch  sind.  Eine  der  Fläche  p'  parallele  Platte 
zeigt  ein  einziges  System  von  Bingen,  die  so  gestellt  sind, 
dafs  sie  beweisen,  dafs  die  optischen  Axen  der  Symmetrie- 
ebene parallel  sind." 

Dazu  kommt,  dafs  bei  der  Versclfnng  mit  Kali  unser 
Benzoat  nicht  Propylglycol   liefert,   wie   es   der  Natur   des 


*)  Siehe   die   oben    uigefQhrtc  Arbeit   Majrer'a   und  Wai 
buidlnng  aber  (Hycole,  Ann.  cbim.  pbT*.  [S]  LT. 


und  Propylenderivaie,  869 

benzo^aoren  Propylens  entspricht ,  sondern  dne  Fldsrigkeit, 
welche  SHbersalse  beim  Erhitzen  redacirl  und  den  Geruch 
des  Acetons  besitzt. 

Eine  gröfsere  Menge  dieser  Flössigkeil,  welche  sieh 
dann  durch  ihren  Siedepunkt  und  durch  ihre  Verbindung  mit 
doppell  -  schwefligsaurem  Natron  unzweifelhaft  als  Aceton 
characterisirte,  erhielt  ich  direct  durch  ErwSrmen  von  feuch* 
fem  Sflberoxyd  mit  dem  Jodhydrat  des  gechlorten  Propylens, 
AbdestHliren  und  Trocknen  Aber  Ealthydrat.  Ziehen  wir  nun 
noch  in  Betracht,  daTs  Simpson  kQrzßch  durch  Einwirkung 
Yon  Chlorjodithylen  CsH^GlJ  auf  feuchtes  Silberoxyd  Glycol 
erhalten  hat  (Ann.  Ghem.  Pharm.  Suppl.*Bd.  VI,  358),  so  beweisen 

■ 

diese  Versuche  strenge,  dafs  unser  Jodbydrat  nicht  Propylen« 
chlorojodflr,   sondern  eine  damit  isomere  Verbindung  ist. 

Das  wahre  Propylenchlorojodör,  das  Simpson  flrAher 
durch  Einwirkung  von  Chlorjod  auf  Propylen  erhalten  hat, 
besitzt  das  specifische  Gewicht  1,932 ;  für  die  damit  isomere 
Verbindung  fand  ich  die  Dichtigkeit  1,824. 

Das  Jod  und  Chlor  der  letzteren  nehmen ,  wie  ihre  Unw^ 
Wandlung  zeigt,  die  Stelle  des  SauerstofTs  hn  Aceton  ein.  Sie 
entspricht  also  völlig  dem  Fried  ersehen  Methylchloracelal  und 
mnfs  demnach  die  Bezeichnung  Methylchlorjodacetol  erhalten. 
Ihre  Bildung  und  Umsetzung  Ififst  sich  durch  folgende  For* 
mein  anschaulich  machen  : 


CH^  CH, 

CCl  +  HJ        =  CCU 

CHg  CHy 

gechlorteB  Propylen  MethylchloijodacetoL 


CH3  CH| 

CCU  +      AgjO      =  ho    -\'  AgJ  +  Aga 

in,  in,  * 

Aceton.        -    ' 


864  Oppenheim^  über  isomere  AUyl- 

YxL  der  Benzoesflureverbindang  siod  Cblor  und  Jod  durch 
BenzoesSurereste  CtH^Os  vertreten.  Es  kommt  ilir  also  der 
Name  Methylbenzacetol,  die  Formel 

CH^  CH» 

I         ^  I 

C(G9H50,)t  nicht  CH.CtH»Ob    n 

OHg  GHg  •  Cf  H^Of 

MethylbeDzacetol  (bensote.  Propylon) 

und  sie  steht  in  derselben  Besiehung  zum  Aoeloip ,  in  wel- 
cher Geuther's  essigsaures  Aldehyden  zum  Aldehyd  steht 

Eine  Bestätigung  dieser  Auflieissung  liegt  in  der  Um<» 
Wandlung  des  Jodhydrats  des  gebromten  Aethylens  in  Aldehyd 
durob  Pfaundler  und  in  der  neuen  DarsteHung  der  von 
mir  beschriebenen  Verbindung,  welche  bald  nachher  Fried el 
und  Ladenburg  aiis Metfaylbromacetol  gelang  (Ann.  Chem. 
Pharm.  CXLV,  195).  Der  von  diesen  Chemikern  angewandte 
Name  benzoesaures  Propyliden  hat  den  NachtheU,  zu  der  Yer- 
muihung  zu  führen,  dafs  dieser  Körper  zu  dem  noch  unbe* 
kannten  Propylaldehyd  in  näherer  Beziehung  steht,  da 
Aethyliden  und  Aldehyden  synonyme  Bezeichnungen  des 
zweiatomigen  Aldehydradicals  sind,  entsprechende  Namen 
für  Acetonradicale  aber  nicht  vorhanden  sind. 

Durch  directe  Einwirkung  von  Saureanhydriden  auf 
Aceton  Verbindungen  zu  erzeugen^  ist  mir  bisher  noch  nich 
gelungen.  Auch  die  weiter  folgenden  Versuche  stützen 
jedoch  die  eben  besprochene  Anschauung. 

IL     Einwirkung   von   Schwefelsäure  auf  Chlarallyl  und 

gechlortes  Propylen, 

Die  Einwirkung  von  Schwefelsäure  auf  zweiatomige 
Carbüre  ist  bekanntlich  in  Berthelot's  Händen  das  erste 
Mittel  gewesen,  um  Kohlenwasserstoffe  in  Aethylalkohol  and 
höhere  Pseudoalkohole  zu  verwandeln  (1855).     Dafs  sich 


und  Propylenderivate,  865 

ftberbanpl  da«  Aetliylen  und  die  Homologen  mit  Schwefel- 
siore  verbfnden,  ist  schon  seit  1825  durch  Faraday*s  Un** 
tersuchungen  bekannt.  Daher  ist  es  anffallend/  dafsdie 
gechlorten  Carbflre  der  Fettreihe  bisher  auf  ihr  Verhalte» 
gegen  Schwefelsäure  noch  nicht  geprüft  worden  sind.  Hier 
teg  ein  völlig  unberührtes  und  ein  viel  versprechendes  Cre* 
biet  zur  Untersuchung  'offen,  und  schon  die  ersten  Schritte 
über  seine  Grenzen  sollten*  zu  bemerkenswerthen  und  uner'^ 
warteten  Ergebnissen  fuhren. 

Dafs  das  gechlorte  Propylen  eben  so  wie  das  Propyleo 
mit  Schwefelsfiure  eine  directe  Verbindung  eingehen  werde^ 
erschien  um  so  wahrscheinlicher,  als  die  eben  beschriebenen 
Versuche  die  leichte  Verbindbarkeit  dieses  Chlorör»  mit  Jod« 
wasserstöfTsäure  kennen  gelehrt  hatten. 

Ich  liefs  deshalb  durch  einen  Scheid  etriehter  einen  lang- 
#  sam  fliefsenden  Strom  frisch  destillirter  Sohwefelsüure  HsSO« 
in  eine  gut  abgekühlte  Flasche  fliefsen,  welche  gechlortes 
Propylen  enthielt.  Ein  Gasleitungsrohr  führte  aus  dem  doppelt 
durchbohrten  Kork  die  entsprechenden  Gase  durch  ein  von 
Eis  umgebenes  Schlangenrohr  ab. 

Diese  Gase  entwickelten  sich  in  Hasse  und  bestanden 
aus  nichts  Anderem  als  aus  Chlorwasserstoffsfiure.  Im  Ganzen 
wurde  etwa  das  Doppelte  der  theoretischen  Menge  Schwefel- 
säure zugesetzt.  Die  Einwirkung  geschieht  sofort  und  in 
der  Kilte.  Nach  24  Stunden  erwärmte  man  im  Wasserbade, 
um  die  Einwirkung  zu  vollenden.  Dann  wurde  das  Gemisch 
unter  guter  Abkühlung  in  Wasser  gegossen  und  ein  Theil 
mit  Baryumcarbonat  neutralisirt ,  um  die  etwa  entstehende 
SCure  von  der  Schwefelsaure  zu  trennen.  In  der  That  be- 
kam man  so  ein  lösliches  Barytsalz,  das  nicht  gut  genug 
krystallisirt  erhalten  worden  ist,  um  es  zu  analysiren.  Es 
ist  stark  hygroscopisch ,  bitter  und  vöIUg  chlorfrei.  Eine 
directe  Verbindung  von  gechlortem  Propylen  und  Schwefel- 


966  Oppenheim^  vJber  isomere  AüyU 

säure  findet  also  aulTaUender  Weise  nicht  atftit.  Die  Schwefel- 
siure  treibt  vielmehr  das  Chlor  in  der  Form  tod  Salzsäure 
aus,  in  einer  Weise,  die  gleich  näher  besprochen  werden 
soll  —  Der  gfröfsere  Tfaeil  des  Gemisches  ward  mit  der 
8-  bis  lOfachen  Wassermenge  destillirt.  Kohlensaures  Kali 
schied  aus  dem  Destillat  eine  leichte  Flüssigkeit  ab,  die  voll- 
ständig  zwischen  56  und  58^  überging,  den  Geruch,  die 
Zusammensetzung,  den  Siedepunkt,  die  chemischen  Eigen- 
schaften des  Acetons  zeigte.  Dieselbe  wurde  behufs  völliger 
Reinigung  zur  Analyse  mit  doppelt- seh wefiigsaurem  Natron 
verbunden,  mit  Aether  gewaschen  und  mit  kohlensaurem  Kali 
wieder  zersetzt.  Diefs  Verfahren  wurde  dreimal  wiederholt. 
Endlich  wurde  das  reine  Aceton,  iwelches  die  letzten  Reste 
Wasser  sehr  hartnäckig  zurückhielt,  über  Stücken  von  koh<» 
lensaurem  Kalium  getrocknet.  Die  folgenden  Analysen  sind 
mit  Substanz  von  verschiedener  Trockne  ausgeführt  worden« 

1)  0,2815  Grm.  Subetanz  gaben  0,211  H,0  und  0,525  CO«. 

2)  0,282        ,  •  „       0,227     ,        ,     0,520     , 
8)     0,2465      ,             »             n       0,237     ,        ,     0,650     , 

Berechnet  (xefünden 


c. 

86 

62,07 

1) 
61,85 

2) 
61,10 

60,95 

H. 

6 

10,34 

10,38 

10,68 

10,40 

0 

16 

27,69 

— 

— 

— 

58  100,00. 

Um  keinen  Zweifel  darüber  zu  lassen,  dafs  die  Substanz 
wirklich  Aceton  und  nicht  etwa  das  noch  unbekannte  damit 
isomere  Propylaldehyd  sei,  wurde  sie  durch  Kochen  mit 
Silberoxyd  in  einem  geschlossenen  Gefäfs  oxydirt.  Dabei 
sollte  Propylaldehyd  Propionsäure,  Aceton  dagegen^ein  Ge- 
menge von  Ameisensäure  und  Essigsäure  liefern.  DasGefifis 
(Matras)  fand  sich  nach  dem  Erhitzen  von  einem  Silberspiegel 
ausgekleidet.    Das  entstandene  Salzgemenge  schied  beim  Ein* 


und  Prapylenderivaie*  367 

dampfen  and  Stehenlassen  an  der  Luft  fortwihrend  Silber 
ab,  Beweis,  dafs  es  zum  grofsen  Theil  aus  ameisensaurem 
Silber  bestand,  wihrend  endlich  nach  wiederholtem  Filtriren 
und  Stehenlassen  eine  kleine  Menge  eines  beständigen  Silber-* 
Salzes  (Acetat)  übrig  blieb  *). 

Die  Besprechung  der  in  dieser  Reaction  entstehenden 
Sulfosinre  soll  einer  weiteren  Mittheilung  vorbehalten  blei- 
ben. Nehmen  wir  an,  dab  zwei  Molecnle  Schwefelsäure 
auf  ein  Moleeul  des  Chlorids  einwirken,  so  können  wir  die 
eben  besprochene  Reaction  durch  die  Formeln 

CH.  CHaH 

I  I 

Cd  +2  HtS04        =        C(H804),  +  HCl 

I  I 

CHg  OH, 

und 

CH,  CH, 

C(HS04)j       +     H,0        s=        CO  +   2  H,S04 
CH,  CH, 

ausdrücken. 

Wenn  man  reines  oder  ätherhaltiges  Chlorallyl  in  ganz 
derselben  Weise  mit  Schwefelsäure  behandelt,  wie  sie  oben 
für  das  isomere  Cblorür  beschrieben  worden,  so  zeigt  schon 
das  äufsere  Verhalten  einen  nennbaren  Unterschied  an.  Wih- 
rend in  der  oben  beschriebenen  Reaction  die  Flüssigkeit 
kaum  gefärbt  wird,  wird  sie  hier  dunkel  und  undurchsichtig. 
Wahrend  dort  Ströme  von  Salzsaure  entweichen,  findet  hier 
keine  Gasentwickelung  statt.  Um  die  Reaction  zu  vollenden 
liefs  man  auch  hier  das  Gemisch  von  Saure  und  Chlorallyl 
einen  Tag  lang  stehen  und  erwärmte  dann  im  Wasserbade 
mit  vorgelegtem  Kühler,  um  etwa  entweichende  Producte  auf- 
zufangen. 


*)  Die  Silberbestimmung  dieses  Bückstandes  wurde  leider  durch  einen 
Unfall  Terdorben. 


366  Oppenheim^  Mber  immtrt  Ali^ 


Dabei  tdhrinia  sich  die  Hasse  maä  mut  img  einige 
GranuD  dner  klaren  farblosen  Flnssifkeit  anf,  die  Dach 
mehreren  Fradionimigen  iwisehen  93  and  96^  kochte,  wwh- 
rend  ein  kleiner  Thdl  zwischen  40  nnd  93,  nnd  einige 
Tropfen  zwischen  130  nnd  140^  nbergingen  *).  Nach  P  r  i  e 
del  liegt  der  Siedepunkt  des  wahrem  Pn^jlenchlorvrs  zwi- 
schen 93  und  98^.  Mit  diesem  Körper  stimmt  nach  die  Zo- 
sammensetznng  des  betreffenden  Destillats  ▼ollig'  iberein. 

0,180  Gm.  ßolisteas  gaben  0,099  HfO  imd  0,210  CtV 


c. 

36 

31,86 

31,82 

H« 

6 

5,31 

5»S2 

ci. 

71 

62,83 

— 

113  100,00. 

Offenbar  hatte  sich  ein  Theil  des  Chlorallyls  mit  Chlor- 
wasserstoSisänre  verbunden,  welche  durch  Zerstörung  eines 
anderen  Theiles  frei  geworden  war. 

CH,  CH, 

CH        +  Ha       ==        cHa 
I  I 

CH,a  cH,a. 

Auch  hier  liegt  also  wiederum  ein  Unterschied  des  Güor- 
allyls  Ton  seinem  Isomeren  vor,  das  sich  mit  Jodwasserstoff- 
saure nicht  zu  wahrem  Propylenchlorojodur ,  sondern  sa 
Methylchlorjodacetol  verbindet. 

Dieser  Unterschied  findet  sich  auch  bei  den  Homologen. 
Das  gebromte  Aethylen  verbindet  sich  mit  Bromwassostoff- 
säure  nach  Reboul  nicht  zu  Bromathylen,  sondern  n  denn 
isomeren  gebromten  Bromäthyl  (Compt  rend.  1867). 

Die  ChlorallylschwefelsBure  wurde  mit  der  8-  bis  10- 
fachen  Menge  Wasser  destillirt     Hierbei  erhielt  man  ohne 


*)  Der  niedrig  siedende  Theil  ist  ein  Gemisch  ans  Aetfaer,  CUor- 
allyl  (?)  nnd  Pfopylenchlorür ;  der  hoch  siedende  wird  weiter 
besprochen  werden. 


und  Ptopyknd^ioaU.  309^ 

i!;  3  Eniwi^heluiig  von  soh welliger  Sasre  ein  DestiUat^  das  darch 

0 

i".  ]  Auflösen  darin  von  koUensmireai  Kalium  in  Wasser  und  eine 
r^.  I  leichlere  Flflssigkeit  getrennt  wurde. '  Die  letztere  ging 
:.« awischen  )20  und  180^,  ihr  bei  weitem  grö&ter  Tbeil  zwi- 
,::'•  sehen  126  und  128^  4ber.  Dieselbe  ist  chlorhaltig  und  ent- 
min ?  spricht  ihrer  Zusammensetzung  tt^ch  dem  gesuchten  ge- 
chlorten Alkohol. 

1.  0,245  Grm.  Substenz  gaben  0,148  H,0  und  0,341  COf 

2.  0,244     ,  ,  ,        0,162 


•*  't 


>» 


0,244     , 

w 

^ 

Beieciinet 

c, 

86 

88,09 

Hr 

7 

7,40 

Cl 

35,5 

37,56 

0 

16 

16,96 

n       11 

0,388     n 

Gefanden  *) 

1. 

2. 

67,91 

37,78 

6,79 

7,37 

3. 

4.     .         6. 

■35,64 

85,29        35,59 

Cl 
94,5        100,00. 

Alle  Eigenschaften  zeigen  jedoch,  dafs  diese  Verbindung 
das  mit  dem  gesuchten  Alkohol  isomere  Chlorhydrin  des 
Propylglycols  ist  In  der  That  hat  Herr  Oeser  den  Siede- 
punkt des  letzteren  ==  127^  angegeben.  Das  spec.  Gewicht 
ist  nach  Herrn  Oeser  =  1,1302.  Ich  fand  die  Dichtigkeit 
meiner  Substanz  =  1,247.  Mit  Kalihydrat  scheidet  sie  sofort 
Chlorkalium  ab  und  giebt  eine  leicht  flöchtige  chlorfreie 
Flüssigkeit,  deren  Eigenschaften  Tollkommen  mit  Propylen- 
oxyd  fibereinstimmen.  Es  siedet  wie  dieses  genau  bei  35^ 
und  scheidet  beim  Kochen  m  verschlossenen  Gefäfsen  aus 
Chlorma^nesiumlögung  Magnesia  ah. 

Die  eben  besprochene  Synthese  Idfst  Aber  die  beiden 
möglichen  Formeln  des  Propylenchlorhydrins  wenig  Zweifel 
mehr.  Das  Chlor  eines  primären  Alkoholradicalchlorürs  hängt 
nach  den  heute  geltenden  Anschauungen  an  einem  Kohlen- 
stofiatom  des  Endes ,  nicht  der  Mitte.    Der  Allylalkohol  mufs 


*)  lieber  den  Grund  der  zu  geringen  Chlormenge  siehe  weiter  unten. 
Anoal.    d.Chem.  a.  PhArm.  VI.  Bapplemsntbd.  8.  Heft.  24 


370  Oppenheim,  über  isomere  AllyU 

ftber  ein  primärer  Alkabol,  sein  CUorfir  ein  primires  Chlorür 
sein ;  denn  der  erstere  geht  dnrcli  Oxydation  in  die  entspre-» 
chende  Säure  üben  Es  kann  daher,  wenn  man  nicht  Umla- 
gerang während  der  Reaction  annimmt)  waza  hier  keine 
Yeranlasaong  ist,  die  relative  Stellung  des  Hydroxyls  und  des 
Chlors  im  Propylchlorhydrin  nar  die  folgende  sein  : 

CH« 
CH.HO 

I 

CHjCI. 

Es  ist  Jedenfalls  sehr  bemerkenswerth,  daCs  wir  aof  die 
beschriebene  Weise  durch  Addition  Yon  CUorwasserstoffisäare 
oder  ron  Wasser  an  Chlorallyl  in  die  Reäe  der  Propyl?er^ 
bindungen  hinäbergehen,  indem  wir  im  ersteren  Falle  Pro- 
pylenchlorfir,  im  zweiten  Falle  ein  GlyoolderiTat  erhalten, 
das  mit  dem  aus  Propylenbromür  dargestellten  ide&tisoh  ist, 
während  umgekehrt  das  gechlorte  Propylen  Additionsproducte 
liefert  9  welche  den  Propylenverbindungen  nicht  zugezahlt 
werden  können.  Da  die  Homologen  des  Chlorallyls  nichl 
bekannt  sind,  läfst  sich  nicht  entscheiden^  ob  diefs  Verhatten 
ein  generelles  ist. 

Das  so  Terschiedene  Verhalten  der  beiden  isomeren 
Chlorüre  gegen  Schwefelsäure  ladet  jedoch  vuTs  Neue  dazu 
ein,  das  Verhalten  Terwandtec  Substanzen  zu  untersuchen. 
Hierzu  nahm  ich  zunächst  die  einfachsten  Monochlorüre^ 
welche  zur  Hand  waren.  Nur  wenige  derselben  scheinen 
ohne  Einwirkung  auf  Schwefelsäure  zu  sein ;  diejenigen  näm- 
lich, welche  zu  dem  Terpentinöl  in  näherer  oder  fernerer 
Beziehung  stehen,  wie  das  Monochlorhydrat  desselben  und 
das  Chlormenthyl  *). 


*)  Die  beobachtete  Erw&rmmig  dieser  Snbstuos  mit  Schwefebftiira 
rührte  ron  der  iCnwesenheit  toh  Menthen  her,  ron  der  das  un- 
destillirbare  Chlorür  nicht  völlig  frei  war. 


und  I^BpylenderwaU.  371 

Die  übrigen  serfellen  ia  drei  KburaeD  : 

i. .  In  solche,  welcbe  nnter  Wa9seraiistritt  gepblorte 
Sulfo$äuren  liefern^  die  sich  daher  nicht  mehr  Yon  der  Schwe- 
felsaure»  sondern  Ton  der  schwefligen  Sänre  ableiten*  In 
diese  Klasse  gehören  die  Monochlorfire  der  aromatischen 
Reihe,  welche  das  Chlor  in  der  Hanptlcette  enthalten.  Diese 
Klasse  ist  die  einzige,  welche  in  ihrem  Verhalten  gegen 
SchwefebSnre  bereits  frftber  (1857)  dnrcb  Hntchings 
uat^rsncht  worden  ist. 

2.  In  solche,  welche  sich  mit  Schwefebinre  dlreet  Ter* 
bhiden.    Hierf&r  ist  das  Chlorallyl  bisher  das  einsige  Beispiel. 

3.  In  solche;  welche  sich  mit  SchwefelsSure  unter 
Chlorwasserstoffanstritt  verbinden.  Hierhm  gehören,  so  weit 
es  bisher  möglich  ist  zu  urtheilen,  alle  sauerstofifireien  Mono- 
chloräre  der  fetten  Reihe,  einerlei  ob  dieselben  gesättigt  oder 
ungesittigt  sind.  Chloramyl  verhält  sich  nämlich,  wie  ich 
gefunden,  gegen  Schwefelsaure  ganz  ähnlich  wie  das  ge- 
chlorte Propylen.  Es  entsteht  eine  chlorfreie  conjngirte 
Schwefelsäure  (Amylschwefelsäure) ,  die  mit  Wasser  zersetzt 
den  characteristii^chen  Geruch  nach  Amylalkohol  entwickelt 
Das  Chlor  dieser  Chloräre  verhält  sich  also  völlig  wie  das 
Hydroxyl  der  Alkohole,  das  mit  einem  Wasserstoff  der 
Schwefelsäure  zusammentritt,  während  der  organische  Rest 
mit  dem  Schwefelsäurerest  HSO4  eine  conjngirte  Säure  liefert. 
Die  Allgemeinheit  dieser  Reaction  verspricht  von  Wichtigkeit 
zu  werden,  und,  um  nur  eine  Anwendung  hier  anzudeuten, 
hoffe  ich  aus  der  Umwandlung  gechlorter  Kohlenwasserstoffe 
in  Ketone  Schlüsse  auf  ihre  Constitution  ziehen  zu  können. 

Was  endlich  die  sauerstoffhaltigen  Monochlorfire  angeht, 
80  kann  ich  aus  ihrem  Verhalten  noch  keine  allgemeinen 
Schlflsse  ziehen. 

Monochloressigsäure  wirkt  auf  Schwefelsäure  selbst  beim 
Kochen  nicht  merklich  ein.    Das  Monochlorhydrin  des  Glycols 

24» 


ZTit  Oppenheim f  über  ieomere  AHyl-^ 

aber  entwickelt  damit  schon  in  der  Kille  Ströme  von  Chlor— 
wasserstoffsanre  und  geht  dabei  sehr  wahrscheinlich  in  die 
iron  Simpson  untersachte  Salfoglycolsänre  ober.  Durch 
Zersetsnng  einer  ahnlichen  Säure  mit  Wasser  erlüftrl  siok 
die  Terunreinigong ,  welche  in  dem  oben  beschriebenen 
Chlorhydrin  des  Propylglycols  die  Chlormenge  zd  gering 
tusfallen  liefe.  ^ 

Weitere  Untersuchungen  der  Einwirkung  von  Schwefel- 
saure auf  andere  noch  chlorreichere  (Alor^e  hoffe  ich  biM 
veröffentlichen  2ti  können. 


Evmirkung  vcn  Brom  auf  GhloraUyl  und  gechlortes 

Pfopylen. 

Die  Einwirkung  von  Brom  auf  gechlortes  Propylen  ist 
durch  FriedeTs  Untersuchungen  bekannt.  Es  entsteht 
dabei  das  Additionsproduct  CsHsClBr»,  welches  bei  170^ 
kocht. 

Ich  liefjß  auf  diesen  Körper  zuerst  wenig,  dann  einen 
Ueberschufs  von  essigsaurem  Kalium  in  alkoholischer  Lösung 
einwirken.  Die  Einwirkung  ist  schwierig.  Die  entstehende 
Flüssigkeit  wurde  durch  Zusatz  von  Wasser  vom  Alkohol 
getrennt.  Sie  siedet  zwischen  70  und  170^.  Die  ersten 
Portionen  ergaben  durch  den  Geruch  eine  starke  Beimen- 
gung von  Essigathei;.  Die  durch  Fractionirung  getrennten 
Portionen,  siedend  von  103  bis  112^,  von  120  bis  130%  von 
130  bis  150%  von  150  bis  160^  wurden  untersucht.  Sie 
enthielten  sammtlich  Chlor  und  Brom.  Die  erste  ergab  sich 
als  fast  reines  CsHiClBr,  dessen  Siedepunkt  nach  Friedet 
bei  105^  liegt  : 

Berechnet  Gefunden 

C  23,15  22,64 

.      H  2,67  2,64, 


und  Pfopylenderwai0.  373 

die  leiste  als  wenig  Terindertes  BibromQr  C8H5ClBr2  : 

Btrecfanet  Qeftmden 

C         lbß%  ie,89 

H  2,11  2,78, 

die  dazwischen  liegenden  Producle  als  Gemenge  ans  beiden* 
Ein  Acetat  hatte  sich  bei  dieser  Reaction  nicht  gebildet. 
Dieselbe  bestand  vielmehr  in  der  Abtrennung  von  einem 
Molecnl  Bromwasserstoffsäure  nach  der  Gleichung  : 

CAClBr,  +  CÄKO,  =  KBr  +  CÄO,  +  CgH^ClBr. 

Bei  länger  andauerndem  Erhitzen  (12  Stunden  auf  130^) 
mit  einem  grofsen  Ueberschufs  von  Kaliumacetat  in  alkoho- 
lischer Lösung  wird  auch  das  zweite  Molecul  BrH  abge- 
spalten und  gleichzeitig  das  Chlor  durch  Oxftthyl  ersetzt. 
Es  entsteht  also  Propargyläther,  leicht  erkennbar  an  seinen 
Reactionen  mit  ammoniakalischer  Silberlösung  und  mit  Silber- 
nitrat. Mit  einer  Lösung  des  letzteren  Salzes  entsteht  ein 
krystallinischer  glänzender  weifser  Niederschlag,  den  ich 
erwähne,  weil  er  in  den  bisherigen  Angaben  über  diesen 
merkwürdigen  Aether  noch  nicht  beschrieben  ist.  Er  ent- 
steht bei  der  obigen  Reaction  in  ansehnlicher  Menge,  so  dafs 
man  diese  verhältnifsmäfsig  einfache  Methode  zu  seiner  Dar- 
stellung empfehlen  kann.  Wir  können  sie  uns  in  folgender 
Weise  versinnlichen  : 

CÄClBrg  +  2  C,H,KOg  +  2  0^0 
=  CJH,(CÄ)0  +  2  CÄO,  +  2  KBr  +  CAd  +  H«0. 

Die  saure  wässerig  -  alkoholische  Flüssigkeit  enthält  den 
Propargyläther  in  Lösung.  Bei  Wasserzusalz  hllen  Tropfen 
davon  heraus,  die  nahezu  dasselbe  spec.  Gewicht  wie  die 
umgebende  Flüssigkeit  haben.  Sie  enthalten  brom-  oder 
chlorhaltige  Beimengungen ,  von  denen  sie  durch  Destillation 
nicht  zu  trennen  sind. 

Eben  sowie  das  gechlorte  Propylen  verbindet  sich^äucfi 
das  Chlorallyl  mit  Brom  unter  lebhafter  Erwärmung,  lii  das 
gut  abgekühlte  Chlorfir,  das  mittelst  alkoholiseher  Sublimat- 


874  Oppenheim,  über  isomere  Allyl- 

löflung  dargestellt,  dureh  DestiUation  geremigt  war  und  zwl<- 
sehen  42  and  46^  siedete,  wurden  zwei  Aeqpiiyalente  Brom 
langsam  eingetropft.  Die  entstehende  kaum  geßrbte  Flfis- 
sigkeit  wird  durch  verdünnte  Kalilauge  ganz  farblos  erhalten. 
Sie  geht  vollständig  zwischen  194  und  197^  die  Hauptmenge 
constänt  bei  195^  Ober.  Bs  ist  diefs  auffallender  Weise  der- 
selbe Siedepunkt,  den  Horkownikoff  für  das  Bromür  des 
Allyläthyläthers  gefunden  hat.  Die  Analysen  stimmen  mit 
der  l^ormel  C^HsQBrs  sehr  nahe  überein,  obgleich  der 
etwas  zu  hohe  Kohlenstoffgehalt  auf  eine  geringe  Verunrei- 
nigiing  mit  dem  Morkownikoff'schen  Körper  hinweist, 
wie  sie  bei  der  oben  beschriebenen  Darstellungsweise  des 
Chlorailyls  leicht  erklärlich  ist 

1.  0,444  Grm.  Substans  gaben  0,099  H^Ound  0,257  00$. 

2.  0,624     „  „  ,       0,132     ^       „      0,3608  „ 

3.  0,698      „  ri  n       Ö,150Ö  ,       ,      0,408     , 

Gefunden 


Berechnet 

1. 

2. 

3. 

c 

15,22 

15,77 

15,68 

15,92 

u 

2,11 

2,48 

2,35 

2,39. 

Das  Allyiäthylätherbromür  enthalt  24,39  pC.  Kohlenstoff 
Und  4,05  pC.  I/Tasserstoff.  Das  speeifische  Gewicht  des 
Bibromchlorallyls  wurde  =  2,088  gefunden.  Sein  Siedepunkt 
195^  unterscheidet  es  von  dem  Chlordibromhydrin  RebouFs 
und  Berthelot's,  das  bei  202  bis  203^  kocht.  Nach 
Wurtz'  Versuchen  mit  Tribromallyl  ist  mit  Wahrsehein* 
iichkeit  voraoszlisetzen ,  dafs  auch  diese  Verbiadung  durch 
Kaljumacetal  in  Glycerinither  übergeführt  wird.  Ich  habe 
mich  deshalb  auf  die  Untersuchung  seines  Verhaltens  gegen 
Kalihydrat  beschränkt.  Alkoholische  Kalilosung  führt  e^ 
sofort  in  Propargylather  über.  Mit  festem  KaUhydrat  erhitzt 
es  sich,  indem  Brpmwasserstoffsaure  abgespalten  wird.  Die 
über  festes  Kalihydrat  destillnrte  Flüssigkeit  siedete  swischea 


und  PropyUni^rivate. 


m 


120  ond  130^  und  der  zwischen  120  und  12S<>  übergehende 
Theil  enthielt  26^6  pC.  Kohlenstoff  imd  3,14  pC.  Wasserstoff, 
während  der  Formel  CsH^ClBr  23,15  pC.  Kohlenstoff  und 
2y57  pC.  WffSserstoff  entsprechen.  Die  Analyse  der  höheren 
Producta  ergab  eben  so  weflfig  eine  rebi4  -  Verbindung. 
Die  Abspaltung  von  Bromwassersloffsaure  war  also  weiter 
gegangen,  ond  alinlioh;  wie  ick  isa  früher  bei  dem  Tridilor- 
eUyl  beobaehtet  halte,  war  es  nieht  leicht,  die  Beadion:  in  der 
beabsiobUgten  Weise  su  besehrtoken.  Offenbar  siedet  das 
Brottiür  des  gecblotten  Allyls  CsH4ClBr  über  ISS^  und  stimmt 
dar!»  mit  der  gleich  zuiammengesetzleii  GlyeidverhiMhing 
überehi,'  welehe  Reboul  aus  dem  Bromehlorhydrin  des 
Glycerins  erhalten  hat 

Bs  zeigt  alch  somit  dorchgehends,  wie  die  folgende 
Tabelle  ergiebt,  dafs  das  ChloraUyl  und  seine  Derivate  um 
21  bis  25^  höher  sieden  als  das  geehlorto  Propylen  und  die 
daraus  erhaltenen  Verbindungen  : 


Fozmd 

Derivate    des 
ChlozaUyla 
siedend  bei 

Derivate    des   ge- 

ohloYten  Ftopyleaa 

siedend  bei 

DiSbrens 

OjK^aBr, 
CAClBr 

ChloraDyl     440,5 

Chlorpro- 

pylen      Sß* 

—  195° 

—  1260  (?) 

gechlortes  Propy« 
kn   .    .      23^6 

Meihylchlor- 
acetol    .      78<» 

—  170» 

—  105° 

210 

28« 

25<» 
210 

376  Oppenheim  u,  Voyt^  über  eine  neue 

Ueber  eine  neue  Bildungs weise  des 

Resorcins; 

von  .^fhüM  Oppeuhmm  und  Geotg  Vogt 


Iii  dem  vorhergebeaden  Aabatze  sind  die  einfach* 
gechlorten  Kohlenwasserstoffe  je  nach  ihrem  Verhalten  sn 
Schnrefelsänre  in  drei  Gruppen  gebracht  and  die  Binwirhnngr 
Ton  Wasser  aof  die  Mitglieder  dieser  Gruppen  beschrieben 
worden.  Die  Aufgabe,  welche  wir  ans  in  der  vorliegenden 
Versachsreihe  gestellt  haben  5  betrifft  die  Ergftnzang  der 
angedeuteten  Untersuchung  :  ihre  Ausdehnung  auf  die  in 
ihrem  Verhalten  gegen  Schwefelsaure  am  Längsten  behannte 
Gruppe  von  Chlorflren,  nämlich  die  der  aromatischen  Reihe, 
welche  das  Chlor  in  der  Hauptkette  enthalten. 

Der  sich  darbietenden  Fragen  waren  swei  : 

1.  bt  es  möglich,  den  Schwefligsäurerest  der  Mono- 
chlorbenzolsulfosäure  durch  Hydroxyl  zu  ersetzen,  um  so 
zu  einem,  und  zwar  zu  was  fQr  einem  Chlorphenol  zu  ge- 
langen? und 

2.  Ist  es  möglich,  sowohl  Chlor  wie  SchwefligsXurerest 
durch  Hydroxyl  zu  ersetzen,  und  welche  der  drei  Bihydr- 
oxylTerbinduogeo  bildet  sich  auf  diese  Weise  ? 

Durch  Erhitzen  mit  Wasser  wird  die  Monochlorbenzol- 
sulfosfiure  nicht  angegriffen.  Wir  bedienten  uns  deshalb  der 
von  Dusardy  Wurtz  und  Kekulö  auf  Sulfosiuren  ange- 
wandten Reaction  :  Schmelzen  mit  Kali. 

Wir  bereiteten  Monochlorbenzol  auf  dem  von  Kekulö 
angegebenen  Wege  :  Auflösen  von  Jod  in  Benzol  und  mehr- 
stündiges Einleiten  von  Chlor.  Das  Product  wurde  fr«ctiomrt 
und  der  von  130  bis  140^  übergehende  Theil  als  genügend 
rein  angesehen  und  in  Sulfosfiure  verwandelt.    Wir  erhitzten 


Büdung9v>ei9ß  des  Besorcins*  ST? 

zu  diesem  Zweck  mit  etwas  ine)ir  ils.  einem  Aequivalent 
Schwefelsäare  in  einem  Geffifs  mit  aufsteigendem  KflUrohr. 
Die  Hasse  erstarrte  beim  Erkalten.  Sie  wurde  darauf  in 
Wasser  gelöst  und  durch  Mischen  mit  festem  kohlensaurem 
Baryum  von  Schwefelsäure  befreit.  Das  Filtrat  wurde  dann 
mit  kohlensaurem  ffa|ium  yerselzt,  bis  kein  Baryumcarbonat 
mehr  gefällt  wurde,  und  die  so  entstandene  filtrirte  Lösung 
von  monochlorbenzelsulfosaurem  Kalium  eingedampft.  Dieses 
Sals  wurde  nun  mit  Kali  in  verschiedenen  Verhältnissen  ge- 
schmolzen. Wir  bedienten  uns  dazu  einer  silbernen  oder 
eben  so  vortheilhaft  einer  eisernen  Schale  md  rflhrten  die 
aohmelzende  Hasse  mit  einem  Olasstabe  um.  Hierbei  nimmt 
dieselbe  eine  schön  kirschiiothe  Pirbuiig  an.  Niaiwit  man 
von  vorn  berein  nur  wenig  Kali  und  unterbricht  man  die 
Operation  in  dieseni  Zeitpunkte,  indem  man  die  Schmelze  in 
Wasser  löst,  mit  Salzsäure  neutralisirt  und  die  Lösung  ^nit 
Aether  scböttelt,  so  erhält  man  in  diesem  gelöst  ein  chlor- 
haltiges Product.  Dieses  konnte  nicht  rein  erbalten  werden. 
Dafs  es  kein  HonöcUorpbenol  sei,  ergab  sich  mit  grofser 
Wahrscheinlichkeit  erstens  aus  der  besprochenen  rothen 
Färbung»  die  es  an  der  Luft  annimmt,  und  ferner  durch  sein 
Verhalten  gegen  Kali. 

Wenn  man  nämlich  das  Sdimelzen  mit  Kaii  weiter  fort^ 
setzt,  oder  von  vorn  herein  unter  Anwendung  gröfserer 
.Mengen  Kali's  schmilzt,  so  verschwindet  die  rolhe  Färbung 
wieder  und  man  erhält  dann  aus  der  Lösung^  der  Sobmelie, 
wenn  man  sie  wie  oben  mit  Salissäure  neutralisirt  und  mit 
Aether  schfltielt ,  ein«  chtorfreie  Lösung.  .  Diese  «eist  beim 
langsamen  Verdunsten  sänlenförmige  oder  plittenförmige 
farblose  Krystalle  ab.  iJm  dieselben  rein  zu  erhalten  mutb 
man  sie  mit  Benzol  waschen,  abfvessen,  deetilliren  und  um^ 
krystallisiren.      Sie   liefern   dann  bei   der  Analyse   Zahlen, 


9T8  Oppenheim  u»  Vogt^  Ober  eine  neue 

die  mit  einer  BibydroxylTertimdoiiff  des  Phesyls  Abereüt* 
stimaien» 

1.  0>209  Grm.  Sulisteiut  gaben  0,130  B^O  und  0^508  CO,: 

2.  0,3806   a  >*i  »      0,184    »        ^    0,566    » 

CtcftniniMi 


Boroohiiet 

1. 

2. 

c 

66,46 

66,64 

66,29 

H, 

6,46 

6,82 

6,37 

0* 

29,08 

— 

— 

100,00. 

Bei  wenqier  volbtindiger  Reinigniig  gaben  die  farbloiea 
Kryatalle  mehrfach  2  pC.  Kohleoitoff  zu  viel.  Sie  hallen 
Phenol  mil  grober  Harlnicki^eit  BirQcL 

Sie  behallen  den  Genieh  dee  Phenols  tueh  im  reinen 
Znstande,  sind  von  sflfsem  Geschmack,  in  Wasser,  Alkohol 
nnd  Aether  Idslich.  Ihr  Schmelapairicl,  104^  ist  «m  S^  hoher 
als  der  von  HlasiweCz  und  Barth  angegebene  SchmeLB- 
psnkt  des  Resoorcins. 

Ihr  Siedepankl»  270  bis  276^  stimmt  mit  dem  des  Re- 
soreins  uberein,  während  Hydroehinon  nicht  nnsersetst, 
Brenzeatecbin  bei  243^  siedet.  Die  violette  Färbung,  welche 
seine  Lösung  mit  Eisenchlorid  annimmt,  vervollständigt  den 
Beweis  für  die  Identität  unseres  Körpers. 

Um  ihn  in  möglichst  grofsen  Mengen  zu  erhalten  schmol- 
zen wir  das  sulfosamre  Salz  mit  dem  doppelten  Gewicht  KaU, 
ohne  das  völlige  Verschwinden  der  rothen  Färbung  aban«- 
warten.  Zuweilen  bleibt  die  erhaltene  Lösung  Monate  lang 
lyrupartig.  In  einem  solchen  FaUe  hiMeten  sich  die  Ery- 
stalle  um  so  vollkommener  aus  und  erreiehten  eine  Länge 
von  oirca  2  MM.  Hrn.  Prof.  Rammeisberg  verdanken 
wir  die  feigende  Bestimmnng.  derselben  : 


Bildungsweüe  des  Besarcins. 


S?9 


^Die  Krystelle  sind  rBom- 
bisehe  Prismen  p  -  mit  einer 
taf  die  scharfen  Kanten  auf» 
geseta^n  Znschfirfung  q.  Ibr 
mnagelliafler  GittAz  gestattete  nur 
annfthemde  Messnngen  t 


p  :  p  =  118  bis  1190 
9:9=  83  bis  840 
p  :  9  =  112  bis  liao. 


^Kante  —  ist  anscheinend  rechtwinkelig  gegen  — , 

das  System  wahrscheinlicL.  sweigUedrig/  (Nach  H I  a  s  i  w  e  t  z 
und  Barth  ist  dasselbe  eingliedrig.)  Bisher  ist  das  Resorcin 
synthetisch  nnr  von  Körner  ans  Parajodphenol  erhalten 
worden.  Seine  neue  Bildungsweise  führt  dazu,  die  relative 
Stellung  von  Chlor  und  HSOs  in  der  Monochlorbenzolsulfo- 
säure  entsprechend,  also  die  letztere  als  Paraverbindung  an- 
zunehmen. 

Aufserdem  ladet  diese  Darstellung  zu  folgender  Reflexion 
ein.  Chlorphenyl  erleidet  Kbine  Einwirkung  durch  schmel- 
zendes KaU,  sobald  aber  Hydroxyl  oder  Schwefligsäurerest 
eintritt,  lafst  sich  durch  schmelzendes  Kali  Hydroxyl  leicht 
für  Chlor  und  in  dem  letzteren  Falle  zugleich  für  HSO3 
substituuren.  Diese  Facta  stehen  aber  nicht  allein  da.  In 
ganz  ähnlicher  Weise  kann  das  Chlor  des  gechlorten  Pro- 
pylens  durch  Hydroxyl  oder  Sfiurereste  nicht  vertreten  werden. 
Sobald  aber  Jodwasserstofibiure  hinzutritt,  werden  sowohl 
Chlor  wie  Jod  in  der  Verbindung  leicht  substituirt.  Hier  liegt 
also  eine  allgemeine  Erscheinung  vor,  die  klar  in  ein  Gesetz 
zu  fassen  noch  weitere  Erfahrungen  nöthig  sein  werden. 


380.    Oppenheim  u«   Vcffi,  neue  Büdung  d.  Reearcins» 

Die  Homologen  der  HeoMklorbeiisoIsulfDfiiure  werden 
höchst  wahrscheinlich  in  ihnlicheir  Weise.  Heiliöioge  des 
RewH'cins  liefern.  Von  gröCserem-  lata^tese  dürfte  die  Bin«» 
whrknng  der  Schwefeisinre  «ef  solche  aroinfttifiche  (UdorOra 
sein ;  die  das  Chlor  in  einer  Seilenkette  entiidlea «  und  auf 
diese  werden  wir  znnfichst  unsere  AufmerksandLeit  ridilen. 


Ausgegeben  den  14.  December  1868. 


Druck  TOD  Wilhelm  Keller  in  Qiefsen. 


MI. 


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